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Full text of "Zeitschrift für französische sprache und literatur"

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Zeitscluift 


für 


neufranzösische  Sprache 

und  Litteratur 

mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Unterrichts 
im  Französischen  auf  den  deutschen  Schulen 


herausgegeben 


von 


Dr.  G.  Körting  und  Dr.  E.  Koschwitz. 

Prof.  a.  d.  AKadeiie  zu  Hluster  i/W.    Prol.  a.  d.  üniyersltit  zn  (}reilswald. 


Band  VI. 


OPPELN 

Eugen   Franck's   Buchhandlung 

Georgr  Maske. 

1884. 


Inhalt. 


E.  Böhmer.       Gemeinsame    Transscription  für   Französisch 

und  Englisch 1—10 

J.  Frank.    Studien  über  die  Satyre  M^nippde 118 — 149 

H.  H  ar t  h.  Die  Qualität  der  reinen  Vokale  im  Neufranzösischen     11 — 112 
H.   J.    Heller.      Der   Naturalismus    in    der    Romandichtung 

Frankreichs  und  Deutschlands 297 — 319 

Thor  Sundby.    Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten 

und  seine  Verteidigung  des  Christentums      .  210 — 238,  265 — 296 
B.  über.    Zu  dem  französischen  Wörterbuche  von  Sachs     .  234 — 264 
L.  Wespy.    Die  historische  Entwickelung  der  Inversion  des 
Subjektes  im  Französischen  und  der  Gebrauch  derselben 
bei  Lafontaine 150—209 


Gemeinsame  Transscription  für  Franz.  und  Engl  5 

ich  a.  a.  Ort  auf  diese  Frage  eine  kurze  Antwort  gegeben;  hier 
ist  nun  etwas  näher  darauf  einzugehn.  Unterscheidet  man  in 
jedem  solchen  Gebiet  drei  Stufen,  so  beschränkt  sich  das  ein- 
fache Abzeichen,  Punktierung  oder  Häkchen,  auf  die  mittlere 
Stufe;  der  Laut,  der  enger  ist  als  der  mittelenge,  bekommt  unter 
seinen  Punkt  einen  zweiten,  engstes  a  hat  drei  Punkte,  der  Laut, 
der  weiter  als  der  mittel  weite,  erhält  an  dem  Häkchen  unten  ein 
zweites,  die  aneinander  grenzenden  Stufen  des  weiten  und  des 
engen  Vokals,  die  durch  denselben  Buchstaben  ausgedrückt  wer- 
den, erhalten  jede  die  beiden  Abzeichen,  das  Hauptzeichen  voran, 
also  bei  dem  wenigst  weiten  links  Häkchen,  rechts  Punkt  (oder 
Punkte)  und  umgekehrt  bei  dem  wenigst  engen.  Die  in  der  bei- 
gegebenen ausgeftthrteren  Tafel  zu  beiden  Seiten  des  weitesten 
CL  liegenden  q  werden  dadurch  unterschieden,  dass  ein  wage- 
rechtes Strichlein,  das  die  Mittelinie  von  a  bis  v  bedeutet,  bei 
dem  oberen  cl  unten  an  das  Häkchen  tritt,  bei  dem  unteren  q 
oben  an  das  Häkchen.  Statt  des  Trtibungshäkchens,  das  übri- 
gens, in  gleicher  Weise  wie  das  andere  Häkchen,  verdoppelt 
werden  kann  zur  Bezeichnung  von  stärkerer  Trübung  in  der- 
selben Richtung,  ist  bei  den  Vokalen  der  Mittelreihe,  die  oben 
und  unten  Trübungen  haben,  jenes  wagerechte  Strichlein  in 
gleichem  Sinne  wie  bei  den  q  anzuwenden.  Wo  bei  den  Trü- 
bungen der  Mittelreihe  Strich  und  :  zusammentreffen,  können,  da 
keine  Verwechslung  möglich  ist,  die  Punkte  neben  einander  ge- 
druckt werden.  Auch  I,  3.  4  der  Tafel  könnte  man  einen  Punkt 
unter  den  andern  setzen.  Wenn  beide  Häkchen  neben  einander 
vorkommen,  werden  sie  zu  einem  Dach  aneinandergelehnt,  unter 
und  neben  welchem  für  Punktierung  Platz  bleibt.  II,  3  mag 
man  die  Punkte  links  und  rechts  vom  Dach  setzen.  Wer  mit 
semitischen  Sprachen  bekannt  ist,  dem  wird  die  beigegebene 
Tafel  nicht  zu  kraus  aussehen.  Es  sind  nicht  mehr  als  vier 
Abzeichen  verwendet:  Punkt,  ^sweierlei  Häkchen,  Strich,  und  ist 
die  strenge  Regelmässigkeit  ihrer  Verwendung  offenbar.  Die 
Tafel  kann  in  eine  Halbkreisfiäche  umgewandelt  werden,  in- 
dem man  auf  die  Kreislinie  das  alleinstehende  a  und  die  unterste 
und  die  oberste  Reihe  überträgt,  alle  Buchstaben  in  gleichen 
Abständen,  ferner  die  Reihe  IV  auf  den  wagerechten  Halbmesser 
bringt,  und  in  jeder  der  senkrechten  Reihen  2  — 18  auf  jeder 
Seite  der  Mittellinie  vier  gleiche  Teile  macht,  von  deren  drei 
Grenzpunkten  der  mittlere  ohne  Buchstaben  bleibt  —  Wenn  die 
120  Vokale  dieser  Tafel  nicht  ausreichen,  kann  man  jeden  in 
zweitheilen:  f'f,,~a?  «-,  oder  in  drei,  in  welchem  Fall  unge- 
stricheltes f  die  Mittelstufe  bedeutete,  oder  statt  der  Dreitei- 
lung der  Tafel  eine  Siebenteilung  vornehmen,  für  die   ich  schon 


JEd. 

Böhmer 

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Ebenda  ist  bemerkt:  in  das  obere  Dreieck  sei  frz.  f^  in  das 
untere  dakorom.  q  zu  setzen;  und  dass  ich  die  Nasalvokale  a 
u.  s.  w.  schreibe.  Für  meine  Zuhörer  ist  diese  Vokaltafel  litho- 
graphiert worden,  ein  Halbkreis  von  u  zu  i  durch  a,  a  links,  u 
unten,  am  Halbmesser  die  Eeihe  a  bis  v,  mit  (in  den  E.  St. 
1875  flg.  angewendeten)  punktierten  Vokalen;  der  Herausgeber 
dieser  Zeitschrift  hat  die  Tafel  in  Greifswald  aufs  Neue  verviel- 
ßlltigen  lassen.  Cornu,  Förster,  Mussafia  u.  a.  (vgl.  auch  R.  St. 
n,  227)  haben  sich  gelegentlich  dieser  Vokalzeichen  bedient, 
Tobler  hat  in  der  zweiten  Auflage  seiner  Schrift  über  frz.  Vers- 
bau f  für  frz.  dumpfes  e  angenommen;  durch  Gärtner,  der  diese 
Tafel  schon  in  seinem  Greden  abdruckte  und  zu  Grunde  legte, 
hat  sie  in  seiner  Kätoromanischen  Grammatik,  welche  die  vom  Gott- 
hardt  bis  zur  Adria  lebenden  Mundarten  darstellt,  eine,  man 
darf  sagen  monumentale  Anwendung  gefunden,  auch  in  den  von 
Miklosich  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  veröflfent- 
lichten  Aufzeichnungen  Gartner's  über  das  Istro  -  rumänische  sind 
"ä  §  f  gebraucht;  Rosiger  hat  mit  derselben  Vokalbezeichnung 
den  jetzigen  Waldenserdialekt  von  Neu-Hengstatt  (Bijrset)  treff- 
lich aufgenommen.  Über  die  Verwendbarkeit  beim  frz.  Schul- 
unterricht handelt  Kreutzberg  in  der  Festschrift  zum  Jubiläum 
der  Realschule  zu  Neisse  1882. 

Machen  wir  die  Anwendung  auf  das  Englische,  so  zeigt 
sich,  dass  von  den  in  Sweet^s  Elementarbuch  aufgeführten  Ton- 
vokalen die  allermeisten  sich  ohne  weiteres  in  jener  Weise  be- 
zeichnen lassen.  Nämlich  path  hat  a,  pat  a,  pet  e,  pate  e,  pit  |\ 
peat  iy  fall  g,  note  o,  füll  u,  moot  u.  Fraglich  bleiben  also  nur 
but  not  Tier. 

Es  ist  nun  sofort  noch  das  klar,  dass  das  Trübungszeichen 
zu  jedem  Vokalbuchstaben  hinzugefügt  werden  kann,  wenn  das 
Bedürfnis  vorliegt  (und  meine  Zuhörer  wissen,  dass  ich  e  und  q 
nur  als  Hindeutungen  darauf  in  die  Tafel  gesetzt  habe.  Im 
Grednerischen,  R.  St.  HI,  87,  glaubte  ich  einen  gewissen 
dumpfen  Laut  ,,mit  j  besser  wiederzugeben  als  mit  ^'^;  die  beste 
Bezeichnung  j  war  nämlich  nicht  vorrätig). 

Aber  wie  ist  das  o  von  not,  das  zwischen  g  und  a  liegt, 
zu  bezeichnen?  Die  Frage  läuft  auf  die  allgemeinere  hinaus:  wie 
sind,  nachdem  die  Vokale  durch  Punktierung  und  rechts  offenes 
Häkchen  unterschieden  worden  sind,  Unterschiede  innerhalb  des 
Gebietes  jedes  solchen  Vokals  zu  bezeichnen?  Schon  1872  habe 


Gemeinsame  Transscription  für  Franz,  und  Engl  5 

ich  a.  a.  Ort  auf  diese  Frage  eine  kurze  Antwort  gegeben;  hier 
ist  nun  etwas  näher  darauf  einzugehn.  Unterscheidet  man  in 
jedem  solchen  Gebiet  drei  Stufen,  so  beschränkt  sich  das  ein- 
fache Abzeichen,  Punktierung  oder  Häkchen,  auf  die  mittlere 
Stufe;  der  Laut,  der  enger  ist  als  der  mittelenge,  bekommt  unter 
seinen  Punkt  einen  zweiten,  engstes  a  hat  drei  Punkte,  der  Laut, 
der  weiter  als  der  mittel  weite,  erhält  an  dem  Häkchen  unten  ein 
zweites,  die  aneinander  grenzenden  Stufen  des  weiten  und  des 
engen  Vokals,  die  durch  denselben  Buchstaben  ausgedrückt  wer- 
den, erhalten  jede  die  beiden  Abzeichen,  das  Hauptzeichen  voran, 
also  bei  dem  wenigst  weiten  links  Häkchen,  rechts  Punkt  (oder 
Punkte)  und  umgekehrt  bei  dem  wenigst  engen.  Die  in  der  bei- 
gegebenen ausgeführteren  Tafel  zu  beiden  Seiten  des  weitesten 
CL  liegenden  q  werden  dadurch  unterschieden,  dass  ein  wage- 
rechtes Strichlein,  das  die  Mittelinie  von  a  bis  v  bedeutet,  bei 
dem  oberen  q  unten  an  das  Häkchen  tritt,  bei  dem  unteren  q 
oben  an  das  Häkchen.  Statt  des  Trtibungshäkchens,  das  übri- 
gens, in  gleicher  Weise  wie  das  andere  Häkchen,  verdoppelt 
werden  kann  zur  Bezeichnung  von  stärkerer  Trübung  in  der- 
selben Kichtung,  ist  bei  den  Vokalen  der  Mittelreihe,  die  oben 
und  unten  Trübungen  haben,  jenes  wagerechte  Strichlein  in 
gleichem  Sinne  wie  bei  den  q  anzuwenden.  Wo  bei  den  Trü- 
bungen der  Mittelreihe  Strich  und  :  zusammentreffen,  können,  da 
keine  Verwechslung  möglich  ist,  die  Punkte  neben  einander  ge- 
druckt werden.  Auch  I,  3.  4  der  Tafel  könnte  man  einen  Punkt 
unter  den  andern  setzen.  Wenn  beide  Häkchen  neben  einander 
vorkommen,  werden  sie  zu  einem  Dach  aneinandergelehnt,  unter 
und  neben  welchem  für  Punktierung  Platz  bleibt.  II,  3  mag 
man  die  Punkte  links  und  rechts  vom  Dach  setzen.  Wer  mit 
semitischen  Sprachen  bekannt  ist,  dem  wird  die  beigegebene 
Tafel  nicht  zu  kraus  aussehen.  Es  sind  nicht  mehr  als  vier 
Abzeichen  verwendet:  Punkt,  zweierlei  Häkchen,  Strich,  und  ist 
die  strenge  Regelmässigkeit  ihrer  Verwendung  offenbar.  Die 
Tafel  kann  in  eine  Halbkreisfiäche  umgewandelt  werden,  in- 
dem man  auf  die  Kreislinie  das  alleinstehende  a  und  die  unterste 
und  die  oberste  Reihe  überträgt,  alle  Buchstaben  in  gleichen 
Abständen,  ferner  die  Reihe  IV  auf  den  wagerechten  Halbmesser 
bringt,  und  in  jeder  der  senkrechten  Reihen  2  — 18  auf  jeder 
Seite  der  Mittellinie  vier  gleiche  Teile  macht,  von  deren  drei 
Grenzpunkten  der  mittlere  ohne  Buchstaben  bleibt  —  Wenn  die 
120  Vokale  dieser  Tafel  nicht  ausreichen,  kann  man  jeden  in 
zweitheilen:  f'e,~a?  ce~,  oder  in  drei,  in  welchem  Fall  unge- 
stricheltes f  die  Mittelstufe  bedeutete,  oder  statt  der  Dreitei- 
lung der  Tafel  eine  Siebenteilung  vornehmen,  für  die   ich  schon 


Ed.  Böhmer 
a     ^     ^     i     i 

a      Q     0     u     u 

Ebenda  ist  bemerkt:  in  das  obere  Dreieck  sei  frz.  fy  in  das 
untere  dakorom.  q  zu  setzen;  und  dass  ich  die  Nasalvokale  a 
u.  s.  w.  schreibe.  Für  meine  Zuhörer  ist  diese  Vokaltafel  litho- 
graphiert worden,  ein  Halbkreis  von  u  zu  i  duixh  a,  a  links,  u 
unten,  am  Halbmesser  die  Reihe  a  bis  v,  mit  (in  den  K.  St. 
1875  flg.  angewendeten)  punktierten  Vokalen;  der  Herausgeber 
dieser  Zeitschrift  hat  die  Tafel  in  Greifswald  aufs  Neue  verviel- 
fältigen lassen.  Cornu,  Förster,  Mussafia  u.  a.  (vgl.  auch  R.  St. 
n,  227)  haben  sich  gelegentlich  dieser  Vokalzeichen  bedient, 
Tobler  hat  in  der  zweiten  Auflage  seiner  Schrift  über  frz.  Vers- 
bau f  für  frz.  dumpfes  e  angenommen;  durch  Gärtner,  der  diese 
Tafel  schon  in  seinem  Greden  abdruckte  und  zu  Grunde  legte, 
hat  sie  in  seiner  Rätoromanischen  Grammatik,  welche  die  vom  Gott- 
hardt  bis  zur  Adria  lebenden  Mundarten  darstellt,  eine,  man 
darf  sagen  monumentale  Anwendung  gefunden,  auch  in  den  von 
Miklosich  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  veröflfent- 
lichten  Aufzeichnungen  Gartner's  über  das  Istro  -  rumänische  sind 
"ä  §  f  gebraucht;  Rosiger  hat  mit  derselben  Vokalbezeichnung 
den  jetzigen  Waldenserdialekt  von  Neu-Hengstatt  (Bijrset)  treff- 
lich aufgenommen.  Über  die  Verwendbarkeit  beim  frz.  Schul- 
unterricht handelt  Kreutzberg  in  der  Festschrift  zum  Jubiläum 
der  Realschule  zu  Neisse  1882. 

Machen  wir  die  Anwendung  auf  das  Englische,  so  zeigt 
sich,  dass  von  den  in  Sweet's  Elementarbuch  aufgeführten  Ton- 
vokalen die  allermeisten  sich  ohne  weiteres  in  jener  Weise  be- 
zeichnen lassen.  Nämlich  path  hat  a,  pat  a,  pet  §y  pate  e,  pit  i, 
peat  i,  fall  g,  note  o,  fuU  w,  moot  u.  Fraglich  bleiben  also  nur 
but  not  her. 

Es  ist  nun  sofort  noch  das  klar,  dass  das  Trübungszeichen 
zu  jedem  Vokalbuchstaben  hinzugefügt  werden  kann,  wenn  das 
Bedürfnis  vorliegt  (und  meine  Zuhörer  wissen,  dass  ich  e  und  o 
nur  als  Hindeutungen  darauf  in  die  Tafel  gesetzt  habe.  Im 
Grednerischen,  R.  St.  HI,  87,  glaubte  ich  einen  gewissen 
dumpfen  Laut  ,,mit  i  besser  wiederzugeben  als  mit  a";  die  beste 
Bezeichnung  i  war  nämlich  nicht  vorrätig). 

Aber  wie  ist  das  o  von  not,  das  zwischen  g  und  a  liegt, 
zu  bezeichnen?  Die  Frage  läuft  auf  die  allgemeinere  hinaus:  wie 
sind,  nachdem  die  Vokale  durch  Punktierung  und  rechts  offenes 
Häkchen  unterschieden  worden  sind,  Unterschiede  innerhalb  des 
Gebietes  jedes  solchen  Vokals  zu  bezeichnen?  Schon  1872  habe 


Gemeinsame  TransscripHon  für  Franz.  und  Engl  5 

ich  a.  a.  Ort  auf  diese  Frage  eine  kurze  Antwort  gegeben;  hier 
ist  nun  etwas  näher  darauf  einzugehn.  Unterscheidet  man  in 
jedem  solchen  Gebiet  drei  Stufen,  so  beschränkt  sich  das  ein- 
fache Abzeichen,  Punktierung  oder  Häkchen,  auf  die  mittlere 
Stufe;  der  Laut,  der  enger  ist  als  der  mittelenge,  bekommt  unter 
seinen  Punkt  einen  zweiten,  engstes  a  hat  drei  Punkte,  der  Laut, 
der  weiter  als  der  mittelweite,  erhält  an  dem  Häkchen  unten  ein 
zweites,  die  aneinander  grenzenden  Stufen  des  weiten  und  des 
engen  Vokals,  die  durch  denselben  Buchstaben  ausgedrückt  wer- 
den, erhalten  jede  die  beiden  Abzeichen,  das  Hauptzeichen  voran, 
also  bei  dem  wenigst  weiten  links  Häkchen,  rechts  Punkt  (oder 
Punkte)  und  umgekehrt  bei  dem  wenigst  engen.  Die  in  der  bei- 
gegebenen ausgeführteren  Tafel  zu  beiden  Seiten  des  weitesten 
q  liegenden  q  werden  dadurch  unterschieden,  dass  ein  wage- 
rechtes Strichlein,  das  die  Mittelinie  von  a  bis  v  bedeutet,  bei 
dem  oberen  q  unten  an  das  Häkchen  tritt,  bei  dem  unteren  q 
oben  an  das  Häkchen.  Statt  des  Trtibungshäkchens,  das  übri- 
gens, in  gleicher  Weise  wie  das  andere  Häkchen,  verdoppelt 
werden  kann  zur  Bezeichnung  von  stärkerer  Trübung  in  der- 
selben Richtung,  ist  bei  den  Vokalen  der  Mittelreihe,  die  oben 
und  unten  Trübungen  haben,  jenes  wagerechte  Strichlein  in 
gleichem  Sinne  wie  bei  den  q  anzuwenden.  Wo  bei  den  Trü- 
bungen der  Mittelreihe  Strich  und  :  zusammentreffen,  können,  da 
keine  Verwechslung  möglich  ist,  die  Punkte  neben  einander  ge- 
druckt werden.  Auch  I,  3.  4  der  Tafel  könnte  man  einen  Punkt 
unter  den  andern  setzen.  Wenn  beide  Häkchen  neben  einander 
vorkonmien,  werden  sie  zu  einem  Dach  aneinandergelehnt,  unter 
und  neben  welchem  für  Punktierung  Platz  bleibt.  U,  3  mag 
man  die  Punkte  links  und  rechts  vom  Dach  setzen.  Wer  mit 
semitischen  Sprachen  bekannt  ist,  dem  wird  die  beigegebene 
Tafel  nicht  zu  kraus  aussehen.  Es  sind  nicht  mehr  als  vier 
Abzeichen  verwendet:  Punkt,  zweierlei  Häkchen,  Strich,  und  ist 
die  strenge  Regelmässigkeit  ihrer  Verwendung  offenbar.  Die 
Tafel  kann  in  eine  Halbkreisfiäche  umgewandelt  werden,  in- 
dem man  auf  die  Kreislinie  das  alleinstehende  a  und  die  unterste 
und  die  oberste  Reihe  überträgt,  alle  Buchstaben  in  gleichen 
Abständen,  ferner  die  Reihe  IV  auf  den  wagerechten  Halbmesser 
bringt,  und  in  jeder  der  senkrechten  Reihen  2  — 18  auf  jeder 
Seite  der  Mittellinie  vier  gleiche  Teile  macht,  von  deren  drei 
Grenzpunkten  der  mittlere  ohne  Buchstaben  bleibt.  —  Wenn  die 
120  Vokale  dieser  Tafel  nicht  ausreichen,  kann  man  jeden  in 
zweitheilen:  e' e  ,  ~a?  ce-,  oder  in  drei,  in  welchem  Fall  unge- 
stricheltes ^  die  Mittelstufe  bedeutete,  oder  statt  der  Dreitei- 
lung der  Tafel  eine  Siebenteilung  vornehmen,  für  die   ich  schon 


Ed.  Böhmer 


q   {  <B     <B      V      V 

6     I  c         •  c  • 

a      Q     0     u     u 

Ebenda  ist  bemerkt:  in  das  obere  Dreieck  sei  frz.  fy  in  das 
untere  dakorom.  o  zu  setzen;  und  dass  ich  die  Nasalvokale  ä 
u.  B.  w.  schreibe.  Für  meine  Zuhörer  ist  diese  Vokaltafel  litho- 
graphiert worden,  ein  Halbkreis  von  u  zu  i  durch  a^  a  links,  u 
unten,  am  Halbmesser  die  Reihe  a  bis  v,  mit  (in  den  R.  St. 
1875  flg.  angewendeten)  punktierten  Vokalen;  der  Herausgeber 
dieser  Zeitschrift  hat  die  Tafel  in  Greifswald  aufs  Neue  verviel- 
föltigen  lassen.  Cornu,  Förster,  Mussafia  u.  a.  (vgl.  auch  R.  St. 
II,  227)  haben  sich  gelegentlich  dieser  Vokalzeichen  bedient, 
Tobler  hat  in  der  zweiten  Auflage  seiner  Schrift  über  frz.  Vers- 
bau f  für  frz.  dumpfes  e  angenommen;  durch  Gärtner,  der  diese 
Tafel  schon  in  seinem  Greden  abdruckte  und  zu  Grunde  legte, 
hat  sie  in  seiner  Rätoromanischen  Grammatik,  welche  die  vom  Gott- 
hardt  bis  zur  Adria  lebenden  Mundarten  darstellt,  eine,  man 
darf  sagen  monumentale  Anwendung  gefunden,  auch  in  den  von 
Miklosich  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  veröffent- 
lichten Aufzeichnungen  Gartner's  über  das  Istro  -  rumänische  sind 
"ä  f  f  gebraucht;  Rosiger  hat  mit  derselben  Vokalbezeichnung 
den  jetzigen  Waldenserdialekt  von  Neu  -  Hengstatt  (Bijrset)  treff- 
lich aufgenommen.  Über  die  Verwendbarkeit  beim  frz.  Schul- 
unterricht handelt  Kreutzberg  in  der  Festschrift  zum  Jubiläum 
der  Realschule  zu  Neisse  1882. 

Machen  wir  die  Anwendung  auf  das  Englische,  so  zeigt 
sich,  dass  von  den  in  Sweet's  Elementarbuch  aufgeführten  Ton- 
vokalen die  allermeisten  sich  ohne  weiteres  in  jener  Weise  be- 
zeichnen lassen.  Nämlich  path  hat  a,  pat  a,  pet  ^,  pate  e,  pit  i, 
peat  iy  fcdl  q^  note  Oj  fuU  Uy  moot  u.  Fraglich  bleiben  also  nur 
hut  not  her. 

Es  ist  nun  sofort  noch  das  klar,  dass  das  Trübungszeichen 
zu  jedem  Vokalbuchstaben  hinzugefügt  werden  kann,  wenn  das 
Bedürfnis  vorliegt  (und  meine  Zuhörer  wissen,  dass  ich  e  und  o 
nur  als  Hindeutungen  darauf  in  die  Tafel  gesetzt  habe.  Im 
Grednerischen,  R.  St.  III,  87,  glaubte  ich  einen  gewissen 
dumpfen  Laut  „mit  i  besser  wiederzugeben  als  mit  ^";  die  beste 
Bezeichnung  i  war  nämlich  nicht  vorrätig). 

Aber  wie  ist  das  o  von  notj  das  zwischen  q  und  a  liegt, 
zu  bezeichnen?  Die  Frage  läuft  auf  die  allgemeinere  hinaus:  wie 
sind,  nachdem  die  Vokale  durch  Punktierung  und  rechts  offenes 
Häkchen  unterschieden  worden  sind,  Unterschiede  innerhalb  des 
Gebietes  jedes  solchen  Vokals  zu  bezeichnen?  Schon  1872  habe 


Gemeinsame  TransscripHon  f&r  Franz,  und  Engl  5 

ich  a.  a.  Ort  auf  diese  Frage  eine  kurze  Antwort  gegeben;  hier 
ist  nun  etwas  näher  darauf  einzugehn.  Unterscheidet  man  in 
jedem  solchen  Gebiet  drei  Stufen,  so  beschränkt  sich  das  ein- 
fache Abzeichen,  Punktierung  oder  Häkchen,  auf  die  mittlere 
Stufe;  der  Laut,  der  enger  ist  als  der  mittelenge,  bekommt  unter 
seinen  Punkt  einen  zweiten,  engstes  q  hat  drei  Punkte,  der  Laut, 
der  weiter  als  der  mittelweite,  erhält  an  dem  Häkchen  unten  ein 
zweites,  die  aneinander  grenzenden  Stufen  des  weiten  und  des 
engen  Vokals,  die  durch  denselben  Buchstaben  ausgedrückt  wer- 
den, erhalten  jede  die  beiden  Abzeichen,  das  Hauptzeichen  voran, 
also  bei  dem  wenigst  weiten  links  Häkchen,  rechts  Punkt  (oder 
Punkte)  und  umgekehrt  bei  dem  wenigst  engen.  Die  in  der  bei- 
gegebenen ausgefilhrteren  Tafel  zu  beiden  Seiten  des  weitesten 
q  liegenden  ^  werden  dadurch  unterschieden,  dass  ein  wage- 
rechtes Strichlein,  das  die  Mittelinie  von  a  bis  v  bedeutet,  bei 
dem  oberen  q  unten  an  das  Häkchen  tritt,  bei  dem  unteren  a 
oben  an  das  Häkchen.  Statt  des  Trübungshäkchens,  das  übri- 
gens, in  gleicher  Weise  wie  das  andere  Häkchen,  verdoppelt 
werden  kann  zur  Bezeichnung  von  stärkerer  Trübung  in  der- 
selben Richtung,  ist  bei  den  Vokalen  der  Mittelreihe,  die  oben 
und  unten  Trübungen  haben,  jenes  wagerechte  Strichlein  in 
gleichem  Sinne  wie  bei  den  q  anzuwenden.  Wo  bei  den  Trü- 
bungen der  Mittelreihe  Strich  und  :  zusammentreffen,  können,  da 
keine  Verwechslung  möglich  ist,  die  Punkte  neben  einander  ge- 
druckt werden.  Auch  I,  3.  4  der  Tafel  könnte  man  einen  Punkt 
unter  den  andern  setzen.  Wenn  beide  Häkchen  neben  einander 
vorkommen,  werden  sie  zu  einem  Dach  aneinandergelehnt,  unter 
und  neben  welchem  für  Punktierung  Platz  bleibt.  II,  3  mag 
man  die  Punkte  links  und  rechts  vom  Dach  setzen.  Wer  mit 
semitischen  Sprachen  bekannt  ist,  dem  wird  die  beigegebene 
Tafel  nicht  zu  kraus  aussehen.  Es  sind  nicht  mehr  als  vier 
Abzeichen  verwendet:  Punkt,  zweierlei  Häkchen,  Strich,  und  ist 
die  strenge  Regelmässigkeit  ihrer  Verwendung  offenbar.  Die 
Tafel  kann  in  eine  Halbkreisfläche  umgewandelt  werden,  in- 
dem man  auf  die  Kreislinie  das  alleinstehende  a  und  die  unterste 
und  die  oberste  Reihe  überträgt,  alle  Buchstaben  in  gleichen 
Abständen,  ferner  die  Reihe  IV  auf  den  wagerechten  Halbmesser 
bringt,  und  in  jeder  der  senkrechten  Reihen  2  — 18  auf  jeder 
Seite  der  Mittellinie  vier  gleiche  Teile  macht,  von  deren  drei 
Grenzpunkten  der  mittlere  ohne  Buchstaben  bleibt.  —  Wenn  die 
120  Vokale  dieser  Tafel  nicht  ausreichen,  kann  man  jeden  in 
zweitheilen:  e'e,~6B  cb-,  oder  in  drei,  in  welchem  Fall  unge- 
stricheltes f  die  Mittelstufe  bedeutete,  oder  statt  der  Dreitei- 
lung der  Tafel  eine  Siebenteilung  vornehmen,  für  die   ich  schon 


6  Ed.  Böhmer 

1872  a«  a«  0.  auf  Bezeichniiogeii  hinwies  wie  x  a„,  a^  osg  €b% 
ce-2  (=  (^^X  —  doch  genug  f&r  diesnuü,  fibeigenng.  In  Tex« 
ten  sind  diese  Bezeichnungen  Ton  mehr  als  drei  Stofen  zu  nn- 
geftige^  aber  auch  nicht  erforderlich. 

Nunmehr  ist  das  o  Ton  not  leicht  zu  bezeichnen,  es  ist  o 
mit  rechts  offenem  Doppelhäkchen.  Ffir  den  Vokal  tou  but  kann 
man  sich  nicht  gut  mit  q  behelfen,  er  gehört  zu  Gruppe  der 
zwischen  den  a  und  den  cß  liegenden  Lauten,  —  schon  Lepsius 
setzte  ihn  dort  an,  —  für  die  ich  ein  a  Terwende,  das  rechts 
mit  einer  Knrve  verbunden  ist,  die  als  Andeutung  tou  <b  gelten 
möge  (beim  Schreiben  bediene  ich  mich  der  in  der  Tafel  wieder* 
gegebenen  Form,  um  Verwechselungen  mit  a  und  os  vorzubeugen, 
gedruckt  wird  auch  die  kursive  Form  klar  von  diesen  unter- 
schieden werden);  er  ist  ein  weiter,  gewöhnlich  getrübt  Be- 
tontes her  hat  Trübung  des  Tonvokals  von  hare,  den  Sweet  im 
Elementarbnch  nicht  fOr  nötig  findet  von  dem  Tonvokal  von  paper 
zu  unterscheiden,  während  ihn  Schröer  in  seiner  Schultransscrip- 
tion  nach  Sweefs  früherer  Bestimmung  besonders  bezeichnet 
Wenn  man  a  hat,  so  bekommt  das  a  von  care  drei  Punkte  (nach 
Sweefs  Aussprache  von  carey  das  er  bei  low  narrow  hat,  wäh- 
rend es  bei  Bell  mid  wide  ist,  also  ein  e,  —  ein  Beispiel  der 
vielen  Verschiedenheiten  zwischen  den  beiden  Engländern),  und 
her,  wenn  betont,  ausser  den  drei  Punkten  das  Trübungszeichen. 
Wenn  unbetont,  ist  sein  Vokal  eine  zu  a  gehörige  Trübung. 
Schreibt  man  mit  Sweet's  Elementarbuch  alle  unbetonten  Vokale 
mit  einem  und  demselben  Buchstaben  p,  so  ist  für  den  Tonvokal 
von  Tier^  wo  es  sich  nur  um  Englisches  handelt,  a  mit  Trübungs- 
häkchen ausreichend.  —  Zugleich  erhellt  wie  bei  einer  ver- 
gleichenden Übersicht  des  deutschen,  des  englischen  und  des  fran- 
zösischen Vokalismus  zu  verfahren  ist  Z.  B.  Sweet  unterscheidet 
vom  0  des  frz.  beau  das  englische  in  go  als  weites,  andererseits 
wird  beim  frz.  Unterricht  hier  und  da  ein  zu  enges  deutsches  o 
abzuwehren  sein;  man  hätte  also  die  Bezeichnungen  VII,  10—^12 
anzuwenden.     Oder  spricht  Sweet  in  go  ein  tiefstes  o? 

Es  wäre  sehr  dankenswert,  wenn  Sweet  sich  dazu  ent- 
schlösse^  uns  einige  genauere  Bestimmungen  mit  Hilfe  des  hier 
vorgeschlagenen  Transscriptionssystems  zu  geben.  Da  er  durch 
Verzicht  auf  Rursivbuchstaben  in  seinem  Elementarbuch  die  Be- 
ziehung auf  die  Zweiteilung  seiner  Vokaltafel  in  narrmv  und  wide 
aufgegeben  hat,  so  könnte  er  sich  auch  unserer  Transscription 
bedienen,  ohne  etwas  von  seinen  Theorieen  preiszugeben,  übri- 
gens aber  erweist  sich  seine  Vokaltafel  mit  den  4x9  Feldern 
als  eine  ihm  noch  haften  gebliebene  Schale.  Für  Bell  ist  phy- 
sische Ursache  der  Vokalweite  retraction  of  ihe  soft  palate  and 


Gemeinsame  Transscription  für  Franz.  und  Engl.  7 

expansion  of  (he  pharynx  (Visible  Speech,  S.  71,  vgl.  17,  40, 
123).  Sweet  hingegen  bemisst  den  Unterschied  der  weiten  Vo- 
kale von  den  engen  nach  der  Entfernung  der  Zange  vom  Gaumen 
(Handbook,  S.  23:  bei  den  narrow  front  voweU  ist  im  Unter- 
schied von  den  weiten  die  Zunge  konvex,  die  Oberfläche  der- 
selben gehoben).  Diese  Entfernung  aber  begründet  nach  ihm 
wie  nach  Bell  die  Einteilung  in  high,  mid,  low.  Es  müssen  sich 
also  enge  und  weite  in  eine  Reihe  bringen  lassen.  In  der  That, 
wenn  man  die  front  vowels  im  Zickzack  abliest,  so  dass  immer 
Wide  und  narrow  wechseln:  man  care  pen  ite  finny  fini,  dazu  die 
runden:  un  (dies  mit  sehr  weitem  ce  gemeint)  peur  peu  Hütte 
lune,  ferner  ebenso  die  backs:  not  law  go  beau  book  sou,  so  er- 
geben sich  drei  Reihen,  die  sich  mit  den  von  a  nach  i,  nach  v, 
nach  u  ausgehenden  meines  Diagramms  decken.  Analog  verhält 
es  sich  mit  den  mixed:  how  (das  o)  earth  eye  pretty.  Runde 
mixed  setzt  Sweet  für  das  Englische  nicht  an.  Bell  hat  für  das- 
selbe weite  runde  mixed:  ward  victory  (das  o)  -fid.  Es  leuchtet 
ein,  dass  diese  sich  in  die  untere  Hälfte  meines  Diagramms, 
jene  in  die  obere,  in  unveränderter  Folge  einordnen.  Wenn  ich 
demgemäss  die  engen  und  die  weiten  der  Sweet'schen  Tafel  der 
Sound  Notation  (nach  dem  Schröer'schen  Auszug)  so  vereine, 
dass  immer  auf  eine  Reihe  mit  drei  engen  eine  mit  drei  weiten 
folgt,  also  zu  Oberst  fini,  darunter  pretty  finny,  zu  unterst  not 
how  (für  das  w),  und  wenn  ich  femer  die  runden  links  neben 
die  unrunden  rücke,  so  dass  nun  zu  oberst  die  sechs  niedrigen 
stehen,  so  deckt  die  Sweet'sche  Tafel  hinsichtlich  der  Stellung 
der  Vokale  zu  einander  die  meinige,  mit  einer,  aber  einer  wich- 
tigen, Ausnahme,  nämlich  fafher  und  up.  Ich  glaube,  hier  kommt 
ein  Fehler  des  Bell-Sweet*schen  Schemas  zu  Tage. 

Leichter  als  mit  Sweet  sollte  ich  hoffen  dürfen  mich  mit 
Trautmann  zu  verständigen.  Seine  Tafel  in  der  Anglia  1878 
enthält  nur  die  zehn  Vokale  Chladni's,  anders  projiciert.  Im 
Anzeiger  zu  Band  IV  der  Anglia  1881  bespricht  er,  ausser  der 
Reihe  u  durch  a  zu  i,  und  der  Reihe  ö  U,  welche  beide  Chladni 
hat,  eine  dritte,  —  Trautmann  gibt  sie,  „in  Ermangelung  einer 
besseren  Bezeichnung",  mit  e  e  i.  Der  erste  dieser  drei  Laute 
sei  der  im  engl,  rough  come  nut,  der  dritte  „der  dumpfe  engl. 
t-Laut  in  bzt  happy  pretty/  scolded  cottage,  das  russ.  yeri. 
Diese  Beispiele  für  i  sind  ungleichartig:  das  i  von  bit  gehört 
in  dieselbe  Reihe  mit  i  und  e,  zwischen  dieselben  (R.  St.  1872  I, 
299;  Trautmann  selbst  bemerkt,  es  habe  „sicherlich  oft  einen  mehr 
oder  weniger  echten  z-Laut);  die  i  der  andern  Beispiele  sind  Trü- 
bungen. Über  sein  e  spricht  sich  Trautmann  gar  nicht  weiter  aus, 
gibt  auch  kein  Beispiel.    Übrigens  merkt  er  an,  dass  die  Laute  des 


Gemeinsame  Transscripiion  für  Franz.  und  Engl,  9 

in  das  über  ihrer  jetzigen  Linie  liegende  Dreieck  schieben,  nnd 
die  eben  erwähnte  Beli'sche  Reihe  in  das  untere  legen.  Aber 
lautet  nicht  pretty  zwischen  i  und  ü?  Sollen  wir  also  nicht  die 
Vokale,  die  rechts  vom  Stamme  stehn,  in  die  Dreiecke  links 
hineinlegen?  Probieren  wir  dies,  nnd  kommen  wir  zugleich  einem 
Wunsch  entgegen,  den  der  Vf.  ausspricht.  Nachdem  er  eine  Tafel 
der  Tonhöhen,  eine  andere  flir  die  Mundstellungen  gegeben,  sagt 
er  S.  62 :  „Vielleicht  Hesse  sich  eine  anordnung  finden,  in  wel- 
cher hall  und  mundstellung  gleichmässig  zum  ausdrucke  gelangten, 
und  eine  solche  wäre  durchaus  nicht  one  werf  Ich  will  dem 
Hrn.  Vf.  nicht  nur  dieses  beides  in  eine  Tafel  bringen,  sondern 
dieselbe  auch  mit  der  Elangtafel,  die  er  kreuzförmig  ordnet, 
vereinen,  wenn  ich  die  trüben  Vokale  in  der  fraglichen  Weise 
umlegen  darf.  Siehe  die  beiliegende  Lithographie.  Die  Tonhöhe 
steigt  von  u  durch  a  zu  i\  Striche  machen  Abteilungen,  in  deren 
jeder  die  beiden  inneren  Vokale  gleiche  Tonhöhe  mit  dem  äusseren 
haben.  Gleiche  Mund  Stellungen  in  jedem  der  zusammengeklam- 
merten Columnenpaare,  a  bleibt  in  dieser  Hinsicht  für  sich.  (Um 
senkrechte  Reihen  zu  haben,  wurden  die  gleichen  Abstände  auf 
der  Mittelllinie  verkürzt.)  Nehmen  wir  nun  Klammern,  Striche 
und  Trübungen  weg,  was  ich  alles  um  Trautmann's  Ansicht  dar- 
zustellen hinzugethan  habe,  und  stellen  wir  die  Figur  auf  die 
Linie  u  t,  so  sind  wir  wieder  bei  Chladni. 

Was  die  Schreibung  betrifft,  so  wünscht  Trautmann  Anglia  I 
für  das  offene  e  ein  oben  offenes  e-Zeichen,  für  das  o  ein  oben 
offenes  o-Zeichen,  nebst  zwei  entsprechenden  neuen  Ligaturen 
für  die  beiden  o?;  ü  schreibt  er  u  mit  i-Punkt  über  dem  ersten 
Stab;  seinen  Zwischenvokalen  will  er  ein  kleines  Dach  unter- 
setzen, das,  wenn  die  Spitze  oben  ist,  höher  bedeutet,  wenn 
unten,  tiefer.  Jene  Bezeichnung  der  Offenheit  scheitert  daran, 
dass  sie  nicht  auf  i  und  u  anwendbar  ist.  Die  Zeichengebung 
muss  aber  den  in  folgenden  Gleichungen  ausgedrückten  Vokalver- 
hältnissen gerecht  werden: 

hit     :  head  =  head  :  hate 
hood  :  hoot  =  hot    :  ho. 


Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  um  ein  Miss  Verständnis  in 
meiner  Notiz  „Die  beiden  U",  R.  St.  HI,  167,  aufzuklären.  Ich 
habe  dort  angenommen,  dass  Helmholtz  mit  dem  u,  welches  er 
in  seiner  Lehre  von  den  Tonempfindungen  zum  ersten  Male  1877 
bespricht  und  das  er,  wie  er  sagt,  mit  der  frz.  Bezeichnung  ou 
versieht,   dasjenige  u  meine,    das  die  Franzosen  so  bezeichnen. 


»: 


Ä' 


<^- 


^ 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im 

Neufranzösischen. 


Der  Wichtigkeit  des  Kapitels  „Quantität  der  neufran- 
zösischeD  Vokale"  (Jul.  Jäger:  Quantität  der  betonten  Vokale 
im  Neufranzösischen,  Französ.  Studien,  IV,  2.  Heft)  stellt  sich 
ebenbürtig  und  gleichberechtigt  zur  Seite  das  Interesse,  welches 
eine  mustergiltige  Aussprache  des  Französischen  für  die  Quan- 
tität der  neufranzösischen  Vokale  beansprucht.  In  Anrechnung 
gebracht  die  zahlreichen  Notationen,  wie  solche  neben  den  Re- 
geln für  die  Quantitätsbezeichnung  sich  in  den  Werken  der  fran- 
zösischen Orthoepisten,  von  Fabri  (1521)  bis  auf  Charles  Thurot 
(1881),^)  bei  französischen  und  ausserfranzösischen  Grammatikern 
vorfinden,  ist  dem  Kapitel:  Qualität  des  neufranzösischen 
Vokals  die  sachlich  umfassendste  Rechnung  getragen  durch  das 
„Encyclopädische  Wörterbuch  von  Karl  Sachs,  Ber- 
lin 1877". 

Gegenstand  und  Zweck  nachstehender  Untersuchung  kann 
somit  nicht  sein,  die  Qualität  der  neufranzösischen  Vokale  als 
solche  kritisierend  oder  vervollständigend  zu  behandeln,  als 
vielmehr  Gesetze  und  Regeln  zu  ermitteln,  welche  in  mittelbarer 
oder  unmittelbarer  Weise  die  nach  dem  Ergebnis  empirisch  ge- 
gebener Thatsachen  fixierte,  feststehende  Vokalquantität  beein- 
flussen oder  beherrschen. 

„Unsere  Arbeit  ist  folglich  nicht  sowohl  eine  orthoepische. 


*)  Charles  Thurot,  De  la  prononciation  francaise  depuis  le  com- 
mencement  du  XVI«  siÖcle,  Paris  1881,  t.  p.  Die  Einleitung  gibt  eine 
Geschichte  der  französischen  Grammatik  nebst  „Bibliographie  des 
ouvrages  et  biographie  des  auteurs,  de  Tusage  normal  (S.  IX  —  CIV). 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  13 

geeignet  erscheineD,  die  für  die  Erbwörter  gewonnenen  Ge- 
sichtspunkte und  Eategorieen  zu  befestigen  oder  deutlicher  her* 
yoi*treten  zu  lassen. 

Eine  weitere  Frage  nach  den  für  die  Neuformung  des  ge- 
gebenen Materials  massgebenden  Gesichtspunkten  und  Katego- 
rien wird  durch  nachfolgende  Vorbemerkungen  beantwortet. 

Während  im  Altfranzösischen  noch  die  Unterschiede  des 
lateinischen  Vokalismus  die  Qualität  der  Vokale  beherrschten 
(lat.  tel  und  mer  assonieren  mit  chantd  —  neufranz.  reimen  sie 
mit  bd  und  hiver:  Lücking,  1.  c.  405),  —  wird  der  qualitative 
Unterschied  der  neufranzösischen  Vokale  durch  andere  Katego- 
rien beherrscht,  unter  welchen  die  Stellung  des  Vokals  in  offener 
oder  aber  in  geschlossener  Silbe,  oder  besser:  der  Gegensatz 
zwischen  phonetisch  offener  und  geschlossener  Silbe  die  wich- 
tigste und  Grund  legende  ist.^) 

Ob  weiterhin  die  Stellung  des  Vokals  im  Anlaut,  Inlaut 
oder  Auslaut,  sowie  dessen  Stellung  unter  dem  Tone  oder 
ausserhalb  desselben  modifizierend  auf  die  Qualität  eingewirkt  hat, 
und  welches  der  Einfluss  der  benachbarten  Konsonanten  und 
Vokale  sei,^)  eine  Ermittelung  angedeuteter  Einflüsse  ist  mit  dem 
gestellten  Ziele  unserer  Arbeit  selbst  gegeben.  Überdies:  ,^Il 
faut  disUnguer  les  mots  de  la  langue  vulgaire  de  ceux  de  la  langue 
savantey  et  les  mots  masculins  ou  ä  terminaison  mascvline  des 
mots  fiminins  ou  ä  terminaison  feminine  (Thurot  1.  c.  S.  47). 

Unter  Zugrundelegung  der  angedeuteten  Gesichtspunkte  ist, 
bei  der  Wichtigkeit,  welche  der  Gegensatz  zwischen  geschlosse- 
ner und  offener  Silbe  für  die  Qualität  hat  (welcher  Gegensatz 
auch  von  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  6,  für  die  Vokal- Quantität  als 
massgebend  angenommen  ist),  zunächst  und  zuvörderst  fest- 
zustellen : 

Was  ist  phonetisch  offene  Silbe? 

Was  phonetisch  geschlossene  Silbe?  —  und  wenn 
und  wo  hat  im  Innern  eines  Wortes  die  phonetische  Silbentren- 
nung statt,  welche  Silbentrennung  von  der  orthographischen  oft 
abweicht?^) 


^)  Zar  Kritik  des  anfgestellten  Grandsatzes,  dessen  Erhärtung 
auch  die  vorliegende  Arbeit  mit  bezweckt^  vergleiche  die  einschlägigen 
Urteile  und  Bemerkungen,  wie  solche  in  dem  lebhaften  Streit  über  aas 
Kapitel  der  Vokalquantität  sich  vorfinden.  Die  diesbezüglichen  Quellen 
gibt  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  1,  5  und  6.  Zur  Vergleichung  früherer  Sprach- 
zuBtörnde  vgl.  die  Anmerkung  bei  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  11. 

')  Les  consonnes,  ä  savoir  c  g .  .  .  oni  une  action  d^cisive  sur  la 
qualite  et  la  quantite  de  la  voueüe,  qui  les  prdeede  (Thurot,  1.  c  p.  2). 

^)  Im  folgenden  sind  die  Ausdrücke  „offen"  und  „geschlos- 
sen" nur  phonetisch,  nicht  orthographisch  zu  verstehen.    Beeüglicl^ 


14  H.  Barth 

Dabei  ist  eine  Berücksichtigung  der  etymologischen 
Kategorien,^)  aus  welchen  sich  die  phonetischen  entwickelt 
haben,  nicht  zu  umgehen,  insofern  dadurch  etwaige  etymologische 
Nachwirkungen,  als  im  Gegensatz  stehend  zu  den  in  der  neu- 
französischen Aussprache  massgebenden  Prinzipien,  nachgewie- 
sen wird. 

Sind,  wie  angemerkt,  für  Qualität  und  Quantität  der 
neufranzösischen  Vokale  dieselben  Hauptgesichtspunkte  geltend,^) 
so  ist  eine  möglichst  adäquate  Anwendung  der  J.  Jaeger'schen 
Grundprinzipien  hinsichtlich  Einteilung  und  Gruppierung  auch  für 
die  vorliegende  Untersuchung  um  so  mehr  angebracht,  als  bei 
der  engsten  Wechselbeziehung  zwischen  Qualität  und  Quan- 
tität der  Vokale  die  Vergleichung  der  nach  denselben  Prinzipien 
aus  Kategorien  gewonnenen  Resultate  für' Qualität  und  Quan- 
tität auf  diese  Weise  erleichtert  und  spezialisiert  wird.^) 

Aus  vorstehenden  Bemerkungen  resultieren  für  die  nach- 
stehende Abhandlung,  beziehungsweise  deren  Einteilung  und 
Gruppierung  folgende  Gesichtspunkte: 

Zu  den  Bedingungen,  unter  welchen  die  qualitativen  (und 
quantitativen)  Unterschiede  der  Vokallaute  statthaben,  gehört 
zuvörderst  der  Gegensatz  zwischen: 

A.  Geschlossenen, 

B.  Offenen  Silben,  welch  letztere  Silben  die  Unterabtei- 
lung erheischen: 

a)  (Betonte-unbetonte)  yokale  im  Wortinlaut; 
ß)  (Betonte-unbetonte)  Vokale  im  Wortauslaut. 

Bezüglich  der  Frage,  wann  sich  im  Neufranzösischen  ein 
Vokal  im  Wortinlaut  in  offener  oder  geschlossener  Silbe 
(d.  h.  im  Silbenauslaut  oder  im  Silbeninlaut)  befinde,  ist 
folgendes  zu  bemerken:*) 


der  Verschiedenheit  der  phonetischen  und  orthographischen  Sil- 
bentrennung vgl.  Sachs  1.  c.  Anhang:  „Regeln  über  die  Silbenteilung 
im  Französischen." 

^)  vgl.  Lücking,  1.  c.  S.  406,  Anmerk.  **. 

^)  Bei  der  engsten  Wechselwirkung  zwischen  Quantität  und 
Qualität  der  Vokale  (vgl.  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  6)  ist  für  bestimmte  Fälle 
(der  Vokal  e)  Unabhängigkeit  der  Quantität  von  der  Qualität  und  um- 
gekehrt konstatiert:  La  quantite  n'esi  nuUement  lie'e  ä  la  qualite  pour 
Ve,  comme  eile  Test  pour  Ta,  Vo,  Veu  (vgl.  Thurot,  1.  c.  p.  1,  Anm.  2). 

^)  Herrn  Dr.  J.  Jaeger  spreche  ich  hiermit  meinen  herzlichsten 
Dank  aus  für  die  Bereitwilligkeit,  mit  welcher  er  meinen  Anfragen  und 
Gesuchen  stets  freundschaftlichst  und  unterstützend  entgegengekom- 
men ist. 

*)  vgl.  J.  Jaeger,  1.  c.  S,  7. 


Die  QitaHtäi  der  Reinen  Vokale  im  ^/eufranz.  15 

In  französischen  Erbwörtern  können  den  Anlaut  einer  Silbe 
bilden: 

1)  Einfache  Konsonanten; 

2)  mouilliertes  l  und  n; 

3)  Muta  cum  Liquida  (Z,  r  —  M.-Cazal); 

4)  geminierte  Konsonanten. 

Letztere  (geminierte  Konsonanten)  gelten  meistens  als 
einfache  Konsonanten,  da  wirkliche  Doppelkonsonanz  im  Fran- 
zösischen nur  ausnahmsweise  und  fast  allein  in  gelehrten  Wörtern 
gesprochen  wird.^) 

Bei  mehrfacher  Konsonanz  zwischen  Vokalen  befolgt  Sachs 
(siehe  Vorwort  zum  Wörterbuch,  S.  IX)  das  im  allgemeinen  nach 
dem  Vorgange  von  Littre  angenommene  Prinzip,  „dass  am  An- 
fang einer  Silbe  soviele  Konsonanten  zusammengesprochen  wer- 
den, als  sich  ohne  zu  grosse  Schwierigkeiten  zusammen  sprechen 
lassen,  ohne  einen  derselben  zu  trüben  (was  bei  absent  selbst 
Franzosen  thun,  wenn  sie  bs  zusammen  als  ps  sprechen),  z.  B« 
actuel  =  a-ctuelj  a-djoinV' 

Da  nun  mehrfache  Konsonanz  in  neufrz.  volkstümlichen 
Wörtern  fast  nur  aus  r  -}-  folgendem  Konsonanten  be- 
stehen/) und  diese  Gruppe,  wie  die  Beispiele  bei  Sachs  zeigen, 
nicht  zusammengesprochen  werden  kann,  so  fallen  also  die  Vo- 
kale vor  mehrfacher  Konsonanz  in  volkstümlichen  Wörtern  unter 
die  Tonvokale  in  geschlossener  Silbe. 

Die  Tonvokale  der  (gelehrten  und  halbgelehrten)  Wörter 
vor  andern  Konsonantengruppen  als  vor  r -f- Konsonant 
würden  nach  Sachs  der  Aussprache  nach  meist  in  offener  Silbe 
stehen;  es  wird  jedoch  aus  praktischen  Gründen  ratsam  sein, 
dieselben  mit  unter  den  Tonvokalen  von  r  -\-  lautbarem  Kon- 
sonanten zu  betrachten;  ausserdem  zeigt  auch  die  qualitative 
Entwickelung  der  romanischen  Tonvokale,  dass  solche  vor  jenen 
andern  Konsonantengruppen  in  früheren  Sprachperioden  als  in 
geschlossener  Silbe  stehend  behandelt  wurden,  auch  scheint 
heute  die  Silbengrenze  in  der  Aussprache  derartiger  Wörter 
überhaupt  nicht  ganz  festzustehen.^) 

Tonvokale  vor  einfachen  (oder  geminierten)  Konsonanten 
mit  stummem  e  stehen  in  offener  Silbe;  denn  wenn  auch  das 


^)  vgl.  Floetz,  Systemat.  Darstellung  der  französischen  Aussprache, 
10.  Aufl.,  Berlin  1877,  §  17.  —  Herrigs  Arch.  LXX,  1.  Heft,  S.  70,  §  46. 

*)  In  einigen  wenigen  auch  s  -}-  Konsonant. 

^)  ^i*  gögß^  Sachs:  6.  Lücking,  Franz.  Schulgrammatik,  §  19; 
Mätzner,  Franz.  Schulgrammatik,  S.  37 ;  —  Lücking  nach  Malvin-Cazal 
in  Herrig's  Archiv  LIX,  S.  409. 


Dabei   ist    eine  V)^'^-^ 
agorien,0    aus   ^vi'\a\v•l^ 
^.n,  nicht  zu  \mv^e\\^'U.    ^ 
hwirkungen,    als    i\v. 
sösiBchen    Auftspvu  ^ 
wird. 

Sind,  wie    aiitrri« 
ranzösisclion  Yi>ki' 
it  eine    mr)jrlu*i\.-* 
idprinzipien    ITn^-" 
vorliegende    l'i^t-  ' 
engsten   Wo(*i\--  ' 
;  der  Vokale     t*" 
Kategorien    ^«v 
auf  diese     V 
Aus  vorsti'\ 
nde     Abhan*V 
pierun^*    l'ol'r 
Zu  den  1  >* 
itativen")       l    ' 
der  st   ilev     < 

A.  O  e  s  4 

B.  Oft*    . 
srlieiseiu 

a)     (r>et 

ß)  O  >  ^'  ^  * 

im     ^V  ' 
im     S  i  ' 


\  •  I 


Die  Ouaiitdi  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  1y 

A.  Vokale  in  geschlossener  Silbe. 

okale  vor  einfachem  (auch  mouilliertem  l)  wortauslauten- 
1cm  Konsonanten* 

\  okale  vor  lautbarer  mehrfacher  Konsonanz  (meistens  r  4~ 
lautbarem  Konsonanten  —  seltener  8  -\-  Konsonant).^) 

B.  Vokale  in  offener  Silbe. 

a.  Im  Wortinlaut. 
a)  Vor  einfacher  Konsonanz  -f-  stummem  e. 

\ror  (lat.)  einfacher,  (franz.)  bisweilen  gesohwttchter  Konsonanz. 

Vor  (lat.)  mehrfacher,  (franz.)  einfacher  Konsonanz. 

Vor  (früh)  vereinfachier  Konsonantengemination  oder  mehrfacher 

Konsonanz. 

Vor  frtth  yenrtammtem  s  -f  Konsonant. 

ß)  Vor  mouilliertem  /  oder  n  -f-  stummem  e. 
y)  Vor  Muta  -{-  Liquida  -{-  stummem  e. 

Vor  einfacher  hluttt  cum  Liquida, 
Vor  geminierter  Muta  cum  Liquida. 
{.   Vor  yerstuomtem  8  +  Muta  cum  Liquida. 

b.  Im  Wortauslaut. 

a)  Der  Vol(al  tritt  durch  lat.  Konsonantenabfall  ans  Ende. 

ß)  Vor  stummem  e. 

r)  Vor  verstummten  Konsonanten: 

1.  Ursprünglich  einfacher  Konsonanz. 

2.  Die  verstummte  Gruppe  st.^) 

Ihrer  qualitativen  Tonfärbung  nach  sind  nun  noch  Sachs 
(Wörterbuch,  Vorwort  8.  XVIII — XXI)  bei  den  nachstehenden 
Vokalen  folgende  Lauteigenarten  zu  unterscheiden: 

1)  Der  Vokal  a  erscheint  als 

a)  Tiefes  a;  —  ß)  hohes  a. 

2)  Der  Vokal  e  ist  notiert  als 

a)  Offenes  e;  /9)  halboffenes  e;  7*)  geschlosse- 
nes  c.*)  *) 


? 


vgl.  S.  15,  Anm.  2. 

Vgl.  die  vorangestellte  Inhaltsangabe. 
*)  Unbetontes  e  sowie  e  muei  oder  e  feminin  erfordert  eine  be- 
sondere Betrachtung.    Vgl.  Thurot,  1.  c.  S.  87;  Lücking,  1.  c.  S.  484. 

*)  Selbstredend  teilt  die  Lautgruppe:  ai,  ay  —  ei  —  ei/  im  all- 
gemeinen das  Los  von  einfachem  e  und  ist  deren  Qualität  bei  dem  Vo- 
kal e  zu  notieren. 

Zscbr.  f.  nfrs.  Spr.  u.  Litt.    VP,  o 


18  B.  Harth 

3)  Der  Vokal  o  zeigt 

d)  Geschlossenes  o;  —  ß)  offenes  o. 

4)  Die  Lautverbindnngen  eu 

a)  Geschlossenes  ett;  ß)  offenes  eu. 

Für  die  Vokale:  i,  ou,  u  sind  qualitative  Differenzen 
nicht  zu  notieren. 

Bei  den  Diphthongen  ist  zn  beachten,  dass  sie  heute 
steigende  sind,  deren  erster  Komponent  als  Halbvokal,  d.  h.  „ein 
unter  dem  Einfluss  der  Accentlosigkeit  zur  Funktion  als  Konso- 
nant herabgesunkener  Vokal^^^)  anzusehen  ist,  während  der,  den 
Ton  tragende,  zweite  Komponent  die  zu  notierende  Tonfärbung 
bestimmt  oder  enthält*) 

Die  Qualität  der  Diphthonge  schliesst  sich  somit  an  die 
Behandlung  der  Qualität  desjenigen  einfachen  Vokals  an,  welcher 
in  dem  jeweiligen  Diphthong  den  zweiten  Komponenten  bildet, 
sodass  U  (ohne  halbvokalischen  Vorschlag)  unter  4,  oi  unter  a 
zu  behandeln  ist. 

Vorstehende  Vokale  und  Vokalgruppen  mit  ihrer  fixierten 
Tonfärbung  werden  nunmehr  in  die  oben  (S.  17)  angedeuteten 
Rubriken  einzuordnen  sein.  Es  bedarf  hierbei  kaum  der  Bemer- 
kung, dass  die  von  J.  Jäger  aufgestellten  Gesichtspunkte,  bei 
der  Qualität  wie  bei  der  Quantität,  zunächst  nur  fQr  die  be- 
tonten Vokale  massgebend  sind.  Die  in  unserer  Abhandlung 
nebenherlaufende  Untergruppierung  fQr  die  unbetonten  Vokale 
(unbetontes  e  und  e  muet  ist  besonders  behandelt,  vergl.  S.  17, 
Anm.  3)  nimmt,  behufs  DarchfQhrung  einer  gleichzeitigen  und 
übersichtlichen  Darstellung,  Rücksicht  auf  die  massgebenden  und 
bestimmenden  Momente  fOr  die  Hauptgruppen  der  betonten 
Vokale. 

Eine  Zusammenstellung  der  bei  den  einzelnen  Unterabtei- 
lungen erzielten  Resultate  behufs  Feststellung  allgemeiner  Ge- 
sichtspunkte und  die  Vergleichung  dieser  „qualitativen^  Re- 
sultate mit  den  Resultaten  für  die  „Quantität^  bildet  den  Schluss 
eines  jeden  Kapitels  in  Betrachtung  der  einzelnen  Vokale  resp. 
Diphthonge. 


*J  Vgl.  E.  Sievers,  Phonetik,  S.  128. 

')  Havet,  Romania  III,  321  und  VI,  821  und  dessen  Bemerkung 
zu  den  Lautgruppen  oi,  ui,  ie;  vgl.  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  9t 


tHe  Qualität  der  Reinen  Fokale  im  Netifrant.  Id 


§1. 

Der  (betonte -unbetonte)  reine  Vokal  a  (oi). 

A.  In  offener  Silbe. 

I.   Im  Wortinlaut, 
a.  Vor  (nenfranz.)  einfaoher  Zonsonanz  mit  stummem  e. 

(Der  Konsonant  ist  teils  einfach,  teils  [behufs  Andeutung  der  Kürze] 

doppelt  geschrieben.) 

a)  Tor  sokhen  [silbenanlantenden]  Konsonanten,  welche  anf  lateinisehe 

einfache  Konsonanz  zurnckgehen. 

a')  Im  Lateinischen  befand  sich  der  einfache  Konsonant  zwischen 

zwei  Voicalen. 

a'O  Vor  silbenanlaatender  Liquida  L 

Der  Tokal  a. 

1.  Betontes  a  =  hohes  a  (q). 

In  den  gelehrten  Bildungen  der  weiblichen  Adjektiva  auf  cd: 
allodicde,  amicaley  argentaley  armorialey  annale^  automnaley  bacha- 
ncde,  horialey  brutale ,  baptismaley  capüale,  centrale  y  dentahy 
ducaley  igahy  fataley  fiahy  genSrahy  gutturalßy  idSaley  Ugale,  li- 
biraUy  linealey  moraley  normale  y  orSale,  partialey  riahy  royale, 
vemale. 

In  den  lautlich  unregelmässig  gebildeten  und  nicht -lateinischen 
Wörtern: 
animaley  amirale,  cabahy  eigaley  Scale  {8cala)y  icale  (dtsch.  8chala)y 
marichaley  NatalCy  OrientaleSy  orvdle  (or  -|-  valoir)y  pale  (pala), 
sale,  sandaley  scandaley  ainidudey  va^ssale^)^ 

Doppelkonsonanz  als  quantitatives  Kürzungszeichen  in  den  Wör- 
tern germanischen  Ursprungs: 
baUcy  calUy  haUe,  malley  saUcy  SaUeSy  staUe. 

2.   unbetontes  a  zeigt  hohes  a  (q), 

alacTitiy  amaladiry  annalistey  anomaliey  ÄÜhaliey  banalitiy  baleiney 
ccdamitdy  Calais y  DaliUiy  Sgalery  fiodalitiy  Qalüiey  invalidey  La- 
lagiy  maUdictiony  Malabary  originalitSy  palaisy  qucMti^  Raleighy 
scdeTy  talon,  valoiry  Valence. 


^)  Les  adjeciifs  que  Ton  renconire  iermin^s  iantdt  en  al,  iantdi 
en  el  fr^ale  —  reelle  —  originale  —  originelle  etcj,  appariiennent  ä  la 
langue  savanie,    Thurot,  1.  c.  S.  20. 

*)  astragaHe  —  estragale,  vgl.  Thurot,  1.  c.  S.  25. 

2* 


i^H 


11 


r.      _  jm 


!<>         .« 


"♦f  T 


•        « 


*•' /  «> 


ur. 


•ir*»«. 


■^^r-     "^ii»^^" 


'try^. 


»  «• 


^  % 


u*»« 


N 


«<"W 


,Te< 


■"M». 


«  M  «.  k  ^ 


.Ov 


■•»«.   «.*•! 


X 


Die  Qualiiät  der  Reinen  Vokale  im  Nettfranz,  21 

qualitativ  hoheB  a:  Aare,  Aarcm,  Aar^  Baal,  Braa,  daalder,  Saardi, 
Saar  dam,  Saaralbe,  Saar -Union,  Saasheim,  Vaasi,  Waast;  dane- 
ben auch:  Aare  =  q-q^r,  Aaron  =  a-q-ron,  Baal  =  q-ql.  Aar 
=  q-ar,  Naab,  dafür  gewöhnlich  Nah  mit  hohem  q.^) 
Anmerkung  3.  ä  (betont  wie  unbetont)  hat  tiefes  q:  Paris -Chälons, 
vgl.  unten  1. 

Der  Diphthong  oU 

1.  Betontes  oi  hat  tiefes  a  foq). 

aratoirey  armoire  (Thur.,  1.  c.  413),  coire,  dicritoire^  diclama- 
toircy  dSdicatoirey  Scr^moire,  icritoire,  evocatoirey  ivumoire^  foirej 
gloire,  ivoire  (Thur.  374,  412),  moire,  matoirey  noire,  poire 
(Thur.  410),  voircy  sassoire, 

2.  Unbetontes  oi  dagegen  zeigt  hohes  a  (oq). 

armoiriey  foirery  Loirety  MoiranSy  noireuXy  noirätrey  poirieTy 
soiriey  Thoyras. 

Anmerkung,  poireau :  M. - Cz .  156  notiert  mit  stummem  i:  desgleichen 
poire'e;  nach  Littr^,  Landais  hat  oi  hohes  a  fq):  poq-re  (Thur., 
1.  c.  326,  410);  vgl.  irocart  —  ou  irois-quarts  (Thur.  873). 

Y'*)  Vor  silbenanlautendem  Nasal  m. 

Der  Tokal  a. 

1.  Betontes  a  ist  mit  hohem  a  (q)  notiert« 

higamey  chamey  digamey  estamey  glamey  JameSj  lamey  ramcy  tamSy 

trame» 

2.  unbetontes  a  hat  ebenfalls  hohes  a  fq). 

AmaMsy  amanty  amiy  amÜioriy  Bromantey  camarade,  CamoenSy 
Damiettey  DamiSy  dameloty  estamety  fameuxCy  famMey  Oamay  Oa- 
Tnaliely  Lamagouy  Hamütony  Camay  Lamiy  lamentahley  mameUey 
ramaye,  ramiy  SamsTy  sarrddy  traTnety  Tamino» 


*)  Thurot,  1.  c.  S.  497;  Aa  iCestpas  diphihongue  franqaise,  cor .  .  . 
en  Chalons,  Aaron  et  semblables^  y  a  un  a  superflu,  que  Taccent  ctrcon- 
flex  sur  la  simple,  Chälon,  Aron,  supplira  assez"^  Sibilet  8;  yyles 
mois  Isaac,  Aaron,  Baal  sont  heh^eux,  et  ausst  doivent  se  prononcer 
par  deux  a  comme  en  he'breu"^  B^ze  61;  „^i  a  se  rencontre  double,  ce 
qni  est  rare,  c'est  seulemeht  pour  alonger  la  syUabe  enpronon^ani  .  .  . 
Exceptez  les  mois  he'h'ietix  ei  chaldäiques,  comme  Baal,  Galaad,  Naason, 
etc.  Quant  ä  Isaac,  Aaron ^ fr äqueniez  en  nostre  vulgaire,  iü  sont 
prononcez  änostre  mode,  Isäc,  Aron^  Maupas  5;  f^les  deux  voyeües 
doivent  se  faire  entendre  dans  les  mots  he'breux,  comme  Isaac,  Aaron^ 
An.  de  1624;  Isaac  et  Aaron  se  prononcent  par  un  seul  a  long,  sui- 
vant  Baiües  (15),  Duez  (6),  qm  prescrit  de  prononcer  nourtant  Baal,  Ga- 
laad, Canaan,  Mauconduit  (ei)y  Roux  (se)y  Ve  la  Touche  {Z%)y  Billecoq  (4^), 
qui  ajoute  Raab;  mais  Aaron  par  deux  a  est  prescrit  par  Viard(b\y  et 
cette  prononciation  a  prevalu,  comme  dans  le  saini  Gräal,  ^ue  Richelet 
e'crit  le  saint  Gräl, 


23  Ä  Harlh 

Anmerkung  1.  a  erscheint  als  tiefes  a  fq)  in  den  kontrahierten 
Formen:  b^ame  (brahme  =  brahamej,  Brama  (Brahma),  Brahma- 
pouira,  bramine,  hramer  etc. 

Zur   lautlich   unregelmässigen  Bildung   der  Wörter   auf  ame 
vgl.  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  14. 

Anmerkung  2.    Der  Diphthong  oi  bietet  vor  m  keine  Beispiele;  in 

Verbindungen,  wie  soi-mouvant  erscheint  er  als  hohes  a  (q). 
Anmerkung  3.    ^in  fäme,  fämd  hat  tiefes  a  (a),  vgl.  S.  27. 

^0  Vor  silbenanlautendem  Nasal  n. 

Der  Tokal  a. 

1.  Betontes  a  Tor  n  hat  hohes  a  {q). 

ar carte,  adiaphane,  cdbane,  carte j  chicarte,  courtisarte,  crasarte 
(crassarte,  cresane  —  Thur. ,  1.  c.  32),  Harte,  farte,  f aisarte, 
hanebarte,  idcarte,  larte,  orgarte,  pertuisarte,  plane,  profane,  Sou- 
tane (Thur.  264),  tisane,  und  pay säurte,  Femininum  zu  dem 
nfrz.  Maskulinum  paysan  (afrz.  pdisant). 

2.  Unbetontes  a  =  hohes  a  (q). 

anal,  animal,  animer,    aplanir,   anuit,  Bauer,   hauat,   Cäbanis, 
Danemark,  Omaner,  ganache,  Hanovi^e,  humaniU,  laniaire,  Manis, 
Nanirte,  rartdle,  soutanelle,  Panama,  vaniti, 
Anmerkung  1.    ä  vor  w  =  tiefes  a  (a):  cräne,  mänes,  cränerie. 

Der  Diphthong  ol. 

1.   Betontes  oi  Tor  n  aeigt  tiefes  a  fa). 

Äntoine,  antimoiue,  avoine  (Thur.  405),  brioirte,  choine,  chanoirte, 
foirte  (Thur.  547) ,  Macidoirte ,  moine ,  patrimoine ,  pivoine 
(Thur.  413),  roirtes. 

2.  Unbetontes  oi  Tor  n  ist  mit  hohem  a  fq)  notiert,  wenn  es 
unmittelbar  Tor  der  Tonsilbe  steht,  sonst  besonders  Tor  e  sonrd  nur 

mit  tiefem  a  fa). 

ÄntoineUCy   avoineux,   chanoinesse,   chauoinie,  foirtette,  moineau, 

pivoiner  —  avoinerie,  moinerie, 

Anmerkung  2.  M.-Cz.  135  gibt  für  oi  vor  «  durchweg  hohes  a  (oq) 
an  mit  widersprechender  Notation  bei  brioirte  mit  tiefem  a  (q).^) 

e'O  Vor  silbenanlautenden,  stimmhaften  Dauerlauten 

S  (j)y  V»  «  (^)' 
Der  Tokal  a  (ol)  Tor  g  und  t. 

1«  Betontes  a  (oi)  Tor  ^  und  t  =  hohes  a  foq). 

age,  mage.  Tage,  agave,  batave,  bave,  brave,  cave,  concave,  eirave, 


^)  vgl.  Lücking,  1.  c.  S.  415,  Anm. 


Die  QuaUtäi  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  23 

endave,  entrave,  esdave  (Thnr.  432),  fave^  gave^  grave^  Uwe, 
margrave,  palavey  rave;  —  je  boive,  appergoivey  re^tve. 

2*  Vnbetontos  a  (oi)  =  liolies  a  foq). 

agiteTy    Ägide,   magiey  •  nuzgistral,   majeure y   majeM    —    avare, 

aveincy  Batamay  braver y  caveauy  entraveTy  faveur,  QravenkaguCy 

Havaney  Mavors,  Navarin,  navirey  paveTy  raviry  Savary,  saveur, 

taveur,  boivin  etc. 

Anmerkung  1.  M.-Cz.  g^bt  für  a  vor  v  tiefes  a  an;  nur  brave, 
wenn  es  vor  seinem  Substantiv  steht,  hat  hones  q]  zu  brave 
und  grave,  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  26. 

Der  TokUl  s  Tor  8  (z), 

1.  Betontes  a  vor  s  (8)  ist  mit  tiefem  a  (a)  notiert. 

apostase,  Äthanasey  arase^  ose,  base,  case,  Caucase,  Damase, 
emphasey  extasey  gymnasey  hase,  iconoataae,  phasey  PSgase,  rase, 
aze,  gazcy  tazcy  topaze. 

2.  unbetontes  a  Tor  s  (s)  sohwankt  in  der  Qualität; 

fast  ausnahmslos  zeiffen  tiefes  ^  die  direkten  Ableitungen  von 

Wörtern  mit  tiefem  (k. 

Tiefes  a:  apostasiey  baser ,  caseTy  araseTy  ibasir,  extasier,  jaser, 
phrasery  vaseux,  gazer,  gazan,  topazoghtSy  abrazite. 

Hohes  q:  as^tS,  asüey  basaley  asarinSy  basaney  Basany  basüique, 

Casimiry  fasSohy  hasardy  vaset;  gazeUey  gazeüey  Gaza. 

Anmerkung  2.  raser  notieren  Feline  und  Landais  mit  tiefem  ^,  Littr^ 
mit  hohem  q, 

Der  Diphthong  oi  Tor  8  (z). 

1.  Betontes  a  =  tiefes  a  foaj. 

autenoise,  ardoisey  armoisey  Barroisey  bourgeoise,  Fran^otse, 
grivoisey  liigeoisey  moise,  noisey  Oise,  roisey  poise,  vUlageoisey  que 
je  voise  (=  aiüe).^) 

2.  unbetontes  oi  =s  hohes  a  (oq). 

accoiser,  ardoiser,  bourgeoisie,  empoisonner,  foisonnementy  oisif, 
Oisemonty  toisiy  noizerety  DecraiziUes. 

^0  ^OT  silbenanlantenden,  stimmhaften  Momentan- 
lauten b,  d,  g. 
1.  Betontes  wie  unbetontes  a  (oi)  «eigen  hohes  a  foq)  Tor  b  und  g  (gn). 

äbey  alabey   arabe,   astrolabe,   crabey  fdbe,  habe,  räbe,   tyüäbe, 


^)  Im  Gegensatz  hierzu  bezeichnet  M.-Cz,  das  betonte  oi  vor  s 
mit  hohem  9,  marquiert  dagegen  nach  liücking  (1.  c.  S«  405)  wider« 


24  H.  Harth 

trabe;  —  abeäle,  acabit  (Thur.  25),  drabiey  aiphabet,  Babel, 
babily  Dabo,  MabiUon,  labeur,  labiale,  Säbie,  Souabe  (Suäbe 
Thur.  31),  syUaber  etc.,  blague,  brague,  crague,  dague,  gyrovague, 
lague,  rague,  vague;  —  agami,  agate,  agot,  bagari,  Chicago, 
ipagogue,  fagot,  Qaguin,  paganiser,  sagacite,  vaguer,  boiga. 

2.  Der  Vokal  a  Tor  d. 

Betontes  a  vor  d  hat  tiefe  Tonfärbung  =  a. 

accolade,  aigade,  ambassade,  arcade,  aubade,  bade,  bailade,  bicade, 
barricade,  cade,  canade,  camarade  (Thur.  30),  er  ade,  cascade, 
croisade,  fagade,  Egades,  estafiiade  (Thur.  218),  escapade,  fade, 
ferrade,  Granade,  gambade,  grade,  jade,  Iliade,  obade,  parade, 
poivrade,  sporade,  saccade,  Stade, 

Unbetontes  a  vor  d. 

Die  Qualität  eines  hohen  q  wiegt  vor;  doch  direkte  Ab- 
leitungen von  Wörtern  mit  tiefem  a  zeigen  vielfach  tiefes  q. 
Hohes  q:  Acadie,  academie,  Armada,  ballader,  badiner,  barricader, 

Canada,  cad^ne,  fadeur,  graduel,  Madeleine,  Nadir  u.  a. 
Tiefes  q:  accolader,  ambassader,  aubader,  camaraderie ,  Ärcadie, 

Anmerkung  1.  vade  hat  nach  Sachs  hohes  q.  Der  Diphthong  oi 
in  Verbindungen  wie:  soi-disant  zei^t  hohes  q. 

Anmerkung  2.  Bei  oi  in  roide  und  semen  Ableitungen  entspricht 
die  gewöhnlichere  Schreibweise  raide  der  Aussprache 

1)  eines  halboffenen  e  =  e;  Feline,  oder 

2)  eines  geschlossenen  e  (nach  Landais,  Dupuis  221),  oder 
8)  uae  (Lesaint,  2.  Aufl.,  98); 

in  foible  —  faibie  =  halboffenes  e  fq)  —  lady  hat  nach   Sachs 
halooffenes  e  (^,  nach  Litträ  geschlossenes  e.  —  vgl.  Thurot  410. 

rj**)  Vor  silbenanlautenden,  stimmlosen  Konsonanten 

^}  f  (P^)f  P)    ^   (^h)}    ^   (^;    <^h   9V')' 

1.   Der  Vokal  a  Tor  t. 

Betontes  a  vor  t  (th)  zeigt  mit  wenigen  Ausnahmen  tiefes  a. 

acrobate,  agate,  Agathe,  amate,   apostate,   aristocrate,   aromate, 

autocrate,  biate^  Carpathes,  delicate,  disparate,  democrate,   ipi- 

grathes,  Etisihathes,  Gates,  immidiate,  ingrate^   mate,  Mithridate 

(Thur.  194),  pinate,  pirate,  renigate^  scÜirate,  sarmate,  u.  a.  m, 

Ausnahmen.     Mit  hohem  q  werden  notiert: 

date,  antidate,  automate,  bäte,  croate,  cravate,  fregate  (Thur.  30), 

rate,  savate,  plate. 
Anmerkung  1.    nates    notiert   Littr^    mit    hohem   q;  Landais   mit 
tiefem  q; 

sprechend;  Jroquoise,  marquoise,  turquoise  u,  ähnl.  205,  hourgeoise,  vtUa- 
geoise  u.  8*.  228  —  mit  tiefem  ^. 


Die  Quaäiät  der  Beinen  Fokale  im  Neufranz.  25 

ouaie  fouaief*)  hat  nach  Landais,  Littr^,  M.-Cz.  hohes  q  (so 
auch  TAcad.  1878);  die  Notation  mit  e  ouvert  ist  veraltet.  — 
Thurot  22. 

Der  Diphthong  oi  in  dem  Femininum  coiie  zeigt  hohes  a  foq); 
F^raud  notiert  oaet. 

Unbetontes  a  =  hohes  q, 

agater,   amateury   armateur,   anatide,   hataüley   hateauy    CaUdle^ 
chaton,  difatigueTy  eschatologie,  laterole,  natify  satire  etc. 

2.  Betontes  wie  unbetontes  a  Tor  f  (ph),  ch,  p,  k  (c,  oh,  qn) 

hohes  q. 

ape,  cape,  escape,  Stapey  etrape,   Eunape,  MapeSy   nape,  pape, 

sape,  scape  (Thur.  217),  tape; 

agrafe,  Äsculaphey  escafey  Epigraphe  y  gafsy  naphe,  paragraphSy 

tafe,  gouache; 

amphibraqitey  attaquey  braque,  caque,  caraque,  dimoniaquey  itra- 

qucy  eifquaque,  Gracques,  flacque,   haqttey   krakey  laquSy   JaqueSy 

maquey  raque,  taquCy  vaqnsy  wake; 

apanagey   apartiy  capacitiy  chapoUy  tapisy  sapirtj  yaporiy  Ächabe, 

ÄchaZy   Ächaie,  bairachitey  Ärachosiey  Zachariey  Aquüay  aqueuXy 

blaqueVy  bourracon  (baracon  Thur.  35),  vaqtiery  escafeTj  gafeur^ 

mafauj  tafau,  caphar. 

Anmerkung,    öt  in  Wörtern  wie:  quoique,  goiper,  goipeur  zeigt  ho- 
hes a  foq). 


ß')  Im  Lateinischen  oder  durcli  romanisclien  Volcalausfall 
folgten  auf  den  Tonvolcal  zwei  Konsonanten,  von  welchen  sich  der 
erste  vokalisierte  und  mit  dem  Tonvokal  zu  einem  (altfranzösi- 
schen)  Diphthong  verband.  Dieser  Diphthong  ist  entweder  durch 
reciproke  Assimilation  (aiy  au)  der  beiden  Komponenten  oder 
durch  Accentwechsel  (oiy  ui)  zu  einem  einfachen  Vokal  (ohne 
oder  mit  halbvokalischem  Vorschlag)  geworden.  Der  zweite, 
nicht  vokalisierte  Konsonant  blieb  entweder  in  seiner  ursprüng- 
lichen Intensität  bestehen,  oder  er  war  bereits  vor  der  Vokali- 
sierung  des  ersten  mit  folgendem  palatalem  /  zu  Einem  Laute 
verschmolzen.*) 

Für  a  findet  sich  zu  dieser  Gruppe  das  Beispiel:  charade^) 
mit  tiefem  a  (nebst  der  Ableitung  charadiste  mit  hohem  q  [vgl. 
S.  24:  unbetontes  a  vor  d]). 

Für  den  Diphthong  oi  wird  in  den  hierhergehörigen 
Fällen  Yor  d,  t  und  unbetont  vor  «  immer  hohes  q  (oq)  notiert. 


*)  J.  Jaeger,  1.  c.  21,  22. 

2)  Nach  W.  Foerster  (Zeitschrift  für  rom.  Phil.  UI,  268)  charaude 
=■  charaute  von  *caracta. 


Die  QuaiUäi  der  Reinen  Vokede  im  Neufranz,  27 

2.  Unbetontes  a. 

Analog  der  Lauterscheinung  des  a  vor  einfachem  r  •■{'  e 
(vgl.  S.  20  Anm.  1)  ist  auch  hier  die  Qualität  strittig;  a  un- 
mittelbar vor  der  Tonsilbe  hat  meistens  tiefes  Oy  wobei  jedoch 
die  Fälle  mit  hohem  q  nicht  selten  sind. 

Tiefes  a:   arrher,    barrer,   barreau,   carre,   carreau,    charras, 

charrue,  Garrot,  harrot,  jarre,  larron,  marron,  marrer,  Na- 

varrois,  parrain,  sarrot,  Varron. 
Hohes  q:  ArraSy    arroser,   Arrie,    arriire,  Barrabas,   barrirf 

Carrare,  carrefour,  carriere  (Fei.  tiefes  a),  jarette,  narrer, 

Tarragone, 

Der  Diphthong  oi. 

Betontes  oi  =  tiefes  a  foq);  —  unbetontes  oi  =  hohes  a  foq) 

(vgl.  S.  21). 

Tiefes  a:  accroire,  croire,  doloire  (dolabra),  boire,  Loire^  re- 

fectoire  (Thurot  199), 
Hohes  q:  croirai,  croirons,  croirais,  croirions,  boirae,  boirions, 

Loiret,  loirot, 

Y*)  Vor  silbenanlautendem  Nasal  m. 
1.  Circumflektiertes  fi  =  tiefes  g,, 
fldme,  dme  (fdme  vgl.  S.  21,   22). 

2.  Betontes  wie  tonloses  a  vor  nun  (m)  =  hohes  q. 

dame,^)  madame  (Thurot  21),  estame,  gaTn/me,  gramme,  fla- 

gramme,  decigramme,  lame;  Ämmon,  damer  et,  dammaTf  eeta- 

minet,  gamache,  lame,  mammon,  u.  a.  m. 

Anmerkunffl.  Im  Gegensatz  zu  Bescherelle,  Dubroca,  FeUne,  Lan- 
dais, Lesaint  —  gibt  Sachs  (nach  Litträ)  für  flamme  und  Zu- 
sammensetzungen hohes  q  an,  während  nach  M.-Gz.  7,  flamme 
im  eigentlichen  Sinne  hohes  q  hat,  im  figürlichen  Sinne  tiefes  (k; 
in  den  Zusammensetzungen  zeigt  flamme  nach  M.-Cz.  überall 
hohes  ^.'  oriflamme  etc.  (vgl.  auch  Plötz,  1.  c.  S.  28.  —  Thur.  204). 

3^)   Vor   silbenanlautendem   Nasal   n. 

Betontes  wie  unbetontes  a  zeigen  hohes  q.^) 

Anne,    Canne,    canne,   Jeanne,   Lannee,   manns  —  manne 
(Manna  —  Thurot  204),  panne,  plane  (plantanue),  rouanne, 
tanne,  vaime.^) 
Annane,   annale,   annoncer,    bannir,    canneau,    ipanndeur^ 

U^noiseUe,  damoiseUe  etc.  —  Thurot  28. 
.-Gz.  gibt  tiefes  a  an. 
j  Zur  Endung  anne  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  28. 


26  H,  Barth 

adrottej  boitej  doite  (Thurot  409),  droite^  itroite^  matte  y  voitey 
froide  (Thurot  409);  doiUe^  moMr.  toiturcy  exploiture^  roitdet^ 
froidir^  fraideur^  noiseuXj  noUette,^) 


ß)  ToDTokale  toh  solchen  (sUbenanlantenden)  einfaehen  Konso- 
nanten, welehe  ans  geminierten  früheren  Konsonanten  oder  ans  mehr- 
fachen Konsonanten  hervorgegangen  sind ;  letztere  bestanden  entweder 
schon  im  Lateinischen,  oder  sie  wurden  durch  romanischen  Vo- 
kalausfall oder  durch  den  im  Romanischen  erfolgten  Übergang 
eines  auf  lateinischen  einfachen  Konsonanten  folgenden  unbeton- 
ten Hiatusvokal  (sogen,  palatales  i)  in  einen  zweiten  Konsonan- 
ten verursacht.*) 

Folgende  Tonfärbungen  sind  hier  fUr  a  (oi)  zu  notieren. 

a*)  Vor  silbenanlautender  Liquida  l. 
1.  Girkumflektiertes  fi  (betont  wie  unbetont)  =  tiefes  a. 

päUj  Mlej  rdlej  pdli  oder  bdli,  päHr^  päleuTj  MUTj  räler. 

2.  a  (d)  Tor  U  (1),  betont  wie  unbetont  =  hohes  q. 

cavalle  (Thurot  25),  daUe  (dame  —  Thurot  9),  espale  (ipaule)^ 
itaUj  falle  (fcde)^  gälte  (gale)y  graUej  intervaUe  (Thur.  196), 
paUe  (pcde)^  SaUeSy  savaUcy  taUe; 

boüle,  joüle,  oüle  (nach  M.  Cz.  mit  mouilliertem  Z),  Allahj  ÄUe- 
magne^  aUiefr^  aUumer^  ballade,  baUorij  avaUer^  caUeux,  espaler^ 
faUoir^  fallace^  gallotSj  OalluSy  pälettey  PaUaSj  raUeTy  valUe,  WaUis, 

ß^  Vor  silbenanlautender  Liquida  r. 

Der  Tokal  a. 

1.  Betontes  a  =  tiefes  a. 

arrheSf^')  Amharres^  amarrey  barre,  bizarre,  carre,  catarrhe 
(Thurot  6),  escarre  (esare  —  Thur.  5),  Sparre,  harre,  jarre, 
marre,  Navarre,  parre,  Sarre,  varre. 

Anmerkung,    foarre  (foirre  —  Thur.  373)  erscheint  nach  Sachs  mit 
tiefem  a,  nach  Litträ  mit  hohem  q. 


*)  raide  —  roide,  vgl.  S.  24,  Anm.  2. 

*)  J.  Jaeger,  1.  c.  23,  24. 

')  airrhes  (nach  Chifflet  und  Boahours).  —  La  permutaUon  enire 
Va  et  Ve  a  Ueu  suriout  devant  Vr  double  ou  suivie  dSune  autre  consonne, 
un  peu  moins  souvent  devant  Vr  simple.  Devant  les  autres  consonnes, 
cette  permutation  vCest  pas  rare;  mais  eile  de'pend  de  la  place  que  la 
voyeÜe  occupe  dans  le  mot  plutot  que  de  la  nature  de  la  consonne,  — 
Thurot,  1.  c.  4  ff. 


IHe  QuaUtäi  der  Reinen  Vokede  im  Neufranz,  27 

2.  Unbetontes  a. 

Analog  der  Lanterscheinung  des  a  vor  einfachem  r  -|-  6 
(vgl.  S.  20  Anm.  1)  ist  auch  hier  die  Qualität  strittig;  a  un- 
mittelbar vor  der  Tonsilbe  hat  meistens  tiefes  a^  wobei  jedoch 
die  Fälle  mit  hohem  q  nicht  selten  sind. 

Tiefes  a:   arrher,    barrer,   barreau,   carre,   carreau,    cTiarras, 

ckarrue,  Garrot,  harrot,  jarre,  larron,  marron,  marrer,  Na- 

varrois,  parrain,  sarrot,  Varron. 
Hohes  q:  Arras,    arroser,   Arrie,    arriire,  Barrabas,   barrir, 

Carrare,  carrefour,  carriere  (Fei.  tiefes  a),  jarette,   narrer, 

Tarragone. 

Der  Diphthong  oi. 

Betentes  oi  =  tiefes  a  foa);  —  unbetontes  oi  =  hohes  a  foq) 

(vgl.  S.  21). 

Tiefes  q:  accroire,  croire,  doloire  (dolabra),  boire,  Loire,  ri- 

fectoire  (Thurot  199). 
Hohes  q:  croirai,  croirons,  croirais,  croirions,  boirac,  boirions, 

Loiret,  loirot. 

Y*)  Vor  silbenanlautendem  Nasal  m. 
1.  Circnmflektiertes  fi  =  tiefes  g,. 
fldme,  dme  (fdme  vgl.  S.  21,   22). 

2.  Betontes  wie  tonloses  a  vor  nun  (m)  =  hohes  q. 

dame,^)  madame  (Thurot  21),  estame,  gamme,  gramme,  fla- 

gramme,  decigramme,  lame;  Ammon,  damer  et,  dammar,  esta- 

minet,  gamache,  lam4,  mammorij  u.  a.  m. 

Anmerkung  1.  Im  Gegensatz  zu  Bescherelle,  Dubroca,  FeHne,  Lan* 
dais,  Lesaint  —  gibt  Sachs  (nach  Litträ)  für  flamme  und  Zu- 
sammensetzungen hohes  q  an,  während  nach  M.-Gz.  7,  flamme 
im  eigentlichen  Sinne  hohes  q  hat,  im  figürlichen  Sinne  tiefes  q,; 
in  den  Zusammensetzungen  zei^  flamme  nach  M.-Cz.  überall 
hohes  9;  oriflamme  etc.  (vgl.  auch  Plötz,  1.  c.  S.  23.  —  Thur.  204). 

8*)   Vor   silbenanlautendem   Nasal   n. 
Betontes  wie  unbetontes  a  zeigen  hohes  q.^) 

Anne,    Canne,   canne,   Jeanne,   Lannes,   manne  —  manne 
(Manna  —  Thurot  204),  panne,  plane  (plantanua),  rouanne, 
tanne,  vanne.^) 
Annane,   annale,   annoncer,    bannir,    canneau,    Spanneteur^ 


*)  Zu  demoiselle,  damoiseUe  etc.  —  Thurot  28. 

')  M.-Gz.  gibt  tiefes  a  an. 

»)  Zur  Endung  anne  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  23. 


28  H,  Harth 

gannaliser,  Jeannet,  Lannoy,  manneau,  Marianne,  Nannette, 

pannaire,    vanneau    (hanebane-hennebane-henebane-    Tbu- 

rot  30). 

Anmerkung  2.  couenne  (ital.  cotenna)  und  die  Ableitungen  schwan- 
ken zwischen  hohem  ^  (Littr^  und  andere)  und  halboffenem 
e  (Bescherelle  und  Feime  —  vgl.  S.  26,  1,  permuiation  —  dazu 
banne,  ital.  benna,  afrz.  benne,  aus  dem  Kelt.);  (Thur.  542). 

£0  Vor  silbenanlautenden,   stimmhaften  Momentan- 

und  Dauerlauten. 

Folgende  Fälle  sind  zu  betrachten: 

1.  Betontes  (unbetontes)  a  Tor  bb,  gg  (gg)  =  hohes  q, 

labbe,  abbe,  Abbeville,  r abbin,  sabbat,  sabot,  sabin;  dagard, 
Agg4e,  waggon. 

2.  Betontes  wie  nnbetontes  a  Tor  g  =  hohes  q. 

ajustage  (ajutage  Thur.  203),  cage,  gage,  image,  page,  plage, 

nage,  rage  (Thnr,  314),   Tage,  vages,  sowie  in  den  zahlreichen 

Wörtern  mit  dem  Suffixum  age  (aticum): 

avantage,  bavardage,   camage,    chauffage,    cirage,    courage, 

davantage,  dommage,  etage,  feuillage,  fromage  (Thur.  262), 

hommage,   language,   mariage,   ouvrage,  vogage,  u.  a  m.  — 

sowie   in   dem  Lehnwort:    naufrage,   —   avantager,    cagette, 

gager,  hagee,  Jagdlon,  imaginer,  nager,  sagesse,  Pages,  vaginal, 

Anmerkung.  Circumflektiertes  ä  =  tiefes  a:  äge,  äge  (Thurot 
523  und  538). 

8.  Betontes  a  Tor  d  (dd)  =  tiefes  a\  nnbetontes  a  =  hohes  qS) 

malade,  moussade,  sade  —  Adda,  addition,  maladie,  maussa- 
derie,  sadinat,  padda,  Sadd&r^) 

^)  Vor  silbenanlautender,   stimmloser  Sibilans  ss  (g). 

Die  einschlägigen  Beispiele  zeigen  für  betontes  wie  für  unbetontes  a  (oi) 

hohe  Vokalquantität  q  (oq). 

1.  Betontes  a  (oi). 

brasse,  casse  (f6m.  zu  cas),  casse  (coisse,  capsa  —  Thurot  34), 
casse  (s.  v.  zu  casser)  und  seine  Zusammensetzungen:  casse- 
bras,  casse-cou,  casse-tete,  chasse  und  seine  Zusammensetzungen : 
chasse-chien,  classe,  crasse,  echasse,  grasse,  impasse,  masse, 
passe,  Parnasse,  repasse,  Tasse\ 
agace,  Alsace,  audace,  besace,  bonace,    contumace,    coriace. 


*)  vgl.  S.  24. 

')  Zur  Qualität  der  Endung  ade  vgl.  die  gegenteilige  Notation 
von  Plötz,  1.  c.  S.  22. 


Die  QuaUtäi  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  29 

dedicace,  efficace,  espace,  face,  grimace,  glace,  leinace 
(Thurot  200),  menacey  place,  populace,  rosace,  tenace,  vilace, 
vivace,  vorace,  Wace;  —  gleichfalls  in  den  Zasamniensetzun- 
gen  mit  dem  Suffixum  —  a^se  (ace)  =  lat.  axieum-acea^ 
vgl.  Diez,  Gr.  U*,  315  und  316: 

bagasse,  hecasae,  molasse,  paiUasse,  pinasse,  terraase,  molasae, 
u,  a.  m.  —  fouace; 

angoisae,  moisse,  paroisse,  poisse,  roisse. 
Verbalformen:  fappdasse,  je  fasse,  iU  fassent,  je  croisse. 

2.   Unbetontes  a  foij. 

amasser,  assa,  ambassade,  assez,  aaaidu,  bassin,  bassinoire, 
bassage,  cassant,  casser,  chasser;  agacer,  alsacien,  audacieux, 
besacier;  contumacier,  Dacier,  delacer,  fouacier;  —  angoisser, 
accroissement,  boisson,  froisser,  Froissard,  moisson,  parois- 
sien,  poisser,  Poissy,  Soissons,  voici  (Thur.  529  und  Anmer- 
kung. 6  S.  32). 
Verbal  formen:  appelassions,  fassions,  croissions, 

Anmerkung  1,  ä  vor  ss  (0  =  tiefes  a\  chStsse  (capsa),  gräce,  dis- 
gräce,  —  chässis. 

Anmerkung  2.  basse  (Um,  zu  bas  als  Adjektivum  hat  hohes  q;^) 
dagegen  basse  als  Substantivum  notiert  Sachs  mit  hohem  ^  und 
mit  tiefem  (k;  ebenso  zeigen  bald  hohes  q,  bald  tiefes  a  die 
Wörter:  nasse  und  tasse,  während  die  Ableitungen  stets  hohes 
q  haben:  basse -contre,  basse- eau,  basse -mer,  bassonisie,  nasseite, 
—  doch  iasse,  iassette  mit  hohem  a  und  mit  tiefem  a. 

Anmerkung  3.  In  der  Endung  asion  folgt  a,  als  vor  weichem  s 
stehend,  der  S.  23  gegebenen  Qualitötserscheinung;  a  zeigt  tie- 
fes a:  dissuasion,  occasion,  occasionner,  occasionel. 

Die  Endungen  aiion  und  assion,  tie  dagegen  haben  wegen 
ihres  scharfen  ^-Lautes  hohes  q:  passion,  compassion,  passi- 
onnement,  abdication,  abjuration,  admiraiion,  agiiation,  naiion,  na- 
tional, aristocratie,  democratie,  ochlocratie,  auiocratie,  DalmaUe, 
Croiiie,  primatie,  Sarmatie  (Thurot  228).*) 

Anmerkung  4.  M.-Cz.  notiert  für  alle  betonten  ^-Fälle  tiefes  q,; 
vgl.  auch  die  Bemerkungen  zu  den  Endungen:  asse,  ace,  asion, 
aiion,  assion,  Plötz,  1.  c.  S.  25,  22,  24. 

Tj')  Vor  den  übrigen  (silbenanlautenden)  stimmlosen 
Momentan-  und  Dauerlauten  ch,  ff,  pp,  tty  cc. 

Betontes  wie  unbetontes  a  (oi)  erscheint  in  Yorstehenden  Fällen  mit 

der  Tonf&rbnng  eines  hohen  a  (oq).^) 

ache,  attache,  bacche,  cache,  flache  (Thur.  187),  nache,  vache, 


^)  vgl.  Lücking,  1.  c.  411  Anmerk.  **♦. 

')  Nach  Lesaint  scharfer  ^-Laut,  nach  M.-Cz.  weicher  8-Laut| 
doch  in  beiden  Fällen  hohes  q, 
»)  vgl.  r/',  S.  24,  25. 


30  B.  Barth 

sowie  die  Wörter  mit  dem  Suffix  —  ache  (vgl.  Diez,  Gr.  ü*, 
314  und  316):  bamache,  bourrache  (Thur.  32),  bravache, 
gamachs,  mordache,  moustache,  packe,  panache,  patache,  pi- 
stäche,  rondache  —  hache  (prov.  apcha). 
acheter  (Thur.  20),  attacher,  Achille,  acheminer,  bachot,  cacher, 
hacher,  Fächer^  Rachel,  sachant,  tacher,  vacher, 
caffe,  empaffes,  faffe,  gamaffe,  Joffe,  naffe,  raffe,  taffe;  — 
affecter,  Baffin,  Caffa^  cafe,  goffeau,  echafaud  (Thur.  220), 
Jaffa,  nafe,  raffermer,  rafale, 

chape  (cappa),  cappe,  echappe,  frappe,  happe,  jappe,  mappe, 
nappe,  pappe;  —  apparat,  echapper,  frappant,  happer, 
japper,  nappiste  u.  a.  m. 

atte,  blatte,  chatte,  datte,  gatte,  gratte\  jatte,  matte,  natte 
patte,  platte,  satte;  —  attacher,  attder,  battu,  dattier,  flatter, 
Matthias,  Acca,  acceder,  accomplir,  accordcr,  saccade,  Sac- 
charin, bacchanaie,  bacca  u.  ä. 

boitte,  coiffe  (Thür,  355),  boittee,  voichive,  coiffer,  •goiffon, 
soiffer, 

r)  Tonvokale  vor  solchen  silbenanlantenden  Konsonanten,  vor  welchen 
in  altfranzosischer  Zeit  ein  s  verstammt  ist. 

Circnmflektiertes  fi  (o!),  betont  wie  unbetont,  erscheint  als  tiefes  a  foa). 

bdche,  gdche,  lache,  mäche,  r däche,  Bäle,  male,  räle,  bläme, 
äne,  päpe,  päque,  gäte  (gäte-bois) ,  häte,  päte,  täte,  boite 
(Thurot  355). 

fächeux,  gdcher,  lächer,  mächer,  tächer,  Mäcon,  bäbiste,  bä- 
bard,  bäloise,  cälin,  räler,  Säfel,  blämer,  änee,  bäton,  bätard, 
chäteau,  gäteau,  häter,  päquerette,  täter,  räteau,  boitier, 

Anmerkung  1.  Auch  die  Yerbalendungen  ämes  und  ätes  haben  nach 
Sachs  tiefes  a  (im  Gegensatz  zu  M. - Csizal) :^) parlämes,  fächätes.^) 
Ebenso  gibt  M.-Cazal  154  f.  für  unbetontes  ä  (oij  hohes  q  (oq) 
an  im  Gegensatz  zu  Sachs:  chäteau,  gäteau,  boitier  =■  oa. 

Benotte,  henoite  (Thurot  511)  und  die  Ableitungen  henoiton^ 
henoitonisme,  henottonner  folgen  der  Gruppe  l  l  -^  et  und  haben 
hohes  q  (vgl.  droite,  adroite,  S.  25,  26 /?0- 

Anmerkung  2.    räche  (a.irz.  rasche,  prov.  rasca  frascarj,  {ra.nz.  racher,  11 

V.  rasicare,   hat   hohes  q\   dagegen  räche   frassusj  tiefes    a; 
ebenso  hat  Jachere  (gascaria)  hohes  q. 

Für  trtüe  (nach  Diez  und  Scheler  träte,  afrz.  trasle  v.  ahd. 
thrascela)  notiert  Sachs  nach  Landais  hohes  q^  dagegen  für 
trasle  (dtsch.)  mit  stummem  s  —  tiefes  a. 


1)  vgl.  Lücking,  1.  c.  S.  409. 

')  G.  Lan^enscheidt,  Konjugationsmuster,  mit  Angabe  der  Aus- 
sprache —  Berlin,  1881,  S.  10  (Note  18  —  16):  , .  .  ät,  ...  ätes  . .  .  ämes 
(P.  und  Imperf.  des  Subj.)  wird  trotz  des  Cirkumflex  auf  a  durch  viel- 
fach mit  offenem  (hohem)  halblangen  oder  kurzen  a  gesprochen  etc. 


JHe  QtiaHiäi  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  31 

Bei  täche  (Thurot  313),  iächer,  tächeron  (taxare)  mit  tiefem  a 
und  lache,  tacher^  tacheter  (iasca,  ital.  tetcca,  kelt.  tac)  —  nach 
Dupuis,  Feline,  Landais,  Poitevin  mit  hohem  q,  wahren  Ety- 
mologie und  Bedeutiingffunter schied  ihre  Rechte.^) 

b)  Der  Vokal  a  (oi)  vor  (neiifranzösiscliem)  motdUiertem 

1  oder  n  mit  stummem  e-O 

Betontes  wie  unbetontes  a  (oi)  zeigt  vor  f  und  n  hohes  q  (oq), 

jaiüe,  aumaiUe,  baille,  bataille,  broussaiUe  (Thurot  253), 
caille,  chamaille,  cisailles,  crapaudaille  (crespodaille  — 
(Thurot  30),  ^caille,  entrailleSf  faule,  fouaiUe,  frocaille, 
graille,  maüle,  medailley  moinaille,  mangeaille,  muraille, 
orailles  (Thurot  259),  ouaille  (Thurot  347,  543),  paille,  pe- 
naille,  quoaiUe,  raiUe,  taiUe,  tenaille,  traüle,  victuaille,  vo- 
laillcj  vaille. 

Allemagne,  bagne,  Bretagne,  campagne  (Thur.  331),  Cham- 
pagne (Thur.  331),  cagne,  compagne,  ecagne,  etagne,  Espagne, 
fagne,  gagne,  magne,  montagne,  pagne,  Romagne  u.  a.  m. 
ailleurs,  Ailly,  bailler,  bretailler,  brottssailler,  caillade,  Caillet, 
craiUer,  ecaiUement,  emailler,  faiüir,  haiUer,  jaiUir,  maiüer, 
paillasse,  iailleur,  vaiUant 

Agnes,  agneau,  campagnard,  campagnie  (Thur.  222),  espagnol, 
estagnon,  Magny,  magnifique,  pagnon  etc. 
eloigner,  joignant,  moignon,  soigner,  oignement,  Oignies,  u.  ä. 

Anmerkung  1.  Zu  dem  Wort-Anfang  poign.  .  .  macht  Sachs  die 
Bemerkung:  Dieser  Wort-Anfanc  wird  von  Autoritäten  teils 
pooL-nj , .  .  teils  pö-nj ,  .  .  angegeben,  sodass  beides  richtig  ist; 
doch  scheint  pö-nj  .  .  .  familiär,  nachlässige  Sprach  weise  zu  sein, 
wofür  auch  Lesaint,  2.  Aufl.  83:  poigne,  poignant,  poigne'e,  poig- 
nard,  poignei,  empoigner  etc. 

Anmerkung  2.  In  encoignure  und  coigne'e  (welche  Formen  bei  Le- 
saint, Maigne,  Littr^,  Landais  auch  ohne  t  vorkommen:  en- 
cognure,  cogne)  ist  t  stumm;  ebenfalls  verstummt  t  in  dem 
Personen -Eigennamen  Coigny,  dessen  Aussprache  also  mit  der 
Aussprache  der  türkischen  Stadt  Cogni  identisch  ist.  —  ot  =  oq 
in  den  Worten  coignei,  coigneux,  coigner, 

i  ist  ferner  stumm  in  Montaigne,  oignon,  oignonade,  oignouei, 
oignouiere;  für  oignard  gibt  Sachs  oq  an,  nach  Litträ  ist  das  t 
in  diesem  Worte  stumm.*) 

Anmerkung  8.    ä  vor  7=  tiefes  a:  häiUer,  bäiäeur,  bäiliant 

Anmerkung  4.  Nach  M.-Gazal  7;  94,  Anm.  1;  168;  416;  418;  etc.  — 
hat  a  vor  palatalem  f  (Hl)  tiefes  a;  doch  sind  die  Ausnahmen 
mit  hohem  q  nicht  selten:  mddaiUe,  bataille,  il  baille  etc.  —  Die 
Verwirrung  steigert  sich  bei  den  abgeleiteten  Formen,  wo  der 


*)  vgl.  Plötz,  L  c.  S.  23. 

*)  vgL  Thurot,  327  —  30,  869,  370. 

»)  vgl.  Plötz,  L  0.  S.  86. 


32  H.  Harth 

EinfiuBB  des  Vokals  der  nachfolgenden  Silbe  nicht  mehr  zar  Be- 
stimmung der  Tonfärbung  ausreicht.  —  vgl.  Lücking,  1.  c.  S.  412. 

.Anmerkung  5.  Auch  in  den  Wörtern:  agnai,  agnante,  aanaihe,  agna- 
tion,  agnatique,  magnai,  magnatisme,^)  siagner^)  und  seinen  Ab- 
leitungen: Stagnation,  stagnal,  stagnant  etc.  —  wo  gn  nicht  die 
son  mo utile  hat,  ist  a  mit  hoher  Qualität  notiert. 

Anmerkung  6.  En  un  certain  nombre  de  mots,  oü  oi  ne  vient  pas  de 
ei  et  ne  se  trouve  pas  devant  une  l  ou  une  n  mouilUes,  il per- 
mute ou  semble  permuter  soit  avec  ou,  soit  avec  o,  soit  ave'c  i, 
soit  avec  eu  (Thurot,  S.  870-71). 

c)  Der  Vokal  a  vor  (netiüranzösclier)  Muta  ctim  Liquida 

mit  stummem  e. 

a)  Der  Mal  a  vor  nrsprfinglieh  (lateinischer)  oder  durch  romanisehen 
Malansfall  entstandener  (einfacher)  Inta  cnm  Liquida. 

1.  Betontes  a  zeigt  die  Qnalitttt  eines  tiefen  a  vor  folgenden 
Verbindungen:  br,  dr,  gpr,  tt,  zr,  cl/pl,  tl. 

ahre^  cdbre,  canddabre,  cinabre,  dolabre,  gabre,  glabre,  ma- 

cabre,  zabre; 

cadre^  quadre,  ladre,  madre,^)  baraihre. 

Anmerkung  1.  ^^^<w?r^  hat  nach  Landais,  M.- Gz.,  Chifflet  —  tiefes  a, 
nach  Littr^,  Feline  hohes  q\  ladre  nebst  Derivaten  notiert  M.-Cz.  7 
mit  hohem  q. 

bagre,    dgagre,  gonagre,   ischiagre,   lagre,  Meleagre,  Ocagre, 

Pagre,  podagre,  sagre, 

Anmerkung  2.  hlagre  hat  nach  Sachs  hohes  q\  nach  M.-Gz.  11  hat 
«vor  gre  nur  nach  Vokalen  (MeUagre)  tiefes  a,  sonst  hohes  ^. 

cadavrCf  havre,  savre,  Wavre. 
Anmerkung  3.    oi  vor  vre  =  hohes  q  (oq):  poivre,  poivrer. 

habitacle,^)  mach,  mir  ade,   obstade,  orade,  rade,   spectade, 
Naples,  Octaples. 

2.  Bei  nnbetontem  a  in  Torstehenden  FttUen  dominirt  hohes  q)  die 

direkten  Derivaten  zeigen  tiefes  q. 

Hohes  a:  cabril,  cabriUet,  cabrioler ,  Abraham,  fabrique,  Gabriel, 
glabrier,  sabri,  sabrieux,  sabree]  adresse,  adroit,  badrouille, 
decadrier,  escadrille,  ladrerie,  Nadrovie,  madre,  quadrat, 
sadrSe;  flagrant,  aggraver,  agreer,  Bagration,  lagriaire, 
Wagram;  avril,  navrer,  aclide,  macler,  maclage,  obstader, 

*)  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  86. 

^)  Poitevin  gibt  son  mouUle  an,  Sachs  bezeichnet  diese  Notation 
als  unnötig,  regelwidrig. 

*)  vgl.  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  88,  Anm.  ^. 

*)  Die  Endung  acte  anlangend  —  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  23;  zu  den 
Sndungen:  abre,  adre,  avre  .  .  .  S.  24. 


Die  QtiaMtät  der  Reinen  Vokale  im  Is'eufranz.  33 

obstacleTy  aplaner,  applaudir,   aplatir,   cataplasme,   caplan, 

Naplouse,  Azrael,  Atlantide,  Atlas, 

Tiefes  a:  cabrer,  sabreur,  racler,  raclage  u.  a.  n. 

Annmerkung  4.  sab?'e  hat  nach  Dupuis  3,  Landais,  Feline  tiefes  a, 
nach  Littr^  hohes  q\  für  die  Ableitungen  notiert  Sachs  tiefes  a: 
sabrer,  sabreur,  sah^elache,  sdbrenaud. 

8,  Betontes  wie  unbetontes  a  =  hohes  a  vor  den  Verbindungen 

er,  fr,  pr,  tr,  bl,  dl,  fl,  gl. 

acre,  Acre,  fiacre,  lacre,   macre,   massacre,   nacre,  pouacre 

(Thurot  541),  sacre,  simulacre; 

Anmerkung  1.  diacre  hat  nach  Litträ  und  M.-Gz.  hohes  q^  nach 
Chifflet  tiefes^. 

balafre,  baffre,  cafre,  caffre,  gouliafre,  safre,  saffre,  Zafre, 

Venafre,  capre, 

Anmerkung  2.  affre  ist  mit  tiefem  q  (nach  (M.-Cz.)  notiert; 
häfre  und  bäfrer  zeigen  tiefes  q. 

able,  affable,  agreable,  aimable,  buvable,  capable,  comparable, 

convenable,  diable,  debitable,  itable,  effroyable,  epouvantable, 

ex4crable,  fable,  gable,  ignorable,  immangeable,  jable,  labou- 

rable,  louable,  mangeable,  miserable,  nable,  navigable,  obviable, 

pagable,  sortable,  tolerable,  visable. 

Anmerkung  3:  sMe  hat  nach  Landais  und  Dupuis  tiefes  a,  was 
Littr^  für  regelwidrig  erklärt. 

fable  =  hohes  a;  nach  Litträ  im  17.  Jahrh.  und  auch  heute 
noch  bisweilen  tiefes  a;  dagegen  bezeichnet  Sachs  affable  (des- 
sen a  nach  Plötz,  1.  c.  S.  24  sehr  lang  ist)  mit  hohem  q, 

rafle  und  seine  Ableitungen  notiert  Littr^  mit  hohem  q  (s. 
V.  zu  rafler  v.  mhd.  raff^en)^  —  Bescherelle  und  Boiste  notieren 
circumflektiertes  ä  =  rafle,  rafler,  räfleur,  räfleux,  äräfler. 

acree,  dacryode,  diacrdnien,  fiacre,   Macrin,  sacre,   abluer, 

bablah,  diablesse,  erablet,  fablier,    dtablir,  jablQre,   mably^ 

sabler,  tableau;  affleurer,  mafle,  safleur,   Afrique,   affreux, 

balafre,  Lafroi,  safrerie^  appr4cier,  aprou,   apres,   caprice, 

diaprer,  approcher,  rapprocher; 

Atride,  Atropos,  attroper,  catrin,  diatribuer,  fratricide,  im- 

matricule,  Latrou,  matrone,  patrie,  estrapie,  Agla4,  Aglante, 

agglutiner,  cataglasse,  haglure,  Fadladeen, 

Anmerkung  4.  M.-Cz.  bezeichnet  a  vor  bl,  fr  (ffr),  fl  —  mit  tie- 
fem a,  gibt  aber  den  Adjektiven  auf  -äble  hohes  q:  lotuiblef 
mtiahle  etc.;  ebenso  den  Substantiven  table,  etable,  jable. ^) 

Circumflektiertes  d\  In  sämtlichen  zu  c  gehörigen  Grup- 
pen ist  das  circumflektierte  a  (betont  oder  tonlos)  mit  tiefem  q 
notiert. 


^)  Vgl.  zu  diesen  Verbindungen:  Plötz,  1.  c.  S.  24:  table. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VH.  3 


34  H.  Harih 

äcre,  backet  bäfre,  cäble  (afrz.  cheable),  debdchf  cdpre,  thed- 

tre,  dcrete,  bdcleur,  bdfrerie,  cäbler,  debdcler,  cdprier,  ihedtraL 

Anmerkung  1.  r^le  (afrz.  raable  —  Thurot  541)  und  seine  Ableitun- 
gen: rähler,  räblot,  räblu,  räblure  hat  nach  Littr^  auch  hohes  ^, 
welche  doppelte  Notation  durch  die  Verschiedenheit  der  Bedeu- 
tung als  motiviert  erscheinf.  Pautex  gibt  rable  ohne  Circumflex 
an.  —  M.-Cazal  104  notiert  für  ihe'ätral  hohes  q^) 

ß)  Der  Vokal  a  vor  nrsprünglicli  geminierter  Muta  ctim 

Liquida  mit  stummem  e. 

Betontes  wie  nnbetontes  a  =  hohes  q. 

battre,  abattre,  combattre,  quatre; 

acdind,  affley  affligery  aggredir,  appUqaer,  apprendre,  attri- 

buer  etc. 

r)  Der  Vokal  tritt  durch  Verstummnng  eines  s  vor  Muta 

CTim  Liquida. 

Das  circnmflektierte  fi  (oi)  zeigt  unter  nnd  ausserhalb  des  Tones 

tiefes  q  (oq), 

dprCy  dtre  (Diez  asser,  Scheler  astrum),  Chdtre,  empldtre, 
muLdtre  (Thurot  194),  pdtre,  pldtre  —  sowie  in  den  Wörtern 
mit  dem  Suffixum  -dtre:  albdtre,  belldtre,  blanchdire^  bleu- 
dtre,  foldtre,  grisätre,  idoldtre,  pyroldtre,  rougedtre,  verddtre. 
dprete,  chdtrable,  empldtrer,  pldtras. 

doitre,  doitrer,  goitre,  goitreux,  croitre,  und  dessen  Kompo- 
sita; —  je  crottrai,  croitrons  u.  a.  m. 

Anmerkung  2.  Auch  hier^)  gibt  M.-Cazal  154  f.  für  unbetontes 
Ol  hohes  q  an:  tu  accroitreis,  vous  decroitrez  etc.;  demzufolge 
iti  croUras  mit  tiefem  q  nach  Lücking  (1.  c.  S.  414)  falsch  no- 
tiert ist. 


IL  Der  Tonvokal  a  (oi)  im  Wortauslaut. 

a.  Im  Wortauslaut  ohne  folgenden  stummen  Konsonanten  oder 

folgendes  stummes  e. 

a)  UrsprangUeh  einfaeher  Mal. 

Der  Vokal  a  hat  hohes  q. 

aba,  Adda,  assa,  aUeluja,  auriga,  acta,  Äja,  ana,  Anna, 
ba,  baba,  Bidassoa,  boa,  ga,  gä,  caaba,  caraba,  caracaUa, 
Canada,  cda,  da,  dada,  d4jä,  Emma,  gala,  Goa,  ha,  ja,  lä, 
Oeta,  piega,  Saara,  Zama,  voilä  (Thurot  529). 

^)  vgl..S.  30,  Anmerkung  1. 
*)  vgl.  S.  80,  Anmerkung  1. 


Die  Qualilät  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  35 

Anmerkung  1.    Für  Acca,  ah,  ha,  la  (Ton  und  Zeichen),  Zampa  wird 

tiefes  a  angegeben. 
Anmerkung  2.    Die  Verbalendung  a  betreffend;   so   notiert  Sachs 

für  a  der  Endung  der  3.  p.  sing.  fut.  —  tiefes  a:  ü  portera, 

il  mangera;  dagegen  für  dieselbe   Endung  der  3.  p.  sing.   Pf. 

hohes  q:  il  porta,  eile  alla;  dasselbe  Verh'ältnis  bleibt  für   die 

Inversion:  payera-i-il  —  parla-t-U. 

il  a  hat  wie  ü  aura  tiefes  a  (doch  auch  oft  offen  gesprochen).^) 

ß)  Ifeafranzosisehe  Tokale,  welche  ans  altfranzosisehen  Diphthongen 

entstanden  sind. 

Der  diphthongisohe  Ursprung  ist  noch  angedeutet  in  der 
neufranz.  Orthographie. 

Der  Diphthonge  oi  hat  hohes  a  (oqj. 

ahoi  (Thur.  385),  aloi,  arroi,  avoi,  beffroi  (Thur.  30),  bSfroi, 
charroij  coi,  coy,  convoi,  courroi,  effroi  (Thur.  387),  emoi, 
emploiy  envoiy  foi,  Jouffroy,  loi,  moi,  Moy,  Mainfroi,  octroi, 
orfroi,  Outroi,  palefroi,  paroi,  pourquoi,  quoi,  remploi^  ren- 
voij  roi  (Thur.  398),  soiy  toi,  troy,  toumoiy  voL 

Dieselbe  Tonfärbung  bleibt  für  das  unbetonte  oi  (^=  oq) 
in  den  erweiterten  Formen:  aboyer,  charroyeur,  charroyer,  con- 
voyer,  employer,  foi-mentir,  royer,  royal  (Thur.  397),  royaume, 
royalme,  royaute")  u.  a.  m. 

b)  Der  Vokal  (Diphthong)  steht  nnmittelhar  vor  stummem 

e  im  Wortauslant. 

1.  Betontes  oi  (oy)^)  unmittelbar  vor  stummem  e  =  hohes  a  foqj. 

Avoie,  boie,  broie,  baudroie,  courroie  (Thur.  396),  Cloyes, 
foie,  joie,  lamproie, .  mont-joie,  moie,  oie,  ormoie,  proie,  Sa- 
voie,  soie,   Troie,  voie,  voye, 

Anmerkung  1.  Die  Formen  mit  y  (oy)  begünstigen  tiefes  a,  wo- 
durch zugleich  einem  Unterschied  in  der  Bedeutung  bei  sonst 
gleichen  Formen  Rechnung  getragen. wird: 

Moye  (moie),  Roye,  voye  (roi),  Troyes  (Troie)  —  doch  voye 
und  voie  mit  gleicher  Qualität,  u.  a.  m.  Für  moye  giebt  Lan- 
dais hohes  q  und  Nachschlag  von  j  an,  was  Sachs  als  nach- 
lässige Sprechweise  bezeichnet. 

Anmerkung  2.  Der  Diphthong  oi  in  den  Verbalformen  bietet  in 
und  ausser  dem  Tone  nur  hohes  a  (oq).^) 

je  croie  (Thurot  891),  •/  croie  (tu  croies),  fassoie,  il  assoie,  ils 


^)  vgl.  G.  Langenscheidt,  1.  c.  S.  20  (Note  1  —  12,  18 —  16);  S.  38. 
*)  Für  die  Anfangssilbe  roy  .  . .  gibt  Littre  Ö-ro^au. 
»)  vgl.  Thurot,  1.  c.  S.  364—866. 
*)  Thurot  367,  382. 

3* 


■  .;?i.'raciie      ;t  '■iienöni 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  37 

o)  Tonvokale  vor  stummen  Konsonanten  im  Wortäuslaut. 

a)  Im  iltfranzosisehen  folgte  anf  den  Tonvokal  einfache  Konsonanz 

nnd  zwar: 

a')  Die  Liquida  I.  ]  Beide  Fälle  bieten  für  a  (oi)  keine 
ß')  Die  Liquida  r.  j         Beispiele. 

f)  Der  Vokal  a  (oi)  vor  stummem  s  (x,  z). 

1.    Der  Vokal  a  vor  stummem  s  (s)  hat  tiefes  a. 

agas,  amaSj  anabas,  appas,  Assas,   harras,   bas,   bassinaa, 

bourgelas,  bras,  cabas,   cadenas,    Carabas,   carcas,   choucas 

(Thur.  263),  compaa,   embarraa,   echalas,  fracas,   Foullahs, 

Gormas,  galimatias,  glas  (Thur.  326),  gras,   haras,   Havas, 

jas,  las,  Lucas,  lila^,  mas,  matelas,   Nicolas,  pas,  pldtrasj 

ras,  repas^  las,  Thomas,  trepas,  tracas,  La  Sarraz,  Raz, 

Anmerkung  1.  Die  Verbalformen  tu  as,  sowie  die  2.  p.  sing.  fut.  tu 
auras,  tu  parier  as  —  haben  tiefes  a;  demgegenüber  erscheint 
die  2.  p.  sing.  pf.  mit  hohem  q  notiert:  tu  parlas  (vgl.  die  ana- 
loge Notation  S.  35,  Anmerkung  2). 
Anmerkung  2.  cas  als  Substantivum  hat  tiefes  a;  cas  als  Adjek- 
tivum  hat  ebenfalls  tiefes  a,  doch  nach  Boiste  und  Poitevin 
hohes  q. 

chas  mit  stummem  s  (nach  Feline  und  Landais)  hat  tiefes  a^ 
mit  lautbarem  s  (nach  M.-Cazal)  hohes  a.  Dieselbe  Notation 
gilt  für: 

bourras  (tiefes  q  nach  Littr^,  hohes  q  nach  Landais); 

papas  (tiefes  q  nach  Littr^,  hohes  q  nach  M.-Cazal). 

^o^  (tiefes  q  nach  Landais,  Poitevin,  Litträ,  hohes  q  nach 
M.-Cazal);  bei  sas  lässt  Feline  die  Qualität  von  der  Bedeutung 
abhängig  sein; 

verglas  dagegen  hat  stets  stummes  s,  qualitativ  nach  Feline 
tiefes  a,  nach  Dupuis  7,  M.-Cz.  9  —  hohes  q. 

Für  helas  geben  Landais,  Feline,  Lesaint,  lautbares  s  und 
hohes  q  an;  nach  Littr^  ist  s  stumm  vor  Konsonanten,  lautbar 
vor  Vokalen;  in  beiden  Fällen  aber  ist  tiefes  q  notiert. 

Für  abas  mit  lautbarem  s  gibt  Sachs  tiefe s'a  an. 

fars  mit  stummem  rs,  auch  fos  und  gä  geschrieben,  hat  nach 
Feime  und  Littr^  tiefes  a;  die  Aussprache  gar  (lautbares  r) 
mit  hohem  q  ist  veraltet. 

Judas  (nach  Lesaint  und  Poitevin  mit  lautbarem  sj  hat  ho- 
hes q  (nach  Littr^  mit  stummem  s  und  tiefem  a.  Zur  Aus- 
sprache resp.  Verstummung  des  s  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  94.)*) 

2.  Der  Diphthong  oi  Tor  stummem  s  (z)  zeifirt  hohes  a  (oq).^) 
antenois,  Artois,  autrefois,  Aiixois,  bourgeois,  Blois,  cana- 


^)  Plötz,  L  c.  S.  25,  legt  der  Endung  as  (mag  s  stumm  sein  oder 
gesprochen  werden),  für  die  meisten  Wörter  tiefes  q  bei.  Zur  Endung 
as  mit  lautbarem  s  vgl.  S.  41,  5. 

^  vgl.  Thurot,  1.  c.  399. 


38  H.  Harth 

dois,  chamois,  Champenois,  chinois,   cowrtois,    dois,   empoisy 

FrangoiSf  fois,  gaulois,  gregeois,  genevois,  mois,  trois;  choix, 

Saint-FoiXj  Quinquempoix,  Mirepoix,  voix; 

Verbalformen:  je  crois  (Thur.  393),  tu  sois,  je  regois,  tu  vois, 

vois,  j^assoisj  je  dechois,  tu  bois,  tu  crois, 

Anmerkung  1.  M.-Cazal  475,  155,  213,  gibt  für  oi  vor  stummem  s 
(x)  tiefes  a  an,  wobei  nach  Lücking^)  eine  Anzahl  von  Wörtern 
ungenau  oder  widersprechend  notiert  sind  (mit  hohem  q)-.  PAu- 
xerrois,  rJuxois,  carquoi^,  Iroquois,  riarquois  etc. 
Anmerkung  2.  Folgende  Wörter  zeigen  qualitative  Schwankungen: 
hois  (subst.)  notiert  Sachs  mit  hohem  q\  Feline  und  Nodier  mit 

tiefem  a; 
poids  nach  Sachs  mit  hohem  ^,  nach  Feline  und  Nodier  mit 

tiefem  a; 
pois,  nach  Sachs  mit  hohem  a,  nach  Landais  mit  tiefem  a; 
dieppois  (Dieppois)  bei  stummem  s  =  hohes  a,  bei  lautbarem 

s  =  tiefes  q\ 
poix  (auch  in   der  liaison)  nach  Dupuis  140,  M.-Cz.  477  =  ho- 
hes ^,  nach  Littr^  tiefes  a. 
Anmerkung  3.    Für  die  veraltete  Form  harnois  (nach  Sachs  oq)  ist 

die  Form  hamais  mit  halboffenem  e  (e)  eingetreten.*) 
Anmerkung  4.    Die  Verbalformen  crots  :  je  (tu)  crois  zeigen  ebenfalls 
hohes  q. 

d*)  Vor  stummem  f  (bieten  sich  für  a  (oi)  keine  Beispiele). 

e^  Vor  stimmlosen  Momentanlauten  (t,  c,  p,  h),  welche  im  Neu- 

franzOsischen  stumm  sind. 

1.   Der  Vokal  a  zeigt  tiefes  q. 

ahat  (abat-faim,  abat-jour\  achat,  agnat,  assassinat,  assig- 
not,  avocaty  cabat,  ca^at  {Th.  279),  canonicat,  chat,  chocolat 
(Thur.  196),  combat,  debat,  eclat,  entrechat  (Thur.  194),  elat, 
grat,  Josaphat,  Murat,  magnat,  majorat,  malvat,  mandat, 
odorat,  orgeat,  oleolat,  plat,  peat,  rabat,  rachat,  Sarlaty  Sol- 
dat, scelerat,  fellah, 

Anmerkung  1.  mat  (nach  Littre  mit  stummem  i,  nach  der  Acad., 
Poitevin,  Landais  mit  lautbarem  tj  hat  hohes  q  (Thurot  189); 
be'at  (nach  Littr^,  Poitevin  mit  stummem  i,  nach  M.-Cazal  mit 

lautbarem  tJ  zeigt  tiefes  a;  ebenso  adequai  (nach  M.-Cz., 

Feline,  Nodier  mit  lautbarem  t). 
opiat  hat  nach  Littr^  stummes  i,  nach  Acad.,  Dupuis,  M.-Cazal 

—  lautbares  i;  in  beiden  Fällen  wird  tiefes  a  notiert  (Thu- 
rot 201). 
Anmerkung   2.     Drap,    rat   mit    stummem    Endkonsonanten    haben 
hohes  q\ 
estomac  zeigt  auch  bei  stummem  c  hohes  q\  dagegen  lacs  bei 


*)  Lücking,  1.  c.  414. 

*)  vgl.  S,  24,  Anmerkung  2, 


Die  Qualität  der  Reinen  Fokale  im  Neu  fr  am.  39 

stummem  sc  tiefes  a;  ebenso  der  Plural  von  tabacs,  wäh- 
rend der  Singular  (bei  stummem  wie  bei  lautbarem  cj  hohes  q 
zeigt  (Littr^,  M.-Cz.  436,  Landais,  Poitevin);*)  —  wie  t(Ufac  ist 
almanach  notiert.*) 

2.   Der  Diphthong  oi  Tor  t  (d)  hat  hohes  a  (oq), 

adroit,  detroit,  doit,  droit,  etroit,  exploit,  toit,  froid,   Void; 

Verbal  formen:  ü  regoit,  il  hoit,  il  voit  etc. 

Anmerkung  1.    soit  (mit   oder   ohne  lautbares   t)  =  hohes  a;  für 
doigi  (mit  nur  orthographischem  g)  gibt  Sachs  nach  Gattel  tie- 
fes a,  nach  Littr^  und  Morin  hohes  q  an. 
henoit  (auch  benoisi,  benoit)  hat  hohes  q»^) 

ß)  Im  iltfranzosisehen  folgten  auf  den  Tonvokal  st,  von  welcher 
firappe  zuerst  s,  später  t  verstummt  ist. 

1.   Der  Vokal  fi  =  tiefes  a. 

m 

appdty  bat,  degdtf  gät,  jdt,  mdt,  pdt; 
Verbalformen:    il  parldt,  fdchdt  —  ftir  welche  Verbalformen 
M.-Cazal  5  hohes  q  angiebt.^) 

2.   Der  Diphthong  oi  =  hohes  q.*) 

accroit,  croit,  decroit,  surcroit  (sowohl  als  Subst.  verbale,  als 
wie  als  Verbalformen). 


B.    In  geschlossener  Silbe. 

a.  Vor  wortauslautendem  einfachem  Ecnsonanton. 

1.    Vor  lautbarem,  einfachem  h 

Der  Vokal  a  (oi)  vor  1  zeigt  hohes  a  (oq). 

allodial,  animal,  Äral,  armorial,  archal  (Th.  34),  aval,  bal, 
boreal,  carnaval  (Thur.  25),  chenal,  chevaly  deloyal,  egal, 
etal,  feal,  ßoreal,  ideal,  loyal,  mal,  martial,  mardchal,  pal, 
real,  royal,  senechal,  val,  vassal  —  sowie  in  den  gelehrten 
Substantiven  und  Adjektiven^)  auf  al .  .  .  cal,  canal,  cristal, 
brutal,  capital,  corporal  —  caporal  (Thur.  34),  ecral  (Thur.  258), 
cordial,  ducal,  formal,  fatal,  gener al,  hdpital,  inaugural, 
laical,  legal,  liberal^  ma'estral  (Thar.  234),   moral,   nadiral, 


*)  Thurot  38,  192.  —  Plötz,  1.  c.  104,  112. 
^)  Für  a  vor  stummem  t  gibt  M.-Cz.  hohes  a  an,  vgl.  Lüdang, 
1.  c.  S.  414. 

8)  vgl.  S.  30,  Anm.  1. 

*)  M.-Cz.  notiert  tiefes  a,  Lücking,  1.  c.  S.  414. 

*)  vgl.  S.  19  nebst  Anmerkung  1. 


40 


H.  Harth 


I  I 


i.i, 


/ 


nasalj  nominal,  oral,  poitrinal,  spiral,  stomacal  (Thur.  218), 
special  (Thur.  219),  veg4tal,  —  poil. 

2)  Vor  auslautendem  mouilliertem  l. 
Der  Vokal  a  =  hohes  q. 

aigail,  ail,  aspirail,  attirail,  bail,  bercail,  betail,   brau,  ca- 

mail,  corail,  dail,  detail,  egail,  email,  eventail,  Oail,  gouver- 

nail,  hail,  mail ,  poitrail,   soupirail,   tail,   travail,   vantail 

{ventail  —  Thur,  21),  tr email  {tramail  —  Thur.  30). 

Anmerkung.    Das  englische  raü  gibt  Landais  mit  hohem  q  +  /  = 
raj  —  an;  Poitevin  notiert  ra-el. 

3)  Vor  auslautendem  r  oder  r  mit  stummen  Kon- 
sonanten (d,  t,  s). 

Der  Vokal  a  (oi)  ist  in  den  nachstehenden  FttUen  mit  tiefem  q  notiert. 

achar,  Agar,  caffar,  char,  coquemar,  Cesar,  Escobar,  far, 
gabar,  Gibraltar,  instar,  jar,  lascar,  Neckar,  nectar,  Nadar, 
realgar  (Thurot  225),  sar,  Var,  Karr,  Zanguebar. 
Adelard,  art,  bard,  Bart,  bdtard,  bavard,  Bernard,  billard, 
binard,  brouillard,  comard,  criard,  couard,  dard,  dart,  ecart, 
egard,  encart,  epart,  fard,  flambart,  fuyard,  Oard,  guisard, 
Guissar d,  gamard,  gueulard,  hart,  incart  {inquart),  jard, 
lezard  (Thur.  201),  lard,  leopard  (Thur.  225),  pard,  part, 
picard,  poignard,  renard,  tard,  tetard,  vieillard,  vasard; 
echars,  epars,  Essars,  ards,  tuvülards. 
abreuvoir,  accoudoir,  afßnoir,  apercevoir,  arrosoir,  asseoir, 
assommoir,  avoir,  battoir,  choir,  comptoir,  concevoir,  couloir, 
couvoir,  decevoir,  dechoir,  disespoir,  devoir,  dortoir,  ebardoir, 
ebauchoir,  ^aisoir,  echamoir,  echoir,  emouvoir,  encensoir, 
falloir,  gardoir,  hoir,  lavoir,  Loir,  loir,  miroir,  mouvoir, 
noir,  parloir,  paroir,  pouvoir,  rSservoir,  savoir,  voir,  vouloir. 

Anmerkung  1,  Mit  hohem  q  erscheinen:  car  und  die  unbetonte  Prä- 
position par;  für  jars  (mit  stummem  s)  gibt  Peline  tiefes  q;  M.- 
Gazal  874,  Dupuis  112  und  Litträ  hohes  q  an; 

Mars  mit  lautbarem  s  hat  nach  M.-Cz.  357  hohes  q^  mit 
stummem  s  tiefes  q;  (nach  Jaubert);^)  dasselbe  gilt  für  ars 
(Thurot  5  u.  78)  und  bars;  für  cars  notiert  Sachs  bei  lautbarem 
s  hohes  q]  für  bayard  mit  stummem  d=i  tiefes  a,  mit  laut- 
barem d  =  hohes  q,^) 

Anmerkung  2.  Für  a  vor  einfachem  lautbaren  r  gibt  M.-Cz.') 
hohes  %  an;  für  r  -f  Konsonant  tiefes  a. 


1)  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  94. 

*)  houlevari  (houlevard)  vgl.  Thurot,  1.  c,  5. 

^)  Lücking,  1.  c.  S.  409,  410,  nebst  Anmerkung  **  410. 


1 

I 


Die  Qualität  der  Meinen  Vokale  im  Neu  franz.  41 

4)  Vor  den  nasalen  Konsonanten  m  und  n  im 

Wortauslaut. 

Der  Vokal  a  =  hohes  %. 

Abraham,  Ägram,  alchitram,  alpam,  Amsterdam,  Assam, 
Balaam,^)  Bantam,  Beiram,  Cham,  Herman,  islam,  Jero- 
hoam,  madapolam,  melam,  Ozanam,  Priam,  Saardam,  yam, 
Wagram, 

5)    Vor  lautbarem  s  im  Wortauslaut. 
Der  Vokal  a  =  hohes  %. 

Agesilas,  Atlas,  Bias,  Calchas,  Esdras,  Eurotas,  Epaminon- 

das,  Jonas,  Ldonidas,  Menelas,  Nimias,  Olympias,  Pausania^, 

Phidias,  Blas,  La  Casas,  Duras,  Ladila^s,   Venceslas,   Vau- 

gelas  —  also  in  Eigennamen  älteren  und  jüngeren  Datums  — 

sowie   in   gelehrten  Bildungen   =   a^,   alas,    balatas,    bokas, 

choras,  fas,  kas,  quas,  vas. 

Anmerkung  1.  Für  Bash  ist  hohes  und  tiefes  a  fq,  a)  notiert; 
stras  (strass)  hat  nach  Dupuis  7,  197,  Feline,  Landais  tiefes  a; 
nach  Littr^,  PlÖtz  S.  94  hohes  q\ 

Har>as  hat  nach  Sachs  stummes,  nach  Plötz  lautbares  s; 
in  beiden  Fällen  ist  tiefes  a  angegeben. 

Anmerkung  2.  Im  Gegensatz  zu  Sachs  geben  M.-Cazal*)  und  Plötz*) 
für  die  Endung  -as  mit  lautbarem  s  =  tiefes  q  an,  wobei  die 
Notation  bei  M.-Cz.  von  Jolas  (138),  Joas  (152),  chovas,  nach 
Lücking  ungenau  ist. 

Anmerkung  3.  Die  Endung  -az  dagegen  (z  =  weiches  s)  ist  mit 
tiefem  q  notiert:  Achaz,  ferraz,  Lazes; 

^az  hat  nach  Landais,  Lesaint,  Poitevin,  Plötz  (99),  tiefes  a, 
nach  Litträ  hohes  q. 

6)    Vor  lautbarem  /  (ff)  im  Wortauslaut. 

a  (oi)  ist  hoch  notiert. 
«/;  cÄa/,  haff,  raf  {raff),  paf,  taf,  soip) 

7)   Vor  lautbaren  stimmlosen  Momentanlauten 

(c,  chf  kf  q,  p,  tf  th). 

a  =  hohes  %. 

Alasac,  amoniac,  ampac,  Armagnac  (Thur.  237),  bac,  Ber- 
gerac,  bivac,  bissac,  brac,  Camac,  caüicac,  clairac,  Cognac, 
Cotignac  (Thur.  266),  drac,  fac,  Figeac,  flac,  frac,  Giguac, 
Layrac,  Layssac,  lac,  rabac,  sac,  tac,  Hambach,  jach,  dagak. 


*)  vgl.  S.  20,  Anm.  2. 

«)  Lücking,  L  c.  S.  410.  —  Plötz,  1.  c.  S.  93,  94. 

»)  Thurot,  1.  c.  373. 


42  H.  Barth 

maq,  yak,  Kahak;   —  cap,  escap,  Gap,  glap,  hanap,  jalap, 

tap;  bat,  fat,  pat,  exeat,  vivat,  —  Ath,  Baih.^) 

Anmerkung  1.  yacht  nach  Landais,  Poitevin,  M.-Cz.  290,  425,  466, 
=  qk  mit  stummem  t;  nach  Nodier  mit  lautbarem  t,  doch  auch 
hier  hohes  q, 

Goliath  mit  hiutbarem  t  hat  tiefes  q   nach  Lesaint  167  und 
Sachs;  ebenso  assorath;  damit  stimmt  die  Notation  von  Plötz.*) 

b)  Vor  lautbarer,  einfaclier  und  zusammengesetzter  Konsonanz 

ohne  stummes  e. 

Der  Vokal  a  aeig^t  in  allen  FttUen  hohes  q. 

a)  h,  d,  g;  ß)  hs,  ps,  x,  ss,  st,  et,  pt,  tt,  tz;  y)  Ib,  Ip,  Id,  It,  Ic; 

d)  rc  (rk,  rq),  rn,  rp,  rtz,  (rz). 

Achah,  Aglah,  Bah,  cab,  dab,  Kab,  mab,  nabab,  rabab,  Con- 
rad, Bagdad  (nach  Voltaire  Bagdat  mit  stummen  t  und 
tiefem  cl),  Gad,  Galaad,  Joad  u.  m.;^)  —  Zigzag, 

Krabe,  blaps,  craps,  laps,  relaps,  Ax,  Arctoptylax,  anthrax, 
Astyanax,  aloithorax,  borax,  charax,  orax,  Dax,  donax, 
fax,  Max  etc.  —  Bass,  Lass,  quass,  trass;  Gast,  Wast, 
Watt,  Gratz;  rapt  (M.-Cz.  260);  ambact,  compact,^)  contact, 
contract,  pact,  tact,  exact;  Alb,  calp,  Harald,  Berald,  Gri- 
moald,  Anhalt,  talc  (Thur.  193),  arc,  Darc,  parc,  Danemark, 
Le  Parcq,  marc  (nach  Littr6  und  Landais  mit  stummem  c, 
nach  Sachs  regelwidrig  mit  lautbarem  in  Victor  Hugo ;  in  beiden 
Fällen  hohes  q;^)  der  Eigenname  Marc  mit  lautbarem  c 
und  hohem  q. 

Tarn  (nach  Dupuis  189),  gadam,  Beam  (nach  M.-Cz.  413 
und  Dupuis  mit  lautbarem  n;  nach  Steffenhagen  und  Lesaint 
tiefes  a  mit  stummem  n),  —  warp,  Hartz  {Harz),  quaHz.^) 

c)  Vor  lautbarer  mehrfacher  Konsonanz  und  stummem  e. 

Betontes  wie  unbetontes  a  =  hohes  q. 

a)  Vor  r  +  Kons,  -j-  e:  rbe,  rbre,  rce,  rche,  rde,  rare,  rge,  rgne,  rgue, 
rle,  rme^  rne,  rpe,  rque,  rse,  rte,  rthe,  rtre,  rve: 

barbe,  garbe,'^)  arh*e,  marbre,  farce,  arche,  marche,  patriarche, 
bdtarde,   carde,  garde,   moutarde,  jarde,   bombarde,  Ardres, 


*)  vgl.  S.  38,  c'  Anmerkung  1. 

8)  Plötz,  1.  c.  S.  119. 

*)  In  breyzad  ist  stummes  d  und  tiefes  a  (vgl.  S.  38). 

*)  Thurot  183. 

*)  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  104. 

®)  Zur  Notation  des  a  vor  r  -f-  Kons,  bei  M.-Cz.,  s.  S.  40. 

')  Zu  garbe,  vgl.  Thurot  S.  8.  i 


Die  Qualität  der  Beinen  Fokale  im  I^ev franz.  43 

ardre,  charge,  large,  marge,  sarge,^)  targe,  epargne,  argue, 
cargue,  largue,  hartes,  marle,  arme,  carme,  charme,  garme, 
g endarme,  marne,  carne,  hai*pe,  escarpe,  asiarque,  barque, 
marque,  monarque,  barse,  echarse,  marse,  carte,  Barihe, 
Sarthe,  chartre,  Chartres,  dartre,  tartre  (Thur.  9),  sarve, 
dbditolarve,  Algarve, 
arbre,  arbois,  arbrer,  marbrer,  farcer,  archee,  patriarchie,  Ar- 
cadie,  arcane,  ardeur,  dar  der,  garder,  parfumer,  charger, 
largesse,  sargie,  epargner,  Arcueü,  Argueil,  carguette,  lar- 
guer,  carlette,  harlou,  Carmel,  parmi,  sarment,  armer,  carnal, 
marner,  harpeau,  haiper,  marquer,  barset,  marseillais,  par- 
sonnier,  cartelle,  Barthelemi,  dartreux,  sarvir, 

ß)  Vor  /  +  Kons,  -j-  ^•*  üt^,  läe,  Igue,  Ime,  Ipe,  Ique,  Ise,  lie,  lihe, 

lire,  Ive,  Ize. 

Albe,  galbe,^)  Aide,  Bar  aide,  algue,  calme,  buphthalme,  palme, 
alpe,  palpe,  alque,  calque,  balse,  walse.  Malte,  calthe,  malthe, 
maltre,  Gozalve,  balze. 

Albert,  album,  alber ge,  albrene,  aldee,  Aldhelme,  Alcandre, 
Alceste,  alcöve,  Alfred,  alpha,  alga>ce,  Algerie,  alguette, 
Alhambra,  Alma,  salmer,  palmer,  epalpd,  Calpe,  calqua, 
balsamique,  Baltimore,  Balthazar,  malihee,  maltraiter,  mal- 
verser,  malzingue, 

Y)  Vor  sme,  spe,  spre,  sqiie,  sie,  sthme,  stre,  xe,  chne,  de,  ctre,  pte. 

enthousiasme,  cataplasme,  miasmes,  aspe,  jaspe,  aspre,  basque, 
flasque,  masque,  asthme,  ecclesiaste,  enthousiaste,  caste,  faste, 
laste  (last  —  Thur.  195),  plastre,  Bactres  (Thur.  337). 

Asmodee,  enthousiasmer,  Jasmin,  miasmater,  Asnieres,  asbeste, 
Ascagne,  ascele,  Asdrubal,  aspect,  asprede,  basquiner,  mas- 
quer, astome,  asthme,  astronomie,  axiome,  aptitude,  bactrien, 
lapsus. 


®)  sarge  (sargtLc),  vgl.  Thurot  S.  8. 
2)  gdihe,  vgl.  Thurot  S.  8. 


-  - '^a£:._>-\^^^uuiiff  der  Rffioitata 


:» 


'    V^iLsi 


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-vurre» 

■  hjubü.  i 


Die  QifaiiUU  der  Beinen  Vokaie  im  Neu/ranz. 

für  die  Qualität  und  Quantität  0 


45 


Der  Blphtlioiig  oL 


1.  Betontes  oL 

Qualität.    I   Quantität. 


2.  Unbetontes  oi. 

Qualität.    I   Quantität. 


Der  nachfolgende  Konsonant:  A.  In  offener  Silbe. 


Vor  urspr.  einfachem: 


r 
m 

n 

Vor  den  stimmhaften  Dauer- 
lauten:  V 

s(z) 

Vor  den  stimmhaften  Momen- 
tanlauten: h,  gu 


Vor  den  stimmlosen  Konso- 
nanten :  t 

ch,  p,  k 

Vor  ursprünglich  mehrfachem, 
später  einfachem  Konsonan- 
ten: d,  t  ($) 

Vor  geminiertem:  / 


r 
m 

n 

h,  g 

d 

Vor  ch,  ff,  pp,  tt,  cc 


hohes  oa 

tiefes  oa 
vacat. 

tiefes  oa 

hohes  oa 
vacat. 

tiefes  oa 
vacat. 


hohes  oa 
hohes  oa 

tiefes  oa 
vacat. 


kurzes 
(halbl.)  oa 

langes  oa 

vacat. 

• 

halbl.  oa 

halbl.  oa 
vacat. 

langes  oa 
vacat. 

w 
n 


n 
n 


hohes  oa 
hohes  oa 


kurzes 
(halbl.)  oa 

kurzes 
(halbl.)  oa 

langes  oa 

vacat. 


hohes  oa 

hohes  oa 
vacat. 

fhohes  oa 
{tiefes  oa 

hohes  oa 
vacat. 

hohes  oa 

hohes  oa 

vacat. 


n 


hafbl. 
(lang.)  oa 

halbl. 
(kurz.)  oa 


hohes  oa 

hohes  oa 
hohes  oa 

hohes  oa 
vacat. 

n 

n 
» 

hohes  oa 
hohes  oa 


kurzes  oa 

kurzes  oa 
vacat. 

kurzes  oa 
halbl.  oa 

kurzes  oa 
vacat. 

kurzes  oa 
kurzes  oa 
vacat. 


kurzes 

oa 

kurzes 

oa 

kurzes 

oa 

kurzes 

oa 

vacal 

m 

n 

n 

kurzes 

oa 

kurzes 

oa 

30,  31,  32,  33,  34,  35,  36,  37;  40,  41;  43;  46;  52,  58;  58,  59,  60,  61;  64,  65. 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  ^eufranz. 


47 


Der  Diplitliong  oi« 


1.  Betontes  oi. 

Qualität.     I   Quantität. 


2.  Unbetontes  oi. 

Qualität.     I  Quantität. 


Vor  mouilliertem  /  und  n 
Vor  einfacher  Muta  cum  Liq.: 

IT 

er,  ir,  pr,  fr,  hl,  gl,  fl 

Vor  ursprünglich  geminierfer 
Muta  cum  Liquida 


hohes  oa 

hohes  oa 
yacat. 


halbl. 
kurzes  oa 

langes  oa 
vacat. 


hohes  oa 

hohes  oa 
vacat. 


« 


kurzes  oa 


halbl. 

kurzes  oa 

vacat. 


» 


XX.   XaasL  TT^ortei-CLslsi-CLt 
Ohne  Konsonant  und  ohne 


e  muet 

Vor  e  muet 

Vor  stummem  s  (z) 

Vor  stimmlosen  stummen  Mo- 
mentanlauten 


hohes  oa 
hohes  oa 
hohes  oa 

hohes  oa 


kurzes 
(halbl.)  oa 

kurzes 
(halbl.)  oa 
kurzes  oa 


kurzes 
(halbl.)  oa 


Mhoh.()^i 
yacat. 


» 


kurzes  oa 
yacat. 


Der  nachfolgende  Konsonant:   B.   In  geschlossener  Silbe. 

kurzes 


Vor  lautbarem  einfachem  / 

Vor  mouilliertem  / 

Vor  r  oder  r  +  stumm.  Kons. 

Vor  lautbarem  m  (n) 

Vor  lautbarem  s 

Vor  lautbarem  z 
Vor  lautbarem  f  (ff) 
Vor  lautbaren  stimmlosen  Mo- 
mentanlauten 
Vor  lautbarer  einfacher  oder 
zusammengesetzer  Konso- 
nanz ohne  ^  muet 
Vor  lautbarer  mehrfacher  Kon- 
sonanz mit  ^  muet 


hohes  oa 

hohes  oa 

tiefes  oa 
vacat. 

« 

hohes  oa 
vacat. 


(halbl.)  oa 

kurzes 

(halbl.)  oa 

langes  oa 

vacat. 


n 


« 


kurzes  oa 
yacat. 


« 


/ 


vacat. 


48  H.  Harth 


Resultate  und  allgemeine  Bemerkungen. 

Die  angeführten  Beispiele  (unter  Berücksichtigung  ihrer 
qualitativen  und  quantitativen  Beziehungen  zu  einander  in  vor- 
stehender Tabelle)  bieten  für  die  Qualität  der  neufranzösischen 
reinen  Vokale  folgende,  allgemeine  Grundsätze: 

I.   Das  circmnflektierte  ä  (ot). 

!•   Betontes  wie  unbetontes,  circumflektiertes  fi  zeigt  bei  langer  oder 
halblanger  Quantität  die  Notation  des  tiefen  a.^) 

(Vgl.  8.  22,  Anm.  3;  8.  22,  Anm.  1;  8.  26,  a'  1;  8.  27, 
r'  1;  8.  28,  Anm.;  8.  29,  Anm.  1;  8.  30,  r;  8.  30,  Anm.  1; 
8.  30,  Anm.  3;  8.  33,  Annu  2;  8.  34;  S.  39,  ß  1.) 

2.    Cironmflektiertes,  quantitativ  langes  oder  halblanges  ot,  betont 
wie  unbetont,  ist  durchweg  mit  tiefem  a  notiert. 

(Vgl.  8.  30,  r\  S.  30,  Anm.  1;  S.  34,  r\  S.  36,  2  — 
Ausnahmen:  8.  38,  Anm.  4;   8.  39,  2,  Anm.  1;   8.  39,  ßy  2.)*) 

n.   Der  Vokal  a. 

A.  Der  Vokal  a  mit  der  Qnalität  eines  hohen  q. 

a)    In    offener    8ilbe. 
a)  Im  Wortinlaut. 

Betontes  wie  unbetontes  a  (bei  halblanger  oder  kurzer 
Quantität),  ist  hohes  <{: 

1)  Vor  ursprünglich  einfachem  Z,  m,  n  (8.  19,  21,  22). 

2)  Vor  den  stimmhaften  Dauerlauten  ^,  v  (8.  22).^) 

3)  Vor  den  stimmhaften  Monmentanlauten  b  und  g  (8.  23).^) 

4)  Vor  den  stinmilosen  Konsonanten  (f,  ph,  6h,  p,  A;,  c,  c%,  q) 

(8.  25). 

5)  Vor  geminiertem  Z,  m,  n  (8.  26,  27,  fj  d*). 


^)  Zur  Notation  des  circumflektierten  ä  bei  M.-Cz.  vgl.  Lückingf 
1.  c.  409;  bei  Plötz,  1.  c.  S.  23. 

*)  Im  Gegensatz  hierzu  trennt  M.-Cz.  (Lücking,  1.  c.  S.  414)  das 
betonte  und  unbetonte  (circumflektierte)  ol  und  damit  die  Notation 
zwischen  tiefem  ua  und  hohem  uq, 

^)  Bei  dieser  Notation  entspricht  die  Quantität  (J.  Jäger^  S.  24} 
„vor  V  für  alle  Vokale  lang"  —  nicht  der  Qualität;  die  Notation  bei 
M.-Cz.,  S.  17,  Anm.  1,  mit  tiefem  a  stimmt  zu  dem  allgemeinen  Ge- 
setze der  Correlation  zwischen  Qualität  und  Quantität  besser. 

*)  Lesaint  notiert  kurze,  J.  Jäger,  S.  21  lange  Quantität. 


Die  Qualität  der  Reifien  Vokale  im  Neu  franz.  49 

6)  Vor  den  gem.  stimmhaften  Momentan-   und  Dauerlauten  i, 

g,  §  (S.  28,  £':  1,  2).^) 

7)  Vor  der  stimmlosen  Sibilans  ss  (g)  (S.  28,  f')-^) 

8)  Vor  den  stimmlosen  Momentan-  und  Dauerlauten  dh,  ff,  pp, 

U,  cc  (S.  29).^ 

9)  Vor  mouilliertem  l  oder  n  (8.  31). 

10)  Vor  einfacher  Muta  cum  Liquida:   cTy  pr,  tr^  /r,  bl,  dl,  gl, 

fl  (S.  33).3) 

11)  Vor  ursprünglich   geminierter  Muta  cum  Liquida:    ttr  (tr), 

ggr,  cd,  ffl,  ppl  (S.  34). 

ß)  Im  WortauslAut. 

Betontes  a  am  Ende  eines  Wortes,  ohne  Konsonant  und 
ohne  nachfolgendes  e  mtiet,  sowie  unbetontes  a  im  Hiatus  (S.  34, 
35,  36  Anm.  4). 

b)   In  geschlossener  Silbe. 

1)  Vor   lautbarem    einfachem    l   (oder    mouilliertem   l),  m,  n 

(S.  39,  f.). 

2)  Vor  lautbarem  s  (8.  41).*) 

3)  Vor  lautbarem  /  (ff)  (8.  41). 

4)  Vor   den   stimmlosen  Momentanlauten  c,  ch,  k,  q,  p,  t,  th 

(8.  41  f.). 

5)  Vor  lautbarer  einfacher  oder  zusammengesetzter  Konsonanz 

ohne  stummes  e:  h,  d,  g;  hs,  ps,  x,  ss,  st,  et,  pt,  tt, 
tz;  Ih,  Ip,  Id,  It,  U,  rc,  m,  rp,  rz  (8.  42). 

6)  Vor  lautbarer  mehrfacher  Konsonanz  mit  stummem  e  (8.  42). 

B.   Der  Vokal  a  als  tiefes  a. 

a)  In  offener  Silbe. 

a)  Im  Wortinlaut. 

a')  Betontes  a  =  tiefes  (qualitativ  langes  oder  halblanges)  a. 

1)  Vor  ursprünglich  einfachem  r  (8.  20). 


^)  Zur  quantitativen  Differenz  des  Tonvokals  der  Wörter  auf 
•age  vgl.  J.  Jäger,  S.  32. 

^)  Abweichende  Quantitätsbezeichnung  bei  J.  Jaeger,  S.  33,  6. 

^  Die  von  J.  Jaeger  (S.  40,  4)  gegebene  Quantitätsbezeichnung 
stimmt  mit  der  vorstehenden  Qualität  durchweg.  Übersichtlicher  lau- 
tet die  Regel:  Der  betonte  Vokal  hat  hohe  (kurze)  Tonfärbung  vor 
stimmloser  Muta  mit  r;  tiefe  (lange)  Tonfärbung  vor  stimmhafter 
Muta  mit  r;  vor  Muta  cum  Liquida  f  tritt  das  entgegengesetzte  (quali- 
tative —  quantitative)  Verhältnis  ein;  die  Muta  f  bildet  keine  Aus- 
nahme. Die  unbetonten  Vokale  zeigen  in  den  betreffenden  Fällen 
durchweg  hohe  (kurze)  Tonfärbung. 

*)  J.  Jaeger,  S.  58  notiert  lange  (halblange)  Quantität. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI  i.  4 


—    -"t*  aaxiir;** 


~  r ' 


■i. 


'tus*^     ..     Si,  S.  ^,  «',  3^  ^ 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  Pjeufrani.  51 

5)  Vor  geminiertem  l  (S.  26). 

6)  Vor  der  stimmlosen  Sibilans  ss  (g)  (S.  28,  29). 

7)  Vor  den  stimmlosen  Momentan-  und  Dauerlauten  dh,  ff,  pp, 

tt,  cc(S.  29).^ 

8)  Vor  mouilliertem  l  und  n  (S.  31). 

9)  Vor  vr  (S.  32,  Anm.  3). 

ß)  Im  Wortanslaut. 

1)  Betontes  oi  am  Ende  und  im  Hiatus  (S.  35). 

2)  Vor  stummem  e  (S.  35)^) 

3)  Vor  stummem  s  (x)  (S.  37). 

4)  Vor  stummem  t  (d)  (S.  39).') 

b)    In  geschlossener  Silbe. 

1)  Vor  lautbarem  einfachen  l  und  vor  mouilliertem  l  (8.  39  f.). 

2)  Vor  lautbarem  /  (S.  41). 

B.  Der  Diphthong  ci  als  geschlossenes  oi. 

a)    In  offener  Silbe. 

a)  Im  Wortinlaut. 

1.   Betontes  oi  =  tiefes  (lang^es  oder  halblanges)  oa, 

1)  Vor   ursprünglich   einfachem  r  und  vor  geminiertem  r 

(S.  21,   27). 

2)  Vor  ursprünglich  einfachem  n  (8.  22). 

3)  Vor  dem  stimmlosen  Dauerlaut  s  (z)  (S.  23). 

ß)  Im  Wortauslaut.    (Vacat.) 

b)    In  geschlossener  Silbe. 
Vor  auslautendem  r  (S.  40). 

2.  Unbetontes  oi  ==  hohes  (kurzes),  bisweilen  tiefes  (halbl.)  oi. 

1)  Vor  ursprünglich  einfachem  r  und  n  (S.  21,  22). 

2)  Vor  s  (z)^  (S.  23). 

3)  Vor  geminiertem  r  (8.  27).'*^) 


*)  Unbetontes  oie  vor  der  Adverbial -Endung  -ment  hat  tiefen  (t 
(S.  86,  2). 

*)  Der  Vokal  a  zeigt  hier  tiefes  (langes)  a,  vgl.  S.  49,  a',  3,  4 
und  S.  50  ß.  —  48,  a,  1. 

")  Nicht  übereinstimmende  qualitative  Notation  zwischen  a  und 
oi  besteht  in  zwei  Fällen: 

a)  Vor  lautbarem  oder  stummem  d,  t  (s)  \       i    « 

ß)  Vor  n  j     ^  *    * 


'^'  »m»  tm^f         -• 


I  ••••4;, 


1'. 


■•    . 


^« 


*•-*.      "«s^*«       '*&* 


»^      '^ 


Die  QucdUäi  der  Reinen  Vokaie  im  Neufranz.  53 

Circumflectiertes  d  zeigt  hier  wie  überall  geschloBBenes  q: 
gedle,^)  geolier,  geölage  (Thur.  524)  — -  mole,  radier, 

Der  Monoplitliong  au  (eau). 

bietet  hier  keine  Beispiele  (au,   dana   les   mota   de   la   langue 
vulgaire,  provient  d)a  suivi  d^une  labiale  ou  d!une  l  devenue     * 
u.  —  Thurot,  1.  c.  §  425).«) 

ß")  Vor  silbenanlautender  Liquida  r, 

]>er  Tokal  o. 
1.  Betontes  o  ersolieiiit  als  oifenes  o  (g). 

adiaphore,  achores,  accore,  aerophore,  albicore,  albiflore,  am- 
bore,  amphore,  Ana^xogore,  anthophore,  Apollodore,  apiospore, 
aurore,  Azores,  bore,  Boapore,  camivore,  chlore,  clore 
(Thur.  540),  diaphore,  Diadore,  Diodore,  Dioacore,  eclore, 
eUebore,  empöre,  encore,  Flore,  multiflore,  ore,  Pandore,  pore, 
Pyihagore,  pecore,  aophore,  aonore,  atore,  Symphore,  tMophore, 
tricolore. 

Verbalformen: /adore,  je  colore,  tu  devorea,  ila  honorent 

2.  Unbetontes  o  =  o. 

aavora,  aboriglne,  accorer,  afforer,  amSliorer,  aphoriatiquef 
colorer  (Thur.  258),  corail,  decorer  elaborer  (Thur.  258),  eoc- 
corporer,  floral,  fortiori,  immoral,  implorer,  moral,  oreüle, 
Oracle,  oripeau,  paatorelle  (Thur.  258)  u.  a.  m. 

Verbal  formen:  je  dorai,  noua  clorona,  voua  clorez. 

Anmerkung  1.  aoriste  hat  nach  Littr^,  Landais,  Bescherelle  ein  of- 
fenes, kurzes  o;  nach  der  Acad.,  M.-Cz.,  Feline  halblanges,  ge- 
schlossenes 0  —  vgl.  S.  36. 

Anmerkunff  2.  Zur  Aussprache  des  sonoren  o  =  o  vor  r  —  vgl. 
Plötz,  1.  c.  27;  Benecke,  Frz.  Schulgr.  I,  S.  10;  Mätzner,  Franz. 
Gramm.,  U.  Aufl.,  S.  10  und  11,  au,  c, 

Anmerkung  3.  M.-Cz.  gibt  für  o  vor  r  geschlossenes  o  an  (Lücking, 
1.  c.  S.  417). 

Der  Monoplitliong  au« 

1.  Betontes  an 

ist  mit  Rücksicht  auf  seine  Qualität  vor  r  streitig;   mit  einfach 

*)  geSle  mit  geschlossenem,  langem  o.  Die  von  J.  Jäger,  1.  c. 
S.  17  für  die  Quantität  geltend  gemachte  Verstummung  des  vortonigen 
Hiatusvokals  (12.  Jahrh.  gaole,  und  zwar  reimt  im  Rou  gaole  auf  pa- 


role;  13.  Jahrh. ^(Pöä?,  aaiote;  14.  und  15.  Jahrh.  aeole;  16.  Jahrh«  geatUe) 

iie  Qualität,  da :  la  quantiie  est  Itde  ä  la  quaUie  pour  Co 
—  Thur.  S.  1  *.    Dem  Suffix  -oU  kommt  sonst  offenes,  kurzes  o  zu.  — 


gilt  auch  für  die 


M.-Cazal  gibt  für  geole  geschlossenes  o  an,  für  geoUer,  geolage  aber 
offenes  p.  —  Lücking,  1.  c.  S.  415. 

>)  Diez,  I,  405  (435);  vgl.  Thur.  191  (206), 


54  H.  Barth 

offenem  g  erscheinen  nur  wenige,  die  meisten  Wörter  zeigen 
offenes  g  neben  geschlossenem. 

d)  Offenes  g:  aure,  epaure,  Faure,  Minotaure;  bucentaure. 

ß)  Offenes  g  neben  geschlossenem  g:  caure,  Gaures, 
gaure,  Isaure,  Maure  (more),  Laure,  saure,  taure. 

2.  Unbetontes  an  zeigt  durchweg  gesohlossenes  o. 

Amaurif  amaurose,  Aurele,  aureole,  auricule,  Daurat,  eaurole, 
laurier,  lauriot,  Maurice;  —  taureau  hat  offenes  oder  ge- 
schlossenes 0. 

Verbalformen: /awrai,  tu  auras  etc.y^)  je  saurai,  noussaurons. 

Y'*)  Vor  silbenanlautendem  Nasal  m.*) 

Der  Tokal  o. 
1.  Betontes  o  Yor  m  ist  qualitativ  streitig. 

Die  Fälle  mit  geschlossenem  g  scheinen  zu  überwiegen, 
doch  ist  offenes  g  in  dieser  Verbindung  nicht  selten;  unbetontes 
0  zeigt  durchweg  offenes  o. 

d)  Offenes  g:  agronome,  amome,  astronome,  batanome, 
comme,  econome,  frome,  home,  lome,  lithodome,  nome, 
pomme,  prodrome,  paradrome  {g  und  g),  peristome,  Rome, 
Sodome,  tylome,  vidrecome. 
ß)  Geschlosseneso:  anadrome,  anisotome,  anastome,  a/rome, 
aplome  (nach  Landais  6),  aplostome,  astomey  atome,  axiome, 
brome  (nach  Boiste  ö),  diazome,  dichotome,  drome,  Deu- 
teronome,  entomostome,  Eunome,  exostome,  gymnosome, 
gymnostome,  gnome,  hematome,  Kistome,  idiome,  isonome, 
fibrome,  majordome,  pedionome,  peliome,  tome,  Tomes, 
terrivome.^^ 

2.   Unbetontes  o  vor  m  =  offenes  o. 

Abomey,  abdomen,  abdomine,  aboma,  abominable,  acromion, 
acomat,  aeromotion,  anatomie,  anomie,  assortier ,  bromer , 
Diomede,  domino,  Eunomie,  economie,  fromage,  Gerome, 
moment,  promener  (Thur.  260),  r omain,  romanesque  u.  a.  m. 
Die  Wörter  momerie  und  vomir  zeigen  geschlossenes  o  neben 
offenem  g. 

Giroomflektiertes  d  =  gesohlossenes  o  (vgl.  S.  62,  y). 

Der  Monoplitliong  au 

bietet  keine  Beispiele  (vgl.  S.  53  und  S.  58). 

^)  faurai  etc.  (Thurot,  1.  c.  482)  mit  geschlossenem  o;  vgl.  dazu 
Plötz,  1.  c.  S.  80;  G.  Langenscheidtj  1.  c.  S.  20,  N.  15. 

*)  Zur  Endung  -ome,  -one,  -omme,  -onne  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  28 — 29. 
")  Ebenso  vor  sme  mit  verstummtem  s:  Cosme,  brosme. 


Die  Qu€Läiät  der  Reiften  Vokale  im  ^'eu franz.  55 

^')  Vor  silbenanlautendem  Nasal  n. 

1.  Betontes  o  Yor  n  zeigt  offene  Qualität;  doch  auch  gesoliloBsenes  o 

ist  vertreten. 

a)  offenes  g:  abrotone,  a4rotone,  agone,  Alcione,  aUogone, 
amidonef  anemone,  annone,  Antigone,  antiphone,  atone, 
Babylone,  Bellone,  Crotone,  Ccemone,  cydone,  Dodoney 
egophone,  endecagone,  Epigone,  f agone,  Girone,  Gorgone, 
granitone,  Hermione,  isopogone,  laone,  Latone,  Lac^demone, 
Mentone,  matrone,  monotone,  (Enone,  ozone,  propione^ 
ramonej  Suetone,  Triones,  Verone;  —  ferner^)  Yonne 
(lat.  Icauna),  in  den  Femininis  bonne,  couronnsj  personne, 
sowie  in  den  zu  den  Maskulinis  auf  -on  (=  lat  onem) 
gebildeten  Femininformen,  wie  baronne,  bouffonne,  bretonne, 
folichonney  friponne,  hMsonne,  mignonne,  moutonney  pa- 
tronne,  pietonne,  pigeonne^  poltronne^  pouponne^  vigneronne 
u.  a.  m.;  ferner  in  consonne,  Sorbonne,  und  den  Städte- 
namen Bayonne,  Barcelon{n)e,  Lisbonne,  Ratisbonne, 

ß)  Geschlossenes  o:  Abeone,  Adeone,  adrophone,  amazone^ 

Auzones,  azones,  Bone,  canzone,  damasone,  diazone,  zone 

(nach  Landais  mit  d);    . —  femer  vor  der  Gruppe  sne  mit 

verstummtem  8\  Cosne^  Groane,  Losne. 

synchrone  zeigt  nach  Landais  und  Poitevin  offenes  g^  —  nach 

Littr6  und  Feline  geschlossenes  q. 

Circnmflelctiertes  d  vor  n  =  gesohlossenes  (langes)  o  in  den 

Lehnwörtern: 

cöne,  trone^  (afr.  tron,  trone,  trosne),  pröne  (f\ir  preone  = 
prceconium),  Ancdne^  sdne,  Sa&ne  (lat.  Saucöna), 

2,   Unbetontes  o  =  oifenes  o. 

Abdolonyme^  Adonis,  Adonai,  agonie,  admoniteury  (dtonaisy 
coordonable,  cyclonote^  ironie,  monarque,  monode,  monocorde^ 
ozone,  sonore  u.  a.  m. 

Geschlossenes  o  haben  actioniser,  zoni, 

t*')  Vor  silbenanlautenden,  stimmhaften  Dauerlauten 

1.  Der  (betonte -unbetonte)  Vokal  o  vor  g  (j)  und  v  hat  oifene 

QuaUtftt  =  9. 

agoge,  doge,^)  Estoge,  Limoges,  löge,  menologe^  poge^  toge;  apa- 


^)  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  15. 

^)  Zu  trone  vgl.  J.  Jaeger,  L  c.  S.  21  u.  36. 


56  H.  Barth 

jovBy  Harlowe,  love^  Noves^  quinquenove;  in  Boyeman,   Vos- 

ges  —  vosgien  mit  stummem  s. 
abrogerjacologiej  acrogene^  apogee^  loger ,  projet;  amoviblcj  Qower^ 

Howard,  Jowag,  nover,  novice  etc. 
Oeschlossenes  g  in  Canova,  Casanova. 

Der  Tokal  o  Tor  s  (z). 

1.  Betontes  a  vor  s  (s)  ist  mit  greschlossenem  o  notiert. 

acormose,  adenose,  alose  (Thnrot  247)  ^  apotMose,  amaurose, 
anabrose,  anadose,  analose ,  antiphose,  apodose,  cataphose, 
chose  (Thur.  245,  446),  dose,  cenose,  cyanose,  colpose,  dt- 
agnose,  dose,  ectrose,  enclose,  exosmose,  exostose,  Oose,  glose, 
lordose,  lose,  morphose,  pectose,  pose,  prose,  ptilose,  rose, 
sose,  sycose,  Th4odose,  Tobose. 

Verbalformen:  je  dose,  tu  doses,  ils  dosent  (Thur.  540). 

2.  Unbetontes  o  vor  s  (s)  ist  streitig; 

die  meisten  Fälle  zeigen  geschlossenes  g,  andere  Wörter  sind  mit 

offenem  g  notiert. 

Oeschlossenes   g:   alosier,  apotheoser,  apposer,  amorose,  cy- 

anoser,  composer,  doser,  gosier  (Thur.  253),  imposer,  opposer, 

poser,  rose  (Thur.  253),  roseau  u.  a.  m. 
Verbalformen:  nous  dosions,  vous  dosiez. 
Offenes  g  (meistens  vor  nachfolgendem  i):  aerosis,  aerognosis, 

autognosie,  geognosie,   sosie.  Sosig ene,  Sosibe,  ozone,  ozene, 

ozonique,  sozove,  Corozo. 

Anmerkung.  Die  Endung  -osion  zeigt  ebenfalls  geschlossenes  g:  ex- 
plosion  etc.  —  Die  Endung  -otion  ist  streitig;  M.-Cazal  15,  Fe- 
liue  notieren  geschlossenes  p;  Littr^,  Landais  offenes  o;  Plötz, 
1.  c.  S.  81  gibt  geschlossenes  p.')  ae'romoUon,  commoiion,  ddvo- 
tion,  emotion,  lotion,  motion,  nbtion. 

Der  Monoplitlioiig  au 

hat  (betont  wie  unbetont)  geschlossenes  p. 

datbse  —  dausoir,  dausule,  cause  —  causer,  pause;  Eauze, 
tauze,  Lauzun,  Satdzais  mit  stummem  l. 

&')  Vor  silbenanlautenden,  stimmhaften  Momentan- 
lauten b,  d,  g  —  gu. 
1.  Betontes  wie  unbetontes  o  =  offenes  o. 
acropode,^)  cegopode,   alode,  amdode,  anectode,  anode,  anthra- 


*)  vgl.  Plötz,  1.  c.  S.  28. 

*)  vgl.  S.  29,  Anm.  3. 

»)  Zur  Endung  -ade  vgl  Thurot,  S.  250. 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  Neil  franz.  57 

codßy  astropodey  cathodey  catapode,  code,  commodej  desmodsy 
dipodej  egopode,  episode,  epode^  exode,  gaUodej  geode^  hym- 
node,  Herodej  iodsy  m^thodej  modcj  monopode,  node^  ode^ 
periodey  pagode^  polypode,  Ehode^  rhapsodey  rode^  synode; 

adobe  (Thur.  251),  aerophobey  Amöbe,  antilobej  cobe,  dilobey 
ipilobe,  globey  hydrophobe,  polylobe,  robe  (mlat.  rauba,  ahd. 
roubön),  garde-robe; 

analogue,  antilogue,  apologue,  astrologue,  cataloguej  dogtie,, 
drogue,  dialogue,  eclogue,  epilogue,  fogue,  g4ologue,  isologue^ 
menologue,  prologue,  synagogue,  theologue,  rogue, 

accomoder,  acrobate,  adrogation,  apodose,  cobolt,  codex,  doguer, 
droguerie,  dialoguer,  feodal,  fogone,  Glogow,  gober,  hetSro- 
doxe,  incommoder,  loguer,  Lobau,  logos,  moderne,  nogtiet, 
obese,  odieux,  Oder,  parodie,  voguer. 

2.  Betontes  wie  nnbetontes  an  (ean)  zeiget  gesoliloflsenes  o 

(s.  die  Beispiele  zu  ß*^  e^',  S.  59. 

7j'')  Vor  silbenanlautenden,  stimmlosen  Konsonanten 

Betontes  und  nnbetontes  o  vor  den  vorstellenden  Konsonanten  bat 

offene  Quantität  =  p. 

1)  Betontes  o:  acrote,  ällebote,  anigote,  antidote,  apote, 
azote,  barbote,  cagote,  camelote,  cote,  compote,  despote, 
Diodotej  Gigote,  hydropote,  idiote,  indivote,  note,  papillote, 
pelote,  pilote,  redingote,  rote,  synote,  vote;  patriote,  com- 
patriote,  galiote  (Lehnwörter);  acanthope,  anatrope,  apoa- 
cope,  boope,  canope,  chope,  catope,  echope,  ecope,  elope, 
Europe,  glaucope,  genope,  müanthrope,  nope,  ope,  Pcurthi' 
nope,  Penelope,  pope,  Procope,  Sinope,  syncope; 

anastrqphe,  apostrophe,  catastrophe,  centrolophe,  Strophe; 
altiloque,  Antiloqvs,  bailloques,  baroque,  broque,  hicoque, 
Cadoque,  choque,  coque,  equivoque^  epoque,  moque,  poque, 
reciproque,  toque; 

Ändoche,  anicroche,  anoche,  approche,  bamboche,  broche, 
chavoche,  coche,  cloche,  croche,  egaloche,  emboche,  ßloche, 
floche,  hoche,  Loches,  oche,  proche,  saboche,  reproche;  cea- 
nothe,  Lamothe, 

2)  Unbetontes  o.  abricote,  acochiton,  ^gos,  Potamos, 
aerophone,  a4rophore,  aerostone,  agioter,  amocher,  annoter, 
anthophore,  Antiochus,  approfondir,  approcher,  Atropos, 
ballotage,  caloqtiet,  clocher,  choqvsr,  caboter,  cocher,  coquer, 
coquille,  foccd,  fagoter,  geophagus,  gedoper,  jaboter,  mo- 
queur,  noter,  opera,  ophite,  opol,  prochain,  prophite,  pro- 


I)ie  Qnniüät  der  Reinen  Fokale  im  Neu  franz.  59 

£'0  Vor  silbenanlautenden^  stimmhaften  Momentan- 
und  Dauerlauten  ö,  d,  g  (guX  —  ^,  v. 

Der  Monophthong  an^  betont  wie  unbetont,  hat  geschlossene 

Tonfilrbnng. 

Betontes  au,  cdbicaude  (Suffix  -avde,  dtsch.  -ald^  -a),  Avde^ 
chaude,  cartaude,  courtattde,  crapaude,  ^meraude,  faude, 
gaude,  grimaudej  lourdaude^  Maude^  maraude^  noiraudey 
pataude^  ribaude^  tavde  etc.; 

auhe^  daube;  aissaugue,  assaugue,  saugue; 

Auge,  augey  beäuge,  gauge  Herbauges,  mauge,  sauge,  Sauige 
(mit  stummem  Z);  « 

chauve,  fauve,  guimauve,  mauve,  sauve,  Tauves, 

Unbetontes  au.  applaudir,  Claudius,  bretauder  (Thur.  250), 
auberge,  aubepine,  audace,  auditoire,  augure,  auguste,  bi- 
caude^  bauder,  baubis,  chaudiere,  cauder,  embauder,  echa- 
fauder,  echauder,  fauder,  grimaudage,  Maubert,  ravaudage, 
vaudevüle,  tauder; 

Augier,  aujourd'hui  (Thur.  261),  Auvergue,  auvd,  Beaujeu, 
chauver,  eauvole,  Faujos,  fauvette,  fauveau,  mauvais,  ^)  sauver. 

f'O  Vor  silbenanlautenden,  stimmlosen  Konsonanten 

dÄ,  Pf  t  (ss),  öj  q, 

an  =  geschlossenes  o. 

auckey  hauche y  cauche,  dibauchey  ebauche  (Thur.  431),  gauche; 
fauque ; 

saupey  taupe,  gaupe; 

faute,  haute,  saute,  (maltdte  —  afrz.  mal-tolte),'^)  maute,  Baute; 

BeaucBy  bauce,  Cauces,  chauces,  sauce; 

Beaicsse,  chausse,  fausse,  gausse,  hausse,  sausse. 

auchois,  Äufide,  aucun,  auparavant,  auprlSy  augueton,  autant,  Au- 
teuüy  audhentiquey  autoer ate,  baucher  y  beaucoup,  BeauchampSy 
cTuautiy  heautiy  FebaucheTy  ipautieTy  faucony  gauperiey  glaucope, 
hauteury  paupüre,  royaute,  tauper;  aussiy  aussitdty  chaussSe, 
defausser,  exaucer,  hausser,  HaussonviUey  saucer  u.  a.  m. 


ß)  TdüTokale  Yor  sokken  (sUbenanlantenden)  lonseiiaiiten,  wdcke 
ans  nrspringlicher  lonsonantengemination  oder  mehrbeher  lonsonaiu 
hervorgegangen  sind  (vgl.  s.  26  ß). 


^)  mauvais:  Die   Qualitätsbezeichnung  mit   offenem  9  ist  nach 
Landais  regelwidrig;  —  dagegen  Plötz,  1.  c.  S.  80. 
^)  J.  Jaeger,  1.  c.  8.  23. 


60  H.  Barth 

aQ  Vor  silbenanlautender  Liquida  Z. 

1)  Circumflektiertes  6  vor  l  erscheint  als  geschlos- 
senes; langes  o  =  g:  röle  (ital.  rotolo  und  ntUoy  prov. 
roüe,  roUe;  nach  Littr6  ist  die  französische  Form  vom  14. 
bis  16.  Jahrhundert  vorwiegend  roole  oder  rooUe  — 
J.  Jaeger  S.  24);  cantrßler,  enröler;  dröle,  drölatique,  trSle^ 
trSler,  jSUe,  hSler,  hSlement 

2)  Offenes  g  in:  coüe  (coUa),  aHMvoUe^  parmcoUe,  sarcocoUey 
aboUe,  hachoüef  cciqueroUe,  Condoüey  giroUey  GnoUeSf  peteroüe^. 
quirdoUe^  signoUe^  trolle^  und  den  Femininis  foUe  und  motte; 

accoUS,    Apottodore^    cotter,    cott^ge,    DoUard,   HoUcaide^ 
moüesse,  rotter,  trotter, 

ß*)  Vor  silbenanlautender  Liquida  r. 
Der  Vokal  o  hat  offenes  (sonores)  o.^) 

Andorre,  Bijorre,  GomorrJie,  Torres-  {Vedrci8),f  abkarre;  dbhorrable, 
Borromies,  coporrhie,  gorra,  horreur,  lorrain,  Torrls,  torrent 

Y*)  Vor  silbenanlautendem  Nasal  m. 
Der  Vokal  o  =  offenes  o. 

honhomme,  homme,  Rtchomme,  gomme,  somme;  assommer,  Com- 
mander, Dommart,  gommer,  commencer  (Thur.  268),  nommer, 
comma. 

3')  Vor  silbenanlautendem  Nasal  n. 
Betontes  wie  unbetontes  o  zeigen  offenes  o. 

Calonne,  Cambronne,  colonne,  donne,   Estonne,   gönne,   Garonne, 

jordonne,  nenne,  pedonne,  tonne, 
äbandonner,  actionner,  adonner,  bonnetj   batonner,  canonner,   con- 

naUre,    digonner,    ddtonner,  jargonner,    monnaie,  postiüonner, 

questionner,  sonner,  tcdonner.^) 

e')  Vor  silbenanlautenden  stimmhaften  Momentan- 

und  Dauerlanten. 

Der  Vokal  o  =  offenes  o. 

läge,  üoge,  horloge;  gobbe,  Hobbes,  Pogge;  diaggot,  Dogger,  globbie, 
goddam. 


? 


vgl.  S.  5S,  Anm.  2. 

GeschloBBenes  o:  lang  in  aurone  (nach  Bescherellef  wie  Sachs 
angibt,  auch  auronne  geschrieben  und  mit  offenem  9  gesprochen)  und 
Rhdne. 


JHe  QuaHiät  der  Reinen  Vokale  im  Nett  franz.  61 


^0  Vor  silbenanlantender  stimmloser  Sibilans  88  (g). 
Der  Vokal  o,  betont  wie  unbetont,  ersobeint  dnrobwe^  mit  oflbnem  o. 

armctglosse,  airoce,  hoho88e,  bosse,  hrosse  (Thur.  249),  cabo88e, 
carosse,  colosse,  cosse^  crossey  culosse,  ditoce,  JEcosse,  imo88e^ 
endrosse  y  fSroce,  fSrocosse^  gioglosse^  glosse,  Josse,  Lafosse, 
mosse,  molossCf  nigoce,  pelosse,  pricoce,  rosse,  saeerdoce,  Sara- 
gösse,  Strosse,  irosse. 

adossement,  hossette,  crosser,  dosser  (=  glousser,  Thur.  249),  cm- 

losser,  dShosser, '  dcossais,  embosser,  firociti,  focHe,  fiossade,  Ossa, 

rossignol  u.  a.  m. 

Anmerkung  1.  dosse  hat  nach  Lesaint,  Landais  geschlossenes,  lan- 
ges p;  nach  Litträ  kurzes,  offenes  p;  desgleichen  die  Ablei- 
tungen: äusseret,  dossier  etc. 

gösse  (=  gausse,  Thurot  249)  mit  geschlossenem  o  bezeichnet 
Sachs  als  wenig  gebräuchlich;  d;e  Ableitung  gosser  (=- gaiASser) 
hat  geschlossenes  p. 

fosse  nach  Lesaint,  Litfcr^,  Feline,  Landais  mit  langem,  geschlosse- 
nem p,  nach  Moli^re  (ißtourdi)  kurzes,  offenes  p,  was  Sachs 
als  regelwidrig  bezeichnet;  ebenso  zeigen  die  Ableitungen 
geschlossenes  p:  foss€,  fosserage,  fosser^e,  fossei,  fossoyer, 
fossoyewr  und  La  Fosses  (belg.  Stadt  —  Namur), 

grosse  erscheint  mit  geschlossenem  p,  ebenso  die  Zusammen- 
setzungen und  Ableitungen:  grosse -tiie,  grosses -Uvres,  grosse- 
gorge,  grosseur,  grossir. 

Anmerkung  2.    Zur  Endung  -otion  (-osion)  vgl.  S.  56,  Anmerk. 

Tj')  Vor  den  übrigen  (silbenanlautenden)  stimmlosen 
^Momentan-  und  Dauerlauten  ch,  ff,  pp,  U,  sc. 

1.  Betontes  wie  unbetontes  o  haben  holie  Tonf&rbmig  =  p. 

Die  Wörter  mit  dem  Suffix  -oche  (lat.  -oceum,  vgl.  Diez,  Gr.  ü* 
319),^)  bamboche,  cahoche,  ipinocke,  ßloche,  maiUoche,  galoche, 
sacoche,  pioche,  taloche;  femer  in  basoche,  proche^  reproche, 
approche,  röche,  floche  (flocca)  und  dem  aus  dem  Germanischen 
entlehnten  poche; 

die  Wörter  auf  'Otte  (meist  Feminina  —  lat.  utta  oder  oUa, 
vgL  Diez,  Gr.  II*,  374  —  teils  Erb-,  teils  Lehnwörter): 

amelotte,  babotte,  baiUoUe,  boUe,  bigotte,  bouülotte,  cachotte,  cagotte, 
calotte,  camelotte,  capote,  carotte,  cülotte,  cotte,  orotte,  Schalotte, 
flotte,  fotte,  frotte,  fiivrotte,  garzotte,  gelinotte,  gavotte,  gibelotte, 
gotdotte,  grotte  (Thur.  250),  hachotte,  hotte,  htdotte  (Thur.  268), 
jotte,  Lamotte,  linotte,  machotte,  manchote^  mar  cotte  (Thur.  249), 
mignotte,  pelote,  perotte,  polyglotte,  quenotte,  ribotte,  rotte  (Thur. 


^)  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  29  und  S.  57  dieser  Abhandig. 


62  H.  Harth 

249),  motte,  suotte,  sötte,   trotte,   vigotte;   enveloppe   (ethymolo- 
gisch  zweifelhaft),  äoffe  (Thur.  251),  goffe  (Thur.  251)  u.  a.  m. 
anotto,    hachott^er,   carotter,    Coppet^    crott;er,    deboiter,    developper, 
itoffer,  flotter,  hoUer,  quotter  u.  a.  m. 

2.  Betontes  wie  unbetontes  an  =  gesoUosseneß  o. 

auffe,  hauffe,  ckauffe,  dauffe,  dchauffe,  nauffe;  chauffer,  chauffiire, 
^chauffer,  Geoffro^,  vauffelm. 

r)  Tonvokale  vor  solchen  silbenanlantenden  Konsonanten,  vor  welchen 
in  altfranzosiseher  Zeit  ein  s  verstummt  ist. 

Cironmflektiertes  d,  betont  wie  nnbetont,  ersclieint  dnrcliweg  als 

langes,  gescMossenes  o. 

1)  Circumflektiertes  6  vor  l  vgl.  S.  53,  58,  60. 

2)  „  ^  vor  m:  binSme,  chdme,  chdmer,  CSme, 
dipldme,  dipldmd,  ddme,  drdms,  fantöme,  GirSme,  Jerdms,  mdme, 
mSmeresse,  mömier,  mdmir,  nöme,  polinßme,  Symptome,  Vend&me, 

3)  Circumflektiertes  6  vor  n  vgl.  S.  55;  ausserdem  c6ne 
(=  cTosne), 

Ausnahme:  aumdne  und  die  Ableitungen  aüm&nerie, 
aumdnier  sind  nach  Sachs  mit  offenem,  kurzem  (halblangem)  o 
zu  sprechen. 

4)  Circumflektiertes  6  vor  v:  alcSve,  alcöviste;  die  Aussprache 
mit  offenem  g  ist  nach  Sachs  veraltet;  Bescherelle  setzt  hier 
keinen  Accent  circonfl. 

5)  Circumflektiertes  6  vor  t:  hSte,  hdtesse,  hdtel,  Ster,  cdte, 
cdter; 

Pentecdte  (Thur.  247)  hat  nach  Sachs  geschlossenes  o,  nach 
nach  M.-Cazal  offenes  o;^) 

rdti  (nach  Dupuis  61,  Q^j  108;  M.-Cazal  13;  Lesaint,  2.  Aufl., 
436  mit  offenem  q  —  was  Littre  mit  Landais  als  regel- 
widrig bezeichnet;  dagegen  zeigen  die  Ableitungen  offenes 
q:  rdtir,  rdtissage,  rdtisserie: 

hSpital  hat  offenes  g. 

b)  To&vokale  vor  (nenfranzösischem)  mouilliertem  1  oder  n 

mit  stummem  e. 

Die  Yorkommenden  Fftlle  zeigen  offenes  o. 
Bastogne^  hesogne^  Boulogne,  Bourgogne,  cogne,  Cologne  (Thur.  256), 


^)  vgl.  Lücking,  1.  c.  S.  415  und  417,  Anmerk.  S:  Wir  erinnern 
daran,  dass  Malvin-Gazal  das  lanp^e  und  das  geschloBsene  — ,  das 
kurze  und  das  offene  o  identifiziert. 


Die  Quaäiät  der  Remeii  Vokale  im  Neu  franz.  63 

carogne,  Catalogne,  charognsy  cigogne,  Gascogne^  Oigogne^  g^ogne^ 
wTogne,  pogne,  Pologne  (Thur.  257),  rogne,  Sologne,  trogne, 
vergogne,  vigognsy  vologne; 
cognac^  fogner^  grogner,  wrogner  u.  a.  m.,  sowie  in  dem  aus  dem 
Spanischen  stammenden  Fremdwort  oüle  (Aussprache  nach 
Littrö  und  M.-Cz.  angegeben).^) 

c)  Tonvokale  vor  (neufranzösisclier)  Muta  cum  Liquida 

mit  stummeni  e. 

a)  Tonvokale  vor  nnpronglieh  (lateinischer)  oder  dnreh  romanisehen 
Tokalansfall  entstandener  (einfacher)  Inta  enm  Uqnida.^) 

1.  Der  Vokal  o,  betont  wie  unbetont,  bat  offenes  o  vor  den  Verbindungen 
br,  pr,  dr,  tr,  gr,  or,  tt,  nr,  bl,  pl,  11,  tl,  gl,  cl,  11,  fr. 

a)  Betontes  o:  cöbre,  copre,  dogre^  octohre,  approbre,  propre, 
sobrcy  ogre,  mddiocrey  ocre,  coffre,  LocreSy  mdlpropre,  Licoptre, 
Ägatocley  binode,  Empidode,  Lochy  girofte  (Thur.  251),  girofle^ 
PartfUnoplCy  Patrode,  sode,  sinople, 

ß)  Unbetontes  o:  appropriery  acoddide,  acographey  aconaSrogra- 
phdsy  shodadßy  bodrat,  CodlSy  Codrus,  Diod^Sy  ddmocratey  gio- 
blastey  gioglosaey  obligeTy  Obrecky  ovry,  progrlSy  ProcriSy  tocro, 

2.  Betontes  wie  unbetontes  au  =  geschlossenes  o. 

atitrey  epeautrey  faucrey  gaufre  (Thur.  431),  Lepautre,  pauvre  (Thur. 

431),  vautre  (Thur.  440); 
appauvrtr,  BacepriaUy  beauprS,  BautrUy  batfreury  beau-frh'ey  Cha^ 

teaubriandy  ipaufreVy  ftmorodsy  navfragey  pauvretiy   vautrer;  — 

je  vaudraiy  nous  vaudronSy  il  faudrcu 

ß)  Tonvokale  vor  ursprünglich  geminierter  Inta  cum  Liqnida. 

0  hat  offene  Qualität  =  9. 
offrey  offriry  m^soffref  soffre,  coffre,  coffrer, 

yj)  lN)r  Tonvokal  ist  dnrch  Terstnmmnng  eines  s  vor  Iota  cnm 

Liquida  getreten. 

Oeschlossenes  0:  ap6trey  Lenötre,  nßtrey  vdtrcj  paJtenßtre^  dß- 
ture;  —  zu  notrey  votre  vgl.  oben  e. 


*)  J.  Jaeger,  1.  c.  S.  87. 
*)  vgl.  S.  82. 


64  H,  Barth 


n.    Der  Tonvokal  o  (au)  im  Wortauslaut. 

a.  Im  Wortauslant  ohne  folgenden  stnmmen  Zonsonanten  oder 

folgendes  stummes  e. 

a)  Drsprnnglieh  einfache  Male. 

Der  Vokal  o  2ßigt  geschlossenes  o.^) 

abacOy  äbdomino,  ablativo,  accelerando,  acho,  adagio,  adSnOy  AeUoy 

anottOy  alto,  alaco,  amorosOj  apoco^   arco,    argilo,  Argo,    aristo y 

BartholOy  Calypso,  Calisto,  coco,  da-capo,    dacO'(roman),   icho, 

ergo,  ferro,  folio,  galago,   Kalo,  HSro,    imhroglio,   indigo,   irato, 

Jirichoj   loco,  moto,   o    (als  Buchstabe),    Pilago,    quarto,   solo, 

Tobaco. 

Anmerkung  1.    Der  Vokal  o  erscheint  als  offenes  g  in  Verbindun- 
gen wie  acidO'hasique  u.  a.  m.;  in  den  Zusammensetzungen  mit 

fibro  .  .  .;  fihrO'Cartüage,  fibro-plastique,  fibro-soyeux  etc.;  in  der 
Zusammensetzung : 

filO'Capulaire;  in  den  Zusammensetzungen  mit 

gallo :  gallo -romain,  Gallo -TFisigoik  etc.;  in  den  Zusammensetzun- 
gen mit 

gastro  .  .  .:  gastro-brochite,  gastro-colite;  überhaupt  in  zusammen- 
gesetzten Ausdrücken,  m  welchen  dann  o  als   unbetontes  o 
erscheint  —  so  bei  neo  .  .  .,  ortho  . .  .,  sacro  .  .  .  etc. 
Anmerkung  2.     Circumflektiertes   o  =  geschlossenes  o:  P$,  ö 

(les  d  de  Noil  [nach  Littr^;  die  Acad.  ohne  Acc.]). 

ß)  lenfranzosisehe  Male,  welche  aas  altfranzosisehen  Diphthongen 

entstanden  sind. 

Der  Monophthong  an  (ean)  hat  geschlossenes  o.^) 
acquirau,  aideau,  AgcRSseau,  (zgneau,  aisseau,  aimeau,  appeau,  areau^ 
au,  asseau,  bandeau,  beau,  Boüeau,  bourreau,  bateauj  cäbleau^ 
cadeau,  carreau,  ciseau,  couteau  (Thur.  252),  dau,  doleau,  eau 
(Thur.  513),  fardeau,  fliau  (Thur.  440,  512),  FontainebUau, 
forceau,  gaveau,  Glogow,  guideau,  horreau,  Isabeau,  Landeau, 
Labau,  Moldau,  nassau^  oiseau  (Thur.  439),  oripeau,  Paw,  Pau, 
peau,  pinceau,  poteau  (Thur.  252),  prdau  (Thur.  440,  512), 
sceau  (Thur.  512),  taureau,  tassau^  vanteau,  ä  vau-Veau, 

b.  Der  Tonvokal  o  unmittelbar  vor  stummem  e  im 

Wortatislatit. 

Der  Vokal  o  in  Ifoe,  FoS  hat  geschlossenes  o. 

Anmerkung  1.  Der  Vokal  o  im  Hiatus  ist  das  tonlose,  kurze, 
hohe  g,  „oder  das  ö,  weniff  hervortretend,  kurzer  Vorschlag  im 
Diphthongen"  (Sachs,  L  c.  S.  XIX.): 

^)  M.-Cz.  gibt  hier  (für  o  und  au)  offenes  p  an;  Lücking,  1.  c.  S.  416. 


Die  Qualität  der  Beinen  Vokale  im  Neu  franz.  65 

acroatique,  Adoald,  aüochroä,  aloide,  aUoite,  alotne,  Cohen,  emoeüer, 

fotne,  Foe,  herotne,  heroisme,  moelle,  poSle  u.  a.  m. 
ffo^l  0=  OuelJ  zeigt  geschlossenes  o;  ebenso  poa,  poäere,  po- 

alker,  poire,  soif,  Thoas;  — 
podte,  poeme  und  die  Ableitungen  haben  nach  Sachs  geschlos- 
senes 0,  nach  Litträ  und  Landais  aber  offenes  g;  desgleichen 
Zo^,  egoisme,  e'goisie,  Zoile. 
Anmerkung  2.    Die  Lautverbindung  oo  erscheint  entweder  als  ein- 
heitlicher Laut  und  dann  bald  als  offenes  o,   bald  als  geschlos- 
senes o;^)  oder  beide  o  werden  gesprochen,  wobei  das  erste  o 
durchweg  als  geschlossenes  o  erscheint: 
a)  00  =  offenes  g:  boobook,  looc,  Moore; 

geschlossenes  p:  Chootz,  Moospach,  Noovoo,  soole. 
ß)  oo  =  O'O:  bg-obook,  bg-op,  bo-opis,  Bg-oth,  Bg-oz,  cg- Obligation, 
co-ope'rer,  cg-opter,  dicrg-ophiie,  Flg-ovani,  Aerg^on,  Zg- 
ohie,  Zg-ogene,  zo-ophore?) 
y)  00  =  u  in  entlehnten  Wörtern:  Cook,  Cooper,  Book  etc. 
prg-ode  hat  nach  Littr^  auch  offenes  g;  ebenso  proodique, 
Anmerliung  3.    o  ist  stumm  in:  Craon,  6Vaonn^  (nach  Lanaais  mit 
lautbarem  oj,  faon,  faonner,  Laon,  Laonnais,  paon,  paonne,  paon- 
nier,  paonneau  —  während  in  paonaee  das  o  lautet. 


c)  To&vokale  vor  sttimmen  Zonsonanten  im  Wortauslant. 

a)  Im  Altfranzosisehen  folgte  aif  den  TonTokal  einfache  Konsonanz. 

a')  Die  Liquida  I. 

Der   Monophthong   au   zeigt    geschlossenes  g  vor    der 
stummen  Eonsonantengrnppe  It,  Id, 

Berbault^  Desault,  feravlty  Gerauld,    Gdricaulty  grimault,    raffaultj 
Rigault,  SaiUtj    Vault 

/90    Die  Liquida  r.    (Beispiele  fehlen.) 
f)  Stummem  s  (x,  z). 

Der  Vokal  o  sowie  der  Monophthong  an  haben  geschlossenes  o. 

1)  Der  Vokal  o:   adosj    cäbos,    chaosj   dos,   enctos,  dispoSy   dos, 

endos,  Droz,  gros,  heros,  propos,  repos,  Lenclos,  nos,  vos  —  je 

dos,  tu  dos. 

Anmerkung,  compos  mit  lautbarem  s  (nach  Landais)  hat  ofFenes  p, 
mit  stummem  s  (nach  Feline)  geschlossenes  p; 

Carlos  nach  Sachs  mit  lautbarem  s  und  offenem  p;  die  Aussprache 
mit  stummem  s  und  geschlossenem  p  ist  nach  Sachs  regel- 
widrig; 

Ecos  nach  Larousse  mit  stummem  s  und  geschlossenem  g,  nach 
Landais  umgekehrt;  desgleichen  faros; 


»)    vgl.  S.  20  und  Thurot,  l.  c.  497. 

')  tUcg*ol  (akohol)  und  die  Ableitungen  zeigen  offenes  p. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VP.  5 


66  H.  Barth 

logos  hat  stets  lantbares  s,  aber  bald  geschlossenes  p,  bald 

offenes  p;  desgleichen  Minos  and  Thasos. 
Laos  zeigt  bei  stets  lantbarem  s  geschlossenes  o. 
los  und  OS  (Plötz,  1.  c.  98)   bei  stummem  wie  bei  lautbarem  s 

stets  geschlossenes  o. 

2)  Der  Vokal  att  in  den  SubBtantiven  —  Singalar,  wie  im 
Plural  der  Substantive  und  Adjektive  auf  -eauj  -alj  -aü: 

aüodiauXy  auXf  atdx,  amicatix,  beauXf  hocaux,  Bordeaux 
(Thur.  263),  eanaux^  cartauXy  cardinaux,  chaux,  chevaux^  corauXy 
comttXj  Debraux,  Desbarreaux,  DesprSaux,  difavXy  d^loyaux, 
^gaux,  SmauXy  fatix,  feaux^  ginSraux,  glaux,  höpitattXj  journauXy 
jumauXy  libSrauXy  locaux,  MeauXj  m^taux,  mardchauXj  ToauXy 
moraux^  nasaux^  nominaux,  nouveaux,  originauXy  prSvdtauXy 
PuteauXy  quintauXf  rivaux,  Sceaux,  sinichavXy  soupiraux,  sur- 
taux,  tauXy  totaux^  trümnartXj  vantaux,  ventauXy  vaux,  venaiix, 
mtaux, 

ä*)  Vor  stummem  f  (vacat). 

e')  Vor  stimmlosen  Momentanlauton,  welche  Im  NeufranzSsischen 

stumm  sind. 

0  wie  au  vor  den  stummen  Endkonsonanten  t,  d,  o,  p  aeigen 

gesoklossenes  o. 

1)  Der  Vokal  o:  dbacoty  abotj  abricot,  accot,  acot,  aigidUoty  ayoty 
Ämyoty  anascoty  angelot,  bachoty  baUot,  barbot,  bardot,  beUoty 
biblots,  bofy  brälot,  cahot,  cachot,  coyot,  caüloty  eapot,  cmssoty 
charioty  chicoty  culot,  dioggot,  divot,  ergot,  escargoty  fagoty  faloty 
floty  femdotSy  ganoty  govloty  grdoty  halot,  tloty  idioty  jaboty 
loty  Uroty  linoty  lorioty  maiUoty  manchoty  moty  pdloty  povloty  pÜot, 
roty  sanglot  (Thur.  249),  saboty  troty  corigeotj  vieÜlot;  sowie  in 
Eigennamen  wie:  Charloty  Gruizoty  Jacqtioty  Lancdoty  Jeannotj 
Pierroty  Margoty   Yvetot 

dropy  galopy  sirop,  orocy  lods, 

Anmerkung,    accroc  und  raccroc  haben  bei  stummem  c  offenes  p. 

hloc  bei  lautbarem  c  hat  offenes  p  (nach  M.  -  Gz.),  bei  stummem  c 

(vor  Eons,  nach  Litträ)  geschlossenes  p. 
hloi  mit  stets   stummem  i  hat  nach  Sachs  geschlossenes,   nach 

Litträ  offenes  o, 
Goih  nach  Landais  geschlossenes  p,  nach  Littr^  offenes  p  bei 

stummem  th;  desgleichen  Ostrogoih,  Visigoik. 
irop  nach  Landais,  Lesaint,  2.  Aufl.  87,  geschlossenes  o;   nach 

Dupuis  66  offenes  p,  was  Lesaint  für  regelwidrig  erklärt;  in 

in  der  Bindung  bei  lautbarem  p  offenes  p  (Plötz,  1.  c.  8.  30,  81). 

2)  Der  Monophthong  au\  assauty  avauty  boucauty  caut^  difavty 
hauty  hirauty  ressauty  sauty  sursauty  soubresauty  tressautj  ü  vaut 
—  femer  in  den  Lehnwörtern:  artichautf  marsatdt; 


Die  Qualiiäi  der  Reinen  Vokale  im  Neu  fr  am.  67 

badaudy  band  (auch  mit  lautbarem  d)y  bSgaud,  chatid,  clabaud, 
couriaudy  crapaudy  ichafaud,  grimaud,  Giraud,  lourdaud,  maraud, 
MiUaudj  moricaud,  nigaud,  raoiraud,  pataud,  penaud,  quinaiidy 
ribatid,  rougeaud,  rustaud,  noMaudy  surdavdy  trigaudy  taud^ 
verdaudy   Vaud, 

ß)  In  Aitfranzosisehen  folgte  auf  dei  Tonvokal  st,  Ton  welcher 
firappe  znerst  s,  später  t  verstofflmt  ist. 

Der  Vokal  d  =  gMoUossenes  o. 

aussitöty  bientdty  ü  clSty  dip6t,  entrepdty  impdtj  prSvßty  plutSty  rSty 
suppöty  sitoty  tantöty  tdty  sowie  in  Privost  und  Provost  (mit  ver- 
stummtem 8t),  Die  Ableitung  prSvötal,  privöti  haben  nach 
Dupuis  66,  M.-Cz.  13  offenes  q,  nach  Sachs  und  Littr^  ge- 
schlossenes o. 


B.    In  geschlossener  Silbe. 

a.  Vor  wortanslautendem  einfachem  Konsonanten. 

1.    Vor  lautbarem,  einfachem  h 

Der  Vokal  o  =  offenes  o. 

cUcooly  Algoly  areignoly  bol,  caracoly  convol,  coly  Deolsy  doly  espa- 
gnoly  entresoly  gioly  Jtydroly  hausse-cöly  foly  laitroly  licoly  moly 
Koly  opoly  payoly  parasol,  PuyolSy  ptdpoly  Roly  rossignoly  Signoly 
8oly  toumesoly  tercoly  Tyrol,  viol,  viti'ioly  voL 

au  =  o:  braut  —  doch  Paül^)  mit  offenem  q. 

2)  Vor  auslautendem  mouilliertem  l. 
(Bietet  keine  Beispiele.) 

3)  Vor  auslautendem  r  oder  r  mit  stummen  Kon- 
sonanten. 

Der  Vokal  o  hat  offenes  o. 

AlcoVy  alUnoTy  cdidor,  alligatory  ÄlmanzoTy  Äthory  azoVy  azuroVy  eory 
corridor  (Thur.  251),  dicory  dory  essoVy  Evinory  foVy  gor^  La- 
bradory  LionoTj  LuxoTy  majory  Mentor y  ory  quatuor,  quadory  so- 
por,  Täbory  trSsor, 

sor:  Das  (wenig  gebräuchliche)  Wort  zeigt  geschlossenes  o  neben 
offenem. 


*)  (J.  Jaeger,  1.  c.  54,  Anm.  1):  Im  16.  Jahrh.  begegnet  der  Reim 
Pol  (Paul :  fol)  in  einem  Sprichwort,  vgl.  Livet,  1.  c.  p.  851. 


68  H.  Harth 

ahordy  accord^  accortj  Alfort,  alora^  apport,  babard,  Befart,  Mtord, 
bordy  Cahoi'Sy  CamorSy  consortsj  corpSy  debord,  efforty  empört^ 
ErfoTty  fiwdy  forSy  forty  gabordy  gordy  horsy  HorpSy  lors,  lordy 
morSy  mordy  morty  nord,  perigordy  port,  Pussorty  raiforty  rapporty 
regordy  recorSy  remords,  ressorty  sabordy  sorty  sporty  supporty 
torty  torsy  porc  (bei  stummem  c). 

au  =^  geschlossenes  q:  gaur  —  doch  Maur  mit  offenem  o. 

4)   Vor  lautbarem  m  (n)  im  Wortauslaut. 

0  =  oiTeiies  o. 
lomy  Manom,  monty  Tom, 

5)  Vor  lautbarem  s  (z)  im  Wortauslaut. 

Die  Qualität  von  o  im  vorstehenden  Falle  ist  streitig. 
Offenes  o:  jEgos,  PotamoSy  albinosy  alfosy   albomoSy  AmoSj   an- 

thoSy  apioSy  AthoSy  AtropoSy  azygos,  ColvadoSy  CioSj  CathoSy  CoSy 

Tinos  (auch  mit  geschlossenem  q),     Badajoz  (Badajox). 
Geschlossenes  o:   ArgoSy   DeloSy  Colonosj    Sthos,    mirinosy  Pa- 

phosy  PaloSy  pathoSy  ScyroSy  —  BooZy  Persoz. 
rhinociros  hat  nach  Dupuis  67,  Landais    geschlossenes  o;   nach 

Poitevin  und  Littr6  offenes  q. 
au  =  geschlossenes  o;  Caus. 

6)  Vor  lautbarem  /  (ff)  im  Wortauslaut. 

0  =  offenes  o;  au  =  geschlossenes  o. 
Azofy  doffy  Koffy  lofy  lophy  Plagoff y  stoffy   Yaloff;  sauf, 

7)   Vor  lautbaren  stimmlosen  Momentanlauten. 
Der  Vokal  o  hat  offene  Tonf&rbnngr. 

alembrothy  Allcotky  atroc,  blocy  boc,  boocy  bistoc,  CaradoCy  chocy 
copy  coqy  crocy  estoCy  4toCy  jiocy  foCy  frocy  hadocky  hocy  hopy  loc, 
Karrocky  Rocky  Midoc,  maniocy  Molochy  Naboky  ocy  ploCy  rocy 
Rocky  socy  tocy  Tothy   VidocQ, 

Auch  (6h)  hat  geschlossenes  o. 

coak  (=  coke)  mit  stummem  a  hat  geschlossenes  o. 

b)  Vor  lautbarer,  einfacher  und  zusammengesetzter  Zonsonanz 

ohne  stummes  e. 

Der  Vokal  o  aeigt  in  allen  FftUen  offenes  o. 

^)  b,  d,  g;  ß)  bs,  ps,  x,  ss,  st,  sc,  et,  pt,  tt,  tz;  y)  Üb,  Ip,  Id,  It,  If,  Iz; 

d)  rc  (rk,  rq),  rn,  rp,  rz. 

cegüops,  Alosty  Amoldy  AzoVy  Bosc,  CheopSy  cobolty  composty  corby 
CosSy  girondolly  poll,  Cemebogy  ithiopsy  flossy  floXy  grogy  Haröldy 
Horriy  Jacoby  JbZe,  Leopold,  Kott,    logy  Ops,    ost,  OüroU,   posU 


Die  Qiudiiät  der  Reinen  Vokale  im  Neufranz.  69 

phlox,   pross,  porc,  Potty   Reinolf,   RuolZy  Swedenborg^   Viborg, 
Wolffy  WormSf  York,  Zoon. 

c)  Vor  lautbarer  mehrfacher  Zonsonanz  und  stummem  e. 

Betontes  wie  nnbetontes  o  =  offenes  o. 

a)  Vor  r  -f  Kons.  +  e. 

acrochorde,^)  caborde,  horde,  isocorde,  Laborde,  torde,  torte\  aorte, 
Corte,  redorte,  bistorte,  forte,  porte,  sporte; 

euphorbe,  orphe,  dorque,  estorgue,  Minorque,  orgue,  Sorgues; 
divorce,  ecorce,  torce,  morce;  dorche,  torche;  Gorze,  quatorze, 
orze,  alicome,  bicorne,  corne,  Hornes,  raorne,  ome,  orle  (Thur. 
248),  bome,  borgne,  caborgne,  calorgrte; 

Corve,  morve;  De  Lorge,  forge,  Georges,  gorge,  orge;  Delorme, 
forme,  Lormes,  morme,  norm^;  desordre^  debordre,  discordey 
mordre. 

abnormal,  aborder,  aborner,  abortif,  accome,  accordd,  absorption, 
absorber,  acormose,  albornos,  amorcer,  amorphie^  arnortir,  an- 
ordie,  anorganique^  anormal,  apporte,  aortique,  Bordeaux,  bomer. 

CantorUry,  chiorme  (chiourme  Thur.  252),  corbeäle,  corner,  Cor- 
neille, corporelle,  corpsS,  Cortez,  corbiau,  riformer,  dSsormais, 
ditorquer,  dStortoir,  dorcade,  Dorval,  efforcer,  igorger,  forgable, 
forfaire  (Thur.  260),  forgeter,  gorger,  gortheen,  morti,  mortd, 
Norvlge,  orchestre,  orval,  portrait  (Thur.  259),  porcdaine  (Thur, 
266),  ^ortir  u.  a.  m. 

ß)  Vor  /  H-  Kons.  +  e: 

absolve,  Adolphe,  Amolphe,  archivolte,  Delolm^,  dolc,  Gisolfe,  golfe 
(Thur.  248),  Hippomolgues,  Pandolfe,  Rudolphe,  revolte,  solde, 
Solre,  wolfe,  Volkes,  volve,  volte,  Volces, 

absolvable,  Bolbec,  Colmar,  colnad,  colrabiy  colti,  dolman,  poltron, 
volter, 

y)  Vor  sme,  spe,  spre,  sque,  sie,  stkre,  sire,  xe,  ohne,  de,  ctre,  pte. 

agathosme,  coprosme,  accoste,  anagoste,  coste^  geognoste,  imposte, 
poste,  albirostre,  altirostre,  atricostre,  rostre;  aloxe,  iquinoxe, 
heterodoxe,  paradoxe;  rhogmje,  Skopzes,  Locke,  sorque,  cophte, 
adopte,  ipopte  etc. 

acosmie,  anosmie,  cosmologie,  acrostique,  accostable,  aerostat,  agro- 

sÜme,    apostat,    apostrophe,  Boston,    costmne,  obstacU,  Bospore, 

Bosbocque,  acrospore,  anthosperme,  atmosphlre,  phosphore,  adopter, 

caloptlre,   aerognosie,   gothique,  Aloxane,    aluminoxyde,    approx- 

(Fortsetzung  hinter  der  tabell.  Zusammenstellung,  S.  74.) 


^)  Zur  Endung  orde  vgl.  Thurot,  1.  c.  S.  248. 


.isanimensLeüung'  der  Reaniiaie 


-1.  o  ,  ..Tfenea  „     kurz«  - 

,  I 

■•■«•'  I  -iffane«  o  kurze«  /- 
,;„*;  "*«««  "  kurze«  ., 
'■"'  "  [  ''ffepsH  „     kurze;-  o 

'^"  '■'■■^-  '9-20,  21;  23;  29. 


Die  Qualiiät  der  Seinen  Vokale  im  Neufranz. 


71 


für  die  Qualität  und  Quantität ') 


Der  Diphthong  an  (eau). 


1.  Betontes  an. 

Qualität.     I    Quantität. 


2.  Unbetontes  an» 

Qualität.    I   Quantität. 


Der  nachfolgende  Konsonant:  A.  In  offener  Silbe. 


Vor  urspr.  einfachem: 


r 


m 


n 


Vor  den  stimmhaften  Dauer- 
lauten :  V 

a 

s(z) 

Vor  den  stimmhaften  Momen- 
tanlauten   

Vor  den  stimmlosen  Konso- 
nanten   

Vor  ursprünglich  mehrfacher, 
später  einfacher  Konsonanz : 
Vor  stimmhaften  Momen- 
tan- und  Dauerlauten 

l,  m,  n 

Vor  stimmlosem  Kons.    . 
Vor  geminiertem:  / 

r 
m 

n 

Vor  stimmhaften  Momentan- 
'und  Dauerlauten:    hhe,  gge 

Vor  ch,  ff,  pp,  tt,  cc 


vacat. 

vacat. 

vacat. 

offenes 
und 

langes  o 

geschl.  0 

geschl.  0 
vacat. 

vacat. 

vacat. 

Yi 

» 

n 

Y> 

n 

n 

geschl.  0 

langes  o 

geschl.  0 

vacat. 

vacat. 

vacat. 

n 

.  n 

n 

geschl.  0 

geschl.  p 

geschl.  0 

vacat. 

langes  o 

langes  o 

langes  o 

vacat. 

geschl.  0 

geschl.  0 

geschl.  0 

vacat. 

n 

» 

» 

w 

» 

n 

n 

» 

n 

V) 

r> 

n 

r, 

ji 

r> 

n 

r 

n 

geschl.  0 

langes  o 

geschl.  0 

vacat. 
halbl.  0 


vacat. 


halhl.  o 


vacat. 


halbl.  o 

halbl.  0 

halbl.  0 

vacat. 


» 

w 

n 
n 


halbl.  0 


30,  31,  32,  33,  34,  35,  36,  37;  40,  41;  43;  46;  52,  53;  58,  59,  60,  61;  64,  65, 


72 


H.  Harih 


Ber  Tokäl  o. 

' 

1*  Betontes  o. 

2.  Unbetontes  o. 

Qualität. 

Quantität. 

Qualität. 

Quantität. 

Vor  monilliertem  /  nnd  n 

offenes  o 

halbl. 
kurzes  o 

offenes  o 

kurzes  o 

Vor   (oraprünglicli)   einfacher 

Mnta  com  Liquida   .     .     . 

offenes  ^ 

halbl.  0 

offenes  o 

halbl.  0 

Vor   (ursprüngl.)   mehrfacher 

Muta  cum  Liquida  .     .    . 

offenes  m 

kurzes  o 

offenes  o 

kurzes  o 

Ohne  Konsonant  und  summest? 

Vor  stummem  e 

Vor  stummem  s  (z) .... 

Vor  stimmlosen  stummen  Mo- 
mentanlauten   


geschl.  0 
geschl.  o 
geschl.  0 


geschl.  0 


halbl.  o 

halb].  0 

langes  od. 

halbl.  o 

langes  od. 
halbl.  0 


}i  ^ff-  ^ 


kurzes  o 


yacat. 


Der  nachfolgende  Konsonant:   B.   In  geschlossener  Silbe. 


Vor  lautbarem  einfachen  /    . 

Vor  mouilliertem  /  .  .  .  . 
Vor  r  oder  r  -f  stumm.  Eons. 
Vor  lautbarem  m  (n)  .  .  . 
Vor  lautbarem  s  (z)     ... 


Vor  lautbarem  f  (ff) .... 

Vor  lautbaren  stimmlosen  Mo- 
mentanlauten   

Vor  lautbarer  einfacher  oder 
zusammengesetzer  Konso- 
nanz ohne  stummes  e 

Vor  lautbarer  melyrf  acher  Kon- 
sonanz mit  stummem  e  . 


offenes  o 

yacat. 
offenes  o 
offenes  o 

offenes 

und 

geschl.  0 

offenes  o 

offenes  o 


offenes  o 
offenes  o 


halbl.  od. 

kurzes  o 
yacat. 

langes  o 

halbl.  0 
halbl.  od. 

langes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 


yacat. 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  Neu  franz. 


73 


mm 


wü^mmatfma^tfmmmm 


BAW 


stamBmeasammmmittBaBmBmtmtaamm 

Der  Diphthong  au  (eau). 


1.  Betontes  an. 

Qualität.     1   Quantität. 


8.  unbetontes  an. 

Qualität.     I  Quantität. 


Vor  mouilliertem  l  und  n 

Vor  (ursprünglich)  einfacher 
Muta  cum  Liquida   .     .     . 

Vor  (urflprüngl.)  mehrfacheir 
Muta  cum  Liquida   .     .     . 


vacat. 

geschl.  0 
vacat. 


vacat. 

langes  o 
vacat. 


vacat. 


Ohne  Konsonant  a.  stummes  ief 

Vor  stummem  e 

Vor  stummem  s  (z) .... 

Vor  stimmlosen  stummen  Kon- 
sonanten  


gesohl.  0 

vacat. 
geschl.  Q 


geschl.  0 


ha^b).  o 

vacat. 

laofipes  od. 

halbl.  0 

langes  od. 
hal^l.  Q 


vacat. 


Der  naehfolgende  KouBonänt:   B.  In^eBohlossener  Silbe. 


Vor  lautbarem  einfachen  /    . 

Vor  mouilliertem  l  .  .  .  . 
Vor  r  oder  r  +  stumm.  Kons. 
Vor  lautbarem  m  (n)  .  .  , 
Vor  lautbarem  s  (z)      .     ".     . 


Vor  lautbarem  f  (ff)    .     .     . 

Vor  lautbaren  stimmlosen  Mo- 
mentanlauten   

Vor  lautbarer  einfacher  oder 
zusanuueugesetzer  Konso- 
nanz ohne  e  mtiet  .     .     . 

Vor  lautbarer  mehrfacher  Kon- 
sonanz mit  ^  muet .     .     . 


geschl.  0 

vacat. 
geschl.  o 

vacat. 
geschl.  0 


geschl.  0 
geschl.  o 

vacat. 
geschl.  o 


halbl.  o 

vacat. 
langes  o 

Yficat. 
langes  o 


langes  o 
langes  o 

vacat. 
langes  o 


vacat. 


74  H.  Harih  < 

mieTy  atoxique,  hicoxyde^  noxal,  paroxysme,  BosniBy  floscutej 
camyopse,  catoptrique,  coetion,  noctume,  Octavie,  octroi,  Öustozza, 
Ddmosthhkef  dioptre^  Dioscore,  gioscopiSi  horoscope^  obschie, 
dogme,  domne,  CromveUj  Gozzo. 

Der  Monophthong  an  hat  ffOBchlosBones  o. 

balatiste,  Auster,   australf   caustique,   daustrcd,  Bautzen,  ddvauxite, 

augmenter,  Austerlitz,  austeritS,  saiddre,  Vaulry,  VauxhaU. 
Für  toster  wird  geschlossenes  g  neben  offenem  g  notiert. 


Resnltate  nnd  allgemeine  BemeAnngeii. 

Vorstehende  Zusammenstellnng  bietet  für  die  Qualität  des 
Vokals  o  und  Monophthongs  au  (eau)  folgende  allgemeine  Ge- 
sichtspunkte: 

I.   Das  circumflektierte  6. 

Betontes  wie  nnbetontee,  cirenmflektierteB  d  hat  bei  langer 
(halblanger)  Qnantitftt  geechlossene  Qnalitftt. 

(Vgl.  8.  53;  S.  58  a"  1;  S.  60  «';  S.  62  r\  S.  63;  S.  63  r\ 
S.  67  ß.     Ausnahmen:  S.  62,  r  3;  S.  62.^) 

IL    Der  Vokal  o. 

A.  Der  Vokal  o  mit  der  Qualität  eines  offenen  o.  * 

a)    In    offener    Silbe. 
a)  Im  Wortinlant. 

Betontes  wie  unbetontes  o  (bei  halblanger  oder  kurzer 
Quantität)  ist  offenes  o  (q): 

1)  Vor  ursprünglich  einfachem  Z,  r,*)  w,  n  (S.  52,  ff,).*) 

2)  Vor  den  stimmhaften  Dauerlauten  jj  v  (S.  55).^) 

3)  Vor  den  stimmhaften  Momentanlauten  b,  d,  g  (gu)  (S.  56).*) 

4)  Vor  den  stimmlosen  Konsonanten  öh,  f  (ph)^  p^  t,  (th)  k,  qu 

(S.  57). 

5)  Vor  geminiertcm  l,  r,»)  m,  n  (S.  58  a',  ß'  r\  *')• 


^)  Zur  Notation  des  circumflektierten  o  beiM.-Cz.  vgl.  Lücking, 
1.  c.  S.  415,  sowie  S.  62,  5  nebst  Anm.  dieser  Abhandl. 

')  Vor  m  und  n  ist  Qualitö.t  streitig;  y^l.  S.  53,  54,  55. 

')  Bei  dieser  Qualitätsbezeichnung  entspricht  die  Quantität  nicht 
der  Qualität;  vgl.  S.  48,  Anm.  3. 

*)  vgl.  S.  48,  Anm.  4. 


Die  Qualität  der  Reitien  Vokale  im  Neufranz.  75 


"I  Vor  den  gem.  Btimmhaften  Momentan-   und  Dauerlanten  bj 
g,  S  (S.  59). 

Vor  der  stimmlosen  Sibilans  ss  (g)  (S.  59). 

Vor  den  stimmlosen  Momentan-  und  Dauerlauten  (%,  ^,  pp, 
—  tt,  cc  (S.  61).^ 

.  V^or  mouilliertem  l  oder  n  (8.  62). 

Vor  (urspr.)  einfacher  Muta  cum  Liquida  (S.  63).^) 

•  '  Vor  (urspr.)  geminierter  Muta  cum  Liquida  (B.  63). 

ß)  Im  Wortauslant. 
rnbetontes  o  im  Hiatus  zeigt  offenes;  kurzes  o. 

b)    In  geschlossener  Silbe. 

L )  Vor  lautbarem  einfachem  Z,  m,  n,  r  (S.  67,  f.). 

Vor  lautbarem  s  (z)^)  (S.  68). 
;)  Vor  lautbarem  /  (ff)  (S.  68). 
I)  Vor   den   stimmlosen  Momentanlauten  c,  cq^  k,  ck,  p,  ty  th 

(S.  68  f.). 
>J  Vor  lautbarer  einfacher  oder  zusammengesetzter  Konsonanz 

ohne  stummes  e  (8.  68). 
f))  Vor  lautbarer  mehrfacher  Konsonanz  mit  stummem  e  (8.  74). 

.  B.   Der  Vokal  o  als  geschlossenes  o. 

a)  In  offener  Silbe. 

a)  Im  Wortinlant. 
Betontes  o  =  gescUossenes  (qualitativ  langes  oder  halblanges)  o. 

1)  Vor  dem  stimmhaften  Dauerlaut  s  (z)  (8.  56). 

ß)  Im  Wortaaslaut. 

2)  Am  Ende   eines  Wortes,    ohne  Konsonant  und  stummes  e 

(8.  64). 

3)  Unmittelbar  vor  stummem  e  (8.  64). 

4)  Vor  stummem  s  (z)  (8.  65). 

5)  Vor  stummen  stimmlosen  Momentanlauten  (8.  66). 

b)    In  geschlossener  Silbe. 

6)  Vor  lautbarem  s  (z)  —  doch  auch  offenes  o  (8.  68). 
Anmerkung.     Eine  Verschiedenheit  in   der  Qualitätsbezeichnung  für 

die  Vokale  «  und  o  tritt  zu  Tage  in  folgenden  Punkten: 


^)  vgl.  die  Qualitätsbezeichnung  bei  a  S.  49,  Anm.  3. 

^)  Vor  lautbarem  s  (z)  ist  die  Qualität  streitig;  vgl.  die  Beispiele 
S.  68.  Die  von  J.  Jaeger  S.  58  angegebene  Quantitätsbezeichnuug  „lang 
oder  halblang"  spricht  für  geschlossenes  o. 


76  R  Harih 

1)  Vor  r  (einfachem,  geminiertem,  aaslaatendem)  bat  a  tiefe, 
0  oifene  Qualität  —  beide  Vokale  sind  quantitativ  lang. 

2)  Vor  den  Momentanlauten  d,  i  hat  a  tiefe,  o  offene  Qualität. 

3)  Vor  einfacher  Muta  cum  Liquida  zeigt  o  überall  offene 
Qualität,  der  Vokal  a  vor  gewissen  Konsonantengruppen 
tiefes  a  (S.  82). 

4)  Im  Auslaut  hat  o  durchweg  geschlossene,  a  tiefe  Qualität.^) 

III.    Der  Monophthong  an  (ean). 

Die   Qualität    des  Monophthongs    au    bestimmt    sich    nach 
Sachs  (auch  Piötz,  1.  c.  S.  30,  31)  dahin: 

Betontes  wie  unbetontes  au  (eau)  haben  geschlossene 
(lange,  halblange)  Qualität,  wobei  Schwankungen  vor  r 
vorkommen  (8.  53;  S.  56;  S.  58  «'',  /9",  f\  ^'; 
S.  59  e",  f";  S.  62  2;  S.  63,  2;  S.  64  ß-,  S.  65,  66, 
67,  68,  74);  —  vgl.  dagegen  die  Qualitätsbestimmung 
von  au  (eau)  nach  Malvin-Cazal  (Lücking,  1.  c.  S.  417 
und  418). 


§  in. 

Die  Buchstabengruppe  eu  (obu,  ob,  ue).^) 
Übersichtliche  Darstellung  Ihrer  Qnalitäts-  nnd  Quantltätsverhältnlsse. 

A.    In  offener  Silbe. 
I.  Im  Wortinlant. 

Der  Monophthong  en  (oen)  zeigt  offene  Qualität. 

1)  Vor  silbenanlautender  Liquida  l  (einfacher,  geminierter  oder 
mouillierter)  bei  langer  Quantität  vor  einfachem  /,*)  bei 
kurzer  Quantität  vor  mouilliertem  l. 

a)  Betontes  eu. 

a'ieule,  bisaleule  trtsateule,  baveule,  begueule,  Deule,  epagneule, 
eteule  (stipvla)  (Thur.  452),  filleule,  geule,  gueule,  gueulf-bee), 
meule,  nieule,  seule,  veule,  ils  veulent;  Rozerieulles; 


*)  Ein  qualitativer  Unterschied  zwischen  o  und  oi  besteht  vor  r, 
im  Auslaut  und  teilweise  vor  n. 

*)  Orthographische  Vorbemerkung  —  Plötz,  1.  c.  S.  32;  Aus- 
sprache und  deren  historische  Entwickelung,  Vertausch ang  und  Über- 
gänge in  andere  Vokallaute  —  vgl.  Thurot  442. 

')  Lesaint  gibt  kurze  Quantitätsbezeichnung  an;  J.  Jaeger,  1.  c. 
Seite  13. 


l 


Die  Qualität  der  Reinen  Vokale  im  Neu  franz.  77 

cueille,  je  cueiUe,  tu  cueilles,  ih  cuetUent,  feuille,^)  chevre-feu- 
nie,  parte -feuille,  meuüle,  treuiUe,  je  veuille,  ils  veuülent 

ß)  Unbetontes  eu, 

begueulerie,  degueuler,  egueuler,  engueider,  gueuleton,  gueide- 
tonner,  meuleau,  meulerie,  meulette,  meuton;  breuiller,  cueillir, 
effeuiller,  feuillage,  orgueilleux^  Veuillot. 

Ausnahmen:  gueuler,  gueulette,  gueidard,  gueulardise,  ipeu- 
leuse,  epeuler  zeigen  geschlossenen  Laut. 

Anmerkung  1.     Unbetontes   eu  im  Anlaut  zeigt  Btets  geschlossene 
Quantität  (Thur.  523): 

eiihage,  Euchah^e,  eucalypte,  enerasie,  Eude'mon,  euemie,  Eugene, 
euhage, .  Eulake,  Eumäe,  etmugne,  Eupatrides,  Euphemie,  Eu- 
rope,  Eusebe,  Eustache,  Euterpe,  Eutnydeme,  Euirope,  Euxin. 

2)  Vor  silbenanlautender  Liquida  r  (einfacher  wie  geminierter) 
bei  langer  Quantität.^) 

a)  Betontes  eu  (Thur.  520). 

chantepleure  y  demeure,  diiieure,  Eure,^)  Eure(- et  -  Loire),  ex- 
terieure,  heure,  inferieure,  Interieure,  majeure,  meilleure, 
mineure,  neure,  pleure  (-misere),  superieure,  vlterieure,  ih 
meurent  (Thurot  449),  je  meure,  tu  meures,  je  pleure  (Thu- 
rot  458);*) 

beurre,  baheurre  (Thur.  451),  feurre  (Thur.  470),  leurre,  Seurre. 

ß)  Unbetontes  eu. 

chantepleurer,  couleure,  coeuret,  defleurir,  demeurer,  desheurer, 
effleurir,  4peurer,  fleurir,  fleurette,  Fleurus,  Fleury,  Leurer, 
heurisique,  labeurer,  meuron,  Meurice,  neurine,  pleurer,  pleu- 
rerie,  soBuretts,  beurrer,  beurrerie,  embeurrer,  teuerer. 

Anmerkung  2.    Unbetontes  eu  Yor  Liquida  mit  nachfolgendem  eu- 
Laut  ist  mit  geschlossener  Qualität  notiert.* 

chaleureux,  heureux  (Thur.  449,  415),  heureusete,  Uquetireua:, 
malheureux,peu9'eux  —  doch  pleureux,  pleurense  mit  offenem  eu. 


^)  Zur  Quantitätsbezeichnung  nach  M.-Cazal  117  vgl.  Lücking, 
1.  c.  S.  420. 

2)  OÄenes,  sonores  eu,  vgl.  Plötz,  1.  c.  33  —  Mätzner,  1.  c.  12,  c 
—  S.  53,  Anm.  2  dsr.  Abhandl. 

^)  Eure.  Die  Aussprache  mit  „w"  bezeichnet  Sachs  als  regel- 
widrig. 

*)  M.-Cazal:  r  und  n'  —  Lücking,  1.  c.  S.  420  und  421:  Auch 
bei  eu  ist  wieder  an  die  Identifizierung  der  qualitativen  und  quanti- 
tativen Differenzen  zu  erinnern,  S.  62,  1. 


70 


H.  Harih 


Zusammenstellung  der  Resultate 


Der   Tokal  o. 


1.  Betontes  o. 

Qualität.     I   Quantität. 


2.  Unbetontes  o. 

Qualität.     I    Quantität. 


Der  Dachfolgende  Konsonant:    A.  In  offener  Silbe. 

X.   Jzxi  TP^ortiaa.lei'o.t. 


Vor  ursprünglich  einfachem :  / 

r 


m 


n 


Vor  den  stimmhaften  Dauer- 
lauten :  V 

9 
s  (z) 

Vor  den  stimmhaften  Momen- 
tanlauten   

Vor  den  stimmlosen  Konso- 
nanten   

Vor  ursprünglich  mehrfacher, 
später  einfacher  Konsonanz : 
Vor  stimmhaften  Momen- 
tan- und  Dauerlauten 

l,  m,  n 

Vor  stimmlosem  Kons.     . 
Vor  geminiertem  Kons.:        / 

r 
m 

n 

Vor  stimmhaften  Momentan- 
und  Daüerlauten :     bbe,  gge 

V 

9 
Vor  scharfer  Sibilans:  ss  (g) 

Vor  ch,  ff,  pp,  tt,  cc 


offenes  o 

knrzes  o 

offenes  o 

ofP.  son.  0 

langes  o 

off.  son.  0 

ofPenes 

kurzes  od. 

offenes  o 

und 

halbl.  0 

geschl.  0 

offenes 

kurzes  od. 

offenes  o 

und 

halbl.  0 

geschl.  0 

offenes  o 

langes  o 

offenes  o 

offenes  o 

langes  o 

offenes  o 

geschl.  0 

langes  o 

offen,  und 
geschl.  0 

offenes  o 

halbl.  0 

offenes  o 

offenes  o 

kurzes  od. 
halbl.  0 

offenes  o 

vacat. 

vacat. 

vacat. 

offenes  o 

kurzes  od. 
halbl.  0 

offenes  o 

offenes  o 

halbl.  0 

offenes  o 

offenes  o 

kurzes  od. 
halbl.  0 

offenes  o 

offenes  o 

kurzes  od. 
halbl.  0 

offenes  o 

offenes  o 

kurzes  od. 
halbl.  0 

offenes  o 

offenes  o 

langes  o 

offenes  o 

offenes  o 

halblang, 
od.  kurz.o 

offenes  o 

offenes  o 

kurzes  o 

offenes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 


kurzes  o 


kurzes  o 


halbl.  o 
halbl.  o 
halb].  0 


kurzes  o 
kurzes  o 


vacat. 


n 


kurzes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 

kurzes  o 


kurzes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 

kurzes  o 


^)  Die  Resultate  der  Quantität  bei  J.  Jäger,  1.  c.  S.  19,  20,  21 ;  23;  29, 


Die  Qvaiiiät  der  Beinen  Vokale  im  ßieufranz.  79 

a)  Betontes  en^) 

affreuse,  dlumineuse,  amasseMse,  belliqueuse,  boiteuse,  brodeuse, 
betteßf  botieuse,  caUeuse,  cacheuse,  creuse,  dangeretise,  Dieuze, 
d4daigneu8e^  douteuse,  icumeuse,  envieuse,  ^pincheuse,  4pi- 
neuse,  furieuse,  geuse,  gueuse,  Gfretize,  gSnireuse,  heuse,  hm- 
reuse,  imp4tueu8e  (Thur.  553),  jeüneitse,  joyeuse,  laiteuse, 
luxurieuse,  lieuse,  majestueuse,  Meuse,  neigeuse,  raffineuaef 
aableuae,  vaniteuse,  yeuse  (Thnr.  471);  deusse,  eusse. 

ß)  Unbetontes  eu. 

audacieusement,  captieusete,  creuser,  creuset,  Oreuzot,  Eleusis, 
bleusten,  Eus^be,  guetiserie,  gracieuser,  monieusement,  scßu- 
sceur,  Vieuzac,  zeiizere;  bieu88on,  Teucer,  aeleucide,  leuci. 

2)  Vor  den  silbenanlautenden,  stimmhaften  Momentanlauten  b^ 
d,  g  (gu);  quantitativ  langes  eu. 

Endes,  leude  (nach  Diez,  W.  B.  11,  e  von  lerita,  nach  teugue; 

Sachs  dtsch.). 
Breughel,  Eubee,  enheuder,  eudimon,  feudol  (Thurot  470),  feu- 

diste,  heugenon,  Leuben,  Meudon,  Neubois,  pseudo  und  seine 

Ableitungen,  Pleudihen. 
Ausnahmen:  greube  hat  langes,  offenes  eu. 

3)  Vor  den  silbenanlautenden,  stimmlosen  Konsonanten  t  (ih), 
p,  c,  qu,  f,  ph;  quantitativ  langes  eu, 

erneute,  meute,  quev^ue,  Octateuque,  Pentateuqae;  bleute,  Ceuty, 
Deucalion,  deuterogamie,  Eleuthere,  4leuth4rie,  eutarie^  Eu- 
terpe,  feuquiere,  dmeuter,  Eupatoides,  Euphorie,  feutier,  leu- 
cociphale,  Leucade,  leucocyte,  lieutenant,  leucomele,  neutonien, 
Newton,  queuter,  teutonique,  Teutobourg. 

bc&ufer  hat  offenen  Laut. 

4)  Vor  Muta  cum  Liquida    in   den  Verbindungen  tr,  dr,   er, 
d,  fl;  quantitativ  langes  eu. 

feutre,  pleutre,  neutre,  Seudre;  —  Eutrope,  feutrable,  neutralite, 
heudoir,  Teucrie,  teucrien,  Euclide,  teuftet,  eugraphe. 

Anmerkung  zur  Qualität  von  cd.^ 

Der  Monophthong  m  ohne   nachfolgendes  u  hat  die  Laut- 
bezeichnung eines  halblangen,  geschlossenen  e;  vor  folgen- 


*)  In  allen  Pemininis  auf  -eiise  (=  iat.  'Osa). 

*)  Orthographische  Vorbemerkung  —  Plötz,  1.  c.  S,  32, 


72 


H.  Harih 


M 

l>er  Tokäl  o. 

1*  Betontes  o.         2.  Unbetontes  o. 

Qualität.        Quantität.        Qualität.        Quantität. 

Vor  mouilliertem  l  und  n 

Vor  (ursprftnglicli)  einfacher 
Muta  cum  Liquida  .     .     . 

Vor  (ursprüngl.)  mehrfacher 
Muta  cum  Liquida  .     .     . 

offenes  o 

offenes  o 
offenes  ^ 

halbl. 
kurzes  o 

halbl.  0 

kurzes  o 

offenes  o 

offenes  o 
offenes  o 

kurzes  o 

halbl.  0 
kurzes  o 

Ohne  Konsonant  und  summes«? 

Vor  stummem  e 

Vor  stummem  s  (z) ,    .     .     . 

Vor  stimmlosen  stummen  Mo- 
mentanlauten   


geschl.  0 
geschl.  0 
geschl.  o 


geschl.  0 


halbl.  0 

halbl.  0 

langes  od. 

hsSbl.  0 

lansres  od. 
halbl.  0 


jl  off.  o 


kurzes  o 


vacat. 


Der  nachfolgende  Konsonant:   B.   In  geschlossener  Silbe. 


Vor  lautbarem  einfachen  /    . 

Vor  mouilliertem  /  .  .  .  . 
Vor  r  oder  r  -f  stumm.  Kons. 
Vor  lautbarem  m  (n)  .  .  . 
Vor  lautbarem  s  (z)     ... 


Vor  lautbarem  f  (ff) .... 

Vor  lautbaren  siimmlosen  Mo- 
mentanlauten   

Vor  lautbarer  einfacher  oder 
zusammengesetzer  Konso- 
nanz ohne  stummes  e 

Vor  lautbarer  mehrfacher  Kon- 
sonanz mit  stummem  e  . 


offenes  o 

vacat. 
offenes  o 
offenes  o 

offenes 

und 

geschl.  0 

offenes  o 

offenes  o 


offenes  o 
offenes  o 


halbl.  od. 

kurzes  o 
vacat. 

langes  o 

halbl.  o 
halbl.  od. 

langes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 

kurzes  o 
kurzes  o 


vacat. 


Die  Qualität  der  reinen  Vokale  im  Neufranz.  81 

2)  Vor    stummem   e   (und    im    Hiatus)    —    quantitativ    langes 
(halblanges)  eu,     (Thur.,  1.  c.  447.) 

bleue f    lieue,    banlieue,    queue,    queue    blanche,    queue-de-lion, 

chaqueue,  rouge-queuef  feue. 
Hiatus:    aveuer,    bleueur,   bleuätre,    bleueur.    euemie,    aleuatSy 

euexie, 

3)  Vor  stummer  Liquida  r  (halblang,  nach  Lesaint  kurz). 
monsieur,  messleurs  (Thur.  537). 

4)  Vor   stummem  s    (x,    z),    quantitativ    lang    oder    halblang 
(J.  Jäger,  49). 

CaqueuXy  cevac,  Descüieux,  Desßeux,  deux  deux  (-quatre),  etix, 
preux,  queux,  Saint- Preux^  vieux; 

je  (tu)  peux,  je  meus,  tu  meus;  sowie  in  den  Pluralen  und  in 
den  Masculinis  aller  Adjektiva  auf  eux  (=  lat.  ösus)  (Thu- 
rot  537):  f eux,  hebreux,  jeux,  lieux,  milieux  etc. 

alumineux,  amoureux,  audacieux,  belliqueux,  calomnieux, 
dangereu^c,  envieux,  epineux  familUeux,  fameux,  fdcheux, 
gueux,  galeux,  genereux,  industrieux,  joyeux,  laitev^,  mieux, 
quinteux,  victorieux: 

5)  Vor  stummem  f,  quantitativ  halblanges  eu. 

bcßuf  in  den  Verbindungen  boduf  gras,  boeuf  sale  und  im  Plural 

—  sonst  lautbares  /  mit  offenem  eu-Laut. 
eteuf  mit  stummem/^  geschlossenen  Laut;  bei  lautbarem /  offenen 

Laut;  ebenso  neuf; 
Neuf 'Brisach,  Neufchdteau,  Neufchdtel,  neufme,  Neufmoulins^ 

neuf-huit,  Neufbourg  (mit  stummem  f). 
o&uf  mit  lautbarem  offenen  eu,  oder  mit  stummem  geschlossenen 

ew-Laut;  —  Plural  oeufs  mit  stummem  fs  und  geschlossenem 

Laut   —  fs  lautet  in   cßufs   am  Ende   des  Satzes.     J.  Jäger, 

1.  c.  57. 

6)  Vor  stimmlosen  Momentanlauten  (halblang). 

no&ud  (Thur.  446),  il  pleut,  il  peut,  il  meut,  Saint- Brieuc  oder 
bei  lautbarem  c  offenen  Laut. 


Zschr.  f  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VI  i. 


82  H.  Harih 

B.  Der  Monophthong  eu  (oeu)  in  geschlossener 

Sübe. 

Der  Moncphthong  eu  (oeu)  in  geschlossener  Silbe  vor  wort- 
auslautenden einfachen  Konsonanten  hat  offenen  Laut. 

1)  Vor  lautbarem  einfachen  l  (halblang). 

aleulf  bisaieulf  trisateul,  epagneul,  filleul  (Thar.  461),  glaleul, 
greuly  linceul,  seul,  tilleul. 

2)  Vor   auslautendem  mouillierten   l    (quantitativ   kurz   in  den 
Wörtern  auf  -euil,  -ueil, 

accueil,  Argenteuil,  tuteuil,  Breteuil,  bibreuü,  breuil,  bouvreuil, 
cerfeuü,  deuil,  ectieil,  ecureuil,  fauteuil,  Nieuil,  osil,  cßiUet, 
cßillade  (Thurot  462,  465),  orgueil,  Reuil,  recueil,  Santeuil, 
seuil,  treuil,  Vouneil. 

3)  Vor    wortauslautendem    einfachen   r   oder  r  mit    stummen 
Konsonanten  (quantitativ  lang).     (Thur.  447,  459.) 

ardeur,  ambassadeur,  auteur,  ampleur,  agreeur,  bäilleur,  bai- 
gneur,  bonheur,  chaleur,  cacheur,  coiffeur,  couleur,  choßur, 
ccßur,  dissipateur,  empereur,  erreur,  fdcheur,  fleur^  flatteur, 
hauteur,  honnetcr,  interieur,  jauneur,  jeuneur,  Jongleur,  la- 
beur,  leuVy  mächeur,  meilleur,  majeur,  malheur,  pdleur,  pe- 
cheur,  sableur,  valeur; 

ailleurs,  feurs,  heurt,  —  je  meurs,  il  meurt. 
Ebenso  in  der  Verbindung:  rte,  rle: 

heurtej  Meurthe  (Thur.  450),  meurtre,  heurter,  meurtrier,  heurler, 

4)  Vor  lautbarem  /  im  Wortauslaut  (kurz). 

bcßuf,  Chassebcßuf,  Elbeuf,  eteuf,  ^teuffier,  mceuf,  neuf,   neuf- 

quatre,  ceuf  (Thur.  447),  peuf,  veuf, 
moßurs,  s.  Plötz,  1.  c.  34. 

Anmerkung.  Bayreuth  hat  offenen  Laut,  Teut  geschlossenes  eu; 
leuc  und  Piosuc  mit  lautbarem  c  haben  geschlossenes  eu; 
vor  lautbarem  o:  geschlossener  Laut:  äeuocieme,  Euxide,  Zeuxis; 

ebenfalls  in  zeugme; 
y Ol  st  gibt  Sachs  offenen  Laut  an:  Neustrie,  neustrien  —-  Plötz, 

34  B,  geschlossenes  eu. 


Die  Qualiiäi  der  reinen  Fokale  im  Neufranz,  83 


§  IV. 

Der  betonte  Vokal  e  (e,  6,  e;  ai,  ei,  ay,  ey). 

A.  In  offener  Silbe. 

I.    Im  Wortinlaut. 

a.  Vor  (neu&anz.)  einfacher  Konsonanz  mit  stummem  e. 

a)  Vor  solehen  [silbenanlaotendeB]  Konsonanten,  wekho  anf  lateiniseho 

einfache  Konsonanz  zurückgehen. 

a')  Im  Lateinischen  befand  sich  der  Konsonant  zwischen 

zwei  Vol(alen. 

O   Vor  silbenanlautender  Liquida  L 
Der  (betonte)  Vokal  e^)  (ai,  ay,  ey)  zeigt  halboifene  q^ftlitftt  =  e. 

In  den  quantitativ   halblangen    (meist   gelehrten)  Femininis 

der  Adjektive  auf  -eile  (lat.  -ahm)  und  in  der  quantitativ  langen 

Endung  -ele: 

accidentdle,  actuelle,  annuelle,  casuelle,  charnellej  continuelle, 
corporellef  criminelle,  cruelle,  esexuelle,  eternelle,  eventuelle, 
formelle,  graduelle,  ideelle,  manuelle,  matdrielle,  matemelle, 
mortelle,  mutueUe,  naturelle,  paternelle,  perpetuelle,  reelle, 
sensuelle  u.  a.  m. 

Adehf  amphismele,  cadenele,  cistele,  clientUe,  corditUe,  diatele^ 
ecmele,  ectromele,  fidele  (Thur.  189),  infidele,  modele,  parallele, 
territeles,  tabiteles,  Urgele,  zUe;  sowie  in  den  gelehrten  Wör- 
tern: Schelle  (scald),  pelle  (Thur.  21),  voyelle,  abele,  arele; 
alle  (Thur.  337),  Bayle,  Veyle. 

Verbal  formen:  je  cele,  tu  celes,  cele,  agnele,  hourrUe,  congele, 
decelent,  degeles,  ecartUe,  harcelent,  martele,  modele,  pele, 

Circumflectiertes  e  ist  desgleichen  mit  halboffenem,  halblan- 
gem e  notiert:  hUe,  beler  (balare  Sachs). 

^")  Vor  silbenanlautender  Liquida  r.^) 

Betontes  e  (ai)  vor  r  hat  offenen  (quantitativ  langen  Laut  =  e), 

1)  Wörter   auf  -aire  (-ärium,  -äria):  abecedaire,   abeadaire. 


*)  Zur  Qualität  des  Vokals  ^,  zur  qualitativen  Differenz  der  ver- 
schiedenen ^- Laute  und  deren  Geschichte  (Accente  etc.)  vgl.  Thurot, 
1.  c.  p.  87  ff.;  für  ai  und  ei:  livr.  II,  chap.  I  et  II.  —  M.-Cz.  (Lücking, 
1.  c.  426,  427)  notiert  für  ai  vor  /.•  i  =  tres  ouvert,  für  e:  e  =  e  moyen. 

*)  QiMUild  de  Te,  Permutations ,  Dierese  —  vgl.  Thur.,  1.  c.  chap. 
VIII,  p.  471—490. 


84  H.  Harth 

absiraire,  accusataire,  actionnairej  actuaire,  adversaire,  cestu- 
aire,  agraire,  aire,  Ayres,  ampuüatref  ancillaire,  angulaire, 
annulaire,  arbitraire,  baccilaire,  baccaulairey  barbaricaire, 
Belisaire,  brumaire,  Caire,  calcaire,  capsidaire,  claire,  com- 
mentatre,  commissaire,  consulaire,  dataire,  deposüaire,  die- 
tionnaire,  dietaire,  doctrinaire,  douaire,^)  emissaire,  esclaire, 
ßmbriaire,  formulaire,  glaire,  glandairej  glossaire,  grammairej 
haire,  Hilaire,  imaginaire,  jubüaire,  lactaire,  lapidaire,  li- 
neaire,  Macah^e,  maire,  major ataire,  mercenaire,  necessaire, 
obligataire,  paire,  quaire,  radiaire,  raire,  rdiquaire,  secretaire, 
trinitaire,  tutelaire,  uvaire,  volontaire,  vulgaire,  Voltaire, 
2)  Wörter  auf  -ere  und  -iere:^)  Abdere,  acere,  aigriere,  ai- 
guillere,  aligere,  amere,  atmosphere,  aubhre,  baccifere,  bais- 
siere  (Thur.  29),  banniere,  Baviere,  bergere,  bacheliere,  beliere, 
boulangere,  bruylre,  büre,  Bructeres,  caractere,  carriere,  Cer- 
bere,  cJiaumih'e,  chhre,  cMm^rej  cimeti^re,  Cleres,  cremailUre 
(Thur.  29),  cuiller  (mit  lautbarem  r:  die  etymologisch  rich- 
tige Schreibung  cuülere  kommt  auch  vor,  Thurot  198,  vgl. 
Belveder  und  Belved^re),  coUre,  Cubi^res,  dalinh^e,  elath'e, 
enchere,  flere,  Fleg^re,  galere,  garqonnüre,  gemmifere,  Guil- 
lotiere,  haussiere,  Harzere,  ibere,  jardiniere,  Lep^re,  legere, 
lumiere,  magistere,  maniere,  minist  ere,  mislre,  Moliere,  mo- 
nastere,  Mezieres,  mystere,  pantiere,  priere,  rayere,  severe,  ta- 
pere,  telliere,  Valere,  vipere, 

T*")  Vor  silbenanlautendem  Nasal  m. 
Der  Vokal  e  kat  kalboffenen  (langen)  Laut  =  ^.^) 

absteme,    agrosteme^   akneme,   anatheme,    Aristodeme,   centieme. 

Creme,  deme,  diademe,  embleme,  edeme,  medeme,  Neoptoleme, 

noeme,  quantieme,  poeme,  Thellme,  theme,  tireme,  und  ebenso 

creme,  s.  später  y. 

Anmerkung.  Ob  die  Ordnungszahlen  mit  dem  Suffix  -ieme:  cinquani- 
ieme  etc.  hier  anzuführen  sind,  ist  bei  der  unsicheren  Etymologie 
derselben  zweifelhaft  (J.  Jäger  35  und  S.  90  dies.  Abhandl.). 

(J")  Vor  silbenanlautendem  Nasal  n. 

Betontes  e  (ai,  ei)  vor  n  kat  kalboffenen  (langen)  Laut  =  e.^) 

1)  Die    Feminin-Endung    -aine:    achaine,    aine,    anabaine, 

*)  douaire  (Thur.  544). 

2)  (=  Srium  oder  -erum  —  Lehnwörter,  J.  Jäger,  1.  c.  S.  13; 
Thurot,  p.  476. 

^\  M.-Cazal  notiert  für  e  vor  r  hier  e  =  e  moyen  ouveri  (Lücking, 
1.  c.  427). 

*)  Zur  Endung  -ieme  vgl,  Thurot,  1.  c.  p.  477. 

^)  Zur  Endung  -aine  vgl.  Thurot,  p.  321;  für  -eine  Thur.,  p.  341; 
für  'ienne  Thur.,  p.  477. 


Die  QualiUlt  der  rdiien.  Vokale  im  ^eufranz,  85 

aquiiaine^  aubaine,  hedainpj  bourdaine,  centaine,  cinquantainej 
chevaine,  daine,  douzaine,  dizaine,  fontaine,  foraine,  f utaine, 
graine,  geraine,  hautaine,  laine,  mondame,  maine,  puritaine, 
plaine,  raine,  saine,  semaine,  souveraine,  vaine,  vilaine, 

2)  Die  Endung  -eine:  aveine,  baieine,  Eyne,  Heine,  haieine, 
Ma[g]deleine,  peine,  pleine,  sereine,  veine,  verveine,  domaine 
Bazahie,  Braine,  Elaine,  entaine,  fayne,  Maine,  misaine, 
mitaine,  Paine,  Quaines,  sowie  in  den  zahlreichen  Lehnwör- 
tern auf  Eigennamen  auf  -ene: 

acene,  acridogene,  acrogene,  adene,  adelog^ne,  aghne,  akhne, 
Alcmene,  alanoghne,  anablnes,  ar^ne,  Athenes,  AntistMnes, 
balsamodene,  bequene,  cadene,  carene  (Thur.  231),  Celenes, 
cere,  Commenes,  diachene,  digene,  ebene,  gaihne,  gazolhie, 
glene,  Helene,  heterogene,  hyene,  Icenes^  Modhne,  mene,  ob- 
sclrie,  seine,  sirene,  Hermogene. 

3)  In  den  zahlreichen  Femininis  der  Substantive  und  Adjektive 
auf  -ien,  -ienne  (==  -ianum)  (quantitativ  halblang):  achalenne, 
adoptienne,  aer ienne,  alizeenne,  ancienne,  Andr ienne,  am- 
moneenne,  baccienne,  babylonienne,  Bienne,  cayenne,  chienne, 
chretienne,  citoyenne,  doyenne,  Etienne,  etreenne,  egyptienne, 
gardienne,  Guyenne,  indienne,  Kaldeenne,  Henne,  malenne, 
meridienne,  mienne  (Thurot  471),  moyenne,  ovarienne,  pal- 
enne,  rubienne,  sienne,  tienne,  vaurienne,  Vienne;  ebenso  en- 
trenne  (lat.  strena,  nach  Littr6  im  12,  13,  14,  15  und  auch 
noch  im  16.  Jahrh.  estraine,  im  15.  Jahrh.  auch  estrainne 
und  estrene,  im  16.  Jahrh.  auch  estrenne  geschrieben),  garenne 
(garer)  und  dem  Fremdwort  renne  (schwed.  ren).^) 

4)  In  Wörtern,  deren  heutiger  Tonvokal  aus  zwei,  früher  im 
Hiatus  befindlichen  Vokalen  durch  reciproke  Assimilation  oder 
Unterdrückung  des  vortonigen  Hiatusvokals  hervorgegangen 
ist:  *)  chaine  (chaine)  afrz.  chatne  und  chaeine; 

gaine,  afrz.  gaine;  degaine  (nach  Littr6  auch  ohne  Accent 

circonflex),  rengaine; 
faine  (afrz.  faine),  faineau; 

haine  (afrz.  harne);  reine  (afrz.  reine  —  Thur.  510); 
seine  (afrz.  saene,  seine);  traine  (von  trainer  &nB  trainer) ; 
gene  (gehenne)  Thur.  509. 
Zur  Endung  -alne  s.  Thur.,  1.  c.  p.  499. 

O  ^or  silbenanlautenden,  stimmhaften  Dauerlauten 

^,  V,  s  (z). 

Betontes  e  (ai,  ei)  zeiget  halboifenen  (langen)  Laut  =  e. 

niese  (aleze  Thur.  25),   Beze,    cacogenese,    carchlse^  Edeze,    en- 

^)  J.  Jäger,  1.  c.  S.  15  —  quantitativ  lang. 


Dk  QuaMtät  der  reinen  Vokale  im  Neufranz.  87 

ß')  Im  Lateinischen    oder   durch   romanischen  Vokalausfall 
folgten  auf  den  Tonvokal  zwei  Konsonanten,  von  welchen  sieh  der 

erste  vokalisierte   und   mit  dem  Tonvokal  zu  einem  (altfranzösi- 
schen) Diphthong  verband.     (vgL  S.  25,  /?.') 

1)  Die  hierher  gehörigen  Fälle:  e  (ai,  ei)  vor  silbenanlauten- 
der Liquida  l  (m,  n  fehlt),  und  vor  den  anlautenden  stimm- 
haften wie  stimmlosen  Momentan-  und  Dauerlauten  sind 
mit  halboffener  Quantität  notiert. 

2)  Vor  der  Liquida  r  ist  offenes  (langes)  e  notiert: 
freie  (afr.  fr  alle)  ^  haue  (Thur.  316). 

aide  (Thur.  314),  raide,  aigue,  Aigues-Mortes;  aigue- marine, 
resaigue,  faisse  (fascia),  fraisse  (*fraxa),  laisse  (zu  laisser, 
laxare),  abstraite,  defaite,  entrefaiteSj  parfaite,  traite,  re- 
traite,  laite. 

abstraire,  affaire,  attraire,  etraire,  traire,  braire,  deplaire, 
plaire,  faire,  veraire. 

Zur  Endung  -aire  vgl.  Thur.  1.  c.  316,  317. 


ß)  Tonvokale  vor  solchen  (silbenanlantenden)  Konsonanten,  welche 
ans  nrsprnnglicher  Konsonantengemination  oder  mehrfacher  Konsonanz 
hervorgegangen  sind  (vgl.  s.  26  ß). 

«')  Vor  silbenanlautender  Liquida  l  (II). 
Betontes  e  vor  1  (11)  hat  halblangen  (halboffenen)  Laut  =  q.^) 

airelle,  acmeUe,  alimelle,  alumelley  amelle,  anseile,  Anpeile, 
apelle,  Arnelle,  arondelle,  aselle,  aiselle,  aissdle,  bagatelle, 
balancelle,  baucdle,  belle,  Bruxelles,  camelle,  cannelle,  ca- 
prelle,  carpelle,  cazelle,  chamelle,  chandelle,  chapelle.  Dar- 
dandles,  darddle,  demoisdle  (Thur.  27),  dentelle,  embelle,  die, 
femelle,  gabelle,  gouelle,  Lacretelle,  lamelley  libelle,  manivdle, 
Montelle,  morelle,  Nivelle,  nouvelle,  nuelle,  ocelle,  ombrelle, 
parelle,  Puelle,  sdle,  Stdle,  truelle,  vielle, 

Verbalformen:  fappelle,  tu  appdles,  4pdle,  renouvelle,  ils 
se  querdient,  ils  se  fiagellent,  il  se  rebelle. 

Das  circumflektierte  e  in  prde  (asperella)  hat  gesphlos- 
senen  langen  Laut. 

Anmerkung.    Ausnahmsweise  lautet  <?  =  ö  in: 

poile,  moeUe  (umgestellt  aus  meole,  welches  e  nach  den  Orthoe- 


')  In  Übereinstimmung  mit  a'  a!\  S.  83.  —  M.-Cazal  gibt  vor 
doppelt  geschriebenen  Konsonanten  ausser  r  (e^  =  ^  moyen  ouvert  an 
(Lücking,  1.  c.  p.  427  —  doch  bei  Verbalformen:  fe'pelie,  il  renouvelle 
etc.  die  Notation  d^  =  e  moyen  demi-ouvei^i  dazu  Lücking's  Anm.  ***  428. 


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*"   *•  n:,  und  ß"  2  >  ■ 
^-  ly-r?     ai  vor  /•   i\r 


.*/  >'*'• 


Die  Qualität  de?'  reinen  Vokale  im  Neu  franz.  89 

341),   pi^ge,   pleige,   privüegey    rege,   sacrilege,   siege, 

./ye,  Stratege;  —  siede. 

lormen:  fahrige,  tu  abreges,  ils  abregent, 

.V u  n g.  Diese,  der  thatsächlichen  Aussprache  angemessene  Schreib- 
eise der  Wörter  auf  -ef/e  mit  Acc.  grave  =  ege  ist  erst  neuer- 
ings  in  Aufnahme  gekommen;  bei   den  meisten  Schriftstellern 
aidet  man  noch  e  in  allen  Formen  (so  auch  bei  Sachs).     G.  Lan- 
^enscheidt,  1.  c.  S.  24  —  vgl.  dazu  Thur.,  1.  c.  471,  475. 

'or  siJbenanlautender  stimmloser  Sibilans  ss  (q), 
er  Vokal  e  (ai)  hat  halboffenen  (halblangen)  Laut  =  e.^) 

n,  accortesse,  acutesse,  adresse  (s.  v.  zu  adresser),  cares.se, 

^eresse,  clergesse,  comtesse,  altesse,  ajustesse,   anesse,    bas- 

"fe,  billeresse,  besse,  cabesse,  deesse,  dresse,   duchesse,   deli- 

.esse,  faiblesse,   finesse  (Thur.  22),   gentillesse,   gesse,   har- 

sse,  hotesse,  hautesse,  ivresse,  jeunesse,  justesse,  maitresse, 

illesse,  noblesse;  desgleichen  in  cesse,  coesse,  confesse,  com- 

esse,  Edesse,  esse,  expresse,  fesse,  Hesse,  lesse,  messe,  naissent, 

lisse,  paissent,  presse,  professe,  promesse,  tresse  (Thur.  22); 

f'sse,  baisse,  caisse  (capsa),  epaisse,  faisse,  graisse,  paisse; 

Endung  -ece  (quantitativ  lang,  Thur.  475):  tece,  espece,  niece, 

d^ce,  vesce,  Vegece. 

7')  Vor  den  übrigen  (silbenanlautenden)  stimmlosen 

Momentan-  und  Danerlauten. 

etontes  e  (bei  kurzer  oder  halblanger  Quantität)  zeigt  halboffene 

Qualität.^) 

'^che  (Thur.  341)  (prov.  crepia,  ahd.  krtppa),  flecke  (Thur.  34) 
(urspr.  dtsch.),  seche  (sicca),  s^che  (seiche  —  sepia  (Thur.  340), 
(nach  Mathieu,  Dictionn.  des  rimes);  preche  (afrz.  preechier); 

%e  (auch  ebe,  nach  Poitevin  ebe); 

i^ff^y  g'^eff^j  Semeffe; 

)ie  Feminina  mit  dem  Suffix  -ette  (=  vlglt.  -itta  —  Diez,  Gr. 
11^,  373  und  Romania  VI,  227). 

aigrette,  aiguilette,  ailette,  aliguette,  alguette,  alouette,  allumette, 
amourette,  amusette,  anisette,  Antoinette,  avalette,  bachelette, 
baiette,  baiUette,  bandellette,  banquette,  bannette,  barquette, 
belette,  bluette,  boursette,  brünette,  buvette,  cachette,  cadenette, 
chambrette,  Chemisette,  chosette,  cigarette,  clichette,  cuvette, 
Damiette,  dagaette,  doucette,  doublette,  etalette,  etiquette  (Thu- 
rot  32),  fadette,  Fayette,  fermette,  galette,  gazette,  Gilette, 
girouette,  guette,    hachette,  Jeannette,  lette,   lancette,  Macette, 


*)  M.-Cazal;  für  e  =  e^\  für  ai  =  i;  für  -iece  e^. 
'^)  Zur  Qualitätsbezeichnung  bei  M.-Cazal  s.  S.  87 ^ 


90  H.  Barth 

miette,  maignelette,  navette,  noisette,  onglette,  palette^  piecette, 
pierrette,  quintette;  sowie  in  bette  (*betta),  cette,  dette,  emplette, 
nette,  recette,  sagette,  sujette,  vette. 
V  e  r  b  a  1  f  0  r  m  e  n :  je  jette,  tu  jettes,  ils  jettent,  jette. 

r)  ToBvokale  vor  solchen  silbenanlaotenden  Konsonanten,  vor  welchen 
in  altfranzosiseher  Zeit  ein  s  Terstnmmt  ist. 

Der  TonYokal  e  hat  halboffenen  (langen  —  halblangen  Laut).^) 

feie  (feile),  grele  (afrz.  graisle,  gresle),  Nesle,  pele  (pene), 
heche,  depeche,  dreche,  C'ompeche,  fraiche,   meche,  peche,  reche, 

reveche,  —  vgl.  S.  86,  Anm.  2. 
Angouleme,    hapteme,    bareme,    Barremej    Belleme    (Bellesme), 

bleme  (Thur.  324),  Boheme,  breme,    careme,   chreme,   extreme, 

meme,  Mesmes  (mit  stummem  s),  supreme.^) 
alene,  chene,  freme.  Genes,  pene,  vene,  Surenes,  ebenso  in  chesne, 

Duchesne,  Laisne  mit  stummem  s. 
crepe,  guepe,  archeveque,  eveque;  reve; 
arete,  apprete,  bete,  crete,  fete,  prete,  quete,  tete,  tempete  (Thu- 

rot  62). 

b)  Tonvokale  vor  (nenfranzösiscliem)  mouilliertem  1  oder  n 

mit  stnmmem  e. 

Betontes  e  (ei)  erscheint  als  halboffenes  (kurzes)  e  (Thur.  327). 

abeille,  Bourdeille,  bouteille,  corbeille,  Corneille,  groseille,  mer- 
veille,  oreille,  oseille,  pareille,  Reille,  seille,  surveille,  teille, 
treille,  veille,  vermeille,  vieille  (Thur.  475). 

ambi^gne,  duegne,  regne ;^) 

araigne,  baigne,  beigne,  chdtaigne,  craigne,  daigne,  empeigne, 
enseigne,  f eigne,  musaraigne,  peigne,  Sardaigne,  seigne,  taigne. 

Zur  Endung  -iegne  (Thur.  329,  478)^  für  -eigne  (Thur.  348). 

c)  Tonvokale  vor  (neufranzösisclier)  Muta  cum  Liqnida 

mit  stummem  e. 

OL)  TonvoJLale  vor  nrsprünglieh  (lateinischer)  oder  dnrch  romanischen 
Vokalansfall  entstandener  (einfacher)  Inta  cum  Liqnida. 

e  erscheint  als  halboffenes,  langes  e~. 

algebre,  celebre,  Lbre,  ghebre,  Gu^bres,  Hebre,  riebre,  tenebre^ 
Zebre, 


^)  Übereinstimmend  mit  den  Notationen  zu  S.  87,  86,  84,  85;  — 
M.-Cazal  notiert  ^  im  Inlaut  e  =  ires  ouvert  (Lücking,  1.  c.  426  H), 

*)  Vgl.  S.  84,  Anm.  (suprime  =  supremus,  also  kein  s  verstummt). 
^)  M.-Cz.  notiert  für  die  Endung  -egne  e^  (Lücking,  1.  c.  427  ß). 


Die  Qtmlität  der  reinen  Vokale  im  Neufranz.  91 

Abouhkkre;  cMre,  dodecaMre,  ledre,  octaedre; 

aigre,  allegre,  integre,  laigre,  Ugre,  maigre,  n^gre,  p^gre,  vaigre, 

Upre ; 

cerometrej '  aUtre,    baitre,    balHre,    haromHre^    geometre,    metre^ 

pietrey  traitre  (Thur.  500),  triquHrej  urHhre; 
haUvrCy  btevre,  chevre  (Thur.  75),  fevre,  ßevre,  Genevre,   levre, 

lievre,  genievre  (Thur.  482),  mievre^  sevre,  orfevre  (Thur.  478); 

ferner  in  Desvres,  Sesvres,   Mesvres  mit   stummem   s;  Liepre 

(mit  stummem  p); 
faible,  hieble,  reble,  regle  (Thur.  340),  rieble;  siede  (Thur.  478J; 

nefley  trefle  (Thur.  76);  aigle,  Feinaigle^  Laigle,  seigle  (Thu- 

rot  33 9). 0 

ß)  Der  Vokal  e  vor  orsprünglieh  gemilderter  Iota  eoin  Liquida. 

e  hat  halboffenen  (kurzen)  Laut  =  e. 

admettre,  commettre,  emettre,  mettre,  lettre  (Thur.  75). 

i)  Der  VoJLal  e  ist  durch  Verstummung  eines  s  vor  luta  cum 

Liquida  getreten. 

Die  Qualität  ist  die  eines  halboffenen  (langen)  e  =  f  .^) 

ancetres,  Bicetre,  bissetre,  champetre,  chevetre,  connaitre,  em- 
petre,  etre,  fenetre,  guetre,  maitre,  naitre,  paitrej  pretre, 
salpetre  (Thur.  86),  reitre  (Thur.  512),  vepre. 


II.    Im  Wortauslaut. 

a.  Im  Wortauslaut  ohne  folgenden  stummen  Konsonanten  oder 

folgendes  stummes  e. 

a)  Ursprünglich  einfache  ToJLale. 

Der  Vokal  e  erscheint  als  geschlossenes  (stets  halblanges)  e  ==  e. 

In  der  Endung  e  (=  -atum,  -atem): 
abbe,  Abs,  acerbite,  adoue,  amitie^  aine,  avoue,  beaute,  bl4, 
carrej  charite,  chertej  cite,  clarte,  clerge,  conge,  cötej  cruaute^ 
Danae^  de,  degre,  delie,  ducke,  ehe,  eplore,  equite,  ete,  ferme, 
gre  (Thur.  336),  gue,  le,  liberte,  marche,  moitie,  Noe,  ne 
(Thur.  337),  pitie,  pre,  prejuge,  sante,  vanite,  variete,  verse 


^)  aiire  fatfiumj  veraltet  -—  hat  nach  Bescherelle  keinen  Accent 
und  offenes  e  (e.)^  M.-Cazal  setzt  für  e  vor  hr,  hl  =  e^  (Lücking  427/J; 
für  ai  vor  gr,  gl,  ir,  sowie  für  <?  vor  tr,  pr  =  ^  an  (ires  ouvert)  S.  426. 


Die  Qualität  der  reiften  Vokale  im  Neu  franz.  93 

qualitativer  Unterschied  für  die  Substantive  und  Adjektive 
nicht  vorhanden;  die  Quantität  betreffend  gibt  Sachs  für  die 
Substantive  auf  -ee  langes  e  an,  für  die  Adjektive  und  Parti- 
zip def.  halblanges  e:  J.  Jäger,  L  c.  S.  44,  45. 

2.    Die  Monophthonge  ai,  ay,  ey  haben  halboffenen,  halblang-en  Lant. 

(Thur.  293).  ') 

anthropokaie,  aunaie,  haie,  hraie,  boai/e,  boulaie,  buissonaie, 
cerisaiCf  chätegneraie,  chenaie,  claie,  coudraie,  craie,  effraie, 
Delehaye,  essaie,  etaie  (dtsch.),  frenaie,  futaie,  faye,  gaye, 
glaye,  glaie,  haie,  harjpaie,  hetraie,  ivraie,  laie,  maie,  mort- 
naie,  offraie,  osteraie,  pommeraie,  raie,  saie,  seye,  soulaie, 
saussaie,  täte,  fremblaie,  vraie, 

Verbalformen:  fessaye,  tu  essayes,  il  essaye,  asseyent;  faie 

(auch  aej  mit  Nachschlag  von  j  gesprochen),  desgleichen  paie 

(paye) ;   einen   Nachschlag   von  /    oder   i   gibt  Sachs  für  die 

familiäre  Rede  bei  fast  allen  Wörtern  auf  -oie  zu  (Thur.  294: 

et  d^autres  [et  c^est  la  prononciation   qiii   est  approuvee  par 

JBeze]  pronongaient  plai-ie,  e-ie  etc.). 

Anmerkung  2.  abhaye.  Die  Aussprache  in  abhaye  (afrz.  abeie,  abaie 
[Thur.  502),  gibt  Sachs  nach  der  Akademie  und  nach  M. -Cazal 
mit  geschlossenem  e  und  mit  einem  Nachschlag  von  i  an ;  dagegen 
Nodier  und  Landais  stellen  halboffenen,  halblangen  Laut  fest, 
mit  Nachschlag  von  i.^) 

gaie  (vgl.  gai  S.  92,  Anm.  1)  hat  geschlossenes  e. 

c)  Der  Vokal  steht  vor  stummen  Eonsonanten  im 

Wortanslaut.^) 

a)  Im  Altfranzoskehen  folgte  anf  den  Tonvokal  einfache  Konsonanz. 

a*)  Die  Liquida  I  (kein  Beispiel). 
ß')  Vor  stummer  Liquida  r. 

Der  Vokal  e  zeigrt  geschlossene  halblangre  Tonjf&rbnng  =  e. 

1)  In  den  Substantiven   und  Adjektiven  auf  -ier  und  -er  (= 
lat.  '  avium,  -arem,  -erium,  -erum): 
acier,  alenier,  atelier,  aubier,  bachelier,  baudrier,  bouclier,  ca- 


^)  Der  qualitative  Unterschied  zwischen  ee  und  aie,  aye,  eye  tritt 
hier  wie  vorhin  (S.  91,  92  a,  ß)  hervor. 

'^)  cobaye  (nach  Littr^  =  kobä-i). 

8)  Zur  qualitativen  Differenz  des  e  vor  lautbarem  oder  aber  vor 
stummem  Konsonant,  vgl.  Thurot,  1.  c.  p.  48:  „3fais  la  prononciation 
de  la  consonne  finale  eocerga  une  action  dedsive  sur  la  qualiie  de  Ve;  ü 
ne  resta  fei^me  que  la  oü  la  consonne  finale  devini  muette;  mais  partout 
oü  Von  continua  ä  prononcer  la  consonne  finale,  Ve^  qui  devait  Hre  ferme, 
devint  ouvert  sans  exception^  wobei  offenes  und  halboffenes  e  theoretisch 
nicht  unterschieden  ist). 


94  H,  Barth 

feier  (Thur.  512),    cafeyer,    cafetier,  coessier,    cahier,  cellier, 

cliantier,    acharoutier,    chevalier;    courrier,    denier,    demier, 

ecolier,  entier,  evier,  faisandier,  foyer,  greffier,  gibier,  herbier, 

jar dinier,  laurier,  leyer  (Thur.  56),  metier,  meunier,  panier, 

premier,  quartier,  Eegnier,  sentier,  tahatier,  tablier,  verdier, 

verger  u.  a.  m. 

2)  In  der  Infinitiv  -  Endung  -er,  (-are): 

aimer,  affaiter,  affraicher,  appreter,  arreter,  habiller,  hiatifier, 

bercer,  brüler,  casser,  charger,  chercher,  dater,  declarer,  don- 

ner,   errer,  fermerj  fortifier,  greler,    habiller,    incliner,  jeter, 

laisser,  manquer,  montrer,  nommer,    obliger,  payer,  quadrer, 

realiser,  supplier,  tomber,  verser,  veiller,  user,  zebrer, 

Anmerkung.  Das  lautbare  r  in  der  liaison,  welches  für  die  Infinitiv- 
Endung  nur  in  der  Poesie  eintritt  (Plötz,  1.  c.  S.  139,  140),  be- 
wirkt für  die  heutige  Qualität  keine  Änderung  —  wohl  in  frü- 
heren Sprachperioden  (vgl.  Thur.,  1.  c.  59  ff.).^) 

7-')  Vor  stummem  s  (x,  z)  (Thur.  50). 

1.  Betontes  e  (mit  oder  ohne  Accent)  zeigt  geschlossenen  (halblangen) 

Lant  =  e. 

assez,  ardez,  Bex,  biez,  Brulez,  chez,  Guez,  Illiez,  Jallez,  Nat- 
chez,  nez,  rez;  ferner  in  den  Pluralen:  barres,  bouts-rimes, 
estropies  u.  a.  m. 

Verbalformen:  vous  avez,  vous  serez,  vous  parlez,  vous  ayez, 
vous  parlieZj  vous  parlerez,  ayez,  soyez. 

Anmerkung.     Forez  hat  halboffenes  oder  geschlossenes  e; 

lez,  recez,  Tousez  haben  halboffenes  e  =  e; 

Geriisez  halboffenes  e  bei  lautbarem  z,  sonst  geschlossenes  e. 

sonnez  (nach  Littr^,  M.-Cazal  38,  Boil.  Satire  X,  220  —  geschlos- 
senes e,  nach  der  Acadämie  halboffenes  e  (was  Littr^  ent- 
schieden verwirft). 

2.  Der  Vokal  mit  accent  grave  nnd  ai  haben  halboffenes  halblanges  e.°) 

«)  Die  Wörter:  apres,    aupres,    congres,   eres,  des,  deces,  dres, 

exces,  gres,  pres,  profes,  tres; 
ß)  des  und  in  femininen  Verbindungen  wie  Descartes,  Descamps, 

Desmarets  etc.;    ces,  les,   mes,   tes,   ses  und  vor  stummem  ts: 

aguets,    entremets,   mets,  rets  und  die  Verbalformen:  tu  es,  il 

est,  je  mets,  tu  mets, 
f)  Im  Suffix  -ais  (lat.  -ensem):  anglais,  biarnais,  bordelais,  can- 


*)  M.-Cazal  notiert  e  (Lücking,  1.  c.  434  ß), 

^)  Zur  Qualität  der  Endung  ~iez  vgl.  Thur.  1.  c.  p.  50,  471.  M.- 
Cazal  zur  Endung  -ez  notiert  e  (Lücking,  1.  c.  p.  434  /?). 

*)  M.-Cazal  für  ai  vor  s  notiert  ^  (ires  ouvert)  Lücking,  1.  c. 
425  B;  für  die  Wörter  ces,  mes  etc.  =  e^)  S.  426,*. 


Die  Qucdität  der  reinen  Vokale  im  Neu  franz.  95 

tonais,  courlandais,  Scossais,  frangais,  hoUandais,  irlandais, 
lyonnaisj  marais,  jportugais  etc.;  ferner  in: 

ahlaisy  ais,  Calais,  Cayx,  chablais,  chais,  Campeix,  Ühaumeix, 

dais,  deffaia,  delais,  desormais,  engrais,   epais,  faix,  frais, 

glaisy  hamais,  jais,  jamais,  lais,  laquais,  meix,  mais,  nais, 

jpalais,  paix,   rabais,   rais,   relais,    niais,    sigrais   u.  a.  m.; 

'   sowie  in  den  Verbalformen: 

favais,  itais,  appelais,  faurais,  je  serais,  je  menerais,  je  plais, 

je  trais,  tais  (Thur.  30  C),  je  fais,  je  vais  (Thur.  325),  mit 

Ausnahme  von:  je  sais,  tu  sais  (il  saitj,     (Thur.  306). 

Anmerkung.     Offenes  e  (==  e)  haben  nach  Sachs: 

abces,  acces,  progres  und  acces;  in  den  beiden  letztern  wird  auch 

halboffenes  e  (^)  gesprochen.   —  Zur  Endung   -es  (=  -essusj 

vgl.  Thurot  52. 
legs  (afrz.  lais,  s.  y.  zu  lavisierj  hat  nach  Lesaint,  Litträ,  Dupuis 

halboffenes   e  fqj,  nach  Poitevin   geschlossenes  e  (e); 

Sachs  notiert  halboffenes  e  (e),  mag  das  nur  orthographisch 

eingeschobene  g  lauten  oder  nicht  (Thur.  333). 

dO  Vor  stummem  f. 

Geschlossenes  (lialblanges)  e  (e)  in: 

clef  (auch  de  geschrieben),  hief  (=  hiez);  wird  /  in  bief  ge- 
sprochen, so  hat  bief  halboffenes  e  (e);  in  chef-d^oauvre, 
chef'  cens  mit  stummem  /  ist  halboffenes,  halblanges  e  (e)  no- 
tiert (s.  später  8.  98,  6). 

sO  Vor  stimmlosen  Momentanlauten,  welche  im  NeufranzSsischen 

stumm  sind. 

Der  Vokal  e  (ai)  zeigt  halboffene  (halblange)  Qualität.^) 

ablet,  acrelet,  Adrets,  amelet,  archet,  armet,  auyet,  Bajazetj 
baillet,  batelet,  bandet,  bezet,  bittet,  bonnet,  bouquet,  Cabet, 
cadet,  chapetet,  chevalet,  ctairet,  cor  sei,  couplet,  defet,  decret, 
echets,  effet,  epittet,  Eymet,  Fouguet,  grosset,  gilet,  Guichet, 
tancet,  itet,  jaffet,  jet,  tinguet,  maigrelet,  maguet,  maittet, 
martelet,  mairet,  net  (auch  lautbares  t),  objet,  Odet,  oittet, 
parapet,  pauvret,  prefet,  projet,  replet,  secret,  trajet,  viotet 
u.  a.  m. 

abait,  attrait,  Clairfayt,  Chandetait,  extrait,  faids,  fait  (auch 
mit  lautbarem  t),  forfait^  imparfait,  laid,  tait,  mait,  par- 
faity  retrait,  soukait,  ptaid,  trait,  —  sowie  in  den  Verbal- 
formen: avait,  hait  (Thur.  520),  fait,  partait,  parier ait,  met, 


*)  M.-Cazal  notiert  hier  e^  —  Lucking,  1.  c.  p.  426,  2  —   vgl. 
Thurot,  1.  c.  p.  53. 


h4 


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Au-^'^prartit'    m    luMn-n    a\-\  .\^n>onaj:rtiiveTnindiiii^  rf.-  in  Jedrtn 
hulif    wjru    tiir    .    .uui^i-i«.  m     ^.  .'a*.;,;:    an^eireben    ivjzl.     Pir»tz. 

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In  ;*';  '<''  *k::\v:i.n:  .:  \.>^;^nK.:v  •t-n'ic'^ifb  der  Enilkon- 
soDaattrc.  *  -c-Ji  w.r*  >?-•  \  ui'tmii  .r,»  '^rv.niiiit'ni  /  ha n> ot fe- 
il rf-.   QU.    .j^iiT^^  f.    »^'    .u.:r- .»rtvr.   v#    i.»i:*'^"n   "aui.! »offenes   lvarze> 


B-  ^  In  geschlossener  Silbe. 

t^^  f'^iud  •  bat  kalMhMB  li^iatM)  Lhüe.'^ 


■fir-nj«-| 


1     ////,<#  //^*  w^'^*  f'^  f^^t  mi  9  estmftetie,  est,  acquest,  arrest,  forest, 
Ca  tihHt  ftßf'f^ff  ^^  ^''''^  d'nftrt'9  t mmm/nite  des  mUmtrs  (Thor.,  L  c.  p.  54^ 

4     Vj/j    '( >»"^    ^/'.  '^    '  «'/nl  notiert  hier  e^  (Lückiii^^  p.  42^^  ^v. 


Die  Qualitäi  der  reinen  Vokale  im  Neufranz.  97 

maUridj  mid,  missel,  mortel,  mutud,  naturdj  Neuchätel, 
noely  nouvelf  postel,  perpStudy  quel,  lequel,  Rochd,  scely  sd, 
spiritud,  tel,   Uriel,   Wenzd,  —  Steinheil. 

2.    Vor  auslautendem  mouillierten  l. 
e  hat  lialboffenen  (kurzen)  Laut.^) 

appareil,    conseil,  Corbeily  Creil,    eveil,    mÜailj    orteil,   pareil, 
pueily    remeil,    reveil,    Bueil,    soleil,    sommeil,    teil,    vermeil, 
Verceil,  vieiL 

3)  Vor  auslautendem  r  oder  r  mit  stummem  Kon- 
sonanten. 

e  (ai)  erscheint  hier  als  offenes,  langes  e  ffj.^) 

air  (Thur.  334),  chair,  dair,  dair,  edair,  impair,  m^sair,  pair, 
vair; 

Abner,  Antipater,  Alger^  Alfader,  Beider,  Bouffiers,  Boner, 
ehester,  JEgger,  Esther,  Euler,  Gessner,  Geer,  Gers,  Fugger, 
Jupiter,  Lucifer,  Manchester,  Scaliger,  Oder,  le  Veser\  — 
alt-er,  amer,  asper,  helv^der,  Cancer,  eher,  cuiller,  cutter,  en- 
fer,  ether,  fer,  daler,  gaster,  hiver,  hier,  magister,  mer, 
pater,  ver, 

agers,  amers,  Auvers,  anders,  couvers,  devers,  divers,  ers,  le 
Gers,  envers,  Nivillers,  Nevers,  pers,  univers  —  facquiers, 
tu  acquiers  (Thur.  475 J;  Albert,  concert,  couveH,  desert,  des- 
sert,  disert,  decouvert,  Egbert,  exert,  expert,  Gilbert,  Hubert, 
couvert,  offert,  rouvert,  souffiert,  vert  —  il  acquiert,  il  sert, 
je  perds,  il  perd. 

clercy  mauclerc,  Leder cq,  Ledere; 

cerfy  serf,  nerf  (vgl.  Plötz,  1.  c.  8.  121); 

Berg,  Königsberg,  Vergt. 

Anmerkung.    In  amers,  anders,  hers,  pers,  pervers  ist  das  s  bald  laut- 
bar, bald  stumm;  tiers  hat  stets  lautbares  s  (Thur.  475). 

4)  Vor  lautbarem  m  (n)  im  Wortauslant 

e  =  halboffenes  e. 

abdomen,  Achem,  Aden,  adrem  Althen,  amen,  Bethlehem,  Cal- 
den,  Coethen,  cerumen,  Coetquen,  dictamen,  dolmen,  Eden, 
Ensichheim,  gluten,  harem,  Hellen,  hymen,  Heim,  idem,  Je- 
rusalem, Kraken,  Laquedem,  Niimeti,    Yemen,  Ziem; 

examen  (nach  M.-Cz.  60;  nach  Littr^  und  Landais  mit  Nasal- 
Laut). 


*)  Vgl.  Thur.  346. 

«)  In  allen  Fällen  gibt  M.-Cazal  =  e^  an  (Lücking  422)  (in   der 
Endsilbe). 

Ztchr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.  VH.  7 


98  ff.  ffarth 


5)  Vor  lautbarem  8  im  Wortauslaut. 

e  =  halboffenes  (knrBOs)  e  ({), 

ahieSj  apices,  BrueySj  Sees,  Sieyes  (Sieyes),  Charoes;  Agnes, 
alo^s,  alkermes,  AntareSy  Ajppries,  asperges,  Averroes,  Codes, 
Cebes,  Ceres,  Damocles,  Dejoces,  Eyries,  es,  Fualdes,  Gades, 
Hades,  Hermes,  Ines,  Manes,  Manzanares,  Poles  (Thur.  78), 
Phares,   Thaies,  Uzes,  Verres,  Xires,  Kerxes, 

6)  Vor  lautbarem/  im  Wortauslaut. 

e  =  halboffenes  kurzes  e  (ej. 

ceronef,  href  (Thur.  481),  hief  (vgl.  S.  95,  &),  hrief,  chef,  grief 
(Thur.  472,  481),  lief,  Joseph,  nef,  relief. 

7)  Vor  den  lautbaren  stimmlosen  Momentanlauten 

c,  chy  q  (cq),  p,  t  (th), 

e  =  halboffenes  (kurzes)  e  (^l 

avec,  bec  (Thur.  49),  cleguerec,  echec,  Erec,  Eyk,  grec,  hec, 
illec,  Laemec,  mec,  rebec,  sec,  varec  (varech  Thurot  192); 
Amalech,  Delpech,  Lambrechts,  Lantech,  Pech,  Maibeck,  Pecq. 

cep  (sep)  vgl.  S.  96;  nep,  salep,  julep; 

Albret,   debet,  Elisabeth,  Nazareth,    sept,    cet,   net  (vgl.  S.  95); 

Aleth,  anetJi  (auch  mit  stummem  th),  leth, 

V)  Vor  andern  laiitl)aren  einfachen  oder  zusammengesetzten 

Konsonanten  ohne  stummes  e. 

e  hat  geschlossenen  (kurzen)  Laut  =  e. 
b:  Bab-el,  Mandeb,  mahaleb,  caleb,  Oreb: 
d,  g,  v:  Alfred,  Edred,  Ized,  Seid,  taled;  meg;  Kiev,  Mohilev; 
mSfps:  nems;  cepSy  biceps,  forceps; 

x:  Aix,  (x  bald  s,  bald  ks) ;  apex,  carex,  CasteXy  Daix, 
Estex,  Essex,  GeXy  index,  interreXy  Oyex; 
sc,  seh:  Lambesc;  dagaesch,  Fesch; 
ss:  mess; 

st:  lest,  Pest,  Est,  Ouest  (Thur.  545); 
et  (cht),  cq:  Fecht,  Lübeck,    Utrecht,  copeck;  Refecq; 
tch:  Ketek; 
tz,  z:  Äletz  (t  ist  stumm),  Alvarez,  barometz,  Barthez,  bezy 
Cortez,  fahlertz,  Filetz,  Fernandez,  Fez,  Juarez,  lez^ 
Reiz,  Retz,  Rhodez,  Senez, 
It:  Crivet; 
rf,  rs:  cerf,  nerf,  serf  (vgl.  S.  97);    amers,   anders,   bersj 
per 8,  pervers,  -tiers  (vgl.  S.  97). 


Die  QveUität  der  reinen  Vokale  im  Neufranz,  ^ 

c)  Vor  laiitl)ar6r  mehrfacher  Konsonanz  mit  stummem  e.^ 

e  =  halboffenes  (knnses)  e  =  f  oder  e, 

a)  e  vor  r  -j-  Kons.  +  e  hat  offenen  (kurzen)  Laut  =  e';  Albu- 
querque,  alerte,  Artaxercej  asper ge  (Thur.  25),  auberge,  Au- 
vergne,  averse,  baleverne,  Berthey  certes,  cerque,  cierge^  cherche, 
cercle,  commerce,  conserve,  convercle,  derle,  derme,  desertc, 
deverse,  Dom^ergue,  Erdre,  ermes,  ferme,  gerbe,  gerce,  gerle, 
goberge,  hiberge,  herbe,  herque,  Hertz,  herse,  homocerque,  im- 
berbe,  inerte,  interne,  isotherme.  Kerne,  lanterne,  lacerne, 
Laerce,  Lavergne,  Lerne,  lairdge,  laird,  Ugniperde,  Malherbe, 
malberge.  Malesherbes,  Mam^rte,  merle,  Montmerle,  merde. 
mergue,  moderne,  Offerte,  Palerme,  perce,  perche,  perdre,  perle, 
PerseSy  perte,  quaterne,  quinquerce,  recherche,  renvcrse,  serve, 
süperbe,  tabeme,  vierge  (Thur.  479),  tierce,  verbe,  verte,  zerde. 

ß)  e  vor  l  -f-  Kons.  -[-  e  =  halboffenes  (kurzes)  e  =  f :  Ansdme, 
Ddphes,  Beige,  Celse,  Celte,  Elbe,  elfe,  Elme,  guelfe,  isa- 
delphes,  Gueldre,  pelte,  qudque  (Thurot  75),  svelte,  schelme, 
vdche,  vdte, 

f)  vor  dm£,  gm£,  mne,  sme,  spl,  sgu,  sd,  st,  sth,  sdre,  stre,  x, 
xt,  et,  ctr,  pt,  ptr,  cqu:  Edme,  eclegme,  parapegme,  pJdegme, 
smegme,  indemne,  lemne,  antidesme,  epidesme,  mesple,  ba- 
belesque,  ßabesque,  fresque,  picaresque,  Vesque,  Dreste,  Aceste, 
asbeste,  couteste,  Digests,  Este,  geste,  inceste,  manifeste,  Pre- 
neste,  reste,  veste,  Vesdre,  bimestre,  enclestre,  englesfre,  La- 
prestre,  Maistre,  palestre,  trimestre,  Aixe,  anexe,  asexe,  bi- 
flexe,  circonflexe  (Thurt  189),  complexe,  convexe,  implexe, 
perplexe,  rißexe;  contexte,  texte;  collecte,  synodecte,  dialecte, 
gastronecte,  insßcte,  Pandectes,  Electre,  chepte,  chepthe,  di- 
leptes,  lepte,  septre,  greque,  Mecque,  pecque,  Rebecque. 


*)  Thurot,  1.  c.  p.  62,  zu  den  Wörtern  auf:  erc,  erd,  ert:  „ZV  a 
ioujours  eu  dans  toutes  ces  finales  le  son  ouvert,  que  leur  atlribue  Lo- 
noue;^  ferner  p.  63:  „Dans  les  mois  en:  erque,  erce,  erse,  erche,  erque, 
erge,  erle,  erde,  erpe^  erbe,  ei've,  erle,  trne,  ergne,  erme,  ertre,  les  e  soni 
marqties  comme  ouverts  par  les  auteurs,  et  la  remarque,  par  laquelle  La- 
noue  (erge)  attrtbue  Ve  ouvert  aux  mois  en  ei'ge  s*appUque  evidemment 
aiix  autres.  VaUard  (50)  leur  donne  te  ferme,  mais  so7i  temoignage  est 
isole  et  sans  auiorite. 


7 


^ 


B,  Barth 


Zusammenstellung  der  Resultate 


Ber  V«kAl  e. 

BetonteF    e 


ai  «BT,  CiL  eT|. 

Betomtes    «i 

Qnatirift.         *J-^*"-^* 


IK 


^     »  >ii 


i   )(tei ufotiTMidi.  Konsonant:    A.  In  offener  Silbe. 


"W  oxtiÄli 


r 

IM 


Y    'j'  '*    '^liJu.w.bAft^.fi  Dauer- 

^  ^"  '-  -t.j. 

M  / 

Vor  ^i' i u.  1  ^i',t^ tt$  K'»tito.;        / 


r 
m 


Vor   .'^ >u.u  t.i^U^fi  Mftutf''titiin' 

Vor  >* />a/"f<'/  h,''/J;*Oi»:  ##  /"^y 

V'//  /7/,  /jT,  /v^  ((,  cc 

Vo/  //,V/.y  »Hfi^m  l  urui  » 

Vor   ^i/^p/^/i/JjW^/   KUifiuthtir 

Vor   <<iir|//.>/ij<i./    wjir<<rJ«t<iher 


hal>»off. 

oüen 
halboff. 


halblang  1  lialboftii 
lang 


r 
r 
r 


lang 
ihalblg.) 

lang 


1» 

r 


halblang 
(lang) 


vacat. 


lang 
racat. 


halboff.   I  halblang 


offen 
balboff. 


lang 
Iran 


« 


;      lang 
'  halblang 


(kurz) 

halblang 

(kurz) 


offen 

Tacat. 
balboff. 


T 

vacat. 
halboffl 


lang 


lang 


lang 
kurz 


l         lg.  (hlblg.) 
offen  l^ng 


yacat. 

offen 
vacat. 


▼acat. 

lang 
▼acat. 


halboff. 

yacat. 

halboff. 


?» 


vacat. 


halblang 

vacat. 

halblang 
(kurz) 

lang 

vacat. 


Die  Qualiiät  der  reinen  Vokale  im  Neufranz. 

für  die  Qualität  und  Quantität 


101 


Der  Vokal  e. 
Betontes    e 

Qualität.    I  Quantität. 


Der  Mono|)hthong 
ai  (ay,  ei,  ey). 

Betontes    ai 

Qualität.     I   Quantität. 


II.   laaa    T?^ort8i-u.sl8i-u.t. 


Ohne  Konsonant  und  summest 

Vor  stummem  e 

Vor  stummem  r 

Vor  stummem  s  (z) .    ,    .     . 

Vor  stummem  f 

Vor  stimmlos,  stummen  Kons. 
Vor  stimmlos,  lautbar.  Kons. 


geschloss. 


n 


halboff. 


halblang 
lg.(hlblg.) 
halblang 


n 


« 


halboif. 

» 
vacat. 

halboif. 


halboflF. 


halblang 

vacat. 
halblang 


halblang 


kurz 


n 


lang 
kurz 
lang 
kurz 


Der  nachfolgende  Konsonant:    B.    In  gesell lossener  Silbe. 
Vor  lautbarem  einfachen  / 

Vor  mouilliertem  /   .     .     . 

Vor  r  oder  r  -\-  stumm.  Kons 

Vor  lautbarem  m  (n)    .     . 

Vor  lautbarem  s  (z)      .     . 

Vor  lautbarem  f  (ff) .  .     . 

Vor  lautbaren  stimmlosen  Mo- 
mentanlauten   

Vor  lautbarer  einfacher  oder 
zusammengesetzer  Konso- 
nanz ohne  stummes  e 

Vor  lautbarer  mehrfacher  Kon- 
sonanz mit  ^  mviei 

1)  vor  r     .... 

2)  vor  and.  Kons.   . 


halboif. 


n 

offen 
halboff. 

n 


n 


n 


offen 
halboff. 


(hlbl.)  krz. 


kurz 


vacat. 


offen 
vacat. 


halboff. 


offen 
halboff. 


vacat. 


lang 
vacat. 


lg.  (hlblg.) 


lang 


n 


102  H.  Barth 

Die  vorstehenden  Beispiele  mit  den  beigefügten  qualitativen 
(quantitativen)  Notationen  verweisen  für  die  Qualität  (Quantität) 
die  nachfolgenden  Sätze. 

L    Circumflektiertes  e  (ai) 

zeigt  bei  halblanger  (langer)  Quantität    stets   halboffene  Qualität 
(vgl.  S.  83,  85,  87,  90,  91,  96). 

IL   Der  Vokal  e. 

A.  Der  Vckal  e  mit  der  Qualität  eines  halboffenen  e. 

Betontes  e  seigt  lialboffene  Qualität. 

a)  In  offener  Silbe: 

1)  Im  Wortinlaut  tiberall  (mit  Ausnahme  vor  r. 

2)  Im  Wortauslaut  bloss  vor  stimmlosen  Momentanlauten, 
welche  neufranz.  stumm  sind. 

b)  In  geschlossener  Silbe  (mit  Ausnahme  vor  r).^) 

B.  Der  Vokal  e  mit  offener  Qualität 

vor  r    (einfachem,    geminiertem   im  Wortinlaut;    oder    einfachem 
oder  zusammengesetzten  [r  -f~  Kons.])    in  geschlossener  Silbe.*) 

C.  Der  Vokal  e  zeigt  geschlossene  Qualität 

im    ganzen  Wortauslaut  mit  Ausnahme   des  vorstehenden   Falles 
vor  stummen,  stimmlosen  Momentanlauten.  ^) 

III.    Die  Monophthonge  ai  (ay,  ei,  ey). 

A.  Die  vorstehenden  Monophthonge  zeigen  durchweg  halb- 
offenen Laut.*) 

B.  Die  vorstehenden  Monophthonge  haben  offenen  Laut 
nur  vor  r  (einfachem,  geminiertem  oder  zusammenge- 
setztem =  r  -f-  Kons.).^) 


Die  Quantität  anlangend,  so  zeigt: 

^)  halboffenes  e  a)  In  offener  Silbe  im  Wortinlaut: 
halblange  (lange)  Quantität;  kurze  Quantiisit  vor  geminiertem  m, 
n,  vor  den  stimmlosen  Momentan-  und  Dauerlauten  (daneben  halblange 
Quantität)  und  vor  ursprünglich  mehrfacher  Muta  cum  Liquida. 

*)  offenes  e  stets  lange  Quantität. 

')  geschlossenes  e  durchweg  halblange  Quantität  (vor  stum- 
mem e  auch  lang). 

Zur  Qualität: 

*)  Die  halboffenen  Monophthonge  sind  qualitativ:  a)  in  of- 
fener Silbe:  a)  Im  Wortinlaut  lang  (kurz  neben  halblang  vor 
mouilliertem  /  oder  nj;  b)  In  geschlossener  Silbe  lang. 

'^)  Die  offenen  Monophthonge  zeigen  lange  Qualität. 


Die  QtioUtdt  der  reinen  Vokale  im  Neufranz. 


103 


Übersichtliche  Darstellung 


der 


qualitativen  und  quantitativen  YerMltnisse  der  betonten  (reinen)  Yokale. 


Yolral. 


Der  nachfolgende 

Konsonant 


Qualität. 


Quantität. 


a 

oi 

o 

au 

en 

e 
ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 


A.   In  offener  Silbe. 

I.  Im  Wortinlant. 


>  Vor  einfachem 


m 


Vor  einfachem 


n 


V 


Vor 

stimmlosen 

Dauerlauten 


^ 

9 


hohes 

^ 

w 

oq 

offen 

0 

vacat. 

^ 

offen 

Ö§ 

halboffen 

6 

n 

§ 

tiefes  (offen) 

a 

m 

n 

oq 

offen 

0 

offen  (geschl.) 
offen 

9'(o) 

oq 

hohes 

vacat. 

offen  (geschl.) 

ofoj 

vacat. 

offen 

oq 

halboffen 

q 

vacat. 

hohes 

9 

tiefes 

oa 

offen  (geschl.) 

9(0) 

vacat. 

offen 

oq 

halboffen 

5 

n 

§ 

hohes 

9 

Yt 

oq 

offen 

9 

vacat. 

offen 

oq 

halboffen 

hohes 

vacat. 

offen 

9 

vacat. 

m 

halboffen 

q 

vacat. 

kurz,  h albig. 
krz.  (halblg.) 

kurzes 

vacat. 

langes 
halblanges 

langes 


n 


Ti 

kurz,  halblg. 

vacat. 
kurz,  halblg. 

vacat. 

halblg.  kurz. 

lang 

vacat. 

halbl.  (kurz.) 

halblang 

kurz,  (halbl.) 

vacat. 

lauff 

lang  (h^blg.) 

lang 


n 


halblang 

lang 

vacat. 

lang 


n 


halblang 

vacat. 

lang 

vacat. 

lang 
vacat. 


q    q 
oq  (oq) 

9 

oq 
e 

« 

q 

oq 
g 

9   9 
oq 

.<? 
q    q 

f(9) 

(B  (B 
f 

q  §- 
oa 

9j9) 
oq 

oq 
9 

oe 

e 


hoLee 

l 

halblg:'(lang) 

^rVv 

vacat. 

vacat. 

offen 

9 

halblang 

9 

* 

Tacat. 

vacat. 

geechlosaen 

oe 

lang 

of 

Vor 

halboffen 

i 

halbUng 

S 

hohe« 

5 

" 

9 

den  stimm- 

vaoat. 

vacat. 

offen 

p 

halblang 

9 

haften       g  (g») 

vacat. 

vacat. 

geschloBsen 

Of 

lang 

0{ 

Momentan- 

halboffen 

? 

halblang 

? 

l.olen                   , 

tiefcB 

0 

lang 

5 
9 

vacat. 

vacat. 

j 

offen 

? 

halblang 

9 

''{ 

vacat. 

vacat. 

geeohlossan 

oe 

halblang 

oe 

l 

halboffen 

« 

.. 

5 

tiefeB 

" 

5 
9 

vacat. 

vacat. 

offen 

7 

kurz  (halblg. 

9(9) 

Vor                  ' 

vacat 

vacat. 

geschloBHen 

(1? 

lang 
halblg.  (lang) 

of 

den  Bttmm- 

halboffen 

E 

loaen 

hohes 

9 

halblg'.' (kurz) 

vacat. 

vacat. 

Konsonant..  ^,^^ 

offen 
vaoat. 

9 

halblg.  (kurz) 
vacat. 

9(9) 

gesohloBaan 

lang 

of 

halboffen 

i 

halblg.  (lang) 

a 

d 

tiefea 

kurz  (hSblg.) 

U              ^- '  (') 

bohee 

og 

oqfoq) 

!l  1             '■'"'" 

vacat. 

vacat. 

geeehloBaen 

P 

lang 

j-ls     2)Voratimmhft. 

^S:S            Lauten    .     . 

t%.      8)  Vor  stimmloa. 

'•^             Konsonant.. 

„ 

P 

Die  Qualität  der  reinen  Vokale  im  Neufranz. 


105 


Der  nachfolgende 

7okal. 

Konsonant 

Qualität. 

Quantität. 

en 

WON 

vacat. 

vacat. 

vacat. 

■ 

e 

s;a 

/ 

halboffen 

? 

lang 

f 

ai  ei 

(urspr.) 
er  (späte 
:r  Kons( 

1)  Vor  ...     / 

2)  -   stimmhaf- 
ten u.  stimm- 

1) 

§ 

11 

f 

o  2  ä 

losen  Kons.    . 

n 

e 

* 

lang  (halblg.) 

f  r^ 

>«242 

3)  Vor .     .     .    r 

offen 

£ 

lang 

s 

a 

\ 

hohes 

9 

kurz  (halblg.) 

qjq) 

oi 

» 

oa 

11 

oq  (oq) 

o 

offen 

9 

11 

9   (9) 

an 

/ 

vacat. 

vacat. 

eu 

offen 

oq 

halblang 

n 

e 

halboffen 

e 

11 

? 

ai  ei 
a 

1 

>Vor  geminier fcein 

vacat. 
tief 

a 

vacat. 
lang 

ö 

oi 

17 

oa 

• 

11 

oq 

o 

offen 

9 

halblang 

0 

an 

r 

vacat. 

vacat. 

— 

eu 

offen 

oe 

lang 

oq 

e 

11 

.<? 

11 

S 

ai  ei 

' 

11 

f; 

11 

fi 

a 

•\ 

hohes 

9 

kurz  (halblg.) 

q  (a) 

oi 

vacat. 

vacat. 

.— 

0 

offen 

9 

kurz  halblg. 

9(0) 

an 

m 

vacat. 

vacat. 

eu 

offen 

oe 

halblg.  (kurz) 

oq  (oq) 

e 

halboffen 

§ 

kurz 

? 

ai  ei 
a 

>Vor  geminiertem 

vacat. 
hohes 

^ 

vacat. 
kurz  (halblg.) 

<i  W 

oi 

vacat. 

vacat. 

— 

0 

offen 

9 

kurz  halblg. 

9(9) 

au 

n 

vacat. 

vacat. 

eu 

offen 

0% 

halblg.  kurz 

oq  (oq) 

e 

1 

halboffen 

§ 

kurz 

q 

ai  ei 

vacat. 

vacat. 

a 

hohes 

<i 

kurz 

9 

oi 

vacat. 

vacat. 

0 

offen 

9 

kurz  (halblg). 

9(9) 

au 

bb,  gg 

vacat. 

vacat. 

eu 

n 

— 

11 

e 

•        • 

11 

-— 

11 

— 

at  et 
a 

'Vor  geminiertem 

< 

11 

hohes 

^ 

11 
lang  (halblg.) 

^  (q) 

oi 

vacat. 

vacat. 

0 

offen 

9 

lang 

9 

au 

s 

vacat. 

vacat. 

eu 

11 

— 

11 

— 

c 

halboffen 

§ 

lang 

f 

ai  ei 

* 

\ 

vacat. 

vacat. 

den  stimm- 
haften       g  (gtt)  < 
Momentan- 


Konsonantea 


\  2)  Vor  stiminhft. 
I  Lauten  .  . 
I  3)  Tor  stimmlos. 
\        KonBonant. . 


offen 

geachlosiien 

halboffen 


geBchlosBen 
halboffen 


geschloasen 
halboffen 


geschlossen 
halboffen 

offen 

geschlosBen 

halboffen 

hohes 
geschlOBsen 


halblg.  (lang^  g 

halblang 

vaoat. 

lang 
halblang 


halblang 

lang 
halblang 

lang 

halblang 

vacat. 
halblang 


kurz  (halblg.)  \ 
vacat. 


halblg.  (kurz) 
halblg.  (kl 


lang 
\r%  (halbli 

lang 


Die  Qualiiät  der  reinen  Fokale  im  Neufranz. 


105 


Der  nachfolgende 

Yokal. 

Konsonant 

Qualität. 

Quantität. 

eu 

>^  e  N 

vacat. 

vacat. 

— ^ 

vacat. 

e 

«  «  rt 

/ 

halbofPen 

§ 

lang 

f 

ai  ei 

9  h  u 

>»-^  AI     AI 

1)  Vor  ...    / 

2)  -   stimmhaf- 
ten u.  stimm- 

11 

$ 

11 

§ 

o  "  w 

losen  Kons.    . 

11 

e 

* 

lang  (halblg.) 

^fO 

>^^ 

3)  Vor .     .     .    r 

offen 

.^ 

lang 
kurz  (halblg.) 

.<? 

a 

\ 

hohes 

9 

iJ4) 

oi 

11 

oq 

11 

oq  (oq) 

0 

offen 

9 

11 

9   (9) 

au 

l 

vacat. 

vacat. 

eu 

offen 

oq 

halblang 

oq 

e 

halboffen 

€ 

11 

« 

ai  ei 
a 

>Vor  geminiertem 

1 

vacat. 
tief 

ö 

vacat. 
lang 

ö 

oi 

11 

oa 

• 

11 

oq 

0 

offen 

9 

halblang 

0 

* 

au 

r 

vacat. 

vacat. 

— 

eu 

offen 

oe 

lang 

öf 

e 

11 

P. 

11 

S 

ai  ei 

4 

11 

f: 

11 

ß. 

a 

> 

hohes 

<i 

kurz  (halblg.) 

q  (a) 

oi 

vacat. 

vacat. 

— 

0 

offen 

9 

kurz  halblg. 

9(0) 

au 

m 

vacat. 

vacat. 



efi 

offen 

oe 

halblg.  (kurz) 

oq  (oq) 

e 

halboffen 

? 

kurz 

i 

ai  ei 
a 

>Vor  geminiertem 

vacat. 
hohes 

<i 

vacat. 
kurz  (halblg.) 

9  (^) 

oi 

vacat. 

vacat. 

— 

0 

offen 

9 

kurz  halblg. 

9(9) 

au 

n 

vacat. 

vacat. 

— 

eu 

offen 

oq 

halblg.  kurz 

oq  (oq) 

e 

) 

halboffen 

q 

kurz 

q 

ai  ei 

vacat. 

vacat. 

a 

' 

' 

hohes 

9 

kurz 

^ 

oi 

vacat. 

vacat. 

0 

offen 

9 

kurz  (halblg). 

9(9) 

au 

^,  ^^ 

vacat. 

vacat. 

'-— 

eu 

11 

11 

— 

e 

•        • 

11 

-— 

11 

■  ■  ■ 

a$  et 
a 

>Vor  geminiertem 

11 
hohes 

9 

11 
lang  (halblg.) 

^  (q) 

oi 

vacat. 

vacat. 

— 

0 

offen 

9 

lang 

9 

au 

s 

vacat. 

vacat. 

eu 

1) 

— ~ 

11 

— 

e 

halboffen 

§ 

lang 

{ 

ai  ei 

4 

V 

vacat. 

vacat. 

\V 


B    :3Mr'U 


V^*. 


^\,gi:;a£. 


■N 
C» 

4 

t% 

t' 

€ 

«» 

««♦  ei 
«I« 


V.M 


St*: 


jer^jem 


^^  C4.  ff:  ^^^  a.  ,Y 


^  ^   xuouüUvrWm   ♦  v ! 


Oviol 


in 
u 

e 

O 

e 


I 


o/ 


'     <*4€. 


2 

a 


5  5 


rir 


>  <iü 


Vu 


1"^  h\  ä»\  yf\  IT. 

ir,  ci\  ^,  ff    , 

Vt\  i:t\  tf\   fH\  ,'»\ 

'^'^u:  tr   .     .     .     . 

«äufbicbt^r  M  Uta  c, 

1^^  *^,  K  y^.  «^'" ' 

t>iut"acht"r  Mut»  c. 


*"  ;?eiiAiuvf  rt.  Muta 
^^Ui  Liquida 


vTfta 


r.tr 


hebt» 


orten 

oitea 

hallH>tFen 

vac-at. 


**  -  ^qfo4i\ 

—  vacät.  — 

-  -  ^ 


-ii-  i^.  \  Knm  h  f  (ff 


oqto<i, 


J 


•IT 


I 
I 

j         '-*^  a 

0€l 


a 


kurz 


Tikcat. 


Die  Quaiiiäi  der  reinen  Vokale  im  Neufram. 


107 


Yolcal. 


Der  nachfolgende 

Konsonant 


Qualität. 


Quantität. 


n.   Im  Wortanslant. 


a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 

a 

oi 
o  au 

eu 

e 

ai  ei 

e  eu 

a,o,  au, 

ai  ei 

e 

et* 

a,o,  au, 

ai  ei 

a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 


a 

oi 

o 

au 

eu 

e 
ai  ei 


Ohne  Konsonant  und 
e  muet 


Vor  stummem  e 


Vor  stummem  s  (z) 


Vor  stummem  r 


Vor  stummem  f 


Vor    stimml.    stum- 
men Momentanlaut. 


hohes 

<i 

geschlossen 

oq 

0 

• 

»» 

0 

• 

»j 

oe 

• 

halboffen 

c 

• 

vacat. 

hohes 

oq 

geschlossen 
vacat. 

0 

• 

geschlossen 

oe 

• 

halboffen 

6 

• 

tiefes 

ö 

hohes 

oq 

geschlossen 

0 

• 

n 

oe 

• 

halboffen 

6 

• 

geschlossen 
vacat. 

e  oe 

geschlossen 

e 

• 

vacat. 

06 

• 

tief 

» 

hohes 

oq 

geschlossen 

0 

• 

» 

0 

• 

7> 

halboffen 

oe 

• 
• 

n 

§ 

kurz  (halblg.) 

(i  (<i) 

11 

oq  (oq) 

halblang 

g 

*< 

halblff.  (lang) 
halblang 

Od  (oe) 

§ 

4 

11 
vacat. 

5 

kurz  (halblg.) 
halblang 

oq(oq) 

0 

• 

vacat. 

halblg.  (lang) 

oe  (oe) 

n 

e.(e) 

halblang 

« 

halblg,  (lang) 

a(a) 

kurz 

oq 

halblg.  (lang) 

0(0) 

11 

oe  (oe) 

halblang 

11 

11 

e  oe 

vacat. 

11 
halblang 

e 

• 

11 

oe 

• 

vacat. 

1» 
halblanff 

kurz  (halblg.) 

halolang 

a 

oq  (oq) 

0 

halblg.  (lang) 

0(0) 

halblang 

oe 

m 

11 

§ 

11 

e 

B.   In  geschlossener  Silbe. 


Vor  lautbarem  ein- 
einfachem / 


hohes 

^ 

11 

oq 

offen 

9 

geschlossen 

0 

offen 

0^ 

halboffen 

§ 

vacat. 

kurz  (halblg.) 

11 
halblang 

f}  (q) 

oq  (oq) 

9(9) 
o 

• 

11 
kurz 

oe 

e 

vacat. 

108 


H.  Barth 


Yolcal. 

Der  nachfolgende 

Konsonant 

Qualität. 

Quantität. 

a 

' 

hohes 

^ 

kurz  (halblg.) 

f  f^J 

oi 

11 

oq 

11 

oq  (oq) 

eu 

Vor  mouilliertein  i 

offen 

oe 

kurz 

oe 

e 

halboffen 

i 

11 

o,a%ai 

1 

vacat. 

vacat. 

a 

> 

tief 

a 

lang 

oe 

• 

oi 

11 

oa 

4 

11 

oa 

• 

0 

Vor  lautbarem  r  u. 

offen 

geschlossen 

offen 

9 

11 

9 

au 

en 

r  -f   Kons. 

0 

6^ 

11 
11 

g 
oe 

e 

1) 

p. 

11 

•1 

ai  ei 

- 

11 

e 

11 

e 

•• 

a 

/ 
' 

hohes 

^ 

kurz 

^ 

oi  au 

vacat. 

vacat. 

0 

m  fn) 

offen 

0 

halblang 

?_ 

e . 

halboffen 

e 

kurz 

e 

ai  ei 

t 

vacat. 

— 

vacat. 

— 

a 

' 

hohes 

9 

lang  (halblg.) 

q  (q) 

oi 

0 

Vor  lautbarem 

vacat. 
offen  (geschl.) 

9(0} 

vacat. 
halblg.  (lang) 

9(0') 

au 

s 

geschlossen 

0 

• 

lang 

0 

• 

eu 

vacat. 

vacat. 

e 

halboffen 

e 

lang 

e 

ai  ei 

1 

vacat. 

vacat. 

— 

a 

z 
-    oi,  0,  au,  eu,  e,  ai, 
ei  wie  vor  s. 

tief 

a 

• 

lang 

a 

• 

a 

•                                                                            > 

hohes 

9 

kurz 

« 

oi 

11 

oq 

11 

oa 

0 

offen 

9 

11 

9 

au 

Vor  lautbarem  ffff) 

geschlossen 

0 

• 

lang 

0 

• 

eu 

offen 

oq 

kurz 

oq 

e 

halboffen 

e 

11 

i 

ai  ei 

' 

vacat. 

vacat. 

a 

' 

hohes 

^ 

kurz 

«v' 

^ 

oi 

vacat. 

vacat. 

0 

Vor   lautb.  stimml. 

offen 
1 1 

0 

* 

kurz 

1 

9 

au 
eu 

Momentanlauten 

geschlossen 
vacat. 

0 

• 

lang 
vacat. 

0 

• 

e 

halboffen 

? 

kurz 

ai  ei 

• 

vacat. 

vacat. 

a 

V 

hohes 

^ 

kurz 

9 

0 

e 
ai  ei 

Vor  lautbarer  Kon- 
sonanz ohne  e  muei 

offen 
halboffen 

11 

• 

9 

11 

11 
halblg.  (lang) 

oiaueu 

i 

vacat. 

vacat. 

— 

a 
oi 

0 

au 

Vor  lautbarer  mehr- 
facher Kons,  mit  e 
muet 

hohes 

vacat, 

offen 

geschlossen 

9 

0 

• 

kurz 

vacat. 

kurz 

lang 

0 

• 

Die  Qualität  der  rinnen  Vokale  im  Neufranz. 


109 


■Kai. 

Der  nachfolgende 

Konsonant 

Qualität. 

Quantität. 

e 
li  ei 

Vor  lautb.  mehrf.  Kons. 

mit  e  muei 
(    1)  vor  ;•   -f    Konso- 
nant +  ^  .     .     . 
2)  vor  den  and.  Kon- 
l        sonanten  +  e    . 
(    1)  vor  r   +    Konso- 
nant +  <?... 
2)  vor  den  and.  Kon- 
l         sonanten  -f  e   . 

vacat. 

offen 
halboffen 

offen 
halboffen 

P. 

* 

vacat. 
kurz 

11 
lang 

e 

•• 

Das  unbetonte  e  im  Neufranzösischen. 

Allgemeine  Darstellung  seiner  quantitativen  und  qualitativen 

Verhältnisse.') 

Bei  dem  (nenfranzös.)  unbetonten  e  (ai,  ei)  unterscheidet 
^achs  (1.  c.  S.  XIX;  15,  16)  eine  vierfache  Tonfärbnng,  bei 
velcher  Unterscheidung  die  Zeichen  1)  ob  =  e,  2)  «  =  e,  3)  ö'=  a, 
()  C)  in  Anwendung  kommen.     Unbetontes  e  hat  nämlich: 

1)  halboffenen  Laut  (§);  oder 

2)  geschlossene  Qualität  (e);  oder 

3)  kurzes  ce,  wenig  hervortretend  und  ganz  kurz  (me,  te, 
»e,  le);  oder 

4)  fast  stummes  und  kurzes  cßy  noch  kürzer  und  flüchtiger 
als  cß  (Nr.  3)  —  fenStre  =  f'ncßtre  —  ein  Zwischen- 
laut;  ohne  welchen  sich  gewisse,  zusammenstehende 
Konsonanten  nicht  aussprechen  lassen ,  entsteht  von 
selbst  und  wird  deshalb  oft  gar  nicht  durch  das  Zeichen 

C  =  Apostroph)  angedeutet.^) 


^)  Eine  eingehende  und  erschöpfende  Darstellung  dieses  Kapitels 
liegt  jenseits  der  Grenzen  dieser  Arbeit  und  dürften  die  vielen  hier 
einschlägigen  Einzelfalle  hinreichenden  Stoff  zu  einer  Spezialarbeit 
bieten.  —  vgl.  die  reichhaltige  Section  IL  bei  Thurot,  1.  c.  p.  87:  e, 
e  aiones  und  Mende. 

')  Nach  Thurot,  1.  c.  p.  37:  Nous  avons  en  fran^ais  trois  esphces 
(Ce,  Ve  ferme,  Ve  ouvert  et  te  qtt'on  appeüe  g^näral^ment  e  muet, 
et  que  fappeüerai  e  feminin.  Nous  avons  deux  e  f^minins,  l'e  fe- 
minin fort,  comme  dans  la  dernidre  syüabe  de  gavae-le;  Ve  feminin 
faible,  comme  dans  la  penultihme  de  garde-le.    Zur  Behandlung  des  e 


11«» 


f{,  Hm^ 


1.    Dm  aeeeBtairte  (nahtttate)  e. 

I ;  Djiii  circumtiektierte  e  'ai)  \\aX  unbetont  stets  balboffeneD. 
quantitativ  halblangen  Lantwert 
.ihfiHr.  iwvrrff,  ucqueter,  a^aiter,  ajfraicher,  atne^  amesse^  cUenier. 
,tn'k4i9ff4'hr,  uppri*ter,  areter,  hechetoUy  heehet,  becher,  bSler^  hetise. 
h/^rrttr.  huHitrftux^  chame,  ciiemer,  chenaie^  chenette,  naitrcu.  eon- 
ftttilrnttM,  devhmtttT^%  defraichir,  tlegentr,  dSaer,  devetir,  ebttir. 
^frffrr,  rfnptfrtfr,  t'ftg^rffler,  faineaiL,  faiteauj  faüage,  feler  gatner, 
'ft^^lpr,  honnehte^   maitresw^  meler,  pecher^  precher,  rever^  trainer. 

S  rr  rrr'«r  K  itriK.     /it    f/uimeni,  fjmte  mit  geschloBseaem  e  vgl.  S.  92.  Au- 
MMvrKiin^   J   <liuH4»r  Abhaudlung. 

'i,   t'fibiUoiitc»    ^    tuit    dem   aeeent    grave    hat    qualitativ 
halboll'oiieu»  t|iiantitativ  lialblangen  Lant. 
fffhiftn^    /firUrtnuffißi    f*ilttriner^   —  ja  celerai^    nau»  celeronH,  je  /wr- 
tt4fr*H,   tlit   inrnV'f'fttvHL 

'/>  f*Mb4>toiitim  f  luit  lioui  aueent  aigu  (besonders  im  Xn- 

Udi  miii  itu  Hiataa  vertreten;  hat  gesehlossenen  i  meistens 

<nnc(fn)   haut« 

•  hftfhar,  fh$tlhrrt  ihru/t0r,  ftHtilUy  echange^  eeko^  eelipMy  idifiee^  tlga- 

///#,   *{ffnpgH't\  t'hüHHn*,  t'jiHuUfr,  tlaOre,  epauiee^  ephemere,  eqtuper. 

//*'«/««//«,     f'^itutA,  t'tfifidrtt^    vtailty    eireindre,    evefUuel,    ezoterique: 

////# /W/i«^#  «4   ithiif^iUy    tthM^HittifuMf^    ajfameantiry    etgreabie,  faineant 

i,   Oti»  'H<iiio|ihlhoitKti  ae,  apy  ei,  ep   zeigen    im  Aniaat  wie 

iu$  liilaiti  «iiinWiweic  halbottenen    kurzen)  Louit. 

/;'//•/.  'utjuifu^  '*«//«<///?,  ntleitfy  aiiiun'  (na«h  Sacbs;  Littre  gibt  ge- 

■ki'bloAjar'iHiit  *'.  rill;,    titfum^    utit^mt,  ApfHorgue^y    Aymeri  ^    rtynet, 

uf^tUf  at^Utt,    i'Jiti^tiuvht  titnifuuytk^  eyalet,  Eyder,  Eylam,  Eymery, 

II«    Hutf  lutneoeifctitierte  e. 

l)  V«>i   isi)»lai/)ii-.iu  Kuiuüuaut    meistens  mit  dem  accent 


///////   tm  /imiHUi   l>4:i   M.   ('}i/iU    v^l.   liiU'kiii^,    l.  o.  p.  436:  .»Die  Betliii' 

\    I  a «j  t. »i  L ,  uad  Av^üA';   l.  deutlicher, 

U.  wolliger  deutlich,  odttr 
U.  Qldiuui  int/* 

*>  i'hui'it,    I.  I.  |i,  ti^:  Ue  aiomf  est  toujsmrs  ferms  demmi  hhh 

n litte  k-tttfilU,  uHuiid  U  fot mt!  tnuf  syUubit  sitpurtßif, 

'")  l  IUI  ^M.huitooi^c  AiioApiüchv  dida  nuhiiU>nteiA  m  (/imemt:^  faixiou 


.  Die  Qualität  der  reinen  Vokale  im  Neu  franz.  111 

aigu,  vgl.  I;  3)    hat  e  geschlossene   Qualität;    derselbe 
Lautwert  ist  vertreten  vor  Müta  cum  Liquida  Z,  r. 

Edred,  Eyletons,  Ephrem  etc.  —  (Thurot,  1.  c.  89:  Ve  atone 
est  toujours  fermi  au  commencement  ctun  mot  [Ve  pricMi  ou 
non  de  th],  quand  ü  est  suivi  dlune  seule  consonne  ou  de  deux 
consonneSf  dont  la  premüre  est  une  muette  et  la  seconde  une  l 
ou  une  r, 

2)  Vor  Doppelkonsonanz  oder  mehrfacher  Kon- 
sonanz, deren  zweiter  Bestandteil  kein  l  oder  r  ist, 
hat  e  halboffenen  Laut. 

ecbcLse,  Ecceliriy  eccUsicuste^  eccopie^  ectase,  ecth^se,  ectopie^  Edda^ 
Edgardy  Edmie^  Edwards^  effagage,  Egbert,  Egger,  Egmont,  El- 
beuf,  Elchingen,  Eldorado  u.  a.  m. 

3)  Offenen  Lautwert  zeigt  e  vor  r  (rr)  oder  r  -\-  Kons. 
e7Tcr,  erranty  errata,  erreur,  errond;  Erfort,    ergoty   ergoter,   ermi- 

tage,  erpeton,  erseau.  —  (Thur.,  1.  c.  89:  L*e  atone  est  toujours 
ouvert  devant  Vr  double  ou  suivie  d*une  autre  eonsonne) ^) 

B.  Im  Inlaut. 

^Im  Innern  des  Wortes  ist  es  (e)  am  wenigsten  vernehm- 
bar, indem  es  dort  nur  den  Übergang  von  einem  Konsonanten 
zum  andern  in  der  Weise  macht,  dass  der  Abbruch,  welcher 
dem  ersten  von  beiden  durch  seine  unmittelbare  Verbindung  mit 
dem  zweiten  geschehen  würde,  abgewehrt  wird,  wie  auch  ein  e 
in  der  Endsilbe  den  Konsonanten  vor  Verstummung  schtltzt:  reyret, 
secret,  appeler,  cela  u.  a.  m."  —  Mätzner,  1.  c.  p.  10;  daselbst 
auch  über  das  „e  beim  Zusammenstosse  mehrerer  stummer  e.^ 

Die  eingehende  Behandlung  des  ,/  feminin^  bei  Thurot, 
1.  c:  Section  III,  p.  119  ff.  —  Plötz,  1.  c.  8.  39. 


*)  Thurot,  1.  c.  p.  88:  A  prendre  les  choses  dans  ^ensemble^  Ve 
atone  est: 

1^  toujours  ferme  devant  une  autre  voyeile,  quand  il  forme 
une  syUme  s4paree; 

2^  le  plus  souvent  ouvert,  quad  il  provient  de  deux^e; 

3^  le  plus  souvent  ferme',  quand  il  est  suivi  imme'diatement  des 
consonnes  ch,  j,  d'une  s  devenue  muette,  d'une  s  douce  dans 
les  prdfixes  des-,  mes-; 

4®  toujours  ouvert  devant  Vr  double  ou  suivie  d^une  autre  con^ 
sonne,  et  d'ordinaire  devant  les  doubles  consonnes,  ss,  tt,  ff,  ü; 

5^  au  commencement  d^un  mot,  Ve  precM^  ou  non  de  Vh  fermS, 
quand  il  est  suivi  d^une  setüe  consonne  ou  de  deux  con- 
sonnes dont  la  premiere  est  une  muette  et  la  seconde  une 
l  ou  une  r:  övique,  Sglise  (Filetier  6,  32);  herisson,  k&aut  (L.). 


112         H.  Ba$'(h,  Die  QuiUität  der  reinen  Vokale  im  Neufranz. 


C.  Im  Auslaut.^) 

„Bei  dem  Lautwert  dieses  e  sourd,  welches  nie  gänzlich 
stumm  sein  soll,  glauben  wir  vier  sehr  verschiedene  Abstufungen 
unterscheiden  zu  dürfen: 

1)  e  sourd  mit  einem  Anlaut,  der  aus  zwei  verschiedenen 
Konsonanten  gebildet  wird,  hat  einen  verhältnismässig 
bedeutenden  Lautwert,  welcher  demjenigen  der  einsilbi- 
gen Wörter  je,  wie,  te,  ne  u.  s.  w.  ziemlich  nahe  steht. 
Z.  B.  irou-ble,  sa-hre,  am-ple,  pom-pre^  su-cre  etc. 

2)  e  sourd  mit  einem  Anlaut,  der  von  einem  weichen  Kon- 
sonanten gebildet  wird  (by  v,  d,  g)  l  mouill^e,  weiches  s) 
z.  B.  au'bey  doi-venty  capti-ve^  quü  ren-dej  arran-gey 
prodi-ge,  ru-se,  topa-ze  erfordert  ein  leises  Mittönen 
des  e,  weil  sonst  die  Weichlichkeit  des  Anlautes  nicht 
genügend  gewahrt  werden  kann. 

3)  e  sourd  mit  einem  Anlaut,  den  ein  harter  Konsonant 
(py  ty  /,  qu)  bildet,  z.  B.  du-pey  imi-tey  cali-fey  cha-que 
nähert  sich  dem  stummen  e. 

4)  e  sourdj   dessen  Anlaut  ein  flüssiger  Konsonant   fZ,   m, 

n,  r)  oder  einer,  der  vom  scharfen  s  oder  ch  gebildeten 

Zischlaute    ist,    z.  B.  nm-ley    subli-mey    rei-ney   pu-rey 

ma-ssBy  gla-ce,  ru-che   geht    nach   unserer  Ansicht   so 

gut  wie  völlig  in  das  stumme  e  über/^     E.  0.  Lubarsch, 

Franz.  Verslehre,  Berlin,  1879;  Herz,  Zschr.  f.  nfrz.  Spr. 

u.  Litt,  lly  361  ff. 
H.  Haeth. 

»)  Thurot,  1.  c.  p.  162  ff. 


Studien  über  die  Satyre  Mönippee. 


I.   Allgemeines. 

Die  M^nipp^e  ist  eine  ganz  ausgesprochen  politische  Satire. 
^an  kann  demnach  nicht  umhin,  die  damaligen  staatlichen  Ver- 
iiltnisse  Frankreichs  kennen  zu  lernen,  wenn  man  sich  mit  dem 
\  esen  dieser  Satire  beschäftigen  will.  Wir  wollen  daher  in 
möglichst  gedrängten  Zügen  eine  Skizze  der  Lage  entwerfen,  die 
nh  historischen  Hintergrund  der  Satire  bildet. 

Zur  Zeit  der  Ermordung  Heinrich's  III.  war  Frankreich  von 
!on  schlimmsten  Parteiungen  zerrissen  und  ein  Tummelplatz  für 
!en  masslosen  Ehrgeiz  politischer  Abenteurer  geworden.  Nicht 
weniger  als  zehn  Bewerber  um  die  Krone  Frankreichs  waren 
lufgetreten,  die  es  besonders  verstanden,  die  gerade  damals  in 
len  religiösen  Kämpfen  erhitzten  Leidenschaften  ihren  eigensüch- 
igen  Zwecken  dienstbar  zu  machen  und  dieselben  in  ihr  Schlepp- 
:au  zu  nehmen.  Da  man  über  den,  allem  Gesetze  und  Her- 
kommen nach,  allein  zur  Thronfolge  berechtigten  Heinrich  von 
Navarra  als  über  einen  Ketzer  zur  Tagesordnung  übergehen  zu 
müssen  glaubte,  so  waren  es  besonders  die  Spanier  und  Gruisen, 
die  grosse  Aussicht  hatten,  über  die  Köpfe  der  kleinen  Mitbe- 
werber hinweg  die  Krone  zu  erreichen.  Philipp  U.  hatte  für 
sich  seine  unerschöpflichen  Machtmittel  und  seinen  durch  Geld 
und  rührige  Wühlereien  besonders  in  den  niedrigen  Schichten 
der  Pariser  Bevölkerung  erworbenen  reichen  Einfluss;  die  Ab- 
stammung der  Infantin  (und  für  diese  hatte  er  die  Krone  zunächst 
in  Aussicht  genommen)  von  der  ältesten  Tochter  Heinrich's  IL 
verlieh  seiner  Bewerbung,  wenn  man  absah  von  dem  salischen 
Gesetze,  die  Krone  dürfe  nicht  kommen  von  der  Lanze  an  die 
Kunkel,  sogar  einen  Schimmer  von  Legitimität.  Dagegen  hatte 
sich  durch  die  in  Frankreich  in  der  letzteren  Zeit  eingeschlagene 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Littr.     VH.  g 


114        .  J.  Frank 

Politik  ein  starker  Gegensatz  zu  Spanien  herausgebildet  und 
auch  der  Charakter  Philipp's  IL  die  beiderseitige  Entfremdung 
noch  vergrössert.  Die  Guisen  ihrerseits  durften  für  sich  den 
Kuhm  einer  einflussreichen  Vergangenheit  und  hoher  Begabung 
einzelner  Mitglieder  ihres  Hauses  in  Anspruch  nehmen.  Sie 
hatten  sich  von  allem  Anfang  an  zu  Vorkämpfern  der  katholischen 
Partei  gemacht  und,  seitdem  besonders  Heinrich  von  Guise,  der 
sich  einer  besonderen  Beliebtheit  erfreut  hatte,  anscheinend  als 
Märtyrer  seines  Glaubenseifers  unter  den  Stichen  der  Mörder 
gefallen  war,  durften  die  Mitglieder  seines  Hauses  selbst  das 
Höchste  nicht  für  unerreichbar  halten.  Sie  hatten  besonders  die 
Liga,  die  anfänglich  in  der  loyalen  Absicht  begründet  worden 
war,  dem  Könige  in  seinem  Kampfe  gegen  die  Hugenotten  frei- 
willige Hilfstruppen  zuströmen  zu  lassen,  ganz  unter  ihren  Ein- 
fluss  gebracht;  sie  wussten  des  Königs  katholische  Gesinnung 
bei  derselben  zu  verdächtigen  und  so  zwischen  derselben  und 
ihm  einen  Gegensatz  zu  schaffen;  sie  konnten  schliesslich  über 
dieselbe  wie  aber  ein  williges  Werkzeug  verfügen.  Die  Rivalität 
zwischen  den  Bestrebungen  der  Spanier  und  der  Guisen  trat 
lange  hinter  ihrer  Bundesgenossenschaft  gegen  die  gemeinschaft- 
lichen Feinde,  Heinrich  von  Navarra  und  den  König  Heinrich  HL, 
der  des  ersteren  Thronrechte  für  den  Fall  seiner  Bekehrung  mit 
einer  an  ihm  ungewohnten  Zähigkeit  festhielt,  zurück.  Diese 
anfängliche  Gemeinsamkeit  ihrer  Interessen  hatte  zwischen  den 
Spaniern  und  den  Guisen  das  Bündnis  von  Joinville  schon  im 
Jahre  1585  zusammengeschmiedet,  das  bis  nun  keine  Lockerung 
erfahren  hatte.  Da  sie  auch  nach  dem  Tode  Heinrich  III.  beide 
noch  nicht  an  der  Zeit  hielten,  mit  ihren  letzten  Zwecken  offen 
hervorzutreten  und  sich  gegenseitig  über  dieselben  zu  täuschen 
suchten,  so  konnte  auch  jetzt  noch  der  Gegensatz  ihrer  Ziele 
zur  Not  verborgen  bleiben,  obgleich  die  schärfer  blickenden 
unter  ihnen  den  nahen  Zeitpunkt  voraussahen,  wo  die  Frage 
werde  ausgefochten  werden  müssen,  wem  die  wie  ein  herrenloses 
Gut  behandelte  Krone  Frankreichs  zufallen  solle  und  hierfür 
ihre  Vorbereitungen  trafen.  Bis  dahin  behalf  man  sich  mit  einem 
Verlegenheitskönig,  dem  altersschwachen  kinderlosen  Kardinal 
von  Bourbon,  der  sich  überdies  in  der  Haft  Heinrich's  von  Na- 
varra befand,  und  somit  unter  dem  Namen  ,,Karl  X.^  nur  einen 
Platzhalter  für  die  anderen  Kronprätendenten  abgeben  sollte. 
Bis  dahin  wollte  der  Herzog  von  Mayenne,  dem  nach  der  Er- 
mordung seines  Bruders,  Heinrich  von  Guise,  die  Führerschaft 
der  Liga  zugefallen  war,  unter  dem  Namen  eines  „Statthalters 
der  Krone  und  des  Staates  von  Frankreichs^  alle  Rechte  eines 
Herrschers    ausüben^    worin   er    sich  ebenso  wohl  gefiel  als  be- 


.'/    I 


"(her  die  Satyr e  Menippee.  115 


•rr  der  geistige  Schwung,  die  Spannkraft  und 

M  seines  Bruders;  er  war  bei  einem  gewissen 

nur    ein  Meister  in  allen  kleinlichen  Mitteln 

^veideutigen  Charakters,  und  der  Kern  seiner 

in    einem    fortgesetzten    Lavieren    und   Ver- 

iiiA's  war  er  auf  allen  Seiten  von  Hemmnissen 

tt'  sich  von  den  Spaniern  nicht  offen  lossagen, 

M>  die  materiellen  Mittel  boten,    sich  in  seiner 

/M    behaupten;    noch    argwöhnischer   als  diese 

iber  die  eifersüchtigen  Mitglieder  seiner  eigenen 

den  Thron  missgönnten  und  ihn  für  sich  selbst 

'l)erdies  hattte  er  aber  neben  den  offenen  Fein- 

iiirich's  von  Navarra  auch  jene  zahlreiche  Partei 

'  n  Umgebung,  die  zu  den  „Politikern"  hinneigte, 

:^^en,    die    ihm   wohl  treue  Heerfolge    leistete,    so 

Hell    als  Vorkämpfer  der    katholischen  Interessen 

die  aber  von  dem  Grrundsatze  einer  legitimen  Suc- 

1  eicht    abzubringen  war    und  bedenklich  geworden 

(M*   seine  Ziele    offen    bekannt   hätte.      Die    Guisen 

jigs    gefällige  Federn   gefunden,    die  ihren  Stamm* 

ii'l  den  Grossen  zurttckführten,    doch    glaubte  daran 

(^n   wollte.     Wenn  man  dazu   erwägt,    dass  er  auch 

I  iegsunternehmungen  meist  unglücklich  war,  und  sich 

lie  Hilfe  des  spanischen  Feldherm  Alexander  Farnese 

Konnte,  so  findet  man  es  begreiflich,  dass  er  nie  durch 

•tschlag  versuchte,  sich  die  Krone  aufs  Haupt  zu  setzen. 

aber  nicht  die  moralische  Kraft  der  Selbstverleugnung, 

Hüter  der  Krone  sie  dem  allein  successionsberechtig- 

.ich  von  Navarra  zurückzugeben,  als  seine  ehrliche  Ab- 

tiiolisch  zu  werden,  zweifellos  erschien,  und  so  griff  er 

.    charakterlosen  Politik    und    suchte    sich  wenigstens  in 

sitze   seiner  jetzigen   Machtstellung    möglichst    lange    zu 

1,    indem   er   die  Lösung   der  Kronfrage    durch  allerhand 

weit  hinauszuschieben  suchte. 

VVeder  die  Spanier  aber,  noch  auch  das  französische  Volk, 
u   die  Königsfrage    versumpfen    lassen.     Philipp's  H.  Ver- 
erkannten,  dass  wenn  nicht  unter   dem  Hochdrucke   ihres 
^en  Einflusses  die  Wahl  vollzogen  würde,  sie  nichts  zu  hoffen 
n,  und  das  Volk  litt  unsäglich  unter  diesen  eigentlich  anar- 
chen  Zuständen,  insbesondere  aber  unter  der  harten  Bedräng- 
einer wiederholten  Belagerung,   mit  der  Heinrich  v.  Navarra 
Stadt  Paris  eingeschlossen  und  die  grösste  Hungersnot  inner- 
ib  derselben  hervorgerufen  hatte.    Die  Übertragung  der  Macht 
i  Mayenne  war  ausdrücklich    mit  der  zeitlichen  Einschränkung 


116  J.  Frank 

„bis  zur  nächsten  Ständeversammlung^^  erfolgt  und  nun  sollte 
das  Provisorium  ins  Endlose  verlängert  werden!  Auch  der  Tod 
des  ,,König  Karl  X.'*  erheischte  immer  dringender  eine  Ent- 
scheidung und  so  erhob  sich  allgemein  der  Ruf  nach  den  Stän- 
den. Auch  die  Spanier  hofften,  die  Deputierten  für  ihre  End- 
absichten günstig  stimmen  zu  können,  und  wenn  sie  eine  tüchtige 
Armee  zur  Hand  hätten,  ihrer  Sache  sicher  zu  sein;  das  Volk 
aber  wünschte  das  langersehnte  Ende  der  aufreibenden  WiiTcn. 
Der  Herzog  von  Mayenne  wusste  die  wirkliche  Einberufung  der 
Stände  drei  Jahre  hindurch  teils  unter  nichtigen  Verwänden,  teils 
weil  die  Kriegsunternehmungen  des  Bearners  ein^  solche  un- 
möglich machten,  zu  vereiteln.  Er  fürchtete  mit  Kecht,  dieselbe 
würde  der  Anfang  vom  Ende  seiner  Herrlichkeit  bedeuten  und 
er  bei  den  Ständeversammlungen  gezwungen  werden,  Farbe  zu 
bekennen.  Am  26.  Januar  1593  aber  waren  die  Generalstände 
dennoch  zusammengetreten.  Bei  denselben  aber  begann  das  un- 
würdige Spiel  des  Kronenschachers  erst  recht;  jeder  wollte  sich 
der  Stimme  der  Deputierten,  die  übrigens  unter  den  grössten 
Schwierigkeiten  und  lange  nicht  vollzählig  eingetroffen  waren, 
versichert  halten  und  es  begann  eine  wahre  Hetzjagd  nach  dem 
Throne.  Jeder  wollte  den  andern  überlisten  und  ihn  dann  als 
unnütz  gewordenes  Werkzeug  bei  Seite  schieben.  Mayenne  nahm 
eine  Zeitlang  eine  zuwartende  Haltung  ein,  so  lange  er  sich  noch 
mit  der  Hoffnung  trug,  es  werde  sich  ein  gewisser  Ausgleich 
seiner  und  der  spanischen  Ansprüche  durch  eine  Vermälung  der 
Infantin  mit  seinem  Sohne  finden  lassen.  Da  er  aber  mit  der 
Zeit  gewahr  wurde,  dass  der  Erzherzog  Ernst  von  Osterreich 
als  präsumtiver  Gemal  gelte,  war  er  fest  entschlossen,  den 
Spaniern  wenigstens  das  Spiel  zu  verderben.  So  kamen,  ge- 
wiss nicht  gegen  seinen  Willen,  die  intimeren  Annäherungs- 
versuche der  Stände  an  die  Royalisten  im  Lager  Heinrich's  von 
Navarra  zu  Stande,  und  wenn  auch  Mayenne  die  Übertragung 
des  Königtums  an  den  Bearner  mindestens  in  weite  Feme  verlegt 
sehen  wollte,  so  konnte  er  sich  mit  diesem  Gedanken  doch  leichter 
vertraut  machen,  als  sich  entschliessen,  Spaniens  Dienste  zu  besor- 
gen. Trotzdem  schien  das  mit  vollen  Händen  ausgestreute  Gold 
Spaniens  und  dessen  mächtiger  Anhang  im  Kreise  der  ^Sechzehn^' 
den  Sieg  behaupten  zu  sollen,  da  erhob  sich  das  Parlament  und 
erwies  sich  als  ein  Hoii;  echt  nationalen  und  gesetzlichen  Sinnes 
und  als  die  mächtige  Stimme  der  wahren  öffentlichen  Meinung, 
indem  es  gegen  jede  Verletzung  des  salischen  Gesetzes  und  gegen 
die  Zumutung  eines  nicht  französischen  Königs  feierlichen  Protest 
einlegte.  Es  nützte  den  Spaniern  weder  die  moralische  Unter- 
stützung  des  päpstlichen   Legaten   noch   auch,    dass   sie  zuletzt 


Studien  übe?'  die  Stilyre  Menippec.  117 

den  jungen  Sohn  des  ermordeten  Heinrich  von  Guise  als  Gemahl 
der  Infantin  in  Vorschlag  brachten.  Es  war  zu  spät,  um  so  mehr, 
als  indes  auch  Heinrich  von  Navarra  in  den  Schooss  der  alten 
Kirche  zurückgekehrt  und  er  so  seinen  Gegnern  mit  dem  Vor- 
wand der  Nichtanerkennung  den  Boden  unter  den  Füssen  weg- 
gezogen hatte. 

II.    Verfasser  und  Tendenz  der  M^nipp^e.^) 

So  hatte  Mayenne  endlich  dem  von  allen  Seiten  auf  ihn 
eindringenden  Verlangen  nach  der  Einberufung  der  Stände  nichf 
länger  widerstehen  können  und  musste  dieselbe  nach  wieder- 
holter Hinausschiebung  endlich  verwirklichen.  Doch  blieb  diese 
Ständeversammlung  nur  sehr  unvollkommen;  ein  grosser  Teil 
der  berufenen  Vertreter  nämlich  war  aus  Abneigung  gegen  die 
neuen  Wortführer  und  ihre  Bestrebungen  ferngeblieben,  auch  die 
allenthalben  herumstreifenden  Truppen  Heinrich's  von  Navarra  er- 
schwerten den  Zugang,  und  so  waren  diese  Stände  nur  eine 
Scheinversammlung,  nur  Afterstände.  Die  Verhöhnung  derselben 
und  ihrer  Arrangeure  bildet  den  Hauptinhalt  der  Satyre  Menipp^e. 

Die  Lage  in  Paris  war  damals  eine  sehr  trübe.  Die 
arme  Stadt  musste  alle  Bedrängnisse  einer  harten  Belagerung 
durchmachen,  mit  der  sie  der  Bearner  fast  ununterbrochen  wie 
mit  eisernen  Klammern  umschlossen  hielt,  und  es  war,  als  würden 
alle  sieben  Gefässe  der  Apocalypse  über  sie  geschwungen! 
Allenthalben  wütete  die  Hungersnot,  die  unmöglichsten  Dinge 
mussten  zur  Nahrung  dienen,  und  mehr  als  einmal  schlachteten 
Mütter  ihre  Kinder,  um  ihren  Heisshunger  zu  stillen;  im  Lonvre 
und  an  den  Stadtthoren  wimmelte  es  von  zügellosen  Söldnern 
der  ausländischen  Besatzung,  die  oft  mordend  und  plündernd 
allen  ihren  Launen  freien  Lauf  Hessen;  fanatische  oder  bezahlte 
Prediger  trieben  das  Volk  zu  den  wahnsinnigsten  Ausschreitungen, 
indem    sie   dasselbe   durch   schürende  Reden  ^)  von  Zeit  zu  Zeit 


^)  Die  kritische  Begründung  der  von  mir  hier  mitgeteilten  An- 
gaben über  die  Art  und  Zeit  der  Abfassung  der  M^nipp^e  habe  ich  in 
zwei  Aufsätzen  in  dieser  Zeitschrift  vorangehen  lassen  und  glaube  auf 
dieselben  verweisen  zu  dürfen. 

*)  Über  die  aufrührerische  Thätigkeit  dieser  Prediger  vergleiche 
man :  „Les  Prödicateurs  de  la  Ligue,  Thäse  pour  le  doctorat  präaent^e 
a  la  Facult^  des  lettres  de  Paris  (1841)"  von  Ch.  Labitte,  und  Ch. 
Lenient's  „La  Sat.  en  France  etc."  In  letzterem  Werke  (Teil  II.,  S.  69) 
heisst  es  unter  anderem:  „L'äruption  de  cette  ^loquence  fi^vreuse, 
triviale,  bouffonne,  sanffuinaire,  est  un  ph^nom^ne  curieux  ä  signaler 
dans  notre  histoire.  L'^glise  bransform^e  en  clnb,  la  chaire  en  tnbune, 
les  ministres  de  TEvangile  en  demagogues  et  en  spadassins;  les  suc- 
cesseurs  des  Basile   et  des  Chrysostome  parlant  la  langue 


118  /.  Frank 

aus  der  dumpfen  Resignation  zu  Thaten  hellster  Verzweiflung  em- 
porrissen; jeder  Rat  zu  besonnener  Umkehr  ward  als  Verrat  an  der 
heiligen  Sache  ausgerufen.  Nachdem  die  Ligisten  in  Paris  ihre 
offenen  Gegner  aus  dem  Wege  geräumt  hatten,  wendeten  sie 
ihren  Hass  sogar  gegen  einander  und  suchten  die  dieses  Treibens 
überdrüssig  werdende  Menge  mit  trügerischen  Aussichten  auf  das 
baldige  Ende  des  Kampfes  und  auf  glänzende  Siege  über  den 
äusseren  Feind  zu  vertrösten,  nach  denen  sie  reichliche  Ent- 
schädigung für  die  ausgestandenen  Leiden  finden  würden.  Damit 
vollends  die  Axt  an  jedes  harmlose  Behagen  gelegt  erscheine, 
war  auch  die  öffentliche  Meinung  geknebelt,  ja  selbst  die  Ge- 
sichtsmienen wurden  so  beargwöhnt,  so  dass  ein  ironisches  Lächeln, 
ein  vom  Galgenhumor  eingegebener  Scherz,  der  einige  glücklich 
beanlagte  Naturen  einen  Augenblick  über  den  Jammer  der  Lage 
hätte  hinwegtäuschen  können,  als  eine  schwarze  Missethat  galten ; 
eine  Frau,  die  von  ihrer  Magd  denunziert  worden  war,  sie  habe 
nach  der  Schlacht  bei  Ivry  eine  vergnügte  Miene  gezeigt,  ent- 
ging mit  knapper  Not  dem  Gehenktwerden,  und  wer  Heinrich  von 
Navarra  anstatt  ,,den  Bearner",  „den  König ^  nannte,  dem  drohte 
man  von  der  Kanzel  herab,  ihn  ins  Wasser  zu  werfen.^) 

Unter  solchen  Umständen  wurden  endlich  am  26.  Jan.  1593 
die  Ständesitzungen  eröffnet.  Jetzt  drängte  alles  zur  Entscheidung, 
und  es  war  sehr  zu  befürchten,  dass  der  Spanierkönig  seine  Ab- 
sicht, die  Krone  von  Frankreich  für  seine  Tochter  7u  erlangen, 
nunmehr  verwirklichen  und  dass  der  ausländische  Einfluss  in  Frank- 
reich sich  so  zu  einem  bleibenden  gestalten  werde.  Da  war 
Gefahr  im  Verzuge  und  es  galt  schleunige  Abhilfe.  Es  galt  den 
Hauptfaiseurs  die  Maske  vom  Gesichte  zu  reissen  und  dasselbe 
mit  greller  Fackel  zu  beleuchten,  es  galt  ihr  verbrecherisches 
Treiben  hinter  der  immer  dünner  gewordenen  Decke  in  seiner 
ganzen  Hässlichkeit  blosszulegen.  Das  öffentliche  Gewissen  be- 
gann sich  zu  regen, ^)  die  bessere  Erkenntnis  zu  erwachen,  viele 
begannen  sich  wie  nach  einem  wüsten  Rausche  die  Augen  zu 
reiben  und  emporzuraffen.  Diese  durfte  man  nicht  erschlaffen 
lassen,   man   musste  Frankreich   vor  sich   selbst  darüber  erröten 


des  Clodius  et  des  Catilina,  mölant  au  style  inspirä  des  prophetes 
le  cat^chisme  des  halles  et  des  carrefours:  voilä  Vddiiiant  spectacle 
qui  va  se  d^rouler  ä  nos  yeux  etc." 

1)  Vergl.  L'Estoile,  Coli.  Petitot  45,  p.  408. 

^)  Besonders  'äusserte  sich  der  Widerwille  gegen  die  „Sechzehn" : 
„Un  bourgeois  poss^dant  seize  poules,  faisait  tuer  la  seizieme,  disant 
qu'il  ne  voulait  entendre  parier  de  Seize  en  sa  maison.  ün  autre 
demandait  quon  lui  baillät  des  chandelles  qui  ne  fussent  pas  de  Seize. 
On  riait  tout  haut  du  cube  carrd,  c'est  ä  dire  des  Seize  etc."  (Ch.  Le- 
nient,  La  Sat.  en  France  etc.,  2.  Teil  S.  103.) 


SUidlen  über  die  Satyr e  Menippee.  119 

acben,  dass  es  mit  ihm  so  weit  gekommen,  man  mnsste  auf 
e  Blossen  des  Feindes  ebensogut  hinweisen,  wie  auf  die  drohende 
efahr,  und  man  durfte  die  immer  lauter  und  zahlreicher  wer- 
Bnden  Stimmen  jener,  die  dem  Verderben  ein  entschiedenes 
'alt !  zuzurufen  entschlossen  waren,  in  der  allgemeinen  Ver- 
irrung   nicht  wirkungslos  verklingen  lassen. 

So   wie  einst  die  begeisterten  patriotischen  Weckrufe  eines 
Jain   Chartier  und  Eustache  Deschamps   die  öffentliche  Meinung 
nd  den  nationalen  Sinn  gegen  die  drohende  Herrschaft  der  Eng- 
ander  allarmiert  hatten,  so  thaten  sich   auch  jetzt  einige  feder- 
gewandte   Patrioten   zur  Abwehr  gegen   die   Spanier    zusammen. 
i^er  aber    in  Frankreich  lächerlich    gemacht    ist,    der    ist    auch 
icbon  gerichtet,  und  da  überdies  die  Satyre  der  geistigen  Eigenart 
dieser  Männer  am  besten  entsprach,  so  bedienten  sich  die  Patrioten 
dieser   scharfgeschliffenen  Waffe,  um  ihr  Opfer  tötlich  zu  treffen, 
nachdem  sie  es  mit  witzigen  Ruten  gestrichen  und  mit  glühendem 
Holine  gebrandmarkt  hatten.     Noch  waren  die  wirklichen  Stände 
lange  nicht  alle  zusammengetreten,  noch  bahnten  sich  viele  inmitten 
allerlei  Gefahren  den  Weg  nach  Paris,  da  hatten  diese,  wie  ihr 
Herr  nnd  Meister  Heinrich  von  Navarra,  ,,frühaufstehenden"  Männer 
in  aller  Geräuschlosigkeit  der  Liga  einen  Vorsprung  abgewonnen 
und  das  Bild  ihrer  Ständesitzungen  im  Geiste  zustande  gebracht, 
wie  sich  deren  Verlauf   abspielen  musste,    wenn    die  gehaltenen 
Reden  ohne  Schmuck  nnd  Schminke  der  wahre  Reflex  ihrer  Be- 
strebungen  und  ihrer  inneren   Gesinnung  werden    sollten.      Der 
bald  darauf   von  einem   aus   ihrer  Mitte,    dem  Kanonikus  Leroy, 
nach  den  in  ihren  geselligen  Zusammenkünften  empfangenen  An- 
regungen   hervorgegangene     erste    Entwurf    des    Werkes    wurde 
zunächst  von  seinen  Freunden  heimlich  als  Manuskript  verbreitet, 
bald  aber  gefeilt  und  erweitert,   in  bnchgerechte  Form  gebracht 
und   dem  Drucke    übergeben.     Es    sollten    durch    diese    Schrift 
allen  die  Schuppen   von   den   Augen   fallen,    es    sollten  in   der- 
selben die  demagogischen  Götzen  des  Tages  ihre  intimsten  Hinter- 
gedanken mit  unverschämter  Offenheit  bekennen  und  ihre  innere 
Verlogenheit   eingestehen;    ihre   lichtscheuen  Machinationen,    ihr 
bemakeltes  Privatleben  sollten  ein  offenes  Buch  werden,  so  offen- 
kundig, als  Sassen   sie  in  einem  gläsernen  Hause,  ihre  Gefühle 
sollten*  eine  tönende  Stimme  erhalten  und  sie  selbst  sollten  dies 
moralische  Schergenamt  an  sich  vollziehen! 

Einer  alten  Überlieferung  zufolge  hätte  die  Wiege  der 
Satyre  Menippee  in  einem  Hause  des  Quai  des  Orf^vres,  nahe 
der  Stätte  gestanden,  wo  sich  später  auch  die  Wiege  des  Ver- 
fassers des  „Lutrin"  befand.  In  diesem  Hause,  so  wird  uns  von 
ziemlich  verlässlicher  Seite  berichtet,  versammelte  der  Parlaments- 


120  /.  Fnmk 

rat  und  Kanonikus  Gillot  die  Elite  der  damaligen  Geistesaristo- 
kratie  von  Paris.  Er  war  eben  so  bekannt  durch  seinen  feinen 
Geschmack  in  kulinarischen  Genüssen,  wie  ii;  Sachen  der  Kunst 
als  Sammler  und  Schöngeist.  Bei  diesen  Syssitien  und  Symposien 
bildeten  nicht  nur  die  neuesten  litterarischen  Schöpfungen  die 
Würze  eines  leckeren  Mahles,  sondern  auch  alle  Tagesfragen 
(es  gab  damals  so  viele  brennende  Tagesfragen!)  wurden  in  den 
Kreis  einer  freimütigen  Diskussion  gezogen.  Der  Gastgeber 
Gillot^)  war  eine  mehr  epikuräisch  geniessende,  anregende  und 
anempfindende  als  schöpferische  Natur;  dennoch  sorgte  er  nicht 
bloss  für  die  Ansprüche  eines  verwöhnten  Gaumens  und  Magens, 
sondern  leistete  auch  Beiträge  zur  geistigen  Unterhaltung  in  Form 
kurzgeschürzter  Anekdoten,  beissender  Epigramme  und  schlagen- 
der Impromptus,  in  deren  Vortrag  er  brillierte.  Unter  den  anderen 
Teilnehmern  an  diesen  Zusammenkünften  interessieren  uns  zunächst 
als  Autoren  der  Menippee:  der  Sekretär  des  jüngeren  Kardinals  von 
Bourbon,  der  Kanonikus  Charles  Leroy,  dessen  Anteil  an  dem 
bedeutenden  Werke  erst  seit  kurzem  in  seiner  wahren  Grösse 
erkannt  ward,  und  der  sich  eben  so  bemühte,  unerkannt  und  un- 
bemerkt im  Schatten  der  Zurückgezogenheit  zu  bleiben,  als  sonst 
unbedeutende  Menschen  sich  lärmend  vorzudrängen  lieben.  Dieser 
durch  seine  Bescheidenheit  und  Kechtschaffenheit  gleich  aus- 
gezeichnete Mann  gilt  mit  Hecht  als  der  Vater  der  Menippee. 
In  nicht  mehr  ganz  präzis  festzustellender,  aber  gewiss  hervor- 
ragender Weise  an  diesem  Werke  beteiligt  war  ausser  Leroy 
auch  Nicolas  Rapin,  ein  Edelmann  aus  Poitiers,  der  sich  der 
Sache  Heinrich's  von  Navarra  zu  einer  Zeit  angeschlossen  und 
ihr  schwere  Opfer  gebracht  hatte, '^)  als  sie  noch  die  besiegte 
war  und  der  seinen  persönlichen  Mut  durch  seine  wackere  Hal- 
tung in  der  Schlacht  von  Ivry  bewiesen  hatte.  Widrige  Lebens- 
schicksale hatten  in  ihm  im  höheren  Alter  eine  zu  ruhiger  Milde 
hinneigende  Lebensanschauung  zur  Keife  gebracht,  die  ihm  ein 
von  jeder  stärkeren  Erschütterung  freies  und  dem  Landbau  ge- 
weihtes Dasein  als  Ideal  erscheinen  liess.  Wir  begegnen  weiter 
in  Jean  Passerat '•)  dem  würdigen  Nachfolger    des  Kamus  auf 


^)  Vergl.  „Notice  sur  Jaques  Gillot"  in  der  CoUection  de 
M^moires  relatifs  ä  rhistoire  de  France  von  Petitot,  t.  49,  p.  ^41. 

*)  Vergl.  L'Estoile's  Tagebuch,  Coli.  Petitot  45,  p.  368. 

^)  Über  Passerat  vergleiche  man:  M^moires  sur  le  College  royal 
de  France,  par  Vabb^  Goujet,  seconde  pswrtie,  p.  130;  Mdmoires  sur 
les  Troyens  cälebres,  in  den  (Euvres  infedites  von  Grosley,  t.  11, 
p.  295;  Vie  de  Passerat  in  den  fiph^märides  von  Grosley,  t.  I,  p.  231 
und  Sainte-Beuve,  Tabl.  de  la  poös.  franc.  au  166"»«  siecle,  1828, 
in  8",  p.  148.  —  Thuanus  (Eist.,  l.  127,  §  17,  p.  128  der  Lond.  Ausg.) 
nennt  ihn  einen  „homo  emunctae  naris  et  cui  aliena  vix  placerent". 


Studien  über  die  Saiyre  Menippe'e.  121 

der  philosophischen  Lehrkanzel  des  College  de  France,  dessen 
erfolgreiche  Lehrthätigkeit  durch  die  Unordnungen  der  Liga 
unterbrochen  ward,  einem  ebenso  bedeutenden  und  gelehrten 
Dichter,  als  humorvollen  Zecher;  ihn  hatte  ebenso  der  frische 
Hauch  der  altklassischen  Dichtung  überkommen,  als  er,  ein 
Schüler  Marot's  und  würdiger  Vorläufer  Lafontaine's,  von  nationaler 
Eigenart  erfüllt  war.  Ein  weiteres  Mitglied  dieser  Tafelrunde 
war  der  Lehrer  Heinrich's  IV.,  Florent  Chrestien;^)  nie  hatte 
er  seine  Feder  um  schnöden  Sold  verkauft,  er  war  loyal,  wenn 
auch  schneidig  und  hatte  sich  in  einer  litterarischen  Fehde  gegen 
Ronsard  und  Pibrac  trotz  aller  Heftigkeit  des  Kampfes  die  Achtung 
beider  zu  erhalten  verstanden.  Er  galt  als  besonders  gründlicher 
Kenner  des  Plautus.  J.  Passerat  und  Flor.  Chrestin  unterhielten 
ebenso  innige  Beziehungen  zu  der  hohen  Bourgeoisie,  als  zu  den 
ersten  Kronräten. 

Unter  den  Edlen  und  Gelehrten  im  Kreise  bei  Gillot  der 
besten  einer  und  ein  Hauptmitarbeiter  an  der  M6nipp^e  war 
auch  Pierre  Pithou.^)  Er  war  dem  Gemetzel  in  der  Bartho- 
lomäusnacht nur  dadurch  entgangen,^)  dass  er  sich  durch  eine 
Bodenluke  im  Hemde  über  die  Dächer  flüchtete.  Sein  uner- 
schrockener  Patriotismus  war  allgemein  anerkannt  und  er  genoss 
uneingeschränkte  Achtung ;  er  war  einer  der  gelehrtesten  Juristen, 
der  ausgezeichnetste  Publizist  seiner  Zeit,  der  für  die  Freiheit 
der  gallikanischen  Kirche  mit  dem  ganzen  Gewichte  Beines 
reichen  Wissens  erfolgreich  eingetreten  war,  und  war  von  so  gründ- 
licher Kenntnis  in  allen  Fragen,  die  das  öffentliche  Recht  be- 
trafen, dass  die  Minister  nie  etwas  beschlossen,  ohne  vorher 
seine  Meinung  eingeholt  zu  haben.  ^) 

Der  Grundzug  im  Charakter  aller  dieser  Männer  war  ein 
starkentwickelter  Zug  royalistischen,    konservativen^)  und 


^)  Vergl.  Palma -Cayet,  Chronologie  nov^nnaire,  Coli.  Petitot, 
t.  39,  p.  248. 

^)  Vergl.  über  ihn  de  Thou,  1.  97,  §  9  und  die  Vie  de  Pierre 
Pithou  in  den  fiph^mörides  von  Grosley. 

')  Er  war  damals  noch  ein  Hugenott,  war  aber  später  im  J.  1573 
aus  Überzeugung  zum  Katholicismus  zurückgekehrt.  Es  mochten  ihn 
auch  die  demokratischen  Tendenzen  des  Kalvinismus  von  dieser  Lehre 
abgestossen  haben. 

*)  Manche  zählen  zu  diesen  Tischgenossen  auch  Gilles  Durand, 
nach  Poirson  ohne  jeden  berechtigenden  Grund,  gerade  so  wie  seine 
„Regrets  ä  ma  commere  sur  le  tr^pas  de  son  asne'*,  die  der  Liga  den 
Grabgesang  anstimmten,  als  sie  unter  den  Peitschenhieben  der  Mänippäe 
zusammenbrach,  nicht  in  eine  Ausgabe  der  Satyre  Mänipp^e  hinein- 
gehören. 

*)  Agnoste,  der  angebliche  Verfasser  der  Mänippäe  (wahrschein- 
lich ist  darunter   der  Kanonikus  Leroy  zu  verstehen,   worauf  auch  die 


122  /.  Frank 

nationalen  Sinnes.  Sie  waren  Franzosen  von  echtem  Schrot 
und  Korn;  eine  genaue  Kenntnis  der  Geschichte  und  eine  reiche 
Lebenserfahrung  hatten  in  ihnen  ein  feines  Gefühl  fttr  das  mög- 
liche und  opportune  gezeitigt,  und  eine  ebenso  starke  Abneigung 
gegen  das  exzessive  und  exzentrische.  Sie  konnten  es  nicht 
verwinden,  dass  Ausländer  in  Frankreichs  häuslichen  Angelegen- 
heiten mitentscheiden  sollten,  und  aus  diesem  Grunde,  nicht 
etwa  aus  Mangel  an  persönlichem  Mute  und  Überzeugungstttchtig- 
keit,  oder  aus  Lauheit  fOr  die  höchsten  Güter  der  Menschheit^ 
konnten  sie  nur  „Politiker"  sein.^)  Die  tobenden,  Frankreich  im 
Innersten  aufwühlenden  Kriege  waren  ihnen  ein  Gegenstand  des 
Abscheues,  und  so  gut  katholisch  sie  waren,*)  (wenn  auch  galli- 
kanischer  Richtung),  erkannten  sie  doch,  dass  die  rohe  Gewalt 
das  allerletzte  Mittel  sei,  jemanden  in  Glaubenssachen  zu  über- 
zeugen, oder  eines  besseren  zu  belehren.  Sie  begriffen,  dass  die 
Hugenotten  bereits  zu  sehr  erstarkt  und  zu  zahlreich  waren,  als 
dass  man  sie  jetzt  noch,  wie  die  Fanatiker  wollten,  mit  Stumpf 
und  Stiel  ausrotten  könnte;  sie  waren  davon  durchdrungen,  die 
einfachste  Staatsraison  erheische  gebieterisch,  dass  man  sich  mit 
dieser  einmal  nicht  mehr  zu  ändernden  Notwendigkeit,  mochte 
man  sie  noch  so  sehr  als  Übel  empfinden,  nach  Möglichkeit  ab- 
finde. Sie  erkannten,  man  müsse  sich  damit  begnügen,  die  ka- 
tholische Lehre  in  Frankreich  zur  vorwiegenden  zu  machen, 
nachdem   man  es  versäumt  habe,    sie    rechtzeitig   als  alleinherr- 


Worte:  „parce  qu*il  est  toujours  habill^  d*une  faQOn"  hin- 
deuten!) lässt  sich  im  deux.  advis  von  seinem  Freunde  Ypragmon  als 
aus  der  Familie  der  „Misoquänes"  (Feinde  von  Neuerungen)  stam- 
mend hinstellen. 

*)  Ch.  Lenient  charakterisiert  in  seinem  Werke:  La  Satyre  en 
France  ou  la  litt^rature  militante  au  16.  siecle  (Teil  IL,  S.  115)  die 
„Politiker"  folgendermassen :  „Le  Politique  est  un  hemme  sens^,  positif, 
qui  aime  ses  aises,  et  qui  trouve  que  le  premier  bien  en  ce  monde  est 
d'^tre  maltre  chez  soi,  Fran9ais  en  France,  Parisien  k  Paris,  sans  avoir 
besoin  d'^tre  protägä  par  des  soldats  du  roi  d'Espagne,  admonestä  par 
le  L^gat  et  confess^  par  les  Jäsuites". 

*)  „Du  reste,  ce  que  Ton  connait  des  sentiments  religieux  de  la 
plupart  des  auteurs  de  la  Mänipp^e,  ne  permet  pas  de  les  accuser 
d'impi^tä.  Le  Roy  dtait  un  eccläsiastique  consciencieuz; 
Pierre  Pithou  se  fit  catholique  par  conviction,. sans  que  per- 
sonne ait  jamais  suspectä  la  sinc^ritd  de  sa  conversion;  et  un  abbä 
a  dit  de  Passerat:  „Quant  ä  sa  religion,  il  est  sür  qu'il  a  tou- 
jours dt^  sinc^rement  ennemi  des  nouvelles  opinions  et 
träs  attachä  k  la  foi  de  l'Eglise  catholique.  II  aimoit  son 
Roi  et  sa  Patrie;  il  ätoit  bon  Fran9ois,  et  il  s'est  toujours  d^clarä 
contre  la  Ligue  et  ses  partisans".  (Marcilly  in  der  Introduction  seiner 
Mänipp^e-Ausgabe,  S.  XXXVII.)  ■—  Dieser  „abbä"  ist  übrigens  der  Abb^ 
Goujet. 


Studien  über  die  Satyre  Menippee.  123 

sehenden  zu  erhalten,  dass  die  Existenzbedingungen  des  Staates 
zu  allererst  ermöglicht  werden  müssten,  und  dass  blindes  Stürmen 
nichts  Erspriessliches  erziele.  Ihr  religiöses  Gefühl  hielt  sie  von 
dieser  Erkenntnis  um  so  weniger  zurück,  als  sie  gefunden  hatten, 
dass  die  Führer  und  Machthaber  der  ligistischen  Bewegung  sich 
des  Glaubenseifers  des  Volkes  meist  nur  für  ihre  eigensüchtigen 
Zwecke  bedienten,  wie  auch,  dass  die  irregeleitete  Menge  langsam 
einzusehen  beginne,  sie  sei  ein  missachtetes  und  missbrauchtes 
Werkzeug  frevelhaften  Ehrgeizes,  der  Frankreich  zum  Tummel- 
platze seiner  verderblichen  Bestrebungen  gemacht  habe.  Die  bald 
nach  der  Eröffnung  der  Ständeversammlungen  vorbereiteten  Kon- 
ferenzen von  Suresnes  und  zahlreiche  andere  vorhergegangene 
Anzeichen  bewiesen,  dass  in  breiten  Volksschichten  eine  rück- 
läufige Bewegung  vorherrsche,^)  dass  die  Politik  des  gesunden  Ver- 
standes erstarke  und  bei  einiger  Nachhilfe  zum  Durchbruche  ge- 
langen müsse.  Dazu  kam,  dass  der  letzte  Schein  von  Berech- 
tigung für  die  Auflehnung  der  Liga  gegen  die  königliche  Gewalt 
verschwand  und  ihr  der  Boden  unter  den  Füssen  weggezogen 
wurde,  als  Heinrich  IV.  im  Juni  des  J.  1593  das  Hugenottentum 
abschwor  und  in  der  Kollegiatkirche  zu  Saint-Denis  in  den  Schooss 
der  katholischen  Kirche  zurückkehrte.  Eine  kräftig  wirkungs- 
volle literarische  Manifestation,  jedem  verständlich  und  von 
starker  Schlagfertigkeit,  musste  dieses  hohe  Ziel  erreichen.  Der 
Stoff  hierzu  lag  nur.  allzureichlich  am  Wege  und  brauchte  nur 
aufgelesen  zu  werden.  Die  Personen  am  Euder  und  die  durch 
sie  geschaffene  Lage  gehörten  zu  jenen,  über  die  es  schwer 
sein  soll,  keine  Satire  zu  schreiben.  Die  Gäste  bei  Gillot  hatten 
ausser  den  angeführten  Gründen  auch  noch  einen  persönlichen, 
über  die  jetzige  Lage  erbittert  zu  sein:  abgesehen  davon,  dass 
die  meisten  derselben  durch  die  ligistischen  Wirren  aus  ange- 
sehenen Lebensstellungen  hatten  scheiden  müssen,  war  ihnen  durch 
die  fortwährende  Unruhe  und  Unsicherheit  der  Zustände  jene  Müsse 
und  Behaglichkeit  geraubt  worden,  die  die  erste  Bedingung  jedes 
ungetrübten  Lebensgenusses  ist.  Als  Freunde  eines  guten 
Glases  Wein,^)  einer  exquisiten  Schüssel  und  eines  pikanten 
Bonmots,  konnten  sie  es  nicht  verschmerzen,  dass  ihre  Zusammen- 
künfte, infolge  einer  zeitweiligen  Einkerkerung  Gillofs  durch 
Bussy  le  Giere,  eine  Zeitlang  gesprengt  waren,  und  dass  auch 
nach  ihrer  Erneuerung,   trotz  der   redlichsten  Bemühungen    ihres 


*)  Vergl.  hierüber  den  Anfang  des  „Ebranslement  et  Estats  de 
Paris"  überschriebenen  20.  Kap.  im  t.  III  der  Eist.  imiv.  d'Aubignd's. 

*)  Ypragmon  sagt  von  Agnoste  (im  „Deux.  advis"):  „qui  aime 
mieux  le  concüe  de  vin  (Wortspiel  mit  vingt)  qiie  de  Trente", 


124  J.  Frank 

wieder  freigelassenen  Wirtes  infolge  der  Belagerung  von  Paris 
der  Schmalhans  Küchenmeister  blieb.  Weit  entfernt,  darüber 
stumm  zu  trauern,  hielten  sie  sich  dafür  an  jenen  schadlos,  die 
diese  Situation  geschaffen  hatten,  und  entluden  ihren  Verdruss 
gegen  die  Urheber  ihres  verschlechterten  Tisches  in  zahlreichen 
Geschossen,  deren  Spitzen  ihre  gallige  Laune  stark  vergiftet 
hatte.  Der  Unwille  machte  eben  den  Vers.  Das  so  reichlich 
aufgespeicherte  Gut  war  aber  noch  roh  und  formlos,  es  musste 
geordnet  und  hierfür  ein  passender  Rahmen  gefunden  werden. 
Dieser  Aufgabe  unterzog  sich  nun  P.  Leroy,  und  kleidete  die  un- 
geschlachten Kinder  ihrer  schelmischen  Laune  in  ein  Gewand, 
in  dem  sie  sich  aehen  lassen  und  in  die  Welt  hinauswandem 
konnten.  Der  Plan  war  zur  That  geworden,  und  der  Erfolg  blieb 
nicht  aus.  Dies  ermutigte  Leroy's  Genossen  zu  erneuter  Thätig- 
keit.  Ohne  den  Grundplan  des  Werkes  zu  ändern,  bereicherten 
sie  in  den  wiederholt  schnell  hintereinander  nötig  gewordenen 
Neuauflagen  dessen  Inhalt,  die  neuesten  Fehler  und  Lächerlich- 
keiten der  Ligistenführer  wurden  eingeflochten  und  satirisch  ver- 
wertet, um  dem  Werke  den  erhöhten  Reiz  grösserer  Aktualität 
zu  verleihen,  das  früher  nur  skizzenhaft  angedeutete  wurde  mit 
behaglicher  Breite  ausgeführt,  die  Witze,  die  sich  früher  kaum 
hervorgewagt  hatten,  wurden  immer  kecker,  der  schüchterne  Ver- 
such wurde  zu  einer  geharnischten  Publikation.  Die  immer  sieg- 
reicher werdende  Sache  Heinrich' s  IV.  hob  auch  die  Dreistigkeit 
seiner  litterarischen  Kämpen,  und  alle  Gutgesinnten  freuten  sich, 
das  in  den  stärksten  Ausdrücken  gedruckt  zu  lesen,  was  man 
sich  längst  furchtsam  verstohlen  in  die  Ohren  geflüstert  hatte. 
Während  man  sich  früher  Leroy's  Entwurf  nur  ängstlich  und 
heimlich,  wie  eine  verbotene  Frucht  zugesteckt  hatte,  war  jetzt 
das  Werk  mit  fieberhafter  Hast  mehrmals  nach  einander  auf- 
gelegt und  von  einem  begierigen  Leserkreise  förmlich  verschlungen 
worden.  So  waren  die  Witzesfunken  der  Gillot'schen  Garde  zu 
einer  Lichtgarbe  gesammelt,  die  den  Ständen  wie  eine  blutrote 
Feuersäule  voranleuchten  sollte. 

Schon  das  Vorwort  (oder  richtiger  das  Nachwort,  denn  der 
sogenannte  „deuxieme  advis"  kam  erst  nach  Vollendung  des  Werkes 
in  einer  späteren  Ausgabe  hinzu)  des  Buchdruckers  enthält 
manches  treffende  Witzwort  mit  sehr  bitterem  Beigeschmäcke. 
So  wird  dem  Buchdrucker,  der  angeblich  auf  der  Suche  nach 
dem  Verfasser  begriffen  ist,  mitgeteilt,  der  Autor  sei  der  Herr 
Unbekannt  aus  dem  Lande  der  Wahrheit  und  der  Stadt  der  Freiheit 
und  wohne  in  der  „Rue  du  Bontemps",  in  dem  Hause  mit  dem 
Wahrzeichen  des  „Riebe  Laboureur".  Der  Buchdrucker  aber, 
so  heisst  es  weiter,  finde  weder  die  Strasse  „Bontemps"  noch  den 


Studiert  über  die  Satyr e  Menippe'e.  125 

„Riche  Laboureur^^;  nach  dem  warum?  möge  man  die  Liga  fragen. 
Nach  einer  weitläufigen  Erklärung  des  Titels  „Satyre  M6nipp6e" 
folgen  einige  das  Werk  einleitende  Stücke,  die  uns,  als  ge- 
lungene Exposition,  die  Personen  und  Zustände  näher  rücken. 
Um  uns  einen  Vorgeschmack  der  öffentlichen  Gedankenfreiheit 
zu  geben,  wird  erzählt,  wie  ein  ärmer  Eseltreiber,  der  seinem 
vor  sich  hergetriebenen  Grauchen  zurief:  „Vorwärts  Dick- 
h  a  n  s ,  es  geht  zu  den  Ständen !  ^  für  diese  Anspielung 
auf  den  Herzog  von  Mayenne  von  den  „Sechzehn"  arg  miss- 
handelt worden  sei.  Eine  weitere  für  den  Inhalt  der  ganzen 
Satyre  hoch  bedeutsame  Szene  ist  das  sich  nun  abwickelnde  Vor- 
spiel: Zwei  Charlatane  bieten ,  während  im  Innern  des  Louvre 
die  Vorbereitungen  für  die  Sitzungen  getroffen  werden,  zur 
Kurzweil  der  wartenden  Zuschauer  im  Vorhofe  im  üblichen 
Marktschreiertone  und  unter  der  möglichsten  Anpreisung  ihre 
Heilmittel  an.  Der  eine  von  beiden  ist  ein  Spanier,  der  andere 
ein  Lothringer.  Der  erstere  ist  ein  lustiger  Geselle  mit  allem 
Flitterkram  und  Blendwerk  seines  Metiers  reichlich  ausgestattet 
und  wird  wegen  seiner  ergötzlichen  Schnurren  auch  M^^  de 
Plaisance  genannt.  Er  hat  die  Erfahrung  gewonnen,  dass  das  alte 
römische  Oatholicon  seine  Wirksamkeit  zu  versagen  anfängt  und 
nichts  mehr  vermag,  als  etwa  noch  die  wunden  Seelen  zu  heilen 
und  die  gebeugten  aufzurichten,  dass  es  höchstens  das  Heil  im 
Jenseits  verbürgen  könne;  da  ihn  nun  eine  so  lange  Wartezeit 
verdriesst,  ist  er  auf  ein  Mittel  geraten,  das  alte  römische 
Oatholicon  durch  allerlei  unlautere  Manipulationen 
zu  fälschen  und  daraus  ein  neues  souveraines  üniversalmittel, 
das  Oatholicon  d'Espagne,  herzustellen,  das  die  hellsten 
Wunder  zu  vollbringen  vermag,  über  jedes  sittliche  Bedenken 
leicht  hinweghilft  und  das  Wort  „Unrecht"  ganz  aus  dieser  Welt 
zu  bannen  berufen  erscheint.  Der  zweite  Oharlatan,  ein  armer 
Wicht  in  schäbiger  Kleidung,*)  möchte  auch  eine  neue  Art  von 
Oatholicon  an  den  Mann  bringen,  findet  aber  keinen  Abnehmer, 
weil  es  zu  verblassen  und  zu  verwittern  beginnt  und  weil  ihm  die 
wesentlichste  Ingredienzie  fehlt,  nämlich  das  Gold.  —  Man  mtiss 
die  Deutung  dieser  Szene  richtig  verstehen,  wenn  man  die 
Tendenz  der  ganzen  Menipp6e  richtig  beurteilen  will:  Alle  ihre, 
oft  sehr  heftigen  Ausfälle  richten  sich  nämlich  nur  gegen  diesen 
neumodischen,  von   den  Spaniern   erfundenen  und  im- 


^)  Die  schäbige  Kleidung  des  lothringischen  Charlatans  zielt  auf 
den  Umstand,  dass  die  Aussichten  und  die  Mittel  Mayenne*s  und  seiner 
lothringischen  Vettern  sich  immer  mehr  verringerten,  während  die 
Chancen  Philipp's  IL  immer  höher  stiegen. 


126  /.  Frank 

• 

portierten  EatholicismnS;  dem  Catholicon  d'Espagne,  der  sich, 
im  schroffen  Gegensatze  zu  dem  alten  wahren,  von  den 
ewigen  hehren  Zielen  abwendet,  und  die  Religion  zur  Magd  rein 
weitlicher  Zwecke  herabwürdigen  möchte;  alle  ihre  Angriffe 
richten  sich  nur  gegen  jene,  die  sich  unter  dem  Vorwande,  es 
gelte  die  Rettung  der  gefährdeten  Religion,  alles  gestatten,  die 
sich  unter  diesem  Deckmantel  über  alles  Herkommen  und  alle  gute 
Sitte  hinwegsetzen,  die  die  Scheinheiligkeit  für  Frömmigkeit  aus- 
geben möchten  und  die,  wenn  man  ihnen  an  den  Leib  rückt, 
sich  in  das  Gehäuse  der  Religion  zurückziehen  und  sich  mit 
derselben  identifizieren. 

An  diese  Szene  schliesst  sich  die  Schilderung  jenes  grotesken 
Aufzuges  der  Liga  in  Waffen,  die  den  Segen  Gottes  auf  die 
Ständesitzungen  ei*flehen  soll  und  die,  im  Vereine  mit  der  folgen- 
den Sitzordnung,  die  Hauptpersonen  ebenso  plastisch  hervortreten 
lässt,  als  die  vorhergehende,  das  Catholicon  d'Espagne  charak- 
terisierende Beschreibung  das  Leitmotiv  der  ganzen  Satire 
kräftig  betont.  Die  kriegführende  Kirche  erscheint  hier  im 
wörtlichsten  Sinne  als  solche,  und  der  innere  Widerspruch 
zwischen  der  gebotenen  friedlichen  Mission  und  der  thatsäch- 
lichen  zum  erbitterten  Kampfe  anfeuernden  Haltung  des  ligistischen 
Klerus  erhält  hier  den  schärfsten  und  handgreiflichsten  Ausdruck. 
Man  kann  sich  nicht  leicht  etwas  Bizarreres  denken,  als  diesen  wie 
Strohfeuer  aufflackernden  zugleich  kriegerischen  und  priesterlichen 
Ungestüm,  die  innige  Nebengesellung  des  Scapnliers  und  des  Ring- 
kragens, der  Breviers  und  der  Hellebarde,  der  Soutane  in  allen 
Farben  und  des  Harnisches,  und  die  ungeschickte  Handhabung 
der  ungewohnten  Waffen,  das  verkehrte  Kommando  lässt  das 
widerspruchsvolle  nur  noch  drastischer  hervortreten.  Wir  sehen 
hier  aber  auch  vorbeidefilieren:  die  neuen  Machthaber  mit  der 
nur  erborgten  Distinktion  des  Parvenüs  und  der  prunkenden  Gebärde 
des  falschen  Anstandes,  die  Ritter  der  Liga  von  der  trau- 
rigen Gestalt  mit  der  fadenscheinigen  Noblesse,  den  Generalstab 
von  roten  Bischofsmützen  und  goldbrokatnen  Gewändern  mit  den 
tiefen  Bücklingen  nach  oben  und  den  hochmütigen  Blicken  nach 
unten,  die  Pedanten  mit  ihrem  linkischen,  überall  anstossenden 
Wesen  und  ihren  kleinlichen  Rangstreitigkeiten,  die  Patrones^en 
der  Liga  mit  ihren  unsauberen  Liaisons  und  ihrer  laxen  Moral, 
mit  ihren  buhlerischen  Manieren  und  ihrer  intriguierenden  Schürzen- 
herrschaft. Hierauf  werden  wir  auf  den  engeren  Schauplatz  der 
Handlung  in  den  Sitzungssaal  eingeführt  und  derselbe  wird  mit 
seinen  Teppichen  und  Malereien  beschrieben.  Wie  an  einem 
langen  Friese  ziehen  da  die  Thaten  alter  und  neuer  politischer 
Verschwörer  und  Empörer  und  die  Geschichte  der  Liga  an  unseren 


Studien  über  die  Satyr e  Menippee.  127 

Augen  in  mehr  oder  minder  allegorischen  Bildern  vorüber;  ein 
jedes  Gemälde,  jede  Zeichnung,  ja  jede  Unterschrift  bat  tiefe 
und  reiche  Bedeutung  und  Beziehung,  und  wenn  je,  so  findet  hier 
das  biblische  Wort  Anwendung:  Der  Stein  in  der  Wand  schreit 
es  laut  hinaus  und  das  hölzerne  Getäfel  verkündet  es!  Alles 
variiert  nur  das  Thema  von  den  Volksaufrührem  und  ihrer  bis 
zum  Königsmorde  sich  steigernden  Frechheit,  von  ihrer  kriege- 
rischen Unzulänglichkeit  und  jämmerlichen  Katlosigkeit,  wenn  es 
gilt,  einem  durch  sein  gutes  Recht  starken  Helden  entgegen- 
zutreten, von  der  unbändigen  Anarchie  und  ihren  Schrecken. 
Nachdem  so  die  rechte  Stimmung  vorbereitet  ist,  beginnt,  um 
die  Vorstellung  der  handelnden  Personen  zu  vervollständigen, 
der  Aufmarsch,  die  klägliche  Parade  der  sich  zu  ihren  Bitzen 
begebenden  Deputierten,  ein  förmliches  Spiessrutenlaufen ;  der 
Herold  Oourte-Joye  weist  den  Teilnehmern  unter  namentlichem 
Aufrufe  den  Platz  an,  wobei  er  jedem  etwas  anhängt,  woran  er 
sein  Lebenlang  schwer  zu  tragen  hat  und  wodurch  er  mit 
wenigen  biographischen  Strichen  gekennzeichnet  ist.  Nun  be- 
ginnen die  Reden  der  Deputierten  und  damit  der  eigentliche  Teil 
des  Werkes. 

Als  wären  die  Redner  von  einem  Kobold  mit  einem  ma- 
gischen Stabe  berührt  worden,  als  sässen  sie  in  einem  Zauber- 
palaste,  müssen  sie,  wie  unter  einem  unsichtbaren  Zwange,  über 
sich  selbst  und  ihre  Freunde  ihre  geheimsten  Gefühle  und  Ge- 
danken in  alle  Welt  hinausposaunen.  So  wie  der  biblische 
Bileam,  zum  Fluchen  bestellt,  unter  dem  Einflüsse  einer  höheren 
Macht  segnen  muss,  so  müssen  umgekehrt  diese  Redner,  die  das 
Lob  der  Liga  singen  sollen,  wie  durch  einen  bösen  Zauberspuk, 
von  ihr  die  bedenklichsten  Dinge  sagen,  und  die  Ehrendenkmäler, 
die  sie  einander  errichten  wollen,  verwandeln  sich  unter  der 
Hand  in  Schandsäulen.  Jeder  von  ihnen,  sagt  d'Aubray,  wird 
nach  der  Reihe  da  gekratzt,  wo  es  ihn  nicht  juckt!  Der  erste 
Redner,  der  den  Reigen  der  moralischen  Selbstzerfleischung  er- 
öffnet, ist  der  Herzog  von  Mayenne,  der  Generalstatthalter 
des  Reiches  und  der  Krone  von  Frankreich,  der  unter  dem 
Scheine  der  Sorg-  und  Harmlosigkeit  eine  tiefe  Verschlagenheit 
verbirgt,  dem  es  nur  an  dem  Mute,  nicht  am  guten  Willen  ge- 
bricht, das  höchste  zu  erlangen,  der  aber,  wenn  er  dies  nicht 
erreichen  kann,  krämerhaft  genug  denkt,  sich  seine  Ansprüche 
feilschend  für  Geld  abkaufen  zu  lassen,  um  seinen  grobsinnlichen 
Genüssen  fröhnen  zu  können.  Als  gelte  es  eine  herrliche  Tugend 
ins  schönste  Licht  zu  rücken,  betheuert  er  mit  komischem  Ernst 
unter  den  heiligsten  Eidschwüren,  der  niedrigste  Egoismus,  die 
gemeinste    Genuss-    und    Habsucht    sei    die    einzige    Triebfeder 


128  J,  Frank 

seines-  ganzen  Lebens ,  sein  einziger  Leitstern  gewesen;  die 
Sorge  um  die  Erhaltung  der  Religion  habe  er  dem  lieben  Gott 
überlassen,  der  sich  selbst  ohne  ihn  werde  verteidigen  können; 
nie  habe  er  aber  auf  sich  vergessen.  Er  prahlt  mit  seinem  mehr 
als  dubiosem  Heroismus:  wie  er  sich  in  den  Schlachten  einen 
schönen  Rückzug  stets  zum  Gegenstand  angelegentlichster  Für- 
sorge gemacht  habe,  und  wie  er,  vom  Waffenglücke  im  Stiche 
gelassen,  in  der  Aufwiegelung  der  Menge  und  der  schmiegsamsten 
und  demütigsten  Anlehnung  an  Spanien  sein  Heil  gesucht  und 
gefunden  habe,  wie  er  die  öffentliche  Meinung  gefälscht  und 
künstliche  Siegestrophäen  habe  anfertigen  lassen,  und  wie  er 
alle,  unter  der  Vorspiegelung,  ihnen  die  Krone  zu  verschaffen, 
am  Gängelbande  geleitet  und  ihnen  schweres  Geld  heraus  gelockt 
habe.  Er  habe  es  in  seiner  Schaukelpolitik  mit  niemandem  ehr- 
lich gemeint,  als  mit  sich  selbst,  und  sei  stets  der  Ansicht  ge- 
wesen, die  Moral  sei  eben  gut  genug  für  den  grossen  Haufen, 
Leute  seines  Ranges  aber  seien  über  dieselbe  hoch  erhaben. 
Unter  seiner  fürsorglichen  Obhut  sei  dieses  Königreich ,  vordem 
ein  reizender  Lustgarten,  ein  grosser  Kirchhof,  voll  schöner  be- 
malter Kreuze  und  Galgen,  geworden.  Er  habe  viele  verborgen 
und  unbenutzt  gelegene  Schätze  zu  heben  gewusst,  und  wenn 
er  mit  der  von  diesem  Gelde  zustande  gebrachten  Armee  vor 
Heinrich  HL  und  Heinrich  von  Navarra  zurückgewichen  sei,  so 
sei  dies  nur  geschehen,  um  wegen  der  Berührung  mit  den  Ketzern 
nicht  exkommuniziert  zu  werden.  Er  werde  den  jetzigen  Zustand 
des  Hangens  und  Bangens  möglichst  lange  zu  erhalten  suchen, 
denn  dieser  sei  ebenso  die  erste  Bedingung  seiner  jetzigen  Stellung, 
wie  sein  rechtes  Element  der  Bürgerkrieg;  daher  mache  ihm 
schon  das  Wort  „Friede"  eine  Gänsehaut.  Diese  Ständekomödie 
habe  er  nur  inszeniert,  weil  er  nicht  mehr  anders  gekonnt,  und 
wie  er  immer  nur  auf  den  Schein  hingearbeitet  habe,  so  habe  er 
auch  diesmal  den  Leichtgläubigen  durch  seine  Handlungen  Sand 
in  die  Augen  streuen  wollen.  Übrigens  mögen  sich  seine  Freunde 
nicht  um  sein  mit  Unrecht  als  sittenlos  verschrieenes  Privatleben 
kümmern,  sondern  lieber  dem  unverschämten  Bearner  auf  die 
Finger  sehen. 

Die  ganze  Rede  Mayenne's  ist  voll  trivialer  Redensarten, 
allen  Hochsinnes  und  Seelenadels  bar,  seine  pöbelhafte  Ge- 
sinnung, sein  ganzer  Cynismus  sollen,  jedes  falschen  Scheines 
entkleidet,  voll  hervortreten;  bei  allem  äusseren  Apiomb  des 
Theaterkönigs  denkt  und  fühlt  er  würdelos  „wie  ein  Seifensieder", 
und  die  ihm  etwa  früher  gezollte  Bewunderung  mnss  nach 
dieser  Rede  in  der  Seele  des  Lesers  in  tiefe  Verachtung 
dieses    der    Völlerei    ergebenen    philiströsen    Dickwanstes    um- 


Studien  über  die  Saiyre  Me'nippe'e.  129 

ßchlageo.^)  Nachdem  dieser  Vertreter  des  gewissen-  und  ge- 
sinnungslosen Abenteurertums  in  der  Liga  geendet,  sprechen  die 
geistlichen  Vertreter  Worte,  in  denen  sich  die  nackte  Selbst- 
sucht tiberall  auf  die  Füsse  tritt,  wobei  der  folgende  Redner, 
aus  Genugthuung  darüber,  die  lange  Rede  seines  Vorredners 
tiberstanden  zu  haben,  eine  noch  längere  hält. 

Diese  Wortführer  sind  der  päpstliche  Legat,  der 
Kardinal  de  Pellev^  und  der  Erzbischof  von  Lyon. 
Auch  sie  verkünden  mit  aller  nur  wünschenswerten  Offenheit  und 
sich  stolz  in  die  Brust  werfend,  wie  sie,  den  wahren  ver- 
söhnenden und  ausgleichenden  Beruf  der  Kirche  missbrauchend, 
stets  den  Krieg  im  Munde  geführt  haben,  wie  sie,  um  die  unver- 
äusserlichen Güter  gemarktet  und  gefeilscht,  und  anstatt  durch  die 
Bekehrung  des  Bearner*s  einen  glücklichen  Abschluss  der  Wirren 
in  Frankreich  anzustreben,  ihre  von  Eitelkeit  und  Hochmut  ein- 
gegebenen Sonderzwecke  verfolgt  haben.  „Ihr  sollt  nicht  wohnen, 
dass  ich  gekommen  sei,  Frieden  zu  senden  auf  Erden.  Ich  bin 
nicht  gekommen,  Frieden  zu  senden,  sondeni  das  Schwert!" 
(Evangel.  Matthäi  10,  34),  ruft  der  Legat.  Wenn  Frankreich  auf 
den  schnöden  Undank  der  Kurie  hinweise,  die  so  herrliche 
Wohlthaten  mit  der  Anfachung  des  Bürgerkrieges  vergelte,  so 
solle  man  teils  schon  längst  verschollene  Historien  nicht  aufwärmen, 
teils  müssten  sich  die  Franzosen  durch  die  ihnen  im  Laufe  der 
Jahre  wiederholt  erteilten  Dispense  reichlich  bezahlt  sehen.  Die 
Wunderkraft  der  Liga  habe  sich  trefflich  bewährt,  indem  sie  den 
Bodensatz  des  Volkes  emporgeschnellt  und  aus  abgefeimten,  ge- 
brandmarkten Personen  heldenmütige  Vorkämpfer  und  Führer  ge- 
macht habe,  und  dieser  Umstand  sei  ein  höherer  Fingerzeig,  in 
dem  bisherigen  wilden  Treiben  zu  verharren.  Über  die  durch- 
gemachten Leiden  sollten  sie  sich  nicht  grämen,  sie  hätten  so 
das  Fegefeuer  schon  auf  Erden  gehabt  und  brauchten  es  nicht 
mehr  im  Jenseits  zu  fürchten.  Als  treuer  Schüler  des  Hippokrates 
(er  sagt  Hypokrit),  ruft  der  Kardinal  von  Pellev6,  habe  er,  um 
den  Krankheitsstoff  zu  bannen,  allenthalben  in  Frankreich  Feuer- 
brände anzünden  lassen,  die  beinahe  das  ganze  Land  verzehrt 
hätten.  —  Was  für  die  weltlichen  Grossen  die  Aussicht  auf  die 
Krone,  das  ist  für  die  geistlichen  Redner  die  Hoffnung  auf  den 
Kardinalshut  und  nur  von  dieser,  nicht  von  Recht  und  Billigkeit, 

*)  So  ißt  Mayenne  in  der  M^nippäe  charakterisiert,  ähnlich  ur- 
teilen über  ihn,  wie  man  sehen  kann,  die  „Sechzehn"  (bei  L'E^toile); 
dem  halte  man  die  viel  milderen  Urteile  d'Aubign^'s  und  de  Thou's 
gegenüber.  Auch  der  von  ligistischer  Seite  hervorgegangene  ßialoffue 
du  Mahetistre  et  du  Manant  ist  auf  Mayenne  sehr  schlecht  zu 
sprechen. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VI^  q 


-i.1-.:^    T'    > 


fuu:     I.    uf   — Et 


i:-üMt    — 


Studien  über  die  Saiyre  Menippee.  131 

^n  Hörsälen  das  idyllische  Bild  der  daselbst 
''^n  Mutterschweine    und  Milchkälber  ge- 
ist  es   seiner  akademischen  Stellung 
7ukehren,  und  begibt  sich  mit  dem 
olastischen  Philosophie   und  mit 
'^  schmale  Gedankenseil  haar- 
n.     Er  wird  dabei  aber  so 
^nkheit.      Er  lässt  sämt- 
bt  an  ihren  Ansprüchen 
1    Abschluss   seiner  un- 
iiii>^e,    da  zu  viele  Kron- 
.i'lc  Hunde  für  einen  Knochen 
--  zufolge,  dass  jene  Staaten  die 
i'iiilosophen  Könige    und  die  Könige 
»iereu  Küster  Guillot    Fagotin   zum 
sei"  durch  den  langjährigen  Aufenthalt  in 
.11(11    doch     etwas    Gelehrsamkeit    angezogen 
,'  (Icr  dieser  geistlichen  Redner  vertritt  nur  seine 
und  seine  eigenen  Interessen:    So  spricht  Pelleve 
..>(n,    denen  er  sein  erstes  Emporkommen   zu  danken 
bezog   aber   auch    in    Rom    durch    zwanzig    Jahre    eine 
ui  vom  Könige   von  Spanien,    und   da  sich    die  Stände   am 
.Kt  doch  zu  Gunsten  dieses  entscheiden  könnten,  so  muss  man    - 
k'b  auch   mit  ihm  vertragen.     Aber  auch  mit   denen,    die   über 
sein  Erzbistum  in  Sens    verfügen    könnten,    dessen  Sequestration 
ihm  so  tiefen  Hass  gegen  Frankreich  und  seine  Könige  eingeflösst 
hat,    will    er   es  nicht   ganz    verderben.     Dagegen   ist   der  Erz- 
bischof von  Lyon   ganz  entschieden  für  den  Usurpator  Mayenne 
und  für   den  Umsturz    des    salischen  Gesetzes;    Rosa  spricht  für 
die  Sorbonne,    der  ihre    ausgezeichneten  Dienste  seiner  Meinung 
nach    nicht   genug   gelohnt  worden    seien:    Philipp  IL    ist  geld- 
geizig und  die    ihr  von    demselben   zugedachte  Remuneration  ist 
anderweitig  verteilt  worden;  darum  ist  Rosa  g^^^n  alle  wütend, 
er    wirft   „grobe  Steine  in    den  Garten"*)   Mayenne's    und   sagt, 
man  solle  ihn  ins  Kloster  Clugny  sperren,  ebenso  beschimpft  er 
die  Herzöge    von  Savoyen   und  Lothringen;    die  Kandidatur  des 
Herzogs  von  Guise  würde  ihm  nicht  übel  gefallen,  aber  er  würde 
der  Narr  Spaniens  werden.     Er  würde  sogar  einverstanden  sein, 
für  die  Wahl  des  Bearner*s  zu  arbeiten,  „vorausgesetzt,  dass  er 
die  Lehre  vom  Purgatoire  und  das  „pain  de  chapitre"  nicht  antaste". 
Der  Eindruck  der  Rede  Rose's   ist  ein  verblüffender;    der 


^)  Worte  Poirson's,   dem   wir  auch  die  letzten  Bemerkungen 
entnommen  haben. 


lau  J.  Frank 

laeaeD  sie  sich  in  «11  ihrem  anpatriotischen  Than  niid  Lassen 
beBtimmen.  Die  von  der  Parteileidenschafl  eingegebenen  Redeo 
dieser  Bchwerteifrigen  Zionswächter  erhalten  aber  dadurch  auch 
ein  komisches  Belief,  dass  sie  als  wahre  Hischmischer 
ihre  geistig  platten  und  sittlich  traurigen  Ergüsse  mit  gespreizter 
Breitsparigkeit  nnd  („nin  weniger  verständlich  zu  sein!")  io 
einem  Sammelsurinm  von  verschiedenen  Sprachen  vortragen: 
Jeder  von  ihnen  mSchte  sein  Licht  leuchten  lassen  und  meint, 
„das  Schwert  seiner  Latinität"  aus  der  Scheide  zücken  zu 
mUssen;  da  sie  aber  mit  einem  dürftigen  Schnlsacke  bepackt 
nur  an  den  kümmerlichen  Besten  ihrer  mangelhaften  Vorbildnug 
hemmknuspern,  bekommen  wir,  anstatt  dem  Inhalt  und  der  Form 
nach  vollendeter  Leistnngen,  eine  ganze  Menge  abgedroschener  Re- 
densarten zu  bitren,  Reden  voller  Flicken,  wobei  es  auch  nicht  ohne 
grobe  Versündigungen  gegen  Logik  und  Grammatik  abgeht  Aach 
die  behäbige  Selbstgefälligkeit  ihres  Auftretens  als  Männer  von 
Gewicht  und  Würden,  die  da  nicht  gestattet,  an  ihrer  Existenz 
zu  zweifeln,  die  schwachküpfige  Vergesslichkeit,  die  sich  von 
dem  vorliegenden  Manuskripte  nicht  tosmachen  kann,  obzwar  dessen 
Inhalt  von  den  Ereignissen  bereits  ganz  überholt  ist,  die  stets 
zum  Ausgleiten  geneigte  Zunge,  kurz,  ihr  ganzes  Behaben  „wie 
sie  sich  räuspern  und  wie  sie  spucken",  alles  hat  ihnen  der 
Autor  als  feiner  Beobachter  in  der  glücklichsten  Weise  abge- 
lauscht nnd  von  der  angewandten  Anstrengung  der  Redner  zengt, 
dass  sich  Hr  de  Lyon  so  in  die  Hitze  geredet,  dass  er  nach 
seiner  Rede  von  Mme  de  Montpensier  die  Erlaubnis  erbitten  mnss, 
das  Hemd  zu  wechseln. 

Als  Vertreter  der  Wissenschaft  in  der  Liga  ei^reift  hierauf 
das  Wort  der  Rektor  Rosa,  nachdem  er  sich  zur  Redner- 
hUhne  durchgedrängt  hat.  Er  ist  ein  pedantischer  Hanswurst, 
voll  läppischer  Schnurrpfeifereien,  Die  ganze  Bede  dieses  Pol- 
terers, ebenfalls  ein  wahres  Makkaroni  im  Stile  Passavants,  trägt 
den  Stempel  der  frisch -frei -fröhlichen  LTuwissenheit  und  sein 
Charakter  steht  auf  der  Höhe  seines  geistigen  Könnens.  Er 
trägt  allen  Unrat  der  chronique  scandaleuse  auf  seinen  Schultern 
mitten  in  die  Öffentlichkeit,  nnd  —  (on  n'est  jamais  trahi  qne 
par  les  siensl)  webe  denen,  denen  er  Komplimente  an  den  Kopf 
wirft:  er  macht  es  dann  wie  der  Bär  in  der  Fabel,  der  von  der 
Stime  des  schlafenden  Freundes  eine  Schmeissfiiege  verschenchen 
wollte  nnd  mit  dem  Quadersteine,  den  er  auf  sie  schlenderte, 
das  Hirn  des  Schützlings  zerquetschte.  So  preist  er  es  als 
grosses  Verdienst  des  Statthalters,  dass  man  in  den  Räumen  der 
Hochschule  nicht  mehr  von  dem  Kanderwäisch  der  disputierenden 
Taugenichtse    von   Studenten    gemartert    werde   und    dass    man 


Studien  ilber  die  Saiyre  Menippe'e,  131 

anstatt  derselben  in  den  Hörsälen  das  Idyllische  Bild  der  daselbst 
eingelagerten  süssflötenden  Mutterschweine  und  Milchkälber  ge- 
niessen  könne.  Auch  Rosa  ist  es  seiner  akademischen  Stellung 
schuldig,  den  Gelehrten  herauszukehren,  und  begibt  sich  mit  dem 
schwerfälligen  Rüstzeug  der  scholastischen  Philosophie  und  mit 
falschen  Zitaten  ausgerüstet,  auf  das  schmale  Gedankenseil  haar- 
spalterischer, spitzfindiger  Distinktionen.  Er  wird  dabei  aber  so 
konfus,  wie  ein  Hammel  in  der  Drehkrankheit.  Er  lässt  sämt- 
liche Kronkandidaten  Revue  passieren  und  übt  an  ihren  Ansprüchen 
die  beissendste  Kritik,  und  ein  würdiger  Abschluss  seiner  un- 
sinnigen Rede  ist  der  Vorschlag,  man  möge,  da  zu  viele  Kron- 
bewerber, oder,  wie  er  sagt,  zu  viele  Hunde  für  einen  Knochen 
da  seien,  dem  Ausspruche  Plato's  zufolge,  dass  jene  Staaten  die 
glücklichsten  sind,  wo  die  Philosophen  Könige  und  die  Könige 
Philosophen  sind,  den  biederen  Küster  Guillot  Fagotin  zum 
Könige  machen,  da  dieser  durch  den  langjährigen  Aufenthalt  in 
den  Universitätsräumen  doch  etwas  Gelehrsamkeit  angezogen 
haben  müsse.  Jeder  dieser  geistlichen  Redner  vertritt  nur  seine 
eigene  Partei  und  seine  eigenen  Interessen:  So  spricht  Pellev6 
für  die  Guisen,  denen  er  sein  erstes  Emporkommen  zu  danken 
hat;  er  bezog  aber  auch  in  Rom  durch  zwanzig  Jahre  eine 
Pension  vom  Könige  von  Spanien,  und  da  sich  die  Stände  am 
Ende  doch  zu  Gunsten  dieses  entscheiden  könnten,  so  muss  man 
sich  auch  mit  ihm  vertragen.  Aber  auch  mit  denen,  die  über 
sein  Erzbistum  in  Sens  verfügen  könnten,  dessen  Sequestration 
ihm  so  tiefen  Hass  gegen  Frankreich  und  seine  Könige  eingeflösst 
hat,  will  er  es  nicht  ganz  verderben.  Dagegen  ist  der  Erz- 
bischof von  Lyon  ganz  entschieden  für  den  Usurpator  Mayenne 
und  für  den  Umsturz  des  salischen  Gesetzes;  Rosa  spricht  für 
die  Sorbonne,  der  ihre  ausgezeichneten  Dienste  seiner  Meinung 
nach  nicht  genug  gelohnt  worden  seien:  Philipp  II.  ist  geld- 
geizig und  die  ihr  von  demselben  zugedachte  Remuneration  ist 
anderweitig  verteilt  worden;  darum  ist  Rosa  gegen  alle  wütend, 
er  wirft  „grobe  Steine  in  den  Garten"*)  Mayenne's  und  sagt, 
man  solle  ihn  ins  Kloster  Clugny  sperren,  ebenso  beschimpft  er 
die  Herzöge  von  Savoyen  und  Lothringen;  die  Kandidatur  des 
Herzogs  von  Guise  würde  ihm  nicht  übel  gefallen,  aber  er  würde 
der  Narr  Spaniens  werden.  Er  würde  sogar  einverstanden  sein, 
für  die  Wahl  des  Bearner's  zu  arbeiten,  „vorausgesetzt,  dass  er 
die  Lehre  vom  Purgatoire  und  das  „pain  de  chapitre"  nicht  antaste". 
Der  Eindruck  der  Rede  Rose's   ist  ein  verblüffender;    der 


^)  Worte  Poirson's,   dem   wir  auch  die  letzten  Bemerkungen 
entnommen  haben. 


182  J.  Frank 

Herr  Statthalter  flüstert  dem  Legaten  ganz  leise  zu:  ^Ce  Fol 
icy  gastera  tout  nostre  mystere!";  im  übrigen  erhebt  sich  ein 
turbulenter  Skandal,  die  Herolde  schreien:  „Qu'on  se  taise!^'  denn 
das  Wort  „Paix-lä!^  ist  in  dieser  Gesellschaft  auf  das  stärkste 
verpönt. 

Nachdem  der  betäubende  Lärm  zur  Not  gedämpft  ist,  tritt 
als  Vertreter  des  ligistischen  Adels  sehr  bezeichnend  der  ehe- 
malige Verpflegungsbeamte  Mrde  Rieux  auf.  Er  ist  der  T3rpu8 
des  wegelagemden  Schnapphahns,  der  neuen  Helden  der  Liga, 
die  sich  die  Pose  des  Edelmannes  zu  geben  suchen,  bei  denen 
aber  stets  die  banausischen  Manieren  zum  Ausbruche  gelangen. 
Er  ist  selbst  überrascht,  wie  er  zur  Ehre  gelangt  sei,  im  Namen 
des  Adels  zu  sprechen,  erklärt  sich  dies  aber  durch  die  der 
Liga  innewohnende  Wunderkraft.  Im  sicheren  Vorgefühle  des 
Galgens  spürt  er  ein  unausgesetztes  Jucken  am  Halse.  Er  ist 
der  bramarbasierende  Rataplan  seiner  Partei,  der  übermütige 
Kalbfellrassler ,  er  reklamiert  das  Rauben  und  Stehlen  als  sein 
angeborenes  Menschenrecht  und  den  Krieg  aller  gegen  alle  als 
seine  Liebiingsidee.  Es  lebe  der  Bürgerkrieg!  ist  seine  Losung. 
Alle  Ideale  und  Palladien  der  Patrioten,  die  Rücksicht  auf  Ehre, 
Manneswürde  erklärt  er  für  einen  Popanz  und  leeres  Gewäsche. 
Auf  Argumente  lässt  er  sich  nicht  ein,  höchstens  auf  das  schla- 
gende des  Stockes,  und  als  rechter  Eisenfresser  löst  er  jede  noch 
so  verwickelte  Frage  mit  dem  Schwerte.  Er  hat  eine  instink- 
tive tiefe  Abneigung  gegen  alle  Bildung  und  die  Gebildeten,  be- 
sonders gegen  die  Juristen,  die  er  mit  dem  Witze  eines  Fisch- 
weibes verhöhnt.  Die  Justiz  sei  für  seinesgleichen  nicht  ge- 
schaffen, er  werde  die  Kühe  und  Hühner  seiner  Nachbarn 
nehmen,  wann  und  wo  es  ihm  beliebe.  Und  warum  auch  nicht? 
Herrsche  nicht  Freiheit?  Habe  der  Herr  Statthalter  nicht  er- 
laubt, alles  zu  thun,  sogar  Eltern,  Brüder,  Freunde  zu  ermorden, 
wofern  man  nur  gut  ligistisch  sei  und  nie  das  Wort  „Frieden" 
in  den  Mund  nehme.  In  seiner  angeborenen  Bescheidenheit 
plädiert  er  am  Schlüsse  seiner  säbelklirrenden  Rede  für  seine 
eigene  Königs  wähl  und  begründet  sein  Anrecht  darauf  mit  dem 
Vorhaben,  die  Anarchie  und  das  Faustrecht  zu  verwirklichen. 

Nachdem  hierauf  in  einer  weiteren  Episode  die  radikale 
Umsturzlust  der  neuen  Partei  glücklich  beleuchtet  wird,^  ergreift 


*)Wir  meinen  die  Stelle,  wo  d'Engoulevent,  im  Namen  einer 
Art  „vierten  Standes",  der  „nouvelle  noblesse",  sich  vordrängend,  eine 
Rede  halten  will,  und  d'Aubray  mit  allem  Nachdrucke  geltend  macht, 
man  habe  in  Frankreich  seit  jeher  nur  drei  Stände  anerkannt  und  man 
dürfe  keine  Neuerungen  schaffen.     Die  Meinungen  der  Deputierten  sind 


Studien  übcT  die  Saiyi'e  Menippee.  133 

das  Wort  der  Generalredner  d'Aubray  als  Vertreter  der  „Po- 
litiker" und  des  Bürgerstandes.  Wenn  es  die  alten  Griechen  liebten, 
nach  einer  markerschütternden  Tragödie  durch  ein  heiteres  Satyr- 
spiel die  Wiederkehr  in  die  reale  Welt  und  in  die  alltägliche 
Stimmung  zu  finden,  so  wird  hier  der  umgekehrte  Vorgang  be- 
folgt, und  auf  die  lustigen  Personen,  auf  die  Karrikaturen  mit 
den  logischen  Bockssprttngen  in  ihren  Reden  folgt  die  ernste 
Sprache  des  besonnenen  und  willensstarken  Mannes.  Er  spricht 
nicht  in  leichtkomischer  Stilvermummung,  er  ist  kein  Strafprediger 
in  Balltoilette,  sondern  er  trifft  sein  Ziel  geradeaus  mit  wuch- 
tigen Kernhieben,  die  man  ordentlich  durch  die  Luft  sausen 
hört.  Ihm  dienen  die  Ereignisse  nicht  bloss  zur  Folie  scherz- 
hafter Einfälle,  er  treibt  nicht  frostigkalte  Rhetorik,  sondern 
seine  Worte  machen  trotz  ihrer  fast  gesuchten  Einfachheit  meist 
eine  zündende  Wirkung.  Obzwar  vom  Adel,  gürtet  er  sich  doch 
stets  mit  dem  ganzen  Stolze  seines  schlichten  Bürgertums,  in 
dem  erhebenden  Bewusstsein,  wie  schwer  bereits  die  Stimme 
dieses  Standes  in  die  Wagschale  falle.  Er  hält  sich  eben  so 
fern  von  allem  falschen  Heldentum,  wie  von  aller  servilen 
Kriecherei,  er  weiss,  des  Bürgers  beste  Wehr  sei  der  Friede, 
stellt  sich  aber  jedem  mutig  entgegen,  der  diesen  Frieden  mut- 
willig stören  zu  wollen  vermessen  genug  ist.  Wohl  verschmäht 
auch  er  es  nicht,  über  seine  Gegner  zuweilen  die  ätzende  Lauge 
bitteren  Hohnes  auszugiessen,  aber  man  sieht,  er  will  nicht 
lachen  machen,  sondern  aufstacheln,  fortreissen,  sittlich  empor- 
raffen. Es  thut  wohl,  nach  den  überwürzten  Reden  der  anderen, 
nach  dem  rhetorischen  Ragout  die  gesunde  Hausmannskost  der 
d'Aubray'schen  Rede  aufgetischt  zu  erhalten. 

Diese  ist  von  grossem  Wurfe  und  entrollt  ein  gewaltiges 
historisches  Gemälde  der  politischen  Gesamtlage.  Er  kann  im 
Beginne    seiner  Rede    nicht   mehr    an  sich  halten,  und  bevor  er 


geteilt  und  es  droht  eine  regelrechte  Prügelei  auszubrechen;  da  ent- 
scheidet der  Generaladvokat  d'Orl^ans,  d'Engoulevent  sei  wohl  im 
Rechte,  denn  die  Ständesitzungen  wären  ja  überflüssiff,  wenn  man 
nicht  etwas  Neues,  Apartes  schüfe,  d'Engoulevent  solle  aber  wegen  der 
vorgerückten  Zeit  seine  Rede  aufschreiben.  —  Auch  diese  Stelle 
spielt  auf  thats'achliches  an,  da  Mayenne,  um  seinen  Ständen  ein 
grösseres  Lustre  zu  verleihen  und  um  auch  die  Lücken  auszufüllen, 
die  souveränen  Gerichtshöfe  gegen  alles  Herkommen  eingeladen  hatte, 
die  Ständesitzungen  zu  beschicken.  Die  drei  Kammern  aber,  die  die 
Stände  vertraten,  protestierten  gegen  diesen  Zuwachs,  der  sich  nicht 
als  der  Vertreter  eines  anerkannten  Standes  hinstellen  konnte.  Das 
nähere  hierüber  vergleiche  man  in  der  Vorrede  A.  Bernard 's  zu  den 
von  ihm  herausgegeoenen  Proces-verbaux  der  fitats  G^n^raux  de  1598, 
Seite  LIV  und  auf  S.  219  dieser  Protokolle. 


134  /.  Frank 

ruhigen  Erwägungen  und  einer  Prüfung  der  Ursachen  der  jetzigen 
Zustände  Raum  gibt,  muss  er  seiner  gepressten  Brust,  seinem 
lange  niedergehaltenen  Schmerze  durch  einen  gewaltigen  Auf- 
schrei Luft  machen  und  durch  einen  Vergleich  zwischen  der 
einstigen  hingeschwundenen  Grösse  und  dem  jetzigen  Elend  zeigen, 
wie  weit  es  mit  Frankreich  gekommen.  Es  werde  doch,  so 
meint  er,  wenigstens  noch  gestattet  sein,  sein  Leid  zu  klagen, 
und  so  hält  er  eine  Umschau  und  schildert  mit  den  lebendigsten 
Farben  den  Kontrast  zwischen  dem  früheren  Wohlstande  und  der 
jetzigen  Verarmung,  zwischen  der  entrissenen  Freiheit  und  dem 
nun  herrschenden  Parteiterrorismus,  der  ehemaligen  Lustigkeit 
und  der  nunmehrigen  Verzweiflung.  An  Stelle  des  behaglichen 
Schlaraffenlebens  sei  nun  bitterer  Mangel  getreten,  die  schön- 
getäfelten Speisesäle,  die  zum  Brechen  gefüllten  Speicher  und 
Keller,  die  reichlich  gedeckten  Tafeln,  sie  seien  vorüber  und 
man  finde  jetzt  so  viele,  die  nach  Schweizerart  bloss  von  Milch 
und  Käse  leben.  Diese  aber  seien  noch  beneidenswert  im  Ver- 
gleiche mit  jenen,  die  schon  zum  Pferde-  und  Hundefleisch 
greifen  oder  gar  den  Rat  Mendoza*s,  aus  den  Todtenknochen 
auf  den  Friedhöfen  ein  Mehl  zu  bereiten,  in  Erwägung  ziehen 
müssten.  Ob  denn  dieser  Jammer  die  Urheber  desselben  nicht 
rühre,  ob  ihnen  das  Herz  nicht  breche,  beim  Anblicke  der  an 
der  kraftlosen  Mutterbrust  verschmachtenden  Kinder,  der  an 
einem  Stocke  gleich  leblosen  Schatten  einherwankenden  Krie- 
ger, der  vor  Hunger  mitten  auf  der  Strasse  niedersinkenden 
Bürger? 

Nachdem  d'Aubray  die  niedrigen  Instinkte  des  Magens, 
die  unbefriedigte  Begehrlichkeit  und  Lebenslust  im  Menschen 
aufgerüttelt,  wendet  er  sich  im  edlen  Pathos  von  hohem  mora- 
lischen Standpunkte  an  die  grossen  mächtigen  Leidenschaften, 
die  die  Menschenbrust  bewegen  und  das  Menschenherz  erheben,  und 
sucht  sittliche  Entrüstung  hervorzurufen.  Er  klagt  darüber,  wie 
auch  das  ethische  Leben  sich  allenthalben  verroht  und  ver- 
schlechtert habe,  wie  neben  den  materiellen  auch  die  ewigen 
Güter  durch  das  Treiben  der  Liga  arg  gefährdet  erscheinen. 
Die  V7issenschaft  sei  aus  ihren  Pflegestätten  verbannt,  die  Stu- 
denten seien  eine  verwilderte  Söldnerhorde  geworden,  die  Scheu 
vor  den  geheiligten  Mysterien  der  Religion  sei  abhanden  ge- 
kommen, die  den  Priestern  entgegengebrachte  Ehrfurcht  sei  ent- 
flohen und  jeder  mache  sich  jetzt  eine  Religion  nach  seiner  Fagon! 
Und  das  sei  kein  Wunder,  denn  die  Prediger  seien  die  feilen 
Werkzeuge  der  Parteibestrebungen  geworden,  ihre  geweihte 
Thätigkeit  sei  zu  einer  gemeinen  Agitation  herabgesunken  und 
die  Kanzel  sei  zur  Verbreitung  lügnerischer  Tendenzgerüchte  miss* 


Studien  über  die  Satyre  Mernppee.  135 

braucht  wordcD.  Aber  auch  die  Autorität  der  weltlichen  Behörden 
sei  im;  reissenden  Niedergange:  Wie  könnten  hier  sonst  in  diesen 
Ständesitzungen  alle  die  fehlen,  die  als  die  wahren  Stützen  des 
Thrones  hier  zu  erscheinen  das  erste  Recht  hätten,  und  sich 
freche  Eindringlinge  an  ihrer  Stelle  breit  machen?  Und  da  wolle 
man  noch  glauben  machen,  die  Liga  habe  alles,  was  sie  gethan, 
nur  im  Interesse  der  Erhaltung  der  Religion  und  des  französischen 
Staates  gethan! 

Nach  diesem  harschen  Weckrufe  geht  d'Aubray  im  abge- 
dämpften ruhigen  Kammertöne  sachlicher  Erörterung  an  die 
Untersuchung,  wie  es  so  weit  gekommen  und  wo  die  Abhilfe  zu 
suchen  sei.  Er  sieht  den  ersten  Urheber  des  nationalen  Unglückes 
im  Könige  von  Spanien.  Dieser  habe  schon  früher  mit  richtigem 
Scharfblick  in  Frankreich  das  grösste  Hindernis  seiner  ländersüch* 
tigen  Pläne  erkannt  und  es  auf  dessen  Vernichtung  abgesehen,  und 
da  er  dies  im  offenen  ehrlichen  Kampfe  nicht  vermocht,  habe  er  es 
zielbewusst  durch  Erweckung  und  fortgesetzte  Nährung  der  inneren 
Wirren  zu  erreichen  gesucht  und  der  masslose  Ehrgeiz  der  Guisen 
habe  ihm  hierzu  die  beste  Handhabe  geboten.  Es  folgt  nun  eine 
lichtvolle,  sachkundige  Darstellung  des  verderblichen,  zerstörenden 
Einflusses  der  Guisen,  wie  dieselben  zum  Schaden  des  Staates  immer 
mehr  an  Bedeutung  gewonnen  und  alle  Macht  an  sich  gerissen, 
wie  sie  kaum  zurückgedämmt,  von  neuem  immer  schranken- 
loser hervorgebrochen  seien,  schürend  und  hetzend,  das  Ansehen 
des  Königtums  mit  den  Mitteln  der  Kabale  und  der  Gewalt, 
mit  dem  Schwerte  und  der  Feder  untergrabend.  Von  der 
Religion  sei  im  Anfange  der  Streitigkeiten  keine  Rede 
gewesen,  und  die  politischen  Parteien  haben  erst 
späterdie  religiösen  ins  Schlepptau  genommen.  Alle 
wohlwollenden  und  ehrlichen  Absichten  des  Königs  seien  durch 
die  unterminierende  Wirksamkeit  der  beiden  mit  der  ränkesüchtigen 
Königin-Mutter  verbundenen  Gewalten  Spaniens  und  der  Guisen 
verdächtigt  und  vereitelt  worden  und  haben  nur  dazu  gedient, 
das  Königtum  noch  tiefer  in  den  Kot  zu  zerren,  bis  ihr  Treiben 
zuletzt  mit  der  offenen  Empörung,  den  Barrikaden  und  der  An- 
stiftung des  Königsmordes  endigte.  Er  zeigt  weiter,  wie  es  nach 
dem  Tode  Heinrich's  III.  dem  Haupte  der  Guisen  selbst  an 
dem  Mute  des  Bösen  gefehlt  habe,  mit  einem  kecken  Griffe  die 
Krone  an  sich  zu  reissen,  und  wie  Mayenne  den  Ausweg  ein- 
geschlagen habe,  den  Titel  eines  Statthalters  des  Staates  und 
der  Krone  von  Frankreich  anzunehmen.  Dieser  Titel  sei  ein 
Ausbund  der  Lächerlichkeit  und  ein  wahres  Unding,  dei^i  ein 
Statthalter  könne  wohl  eine  Person,  nie  aber  eine  Sache  ver- 
treten.   Wenn  es  noch  geheissen  hätte :  „Statthalter  innerhalb  des 


136  /.  Frank 

Staates  und  der  Krone  von  Frankreich!^'  Indes  was  bedeute  ein 
Sprachfehler  gegenüber  anderen  so  groben  thätlichen  Versün- 
digungen? 

Es  wird  nun  die  Person  und  die  Wirksamkeit  Mayenne^s 
als  Statthalter,  besonders  aber  seine  tiefe  Demütigung  Spanien 
gegenüber  einer  scharfen,  aber  gerechten  Kritik  unterzogen. 
D'Aubray  bezeichnet  es  als  schweres  Unglück,  dass  der  Wider- 
stand gegen  Heinrich  von  Navarra  sich  so  in  die  Länge  gezogen 
habe.  Wir  wären,  so  meint  er,  im  Falle  der  baldigen  Unter- 
werfung, unter  Heinrich  von  Navarra  der  Strafe  nicht  entgangen, 
aber  wir  wären  nicht  so  langsam  am  Kleinfeuer  geröstet  worden, 
wir  hätten  noch  so  vieles  erhalten  können,  was  jetzt  unwieder- 
bringlich verloren  ist.  In  einer  vorzüglich  ausgeführten  histo- 
rischen Parallele  zwischen  der  jetzigen  Lage  von  Paris  und  der 
des  von  Titus  belagerten  Jerusalem  mit  der  gebührenden  Nutz- 
anwendung, entwickelt  hierauf  d'Aubray  ein  tiefes  Verständnis 
geschichtlicher  Vorgänge.  Auch  die  dortigen  Zeloten  haben  da- 
selbst immerfort  jede  Äusserung  des  Friedensbedürfnisses  mit 
dem  Geschrei,  es  gelte  die  Erhaltung  der  Eeligion,  niederge- 
halten, auch  dort  haben  demagogische  Schreckensmänner  stets 
dieselben  Schlagwörter  im  Munde  geführt,  „aber  was  sie 
euch  da  von  der  Religion  vorschwätzen,  ist  nur  eine 
Maske,  mit  der  sie  den  Einfaltspinseln  imponieren 
können,  wie  die  Füchse  die  Elstern  mit  ihrem  langen 
Schwänzen  kitzeln,  um  sie  schliesslich  zu  fangen  und 
nach  Belieben  aufzufressen.  Habet  ihr  schon  jemals 
gesehen,  dass  Leute,  die  es  auf  eine  unbedingte  Herr- 
schaft über  die  Menge  abgesehen  hatten,  nicht  irgend 
einen  gleissenden  Vorwand,  als  gelte  es  der  Rettung 
der  Religion  oder  des  Gemeinwohles,  zu  finden  wuss- 
ten?"  Und  doch  wäre  dies  stets  nur  die  Flagge  gewesen,  um 
die  verbotene  Waare  zu  decken.  D'Aubray  hält  ferner  seinen 
Hörern  wie  in  einem  Spiegel  ein  zweites  Bild  der  jetzigen  Lage 
vor  durch  die  Erinnerung  an  jene  Zeit,  da  England  und  Burgund 
so,  wie  jetzt  Spanien  und  die  Guisen,  den  Fortbestand  Frank- 
reichs in  Frage  stellten,  und  vergleicht  die  Stände  Sitzungen  von 
Troyes  mit  den  heutigen.  Also,  schliesst  er  diesen  Teil  seiner 
Rede,  habe  ich  auch  nachgewiesen,  nur  die  Eifersucht  zwischen 
den  Bourbonen  und  Lothringern  und  die  zügellose  Ehrsucht  der 
Guisen  seien  die  alleinige  Ursache  unseres  Unglückes;  die  vor- 
geschützte Rücksicht  auf  die  Religion  ist  nur  „der  Schlaftrunk,  der 
uns  betäuben  soll,  gleichsam  eiü  gut  versüsstes  Opiat,  das  als 
narkotisches  Mittel  dienen  soll,  unsere  Glieder  gefühllos  zu 
machen,  damit  wir  nicht  empfinden,  wie  man  sie  uns  stückweise 


Studien  über  die  Satyr e  Menippee.  137 

iiander  amputiert,  so  dass  nur  ein  Stumpf  übrig  bleibt,  der 
'  zu  grossen  Blutverlustes  ebenfalls  den  Blutumlauf  und  das 

eiubiissen  wird!" 
Nachdem    er    so    die  Politik    und    die    Staatsstreiche    der 
n  mit  grosser  Gewandtheit  und  Klarheit  auseinandergesetzt 
•lachdem    er   Überzeugend    nachgewiesen  hat,   dass  die  Mit- 
vT  dieser  Stände  die  Ausländer  und  die  Interessen  derselben 
ehr  vertreten,  als  die  Frankreichs,  nachdem  er  den  Herzog 
Mayenne     als     einen     intriguierenden    Charlatan    lavieren- 
zweideutigen    Charakters     blossgestellt    hat,    nachdem    er 
die   ganze   Sippe    der  anderen    Thronbewerber    mit    ihren 
igen  Thronansprüchen   gekennzeichnet  hat,   hält    er  alledem 
lurch  unverbrüchliche  Gesetze  geheiligten  Rechte  Heinrich's 
Navarra    auf   den   französischen  Thron    entgegen   und    be- 
rt    sich   als    ebenso    ehrlichen    und    eifrigen   Roya- 
jii,  wie  er  von  wahrer,  ungeheuchelter  Religiosität 
lllt  ist.     Ohne  jeden  Byzantinismus,  meint  er,  dürfe  man  es 
prechen,  dass  auch  die  persönlichen  Vorzüge  dieses  Prinzen 
abgesehen  von  seinen  ererbten  Rechtstiteln,  hoch  über  seine 
^)ewerber   erheben.      Sein   offener,   gerader  Sinn,    seine  Leut- 
'^keit,    sein    ritterliches  Wesen,    seine   nur   allzugrosse   Milde 
-en  seine    besiegten  Feinde   und    sein   liebenswürdiger  Humor 
"hen  so  vorteilhaft  gegen  die  Schliche  und  die  künstlich  auf- 
'^lähte  Unbedeutendheit   seiner  Gegner  ab,    dass  man  ihm  den 
•^Tang  vor   allen    zuerkennen  müsse.     Wenn  man  dem  Bearner 
Mien    Hang    zu    galanten    Abenteuern    vorwerfe,^)    so    sei    ein 
'ches    dem  Waffenhandwerk   und  dem  Dienste  der  Frauen  ge- 
ihtes    Leben    echte    Soldatenart  5    ein    so    aufreibender    Beruf 
'isse   einen   reichen   Zeitvertreib    haben,    und  wer    sein  Leben 
den  Augenblick  zu  verlieren  Gefahr  laufe,  der  müsse  dasselbe 
ich   in  raschen,    vollen  Zügen    gemessen.     Die   ihm  vorgewor- 
ne  Ketzerei  werde  bald  verschwinden,    da  er   eben  seine  Ver- 
ehrungen treffe,   aufrichtigen  Herzens  in  den  Schooss  der  alten 
^'irche  zurückzukehren;    aber  selbst,    wenn   dem  nicht   so  wäre, 
so    gebe    kein  Gesetz,   kein   Evangelium  jemandem   das  Recht, 
inen  Menschen  wegen  des  abweichenden  Glaubens  seines  irdischen 
Hesitzes   verlustig   zu    erklären.     Wenn   das   der  Fall  wäre,    so 
nüsste  durch  die  Exkommunikation  einem  Trunkenbolde  der  Ge- 
luss  des  Weines,  einem  Frauenjäger  der  Umgang  mit  den  Frauen, 
und  einem  Aussätzigen  sich  zu  kratzen,  verboten  werden  können!^ 


*)  D'Aubign^  sagt  von  ihm  (in  seiner  Rist,  univ.,  t.  lU,  1.  3, 
eh.  23,  S.  400,  Amsterdam  1626):  „auquel  on  ne  pouvoit  reprochei: 
aucune  imperfection  qae  nature  n'avouast". 


138  J.  Frank 

Er  eröffnet  ihoen  schliesslich  eine  herrliche  Perspektive  des 
Friedens  mit  allen  seinen  Segnungen  und  seinem  Balsam  für  die 
durch  den  Krieg  geschlagenen  Wunden.  Er  ruft  mit  den  Worten 
des  Profeten  Isaias :  „0  quam  speciosi  pedes  nuntiantium  pacem, 
nuntiantium  bona  et  salutem!''  „Es  gibt^^,  meint  er,  ,,keinen  so 
schlechten  Frieden,  der  nicht  mehr  wert  wäre,  als  ein  noch  so 
gerechter  Krieg'',  und  ermahnt  alle  die,  die  nicht  schon  mit 
Haut  und  Haaren  an  die  Spanier  verkauft  sind,  eindringlich  zur 
Umkehr.  Noch  könne  alles  wieder  gut  werden!  Es  sei  thöricht 
und  verbrecherisch,  einen  König  wählen  zu  wollen,  wo  man 
einen  habe;  „man  könne  zwar  künstlich  Kronen  und  Szepter 
schaffen,  aber  nimmermehr  einen  König,  ebenso  wie  man  zwar 
ein  hölzernes  Bein,  einen  eisernen  Arm,  eine  silberne  Nase 
machen  könne,  aber  keinen  künstlichen  Kopf.''  Also  hinweg  mit 
den  ausländischen  Störenfrieden,  die  sich  in  unsere  häuslichen 
Verhältnisse  einmischen,  die  an  unserem  Mark  und  Bein  zehren ; 
wir  sind  dessen  müde,  uns  wie  die  Gladiatoren  zu  ihrer  Augen- 
weide untereinander  zu  zerfleischen!  „Hinaus  mit  dem  Legaten, 
dem  Spanier  und  dem  Lothringer;  gebrauchen  wir  ihnen  gegen- 
über einmal  unser  Hausrecht!"  „Ich  weiss  zwar",  schliesst  er, 
„dass  ihr  mich  gleich  beim  Verlassen  dieser  Räume  ver- 
haften und  töten  könnet",  aber  besser  ein  Ende  mit  Schrecken, 
als  ein  Schrecken  ohne  Ende!  Der  Schluss  erinnert  lebhaft  an 
Luther's:  „Gott  helfe  mir,  ich  kann  nicht  anders!" 

Wie  ein  grell  aufzuckender  Lichtstrahl  hat  die  Rede 
d'Aubray's  die  ganze  Lage  beleuchtet  und  das  Netz  von  Wahn- 
gebilden zerrissen,  mit  denen  der  Sinn  der  Bethörten  bis  jetzt 
umfangen  gehalten  wurde,  wie  ein  reinigendes  Ungewitter  hat 
diese  gewaltige  Kundgebung  eines  klaren  Kopfes  und  biederen 
Herzens  den  dichten  Nebel  von  Lug  und  Trug  zerstreut,  und 
selbst,  die  wütendsten  Ligisten  sind  eine  Zeitlang  von  der  Macht 
dieser  Rede  betrofl'en,  bis  ein  Spanier,  der  zuerst  seine  Fassung 
wiedererlangt  hat,  sich  erhebt  und  mit  einem  derben  Fluche  die 
seinen  Plänen  ungünstige  Stimmung  zu  verscheuchen  sucht.  Es 
kommen  noch  die  Pläne  aufs  Tapet,  die  einige  querköpfige 
Staatsretter  zur  Gesundung  Frankreichs  vorschlagen.  Da  ist 
keine  Verfassung  zu  entlegen  und  zu  absurd,  als  dass  sie  für 
Frankreich  nicht  geeignet  erscheinen  sollte.  Die  alte  keltische 
Republik,  die  anarchische  Demokratie  Mariana's,  die  angebliche 
athenische  Oligarchie,  die  permanente  Diktatur,  das  Konsulat, 
alle  kommen  sie  an  die  Reihe,  um  den  verfahrenen  französischen 
Staatswagen  ins  rechte  Geleise,  zu  rücken,  und  das  Ende  ist, 
dass,  wie  gewöhnlich  bei  so  vielen  Beratern,  gar  kein  Beschluss 
zu   stände    kommt.     Auch    hier   zeigt   sich,    dass   ein    schlichter 


V«^«w 


^''ftdk'n  über  die  Salyre  Mcnippee.  139 

-         »».aiisbackenen  Verstände  das  richtige  eher  errät, 
•••*'   falsch    verstandene  Doktrinen    verschrobenen 
<  i)ildeten.     Der   Weinbauer  Trepelu    aus    Su- 
Milioh:    „der  König  sei  die    wahre  Sonne  Frank- 
Sonne    sei  trotz  alle-   und  alledem,    obgleich  es 
'11   Weinbergen  friere,    eine   schöne  Erfindung  und 
•nnn    nicht    auf    sie    spucken    und  aufhören,    sein 
irinken,  obgleich  der  Wein  teuer  sei".      So   ver- 
^  ■ .  orte  sind,  können  sie  natürlich  die  eingefleischten 

t*m  nicht  überzeugen,  und  diese  Versammlung  endet 
vi(^  sie  begonnen:  man  geht  resultatlos  auseinander 
sich,   indem   man  als  Schlussfeuerwerk,    zahlreiche 
iCaketen  und  Flammenräder  von  witzsprtihenden  Cou- 
atrains   loslässt,    in    denen    man,   sich    selbst    ironi- 
wii    schadenfrohe    besondere    Genugthuung    darüber 
!<iss   das  letzte  Stündlein  der  Liga   geschlagen  habe 
Ibst  ihre  früheren  ergebensten  Anhänger  in  den  Ruf: 
'   König!  bald  einstimmen  werden. 

III.    Würdigung  der  Satyre  M^nipp^e. 

Mcnippee  hat,  wie  selten  ein  anderes  Werk,  bei  Freund 

l    ihrer  Parteistellung    nahezu    ungeteilten    Beifall    ge- 

ihr    schlagender    Witz,    ihre     glückliche    Komposition 

über  ihre  Zeit  hinausreichende  Bedeutung  wurden  fast 

^    anerkannt.')     Suchen    wir   uns    darüber  Rechenschaft 

1,  in  wie  weit  sie  diesen  hohen  Ruf  verdiente. 

e     Satire    überhaupt    setzt    sich    als    Ziel,    menschliche 

ten    und   Verirrungen    einer   aus    den    Fugen    gerückten, 

idersprüchen  erfüllten  Welt  in  kunstmässiger  Form  so  zu 

in,    dass    das  Verkehrte    derselben   und  ihr  Gegensatz  zu 

lern     Dichter    vorschwebenden     oder    dem    in     der     An- 

mg  der  besten  aller  Zeiten   anerkannten  Ideale   aufs  Kräf- 

hervortritt.      Der   Satiriker    darf  zu  diesem  Zwecke  räum- 


^)  Wir  müssen  darauf  verzichten,  auch  nur  einige  dieser  schwung- 

^en,  des  grössten  Lobes   vollen  Urteile   über  die  Mänippde  hier  zu 

'•oduzieren.     Wir  wollen  hingegen  bemerken,  dass  Voltaire,    der 

nche   gelungene   Stelle    der  Mänipp^e  litterarisch  ausgebe«tet    hat, 

«elbe  einmal,  mit  der  wenig  noblen  Manier,  in  den  Napf  zu  spucken, 

^  dem   er  gegessen  hat,   als   ein    „ouvrage    tres   m^diocre"    abthut. 

1    einer   anderen  Stelle    (eh.   9    der  „Mälanges  de  Litt^rature    et  de 

hilosophie")  sagt  er  freilich  im  stärksten  Widerspruche  zu  diesen  ab- 

llligen    Worten:     „Je    d^sesp^re    de    vous    faire    connaitre    Hudibras, 

>oeme  anglois :  c'est  Don  Quichotte,  c'est  notre  Satire  M^nippäe  fondus 

ensemble  de  tous  les  Livres  que  j'ai  jamais   lüs,   celui   oü  j'ai  trouv^ 

plus  d'esprit". 


140  J.  Frank 

lieh  und  zeitlich  Auseinanderliegendes  zusammendrängen  und 
verdichten,  gewisse  Züge  hervorstechender  gestalten  und  tendentiös 
vergröbern;  es  darf  sein  Recht  nicht  verkümmert  werden,  durch 
künstliche  Beleuchtung  und  Farbenmischung  die  beabsichtigte 
Wirkung  zu  erzielen  und  die  stumpf  gewordenen  Sinne  der  öffent- 
lichen Meinung,  denen  der  geeignete  Massstab  und  die  Fähigkeit 
des  nüchternen,  richtigen  Sehens  abhanden  gekommen  ist,  durch 
drastische  Mittel  zu  schärfen  und  wieder  gesunden  zu  lassen. 
Er  darf  keinen  blossen  Abklatsch  der  Wirklichkeit  bieten,  denn 
er  ist  kein  Geschichtschreiber;  er  muss  vielmehr  die  zu  betrach- 
tenden Objekte  in  die  seinen  Lesern  passende  geistige  Sehweite 
rücken  oder  unter  Umständen  auch  künstlich  vergrössern,  er  darf 
besonders  durch  die  Nebengesellung  des  Normalbildes  und  der 
im  satirischen  Hohlspiegel  aufgewiesenen  Verzerrung  das  Ab- 
weichende des  letzteren  in  die  Augen  springen  lassen.  Er  darf 
aber  keinen  Augenblick  sein  ethisches  Ziel  aus  den  Augen  lassen, 
wir  müssen  erkennen,  er  wolle  nicht  bloss  mutwilligen  Spott 
treiben  oder  ein  wohlfeiles  Lachen  erzielen;  wir  müssen  vielmehr 
die  Überzeugung  gewinnen,  ihn  treibe  nicht  hämische  Schmähsucht 
oder  gar  Neid  und  Missgunst,  sondern  nur  das  sittliche  Miss- 
behagen  über  die  menschlichen  Thorheiten,  die  Erbitterung  gegen 
alles  niedrige  mache  seine  Feder  so  scharf  und  spitz,  er  habe 
es  auf  die  Sache  und  nicht  auf  die  Personen  abgesehen.  Er 
darf  darum  nicht  zufällige  und  unverschuldete  menschliche 
Gebrechen,  sondern  nur  sittlich  verwerfliche  Richtungen  zur 
Zielscheibe  seines  Spottes  machen;  die  Satire  soll,  wenn  sie 
auch  das  Einzelwesen  zeichnet,  ihren  Blick  doch  stets  auf  das 
unvergänglich  Ewige,  was  die  ganze  Menschheit  angeht,  ge- 
richtet halten,  die  Einzelwesen,  die  sie  geisselt,  sollen  ihr  nur 
so  viel  gelten,  als  sie  dieselben  in  ihrer  Individualität  zum 
Träger  einer  typischen  Idee  gestaltet,  sonst  wird  sie  zum 
Pamphlet,^)  zum  Pasquill.  Dabei  muss  sich  aber  der  Satiriker 
davor  hüten,  in  den  trocken  lehrhaften  Ton  des  Sittenpredigers 
zu  fallen,  oder  sich  in  Allgemeinheiten  und  Abstraktionen  zu 
verlieren,  denn  bei  all  ihren  didaktischen  Ursprüngen  und  End- 
zielen hat  die  satirische  Dichtung  doch  ihre  ganz  ausgeprägte 
Eigenart:  sie  lässt  die  Erkenntnis  des  Wahren  genetisch  ans  der 
des  Falschen  hervorgehen,  sie  lässt  uns  mit  den  Mitteln  des 
Witzes  und    der  Ironie    das   Lächerliche    an   den  Aussendingen 


*)  Wohl  hat  man  auch  die  Mönipp^e  „le  roi  des  pamphlets"  ge- 
nannt, doch  ist  sie  es  nur  durch  ihre  stark  persönliche  Färbung  in- 
sofern, als  sie  bestimmte  historische  Individuen  angreift  und  in  jenem 
Sinne,  in  dem  auch  Bourke  ein  politischer  Pamphletär  war;  ein  Pam- 
phlet in  jener  Zeit  vertrat  nämlich  unseren  „Leitartikel". 


/<  aber  die  Satyre  Menippce. 


141 


mau     dn- 


-.liäst  es,  nachdem  sie  uns  durch  die  an- 
.ft  Lächelns  herangezogen  und  gefesselt  hat, 
u   ernsten  Gedankenarbeit,    das   Richtige   an 

•  tzen.      Sie   muss    aber   stets   wirkliche  Ver- 

•  uen  zum  realen  Hintergrund  haben  und  kann 
.iistwerk  besonders  darauf  nicht  verzichten, 
tiif  unsere  sinnlichen  Wahrnehmungen  einzu- 
i  hätten  ihre  Figuren  anstatt  Fleisch  und  Blut 

.  hemenhaftes  und  sie  würde  des  grössten  Reizes 


^A'c  wird  den  meisten   dieser  Anforderungen  ge- 
.j;t  kühn  in  das  wogende  Auf  und  Ab  von  Lei- 
die,    wenn    auch    mit    etwas    veränderten 
immer    wiederkehren.      Sie    brandmarkt    die 
Tartüffes,   die   die   heilige   Lohe    religiöser  Be- 
.li    das   unreine  Feuer   ihrer  schnöden  Begehrlich- 
.i  möchten,  die  sich  nicht  scheuen,  einen  Weltbrand 
.  wenn  sie  daran  das  Linsengericht  ihrer  niedrigen 
machen    können.     Sie    kennzeichnet   jene    Fetische 
die    mit    dem    kurzen    Mantel    einiger    verbrauchter 
alle    ihre    Blossen    decken    möchten    und    die    ihr 
chönen  Worten,    wie   der  Vogelsteller   das  seine  mit 
i\  Lockpfeife,   hinter    sich    herziehen.     Sie    will    das 
Volk   von   seiner   Leichtgläubigkeit    und    Vertrauens- 
. eilen    und    es    daran  mahnen,    wie    man  es  unter  den 
1    Führern    so    herrlich    weit    gebracht,    und    wie    die 
büssen  müsse,    wenn    die  Grossen  hadern.     Die  Ge- 
sollen die  Überzeugung  gewinnen,  dass  ihre  Verführer 
swohl  und  die  Religion  nur  als  Köder  aushängen,  um  sie 
lanken-  und  willenlos  zu  machen  und  dann  einzufangen. 
r  Plan,  in  einer  Parodie  der  Stände  Sitzungen  die  letzteren 
•nauslöschlichen  Gelächter  preiszugeben,  ist  sehr  gut  aus- 
:. '    Es    gewinnt  dadurch  die  ganze  Satire  einen  aktuellen 
ter   und   ein  dramatisches  Leben   und   es  tritt   durch   die 
^he   an  die   Komödie    gemahnende  Anordnung   der  Grund- 
ke:    die  wirklich   stattgehabten  Ständesitzungen   seien  auch 
-ine  Posse  gewesen,   kräftig  hervor.      Der  Satiriker  hat  sie 
in  diesem  Rumpfparlamente  alle  zusammen,  die  Betrüger  und 
betrogenen  Betrüger,  und  kann  die  Pfeile  seines  reichgefttllten 
•hers   nicht  nur  gegen   die   preislichen  Helden,  sondern  auch 
^en    die    Maulthiere    und   Hunde    abschnellen.      Er    trifft    den 
iiwerfälligen  Mayenne,   der  vor   dem  Brei   steht  und   dem  der 
öffel  fehlt,   die  Parvenüs,  denen  die  neue  Herrlichkeit  wie  ein 
u  weit   gewordenes  Kleid    um   die    mageren   Glieder   schlottert, 


142  J.  Frank 

die  Gltickßjäger  auf  ihrer  Hetzjagd  nach  einer  Krone,  die  dem 
Ziele  80  nahe,  ihres  Fanges  nicht  froh  werden  sollen,^)  da  sie 
sich  über  die  Teilung  der  Beute  nicht  einigen  können,  die  vater- 
landslosen Abenteuerer,  die  das  Haschen  nach  dem  besten  Platze 
am  Mahle  des  Lebens  als  die  höchste  Tugend  und  göttliche 
Inspiration  ausgeben  möchten;  aber  auch  die  kleinen  Leute,  die 
ihnen  dabei  Handlangerdienste  leisten,  die  Verblendeten,  die  sich 
von  ihnen  im  Taumel  zur  Schlachtbank  schleppen  lassen.  Die 
heftigsten  Ausfälle  aber  richten  sich  gegen  die  Spanier,^)  die 
sich  in  die  häuslichen  Angelegenheiten  Frankreichs  einmischen, 
die  die  Verwirrung  vergrössern,  um  dann,  gleichsam  vom  Schimmer 
einer  rettenden  That  angeleuchtet,  als  Befreier  desto  herrlicher 
erstrahlen  zu  können,  und  ihre  französischen  Helfershelfer. 

Die  Menipp6e  erklärt  besonders  die  Urfehde  dem  Miss- 
brauche der  Religion,  dem  neuaufgebrachten,  das  alte  ver- 
drängenden Catholicond'Espagne.  Es  kann  nicht  genug  betont 
werden:  Keine  Redewendung  im  ganzen  Verlaufe  der  Menippee 
redet  der  Reformation  das  Wort,  dieselbe  wird  vielmehr  überaU 
allen  Ernstes  als  Ketzerei  bezeichnet  und  aus  jeder  Seite  spricht, 
wenn  schon  nicht  ein  fanatischer  Hass,  so  doch  eine  ganz  aus- 
gesprochene Abneigung  gegen  dieselbe.  Sie  ist  eben  ein  Werk 
der  „Politiker",  die  eben  so  entschieden  national  als  gut  katho- 
lisch gesinnt  waren,  sie  stemmt  sich  nur  gegen  die  Zumutung 
eines  ausländischen  Königs,  sie  ist  nur  über  jene  entrüstet,  die 
die  einzig  mögliche  glückliche  Lösung  der  herrschenden  Wirren 
verhindern,  indem  sie  sagen,  Heinrich  von  Navarra  könne  selbst 
dann  nicht  König  von  Frankreich  werden,  nachdem  er  aufrichtig  in 
den  Schooss  der  katholischen  Kirche  zurückgekehrt  sei.^)   Wohl 


^)  „.  .  .  suivant  ce  que  me  dit  un  jour  Michel  Montaigne, 
assavoir,  que  las  pretendans  ä  la  Couronne  trouvent  tous  las  aschalons 
jusquas  au  marchepied  du  throsne,  et  petita  et  aisez,  mala  que  la 
dernier  ne  se  pouvoit  franchir,  pour  sa  hautaur"  (d'Aubign^,  hist.  univ., 
T.  m,  1.  3,  eh.  23). 

^)  Granz  'ähnliche  Tendenzen  verfolgte  auch  der  zur  Zeit  der  Er- 
öffnung der  Konferenzen  von  Suresnes  arschienane  Anti-Espagnol,  in 
dam  die  Spanier  als  „puants  Visigoths"  als  „faquins  de  Castille"  be- 
zeichnet werden  und  ihnen  vorgehalten  wird,  wie  sie,  die  Bastard- 
katholikan,  die  kaum  erst  den  Arianismus  abgelegt  hätten,  die  Halb- 
judan  und  Halbmohamadaner,  die  noch  halb  im  Banne  dar  Synagoge 
und  des  Korans  sich  befänden,  dem  Sprossen  das  heil.  Ludwig  den 
Thron  streitig  machen  wollten.  Auch  in  dieser  „politischen"  Satire  ist 
dar  Schluss  wie  in  der  M^nipp^e  versöhnend  und  apelliart  an  den  ge- 
sunden nationalen  Sinn  aller  Franzosen,  die  sich  durch  die  vorge- 
spiegelten Ziele  nicht  irre  machen  lassen  sollen. 

")  Boucher  und  d'Aubray  hatten  gepredigt,  Gott  selbst 
könne  dem  Bearnar  nich4;  verzeihen. 


^1  'liftpce.  143 

jene  im  Geiste  des 

'Sichen    insbesondere 

vierus;  es  hiesse  aber 

.'  Litteratur  subversive 

ch    und  beissend,    aber 

iiehr   geneigt    über    ihre 

widerlegen,    unwidersteh- 

v)ch  der  Autorität  entraten 

1    die   Franzosen   schon   im 

r  Gewissen  ohne  Widerstand 

leren  Macht  sie  fürchteten ".^ 

(üeistes,^)    in   welches  heftige. 

eilten  und  so  wie  die  M6nipp6e 

:iie    Tochter    des    Pfarrers    von 

>ü  sie  insbesondere  in  bezug  auf 

«  lassenheit   ihr  Vorbild  nicht  ver- 

. gehenlassen  des  Witzes,  das  alles 

it  hereinzieht,  das  die  Befürchtung, 

der  Religion  darunter  leiden,    schon 

Aj  weil  dieselbe  in  jener  Zeit  in  den 

.niindet   war,    als    dass   der  Mann  mit 

r   Narrenpritsche  an  sie  heran  konnte. 

damals    das  ganze   geistige   Leben  in 

1     der    Humor    in    seinen    mäandrischen 

ser  Richtung  bewegen    und   den    in    den 

:eii    der    Menschen    von    dem    religiösen 

neu  Stoff  aufnehmen  musiste. 

lüg   allerdings  weiter  als  Rabelais:  wenn 
i  iasslichen  Immunität  des  Hofnarren,  der  auch 


^,^  Gesch.  der  fr.  Nationallitt.,  S.  47. 

nirche  fasste  es  in  diesem  Sinne  auf  und  legte  ihm 

i)pi.      Geistreich,    wenn    auch    nicht    ohne    Malice, 

:te-Beuve  (Tabl.  bist,  et  crit.  de  la  Poesie  fran9ai6e 

--.  452):    „On  ä  remarqu^  das  longtemps  cette  gaietä 

}>aYs  catholiques:  ce  sont  des  enfants  qui  sur  le  giron 

i  iVjnt  toutes  sortes  des  niches  et  prennent  leurs  aises. 

chez  lui  permet  bien  des  choses,  quand  on  ne  l'attaque 

N'iLvez-vous  pas  jamais  remarqu^  dans  la  foule,  un  jour 

■loiis    grands    chevaux   de   gardes   municipaux    entre  les 

"Is  se   passent  les  passants,  fiUes  et  gar9ons,   et  qui  ne 

.J)()t  sur  personne?  Tels   sont  les  bons  chevaux  de  garde 

jKiya  catholiques." 

nmiortelle  Mänipp^e  est  sa (Babelais')  fiUe  legitime"  (Geruzez, 
l.   Bd.,  S.  314). 


144  J.  Frank 

gegen  seinen  Herrn  und  Gebieter  etwas  wagen  darf,  an  kirch- 
lichen Würdenträgern  seine  Zunge  wetzte,  so  musste  dies  in  so 
gewundener,  verborgener  Weise  geschehen,  dass  alle  und  nie- 
mand gemeint  sein  konnte,  dass  er  mit  der  Geschmeidigkeit 
eines  Aals  jedem  Versuche,  ihn  zu  fassen,  entschlüpfte,  dass 
das  Gelächter  jede  Bedenklichkeit  erstickte;  die  Menippee- 
autoren  hingegen  durften  und  mussten,  wenn  sie  ihren  Zweck 
erreichen  wollten,  unter  dem  viel  ausgiebigeren  Schutze  der 
Anonymität  ohne  jede  Verschleierung  die  stärksten  Invektiven 
gegen  mit  ihrem  vollen  Namen  genannte  einflussreiche  Männer 
geistlichen  Standes  erheben.  Dennoch  ist  auch  die  Menippee 
frei  von  jener  zersetzenden,  den  religiösen  Skeptizismus  herbei- 
führenden Beimischung,  die  etwa  den  späteren  Schriften  eines 
Voltaire  das  Gepräge  aufdrückt.  Sie  bekämpft  nämlich 
im  ligistischen  Klerus  nicht  den  Priester,  sondern 
denLigisten,  der  mit  Spanien  an  einem  Strange  zieht, 
sie  bekämpft  Personen  und  nicht  hochgehaltene  In- 
stitutionen und  Glaubenslehren,  und  wenn  zuweilen  ein 
scharfer  Hieb  daneben  geht  und  da  trifft,  wo  er  nicht  treffen 
soll  und  nicht  einmal  treffen  will,  wenn  er  das  Kind  mit  dem 
Bade  auszuschütten  droht,  so  muss  man  dies  der  Natur  der 
lustigen  Redner,  die  sich  in  ihrer  übermütigen  Tollheit  im  Spotte 
überschlagen,  zu  gute  halten  und  sie  nicht  allzu  ernst  nehmen. 
Nur  die  Rede  d'Aubray's  darf  mit  solcher  Strenge  geprüft  wer- 
den, und  aus  dieser  spricht  zweifellos  die  tiefe  Frömmigkeit 
eines  gottergebenen  Sinnes  und  die  innige  Hingebung  an 
den  angestammten  Glauben,  die  fest  entschlossen  ist,  jeden 
Versucher,  der  sie  darin  irre  machen  wollte,  eben  so  entschieden 
von  sich  zu  weisen,  wie  alle  die,  die  mit  derselben  Missbrauch 
treiben. 

Man  kann  eben  so  wenig  sagen,  dass  die  Menippee  im 
Ganzen  und  Grossen  nicht  ein  wahres  Gemälde  der  Zeit  und 
der  Personen  entwerfe,  die  sie  schildert,  und  dass  sie  nur  gift- 
geschwollene Verleumdungen  enthalte,  dass  sie  Zustände  und 
Menschen  angreife,  wie  sie  in  Wirklichkeit  nie  eiListiert  haben.  ^) 


*)  Wir  können  uns  hier  auf  Einzelheiten  nicht  einlassen  und 
dürfen  uns  dessen  um  so  eher  überheben,  als  wir  das  Gesagte  in  den 
einzelnen  Stellen  der  Mönipp^e  nachweisen  werden.  Hier  sei  nur  an- 
geführt, dass  selbst  in  der  von  allerdings  gemässigter  ligistischer 
Seite  ausgehenden  Satyr e  dem  „J)ialoaue  du  Maheusire  et  duManant^, 
aus  der  die  ursprüngliche  berecntigte  Tendenz  der  Ligue 
spricht,  der  Kampf  für  den  alten  Glauben  ohne  alle  ehrgeizigen  welt- 
lichen Nebenzwecke,  das  Treiben  der  Guisen  und  der  späteren  Führer 
der  Liga  in  rückhaltsloser  Weise  angegriffen  wird.     Lenient  sagt  von 


Studien  über  die  Saiyre  Menippee.  145 

Wohl  ist  sie  eine  ansgeBprochene  Parteischrift  und  als  solche 
zuweilen  recht  einseitig  in  ihrer  Auffassung  der  gegebenen  Ver- 
hältnisse,  wohl  macht  sie  von  den  Vorrechten  des  Satirikers 
ausgedehnten  Gebrauch  und  wohl  ist  sie  weit  entfernt  von  jener 
Zurückhaltung^  die  sich  scheut,  selbst  bei  einem  öffentiicheD  Cha- 
rakter bis  in  die  intimsten  Heimlichkeiten  des  Privatlebens  einzu- 
dringen; allerdings  endlich  benutzt  sie  ohne  Kritik  manches  im 
Miasma  des  Parteiklatsches  gezeitigte  halbverbürgte  Gerücht,  um 
ihr  Opfer  zu  zermalmen.  Dennoch  beweist  die  Vergleichung  mit 
den  zeitgenössischen  Geschichtsquellen,  dass  die  M6nipp6eautoren 
über  eine  geradezu  bewunderungswürdige  Kenntnis  der  Zeitge- 
schichte verfügten,  dass  sie  ebenso  in  die  verschlungensten 
politischen  Intrignen,  wie  in  die  delikatesten  Mysterien  der 
Boudoirs  eingeweiht  waren.  Man  hat  mit  gutem  Grunde  be- 
hauptet, die  M6nipp^e  sei  das  in  Szene  gesetzte  L'Estoile'sche 
Tagebuch.  Wenn  der  idealisierende  Künstler  das  Zufällige  ent- 
fernt und  die  Auswüchse  wegschneidet,  so  akzentuiert  dagegen 
der  Satiriker  gerade  diese  Zufälligkeiten  und  treibt  die  Aus- 
wüchse auf  die  Spitze,  und  das  ist  sein  gutes  Recht;  aber  auch  die 
Mienen,  die  dem  flüchtigen  Beobachter  entgehen,  zeichnet  er  mit 
unverlöschbaren  Zügen  und  stellt  sie  vor  das  Gericht  der  Öffent- 
lichen Meinung  und  der  Nachwelt,  auch  die  tiefsten  Falten  des 
Herzens  legt  er  bloss  und  lässt  uns  in  dieselbe  einen  Einblick 
thun,  damit  sich  die  harte,  spröde  Wirklichkeit  in  scharfer 
schwarzer  Silhouette  vom  leuchtenden  Hintergrunde  der  Idee  kräftig 
abhebe.  Der  Plan,  für  die  Personen,  die  er  treffen  will,  das 
Kapitel  des  Ruhmes,  das  sie  in  ihren  Reden  ersteigen  wollen, 
zum  tarpejischen  Felsen  werden  zu  lassen,  ist  zwar  nicht  neu, 
aber  doch  sehr  gut  ausgeführt. 

Der  nie  versiegende  Witz,  mit  dem  die  M^nipp^e  die  Ver- 
spotteten geisselt,  ist  meist  kaustisch  und  schneidend,  und  man 


dieser  letzteren  Satyre  (1.  c.  II,  S.  97)  folgendes:  „Mais  tout  en 
justifiant  la  Ligue,  eile  en  trahit  l'impuissance,  la  d^sunion,  les  causes 
innombrables  de  ruine:  eile  ^tablit  que  le  peuple  a  ^tä  sinc^rement 
d^vou^  k  la  cause  catholique,  et  les  princes  ä  leur  ambition.  Le 
Manant  commence  ä  ouvrir  les  yeux  et  ä  s*apercevoir  qu'il  est  dup4 
de  tous  cdt^s«  ,Les  deux  chefs  des  deux  partis  ont  ressembl^  deux 
vieux  renards  qui,  pour  faire  lever  le  gibier  du  bois,  contrefont 
raboi  du  chien,  et  vont  Tun  apres  l'autre  chassant  pour  attaquer  leur 
proie.  Ainsi,  le  roi  de  Navarre  a  contrefait  le  catholique 
et  M.  de  Mayenne  le  ligueur,  et  ne  sont  ni  Tun  ni  l'autre'". 
In  dieser  Auffassung  stimmen  also  diese  ligistische  Emanation  und 
die  M^nippäe  vollkommen  überein.  —  Wir  bemerken  nur  noch,  dass 
im  Verlaufe  der  M^nipp^e  das  Wort  „katholisch"  meist  |im  Sinne  von 
„ligistisch"  gebraucht  wird. 

Zschr.  f.  nfrx.  Spr«  u.  Litt.   VP.  ^q 


146  J.  Frank 

• 

hört  ordentlich  das  Wimmern  jener,  denen  der  satirische  Stachel 
tief  ins  Fleisch  gedrungen  ist.  Das  Salz  ist  mit  vollen  Händen 
ausgestreut,  und  es  fehlt  hei  den  einzelnen  Rednern  nicht  an 
fein  charakterisierenden  Zügen;  freilich  wo  das  reine  Salz  fehlte, 
that  es  auch  der  Salpeter  aus  der  Kloake!  Sie  wollte  eben  die 
Lacher  auf  ihrer  Seite  haben,  und  da  sie  auf  das  grosse  Volk 
berechnet  war,  so  musste  sie  zuweilen  mit  recht  groben  Mitteln 
arbeiten.  An  den  Derbheiten  und  dem  Treiben  der  nackten  Sinn- 
lichkeit, die  unseren  Geschmack  verletzten,  stiess  man  sich  im 
16.  Jahrhundert  nicht,  wo  man  die  Dinge  lieber  beim  wahren 
Namen  nannte ^  und  dabei  an  nichts  arges  dachte,  da  es  auf 
niedrigen  Kitzel  nicht  abgesehen  war  und  kein  gesunder  Trieb 
vergiftet  wurde.  Neben  solchen  mit  groben  Pinselstrichen  auf- 
getragenen ungemilderten  Farben,  neben  solchen  durchsaftigten 
Stellen,  wo  der  Witz  jedes  schicklichen  Masses  entbehrt,  fehlt 
es  auch  nicht  an  solchen  von  attischer  Feinheit  und  echt  galli- 
scher Laune,  an  einer  sprudelnden  Fülle  gelungener  Parodien. 
Man  darf  auch  nie  vergessen,  wem  diese  Eüpeleien  in  den  Mund 
gelegt  werden,  man  darf  den  Klown  nicht  in  Heldenrollen  und 
mit  einem  Rolandsschwerte  umgürtet  sehen  wollen.  Wenn  man 
die  wahre  Gesinnung  und  Überzeugung  der  Menipp6eautoren 
kennen  lernen  will,  so  vertiefe  man  sich  in  die  herrliche  Rede 
d'Aubray's.  Der  Kern  seines  Wesens  verknittert  nicht  in 
leichten  Spässen,  aus  seinen  Worten  vernehmen  wir  die  selbst- 
lose Weisheit  des  Kanonikus  Lero}^,  dem  sich  in  seiner  Ein- 
samkeit Herz  und  Ohr  für  das  Wohl  und  Wehe  seiner  Mit 
weit  erschlossen  hat,  sie  sind  ernst  und  würdig  und  ein  Be- 
weis des  Satzes:  „Pectus  est,  quod  disertum  facit",  sie  fallen 
wie  ein  voller  Harfenton  in  die  zuweilen  misstönig  zischende 
Persifflage  seiner  Vorredner,  ruhig  und  besonnen,  mit  versöhnen- 
dem Abschlüsse.  Beim  Lesen  dieser  Rede  wird  man  auch  be- 
sonders gewahr,  wie  vorteilhaft  sich  die  satirischen  Schriften 
der  „Politiker"  von  den  gleichzeitigen  ligistischen  Litteratur- 
erzeugnissen  abheben.  Bei  den  letzteren  athmet  uns  nur  ein 
glühender  wilder  Haas  entgegen,  sie  sind  meist  wüste  Ausbrüche 
der  Parteileidenschaft  und  die  Feder  scheint  sich  in  einen  Staup- 
besen verwandelt  zu  haben;  es  fehlt  ihnen  jedes  Mass  und  jede 
Klarheit,  und  selbst  in  ihren  Witzeleien  ist  mehr  Ärger  als 
Geist  zu  verspüren.  War  doch  der  ligistische  Prediger  P.  Martin 
in    seinem  Fanatismus    auf   der    Kanzel    wahnsinnig    geworden ! 


^)  „mais  je  luy  ay  ouy  dire  qu'il  estoit  d*un  pays  oü  1*0 n 
appelloit  le  pain  pain,  et  les  figues  figues^  heisst  es  vom 
Verfasser  im  „deux.  advis," 


wohl  i..  "=  =«  iS^St^^^TLt-  ■ 

,.kt.r  bi. « *•  ••^d,  i«.««  '"j:,^,. 

:       B..dair.  eM«"^^'«,  d.  n   -^ 
:-     znm  t^-  »"  ■>     y^  —  aar*" 


n  üin- 

"~  i^nitein- 
"  *  vrstcii 
"  '  *  "It,  dasB 
^'  '  v-j;miiscli 
"^»»j^  uiitcr- 
'  ■  *•  antiken 
'  s  Hüll  es 
■  ■  K-h  iiiclit 

ik<.    des 

ii'sa  und 

\iu(l  den 

■  .,11  tVeies 

^^^lien  Scherz 


148  /.  Frank 

und  Ernst,  das  Rügen  des  Abfalles  der  Gegenwart  von  der  Ein- 
fachheit der  alten  Zeit  und  die  polemische  Richtung  gegen  das 
herrschende  System  sind  beiden  gemeinschaftlich.  Auch  sind 
bei  beiden  Inhalt  und  Einkleidung  bunt,  Gelehrsamkeit  und 
Leben,  Mythologie  und  Geschichte,  Vergangenheit  und  Gegen- 
wart umspannend«^)  Der  häufig  dialogischen  Gestaltung  der 
alten  Menippea  entsprechen  die  Reden  in  der  unsrigen;  in  beiden 
finden  sich:  die  Erzählung  einer  Reihe  von  Erlebnissen  und  der 
charakteristische  lockere  und  abspringende  Gedanken- 
gang, viel  volksmässiges,  sprichwörtliches  und  der- 
bes, zahlreiche  eingemischte  griechische  Wörter  und 
ganze  Verse.  Sogar  die  Art  der  Satyre  M^nipp6e,  die  Ge- 
richteten selbst  die  moralische  Justifikation  an  sich  vollziehen 
zu  lassen,  ist  Seneka's  ^AnoxoXox6vrw<n<:y  einer  Nachahmung  der 
alten  Menippeischen  Satire,  entnommen. 

Die  M^nipp6e  nimmt  also  unter  den  wie  leichtes  Reiter- 
geschwader gegen  den  Feind  ausgesandten  Streitschriften  den 
hervorragendsten  Rang  ein,  und  wir  können  diesen  Versuch  ihrer 
Würdigung  nicht  besser  abschliessen,  als  mit  den  trefflichen 
Worten  Ch.  Read's:«) 

,,La  Satyre  M6nipp6e  est  depuis  longtemps  compt6e  parmi 
les  monuments  de  notre  langue  comme  parmi  ceux  de  notre  hi- 
stoire.  Elle  a  Signale  le  triomphe  de  Tesprit  fran9ais  k  la  fin 
du  XVI^  si^cle.  Sa  place,  selon  Topinion  des  meilleurs  juges, 
est  k  Jamals  marqu6e  entre  Rabelais  et  Pascal;  eile  continue 
le  Premier,  eile  pr6sage  le  second:  c'est  la  transition  entre  Gar- 
gantua  et  les  Provinciales. 

„Pour  la  d6finir  un  critique  a  dit,  —  et  Ton  s'est  plu  k 
r^p6ter  que  la  M^nipp^e  ^t^it  tout  k  la  fois  un  pamphlet,  une 
com^die,  un  coup  d'^tat. 

„C'est  en  effet,  avant  tout,  un  pamphlet,  et  comme  on  Ta 
appel6,  He  roi  des  pamphlets'.  Mais  c'est  plus  et  mieux  encore 
qu'un  admirable  pamphlet,  car  le  pamphlet  ne  peint  des  gens 
que  les  costumes  et  les  dehors,  comme  Fa  fait  observer  Saint- 
Marc  Giradin,  tandis  que  dans  la  M6nipp^e,  chaque  auteur  a 
une  part  de  v6rit6  contemporaine  qui  marque  sa  dato  et  son 
nom,  et  une  part  de  v6rit6  abstraite  et  philosophique  qui  lui 
donne  quelque  chose  d*6temel. 

„El  c'est  bien  aussi  une  com^die,  une  com^die  d'ä-propos, 
k  la  mani^re  d'Aristophane ,  mel^e  de  farce  et  de  gros  sei. 
Mais  c'est  plus  encore,  car  la  com6die  d'ä,-propos  et  de  person- 


*)  Vgl.  Teuffei,  Geschichte  der  röm.  Litteratur,  §  165,  S. 
')  In  der  „Introductiou"  seiner  M^nippäe- Ausgabe,  S.  I  ff. 


Studien  über  die  Saiyre  Menippee.  149 

iialit6s  a  an  caract^re  essentiellement  actael  et  6ph6m6re,  tandis 

que  la  Menippee,  g6n6raliBant  ses  personnages,  en  a  fait  par  Ik 

des  types  vivants  de  tous  les  temps  et  de  tous  les  pays.    C^est 

sous  ce  rapport,  une  vraie   com6die  de  moeurs;    c'est  —  il  faut 

le  dire  ä  sa  gloire,  —  un  v6ritable  „Tartuffe"  antieip^,  le  Tar- 

tüffe  des  ambitieux,  des  intrigants,  des  hypocrites  de  la  politique. 

„Mais  UD  coup  d'^tat?  Peut-on  qualifier  ainsi  la  M6nipp6e? 

Elle  fut  jüstement  tout  le  contraire.    £lle  fut  le  coup  de  gräce,^) 

et  si  Fexpression  nous  est  ici  permise,  le  coup  de  balai  donn^, 

en  fin  de   compte,    aux  Ouisards,  aux  faiseurs  de  barricades  et 

de  coups  d'^tat   par   le  bon    sens    et    Fesprit    gaulois,    venant 

en   aide    au   bon   droit   de   celui   qu'on  avait  forc6  de  conqn^rir 

son  royaume  k  la  pointe  de    Fep6e.     En  fletrissant  les   auteurs 

des  d^sordres  publics,    en    amenant,   comme    dit  Grosley,   toute 

la  nation  k  rougir  d'elle  -  m^me ,    la  Satyre  M6nipp6e,  il   faut  le 

reconnattre  avec  le  pr^sident  H^nanlt,    ne  fut  gn6re  moins  utile 

k  Henri  IV,  au  parti  national  et  k  la  paix  que  la  bataille  dlvry. 

L^arme   du   ridicule,   si  'gaillardement'  mani^e,  achevait  Foeuvre 

de  la  victoire." 

J.  Frank. 

^)  Wir  sind  mit  dieser  Ansicht  nicht  ganz  einverstanden. 


Die  Mstorisclie  Entwickelnng  der  Inversion  des  Subjektes 

im  Französischen  nnd  der  Gebranch  derselben  bei  Lafontaine. 


Einleitung. 

Mätzner,  Synt.  §  482  f.  —  Mätzner,  Gramm.  §  253.  —  Henri  Weil,*)  p.  51.  — 
Diez,  III*  447.  —  Le  Coultre,^)  pp.  9,  n,  16,  17.  —  Morf,'»)  p.  204.— 
Marx,*)  p.  338.  -—  Schlickum,*)  p.  2  f.  —  Habicht,«)  pp.  3  f.,  28  flf.  — 

Völcker,')  p.  7.  —  Delbrück.») 

Der  nachstehende  Versuch  fasst  die  Resultate  der  zur  Kenntnis 
des  Verfassers  gekommenen  Abhandlungen,  welche  die  Inversion  des 
Subjektes  betreffen,  zusammen  und  führt  im  Anschlüsse  hieran  die 
BeolDachtungen  auf,  welche  über  den  Gebrauch  der  Subjektsinversion 
bei  Lafontaine  gemacht  sind. 

Lafontaine' s  Sprache  schien  besonders  dazu  geeignet,  einer 
solchen  Untersuchung  als  Gegenstand  zu  dienen,  weil  sein  Stil  ein 
viel  altertümlicheres  Gepräge  trägt,  als  man  dies  von  einem  Schrift- 
steller seiner  Zeit  (1621 — 1695)  erwarten  sollte,  und  weil  dadurch 
die  Vermutung  nahe  lag,  dass  Lafontaine  sich  auch  im  Gebrauche 
der  Inversionen  von  seinen  Zeitgenossen  unterscheiden  werde,  dass 
sich  insbesondere  bei  ihm  die  modernen  Begeln  noch  nicht  stetig 
durchgeführt  finden  würden. 

Nicht  in  allen  Schriften  Lafontaine's  treten  jedoch  die  alter- 
tümlichen Konstruktionen  in  Menge  auf.  In  den  Prosa  werken 
(namentlich  in  der  Bede  an  die  Akademie)   und   in    einem   grossen 

*)  De  Vordre  des  mots  dans  les  langues  anciennes  compar^es  aux 
langues  modernes.  Paris  1869.  *)  De  Vordre  des  mots  dans  Crestien 
de  Troyes.  Leipzig  1875.  ^)  Die  Wortstellung  im  altfranz.  Rolands- 
liede.  Rom.  Stud.  III.  Strassburg  1878.  *)  Über  die  Wortstellung  bei 
Joinville.  Frz.  Stud.  I.  *)  Die  Wortstellung  in  der  altfranz.  Dichtung 
Aucassin  und  Nicolette.  Frz.  Stud.  III.  «)  Beiträge  zur  Begründung 
der  Stellung  von  Subjekt  und  Prädikat  im  Neufranzös.  Diss.  Jena 
1882.  '')  Die  Wortstellung  in  den  ältesten  franz.  Sprachdenkmälern. 
Frz.  Stud.  III.    ®)  Die  Grundlagen  der  griechischen  Syntax. 


^f'espt/.  Die  hist.  Entwickelung  der  Inversion  eic.  151 

dramatischen  Werke  glauben  wir  inbezug    auf    die  In- 

iion  modernen  Schriftsteller  vor  uns  zu  haben,   der  sich 

nsweise  Freiheiten  in  der  Konstruktion   erlaubt     Dafür 

I  *ontes  ein  ihnen  von  Lafontaine  mit  Absicht  verliehenes 

ics  Gepräge;    in   zweiter   Linie   ist   dies   bei    den  Fabeln 

lubezug  auf  ersteren  Punkt  sagt  Lafontaine  selbst:  „L'au- 

lu  öprouver  lequel  caractöre  est  le  plus  propre  pour  rimer 

:  il  a  cru  que  les  vers  irröguliers  ayant  un  air  qui  tient 

•le  la  prose,    cette  maniöre  pourroit  sembler   la   plus    na- 

par  cons^quent  la  meilleure.     D'autre  part  aussi  le  vieux 

[)Our  les  choses  de  cette  nature,  a  des  grd>ces  que  celui  de 

>'cle  n*a   pas"*    (III,    134).    —    An    einer    anderen    Stelle, 

der  Dichter  allgemeiner  ausdrückt,   hat.  er  jedenfalls  auch 

••«^Imässigkeiten  der  Woiiistellung  im  Auge  gehabt.     Es  heisst 

ici . . .  la  demiöre  occasion  de  justifier  ses  hardiesses  (les  h.  de 

dans  les  contes)  et  les  licences  qu'il  s'est  donnöes.     Nous  ne 

point    des   mauvaises   rimes,    des    vers   qui   enjambent,    des 

oyelles  Sans  Elision,  nieng^n^ral    deces  sortes  de   n^gli- 

.pi'il  ne  se  pardonneroit  pas  ä  lui-m6me  en  un  autre  genre 

sie,  mais  qui  sont  ins^parables,  pour  ainsi  dire,  de  celui -ci." 

1)5.) 

Das  Interesse   der  Wissenschaft  hat  sich  schon  seit  geraumer 

lem  Studium   der  Satzkbnstruktion    zugewendet,   und    das   mit 

,  denn  die  verschiedene  Anordnung  der  syntaktischen  Elemente 

(ede  verleiht  den  einzelnen  Sprachen  ihren  Charakter,  der  sich 

mühsam  endgiltig  feststellen  lässt,    da   er  so   äusserst   mannig- 

•f  ist.     Ja,   nicht    nur  verschiedene  Sprachen  unterscheiden  sich 

h  die  Wortstellung  von  einander,  sondern  es  bietet    sogar   hin- 

'lich  derselben  jede  einzelne  Sprache   ein  verschiedenes  Bild  auf 

•n  verschiedenen  Entwickeln ugsstufen  dar. 

Habicht  sucht  darzulegen,  wie  ursprünglich  das  Verb  das  erste 

zglied  gewesen  sei.     Dies  zeigen  noch  die  semitischen  Sprachen. 

st   bezeichnete   man   die  Thätigkeit   als   das   den   Sinnen  bemerk- 

rc  und  dann  erst  den  Urheber  der  Handlung.     Als  die  Fähigkeit 

•  reflektieren  zunahm,    da   eilte   der  Verstand  dem  Gefühl  voraus 

'id  bezeichnete  erst  das  Subjekt  als  Ausgangspunkt  und  dann  erst 

ie  Thätigkeit.     Diese   letztere  Auffassung  ist   für    das  Neufranzös. 

lassgebend. 

Mätzner  meint  nun,  dass  von  einem  durch  die  Natur  des  Ge- 
lankens  selber  bestimmten,  unabänderlichen  Gesetze  hier  nicht  die 
Rede  sein  könne,  und  gibt  nur  eine  gewisse  Stätigkeit  der  Sprache 
zu,  welche  bald  als  ängstliche  Regelrichtigkeit,  bald  als  minder  ge- 
messene Ordnung,  bald  als  versteckte,  nur  dem  feineren  Gefühle 
merkliche  Symmetrie  erscheine. 


Die  hist  Entnnckelung  det*  Inversion  etc.  153 

Ilaupisatze    4    Inversionen.      Das    Bulalialied    (ca.  900)    weist 
^gelmässige  Konstruktionen  und   3  Inversionen  auf,  während  wir 
>or  Passion   Christi  64^/o  regelmässig   konstruierte   neben   36"/o 
iüerten  Hauptsätzen  finden. 

Die  oben  genannten  Prozentsätze  sind  aber  wenig  von  Belang. 

X'erhältnisse  des  Eintretens  der  Inversion  befinden  sich  in   den 

iiaft  gemachten  Werken  ganz   ausserhalb   der  historischen  Ent- 

volungsreihe,  weil  in  denselben  der  Einfluss  des  Lateinischen  noch 

^^ross  ist.     Indessen  wird  sich  das  neue  Bestreben  nach  strenger 

laug  des  Satzbaues  sofort  nach   dem  Schwinden   der  Flexionen 

iid   gemacht   haben   und   seit   jener  Zeit    beständig    tbätig  ge- 

'u  sein. 

In  den  ältesten  Denkmälern  finden  wir  die  meisten  Anklänge 

*hn  lateinischen  Gebrauch;   je   mehr   sich  dieselben   der  Neuzeit 

rn,    desto  festere   Formen    sehen   wir   die   mehr  und    mehr  er- 

'  kenden  Eegeln  gewinnen.     Die  neufranzösische  Sprache  hat  sich, 

••  überall,  so  auch  hier,  die  engste  Grenze  gesetzt. 

Dass  es  in  der  That  im  Laufe  der  Jahrhunderte  immer  mehr 
>'^h   wurde,   das  Subjekt   des   Hauptsatzes   vor   das  Prädikat  zu 
m,  geht  aus  den  Prozentsätzen  hervor,  welche  die  verschiedenen 
Tsuchungen    für   das  Eintreten    der  Inversion   in    den    einzelnen 
n-iftwerken  ergeben  haben. 

Die   ältesten   in   Betracht   kommenden  Schriftwerke   sind    das 

legarlied  (1 0.  J.)  und  Gormont  und  Isembart  (letztes  Viertel  des 

.7.  oder  auch  früher),  welche  überhaupt  unter  den  ältesten  Sprach- 

ik  malern  nebst  dem  Alexiusliede  die  grösste  Wichtigkeit  besitzen. 

'  Leodegarlied   finden   sich    4:7  ^Jq  Inversionen    neben  53*^/o  regel- 

<sigen  Konstruktionen;  in  Gormont  und  Isembart  steht  schon  in 

'"/o   die  i*egelmässige  Wortstellung,  während  44 "/o   luv.  zeigen. 

Morf  sagt,  dass  im  Rolandsliede  (11.  J.)  in  43 ^/o  der  ersten 
'0  Haupt-sätze  Inversion  des  Subjektes  eintrete.     Le  Coultre  gibt 
1,  dass  der  Prozentsatz   der   invertierten  Subjekte   in  Hauptsätzen 
i  Crestien  v.  Troyes  (12.  J.)   auf  33%  gesunken   sei.     Krüger 
(t   keine   Berechnung  für   die  von   ihm   untersuchte   Sprache   des 
'  o.  J.  angestellt,  doch  lässt  sich  annehmen,   dass  in  dei*selben  sich 
in  Rückgang  im  Prozentsätze  ergeben  haben  würde,  denn  Schlickum 
loUt  denselben   für  Aucassin   und  Nicolette   (13.  J.)  auf  22Vi% 
est,  indem  er  allerdings  die  73  vorkommenden  eingeschobenen  Sätze 
inberücksicbtigt  lässt.     (Der  Prozentsatz  würde   sonst  37^?   betra- 
fen.)    Marx'   Beobachtungen    ergeben    für   die   Sprache   Joinville^s 
vEnde  13.  und  Auf.  14.  J.)  2b\  luv.  des  Subjektes. 

Die  Steigerung,  welche  sich  hier   dem   Resultate  Schlickum^s 


ti>i 


154  X.  Wespy 

gegenüber  zeigt,  igt  entweder  eine  zufällige,  oder  darauf  zurückzu- 
führen, dass,  wie  schon  bemerkt,  Schlickum  absichtlich  die  einge- 
schobenen Sätze  nicht  in  den  Bereich  seiner  Berechnung  zog. 

Je  mehr  sich  nun  die  syntaktischen  Regeln  inbezug  auf  die 
Stellung  des  Subjektes  und  des  Pi^dikates  im  Satze  festigten,  desto 
mehr  musste  eine  Änderung  in  der  regelmässigen  Stellung  auffallen 
und  zur  Hervorhebung  des  umgestellten  Satzteiles  dienen.  Dies 
deutet  auch  Dumarsais  in  seiner  Encyclopödie  möthodique  beim 
Worte  Konstruktion  an,  wo  es  heisst:  „Cette  figure  (Hnversion) 
donne  souvent  aux  phrases  plus  de  rapidite,  de  gräce,  d'energie; 
quelquefois  m^me  eile  ajoute  ä  la  clart^  en  övitant  les  amphibolo- 
gies;  et  alors  on  doit,  mdme  dans  le  discoui*s  ordinaire,  la  pröförer 
ä  la  constrnction  grammaticale". 

In  der  That  machte  sich  der  Reiz  und  die  hervorhebende 
Kraft  der  luv.  den  Dichtern  bald  bemerklich,  und  darum  finden 
wir  in  Werken,  welche  unabhängig  von  lateinischen  Mustern  sind, 
die  Inv.  häufiger,  wenn  sie  poetisch,  als  wenn  sie  prosaisch  sind. 
Je  mehr  wir  uns  aber  der  Neuzeit  nähern,  desto  mehr  schwindet 
auch  dieser  Unterschied  in  Poesie  und  Prosa,  wenn  auch  ein  solcher 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  stets  erhalten  geblieben  ist. 

Bei  Lafontaine  tritt  dieser  Unterschied  sehr  stark  hervor,  in- 
dem namentlich  die  Contes  viele  altertümliche  Konstruktionen  zeigen, 
aber  auch  die  meisten  anderen  poetischen  Werke  mehr  Inversionen 
aufweisen  als  die  Prosasohnften.  Selbstverständlich  sind  in  den 
folgenden  Ausfühningen  im  wesentlichen  nur  die  metrisch  freien 
Beispiele  von  Inversion  berücksichtigt  worden. 

Was  die  innere  Gliederung  des  nachstehenden  Versuches  be- 
trifft, so  soll  zunächst  in  jedem  Abschnitte,  an  der  Hand  der 
benutzten  Abhandlungen,  ein  geschichtlicher  Überblick  über  den 
Gebrauch  der  Inversion  zu  den  verschiedenen  Zeiten  gegeben  werden. 
—  Verfasser  hat  an  Material  herbeigezogen,  was  ihm  bekannt  und 
erreichbar  war.  Kaum  wird  es  ihm  gelungen  sein,  Vollständigkeit  zu 
erreichen,  er  hofft  aber  auf  Nachsicht  bei  allen  denen,  welche  wissen, 
wie  schwer  es  ist,  sich  in  der  Provinz  über  litterarische  Dinge  auf  dem 
Laufenden  zu  erhalten,  und  wie  viel  Mühe  und  Weitläufigkeiten 
es  verursacht,  sich  die  zu  einer  wissenschaftlichen  Arbeit  notwendigen 
Werke  zu  verschaffen.  Bei  der  vorliegenden  Arbeit  kam  überdies 
zu  den  genannten  Übelständen  noch  der  ungünstige  Umstand  hinzu, 
dass  eine  Zusammenstellung  der  Lafontaine  betreffenden  Litteratur, 
welche  die  Vollständigkeit  der  Notizen  sehr  gefördei-t  haben  würde, 
und  welche  von  Kreyssig  in  seiner  „Geschichte  der  franz.  National- 
litteratur^,  1879,  Aufl.  5,  pag.  225  (Anm.)  aufgeführt  ist  (Lacroix, 
Bibliographie  Lafontainienne,  Paris  1875),  bis  Mai  1883  noch  nicht 


J 


Die  hiat.  Entmickelun^  der  Inversion  etc.  155 

erschienen  war,  dass  man  vielmehr  (wie  durch  gefl.  Vermittelung 
der  Herren  Buchhändler  Twietmeyer  in  Leipzig  festgestellt  wurde) 
in  Paris  zweifelte,  dass  das  Werk  überhaupt  erscheinen  werde.  So 
sah  sich  der  Verfasser  des  nachstehenden  Versuches  auf  die  gele- 
gentlichen Notizen,  welche  ihm  Herr  Prof.  Körting  in  Münster  freund- 
lichst zukommen  liess,   sowie   auf  seine  eigenen  Studien  angewiesen. 

Herrn  Prof.  Körting  spricht  der  Verfasser  auch  an  dieser 
Stelle  seinen  aufrichtigsten  Dank  für  die  wertvollen  Mitteilungen 
und  Batschläge  aus,  welche  ihm  von  grösstem  Nutzen  waren. 

Der  Verfasser  beabsichtigte  durchaus  nicht,  in  den  folgenden 
Ausfühningen,  soweit  es  sich  um  den  ersten  Teil  jedes  Abschnitios 
handelt,  originell  zu  sein,  er  glaubte  vielmehr  Nutzbringendes  zu 
schaffen,  wenn  er  das,  was  in  vielen  Schriften  zerstreut  zu  finden 
ist,  in  übersichtlicher  Weise  zusammenstellte.  Hiernach  wird  es 
erklärlich  erscheinen,  wenn  in  dem  ersten  Teile  jedes  Abschnittes 
die  Stellen,  welche  wörtlich  oder  doch  genau  dem  Inhalte  nach  und 
nur  z.  T.  verkürzt  aus  anderen  Schriften  angeführt  wurden,  nicht 
durchweg  als  Citate  bezeichnet  sind.  Der  Verfasser  glaubte  genug 
zu  thun,  wenn  er  an  dieser  Stelle  ein  für  allemal  den  am  Kopf 
der  einzelnen  Abschnitte  oder  im  Texte  genannten  Verfassern  das 
Eigentumsrecht  an  dem  Inhalte  der  gegebenen  Übersicht  zuerkannte. 

Bezüglich  der  Anordnung  der  einzelnen  Abschnitte  wurde  die 
Einteilung  zu  Grunde  gelegt,  welche  Völcker  auf  Anraten  Körting's 
angewendet  hat.  Diesem  höchst  praktischen  und  übersichtlichen 
Schema  ordnete  der  Verfasser  die  Ausführungen  anderer  Abhand- 
lungen wie  seine  eigenen  unter. 

In  jedem  Abschnitte  folgen  auf  diese  Übersicht  als  zweiter 
Teil  die  Beobachtungen,  welche  der  Verfasser  bezüglich  der  Stel- 
lung von  Subjekt  und  Prädikat  bei  Lafontaine  gemacht  hat  Hier- 
auf fussend  wird  sodann  die  Stellung  näher  präzisiert,  welche  La- 
tontaine's  Sprache  betreffs  der  Inversion  einnimmt. 

Eine  Schwierigkeit  stellte  sich  bei  der  Bezeichnung  der  einzelnen 
Belegstellen  heraus.  Die  Angabe  des  Namens  der  betr.  Werke  La- 
fontaine^s,  in  welchen  die  angezogenen  Stellen  vorkommen,  wäre 
thunlich,  aber  von  keiner  praktischen  Bedeutung  gewesen,  da  hier- 
mit eine  genaue  Bezeichnung  nicht  gegeben  worden  wäre.  Um  die- 
sem IJbelstande  in  etwas  abzuhelfen,  ist  allen  Angaben  eine  bestimmte 
Ausgabe  der  Lafontaine' sehen  Werke  ((Euvres  complfttes  de  Lafon- 
taine. 3  voL  Paris  1883,  Libr.-Hachette  &  Cie)  zu  Grunde  gelegt 
worden.  Die  römische  Ziffer  unter  jedem  Citate  bezeichnet  den 
Band,  die  deutsche  Zahl  dagegen  die  Seite,  auf  welcher  die  in 
Frage  kommende  Stelle  zu  finden  ist. 

Die  Buchstaben,  welche  jedem  Citate  beigefügt  sind,  geben 
die  Dichtungsart  an,  der  dasselbe  entnommen  ist. 


Die  hist.  Eniwickelung  der  Inversion  etc.  157 

ein    pronominales )    ob    es    nachgestellt,    eingeschoben    oder    voige- 
stellt  ist. 

Morf  spricht  sich  bezüglich  des  nachgestellten  und  einge- 
schobenen Satzes  im  gleichen  Sinne  aus  und  ist  der  Ansicht  WeiFs^ 
indem  er  die  Inversion  in  diesen  beiden  Fällen  so  anffasst»  als  sei 
dieselbe  dm*ch  ein  voranstehendes  Objekt  veranlasst,  als  welches  der 
Inhalt  der  Rede  inbezug  auf  die  Verba  dicendi  gelten  kann. 

Le  Coultre  (p.  21  und  22)  und  Krüger  (p.  35),  die  der- 
selben Ansicht  sind,  haben  in  den  von  ihnen  uptersuchten  Denk- 
mälern ausnahmslos  Inv.  in  diesem  wie  auch  in  dem  dritten  Falle 
angetroffen. 

Mätzner  dagegen  (Synt.  11,  p.  274)  führt  einige  Stellen  ans 
altfranzösischen  Schriften  an,  in  denen  die  Inversion  nnterblieben 
ist.  Schlick  um  sagt,  dass  in  Aucassin  und  Nioolette,  wenigstens 
in  der  poetischen  Sprache,  nach  den  verbis  dicendi  die  Inversion 
gestattet,  aber  nicht  geboten  sei,  wenn  die  Bede  direkt  darauf 
folge. 

Der  Fall  nun,  in  welchem  der  „eingeschobene  Satz^,  mit  dem 
Verbum  dicendi  an  der  Spitze,  voransteht,  wurde  von  Morf  mit 
dem  Namen  „unbedingte  Inversion^  belegt,  bezüglich  deren  er  be- 
merkt, dass  sie  nur  bei  nominalem  Subjekte  stehen  könne.  Tobler, 
in  seiner  Rezension  der  Morf  sehen  Arbeit,  weist  diese  Bezeichnung  als 
unzutreffend  zurück  und  führt  als  Ursache  der  Umstellung  an,  dass 
diese  Inversion  zur  Hervorhebung  des  Subjektes  diene,  das  dann 
gleichsam  als  nachträgliche  Ergänzung  zum  Verbum  stehe. 

Als  Grund  für  die  Inversion  des  Subjektes  in  dem  nachge- 
setzten Satze  mit  dem  Verbum  dicendi  nennt  Habicht  den,  dass 
sich  an  die  direkt  angeführte  Rede  unmittelbar  der  dem  Sinne  nach 
dazugehörige  Ausdruck  des  Begriffs  der  Rede  anschliesse,  das  Sub- 
jekt also  zurücktreten  müsse.  —  Bestätigt,  so  fährt  Habicht  fort, 
wird  diese  Auffassung  durch  die  im  Neufranzösischen  veraltete  Aus- 
drucksweise, bei  welcher  dem  Verbum  des  Sagens  das  Pronomen  ce 
vorangeht,  welches  auf  die  direkte  Rede  hindeutet  (vergl.  auch 
Mäizner,  Synt.  II,  §  488).  Diese  Konstruktion  finden  wir  noch 
öfter  bei  Lafontaine,  wo  es  z.  B.  heisst: 

Raten 
N'^toit  pas  content,  ce  dit-on.  I,  196.  —  jP. — 

Si  le  dien  Pan,  ou  le  Faune, 

Prince  des  bois,  ce  dit-on, 

Se  fait  jamais  faire  un  tröne, 

C*en  sera  lä  le  patron.  II,  335.  —  Ä  ^.  — 

Die  Inversion  im  eingeschobenen  Satze  wird  dadurch  bedingt, 
dass  auf  das  Verb  der  Hauptton  gelegt  wird.  Sobald  das  Subjekt 
denselben  erhalten   soll,  bleibt  dasselbe  an  der  Spitzendes  Satzes, 


158  Z.  Wespy 

was  in  den  meisten  der  Fälle  eintritt,  in  denen  der  Sprechende  sein 
eigenes  Urteil  Über  den  Inhalt  des  Gesagten  ausdrückt. 

Fassen  wir  das  Gesagte  noch  einmal  zusammen:  Im  Alt- 
französischeii  erfolgt  zwar  in  der  Regel  im  eingeschobenen,  vor- 
oder  nachgestellten  Satze  bei  den  verbis  dicendi  Inversion,  doch  fin- 
den sich  mancherlei  Abweichungen.  Im  Neu  französischen  muss 
Inversion  statthaben  in  Sätzen,  welche  in  die  direkte  Bede  einge- 
schoben oder  derselben  unmittelbar  nachgesetzt  werden,  um  die 
sprechende  Person  anzugeben.  —  Drückt  aber  in  der  Parenthese 
der  Bedende  sein  eigenes  Urteil  über  den  Inhalt  der  Bede  aus,  so 
hat  in  der  Begel  die  gewöhnliche  Woiistellung  statt. 

Bei  Lafontaine  ist  die  Inversion  des  Subjektes  im  eingescho- 
benen oder  nachgestellten  uneingeleiteten  Hauptsatze,  dessen  Prädi- 
kat ein  verbum  dicendi  ist,  durchweg  Begel. 

Eine  Ausnahme  bilden  selbstverständlich  die  adverbial  ein- 
geleiteten parenthetischen  Sätze,  deren  Subjekt  ein  Pronomen  (on) 
ist  (vgl.  AI,  bl  =  adverbial  eingeleiteter  Hauptsatz)  z.  B.: 

Colette  donc  (ainei  Von  l'appeloit), 

En  mariase  ä  l'envi  demand^e, 

Rejetoit  1  un,  de  Tautre  ne  vonloit,       III,  179.  —  C  — 

Madame  Alis  (ainsi  l'on  l'appeloit) 
Par  un  beau  jour  eut  de  la  jeune  Aminte 
Ce  compliment,  ou  plutöt  cette  plainte :      III,  382.  —  C.  — 

Wenn  der  Bedende  sein  eigenes  Urteil  über  den  Inhalt  der 
Bede  ausspricht,  so  unterbleibt  auch  bei  L.  die  Inversion  und  zwar 
sowohl  in  der  Poesie  wie  in  der  Prosa,  wo  sich  gleichfalls  die  schon 
vorhin  erwähnte  Wiederholung  des  Satzinhaltes  durch  ein  Inversion 
verhinderndes,  voranstehendes  ^ce^  belegen  lässt  (s.  oben). 

Quelques  imitateurs,  sot  n'dtait,  je  Vavoue, 
Suivent  en  vrais  moutons  le  pasteur  de  Mantoue. 

I,  431.  —  P.rf. — 

je  le  toucherai,  je  m*assure,  et  ne  deute  point  qu'il ...  II,  260. 
JTi.p. —  Considdrez,  je  vous  prie,  Tutilit^  que  ce  vous  seroit,  si, .  .  . 
je  vous  avois  aecoutumde  ä  Thistoire,  ...  II,  333.  Z.  —  ...  car  il  vaut 
mieux,  ce  me  semble,  6tre  trompöe  de  cette  fa^on  que  de  l'autre. 
II,  352.  Z.  — 

Ist  der  eingeschobene  oder  nachgestellte  Satz  durch  comme 
eingeleitet,  so  gelten  für  ihn  die  auf  den  Modalsatz  bezüglichen 
Begeln,  d.  h.  bei  nominalem  Sabj.  steht  gern  die  luv.,  welche  bei 
pronominalem  Subj.  nicht  stehen  darf: 

,  ,  ,  si  ce  rCitoit  qu'üs  ne  sont  pas  grands  ddificateurs,  comme 
dit  Voiture:  II,  351.  Z/.  —  Le  sujet  en  est  simple,  comme  le 
prescrivent  nos  mattres;  II,  1.  P.  —  Bonnes  gens,  je  ne  vous  puis 
voir^  comme  dit  mattre  Fran^ois  dans  son  livre.     II,  439.  L,  — 


Die  hist  Enitvickelung  der  Inversion  etc.  159 

.  .  .  i7  8*en  trouvoit  meme  de  capitaineSj  dont  les  exploitSf  camme 
dit  le  hon  Amyot,  avoient .  .  .  III,  91.  Ä,  —  Ces  endroits,  comine 
vous  aavezy  sont  äordinaire  le  quart  dek  quartier  Flores:  11,  360.  L, 

Zuweilen  unterbleibt  die  Inv.  aber  auch  bei  nominalem  Sub- 
jekte, z.  B.  bei  Hinzutreten  eines  Objektes: 

Tu  te  trompes  assur^ment,  mon  eher  amiy  s'ü  est  bien  vrai, 
comme  M.  de  Soissons  me  Va  dit,  que  tu  me  oroies  plus  malade 
d'esprit  que  de  corps,     11,  443.  L.  — 

2.    Das  Prftdikat  ist  ein  sonstiges  trans.  oder  intrans.  Verb. 

Diese  Inversion  ist  in  den  von  Völcker  untersuchten  ältesten 
Denkmälern  selten  (3  Fälle).  Alle  Sätze,  in  denen  die  Umstellung 
angewendet  ist,  sind  kurz,  und  das  Subjekt  ist  ein  Substantiv,  so 
dass  jedenfalls  ein  rhetorischer  Nachdruck  erzielt  werden  soll. 

Da  diese  Inversion  demnach  nicht  häufig  steht,  so  tritt 
Völcker  ebenso  wie  Morf  den  Angaben  Diez^  und  Mätzner's 
entgegen,  welche  behaupten,  dass  nach  transitiven  wie  intransitiven 
Verben  die  Inv.  des  Subjektes  im  Altfranz,  häufig  gebraucht  werde. 

Morf  stellt  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  im  Eolandsliede 
fest,  dass  ^unbedingte  Inv.^,  wie  er  sie  nennt  (s.  oben),  nur  in 
solchen  Sätzen  stattfinden  kann,  welche  folgende  Bedingungen  er- 
füllen : 

1)  Das  Subjekt  muss  nominal  sein  fauch  ein  ganzer  Satz). 

2)  Das  Subjekt  darf  keine  prädikative  Bestimmung  bei  sich 
haben. 

.3)  Das  Verb  darf  von  keinem  Objekte  begleitet  sein,  weshalb 
die  ^unbedingte  Inv.^  nur  in  solchen  Sätzen  eintreten  kann, 
deren  Verb  entweder 

a.  intransitiv, 

b.  transitiv  ist,  aber  in  letzterem  Falle  kein  Objekt  bei 
sich  hat,  es  sei  denn,  dass  dieses  durch  einen  ganzen 
Satz  ausgedrückt  wäre. 

Le  Coultre,  Krüger,  Marx,  Tönnies  (p.  11),  Stim- 
min g  (p.  192)  können  diese  Umstellung  in  den  von  ihnen  unter- 
suchten Werken  in  nicht  höherem  Grade  nachweisen,  als  dieselbe  auch 
im  Neufranz,  vorkommt 

Auch  hier  treten  Tobler  und  Völcker  dem  Ausdrucke  „un- 
bedingte Inversion^  entgegen,  den  Morf  anwendet,  indem  sie  auch 
hier,  gleichwie  Le  Coultre,  als  Grund  für  die  Umstellung  die  Be- 
lebung des  Stiles  anführen,  welcher  durch  diese  Inv.  den  Charakter 
der  Aufzählung  erhält. 

Habicht  teilt  diese  Ansicht,  welche  er  näher  ausführt,  indem 
er  sagt,  dass  diese  Inv.  dem  doppelten  Zwecke  diene: 

1)  einen  starken  Nachdruck  auf  das  besonders  betonte  Sub« 


160  Z.  Wespy 

jekt  zu   legen,   das   an  eine  ihm  dem  allgemeinen  Sprach- 
gebrauche  nach  nicht  zukommende  Stelle  trete, 
2)  das  in  die  erste  Stelle  eingerückte  Prädikat  an  den  Thätig- 
keitsbegriff  des  vorhergehenden  Satzes  anzulehnen,  zu  dem 
es  einen  Gegensatz  bilde  und  dasselbe  durch  seine   gleich- 
falls ungewöhnliche  Stellung  ebenso  wie   das  Subjekt  her- 
vorzuheben. 
Übrigens   stimmt   Habicht  mit   der  Ansicht    aller    genannten 
Verfasser  darin  überein,  dass  diese  Konstruktion  im  Neufranzösischen 
selten  sei.     Es  folgen  in    den  vorkommenden  Fällen   dem,  übrigens 
stets  intransitiven,  Verb  gewöhnlich  Adverbien,  welche  den  Anschluss 
an  Vorhergehendes  bezeichnen,  z.  B.  älorsy  ensuite  etc.  etc. 

In  gewissen  Fällen  soll  sich  bei  intransitiven  Verben  an  das 
invertierte  Subjekt  lediglich  etwas  Folgendes  ansehliessen,  wie  bei 
der  Anführung  von  Regeln,  im  amtlichen  und  gerichtlichen  Stile, 
in  Depeschen  u.  dgl.  (Habicht,  15  ff.). 

Diese  Fälle  von  Inversion  sind  nicht  zu  verwechseln  mit  denen, 
wo  das  Subjekt  (stets  ein  Pronomen)  weggelassen  ist.  Dies  ge- 
schieht 

1)  regelmässig  in  der  ersten  und  zweiten  Person  des  Imperativs; 

2)  in  altertümlicher  Weise  auch  sonst  bis  ins  16.  J. ; 

3)  (und  das  ist  uns  besonders  wichtig)  indem  im  Neufranz, 
das  neutrale  ü  in  echten  und  unechten  unpersönlichen 
Verben  weggelassen  wird  (z.  B.  quand  hon  me  semblera, 
—  Soit  dit  entre  nous). 

In  einer  Anzahl  von  Fällen  tritt  auch  bei  Lafontaine  das 
intransitive  Verbum  an  die  Spitze  des  Satzes,  vor  das  nominale 
Subjekt  (auch  ganzer  Satz).  Vielfach  ist  nur  das  neutrale  ^t/^ 
der  echten  oder  unechten  unpersönlichen  Verben  weggelassen,  sodass 
alsdann  das  logische  Subjekt  invertiert  erscheint.  Die  beobachteten 
Beispiele  dieser  Umstellung  des  Subjektes  finden  sich  stets  in  leb- 
hafter Schilderung  oder  Bede  und  beweisen,  dass  sich  L.  dieser 
Wortstellung  in  der  Poesie  gern  bediente  (die  Prosa  L.*s  zeigt  keine 
Fälle  solcher  luv.),  um  eine  Folge,  eine  eintretende  Handlung  zu 
bezeichnen. 

Die  Verben,   bei  welchen   diese  Inv.  angewendet  ist,   sind  die 

folgenden: 

Faui  que  tels  cas  aux  gens  surviennent.      III,  418.  P.  d.  — 

Jvint  qu'un  jour,  en  un  bourg  arr^t^, 

11  vit  passer  une  dame  jolie,  111,155.  C. — 

Anm.  1:  Gleiche  Beispiele  mit  avini  sind  zu  finden:  III,  317.  C.  —  III, 

825.  C—  ni,  340.  C.  —  III,  387.  C. 
Anm.  2:  Sobald  der  Charakter  der  lebhaften  Darstellung  fehlt,  finden 

wir  stets  das  logische  Subjekt  ausgedrückt,  z.  B.: 

Ün  tempe  fut  qu'il  savoit  accorder  les  d^bats.     I,  176.  F.— 


Die  hist  Enirvickelung  der  Invei*sion  eic.  161 

Dies  ist  namentlich  der  Fall;  wenn  irgend   eine  adverbiale  Be- 
stimmung zu  aviiU  tritt;  z.  B.     Dont  Ü  mnni  que  .  .  .  III,  179  (C); —  11 
en  avint  un  fori  plaisant  trafic  III,  345  (C), 
Anm.  3:  Sogar  in  lebhafter  Schilderung  kann  das  Subjekt  vor  avenir 

stehen,  das  dann  aber  persönlich  gebraucht  ist,  z.  B.  Mime  dispute 

avint  entre  deux  voyageurs  I,  180  (F). 

ün  jour  de  föte,  arrive  que  la  dame,  111,214.  C. 

Anm.  1:  desgl.  111,208  (C). 

Anm.  2:  Neben  diesen  Beispielen  von  Inversion  finden  wir  deren,  in 
welchen  die  gerade  Konstruktion  steht  [1, 154  (F);  T,  189  (F)\  neben 
einem,  in  dem  das  unpersönliche  ü  angewandt  ist  [1, 197  (FJ\. 

Vient  une  dame  avec  un  jouvenceau.  III,  215.  C. 

Anm.  1:  desgl.  UI,  361  (C). 

Anm.  2:  Häufig  unterbleibt  die  Inv.  und  die  Konstruktion  des  Subjekts 
wird  persönlich:  1,150  (F);  1,196  (F);  1,212  (F);  1,254  (F), 

Survieni  un  diable  ä  titre  de  aeigneur;         111,325.  C. 

Anm.:  Viel  häufiger  finden  wir  die  persönliche  Konstruktion;  z.  B.  ün 
qmrt  voleur  survient.  qui ...  I,  32  (F);  desgl.  1, 137  (F);  1, 140  (F); 
*I,  144  (F);  I,  284  (P.  d.J;  III,  168  CC.J;  III,  322  fCJ.  ~  In  den  durch 
einen  *  bezeichneten  Fällen  ist  übrigens  das  grammatische  Sub- 
jekt „t/"  vor  das  Verb  getreten. 

Fut  alleguä  d'autre  part  k  la  cour: 

Que  plus  la  dame  ätoit  cruelle. 

Plus  eile  avoit  d'embonpoint  et  d'attraits;    111,409.  P.d. 

Parbleu!  dit  le  meunier,  est  bien  fou  du  cerveau 

Qni  pr^tend  contenter  tout  le  monde  et  son  p^re.     1, 58.  F, 

Resioii  sans  plus  d'y  disposer  sa  femme.  III,  256.  C. 

Sehr  häufig  findet  man  endlich  die  Auslassung  des  grammatischen 
Subjektes  bei  y^suffire^,  namentlich  in  der  3.  pers.  d.  Pres.,  z.  B.  suffit 
qijut  cei  objet  charmant  Les  kdssa  soupirer,  et  ne  s*en  emut  guere.  III, 
299  (C).  —  Desgl.  III,  300  (C);  HI,  362  (C);  III,  364  (C);  III 144  (C). 

Aus  vorstehenden  Beispielen  ersehen  wir  einmal,  dass  der  Ge- 
brauch der  regelmässigen  Konstruktion  in  dem  behandelten  Falle  in 
der  Prosa  streng  durchgeführt  ist  und  auch  in  der  Poesie  tiber- 
wiegt, wo  die  meisten  Belegstellen  für  die  invertierte  Wortfolge  den 
Contes  angehören,  die  aber  auch  sehr  häufig  die  gerade  Wortstellung 
zeigen. 

b.   Im  eingeleiteten  isolierten  Hauptsatze. 

Der  Satz  ist  eingeleitet  durch: 

1.   Adverbialien. 

Völcker,  pp.  9  f.  --  Le  Coultre,  pp.  12  ff.  —  Krüger,  pp.  36  f.  —  Morf, 
pp.  210  ff.  —  Marx,  pp.  339  f.  —  Glauning*),  p.  42.  -  Hohlfeld,«)  p.  56. 

^)  Glauning,  Syntaktische  Studien  zu  Marot.   Erlangen  1870.   Diss. 
«)  Hohlfeld,  Über  die  Sprache  des  Fran9ois  de  Malherbe.    Göttin- 
ger Diss.    Posen  1875. 

Zschr.  f.  nfr«.  Spr.  u.  Litt.     VI*.  j^j 


162  L,  Wespy 

—  Diez,  III*,  pp.  468  f.  —  Mätzner,  Gramm.,  §  254,  A,  1, ;'.  —  Mätzner, 
Synt.  §  487.  —  Ling,  §§  5  u.  8.  —  Schlickum,  pp.  4  f.  —  Körting, 
§  129,  2,  d.  —  Lücking,  §  189,  I,  2  b  n.  II,  sowie  g  386,  Anmerk.  1.  - 

Habicht,  pp.  3  f.,  11. 

Es  macht  sich  eine  Neigung  zur  Inversion  des  Subjektes  in 
allen  den  Fällen  geltend,  in  denen  andere  Satzteile  dem  Verbum 
vorangehen.  Namentlich  gilt  dies  von  Adverbialien.  Es  beruht 
diese  Wortstellung  eigentlich  auf  einer  Umdrehung  des  Satzes:  denn 
wird  ein  vom  Verbum  abhängiger  Satzteil  vorausgeschickt,  so  steht 
das  Subjekt,  um  den  logischen  Zusammenhang  jenes  Satzteiles  mit  dem 
Verbum  nicht  zu  stören,  passender  Weise  dem  letzteren  nach  (Diez). 

Die  Inversion  ist  im  adverbial  eingeleiteten  Satze  häufiger  als 
im  vorigen  Falle  und  tritt  auch  ein,  wenn  ausser  den  Adverbien 
und  Adverbialien  noch  ein  anderes  Satzglied  (Attributiv,  Konjunk- 
tion, Objekt  oder  noch  eine  adverbiale  Satzbestimmung)  den  Satz 
einleiten. 

Nach  Mätzner's  Angabe  ist  es  im  Altfranz,  ganz  gleich,  ob 
die  Verben  in  dem  invertierten  Satze  transitiv  (vgl.  nächsten  Ab- 
schnitt) oder  intransitiv  sind,  ob  das  Subjekt  ein  Substantivum  oder 
ein  Pronomen  ist.  Le  Co  nitre  hebt  sogar  hervor,  dass  nichts  ge- 
wöhnlicher sei,  als  die  Inversion  nach  einem  aktiven  Verb.  Auch 
Grlauning  (p.  426  u.  46)  macht  die  gleiche  Angabe. 

Demgegenüber  sagt  Morf  (p.  214),  dass  im  allgemeinen  Inv. 
wie  im  uneingeleiteten  Satze  nur  bei  einem  objektlosen  Verb  statt- 
finde, wenn  das  Subjekt  ein  Substantiv  sei;  sei  aber  das  Subj.  ein 
Fronomen  oder  ein  Eigennamen,  dann  könne  von  einer  Erschwerung 
des  Verständnisses  durch  die  Inversion  nicht  mehr  die  Bede  sein, 
und  diese  trete  dann  auch  ein,  wenn  bei  dem  Verbum  ein  Objekt 
stehe.  Zu  dieser  Regel  Morf  s  stimmen  auch  die  Beispiele  Krüger's 
(p.  46)  und  Le  Coultres  (p.  32). 

Völcker  findet  die  Inv.  in  den  ältesten  Denkmälern  im  ad- 
verbial eingeleiteten  Satze  als  Begel. 

Nach  Morf  steht  im  adverbial  eingeleiteten -Satze  in  83 ^/o 
der  Fälle  Inv.  Nach  Adverbien  ist  übrigens  auch  hier  schon  die 
Inv.  häufiger  als  nach  pi^positionalen  Adverbien,  was  nach  Morf 
seinen  Grund  darin  hat,  dass  das  Adverb  seiner  geringen  Etlrze 
wegen  nicht  das  Hervorheben  eines  zweiten  Satzteiles  dulden  konnte. 
Die  Anwendung  der  geraden  Konstruktion  würde  aber  hier  noch 
eine  Hervorhebung  des  Subjektes  bedeuten,  da  das  Eintreten  der 
Inv.  noch  das  gewöhnliche  war. 

Le  Co  nitre  hat  aus  Crestien  festgestellt,  dass  die  Inv.  des 
Subjektes  in  SO^/q  der  adverbial  eingeleiteten  Sätze  erfolgt;  es  ist 
also  hiermit  eine  abermalige  Abnahme  konstatiert. 

Krüger  spricht  sich  nicht  weiter  über  das  Verhältnis  in  der 


Die  hist.  EntTvickelvng  der  Inversion  etc.  163 

Prosalitteratur  des  13.  J.  aus,  doch  nennt  er  die  Inv.  im  adverbial 
eingeleiteten  Satze  „gewöhnlich". 

Schlickum  hat  durchgehends  Inversion  beobachtet;  mir  nach 
dem  Adverbinm  der  Negation  (ainc  =  unc)  steht  nie  Inv.,  wenn, 
was  selten  ist,  überhaupt  ein  Subjekt  ausgesetzt  ist. 

Marx  sagt,  dass  bei  Joinville  die  Inv.  im  adverbial  einge- 
leiteten Satze  gewöhnlich  sei. 

Bei  Malherbe  ist  die  Inv.  lange  nicht  mehr  so  häufig  wie 
früher,  aber  doch  noch  zahlreicher  als  in  der  klassischen  Sprache. 

Im  Alt  franz.  machte  man,  wie  schon  erwähnt,  keinen  Unter- 
schied zwischen  Sätzen  mit  substantivischen  und  Sätzen  mit  pronomi- 
nalen Subjekten.  —  Im  Neu  franz.  kann  nach  Mätzner  die  Inv.  des 
„subst.  Subjektes"  in  solchen  behauptenden  Sätzen  eintreten,  deren 
Prädikat  durch  adverbiale  Bestimmungen  bereichert  wird,  welche 
an  die  Spitze  des  Satzes  treten.     Diese  Bestimmungen  können  sein: 

a.  Kasus  (den  Akkusat.  betr.  siehe  Alb  2); 

b.  von  Präpositionen  begleitete  Hauptwörter; 

c.  Adverbien  und  Adverbialien; 

d.  selten  andere  Satzbestandteile  (Infinitiv,  u.  dgl.). 
Die  Verben  solcher  Sätze  sind : 

a.  gewöhnlich  intransitiv; 

b.  selten  transitiv,  dann  aber  (die  aktiven  betr.  siehe  später): 
a.  passiv, 

ß.  reflexiv, 
y.  reziprok. 

Inversion  des  „pronominalen  Subjektes"  tritt  im  adverbial 
eingeleiteten  Satze  des  Neufranz,  nur  nach  si  und  ausserdem  nach 
einigen  Adverbien  ein,  wo  sie  aber  nicht  notwendig  ist.  Diese  Ad- 
verbien sind:  aussi,  en  vain,  vainement,  peut-etre^  du  moins,  au 
moins,  tout  au  plus,  ä  plus  forte  raison,  encore,  ä  peine,  toujours 
(Lticking  §  189 II),  bisweilen  auch  rarement  (Lücking,  p.  319, 
Anm.  1).  —  Nach  ainsi  steht  bei  tonlosem  Subjekt  Inv.  desselben. 

Habicht  erklärt  den  Umstand,  dass  im  französischen  Be- 
hauptungssatze, abweichend  vom  Deutschen,  die  Inv.  des  Subjektes 
nicht  eintrete,  wenn  demselben  auch  eine  adverbiale  oder  adnomi- 
nale  Bestimmung  von  grösserer  Länge  vorausgehe,  daraus,  dass  diese 
Satzteile  abgesondert  von  dem  eigentlichen  Satze  zu  halten  seien^ 
was  meist  schon  die  Interpunktion  bekunde.  —  Tritt  die  Inversion 
des  nominalen  Subjektes  bei  einem  intransitiven  Verb  in  dem  durch 
ein  kurzes  Adverb  eingeleiteten  Aussagesatze  ein,  so  sind  die  Gründe 
für  dieselbe  die  nämlichen  wie  für  die  Inv.  im  uneingeleiteten  Be- 
hauptungssatze. Das  Adverb  übt  dabei  eine  Anziehungskraft  auf 
das  Verb  aus,  sodass  begrifflich  Zusammengehöriges  auch  der  Form 
nach   zusammentritt  —    Habicht   erklärt   die  doppelte  Möglichkeit 

11* 


164  L,  Wespy 

des  Eintretens  und  des  ünterbleibens  der  luv.  nach  den  ^konjunk- 
tionalen  Adverbien"  aitssi  etc.  dadurch,  dass  er  annimmt,  im  er- 
steren  Falle  werde  gewöhnlich  ein  Anschluss  an  etwas  Vorangehen- 
des, im  letzteren  an  etwas  Folgendes  erzielt  (wenn  anch  unbewusst). 

Nach  den  genannten  kurzen  Adverbien  steht  bei  ^substanti- 
vischem Subjekte"  heutzutage  gewöhnlich  die  absolute  Konstruktion, 
d.  h.  das  Subjekt  steht  dem  Prädikat  voran,  wird  aber  nach  letz- 
terem durch  eines  der  persönlichen  Pronomina  wiederholt.  Bei  pro- 
nominalem Subjekte  steht  dagegen  in  der  Eegel  die  einfache  Inv. 

Indem  wir  nun  auf  den  Sprachgebrauch  bei  Lafontaine 
übergehen,  wollen  wir  zunächst  die  Fälle  untersuchen,  in  denen  der 
Satz  durch  eines  der  angeführten  kurzen  Adverbien  eingeleitet  ist. 
Wir  sprechen  da  immer  erst  von  der  Poesie  und  alsdann  von  der 
Prosa,  und  zwar  zunächst  von  der  Konstruktion  mit  nominalem 
Subjekte. 

In  der  Poesie  steht  nach  anssi  die  heute  übliche  Konstruk- 
tion nie;  es  tritt  vielmehr  in  der  Regel  die  gerade  Wortstellung  ein: 

Ausd  le  seul  devoir  a  contraint  mon  desir,  II,  5.  Th.  v. 
Aussi  le  roi  m'emploie,  et  j*ai  su  le  servir ...  11,  28.  7%.  v. 
Aussi  Leurs  Majestäs  s'en  tiennent  honor^;  11,376.  P.d. 
Aussi  de  ces  objets  Täme  n'est  point  ^mue,    I,  411.  P.d. 

Zuweilen  (aber  selten)  findet  man  die  einfache  Inv.,  die  aber 
in  den  zwei  beobachteten  Fällen  stets  von  folgenden  Relativsätzen 
veranlasst  ist: 

Aussi  l'^toit  ce  prince»  dont  la  vie 

Doit  rarement  servir  d'exemple  aux  rois,        11,341.  P.d. 

Aussi  ne  le  sont  paa  la  plupart  de  ces  princes 

Qui,  ...  1, 196.  F. 

In  der  Prosa  steht  bei  nominalem  Subjekte  nach  aussi  drei- 
mal die  absolute  Konstr.: 

Äussi  Tirence  s^est-ü  servi  des  modales  les  plus  parfaüs 
que  la  Ghrlce  ait  jamais  formes\  II,  1.  P.  —  Äussi  l'epouse  de 
Oupidon  fut-elle  Sconduite  encore  une  fois.  DI,  85.-4.  —  Aussi 
le  rot  la  prifera-t-ü  ä  Megano,  III,  88.  Ä. 

In  zwei  Fällen  ist  die  gerade  Konstr.  beobachtet  worden: 

Äussi  les  paretis  de  la  beUe  d^uth'ent  longtemps  s^üs  obS- 
iroient  lU,  16.  il.  —  Äussi  PsycM  le  prit  pour  Deucaliori' 
ni,  64.  Ä. 

In  der  Poesie  überwiegt  also  nach  aussi  entschieden  der  Ge- 
brauch der  geraden  Wortstellung,  welche  geradezu  Regel  ist.  In 
der  Prosa  dagegen  ist  die  Anwendung  der  abs.  Inv.  schon  üblich, 
doch  treten  daneben  noch  Beispiele  für  die  gerade  Konstr.  auf.  Die 
einfache  Inv.  lässt  sich  in  der  Prosa  nicht  belegen. 

In   der   Poesie  sind  nach  peut-Üre  gleichfalls  keine  Fälle 


Die  hist  Entwickelung  der  Inversion  etc.  165 

von  Inv.  beobachtet  worden,  welche  der  heutigen  Regel  entsprächen. 
Es  steht  regelmässig  die  gerade  Eonstr.: 

Peut-Stre  mes  enfans  lui  content  leur  aifaire.      11,56.  Th.v. 

Anm.:  desgl.  U,  87   (P.  d.);  I,  178  (F.);  III,  131  (P.  d.);   DT,  275  (C); 
II,  54  (Th.  v.J. 

Die  Inv.  unterbleibt  sogar,  wenn  noch  ein  anderes  Adverb 
dabeisteht: 

peut-§tre  en  ce  moment 
Tout  le  monde  nous  croit  au  corps  d'une  baieine.    III,  224.  C. 

In  der  Prosa  dagegen  zeigen  die  zwei  beobachteten  Fälle  die 
absolute  Konstruktion: 

Peut-etre  le  lecteur  en  jugera-t-ü  favordblement:  II,  2.  P.  — 
Peut-etre  le  ciel  vous  riserve-t-ü  un  bonheur  plus  grand  que  celui 
que  vous  regrettez;  III,  68.  Ä. 

In  der  Poesie  ist  also  (gerade  wie  bei  aussi)  bei  peut-etre  die 
gerade  Wortstellung  die  gebräuchliche,  während  in  der  Prosa  die 
moderne  Eegel  schon  massgebenden  Einfluss  gewonnen  hat. 

In  der  Poesie  sind  nach  encore  zwei  Fälle  von  absoluter 
Konstr.  beobachtet  worden: 

. . .  encore  leur  ministere 

A-t-il  mille  longueurs.  1,231.  F. 

.  .  .  encore  un  dieu  s'en  m§le-t-iL       II,  88.  Th.  v. 

In  einem  Falle  steht  die  gerade  Wortstellung: 

Encor  ce  peu  lui  donnoit  de  la  peine.  111,207.    C 

In  der  Prosa  steht  nach  encore  in  den  drei  beobachteten 
Fällen  die  absolute  Eonstr.: 

.  .  .  encore  une  honne  partie  des  Ämours,  .  .  .,  la  quittoient- 
ils  pour  se  mettre  au  Service  de  sa  rivale,  HL,  12.  A,  —  ...  en- 
core ce  mot  est-ü  foible,  III,  45.  -4.  —  .  .  .  encore  Vauteur  n^auroit-Ü 
pas  satisfait  au  principal  point,  qui  est  ,  .  .  III,  165.  P. 

Nach  encore  überwiegt  also  in  der  Poesie  wie  in  der  Prosa 
der  Gebrauch  der  absoluten  Eonstr. 

Nach  ä  peine  steht  in  der  Poesie   die  gerade  Wortstellung: 
A  peine  le  soleil  en  savoit  les  chemins.  I,  296.  P.  d. 

Anm.:  desgl.  1,357  fP.d.);  1,409  fP.d.J;  l,^2h  fPd.J;  111,120  (Pd.J. 

In  einem  Falle  ist  die  direkte  Inv.  eingetreten: 

A  peine  fut  cette  sc^ne  achevde,  111,407.  C. 

Die  sechs  in  der  Prosa  beobachteten  Fälle,  in  welchen  ä  peine 
den  Satz  einleitet,  zeigen  die  gerade  Eonstr.: 

Ä  peine   les  fahles  qv!on  attribue    ä  Esope  virent  le  jour, 
que  ...  I,  3.  P. 
Anm.:  Desgl.  1,9.  K;  1,323.  P;  II,  121.  P;  III,  14.  A.;  111,20.  A. 


166  L.  Wespy, 

Nach  ä  peine  ist  also  in  Poesie  und  Prosa  die  gerade  Wort- 
stellang  üblich. 

Zuweilen  kommen  diese  Partikeln  auch  kombiniert  vor.  In 
der  Poesie  steht  die  gerade  Wortstellung: 

Aussi  bien  Fint^rSt  de  Daphn^  nous  appelle.      11, 113.  Th,  v. 
Encm^e  si  c'dtoit  un  blondin.  HI,  140.  C. 

In  der  Prosa  unterbleibt  hier  die  Inv.  gleichfalls,  und  zwar 
auch  nach  aussi^  wo  also  hien  die  Inv.  verhindert  zn  haben  scheint: 

Aussi  bien  ma  lettre  commence  ä  me  semhler  un  peu  longue. 
II,  359.  L,  —  Aussi  bien  les  agremens  de  votre  sociitS  remplissent 
tdlement  les  coßurs,  gue  ...  II,  391.  L,  —  JEncore  si  ma  nourrijce 
me  fermoit  les  yeux!  III,  59.  A. 

Stehen  die  „konjunktionalen  Adverbien"  nicht  zu  Anfang  des 
Satzes,  80  bewirken  sie  natürlich  keine  Inv.  —  Dies  weisen  für 
ä  peine  und  peut-etre  folgende  Beispiele  nach: 

Notre  couple,  au  contraire,  a  peine  etoit  coucbä.       I,  99.  F. 

S^üs  ne  plaisent  par  leur  bonte,  leur  variete  suppUera  peut- 
etre  ä  ce  qui  leur  manque  dJaüleurs,  I,  324.  P. 

Anm.;  Desgl.  1,164.  F.;  1.241.  F.;  1,288.  F.d.;  lll,h&.  F.d.;  111,202.  C; 

111,393.  C. 

Sehr  häufig  erfolgt  in  der  Poesie  die  einfache  Inv.  des  no- 
minalen Subjektes  nach  ainsi^  doch  ist  das  Verb  stets  intransitiv 
oder  reflexiv;  überdies  sind  die  Sätze  meist  ganz  kurz,  oder  das 
Subjekt  ist  durch  eine  nähere  Bestimmung  verlängert,  wie  denn 
überhaupt  die  Hervorhebung  des  Subjektes  der  Hauptginind  dieser 
Inversion  ist. 

Ainsi  passe  le  temps,  saus  tracas,  sans  cabale    III,  420.  F.  d. 

Ainsi,  d'un  discours  insolent, 

Se  plaigDoit  Taraign^e  autrefois  tapissi^re,  1, 210.  F. 

Anm. :  Desgl.  I,  78.  F.;  1, 127.  F.;  1, 178.  F.;  1, 205.  F.;  1, 21 1.  F.;  1, 228.  F.; 
1,284.  P.  d.;  1,288.  P.  d.;  1,308.  F.d.;  1,381.  Pd.;  1,411.  Pd.; 
1, 122.  Pd.;  111,273.  C;  m, 278  C;  hier  tritt  überall  die  Inv.  bei 
verbis  des  Sagens  ein. 

Daneben  finden  sich  aber  zahlreiche  Beispiele  dafür,   dass  die 

Inv.  auch  unter  den  oben  genannten  Bedingungen  in  kurzen  Sätzen 

unterbleibt: 

Aiusi  Venus  cessa.  III,  133.  P.  d. 

Anm.  1 :  Desgl.  I,  219  F.;  I,  381.  P  d.;  II,  69.  77?.  v.;  IIT,  155.  C;  IH,  275.  C. 
Anm.  2:  Die  unter  den  übrigen  Adverbialien  au&uführenden    Beispiele 
sind  hier  nicht  mitgenannt. 

In  der  Prosa  ist  in  drei  Fällen  Inv.  des  nominalen  Subj.  bei 
transitiven  und  reflexiven  Verben  beobachtet  worden.  In  diesen  drei 
Fällen  sind  im  übrigen  die  Bedingungen  wie  bei  den  poetischen 
Inversionen : 


Die  hisi.  Entrvickelung  der  Inversion  etc,  167 

Ain»i  se  passa  Vaventure  de  la  grotte.  III,  21,  A.  —  Ainsi 
raisonnoit  Psycho,  .  .  .  III,  34.  A,  —  Ainsi  s'en  aUoit  la  harque 
fort  gaiement  III,  88.  A. 

Häufiger  sind  aber  die  Fälle,  in  denen  die  Inversion  unter- 
bleibt, z.  B.:  1,6.  R;  11,349.  L.;  11,412.  L.;  111,29.  A;  III, 
85.  A.  Die  Verben  sind  in  den  angeführten  Beispielen  alle  in- 
transitiv (in  4  Fällen  etre^  in  1  Falle  demeurer). 

Dass  nach  ainsi  luv.  des  Subjektes  auch  bei  transitivem  Yer- 
bum  eintreten  kann,  wie  Habicht  (p.  9)  dies  behauptet,  lässt  sich 
bei  L.  nicht  belegen. 

Weit  seltener  als  nach  ainsi  findet  sich  in  der  Poesie  Inv. 
nach  den  Adverbien  lä  und  de  lä.     Inversionen  finden  sich: 

1.  bei  intransitiven  Verben: 

1,27.  R;  1,332.  P.d;  111,56.  A.;  HI,  226.  C. 

2.  bei  reflexivem  Verb: 

111,329.  C. 

Ebensohäufig  unterbleibt  aber  auch  die  Inv.,  z.  B.:  I,  220.  F.; 
I,  254.  F,;  in  beiden  Fällen  finden  wir  nach  lä  ein  Komma,  was 
uns  glauben  lässt,  dass  hier  derselbe  Fall  stattfindet,  den  Habicht 
für  die  langen  Adverbien  konstatiert,  dass  nämlich  das  Adverbium 
hier  einen  Satzteil  für  sich  bildet. 

Natürlich  unterbleibt  die  Inv.  beim  transitiven  Verb;  doch 
ist  auch  hier,  bis  auf  die  mit  einem  *  versehenen  Stellen,  lä  durch 
ein  Komma  von  dem  übrigen  Satze  getrennt,  z.  B.  1, 142.  F.;  *I,  304. 
P.  d.;  1,326.  Rd.;  *III,  236.  C;  IE,  250;  mit  anderem  Adv.  C; 

♦111,278.  a 

Auch  in  der  Prosa  finden  sich  Beispiele  für  die  Inv.,  und  zwar: 

1.  bei  intransitiven  Verben: 

II,  122.  R;  m,  50.  A.:  H,  325.  R; 

2.  bei  rückbezüglichen  Verben:  H,  335.  L.;  HI,  36.  A, 
Die  Inversion  unterbleibt  in  dem  mit  lä  eingeleiteten  Satze 

1.  bei  intransitivem  Verb:  HI,  110.  A.; 

2.  bei  rückbezüglichem  Verb:  III,  80.  A.; 

3.  bei  passivem  Verb:  III,  89.  A, 

Weder  in  der  Poesie  noch  in  der  Prosa  haben  sich  bei  no- 
minalem Subjekte  Belegstellen  für  die  Inv.  gefunden  nach  den  hierher 
gehörigen  Adverbien:  en  vain,  vainementy  toujours,  du  moins,  au 
moinSj  tont  au  pluSy  ä  plus  forte  raison,  rarement 

Aus  Vorstehendem  ersehen  wir,  dass  bei  nominalem  Subjekte 
in  der  Poesie  die  jetzt  gebiiluchliche  absolute  Konstruktion  nur  in 
zwei  Fällen  nach  encore  bei  transitivem  und  reflexivem  Verb  vor- 
kommt, dem  ein  Fall  mit  gerader  Wortstellung  bei  transitivem 
Verb  entgegensteht.  Dies  ist  das  einzige  konjunktiouale  Adverb, 
dessen  Konstruktion  sich  dem  heutigen  Sprachgebrauche  nähert 


T 


'  ""'"v/I 


^•^Z'" " 


1^""*',/? 


-«»., 


''s  ;• 


nckehmg  der  Inversion  eic. 


169 


Aingi  M 
Toisonnoü  iV 
fort  gaiemai 

Hänfi 
bleibt,    z. 
85.  A     ' 
transitiv 

r 

buxn  * 
bei  T 


1,333.  P.d. 

m,  169.  C. 

in,253.  C, 

1,158.  i^. 

1, 52.  F. 


111,433.  i>rf. 


111,349.  C. 


'S 


''^i^. 


«r,Js 


Ik-dessns 
uant  qui  marchoit  las  pieds  nus:  1,48.  F. 

und  Weise  bewirken  Inv.: 

ous  les  murs  d'CEbalie 
beaut^ 

)iicor  que  nice  fClt) 
le  jeu  ne  lui  plüt. 

tre  en  autre  science, 

Q  sage  ennemi. 

olereaux  de  faire  les  volenrs. 

.,134.  C;  111,160.  C. 

08.  P.  d.;  m,  342.  6'./  IH,  442.  P.  d. 

sind  reflexiv.     Hier  ist  die  Inv.  seltener: 

ant  moi,  sur  Parnasse  notaire, 
enta  la  reine  des  beaut^, 

appliqua  Rustic  k  ce  myst^re, . .  . 
in  l'enfer  s'accoutumant  au  diable 
n  toujours  sa  presence  agreable, 

ht  sogar  bei  reflexivem  Verb  die  absolute  Eonstr.: 

rement  Thrason  se  plaint-il  d*une  dame; 

11,27.  Th,v. 
.  3rben  sind  transitiv: 
drallen  steht  die  Inv.  bei  transitivem  Verb  nach  dem 
r  Art  und  Weise   aussi;    alle    drei    Sätze    sind    sehr 
dikat  ist  faire  und  dies  hat  keinen  Akkusativ  bei  sich : 

Aussi  fönt  les  profanes.  1,75.  F. 

».  Aussi  fait  sa  famille, 

,      ■ ,  chevaux  et  valets,  tous  gens  bien  endent^s         I,  76.  F. 

,,    **  •.  ^,  Aussi  fait  le  deuxibme:  111,163.  C 

'■'•••■ 
„.  '     ich  steht  auch  die  Inv.  in  zwei  metrisch  freien  Beispielen 

•  ,       'ivem  Verb  mit  näherem  Objekte,  doch  gehören  alle  zwei 

^y  ^.^''  Contes  an: 

Taut  se  la  mit  le  dröle  en  la  cervelle,  IH,  155.  C. 

En  ce  ne  fit  Bichard  tour  d'homme  habile;     111,207.  C. 

1  der  Prosa  tritt  die  Inversion  des  nominalen  Subjektes  fast 
^h  Adverbialien  des  Ortes  ein,  und  zwar: 
/  1.  nach  intransitiven  Verben  (meist  etre):  III,  8.  A,\  III, 
8.  A.;  III,  37.  A,;  UI,  72.  A;  III,  87.  A.;  UI,  89.  A.; 
m,  89.  A.;  III,  89.  A.;  UI,  95.  A.;  I,  328.  R;  I, 
346.  R;  II,  122.  R;  II,  336.  L.;  H,  341.  L,;  H, 
353.  L.;  11,359.  L.;  111,86.  A.;  111,90.  A.  —  Bei 
diesen  Beispielen  ist  das  Verbale  Prädikat  stets  etre.  — 
111,87.  couler  A,;  111,89.  reposer  A,; 


/. 


L.  Wespy 

h  rfickbezüglicfaen  Verben:  I,  19.  ve  promener  R; 
23.  »e  lire  F.;  I,  323.  se  voir  F.;  lU,  88.  s'eMK 

UI,  90. 
h  passiven  Verben;  Sur  chaque  cSte  du  plmßa  ipii 
ardoit  direetement,  .  .  .  le  midi,    le   septentrion,  . .  ■ 
'.ent  entaäUs  ees  mots:  III,  86.  A.    Sur  chaque  bau 

deux  colonnes  les  plus  proehea  de  la  porU,  itaKiA 
liUia  ces  mots:  III,  90.  Ä. 

rerbicQ  der  Zeit  ist  nur  ein  Beispiel  von  Inv.  bei 
aobachtot  worden,  das  überdies  zweifelhaft  erecheinl; 
e  feu   succida  celui  des  tambours  II,  387.  P.    Kt 

auch   als  dnrch  ein  Dativobjekt  bewirkt  angeseb^ 

rerbien  der  Art  und  Weise  ist  Inv.  selten,  und  & 
Beispiele  sind  durch  „bien"  eingeleitet,  das  ancb  in 
n  Inv.  bewirkte.  So:  Jiien  lui  prit  dfavoir  da 
igonner  pour  le  temps  et  pour  la  doideur,  et  e(WWf 
le.  III,  88.  Ä.  —  Bien  prit  ä  Psycho  gue  la  mmni' 
Holt  sm  mari:  UI,  77.  A. 

Luf  einander  folgende,  adverbial  eingeleitete  Haiiptaäte 
cboni  Subjekte  ist  die  Anzahl  der  Inversionen  be- 
und  es  hat  sich  dabei  ergeben,  dass  die  Inversimi 
interWeibt)   wie   in    dem    folgenden  Schema  ang^ 


des  Ortea, 

der  Zeit, 

ler  Art  u.  Weise, 

des  GrundeB. 


31  19 

adverbial  eingeleiteten  HaapteStzen  zeigten  also  19 
i  von  den  vorher  besonders  behandelten  Inv.  ab- 
iger  Tabelle  ei^bt  sieh,  dass  die  Adverbien  der  Zeil. 
d  nach  die  häufigsten,  doch  nie  Inv.  des  subatftnti' 
}  hervorbringen.  Das  eine  vorhin  angeführte,  mehr  al^ 
ipiel  steht  mit  dieser  Beobachtung  nicht  im  Wider 
ter  ergibt  sich  aus  der  Tabelle,  daas  bei  einleiten- 
!)rtes  die  luv.  in  der  Mehrzahl  der  Falle  eintritt 
er  Art  und  Weise  selten,  die  des  Grundes  nie  Im- 
e  Angaben  bezUgl.  der  Adv.  der  Zeit  und  derjenige' 


Die  hisi.  Entwickelung  der  Inve7'sion  etc.  171 

des  Grundes  werden  noch  dadaroh  bestätigt,  dass  nicht  ein  Beispiel 
von  Inv.  in  den  Prosawerken  Lafontaine's  nach  denselben  nachge- 
wiesen werden  konnte. 

In  dem  untersuchten  Abschnitte  fanden  sich  ausser  den  schon 
angeführten  Adverbialien  nocif  34  Hauptsätze,  welche  mit  ^kon- 
junktionalen  Adv/  eingeleitet  waren,  u.  z.  durch  encore  (3  -f"  ö)»^) 
ainsi  (4  +  5),  lä  (4  +  6),  de  lä  (1  +  0),  peut-Üre  (1  +  0), 
aiLssi  (2  +  2),  ä  peine  (0  +  5),  encore  si  (0  +  1).  Von  diesen 
34  Beispielen  zeigen  also  15  Inv.  und  19  nicht.  Ziehen  wir  diese 
15  Inv.  in  den  Kreis  unserer  Berechnung,  so  ergeben  sich  für  La- 
fontaine ca.  25^/3  *7ü  Inversionen  für  den  adverbial  eingeleiteten 
Hauptsatz  mit  substantivischem  Subjekte. 

Wir  gehen  nun  über  zu  dem  Gebrauche  der  Inv.  im  adver- 
bial eingeleiteten  Satze  mit  „pronominalem  Subjekt"  und  be- 
handeln da  wieder  zuerst  die  Poesie  und  alsdann  die  Prosa. 

Zunächst  sprachen  wir  von  dem  Einflüsse,  welchen  die  „kon- 
junktionalen  Adverbien"  auf  die  Stellung  des  pronominalen  Subjektes 
ausüben. 

In  der  Poesie  wurden  16  durch  aitssi  eingeleitete  Sätze  be- 
obachtet. Von  diesen  zeigen  13  Inv.  (9  bei  trans.  Verb.  mitObj.; 
1  bei  trans.  V.  ohne  Obj.;  3  bei  intrans.  Verba).  Nur  in  3  Fällen 
unterblieb  die  Inversion  bei  trans.  V.  mit  Obj.  —  Ebenso  bewirken 
Inv.  aussi  peu  (1  Fall),  aussi  bien  (4  Fälle,  2  ohne  Inv.). 

In  der  Prosa  ist  von  15  Fällen  14  Mal  Inv.  eingetreten 
(5  bei  trans.  V.  mit  Obj.;  0  bei  trans.  V.  ohne  Obj.;  5  bei  intrans. 
V. ;  2  bei  rückbez.  V. ;  2  bei  unpers.  V.).  Die  Inv.  unterblieb  ein- 
mal bei  trans.  V.  mit  Obj. 

Bei  peut-etre  ist  von  26  FäUen  der  Poesie  in  16  das  Sub- 
jekt invertiert  (9  bei  trans.  V.  mit  Obj.;  1  bei  trans.  V.  ohne  Obj.; 

6  bei  intrans.  Verb).  In  10  Fällen  unterblieb  die  Inv.  (6  bei 
trans.  V.  mit  Obj.;  2  bei  intrans.  V.;  1  bei  refl.  V.;  1  bei  pas- 
sivem Verb). 

In  der  Prosa  zeigen  alle  16  beobachteten  Fälle  Inv.,  ebenso 
ein  Fall  nach  peut-itre  atissi. 

Nach  encore  zeigen  von  13  beobachteten  Fällen  in  der  Poesie 
10  Inv.  (5  bei  trans.  V.  mit  Obj.;  3  bei  intrans.  V.;  2  bei  pas- 
sivem V.).  Unterblieben  ist  die  Inv.  in  einem  Falle  bei  trans.  V. 
mit  Obj.  und  2  Mal  nach  encore  si  (intrans.  V.;  trans.  V.  mit  Obj.). 

In  der  Prosa  zeigen  die  11  beobachteten  Fälle  Inv.,  ebenso 
ein  Fall  mit  encore  moins. 

Bei  ä  peine  zeigen  von  18  beobachteten  Fällen  in  der  Poesie 

7  Inv.  (4  bei  trans.  V.  mit  Obj.;  2  bei  intrans.  V.;  1  bei  refl.  V.), 

*)  Die  erste  Zahl  bezeichnet  die  inv.,  die  zweite  die  nicht  inv.  Fälle, 


L.  ffespy, 
'  bei  trans.  V.  mit  Obj.;  1   bei  iutranB.  V.;  3  bei 

eobachteten  liUUen   zeigen   in  der  Prosa  10  Ic», 

bewirkt  ia  der  Poösie  2  luv-,  3  Mal  nuterblubt 
:  Prosa   zeigt   sich    eine   luv.,    1  Ual    nntorbleibi 

<am  unterbleibt  die  Inv.  etets:  in  der  Poeaie  wa 

ia  3  Mal. 

nnd  lä  zeigt  sieh  in  der  Prosa  kein  Fall  von  h'<- 

i  die  gerade  Konstruktion,  oder,  was  ziemlich  häoG; 

bt  weggelassen. 

tritt  in  der  Poesie   4  Mal   Inversion   ein   in  der 

st-it  vrai,  einmal  nach  trop  hien.     Häofig  ietdai 

»en.     In  der  Prosa  tritt  die  Inv.  immer  ein  Dscb 

i'en  Ädv.  Bind  »och  in  der  Prosa  za  bemerleii; 
J  Inv.,  1  Ual  nicht);  rarement  (1  Mal  Inv.);  Iwi' 
T-);  touUfois  (2  Mal  nnt^rblieben). 
Iverbien  bewirken  jedenfalls  in  der  Poesie  m 
des  pronominalen  Snbj.  Namhaft  gemacht  kam 
lispiel  werden: 

leg  enfera  encore  en  chauge-t-on.  111,403.  C. 

ig   ist    d^egen    die  Anslasguug    des   pronominalEii 

08a  werden  die  wenigen  P^lle  von  Inv.  meist  dunl 
id  Weise  bewirkt. 

'orte  raison  le  serai-je  par  des  Fransois:'  Ui 
'OSsibU  avee-vous  pay^,  en  son  acquit,  ces  400  tivre  ' 
>e»  de  Ia  rente;  II,  372.  L.  —  et  poasible  suis-j' 
semble.  III,  29.  A.  —  St  possible  n'a-ce  pas  i^ 
,  166.  P.  —  Tel  pouvoit-on  appder  le  puissa»' 
nes  qu'eUe  irwentoit;  I,  331.  P.  i 

•n  Ausführungen  kann  man  zusammenfassend  sagen.  | 
äsen  Ädv.  (aussi  etc.)  die  Inv.  des  pronomioalen 
;h  Übrigen  Adv.  dagegen  sehr  selten  ist. 

2.   Das  Objekt. 

-  Morf,  pp.  212  ff.  —  Le  Coultre,  pp.  16  ff..  33.- 
—  Schlicknm,  p.  6.  —  Marx,  pp.  341  f.  —  Dies  III' 
tzner.  Gramm.  §254,  A,  1,;-.  —  Matzner,  Sjnt.  §  ^''■ 
Jing,  g  9.  —  Körting,  §  129,  2e  (p.  218). 

itret«n  des  Objektes,  welches  im  Altfranz.  Inv.  b^ 


Die  hist.  Enirvickelung  der  Inversion  etc.  173 

wirkt,  hätte  füglich  schon  bei  den  Adverbialien  behandelt  werden 
können,  wie  dies  mehrere  Grammatiker  thnn.  Wir  schliessen  uns 
der  Einteilung  Völcker's  an. 

In  den  ältesten  von  Völcker  untersnchten  Denkmälern  fin- 
den sich  wenig  metrisch  freie  Beispiele  für  unsere  Regel.  Da  aber 
diese  wenigen  ebenso  wie  die  unfreien  Inv.  des  Subjektes  zeigen,  so 
kann  man,  da  sich  aus  späteren  Werken  die  luv.  als  Begel  ergibt, 
auch  hier  die  Inv.  als  Gesetz  betrachten. 

Morf  findet  im  Rolandsliede  die  Inv.  bei  einleitendem  Ob- 
jekte stets  angewendet,  und  zwar  ohne  Unterschied,  ob  dasselbe  zum 
verbum  finitum  oder  zu  einem  davon  abhängigen  verbum  infinitum 
gehört.  Wenn  einmal  die  Inv.  unterblieben  ist,  dann  ist  das  Sub- 
jekt ein  Pronomen,  das  in  diesem  Falle  grössere  Freiheit  hat  als 
das  Nomen.  Die  Beispiele  Krtiger's,  welche  die  gerade  Wortstellung 
aufweisen  (p.  39),  haben  alle  pronominale  Subjekte. 

Le  Coultre  sagt,  dass  im  Chevalier  au  Lyon  die  Inv.  stets 
angewendet  sei. 

Krüger  hat  die  Morf  sehe  Regel  schon  früher  für  die  Prosa- 
litteratur  des  13.  Jahrh.  fesl^estellt. 

Schlickum  sowie  Marx  finden  für  Aucassin  und  Nicolete, 
sowie  für  Joinville  diese  Regel  bestätigt.  In  beiden  Werken  steht 
Inv.,  mag  nun  das  Subjekt  ein  Substantiv  oder  Pronomen  sein,  zum 
verbum  fin.  oder  zu  einem  von  diesem  abhängigen  Infinitum  ge- 
hören; in  letzterem  Falle  ist  aber  das  Subjekt  fast  stets  ein  Pro- 
nomen. 

Diez  und  Mätzner  lehren  gleichfalls  das  Eintreten  der  Inv. 
für  das  Altfranz. 

Selbstverständlich  gilt  diese  Regel  auch,  wenn  ausser  dem 
Objekte  noch  ein  anderer  Inversion  bewirkender  Satzteil  zu  Anfang 
des  Satzes  steht. 

Zur  Erklärung  dieser  Inversion  dient  die  Ansicht  Diez'  über 
die  ümkehrung  des  Satzes,  wie  wir  dieselbe  beim  Adv.  (vgl.  p.  1 62) 
anführten. 

Diez  sagt  (III,  p.  464),  dass  das  Neufranzösische  diese  Inv. 
nicht  liebe,  sondern  nur  nach  Adv.  anwende. 

Schlickum  bezeichnet  eine  solche  Stellung  für  das  Neufrz. 
als  ganz  unmöglich;  Völcker,  sowie  Körting  (p.  418),  auch 
Mätzner  (Gramm.  §  256,  B,  a,  1)  dagegen  als  noch  in  Spuren  vor- 
handen. 

Mätzner  sagt  an  der  bezeichneten  Stelle,  dass  sich  die  Voran- 
stellung des  Akkusativs  meist  bei  älteren  Dichtern  finde.  Die 
Frosa  hat  noch  die  Voranstellung  eines  Akkusativs  unbestimmter 
Fürwörter,    besonders   vor   Infinitiven   und   seine  Einfügung  in  die 


174  Z.  Wespy 

zusammengesetzten   Zeitformen    bewahrt.     (Diese    Akknsative    sind: 
autanty  tant,  heaucoup^  tropy  plus,  moins,  rien.) 

Für  die  Poesie  Lafontaine 's  finden  sich  einige  Beispiele 
der  von  Mätzner  für  die  Prosa  als  zulässig  erkannten  luv.  nach 
autant  und  rien,  sowie  peu  in  Verbindung  mit  einem  Subst. 

Rien  ne  te  sert  d'ötre  farine ;  I,  72.  F. 

Pen  de  prudence  eurent  les  pauvres  gens. 

D*accommoder  un  peuple  si  sauvage.  1, 135.  F, 

Autant  en  dit  de  aa  part  le  Romain.  111,  147,  C. 

Autant  en  fit  la  femme  de  Joconde: 

Autant  en  fönt  d'autres  qu'on  ne  sait  point.  III,  149.  C. 

Autant  vaut  l'avoir  vu  que  de  Tavoir  touchö."      111,323.  C, 

Rien  n'en  a  dit  ce  proph^te  menteur 

Qui  ne  devint  trfes-croyable  et  sensible 

A  ces  gens-lä.  111,329.  C, 

Nur  ein  Beispiel  ist  uns  aufgefallen,  in  welchem  ein  substan- 
tivisches Akkusativobjekt,  welches  voransteht,  Inv.  hervorruft;  das 
Subjekt  ist  in  diesem  Falle  das  pronominal  gebrauchtes  chose: 

üne  chose  ai-je  a  dire:  111,288.  C, 

Eine  ganze  Anzahl  von  Beispielen  finden  sich  aber  dafür,  dass 
bei  voranstehendem  Akkusativobjekte  das  pronominale  Subjekt  weg- 
gefallen ist.  Fast  alle  hierher  gehörigen  Stellen  gehören  jedoch  den 
Contes  an: 

Deux  pailles  prend  d'inegale  grandeur;  111,162.  C. 

Mot  n'en  dirai;  Hl,  192.  C, 

Mämoire  n^ai  d'aucun  grain  qui  s'appelle 

De  cette  sorte:  111,326.  C. 

Douter  ne  faut  qu'il  ne  s'en  entremette,  111, 332.  C. 

Mais  teile  ofiense, 

En  coüscience 

14  e  commettrois  pour  cent  ducats.  111, 417.  P.  d. 

In  der  Prosa  Lafontaine's  ist  der  altertümliche  Gebrauch 
anscheinend  geschwunden;  Beispiele  für  die  Inversion  mit  voran- 
stehendem Objekte  sind  nicht  beobachtet  worden. 

8.    Einen  attributiven  Qenetiv. 

Völcker,  p.  12.  —  Morf,  pp.  213  ff.  —  Schlickum,  p.  5.  —  Marx,  p,  342. 

'  Habicht,  p.  5. 

Völcker  kann  aus  den  von  ihm  untersuchten  Denkmälern 
keinen  Schluss  ziehen.  Morf  findet  die  Inv.  meistens  angewendet, 
wenn  im  Attribut,   das  übrigens  nur  ein  attributiver  Genetiv  sein 


Die  hist.  Entwkkehtng  der  Inversion  etc.  175 

.],  dea  Satz  beginnt;  mag  dieser  nan  zum  Subjekte,  zom  Objekte 
zum  Prädikate  gehören.  Natürlich  gilt  diese  Regel  auch  für 
^ätze,  in  welchen  ausser  der  attributiven  Bestimmung  noch  ein 
•  mehrere  andere  Inv.  bewirkende  Satzteile  an  der  Spitze  des 
3  stehen.  Schlickum  und  Marx  konstatieren  das  Eintreten 
Inv.  als  gewöhnlich. 

über  die  Begründung  dieser  Wortstellung  vergl.  die  Ansicht 
ichfs  (s.  oben  S.  163). 

Lafontaine  liebte  entschieden  die  Inv.  in  diesem  Falle  nicht. 
1er  Poesie  wie  in  der  Prosa  ist  je  ein  Fall  des  voranstehenden 
•tives  beobachtet;  beide  zeigen  aber  die  gerade  Wortstellung: 

Du  Lignon  Tonde  impitoyable 

Vieut  de  l'ensevelir.  11,  146.   7%.  v. 

Des  püces  suivantes,  les  trois  prerrvi^res  sont  des  fragments 
la  description  de  VaitXj  laquelle  faifait  venir  en  un  songe^ . . . 
.24.  Note.  P. 

In   einem   Falle  von   Inv.  ist    dieselbe  jedenfalls   durch    ein- 
üudes  lä  bewirkt: 

Lk  finit  de  Psycho  le  bonheur  et  la  gloire:        111,46.  A. 

4.    Eine  prädikative  Bestimmnng. 

'oker,  p.  12.  --  Mätzner,  Gramm.  §  254,  A,  a,  \ß,  —  Mätzner,  Synt. 
^Q,  —  MorF,  pp.  213  f.  -  Le  Coultre.  pp.  13  ff.  ~  Krüger,  p.  37.  — 
>x,  pp.  339  ff.  —  Ling,  §  8.  —  Körting,  §  129,  2c.  —  Lücking,  §  189, 

I,  2  a.  —  Habicht,  pp.  11  f. 

In    den  ältesten  Denkmälern   findet   sich  nach  Yölcker  (bis 

einen  Fall   Eulalia    164)    die   bei  Mätzner    angegebene  Regel 

1  tätigt,    dass   im   Altfranz,   in   Sätzen,   deren    Prädikat   das  Verb 

e  mit  einem  prädikativen  Adjektiv,  Substantiv,  Particip,  Posses- 

\rpronomen    oder  Pronominaladjektivum  (tel  und  autre)   ausmacht, 

r  prädikative  Begriff,   dem   das  Verb    folgt,   zuweilen    mit  Nach- 

uck  an  die  Spitze   des  Satzes    tritt;   doch   ist  das  Subjekt  meist 

1  Hauptwort  und  darf  nie  ein  persönliches  Fürwort  sein. 

Morf,  Le  Coultre,  Krüger  haben  gleichfalls  das  Eintreten 
T  Inv.  beobachtet  und  fügen  dem  gesagten  hinzu,  dass  es  gleich 
ä,  ob  die  prädikative  Bestimmung  zum  Subjekt  oder  zum  Objekt 
'höre. 

Marx  findet,  dass  bei  Joinville  die  Beispiele  weniger  zahlreich 
nd  als  in  den  übrigen  Denkmälern. 

Morf  macht  darauf  aufmerksam,    dass  das  Vorantreten  von 
'artizipien  darauf  hinweise,  dass  in  jener  Zeit  Partizip  und  Kopula 
lOch  nicht  zu  einer  Zeitform  verwachsen  waren,    sondern  noch  als 
liweiheit  gefühlt  wurden. 

Selbstverständlich  ist  es  auch  hier  wieder,  dass  auch  Inv.  des 


tivisciiL- 
Subjol.- 


grfai: 


hie  hist.  Entrvickehing  der  Inversion  ete.  177 

•11   Ausrufesätze  hat  das  voranstehende  priidikafive  Ad- 
.  i  vorgerufen: 

Oh!  qu'heureux  sout  les  amans 

Qui .  .  .  ir,  126.   Th,  v, 

L'rosa  Lafontaine's  scheint  diese  Konstruktion  nicht 
/Ai  sein;  es  sind  von  uns  keine  derartigen  Beispiele 
orden. 

bstantivische  Prädikativ  bewirkt,  wenn  es  an  die 
/izcs  tritt,  Inv.  sowohl  in  der  Poesie  als  auch  in  der 

II  Oracle  est  Bacchus,  quand  j'ai  quelques  soucis, 

:iia  Sibylle  est  ma  bouteille.  11,110.  Th.v. 

'\  de  ces  enchanteurs  est  le  sieur  Torelli, 

•ricien  expert,  et  faiseur  de  miracles;  11,385.  P.d. 

niH  menagers  furent  nos  deux  amans,  111,201.  C. 

'tut  son  plaisir  etoit  cet  innocent  ramage;  111,249.  C. 

L  i^rincipale  favorite 

ins  que  jamais  est  la  vertu.  11,398.  P.d. 

orce  est  qu'un  an  dans  ce  sejour  se  passe;  111,332.  C. 

.>eä  provinces  enti^res  sont  ses  presens.  II,  320.  P. 

.  rt  ces  ambassadeunt  furent  les  Jeux  et  les  Ris:  III,  37.  A, 

et  ce  prix  etoit  le  portrait  du  rot,    qui  setoit  donne  par 

,  .  .  .  I,  324.  P.  —  Ses  principaux  soins  sont  de  travaiUer 

grandeur  de  son  mattre;  III,  57.  A. 

ti  an  die  Spitze  des  Satzes  tretendes  Partizipium  findet  sich 

<\e  und  Prosa  Lafontaine's  nicht.     Die  zwei  Fälle,  welche 

den  Contes  finden,  stossen  diesen  Satz  nicht  um,    da  beide 

Contes  vorkommen  (vgl.  p.  151).     Die  zwei  erwähnten  Bei- 

ind: 

Louä  soit  Dien  qui  vous  ramfene  ici !  HI,  261.  C. 

Craint  n^^toit*il  pour  Timmense  campagne 
Qu'il  poss^dät,  ni  pour  aucun  monceau  (D'or  et  d'argent,) 

III,  329.  C. 

Ein  Fall  ist  beobachtet  worden,  in  welchem  trotz  des  voran- 
Uten  substantivischen  Prädikativs  die  Inv.  unterblieben  ist: 

Cause  il  n'est  pas  de  ta  d^convenue:  111,445.  P.d, 

Nach  dem  Pronominaladjektivnm  tel  (teile)  steht,  wenn  dieses 
Prädikativ    zu   etre  an   die  Spitze   des  Satzes  tritt,    in  Poesie 
)  Prosa  stets  Inversion. 

Diese   Inv.  findet  sich   auch    bei    anderen   intransitiven    Zeit- 
Jrtem,  wenn  tel  den  Satz  einleitet: 

Teiles  vont  au  butin  les  nombreuses  abeilles;  1,326.  P.d. 

Teile  vint  en  ce  säjour 

La  merveille  que  je  chante.  1, 376«  P.  d. 

Zschr.  f.  ufrz.  Spr.  u.  Litt.    VIi-  ]^2 


Die  hisi.  Eniivickelung  der  Inversion  eic.  179 

Pas  ne  tiendroit  aus  gens  qu*on  ne  fit  mieux.  III,  345.  C, 

In  einer  Anzahl  von  Fällen  ist  das  pronominale  Subjekt  aus- 
lassen. Da  sich  überdies  dasselbe  nie  invertiert  findet,  so  ist 
s  sicher  anzunehmen,  dass  Lafontaine,  selbst  in  der  Poesie,  die 
v.  des  pronominalen  Subjektes  in  dem  durch  die  Negation  ein- 
leiteten Satze  für  unerlaubt  hielt: 

Pas  n'y  manqua;  III,  152.  C, 

Pas  ne  trouva  la  pucelle  endormie,  III,  180.  C. 

Plus  ne  fera  de  ddpense  chez  vous.  111,370.  €, 

Pas  ne  voudrois  qu'on  le  crüt  autrement.  111,389.  (7. 

b.   Befehls-  und  Wunschsätze. 

Ucker,  pp.  13  f.  —  Morf,  pp.  216  f.  —  Le  Coultre,  pp.  23  ff.  —  Krü- 
r,  pp.  43  f.  —  Schlickum,  pp.  7  f.  —  Marx,  p.  343.  —  Mätzner,  Gramm. 
•^54,  A,  a,  3.    —    Mätzner,   8ynt.  §  490.    —   Körting,   §  129,  2,  a.  — 

Lücking,  §§  307  f.  —  Habicht,  p.  20. 

Zu  berücksichtigen  ist  hier  nur  der  konjunktivisch  ausgedrückte 
.fehl  oder  Wunsch. 

In  den  ältesten  Denkmälern  sind  die  Beispiele  spärlich, 
i  die  meisten  der  konjunktivischen  Befehlssätze  kein  pronominales 
ibjekt  enthalten.  In  den  vorhandenen  Fällen  wechseln  beide  Stel- 
in gen  derart  ab,  dass  man  annehmen  muss,  in  der  ältesten  Periode 
ibe  es  noch  kein\9  diesbezügliche  Regel  gegeben. 

Nach  Morf  tritt  im  konjunktivischen  Befehlssatze  Inv.  des 
)minalen  und .  pronominalen  Subjektes  gern  ein,  wenn  die  für  den 
^olierten  Hauptsatz  realen  Inhaltes  aufgestellten  Bedingungen  ein- 
icteu.  Nur  das  Wort  Deus  macht  eine  Ausnahme,  indem  es  nie 
ivertiert  erscheint.  —  Der  Gebrauch  des  que  in  Heischesätzen 
cbeint  im  Bolandsliede  noch  unbekannt  zu  sein,  da  Morf  nicht 
lavon  spricht. 

Dieselbe  Regel  stellt  Le  Coultre  fest,  u.  z.  fügt  er  hinzu, 
lass  beim  Vortreten  jener  Bestimmungen  nur  selten  die  Inv.  iinter- 
)leibe. 

Krüger  konstatiert  zwar  auch  noch  obige  Regel  als  gewöhn- 
lich massgebend,  bemerkt  aber  doch  schon  mannigfache  Abweichun- 
i^en.  Auch  wenn  keine  von  den  früher  genannten  Satzteilen  den 
Satz  einleiten,  steht  häufig  Inversion,  wenn  das  Verb  emphatisch  an 
die  Spitze  des  Satzes  tritt. 

Schlickum  hat  zwei  Heischesätze  gefunden,  welche  mit  que 
beginnen,  und  von  denen  der  eine,  prädikativ  eingeleitete  Satz  Inv. 
zeigt,  der  andere  nicht.  —  Die  nicht  durch  que  eingeleiteten  Haupt- 
sätze zeigen  in  der  Regel  keine  luv.;  dagegen  bewirken  Adverbien 
etc.  stets  Inv.  wie  in  den  Aussagesätzen. 

12* 


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Tl*''  ' ' 


Die  hisi.  Entwickelmig  der  Inversion  etc.  181 

Qae  de  vous  naisse  un  h^ros 

Dont  les  palmes  immortelles 

Ne  donnent  aucun  repos 

Aux  nations  infideles:  1,377.  P.d. 

Bei  pronominalem  Subjekte,  wo  die  Inv.  sowohl  bei  transi- 
tiven wie  bei  intransitiven  Verben  beobachtet  worden  ist,  hat  der 
Wunschsatz  ganz  den  Charakter  der  Frage,  welche  in  affektvoller 
Weise  betont  wird,  ohne  dass  sie  aber  eine  eigentliche  Affektfrage 
wird  (vgl.  diese  p.  185). 

Que  n*en  ai-je  oubliä  les  funestes  inomens!        111,131.  P.d. 

Que  ne  m'est-il  permis  d'errer  parmi  les  ombres! 

111,133.  P.d. 

Que  ne  puis-je  en  ces  vers  avec  gräce  parier 

Des  qualit^s  qui  fönt  voler 

Son  nom  jusqu aux  peuples  Stranges!  1,421.  P.d. 

Que  ne  sait-il  qu'un  arr^t  inhumain 

M'a  condamne,  moi  qui  n'ai  poiot  fait  faute!        1,399.  P.d. 

Bei  Lafontaine  gelten  im  allgemeinen  im  nicht  mit  que  ein- 
geleiteten Wunschsatze  dieselben  Eegeln  wie  im  Neufranz.  Es  be- 
schränkt sich  der  Sprachgebrauch  auf  die  Voranstellung  gewisser 
Verben,  die  auch  heutzutage  noch  häufig  in  der  3.  Pers.  des  Prä- 
sens und  Imperfekts  (meist  bei  intrans.,  selten  bei  trans.  Verben) 
an  die  Spitze  des  Satzes  treten  und  Inv.  des  nominalen  und  prono- 
minalen Subjektes  zur  folge  haben.  '^ 

Solche  Verben  sind: 

Puisse:  111,396.  C;  111,441.  P.d.;  1,319.  P.a.;  1,377.  Rd.; 
II,  329.  P.  d.;  II,  337.  P.  d.;  III,  441.  P.  d.  (subst.  Sub- 
jekt); 1,270.  F.  (pron.  Subj.). 

Puissent:  1,250.  F.;  1,394.  P.d.;  1,415.  P.d.;   1,367.  P.  d.; 
11,121.  Th.v.;  11,31.   Tä.  v.  (nom.  Subj.). 
1,377.  P.d.;  1,428.  P.d.;  11,382.  P.d.  (pron.  Subj.). 

Vive  und  Vivent:  I,  43.  F.;  II,  335.  P  d.;  III,  31 3.  C;  I,  43.  F.; 
11,27.  —  (subst.  Subj.). 
Die  Inv.  des  pron.  Subj.  kommt  hier  nicht  vor. 

Peri8se(nt):  UI,  281.  0.;  11,121.   Th.v.;  111,293.  C. 
Pron.  Subj.  ist  nie  invertiert. 

Pmt:  11,35.  A.;  11,107.  Th.v.;  11,117.  Th.v.;  11,179.  Th.v.; 
I,  88.  F.;  I,  390.  P.  d.;  III,  153.  C;  III,  281.  C; 
das  Subjekt  ist  stets  ein  Substantivsatz.  —  Prosa  (die 
vorher  citierten  Beispiele  gehören  alle  der  Poesie  an): 
111,35.  A;  111,464.  P 

Aber  auch  andere  an  der  Spitze  des  Satzes  stehende  elliptische 
Konjunktive   haben  Inv.  des  Subjektes  zur  Folge.     In  der  Poesie: 


182  ^-  tf^ 

Ah!  fi*»»^—     ^«,xi«  ce  hK-T  W 


It'l»^''™  et  j„  *«8i^^  <1«  . 

Qu'il  «!«-<«=»*»  ««»  jh^  '«« w?ii-!     , 

VeuiU«       i:^»«*-    ""  Petit   .*o^  ^"UV  *^'      ^ 


i?!«:-,'«^»»^       >oiiiA  d'n.iT  Ce  „.    *e».  -*  '»29 


In  der  P  r  ^^     jj!,  60.  ^'  *«««4»»,_  *  ^o^«V  ^       l  ,„, 


wenn  pourotr    *  gatees  t^j      ^e^o„^  .«»»e  /  "  •  •  ff r  ,  "^  «« 

an  dxe  Spitze    <»^  ,  •  "   «Je«    »/iv.     '''  «l. 

m  vielen    F«"-  f^r  ^  \*^^^^  1i        '  '^-  ^ 

andere  vorantretende  Safefeüe  dfe  V  **'«'«)*         *^"''«*  '  *^0.  -^ 

Unterschied  bei    <ran«t.^e«        «^^  V     '    ««      J*e.,      ,  ^r. 

und  pronominalem   Subjette  ein^^-^V^'^'f  t  ^f^^aft      '^  ^'^ 
Adverbium:  "^W.     ^    «^  %t?*^eö     '^    ob    ^j . 

Objekt  im  Dativ  ^  °*^«»    i^  "««öi^^em 

Te  confondent  leg  j.  ^^ort) 

Attributiver  0^,,^°"'^  W««,  ^  ''  ««  ^.^  ^O.    ^^  ^ 

/fr*  Js«  c 
^'  leo.  f. 


Die  hist.  Eniwickelung  iler  Inversion  etc.  183 

ation: 

e  plaise  k  Dieu  que  si  belle  amitie 

oit  par  moQ  fait  de  d^saatre  ainsi  pleine  .  .  .        UT,  210.  C, 

der  Redensart  ne  plaise  ä  findet  sich  Inv.  des  durch  einen 
.en  Satz  ausgedrückten  Subj.  1,67.  F,;  1,100.  F.;  11,31.  Th.v. 

^^ation  und  pron.  Objekt: 

ne  vous  diplaise, 
Que  .  . .  III,  262.  C. 

Et,  n'en  deplaise  aux  suppots  de  saint  Pierre, 

Les  augustins  sont  serviteurs  du  roi.**  III,  432.  P.  d. 

c.    Fragesätze. 

p.  15.  —  Morf,  pp.  217  f.  —  Le  Coultre,  pp.  25  ff.  —  Krüger, 
<.  —  Schlickum,  pp.  8  f.  —  Marx,  p.  344.  —  Glauning,  p.  42.  — 
,  Gramm.  §  254,   Aa,  2.   —    Mätzner,   Synt.  §  491.   —   Körting, 
§  133.  —  Lücking,  §§  256  ff.  —  Habicht,  pp.  22  ff. 

j'ür  die  ältesten  Denkmäler  lassen  sich  keine  genauen 
iDungen  treffen,  weil  daselbst  vielfach  das  Subjekt  gar  nicht 
.rückt  ist. 

Im  Bolandsliede  findet  sich  im  Fragesatze  das  Subjekt  in- 
;t,  es  sei  denn,    dass    es   ein   fragendes  Pronomen   wäre.     Die 
j  Ausnahme,  welche  Morf  als  Spur  des  modernen  Gebrauches 
irt,  erklärt  Marx  (p.  344)  für  metrisch  unfrei. 

Le  Coultre  sagt,   dass   im  Altfranz,   zur  Zeit  Crestiens  das 

nale  Subjekt  der  Verbalfrage  nie  dem  Verbum  vorangehe  (wjas 

'cufrz.  Regel  geworden  ist),  dass  vielmehr  das  Subjekt,  gleichviel 

lominal  oder  pronominal,   einfach  invertiert  werde.  —  Einzelne 

0  treten  schon  bei  Crestien  auf,  in  welchen   das  Subjekt  in  der 

ifrage  an  der  Spitze  des  Satzes,  d.  h.  vor  dem  Frageworte  steht, 

0  indes,  wie  im  Neufranz.,    hinter  dem  Verb    durch    ein  Prono- 

1  wiederholt  zu  werden.  —  (Wenn   das  Subjekt    ein  Fragewort 
so  beginnt  dieses  natürlich  den  Satz.) 

Krüger  konstatiert  zunächst  gleichfalls,  dass  im  Altfranz,  im 

agesatze  einfache  Inv.  eintrete,   möge  das  Subjekt   ein  nominales 

er  ein  pronominales  sein,  möge  der  Satz  durch  interrogative  Pro- 

)miua  oder  Adverbia  eingeleitet  werden   oder  nicht.    —    Beispiele 

ir  die  bei  nominalem  Subjekte  im  Neufranz,  übliche  Konstruktion 

nden  sich  erst  gegen   das  Ende   des  13.  J. ;   in   den  Novellen    in 

inem  Falle.   —    Wie   im   Eolandsliede,   so   tritt  auch  im  12.  und 

.3.  Jahrh.  manchmal   das  Subjekt    dem  Frageworte    nachdrücklich 

7/oran,  aber  auch  hier  erfolgt  keine  Wiederholung  hinter  dem  Verb 

(z.  B.  Et  vous,   qid  estes  ...?).  —   Wenn  zwei   Fragesätze  durch 

koordinierende  Konjunktionen  verbunden  werden,  so  darf  im  zweiten 

die  Inv.  des  Subjektes  unterbleiben  (dors-tu  ou  tu  veilles). 


184  L.  Wespy 

Schlickum  hat  nicht  konstatiereu  können,  ob  in  A.  und  N. 
gelegentlich  schon  einmal  die  absolute  Konstruktion  angewendet  ist 
oder  nicht.  In  den  meisten  Fällen  ist  das  Subjekt  ein  Pronomen, 
und  dann  tritt  stets  die  einfache  Iny.  ein,  wenn  das  Subjekt  nicht 
ein  fragendes  Pronomen  ist,  oder  die  Frage  nur  durch  den  Ton 
ausgedrückt  werden  soll.  —  Ein  substantivisches  Subjekt  findet  sich 
in  A.  und  N.  nur  4  mal  und  es  steht  luv.  in  den  Fällen,  in  wel- 
chen dieselbe  auch  im  Neu  franz.  üblich  ist,  wenn  nämlich  das  Verb 
in  einem  einfachen  Tempus  steht  und  kein  Objekt  bei  sich  hat. 

Auch  Joinville  kennt  die  moderne  Pragekonstruktion  noch 
nicht;  übrigens  ist  es  eine  Eigentümlichkeit  des  erzählenden  Stiles 
Joinville's,  dass  nominale  Subjekte  in  der  Frage  sehr  selten  vor- 
kommen. —  In  einem  Falle  muss  auch  bei  Joinville  die  Frage 
lediglich  durch  den  Ton  ausgedrückt  werden. 

Nach  Glauning  ist  auch  bei  Marot  von  einer  absoluten  Kon- 
struktion noch  nichts  zu  finden. 

Wir  finden  demnach  durch  die  vorstehenden  Resultate  be- 
stätigt, was  Mätzner  sagt,  dass  nämlich  im  Altfranz,  das  Sub- 
jekt unbedenklich  hinter  das  Verbum  trete,  und  dass  ein  nominales 
Subjekt,  wenn  dasselbe  vor  das  Verb  gesetzt  wird  (was  besonders 
häufig  ist,  wenn  im  Fragesatze  ein  Interrogativpronomen  oder  ein 
interrogatives  Adverb  vorkommt),  keine  Verdoppelung  durch  ein 
Pronomen  erfahre. 

Im  Neufranz,  ist  die  luv.  als  Ersatz  für  den  Verlust  der 
Fragewörter  des  Lateinischen  (ne,  an,  num)  anzusehen.  Hier  zeigt 
sich  aber  im  Neufranz,  viel  mehr  als  im  Altfranz,  die  Neigung,  vor- 
zugsweise das  persönliche  Fürwort  (auch  ce  und  on)  hinter  das 
Verb  und  in  den  zusammengesetzten  Zeiten  hinter  das  Hilfsverb 
zu  stellen. 

Wenn  das  Subjekt  nominal  ist,  so  tritt  es  gewöhnlich  vor 
das  Verb,  wird  aber  nach  demselben  durch  ein  persönliches  Pro- 
nomen wiederholt,  welche  Stellung  gewissermassen  als  Kompromiss 
zwischen  Altfranz,  und  Neufranz.  bezeichnet  werden  kann  (Le  Coultre). 

Die  Ausnahmen,  welche  zu  verzeichnen  sind,  sind  folgende: 

Die  Inv.  unterbleibt: 

1.  wenn  die  Frage  durch   den  Ton  (Fragezeichen)   auszu- 
drücken ist  (Ton frage); 

2.  wenn  das  Subjekt  der  Frage  eines  der  fragenden  Für- 
wörter qui,  lequd  ist; 

3.  wenn  das  Subjekt  des  Satzes  ein  von  einem  attributiven 
Fragefürworte  (quel)  begleitetes  Nomen  ist; 

4.  wenn  die  Frage  den  Ausdruck  des  Affektes  angenommen 
und  den  Charakter  der  Frage  verloren  hat. 

Die  einfache  Inv.  tritt  ein  bei  nominalem  Subjekte,  wo   man 


— -- 


Die  hisi.  Enttvickebmg  der  Inversion  etc.  185 

die  absolute  Konstruktion  erwarten  sollte,  wenn  die  Fragewörter 
y?/e,  oÄ,  d^oily  comment,  quel,  quandy  combien,  pourquoi  den  Satz 
Binleiten,  wenn  das  Verb  in  einer  einfachen  Zeit  steht  und  kein 
Objekt  bei  sich  hat. 

Wir  müssen  darauf  verzichten,  an  dieser  Stelle  eine  Erklä- 
rung der  Fragekonstruktion  in  allen  ihren  Teilen  zu  geben,  da  dies 
7M  weit  führen  würde.  Man  lese  bei  Habicht  die  oben  näher 
liezeichnete  Stelle  nach. 

Nach  den  Fragewörtern  que  (in  seinen  verschiedenen  Kasus), 
ow,  d!oü,  quand,  comment  steht  bei  Lafontaine  in  Poesie  und 
Prosa  ganz  gewöhnlich  einfache  Inv.  des  nominalen  Subjektes  (auch 
Subjektsatzes),  wenn  das  Verb  in  einer  einfachen  Zeit  steht  und 
kein  Objekt  bei  sich  hat.  —  Uoü  vient  wird  sehr  häufig  mit  fol- 
gendem Subjektivsatz  gebraucht,  ohne  dass  dieser  durch  das  Perso- 
nalpron, il  zuvor  zusammengefasst  wäre. 

Ziemlich  häufig  steht  bei  L.  auch  nach  que  (in  seinen  ver- 
schiedenen Kasus)  die  einfache  Inv.  des  nominalen  Subjektes,  wenn 
das  Verb  in  einer  zusammengesetzten  Zeit  steht: 

„Qu*a  donc  mangd  mon  camarade?  Tll,  147.  C. 

—  Qa'a  fait  madame?  III,  233.  C. 

qu'eüt  fait  le  pauvre  sire?  III  309.  C. 

Qu'eüt  fait  Alaciel?  111,228.  C. 

Qu'est  devenu  TAmour?  II,  100.  Th.  v. 

Qu'est  devenu  mon  fils  ?  IT,  99.  Th.  v. 

Contre  tant  de  trompeurs  qu*eüt  fait  une  innocente? 

111,380.  C. 

Sur  ce  pied-lk,  qu'eüt  coütd  la  maitresse?        111,405.  C. 

Auch  wenn  bei  dem  Verb  der  einfachen  Zeit  sich  ein  näheres 
Objekt  findet,  ist  in  zwei  Fällen  Inv.  beobachtet  worden: 

Qii*ont  de  mieux  vos  soci^tös?  111,420.  P.d. 

Oü  l'iront  retrouver  les  faiseurs  d'horoscope?      1, 165.  F. 

Alle  vorstehenden  Beispiele  gehören,  wie  man  sieht,  der  Poesie, 
lie  meisten  sogar  den  Contes,  an,  während  sich  in  der  Prosa  keine 
Belege  für  den  Gebrauch  der  einfachen  luv.  des  nominalen  Sub- 
jektes bei  zusammengesetzten  Zeiten  oder  bei  einfachen  Formen  mit 
Akkusativobjekt  finden: 

Viel  öfter  tritt  Inv.  ein,  wenn  ein  entfernteres  substantivisches 
3der  pronominales  Objekt  zu  dem  Verb  tritt,  z.  B.: 

Que  me  sert  de  troubler  d'innocentes  amours?  II,  140.  Th.  v. 
Mais  que  vous  sert  votre  märite?  1, 138.  F. 

Quen  fera,  dit-il,  moo  ciseau?  1, 185.  F. 

Que  sert  k  vos  pareils  de  lire  incessamment?      1, 169.  F. 


186  L,  Wespy 

Anm.:  Desgl.  1, 253.  F.;  1, 425.  P,  d,;  II,  147.  Th.  v.;  1, 98.  F.;  II,  47.  Ih.  v.; 
1,50.  F.;  11,61.  Th.v. 

Id  einem  hierher  gehörigen  Falle  findet  sich  auch  die  Zu- 
sammenfstösung  des  Subjektsatzes  durch  das  unpersönliche  ü: 

Hälas!  que  ine  sert-il  de  Taimer  constamment?      II,  130.  Th.  v. 

Nach  pourquoi  steht  bei  L.,  wie  in  der  heutigen  Sprache,  in 
der  Poesie  wie  in  der  Prosa  bei  nominalem  Subjekte  stets  die 
absolute  Konstruktion.  Der  eine  Fall  von  einfacher  luv.,  welcher 
in  der  Poesie  beobachtet  worden  ist,  wurde  wohl  durch  den  Beim 
bedingt: 

Pourquoi  n'ont  pas  p^ri  ces  tristes  monumens!   III,  131.  P,  d. 

Das  adjektivische  Fragefürwort  qud,  sowie  das  interrogative 
Adverb  combien  stehen  im  Neufnmz.  mit  den  zugehörigen  Wörtern 
stets  zu  Anfang  des  Satzes. 

Sind  nun  quel  und  combien  nebst  den  dazu  gehörigen  Wör- 
tern Objekte,  so  steht  im  Neufranz,  bei  pronominalem  Subjekte  die 
einfache,  bei  nominalem  die  absolute  Konstruktion.  —  In  der  Poesie 
Lafontaine's  steht  in  einigen  Fällen  auch  bei  nominalem  Subjekte  die 
einfache  luv.: 

Quelle  farce,  dit-il,  vout  jouer  ces  gens-lk?  1,58.  F. 

Et  quel  droit  a  sur  nous  un  cruel  ravisseur?         I,  302.  P.  d. 
Quel  fruit  aura  ton  crime,  infortund  Sämire?    II,  140.  Th.  v. 

In  der  Prosa  dagegen  ist  kein  Beispiel  bemerkt  worden,  das 
dem  heutigen  Gebrauche  widerspräche. 

Stehen  qud  und  combien  als  Prädikative  zu  dem  Verbum 
etrcy  so  steht  in  Poesie  wie  Prosa  (hier  selten  belegt)  die  ein- 
fache Inv. 

Wenn  eiae  Frage  den  Charakter  der  Frage  verloren  und  den 
des  Affektes  angenommen  hat,  so  tritt  im  Neufranz,  die  gerade 
Wortstellung  ein.  Habicht  (p.  26)  bezeichnet  diese  Art  der  Frage 
als  solche,  welche  ihre  Antwort,  so  zu  sagen,  in  sich  selbst  trage 
und  meint,  dass  in  derselben  die  gerade  wie  die  invertierte  Wort- 
folge stehen  könne. 

Bei  Lafontaine  tritt  in  der  Poesie  die  einfache  Inv.  ein: 

Que  n^ose  et  que  ne  peut  Tamitie  violente!  I,  257.  F. 

Que  ne  peux-tu  sur  nous,  si  tu  plais  meme  aux  saints! 

1, 293.  P  d. 

Combien  a-t-il  sauve  de  precieuses  tetes!  1,319.  P.d. 

Helas!  Quand  reviendront  de  semblable  momens! 

Faut-il  que  tant  d'objets  si  doux  et  si  charmans 

Me  laissent  vivre  au  grä  de  mon  äme  inqui^te!        1, 182.  F. 

Que  ne  fii-ent  alors  les  peuples  du  Permesse!       11,361.  P.d. 


Die  hisi.  Eniwickelung  der  Inversion  etc.  187 

»acciidö-je?  ä  quel  exc^s  monte  votre  colfere! 

Liquez  la  Grece,  une  seconde  mere!  ...     II,  174.  Th,  v. 

niibien  voit  de  loin  l'homme  prudent  et  sage! 

II,  19.   Th.  V. 

»ttutitn   dignement   s'est-ü  acquitti  de  tous  les  emplois  qui 

•  t   confies!  II,  311.  P.  —  Quelle  gloire  me  sera-ce   donc 
.  /    avec  vous  la  protection  particidüre  d^un  rot  que  non- 

ifs  academieSy  mais  les  republiqueSy  les  royaumes  memeSy 

•  pour  protecteur  et  pour  mattre!  II,  310.  P.  —  Et  que  ne 

f  les   etrangers!   Que  ne   dira  point  la  posterite  quand 

ces  chefs '  d! ceuvre  de  tous  les  arts!  III,  8.  A,  —  Quelles 

'.dt,  mes  destineesi  III,  59,  A, 

«1er  Prosa   kommt   aber   auch   die  gerade  Konstruktion 
i.ou  in  der  Poesie  ein  Fall: 

.  '  )l!  de  Cyihiree  en  eUe-meme^  une  esdave  me  rdsistera! 
■  <nitrai  tous  les  jours  une  nouvelle  mattere  de  triompher! 
J.   —   Quel  mauvais  choix  vous  avez  faitf  ma  scßur!  II, 

ist  übrigens  leicht  begreiflich,  dass  bei  Lafontaine  die 
'  luv.  in  Affektfragen  häufig  steht.  Es  ist  die  Scheidung 
n  diesen  und  den  wirklichen  Fragen  keine  scharfe,  und 
ite  mancher  Satz,  welcher  durch  das  Ausruf ungszeichen 
•ktfrage  bezeichnet  ist,,  auch   als  wirkliche  Frage  gelten, 

„Faiit-il  croire  ce  qu'elle  dit!  1,204.  F. 

Desgl.  I,  175.  F.;  I,  177.  F.;  1,226.  F.;   1,287.  F.;  1,268.  F.;  II, 
-1.   Th.v.;  111,256.  C;  111,308.  C;  111,346.  C;  111,386.  C. 

Ans  diesem  Grunde  finden  sich  häufig  auf  die  Affektfragen 
-i^eln  angewendet  (insbes.  die  von  quel  und  combien),  welche 
n  reinen  Fragesatz  gelten. 

In   einem   Falle     ist    auch    in   der   poetischen    Affektfrage 
'V.  unterblieben: 


Quoi!  les  dieux  vous  serviront  d'exemples, 

La  beaut^  dans  TOlympe  aura  trouv^  des  temples. 

Et  vous  serez  honteux  de  lui  sacrifier!  II,  168.  Th.  v. 

Einzelne  Fälle  von  Tonfragen  sind  auch  bei  L.  aufgefallen, 
selben  sind,    wie  Habicht  (p.  26)   meint,    in   der  That  meist 
.-  oder  Neinfragen". 

Du  bonheur  d'un  rival  vous  seriez  le  tämoin?        II,  14.  Th.  v. 
Les  morts  sont  donc  heureux?  I,  287.  P.  d. 

Quoi!  je  ne  suis  pas  maintenant  de  corps  auprls  de  vous, 
^prit  U  mariy  et  vous  ne  me  touchez  pasf  III,  28.  il.  —  Quoi! 
i  fai  voulu  tuer!  quoi!  cette  pensie  m'esi  venue!  III,  46.  A,  — 


>i('  hisi.  Enirvickehifig  der  Inversion  etc.  189 

in  Nomen  ist.     Indes  tiberwiegt   sowohl  bei  nomi- 

i  pronominalem  Subjekte    die   gerade  Konstruktion. 

Mauning  bewirkt  das  kopulative  „e^"  bei  Montaigne 

Voranstellung    des   Prädikativs,  was    im  Neufranz. 

.11    den   Seltenheiten    gehört,    in    unserem    modernen 

'lagegen  ausserordentlich  überhand  nimmt. 

ich  fuhrt  für  die  Inv.  nach  ^e^"  drei  Beispiele  aus  dem 

cueil  de  Contes  k  Rire  etc.     Paris  1869;    zwei  aus 

s    du   Seigneur    des   Accords.     Ronen   1621    an   und 

dasB  sich  die  grossen  französischen  Dichter  und  Pro- 

17.  Jahrb.,  wie  Scarron,  dieser  Inv.  gar  nicht  bedien- 

(ss  sie  selbst  in  den  Komödien  jener  Zeit  und  in  den 

..weiten  Rattges  dem  Veifasser  nicht  aufgefallen  seien. 

..ach  „e£^^  ist  also  auf  eine  recht  tief  stehende  Littera- 

,  beschränkt  und  den  Franzosen  jener  Zeit  wohl  ebenso 

an  und  „  widerlich ^^  gewesen,  wie  sie  es  uns  in  unserer 

iche   ist,    wenn  jene   Umstellung   auch  von    berühmten 

bisweilen  gebraucht  wird  und  gebraucht  worden  ist. 

.   haben  gesehen,  dass  es  sich  bei  der  Frage  über  das 

der  Inv.  im  wesentlichen   um  die  Konjunktionen  si^  et 

handelt.    Auch  die  Angaben  Mätzner's,  der  die  Inv.  des 

s    nach   beiordnenden    Konjunktionen   als    oft  eintretend 

et,  stimmen  mit  dem  Gesagten   überein.     Die  vier  resp. 

spiele,    welche    er    notiert,    beginnen    sämtlich    mit    der 

*ei  Lafontaine  findet  sich  im  konjunktional  eingeleiteten 
:uweilen  Inv.  des  Subjektes.  Es  kommen  hierbei  in  Be- 
die  Konjunktionen  et^  si,  or. 

läufig  tritt  aber  die  Inv.  gar  nicht  infolge  der  einleitenden 

xiktion  ein,  sondern  sie  wird  durch  andere  Gründe  verursacht. 

ist  sogar  kein  Fall  beobachtet,  in  dem  die  Inv.  unzweifel- 

ine  Folge  der  Konj.  wäre.     Sie   kann  vielmehr  auch   ver- 

Iit  sein  durch 

.  Adverb: 

Et  possible  n*a-ce  pas  et^  inutilement ;  III,  166.  P, 

Et  possible  est-ce  par  gageure 

Qu'il  a  caus^  cette  aventure."  III,  140.  C. 

in  Prädikativ: 

Et  cependant  tres-bonne  est  sa  m^thode.        III,  212.  C. 
Jiine  Negation: 

Et  n'eüt-on  cru  de  jouissance  teile 

Dans  le  pays,  ni  m§me  encor  plus  lein.  III,  252.  C, 


?Vonce   gui  vous  fait  aller    braver  U*  io- 

ie  votre  gloiref  Ü,  438.  L. 

ites  in  dem  in  einer  Satzreibe  steheadei  | 
Hauptsätze. 

f,  pp.  208  ff.  —  Le  Coultre,  p.  17.  —  Krüger. 
—  Mara,  p.  339.  —  KnCrich,  Zechr.  f.  uto 
ft  1,  p.  75  —  77.  —  Glauning,  SjntaktiBcli 
e.     Herrig  49,  p.  426.  —  Mätzner,   Synt.  §  «i. 

ier  nur  um  diejenigen  Sat^veibindnngei 
!  Hauptsätze  unter  einander  durch  Koi- 
ind,  oder  am  Hauptsätze,  sn  deren  Spitit 
deren  Grunde    eine   anreibende  Konjimk' 

len   ältesten    Sprachdenkmälern    folgende  ; 

inend  die  Inv.;  ' 

manchmal  Inv.  nach  sich,  dieselbe  ist 
a  durch  andere  Redeteile  veranlasat;  1 
einmal  Inv.  des  Subjektes ;  | 

einige  zweifelhafte  Fälle,  stete  Inv. 
>njunktionen    zeigt   sich    keine  verändertt 

im  11.  Jahrh.  zuweilen  nach  Konjunklio- 


»ch  erklärt  VÜlcker  die  angezogenen  Bei- 
t  sehr  sticfahaltig)  und  et  si; 
und  den  Übrigen  Konjunktionen. 
lIoultre'B,  dass  Konjunktionen  niemili 
1  Morf  widerlegt,  welcher  etwaiges  Untw- 
Werken  Crestiens  auf  Zufall  oder  beab- 
ickfUbrt. 

hrt  an,  dass  in  der  Prosa  des  13.  JahrL 
1  der  Inv,  des  Subjektes  nicht  in  Betractl 
rf  nach,  dass  diese  Angabe  ganz  nabc* 
Ihrt  nämlich  bei  Besprechung  der  soge- 
iv."  lauter  Beispiele  auf,  in  welchen  dif 
'anstehenden  Konjunktion  „e^**  ist. 
t  in  A.  und  N.  stets  Inv.  nach  si  (^  6- 
h  alleinstehendem  „et"  tritt  nie  Inv.  eiu 
ndet   sich   öfters   Inv.   nach  Ko^j-,    wen« 


.rd 


Dit  hisi.  EntnickeluMg  dvr  InrersloH  etc.  189 

das  Sabjekt  ein  Nomen  ist     Indes  fiberwiegt  sowohl  bei  nomi- 
nalem wie  bei  pronominalem  Subjekte   die  gerade  Konstruktion. 

Nach  Glanning  bewirkt  das  kopalatire  ^e^  bei  Montaigne 
sehr  oft  die  Voranstellung  des  Prädikativs,  was  im  Neofhuiz. 
gleichfalls  za  den  Seltenheiten  gehört,  in  unserem  modernen 
Zeitungsstil  dagegen  ausserordentlich  überhand  ninunt. 

Knorich  fBhrt  für  die  Iuf.  nach  ^et^  drei  Beispiele  aus  dem 
Nouveau  Becueil  de  Contes  a  Rire  etc.  Paris  1869;  zwei  aus 
Les  Touches  du  Seigneur  des  Accords.  Bouen  1621  an  und 
fugt  hinzu,  dass  sich  die  grossen  französischen  Dichter  und  Pro- 
saiker des  17.  Jahrb.,  wie  Searron,  dieser  Inv.  gar  nicht  bedien- 
ten, und  dass  sie  selbst  in  den  Komödien  jener  Zeit  und  in  den 
Romanen  zweiten  Raages  dem  Verfasser  nicht  aufgefallen  seien. 
Die  luY.  nach  y,ef^  ist  also  auf  eine  recht  tief  stehende  Littera- 
tni^attung  besehrankt  und  den  Franzosen  jener  Zeit  wohl  ebenso 
unangenehm  und  „widerlieh"  gewesen,  wie  sie  es  uns  in  unserer 
Huttersprache  ist,  wenn  jene  Umstellung  auch  von  berfihmten 
Männern  bisweilen  gebraucht  wird  und  gebraucht  worden  isL 

Wir  haben  gesehen,  dass  es  sieh  bei  der  Frage  über  das 
Eintreten  der  Iuf.  im  wesentlichen  um  die  Konjunktionen  «ü,  ei 
ind  tt  si  handelt  Auch  die  Angaben  Mätzner*s,  der  die  Iuf.  des 
!>ubjektes  nach  beiordnenden  Konjunktionen  als  oft  eintretend 
bezeichnet,  stinmien  mit  dem  Gesagten  fiberein.  Die  vier  resp. 
Unf  Beispiele,  welche  er  notiert,  beginnen  sämtlich  mit  der 
S^onj.  eL 

Bei  Lafontaine  findet  sich  im  konjunktional  eingeleiteten 
Satze  zuweilen  Iuf.  des  Subjektes.  Es  kommen  hierbei  in  Be- 
dacht die  Konjunktionen  e£,  si,  or. 

Häufig  tritt  aber  die  Iuf.  gar  nicht  infolge  der  einleitenden 
Konjunktion  ein,  sondern  sie  wird  durch  andere  Grfinde  verursachL 
Bei  et  ist  sogar  kein  Fall  beobachtet,  in  dem  die  luv.  unzweifel- 
laft  eine  Folge  der  Konj.  wäre.  Sie  kann  vielmehr  auch  Ycr- 
irsacht  sein  durch 
ein  Adverb: 

Et  posBible  n'a-ce  pas  et^  inatälement;  III,  166.  P, 

Elt  possible  est-ce  par  ga^are 

Qa'3  a  caus^  cette  aventiiTe."  m,  140.  C. 

ein  Prädikativ: 

Et  cependant  tres-bonne  est  sa  m^thode.       111,212.  C. 
eine  Negation: 

Et  n'eüt-on  cm  de  joniBsance  teile 

Dans  le  pays,  ni  mäne  eaeor  plus  loin.  111,252.  C 


i^.H  'luiw  im  iTB-if  iaia-  S^nnip^  ■  la  fin,  m.  4it-  P.  d. 
'j....ii'ji»  fiinä   die  metrarai  fliftwir  $i*U*b  wenig  nuUBgeWnJ 
,,,    vi^üfti»  Tiir  Vi>hl  \fhAujiiim   öx.-f*n,  in  der  Sprache  Li 
.  1  Bvtr  dii'  liir.  dt«  ^l'>  iiAfäi  ytl'  BJcbt  ein. 
\>.^  ,(»'''  ia    i\ht-T  äit    Ixv.  dftf^  fji^tomiiialen   Subjekte^ 


1«  \-i>ki^-ji>  ]H>ur  tiF  ntnq-  out  ms  num  «r  k»anle.  11,  49.  Tk.  r. 
11  luuilra-I-il  Qi:  nöf  j  T^imof  jwnrxiiaü.  HL,  367.  '.. 

«  titul-il  UM-  i.uf  nr-tüB  cm  i«;  «at*U*:  I,3fi4.  /'.li 

it  l'uut-il  ^i-.'a  ia  iix  »  tti»  -paiaa*  miim  ■q^txeat:  1,134.  P.i. 
•it  r'>tM(-*f  f*it  K  ii  miiar  im  fitavüSSe  «nc  qmelqtte  Cm- 
t<jiie  AttcjnjstuM^  1L3IS.  f.  —  M  i'mf-^  pM  Je  viauu  '■ 
U,  Uta.   X  —   n  .-£•£•  <i  ,9./or-;u>M  ^M^^^yrr  tmcore   nir  rr 

.-  M  ***-<■•   'f»  .lOi  &/>v.-Äi>r  rt  .tft  Hirn  i4r   r«r  ^  Me  ma  xtiii'v 


H  »uU<ma  Filltii  HOS*  «4  rwüh'-ISift  Meiben,  ob  .^- 
nJfr»  KwrsüttwCtjfl-I-;  SaoEeL«;  E«  Lit.  bewirk»  (111, 35>- 
m,S^*.  f.  —  m.-J"  C  —  IIL3I2-  C. 
i'M'hältui$tta3$%:  am.  nKbteit  Mebt  ib  im  Po«sie  die  Inc. 
llistuitivUohtrit  im>i  pc<fa>jaLiii:iL>;n  Sobjektes  nck  or.  ^ 
i>äK  tühl<et  iJ-vll  Jiifät;   luv,  iii.:Iit. 

t>i  uä-j«  di.t  un  ji^uiti!  aumini),  aE  poor  «»■«;      IIL  355.  ('. 

Ur  «i-j«  «ttf  ptvlüd  iur  I.''*  -i^ 

Voujt  t-yuaruitfc  l'i^ituijw  i«  Fii:unJe.  111,  iSO.  '.". 

Ol  *i-j<  ifii  iwiiiuj/i*  luiii  ito  »ars  Liicnture,       UI,  37«.  C 

t'l  ust  Vfuii  rKulilaC  si  iuuiliUh;,  ni,«4t.  P.i 

K'>x  e<it  <«uu  ili:iJuuiii  aocr«  iiniven! 

tV»  hertlwr  Jim  a.s*«a  bei  empir«. 

Vvl  eu^uC  cbifT  ä  cttuC  pouffltiB  tiivQc^  m,  UO.  P.  i. 

t,  UAvIl  wi;kh<:tt  b<;i  trüberen  $chriAätellent  ntiB«bnuI  Icr. 

.    so    Ut    lU.   b<;iut;rk.tiu  r    i^ä^  bei    Lafuntaine    „maU*  wi 

anWmi  DM  luv.  lies  Su>)j<:li.tes  aar  Fi>lge  habes. 

Ü»cU    „inuix''    üitiiet    Mcb    allenüngs   einigemal«    nul   iu<^i. 

iuuu)  luv,,  jeiiu^b  »teta   al»  folg«    eines  sndetcB    Torsn- 

Ittt  S^UWil«»  utlt;r  des  Keimes  wog^n: 

<lau  ^s  w#  Mmt  I&  Les  plus  duulounux:  Ql,  443.  ( 

dftia  iwWMfst  Xhcwwit  w  pltuiit-il  d'un»  dama;  Q,  SI.    n.  r 


Die  hiit.  Eniwickelvng  der  Inversion  eic,  191 

Car  d^eux  doit  naitre  un  pape,  dont  la  vie 

R^formera  tout  le  peuple  cluretien."  III,  239.  C. 

Zuweilen  ist  auch  nach  j^et^^  und  ^^si^  das  pronominale 
Subjekt  weggefallen: 

£t  ne  sais  comme  il  y  manqua, 

Car  il  est  bonne  cr^ature.  1, 166.  F, 

. .  .jje  me  häte  de  venir  auxfables,  et  najouterai  aux  viritds 
que  je  V0U8  ai  dites  que  cdle-ci:  I,  2.  P.  —  8i  ae  mit  dans  Vesprit, 
.  .  .,  d^en  passer  son  envie,  III,  184.  C, 

Si  se  venoient  joliment  attrouper 

Pres  de  ces  gens,  qui,  .  .  .  III,  329.  C. 

Je  viens  de  Vaux,  sachant  bien  que  sur  tout 

Lea  Muses  fönt  en  ce  lieu  r^sidence; 

Si  leur  ai  dit,  eu  ployant  les  geuoux:  III,  433.  P.  d. 

C.  StellnDg  des  Sabjektes  im  Verhältnis  znm  Verbnm  in  dem 
innerhalb  einer  Periode  stehenden  Hauptsätze  (Nachsatz). 

.    a.    Der  Hauptsatz  ist  uneingeleitet. 

Völcker,  p.  17.  —  Morf,  p.  215.  —  Le  Coultre,  pp.  15  ff.   —   Krüger, 
p.  39.  —  Schlickum,  p.  6.  —  Marx,  pp.  34,  41,  341.  —  Mätzner,  Gramm. 

§  254,  Aa,  E.  ~  Mätzner,  Synt.  §  489. 

In  den  ältesten  Denkmälern  geht  das  Subjekt  dem 
Prädikate  voraus.  Die  zwei  vorkommenden  Inversionen  sind 
durch  eine  folgende  direkte  Rede  und  einen  temporalen  Neben- 
satz bewirkt. 

Im  Rolandsliede  tritt  die  Inv.  gleichfalls  nicht  ein;  die 
zwei  von  Morf  beobachteten  Fälle  kommen  nach  seiner  Angabe 
nicht  in  Betracht. 

Crestien  wendet  im  uneingeleiteten  Nachsätze  selten  Inv. 
an,  wenn  sich  auch  Fälle  derselben  finden.  —  Gewöhnlich  wird 
der  Sinn  des  voranstehenden  abhängigen  Satzes  durch  eine  der 
Konjunktionen  si,  donc,  ja  wiederholt,  welche  dann  die  Inv.  ver- 
anlassen. 

In  der  Prosalitteratur  des  13.  Jahrh.  sind  uneinge- 
leitete  Nachsätze  selten,  und  in  den  vorkommenden  die  Inv.  des 
Subjektes  Ausnahmen. 

Die  34  uneingeleiteten  Nachsätze  in  Aue.  und  Nie.  zeigen 
keine  Inversionen.  Hieraus  muss  man  folgern,  dass  im  unein- 
geleiteten Nachsatze  die  Regel  der  geraden  Wortstellung  bereits 
so  streng  ausgebildet  war,  um  keine  Ausnahme  zu  gestatten. 


'•**.- 


Die  hisi.  Enirvickelung  der  Inversion  etc»  193 

kommen  von  Inv.  des  pronominalen  Subj.  des  Nachsatzes   in 
Prosa  zu.     Es  heisst: 
Aprls  que  la  helle  eut  fait  une  longue  imuniration  des  plai- 
s  quelle  y  rencontroit ,   disoit-ellej    de    tous   cöteSj   il  se  trouvOtr 
u  son  campte  le  principal  point  y  manquoit  III,  28.  A, 

b.    Der  Hauptsatz  ist  eingeleitet. 

.cker,  p.  17.  —  Moirf,  p.  216.  —  Le  Coultre,  p.  18.  —  Krüger,  p.  39. 

^chlickum,   p.  7.    —  Marx,   p.  341.   —   Glauning,   Syntaktische  Ar- 

ismen  bei  Montaigne;  Herrig  49,  p.  427.    —    Hohlfeld,  p.  57.   — 

( kmann,^)  p.  62.  —  Nordström,*)  p.  53.  —   Mätzner,  Gramm.  §  254, 

Aa,  E.  —  M'ätzner,  Synt.  §  489. 

In  den  15  eingeleiteten  Nachsätzen,  welche  Völcker  in 
11  ältesten  Denkmälern  beobachtet  hat,  geht  das  Verb  dem 
bjekte  voran;  nur  zwei  (metrisch  gebundene)  Beispiele  zeigen 
ine  Inv.  Von  den  invertierten  Sätzen  werden  eingeleitet  mit 
iv.  4,  mit  81  3,  mit  Negationen  3,  mit  Objekten  3. 

Im  Rolandsliede  sind  die  Beispiele  f(lr  die  Inv.  des 
ibjektes  im  Nachsatze  sehr  selten,  was  seinen  Grand  darin 
it,  dass  der  Nebensatz  überhaupt  selten  vor  dem  Hauptsatze 
('ht,  und  dass  letzterer,  wenn  einmal  nachgestellt,  oft  kein  aus- 
setztes  Subjekt  hat.  —  Es  findet  sich  Inv.  nach  si,  dune,  Ad- 
•rb,  präpositionalem  Adverbiale  und  Prädikativ.  —  Nach  et 
legt,  wie  vermutlich  auch  im  Vordersatze,  keine  Inv.  einzutreten. 
Wie  schon  beim  uneingeleiteten  Nachsatze  erwähnt  ist, 
iederholt  Crestien  gewöhnlich  den  Sinn  des  abhängigen  Satzes 
irch  die  Konjunktionen  si,  donc,  ja^  nach  welchen  dann  in  der 
ringen  Anzahl  von  vorkommenden  Fällen  Inv.  steht. 

Krüger  findet,   dass  die  Inv.  in  der  Regel  nur  dann  ein- 
itt,  wenn   der  Nachsatz    durch    ein  Adverbium  eingeleitet  wird 
gewöhnlich  die  Partikeln  si,  dont,  ja). 

In  Aue.  und  Nie.  gelten  im  allgemeinen  für  den  einge- 
iteten  Nachsatz  dieselben  Regeln,  welche  schon  beim  einge- 
iteten  Vordersatze  besprochen  worden  sind.  —  ,,^^",  das  sich 
iiufig  einleitend  findet,  bedingt  keine  Inv.  Die  übrigen  Nach- 
atze sind  eingeleitet  durch  si,  dont,  encor  oder  ja  und  zeigen 
iimer  Inv.  —  Que  nach  einer  Konj.  im  zweiten  Gliede  einer 
ergleichung  hat  Inv.  nach  sich;  doch  findet  sich  ein  Beispiel, 
1  welchem  die  Inv.  unterblieben  ist. 

Bei  Joinville  zeigt,  wie  schon  beim  uneingeleiteten  Nach- 


^)  l^tude  sur  la  langue  et  la  versification  de  Malherbe.  Bonn 
.872.  Diss.  *)  Observations  sur  la  langue  et  la  versification  de  Ma- 
hurin  R^gnier.    Lund  1870.    Diss. 

Zschr.  f  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VIi.  J3 


Die  hisl.  Eniwickelung  der  Inversion  etc.  195 

. . .  Tnais  evitez  tant  qite  vous  voudrez  le  combat,  si  faut-il  que 
'(fi  TYiavouiez  que  votre  proposition  est  absurde,  III,  48.  A.  — 
l'on  trouve  quelque  satisfaction  ä  lire  ces  deux  premiers,  peut- 
f'  me  resoudrai'je  ä  y  ajouter  le  troisieme.    ]I,  125.  P. 

Auch  der  Fall  kommt  vor,  dass  das  Subjekt  weggelassen 
,  wo  man  es  invertiert  erwarten  sollte: 

Voyez  un  peu  la  petita  effront^e, 

Fille  du  diable,  et  qui  nous  gätera 

Notre  couvent!  Si  Dieu  plait,  ne  fera;  111,335,  C. 

D.  Stellung  des  Subjektes  im  Nebensätze  einer  Periode. 

Icker,  pp.  17  f.  —  Morf,  pp.  220  f.  —  Schlickum,  p.  9.  —  Mätzner, 
amm.  §  255.  —  Mätzner,  Synt.  §  493.  —  Lücking,  §  189,  I,  Anmerk. 

In  den  ältesten  Denkmälern  findet  sich  Inv.  des  Sub- 
vtes  im  Nebensatze  noch  seltener  als  im  Rolandsliede,  obwohl 
0  Nebensätze  in  ersteren  zahlreicher  sind  als  in  letzterem. 
n  der  Passion  43  ^/o,  im  Alexiusliede  sowie  in  Gormont  und 
embart  B0%  in  Leodegar  32%) 

Im  Eolandsliede    zeigt    der  Nebensatz  weniger  Inv.  des 

■ibjektes  als  der  Hauptsatz.     Sieht  man  von   den  Relativsätzen 

!id  von  den  Fragesätzen  ab,  deren  Subjekt  das  Fragepronomen 

Idet  —  in  welchen  beiden  Fällen  Inv.  unmöglich  ist  —  so  ist 

0   Verhältniszahl    der    Nebensätze    mit    umgestelltem    Subjekte 

>"/o  gegenüber  43  ^/o  im  Hauptsatze.  —  Es  hängt  dies  mit  der 

iufachheit  der  epischen  Sprache  zusammen,  die  überhaupt  Neben- 

itze  nicht  liebt  (nur  25^2^/0)«     Der  Nebensatz  ist  schon  wegen 

oiner  Abhängigkeit  an  und  Äir  sich  schwerer  zu  verstehen    als 

er  Hauptsatz;  wo  er  gebraucht  werden  musste,  wurde  ihm  da- 

r  die  thunlichst  einfache  Form  gegeben.  —  Die  angetroffenen 

iversionen  weist  Morf  zum  grossen  Teile  dem  metrischen  Zwange 

II.     Dieselben  treten  übrigens  nur   in   ganz    kurzen  Sätzen   ein, 

>'o  von    einer  Erschwerung   des  Verständnisses   nicht   die  Rede 

ein  kann.  —  Im  übrigen  folgen    die  Inv.  des  Nebensatzes   den 

besetzen,  welche  für  den  Hauptsatz  gelten. 

In  Aue.  und  Nie.  gelten  für  den  Nebensatz  dieselben 
lesetze  wie  für  den  Hauptsatz,  nur  tritt  selten  ein  Inv.  bewir- 
kender Satzteil  an  die  Spitze  des  Nebensatzes. 

Die  vorstehenden  Bemerkungen  bestätigen  zunächst  das, 
vas  Mätzner  sagt,  welcher  angibt,  dass  im  Nebensatze  im 
illgemeinen  dieselben  Regeln  hinsichtlich  der  Stellung  des  Sub- 
jektes und  des  Prädikates  gelten,  welche  für  den  behauptenden 
Hauptsatz  massgebend  sind.  Mätzner  fügt  aber  dem  noch  hinzu, 
dass  im  Nebensatze  die  gemeine  Wortstellung  in  einzelnen  Fällen 

13* 


196  L,  Wespy 

der  Inv.  gewichen  sei,   ohne  dass   dies   durch    die   beim  Haupt- 
satze wirkenden  Motive  verursacht  werde. 

Es  sind  zu  behandeln  die  Inversionen  im  substantivischen, 
im  adverbialen  und  im  adjektivischen  Nebensatze.  Wir  bringen 
dieselben  in  drei  Kategorien,  je  nachdem  die  Sätze  eingeleitet 
sind  durch  Konjunktionen,  Relativpronomina  oder  Fragepartikeln. 

a.    Konjunktionen. 

1.   Substantivsätze  (Subjekt-  und  Objektsfitze). 

Völcker,  p.  18.  —  Morf,  p.  218.  —  La  Coultre,  p.  76.  —  Marx,  p.  343. 
Mätzner,  Gramm.  §  255,  b.  1.  —  Mätzner,  Synt.  §  493. 

In  den  ältesten  Denkmälern  sind  solche  Sätze  in  ziem- 
licher Anzahl  vorhanden,  zeigen  aber  bis  auf  zwei  wenig  be- 
deutende Fälle  keine  Inv. 

Im  Rolandsliede  lässt  sich,  des  Metrums  wegen,  etwas 
Sicheres  nicht  bestimmen.  Jedenfalls  war  die  Inv.  hier  weniger 
unbeliebt  als  im  Relativsatze  (vgl.  unten  p.  205);  sie  ist  aber 
dennoch  das  Ungewöhnlichere  (lO^/o). 

Bei  Crestien  tritt  die  Inv.  nur  ein,  wenn  irgend  ein  Teil 
des  Nebensatzes  unmittelbar  hinter  die  Konj.  tritt. 

Bei  Joinville  findet  sich  gleichfalls  zuweilen  Inv.  im 
Nebensatze,  doch  treten  dann,  wie  im  Hauptsatze,  Objekt,  Ad- 
verb oder  adverbiale  Bestimmungen   an    den  Anfang  des  Satzes. 

Im  Altfranz,  wird  demnach,  wenn  auch  in  geringerem 
Masse  als  im  Hauptsatze  das  nominale  wie  das  pronominale  Sub- 
jekt hinter  das  Verb  gesetzt. 

Im  Neufranz,  kommt  in  Substantivsätzen,  welche  mit  que 
eingeleitet  werden,  zuweilen  Umstellung  des  Stibjektes,  aber  nur 
des  nominalen  hinter  das  Prädikat  oder  wenigstens  hinter  dessen 
Verb  vor.  Meistenteils  sind  in  Sätzen  dieser  Art  die  Zeitwörter 
intransitiv,  passiv,  reflexiv  oder  reziprok.  —  Veranlasst  wird 
diese  Inv.  z.  T.  durch  den  grösseren  Umfang  des  durch  attri- 
butive Bestimmungen  (bes.  attributive  Nebensätze)  bereicherten 
Subjektes;  ein  Umstand,  der  bei  allen  invertierten  Nebensätzen 
mitwirken  kann. 

Bei  Lafontaine  tritt  in  Poesie  und  Prosa  nie  Inv.  des 
pronominalen  Subjektes  ein.  Dieselbe  unterbleibt  sogar,  wenn 
Satzteile  an  die  Spitze  des  Satzes  treten,  die  sonst  Inv.  bewirken: 

£t  plüt  a  quelque  dieu  qu^en  passant  par  la  rue 

Du  rival  de  mon  mattre  eile  fut  aper9ue!         II,  17.  Th.v. 

MaiSy  comme  nous  sommes  gens  ä  profiter  de  totis  nos  malr 
heurSj    nous    avons    trouvi  quaussi  bien  eUe  itoit  trop  longue,  et 


ßie  hist.  Entwickelmi^  der  Inversion  elc.  197 

V emharrassoit  II,  334.  L,  —  8i  hien  que  le  monstre  ,  ,  ,  se  mit 
en  Vesprit  qtüen  vain  ü  craignoit  ses  sceurSy  ,  .  .  III,  39.  A,  — 
Je  ne  vous  assure  pas  qtie  tantSt  je  nen  mHe  aussi  parmi  les 
plus  tristes.  III,  47.  A. 

In  dem  durch  que  eingeleiteten  Subjektsatze  tritt  zuweilen, 
aber  sehr  selten,  in  der  Poesie  Inv.  des  nominalen  Subjektes 
ein.  Im  ersten  Beispiele  ist  die  Inv.  wohl  durch  den  auf  das 
Subjekt  folgenden  Attributivsatz  hervorgerufen,  das  zweite  ist 
nicht  metrisch  frei: 

Le  mal  est  que  dans  Tan  s'entremelent  des  jours 

Qu'il  faut  chömer;  1, 149.  F, 

n  semble  qu'en  lui  seul  se  termine  la  guerre:  III,  129.  P.  d. 

In  der  Prosa  finden  sich  solche  Fälle  überhaupt  nicht. 

Der  Objektsatz  zeigt  gleichfalls  nur  in  der  Poesie  Inv. 
des  Subjektes  bei  intrans.  oder  rückbezüglichen  Verben.  Die 
bei  weitem  meisten  Beispiele  sind  aber  metrisch  unfrei;  in  an- 
deren ist  sie  bewirkt  durch  attributive  Zusätze,  welche  das  Sub- 
jekt verlängern,  z.  B.: 

Vous  vous  souviendrez  bien  et  beau 

Qu^ä  chaque  beut  est  une  place 

Grande,  carr^e,  et  de  niveau; 

Ce  qui  Sans  deute  a  bonne  gräce.  II,  351.  P.  d. 

Sonst  findet  man  stets  die  gerade  Konstruction  angewen- 
det, ebenso  stets  in  der  Prosa,  z.  B.: 

Vous  savez  bien,  monsieur,  qu^enti'e  la  tele  et  le  talon  d'autres 
affaires  sonf'  III,  212.   C. 

Zuweilen  wird  die  Inv.  des  nominalen  Subjektes  durch  das 
Vorantreten  anderer  Satzteile  hervorgerufen: 

Ami,  dit-il,  pour  beaucoup  je  voudrois 

Te  pouvoir  dire  ä  quel  point  va  ma  joie.       Hl,  182.  C. 

Je  Tai  ja  dit,  rien  n'y  fönt  les  soupirs:  III,  213.  C, 

je  .  .  .  montre  en  gdn^ral, 

Par  ce  que  fit  tout  un  troupeau  de  nonnes, 

Que  brebis  sont  la  plupart  des  personnes:      III,  313.  C. 

Die  Inv.  des  nominalen  Subjektes  scheint  stets  einzutreten, 
wenn  quel  als  Prädikativ  der  Kopula  Hre  an  die  Spitze  des 
Satzes  tritt!  In  der  Poesie  sind  freilich  auch  hier  die  Beispiele 
netrisch  unfrei,  aber  die  Prosa  liefert  gleichfalls  Beispiele  für 
liese  Regel: 

Je  sais  quel  est  leur  prix :  I,  284.  P.  d. 

Et,  Sans  savoir  encor  quelle  est  cette  beaut^,    II,  25.  Th.  v, 

11  suffit  .  .  .  que  Von  sott  en  attente  de  savoir  .  .  .  queUes 
eront  les  agitations  de  son  dme  apres  quelle  Vaura  vu,  III,  4.  A. 


198  X.  Wespy 

Die  Behandlung  vorstehender  Beispiele  hätte  man  eigent- 
lich wohl  unter  c.  erwarten  sollen,  doch  glaubten  wir,  die  hier 
angeführten  Belegstellen  abgesondert  von  dem  indirekten  Frage- 
satze betrachten  zu  müssen,  um  hervorzuheben,  dass  ein,  aller- 
dings nicht  immer  leicht  festzustellender  Unterschied  in  der  Auf- 
fassung der  durch  Fragewörter  eingeleiteten  Sätze  zu  machen 
ist,  die  manchmal  als  indirekte  Fragesätze,  oft  aber  auch  ledig- 
lich als  Objektivsätze  erscheinen.  So  bieten  auch  folgende  Bei- 
spiele Belege  für  das  Eintreten  der  Inv.  in  Objektsätzen,  welche 
durch  interrogative  Adverbien  eingeleitet  sind: 

Peu  de  personnes  ignorent  de  comhien  cPagi^emens  est  rempli 
VEunuque  latin»  II,  1.  P.  —  Vous  ne  sauriez  croire  comhien  est 
excellent  le  heurre  que  nous  mangeons;  II,  334.  L. 

2.   Adverbialsätze. 

a)  Temporalsätze. 

Völcker,  p.  19.   —   Morf,  p.  219.   —   Le  Coultre,  pp.  78  f.  —  Kruger, 

p.  40.  —    Schlickum,  p.  10.    —   Marx,  pp.  342  f.   —   Mätzner,  Gramm. 

§  255,  b,2,  ß.  —  Mätzner,  Synt.  §  494,  b,2. 

Die  Temporalkonj.  bewirken  in  den  ältesten  Denk- 
mälern zuweilen,  aber  selten,  Inversion.  Das  Verhältnis  ist 
folgendes: 

Passion:  24  regelm.,  3  inv.  Konstr. 
Leodegar:  11        „  1     „         „ 

Alexius:  12        „  3    „  „ 

Go.  u.  Is:  10        „  4    „  „ 

Alle  invertierten  Sätze  sind  besonderer  Art,  z.  T.  metrisch 
gebunden;  die  übrigen  sind  kurze,  kleine  Sätzchen,  meistens  mit 
quand  beginnend,  wonach  Inv.  des  substantivierten,  niemals  aber 
die  des  pronominalen  Subj.  eintritt. 

Ahnliches  gilt  für  das  Rolandslied,  wo  Inv.  eintreten 
kann,  ohne  dass  ein  anderer  Satzteil  unmittelbar  hinter  die  Kon- 
junktion tritt.  Die  invertierten  Sätze  sind  alle  kurz  und  ent- 
halten eitf  verbum  declarandi.  —  Die  Temporalsätze  zeigen  hier 
die  grösste  Zahl  von  Inversionen  (umgekehrt  wie  im  Neufranz.), 
nämlich  28"/o. 

Bei  Crestien  findet  sich  die  Inv.  nie,  wenn  auch  nach 
der  Konj.  ein  adverbialer  Ausdruck  (auch  im  Objekt)  steht. 

In  Aue.  und  Nie.  scheint  der  Dichter  absichtlich  die  An- 
wendung der  Inv.  in  allen  Adverbialsätzen  vermieden  zu  haben. 
Von  10  Inversionen  gehören  6  dem  poetischen  Teile  an;  hier 
hat  der  Dichter  nach  der  Konj.  ein  Adverbium  eingeschoben. 
Die  anderen  4  Sätze  sind  Temporalsätze,  in  denen    nach    quant 


Die  hisi.  Eniwickelimg  der  Inversion  etc.  199 

„o?'**  eingeschoben  ist,  welches  die  Inv.  des  Subjektes  hervor- 
ruft, das  übrigens  hier  überall  ein  Eigenname  ist. 

Die  Regel  für  die  temporalen  Nebensätze  lässt  sich  der- 
art präzisieren,  dass  sich  im  Altfranz,  die  Inv.  hier  häufiger 
als  in  allen  anderen  Adverbialsätzen  findet.  Die  Zahl  der  Um- 
stellungen vermindert  sich  aber  um  so  mehr,  je  weiter  die  Denk- 
mäler an  unsere  Zeit  heranrücken,  bis  im  Neufranz,  die  Inv. 
im  temporalen  Nebensatze  ausserordentlich  selten  wird. 

Bei  Lafontaine  findet  sich  die  Inv.  im  temporalen  Neben- 
satze nie  in  der  Prosa,  selten  in  der  Poesie.  Nur  ein  Beispiel 
ist  metrisch  frei;  die  Inv.  in  demselben  aber  durch  ein  voran- 
stehendes Adverb  bedingt: 

Le  vautour  s'en  alloit  le  Her,  quand  des  nuea 

Fond  ä  son  tour  un  aigle  aux  ailes  ^tendues.         1, 181.  F, 

Von  den  metrisch  unfreien  Beispielen  mögen  zwei  hier  eine 
Stelle  finden: 

Trois  jours  n*ätoieat  passes  entierement 

Que  revoiei  chez  Alis  notre  belle.  III,  383.  C. 

Tandis  qu'aux  yeux.  de  Gyges 

Sötaloient  de  blancs  objets:  111,340.  C, 

ß)   Nebensätze,    welche    ein   Kausalverhältnis 

ausdrücken. 

aa)  Kausalsätze  im  engeren  Sinne  (begründende). 

Das  Altfranz,  bietet  hier  nach  Mätzner  (Synt.  §  494,  b3), 
der  ein  Beispiel  aus  Joinville  anfährt,  einige  Fälle,  während  im 
Neufranz,  die  Inv.  hier  wohl  selten  vorkommen  dürfte. 

Lafontaine  bietet  kein  Beispiel  für  die  Inv.  in  derarti- 
gen Kausalsätzen. 

ßß)  Konditionalsätze  (hypothetische  Sätze). 

Völcker,  p.  20.  —  Morf,  p.  220.  —  Mätzner,  Gramm.  §  255,  h^y  und 
§  231  77,  dd.    ~    Mätzner,    Synt.  §  494,   b3.    —   Diez,  III*,   p.  359.  — 

Habicht,  p.  21. 

In  den  ältesten  Denkmälern  steht  gewöhnlich  keine 
Inversion;  die  wenigen  Beispiele,  welche  sich  dafür  finden,  sind 
kurze  Sätze. 

Im  Rolandsliede  scheint  die  Inv.  nicht  wie  im  Tempo- 
ralsatze gestattet  zu  sein;  es  sei  denn,  dass  ein  anderer  Inv. 
bewirkender^  Satzteil  der  Konj.  folge.  Doch  tritt  die  Inv.  ein, 
um  bei  fehlender  Konj.  den  Konditionalsatz  als  solchen  zu  cha- 
rakterisieren. 


200  L,  Wdspy 

Im  Altfranz,  tritt  also  die  Inv.  im  hypothetischen  Neben- 
sätze selten  ein  und  nicht  öfter  wie  dies  Mätzner  angibt  —  An 
Stelle  des  hypothetischen  Nebensatzes  kann  aber,  nach  der  ge- 
wöhnlichen Auffassung,  ein  Fragesatz  treten,  und  diese  Konstrak- 
tion wird,  auch  ohne  Andeutung  durch  ein  Interpunktionzeichen, 
auf  negative  Sätze  (aber  nur  mit  dem  Yerbum  etre)   übertragen. 

Habicht  tritt  dagegen  entschieden  der  Auffassung  entgegen, 
als  habe  der  invertierte  Bedingungssatz  seine  Wortstellung  dem 
Fragesatze  nachgebildet.  Er  behauptet  vielmehr,  dass  im  Frage- 
satze wie  im  Bedingungssatze  die  gleichen  Momente  die  Inv. 
veranlasst  hätten.  In  beiden  Satzarten  ruhe  nämlich  der  Haupt- 
nachdruck  auf  dem  Thätigkeitsbegriffe ,  der  durch  sein  Voran- 
treten hervorgehoben  werde. 

Bei  Lafontaine  ist  in  der  Poesie  die  Inv.  selten,  wenn 

,fSi^  an  der  Spitze  des  Satzes  steht,  doch  kommt  dieselbe  vor: 

Si  mieux  n'aime  la  mere  en  erder  une  rente, 

Des  le  ddc^s  du  mort  courante."  I,  55.  F, 

In  der  Prosa  findet  sich  diese  Inv.  nie,  doch  fällt  in  eini- 
gen Fällen  das  pronominale  Subj.  in  bestimmten  Redensarten 
aus,  z.  B.:  si  hon  lui  semble  I,  325. 

Häufig  tritt  aber  die  Konstruktion  des  Fragesatzes  an  Stelle 
des  Konditionalsatzes.  Das  Subjekt  ist  in  den  beobachteten 
Fällen  stets  ein  Personalpronomen  (auch  on),  z.  B.: 

L'ai-je  ä  peine  obtenu,  vous  y  joignez  un  mal 

Qu'apres  moi  Ton  peut  dire  ä  tous  amans  fatal.      I,  369.  P.  d. 

Passa-t-il  ä  ramour,  il  eut  le  coeur  des  belies:      1,426.  P,d, 

Elle  meurt.  quelquefoia  avant  qu'etre  conteiite; 

L'est-elle,  eile  devient  aussitöt  languissante ;  1,279.  P.d. 

Anm.:  Desgl.  111,316.  C;  1, 195.  F.;  1, 161.  F.;  1, 142.  F,;  11,48.  Th.v.; 
III,  462.  P.  d.;  III,  276.  C, 

YY)  Konzessivsätze. 

Völcker,  p.  20.    —    Morf,  p.  220.    —   Le  Coultre,  p.  78.    — -    Mätzner, 

Gramm.   §  255,   b2;';   §  235,  ;';'dd.    —    M'atzner,    Synt.  §  494,  b3.  — 

Diez,  III*,  p.  364.  —  Körting,  §  145;  2  a  und  §  133;  4  b. 

Die  wenigen  Beispiele  der  ältesten  Denkmäler  zeigen 
pronominales  Subjekt  und  die  regelmässige  Konstruktion. 

Im  Rolandsliede  lässt  sich  keine  Regel  feststellen. 

Bei  Crestien  finden  sich  keine  Inversionen;  wo  solche 
anzutreffen  sind,  da  wurden  dieselben  durch  einen  adverbialen 
Ausdruck  (auch  Objekt)  hervorgerufen,  welcher  unmittelbar  hinter 
die  Konj.  trat. 

Ähnlich  wie  beim  hypothetischen  Satze  tritt  auch  an  die 
Stelle  des  Konzessivsatzes  zuweilen  die  Konstruktion  des  Frage- 


Die  hist.  Eniwickehmg  der  Inversion  etc.  201 

Satzes,  und  zwar  häufiger  als  beim  Bedingungssätze  (z.  B. :  Vou- 
lons-nous  etre  heureuXy  ivitons  les  extremes).  Es  können  in  diesem 
Falle  sowohl  das  nominale  Subjekt,  wie  auch  die  unbetonten 
Pronomina  hinter  das  Verb  treten. 

Gebräuchlich  ist  ferner  auch  im  Neufranz,  die  Nachstellung 
des  Subjektes  mit  Ausnahme  der  unbetonten  persönlichen  Für- 
wörter, sowie  des  demonstrativen  ce,  cela  und  des  unbestimmten 
on,  wenn  die  Konzessivsätze  durch  gradbestimmende  Adverbien, 
sowie  durch  verallgemeinernde  Fürwörter  und  Adverbien  einge- 
leitet werden.     Derartige  Wörter  sind: 

Adv.:  qudque  .  .  .  ywe,       Fron:  quel  que,       qui  que  ce  soit, 

tout  .  .  .  qitBf  quelqite,  quoi  que  ce  soity 

81 ,  .  ,  que,  qui  que, 

pour  .  .  .  que,  quoi  que. 

Der  Konzessivsatz  nimmt  häufig  die  Form  eines  Haupt- 
satzes mit  der  Wortstellung  der  Frage  und  dem  Prädikat  im 
Konjunktiv  Imperfekti  an  (Körting).  Dies  geschieht  bei  La- 
fontaine besonders  häufig,  wenn  das  Personalpronomen  der 
3.  Person  oder  ce  und  on  Subjekte  sind,  und  zwar  sowohl  in 
der  Poesie  wie  in  der  Prosa: 

Ce  quelqu*un,  füt-il  roi  des  dieux, 

En  aiiroit  pour  toute  sa  vie.  II,  401.  P,  d. 

Anm.:  Desgl.  Poesie:  111,366.  C;  111,377.  C;  1,76.  F,;  111,405.  C; 
II,  68.  7%.  V.;  II,  53.  Th.  v.;  I,  394.  P.  d.;  III,  455.  P  rf.;II,  63.  Th.  v.; 
1,357.  Pd.;  11,58.  Th.v.;  1,102.  F.;  111,340.  C;  111,361.  C;  II, 
27.  Th,  V.;  II,  402.  P  d.  —  Prosa:  III,  34.  A.;  lU,  96.  A.;  II,  423.  Z. 

Doch  findet  sich  diese  Konstruktion  auch,  wenn  die  anderen 
ersonen  des  Personalpronomens  Subjekte  sind: 

Dussd  -je  une  fois  vous  d^plaire,  I,  392.  P,  d. 

Duss^-je  entrer  au  fin  fond  d'une  tour,  111,434.  P.d. 

Eussiez-vous  pour  partisan 

Belzäbut,  Läviathan,  III,  414.  P.  d. 

Et  fuBsiez-vous  embätonn^s,  1,54.  F, 

Nur  eine  Inv.  mit  nominalem  Subjekte  ist  beobachtet: 

Car,  veuille  ou  non  son  maitre,  il  faut  qu'il  le  lui  vende, 

111,303.  C. 

Der  Konzessivsatz  tritt  zuweilen  konjunktivisch  mit  inver- 
tiertem Subjekt  auf,  z.  B.: 

„Passe  encor  de  bätir;  mais  planter  k  cet  äge!"   1,232.  F. 

Passe  encore  pour  des  richesses,  mais  de  la  divinum,   c'^toit  trop. 

III,  36.  A. 

Auch  bei  L.  finden  sich  Beispiele  in  grosser  Menge  dafür, 


202  Z.  Wespy 

dass  nominales  Subjekt  invertiert  erscheint,  wenn  der  Konzessiv- 
satz durch  gradbestimmende  Adverbien,  sowie  durch  verallge- 
meinernde Fürwörter  und  Adverbien  eingeleitet  wird: 

.  .  .:  il  n'^toit  point  de  belle 
Qui  n'employät  ce  qu'elle  avoit  d'attraits 
Pour  le  gagner,  tant  sanvage  füt-elle;  111,398.  C 

Bref,  ne  voudroit  avoir  laiss^  debout 

Aucune  place,  et  tant  forte  fdt-elle.  111,276.  C. 

.  .  . ;  ce  sont  tr^sors 
Que  ne  m^prise  aucune  dame, 
Tant  seit  son  esprit  pr^cieux.  UI,  290.  C, 

Quelque  pr^texte  qu*ait  un  mensonge  pieux, 

n  est  toujours  mensonge,  et  toujours  odienx.  I,  802.  P.  d, 

„Car,  dira-t-on,  quelque  parfait 

Que  puisse  §tre  un  galant  dedans  cette  science,       III,  144.  C. 

Quoi  que  fit  ce  monde  ennemi, 

Celui  qu'ils  craignoient  fut  le  maitre,  1,222.  F. 

Quoi  qu*en  ait  dit  femme  un  peu  trop  d^pite, 

Rien  n'est  chang^  du  sciecle  d'Amadis,  UI,  444.  P.  d. 

Et,  quel  que  soit  le  but  oü  tendent  leurs  desseins,  I,  300.  P.  d. 

Quelque  opinion  quait  eue  Vecole  jusqu'ä  prisenty .  .  III,  50.  A, 
—  Quelle  que  puisse  etre  mon  aveniure, . . .  III,  16.-4.  —  . . ./  mats 
quelque  peu  d*assurance  qiÜait  un  auteur  quü  entretiendra  un  jour 
la  posteritS,  .  .  .  III,  5.  Ä, 

Das  Subjekt  im  Konzessivsatz  ist  manchmal  auch  weg- 
gelassen, z.  B.: 

Car,  que  soyez  de  Paris  ou  d'Auxerre, 

II  faut  subir  cette  commune  loi ;  III,  432.  P.  d. 

Les  chapons  ont  en  nous  fort  peu  de  confiance, 

Soit  instinct,  soit  exp^rience.  1, 171.  F. 

dd)  Konsekutivsätze. 

Völcker,  p.  18.  —  Morf,  p.  220.  —  Mätzner,  Synt.  §  494.3. 

Körting,  §  129.  Zus.  a. 

In  den  ältesten  Denkmälern  ist  die  regelmässige  Stel- 
lung gewöhnlich,  wenn  auch  Inv.  zuweilen  vorkommt. 

Trotz  der  grossen  Anzahl  von  Konsekutivsätzen  im  Ro- 
landsliede,  findet  sich  nur  ein  Beispiel  von  Inversion. 

Mätzner  gibt  an,  dass  in  solchen  Nebensätzen  im  Alt- 
franz.  die  Inv.  des  Subjektes  sehr  häufig  sei,  was  uns  nach 
den  obigen  Angaben  wunder  nehmen  muss.  Die  Beispiele  Mätz- 
ner's  zeigen  durchweg,  dass  hinter  die  Konjunktion  irgend  ein 
anderer  Satzteil  getreten  ist,  welcher  Inv.  bewirkt. 

Im  Neu  franz.  zeigt  sich  keine  Neigung  zu  Inv,,  die  aber 
selbstverständlich  durch  ähnliche  Gründe  hervorgerufen  werden 
kann,  wie  im  Hauptsatze.  —  Nach  Körting   findet  im  Konseku- 


Die  hist.  Enitvickelurig  der  Inversion  etc.  203 

tivsatze  Inv.  eines  substantivischen  Subjektes  statt,  wenn  der- 
selbe von  c'est  abhängt  und  das  Prädikat  ein  intransitives  Ver- 
bum  ist. 

Bei  Lafontaine  finden  sich  Inversionen  nur  dann  in  der 
Poesie  wie  in  der  Prosa,  wenn  Inv,  bewirkende  Satzteile  nach 
der  Konj.  stehen,  z.  B.: 

Je  vois  pour  lui  m^diter  tant  de  vers, 

Qu'impossible  est  aux  neuf  Soeurs  d'y  suflire.     III,  441.  P,  d. 

La  Loire  est  donc  une  riviere 

Arrosant  un  pays  favorisd  des  cieux, 

Douce,  quand  il  lui  plait,  quand  il  lui  plait,  ei  fi^re 

Qu*ä  peine  arrete-t-on  soucours  impärieux.       11,345.  F.d. 

Elle  se  leva  aussitdt,  et  courut  ä  nos  deux  hergeres,  qui  se 
jeUrent  ä  ses  genoux  si  confiises,  qu'ä  peine  purent-elles  ouvrir 
la  houche  pour  lui  demander  pardon,  III,  74.  A.  —  .  ,  ,,  on  voit 
trois  petits  HercideSy  autant  poupins  et  autant  mignons  qua  le 
peuvent  itre  de  petits  Hercules,'  II,  353.  Ä. 

Die  übrigen  poetischen  Beispiele  sind  metrisch  unfrei.  In 
der  Prosa  unterbleibt  sogar  in  einem  Falle  die  Inv.,  wo  dieselbe 
infolge  eines  einleitenden  konjunktionalen  Adverbs  zu  erwarten 
gewesen  wäre: 

. . . ;  pauvre  esprit  qui  ne  voyoit  pas  que  si  la  vertu  ne  garde 
une  femmef  en  vain  Von  pose  des  sentinelles  ä  Ventour!  III,  69.  A, 

Auch  nach  c^est  que,  c'est  oü,  c'est  Id  steht  bei  intrans. 
Verben  Inv.  des  substantivischen  Subjektes,  doch  sind  in  der 
Poesie  die  meisten  Beispiele  nicht  metrisch  frei,  z.  B.: 

Car  c'est  souvent  ainsi  que  comptent  las  amans.     II,  3.   Th.  v. 
Anm.:  DesgL  I,  140.  F.;  1,  142.  F,;  I,  333.  R  d.;  III,  120.  P.  d.;  III,  299.  C. 

j^Dieux  immortels!  dit-elle  en  soi-meme,  est-ce  ainsi  que  sont 
faits  les  monstresf  III,  46.  A, 

Ein  Beispiel  von  Inv.  findet  sich  bei  rückbezüglichem  Verb : 

Ce  fut  lä  que  se  renouvelerent  les  cris;  III,  17.  J. 

Bei  transitivem  Verb  unterbleibt  die  Inv.: 

C'est  dans  les  bois  qu'Amour  a  troubld  son  repos. 

III,  120.  P.  d. 

C^est  lä  que  la  sagesse  divine  rend  ses  oracles  avec  plus 
d'elevation,  plus  de  majeste^  et  plus  de  force^  que  n^en  ont  les 
Virgile  et  les  Homere,  I,  291.  P.  —  C*est  ä  quoi  les  fahles  tra- 
vaillent:  I,  6.  P.  —  C^est  ainsi  que  les  bonnes  gens  cherchoient 
des  raisons  pour  garder  leur  fille;  III,  16.  ^.  —  (c*est  ainsi 
que  leur  jeune  smur  s^appeloit),  III,  12.  A, 


Die  hlsi.  Eiiiwicketnnf/  de?'  Inversio?*  eic.  1^05 

Voici  comment  8*y  prit  notre  assidgeant.  III,  367.  C. 

Vous  avez  plus  de  feu  que  n'ont  les  jeunes  gens.  II,  410.  P.  d, 

Tout  va  bien  mieux,  comme  m*ont  assur^ 

Ceux  que  Ton  tieut  savans  en  ce  myst^re.  III,  155.  C. 

Le  sujet  en  est  simple,  comme  le  prescrivent  nos  maitres; 

II,  1.  R 
Mais  mentir  comme  sut  faire 
ün  certain  d^positaire, 
Pay^  par  son  propre  mot. 
Est  d'un  m^chant  et  d'un  sot.  1, 179.  F 

.  .  .:  enfin  votre  personne 
Lui  parut  avoir  plus  d*attraits 
Que  n'en  auroient,  k  beaucoup  pr^s, 
Tous  les  joyaux  de  la  couronne.  III,  249.  C, 

»US  avez  plus  d'appas  que  n*en  a  l'Amour  meme,     II,  143.  Th.  v, 

M§me  les  chiens  de  leur  s^jour 

Ont  meilleur  nez  que  n'ont  les  nötres.  I,  268.  F, 

Notts  saludmes   ces   deux   avec    beaucoup  de  respectf  tant  ä 

''  d'elles   que   de  leurs  jupes,    qui    vdritablement    itoient   plus 

■'S  qvs  ne  sembloü  le  promettre  un  td  Squipage.  II,  348.  L.  — 

•tai  pas  besoin  des  vous  exhorter  ä  prendre  la  chose   un  peu 

'  (s  tragiqnement  que  ne  le  comporte  man  aventure,  II,  419.  L, 

'J^est  lä  que  la  sagesse  divine  rend  ses  oracles  avec  phis  düili- 

'/i,  plus  de  majesti^  et  plus  de  force,   que  n'en  ont  les  Virgile 

'  s'  Homlre,  I,  291.  P.    —    Elle  n'avoit  ni  le  nez  ni  la  bouche 

.ne  Tont  ceUes  qice  nous   voyonSy  mais  enfin  c^etoit  une  More, 

109.  Ä.  —  ,  .  .;  ü  vous  reste  plus  de  beaute  que  n'en  ont  toutes 

iiiortett^s  ensemble.  III,  113.  A, 

Einmal  finden  wir  sogar  Inv.  des  pronominalen  on,  die  aber 
h  ein  vorantretendes  aussi  bewirkt  ist: 

Et  Ton  ne  voyoit  point,  comme  au  si^cle  oü  nous  sommes 
Tant  de  selles  et  tant  de  bäts 


Comme  aussi  ne  voyoit -on  pas 

Tant  de  festins  et  tant  de  noces.  1, 85.  F, 

Sonst  wird  pronominales  Subjekt  nie  invertiert: 

.  .  .:  le  teint  de  Psychi  est  aussi  blanc  que  jamais  ü  fut: 
,  116.  A. 

Auch  die  Inv.  des  nominalen  Subjektes  unterbleibt  zuweilen, 
gleich  das  Eintreten  derselben  gewöhnlich  ist,  z.  B.: 

L^avons-nous  loui  comme  les  Atheniens  auroient  faitf  II, 
4.  P.  —  Alexandre  et  M.  le  Prince  se  sont  peu  soudis  de 
rter  cet  avantage  aussi  haut  que  Jules  Cisar  a  fait  II,  315.  P. 


206  Z.  Wespy 

7j7J)  Lokalsatz. 

In  den  beiden  beobachteten  Fällen  steht  Inv.,  allerdings 
findet  sich  das  Subjekt  stets  im  Keime.  In  der  Prosa  ist  kein 
Fall  von  Inv.  beobachtet. 

„Mes  chers  enfans,  dit-il,  je  vais  oü  sont  nos  peres;  I,  89.  F. 
Tous  deux  marchent  en  häte  oü  las  guido  leur  sort.  I,  302.  P.  d. 

b.    Relativpronomina  (od.  relat.  Lokaladverbien). 

Völcker,  pp.  20  f.  —  Morf,  p.  218.   —   Le  Coultre,   p.  73.    —  Krüger, 
p.  41.  —  Schlickum,  p.  9.  —  M'ätzner,  Gramm.  §  255,  b3.  —  Mätzner, 

Synt.  §  495.  —  Körting,  §  129,  2,  Zus.  b. 

In  den  ältesten  Denkmälern  findet  sich  in  diesem  Falle 
fast  durchweg  die  regelmässige  Konstruktion.  Die  wenigen  Bei- 
spiele, welche  Inv.  zeigen,  sind  metrisch  gebunden  und  ver- 
schwinden bei  der  grossen  Zahl  von  Beispielen  mit  regelmässiger 
Konstruktion. 

Das  Rolandslied  liefert  den  Beweis  dafür,  dass  das  Alt- 
franz, eine  entschiedene  Abneigung  gegen  die  Inv.  im  ßelativ- 
satze  hatte,  denn  es  findet  sich  nur  ein  Beispiel  mit  invertiertem 
Subjekte.  —  Die  Relativsätze  bilden  eine  leicht  begreifliche  Aus- 
nahme von  dem  Gesetze,  nach  welchem  ein  vorangehendes 
Objekt  immer  Inv.  des  Subjektes  nach  sich  hat. 

Bei  Crestien  findet  sich  das  Subjekt  in  dem  durch  que 
eingeleiteten  Relativsatz  schon  häufig  invertiert;  nie  aber  nach 
den  Lokaladverbien. 

Die  Prosalitteratur  des  13.  Jahrh.  zeigt  dieselbe  Ab- 
neigung gegen  diese  Inv.  wie  die  ältesten  Denkmäler. 

In  der  Sprache  Aue.  und  Nic.'s  scheint  die  Inv.  im  Re- 
lativsatze vollständig  gemieden  zu  werden,  ja  völlig  unstatthaft 
gewesen  zu  sein.  In  58  Fällen  (abgesehen  von  denen,  in  wel- 
chen das  Subjekt  qui  ist),  finden  wir  keine  Inv.  Eine  Ausnahme, 
welche  zu  verzeichnen  ist,  hat  keine  Bedeutung. 

Im  Neufranz,  findet  neben  der  gewöhnlichen  Stellung  die 
Nachstellung  des  nominalen  Subjektes  statt.  Da  der  oblique 
Kasus  des  relativen  Fürwoi*tes  meist  an  der  Spitze  des  Neben- 
satzes steht,  so  ist  ein  Zusammenrücken  mit  dem  Verb,  von  dem 
er  abhängt,  natürlich.  —  Alle  Rücksichten,  welche  im  behaupten- 
den Hauptsatze  für  die  Inv.  massgebend  sind,  kommen  hier  zu- 
gleich im  weitesten  Umfange  zur  Geltung. 

Bei  Lafontaine  ist  die  Inversion  des  nominalen  Subjektes 
ausserordentlich  häufig.  In  100  auf  einander  folgenden  Relativ- 
sätzen (Amor  et  Psycho),  welche    durch  que  oder  oü    eingeleitet 


Die  hist.  Eniruickelung  der  Inversion  etc.  207 

sind,  zeigen  34  luv.  des  nominalen  Subjektes,  66  aber  nicht. 
Von  den  100  Relativsätzen  sind  14  durch  oit  eingeleitet  und 
von  diesen  zeigen  10  Inv.  Demnach  treten  hier  in  Tl^a^'/o  ^^^ 
Fälle  Inversionen  nach  oü  und  in  ca.  28  "/o  ^^r  Beispiele  Inv. 
nach  qüe  ein. 

Wenn  der  Relativsatz  anders  als  durch  que  oder  oü  ein- 
geleitet ist,  so  ist  die  Inv.  selten,  doch  kommen  Beispiele  vor, 
und  zwar  nach  dont  und  de  qui  (dem  neufranzös.  Gebrauche 
widersprechend): 

.  .  .  c'etoit  le  Zdphyre  qui  .  .  .  lui  dit  Vordre  quil  avoit  de 
Venlever  de  la  sorte,  et  de  la  rriener  ä  cet  epoitx  dont  parloit 
r Oracle,  et .  ,  ,  III,  18.  A.  —  j^e  doutez  point  que  ces  peines  dont 
parloit  Psyche  neussent  leurs  plaisirs:  111,  31.  ^.  —  .  .  ,;  si  hien 
quelles  touchent,  ainsi  que  les  chenes  dont  parle  Virgile,  ...  II, 
347.  L.  —  Je  voudrois  pour  heaucoup  me  souvenir  des  autres  cir- 
constances  de  ce  combat  et  des  differens  personnages  dont  est  com- 
pose  le  tableau,  car  ...  II,  357.  L»  —  Le  mot  dont  se  sert  Piaton 
fait  que  je  me  figure  le  mime  polte  se  rendant  mattre  de  tout  un 
peuple,  III,  51.-4.  —  On  me  repondra  que  celui  de  qui  depend  le 
^'alut  de  toute  une  armee,  ne  doit  jamais  devoir  le  sien  propre  ä 
%n  bienfait  du  hasard.  II,  319.  P. 

Die  Inv.  steht  auch  nach  dem  Relativpronomen  mit  andern 
Präpositionen : 

La  premüre  chose  fut  de  s^enquerir  du  nom  de  celui  ä  qui 
ippartenoient  des  lieux  si  charmans:  III,  19.  A.  —  .  .  .;  nous 
ivons  fait  des  reflexions  sur  les  faules  et  sur  les  erreurs  ä  quoi 
tont  sujet  les  hommes;  III,  71.  A, 

Alle  diese  Inv.,  welche  dem  Stile  L.'s  ein  altertümliches 
jcpräge  geben,  gehören  immerhin  zu  den,  wenn  auch  verhältnis- 
nässig  häufigen  Ausnahmen. 

Inv.  des  pronominalen  Subjektes  tritt  im  Relativsatze  nie 
jin;  dieselbe  unterbleibt  sogar,  wenn  der  Relativsatz  durch  die 
bekannten  konjunktionalen  Adverbien  eingeleitet  ist: 

Je  remarquai  une  chose  ä  quoi  peut-etre  on  ne  prit  pas 
farde]  II,  384.  L,  —  C^est-ce  que  favois  ä  dire  pour  prevenir 
les  objections,  que  peut-etre  on  ne  fera  point  II,  326.  P.  —  II 
toit  ränge  dans  des  magasins  dont  ä  peine  on  voyoit  le  bout: 
II,  36.  A.  —  Tantot  eile  avoit  peine  ä  s'imaginer  quun  mari 
uä  toutes  sortes  de  marques  eile  avoit  sujet  de  croire  jeune  et 
ien  fait,  . .  .  füt  quelque  rnagicien  ou  qudque  dragon,   III,  42.  A. 

Bei  nominalem  Subjekte  finden  sich  im  adverbial  einge- 
3iteten    Relativsatze   Beispiele    von    direkter   wie  von   absoluter 


208  Z.  Wespy 

Konstruktion,  doch  scheinen  die  Fälle  beider  Art  in  diesem  Falle 
bei  weitem  seltener  zu  sein,  als  die  gerade  Wortstellung: 

Le  thedtre  represente  le  pays  du  ForeZy  arrosi  de  la  rivih'e 
du  Lignorij  sur  les  hords  de  laquelle  sont  plusieurs  hameatix  et 
bocages.  11,140.  Th.v.  —  ,,,;  et  le  chagrin  quen  ce  moment-lä 
timoignlrent  les  autres  fies  fit  une  partie  de  sa  joie,  .  .  .  I,  331. 
P.  —  Ce  goüt  exquis  et  ce  jugement  si  solide  que  vous  fcutes 
parottre  dans  toutes  choses  au  delä  d'un  dge  oü  ä  peine  les  autres 
princes  sont-ils  touchis  de  ce  qui  les  environne  avec  le  plus  d^edat; 
l.  235.  P. 


c.    Fragewörter  (indirekter  Fragesatz). 

Völcker,  p.  21.  —  Morf.  pp.  218  f.    —  Le  Coultre,  p.  74.   —  Krüger, 

p.  40.    —    Mätzner,   Gramm.  §  255,  b  1.    —    Mätzner,   Synt.  §  493.    — 

Körting  p.  129,  2,  Zus.  c.  —  Habicht,  p.  27. 

Der  im  Neufranz,  häufig  eintretende  Fall,  dass  Inv.  des 
substantivischen  Subjektes  in  indirekten  Fragesätzen  eintritt, 
welche  mit  prädikativem  quel,  quelle  beginnen,  kommt  für  die 
ältesten  Denkmäler  nicht  in  Betracht,  da  Beispiele  fehlen. 
—  Sämtliche  indirekte  Fragesätze  haben  entweder  das  Frage- 
wort si  oder  cum  oder  quel  in  Verbindung  mit  Nominibus,  und 
das  Subjekt  steht  tiberall  vor  dem  Verbum. 

Im  Rolandsliede  gibt  es  wenige  indirekte  Fragesätze, 
und  diese  ermöglichen  keinen  Schluss. 

Der  indirekte  Fragesatz  wird  bei  Crestien  konstruiert  wie 
der  Relativsatz,  d.  h.  nominales  Subjekt  findet  sich  nach  que 
häufig  invertiert,  nicht  aber  nach  den  Lokaladverbien. 

In  der  Prosalitteratur  des  13.  Jahrh.  konnte  das 
Subjekt  seine  Stelle  vor  dem  Verb  behalten,  wenn  es  ein  Snbst 
war,  selbst  wenn  prädikative  Bestimmungen  oder  Interrogativ- 
pronomina wie  qui  und  quel  den  Satz  begannen. 

Im  Neufrz.  ist  die  Umstellung  des  Subjektes  notwendig, 
wenn  die  fragenden  Fürwörter  quel,  qui,  que  als  prädikative  Satz- 
bestimmungen im  Fragesatze  vorkommen;  zulässig  ist  sie  be- 
sonders in  den  Fällen,  wo  eine  interrogative  Pronominalform  oder 
ein  interrogatives  Adverb  als  adverbiale  Satzbestimmung  vor- 
kommt. Die  unbetonten  persönlichen  Ftirwörter  und  ce  sowie 
on  sind  auch  hier  ausgenommen. 

Bei  Lafontaine  tritt  in  Poesie  wie  Prosa  sehr  häufig 
Inv.  des  nominalen  Subjektes  ein,  z.  B.: 


Die  hist  Entrvickelung  der  Inversion  etc.  209 

Pour  moi,  qui  sais  comment  doivent  a.gir  les  rois 

Je  les  affranchis  du  supplice."  I,  251.  F, 

Qiie  je  Sache  au  moins,  inhumaine, 

Ce  qu'ä  Tharsis  en  lui  de  si  digne  de  haine?   II,  104.   Th.  v, 

Jugez  ce  que  feroit  une  plus  longue  absence; 

Jugez  ce  que  feroit  un  triste 'changement :         11,46.   Th.v. 

Pour  le  moins 'dites- moi  d'oü  vient  votre  colere? 

11,7.  Th.v. 

Pronominales  Subjekt  findet  sich  nie  invertiert: 

Dites-nous  quel  il  est,  afin  qu*on  s'en  corrige.  II,  72.  Th:  v. 

Levez-voas,  et  nous  dites 
Quelles  sont  ces  faveurs,  soit  grandes  ou  petites, 
Dont  les  fils  de  V^nus  a  pay^  vos  tourmens.     II,  85.   J%.  v. 

Jugez  quel  il  doit  §tre,  et  ce  qu'on  peut  attendre 
D'un  chef-d'oeuvre  form^  par  eile,  et  par  Louis. 

11,381.  P.d, 

L.  Wespy. 


Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI*.  j^ 


Blaise  Pascal,  sein  l^ampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  211 

ilim  bei  ihrem  Tode  im  Jahre  1626  ausser  einem  Sohne, 

zwei   Töchter  hinterliess,    Gilberte,    geboren  1620,  und 

'',  geboren  1625. 

-    ist   hier  der   Ort^    aus   Blaise's   frühester  Kindheit   ein 

mitzuteilen,  das  in  Wirklichkeit  für  ihn   und  sein  Leben 

i^er  Bedeutung  ist   und  deshalb   auch   von   den    älteren 

i'ii    tibergangen   wurde,    das    aber  von   den    neueren  in 

.lieber  Weise    benutzt   worden   ist   und  deshalb  der  Mit- 

^vert   erscheint.     Obwolil   nämlich    sein  Vater  ein  aufge- 

wissenschaftlich    gebildeter    Mann    war,    Hess    er    sich 

.    um   sein   Kind   aus   gefährlicher   Krankheit   zu    retten, 

ler  Umgebung  verleiten,  zu  den  thörichten  Künsten  eines 

en  Weibes  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  welches  in  seinem 

verkehrte,  obwohl  sie  für  eine  Zauberin  galt.    Da  Etienne 

nun    fortwährend   behaupten  hörte,   dass   diese   das  Kind 

rt  hätte,  wandte  er  sich  endlich  an  sie.     Nach  verschie- 

Drohungen    liess   sie    sich   zu    dem   Bekenntnis   bewegen, 

sie    auf  Etienne  Pascal  erzürnt  gewesen  sei,  weil  derselbe 

weigert  habe,  für  sie  einen  Prozess  zu  führen,   und  dass 

"'^«halb  das  Kind  durch  Zauberei  dem  Tode   geweiht  hätte; 

uiber  könne   jedoch  auf  ein  anderes  lebendes  Wesen  tiber- 

M  werden.    Ätienne  wies  diesen  Ausweg  mit  Abscheu  zurück; 

♦'  aber  versicherte,  dass  sie  den  Zauber  auch  auf  ein  Tier 

»ngen   könnte,   bot   er   ihr   ein  Pferd    dazu   an.     Sie  wollte 

iodoch  mit  einer  Katze  begnügen,  erhielt  daher  eine  solche 

'••ing  damit  fort.    Auf  der  Treppe  begegnete  sie  zwei  Kapu- 

•>>,  welche  den  betrübten  Vater  trösten   wollten.     Als  diese 

Weib    mit   der   Katze   sahen,   bezichtigten    sie.  dieselbe    der 

rei,  worauf  sie  das  Tier  aus  einem  Fenster  warf.     Obwohl 

vjres  nicht  sehr  weit  vom  Erdboden  entfernt  war,   blieb    die 

le    doch   auf   der   Stelle   tot  liegen.     Am   Abende   verlangte 

Weib,   dass   ein  Kind  unter   sieben   Jahren  vor  Sonnenauf- 

;  von  drei  verschiedenen  Pflanzenarten  je  drei  Blätter  pflücken 

le.    Dies  geschah;  sie  empfing  dieselben  und  bereitete  daraus 

n  Umschlag,  welcher  dem  einjährigen  Blaise  auf  den  Magen 

gt  wurde.     Bis  Mitternacht   blieb    der  Knabe   in   einem   tot- 

. liebem    Zustande;  dann  zeigte  sich  einige  Besserung,  gewiss 

•3    natürliche    Folge   des  Umschlags,    und   am   nächsten  Tage 

'  er  vollständig  gesund. 

ReuchlinV  war  der  erste,  welcher  von  diesem  Vorfall  Kunde 
*j,  wie  er  von  Blaise's  Schwestertochter,  Marguerite  Parier, 
jdergeschrieben  ist,  die  auch  mitteilt,  dass  Etienne  später  seine 


*)  Reuchlin:  Pascars  Leben,  p.  3. 

14* 


212  Thor  Sundby 

Handlung  bereute.  In  Frankreich  wurde  diese  Begebenheit  za- 
erst  von  Victor  Cousin^)  erzählt,  dann  von  Ernest  Havet*'^)  mit 
dem  Bemerken,  dass  auch  Blaise  Pascal  an  Zauberei  glaubte 
(Pensöes  XXIII,  23;  6d.  Faugfere,  II,  p.  234).  Lßlut»)  benutzte 
dieselbe  sowohl  zu  der  Andeutung,  dass  des  Vaters  Aberglaube 
an  des  Sohnes  Wunderglauben  seinen  Anteil  gehabt  habe,  als  auch 
zum  Ausgangspunkt  für  die  physiologisch-psychologische  Entwicke- 
lung  seiner  Ansicht,  dass  PascaFs  religiöses  Leben  aus  einem 
Nerven-  und  Gehinileiden  erklärt  werden  mtlsse.  Ohne  uns  hier 
weiter  auf  diese  Frage  einzulassen,  wollen  wir  nur  darauf  aufmerk- 
sam machen,  dass,  wenn  man  vom  Glauben  an  Zauberei  spricht, 
man  selbstverständlich  sorgfältig  unterscheiden  muss  zwischen  den 
Hexenkünsten,  die  ein  simpler  Betrug  sind,  und  jener  Art  Zauberei, 
welche  in  einem  Missbrauch  des  Körpers  besteht,  indem  man 
denselben  der  natürlichen,  aber  wunderbaren  und  gewaltigen  Ein- 
wirkung gewisser  Salben  und  Tränke  aussetzt  —  einem  Miss- 
brauche des  Körpers,  welcher  die  vollständige  Zerstörung  des 
geistigen  Lebens  oder  dessen  Entartung  nach  sich  zieht.  Um 
an  die  letzte  Art  Zauberei  zu  glauben,  braucht  man  wirklich 
kein  Köhler  zu  sein.  Diejenigen,  welche  hierüber  etwas  mehr  zu 
wissen  wünschen,  verweisen  wir  auf  Görres*  „Christliche  Mystik", 
auf  den  11.  Band  von  Michelet's  Histoire  de  France,  oder,  wenn 
man  will,  auf  Heine's  Faust. 

Die  ausgezeichneten  Fähigkeiten,  welche  Blaise  bereits  in 
frühester  Jugend  zeigte,  bestimmten  den  Vater,  seinen  Sohn  nicht 
in  eine  Schule  zu  schicken,  sondern  den  ganzen  Unterricht  selbst 
zu  übernehmen.  Um  diese  Aufgabe  besser  erfüllen  zu  können, 
verkaufte  er  1631  sein  Amt  und  zog  mit  seiner  Familie  nach 
Paris.  In  seiner  Unterrichtsmethode  nahm  der  Vater  immer 
darauf  Rücksicht,  den  Knaben  nicht  zu  schnell  vorwärts  zu 
treiben.  Namentlich  hielt  er  ihn  von  der  Mathematik  zurück,  Hess 
ihn  dagegen  mit  den  Sprachen  und  mit  den  Naturwissenschaften 
beginnen.  Für  die  letzteren  zeigte  Blaise  ein  ausserordentliches 
Interesse.  So  bemerkte  er  eines  Tages,  nach  dem  Berichte 
seiner  Schwester,  dass  der  Laut,  welcher  durch  einen  Schlag  auf 
einen  Teller  hervorgerufen  wird,  aufhört,  sobald  man  die  Hand 
auf  denselben  legt.  Diese  Entdeckung  veranlasste  ihn  zu 
mehreren  Experimenten  über  den  Schall,  über  welche  er, 
12  Jahre  alt,  eine  Abhandlung  schrieb.  Auch  an  die  Mathematik 
suchte    der   lernbegierige  Knabe  schon  frühzeitig    heranzutreten. 


*)  V.  Cousin:  6tudes  sur  P.,  p.  329. 

2)  Havet:  Pens^es  de  P.     2  Ed.     1866.     Bd.  L,  p.  CIL 

^)  L^lat:  L' Amulette,    p.  119. 


Maise  Bascal,  sein  Kam'pf  gegen  die  Jesuiten  etc.  213 

Wie  sorgfältig  auch  der  Vater  ihn  davon  abzuhalten  versuchte, 
konnte  er  doch  nicht  verhindern,  dass  der  Knabe  nach  einer 
ganz  allgemeinen  Erklärung  des  Inhaltes  dieser  Wissenschaft 
Figuren  zu  konstruieren  begann,  deren  Namen  ihm  nicht 
einmal  bekannt  waren.  Auf  eigene  Faust  kam  er  bis  zum 
32.  Satze  des  Euklid,  dass  die  Summe  der  Winkel  in  einem 
Dreieck  gleich  zwei  Rechten  ist.  Eines  Tages  ist  er  damit  be- 
schäftigt, auf  den  Fussboden  des  Zimmers  seine  Figuren  zu 
zeichnen;  unbemerkt  tritt  der  Vater  ein,  beobachtet  eine  Zeit- 
lang sein  Treiben  und  verlangt  dann  Aufklärung  darüber.  Der 
Knabe  entwickelt  nun  alles,  was  er  gefunden  hat,  wobei  er  den 
Kreis  „Ring"  (un  rond)  und  die  Linie  „Stange"  (une  barre) 
nennt.  Ausser  sich  vor  Verwunderung  und  Freude  sucht  der 
Vater  bei  einem  seiner  gelehrten  Freunde  Rat.  Dieser  bewegt 
ihn  dazu,  den  Knaben  nicht  länger  in  Unwissenheit  bezüglich 
der  Wissenschaft  zu  halten,  in  welcher  er  sich  später  so  aus- 
zeichnete. Sobald  Blaise  nun  den  Euklid  in  die  Hände  bekam, 
machte  er  solche  Fortschritte,  dass  er  von  der  Zeit  ab  an  den 
Gelehrtenzusammenkünften  teilnahm,  aus  welchen  sich  später  die 
Academie  des  Sciences^)  entwickelte.  Diese  Versammlungen 
fanden  bei  dem  bekannten  Pater  Mersenne  statt  und  wurden  von 
den  ausgezeichnetsten  Gelehrten  jener  Zeit  besucht,  von  Gassendi, 
Descartes,  Le  Pailleur,  Roberval,  Carcavi.  Unter  solchen  An- 
regungen entwickelte  Blaise  seine  mathematischen  Anlagen  ausser- 
ordentlich schnell;  schon  in  seinem  16.  Jahre  schrieb  er  eine 
Abhandlung  über  die  Kegelschnitte,^  deren  Bedeutung  klar  aus 
der  besonderen  Art  und  Weise  hervorgeht,  wie  Descartes  darüber 
urteilte ;  dieser  hielt  dieselbe  zuerst  für  nichts  Bedeutendes ; 
später  aber  leugnete  er,  dass  ein  Knabe  der  Verfasser  sein 
könne,  und  endlich  behauptete  er  sogar,  dass  sie  ein  Plagiat 
sei,  und  als  dieses  widerlegt  wurde,  dass  PascaFs  Vater  die 
Abhandlung  geschrieben  habe. 

Der  junge  Mathematiker  war  indessen  nicht  das  einzige 
Wunderkind  in  der  Familie.  Seine  jüngere  Schwester,  Jacqueline, 
zeichnete  sich  bereits  in  einem  Alter  von  11  Jahren  (1636) 
durch  ihre  dichterischen  Anlagen  aus.  1638  schrieb  sie,  sonder- 
bar genug,  ein  Gedicht  auf  die  Schwangerschaft  Anna's  von 
Österreich.  Man  zweifelte  daran,  dass  sie  die  Verfasserin  sei, 
aber  siegreich  ging  sie  aus  einer  Prüfung  hervor,  indem  sie  sofort 


*)  Fran^ois  de  Neufchäteau:  Des  Provinciales  et  du  Style  de 
Pascal,  in  „Provinciales",  ^d.  Lefevre.  Paris  1844.  p.  3  f.  (Euvres 
de  Pascal,  äd.  Lahure.     II.    p.  391,  Anm. 

*)  L^lut:  L'Amulette,  p.  229.  —  Maynard:  Pascal,  sa  vie  etc. 
1.     p.  168. 


214  Thor  Sundby 

eine  Anzahl  wohlgelungener  Improvisationen  vorbrachte.  Ihr 
Talent  hatte  auch  Einfluss  auf  das  Schicksal  der  Familie.  Als 
nämlich  der  Kardinal  Richelieu  1633  in  seinem  Palaste  G.  de 
Scudery's  Tragödie  L'Amour  tyrannique  aufführen  Hess,  wurde 
Jacqueline  0  von  seiner  Nichte  Mme  d'Aiguillon  für  eine  Bolle 
ausersehen.  Nach  der  Vorstellung  wurde  sie  zu  dem  Kardinal 
geführt  und  deklamierte  ihm  ein  Gedicht  vor.  Die  Anmut 
des  jungen  Mädchens  entzückte  denselben  derartig,  dass  er  seinen 
Zorn  gegen  den  Vater  vollständig  vergass.  Dieser  hatte  sich 
nämlich  die  Ungnade  des  mächtigen  Ministers  zugezogen^  indem 
er  mit  noch  einigen  anderen  Staatsgläubigern  Schritte  zur  Rettung 
seines  Geldes  that,  als  die  Renten  aus  der  Staatsschuld  herab- 
gesetzt  wurden.  Den  Verfolgungen  des  Kardinals  hatte  er  sich 
indessen  durch  die  Flucht  nach  der  Auvergne  entzogen.  Nun 
wünschte  derselbe,  dass  er  nach  Paris  zurückkommen  möchte,  da 
er  ihm  nicht  bloss  vergeben,  sondern  sogar  seine  ganze  Familie 
kennen  lernen  wollte.  Dieses  geschah,  und  Richelieu  war  mit 
dem  jungen  genialen  Mathematiker  sowie  mit  dessen  poetischer 
Schwester  so  zufrieden,  dass  er  sagte;  „Wachen  Sie  über  Ihre 
Kinder,  ich  will  mit  der  Zeit  etwas  Grosses  aus  ihnen  machen^. 
Bald  nachher  ernannte  er  den  Vater  zum  Intendanten  in  Ronen. 
Sein  Versprechen  hinsichtlich  des  Sohnes  fand  Richelieu  keine 
Gelegenheit  zu  erfüllen:  Blaise  Pascal  wurde  nicht  ein  weltlicher 
„grosser  Herr",  sondern  schuf  sich  selbst  eine  Grösse,  wie  sie 
der  Kardinal  schwerlich  geahnt  hatte.  „Die  grossen  Geister 
haben  ihr  eigenes  Reich,  ihren  eigenen  Glanz,  ihre  eigene 
Grösse,  ihre  eigenen  Siege;  sie  bedürfen  der  weltlichen  Grösse 
nicht,  die  ja  keine  Beziehung  zu  dem  hat,  was  sie  suchen.  Sie 
sind  nicht  dem  körperlichen,  sondern  dem  geistigen  Auge  sicht- 
bar, was  auch  genug  ist"  (Pens^es  XVII,  1  ed.  Havet;  ed.  Fau- 
g6re,  II,  330). 

Um  seinem  Vater  die  vielen  Berechnungen  zu  erleichtern, 
welche  bei  seinem  Amte  vorkamen,  erfand  Pascal  zu  Ronen  in 
den  Jahren  1641—42  eine  Rechenmaschine,^)  welche  später 
durch  die  Logarithmen  überflüssig  gemacht  worden  ist,  die  aber 
einen  Beweis  von  seinem  seltenen  mechanischen  Talente  abgab. 
1650  sandte  er  der  Königin  Christine  von  Schweden  ein  Modell 
dieser  Maschine  samt  einem  Briefe,  dessen  edle  Beredsamkeit 
davon  Zeugnis  ablegt,   dass  er   bereits  damals  vollkommen  Herr 


^)  Faugere:  Lettres,  opuscules  etc.,  p.  56,  117  ff.,  445.  Cousin: 
Jacqueline  Pascal,  p.  55,  76,  81  ff. 

*)  Recueil  d'ütrecht,  p.  244  ff.  —  In  den  CEuvres  de  Pascal,  ^d. 
Lahure,  Paris  1860.  II.  p.  368  —  380  wird  eine  Beschreibung  der  Ma- 
schine nach  Diderot  (in  der  Encyclop'ädie)  mitgeteilt. 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc,  215 

seiner  Muttersprache  war,  wenngleich  sein  Stil  die  spätere  Voll- 
kommenheit noch  nicht  erreicht  hatte.  Dieses  Schriftstück  ist 
als  der  erste  Entwurf  zu  dem  unvergleichlichen  Abschnitte  in  den 
Pensees  (XVII,  1)  über  den  „unendlichen  Abstand  zwischen  dem 
Körper  und  dem  Geiste"  zu  betrachten,  aus  welchem  wir  soeben 
ein  Bruchstück  angeführt  haben,  und  den  wir  vollständig  mit- 
teilen möchten,  wofern  dadurch  nicht  der  Eindruck  des  Briefes 
geschwächt  würde,  der  schon  der  feinen  Anlage  wegen  Bewun- 
derung verdient.  Er  preist  nämlich  in  erhebender  Weise  die 
Würde  der  Wissenschaft,  und  bringt  zugleich  der  berühmten  Königin 
eine  ausgesuchte  Huldigung  dar:  „ —  —  —  Ich  hege  eine 
ganz  vorzügliche  Hochachtung  vor  denen,  welche  die  höchste 
Stufe  der  Macht  oder  der  Wissenschaft  erstiegen  haben.  Irre 
ich  nicht,  so  können  die  letzteren  ebenso  gut  wie  die  ersteren 
als  Herrscher  angesehen  werden.  Dieselben  Abstufungen  finden  sich 
unter  den  Geistern,  wie  unter  den  Klassen  der  Gesellschaft;  und 
die  Macht  der  Könige  über  ihre  ünterthanen  ist,  wie  mir  scheint, 
nur  ein  Abbild  der  Macht  der  Geister  über  die,  welche  unter 
ihnen  stehen;  über  diese  üben  sie  das  Recht  zu  überzeugen 
aus,  was  bei  ihnen  dasselbe  ist,  wie  das  Recht  des  Befehlens 
bei  der  staatlichen  Macht.  Diese  zweite  Herrschaft  scheint  mir 
um  eben  so  viel  erhabener  zu  sein,  als  die  Geister  einen 
höheren  Rang  einnehmen  wie  die  Körper,  und  zwar  mit  um  so 
mehr  Recht,  als  sie  nur  durch  das  Verdienst  erlangt  und  erhalten 
wird,  während  man  die  andere  durch  die  Geburt  oder  durch  die 
Gunst  des  Geschicks  erlangen  kann  (Lettre  k  la  reine  Christine)^^ 
Schade  nur,  dass  die  Königin  Christine,  welche,  wie  er  sagt, 
diese  beiden  königlichen  Eigenschaften  in  ihrer  Person  vereinigte, 
sich  bloss  als  mittelmässige  Herrscherin  erwies. 

Seine  Schwester  Gilberte,  welche  sich  1641  mit  Florin 
Perier  vermählte,  der  später  Assessor  am  Kammergericht  zu 
Clermont  wurde ,  berichtet ,  dass  die  grossen  Anstrengungen, 
welche  es  Blaise  kostete,  jene  Maschine  nach  seinem  Wunsche 
verfertigt  zu  erhalten,  ihm  eine  schmerzliche  Krankheit  zuzogen. 
Nach  kurzer  Unterbrechung  kehrte  dieselbe  infolge  der  anstren- 
genden, physikalischen  Versuche^)  wieder  stärker  zurück,  welche 
er  in  den  Jahren  1646 — 48  teils  in  der  Normandie  und  teils  zu 
Paris  auf  dem  Turme  Saint  -  Jacques  vornahm,  wo  jetzt  seine 
Statue  aufgestellt  ist.  Sein  Schwager  Parier  wiederholte  auf  sein 
Ersuchen  diese  Experimente  in  grösserem  Massstabe  auf  dem 
Puy-de-D6me  in  der  Auvergne.  Sie  bestärkten  in  Pascal  eine 
Vermutung,    welche   bereits   früher   von  Torricelli  ausgesprochen 


*)  OEuvres  de  Pascal,  äd.  Lahure.     IL    p.  173  —  334. 


216  Thor  Sundby 

war^  und  setzten  ihn  in  den  Stand,  die  Lehre  von  dem  horror 
vacui  vollständig  zu  widerlegen,  wie  sie  ihm  auch  eine  sichere 
Grundlage  für  die  Darstellung  der  Lehre  von  der  Schwere  der 
Luft  und  dem  Gleichgewicht  der  Flüssigkeit  darboten.  Eine 
kurze  Mitteilung  über  das  Ergebnis  der  Versuche,  welche  im 
Jahre  1647  erfolgte,  rief  eine  heftige  und  thörichte  Polemik  \on 
Seiten  des  Jesuiten  Noel  hervor,  der  die  aristotelische  Physik 
verteidigte.  Seine  Schrift  über  die  „Fülle  des  Leeren"  bewirkte, 
dass  Pascal  einen  halb  ironischen  Brief  an  Le  Pailleur  ver- 
öffentlichte, während  sein  Vater  ein  kräftiges  Entgegnungsschreiben 
an  den  Jesuiten  richtete.  Diese  Schrift  ist  bereits  gleichsam  eine 
Ankündigung  der  „Lettres  provinciales ".  „Ein  junger  Mann", 
sagt  er,  „der  sich  aus  irgend  einem  Grunde  herausgefordert 
sieht,  könnte  in  dem  bitteren  Gefühle,  beleidigt  zu  sein,  sowie  in 
jugendlicher  Unbesonnenheit  sich  hinreissen  lassen,  Ihren  heftigen 
Angriff,  der  in  sich  ganz  unbegründet  ist,  derartig  zurückzu- 
weisen, dass  Ihnen  daraus  stete  Reue  entstände".  Pascal 
hatte  die  Absicht,  seine  Lehre  in  einem  grösseren  Werke 
„Über  den  leeren  Raum"  darzustellen.  An  demselben  arbeitete 
er  im  Jahre  1651.  Jedoch  ist  uns  von  diesem  Werke  nichts 
anderes  übrig,  als  ein  Bruchstück  der  Vorrede,  das  ein  allge- 
meineres Interesse  besitzt.  In  demselben  entwickelt  er  nämlich 
klar  den  Unterschied,  welcher  zwischen  der  Bedeutung  der  Au- 
torität in  den  historischen  Wissenschaften,  die  notwendig  darauf 
bauen  müssen,  und  in  den  Naturwissenschaften  besteht,  bei  denen 
jene  der  Beobachtung  und  dem  Versuche  weichen  muss. 

Wie  bereits  erwähnt,  hatten  PascaVs  Versuche  eine  gefähr- 
liche Krankheit  zur  Folge;  eine  Lähmung  der  Beine  zwang  ihn 
zum  Gebrauche  von  Krücken.  Um  diese  Zeit  hat  er  wahrschein- 
lich sein  „Gebet  zu  Gott  um  eine  gute  Benutzung  der  Krankheit" 
geschrieben. 

Im  Jahre  1646  hatte  er  die  Bekanntschaft  zweier  Brüder 
gemacht,  Bailleul  de  la  Bouteillerie  und  Bailleul  des  Landes, 
welche  seinen  Vater  geheilt  hatten,  als  derselbe  infolge  eines 
Falles  auf  der  Strasse  sich  die  eine  Hüfte  verstaucht  hatte.  Diese 
Männer  waren  eifrige  Anhänger  des  Jansenius  oder  Cornelius 
Jansen,^)  der  1638  als  Bischof  von  Ypern  gestorben  war. 

Die  jansenistische  Lehre  war  zuerst  durch  das  umfang- 
reiche lateinische  Werk  Jansen's  „Augustinus"  in  die  Öffentlich- 
keit getreten,  das  erst  zwei  Jahre  nach  des  Verfassers  Tode 
herauskam    und    bald    eine    grosse    Berühmtheit     erlangte,    ob- 


*)  Sainte-Beuve:   Port -Royal.     I.     p.   280   ff.   —    Reuchlin:   Ge- 
schichte von  Port- Royal.     Hamburg  und  Grotha,  1839  —  44.  I.,  p.  301  ff. 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuilen  eic.  217 

(S  nur  verhältnismässig  wenige   Leser    fand.      Aber   der 

für   diese  Lehre  war  in  Frankreich   derartig  vorbereitet, 

'ie  Aussaat   derselben  in   kurzer  Zeit   die    reichste   Ernte 

Jansen   hatte   nämlich  einen  treuen  Mitarbeiter  an  Duver- 

U'  Hauranne,  Abt  von  S.t-Cyran^  (1581 — 1643),  gefunden. 

beiden  Freunde  hatten  in  ihrer  Jugend  zusammen  studiert 

•cheinen   schon   damals   den  Plan   zu   einer  Reform  der  ka- 

rhen  Kirche  gefasst  zu  haben,  welche  sie  später  zur  Aus- 

»1^  zu  bringen  suchten. 

Es   scheint   ein   ausdrückliches  Abkommen   zwischen  ihnen 
iiden  zu  haben,  dass  Saint- Cyran,  der  eine  mehr  praktische 
aug   hatte,    versuchen   sollte,    in  dem   einen   oder    anderen 
ichen  Institute  festen  Fuss  zu  fassen,  um  in  aller  Stille  für 
Zweck  wirken  zu  können.     Dieses   gelang  ihm  erst  1636, 
i  Seelsorger  von  Port-Royal  wurde,  einem  Zisterzienserinnen- 
r,  das  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  gestiftet  worden  war. 
Auf  dieses  Kloster,  welches  1626  von  Chevreuse,  3  Meilen 
ich   von   der  Hauptstadt,   nach    der  Vorstadt  Saint  -  Jacques 
'^aris-)  verlegt  wurde,  hatte  die  Familie  Arnauld  einen  sehr 
en  Einfluss  geübt,  namentlich  durch  Jacqueline  Arnauld  (1591 
'  G61),  welche  als  Äbtissin  desselben  Mutter  Angelique  hiess. 
'idem  Saint-Cyran  hier  Seelsorger  geworden  war,  wuchs  sein 
'uss  stetig,  und  bald  sammelte   sich   eine  Schar  angesehener 
ner   um    ihn,    die   Einsiedler    von   Port-Royal,    welche    ein 
'S,  abgesondertes  Leben  führten,  das  der  religiösen  Betrach- 
und  der  Unterweisung  der  Jugend  gewidmet  war.    Kardinal 
'lelieu  hatte  schon  lange  mit  misstrauiscbem  Auge  Saint-Cyran's 
ksamkeit  angesehen.    Der  Abt  hegte  nicht  allein  theologische 
chauungen,   welche  von  denen  des  Kardinals  abwichen,   son- 
ii  hatte  auch  nicht  weniger  als  fünf  Bistümer  abgelehnt  5  über- 
s    stand   er    in   steter  Verbindung   mit  Jansen,   welcher  1635 
seiner  Schrift  Mars  Galliens   den  Kardinal    angegriffen  hatte, 
il    derselbe   im    dreissigjährigen   Kriege   die   Partei    der  Pro- 
tanten ergriff. 


*)  Lancelot:  M^moires  touchant  la  vie  de  M.  de  St.-Cyran.     Co- 
^^ne  1738.  1  —  2.  —  Fontaine:  Mämoires  pour  servir  ä.  Thist.  de  P.-R. 
recht  1736.  1  —  2.  —  Thomas  du  Fossä :  Mdmoires  pour  servir  ä  l'hiRt. 
P.-R.     Cologne  1739. 

*^)  Dies  Gebäude  befindet  sich  noch  jetzt  auf  der  Strasse,  welche 
!n  Namen  Rue  de  Port-Royal  führt  und  die  Rue  de  St. -Jacques  mit 
er  Rue  de  l'Enfer  verbindet.  In  der  Revolutionszeit  erhielt  es  den 
amen  Port-Libre,  obgleich  es  als  Gefängnis  diente.  Gegenwärtig 
ird  es  als  Entbindungsanstalt  benutzt.  Über  dem  Thore  steht  die 
ischrift:  Maison  d*accouchement;  in  den  Büchern  findet  man  den 
lübscheren  Namen:  Maternit^.    Sainte-Beuve.   P.-R.  I.  p.  329,  Anm.  \. 


Blaisc  PasccU,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  219 

eine  Begebenheit,    welche   nur  mit   ein   paar  Worten   von  Con- 
dorcet/)    einem   der  Mitkämpfer  Voltaire's   für  die  Toleranz,   er- 
zählt  wird,     welche     aber    mit    der    grössten    Genauigkeit    von 
Cousin-)    erörtert    wird,    der    hierauf    eine    seiner    vielen    An- 
klagen  gegen    Pascal   stützt,   die  Anklage    der  Intoleranz.     Die 
Sache   betrifft  einen    Kapuziner,   Jacques   Forton,  Bruder  Saint- 
Ange  genannt,  welcher  im  Jahre  1647   zu  Ronen  seinen  Hörern 
einige  wunderliche    Lehrsätze   vortrug,   wie  z.  B.  dass   man   mit 
der  Vernunft  die  Dreieinigkeit   nachweisen   könne.     Nach    einem 
vergeblichen  Versuche,  denselben  von  der  Verkehrtheit  seiner  An- 
sichten   zu    überzeugen,    teilte  Pascal   mit  einigen  Freunden  die 
Theorieen  desselben  dem  Erzbischofe  mit.     Es  ist  nicht  der  ge- 
ringste Grund  vorhanden,  die  Äusserung   der  wahrheitsliebenden 
Mme  Perier  zu  bezweifeln,  dass  dies  erst  nach  einer  vorhergegange- 
nen  Warnung    an    den  Kapuziner    geschah.     Nach    vielen  Ver- 
handlungen wurde  die  Angelegenheit,  ohne  dass  der  Bruder  Saint- 
Ange  in  die  geringsten  Unannehmlichkeiten   geriet,   in  Güte  von 
dem  Bischöfe  Camus  von  Belley  beigelegt,  welcher  wegen  seiner 
burlesken  Predigten   und   erbaulichen  Liebesromane  bekannt  ist. 
Die    ganze  Sache   mag  vielleicht  für   einen  übertriebenen   Eifer 
des  neubekehrten  24jährigen  Pascal  und  seiner  Freunde  zeugen; 
aber  es  ist  kein  Grund  vorhanden,  die  übrigens  rechtliche  Hand- 
lungsweise als  ein  Verbrechen  anzusehen,   wenn  man  nicht  nach 
den  Anschauungen   des   19.  Jahrhunderts    urteilt,    und   vielleicht 
auch  dann  kaum.     Will  man  Pascal's  Meinung  über  den  Zwang 
in   religiösen  Anschauungen   kennen   lernen,    so    sucht  man   die- 
selbe  besser  in   seinen    Pens^es   XXIV,   3:   Gott,   welcher  alles 
mit  Güte  ordnet,  geht  so  zu  Werke:  dem  Verstände  flösst  er  die 
Religion  mit  Vernunftgründen  ein,  dem  Herzen  durch  die  Gnade. 
Dem  Verstände   und   dem  Herzen  die  Religion  mit  Gewalt   oder 
Drohungen  einflössen  wollen,  das  heisst  nicht  Religion  einflössen, 
sondern  Furcht  erwecken:  terrorem  potius  quam  religionem. 

Obgleich  Pascars  Vater  von  des  Sohnes  Religiosität  nicht 
unberührt  blieb,  wirkte  dieselbe  doch  besonders  auf  die  jüngste 
Schwester  Jacqueline.  Bisher  hatte  dieselbe  Freude  am  gesell- 
schaftlichen Leben  gefunden,  wo  sie  wegen  ihrer  Talente  sehr  be- 
liebt war.  Ihre  Vorliebe  für  die  Poesie  fand  bei  dem  berühmten 
Dichter  Pierre  Corneille  Anregung,  welcher,  wie  bekannt,  in  Ronen 
geboren  wurde  und  ein  Freund  der  Familie  war.  Am  8.  Dezem- 
ber 1640   hatte   sie    bei   einem  religiösen  Sängerfest  durch  eine 


*)  Pensäes  de   P.  avec  las  notes  de  Voltaire.    Genöve  1778.    I. 
p.  X,  Anm. 

*-*)  Cousin:  Etudes  snr  P.,  p.  343  if. 


218  Thor  Sundby 

Im  Jahre  1638  brach  Richelieu's  Zorn  los;  er  Hess  Saint- 
Cyran  ins  Gefängnis  werfen  und  wies  die  Einsiedler  aus  Paris 
aus.  Aber  Saint- Cyran  setzte  seine  Wirksamkeit  vermittelst  eines 
ausgedehnten  Briefwechsels  fort^  und  die  Einsiedler  zogen  aus  zu 
dem  alten  Kloster  bei  Chevreuse,  welches  nun  Port-Royal  auf  dem 
Lande  (des  Champs)  genannt  wurde.  Ihre  Zahl  vergrösserte  sich 
beständig;  der  bedeutendste  unter  ihnen,  Antoine  Arnauld  (1612 
bis  1694),  der  grosse  Arnauld,  wie  er  später  genannt  wurde, 
kam  jedoch  erst  während  Saint- Cyran*s  Gefangenschaft  dazu. 
Zu  seiner  „Bekehrung"  hat  vielleicht  auch  Jansen*s  Augustinus 
beigetragen,  der  in  demselben  Jahre  erschien  (1640).  Die  Sekte 
erhielt  so  eine  ausführliche  Darstellung  ihres  Lehrbegriffes  und 
nach  dem  Verfasser  des  Buches  zu  derselben  Zeit  auch  einen 
Namen,  als  sie  in  Arnauld  einen  gewaltigen  Kämpfer  fand,  dessen 
ünverdrossenheit  in  einer  Antwort  an  Nicole ')  so  schön  zum  Aus- 
druck kam.  Da  dieser  ihm  nämlich  riet,  nach  dem  unermüdlichen 
Kampfe  eines  langen  Lebens  nunmehr  Ruhe  zu  suchen,  brach 
er  in  die  Worte  aus:  „Haben  wir  denn  nicht  die  Ewigkeit,  um 
zu  ruhen?" 

Das  Streben  des  Jansenismus  richtete  sich  auf  eine  Reform 
der  katholischen  Kirche,  ohne  dieselbe  zu  stürzen ;  er  wollte  zu 
der  Lehre  und  Zucht  der  Kirchenväter  zurückkehren,  ohne  mit 
der  Tradition  zu  brechen  oder  sich  vom  Papste  loszureissen ;  er 
wollte  die  scholastische  Theologie  stürzen,  ohne  die  Entschei- 
dungen der  Kirchenversammlungen  bei  Seite  zu  setzen.  In 
seinem  Abscheu  vor  dem  äusseren  Scheinleben  der  ganzen 
Kirche  und  besonders  vor  der  leichtfertigen  Abfindung  mit  den 
Geboten  der  Sittenlehre,  welche  ihren  Höhepunkt  in  der  Kasuistik 
erreichte,  erneuerte  der  „Augustinus"  eine  strenge  und  tief  ein- 
greifende Auffassung  der  Sünde  und  Gnade  in  demselben  Geiste 
wie  die  Reformatoren.  In  zwei  Punkten  stimmte  er  ganz  mit 
dem  Kalvinismus  überein,  in  der  Lehre  von  der  Prädestination 
sowie  in  der  Strenge,  womit  man  das  Christentum  auffasste, 
nicht  als  eine  abstrakte  Theorie  oder  als  ein  nur  äusseres  Zere- 
moniell, sondern  als  eine  Lehre,  die  bedeutungslos  bleibt,  wenn 
sie  nicht  in  dem  Leben  des  Einzelnen,  und  zwar  sowohl  in  der 
Gottesverehrung  wie  in  der  strengen  Befolgung  der  Moral  ihren 
Ausdruck  findet. 

In  diese  Lehre  nun  wurde  Pascal  von  den  beiden  Brüdern 
Bailleul  eingeführt.  Der  Eindruck,  den  dieselbe  auf  ihn  machte^ 
war  ein  höchst  bedeutender  und  hat  den  Namen  „seiner  ersten 
Bekehrung"   erhalten.     In   diese   Zeit   von    PascaFs   Leben  fällt 


*)  Sainte-Beuve:  P.-R.     IV.     p.  318. 


Blaise  Basceil,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  219 

eine  Begebenheit,  welche  nur  mit  ein  paar  Worten  von  Con- 
doreet,^)  einem  der  Mitkämpfer  Voltaire's  für  die  Toleranz,  er- 
zählt wird,  welche  aber  mit  der  grössten  Genauigkeit  von 
Cousin-)  erörtert  wird,  der  hierauf  eine  seiner  vielen  An- 
klagen gegen  Pascal  stützt,  die  Anklage  der  Intoleranz.  Die 
Sache  betrifft  einen  Kapuziner,  Jacques  Forton,  Bruder  Saint- 
Ange  genannt,  welcher  im  Jahre  1647  zu  ßouen  seinen  Hörern 
einige  wunderliche  Lehrsätze  vortrug,  wie  z.  B.  dass  man  mit 
der  Vernunft  die  Dreieinigkeit  nachweisen  könne.  Nach  einem 
vergeblichen  Versuche,  denselben  von  der  Verkehrtheit  seiner  An- 
sichten zu  überzeugen,  teilte  Pascal  mit  einigen  Freunden  die 
Theorieen  desselben  dem  Erzbischofe  mit.  Es  ist  nicht  der  ge- 
ringste Grund  vorhanden,  die  Äusserung  der  wahrheitsliebenden 
Mme  parier  zu  bezweifeln,  dass  dies  erst  nach  einer  vorhergegange- 
nen Warnung  an  den  Kapuziner  geschah.  Nach  vielen  Ver- 
handlungen wurde  die  Angelegenheit,  ohne  dass  der  Bruder  Saint- 
Ange  in  die  geringsten  Unannehmlichkeiten  geriet,  in  Güte  von 
dem  Bischöfe  Camus  von  Belley  beigelegt,  welcher  wegen  seiner 
burlesken  Predigten  und  erbaulichen  Liebesromane  bekannt  ist 
Die  ganze  Sache  mag  vielleicht  für  einen  übertriebenen  Eifer 
des  neubekehrten  24jährigen  Pascal  und  seiner  Freunde  zeugen ; 
aber  es  ist  kein  Grund  vorhanden,  die  übrigens  rechtliche  Hand- 
lungsweise als  ein  Verbrechen  anzusehen,  wenn  man  nicht  nach 
den  Anschauungen  des  19.  Jahrhunderts  urteilt,  und  vielleicht 
auch  dann  kaum.  Will  man  PascaFs  Meinung  über  den  Zwang 
in  religiösen  Anschauungen  kennen  lernen,  so  sucht  man  die- 
selbe besser  in  seinen  Pens^es  XXIV,  3:  Gott,  welcher  alles 
mit  Güte  ordnet,  geht  so  zu  Werke :  dem  Verstände  flösst  er  die 
Religion  mit  Vernunftgründen  ein,  dem  Herzen  durch  die  Gnade. 
Dem  Verstände  und  dem  Herzen  die  Religion  mit  Gewalt  oder 
Drohungen  einflössen  wollen,  das  heisst  nicht  Religion  einflössen, 
sondern  Furcht  erwecken:  terrorem  potius  quam  religionem. 

Obgleich  PascaFs  Vater  von  des  Sohnes  Religiosität  nicht 
unberührt  blieb,  wirkte  dieselbe  doch  besonders  auf  die  jüngste 
Schwester  Jacqueline.  Bisher  hatte  dieselbe  Freude  am  gesell- 
schaftlichen Leben  gefunden,  wo  sie  wegen  ihrer  Talente  sehr  be- 
liebt war.  Ihre  Vorliebe  für  die  Poesie  fand  bei  dem  berühmten 
Dichter  Pierre  Corneille  Anregung,  welcher,  wie  bekannt,  in  Ronen 
geboren  wurde  und  ein  Freund  der  Familie  war.  Am  8.  Dezem- 
ber 1640   hatte   sie    bei   einem  religiösen  Sängerfest  durch  eine 


*)  Pens^es  de   P.  avec  les  notes  de  Voltaire.    Genöve  1778.    I. 
p.  X,  Anm. 

2)  Cousin:  ßtudes  siir  P.,  p.  343  ff. 


220  Tfwr  Sundl)y 

Dichtung  auf  die  unbefleckte  Empfängnis  Maria's^)  den  Preis  da- 
vongetragen, und  Corneille  hatte  in  ihrem  Namen  in  improvisierten 
Versen  gedankt.  Sie  hatte  sich  übrigens  nicht  auf  die  religiöse 
Dichtung  beschränkt;  aber  nun  gab  sie  ihre  Beschäftigung  mit 
der  Poesie  ganz  auf,  um  ihre  Gedanken  der  Religion  zuzuw^enden. 
Als  Pascal  Ende  1647  nach  Paris  reiste  um  ärztliche  Hilfe  für 
sich  zu  suchen,^)  besuchte  seine  Schwester,  welche  ihm  nach- 
gereist war,  fleissig  die  Predigten  Singlin's  in  Port-Royal,  wodurch 
bei  ihr  der  Wunsch  entstand,  in  das  Kloster  einzutreten.  Da  aber 
ihr  Vater,  welcher  1648  nach  Paris  zurückkehrte,  sich  dem  be- 
stimmt widersetzte,  begnügte  sie  sich  zunächst  damit,  in  ihres 
Vaters  Hause  zu  Paris  ganz  wie  eine  Nonne  zu  leben. 

1649  machten  alle  drei  eine  Reise  in  die  Auvergne  zu 
Mme  Perier.  Auf  derselben  soll  sich  Pascal  nach  einer  Äusse- 
rung F16chiers^)  in  eine  Dame,  die  Sappho  der  Gegend  genannt, 
verliebt  haben.  Diese  Aussage  ist  von  Cousin^)  als  bezeichnend 
für  Pascal's  Leben  in  dieser  Zeit  sehr  hervorgehoben  worden ;  aber 
die  Zuverlässigkeit  derselben  ist  mindestens  zweifelhaft.  Faugere,''') 
welcher  Pascal  nicht  als  einen  epikuräischen  Stutzer  geschildert 
haben  will,  weist  nämlich  darauf  hin,  dass  F16chier  hier  wahr- 
scheinlich Pascal  mit  einem  anderen  Träger  desselben  Namens 
verwechselt  hat,  wie  ihm  das  an  einer  anderen  Stelle  ganz  be- 
stimmt passiert  ist.  Bekannt  ist  jedoch,  dass  Pascal  um  diese 
Zeit  an  dem  gesellschaftlichen  Leben  teilnahm.  Er  machte  Be- 
kanntschaft mit  dem  Herzoge  de  Roannez,  mit  Georges  Brossin 
de  M6r6  (1610 — 85)  und  mit  Miton,  dessen  in  den  Pens6es  VI,  20 
als  eines  reinen  Weltmannes  Erwähnung  geschieht.  Mere  soll 
sogar  nach  Fran9ois  Collet^)  Pascal  „geschaffen"  haben,  eine 
Behauptung,  welche  natürlich  bedeutend  eingeschränkt  werden 
muss.  Collet  gründet  dieselbe  auf  eine  Stelle  in  Mer^'s  Discours 
de  l'Esprit,'')  wo  derselbe  über  eine  Reise  berichtet,  welche  er 
mit  Le  D.  D.  R.,  mit  M.  M.,  „der  bei  Hofe  wohl  angesehen  ist", 
und  ,,mit  einem  Manne  in  den  mittleren  Jahren"  machte,  „welcher 
ein  tüchtiger  Mathematiker  war,  der  sich  nur  auf  die  Mathematik 
verstand,  und  damals  noch  wenig  bekannt  war,   später  aber  be- 


*)  Las  palinods  de  Reuen,    cf.  Faugere;  Lettres,  opuscules    etc., 
p.   130  und  485. 

^)  Faugere:  Lettres  etc.,  p.  65. 

*)  Fl^chier:  Mömoires  sur  las  Grands-Jours  d'Auvergne  en  1665. 
Paris  1882.     p.  84. 

*)  fitudes  sur  P.,  p.  499. 

^)  Faugere:  Lettres,  opuscules  etc.,  p.  XIV.,  Anm.  2. 

^)  Fran^ois  Collet:  Fait  in^dit  de  la  vie  de  Pascal.    Paris  1848. 

')  (Euvres  de  M.  le  Chevalier  de  M^r^.     Amsterdam  1692.     T.  I 
pag.  38. 


Blaiie  Pasccd,  sein  fCampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  221 

rühmt  wurde".  Dieser  letztere  hatte  gar  keinen  „Geschmack"; 
nachdem  er  aber  drei  Tage  mit  M^re  gereist  war  und  stetig  sein 
Notizbuch  zu  Aufzeichnungen  (wahrscheinlich  von  M6r6's  guten 
Bemerkungen!)  benutzt  hatte,  war  er  gleichsam  ein  anderer 
Mensch  geworden,  was  er  auch  selbst  erkannte.  Pascal  war 
damals  noch  nicht  ein  Mann  in  den  mittleren  Jahren;  er  war 
erst  27  Jahre  alt,  während  M6r6,  dessen  Geburtsjahr  freilich 
nicht  sicher  feststeht,  gegen  40  Jahre  war.  Wenn  man  aber 
PascaFs  Ernst  und  Kränklichkeit  in  Betracht  zieht,  ist  es  doch 
wahrscheinlich,  dass  er  „der  tüchtige  Mathematiker,  der  später 
berühmt  wurde'',  war,  und  dass  die  beiden  anderen  der  Duc  de 
Roannez  und  M.  Mi  ton  waren.  Es  entspricht  vollkommen  der  Un- 
verschämtheit M6r6's  darin,  dass  er  sich  fUr  denjenigen  ansah, 
der  Pascal  Lebensart  beigebracht  habe.  In  einem  Briefe^)  an 
denselben  spricht  er  auch  so,  als  ob  er  ihm  in  der  Mathematik 
unendlich  überlegen  sei,  während  Pascal  in  einem  Briefe^)  an 
Formet  (1654)  dem  eingebildeten  Edelmann  das  Zeugnis  ausstellt, 
dass  er  durchaus  kein  Mathematiker  sei. 

In  einem  Punkte  jedoch  kann  man  M6r6  einen  gewissen 
Einfluss  auf  Pascal  kaum  absprechen.  M6r6  legte  nämlich  hohen 
Wert  darauf,  nicht  in  einseitige,  professionelle  Studien  und  Ar- 
beiten aufzugehen;  er  strebte  immer  danach,  dieselben  in  den 
Hintergrund  treten  zu  lassen,  sie  nur  als  ein  Mittel  zu  einer 
allseitigen,  humanen  Bildung  zu  benutzen.^)  In  PascaFs  Pens^es 
wird  oft  eine  ähnliche  Anschauung  ausgesprochen:  „Man  darf 
von  einem  Menschen  nicht  sagen  können:  er  ist  ein  Mathema- 
tiker, er  ist  ein  Kanzelredner,  oder  er  ist  ein  ausgezeichneter 
Redner,  sondern:  er  ist  ein  allseitig  gebildeter  Mann,  ein  Mann 
wie  er  sein  muss.  Diese  universelle  Eigenschaft  ist  es  allein, 
welche  mir  zusagt^  (Pens6es  VI,  15).  Es  ist  höchst  wahrschein- 
lich, dass  diese  Anschauungsweise  zum  Teil  von  M6r6'8  Einfluss 
herrührt ;  aber  es  ist  allerdings  ein  grosser  Unterschied,  ob  die- 
selbe von  einem  Gecken  wie  M6r6,  oder  von  einem  ausgezeich- 
neten Gelehrten  wie  Pascal  ausgesprochen  wird. 

Dass  überdies  M6r6  ebenso  wie  die  übrigen  Lebemänner,  mit 
welchen  Pascal  in  dieser  geselligen  Periode  seines  Lebens  verkehrte, 
eben  durch  diesen  Umgang  zu  der  grossen  Gewandtheit  seines 
Ausdrucks  beigetragen  haben,   ist  annehmbar  genug;    sicher  ist 


1)  (Euvres  de  M^r^.    T.  IL    p.  60. 

*)  (Euvres  de  Pascal,  fid.  Lahure.  II.  p.  895:  „II  a  tr^s  bon 
esprit,  mais  il  n'est  pas  gäomötre". 

^)  Sainte-Beuve:  Le  Chevalier  M6t6  ou  de  rhonnßte  hemme  au 
XVIIe  siöcle.    Revue  des  deux  Mondes.     1,  Jan.  1848. 


222  Thor  Sundby 

jedoch,    dass   ihre    erkünstelten   Redewendungen  keinen   Einflnss 
auf  ihn  gehabt  haben. 

Noch  in  anderer  Hinsicht  hat  Mer6  eine  hohe  Bedeatnng 
ftir  Pascal  gehabt.  Als  Spieler  stellte  er  demselben  nämlich  eine 
Aufgabe^)  bezüglich  der  Verteilung  der  Einsätze  an  die  ver- 
schiedenen Teilnehmer  eines  Spiels,  welches  abgebrochen  wird. 
Diese  Aufgabe  löste  Pascal  durch  sein  berühmtes  ^^arithmetisches 
Dreieck ***)  1654.  Unter  die  mannigfachen  wissenschaftlichen 
Anwendungen,  welche  er  von  demselben  machte,  gehörte  nämlich 
auch  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung.  Dieses  gab  ihm  nicht 
bloss  ein  Anrecht  auf  den  Namen  eines  grossen  Mathematikers, 
sondern  es  diente  ihm  auch  als  ein  Beweis,  oder  besser  als  ein 
Überzeugungsmittel  für  die  Zweifler,  was  zu  der  so  oft  und  so 
gedankenlos  wiederholten  Äusserung  Veranlassung  gegeben  hat, 
„dass  er  Zahl  oder  Wappen  um  das  Dasein  Gottes  spielte^^ 

Pascal's  Teilnahme  am  gesellschaftlichen  Leben  erlitt  eine 
Unterbrechung  durch  den  Tod  seines  Vaters,  welcher  Ende  1651 
erfolgte.  Seinem  Schwager  Parier  schrieb  er  bei  dieser  Gelegen- 
heit einen  Brief,  welcher  beweist,  dass  er  weit  davon  entfernt 
war,  mit  dem  Christentum  gebrochen  zu  haben,  wenngleich  er 
nicht  das  asketische  Leben  führte,  welches  ihn  später  unter  den 
Anhängern  von  Port-Royal  auszeichnete. 

Mit  des  Vaters  Tode  fiel  für  Jacqueline  der  Grund  fort, 
welcher  sie  bis  dahin  davon  abgehalten  hatte,  in  das  Kloster 
Port-Royal  einzutreten.  Daher  führte  sie  im  folgenden  Jahre 
ihren  Entschluss  aus  trotz  des  heftigen  Widerstandes  ihres 
Bruders,  welcher  nicht  zugleich  den  Vater  und  die  Schwester 
verlieren  wollte.  Vom  Kloster  aus  schrieb  sie  ihm  einen  Brief,  ^) 
um  seine  Einwilligung  zu  erbitten,  „nicht  um  ihren  Vorsatz  aus- 
führen zu  können,  da  es  dazu  dessen  nicht  bedürfe,  sondern 
um  ihn  mit  Freude,  Seelenruhe  und  Zufriedenheit  ausführen  zu 
können".  Nur  schwer  Hess  er  sich  zu  der  Zustimmung  bewegen, 
und  er  erhob  von  neuem  Widerspruch,  als  sie  nach  beendeter 
Probezeit  die  Gelübde  ablegen  sollte.  Er  gab  jedoch  endlich 
nach,  sodass  im  Jahre  1653  die  Sache  abgemacht  war. 

Irgend  welche  bestimmte  Nachrichten  über  das  Leben  Pas- 
cal's in  seiher  -weltlichen  Periode"  haben  wir  nicht.  Seine 
Schwester  M^ae  Parier  berichtet,  dass  die  Arzte  ihm  rieten,  sich 
nicht  anzustrengen,  sondern  die  Gelegenheit  zur  Zerstreuung  auf- 
zusuchen.    „Die  Befolgung  dieses  Rates  kostete  ihm  grosse  Über- 


^)  (Euvres  de  Pascal.    6d.  Lahure.    II.  p.  392. 

2)  ibid.     II.  p.  415  —  440. 

^)  Faugere:  Lettres,  opuscules  etc.    p.  5S5. 


Blaise  Pasccd,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  eic.  223 

Windung,  da  er  glaubte,  dass  dieselbe  mit  Gefahr  verbunden 
sei;  aber  er  richtete  sich  schliesslich  doch  danach  in  der  Über- 
zeugung, dass  er  verpflichtet  sei,  alles  Mögliche  zu  thun,  um 
seine  Gesundheit  wieder  zu  erlangen^^  Sie  berichtet  auch,  „dass 
er  sich  vom  Laster  allezeit  frei  hielt".  Eine  andere  Nachricht 
sagt/)  dass  er  „im  Anfang  Mass  hielt,  später  aber  sich  der 
Eitelkeit,  dem  Tand,  dem  Vergnügen  und  der  Zerstreuung  hin- 
gab, ohne  jedoch  irgendwie  in  ein  ausschweifendes  Leben  zu 
verfallen".  Wenn  man  bedenkt,  dass  dieses  Urteil  von  Leuten 
gefällt  wird,  welche  einer  so  strengen  und  asketischen  Lebens- 
anschauung huldigten,  wie  die  Anhänger  von  Port-Royal,  so  wird 
man  mit  der  grössten  Sicherheit  den  Schluss  ziehen  können, 
dass  sein  Leben  weder  ein  wildes  noch  ein  ungeregeltes  war. 
Wie  wir  oben  bereits  gesehen  haben,  beschäftigte  er  sich  zum 
Teil  mit  mathematischen  Untersuchungen;  dass  er  aber  zugleich 
von  dem  gesellschaftlichen  Leben  in  Anspruch  genommen  wurde, 
geht  nicht  bloss  »aus  den  soeben  angeführten  Nachrichten  und 
aus  seiner  Bekanntschaft  mit  Mere  und  Miton  hervor,  sondern 
auch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  aus  der  zuerst  von  Cousin 
ans  Licht  gebrachten  Schrift:  „Über  die  Erregungen  der  Liebe". 
Die  Echtheit  dieser  Schrift  ist  von  Einigen  in  Zweifel  ge- 
zogen worden  und  wirklich  auch  nicht  vollständig  erwiesen. 
Der  Stil  ist  etwas  von  dem  verschieden,  welcher  sonst  Pascal 
eigentümlich  ist;  namentlich  findet  sich  die  grosse  Klarheit,  wie 
in  seinen  anderen  Schriften,  nicht  darin;  aber  manches  erinnert 
doch  an  Pascal,  ja  es  sind  sogar  Stellen  darin,  welche  sich 
geradezu  in  den  Pens^es  wiederfinden.  Weder  Faugfere,  noch 
Vinet,  noch  Sainte  -  Beuve  •  haben  daher  gezögert,  ihn  als  den 
Verfasser  derselben  zu  betrachten.  Wir  führen  hier  den  Anfang 
der  Schrift  an:  ^Der  Mensch  ist  geschaffen  um  zu  denken,  was 
er  keinen  Augenblick  unterlassen  kann.  Aber  das  reine  Denken, 
welches  ihn  glücklich  machen  würde,  falls  er  im  Stande  wäre, 
sich  ihm  beständig  hinzugeben,  widerstreitet  ihm  und  beugt  ihn 
nieder.  In  ein  solch  einförmiges  Leben  kann  er  sich  nicht 
finden;  er  fühlt  einen  Trieb  zur  Bewegung  und  Handlung;  mit 
anderen  Worten,  er  muss  notwendigerweise  zuweilen  von  den 
Leidenschaften  in  Bewegung  gesetzt  werden,  deren  lebendige 
und  tiefe  Quellen  er  in  seinem  Herzen  fühlt". 

„Die  Leidenschaften,  welche  sich  am  besten  für  den  Menschen 
eignen  und  manche  andere  in  sich  schliessen,  sind  die  Liebe 
und  der  Ehrgeiz.     Obgleich  sie  nur  wenig  mit  einander  zu  thun 


^)  Recueil  d'ütrecht,  d.  257. 


224  Thor  Sundby 

haben,  vereinigt  man  sie  doch  ziemlich  oft;  aber  sie  schwächen, 
um  nicht  zu  sagen  vernichten  sich  gegenseitig." 

„Wie  umfassend  auch  jemandes  Geist  sein  mag,  es  kann 
doch  nur  eine  starke  Leidenschaft  darin  Platz  finden;  wenn  da- 
her Liebe  und  Ehrgeiz  im  Vereine  herrschen,  sind  sie  kaum  halb 
so  heftig,  als  wenn  jede  für  sich  herrschen  würde.  Das  Alter 
hat  keinen  Einfluss  darauf,  wann  diese  beiden  Leidenschaften 
beginnen,  oder  wann  sie  aufhören;  sie  entstehen  in  frühester 
Jugend  und  dauern  häufig  bis  zum  Grabe  fort.  Da  sie  viel  Energie 
voraussetzen,  ist  die  Jugend  jedoch  fähiger,  sie  bei  sich  zu  nähren, 
als  das  Alter;  auch  scheinen  sie  mit  den  Jahren  abzunehmen^  das 
ist  jedoch  nur  sehr  selten  der  Fall." 

„Das  menschliche  Leben  ist  elendiglich  kurz.  Man  rechnet 
seinen  Beginn  von  dem  Eintritt  des  Menschen  in  die  Welt;  ich 
für  meine  Person  bin  aber  geneigt,  es  erst  von  dem  Eintritt  der 
Vernunft  ab  zu  rechnen,  von  der  Zeit  ab,  wo  man  beginnt,  von 
der  Vernunft  durchdrungen  zu  werden,  was  im  ^allgemeinen  nicht 
vor  dem  20.  Jahre  stattfindet.  Vor  dieser  Zeit  ist  man  ein  Kind, 
und  ein  Kind  ist  noch  kein  Mensch." 

„Wie  glücklich  ist  nicht  ein  Leben,  welches  mit  der  Liebe 
beginnt  und  mit  dem  Ehrgeize  endet!  Wofern  die  Wahl  bei 
mir  stände,  würde  ich  ein  solches  wählen.  So  lange  man  Feuer 
im  Herzen  hat,  ist  man  liebenswürdig;  wird  es  vernichtet  oder 
verschwindet  es,  ein  wie  grosser  und  schöner  Spielraum  bleibt 
da  nicht  für  den  Ehrgeiz  zurück!  Dieses  bewegte  Leben  spricht 
die  grossen  Geister  an,  die  mittelmässigen  finden  kein  Ver- 
gnügen daran;  sie  sind  in  allen  Dingen  Maschinen.  Wenn  daher 
jemandes  Leben  mit  der  Liebe  und  -dem  Ehrgeize  beginnt  und 
endet,  ist  er  so  glücklich,  als  er  gemäss  der  menschlichen  Natur 
sein  kann." 

Es  ist  klar,  dass  Pascal,  da  er  dies  schrieb  (1652 — 53), 
nicht  sehr  stark  von  der  Religion  angezogen  wurde^  aber  an- 
dererseits ist  es  auch  gewiss,  dass  die  Reinheit  und  Keuschheit, 
welche  in  dieser  beredten  Verteidigung  der  Leidenschaften 
herrschen,  ihm  keine  Schande  bringen  können,  wenngleich  die 
Anschauungen,  welche  er  hierin  ausspricht,  nicht  mit  dem  Ur- 
teile in  Einklang  stehen,  welches  er  später  über  den  Ehestand 
fällte,  ,,da6S  derselbe  der  gefährlichste  und  niedrigste  im  Christen- 
tum sei".^)     Es   ist  jedoch    nicht    der    Schatten    eines    Grundes 


^)  Dieses  urteil  über  den  Ehestand  findet  sich  in  einem  Briefe, 
welchen  Pascal  1659  an  seine  Schwester,  Mme  Parier,  schrieb,  von  wel- 
chem uns  jedoch  nur  ein  Auszug  erhalten  ist.  Derselbe  enthält  eigent- 
lich nur  eine  Wiedergabe  des  Bedenkens,  welches  Singlin,  de  Saci  und 
de  Rebours  gelegentlich   eines  Heiratsantrages   ausgesprochen   hatten, 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  225 

vorhanden,  um  mit  Cousin^)  höhnisch  darüber  zu  lächeln,  dass 
Pascal  in  Descartes*  Weise  geliebt  habe ,  oder  um  an  Ovid*s 
Amatoria  zu  erinnern.  Es  ist  jedoch  selbstverständlich  kein 
Wunder;  dass  die  Entdeckung  dieser  Schrift  zu  Behauptungen 
geführt  hat,  die  viel  zu  weit  gingen. 

Früher  hatte  man  sich  nämlich  daran  gewöhnt,  Pascal  als 
einen  Mann  anzusehen,  dessen  Herz  gegen  den  Einüuss  der  Liebe 
durchaus  gepanzert  war,  eine  Anschauung,  welche  nach  unserer 
Ansicht  im  Widerspruch  mit  einem  seiner  Gedanken  steht  (XXIV, 
64),  der  geradezu  darauf  hinzuweisen  scheint,  dass  er  sich  wegen 
seiner  Empfänglichkeit  für  die  Liebe  ängstigte:  „Alle  grossarti- 
gen Zerstreuungen  sind  dem  christlichem  Leben  gefährlich:  unter 
allen  aber,  welche  die  Welt  erfunden  hat,  ist  keine  mehr  zu 
fürchten  als  das  Schauspiel.  Denn  dieses  ist  eine  so  natürliche 
und  so  feine  Darstellung  der  Leidenschaften,  dass  es  dieselben 
in  unserm  Herzen  weckt  und  erregt.  Vor  allem  gilt  dieses  von 
der  Liebe,  besonders  wenn  sie  sehr  keusch  und  anständig  darge- 
stellt wird.  Je  unschuldiger  sie  den  unschuldigen  Seelen  er- 
scheint, desto  leichter  werden  diese  davon  ergriffen.  Ihre  Hef- 
tigkeit gefällt  unserer  Eigenliebe,  die  sogleich  wünscht,  die- 
selben Wirkungen  zu  erzielen,  welche  wir  so  schön  dargestellt 
sehen;  und  ausserdem  liegt  in  der  Ehrbarkeit  der  dargestellten 
Gefühle  eine  Beruhigung,  welche  die  Furcht  reiner  Seelen  er- 
stickt, indem  in  diesen  der  Gedanke  entsteht,  dass  es  nicht 
die  Reinheit  verletzen  heisst,  in  so  besonnener  Weise  zu  lieben. 
So  geht  man  aus  dem  Schauspiele  fort,  das  Herz  voll  von  der 
Schönheit  und  Süssigkeit  der  Liebe,  im  Geist  und  Gemüt  so  von 
ihrer  Unschuld  überzeugt,  dass  man  ganz  bereit  ist,  ihre  ersten 
Eindrücke  zu  empfangen,  oder  vielmehr  die  Gelegenheit  zu  suchen, 
sie  in  einem  andern  Herzen  zu  wecken,  um  dieselben  Freuden 
zu  gemessen,  und  dieselben  Opfer  auf  sich  zu  nehmen,  welche 
man  im  Theater  so  schön  hat  darstellen  sehen.^^ 

Als  man  erst  so  weit  gekommen  war,  einzuräumen,  dass 
Pascal  geliebt  habe,  suchte  man  nach  dem  Gegenstande  seiner 
Leidenschaft,  welcher  vermutlich  zu  der  erwähnten  Schrift  die 
Veranlassung  gegeben  habe.  Faugere  denkt  an  Charlotte  Gouf- 
fier  de  Roannez,  Schwester  des  mehrfach  genannten  Herzogs,  an 


welchen  M»««  parier  für  ihre  15jährige  Tochter  Jacqueline  erhalten 
hatte.  Es  scheint  jedoch  wahrscheinlich  zu  sein,  dass  Pascal  die  Mei- 
nung der  genannten  Männer  teilte.  Pens^es  de  Pascal.  Edition  Fau- 
gere.    Paris  1844.     I.    p.  55. 

^)  Cousin:  6tudes  sur  Pascal.    V«  £d.    p.  475,  476,  483. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VIi-  jg 


220  Thor  Smulhy 

welche  Pascal  eine  Reihe  Briefe  schrieb,  die  jedoch  alle  streng 
religiös  gehalten  sind.    Es  kommen  nun  allerdings  in  der  Schrift 
„Über    die    Liebe"    Hindeutongen    auf  Standesunterschiede    vor, 
welche  hierfür  zu  sprechen  scheinen;  ein  Umstand  jedoch  macht 
diese   Vermutung    minder   wahrscheinlich.     Es    ist    uns    nämlich 
überliefert,^)  dass  Pascal  in  dieser  Zeit  daran  dachte,    sicli   ein 
Amt  zu  kaufen  und  zu  heiraten;  obschon  Pascal  nun  aber  eine  an- 
gesehene Stellung  in    der  Gesellschaft  einnahm,   war   doch  eine 
Heirat  zwischen  ihm  und  einer  Herzogstochter  nach  damaliger  An- 
schauung nicht  leicht  denkbar,  um  so  weniger,  als  er,  wie  seine 
Schwester   ausdrücklich    bemerkt,    kein    sehr    grosses   Vermögen 
besass.     Letzteres  hat  man  dennoch  aus  dem  Umstände  herleiten 
wollen,  dass  er  einmal  mit  sechs  Pferden  fuhr.    Als  Pascal  näni- 
lieh,    so   wird   erzählt,    im  Oktober  1654  auf  einer  Spazierfahrt 
über  die  Brücke  von  Neuilly^)  kam,   deren  Geländer  zerbrochen 
war,   wurden   die   Pferde    scheu   und  würden   unzweifelhaft    den 
Wagen  in  die  Seine  hinabgezogen  haben,  wenn  nicht  die  Stränge 
gerissen  wären,  sodass  nur  die  vordersten  Pferde   in  die  Fluten 
stürzten,  während  die  Stangenpferde  mit  dem  Wagen  am  Rande 
der  Brücke  stehen  blieben.     Es  ist  jedoch  nicht  daran  zu  zwei- 
feln, dass  der  von  Pascal  benutzte  Wagen,  wofern  derselbe  mit 
Sechsen    fuhr,    dem   Herzoge   von   Roannez    gehörte;    denn    ein 
solcher  Luxus  würde,  selbst  wenn  Pascal  die  Mittel  dazu  gehabt 
hätte,  wider  die  Etikette  des  17.  Jahrhunderts  gewesen  sein. 

Nach  der  Meinung  vieler  hat  diese  Begebenheit  den  Um- 
schwung in  Pascars  Leben  hervorgerufen,  welcher  im  Jahre  1654 
erfolgte  und  gewöhnlich  seine  „zweite  Bekehrung"  genannt  wird. 
Obgleich  diese  Ansicht  wider  W^^  P6rier's  Auffassung  verstösst, 
dass  nämlich  Jacqueline  den  Umschlag  bewirkt  habe,  ist  es  doch 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  der  erschütternde  Vorfall  eine  mit- 
wirkende Ursache  zu  demselben  gewesen  sei.  Wenn  ein  Mensch 
so  plötzlich  dem  Tode  von  Angesicht  zu  Angesicht  gegenüber- 
steht, macht  das  sehr  häufig  einen  tiefen  Eindruck  auf  ihn.  Es 
ist    bekannt,    dass   M"ae  Krüdener,    welche    durch    ihre   Valerie 


^)  Recueil  d*ütrecht,  p.  258.  Cfr.  A.  Gagier,  Le  roman  de  Pas- 
cal (Rev.  pol.  et  litt.,  24.  Nov.  1877). 

*)  Recueil  d'Ütrecht,  p.  258.  Cf.  auch  Jean  Guerrier's  (f  1731) 
Aufzeichnungen  nach  einer  anonymen  Handschrift  in  „Lettres,  opus- 
cules  etc.",  p.  470.  Pater  Guerrier,  welcher  mit  Pascal  verwandt  war 
dessen  Schwestertochter,  Marguerite  Parier,  er  gekannt  hatte,  muss 
die  Erzählung  wohl  für  wahr  gehalten  haben.  Sie  ward  zuerst  von 
Bossut  in  den  „(Euvres  de  P.",  1779,  Einleitung,  niedergeschrieben. 
Wahrscheinlich  hat  er  ein  nun  verschwundenes  Dokument  benutzt. 
Cf.  Pens^es  de  P.,  Ed.  Faug^re.    I.    p.  XVI.,  Anm. 


liUdsc  P{iscaL  sein  Kamff  gegen  die  Jesuiten  etc,  227 

n,  wenn  auch  nur  geringen  Platz  in  der  französischen  Litte- 
*ur  einnimmt,  ihr  mehr  als  weltliches  Leben    plötzlich  aufgab, 
"\   (iner  ihrer  Anbeter  tot  niederstürzte,  als  er  an  ihrem  Fenster 
vorbeiging  und  zu  ihr  hinaufgrüsste/) 

Man  hat  übrigens  der  vermuteten  Erschütterung  noch  eine 
andere  Wirkung  zugeschrieben.  Voltaire,  welcher  wiederholt 
Pascal's  „Gedanken"  Träume  eines  kranken  Mannes  nennt  und 
sie  gern  für  das  Werk  eines  Verrückten  erklären  möchte,  be- 
hauptete in  einem  Briefe  vom  1.  Juni  1738  an  den  holländischen 
Gelehrten  's  Gravesande,  dass  PascaVs  Verstand  durch  diese 
Begebenheit  zerrüttet  worden  sei.  Er  beruft  sich  dafür  auf 
Leibnitz,  welcher  jedoch  Pascal  nicht  persönlich  kannte  und 
überdies  nur  gesagt  hat  (Leibnitiana),  dass  er  in  seiner  Religio- 
sität „skrupulös  bis  zum  Wahnsinn"  geworden  sei.  Worauf  Vol- 
taire sich  eigentlich  stützte,  war  vielmehr  die  übrigens  gänzlich 
unbeweisbare  Behauptung  des  Abb6  Boileau,*)  dessen  Briefe  1737 
herauskamen,  dass  Pascal  beständig  zu  seiner  Linken  einen  Ab- 
grund sähe,  so  dass  er,  nm  sich  zu  beruhigen,  immer  einen 
Stuhl  oder  dergleichen  auf  diese  Seite  stellen  müsse. 

Diese  Erzählung,  welche  erst  75  Jahre  nach  Pascal's  Tode 
auftauchte,  als  alle  gestorben  waren,  welche  hierüber  Zeugnis 
hätten  ablegen  können,  wurde  von  dem  Abb6  vorgebracht,  um 
eine  hysterische  Dame  in  ihrer  Krankheit  zu  trösten.  Sie  ist 
auch  von  dem  Arzte  und  Philosophen  La  Mettrie,^)  dem  Freunde 
Friedrich's  des  Grossen,  benutzt  worden,  der  zuerst  ein  eifriger 
Jansenist  war,  um  dann  ein  krasser  Materialist  zu  werden.  In 
seinem  Buche  „L'Homme  machine"  ruft  er  aus:  „Welche  ge- 
waltige Wirkung  der  Einbildungskraft  oder  einer  eigentümlichen 
Circulation  auf  einen  Gehimlappen!  Er  war  ein  grosser  Mann 
auf  der  einen  Seite  und  halbverrückt  auf  der  anderen !  Wahnsinn 
und  Weisheit  hatten  beide  ihre  Seite  .  ,  .  Durch  welche  Seite 
war  er  so  innig  mit  den  Herren  in  Port- Royal  verknüpft?"  Man 
kann  sich  die  Antwort  leicht  denken. 

Während  Condorcet  sich  mit  einer  Ausgabe  der  Pens6es 
beschäftigte,  legte  Voltaire  ihm  ans  Herz,^)  dass  er  nicht  müde 
werden  dürfe  zu  wiederholen,  dass  Pascal's  Gehirn  seit  der  Be- 
gebenheit auf  der  Brücke  von  Neuilly  zerrüttet  gewesen  sei. 
Also    ein   überlegter  Plan!    In  Condorcet's   sogenannter  Lobrede 


^)  Vie  de  Mme  de  Krudener,  par  Ch.  Einard.    Paris  1849.  I.  p.  151. 
2)  Boileau:  Lettres   sur  diffärents  siijets  de  morale  et  de  piti^. 
1737.     L     p.  206  f. 

')  (Euvres  philosophiques ;  Londres  1751.    4^    p.  46,  Anm. 
*)  Cf.  Vinet:  fitudes  sur  Pascal.    IJe  fid.    p.  Ö. 


15 


228  TJwf  Snndhf 

auf  Pascal  (1776)  findet  man  nun  auch  eine  Andeutung  hiervon 
zugleich  mit  einer  Erwähnung  des  eingebildeten  Abgrundes. 
Condorcet  hat  auch  —  zum  ersten  Male  in  einer  Ausgabe*)  der 
Pens6es  —  zum  Spotte  einen  Zettel  mitgeteilt,  den  man  bei 
FascaFs  Tode  in  seiner  Kleidung  eingenäht  fand,  und  welchen 
Condorcet  sein  „Amulett^  nannte.  Dieses  Blatt  bekundet,  dass 
Pascal  am  23.  November  1654  sich  in  einer  starken  religiösen 
Erregung  befand;  zum  Andenken  hieran  hatte  er  eine  Reihe  ab- 
gebrochener Sätze  auf  ein  Stück  Papier  geworfen,  welches  er 
immer  bei  sich  zu  tragen  wünschte.  Man  mag  hierüber  urteilen, 
wie  man  will;  dass  er  aber  den  Zettel  als  ein  Amulett  betrachtet 
habe,  ist  eine  Erfindung  von  Leuten,  welche  wahrscheinlich  zum 
Andenken  an  einen  weit  weniger  ergreifenden  Augenblick  ihres 
Lebens  Verlobungsringe,  Haarlocken,  Porträts  u.  dgl.  tragen,  die  sie 
doch  wohl  nicht  für  Amulette  halten.  Man  ist  noch  weiter  ge- 
gangen. Man  hat  behauptet,  dass  Pascal  bei  dieser  Gelegenheit 
eine  Vision^)  gehabt  habe,  obschon  weder  er  selbst  noch  irgend 
jemand,  der  es  wissen  könnte,  irgendwie  ein  Wort  darüber  ge- 
äussert hat. 

Auf  diese  unsichern  und  durchaus  unbeweisbaren  Data 
gründet  man  so  eine  Wahnsinnserklärung.  Übrigens  ist  es  weder 
das  erste  noch  das  letzte  Mal,  dass  gegen  einen  Mann,  welcher 
das  Christentum  mit  grösserem  Ernste  als  die  Menge  auffasste, 
eine  solche  Beschuldigung  ausgesprochen  wird.  Wenn  man  offen 
und  ehrlich  ist,  mag  man  seine  Unsicherheit  bezüglich  des  Chris- 
tentums zugestehen,  oder,  wenn  man  dasselbe  als  ein  Ärgernis 
oder  als  eine  Thorheit  ansieht,  so  mag  man  sich  wider  dasselbe 
erklären;  aber  diejenigen  in  das  Irrenhaus  zu  verweisen,  welche 
von  den  Forderungen  des  Christentums  nicht  ablassen  wollen, 
das  zeugt  doch  wohl  nicht  von  irgend  welcher  geistigen  Über- 
legenheit. 

In  der  neueren  Zeit  hat  namentlich    der  Irrenarzt  L61ut,^) 


*)  Froher  gedruckt  in:  Recaeil  d*ütrecht,  p.  259. 

^)  Recueil  d'Utrecht,  p.  258:  „Eine  Vision,  welche  er  übrigens 
niemandem  mitgeteilt  hat,  ausser  vielleicht  seinem  Beichtvater."  — 
Man  hat  sich  auch  auf  einen  Brief  Brienne's  an  M»ne  Parier  stützen 
wollen,  worin  der  Schreiber  dem  Worte  Feu  eine  solche  Bedeutung 
beilegt,  obwohl  es  nur  eine  lebhafte  Erregung  oder  eine  glühende  An- 
dacht bezeichnen  soll.  Pens^es  de  P.  lild.  Faug^re.  I.  p.  398.  —  Es 
ist  merkwürdig  genug,  dass  es  keine  medizinische  Abhandlung  über 
Descartes*  Vision  gibt,  welche  doch  eine  Reform  der  Philosophie  her- 
beiführte und  ihn  zu  einer  Wallfahrt  nach  Loretto  veranlasste. 

3)  L^lut:  L*Amulette  de  Pascal,  p.  VII  und  Du  D^mon  de  So- 
crate.     Paris  1836. 


//,  sein  A'anipf  gegen  die  Jesuiten  etc.  229 

•ites  als  von   einer  fixen  Idee   beherrscht   an- 

lich  nachzuweisen   gesucht,   dass  PascaPs  Ge- 

vcsen  sei.     Da  jedoch   nicht   bloss   die  Lettres 

mIcih  auch  wissenschaftliche  Arbeiten  von  hoher 

la  Roulette,  die  Radlinie  (Cycloide)  1658  —  nach 

..kte^)    entstanden    sind,    hat    er    notwendigerweise 

-111^^'  einschränken  müssen,  und  lässt  sie    nur   nach 

hin    gelten:    Pascal  sei    nur  Hallucinationen ,    also 

.11- en  unterworfen    gewesen,  und  übrigens  sei  seine 

it  Ursache  seiner  Religiosität  und  seines  asketischen 

vt'son. 

s    dies   wird   dargestellt   als   ein  Beweis,  dass  PascaFs 
t  absoluter  Notwendigkeit  eine  solche  Richtung  nehmen 
<)l)sclion    diese  Annahme   doch  wohl  in    starkem  Wider- 
/u  Lelut's  Verwerfung  der  Prädestination  steht. 
Wie  wir  bereits  erwähnt  haben,    bewirkte    nach  Mine  Pe- 
-  1  .iziililiing  Jacqueline  PascaVs  zweite  Bekehrung.     Sie  hatte 
lui.uitliorlich  bestrebt,  ihren  Bruder  von  dem  weltlichen  Le- 
■   liwzuieissen.    In  einem  Briefe  vom  8.  Dezember  1654  schreibt 
,  (in SS  er  bereits  seit  einem  Jahre  von  Weltverachtung  erfüllt 
>v<'>oii    sei    und    einen   fast    unüberwindlichen   Abscheu   gegen 
...  .:ii(*li  gesinnte  Menschen  gehegf  habe.     In  einem  andern  Briefe 
11  1^5.  Januar  1655  erzählt  sie,  dass  ihre  Bestrebungen  schon 
i  September  1654  (also  vor  dem  Vorfalle  auf  der  Brücke  und 
.  <»r  doY  Amulettaflfäre)  sehr  erfolgreich  ausfielen,  und  dass  er  sich 
.  n  s.  Dezember   an   Singlin    als    an   seinen   Seelsorger   wandte. 
'^.(  ses  geschah  gerade  am  14.  Jahrestage  der  Krönung  Jacque- 
line's  auf  dem  Sängerfeste  zu  Ronen. 

Unmittelbar  nach  einer  Predigt  Singlin's  über  den  Anfang 
zu  einem  christlichen  Leben  fasste  Pascal  seinen  Entschluss,^) 
man  kann  wohl  nicht  bloss  sagen  Christ  zu  werden,  sondern 
iX'dnz  mit  der  Welt  zu  brechen.  Antoine  Singlin,  Saint  -  Cyran's 
Nachfolger  in  der  Seelsorge  zu  Port-Royal,  war  ein  ungelehrter 
Mann,  der  so  darüber  erschrak,  Pascal's    geistliche  Leitung   auf 


^)  Dieses  hindert  jedoch  Condorcet  nicht,  zu  schreiben:  Es  ist 
ein  grosser  Abstand  des  Amuletts  von  der  Abhandlung  über  die  Cy- 
cloide ;  nichts  scheint  uns  geeigneter,  zu  erkl'ären,  wie  es  möglich  war, 
(liiss  alle  die  Gedanken,  welche  man  in  PascaVs  Papieren  fand,  aus 
demselben  Kopfe  entspringen  konnten.  Der  Verfasser  der  Cycloide 
hat  einiges  davon  geschrieben,  das  übrige  ist  von  dem  Verfasser  des 
Amuletts.  Pensäes  de  P.  avec  les  notes  de  Voltaire.  Londres  1785. 
I.  p.  29  und  32. 

'^)  Recueil  d'Utrecht,  p.  261  ff.  —  Faugere:  Lettres,  opusculea 
etc.,  p.  453  und  361  ff. 


230  Thor  Sundby 

sich  zu  nehmen,  dass  er  dieselbe  Jacqueline  übertrug  und  sich 
nach  Port-Royal  des  Champs  begab,  indem  er  dem  berühm- 
ten Büsser  ausdrücklich  untersagte,  ihm  zu  folgen.  Kurz  darauf 
verliess  Pascal  jedoch  Paris,  um  sich  der  Gesellschaft  Roannez' 
und  seiner  Freunde  zu  entziehen;  er  begab  sich  auf  das  Schloss 
Vaumurier,  welches  dem  Herzoge  von  Luynes  gehörte,  und  bald 
darauf  zu  dem  naheliegenden  Port-Royal  des  Champs.  Hier 
stellte  er  sich  unter  Le  Maistre  de  Saci's  Leitung.  Dieser  Mann 
(1613  —  84),  der  Schwestersohn  Arnauld's  (sein  häufig  gebrauch- 
ter Zuname  de  Saci  ist  nur  eine  Umschreibung  seines  Vornamens 
Isaac),  war  auf  Grund  seines  ruhigen,  ernsten  Charakters  dazu 
ausersehen  worden,  nicht  bloss  für  die  „Einsiedler"  Seelsorger  zu 
sein,  sondern  auch  für  einen  Teil  der  Nonnen,  welche  aus  dem 
Kloster  zu  Paris  ausgezogen  waren  und  in  einem  besonderen 
Gebäude  eine  Filiale  desselben  eingerichtet  hatten. 

Die  Nachricht  über  das  erste  Gespräch  de  Saci's  mit  Pas- 
cal verdanken  wir  Fontaine,  dem  Sekretär  de  Saci's.  Nur  im 
Vertrauen  auf  die  Schrift  und  die  Kirchenväter  durfte  sich  der 
Seelsorger  mit  Pascal  einlassen.  Dieser  entwickelte  im  Ge- 
spräche die  Grundlage  seiner  Auffassung  von  dem  Wesen  des 
Menschen  und  seinem  Verhalten  zur  Religion.  Indem  er  Epiktet 
und  Montaigne  einander  gegenüberstellt,  zeigt  er  die  Hoheit,  welche 
in  der  stoischen  Auffassung  des  Menschen  liegt,  und  die  Armselig- 
keit und  Ohnmacht  desselben  nach  der  epikuräisch  -  skeptischen 
Anschauung.  Die  eine  Auffassung  führt  zur  Einbildung  und  zum 
Übermut,  die  andere  zur  Selbstverachtung  und  Feigheit.  Nur 
im  Christentume  können  sich  diese  Gegensätze  vereinigen,  sonst 
müssen  Glaube  und  Zweifel  beständig  mit  einander  im  Kampfe 
liegen.  Des  Menschen  doppelte  Natur,  seine  Grösse  und  sein 
Elend,  kann  nur  durch  die  christliche  Lehre  vom  Sündenfall 
erklärt  werden.  Obschon  nun  Epiktet  wie  Montaigne  nur  je  eine 
Seite  hervorheben,  sind  beide  doch  vorzüglich  geeignet,  der  eine 
um  uns  vom  Äusserlichen  loszureissen,  der  andere  um  uns  von  un- 
serer Unfähigkeit  zu  überzeugen,  durch  eigene  Kraft,  nur  mit  Hilfe 
des  Verstandes  zu  der  Erkenntnis  der  absoluten  Wahrheit  zu 
gelangen.  Wiewohl  de  Saci  meinte,  dass  das  Lesen  dieser 
Autoren  wohl  nicht  so  leicht  andere  als  Pascal  zum  Christentum 
führen  würde,  fühlte  er  sich  doch  von  dem  Umstände  betroffen, 
dass  Pascal,  welcher  die  Kirchenväter  nicht  gelesen  hatte,  auf 
diesem  Wege  zu  demselben  Resultate  gekommen  war,  wie  sie. 
Er  bewunderte  auch  die  Art  und  Weise,  wie  Pascal  in  kurzen 
kräftigen  Zügen  Montaigne  schilderte,  so  dass  er  hieraus  den- 
selben besser  kennen  lernte,  als  wenn  er  ihn  lange  studiert 
hätte.       Übrigens     führt     de    Saci     natürlich     Augustinus     als 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  eic,  231 

ampfgenossen    ins  Feld,    aber   so   ruhig   und    besonnen, 
ausserordentlich    interessant    ist,    gegenüber    PascaFs 
ng    seines  Lieblingsschriftstellers   diese  ruhigen  Bemer- 
zii  lesen.     Wesentlich  jedoch  knüpft  sich  unser  Interesse 
l's  leidenschaftliche  Äusserungen,  welche  selbst  der  ge- 
Fontaine   in   seiner    besonnenen  Darstellung   nicht  voll- 
abzuschwächen vermocht   hat.     Wie   charakteristisch  ist 
1  Ausruf  wie  dieser:  „Ich   gestehe  Ihnen,   dass   ich   nur 
ude  sehen  kann,  wie  bei  Montaigne  die   hochmütige  Ver- 
)  unwiderstehlich   durch   ihre  eigenen  Waffen  geschlagen 
wie  mich  auch  diese  gewaltsame  Erhebung  des  Menschen 
it'u  Menschen   freut      Von    der    Gemeinschaft    mit   Gott, 
r  Mensch  sich  durch  seine  Grundsätze   erhob,    schliesst 
>^e   Empörung    aus   und   erniedrigt   ihn    zum   Tiere,     Von 
Herzen  würde  ich  Montaigne,  das  Werkzeug  dieser  gross- 
liache,  geliebt  haben,  weil  er,   der  bezüglich    des  Glau- 
11  Anhänger  der  Kirche  war,  auch  die  Gesetze  der  Moral 
und    die  Menschen,   welche    er    so    heilsam    gedemütigt 
'azu  vermocht  hat,  nicht   durch  neue  Sünden  den  zu  er- 
welcher  allein  von  der  Sünde  lossprechen   kann,  gleich- 
sie  auch  überzeugt  hat,  dass  sie  die  Sünde  nicht  einmal 
können." 

»iitaine    schliesst   seinen  Bericht   über  diese  Unterredung 

.  r   Schilderung    der  Freude,    welche   PascaFs  Bekehrung 

Koyal   erregte.     Dieselbe   zog  bald    andere    nach    sich; 

/v>g  von  Roannez   und  Domat,    beide   PascaFs    Freunde, 

1  sich  ebenfalls.  1)     Roannez  (1630  —  1696),    der   letzte 

Spross  seines  Hauses,  war  damals  erst   24  Jahre  alt. 

dem    er   mit  Port -Royal  in  Verbindung  getreten  war, 

Scliritte,  um  eine  Heirat  zwischen  ihm  und  der  „reich- 

'  des  Landes",  MUe  de  Menüs,  zu  Stande  zu   bringen. 

lull    eine   abschlägige  Antwort,   was    bei   seinen  Ver- 

•"A   Bedienten   eine    starke    Erbitterung   gegen   Pascal 

Dieser  wohnte  damals  gerade  in  Roannez'  Palais  zu 

Mi'mals  seinen  ständigen  Aufenthalt  zu  Port-Royal  nahm. 

'S  begab  sich  die  Frau  eines  Schweizers  (Pförtners)  mit 

<   l)ewaffnet,  zu  ihm,  um  ihn  zu  ermorden;  er  enl^ing 

liache,  da  er  an  dem  Tage  zufällig  früh  ausgegangen 

<ie   er    genötigt,    dieses  Haus    zu  verlassen;    aber 

e  dadurch  nicht  geneigter,   seine  Ehelosigkeit  auf- 

luilim   später  seinen  Aufenthalt  bei   den  Oratoria- 


■ITtrecht,  p.  272,  Anm. 


232  Thor  Sundby 

nern;  seine  Schwester/)  welche  1656  unter  seinem  und  PascaFs 
Einfluss  daran  dachte,  Nonne  zu  werden,  heiratete  1667  Fran- 
gois  d'Aubusson  de  la  Feuillade,  auf  welchen  sie  die  Pairswürde 
übertrug. 

Domat  (1625-96),  ein  Mathematiker  und  Rechtsgelehrter, 
hat  vorn  in  sein  corpus  juris  mit  Rotstift  ein  hübsches  Bild  von 
Pascal  gezeichnet,  welches  in  Faug^re's  Ausgabe  der  Pensees 
wiedergegeben  ist  Es  ist  vermutlich  1648,  als  Pascal  25  Jahr 
war,  entstanden,')  und  bildet  mit  seinem  jugendlichen,  fast 
kindlichen  Gepräge  einen  merkwürdigen  Gegensatz  zu  dem  be- 
kannteren Porträt,  dessen  ernste,  ja  sorgenvolle  Züge  andeu- 
ten, dass  es  mindestens  10  Jahre  später  entstanden  ist  Dieses 
letztere,  welches  von  Edelinck  nach  einem  erst  nach  Pascal's 
Tode  gemalten  Bilde  gestochen  ist,  soll  jedoch  einem  Zeugnisse 
der  Marguerite  Parier  zufolge  sehr  gut  getroffen  sein.  Obgleich 
Domat's  Grossonkel,  der  gelehrte  Jesuit  Jacques  Sirmond,  Lud- 
wig's  XIII.  Beichtvater,  den  Neffen  in  dem  Jesuitenkolleg  zu 
Paris  hatte  erziehen  lassen,  blieb  derselbe  doch  beständig  ein 
Freund  PascaFs  und  ein  Anhänger  von  Port -Royal, 

Mit  diesen  beiden  Freunden  blieb  Pascal  im  Verkehr;  im 
übrigen  aber  scheint  er  zu  dieser  Zeit  sich  von  dem  Umgang 
mit  seinen  früheren  Bekannten  zurückgezogen  zu  haben.  Er 
führte  nicht  bloss  ein  stilles,  einsames  und  dürftiges  Leben, 
sondern  fand  auch  Befriedigung  darin,  sich  selbst  gewissen  Dienst- 
leistungen zu  unterziehen,  wie  etwa  sein  Bett  zu  machen  und 
sein  Essen  aus  der  Küche  zu  holen.  Seine  Gleichgiltigkeit  ge- 
gen alles  Äusserliche  ging  bis  zum  Extrem.  Ein  Brief  seiner 
Schwester,')  in  welchem  diese  sonst  so  ernsthafte  Nonne  darüber 
scherzt^  „dass  er  die  Besen  zu  den  überflüssigen  Dingen  rechne^', 
und  ihm  rät,  für  seine  Person  etwas  mehr  zu  sorgen,  bewirkte 
jedoch  eine  Änderung  hierin.  Die  meiste  Zeit  brachte  er  damit 
zu,  die  Bibel  wieder  und  wieder  zu  lesen.  Ihre  Worte  prägte 
er  sich  derartig  ein,  dass  er  eine  Kenntnis  der  heiligen  Schrift 
erlangte,  wie  sie  selbst  bei  den  Geistlichen  jener  Zeit  selten 
war.  Lange  jedoch  konnte  diese  ruhige  Beschäftigung  nicht 
währen.  Der  Lauf  der  Begebenheiten  riss  ihn  aus  dem  stillen 
Hafen  der  Betrachtung,  um  ihn  auf  das  brausende  Meer  der  Po- 
lemik zu  schleudern,  ehe  er  sich  dessen  versah.  Aber  auch 
hier  befand  er  sich  in  seinem  Element;  des  Kampfes  Lust 
und  Leben  war  fttr    sein    leidenschaftliches   Gemüt   nicht   ohne 


*)  Becueil  d'Utrecht,  p.  801,  Anm. 

2)  Faugöre:  Pens^es  de  P.,  p.  LXXIl  f. 

*)  Faugere:  Lettres,  opuscules  etc.,  p.  374. 


BUüse  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiieti  eic  233 

Reiz.  „Es  ist  ein  Vergnügen,"  sagt  er  in  den  Pensöes  XXIV, 
31,  6d.  Faugfere,  I,  324,  „sich  am  Bord  eines  sturmbewegten 
Schiffes  zu  befinden,  wenn  man  sicher  ist,  dass  es  nicht  unter- 
gehen wird.  Die  Verfolgungen,  deren  Gegenstand  die  Kirche 
ist,  bieten  eine  solche  Befriedigung."  Die  Zeit  eignete  sich  wohl 
dazu,  ihm  diese  Befriedigung  zu  verschaffen. 

(Fortsetzung  folgt.) 

Thor  Sündby. 


Zu  dem  französischen  Wörterbuch  von  Sachs.') 


Die  im  Folgenden  angeführten  Citate  sind  zum  tiberwie- 
genden Teile  dem  „Petit  Jouraal"  entnommen,  welches  in  Paris 
täglich  in  einer  Auflage  von  720000 — 730000  Exemplaren  er- 
scheint. Vgl.  Le  Petit  Journal,  12  janvier  1884:  „Le  tirage  du 
Petit  Journal  ayant  d^passe  d'une  maniöre  que  Ton  peut  croire 
definitive,  le  chiffre  de  720000  exemplaires  par  jour,  varie 
de  ce  chiffre  ä  730000"  und  Grand  Almanach  niustr6  du 
Petit  Journal,  1884,  pag.  8:  „Le  tirage  moyen  en  1882  a  6t6 
de  664927  exemplaires  contre  629651  en  1881.  Pendant  les 
six  Premiers  mois  de  1883,  il  s'est  61eve  ä  701125  par  jour; 
celui  de  la  mßme  p6riode  en  1882  n'avait  6t6  que  de  651112 
exemplaires."  Ich  bediene  mich  der  Abkürzung  P.  J.  =  Le 
Petit  Journal,  gebe  das  Datum  der  Nummer,  die  Überschrift  des 
Artikels  und  in  ()  entweder  den  Namen  des  Verfassers  oder 
eine  den  Ursprung  des  Artikels  betreffende  Notiz.  Die  im 
Feuilleton  erscheinenden  Romane  sind  mit  ihrem  vollen  Titel 
angeführt. 

L  Wörter,  welche  bei  Sachs  fehlen: 

adaptateur  =  Jemand,  der  etwas  für  einen  bestimmten  Zweck  zu- 
recht macht.  —  M.  Georges  Ohnet,  auteur  du  Maitre  de  Forges,  vient 
d'adresser  la  lettre  suivante  au  directeur  du  Journal  anglais,  The  Era, : 
Monsieur,  Un  des  lecteurs  de  votre  estimable  Journal  vous  adresse  une 
lettre  dans  laquelle  il  vous  demande  si  je  n'aurais  pas  tir^  mon  roman 
et  ma  piöce,  le  Maitre  de  Forges,  d'une  oeuvre  de  M.  Bachanan,  in- 
titul^e;  Lady  Cläre,  et  jouöe  il  y  a  quelques  mois  ä  Londres  .  .  .  Ayant 
ätä  adapt^,  suivant  Teuphämisme  dälicat  en  usage  dans  la  maison 
Buchanan  and  C^,  je  m'^tais  räsi^nä.  Mais  accus^  d'Stre  un  adapta- 
teur, cette  fois  je  me  r^volte  et  ]e  demande  qu'on  laisse  ä  chacun  ce 
qui  lui  appartient:  a  moi  le  petit  m^rite  d'avoir  fait  le  Maitre  de 
Forges;  ä  M.  Buchanan  le  grand  avantage  d'y  avoir  promen^  sa  bonne 


*)  Grosse  Ausgabe;  4.  Aufl.,  1883. 


B.  Über,  Zu  dem  franz.  Wörkrhuehe  von  Sachs.  235 


■■x  ix! 


-    P.  J.  8  janv.  1884.    Lettres,   sciences  et  arts.  — 

.    •(•  ili's  anjourd*hui  utiliser  toutes  les  forces  naturelles,  spä- 

■    .<>    «hiites   d'eau,    etc.,  sans  autres  frais  sensibles  que  deux 

~    cl\  iiiiiuo -^lectriques  rdunies  par   deux  fils  mätalliques  pour 

.'    couv!^   d'eau   muni   de    turbines   ou   de  roues  hydrauliques  .  .  . 

I.  fus  ])aysages,  qu'egayent  des  chutes  d'eau,  perdront  de  leur  gran- 

r  et  de  leur  poesie;  mais,  h^las!  avant  tout,  ilfautvivre;  Thomme 

1-  vicndra  t'atalement,  et  de  plus  en  plus,  un  adaptateur  de  la  nature. 

—  V.  J.  24  janv.  1884.  L'älectricitö  motrice.  —  Fehlt  bei  Acad^mie 
und  Littre. 

a(jisse7nenis  pl.  =  Gebahren.     Vgl.  diese  Zeitschrift  V^*,  p.  51.*) 

—  Apres  quelques  affaires  peu  importantes,  le  conseil  entend  une 
qupstion  de  M.  Monteil,  au  sujet  de  nombreuses  plaintes  qui  se  sont 
elevees  contre  les  agissements  abusifs  de  la  compagnie  fermi^re  des 
eaux  de  la  Ville.  —  r.  J.  5  d^c.  1883.  Conseil  municipal  de  Paris.  — 
M.  Vauthier  signale  les  agissements  d'une  compagnie  de  distribution 
d'eau  qui  traite  directement  avec  les  consommateurs,  et  qui,  une  fois 
les  engagements  sonscrits,  augmente  indüment  ses  tarifs.  —  P.  J. 
7  ddc.  1883.  Cons.  municip.  de  Paris.  —  Fehlt  Acad.;  Littrö:  Supple- 
ment: agissement,  s.  m.    Terme  de  palais.    Mani^re  de  faire. 

alpinisie  =  Alpensteiger.  —  Le  col  de  la  Traversetta,  oü  arri- 
verent  les  hardis  alpinistes,  est  un  vallon  situä  au  Nord.  —  P.  J.  4  janv. 
1884.  fitranger.  —  Fehlt  bei  Acad.;  Littr^,  Suppl.:  alpiniste  s.  m. 
Celui  qui  pratiqne  Tascension  des  montagnes  des  Alpes. 

amel  =  Emir,  Scheik?  —  Le  ministre  de  la  guerre  a  re^u  d*Oran 
une  d^p^che  annon^ant  que  le  gän^ral  Thomassin,  escortä  par  une  forte 
colonne  sous  les  ordres  du  g^n^ral  de  brigade  Gand,  s'est  rencontr^  le 
25  janvier  a  Sidi  Saher  avec  Tamel  d'Oudjda.  Le  g^nöral  Thomassin 
a  obtenu  de  ce  personnage  qu*il  emploierait  son  influence  k  la  pacifi- 
cation  definitive  de  la  rögion  oranaise.  -•  P.  J.  3  f^v.  1884.  Derniöres 
nouvelles.  —  Fehlt  bei  Acad.  und  Littr^.  Es  ist  wohl  ein  arabisches 
Wort  und  bezeichnet  offenbar  einen  geistlichen  (oder  weltlichen?) 
W  ürdenträger. 

amorce  =  Anfang.  —  Daniel  Coalquin  pointa  vers  le  grand  corps 
de  legis,  relie  ä  la  rue  de  la  Fontaine  par  une  all^e  ä  cintre  de  pierres. 
A  Tamorce  de  ce  couloir  voüte  Claude  .Morel  s'ötait  s^par^  de  Robert 
Gärad.  —  P.  J.  16  mars  1884.  A.-J.  Dalsöme:  La  Folie  de  Claude.  — 
Cf.  Acad.  amorce.  II  se  dit,  en  termes  des  Ponts  et  Chauss^es,  d'une 
route,  d'une  rue  commencäe  ä  Tune  de  ses  extr^mitäs. 

amorcer  (se)  =  anfangen,  sich  entspinnen,  sich  ansetzen.  — 
Apr^s  la  discussion  des  paragraphes  relatifs  ä  la  nomination  des  in- 
stituteurs  .  .  .  la  discussion  ne  peut  plus  ofirir  que  de  rares  äldments 
d*intär6t.  Un  d^bat  tout  juridique  s*(^tait  amorc^  sur  Tarticle  18  du 
projet  de  toi  .  .  .  —  P.  J.  13  mars  1884.  Chambre  des  däputäs.  — 
Entre  son  chevet  et  ce  mur  de  cloture  regne  une  streite  cour  plant^e. 
Des  cours  pareilles  s'armorcent  ä  la  fa^ade  du  nord.  —  P.  J.  21  mars 
1884.    A.-J.  Dalseme:  La  Folie  de  Claude. 

ante'prece'deni ,  e  =  (an  zweiter   Stelle)  vorhergehend,   so  dass 


*)  Von  demselben  Worte  sagt  bereits  Darmesteter,  De  la  cr^- 
ation  actuelle  de  mots  nouveaux  dans  la  langue  fran9aise  et  des  lois 
qui  la  r^gissent.  Paris  1877,  S.  96:  „S'emploie  surtout  au  pluriel:  ^Les 
agissements  de  cet  homme*  selon  M.  F.  Wey  (Remarques  sur  la  langue 
fran9aise  II,  93),  ce  mot  est  du  k  M.  Billaud."  E.  K. 


236  ß.  über 

also  le  jour  ant^pr^cödent  =  Tavant-veille  ist.    (Vgl.  ant^pänultieme). 

—  Le  budget  de  1883  et  celui  de  1884  furent  pr^paräs  dans  cet  esprit: 
les  recettes,  au  lieu  d'etre  inscrites,  comme  autrefois,  en  reprenant 
simplement  les  chifPres  räalis^s  Tannäe  antö-präc^dente,  furent  calcu- 
l^es  Bur  le  pied  des  räsultats  obtenus  au  cours  de  Texercice  äcoul^, 
augmeut^es  de  la  moyenne  des  plus-values  offertes  par  les  cinq  der- 
niers  exercices.  —  P.  J.  26  oct.  1883.   L'amortissement  (Thomas  Grimm). 

—  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

antivivisectionniste  =  gegen  die  Vivisektion.  —  Les  promoteurs 
de  la  Ligue  anti-vivisectionniste  ...  —  P.  J.  31  juill.  1883.  —  Fehlt 
Acad.  und  Littr^. 

antisemite  und  antkemitique  =  Antisemit  und  antisemitisch.  — 
Troubles  antis^mistiques.  Vienne,  7  aoüt.  Des  d^pSches  reines  de 
Buda-Pesth  par  les  journaux  de  Vienne  annoncent  que  des  troubles 
antis^mitiques  ont  eu  lieu  ä  Zalaegerszeg  ...  On  assure  que  les  anti- 
sämites  ont  faii>  d'horribles  dägäts  dans  les  maisons  des  Isra^lites.  — 
P.  J.  29  aoüt  1883.  fitranger.  —  Troubles  antisömitiques.  Vienne, 
30  aoüt.  De  nouvelles  ^meutes  antisämitiques  ont  ^clat^  dans  le  comtat 
de  Zala.  —  P.  J.  2  sept.  1883.  fitranger.  —  Ähnliche  Depeschen  stehen 
in  den  Nummern  vom  4.  und  5.  Sept.  1883.  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

apicole  =  auf  die  Bienenzucht  bezüglich.  —  Le  Congrös  apicole. 
Voilä  pourquoi  a  6t6  organisä  le  congres  apicole  de  1883  ..  .  dans  un 
congrös  apicole  ...  —  P.  J.  19  juill.  1883.  —  Fehlt  Acad.;  Littre  SuppL: 
Qui  a  rapport  ä  l'apiculture. 

w^chidemode,  e  =  ganz  und  gar  aus  der  Mode  gekommen.  — 
[La  piäce]  appartient  ä  la  catägorie  des  opärettes  ä  outrance  qui  eurent 
leur  heure  de  vogue  vers  1865,  au  temps  de  la  Belle  H^läne,  aujourd'hui 
archi-dämod^es.  —  P  J.  1  oct.  1883.  Premieres  repräsentations  (L^on 
Kerst).  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

archimiUionnaire  =  vielfacher  Millionnär.  —  Vous  figurez-vous 
que  les  agents  de  la  pr^fecture  s'occuperont  de  moi  quand  je  serai 
archimillionnaire?  —  P.  J.  15  avril  1883.  Xavier  de  Montäpin:  Simone 
et  Marie.  —  Depuis  plusieurs  ann^es  une  grande  dame,  archi-million- 
naire,  M^e  Nathaniel  de  Rothschild  ...  —  P.  J.  15  sept.  1883.  —  Mon- 
sieur Joramie  est  un  des  personnages  politiques  et  financiers  les  plus 
en  vue  de  Paris.  Pour  ne  pas  connaitre  ce  nom  d'un  archi-million- 
naire  il  faudrait  avoir  toujours  vöcu  au  Congo  ...  —  P.  J.  6  döc.  1883. 
E.  Richebourg:  La  Petite  Mionne.  —  On  annonce  Tarriväe,  k  Marseille, 
du  richissime  Amäricain,  M.  William  Astor,  de  New -York.  Cet  archi- 
millionnaire jouit  de  15  millions  de  revenu  annuel,  seit  plus  de  40000  fr. 
par  jour.  —  P.  J.  12.  janv.  1884.  Petites  Nouvelles.  —  Fehlt  Acad. 
u.  Littr^. 

arraisonnement  =  Anrufen  eines  Schiffes  zu  genauer  Erforschung 
seines  verdächtigen  Gesundheitszustandes.  —  Lorsqu'un  navire  suspect 
se  presente,  il  est  „arraisonn^".  L'arraisonnement  consiste  dans  un 
interrogatoire  d^taillö  ...  —  P.  J.  4  juill.  1883.  La  quarantaine.  — 
Fehlt  Acad.;  Litträ,  SuppL:  Terme  du  langage  sanitaire.  Examen 
soigneux  d'un  navire  duquel  on  doute  quant  ä  la  santä. 

arriere-pibce  =  Hinterzimmer.  —  Vienne,  10  janvier.  Une  gou- 
vernante  et  deux  jeunes  enfants  ^tant,  aux  cris  d'appel,  accourus  d'une 
arri^re-pi^ce,  cette  gouvemante  et  un  des  enfants  ont  ^t^  ä  leur  tour 
griävement  bless^s.  —  P.  J.  13  janv.  1884.  fitranger.  —  Fehlt  Acad. 
u.  Litträ. 

arroseur  =  Begiesser.  —  üne,  temp§te  ä  Madrid.  On  lit  dans 
la  Epoca  du  16  septembre:  „Une  violente  tempöte  a  öclatä  hier  soir, 


Zu  dem  franz.  Wörierlmch  von  Sachs.  237 

ä  Madrid,  oü  eile  a  cause  de  grands  degäts.  Dans  le  parc  de  Madrid, 
un  arroseur,  qui  s'^tait  r^f ugi^  sous  ,un  arbre  .  .  .  a  ^tä  frappä  par  la 
foudre  ...  —  P.  J.  20  sept.  1883.    Etranger.  —  Fehlt  Acad.  u.  Littrö. 

arroyos  plur.  (Span.)  =  Gefliesse.  —  Le  ministre  de  la  marine  vient 
de  rdpartir  .  .  .  les  diffärents  bätiments  qui .  .  .  seront  plac^s  sous  les  or- 
dres  de  M.  le  contre-amiral  Meyer  .  .  .:  ...  I^esteront  arm^s  a  Saigon  et 
dans  les  arroyos  de  la  Basse-Cochinchine :  stationnaire  le  Tilsitt ...  — 
P.  J.  11  mai  1883.  Commissions  parlementaires.  —  La  partie  occiden- 
tale  du  pays  [la  Cochinchine  fran9aise]  präsente  un  sol  g^n^ralement 
plat,  trös  peu  ölevd  et  sillonn^  de  tous  cötds  d'un  nombre  considörable 
d'arroyos.  —  P.  J.  15  janv.  1884.  Les  colonies  fran^aises.  —  Fehlt 
Acad.  u.  Littrö.  —  Die  Bedeutung  verdanke  ich  der  Schlesischen  Zei- 
tung, No.  785,  in  1883,  welche  ein  Gitat  bringt  aus  £niile  Bägin:  Über 
die  Gesundheit sverhältnisse  in  Cochinchina:  „Cochinchinas  Boden  ist 
ein  vollständiges  Schwemmland,  also  sehr  feucht;  die  Stödte  sind  unter 
einander  durch  zahlreiche  Gefliesse  (arroyos)  verbunden,  auf  denen 
sich  ein  zahlreicher  Dschunkenverkehr  bewegt". 

atier  =  ?;  Name  eines  Fruchtbaumes.  —  On  cultive  aussi  dans 
nos  possessions  un  grand  nombre  d*arbres  frutiers:  bananier,  citron- 
nier,  oranger,  grenadier,  pamplemoiissier,  goyavier,  papayer,  vigne, 
manguier,  atier,  etc.  —  P.  J.  6  janv.  1884.  Les  colonies  fran^aises. — 
Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

auiocopisie  =  Autokopist,  Selbstabschreiber.  —  Enorme  succ^s! 
L'autocopiste  noir  ou  l'imprimerie  chez  soi.  Cet  appareil  donne,  sans 
passe,  50  ä  100  reproductions  en  noir,  d^une  simple  Venture  ou  dessin, 
ä.  Teuere  ou  au  crayon,  aussi  helles  qu*en  lithographie.  —  P.  J.  2  janv. 
1884.  Annonce.  —  Wiederholt  am  31  janvier  1884.  —  Fehlt  Acad. 
u.  Littr^. 

hätiment-ecole  =  Schulschiff.  —  Le  b&timent-6cole  roumain  la 
Nircea  doit  se  rendre  prochainement  ä  Toulon  et  ä  Alger.  —  P.  J. 
20  sept.  1883.  —  L'itinäraire  des  bätiments -Cooles  de  matelotage  et 
de  timonerie  la  R^solue  et  la  Favorite  .  . .  a  ^tö  räglö  ...  —  P.  J. 
12  oct.  1883.  —  Fehlt  Acad.  u.  Littr^. 

öelleinllois,  e  =  zw  Belleville  (Kommune  im  Bezirk  von  Paris) 
gehörig.  —  Peut-6tre  .  . .  ne  saurait-on  faire  reproche  au  däputä  de 
Bellevüle  d'en  avoir  envisagö  la  suite  au  point  de  vue  bellevillois.  — 
P.  J.  30  janv.  1884.    Les  Solutions  propos^es.*) 

boiseur  ouvrier  -  =  Holzarbeiter.  —  ...  tous  deux  ouvriers  boi- 
seurs  ...  —  P.  J.  30  juill.  1883.  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

bonneteau  =  Kummelblättchen  (Villatte:  Parisismen).  —  ...  les 
joueurs  de  bonneteau  ...  —  P.  J.  18  mars  1883.  —  M.  le  prüfet  de 
police  fait  observer  que  le  jeu  de  bonneteau  ätant  considär^  comme 
une  escroquerie  et  puni  comme  tel  par  le  tribunal  de  police  correc- 
tionnelle,  c^est  au  public  k  se  tenir  en  garde  et  ä  ne  pas  exposer  son 
argent.  —  P.  J.  28  nov.  1883.  Conseil  gän^ral  de  la  Seine.  —  Fehlt 
Acad.;  Littr^,  Suppl.:  Jeu  de  filou  dans  lequel  is  s^agit  de  deviner  la 
place  d*un  as  de  cceur  parmi  trois  cartes  etc.*) 

bookmaker  =  Buchmacher;')   vergl.  Littr^,   Suppl.:   book  s.  m. 

*)  „Nous  avons  vu  depuis  1869  les  Bellevillois  paraitre  sur  la 
scöne  politique."     Darmesteter  1.  c.  S.  85.  E.  K. 

^)  Genauer  und  ausführlicher  ist  L.  Bigaud.  Dict.  d'argot  mo- 
derne, Paris  1881.  s.  v.  E.  K, 

')  Das  Wort  ist  bereits  von  Kressner  in  dieser  Zschr.  III,  546 
belegt.  E,  K, 


238  B.  Über 

Terme  de  turf.    Livre   sur  lequel  les  parieurs  inscrivent  leurs  pari». 

—  M.  Dulac,  des  d^ldgations,  chargä  de  faire  une  enquSte  sur  les  faits 
et  gestes   de   ce  bookmaker  Ta  arr^t^  hier  matin  et  äcroae  au  d^pöt. 

—  P.  J.  26  nov.  1883.  Paris,  —  M.  Lallemand,  commissaire  de  police 
.  . .,  a  re9u  .  .  .  la  yisite  djune  centaine  de  personnes  de  toutes  classes, 
qui  venaient  porter  plainte  contre  quatre  bookmakers  faisant  le  pari 
ä  la  cote  pour  les  courses  de  chevaux.  Ces  bookmakers,  qui  avaient 
leurs  tableaux  de  courses  .  .  .  Les  bookmakers  en  fuite  vont  ^tre  re- 
cherchäs  ...  —  P.  J.  30  janv.  1884.    Paris.  —  Fehlt  Acad,  u.  Littr^. 

boudine  =  zu  fett  und  rund  (von  den  Fingern  gesagt);  subst.  == 
Stutzer.*)  —  Ses  gros  doigts  boudinäs  portaient  des  bagues  dömesuröes. 

—  P.  J.  27  mai  1883.  A.  Matthey:  La  Belle  Julie.  —  Schlesische  Zei- 
tung 1883,  No.  786,  Pariser  Brief:  Sollen,  wie  bisher,  die  der  Kutscher- 
liver^e  entlehnten,  bleichgestreiften  Cravatten,  die  —  ein  Kunststück 
der  Webekunst  —  obwohl  aus  Seide  gefertigt,  genau  wie  Baumwolle 
aussehen,  noch  fernerhin  getragen  werden,  oder  .  .  .?  Schwerwiegende 
Frage!  behaupten  die  pariser  boudinös.  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ.  — 
Das  Wort  ist  offenbar  von  boudin  „Wurst"  abzuleiten  und  bezeichnet 
im  ersten  Falle  die  Finger  als  wurstförmig  und  im  zweiten  einen  „glatt 
geschniegelten  und  gebügelten"  Stutzer.  Vgl.  Acad.  sub  voce:  boudin, 
se  dit,  par  extension,  de  certaines  choses  qui  ont,  par  leur  forme,  quel- 
que  ressemblance  avec  le  boudin;  und  Villatte,  Parisismen:  boudins 
pl.  zu  fette  Hände  mit  runden  Fingern.*)    Vgl.  aber  Ztschr.  V*,  p.  213. 

braisette  f.  =  kleine  Holzkohle.  —  A  Tentröe  de  l'hiver,  nous 
rappelons  au  public  que,  pour  emp^cher  les  feux  de  coke  de  s'öteindre, 
il  est  bon  de  mölanger  ce  combustible  avec  de  la  braisette.  L'id^e 
que  nous  en  avons  suggär^e  a  notre  clientöle  Van  passä  a  4t6  fort  ap- 
pr^ci^e  et  nous  en  avons  vendu  beaucoup.  Notre  stock  de  braisette 
s'est  röform^  cet  ^t^.  Nous  l'offrons  ä  trös  bon  march^',  3  fr.  le  sac 
de  25  kilog.  —  P.  J.  14  d^c.  1883.  Annonce.  —  Wiederholt  9  fävrier 
1884.  —  Fehlt  Acad.  u.  Littrö.  —  Vgl.  Acad.  s.  v.  braise,  se  dit  aussL 
des  charbons  que  les  boulangers  tirent  de  leur  four,  et  qu^ils  ^teignent 
ensuite  pour  les  vendre;  u.  Littr^:  braise  3**  Charbons  ^teints.  La 
braise  est  trös  commode  pour  allumer  le  feu. 

burquisme  =  m^talloth^rapie ;  vgl.  dort. 

cabocheur  =  Schlächtergehilfe,  welcher  die  Hammelköpfe  spaltet, 
um  Zunge  und  Gehirn  herauszunehmen.  —  Puis  vient  le  tour  du  ca- 
bocheur, qui  fend  chaque  tSte  avec  un  couperet  pour  en  retirer  la 
cervelle.  —  P.  J.  16  aoüt  1883.  Tableaux  et  types  parisiennes  IV: 
Cabocheurs,  philosophes  ...  —  En  parcourant  le  sous-sol  des  Halles 
centrales  nous  avons  visit^  le  massacre  oü  les  cabocheurs  fendent  les 
totes  de  moutons  pour  en  retirer  la  langue  et  la  cervelle.  —  P.  J. 
6  sept.  1883.    Tableaux  et  types  parisiennes.  —  Fehlt  Acad.  u.  Littr^. 

cageau  m  =  kleiner  viereckiger  Käfig.  —  On  place  d'abord  dans 
Tobscuritä,  pendant  une  di^aine  de  jours,  l^)iseau  dans  la  petite  cage 
carrde,  le  cageau,  qui  lui  est  d^stinle.  —  P.  J.  21  sept.  1883.  —  Fehlt 
Acad.  u.  Litträ. 

Canaqtie  =  Kanake.  —  La  Nouvelle-Cal^donie  a  comme  däpen- 


*)  „La  derniöre  incamation  du  gommeux.  Le  mot  est  de  Riche- 
pin."     So  G.  Fustier  im  Suppl.  zu  Delvau.  E.  K. 

*)  Man  vgl.  dazu  boudiner  bei  Delvau,  Dict.  de  la  langue  verte, 
Paris  1883;  Larchey,  Dict.  historique  d*argot,  7«  ^d.  Paris  1878  und 
Villatte,  der  hier  nur  Eigaud  benutzt  zu  haben  scheint.     E.  K, 


Zu  dem  frnnz.  Wörterbuch  von  Sachs.  239 

dance  l'ile  des  Pins    et   las   iles  Loyalty,   habit^es   par   les  Canaques. 

—  P.  J.  22  nov.  1883. 

capuchonner  =  eine  Lokomotive  so  behandeln,  dass  die  Dampf- 
entwickelung aufhört.  —  [Le  m^canicien]  Guy  eut  encore  la  pr^sence 
d'esprit  de  desserrer  ses  balances  et  de  capuchonner  sa  machine,  qu'il 
ne  voulut  abandonner  qu*ä  Valence.  —  P.  J.  21  janv.  84.  Chronique 
du  bien.  —  Fehlt  Acad.;  Litträ,  Suppl.:  Disposer  une  locomotive  de 
teile  fa^on  que  la  production  de  la  vapeur  y  cesse,  et  que  la  pression 
de  la  machine  aille  s'afPaiblissant  ä  mesure  que  le  train  avance;  cela 
se  fait  dans  les  souterrains,  afin  d'y  ^viter  la  fum^e. 

carbiner  ses  mireties  =  erstaunt  die  Augen  öffnen.  —  En  route, 
deux  rödeurs  causaient  ensemble:  —  Ah  mince!  dit  Tun,  ta  gonse,  en 
rappliquant  ä  la  piaule  (maison),  va  bougrement  carbiner  ses  mirettes 
(ouvrir  les  yeux  d'^tonnement).  —  P.  J.  19  janv.  84.  Une  raüe  dans 
les  carriöres.  —  Fehlt  Acad.,  Litträ  u.  Villatte:  Parisismen.*) 

carhurateur  =  ?  —  Deux  hommes  de  peine,  .  .  .,  travaillaient 
...  au  carburateur  ä  gaz  du  tissage  m^canique  .  . .  Soudain,  une  ex- 
plosion  terrible  eut  lieu;  .  .  .  L*un  deux  .  .  .  en  ce  moment  montä  sur 
une  Schelle  au-dessus  du  carburateur,  se  pr^oipite  ä  terre  .  . .  le  con- 
cierge  du  tissage  .  .  .  se  leve  et  entre  bravement  dans  le  logement  du 
carburateur,  pour  porter  secours  ...  —  P.  J.  19  d^c.  1883.  Nouveau 
sinistre  ä  Roubaix.  —  Fehlt  Acad.  u.  Littr^. 

championnai  m.  =  Meisterschaft.  —  La  31«  course  annuelle  de 
Championnat  de  France.  —  La  coupe  du  Championnat  est . . .  le  don . . . 

—  .  .  .  la  derniöre  ^preuve  du  Championnat.  —  P.  J.  8  oct.  1883.  Le 
Championnat  de  France.  —  La  grande  course  nautique  du  Championnat 
de  France  a  €t€  un  nouveau  triomphe  pour  M.  Lein,  qui  conserve  le 
titre  de  Champion  de  France.  —  P.  J.  9  oct.  1883.  —  Course  du  Cham- 
pionnat de  Paris,  organis^e  par  la  sociöt^  völocip^dique  m^tropolitaine. 

—  P.  J.  28  oct.  1883.  —  La  course  annuelle  du  Championnat  de  Paris  . . . 

—  P.  J.  31  oct.  1883.  —  Le  sport  välocipädique  a  choisi,  pour  courir 
Bon  championnat  de  fond  ...  —  P.  J.  11  nov.  1883.  —  Comme  nous 
Pavions  annoncä,  le  championnat  de  fond  völocipddique  .  .  .  a  €t^  couru 
dimanche.  —  P.  J.  17.  nov.  1883.  —  Fehlt  Acad.;  Litträ,  Suppl.  Add. : 
Qualitä  de  champion. 

charruer  =  pflügen.  —  Dans  une  commune  de  la  cöte,  vers 
Hirel,  raconte  le  Phare  de  Bretagne,  un  cultivateur  charruait  son 
champ  ...  La  charrue,  en  d^chirant  le  sol,  avait  äventrd  un  nid  de 
frelons  ...  —  P.  J.  11  oct.  1883.*) 

cMnier  =  ?  —  Quant  au  röglement  des  däpenses,  Pagence  s'en 
chargeait,  moyennant  commission,  et  si  completement  qu'elle  ^vitait 
aux  int^ress^s  jusqu'ä  ces  de  pourboires  dont  les  harcelent  porteurs, 
tendeurs,  cochers,  chßniers  et  fossoyeurs.  —  P.  J.  20  janv.  1884.  A.-J. 
Dals^me:  La  Folie  de  Claude.  —  Fehlt  Acad.;  Littr^:  chänier  s.  m. 
Terme  de  botanique.  Champignon  de  chene,  eine  Bedeutung,  die  hier 
ausgeschlossen  ist.^) 

*)  Vgl.  mirette(s)  bei  Eigaud,  Larchey,  Delvau  und  Villatte,  der 
Eigaud  ausschreibt. 

*)  Das  Wort  fehlt  auch  L.  und  A.  Altfranzösisch  ist  es  häufig. 
Vgl.  Godefroy,  Dict.  de  Panc.  langue  fran9.  s.  v.  charuer.  Etym.  *car- 
racare.  E.  K, 

^)  Das  Wort  dürfte  mit  chßniöre  zusammenhängen,  und  etwa 
Fährmann,  Schiffer  bedeuten,    über  chßniöre  s.  Littr^,  Suppl.  s.  v. 


240  B.  mer 

chinant  =  ennuyeux.*)  —  II  est  rien  chinant  (ennuyeux)  le  quart 
d'cBÜ  (le  commissaire   de  police),  r^plique   l'autre  [des  deux  rddeurs]. 

—  P.  J.  19  janv.  1884.  üne  rafle  dans  les  carri^res.  —  Fehlt  Acad. 
und  Littre;  Villatte,  Parisismen:  chiner  bekritteln,  an  etwas  mäkeln. 

cigariere  =  Cigarrenarbeiterin.  —  Le  Ha  vre,  18  septembre.  — 
Les  cigari^res  sont  en  gr^ve.  —  P.  J.  15  sept.  1888.  —  Fehlt  Acad.; 
Littr^,  Suppl.:  s.  f.    Femme  qui  fa9onne  le  tabac  en  cigares. 

clapotement  =  das  Plätschern,  Anschlagen  des  Wassers  (Regens).^) 

—  .  .  .  un  clapotement  de  sinistre  augure  avait  annonc^  la  rupture  du 
barrage  Clignancourt.  —  P.  J.  17  mars  1888.  —  Partout  un  silence 
morne,  effrajant  que  troublaient  seuls  le  clapotement  de  la  Marne  et 
le  vent  qui  sifflait  dans  les  arbres.  —  U  me  semble  avoir  entendu  un 
clapotement  particulier  .  . .  comme  celui  produit  par  un  corps  qui  se 
d^at .  .  .  Mais  on  n'entendait  plus  d*autre  bruit  que  le  clapotement 
sinistre  de  Veau  noire  qui  coulait  prfes  d*eux  ...  —  P.  J.  28  juill.  1888. 
A.  Matthey:  La  Belle  Julie.  —  .  . .  la  pluie  tombait  des  tuiles,  et  le 
vent  la  chassait  jusqu'au  milieu  des  rues.  On  entendait  ce  clapote- 
ment toute  la  journöe.  —  Erckmann-Chatrian:  Waterloo,  pag.  111 
(Hetzel  et  C»«).  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

conire-amendemeni  =  Gegenamendement.  —  Le  reste  du  d^bat, 
en  effet,  n'est  que  la  couture,  ou  plutöt  le  däcousu  d*une  s^rie  de  dis- 
positions  emprunt^es  ä  droite  et  k  gauche,  oü  le  projet  de  la  commis- 
sion,  les  contre-projets,  les  amendements,  les  sous-amendementn  et 
les  contre- amendements  se  rencontrent  sur  le  bureau,  se  heurtent  ä 
la  tribune  ...  —  P.  J.  26  nov.  1883.  Le  cumul  des  mandats.  — -  Fehlt 
Acad.  und  Littr^e. 

conire- insurr ection  =  Gegenaufstand.  —  Le  Caire,  19  d^cembre 
soir.  —  On  assure  qu'une  contre -insurrection,  oppos^  au  Mahdi,  a 
^clat^  au  Darfour.  —  P.  J.  22  döc.  1888.  Dernieres  nouvelles.  —  Fehlt 
Acad.  und  Littr^. 

coprevenu  =  Mitangeklagter.  —  Un  chätiment  exemplaire  at- 
tend  le  marquis  de  Kays  et  certains  de  ses  coprävenus,  si  le  tribunal 
fait  droit  aux  revendications  de  la  loi .  . .  —  P.  J.  6  d^c.  1888.  La 
colonie  de  Port -Breton.  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

creditable  =  kreditfilhig.  —  En  France,  plus  qu'en  tout  autre  pays, 
en  France  oü  la  propri^t^  du  sol  est  la  plus  divisäe  du  monde,  oü  les 
petits  agriculteurs  sont  si  nombreux,  tout  Systeme  de  credit  agricole  doit 
surtout  avoir  en  vue  les  petits  agriculteurs.  II  s'agit  de  rendre  cr^- 
ditables  nos  petits  agriculteurs.  rour  cela,  quelques  rapporteurs  des 
enqu^tes  successives  .  . .  ont  suggär^  certaines  mesures  legislatives  qui 
.  . .  autoriseraient  le  cultivateur  ä  mettre  en  gage  sur  place  les  objets 
mobiliers  de  son  exploitation  agricole,  les  äl^ments  mSme  de  son  in- 
dustrie,  ses  instruments  de  travail,  sorte  de  mont-de-pi^t^  sur  place. 

—  P.  J.  11  fövr.  1884.  Le  credit  pour  les  petits  agriculteurs  (Th. 
Grimm).  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

cre'matoire  s.  m.  u.  appareil  crömatoire  =  Leichenverbrennungs- 
apparat. —  n  est  question  d'^tablir  dans  les  trois  grands  cimeti^res 
de  Paris  des  appareils  crdmatoires  qui  ne  pourront  etre   utilisäs  qu'en 


^)  Ist  diese  Obersetzung  auch  verbürgt?  In  dem  Suppl.  Fustier's 
zu  Delvau  finde  ich  chiner  mit  „plaisanter^  übersetzt.        £.  K, 

^)  In  dieser  Zschr.  bereits  I,  841  von  Schulze  und  II,  281  von 
Schmager  angeführt.  E,  K, 


Zu  dem  franz.  Wörterhuch  von  Sachs.  241 

cas  d'^pidtoie.  —  P.  J.  22  juill.  1883.  —  11  est  facile  de  concevoir 
qu'une  personne,  tomb^e  seulement  en  l^thargie,  se  ranimerait  prompte- 
ment  des  qu*on  aurait  ouvert  le  premier  bec  du  cr^matoire.  —  P.  J. 
18  aoüt  1883.    La  cremation.  —  Fehlt  Acad.  und  Litträ. 

creve-la-faim  =  Hungerleider.  —  Paresseux,  fain^ant,  va-nu- 
pieds,  creve-la-faim!  cria-t-il,  quand  il  se  sentit  en  suret(?  dans  le 
couloir;  demain  expulse!  —  P.  J.  5  d^c.  1883.  fimile  Richebourg:  La 
Petite  Mionne.  —  Fehlt  Acad.  und  Littrd. 

de'ciaiine  s.  f.  =  Dessjatine  (russisches  Flächenmass).  —  Le  feu 
a  ravag^  jusqu'ici  plus  de  deux  mille  d^ciatines  de  terrain  boisä.  — 
P.  J.  26  sept,  1883. —  Fehlt  Acad.;  Littr^:  Mesure  agraire  russe,  corre- 
spondant  a  5121  ou  6821  m^tres  ca^räs,  suivant  les  localit^s. 

demi-couveriure  =  Halbdecke  (der  franz.  Soldaten).  —  En  con- 
formitä  d'une  d^cision  du  28  novembre,  la  demi-couverture  cessera 
d*§tre  emport^e  par  les  troupes  appel^es  k  faire  campagne,  ce  qui 
all^gera  considdrablement  la  Charge  du  soldat.  D'ailleurs,  cette  me- 
sure se  justifie  par  cette  raison  que  le  cantonnement  est  de  venu  la 
rögle  dans  les  guerres  europöennes.  —  P.  J.  1  döc.  1883.  Bulletin 
militaire.  —  Fehlt  Acad.  und  Littrö. 

demi-pevple  =  das  niedere  Volk?  —  Le  demi-peuple  et  la  petite 
bourgeoisie,  quand  ils  ne  sont  pas  honnStes,  se  livrent  ä  des  calculs, 
des  combinaisons,  des  trafics  auxquels  le  divorce  apportera  un  äläment 
de  plus:  le  chantage.  —  10  fövr.  1884.  Le  divorce  (Th.  Grrimm).  — 
Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

demi'Voix:  k  demi-voix  =  halblaut.  —  Steht  weder  in  einem 
besonderen  Artikel,  noch  bei  voix,  wie  z.  B.  Acad. :  parier  k  demi-voix. 

deodaeiyle  =  spaltfüssig.  —  Le  premier  volume,  consacr^  aux 
passereaux  d&dactyles,  a  paru.  —  P.  J.  28  juill.  1883.  ~  Fehlt  Acad.; 
Littre:  Terme  d'ornithologie.     Qui  a  les  doigts  fendus. 

däsaffecialion  =  Aufhebung  einer  Bestimmung.  —  Sur  la  propo- 
sition  de  M.  Mathä,  un  avis  favorable  est  ämis  pour  la  däsaffectation 
du  march^  Saint-Maur-du-Temple.  —  P.  J.  30  juill.  1883.  Conseil  mu- 
nicipal  de  Paris.  —  . .  .  un  amendement  de  M.  Paul  Bert :  Les  conseils 
municipaux  pourront  prononcer  la  däsaffectation  totale  ou  partielle 
des  immeubles  consacräs,  en  dehors  des  prescriptions  et  lois  concor- 
dataires,  soit  aux  cultes,  soit  ä  des  Services  religieux  ou  Etablissements 
eccläsiastiques  quelconques.  —  P.  J.  10  nov.  1883.  —  Le  conseil  renvoie 
ä  la  quatrieme  commission  deux  projets  de  d^libärations.  Le  premier, 
prEsentE  par  M.  Lamouroux,  tend  a  la  d^saffectation  de  la  chapelle 
expiatoire.  —  P.  J.  7  däc.  1883.  Conseil  gänäral  de  la  Seine.  — 
(M.  Lamouroux  renouvelle  un  voeu  d^jä  präsente  plusieurs  fois,  et 
tendant  a  la  dämolition  de  la  chapelle  expiatoire  ...  —  P.  J.  14  d^c. 
1883.  Cons.  g^n.  de  la  Seine).  —  Fehlt  Acad. ;  auch  Littrö  nur : 
Terme  de  finances.  Action  d'effacer  une  affectation.  DäsafPectation  d'un 
credit. 

desenguignonner  =  aus  dem  Peche  ziehen  (wieder  auf  den  Damm 
bringen).  —  Jamais  collaboration  ne  fut  plus  heureuse.  Au  grand 
savoir  th^atral  de  M.  Meilhac  sont  venus  se  joindre,  pour  Ma  Cama- 
rade,  Tesprit  subtil  et  la  verve  brillante  de  M.  Philippe  Gille ;  et  de 
cette  Union  assortie  est  n^e  la  piöce  qui  d^senguignonne  däfinitivement 
le  Palais-Royal.  —  P.  J.  12  oct.  1883.  Premiäres  repr^sentations  (LEon 
Kerst).  ~  Fehlt  Acad.  und  Littrö. 

ddsobstruciionniste  =  die  Obstruktion  (absichtliche  Verhinderung 
des  Fortschreitens  parlamentarischer  Verhandlungen  durch  Stellung 
von  Anträgen,   übermässig  lange   Reden  etc.)  verhindernd.   —  Aprös 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VP.  j[q 


2«  B-Vber 

une  s^rie  dli^sitations  qoi  n'ont  pria  fin  que  pea  de  minntes  avant 
1  Ouvertüre  de  la  säance  dliier,  les  membres  de  la  droite  du  S^nat 
ont  reuoncä  aux  projets  obBtructionnisteB  miB  en  ayant.  Les  sänateurs 
anti-räpnblicaing  ont-ils  recnl^,  comme  quelques  Colleges  des  autres 
bancs  le  prätendent,  devant  l'^ventnalit^  dont  la  majorit^  les  anrait 
menacäs,  de  faire  dnrer  les  s^ances  de  une  k  sept  heures,  avec  suppig 
ment  noctume  et  au  besoin  s^ance  du  matin?  A  tout  prendre,  le 
Systeme  de  däfense  de  la  ganche,  Systeme  essentiellement  „d^sobstruc- 
tionniste",  on  en  conviendra,  eüt  ^tä  d'un  emploi  legitime.  —  P.  J. 
28  däc.  1883.    Le  budget  au  S^nat.  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

detecUve  =  Polizeiagent  (för  besonders  verwickelte  Angelegen- 
heiten). —  Inntile,  monsieur,  —  fit  le  d^tective,  dont  l'oreille  ^tait 
d'une  finesse  prodigieuse ...  —  P,  J.  15  mai  1883.  Xavier  de  Mont^- 
pin:  Simone  et  Marie.  —  On  annonce  Tarrestation  au  Havre,  par  un 
d^tective  anglais ...  P.  J.  4  oct.  1883.  —  ün  dätective  anglais  la 
suivit  et  finit  par  la  däcouvrir  ä  l'hötel  Scribe  ...  Le  d^tective  se 
rendit  imm^diatement  chez  le  procureur  de  la  R^publiqne  ...  — 
P'  J.  25  janvier  1884.  Paris.  —  Vienne,  25  janvier.  On  mande  de 
Floridsdorf  que  le  dätective  Bloech  . . .  a  ^t^  tu6  ce  matin.  —  P.  J. 
27  janv.  1884.  l^tranger.  —  L'avanturiäre  Marie  Bailly,  qui  a  ^tä 
anritte  sur  les  indications  d'nn  d^tective  anglais.  —  P.  J.  28  janv.  1884. 
Paris.  ^  Fehlt  Acad.;  steht  in  Litträ.  Suppl. 

dizainaire  =  zehnjährig.  —  La  commission  proposera  le  vote 
de  50  millions  que  M.  Tirman  räclame  pour  donner  ä  FAlgärie  tonte 
son  ezpansion  coloniale.  II  est  seulement  convenu  que  ces  50  millions 
seront  versus  en  diz  ans  au  lieu  de  cinq.  M.  Rousseau,  auteur  de  ce 
projet  d'espacement  dizainaire,  a  ^t^  nommä  rapporteur.  —  P.  J. 
18  d^c.  1883.    La  colonisation  (Th.  Grimm).  —  Fehlt  Acad.  u.  Littr^. 

entre-sort  s.  m.  =  Schaubude.  —  A  c6t^  des  diverses  exploita- 
tions  foraines  que  nous  venons  de  signaler,  il  y  a  dans  toutes  les  fStes 
ce  qu'on  appelle  ded  entre-sort.  Le  mot  peint  bien  la  chose.  Le 
public  ne  fait  qu'entrer  et  sortir  dans  ces  baraques,  oü  jamais  il  n'y 
a  de  repr^sentations.  Le  montreur  est  k  l'entr^e  qui  fait  le  boniment, 
appelant  la  foule  ä  coups  de  tam-tam,  pendant  que  se  fönt  entendre 
les  roulements  änergiques  d'nn  tambour  et  les  conacs  d^chirants  d'nn 
piston.  Ce  qui  attire  surtout  les  curieux,  ce  sont  d'äpouvantables  ru- 
gissements,  qui  semblent  sortir  de  la  baraque.  A  Tintärieur,  que  voit- 
on?  Une  sorte  de  fosse  au  fond  de  laqueUe  on  trouve  une  hy^ne  en 
cage;  une  femme,  pr^tendue  Charmeuse  de  serpents.  Et  les  rugisse- 
ments?  Ce  n'est  certes  pas  la  hyäne  qui  les  pousse.  Yoici  comment 
les  montreurs  s'y  prennent  pour  produire  ce  bruit  qui  imite  ä  mer- 
veüle  les  rugissements  d'un  lion:  Ils  tendent  sur  un  petit  tonneau 
une  peau  d'Sne,  au  milieu  de  laquelle  ils  percent  un  trou;  il  suffit  de 
tirer  vivement  la  corde  d*un  cötä  ou  de  l'autre  pour  produire  ce 
bruit  trompeur  Ce  truc  porte  le  nom  de  fosse  myst^rieuse  et  se 
prdte  ä  toutes  les  exhibitions  feminines  imaginables;  femmes-torpilles, 
femmes-poissons,  femmes-tigräes,  femmes-^crevisses  etc.  Grand  Almanach 
lUustrd  du  P.  J.  1884,  p.  30  (A.  Goffignon).  -—  Fehlt  Acad.;  steht  bei 
Littr^,  Suppl. 

envoie'e.  Vgl.  diese  Zeitschrift  V,  pag.  55.  —  Une  dizaine  de 
fillettes  de  huit  ä  six  ans  sont  airiv^es,  ayant  aux  ^panles  des  ailes 
d'anges,  au  cötä  une  lyre  dor^e.  Elles  simulaient  dans  leur  d^marche 
et  avec  leurs  gestes  Tenvol^e  des  anges ;  mise  en  sc^ne  charmante  et 
naüve  ä  la  fois.  —  P.  J.  31  mai  1883.  Rapprochement  (Th.  Grimm). 
—  Victor  de  Laprade  . . .   Ses  satires  ne  nous  paraissent  pas  avoir  la 


Zu  dem  franz.  Wörierhich  von  Sachs.  243 

grande  envol^e  qu^exige  ce  mode  po^tiqne,  m§me  quand  nous  nous 
rappelons  que  ces  satires  lui  valurent  en  1861  sa  r^vocation  de  pro- 
fesseur  ä  la  Facultö  des  lettreß  de  Lyon.  —  P.  J.  16  d^c.  1888.  Deiix 
morts  (Th.  GrimmJ.  —  Le  centre  de  röunion,  c'est  le  jeu  de  boules ; 
non  le  jeu  de  boules  ä  grandes  envol^es,  comme  on  le  pratique  dans 
le  Midi,  et  qui  se  tient  sur  les  grandes  routes,  au  risque  de  casser 
les  jambes  des  promeneura  et  des  passantsj  —  Grand  Alman.  Jll.  du 
P.  J.  1884,  pag.  47  (Louis  Vermont).  —  Tout  en  estompant  de  teintes 
sombres  ou  mi-claires  la  blancheur  du  carton,  la  jeune  fiUe  donnait 
l'envolöe  aux  rßves  joyeux  qui  hantaient  son  esprit.  —  P.  J.  31  janv. 
1884.    A.-J.  Dalseme;  La  Folie  de  Claude. 

essayaae  s.  m.  =  das  Anprobieren.  —  Le  salon  d*essayage  d'un 
couturier  ä  la  mode.  —  P.  J.  21  oct.  1888.  —  Fehlt  Acad.;  steht  bei 
Litträ,  Suppl. 

farcoi  =  ?  —  Toulon,  8  janvier.  L*Annamite  fait  une  sortie  pour 
essayer  son  farcot.  11  sera  ce  soir  aux  appontements.  —  P.  J.  10  janv. 
1884.    Au  Tonkin.  —  Fehlt  Acad.  und  Littrö. 

frldiegre  =  Feldjäger.  —  Xavier  de  Maistre :  La  jeune  Sib^rienne, 
pag.  376  (Garnier  Freres) :  .  .  .  le  m§me  feldi^gre,  qui  leur  avait  ap- 
port^  .  .  .;  pag,  377  :  .  .  .  qu'un  feldi^gre  le  cherchait . .  .  mit  folgender 
Note:  Mot  tir^  de  Tallemand,  qui  signifie  chasseur  de  campagne.  Les 
feldi^gres  sont  un  corpd  avec  des  grades  et  un  habit  militaires:  ils 
remplissent  en  Eussie  les  fonctions  de  courrier  d*£tat  et  de  cabinet. 
Fehlt  Acad.  und  Littrö. 

garde-mine  =  Bergmeister?  —  Parmi  les  amendements  proposäs 
aux  divers  chapitres  [du  budget  des  travaux  publics],  un  seul,  du  ä 
M.  Cantagrel,  passe  en  partie,  gräce  au  concours  du  gouvernement  et 
de  la  commission;  les  sous-ing^nieurs,  conducteurs  et  gardes-mines 
apprendront  avec  plaisir  que  la  Chambre  a  vot^  en  leur  faveur  un 
credit  de  600  000  francs.  M.  Laroche- Joubert,  däsireux  probablement 
de  faire,  lui  aussi,  son  petit  cadeau,  insinue  ä.  ses  coU^gues  une  idde 
originale:  „Si  nous  changiohs  le  titre  des  gardes-mines?"  Et  comme 
on  lui  demande  pour  quels  motifs?  „Ne  comprenez-voua  pas  ä  quel 
point  leur  d^nomination  actuelle  est  humiliante?"  Garde-mine,  cela 
ressemble  bien  trop  ä  garde-barriöre".  Seulement,  Thonorable  d^putö 
d'Angoulöme  dälaye  en  un  long  discours  cette  fantaisie  grammaticale, 
d.  laquelle  le  sous-secrätaire  d*£tat,  M.  Baihaut,  n'a  point  de  peine  ä 
r^pondre  en  rappelant  la  d^nomination  souvent  enviäe  de  »g^^cl^  g^' 
n^ral  des  eaux  et  forSts"  et  il  ^crase  finalement  l'auteur  sous  le  poids 
de  cette  autre  dänomination:  garde  des  sceaax.  —  P.  J.  7  däc.  1883. 
Chambre  des  däputäs.  —  Des  examens  s'ouvriront  le  4  fävrier  pour 
l'admission  ä  Temploi  de  garde-mines.  Adresser  les  demandes  au  mi- 
nist^re  des  travaux  publics  avant  le  1*""  janvier  prochain.  —  P.  J. 
16  d^c  1888.  Petites  nouvelles.  —  [Le  citoyen  Rondet,  däl^guä  de 
Saint-Etienne]  passe  ensuite  les  quatre  projets  de  r^formes  d^posäs  ä 
la  Chambre:  1®  Celui  qui  conceme  les  conseils  de  prud'hommes, 
2°  Celui  des  heures  de  travail,  3®  Celui  des  gardes-mines.  —  P.  J. 
26  d^c.  1883.  La  question  sociale  (Th.  Grimm).  —  Fehlt  Acadämie 
und  Littr^. 

garde-moulin  =  Mühlen wEchter?  —  . .  .  un  comitd  de  surveillance 
compos^  de  MM.  Debray,  meunier  .  . .,  Janot,  contre-maitre,  . . .  Profit, 
garde-moulin  ...  —  P.  J. .  28  juilL  1888.  —  Fehlt  Acad.  und  Litträ. 

gavevLse  =  Mastkoben.  —  Gaveuses -Martin,  pour  engraisser  les 
yolailles  chez  soi  et  industrie  . . .     Odile  Martin,  inventeur.  —  P.  J. 

16* 


?44  B,  Uht 

36  janvier  1884.    Annonce.  —  Grebildet  wie  coaveiiBe  =  Bratofen.  — 
Fehlt  Acad.  and  Littr^. 

cmgely  =  gengelL  —  Les  caltnres  secondaires  sont  Celles  da 
b^tel,  du  tabac,  de  la  canne  ä  sncre,  da  coton,  des  plante«  ol^agineases 
telles  qae  le  Bäsame,  le  gingely  et  le  palma-christi.  —  P.  J.  6  janvier 
18S4.  Les  colonies  fran9ai8e8.  —  Fehlt  Acad.;  Littr^  Snppl. :  ging^j 
$.  m.    C'est  le  m§me  que  gengeli.  —  Littr^  mit  -',  P.  J.  ohne  -'. 

gobe'as  =  ?  Pflanzenname.  —  ...  le  joyeax  concert  de  deax 
grands  canaris  hollandais,  hötes  channants  d^ane  cage  plac^  ä  nne 
f^n^tre  de  la  maison  voisine  dans  an  encadrement  de  gobäas  et  de 
Tolabilis.  —  P.  J.  29  nov.  1883.  fi.  Richebonrg:  La  Petite  Mionne.  — 
« « .  dans  l*encadrement  de  gob^s  et  de  yolnbUis  qai  grimpaient  ä  la 
fen^tre  de  votre  chambre.  —  P.  J.  18  janv.  1884.  Ibid.  —  . . .  la 
jeune  fiUe  se  montra  dans  l'encadrement  des  gob^as  et  des  yolabilis 
qui  grimpaient  de  chaque  cdt^.  —  P.  J.  5  f^vr.  1884.  Ibid.  --  Fehlt 
Acad.  und  Littr^. 

grands-parenU  =  Grossonkel  and  Grosstante.  —  Mademoiselle 
ILucienne]  de  Formose  avait  ^tä  recueillie  par  monsieor  le  baron  de 
Cormarin,  son  ^^nd-oncle.  Le  baron  et  la  baronne  de  Cormarin 
^taient  deux  vieillards  de  soixante-dix  et  soixante-quinze  ans:  ils 
nvtüent  pris  lear  petite-  niäce  en  affection  .  . .  Vous  devinez  le  reste. 
Lucienne  for^a  ses  grands -parents  ä  consentir  ä  son  manage,  et  eile 
dovint  l'^ponse  bien  aimäe  d'Andr^  Bamel.  —  P.  J.  13  d^c  1883. 
K.  Richebourg:  La  Petite  Mionne.  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

greloiiement  =  Klirren ;  Zittern  vor  Kälte,  Frösteln.  —  ...  mais 
un  bruit  bien  pire  et  qui  traversait  les  nerfs,  c'ätait  le  grelottement 
do  la  mitraüle  dans  les  baionnettes ;  cela  sifflait  comme  une  esp^ce  de 
mu8iq|ue  terrible  et  qui  s'entendait  de  bien  loin.  —  Erckmann-Ghatrian« 
Uistoire  d'un  consent  de  1813,  pag.  169  (Hetzel  et  Ci«).   —   Ce  fut  an 

Srand  amour  qui  dura  jaste  cinq  mois,  le  temps  de  la  belle  saison; 
8*dteignit  tont  d'un  coup  k  la  chute  des  premi^res  feuilles  mortes, 
uu  premier  grelottement  dans  la  mansarde.  Ma  Musette  ent  pear 
d*avoir  froid  Thiyer,  et . . .  eile  s'en  alla  un  bean  soir  pour  ne  plus 
vt)venir.  —  P.  J.  16  d^c.  1883.    E.  Richebourg:  La  Petite  Mionne. 

grenaille  s.  f.  =  gehacktes  Metall.  —  ...  an  p^tard  entourä  de 
ohifFons  et  contenant  de  la  grenaille  et  des  fragments  divers  ne  pou- 
vunt  faire  courir  aucnn  danger.  —  P.  J.  12  oct.  1883.  Departements. 
-  -  Steht  bei  Acad.  and  Littr^. 

impressumnUme  s.  m.  =  ultra -realistische  Malerschule,  die,  un- 
bekümmert um  Zeichnung,  Komposition  und  Harmonie  der  Formen, 
uur  durch  liederlich  hingeworfene  Farbenkleckse  den  Eindruck  an- 
deutet (ViU.  Parisismen).  —  ...  ces  grands  mots  crenx  de  r^alisme, 
d'id^alisme,  d'impressionnisme^  —  qui  sait  si  nous  n'aurons  pas  aussi, 

äuelque  jour,  l'intentionnisme  ?  —  P.  J.  22  oct.  1883.     Citat  aus  einer 
;ede  Gounod's.  —  Fehlt  Acad. ;  steht  Littr^  Suppl. 

indiseontinu,  e  =  ununterbrochen.  En  Angleterre,  il  en  est  tout 
autrement,  car,  dans  cette  nation  pratique,  par  excellence^  tout  s*y  fait 
pour  Vindustrie  et  par  les  commer9ants  et  les  industriels;  c'est  lä.  le 
Hccret  de  la  prospärit^  presque  indiscontinue  du  commerce  anglais ;  — 
P.  J.  18  däc  1883.  L'action  industrielle  (Rede  eines  Herrn  Mazaroz, 
niauufacturier).  —  Fehlt  Acad.;  Littr^  SuppL  hat:  indiscontinuä,  e. 

msenstbiUsateur  =  Insensibiiisator.  —  Insensibilisatenr  Duchesne. 
Extraction  et  pose  de  dents  sans  douleur,  45,  rue  Lafayette.  —  P.  J. 


Zw  dem  franz.  Wörterbuch  von  Sachs.  245 

1  d^c.  1883.  Annonce.  —  öfter  wiederholt.  —  Fehlt  Acad.  und 
Littr^.\) 

intercolonial^  e,  =  interkolonial.  —  Les  d^l^guäs  ä.  la  Conference 
intercoloniale,  qui  doit  examiner  la  question  de  Tannexion  de  la  Nou- 
velle-Guin^e  et  d'autres  iles  du  Pacifique  ä  l'Australie,  sont  arrivös  ä* 
Sydney.  —  P.  J.  80  nov.  1883.  Petites  nouvelles.  —  Fehlt  Acad.;  steht 
Littr^  Suppl. 

inierinewer  =  interviewen,  ausfragen,  x-  .  .  .  un  reporter  se  prö- 
senta  .  .  .  pour  interroger  la  däbutante,  pour  „hinter viewer",  comme 
ils  disent  dans  leur  langage  mätin^  d'anglais.  —  P.  J.  7  nov.  1883. 
Ernest  Daudet:  Mademoiselle  Vestris.  —  Fehlt  Acad.  und  Littrö.*) 

iniransigeance  =  Intransigententum.  —  Vgl.  diese  Zschr.  V*, 
p.  56.  II  y  a  .  .  .  une  expansion  d'intransigeance,  pour  me  servir  du 
nom  mSme  qu*on  se  glorifie  de  porter,  sur  laquelle  les  hommes  sou- 
cieux  de  l'avenir  de  la  Räpublique  ne  sauraient  trop  porter  leur  atten- 
tion. Mais  que  parlons-nous  de  gouvernement,  de  stabilit^,  de  m^- 
thode?  L'intransigeance  n*en  veut  pas:  eile  est  le  contraire  de  *out 
cela  .  . .  Pour  l'intransigeance  la  stabilitä,  voilä  Pennemi!  ...  Le 
principe  de  Pintransigeance  consiste  ä  däclarer  qu'il  n'en  faut  pas 
avoir  ...  Le  programme  de  Pintransigeance,  c'est .  .  .  la  table  des 
matiäres  d'un  dictionnaire  politique  du  vingti^me  ou  du  vingt  et 
unieme  siöcle.  —  P.  J.  17  oct.  1883.  Rede  J.  Ferry's  in  Havre.  — 
Tout  cela  est  vrai,  oui,  et,  de  plus,  pendant  que  retentissent  les  fan- 
fares  de  Pintransigeance,  les  organes  graves  ...  —  P.  J.  1  janv.  1884. 
Le  däblaiement  (Th.  Grimm).  —  Fehlt  Acad.,  steht  Littrö  Suppl. 

intransigeani  s.  m.  =  Intransigent.  ~  A  Ronen,  M.  Jules  Ferry 
avait  dänonce  les  violences  des  intransigeants  ...  —  P.  J.  17  oct.  83. 

—  Vgl.  zu  anticolonial'.) 

intransigeani,  e,  adj.  —  II  faut  choisir  entre  la  politique  gou- 
vernementale  ...  et  la  politique  intransigeante.  —  P.  J.  17  oct.  1883. 

r Miransigeant  =  Zeitung,  gegründet  von  Rochefort  im  Juli  1880 
(Vill.  Par.).  —  ...  une  nouvelle  publice  par  PIntransigeant ...  —  P.  J. 

14  nov.  1883.  —  Fehlt  Acad.;  steht  Litträ  Suppl.^) 

krach  (krack)  =  Börsenkrach ;  vgl.  diese  Zeitschrift  V*,  p.  55 : 
Crack.  —  .  .  .  le  syndicat  a  support^  glorieusement  le  choc  et  n'a  pas 
succomb^    ä   la   perte    de    80   millions   r^sultant   du   krach!   —   P.  J. 

15  juill.  1873.  —  Le  krach  de  PUnion  gön^rale  et  les  d^sastres  finan- 
ciers  qui  Pont  suivi  ont-ils  fait  sentir  leur  contre-coup  sur  Pindustrie 
parisienne  ?  —  P.  J.  13  avril  1883  (Frage  aus  einer  vom  conseil  mu- 
nicipal  angeordneten  enqußte  industrielle).  —  C'est  de  cette  facilit^, 
injustifiäe  ä  tous  ägards,  que  sont  näs,  en  grande  partie,  les  abus  qui 
ont  mis  si  souvent  notre  march^  en  dötresse;  eile  est,  ce  n'est  pas 
trop  dire,  Porigine  et  la  cause  de  tous  les  krachs.  —  Le  krach  de 
janvier  1882  n'a  pas  eu  d'autre  cause  que  Pimpr^voyance  et  Pavidit^ 
des  agents  de  change!  —  P.  J.  15  avril  1883.    Les  agents  de  change. 

—  La  d^bäcle  financiäre  du  mois  de  janvier  1882,  et  que  Pon  appelle 
le    Krach,    a    brusquement    arret^    Pessor    magnifique  ...    —    P.   J. 


»)  VgL  in  dieser  Zschr.  I,  344.  E.  I^. 

*)  Dasselbe  Wort,  interviever  geschrieben,  wurde  in  dieser  Zeit- 
schrift III,  548  bereits  von  Kressner  belegt.  Es  ist  von  Fustier  im 
Suppl.  von  Delvau  ausführlich  besprochen.  E.  K. 

^)  Über  intransigeant  und  PIntransigeant  vgl.  Rigaud  und  Vil- 
latte  8.  V.  E.  K 


246  B.  über 

24  nov.  1883  (Th.  Grimm).  —  La  cataatrophe  de  rUnion  g^n^rale,  au 
mois  de  janvier  1882,  que  l'on  a  appel^e  le  Krack,  n'a  pas  eu  une  in- 
flaence  u^faste  seulement  sur  les  fortunes  priv^es,  eile  a  räagi  sur  la 
fortime  publique.  —  Gr.  Alm.  du  P.  J.  1884,  pag.  2.  —  Dans  la  qua- 
tri^me  [parti^,  le  Krack,  le  n^ant  des  combinaisons  les  mieux  ourdies 
apparait.  —  P.  J.  24  janv.  1884.  ^Annonce  (Inhaltsangabe  des  Romans: 
La  Folie  de  Ville-d'Avray,  par  Edouard  Sylvin).  —  11  y  a  eu  .  .  .  Un 
affolement  de  sp^culation  qui   a  amen^  le   krach  du  mois  de  janvier 

1882.  Les  cons^quences  du  krach,  nous  les  subissons  maintenant  dans 
toute  leur  rigueur.  M.  Andr^  Cochut,  directeur  du  mont-de-pi^tä,  .  . .  a 
^tudi^  les  enets  de  cette  catastrophe  financiöre  dans  un  travail  qu'a 
publik  la  Revue  des  Deux- Mondes  du  l"  d^cembre  demier.  .  .  J'en 
dätache  le  passage  suivant:  .  .  .  A  Taffaissement  qui  a  suivi  le  krach 
de  Vienne  en  1873  .  .  .  Aprea  le  krach  fran9ai8,  une  baisse  ...  est 
in^vitable  .  . .  —  P.  J.  7  f^vr.  1884.     Le  rapport  de  M.  Amouroux. 

laicisation  s.  f.  =  Laisirung  (die  von  der  Schlesischen  Zeitung 
in  den  Pariser  Correspondenzen  gebrauchte  Übersetzung).  —  Vgl.  diese 
Zeitschrift  V*,  pag.  56.  —  .  .  .  la  laicisation  des  ^coles  ...  —  P.  J. 
9  mars  1883.  —  üne  vive  discussion  s'^l^ive  au  sujet  de  l'aumönier  de 
Pasile  Sttinte-Anne  qui,  malgrä  la  laicisation  de  cet  Etablissement, 
continue  ä  y  habiter.  — ^  P.  J.  10  döc.  1883.  Conseil  gänäral  de  la 
Seine.  —  Le  conseil  renvoie  ä  l'administration  une  proposition  de 
M.  Guichard,  demandant  la  mise  en  vente  des  emblSmes  religieux  qui 
se  trouvent  dans  les  magasins  de  la  Ville  depuis  la  laicisation  des 
Ecoles.  —  P.  J.  29  d^c.  1883.  Conseil  municipal  de  Paris.  —  A  propos 
du  Service  des  Enfants-Assist^s,  le  rapporteur  demande  qu'^tant  donn^es 
les  promesses  de  laicisation  faites  et  non  tenues  par  l'administration, 
la  Subvention  municipale  ne  soit  accord^e  que  conditionnellement.  — 
P.  J.  1  janv.  1884.     Ibid. 

käciser  =  laisiren.  —  La  loi  du  28  mars  1882,  qui  a  laicis^ 
les  äcoles,  c'est-ärdire  qui  a  enlevE  ä  l'enseignement  tout  caractere  re- 
ligieux, cette  loi  . .  .  n'est  pas  une  loi  ath^e.  —  P.  J.  21  nov.  1883. 
—  Le  prüfet  de  TArd^che  ayant  la'icisE  les  Ecoles  ...   —  P.  J.  26  nov. 

1883.  VgL  diese  Zeitschrift  V^,  pag.  56. 

kince-amarres  adj.  =  porte-amarre(s)  (doch  ist  letzteres  nur  als 
Subst.  angeführt).  —  Enfin,  on  apercoit  la  voiture  apportant  des  cor- 
dages  et  le  canon  lance-amarres.  —  F.  J  8.  sept.  1883. 

lance^piei'res  =  Steinschleuder.  —  ...  des  gamins,  arm^s  de  lance- 
pierres,  y  vont  chaque  jour  pour  tuer  des  moineaux.  —  P.  J.  24  sept. 
1883.  —  Fehlt  ebenso  wie  lance-amarres  Acad.  und  LittrE. 

Ubre-pensde  s.  f.  =  Gedanke  des  Freidenkers.  —  .  .  .  un  regime 
mixte  qui  ne  donnera  peut-6tre  pas  satisfaction  enti^re  ni  ä  la  Libre- 
Pensöe  ni  k  TEglise  ...  —  P.  J.  1  juill.  1883  (Th.  Grimm).  Fehlt 
Acad.  und  Litträ. 

linographie  (-peinture)  =  Linographie  (Verfahren,  durch  welches 
alte  Portraits  wieder  hergestellt  werden);  ein  so  hergestelltes  Bild.  — 
Parmi  les  lots  de  la  loterie  de  la  föte  de  l'OpEra  dont  nous  parlons 
plus  loin  se  trouvait  un  bon  pour  une  linographie-peinture,  et  ce  n'est 
pas  celui  qui  a  EtE  le  moins  bien  accueilli.  La  linographie-peinture 
est  cette  merveilleuse  invention  dont  on  peut  voir  les  spEcimens  a 
Pexposition  permanente  de  Tavenue  de  l'OpEra.  M^es  Thöo,  Rosine 
Bloch,  MM.  Sellier,  Berlioz,  Pasteur,  etc.,  semblent  vivants.  —  P.  J. 
8  avril  1883.  Lettres,  sciences  et  arts.  —  Le  Figaro  a  parlö  de  ioutes 
les  merveilles  de  la  Photographie,  de  la  photogravure  et  de  la  lino- 
graphie-peinture;   mais   il  a   oubliä  de  dire  que  par  la  linographie- 


Zu  dem  franz.  Wörterbuch  von  Sachs.  247 

peinture  on  peut  reproduire  tous  les  anciens  portraits  quels  qu'ils 
soient.  —  P.  J.  15  septembre  1883.  Lettres,  sciences  et  arts.  —  Nous 
apprenons  que  M.  Pierre  Petit,  qui  a  le  monopole  de  la  linographie, 
a  ddcid^  ...  —  P.  J.  8  avril  1883.  —  Pierre  Petit,  professeur  de  Pho- 
tographie ä  r^cole,  a  eu  la  g^n^reuse  pensde  d'offrir  le  portrait  du 
docteur  Thuillier  [mort  victime  de  son  dävouement  ä  la  science,  en 
ätudiant  le  cholöra  ä  Alexandrie]  en  linographie-peinture,  buste,  gran- 
deur  nature.  —  P.  J.  27  sept.  1883.    Lettrea  etc. 

linographique  =  linographisch.  —  M.  Pierre  Petit .  .  .  a  d^cid^ 
de  verser  .  .  .  20^©  de  ses  bön^fices  linographiques  dans  la  caisse  de 
rOrphelinat  des  arts  ...  —  P.  J.  8  avril  1883.  Lettres  Ac.  —  lino- 
graphie-peinture und  linographique  fehlen  Acad.  und  Littrö. 

machinette  s.  f.  =  kleines  geistiges  Erzeugnis  (vgl.  machine  = 
bedeutendes  geistiges  Erzeugnis).  —  A  propos,  reprit  le  pofete,  il  faut 
que  je  vous  dise  une  machinette  rim^e,  en  trois  Couplets,  que  le  ta- 
bleau  de  Georges  m*a  inspir^e.  Oh!  cela  m*est  venu  d'une  fa^on  trös 
dröle  la  nuit  derniere,  pendant  mon  sommeil,  en  rßvant ...  La  ma- 
chinette en  question  ressemble  ä  une  romance  d'autrefois  quand  c'^tait 
le  beau  temps  des  Lolsa  Puget,  des  Mazzini  ...  et  cela  pourra  §tre 
mis  en  musique  un  jour.  Le  poete  fouilla  dans  une  de  ses  poches  et 
en  tira  un  carr^  de  papier.  —  Voyons  la  machinette,  fit  Georges  en 
souriant .  .  . 

Elle  dort! 

Dans  son  berceau  l'enfant  repose, 

De  sa  m^re  c'est  l'ange  aim^! 

Elle  admire  sa  bouche  rose, 

Et  son  ceil  bleu  demi-ferm^. 

La  m^re  heureuse  et  recueillie 

Les  yeux  fix^s  sur  son  tr^sor, 

Se  dit  tout  bas,  Täme  ravie: 
Elle  dort! 

Folgen  noch  zwei  Verse.  —  P.  J.  19  j  an  vier  1884.  E.  Richebourg:  La 
Petite  Mionne.  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

majorer  =  über  den  wirklichen  Wert  angeben.  —  Avec  la  com- 
plicit^  des  administrateurs  .  .  .  Tancien  dätenu  de  Poissy  montait,  au 
capital  de  4  millions,  Tentreprise  dont  la  valeur  reelle  ^tait  de  1  million 
475000  francs.  C'^tait  une  premi^re  majoration  de  2  millions  et  demi. 
Elle  ne  parut  pas  süffisante.  Les  actions  ^taient  ämises  ä  500  fr.  On 
les  majora  de  200  fr.  EUes  sortirent  au  prix  de  700  fr.,  comme  si 
cette  hausse  eüt  eu  pour  motif  un  succes  prodigieux  sur  le  march^.  — 
P.  J.  13  d^c.  1883.  Vidanges  et  engrais  (Bericht  über  eine  Gerichts- 
verhandlung). —  M.  Bocher  .  .  .  se  plaint .  .  .  de  ce  qu'on  ^quilibre  les 
budgets  en  majorant  les  recettes,  ce  qui,  ä.  son  avis,  ne  constitue  qu'un 
^quilibre  fictif.  —  P.  J.  23  janv.  1884.  S^nat.  —  Fehlt  Acad.;  steht 
Littrö  Suppl.:  ^ßvaluer  au  dessus  de  la  valeur  reelle.  (In  dieser  Zeit- 
schrift V*,  56  ist  majorer  als  bei  Littr^  fehlend  angegeben.) 

mandoliniste  =  Mandolinenspieler.  —  Parmi  les  nouveaux  venus, 
on  a  beäucoup  remarqu^  M.  Chaussier,  un  cor  m^lodieux  et  charmant, 
M.  Talomo,  mandoliniste,  qui  seront  Tun  et  Tautre  recherch^s  pour 
les  soiröes  de  cet  hiver.  —  P.  J.  27  döc.  1888.  Lettres  etc.  —  Fehlt 
Acad.  und  Littr^. 

mairiciel,  ^  ^  =  auf  die  Stammrolle  bezüglich.  Valeur  matri- 
cielle  =  der  in  der  Stammrolle  veranlagte  Taxwert  (im  Gegensatz 
zum  wirklichen  Werte).  —  Article  premier.  —  Tous  les  loyers  d'une 


248  B.  übet' 

yaleur  matricielle  de  480  fr.  et  au-dessous  sont  affranchis  de  toute 
contribution  .  .  .  Art.  2.  —  Tont  loyer  excödant  480  fr.  de  valeur  ma- 
tricielle est  frappd  .  .  .  Art.  3.  —  Les  loyers  .  .  .  sont  frapp^s,  sur  leur 
valeur  matricielle  integrale,  d'une  taxe  ...  —  P.  J.  16  nov.  1888.  Con- 
seil  municipal  de  Paris.  —  Les  individus  habitant  des  locanx  d'une 
valeur  matricielle  infärieure  ä  400  fr.  (500  fr.  de  loyer  r^el)  seront 
considär^s  comme  non  imposables  ...  —  P.  J.  5  jauv.  1884.  Taxe  des 
loyers  ä  Paris.  —  Fehlt  Acad.;  steht  Littr^  Suppl.*) 

metoMoscopie  s.  f.  =  Untersuchung,  ob  ein  Patient  geeignet  ist, 
nach  der  Methode  der  Metallheilkunde  behandelt  zu  werden. 

metaUoscopique  adj.  =  metalloskopisch. 

metaüotherapie  s.  f.  =  Metallheilkunde. 

metaUothe'rapique  adj.  =  auf  die  Metallheilkunde  bezüglich.  — 
M.  le  docteur  Burq  qui,  au  cours  de  ses  travaux  sur  la  m^talloth^- 
rapie,  a  ötö  amenä  ä  constater  ...  —  P.  J.  1  aoüt  1883.  —  La  s^ance 
[de  l'Acadämie  des  sciences]  s'est  terminäe  par  une  lecture  du  docteur 
Burq  relative  ä  la  gu^rison  des  maladies  nerveuses  par  la  m^tallothd- 
rapie  ...  —  P.  J.  10  sept.  1883.  —  Grand  Almanach  lUusträ  du  P.  J. 
enthält  einen  zwei  Seiten  langen  Artikel  über  die  „mätalloth^rapie", 
welchem  ich  folgende  Stellen  entnehme:  pag.  52:  Le  P.  J.  a  tenu  ses 
lecteurs  au  courant  de  cette  merveilleuse  ddcouverte:  la  m^talloth^- 
rapie  appel^e  aussi  le  burquisme,  du  nom  de  son  inventeur,  qui .  .  .  a 
fini  par  s'imposer  au  monde  savant.  On  sait  maintenant  que  tönte 
une  grande  cat^gorie  de  malades,  les  n^vropathes  des  deux  sexes,  les 
hystäriques  ...  et  les  diabätiques  sont  sensibles  ä  Taction  de  certains 
m^taux  qui,  appliquös  ä  Texterieur  sous  forme  d*armatures  ou  donnäs 
ä  rint^rieur  ä  Tötat  convenable  gu^rissent  ou  sinon  soulägent.  Le 
m^tal  curatif  se  reconnalt  ä  ce  fait,  en  lequel  röside  toute  la  mdtallo- 
scopie  qui  sert  de  base  scientifique  ä  la  m^talloth^rapie,  ä  savoir :  que, 
ce  m^tal  ^tant  appliqu^  sur  une  partie  plus  ou  moins  insensible,  il  en 
existe  presque  toujours  chez  les  malades  en  question,  la  tempärature 
de  cette  partie  s'^feve,  la  sensibilitö  y  revient  et  la  force  musculaire 
des  muscles  sousjacents  s'accroit ...  M.  Dumontpallier,  Tauteur  des 
remarquables  rapports  sur  la  m^talloscopie.  .  .  .  Apr^s  un  examen 
metaUoscopique  m^thodique,  le  däputä  fut  traitä  par  une  armature  de 
cuivre  et  par  Tor  ä  l'intlrieur  ...  Le  moment  est  venu  pour  le  bur- 
quisme d'avoir  sa  clinique  et  son  Organe  special  (Gaston  Klein).  —  II 
n'est  bruit,  dans  toute  la  presse  parisienne,  que  d'une  invention  qui 
laisse  loin  derriere  eile  les  calmants  et  autres  agents  curatif s ;  ce  sont 
les  Plaques  Dynamo -Dermiques  de  la  Soci^tö  des  Plaques,  36,  rue 
Godot-de-Mauroy,  ä  Paris.  L'application  d'une  de  ces  plaques  m^tallo- 
thärapiques  ^lectriques  fait  disparaitre  ...  —  P.  J.  13  d^c.  1883.  An- 
nonce. —  Diese  4  Wörter  fehlen  Acad.;  Littr^  Suppl.  nur:  mätallo- 
thärapie  (mit  Bindestrich). 

mic7'ohe  s.  m.  =  Kleinleben,  Mikroorganismus  (gemeint  sind: 
Bacillen  und  Bakterien).  —  Ces  affections  sont  aussi  provoqu^es,  en 
dehors  de  tout  microbe,  par  une  Irritation  directe  quelconque .  .  . 
fividemment,  en  ces  deux  cas,  les  microbes  n*ont  que  faire  ...  —  P.  J. 
17  juill.  1883.  —  La  troisieme  partie  se  passe  au  pays  des  microbes  . . . 
—  P.  J.  19  oct.  1883.  —  C'est  bien  un  microbe,  le  „Bacille  de  la  Tu- 
berculose",  qui  produit  la  terrible  phtisie  des  poumons  ...  —  P.  J. 
7  nov.  1883.    Annonce.  —   C'est  courir  de  graves  dangers  que  de  nd- 


^)  und  bei  Darmesteter  S.  191.  E,  K^ 


Zu  dem  franz.  Wörterbuch  von  Sachs.  249 

gliger  un  rhume,  car  le  microbe  de  la  phtisie  se  d^veloppe  alors  dans 
les  poumons.  —  P.  J.  27  nov.  1883.  Annonce.  —  .  .  .  ä  TAcadämie 
des  scieuces  .  .  .  une  trös  interessante  communication  de  M.  Pasteur.  — 
Louis  Thuillier  .  .  .  däcouvrit  le  microbe  de  rouget.  —  II  fallait  trans- 
f ormer  ce  microbe  mortel  en  un  vaccin  pr^servatif. ...  —  P.  J.  28.  nov. 
1883.  Lettres  etc.  —  C'est  au  moment  oü  Ton  reconnait  que  les  graves 
maladies  de  poitrine  sont  causäes  par  un  microbe  ...  —  P.  J.  16  döc. 
1883.  Annonce.  —  La  coquille,  cet  acarus  (Milbe)  de  .la  lettre  moul^e, 
ce  microbe  accroch^  ä  la  phrase  pour  en  saccager  la  contexture  et  en 
d^sorganiser  le  tissu;  ce  ver  qui  ronge,  qui  corrompt,  qui  d^vaste  le 
mot.  —  Almanach  du  P.  J.,  pag.:  Cocasseries  littöraires  (A.  Dalseme). 
—  Fehlt  Acad.  und  Litträ. 

migrainettx  adj.  =  an  Migräne  leidend.  —  ...  une  grande  cat^- 
gorie  de  malades,  les  n^vropathes  des  deux  sexes,  les  hyst^riques,  les 
chlorotiques,  les  an^miques,  les  rhumatisants,  les  migraineux,  les  n^- 
vralgiques,  etc.  —  Alm.  du  P.  J.  1884,  pag.  52:  La  Mötallothärapie 
etc.  (Gaston  Klein).  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

ministricide  =  Minister  tötend.  Jusqu'au  15  novembre  dernier, 
donc,  l'apprenti  ministricide  n'avait  offert  dans  sa  conduite  aucun  acte 
röpr^hensible.  —  P.  J.  5  janv.  1884.  Affaire  Curien.  —  Fehlt  Acad. 
und  Littr^. 

monarchico  =  ...  in  Zssg. :  monarchisch  —  ...  A  cette  coali- 
tion  monarchico -bourgeoise,  il  est  temps  d*opposer  la  coalition  de 
r^ternel  däshärit^:  le  peuple.  —  P.  J.  23  d^c.  1883.  L'anarchie  ä  la 
place  de  la  Bourse  (aus  dem  Manifest,  welches  die  ouvriers  sans  tra- 
vail  zu  dem  Meeting  auf  dem  Börsenplatze  für  den  7.  Dezember  auf- 
forderte). —  Fehlt  Acad.  und  Littrö. 

morph%(h)omane  und  morphi(n)omanie  =  Morphiumsüchtiger  und 
Morphium  sucht.  —  Les  Morphinomanes  —  Leitartikel  des  P.  J.  17  mars 
1883.  —  Persuadä  que  la  morphinomanie  est  un  danger,  nous  publions 
la  communication  suivante:  Asni^res,  17  mars  1883.  Monsieur  le  rd- 
dacteur,  Votre  article  sur  les  morphinomanes  m'a  rappelt  de  bien 
cruels  Souvenirs.  —  P.  J.  20  mars  1888.  Les  morphinomanes.  —  . . .  la 
morphiomanie  n'est  pas  populaire . .  .  Gu^rir  un  morphiomane  est 
aussi  malaisä  que  de  corriger  un  buveur  .  .  .  Pour  les  morphiomanes 
l'opposition  vigilante   du  medecin  ...  est  n^cessaire.  —  P.  J.  13  oct. 

1883.  Les  morphiomanes.  — .Fehlen  Acad.  und  Litträ. 

moudir  (mudir)  =  Mudir.  —  Le  Caire,  18  däcembre.  II  est  ä 
peu  präs  d^cid^  de  supprimer  la  pr^fecture  de  police  et  de  la  rem- 
placer  par  trois  inspecteurs  g^näraux  anglais.  Les  moudirs  indigänes 
seraient  remplac^s  par  des  inspecteurs  anglais.  —  P.  J.  20  d^c.  1883. 
Les  Anglais  en  figypte.  —  Le  Caire,  11  janvier.  Les  Mndirs  ont  re9u 
l'ordre  de  recruter  des  soldats.  —  P.  J.  18  janv.  84.  Ibid.  —  Fehlt 
Acad.  und  Littr^. 

mycologtie  =  Kenner  der  Schimmelpilze.  —  II  y  a  trois  ans, 
M.  Tulasne,  le  savant  mycologue,  voulut  bien  r^diger  pour  la  sociätä 
d'agriculture  de  Toulon  une  note  trös  dätaill^e  sur  le  mildew  [pero- 
nospora  vitis,  moisissure  des  vignes].  —  P.  J.  6  sept.  1883.  Le  mudew. 
Fehlt  Acad.  und  Litträ. 

myophüe  s.  m.  =  Muskelfreund  (eine  Einreibung).  —  Le  myo- 
phile.  La  force  et  la  santä  k  tout  äge  (hautes  attestations),  user  de 
cette  friction  agräable  pour  vivre   sans  douleurs  ...  —  P.  J.  30  janv. 

1884.  Annonce.  — ^  Wiederholt  12  fövr.  1884.  —  Fehlt  natürlich  Acad. 
und  Littr^. 


350  B.  über 

obsiructionniste '  a,dj,  =  die  Obßtruktion  betreffend.  —  VgL  d^s- 
obBtructionniste  und  die  Belegstelle  dazu.^) 

oranais,  e  =  von  Oran  —  La  r^gion  oranaise ...  —  P.  J. 
80  juilL  1883.  —  Oran,  2  d^c.  1888.  L'affaire  du  lieutenant  Wein- 
brenner, assassinä  Tannäe  derniere  avec  quatre  hommes  d'escorte  dans 
le  sttd  oranais,  vient  d'§tre  jug^e  par  le  conseil  de  guerre  d'Oran.  — 
P.  J.  4  döc.  1883.  —  Carte  du  Sud-Oranais  -—  Titel  des  Blattes  Süd- 
Oran  der  Generalstabskarte  von  Algerien  (Petermann's  Mitteilungen 
1883,  XII,  p.  464).  —  Le  g^nöral  Thomassin  a  obtenu  de  ce  person- 
nage qu'il  emploierait  son  influence  ä  la  pacification  definitive  de  la 
r^gion  oranaise.  P.  J.  3  f^vr.  1884.  —  ...  nos  terribles  adversaires  du 
sud  oranais  .  .  .  des  soulövements  . .  .  dans  le  sud  oranais  ...  —  P.  J. 
19  f^vr.  1884.    Le  Mahdi  et  TAlgörie. 

paiUoiie  s.  f.  =  Strohhütte;  Strohmatte.  —  Quoique  seul,  je  ne 
me  suis  pas  ennuy^  un  instant  pendant  ma  descente  du  fleuve.  Mon 
harmoniflüte  ätait  install^  sous  ma  paillotte,  et,  ä.  chaque  mouilla^e, 
les  riverains  envahissaient  mon  chaland,  s'extasiaient  devant  mon  In- 
strument ...  —  P.  J.  12  avril  *1883.  Mouvement  gdographique  (üne 
Lettre  de  M.  Ernest  Noirot).  —  Le  bombardement  n'a  detöriorö  que 
quelques  paillottes.    Les  Hovas  ont  tirä  en  tout  cinq  coups  de  canon . . . 

—  P.  J.  18  juill.  1883.  —  Les  principaux  objets  d'exportation  [de  la 
Cochinchine  fran9aise]  sont .  .  .  l'^b^ne,  les  tuiles,  les  paillottes,  les 
boites  et  meubles  incrustäs  ...  —  P.  J.  15  janv.  1884.  Les  colonies 
fran^aises.  —  Fehlt  Acad. ;  Litträ  SuppL:  paillote  1"  Hütte  eo  paille 
2'*  Teile  de  paille  de  riz. 

papiUoiemeni  =  zu  grelle  Licht-  und  Farbenverteilung  (Malerei). 

—  Aux  Salons  annuels,  on  s'engoue  quelquefois;  les  couleurs  fraiches 
ou  des  papillotements  trompeurs  ...  —  P.  J.  16  sept.  1883.  Le  salon 
officiel  (Th.  Grimm).  —  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

parneüiste  =  zur  Partei  Parnell's  gehörig.  —  Dublin,  28  sep- 
tembre.  —  ...  les  Orangistes  ont  attaquä  le  däputä  parnelliste  O'Con- 
nor.  —  P.  J.  30  sept.  1883.  —  Fehlt  natürlich  Acad.  und  Littr^. 

peirolier  =  Petroleumschiff.  —  Le  changement  de  naphte  ä  bord 
du  navire  Oxford  continue  ä  brüler  sans  danger,  gräce  k  de  puissantes 
pompes.  Deux  autres  p^troliers,  mouilläs  dans  le  meme  bassin, ...  — 
P.  J.  22  sept.  1888.  — -  Fehlt  Acad.  und  Littrö. 

piquriere  =  Arbeiterin,  welche  durchlöcherte  Verzierungen  auf 
Taft  macht?  —  Roubaix,  5  novembre.  Ce  soir,  ä.  six  heures,  le  feu  a 
äclatä  ä  la  filature  Dilly  fröres,  dans  Tatelier  des  piquri^res  par  suite 
d'une  imprudence,  commise  par  un  enfant  qui  a  r^pandu  une  bouteille 
de  benzine.  —  P.  J.  7  nov.  1883.  Departements.  —  Roubaix,  29  no- 
vembre. —  . .  .  Ce  commencement  d'incendie  a  pu  6tre  facilement 
steint:  mais  une  panique  s'est  emparäe  des  vingt-sept  ouvriers  de 
Tatelier,  lesquels,  craignant  le  sort  de  leurs  compagnes  de  l'atelier  des 
piquriöres,  se  sont  enfuis  ...  —  P.  J.  1  däc.  1883.  Le  nouveau  sinistre 
de  Roubaix.  —  Fehlt  Acad.  und  Litträ. 

pluvinage  =  ?  —  Lille,  7  novembre.  ün  bouilleur  a  fait  ex- 
plosion  ce  matin  a  la  distillerie  du  pluvinage  Dubois,  k  Avoingt  (Nord). 

—  P.  J.  9  nov.  1883.    Departements. 

porte-parole  =  Wortführer.  -—  Tels  sont  les  points  pr^cis  sur 
lesquels  le  porte-parole  de  la  droite  däsire  6tre  äclairö  ...  —  P.  J. 


^)  Bereits  von  Kressner  in  dieser  Zschr.  III,  549  belegt. 


I 


Zu  (lern  franz.  Wöriei^huch  von  Sachs.  251 

26  f^vr.  1888.  —  M.  Louis  Veuillot,  qui  ötait  le  porte-parole  du  parti 
clörical  . . .  —  P.  J.  —  Fehlt  Acad. ;  Littrö  Suppl. :  Celui  qui  porte 
parole  pour  d'autres,  qui  trauBmet  dee  paroles. 

porte -pompe  adj.  =  Pumpen  tragend.  —  .  .  .  le  projet  du  gänöral 
Paris :  . .  .  On  propose  donc  d'installer,  dans  chacune  des  gares  de 
Paris,  une  pompe  ä  vapeur  et  sa  voiture  de  tuyaux  sur  un  truc  r^- 
mis^  ä  proximitä  aussi  imm^diate  que  possible  du  quai  de  däpart.  — 
Coup  pour  coup,  il  envoie  le  si^nal  convenu  au  chef  de  gare  de  Saint- 
Lazare:  ce  dernier  fait  imm^diatement  disposer  le  truc  porte -pompe 
a  la  suite  du  train  qui  doit  partir  ...  —  P.  J.  27  döc.  1888.    Le  feu. 

—  Fehlt  Acad.  und  Litträ. 

rattachement  s.  m.  =  Verbindung  mit .  .  .,  Übernahme  auf.  — 
La  commission  municipale  de  la  Chambre  des  deput^s  a  entendu  hier 
M.  Margue,  sous-secrätaire  d'^tat,  et  M.  Camille  Lyon,  directeur  du 
cabinet  du  ministre  de  Tintärieur.  II  s'agissait  du  rattachement  k 
l'Etat  du  budget  de  la  präfecture  de  police.  ■—  La  commission  adopte 
. .  .  le  principe  du  rattachement.  —  P.  J.  3  döc.  1883.  Dernieres  nou- 
velles.  —  .  . .  le  ministre  de  Tint^rieur,  M.  Waldeck- Rousseau,  qui  de- 
mande  le  rattachement  au  budget  de  l'Etat,  des  d^penses  de  la  prä- 
fecture  de  police  ...  — -    P.  J.  15  d^c.  1888.     La  pröfecture  de  police. 

—  M.  Depasse  demande  au  conseil  de  voter  le  budget  de  la  prdfecture 
de  police ;  ce  sera  la  seule  fa9on  d'empScher  le  rattachement  au  budget 
de  TEtat.  —  P.  J.  20  döc.  1883.  Conseil  municipal  de  Paris.  —  In 
derselben  Verbindung  kommt  das  Wort  noch  vor:  P.  J.  22  döc, 
23  d^c.  1883;  1  janv.,  7  janv.,  13  janv.,  19  janv.,  21  janv.,  23  janv., 
3  fävr.  1884.  —  Si  ces  deux  projets  diffferent  sur  un  point  capital, 
rattachement  de  l'infanterie  de  marine  au  däpartement  de  la  guerre, 
ils  sont  d'accord  sur  la  Constitution  des  forces  locales  indigänes.  — 
P.  J.  22  janv.  1884.  Les  troupes  indigönes.  —  Au  cours  de  la  dis- 
cussion  sur  Tarm^e  coloniale  le  ministre  de  la  guerre  a  expos^  que  le 
gouvernement  est  d'accord  pour  rattacher  Tinfanterie  de  marine  au 
ministäre  de  la  guerre,  mais  qu'il  est  impossible  de  proc^der  ä  ce 
rattachement  pendant  le  cours  de  Texpödition  du  Tonkin.  —  P.  J. 
25  janv.  1884.  Commissions  parlementaires.  —  Fehlt  Acad.;  Littrö 
Suppl. :  Action  de  rattacher,  ^tat  de  ce  qui  est  rattach^. 

reassortir  =  wieder  (mit  Waaren)  versehen.  —  L'annonce  dans 
toute  la  France  du  tirage  d^finitif  de  la  loterie  Tunisienne  pour  le 
17  juillet  prochain  a  dätermin^  une  vente  considärable  de  billets.  Les 
marchands  se  r^assortissent  en  ce  moment  et  tout  fait  prävoir  une 
fin  d'^mission  trös  rapide.  —  P.  J.  30  janv.  1884.  Annonce.  —  Fehlt 
Acad.  und  Littr^. 

reinhtimer  =  wieder  begraben.  —  Le  corps  a  ^tö  remis  dans  le 
cercueil  et  ramenä  dans  le  cimeti^re  Saint-Ouen,  oü  il  a  ät^  rä'inhum^ 
en  prösence  des  parents  du  däfunt.  —  P.  J.  7  döc.  1888.  Paris.  —  II 
y  a,  ä.  cet  ^gard,  une  taxe  municipale :  vingt  francs  par  corps  exhum^ 
et  r^inhumö.  —  P.  J.  23  janv.  1884.  Chambre  des  d^putös.  —  Fehlt 
Acad.  und  Litträ,  welcher  jedoch  im  Suppl.  r^inhumation  hat. 

reporiage  =  Einziehen  von  Erkundigungen  für  eine  Zeitung; 
Geschäft  eines  Reporters,  Reportertum  (Villatte,  Parisismen).  —  Vgl. 
diese  Zeitschrift  V'',  p.  60.  —  ...  les  reporters  anglais  se  sont  piteuse- 
ment  laiss^  battre  par.  le  reportage  am^ricain  ...  —  P.  J.  27  sept. 
1888.  ün  revenant  (Th.  Grinun).  —  A  une  heure  du  matin,  notre  re- 
portage nous  apporte  une  nouvelle  grave  et  que  nous  ne  pouvons 
donner  que  sous  toute  räserve.  —  P.  J.  2  oct.  1888.  Le  roi  d'Espagne 
är  Paris. 


252  B.  über 

repousse  =  Wiederwachsen.  Vgl.  diese  Zeitschrift  V*,  p.  57.  — 
Plus  de  chauyes!  Eepousse  certaine  ä  toot  age!  Croissances  äton- 
nantes  de  cheveux  produites  ...  —  P.  J.  1  janv.  1884.  Annonce.  — 
La  pommade  quinine  Lechaux  . . .  produit  une  repousse  certaine  ä  tout 
äge  ...  P.  J.  19  janv.  1884.  II  faut  avoir  des  cheveux.  —  Pour  con- 
server  votre  chevelure  employez  l'eau  suprßme  amäricaine;  repousse 
certaine  des  cheveux  ä  tout  äge  ...  —  P.  J.  2  fävr.  1884.    Annonce. 

resserre  s.  f.  =  Raum,  in  den  man  etwas  verschliessen  kann.  — 
De  nombreux  vols  ^taient  commis  depuis  quelque  temps  dans  la  ressefre 
du  pavillon  n^  47,  aux  Halles  centrales.  —  P.  J.  29  mars  1883.  Le 
conseil  adopte  un  projet  de  mise  en  adjudication  de  la  perception  des 
droits  de  stationnement  aux  abords  des  halles  et  march^s  de  Paris,  et 
de  Texploitation  de  la  resserre  publique  des  halles.  —  P.  J.  18  nov. 
1888.  Conseil  municipal  de  Paris.  —  .  .  .  il  ^tait  entrö  au  service  de 
Lemardelay,  restaurateur,  rue  Richelieu,  eu  qualitä  d'aide  de  cuisine. 
On  Ta  trouv^,  avant-hier  soir,  dans  une  resserre  de  cet  Etablissement, 
avalant  präcipitamment  une  corde  de  plnsieurs  m^tres  de  longueur. 
—  P.  J.  10  f^vr.  1884.    Paris.  -—  Fehlt  Acad.;  steht  bei  Litträ  Suppl. 

ricUis  s.  =  öffnen  des  Mundes;  der  geöffnete  Mund.  —  .  .  .  un 
affreux  rictus  plissa  les  lävres  minces  de  D^Birö  ...  —  P.  J.  6  juill. 
1883.  A.  Matthey :  La  belle  Julie.  —  Au  moyen  d'une  forte  bobine  de 
Rumkoff  [soll  heissen  Ruhmkorff],  on  a  excitE,  les  uns  apr^s  les  autres, 
tous  les  muscles  de  la  face.  Ce  fut  d'abord  un  rictus  äpouvantable ; 
puis  les  yeux  se  sont  ouverts,  ferm^s  ...  —  P.  J.  3  oct.  1883.  Exö- 
cution  de  Houy.  —  Madame  Zidore  s'ätait  levEe  Egalement,  et  cette 
femme,  qui  ne  riait  jamais,  dans  la  crainte  peut-ßtre  de  d^truire  Thar- 
monie  des  fronces  de  son  rictus,  s'effor^a  de  sourire  aussi  agr^able- 
ment  que  possible  ä.  Tancien  locataire  mis  ä  la  porte.  —  P.  J. 
2  janv.  1884.  E.  Richebourg:  La  Petite  Mionne.  —  Fehlt  Acad.;  Litträ: 
Mot  latin  qu'on  emploie  quelquefois  aujourd'hui,  et  qui  signifie  fente 
de  la  bouche. 

romanigo  =  Zigeuner.  —  Les  marchands  forains  tiennent  ces 
jeux  d'une  fa^^on  fort  honnSte,  mais  il  n'en  est  pas  de  mSme  d'une 
catögorie  d'individus  que  Ton  däsigne  sous  le  nom  gönörique  de  ro- 
manigos  et  de  romanitchells  [Sachs  =  romanichel].  Ce  sont  des  bo- 
hämiens  au  teint  cuivrE,  aux  cheveux  noirs,  qui  viennent  sans  vergogne 
s'installer  dans  toutes  les  f^tes,  qu'ils  s'efforcent  de  mettre  en  coupe 
rä^lEe.  Chaque  famille  de  romanigos  poss^de  d'ordinaire  cheval  et 
voiture.  —  Grand  Alman.  Illustr.  du  P,  J.  1884,  p.  32.  —  Fehlt  Acad. 
und  Litträ. 

ruisseüement  s.  m.  =  das  Rieseln,  Rinnen.  II  Tavait  äblouie, 
grisäe  du  ruissellement  imaginaire  des  millions  de  mademoiselle  d'Es- 
parre.  —  P.  J.  17  oct.  1883.  A.  Matthey:  La  Belle  Julie.  —  ...  comme 
si  eile  entendait  le  ruissellement  des  piäces  d'or  ...  —  P.  J.  18  oct. 
1883.  Ibid.  -•  Fehlt  Acadämie  und  Litträ;  vgl.  jedoch  LittrE:  ruisseler. 
Fi^.  . .  .  Tordre  eccläsiastique,  qui  faisait  ruisseler,  dans  le  sein  de 
ToisivetE  et  de  Tignorance,  tous  les  tr^sors  de  la  religion  et  des 
pauvres  ,  .  .    Mirabeau,  CoUection,  t.  IV,  p.  336. 

senottsUn  =  Mitglied  einer  muhamedanischen  Brüderschaft  (siehe 
senousisme).  —  Ainsi  il  est  acquis  aujourd'hui  que  les  senousiens  de 
Tripoli  avaient  connaissance  des  soul^vements  des  Oulad-Sidi-Cheiks  . .  . 
Mais  Jamals,  il  est  vrai,  la  confrärie  des  senousiens  ne  s'Etait  encore 
montr^e  aussi  puissante  ...  Le  p^re  du  directeur  actuel  de  la  con- 
fr^rie  des  senousiens  n'ignorait  pas  .  . .  Teffervescence   r^gnant  parmi 


Zu  dem  franz.  Wörterbuch  von  SacJis.  253 

les  senousiens  ...  —  P.  J.  19  fövr.  1884.  L^f^afadi  et  TAlgärie.  — 
Fehlt  Acad.  u.  Littr^.  —  Vgl.  Globus,  1884,  p.  265.  Die  Sekte  der  Senusya. 

senousisme  s.  m.  =  Senusismus,  muhamedaniBche  Brüderschaft 
im  Norden  von  Afrika.  —  On  parle  beaucoup  du  Mahdi  et  de  ses  ez- 
ploits,  mais  ignore-t-on  que  Sidi-Mohammed-El-Mahedi  (chef  actuel  du 
senousisme,  cette  redoutable  coniri^rie  musulmane  aujourd'hui  k  l'ordre 
du  jour),  est  le  fils  de  Ali-Es-Senousi,  qui  fonda  son  ordre  präs  de 
Mostaganem,  d.  Mazonna,  il  y  aura  bientöt  une  cinquantaine  d^ann^es  . . . 
Les  progr^s  effrayants  accomplis  en  ces  derniers  temps,  par  la  terrible 
confr^rie  du  senousisme  dämontrent ...  —  C'est  au  senousisme  qu'il 
faut  attribuer  les  ^yänements  d'^gypte  ...  On  retrouve  des  affili^s 
du  senousisme  depuis  la  Mecque  jusque  sur  les  c6tes  de  S^n^gambie 
. . .  la  France  et  TAngleterre  qui  d^tiennent  de  si  pr^cieuses  possessions 
coloniales  dans  les  r^gions  oü  domine  le  senousisme ...  —  P.  J. 
19  f Syrier  1884.    Le  Mahdi  et  VAlg^rie.  —  Fehlt  Acad.  u.  Littr^. 

sergoi  =  Polizeidiener,  Schutzmann  (Vilatte :  Parisismen  =  sergo: 
ohne  t).^)  —  En  route  pour  le  poste,  le  prisonnier  invective  les  agents. 

—  II  ne  faut  plus  de  police !  yocifäre-t-il.  A  bas  les  sergots !  k  Teau 
les  mouchards!  Je  les  tuerai  tous!  —  P.  J.  15  janv.  1884.  Affaire 
Curien.  —  Jules  Delorme,  marmiton,  seize  ans,  hurlait  pr^s  de  l'hötel 
de  yille:  Enlevez  les  sergots!  —  P.  J.  14  mars  1883.  Fehlt  Acad^mie 
und  Littr^. 

sinisträ  =  von  einem  Unglücksfall  betroffen.  —  ...  au  bän^fice 
.  .  .  des  agriculteurs  sinisträs  de  Lorraine  ...  —  P.  J.  7  sept.  1888.  — 
.  .  .  nous  sommes  heureux  de  pouvoir  faire  connaitre  le  projet  du  g^- 
näral  Paris :  ...  2^  Utiliser  .  . .  Torganisation  actuelle  de  ce  r^giment 
[sapeurs-pompiers]  et  la  nouvelle  instruction  qui  lui  est  donn^e  pour 
amener  .  .  .  sur  les  points  ext^rieurs  sinistr^s  les  secours  .  .  .  la  com- 
mune la  plus  voisine  de  la  Station  desservant  la  commune  sinistr^e . . . 
dirieer  sur  le  Heu  sinisträ  les  deux  ou  quatre  pompes  ä  yapeur  ...  — 
P.  J.  27  d^c.  1888.  Le  feu.  —  Les  entrepreneurs  sont  tout  dispos^s 
d.  indemniser  les  sinistr^s  et  leurs  familles  ...  —  P.  J.  29  d^c.  1888. 
Les  syndicats  (Th.  Grimm).  —  L'incendie  de  la  rue  Saint- Bemard 
atteint  particuliörement  quatre  m^nages  d'ouyriers  .  . .  L'un  de  ces 
sinistr^s  a  une  femme  et  huit  enfants.  —  P.  J.  28  jany.  1884.    Paris. 

—  Nous  ayons  re9U  pour  les  sinistr^s  de  la  rue  Saint-Bernard  ...  — 
P.  J.  28  jany.  1884.  Chronique  du  bien.  —  üne  quSte  sera  faite  pour 
les  sinisträs  de  la  cit^  Joly.  —  P.  J.  8  f^yr.  1884.    Revue  des  th^tres. 

—  Dfes  dem  henres,  les  sinistr^B  ont  6t6  rangle  par  ordre  d'inscription 
a  cette  distribution  [de  litsl.  —  P.  J.  8  fäyr.  1884.  Les  yictimes  de  la 
cit^  Joly.  —  Fehlt  Acad.;  Littr^:  Qui  a  subi  un  sinistre. 

solicitor  (engl.)  =  Anwalt.  —   II  craint  en  outre  que  les  jour- 

iiaux  an^lais  ne  s'occupent  d'un  h^ritage  de  plusieurs  millions  tomb^s 

n  desherence  ...  —  Pour  cela,  —  r^pliqua  Lartigues,   —  il  faudrait, 

•'   me  semble,   que  le   solicitor  ait  communiqu^  le  testament ...  — 

.1.  29  ayril  1888.    Xayier  de  Mont^pin:   Simone  et  Marie.  —  Mais 

nie  je  yeux  constater  imm^diatement,    c'est  que  ce   Systeme  [de 

'  rt>  Torrens'*],  condamnä,  cela  ya  sans  dire,  par  les  grossoyeurs  de 

l«H  pays,  comme  il  a  eu  contre  lui,  il  y  a  yingt  ans,  la  foule  des 

>rs  anglais  däjä.  implant^s  sur  le  sol  australien,  ce  Systeme  ne 

'  plus  que  des  critiques  d*ordre  infime  ...  —  P.  J.  28  sept.  1883. 

vil  foncier  (Th.  Grinmi).  —  Fehlt  Acad.  und  Littr4 

Ebenso  Larchey,  der  A.  Daudet  citiert,  und  Rigaud.    E.  K, 


254  B.  Ubei' 

soliloguer  =  eiivSelbstgespräch  halten.  —  Tout  en  soliloquant, 
ü  ätait  paryenu  ...  —  P.  J.  juill.  1883.     A.  Matthey:  La  Belle  Julie. 

—  Fehlt  Acad.  und  Littr^. 

sous  -  chapitre  =  Unterabteilung.  —  M.  Dreyfus  präsente  un 
rapport  sur  une  proposition  de  M.  G.  Martin  tendant  ä  räunir  toutes 
les  däpenfles  du  personel  du  d^partement  dans  un  meme  sous-chapitre 
du  budget  et  propose  un  projet  de  d^lib^ration  conforme  ä  cette  pro- 
position. —  P.  J.  30  däc.  1883.  Conseil  gän^ral  de  la  Seine.  —  Fehlt 
Acad.  und  Litträ. 

stand  8.  m.  =  Schiessstand.  —  Tous  les  dimanches,  ä  Vincennes, 
exercices  de  tir  au  fusil  Gras  et  a  la  carabine,  au  nouveau  stand  de 
la  Soci^tä  regionale,  108,  rue  de  Fontenay.  —  P.  J.  31  mars  1883 
Petites  nouvelles.  —  Säances  de  tir  ...  au  stand  du  fort .  .  .  —  P.  J. 
19  avril  1883.  —  Concours  de  la  sociät^  de  tir  .  . .  au  stand  du  fort 
de  Noisy ...  —  P.  J.  11  oct.  1883.  —  On  a  inaugurä  un  stand  a 
Tusage  des  enfants  ...  —  P.  J.  24  oct.  1883.  —  Fehlt  Acad.;  Litträ 
Suppl.:  Nom,  dans  la  Suisse,  des  endroits  disposäs  ,pour  un  tir. 

tessmois^  e  =  zn  (dem  Kanton)  Tessin  gehörig.  —  Berne.  18  f^v. 
soir.  Hier  soir,  l'express  Milan -Lucerne  a  d^raill^  ä  Glornico  (station 
tessinoise  entre  Bellinzona  et  Airolo).  -—  P.  J.  21  f^vr.  1884.    Etranger. 

iorpiUeur  =  Torpedoboot.  —  Cherburg,  18  sept.  Une  embar- 
cation  du  Jemmapes,  mont^e  par  des  r^serristes,  en  manoeuvrant  sur  la 
rade,  a  ätä  abordne  en  travers  par  un  torpilleur.  —  P.  J.  20  sept.  1883. 
Departements.  —  Division  des  mers  de  Chine  (contre - aniiral  Meyer): 
cuirasses  la  Victorieuse,  TAtalante  .  .  .  transports  le  Drac,  l'Annamite, 
le  Mytho,  et  deux  torpilleurs.  —  P.  J.  11  mai  1883.  Commissions  par- 
lementaires.  —  Le  bätiment  torpilleur  le  Japon  va  ^tre  mis  ä  la  die- 
Position  de  Tamiral  Jaur^s  ...  —  Au  commencement  de  mars,  les 
Mtiments  torpilleurs  seront  armäs  pour  faire  temporairement  partie 
de  Tescadre  d'^volutions.  —  P.  J.  20  janv.  1884.  Bulletin  militaire  et 
maritime.  —  Fehlt  Acad.;  Littr^:  Nom  donn^  aux  marins  qui  diri- 
gent  une  torpille,  und  Suppl.:  bateau  torpilleur^  bateau  portant  une 
torpille. 

ioume-omfs  =  Eierwender  (in  Brütöfen).  —  Couveuse  per- 
fectionnäe  ä  thermo-siphon  [Sachs  =  thermosiphonl  ä  lampe  extincteur 
et  tourne-oöufs.    ficlosions  85  ä  90°/o.  —  P.  J.  26  janv.  1884.    Annonce. 

—  £nvoi  franco  du  catalogue  .  .  .  des  couveuses  ä  thermo-siphon  ä 
lampe  ou  au  gaz,  extincteur -^lectrique  et  toume-ceufs  m^canique.  — 
P.  J.  14  fävr.  1884.    Annonce.  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

toxicophobe  =  eine  Vergiftung  befürchtend.  —  Voici  maintenant 
le  r^cit  du  crime,  d'apräs  le  rappoi^  de  M.  Legrand  du  Saulle  [le  sa- 
vant  aliänistel :  ...  Ghabert,  redevenu  intemp^rant,  hypocondriaque, 
pers^cutä,  hallucin^  de  Vouie,  toxicophobe,  exalt^  et  däsespärä,  a  quittä 
les  ateliers  ...  —  P.  J.  15  oct.  1883.    L'assassin  du  docteur  Eochard. 

—  Fehlt  Acad.  u.  Littr^. 

irichinosique  =  von  der  Trichinosis  herrührend.  —  M.  H^risson, 
ministre  du  commerce,  a'  beau  repräsenter  que  depuis  trois  semaines 
la  libre  importation  a  ätä  rätablie  sans  suites  trichinosiques^  M.  Pen- 
levey  au  beau  proposer  ä  la  Chambre  le  vote  de  Tordre  du  jour  pur 
et  simple,  celle-ci  se  prononce  nettement  contre  le  dernier  däcret  de 
M.  üärisson.  —  P.  J.  24  däc.  1883.  Chambre  des  däputäs.  —  Fehlt 
Acad.  u.  Litträ. 

izigane  =  Zigeuner.  —  Les  tziganes  hongrois,  sous  la  conduite 
de  Darasz  Miska,  sont  eng^gäs  pour  les  quatre  bals  de  TOpära.  Ils 
joueront,  dans  leurs  süperbes  costumes   nationaox,   d.  Torchestre   du 


Zu  dem  franz.  Wörlerhuch  von  Sachs.  255 

foyer.  —  P.  J.  1  däc.  1883.  Revue  des  th^ätres.  —  Nice,  7  janvier. 
...  La  musique  de  tziganes  s^est  fait  entendre  pendant  le  banquet.  — 
P.  J.  9  janv.  1884.  Departements.  —  Samedi  23,  avant- dernier  bal 
de  rOpära.  —  A  Tavant-foyer,  concert-promenade  des  Tziganes,  sous 
la  direction  de  Darasz  -  Miska.  —  P.  J.  16  fövr.  1884.  ßevue  des 
th^ätres.  —  Fehlt  Acad.;  Littr^:  Synonyme  de  tzingari.  Tzingari: 
Nom  de  vagabonds  qui  marchent  par  petites  bandes,  qui  disent  la 
bonne  aventure,  exercent  de  petits  m^tiers,  et  dont  l'origine  parait 
indienne.  —  Sachs:  Asigane. 

tütra-anarchisie  =  ultraanarchistisch.  Deux  discussions  suivent. 
Celles-ci  donnent  lieu  ä  des  votes.  L'une  concerne  la  demande  en 
autorisation  de  poursuites  däpos^e  par  le  ministre  de  la  justice  contre 
M.  Talandier,  d^put^,  g^rant  d'un  Journal  oü  ont  paru  des  articles 
ultra-anarchistes.  —  P.  J.  24  janv.  1884.  Chambre  des  döput^s.  — 
Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

nltraindividualiste  =  ultraindividualistisch.  —  Depuis  1847,  date 
de  la  mort  d*  AI  exandre  Vinet,  chaque  annäe  quelque  publication  nou- 
velle  entretient  son  souvenir  et  agrandit  le  cercle  de  son  influence. 
De  son  vivant,  son  g^nie  profond  et  ultraindividualiste  n'ätait  rien 
moins  que  populaire  au  sein  de  la  grande  majoritä  de  notre  peuple; 
—  Eug.  Secretan  in  dieser  Zeitschrift  V,  pag.  88.  —  Fehlt  Acadämie 
und  Litträ. 

tdira-seculaire  =  über  das  Jahrhundert  hinausreichend,  jenseits 
des  Jahrhunderts.  —  Discuter  une  ä  une  toutes  les  Solutions  apport^es 
ä  la  tribune  parlementaire,  entrer,  pour  ainsi  dire,  en  conversation 
avec  tous  les  auteurs  de  systämes  et  tous  les  pröneurs  de  remedes 
rassembl^s  autour  de  la  plaie  sociale,  soutenir  ou  r^torquer  des  thöses 
dont  quelqaes-unes  sont  ultra-s^culaires^  excädait  ävidemment  la  tache 
de  l'organe  du  gouvernement.  —  P.  J.  2  fävr.  1884.  La  Hbertö  pour 
tous.  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 

velouiier  =  Samtweber.  —  L'une  des  balles  a  atteint  le  passant. 
Augustin  Rejol,  veloutier  ä.  Tence.  —  P.  J.  14  sept.  1883.  —  Fehlt 
Acad.;  Litträ:  Ouvrier  qui  fait  du  velours. 

vendredisie  =  Abgeordneter,  welcher  am  Freitag  eine  Sitzung 
anberaumen  will  (also  etwa:  Freitagsmann).  —  Quelques  membres, 
ämus  ä  la  pens^e  de  ne  pouvoir  expedier  ä.  temps  les  travaux  d^s  ä 
präsent  inscrits  au  feuilleton,  ä  travers  les  nombreuses  interpellations 
que  d^autres  membres  tiennent  toutes  pretes,  ont  eu  l'idäe  charitable 
de  restituer  ä  la  Chambre  une  s^ance  par  semaine :  le  vendredi.  Le 
vendredi,  comme  le  mercredi,  ätait  plusieurs  annäes  d^jä»  consacrä  aux 
travaux  des  commissions  et  aux  r^unions  des  groupes.  M.  Folliet^  in- 
terprete  des  „vendredistes" ,  däpose  une  proposition  ...  —  P.  J. 
17  janvier  1884.  Chambre  des  däputäs.  —  Fehlt  natürlich  bei  Acad. 
und  Litträ. 

vivisectionniste  =  für  die  Vivisektion.  Vgl.  das  oben  angeführte 
antivivisectionniste.  —  Fehlt  Acad.  u.  Litträ. 


n.  WSrter  mit  erweiterter  Bedentang: 

ahatage  =  das  Hauen  (vom  Berghauer  gesagt).  Sachs  nur: 
«,  2.  Hauerlohn.  —  L'ensemble  de  la  lache  des  mineurs  comprend: 
1^  Tabatap^e,  2^  Tentretien  des  petites  galeries,  3°  le  roulage  du  char- 
bon  extrait.  —  P.  J.  22  fävr.  1884.  Les  mineurs  d'Anzin.  —  Auch 
Littr^  gebraucht  das  Wort  in  dieser  Bedeutung:  Suppl.  s.  v.  abatteur: 


»56  B.  über 

Ouvrier  employä  ä  Tabatage   dans  les    mines.     Terme    d*exploitation 
houillöre. 

affolement  =  die  bis  zum  Wahnsinn  gesteigerte  Aufregung.  — 
Sachs  nur:  ^  plötzliches  Abweichen  der  Magnetnadel.  Acad.  fehlt  das 
Wort  ganz.  Littr^ :  Action  de  devenir  fou  et  sourtout  fou  par  amour ; 
die  von  Sachs  angegebene  Bedeutung  fehlt.  —  La  defense  retrace  la 
scene  du  crime,  montrant  l'exasp^ration  de  Boissy,  TafFolement  dans 
lequel  il  s'est  trouvö,  et  repousse  toute  idäe  de  primäditation.  —  P.  J. 
2  juill.  1888  (Gerichtsverhandlung).  —  On  ne  saurait  d^peindre  Taffole- 
ment  qui  s'est  empar^  des  habitants  entourant  Vimmense  foyer  ...  — 
P.  J.  28  juill.  1883  (Bericht  über  einen  Brand).  —  L'id^e  venait  de 
jaillir  de  son  cerveau,  mais  quelle  id^e !  Une  id^e  insens^e,  teile  qu'elle 
pouvait  naitre  de  son  affolement.  —  P.  J.  31  oct.  1883.  E.  Riche- 
bourg:  La  Petite  Mionne.  —  ün  ^lan  involontaire  la  pröcipita  vers  la 
rampe,  presqu'agenouilläe.  Dans  cet  älan  sa  jupe  passa  sur  un  quin- 
quet;  une  ^tincelle  jaillit  et  un  jet  de  flamme  monta  comme  un  ser- 
pent  le  long  de  V^toffe,  tandis  qu'un  long  cri  de  detresse  succddait, 
dans  cette  salle  toute  vibrante  d'emotion,  aux  clameurs  enthousiastes 
de  tout  ä  l'heure.  Cela  s'^tait  pass^  si  vite  que,  parmi  les  spectateurs 
glacäs  par  Teffroi,  il  n'y  eut  d'abord  que  cet  affolement  qui,  dans  ces 
heures  tragiques,  paralyse  la  präsence  d'esprit.  —  P.  J.  9  nov.  1883 
E.  Daudet:  Mademoiselle  Vestris.  —  La  malheureuse  mere,  vingt  ans 
avant,  s'eat  dans  Taffolement  de  la  douleur,  et  pour  sauver  son  ?poux, 
livr^e  au  tyran  qui,  ä,  ce  prix  seulement,  a  consenti  ä  faire  gräce.  — 
P.  J.  23  nov.  1883.  Premi^res  reprösentations  (L^on  Kerst).  —  Eh 
bien,  va  demander  ä  ton  fils  qui  a  frapp^  Jenny,  la  servante  de  Ver- 
dier, dans  le  tombeau  Kourawieff  oü  il  s'introduisait  pour  voler  nos 
correspondances,  il  te  r^pondra:  —  C'est  moi !  !  !  —  Lui !  !  —  fit  ma- 
dame  Rosier  avec  affolement.  —  P.  J.  28  mai  1883.  Xavier  de  Mon- 
t^pin :  Simone  et  Marie.  -—  Le  feu  a  gagn^  des  fabriques  voisines.  Au 
Premier  signal,  ce  fut  dans  Roubaix  un  affolement  gön^ral.  On  croyait 
k  de  nouvelles  victimes.  —  P.  J.  30  nov.  1883.  Nouveau  sinistre  ä 
Roubaix.  —  Nous  rappelons  pour  mtooire  que  la  Chine  a  fait,  —  ou 
est  cens^e  avoir  fait,  —  de  la  prise  de  Son-Tay  ou  de  Bac-Ninh 
r^quivalent  d'une  döclaration  de  guerre.  Nous  notons  une  distinction 
ä.  ^tablir,  parce  qu'il  nous  parait  näcessaire  de  r^agir  contre  l'affole- 
ment  que  plusieurs  journaux  s'efforcent  malheureusement  de  rendre 
plus  grand  encore.  —  P.  J.  19  d^c.  1883.  La  marche  sur  Son-Tay.  — 
Nous  voici  fort  heureusement  revenus  ä  une  plus  saine  appr^ciation 
de  la  Situation.  La  Bourse  qui,  pendant  quelques  jours,  a  %i^  livr^e 
k  une  d^bandade  effr^n^e,  c^dant,  ä  Timpulsion  d  un  groupe  de  sp^- 
culateurs  intäressäs,  .  .  .  Maintenant  que  Taffolement  est  fini,  que  la 
raison  est  revenue,  il  nous  parait  n^cessaire  de  rappeler  la  n^cessit^ 
d*un  calme  imperturbable.  —  P.  J.  21  d^c.  1883.  L'affolement.  —  La 
tante  a  ^crit  une  lettre  d'aveu  dans  un  moment  d*affolement,  sans 
doute,  sous  Tempire  de  la  terreur.  —  P.  J.  27.  d^c.  1888.  ün  vol 
sans  voleur.  —  Une  ouvri^re  couturiöre  .  .  .  a  6t^  blessäe  griävement 
de  deux  coups  de  revolver  qu'un  employä  de  la  gare  de  rEst  lui  a 
tirä,  la  nuit.  dans  Taffolement  de  la  peur.  —  P.  J.  17  janvier  1884. 
Paris.  —  En  rendant  compte  de  l'incendie  de  la  citä  Joly,  nous  avons 
parlä  de  la  disparition  de  plusieurs  enfants.  Les  recherches  dans  les 
däcombres  n'ont  amen^  que  la  .d^couverte  d'un  seul  cadavre,  celui 
d'une  fiUette  de  trois  ans  . .  .  Dans  l'affolement  de  la  premi^e  heure, 
il  s'^tait .  . .  produit  des  r^clamatious  d'enfants  disparus;  —  P.  J. 
5  fävr.  1884.     Paris.   —   .  .  .  le  jeune  homme  a  r^pondu  que  sa  m^re 


Zu  dem  franz.  Wörterbuch  von  Sachs.  257 

affbler  =  "wahnsinnig  machen,  bis  zum  Wahnsinn  aufregen 
(durchaus  der  Bedeutung  von  affolement  entsprechend).  Sachs :  «  L  zum 
Narren  machen,  bethören,  ist  sicherlich  zu  schwach.  Acad.:  Rendre 
fou,  inspirer  une  passion  qui  tient  de  l'^garement.  Litträ :  Bendre  fou, 
et  particuliörement  riendre  fou  d'amour.  -r  Messieurs,  il  y  aurait  grand 
profit  pour  tout  le  monde  ä  imiter  cette  s^r^nitö,  cet  ^quilibre  d'esprit. 
Oui,  ce  serait  une  oeuvre  patriotique  que  de  ne  pas  aflPoler  les  imagi- 
nations,  de  ne  pas  exag^rer  les  p^rils  d'une  entreprise  qui  n'est  pas, 
que  je  sache,  au-dessus  des  forces  de  la  France  ...  —  P.  J.  20  d^c. 
1888.  Les  nouveaux  cr^dits  (discours  de  M.  Jules  Ferry).  —  La  möre 
qui  avait  men^  promener  [sa  petite  fiUe],  s'aper9ut  tout  ä  coup  de  sa 
disparition.  Aprös  l'avoir  vainement  cherch^e  partout,  eile  se  rendit 
au  bureau  de  M.  Bolos,  commissaire  de  police,  auquel  eile  donna  le 
Signalement  de'son  enfant.  Puis,  toute  affoläe,  eile  courut  ä.  son  do- 
micile  .  .  .  oü  eile  esp^rait  retrouver  la  petite  Juliette.  —  P.  J.  20  däc. 

1883.  Paris.  —  A  peine  s'ätait-il  approch^  de  la  palissade  en  planches 
que  deux  coups  de  feux  se  faisaient  entendre,  et  que  deux  balles 
Vatteignaient .  . .  Affol^  par  la  peur,  il  s*ätait  enfui ...  —  P.  J. 
22  d^c.  1883.  Paris.  —  Le  marquis  de  Tseng  n'a  nuUement  demand^ 
ses  passeports.  Les  journaux  anglais,  affol^s,  supplient  la  France  de 
s'arröter,  de  faire  la  paix  avec  la  Chine.  —  P.  J.  23  döc.  1883.  La 
prise  de  Son-Tay.  —  Sa  terreur  redoubla  .  . .  Alors,  son  imagination 
affoläe  enfanta  diverses  hypotheses  toutes  plus  alarmantes  les  unes 
que  les  autres.  —  P.  J.  27  d^c.  1883.  E.  Daudet:  Mademoiselle  Vestris, 
—  Mais  l'indispensable,  par  dessus  tout,  c'est  d'agir,  et  d'agir,  —  sans 
s'afFoler,  —  avec  la  plus  grande  rapiditö.  —  P.  J.  8  janv.  1884.  Ex- 
tinctions  de  huiles  de  pötrole  .  .  .  enflamm^s.  —  L'oiseau  ne  pouvait 
plus  fuir:  effrayä  par  le  bruit,  dans  un  vol  affol^  il  se  cognait  aux 
murs,  tombait  sur  le  parquet;  —  P.  J.  12  janv.  1884.  E.  Richebourg: 
La  Petite  Mionne.  —  Misöricorde  du  ciel!  Vous  me  cachez  un  mal- 
heur !  Avant  qu'on  püt  lui  barrer  le  passage,  eile  prenait,  afFol^e,  son 
61an  vers  la  porte.  —  P.  J.  18  janv.  1884.  A.-J.  Dals^me:  La  Folie  de 
Claude.  —  ...  une  Enorme  chemin^e,  renvers^e  par  le  vent,  est  venue 
s'abattre  sur  les  mansardes,  dont  les  plafonds  se  sont  eifondr^s.  Les 
locataires,  aifol^s  ont  pu  heureusement  fuir  ä  teraps.  —  P.  J.  30  janv. 

1884.  La  tempßte  du  26.  —  Madame  . . ,  aflPol^e  par  la  peur,  s*est 
^lanc^e  d*une  fenötre.  —  P.  J.  2  fövr.  1884.  L'incendie  de  la  cit^ 
Joly.  —  Se  voyant  entour^e  de  flammes,  eile  perdit  la'tßte,  et  se  mit 
ä  courir,  affol^e,  en  poussant  des  cris  de  d^tresse.  —  P.  J.  16  f^vr.' 
1884.  Paris.  —  .  .  .  un  cheval  de  fiacre  descendait  ä,  toute  vitesse  le 
bonlevard  Magenta.  M.  Bonne  .  .  .  se  pla9a  sur  le  chemin  de  l'animal 
affolö  et  parvint  ä,  Tarrßter ...  —  P.  J.  18  f^vr.  1884.    Paris. 

a^avre  =  agrarisch.  —  Sachs:  *  nur  gebr.  in  loi  ^  Ackergesetz. 
Acad.  und  Litträ  ebenso.  —  Dublin,  18  d^cembre.  Un  crimö  agraire 
a  ^tä  commis  hier  soir,  d.  Eillarina  (comtä  de  Cavan).  La  victime  est 
un  fermier  ...  —  P.  J.  20  däc.  1883.    Derni^res  nouvelles. 

allumeur  =  Schlepper  (der  die  Opfer  des  Betruges  anlockt).  — 
Sachs:  .*  de  chalands,  Eundenanlocker.^)  —  Les  bonneteurs  sont  beati- 
coup  plus  redoutables  que  les  boh^miens,  car  ils  poss^dent  une  Orga- 
nisation väritable.  Le  dimanche,  dans  une  grande  f§te  eomme  oelle' 
de  Neuilly,  on  ne  tronve  pas  moins  de  deux  cents  bonneteurs,  r^partis' 
entre  une  vingtaine  de  jeux  diff^rents.    Tons  les  röles  sont  distribn^s, 

^)  Das  Wort  findet  sich  erklärt  bei  Rigand,  Delvau,  Larohey  und* 
Villatte.  E/IC. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI^.  j^y 


^  R  Vher 

depms  celm  du  banquier  jiuqa'ä  celm  de  raUomeor.  —  6r.  Alm.  JIL 
du  P,  J.  1884,  pag.  33. 

s^amorcer.  —  Un  qnart  dlieore  plus  tard,  denx  paBsants  le 
rencontraient  dans  an  petit  chemin  qui  s^amorce  sor  la  gprande  nie  de 
la  commane.  Ce  sentier  longe  nn  jardin  ...  —  P.  J.  24  janirier  18S4. 
Die  p.  235  angefOhrien  Wörter  amorce  und  s'amorcer  gehören  hierher. 

arc-bonier.  #'  «  =  sich  stätzen,  lehnen.  —  Sachs  nur:  mit 
Strebepfeilern,  mit  Strebebogen  stfiteen.  Littr^  ebenso.  Acadämie:  II 
s'emploie  aussi  avec  le  pronom  personneL  S'arc-bouter  ä  on  mnr, 
S'appnyer  fortement  k  un  mar.  —  Epais^  par  Tefifort  qa'il  venait 
d'accomplir,  il  s'arc-bontait  ä  la  moraille.  —  P.  J.  13  janvier  1884. 
A^-J.  Dalstoe:  La  Folie  de  Claude. 

ardent,  e.  3.  chapelle  «  e  =  Leichenzimmer;  der  ganze  Raum, 
in  welchem  die  Leiche  aufgebahrt  ist.  Sachs:  erleuchteter  Katafalk 
(Trauergerfist).  Littr^  und  Acad.  ebenso.  —  ...  l'interieur  [de  la  gare 
du  Nord]  avait  ^t^  transform^  en  chapelle  ardente.  —  P.  J.  3  octobre 
1883.  Lettres  ete.  —  Le  peristjle  de  la  mairie  avait  ^tä  converti  en 
une  magnifique  chambre  (=  chapelle)  ardente,  oü,  de  neuf  henres  ä 
dix  heures  du  matin,  les  yisiteurs  n*ont  cessä  d'affluer.  —  P.  J.  21  däc. 
1883.    Obs^ques  d'Henri  Martin. 

assimäable  =  vergleichbar,  zu  vereleichen,  gleichzustellen;  vgl. 
assimilation  4.  —  Sachs  nur:  assimilirbar,  wohl  als  Ausdruck  der 
Physiologie.  —  Acad.  und  Littr^  ebenso.  —  Mais  les  monnaies  d^cri^es 
ont  teu^ours  €t6  consid^r^es  comme  pi^ces  de  bon  aloi.  EUes  ne  sont 
pas  assimilables  ä  la  faussemonnaie.  —  P.  J.  18  janv.  1884.  Cisaille- 
ment  des  monnaies. 

assisiance,  -  publique,  öfifentliche  Armenpflege.  —  Acad.:  Cette 
partie  de  Tadministration  qui  comprend  les  secours  ä  donner  aux 
pauvres,  aux  malades.  Lit&^:  Tensemble  de  Vadministration  et  des 
itablissements  qui  viennent  aux  secours  des  malades  et  des  näcessiteux. 
—  Le  directeur  de  TAssistance  publique  d.  re^u,  pour  les  pauvres,  de 
M.  Blumenthal,  500  fr.  —  P.  J.  15  die.  1883.  Chronique  du  bien.  — 
M.  Charles  Quentin,  directeur  de  TAssistance  publique;  —  P.  J.  15  d^c. 
1888.  Les  enfants  assistes.  —  Auguste  Brice,  l'un  des  principaux  four- 
nisseurs  de  TAssistance  publique.  —  P.  J.  22  däc.  1883.  Paris.  — 
Hier,  apr^s-midi,  a  eu  lieu,  dans  la  salle  de  Tadministration  de  l'Assi- 
stence  publique,  la  distribution  solennelle  des  prix  aux  dl^ves  internes 
et  externes  en  mädecine  et  en  Chirurgie  des  hospices  et  höpitaux  de 
Paris.  —  P.  J.  29  däc.  1888.    Lettres,  etc. 

averUsseur.  1.  eine  Art  Patrone,  2.  Portier,  der  die  Ankunft: 
und  den  Abgang  der  Züge  ausruft,  3.  Diener  in  der  Oper,  der  die 
Schauspieler  auf  den  Beginn  der  Vorstellung  aufmerksam  macht, 
4.  Feuermeldeapparat.  — -  Sachs  nur:  Wächter,  Rufer.  Ebenso  Litträ. 
Acad.  fehlt  das  Wort  ganz.  —  . . .  un  systäme  de  cartouches,  dites 
„avertisseurs",  ä.  Tusage  des  r^gates  et  autres  fdtes  publiques.  — 
P.  J.  5  juill.  1883.  —  ...  l'avertisseur  signala  tout  d.  coup  Varriv^e  du 
train-poste  ...  —  P.  J.  5  sept.  1883.  •—  L'entretien  fut  interrompu. 
L'avertisseur  passait  dans  les  couloirs  [de  TOp^ra].  D  fallait  descen- 
dre  ...  P.  J.  8  nov.  1883.  £.  Daudet :  Mademoiselle  Vestris.  —  Hier 
ont  eu  lieu,  au  ministöre  des  finances,  les  interessantes  expäriences  de 
Favertisseur  Aectro-autematique  Charpentier  contre  les  mcendies,  k 
Voccasion  de  la  räception  officielle  des  travaux  ex^cut^s  pour  la  pose 
de  cet  ing^nieoz  appareil  de  protection.  ^  P.  J.  17  d^c.  1883.  L'aver- 
tisseur des  incendies. 


Zu  dem  franz.  Wörterbuch  von  Sachs,  259 

bacheüere  =  Baccalaurea.  —  Bei  Acad.  und  Littr^  felilt  das 
Wort  in  dieser  Bedeutung.  —  ...  rien  ne  s'oppose,  ä  mon  avis,  d.  ce 
que  les  femmes  aient  a  leur  disposition  des  Cooles  de  tous  les  degräs, 
et  qu'on  leur  enseigne  les  lettres,  les  arts,  les  sciences  comme  aux 
hommes.  L'exp^riene  a  6t6  faite  dans  d'autres  pays ;  eile  a  rdussi. 
Les  Francaises  sont  aussi  intelligentes  que  les  ätrang^res ;  pourquoi  ne 
seraient-elles  pas  de  force  ä  profiter  de  Tenseignement  universitaire  ? 
D'ailleurs,  malgr^  des  entraves  de  toutes  sortes  et  la  quasi-räprobation 
du  monde,  il  y  a  actuellement  en  France  81  bacheli^res,  21  doctoresses 
en  mädecine,  etc.,  en  tout  138  diplomäes.  —  P.  J.  9  sept.  1888.  L'ädu- 
cation  des  femmes  (Th.  Grimm). 

bagateües  de  la  porie  =  die  kleinen  Vorstellungen  und  Kunst- 
stücke, durch  welche  reisende  Künstler  das  Publikum  zum  Eintritt  in 
die  Schaubude  veranlassen  wollen  und  die  deshalb  vor  derselben  aus- 
geführt werden.  —  Fehlt  auch  Acad.  und  Littr^.  —  Les  directeurs  des 
th^ätres  forains  pr^f^rent  maintenant  attirer  le  public  en  lui  jetant  de 
la  poudre  aux  yeux.  Plus  de  bagatelles  de  la  porte,  plus  de  däsopi- 
lantes  parades !  II  semble  que  la  race  joyeuse  des  pitres  soit  en  train 
de  s'^teindre ...  La  parade  a  eu  jadis  ses  virtuoses,  grands  artistes 
consomm^s  qui  avaient  fait  de  la  bagatelle  de  la  porte  une  ^tude 
approfondie.  Tels  furent  au  XVII«  siöcle,  Turlupin,  Gfautier-Öarguille 
et  Gros-Guillaume,  dont  les  träteaux,  place  de  TEstrapade,  attiraient 
tous  les  badauds  de  leur  temps  . . .  Ce  qui  remplace  les  bagatelles  de 
la  porte,  c'est  T^talage  que  fönt  les  directeurs  de  toute  la  garde-robe 
et  du  magasin  d'accessoires  de  leur  thäätre,  sur  lequel  ils  jouent  le 
drame,  l'opörette  ou  la  fä^rie.  —  Gr.  Alm.  III.  du  P.  J.  1884,  pag.  27 
und  28  (A.  Coffignon).  —  Hierdurch  wird  erst  verständlich :  prv.  ce  sont 
les  bagatelles  de  la  porte  das  ist  noch  gar  nichts,  es  kommt  noch  weit 
besser.  —  VgL  L.  Larchey,  9«  ^d.,  Paris  1881. 

haiterie  =  Schlossteil  (des  Feuersteinj^ewehres),  der  die  Zünd- 
pfanne bedeckt  und  ge^en  den  der  Feuerstein  schlägt;  der  Hahn  des 
Gewehres?  —  Acad.:  Piöce  d'acier  qui  couvre  le  bassinet  des  armes  ä 
feu  portatives,  et  contre  laquelle  donne  la  pierre  qui  est  au  chien. 
Les  armes  ä  percussion  n'ont  pas  de  batterie.  —  Littr^  ebenso.  —  H 
glissa  sa  main  sous  le  traversin  d*oü  il  tira  un  fort  pistolet  d.  canon 
double  dont  il  fit  jouer  les  batteries,  comme  pour  s'amuser.  —  P.  J. 
1  däc.  1888.  £.  Richebourg:  La  Petite  Mionne.  —  . .  .  la  pluie  tom- 
bait  comme  d'un  arrosoir,  et  nous  allions  en  arrondissant  les  dos,  le 
fusil  sous  le  bras,  le  pan  de  la  capotte  sur  la  batterie . . .  ^-  Erckmann- 
Chatrian:  Waterloo,  pas.  288  (Hetzel  et  O«). 

hohme  ==  Drah^oUe  des  Induktionsapparates;  Papierrolle.  —  Au 
moyen  d'une  forte  bobine  de  Rumkoff  [RuhmkorfT],  on  a  excit^  . . .  tous 
les  muscles  de  la  face.  »  P.  J.  8  oct.  1888.  —  Le  feu  s'est  däclar^, 
on  ne  sait  comment,  dans  un  hangar  sous  lequel  ^taient  rangäes  quatre 
Cents  bobines  de  papier  neuf . . .  ~  P.  J.  18  janv.  1884.  (Brand  einer 
fabrique  de  cartonnages).  Acad.:  ün  cylindre  autour  duquel  s'enrou- 
lent  des  fils  mätalliques,  qui  servent  k  conduire  un  courant  ^lectrique. 
Littr^  Suppl.  ebenso. 

braiser  =  aufsieden  (des  Silbers  etc.)?  =s  blanchir.  —  C'est  une 
süperbe  chaine  de  montre  giletiäre  avec  bäton,  mousqueton,  mädaillon, 
en  m^tal  dor^,  cisel^,  braisi,  soudä  ä  la  lampe.  —  P.  J.  1  janv.  1884. 
Les  camelots. 

brassard  =  ?  Wickelband  kann  es  neben  „lange"  nicht  be- 
deuten. ^  Le  milieu  de  la  pi^ce  est  occupä  par  une  Enorme  chemin^e^ 
oü  flambe  nn  bon  feu,  devant  lequel  chauffent  ^tendus  Goaches,  la^es, 

17* 


aeo  B,  Vber 

brassards,  bonnets ;  en  an  mot,  tout  ce  qu'il  faut  pour  yStir  convena- 
blemen);  le  nouveau  venu.  —  P.  J.  27  oct.  1888.  L'enfance  ä  Paris 
(Th.  Grimm). 

brasseur,  ^  d'affaires  =  faiseor  d'affaires?  Un  An^lais,  brasseur 
d'affaires,  John  Arthur,  s'dtait  ^tabli  dans  la  rue  GastigUone,  oü,  pen- 
dant  plusieurs  ann^es,  il  fit  le  change  et  trafique  sur  tout,  vente 
d'immeubles  et  vente  de  marchandises.  II  y  avait  des  hauts  et  des 
bas  dans  ce  commerce  d.  tout  faire  ...  —  P.  J.  15  fävr.  1884.    Paris. 

—  Sachs,  Acad.  und  Littr^:  Bierbrauer,  Bierwirt. 

brimade  =  Fuchsprellen,  nicht  bloss  vom  Schüler  (Sachs),  son- 
dern auch  vom  Rekruten.  —  Quand  ä  la  brimade  [le  conscrit  d'aujourd» 
hui]  ne  la  connaitra  que  par  des  contes  qui,  remontant  aux  temps  les 
plus  recul^s,  n'ont  plus  cours  ä  notre  äpoque.  —  P.  J.  28  däc.  1883. 
Le  conscrit  d'aujourd'hui. 

buche  =  Gasbrenner  (mit  Löchern).  —  Une  buche  ä  gaz  flambait 
dans  un  appartement,  quand  la  flamme  s'äteignit  soudain  .  .  .  le  gaz 
continua  ä  sortir  des  trous  de  la  buche  ...  —  P.  J.  30  janvier  1884. 
La  tempSte  du  26.  —  Diese  Bedeutung  fehlt  in  den  Wörterbüchern. 

budgetaire  a.  u.  s.  m.  (effectif)  «  Budgetbestand.  So  Sachs.  Man 
ist  somit  versucht  zu  glauben,  das  Wort  käme  nur  in  dieser  äinea 
Verbindung  vor.  —  Parmi  la  droite  bonapartiste,  deuz  hommes  con* 
naissent  le  m^canisme  budg^taire  et  sont  capables  de  faire  d'excellents 
discours  d'opposition ;  —  P.  J.  80  nov.  1883.    Chambre  des  döputäs.  — 

—  .  .  .  la  question  budg^taire  ...  —  P.  J.  26  janv.  1884.  —  les  n^- 
cessit^s  budgätaires  ...  —  P.  J.  2  fävr.  1884.  —  les  embarras  budgö-» 
taires  ...  —  P.  J.  10  fävr.  1884.  —  Des  consid^rations  budgötaires.  — 
P.  J.  12  fävr.  1884.  —  Acad. :  budg^taire.  adj.  des  deux  genres.  Qui 
appartient  au  budget,  qui  a  rapport  au  budget.  AUocutions  budg^- 
taires.  —  Littr^  ¥de  Sachs;  aber  Suppl.  budg^tairement. 

cannage  =  Beflechten  (der  Stühle)  mit  Rohr.  —  La  socidt^  [des 
ateliers  d'aveugles]  pourra  y  dävelopper  la  fabrication  de  brosserie, 
de  sparterie,  ainsi  que  le  cannage  et  le  rempaillage  des  chaises.  — 
P.  J.  7  janv.  1884.  Lettres,  etc.  —  Sachs  nur:  Ausmessen  mit  der 
Rohrelle.  Acad.  ebenso.  Littr^  Suppl.:  Action  de  tresser  des  Cannes, 
des  rpseaux.    Les  rotins  servant  au  cannage  des  siäges. 

capter  2.  eine  Mineralquelle  fassen.  So  Sachs  und  Littr^.  Acad. 
hat  diese  Bedeutung  nicht.  —  Hier  auch  von  anderem  Wasser  ge- 
braucht. —  L'administration  colooiale  [de  la  Räunion]  se  pr^occupe 
enfin  de  l*ätude  d'un  grand  projet  d'irrigation  qui  aura  pour  r^sultat 
de  capter  et  d'amänager  les  eaux  si  n^cessaires  ä  la  prosp^ritä  de 
Tagriculture  ...  —  P.  J.  22  janv.  1884.  Les  colonies  fran9aises.  — 
M.  Marcel  Deprez  a  fait,  ä  l'exposition  de  Munich  ...  et  ä  Grenoble  .  . . 
des  expäriences  tres  interessantes;  des  chutes  d'eau  captäes  par  des 
turbines  ä  des  distances  de  dix-huit  küometres  et  cinquante-sept  kilo-^ 
m^tres  ont  fait  marcher  . .  .  des  pompes  rotatives  ...  —  P.  J.  24  janv. 
1884.    L*älectricite  motrice. 

ceiniure.    la  Grande -Ceinture,  die  grosse  Gürtelbahn  um  Paris. 

—  Gr.  Alm.  JH.  du  P.  J.  bringt  einen  Aufsatz  (mit  Plan)  über  diese 
Bahn  pag.  40  f.  Überschrift:  La  Grande  Ceinture.  Anfang:  La  ligne 
de  Grande-Ceinture,  commencäe  en  1875 . . .  a  4it6  . . .  achev^e  et  ouverte 
au  public  au  mois  de  mai  1888  (Louis  Barroux). 

cenienaire,  une  piäce  ^  =  ein  Stück,  das  zum  100.  Male  aufge- 
führt wird.  —  Fehlt  in  den  Wörterbüchern.  —  Quand  une  piece  nou- 
velle,  jou^e  sur  un  th^tre  de  Paris,  atteint  sa  centi^me  repräsentation, 
ee  qui  est  la  constatation  de  son  succes,  et  aussi  de  ees  süperbes  re- 


Zu  dem  fram,  fFörierbuch  von  Sachs,  261 

cetteSf  ü  est  d'asage  que  l'henreux  directeor  offire  nne  fdte  ä  ses  ar* 
tistes  et  aux  anteors  de  la  pi^ce  centenaire;  on  appelle  cela  föter  la 
centi^me.  —  P.  J.  21  fävrier  1884.    £.  Richebourg:  La  Petite  Mionne. 

chevcU.  chevaux  de  bois  =  Karussell.  —  Fehlt  in  den  Wörter- 
büchern. ^-  De  distance  en  distance,  an  manage  de  chevaux  de  bois, 
la  joie  des  enfants,  toornait  au  son  de  la  musique  d'un  orgue  de  bar- 
barie.  —  P.  J.  28  d^c.  1888.  £.  Bichebourg:  La  Petite  Mionne.  —  Les 
chevaux  de  bois  constituent  un  des  äl^ments  indispensables  des  fötes 
foraines.  Dans  les  grandes  fötes,  c'est  aux  chevaux  de  bois  que  se 
donnent  rendez-vous  toutes  les  bandes  joyeuses  armäes  de  mirlitons  et 
autres  instruments  aussi  sonores  que  tintamarresques.  Dans  les  fdtes 
locales,  les  chevaux  de  bois  sont  Tamusement  des  enfants  et  la  tran- 
quillitä  des  parents  qui  fönt  cercle  autour  du  manage  ...  La  musique 
Burtout  joue  un  grand  röle  dans  le  fonctionnement  des  chevaux  de 
bois.  —  Gr.  Alm.  Jll.  du  P.  J.  1884,  pag.  31  (A.  Coffignon). 

chiffbnnaae  =  chiffonnerie  =  das  Lumpensammeln.  Fehlt  in 
den  Wörterbüchern.  •—  L'arr^tä  du  prüfet  de  la  Seine  [relatif  aux 
ordures  mdnag^riBs],  .  . .  va  räduire  d.  la  mis^re  trente  miUe  chiffon- 
niers,  sans  parier  de  cent  mille  autres  travailleurs  que  le  chifPonnage 
fait  vivre  accessoirement.  —  P.  J.  21  janvier  1884.  Räunion  des 
chiffonniers.  —  Libres  ä  eux,  s'ils  le  veulent,  de  vider  partiellement  le 
contenu  des  bottes  dans  des  toiles  d.  sacs  ou  des  toiles  ciräes,  comme 
beancoup  le  faisaient  d^ä,  afin  de  faciliter  Vop^ration  du  chiffonnage. 
—  P.  J.  23  janv.  1884.  ün  terme  moyen.  —  . . .  le  duc  de  la  Boche- 
foucanld-Bisaccia,  pour  secouer  la  tyrannie  de  la  B^publique  parle- 
mentaire,  ^tend  sa  main  protectrice  sur  la  modeste  industne  du 
chiffonnage.  —  P.  J.  24  janv.  1884.  Le  chiffonnage.  —  L'arrfit^ . . . 
n'a  fait  que  transformer  Tindustrie  du  chiffonnage  en  substituant  le 
placier  au  chiffonnier  de  la  rue.  —  P.  J.  10  £^vr.  1884.  Gons.  mun. 
de  Paris. 

Chiffreur  =  Porzellanmaler  (der  Namenszeichen  malt?  v^l. 
chiffire  4).  —  Se  sont  ensuite  pr^ent^s  devant  la  commission  les  pem- 
tres  en  porcellaine  ...  La  journ^e  de  10  heures  de  travail  est  payöe 
6  fr.,  7  fr.  50  ou  10  fr.,  selon  la  sp^cialit^:  Chiffreur,  d^corateur,  neu- 
riste  ou  figuriste.  —  P.  J.  fi^vr.  1884.  —  Diese  Bedeutung  fehlt  in  den 
Wörterbüchern. 

chrdtienid  =  Ghristenniederlassung.  Sachs  nur:  Christenheit.  — 
Acad.  ebenso.  Litträ  Suppl.:  Communant^  chrdtienne,  en  an  pays  qui 
n'est  pas  chrätien.  —  ...  la  d^pdche  que  VLp  Paginier  a  exp^diäe  : 
Hong-Kong,  9  fävr.:  Massacräs . . .  1  pr^tre,  22  cat^chistes,  215  chrd- 
tiens;  108  chr§tient^s  detruites.  Demande  secours.  Puginier.  •—  P.  J. 
18  fdvr.  1884.    Dem.  nouv. 

claquemeni  de  la  langue  =  Schnalzen  mit  der  Zunge.  —  ...  les 
chevaux,  anim^s  par  un  claquement  de  la  langue  contre  le  palais, 
reprirent  lenr  trot  rapide.  —  P.  J.  18  nov.  188S.  £.  Bichebourg:  La 
Petite  Mionne.  —  Dieser  Gebrauch  von  claquement  fehlt  in  den 
Wörterbüchern. 

comparer,  compar^,  e  =  vergleichend.  Sachs  verweist  zwar  auf 
anatomie,  nicht  aber  auf  grammaire,  das  er  doch  gibt:  grammaire 
compar^e.  Acad.  führt  noch  „philologie"  an,  das  bei  Sachs  auch  nicht 
mit  „comparee^  verbunden  angeführt  ist.  —  La  chaire  d^histoire  des 
l^gislations  compar^es  et  la  chaire  d'arabe  du  College  de  France  sont 
vacantes.  —  P.  J.  10  döc.  1883.  Petites  nou volles.  —  Le  College  de 
France  vient  de  däsigner,  pour  la  chaire  d'histoire  des  l^slations 
comparäes,  vacante  par  le  d^^s  de  M.  Edouard  Laboulay,  en  premiire 


260  Ä  Vber 

brassards,  bonnets ;  en  an  mot,  tout  ce  qu'il  faat  pour  vetir  convena- 
blement  le  nouveau  venu.  —  P.  J.  27  oct.  1888.  L'enfance  ä  Paris 
(Th.  Grimm). 

brasseur.  .  d'affaires  =  faiseur  d'affaires?  Un  Anglais,  brassenr 
d'affairee,  John  Ari;hur,  s'dtait  ätabli  dans  la  rue  CastigUone,  oü,  pen< 
dant  plusieurs  ann^es,  il  fit  le  change  et  trafique  sur  tout,  yente 
d^immeubles  et  vente  de  marchandises.  II  y  avait  des  hauts  et  des 
bas  dans  ce  commerce  d.  tout  faire  ...  —  P.  J.  15  fävr.  1884.    Paris. 

—  Sachs,  Acad.  und  Littr^:  Bierbrauer,  Bierwirt. 

brimade  =  Fuchsprellen,  nicht  bloss  vom  Schüler  (Sachs),  son- 
dern auch  vom  Rekruten.  —  Quand  d.  la  brimade  [le  conscrit  d'aujourd* 
hui]  ne  la  connaitra  que  par  des  contes  qui,  remontant  aux  temps  les 
plus  recul^s,  n'ont  plus  cours  ä  notre  ^poque.  —  P.  .7.  28  däc.  1883. 
Le  conscrit  d'aujourd'hui, 

buche  =  Gasbrenner  (mit  Löchern).  —  Une  buche  ä  gaz  fiambait 
dans  un  appartement,  quand  la  flamme  s'äteignit  soudain  .  .  .  le  gaz 
continua  ä  sortir  des  trous  de  la  buche  ...  —  P.  J.  30  janvier  1884. 
La  tempSte  du  26.  —  Diese  Bedeutung  fehlt  in  den  Wörterbüchern. 

budgetaire  a.  u.  s.  m.  (effectif)  ^  Budgetbestand.  So  Sachs.  Man 
ist  somit  versucht  zu  glauben,  das  Wort  käme  nur  in  dieser  ^inen 
Verbindung  vor.  —  Parmi  la  droite  bonapartiste,  deux  hommes  con- 
naissent  le  m^canisme  budgätaire  et  sont  capables  de  faire  d'excellents 
discours  d'opposition ;  —  P.  J.  80  nov.  1883.    Chambre  des  d^putäs.  — 

—  . .  .  la  question  budgetaire  ...  —  P.  J.  26  janv.  1884.  —  les  n^ 
cessit^B  budgätaires  .  .  .  —  P.  J.  2  fävr.  1884.  —  les  embarras  budg^- 
taires  ...  —  P.  J.  10  fävr.  1884.  —  Des  considörations  budgätaires.  — 
P.  J.  12  f^vr.  1884.  —  Acad. :  budgätaire.  adj.  des  deux  genres.  Qui 
appartient  au  budget,  qui  a  rapport  au  budget.  AUocutions  budg^- 
taires.  —  Littr^  wie  Sachs;  aber  Suppl.  budg^tairement. 

cannage  =  Beflechten  (der  Stühle)  mit  Rohr.  —  La  soci^t^  [des 
ateliers  d'aveugles]  pourra  y  dävelopper  la  fabrication  de  brosserie, 
de  sparterie,  ainsi  que  le  cannage  et  le  rempaillage  des  chaises.  — 
P.  J.  7  janv.  1884.  Lettres,  etc.  —  Sachs  nur:  Ausmessen  mit  der 
Rohrelle.  Acad.  ebenso.  Littr^  Suppl.:  Action  de  tresser  des  cannes, 
des  roseaux.    Les  rotins  servant  au  cannage  des  si^ges. 

capier  2.  eine  Mineralquelle  fassen.  So  Sachs  und  Littr^.  Acad. 
hat  diese  Bedeutung  nicht.  —  Hier  auch  von  anderem  Wasser  ge- 
braucht. —  L'administration  coloniale  [de  la  Räunion]  se  pr^occape 
enfin  de  l*ätude  d'un  grand  projet  d'irrigation  qui  aura  pour  r^sultat 
de  capter  et  d'amänager  les  eaux  si  näcessaires  ä  la  prospärit^  de 
Tagriculture  ...  —  P.  J.  22  janv.  1884.  Les  colonies  fran9ai8es.  — 
M.  Marcel  Deprez  a  fait,  ä  Texposition  de  Munich  ...  et  ä  Grenoble  .  » . 
des  expäriences  träs  interessantes;  des  chutes  d'eau  captäes  par  des 
turbines  ä  des  distances  de  dix-huit  küomätres  et  cinquante-sept  kilo- 
m^tres  ont  fait  marcher  . .  .  des  pompes  rotatives  ...  —  P.  J.  24  janv. 
1884.    L*eiectricite  motrice. 

ceiniure,    la  Grande -Ceinture,  die  grosse  Gürtelbahn  um  Paris. 

—  Gr.  Alm.  JH.  du  P.  J.  bringt  einen  Aufsatz  (mit  Plan)  über  diese 
Bahn  pag.  40  f.  Überschrift:  La  Grande  Ceinture.  Anfang:  La  ligne 
de  Grande-Ceinture,  commencäe  en  1875 . . .  a  äte  ...  achev^e  et  ouverte 
au  public  au  mois  de  mai  1888  (Louis  Barroux). 

cenienaire,  une  piäce  ^  =  ein  Stück,  das  zum  100.  Male  aufge- 
führt wird.  —  Fehlt  in  den  Wörterbüchern.  —  Quand  une  piece  nou- 
velle,  jouäe  sur  un  th^ätre  de  Paris,  atteint  sa  centi^me  repr^sentationi 
ee  qui  est  la  constatation  de  son  succäs,  et  anssi  de  ees  süperbes  re- 


Zu  dem  franz,  fFörierbuch  von  Sachs,  261 

cettes,  il  est  d'asage  que  Vhenreux  directeor  offire  une  fdte  ä.  ses  ar- 
idstes et  aux  auteurs  de  la  piäce  centenaire;  on  appelle  cela  föter  la 
centieme.  —  P.  J.  21  f^vrier  1884.    £.  Richebourg:  La  Petite  Mionne. 

ckeval.  chevaux  de  bois  =  Karussell.  —  Fehlt  in  den  Wörter- 
büchern. —  De  distance  en  distance,  un  manage  de  chevaux  de  bois, 
la  joie  des  enfants,  touruait  au  son  de  la  musique  d'un  orgue  de  bar- 
barie.  —  P.  J.  28  d^c.  1883.  £.  Bichebourg:  La  Petite  Mionne.  --  Les 
chevaux  de  bois  constituent  un  des  ^^ments  indispensables  des  fStes 
foraines.  Dans  les  grandes  fdtes,  c'est  aux  chevaux  de  bois  que  se 
donnent  rendez-vous  toutes  les  bandes  joyeuses  arm^es  de  mirlitons  et 
autres  Instruments  aussi  sonores  que  tintamarresques.  Dans  les  fötes 
locales,  les  chevaux  de  bois  sont  l'amusement  des  enfants  et  la  trän- 
quillitä  des  parents  qui  fönt  cercle  autour  du  manage  ...  La  musique 
Burtout  joue  un  grand  röle  dans  le  fonctionnement  des  chevaux  de 
bois.  —  Gr.  Alm.  Jll.  du  P.  J.  1884,  pag.  31  (A.  Coffignon). 

chiffonnaae  =  chiffonnerie  =  das  Lumpensammeln.  Fehlt  in 
den  Wörterbüchern.  —  L'arrdtä  du  prüfet  de  la  Seine  [relatif  aux 
ordures  mänag^riBs],  .  . .  va  rdduire  ä  la  misäre  trente  nulle  chiffon- 
niers,  sans  parier  de  cent  mille  autres  travailleurs  que  le  chiffonnage 
fait  vivre  accessoirement.  —  P.  J.  21  janvier  1884.  R^union  des 
chiffonniers.  —  Libres  k  eux,  s'ils  le  veulent,  de  vider  partiellement  le 
contenu  des  bottes  dans  des  toiles  ä  sacs  ou  des  toiles  ciräes,  comme 
beaucoup  le  faisaient  dd^jä,  afin  de  faciliter  l'opäration  du  chiffonnage. 
—  P.  J.  23  janv.  1884.  ün  terme  moyen.  —  . .  .  le  duc  de  la  Boche- 
foucauld-Bisaccia,  pour  secouer  la  tyrannie  de  la  B^publique  parle- 
mentaire,  ^tend  sa  main  protectrice  sur  la  modeste  Industrie  du 
chiffonnage.  —  P.  J.  24  janv.  1884.  Le  chiffonnage.  —  L*arr6t^  . .  . 
n'a  fait  que  transformer  Tindustrie  du  chiffonnage  en  substituant  le 
placier  au  chiffonnier  de  la  rue.  — •  P.  J.  10  fiävr.  1884.  Gons.  mun. 
de  Paris. 

Chiffreur  =  Porzellanmaler  (der  Namenszeichen  malt?  vj^l. 
chifßre  4).  —  Se  sont  ensuite  pr^sent^s  devant  la  commission  les  pein- 
tres  en  porcellaine  ...  La  journ^e  de  10  heures  de  travail  est  payde 
6  fr.,  7  fr.  50  ou  10  fr.,  selon  la  späcialit^:  Chiffreur,  d^corateur,  fleu- 
riste  ou  figuriste.  ^  P.  J.  fävr.  1884.  —  Diese  Bedeutung  fehlt  in  den 
Wörterbüchern. 

chrdUenU  =  Ghristenniederlassung.  Sachs  nur:  Christenheit.  — 
Acad.  ebenso.  Litträ  Suppl.:  Gommunant^  chr^tienne,  en  un  pays  qui 
n'est  pas  chr^tien.  —  ...  la  döp^che  que  Me^  Puginier  a  expi^diäe  : 
Hong-Kong,  9  f^vr.:  Massacr^s .  . .  1  pr^tre,  22  cati^chistes,  215  chrd- 
tiens;  108  chrgtient^s  ddtruites.  Demande  secours.  Puginier.  —  P.  J. 
13  fövr.  1884.    Dem.  nouv. 

eiaquemeni  de  la  langue  =  Schnalzen  mit  der  Zunge.  —  ...  les 
chevaux,  anim^s  par  un  claquement  de  la  langue  contre  le  palais, 
reprirent  leur  trot  rapide.  —  P.  J.  18  nov.  1883.  E.  Richebourg:  La 
Petite  Mionne.  —  Dieser  Gebrauch  von  claquement  fehlt  in  den 
Wörterbüchern. 

comparer.  compar^,  e  =  vergleichend.  Sachs  verweist  zwar  auf 
anatomie,  nicht  aber  auf  grammaire,  das  er  doch  gibt:  grammaire 
compar^e.  Acad.  führt  noch  „philologie"  an,  das  bei  Sachs  auch  nicht 
mit  „comparee''  verbunden  angeführt  ist.  —  La  chaire  d'histoire  des 
l^gislations  compar^es  et  la  chaire  d'arabe  du  College  de  France  sont 
vacantes.  —  P.  J.  10  d^c.  1883.  Petites  nou volles.  —  Le  College  de 
France  vient  de  däsigner,  pour  la  chaire  d'histoire  des  l^slations 
comparees,  vacante  par  le  däc^s  de  M.  Edouard  Laboulay,  en  premiire 


262  B.  über 

ligDe  M.  Dareste,  conseiller  ä  la  conr  de  cassatioii.  —  P«  J.  SO  jany. 
1884.  Lettre«,  etc.  —  An  mns^  de  sciilptnre  compar^  de  Trocad^, 
on  aclifeye  le  montage  de  la  copie  en  moulage  du  grand  portail  de  la 
cath^rale  de  Bordeaux.  —  P.  J.  10  fi^vr.  1884.  Pet.  noav.  —  Somit 
durfte  sich  wohl  die  besondere  Aufnahme  von  compar^,  e  ins  Lexikon 
empfehlen. 

comte  =  Helfershelfer  vor  Spielbnden.  —  La  r^le  fondamentale 
de  l'association  [des  bonnetenrs]  est  qn'il  doit  tonjonrs  entrer  de  l'ar- 
gent  dans  la  caisse  commune,  mais  qn'il  ne  doit  jamais  en  sortir.  Si 
donc  vons  voyez  nn  jonenr  qni  gagne  ä  nne  table  de  jen,  c'est  qne 
c'est  nn  comte,  c'est-ä-dire  un  comp^re.  —  Gr.  Alm.  HL  dn  P.  J.  1884, 
pag.  33  (A.  Coffignon). 

eanformateur  =  Apparat  znr  Feststellung  der  Kopfform  (for 
Hntmacher).  —  Sachs:  Hniform.  Littr^:  Instrument  pour  donner  aux 
chapeaux  la  forme  de  la  t^te.  Bei  Acad.  fehlt  das  Wort.  —  . .  .  il 
propose  de  ce  servir,  pour  mesurer  la  tSte  [des  r^cidivistes]  dn  con- 
formateur  des  chapeliers.  On  sait  que  les  conformateurs  prennent 
les  dimensions  d^limit^es  par  les  os  dn  cräne.  —  P.  J.  3  oct.  1883. 

consigne  =  consignation,   Aufbewahrungsort   des   Handgepäcks. 

—  A  la  gare,  M™«  G  .  .  .  apprit . .  . ;  et  on  lui  montra  une  grande 
manne  qui  avait  ötä  laiss^e  k  la  consigne  ...  —  P.  J.  9  nov.  1883.  — 
.  . .  trois  colip  deposäs  ä  la  consigne  de  la  gare  de  Vincennes.  —  P. 
J.  21  oct.  1883.  —  Cette  femme  avait  mis  en  consigne  une  Enorme 
malle.  —  Le  bulletin  de  la  malle  en  consigne  a  ^te  retrouy^  ...  — 
P.  J.  21  mars  1883.  —  A  chaque  dämänagement,  pretextant  un  voyage, 
eile  emportait  avec  les  malles  une  table  de  jen  qu'elle  d^posait  ä  la 
consigne  dans  une  gare  de  chemin  de  fer.  —  P.  J.  18  janv.  1884. 
Paris.  —  M.  Kuehn  a  däcouyert  les  malles  ä  la  consigne  de  la  gare 
Saint-Lazare  oü  elles  ayaient  et^  mises  sous  le  nom  de  Madame  Meldoff. 

—  P.  J.  25  jany.  1884.  Paris.  —  VgL  d.  Zschr.  IV,  53,  s.  y.  aufgeben. 

Cöupure  4.  =  Abschnitt  (einer  Actie),  Stück.  —  La  Rente  „Trois 
pour  Cent  amortissable''  porte  un  intärSt  annnel  de  3  fr.  et  se  rem- 
bourse  ä  100  fr.  par  des  tirages  au  sort  räpartis  sur  75  ans.  Sa  con- 
pure  minima  est  de  15  francs.  —  Elle  [la  Banque  de  France]  ^met  des 
billets  de  banque  payables  au  porteur  et  ä  yue,  dont  les  coupures  les 
plus  nombreuses  sont  de  1000  fr.,  de  500  fr.  et  de  100  fr.  —  Des  obli- 
gations  Fondferes  de  500  ir.  sont  en  ce  moment  en  cours  d'^ission 
k  480  fr.,  et  par  coupures  de  100  fr.,  au  prix  de  96  fr.  —  Gr.  Alm. 
HL  du  P.  J.  1884,  pag.  6  f.  —  Sachs:  kleine  Banknote,  besonders  yon 
200  Franken  und  darunter.    Acad.  u.  Littr^  ebenso. 

coureur  =  Läufer  (Vogel,  an  einem  Faden  befestigt,  zum  An- 
locken der  Vögel  beim  Vogelfange).  —  Quand  les  autres  oiseaux  en- 
tendent,  perch^  sur  les  branches,  les  appels  inusitäs  du  pinson,  ils 
accourent,  puis  ils  yiennent  se  mSler  aux  „coureurs",  qni,  eux  aussi, 
semblent  en  libertä  dtant  retenus  par  un  fil  tenu  et  par  nn  petit  cor- 
set.  C'est  ä  ce  moment  que  s'abat  sur  eux  le  filet  de  Toiseleur ...  — 
P.  J.  21  sept.  1883.    Tableaux  et  types  parisiens. 

craquey  auch  yon  gesprungenem  Lack  gebraucht;  Sachs,  Acad. 
und  Littr^  nur  yon  der  Glasur  des  Porzellans.  Vgl.  craquelure  Ab- 
schuppung des  Lackes  und  der  Farben  yon  Gemälden.  —  Monsieur  . . . 
monsieur ...  fit  le  concierge ,  tortillant  entre  ses  doigts  la  longue 
yisifere  craquel^e  de  sa  casquette  dont  la  calotte  bouffiEinte,  aplatie  et 
d^formäe,  attestait  tont  ä  la  fois  des  seryiees  anciens  et  une  sage 
^onomie.  -^  P.  J.  12  janyier  1884.  A*-J.  Dalsdme:  La  Folie  de 
(5laude, 


Zu  dem  franz,  fV^frierbuch  von  Sachs.  263 

crisper  =  „krampfhaft*'  zusammenziehen,  ballen.  Sachs  nur 
„zusammenziehen".  VgL  crispation  2:  krampfhafte  Zusammenziehung. 
— ...  les  mains  de  M.  de  Soleure  se  crisp^rent  sur  les  bras  de  son 
fauteuil.  —  P.  J.  25  oct.  1883.  E.  Bichebourg:  La  Petite  Mionne.  — 
Madame  de  Soleure  attendait  avec  impatience  fi^vreuse,  les  mains 
crispäes  sur  son  fauteuil ...  —  P.  J.  27  oct.  1883.  Ibid.  —  C'est  le 
bras  ^maci^  d'un  vieillard,  dont  les  muscles  sont  des  cordes,  au  bout 
duquel  la  main  pend  l^gärement  crisp^e  ...  —  P.  J.  30  oct.  1883.  — 
Ses  doigts  ^taient  crispSs  dans  ses  cheveuz  ...  —  P.  J.  31  oct.  1883. 
E.  Bichebourg:  La  Pet.  Mionne.  —  ...  ses  l^vres  s*agitaient  convul- 
säes  et  ses  mains  crisp^es  dans  un  mouvement  d'^treinte  suppliante 
paraissaient  pr§tes  ä.  s'^ever  vers  le  ciel ...  —  P.  J.  16  nov.  1883 
E.  Daudet:  Mademoiselle  Yestris. 

debraiUe  s.  m.  =  Vernachlässigung  des  äusseren  Anstandes.  — 
Sachs:  nur  fig.  in:  il  ne  iaut  pas  aller  jusqu'au  *  man  muss  es  nicht 
bis  zur  Ausgelassenheit  treiben.  Littr^  ebenso.  —  11  laissait  crottre 
ses  cheveux^  sa  barbe  inculte  poussait  en  broussailles ;  lui,  autrefois  si 
soigneux  de  sa  personne,  il  se  laissait  aller  ä  un  d^railld  qui  faisait 
peine  ä  voir.  —  P.  J.  12  novembre  1883.  E.  Bichebourg:  La  Petite 
Mionne. 

debraiUe  partic.  une  chemise  d^raillde  =  ein  Hemde,  das  Hals 
und  Brust  entblösst  lässt.  —  Notre  voisin,  le  vieux  forgeron  Bnppert, 
avec  son  tablier  de  cuir  et  sa  chemise  d^braiU^e  arriva  mSme  . . .  — 
Erckmann-Chatrian:  Waterloo,  p.  60  (Hetzel  et  C>««)» 

ddchaussoir  =  Stiefelknecht.  Sachs,  Acad.  und  Littrd  haben 
diese  Bedeutung  nicht.  —  Grande  utilit^  nouvelle.  D^chaussoir  sata- 
nique,  brevet^  S.  Q.  D.  G.  En  nne  seconde  assis  ou  debout,  tout  le 
monde,  hommes,  femmes  et  enfants,  retire  ses  chaussures  sans  se  fa- 
tiguer.  —  P.  J.  14  fävr.  1884.    Annonce  mit  Abbildung. 

ddfaut  faire  d^faut  =  fehlen,  nicht  bloss  wie  Sachs  3.  4.  an- 
gibt. —  ...  puis  je  me  remettrai  au  travail.  II  faut  que  mon  second 
roman  suive  de  präs  le  premier.  Dame  il  faut  profiter  de  la  veine. 
Ah!  les  id^es  ne  me  faisaient  pas  d^faut:  j'avais  vingt  sujets  de  ro- 
mans  dans  la  tSte.  —  P.  J.  4  d^cembre  1883.  E.  Bichebourg:  La  Pet* 
Mionne.  —  Vgl.  diese  Zschr.  I,  342. 

demissionner  =  seine  Demission  geben.  Sachs  nur  =  v/a  aus 
dem  Dienste  entlassen.  Littr^  Suppl.:  donner  sa  d^missien.  Bei 
Acad.  fehlt  das  Wort.  —  Cette  visite  [de  M.  Henri  Brisson]  est  la 
preuve  de  son  acceptation  de  la  pr^sidence  et  non  de  son  d^sir  de 
d^missionner,  contrairement  ä.  ce  qu'affirmait  un  Journal  d^hier  matin. 
P.  J.  12  janv.  1884.    Dem.  nouv. 

ddplacements  =  Bubrik  (in  einer  Zeitung),  in  welcher  Ankunft 
und  Abreise  hoher  Personen  berichtet  wird;  s.  m.  falsche  Anlage  (eines 
Kapitals).  —  Littr^  Suppl. :  Par  emploi  ndologique,  visite  avec  r^sidence 
chez  quelqu'un  en  quelque  lieu.  On  annonce  que  Lord  .  .  .  viendra 
bientöt  en  deplacement  ä  Paris.  VoUä  le  mot  pass^  des  petits  Jour- 
naux  dans  les  revues  et  dans  le  monde.  —  Acad.  wie  Sachs.  —  Enfin, 
avant  de  s'attacher  aux  annonces,  eile  s'arr^ta  k  la  rubrique:  „Deplace- 
ments". Elle  ne  n^gligeait  jamais  de  parcourir  la  Uste  des  per- 
sonnages  de  distinction  arriv^s  k  Paris  ou  qui  en  sont  partis,  qni  se 
trouve  ä.  cette  place,  et  d'envoyer  son  adresse  aux  nouveaux  venus.  — 
P.  J.  3  d^c.  1883.  E.  Daudet:  Mademoiselle  Vestris.  —  Une  panique 
est  r^sult^e  et  le  public,  confondant  les  bons  et  les  mauvais,  a  fui  les 
placements  commerciaux.  II  faut  arr§ter  cette  d^sertion  si  pr^'udi- 
ciable  a  la  richesse  du  pays  et  rameuer  le  numöraire  k  sa  yeritablQ 


264  B.  über.  Zu  dem  franz.  Wörterbuch  von  Sachs, 

place,  Les  jeux  de  Bourse  et  de  sp^cnlation  ne  Bont  qae  des  ddplace- 
ments  de  fortune,  le  travail  seul  est  soorce  de  richesse.  —  F.  J. 
6  däc»  1883.    L'agitation  commerciale. 

desintdresser,  se  »  =  das  Interesse  verlieren.  —  Fehlt  in  den 
Wörterbüchern.  —  La  commission  a  demande  d'etre  relevö  de  son 
mandat,  Mais  le  conseil  • . .  a  d^clar^  ne  pas  se  d^sintäresser  de  la 
question  et  se  r^serve  d*y  revenir  lors  de  la  discussion  du  budget.  — 
V.  J.  1  aoüt  1883.  Cons.  mun.  de  Paris.  —  ...  le  peuple  fran^ais  a 
monträ  maintes  fois  qu'il  etait  jaloux  de  ses  droits,  lorsqu'il  les 
croyait  menacäs  et  Tenthousiasme  provoquä  par  les  revolutions  de  1830 
et  de  1848  et  par  le  scrutin  de  1877  indique  qa*il  ne  se  d^sintäresse 
pas  de  la  politique.  —  P.  J.  21  oct.  1883  (Th.  Grimm).  —  L*dmanci- 
pation  a  fait  en  France,  depuis  une  vingtaine  d'annäes,  d^assez  rapides 
progres,  surtout  dans  le  domaine  des  lettres  et  des  arts.  L'Etat  s'est 
däsint^ress^  dans  ces  questions,  et  s'il  reste  jusqu'ä.  an  certain  point 
donateur  et  protecteur,  iL  a  cess^  d'^tre  dominateur  et  oppresseur.  ü 
n'y  a  plus,  ostensiblement  du  moins,  ni  litt^rature  ni  arts  officiels.  — 
P.  J.  22  nov.  1883.  Les  charges  de  la  libert^  (Th.  Grimm).  —  A  Tori- 
gine,  M°ie  Duvillars  semblait  se  däsintäresser  de  la  cause.  Son  attitude 
change,  ä  cette  derni^re  audience.  Elle  se  porte  partie  civile  et  re- 
clame  10000  fr,  de  dommages-intärets.  —  P.  J.  26  nov.  1883.  Tribu- 
naux.  —  Au  milieu  des  changements  minist^riels  trop  fr^quents,  le 
ministre  des  postes  et  telegraphes  donne  le  bon  exemple  de  la  sta- 
bilit^.  M.  Cochery  s'est  ddsintäressä  de  la  politique  active  et  s'applique 
ä>  ce  que  son  administration  soit  un  intermediaire  rapide  et  fidlle.  — 
P.  J.  6  d^cembre  1883.  Les  lettres -telögrammes  (Th.  Grimm).  —  La 
commission  a  ät^  aussi  d'avis  que  TEtat  ne  pouvait  se  d^sint^resser 
de  ses  cräations.  —  P.  J.  2  janv.  1884.  Les  musäes  commerciaux.  — 
.  . .  deux  au  moins  ont . .  .  vot^  dans  ce  sens  uniquement  pour  qu'une 
fausse  interprätation  de  leur  buUetin  ne  les  repräsentät  pas,  aux  yeux 
de  leurs  ^lectenrs,  comme  se  däsint^ressant  des  questions  sociales.  — 
i*,  J.  9  fävr.  1884.  Les  quarante-quatre.  —  Nos  gouvernants  ont  le 
grand  tort  de  se  d^sintäresser,  la  plupart  du  temps,  des  incessants 
efforts  qu«  räalisent  les  musulmans  au  nom  de  la  religon ...  —  P.  J. 
19  fävr.  1884.    Le  Mahdi  et  l'Alg^rie. 

^cheance  =  die  am  Yerialltage  zu  zahlende  Summe.  —  Au 
30  septembre  dernier,  les  freres  Bloch  ^taient  arriv^s,  par  des  traites 
a  trois  et  ä  six  mois  .  .  .  ä  avoir  une  ^ch^ance  de  plus  de  300000  fr. 
—  P.  J.  8  oct.  1883.  —  Le  fabricant  de  chapeaux,  qui  avait  une  forte 
dch^ance  ^  payer  hier,  a  laiss^  une  lettre.  —  Ibid.  —  ...  les  credits 
ant^rieurement  inscrits  au  chapitre  Y  atteignaient  t-ils  le  montant  des 
^chöances  prävues  pour  l'exercice?  —  P.  J.  29  nov.  1883.  Chambre 
des  d^put^s.  —  Acad.  und  Littre  wie  Sachs.  —  Vgl.  Petit  vocabulaire 
fran^ais  par  G.  van  Muyden,  II,  p.  5. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Blaise  Pascal, 

sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  und  seine  Verteidigung  des 

Christentums. 

(Fortsetzung.) 

n.  Eampf  gegen  die  Jesuiten.    Lettres  provinciales. 

Bereits  Saint-Cyran  hatte  die  Jesuiten  angegriflfen,  und  An- 
toine  Arnauld  hatte  dessen  Werk  mit  Eifer  fortgesetzt.  Unter 
der  Einwirkung  des  gefangenen  Abtes  Saint-Cyran,  sowie  durch 
Jansep's  Buch  Augustinus  bewogen,  hatte  Arnauld  sich  an  Port- 
Royal  angeschlossen.  Im  Jahre  1643,  kurz  nach  dem  Tode  des 
Abtes,  gab  er  seine  Schrift  gegen  die  häufige  Kommunion  heraus. 
Die  Veranlassung  dazu  gab  die  Weigerung  der  Prinzessin  de 
Guemen^,  an  einem  Tage  auf  einen  Ball  zu  gehen,  an  welchem 
sie  kommuniziert  hatte.  Durch  Antoine's  ältesten  Bruder,  Robert 
Arnauld  d'Andilly,  welcher  diese  Weltdame  platonisch- christlich 
liebte,  angespornt,  hatte  sie  sich  in  einer  Anwandlung  von  Re- 
ligiosität —  welche  später  von  ihrem  minder  platonischen  Freunde, 
dem  Kardinale  Retz,  gründlich  überwunden  wurde  —  an  Saint- 
Cyran  gewandt,  während  derselbe  noch  im  Gefängnisse  sass. 
Dieser  hatte  ihr  manchen  Rat  gegeben  und  sie  besonders  davor 
gewarnt,  täglich  gedankenlos  das  heil.  Abendmahl  zu  empfangen. 
Die  Weigerung  der  Prinzessin  sowie  die  Darlegung  ihrer  Gründe 
dazu  kamen  durch  W^^  de  Sabl6  ihrem  Beichtvater,  einem  Je- 
suiten, zu  Ohren,  welcher  sofort  eine  Abhandlung  zur  Verteidi- 
gung der  häufigen  Kommunion  schrieb.  Ogleich  dieselbe  nicht 
gedruckt  wurde,  kekam  Antoine   Arnauld^)   sie   doch   zu   sehen 


*)  Arnauld  führt  sehr  oft  die  Sätze,  welche  er  widerlegt,  vor 
jedem  Kapitel  an.  Diese  Indiskretion  ist  ihm  sehr  übel  genommen 
worden.  Gf.  Arnauld:  De  la  fr^quente  Communion.  VII.  Edition.  1683. 
Prdface,  pag.  6. 


266  Thor  Sundby 

und  widerlegte  sie  in  seinem  oben  genannten  Buche.  Dieses 
machte  ihn  zu  dem  angesehensten  Vorkämpfer  der  neuen  Lehre, 
zu  dem  grossen  Arnauld,  und  erwarb  Port -Royal  manche  An- 
hänger. Aber  sogleich  entflammte  der  Hass  der  Jesuiten  gegen 
die  Jansenisten  und  die  Familie  Arnauld.  Sie  setzten  alles  in 
Bewegung,  dass  das  Buch  vom  Papste  verdammt  würde,  was 
ihnen  jedoch  nicht  glückte. 

Es  währte  jedoch  nicht  lange,  dass  der  Papst  den  Janse- 
nismus verdammte.  Die  theologische  Fakultät  zu  Paris  hatte 
nämlich  im  Jahre  1649  aus  Jansen's  Schrift  fünf  Sätze  ausge- 
zogen, welche  sie  als  mit  der  wahren  Lehre  in  Widerspruch 
stehend  ansah.  Nach  vierjährigen  Verhandlungen  erliess  daher 
Papst  Innocenz  X.  im  Jahre  1653  eine  Bulle,  welche  die  5  Sätze 
für  ketzerisch  erklärte.  Die  Jansenisten  beugten  sich  vor  der 
päpstlichen  Bulle  und  erklärten  sich  bereit,  diese  Sätze,  welche 
von  der  Prädestination  und  der  Willensfreiheit  handelten,  zu 
verdammen,  wo  sie  sich  so  fänden;  aber,  sagten  sie,  bei 
Jansenius  fänden  sie  sich  nicht.  Da  erklärte  eine  neue  Bulle 
im  Jahre  1654,  dass  dieselben  sich  in  jener  Schrift  fänden.  In 
einer  Streitschrift^)  erlaubte  sich  Arnauld  das  Faktum  zunächst 
in  Zweifel  zu  ziehen  und  erklärte  sodann  zugleich,  „dass  das 
Evangelium  und  die  Kirchenväter  in  dem  Apostel  Petrus  uns 
einen  Gerechten  zeigen,  dem  es  an  der  nötigen  Gnade  gefehlt 
hat"  (die  rechtliche  Seite  der  Frage).*)  Wegen  dieser  Sache 
wurde  er  vor  die  Sorbonne,  die  theologische  Fakultät  zu  Paris, 
vorgeladen. 

Während  die  Angelegenheit  noch  schwebte  (vom  1.  Dezem- 


^)  Lettre  k  an  duc  et  pair  (Herzog  de  Luynes)  1655;  250  p.  4^ 
^)  Dieee  Erklärung  stimmte  mit  dem  ersten  der  5  Sätze,  welche 
so  lauteten:  1.  Einige  von  den  Geboten  Gottes  sind  von  dem  Gerechten 
mit  den  Kräften,  über  welche  er  zu  verfüffen  hat,  nicht  zu  erfüllen, 
und  selbst  die  Gnade,  wodurch  die  Erfüllung  ihm  möglich  gemacht 
werden  kann,  mangelt  ihn.  2.  In  dem  Zustande  der  gefallenen  Natur 
widersteht  man  niemals  der  inneren  Gnade.  3.  Damit  im  Zustande 
der  gefallenen  Natur  das  Gute  oder  Böse  angerechnet  werde,  ist  es 
nicht  notwendig,  die  Freiheit  zu  besitzen,  welche  einen  Gegensatz  zu 
der  innern  Nötigung  bildet ;  sondern  die  Freiheit,  welche  in  der  Ab- 
wesenheit äusseren  Zwanges  besteht,  ist  hinreichend.  4.  Die  Semipe- 
lagianer  räumten  die  Notwendigkeit  einer  innern,  treibenden  Gnade 
für  jede  gute  Handlung,  ja  sogar  für  den  Anfang  des  Glaubens,  ein ; 
aber  sie  waren  Ketzer  in  der  Annahme,  dass  der  Wille  des  Menschen 
dieser  Gnade  ebenso  gut  widerstehen,  als  folgen  könne.  5.  Es  ist 
ein  semipelagianischer  Irrtum  zu  sagen,  dass  Ghnstus  für  alle  Menschen 
gestorben  ist  und  sein  Blut  vergossen  hat.  Cf.  Maynard :  Les  Provin- 
ciales  de  P.  H,  281  Anm.  —  Sainte-Beuve:  Port -Royal  II,  103  ff.  — 
Reuchlin:  Geschichte  von  Port-Royal  I,  606  ff. 


Blaise  Pascal,  sein  Kam'pf  gegen  die  JesuUen  ete,  267 

ber  1655  bis  31.  Januar  1656),  gebrauchten  seine  Gegner  aller- 
hand Kniffe,  um  eine  günstige  Entscheidung  dcB  Streites  her^ 
beizuftthren.  Hierin  wurden  sie  vom  Hofe,  von  Mazarin  und 
Fouquet  kräftig  unterstützt.  Der  Kanzler  Signier  ^)  musste  auf 
allerhöchsten  Befehl  mit  einem  grossen,  imponierenden  Gefolge 
den  Verhandlungen  beiwohnen;  überdies  zog  man  eine  grosse 
Anzahl  Doktoren  des  Franziskanerordens  zu,  da  Amauld  mehr 
als  60  Doktoren  auf  seiner  Seite  hatte.  Eines  Tages  hörte  man 
die  Königin  ganz  laut  zu  der  Prinzessin  von  Guemenö,  welche 
die  Veranlassung  zu  der  Schrift  „De  la  fr^quente  Communion^ 
gegeben  hatte,  sagen:  ,,Eure  Doktoren  reden  zu  viel."  „Eure 
Majestät  kümmern  sich  ja  nicht  weiter  darum, '^  erwiderte  die 
Prinzessin,  „denn  sie  berufen  ja  so  manche  Bettelmönche,  dass 
Sie  mehr  als  genug  auf  Ihrer  Seite  haben  werden."  ^Ja,"  ant- 
wortete die  Königin  trocken,  „wir  berufen  jeden  Tag  einige." 

Am  14.  Januar  wird  Arnauld  bezüglich  des  einen  Punktes 
für  schuldig  befunden;^)  es  ist  bereits  jetzt  augenscheinlich,  dass 
seine  Sache  vor  der  Sorbonne  ganz  und  gar  verloren  ist.  Man 
beschliesst  daher,  dieselbe  vor  das  Publikum  zu  bringen.  Ar- 
nauld schreibt  einen  Brief,  welchen  er  in  einer  Versammlung  der 
Einsiedler  von  Port-Royal  auf  dem  Lande,  wo  Pascal  gerade  zum 
Besuch  war,  vorliest.  Er  ersieht  jedoch  aus  dem  Schweigen 
der  Versammlung  sehr  bald,  dass  sein  Versuch  missglückt  ist. 
Daher  wendet  er  sich  an  Pascal  mit  der  Aufforderung  zu 
schreiben.  Derselbe  gelobt  jedoch  bloss,  die  Sache  zu  prüfen; 
aber  am  folgenden  Tage  hat  er  schon  einen  Brief  fertig,  welchen 
er  in  der  Versammlung  mit  grossem  Beifall  vorliest. 

PadcaFs  Erwiderung  wurde  am  23.  Januar  1656  unter  dem 
Titel:  „Lettre  k  un  Provincial  par  un  de  ses  amis"  gedruckt. 
Im  Laufe  eines  Jahres  folgten  17  andere  nach;  der  18.  wurde 
am  24.  März  1657  veröffentlicht.  Während  die  10  ersten  Briefe 
an  einen  Provinzialen  gerichtet  sind  (vielleicht  an  Pascal's 
Schwager  Perier),  wenden  sich  die  6  folgenden  (11 — 16)  an  die 
Jesuiten,  die  beiden  letzten  aber  an  den  Beichtvater  des  Königs, 
Pater  Annat  S.  J.  In  den  Pens^es^)  bemerkt  Pascal,  dass  der 
Titel  „Lettres  k  un  Provincial"  von  dem  Buchdrucker  herrührte 
und  nicht  von  ihm  gebilligt  würde,    obschon   die  Briefe  freilich 


*)  Sainte-Beuve :  Port-Royal  II,  532  ff. 

*)  Faugöre:  Lettre«,  opusculeB  etc.,  p.  460.  —  Les  Provinciales 
de  P.  1712,  I,  p.  4. 

•)  Fens^es  de  P.  fid.  Paugöre,  1844,  I,  p.  260.  —  Les  Provinciales. 
Cologne  1659.  Advertissement.  —  (Daniel:)  Bäponse  aux  Provinciales 
oa  Entretiens  de  Gläandre  et  d'Eudoxe.    Bruzelles  1697.    p.  16  n.ie?. 


268  Thor  Sundby 

einem  Manne  auf  dem  Lande  gesehrieben  wären.  Das  Pablikom, 
sagt  Vinet,^)  that  denselben  inzwischen  die  Ehre  an,  welche  es 
Werken  anthnt,  deren  Namen  es  häufig  im  Munde  führt:  es 
kürzte  den  Titel  ab  zu  ^lesProvinciales^',  eine  Abkürzung,  welche 
Pascars  Beifall  fand.  Man  nannte  sie  auch  ^Kleine  Briefe.^ 
Diese  Bezeichnung,  welche  man  bei  M°^e  de  S6vign6,  einer  der 
begeistertsten  Bewunderinnen  FascaFs,  fortwährend  findet,  soll 
wahrscheinlich  den  geringen  Umfang  derselben  im  Vergleich  zu 
Amauld's  ungeheuer  langen  Fehdebriefen  andeuten. 

Gleich  der  erste  Brief  machte  ein  ausserordentliches  Auf- 
sehen. Der  Kanzler  S6guier,^)  welcher  den  Prozess  wider  Ar- 
nauld  sehr  eifrig  betrieb,  wurde  darüber  so  wütend,  dass  er 
siebenmal  zur  Ader  gelassen  werden  musfite.  Die  Druckerei, 
welche  für  Port-Royal  zu  arbeiten  pflegte,  wurde  sogar  ge- 
schlossen; da  jedoch  ein  Druckerlehrling  am  nächsten  Tage  dem 
eirsten  Parlamentspräsidenten  Belli^vre,  welcher  im  18.  Briefe 
erwähnt  wird,  ein  frisch  gedrucktes  Exemplar  des  2.  Briefes 
überbrachte,  um  zu  zeigen,  dass  der  Druck  anderswo  seinen 
Fortgang  nähme,  wurde  die  Beschlagnahme  aufgehoben. 

In  späterer  Zeit  jedoch  erforderte  es  grosse  List  und  Ge- 
schicklichkeit, die  Briefe  gedruckt  zu  erhalten.  Zum  Teil  wurde 
die  Drucklegung  von  Fortin,  ^)  dem  Rektor  des  Harcourt-CoUfege, 
einem  Freunde  PascaFs,  besorgt;  ja,  einige  Briefe  sollen  sogar 
im  College  selbst  gedruckt  worden  sein. 

Nach  Veröffentlichung  des  ersten  Briefes  zog  sich  Pascal 
nach  Paris  zurück.  Er  nahm  seinen  Aufenthalt  jedoch  nicht  in 
seiner  eigenen  Wohnung,  welche  nahe  vor  dem  Thore  Saint- 
Michel  lag,  sondern  lebte  als  M.  de  Mons  im  Roi  David,  einem 
Gasthause  in  der  Rue  des  Poiriers  (Poir6es  ?)  hinter  der  Sorbonne 
und  gegenüber  dem  Jesuitenkolleg  de  Clermont,  dem  späteren 
College  LouiS'le-Grand.  Mitten  im  Lager  der  Feinde,  hoffte  er, 
würde  man  wohl  nicht  den  Verfasser  der  Briefe  suchen. 

Mit  jedem  Briefe  stieg  natürlich  die  Neugier  des  Publikums. 
Im  Anfange  dachte  man  gar  nicht  an  Pascal  als  den  Verfasser, 
sondern  riet  auf  verschiedene  andere,  so  auf  den  Abt  von  Haute- 
Fontaine:  Le  Roi,  sowie  auch  lächerlicher  Weise  auf  den  Roman- 
schreiber Gomberville.^)     Beide  lehnten  die  Verfasserschaft  ab. 


^)  Vinet:  iStudeB  sur  PascaL    p.  272. 

')  Sainte-Beuve :  Port-Royal,  II,  p.  654. 

')  Fang^re:  Lettres,  opuscnleB  etc.,  p.  469. 

^)  Am  Schlüsse  des  15.  Briefes  bemerkt  Pascal,  dass  er  niemals 
weder  Romane  geschrieben  noch  gelesen  habe.  Da  aber  an  einer 
Stelle  der  „Pens^es''  Gli^obaline,  eine  der  Personen  in  Mii«  de  Scud^rj's 
lObändigem  Romane  „Artam^ne   on  le  Grand  Cyrus"  (herausgegeben 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  du  Jesuiten  etc.  S69 

aber  natürlich  auf  verschiedene  Art:  Gomberville  beklagte  sich, 
dass  man  ihn  für  den  Verfasser  gehalten  habe;  der  Abt  bedauerte, 
dass  er  nicht  der  Autor  sei.  Durch  eine  rätselhafte  Unterschrift 
unter  dem  dritten  Briefe  reizte  Pascal  die  wachsende  Neugier 
noch  mehr. 

Trotz  aller  Heimlichkeit  erhielt  man  doch  nach  Veröffent- 
lichung des  6.  Briefes  Kunde  über  den  rechten  Zusammenhang. 
Im  Beginne  des  8.  Briefes  deutet  Pascal  auf  einen  ergötzlichen 
Vorfall  hin,  welcher  leicht  zu  der  Gewissheit  hätte  führen  können, 
dass  er  der  Verfasser  war,  wodurch  er  dann  an  der  Fortsetzung 
des  Kampfes  gehindert  worden  wäre.^)  Als  nämlich  Parier  in- 
zwischen in  die  Hauptstadt  gezogen  war  und  seine  Wohnung 
gleichfalls  im  Roi  David  genommen  hatte,  kam  eines  Tages  ein 
ihm  bekannter  Jesuit  zu  ihm  mit  der  Bitte,  Pascal  doch  zu 
warnen,  da  man  Argwohn  gegen  denselben  hege.  Parier  ant- 
wortete, so  gut  er  konnte;  aber  er  stand  gleichsam  auf  glühen- 
den Kohlen,  da  der  7.  Brief  in  einer  Menge  ganz  frischer  Ab- 
züge auf  seinem  Bette  lag.  Glücklicherweise  waren  die  Gardi- 
nen vorgezogen;  sonst  wäre  er  vielleicht  nicht  so  glimpflich 
davon  gekommen.  Die  Warnung  des  Jesuiten,  die  wohl  nicht  so 
ganz  uneigennützig  war,  hatte  jedoch  keine  Wirkung.  „Zum 
Schweigen  zu  zwingen  ist  die  schlimmste  Verfolgung:  niemals 
haben  die  Heiligen  geschwiegen,"  meinte  Pascal  (Pens^esXXIV,  66); 
auch  er  schwieg  nicht,  sondern  fuhr  so  lange  fort  zu  schreiben, 
bis  er  im  17.  Briefe  den  Jesuiten  zurufen  konnte:  •  .  .  „Man 
muss  sagen,  dass  Ihr  den  Papst  betrogen  habt;  aber  das  erregt 
kein  Ärgernis  mehr,  so  gut  kennt  man  Euch  nun"  —  er  meinte: 
durch  die  Lettres  Provinciales. 


1650)  erwähnt  wird,  so  meint  E.  Havet  (PenB^es  de  Pascal,  11^  iSd., 
1866,  II.  p.  164  u.  217)  er  habe  Pascal  auf  einer  Unwahrheit  ertappt. 
Es  würde  richtiger  gewesen  sein,  wenn  er  daraus  geschlossen  hätte, 
dass  Pascal  erst  nach  dem  Zeitpunkte,  wo  er  diese  Worte  schrieb^ 
d.  h.  nach  1656  Romane  gelesen  habe.  Übrigens  hatte  Pascal  einen 
triftigen  Grund,  die  Prinzessin  Cläobuline  und  ihren  Geliebten  Myrinthe 
zu  erwähnen,  da  Mii^  de  Scud^ry  in  ihnen  die  EOnigin  Christine  von 
Schweden  und  ihren  ersten  Günstling,  den  Grafen  Magnus  de  la 
Gardie,  geschildert  hatte  (Pens^es  de  Pascal  par  Havet,  II«  ißd.  Paris 
1866.  IL  p.  164  u.  217).  Dies  hat  E.  Havet  auch  später  erkannt: 
„Cette  conjecture  de  M.  G.  m'a  semblö  d6s  Tabord  trös-plausible  :  je 
viens  de  la  v^rifier,  et  j'ai  reconnu  qu'elle  paratt  rigoureusement  exacte. 
£n  effet,  tandis  que  la  XV«  Provinciale  est  de  1556,  le  tonu  VI  de  la 
„Clälie''  qui  contient  d'^loge  de  Port-Boyal  et  qui  sans  doute  est  coute 
que  Pascal  a  en  la  „Gl^lie^  est  de  1657.  II  n'y  a  donc  aucune  raison 
de  supposer  que  Pascal,  dans  la  XV«  Provinciale,  n'ait  pas  dit  la 
v^rit^'*.    Revue  pol.  et  litt.  24  mars  1877. 

^)  Recueil  d'Utrecht,  p.  278.  —  Faug^re:  Lettres,  opuscules  etc^ 
pag.  461. 


^70  Thor  Sundby 

Die  Lettres  Provinciales  zerfallen  in  2  verschiedene  Reihen; 
zu  der  ersten  gehören  die  drei  ersten  und  die  beiden  letzten 
Briefe.  In  denselben  behandelt  Pascal  die  Frage,  welche  den 
Prozess  gegen  Arnauld  hervorgerufen  hatte,  und  tritt  zunächst 
als  Verteidiger  der  jansenistischen  Lehre  auf.  Auf  den  zweiten 
Brief  folgt  eine  Antwort  des  Provinzialen,  welcher  zwei  Schreiben 
mitteilt,^)  wovon  das  eine  vielleicht  von  Chapelain,  das  andere 
sicher  von  MUe  de  Scudöry  herrührt.  Dieses  ergibt  sich  aus 
einem  Streite,  welcher  sich  zwischen  Nicole  (1625 — 95)  und  dem 
berühmten  Dichter  Jean  Racine^)  abspielte.  Ersterer  hatte  zu- 
gleich mit  Arnauld  Pascal  beim  Sammeln  des  Stoffes  für  die 
Provinzialbriefe  geholfen,  wäürend  letzterer  zu  der  Zeit,  als 
Pascal  seine  ersten  Briefe  schrieb,  in  Port-Royal  Schüler  war 
und  so  gute  Gelegenheit  hatte,  sich  hinreichende  Einsicht  zu 
verschaffen.  Da  nun  Nicole  in  einem  Angriffe  auf  Demarets  de 
Saint-Sorlin  die  Romanschreiber  und  Schauspieldichter  öffentliche 
Giftmischer  genannt  hatte,  fühlte  sich  Racine  verletzt  und  schrieb 
wider  Nicole,  Port -Royal  und  den  Jansenismus. ^)  An  einer 
Stelle  seines  Briefes  (1666)  sagt  er,  dass  Pascal  Müe  de  Scu- 
d6ry  in  einem  der  Provinzialbriefe  aus  Dankbarkeit  gerühmt 
habe,  weil  sie  Port -Royal  in  ihrem  Romane  C161ie  gepriesen 
hätte. ^)  Mit  diesem  Lobe,  welches  Pascal  der  überspannten  Dame 
gezollt  hat,  können  nur  die  Worte  gemeint  sein,  welche  über 
die  Verfasserin  des  zweiten  Schreibens  in  der  Antwort  des  Pro- 
vinzialen gebraucht  werden.  —  Obschon  diese  Antwort  besagt, 
dass  „die  Briefe  nicht  allein  von  Theologen  geschätzt  werden, 
sondern  auch  den  Weltleuten  gefallen  und  selbst  für  Frauen 
verständlich  sind,^  glauben  wir  doch,  dass  das  Thema  zu  theo- 
logisch ist  und  zu  viele  Erklärungen  erfordern  würde,  als  dass 
wir  uns  hier  darauf  einlassen  dürften. 

In  der  2.  Reihe  (4 — 16)  trug  Pascal  zur  grössten  und  un- 
angenehmsten Überraschung  seiner  Gegner  die  praktische  Seite 
des  Christentums,  die  Gottesverehrung  und  die  Moral  vor,  und 
ging  zum  Angriff  über,  ein  Angriff,  welchen  die  Jesuiten  niemals 
verwinden  sollten.  Die  Gegner  „haben  es  bequemer  gefunden, 
zu  verdammen  als  zu  antworten,  weil  es   leichter  fällt,  Mönche 


? 


Sainte-Beuve :  Port-Royal,  II,  p.  566  u.  577. 
Le  S>^  de  Damvilliers  i.  e. :  Nicole :  Onzi^me  Imaginaire  ou  Pre« 
mi^re  Visionnaire  in  Las  Visionnaires,  Liäge  1667,  p.  51  (2.  Band  der 
LettreB  sur  L'H^r^sie  imaginaire).     Der  1.  Sand  heisst  auch:  Las  Ima- 
ginairas.  —  OEuvres  de  Racine,  1819,  IV,  p.  18  u.  9. 

')  Racine  versöhnte  sich  später  mit  Port-Royal,  dessen  Geschichte 
er  schrieb. 

*)  Doch  siehe  p.  268,  Note  4. 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  ä71 

zu  finden,  als  Gründe"  (III.  Prov.).  Nun,  da  Arnauld  verurteilt 
und  als  Doktor  der  Theologie  aus  der  Sorbonne  ausgestossen 
war,  will  Pascal  ihn  nicht  länger  gegen  die  Anklage  der 
Ketzerei  verteidigen  (III.  Prov.):  „Ich  habe  eingesehen,  dass  es 
sich  hier  um  eine  neue  Art  Ketzerei  handelt.  Nicht  Amauld's 
Meinungen  sind  ketzerisch,  sondern  nur  seine  Person.  Es  ist 
eine  persönliche  Ketzerei.  Er  ist  nicht  Ketzer  auf  Grund  dessen, 
was  er  gesagt  oder  geschrieben,  sondern  nur  weil  er  Arnauld 
ist.  Das  ist  alles,  was  man  an  ihm  auszusetzen  hat  Er  kann 
thun,  was  er  will;  hört  er  nicht  auf  zu  existieren,  so  bleibt  er 
nimmer  ein  guter  Katholik.  Die  Gnadenlehre  des  heiligen 
Augustinus  ist  niemals  die  rechte,  so  lange  er  sie  verteidigt. 
Sie  würde  es  aber  sein,  sobald  er  sich  daran  gäbe,  sie  zu  be- 
kämpfen.^ Es  war  nun  durchaus  kein  Grund  mehr  vorhanden 
zur  Schonung. 

Mit  gewaltiger  Kraft  stürzte  er  sich  in  den  Kampf:  „Es 
gibt  nichts,  was  mit  den  Jesuiten  verglichen  werden  kann! 
Ich  habe  nun  manche  Dominikaner,  Doktoren  der  Theologie  und 
alle  Arten  Menschen  gesehen,  aber  ein  solcher  Besuch  mangelte 
bis  jetzt  meiner  Kenntnis.  Die  andern  sind  nur  matte  Abbilder. 
Alles  ist  doch  am  besten  an  der  Quelle  selbst."  Er  sucht  daher 
einen  der  tüchtigsten  Jesuiten  auf  und  stellt  nun  mit  einem  dra- 
matischen Leben,  welches  dem  ungefügen  Stoff  Hohn  spricht,  die 
Moral  der  Jesuiten  in  Form  '  eines  Gespräches  zwischen  dem 
Briefschreiber  und  jenem  Jesuiten  dar.  Mit  staunenswerter 
Kunst  wird  der  mitteilsame  Jesuit  als  ein  treuherziger  Be- 
wunderer der  scharfsinnigen  und  gelehrten  Kasuistik  geschildert. 
Die  Unterweisung  beginnt  im  4.  Briefe,  der  gleichsam  ein  Vor- 
spiel ist,  mit  Bauny's  Lehre,  dass  die  aus  Unwissenheit  oder 
aus  Unachtsamkeit  begangenen  Sünden  nicht  angerechnet  werden 
können.  Der  Jesuit  bekreuzt  sich,  dass  Ballier,  bevor  er  ein 
Freund  der  Jesuiten  wurde,  sich  über  Bauny  mit  den  Worten 
lustig  machen  konnte:  „Siehe,  er  nimmt  hinweg  die  Sünden  der 
Welt^  (Joh.-Ev.  I,  29).  „Ja,^  sagt  der  Gast,  „das  kann  man 
auch  eine  neue  Erlösung  nennen.  Welche  Wohlthat  für  ver- 
schiedene Leute,  die  ich  kenne!  Ich  muss  sie  zu  Euch  führen. 
Ich  habe  vielleicht  niemals  Leute  gesehen,  die  weniger  Sünden 
haben;  denn  sie  denken  niemals  an  Gott."  —  Die  Unterweisung 
in  der  „bequemen  Frömmigkeit'^  kommt  dieses  Mal  jedoch  nicht 
weit,  da  sie  durch  die  Frau  eines  Marschalls  und  eine  Marquise 
unterbrochen  wird,  welche  vermutlich  Beruhigung  für  ihr  Gewissen 
bei  dem  Jesuiten  suchen  wollen. 

Am  Schlüsse  des  4.  Briefes  gelobt  Pascal  eine  Darstellung 
der  Moral  der  Jesuiten;    aber  er  war  noch  im  Zweifel,   ob  ßr 


S?2  Thm-  Swidby 

Bein  Versprechen  halten  sollte,  da  er  Escobar's  Moraltheologie ^) 
zu  lesen  begann.  Dieselbe  erfüllte  ihn  mit  einem  solchen  Ent- 
setzen und  Ekel,  dass  er  beschloss,  sie  zum  Gegenstand  des 
Absehens  und  Hasses  der  Welt  zu  machen.  Dieses  Ziel  erreicht 
er  so  gut,  dass  sogar  Escobar's  Name  auf  ewig  gebrandmarkt 
wurde.  Escobarder,  d.  h.  eine  doppelzüngige  Sprache  in  betrü- 
gerischer Absicht  führen,  wurde  ein  Wort,  welches  bald  in 
aller  Munde  war,  und  welches  noch  jetzt  in  der  französischen 
Sprache  existiert. 

„Wer  ist  Escobar,  ehrwürdiger  Vater?"  —  „Was!  Ihr  kennt 
Escobar  nicht  aus  unserer  Gesellschaft  (8.  J.),  welcher  die  Theo- 
logia  moralis  nach  24  unserer  Väter  ausgearbeitet  hat!"  Aus 
diesem  Grunde  gibt  er  in  der  Vorrede  einen  allegorischen  Ver- 
gleich seines  Werkes  mit  dem  Buche  der  Offenbarung  Johannis 
(IV,  4.  V,  1),  welches  mit  17  Siegeln  versehen  ist.  Auch  sagt 
er,  „dass  Jesus  das  so  versiegelte  Buch  den  4  Tieren:  Suarez, 
Vasquez,  Molina  und  Valentia  überreicht  in  Gegenwart  von  24 
Jesuiten,  welche  die  24  Ältesten  vorstellen."  —  So  oft  Pascal 
einen  dieser  vier  anführt,  nennt  er  ihn  stets  eins  von  Escobar's 
4  Tieren  (V.  Prov.) 

Escobar^s  Buch,  das  bereits  36  Auflagen  erlebt  hatte,  wurde 
natürlich  nach  dem  Erscheinen  des  5.  Briefes  noch  mehr  ver- 
langt als  früher.  Im  6.  Briefe  fragt  der  Jesuit  seinen  Gast,  ob 
er  nicht  begonnen  habe,  Escobar  zu  lesen.  „Ich  erhielt  ihn  erst 
gestern,"  antwortet  der  Gast,  „es  hielt  sehr  schwer,  ihn  auf- 
zutreiben. Ich  weiss  nicht,  was  dazu  veranlassen  mag,  dass  in 
letzter  Zeit  alle  nach  ihm  fragen."  In  der  Nachschrift  zu  dem 
8.  Provinzialbriefe  gibt  Pascal  folgenden  ergötzlichen  bibliogra- 
phischen Nachweis:  „Ich  habe  immer  vergessen,  Ihnen  zu  sagen, 
dass  es  verschiedene  Ausgaben  des  Escobar  gibt.  Wenn  Sie 
einen  kaufen,  so  nehmen  Sie  die  Lyoner  Ausgabe,  worin  man 
vom  das  Bild  eines  Lammes  sieht,  welches  auf  einem  mit  7  Sie- 
geln versehenen  Buche  ruht,  oder  auch  die  Brüsseler  Ausgabe 
von  1651.  Diese  neuesten  Ausgaben  sind  besser  und  ausführ- 
licher als  die  früher  zu  Lyon  erschienenen  aus  dem  Jahren  1644 
und  1646."  Nach  dem  Erscheinen  der  Lettres  Provinciales 
kamen  übrigens  noch  mehrere  neue  Ausgaben  heraus,  darunter 
auch  eine  Pariser,  welche  in  der  Ausgabe  der  Briefe  von  1659 
empfohlen  wird. 

Antonio  de  Escobar  y  Mendoza  (1589  -^  1669)  lebte  in- 
zwischen hoch  angesehen  zu  Valladolid,  wo   er,  wie  Pascal  im 


^)  Escobar:  Liber  theologisB  moralis.    Post  82  editiones  hiepa- 
nicas  et  8  Ingdunensea  editio  novissima.    Broxelfe  1651. 


Blatse  Ikiscdl,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  273 

12.  Briefe  erwähnt,  die  10  ersten  Lettres  Provinciales  empfing, 
während  er  in  bestem  Wohlsein  an  dem  Schlüsse  seiner  sieben 
Foliobände  starken  Moraltheologie  arbeitete.  Diese  Briefe  machten 
einen  tiefen  Eindmck  auf  den  armen  Kasuisten,  der  nahe  daran 
gewesen  war,  wegen  seiner  Strenge^)  vor  die  Inquisition  gestellt 
zu  werden. 

Es  war  Escobar  wie  den  meisten  Kasuisten  ergangen:  sie 
ahnten  vielfach  nicht  einmal  die  Immoralität  ihrer  Schriften.  Sie 
schrieben  ursprünglich  nicht  für  das  grosse  Publikum,  sondern 
für  die  Beichtväter,  welche,  wie  die  Jesuiten  sagen,  genötigt 
waren,  eine  Richtschnur  für  die  Anwendung  der  Kirchenzucht  zu 
haben,  um  die  Busse  auferlegen  zu  können,  welche  jedes  Be- 
kenntnis erforderte.  Wenn  man  die  Natur  der  katholischen 
Beichte  erwägt,  ist  selbstverständlich  etwas  Wahres  hieran; 
wenn  nun  aber  die  Theologen  alle  möglichen  Fälle  (cas  de 
conscience)  ausdachten,  sie  gegen  einander  abwägten,  sie  in 
Tod-  und  lässliche  Sünden  (mortels,  vöniels)  einteilten  und  die 
Busse  festsetzten ,  welche  für  jede  Sünde  besonders  auferlegt 
werden  sollte,  so  führte  das  unglücklicherweise  nicht  bloss  dazu, 
dass  sie  bei  ihren  Nachfragen  neue  Sünden  (darunter  die  un- 
glaublichsten und  anstössigsten)  förmlich  auffanden  und  schufen, 
sondern  auch  zu  einer  Verrückung  des  Fundamentes  der  Moral. 
Diese  Skala,  welche  nur  dem  Priester  als  Anleitung  bei  seinem 
Verhalten  den  Beichtkindern  gegenüber  dienen  sollte,  erhielt  bald 
Giltigkeit  als  ein  moralisches  Gesetz,  welchem  im  Augenblicke 
des  Handelns  zu  folgen  sich  jeder  für  berechtigt  hielt. 

Man  hat  nun  Pascal  vorgeworfen,  dass  er  diese  gelehrten 
lateinischen  Werke  vor  das  grosse  Publikum  gebracht  und  da- 
durch dasselbe  auf  solche  Repertorien  für  alle  diese  mit  einem 
erstaunlichen  Scharfsinne  aufgefundenen  Möglichkeiten  zu  der 
Sünde  hingewiesen  hat,  welche  nur  durch  die  Mitwirkung  so 
vieler  Männer  so  entsetzlich  vollständig  und  umständlich  werden 
konnten.  Aber  hätte  er  nicht  gesucht,  das  Übel  in  der  Wurzel 
zu  zerstören,  was  ihm  ja  zum  grossen  Teil  gelang,  so  hätte  er 
niemals  dem  üppigen  Wachstum  desselben  Einhalt  thun  können. 
Nicht  wenige  derartige  Schriften  begannen  überdies  in  französi- 
scher Sprache  zu  erscheinen,  so  dass  sie  jedermann  zugänglich 
wurden,  wie  denn  auch  sonstige  religiöse  Schriften  von  dieser 
Laxheit    stark    beeinflusst    wurden.^)     Pascal  hat  sich   übrigens 


^)  Las  Provinciales  de  Louis  de  Montalte  et  leur  r^futation  par 
Tabbö  Maynard.    Paris  1851.    II,  454. 

^)  Baany:  La  Somme  des  p^ch^s:  Garasse:  La  Somme  des  v^ri- 
t^s  (y ollständiger  Titel:  Somme  th^ologique  des  v^rit^s  capitales  de  la 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI^.  j^g 


274  Thor  Sundf)ij 

selbst  gegen  diese  Anklage  verteidigt.  Seine  Nichte,  Marguerite 
Parier,  hat  folgende  Worte,  welche  sie  ihn  im  Jahre  1662 
aussprechen  hörte,  aufgezeichnet: 

I.  Man  fragt  mich,  ob  ich  nicht  bereute,  die  Lettres  Pro- 
vinciales geschrieben  zu  haben.  Ich  antwortete  darauf,  dass  das 
mir  nicht  bloss  fem  liegt,  sondern  d^ss  ich  sogar,  wenn  ich  sie 
heute  schriebe,  sie  viel  schärfer  machen  würde. 

II.  Man  fragt  mich,  warum  ich  die  Verfasser  namhaft  ge- 
habt habe,  aus  welchen  ich  jene  abscheulichen  Sätze,  die  in 
meiner  Schrift  angefahrt  sind,  ausgezogen  habe.  Ich  antworte 
darauf  so:  Wenn  ich  in  einer  Stadt  lebte,  wo  es  12  Brunnen 
gibt,  und  ich  mit  Bestimmtheit  wüsste,  dass  einer  derselben  ver- 
giftet ist,  so  würde  ich  verpflichtet  sein,  alle  Leute  zu  warnen, 
aus  jenem  Brunnen  Wasser  zu  holen;  und  weil  man  das  für  eine 
reine  Grille  meinerseits  ansehen  könnte,  so  würde  ich  verpflichtet 
sein,  diejenigen  zu  nennen,  welche  den  Brunnen  vergiftet  haben, 
um  nicht  eine  ganze  Stadt  der  Vergiftung  preiszugeben. 

III.  Man  fragt  mich,  warum  ich  in  einem  leicht  lesbaren, 
unterhaltenden  Stile  geschrieben  habe.  Meine  Antwort  ist  diese: 
Wenn  ich  in  streng  wissenschaftlichem  Stile  geschrieben  hätte, 
so  würde  meine  Schrift  nur  von  den  Gelehrten  gelesen  worden 
sein,  welche  sie  nicht  nötig  hatten,  da  sie  darüber  ebenso  gut 
wie  ich  Bescheid  wissen.  Ich  habe  daher  geglaubt,  in  einer 
Weise  schreiben  zu  müssen,  welche  selbst  Weiber  und  Gesell- 
schaftsmenschen zum  Lesen  meiner  Briefe  veranlassen  könnte, 
damit  diese  auf  das  Gefährliche  in  all  diesen  Grundsätzen  und 
Lehren  aufmerksam  werden  könnten,  welche  ja  damals  überall 
Verbreitung  fanden,  und  welche  man  so  leicht  in  Versuchung 
kam  anzunehmen. 

IV.  Man  fragt  mich,  ob  ich  selbst  alle  die  Bücher  gelesen 
habe,  auf  welche  ich  hinweise.  Ich  antwortete :  Nein ;  da  müsste 
ich  wahrhaftig  mein  Leben  damit  zugebracht  haben,  viele  schlechte 
Bücher  zu  lesen.  Aber  ich  habe  Escobar  zweimal  von  Anfang 
bis  zu  Ende  gelesen.  Was  die  übrigen  angeht,  so  habe  ich  sie 
von  meinen  Freunden  lesen  lassen;  aber  ich  habe  nicht  einen 
einzigen  Satz  von  ihnen  genonmien,  ohne  ihn  in  dem  betreffenden 
Buche  selbst  gelesen  zu  haben;  auch  habe  ich  inmier  das  Thema 
untersucht,  weshalb  der  Satz  ausgesprochen  ist,  und  habe  das, 
was  vorausgeht  und  folgt,  gelesen,  da  ich  mich  nicht  der  Ge- 
fahr   aussetzen  wollte,    eine  Einwendung  mit  einer  Antwort  zu 


religion  chr^tienne.  Paris  1625.)  Ant.  Sirmond:  D^enae  de  la  vertu; 
Pierre  le  Moine:  La  Dävotion  ais^e.  Die  Verfasser  waren  sämtlich 
Jesuiten. 


BUtise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  275 

verwechseln,  was  nicht  bloss  unrichtig,  sondern  auch  zu  tadeln 
gewesen  wäre  (Pens^es  II,  Art.  XVII,  78). 

Wenn  man  in  Maynard's  Ausgabe  der  Lettres  Provinciales 
dessen  Widerlegung  Pascal* s  und  Verteidigung  der  Kasuisten 
liest,  so  hat  es  bisweilen  den  Anschein,  als  ob  er  wirklich  Recht 
habe.  Dies  ist  aber  nur  der  Fall,  wenn  man  darauf  eingeht, 
mit  der  Kasuistik  sich  bloss  in  der  Sphäre  der  Relativität  zu 
bewegen.  Hält  man  aber  mit  Pascal  das  Absolute  fest,  nicht  als 
etwas  Abstraktes,  sondern  als  eine  bestimmte  Forderung,  deren 
Erfüllung  vielleicht  unmöglich  ist,  welche  aber  trotzdem  an  uns 
gestellt  wird  und  zugleich  das  Ziel  ist,  welches  wir  erstreben 
sollen,  so  fallen  seine  Argumente  nichtig  zusammen.  Rein  mensch- 
lich gesprochen,  kann  der  Kasuist  in  manchen  Fällen  Recht  zu 
haben  scheinen,  aber  Pascal's  Standpunkt  ist  der  des  Geistes. 
Die  Aufgabe  für  ihn  ist  diese,  Geist  zu  sein  oder  richtiger  zu 
werden;  und  von  diesem  Standpunkte  aus  muss  man  alle  Unter- 
scheidungen, die  sich  auf  die  Relativität  gründen,  verwerfen. 
Man  soll  nicht  daran  denken,  wie  tugendhaft  man  im  Vergleich 
zu  andern  ist;  man  soll  sich  nicht  damit  zuMeden  geben,  zu  den 
respektablen  Durchschnittsmenschen  zu  gehören.  Es  darf  nicht 
festgesetzt  werden,  was  eine  Tod-  oder  lässliche  Sünde  ist;  es 
darf  nicht  bestimmt  werden,  was  in  einem  gewissen  Falle  zu 
thun  oder  zu  lassen  ist;  es  muss  dem  Gewissen  des  Einzelnen 
überlassen  werden,  auf  eigene  Verantwortlichkeit  und  mit  vollem 
Bewusstsein  der  Zurechnungsfähigkeit  zu  wählen. 

Der  Fehler  des  Kasuismus  liegt  darin,  dass  er  Angelegen- 
heiten des  Gewissens  als  äussere  Rechtsfragen  behandelt.  An- 
dererseits aber  macht  er  auch  Rechtsfragen  zu  Angelegenheiten, 
welche  der  einzelne  auf  eigene  Hand  zu  schlichten  unternehmen 
kann;  z.  B.,  wenn  er  einem  Diener,  welcher  unzulänglichen  Lohn 
erhält,  gestattet,  seinen  Herrn  zu  bestehlen,  um  sich  Ersatz  zu 
verschaffen.^)  In  dem  6.  Briefe  führt  der  Jesuit,  welcher  Pascal 
unterwies,  den  P.  Bauny  als  Stütze  hierflir  an.  Der  Schüler  er- 
innert dabei  an  die  Geschichte  von  Jean  d'Alba,  welche  sich 
1647  zutrug;  und  da  der  Jesuit  sagt,  dass  ihm  die  Sache  unbe- 
kannt sei,  weil  er  damals  fem  von  Paris,  wo  sich  die  Sache  er- 
eignete, Vorlesungen  über  die  Gewissensfälle  hielt,  so  erzählt 
Pascal,  wie  dieser  Jean  d'Alba,  welcher  in  dem  Jesuitenkolleg 
Diener  war,  die  ehrwürdigen  Väter  bestahl.  Als  er  vor  Gericht 
geführt  wurde,  berief  er  sich  auf  Bauny  und  sagte,  dass  er 
nicht  gestohlen,  sondern  nur  etwas  genommen  habe,  weil  er  zu 
geringen  Lohn   empfinge.      Herr  de  Montronge,  eins  der  ange- 


^)  Verdammt  von  Innocenz  XL  am  2.  März  1679. 

18* 


276  Thor  Sundhy 

sehensten  Mitglieder  des  Gerichts,  erklärte  bei  dieser  Gelegen- 
heit, dass  Bauny's  Lehre  verdammenswert  und  verderblich  sei 
und  im  Widerspruch  mit  allen  göttlichen  und  menschlichen  Ge- 
setzen stehe.  Aber  Jean  d'Alba,  fügt  Pascal  hinzu,  entwischte, 
man  weiss  nicht  wie;  Montrouge's  Votum  befand  sich  jedoch  bis 
jetzt  in  dem  Archive  des  Gerichts.  Diese  Geschichte  gefällt 
dem  Jesuiten  nicht  recht,  der  lieber  die  Lehre  der  Kasuisten 
vortragen,  als  dergleichen  Rechtsfälle  hören  will. 

Als  Beispiel  für  eine  verwerfliche  Anwendung  einer  Rechts- 
regel in  der  Moral  kann  Escobar's  allgemeine  Regel  dienen 
(Lettres  Prov.  VIII.):  „Die  Güter,  welche  man  durch  schimpf- 
liche Mittel  erlangt,  wie  durch  einen  Mord,  ein  ungerechtes  Ur- 
teil, eine  unzüchtige  Handlung  etc.  besitzt  man  zu  Recht,  und 
man  ist  nicht  verpflichtet,  sie  zurückzugeben."  Gesetzlich  ist  es 
ein  feststehender  und  vollständig  richtiger  Satz,  dass  ein  Teil- 
nehmer an  einer  ungesetzlichen  Handlung  auf  diese  keine  Rechts- 
forderung gründen  kann:  derjenige,  welcher  einen  Mörder  gedun- 
gen hat,  kann  nicht  versuchen,  durch  einen  Prozess  sein  Geld 
wieder  zu  erhalten,  selbst  wenn  der  Mörder  sein  Begehr  nicht 
ausführt.  Weil  aber  der  Staat  eine  solche  Forderung  nicht  an- 
erkennen kann,  was  er  thun  würde,  wenn  er  derselben  Prozess- 
kraft beilegte,  d.  h.  wenn  er  zuliesse,  dass  die  Forderung  vor 
Gericht  abgeurteilt  würde,  so  fällt  darum  natürlich  die  moralische 
Verpflichtung  nicht  fort:  der  gedungene  Mörder  hat  gar  kein 
moralisches  Recht  auf  das  Geld,  ob  er  nun  den  Mord  begangen 
hat  oder  nicht.  Beide  Irrtümer  sind  darin  begründet,  dass  man 
das  Absolute  als  etwas  Abstraktes  auffasst,  was  in  der  morali- 
schen Praxis  nicht  angeht.  Durch  den  allerdings  wahren  Satz, 
dass  man  bei  Beurteilung  der  Handlungen  anderer  immer  Rück- 
sicht nehmen  muss  auf  die  Relativität,  d.  h.  auf  die  entschuldi- 
genden Umstände,  auf  die  Grösse  und  Art  der  Versuchung  sowie 
auf  die  eigene  Schwachheit,  Hessen  sich  die  Kasuisten  verleiten, 
die  Relativität  als  ein  durchgehendes  Prinzip  in  der  Moral,  als 
eine  Norm  für  die  eigenen  Handlungen,  für  den  eigenen  Willen 
aufzustellen. 

Das  Verhältnis  zwischen  Religion  und  Moral  ist  bekanntlich 
einer  der  schwierigsten  Punkte  der  Ethik.  Pascal  hält  an  der 
christlichen  Moral  fest,  wie  sie  durch  die  Schriften  und  Kirchen- 
väter aufgestellt  ist.  Dass  die  sittlichen  Anschauungen  sich  in 
mancher  Hinsicht  verändern  und  entwickeln,  ist  gar  nicht  zu 
leugnen;  man  braucht  nur  an  die  Verschiedenheit  in  der  Auffassung 
der  Sklaverei,  der  Erziehung  oder  der  Stellung  des  Weibes  in 
der  Gesellschaft  zu  denken,  wie  sie  in  der  ersten  christlichen 
Zeit  und  wie  sie  vordem  herrschte.     Ob  man  an  der  Verbindung 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  eic,  277 

der  christlichen  Glaubenslehre  mit  der  christlichen  Moral  festhält 
oder  nicht,  das  steht  dennoch  fest,  dass  der  Kern  derselben,  die 
Forderung  bezüglich  des  Absoluten,  des  Vollkommenen  wenigstens 
als  Ziel  nicht  verrückt  werden  kann.  Aber  auch  hier  zeigt  die 
kasuistische  Moral  ihren  Hang,  die  Relativität  hervorzuheben,  in- 
dem sie  ein  so  starkes  Gewicht  auf  das  Besondere  in  dem  ein- 
zelnen Stadium,  auf  die  Forderungen  der  Zeit,  auf  die  Mode  und 
auf  das,  was  man  im  Durchschnitt  verlangen  kann,  legt,  dass 
sie  tibersieht,  was  für  alle  Stadien  gemeinsam  ist,  und  dass  sie 
so  den  Zusammenhang  der  Entwickelung  aufhebt.  Die  Moral  ist 
verschieden  für  die  verschiedenen  Klassen  und  die  verschiedenen 
Zeiten.  „Die  Kirchenväter,"  sagt  der  Jesuit  nach  Reginaldus 
(Lettres  Prov.  V),  „waren  gut  für  die  Moral  ihrer  Zeit;  aber  sie 
liegen  für  uns  zu  ferne"  —  und  nun  gibt  er  die  lange,  in 
ihrer  Zusammenstellung  komische  Liste  der  Kasuisten,  welche 
nun  in  der  Moral  Autorität  sind,  worauf  sein  Gast  in  die  Worte 
ausbricht:  „0  mein  Vater,  waren  diese  Männer  alle  Christen?" 

Hier  nun  lässt  Pascal  den  Jesuiten  ausdrücklich  hervor- 
heben, dass  nicht  alle  Kasuisten  Jesuiten  seien,  dass  aber  letztere 
sich  vor  den  übrigen  durch  den  Eifer  auszeichnen,  womit  sie  sich 
der  Kasuistik  angenommen  und  sie  benutzt  haben,  ^)  was  von 
um  so  grösserer  Bedeutung  ist,  als  kein  Jesuit  irgend  ein  Buch 
ohne  Billigung  seiner  Oberen  veröffentlichen  durfte,  so  dass  der 
ganze  Orden  für  die  Schriften  seiner  Mitglieder  verantwortlich 
ist^)  (Prov.  IX.  u.  XVII.).  Und  doch  hat  man  Pascal  beschul- 
digt, dass  er  den  Jesuiten  allein  die  Entwickelung  der  Kasuistik 
zugeschrieben  habe,  während  dieselbe  in  Wirklichkeit  viel  älter 
sei,  als  die  Gründung  der  Gesellschaft  Jesu  (1540),  und  sogar 
bis  auf  Thomas  von  Aquin  (1227  —  74)  zurückgeführt  werden 
könne.  Spricht  man  über  die  Neigung  der  Menschen,  welche 
die  Kasuistik  hervorgerufen  hat,  so  kann  man  ganz  ruhig  sagen, 
dass  letztere  so  alt  ist,  wie  die  Menschheit  5  aber  ganz  anders 
wird  die  Sache,  wenn  man  nur  die  systematische  Darstellung  der 
Lehre  meint.  Kann  dieselbe  auch  weiter  zurückgeführt  werden 
als  bis  zu  den  Jesuiten,  so  beweist  das  nur  ihren  Zusammenhang 
mit  der  Scholastik;  bekanntlich  hielten  die  Jesuiten  sehr  viel 
auf  diese  sowohl  in  der  Philosophie   als   auch  in  der  Theologie. 

Die  Probabilität  ist  die  notwendige  Ergänzung  der  Ka- 
suistik. An  einer  Stelle  beruft  sich  der  Jesuit  auf  den  Kasuisten 
Basilius  Pontius  (Prov.  V.):  „Man  kann  eine  Gelegenheit  zur 
Sünde  direkt  und  ihrer   selbst  wegen   suchen,   primo   et  per  se, 


^)  Guettde :  Histoire  de  Vfiglise  de  France,  X,  p.  359. 
*)  J.  Huber;  Der  Jesuitenorden,    Berlin,  1873.    p.  91. 


278  Thor  Sundby 

wenn  das  geistliche  oder  leibliche  Wohl  unserer  selbst  oder  un- 
seres Nächsten  uns  dazu  führt.  "^)  —  ^Wahrhaftig,  ehrwürdiger 
Vater,  ich  glaube  zu  träumen,  wenn  ich  Geistliche  so  sprechen 
höre.  Sagt  mir  doch  auf  Euer  Gewissen,  hegt  Ihr  diese  Mei- 
nung?" —  „Nein,  wahrhaftig  nicht,"  antwortete  der  Pater.  — 
„Ihr  sprecht  also  gegen  Euer  Gewissen?"  —  „Nein,  keineswegs; 
ich  sprach  nicht  nach  meinem  Gewissen,  sondern  nach  dem  von 
Pontius  und  Bauny,  und  diesen  könnt  Ihr  wahrhaftig  folgen,  denn 
sie  sind  tüchtige  Männer."  —  Hier  ist  das  Prinzip  der  Proba- 
bilität  angewandt.  Sanchez  sagt  (Prov.  V.):  „Eine  Meinung  wird 
wahrscheinlich  (probable)  genannt,  wenn  sie  ein  tüchtiges  Fun- 
dament hat:^)  nun  ist  aber  die  Autorität  eines  gelehrten  und 
frommen  Mannes  nicht  von  geringer,  sondern  vielmehr  von  hoher 
Bedeutung.  Denn  (hört  wohl  zu)  wenn  das  Zeugnis  eines  solchen 
Mannes  gewichtig  genug  ist,  uns  zu  überzeugen,  dass  eine  Sache 
sich  zugetragen  hat,  z.  B.  in  Rom,  warum  sollte  es  denn  nicht 
ebenso  sein  bei  einem  zweifelhaften  Punkte  in  der  Moral  ?"  Dies 
entwickelt  der  Jesuit  nun  weiter:  „Man  weiss  sehr  wohl,  dass 
sie  nicht  alle  derselben  Meinung  sind;  und  das  ist  nur  um  so 
besser.  Sie  einigen  sich  im  Gegenteil  fast  niemals;  es  gibt 
nur  wenige  Fragen,  wo  Ihr  nicht  finden  würdet,  dass  der  eine 
„Ja",  der  andere  „Nein"  sagt.  In  solchen  Fällen  sind  die  beiden 
entgegengesetzten  Meinungen  annehmbar."  Daher  sagt  auch 
Saymann  (L.  Prov.  V.),  „dass  man  wohl  einen  Rat  geben  kann, 
welchen  man  selbst  missbilligt,  sofern  derselbe  die  Autorität  eines 
andern  für  sich  hat  und  besser  mit  den  Wünschen  des  Rat- 
suchenden stinmit." 

Fasst  man  all  das  Vorangehende  zusammen,  so  wird  man 
sehen,  wie  leicht  es  ist,  jede  auch  noch  so  schlechte  Handlung 
zu  verteidigen.  Hierfür  noch  einige  Beispiele  zu  den  bereits 
gegebenen.  Es  steht  in  der  heil.  Schrift:  Gebet  Almosen  von 
eurem  Überfluss.  Vasquez,  eins  von  Escobar's  vier  Tieren,  hat 
jedoch  einen  Ausweg  gefunden,  sogar  die  reichsten  Leute  von 
der  Pflicht,  Almosen  zu  spenden,  zu  befreien  (L.  Prov.  VI.): 
„Was  die  vornehmen  Leute  behalten,  um  ihre  und  ihrer  Ver- 
wandten Stellung  zu  heben,  wird  nicht  Überfluss  genannt.  Und 
daher  wird  man  kaum  finden,  dass  bei  den  vornehmen  Leuten, 
selbst  nicht  einmal  bei  den  Königen,  Überfluss  herrscht".®) 

*)  Verdammt  von  Innocenz  XI.  am  2.  März  1679. 

*)  Ursprünglich  galt  eine  Anschauung  nur  dann  für  probabel, 
wenn  sie  gute  mnere  Gründe  (Evangelium,  Vernunft),  und  gute 
äussere  Gründe  für  sich  hatte  (Autoritäten).  Reuchlin :  Leben  Pascars, 
pag.  96. 

^)  Verdammt  von  Innocenz  XI.  am  2.  März  1679. 


Btaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc,  279 

„Die  Verläumdung,"  sagt  der  Jesuit  Dicastillo  (L.  Prov. 
XV.),  „welche  man  gegen  einen  Verläumder  anwendet,  ist  wohl 
eiiie  Lüge,  keineswegs  eine  Todsünde,  oder  eine  Sünde  wider  die 
Gerechtigkeit  oder  die  Liebe."  Der  Jesuit  Alby  erklärte  1650 
(ib.)  „dass  es  ihm  erlaubt  gewesen  wäre,  einen  andern  Geist- 
lichen zu  verläumden,  wofern  es  sich  mit  demselben  wirklich  so 
verhalten  hätte,  wie  er  geglaubt  hatte,  dass  jener  nämlich  eine 
Schrift  veröffentlicht  habe,  um  die  Gesellschaft  Jesu  anzu- 
greifen." 

Valentia,  auch  eins  von  Escobar's  vier  Tieren,  hat  das 
Mittel  gefunden,  auf  schlaue  Weise  die  Simonie  einzuschränken, 
die  Sünde,  welche  in  dem  Handel  mit  Benefizien  oder  geistlichen 
Ämtern  besteht  (Prov.  VI.):  „Wenn  man  ein  zeitliches  Gut  für 
ein  geistiges  gibt,  d.  h.  Geld  für  ein  Benefizium,  und  man  das 
Geld  als  den  Preis  des  Benefiziums  zahlt,  so  ist  das  offenbare 
Simonie.  Wenn  man  dasselbe  aber  als  Motiv  gibt,  welches  den 
Willen  des  Besitzers  bestimmt,  sein  Amt  abzutreten,  so  ist  das 
keine  Simonie,  wenngleich  der  Abtretende  das  Geld  als  die  Haupt- 
sache betrachtet."^)  „Durch  dieses  Mittel,"  fügt  der  naive  Jesuit 
hinzu,  welcher  in  den  Lettres  provinciales  auftritt,  „verhindern 
wir  eine  Menge  Simonieen.  Denn  wer  würde  so  schlecht  sein 
nicht  zu  beabsichtigen,  dass  das  Geld,  welches  er  für  ein  Bene- 
fizium zahlt,  nur  das  Motiv  sei,  welches  den  zeitigen  Benefi- 
zianten  zum  Rücktritt  bewegt,  anstatt  es  ihm  als  Bezahlung  zu 
geben?  Niemand  ist  dazu  gottverlassen  genug."  „Nein,"  ant- 
wortet der  ironische  Gast  (Pascal),  „ich  muss  gestehen,  dass 
alle  zureichende  Gnade  haben,  um  einen  solchen  ^Handel  abzu- 
schliessen." 

Hier  hat  man  zugleich  ein  Beispiel  für  die  Hinwendung 
der  Absicht  in  eine  bestimmte  Richtung,  um  die  Natur  der 
Handlung  zu  verändern.  Der  Satz,  dass  die  Absicht  das  Wesent- 
liche sei,  hat  in  der  Moral  allerdings  Geltung,  sonst  würde  die 
unvorsätzliche  und  die  vorsätzliche  Handlung  neben  einander  zu 
stellen  sein.  Es  ist  klar,  dass  derjenige,  welcher  unvorsichtig 
genug  ist,  auf  einen  Vogel  zu  schiessen,  der  auf  einem  Stroh- 
dache sitzt,  und  so  das  Haus  in  Brand  steckt,  nicht  in  eine  Linie 
mit  dem  vorsätzlichen  Brandstifter  gestellt  werden  kann.  Aber 
die  Richtigkeit  des  Satzes  ist  doch  nur  eine  beschränkte.  Denn 
sonst  würde  der  seit  PascaFs  Briefen  so  berüchtigte  Satz  gelten, 
dass  der  Zweck  die  Mittel  heilige.  Ist  allein  die  Güte  der  Ab 
sieht  oder  die  willkürliche  Richtung  der  Absicht  auf  eine  un- 
wesentliche   Seite    der    Sache    hinreichend,    das    Wesen    einer 


*)  Verdammt  von  Alexander  VII.  am  24.  September  1665. 


280  Ihor  Sundby 

Handlung  zu  bestimmen  oder  zu  verändern,  so  ist  jede  Handlung 
zu  verteidigen.  Es  würde  wahnsinnig  aussehen,  wenn  man  einen 
Mann  für  unschuldig  an  vorsätzlicher  Brandstiftung  erklären 
wollte,  weil  er  nicht  gerade  seine  Gedanken  darauf  richtete, 
sondern  nur  daran  dachte,  den  Vogel  auf  dem  Strohdache  zu 
schiessen,  während  es  doch  sein  Wunsch  war,  das  Haus  möchte 
abbrennen.  „Wenn  unsere  Feinde  daran  denken  uns  zu  schaden," 
sagt  Escobar  (Prov.  VH.),  „so  dürfen  wir  ihnen  den  Tod  nicht 
aus  Hass  wünschen,  aber  wohl,  um  uns  vor  Schaden  zu  be- 
wahren." Ebenso  kann  ein  Benefiziant,  nach  Hurtado  (ib.),  ohne 
sich  einer  Todsünde  schuldig  zu  machen,  den  Tod  dessen 
wünschen,  der  eine  Pension  von  seinem  Benefizium  bezieht;  ein 
Sohn  kann  den  Tod  seines  Vaters  herbeiwünschen  und  sich 
freuen,  wenn  er  eintritt,  wofern  das  mit  Rücksicht  auf  den  Vor- 
teil, der  daraus  entsteht,  geschieht,  und  nicht  aus  persönlichem 
Hass".*)  „Derjenige,  welcher  eine  Ohrfeige  erhalten  hat,  darf 
nicht  die  Absicht  haben,  sich  zu  rächen,  aber  wohl  die  Absicht, 
der  Schande  zu  entgehen,  und  daher  auf  der  Stelle  die  Beleidi- 
gung vergelten,  selbst  mit  dem  Schwerte,"^  sagt  Lessius  (ib.) 
Dies  geht,  wie  man  sieht,  viel  weiter,  als  die  jetzt  allgemein 
herrschenden  Anschauungen  über  die  Notwendigkeit  eines  Duells 
in  solchen  Fällen.  Pascal  wurde  übrigens  beschuldigt,  ver- 
schwiegen zu  haben,  dass  Lessius,  welcher  „nach  Vasquez's  An- 
schauung ein  Heide  und  ein  niedriger  Mensch  sein  musste" 
(Prov.  Xin.),  eine  solche  Selbstrache  in  der  Praxis  verdammte, 
während  es  zweifelhaft  wäre,  ob  er  dieselbe  in  der  Theorie  zu- 
liesse.  In  sjeiner  Antwort  (Prov.  XHI  u.  XIV.)  findet  Pascal 
Gelegenheit,  über  eine  Ohrfeige  in  Compi^gne  zu  berichten, 
welche  ein  Hofbeamter  von  einem  Jesuiten  erhalten  hatte,  der 
folglich  ohne  Gewissensskrupel  getötet  werden  konnte.  Diese 
Sache  gibt  ihm  zu  der  witzigen  Nachschrift  des  14.  Briefes  Ver- 
anlassung: „Das  steht  fest,  ehrwürdige  Väter,  dass  er  von  dem 
Jesuiten  einen  Schlag  auf  die  Wange  erhalten  hat;  und  alles 
was  Eure  Freunde  haben  thun  können,  war :  in  Zweifel  zu  ziehen, 
ob  er  den  Schlag  mit  der  Fläche  oder  den  Rücken  der  Hand 
erhalten  hat,  und  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  ein  Schlag  auf  die 
Wange  mit  dem  Rücken  der  Hand  Ohrfeige  genannt  werden  darf 
oder  nicht.  Ich  weiss  nicht,  wem  die  Entscheidung  darüber  zu- 
steht; aber  ich  sollte  doch  glauben,  dass  es  wenigstens  eine 
„wahrscheinliche"  Ohrfeige  ist,  und  das  beruhigt  mein  Gewissen". 
Bei  dieser  Gelegenheit  benutzt  er   auch  seine   kurze,  aber 


*)  Verdammt  von  Innocenz  XI.  am  2.  März  1679. 
^)  Verdammt  am  2.  März  1679. 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  J281 

bündige  Erklärung  der  Restriotion  ment^le^  welche  darin  besteht, 
„die  Wahrheit  ganz  leise,  eine  Lüge  aber  laut  und  deutlich  zu 
sagen"  (Prov.  IX).  In  enger  Verbindung  hiermit  steht  die  Lehre 
von  dem  Gebrauche  zweideutiger  Worte.  In  dem  neunten  Briefe 
sagt  der  Jesuit:  „Ich  will  Ihnen  nun  von  den  Erleichterungen 
sprechen,  welche  wir  eingefühii;  haben,  um  die  Sünden,  zu 
welchen  die  Gespräche  und  Intriguen  der  Welt  Veranlassung 
geben  können,  zu  vermeiden.  Besonders  schwierig  ist  die  Ver- 
meidung der  Lüge,  vornehmlich,  wenn  man  eine  Unwahrheit  für 
wahr  ausgeben  möchte.  Ein  vortrefOiiches  Mittel  hierzu  ist  un- 
sere Lehre  von  den  zweideutigen  Worten,  gemäss  welcher  es 
erlaubt  ist,  wie  Sanchez  sagt,  Ausdrücke  von  doppelter  Bedeu- 
tung zu  gebrauchen,  welche  man  in  dem  einen  Sinne  auffassen 
lässt,  während  man  selbst  sie  in   dem  andern  Sinne  versteht."^) 

—  „Dass  weiss  ich,  ehrwürdiger  Vater."  —  „Ja,  und  wir  haben 
unsere  Lehre  derartig  an  die  Öffentlichkeit  gebracht,  dass  am 
Ende  Jedermann  sie  kennt.  Aber  wissen  Sie  auch,  wie  man  sich 
verhalten  muss,    wenn  man   keine    zweideutigen  Worte   findet?" 

—  „Nein,  ehrwürdiger  Vater."  —  „Das  dachte  ich  mir  wohl," 
sagte  er,  „es  ist  etwas  Neues,  nämlich  unsere  Lehre  von  „dem 
Vorbehalt  in  Gedanken"  (restriction  mentale).  Sanchez  ent- 
wickelt sie  an  derselben  Stelle:  „Man  kann  schwören,"  sagt  er, 
„dass  man  eine  That  nicht  begangen  hat,  obschon  es  doch  so 
ist,  indem  man  für  sich  denkt,  dass  man  sie  nicht  an  einem 
bestimmten  Tage,  oder,  bevor  man  geboren  wurde,  gethan  hat, 
oder  indem  man  an  irgend  einen  ähnlichen  Umstand  denkt,  ohne 
dass  die  Worte,  welche  man  gebraucht,  dies  andeuten.  Und  das 
ist  in  vielen  Fällen  sehr  bequem  und  ist  immer  recht,  falls  es 
für  die  Gesundheit,  die  Ehre  oder  das  Vermögen  notwendig  oder 
nützlich  ist."')  —  ^Wie,  ehrwürdiger  Vater,  ist  das  denn  nicht 
eine  Lüge,  ja  sogar  ein  Meineid?"  —  „Nein,"  sagte  der  Jesuit, 
„das  beweist  nicht  bloss  Sanchez,  sondern  auch  unser  Vater 
Filutius,  weil,  wie  er  sagt,  die  Absicht  die  Qualität  der  Handlung 
bestinmit." 

Die  Kasuisten  und  speziell  die  Jesuiten  machen  also  den 
Menschen  das  Leben  nicht  sauer.  Sie  gestatten  es,  dass  eine 
Frau  ihrem  Manne  Geld  nimmt,  um  damit  zu  spielen  (Prov.  IX) ; 
sie  geben  jede  Art  Umgehung  der  Wuchergesetze  zu  (Prov.  VIII); 
sie  erlauben  uns,  den  zu  töten,  der  uns  den  Wert  eines  Thalers 
nimmt,  ja  sogar,  wenn  er  nur  einen  Apfel  nimmt,  falls  unsere 
Ehre  mit  im  Spiele  ist  (Prov.  VII.  und  XIV.);  sie  erklären,  dass 
ein  Mönch  oder  Priester   denjenigen    erschlagen    darf,    welcher 

^)  Verdammt  am  2.  März  1679. 


282  Tkoi'  Sundby 

androht,  ihre  oder  ihres  Ordens  geheime  und  anstössige  Misse- 
thaten  zu  verbflFentlichen  (Prov.  VII.). ^)  —  Dieses  alles  aus  Mit- 
leid mit  den  schwachen  Menschen,  ,, welche  so  verdorben  sind, 
dass  die  Jesuiten  zu  ihnen  gehen  müssen,  da  sie  nicht  von  selbst 
zu  denselben  kommen."     (Prov.  VI). 

Diese  Anpassungs-  und  Schonungspolitik  bei  den  Jesuiten 
ist  nicht  eine  Erdichtung  Pascal' s,^)  obgleich  dies  nicht  bloss  von 
den  Feinden  der  Lettres  Provinciales  sondern  auch  von  Bewun- 
derem derselben,  wie  Villemain  und  Voltaire,®)  behauptet  wurde. 
Letzterer  sagt:  „Das  ganze  Buch  beruhte  auf  einer  falschen 
Grundlage.  Man  legte  in  geschickter  Weise  der  Gesellschaft 
die  abgeschmackten  Meinungen  verschiedener  spanischen  und 
flämischen  Jesuiten  bei.  Man  hätte  ebenso  gut  die  Meinungen 
bei  den  Kasuisten  des  Dominikaner-  und  Franziskanerordens  bei- 
bringen können;  aber  nur  den  Jesuiten  wollte  man  zu«  Leibe. 
Man  suchte  in  diesen  Briefen  zu  beweisen,  dass  die  Jesuiten  den 
vorgefassten  Plan  hätten,  die  Sitten  der  Menschen  zu  verderben, 
ein  Plan,  den  keine  Sekte,  keine  Gesellschaft  je  gehabt  hat 
oder  haben  kann.  Aber  es  galt  nicht  Recht  zu  haben,  es  galt 
nur,  das  Publikum  zu  unterhalten."  Es  ist  offenbar,  dass  Vol- 
taire die  Lettres  Provinciales  nur  als  einen  genialen  Scherz  oder 
vielleicht  mit  Chateaubriand  als  eine  „unsterbliche  Lüge"*)  auf- 
fasst.  In  seiner  vortrefflichen  Abhandlung  über  Pascal  macht 
Villemain^)  darauf  aufmerksam,  „dass  mehr  als  ein  berühmter 
Autor  seine  Philosophie  vermittels  seiner  Moral  ausgebreitet  und 
diese  verdorben  habe,  um  Eingang  zu  finden",  aber  er  fügt  doch 
hinzu:  „Indem  er  seinen  Widersachern  die  förmliche  und  über- 
legte Absicht,  die  Moral  zu  verderben,  beilegt,  stellt  er  eine 
freilich  übertriebene  Voraussetzung  auf". 

Die  Ansicht  Henri  Martinas ^)  hierüber  ist  folgende:  „Man 
(die  Jesuiten)  will  so  viel  als  möglich  den  alten  und  gewaltigen 
Gegensatz  zwischen  Christus  und  der  Welt,  den  Dualismus  des 
Vollkonmienen  und  Unvollkommenen  mildem,  aus  welchem  die 
ersten  Christen   den  Gegensatz  zwischen  Himmel  und  Hölle  her- 


^)  Verdammt  teils  1665,  teils  1679. 

*)  Selbst  die  Geliebte  Ludwig's  XIV.,  M«»«  de  Montespan,  spottete 
über  die  Milde  der  Jesuiten,  indem  sie  den  Beichtvater  des  Königs, 
den  Jesuiten  La  Chaise,  die  chaise  de  la  commoditd  nannte  (Huber: 
der  Jesuitenorden.     Berlin,  1873.    p.  163). 

^)  Voltaire:  Siede  de  Louis  XIV.    Paris,  1808.  II.  Kap.  37,  p.  200. 

*)  Sonderbar,  sagt  Sainte-Beuve,  an  „unsterbliche  Lügen"  zu 
glauben. 

*)  Discours  et  M^langes  litt^raires.     1846.    p.  137. 

•)  Histoire  de  France,  XIII,  p.  460. 


Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  283 

geleitet  haben.  Man  will  die  Wett  gewinnen,  indem  man  ihren 
früher  verdammten  Werken,  ihrer  Pracht  die  religiöse  Weihe 
gibt.  Man  will  den  Inhalt  umsohaffen  und  die  Form  behalten. 
—  Was  mangelte  nun  diesem  genialen  Plane?  —  Die  Recht- 
schaffenheit, die  Freimütigkeit,  eine  wirklich  religiöse  Gesinnung 
(jedenfalls  das  Christentum !),  welche  allein  der  Natur  ihre  Bechte 
wiedergeben  konnten,  ohne  das  ewige  Gesetz  des  Guten  und 
Wahren  zu  verletzen,"  Dieser  geniale  Plan  wird  auch  von 
einem  Freunde  der  Jesuiten,  dem  Historiker  Cretineau-Joly,*) 
anerkannt:  „Pascal  schrieb  in  den  schwierigsten  Fragen  mit  dem 
Zauber  einer  heiteren  Satire  und  der  Strenge  der  festesten 
Grundsätze."  „Er  fand  die  Kunst,  die  Menschen  zu  der  An- 
nahme einer  Lehre  zu  bringen,  welche  weder  mit  ihrem  Ge- 
schmacke  noch  ihren  Sitten  stimmte.  Er  setzte  Strenge  gegen 
Milde."  ,,Er  machte  Gott  unzugänglich,  um  die  Jesuiten  un- 
möglich zu  machen;  die  Jesuiten,  welche  versucht  hatten,  eine 
Übereinstimmung  zwischen  der  unendlichen  Vollkommenheit  und 
den  Lastern  der  Menschheit  zu  wege  zu  bringen,  und  „nur 
suchten,  die  Religion  zu  popularisieren,  indem  sie  einige  Punkte 
der  Moral  nach  den  Gefühlen  der  Welt  einrichteten."  „Die  Welt 
hatte  von  Beginn  des  Christentums  an  über  die  Strenge  gewisser 
Vorschriften  geklagt;  die  Jesuiten  kamen  diesen  Klagen  ent- 
gegen." Nach  diesen  mehr  oder  weniger  sympathischen  Äusse- 
rungen, welche  beide  einen  Plan  oder  eine  Tendenz  anerkennen, 
wollen  wir  Pascal  hören: 

„Wisset  also,  dass  es  nicht  ihr  Ziel  ist,  die  Sitten  zu  ver- 
derben; das  ist  nicht  ihre  Absicht.  Aber  sie  haben  auch  nicht 
eine  Besserung  der  Sitten  zum  einzigen  Zweck;  das  wäre  eine 
schlechte  Politik.  Vielmehr  ist  dies  ihr  Gedanke.  Sie  haben 
eine  so  gute  Meinung  von  sich  selbst,  dass  sie  es  für  nützlich 
und  gleichsam  für  notwendig  zum  Heile  der  Religion  halten, 
dass  ihr  Einfluss  überall  hinreicht,  und  sie  alle  Gewissen  be- 
herrschen. Und  weil  nun  die  strengen  Grundsätze  des  Evange- 
liums wohl  geeignet  sind,  gewisse  Arten  von  Leuten  zu  lenken, 
so  bedienen  sie  sich  ihrer,  wo  sie  ihnen  günstig  sind.  Da  aber 
diese  selben  Grundsätze  den  meisten  Menschen  nicht  gefallen^ 
geben  sie  mit  Rücksicht  auf  diese  dieselben  aaf,  um  alle  zu- 
frieden zu  stellen;  und  sie  haben  mit  Leuten  aller  Stände  und 
so  verschiedener  Nation  zu  thun.  Sie  müssen  daher  Kasuisten 
haben,  welche  sich  ganz  nach  dieser  gemischten  Menge  richten. 
Wenn  sie  nun  nur  laxe  Kasuisten  hätten,  so  würden  sie, 
wie  leicht  einzusehen  ist,  gegen  ihren  Hauptgrundsatz  Verstössen: 


^)  Histoire  de  la  Compagnie  de  Jesus.    1845.    IV.    p.  49. 


284  Thor  Sundby 

alle  Menschen  zu  umfassen,  «weil  ja  die  wirklich  Frommen  eine 
strengere  Leitung  suchen.  Da  es  aber  nur  wenige  Leute  dieser 
Art  gibt,  so  haben  sie  auch  zu  deren  Leitung  nicht  viele  strenge 
Seelsorger  nötig.  Sie  haben  deren  nur  wenige,  um  diese  wenigen 
zu  leiten,  während  die  grosse  Menge  der  schlaffen  Kasuisten 
sich  der  grossen  Menge  derer  zur  Verfügung  stellt,  welche  die 
Laxheit  lieben.  —  Durch  diese  entgegenkommende  Milde,  wie 
P.  Petau  sagt,  reichen  sie  allen  die  Hand.  Denn  wenn  jemand 
zu  ihnen  kommt,  der  fest  entschlossen  ist,  das  unrechtmässig 
erworbene  Gut  zurückzugeben,  so  steht  nicht  zu  fürchten,  dass 
sie  ihn  davon  abhalten;  im  Gegenteil,  sie  werden  ihn  loben  und 
einen  so  heiligen  Entschluss  bestärken.  Wenn  aber  ein  anderer 
zu  ihnen  kommt,  der  die  Absolution  haben  will,  ohne  zu  resti- 
tuieren, so  würde  ihre  Sache  sehr  schlimm  stehen,  wenn  sie 
nicht  Mittel  dazu  hätten,  für  welche  sie  natürlich  die  Verant- 
wortlichkeit übernehmen.  Auf  diese  Weise  erhalten  sie  sich  ihre 
Freunde  und  verteidigen  sie  sich  gegen  ihre  Feinde.  Denn  wenn 
man  ihnen  ihre  ausserordentliche  Laxheit  vorwirft,  so  führen  sie 
sofort  dem  Publikum  ihre  strengen  Seelsorger,  sowie  einige 
Bücher  vor,  welche  diese  über  die  Strenge  des  christlichen 
Gesetzes  geschrieben  haben;  und  die  Einfachen,  sowie  die,  welche 
nicht  tiefer  in  die  Sache  eindringen,  begnügen  sich  mit  diesen 
Beweisen."  (Prov.  V.)  Man  wird  nun  selbst  beurteilen  können, 
ob  Pascal  zu  beleidigend  gegen  die  Jesuiten  aufgetreten  ist. 

Die  entgegenkommenden  Bestrebungen  der  Jesuiten,  die 
Keligion  populär  zu  machen,  galten  nicht  bloss  der  Moral,  son- 
dern auch  dem  Gottesdienste.  So  erlaubten  ihre  Missionäre  den 
neubekehrten  Chinesen,  an  dem  Götzendienste  teilzunehmen,  wenn 
sie  nur  ihre  Gedanken  auf  ein  Christusbild  richteten,  welches 
sie  unter  ihren  Kleidern  verborgen  hatten  (Prov.  V.).  Ihre 
Kasuisten  glaubten  auch  nicht,  dass  es  nötig  sei,  Gott  zu  lieben. 
„Es  war  vernünftig,"  sagt  Pinterau  (Prov.  X),  „dass  Gott  indem 
Gnadengesetze  des  Neuen  Testaments  die  ärgerliche  und  schwie- 
rige Verpflichtung  aufhob,  welche  sich  in  dem  strengen  Gesetz 
fand,  nämlich  einen  Akt  vollkommener^)  Reue  zu  erwecken,  um 
gerechtfertigt  zu  werden;  und  dass  er  die  Sakramente  einsetzte, 
welche  die  Reue  ersetzen  und  den  Mangel  in  derselben  ergänzen 
könnten.       Sonst    würden  ja    die    Christen,    welche   die    Kinder 

^)  Vollkommene  Reue  (contrition)  ist  die  Reue,  welche  aus  Liebe 
ZT»  Gott  hervorgeht ;  unvollkommen  (attrition)  nennt  man  Reue  aus 
Furcht  vor  der  Strafe.  —  „Nach  der  sinnlichen  Vorstellung  der 
Christen  ist  Jesus  Christus  zu  unserer  Erlösung  gekommen,  damit  wir 
Gott  lieben  und  um  uns  die  Sakramente  zu  geben,  welche  alles  ohne 
unser  Zuthun  wirken"  (Pens^es  XV,  10). 


Blaise  Ihscal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  285 

sind,  es  nicht  leichter  haben,  das  Wohlgefallen  Gottes  zu  er- 
ringen, als  die  Juden,  welche  Sclaven  waren,  um  die  Barm- 
herzigkeit ihres  Herrn  zu  erflehen." 

Escobar  teilt  die  Ansichten  verschiedener  Kasuisten  über 
die  Verpflichtung,  Gott  zu  lieben,  mit  (Prov.  X.):  Hurtado  de 
Mendoza  behauptet,  dass  man  jedes  Jahr  dazu  verpflichtet  sei, 
und  dass  man  uns  noch  sehr  gnädig  behandele,  uns  nicht  öfter 
dazu  zu  verpflichten.  Unser  Pater  Coninck  aber  glaubt,  dass 
man  alle  drei  oder  vier  Jahre  dazu  verpflichtet  sei.  —  Henriquez 
alle  fünf  Jahr;  und  Filutius  sagt,  dass  man  jedes  fünfte  Jahr 
nicht  so  strenge  dazu  verpflichtet  sei.  Aber  wann  dann?  Das 
iiberlässt  er  dem  Urteile  der  Weisen."  Vor  allen  aber  zeichnet 
sich  der  Jesuit  Antoine  Sirmond  aus.  Man  mag  Maynard  ja  gern 
einräumen,  dass  derselbe  ein  unbedeutender  Mann  ist,  aber  man 
darf  nicht  vergessen,  was  wir  früher  berührt  haben,  dass  die 
Gesellschaft  Jesu  als  verantwortlich  für  die  Schriften  ihrer  Mit- 
glieder anzusehen  ist.  In  seinem  Buche  Defense  de  la  vertu, 
in  welchem  er  gemäss  seinen  eigenen  Worten  Französisch  in 
Frankreich  spricht,  lässt  er  sich  folgendermassen  aus  (Prov.  X): 
„Thomas  von  Aquin  sagt,  dass  man  Gott  lieben  muss,  sobald 
man  den  Gebrauch  der  Vernunft  erlangt  hat;  das  ist  etwas  früh. 
Scotus,  jeden  Sonntag;  aus  welchem  Grunde?  —  Andere,  wenn 
man  schwer  versucht  wird;  ja,  falls  man  nur  diesen  Weg  hat, 
die  Versuchung  zu  fliehen.  Sotus,  wenn  man  eine  Wohlthat  von 
Gott  empfängt;  gut,  um  ihm  dafür  zu  danken.  Andere,  beim 
Tode;  das  ist  recht  spät.  Ich  glaube  auch  nicht,  dass  es  bei 
jedem  Empfange  eines  Sakramentes  nötig  sei;  dazu  genügt  die. 
unvollkommene  Reue  in  Verbindung  mit  der  Beichte,  wenn  man 
bequeme  Gelegenheit  dazu  hat.  Suarez  sagt,  dass  man  zu  einer 
bestimmten  Zeit  dazu  vei*pflichtet  ist,  aber  zu  welcher  Zeit?^) 
Da»  überlässt  er  Ihnen,  er  weiss  nichts  davon.     Und  was  dieser 

Theologe  nicht  gewusst  hat,  wer  das  wissen  mag,  weiss  ich 
nicht."2) 


*)  Verdammt  1679. 

*)  Diese  Entbindung  von  der  Verpflichtung,  Gott  zu  lieben, 
scheint  den  Dichter  Boileau  ausserordentlich  unangenehm  berührt  zu 
haben.  M«»«  <Je  Sövignä  erzählt  in  einem  Briefe  vom  15.  Januar  1690, 
dass  derselbe  in  einer  Gesellschaft  bei  Lamoignon,  wo  Bourdaloue 
und  noch  ein  anderer  Jesuit  zugegen  waren,  die  Schriftsteller  der 
alten  Zeit  über  die  der  neuen  stellte.  Doch  nahm  er  einen  der  letz- 
teren aus.  Der  Jesuit  will  wissen,  wer  dieser  sei.  Boileau  will  es 
nicht  sagen.  Man  besteht  darauf.  „Ach,  Sie  haben  ihn  gewiss  mehr 
als  einmal  gelesen,"  sagte  Boileau  lächelnd.  Doch  diese  Ausrede  nützt 
ihm  nicht,  trotz  seiner  Bitten  muss  er  den  Namen  sagen.  „Sie  wollen 
es  wissen,  nun  wohl,    ehrwürdiger  Vater,    es  ist  Pascal."     Feuerrot 


386  Thor  Sundby 

Wir  haben  gesehen,  wie  die  Jesuiten  in  der  Religion  und 
Moral  die  grösste  Laxheit  bewiesen,  wenn  es  ihnen  zur  Aus- 
breitung ihres  Einflusses  und  zur  Erweiterung  ihrer  Macht  passend 
erschien.  Warum  suchten  sie  nun  diesen  Einfluss,  diese  Macht 
zu  erlangen?  Das  geschah,  wie  man  sagte,  um  die  katholische 
Religion  auszubreiten  und  das  Papsttum  zu  befestigen;  da  dieses 
Ziel  aber  nach  ihrer  Anschauung  am  besten  durch  ihre  Hilfe 
erreicht  werden  konnte,  so  wurde  das  Heil  der  Religion  für  eins 
mit  ihrem  eigenen  Vorteil  gehalten,  und  um  dieses  Ziel  zu  er- 
reichen, scheuten  sie  kein  Mittel.  Durch  eine  vorzügliche  Or- 
ganisation und  strenge  Disziplin  bildeten  sie  die  Mitglieder  des 
Ordens  zu  schlauen  und  mutigen  Werkzeugen  aus.  Sie  verstan- 
den es  mit  der  grössten  Kunst  sich  in  alle  Verhältnisse  zu 
schicken.  Sie  wurden  Ratgeber  der  Könige  und  Seelsorger  der 
Mächtigen;  sie  machten  sich  geltend  als  Männer  der  Wissen- 
schaft und  als  Erzieher  der  Jugend;  sie  wanderten  als  Missionare 
in  alle  Welt  und  trotzten  als  solche  allen  Gefahren  mit  der 
grössten  ünerschrockenheit,  wenn  sie  nur  die  Religion  ausbreiten 
konnten.  Aber  während  sie  für  die  Ausbreitung  derselben 
kämpften,  nahmen  sie,  wie  wir  gesehen  haben,  freilich  nicht  so 
genau  darauf  Rücksicht,  ob  die  Neubekehrten  sich  mit  wahrer 
Innigkeit  an  sie  anschlössen.  Sie  zeigten  auch  einen  uner- 
schütterlichen Mut  und  eine  seltene  Aufopferung  als  Kranken- 
pfleger. Aber  bei  allem,  was  sie  unternahmen,  vergassen  sie 
niemals,  für  ihren  eigenen  Einfluss  zu  kämpfen.  Stellte  sich 
ihrem  Ziele  irgend  ein  Hindernis  in  den  Weg,  so  wandten  sie 
alle  Mittel  an,  um  dasselbe  fortzuschaffen.  Daher  bedachten  sie 
sich  nicht,  den  Königsmord  ^)  zu  billigen,  wenn  er  mit  ihren  In- 
teressen stimmte;  daher  kämpften  sie  nicht  bloss  gegen  die 
Reformation  der  christlichen  Kirche,  welche  sich  vom  Papsttum 
trennte,  sondern  verfolgten  auch  mit  der  grössten  Ausdauer  und 
dem  leidenschaftlichsten  Hasse  die  Reformationsversuche,  welche 
innerhalb  der  römisch-katholischen  Kirche  stattfanden,  namentlich 


stammelt  der  Jesuit:  „Pascal  ist  so  schön,  als  die  Unwahrheit  sein 
kann."  „Die  Unwahrheit,"  sagt  Boileau  erbittert,  „ist  es  vielleicht 
nicht  wahr,  dass  einer  Ihrer  Väter  geschrieben  hat,  man  brauche 
Gott  nicht  zu  lieben?"  „Mein  Herr,"  ruft  der  Jesuit  aus,  „man  muss 
unterscheiden."  „Unterscheiden  —  Gottes  Tod!  —  unterscheiden,  ob 
wir  Gott  lieben  sollen!"  Und  wie  ein  Rasender  stürzte  er  aus  dem 
Zimmer.  —  Diese  Szene  ist  wahrscheinlich  für  ihn  die  Veranlassung 
gewesen,  seine  12.  Epistel  zu  schreiben. 

*)  „Die  anderen  Morde"  (Provinc.  XIV.)  sind  Eön^smord  und 
Kindesmord.  Mariana:  De  Rege  et  Regis  institutione.  Toledo  1599. 
6f.  Hnber:  Der  Jesuitenorden,  p.  251. 


Blaise  Pascal^  sein  Kampf  gegen  die  JesiiHen  eic,  287 

den  Jansenismus,    dessen   strenger  Ernst  sich  nicht  darin  finden 
konnte,  mit  der  Glaubens-  und  Sittenlehre  zu  akkordieren. 

Da  die  Jansenisten  ihre  Glaubensfreiheit  angegriffen  sahen, 
begannen  sie  sich  zu  verteidigen;  aber  die  Jesuiten  hatten  die 
Macht  auf  ihrer  Seite  und  gebrauchten  dieselbe  so,  dass  die 
Jansenisten  sich  zum  Angriff  gezwungen  sahen.  Den  härtesten 
Schlag  führte  Pascal,  indem  er  die  verdorbene  Moral  bloss- 
deckte,  welche  von  fast  allen  jesuitischen  Kasuisten  verbreitet 
wurde.  Der  Schlag  traf  die  Jesuiten  so  nachdrücklich,  dass 
man  sich  nicht  wundem  kann,  dass  sie  und  ihre  Freunde  ver- 
schiedene Mittel  anwandten,  um  die  Lettres  Provinciales  herab- 
zusetzen. 

Im  allgemeinen  wählte  man  den  Ausweg,  PascaVs  Worte 
für  reine  Unwahrheit  zu  erklären;  und  diese  Taktik  wird  noch 
immer  angewandt,  obwohl  hinlänglich  bewiesen  ist,  dass  in  den 
Lettres  Provinciales  nur  einige  wenige  und  dann  unbedeutende 
Ungenauigkeiten  vorkommen.  Und  selbst  wenn  Pascal  in  ein- 
zelnen Punkten  sich  unfreiwillig  eines  geringfügigen  Unrechts 
gegen  die  Jesuiten  schuldig  gemacht  haben  sollte,  so  ist  es  doch 
sicher,  dass  ihre  Kasuisten  durchaus  nicht  gewinnen,  wenn  man 
ihre  Lehre  in  ihren  eigenen  Werken  studiert.  Im  Gegenteil, 
dann  erscheinen  sie  in  einem  noch  viel  schlimmeren  Lichte. 
Pascal's  Darstellung  ist  nicht  unwahr.  Er  hatte  vollkommen 
Recht,  da  er  diese  Worte  niederschrieb:  „Ich  stehe  da,  einer 
gegen  3000?  Nein!  Behaltet  Ihr  nur  den  Hof  und  den  Trug  auf 
Eurer  Seite!  Ich  habe  die  Wahrheit  auf  meiner.  Das  ist  meine 
ganze  Stärke,  verliere  ich  diese,  so  bin  ich  selbst  verloren.  Es 
wird  nicht  an  Anklagen  gegen  mich  und  an  Verfolgungen 
fehlen.  Aber  ich  habe  die  Wahrheit  für  mich,  und  wir  werden 
sehen,  wer  siegt.  Ich  bin  unwürdig,  die  Religion  zu  verteidigen; 
aber  es  ist  Eurer  unwürdig,  den  Irrtum  und  die  Ungerechtigkeit 
zu  verteidigen."     (Pens^es,  Äd.  Faug^re.  I,  308.) 

Andere,  wie  Voltaire,  welcher  für  die  Jesuiten,  die  Lehrer 
seiner  Jugend,  immer  viel  übrig  hatte,  meinten,  die  Briefe  dürften 
nur  als  ein  unterhaltender  Scherz  betrachtet  werden;  aber  es 
gibt  schwerlich  viele  unbefangene  Beurteiler,  welche  sich  dieser 
Auffassung  anschliessen  werden.  Was  half  Voltaire  denn  so  sehr 
in  seinem  Kampfe  für  die  Toleranz?  Was  bewirkte  wohl  eigent- 
lich die  Vertreibung  der  Jesuiten  aus  Frankreich  100  Jahre  nach 
PascaFs  Tode?  Wie  würde  es  Michelet,  Quinet  und  den  andern 
ergangen  sein,  welche  1843  gegen  die  Jesuiten  kämpften,  wenn 
sie  nicht  Pascal's  mächtige  Hilfe  gehabt  hätten?  Die  Lettres 
Provinciales  waren  nicht  bloss  damals  den  Jesuiten  „ein  Pfahl  im 
Fleische";    sie   sind  ein  stetiges    Hindernis  für  die  Ausbreitung 


as«  Thor  Sundby 

ihrer  Hacht  Sie  waren  Dicht  bloss  fUr  einen  Aogenblick  eine 
kriftige  Verteidigung  der  GewiBsensfreibeit,  sie  bleiben  stets  ein 
bedentnngsvoller  Einspruch  gegen  die  Unterdrückung  Anders- 
denkender durch  die  kirchliche  Mehrheit.  Und  das  ist  nicht  ihre 
einiige  Bedeutung:  sie  haben  auch  Bedentung  für  uns  alle.  Wohl 
-wird  man  vielleicht  sagen:  „Die  Lettres  Provinciales  haben  gewiss 
yire  historische  Bedeutung,  abet  was  gehen  sie  uns  an?  Sie 
haben  den  Kasnismus  vemicbtet  nnd  das  so  gut  gemacht,  dass 
wir  dessen  Wiederaufleben  nicht  zu  beftlrcbten  brauchen.  Über 
dies  ist  das  Ganze  eine  rein  katholische  Angelegenheit:  wir 
danken  Ulr,  Gott,  dass  .wir  nicht  sind  wie  diese  Katholiken!" 
Aber  hierin  geht  man  sehr  fehl;  in  unserer  Zeit  kommen  noch 
MM  kasuistische  Systeme  heraus,  wie  z.  B.  das  des  Jesuiten 
J«k.  IVter  Gury,'}  welches  ja  teilweise  genugsam  von  Escobar 
«1*4  at'tneu  Geistesgenossen  abweicht,  wenn  anch  nicht  so  sehr, 
«H>  Kwu  glauben  sollte.  Aber  selbst  wenn  dies  nicht  der  Fall 
itKiv,  darf  man  doch  nicht  annehmen,  dass  das  Entgegenkommen 
«t^K  Mfuanlien  gegentlber,  welches  die  Kasuistik  herrorgerufen 
)>M,  MtlMKeiottet  sei.  Besonders  wo  es  gilt,  nicht  bloss  zu  reden 
MHit  *\\  auhrelben,  sondern  zu  leben  nnd  zu  handeln,  ist  der 
\l>'H»i>tt  Innuer  bereit,  dem  durchdringenden  Lichte  des  Absoluten 
f.»  ^^t)Ulllll^|ll'en,  um  Schutz  und  Schirm  in  den  Winkclzflgen  der 
K\  \\\\\  imt  KU  Buchen ,  wie  Adam  nnd  Eva  hinter  den  BSumen 
vM  ('tti'itdleses.  Um  einigermassen  Stand  zu  halten,  bedarf  man 
>'^  •in  ilur  ülrmabnung  durch  sieb  selbst  oder  durch  andere.  Die 
t.tu«  fcovinciales  sind  nicht  bloss  ein  Schreckbild  fllr  die 
•  M^^tvlli  iondern  auch  ein  heilsainer  Mahner  fUr  nns  alle. 

4lmr    deswegen   haben    Pascal's   Briefe    nicht    die    grosse 

\'   l'Uiiliiiig  gefunden,  sondern  vorzugsweise  wegen  der  Art  nnd 

W'iiv  tli^l'  Darstellung.     Diese  hat  Pascal   die  meisten  Freunde 

,  v\.>^\miu.')      Durch  BmchstUcke   kann    man    natürlich   niemand 

:    i\  V nlUtUndigen  Begriff  derselben  geben;    da   sie  jedoch   zu 

<)  l^uiupendiiim  theologiffi  moralis.  RatiaboiitB  1874.  Dies  ist 
I.  Aimifube  in  Deutschland.  1027  zweiepaLtige  Seiten  in  %".  — 
'K' 1  viii'teitligt  und  benutzt  Escobaj  und  bezichtigt  Pascal  grober  Ver- 
i>  "idi\h(,'  ilüfselben.  p.  iOB  u.  S9!.  Gurj  gibt  ale  Anhang  zu  eeinem 
■.II-  'ii>  uinu  Liute  der  von  den  Päpsten  verdammten  jesuitiachen  S&tze, 
i<U  iir  wir  zu  den  Anmerkungen  benutzt  haben. 

'1  Ale  der  Jeauit  Daniel  1694  die  Entretiens  de  Cl^andrc  et 
:ab,  ein  Buch,  welches  Pascal  widerlegen  sollte,  fiel 
iBselben  den  Hofleuten  des  vertriebenen  engliachen 
.  in  die  U3.nde,  Diene  eigOtzten  sich  derartig  an 
Paecal,  welche  aagefi]hrt  werden,  dass  sie  sofort  nach 
nciales  sandten  und  Daniel'B  Buch  zur  Seite  warfen. 
rt-Eoyal.   111.    p.  167. 


Btaise  Pascal,  setn  liamp/  gegen  die  Jesuiten  etc.  289 

der  richtigen  Vorstellung  verhelfen  können^  so  wollen  wir  einige 
wenige  anführen,  die  zugleich  auch  einen  völligeren  Begriff  von 
der  Laxheit  der  kasuistischen  Moral  vermitteln. 

Im  Gespräche  über  das  Fasten  fragt  der  Jesuit  seinen 
Gast  (Pascal),  ob  er  viel  Wein  tränke.  „Nein,  ehrwürdiger 
Vater,"  sagte  ich,  j,ich  kann  es  nicht  vertragen."  —  „Ich  sagte 
es,"  antwortete  er,  „um  Ihnen  mitzuteilen,  dass  Sie  des  Morgens 
und  wann  Sie  wollen,  Wein  trinken  können,  ohne  das  Fasten  zu 
brechen;  das  stärkt  doch  immerhin.  Es  steht  die  Erlaubnis  dazu 
bei  Escobar.  „Kann  man,  ohne  dadurch  das  Fasten  zu  brechen, 
Wein  trinken,  wann  man  will  und  selbst  in  grosser  Menge?"  „Man 
kann  es,  sogar  Gewürzwein.  Ich  erinnerte  mich  nicht  dieses 
Gewtirzweins,"  sagte  er,  „den  muss  ich  doch  in  meine  Auf- 
zeichnungen setzen."  —  „Das  ist  ein  anständiger  Mann,"  sagte 
ich  ihm,  „dieser  Escobar."  —  „Alle  Welt  hat  ihn  gern,"  ant- 
wortete der  Pater.  „Er  stellt  so  hübsche  Fragen."  An  derselben 
Stelle  findet  sich  diese:  „Wenn  ein  Mensch  daran  zweifelt,  ob 
er  21  Jahre  alt  ist,  muss  er  dann  fasten?  Nein.  Aber  wenn 
ich  heute  um  1  Uhr  Nachts  21  Jahre  werde,  und  morgen  ist 
Fasttag,  muss  ich  dann  morgen  fasten?  Nein;  denn  du  kannst 
so  viel  essen  wie  du  willst,  zwischen  Mitternacht  und  1  Uhr, 
weil  du  dann  noch  nicht  21  Jahre  alt  bist;  und  da  du  so  ein 
Recht  hast  die  Fasten  zu  brechen,  so  bist  du  nicht  dazu  ver- 
pflichtet." —  „0,  das  ist  reizend,"  sagte  ich  zu  ihm.  „M%n  kann 
sich  von  der  Lektüre  nicht  losreissen,"  antwortete  er  mir;  „ich 
bringe  Tag  und  Nacht  damit  zu;  ich  thue  nichts  anderes."  Der 
gute  Pater  war  ganz  entzückt,  dass  mir  das  Vergnügen  machte 
und  fuhr  fort:  „Sie  müssen  nun  noch  die  Stelle  aus  Filutius 
hören,  der  zu  den  24  Jesuiten  gehört:  „Ist  man  verpflichtet  zu 
fasten,  wenn  man  durch  irgend  eine  Sache  müde  geworden  ist, 
indem  man  z.  B.  einem  Mädchen  nachlief,  ad  insequendam  ami- 
cam?  Keineswegs.  Aber  wenn  man  absichtlich  sich  ermüdet 
hat,  um  vom  Fasten  dispensiert  zu  sein,  ist  man  dann  dazu  ver- 
pflichtet? Nein,  selbst  wenn  man  das  in  dieser  Absicht  gethan 
hat,  braucht  man  nicht  zu  fasten.  Nun,  hätten  Sie  das  wohl 
geglaubt?"^)  —  „Wahrhaftig,  ehrwürdiger  Vater,  ich  glaube  es 
noch  nicht  recht"  (Prov.  V.). 

Im  7.  Briefe  entwickelt  der  Jesuit  mit  grossem  Eifer,  dass 
die  Duelle  in  gewissen  Fällen  zulässig  seien.  Da  der  König 
die  Duelle  in  allen  Fällen  strenge  verboten  hat,  wundert  sich 
sein  jansenistischer  Gast  (Pascal)  sehr  über  die  Lehre,  welche 
er  vortragen  hört     „Aber  der  gute  Pater  war  so  im  Zuge,  dass 

^)  Verdammt  1665. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.   VIi.  |q 


290  Thor  Sundby 

es  Unrecht  gewesen  wäre,  ihn  aufzuhalten."  Er  fuhr  so  fort: 
^Sanchez  (geben  Sie  wohl  acht,  welche  Männer  ich  Ihnen  citiere) 
geht  noch  weiter,  denn  er  erlaubt  nicht  bloss  ein  Duell  anzu- 
nehmen, sondern  auch  es  anzubieten,  wenn  man  nur  in  gehöriger 
Weise  seine  Absicht  lenkt;  und  Escobar  folgt  ihm  darin,  wie 
aus  der  angeführten  Stelle  hervorgeht."  —  „Ehrwürdiger  Vater, " 
sagte  ich,  ,,wenn  das  so  ist,  so  gebe  ich  ihn  auf;  aber  ich 
werde  nie  glauben,  dass  er  das  geschrieben  hat,  wenn  ich  es 
nicht  selbst  sehe."  —  „Lesen  Sie  selbst,"  sagte  er,  „und  ich 
las  wirklich  diese  Worte  in  Sanchez'  Moraltheologie:  Es  ist  ganz 
recht  zu  sagen,  dass  ein  Mann  sich  duellieren  darf  um  sein 
Leben,  seine  Ehre  oder  sein  Eigentum  (falls  es  sich  um  Erheb- 
liches handelt)  zu  retten,  wenn  feststeht,  dass  man  ihm  diese 
Güter  ungerechter  Weise  durch  Prozesse  oder  Ränke  rauben  will, 
und  er  nur  diesen  Weg  hat,  sie  sich  zu  erhalten.  Und  Navarro 
fiagt  sehr  gut,  dass  man  in  diesem  Falle  eine  Herausforderung 
sowohl  annehmen  als  anbieten  darf,  licet  acceptare  et  offerre 
duellum,  ja  dass  man  seinen  Feind  sogar  heimlich  töten  darf. 
Unter  solchen  Umständen  braucht  man  nicht  den  Weg  des  Duells 
einzuschlagen,  wenn  man  seinen  Gegner  insgeheim  töten  und  sich 
dadurch  aus  der  Sache  herausziehen  kann;  denn  so  vermeidet 
man  es  sowohl,  sein  Leben  im  Kampfe  aufs  Spiel  zu  setzen,  als 
auch  sich  der  Sünde  teilhaftig  zu  machen,  welche  unser  Gegner 
durch  äas  Duell  begehen  würde."  —  „Das  kann  man  einen 
frommen  Meuchelmord  nennen ;  denn,  wie  fromm  er  auch  sei,  es 
ist  und  bleibt  doch  ein  Meuchelmord,  weil  eben  erlaubt  wird, 
einen  Gegner  verräterischer  Weise  zu  töten."  —  „Habe  ich  ge- 
sagt," antwortete  der  Pater,  „dass  man  verräterischer  Weise 
töten  darf?  Gott  behüte  mich  davor!  Ich  sagte,  dass  man  seinen 
Feind  heimlicher  Weise  töten  darf,  und  daraus  schliessen  Sie, 
dass  man  verräterischer  Weise  töten  darf,  als  ob  das  dasselbe 
wäre.  Lernen  Sie  von  Escobar,  was  das  heisst,  verräterischer 
Weise  töten,  und  dann  können  Sie  mitsprechen.  Verräterischer 
Weise  töten  heisst  jemanden  töten,  der  sich  dessen  gar  nicht 
versieht.  Von  demjenigen,  der  seinen  Feind  tötet,  kann  daher 
nicht  gesagt  werden,  dass  er  ihn  verräterischer  Weise  getötet 
habe,  selbst  wenn  das  von  rückwärts  oder  aus  einem  Hinter- 
halte geschieht;  licet  per  insidias  aut  a  tergo  percutiat.  Und 
in  demselben  Abschnitte  steht:  Tötet  jemand  seinen  Feind,  nach- 
dem er  sich  mit  demselben  versöhnt  und  ihm  versprochen  hat, 
ihm  nicht  nach  dem  Leben  zu  trachten,  so  kann  man  nicht  un- 
bedingt sagen,  dass  er  ihn  verräterischer  Weise  getötet  habe, 
wofern  nicht  zwischen  ihnen  eine  engere  Freundschaft  bestand, 
arctior  amicitia.  —  Hieraus  sehen  Sie,  dass  Sie  nicht  einmal  die 


Blaute  Pascal,  sein  Kumpf  gegen  die  Jesuiten  etc. 


291 


richtige  Bedeutung  der  Ausdrücke  kennen  und  doch  sprechen  Sie 
wie  ein  Doktor  der  Theologie."  —  „Ich  muss  gestehen,  dass 
das  für  mich  neu  ist;  aus  dieser  Definition  ersehe  ich,  dass  man 
leicht  niemals  jemanden  verräterischer  Weise  töten  kann,  da 
man  woETliicht  leicht  darauf  verfällt,  andere  als  seine  Feinde  zu 
töten.  Mag  aas  aber  auch  sein  wie  es  will,  nach  Sanchez  kann 
man  also  einen^  Yerläumder,  der  uns  auf  dem  Wege  des  Rechtes 
erfolgt,  dreist  töten,  ich  will  nicht  sagen  verräterischer  Weise, 
her  doch  von  rückwärts  oder  aus  einem  Hinterhalt?"^)  —  j^Ja»'* 
gte  der  Pater,  Lwenn  man  nur  seine  Absicht  gehörig  lenkt; 
vergessen  immer  die  Hauptsache." 

In  demselben  Briefe   (Prov.  VII.)  lässt  Pascal    seinen  Je- 

en  den  Schliiss  vortragen,  welchen  der  Kasuist  Caramuel  aus 

r  L'amy's  Lehre  gezogen  hat :  dass  ein  Priester  in  gewissen 

n  einen  Varläumder  nicht  bloss  töten  darf,  sondern  dass  es 

Fälle  gibty  wo  er  das  muss,  aliquando  debet  occidere.^)  -^ 

Bezug  herauf  untersucht  er,"  föhrt  der  Jesuit  fort,  „mehrere 

Frage;!^  z.  B.  auch,   ob   die  Jesuiten  die  Jansenisten  töten 

„Ehrwürdiger  Vater,"  unterbricht  ihn  der  Gast,  „das  ist 

eine  höchst  überraschende  theologische  Frage!    Gemäss 

'amy's  Lehre  halte  ich  bereits  alle  Jansenisten  für  tot." 

habe  ich  Sie,"  sagte  der  Pater;  „Caramuel  schliesst  aus 

n  Prinzipien  das  Gegenteil."  —  ,7 Wie  ist   das  möglich?" 

sie  unserem  Rufe  nicht  schaden,"  sagte  er,  „Hören  Sie 

rte:   Die  Jansenisten  nennen   die   Jesuiten  Pelagianer;^) 

sie  deshalb   töten?    Nein;  denn  die  Jansenisten   ver- 

ibenso  wenig  den  Glanz  der  Gesellschaft  Jesu,  wie  eine 

der  Sonne;  im  Gegenteil,   sie  haben  ihn  erhöht,  wenn 

ihren  Willen;   occidi  non   possunt  quia  nocere  non 

Dies  war  so  vor  den  Lettres  Provinciales ;  aber  nach 

die  Jansenisten  offenbar  tot. 

er  anderen  Stelle  fragt  der  Jesuit  seinen  Gast  (Pascal), 

rsager   das    Geld   zurückgeben   müsse,    welches    er 

Kunst  erworben  habe  (Prov.  VQL).   —    rjWie   Sie 

diger  Vater."  —  „Was?  Wie  ich  will?    Sie  sind 

!    Nach  Ihren  Worten  sollte  man  glauben,   dass 

)n  unserm  Gutdünken  abhinge.     Ich  sehe   wohl, 

e  niemals  von  selbst  findien  würden.     Hören  Sie 


sein 

darf 

dunk 

£ule 

auch 

potue 

diesen 

A 
ob    ein 
durch   s 
wollen, 
wirklich 
die  Wahrh 
dass  Sie  di 


*)  Verdi 
>)  Anhäni 
Anfange  des  5. 
dass  die  Verderbt 
Sünde  Adams  sei 
Erlangmig  der  Sei 


[es  Pelagius,  eines  britischen  Mönches^  welcher  im 
mnderts  gegen  Augustinus  die  Lehre  verteidigte, 
der  menschlichen  Natur  nicht  eine  Folge   der 
dass  die  natürlichen  Kräfte  des  Menschen  zur 
ausreichten. 

19* 


292  Ihor  SunSy 

also,  wie  diese  Schwierigkeit  von  Sanchez  gelöst  wird  —  aber 
das  ist  auch  Sanchez!  ,, Zunächst  unterscheidet  er  in  seiner  Summa, 
ob  der  Wahrsager  sich  der  Astrologie  und  anderer  natürlicher 
Mittel  bedient,  oder  ob  er  die  diabolische  Kunst  benutzt  hat; 
denn  er  sagt,  dass  er  in  dem  einen  Falle  das  Geld  zurückgeben 
muss,  in  dem  anderen  aber  nicht.  Können  Sie  nun  sagen  in 
welchem?^  —  „Das  ist  nicht  schwer,"  sagte  ich.  —  „Ich  weiss 
wohl,  was  Sie  meinen,'^  erwiderte  er.  „Sie  glauben,  dass  er 
zurückzahlen  muss,  falls  er  die  Hilfe  böser  Geister  benutzt  hat? 
Aber  Sie  verstehen  sich  schlecht  darauf;  gerade  das  Gegenteil. 
Hören  Sie,  wie  Sanchez  entscheidet:  Wenn  der  Wahrsager  sich 
nicht  die  Mühe  gegeben  hat,  vermittels  des  Teufels  zu  erfahren, 
was  es  nicht  anders  erfahren  kann,  so  muss  er  das  Geld  zurück- 
geben; aber  wenn  er  sich  diese  Mühe  gemacht  hat,  ist  er  nicht 
dazu  verpflichtet."  —  „Aber  wie  ist  das  denn  möglich?  ehr- 
würdiger Vater!"  —  „Verstehen  Sie  das  nicht?"  sagte  er,  „das 
kommt  daher,  dass  man  woM  durch  die  Kunst  des  Teufels  wahr- 
sagen kann,  während  die  Astrologie  ein  unzuverlässiges  Mittel 
ist."  —  „Aber,  ehrwürdiger  Vater,  wenn  der  Teufel  nicht  die 
Wahrheit  sagt  —  denn  er  ist  nicht  wahrhaftiger  als  die  Astro- 
logie —  muss  dann  der  Wahrsager  nicht  aus  demselben  Grunde 
restituieren?"  —  „Nein,  nicht  immer,"  sagte  er.  „Distinguo, 
sagt  Sanchez;  denn  wenn  der  Wahrsager  sich  nicht  auf  die 
Teufelskunst  versteht,  muss  er  restituieren;  wenn  er  aber  ein  ge- 
schickter Zauberer  ist  und  thut,  was  er  kann,  um  die  Wahrheit 
zu  erfahren,  so  braucht  er  das  nicht,  weil  ja  die  Kunst  eines 
solchen  Mannes  des  Geldes  wert  ist."  —  „Das  ist  vernünftig," 
sagte  ich;  „denn  auf  diese  Weise  bringt  man  die  Zauberer  dazu, 
dass  sie  sich  bestreben,  geschickt  und  erfahren  in  ihrer  Kunst 
zu  werden,  weil  ihr  Verdienst  nach  Ihren  Maximen  dann  ein 
rechtmässiger  ist,  wenn  sie  das  Publikum  gut  bedienen."  — 
„Ich  glaube,  Sie  spotten,"  sagte  der  Pater.  „Das  ist  nicht 
schön;  denn  wenn  Sie  so  an  Orten  sprächen,  wo  Sie  nicht  be* 
kannt  sind,  so  könnten  sich  Leute  finden,  welche  Ihre  Worte 
falsch  auffassten  und  Ihnen  vorwürfen,  dass  Sie  mit  der  Religion 
Spott  trieben."  —  „Ich  könnte  mich  leicht  gegen  einen  solchen 
Vorwurf  verteidigen,  ehrwürdiger  Vater;  wenn  man  sich  die  Mühe 
macht,  den  wahren  Sinn  meiner  Worte  zu  prüfen,  so  wird  man, 
glaube  ich,  keinen  finden,  der  nicht  das  Gegenteil  sagt;  und 
vielleicht  kommt  noch  der  Tag,  da  ich  in  unseren  Unterhaltungen 
Gelegenheit  finde,  das  deutlich  zu  zeigen."  —  „Hoho!"  sagte 
der  Pater;  „Sie  lachen  nicht  mehr."  —  „Ich  gestehe,"  sagte 
ich,  „dass  der  Verdacht^  dass  ich  über  heilige  Sachen  spotten 
wollte,  mir  unangenehm  sein  würde,   da  er  ganz  ungerecht  ist." 


Bliäse  Pascal,  sein  Kampf  ßegen  die  Jesuiten  etc.  293 

—  ^Ich  sagte  das  nicht  im  Ernet^^  antwortete  der  Pater,  ^sprechen 
wir  nun  aber  ernster.'^   —   ^Ich  bin  dazu   ganz  geneigt,   wenn 
Sie  das  wünschen,  ehrwürdiger  Vater;  das  kommt  nur  auf  Sie  an.'^ 
Es  ist  bekannt,   dass  die   Messe   im  katholischen  Gottes- 
dienst den  wichtigsten  Platz  einnimmt.     Da  sie  eine  sinnbildliche 
Darstellung  von  Christi  Erlösungstod  ist,  so  leuchtet  es  ein,  dass 
sie,  um  wirkliche  Bedeutung  zu  haben,  mit  inniger  Andacht  ge- 
hört   werden    muss.      Für   denjenigen,    welcher    sich   nicht   mit 
ganzer   Seele  dem  Gedanken  an   den   Kreuzestod  des  Erlösers 
hingibt,  ist  sie  eine  leere  und  nichtige  Ceremonie ;  und  in  vielen 
Fällen  ist  sie  nichts  anderes.     Aber  anstatt  ihre  Bedeutung  ein- 
zuschärfen, haben  die  Jesuiten  sie  zu  dem  leichtfertigsten  Spiele 
herabgewürdigt.     Am  Schlüsse   des   9.  Briefes  sagt  der   Jesuit, 
dass  er  dazu   übergehen  will    „über    wichtigere  Grundsätze    zu 
reden,  welche  die  Benutzung  der  heiligen  Institutionen  erleich- 
tem, wie  z.  B.  die  Art  und  Weise,  eine  Messe  zu  hören.   Unsere 
grossen  Theologen  Gaspar  Hurtado  und  Ooninck  haben  hierüber 
gelehrt,    dass    es    genügt,    der   Messe    körperlich    beizuwohnen, 
obgleich    man    geistig    abwesend    ist,     wenn    man    nur    bloss 
äusserlich    eine    achtungsvolle   Haltung  beobachtet     Und    Vas- 
quez    geht   noch    weiter;     denn    er  sagt,    dass    man   der  Vor- 
schrift,   eine  Messe    zu  hören,    genügt,    selbst   wenn  man  mit 
der   Absicht,    sie    nicht   zu   hören,   zugegen  ist.      Alles    dieses 
steht  auch  im  Escobar,  der  als  Beispiel  diejenigen  anftihrt,  welche 
mit  Gewalt  zur  Messe   geführt  werden  und   den  festen  Vorsatz 
haben,  sie  nicht  zu  hören. '^  —  „Das  würde  ich  wirklich  niemals 
glauben,^    sagte  ich,    „wenn  ein   anderer   als   Sie  mir  das  mit- 
teilte." — •  „Ja,"  antwortete  er;   „dazu  bedarf  es  wohl  der  Au- 
torität   dieser   grossen  Männer.     Das    gilt    auch    von  Escobar's 
Worten,   dass  eine   schlechte  Absicht,  wie  etwa  Frauen  mit  un- 
keuschem Wunsche  anzusehen,  nicht  daran  hindert,  die  Messe  zu 
hören,   wenn   man  zugleich   die  Absicht  hat,    der  Messe  beizu- 
wohnen, wie  es  sich  gebührt:  Nee  obest  alia  prava  intentio,   ut 
aspiciendi   libidinose    feminas.      Überdies   aber   findet   man   bei 
unserm  gelehrten  Turrianus  die   bequeme  Anweisung,  dass  man 
eine  Messe  hören  kann,  halb   bei   einem  Priester  und  halb  bei 
einem  andern;  ja  sogar,  dass  man  zuerst  das  Ende  einer  Messe 
und  dann  den  Anfang  einer  andern  hören  kann.     Ich  will  Omen 
noch  mehr  sagen,    dass    man    es   für   zulässig    erklärt   hat,    zu 
gleicher  Zeit  zwei  halbe  Messen  von  zwei  verschiedenen  Priestern 
zu  hören,  falls  die  eine  Messe  beginnt,  wenn  die  andere  bei  der 
Elevation  ist;   weil  man  zu  gleicher  Zeit  seine  Aufmerksamkeit 
auf  beide  richten  kann  und  zwei  halbe  Messen  eine  ganze  aus- 
machen :   DusB  medietates  unam  missam  constituunt*      So  haben 


294  Tkor  Sunäby 

unsere  Väter  entschieden,  nämlich  Bauny,  Hurtado,  Azoriüs  und 
EsGobar  in  dem  Kapitel:  Pratique  pour  oulr  la  messe  selon 
notre  Sooi6t6.  Sie  werden  in  diesem  Buche,  Ausgabe  von  Lyon, 
1644,  auch  die  Schlüsse  finden,  welche  er  hieraus  zieht.  Daraus 
schliesse  ich,  dass  du  die  Messe  in  sehr  kurzer  Zeit  hören 
kannst,  wenn  Du  z.  B.  es  triflTst,  dass  vier  Messen  zu  gleicher 
Zeit  gelesen  werden,  welche  derartig  zu  einander  passen,  dass 
beim  Beginne  der  ersten  die  zweite  beim  Evangelium,  die  dritte 
bei  der  Konsekration  und  die  vierte  bei  der  Kommunion  steht." 
—  j^Auf  diese  Weise,  ehrwürdiger  Vater,  kann  man  die  Messe  in 
Notre-Dame  in  einem  Augenblicke  hören."  —  „Sie  sehen  also," 
sagte  er,  „dass  man  nicht  besser  verfahren  konnte,  um  das 
Hören  der  Messe  zu  erleichtern."^) 

Man  kann  wirklich  nicht  leugnen,  dass  der  Jesuit  Le  Moine 
in  einer  Beziehung  Recht  hat,  wenn  er  in  seiner  „bequemen 
Frömmigkeit"  sagt,  dass  die  Jesuiten,  „indem  sie  das  Schreckbild 
Stürzten,  welches  den  Teufel  an  den  Eingang  zu  dem  frommen 
Leben  aufgestellt  hatte,  dieses  leichter  gemacht  haben,  als  das 
Laster  und  weniger  anstrengend  als  die  Wollust". 

Man  hat  die  zehn  ersten  Briefe  mit  Plato's  Dialogen  ver- 
glichen. Villemain  ^)  hält  dieselben  für  Pascal's  Vorbild  und 
hebt  besonders  die  Ähnlichkeit  zwischen  Enthydemos,  der  die 
Tugend  nach  einer  kürzeren  Methode  zu  lehren  sucht,  und  dem 
Jesuiten  hervor,  welcher  die  Grundsätze  der  bequemen  Frömmig- 
keit entwickelt.  Dass  Pascal  die  Dialoge  vor  Augen  gehabt 
hat,  ist  höchst  wahrscheinlich,  wenn  man  sieht,  wie  er  über  Plato 
in  einer  seiner  Pens^es  (VL  42)  spricht.  Obgleich  er  darin  zu- 
gleich von  Plato  und  Aristoteles  redet  und  ausdrücklich  nur  die 
Schriften  über  den  Staat  erwähnt,  scheint  er  doch  von  Plato's 
andern  Werken  einen  Eindruck  gehabt  zu  haben.  „Man  stellt 
sich  Plato  und  Aristoteles  nur  in  langen  Schulmeisterkleidem  als 
ernste  Personen  vor.  Sie  waren  aber  angenehme  Gesellschafter, 
welche  wie  andere  Menschen  mit  ihren  Freunden  scherzten". 
Die  letzten  Briefe  *)  hat  man  dagegen  mit  Demosthenes  philippischen 
Reden  verglichen,  wegen  der  leidenschaftlichen  Kraft  und  der 
Innigkeit  der  Überzeugung,  womit*  er  für  seinen  Glauben  und 
gegen  die  Ränke  der  Jesuiten  kämpft. 

PascaFs  Gegner  bestrebten  sich  unaufhörlich,  die  Briefe  als 
eine   gelehrte  Untersuchung  auszugeben,   welche  nicht  die  allge- 


*)  Verdammt  1679. 
.    ^)  Villemain:  Discours  et  Mölanges.     1846.    p.  187.     Cf.  Sainte- 
Beuve:  Port-Royal  III,  p.  46. 

**)  Vinet:  Etudes  sur  Pascal.    II.  6d.,  p.  283. 


Blaise  Pascal^  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  etc.  295 

meine  Aufmerksamkeit^  welcke  sie  erregten,  beanspruchen  könnte. 
Hiergegen  musste  Pascal  unaufhörlich  kämpfen;  aber  sein  Kampf 
war  Sieg.  Im  12.  Briefe  sagte  er:  „Der  Kampf  wird  auf  Eurem 
Gebiete  und  auf  Eure  Kosten  geführt;  und  obwohl  Ihr  gedacht 
habt,  dass  durch  Einhüllung  der  Fragen  in  philosophische  Aus- 
drücke  die  Anworten  darauf  recht  lang,  dunkel  und  holperig 
würden,  wird  das  vielleicht  doch  nicht  der  Fall  sein.  Denn  ich 
werde  mich  bemühen.  Euch  so  wenig  zu  langweilen,  als  in  dieser 
Art  Schriften  möglich  ist.  Eure  Grundsätze  haben  etwas  so 
Unterhaltendes    an    sich,    was   der   Welt   immer  Freude  macht." 

Pascal  verstand  es  nun  auch,  das  allgemeine  Interesse  sich 
zu  erhalten,  bis  es  ihm  mit  dem  achtzehnten  Briefe  gelang,  die 
Fehde  zum  Stillstand  zu  bringen.  „Die  Macht  ist  Beherrscherin 
der  Welt,  nicht  die  öflTentliche  Meinung;  aber  die  öffentliche 
Meinung  macht  Gebrauch  von  der  Macht".  (Pens^es  Anhang  8.) 
Die  Macht  war  ihm  feindlich;  aber  er  gewann  die  öffentliche 
Meinung  für  sich,  so  dass  die  „Beherrscherin  der  Welt"  es  ge- 
raten fand,  ihr  Zepter  inne  zu  halten,  das  schon  zu  dem  ver- 
nichtenden Schlage  erhoben  war:  der  Herrscherstab  schwebte 
fortwährend  drohend  über  dem  Haupte  der  Jansenisten,  der  Schlag 
aber  erfolgte  nicht. 

Die  Lettres  Provinciales  wurden  nicht  bloss  einzeln  in 
mancher  Auflage  gedruckt  ^) ;  sondern  als  sie  gesammelt  und  unter 
dem  Namen  Louis  de  Montalte  ^)  herausgegeben  wurden,  erschien 
die  eine  Ausgabe  nach  der  andern.  1658  popularisierte  Nicole 
sie  für  die  gelehrte  Welt  von  ganz  Europa,  indem  er  sie  unter 
dem  angenommenen  Namen  Wilhelm  Wendrock  ins  Lateinische 
übersetzte^).  Nach  der  6.  Ausgabe  dieser  lateinischen  Über- 
setzung übertrug  Mlle  de  Joncoux  im  Jahre  1712  Nicole's  An- 
merkungen ins  Französische  und  gab  sie  zugleich  mit  dem  fran- 
zösischen Text  heraus.^)  NicpWs  lateinische  Übersetzung  wurde 
ebenso   wie  das  Original  vom  Papste  verdammt.      Das    Original 


^)  Auf  der  Königl.  Bibliothek  zu  Kopenhagen  befindet  sich  eine 
Sammlung  der  Originalbriefe  in  4**.  Nach  den  Originalbriefen  gab 
Lesueur  heraus:  Le.  Texte  primitif  des  Lettres  Provinciales.  Paris. 
1867.    in-40. 

*)  Reuchlin  (Geschichte  von  Port-Royal  I,  p.  633)  bringt  diesen 
Namen  mit  der  gebirgigen  Gegend  in  Verbindung,  wo  Pascal  geboren 
wurde  (Auvergnej;  Sainte-Beuve  (Port-Royal  II,  p.  545,  Anm.  1)  mit 
Montaigne. 

')  Sainte-Beuve:  Port-Royal  III,  p.  145.  Ludovici  Montaltii  LittersB 
Provinciales  a  Wilhelme  Wendrock  translatsB.  ColonisB  1658  und  1665 
in-8^    Heimst.     1664  in  4°  und  andere  Ausgaben. 

*)  Sainte-Beuve:  Port-Royal  III,  p.  146. 


296  Thor  Sunäbi/j  Blaisc  Pascal,  sein  Kamyf  etc. 

wurde  überdies,  als  es  abgeschlossen  war,  von  dem  Parlament 
zu  Aix  zur  Verbrennung  verurteilt.  Als  aber  dieser  Urteilsspruch 
am  9.  Februar  1657  ausgeführt  werden  sollte,  wollte,  so  be- 
hauptet man,  niemand,  nicht  einmal  einer  der  Richter,  sein  Exemplar 
dazu  hergeben,  so  dass  man  den  Büttel  anstatt  der  16  ersten 
Briefe  einen  Almanach  verbrennen  Hess.  Nicole's  Übersetzung 
wurde  gemäss  einem  Beschlüsse  des  Staatsrats  vom  Henker  zu 
Paris  am  14.  Oktober  1660  verbrannt,  was  jedoch  nicht  hinderte, 
dass  dieselbe  immer  wieder  gedruckt  wurde.  An  einer  Stelle 
der  Pens6es  (XXIV.  122)  sagt  Pascal:  „Wenn  meine  Briefe  auch 
in  Rom  verurteilt  werden,  so  ist  doch  das,  was  ich  in  ihnen 
verurteilt  habe,  im  Himmel  verurteilt:  vor  deinen  Richterstuhl, 
Herr  Jesus,  bringe  ich  meine  Sache  l'^  Es  mag  noch  dessen  Er- 
wähnung geschehen,  dass  die  Verurteilung  des  Papstes  nicht  den 
Angriff  auf  die  Jesuiten  traf,  sondern  nur  die  Verteidigung  des 
Jansenismus. 

Pascal  erlebte  die  Verdammung  der  kasuistischen  Moral, 
welche  im  Jahre  1700  im  Namen  der  gallikanischen  Kirche  von 
Bossuet  ausgesprochen  wurde  ^),  nicht  mehr.  Letzterer  soll  sogar 
trotz  seiner  Vorliebe  für  das  Bestehende  geäussert  haben,  dass 
er  selbst  wünschen  könnte,  die  Lettres  Provinciales  geschrieben 
zu  haben.  Diese  wurden  übrigens  schon  zu  PascaFs  Lebzeiten 
in  die  meisten  europäischen  Sprachen  übersetzt.  1684  kam  eine 
mehrsprachige  Ausgabe  zu  Köln  heraus,  welche  neben  dem  fran- 
zösischen Text  die  lateinische,  spanische  und  italienische  Über- 
setzung gab. 

Ist  es  wahr,   was  Libri^)  1842  erzählte,  dass  es  in  Paris 

Buchhändler  gibt,  welche  mit  den  Jesuiten  in  Verbindung  stehefi 

und  alle  Exemplare,  deren  sie  habhaft  werden  können,  vernichten, 

so  muss  deren  Wirksamkeit  doch  ziemlich  nutzlos  sein,  da  kaum 

ein  Jahr  vergeht,  in  dem  nicht  neue  Auflagen  erscheinen^). 

Thor  Sundby. 
(Schluss  folgt.) 


^)  Sainte - Beuve :  Port-Royal  III,  p.  148.  Voltaire:  Siecle  de 
Louis  XIV.     Paris,  1808.     Kap.  32,  p.  106. 

2)  Revue  des  deux  Mondes,  15.  August  1842,  p.  543  Anm. 

^)  Es  wäre  interessant  zu  untersuchen,  ob  die  Vorschriften, 
welche  Christian  V.  in  dem  dänischen  Gesetze  6-1-2  und  6-1-3  erliess, 
nicht  durch  die  Lettres  Provinciales  hervorgerufen  seien. 


Der  Naturalismus  in  der  Romandichtung  Frank- 
reichs und  Deutschlands. 


In  der  Litteratur  aUer  Kulturvölker  hat  der  Roman  jetzt  die 
Stelle  des  Epos  eingenommen.  Das  eigentliche  Heldengedicht  scheint 
überall  verstummt;  nur  kleinere  erzählende  Dichtungen  erinnern 
noch  hier  und  da  an  sein  ehemaliges  Vorhandensein;  wo  der  An- 
lauf zu  einem  wirklichen  Epos  genommen  wird,  fällt  er  fruchtlos 
aus.  Es  mag  das  zu  bedauern  sein,  aber  Klagen  helfen  nichts; 
die  Thatsache  bleibt  bestehen. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Bomane  ist  gross.  Sterne  konnte, 
im  D^sobligeant  sitzend,  mit  Leichtigkeit  die  verschiedenen  Arten 
der  Reisenden  aufzeichnen;  auch  den  Belesensten  wird  es  schwer, 
im  Nachdenken  des  Studierzimmers  alle  Gattungen  des  Romans 
zusammenzubringen.  Es  genügt  nicht  mehr,  wie  man  es  im  vorigen 
Jahrhundert  that,  den  idealen  Roman,  wie  Richardson^s  Sir  Charles 
Grandison  und  den  realen,  wie  SmoUet^s  Roderick  Random,  zu 
unterscheiden.  Auch  die  französische  Einteilung  roman  d'aven- 
tures,  wie  Les  trois  mousquetaires ,  roman  d'incidents,  wie  etwa 
Gil  Blas  oder  Les  Mohicans  de  Paris,  roman  d'intrigue,  wie  der 
Graf  Monte  Cristo,  roman  de  moeurs,  wie  Manon  Lescaut  oder  Les 
Liaisons  dangereuses  oder  Faublas  oder  La  Dame  aux  cam^lias, 
reicht  nicht  mehr  aus.  Wir  haben  den  sentimentalen  Roman  be- 
kommen, als  dessen  Vertreter  ich  nur  La  nou volle  Höloise, 
Werther*s  Leiden  und  Atala  anzuführen  brauche;  man  hat  längst 
den  komischen  Roman  gehabt,  wie  Scarron's  Le  Roman  comique 
zeigt,  hat  ihn  später  gehabt,  das  zeigt  Paul  de  Rock,  hat  ihn  noch, 
bei  uns  arbeitet  von  Winterfeld  in  diesem  Fach;  man  hat  davon 
den  humoristischen  auszusondern,  als  dessen  Beispiele  Tristram 
Shandy,  die  Flegeljahre  und  der  ganze  Boz  gelten  können.  Göihe's 
Wahlverwandtschaften   und   manche   unter  den  Büchern  der  George 


298  H.  J.  äeUer 

Sand  könnte  man  psychologische  Romane  nennen;  andere,  z.  B. 
Yischer's  Aach  einer,  möchten  nnter  den  Begriff  pathologisch  fallen. 
Den  historischen  Boman  pflegen,  nach  Scott's  nngeheneren  Erfolgen, 
zahlreiche  Schriftsteller,  allerdings  weniger  in  Frankreich  und  jetzt 
hauptsächlich  in  Deutschland;  er  ist  teilweise  kultuigeschichtlicfa, 
archäologisch,  ja  mjtholc^sch,  z.  B.  Odin*s  Trost,  and  nach  den 
Personen,  welche  er  behandelt,  litterarisch,  musikalisch,  artistisdi 
geworden;  nach  dem  Lokal,  in  dem  er  spielt,  ist  die  Abart  des 
Marineromans,  und  wo  er  sich  mit  fremden  Erdtheilen  beschäftigt, 
wie  Gerstäcker*s  Erzählungen  oder  Belot's  La  Fievre  de  Tinconna 
der  geographische  oder  Beiseroman  entstanden,  welcher  didaktisch 
bei  Defoe,  satirisch  bei  Swift,  hjperphantastisch  bei  Jules  Veme 
auftritt.  Bitter-  und  Bäubergeschichten  werden  noch  jetzt,  auch 
nach  Yulpius,  Spiess  und  Gramer,  geschrieben ;  ein  popu^res  ünter- 
haltuDgsblatt  hat  vor  kurzem  Schiller's  Bäuber  in  eine  Erzählung 
umgewandelt,  welche  sich  vor  der  gewöhnlichen  Eolportagelitteratur 
in  nicht«  auszeichnete.  Die  Wildenromane  Cooper's  haben  ihrer 
Zeit  grossen  Beifall,  und  nicht  bloss  bei  der  Jugend  gefunden;  die 
Gattung  ist  noch  nicht  ausgestorben,  wie  Loti^s  Boman  d'un  spahi 
und  Bochefort's  L'Evad^,  roman  canaque  beweisen.  Die  Wilden  der 
grossen  Städte  schildert  der  Kriminalroman  Gaboriau's,  Mont^pin*s, 
Belot^s,  nur  eine  Gattung  des  Sensationsromans,  zu  dem  auch  noch 
die  Spuk-,  Geister-  und  Schauergeschichten  gehören,  wie  sie  Amadeus 
Hoffmann,  Bulwer  (Zanoni),  Th^ophile  Gaatier  (Avatar,  Spirite), 
Balzac  (L'Elixir  de  yie,  L^Auberge  rouge),  Edgar  Poe  verfasst  haben; 
einzelne  unter  diesen,  wie  Balzac*s  Söraphita  muss  man  sweden- 
borgianisch  nennen,  wie  desselben  Peau  de  chagrin  allegorisch, 
Louis  Lambert  mystisch,  «Ursule  Mirouet  spiritistisch,  Teile  der 
M^moires  d'un  m^decin  von  Alexandre  Dumas  somnambulistisch. 
Viele  huldigen  der  Tendenz:  da  hat  man  soziale,  politische,  i^da- 
gogische,  religiöse,  moralische  (freilich  in  noch  grösserer  Zahl  un- 
moralische) Erzählungen;  einige  gehen  geradezu  auf  Yerbesserang 
der  Gesetzgebung  aas,  wie  Wilkie  Coilins^  Man  and  Wife,  Malot's 
Le  Docteur  Claude,  Lemer's  Un  Crime  lägal.  Es  gibt  Dorfgeschichten, 
und  nicht  bloss  in  Deutschland;  La  petite  Fadette  ist  ftlr  Frank- 
reich das  bekannteste  Beispiel ;  an  sie  schliesst  sich  seit  Beuter  bei 
uns  der  plattdeutsche  Boman  an.  Als  besondere  Gattung  kann 
man  noch  den  Feuilletonroman  der  Familienblätter  hervorheben,  der 
in  seinen  besseren  Exemplaren  etwa  dem  Familiendrama  an  die 
Seite  zu  stellen  sein  dürfte,  und  der  in  Frankreich  öfter  in  der 
Bevue  des  denx  mondes  vertreten  ist.  Als  Erzählung  kleineren 
Umfangs  in  allen  diesen  aufgeführten  Spielarten  ist  noch  die 
Novelle  zu  erwähnen.  Wenig  beliebt  sind  jetzt  im  allgemeinen  die 
Bomane  oder  Novellen   in    Briefform;    die   Ichform   dagegen  nicht 


Der  Naturalismus  in  der  Ronmndichiung  Frankreiclus  etc,        299 

ungewöhnlidb.  Ich  würde  mich  gar  nicht  wandern,  wenn  man  die 
eben  gegebene  Aufzählung  noch  ansehnlich  vermehren  könnte,  be- 
sonders wenn  man  Kloster-,  Irrenhausgeschichten  etc.  für  ein 
besonderes  Genre  ansehen  wollte. 

Alle  diese  Gattungen  haben  bisher  friedlich  neben  einander 
bestanden  und  in  den  verschiedenen  Volksschichten  ihre  Leser  und 
Leseiinnen  gefunden;  einzelne  sind  allerdings  bei  den  Gebildeten  in 
Verruf  gekommen  und  zur  Hintertreppenlitteratur  herabgesunken, 
wie  die  Bäuber-,  Geister-,  Spuk-  und  Schauergeschichten,  andere 
werden  wenigstens  nicht  mehr  kultiviert,  wie  der  sentimentale 
Roman.  Erst  in  neuester  Zeit  hat  eine  Art  der  Bomanschreibung 
sich  als  die  alleingiltige  hinzustellen  versucht  und  alle  anderen 
Formen  derselben  für  ungehörig  erklärt.  Dies  hat  Emile  Zola 
unternommen,  und  nicht  bloss  durch  den  Vorgang  in  seinen  dichte- 
rischen Werken,  sondern  auch  durch  seine  theoretischen  und  kritischen 
Schriften,  von  denen  Le  Boman  exp^rimental,  La  Bepublique  et  la 
litt^rature  und  Les  Bom anders  contemporains  speziell  diese  Frage 
behandeln,  aber  auch  die  übrigen  hier  und  da  Andeutungen  geben. 
Seine  Wirksamkeit  wie  seine  Ansprüche  beschränken  sich,  wie  man 
sehen  wird,  nicht  bloss  auf  Frankreich:  seine  Lehren  haben  auch 
bei  uns  schon  vielfach  Eingang  gefunden;  nicht  nur  sind  seine 
Bomane  teilweise  durch  Übersetzungen  in  Deutschland  bekannt  ge- 
worden und  werden  von  manchen  in  ihrer  Gesamtheit  höchlich 
angepriesen;  er  hat  auch  schon  in  unserm  Vaterlande  Nacheiferer 
erweckt.  Es  ist  nicht  mehr  für  das  Studium  des  französischen 
Schriftentums  nicht  allein  nötig,  es  ist  bereits  eine  Frage  und  eine 
Aufgabe  der  Weltlitteratur  geworden,  zu  ihm  und  seiner  Schule 
Stellung  zu  nehmen,  seine  Theorien  einer  gründlichen  Prüfung  zu 
unterwerfen  und  des  besseren  Verständnisses  wegen  auch  die  allmähliche 
Entstehung  derselben  zu  betrachten.  Denn  wenngleich  sich  die  natu- 
ralistische Litteratur  jetzt  vorzugsweise  an  Zola's  Namen  knüpft  und 
mit  wie  grossem  Becht  er  auch  als  Haupt  der  Schule  anerkannt 
wird,  ist  er  dennoch  nicht  der  erste  Begründer  derselben,  hat  ihr 
nur  die  jetzige  Bedeutung  gegeben,  nur  ihr  Wesen  in  völliger  Klar- 
heit hingestellt  und  die  Ausschliesslichkeit  für  sie  gefordert. 

Diese  litterarische  Bichtung,  die  sich  längst  im  Stillen  vor- 
bereitet hatte,  gewann  erst  kurze  Zeit  nach  dem  Kriege  von 
1870 — 1871  einen  so  grossen  Aufschwung,  eine  so  bedeutende 
Geltung,  dass  sie  es  wagen  durfte,  in  Kritik  und  in  Theorie  gegen 
die  bisher  in  Ansehen  stehende  Dichtung  und  gegen  die  am  höchsten 
verehrten  Poeten  angreifend  vorzugehen  mit  dem  offen  eingestandenen 
Anspruch,  sie  gänzlich  zu  verdrängen  und  sich  als  die  allein  be- 
rechtigte an  ihre  Stelle  zu  setzen. 

Die  klassische   Tragödie  der   Franzosen,    welche   durchaus  im 


300  B.  J.  Heiler 

Alterkun  wnnelte  and  haDptäU:lilish  antike  Stoffe  bdnndelte» 
nach  einem  langen  von  Victor  Hugo  nnd  dem  Iltenn  Alfliander 
Domas  seit  1830  begonnenen  Kamf^e  ans  ihrer  bisher  nnnmsduinkt 
herrschenden  Stellang  verdrängt  worden;  der  sidi  or^rOnglidi 
ganz  and  immer  wenigstens  vorzugsweise  an  das  Mittelalter  nnd  an 
die  Benaissance  anschliessende  Bomantismos  nahm  zuletzt  siegreidi 
von  den  Theatern,  von  denen  man  ihn  aoszusddiesa^i  veraodlit 
hatte,  Besitz,  trotz  der  durch  Mademoiselle  Bachel  ftbr  önige  Zeh 
mit  dem  grOssten  fSrfolg  bewirkten  Wiederbelebung  der  Muse 
Comeille's  und  Badne's,  und  trotz  der  von  Pongard  mit  gerii^ereai 
Glück  versachten  Zuraekftihmng  der  in  die  Einheit  von  Zeit  und 
Ort  gebannten  alten  Formen  des  Trauerspiels. 

Im  Gegensatz  zu  der  romantischen  sowohl  wie  der  Uassisdien 
Poesie  verlangt  Zola  nnd  verlangen  seine  Eanstgenosseo,  filr  das 
Theater  wie  fELr  die  Erzählung,  die  ausschliessliche  Bdiandlung 
soldier  Stoffe,  welche  der  anmittelbaren  Gegenwart  entldmt  sind; 
das  „Actuelle^  soll  auf  der  Bühne,  soll  im  Boman  dem  ZohSrer 
und  dem  Leser  entgegentreten.  Statt  des  sporenklirrenden  Bittrar- 
tums,  welches  för  uns  ebenso  mumifiziert  sei,  wie  die  griechisdie 
and  die  römische  Welt,  soll  der  Mensch  der  Jetztzeit  mit  seinen 
uns  selbst  nahe  stehimden,  uns  selbst  tief  anr^nden  Bestrebungen, 
Leiden  und  Freuden,  Tagenden  und  Lastern,  Eigenschaften  und 
Eigentümlichkeiten  im  Spiegelbilde  der  Litteratur  gezeigt  werden. 
„Wi^  ist  mir  Hecuba?^  könnte,  Handet's  Worte  gebraachoid,  Zola 
gesagt  haben  ,,and  was  Buy  Blas  mit  seinem  erborgtm  Bitterfeder- 
buech?  Wie  kaon  ich  mich  ftbr  die  Königin  Christine  und  ihren 
Monaldeschiy  wie  für  die  Orgien  Maigarethen's  von  Borgond  in 
ihrem  Tarm  von  Nesle  und  für  Buridan,  wie  für  Saint-M^grin  und 
die  Mignons  Heinridi*s  des  Dritten  erwärmen?  Dagegen  öffiiet  sidi 
mein  Herz  für  die  Sorgen,  Bemühungen  und  Leiden  des  Arbeiters, 
Handwerkers  und  Kaufmanns,  weil  ich  in  der  Lage  bin,  sie  sa 
teilen,  es  wird  ein  jeder,  wie  ich,  ergriffen  von  den  Lastern,  Ver- 
brechen und  Gefahren,  denen  die  Leute,  mit  denen  ich  tfiglich  ver- 
kehre, ausgesetzt  sein  können.  An  den  mir  vorgeführten  Personen 
mass  ich  Literesse  fassen,  wenn  das  Kunstwerk  mich  ergreifen  soll, 
and  nur  an  der  Schilderung  von  Schicksalen,  die  mich  selbst  oder 
meine  Umgebung  betreffen,  die  ich  in  meiner  eigenen  Familie  oder 
doch  in  meiner  N&he  wahrnehmen  könnte,  nehme  ich  aach  anmittel* 
baren  AnteiL^ 

In  zweiter  Linie  verlangt  der  Naturalismus,  dass  aus  dem 
Boman  wie  ans  dem  Sdiauspiel  alle  abentenerlichen  Vorgänge,  alle 
abstrusen  Erfindungen  fem  gehalten  werden,  wie  die  z.  B.,  mit 
denen  die  allzu  üppige  Phantasie  eines  Alexandre  Domas  p^re, 
Eugtoe  Sue  und  vieler  anderer  ihre  Werke  vollgepfropft  und  über* 


Der  NaiuraUsmtts  in  der  Romandichtung  Frankreichs  etc.        301 

laden  hatte.  Was  kann  gerechtfertigter  sein  als  diese  Forderung? 
Soll  der  Eoman,  soll  das  Theaterstück  ein  Bild  des  menschlichen 
Lebens  sein,  darf  er  dem  Leser,  darf  er  dem  Zuhörer  nicht  vor- 
führen, was  nie  vorgekommen  ist,  was  nun  und  nimmermehr  vor- 
kommen kann?  Statt  dessen  bringt  der  neue  Roman  und  soll  das 
neue  Drama  eine  zwanglos  entwickelte,  sich  von  selbst  ergebende 
Reihenfolge  von  häuslichen  Auftritten  bringen,  wie  sie  das  gewöhn- 
liche Leben  bietet.  Von  dieser  Bückkehr  zur  Natur  hat  denn  auch 
die  ganze  Schule  ihren  Namen  angenommen  und  trägt  ihn  trotz 
aller  Anfeindung  und  Yerketzerung,  welche  ihre  Gegner  ihm  ange- 
langt haben,  mit  Stolz.  Um  aber  den  Leser  oder  Hörer  für  den 
Fortfall  spannender  Ereignisse  und  Situationen  zu  entschädigen  und 
trotz  allen  Mangels  daran  dennoch  zu  fesseln,  ist  die  pittoreske 
Beschreibung  dafür  eingesetzt,  die  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten 
sich  erstreckende  Ausmalung  der  Szenerie,  der  häuslichen  Umgebung 
und  Beschäftigung,  des  ganzen  ^ Mittels'^,  in  dem  die  in  der  Er- 
zählung oder  im  Drama  auftretenden  Personen  leben,  weben  und 
wirken,  aus  dem  sie  ihre  Empfindungen  schöpfen,  welches  sie  je 
nach  ihrer  Gemütslage  verschieden  auffassen,  eine  Ausmalung,  welche 
zugleich  die  Schilderung  ihres  Charakters  und  ihrer  Seelenzustände, 
weil  sie  mit  ihnen  in  Harmonie  steht,  effektvoll  zu  unterstützen 
und  durchweg  die  rechte  Stimmung  hervorzubringen  geeignet  ist. 
„Une  (Buvre  d'art  est  un  coin  de  lanature  vu  ä  travers  un  tempöra- 
ment'^,  sagt  in  diesem  Sinne  Zola. 

Das  Hauptgewicht  endlidi  wird  auf  die  Analyse  der  mensch- 
lichen Natur  gelegt;  ^le  document  bumain'^,  wie  der  übrigens  von 
Taine  entlehnte  Ausdruck  dafür  b^  Zola  selbst  und  seiner  Partei 
heisst,  soll  völlig  so,  wie  es  die  Chemie  mit  den  Naturkörpem  thut, 
rücksichtslos  untersucht,  gleichsam  in  seine  Bestandteile  aufgelöst 
und  in  seiner  ganzen  Eigenheit,  seinem  ganzen  Wesen  und  in  völliger 
Blosse  hingestellt  werden.  Der  bisherigen  Kunst  wird  vorgeworfen, 
dass  sie,  angeblich  aus  Anstandsrücksichten,  in  Wirklichkeit  nur 
nach  konventioneller  Alanier,  mit  den  Charakteren,  ihren  Gesinnungen 
Äusserungen  und  Handlungen  eine  Beschönigung  vornehme,  welche 
geradezu  als  Heuchelei  oder  Lüge  bezeichnet  werden  müsse.  Es 
handle  sich,  wie  Zola  öfter  in  seinen  theoretischen  und  kritischen 
Schriften  erklärt,  nicht,  wie  ehemals  bei  dem  Eomantismus»  nur  um 
eine  neue  Form,  sondern  um  eine  ganz  neue  Methode,  welche  er 
selbst  die  wissenschaftliche  nennt,  wie  er  sich  denn  auch  zu  wieder- 
holten Malen  als  Gelehrten  einführt.  Aus  der  Familienbeanlagung, 
der  Erziehung,  der  Umgebung,  den  gewonnenen  Eindrücken,  dem 
Beispiel  und  dem  Vorgang  anderer,  so  will  es  diese  von  ihm  auf- 
gebrachte Methode,  wird  der  Charakter  einer  Bomanfigur  nach 
Naturnotwendigkeit  und  mit  logischer  Konaequenz  konstruiert  und 


302  -  B.  J.  Heiler 

in  seiner  Entwicklung  verfolgt.  Das  hier  skizzierte  System  der 
^wissenschaftUchen  Analyse^  führt  Zola  in  seinem  grossen  Eoman- 
cyklus,  ^Die  Familie  Rongon-Macqnart'^,  bis  zn  solchen  Details 
durch,  dass  er  für  die  verschiedenen  Mitglieder  derselben  einen 
Stammbaum  entwirft,  der  nicht  bloss  ihre  Abstammung,  sondern 
auch  ihre  in  Folge  dieses  Herkommens  durch  Vererbung  bedingten 
Anlagen  und  Eigenheiten   dem  Leser  vor   die   Augen  bringen  soll. 

Mit  diesem  Streben  nach  Exaktheit  in  den  Thatsachen  hält 
auch  der  Stil,  in  dem  Zola  schreibt,  gleichen  Schritt:  nicht  nur  in 
der  eignen  Praxis,  sondern  auch  durch  seine  geradezu  ausgesprochenen 
Prinzipien  erklärt  er  der  Phrase,  der  Antithese,  dem  Pathos,  der 
Schönrednerei  —  er  nennt  dabei  Victor  Hugo  nicht,  aber  er  be- 
zeichnet ihn  stets  deutlich  —  den  Krieg.  Für  die  Personen  —  die 
nackte  Darlegung  des  Innern,  für  die  Sache  —  den  knappen  und 
treffenden  Ausdruck  (le  mot  propre),  sollte  er  selbst  im  gesell- 
schaftlichen Umgang  als  trivial  oder  gar  gemein  vermieden  werden, 
—  das  ist  die  Losung  des  in  dieser  Hinsicht  gewiss  kühnen  und 
mit  völliger  Ungenirtheit  vorgehenden  Schriftstellers.  Wo  er  Ax- 
beiter  oder  sonst  Leute  der  untersten  Volksklassen  zu  schildern  hat, 
begnügt  er  sich  nicht  damit,  in  ihren  Gesprächen  ihre  Inkorrekt- 
heiten oder  ihre  volkstümlichen  Wendungen  wiederzugeben,  —  das 
haben  auch  andere  vor  ihm  und  in  allen  Ländern  längst  gethan  — ; 
er  selbst  geht  in  seinen  eigenen  Beschreibungen  dann  auf  diese 
Ausdrucksweise  ein  und  erzeugt  so,  nicht  nur  durch  das,  was  er 
beschreibt,  sondern  auch  durch  die  Sprache,  in  der  er  es  thut,  eine 
Übereinstimmung  zwischen  den  geschilderten  Personen  und  der 
Sphäre,  in  der  sie  leben,  welche  an  die  realistische  Manier  der  nie- 
derländischen Maler  erinnert,  und  die  auch  dem  Leser,  der  sonst 
von  seinen  Werken  wenig  erbaut  ist,  mit  dem  Eindruck  der  Richtig- 
keit der  Schilderung  überraschen  und  frappieren  muss. 

Nach  der  Ansicht  des  Schriftstellers  sollen  die  Leser  in  seinen 
Romanen  nicht  einen  müssigen  Zeitvertreib  finden ;  er  will  sie  sichere 
Einsicht  in  die  menschliche  Denk-  und  Handlungsweise  gewinnen 
lassen.  Dieser  Zweck  ist  ohne  Zweifel  sehr  edel,  doch  für  die  Er- 
reichung desselben  zeigt  sich  notwendiger  Weise  in  dem  Verfahren 
auch  des  naturalistischsten  Romanschreibers  eine  unausfüUbare  Lücke. 
Zola  selbst  vergleicht  die  Thätigkeit  des  letzteren  mit  der  Arbeit 
des  Physiologen;  aber  dieser  stellt  seine  Untersuchungen  an  dem 
lebenden  oder  auch  toten  Körper  sei  es  eines  Tiers  oder  eines 
menschlichen  Individuums  an ;  das  kann  der  Romancier  nicht.  Denn 
wenn  er,  wie  Goncourt  in  Ch^rie,  die  von  allen  Seiten  hier  einge- 
holten Notizen  über  physiologische  und  psychologische  Eigenheitea 
und  Entwickelnngen  des  Mädchenlebens,  mag  er  sie  immerhin  an 
eine    gewisse   Persönlichkeit   anknüpfen,    der   Reihenfolge  nach  zu- 


Der  Naturalismus  in  der  Romandichiimg  Frankreichs  etc.        303 

sammenstellt ,  so    gibt  er   damit  nicht   die   Analyse   ihres   Wesens, 
sondern  eine  Synthese  seiner  eigenen  Beobachtnngeo  und  Erfahrungen, 
so  schreibt  er  damit  noch  keine  Erzählung,  sondern  nur  ein  Essay, 
nicht    mehr  einen   Roman,    sondern  Materialien  zu  demselben;  und 
der  eben  genannte  Schriftsteller,   selbst  einer  der  Stifter  der  neuen 
Schule,   gesteht   denn   auch  ein,   dass   die    naturalistische    Methode 
schliesslich  darauf  hinausführen  muss,   anstatt   der  kunstmässig  ge- 
gliederten   Erzählung    Sammlungen    von    zwanglos    aneinander    ge- 
reihten aper9us  hervorbringen,  wie  sie   schon   Balzac  in  Physiologie 
du  mariage  und  andern  seiner  ^philosophischen^  oder  „analytischen^^ 
Abhandlungen  geliefert  hat.     Wer  aber,  wie  Zola,  wirkliche  Romane 
schreibt,   bei  dem   sind  die  Personen,    mit  denen  er  sich  in  seinen 
Erzählungen  zu  schaffen  macht,  erdichtete;   ihre  Situation  und  ihre 
Eigentümlichkeiten  von  ihm  angenommen  und  erfunden ;  der  Schluss, 
den  er  selbst  auf  ihr  Verhalten  macht,   ein  willkürlicher;    es  fehlt 
demnach  für  die  von  dem  Autor  gemachten  Folgerungen  jede  Be- 
weiskraft:   er  kann  immer  statt  der  Wirklichkeit  im  besten  Falle 
nur  seine  eigenen  Meinungen  und  Überzeugungen,  nicht  das  Wesen, 
nur  den  Schein,    nicht    das   Objekt    selbst,    nur    seine  eigene   An- 
schauung desselben  geben.     Gerade  was  die  —  übrigens  keineswegs 
neue  —  Ansicht   von  der    Vererbung  der  Anlagen  nnd  Neigungen 
anbetrifft,    springt   es   sofort  in  die  Augen,    dass  er  das,  was  erst 
bewiesen  werden  soll,  bereits  als  feststehend  voraussetzt;  man  kann 
ihm  glauben,  dass  irgend  eine  von  ihm  eingeführte  Person  gewisse 
Eigenschaften    oder    Fehler   durch    Greburt  mitbekommen  habe,  eine 
Notwendigkeit,    ein    allgemeines  Gesetz    ergibt    sich    aus    dem   Fall 
nicht,  und  hier  um    so    weniger,    weil  er  eben  blosse  Annahme  ist 
Danach   muss  sein    Anspruch  auf  Wissenschaftlichkeit   bei  der  Be- 
handlung des  Romans  abgewiesen  werden  —  selbst  da,  wo,  wie  in 
seinem   neuesten   Buch   La  Joie  de  vivre,    eine  schwere  Entbindung 
nach  irgend  einer  Hebammenunterweisnng  ausführlich  und  mit  allen 
technischen    Details  geschildert  wird   — ;    es   bleibt  als   Grundlage 
für    denselben,    wie   bisher,   nur  die   Beobachtung  der  Individuen. 
Aber  auch  diese  wird  sich  immer  nur  auf  einzelne,  nie  mit  absoluter 
Gewissheit  auf  eine  Gesamtheit  erstrecken  können;  ein  Urteil   über 
die  letztere  hat    stets  nur   den    Wert  einer  subjektiven  Meinungs- 
äusserung.    Und  so  kommt  es  denn,   was  eigentlich   nach   Zola 's 
Vorgeben  ausgeschlossen  sein  müsste,  dass  gegen  viele  seiner  Dar- 
stellungen, z.  B.  gegen  seine  Schilderung  der  Lebensweise  des  Pariser 
Arbeiterstandes,  überhaupt  im  Assommoir,  Einwendungen  und  Pro- 
teste auch  von  der  berufensten  Seite  erhoben   worden  sind.     Doch 
dem  sei  wie  ihm  wolle,   jedenfalls  wird  von  der  Richtigkeit  sich 
derjenige  Schriftsteller  am  wenigsten  entfernen,  der  seine  Einbildungs- 
kraft und  seine  Erfindungsgabe  in  den  Dienst  der  Beobachtong  und 


304  H,  J.  Heller 

der  Wahrnehmung  stellt;  unbedingte  Bealität  kann  er  seinen  er- 
dichteten Personen  und  den  von  ihm  ihnen  gegebenen  und  auf- 
erlegten Verhältnissen  nicht  zuschreiben;  er  wird,  wie  ihm  von 
Albert  Wolf  schon  1879  im  Figaro  nachgewiesen  worden  ist,  dann 
hinter  dem  Berichterstatter,  der  in  den  Zeitungen  die  täglichen 
Vorkommnisse  mitteilt,  zurückstehen;  und  einzig  und  allein  diese 
Genauigkeit  der  Mitteilungen  für  die  Belehrung  der  Lesewelt  ins 
Auge  fassend,  dringt  denn  in  der  Gitoyenne  von  1882  nr.  64  Frau 
von  Tissoniöre,  selbst  nicht  ganz  schuldlos  an  der  Abfassung  von 
Büchern  dieser  Ai-t,  darauf,  dass  überhaupt  gar  keine  Bomane  ge- 
schrieben werden  sollten,  weil  sie  nur  geeignet  wären,  die  Köpfe 
zu  verwirren,  —  eine  Ansicht,  mit  welcher  die  sozialistische  Schrift- 
stellerin von  der  äussersten  Linken  sich  mit  vielen  frommen  Gre- 
mütem  der  äussersten  Rechten  in  Übereinstimmung  befindet. 

Wer  einer  neuen  von  ihm  eingeschlagenen  Richtung  in  der 
Litteratur  Bahn  brechen  und  sich  den  Zulauf  sichern  will,  muss  die 
Hindemisse,  welche  sich  ihr  entgegenstellen,  beseitigen,  muss  die 
andern  W^,  welche  bisher  betreten  wurden,  entweder  ^üizlich 
versperren,  oder  doch  wenigstens  in  Verruf  bringen.  Bei  diesem 
Bestreben,  dem  Kampfe  gegen  das  Hergebrachte  und  sich  der  all- 
gemeinen Gunst  Erfreuende,  hat  Zola  sich  besonders  gegen  Victor 
Hugo  wenden  müssen.  Nicht  genug,  dass  er  den  Romantismus  des 
Dichters  für  veraltet  erklärt,  dass  er  ihm  Phrasensucht,  übertriebene 
Rhetorik  und  hohle  Deklamation  zuschreibt  —  Eigenschaften,  von 
denen  der  grosse  Mann  allerdings  nicht  frei  ist  — ;  er  verwirft 
namentlich  seine  Verherrlichung  des  Idealen,  das  ihm  selbst  eine 
reine  Einbildung  zu  sein  scheint;  und  der  grösste  Vorwurf,  den  er 
gegen  ihn  erheben  zu  können  glaubt,  ist,  dass  am  Ende  aller  seiner 
Verse  ^Gott'^  wiederkehre  (La  Räpublique  et  la  littörature,  p.  29): 
für  ihn  selbst  gibt  es  nur  eine  ^schöpferische  Kraft ^.  Von  diesen 
schädlichen  und  den  Fortschritt  im  Leben  wie  in  der  Ästhetik 
henunenden  Vorurteilen  wollen  die  Naturalisten  die  Welt  befreien, 
und  sicherlich  muss  man  den  Mut  anerkennen,  mit  dem  sie  sich  so 
offen  aussprechen.  Alles  zusammenfassend,  könnte  man  Schiller's 
Verse  nahezu  umkehrend,  sie  ihre  Ansicht  dem  Idealismus  gegen- 
über, mit  den  Worten  charakterisieren  lassen: 

Eurer  Phantasie  Gebilde  geben 

Bunten  Schein  uns  ohne  Wesenheit: 

Nur  was  tätlich  sich  bepbt  im  Leben, 
Einzig  wahr  ist  nur  die  Wirklichkeit. 

Mag  man  immerhin,  wenn  man  von  der  naturalistischen 
Schule  spricht,  sofort  an  Zola  denken,  gegründet  hat  er  sie  nach 
seinem  eigenen  Eingeständnis  nicht,  nicht  einmal  die  Benennung 
dafür  erfunden;    sie  rührt  von  Balzac    (Petites  mis^res  conjugales) 


Der  Naturalismus  in  der  Romandichtung  Frankreichs  etc.       305 

her,  wenngleich  sie  erst  in  neuerer  Zeit  in  diesem  Sinne  gebräuch- 
lich geworden  ist.  Diesen  Schriftsteller  verehren  alle  Zolal'ten  als 
ihren  Meister  und  Propheten.  Sein  Pore  Goriot,  seine  Eug^nie 
Grandet,  seine  Illusions  perdues,  seine  Parents  pauvres,  seine 
Grandeur  et  däcadence  de  C^sar  Birotteau  u.  a.  gelten  als  die  grössten 
Muster  der  Gattung;  über  diejenigen  seiner  Schriften,  die  nicht  in 
ihren  Kram  passen,  in  denen  er  seine  Vorliebe  für  Kartenlegerei 
und  Somnambulismus  eingesteht,  oder  die  in  anderer  Weise  das 
Übernatürliche  behandeln,  und  von  denen  ich  deshalb  oben  absicht- 
lich einige  charakterisiert  habe,  gehen  sie  mit  Stillschweigen  hinweg. 
Nächst  ihm  wird  Flaubert  wegen  seiner  Madame  Bovary  und  seiner 
l^ducation  sentimentale,  die  GebrtLder  de  Goncourt,  besonders  wegen 
ihrer  Germinie  Lacerteux,  —  die,  wie  Edmond  de  Goncourt  in  der 
Vorrede  zu  Chörie  seinen  verstorbenen  Bruder  Jules  rühmend  sagen 
lässt,  zu  den  naturalistischen  Schöpfungen  der  Neuzeit  den  Anstoss 
gegeben  hat,  —  auch  Stendhal  und  Feydeau  als  verwandte  Geister 
und  Gesinnungsgenossen  gerühmt.  Dem  anständigen  und  fein- 
fühlenden Publikum,  namentlich  Damen,  welche  von  Zola's  Schriften 
Kenntnis  nehmen  wollen,  können  . —  ausser  den  unbedeutenden 
teilweise  märchenhaften  Contes  ä  Ninon  und  der  eben  so  unbedeu- 
tenden Erzählung  L' Attaque  du  moulin  (in  den  sonst  grösstenteils 
widerwärtigen  von  verschiedenen  Verfassern  herrührenden  Soiröes  de 
Mödan),  welche  keine  rechte  Vorstellung  von  der  Eigentümlichkeit 
dieses  Schriftstellers  geben,  —  hauptsächlich  nur  das  etwas  lang- 
stielige Au  Bonheur  des  Dames  und  etwa  noch  Une  page  d'amour, 
La  Fortune  des  Rougon,  La  Conqu^te  de  Plassans  und  allenfalls 
Le  Ventre  de  Paris  empfohlen  werden;  gerade  diejenigen  Werke, 
welche  die  meisten  Auflagen  erlebt  und  Zola*s  Namen  eine  europäische, 
ja  Weltberühmtheit  erworben  haben,  L'Assommoir,  Nana,  Pot-bouille 
eignen  sich  dazu,  mehr  oder  weniger,  nicht,  auch  stellenweise  nicht 
die  Nouveaux  contes  ä  Ninon,  der  Capitaine  Burle,  Nals  Micoulin 
nnd  La  Joie  de  vivre.  Jene  Romane,  wie  auch  die  Jugend  werke 
La  Oonfession  de  Claude  und  Madeleine  Färat,  sowie  femer  aus 
dem  Zyklus  La  Curöe,  Son  Excellence  Engine  Rougon,  und  wie 
endlich  die  Romane  der  Anhänger  Zola^s,  Maupassant,  Huysmans, 
Vast-Ricouard  etc.,  oder  die  Skizzen  der  1879  als  Organ  der  Schule 
in  12  Nummern  erschienenen  Revue  r^aliste,  behandeln  fast  durch- 
weg Szenen  der  Trunkenheit,  der  Lüderlichkeit  und  anderer  Laster, 
das  Leben  von  Cocotten,  Bohämiens  und  Taugenichtsen.  Der  Lihalt 
ist  daher  überwiegend  unerquicklich;  mehrere  Romane  dieser  Gattung, 
hintereinander  gelesen,  können  nicht  verfehlen,  auch  dem  Besten  eine 
menschenfeindliche  Stimmung  einzuflössen. 

und  dieser  Inhalt,  oder  vielmehr  die  Ausschliesslichkeit  dieses 
Inhalts,  ist  denn  auch  der  Stein  des  Anstosses,  der  die  noch  junge 

2schr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VIi.  20 


306  tt.  J.  Heller 

Litteratar  nicht  zu  Jahren  kommen  lassen,  sondern  über  kurz 
oder  lang  einem  jähen  Ende  enl^egenführen  wird.  Die  grossen 
Dichter  der  Neuzeit  haben  fast  alle,  und  zum  Teil  in  ihre  erhabensten 
Werke,  aus  dem  gewöhnlichen  und  niedrigen  Leben  kopierte  Per- 
sonen und  Auftritte  eingemischt,  so  Shakespeare  und  Göthe;  aber 
sie  haben  aus  solchen  Personen  und  Auftritten  nicht  ganze  Werke 
zusammengesetzt.  Das  Gemeine  und  das  Niedrige  diente  ihnen  nur 
als  Folie,  welche  das  lElrhabene  und  das  Edle,  das  ihr  Hauptaugen- 
merk blieb,  desto  besser  hervortreten  und  glänzen  lassen  sollte. 
Anders  bei  Zola  und  seinen  Partei^ngern ;  in  ihren  realistischen 
Darstellungen  wird  nur  das  gewöhnliche  Volk  und  vorzugsweise 
seine  schlechten  Seiten  geschildert,  und  bringen  sie  in  ihren  Er- 
zählungen einmal  das  Bürgertum,  la  bourgeoisie,  vor,  so  kommt 
es  als  philisterhaft  und  engherzig  und  nebenbei  bodenlos  unsittlieh, 
nur  noch  schlimmer  fort,  als  der  Arbeiter.  Victor  Hugo  übrigens, 
den  Zola  so  stark  anficht,  hat  gerade  mehr  als  irgend  ein  anderer 
Franzose  vor  ihm  und  eher  als  alle  übrigen  in  seinen  Werken  neben 
dem  Schönen  und  Edlen  auch  das  Hässliche  und  das  Gemeine  an- 
zubringen versucht  und  eigentlich  zur  Einführung  des  gewöhnlichen 
Elements  bei  onsern  westlichen  Nachbarn  den  ersten  Anstoss  ge- 
geben; er  hat  es  aber  anders  als  Shakespeare  und  Göthe  dabei  an- 
gefangen, und  die  Art,  wie  er  es  thut,  ist  eben  eine  seiner  hervor- 
stechendsten Eigentümlichkeiten:  er  leiht  nämlich  dem  Hässlichen, 
Schlechten  oder  Gemeinen  einen  oder  den  andern  edlen  Zug,  eine 
rührende  Seite,  durch  welche  die  sonst  widerwärtige  Persönlichkeit 
ein  tiefes  Interesse  gewinnt:  in  Quasimodo  versöhnt  die  tiefe  Dank- 
barkeit für  die  einzige  jemals  erfahrene  Freundlichkeit  mit  seiner 
Ungeschlachtheit,  in  Lucröce  Borgia  und  in  Triboulet  die  leiden- 
schaftliche Mutter-  und  Vaterliebe,  in  Valjean  das  erwachte  und 
stets  andauernde  Gefühl  für  unverdient  genossene  Güte  mit  den 
sonst  zurückstossenden  Persönlichkeiten  und  Charakteren.  Es  wäre 
verkehrt,  diesen  Kunstgriff  Victor  Hugo's  zur  Nachahmang  auf- 
stellen zu  wollen,  er  ist  eben  nur  ihm  eigen,  sozusagen  seine 
Spezialität  und  würde  bei  einem  andern  leicht  zu  unerträglicher 
Manier  ausarten.  Diese  Beimischung  des  Burlesken,  Niedrigen  und 
Gemeinen  in  den  Werken  des  Dichters  hat  die  Vertreter  des  fran- 
zösischen Kunstwerks  der  Zukunft  in  nicht  geringe  Verlegenheit 
gesetzt:  während  Zola  selbst,  auch  gerade  wegen  dieses  Zusatzes 
edler  Züge  in  gewöhnlichen  Naturen,  ihn  für  einen  Vorkämpfer  des 
Idealismus  ansieht,  finden  seine  Anhänger  in  der  Revue  röaliste, 
dass  der  Realismus  bei  ihm  in  nicht  unbeträchtlichem  Grade  her- 
vortritt.  Andere  Schriftsteller,  die  ebenfalls  zu  der  realistischen, 
wenn  auch  nicht  naturalistischen  Gruppe  gehören,  wie  Alphonse 
Daudet,  der  sich  selbst  rühmt  ein  Schüler  Flaubert's  zu  sein,  sind 


Der  Naturalismus  in  der  Bomandichinng  Frankreichs  etc.        307 

über  den  Angriff,  den  Zola  auf  Victor  Hugo  gemacht  hat,  indigniei*t 
gewesen;  in  einer  der  Juninummern  der  Illustration  von  1879 
macht  er,  die  Leser  in  seinen  M6moires  d'un  homme  de  lettres 
gerade  von  dem  grossen  französischen  Dichter  unterhaltend,  darauf 
aufmerksam,  dass  die  Entwicklung  der  neueren  Litteratur  und 
Schreibweise  von  Victor  Hugo  anhebt,  und  dass  es  unangenehm  ist, 
seinen  Vater  mit  den  Waffen,  die  man  von  seiner  eigenen  Sieges- 
trophäe entlehnt  hat,  anzugreifen. 

Die  zweite  EigentfLmlichkeit  der  erzählenden  Werke  Zola^s, 
nämlich  die  Sprache  und  die  schon  oben  kurz  geschilderte  Aus- 
drucksweise dieses  Schriftstellers,  hat  in  Frankreich  selbst  wie  auch 
im  Auslande  bei  den  Gebildeten  so  vielfach  Austoss  erregt,  dass 
es  ihm  ein  BedfLrfnis  geworden  ist,  sich  deswegen  zu  rechtfertigen. 
In  Vorreden  zu  seinen  Romanen  sonst  karg,  hat  er  bei  der  Heraus- 
gabe des  Assommoir  Gelegenheit  genommen  zu  erklären,  dass  dieser 
sein  Eoman  —  wie  natürlich  auch  mehrere  andere  von  den  oben- 
genannten —  auch  ein  philologisches  Interesse  haben  werde,  und 
dies  ist  in  der  That  der  Fall.  Man  kennt  das  argot  oder  die 
Diebessprache,  wenigstens  in  Proben,  aus  Victor  Hugo's  Le  demier 
jour  d'un  condamne  und  Les  Miserables,  sowie  aus  Eugöne  Sue^s 
Les  Mystöres  de  Paris,  die  Sprechweise  der  Boulevardiers  aus  Mont- 
äpin's  und  Houssaye's  Bomanen,  die  Ausdrucksart  der  Cocotten,  der 
Soldaten,  der  Invaliden  und  der  Matrosen  aus  dem  Journal  amüsant; 
die  Sprache  der  arbeitenden  Klassen  aber  ist  in  dieser  Ausdehnung 
zuerst  von  Zola  vorgebracht  worden.  Ob  die  Arbeiter  in  ihrer 
Unterhaltung  wirklich  diese  Fülle  von  ungewöhnlichen  Ausdrücken 
gebrauchen  sollten,  wie  sie  ihnen  bei  Zola  in  den  Mund  gelegt 
werden,  ist  mir  freilich  fraglich;  nach  den  allerdings  beschränkten 
Gelegenheiten,  welche  ich  gehabt  habe,  darüber  aus  eigener  Erfahrung 
zu  urteilen,  möchte  ich  es  in  Abrede  stellen.  Diese  Fülle  ist  so 
gross,  dass  die  Wörterbücher  Mühe  haben  werden,  die  neu  aus  dem 
Grande  der  untern  Volksschichten  heraui^ewühlten  Ausdrücke  ein- 
zaregistrieren;  Littrö's  Supplement,  obgleich  später  als  der  genannte 
Roman  erschienen,  wie  das  Dictionnaire  encyclopedique  von  Sachs 
und  Villatte  sind  noch  weit  hinter  dieser  Aufgabe  zurückgeblieben. 
Nur  als  Proben  und  es  keineswegs  auf  Vollständigkeit  absehend, 
habe  ich  in  der  nr.  4  der  Gallia  vom  Jahre  1882  eine  Anzahl 
dieser  notwendig  gewordenen  Ergänzungen  mitgeteilt  Merkwürdiger- 
weise finden  sich  in  dem  Wortschatz  der  französischen  Arbeiter 
auch  einige  Vokabeln,  welche  augenscheinlich  von  ihren  deutschen 
Kameraden  aufgebracht  und  in  die  Pariser  Werkstätten  überge- 
gangen sind:  so  un  mastoc,  ein  ungeschlachter . Mensch,  schon  von 
Littr^  auf  das  deutsche  Mastochs  zurückgeführt;  und  un  fiferlin,  für 
unbedeutende  Kleinigkeit,  wenig  Geld,  entstammt  offenbar  der  deut- 

20* 


308  E  J.  Heller 

sehen  Redewendung  ^das  ist  nicht  einen  Pfifferling  wert".  Die 
neue  Schreibart  Zola^s  hat  natürlich  den  gebildeten  Franzosen  nicht 
dazu  bringen  können,  seine  Ausdrucksweise  danach  umzuwandeln; 
aber  im  Auslande,  z.  B.  in  Eussland,  hat  man  sich  hier  und  da, 
wie  Jules  Claretie  im  Mouvement  parisien  der  Indäpendance  beige 
von  1879  mitteilt,  diese  Sprechweise  angeeignet,  und  einzeln  nach 
Frankreich  gekommene  Russen  sind  nicht  wenig  darüber  erstaunt 
gewesen,  dass  diese  von  ihnen  für  modern  und  allgemein  giltig 
gehaltene  Sprache  in  den  Pariser  Salons  grossen  Anstoss  er- 
regt hat. 

Dieser,  wie  ich  hiermit  gezeigt  zu  haben  glaube,  im  Inhalt 
wie  in  der  Form  gleich  neuen  Erscheinung  gegenüber  verhielt  sich 
die  Kritik  in  Frankreich  anfangs  grösstenteils  ablehnend.  Ich  führe 
dies  nicht  als  einen  Beweis  gegen  sie  an;  dem  Romantismus  ist  es 
zuerst  durchaus  nicht  besser  ergangen.  Man  warf  Zola  besonders 
vor,  dass  er  durch  die  Vorführung  blosser  Wüstheiten  nur  entsitt- 
lichend auf  die  Gesellschaft  und  das  Volk  wirken  könne.  Seine 
Anhänger  sind  die  Antwort  darauf  nicht  schuldig  geblieben ;  sie  be- 
haupten, dass  gerade  die  eingehende  Schilderung  des  Lasters  darch 
den  Abscheu,  den  es  einflössen  wird,  die  Sittlichkeit  befördern  und 
eine  wahre  Schule  der  Moral  werden  müsse.  Von  dieser  Tendenz, 
welche  etwa  auch  dem  Verfasser  des  Struwelpeters  vorgeschwebt 
hat,  hält  Zola  selbst  sich  fem ;  er  will  nur  Einsicht  in  das  mensch- 
liche Wesen,  wissenschaftliche  Erkenntnis  vermitteln.  Aber  die  Er- 
fahrung lehrt,  dass,  wie  der  häufige  Anblick  der  rohen  Auftritte 
und  Handlungen,  welche  im  Kriege  den  Soldaten  unumgänglicher- 
weise vor  Augen  treten,  ebenso  auch  das  Lesen  lasterhafter  und 
verbrecherischer  Vorgänge  das  Gefühl  abstumpft  und  das  Gemüt 
verwildern  lässt.  Manche  Litteraten  und  zwar  von  den  entgegen- 
gesetztesten Parteien,  wie  der  Republikaner  Edmond  Sch^rer  (Etudes 
sur  la  litterature  contemporaine  VII,  165)  und  der  Legitimist  Graf 
Pontmartin  (Souvenirs  d'un  vieux  critique  I,  149,  III,  371)  können 
noch  jetzt  ihren  Abscheu  vor  den  Werken  Zola's  gar  nicht  stark 
genug  aussprechen;  und  die  auf  die  Zierlichkeit  und  Feinheit  des 
französischen  Ausdrucks  Gewicht  legenden  Kritiker  beschuldigen  ihn 
ausserdem,  die  Sprache  zu  verderben  und  mutzen  ihm  bei  jeder 
Gelegenheit,  wie  es  namentlich  der  eben  genannte  Graf  thut,  kleine 
Schnitzer  oder  unrichtige  Bezeichnungen  auf.  Wenn  man  übrigens 
dem  Rezensenten  Puff  in  Sheridan^s  Critic  Glauben  schenken  will,  so 
hat  vielleicht  gerade  die  gegen  ihn  erhobene  Anklage  der  Unsitt- 
lichkeit  seiner  Bücher  Zola  die  meisten  Leser  verschafft.  Trotz  aller 
Anfeindungen,  oder  möglicherweise  wegen  derselben,  hat  er  sich 
nach  und  nach,  jedoch  ohne  Victor  Hugo  von  seiner  dominierenden 
Stellung  verdrängt  zu  haben,   einen   angesehenen  Platz  in  der  litte- 


Der  Naturalismus  in  der  Romandichlung  Frankreichs  etc.        309 

rarischen  Welt,  und  nicht  bloss  Frankreichs,  erworben  und  eine 
beträchtliche  Zahl  von  Anhängern  gewonnen,  die  ihn  ungemein  hoch 
stellen.  ,  Mag  man  auch  über  den  Gehalt  seiner  Schriften,  der  theo- 
retischen wie  der  novellistischen,  urteilen  wie  man  wolle,  ein  unleug- 
bares Talent  der  Darstellung  und  der  Beschreibung  wird  man  ihm 
zugestehen  müssen.  Manche  Schilderungen,  wie  im  Assommoir  die 
Hochzeitfeier  Coupeau^s  und  Qervaise's;  ein  Mittagsmahl,  das  sie 
später  in  der  Zeit  ihres  Wohlstandes  geben,  weisen  recht  drollige, 
andere  Stellen,  wie  das  Herumirren  GeiTaise's  in  ihrer  Verlassenheit, 
im  Yentre  de  Paris  die  Einfahrt  der  Qemüsewagen  nach  den  Halles 
centrales  und  die  gleichzeitige  Bückkehr  eines  verhungerten  Ver- 
bannten aus  Neukaledonien,  in  Nana  das  von  dieser  gegebene  Fest, 
in  Pot-bouille  die  Betrachtungen  des  Pnesters,  äusserst  wahrheits- 
getreue, zum  Teil  tief  ergreifende  Züge,  wirkliche  Stimmungsbilder, 
auf;  aber  wenn  man  auch  gern  solche  Einzelheiten  gebührend  be- 
wundert, man  wird  den  Schriftsteller  darum  nicht  verehren  oder 
seine  Werke  lieben  können;  der  angehende  Eunstjünger  kann  in  der 
Technik  vieles  von  ihm  lernen,  er  würde  sehr  fehlgehen,  wenn  er 
einfach  ihm  nachahmen  wollte.  Keine  der  von  ihm  geschilderten 
Personen  ist  eigentlich  sympathisch  oder  anziehend,  nur  einige 
wenige  doch  so,  dass  man  sie  sich  gefallen  lässt;  die  meisten  sind 
zurückstossend  oder  widerlich.  „Ich  will,"  sagt  Edmond  Schörer  in 
seiner  ästhetischen  Exklusivität  zu  weit  gehend,  „mit  Leuten  dieser 
Art  durchaus  nicht  bekannt  werden."  Nie  und  nirgends  kann  durch 
das  Lesen  der  Schriften  Zola's  Begeisterung,  Enthusiasmus,  inniges 
Entzücken  oder  eine  andere  edle  Begung  der  menschlichen  Brust, 
höchstens  in  sehr  seltenen  Fällen  Mitleid  hervorgerufen  werden." 
Sein  Talent  hat  in  seiner  Anschauungsweise  eine  notwendige  Grenze 
finden  müssen:  er  bemerkt  in  der  menschlichen  Natur  nur  Instinkte 
und  kann  daher  nur  gewöhnliche  oder  gemeine  Subjekte  schildern. 
Ehrgefühl  und  Buhmbegierde,  Elternliebe  und  Edelmut,  Aufopferung 
und  Seelengrösse,  keine  der  Eigenschaften,  welche  den  Menschen 
zieren,  finden  bei  ihm  eine  Stelle.  In  seinem  Pessimismus  sieht  er 
alles  schwarz,  sogar  die  Natur;  den  Anblick  von  Paris  schildert  er 
(üne  Page  d'amour)  mit  Vorliebe,  wenn  es  von  einem  schweren 
grauen  Himmel  bedeckt  ist.  Selbst  in  seinem  Humor  fehlt  das 
liebevolle  Eingehen  auf  die  kleinen  Schwächen  unsres  Wesens,  wie 
es  stellenweise  bei  Sterne,  Walter  Scott,  Jean  Paul,  Victor  Hugo 
und  Daudet  so  entzückend  wirkt.  Wenn  er  durch  seine  kritischen 
Schriften  und  durch  sein  Beispiel  es  dahin  gebracht  hat,  dass  die 
abenteuerlichen  Ausgeburten  von  Charakteren  und  Begebenheiten  aus 
dem  französischen  Boman  mehr  und  mehr  verschwinden,  —  ganz 
verschwunden  sind  sie,  wie  Montöpin's  und  anderer  Schriften  hin- 
länglich  beweisen,   bis  jetzt  noch   nicht,  —  so  hat  er  andererseits 


310  H,  J.  Heuer 

seine  Erzählung  hier  und  da  durch  zu  ausgedehnte  und  zu  ermüdende 
Besehreibungen  überwuchern  lassen,  wie  in  der  Schilderung  des 
Gartens  in  La  Faute  de  Tabbe  Mouret,  der  Markthallen  in  Le  Venire 
de  Paris,  des  Geschäftsgangs  in  Au  Bonheur  des  Dames,  welche 
überflüssig  sind,  weil  sie  die  Stimmung  nicht  unterstützen,  und  seine 
Partei^nger  sind  ihm  darin  getreulich  gefolgt.  Wenn  seinen  Werken 
nicht  die  Unsterblichkeit  versprochen  werden  kann,  welche  er  wahr- 
scheinlich selbst  erwartet,  bleiben  sie  immer  ein  Markstein  in  der 
Entwickelung  des  französischen,  vielleicht  überhaupt  des  europäischen 
Romaus,  eine  Staffel,  über  welche  alle  Nachfolger  emporzuklimmen 
haben.  Dagegen  sind  seine  dramatischen  Versuche  bisher  sämtlich 
missglückt;  Tht^rese  Raquin,  ein  Drama,  welches  er  selbst  aus  seiner 
Erzählung  gleichen  Namens  gemacht  hatte,  ist  in  der  Renaissance 
nicht  oft  zur  Aufführung  gelangt  und  von  der  Kritik  allgemein  ver- 
urteilt worden,  und  das  Lustspiel  Le  Bouton  de  rose,  nach  seinem 
eigenen  Geständnis  im  Palais  Royal,  wo  man  keineswegs  blöde  ist, 
vollständig  durchgefallen;  auch  das  beste  seiner  Theaterstücke,  Les 
H^ritiers  Rabourdin,  eine  Bearbeitung  des  Ben  Jonson'schen  Volpone, 
hat  in  Cluny  nur  einen  massigen  Anklang  gefunden;  das  Assommoir, 
welches  auf  dem  Ambigu- Theater  in  Paris  eine  grosse  Reihe  von 
Aufführungen  erlebt  hat,  auch  an  vielen  anderen  Orten  auf  die 
Bühne  gebracht  worden  ist,  verdankt  diesen  Erfolg  hauptsächlich 
der  drastischen  Art  und  Weise,  mit  welcher  der  Schauspieler  in  der 
Rolle  des  Coupeau  das  delirium  tremens  darzustellen  gewusst  hat, 
ist  übrigens  nicht  von  Zola  selbst,  sondern,  wie  auch  Nana  und 
Pot-bouille  von  Busnach  für  das  Theater  zurechtgemacht  worden. 
Wichtiger  sind,  auch  für  das  dramatische  Fach,  die  theoretischen 
und  kritischen  Arbeiten  des  ungemein  fruchtbaren  Schriftstellers,  in 
welchen  er  gegen  die  auf  der  Bühne  herrschende  konventionelle 
Manier  energisch  zu  Felde  zieht:  Le  Naturalisme  au  thöätre  und 
Nos  Auteurs  dramatiques.  Auch  hier  finden  sich  einzelne  treffende 
Bemerkungen  und  viele  schätzbare  litterarische  Notizen. 

Manche  der  ästhetischen  aper^us  und  Forderungen  Zola's  werden 
gewiss  allmählich  überall  mehr  und  mehr  Eingang  finden ;  aller- 
dings wäre  es  ein  Unglück,  wenn  seine  litterarischen  Gepflogen- 
heiten um  sich  greifen  sollten.  Es  wird  nach  und  nach  abkommen, 
dass  man  dem  Romane  unmögliche,  undenkbare  und  völlig  in  der 
Luft  schwebende  Lebensverhältnisse  und  Begebenheiten  unterlegt, 
welche  die  Bezeichnung  romanhaft  längst  stigmatisiert  hat ;  wie  man 
auch  auf  der  Bühne  die  konventionellen  Figuren  und  die  banalen 
Verwechselungen  durch  eigentümliche  Charaktere  und  aus  dem  Leben 
gegriffene  Vorgänge  wird  ersetzen  müssen.  Man  wird  aufhören, 
den  Roman  zum  Vehikel  für  die  Verbreitung  archäologischer  oder 
historischer  Kenntnisse   zu    machen   und    vieltausendjährige  Leichen 


Der  Naturaiismus  in  der  Romundichtuitg  Frankreichs  etc.        311 

durch  die  Gulvanisierang  einer  überhasteten  und  dem  vergänglichen 
Tagesgeschmack  huldigenden  Biichfabrikation  zum  künstlichen  Schein- 
leben zu   erwecken.     Man    wird   bei  Gesprächen   in    der  Erzählung 
wie  im  Theaterdialog  eine    den  Personen   angemessene   Ausdrucks- 
weise für  nötig  halten,  aber  man  wird  sie  selbst  für  Leute  der  un- 
tersten Volksschichten  finden  lernen,   ohne  zur  Gemeinheit  hinabzu- 
steigen.     Man    wird    endlich    in    der    Beschreibung   die    Stimmung 
wiederzugeben  versuchen,   welche  in   dem  Betrachtenden   seine  Um- 
gebung oder  die  Natur  hervorruft,   so   wie   die  verschiedene  Weise, 
in  welcher  Natur  und  Umgebung  bei  verschiedener  Geraütsstimmung 
erscheinen.     Man   wird    aber   darauf  verzichten,    alles,    was  in  der 
Welt  vorkommt,   in  der  Kunst  schildern  zu  wollen,  und  es  vermei- 
den, das  Ekelhafte  ans  Licht  zu  ziehen  oder  gar  breit  zu  treten  und 
durch  seine  Benennung  mit  dem  eigensten  Wort  dafür  das  Scham- 
gefühl zu  verletzen  und  abzustumpfen.     Auch  die  Wahrheit  und  die 
Wirklichkeit  hat  ihre  Gebiete,   in  welche   die  künstlerische  Behand- 
lung nicht  eindringen,    ihre   Grenzen,    welche    auch    die   getreueste 
Nachbildung  der  Welt    und   des  Lebens  nicht    überschreiten    darf. 
Man  wird  hoffentlich  bei  uns  nicht  darauf  erpicht  sein,  nur  die  Hefe 
des  Volks  zum  Gegenstand   des  dichterischen  Schaffens  zu  machen, 
und  noch  weniger  dabei  mit  Vorliebe  gerade  ihre  Laster  und  Ver- 
brechen  zu   wählen.      Es    lässt    sich   erwarten,    dass   man  bei  uns 
ausser  den  natürlichen  Triebfedern  und  Instinkten,  in  der  Menschen- 
seele immer  noch  edlere  und  höhere  Regungen  anerkennen,  noch  ein 
anderes  Gesetz  in  der  Bestimmung  der  Denk-  und  Handlungsweise 
bewahren  wird.     Endlich   werden   wir  schwerlich  einen  Grund  ein- 
sehen,   warum   wir  unsere  litterarischen   Bestrebungen  auf  die  un- 
mittelbare Gegenwart    einschränken    und    den  Flug    der    Phantasie 
nach  entfernten  Zonen  und  Zeiten,  auf  dem  selbst  Flaubert  im  Sa- 
lammbd  vorangegangen  ist,  hemmen  müssten.     Und  das  alles  auch 
auf  die  Gefahr  hin,    dass  Deutschland  noch  fernerhin,    wie  bisher, 
von  den  Vorkämpfern  des  Naturalismus  für  das  Vaterland  des  ^hohlen 
Idealismus^'  angesehen  werden  sollte,    wie  es  in  der  Bevue  röaliste 
geschehen  ist. 

Auch  ohne  Zola  und  vor  ihm  hat  die  naturalistische  Rich- 
tung, sei  es  angeregt  durch  Balzac  und  später  durch  Flaubert,  oder 
sei  es  urwüchsig  mid  durch  Naturnotwendigkeit  erzeugt,  in  Russland 
Boden  gefasst.  Gogol  stellt  sich  durch  seine  „Todte  Seelen"  und 
durch  seinen  „Revisor",  Turgenjew  durch  seine  Romane  „Väter  und 
Söhne *^  und  „Neuland"  etc.,  allerdings  nicht  in  so  verletzender 
Weise  vrie  die  Franzosen  selbst,  in  die  Reihe  der  Anhänger  dieser 
Schule;  der  Letztere  ist  auch  in  Frankreich  den  Jüngern  derselben, 
wie  Maupassant,  sehr  gewogen  gewesen.  Wer  Dostoz^wsky^s  Roman 
Staskölnikow  gelesen  hat,  wird  teils  in  den  geschilderten  Auftritten, 


312  H,  J.  HeUer 

teils  in  den  Stimmungsbildern  ganz  die  naturalistische,  nicht  gerade 
erquickliche  und  erfrischende  Luft  einzuatmen  geglaubt  haben. 
Natürlich  haben  alle  diese  Schriftsteller  rein  russische  ZusÜlnde,  aber 
mit  naturalistischen  Augen  angesehen,  geschildert. 

In  ähnlicher  Weise  haben  Ibsen,  z.  B.  im  Bund  der  Jugend 
in  den  Stützen  der  Gesellschaft,  im  Volksfeind,  Bjömson  BjÖm- 
steme,  z.  B.  in  dem  Fischermädchen  skandinavische,  Maurus  Jöka, 
ungarische,  Galdos  in  der  Donna  Perfecta  spanische  Verhältnisse 
behandelt.  Über  ganz  Europa,  von  Stockholm  bis  Cadix,  von  Pest 
und  Petersburg  bis  London  weht  der  Wind  aus  der  naturalisti- 
schen Ecke. 

Als  die  Eevue  röaliste  1879  eine  Übersicht  über  die  Kunst 
aller  Zeiten  und  Länder  gab,  so  weit  diese  ihrem  Sinne  gemäss  zu 
sein  schien,  wusste  sie  von  litterarischen  Werken  Deutschlands  nur 
Wilbrandfs  Arria  und  Messalina  als  naturalistisch  anzuführen;  — 
Sacher  Masoch  und  seine  Messalinen  Wiens  müssen  dem  Verfasser 
des  Essays  wohl  nicht  bekannt  gewesen  sein;  —  dagegen  bringt 
sie  einige  Namen,  und  zwar  sehr  erlauchte,  in  den  andern  Künsten 
als  Vertreter  ihrer  Prinzipien  auf;  in  der  Malerei  hat  sich,  nach 
ihrer  Meinung,  ähnlich  wie  Courbet  in  Frankreich,  nur  Menzel  durch 
seine  Schmiede,  die  1878  auf  der  Weltausstellung  den  Franzoseu 
bekannt  geworden  war,  als  Realist  ausgezeichnet;  sie  zählen  auch 
Gussow  zu  den  Ihrigen,  wahrscheinlich  weil  er  bisweilen  hässliche 
alte  Weiber,  aber  in  virtuoser  Weise,  gemalt  hat.  In  der  Musik 
finden  sie  dagegen  den  Realismus  bei  Weber,  gewiss  vornehmlich 
wegen  des  Spottchors  und  des  Kaspar  im  Freischütz,  in  Schumann, 
Meyerbeer,  hauptsächlich  wohl  wegen  des  Marcell  in  den  Hugenotten, 
und  Wagner,  vermutlich  wegen  der  Nachtwächterszene  in  den 
Meistersängen!,  wegen  des  Alberich  im  Nibelungenringe  und  wegen 
der  Kundry  im  Parsifal,  wenn  sie  diesen  schon  gekannt  haben,  in 
eminenter  Weise  vertreten ;  —  beiläufig  gesagt,  wird  der  Bayreuther 
Meister  sehr  erstaunt  gewesen  sein,  wenn  er  erfahren  hat,  dass  er 
in  Frankreich  so  ohne  weiteres  mit  dem  Komponisten,  den  er  immer 
am  eifrigsten  bekämpfte,  zusammengeworfen  worden  ist;  —  diese 
deutschen  Musiker  —  und  den  eigenen  Berlioz  —  empfehlen  die 
Vorschriften  des  Realismus  den  französischen  Tonsetzern  zur  Nach- 
eiferung. 

Jetzt  würde  die  genannte  Revue  eine  reichlichere  Ausbeute  in 
der  deutschen  Litteratur  haben  machen  können. 

Wie  sehr  Deutschland  in  litterarischer  Beziehung  immer  noch 
—  oder  jetzt  wieder  —  von  Frankreich  abhängig  ist,  sieht  man 
nicht  nur  daraus,  dass  unsere  Theater  für  Neuheiten  grösstenteils 
auf  die  dramatischen  Erzeugnisse  der  überrheinischen  Nachbarn  an- 
gewiesen sind,   man   sieht  es  auch   an  den  Einflüssen,   welche  Zola 


Der  Naturalismus  in  der  Rommidichtung  frankreichs  etc.       313 

und  der  Naturalismus  auf  unsem  Roman  ausgeübt  hat,  an  der 
Fülle  von  Besprechungen,  welche,  sei  es  tadelnd,  sei  es  rühmend, 
über  die  Schriften  dieses  Mannes  in  unserer  Presse  fortwährend 
laut  werden. 

Es  ist  bei  uns  bisher  noch  nie  vorgekommen,  dass  über  einen 
unserer  eigenen  Dichter,  selbst  nicht  über  Göthe,  bei  seinen  Leb- 
zeiten eine  so  ausführliche  Analyse  seiner  sämtlichen  Werke  er- 
schienen ist,  wie  sie  Welten  über  den  ausländischen  Schriftsteller  in 
dem  Buche  Zola -Abende  bei  Frau  von  S.,  Berlin  bei  Auerbach, 
1883,  und  Gerstmann  über  Alphonse  Daudet,  ebenda,  veröffent- 
licht haben. 

In  feuilletonistischer  Plauderei  doziert  Welten  der  Frau  von 
8.,  die  eben  so  wenig  wie  ein  Schüler  seinem  Lehrer  widersprechen 
und,  ohne  Kenntnis  der  Sache,  gegen  seine  Behauptungen  keine 
Einwendungen  machen  kann,  was  im  Boman  exp6rimental  von  der 
wissenschaftlichen  Methode  auseinandergesetzt  wird,  als  unumstöss- 
liche  Wahrheit  —  entweder  ohne  Ahnung  von  der  ganz  haltlosen 
Grundlage,  auf  welcher  die  angebliche  Wissenschaftlichkeit  steht, 
oder  diese  Unsicherheit  absichtlich  verschweigend.  Sodann  „legt  er 
den  Kern  der  Handlung  und  die  Tendenz  bloss  und  charakterisier 
die  Hauptfiguren".  Wenn  er  sich  auch  nicht  verhehlen  kann,  dass 
die  Romane  nahezu  alle  nicht  bloss  veifängliche  Situationen  auf- 
weisen, sondern  dass  der  Gesamtbereich  der  meisten  bedenklich  ist, 
so  weiss  er  doch  jene  Punkte  oder  diesen  Inhalt  regelmässig  auf 
die  eine  oder  die  andere  Weise  zu  beschönigen;  er  hat  mit  dorn 
Laster  Mitleid,  wenn  es  tragisch  endet,  oder  mit  der  Gemeinheit, 
weil  sie  eine  Folge  der  Zeitläufte  ist;  in  letzter  Linie  muss  die 
Versicherung  des  sittlichen  Ernstes  des  Verfassers  über  alle  Unge- 
heuerlichkeiten hinweghelfen. 

Überall  findet  er  femer  die  Entwickelung  der  Charaktere  und 
der  Begebenheiten  mit  strenger  Folgerichtigkeit,  mit  unerbittlicher 
Logik  durchgeführt.  Das  ist  gewiss  in  den  meisten  Fällen  zutreffend, 
in  einzelnen  können  gegründete  Einwendungen  gegen  ZoWs  Führungs- 
weise der  Personen  vorgebracht  werden,  besonders  da,  wo  der 
naturalistische  Dichter,  ganz  wie  jeder  andere,  von  der  Beobachtung 
hat  absehen,  wo  er  die  Phantasie  hat  zu  Hilfe  nehmen  müssen. 
Denn  allerdings  konnte  er  wohl,  um  La  Confession  de  Claude  zu 
schreiben,  an  sich  selbst  oder  auch  an  einem  Kameraden  das  all- 
mähliche Verkommen  des  Mannes,  der  seine  Liebe  an  eine  unwür- 
dige Dirne  wegwirft,  erfahrungsmässig  festgestellt  haben ;  aber  sicher- 
lich fand  er  keinen  Laurent,  keine  Th^r^se  Raquin,  welche  ihn  so 
weit  in  ihr  Vertrauen  gezogen  hätten,  um  ihm  einzugestehen,  dass 
sie  ein  unerlaubtes  Liebesverhältnis,  welches  sie  bei  Lebzeiten  des 
Ehemannes  angeknüpft  hatten,  nach  der  verbrecherischen  Beseitigung 


a.  J.  HeOer 

->  -I  SV  '!^i^  <tft«n  dorcli  den  S^n  der  Kirdie  rereint  wueo, 
-'->".  !|<(ii)j{  vttfB  Hut  tmd  die  Neignng  behalten  bonnten. 
'\  F-»i  ''^lüpt  Jarchans  nicfat  zwingend  aas  der  Sitaation  nnd 
"^^ —■■<■' «i»i  !Mi.'h  einbände  Änoabnie.  Denn  EljtSmnestra  «od 
't  '>i'tttttu<,V  Uuttor  nnd  Oheim  sind  genau  in  derselben  Lage 
—- .■*  lic«».  wrbrecherische  Verbindung,  auch  nach  der  Brmor- 
■J-  IVIWiwaoner  in  aller  Enhe  fort-,  und  doch  geben  ihnen 
'■  '""1  l.'b«(^  an  Frechheit  dnrchaas  nichts  nach.  Die  Logik 
-^'')>'<M  wie  des  Shakespeare  geht  in  diesem  Falle,  trotz  der- 
'  >-tiia>idiMi,  auf  eine  andere  Folgerang  hinaus  als  die  Zola's. 
-UK  lül)  ijee  Letzteren  VorauBsetzang  m^lich,  aber  nicht  not- 
l>  iwuö  „Diehterkünste"  haben  im  Drama  wie  in  der  Er- 
o  mii-  wenigstens  nicht  einmal  die  Überzeugung  der  „Wahi^ 
'k^iIji- lugen  kUnnen,  das  Ergebnia  mir  keinesweges  „uatürlich" 
iiH-u  Iftsaen.  Denn  die  Verheiratung  Laurenfa  mit  Thörfese 
it  Jiu'f,  geaelznässig,  erst  etwa  ein  Jahr  nach  dem  Tode  ihres 
'a  vi't'olgen ;  sie  sind  während  dieser  Zeit  immer  wieder  nnd 
^utiammen  gewesen;  wanim  fallen  der  Wittwe  gerade  erst 
ui-haeitabend  diese  Skrupel  ein? 

Wie  Zola  selbst  nur  Personen  mit  Instinkten  ohne  alle 
>iuuergie  vorführt,  kann  natürlich  auch  Welten,  wenn  er  ihre 
"ugaweiHfl  logisch  findet,  iu  ihr  nur  deu  durch  Oelegenheit 
iUng  gereizten  Trieb  anerkennen.  Wo  ihnen  nicht  Folge  ge- 
wii'd,  darf  nur  eine  physiologische  Indisposition  angenommea 
u.  In  Thereseus  Fall  —  die  Erkältung;  und  das  wirkt 
jiid. 

Das  Kaiserreich  hat  demorahsierend  auf  die  höhere  Gesell- 
gewirkt, mag  sein,  aber  doch  nicht  auf  das  ganze  Volk,  nicht 
iü  ganze  Bürgerklasse.  Schüdert  man  die  allgemeine  Demo- 
.ion,  so  tbut  man  es  doch  aus  eigener  Wahl,  und  eben  diese 
bleibt  anfechtbar.  Es  ist  in  Zola'a  Schriften  so  vieles  aner- 
iiBwerte,  warum  konnte  Welten  sich  nicht  begnügen,  dies 
anheben,  warum  musste  er,  wie  der  Advokat  eines  Änge- 
u,  nahezu  alles,  auch  das  AustSss^  loben  oder  wenigstens 
ligen?  Und  trotz  dieses  Bestrebens,  das  schon  durch  den 
des  Buchs,  Zola  bei  uns  Eingang  und  eine  bessere  Würdl- 
zu  verschaffen,  ihm  auferlegt  war,  muss  er  bei  Madelsine 
bei  La  Onröe  und  bei  den  noch  schlimmeren  Nana  und  Pot- 
i  seine  Vorbehalte  machen ;  die  letzteren  erklärt  er  sogar,  »!s 
am  Ende  seiner  langen  Arbeit  ihm  doch  das  ästhetische  Ge- 
geklopft hätte,  für  verfehlt,  weil  „sie  das  SchQnheitsgefUhl 
*n".  Welche  Erwiderung  vermag  er  wohl  denen  zu  geben, 
:  ihm  sagen,  dass  ihr  Schönheitsgefühl  auch  bei  vielen  Stellen 
idem  Werke  Zola's  verlelat  wird? 


Der  Naiuralismus  in  der  Romandichiung  Frankreichs  etc.       315 

Von  dem  Vorwurf,  die  ihm  eigentümliche  Art  der  Schilderun- 
gen aufgesucht  zu  haben,  kann  man  diesen,  wenn  man  die  ganze 
Reihe  seiner  Romane  überblickt,  nach  gerechtem  Ermessen,  nicht 
freisprechen.  Und  wenn  man  einen  langen,  in  Tugend  schwelgenden 
Roman  Richardson's  nicht  ohne  Überdmss  auszulesen  im  Stande  ist, 
wird  man  doch  andererseits  ein  wenn  auch  ungleich  kürzeres  von 
Lastern  strotzendes  Buch  wie  Nana  oder  Pot-bouille  nicht  ohne  Ekel 
zu  Ende  bringen. 

Zola,  eben  so  sehr  wie  die  Bouleyardschriffcsteller,  verleumdet, 
um  Aufsehen  zu  erregen  —  und  das  ist  ihm  gelungen  —  durch 
diese  Ausschliesslichkeit  seiner  Schilderungen  die  Pariser  Gesellschaft. 
Die  adligen  Damen  sind  zur  Zeit  der  Restauration  nicht  so  durch- 
weg ausschweifend  gewesen,  wie  der  Legitimist  Balzac  sie  hinstellt, 
unter  dem  zweiten  Kaiserreich  ist  das  Bürgertum  nicht  so  lüderlich 
geworden,  dass  ein  und  dasselbe  Haus,  wie  es  in  dem  zuletzt  ge- 
nannten Roman  ausgeführt  wird,  ein  blosses  Nest  der  Unzucht  l^tte 
sein  sollen.  Diesen  Anschauungen  stehen  die  Behauptungen  anderer 
Franzosen,  darunter  auch  vieler  Schriftsteller,  gegenüber,  welche,  im 
Widerspruch  dazu,  in  dem  Kern  des  Volks,  dem  Bürger-  und 
Bauernstände,  gesunde  Grundsätze,  in  den  höheren  Klassen  —  die 
Börsengauner  natürlich  abgerechnet  —  überwiegend  edle  Gesinnung 
anerkennen.  Wer  auf  den  Skandal  spekuliert,  hat  freilich  überall 
mehr  Zulauf.  Liesse  man  von  den  Romanschriftstellern  die  Meinung 
bestimmen,  so  müsste  man  in  Frankreich  jeden  Menschen  ohne  Aus- 
nahme für  einen  Ehebrecher,  jeden  Engländer  dagegen  für  einen 
Wechselfälscher  halten. 

Hier  hört  die  Wahrheit,  trotz  aller  Beteuerungen,  auf.  Und 
selbst  wenn  wahr,  wären  solche  Schilderungen  poetisch?  Die  noch 
so  getreue,  meinetwegen  photographische  Kopie  des  ersten  besten  ist 
doch  noch  immer  nicht  Poesie.  Selbst  in  Pans  sehnt  man  sich 
jetzt  allgemein  nach  ^ reinlicher^  Lektüre.  Der  Figaro  vom  8.  De- 
zember 1883  folgert  es  aus  dem  unerhörten  Glück,  welches  ein  so 
harmloses  Buch  wie  Tristesses  et  Sourires  von  Gnst.  Droz  macht. 

Das  Buch  Welten's  ist  mit  Vorsicht  zu  lesen.  Nicht  etwa, 
dass  materielle  Irrtümer  darin  vorkämen.  Was  ich  davon  bemerkt 
habe,  ist  unbedeutend.  Nicht  der  Roman  Thör^se  Raquin  ist  aus 
dem  Theaterstück  gemacht  worden,  sondern  umgekehrt,  wie  Zola 
selbst  in  der  Vorrede  zum  Drama  ausführlich  und  mit  einer  ge- 
wissen Herausforderung  der  Kritik  auseinandersetzt.  Den  Ausdruck 
Naturalismus  hat  sicherlich  kein  Franzose  von  dem  Wort  naturalia 
in  der  Redensart  naturalia  non  sunt  turpia  abgeleitet,  das  ist  zu- 
verlässig der  Spott  eines  Berliner  Journalisten,  den  ich  wenigstens 
Bedenken  getragen  haben  würde  gegen  Frau  von  S.  zu  wiederholen. 
Die  von   Welten    stark    gelobte   Übersetzung    des  Assommoir    von 


316  H,  /.  HeOer 

W.  König  wimmelt  von  den  grotegkesien  Schnitzern,  wie  im  Maga- 
zin für  die  Litteratur  des  Auslandes,  1881,  nr.  12  (19.  März)  ein- 
gehend nachgewiesen  worden  ist.  Welten^s  eigene  sonst  ganz  ge- 
schickte Übeiiiragung  einzelner  Stellen  anderer  Bomane  ist  nicht 
frei  von  manchen  argen  Druckfehlern  und  einigen  unzweifelhaften 
Sprach  versehen.  —  In  vollständiger  deutscher  Ausgabe  sind  ausser 
dem  Assommoir,  Le  Ventre  de  Paris  und  Une  Page  d'amour,  noch 
La  Faute  de  Tabbe  Mouret  und  Nana  erschienen,  beide  jedoch  in 
den  Leihbibliotheken  Berlins  konfisziert,  das  erstere,  sagt  man, 
wegen  eines  Ausdrucks.  In  französischer  Sprache  dürfen  alle,  auch 
die  schlimmsten,  ruhig  weiter  gelesen  werden. 

Vor  den  Anpreisungen  Welten's  muss  man  demnach,  wie  ich 
hinreichend  gezeigt  zu  haben  glaube,  auf  der  Hut  sein.  Sonst 
wird  seine  lieissige  Arbeit  wesentlich  dazu  beitragen,  manche  unbe- 
gründete, gar  zu  missgünstige  und  alles  ohne  Ausnahme  verwer- 
fende Vorurteile  gegen  Zola  und  den  Naturalismus  zu  zerstreuen 
und  zu  beseitigen.  Was  davon  gesund  ist,  wird  durchdringen  und 
bleiben.  Nur  schadet  leider  hier  wie  überall  die  Übertreibung  der 
Seiden  der  allseitigen  Aufnahme  der  wirklichen  Verbesserungen. 

Man  glaube  nicht,  dass  Welten  mit  seinen  Ansichten  bei  uns 
allein  steht.  Weit  über  ihn  hinaus  gehen  in  der  unbedingten  Ver- 
herrlichung Zola's  Nordau  in  seinem  Buche  über  Paris,  auch  im 
Magazin  1882,  nr.  2,  und  Conrad  z.  B.  im  Magazin  1882,  nr.  12, 
1883,  nr.  42.  Die  Vorliebe  für  die  Schilderung  des  Lasterhaften, 
die  Hochschätzung  des  Gemeinen,  der  Kultus  des  Hässlichen  wächst 
und  nimmt  überhand.  Ein  Kritiker,  dem  der  Redakteur  einer  2iei- 
tung  Peschkau's  Reichsgräfin  von  Walbeck  zur  Berichterstattung 
einhändigte,  rief,  in  dem  Buche  blätternd:  „Gott  sei  Dank I  endlich 
einmal  ein  Roman,  in  dem  auch  eine  Dirne  vorkommt!^  Dieser 
Ausruf  ist  erklärlich.  Die  Rezensenten  haben  allerdings  unter  der 
Plattheit  und  der  Prüderie  der  „familienblättlichen"  Litteratur  stark 
zu  leiden.  Aber  liegt  nicht  die  Gefahr  nahe,  dass,  gerade  wegen 
Zola's  verleitenden  Vorgangs,  was  sonst  am  Realismus  und  Na- 
turalismus vollauf  berechtigt  ist,  mit  der  Beschränkung  auf  die 
blosse  Darstellung  der  Lasterhaftigkeit  verwechselt  werde? 

Diejenigen  deutschen  Erzähler,  an  denen  der  Einfluss  Zola's^ 
mag  er  durch  unmittelbare  Einwirkung  erfolgt  oder  durch  den  ein- 
mal dahin  gehenden  Zug  der  Zeit  veranlasst  sein,  sich  am  deutlichsten 
zeigt,  sind  Kretzer  und  Kirchbach. 

Es  thut  mir  leid,  diese  Namen  mit  einigen  von  den  hier  ge- 
nannten Schriftstellern,  wie  Flaubert,  Zola  selbst  und  besonders 
Turgenjew,  welche  jedenfalls  ihren  europäischen  Ruf  wohl  verdient 
haben,  zusammenstellen  zu  müssen ;  aber  der  Charakter  ihrer  Ar- 
beiten   bringt    es    einmal    mit    sich.     Wenn   auch  mit  geringerem 


Der  Naiuralüfmvs  in  der  Romandklitnng  Frankreichf  etc.        317 

Talent  und  Erfolg  als  jene,  haben  sie  sich  doch  auch  der  realisti- 
schen oder  geradezu  naturalistischen  Behandlungsweise  des  Romans 
zugewendet,  vorzüglich  durch  die  Stoffe,  welche  sie  bearbeiten;  man 
braucht  darauf  hin  nur  Kretzer's  „Die  Betrogenen**  und  „Die  Ver- 
kommenen**, —  in  deren  Anpreisungen  er  Zola  an  die  Seite  ge- 
stellt wird,  —  so  wie  Eirchbach^s  „Reichshauptstadt**  in  dem  Cyklus 
„Kinder  des  Reichs**  einzusehen.  Aber  es  darf  dem  letzteren  die 
Anerkennung  nicht  versagt  werden,  sich  von  den  groben  Aus- 
schreitungen des  französischen  Romanciers  fem  gehalten  zu  haben. 

Weit  zarückgeblieben  sind  Beide  hinter  dem  Franzosön  in  der 
Anlage,  in  der  Form  und  im  Stil. 

Was  sie  ihm  nicht  nachzumachen  verstanden  haben,  das  ist 
die  geschickte  Erfindung  der  zu  Grunde  gelegten  Annahmen.  Die 
Verhältnisse,  in  denen  Zola  seine  Personen  auftreten  und  wirken 
lässt,  sind  bis  auf  wenige  Ausnahmen  durchaus  ihnen  natürliche 
und  angemessene ;  im  grössten  Teil  der  Kretzerschen  Romane  wie  in 
sämtlichen  Erzählungen  der  Kinder  des  Reichs  von  Kirchbach  sind 
die  Voraussetzungen  völlig  anzutreffend,  und  die  darauf  ge- 
bauten Geschichten  darum  haltlos.  Bei  Zola  mnss  man  we- 
nigstens die  Richtigkeit  der  Darstellung  und  der  Folgerungen 
auf  Grundlage  seiner  Annahmen  und  Voraussetzungen  anerkennen, 
auch  wo  der  Inhalt  zurückstossend  ist;  er  würde  Kunstwerke 
schaffen,  wenn  er  seinen  Büchern  einen  andern  Gehalt  zu  geben 
verstehen  könnte. 

Will  man  femer  das  Geschick  Zola^s  in  der  Beschreibung 
gegenüber  der  Kretzer'schen  Manier  recht  deutlich  erkennen,  ver- 
gleiche man  die  Schilderung  des  Anblicks  von  Paris  in  Une  Page 
d'amour  mit  der  von  dem  deutschen  Schriftsteller  in  den  Betrogenen 
I,  S.  68  vorgeführten  Ansicht  des  Arbeiterhofes.  Hier  wie  dort 
steht  eine  Frau  am  Fenster;  Zola  schildert,  was  Helene  von  diesem 
Standpunkte  aus  wirklich  erblicken  kann,  Kretzer,  der  ein  stimmungs- 
volles Bild  geben  will,  das,  was  allein  aus  der  Vogelperspektive 
wahrgenommen  werden  könnte;  denn  es  ist  unmöglich,  von  einem 
Hoffenster  aus  über  iele  Höfe  und  zugleich  die  Strasse  entlang  zu 
sehen;  er  beschreibt,  was  er  ßich  denkt,  nicht  was  Maria  sieht; 
man  merkt  es  ausserdem  an  den  wohlgemeinten,  aber  nicht  an  rechter 
Stelle  und  in  rechter  Weise  vorgebrachten  Reflexionen  über  das 
Elend,  welches  die  Häuser  der  Arbeitergegend  bergen;  sollten  hier 
Betrachtungen  folgen,  hätte  Marie  sie  anstellen  müssen.  Kein  Wunder, 
dass  ein  solches  Bild  nicht  anschaulich  werden  kann. 

Bis  jetzt  ist  demnach  —  ich  brauche  es  nicht  weiter  im 
einzelnen  auszuführen  —  der  Versuch,  den  naturalistischen  Roman 
in  Deutschland  mit  Glück  einzubürgern,  gänzlich  misslungen.     Wer 


•  I 


i  ^.  ^«iS^.  Der  NatttraUtmus  m  der  Romandkhiumg  etc. 


.^i^  vst^mö;^^  Y^rst^t  sieb  ohne  ihn  zu  einer  Lasterschole  za  maehen, 

v^a(Ui>  >^tM^  Wdeatenden  Erfolges  gewiss  sein  können.     Was  überall 

^^>^U  lo^Ck  Wt  der  zwingende  Eindruck  der  Wahrheit,  der  bei  Zola 

<w>  utK>*'«4l(igdnd  wirkt,  und  an  dem  unsere  Realisten  es  noch  ganz 

i'i>vuas>  ^^^  lassen,  wie  diejenigen  unsrer  Bomanschriftsteller,  welche 

^i,v^  i^M  für  Idealisten  ausgeben. 

H.  J.  Heller. 


Druck  von  Erdmann  Raabe  in  Oppeln. 


Zeitscliriffc 


für 


neufranzösische  Sprache 

und  Litteratur 

mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Unterrichts 
im  Französischen  auf  den  deutschen  Schulen 


herausgegeben 


von 


Dr.  G.  KoBrting  und  Dr.  E.  Koschwitz 

Prof.  a.  d.  Akademie  zu  Ilnster  i/W.   Prof.  a.  d.  üniTersitat  zu  ßreilswalil. 


Band  VI. 

Zweite  Hälfte:  Referate  und  Rezensionen  eto. 


OFFELN. 

Engen  Franck's  Buchhandlung 
(Ctoorgr  Maske) 

1884. 


Inhalt. 


Referate  und  Rezensionen. 

Seite 

K,  Bartsch,  Alte  französische  Volkslieder  (W.  Scheffler)     .     .  27 

ö.  Danker,  Die  Realgymnasien  bez.  Realschulen  I.  0.  (P.  Dörr)  14 

Z.  Dumoustier,  Moliöre  auteur  et  com^dien  (H.  Humbert)    .     .  264 

/.  trank,  Satyre  M^nippäe  (R.  Mahrenholtz) 261 

G.  Körting^  Encyclopädie  und  Methodologie  der  romanischen  Phi- 
lologie (R.  Schmidt) 1 

H.  Krause,  Wycherley  und  seine  französischen  Quellen  (J.  Klette)  117 
A.  Kressner,   Aufsätze  technischen  und  historischen  Inhalts  zum 

Übersetzen  ins  Pranzösische  (J.  Sarrazin) 131 

de  Lescure ^  Rivarol  et  la  sociät^  fran9ai8e  (W.  Brummert)     .  193 
F.  Loiheisseny  Geschichte  der  französ.  Litteratur  im  XVII.  Jahr- 
hundert, Bd.  IV.  (R.  Mahrenholtz) 35 

R.  Mahrenholtz,  Voltaire  im  Urteil  der  Zeitgenossen  (J.  Sarrazin)  113 
L,  A,  Menardy  Le  Li  vre  abominable  de  1665  (R.  Mahrenholtz)  37 
P,   ^orrenberg.   Allgemeine    Litteraturgeschichte    (R.    Mahren- 
holtz)       262 

A.  Stern,  Geschichte  der  neueren  Litteratur  (W.  Scheffler)     .  114 
A.  Thibaut,  Wörterbuch  der  französischen  und  deutschen  Sprache 

(Ph.  Plattner) 257 

M.  Trautmann,  Die  Sprachlaute   im  Allgemeinen  und  die  Laute 
im  Engl.,  Französ.  und  Deutschen  im  besonderen  (E.  Ein- 

enkel) 124 

W.  Wiedmayer,  Französische  Stilübungen  (J.  Sarrazin).     .     .  132 

-ß.  Wilcke,  Anleitung  zum  französ.  Aufsatz  (W.  Scheffler).     .  22 

LiTTEBARlSGHE   ChRONIK.*) 

Lexikalische  Arbeiten.     Dictionnaires  d'argot  (E   Koschwitz).  38 

Syntaktische  Arbeiten  (A.  Haase) 52 


*)  Da  die  Titel  der  unter  dieser  Rubrik  besprochenen  Bücher  und 
Schriften  in  dem  systematischen  Verzeichnisse  am  Schlüsse  dieses  Ban- 
des unter  Verweis  auf  die  betr.  Seiten  angeführt  worden  sind,  so  er- 
schien es  zwecklos,  sie  hier  zu  wiederholen. 


IV 

Schulgrammatiken.  Ubungsbiicher.  Methodik  des  französischen 
Unterrichts  (A.  Rambeau,  E.  Koschwitz,  Ph.  Platt- 
ner, J.Sarrazin,  O.Schulze,  A.  Rhode,  G.  Willen- 
berg)     55,   134,  280,  267 

Schulausgaben  (W.  Knörich,  C.  Th.  Lion)     ....     155,  245,  269 
Pädagogische    Schriften    (E.    von   Sallwürk^  W.  Münch,  A. 

Klotzsch) 285 

Zeitschriftenschau. 

Centralorgan  f.  d,  Interessen  des  Realschulwessns  (C.  Th.  Lion)  84,  248 

Deutsche  Litteraturzeitung  (D.  Behrens) 171 

Litterarisches  Centralblatt  (C.  Th.  Lion) 88 

Litteraturbl.  für  german.  und  romanische  Philologie  (D.  Behrens)  97 

Magazin  f.  d.  Litteratur  des  In-  und  Auslandes  (D.  Behrens)  .  100 

Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  (C.  Th.  Lion)  .  89 

Revue  critique  (D.  Behrens) 169 

Revue  politique  et  litteraire  (D.  Behrens) 169 

Romania  (D.  Behrens) 95 

Zeitschrift  für  das  Realschulwesen  (F.  Zvöfina) 90 

Zeitschrift  für  romanische  Philologie  (D.  Behrens) 95 

Pkogrammschau. 

österreichische  Programme  (F.  ZvÖfina) 165 

MiSZELLEN, 

L.  Berirand,  Les  Parisismes  de  M.  Villatte 183 

G.  Erzgräher,  Eine  Rectification 310 

H.  Gattthier- Villars,  Zum  Pariser  Argot 185 

Hummel,  Zur  Verwahrung  und  Richtigstellung 306 

B.  Mahrenholiz,  Dr.  H.  Schweitzer  und  das  Moli^re-Museum  .    .  173 
R,  Mahrenholiz,  XXX VII.  Versammlung  deutscher  Philologen  und 

Schulmänner  zu  Dessau 304 

R.  Meyer ^  Grammatische  Bemerkungen.    1 175 

/.  Sarrazin,  Die  französische  Schullektüre  der  badischen  Gymna- 
sien und  Progymnasien 254 

F,  ZveHna,  Ultimatum  in  Sachen  der  Satyre  Mdnippde  ....  101 

Verzeichnisse. 

Novitäten -Verzeichnis 108,  189,  255 

Systematisches  Verzeichnis  der  in  der  „Revue  des  deux  mondes" 

Jahrgang  1883  enthaltenen  Artikel  etc.  von  R.  Schmidt  314 

Systematisches  Verzeichnis  sämtlicher  im  VI.  Bande  dieser  Zeit- 
schrift   beurteilten    oder    doch    erwähnten    Werke    und 

Schriften  von  A.  Aschenberg 326 

Nachtrag  von  demselben 341 


Referate  und  Rezensionen. 


Encyklopädie  und  Methodologie  der  romanischen  Philo- 
logie mit  besonderer  Berücksichtigang  des  Französischen, 
von  6.  KSriing.  Erster  Teil.  Erstes  Buch:  Erörterung 
der  Yorbegriffe.  Zweites  Buch:  Einleitung  in  das  Studium 
der  romanischen  Philologie.  Heilbronn,  Gebr.  Henninger. 
1884.     VI  +  244  S.  S^^) 

Das  Werk  „gliedert  sich  in  drei  Teile;  der  erste  erörtert  die 
Vorbegriffe  und  giebt  eine  Einleitung  in  das  Studium  der  romani- 
schen Philologie,  der  zweite  soll  die  Encyklopädie  der  romanischen 
Gesamtphilologie  behandeln,  der  dritte  endlich  sich  mit  der  Ency- 
klopädie der  romanischen  Einzelphilologien  beschäftigen". 

Von  dem  ganzen  Werk  liegt  uns  der  erste  Teil  vor,  die 
beiden  anderen  „werden  in  thunlichst  kurzer  Zeit  nachfolgen^. 

Das  der  „Erörterung  der  Vorbegriffe"  gewidmete  I.  Buch  des 
I.  Teiles  besteht  aus  den  folgenden  neun  Kapiteln:  I.  die  Sprache, 
n.  Einteilung  der  Sprachen,  HI.  die  Schrift,  FV.  die  Litteratur, 
V.  Begriff  der  Philologie,  VI.  Umfang  und  Gliederung  der  Philologie, 
Vn.  Hülfswissenschaften  der  Philologie,  VIII.  Begriff  der  Encyklo- 
pädie, IX.  Begriff  der  Methodologie. 

Das  II.  Buch  des  I.  Teiles  giebt  die  „Einleitung  in  das 
Studium  der  romanischen  Philologie^.  Es  besteht  aus  acht  Kapiteln: 
I.  das  Latein,  II.  das  Romanische,  HI.  die  romanischen  Einzel- 
sprachen, IV.  Begriff  der  romanischen  Philologie,  V.  die  Hülfswissen- 
schaften der  rom.  Philologie,  VI.  der  Begriff  der  Encyklopädie  und 
Methodologie  der  rom.  Philologie,  VH.  Bemerkungen  über  die  Ge- 


*)  Eine  kritische  Besprechung  des  Werkes  wird  hier  erschei- 
nen, nachdem  auch  der  zweite  Band  desselben  zur  Veröffentlichung 
gelangt  ist.  D.  Red. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI  2.  ^ 


2  Referate  und  Rezensionen.    R.  Schmidt, 

schichte  der  rom.  Philologie,  VIII.  BemerkuDgen  über  das  akademische 
Studium  der  rom.  Philologie. 

Aus  der  Anführung  dieser  Überschriften  ersehen  wir  bereits, 
dass  sich  der  Inhalt  der  beiden  Bücher  vollständig  entspricht.  Im 
I.  Buch  wird  der  Ursprung  und  die  Entwicklung  der  Sprachen 
(Kap.  1  —  4) ,  die  Einteilung  derselben  (Kap.  2) ,  die  Philologie 
(Kap.  5 — 6)  und  ihre  Hülfswissenschaften  (Kap.  7),  die  Encykloj^die 
(Kap.  8)  und  die  Methodologie  (Kap.  9)  des  Sprachstudiums  im 
allgemeinen  behandelt.  Im  IL  Buch  wird  der  Ursprung  und  die 
Entwickelung  der  rom.  Sprachen  (Kap.  1 — 2),  die  Einteilung  der- 
selben (Kap.  3),  ihre  Philologie  (Kap.  4)  und  deren  Hülfswissen- 
schaften (Kap.  5),  die  Encyklopädie  (Kap.  6)  und  die  Methodologie 
(Kap.  8)  des  Studiums  der  rom.  Sprachen  im  besonderen  be- 
handelt —  Bevor  der  Verf.  in  Kapitel  8  zu  seinen  „Bemerkungen 
über  das  akad.  Studium  der  rom.  Philologie''  übergeht,  giebt  er 
zunächst  in  einem  besonderen  Kapitel  eine  kurze  Geschichte  dieses 
Studiums,  daher  findet  sich  im  IL  Buch  als  7.  Kap.  eingeschoben: 
„Bemerkungen  über  die  Greschichte  der  rom.  Philologie '', 

Wir  gehen  jetzt  zu  einer  kurzen  Darlegung  des  Inhalts  der 
einzelnen  Kapitel  über,  welche  ihrerseits  wieder  in  eine  Reihe  von  Para- 
graphen zerfallen.  Es  würde  uns  zu  weit  führen,  auf  jeden  einzelnen 
der  letzteren  einzugehen;  wir  geben  hier  nur  die  Hauptgedanken 
und  Gesichtspunkte. 

Das  1.  Kap.  behandelt  die  Sprache  im  allgemeinen;  es  be- 
schäftigt sich  in  logischer  Reihenfolge  zunächst  mit  dem  Begriff  und 
Ursprung,  dann  mit  der  Entwickelung  derselben,  schliesslich  mit  der 
Litteratnr.  §  1 — 12  können  wir  zusammenfassen  unter  dem  Ab- 
schnitt: Begriff  und  Ursprung  der  Sprache,  §  13 — 15  unter  dem 
der  Sprachentwickelung,  §  16 — 17  unter  dem  der  Litteratur.  Der 
letzte  Paragraph  des  Kapitels  (§  18)  zeigt  die  verschiedenen  Arten 
der  wissenschaftlichen  Erforschung  der  Sprache  (Sprachphilosophie, 
Sprachwissenschaft,  Philologie).  Als  Anhang  folgen  ^Litteraturau- 
gaben^.  Einige  Punkte,  auf  welche  in  diesem  Kapitel  nur  ein- 
leitungsweise hingewiesen  wird,  finden  erst  in  den  nächsten  Kapiteln 
ihre  ausführliche  Erörterung;  wir  werden  sie  ebenfalls  dort  erwäh- 
nen und  geben  hier  nur  kurz  die  Faktoren  an,  welche  nach  Körting 
die  Entwickelung  der  Sprache  bedingen.  Die  Motive  der  Sprach- 
entwickelung beruhen  auf  inneren  und  äusseren  Einflüssen;  den 
grössten  Einfluss  übt  das  Prinzip  der  Trägheit  oder  Krafterspamis 
aus,  welches  die  Analogiebildung  in  sich  schliesst.  Äussere  Einflüsse 
sind  die  politischen,  sozialen,  überhaupt  die  kulturellen  Verhältnisse 
der  Länder. 

Das  2.  Kap.  hat  zum  Gegenstand  ^die  Einteilung  der  Sprachen"; 
die  Einleitung  bildet  der  §  1,    der   sich  mit  dem  Begriff  und  den 


.G.  A'örtinff,  Encyklopädie  und  Meihodologie  etc.  3 

igenschaften  der  Wurzeln  beschäftigt.  Es  folgt  dann  im  §  2 — 6 
u*  eigentliche  Gegenstand  dieses  Kapitels,  nämlich  die  verschiedenen 
inteilungen  der  Sprachen,  §  7  behandelt  die  indogermanische 
Drachfamilie.     Zum  Sfhiuss  folgen  wieder  Litteraturangaben. 

Die  Wurzeln  bilduii  die  Grnndelemente  der  Sprache,  auf  ihnen 
jruht  also  der  Bau  der  einzelnen  Sprachen,  der  ein  verschie- 
mer  ist ,  weil  das  Wurzelmaterial  in  den  einzelnen  Sprachen 
^rschieden  ist  Ob  es  mehrsilbige  Wurzeln  giebt,  bleibt  dahingestellt, 
)rläufig  bleibt  diese  Behauptung  noch  eine  unerwiesene  Hypothese. 

Die  Einteilung  der  Sprachen  nach  ihrem  Baue  giebt  der  Verf. 
it  manchen  Modifikationen  nach  Steinthal;  wir  beschränken  uns 
er  auf  die  Aufzählung  der  Hauptabteilungen.  Danach  unterscheidet 
ir  Verf.: 

A.  Spi*achen,  welche  grammatische  Kategorien  nicht  unter- 
heiden  (nach  Steinthal  „formlose  Sprachen^).  Hierzu  gehören  die 
liierenden  und  die  agglutinierenden  Sprachen. 

B.  Sprachen,  welche  grammatische  Kategorien  zwar  unter- 
beiden,  aber  dieselben  nicht  grammatisch,  sondern  nur  syntaktisch 
iszudrücken  vermögen. 

Hauptvertreter  dieser  Sprachen  ist  das  Chinesische. 

C.  .  Sprachen,  welche  grammatische  Kategorien  unterscheiden 
d  dieselben  sowie  die  Begriffsbeziehungen  in  weiterem  oder  ge- 
igerem  Umfange  durch  grammatische  Mittel  zum  Ausdruck  bringen, 
es  sind  die  flektierenden  Sprachen.  Zu  ihnen  gehören  auch  die 
iogermanischen ,  bei  denen  das  Prinzip  des  Formenbaues  die 
nthese  ist. 

Hierauf  lässt  der  Verf.  die  ethnographische  Einteilung  der 
rächen  von  Fr.  Müller  folgen.  Eine  geographische  sowie  genea- 
rische Einteilung  ist  wissenschaftlich  unstatthaft;  zu  berücksichtigen 
nur  noch  die  chronologische  Einteilung  der  Sprachen  in  a)  pri- 
Lre,  b)  sekundäre,  c)  tertiäre. 

Von  der  dann  folgenden  ausführlichen  Übersicht  der  Sprachen 
3  indogermanischen  Sprachstammes  seien  hier  nur  die  acht  Sprach- 
nilien  erwähnt,  nämlich  die  indische,  eränische,  keltische,  germa- 
che, slavische,  lettische,  griechische  und  italische  Familie. 

Die  Verwandtschaft  der  indogermanischen  Sprachen  ist  wissen- 
laftlich  zuei*st  von  Franz  Bopp  nachgewiesen,  der  damit  der  Be- 
Inder des  vergleichenden  Sprachstudiums  wurde. 

Das  3.  Kap.  hat  zum  Gegenstand  „die  Schrift";  §1—2 
landein  Zweck,  Notwendigkeit  und  Begriff  derselben,  §  3 — 6  die 
•schiedenen  Arten  der  Schrift  (Begriffsschrift,  Bilderschrift,  Laut- 
rift, Universalschrift),  §  7 — 11  die  Alphabete  und  die  Orthogra- 
8 :  die  Mannigfaltigkeit  der  ersteren ,  die  Umgestaltung  der 
iteren  durch  innere  und  äussere  Einflüsse  (durch  Lautphysiologie 


4  Referate  und  Rezensionen,    R,  Schmidt, 

nnd  Dekrete),  §  12  — 15  behandeln  die  yersehiedenen  Schriftibrmen 
(indiyidnelle  Schrift,  Schnellgchrift»  Engschrift,  Bnchdrack). 

Wir  heben  nar  weniges  ans  diesem  Kapitel  hervor.  W^en 
der  verschiedenen  Bezeichnung  der  einzehien  Laute  bei  den  ver- 
schiedenen Spracbfamilien  ist  eine  Allgemeinverständlichkeit  der 
Lautschrift  ausgeschlossen«  Eine  Lautschrift  mit  phonetischer  All- 
gemeinverstän^ichkeit  ist  zwar  von  Lepsius  und  Bell  aufgestellt 
worden,  eine  derartige  Lautschrift  wird  jedoch  stets  zum  praktischen 
Gebrauch  untauglich  sein.  Die  Alphabete  der  indc^rmanischen 
Sprachen  bezeichnen  die  HaupÜauttypen,  nicht  die  einzelnen  Laute, 
daher  die  verschiedenen  Schreibungen  bei  den  Angehörigen  einer 
Nation.  Jedes  Individuum,  jedes  Volk,  jedes  Geschlecht  hat  seine 
eigene  ^Hand''. 

Im  4.  Kap.  behandelt  der  Verf.  „die  Litteratur^.  Nach 
einem  einleitenden  Paragraphen  (§1)  über  „das  Schreiben  und  das 
Schrifti)tttck  ^  giebt  derselbe  in  §  2 — 8  die  verschiedenen  Einteilungen 
der  Litteratur  (nach  Tendenz,  Inhalt  und  Form  der  Schriftwerke). 
§  9 — 11  sind  der  Ent Wickelung  der  Litteratur  und  ihrer  Geschichte 
gewidmet,  §  12  behandelt  das  Studium  der  letzteren,  §  13  die 
untergegangenen  Litteraturwerke. 

Nach  Tendenz  nnd  Inhalt  unterscheidet  der  Verf.  folgende 
Gattungen : 

A.  Schriftwerke  realer  Tendenz.  Sie  sind  ganz  sach- 
licher Natur  und  geben  ohne  jede  Reflexion  nur  die  wirklichen 
oder  vermeintlichen  Thatsachen,  daher  tritt  die  Person  des  Ver- 
fassers bei  ihnen  ganz  in  den  Hintergrund. 

B.  Schriftwerke  idealer  Tendenz.  In  ihnen  herrscht 
die  Reflexion ;  das  persönliche  Denken  und  Empfinden  des  Verfiässers 
tritt  stets  hervor.  Ihr  Grundcharakter  ist:  Kritik  des  Bestehenden, 
Phantasie  und  Subjektivität  in  der  Auffassung  des  Idealen. 

Für  die  Litteratur  im  engeren  Sinne  giebt  der  Verf.  folgende 
Definition:  ,,Wir  verstehen  unter  Litteratur  im  engeren  Sinn  die 
Gesamtheit  derjenigen  innerhalb  eines  bestimmten  Gebietes  und 
innerhalb  eines  bestimmten  Zeitraumes  hervorgebrachten  Schriftwerke, 
in  denen  das  auf  das  Ideale  gerichtete  Denken  und  Empfinden  des 
betreffenden  Volkes  Ausdruck  gefunden  hat^. 

Nun  folgt  eine  Einteilung  nach  der  Produktion  durch  den 
Verstand  und  durch  die  Phantasie  in  wissenschaftliche  und  dichterische 
Werke,  darauf  geht  der  Verf.  auf  die  dreifache  Form  eines  liiteratur- 
werkes  (sachliche,  sprachliche,  rhythmische)  näher  ein  und  giebt 
schliesslich  eine  Betrachtung  über  die  Litteratnrgeschichte.  Man 
unterscheidet  1)  eine  üniversallitteratur,  2)  die  litteratur  einer 
Völkergruppe,  3)  eine  Nationallitteratur.  Die  litteratuigeschichte 
wird  auf  xweiÜEUshe  Weise  behandelt:  auf  historische  und  pragmatiadie; 


G.  Körting,  Encyklopädie  und  Methodologie  etc.  5 

)r  Wert  eines  Litteraturwerkes  lässt  eine  doppelte  Beurteilung  zu, 
ishalb  spricht  man  von  einem  relativen  und  absoluten  (ästheti- 
hen)  Wert 

Im  5.  Kap.  wird  der  ^Begriff  der  Philologie '^  erörtert  In 
1 — 3  giebt  der  Verf.  die  Definition  des  Begriffes,  §  4 — 6  be- 
indeln  den  Zusammenhang  der  einzelnen  Philologien  in  Bezug  auf 
e  philologische  Methode,  §  7 — 8  die  Aufgaben  der  Philologie. 

Der  Verf.  definirt  den  Begriff  der  Philologie  folgendermassen: 
Die  Philologie  ist  diejenige  Wissenschaft,  deren  Aufgabe  und  Ziel 
.6  Erkenntnis  des  eigenartigen  geistigen  Lebens  eines  Volkes  (oder 
ner  Völkergruppe)  ist,  soweit  dasselbe  in  der  Sprache  und  Litteratur 
inen  Ausdruck  gefunden  hat,  bezw.  noch  findet;^  er  spricht  des 
eiteren  über  Kollektiv-  und  l^ationalphilologien  und  über  die 
lilologische  Methode.  Diese  muss  stet«  historisch  sein,  und  ist 
isserdem,  je  nach  dem  in  den  betreffenden  Fällen  beobachteten 
erfahren  entweder  kritisch  oder  analytisch  oder  synthetisch.  Zu- 
tzt  weist  der  Verf.  auf  die  Aufgaben  der  Philologie  als  Sprach- 
ad  Litteraturwissenschaft  hin  und  auf  ihre  Stellung  gegenüber  den 
itteraturwerken  realer  nnd  idealer  Tendenz. 

Das  folgende  6.  Kap.  behandelt  ^Umfang  und  Gliederung  der 
bilologie^,  die  natürlich  für  jede  Einzelphilologie  besondere  sind. 
s  wird  ein  ausführliches  Schema  aufgestellt,  welches  alle  Disziplinen 
3r  Einzelphilologie  einer  flektierenden  Sprache  angiebt  Die  Ge- 
kmtheit  der  Materien  ordnet  sich  in  einen  ^einleitenden^,  einen 
sprachlichen^  und  einen  ^litterarischen  Teil^.  In  Bezug  auf  eine 
oUektivphilologie  ist  ein  doppeltes  Verfahren  möglich,  das  statistische 
1er  das  vergleichende.  Der  Umfang  der  Philologie  erstreckt  sich 
cht  auch  auf  die  Geschichte  derselben,  diese  fällt  vielmehr  in  das 
ebiet  der  Geschichtsschreibung.  Zum  Schluss  des  Kapitels  .folgen 
itteraturangaben. 

Das  VU.  Kap.  ist  betitelt  „Hülfswissenschaften  der  Philologie^, 
ie  beiden  ersten  Paragraphen  geben  gewissermassen  die  Einleitung 
i  diesem  Kapitel,  in  §  3  —  9  werden  die  einzelnen  Hülfswissen- 
haften  aufgezählt  und  ihrer  Bedeutung  für  die  Philologie  gemäss 
) würdigt,  §  10  enthält  eine  Übersicht  derselben. 

In  §  2  giebt  der  Verf.  noch  ein  Schema  der  Abstufungen  an, 
eiche  in  Bezug  auf  die  Schwierigkeit  der  Erklärung  eines  Schrift- 
erkes  denkbar  sind.  —  Wir  können  hier  nicht  auf  die  Begründung 
)r  Hülfs¥nssen8chaften  eingehen,  wir  geben  deshalb  nur  eine  Auf- 
hlung  derjenigen,  die  vom  Verf.  ausführlicher  besprochen  werden. 
i  sind  Geschichte  (§  3),  Geographie  (§  3),  vergleichende  Sprach- 
Lssenschaften  (§  4),  Logik  (§  5),  Ästhetik  (§  6),  Rhetorik  und 
)etik  (§  7),  Kunst  (§  8)  und  Sprachfertigkeit  (§  9).  Die  Über- 
3ht  der  Hülfswissenschaften  im  letzten  Paragraphen  schliesst  sich 


6  Refei^ate  und  Rezensionen.    R,  Schmidt, 

an  das  Schema  der  Disziplinen  im  vorigen  Kapitel  an.  Wir  haben 
demnach  Hülfswissenschaften  des  einleitenden  Teiles  der  Philologie^ 
dann  solche  des  sprachlichen  und  des  litterarischen  Teiles  jeder 
Einzelphilologie,  schliesslich  noch  Hülfswissenschaften  der  Philologie 
im  allgemeinen» 

Das  7.  Kapitel  hat  zum  Gegenstand  den  „Begriff  der  Ency* 
klopädie".  §  1 — 5  enthält  als  Einleitung  dazn  Betrachtungen  über 
die  wissenschaftliche  Erkenntnis  im  allgemeinen.  §  6  bespricht  die 
Notwendigkeit,  den  Begriff  und  die  Wortableitung  von  „Encyklo- 
pädie'*  und  die  drei  Arten  der  encyklopädischen  Bildung,  §  7  zeigt 
die  drei  Arten  der  Eucyklopädien ,  §  8  die  Aufgabe,  §  9  die  Ord- 
nung des  Stoffes,  §  10  den  relativen  Wert  derselben. 

Encyklopädische  Kenntnis  ist  die  Übersicht  über  das  Gesamt- 
gebiet  einer  Wissenschaft.  Ausser  dieser  fachwissenschaftlichen 
Encyklopädie  spricht  man  noch  von  einer  erweiterten  fachwissen- 
schaftlichen und  drittens  von  einer  universal-wissenschaftlichen  Ency- 
klopädie. Die  Darstellungsform  ist  dogmatisch  und  referierend,  weil 
die  Encyklopädie  sich  nur  beschränkt  auf  Angabe  des  bereits  Er- 
kannten und  auf  wissenschaftlich  begründete  Hypothesen. 

Das  letzte  und  9.  Kap.  des  I.  Buches  trägt  als  Überschrift 
„Begriff  der  Methodologie^.  Die  Methodologie  ist  diejenige  Wissen- 
schaft, welche  die  Methoden  zeigt,  nach  denen  am  besten  die  Er- 
kenntnis eines  Wissensobjektes  erworben  wird.  Die  Methodik  hin- 
gegen ist  die  praktische  Anwendung  der  Methodologie  auf  das 
Studium  und  den  Unterricht. 

Wir  kommen  damit  zum  IL  Buch,  welches  eine  Einleitung  in 
das  Studium  der  romanischen  Philologie  giebt;  es  zerfällt»  wie  schon 
erwähnt,  in  acht  Kapitel. 

Das  1.  Kap.  behandelt  „das  Latein",  und  zwar  §  1  —  5  die 
Stellung  und  Verbreitung  des  Lateins,  §  6  —  7  den  Einfluss  des 
Griechischen  auf  das  Latein,  §  8  — 11  das  Volkslatein  und  seinen 
Sieg  über  das  Schriftlatein,  §  12  das  mittelalterliche  Latein. 

Das  Latein  gehört  der  sogen,  italischen  Sprachgruppe  an, 
welche  ausserdem  noch  das  Umbrische,  Oskische  und  Sabellische  um« 
fasst.  Ausser  diesen  Sprachen  wurden  vor  der  Herrschaft  Borns 
noch  sechs  andere  in  Italien  gesprochen,  doch  sämtliche  mit  Aus- 
nahme des  Griechischen  verschwanden  mit  der  wachsenden  Macht 
der  Römer:  die  lateinische  Sprache  wurde  bald  nicht  allein  in  Italien 
die  herrschende.  Die  Römer  waren  eine  kriegerische  Nation,  die 
schönen  Künste  und  Wissenschaften  waren  ihnen  fremd;  erst  aus 
dem  eroberten  Griechenland  verpflanzten  sie  letztere  nach  Italien. 
Somit  entstammt  die  sich  entwickelnde  Litteratur  nicht  dem  heimair 
lichen  Boden,  nicht  aus  dem  Grunde  des  Volkes,  sondern  entwickelte 
sich  vielmehr  nach  dem  Vorbilde  des  Griechischen.    Mithin  war  die 


G.  Körting,  Encyklopädie  und  Methodologie  etc.  7 

einische  Litteratur  ein  Eunstprodukt.  Die  Schriftsprache  dieser 
:teratur  (sermo  emditus)  wurde  zugleich  auch  die  Umgangssprache 
r  Gebildeten  und  unterschied  sich  besonders  in  der  klassischen 
riode  wesentlich  von  der  Sprache  des  Volkes  (sermo  rusticus): 
itere  strebte  nach  synthetischer  Formenbildung,  letztere  vertritt 
)  analytische  Tendenz.  Das  Eunstprodukt  der  lateinischen  Litte- 
}ur  war  nur  so  lange  lebensfähig,  als  die  Machtstellung  des  römi- 
len  Reiches  dauerte,  und  auch  die  in  dieser  Litteratur  verwendete 
räche  ging  mit  dem  Verfall  der  römischen  Eultur  unter.  Nur 
s  Volkslatein  blieb  bestehen,  zumal  auch  die  Eirche,  am  allgemein 
i<ständlich  zu  bleiben,  sich  desselben  bediente.  Da  eine  gelehrte 
iederbelebung  des  Schriftlateins  wegen  des  mangelhaften  V^rständ- 
mes  für  das  klassische  Altertum  nicht  gelang,  behauptete  sich  das 
)lk8latein  durch  das  ganze  Mittelalter. 

Wegen  seiner  engen  Beziehungen  zu  den  romanischen  Volks- 
rachen und  zur  romantischen  Litteratur  ist  das  Studium  dieses 
ittelalterlichen  sog.  barbarischen  Lateins  äusserst  wichtig.  —  Der 
hluss  des  Eapitels  ist  einer  eingehenden  Bibliographie  der  Hülfs- 
ittel  für  das  Studium  des  Lateinischen  (soweit  dieselben  den  ro- 
mischen Philologen  angehen)  gewidmet. 

Eap.  2  behandelt  das  Bomanische,  d.  h.  diejenige  Sprachform, 
)lche  das  Volkslatein  dort,  wo  es  sich  behauptete,  in  Folge  mannig- 
3her  Entwickelung  angenommen  hat. 

Der  Entwickelungsgang  ist  ungefähr  folgender:  Aus  dem  in 
e  Provinzen  verpflanzten  und  dort  in  verschiedener  Weise  modi- 
ierten  Volkslatein  bilden  sich  volkslateinische  Provinzialdialekte ; 
ese  werden  durch  die  fortschreitende  Sprachentwickelung  zu  roma- 
schen  Provinzialdialekten.  Die  Völker,  die  sich  dieser  Provinzial- 
älekte  bedienen,  werden  durch  Vermischung  mit  den  Germanen 
selbständigen  Nationen,  und  somit  wird  auch  ihre  Sprache  eine 
Ibständige,  und  es  entwickeln  sich  die  romanischen  Einzelsprachen. 
ie  Gebiete,  auf  denen  ein  derartiger  Entwickelungsprozess  vor  sich 
igangen  ist,  sind:  Italien,  Hispanien  und  Lusitanien,  GuUien,  die 
döstliche  Schweiz  und  Teile  von  Tyrol,  Dacien.  Es  mussten  sich 
IS  dem  Volkslatein  die  romanischen  Sprachen  entwickeln,  weil  in  den 
itreffenden  lilndern  das  Volkslatein  die  verbreitetste  Sprache  war  und 
selbst  die  christliche  Eirche  als  ausschliessliche  Eultussprache  adop- 
)rt  hatte.  Zwar  war  auch  das  Schriftlatein  unter  den  gebildeten 
Lassen  der  Provinzialbevölkerung  ziemlich  verbreitet;  doch  mit  dem 
hwindendem  Verständnis  für  klasüsches  Altertum  schwUnd  auch 
Lmählich  die  Eenntnis  seiner  Sprache. 

Der  Einfluss  des  Germanischen  auf  die  Entwickelung  der 
manischen  Sprachen  ist  ein  ziemlich  bedeutender  gewesen,  hat 
ioch  immer  mehr  nachgelassen  und  ist  heute  zu  einem  Minimum 


8  Referate  und  Rezensionen.    R.  Schmidt, 

zusammengeschrumpft.  Auch  andere  Völkerschaften  haben  durch 
ihre  Sprache  erheblichen  Einfluss  auf  einzelne  romanische  ausgeübt, 
so  die  Araber  auf  die  spanische  imd  portugiesische  Sprache,  die 
slavischen  und  finnischen  Stämme  auf  Dacien.  —  Zum  Schluss 
folgen  'auf  das  Kapitel  bezügliche  Litteraturangaben. 

Im  3.  Kap.  behandelt  der  Verf.  ^die  romanischen  Einzel- 
sprachen ^,  das  Italienische,  Spanische,  Portugiesische,  Katalanische, 
Provenzalische,  Französische,  Rumänische  und  die  räto- romanischen 
Mundarten.  Die  Rätoromanen  sind  zu  keiner  Nationalität  gelangt 
und  besitzen  in  Folge  dessen  auch  noch  keine  einheitliche  Sprache. 
Ein  genaues  Datum  für  die  Entstehung  der  anderen  romanischen 
Sprachen  und  Völker  lässt  sich  nicht  feststellen.  Die  Nationalität 
von  Frankreich  und  Spanien  datiert  aus  dem  9.  Jahrhundert,  die 
von  Portugal  aus  dem  12.,  die  von  Italien  aus  der  Hohenstaufeuzeit 
und  endlich  die  von  Rumänien  aus  der  Mitte  des  1 9.  Jahrhunderts.  — 
Nach  der  chronologischen  Einteilung  sind  die  rom.  Sprachen  in 
Bezug  auf  das  Latein  sekundäre,  in  Bezug  auf  das  Indogermanische 
tertiäre  Sprachen.  Da  sich  jedoch  keine  Kultursprache  des  Vorzugs 
der  Unabhängigkeit  rühmen  kann,  liegt  in  diesem  Ursprungsverhältnis 
durchaus  nichts,  was  zu  einer  Geringschätzung  dieser  Sprachen  be- 
rechtigen könnte.  —  Der  Verf.  erwähnt  darauf  die  Unstatthaftigkeit 
eines  Vergleiches  der  rom.  Sprachen  mit  dem  Schriftlatein  und  lässt 
sich  näher  auf  diesen  Vergleich  ein.  Nach  einer  Parallele  mit  den 
germanischen  Sprachen  werden  die  häufigen  Benennungen  der  rom. 
und  germ.  Sprachen  (lebende,  moderne,  neuere)  erwähnt  und  zugleich 
erörtert,  in  wiefern  diese  Bencnnuugen  wissenschaftliche  Berechtigung 
haben.  Hierauf  folgt  eine  Erörterung  über  die  beiden  Perioden  in 
der  Geschichte  der  rom.  Sprachen  und  zugleich  über  die  Mittel  zur 
Erforschung  der  Sprachform  in  der  vorlitterarischen  Periode,  dann 
die  Angabe  des  ungefähren  Datums,  in  welchem  die  rom.  National- 
sprachen eine  allgemein  gültige  Litteratur  entwickelten  und  endlich 
zum  Schluss  wieder  Litteraturangaben. 

Das  4.  Kap.  hat  zum  Thema  ^Begriff  der  rom.  Philoli^e^. 
Im  §  1  wird  der  Begriff  (ähnlich  wie  in  Buch  L,  Kap.  5)  folgen- 
dermassen  definiert:  ^Die  romanische  Philologie  ist  diejenige  Wissen- 
schaft, deren  Aufgabe  und  Ziel  die  Erkenntnis  des  eigenartigen 
geistigen  licbens  der  rom.  Völkergruppe  ist,  soweit  dasselbe  in  Sprache 
und  Litteratur  sdnen  Ausdruck  fand,  bezw.  noch  findet. '^  §  2  han- 
delt von  der  rom.  Philologie  als  KoUektivwissenschaft,  §  3  von  den 
Aufgaben  der  rom.  Gesamt-  und  Einzelphilologie. 

Im  5.  Kap.  finden  ^die  Hülfswissenschaften  der  romanischen 
Philologie^  ihre  Behandlung.  Auch  dieses  Kapitel  hat  innigen  Zu- 
sammenhang   mit    dem    7.    im    I.    Buche.      Wir    geben    hier    die 


G.  Körthig,  Encyklopddie  und  Methodologie  etc.  9 

nfzählung  der  Hülfswissenschaften,  welche  für  das  Studium  der 
\m,  Philologie  unerlässlich  sind.  Diese  sind:  a)  Lautphysiologie, 
I  Paläographie,  c)  die  klassische  besonders  die  lateinische  Philologie, 
I  die  germanische  Philologie,  e)  die  politische  und  die  Eulturge* 
hichte  des  Mittelalters  und  der  Neazeit 

Das  6.  Kap.  hat  zur  Überschrift  ^der  Begriff  der  Encyklo- 
Idie  und  Methodologie  der  romanischen  Philologie ''.  Die  Definition 
'giebt  sich  aus  dem  in  Buch  I.,  Kap.  5  gesagten.  Körtings  Werk 
b  die  erste  Encyklopädie.  Das  Buch  von  B.  Schmitz:  Encyklo* 
Ldie  des  philologischen  Studiums  der  neueren  Sprachen,  Leipzig, 
Aufl.,  1859,  bot  bisher  einen  sehr  unvollkommenen  Ersatz,  es 
ksiert  meist  auf  ganz  falschen  Prinzipien,  so  dass  Anfänger  geradezu 
kvor  zu  warnen  sind.  Das  einzig  gute  darin  sind  die  im  4.  Teil 
thaltenen  Fingerzeige  über  den  methodischen  neusprachlichen 
nterricht. 

Das  6.  Kap.  giebt  eine  Übersicht  über  die  Geschichte  und 
in  jetzigen  Stand  der  rom.  Philologie.  §  1  —  4  behandeln  das 
itstehen  der  rom.  Philologie  aus  der  romantischen  Geistesströmung; 
^nn  Baynouard  und  Diez.  §  5  —  8  besprechen  die  gegenwärtige 
lege  dieser  Wissenschaft  in  Deutschland,  §  9  in  den  romanischen 
Indem,  §  10  in  den  skandinavischen  Ländern;  §  11  erörtert  die 
Bthode,  §  12  den  Charakter  der  gegenwärtigen  rom.  Philologie, 
im  Schluss  folgen  Litteraturangaben. 

Es  werden  in  diesem  Kapitel  klar  und  bündig  die  Verdienste 
m  Baynouard  und  Diez  gewürdigt;  alle  lebenden  Hauptvertreter 
r  rom.  Philologie  finden  ebenfalls  eine  Erwähnung.  §  5  giebt 
1  acht  Seiten  langes  Verzeichnis  aller  an  Hochschulen  deutscher 
mge  lehrenden  Bomanisten  mit  Aufzählung  dessen,  was  sie  ver- 
ssten,  herausgaben  oder  redigierten.  In  §  7  und  8  finden  wir 
3  Anzahl  der  Studierenden  und  die  neuphilologischen  Vereine  erwähnt. 

Nachdem  der  Verf.  die  Werke  der  beiden  bedeutendsten  Bo- 
inisten  Frankreichs,  G.  Paris  und  P.  Meyer,  dann  die  der  übrigen 
)mäni8ten  dieses  Landes  genannt,  weist  er  auf  die  Gründe  hin, 
3  in  Frankreich  dem  Studium  der  rom.  Sprachen  hinderlich 
id  und  veranlassen,  dass  es  hierin  Deutschland  ohne  Frage 
chstehi 

In  Italien  befinden  sich  an  der  Spitze  der  Bomanisten:  Ascoli 
iibestritten  als  erster),  d*Ovidio,  Monaci,  Caix  (f)  und  Canello;  in 
anien  und  Portugal  Braga  und  Coelho;  in  Bumänien  Cihac  und 
isdeu;  in  Skandinavien  Cederschiöld,  lidforss,  Nyrop,  Storm, 
ndby  und  F.  A.  Wolff,  in  Bussland  Veseloffsky,  in  Belgien  Scheler. 
bedauern  ist,  dass  Holland  und  England  für  die  rom.  Philologie 
it  gänzlich  unfruchtbar  sind. 

Das  letzte,  8.  Kap.  des  II.  Buches  und  somit  des  ganzen  bis 


10  Referate  und  Rezensionen.    R.  Schmidt, 

jetzt  erschienenen  ersten  Teils  der  Encyklopädie  trilgt  die  Überschrift: 
„Bemerkangen  über  das  akademische  Studium  der  romanischen 
Philologie'^.  Schon  einmal  hat  sich  der  Verf.  auf  dem  gleichen 
Gebiete  mit  ausserordentlichem  Glück  bewegt,  seine  ^Gedanken  und 
Bemerkungeo  über  das  Studium  der  neueren  Sprachen^  sind  noch 
in  lebhafter  Erinnerung  aller  Derer,  die  sich  überhaupt  mit  diesem 
Studium  beschäftigen;  wie  sie  geradezu  epochemachend  wirkten 
teils  durch  die  Bedeutung  der  in  ihnen  aufgestellten  Meinungen, 
teils  dadurch,  dass  sie  die  Veranlassung  zu  einer  ganzen  Reihe  von 
Schriften  und  Artikeln  ähnlichen  Inhalts  wurden,  so  können  wir 
sicher  voraussetzen,  dass  auch  der  vorliegende  I.  Teil  der  Encyklo- 
pädie nicht  zum  mindesten  wegen  dieses  letzten  Kapitels  sich  bald 
in  den  Händen  aller  Neuphilologen  befinden  wird.  Der  Wichtigkeit 
seines  Inhalts  gemäss  ist  diesem  Kapitel  auch  im  Vergleich  zu  den 
anderen  ein  bedeutend  grösserer  Baum  zugestanden  worden;  es  nimmt 
ein  ganzes  Fünftel  der  Seitenzahl  des  eben  erschienenen  ersten  Teils 
in  Anspruch,  während  die  übrigen  16  Kap.  in  ^/^  der  Seitenzahl 
abgehandelt  werden. 

Wie  es  einem  oberflächlichen  Leser  der  erwähnten  Broschüre 
scheinen  konnte,  als  wenn  in  ihr  eben  nur  eine  Anzahl  ^Gedanken 
und  Bemerkungen'^  ordnungslos  zusammengewürfelt  wären,  wie  aber 
der  aufmerksame  Leser  bald  merkte,  dass  jene  „Gedanken  und  Be- 
merkungen'^  sich  nach  einer  planvollen,  logisch-scharfen  Disposition 
entrollten,  so  ist  ganz  dasselbe  auch  hier  der  Fall.  Wir  geben  zu- 
nächst die  Disposition,  um  dann  etwas  näher  auf  den  Inhalt  des 
Kapitels  einzugehen. 

Als  allgemeine  Einleitung  zum  Kapitel  dient  §  1,  der  Lehrer- 
beruf der  Neuphilologen,  als  spezielle  Einleitung  §  2 — 3,  die  Vor- 
bildung des  Studenten  der  rom.  Philologie  (§  2  das  Lateinische, 
§  3  das  Griechische).  Es  folgt  dann  der  allgemeine  Teil  §  4 — 6, 
Ort  (§  4-- 5)  und  Zeit  (§  6)  des  Studiums  betrachtend:  §  4  Wahl 
und  Wechsel  der  Universität,  §  5  (p.  209  im  Text  dort  fälschlich 
§  4  doppelt  gezählt)  der  Aufenthalt  im  Auslande,  §  6  (p.  210,  im 
Texte  㤠 5^)  Dauer  des  akademischen  Studiums.  Darauf  folgt  der 
spezielle  Teil,  der  vom  geselligen  (§  7,  p.  214  im  Texte  „§  6") 
und  wissenschaftlichen  (§  8  — 10)  Leben  des  rom.  Studenten  und 
von  den  Gegenständen  seines  Studiums  (§  11  — 15)  handelt.  — 
Die  wissenschaftliche  Thätigkeit  §  8  — 10,  eingeleitet  von  §  8 
(p.  216,  im  Texte  㤠 7"),  der  Studienplan,  ist  entweder  eine  recep- 
tive  (§  9)  oder  produktive  (§  10),  danach  finden  wir  behandelt  in 
§  9  (p.  217,  im  Texte  „§  8",  im  Inhaltsverzeichnis  fälschlich 
p.  219  angegeben;  auf  p.  221  ist  㤠 9"  zu  streichen)  die  Vor- 
lesungen, in  §  10  (p.  222,  im  Inhaltsverzeichnis  fälschlich  p.  221 
angegeben)  die  Arbeiten. 


G.  Körting,  Encyklopädie  untß  Methodologie  etc.  11 

Die  Gregenstände  der  wissenschaftUchen  Thäügkeit  des  rom. 
adenteo  werden  in  §  11 — 15  dargelegt,  zunächst  in  §  11  und  12 
s  besondere  Objekt,  das  französische  nnd  zwar  in  §  11  das 
anzösische  nnd  die  übrigen  rom.  Sprachen,  in  §  12  das  Altfran- 
äische;  schliesslich  finden  wir  in  §  13 — 15  die  hinzutretenden 
)jekte:  §  13  die  Hülfswissenschaften,  §  14  die  Sprachwissenschaft 
d  Sprachvergleichung,  §  15  das  Nebenfach. 

G^ben  wir  jetzt,  soweit  es  uns  hier  der  Baum  gestattet,  einige 
mptgedanken  des  Inhalts  an ;  sie  und  die  vorhergehenden  Inhalts- 
^aben  werden  genügen,  um  den  Wunsch  rege  zu  machen,  das  vor- 
gende  Werk  durch  eigene  Anschauung  kennen  zu  lernen. 

In  der  Einleitung  werden  zunächst  §  1  die  Licht-  und  Schatten- 
ten des  Lehrerstandes  besprochen;  der  letzteren  sind  sehr  viele: 
nehmen  einen  breiten  Raum  ein.  Das  einzige  Mittel,  sich  nicht 
a  ihnen  entmutigen  zu  lassen,  ist  Begeisterung  für  den  Beruf  und 
!  ermüdendes  wissenschaftliches  Streben.  Es  werden  mehrere 
ten  der  wissenschaftlichen  Arbeit  angegeben,  die  sich  besonders 
:  den  rom.  Lehrer  eignen. 

Spezielle  Bnleitung  (§  2  —  3):  die  rechte  Vorbildung  zu 
nem  Fach  kann  der  rom.  Student  nur  auf  dem  Gymnasium  er- 
igen ;  die  Kenntnis  und  zwar  eine  sehr  eingehende  des  Lateinischen 
für  ihn  notwendig,  die  Kenntnis  des  Griechischen  höchst  wün- 
enswert.  Der  Verf.  spricht  ausführlich  über  diese  beiden  Gegen- 
nde,  nimmt  auch  dort,  wo  er  vom  Griechischen  handelt,  ganz 
ondere  Bücksicht  auf  die  romanischen  Studenten  mit  Bealschul- 
rbildung;  mancher  von  ihnen  wird  ihm  für  die  gemässigte  Beur- 
ung,  für  die  billige  Bücksichtnahme  auf  bestehende  Verhältnisse 
i  vor  allem  für  die  gegebenen  Batschläge  dankbar  sein. 

Nach  der  Vorbildung  schreiten  wir  zum  allgemeinen  Teil,  zu- 

hst  §  4  zur  Wahl  der  Universität.    Dem  „Fuchs"  ist  durch- 

der  Besuch  einer  kleineren  ünivemtät  anzuempfehlen,  dort  findet 

leichteren  Anschluss   an  ältere  Kommilitonen  und  an   Dozenten, 

gerade  für  ihn   von   grosser  Wichtigkeit  ist;   an  einer  grossen 

iversität  fehlt  ihm   meist  jeder  Wegweiser  und  die  Vielartigkeit 

Lehrstoffs  verwirrt  ihn.     Einmal  jedoch  (höchstens  zweimal)  ist 

Wechsel  der  Universität  anzuempfehlen,  derselbe  geschieht 

besten  im  3.  oder  4.  Semester,  wo  der  betreffende  Student  für 

oder    zwei    Semester    eine    der    grossen    Universitäten    (Berlin, 

pzig,  München)  beziehen  mag,  besonders  auch  um  grossstädtisches 

en  und  Treiben  kennen  zu  lernen.     Zur  Beendunj^  des  Studiums 

»fiehlt    es  sich   wieder,  nach  der  ursprünglichen  kleineren  Hoch- 

ile   zurückzukehren.    —    Ist  es  ratsam,    während  des  Stadiums 

längere  Zeit  ins  Ausland  (§  5)  zu    gehn?    Nein;    eine   solche 

kürzung  der  eigentlichen  Studienzeit  zur  Erlangung  einer  gewissen 


12  Referate  uruk  Rezensionen.    R.  Schmidt, 

Sprechfertigkeit,  die  auch  dann  nur  selten  erreicht  wird,  gestatten 
jetzt  nicht  mehr  die  gesteigerten  Anforderungen  an  die  wissenschaft- 
liche Durchbildung  der  Kandidaten.  Zu  empfehlen  ist  jedoch  sehr 
der  Besuch  des  Auslandes  nach  dem  Examen. 

Die  Zeit  des  Studiums  (§  6)  beträgt  sechs  Semester;  wenn 
sie  gewissenhaft  benutzt  werden,  genügt  sie  wohl,  aber  an  eine 
Kürzung  derselben  ist  nicht  zu  denken.  Sie  wird  beschlossen  zu- 
nächst am  besten  durch  das  Doktor^Examen,  dann  durch  das  Staats- 
Examen.  Ernstlich  wird  gewarnt  vor  dem  Verlassen  der  Universität 
vor  der  Erledigung  der  Examina;  wer  es  irgend  möglich  machen 
kann,  bleibe  so  lange  als  möglich  in  der  geistigen  Sphäre  einer 
Hochschule;  die  Hausmeisterei  ist  möglichst  zu  vermeiden. 

Mit  §  7  beginnt  der  spezielle  Teil,  zunächst  vom  geselligen 
.  Leben  (§  7)  des  rom.  Studenten  handelnd.  Während  seiner 
Studienzeit  soll  auch  der  Jünger  der  rom.  Philologie  ein  „Student^ 
sein  in  des  Wortes  ganzem  und  bestem  Sinne,  d.  h.  kein  Duck- 
mäuser und  Familiensimpler.  Nur  ein  ausgedehnter  Verkehr  mit 
seines  Grleichen  bietet  ihm  die  beste  Erholung  und  Anregung,  mag 
er  deshalb  in  eine  „Verbindung"  eintreten;  empfehlenswerter  ist  je- 
doch für  ihn,  weil  in  jeder  Beziehung  bedeutend  vorteilhafter,  wenn 
er  dem  „Neuphilologischen  Vereine"  seiner  Hochschule  angehört. 

Nachdem  so  kurz  die  gesellschaftliche  Stellung  des  rom,  Stu- 
denten skizziert,  folgen  eingehende  Betrachtungen  über  seine  wissen- 
schaftliche Thätigkeit  (§  8  — 10).  Ein  über  allgemein  gehaltene 
Batschläge  hinausgehender  Studienplan  (§  8)  lässt  sich  für  diese 
nicht  entwerfen  wegen  der  grossen  Verschiedenheit  der  Vorlesungs- 
cyklen;  es  ist  das  aber  kein  Mangel,  denn  der  wahre  Zweck  der 
Vorlesungen  besteht  im  Lehren  der  rechten  Methode  des  Studiums, 
nicht  in  der  Überlieferung  von  Wissenmaterial,  das  vielleicht  bald 
veraltet. 

Von  der  receptiven  Thätigkeit  des  romanischen  Studenten  in 
den  Vorlesungen  handelt  dann  der  folgende  §  9.  Es  wird  erst  ihr 
Wert,  dann  ihr  Unwert  betrachtet,  d.  h.  erst  der  Unterschätzung 
derselben,  dann  ihrer  Überschätzung  entgegengetreten:  Das  Lernen 
durch  Vorlesungen  hat  bedeutende  Vorteile  vor  dem  Lernen  durch 
Bücher,  jedoch  eine  Überladung  mit  Vorlesungen  verfehlt  ihren 
Zweck.  Die  Kunst  des  übersichtlichen  und  kritischen  Mitschreibens 
ist  nicht  leicht,  aber  wichtig,  weil  viele  Zeit  und  Mühe'  ersparend. 

Im  nächsten  §  10  ist  von  der  produktiven  Thätigkeit  des 
rom.  Studenten  die  Bede  d.  h.  von  seinen  selbständigen  wissenr 
BohafUiohen  Arbeiten.  Dieselben  haben  etwa  vom  3.  Semester 
an  zu  beginnen,  da  die  ersten  Semester  meist  reichlich  in  Anspruch 
genommen  werden  durch  Kollegienbesuch ,  propädeutische  Vor- 
bildung    und    —     die    Freude     am    Dasein.      Stoff    zu    Arbeiten 


G.  Körting,  Encyklopädie  und  Methodologie  etc.  13 

)tet  gerade  die  rom.  Philologie  in  übeiTeicher  Menge;  es  werden 
ispielsweise  vom  Verf.  für  zwei  yerschicdene  Stufen  geistiger  Ent- 
ckelung  eine  ganze  Reihe  von  wissenschaftlichen  Arbeit^ebieten 
rgeschlagen;  auch  praktische  Ratschläge  für  die  Abfassung  von 
beiten  angegeben:  vorhergehende  Bekanntmachung  mit  der  Litteratur 
3  betreffenden  Gegenstandes,  Sammlung  des  Materials  meist  am 
3te4  auf  einzelnen  Zetteln  geschehend,  Entwurf  einer  ausführlichen 
äposition,  knappe  sachgemässe  Ansfühniog,  keine  langen  Einleitun- 
1,  Meiden  von  Oemeinplätzen  und  schöngeistigen  Reflexionen,  be- 
leidene,  rein  sachliche  Kritik,  genaue  Angabe  des  Entlehnten  und 
r  Quellenschriften.  Als  Muster  solcher  fachwissenschaftlichen  Ar- 
iten  werden  dann  acht  Schriften  genannt  und  jedem  rom.  Philo- 
;en  das  Studium  derselben  dringend  empfohlen. 

Mit  §  11  geht  der  Verf.  über  zu  seinen  Betrachtungen  über 
)  Gegenstände  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  des  romanischen 
identen,  zunächst  in  §  11  und  12  über  das  Französische.  Das- 
be  bildet  mit  Recht   den    Hauptgegenstand    des    Studiums 

11);  jedoch  dürfen  die  anderen  rom.  Sprachen,  besonders  das 
.lienische,   nicht  vernachlässigt  werden;   man  soll  sich  wenigstens 

viel  Kenntnisse  in  jeder  erwerben,  um  nötigenfalls  ein  in  ihnen 
ichriebenes  wissenschaftHches  Buch  lesen  zu  können. 

§  12  geht  dann  speziell  auf  das  Studium  des  Französi- 
len  ein,  besonders  auf  das  Verhältnis  der  altfranzösischen  Studien 

den  neufranzösischen.  Es  wird  ausführlich  nachgewiesen,  wie  die 
teren  mit  Recht  das  Übergewicht  haben:  Die  wissenschaftliche 
kenntnis  des  Neufranzösisehen  ist  notwendig  auf  der  Kenntnis  des 
bfranzösischen  begründet:  beide  sind  unzertrennlich,  von  beiden  ist 
)r  das  Erstere  die  Grundlage  und  Grundbedingung,   das  Letztere 

Folge;  aber  nicht  etwa  die  Nebensache,   das  zeigen   volle  fünf 

ten,  auf  denen  sich  der  Verf.  mit  diesem  Gegenstande  beschäftigt 

1  die  reich  sind  an  praktischen  Winken  über  das  Studium  desselben. 

Die    folgenden    und    letzten    drei    Paragraphen    des    Kapitels 

13  — 15)  behandeln  die  übrigen  mit  mehr  oder  weniger  Not- 
adigkeit  geforderten  Gegenstände  des  wissenschaftlichen  Studiums. 
13  zunächst  die  Hülfswissenschaften;  unter  ihnen  sind  be- 
iders  drei  zu  nennen:  die  lat.einische  Philologie,  die  deutsche 
Uologie  und  die  Geschichte.  Von  der  ersten  wurde  schon  in  §  2 
gehend  gesprochen,  sich  mit  der  zweiten  thunlichst  zu  bescMftigen, 
Ehrensache  jedes  wissenschaftlich  gebildeten  Deutschen,  die  dritte 

von   grosser  Wichtigkeit  für  das  Verständnis   der  Litteraturge- 

ichte.     Besonders  ist  Kulturgeschichte  (und   speziell  wieder   die 

Mittelalters)  zu  berücksichtigen;   eine   Anleitung  zum  Studium 

selben  giebt  der  Verf.,  indem  er  auch  eine  Reihe  der  Hauptwerke 

selben  namhaft  macht.    Im  §  14  wird  zunächst  eindringÜch  vor 


14  Referate  und  Rezensionen.    Fr.  Dön', 

der  Polyhistorie  gewarnt ;  der  Sprachwissenschaft  kann  der  Studierende 
auch  nur  wenig  Zeit  widmen,  dagegen  scheint  die  Vergleich  ung  der 
rom.  Sprachen  mit  anderen  sekundären  Sprachen  (besonders  dem 
Neugriechischen)  eher  ein  fruchtbringendes  Arbeitsfeld  zu  werden.  — 
§15  behandelt  zuletzt  kurz  das  Fach,  welches  bis  jetzt  als  Neben- 
fach des  Französischen  gegolten  hat,  und  welches  so  wenig  sich 
dazu  eignet,  das  Englische;  seine  Stelle  wird  hoffentlich  in  nicht  zu 
langer  Zeit  das  Lateinische  einnehmen;  die  Zusammenkoppelung  des 
Französischen  und  Englischen  wird  als  wissenschaftlich  unberechtigt 
nachgewiesen. 

Zum  Schluss  folgen  „Litteraturangaben^,  die  ja  gerade  für 
dieses  Kapitel  nur  sehr  spärlich  ausfallen  konnten;  die  Lücken  der- 
selben  werden  indess  zum   nicht  geringen  Teil   durch  den  reichen 

Inhalt  des  Kapitels  selbst  ersetzt. 

R.  Schmidt. 

0.  Danker.  Die  Realgymnasien  bezw.  Realschulen  L  0. 
und  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  Mit  einem 
Vorwort  an  alle  früheren  Schüler  der  Realschulen  L  0. 
und  Realgymnasien  und  eine  Besprechung  der  Schrift  des 
Professor  Dr.  Körting  in  Münster:  „Gedanken  und  Be- 
merkungen über  das  Studium  der  neueren  Sprachen  auf  den 
deutschen  Hochschulen '^  unter  Berücksichtigung  der  darüber 
erschienenen  Beurteilungen.     Kassel,  1883.     8^.  92  SS. 

Vor  kurzem  fiel  mir  die  oben  bezeichnete  Flugschrift  des  Dr. 
Dank  er,  ord.  Lehrers  am  Realgymnasium  in  Kassel,  in  die  Hände. 
Ich  verfolge  als  Dirigent  einer  Mädchenschule  den  Streit  zwischen 
Gymnasium  und  Realgymnasium  nicht  mit  dem  Interesse  eines  un- 
mittelbar Beteiligten.  Daher  hatte  ich  seit  einiger  Zeit  Flugschriften 
derart  nicht  gelesen.  Je  weiter  ich  aber  bei  der  Lektüre  dieses 
Heftchens  gelangte,  desto  eigener  ward  mir  zu  Mute,  und  da  das 
Französische  darin  auch  behandelt  wird,  so  glaubte  ich  bei  Herrn  Prof. 
Koschwitz  anfragen  zu  dürfen,  ob  er  mir  die  Spalten  dieser  Zeit- 
schrift zu  einer  Besprechung  öffnen  wolle.  Derselbe  hatte  die 
Schrift  noch  nicht  gesehen;  gestattete  mir  aber  etwas  darüber  zu 
sagen  in  der  Voraussetzung,  dass  es  in  massvoUer,  sachgemässer 
Weise  geschehe.  Ich  will  versuchen  dies  zu  thuu,  und  es  ist  mir 
um  so  mehr  geboten,  als  Prof.  Koschwitz  selbst  insbesondere  in  der 
Schrift  des  Herrn  Danker  in  einer  Weise  angegriffen  wird,  welche 
ich  ebenfalls  werde  etwas  näher  beleuchten  müssen.  ^ 


^)  [Durch  obige  Rezension  unseres  geehrten  Mitarbeiters,  Herrn 
Dir.  Dörr,  aufmerksam  geworden,  habe  ich  mir  ein  Exemplar  der  von 


O.  Danker,  Die  Realgy^nimsien  hezw.  Realschulen  I.  0.  15 

Die  Abhandlang,  von  welcher  die  Schrift  den  Titel  trägt, 
mmt  20  Seiten  ein;  ihr  geht  (bis  p.  16)  ein  Vorwort  an  alle 
dheren  Schüler  der  Realgymnasien  voraus,  und  von  p.  38  —  88 
Igt  eine  Besprechung  der  Schrift  des  Herrn  Prof.  Körting  über 
LS  Studium  der  neueren  Sprachen  auf  den  deutschen  Hochschulen 
id  einiger  Kritiken  dieser  Schrift 

Das  Vorwort  ruft  alle  früheren  Bealgymnasiasten  auf,  mit 
ort  und  That  ein^treten  für  die  Schule,  aus  welcher  sie  hervor- 
gangen, damit  die  ^gute  Sache  ^  triumphiere.  Es  behandelt  haupt- 
chlich  die  Gutachten  der  verschiedenen  Universitäten  und  die 
asserungen  einzelner  Professoren  über  die  Zulassung  der  Beal- 
'mnasiasten  zum  Studium  der  neueren  Sprachen,  wie  über  ihre 
3istungen  als  Studenten  im  allgemeinen.  Die  Urteile,  welche  sich 
ir  das  Realgymnasium  aussprechen,  finden  warme  Anerkennung; 
tgegenstehende  Äusserungen  werden  als  ^sonderbar'',  ^exzentrisch," 
zweifellos  übertrieben '^  bezeichnet.  Von  Kiel  heisst  es:  ^DasVor- 
ihen  der  Kieler  Fakultät  ist  genügend  gebrandmarkt  worden^, 
it  bezug  darauf  mahnt  Herr  Danker,  ^ nicht  dem  Vorurteil, 
ndern  der  Wahrheit  Verbreitung  zu  verschaffen^;  dem  Kultus- 
inister  wird  vorgeworfen,  er  habe  im  Abgeordnetenhaus  zwar  auf 
e  ^  meist  auf  zufälligen  einzelnen  Erfahrungen  beruhenden  Gut- 
hten^,  ^leider"  aber  nicht  auf  die  ^den  Realgymnasien  bis  jetzt 
lustigen^  Prüfungsresultate  Rücksicht  genommen;  von  früheren 
hülem  des  Realgymnasiums,  welche  als  Studenten  in  ihrer  Vor- 
Idung  Mängel  fanden,  wird  gesagt:  „Die  Rücksicht  auf  die  wahr- 
heinlich  (I)  dem  betreffenden  Studierenden  bekannte  Vorliebe  der 
srren  Professoren  für  das  Gymnasium  mag  deshalb  doch  wohl 
ch  die  erwähnten  Äusserungen  beeinflusst  haben.  Es  gibt  auch 
decher  (!)  von  dieser  Sorte.  ^  Wer  aber  für  das  Realgymnasium 
itritt  ^in  männlicher,  selbstbewusster  Weise^  (^allerdings  ohne 
)erhebung^),  der  wird  seinem  Vaterlande,  der  Anstalt,  die  ihn 
rgebildety  und  sich  (I)  einen  grossen  Dienst  erweisen  (p.  14). 

Zu  Eingang  der  nun   folgenden  Betrachtung  über  die  Real- 


m  besprochenen  Broschüre  verschafiFt.  Da  ich  in  ihr  einige  unwahre 
igaben  über  mich  vorfand,  forderte  ich  Hn.  Danker  zu  einer  ötfent- 
hen  Berichtigung  derselben  auf.  Er  antwortete  mir  mit  einem  vier- 
in Seiten  langen,  für  ihn  charakteristischen  Briefe  und  stellte  die 
iröfTentlichung  desselben  sowie  meines  an  ihn  gerichteten  Schreibens 
Ausaichtf  wozu  ich  ihm  ohne  weiteres  meine  Einwilligung  g^b.  Auch 
^en  eine  von  mir  ausgehende  Publikation  seiner  Zuschrift  an  mich 
t  Hr.  Danker  keinen  Einspruch  erhoben.  Ich  erlaube  mir  daher,  zur 
fklärung  über  die  Sonderart  des  Verfs.  im  Folgenden  einige  inter- 
ante  Stellen  aus  seinem  Briefe  in  Anmerkungen  mitzuteilen ;  sie  werden 
zu  beitragen,  das  oben  gesagte  in  ein  noch  helleres  Licht  zu  stellen. 

E,  IC.] 


16  Referate  und  Rezensionen.    Fr.  Dörr, 

gymnasien  und  das  Studium  der  neueren  Sprachen  fordert  Herr 
Danker  frühere  RealgymnasiaL-Abiturienten,  welche  anderen  Berufs- 
zweigen sich  gewidmet  haben,  auf,  ^in  ähnlicher  Weise  die  Vorzüge 
ihrer  Bildung  dai'zulegen'^;  er  scheint  diesen  Teil  also  als  Darlegung 
der  Vorzüge  seiner  Bildung  (oder  überhaupt  der  Bildung  von  auf 
Realgymnasien  vorgebildeten  Neusprachlern)  zu  betrachten.  Dann 
stellt  er  zwei  Fragen:  „1)  Genügt  die  Vorbildung  der  Eealgymna- 
sial- Abiturienten  für  ein  wissenschaftliches  Studium  der  neueren 
Sprachen?"  und  „2)  Welche  Vorteile  zieht  das  Studium  der  neueren 
Sprachen  selbst  aus  der  Berechtigung  der  Realgymnasial-Abiturienten 
zu  diesem  Studium?" 

Er  findet  bei  Beantwortung  von  1,  dass  nach  den  Lehrplänen 
von  1882  „die  lateinischen  Kenntnisse  der  R.-G.- Abiturienten  für 
ihr  Studium  vollständig  genügen".  „Die  Professoren,  welche  künftig 
den  R.-6.-Abiturienten  zu  (!)  mangelhafte  Kenntnisse  im  Lateinischen 
vorwerfen  sollten,  würden  jedenfalls  noch  weniger  Glauben 
finden  als  bisher,  und  es  dürfte  den  Verteidigern  der  R.- Gym- 
nasien dann  auch  nicht  schwer  werden,  die  Grundlosigkeit  solcher 
Behauptungen  nachzuweisen."  —  ^Der  einzige  Mangel,  welcher  den 
R.-G.- Abiturienten  vielleicht  vorgeworfen  werden  kann,  ist  die  Un- 
kenntnis des  Griechischen.  Darüber  wird  nun  mehr  Geschrei  er- 
hoben, als  nötig  ist."  Indessen  „um  dem  R.-G.  Ruhe  und  eine 
neue  Blüte  zu  verschaffen,  fordere  ich  die  R.-G.-Abiturienten 
.  .  .  dringend  auf,  sich  in  den  ersten  Semestern  dasjenige  Mass 
griechischer  Kenntnisse  anzueignen,  welches  die  meisten  Pro- 
fessoren zufrieden  stellen  wird,  damit  der  Agitation  gegen 
die  Zulassung  der  eigentliche  Boden  entzogen  wird^.  Er  wendet 
sich  dann  noch  besonders  gegen  Prof.  Koschwitz  und  G.- Direktor 
Reisacker,  wobei  er  eine  Äusserung  des  ersteren  als  „ganz  thöricht" 
bezeichnet;^)  tritt  dafür  ein,    dass   „die  Realschulmänner  die  volle 


^)  [Die  betreffende  Stelle  bei  Danker  lautet:  „Als  ganz  thöricht 
aber  wird  jeder,  der  da  weiss,  dass  eine  Schule,  wie  alles  in  der  Welt, 
nicht  vollkommen,  sondern  nur  relativ  gut  sein  kann,  die  Forderung 
des  Prof.  Koschwitz  abweisen,  den  Schüler,  wenn  für  einige  Fächer  ein 
doch  selbstverstöndlich  leichtes  Nachexamen  auf  der  Universität  ein- 
geführt würde,  doch  lieber  gleich  aufs  Gymnasium  zu  schicken.  Es 
bleibt  doch  immer  der  Unterschied  bestehen,  dass  auf  dem  G3nnna8ium 
sechs  Jahre  lang  das  Griechische  neben  dem  Lateinischen  (He  Haupt- 
arbeitskraffc  des  Schülers  in  Anspruch  nimmt,  während  dieselbe  auf 
dem  Realgymnasium  der  Mathematik,  den  Naturwissenschaften  und 
den  neueren  Sprachen  neben  dem  Lateinischen  zugewendet  wird.  Das 
bleibt  doch  wahrlich  immer  noch  ein  gewaltiger  Unterschied.^  Es  ist 
klar,  wo  hier  die  Thorheit  liegt.  Wenn  man  von  dem  Neuphilologen 
eine  möglichst  gründliche  Bekanntschaft  mit  dem  Griechischen  ver- 
langt, so  muss  man  bei  gesundem  Menschenverstände  eben  in  folge 
des  von  Hn.  D.  konstatierten  gewaltigen  Unterschiedes  dem  flüchtigen 


0.  Danker,  Uealfßjmnasieix  und  Realschtden  1.  0.  etc.  17 

ieichberecbtigung  erstreben";  bemerkt,  dass  „von  sachkundiger  Seite 
e  Kenntnis  der  griechischen  Sprache,  selbst  für  die  griechische 
irminologie  der  Medizin,  als  sehr  unwesentlich  betrachtet"  werde; 
id  handelt  noch  weiter  von  der  Art,  wie  R.-G.-Abiturienten  beim 
udieren  der  Medizin,  Jurisprudenz,  Theologie,  „alten"  Philologie 
3h  mit  dem  Griechischen  einrichten  könnten.  Zum  Schlüsse  hofft 
y  „dass  jeder  unbefangen  (!)  Urteilende  zu  dem  Resultat  gelangt, 
>ss  es  unbillig  ist,  von  den  R.- 6. -Abiturienten  dasselbe  Mass 
istiger  Ausbildung  zu  verlangen  (!),  wie  von  den  G.-Abiturientjßn, 
aen  dieselben  materiellen  Opfer  aufzuerlegen  und  ihnen  dann 
bliesslich  fast  alle  Fakultäten  zu  verschliessen". 

Als  ,,Gesamtantwort  auf  die  zweite  Frage  ergibt  sich  .  .  .": 
)ie  Existenz  der  Realgymnasien,  welche  augenblicklich  in  nicht 
ringem  Grade  mit  bedingt  ist  durch  die  Berechtigung,  ihre  Abitu- 
inten  zum  Studium  der  neueren  Sprachen  zu  entlassen,  ist,  be- 
aders  da  auch  in  der  erwarteten  Einheitsschule  der  Löwenanteil 
n  alten  Sprachen,  der  Mathematik  und  den  Naturwissenschaften 
fallen  würde,  auf  die  Dauer  eine  Lebensfrage  für  die  Blüte  des 
adiums  auch  auf  den  Universitäten  ..."  Für  die  Lehrer  an  den 
)errealschulen  werde  die  „sogenannte  wissenschaftliche  Grundlage", 
>nn  er  sie  „nicht  irgendwie  verwerten"  könne,  „an  Wert  verlieren". 
1  den  Gymnasien  spielen  die  neueren  Sprachen  „nur  eine  klägliche 
>lle";  auch  sind  die  Lehrer  dort  gewöhnlich  schlechter  vorge- 
det  (p,  18).     ( 

Wer  meiner  Inhaltsangabe  bis  hierher  gefolgt  ist,  wird  sie 
vas  bunt  finden;  das  ist  nicht  meine  Schuld.  Ich  habe  versucht, 
i  Frage  1  Herrn  Danker  zu  folgen;  er  berührt  aber  so  vielerlei 
d  so  wenig,  was  zur  Frage  selbst  gehört,  dass  man  den  Faden 
r  zu  leicht  verliert.  Was  haben  die  Ausführungen  über  etwaiges 
iechisch  für  den  Neuphilologen  auf  der  Schule  oder  Universität, 
er  völlige  Gleichberechtigung,  über  Griechisch  und  Medizin,  Juris- 
idenz  u.  s.  w.,  über  die  Notwendigkeit  gründlicher  mathematisch- 
burwissenschafÜicher  Schulung  für  den  Mediziner,  über  propädeu- 
3he  Vorlesungen,  über  Goethe's  Kenntnisse  im  Griechischen  mit 
•  Frage  zu  thun:  Genügt  die  Vorbildung  der  R.-G.- Abiturienten 
'  ein  wissenschaftliches  Studium  der  modernen  Sprachen? 
s  ist  alles,  und  noch  mehr  dazu,  auf  13  Seiten  behandelt;  dass 
'  eigentliche  Nachweis  etwas  dürftig  ausfällt,  ist  nicht  zu  ver- 
ndem. 

Am  ausführlichsten  aber  bespricht  Herr  Danker  Prof.  Körting's 


.chstudium  des  Griechischen  an  der  Universität  die  sechs  Jahre  lange 
ichäftigung  des  Gymnasiasten  mit  dem  Griechischen  vorziehen  und 
ler  den  Gymnasialbesuch  empfehlen.  E.  K.] 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     Vis.  n 


18  Referate  und  Rezetisionen.    Fr.  Dörr, 

Schrift  und  die  Rezensionen  derselben  durch  die  Professoren  Eosch- 
witz,  Kölbing,  Trautmann.  Eifrig  und,  wie  ich  glaube,  mit  Recht 
tritt  er  für  die  Errichtung  von  besonderen  Professuren  für  Neu- 
französisch  und  Neuenglisch  ein.  Prof.  Körting  kommt  im  ganzen 
noch  ziemlich  glimpflich  weg,  ausser  wo  Herr  Danker  anderer  An- 
sicht ist  als  er;  da  bekommt  er  auch  etwas  ab.  Auch  Prof.  Traut- 
mann gehts  ganz  gut;  er  ist  so  glücklich,  vielfach  mit  Herrn  Danker 
übereinzustimmen  und  erhält  dafüi*  entsprechendes  Lob.  Aber  den 
Henen  Koschwitz  und  Kölbing  muss  Herr  Dr.  Danker  leider  ein 
recht  schlechtes  Prädikat  geben;  diese  Herren  haben  auch  den 
massigsten  Anforderungen  nicht  genügt;  sie  sind  in  keiner  Weise 
für  das  Realgymnasium  als  brauchbar  zu  erachten. 

Ich  glaube  durch  meine  Inhaltsangabe  und  die  Zitate  aus 
Herrn  Danker's  ersten  zwei  Teilen  schon  gezeigt  zu  haben,  dass 
Herr  D.  sich  bei  seinen  Ausfühiiingen  lediglich  von  Nützlichkeits- 
rücksichten  lenken  lässt,  und  dass  er  in  der  Wahl  der  epitheta 
ornantia  für  wirkliche  oder  vermeintliche  Gegner  nicht  ängstlich 
ist.  Diese  beiden  Charakteristika  treten  im  dritten  Teil  noch  viel 
schärfer  hervor.  Herr  D.  denkt  immer  nur  daran,  dass  die  Berech- 
tigungen des  Realgymnasiums  erweitert  müssten  werden;  immer 
wieder  heisst  es:  ceterum  censeo  ...  —  Mit  Stolz  und  Beschämung 
erfüllt  es  einen,  wenn  man  liest,  was  Körting  von  einem  Neusprachler 
verlangt:  mit  Stolz,  dass  er  unseren  Beruf  so  hoch  stellt,  dass  er 
eine  so  vielseitige  und  umfassende  Bildung  für  denselben  erforderlich 
hält;  mit  Beschämung,  dass  der  Einzelne  selten  oder  nie  im  Stande 
ist,  solch  idealen  Forderuogen  auch  nur  einigermassen  zu  entsprechen. 
Herr  Dr.  Danker  wendet  sich  gegen  jede  ideale  Auffassung,  das 
nackte  Nützlichkeitsprinzip  ist  sein  Leitstern;  wer  mehr  verlangt, 
als  etwa  Herr  Dr.  Danker  leistet,  gehört  nach  Utopien.  Er  hat  ja 
sogar  seit  einigen  Monaten  griechisch  angefangen,  da  er  gerade 
Müsse  hatte;  was  kann  man  mehr  verlangen?  Wer  aber  mehr  ver- 
langt» wehe  dem! 

Es  bleibt  nicht  bei  „ezcentrisch",  „zweifellos  übertrieben," 
„sonderbar"  (obschon  Herr  D.,  der  ja  in  Strassburg  viel  mit  Re- 
ferendaren verkehrt  hat,  und  dessen  meiste  Bekannte  vom  Real- 
gymnasium her  „1.  Chargierte"  wurden,  wohl  weiss,  dass  dies  schon: 
Tusch  —  oder  Touche?  —  ist);  o  nein,  es  kommt  kräftiger:  „gehässig," 
„schlechterdings  unwahr,^  „oberflächlich,"  „leichtsinnig,"  „einfach 
unwahr,"  „beleidigende  Entstellung  der  Wahrheit,"  „durchaus  un- 
wahr;" det  flutscht  better,  sagte  der  Pommersche  Ländwehrmann 
und  schlug  mit  dem  Kolben  drein.  Was  müssen  die  Herren  Pro- 
fessoren Koschwitz  und  Kölbing  doch  für  schändliche  Charakteit» 
sein!  Damit  ist  Herr  Danker  aber  noch  nicht  zufrieden;  er  muss 
sie  noch  direkter  packen.     Da   warnt  er  jeden  R.-G.- Abiturienten 


0.  Danker,  Realgymnaisien  und  Realschüen  I.  0.  etc.  19 

ernstlich,  nach  den  Hochschulen  hinzugehen,  wo  „diese  Herren"  do- 
zieren; da  findet  er,  man  werde  „allerdings  bald  nur  noch  über 
solche  Professoren  lächeln,  die  ...  so  etwas  aufzutischen  wagen 
sollten '^j  über  diese  Dinge  (die  Rolle  des  Englischen  auf  dem 
R.-G.)  haben  sie  „im  Grunde  gar  nicht  mitzureden ''.  und  zur 
völligen  Vernichtung  des  Herrn  Prof.  Koschwitz,  „dieses  grossen 
Pädagogen,"  wird  dann  nach  dem  Vorgange  des  Herrn  Dr.  Löwe- 
Bernburg  (der  den  Teilnehmern  an  einer  gewissen  Sitzung  der  päda- 
gogischen Sektion  auf  dem  Trierer  Philologentag  in  heiterer  Erinne- 
rung steht)  erwähnt,  Herr  K.  habe  »in  der  kurzen  Zeit  seiner 
Wirksamkeit"  an  einer  Realschule  „schlechte  Erfahrungen  machen 
müssen",^)  und  es  wird  ihm  versichert:  „Wären  Sie  jetzt  noch  an 
einer  Schule  angestellt,  so  würde  man  Ihrer  Ansicht  wahrscheinlich 
sehr  wenig  Gewicht  beilegen ;  jetzt,  da  Sie  von  pädagogischen  Fragen 
wahrscheinlich  noch  weniger  verstehen,  wird  man  Sie  auch  danach 
behandeln". 

Herr  Doktor,  Herr  Doktor,   Sie  waren  übel  beraten,   als  Sie 
das  schrieben,   und  wenn  man  Sie  behandelt,  wie  es  solche  Dinge 
verdienen,    so    würde    Ihnen    entweder    eine    Lessing*sche    Abferti- 
gung zu  teil  (lesen  Sie  einmal  nach,  was  L.  von  denen  sagt,  welche 
nicht  mit  Gründen,    sondern   mit  Persönlichkeiten    und   Invectiven 
fechton),  oder  man  schweigt  ganz  still,  da  man  gegen  solche  Waffen  , 
doch  nur  mit  Widerwillen  kämpfen  könnte.    Auch  habe  ich  keines- 
ivegs  deshalb  mich  an  den  Schreibtisch  gesetzt,    um   einen  Kampf 
mit  Ihnen  zu  beginnen.     Aber  es  schien  mir  der  Mühe   wert,   an 
Ihrem  Schriftchen  zu  zeigen,  in  welcher  Weise  der  Kampf  für  Real- 
g'ymnasium  (und  Gymnasium?)   jetzt  geführt   wird,    und   davor  zu 
ivarnen,  dass  man  diesen  Weg  weiter  gehe.    Womit  soll  das  enden? 
Wer  gibt  mir  denn  das  Recht,    meinen   Gegner  zu  beleidigen  und 
persönlich  herabzusetzen?  Hat  er  nicht  so  gut  Anspruch  darauf,  dass 
ich   voraussetze,    er  kämpfe   für  das,   was  er  für  wahr  und  recht 
hält,  wie  ich  verlange,  dass  er  dies  von  mir  thue?    Warum  sollen 


^)  [Es  ist  ebenso  unwahr,  dass  ich  nur  kurze  Zeit  an  einer  Real- 
}chule  im  praktischen  Lehramt  thätig  war,  wie  dass  ich  an  einer 
lolchen  schlechte  Erfahrungen  gemacht  habe,  wenn  nicht  etwa  damit 
[ie  allerdings  von  mir  beobachtete,  bedauerliche  Beschaffenheit  einer 
Anstalt  gemeint  ist,  deren  Direktor  bald  nach  meinem  Austritt 
.US  derselben  der  Degradation  nur  durch  seinen  plötzlichen  Tod  ent- 
ing"-  Hr.  Danker  h'ätte  das  alles  ganz  gut  wissen  können,  wenn  er 
ewollt  hätte;  aber  er  schreibt  mir  selbst:  ich  muss  bemerken,  „dass 
;li  .  .  .  nur  Lowe's  eigene  Worte  gegeben  und  damit  keinerlei  Ver- 
ntveortung  für  die  Wahrheit  derselben  übernommen  habe". 
'eiiiG  Berichtigung  der  Löwe'schen  Behauptung  will  er  übersehen 
jjoen,  obgleich  sie  dieser  in  derselben  Ztg.  f.  d.  höh.  Unterrichts- 
esexi  auf  dem  Fusse  gefolgt  ist.  E.  K.]  ' 

2* 


20  Referate  und  Rezensionen.    Fr.  Dörr, 

meiae  Freunde  alle  vortrefflich  und  meine  Gegner  alle  nichtsnutsdg 
sein?  Wie,  wenn  nun  der  Spiess  umgekehrt  würde?  Glaubt  denn 
Herr  Dr.  Danker,  es  würde  so  schwer  sein,  ihm  und  den  Freunden 
des  Bealgymnasiums  auch  einmal  persönlich  eins  anzuhängen?  Hält 
er  seine  Aufstellungen  alle  für  unanfechtbar?  Er  beweifelt  Herrn 
Prof.  Eoschwitz  Kenntnisse  im  Englischen.^)  Sollte  sich  nicht 
unter  den  von  ihm  genannten  dem  R.-G.  freundlichen  Professoren 
einer  oder  der  andere  finden,  bei  dem  es  da  auch  ein  wenig  haperte? 
U.  ä.  m. 


*)  Es  wird  die  Leser  interessieren  zu  erfahren,  wie  Hr.  D.  zu 
seiner  Kenntnis  von  meinem  geringen  englischen  Wissen  gelangt  ist. 
Er  schreibt  mir  darüber:  „Es  ist  mir  allerdings  von  sehr  nahestehen- 
der Seite  berichtet  worden,  dass  Sie  bei  Ihrer  Berufung  nach  Greifs- 
wald einem  Strassburger  Bekannten,  der  Sie  gefragt  hatte,  wie  Sie 
denn  mit  Ihren  Kenntnissen  im  Englischen  in  Greifs wald  fertig  zu 
werden  gedächten,  geantwortet  hätten:  damit  würden  Sie  sich  schon 
durchhelfen,  oder  derartiges.  Aus  einer  solchen  Frage  geht  doch 
zweifellos  hervor,  dass  man  in  Strassburg  der  Ansicht  war,  Sie  besässen 
nur  mangelhafte  Kenntnisse  im  Englischen.  Aus  der  Ihnen  zugeschrie- 
benen Antwort  geht  aber  ebenso  die  Bestätigung  jener  Ansicht  Ihrer- 
seits hervor.^  Seihe  Quelle  ist  also  Klatsch,  una  noch  schlimmer,  die 
ganze  Geschichte  ist  erfunden.  Da  ich  zur  Zeit  meiner  Berufung 
nach  Greifswald  in  Kiel  weilte  (wo  ich  nach  Hn.  D.'s  Wissen  niemals 
als  Dozent  thätig  gewesen  bin!),  und  wusste,  dass  ich  hier  nur  die 
romanische  Philologie  zu  vertreten  haben  würde,  so  hatte  ich  nicht 
die  geringste  Gelegenheit,  mich  mit  Strassburger  Bekannten  über  meine 
englischen  Kenntnisse  zu  unterhalten.  So  viel  englische  Kenntnisse 
wie  für  einen  Romanisten  notwendig  sind,  sogar  noch  etwas  mehr, 
habe  ich  mir  übrigens  immer  zugetraut;  Hr.  D.  möge  sich  in  Bezug 
darauf  beruhigen.  Doch  hat  derselbe  noch  andere  triftige  Gründe, 
mir  englisches  Wissen  abzusprechen.  Er  schreibt  mir  nämlich  des 
weiteren:  „Meine  Ansicht  von  Ihrer  Kenntnis  des  Englischen  gründet 
sich  hauptsächlich  auf  Ihre  Bemerkung,  das  der  neuere  Philologie  stu- 
dierende Gymnasial  -  Abiturient  „„ohne  besondere  Schwierigkeit""  das 
ihm  an  neusprachlichen  Vorkenntnissen  fehlende  ergänzen  werde. 
Ich  habe  mich  auf  der  Universität  etwas  eingehender  mit  dem  Engli- 
schen beschäftigt  und  weiss,  dass  auch  zu  einer  genaueren  Kennt- 
nis des  Englischen  ein  längeres  angestrengtes  Studium  gehört,  deshalb 
kann  ich  nur  annehmen,  dass  ein  Professor,  der  das  Nachholen  des 
Englischen  für  so  leicht  hält  wie  Sie,  noch  nicht  tief  in  das  Studium 
dieser  Sprache  eingedrungen  sein  kann."  Das  ist  eine  sonderbare 
Schlussfolgerung!  Auf  dieselbe  Weise  kommt  Hr.  D.  in  seiner  Schrift 
S.  71  auch  zu  dem  Resultat,  dass  ich  ein  ungründlicher  Professor  des 
Französischen  sein  muss.  Man  wird  sich  also  nicht  wundern,  wenn  er 
mit  gleicher  Schärfe  argumentierend  fortfährt:  „Ich  kann  also  so  lange 
nicht  bekennen,  dass  ich  falsch  berichtet  bin,  als  bis  ich  aus  Ihren 
Arbeiten  entnehme,  dass  sie  die  von  Körting  auch  an  den  Romanisten 
gestellten  hohen  Anforderungen  erfüllen,  zumal  mir  auch  ein  Professor 
des  Romanischen  versicherte,  dass  unter  den  jüngeren  Professoren  des 
Romanischen  wenige  seien,  welche  das  Englische  einigermassen  be- 
herrschten.   Ich  würde  Ihnen  sehr  dankbar  sein,  wenn  Sie  mich  auf 


0.  banker,  Realgymnasien  und  Realschulen  I.  0.  etc.  21 

Er  aagt  so  oft  „wahrscheinlich",  „vermutlich,"  und  koUpft; 
ganz  beatimmt«  Schlnssfolgerungen  daran.  Wenn  nun  jemand  be- 
hauptete, Herrn  Danker'a  Logik  stunde  auf  schwachen  Fttssen,  und 
er  behandle  Dinge,  die  er  eben  als  wahrscheinlich  bezeichnet  habe, 
gleich  ale  bewiesene  Thatsachen!  Was  dann?  Und  damit  geschtiie 
Herrn  D.  nicht  einmal  so  grosses  Unrecht  Wenn  aber  nur  gar  je- 
mand sagte,  Uber  das  Gymnasinm  könne  er  gar  nicht  mitsprechen, 
er  sei  ja  weder  dessen  Schüler  noch  Lehrer  daran  gewesen,  letzteres 
könne  er  nicht  einmal  werden?  Oder  wenn  man  ihm  alle  Kompetenz, 
Einrichtungen  fttr  Uaivei'sltftt«n  zu  bearteilen  oder  gar  vorzuschlf^n, 
absprttcbe,  da  er  ja  doch  nicht  Universitätsieb rer  ist?  Oder  wenn 
man  sagte,  er  könne  doch  gewiss  nicht  über  irgend  jemaadea  pfidar 
gogische  Kenntnisse  urteilen,  da  ja  bekanutermassen  die  Lehrer  an 
höheren  Schulen  von  Pädagogik  wenig  oder  nichts  verständen  tmd 
anch  meist  nichts  davon  wissen  wollten  ?  —  Ja,  das  wÄre  denn  wohl 
freilich  nicht  schön,  und  Herr  Danker  wäre  gewiss  erzUmt  darüber. 
Finge  man  nnn  gar  noch  an  zu  behaupten,  seine  Äossemngen  seien 
sonderbar,  ezcentrisch,  zweifellos  Übertrieben,  ja  gehässig,  oberflUch- 
lieh  u.  s.  w.  (wie  vorher  zu  lesen),  oder  IStme  man  gar  auf  Herrn 
Danker's  persönliche  Erfahrungen  als  Mensch  und  Lehrer  zu  sprechen, 
so  hätte  er  wohl  recht  sich  sn  beschweren,  dass  man  „unfair"  mit 
ihm  ver&hre.  Ja,  ja,  Herr  Doktor,  was  dem  Einen  recht  ist,  ist 
dem  Andern  Inllig. 

Ich  bin  kein  Feind  der  R.-Gyranasien ;  ich  bin  auch  nicht  ihr 
Freund.  Die  Freunde  derselben  bitte  ich  aber,  sie  vor  solcher  Ver- 
teidigung zu  schützen;  ein  solcher  Ton  kann  ihnen  bloss  schaden. 
Ich  bin  auch  kein  Freund  der  Gymnasien;  sie  scheinen  mir  ebenso 
wie  die  B.-Gymnasien  bessemngsbedürftig.  Der  ganze  Streit  aber 
um  die  Berechtigungen  ist  unerfreulich;  zum  mindestens  sollte  er 
sachlich   geführt   werden,   sonst  wird  er  ganz  unerträglich.     Bade 


22  Referate  und  Rezensionen,    W.  Scheffle^', 

R.-6.  noch  besser  werden  könne;  und  die  Heisssporne  des  Gymnar 
siums  wollen  auch  von  einer  Reform  nichts  hören,  und  so  bekäm- 
pfen sie  sich  so  lange,  bis  sie  beide  fallen.  Denn  von  allen  Seiten 
erwachsen  ihnen  die  Feinde,  und  wer  die  Strömung  der  Zeit  hier 
verfolgt,  der  sieht,  dass  eine  ümwälzang  sich  sicher  vorbereitet. 
Dabei  wird  aber,  ti*otzdem  dass  Herr  Danker  sie  für  utopisch  hält, 
die  Einheitsschule  auch  ihr  Wort  mitsprechen.  Die  Forderungen, 
welche  Wissenschaft,  Pädagogik,  praktisches  Leben  stellen,  zu  ver- 
einen, ist  allerdings  unendlich  schwer;  eine  Schule  herzustellen,  aus 
welcher  ein  an  Körper  und  Geist  gesunder,  in  allem  notwendigen 
wohl  unterrichteter,  in  Sittlichkeit  und  ernstem  Streben  fest  gegrän- 
deter  Jftngling  hervorgehe,  ist  eine  hohe  Aufgabe.  Sie  muss  aber 
gelöst  werden  um  unseres  Volkes,  unserer  Zukunft  willen.  Der 
jetzige  Zwiespalt,  der  keinem  gentigt,  darf  nicht  dauern.  Der  Zank 
um  Berechtigungen,  soziales  Ansehen  u.  dergl.  muss  verschwinden. 
Daran  sollten  alle  gemeinsam  arbeiten  und  nicht  einseitige  Standes- 
und Schulinteressen  verfechten  und  dem  Gegner  die  bedenklichsten 
Dinge  vorwerfen.  Im  Grunde  ist  es  hoffentlich  so  schlimm  nicht 
gemeint,  aber  es  sieht  wahrlich  bitterböse  aus,  und  was  sollen  die 
anderen  Stände  von  uns  denken?  Drum:  seid  einig,  einig,  einig! 

Wenn  Herr  Danker  mir  vielleicht  zürnt,  dass  ich  gerade  an 
ihm  die  Probe  gemacht,  so  verzeihe  er;  seine  Schrift  war  das  Kräf- 
tigste, was  ich  auf  dem  Gebiet  gesehn;  er  selbst  ist  mit  der  betr. 
Litteratur  vertrauter  und  weiss  am  Ende  noch  kräftigeres,  mich 
verlangt  nicht  danach.  Vielleicht  gebe  ich  später  einmal  meine 
Gedanken  über  die  Einheitsschule  zum  Besten,  und  es  soll  mich 
freuen,  wenn  Herr  Danker  sie  dann  recht  entschieden  und  —  sach- 

gemäss  beurteilt. 

Fr.  Döer. 

Anleitung  zum  französischen  Aufsatz  von  R.  Wilcke,  Ober- 
lehrer an  dem  Königl.  Gymnasium  und  dem  Bealpro- 
gynmasium  zu  Hamm.     Hamm,  1883. 

Die  vorliegende  Anleitung,  ein  Seitenstück  zu  des  Verfassers 
^Englischem  Aufsatz^  (Berlin  1881,  Bomträger),  versucht  es,  die 
gerade  auf  dem  Gebiete  der  Stilistik  und  Rhetorik  reiche  franzö- 
sische Litteratur  für  die  Zwecke  der  Schule,  speziell  für  die  Zwecke 
des  französischen  Aufsatzes  nutzbar  zu  machen.  Ich  will  gleich 
voranschicken,  dass  die  Arbeit  mit  liebe  und  Sorgfalt  unternommen 
ist,  sich  durch  übersichtliche  Anordnung  und  knappe  Sprache  nicht 
minder  auszeichnet,  wie  durch  geschickt  eingefiochtene,  inhaltreiche 
Beispiele.  Es  fragt  sich  jedoch,  ob  es  notwendig  gewesen  wäre, 
gewissermassen  ab   ovo  zu  beginnen.     Bei   Schülern    der    obersten 


R.  WUcke,  Anleitung  zum  franz.  Aufsatz. 


23 


Klassen,  um  welche  allein  es  sich  handeln  kann,  mnss  angenommen 
werden,  dass  sie  dasjenige,  was  Teil  I  und  Teil  II  gibt,  nämlich 
Erläuteningen  der  allgemeinsten,  auf  den  Aufsatz  bezüglichen  Ge- 
sichtspunkte, bereits  aus  der  lateinischen,  namentlich  aus  der  deut- 
schen Stunde  hinlänglich  kennen.  In  Teil  lU  dagegen,  welcher  vom 
Stil  im  niederen,  wie  im  höheren  Sinne  handelt,  wird  vieles  gegeben, 
was  über  die  Ziele  des  Aufsatzes  hinausgeht  und  nur  dazu  dient, 
den  Schüler  auf  die  Schönheiten  der  einzelnen  Autoren  hinzuweisen, 
welche  er  liest.  Wie  die  Dinge  einmal  in  der  Schulpraxis  liegen, 
ist  der  Schüler  meist  gar  nicht  im  Stande,  dasjenige  in  seinem 
Aufsatz  nachzuahmen,  was  ihm  als  besondere  Feinheit  bei  der  Lek- 
türe des  Schriftstellers  entgegentritt  Wenn  schon  bei  dem  deutschen 
Aufsatz  mehrfach  Klage  erhoben  wird,  dass  es  demselben  an  Ge- 
danken, Feuer  und  Schwung  fehle,  um  wie  viel  mehr  wird  man 
diese  Eigenschaften  vermissen,  wenn  es  sich  darum  handelt,  diese 
„Gedankenarmut^  in  eine  fremde,  zumal  in  eine  Sprache  zu  pressen, 
welche  in  ihrem  Satzbau  von  unserer  deutschen  Muttersprache  so 
wesentlich  verschieden  ist. 

Ich  hätte  daher  mehr  gewünscht,  dass  das  Werk  nicht  aus- 
gegangen wäre  von  dem  französischen  Schriftsteller  und  den  von 
Franzosen  für  ihre  Schüler  gelieferten  Anleitungen,  sondern  aus 
der  Schulpraxis  heraus  geboren  wäre  und  den  deutschen  Schüler 
hingewiesen  hätte  auf  jene  Punkte,  in  welchen  er  vor  allem  fehlt, 
wenn  er  französisch  zu  schreiben  versucht.  Seit  vielen  Jahren  habe 
ich  an  der  Prima  des  Vitzthum'schen  Gymnasiums  bei  der  Korrektur 
der  französischen  Aufsätze  immer  wieder  und  wieder  auf  ganz  be- 
stimmte Gruppen  von  Fehlem  hinzuweisen  gehabt,  welche  durch 
ihre  stetige  Wiederkehr  zeigen,  dass  sie  speziell  dem  Deutschen 
3igentümlich  sind.  Diese  Sammlungen,  diese  Statistik  der  Fehler, 
ivonn  ich  mich  so  ausdrücken  darf,  gedenke  ich  selbst  —  bei  grösse- 
rer Müsse  —  meinen  Kollegen  nicht  vorzuenthalten,  mache  aber 
jetzt  schon  darauf  aufmerksam,  dass  eine  kleine  Arbeit  in  ähnlicher 
Elichtung  sich  als  Anhang  in  den  von  Dr.  Otto  Liebe  herausgegebenen 
[jbersetzungsaufgaben  zur  Einübung  der  französischen  Grammatik 
indet.  Auch  Wilcke's  Buch  enthält  einzelne  solcher  Punkte,  wie 
sie  mir  als  besonders  nützlich  vorschweben,  so  S.  45,  3,  wo  vom 
^atzbau  die  Bede  ist.  Hier  ist  sehr  richtig  hervorgehoben,  dass 
las  Deutsche  eine  Vorliebe  für  Nebenordnung,  das  Französische  für 
Jnterordnung  habe.  Das  Beispiel,  welches  ich  mir  in  anderer 
xriippierung  vorzuführen  gestatte,  lautet: 


Die  Asche  des  Brutus  wurde 
einer  Frau  Porcia  .  .  .  gesandt, 
Lie  dem  Beispiele  ihres  Gemahles 
olgte  und  sich  tötete. 


Les  cendres  de  Brutus  furent 
envoy^s  ä.  sa  femme  Porcia  .  .  . 
qui,  suivant  Texemple  de  son 
äpoux,  se  tua. 


24  Referate  utid  Rezensionen.    W.  Scheffier, 

Es  ist  ferner  richtig  daranf  hingewiesen,  dass  der  Franzose 
nicht  unnötiger  Weise  mit  dem  Subjekte  wechsele,  dass  er  mehr 
Partizipial-  und  Infinitiv -Konstruktionen  gebrauche  u.  s.  f.,  ohne 
dass  jedoch  diese  Begeln,  welche  für  die  Praxis  von  besonderem 
Werte  sind,  durch  Beispiele  belegt  worden  wären.  Dieses  Hesse  sich 
bei  einer  späteren  Auflage  leicht  nachholen,  da  dem  Verfasser,  wie 
Jedem,  der  auf  gleichem  Gebiete  gearbeitet  hat,  sicherlich  eine  reiche 
Anzahl  von  Beispielen  zu  Gebote  steht. 

Auch  in  den  aiif  den  Wohllaut  bezüglichen  Stellen  (8.  46  ff.) 
finden  wir  neben  einzelnen  praktischen  Winken  für  den  Aufsatz 
wiederum  eine  Beihe  von  Punkten,  welche  über  dieses  Ziel  hinaus- 
gehen, sich  nur  für  die  Erläuterung  französischer  Schriftsteller  ver- 
werten lassen.  Sehr  richtig  sagt  der  Verfasser:  „Jede  Art  des 
Gefühls,  jede  Leidenschaft,  die  den  Menschen  erregt,  hat  ihre  spezi- 
fische sprachliche  Ausdrucksweise".  Aber  welchem  Primaner,  so 
frage  ich,  steht  denn  jemals  im  französischen  Aufsatze  diese  Aus- 
drucksweise zu  Gebote? 

Wenn  Wilcke  femer  die  Klarheit  als  Spezifizicum  des  Fran- 
zösischen hinstellt,  so  könnte  hierauf  erwidert  werden,  dass  es  an 
dem  Individuum,  nicht  an  der  Sprache  liegt,  wenn  das  Deutsche 
nicht  ebenso  klar  ist,  wie  das  Französische.  Immerhin  gebe  ich 
zu,  dass  die  strenge  Gesetzmässigkeit  des  Französischen  es  dem 
Franzosen  erleichtert,  die  Satzteile  so  zu  gruppieren,  dass  der  Leser 
mühelos  den  Sinn  des  Ganzen  erfasst.  Der  Hauptvorzug  des 
französischen  Aufsatzes  beruht  daher  auch  meiner  Anschauung  nach 
in  dem  Zwange,  dem  der  Schüler  unterworfen  ist,  seine  deutsche 
Ausdrucksweise  in  die  strenge,  ja  starre  Gesetzmässigkeit  des  fran- 
zösischen Satzbaues  einzukleiden.  Hier  kann  der  französische  Auf- 
satz zu  einer  trefflichen  Schule  für  den  deutschen  Stil  werden. 
Dieser  formalbildenden  Seite  des  französischen  Aufsatzes  sind  einige 
gute  Beispiele  gewidmet;  ich  hätte  aber  der  Wichtigkeit  dieser  Seite 
des  Aufsatzes  entsprechend  diesen  Teil  reicher  ausgestattet  gewünscht. 

Selten  wird  von  dem  Deutschen  beachtet,  was  im  Französischen 
Gesetz  ist,  dass  ^die  kürzeste  von  allen  Ergänzungen  zuerst  steht, 
die  längste  zuletzt:" 

Also  nicht: 

L'hypocrisie  s'efi'orce  de  donner 

les  dehors  de  la  vertu 

au  vice; 
sondern: 


au  vice 

les  dehors  de  la  vertu. 


H.  Wilcke,  AnkUung  zum  franz.  Aufsatz.  25 

Dagegen: 


las  dehors  de  la  vertu 
aux  vices  les  plus  honteux  et  les  plus  etc. 

In  dieser  Gruppierung  finde  ich  jedoch  nicht  bloss  ein  Gesetz 
der  Klarheit,  sondern  ebensowohl  des  Wohllautes;  gleich  der  Musik 
liebt  es  auch  die  Sprache,  welche  nicht  minder  musikalischen  Ge- 
setzen unterworfen  ist,  mit  vollen  Akkorden  zu  schliessen.  Passend 
verknüpft  sich  hiermit  die  weitere  Regel,  welche  Wilcke  gibt,  dass 
Abweidlungen  von  der  oben  erwähnten  Stellung  nur  gestattet  sind, 
falls  man  durch  eine  andere  Stellung  grössere  Klarheit  in  den 
Gedankenmassen  zu  erreichen  vermag. 

Also  nicht:  Sondern: 

La  m orale  inspire 


une  sensibilit^  qui   n*a   rien  de 

dangereux 
ELux  personnes   qui   veulent  .  . . 
en  suivre  les  principes; 


aux   personnes   qui   veulent  .  .  . 

en  suivre  les  principes 
une  sensibilit^  qui  n'a  rien   de 

dangereux. 


Dass  hier  das  Bestreben,  Zusammengehöriges,  sich  auf  einander 
Beziehendes  möglichst  an  einander  zu  rtlcken,  zu  der  zweiten  Grup- 
lierung  geführt  hat,  liegt  auf  der  Hand.  Besonders  wird  hier,  und 
licht  bloss  von  dem  deutschon  Schüler,  gefehlt  gegen  die  richtige 
tellung  des  Relativs;  Wilcke  gibt  ein  paar  charakteristische  Beispiele. 

Pour  rendre  V^tude  de  Thistoire  naturelle  int^resante  aux  enfants 
n  peut  leur  conter 

nicht:  sondern: 

lelques  traits  remarquables  sur 
8  principaux  animaux  qui 
quent  leur  curiositö 

Femer  führt  W.  an,   dass  La  Bruj^re  getadelt  worden,   als 
geschrieben:  statt: 


sur  les  principaux  animaux  quel- 
que  traits  remarquables  qui 


II  y  a  des  endroits  dans  l'o- 
Ira  qui  en  laissent  d^sirer 
lütres 


II  y  a  dans  Vop^ra  des  en- 
droits qui  — 


Hier  hat  wohl  der  anmutigere  Tonfall,  wie  der  Wunsch,  durch 
)  Voranstellung  von  des  endroits  konstrastierend  zu  iavJbres  zu 
rken,  zu  der  ersten  Anordnung  geführt 

Wenn  Wilcke  die  anfügende  Schreibart  (S.  54)  nur  als  eine 
)zielle  Abart  des  französischen  Stils  hinstellt,  so  möchte  ich  glau- 
ly  dass  sie  dem  Franzosen  besonders  eigentümlich  wäre.  Im 
mzösischen  führt  jeder  Teil  eines  Satzes  gewissermassen  sein 
3nes  Leben.  Der  Franzose  will  den  Anfang  einer  Periode  schon 
Jessen  haben,  wenn  er  das  Ende  hört.  Wir  dagegen  sind  be- 
ders   darch  die  Stellung  unseres  Verbs  genötigt,  uns  am  Schlüsse 


26  Referate  und  Bezemionen.    W.  Scheffter, 

der  Periode  des  Anfangs  zu  erinnern;  gibt  doch  das  Verb  häufig 
erst  den  Schlüssel  des  Ganzen.  Nicht  minder  charakteristisch  für 
den  Franzosen  ist  die  Schreibart  in  karzen  Sätzen.  Beide  soeben 
erwähnte  Momente  bilden  ein  treffliches  Gegenmittel  gegen  unsere 
Neigung,  langatmige  ineinandergeschachtelte  Sätze  zu  bilden.  Wenn 
schon  im  Deutschen  die  periodische  Schreibart  schwierig  ist,  um 
wie  viel  mehr  im  Französischen,  und  welcher  Primaner  ?rird  sich 
die  Mühe  geben,  wie  Bonsseau,  der  (Wilcke,  S.  56)  bekennt:  ^11 
y  a  teile  de  mes  pöriodes  que  j'ai  toumöe  et  retouraöe  cinq  ou  six 
nuits  dans  ma  töte  avant  qu^elle  füt  en  ötat  d'etre  mise  sur  le  papier^^ 

Praktisch  sind  die  Satzverbindungen,  welche  Wilcke  S.  57 
gibt;  richtig  ist  hier  auf  die  Vorliebe  des  Franzosen  hingewiesen, 
mit  Demonstrativen  anzuknüpfen. 

In  Betreff  des  folgenden  Kapitels,  vom  Stil  im  höheren  Sinne, 
muss  ich  das  Gleiche  sagen,  was  ich  bereits  früher  erwähnt:  es  ist 
instruktiv  für  die  Lektüre  französischer  Schriftsteller.  Der  Schüler 
wird  durch  das  Studium  dieses  Kapitels  befähigter,  die  Schönheiten 
des  französischen  Schriftstellers  tiefer  in  sich  aufzunehmen,  zu  höhe- 
rem Genüsse  der  Lektüre  zu  gelangen.  Für  unseren  Aufsatz  da- 
g^en  kann  ich  mich  nur  mit  dem  style  simple,  dem  schlichten 
Stil  befreunden,  und  wenn  irgendwo,  so  gilt  hier  das  Goethe^sche 
Wort:  ^Es  trägt  Verstand  und  rechter  Sinn  mit  wenig  Kunst 
sich  selber  vor^.  Wilcke  gibt  es  selbst  zu,  wenn  er  bei  det  Er- 
läuterung des  anmutigen  Stiles,  Seite  63,  sagt:  7,Nur  Schriftsteller 
ersten  Banges  gehören  zu  dieser  Gattung^. 

In  den  Rahmen  der  Schule  gehört  Abschnitt  IV,  von  den 
wichtigsten  Aufsatzarten,  wenn  er  auch  manches  aus  dem  ^Allgemeinen^ 
wie  aus  der  ^  Einleitung^  Bekanntes  wiederholt.  Nicht  minder 
wichtig  sind  die  folgenden  Abschnitte  (S.  70  ff.)  von  den  Über- 
(^ngen,  der  Partitio,  der  Becapitulatio  u.  s.  f.  Hier  erfreut  na^ 
mentlich  die  übersichtliche  und  geschickte  Gruppierung. 

Es  folgen  dann  Bemerkungen  über  die  Abhandlung  (S,  84), 
die  Chrie  (S.  85),  die  Rede  (8.  86  ff.)  und  den  Dialog  (S.  97), 
welche  letztere  Form  sich  namentlich  für  den  französischen  Aufsatz 
verwerten  lässt.  Die  Schüler  gehen  gern  darauf  ein,  wie  mir 
wenigstens  die  Erfahrung  gezeigt  hat,  gewisse  Themata  in  Dialoge 
form  zu  behandeln. 

Der  Brief  (S.  98),  womit  das  Werkchen  schliesst,  hebt,  wie 
dies  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  mehr  das  Äussere  hervor  und 
gipfelt  in  einer  Reihe  von  Briefköpfen  und  Briefschlüssen.  Selt- 
samerweise ist  auf  die  gegenwärtige  Regierungsform  in  Frankreich 
keine  Rücksicht  genommen,  die  Anrede  an  den  Präsidenten  fehlt, 
während  die  Anrede  an  die  Majestät  vorhanden  ist. 

W.  SCHEFFLER. 


K,  Bartsch,  Alte  französische  Volkslieder.  27 

Alte  französische    Volkslieder,    übersetzt   von   K.    Bartsch. 
Heidelberg,  Winter's  üniversitätsbuchhandloog.     1882. 

Nicht  zum  ersten  Male  werden  alte  französische  Volkslieder 
in  Deutschland  veröffentlicht.  Schon  bei  Lebzeiten  hatte  Haupt  ein 
als  Manuskript  gedrucktes  Heftchen  von  solchen  Liedern  erscheinen 
lassen,  welches  indessen  unbemerkt  vorüberging.  Erst  die  aus 
seinem  Nachlass  von  Tobler  herausgegebenen  französischen  Volks- 
lieder machten  weitere  Kreise  auf  diese  eigenartige  Litteratur  auf- 
merksam. Zum  ersten  Male  dagegen  ist  von  Bartsch,  dessen  Name 
einer  weiteren  Empfehlung  nicht  bedarf,  der  schwierige  Versuch 
unternommen  worden,  weitesten  Kreisen  die  Schätze  altfranzösischer 
Volksdichtung  durch  eine  deutsche  Nachdichtung  zu  erschliessen. 
Bartsch  hat  sich  dabei  nicht  nur  an  die  bereits  genannte  Sammlung 
von  Haapt-Tobler  gehalten,  sondern  auch  an  die  yon  ihm  selbst  im 
Jahre  1870  veröffentlichten  altfranzösischen Bomanzen  undPastoui'ellen, 
endlich  an  eine  dem  Referenten  unbekannt  gebliebene  Handschrift 
ron  Dr.  Kajser  in  Elberfeld.  Hoffentlich  erfüllt  Bartsch  recht  bald 
ein  Versprechen,  die  Lieder  dieser  Handschrift  auch  im  Original 
u  veröffentlichen.  Die  Quellen,  aus  welchen  Bartsch  schöpft,  sind 
Iso  verhältnismässig  geringe,  und  doch,  welche  Fülle  hat  er  uns 
egeben!  Vielleicht  dürfte  es  ihm  für  eine  zweite  Auflage  nicht  un- 
eb  sein,  eine  Beihe  weiterer  Quellen  erschlossen  zu  sehen.  Zu- 
ächst  weise  ich  auf  Wolff^s  altfranzösische  Volkslieder  hin,  femer 
if  die  Liedersammlungen  von  Oaston  Paris  und  besonders  auf  die 
3r  Zeit  nach  vorangehende  normannische  Liedersammlung  von 
astä,  welche  geiudezu  entzückende  Lieder  in  reicher  Auswahl  bietet. 
Was  das  Buch  von  Bartsch  auch  dem  Fachmann  so  wertvoll 
acht,  ist  seine  warmgeschriebene  Vorrede,  welche  sich  unter  seiner 
schickten  Hand  zu  einem  Überblick  über  die  französische  Volks- 
esie  des  12.  — 16.  Jahrhunderts  erweitert  hat.  Mit  dem  reich- 
Itigen  Quellenverzeichnisse  älterer  französischer  Volkslieder  bei 
Lupt- Tobler  bildet  sie  eine  anziehende  Vorarbeit  zur  Geschichte 
:  französischen  Volksdichtung  überhaupt.  In  dieser  Einleitung 
tpricht  Bartsch  unter  stetigem  Hinweis  auf  seine  Nachdichtungen 
Stoffe,  welche  der  Volkspoesie  vor  allem  eigen  sind.  Ausgehend 
1  den  Bomanzen,  welche  allerdings  auch  einige  Kunstdichter  zum 
*fasser  haben,  kommt  er  auf  die  Lieder  zu  sprechen,  welche  das 
ischliche  Leben  umfassen.  Hier  behandelt  er  besonders  ausftihr- 
den  Glanzpunkt  jeder  Volksdichtung:  die  Liebe.  Besonders 
rakteristisch  sind  auch  jene  Lieder,  welche  aus  den  sanges- 
igen  Ständen  der  fahrenden  Gesellen,  Soldaten,  Müller,  .Schäfer 
(.  w.  hervorgegangen  sind.  Eingeflochten  in  diese  Besprechungen 
st   sich  eine  Anzahl  von  Kehrreimen  (Refrains),  die  uns  gewisser- 


28  .  Referate  und  Eezeftsionen.    W.  Scheffler, 

massen,  wie  die  Früchte  Kanaans,  auf  das  gelobte  Land  der  fran- 
zösischen Volksdichtung  hinweisen.  Wenn  Bartsch  anführt,  dass 
der  Kehrreim  stets  in  inniger  Beziehung  zu  dem  Inhalte  des  Liedes 
stehe,  so  kann  ich  ihm  auf  Grund  meiner  Beobachtungen  nur  be- 
dingungsweise Recht  geben.  Wie  oft  ist  der  Kehrreim  gewisser- 
massen  der  Narr  in  der  Tragödie,  wie  oft  findet  sich  das  trällernde 
Tra  la  la  bei  tief  ernstem  Inhalte! 

Treffliche  Bemerkungen  über  die  Sprache,  den  Reim  des 
Volksliedes,  sowie  seine  Verfasser  finden  sich  in  die  Einleitung  ein- 
gestreut; sie  schliesst  mit  den  die  französische  Volksdichtung  fein 
kennzeichnenden  Worten: 

^Der  Atem  gesunder  Natur  weht  uns  aus  diesen  lieblichen 
Blüten  des  Volksgeistes  an,  die,  mit  reinem,  unbefangenem  Greiste 
genossen,  das  Herz  erfrischen  und  erfreuen.  Sie  schildern  das  Leben 
nicht  idealisiert,  sondern  wie  es  ist:  oft  in  derbem  Realismus,  der 
menschlichen  Schwächen  nicht  schonend.  Aber  wie  sie  uns  ein 
frohes  Lachen  abgewinnen  durch  die  plastische  Wahrheit  ihrer  Ge- 
stalten und  Gebilde,  so  klingt  das  Volkslied  in  gleicher  Weise  die 
tiefsten  Saiten  unseres  Herzens  an,  wenn  es,  hineingreifend  in  die 
Menschenseele,  ihr  innerstes  Glück  und  Leid,  Lust  und  Schmerz  des 
liebenden  Herzens  singt  in  stimmungsvollen  Tönen,  die  ergreifender 
wirken  als  das  schönste  Lied  des  Kunstdichters,  wie  das  Nachtigall- 
lied, das  in  lauer  Sommernacht  mit  seinen  einfachen  Klängen  tief 
zum  Herzen  dringt  und  lange  in  unserer  Seele  nächzittert.  ^ 

Was  die  Gruppierung  anlangt,  so  hat  Bartsch  gleich  allen, 
die  diesen  Stoff  zu  sichten  und  zu  ordnen  unternahmen,  die  Schwierig- 
keit derselben  wohl  empfunden.  Er  teilt  sein  Werk  in  vier  Bücher. 
In  das  erste  hat  er  die  mehr  ernsten  Romanzen  verlegt,  in  das 
zweite  Liebesblüten,  in  das  dritte  Heirat,  Ehe,  während  für  das 
vierte  Buch  die  aus  den  einzelnen  Ständen  entsprossenen  Lieder 
übrig  geblieben  sind,  ohne  dass,  wie  gesagt,  diese  Trennung  streng 
durchgeführt  wäre,  denn  in  jeder  dieser  Gruppen  finden  sieh  auch 
Lieder,  die  in  eine  andere  Gruppe  eingeordnet  werden  könnten.  Es 
ist  eben  schwer,  wenn  nicht  unmöglich,  eine  allgemein  giltige  Ein- 
teilung zu  finden. 

Bartsch  hat  sich  bei  der  Übertragung  als  ein  formgewandter 
Nachdichter  erwiesen;  nur  selten  finden  sich  Wendungen,  welche  der 
Sprache  Gewalt  anthun,  um  dem  Reime  zu  genügen.  Wie  ergrei- 
fend ist  nicht  des  Mädchens  sehnsüchtige  Klage  (S.  64): 

0,  Liebe,  Sehnsucht  tötet  mich! 

Ach  Liebster,  ja  ich  muss  es  sagen, 
So  oft  mein  Herz  gedenkt  an  Dich, 

MuBB  es  gar  tiefe  Trauer  tragen. 


K.  Barisch,  Alte  französische  Volkslieder. 


29 


Vernimm  die  Bitte  von  mir  Armen, 

Erbarme  Dieb,  o  Liebster,  mein; 
Will  Dich  Dein  Liebchen  nicht  erbarmen. 

So  hast  Du  wohl  ein  Herz  von  Stein. 

wie  munter  nicht,  trotz  seines  ernsten  Inhaltes,  das  kunstvolle  Lied- 
chen vom  „Liebesklausner"  (Seite  70): 

Gott  schütze  Dich,  Du  Holde, 
Die  ^anz  mein  Herz  gewann; 
0  gib  mir  das  zum  Solde, 

Du  Holde,  Du  Holde, 
Dass  ich  Dich  küssen  kann. 


Du  bist  die  Schönst'  im  Reiche, 
Und  ich,  der  treu  Dich  liebt, 
Nicht  Bpröd  zurücke  weiche 

Und  reiche,  und  reiche 
Dem  Trost,  der  Liebe  gibt. 

Mich  hält  die  lose  Minne 
So  fest  in  ihrem  Band, 
Dass  ich  ihr  nicht  entrinne, 

Die  Sinne,  die  Sinne, 
Sind  sklavengleich  gebannt. 

Bald  wird  mein  Stündlein  schlagen 
Ach  edel  thust  Du  nicht; 
Noch  eins  will  ich  Dir  sagen. 

Dir  sagen  mit  Klagen, 
Bevor  das  Herz  mir  bricht. 


Ein  Mädchen  muss  sich  neigen 
Zu  dem  geliebten  Mann, 
Und  muss  sich  ihm  erzeigen 

Treu  eigen,  treu  eigen. 
Der  Liebe  unterthan. 

In  diesem  grünen  Haine, 
Wohin  mein  Schmerz  mich  trieb, 
Wo  in  der  Klaus  alleine 
Ich  weine,  ich  weine. 
Wird  sterben  bald  Dein  Lieb. 

Wenn  nachts  der  Glocken  Töne 

Rufen  zum  Gotteshaus, 

Dann  denk*  und  komm.  Du  Schöne, 

Und  söhne,  und  söhne 
Den  treuen  Liebsten  aus. 


Interessant  ist  auch  das  folgende  Lied  „Des  Ritters  Abschied^ 
(S.  73),  ein  Gegenstück  zu  Schiller^s  bekannter  Ballade  vom  Bitter 
von  Toggenburg,  welche  ihrerseits  wiederum  in  der  Volkslegende 
wurzelt: 

Du  holde  Adelsblüte, 
Der  g^nz  gehört  mein  Herz, 
0  gieb  durch  Deine  Güte 
Mir  Trost  in  meinem  Schmerz. 
Achl  Deine  Liebe  machet 
Bei  Tag  und  Nacht  mich  wund. 
Und  grausam  immer  lachet. 
Wie  unrecht  ist  'sl  Dein  Mund. 


„Herr  Ritter,  abzustehen 
Fleh  ich,  bei  Gott,  Euch  an. 
Weil  Euer  Liebesflehen 
Ich  nicht  erhören  kann. 
Ihr  Hebt  mich,  doch  erwiedem 
Kann  ich  die  Liebe  nicht; 
Es  hiess'  Euch  selbst  erniedem, 
Log'  ich  Euch  ins  Gesicht.** 


In  fremde  Lande  gehen 
Will  ich  nun  in  den  Krieg, 
In  meiner  Feinde  Nähe 
Und  fem  von  meinem  Lieb. 
Mag  leben  oder  sterben. 
Mein  Leben  geb'  ich  hin, 
Kann  ich  Euch  nicht  erwerben, 
Der  ich  treu  eigen  bin. 


30 


Referate  und  Rezensiofien.    W.  Scheffler, 


„Herr  Ritter,  brav  und  bieder, 
0  zürnet  nicht  mit  mir, 
Kehrt  ihr  vom  Kriege  wieder, 
Dann  geht  vorüber  hier. 
Der  Mutter  und  dem  Vater 
Entbieten  will  ich's  dann, 
Und  was  sie  werden  raten. 
Da  halt  ich  mich  daran." 


Ich  will  mich  fort  begeben 
Wohl  in  den  grünen  Hain, 
Darin  als  Büsser  leben, 
Es  kann  nicht  anders  sein; 
Will  nie  ein  Mädchen  lieben, 
Sie  trieben  mit  mir  Scherz, 
Will  nur  Maria  dienen. 
Darnach  verlangt  mein  Herz. 


Wenn  Bartsch  getreu  dem  Original  in  dem  Liede  ^Fern  in 
fremdem  Lande",  Seite  75,  Vers  2, 

Meinen  Ring  und  mein  silbern  Rütelein  (verge) 

übersetzt,  so  habe  ich  in  meiner  „französischen  Volksdichtung  und 
Sage",  Bd.  I,  82,  schon  darauf  hingewiesen,  wie  viel  besser  an  Stelle 
von  „Rute"  dem  Sinne  nach  „Gürtel"  passen  würde,  welch*  letzterer 
Ausdruck  sich  auch  in  anderen  ähnlichen  Liedern  wirklich  findet. 

Auch  das  folgende  Lied,  S.  76,  „Der  Treulose,"  eines  der 
schönsten  sentimentalen  Lieder,  an  denen  die  französische  Volks- 
dichtung reicher  ist  als  der  Deutsche  denkt,  ist  von  Bartsch  sehr 
schön  nachempfunden  worden.  Ihm  ist  nicht  entgangen,  dass  im 
7.  Verse  sieh  in  dem  Onginal  bei  Haupt  ein  Druckfehler  befindet; 

an  Stelle  von 

Et  que  soit  par  ma  faute 
Chacun  le  cognoistra 

muss  es  nämlich  heissen: 

Et  que  soit  pas  ma  faute 
Chacun  le  cognoistra. 


Nur  so  ist  der  Sinn  des  Ganzen  klargestellt.  Dass  „ne  aus- 
gelassen wird,  kommt  nicht  nur  beim  Volke,  sondern  selbst  bei 
Kunstdichtern  vor. 

Ich  gestatte  mir  das  Lied  im  Original  wie  auch  vergleichs- 
weise in  der  Übersetzung,  von  Bartsch  und  von  Claire  von  Glümer 
folgen  zu  lassen,  welch'  letztere  Nachdichtung  in  meiner  „französi- 
schen Volksdichtung  und  Sage^'  Aufnahme  gefunden  hat. 


Je  m'en  vois  par  le  monde 
A  la  pluye  et  au  vent 

(M'amour) 
Pour  chercher  ma  mignonne 

(Helas), 
Gelle  que  j'ayme  tant. 

Or  Tay  je  tant  cherchee 
Qu'ä  la  fin  Tay  trouvee 

(M'amour) 
Le  long  d'une  vallee 

^elas), 
Tout  aupres  d'un  vert  pr^. 


Je  luy  ay  dict  ^doucette, 
Oü  vas  tu  maintenant?' 

(M'amour) 
„M'en  vois  rendre  nonnette 

(Helas), 
En  un  petit  couvent." 

Puis  que  d'au(l)tre  que  moy 
Vous  e(s)tes  amoureux 

(M'amour) 
Qui  fai(c)t  qu'en  grand  e(s)moy 

(Helas), 
Mon  coeur  soit  langoureuz. 


K,  Bartsch,  Alte  französische  Volkslieder. 


31 


llelas,  toute  ve(8)tue 
Je  seray  de  drap  noir 

(M'amour) 
.\lon(s)trant  que  de(s)pourvue 

(Helas), 
Je  vis  en  desespoir. 

Car  ma  perseverance 
Vji  ma  grand  loyaut^ 

(M*amour) 
N'ont  de  no(8)tre  alliance 

(Helas), 
Grardd  la  fermet^. 

Kt  que  8oit  pas  ma  fau(l)te 
Jha(B)oun  le  cognoistra 

(M'amour) 
^ar  quand  je  seray  morte 

(Helas), 
Te  s(9)ay  qu'on  me  plaindra. 


m  Regen  und  im  Winde 
)urchwandre  ich  die  Welt  — 

Mein  Lieb! 
)as8  ich  mein  Liebchen  finde  — 

0  weh!  — 
as  mir  so  sehr  gefällt. 

h  suchte  sie  so  lange 
18  ich  sie  endlich  fand  — 

Mein  Lieb!  — 
a  einem  Wiesenhange  — 

0  weh! 
IS  grüne  Thal  entlang. 

1  sprach  zu  ihr:  Willkommen 
3in  Lieb,  wo  gehst  Du  hin?  — 

Mein  Lieb!  — 
;h  geh  und  werde  Nonne  — 

0  weh!  — 
jenem  Kloster  drin. 

Du  hast  einer  andern 
schenkt  die  Liebe  Dein,  — 

Mein  Lieb! 
ist  mein  Herz  in  Banden  — 

O  weh!  -- 
n  Trauer  und  von  Pein. 

Schwarz  will  ich  mich  kleiden 
1  Kopf  bis  an  den  Fuss  — 

Mein  Lieb!  — 
l  so  die  Trauer  zeigen  — 

O  weh!  — 
ier  ich  leben  muss. 


Je  8(9)ay  que  maintes  larmes 
Des  yeux  il  tombera 

(M'amour) 
De  toute  honne(s)te  dame 

(Helas), 
Qui  de  moy  parlera; 

Et  qu'il  n'y  aura  homme 
Ayant  le  coeur  entier 

(M'amour) 
Qui  me(8)chant  ne  vous  nomme 

(Helas), 
E(s)tant  de  moy  meurtrier. 

Las,  je  sens  venir  l'heure 
Et  voy  bien  a  present 

(M'amour) 
Qu'il  convient  que  je  meure. 

(Helas), 
Pour  Yous  en  ce  tourment. 


Bin  durch  die  Welt  gegangen 
Im  Begen  und  im  Wind 

(Mein  Lieb) 
Zu  suchen  voll  Verlangen 

(0  weh!) 
Mein  allerliebstes  Kind. 

Gesucht  hab'  ich  so  lange, 
Bis  ich  sie  endlich  fand 

(Mein  Lieb) 
An  einem  grünen  Hange, 

(0  weh!) 
An  einer  Wiese  Band. 

Ich  sprach  zu  ihr:  Du  Feine^ 
Wo  gehst  Du  aus  und  ein? 

(Mein  Lieb) 
Ich  bin  nicht  mehr  die  Deine, 

(0  weh!) 
Ich  geh'  ins  Kloster  ein. 

Dieweil  Du  einer  andern 
Dein  Herze  hast  geschenkt, 

(Mein  Lieb) 
Muss  ich  in  Trauer  wandern, 

(0  weh!) 
Ist  tief  mein  Herz  gekränkt. 

Fortan  will  ich  mich  kleiden 
In  härenes  Gewand. 

(Mein  Lieb) 
Auf  dass  mein  bittres  Leiden 

(0  weh!) 
Sei  aller  Welt  bekannt. 


32 


Referate  und  Rezensußimi.    W.  Sclieffler, 


Denn  ach,  mein  stät  Gemüte 
Und  treu  Ergebenheit  — 

Mein  Lieb! 
Konnte  mich  nicht  behüten  — 

0  weh!  — 
Vor  Unbeständigkeit. 

Ob  ich  die  Schuld  dran  trage/) 
Das  sieht  dann  jeder  ein  — 

Mein  Lieb!  — 
Ich  weiss,  man  wird  mich  klagen, 

0  weh!  — 
Werd'  ich  gestorben  sein. 

Ich  weiss,  aus  manchem  Auge 
Fällt  wohl  ein  Thränelein  — 

Mein  Lieb!  — 
Von  mancher  werten  Fraue, 

0  weh!  — 
Wenn  sie  gedenket  mein. 

Kein  Mann  ist  dann  auf  Erden, 
Dess'  Herz  die  Liebe  kennt. 

Mein  Lieb!  — 
Der  Dir  nicht  bös  wird  werden 

0  weh!  — 
Und  Dich  nicht  Mörder  nennt. 

Die  Stunde  fühl'  ich  nahe, 
Und  schon  ist  da  die  Zeit, 

Mein  Lieb!  — 
Wo  ich  den  Tod  empfahe, 

0  weh! 
Um  Dich  vor  Herzeleid. 


Dass  ich  an  Dir  gehalten 
In  Treue  sonder  Wank, 

(Mein  Lieb) 
Dich  hat's  nicht  festgehalten, 

(0  weh!) 
Du  weisst  mir's  keinen  Dank. 

Nun  will  ich's  jedem  sagen, 
Dass  ich  die  Schuld  nicht  hab*. 

(Mein  Lieb) 
Und  sterb  ich,  werden  Klagen 

(0  weh!) 
Mir  folgen  in  mein  Orab. 

Es  werden  viele  Thränen 
Um  mich  vergossen  sein, 

(Mein  Lieb) 
So  oft  sie  mein  erwähnen, 

(0  weh!) 
Die  Frau'n  und  Mägdelein. 

Und  keinen  Mann  wird's  geben, 
So  rechten  Mut  er  trägt, 

(Mein  Lieb) 
Der  nicht  mein  bittres  Sterben 

(0  weh!) 
Auf  Deine  Seele  legt. 

Die  Stunde  ist  gekommen. 
Ich  seh'  es  deutlich  ein, 

(Mein  Lieb) 
Das  Klagen  kann  nichts  frommen, 

(0  weh!) 
Es  muss  gestorben  sein. 


Zu  dem  folgendem  Liede,  ^Vor  Liebchens  Thür^  (Seite  79), 
verweise  ich  aof  ein  ähnliches  gaskonisches  Lied  bei  C^nac  Moncaut, 
S.  318,  in  welchem  der  Liebende  gleichfalls  anstatt  „in  Liebchens 
Armen  zu  erwärmen^  vor  der  Thür  schmachten  muss  und  statt 
des  erhofften  Lohnes  Spott  davon  trägt 

Ein  hübsches  Seitenstück  zu  Chamisso's  „Du  Bing  an  meinem 
Finger,  Da  goldnes  Bingelein^  findet  sich  bei  Bartsch,  Seite  88. 
In  dem  letzten  Verse  heisst  es: 

AU'  mein  Lieb'  ist  eingeschlossen 
In  einem  Silberringelein; 
So  ofb  ich  auf  das  Ringlein  schaue. 
Bricht  mir  beinah  das  Herze  mein. 
Manch  Herz  glaubt  zu  vergessen,  das 
Nicht  kann  zu  Schlaf  und  Ruh  gelangen; 
Das  Herz,  das  seinen  Schmerz  vergass, 
Kennt  Liebe  nicht  und  Sehnsuchtsbangen. 

Dem  Seite  106  mitgeteilten  Liede  von  dem  Edelknappen,  der 


^)  Wohl  besser:  Dass  ich  die  Schuld  nicht  trage. 


.  Älie  französische  Volksliedei\  33 

Buchungen   widersteht   and  seinem  Ideb  treu 

in  der  Volksdichtung  häufige  Lied    von   dem 

r  jungen   Tambour  an   die  Seite  setzen,    der 

vriege  heimkehrt  und  den  Werbungen  der  Prin- 

seinem  einfachen  Lieb   festhält.  —  Das  zweite 

tunem  seltenen,   aber  um  deswillen  um  so  inter- 

von  einer  geistiichen  ümdichtung  eines  ursprüng- 

.>'Jes. 

.1.  a.  0.  darauf  hingewiesen,  wie  weltliche  Liebes- 
htszeit  sich  in  geistliche  verwandeln  und  der  Bursche 
zu  seiner  Erwählten  die  Hingebimg  an  die  Jungfrau 

itte  Buch  hebt  mit   einem  Eheliede  an,    welches  ich 

.  wie  Bartsch,  für  ein  Fragment  halten  möchte.    Ironisch 

oib:   „Warum   schlägt  mich  denn   mein    Mann?"    Und 

res   weiss  sie,    gewissermassen  als  Antwort  darauf,   zu 

ich  zu  rächen  im   Arme   des  Liebsten.     Was   bedarf  es 

-uehr? 

.  <in  aus  den  wenigen  Proben,  welche  Bartsch  mitteilt,  geht 
wie  gedrückt  die  Stellung  des  Weibes  im  Volke  in  Frank- 
in   muss.     Ich    habe    gerade    diese  Seite    ausführlicher    in 
Kapitel    „Ehelieder"    behandelt.      „Der   eifersüchtige    Ehe- 
"  Seite  137,  zeigt  uns  ein  seltsames   Recht  des   Mannes  auf 
Iren  loses  Weib,  welches  der  Mann,  gleich  einem  Tiere,   fesseln 
zu  Markte  treiben  darf.     Ich  erinnere   hier  an  ein  ganz  ähn- 
,  Bartsch  gewiss  unbekanntes  Lied  bei  C^nac-Moncaut,  S.  293, 
Hasile    sein  Weib   in    Stücke   hackt,   um   sie   auf  dem  Markte 
Castillon  zu  verkaufen.     Moncaut  macht  dazu  die  Bemerkung, 
j,s  die  zu  Markte  geführte  und  zum  Verkaufe  ausgebotene  Frau 
/Aveifelhaft  an  Züge  erinnern,  deren  Spuren  Bascelais  de  Lagr^se 
ilen  Archiven   der  Gerichte    von   Bern  wiedergefunden  hat  und 
lohe  seiner  Anschauung  nach   bis   in   die   Zeit  zurückreichen,    da 
:.^  Engländer  diese  Provinz  besetzt  hatten,  bei  welchen  dieser  selt- 
.me  Gebrauch  noch  nicht  völlig  verschwanden  sein  soll".  —  jjl^ör 
;«)ho  Wittwer,"  Seite  145,  ist  gleichfalls  eines  jener  beliebten,  weit 
N.rbreiteten  Themen   der  Volkslitteratur,  welche  sich  in   besonders 
knapper,  wirkungsvoller  Form  auch  bei  Marelle  finden,** 

Zu  dem  Anfange: 

Ich  stand  an  einem  Morgen  auf, 
Ich  stand  an  einem  Morgen  auf 
Und  fand  mein  Weib  gestorben; 
Als  ich  das  sah,  so  froh  war  mir 
Noch  nie  das  Herz  geworden. 

Zschr.  f.  nfr«.  Spr.  u.  Litt.    VI«.  g 


34  Referate  und  Rezetisionen.    It.  Mahrenholtz, 

Ich  öffne  Fenster,  Thür  und  Thor 
Am  Abend  und  am  Morgen, 
Und  thu'  kein  Wasser  in  den  Wein 
Seitdem  mein  Weib  gestorben, 

kontrastiert  seltsam  der  Schluss: 

Kommt  her,  alle  meine  Nachbarn  treu. 

Ich  will  beweiben  mich  aufs  neu. 

Gebt  mir  'ne  andre  Gattin; 

Nur  hab  sie  kein  so  dickes  (?)  Herz, 

Wie  es  die  erste  hatte. 

Ich  öffne  Fenster,  Thür  und  Thor 

Am  Abend  und  am  Morgen, 

Und  thu*  kein  Wasser  in  den  Wein, 

Seitdem  mein  Weib  gestorben. 

Die  Schäferlieder  darf  ich  bei  der  Bekanntschaft,  deren  sich 
Bartsch's  Originalausgabe  der  altfranzösischen  Pastourellen  rühmen 
kann,  wohl  übergehen.  Man  müsste  das  ganze  Buch  ausschreiben, 
wollte  man  alle  Lieder  berühren,  welche  unseres  Interesses  würdig 
sind.  Das  Angedeutete  mag  genügen,  nm  zu  zeigen,  mit  welch^ 
schöner  Arbeit  wir  es  zu  thnn  haben  und  wie  diese  Lieder  mit 
dazu  beitragen  können,  in  immer  weitere  Kreise  die  Erkenntnis  zu 
ti*agen,  dass  auch  das  französische  Volk  eine  Dichtung  besitzt,  die 
nicht  minder  innig  und  herzerfreuend  ist  als  die  unsere. 

Dürfen  wir  noch  einen  Wunsch  aussprechen,  so  wäre  es  der, 
dass  Bartsch  sein  formgewandtes  Talent  auch  jenen  Dichtungen  zu- 
wendete, welche  durch  ihre  dialektische  Form  über  die  Kreise  des 
Fachmanns  hinaus  unverstanden  bleiben.  Um  nur  ein  Paar  Bei- 
spiele anzuführen:  welche  reiche  Ausbeute  bieten  die  Lieder  der 
Gascogne,  welche  Cönac-Moncaut  und  Blad^  gesammelt  haben. 

Nicht  minder  reich  an  tief  und  warm  empfundenen  Liedern 
ist  die  Sammlung  von  F.  R.  Michel  ^Le  Pays  Basque".  Ganz 
originelle  Dichtnngen  finden  sich  in  den  proven9alischen  Lieder- 
Sammlungen  von  Arbaud,  welche  allein  acht  Bändchen  umfassen. 
Ganz  eigenartige,  sonst  nur  in  Italien  sich  wiederfindende  Lieder 
lernen  wir  hier  kennen,  in  welchen  der  Bursche  zum  Ausgangspunkte 
seiner  Dichtung  irgend  eine  Blume  nimmt  und  die  Eigenschaften 
derselben  mit  den  Eigenschaften  seines  Liebs  in  Verbindung  setzt. 

Dagegen  dürfte  sich  fragen,  ob  auch  bei  jenen  Volksdichtungen 
eine  Übersetzung  angezeigt  erscheint,  welche  in  der  allgemein  ver- 
ständlichen hochfranzösischen  Sprache  vorliegen.  Wenn  irgend  eine 
der  fremden  Sprachen  in  Deutschland  allgemein  bekannt  ist,  so  ist 
es  zur  Zeit  noch  die  französische  Sprache;  da  scheint  es  mir  denn 
bei  der  Einfachheit  der  Sprache   der  französischen  Volkslieder,   wie 


F.  Lotheissen,  Geschichte  der  franz.  Litt,  im  XVII.  Jahrh.        35 

bei  der  Durchsichtigkeit  des  Inhalts,  der  ja  vielfach  an  unsere 
deutschen  Volkslieder  anklingt,  angemessener,  das  Original  statt  der 
Nachdichtung  zu  bieten.  So  flüssig  diese  Nachdichtung  auch  sein 
mag,  das  Original  wird  den  Reiz  des  Liedes  doch  noch  tiefer  em- 
pfinden lassen. 

W.  Schefflee. 


F.  Lotheissen,  Geschichte  der  französischen  Litteratur  im 
XVII.  Jahrh.  Bd.  IV.  Wien,  Geroldssohn  1884.  8».  390  SS. 

Der  Schlussband  von  L.'s  Litteraturgeschichte  behandelt  vor 
allem  Maliöre,  Bacine,  Fänelon,  Saint-Simon.  Dem  ersteren  ist  ein 
längerer  Abschnitt  von  ca.  85  SS.  gewidmet  worden,  in  welchem 
die  Resultate  der  neueren  Moliöre- Forschung  sorgfältig  benutzt, 
alles  mythische  imd  halbmythische  a.usgeschieden  und  ein  einheitliches 
Charakterbild  entworfen  ist,  das  keine  wesentlichen  Züge  .vermissen 
lässt.  Eine  bestimmte  Stellung  zu  einzelnen  Problemen  der  Moliöre- 
Eritik  zu  nehmen,  lag  wohl  nicht  in  dem  Zwecke  dieses  Werkes, 
sonst  hätte  L.  die  Beziehungen  der  beiden  Ecoles  zu  Moli^re's 
Liebesroman  und  die  Frage  nach  einer  absichtlichen  Selbstporträtie- 
rung  des  Dichters  genauer  erörtert. 

Ist  das  Gesamturteil  über  Moli^re  unangreifbar,  so  erscheint 
der  Dichter  Racine  in  mancher  Hinsicht  zu  günstig  geschildert.  Zu 
loben  ist  zwar  auch  hier  die  genaue  Benutzung  neuerer  Forschungen, 
besonders  der  von  Mesnard  gemachten,  ebenso  wie  das  sichtliche 
Streben,  alle  Schwächen  des  Dichters  und  des  Menschen  andeutungs- 
weise vorzuführen.  Aber  indem  L.  das  Extrem  der  Lessing'schen 
Kritik  zu  vermeiden  sucht,  verfällt  er  in  den  entgegengesetzten 
Fehler,  er  trägt  tiefere  Tendenzen  in  die  franz.  Hoftragödie  hinein. 
Nach  ihm  ist  der  Grundzug  der  Racine'schen  Dichtungen  ein  durch* 
aus  idealistischer,  was  doch  nur  insofern  zutrifft,  als  ihre  Cha- 
raktere in  hochklingenden  Worten  die  idealsten  Grundsätze  prokla-? 
mieren,  um  in  ihren  Handlungen  ganz  auf  das  Niveau  der  Versailler 
Hofwelt  herabzusinken.  Ich  glaube  auch  nimmermehr,  dass  Racine 
jemals  daran  gedacht  hat,  sich  zur  reinen  Höhe  der  Menschheit  zu 
erheben  und  Personen  zu  zeichnen,  die  von  allen  historischen  Be- 
dingungen losgelöst  seien;  im  Gegenteil  hielt  er  sich  ganz  an  den 
herrschenden  Geschmack  der  Hofwelt,  wählte  er  die  Stoffe  aus  dem 
Altertum,  weil  das  modern  war,  schwelgte  er  in  antiken  Reminiscenzen 
und  hauchte  er  diesen  pseudoklassischen  Mumien  Sentenzen  und  An- 
schauungen eiu;  die  dem  König  und  dem  Hofe  gefallen  mussten. 
Wenn  er  trotz  dieser  Konzessionen  schwer  durchdrang,  und  wenn  er 
den  weniger  modischen  und  diplomatischen  Corneille  nicht  recht  zu 

8* 


36  Referate  und  Rezensionen.    R.  Mahrenholiz, 

überflügeln  yermochte,  so  hatte  das  vornehmlich  zwei  Gründe:  Ein- 
mal war  die  Theaterkritik  und  Theaterreklame  zum  grossen  Teil 
nicht  auf  seiner  Seite,  dann  waren  viele  Herren  und  Damen  der 
Hofwelt  zu  alt,  um  sich  von  Corneille,  an  dessen  Manier  sie  sich 
einmal  gewöhnt  hatten,  noch  zu  Raeine  zu  bekehren.  Die  jüngere 
Generation,  an  ihrer  Spitze  die  feinsinnige  Henriette  von  Orleans, 
fUr  die  Corneille  nicht  Gegenstand  der  Pietät  sein  konnte,  huldigten 
demzufolge  auch  Racine.  Wie  sehr  R.  nur  bestrebt  war,  den  Bei- 
fall des  Hofes  zu  gewinnen,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  er  mit 
dem  fromm  gewordenen  Hofe  auch  frömmelte  und  das  unmoderne 
Anüke  mit  dem  zur  Mode  gewordenen  Alttestamentlichen  vertauschte. 
Wahre  Frömmigkeit  oder  gar  eine  plötzliche  Inspiration  durch  den 
heiligen  Geist,  der  sich  der  Frau  von  Maintenon  als  Medium 
bedient  hätte,  kann  man  bei  einem  Charakter,  der  stets  sich  von 
Rücksichten  des  äusseren  Vorteils,  nicht  von  sittlichen  Prinzipien 
leiten  Hess,  kaum  annehmen,  und  L.  selbst  bezweifelt  ja  auch,  dass 
eine  Hinneigung  zn  den  jansenistischen  Erinnerungen  der  Jiigend 
Ursache  der  königlichen  Ungnade  gewesen  sei,  die  dem  Dichter, 
wenn  auch  in  milder  Form,  später  zu  Teil  wurde. 

Wenn  L.  einzelne  Charaktere  Racine's  mit  denen  Sohiller's 
vergleicht,  um  den  Idealismus  der  französ.  Tragödie  zu  erweisen,  so 
ist  doch  zu  entgegnen,  dass  alle  Personen  Racine's,  wenn  man  sie 
vom  antiken  Flitter  befreit  und  ihnen  die  für  den  tragischen  Ab- 
schluss  notwendigen  Selbstmordgedanken  nimmt,  sich  in  der  Yer- 
sailler  Hofwelt,  ohne  irgend  welchen  Anstoss,  bewegen  können, 
während  Schiller's  Figuren  meist  in  eine  bestimmt  begrenzte  Welt 
nicht  passen  und  in  Ideen  leben,  die  Gemeingut  der  gesamten 
Menschheit  sind. 

Von  den  folgenden  Abschnitten  möchte  Ref.  besonders  dem 
über  Föneion  beistimmen,  weil  L.  hier  mit  grosser  Schärfe  und 
Wahrheitsliebe  die  milde  „Toleranz^  des  jesuitisch  angelegten  Erz- 
bischofs in  ihre  absolute  Nichtigkeit  aufgelöst  und  den  Nachweis 
geführt  hat,  dass  Föneion  nur  da  als  Vorkämpfer  politischer  Frei- 
heit und  der  angeborenen  Menschenrechte  auftrat,  wo  er  durch  Ano- 
nymität sich  einigermassen  gesichert  glaubte.  Gleiches  Lob  verdienen 
die  Abschnitte  über  den  Kardinal  Retz,  Saint-Simon  und  die  Main- 
tenon, da  hier  L.  die  höfische  Manier  der  Auffassung,  von  der  selbst 
ein  Ranke  nicht  freizusprechen  ist,  aufgegeben  und  die  Dinge  und 
Personen  in  ihrer  vollen  Wirklichkeit  geschildert  hat. 

Ein  geistvoller  Überblick  über  die  skeptischen  Ansichten  am 
Ende  des  „Si^de  de  Louis  XIV^,  die  sich  besonders  in  Bajle  kon- 
zentrieren, schliesst  das  mit  so  vielem  Geiste  nnd  so  eingehender 
Gelehrsamkeit  verfasste  Werk. 

R.  Mahbenholtz. 


Z.  Me'nard,  Le  Livre  abominable  de  1665.  37 

Le  Livre  abominable  de  1665,   döcouvert  et  publik  par  Louis 
Aug.  M^nard.     Paris,  F.  Didot,  1883.     2  voll. 

Unter  diesem  Titel  hat  der  franz.  Philologe  L.  Menard  eine 
Satire  herausgegeben,  welche,  an  die  willkürliche  Einkerkerung  des 
General-Intendanten  Fouquet  anknüpfend,  ein  grelles  Bild  der  In- 
triguen  Colbert^s  und  der  jesuitischen  Doktrin  gibt.  In  einer  län- 
geren Vorrede  sucht  Menard  den  bedeutendsten  aller  Protägäs  Fou- 
quet^s,  Moli^re,  als  Verfasser  zu  erweisen,  indem  er  auf  ähnliche 
Wendungen  in  Moli^re's  Komödien  und  auf  eine  Stelle  im  Misan- 
thrope,  in  der  Alceste  (d.  i.  Moli^re)  als  Autor  eines  „livre  abo- 
minable^ staatsgefährlichen  Inhalts  bezeichnet  wird,  hinweist  Die 
in  der  Satire  auftretenden  Personen  seien  Originale  des  Tartuffe  und 
diese  ganze  Dichtung  überhaupt  nur  als  Vorläufer  der  späteren  Ko- 
mödie, die  Moli^re  von  ca.  1661  ab  beschäftigt  habe,  aufzufassen. 
Sieht  man  nun  die  ausgedehnte,  fast  7000  Verse  zählende  Satire 
näher  an,  so  zeigen  sich  neben  Versen,  die  recht  wohl  eines  Moliäre 
würdig  sind,  neben  Spuren  vollendeter  Obaraktet*zeichnung  auch  Züge, 
die  den  Anfönger  im  Style  und  in  der  Technik  verraten.  Schon 
die  ermüdende  Länge  des  Gbnzen,  die  ewigen  Wiederholungen,  die 
kindlich-naive  Manier,  mit  der  Colbert  und  seine  jesuitischen  Freunde 
ihre  Schurkereien  renommistisch  übertreiben,  macht  den  Gedanken, 
dass  Moliere  der  Verf.  der  Satire  sei,  sehr  unwahrscheinlich.  Mo- 
li^re  hatte  kaum  Zeit,  6500  Verse  bloss  für  gelegentliche  Lektüre 
im  engsten,  wohl  verschwiegenen  Kreise  zu  schreiben,  zumal  der 
Zweck,  seinem  Wohlthäter  Fouqaet  ein  Denkmal  zu  setzen  und 
dessen  Gegner  zu  geissein,  sich  besser  durch  eine  geringere  Anzahl 
schneidiger  Verse  erreichen  liess.  Wie  hätte  auch  Mol.  seinen  über- 
zeugungsvoll verehrten  König  als  blindgläubigen  Schüler  eines 
Jesuitenpaters,  der  ihm  noch  dazu  alle  Koulissengeheimnisse  seines 
Ordens  ausplaudeii;,  schildern,  oder  den  hochverdienten  Colbert  als 
infamsten  Schurken  hinstellen  können?  Indessen,  da  Moliere  auch 
nach  Fouquet's  Sturz  den  früheren  Wohlthäter  feierte,  und  da 
manches  in  der  Satire  an  „Tartuffe  ^  und  „Avare^  erinnert,  so  ist 
eine  Mitwirkung  des  grossen  Dichters  an  dieser  durch  ungeschickte 
Hände  verunstalteten  Satire  nicht  ausgeschlossen,  nur  müssen  wir 
vor  Entscheidung  dieser  Frage  durch  Mönard  näheres  über  die  Foim 
des  Msc.  und  die  Abfassungszeit  desselben  erfahren. 

R.  Mahbenholtz. 


Litterarische  Chronik. 


Iiexikallsetae  Arbeiten.    DIctIonnalres  d'argot. 

(Ergänzungen  zu  Sachs  und  Littre.  —  Larchey,  Diction- 
naire  historique  d'argot.  —  Delvau,  Dictionnaire  de  la  langue  verte.  — 
Rigaud,  Dictionnaire  d'argot  moderne.  —  Villatte,  Parisismen.  — 
Macrobe,  La  Flore  pornographique.) 

Seit  einigen  Jahren  erfreut  sich  die  neufranzösische  Lexikographie 
einer  ganz  besonderen  Pflege.  Dieselbe  ist  vornehmlich  veranlasst  worden 
durch  den  mächtigen  Anstoss,  den  das  rasch  auf  einander  folgende  Er- 
scheinen der  Epoche  machenden  Wörterbücher  von  Sachs  und  Littre  ge- 
geben hat,  verstärkt  durch  die  Neuausgabe  des  Dictionnaires  der  Acaddmie 
von  1877  (1878).  Diese  Wörterbücher  bilden  die  Grundlage  für  alle  Er- 
weiterungen unserer  Bekanntschaft  mit  dem  nfrz.  Wortschatz.  In  ihnen 
ist  der  Wortvorrat  der  Litteratursprache  der  letzten  und  unseres  Jhs. 
fast  erschöpfend  zusammengetragen,  und  die  Nachträge,  die  zu  ihnen 
immer  reichlicher  geliefert  werden ,  sind  daher  vorzugsweise  auf  das 
Sammeln  von  Neologismen  oder  von  Veränderungen  in  der  frz.  Phraseologie 
der  Gegenwart  angewiesen.  Diesen  Charakter  tragen  denn  auch  die  lexi- 
kalischen Beiträge  der  Herren  Schulze  (Zschr.  I,  339—47;  III,  219—27). 
Schmager  (Zschr.  II,  228—41),  Kressner  (Zschr.  III,  546-58;  V^  54 
bis  61;  Herrig's  Archiv  68,  119  —  123),  Plattner  (Zschr.  IV,  45  —  70), 
R.  Meyer  (Zschr.  V^  40-50),  Hayn  (Zschr.  V^  51-4),  die  in  dieser  Zschr. 
oder  anderwärts  zur  Veröffentlichung  gelangt  sind,  und  deren  Grundlage 
die  aufmerksame  Lektüre  von  frz.  Autoren  der  Gegenwart  bildet.  Seite- 
ner  geschieht  es,  dass  ältere,  von  Sachs  oder  Litträ  unbenutzte  Litteratur- 
werke  oder  von  ihnen  übersehene  Spezialwörterbücher  herbeigezogen 
werden,  um  zu  diesen  lexikalischen  Fundamentalwerken  Ergänzungen 
beizusteuern.  Geschehen  ist  dies  von  Boucherie  der,  Revue  des  langues 
romanes  3«  s^rie  V,  71  —  80,  118  —  137  in  seinem  Artikel  Technologie 
hotanique  das  1556  erschienene  Werk  des  Holländers  Dessen,  De  Compo- 
sitione  medicamentorum  hodierno  aevo  apud  pharmacopolas  passim  ex- 
stantium,  zu  diesem  Zwecke  ausbeutete,  und  von  ZvSfina,  der  in  dieser 
Zschr.  V,  256—80  das  1808  erschienene  Dictionnaire  du  bas  langage  für 
Nachträge  zu  Sachs  heranzog.  Kunde  über  bei  Littre  nicht  berücksichtigte 
Ausdrücke  aus  einem  Spezialberufe  gab  überdies  ein  Hutfabrikant  von 
Laval  (C.  P.)  in  der  Rev.  d.  1.  rom.  1.  c.  VI,  31;  Termes  de  chapellerie. 
Auch  an  wissenschaftlichen  Untersuchungen  über  die  Vermehrungsweisen 
des  nfrz.  Wortschatzes  hat  es  in  neuerer  Zeit  nicht  gefehlt:  A.  Darme- 


Liitcrarische  Chronik.    E.  Koschwitz,  Dict  d^argot.  39 

steter  hat  in  seineu  Werken  Trait^  de  la  formation  des  mots  compos^ 
dans  la  langue  fran9ai8e,   Pai'is   1875,  und  noch  mehr  De  la  cräation 
actuelle  de  mots  nouveaux  dans  la  langue  fran^aise,  Paris  1877,  die  frz. 
Wortzusammensetzung  und  Wortbildung  der  Gegenwart  auf  das  trefflichste 
behandelt.   Es  ist  nur  sonderbar,  dass  diese  Werke,  und  selbst  das  reich- 
haltige Neologismenregister  in  dem  an  zweiter  Stelle  genannten,  so   oft 
ausser  Acht  gelassen  werden.    Wer  sich  mit  nfrz.  Lexikographie  beschäf- 
tigen will,  darf  keines  der  beiden  unberücksichtigt  und  ungelesen  lassen. 
Doch  wollen  wir  uns   hier  nicht  mit   lexikalischen  Arbeiten  im 
allgemeinen  oder  mit  Arbeiten  über  Wortschöpfung  beschäitigen.    Vor- 
stehende Zeilen  verfolgen  hauptsächlich  den  Zweck,  die  Aufmerksamkeit 
unserer  Neologismensammler  auf  Darmesteter's  Arbeiten  zu  richten  und 
es  ihnen  zu  erleichtem,   die  zerstreuten   lexikalischen  Nachtragsartikel 
aufzufinden,  die  natürlich  bei  jeder  neuen  Nachlese  berücksichtigt  werden 
müssen ,  wenn  nicht  dieselben  Nachträge  doppelt  und  dreifach  gegeben 
werden  sollen.    Wir  wollen  hier  einer  anderen  Art  der  neufrz.  Lexiko- 
graphie unsere  Beachtung   zuwenden :   den  lexikalischen   Arbeiten  über 
das  argoi,  welche  von  den  Sammlern  von  neuen  Worten  und  Wendungen 
im  Nfrz.  ebensowenig  übersehen  werden  dürfen,  wie  die  vorher  bezeich- 
neten lexikalischen  Arbeiten.    Denn  in  der  frz.  Schriftsprache  der  Gegen- 
wart stehen  Argot  und  Neologismus  in  engerem  Zusammenhange  als  je. 
Die  Romanlitteratur  der  naturalistischen  Schule,  die  niedere  und  selbst  die 
höhere  Komödie,   die  Tageslitteratur ,   und  zwar  speziell  das  Feuilleton, 
schöpfen  mit  vollen  fländen  aus  dem  sog.  Argot,  in  solchem  Grade,  dass 
es  nicht  ganz  unglaublich  klingt,  wenn  Liebhaber  desselben  die  Behaup- 
tung aussprechen,  die  französische  Litterat  Ursprache  stehe  auf  dem  Wege, 
dem  Argot  vollständig  das  Feld  zu  räumen,  durch   dasselbe  ersetzt  zu 
werden.     An  einer  sehr  reichlichen  Verwendung  des  Argot   in   der  Um- 
gangssprache hat  es  ohnehin  zu  keiner  Zeit  gefehlt;   indessen  scheint  es 
auch  da  gerade  in  neuerer  Zeit  früher  unbekannte  Fortschritte  zu  machen 
und  immer  mehr  auch  in  die  Sprache  der  Gebildeten  vorzudringen. 

Wir  haben  bisher  vermieden,  das  Wort  Argot  durch  ein  Synonymon 
zu  ersetzen,  weil  wir  uns  erst  verständigen  müssen,  was  wir  unter  dem- 
selben verstehen  wollen.  Denn,  so  zahlreich  die  Litteratur  des  Argot  auch 
ist,  so  ist  es  bisher  noch  immer  ebensowenig  gelungen,  eine  allgemein 
inerkannte  Definition  von  ihm  zu  geben,  wie  eine  überzeugende  Etymo- 
ogie  des  Wortes  aufzufinden.  In  Bezug  auf  die  Etymologie  verweisen 
nr  mit  Diez  auf  die  von  Fr.  Michel,  fitudes  de  philologie  comparee 
iir  Target  et  sur  les  idiomes  analogues,  parles  en  Europe  et  en  Asie, 
^aris  1856,  S.  III  ff.,  zusammengestellten  Deutungen;  neue  und  bessere 
ind  seitdem  nicht  gegeben  worden.  Es  bleibt  also  bei  Diezens  uner- 
littelter  Herkunft.  Anders  ist  es  mit  der  Begriffsbestimmung  des  Wortes. 
is  ist  ganz  zweifellos,  dass  man  eine  Zeit  lang  damit  ausschliesslich 
ie  Sprache  der  Gauner,  der  gefährlichen  Klassen  bezeichnen  wollte, 
iesem  Argot  im  engeren  Sinne  gehören  jene  absichtlichen  Wortent- 
ellungen  an,  die  nur  die  ünverständlichkeit  für  Profane  erstreben, 
e  mit  sonst  ungebräuchlichen  Präfixen ,  Infixen  und  Suffixen  jedes 
jliebige  Wort  versehen  und  schon  dm-ch  ihre  Seltsamkeit  und  üm- 
indlichkeit  zu  einer  allgemeineren  Verbreitung  nicht  gelangen  können. 
b  meine  die  /er»* -  Sprache  (lonbem  u.  dgl.  f.  hon),  die  /?itfÄ- Sprache 
nhuch  =  hon),  das  sog.  Javanesisch  fbavon  =  bonj,  die  /o^^M^-Bildungen 
nboque  u.  s.  w.)  und  die  </m«o«  -  Bildungen  fnondubonj^  sowie  die 
nsequente  Anhängung  der  Suffixe  dun,  mar,  orgue,  sigue  u.  dgL*) 

^)  Die  Beispiele  sind  Larchey,  S.  VIII,  entlehnt. 


40  Litterarische  Chronik.    E.  Koschrvitz, 

Wir  haben  in  unserer  deutschen  Gaunersprache  ähnliche  Erscheinungen 
gehabt.  So  erinnert  sich  Referent  der  in  den  fünfziger  Jahren  in  Bre^au 
und  wohl  auch  anderweitig  verbreiteten  v- Sprache  (ante  =  ein,  udrcB 
=  drei,  ustehce  =  hast  du  u.  dgl.)-  Es  ist  aber  klar,  dass  die  Verbrecher 
und  Gauner  sich  dieser  schwerfälligen  Ausdrucksweisen  konsequent  immer 
nur  ausnahmsweise  bedienten  und  bedienen  konnten,  nämlich  wenn  sie 
vor  Zeugen  sprachen,  denen  sie  unverständlich  bleiben  wollten.  In  ihrem 
gewöhnlichen  Yei'kehr  musste  es  bei  dem  allgemein  gebräuchlichen 
Französisch  bleiben,  natürlich  nicht  bei  dem  der  litteratur,  sondern  dem 
der  niederen  Yolksklassen.  Damit  war  nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  für 
ihrcb  speziellen  Beschäftigungen  (also  Stehlen,  Kauben  und  Morden)  sowie 
für  ihr  dabei  gebräuchliches  Handwerkszeug  und  ihre  technischen  Kunst- 
griffe sich  noch  besondere  Bezeichnungen  erfanden,  mit  demselben  Rechte, 
in  derselben  Weise  und  schliesslich  auch  aus  denselben  Bedürfnissen  wie 
jede  andere  Berufsklasse.  Auch  diesen,  z.  T.  gewiss  aus  dem  Argot  im 
engeren  Sinne  entnommenen  Kunstausdrücken  verblieb  die  Bezeichnung 
Argot.  Wie  nun  technische  Ausdrücke  jeder  Berufsklasse  gelegentlich 
eine  weitere  Verbreitung  und  selbst  Eingang  in  die  Schriftsprache  finden, 
so  musste  es  auch  denen  der  Gauner  ergehen.  Von  diesen  wanderten 
sie  über  in  die  Kreise,  mit  denen  Verbrecher  in  hauptsächlichem  Um- 
gänge stehen,  in  die  Kreise  der  Vagabunden,  Bettler,  Dirnen  und  der 
herab^ekommenen  Subjekte  aller  Art.  Da  Armut  und  Verbrechen  na- 
mentlich in  grossen  Städten  immer  eng  zusammen  wohnen,  so  konnte  es 
nicht  fehlen,  dass  die  Terminologie  des  Verbrechertums  teilweise  der 
armen  Bevölkerung  überhaupt  bekannt  und  geläufig  wurde  und  damit  die 
ausgedehnteste  Verbreitungsschicht  gewann.  Durch  Polizei-  und  Gerichts- 
verhandlungen dringen  bestimmte  Ausdrücke  noch  durch  einen  anderen 
Kanal  in  das  grosse  Publikum.  So  hört  die  Terminologie  der  Gauner 
allmählich  auf,  ihr  Eigentum  zu  bleiben,  und  verliert  der  Begriff  des  an 
ihr  haftenden  Wortes  Argot  zugleich  seine  ursprüngliche  Bedeutung. 
Denn  wenn  auch  die  gefährlichen  Bevölkerungsklassen  ihre  allgemeiner 
bekannt  gewordenen  Ausdrücke  immer  wieder  durch  neue  ersetzen,  so 
geht  dadurch  doch  auch  den  ersteren  ihre  Vaterschaft  nicht  verloren. 
Unter  diesen  Verhältnissen  musste  also  unausbleiblich  das  Wort  Argot 
eine  immer  allgemeinere  Verwendung  finden.  Auch  die  Terminologie  der 
Bettler,  Dirnen  und  Strolche  musste  in  seine  Sphäre  gezogen  werden; 
ihr  folgte  die  der  Säufer,  der  mauvais  sujets  von  allen  Sorten,  der 
Müssiggänger ,  » Bänkelsänger ,  Lustigmacher,  Börsenjobber  u.  s.  w. 
Schliesslich  wurde  auch  die  volkstümliche  Terminologie  der  Hand- 
werker, Industriellen  aller  Art,  kurz  der  verschiedensten  Berufsklassen 
in  den  Begriff  des  Argot  hineingezogen,  und  so  ist  man  endlich  natur- 
gemäss  zu  der  Definition  gelangt,  welche  Acadämie  und  litträ  dem 
Worte  par  extension  geben.  Die  erstere  erklärt,  es  werde  quelquefois 
gebraucht:  Des  mots  particuliers  qu'adoptent  entre  eux  les  gens  de  cer- 
taines  professions.  Und  Littre,  dem  thatsächlichen  Verhältnisse  entspre- 
chender :  Phraseologie  particuli^re,  plus  ou  moins  technique,  plus  ou  moins 
riebe,  plus  ou  moins  pittoresque,  dont  se  servent  ehtre  eux  les  geos  exer- 
cant  le  m§me  art  et  la  meme  profession.  Während  wir  also  dem  Argot 
im  engeren  Sinne  nach  wie  vor,  und  hierin  mit  Darmesteter,  Mots  Nou- 
veaux,  S.  39,  ganz  einverstanden,  nur  die  künstliche,  der  volkstümlichen 
Ausdrucksweise  fremde,  mit  willkürlichen  Bildungsmitteln  hergestellte 
Sprache  der  Berufsgauner  beizählen,  müssen  wir  dem  Ar^ot  im  weiteren 
Sinne  die  Bedeutung  unseres  Jargon  vindizieren,  der  in  ebenso  zahl- 
reichen Spielarten  vorhanden  ist,  wie  es  Berufsklassen  gibt.  Dieses  in 
weiterem  Sinne  gefasste  Argot  ist  im  allgemeinen  durchaus  volkstümlich 


Diciionnaires  Margot  41 

in  Bildung  und  Ausbreitung;  es  bleibt  nicht  auf  die  betreffenden  Klassen 
beschränkt,  denen  es  von  Haus  aus  angehört;  es  wandert  aus  dem  Munde 
der  Benifsgenossen  in  den  anderer  Stände,  dringt  in  die  Sprache  der 
Tagespresse,  wird  durch  sie  noch  weiter  verbreitet  und  schliesslich  litte- 
raturfähig.  Je  niedriger  und  volkstümlicher  eine  Litteraturgattung  ist, 
um  so  eher  wird  sie  dem  Argot  Aufnahme  gewähren :  die  Gemeingut  des 
Volkes  gewordenen  Ausdrücke  des  Argot  verleihen  diesen  Litteraturwerken 
erst  ihren  volkstümlichen  Charakter.  Ans  dem  Argot  der  einzelnen 
Stände,  Indnstrien  und  Handwerkszweige  rekrutiert  sich  schliesslich  das, 
was  man  Volkssprache  nennt:  sobald  ein  zunächst  nur  in  abgeschlossenen 
Zirkeln  gebräuchliches  Wort  diese  engeren  Grenzen  überschritten  hat, 
lört  es  auf,  dem  Argot  anzugehören,  ist  es  Eigentum  der  volkstümlichen 
Jmgangssprache.  Immer  wieder  wird  sich  diese  allgemeine  ümgangs- 
prache  aus  den  dem  Bedürfnis,  der  Bequemlichkeit,  dem  Humor  oder 
dnem  euphemistischen  Streben  entsprungenen  Neologismen  der  einzelnen 
{ernfsstände  und  Volksklassen  neue  Truppen  holen.  Viele  davon  werden 
D  der  Umgangssprache  befangen  bleiben  und  spurlos  in  ihr  wieder 
ntergeben;  andere  werden  Glück  machen  und  die  ihnen  anfän^ 
ezogenen  Schranken  noch  weiter  siegreich  überschreiten;  sie  werden  m 
ie  Sprache  der  Presse  und  der  niederen  Litteratur,  zuletzt  in  die  Schrift- 
)rache  überhaupt  ihren  Eingang  finden. 

Unter  solchen  Verhältnissen  ist  es  natürlich  ausserordentlich  schwer, 
1  bestimmen,  welches  Wort  noch  dem  Argot,  dem  Jargon  einzelner  Be- 
ifs-  oder  Bevölkerungsklassen  angehört,  welches  bereits  als  Gemeingut 
)r  Umgangssprache  aufzufassen  und  welches  gar  bereits  als  Eigentum 
;r  Literatursprache  zu  betrachten  ist.  Manches  Wort,  das  selbst  bereits 
Litteraturwerken  Eingang  gefunden  hat,  ist  darum  doch  niemals  volks- 
mlich  gewesen;  manches  Wort,  das  längst  eine  weite  Verbreitung  in 
n  niederen  Volksklassen  besitzt,  hat  es  trotzdem  noch  niemals  zu  einer 
iterarischen  Fixierung  gebracht.   Viele  Worte  werden  plötzlich  aus  dem 

beständigem  Strome  befindlichen  Vorrat  der  Neubildungen  des  Argot 
ftauchen,  vielleicht  selbst  eine  ephemere  Popularität  erringen,  um 
nn  ebenso  schnell  aus  dem  Dasein  zu  verschwinden.  Der  Lexikograph 
3  Argot  und  der  Umgangssprache  mag  sich  daher  mühen  wie  er  will, 

wird  ihm  nimmer  gelingen,  beide  Wortgattungen  auseinander  zu 
Iten.  Vergebens  hat  deshalb  Darmesteter  in  seinen  Mots  Nouveaux 
1  auf  die  Besprechung  der  mots  populaires  einschränken  wollen;  er 
;  dem  Argot  einen  reichlichen  Tribut  zollen  müssen.  Andererseits  hat 
nes  der  neueren  dem  Argot  gewidmeten  Werke  auch  nur  den  Versuch 
nacht,  sich  nur  auf  den  Jargon  der  Gauner,  Diebe  und  Dirnen,  der 
ustrie ,  des  Handels ,  des  Militairs  oder  der  Handwerker  zu  be- 
ranken. Wo,  wie  in  Villatte's  Parisismen,  auch  nur  Scheidungen  der 
)rauch8krei8e  der  einzelnen  Worte  versucht  werden,  sind  diese  gewiss 
Q80  häufig  falsch  wie  richtig  vorgenommen  und  selbst  kaum  immer 
h  nur  nach  ihrer  Herkunft  richtig  besimmt.  Das  Argot  ist  eben  zum 
jsen  Teil  identisch  mit  der  volkstümlichen  Sprache  überhaupt.  Wer 
lexikographisches  Werk  dem  Argot  ausschliesslich  widmen  will,  der 
s  sich  auf  das  Argot  einer  bestimmten  Berufeklasse  beschränken,  und 
1  dann  wird  er  noch  zu  scheiden  haben,  was  im  augenblicklichen 
rauche  nur  innerhalb  dieser  Berufsklasse  üblich  ist,  und  was  bereits 

weitere  Verwendungssphäre  gefunden  hat. 

Nach  einer  andren  Seite  hin  bedarf  indes  der  jetzt  geläufige  Be- 

des  Argot  eine  Begrenzung.  Ohne  dass  es  meines  Wissens  irgendwo 
s^t  sei,  wird  damit  gewöhnlich  nur  die  Volkssprache  und  der  Jargon 
in  grossen  Städten  oder  in  Paris  lebenden  Berufsklassen  bezeichnet, 


43  Liiterarische  Ckt^omk.    E.  Koschwitz, 

wo  allein  Qauner  und  Dirnen  mit  ihren  Anhängseln  als  besondere  Stände 
existieren  können,  wo  Handel  und  Gewerbe,  Industrie  und  Handwerk, 
Kunst  und  Wissenschaft  entweder  allein  oder  doch  am  zahlreichsten  und 
in  den  verschiedensten  Gestaltungen  bestehen.  Allenfalls  tritt  noch  die 
Sprache  des  Bergbaus,  des  Militairs  und  der  Marine  in  ihrer  Allgemein- 
heit hinzu,  die  nicht  nur  in  grossen  Städten  verbreitet  ist.  Die  Sprache 
des  Landbewohners  kommt  für  das  Argot  nur  insoweit!  in  Betracht,  als 
sie  in  Beziehung  zu  der  der  Stadtbevölkerung  tritt  und  dieser  neues 
Wortmaterial  zuführt.  Die  in  der  Spruche  der  -Landbevölkerung  ge- 
bräuchlichen, zumeist  durchaus  volkstümlichen  Spezialterminologien  blei- 
ben in  der  Vergessenheit  der  patoü,  deren  dialektische  Sprachformen 
natürlich  auch  ihnen  anhangen.  Die  Unterscheidung  eines  Argot  im 
Munde  des  Landbewohners  von  der  allgemeinen  patois- Sprache  musste 
um  so  mehr  unterbleiben,  als  auf  dem  Lande  beides  in  Wirklichkeit 
durcheinander  fliesst,  weil  dort  eine  Gliederung  nach  Ständen  und  Be- 
rufsgattungen selten  in  Betracht  kommt.  Der  auf  dem  Lande  lebende 
Vertreter  eines  Spezialfaches,  der  hochfranzösisch  spricht,  und  der  Klein- 
städter, soweit  er  sich  dem  patois  entzieht,  erhält  sein  Argot  aus  den 
grossen  Städteu,  und  zwar,  wie  es  in  Frankreich  natürlich  ist,  zum  grössten 
Teil  aus  Paris.  Es  kann  daher  nicht  verwundern,  wenn  des  Argot  des 
kleinstädtischen  Handwerkers  oder  Industriellen  in  der  frz.  Argot- Litte- 
ratur  kaum  gedacht,  und  in  den  Argot -Wörterbüchern  fast  nur  dem  Pa- 
riser Argot  Berücksichtigung  verstattet  wird.  Fügen  wir  noch  hinzu,  dass, 
abgesehen  vom  Journalismus  und  Parlamentarismus,  auch  den  Neologis- 
men der  gelehrten  Stände  und  ihrer  speziellen  Terminologie  gemeinhin 
keine  Beachtung  zu  Theil  wird,  dass  noch  weniger  der  Sprachgebrauch 
der  Kolonien  und  ihrer  eigenen  Berufszweige  für  die  Argot- Litteratur  in 
Frage  kommt,  so  sind  wir  genügend  vorbereitet,  um  zu  einer  Besprechung 
der  neueren  Argot- Wörterbücher  übergehen  zu  können. 

An  erster  Stelle  haben  wir  Loredan  Larchey's  Dictiomiaire  histori- 
que  d^argot.  7e  ^d.  des  Excentricitäs  du  Langage,  considerablement  aug- 
mentäe  et  mise  a  la  hauteur  des  revolutions  du  jour.  Paris  1878.  8**. 
XVII,  377  SS.,*)  zu  verzeichnen.  Die  Exceniricite's  y  aus  denen  das  Dic- 
tionnaire  hervorging,  erschienen  zum  1.  Male  1860.  Wir  nennen  dieses 
Wörterbuch  an  erster  Stelle,  weil  es  zeitlich  von  den  zu  nennenden  am 
frühesten  entstanden  ist,  und  weil  es  in  vielfacher  Beziehung  seine  Mit- 
bewerber um  die  Gunst  des  Publikums  überbietet.  Über  einen  auf- 
geklärten Dilettantismus  hat  es  freilich  Larchey  nicht  hinausgebracht. 
Doch  hat  sich  der  Verf.  in  der  früheren  Argot  -  Litteratur  umgesehen, 
sie  nach  Kräften  ausgenutzt  und  ausserdem  eine  reichliche  anderweitige 
Litteratur,  die  S.  XXXIV  iF.  verzeichnet  wird,  selbständig  durchsucht 
und  ausgezogen.  Seine  Auswahl  der  gegebenen  Worte  geschieht  mit 
Bedacht;  sie  umfassen  mit  möglichster  Vollständigkeit  die  Ausdrücke 
der  malfaiteurs  und  das,  was  er  die  excentricit^s  de  langage  der  übrigen 
Bevölkerungsklassen  nennt.  Sein  Hauptaugenmerk  ist  natürlich  auf  die 
Pariser  Volkssprache  gerichtet,  denn  dort  „se  fabriquent  ou  se  retrem- 
pent  tous  le«  mots  nouveaux:  ceux  du  bagne.  et  ceux  du  sport,  ceux 
du  boudoir  comme  ceux  de  Tatelier,  ceux  de  la  caserne  comme  ceux 
des  couloirs  de  TAssembläe,   ceux  de  la  halle  comme  ceux   du  coU^ge 


*|  Der  uns  vorliegenden  Ausg.  ist  1880  eine  8.  gefolgt,  die  betitelt 
ist:  augmentäe  d'un  suppläment  mis  k  la  hauteur  des  revolutions  du 
jour  et  contenant  2784  mentions  nouvelles.  8**.  XVII— 518  p.  j  lesuppl<^- 
ment  s^paräment  2  fr. 


Dictionnaires  d*argot  43 

et  du  joarnalisme  ....  PariB  fait  1a  mode  des  motg,  comme  il  faÜ 
la  mode  des  chapeaux  (S.  II.).  *Den  Worten  werden  Belege  beige- 
geben, und  es  wird  angezeigt,  welchem  Autor  oder  welcher  Quelle 
dieselben  entnommen  sind.  Leider  fehlt  den  Zitaten  die  Genauigkeit: 
man  erfährt  meist  weder  die  Seitenzahl,  noch  die  Ausgabe,  noch  das 
Werk  des  zitierten  Autors.  Dafür  ist  der  Verf.  bestrebt,  auch  die  Daten 
bei  Worten  anzugeben,  die  nur  eine  Zeit  lang  im  Umlaufe  waren,  oder 
bei  denen  es  ihm  wünschenswert  erscheint,  ihre  Entstehungszeit  festzu- 
stellen. Was  nicht  irgendwo  einmal  gedruckt  worden  ist,  wird  von  ihm 
womöglich  ausgeschlossen,  desgleichen  solche  Worte,  die  zwar  in  ander- 
weitigen Argot- Verzeichnissen  Aufnahme  gefunden,  in  Wirklichkeit  aber 
niemals  allgemeinen  Kurs  besessen  haben.  Auch  in  der  Bestimmung  der 
Etymologien  oder  der  sonstigen  Herkunft  seiner  Vokabeln  ist  der  Verf. 
besonnen  vorgegangen,  soweit  ihn  nicht  seine  Unkenntnis  des  mittel- 
alterlichen Sprachschatzes  dabei  irre  leitete.  Endlich  hat  Larohey  mit 
gutem  Gnmd  darauf  verzichtet,  seine  Worte  bestimmten  BevOlkerungs- 
klassen  zuzuweisen.  Er  sagt  darüber  ganz  zutreffend:  „en  spdcialisant 
on  reste  fatalement  au-dessous  de  sa  täche.  Chaque  corps  de  metier, 
chaque  atelier,  chaque  coU^e,  chaque  caf^,  chaque  quartier  ont  leurs 
petita  argots.  Si  vous  donnez  Tun,  il  faut  les  donner  tous.  Vous  vous 
noyez  alors  dans  l'infini  et  dans  le  puäril"*  (S.  XXX.).  Aber  wenn 
auch  der  Verf.  auf  eine  Sortierung  der  von  ihm  berücksichtigten  Jargons 
im  allgemeinen  verzichtet,  so  gibt  er  dennoch  die  Hilfsmittel  an  die 
Hand,  die  der  Sprache  der  Gauner  und  Spieler  (grecs)  entlehnten  Aus- 
drücke zu  erkennen.  Sie  werden  durch  das  Zitat  der  für  diese  Wort- 
klassen benutzten  Gewährsmänner  erkenntlich  gemacht.  Mit  den  Namen 
Grand val  (Cartouche,  pobme,  Paris  1723),  Haibert  (Nouveau  Dictionnaire 
de  Vargoi,  Paris  1840),  Vidocq  {ks  Vokurs,  Paris,  Datum?  Der  Verf  t 
1857),  Colombey  (C Esprit  des  VoleurSj  suivi  d'un  Dictionnaire  d'argot, 
Paris  1862),  Moreau  Christophe  (le  Monde  des  Coqums,  Paris  1864)  und 
Babasse,  der  dem  Verf.  mündliche  Mitteilungen  machte,  werden  alte  und 
neue  Ausdrücke  des  Gaunerjargons  erkenntlich  gemacht;  mit  den  Namen 
Alyge  {r^rl  de  ponier,  1854)  und  Cavaille  fies  FiUmteries  du  jeu,  1875) 
die  der  Spieler  und  Bauernfänger.  Für  eine  grosse  Anzahl  der  übrigen 
Worte  ergibt  sich,  wie  überall,  aus  ihrer  Bedeutung  ganz  von  selbst,  in 
welcher  Gesellschaftsklasse  sie  aufgekommen  sind,  äe  Gewissenhaftigkeit 
des  Verfs.  wird  auch  daran  ersichtlich,  dass  er  selbst  während  des 
Druckes  eifrig  weiter  sammelte,  und  die  Ergebnisse  dieser  Nachlese  in 
einem  Supplement  seiner  Ausgabe  anfügte,  das  S.  368—77  eine  Anzahl 
übersehener  Worte,  neue  Belege  und  Berichtigungen  in  alphabetischer 
Folge  bringt.  Die  meisten  Hinzu  fugungen  sind  Zola^s  Assommoir  (von 
1877)  und  dem  Sublime  (Paris  1872)  entnommen,  die  ihm  als  „späcimens 
tves-vrais  du  langage  figurä  dans  le  peuple  parisien*'  erscheinen. 

Weit  weniger  lobenswertes  lässt  sich  von  Delvau's  1866  zum 
ersten  Male  erschienenen  IHctionnaire  de  la  Langue  Verte^  Paris,  Marpon 
und  Flammarion,  sagen,  das  1883  in  3.  Auflage  erschienen  ist,  durch  ein 
umfangreiches  Supplement  von  G.  Fustier  vermehrt.  Im  Übrigen  ist 
diese  letzte  Ausgabe  ein  treuer  Abdruck  der  zweiten,  vom  Verf.  noch 
selbst  durchgesehenen  von  1867;  auch  die  Vorrede  der  2.  Auflage  (S.  I 
bis  XXXIl,  zu  562  SS.  Text,  kl.  8",)  ist  unverändert  wiedergegeben.  Der 
Verf.  stellt  sich  in  ihr  selbst  als  faubourien  und  aus  einer  Familie  stam- 
mend vor,  in  der  man  es  durch  Generationen  hindurch  war  (S.  7);  er 
will  alle  von  ihm  gegebenen  Worte  im  öffentlichen  Verkehr  selbst- 
ständi^  gesammelt,  jedes  einzelne  wenigstens  hundert  Mal  gehört  haben. 
Doch  ist  es  mit  diesen  Versicherungen  nicht  genau  zu  nehmen.    In  der 


44  Liiterarische  Chronik,    E.  Koschtvitz, 

Auswahl  seiner  "Wörter  ist  D.  wenig  bedenklich;  er  nimmt  auf,  was  ihm 
unter  die  Hand  kommt,  den  „cani,  Targot  des  voleurs  et  des  assassins" 
und  den  „slang,  l'argot  des  faubouriens  et  des  filles,  des  voyous  et  des 
soldats,  des  artistes  et  des  ouvriers"  (S.  VIII) ,  und  noch  mehr  wie  das. 
Er  gibt  sogar  das  ar(jfoi  des  Acaderniciens,  oder  verspricht  wenigstens, 
es  zu  geben.  Dieses  aber  doch  wohl  auf  Grund  litterarischer  Hilfsmittel. 
In  der  in  geistreichelndem  Tone  abgefassten  Vorrede,  wo  Albernheiten 
neben  ganz  richtigen  Ansichten  in  buntem  Wechsel  vorgetragen  werden, 
verspricht  D.  auch,  womöglich  Etymologie,  Ursprung,  Jahrzahl,  Vater 
und  Taufpathen  seiner  Wörter  anzugeben  (S.  XXI.).  In  seinem  Wb.  ist 
indess  wenig  von  diesem  berechtigten  Streben  zu  bemerken;  auf  seine 
Etymologien  legt  er  (S.  XXVI)  selbst  kein  besonderes  Gewicht;  seine  Er- 
klärungen wollen  nicht  nur  belehren,  sondern  oft  auch  amüsieren. 
Belegstellen  für  seine  Worte  und  Phrasen  anzuführen ,  hat  D.  natürlich 
nicht  für  nötig  befunden,  er  gibt  ja  vor,  alles  direkt  aus  dem  Volksmunde 
geschöpft  zu  haben.  Da  der  Verf.  es  mit  der  Ehrlichkeit  in  seiner  Ein- 
leitung nicht  streng  nimmt,  so  verdient  auch  sein  Vokabular  kein  be- 
sonderes Vertrauen,  weder  was  die  Erklärungen,  noch  was  seine  sonstigen 
Zuthaten  betrifft.  Bei  einer  Anzahl  von  Worten  führt  er  die  Klassen 
an,  in  denen  sie  gebräuchlich  sind;  aber  nur  wenn  os  ihm  gerade  be- 
quem ist,  ohne  irgend  welches  Bestreben  nach  Regelmässigkeit. 

Etwas  gründlicher  als  Delvau  verfährt  sein  Ergänzer,  G.  Fustier, 
dessen  Supplement  von  S.  493  bis  S.  562  reicht,  also  eine  ganz  stattliche 
Nachlese  bringt.  Er  stellt  sich  in  der  seinem  Supplemente  vorausgehen- 
den Notiz  als  seit  langen  Jahren  mit  einer  Arbeit  über  die  niedere  Volks- 
sprache (bas  langage)  beschäftigt  vor,  die  u.  d.  T.  les  OrpheUns  de  la 
Langue  erscheinen  soll.  Seine  Ergänzungen  hat  er  nur  auf  solche  Worte 
ausgedehnt,  die  er  in  keinem  früheren  Dictionnaire  d'argot  (also  auch 
nicht  bei  Larchey  und  dem  bald  zu  nennenden  Rigaud)  vorfand;  vor- 
zugsweise hat  er  Romane  der  naturalistischen  Schale  und  Zeitungen  aus- 
genutzt, die  er  als  seine  Quellen  bei  den  einzelnen  Artikeln  auch  zitiert, 
leider  zumeist  in  derselben  mangelhaften  Weise  wie  Larchey. 

Zwei  Jahre  vor  der  3.  Ausgabe  Delvau^s,  i.  J.  1881,  erschien  das 
Dictionnaire  d'argoi  moderne  par  Lucien  Rigaud,  Paris,  OUendorff,  8**, 
II  -h  891  SS.,  dem  derselbe  Verfasser  bereits  ein  Dictionnaire  du  Jargon 
pafisien  (I'argot  ancien  et  l'argot  moderne)  vorangeschickt  hatte,  in 
welchem  er  auch  von  dem  Ursprünge  und  den  Wandinngen  des  argot 
handelte.  Dieses  ältere,  im  Buchhandel  nicht  zu  erreichende  Werk  Bi- 
gaud's  ist  uns  nicht  zu  Gesicht  gekommen,  wir  müssen  daher  auf  einen 
Vergleich  desselben  mit  dem  neuen  Dictionnaire  verzichten.  Ganz  kurz 
vor  dem  Dictionnaire  d'argot  moderne  publizierte  Rigaud  femer  in  dem- 
selben Jahre  1881  ein  Dictionnaire  des  Lieux  communs  de  la  conversa- 
tion,  du  style  ^pistolaire,  du  thäatre,  du  livre,  du  Journal,  de  la  tribnne, 
du  iDarreau,  de  Poraison  funSbre  etc.,  mit  dem  wir  uns  hier  aber  nicht 
zu  beschäftigen  haben  (vgl.  darüber  Zschr.  IV,  226).  Der  Tod  hat  den 
Verf.  verhindert,  seinem  Dict.  d'arg.  moderne  ein  Vorwort  vorauszu- 
schicken und  über  Zweck  und  Ziel  seines  Werkes  Auskunft  zu  geben. 
Die  von  dem  Verleger  an  die  Spitze  desselben  gesetzte  Notiz  kann  dafür 
keinen  Ersatz  gewähren,  um  so  mehr  aber  das  Wörterbuch  selber.  Wie 
der  Titel  andeutet,  will  der  Verf.  nur  das  moderne  Argot,  und  zwar, 
wie  fast  selbstverständlich  ist,  das  von  Paris  berücksichtigen,  Argot  im 
Sinne  von  Volkssprache  gefasst.  Er  unterscheidet , sich  also  insofern  von 
Larchey,  mit  dem  sein  Lexikon  sonst  die  grösste  Ähnlichkeit  zeigt,  als 
dieser  auch  das  ältere  Gauner- Argot  mit  aufnahm.  Im  Übrigen  sind  seine 
Prinzipien  genau  dieselben  wie  die  Larchey's,  nur  sucht  er  diesen  an 


Diciionnaires  Margot.  45 

Sorgfalt  noch  zu  übertreffen.     Ohne  Beleg  und  ohne  Quellennachweis 
bleiben  nur  Worte,  die  den  Dictionnaires  cTargot  gemeinsam  und  allffe- 
meioer  verbreitet  sind.    Für  Worte ,  die  der  Verf.  nur  aus  Delvau  oder 
Larchej  keont,  werden  diese  als  Quellen  genannt.    Andere  verwandte 
Werke  werden  noch  genauer  zitiert.    Wenn  irgend  möglich,  gibt  der 
Verf.  selbständig  gesammelt«  Belegstellen   aus  modernen  Autoren  oder 
Journalen.    Von  den  zitierten  Autoren  wird  auch  das  Werk  bezeichnet, 
nur  nnterlässt  auch  er,  Ausgabe  und  Seitenzahl  anzuführen.    Bei  Zit-aten 
aus  Journalen  wird  Jahr  und   Datum   der   Nummer   bezeichnet;    hier 
erreicht  also  der  Verf.  alle  wünschenswerte  Genauigkeit.    Seine  Erklä- 
rungen sind  besonnen  und  zurückhaltend  ;  wo  R.  sich  für  sie  auf  andere 
Gewährsmänner  stützt,  sind  diese  genannt.    Eine  Bestimmung  der  Worte 
nach  Gattungen  ist  wie  bei  Larchey  nur  fakultativ  vorgenommen,  mit 
richtiger  Erwägung  der  Verhältnisse.    Das  ganze  Werk  macht  in  Bezug 
auf  Auswahl,  Erkmrung,  Nachweisungen   und  Oebrauchsbestimmungen 
der  darin  enthaltenen   Vokabeln  den  Eindruck  der  Gründlichkeit  und 
reiflichen  Überlegung.   Es  steht  an  Wert  und  Zuverlässigkeit  dem  Larchey- 
3chen  fast  mehr  als  ebenbürtig  zur  Seite,  und  übertrifft  darum  um  so 
mehr  die  gesucht  dilettantische  Leistung  Delvau's. 

Der  Anziennität  nach  schliesst  sich  an  die  verzeichneten  Werke 
las  einzige  deutsche  Wöi*terbuch  dieser  Art  an:  Villatte*s  Parisismen, 
alphabetisch  geordnete  Sammlung  der  eigenartigen  Ausdrucksweisen  des 
'ariser  Argot.  BIrlin,  1884.  mr  können  in  unserer  Beurteilung  dieses 
Verkes  der  in  dieser  Zschr.  V^,  209  ff.  von  Sarrazin  ge^benen  nur  be- 
lügt zustimmen.  So  ist  uns  sehr  fraglich,  ob  Villatte  „einem  wirklichen 
Bedürfnis''  abgeholfen  und  eine  „b^auerliche  Lücke'*  ausgefüllt  hat. 
Ver  ein  Bedürfnis  fühlt,  das  Pariser  Argot  s^  verstehen,  bei  dem 
ann  man  doch  genügende  frz.  Sprachkenntnis  voraussetzen,  um  auch  die 
rklärungen  der  frzi  Dictionnaires  verstehen  zu  können.  Man  dürfte 
iher  Villatte*8  Parisismen  diesen  nur  dann  vorziehen,  wenn  er  mehr 
1er  besseres  als  sie  bieten  würde;  denn  die  Bequemlichkeit,  für  die  frz. 
iterpretation  einen  naturgemäss  nicht  immer  genau  entsprechenden 
mtschen  Ausdruck  im  Nachschlagebuche  zu  erhalten,  ist  doch  verhält- 
smässig  gering,  unter  Umständen  wird  die  deutsche  Obersetzung  irre 
hren  können,  umsomehr,  als  V.  keine  Belegstellen  für  seine  Volokbeln 
3tet.  Wie  wir  über  V.'s  Versuch,  die  Gebrauchssphären  der  einzelnen 
orte  festzustellen,  denken,  haben  wir  schon  oben  gesagt.  Es  bedarf 
ner  keines  Hinweises,  dass  es  immer  vorteilhafter  ist,  ein  Quellenwerk 
benutzen,  als  eine  abgeleitete  Arbeit.  Im  Verhältnis  der  Ableitung 
3r  der  Abhängigkeit  steht  aber  V.  durchaus  zu  den  frz.  Dictionnaires 
rgot.  Schon  das  Vorwort  lässt  diese  Sachlage  erkennen.  Es  ist  im 
äentlichen  aus  den  Einleitungen  von  Delvau  und  Larchey  zusammen- 
chweisst ;  Irrtümer  derselben  werden  mit  Haut  und  Haaren  übernommen 
ir  erst  durch  Misverstäodnis  hineingebracht.  So  z.  B.  die  schon  von 
hne  Herrig's  Archiv  71,  100  gerügte  Anführun^weise  der  Worte 
2uef%  pecune  und  cadene  u.  ä.  S.  VI  behauptet  V.  naiv,  eine  Zusammen- 
lung  der  Wöi*ter  des  Pariser  Argot  sei  erst  jetzt  durch  die 
arbeiten  französischer  Lexikographen  möglich  geworden.  Das  gilt 
it  einmal  ganz  von  einer  Zusammenstellung  wie  der  seinen,  die  auf 
(che  selbständige  Forschung  Verzicht  leistet.  V.  hat  sich,  wie  wir 
yn  beweisen  werden,  in  seiner  Arbeit  fast  nur  auf  Ausnutzung  der 
ihm  als  Hauptquellen  angeführten  Dictionnaires  von  Delvau,  fjarcbey 
Ri|^ud  beschränkt,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  er  sich  am  engsten 
üi^aud  anschliesst  und  die  beiden  anderen  zur  Ergänzung  heranzieht. 
Hauptverdienst  besteht  darin,  dass  er  die  frz.  Erläuterungen  seiner 


46  Liiterarische  Chronik,    E.  Koschwitz, 

Vorgänger  durch  deutsche  Übersetzungen   und   Erklärungen  ersetzt  und 
den  in  einer  neuen  Bedeutung  verwendeten  Vokabeln  in  Parenthese  ihre 
ursprüngliche   oder   gewöhnliche  Bedeutung   beigefügt   hat.     Ausserdem 
hat  er  sein  Material  enger  zusammengedrängt  als  seine  Gewährsmänner ; 
dafür  unterlässt  er  es  vollständig,  für  seine  Bedeutungen  Belegstellen  an- 
zuführen ,  was  allerdings  insofern  überflüssig  war ,  als  er  neue  offenbar 
nicht  zu  bieten  hatte  und  als  er  auch  keine  neuen,    nicht  schon   früher 
gebuchten  Worte  aufnimmt.   Der  Gedanke,  dass  auch  ein  Deutscher  oder 
in  Deutschland  lebender  Franzose  selbständig  durch  Ausbeute  der  gegen- 
wärtigen frz.  Litteratur,  spez.   der  Tagespresse  und  der  naturalistischen 
Schriftwerke,  unsere  Kenntnis  des  Pariser  Argot  bereichern  kann,  scheint 
dem  Verf.  gar  nicht  gekommen  zu  sein.     Wenn  aber  Villatte  vielleicht 
aus   vorsichtiger   Zurückhaltung   eigene   Sammlungen    aus    frz.    Lektüre 
unterlassen  hat,  so  sollte  man  wenigstens  erwarten,  er  habe  die  neuesten 
Ausgaben  seiner  frz.  Gewährsmänner  seinem  Wörterbuch  zu  Grunde  ge- 
legt.   Auch  das  ist  nicht  der  Fall.    Von   Larchey  ist  nicht  einmal  die 
oben  besprochene  Ausg.  v.  1878  benutzt,  wie  es  die  unten  nachgewiesene 
Ausserachtlassung  von  deren  Supplement  durch  V.  bezeugt,  geschweige 
denn  die  von  1880  mit  ihrem  reichen  neuen  Supplement,     von  Delvau 
hat  V.  die  durch  Fustiers  Anhang  vermehrte   3.  Auflage  von  1883   viel- 
leicht nicht  mehr  benutzen  können;  wir  dürfen  uns  also  auch  nicht  ver- 
wundern, wenn  wir  das  von  Fustier  gegebene  bei  ihm  nicht  wiederfinden.*) 
Ob  V.  auch  neuere  Spezialwörterbücher,   wie  Pousssfrt's  Dictionnaire 
des  termes  de  marine,  Paris  1880;  Baikie^s  International  Dictionary  for 
Naturalists  and  Sportsmen,   London  1880  u.   dgl.  gekannt  und  benutzt 
hat  oder  nicht,   vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden.     Doch  halten  wir 
ihre  Nichtbenutzung  för  wahrscheinlich. 

Ilerr  Villatte  wird  gewiss  nicht  gern  vernehmen,  dass  ihn  in  ge- 
wisser Hinsicht  ein  Mann  übertroffen  hat,  der  in  einer  gar  nicht 
ernst  gemeinten  Sammlung  des  Dimeujargons,  wie*  er  sich  in  den  natura- 
listischen Bomanen  Zola*s  und  seiner  Adepten  vorfindet,  viel  selbständiger 
gearbeitet  hat  als  er.  Ich  meine  das  Paris  1883  (vor  Villatte)  erschienene 
Werk  von  Ambroise  Macrobe,  La  Flore  pomographique.  Glossaire  de 
riScole  naturaliste  extrait  des  oeuvres  de  M.  Emile  Zola  et  de  ses  dis- 
ciples.  8**.  226  SS.  Macrobe,  dessen  Namen  ich  weder  bei  Vapereau 
noch  in  Joliet's  Pseudonymes  du  jour  (Paris  1884)  vorfinde,  gibt  in  seiner 
von  ziemlicher  Belesenheit  zeugenden  und  den  Naturalisten  sehr  übel 
wollenden  Einleitung  S.  21  die  Bestimmung  und  Art  seines  Werkes  selbst 
an:  „Nous  avons  cueilli,  dans  le  jardin  pomographique,  les  fleurs  n^es 
de  la  culture  du  r^alisme  et  du  natural  isme:  nous  en  avons  forma  une 
gerbe,  une  corbeille  que  nous  presentons  au  public,  afin  qu'il  puisse  juger 
honnStement  et  en  connaissance  de  cause  les  inventions  de  langage  ou, 
si  Von  veut,  les  vulgarisations  de  langage  de  cette  äcole  moderne  .  .  .^^ 
Und  S.  22:  Nous  ne  nous  sommes  pas  donne  la  peine  de  rechercher  les 
^tymologies  de  ces  termes  grossiers;  nous  nous  sommes  content^  de  les 
traduire  d^cemment,  afin  d^^viter  aux  Saumaises  futurs  de  trop  longues 
recherches."  Was  der  Verf.  verspricht,  hat  er  gehalten.  Er  hat,  unbe- 
kümmert um  frühere  Ausbeutungen,  Zola's  Nana  (Z.  N.),  Assommoir 
(Z.  Ass.),  Pot-Bouille  (Z.  P.),  Au  Bonheur  des  Dames  (Z.  B.) ;  E.  de  Gon- 
court's  la  Fille  filisa  (E.  de  G.  E.),  Huysmans'  les  Soeurs  Vatard  (H.  S.), 


^)  Ist  es  Zufall,  dass  Villatte  S.  VI  seiner  Einleitung  verschmäht 
hat,  die  von  ihm  benutzten  Ausgaben  der  Dictionnaires  von  Delvau  und 
Larchey  anzugeben? 


Diciionnaires  cPargot  47 

(11.  M.);  y.  Meunier's  les  Baisers  tristes  (M.  B);  Guy  de  Mau- 

.  une  Vie  (G.  d.  M.  V.),   la  Femme  de  Paul  (G.  d.  M.  F.)  und 

.  t  ard's  Soiräes  de  Mädan  (C.  S.)  gelesen  und  die  pornographischen 

derselben  gesammelt,  manchmal  nicht  ToUständig  genug,  manch- 

zu  vollständig,  im   ganzen  ausführlicher,  als  ee  für  einzelne  der 

leii  Romane  vor  ihm  geschehen.    Die,  ein  paar  Mal  allerdings 

.  tnau,  alphabetisch  geordneten  Worte  und  Phrasen  werden  decent 

imd  durch  je  ein  Zitat   belegt.     Ausgabe   und   Seitenzahl   gibt 

11  falls  nicht  an.    Um  seinem  Werke,  das  auf  sehr  gutem  Papier 

kt  ist,  auch  äusserlich  den  Stempel  seiner  Bestimmung  aufzudrücken, 

.  der  Umschlag  eine  Vignette,  auf  der  an  den  Zitzen  eines  Mutter- 

iies  eine  Anzahl  Männchen  saugen;    drei  übergesetzte  Schweinchen 

iue  Aufschrift:  Omnes  mecum  porto  gereichen  dem  Bildchen  zur 

ou  Zierde.    Auch  im  Innern  ist  jeder  neue  Buchstabe  durch  eine 

iie  charakteristische  Zeichnung  illustriert. 

Da  wir  nicht  annehmen  können,  das  für  die  augenblickliche  Ge- 
icksrichtung  der  frz.  Belletristik  bezeichnende  Werkchen  werde  in 
•  bland  eine  grössere  VerbreituDg  finden,  die  es  auch  trotz  seiner 
ven  Vorzüge  in  keiner  Weise  verdient,  so  geben   wir   hier   alles 

I  enthaltene  neue  wieder,  indem  wir  es  zugleich  benutzen,  um 
seiner  Hilfe  das  Verhältnis  der  von  uns  besprochenen  Argot- 
erbücher   in   Bezug   auf  ihre  Vollständigkeit   zu   bestimmen.    Wir 

II  dabei  zugleich  passende  Gelegenheit,  unser  Urteil  besonders  über 
deutsche  Bearbeitung  des  frz.  Argot  von  Villatte  zu  begründen,  und 
n  Nachtrag  zu  ihr  zu  liefern,  der  manchen  willkommen  sein  wird. 

Zunächt  beweist  uns,  dass  Villatte  es  ganz  und  gar  nicht  für  nötig 
in  den  hat,  die  von  Macrobe    durchsuchte  Litterafiir  der  frz.  natura- 
ischen  Romanschreiber  Frankreichs  auch  seinerseits  auszubeuten,,  und 
^  er  über  seine  Quellen  werke  nicht  hinaus  geht,   die   grosse  Anzahl 
11  Ausdrücken  und  Bedeutungen,  die  weder  bei  ihm,  noch  bei  Larchey, 
Ivan  und  Rigaud  zu  finden  sind,  die  aber  Macrobe  aus  seinen  Autoren 
tiert  hat.     Es  sind  die  folgenden,  denen  wir  zugleich  die  M. 'sehen  Er- 
iirungen  und,  in  abgekürzter  Form,  auch  seine  Autorenzitate  beifügen: 
s'allumer,  etre  pris  de  d^sirs  violents  (Z.  N.). 
ancienne,  vieille  fille  galante  (Z.  N.). 
fille  assermentee,  fille  inscrite  (E.  d.  G.  E.). 
avachi,  e,  dägnidä  (Z.  Ass.). 
badigeonner,  faire  saillie  (H.  S.). 
hal  de  Vestomac,  Indigestion  (H.  S.). 
halai,  jeune  fille  maigre  (Z.  N.). 
bique,  femme  qui  vieillit  (H.  S.). 
birbe,  dient  passager  d'une  femme  galante  (M.  B.). 
bivac  des  graces,  faveurs  d'une  femme  (H.  S.). 
blette  adj.,  se  dit  d^une  vieille  femme  galante  (Z.  N.). 
etre  bouchee,  femme  dans  Timpossibilitt^  d'avoir  des  enfants  (Z.  P.). 
bougresse,  femme  du  monde  qui  se  conduit  mal  (Z.  N.). 
hramer,  synonyme  de  chanter  (H.  M.). 
rhythme  canaÜle,  musique  populaire  (Z.  N.). 
car Offne,  syn.  de  reveche  (EL.  S.). 
6tre  an  carte,  se  dit  d'une  prostituee  soumis^  auz  rbglements  de 

la  präfecture  de  police  (Z.  N.). 
casser  Vagrafe,  se  separer  (H.  S.). 
chauffer  la  coUe,  pr^parer  un  raccomodement  (H.  S.). 
laDcer   sa  chemise  par-dessus  les  raoulins;  ch,  est  pris  ici  pour 
bonnet  (Z.  N.)- 


48  Litierarische  Chronik.    E.  KoschwUz, 

chenapan  femelle,  femme  qui  se  prostitue  (H.  S.). 

avoir  un  chien,  eh.  synonyme  de  chic  (Z.  N.). 

chienne,  femme  ardente  (H.  S.). 

coüer  une  affaire,  rendre  une  temme  ardente  (Z.  F.). 

compote^  ^tat  de  maladie  de  venire  (Z.  P.). 

corniche,  contour  (H.  M.). 

cotder  des  regards  8ur  qch.,  regarder  en  dessous  (Z.  N.). 

se  faire  donner  un  coup  de  plumeau,  avoir  un  amant  (Z.  P.). 

crache^louis,  amant  qui  paye  (M.  B.). 

cracher  ses  chicois,  fa9on  de  chanter,  expression  poätique  (H.  M.)* 

craptde,  syn.  de  d^auche  (H.  M.). 

—  terme    iniurieux    qui    quelquefois    8*emploie    amicalement 
(Z.  N.). 

—  du  vice,  raffinement  de  perversion  (Z.  N.). 

se  c?'iper  la  tignasse,  se  prendre  aux  cheveux  (H.  S.). 

se  taper  sur  les  cuisses,  moyen  de  t^moigner  sa  satisfaction  (Z.  N.). 

cuve  humaine,  grosse  femme  (H.  M.). 

dame  de  compagnie,  syn.  de  prostituee  de  province  (E.  d.  6.  E.). 

ddboticher  une  femme,  avoir  des  rapports  intimes  avec  eile  (Z.  P.). 

allure  de'bringuee,  allure  de  voyou  (H.  S.). 

decrepir  la  face,  se  faner  (H.  S.). 

ddgostiler  un  couplet,  chanter  (H.  M.). 

faire   un  salut  ä   derriere  otivert,   nouvelle  manibre    de    salaer 

(H.  S.). 
dessous  secreis,  ce  que  cachent  les  femmes  (G.  S.). 
donne?*  dans  le  iravers,  se  laisser  s^duire  (E.  d.  6.  E.). 
donner  de  son  corps,  se  prostituer  (Z.  N.). 
donner  des  idees,  syn.  d^exciter  (Z.  F.). 
ebouie,  e,  dtendn  paresseusement  (H.  M.). 
se  frotter  a  Tecorche-ctd,  se  rouler  sans  m^nagements  (H.  S.). 
icueUee  dordures,  ^num^rations  d'äpith^tes  injurieuses  (H.  S.). 
4cM,  e,  fatigu^  (H.  S.). 
§tre  emhdIU,  se  dit  des  gens   dont  on  parvient  a  se  d^barasser 

(Z.  N.). 
emmerdeur,  personnage  ennuyeux  (Z.  N.). 
empaille',  Tair  e.  =  Tair  fier  (Z.  N.). 

empoigner  qch.,  gtre  atteint  d'une  maladie  vän^rienne  (Z.  F.). 
se  faire  epousseter,  avoir  un  amant  (Z.  N.). 
s'enrager,  devenir  eperdument  amoureux  (Z.  N.). 
dtalage,  pour  une  femme  signifie:  exhibition  de  ses  charmes  (6.  d. 

M.  F.). 
dteindre  de  la  brmse,  ramasser  de  Targent  (H.  M.). 
dtrenner,  attraper  une  vilaine  maladie  (Z.  F.). 
faire  ga,  syn.  de  bagatelle  et  de  faire  boum  (Z.  N.). 
faire  le  cUent,  s^uire  un  homme  (G.  d.  M.  F.). 
faire  son  heure,  signifie,   pour  une  prostituäe,  se  promener  peu- 

dant  une  heure,  sur  le  trottoir  de  la  maison,  afin  d'attirer  les 

passants  (E.  d.  G.  E.). 
fidoi,  te  adj.,  luisant  (II.  M.). 

fouille-au-pot,  debauche  qui  aime  k  palper  les  femmes  (Z.  Ass.). 
fouiMonne,  e,  chiffonn^  (H.  M.). 

freiiUer  de  sa  Croupe,  remuer  le  derrifere  en  dansant  (G.  d.  M.  F.). 
friponner,  se  caresser,  s'agacer.    Ce  que  nos  ancgtres  appelaient 

„la  petite  oie"  (H.  S.). 
fripouiäe,  individu  malpropre  (Z.  N.). 


Diciionnah^e  iVarfjoi.  49 

fumei,  parfum  de  la  femme  (C.  S.)- 

gci^n,  syn.  de  grosaeur  (H.  S.). 

gaky  semploie  dans  le  sens  de  maladie  morale  (Z.  F.). 

gmier  qn,  le  s^duire  (H.  M.). 

gargotileite,  syn.  de  visage  de  feuime  (H.  S.). 

gauk'bon-temps,   homme  d'une  gaiete  triviale  et  communicative 
(H,  M.). 

gaiiier  le  fessier,  battre  qn  (H.  S.). 

geigMrie,  cri  d'amour  (H.  M.). 

gmüe,  femme  b§te  (H.  S.). 

godaüleuse,  femme  gourmande  (H.  S.)* 

gonape,  syn.  de  coquioe  (H.  S.). 

gueniüe,  fille  mal  mise  (Z.  N.). 

JeHner.  etre  chaste  (Z.  N.). 

fleurir  de  jonquiüe  a  qn,  tromper  un  homme  (H.  M.). 

iäcker  sa  peau,  se  nögliger  (Z.  N.). 

lan^age,  debut  d'une  fille  dans  la  galanterie  (Z.  N.). 

iimande,  syn.  de  femme  maigre  (H.  S.). 

mariner,  syn.  de  flotter  (H.  M.}. 

mistoufey  bataille,  syn.  de  cr^page  de  cbignon  (M«  B.). 

en  montrer  trop,  6tre  trop  decollet^e  (Z.  N.). 

moucher  un  homme,  action  amoureuse  (Z.  P.). 

motde  ensahpe,  tete  d'ouvrifere  (H.  S.). 

neant,  maigreur  de  la  poitrine  (Z.  B.). 

nourrisseur,  entreteneur  (H.  S.). 

se  Foffrir,  syn.  de  se  la  payer,  obtenir  les  faveurs  d*une  femme 
(M.  B.). 

opirun*  de  la  hure,  approuver  de  la  töte  (H.  S.). 

lächer  une  ordure,  o.  =  mot  grossier  (Z.  N.). 

ordure,  syn.  de  liaison  amoureuse  (Z.  Ass.). 

pain  de  graisse,  femme  colosse  (H.  S.). 

paqitet,  poitrine  de  femme  (H.  S.). 

y  passei\  se  laisser  s^dnire  (Z.  N.). 

pcLSser  qn,  s*en  d^barasser  en  Tabandonnant  ä  une  autre  femme 

(Z.  P.). 
passer  devanl  la  gUice,  ne  pas  payer  (E.  d.  G.  E.). 
le  gdndral  pave,  syn.  de  rue  (H.  S.). 

avoir  qch.  dans  la  peau,  etre  en  proie  k  des  passions  violentes  (Z.  P.). 
faire  peau  neuve,  changer  d'amant  (Z.  N.). 
pimper  des  prunelles,  regarder  effront^ment  (H.  S.). 
quelqv*un,  dient  de  passage;  expression  de  prox^nete  (Z.  N.). 
räble,  derri^re  de  femme  (H.  S.). 
räielier,  restaurant  (H.  M.). 
ravigote,  action  de  se  parfnmer  le  visage  (H.  S.). 
remachei'  des  claques,  faire  souvent  le  recit  des  coups  que  Ton 

re9oit  (Z.  N.). 
le    ?'esie  de   qn,   amant  abandonnä  et  agree  par  une  autre  femme 

(Z.  N.). 
rigolctde,  flirtage  sans  consequence  (Z.  N.). 
rompre  sa  longe,  se  säparer  (H.  S.). 
rossignoler  du  nez,  chanter  du  nez  (H.  M.). 
roulis  de  chaires  moües,  femme  grasse  (H.  S.). 
roupienx,  se,  qui  a  la  roupie  (H.  M.). 
rut,  excitation  feminine  (Z.  N.). 
salo?i,  syn.  de  maison  de  prostitution,  en  provlnce  (E.  d.  G.  E.). 

ehr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VI*.  a 


50  Lütermische  Chronik.    E.  Koschrvilz, 

sanier  le  foss^,  ae  marier  (H.  S.). 

sexe,  instrument  de  travail  (E.  d.  G.  E.). 

su^on,  trace  que  laisse  sur  la  peau  un  baiser  trop  ardent  (Z.  Ass.). 

avoir  un  surcroit  de  hagage,  §tre  eDceinte  (Z.  Ass.). 

iaches  azurees  des  iruffes,  syn.  de  plaques  bleues  sur  la  peau  pro- 

duites  par  des  coups  (H.  S.). 
terrme  pleine  de  vices,  gros  homme  d^bauche  (H.  S.). 
tirej-  des  en/ants,  faire  un  accouchement  (E.  d.  G.  E.). 
iroUoir,  Heu  ou  s'exerce  la  Prostitution  (Z.  P.). 
le  Tucker  de  la  morgue,  les  dalles  de  la  morgue.    T.  est  employ^ 
coQime    syn.    de   sommier  (H.    M.;    M.    fragt   in    Anmerkung: 
Serait-ce  une  r^clame?) 
vendanger  des  graces,  obtenir  les  faveurs  d'une  femme  (H.  S.). 
viande  ä  cocher,  petite  fille  du  penple  (Z.  P.). 
Liefern   die    angeführten,    der   Flore   pornographique   entlehnten 
Worte  und  Wendungen,  die  sich  in  den  älteren  Argotwörterbfichern  ent- 
weder gar  nicht   oder  doch  nicht  in  den  zitierten  Deutungen  vorfinden, 
den  Beweis,  dass  Villatte  sich  von  seinen  Quellenlezicis  nicht  emanzipiert 
hat,  so  bezeugen  andere  Fälle,  dass  er  sie  nicht  ganz  vollständig  ausge- 
zogen und  sie  nicht  in  den  neuesten  Ausgaben  benutzt  hat.    Wir  finden 
bei  Macrobe  nämlich   auch   eine   Anzahl  Worte  und  Wortbedeutungen, 
die  wohl  bei  L(archey),  D(elvau),  oder  R(igaud)  gegeben  sind,  bei  Villatte 
aber  fehlen.     Es  sind: 

houloite,  adj.  grasse  (Z.  N.).    Steht  bei  D.  Supplem.  von  F(u8tier). 
Mngue,  fille   du  peuple  dont  la  conduite  est  mauvaise  (Z.  Ass.). 

In  dieser  Bedeutung  auch  in  L., 
casser  son  lacet,  rompre  une  liaison  (H.  S.).    Steht  bei  F.,   der 

dasselbe  Beispiel  zitiert. 
chien,  mot  affectueux  (Z.  N.).    Auch  bei  L. 
cochonnerie,  mauvaise  action  (Z.  N.).    Auch  bei  B.  und  L.     In  D. 

sehr  ausführlich. 
couper  dam  la  pommade,  §tre  dupe  (H.  S.).    Auch  bei  R. 
coyper  les  vivres,  refuser  k  une  femme  les  caresses  qu*elle  se  croit 

en  droit  d'exiger  (Z.  P.).    Auch  bei  D. 
crapoucin,  homme  laid,  ressemblant  k  un  crapaud  (H.  M.).     Auch 

bei  D.,  crapouf^n  geschrieben. 
empaumer  qn,  faire  sa  conqußte  (Z.  N.).    Auch  bei  D. 
gaupe,  syn.  de  femme  d^vergondee  (H.  M.).    Auch  in  D. 
guenon,  syn.  de  femme  l^bre  (C.  M.).    Auch  in  D. 
lantiponner,  flauer  (H.  S.).    So  auch  D.    In  anderer  Bedeutung  in 

R.     Fehlt  bei  B.  und  Villatte. 
voir  le  lonp,  perdre  sa  virginitd  (Z.  Ass.).    Ausführlich  erklärt  in  R. 
Madame,  directrice  d'une  maison  de  Prostitution  (E.  d.  G.  E.).    R. 

zitiert  dieselbe  Stelle;  steht  auch  in  D.  imd  F. 
miche,  amant  de  passage  qui  paye  une  femme  galante  (M.  B.). 

Auch  in  L.  und  D. 
faire  son  persü;   faire  le  tour  du  lac»  en  voiture,  pour  raccrocher 

des  hommes  (Z.  N.).     Auch  bei  R.  und  L. 
etre  pincee,  femme  qui  devient  enceinte  ,(Z.  N.).    Auch  bei  F. 
piolle,  maison  de  Prostitution  (H.  M.).    Ahnlich  in  R. 
k  la  regeUade,  pour  rire,  en  riant  (H.  8.).    Auch  in  D. 
salaud,  adj.,  malpropre  (Z.  N.).    Auch  in  D. 
avoir  qch.  dans  le  venire,  avoir  du  talent  (Z.  N.).    Auch  bei  L. 
Keinen  Vorwurf  kann  man   Villatte   daraus  machen,  wenn  sich 
kein  Pendant  bei  ihm  findet  für  Deutungen  Macrobe's,  wo  dieser,  der 


Diciionnaires  (Car^fot.  51 

es  mit  seinen  Erklärungen  Überhaupt  nicht  sonderlich  streng  nimmt, 
ungenau  übersetzt,  oder  wo  er  mit  der  Aufnahme  von  Worten  und 
Wendungen  allzu  liberal  vorgeht.  Die  ungenauen  Deutungen  der  Flore 
hier  aufzuführen»  wo  Villatte  und  dessen  Vorgänger  besseres  bieten,  wäre 
zwecklos.  Dagegen  zählen  wir  noch  die  Fälle  auf,  wo  Macrobe  uns  in 
seiner  Wortaufnahme  zu  weit  zu  gehen  scheint,  um  damit  den  Inhalt 
seines  Buches,  soweit  es  irgend  Wert  für  uns  besitzen  kann,  vollständig 
zu  erschöpfen: 

faire  le  horüietir  de  qn.,  lui  plaire  (Z.  N.). 

bordel,  th^tre  de  boulevard,  ainsi  baptisd   par  le  directeur   d'un 
de  ces  Etablissements  (Z.  N.). 

chaud,  -de,  ärotique  (sc^ne  de  säduction  plus  chaude  Z.  N.). 

couche-dehors  et  Camoureux,  surnoms  gracieux  donn^s  aux  seins 
d'une  femme  (G.  d.  V,  V.). 

coucher  avec  qn,  le  poss^der  (Z.  N.). 

daine,  syn.  de  fille  publique  (Z.  N.). 

empocher,  recevoir  des  coups  (Z.  N.). 
—    un  homme,  l'agrEer  (Z.  P.). 

flambe,  syn.  de  flamme  (H.  M.). 

fosse,  deesous  des  bras  (la  f.  des  aisselles,  H.  S.). 

garce,  actrice  du  second  ordre  dans  un  theätre  de  genre  (Z.  N.). 

morceati  de  bois,  homme  ou  femme  insensible  (Z.  N.). 

plaisanterie ,  se  dit  des  hommes  qui  ne  payent  point  les  femmes 
(Z.  N.). 

pointe,  exträmitä  du  sein  (Z.  N.). 

3ii'e  prise,  ne  pouvoir  disposer  de  sa  nuit  (Z.  N.). 

avoir  qn  ou  qch.  q.  pari,  en  faire  fi,  le  prendre  en  grippe  (Z.  N.). 

Venus,  une  vänus  (Z.  N.). 

Wir  nehmen  damit  von  Macrobe's  pornographischer  ßlumenlese 
Abschied.  Es  sei  uns  noch  gestattet,  den  direkten  Beweis  zu  liefern, 
dass  Villatte  das  Buch  Larchey^s  nicht  einmal  in  der  uns  vorliegenden 
7.  Aufl.  von  1878  als  Quelle  benutzt  hat,  sondern  eine  noch  ältere  Auf- 
lage. Die  Handhabe  dazu  gibt  uns  das  Supplement  dieser  Ausg.,  von 
dem  wir  wissen,  dass  es  sicher  erst  in  der  7.  Ausg.  hinzugekommen  ist, 
während  es  uns  nicht  vergönnt  ist,  den  übrigen  Inhalt  dieser  Ausg.  mit 
einer  früheren  zu  vergleicnen.  Finden  wir  das  Supplement  bei  Villatte 
unbenutzt,  so  wird  er  noch  nicht  die  Ausg.  von  1878  verwertet  haben, 
um  so  weniger,  als  wir  auch  sonst  in  L.  mehr  fanden  als  bei  ihm.  Dass 
Villatte  absichtlich  die  nicht  auch  bei  Delvau  oder  Bigaud  befindlichen 
Vokabeln  des  L.'schen  Supplements  ausgeschlossen  habe,  diese  Annahme 
ist  wohl  ausgeschlossen.  V.  würde  dann  immer  noch  der  Vorwurf  treffen, 
seine  Quellen  nicht  ausreichend  erschöpft  zu  haben.  Es  fehlen  nun 
bei  Villatte  z.  B.  die  in  L.'s  Anhang  befindlichen  Vokabeln  (wir  nehmen 
unsere  Beispiele  nur  aus  den  Buchstaben  A  —  C):  achate  (fehlt  auch  D. 
und  R.),  atiianoles  (fehlt  D.,  aber  ähnlich  in  B.),  backer  (fehlt  auch  D. 
und  R.),  balots  (=  Ifeyres,  f.  auch  D.  und  R.),  bUifard  (fehlt  auch  D., 
steht  in  R.),  Mouser  (auch  in  D.,  fehlt  R.),  book  (f.  auch  D.  und  R.), 
cassin  (f.  D.,  steht  in  R.),  court-ä-pattes  (f.  D.  und  B.)  etc.  In  anderen 
Fällen  fehlt  bei  Villatte  wenigstens  die  in  L.*s  Supplement  gegebene  Bedeu- 
tung oder  Wendung :  becasse,  machine  k  vapeur  (f.  D.  und  R.),  bibeloiter, 
composer,  machiner  (f.  D.,  steht  ähnlich  R.) ,  boulef\  tromper  (f.  D.,  steht 
in  R.),  boushigoi,  cabaret  (f.  D.  und  R.),  se  tenir  en  chien  de  fusil  (f. 
D.  und  R.),  envoyer  ä  la  comedie,  faire  chömer  (f.  D.  und  R.),  meitre  ä 
la  coitle,  mettre  au  courant  (f.  D.,  steht  in  R.),  coup  de  marteau,  folie 
(f.  D.  steht  in  R.),   crin,  homme  irritable  ou  irrite  (steht  in  D.,  f.  in  R.) 


i)2  Liiierarische  Chi'otuk.    A.  liiuute, 

n.  8.  w.  Unsere  Zitate  zeigen  auch  hier  wieder,  dasa  Villatte  nicht  ein- 
mal Bigaud,  seine  Hauptquelle,  vollständig  ausgezogen  hat.  Noch  offen- 
barer ist  die  Nichtbenutzung  Ton  Fustier^s  Supplement  zu  Delvau's 
3.  Aufl.,  die  Villatte  freilich  nicht  mehr  wird  haben  heranziehen  können. 
Wir  geben  Beispiele  nur  aus  dem  Buchstaben  A.  Es  fehlen  von  den 
unter  diesem  Buchstaben  bei  F.  befindlichen  Worten  bei  Villatte  voll- 
ständig: ahhesse,  acacia,  afisioler,  agaceur,  Alphonsisme,  amazone,  archi- 
cuhe,  arrangeur  t  assesseur,  avale-tout,  avoir  la  caisse  gaie,  avoir  de  la 
gltij  de  la  poix  aux  mains ,  avoir  un  federe  dans  la  casemate,  avoir  des 
petits  pois  ä  ecosser  ensemhU;  von  allen  übrigen  bei  F.  unter  A  aufge- 
zeichneten Wörtern  und  Wendungen  fehlt  wenigstens  bei  Villatte  die 
gleiche  Bedeutung.  Es  sind  abaiioir,  cercle  de  jeu;  ahoulee  accouch^e; 
äboulenieni,  accouchement ;  s'ahrutir  sur  qch.,  faire  trainer  un  ouvrage  en 
longueur;  abreuvoir  ä  mouches ,  ^laie  sanglante;  adjuger  une  hanque  ä 
un  Operateur,  voler  ou  tricher  au  Jeu;  avoir  une  affaire  cachee  sous  la 
peau,  §tre  en  ötat  de  grosseur ;  affranchir,  terme  de  joueur ;  aÜer  se  faire 
lanLaire,  se  däbarasser  d'un  importun;  aUer  chez  Faldes^  partager;  aller 
en  Belgique,  fuir;  allumeur,  voleur;  arnbidante,  femme  qui  vend  des  ob- 
jets  quelconques  sur  la  voie  publique,  se  prostitue  et  vole  en  meme 
temps ;  americain,  breuvage  qui  tient  le  milieu  entre  le  grog  et  le  punch 
etc.  etc.  Doch  genug.  Da  Fustier  nur  Worte  und  Bedeutungen  bringt, 
die  er  auch  bei  Larchey,  Bigaud  u.  a.  nicht  vorfand,  so  sind  wir  sicher, 
das  bei  ihm  Befindliche  auch  bei  Villatte  vergebens  zu  suchen. 

Mit  dem  Vorstehenden  glauben  wir  die  neueren  Argot -Wörter- 
bücher, so  weit  sie  uns  zugänglich  waren,  genügend  charakterisiert  zu 
haben.  Von  dem  einzigen  m  Deutschland  erschienenen  Werke  dieser  Art 
hoffen  wir  aber,  dass  ihr  Verf.  im  Falle  einer  zweiten  Auflage  seines 
Werkes  sich  einer  grösseren  Sorgfältigkeit  und  Selbständigkeit  befleissigen 
werde.  Auch  können  wir  den  Wunsch  nicht  unterdrücken,  dass  der 
Verleger  und  die  Bezensenten  dieses  Werkes  den  allzu  lauten  und  auf- 
dringlichen Ton  ihrer  Empfehlung  in  Zukunft  etwas  leiser  klingen 
lassen  mögen. 

E.  KoscHWitz. 


Abhandlungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  und  des 
Konjunktivs. 

Bevor  Beferent  an  die  Besprechung  der  einzelnen  Abhandlungen 
geht  (bei  welcher ,  beiläufig  bemerkt ,  ein  Eingehen  auf  Dätails  seitens 
der  Bedaktion,  welche  Bef.  damit  beauftragt  hat,  nicht  gewünscht  wurde), 
sieht  er  sich  veranlasst,  zu  bemerken,  dass  er  hinsichtlich  des  Zweckes 
von  Spezialabhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  afrz.  oder  mfrz.  Syntax, 
welche  sich  auf  ein  Denkmal  oder  auch  auf  mehrere  derselben  Periode 
erstrecken,  mit  den  meisten  der  Verfasser  nicht  einverstanden  sein  kann. 
Bef.  ist  nämlich  der  Ansicht,  dass  solche  Schriften  hauptsächlich  sprach- 
historische Zwecke  verfolgen  müssten,  so  dass  die  Punkte  ganz  besonders 
hervorzuheben  wären,  in  welchen  die  Sprache  in  den  einzelnen  Perioden 
ihrer  Entwickelung  vom  Lateinischen  bis  zum  Nfrz.  sich  nicht  gleich  ge- 
blieben ist,  solche  Fälle  aber,  in  denen  von  jeher  dieselbe  Auffassung 
ausnahmslos  geherrscht  hat,  unberücksichtigt  blieben,  sollte  auch  das 
Frz.  eine  Abweichung  vom  Lat.  zeigen,  denn  das  Verhältnis  des  ¥tz. 
zum  Lat.  muss  als  dem  Leser  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Die  Sprache 
der  dem  untersuchten  Denkmale  vorhergehenden  und  folgenden  Zeit  mag 
dabei  ganz  kurz  oder  auch  nur  stillschweigend  berücksichtigt  werden, 


Abhandlungen  iiber  den  Gebrauch  der  Tempora  etc.  53 

notwendig  ist  das  aber  eDtschieden,  weil  erst  dadurch  der  behandelte 
Gegenstand  das  rechte  Licht  erhält  und  der  Verf.  die  wesentlichen  Halt- 
pnnkte  für  seine  Darstellung  gewinnt.    Nur  dann  können  Abhandlungen 
dieser  Art  ein  brauchbares  Material  für   die  historische   franz.   Syntax 
liefern.    Natürlich  gehört  dazu  auch  eine  wissenschaftliche  Methode.    Es 
ist  selbstverständlich,  dass  für  jede  Erscheinung  die  wissenschaftiche  Er- 
klärung gegeben  wird,  und  ausführliche  Besprechung  einzelner  bisher 
noch  nicht  erklärter  Fälle  wird   den  Wert  einer  Abhandlung  nur  er- 
höhen.   Dagegen  scheint  es  nicht  zu  billigen,  dass  allgemeine  gramma- 
tische Erörterungen,  die  nur  Bekanntes  rekapitulieren,  vorgetragen  werden, 
oft  noch  dazu  mit  behaglicher  Breite.    Auch  hier  ist  mehr  beim  Leser 
vorauszusetzen  und  der  Irrtum  zu  meiden,   dem   Leser  sei  das,   was  der 
Verf.  zum  Zwecke  seiner  Abhandlung  sich  angeeignet  hat,  bisher  völlig 
unbekannt  geblieben. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  den  einzelnen  Schriften,  so  finden 
jvir  über  den  Gebrauch  der  Tempora  nur  eine  Abhandlung,  nämlich 
Bockhoff,  Der  syntaktische  Gebrauch  der  Tempora  im  Oxforder  Texte 
ies  Bolandsliedes,  Diss.,  Münster  1880,  eine  sehr  anerkennenswerte  wissen- 
chaftliche  Leistung,  welche  das  Thema  erschöpfend  behandelt.  Bef. 
lätte  nur  gewünscht,  dass  ausser  dem  Lat.  und  Nfrz.  auch  der  afrz.  und 
afrz.  Gebrauch  berücksichtigt  worden  wäre,  und  da  es  an  Spezialschriften 
ehlt,  wenigstens  das,  was  Diez  und  Mätzner  geben,  nicht  unbeachtet  ge- 
liehen wäre.  Auch  hätte  der  Verf.  in  der  oben  bezeichneten  Weise  ver- 
ihren  und  nicht  mit  der  sonst  an  der  Arbeit  nur  zu  rühmenden  Aus- 
ihrlichkeit  alle  Fälle  behandeln  sollen,  in  denen  der  Gebrauch  zu  allen 
3iten  derselbe  geblieben  ist  resp.  bleiben  musste.  Doch  ist  die  Arbeit 
»nst,  wir  wiederholen  es,  durchaus  zu  loben. 

Der  Gebrauch  des  Konjunktivs  hat  eine  ungleich  grössere  Berück- 
chtigung  erfahren.  Die  Syntax  desselben  in  der  ältesten  Zeit  behandelt 
Liiehl,  Der  Gebi-auch  des  Konjunktivs  in  den  ältesten  französischen 
»rachdenkmälern  bis  zum  Bolandsliede  einschliesslich,  Diss.,  Kiel  1881. 
irar  beweist  die  Arbeit,  dass  der  Verf.  sich  gründlich  mit  seinem  Gegen- 
inde  beschäftigt  hat,  und  ist  im  grossen  und  ganzen  eine  ansprechende 
iistung,  zeigt  jedoch  andererseits  recht  erhebliche  Schwächen.  Die  ver- 
ete  Disposition  verleitet  den  Verf.,  Zusammengehöriges  auseinanderzu- 
ssen;  einige  Stellen  wären  von  dem  Standpunkte  der  heutigen  For- 
Lung  aus  anders  aufzufassen;  einiges  ist  als  irrtümlich  zu  bezeichnen, 
r  das  Lateinische  und  Nfrz.  ist  zum  Vergleich  herangezogen,  und  die 
ileitung  p.  6  f.  gibt  nur  Bekanntes  wieder.  Auch  scheint  die  Arbeit 
bt  erschöpfend  genug,  und  es  wird  sich  sicher  vieles  nachtragen  lassen. 
;h  steht  die  Arbeit  jedenfalls  ungleich  höher  als  diejenige,  welche 
selbe  Thema  behandelt,  Spohn,  Über  den  Konjunktiv  im  Afrz., 
ienschaftliche  Beilage  zum  Osterprogramm  1882  des  Königl.  Gymna- 
as  in  Schrimm.  Aus  weiter  unten  zu  berührenden  Gründen  (s.  S.  55) 
t  Ref.  von  einer  Kritik  dieser  Arbeit  vollständig  ab  und  begnügt 
damit,  auf  die  Biozension  im  Litteraturblatt  für  germanische  und 
anlache  Philologie,  1882,  Nr.  11,  zu  verweisen.  Es  sei  nur  bemerkt, 
Spohn  nur  insofern  sich  von  seinem  Vorgänger  vortheilhaft  imter- 
idet,  als  er  den  Ansatz  zu  einer  wissenschaftlicheren  Disposition  macht, 
ihn  denn  auch  hauptsächlich  bewogen  hat,  denselben  Gegenstand 
ehandeln. 

Bereits  lange  vor  seiner  Arbeit,  jedoch,  wenn  wir  nicht  irren,  nach 
hl 's  Abhandlung,  war  eine  Schrift  über  den  Konjunktiv  erschienen, 
1  Studium  jedenfalls  für  ihn  höchst  erspriesslich  gewesen  wäre,  wir 
en    Fritz    Bischoff,    Der   Konjunktiv  bei   Crestien,   Halle   a.   S, 


54  Litterarische  Chronik.    A.  Ratnheau, 

(ohne  Jahreszahl,  doch  wohl  im  Sommer  1881),  eine  Abhandlung^  deren 
Kenntnis  jedem,  der  eine  Konjunktiv -Arbeit  schreibt,  unentbehrlich  ist. 
Der  Wert  des  verhältnismässig  umfangreichen  Buches  liegt  in  der  streng 
wissenschaftlichen  Methode,  mit  welcher  der  Verf.  vorgegangen  ist.  Von 
dem  Wesen  des  Konjunktivs  ausgehend,  teilt  er  die  ganze  Abhandlung 
in  zwei  Hauptteile:  I.  der  Konjunktiv  des  Wunsches,  IL  der  Konjunktiv 
der  Irrealität,  die  dann  wieder  in  Unterabteilungen  zerlegt  sind.  Das 
Ganze  ist  vortrefflich  disponiert  und  infolge  dessen  auch  alles,  was  zu- 
sammengehört, zusammen  behandelt.  Ist  auch  der  Verf.  hier  und  da 
zu  subtil  und  hat  er  auch  durch  seinen  3.  Hauptteil:  „Die  hypothetischen 
Sätze'^  seine  Disposition  aufgegeben,  so  ist  doch  hier  zum  ersten  Male 
der  wohlgelungene  Versuch  gemacht,  den  Gebrauch  des  Konjunktivs  im 
Afrz.,  soweit  derselbe  eben  bei  Crestien  erscheint,  im  Zusammenhange 
darzustellen;  es  sind  viele  Erscheinungen  erklärt,  welclie  bisher  einer 
Erklärung  ermangelten,  und  manche  althergebrachte  unrichtige  Auffas- 
sung hat  ihre  Berichtigung  gefunden.  Wie  der  Verf.  es  dankbar  bezeugt, 
verdankt  er  sehr  viel  bei  dieser  Arbeit  seinem  Lehrer,  Herrn  Prof.  Tobler, 
dessen  Methode  er  sich  trefflich  angeeignet  hat,  wie  auch  die  geübte 
Textkritik  zeigt.  Die  Arbeit  ist  ohne  alle  Frage  die  bei  weitem 
hervorragendste  von  alten  in  letzter  Zeit  erschienenen  Spe- 
zialabhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  frz.  Syntax  überhaupt. 
Die  Erklärung  der  bei  Crestien  vorkommenden  Konjunktive  ist  des 
Verf.  Zweck  gewesen  und  diesen  hat  er  vollkommen  erreicht.  Die  Ab- 
handlung erschöpft  das  Thema  vollständig.  Der  sprachhistorische  Stand- 
punkt in  der  oben  angedeuteten  Weise  ist  allerdings  nicht  zu  seinem 
Rechte  gekommen,  weil  der  Verf.  das  nicht  beabsichtigt  hat.  In  engem 
Anschluss  an  Bischoff  ist  gearbeitet  Kowalski,  Der  Konjunktiv  bei 
Wace,  Diss. ,  Breslau  1882,  eine  verständige  Arbeit,  welche  das  Thema 
erschöpfend  zu  behandeln  scheint,  den  sprachhistorischen  Gesichtspunkt 
aber  fast  gänzlich  ausser  Acht  lässt.  Immerhin  ist  die  Dissertation  als 
ein  brauchbarer  Beitrag  zur  afrz.  Syntax  zu  bezeichnen.  — ^  Den  Gebrauch 
des  Konjunktivs  bei  Villehardonin  behandelt  KroUick,  Über  den  Kon- 
junktiv bei  Ville  -  Hardouin,  Dies.,  Greifswald  1877.  Es  ist  eine  der  frü- 
hesten Arbeiten  dieser  Art,  die  auch  schon  lange  vor  Lücking's  Gramma- 
tik erschienen  ist,  darum  ist  derselben  Vieles  nicht  so  sehr  zum  Vorwurf 
zu  machen  wie  späteren.  Wunderbarer  Weise  hat  der  Verf.  sich  der 
Disposition  von  Schmitz  angeschlossen.  Im  einzelnen  finden  sich  un- 
richtige Auffassungen  in  nicht  ganz  unerheblicher  Zahl.  Doch  ist  die 
Dissertation  sorgföltig  gearbeitet  und  berücksichtigt  auch  den  Sprachge- 
brauch anderer  afrz.  und  mfrz.  Autoren,  was  dem  Verf.  um  so  höher 
anzurechnen  ist,  als  derselbe,  ohne  durch  Vorarbeiten  unterstützt  zu  sein, 
durch  eigne  Lektüre  das  Material  gesammelt  hat.  Besonders  sind  Join- 
ville  und  die  in  Monnard^s  Chrestomathie  gegebenen  Stücke  zum  Ver- 
gleich herangezogen.  Wenngleich  sich  hier  und  da  noch  einzelnes  nach- 
tragen Hesse,  so  ist  doch  die  Darstellung  als  eine  im  ganzen  genügende 
zu  bezeichnen.  Viel  weniger  gilt  dies  von  Nebling,  Der  Subjonctif  bei 
Joinville,  Diss.,  Kiel  1879.  Zwar  bringt  der  Verf.  eine  grosse  Anzahl 
von  Beispielen  aus  seinem  Autor  herbei,  dieselben  sind  aber  tant  bien 
que  mal  in  die  Mätzner^sche  Disposition  hineingezwängt,  und  es  sind  da- 
bei grobe  und  zahlreiche  Versehen  vorgekommen,  manches  ist  auch 
ganz  übergangen,  so  dass  die  Darstellung  eine  durchaus  unzureichende 
zu  nennen  ist.  Der  sprachhistorische  Gesichtspunkt  ist  völlig  ausser  Acht 
gelassen,  wenn  man  von  dem,  was  Mätzner's  Grammatik  gibt,  absieht.  Dieses 
ist  allerdings  herangezogen.    Infolge  dessen  sah  sich  Bef.  veranlasst,  in  steter 


Schulgrammaiiken.  55 

BezugDahme  auf  das  bereits  Ton  Nebling  Gegebene  irnd  meist  stillschwei- 
gend seine  Fehler  verbessernd,  in  einer  ganz  kurzen  Zusammenstellung 
dasselbe  Thema  noch  einmal  zu  behandeln,  um  eine  brauchbarere  Dar- 
stellung zu  versuchen.  Dieselbe,  betitelt  „Über  den  Gebrauch  des  Eoigunktivs 
bei  Joinville",  ist  im  Programm  des  Gymnasiums  zu  Küstrin  1882  abge- 
druckt und  nach  den  in  den  einleitenden  Bemerkungen  aufgestellten 
Grundsätzen  gearbeitet.  In  der  Zschr.  Y'^,  121  — 124  ist  dieselbe  von 
Spohn  rezensiert,  worauf  ibid.  p.  247  eine  Erwiderung  erfolgt  ist;  vgl. 
die  Kritik  Willenberg's  im  Litteraturblatt  für  germanische  und  romanische 
PhiloL,  1882,  Nr.  12. 

Als  eine  sehr  bedeutende  Leistung  ist  anzuführen  Elapperich, 
Historische  Entwickelung  der  syntaktischen  Verhältnisse  der  Bedingungs- 
sätze im  Altfranzösischen,  Heilbronn  1882  (Franz.  Stud.  III,  4).  Die 
Arbeit  stäzt  sich  auf  eine  recht  ansehnliche  Zahl  von  Denkmälern,  doku- 
nentiert  Bekanntschaft  voxi  der  ganzen  einschlägigen  Litteratur,  ist  mit 
grosser  Sorgfalt  gearbeitet  und  behandelt  das  Thema  vollständig.  Ref. 
bat  von  dieser  Abhandlung  einen  sehr  günstigen  Eindruck  erhalten  und 
rann  unbedenklich  dieselbe  als  einen  schätzenswerten  Beitrag  zur  afrz. 
Syntax  empfehlen. 

A.  HAAse. 


II.    Scliulgranaiinatikeii* 

h.  Plattiier,  1.  Französische  Schulgrammatik.  322  S.  2.  Übungs- 
buch zur  französischen  Schulgrammatik.  211  S.  Karlsruhe, 
J.  Bielefeld's  Verlag.     1883. 

(Fortsetzung.) 

Von  §  68  —  102  (p.  59  —  80)  behandelt  Plattner  die  sog.  „abge- 
neigten'^ oder  archaischen  Konjugationen. 

§  68  Konjugationsformen.  Am  Anfang  dieses  Paragraphen 
det  sich  eine  kurze,  treffende  Bemerkung,  die  die  Erhaltung  der  archai- 
len  Formen  bei  einer  verhältnismässig  so  geringen  Anzahl  von  Verben 
wa  ^U^  aller  Verba)  erklären  soll:  „Wegen  der  Menge  ihrer  Kom- 
•lita  und  meist  auch  wegen  ihres  häufigen  Gebrauchs,  besonders  im  all-  i 

glichen  Leben,  hätten  sie  ihre  alten  Formen  beibehalten  und   nicht  ! 

e  Flexion  einer  der  zwei  Bauptkonjugationen  angebildet^.  —  P.  unter- 
eidet  nach  den  Endungen  der  Infinitive  drei  archaische  Kon- 
^ations formen:  1.  Verba  auf  -ir  mit  reinem  Stamm  (parti7'J, 
Verba  auf  -re  (rompre) ,  3.  Verba  auf  -ow  (recevoir)  und  teilt  die- 
>en  nach  der  Bildung  des  historischen  Perfekts  in  Klassen  ein. 
de  dieser  Klassen  spaltet  sich  je  nach  dem  Ausgang  des  Parti cips 
I  Präteritums  in  Gruppen,  welche  sich  nach  verschiedenen  Gre- 
itspunkten  abermals  zerlegen  lassen." 

Nach  diesem  Prinzip,  das  an  und  für  sich  sehr  verständig  und 
l^tisch  ist,  stellt  P.  in  §  69  eine  Einteilung  auf,  der,  wie  er  in  einer 
a.  sagt,  „im  ganzen  die  Einteilung  von  Brächet  zu  Grunde  gelegt 
Es  finden  sich  aber  in  Plattner's  Einteilung  sehr  seltsame  Schnitzer, 
?vechselungen  und  Entstellungen,  die  sich  später  in  der  Durchführung 
slben,  bei  der  Besprechung  der  einzelnen  archaischen  Verba  (von 
[  an),  wiederholen.  Brächet,  dessen  „Grammaire  historique  de  la 
ue  fran^aise"  (15«  edition)  ich  soeben  zu  diesem  Zwecke  noch  ein- 
genau angesehen  habe,  hat  diese  Fehler  nicht  verschuldet,  und  die 
ufugung   von   „im  ganzen"  war  in  der  Angabe  Plattner's  durchaus 


56  Litterarische  Chronik.    A.  Rambeau, 

• 

notwendig.  Brachet's  französische  Schulgrammatiken,  z.  B.  seine  „Nou- 
velle  grammaire  fran^aise  fondee  sur  l'histoire  de  la  langue"  (Paris, 
Hachette)  habe  ich  augenblicklich  nicht  zur  Hand.  Ich  kann  mir  aber 
nicht  denken  und  kann  mich  auch  nicht  erinnern  j  dass  er  in  diesen 
Büchern  seinen  sprachgeschichtlichen  Standpunkt  aufgibt.  —  Fast  be- 
ständig verwechselt  P.  die  Formen,  die  den  Accent  (accent  tonique)  auf 
der  Stammsilbe  haben,  und  die,  welche  denselben  auf  der  Endungs- 
silbe  haben,  die  starken  und  die  schwachen  Formen,  „les  formes  fortes" 
—  „les  formes  faibles",  wie  sie  Brächet  nennt,  der  gerade  diesen  unter- 
schied ausdrücklich  erwähnt  und  hervorhebt,  cf.  Gr.  h.  p.  189,  214. 

Ich  werde  im  folgenden  Plattner's  Einteilung  der  Verba  der  „ab- 
gezweigten" (archaischen)  Konjugationen  in  Klassen  und  Gruppen  an- 
föhren,  um  sie  auf  diese  Weise  im  Zusammenhang  zu  kritisieren  und  um 
mich  später  bei  der  Besprechung  der  §§  71—102,  in  denen  die  einzel- 
nen Verba  mit  ihren  abweichenden  Formen,  ihren  Kompositis  u.  s.  w. 
vorgeführt  werden,  kürzer  fassen  zu  können. 

„A.    Verba  auf  -w*  mit  reinem  Stamm. 
I    Kl.     Histor.  Perf.  auf  -is. 
1.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  4. 

a)  partir,  dormir,  mentir,  se  repentir,  servir,  seniir,  sortir. 

b)  fuir,  ouir. 

c)  botäliir,  faillii\ 

d)  cueillir,  assaiUir."^ 

Warum  stellt  P.  neben  cueiüir  nicht  das  Simplex  saillir?  Weil  es 
selten  und  defektiv  ist?  Ouh'  und  faillir  sind  auch  defektiv;  ouir  ist 
ausserdem  sogar  in  seinem  Part.  Prät.  fomj  selten  geworden  (cf.  Plattner 
p.  63),  und  querir,  das  er  statt  seiner  gebräuchlichen  Komposita  anführt, 
ist  jetzt  ganz  veraltet.     Ich  würde  folgendermassen  schreiben: 

I.  Kl.    Hist.  Perf.  auf  -ü  (lat.*)  'ivi). 
1.  Gr.     l'art.  Prät.  auf  -i  (lat.^)  -itum). 
a)  partir  u.  s.  w. 

Plattner.  „2.  Gr.  Parte.  Prät.  auf  -u:  vdtir,  ferir,  fissir].^  — 
Warum  ist  nicht,  wie  issir,  das  ebenso  veraltete,  defektive  ferir  einge- 
klammert? —  Ich  würde  hinzufügen:  Part.  Prät.  auf  -u  nach  Analogie 
vieler  Verba  auf  -re  und  -oir;  -u  =  lat.^)  -ütum  statt  -tium,  in  diesen 
Fällen  statt  -ittim,  das  im  Franz.  -i  geben  müsste. 

Plattner.     „3.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -t  (s). 

a)  ouvrir,  couvrir,  offrir,  sonffrir. 

b)  querir  (nach  Littre  querirj.^ 

Das  hist.  Perf.  von  querir,  resp.  seiner  Komposita  congue'rir  u.  s.  w. 
endigt  nicht  auf  -is^  sondern  ist  stark  mit  betonter  Stammsilbe;  es  ge- 
hört daher  gar  nicht  hierher,  sondern  in  die  11.  Klasse.  —  Ich  würde 
schreiben : 

3.   Gr.     Part.  Prät.  stark/^)  auf  -t,  mit   erhaltenem   urspr.,   lat. 


^)  Diese  und  ähnliche  Bemerkungen ,  die  sich  auf  das  Lateinische 
beziehen,  sind  von  mir  natürlich  nur  für  solche  französische  Gramma- 
tiken, die  bei  den  Schülern  die  Kenntnis  des  Lateinischen  voraussetzen, 
beabsichtigt;  ich  halte  sie  durchaus  nicht  für  notwendig  zur  Bewahrung 
des  wissenschaftlichen  Standpunktes,  aber  gerade  an  dieser  Stelle  für 
berechtig,  besonders  deshalb,  weil  P.  an  anderen  Stellen  seiner  Gram- 
matik die  lateinische  Sprache  berücksichtigt. 

*)  Die  schwachen  franz.  Part.  Prät.  sind  endnngsbetont :  auf  -<?' 
(lat.  -atumj,  auf  -i  (lat.  -UumJ,  auf  -u  (lat.  -üium,  4ium  mit  vorgerücktem 


Scktäfp'ammatiken.  57 

Stammvokal  e,  der  betont  ist:  onvrir  fouver-t,  =  lat.  aper-tvm),  couvrir 
und  nach  Analogie  o/friVf  souffrir  (vom  lat.  Praeaensstamm  offer-,  suffer-). 

Plattner.  „IL  El.  Histor.  Perf.  mit  i  in  der  betonten  Stammsilbe: 
vewr,  tmr.^ 

Dies  ist  richtig,  aber  auch  das  histor.  Perf.  von  conque'rir  n.  s.  w. 
ist  im  Franz.  stark  geworden.    Ich  würde  schreiben : 

II.  Kl.    Histor.  Perf.  stark,  mit  t  in  betonter  Stammsilbe. 

1.  Gr.   Part.  Prät.  schwach,  auf  -u  (nach  Analogie  vieler  Verba 

auf  -re,  -oir,  cf.  oben  I  Kl.,  2.  Gr.):  venir,  tenir. 

2.  Gr.   Part.  JPrat.  stark,  mit  s  statt  des  r  im  Praesensstamm,^) 

mit  t  in  der  betonten  Stammsilbe  (wie  im  histor.  Perf.) : 
acquerir,  conque'rir,  s*enquerir,  requerir,  Komposita  des 
defektiven  und  veralteten  querir. 
Für  lateinisch  lernende  Schüler  könnte  es  vielleicht  wichtig  scheinen 
hinzuzufügen,  dass  das  starke  bist.  Perf.  der  1.  Gruppe  (je  vin-s  =  lat. 
vsni,  Je  Uns  =  lat.  tsni  st.  i^ui,  vgl.  je  vis  =  lat.  vidt)  in  der  1 .  Pers. 
Sing,  ursprünglich  den  blossen  Stamm  zeigte  und  das  s  als  Zeichen  der 
1.  Pers.  Sing,  nach  Analogie  mit  der  2.  Pers.  Sing.,  wie  in  so  vielen 
Fällen ,  erst  später  hinzugetreten  ist.  Vgl.  oben  bei  den  Hauptkonjuga- 
tionen.  So  haben  auch  die  schwachen  bist.  Perfekta,  auaser  dem  der 
1.  Konjugation,  das  in  der  Schrift  noch  das  lat.  t  bewahrt  hat  (lat. 
am-a-vi  =  faim-ai),  dieses  s  angenommen:  je  parlis  (altfr.  partij,  je 
vendis  (altfr.  vendi),  ebenso  je  valtts,  je  dus  (altfr.  valui,  dui),  vgl. 
über  dieses  Perf.  unten.  —  Dagegen  zeigt  die  2.  Gruppe  in  dieser  Form 
3Jn  ursprüngliches  (vulgär -lat.)  -s:  j'acquis  =  lat.  adquis-i  (statt  der 
schwachen  klass.  lat.  Form  adquis-ivi,  vgl.  oben),  vgl.  je  mis  =  lat. 
misi.  —  Indes  ist  eine  solche  Erörterung  über  die  verschiedene  Bildung 
les  starken  (stammbetenten)  bist.  Perf.  1)  mit  einfacher  Flexion,  lat.  -i 
venia  —  verti),  2)  mit  sigmatischer  Flexion,  lat.  si  (mitto  —  misi),  in 
uner  Schulgrammatik  für  Schüler,  die  nicht  lateinisch  verstehen,  unnötig 
ind  unnütz,  für  die  anderen  jedenfalls  unwesentlich,  da  im  Neufranz,  beide 
•"lexionsweisen   nicht   mehr   von   einander   zu   unterscheiden  sind.     Die 


ccent,  z.  B.  vendttum  =  it.  venduto,  altfr.  vendut,  nfr.  vendu).  Das 
n  altfr.  noch  erhaltene  t  ist  nach  -e,  -i,  -u  gefallen.  Die  Ableitungs- 
9kale  a  (franz.  e),  i,  sowohl  wie  den  Bindevokal  i,  wofür  u  eingetreten 
t,  rechne  ich  für  die  französische  Sprache  absichtlich  zur  Endung.  — 
ie  starken  Part.  Prät.  sind  stammbetont  und  endigen  entweder  auf  -s 
\t.  sumj  oder  -t  (lat.  -tum),  Nominalsuffixe,  die  ohne  Bindevokal  oder 
bleitungsvokal  an  den  Stamm  gefügt  werden :  ouver-t  =  lat.  aper-tum. 
*)  r  im  Praes.  qucero  (qucesivij,  heereo  fhcesij,  haurio  (haust)  scheint 
a  urspr.  s  zu  vertreten,  das  im  Perf.  dieser  Verba  hervortritt.  Neben 
cero  findet  sich  auch  quceso  im  älteren  Latein  und  noch  bei  Cicero. 
.  Neue,  Lat.  Formenlehre  II,  493,  487.  Es  findet  also  keine  Assimila- 
>n  des  r  an  die  Perfektendung  s  statt,  wie  in  gero  fgessi),  uro  fussi). 
L  älteren  Latein  hat  es  neben  dem  schwachen  Perf.  quaesivi  auch  das 
rke  Perf.  quaesi  gegeben.  Cf.  Neue,  Lat.  Formenlehre  11,  486  —  8. 
ufige  Formen,  wie  qucesisii,  adquisisti,  adquisisset,  conquisisse  u.  s.  w., 
I  Neue,  Lat.  Formenl.  II,  511,  anführt,  brauchen  daher  nicht  als  syn- 
pierte  Formen  (mit  Weglassung  der  Silbe  vi  vor  si,  ss)  aufgefa£»t  zu 
rden,  sondern  lassen  sich  als  Beste  des  urspr.  starken  Perfektum,  das 
1  im  Vulgärlatein  und  somit  auch  im  Franz.  erhalten  hat  {qucesi,  ad- 
si,  cofiquisi)  erklären.  Dieses  ist  eig.  nicht  mit  sigmatischer,  sondern 
i  einfacher  Flexion  gebildet,  wie  vmi  fvenio),  feci  (facto). 


58  Liiierarische  Chronik.    A.  Bambeau, 

Scheidung  war  schon  im  Altfranz,  bei  faire  überflüssig:  vgl.  ^ /i^  u.  s.  w. 
=  lat.  ßcij  wo  ^  =  lafc.  c  ist ,  mit  je  mis  u.  s.  w.  =  lat.  misi,  .  Jetzt 
ist  sie  bei  allen  Verben  mit  starker  Perfektbildung  nicht  bloss  in  der 
1 .  Fers.  Sing. ,  sondern  wegen  des  regelmässigen  Wegfalles  des  s  vor 
folg.  Konsonanten  im  Neufranz,  auch  in  den  übrigen  Formen,  wo-  sie  sich 
früher  bemerkbar  machte,  3.  Fers.  Sing.,  3.  und  anfangs  auch  1.  Fers. 
Flur.,  überflüssig  geworden:  vgl.  je  vis,  in  vis,  il  vit,  nous  vimes,  vofis 
vltes,  ils  vireni  mit  je  mis,  tu  mis  u.  s.  w.  Die  Endungen  und  Kenn- 
zeichen sind  jetzt  dieselben;  -s,  -s,  -t,  C-mes,  ±tes,  -reni. 
Flattner.     „III.  Kl.    Histor.  Ferf.  auf  -its. 

1.  Gr.     Fartc.  Frät.  auf  -u:  courir,  gesir, 

2.  Gr.    mourir  (Fartc.  Frät.  mortj.^ 

Ich  würde  diese  Klasse  die  IL,  die  vorhergehende  mit  starkem 
bist.  Ferf.  die  III.  nennen.  Das  bist.  Ferf.  auf  -us  bezeichne  ich  als 
schwach  —  selbstverständlich  bei  den  Verben  courir  und  mourir,  da 
hier  -its  (urspr.  -ui)  =  lat.  -'äi  mit  vorgerücktem  Accent  einfach  an  den 
Stamm  ohne  Veränderung  desselben  gefügt  worden  ist,  wie  ich  auch 
das  Fart.  Fi-ät.  auf  -w  (altfr.  -utj  =  lat.  -ülum  statt  itum  mit  vorge- 
rücktem Accent  als  schwach  bezeichnet  habe.  Der  Ausdruck  „starkes 
bist.  Ferf.  auf  -m^"  passt  eigentlich  nur  auf  die  Fälle ,  in  denen  der  ur- 
sprüngliche Stamm  anf  eine  Muta  ausgeht  und  -ui  ==  lat,  -üi  oder  auch 
-vi  f-oi,  -pi)  mit  dem  vorhergehenden  Stammvokal  verschmolzen  und 
nach  einer  Reihe  von  Zwischenstufen  mit  diesem  zusammen  zu  neufranz. 
-US  geworden  ist:  j'eus  ==  lat.  häbui,  je  sus  =  lat.  säpui  (neben  säpü), 
je  plus  =  lat.  pld[c]ui,  je  dus  =  lat.  de'bui,  je  connus  =  lat.  cognövi, 
je  bus  =  lat.  fnbi,  je  re^us  =  lat  rece'pi.  In  allen  diesen  Ferfekten  hat 
sich  im  Neufranz,  vom  Stamm  nur  der  anlautende  Konsonant  unverändert 
erhalten,  ausser  j'eus,  wo  das  in  der  Schrift  bewahrte  e  das  lat.  a  (hob-) 
vertritt.  Dagegen  ist  im  Ferf.  auf  -t«  der  Stamm  rein  geblieben,  wenn 
er  auf  eine  Liquida  ausgeht:  je  moulus,  je  valus,  je  vouius,  je  mounis, 
je  €0U7'us,  je  parus.  Diese  hat  dem  Ausfalle  widerstanden,  und  die  En- 
dung -US  (altfranz.  -ui)  ist  direkt  aus  lat.  -^i  mit  vorgerücktem  Accent 
entstanden.  Diez  (Gramm.  II,  242)  hat,  da  seine  Grammatik  alle  roma- 
nischen Sprachen  umfasst,  seine  besonderen  Gründe,  auch  diese  Ferfekt- 
bildung  stark  zu  nennen,  —  Gründe,  die  für  eine  .speziell  französische 
Grammatik  nicht  stichhaltig  sind.  Er  bemerkt  selbst,  dass  „die  Tonver- 
setzung", wie  sie  sich  in  välui  —  valüi  —  altfr.  vahd,  nfr.  valus,  in 
vöiui  —  vohei  —  altfr.  t}olui,  nfr.  vouius^)  u.  s.  w.  findet,  ,,8ieh  nicht 
mit  dem  Wesen  der  starken  Flexion  vertrage^.  Aber  er  fährt  fort: 
„Gleichwohl  können  wir  die  Verba  dieser  Klasse,  wenn  wir  die  romanische 
Konjugation  auf  Grundlage  der  lateinischen  aufbauen  wollen,  nicht  unter 
die  schwachen  ordnen,  weil  ihnen  das  Kennzeichen  der  schwachen  avi, 
evi,  ivi  fehlt  und  wir  keine  neue  Konjugation  dieser  Ordnung  einführen 
dürfen,  ohne  den  Organismus  des  romanischen  Flexionsgebäudes  zu 
stören.  Wir  müssen  sie  wenigstens  als  unvollkommene  starke,  als  halb- 
starke  gelten  lassen  .  . .  ."  Bei  mehreren  Verben  dieser  Klasse  mit  stamm- 
auslautender Muta  lässt  es  sich  nachweisen,  dass  ursprünglich  der  latei- 
nische Accent  in  den  bezüglichen  Formen  auf  dem  Stammvokal  geblieben 


^)  Das  Ferf.  von  vouloir  war  urspr.  stark  mit  betontem  Stamm- 
vokal in  den  betreffenden  drei  Formen:  volt  =  völuit  mit  regelmässigem 
Wegfall  des  unbetonten  -ui.  Das  schwache  Ferf.  tritt  schon  im  späteren 
Altfranz.  (Ende  des  13.  Jahrb.)  auf:  volut  =  lat.  voltüi  mit  Betonung 
des  derivativen  m. 


\f' 


Schulgrammaiiken.  50 

^ .  mit  dem  das  nachfolgende  u  (=  lat.  u  oder  vokalisierter  Labialis) 

"pn  Diphthongen  bildete:  pout  =  pö/tjuit,  out  =  auut,  avtit,  habuit, 

.i/t  =  samU,  saoui,  säpuii,  ploul  =  plä[c]uii.    Erst  später  mnss   der 

Cent  im  Diphthong  du,  dessen  erster  Bestandteil  ein  betontes  offenes 

war  (vgl.  out  in  Asson.:   offn.   o,  Bol.  v.  1538|   gesichert),  wegen  der 

jialogie  mit  den  übrigen  schwachen  Formen  des  Perf.,  in  denen  u  von 

uiiang  an  betont  war  und  durch  den  Einfluss  des  folgenden  i   die  Aus- 

raehe  ü  erhalten   hatte  (2.  Sg.,  1.  2.  Plur.  Perf.  und  Plusqupf.  Eoi\i.)i 

vorgerückt  sein,  so  dass  der  erste  Bestandteil  infolge  dessen  schwinden 

11 J  die  Aussprache  ü  entstehen  konnte:  pöui  =  put,  out  =  eut,  söut 

-  sut,  plout  =  plut.  Vgl.  Rambeau ,  Assonanzen  des  Rolandsliedes 
,».  210—211.  —  Bei  den  übrigen  Verben  mit  Perf.  aiif  -us,  deren  Stamm 
.uf  eine  Muta  ausgeht,  muss  man  annehmen,  dass  ein  ähnlicher  Vorgang 

'lir  früh  stattgefunden  hat:   z.  B.  rece'pit  —  recevit  —  receut  —  receüt 

-  repti.     Denn  schon  im   ursprünglichen   Rolandsliede  assoniert   7'egtä 
, zweisilbig):  ö,  v.  2825,  ebenso  jurent  (zweisilbig,  entstanden  aus  geurent 

-  jäcueruni  wegen  jäcui,  jdcuit):  ü  .  .  e,  y.  3653.     Der  Accent  war  also 
>ereiis  in  dieser  frühen  Sprachstufe  in  den  ursprünglich  stammbetonten 

Türmen  des  bist.  Perf.  (1.  3.  Sing.,  3.  Plur.)  von  receooir,  mouvoir,  de- 
roir,  croire  (ü  crut  =  Cfeduii*  st.  iTcdiditJ,  connäitre  u.  s.  w.  auf  das  u 
^^ätreten,  und  der  Stammvokal  war  deshalb  schon  damals  ausgefallen, 
während  sich  dieser  mit  dem  ursprünglichen  Accent  noch  in  denselben 
^^rmen  des  bist.  Perf.  von  avoir,  pouvoir,  savoir,  plaire  erhalten  hatte. 

Eine  Schulgiammatik  der  neufranzösischen  Sprache  kann  auf  die 
verschiedene  Entstehung  der  Perfekta  auf  -tis  keine  Rücksicht  nehmen, 
la  eine  richtige  Erklärung  derselben  ohne  Erwähnung  des  Altfranzösi- 
chen  unmöglich  ist.  Auch  erscheinen  im  Neu  französischen  die  drei 
irspr.  stammbetonten,  starken  Formen  ebenso  behandelt,  wie  die  anderen, 
chwachen,  in  welchen  von  jeher  die  Endung  betont  war,  weil  der 
tammvokal,  der  in  diesen  Formen  eine  eigene  Silbe  bildete,  ebenfalls 
un  geschwunden  ist:  vgl.  neufranz.  d-us,  d-us,  d-ut,  d-ümes,  d-ütes,  d- 
reni  mit  altfranz.  d-ui,  de-us,  d-ut,  de-umes  (de-usmes),  de-ustes,  d-urent. 
erner  haben  #lle  diese  Verba  mit  dem  Perf.  auf  -tis  auch  das  Part, 
raet.  auf  -u,  das  als  schwach  bezeichnet  werden  muss:  -u  =  altfr.  -ut 
-  lat.  -ütum  st.  -ttum  mit  vorgerücktem  Accent.  Vgl.  neufr.  pln,  altfr. 
eü,  pleüt  =  lat.  plac-tium,  plac-ntum,  ital.  piaciuto.  Es  wäre  sehr  un- 
aktisch,  in  einer  Schulgrammatik  diese  Bildung  des  Part.  Praet.  von 
;r  des  bist.  Perf.,  die  denselben  charakteristischen  Vokal  zeigt,  zu  trennen, 
'ie  ich  daher  drei  schwache  Bildungsarten  des  Part.  Praet.  auf  -e 
.t.  -aiumj,  auf  -i  {lat.  -itumj,  auf  -w  (lat.  -ütum,  -ttumj  neben  zwei 
arken  auf  -s  (lat.  -sumj,  auf  -t  (lat.  -tum)  annehme,  —  dem  ent- 
rechend teile  ich  die  Bilduugsarten  des  bist.  Perf.  ein: 

I.  Schwaches  bist.  Perf.:  1)  auf  -ai  (lat.  -avi),  2)  auf  -is  (lat. 
ij,  3)  auf  -US  (lat,  -üh  in  einigen  Fällen  =  in.  In,  pi  mit  zu  u  vokali- 
rter  Labialis).  Zu  der  dritten  Bildungsart  ist  zu  bemerken:  a.  -us 
:d  ohne  Änderung  des  Stammvokals  an  den  Stamm  gefügt,  wenn 
ser  auf  eine  Liquida  ausgeht:  je  valus.  b.  In  allen  übrigen  Fällen 
it  der  Stammvokal  mit  dem  folgenden  Konson.  durch  Ausfall  oder 
rHchmelzung  verloren,  so  dass  vor  -us  nur  der  anlautende  Konsonant, 
3.  die  anlautenden  Konsonanten  übrig  bleiben  :7V  d-us,  je  p-us,  je 
US,  Als  Rest  des  Stammvokals  ist  in  der  Schrift  e  bewahrt  im 
f.  y  V  -  tis. 

U.  Starkes  bist.  Perf.  auf  -s  mit  i  im  Stamm:  je  tin-s,  je  mi-s, 
lUen  Fällen  ausser  ^(t^  conclu-s  =  lat.  conclu-si,  —  Der  im  Altfranz. 
landene  Unterschied  zwischen  urspr.  starken,  stammbetonten  Formen 


60  LiUe7^arische  Chronik,    A.  Rambeaa, 

(1.  3.  Sing.,  3.  Plur.)  und  den  urspr.  schwachen  Formen  mit  dem  be- 
tonten lat.  Bindevokal  i  (2.  Sing ,  1.  2.  Plur.)  hat  für  die  neufranzösische 
Sprachstufe  infolge  des  Wegfalles  des  Stammvokals,  resp.  der  Stamm- 
silbe in  den  letzteren  aufgehört:  vgl.  neufr.  1.  di-s,  2.  di-s,  3.  di-i, 
1.  di-mes,  2.  di-tes,  3.  di-rent  mit  altfranz.  1.  di-s,  2.  de-sis  —  de-is, 
3.  di'St,  1.  de-simes  (de-sismes)  —  de-imes  (de-ismes),  2.  de-sistes  —  €le- 
istes,  3.  di-sirent,  di-rent,  di-sent.  —  Über  die  ursprüngliche  Trennung 
eines  starken  Perf.  mit  einfacher  Flexion  (je  vi,  neufr.  je  vis  =  lat. 
vid'i)  und  eines  starken  Perf.  mit  sigmatischer  Flexion  (je  mis  =  lat. 
mi-si)  vgl.  oben. 

Demnach  würde  ich  bei  A.  III.  El.  schreiben: 
Histor.  Perf.  auf  -mj?  (lat.  ^i). 

1.  Gr.    Part.  Prät.  auf  -u  (lat.  -ütum,  4iumj:  courir, 

2.  Gr.     Part.  Prät.  stark  auf  -t  (lat.  -tum,  -tuumj:  mourir. 
Das  Verbum  ge'sir  würde  ich  bei  ill,   1   ganz  weglassen,  da  sein 

bist.  Perf.  (altfr.  jut  =  jäcuitj  und   sein  Part.   Prät.   (altfr.  geüi  =  jac- 
üium,  jac-iittm)  verschollen  sind.     Es  gehört  unter  die  Defektiva  und  — 
wegen  seiner  anomalen  Behandlung  des   Stammes  ^^e'^iV,  il  gisaiij  — 
unter  die  wirklich  unregelmässigen  verba. 
Plattner.     „B.   Verba  auf  -re, 

I.  Kl.    Hist.  Perf.  auf  -w  (als  Endung). 
1.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -?/. 

a)  rompre,  rendre,  batire,  vaincre, 

b)  coudre.^ 

,,Als  Endung^  ist  überflüssig  und  selbstverständlich,   ist  auch  von 
P.  bei  A.  I.  Kl.  nicht  hinzugefügt  worden.    Es  soll  offenbar  nur  einen 
Gegensatz  zu  B.  TT.  Kl.  (cf.  unten)  ausdrücken.    Ich  würde  schreiben: 
Hist.  Perf.  auf  -is  (lat.  -ivij. 

1.  Gr.    Part.  Prät.  auf  -m  (lat.  -üium,  -ttum  mit  vorgerücktem 
Accent). 

a)  rompre,  baitre,   vaincre,  rendre  nebst  einer  Anzahl 
von  anderen  Verben,  deren  Stamm  auf  -d-  ausgeht. 

b)  coudre  (St.  cotis-,  mit  euphonischem  ^im  Inf.). 
Plattner.     „2.  Gr.    Parte   Prät.  auf  -i(i). 

a)  suivre,  ecrire. 

b)  iraire,  braire. 

c)  conduire,  cuire,  nuire,  bruire. 

d)  luire,  reluire. 

3.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -s:  clore, 

4.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -t:  craindre,  feindre,  joifidre. 

5.  Gr.    naitre  (Parte.  Prät.  nej."^ 

Besonders  in  der  2.  Gruppe  zeigt  sich  eine  arge  Verwirrung,  die 
schon  am  Anfang  in  der  Bezeichnung  der  Endung  des  Part.  Prät.  -i(tj 
hervortritt.  Das  einzige  Verbum  dieser  Gruppe,  das  im  Part.  Prät.  der 
Analogie  der  Verba  auf  -ir  mit  lat.  Ableitungsvokal  i  gefolgt  ist  und 
die  Endung  -i  (altfr.  -it  =  lat.  -liitmj  aufweist,  ist  suivre  (St.  suiv-J.  Dies 
ist  jedenfalls  durch  das  Vorbild  des  schwachen  hist.  Perf.  auf  -is  (lat. 
-ivij  bewirkt  worden.  —  Aber  ecrire  (St.  e'criv-  vor  vokalischen,  e'cri-  vor 
konsonantischen  Endungen),  conduire  (St.  conduis-,  condui-J  mit  den 
übrigen  Kompositis  von  duire,  ebenso  consiruire  (St.  constrms-,  consirui-j 
mit  den  übrigen  Kompositis  von  siruire,  ferner  cuire  (St.  cuis-,  cui-)  haben 
im  Neufranz,  ein  schwaches  hist.  Perf.  auf  -is  (lat.  -ivi),  während  es  im 
Altfranz,  wie  im  Lat.  stark  war,  haben  jedoch  ihr  starkes  Part.  Prät. 
auf  -i  (lat  -tum  ohne  Bindevokal)  bewahrt:  je  conduis -is,  aber  condui-t, 
condui-te.    Das  i  von  e'cri-t,  condui-t,  construi-t,  cui-t  gßhört  zum  Stamm 


SchiUgrammatikeu.  61 

uod  ist  ausserdem  in  ecrit  ganz  verschiedener  Herkunft,  da  es  der  urspr. 
lateinische  Vokal  ist :  das  v  des  Stammes  ecriv-  (b,  resp.  p  des  lat.  Stam- 
mes scrub-,  scrip-,  e'cri-t  =  scrip  -  tum)  ist  wie  gewöhnlich  vor  folgendem 
t  geschwunden,   vgl.   il  sert  =  lat.  servit,  ü  re^oit  =  lat.  redtpii  u.  a. 
In  den  anderen  Part.  Prät.  ist  i  das  regelmässig  vor  Konsonanten  voka- 
lisierte  c  (k),   das  sich  vor  den  vokalischen   Endungen  als  i$  darstellt: 
noits  conduis-ons,  —  Nuire  (St.  nuis-  vor  vokalischen,  WMt-  vor  konsonan- 
tischen Endungen),  luire  mit  relvire  (Si,  lu&-,  lui-J  werden  wie  conduire, 
construire,  cuire  konjugiert,  ausgenommen  das  Part.  Prät.,  das  den  blossen 
Stamm  zeigt  und   das  Nominalsuffix   -t  deshalb  verloren  haben  mag, 
weil  dieses  im   Femininum   (es   sind  Verba  intransitiva  mit  dem  Hilfs- 
verbum  avoir)  lautlich  nicht  hervortreten  konnte:   noclijtum  =  nui-t, 
niii;  lue- tum  (im  klass.  Latein  nicht  vorhanden)  =  Itä-t,  lui.    Im  Altfr. 
zeigt  nuire  (lat.  nöcSre  st.  nocerej  im  Part.  Prät.  die  schwache  Bilduil^ 
auf  'U  =  lat.  'ütum,  -itum  (no(^tum):  neu. 

Traire,  braire,  brmre  haben,  wie  conduire,  construire,  cuire,  ein 
starkes  Part.  Prät.  auf  -t,   nicht  -it:  trai-t  (lat.  trac-tumj,  brai-t,  das 
im  Neufranz,  nicht  mehr  gebraucht,  aber  noch  von  Littre  und  Brächet 
(Gr.  hist.  p.  219)  als  brauchbar  vorgeschlagen  wird,  brui-t,  das  sich  im 
Subst.  le  aruit  erhalten  hat.    Aber  alle  diese  drei  Verba  sind  im  Neufr. 
defektiv  und  haben  kein  hist.  Perf.    Von  traire  gab  es  im  Altfranz,  ein 
starkes  hist.  Perf.,  vgl.  traist  =  lat.  traxit  im  Beim:   piaist,  bei  Adenös 
le  Roi,  Cläomad^s,  Bartsch,  altfr.  Ohrest. ;   danach  müsste  dieses  Verbum 
in  die  II.  (folgende)  Klasse  mit  starkem  hist.  Perf.  auf  -s  verwiesen  wer- 
den.  —   Bruire  gehört  wegen  seiner  nach  der  2.  Hauptkonjugation  ge- 
bildeten Formen  (ü  bruissait,  üs  bruissaieni  neben  il  bruyait,  üsnruyaient) 
sogar  zu  den  Anomalis.    Jedenfalls  können  traire,  braire,  bruire  nicht  zur 
I.  Klasse  mit  hist.  Perf.  auf  -is  gerechnet  werden ,   da  sie  im  Neufranz, 
überhaupt  kein  hist.  Perf.  besitzen.    Dasselbe  gilt  für  das  defektive  clore, 
ias  höchstens  wegen  seines  Kompositum  conclure  mit  starkem  hist.  Perf. 
in  die  IL  (folgende)  Klasse  eingeordnet  werden  könnte* 

Ich   würde  demgemäss  B.  I.  KL,   Gruppen  2  —  5  folgendermassen 
»rdnen : 

2.  Gr.    Part.  Prät.  auf  -i  (lat.  -itum),  nach  Analogie  der  t- Konju- 

gation (Inf.  auf  -ir)''  suivre. 

3.  Gr.    Part.  Prät.  stark  auf  -t  (lat.  -tum): 
a)  ecHre.  ^ 

.  b)  conduire  mit  den  übrigen  Kompositis  von  duire,  construire 
mit  den  übrigen  Kompositis  von  struire,  cuire. 
c)  craindre,  feindre,  Jotndre  mit  den  übrigen  in  §  88  aufge- 
führten Verben,  die  im  Inf.  zwischen  n  und  r  ein  vermitteln- 
des (euphonisches)  d  eingeschoben  haben. 
Gr.  4.    Paxt.  Prät.  stark  mit  blossem  Stamm,   ohne  Endung  oder, 
wenn  man  will,  mit  weggefallenem  -t :  nuire,  luire  nebst  reluire. 
Gr.  5.    mätre  mit  einem  Part.  Prät.  nach  der  1.  Hauptkonjugation, 

auf  -e  (lat.  -atumj:  ne. 
Das    letzte   Verbum   könnte   man    ebensogut    unter    die   Anomala 
illen,  weil  sein  Stamm  (lat.  na-  und  nasc-)  im  Franz.  so  ganz  verschie- 
ne  Gestalten  angenommen  hat:   naiss-,  naqu- ,   n-.  —  Eine  besondere 
iippe  mit  dem  starken  Part.  Prät.  auf  -s  fehlt  in  der  I.  Klasse. 

Plattner.     „IL  KL    Hist.  Perf. 'auf  -is  (in  der  betonten  Stammsilbe). 

1.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -t:  faire,  confire,  suffire, 

frire,  dire. 

2.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -is:  mettre,  prendre, 

3.  Gr.    rire  (Parte.  Prät.  n>.« 


62  Litterarisciw  Cfironik.    A.  Rambeau, 

Der  Ausdruck  „auf  -is  (in  der  betonten  Stammsilbe)"  ist  nicht 
deutlich  genug.  Das  hist.  Perf.  dieser  Klasse  ist  als  ein  starkes  Perf. 
auf  'S  mit  i  als  Stammvokal  zu  bezeichnen :  dire  (je  dis,  lat.  dic-si,  dixij, 
meitre  (je  mis,  lat.  misi),  premlre  (je  pris,  schon  im  Altfr.  pris,  vgl.  ital. 
presi  gegenüber  dem  klass.-lat.  prendi,  prehvndi),  rire  (je  ris,  lat.  nsi) 
haben  ein  urspr.  sigmatisches  Perfektum,  von  dem  sich  aber  die  urspr. 
einfache  Flexion  von  faire  und  seinen  Komposita  (mit  ai  oder  i  im 
Praesensstamm)  schon  im  Xltfranz.  nicht  unterscheiden  liess:  je  fis,  lat. 
fec'i,  vgl.  oben.  —  i^7-i7v  (lat.  frigere)  ist  defektiv;  das  hist.  Perf.,  das 
je  fris  (lat.  fiig-si,  frixi)  lauten  müsste,  ist^  wenn  auch  nach  Brächet, 
Gr.  hist.  p.  219,  noch  vorhanden,  jetzt  veraltet  und  daher  in  den  neu- 
französischen  Grammatiken  nicht  angeführt,  cf.  Bescherelle  p.-  554,  auch 
Plattner  §  90,  Dagegen  gehört  hierher  das  einzige  Verbum ,  das  ein 
Starkes  hist.  Perf.  auf  -s  mit  u  als  Stammvokal  hat:  conclure  (lat.  con- 
chiderej,  hist.  Pf.  je  conclus  (lat.  conclu-si  mit  ausgestossenem  d).  Dieses 
Verbum  ist  von  P.  am  unrechten  Platze  in  der  IIl.  Klasse  mit  hist.  Perf. 
auf  -MA*  aufgeführt.  Es  ist  das  Kompositum  des  defektiven  Verbum 
simplex  clore,  dessen  o  (lat.  au,  clandere)  auch  im  Kompositum  eclore 
erhalten  ist,  während  in  conchtre  und  den  übrigen  veralteten  oder  defek- 
tiven Komposita  exchire,  reclure,  mclure  das  u  der  lat;  Komposita  =  ü 
durchgedrungen  ist.  Weder  ehre  noch  eclore  besitzen  im  Neufr.  ein 
hist.  Perf.  (altfr.  clos,  clostrent^  stark)  und  dürfen  nicht,  wie  P.  es  thnt, 
in  die  I.  Klasse  mit  „hist.  Perf.  auf  -is  (als  Endung)"  gestellt  werden. 
Zur  1.  Gruppe  der  II.  Klasse  (Part.  Prät.  auf  -i)  kann  man  im  Neufr. 
thatsächlich  nur  faire,  confire  und  seine  übrigen  Komposita,  die  ai  im 
Praesensstamm  haben,  und  dire  nebst  seinen  Kompositis  rechnen.  Sufßre 
zeigt  im  Part.  Prät.  den  blossen  Stamm  (suffi-  vor  konsonantischen, 
suffis-  vor  vokalischen  Endungen) .  es  hat  das  Nominalsuffix  -t  verloren, 
suffi- 1%!  (lat.  stiffec-ixmi),  sufji,  wie  nuire  und  luire  in  der  I.  Klasse,  cf. 
oben.  Es  muss  daher  in  die  3.  Gruppe  neben  rire  eingeordnet  werden, 
das,  wie  sein  Kompositum  sourire ,  im  Part.  Prät.  das  Nominalsuffix  -s 
(lat.  n-sum)  aufgegeben  hat  und  ebenfalls  den  blossen  Stamm  (ri-)  zeigt. 
Dieses  -s  haben  die  vom  lat.  Supinum  abgeleiteten  Substantiva  le  ris 
(lat.  Subst.  rism,  risum),  le  souris  bewahrt.  —  Wie  im  Part.  Prät.  von 
nV^,  so  ist  das  Nominalsuffix  -s  auch  im  Part.  Prät.  von  conclure  (conclu, 
lat.  conclü-sum)  und  exclure  (exclu,  lat.  exclü-sum)  abgefallen,  während 
es  im  Part.  Prät.  von  7'eclure  (rechts,  lat.  reclü-sum),  des  in  den  übrigen 
Formen  veralteten  Kompositum  inclure  (inclus,  lat.  inclü-sum),  des  Sim- 
plex clore  (clos,  lat.  clau-sum)  und  seines  anderen  Kompositum  eclore 
(eclos,  lat.  ex -clau-sum)  noch  vorhanden  ist.  Indes  ist  hier  allein  con- 
clure neben  rire  anzuführen,  da  die  übrigen,  Simplex  und  Komposita, 
alle  defektiv  sind. 

Die  Bezeichnung  der  2.  Gruppe  „Part.  Prät.  auf  -is^  ist  ebenso 
wenig  richtig  oder  noch  undeutlicher  als  die  der  ganzen  II.  Klasse  „Hist. 
Perf.  auf  -is  in  der  betonten  Stammsilbe:"  mis  (lat.  missum  mit  assimi- 
liertem tj,  pris  (lat.  presum,*  prensum,  prehensum  mit  ausgefallenem  nj 
gehen,  wie  acquis,  conquis,  requis,  enquis  (acquerir  etc.)  unter  den  Verben 
auf  -ir  mit  reinem  Stamm  (A.  IL,  resp.  III.  Kl.)  und  assis  (asseoirj  unter 
den  Verben  auf  -oir  (C.  II.  KL),  auf  -s  aus  und  haben,  wie  diese,  den 
charakteristischen  Vokal  i  im  Stamm. 

Ich  würde  folgendermassen  schreiben : 

II.  Kl.    Hist.  Perf.  stark,  auf  -s,  mit  i,  in  einem  Verbum  mit 
u  als  Stammvokal. 
I.  Gr.    Part.  Prät.  auf  -/  (lat.  -tum):  dire,  faire  nehat. con- 


Schulgramuiatiken.  68 

fire  und  seinen  übrigen  Komposita  mit  -ai  im  Praesens- 
stamm. 

2.  Gr.     Part.  Prät.  auf  -s  (lat.  -sum)  mit  i  als  Stammvokal : 

metire,  pf^enilre, 

3.  Gr.    Part.  Prät.  ohne  Endung»  mit  blossem  Stamme: 

a)  mit  Wegfall  der  Endung  -i^.*  suffire  (Part.  Prät.  suffi, 
vgl.  frti-t,  confiri),      . 

b)  mit  Wegfall  der  Endung  -s:  rire  (Part.  Prät.  ri,  vgl. 
Subst.  le  rirs  le  sourirs);  das  Kompositum  des  defek- 
tiven Verbum  clore,  conclnre  (Part.  Prät.  conclu,  vgl. 
recln-s  von  reclure). 

Plattner.     ^III.  Kl.    Histor.  Perf.  auf  -m^. 
Einzige  Gruppe,  Parte.  Prät.  auf  -m. 

a)  connattre,  paitre,  crottre. 

b)  croire,  hinre,  plaire,  lire,  condure. 

c)  moudre,  re'soudre, 

d)  vivre.    Dazu  iire  (Part.  Prät.  ete).^ 

Das  unter  b)  erwähnte  conclu-re  (lat.  conclud-ere)  gehört,  wie  wir 
gesehen  haben,  gar  nicht  hierher,  sondern  muss  mit  seinem  starken  hist. 
Perf.  auf  -s  (lat.  conclu -si^  franz.  je  conclu -sj  und  seinem  ebenfalls 
starken  Part.  Prät.  ohne  Nominalsuffix  (s,  lat.  eonclu-sum,  franz.  conclu) 
in  die  IL  Klasse,  Gruppe  3,  eingereihet  werden.  —  Die  Bildung  des  bist. 
Perf.  und  des  Part.  Prät.  der  anderen  von  P.  hier  aufgeführten  Verba 
labe  ich  bereits  oben  bei  A,  III  (II)  besprochen.  Die  III.  Klasse  (bei 
Plattner)  der  Verba  auf  -re  würde  ich  vor  die  Ü.  Klasse  stellen  und 
lach  den  dort  angegebenen  Gesichtspunkten  folgendermassen  einteilen: 

Hist.  Perf.  auf  -us,  Part.  Prät.  auf  -w. 
(Vgl.  C,  Verba  auf  -oir,  I.  Klasse.) 

1.  Gr.    Der  Stamm  endigt  sich  (wie  in  A,  III.,  resp.  II.  Kl.) 

auf  eine  Liquida  (hier  /,  dort  r).  Im  hist.  Perf.  werden 
'US,  -US,  'Ut,  'ümes,  -ütes,  -urent  (lat.  -'&(,  -Üisii,  -'äii 
u.  s.  w.  mit  gleichem,  auf  ü  gelegtem  Accent),  im  Part. 
Prät  wird  -u  (lat.  -ütum  und  -ttum  mit  vorgerücktem 
Accent  =  -ülumj  an  den  unveränderten  Stamm  gefügt: 
re'soudre  (St.  re'soiv-,  resol-,  lat.  Perf.  resölvi  —  resolut 
resolui,  franz.  Je  re'solus),  moudre  (St.  moul-J,  beide  mit 
euphonischem  d  zwischen  /  (=  u)  und  r  im  Inf. 

2.  Gr.  Das  u  der  Perfektbildung  ist  durch  Verschmelzung 
des  unbetonten  u  (=  lat.  ü,  v,  h)  mit  dem  Stammvokal 
entstanden.  Vom  Stamm  ist  —  durch  Verschmelzung 
im  hist.  Perf.  —  durch  Ausfall  des  Stammvokals  im 
Part.  Prät«  —  nichts  als  der  anlautende  Konson.,  resp. 
die  anlautenden  Konsonanten  übrig  geblieben: 

a)  Ein  Verbum  mit  einem  auf  -v  (lat.  -b)  ausgehenden 
Praesensstamm:  boire  (St.  baiv-  in  den  stammbe- 
tonten Formen,  sonst  buv-,  lat.  bib-), 

b)  Verba  mit  einem  auf  -ss  ausgehenden  Praesens- 
stamm:  connattre  (St.  connaiss-,  lat.  cognosc-J, 
paiire  (St.  paiss-,  lat  pasc-J,  croUre  (St.  croiss-, 
lat.  cresc-Ji  fl'lle  i^it  einem  eingeschobenen  eupho- 
nischen t  zwischen  scharfem  s  und  r  im  Inf.^) 


^)  parmtre  (St.  paraiss-)y  das  P.  in  §  93  neben  diese  drei  Verba 
;llt,  gehört,  vom  Lat.  aus  betrachtet,  zur  l.  Gruppe  wegen  seines  hist. 


64  Liiierarische  Chronik.    A.  Ramheau, 

c)  Verba  mit  einem  auf  -s  ausgehenden  Praesens- 
stamm:  plaire  (St.  piais-,  lat.  plac-),  lire  (St.  lis-, 
lat.  leg-). 

d)  croire  (St.  croy-,  erat-,  lat.  cred-j. 
Dazu  kommt: 

3.  Gr.  vwre  (St.  viv-J  mit  verändertem  Stamm  im  bist.  Perf. 
und  Part.  Prät.  ve'c-  (vgl.  lat.  vic-,  vic-si  =  vixi,  vic-tum), 
an  den  die  bezüglichen  Endungen,  wie  in  der  1.  Gruppe, 
gefügt  werden:  je  vec-us,  vec-ii. 
Eire,  das  P.  neben  vivre  stellt,  isf  anomal,  da  es,  wie  aUer^  seine 
Formen  von  verschiedenen  Stämmen  bildet,   und  mnss   daher  besonders 
betrachtet  werden,   wenn  es  auch  wegen  seines  Inf.  auf  -re  (it.  essei-e, 
franz.  es-t-re,  ^tre  mit  einem  eingeschobenen,  euphonischen   tj  zu  den 
Verben  der  II.  archaischen  Konjugation  gerechnet  werden  mag.    Gegen- 
über 1)  dem  Präsensstamm  es-  (s-),  wozu  in  mehreren  Formen  ein  urspr. 
nur  im  Inf.  vorhandenes  und  als  euphonisch  berechtigtes  -/-  tritt  (est-,  ei-. 
Impf,  fe't-ais  u.  s.  w.),  stehen  2)  der  Perfektstamm  fu-  (lat.  fü-J,  in  dem 
der  charakteristische  Vokal  u  (=  lat  ü)  schon  enthalten  ist  (je  fu-s, 
altfr.  fui,  lat.  f%i%),  und  3)  der  Stamm  des  Part.  Prät.  est-,  ei-  (lat.  sU) 
mit  einem  prothetischen  e.   Diese  Form  ist  nach  der  I.  Hauptkonjugation 
mit  dem  Ableitungsvokal  -e-  (=  lat.  -a-)  gebildet:  eU  (altfr.  estei,   lat. 
statum).    Sie  ist  der  Rest  eines   altfranz.  (jetzt  nur  im  Inf.  erhaltenen, 
im  Gerichtsstil  gebrauchten)  selbständigen  Verbum  ester  (lat  siare),  das 
in  Hre ,  esire  (essere,  esse)  aufgegangen  ist.    Von  demselben   Stamm 
leitet  man  gewöhnlich  auch  das  Part.  Praes.,  resp.  Gerund,  etani,  (estani, 
lat.  sianiem,  siandum)  ab.    Im  Impf,  (j'e'tais  u.  s.  w.)  ist  dies  bekannt- 
lich  aus    lautlichen    Gründen   (vgl.    die   altfranz.    norm.   Formen)   nicht 
möglich;  es  muss  eine  Neubildung  vom  Inf.  esire,  3ire  sein. 
Plattner.     „C.    Verba  auf  -oir. 

I.  Kl.    Histor.  Perf.  auf  -us.  , 

Einzige  Gruppe,  Parte.  Prät.  auf  -u. 

a)  recevoir,  devoir. 

b)  valoir,  falloir,  [chaloirj,  vouloir. 

c)  pouvoir,  choir. 

d)  savair,  mouvoir,  pleuvoir,  avoir.^ 

Chaloir,  das  im  Altfranz,  das  bist.  Perf.  chid-ut,  das  Part.  Prät. 
chal-u  bildete,  muss  für  die  heutige  Sprache  unter  die  Defektiva  gewiesen 
werden.  Die  übrigen  Verba  dieser  Klasse  mit  Inf.  auf  -oir,  der  Haupt- 
klasse mit  dem  charakteristischen  Vokal  ü  im  bist.  Perf.  und  Part.  Prät. 
teile  ich  auf  ähnliche  Weise,  wie  die  Verba  von  B,  III  (resp.  II),  folgender- 
massen  ein: 

I.  Kl.    Hißt.  Perf.  auf  -us,  Part.  Prät.  auf  -«. 

1.  Gr.  Verba  mit  einem  auf  eine  Li(][uida  (IJ  ausgehenden 
Stamm,  an  den  ohne  Veränderung  im  bist.  Perf.  -lis,  -us^ 
-ui  etc.  (lat.  Üi,  'äisii  etc.)  und  im  Part.  Prät.  -u  (lat.  -ütum, 
-itum)  als  Endungen  gefügt  werden :  vedoir  (St.  val-),  falloir 
(St.  faU-),  vouloir  (St.  voul-).  [Vgl.  B,  III.,  resp.  II.  KL, 
1.  Gr.  und  A,  III.,  resp.  IL  KL] 

2.  Gr.  Das  u  der  Perfektbildung  ist  durch  Verschmelzung  des 
unbetonten  u  (lat.  ü,  v,  b,  p)  mit  dem  Stammvokal  ent- 
standen.    Vom   Stamm   ist  —   im   bist.   Perf.    durch   Ver- 


Perf.  und  Part.  Prät.:  je  par-tis,  par-u  (Stamm  auf  eine  Liquida  aug- 
gehend).    Vgl.  lat.  pärui,  parüi  mit  cognovi,  pävi,  crevi. 


Schulfframmaiikefi.  65 

Schmelzung  —  im  Part.  Prät.  durch  Ausfall  des  Stamm- 
vokals —  nichts  übrig  geblieben,  als  der  anlautende  Konson., 
resp.  die  anlautenden  Konsonanten,  bei  avoir  wenigstens  in 
der  Schrift  e  =  lat.  a  (St.  av-,  lat.  hob-).  [Vgl.  B,  IIl., 
resp.  II.  Kl.,  Gruppe  2.] 

a)  Verba  mit  einem  auf  -v.  (lat.  -v,  -b,  -p)  ausgehenden 
Präsensstamm :  mouvoir  (St.  mouv-,  lat.  moV'),  devoir 
(St.  dev-,  lat.  deb-)j  avoir  (St.  «y-,  lat.  hob-),  savoir 
(St.  sav-,  lat.  sap-),  recevoir  (St.  recev-,  lat.  recip-J 
nebst  den  anderen  Kompositis  des  lat.  Verbum  capire 
st.  capire.  Dazu  kommen  zwei  Verba,  in  denen  v 
zwischen  den  Stamm  und  die  vokalisch  anlautende 
Endung  zur  Tilgung  des  Hiatus  eingeschoben  ist: 
pouvoir  (St.  poM-,  pouv-,  lat.  pol-),  pleuvoir  (St.  pleu, 
pieuv-,  lat.  piu-j, 

b)  de'choir,  echoir,  die  Komposita  des  veralteten  und 
defektiven  ckoir  (St.  choy-,  choi-,  lat.  cad-).  Vgl. 
B,  IIL,  resp.  II.  Kl.,  2.  Gr.,  d.). 

Plattner.     „II.  Kl.    Histor.  Perf.  auf  -is. 

1.  Gr.    Parte.  Prät.  auf  -is:  asseoir. 

2.  Gr.     Parte.  Prät.  auf  -u:  voir.^ 

Diese  Verba  haben  ein  starkes  bist.  Perf.  auf  -s  mit  %  als  Stamm- 
)kal;  die  Flexion  ist  1)  ursprünglich  sigmatisch:  j'assis,  schon  im  Alt- 
anz.  sis,  sisi,  sistreni  —  sisent,  lat.  s^i*  sessi*  st.  s€di  wegen  des 
ipin.  *sesHm,  sessum,  2)  urspr.  einfach:  je  vis,  altfr.  vi,  lat.  nuU. 
y\.  oben  B,  II.,  resp.  IlI.  Kl.  imd  A,  IL,  resp.  III.  Kl.  Auch  die  Be- 
ichnung  „Part.  Prät.  auf  -is"*  ist  falsch.  Es  ist  ein  starkes  Part.  Prät. 
it  dem  Kominalsuffix  -s  und  dem  charakteristischen  Vokal  t  im  Stamme: 
s,  assi'S.  Vgl.  oben  mis,  pris,  B.  IL,  resp.  IIL  Kl.,  2.  Gruppe,  und 
quis,  A,  IL,  resp.  III.  Kl.  (bei  Plattner  I.  KL).  Demgemäss  würde  ich 
ireiben : 

IL  Kl.     Eist.  Perf.,  stark,  auf  -s  mit  i  als  Stammvokal. 

1.  Gr.  Part.  Prät.,  stark,  auf  -s  (lat.  -sutn)  mit  t  als  Stamm- 
vokal :  asseoir y  rasseoir,  surseoir,  die  Komposita  des  defek- 
tiven seoir. 

2.  Gr.  Part.  Prät.,  schwach,  auf-«  (lat.  -ütum,  -Uum),  mit 
Wegfall  der  Stammsilbe  ausser  dem  anlautenden  Konson.: 
voir,  vgl.  die  Verba  auf  -oir,  C,  L  Klasse. 

In  §  70  gibt  Plattner  „einzelne  Bemerkungen"  über  die  drei  ar- 
.ischen  („abgezweigten")  Konjugationen. 

„1)  Die  in  §  49  gegebene  Tabelle  über  die  Endungen  der  ein- 
hen  Tempora  gilt  auch  für  diese  Verba,  welche  nur  die  dort  an- 
; ebenen  Abweichungen  in  den  Flexionsformen  zeigen.  Vgl.  jedoch 
en  4  ff." 

Diese  Worte  scheinen  mir  unverständlich  oder  mindestens  sehr 
:lar,  da  ich  dort  keine  Abweichungen  dieser  Verba  (der  drei  ar- 
ischen Konjugationen)  in  den  Flexionsformen  erwähnt  finde. 

P.    fährt  fort:    „Bei  den  Verben  der  abgezweigten  Konjugationen 
en  sich   aber  ausserdem  Veränderungen  im  Verbalstamm:  a.  Stamm- 
Flexionssilbe  fallen  oft  zusammen:  je  vins  (venir),  je  vis  (voir), 
9  (avoii'X  j'dcquis  (acquerir)  u.  a." 

Dies  Zusammenfallen  der  Stamm-  und  Flexionssilbe  findet  unter 

von  P.  angeführten  Perfekten  in  Wirklichkeit  nur  bei  einem  einzigen 

;:  j*eus  (lat.  häbui  —  avtii  —  auui  —  mii  —  etd  —  eus ,  mit  unor- 

j^chem,  angefügtem  s),  und  so  überhaupt  im  Perf.  auf  -vs  =  lat.  üi 

[sehr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI^.  {^ 


J)6  LUUrarviche  Chronik.     A.  Ramheuv. 

der  Verba,  deren  Stamm  auf  eine  Muta  ausgeht,  vgl.  oben.  Bei  allen 
übrigen  von  P.  angeführten  Verben  konnten  die  Stammsilbe  und  die 
Flexionssilbe  im  Perf.  gar  nicht  zusammenfallen,  da  der  Vokal  der  lat. 
Flexionssilhe  (Bindevokal)  in  den  starken  (stammbetonten)  Formen  des 
Perf.  als  der  betonten  Silbe  folgend  nach  dem  bekannten  Lautgesetze 
abgeworfen  werden  musste  und  nicht  als  silbenbildend  erhalten  werden 
durfte:  lat.  ven-i,  altfr.  vinc,  ving  (i  zur  Gutturalis  verhärtet?),  nfrz. 
vins;  lat.  vid-i  —  vi  —  vis;  lat.  acquls-i  (st.  acguisivi)  —  acquis.  Das  i 
im  Stamme  entspricht  regelmässig  dem  lat.  i  und  in  diesem  Falle  auch 
e.  Im  Neufranz,  sind  die  urspr.  schwachen  Formen  dieser  Perfekta  (im 
Franz.  2.  Sing.,  1.  und  2.  Plur.)  der  Analogie  der  übrigen  Formen  ge- 
folgt und  erscheinen  jetzt  als  starke  Formen,  so  auch  der  ganze  Konj. 
Imperf.  =  lat.  Konj.  Plusqupf.  ausg.  1.  und  2.  Plur.  Vgl.  neufr.  iu  vins, 
nous  vinmes,  vous  vmtes,  que  je  vinsse  u.  s.  w.  mit  altfranz.  venis  (lat. 
venisti),  venimes  (lat.  venimus  st.  ve'nimus  wegen  venistis),  venistes  (lat. 
vemstü),  venisse  (lat.  venissem).  Wie  kann  man  also  von  einem  Zu- 
sammfallen  der  Stamm-  und  Flexionssilbe  im  Perf.  dieser  Verba  sprechen? 

Plattner  p.  61  „b.  In  der  Tonsilbe  erhält  der  Stammvokal  vielfach 
eine  Lautverstärkung  z.  B.  je  viens  (venir),  j'acqmers  (acquerir),  j'assieds 
(asseoir) ,  je  petix  (pouvoir)  .  .  ."  Diese  Veränderung  des  Stammvokals 
in  der  Tonsilbe  (Nb.  im  Präs. !),  die  ursprünglich  nicht  flexivisch,  sondern 
rein  lautlich  aufzufassen  ist  (^.,  ae  =  fr.  ie;  Ö  =  oe,  später  ö,  geschrieben 
eu ;  t,  S  =  fr.  ei,  später  oi  in  betonier  Silbe),  mag  immerhin  in  gewissem 
Sinne  eine  Lautverstärkung  genannt  werden,  da  sie  in  der  Hegel  urspr. 
auf  einer  Diphthongierung  beruht.  Aber  ;e  sais  (savoir),  das  P.  eben- 
falls anführt,  gehört  nicht  hierher.  Das  i  in  sais,  altfr.  sai  (das  s  ist 
unorganisch  und  erst  spät  angefügt,  vgl.  oben)  rührt  von  dem  lateinischen 
Ableitungsvokal  i  (säpio  —  säUo  —  sävio)  her,  der,  weil  er  nach  der 
Tonsilbe  stand,  sich  in  syllabischer  Geltung  nicht  halten  konnte,  aber, 
weil  er  sich  in  der  unbetonten,  vorletzten  Silbe  befand,  als  Halbsvokal  j 
bewahrt  wurde  und  mit  dem  stammhaften  a  verschmolz.  Vgl.  ai  =  häbio 
(^  =  i  =r  j  in  dieser  Stellung).  Tu  sais,  U  sait  sind  sekundäre  Bildungen 
nach  Analogie  der  1.  Person,  Bildungen,  die  vielleicht  nur  Schreib- 
weisen sind  und  lautlich  auf  die  altfranzösischen  Formen  zurückgehen. 
Während  a  in  savjo  =  säpio  wegen  der  Eonsonantenkombination 
bleiben  konnte,  musste  es  in  sdpis,  säpit,  sdp(i)imt  nach  der  Begel  —  in 
betonter  Silbe,  vor  einf.  Konson.  —  zu  ^  (wahrsch.  noch  off.  in  der  Sprache 
des  Bolandsliedes)  werden:  altfr.  ses,  sei,  seveni.  Die  letzte  Form  ist  im 
neufr.  ils  savent  geworden,  eine  Anbildung  an  die  1.  und  2.  Pers.  Plur., 
wo  a  in  unbetonter  Silbe  stand  und  daher  erhalten  wurde:  savons, 
savez.  —  Je  sais  ist  demnach  in  keiner  Weise  mit  den  anderen  Fällen 
der  „Laut Verstärkung^  der  betonten  Stammsilbe  im  Präsens  zu  ver- 
gleichen, sondern  nur  mit  j'ai  {ävio,  hdb^o),  je  vais,  altfr.  vai,  voi  und 
vois  (so  im  RoL  v.  270,  nur  in  Oxf.)  =  lat.  vädio*  st.  vado,  wo  ebenfalls 
der  Ableitungsvokal  in  vorletzter,  unbetonter  Silbe  =  Halbvokal  j,  nicht 
der  Einfluss  des  Tones  (accent  ionique)  die  Veränderung  des  Stammvokals 
bewirkt  hat,  femer  mit  je  hais  (hdtjo,*  hdtio,*  vgl.  oben  bei  §  67  hair). 
Die  2.  und  3.  Sg.  Präs.  Ind.  von  alle?-  und  avoir  sind  im  Neufranz,  nicht 
der  Analogie  der  1.  Sg.  gefolgt:  tu  vas,  ü  va;  iu  as,  ü  a  —  aber  iu 
hais,  il  hait.  —  Wenn  man  von  der  Entstehung  der  Formen  ganz  ab- 
sieht und  nur  die  gegenwärtigen  Lautverhältnisse,  so  wie  sie  sind, 
berücksichtigt,  kann  der  Laut  ^'(geschlossen)  =  ai  m  je  sais,  tu  sais, 
il  sait  auch  im  eigentlichen  Sinne  nicht  eine  Lautverstärkung  des  Stamm- 
vokals a,  des  offensten  Vokals,  genannt  werden. 

PI.     „Dasselbe  findet  in  Eonjunktlvformen  statt  und  zwar   ausser 


SchulgrammaUken.  67 

den  obigen  Verben  in  faule  (aller),  je  vaille  (valoir),  ü  faule  (falloir).^ 
Der  Ausdruck  „in  Konjunktivformen"  ist  unbestimmt  und  zweideutig. 
PI.  meint  den  Konjunkt.  Präs.,  und,  was  er  vorher  sagt,  bezieht  sich  auf 
den  Ind.  Präs.  und,  wo  der  Imper.  vom  Ind.  gebildet  ist,  auch  auf 
den  Imper. 

„Ausser  den  obigen  Verben"  ist  in    seiner  Allgemeinheit  ebenfalls 
unrichtig.    Der  Konjunkt.  Präs.  von  savoir  zeifft  keine   Lantverstärkung 
des  Stammvokals  in  der  Tonsilbe  {fjue  je  seiche),  und  sowohl  pouvoir 
(jmisse  —  piissiofts)  als  asseoir  (asseye  —  asseyions)  verändern  zwar  den 
Stammvokal  im  Konjunkt.  Präs.,   aber  dieser   erscheint  in  derselben  Ge- 
stalt in  den  stammbetonten   wie  in  den  endungsbetonten  Formen.     Die 
eigenartige  Bildung    des   Konj.    Präs.    von   savoir   (sacke)   und   pouvoir 
(puisse)  ist  auf  denselben   Einfluss   des  ableitenden  Vokals  i  (sap-i-am, 
poss-i-am  =  possim)  zurückzuführen,   der  auch  in  faille  i^aU-i-am),  je 
vaille  (val-i-am  =  valeam),  il  faille  (fall-i-at)  hervortritt.    In  den  leteten 
drei  Fällen  zeigt  sich  trotz  der  Schreibweise  ai  keineswegs  eine  Laut- 
Verstärkung   des   Stammvokals   in    der    Tonsilbe,    wenn    auch   der   Ton 
(accent  tonique)  bei  der  Bildung  des  Konj.  Präs.  dieser  Verba  seine  Wir- 
kung ausübt.     Der  Stammvokal   a  bleibt  regelmässig   —  vor  kompliz. 
Konson.  l  •\-  j  =  i,   ^  in   unbetonter,  vorleteter  Silbe   —  unverändert, 
wie  in  bataille  =  baU[n]aUa:  das  i  in  aitte,  vaille,  faille  u.  ä.  gehört  nicht 
zu  a,  sondern  ist  mit  U  vor  stummem  e  das  Zeichen   des  /  mouille',  das 
im  früheren  FranzÖs.  und  noch  in  Dialekten  /  +  Halbvokal  i  (j)  lautet, 
das  aber  in  der  heutigen  Aussprache  des  Gebideten  mit  Aufgebung  des  / 
nur  noch  =  Halbvokal  /  klingt.     Vgl.  oben  aäer  §  64.  —  Formen  wie 
aille  (im  Oxf.  Rol.  al{j!e  v.  309  =  *all-iam),  aittes  (Oxf.  Rol.  alges  v.  2978 
=  *all-ias),  vaille  (Rol.  Oxf.  cnntrevaillei  v.  1984),   Wörter  wie  bataille 
assonieren  im  vermutlichen  Original  des  Rolandsliedes  nur  in  weiblichen 
»-Tiraden  und  nicht  in  Tiraden  mit  offo.  e,   wo  dagegen  Wörter  mit  ai 
z.  B.  faire),  das  auch  im  Neufranz.  =  offn.  e  gesprochen  wird,  assonieren 
rönnen.     Vgl.  Rambeau,    Assonanzen  .  .  .  p.  99  f,  111.   —  Indes  ist  der 
(Vortton  im  Konj.  Präs.  von  aller,   valoir,  faüoir  insofern  von  Einfluss 
gewesen,  als  sich  im  Neufranz,  vor  den  volltönenden  Endungen  -ions,  -iez  (lat. 
iamtis,  -iaiis)  das  /  in  der  Aussprache  erhalten  hat  und  nicht  „mouilliert" 
rorden   ist:   daher  auch   die  verschiedene  Schreibweise  que  je  vaille  etc. 
-  que  noiis  valions  etc.    Dieselbe  verschiedene  Behandlung  des  /  zeigt 
ch,  zugleich  mit  einer  Veränderung  des  Stammvokales  („Lautverstärkung"), 
n  Konj.  Präs.  von  vouloir:  ^  que  je  veuille  etc.  (mit  /  mouille  =  iU  und 
3rändertem   Stammvokal    ö  =  eu  statt  u  =  ou  in  den  stammbetonten 
jrmen)  —  que  nous  voulions,  que  vous  vouliez  (mit  erhaltenem  /  und 
iverändertem   Stammvokal).     Dagegen   hat   der   Ableitungsvokal   i  im 
onj.  Präs.  von  savoir  und  pouvoir  nicht  bloss  in  den  stammbetonten, 
ndern    auch  in   den  (urspr.)   endungsbetonten   Formen  seinen   Einfluss 
isgeübt:  que  je  sacke  —  que  nous  sackions  (ck  =  p  -{-  j  =  p  -^  t ,  .), 
'e  je  puisse  —  que  nous  puissions  (uiss  =  oss  -\-  j  =  oss  -|-  ?  .  .). 

Es  ist  durchaus  notwendig,  bei  den  sog.  archaischen  („abgezweigten") 
>DJugationen  die  Eigentümlichkeit,  die  gerade  viele  Verba  dieser  Kon- 
^ation  auszeichnet,  die  Wirkung  des  urspr.  im  Franz.  viel  stärkeren 
ortaccentes  (accent  tonique)  ^  hervorzuheben.  Aber  dies  muss  in  einer 
Qz  anderen  Weise  geschehen.     Etwa  folgendermassen : 

Bei  vielen  Verben  der  archaischen  Konjugationen  wird  die  Stamm- 

>e,  wenn  diese  den  Wortaccent  hat  oder,  was  dasselbe  ist,   wenn  ihr 

ne  volltönende  Endsilbe  folgt,  dadurch  oder  zugleich  damit  verändert: 

1)  Im  starken  (stammbetonten)  Perf.  und  Konj.  Impf.  (lat.  Plusqupf.) 

hrerer  Verba  erscheint  als  Stammvokal  ein  t  (schon  im   Latein,  zum 


6S  Litlerat'uche  Chronik.    A.  Hambeau, 

Teil  l,  meist  aber  e),  während  dieser  im  Präseosstamm  e,  c,  ai,  oi  ist. 
Vor  Nasalen  hat  das  i  seine  ursprüngliche  Aussprache  verloren:  je  mis 
(Präs.  mett-),  je  vis  (voy-,  voi-),  facquis  (acquer-),  je  pris  (pren-),  je  vins 
{ven-),  je  Uns  ilen-),  j*assis  (assefd/-,  assey-),  je  fis  (fai-,  fais-).  Vgl.  auch 
je  dis  (Präs.  di-,  dis-),  je  ris  (Prä3.  n-). 

2)  Im  Präsens  selbst,  Ind.,  Konj.  und  Imper.,  mehrerer  Verba  wird 
der  Stammvokal  in  den  stammbetonten  Formen  modifiziert: 

a)  e,  e,  wird  ie,  z.  B.  facquiers,  qite  j^acquiere,  aber  notis  acque- 
rons  (St.  acquer-);  je  viens,  que  je  vienne,  aber  nous  venons 
(St.  ven-). 

b)  Der  Laut  u  wird  zu  o  (geschrieben  ou  —  eu):  je  meurs,  que 
je  meure  —  que  notis  mourioiis.  Stamm  mour-,  u.  s.  w. 

c)  -ev-,  -UV-  wird  zu  -oiv-:  je  dois  (Labialis  fällt  vor  Konson. 
weg),  qiie  je  doive  —  vous  devez,  Stamm  dev-;  üs  boivent, 
que  iu  boives  —  que  nous  buvions.  Stamm  buv-,  u.  s.  w. 

Anm.  Eine  ähnliche  Erscheinung  zeigt  sich  im  Präsens  der  ersten 
herrschenden  Konjugation:  das  dumpfe,  resp.  stumme  e,  und  das  ge- 
schlossene e  (e)  werden  in  den  stammbetonten  Formen,  wo  ein  stummes 
e  in  der  Endung  folgt,  zu  einem  offenem  e,  da«  entweder  durch  den 
accent  grave  oder  durch  Verdoppelung  des  folgenden  Konsonanten  be- 
zeichnet wird,  also  fe  metie  —  nous  menons  (St.  men-)^  üs  appeüent  — 
vous  appelez  (St.  appel-),  tu  cedes  —  qtie  nous  ce'dions  (St.  ced-).  Vgl. 
das  offene  e  in  den  bezüglichen  Formen  der  archaischen  Konjug.,  z.  B. 
üs  prenneni,  que  je  prenne  —  notts  prenons  (St.  pren-),  üs  acquüreni  — 
vous  acquer ez  (St.  acquer-)^  ebenso  üs  viennenl,  que  iu  viennes  u.  s.  w. 
Der  Stamm  dieses  Verbums  ist  ven-  in  den  flexionsbetonten,  vien-  in  den 
stammbetonten  Formen;  der  zweite  Bestandteil  des  Diphth.  ie  ist  ein 
offenes,  nicht  nasaliertes  e,  wenn  ein  stummes  e  in  der  Endung  folgt, 
sonst  ein  nasales  e  (je  viens). 

c)  /  (ü)  wird  zu  /  mouüle  (geschr.  ül .  . ,,  gespr.  t-Halbvokal,  urspr. 
/  +  y  •  •  =  lat.  /  +  unbetont,  l,  ^ .  .)  in  den  stammbetonten 
Formen  des  Konj.  Präs.  von  valoir,  falloir,  vouloir  (St.  voul-, 
veul-,  vgl.  oben)  wie  auch  von  aüer,  z.  B.  que  je  veuiUe  —  que 
nous  votdions. 

Plattner.  „2)  Durch  Abstossuug  und  Anfügung  treten  folgende 
Veränderungen  ein:  .  .  .  b.  Von  recevoir  und  den  ähnlichen  Verben 
werden  die  Futura  von  einem  Infinitiv  auf  f-everj  gebildet,  dessen  e 
ausfallt:  je  recevrai.^ 

Warum  ist  -ever  in  Parenthese  eingeschlossen?  Ich  würde,  indem 
ich  die  Bildung  des  Präs.  Fut.  und  des  Impf.  Fut.  als  schon  erklärt  vor- 
aussetze, sagen:  Die  Zusammensetzung  des  Präs.  Fut.  und  Impf.  Fut.  ist 
in  einer  Zeit  geschehen,  wo  die  Infinitivendung  -oir  noch  -er  lautete  [für 
Lateinisch  lernende  Schüler,  lat.  Inf.  -€re,  auch  in  vielen  Fällen,  wo  im 
klsissischen  Latein  die  Endung  -'  Sre  lautet,  vgl.  deb&'e  =  devoir,  reci- 
p^re  =  recevoir].  Dieses  e  der  Infinitivendung,  das  erst  viel  später  zu 
[altfranz.  ei,  dann]  oi  diphthongisiert  wurde,  wurde  bei  der  Zusammen- 
setzung des  Infin.  mit  dem  Präs.,  resp.  Impf,  von  avoir  infolge  des  Ge- 
setzes vom  „accent  tonique"  als  unbetontes  e  ausgestossen ,  daher  je 
recev-r-ai,  je  sau-r-ai  u.  dgl.  —  Auch  in  der  ersten  Hauptkonjusation 
ist  wenigstens  im  Neufranz,  (im  Altfranz,  musste  sich  lat.  a  in  (jestalt 
von  e  auch  in  der  vorletzten,  vor  der  Tonsilbe  stehenden  Silbe  erhalten) 
das  geschlossene  e  der  Infinitivendung  -er  =  lat.  -are  in  der  Futurbildnng 
entweder  verstummt  oder  verdumpft  (e  sourd),  wenn  es  auch  in  der 
Schrift  geblieben  ist:  j*aim-er-ai. 

Plattner 's  Angabe  ist,  da  sie  sich  nur  auf  die  Verba  mit  -ev-  am 


Schulgrammatiken,  69 

nullende   bezieht ,   zu  eng  gefasst  und  erklart  nicht  dieselbe  Erschei- 

g  in  den  ebenso  regelmässigen  Putura  je  mouv-r-ai,  ü  pleuv-r-a,  je 

-r-ni  (statt  sav-r-ai),  f  anrät  (statt  av-r-at),  je  poun-ai  (statt  pouv-r-aiy) 

i  in  den  meisten  der  scheinbar  so  unregelmässigen  Futura,   die   er  in 

folgenden  Bemerkung  anführt. 

Plattner  „c.  Ein  euphonisches  d  (d  intercalaire)  wird  eingeschoben 

je  viendrai  (venir)  u.  a, ,  je  voudrai  {votdoir),  je  vaudrai  (valoir),  ü 

ndra  (falloir).^ 

Ich  vermisse  hierbei  eine  Bemerkung,  die  für  das  Verständnis  der 

iturbildung  mehrerer  Verba  auf  -ir  ebenso  notwendig  ist,  als  die  vor- 

Tgehende  für  das  der  Puturbildung  der  Verba  auf  -oir:  Das  Präs.  Put. 

ad  das  Impf.  Put.  mehrerer  Verba  auf  -ir  sind  so  gebildet,   diias  das  t 

er  Infinitivendung  ausgefallen  zu  sein  scheint,  ^V  cour-r-ai  {cour-ir),  je 

tour-r-ai  (mour-ir),  j'acquer-r-ai  (acquer-ir),  je  vien-d  r-ai  (ven-ir),  je 

ien-d-r-ai  (ten-ir).    In  der  That  beruhen  diese  Pormen  auf  einem  Infinitiv 

ler  zweiten  archaischen  Konjug.  auf  -re  (vgl.  lat.  currere,  quaerere,  mo- 

ere  st.  mort),  der  sich  auch  noch  selbständig  bei  zwei  Verben  als  veraltete 

J^ebenform  des  Inf.  auf  -ir  erhalten  hat:  cour-re  (von  P.  §  79  erwähnt) 

—  courir,  quer-re  =  querir  (als  Simplex  ebenfalls  veraltet). 

Ausserdem  muss  an  dieser  Stelle  ein  Lautgesetz  klar  und  ganz 
illgemein  aufgestellt  oder,  wenn  es  schon  vorher  als  allgemeines  Gesetz 
Lufgestellt  ist,  darauf  verwiesen  werden,  ein  Lautgesetz,  das  nicht  nur 
;ur  Erklärung  einiger  der  angeführten  Putura,  sondern  überhaupt  vieler 
'"ormen  der  drei  archaischen  Konjugationen  {/aillir,  je  faux;  valoir,  je 
m}ix ;  moudre,  St.  motd-  u.  a.)  und  der  Pluralbildung  vieler  Substantiva 
chevcd  —  chevanx)  und  vieler  Zusammensetzungen  (Pdiigirard  =  Valgi- 
ard,  Stadtteil  in  Paris,  u.  ä.)  durchaus  notwendig  ist: 

L  (li  und  auch  /  mouüle  =  l)  ist  in  der  Regel  vor  folg.  Eonson. 

1  echt   französischen,   einheimischen  Wörtern  zu   u  vokalisiert  worden, 

as,  wenn  ein  u  in  der  Schrift  schon  vorhergeht,  mit  diesem  verschmilzt : 

vaut  =  val't  (lat.  val-et),  il  veut  =  vetU-i  (St.  veul-  in  den  stamm- 

etonten  Pormen  des  Präsens,  lat.  St.  völ-). 

Als  eine  orthographische  Regel  muss  hinzugefugt  werden: 
[an  schreibt  in  der  neufranzösischen  Orthographie  in  den  echt  französi- 
ihen  Wörtern  immer  aiix  =  aus,  meist  eiuc  =  eus,  selten  oux  =  ous 
US  bleibt  immer  in  der  Konjugation):  je  vaux  =  val-s,  chevaux  = 
\eval-s;  je  veux  =  vetd-s,  vol-s,  cieux  =  ciel-s;  choitx  =  chou-s,  chols, 
lt.  caules,  coles),  je  bous  =  bouill-s,  houl-s  (bouill-ir,  lat.  btdi-ire). 

Schliesslich  ist  die  Regel  vom  euphonischen  d  als  allgemeines 
autgesetz  viel  weiter  zu  fassen,  so  dass  die  Bemerkungen,  die  P.  folgen 
sst,  darin  eingeschlossen  werden.  P.  sagt:  „Im  Infinitiv  steht  dieses  d 
hon  bei  craimi'e  u.  a.  (§  88),  prendre,  coudre,  moudre,  rdsoudre  .  .  . 
a^  euphonische  t  von  connatire,  naitre  u.  a.  steht  nur  im  Infinitiv  und 
den  davon  abgeleiteten  Pormen  (Puturen).'*  Ich  schlage  etwa  folgende 
LssuD^  dieses  Lautgesetzes  für  eine  neufranzösische  Grammatik  vor : 

/>  und  t  werden  als  euphonische  Konsonanten  zur  Vermittel ung 
n  verschiedenen  auf  einander  folgenden  Konsonanten,  resp.  Mittellauten 


^)  Dem  Lateinisch  lernenden  Schüler  muss  natürlich  gesagt  werden, 
js  hier  eine  Assimilation  der  Dentalis  an  r  vorliegt  (vgl.  lat.  pot-esi), 
}s  das  lat.  t  zwischen  zwei  Vokalen  (zu  d  erweicht),  wie  auch  sonert 
?  =  lat.  vitam),  ausgefallen  und  erst  später  zur  Tilgung  des  Hiatus 
.^iDgeschoben  worden  ist. 


70  Liiicrarische  Chronik.    A.  Eambeau, 

verwandt:  I.  1.  ^  ist  zwischen  (den  urspr.  nasal-dentalen')  Mittellant)  n  und 
(den  wahrsch.  palatalen  Mittellaut)  r  eingefügt  worden  —  in  einer  Sprach- 
periode, wo  n  noch  seine  selbständige  Geltung  als  nasal-dent.*)  Mittellant 
hatte,  während  es  jetzt  mit  dem  vorhergehenden  Vokal  zusammen  einen 
Laut,  einen  nasalen  Vokal,  bezeichnet:  crcdn-re  (St.  crahi-  vor  Eonson., 
craign-  vor  Vok.)  wird  crain-d-rCf  daher  je  craindrai,  je  craindrais; 
ebenso  plaindre,  peindre  u.  a. ;  ferner  ^V?  tien-d-r-ai,  je  tien-d-r-ais  von 
einem  Infin.  auf  -re  statt  -ir  (tenir,  lat.  teuere,  franz.  St.  ten-f  lien-  in 
den  stammbetonten  Formen  des  Präs.),  ebenso  je  vien-d-r-ai,  je  vten-d-r-ais. 
Vgl.  lat.  ten[e)rum  =  tendre,  lat.  gen[e]rum  =  gendre. 

2.  d  ist  frühzeitig  zwischen  (den  den  dentalen  Konsonanten  nahe 
stehenden  lingualen  Mittellaut)  l  und  r  eingefügt  werden;  erst  später  ist 
die  Vokalisiernng  des  i  zu  u  vor  folg.  Konson.  eingetreten:  mol-re  (lat. 
moler e)  —  moUd-re  —  mou-d-re,  daher  ^V  moudrai^je  moudrais;  resollv]-re 
(lat.  resolv^re)  —  resol-d-re  —  ?'esou-d-re,  daher  je  re'soudrai^  je  resou- 
drais;  ebenso  in  dem  Infin.  der  Futurbildung  der  Verba  auf  -oir  =  lat. 
-ert',  wo  das  ursprüngliche  e  der  Infinitivendung  (erst  später  altfranz.  ei, 
dann  oi)  als  unbetont  vor  der  Tonsilbe  geschwunden  ist:  vol-r-ai  (lat. 
*volere  häbeo)  —  vol-d-r-ai  —  je  vou-d-r-ai,  ebenso  je  vou-d-r-ais; 
val-r-ai  (lat.  valere  habeo)  —  val-d-r-ai  —  je  vau-d-r-ai,  ebenso  je  vau- 
drais;  fall-r-a  (lat.  fallei^e  habet)  —  fdU-d-r-a  —  il  fau-d-ra,  ebenso  il 
faudrait.    Vgl.  lat.  pul[ve]rem  =  franz.  pou-d-re. 

3.  d  (die  weiche  und  tönende  entbrechende  Dentalis)  ist  frühzeitig 
zwischen  z  (die  weiche  und  tönende  entfliessende  Dentalis,  geschrieben  s) 
und  r  eingefügt  worden;  s  ist  erst  später,  wie  in  so  vielen  Fällen  vor 
folg.  Eonson.,  ausgefallen:  consüere  (Kompos.  von  stiire)  —  cösu^re  mit 
ausgestossenem  n  vor  s  (vgl.  lat.  mensem  —  it.  mese  —  altfr.  meis,  dann 
mois)  und,  indem  u  zum  Halbvokal  w  wird,  mit  zurückgezogenem  Accent 
(dem  ital.  cucire,  span.  ciisir  neben  coser  u.  s.  w.  liegt  ein  vulgärlat.  cusire  zu 
Grunde,  das  sich  in  den  Isidor.  Glossen  findet)  —  endlich,  mit  Wegfall  des 
Bindevokals  ^  und  des  Halbvokals  u  {w),  franz.  cos-re  —  cous-d-re  — 
cou'd-re.  Für  den  Schüler,  der  keineswegs  die  lat.  Etymologie  und  die 
verschiedenen  Entwickelungsphasen  von  coudre  zu  kennen  braucht,  ge- 
nügt es  zu  wissen,  dass  der  Stamm  dieses  Verbums  cous-  (vgl.  noits 
couS'Ons)  mit  einem  weichen,  tönenden  s  ist :  daher  cous-d-re  —  cou-d-re^ 
je  coudraiy  je  coudrais. 


^)  Wahrscheinlich  ist  dieses  n  wenigstens  speziell  im  Verbum 
craindre  zu  der  Zeit,  wo  das  euphonische  a  eingeschoben  wurde,  der 
palatal-nasale  Mittellaut  n  (im  Engl,  und  Deutsch  ng  geschrieben:  engl. 
ring,  dsch.  Finger)  gewesen,  der  später  mit  dem  vorhergehenden  Vokal 
zum  Nasalvokal  e  verschmolz.  Ursprünglich  war  es  ein  m,  vgl.  altfr. 
criem,  crien,  cri^ng  =  neufr.  je  crains,  Impf,  altfr.  a^emoie ,  craignoie, 
Inf.  cremir  neben  creindre,  crendre,  criendre,  craindre  —  selbst  crembre 
=  tremere,  Diez  Wörterb.  —  Besonders  der  eingeschobene,  euphonische 
labiale  Eonsonant  b  in  cremte  beweist,  dass  der  Endkonsonant  des 
Stammes  urspr.  der  labial-nasale  Mittellaut  m  gewesen  ist.  Dieser  konnte 
in  der  Schrift  zu  n  erst  in  einer  Zeit  werden,  wo  sowohl  der  labial- 
nasale Mittellaut  m  als  der  dental-nasale  Mittellaut  n  im  Auslaute  eines 
Wortes  oder  einer  Silbe  (vor  Eons.)  die  gleiche  Aussprache  w  =  palatal- 
nasal. Mittellaut  —  die  Vorstufe  des  durch  Verschmelzen  mit  dem  vor- 
hergehenden Vokal  enstandenen  Nasalvokals  —  erhalten  hatten.  Vgl. 
empreindre  =  imprimere,  geindre  =  gemere,  altfr.  reangon,  rhenchon, 
nfr.  rangon.  =  lat.  redemfpjtionemf  altfr.  raenibre  =  lat.  redimere. 


ScInUgrafnmatiken.  71 

II.  t  (die  harte  und  tonlose  entbrechende  Dentalis)  ist  frühzeitig 
zwischen  s  (die  harte  und  tonlose  entfliessende  Dentalis,  geschrieben  ss 
—  lat.  sc)  und  r  eingefügt  worden;  auch  dieses  s  ist,  wie  in  so  vielen 
Fällen  vor  folg.  Konson.,  ausgefallen,  es  ist  in  der  Schrift,  wie  gewöhn- 
lich vor  folg.  t^  durch  einen  Circumflex  ersetzt  worden:  naiss-re  (lat. 
näsc&e,  Akt.  statt  Depon.)  —  naiss-i-re^  nais-t-re  —  nat-t-t-ey  daher  je 
naht-r-ai,  je  ncä-t-r-atSf  ebenso  connai-Ure  (St.  connaiss-),  parat- i-re  (St. 
paraiss-),  paUt-re  (St.  paiss'\  croi-Ure  (St:  croiss-)  mit  ihren  Kompositis. 
Vgl.  lat.  essSre  (st.  esse)  —  ess-Ure  —  es-i-re  —  S-t-re. 

Plattner.  „Vor  s  und  t  (Sing.  Präs.  Ind.  und  Imper.)  fällt  das 
euphonische  d  b,vlb:  je  (tu)  crains,  il  craintt  je  (tu)  re'sousj  ü  resoui, 
crains,  resous.  Es  bleibt  dagegen  in  den  entsprechenden  Formen  bei 
prendre,  condret  rnoudret  deren  3.  Sing,  daher  t  nicht  annimmt:  je  (tu) 
prends,  il  prend;  je  (tu)  coudsy  il  coud;  je  (tfi)  mouds,  il  moud;  prends, 
couds,  mouds." 

Diese  »Regel  und  die  Bemerkung  über  t  von  connattre,  nmt?'e  u.  a. 

,.nnr  im  Infinitiv   und  in   den   davon   abgeleiteten    Formen    (Futuren)" 

entstellen  und  verdunkeln  den  wirklichen  Sachverhalt.   B  und  t  sind  als 

euphonische  —  wirklich  in  der  gesprochenen  Sprache  vorhandene  — 

Konsonanten  nur  im  Infin.  und  in  den  davon  abgeleiteten  zwei  Tempora 

(Präs.  Fut.  und  Impf.  Fut.)  berechtigt.    Mit  welchem  Rechte  kann  man 

sagen,  dass    d  (also  auch  t)  vor  s  und  t  im  Sing.  Präs.  Ind.  und  Imper. 

der  Verba  a-aindre  u.  s.  w.  (connaltre  u.  s.  w.)  ausfällt!   Der  Konson. 

d  (i)  hat  in  diesen   Formen   nie  existiert  und  lautlich  nie  existieren 

können !   Es  könnte  dann  ja  auch  scheinen ,   als  ob  d  (Q  in  den  übrigen 

Formen,  Plur.  Ind.  Präs.  und  Imper.  u.  s.  w.,  eigentlich  stehen  müsste.  — 

Die  Formen  je  couds^  tu  couds,  il  coudf  Imper.  coiids  und  je  mouds,  tu 

moudSi  il  moud,  Imper.   mouds  sind  in   der  That   —  wenn  auch  nur 

graphisch  —  unregelmässig,   da  hier  das  d  gar  nicht  berechtigt  ist. 

Die  entsprechenden  Formen  aller  übrigen  Verba  —  ausser  prendre  f  das 

eine   besondere   Stelle   einnimmt,    —   sind   durchaus   regelmässig.     Die 

Regel  muss,  wenn  sie  kurz  sein  soll,  etwa  so  getasst  werden: 

Bei  vielen  Verben  auf  -re  erscheint  1.  ein  unorganisches,  eupho- 
nisches d  im  Infin.  1)  zwischen  n  und  r:  crain-d-re  u.  s.  w.,  2)  zwischen 
?  (später  zu  u  vokalisiert)  und  r:  re'sou-d-re  u.  s.  w.  —  bei  einigen 
Verben  auf  -oir  in  dei  Zusammensetzung  des  Infin.  mit  dem  Präs.  und 
Tmpf.  von  avoir^  3)  zwischen  s  (weich  und  tönend,  das  später  ausgefallen 
st)  und  r;  cou-d-re;  II.  ein  unorganisches,  euphonisches  t  zwischen  ss 
scharf.,  tonlos,  s)  und  r:  nai^t'-re  u.  s.  w.  —  Dieses  rf,  resp.  /  erhält 
icH  ganz  regelmässig  in  der  Zusammensetzung  im  Präs.  Fut.  und 
mpf.  Fut. 

Anm.  ünregelmässiger  Weise  ist  dieses  d  in  der  Schriftsprache 
US  dem  Inf.  in  die  Formen  des  Sing.  Präs.  Ind.  und  Imper.  der  Verba 
loudre  und  coudre  eingedrungen,  so  dass  in  diesen  Formen  der  ursprüng- 
che  Stamm  (tnoul',  cous-)  verdunkelt  erscheint  und  in  der  Schrift  der 
bamm  moud-  und  coud-  verwandt  ist,  woran  die  Endung  s  tritt  (nicht 
nach  d). 

Prendre  nimmt,  wie  ich  schon  oben  sagte,  eine  besondere  Stelle 
n.  P.  f^ibt  zu  diesem  Yerbum  eine  Anmeldung  unter  den  Zusätzen 
XII :  „In  prendre  isrf;  (wenn  es  auch  von  prehenaere  kömmt)  d  eupho- 
9ch.  —  Zu  bemerken  ist,  dass  die  heutige  Regel  überhaupt  unbegründet 
;,  da  auch  etymologisches  d  den  Platz  räumen  müsste;  wie  craindre: 
craint  sollte  vendre:  il  veni  bilden." 

In    der  neufranz.   Orthographie  schreibt   man   allerdings   il  vend 
leinbar  ohne  die  Persooalendung  t;  die  alte  Orthographie  (veni)  und 


72  LiUcrarische  Chronik.    A.  Rambean, 

die  noch  vorhandene  Aussprache  in  der  „Liaison"  (vend-ii,  twnd-elle^ 
vend'On)  zeigt  dagegen  diese  Personalendung  ^,  vor  der  der  Endkonsonant 
(d)  des  Stammes  ausgefallen  ist,  wie  in  il  sert  (St.  serv-),  ü  dort  (St. 
dorm-)  u.  v.  a.  Mit  il  crain-t  (Stamm  crain"  vor  konson.,  craign-  vor 
vokalisch  anlautenden  Endungen),  wo  kein  d  ausgefallen  ist  oder  „den 
Platz  geräumt  hat",  lässt  sich  weder  die  neufranz.  Schreibweise  t^endftj 
noch  altfranz.  t)en[dji  vergleichen.  Dass  i  in  il  vend  nicht  geschrieben 
wird,  ist  nicht  auiiUllig,  da^sich  das  lat.  d  als  Endkonsonant  ganz  ge- 
wöhnlich in  der  neufranz.  Orthographie  erhält,  wenn  es  auch  =  ^  in 
der  Liaison  gesprochen  wird,  vgl.  lat.  grandem  =  ältfr.  grant^  neufr. 
grand,  grande^  dagegen  ve7%  verte  =  lat.  viridem  neben  dem  Verbum 
verdir.  Die  Analogie  der  übrigen  Formen  von  vendre^  rendre  u.  a.  be- 
wirkt, dass  das  a  des  Stammes  auch  in  der  8.  Sing.  Präs.  Ind.  in  der 
Schrift  bleibt  und  die  Personalendung  t  weggelassen  wird:  il  vend,  il 
rend  u.  a.  und  so  in  mechanischer  Analogie  ü  moud,  il  coudf  als  ob  es 
einen  Stamm  moud-,  coud-  (statt  monl-  und  cous-  vor  Vok. ,  coU'  vor 
Konson.)  gäbe.  —  Was  nun  je  (tu)  preiids^  il  prend^  Imper.  prends  be- 
trifft, so  mag  der  Schüler,  der  nicht  Lateinisch  versteht,  einfach 
lernen ,  dass  der  Präsensstamm  von  prendre  pren-  (vgl.  nous  pren  -  ons) 
ist,  dass  d  als  euphonischer  Konson.  im  Infin.  zwischen  n  und  r  tritt 
(vgl.  oben  I*  1,  craindre  u.  a.)*  dass  dieses  hier  berechtigte,  ausgesprochene 
d  als  blosses  graphisches  Zeichen  in  den  Sing.  Präs.  Ind.  und  Imper., 
wie  bei  moudre  und  condre,  eingedrungen  ist,  und  dass  demnach  für 
diese  Formen  ein  zweiter  Präsensstamm  prend-  anzunehmen  ist,  in 
welchem  das  d  wie  in  vendi^e  u.  a.  ähnlichen  Verben  behandelt  wird. 
Für  den  Schüler,  der  Latein  versteht,  liegt  die  Sache  anders:  Er 
kennt  das  lat  Verbum  2^^<^*henderef  prendere  und  sieht  natürlich  einen 
ursprünglichen  (=  lat.)  Stamm  prend-  im  Sing.  Präs.  Ind.  und 
Imper.,  im  Inf.,  Präs.  Fut.  und  Impf.  Fut.,  daneben  pren-  mit  abgefalle* 
nem  d  in  allen  übrigen  Formen  des  Präsens  und  im  Ind.  Impf.,  prenti' 
(nn  Zeichen  des  offn.  e?- Lautes)  vor  einem  -stummen  e  (ils  prenn-eni). 
Trotz  P.'s  Angabe  in  den  Zusätzen  kann  ich  d  iu  prendre  nicht  für 
schlechthin  euphonisch,  also  unorganisch  halten.  Es  finden  sich  im 
Altfranz,  auch  Formen  wie  prendous  (prenons)^  prendent  (prenneni),  da- 
neben freilich  auch  prenre  (prendre) j  prenOf  pren,  pran  (je  prends), 
prens  (tu  prends),  2)renl  (il  pre?id).  Vgl.  Diez,  Gramm,  und  Bartsch, 
ehrest,  u.  a.  Jedenfalls  ist  es  durchaus  nicht  entschieden  und  scheint 
mir  wenig  wahrscheinlich,  dass  prendere  im  gallischen  Vulgärlatein  sein 
d  spurlos  verloren  hat  (=  prenn^re),  und  dass  das  d  in  prendre  im 
Altfranz,  von  vornherein  ein  euphonischer  Konsonant  gewesen  und  aus 
dem  Inf.,  Präs.  Fut.  und  Impf.  Fut.,  |wo  er  als  solcher  berechtigt  ge- 
wesen wäre,  in  andere  Formen  (nicht  bloss  graphisch,  cf.  altfr.  prendent) 
eingedrunfi^en  —  und  nicht  vielmehr  ein  etymologischer,  aus  dem  Lat. 
herrührender  Konson.  (vgl.  ital.  prendere,  span.  prender)  ist,  den  die 
französ.  Sprache  nach  und  nach,  zuerst  vor  folg.  Konson.,  aber  nicht  vor 
folg.  r,  dann  auch  vor  folg.  Vokalen,  aufgegeben  hat. 

Plattner  „d.  Der  Ausfall  von  s  vor  4  wird  durch  den  Circumflex 
bezeichnet:  il  connaU,  il  natt,  il  pUut  (aber  il  taitj,  il  clot,  il  crott.^ 

Clot  hat  aus  falscher  Analogie  den  Circumflex  erhalten,  da  s  in 
dieser  Form  (3.  Sing.  Präs.  Ind.)  vor  i  nie  lautlich  existiert  hat:  clore. 
Stamm  clo-,  tat.  claud-,  vgl.  oben  bei  §  69.  Die  altfranz.  Form  ist  clot 
=  claudit;  clost  ist  im  Altfranz,  die  3.  Sing,  des  starken  bist.  Perf.  = 
lat.  clausit.  Die  neufranz.  Formen  mit  s  vor  vokalischer  Endung  im 
Präs.  Ind.  eclosent  und  Konj.  que  je  dose,  qu'il  eclose  gehen  auf  ein  vom 
Supinum  (Part.  Perf.)  lat.  clausuni  =  franz.  clos  abgeleitetes  Verbum  zu- 


Schulgrajnmaliken.  73 

rück  und  mögen  in  der  Schrift  eine  Form  closi  =  cloi  für  die  3.  Sing. 
Präs.  Ind.   herbeigeführt    haben.     Vgl.   altfranz.    ctoons   =    claudimtts, 
clodet  =  claudat  und   das  Eompos.   conclure  (lat.  concludere) ,  Stamm 
conclu-,  nous  conclu-'Ons.    Die  nenfranz.  Orthographie  ist  im  Ersetzen  des 
ausgefallenen  s  durch  den  Circumflex  selbst  vor  i  nicht  consequent:   ü 
connmt  (Stamm  connaiss-)  u.  s.  w.  —  aber  ü  punit  (St.  pun-,  inchoat. 
puniss-),  ü  ftnit  (St.  /?»-,  finiss-J  u.  s.  w.    Dem  neufranz.    U  pMt  liegt 
allerdings  ein  altfranz.  piaist  zu  Grunde,  wo   also   das  lat.  c  fplacet)  in 
doppelter  Geltung  sowohl  dem  i  (in  der  Ansprache  mit  a  frühzeitig  ver- 
schmolzen) als  dem  s  entspricht,  weil  der  lat.  Ableitungsvokal  e  m  der 
3.  Sing.  Präs.   Ind.  sich  länger  erhalten  zu  haben  scheint  als  der  lat. 
Bindevokal  i,  so  dass  der  Gattural  k  (c)  zwischen  zwei  Vokalen  sigmati- 
siert  werden  konnte,  vgl.  ü  dii  =  lat.  dicit.    Dem  pUni  widerspricht  die 
Schreibweise  tait  =  altfr.  iaist  =  lat.  iacet. 

P.  p.  62  „3)  Die  1.  Sing.  Präs.  Ind.  endigt  auf  s:  ebenso  die 
2.  Sing,  des  Imperativs  (ausser  ouvre,  cueüle  und  den  ähnlichen,  sowie 
ate,  Sache,  vemäej."  Vgl.  damit  p.  41  §  50,  2.  „Die  2.  Sing,  des  Präs. 
Ind.  hat  immer  s.  Ebenso  die  2.  Sing,  des  Imperativs  ausser  in  der 
I.  Konjugation.  Auch  in  letzterer  erhält  diese  Form  ein  s,  wenn  die 
Pronominaladverbien  en,  y  folgen:  gardes-en^  retoumes-y.^  Dazu  die 
Anm.  „Ebenso  alle  nicht  auf  s  auslautenden  Imperative  aie,  va,  offre, 
mche  n.  a."  Diese  doppelte  Kegel  über  das  s  der  2.  Sing.  Imper.  lässt 
sich  sehr  vereinfachen,  sobald  sie  nicht  gesondert  für  die  archaischen 
und  die  herrschenden  Konjugationen  aufgestellt  wird:  Die  2.  Pers.  Sing, 
[mper.  hat  nach  Analogie  des  Indik.  und  Konjunkt.  das  Personalzeichen 
r  angenommen,  das  aber  nach  -e  und  -a  nur  dann  eintritt,  wenn  die 
Idverbia  en  und  y  darauf  folgen:  partes  »en  (parte),  cueüles-y  (ctteiUe), 
ds-y  {vd),  aies-en  (aie). 

P.  fahrt  fort  p.  62  Nr.  3:  „Alte  Formen  ohne  s  sind  in  der  Poesie 
och  erlaubt:  je  doi,  je  croi,  je  voi  u.  a."  Dies  ist  sehr  richtig,  aber 
ie  Anmerkung  „Nicht  etwa  auch  bei  der  11.  Hauptkonjugation"  führt 
rre.  Denn  in  der  1  Sing.  Präs.  Ind.  und  in  der  2.  Sing.  Imper.  dieser 
onjugation  gehört  das  s  zum  erweiterten  Stamme:  je  punis,  Imper. 
Huis ,  St.  puniss-,  pun-;  am  Ende  der  echten  franz.  Wörter  werden 
oppelkonsonanten  vereinfacht.  Dieses  s  kann,  solange  die  Endkonso- 
inten  noch  nicht  verstummt  waren,  und  auch  später  lautlich  in  der 
^iiaison"  nie  gefehlt  haben  und,  wo  sich  die  betr.  Form  ohne  s  ge- 
hi-ieben  findet,  ist  es  nur  eine  Schreibweise,  die  durch  falsche 
aal  cgi e  entstanden  ist.  Vgl.  oben  bei  den  Hauptkonjugationen. 
P.  „Statt  s  tritt  x  ein  nach  au  und  eu  (wie  bei  der  Pluralbildung) : 
vaux ,  je  veiix.  Ausgenommen  je  mevs,  —  Nach  au  steht  nur  s 
cht  wie  bei  der  Pluralbildung  auch  manchmal  x):  je  haus,  je  resaus 
a."  —  Eine  ganz  passende  orthographische  Begel!  —  „In  je  cauds, 
motids  hinderte  schon  das  Verbleiben  des  d  den  Antritt  eines  or."  Der 
sdruck  „Verbleiben"  ist  falsch,  vgl.  oben  Nr.  2,  c. 

P.  „5)  In  der  1.  und  2.  Plur.  Präs.  Konj.  von  avair  und  Hre  ist 
n  i  zu  setzen :  que  naus  ayans,  que  vaus  sayez.^  Das  „warum  ?"  fehlt, 
it  =  ii:  ayans  =  ai-ians,  vgl.  que  j'ai-e  mit  der  Endung  e  =  lat. 
ilusvolsal  a,  mit  regelmäss.  Wegfall  der  Personalendun^  -m,  lat.  habe' 
;  soyez  =  sai-iez,  vgl.  que  je  sais,  wo  s  wie  gewöhnlich  (ungewöhn- 
nur  im  Konj.)  als  Zeichen  der  1.  Pers.  Sing,  im  Neufranz,  die  lat. 
sonalendung  -m  ersetzt  hat.  Über  das  t  (verschmolzen  mit  a,  resp.  a) 
Stamme  des  Konj.  Präs.  von  avair  und  Stre  vgl.  unten. 

P.    „6)  Der  Plur.  des  Imperativs  ist  nicht  den  entsprechenden  Per^ 
n  des  Präs.  Ind.  gleich  in  ayans,  sayans,  sachans,   ve^iiUons  (ayez 


74  Litttrarische  Chronik,    A.  Ramhemi, 

u.  8.  w.)*"  Diese  Regel  ist  viel  za  äusserlicli.  Der  Imperativ  aller 
Verba  —  man  muss  wieder  auf  alle  Verba  Bezug  nehmen  —  ist  vom 
Ind.  Präs.  abgeleitet,  seine  Formen  sind  den  bezüglichen  des  Ind.  Präs. 
im  Sing,  und  Plur.  gleich,  indem  beim  Imper.  das  Subjekt  nicht  be- 
sonders, sondern  nur  in  der  Form  selbst  ausgedrückt  idt  (Nb.:  die 
2.  Sing.  Imper.  auf  -e  und  -n  hat  das  Personalzeichen  s  nur  vor  en 
und  y).*  Ausgenommen  der  Imper.  der  Verba  avoir,  Hre,  savoir,  vouloir, 
dessen  Formen  auf  dem  Eonj.  Präs.  beruhen  und  zum  Teil  mit  den  be- 
züglichen Formen  dieses  Modus  ganz  übereinstimmen.  Vgl.  aie{s),  sois, 
sacheiß),  veuiüe{s)  mit  que  tu  aies,  sois,  saches,  veuiües,  dagegen  sach- 
ons,  sach-ez  — •  veuifl-ons,  vewU-ez  mit  que  nous  sach-ions,  vous  sach-iez 
—  que  nous  votd-ions,  vous  voui-iez.  Die  bezüglichen  Formen  des  Plur. 
von  avoir  und  ^tre,  des  Sing,  von  etre ,  sind  im  Imper.  und  Eonj.  Präs. 
identisch.  Hier  wäre  es  am  Platze,  an  die  Syntax  zu  erinnern,  die  P. 
sonst  in  der  Formenlehre  viel  zu  oft  erwähnt,  und  darauf  hinzuweisen, 
dass  der  Imperativ  in  seiner  Bedeutung  als  Befehlsmodus  viel  Ähnlichkeit 
mit  dem  Eonjunktiv  (Wunschmodus)  besitzt. 

Das  i,  resp.  y  im  Eonj.  Präs.  und  Imper.  von  avoir  und  Hre,  die 
Veränderung  des  Stammvokals  {ui)  im  Eonj.  Präs.  von  pouvoir  (que  je 
puisse,  lat.  possim,  vulgärlat.  poss-i-am),  der  Zischlaut  im  Eonj.  Präs. 
und  Imper.  von  saooir,  im  Eonj.  Präs.  von  faire  (que  je  fasse,  lat.  faci- 
am),  ferner  das  /  mouüld  (geschrieb.  -tU-,  urspr.  gesproch.  /  +  Halbvokal 
j)  in  den  stammbetonten  Formen  des  Eonj.  Präs.  und  in  allen  Formen 
des  Imper.  von  vouloir ,  wie  auch  in  den  stammbetonten  Formen  des 
Eonj.  Präs.  von  iiüer,  valoir,  falhir  (j'aüle,  je  vaüle,  ü  faiUe),  —  alle 
diese  anscheinend  verschiedenen  lautlichen  Erscheinungen  haben  ein  und 
dieselbe  Ursache,  sie  erklären  sich  alle  dem  Lateiuisch  lernenden 
Schüler  durch  den  Einfluss  eines  unbetonten  mit  dem  Stamme  ver- 
schmolzenen oder  dazu  gerechneten  i,  resp.  e  =  vulgärlat.  i,  das  sich  in 
den  entsprechenden  lateinischen  Formen  zeigt  oder  vorausgesetzt  werden 
muss  (habS-am,  fac^^am,  välS^am  u.  s.  w.).  Hierbei  ist  man  allerdings 
gezwungen,  auf  das  Vulgärlateinische  insofern  zurückzugreifen,  als  man 
sagen  muss,  dass  in  der  vulgärlat.  Aussprache  e  =  ^  =  Halbvokal.^'  in 
unbetonter  vorletzter  Silbe  geklungen  (vdlS-am,  hab^-am)  und  dass  bei 
einigen  Verben  ein  vom  klass.  Latein  abweichender,  aber  den  übrigen 
der  oben  erwähnten  Verba  analoger  Eonj.  Präs.  auf  -am,  ^as,  ^at,  -amus, 
'atis,  -ant  mit  einem  vorhergehenden,  zum  Stamme  gerechneten  t  im 
Vulgärlatein  existiert  habe  und  dem  franz.  Eonj.  Präs.  zu  Grunde  liege. 
Vgl.  klass.-lat.  s-i-m,  poss-i-m,  vel-i-m,  faü-a-i  —  vulgärlat.  j^f-am,  possX- 
am,  vÖH-am,  faUX-at?)  —  In  einer  Schule,  wo  kein  Liatein  gelehrt  wird, 


^)  Während  in  }\abeam^  valeam,  sapiam,  faciam  und  (nach  Analo- 
gie) in  *fall'i'ai,  ^ail-i-am  e,  resp.  %  der  lat.  Ableitungsvokal  und  a  der 
lat.  Modusvokal  (=  franz.  e)  ist,  muss  man  in  dem  i  der  Eoinunktive 
sim,  possim,  vöHm  (neben  veäm ,  alt ,  sogar  noch  bei  Cicero ,  vgl.  Neue, 
lat.  Formenlehre,  II,  p.  606)  den  altlat.  charakteristischen  Vokal  des 
Eonj.  Präs.  (vgl.  Neue,  U,  p.  441)  sehen,  der  im  Vulgärlatein  als  Stamm- 
vokal behandelt  wurde,  an  den  man  als  neuen  Modusvokal  a  anfügte, 
daher  alt&.  seiej  soie  =  lat.  st- am  (neufr.  sois,  vgl.  altfr.  seit  =  neufr. 
soit  direkt  vom  lat.  stt  abgeleitet),  puisse  (altfr.  auch  poisse,  Alex.  31c) 
=  possi-am,  veuille  (altfr.  voiüe,  vueille,  vosiüe  u.  s.  w.)  =  völi^am.  — 
Es  sind  romanische  oder  spät  vulgärlateinische  Neubildungen  und  haben 
nichts  mit  den  vollen  altlat.  Formen  zu  thun,  die  sich  für  das  Verbum 
esse  neben  sim,  sis,  sit^  sint  =  siem,  sies,  stet,  sient  (vgl.  Neue,  11,  592  f.) 


Schidgrammatiken.  75 

kaon  natürlich  bei  den  betreffenden  Verben  nur  die  Thatsache  eines 
franz.  Eonj.  Prae. ,  der  im  Stamme  eine  lautliche  Verschiedenheit  vom 
Ind.  Präs.  zei^t,  konstatiert  werden. 

P.  „7)  Die  2.  Plar.  Präs.  Ind.  endigt  auf  -es  in  vous  faiies,  vous 
dites  (sowie  votis  rediies)  und  vous  iies;  ebenso  die  entsprechenden 
Formen  des  Imperativs  (doch  soyez).^ 

Die  ßndung  ist  nicht  -es,  sondern  -tes,  lat.  -lis!  Dieses  Personal- 
suffix der  2.  Plur.  ist  im  Franz  in  den  drei  Modis  des  Präsens  —  ausge- 
nommen die  von  P.  angeführten  Fälle  — ,  im  Ind.  Impf,  und  Konj.  Impf. 
{=  lat.  Konj.  Plqupf.)  regelmässig  in  z  (nrspr.  =  t  -]-  s)  zusammenge- 
zogen worden,  indem  sich  der  vorhergehende  betonte  Vokal  (Ableitnngs- 
vokal  und  Bindevokal)  in  der  einzigen  Form  e  (geschloss.)  erhalten  hat; 
das  der  Tonsilbe  folgende  i  in  -tis  musste  nach  der  Bep^el  vom  n&ccent 
tonique^  ausfallen:  -äiis  wurde  -eZf  und  so  nach  Analogie  -itiSf  'itis  und 
4iis  mit  vorgerücktem  Accent.  Von  den  Verben,  die  im  Lat.  den  Binde- 
vokal t  vor  dem  Personalsuffix  der  2.  Plur.  haben,  entzogen  sich  nur 
facere  und  dicere  der  Analogie  der  übrigen  Verba:  das  X  blieb  bei  diesen 
Verben  unbetont  und  fiel  daher  aus,  während  das  %  des  Personalsuffix 
'tis  wegen  der  dadurch  entstandenen  Konsonantenkombination  in  Gestalt 
von  e  bewahrt  werden  musste:  faclijtis  gab  fai-ies,  dicpjtis  gab  di-ies. 
Die  Komposita  von  dire  sind  aber  alle  ausser  redire  der  übermächtigen 
Analogie  der  anderen  Verba  gefolgt,  ebenso  die  zwei  Komposita  mit 
verändertem  Stammvokal  von  faire,  conftre^  suffire.  In  der  2.  Plur.  Ind. 
Präs.  von  esse  war  schon  im  Lat.  der  Bindevokal  %  nicht  vorhanden, 
weshalb  -tis  =  -ies  erhalten  werden  konnte:  lat.  es -tis  =  franz.  ^-tes. 
Ebenso  ist  nach  vorausgehendem  s  das  Personalsnffix  -lis  =  -tes  im 
franz.  bist.  Perf.  aller  Verba  bewahrt  worden,  indem  später  das  s  (vor 
folg.  Kons.)  ausfiel :  lat.  amasiis  {amavistis)  =  franz.  aimä-tes  u.  s.  w.  — 
Die  „Regel"  7)  sollte  demnach  ungefähr  so  lauten:  Die  2.  Plur.  Ind. 
Präs.  endigt  auf  -tes  (lat.  -tis)  in  vous  fai-tes,  vous  di-tes,  vous  S-ies^ 
ebenso  die  entsprechenden  Formen  des  Imper.  (doch  soyez).  Die  zwei 
Komposita  von  faire:  suffire  und  confire,  alle  Komposita  von  dxre  (ausser 
redire)  sind  der  Analogie  der  übrigen  Verba  gefolgt  und  haben  in  der 
2.  Plur.  Präs.  Ind.  und  Imper.  mit  erhaltenem  Ableitungsvokal  (resp. 
Bindevokal)  die  Endung  -ez  erhalten.  —  Das  Personalsnffix  -ies  =  lat. 
'tis  findet  sich  noch  im  bist.  Perf.  aller  Verba:  votis  atm-ä-tes  u.  s.  w. 

P.  fährt  fort:  „Die  1.  Plur.  Präs.  Ind.  endigt  auf  -es  in  nous 
sommes."' 

Auch  dies  ist  unrichtig.  Das  Personalsuffix  dieser  Form  ist  -mes 
{mm  zur  Bezeichnung  der  Aussprache,  vgl.  honne^  honne)  =  lat.  -mus 
mit  erhaltenem  u  =  ^,  vgl.  i  =  ö^  in  dem  Personalsuffix  -iis  =  -tes^  cf. 
oben.  Da  aber  der  Ableitungsvokal  aller  Konjugationen  und  ebenso  der 
Bindevokal,  wo  sich  diese  im  Franz.  deutlich  erhalten  haben,  in  der 
französischen  Grammatik  am  besten  zur  Endung  gerechnet  werden,  so 
muss  man  als  die  Endung  der  Form  sommes  —  ommes  bezeichnen:  der 
lat.  Bindevokal  ü  ist,  weil  er  in  betonter  Silbe  vor  fol^.  Nasalis  stand, 
regelmässig  zu  o  (geschloss.  in  der  Sprache  des  Rolandsliedes)  geworden. 
Ursprünglich  hat  im  Franz.  die  1.  Pers.  Plur.  des  Präs.  Ind.  aller  Verba 
mit  wenigen  Ausnahmen  (-mes)  auf  -ommes,  altfranz.  -omes,  -umes  (u 


selbst  im  klass.  Lat.  erhalten  haben.  Das  nach  i  stehende  e  hätte 
schwinden  müssen.  —  Das  i  dieser  Konjunktive  sim,  possim,  voUm  (velim) 
ist  urspr.  lang  gewesen,  aber  frühzeitig  —  zuerst  in  den  Formen  mit  t 
(sit)  —  verkürzt  worden,  vgl.  Neue,  11,  443. 


76  Lilterarische  (Chronik.     A.  Rambeau, 

gleich  oder  sehr  nahe  dem  geschlossenen  d)  geendet ,  was  erst  spater  in 
'Oms,  dann  -ans  zusammengezogen  worden  ist.  Die  volle  Endung  -ommes 
erhielt  sich  nur  in  nous  sommes,  da  sonst  diese  Form  in  der  Aussprache 
mit  sont  =  lat.  sunt  zusammengefallen  wäre.  Dies  geschieht  auch 
wirklich  in  der  heutigen  Volkssprache.  Vgl.  in  einem  Volksliede 
der  Champagne  (Scheffler,   Die   französische  Volksdichtung  und  Sage, 

'  ^*        ''*  Quand  noics  sont  mari§s, 

Les  femmes  notts  chagrinent. 

Dem  0  der  Endung  -ons,  altfranz.  -omes  liegt,  wie  in  nous 
sommes,  so  auch  in  der  1.  Pers.  Plur.  Präs.  Ind.  der  übrigen  Verba 
ohne  Ableitungsvokal  (vgl.  auch  die  betr.  Form  der  anderen  Tempora 
und  Modi)  der  altlat.  Bindevokal  ü  zu  Grunde,  der  sich  vor  folg. 
labial-nasalen  Mittellaut  (dem  w-Vokal  verwandt)  im  Vulgärlatein  leicht 
erhalten  konnte,  während  er  im  klassischen  Latein  wohl  vor  dem 
Suffix  'Ut  blieb,  aber  vor  -mus  analog  der  2.  und  3.  Sing,  und  2.  Plur. 
der  Bindevokal  t  herrschend  wurde.  Man  findet  im  klass.  Latein 
ausser  s-Ümus  auch  vol-ümus,  mal-ümus,  nol-ümns  und  neben  quces-lmiis 
noch  quces'ümus,  vgl.  Neue,  Lat.  Formenlehre  II,  437.  —  Der  Accent 
ist  allgemein  im  Vulgärlatein  in  der  Konjugation  vom  Stamme  auf 
den  ursprünglich  unbetonten,  in  vorletzter  Silbe  stehenden  Bindevokal 
vorgerückt,  und  so  erhielt  auch  ü  der  Endung  -ümus  in  der  1.  Plur. 
Präs.  Ind.  den  Ton,  wie  l  der  Endung  -iiis  in  der  2.  Plur.  Präs.  Ind. 
und  t  =  ü  der  Endung  -Uum  =  -ütum  im  Part.  Prät.  Vgl.  nous  voul- 
ons  =  vol'^mus  st.  völ-ümus;  vous  voul-ez  =  vol-ttis  st.  völ-ttis^  klass. 
lat.  vuliis;  perdu,  altfr.  perdut  =  perd-ttum  9>t,  perd-ltum,  ital.  j)erd-uto. 
Das  betonte  ü  vor  m  in  der  1.  Plur.  Präs.  Ind.  aller  dieser  Verba 
wurde  regelmässig  zu  o  (geschlossen  in  der  Sprache  des  Bolandsliedes). 
Die  übrigen  Verba  mit  den  Endungen  -ämus,  -Smus,  -ttnus  sind  der 
Analogie  dieser  Verba  mit  der  Endung  -'ämus  (klass.-lat.  meist  -ttnus) 
in  der  1.  Pers.  Plur.  gefolgt.^)  Das  alte  Personalsuffix  -mes  =  lat. 
'tntis  zeigt  sich  noch  heute  im  Perf.  bist,  aller  Verba:  nous  aim-ä-mes, 
rend-i-mes,  regä-mes,  vün-mes,  vl-mes  u.  s.  w.  Vgl.  -tes  =  lat.  -tis  im 
Perf.  bist. 

Den  neufranz.  Formen  der  2.  Plur.  Präs.  Ind.  vous  fai-tes,  di-tes, 
S'ies  entsprechen  im  Altfranz,  die  Formen  der  1.  Plur.  Präs.  Ind.  mit 
betont  gebliebenem  Stamme  und  regelmäss.  Ausfalle  des  in  der  vor- 
letzten, unbetonten  Silbe  stehenden  Bindevokals:  di-mes  =  lat.  dicli/mus, 
fai-mes  =  lat.  fäclijmus  und  so  vielleicht  auch  es-mes  (im   Alexislied) 


')  Altfranz,  -omes,  -ons  =  lat.  -amus^  -emus,  -imus  ist  also  nicht 
eine  Analogiebildung  nach  der  einzigen  Form  somes^  sommes  =  lat. 
sümus,  was  sehr  unwahrscheinlich  wäre ,  sondern  überhaupt  nach  der 
Präsensform  auf  -omes,  -ons  =  lat.  -'ämus  mit  erhaltenem  und  betontem 
Bindevokal  ü  =  altfranz.  u,  o  (geschlossen).  Diesen  Vokal  vor  -mes, 
-ns  aus  des  Nasalierung  des  a,  e,  t  in  den  Endungen  -am  (-amsj,  -em 
(-ems)t  'im  f-imsj  =  -amus,  -emus,  -imus  und  der  Trübung  dieser  Vo- 
kale zu  o  (u)  zu  erklären,  wie  es  Delius  (vgl.  Diez,  Gram.  II,  226)  thut, 
dem  auch  Freund  (Verbalflexion  der  ältesten  franz.  Sprachdenkmäler, 
p.  29)  beizupflichten  geneigt  ist,  scheint  mir  deshalb  unnötig.  Eine 
nachträgliche  Erweiterung  von  chantom  oder  chantoms  zu  chantomes, 
die  Dehus  ebenfalls  annehmen  möchte,  ist  wenig  glaublich,  da  die 
Formen  auf  -mes  gerade  sehr  alt  sind.  Vgl.  posdomes,  Fragm.  Val., 
Ausg.  Koschwitz,  p.   12  (38). 


SchnUp^ammatiken.  11 

=  altlat.  e'slnfmus,  wenn   es  nicht  besser  als  eine  spez.  franz.  Anbil- 
diing  an  es-tes  (neufr.  MesJ  =  lat.  es-tis  aufgefasst  werden  mass. 

Die  Regel  in  Nr.  7  ist  demnach  so  zu  fassen:  Die  1.  Plur.  Präs. 
[nd.  endigt  auf  -ommes  (in  allen  übrigen  Fällen  -ons)  in  nous  s-ommes 
[Stamm  s-  =  es\  vgl.  vous  ^-tes.  Das  alte  Personalsuffix  -mes  (sonst 
ns)  =  lat.  'imis  hat  sich  ausserdem  im  Perf.  hist.  aller  Yerba  erhalten. 
Zu  den  §§  71  — 102,  in  denen  P.  die  einzelnen  Verba  der  drei 
,abgezweigten"  (archaischen)  Konjugationen  mit  ihren  charakteristi- 
chen  Formen  nach  der  in  §  69  aufgestellten  Einteilung  vorführt,  habe 
3h  nur  wenig  zu  bemerken,  da  das  meiste  und  wichtigste,  was  zu 
iesen  §§  bemerkt  werden  könnte,  schon  bei  der  Besprechung  der 
!  int  eilung  von  mir  gesagt  worden  ist.  Eins  vermisse  ich  bei  der 
nführung  aller  dieser  verba,  die  genaue  Bezeichnung  des  Stammes 
eben  den  drei  Hauptformen,  die  P.  durch  den  Druck  hervorzuheben 
ad  vorauszuschicken  pflegt  (Infin. ,  Bist.  Perf. ,  Part.  Prät.).  Femer 
Ute  P.  bei  vielen  Verben  nicht  bloss  die  lautlichen  Veränderungen 
ilbst,  die  etwa  im  Stamme  eintreten,  sondern  auch,  wo  es  sich  mit 
3m  Standpunkte  des  Schülers  verträgt,  die  Gründe  derselben  kurz 
igeben  oder  andeuten  sollen. 

§  72.  P.  „Verba  auf  -ir  mit  reinem  Stamm.  Hist.  Perf.  -is, 
irt.  Prät.  -t.  Wechsel  von  i  und  y,  Fuir  (fliehen) ;  je  fnis;  fui.^  Ich 
irde  hinzufügen:  St.  fuy-  (lat.  fxig-)  vor  vokalisch  anlautenden,  voU- 
nenden  Endungen  ausser  %;  fui-  vor  konsonantischen  Endungen  und 
immem  e.  Folgt  in  der  Endung  ein  i,  so  verschmilzt  damit  das 
immhafte  y  (i). 

§  73.  P.  „Verba  auf  -ir  mit  reinem  Stamm.  Hist.  Perf.  -is; 
rt.  Prät.  -i.  Mouillirtes  U  fällt  aus  oder  verschmilzt  mit  dem  vor- 
^gehenden  Vokal."     Es  folgen  bouülir  und  faUlir. 

Das  /  mouille  (geschrieb.  -iU-  vor  Vokal.)  der  Stämme  bouiU'  und 
!/-  kann  vor  konsonantischen  Endungen  nicht  stehen,   sondern  wird 

Eegel  gemäss,  wie  einfaches  /  und  Doppel-/  vor  Konsonant.,  be- 
idelt  und  zu  u  vokalisiert  (vgl.  travaü-s  =  iravaux) ,  das  in  faiüir 

a  zu  au  =^  0  (gespr.)  verschmilzt,  in  bonUUn"  im  Stammvokal  t^ 
jchrieb.  ou)  aufgeht :  je  faux  (st.  fau-s,  fad-s),  je  bous. 

§  74.  P.  „Verba  auf  -ir  mit  reinem  Stamm.  Hist.  Perf.  'is; 
t.  Prät.  -}.     Das  mouillierte  ü  bleibt  erhalten.    Präsens,  Imperfekt 

Futurum  wie  bei  der  I.  Hauptkoi^jugation."  Es  folgen  cueüür  und 
ir  mit  ihren  Kompositis. 

Warum  sollen  das  Imperf.  (P.  meint  Ind.  Impf.)  und  das  ganze 
lens  nach  der  I.  Hauptkonjugation  gehen?  Ind.  Impf.  ^-at>,  -ais,  -ait, 
',  -iez,  -aient),  Ind.  Präs.  Plur.  (-ons ,  -ez,  -entj  und  ebenso  Imper. 
.  (-ons,  -ez),  Konj.  Präs.  (-e^  -es^  -<?,   -ions,  -iez,  -entJ  von  ctteüHr 

w.  haben  ja  dieselben  Endungen,  als  die  bezüglichen  Formen  der 
>a  pariir^  darmir  u.  s.  w. ,  die  P.  in  §  71  anführt,  ohne  irgend 
he  Formen  dieser  Verba  überhaupt  der  I.  Hauptkonjugation  zuzu- 
3n.  Ausserdem  sind  es  Endungen,  die  sich  in  allen  Konjugationen 
erfinden,  auch  in  der  IL  Hauptkonjugation,  wenn  man  gebühren- 
assen die  Inchoativsilbe  -iss-  zum  Stamme  rechnet.    Nur  im  Sing. 

Ind.  f-e ,  -es,  -e)  und  daher  auch  im  Sing.  Imper.  (-e  neben  -es 
'in  ,  y)  von  cueülir  u.  s.  w.  kann  von  Endungen  der  I.  Hauptkon- 
ion gesprochen  werden,  obgleich  der  Grund  derselben  ein  ver- 
lener  ist.  In  der  I.  Hauptkongugation  ist  nämlich  das  e  der  En- 
in  des  Sing.  Präs.  Ind.  und  Imper.  der  regelmässige  Vertreter 
Lt.  Ableitungsvokals  a  und  war  daher  urspr.  in  der  1.  Sing,  nicht 
nden:    lat.  amo^  altfr.  aim  mit  regelm.  Wegfall  des  0,  neufr.  und 


78  LitterarUiche  Chronik.    A.  Ra^nheau. 

spät  altfranz.  aime  durch  Analogie.  Bei  cueiUir  u.  s.  w.  musste  der 
Bindevokal  {cöUlgo^  cöliigist^  cöUlgii^  cölkge)  nach  den  Lautgesetzen  ab- 
gestoBsen  werden,  wie  es  auch  wirklich  im  Altfranz,  geschehen  ist 
(vgl.  1.  Sing,  rekiiel^  3.  Sing,  esketit  mit  vokalisiertera  /),  aber  zur  Be- 
wahrung des  /  niouilie  (urspr.  =  /  -f  Halbvok,  j  =  lat.  ä  -{-  g),  das 
in  den  übrigen  Formen  vor  vokalischen  Endungen  berechtigt  war, 
wiirde  in  späterer  Zeit  ein  „stützendes"  e  muet  in  den  Formen  des  Sing. 
Präs.  Ind.  und  Imper.  angefügt.  —  Ich  würde  in  einer  Schulgrammatik 
sagen:  Das  -ill'  (l  mouiUe)  bleibt  überall,  auch  im  Sing.  Präs.  Ind.  und 
Imper. ,  weshalb  hier  die  Endungen  der  I.  Hauptkonjugation  -e ,  -es 
(Imper.  -e*,  -es)  -e  statt  s^  -f,  -i  an  den  Stamm  ti'eten.  Das  Präs.  Fut. 
und  Impf.  Fut.  der  Verba  amllir,  accueülir,  recueillir,  saillir  sind  offen- 
bar nach  dem  Vorbilde  dieser  vier  Formen  von  einem  Infin.  auf  -er 
statt  'ir  gebildet  worden.  Die  Komposita  von  saillir:  assaillir  und 
tressaillir  bilden  die  zwei  Tempora  des  Futurum  regelmässig. 

§76.  P.  „Verba  auf  -ir  mit  reinem  Stamm.  Hist.  Perf.  -is ; 
Parte.  Prät.  -i.  Präsens  und  Imperfekt  wie  bei  der  I.  Hauptkonjuga- 
tion."    Es  folgen  ouvrir,  couvrir^  so^fffrir  u.  s.  w. 

Auch  hier  ist  es  nur  der  Sing,  des  Präs.  Ind.  und  Imper.,  wo 
sich  wirklich  die  abweichenden  Endungen  der  I.  Hauptkonjugation  (-e, 
-es,  -e ;  -e)  zeigen.  Der  lat.  Bindevokal  ist  in  diesen  Formen  als  e  zur 
Stütze  der  gehäuften  Konsonanten  (vr,  ffr)  bewahrt  worden.  Für  La- 
teinisch lernende  Schüler  ist  es  notwendig,  beim  Part.  Prät.  auf  -i  auf 
die  entsprechenden  lat.  Formen  zu  verweisen  und  daraus  das  im  Stamme 
erhaltene,  betonte  e  vor  rt  zu  erklären:  lat.  aper-t-um  =:  franz.  ouver-l, 
lat.  Stamm  aper-,  franz.  ouver-,  ouvr-. 

§  77.  Acquerir  und  die  übrigen  Komposita  von  querir  (querv').  — 
Für  Lateinisch  lernende  Schüler  muss  erwähnt  werden,  dass  im  Präs. 
und  Ind.  Imperf.  der  Stamm  des  lat.  Simplex  (quoerere)  mit  a?  (=  im 
Vulgärlatein  ^)  =  franz.  e,  ie,  im  Hist.  Perf.  und  Part.  Prät.  und  in 
den  abgeleiteten  Formen  der  Stamm  der  lat.  Komposita  (conquisi  st. 
conquisivi,  conqulsfim  st.  conqufsltum)  mit  l  =  franz.  i  verwandt  wor- 
den ist.  P.  sagt  in  diesem  §:  „Verba  auf  -ir  mit  reinem  Stamm.  Hist. 
Perf.  'is;  Parte.  Prät.  -i>."  Vgl.  oben  §  69.  Man  muss  etwa  sagen: 
acquerir,  St.  acquer*.  Im  Hist.  rerf.  und  Part.  Prät.  zeigt  sich  i  vor  s 
(=  r  im  Präs.)  im  Stamme;  das  e  des  Präsensstammes  geht  in  den 
stammbetonten  Formen  d.  h. ,  wenn  keine  volltönende  Endung  folgt, 
in  den  Diphthong  ie  über :  acqtäer-,  vor  stummem  e  acquier-  mit  einem 
accent  grave  zur  Bezeichnung  des  offh.  e  (vgl.  Unir^  venir  u.  a.). 

§  78.  Tenir^  venir.  —  Es  ist  hinzuzufügen:  St.  ien-,  ven- ;  in 
den  stammbetonten  Formen  des  Präsens  wird  das  e  zu  ie  diphthon- 
giert: iien-,  vien-,  vor  stummem  e  in  der  Endung:  tienn-,  vienn-  mit 
verdoppeltem  n  zur  Bezeichnung  des  oflb.  e  (vgl.  appeler^  acquerir  u.  a.). 
P.  sagt  selbst  richtig  an  dieser  Stelle:  „Hist.  Perf.  mit  -t-  in  der  be- 
tonten Stammsilbe."  —  Das  euphonische  ^  des  Präs.  Fut.  und  Impf. 
Fut.  müBste  kurz  erklärt  und  mit  analogen  Fällen  verglichen  werden, 
cf.  oben  §  69. 

§  79.     Courif\    §  80.     Mourir. 

Das  Futurum,  je  courrai,  Je  mourrai^  muss  erklärt  werden:  es 
ist  nicht  von  dem  Inf.  auf  4r,  sondern  von  einem  Inf.  der  2.  archai- 
schen Konjugation  auf  -re  abzuleiten,  vgl.  die  alte  Nebenform  des  Inf. 
caur-re,  lat.  ciirr-S-re^  lat.  mdr-^-re  statt  des  Depon.  möri.  Bei  dem 
letzteren  Verbum  ist  hinzuzufügen:  St.  mour-,  in  den  stammbetonten 
PiÄsensformen  metir-,  vgl.  pouvoir,  vouloir^  mouvoir. 

§  82.     Coudre.  —  Ergänze:   St.   cous-.  —  Das  euphonische  d  im 


SchiiüjrammaiikeH.  ^V 

=  4^ ITT.   zwischen   weich,  s  -\-  rj  mass  erklärt   and  mit  lkkiu\'**:h^it 

i:  .1.        v-f*ri?lichen  werden :   moudre^  je  tiendrai  u.  ä.  —  \)iteiiieii>  d  i»ft  Ä«i 
.  t^räs.  Ind.  und  Imper.,  jedoch  nar  in  der   Schrift,  ^nt/^K' 
--.      -.^  vtfi.  oben  §  69. 

t;^_.        .;;.     Suivre,  ecrire.  —  Ergänze:   St.  suiv-.^   ^criv-.  —  Der  End' 

-'.  .^tiL  ae8  Ötammes  v  darf  nicht  vor  konsonantiBchen  Endangen 

iv  aui-s  u,  8.  w.,  fecri-s  u.  s.  w.,  auch  ecri-t  =  lat.  scriihi'Um, 

«^  _•  -^rvir  ^11.    Dieses  v  erhält  sich  vor  dem  Mittellaute  r  im  Inf, 

.  ViHi  in  viü-re^  aber  nicht  in  ecrire^  boi-re  (St.  huv-^  botv-J. 

"  t^k.     Traue »  —  Ergänze:   St.   tray-  vor  vokalisch  anlautenden, 

••  tiaen  Endungen ,    trai-   vor    stummem   e   und   konsonantischen 

iMi.     Vgl.  I.  Hauptkonjug.,  payer^  je  paye  und  je  paie  u.  s.  w. 

s    öO.     Coiuluire,    consitmif'e   und   die   anderen   Komposita   von 

Aimire;  cuire ^  nuire.  —  Ergänze:  St.  conduis-  vor  vokalischen, 

«-  vor  küusonantischen  Endungen:  nous  conduis -ons,  ü  condui-ij 

iiiL.  condui't^  lat.  conduc-i-um  u.  s.  w.  —  Das  Part.  Prät.  von 

liuL  das  Suffix  -/  verloren:  nui,  cf.  oben  §  69. 

oruirc.    —    Ergänze:    St.    bruy-    vor   vokalischen,    volltönenden 

.4.:jt;u,   bt'ui-  vor   Konson.   nach   stummem  e:  bruy-atil^   ü  brui-t, 

liauptkoujugation,  ennuyer,  fewmie  etc.,  oben  §  72  fuir^   St. 

,  fif. 

s^  8t).     Luire.    Vgl.  nuire. 

.>  87.     Clore^  eclore.  —  Ergänze  St.  clo-,  dclo-.    Vgl.  altfr.  cloons, 

..11/..  Formen  wie  closais,  c/osanl,  die  Brächet  (Gr.  hist.  p.  220)  er- 

...,  >etzen  einen  Nebenstamm  dos-  =  lat.  cktus-  neben  clo-  =  lat. 

»claudere)  voraus.     Vgl.  oben  §  70,  Nr.  2d. 

ji;   88.     Craindre  ^  eieindre^  joindre  und   die   übrigen  Verba   auf 

.idre,  —  St.   craign-  vor  vokalischen ,   cratn-  vor  konsonantischen 

.ugen   u.  8.  w.;  n  mouiüe  (gn)  kann  nur  vor  Vokalen,  auch  vor 

.liueu   6',   gesprochen  werden,  n  stellt  in  a'ain-^  ätein-  u.  s.  w.  mit 

vorhergehenden  Stammvokal  einen  einzigen  Laut,   einen   Nasal- 

..ii,    dar.    Bei  diesen  Verben  erwähnt  auch  P.  die  Veränderlichkeit 

otammes:    „«  vor  Konsonant,  gn  vor  Vokal."  —  Das  euphonische 

.1  Inf.  ist  kurz  zu  erklären ,  vgl.  analoge  Fälle,  je  tiendrai  u,  s.  w., 

«»ben  §  69. 

§  89.     Nmtre.  —  Ergänze:   St.  naiss-  (lat.   nasc-)  im  Präs.  und 

..  Impf.;  'SS'  fällt  vor  konsonantischen  Endungen  aus  und  wird  vor 

auch  dem  euphonischen  t  des   Infin.)   durch  den  Circumflex  ersetzt, 

..   §   93   connattre,  parmtre  etc.     St.  nagu-  im  Hist.  Perf.  und  Konj. 

•ipf.  (=  lat.  Konj.  Plusqupf.).  —  Das  unregelmässige  Part.  Prät.  ne' 

.lt.  natumj  ist  wie  das  der  I.  Hauptkonjug.  gebildet. 

§  90.     Faire.  —  Ergänze:   St.  fais-  vor  vokalischen,  fai-  vor 
onsonantischen  Endungen  im  Präs.  und  Ind.  Impf.,  also  nous  faiS'Ons, 
ons  fai-tes  (vgl.  oben  §  70,  Nr.  7);  ausgenommen  sind  die  abweichen- 
len  Formen  iS  fönt  =  lat.  faciunt  (vgl.  ont^  sont^   vont  §  70,  Nr.  8) 
und  Konj.  Präs.  gue  je  fasse  =  lat.  faci-am  (vgl.  oben  §  70,  Nr.  5).  — 
P.     „In  den  mehrsilbigen  Formen  (also  ausserhalb  der  Tonsilbe)  klinget 
<ä  der  Stammsilbe  wie  ^,  man  spricht  nous  faisons^  faisant,  je  faisais 
wie   fezon^  fezan,  feze  u.  s.  w.    Doch  ist  nicht  beim  Schreiben  e  für 
ai  zu  setzen."  —  Die  Bezeichnung  dieses  Lautes  mit  e  ist  sehr  undeut- 
lich;   denn   auch  in  der  Tonsilbe  klingt  das  stammhafte  ai  =  ^,  aber 
lang   und   offen :   faire ,   nicht  ganz   so   lang  in  Je  fais  u.  s.  w.,  Part. 
Prät.  fait.    In  den  Formen  mit   volltönenden  Endungen,  nous  faisons^ 
je  faisais  u.  s.  w.,  ist  dieses  e  (geschr,  ai)  ebenfalls  gewöhnlich  offen, 
,iber  kurz,  wenn  es  nicht  gar  oft  wie  ein  e  muei  verklingt  oder  auch 


80  Liiierarische  Chromk.    A.  Ramheau, 

wohl  manchmal  gleich  dem  Bch wachen,  kurzen  offenen  J-Laut  (vgl.  le 
perej  gesprochen  wird.  Das  Präs.  Fut.  und  Impf.  Fut.  müssen  hier 
oesonders  hervorgehoben  werden :  die  Aussprache  des  unbetonten 
Stammvokales  =  kurz.  off.  e  oder  kurz.  off.  ö  oder  gewöhnl.  =  e  muet  hat 
in  diesen  Temp.  die  Orthographie  beeinflusst : /tf /i?r«i  =  fair\e\-a%^je  ftn'ais 
=  /IwrM  -  [ö«;]aw;  im  Inf.  bleibt  ai  in  der  Schrift,  weil  es  hier  betont 
una  daner  =  lang.  offn.  e  ist.  —  Die  meisten  Komposita  von  faire 
haben  ai  im  Präsensstamme;  i  haben  nur  confire^  suffire:  St.  confts-^ 
suffis'  vor  vokal.,  confi-^  svffi-  vor  konsonantischen  Endungen.  Also 
Part.  Prät.  confi-t;  in  suffi  ist  das  Suffix  t  weggefallen. 

Von  frire^  das  P.  in  demselben  §  anführt,  ist  nur  der  Stamm 
fri'  anzunehmen,  wenn  auch  in  den  jetzt  gebräuchlichen  Formen  dieses 
defektiven  Verbum  der  Stamm  nur  vor  konson.  Endungen  erscheint. 
Brächet  (Gr.  bist.  p.  219—220)  erwähnt  als  altfranz.  Fornion  friais^ 
friant^  Konj.  Präs.  frie  etc.,  welche  den  Stamm  fri-  auch  vor  vokali- 
Bchen  Endungen  zeigen.  Vgl.  das  neufranz.  Adj.  und  Subst.  fri- and. 
Frire  ist  daher  eher  neben  iHre  (St.  ri-),  das  P.  erst  in  §  92  anführt, 
zu  stellen. 

Ich  übersehe  dire  in  §  90,  prendre  und  mettre  in  §  91,  rire 
in  §  92 ,  da  sich  meine  Bemerkungen ,  die  ich  eventuell  zu  diesen 
Verben  machen  könnte,  aus  dem,  was  ich  im  allgem.  bei  §  69  gesagt 
habe,  von  selbst  ergeben. 

§  93.  ConnaUre,  paräiire^  palli-e^  croiire.  —  Ergänze:  St.  con- 
naiss-,  paraiss-^  paiss-^  croiss-  im  Präs.  und  Ind.  Imperf. ;  -ss-  (=  lat. 
inchoat.  -sc-)  fällt  vor  konsonantischen  Endungen  aus  und  wird  vor  t 
durch  den  Circumflex  ersetzt,  auch  vor  dem  euphonischen  i  im  Infin. 
(vgl.  oben  nältre).  Bei  croitre  findet  sich  der  Circumflex  auch  in 
anderen  Formen  zur  graphischen  Unterscheidung  von  gleichlautenden 
Formen  des  Verbum  croire,  —  Wegen  des  Hist.  Perf.  -us  und  des 
Part.  Prät.  -u  vgl.  die  Verba  auf  -oir^  wie  recevoir  etc.,  cf.  oben  §  69. 

§  94.  Croire.  Präsensstamm:  croi-  vor  konsonantischen  Endun- 
gen und  stummem  <f,  croy-  vor  vokalisch  anlautenden,  volltönenden 
Endungea.  Vgl.  I.  Haupttonjug.  employet^  u.  a.,  femploie^  und  voir,  je 
voiSj  nous  voyons. 

Boire.  —  Präsensstamm:  huv-  (lat.  Mh)  vor  vokalisch  anlauten- 
den, volltönenden  Endungen,  boiv-  vor  stummem  e  und,  mit  regel- 
mässigem Wegiall  des  t;,  vor  allen  konsonantischen  Endungen :  üs  boi- 
veni^  je  hois^  boire.  Vgl  oben  ecrire  Für  Lateinisch  lernende  Schüler: 
lat.  i  geht,  wenn  es  betont  ist,  im  Franz.  in  oi  über,  üs  boiveni  =  lat. 
bibunt,  vgl.  ils  recoivent  =  lat.  rectp[i]unt. 

Piaire.  —  rräsensstamm :  piais-  vor  vokalischen,  plai-  vor  kon- 
sonantischen Endungen,  ebenso  iah^e:  tais-,  tat-,  lire:  lis-,  ii-.  Wegen 
des  Hist.  Perf  -as  und  Part.  Prät.  -m  von  croire,  boire,  pUdre,  iaire, 
Ure  vgl.  die  Verba  auf  -oir,  wie  recevoir  u.  a.    §  69. 

Conclure,  das  P.  in  demselben  §  erwähnt,  gehört  nicht  hierher: 
St.  conclu-  in  allen  Formen.  Vgl.  oben  §  69  und  sein  Simplex  clwe 
(St.  clO'J  in  §  87  und  rire  (St.  ri-)  in  §  92:  Hist.  Perf.  je  ri-s,  conclu -s 
=  lat.  ri-si,  conclü'Si. 

§  95.  Moudre.  —  Ergänze:  St.  moul-,  l  vor  folg.  Kons,  zu  «  vo- 
kalisiert.  Das  euphonische  d  des  Infin.  (zwischen  /  +  r)  ist  in  den  Sing. 
Präs.  Ind.  eingedrungen,  aber  nur  graphisch. 

Rdsoudre  und  die  anderen  Komposita  des  veralteten  soudre  (lat. 
solvere)  —  Ergänze:  St.  resolv-  vor  vokalischen,  resol-  =  re'sou-  (mit 
regelm.  Wegfall  des  v  und  Vokalisierung  des  /  zu  u)  vor  konsonanti- 
schen Endungen ;  im  Inf.  euphon.  d  zwischen  /  -f-  r.  —  Das  Part.  Prät. 


Se/f  nUjramma  tiken .  8 1 

Im.  maz      —  Noinitinlsnffix  -.9,   i^esolu  ist   direkt   von  der  klass.  Tat. 

FäiifiL  -9^=.       ■   'Wi    <ro bildet,    mit  u  =  t>,  wie  Hist.  Perf.  Je  resolus  (lat. 
dei-  cc_    -  .  leiaininen  Formen   des  Part.  Prät.  ahsoiite  (m.  absous)^ 

mnmsL.     _         .      /  %    erscheint  das  Nominalsuffix  -i^  vgl.  di-t^   di-te  = 

iftnt. 
koitMCBTT  j  //77'.    Ergänze :  St.  ^nv-  im  Präs.  und  Ind.  Impf. ;  v  fällt 

Ptefc:_  -vuiisonantischen  Endungen,  ausgen.  vor  r  im  Inf.,  vgl. 

v£-   •"-  '/-/r,  ecri-re.     St.  ?'t'<7-  im  Hist.  Perf.  und  Part.  Prät.:  je 

AT--  "    vy:i.  lat.  St.  ?)/?>-  und  vic-  {vic-si  =  vixi.  vic-ium), 

..--    1'.    hier   anführt,    ist  neben   aller  zu   stellen,   dessen 
'   ..*     -  «1:1  ii>^    von   verschiedenen    Stämmen   gebildet   sind:   St.   es- 

i~      -  m.  j;?  69. 

ih  roir  und  recevoir  nebst  den  anderen  im  Franz.  erhalte- 

'«•  ..-  düs  lat.  capere.    Ergänze:  Stamm  im  Präsens  und  Ind. 

itit't'  (lat.  dtfh^  recip')   vor   vokalischen,   volltönenden  Eu- 

/.   .  /iroir-  {oi  =  lat.  e,  J^  in  der  betonten  Stammsilbe)  vor 

'  itii  Endungen  und  stummem  e;   die  Labialis  {v  =  lat.  Ä, 

.kakni)  iällt,  wie  gewöhnlich,  vor  Konson.  aus,  vgl.  servir^ 

.    II.  ;i.  —  Über  das  Hist.  Perf.  und  Part.  Prät.  vgl.  §  69. 

i;ei  valoii^  (St.  ?;«/-),  falloir  (St.  fall-)  und  vouloir  (St  voul-) 

Isicrung  des  /  (U)   vor   Konson.    zu    z/   und   das   Eintreten 

i    in  den  stammbetonten  Formen  des   Konj.  Präs.   (cf.   oben 

. /.iilu^ben.     Im  Präsens  von  vouloir   findet  eine   vom   accent 

uii^te    Änderung   des  Stammvokals   statt:    voul-^  veul-,   vgl. 

/  -  [niourir).    Die  Schreibweise  x  =^  s  nach  aw,  <?w  (a?^r,  ^<ar) 

.  ..IC  orthographische  Kegel,   vgl.  §  70,  vgl.  auch  die  Plural- 

1    Siibstantiva. 

.>'.',     Pouvoir.   —   Ergänze:   Stamm  im  Präs.   und  Ind.   Impf. 

vokalischen ,   volltönenden  Endungen ;   eu   statt   ou  in   den 

iuten  Formen  des  Ind.  Präs.:  peuv-  vor  stummem  ^,  peu-  vor 

! Endungen,   vgl.  voul-,   veul-  (vouloir),  monr-,   meur-   (mourir), 

.u'Hv-   (mouvoir);  St.  puiss-  in  der  1.  Sing.  Präs.  Ind.  {je  puis 

pcux)  im  Konj.  Präs.  {que  je  puisse,   lat.  *possiam   st.  possim 

"itis  sim,  poiis  siem,  cf.  Neue,  Lat.  Formenlehre,  II,  601)  und  iu 

,iktiyischen   Nebenform    des   Part.    Präs.   pouvant   —   puissant 

^).     Über  den  Konj.  Präs.  vgl.  §  70.  —  Das  Futurum  je  poujTai 

Lateinisch  lernende  Schüler  leicht  zu   erklären:    rr   =    ir,   lat. 

>    pöi-,   vgl.  iiot-est,  pot-esiis  u.  a.     Das  v  im  franz.  Präs.  und 

liiipf.  ist,   lange   nachdem   das  zu  d  erweichte  intervokale   lat.  t 

fallen    war,    zur   Aufhebung    des   Hiatus    eingeschoben    worden: 

anz.  pouvoir,   nous  pouvons,   altfr.  pooir,  poons  u.  s.  w. ,   lat.  Inf. 

re  st.  poiesse,   gewöhnlich  posse ,  vgl.  ital.  potere,   span. ,  port., 

.  poder. 

De'choir,  e'choir,   die  Komposita   des   defektiven   und   veralteten 

.'r  (lat.  *cadire  st.  cädere).  —   Ergänze:   Stamm  im   Präs.   und  Ind. 

()f.    dechoy-   vor    vokalischen,    volltönenden  Endungen,    de'choi-   vor 

•US.  und  stummem  e,  vgl.  oben  croire  und  die  I.  Hauptkonjugation 

nployer).  —  Fut.  je  decherrai  mit  zwei  r,  vgl.  je  pourrai.    Für  Latei- 

.sch  lernende  Schüler:   Assimilation,   dr,   ir  =   rr;  choir  =   cader e, 

ouvoir,  lat.  Stamm  pöi-. 

§  100.  Savoir.  —  Vgl.  oben  §  69,  70.  Das  Futurum  je  saurai 
(st.  sav-r-ai)  ist  mit  j*anrai  (st.  av-r-ai)  zu  vergleichen:  die  Labialis 
V  =  lat.  b,  p)  ist  zu  dem  den  Labialen  verwandten  Vokal  u  geworden, 
das  mit  a  zu  einem  Laute  verschmolzen  ist. 

Mouvoir.  —  Ergänze :  Präsensstamm  mouv-  vor  vokalischen,  voll- 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VI  2.  n 


82  Littei'arische  Chronik.    A.  Rambeau, 

tönenden  Endungen,  meuv-  vor  stummem  e  und  konsonantischen  En- 
dungen, mit  regelmäss.  Wegfall  der  Labialis  vor  Konson.,  vgl.  sei^vir^ 
e'crire  u.  a.  —  Die  Schreibweise  evs  bleibt  in  diesem  Verbum:  je  ineus^ 
aber  je  peux,  veux,  vgl.  Ics  cheveiix,  aber  hleus  (bleu).  —  Das  Futurum 
je  7nouv7'ai  ist  regelmässig  gebildet,  wie  je  i'ecev?'ai,  je  devrai:  die  La- 
bialis ist  urspr.  stammhaft  und  erhält  sich  vor  dem  r  des  Infin.  in 
seiner  Zusammensetzung  mit  den  bezüglichen  Formen  von  avoh\  vgl. 
vivre.  In  pouvoir  ist  das  v  nachträglich  zur  Aufhebung  des  Hiatus 
zwischen  den  Vokal  des  Stammes  und  den  Vokal,  resp.  Diphth.  der 
Endung  eingeschoben  worden,  daher  Futurum  je  pourrai  mit  jt  =  ^r, 
vgl.  oben. 

Pleuvoir.  —  Ergänze:  Präsensstamm  pteuv-  (lat.  St.  plüv-  st.  plü-^ 
lat.  Inf.  ^pluere  st.  plüere) ;  Fut.  ü  pleuvra  ist  regelmässig.  Das  v  war 
schon  im  Vulgärlatein  stammhaft;  und  selbst  im  klass.  Latein  findet 
es  sich  nicht  bloss  im  Subst.  plüvia^  in  den  Adj.  plüvius,  plüvialis  u.  a., 
sondern  auch  in  Verbalformen:  plüvit  =  plüü  (Yerg.)^  plo vebat  (Petion.)^ 
und  in  einer  Opferformel  (bei  Fest.)  perplovere^  vgl.  Neue,  Lat.  Formen- 
lehre II,  498.  —  Dieses  v  ist  gemeinromanisch:  it.  piövei'e  und  prov. 
ploure  (u  =  t;,  Konj.  Präs.  plovä)  mit  erhaltenem  lat.  Wortaccent,  span 
llover  und  altfranz.  plovoir  =  neufr.  pleuvoir. 

Avoir.  —  Ergänze:  Präsensstamm  av-,  aber  mehrere  Formen  des 
Präs.  sind  eigentümlich  und  abweichend,  vgl.  §  70.  -r-  Fut.  j'aurai^ 
vgl.  savoir.  —  Über  das  Hist.  Perf.  -w^,  Part.  Prät.  -w  von  pouvoir^ 
de'choir,  e'choir^  savoir,  mouvoir,  pleuvoir,  avoir  vgl.  die  Verba  auf  -evoir 
§  97,  und  §  69. 

§  101.  Asseoir.  —  Ergänze:  Präsensstamm  asse-  im  Infin.,  wo 
e  nur  noch  graphisch  vorhanden  ist  {se-  Rest  der  lat.  Stammsilbe 
sSd-;  lat.  Inf.  ass^dere  st.  assXdere,  sSdere  =  altfr.  sedeir,  soueir,  seoir, 
imi  Neufranz,  einsilbig  geworden);  assied-  mit  erhaltenem  lat.  d  und 
Diphthongierung  des  lat.  ^  zu  «^  in  betonter  Stammsilbe  (vgl.  ien-, 
iien-;  ven-,  vien-)  im  Sing.  Präs.  Ind.  und  Imper.  vor  den  Endungen 
'S,  -s,  -t,  das  nicht  graphisch  bezeichnet  wird  (vgl.  ü  s' assied  —  il 
vendj;  assey-  in  allen  übrigen  Formen  des  Präsens  und  im  Ind.  Impf, 
(immer  vor  vokalischen  Endungen,  auch  vor  stummem  e).  Von  der 
zweiten  Gestalt  des  Stammes  bildet  das  defektive  Simplex  seoir  auch 
die  3.  Plur.  Präs.  Ind.  üs  sie'ent,  St  si^'-  statt  sied-  (beide  mit  geschl. 
<?),  von  der  ersten  Gestalt  das  Part.  Präs.  seant,  Adj.  bienseant,  St.  se- 
mit  dem  auch  lautlich  bewahrten  lat.  e  (=  geschl.  e).  Daneben 
findet  sich  —  auch  im  Sing.  Präs.  Ind.  —  der  Stamm  assoi-  vor  kon- 
sonantischen Endungen  und  stummem  e,  assoy-  vor  vokalischen ,  voll- 
tönenden Endungen.  Vgl.  oben  dechoir,  ci^oire  und  die  I.  Hauptkonju- 
gation, employer  u.  a.  Das  andere  Kompositum  surseoir  hat  ausser 
dem  Infin.  und  den  davon  abgeleiteten  Formen  nur  den  Präsensstamm 
sursoi-,  sursoy-.  Das  Futurum  von  asseoir  ist  in  dreifacher  Form  vor- 
handen: fassoirai  vom  Infin.  assoir  =  asseoir  und  die  zwei  unregel- 
mässigen Bildungen  j*assierai  und  fasseyerai,  die  durch  die  oben  ge- 
nannten Gestalten  des  Präsensstammes  assie-  (=  assied)  und  assey-  be- 
stimmt worden  sind.  Das  Futurum  von  surseoir,  je  sw'seoirai,  ist  von 
der  unveränderten  neufranz.  Form  des  Infin.  gebildet,  das  Futurum 
von  seoir,  il  sie'ra,  wie  j^assierai.  —  Im  Hist.  Perf.  und  Part.  Prät.  er- 
scheint der  Stammvokal  als  i  =  lat.  e:  j'assis  —  assis,  vgl.  meiire, 
prendre,  acquerir. 

§  102.  Voir.  —  Ergänze:  Präsensstamm  voi-  vor  konsonantischen 
Endungen  und  stummem  e,  voy-  vor  vokalischen,  volltönenden  Endun- 
gen, vgl.  asseoir,  de'choir,  ci'oii'e  und  die  1.  Haupt  konj  ugation,  employei' 


Schulgramtnatiken.  83 

n.  a.  —  Wegen  des  Part.  Prät.    vu   vgl.   die  Verba  auf  -oir  in   §   97, 
dechoir  u,  a.,  und  §  69. 

Das  Hifit.  Perf.  zeigt  im  Stamme  den  Vokal  i  =  lat.  f,  je  vis^ 
vgl.  je  fis^  mis  u.  a.  Das  Kompositum  potirvoir  bildet  aber  sein  Hist. 
Perf,,  ebenso  wie  sein  Part.  Prät.,  wie  dechob'  und  die  meisten  anderen 
Verba  auf  -oir:  je  pourvus.  —  Im  Futurum  von  voir  ist  der  Endkon- 
sonant des  urspr.  Stammes,  die  Dentalis  d  (lat.  St.  r^'rf-),  dem  r  des 
Inf.  assimiliert  worden:  je  verrat ,,  vgl.  oben  je  de'cherrai,  je  pourrai. 
Die  Komposita  potirvoir  und  pi'e'voir  bilden  ihr  Futurum  von  der  un- 
veränderten neulranz.  Form  des  Infin.:  je  pourvoirai,  je  prevoirai. 

In  §  103  führt  P.  ausser  den  schon  in  den  vorhergehenden  §§ 
erwähnten  Verbis  defektivis,  wie  accroire  ^  hraire  u.  a. ,  noch  einige 
andere,  wie  apparoir^  souloir  u.  a. ,  an.  Mehrere  von  diesen  Verben 
werden  nur  noch  in  der  professionellen  Sprache  oder  in  bestimmten, 
formelhaften  Wendungen  gebraucht.  Die  meisten  braucht  der  Schüler 
gar  nicht  zu  wissen,  weil  sie  allzu  selten  oder  ganz  veraltet  sind. 

§  104,  der  von  den  „ursprünglichen  Verben"  handelt,  und  §  105, 
der  „im  Deutschen  unpersönliche  Ausdrücke,  welche  es  im  Französischen 
nicht  sind",  enthält,  gehören  nicht  in  die  Formenlehre,  sondern  in  den 
III.  Abschnitt  der  Syntax  (Verbum  §  225  ff.);  die  Eigentümlichkeiten 
des  deutschen  und  des  französischen  Sprachgebrauches,  die  idiomatischen 
Übersetzungen  der  im  Deutschen  unpersönlichen  Ausdrücke,  die  sich  in 
dem  letzteren  §  finden,  würden  zum  grossen  Teil  in  einem  lexikali- 
schen Werke  eine  geeignetere  Stelle  finden. 

(Fortsetzung  folgt.) 

A.  Rambeau. 


Zeitschriftenschau. 


Centralorgan  für  die  Interessen  des  Realsebnl- 

wesens.     Elfter  Jahrgang  (1883).    VII.  — XII.  Heft. 

S.  482  f.  Beurteilungen  UND  Anzeigen  VON  Büchern,  [f)  Fran- 
zösisch]). L.  Rudolph:  Heinrich  Hupe,  Französisches  Vokabular 
unter  Berücksichtigung  der  Etymologie  und  Phraseologie  auf  der  Basis 
der  Lehrbücher  von  K.  Plötz.  Rostock  1882.  Werther.  Das  Voka- 
bular ist  alphabetisch  nach  Wortgruppen  (jour,  journee,  ioujours,  au- 
jourd'hui,  Journal)  geordnet,  setzt  also  ein  vorangegangenes  Memorieren 
der  Wörter  an  der  Hand  der  Lehrbücher  voraus ;  einige  Ausstellungen 
werden  gemacht,  indessen  meint  der  Rec,  dass  die  Benutzung  eines 
solchen  Vokabulars  dem  Schüler  neben  dem,  was  er  gerade  braucht 
—  das  Buch  ist  in  erster  Linie  zum  Nachschlagen  bestimmt  — ,  auch 
manchen  interessanten  und  lohnenden  Seitenblick  eröffnet.  (Wie  viele 
entbehrliche,  um  nicht  zu  sagen  unnütze  Bücher  soll  sich  der  Schüler 
wohl  noch  anschaffen?)  S.  483  f.  Stühlen:  C.  Th.  Lion,  Xavier  de 
Maistre's  „Voyage  autour  de  ma  chambre"  und  „Expedition  nocturne 
autour  de  ma  chambre".  Mit  Erläuterungen  und  einem  Wörterbiiche 
für  den  Schul-  und  Privatgebrauch.  Leipzig,  Baumgärtner 's  Buchhdl. 
156  S.,  empfiehlt  das  Werk  nach  Inhalt  und  Form  im  allgemeinen, 
für  den  Schulgebrauch  insbesondere  wegen  der  bequemen  Einteilung 
in  kleine  Kapitel  und  der  gehaltvollen  und  doch  kurzen  Anmerkungen 
und  Erklärungen  an  den  grammatisch  und  sonst  sprachlich  schwierigen 
Stellen.  S.  484.  W.  Lange:  /.  Witte,  Abriss  der  franz.  Etymologie. 
Programm  arbeit.  Wolfenbüttel  1883.  „Eine  sehr  brauchbare  über- 
sichtliche Zusammenstellung  der  wichtigsten  Erscheinungen  aus  dem 
Gebiete  der  Laut-  und  Flexionslehre."  Am  Schlüsse  des  Abrisses  gibt 
der  Verf.  eine  neue  Etymologie  von  aller,  er  nimmt  eine  Ableitung  von 
inde :  indare,  wie  intrare,  eiitrer  an.  Der  Verf.  glaubt  mit  Recht  aber 
selbst  nicht  daran.  S.  484  f.  Strien:  Westenfmffer,  Die  Regeln  der 
französischen  Aussprache.  2.  Aufl.  Mülhausen  i.  E.  1882.  W.  Bufleb. 
32  S.  Enthält  in  seinen  Angaben  und  Regeln  die  gröbsten  Verstösse. 
S.  485  f.  H.  Isaak:  Hermann  Breymann,  Die  Lehre  vom  französischen 
Verb  auf  Grundlagen  der  historischen  Grammatik.  München  und  Leip- 
zig 1882.  Oldenbourg.  136  S.  In  der  Einleitung  tritt  der  Verf.  in 
Gegensatz  ^zu  Asher,  dem  er  die  Tendenz  vorwirft,  den  neusprachlichen 
Unterricht  „in  bonnenartiger,  rein  empirischer  Weise  erteilen  lassen"^ 
zu  wollen.  Der  Rec.  glaubt  nicht,  dass  man  solchen  Vorwurf  aus  der 
Schrift  Asher's  begründen  könne.     Der  Gegensatz  zwischen  Breymann 


Zeüschriftenschau.    C.  Th.  Lion,  Ceniralorgan  f.  d.  Interesseti  eic.    85 

und  Asher  liegt  nur  in  dem  verschiedenen  Werte,  welcher  den  sprach- 
geschichtlichen Kenntnissen  für  den  Unterricht  beigelegt  wird.  Jener 
kenne  die  wunde  Stelle  des  neusprachlichen  Unterrichts  nicht,  welcher 
die  heutige  Universitätsbildung,  anstatt  sie  zu  heilen,  mit  einem  alt- 
fränkischen Mäntelchen  zu  verdecken  bestrebt  sei.  Die  Gesetze  der 
nfrz.  und  neuengl.  Sprache  seien  vor  der  Hand  nur  zum  Teil  erforscht. 
Das  beweise  jede  neu  erscheinende  tüchtige  Grammatik,  die  über  ge- 
wisse grammatische  Gebiete  ein  vollkommen  neues  Licht  verbreite, 
z.  B.  Lücking,  sowie  jede  grammatische  Spezialuntersuchung  (z.  B. 
Verron  über  neuenglische  Satzstelluug).  «Der  neusprachliche  Unter- 
richt wird  erst  dann  zur  Blüte  gelangen,  wenn  die  Herren  Dozenten 
selbst  ihre  Schüler  von  den  sprachhistorischen  Studien  fort  auf  die 
Erforschung  der  heutigen  französischen  und  englischen  Sprache  als 
auf  ihre  Lebensaufgabe  hinweisen,  wenn  gerade  sie  auf  den  Uni- 
versitäten hierfür  Veranstaltungen  treffen  werden."  (Wie  schwer 
ist  es  doch,  sich  von  Übertreibungen  fern  zu  halten,  wenn  man  einen 
thatsächlichen  Übelstand  richtig  erkannt  hat !.  Warum  von  den  sprach- 
historischen Studien  fort?  Ohne  diese  hätte  Lücking  seine  Grammatik 
so,  wie  er  sie  geschrieben,  nicht  schreiben  können !  Wer  studiert  jetzt 
in  grösserem  Prozentsatze  die  neueren  Sprachen?  Ich  glaube  ohne 
statistischen  Nachweis  behaupten  zu  können,  dass  es  die  Realgymna- 
sialabiturienten sind,  die  auf  der  Schule  schon  einen  tüchtigen  Grund 
im  Französischen  und  Englischen  gelegt  haben.  Diese  brauchen  zum 
Studium  in  erster  Linie  die  Anleitung  für  die  Erwerbung  sprachge- 
schichtlicher Kenntnisse,  da  sie  im  übrigen  nur  in  der  Weise,  erhaltend 
und  ausbauend,  weiter  zu  gehen  brauchen,  wie  sie  auf  der  Schule  an- 
gefangen. Es  fragt  sich  dabei  allerdings,  ob  nicht  die  Universitäts- 
lehrer gut  thun  würden,  französische  Grammatik  in  der  Weise  zu 
lehren,  wie  es  Mätzner  in  seiner  französischen  Grammatik  thut,  statt 
lediglich  die  altfranzösische  Grammatik  in  ihren  Vorlesungen  zu  be- 
handeln, in  ähnlicher  Weise,  wie  die  historische  Grammatik  der  deut- 
schen und  der  alten  Sprachen  behandelt  wird;  es  ist  das  freilich  eine 
viel   schwierigere  Aufgabe.^)    Ich   vermisse   ausserdem  im  Vorlesungs- 


^)  Referent  besitzt  hierin  von  der  Thätigkeit  der  Universitäts- 
dozenten  offenbar  ebenfalls  keine  ganz  richtige  Anschauung.  Univer- 
sitätslehrer, die  lediglich  die  alt  französische  Grammatik  traktieren, 
gibt  es  meines  Wissens  überhaupt  nicht.  In  ihren  Vorlesungen 
über  Laut-  und  Formenlehre,  Syntax  und  Metrik  gehen  sie  naturgemäss 
vom  Lateinischen  aus,  behandeln  dann  den  mittelalterlichen  Sprach- 
zustand und  schliesslich  den  neufranzösischen,  dessen  richtige  Er- 
kenntnis Endziel  alles  vorher  gegebenen  ist,  der  durch  die  historische 
Grundlage  erst  die  richtige  Beleuchtung  erhält  und  nur  auf  ihr  allein 
wirklich  wissenschaftlich  verarbeitet  werden  kann.  Der  umgekehrte 
Weg,  den  Mätzner  einschlägt,  ist  weder  schwieriger  noch  gründlicher, 
ist  aber  weit  eher  geeignet,  zu  falschen  Aufstellungen  zu  führen.  Auch 
sollte  nicht  übersehen  werden,  dass  von  den  Universitäten  immer  noch 
Arbeiten  (Dissertationen)  ausgehen,  die  neufranzösische  Dinge,  selbst 
aus  der  Gegenwart,  behandeln  und  die  eben  gerade  dadurch  wertvoll 
sind,  dass  sie  auf  Kenntnis  des  früheren  Sprachzustandes  aufgebaut 
sind.  Man  denke  an  die  Strassburger  Dissertationen  von  List  und  Gröbe- 
dinkel,  an  die  durch  Tobler  veranlassten  von  Johannesson  und  Kalepky, 
an  die  Bonnenser  Dissertationen  von  Vogels,  Jäger,  Harth  u.  s.  w., 
an  die  Münster  aner  Diss.  von  Heine,  Uthoff,  Kaulen,  an  die  Greifs  walder 


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Lillcrarisckes  Centralblatt  für  Deutsch/and.  87 


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•hlgriff  begehen,  die  obligatorische  Einführung  solcher  Werke  in  die 

..  hulen  zu  veranlassen.)  XL  Heft.  II.  f)  Französisch.  S.  698  f. 
'«.  Strien:  H.  Bi^eitingery  Elementarbuch  der  französischen  Sprache 
tiir  Mittelschulen  (Real-   und  Bürgerschulen).     2  Hefte.     Zürich  1882. 

I  r.  Schulthess.  VI  u.  152,  80  S.  8".  Der  Stoff  ist  auf  drei  Jahre  ver- 
vcrteilt,  dem  ersten  fäUt  die  Aneignung  eines  elementaren  Wort- 
.^t  hatzes  zu  und  die  Einübung  der  Formenlehre  mit  Auschluss  der  un- 
icgelm.  Verben,    deren  Erlernung  für  das   zweite  Jahr   bestimmt   ist; 

usammenhängende    Lesestücke    folgen    so    bald   als    möglich,    daran 

-ohliessen  sich  Questions,  die  zum  mündlichen  Gebrauch  der  Sprache 
uuleiten  sollen.  Die  Fassung  der  Regeln  ist  möglichst  knapp,  zuweilen 
.:ii  knapp.     Das  2.  Heft  enthält   die   wichtigsten  syntaktischen  Regeln 

i'ider  in  französischer  Sprache)  nebst  Übungsstücken.  Besonders 
.1  riefe  sind  unter  den  letzteren  zahlreich  vertreten,  der  deutsche  Aus- 

auck  ist   an  manchen  Stellen  dem  französischen  zu  sehr  angenähert. 

-  S.  699  f.  Derselbe:  1)  M^^  Pauline  Foure,  La  France  lyrique. 
Mbum  des  meilleures  poäsies  lyriques  des  auteurs  francais.  4«  Edition 
"utierement  refondue  et  augmentäe  par  Otto  Kampe.  Gütersloh,  1882. 
''.  Bertelsmann.  XXXII  u.  441  S.  kl.  8<>.  2)  Otto  Kampe,  Frankreichs 
-'  hönste  Kinderlieder  und  Jugendgedichte.  Gütersloh,  1882.  C.  Bertels- 
mann. —  S.  700.  Derselbe:  1)  F.  J.  FFershovertf  Französisches  Lese- 
Imch  für  höhere  Lehranstalten.  Cöthen,  1882.  Otto  Schulze.  VIII  u. 
'2()2  S.  gr.  8°.  2)  F.  J.  Wershoven^  La  France.  Historische  und  geo- 
L^raphische  Charakterbilder  für  die  franz.  Lektüre  an  höheren  Lehran- 
stalten. Cöthen,  1882.  Otto  Schulze.  89  S.  gr.  8".  Nr.  1  betrachtet 
( s  als  seine  Aufgabe,  nicht  nur  in  die  Sprache  und  Litteratur  des  fremden 
Volkes  einzuführen,  sondern  auch  mit  dem  Lande,  der  Anschauungs- 
w(;i8e  und  den  eigentümlichen  Verhältnissen  desselben  einigermassen 
bokannt  zn  machen.  Daher  ist  Nr.  1  eine  Reihe  historischer  und  geo- 
prraphischer  Charakterbilder  aus  Frankreich  einverleibt,  die  in  Nr.  2 
gesondert  abgedruckt  sind.  Der  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Lehr- 
gegenständen «oll  durch  Lesestücke,  welche  der  Sage,  der  Geschichte, 
der  Naturwissenschaft  entlehnt  sind,  gewahrt  werden.  Dazu  kommen 
noch  Briefe  und  eine  Anzahl  Gedichte,  namentlich  von  La  Fontaine, 
ß^ranger,  Lamartine  und  V.  Hugo.  Der  Rez.  meint,  dass  das  Lesebuch 
wie  das  englische  desselben  Verfassers  nach  pädagogisch  gewiss  richtigen 
Grundsätzen  mit  grosser  Vorsicht  und  Sachkenntnis  ausgeführt  sei.  — 
S.  700  f.  Derselbe:  Conrad  v.  OreUi,  Französische  Chrestomathie. 
Erster  Teil.  Nach  der  5.  Aufl.  neu  bearbeitet  von  A.  Rank,  Zürich, 
1882.  F.  Schulthess.  284  S.  gr.  8**.  Einige  Lesestücke  der  früheren 
Auflagen  sind  durch  andere  ersetzt.  Das  ganze  zerfällt  in  4  Abteilangen. 
I.  Anecdotes,  Rdcits,  Contes.  II.  Biographies,  Tableaux,  Voyages, 
Scenes  de  la  Nature,  Genre  oratoire.  III.  Com^die  (Mon  fitoile  p. 
Scribe).  IV.  Po^sies.  Dann  noch  9  Seiten  in  franz.  Sprache  geschrie- 
bener Anmerkungen  litterarischen,  historischen  und  geographischen 
Inhalts.  —  XII.  Heft.  IL  e)  Französisch.  S.  742.  R.  Mahren- 
holtz:  Karl  Kuhn,  Zur  Methode  des  französischen  Unterrichts.  Ein 
Beitrag  zur  Reform  des  Sprachunterrichts  und  zur  Überbürdungsfrage. 
Wiesbaden,  1883.  J.  F.  Bergmann.  48  S.  Kühn  will  die  Aussprache 
im  Französischen  und  Englischen  auf  einfache,  phonetische  Prinzipien 
zurückführen,  den  Wirrwarr  der  Regeln  und  Ausnahmen  beseitigen 
und  der  praktischen  Einübung  die  Ergänzung  und  Befestigung  des 
theoretisch  Erlernten  überlassen;  er  übt  dabei  vielfach  Kritik  gegen 
die  überflüssigen  (?),  weitschichtigen  (?)  und  nicht  einmal  stets  klaren 
Details  der  Plötz'schen  Bücher.    Eine  Chrestomathie  soll  nur  da  ein- 


88  Zeitschriftc7ischau.    C.  Th.  Lio% 

treten,  wo  die  Kenntnis  eines  franz.  Autors  unerlässlich  ist,  für  ein- 
gehendere Beschäftigung  mit  ihm  jedoch  keine  Zeit  bleibt.  Diese, 
wenn  auch  nicht  eben  neuen  Prinzipien  sind  selten  so  energisch  geltend 
gemacht  worden  wie  von  Kühn.  S.  742  f.  Derselbe:  a.  Wiedmayer^ 
Französische  Stilübungen  für  obere  Klassen.  Stuttgart,  1883.  Metzler. 
128  S.  b)  E.  Burger t  Übungsbuch  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen 
ins  Französische.  Nebst  einer  Phraseologie.  Berlin,  1883.  J.Springer. 
178  S.  c)  Ph.  Plattner,  Übungsbuch  zur  französischen  Schulgrammatik. 
Karlsruhe,  1883.  J.  Bielefeld.  211  S.  a.  hätte  die  höchst  erbärmliche 
Kompilation  über  Moliere  wohl  weglassen  können,  bringt  sonst  eine 
Reihe  nützlicher  Stücke  über  die  Regeln  der  Satzlehre  und  längere 
Abschnitte  aus  den  Klassikern  des  vor.  Jahrh.  und  aus  modernen 
Litterarhistorikern.  b.  nimmt  nur  Übungsstücke  auf,  die  auch  ihrem 
Inhalte  nach  den  Geist  des  Schülers  bilden  können ;  die  Ausfälle  gegen 
Plötz  hätte  man  dem  Verf.  gern  erlassen,  in  methodischer  Hinsicht 
lässt  sich  wenig  den  vielgebrauchten  und  vielgeschmähten  Plötz'schen 
Büchern  an  die  Seite  stellen,  c.  die  Übungsstücke  sind  zweckent- 
sprechend ausgewählt. 

liitterariscbes  Centralblatt  fUr  Dentsebland.    1883. 

Nr.  31  —  52. 

33,  Sp.  1153  f.  Anon. :  Breymanriy  Dr.  Herm.,  Prof.,  Die  Lehre 
vom  französischen  Verb  auf  Grundlage  der  historischen  Grammatik. 
München,  1882.  Oldenburg.  (VIII,  136  S.  8.)  M.  2,40.  Ein  für  Schul- 
zwecke wenig  brauchbares  Buch;  ob  die  vorgeschlagene  Unterrichts- 
methode zu  einem  leichten  Fassen  und  sicheren  Wissen  der  Formen 
helfen  wird,  scheint  mehr  als  zweifelhaft.  Der  Rez.  ist  geneigt,  gerade 
für  den  Unterricht  auf  den  lateinlosen  Realschulen  der  perhorreszierten 
Plötz'schen  Methode  hinsichtlich  der  Behandlung  des  Verbums  den 
Vorzug  zu  geben.  34,  Sp.  1196  f.  Sgt. :  Garnier,  Roh.^  Tragddies. 
Treuer  Abdruck  der  ersten  Gesamtausgabe  (Paris  1585)  mit  den  Varian- 
ten aller  vorhergehenden  Ausgaben  und  einem  Glossaf  herausg.  von 
Wendelin  Foerstei\  1.  Bd.  Porcie,  Corn^lie,  M.  Antoine.  Heilbronn. 
1882.  Henninger.  (XVIII,  213  S.  8.)  M.  3,60.  A.  u.  d.  T.  Samm- 
lungen französischer  Neudrucke.  Herausgeg.  von  Karl  Vollmöller. 
3.  Ein  sehr  zeitgemässes  Unternehmen ;  der  Rez.  teilt  die  vom  Herausg. 
geäusserte  Überzeugung,  dass  dieser  Ausgabe  Arbeiten  über  sprach- 
liche und  sonstige  Eigentümlichkeiten  des  Dichters  folgen  werden. 
35,  Sp.  1221  f.  Anon.:  Barbou,  A.,  Victor  Hugo  und  seine  Zeit.  Nach 
dem  Französ.  frei  übertragen  von  Otto  Weber.  Leipzig,  1882.  Thiel. 
(408  S.  gr.  8.)  M.  5.  Der  Verfasser  musste  entweder  nur  eine  Über- 
setzuug  oder  eine  Bearbeitung  für  deutsche  Leser  liefern,  sein  Buch 
schwankt  aber  auf  einer  unsicheren  Mitte  zwischen  beiden;  immerhin 
ist  das  Buch  stoffreich  genug,  um  mancherlei  faktisch  Wissens  würdiges 
zu  bieten.  Sp.  1234.  Anon.:  Wershoven,  F.  J.,  Smollett  et  Lesage. 
Berlin,  1883.  Weidmann.  (83  S.  8.)  Die  nach  Inhalt  und  Form  recht 
ansprechende  Schrift  bietet  eine  Vergleichung  der  litterarischen  Cha- 
rakterzüge von  Smollett  und  Lesage,  welche  im  ganzen  zu  Gunsten 
des  franz.  Schriftstellers  ausfällt.  36,  Sp.  1277.  Sgt.:  Mangold,  Wüh.^ 
MoHere's  Tartuffe.  Geschichte  und  Kritik.  Oppeln,  1882.  Franck. 
(VIII,  239  S.  gr.  8.)  M.  5,60.  Die  Schrift  gliedert  sich  in  5  Abschnitte, 
von  denen  der  dritte  (die  Geschichte  des  Tartuffe)  der  umfangreichste 
ist ;  am  ansprechendsten  ist  der  letzte  (ethische  und  ästhetische  Kritik) ; 
weniger  befriedigen  die  beiden  ersten  Abschnitte,  sowohl  hinsichtlich 
des  Inhalts  als  der  Form.    Trotz  ihrer  Mängel  wird  die  Schrift  manchem 


Neue  Jahrbücher  für  PliUologie  und  Pädagogik.  89 

—illkoramen  sein  und  hoffentlich  viele  zum  Studium  des  grossen  Ko- 
'  likers  anregen.      38,  Sp.  1346.     Sgt. :    Jntoine,    Paul,    aper9U    sur    la 

ttt'rature  fran^aise  du  XIXe  siecle   depuis   le   premier  empire  jusqu'ä, 

^^  jours.     Dresden,    1882.     Ehlermann.     (VII,   304  S.  kl.  8.)     M.  2,40. 

'ir  solche  geschrieben,   die   sich  mit  einer,   wenn   auch  nur  oberfläch- 

■-'•hon,    Kenntnis    der  Litteraturerscheinungen    begnügen    wollen;    auf 

^.  219  —  296    wird   als  dankenswerte   Beigabe   eine   Auswahl  lyrischer 

'i'dichte    des  betreffenden  Zeitraums  geboten.      40,   Sp.  1418.     Sgt.: 

^•'Jranck,    W.  G.  C,  Dr.^    Specimen  d'un   essai  critique  sur  les  oeuvres 

'  >  Fran^ois  Villon.     Le  petit  testament.     Leiden,    1882.     de  Breuk  et 

^•nits.     (228  S.  8.)     Nach  diesem  ersten  Teil  eines  grösseren,  vom  Vf. 

M  Aussicht  gestellten  Werkes,  das  sämtliche  Dichtungen  Villon^s  behan- 

i"lu  soll,  ist  für  das  Ganze  das  beste  zu  erwarten;  die  Schrift  bietet  zu- 

■    (list  eine  eingehende  Untersuchung  über  die  vier  Handschriften,  die 

•^-  Villon's  Gedichte  erhalten  haben,  dann  eine  kritische  Ausgabe  des 

" 'tit  Testament  mit  wertvollen  Anmerkungen,  endlich  2  Balladen  des 

f  Richters,    von  denen   die  eine  bisher  nicht  veröffentlicht,   die   andere 

'"l^chlich  Aloin  Chartier  zugeschrieben  worden  war.     Sp.  1419.    Anon. 

''hiftrenholtz,  Rich.^  Voltaire  -  Studien.     Beiträge  zur  Kritik  des  Histori- 

rs  und  des  Dichters.  Oppeln,  1882.  Maske.  (VIII,  196  S.  8.)  M.  6. 
Kin  Buch,  dessen  Wert  nicht  in  richtigem  Verhältnis  steht  zu  dem 
•was  anspruchsvollen  Ton,  den  der  Verf.  mitunter  anzuschlagen  be- 
lif'bt.  Es  beschränkt  sich  im  Wesentlichen  auf  Zusammenstellung  be- 
^•oits  bekannter  Thatsachen,  man  hat  wiederholt  das  Gefühl,  dass  seine 
i^thetische  und  philosophische  Bildung  zu  einer  richtigen  Würdigung 
\'(^ltaire's  nicht  ausreicht.  Kap.  3  (Grundzüge  einer  Charakteristik 
\  oltaire's)  wird  vielleicht  manchem  willkommen  sein,  das  grosse  Werk 
von  Desnoiresterres  ist  hier  ausgebeutet;  jedoch  ist  auch  hier  vieles 
Wissenswerte  mit  Stillschweigen  übergangen,  manche  Angaben  sind 
unrichtig,  und  des  Verf.  ästhetische  Betrachtungen  nötigen  uns  oft  ein 
Kopfschütteln  ab.  41,  Sp.  1453  f.  Anon.:  Mahi^enhollz^  Rich.^  Vol- 
taire im  Urteile  der  Zeitgenossen.  Oppeln,  1883.  Franck.  (V,  95  S. 
sfr.  8.)  M.  3.  Eine  übersichtliche  Darstellung  der  wichtigsten  Beur- 
teilungen Voltaire 's ;  der  Verf.  hat  die  einschlägigen  französ.  Werke 
lleissig  durchgearbeitet,  die  Stellung  der  zeitgenössischen  deutschen 
Kritik  zu  Voltaire  ist  sehr  flüchtig  behandelt.  43,  Sp.  1517  f.  Anon.: 
Diez^  Friedr.j  kleinere  Arbeiten  und  Rezensionen,  herausg.  von  Herrn. 
Breymann.  München,  1883.  Oldenbourg.  (XVI,  351  S.  u.  Portr.  Roy.  8.) 
M.  6.  Es  war  ein  guter  Gedanke,  die  in  Zeitschriften  zerstreuten  Re- 
zensionen und  andere  kleinere  Aufsätze  des  Begründers  der  romani- 
schen Philologie  zu  sammeln  und  chronologisch  geordnet  herauszu- 
geben. Noch  wichtiger  aber  erscheint  die  Veröffentlichung  als  Ganzes; 
denn  sie  lässt  uns  den  wissenschaftlichen  Entwickelungsgang  D.'s  er- 
kennen und  bietet  damit  den  bedeutendsten  Beitrag  zur  Geschichte 
der  Wissenschaft  die  er  vor  allen  anderen  begründete.  Der 
Rez.  belegt  das  im  einzelnen  und  hebt  zum  Schluss  die  reiche  Viel- 
seitigkeit der  litterarischen  Thätigkeit  des  Altmeisters  hervor,  die  er 
den  jüngeren  Romanisten  zur  Nacheiferung  empfiehlt. 

Neue  Jabrbtteber  für  Philologie  nud  Pftdagogik 

127.  und  128.  Band.     1883.     5—11.  Heft. 

5.  und  6.  Heft.  S.  334  —  344.  H.  Zeterling:  K.  Sachs,  en- 
cyklopädisches  französisch- deutsches  und  deutsch- französisches  Wörter- 
buch. Band'  und  Schulausgabe  (Auszug  aus  der  grossen  Ausgabe). 
Teil  I :  französisch  -  deutsch.    Teil  II:  deutsch  -  französisch.    Berlin  1880. 


90  Zcitschriflenschau.     F.  ZvcHiut, 

LX  und  738  S.,  905  S.  Der  Rez.  gibt  an,  in  welcher  Weise  der 
„grosse  Sachs"  zum  „kleinen  Sachs"  geworden  sei;  das  dabei  beobach- 
tete Verfahren  findet  im  allgemeinen  seine  Billigung,  er  findet  nur  den 
grossen  Sachs  mangelhaft  in  Bezug  «auf  die  etymologischen  Angaben, 
die  ihm  zu  kurz  und  ungenau  erscheinen,  wofür  er  eine  Reihe  Belege 
gibt;  im  kleinen  Sachs  sind  die  ohnehin  schon  so  kurzen  Notizen  noch 
weiter  verkürzt,  der  Rez.  kann  das  nicht  billigen,  und  auch  die  Art 
und  Weise  nicht,  in  der  es  geschehen;  dem  kleinen  Handwörterbuch 
von  Plötz  gebührt  darin  der  Vorrang  vor  Sachs.  Die  Rez.  wird  fort- 
gesetzt im  7.  Heft,  S.  388  —  400;  ein  sorgfältig  nach  vielen  Rück- 
sichten hin  angestellter  Vergleich  mit  anderen  Wörterbüchern  und 
ihre  Benutzung  bei  der  Lektüre  ergibt,  dass  zwar  auch  im  grossen 
und  kleinen  Sachs  Lücken  sich  finden,  dass  jedoch  die  kleine  Ausgabe 
als  Hand-  und  Schulwörterbuch  ihre  Vorg'änger  ebenso  weit  hinter 
sich  lässt  als  die  grössere  Ausgabe  die  ihrigen.  7.  Heft.  S.  368  bis 
378.  C.  Humbert:  R.  MahrenhoUz ,  Moli^re's  Leben  und  Werke. 
Vom  Standpunkt  der  heutigen  Forschung.  Heilbronn,  Gebr.  Henninger. 
1871.  Der  Band  II  der  Französischen  Studien;  der  Rez.  gibt  über- 
sichtlich den  Inhalt  der  wissenschaftlichen  Biographie  an,  die  auf  be- 
schränktem Räume  die  sicheren  Resultate  der  bisherigen  Moliereüber- 
lieferung  und  Molierekritik  zusammen  mit  dem  bringt,  was  Mahrenholtz 
selber  „erforscht  hat  oder  erforscht  zu  haben  glaubt".  Der  Rez.  denkt 
zwar  über  manche  Punkte  anders  als  der  Verf.,  so  kann  er  z.  B.  dem 
gemeinen  Pamphlet  über  Moliere  und  seine  Frau  gar  keine  Bedeutung 
zusprechen  ;  sodann  scheinen  ihm  die  sogenannten  Possen  zu  ungünstig 
beurteilt;  im  grossen  und  ganzen  kann  er  jedoch  das  Buch  einem 
jeden,  der  sich  für  Moliöre  interessieren  sollte,  nicht  bloss  wegen  seines 
Inhalts  und  Gehalts,  sondern  auch  wegen  der  lebendigen  Form,  die 
überall  die  Langeweile  fern  hält,  empfehlen.  Er  bespricht  dann  noch 
die  Abschnitte  des  Werkes,  welche  Moliöre's  Persönlichkeit,  seinen 
sittlichen  und  poetischen  Charakter  und  die  einzelnen  Werke  betreiFen. 
8.  Heft.  S.  441 — 442.  H.  Zeterling:  G.  Langenscheidt,  Konjugations- 
muster für  alle  Verba  der  französischen  Sprache,  regelmässige  wie  un- 
regelmässige,  mit  Angabe  der  Aussprache  jeder  aufgeführten  Zeitform 
und  Person.  Berlin,  Langenscheidt'sche  Verlagsbuchhandlung.  45  S. 
Eine  Separatausgabe  der  zur  30.  Auflage  der  Toussaint-Lan^enscheidt- 
schen  französischen  Unterrichtsbriefe  gehörigen  dritten  Beilage ;  Ab- 
schnitt B  rubriziert  die  Verba  nach  dem  Schema  -<?r,  -j'r,  -oir,  -re,  gibt 
dann  die  unregelmässigen  Verba  mit  Einschluss  der  Hülfsverben;  Ab- 
schnitt A  gibt  Anweisung  darüber,  wie  das  betr.  Konjugationsmuster 
für  ein  beliebiges  Verb  in  B  aufzufinden  ist,  Abschnitt  C  konjugiert 
s'en  aller  in  einfacher,  verneinter,  fragender  und  fragend  -  verneinter 
Form  durch.  Der  Rez.  hält  es  nicht  für  ein  pädagogisches  Bedürfnis, 
ein  derartiges  Hilfsmittel  in  den  Händen  der  Schüler  zu  wissen,  em- 
pfiehlt dasselbe  aber  den  Lehrern,  die  manches  ihnen  bisher  nicht  be- 
kannte darin  finden  würden. 

C.  Th.  Lion. 


Zeitschrift  für  das  Realsclinlwesen*    VIII.  Jahrgang. 

IL  Heft.  Rezensionen.  P.  88.  A.  Bechtel:  Lotheissen,  Ge- 
schichte der  französischen  Litteratur  im  XVII.  Jahrhndert.  III.  Bd. 
(Wien.  Gerold's  Sohn,  1880.)  (Wie-  bei  den  früheren  Bänden  wird 
auch  hier  die  vollständige  Selbständigkeit  der  Darstellung  und  Beur- 
teilung, die  Objektivität  der  Kritik,  die  Unbefangenheit  gegenüber  der 


Zcitschrifi  für  das  Recdschulmcscn.  91 

ikademischen  Klassizität,  die  geschmackvolle  und  charakteristische 
'ii.i  gerühmt.) 

Iir.  Heft.  —  Rezensionen.    P.  181.     Oyex-Delafontaine,  Nouveau 

'  iliiire  fran^ais-allemand  avec  phras^ologie  (Wien,  H.  Manz,  1883.) 

i^cheidet   sich   von  den   bekannten  Büchern   dieser  Art   dadurch, 

IS  die  Bedürfnisse  des  praktischen  Unterrichts  an  österreichischen 

1  a  berücksichtigt.    In  Schulen,  welche   sich   die  Pflege    der  fran- 

iLcn  Konversation  angelegen  sein    lassen,    wird    das   Buch  mehr- 

■    11  Nutzen  gewähren.) 

IV.  Heft.  —  Rezensionen.    P.  231.    A.  Bechtel:  Bretschneider, 

T.a  France,  Premier  livre  de  lecture  ä  l'usage  des  ^coles  secondai- 

;ircompagnes   d'un  choix  de   themes  en  textes  suivis.     (Altenburg, 

r,  1882.)    Das  Buch  wird  wegen  mehrfacher  pädagogischer  Mängel 

nicht   sehr   geeignet   für    den    Schulgebrauch    charakterisiert.)    — 

j;r2.      A.   Bechtel:    Holder' s  Handbuch  der  älteren   und  neueren 
"Zösischen  Litieraiur.    Neu  bearbeitet  von  Leon  Berirand.     (Stutt- 
• .  Metzler,  1882.)    (Die  Auswahl   erregt  teilweise  pädagogische  Be- 
llen.    Statt   der  sehr   spärlichen  Noten   wäre   ein   systematisch  an^ 
\c^ter  Kommentar  förderlich.     Die  biographischen  Notizen   sind  der 
(leste  Punkt  des  Buches.)  —  P.  233:  A.  Bechtel:   Wingeraih,  H., 
•ix  de  lectures  fran9aises  ä  l'usage  des  ^coles  secondaires.     11«  par- 
:  L'lasses  moyennes.   (Köln,  Dumont-Schauberg,  1883.)     Viele  Stücke 
's  sprachlich,  teils  sachlich  zu  hoch  gegriflen,  manche  vom  erzieh- 
i'u  Standpunkt  aus  unpassend;   der   Mangel  eines  Vokabulars  oder 
OS  sprachlich-sachlichen  Kommentars   ist  um  so  fühlbarer,   als  Aus- 
M'ke  vorkommen,  die  selbst  in  dem  zuverlässigsten  und  umfassendsten 
r  Schulwörterbücher  —  Sachs   —  nicht  enthalten  sind,   und  histo- 
'  h-geographische  Namen,  mit  denen  gewiss  nicht  einmal  alle  Lehrer 
'traut  sein  werden.) 

V.  Heft.  —  Rezensionen.  S.  295.  A.  Bechtel:  Guizot,  Histoire 
la  civilisation  en  Europe,  erklärt  von  H.  Lambeck.  Geoi'ge  Sand, 
mare  au  diable,   erklärt   von  K.    Sachs.      Voltaire,   Zaire,   erklärt 

ii  E.  von  Sallwürk  (aus  der  Sammlung  französischer  Schriftsteller 
i  Weidmann).     (I.  günstig  beurteilt ;  II.  für  die  Schule  kaum  brauch- 
•r;  III.  empfehlenswert.) 

VI.  Heft.  —  Rezensionen.  S.  359.  A.  Bechtel:  Holzinger,  K., 
':e  einfachen  Formen  des  französischen  Zeitwortes  in  geordneter  Dar- 

•  'llung.     Ein  Beitrag  zu  einer  systematischen  Grammatik  der  franzö- 
•  sehen    Sprache    für    Studierende.     (Graz,    Leuschner   und   Lubensky, 
s83.)     (Wol   zu  günstige   Besprechung  des   allerdings  gut  gemeinten 
-'•hriftchens.) 

VII.  Heft.  —  Rezensiozen.  P.  433.  Brunnemann,  Corneille's 
iuna.  (Wolfenbüttel,  Zwissler,  1883.)  (Die  Edition  bietet  keinen  Fort- 
■  hritt  gegen  ihre  zahlreichen  Vorgängerinnen.)  —  P.  434.    Der  Sprach- 

niterricht    muss   umkehren.     Ein    Beitrag  zur  Überbürdungstrage  von 

^lousque  tandem.    (Heilbronn,  G.  Henniger,  1882.)     (Die  Neuerer  auf 

lern  Gebiete  des  sprachlichen  Unterrichts  ä  la  Victor  und  Kühn  sollten 

•  loch  einmal  mit  einer  schulmässigen  Leistung  hervortreten,  welche  die 

Anwendung  ihrer  Prinzipien  realisieren  und  den  Erfolg  ihrer  Methode 

überzeugend  machen  könnte.) 

IX.  Heft.  —  Rezensionen.  P.  55.  A.  Würzner:  Lücking,  G. 
Französische  Grammatik  für  den  Schul  gebrauch.  (Berlin,  Weidmann, 
1883.)  („Es  muss  anerkannt  werden,  dass  Lücking  sich  alle  Mühe 
gegeben  hat,  in  seinem  Buche  ein  vorzügliches  Lehrmittel  zu  schaffen".) 
--  P.  553.    K.  Merwart:  Mahrenholtz,  R.,  Moliere^s  Leben  und  Werke 


92  Zeilschriftcnschau.    F.  ZveHna, 

vom  Standpunkte  der  heutigen  Forschung.  (Heilbronn,  G.  Henninger, 
1881,  II.  Bd.  der  „Französischen  Studien"  von  G.  Körting  und  E.  Kosch- 
witz.)  (Die  sehr  eingehende  und  sehr  anerkennende  Rezension  charak- 
terisiert das  Buch  u.  a.  folgendermassen :  „Gründlichkeit  im  Zusammen- 
tragen des  überaus  reichlichen  Quellenmaterials,  Scharfblick  beim 
Sichten  und  Durcharbeiten  desselben,  Klarheit  in  der  Darstellung  der 
gewonnenen  Resultate  sind  des  Verlassers  Haupteigenschaften.  Altes 
und  Neues,  zu  einem  Ganzen  harmonisch  verschmolzen,  wird  uns  in 
streng  wissenschaftlicher  und  doch  nichts  weniger  als  trockener  Form 
geboten.  Der  umfangreiche  Stoif  wird  mit  geschickter  Hand  so  ge- 
gliedert, dass  wir  den  ganzen  Entwickelungsprozess  des  Moliere'schen 
Geistes  im  innigen  Zusammenhange  mit  dem  Lebensprozesse  der  Welt, 
in  welcher  er  gewirkt  hat,  klar  übersehen.  Die  Person  des  Dichters 
tritt  aus  dem  Gewirre  der  oft  mit  wenigen  Strichen  meisterhaft  ge- 
zeichneten Gestalten,  die  in  mehr  oder  minder  einflussreicher  Beziehung 
zu  ihm  standen,  recht  plastisch  hervor.  Seine  Werke  werden  immer 
richtig  beurteilt,  die  Entstehung  derselben  und  der  Grad  ihrer 
Selbständigkeit  unter  steter  Anführung  diesbezüglicher  erwähnenswerter 
Ansichten  und  Widerlegung  der  falschen  klar  dargelegt,  bedeutende 
Momente  der  Handlung,  sofern  sie  zur  Würdigung  des  Stückes  unent- 
behrlich sind,  treffend  skizziert  und  die  Charaktere  in  einem  treuen 
Bilde  vorgeführt")  —  P.  557:  A.  Bechtel:  Mahrenholtz,  R.,  Moliere. 
Einführung  in  das  Leben  und  die  Werke  des  Dichters.  (Heilbronn, 
G.  Henninger,  1883.)  (Bietet  als  eine  zugleich  wissenschaftliche  und 
doch  allgemein  verständliche  Biographie  die  Hauptpunkte  und  Resul- 
tate der  wissenschaftlichen  Forschung,  welche  in  dem  grösseren  Werke 
niedergelegt  sind,  während  einzelne  Berichtigungen  den  Bedenken 
kompetenter  Beurteiler  Rechnung  tragen.  Getadel,t  wird  der  häufige 
Gebrauch  unnötiger  Fremdwörter  -und  undeutscher  Ausdrucksweisen, 
sowie  die  inkonsequente  Schreibung  mancher  Namen.) 

X.  Heit.  —  Abhandlungen  und  Aufsätze.  P.  490.  A.  Bechtel; 
Ein  Hilfsmittel  für  die  Erlernung  der  französischen  Konjugation.  (Be- 
spricht einen  von  H.  Köber,  Lehrer  an  der  höheren  Töchterschule  zu 
Meissen,  konstruierten  und  Conjugateur  benannten  Apparat,  welcher 
die  elementare  Einprägung  der  franz.  Verbalformen  erleichtern  soll. 
Der  Herr  Verf.  glaubt,  diesen  Apparat  den  Fachkollegen  zur  Kenntnis- 
nahme, eventuell  zur  Einführung  in  den  Unterricht  empfehlen  zu 
sollen.  Ich  kann  diese  Ansicht  nicht  teilen.  Es  erscheint  denn  doch 
etwas  bedenklich,  eine  förmliche  Konjugationsmaschine  als  Hilfsmittel 
des  französischen  Unterrichts  einzuführen.  Die  Vorteile  einer  der 
ganzen  Klasse  evidenten  demonstrierenden  Darstellung  lassen  sich  durch 
fleissige  und  zweckmässige  Benutzung  der  Schultafel  viel  besser,  ein- 
facher und  schneller  erreichen,  als  durch  das  immer  mehr  oder  weniger 
einer  Spielerei  ähnlich  sehende  Manipulieren  mit  einem  denn  doch 
ziemlich  komplizierten  Apparat.  Die  Mittelschule  dürfte  daher  gut 
thun,  den  Köber'schen  Conjugateur  getrost  der  Töchterschule  zu  über- 
lassen.) —  Schulnachrichten.  P.  606:  Aus  den  und  über  die  Ver- 
handlungen der  III.  Direktoren- Versammlung  zu  Hannover.  (Ober  den 
von  der  Versammlung  aufgestellten  Kanon  der  französ.  Schullektüre 
äussert  sich  das  Referat  unserer  Zeitschrift  in  so  bemerkenswerter 
Weise,  dass  ich  die  betreffende  Stelle  hier  in  extenso  mitzutheilen  der 
Mühe  wert  erachte;  bei  der  über  diese  doch  so  wichtige  Seite  des 
französ.  Sprachunterrichts  an  höheren  Schulen  noch  vielfach  herr- 
schenden Zerfahrenheit  dürften  die  nun  folgenden  Bemerkungen  wenig- 
stens den  Anspruch  erheben,  durchdacht  und  verständig  zu  sein:  „Die 


Zeitschrift  für  das  Realschulwesen.  93 

oben  zum  Kanon  erhobene  Auswahl  genügt  nicht  zur  vollständigen 
Erreichung  der  sprachlichen  Seite  des  Lehrzieles.  Die  Sprache  Des- 
cartes'  und  Pascals*  ist  voller  Archaismen,  Moliere's  ältere  Lustspiele, 
wie  Les  Fächeux  und  Les  Precieiises  ridicules  sind  im  Stile  teilweise 
recht  veraltet  und  bezeichnen  keineswegs  den  Höhepunkt  der  Ent- 
wickelung  des  Dichters;  es  ist  demnach  klar,  dass  die  Lektüre  der 
philosophischen  Werke  von  Descartes'  und  Pascal  ebenso  wenig  wie 
die  der  klassischen  Dramen  des  XVII.  Jahrhunderts  geeignet  sein  kann, 
„mit  der  modernen  Schriftsprache"  bekannt  zu  machen.  Auch  inhalt 
lieh  entsprechen  Pascals'  Werke  nicht  dem  obgenannten  Zwecke :  die 
Letires  provinciaUes,  für  die  katholische  Jugend  an  und  für  sich  unzu- 
lässig, sind  doch  nur  eine  theologische  Streit-  und  Zeitschrift  und 
haben  kein  Interesse  für  die  Jugend;  die  Pensees  aber  bilden  kein 
Ganzes.  Die  historische  Prosa  ist  einseitig  in  WortstofiF  und  in  der 
Sprachform;  fast  durchgängig  in  der  III.  Person  erzählend,  führt  sie 
selten  die  I.  und  IL  Person  der  Verbalformen  vor,  so  dass  diese  bei 
längerem  Betriebe  dieser  Art  Lektüre  den  Schülern  ungeläufig  werden, 
dass  ihre  schriftlichen  Arbeiten  grobe  Fehlerhaftigkeit  in  dieser  Hin- 
sicht aufweisen,  die  früher  gelernten  Ausdrücke  des  täglichen  Lebens 
ihrem  Gedächtnisse  entfallen  und  ihre  Versuche  im  Sprechen  mühsam 
und  ungeschickt  sind.  Um  die  lebende  gesprochene  Sprache,  die  doch 
bei  einer  modernen  Sprache  nicht  ignoriert  werden  darf  und  welche 
nach  den  Ansichten  von  Fachmännern  auf  der  Unterstufe  besonders 
gepflegt  werden  soll,  auch  im  Schulunterrichte  zur  Geltung  zu  bringen, 
müsste  die  Lektüre  sich  nicht  einseitig  auf  die  akademische  Sprache, 
welche  jener  Kanon  fast  ausschliesslich  repräsentiert,  beschränken, 
sondern  sich  auf  gehaltvolle,  im  leichteren  Erzählungston  oder  in  ge- 
bildeter Konversationssprache  geschriebene  Werke  ausdehnen.  Diesem 
Zwecke  entsprechen  etwa  Schriften  von  E.  Souvestre  (z.  B.  Un  Philo- 
sophe  sous  les  toiis^  Au  Coin  du  feuj^  von  Erckmann  -  Chatrian,  von 
Saint-Marc  Girardin,  Ampere,  dramatische  Werke  von  Augier,  Feuillet 
(Le  Gendre  de  M.  Poii^ier^  Le  VilktgeJ.  Vermisst  werden  in  jenem 
Kanon  lerner  der  die  Jugend  besonders  fesselnde  und  sprachlich 
mustergiltige  Roman  Paul  et  Virginie^  Auszüge  aus  der  begeisternden 
Prosa  von  J.-J.  Rousseau,  Dialoge,  eine  Auswahl  von  Briefen,  endlich 
die  deskriptive  Prosa;  es  sollten  doch  einem  Realschüler  in  der 
zweiten  Hälfte  seiner  Schulzeit,  wo  das  Verständnis  für  die  Sprache 
sich  zu  entwickeln  beginnt,  Muster  des  Briefstils  vorgeführt  werden, 
damit  er  nicht  der  lebenden  Sprache  entfremdet  werde  und  dem 
Elternhaus  und  dem  Publikum  gegenüber  in  dem,  was  diese  —  nicht 
mit  Unrecht  —  schätzen,  als  Ignorant  erscheine;  auch  sollten  ihm  für 
seine  Versuche  im  Aufsatze  als  Muster  des  historischen  Aufsatzes  kür- 
zere, übersichtlich  disponierte  Abhandlungen  geboten  werden,  welche 
bei  der  kontinuierlichen  Lektüre  ganzer  Werke  völlig  fehlen.  Wenn 
diese  Forderung  jetzt  allgemein  für  die  Aufsätze  in  der  Muttersprache 
an  das  deutsche  Lesebuch  gestellt  wird,  um  wie  viel  berechtigter  ist 
sie  für  eine  fremde  Sprache.  Da  nun  ohnedies  eine  „Sammlung  lyri- 
scher Dichtungen",  sowie  eine  „Auswahl  Reden"  für  Klasse  II  und  I 
aufgestellt  sind,  so  hätte  neben  der  Autorenlektüre  der  Gebrauch  einer 
Chrestomathie,  welche  den  oben  entwickelten  Prinzipien  entspräche, 
in  das  Programm  aufgenommen  werden  sollen".  —  Unter  den  Thesen 
über  die  Extemporalien  wird  die  7.  („das  Extemporale  ist  nach  dem 
Diktat  des  Lehrers  sofort  in  der  fremden  Sprache  ins  reine  zu 
schreiben")  als  der  „wundeste  Punkt"  bezeichnet  und  dagegen  u.  a. 
folgendes  vorgebracht :  „Vergegenwärtigen  wir  uns  den  Vorgang,  wie 


94  Zeiischriflenschan.     IJ.  Behrens, 

der  Schüler  bei  der  Einrichtung,  dass  er  nach  dem  Diktat  des  Lehrers 
das  Extemporale  sofort  in  der  fremden  Sprache  ins  reine  schreibt,  ar- 
beitet.    Indem  der  Lehrer  einen  Satz  ausspricht,   hat  der  Schüler  den 
Sinn  desselben  aufzufassen   und  ihn  wörtlich   zu  behalten;   bei  einem 
aus  8  Wörtern  bestehenden  Satze  hat  er  sich   die  8  Äquivalente    der 
fremden  Sprache  ins  Gedächtnis  zu  rufen,  ihre  Schreibung  sich  geistig 
vorzustellen,  jedes  als  Satzglied  zu  fixieren,  ihm   die  als   solchem  zu- 
kommende Form  in  der  richtigen  Schreibung  zu  geben  und  die  Wörter 
successive   niederzuschreiben;  und  einen   so  komplizierten   Denk-  und 
Kombinationsprozess   soll    schon    ein    lOjähriger  Anfänger    ohne    jede 
Unterlage  bewerkstelligen !     Cfesetzt,  es    sei  einem  Schüler  ein  Wort 
nicht  erinnerlich  und  er  denke  nach,   um   sich  desselben  zu  entsinnen, 
so  findet  ihn   das   Diktieren   des  folgenden  Satzes  noch  mit  dem  vor- 
hergehenden  beschäftigt;   er  versäumt   das    ihm   nun  Vorgelegte  oder 
umgekehrt,    so  dass  er  unsicher,   verwirrt  und  bange   wird.     Dies  ist 
aber  das  Loos  vieler  Schüler,  da  doch  nur  die  Minderzahl  so  glücklich 
beanlagt  ist,    im  Momente   selbst  über  alle  erworbenen  Kenntnisse  zu 
verfügen.     Dies  beweisen  auch  die  häufigen  Fälle,  wo  den  Lehrer   die 
Klassifikation  von  Schülern  nach  den  Extemporalien  in  Rücksicht  auf 
ihre  besseren   mündlichen  Leistungen  in  Verlegenheit  versetzt,    sowie 
die  Aufregung  und  die  Bangigkeit  mancher  Schüler  bei  bevorstehender 
„Schularbeit-'.)   —   Rezensionen.      P.   260.      A.   Bechtel:   Sammlung 
französischei'  Schriftsteller  mit  deutschen  Anmerkungen.     (Berlin,  Weid- 
mann.)   Guizot^  Histoire  de  la  r^volution  d'Angleterre.   3.  Bd.   Histoire 
du  pro te ctorat   de  Richard  Cromwell.     L  Abt.,  erklärt  von  B.  Gräser. 
(Für  die  oberste  Stufe  der  Schullektüre  angemessen.)     Moliere,  Le  Tar- 
tufe,   erklärt  von  H.  Pritsche.    (Der  reichhaltige  und  gründliche  Kom- 
mentar mehr  für  den  Lehrer  als  für  den  Schüler  geeignet,   schon  des- 
wegen,   weil    manche    Anmerkungen    sittlich    oder    religiös   anstössig 
erscheinen.)    Sedaine^  Le  Philosophe  sans  le  savoir,  erklärt  von  M.  Gisi. 
(Gelobt,  die  Anführung   der  oft  langen  Varianten   ist   überflüssig.)    — 
P.  62.     P.  Kühn^   Zur   Methode    des   französischen   Unterrichtes.      Ein 
Beitrag   zur   Reform   des    Sprachunterrichtes  und    zur    tJberbürdungs- 
frage.)     (Die  Ausführbarkeit  der  Vorschläge  K.'s  ist  noch  unerwiesen, 
doch  liegt  manches  darin,  was  für  den  Unterricht  förderlich  sein  kann.) 
—  621.     Müfichj    Zur  Förderung  des  französischen  Unterrichtes,  insbe- 
sondere auf  Realgymnasien.     (Die   gründliche   Arbeit   verdient   um   so 
mehr  die   Aufmerksamkeit  der  Fachlehrer   des  Französischen,   als    sie 
die  Litteratur  der  von  ihm  behandelten  Frage  berücksichtigt  und  die 
polemischen  und  reformatorischen  Schriften  der  jüngsten  Zeit  mit  ein- 
bezieht.  —  P.  630.     Spelthahn,  /.,   Das  Genus   der  französischen  Sub- 
stantiva.     (Amberg,   Pohl,   1883.)    (Wird  für  ziemlich  wertlos  erklärt.) 

XL  Heft.  —  Abhandlungen  und  Aufsätze.  P.  641.  F.  Zvöfina: 
Bie  Lehre  vom  französischen  Verb  in  der  Schule  mit  Beziehung  auf  fach- 
männische Publikatione?i.  (Bespricht  Breymann's  Buch :  „Die  Lehre  vom 
französischen  Verb  auf  Grundlage  der  historischen  Grammatik"  mit 
Bezugnahme  auf  Lücking,  Steinbach,  Siegl  u.  s.  w.,  wobei  besonders 
die  Auffindung  des  Verbalstammes,  die  Futurbildung  und  die  Termino- 
logie einzelner  Tempora  in  Betracht  gezogen  werden.)  —  Rezensionen. 
P.  677.  A.  Bechtel:  Cialaj  0.,  Französische  Schulgrammätik  mit 
Übungs-  und  Lesestücken.  Mittlere  Stufe.  II.  Aufl.,  umgearbeitet  von 
H.  Bihler.  (Leipzig,  Teubner,  1883.)  (Im  Ganzen  anerkennend  be- 
sprochen.) 

XII.  Heft.  —  Rezensionen.  P.  788.  AL  Würz n er:  Körting, 
Br.  G.y    Gedanken  und  Bemerkungen  über  das  Studium  der  neueren 


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.iiil)erfekts 
1».  (Bresl. 
ujot  int^r- 
ul  Sprache 
■  1.   8^,   77  p. 

Kiicconto 

;i>.     S.  588. 

■irv'fl  in  Ro- 

f'  =  /.     (Der 

.itois   belegt.) 

r.      Chansons 

.  Paris.     Er- 

■  Kcde,  welche 

liten  Gedenk- 

SicnfjL'L     Mar- 

•■'u  Schriftchen 

i.'fienbach,  W. 

■l  A.  Ebert.)  — 

•  ntsbury.     Ox- 

.1  Koc.  bezüg- 

:«Mi    grösseren 

rA\x  Bourget's 

•it'lit    er    ein- 

..ipitel,   über 

■  VC   ancienne 

--e   n'a   pas 

du  savoir.") 

H  ecueil   de 

;'.56  p.    Kri- 

de    l'^pop^e 

.ie    ddtaill^e. 

■f,'),  8°,  xn- 

Jehan  Por^e. 

.  ,in-8^  78  p.; 

^  Epinal).     Pre- 

3^^,  56  p.    (s.  hier 

0  ou  patois  vosgien 

des  Vosges.    fipinal^ 

chen  Versbau  alter  und 

.fcigründe.     Zweite    Auflage. 


.  aiiaiiisclie  und  romanisclie 

Atiion   Marx  f  Hilfsbüchlein   für   die 

Vokale   in    positionslangen   Silben.     Mit 

.   hJücheler.     Wissenschaftliche   Begründung 

_*•  in  den  lateinischen  Schulbüchern  von  Her- 

vVeidmann.     1883.     XII,  80  S.  8.  M.  2,40.     (Wo 

tiianische  Bezug  nimmt,  geht  er  nicht  immer  mit 

zu  Werke.)    —   Reinhold  Köhler.     Rochs,  t5T3er 

■iian  und  die  Wanderung  der  Euriant-Sage.     Inaugu- 

.    Halle.     1882.    43  S.  8^    (Gehaltreiche  Anzeige  dieser 

Spr.  u.  Litt.    VI«.  7 


9ß  Zvitschrißmschaii.     l>.   Belirims, 

pagne  dana  la  formation  et  le  döveloppement  de  la  langiie  et  de  b 
iittdrature  fran^aiae.  (»Le  sujet  est  ä  reprendre.")  Hngo  Niemer,  iJie 
orthographiachen  Reformvevsuche  der  frauzÖHiachen  Phonetiker  de; 
XIX.  Jahrhunderts.     I.     Vf.     34  S.     (Greifawald,  Diaaertation.) 

2/3.  S.  307,  J.  Gilliöron.  La  Claire  Fontahie.  Chanson  pu- 
pulaire  francaise.  Exa,nien  critique  dea  diverses  versiona.  —  MfeLAüUEr- 
S.  332.  Ant.  Thomas.  Lui  et  Id.  Als  Etymon  von  lui  wird  vorge- 
schlagen illvi  —  ilioi  =  illo  +  ei.  —  S.  342.  Fleury.  No  narmand 
et  an  franfais.  Vf.  verteidigt  seine  Rom.  X,  3  (s.  h.  TV*,  264)  nieder- 
gelegte Ansicht  gegen  die  Angriffe  Joret's  in  den  Mömoirea  de  la  So- 
ciät^  de  linguiatique  de  Paris  (t.  V,  p.  149  —  154.)  —  CoMPTES-BESDir^. 
G.  P.  Hermann  Breymann.  Friedrich  Die^'  kleinere  Arbeiten  und 
Rezensionen.  München  und  Leipzig,  Oldenbourg  1883,  8",  XVI -35i  \i. 
(„M.  Breymann  a  apportä  dana  son  pieiix  truvail  le  soin  le  pUiB  digm^ 
d'öloges.")  —  S.  365.  A.  T.  E.  R.  Thurneysen.  Daa  Verbum  itre  und 
die  französische  Konjugation,  Ein  Bruchatfick  aus  dea  Entwickelungs- 
geschichte  der  französiBchen  Flexion.  Zur  Erlangung  der  Licentia  do- 
cendi  hei  der  Universität  Jena  eingereicht.  Halle,  Karras,  1882.  (Ne- 
ben unhaltbaren  Ansichten  enthält  die  AbhandlunK  he  achtens  weite 
Hypothesen,  den  Einfluaa  des  Hüfazeitworts  itre  auf  die  franzQsiarhe 
Konjugation  betreffend).—  8.  391.  J.  Gilliöron.  Charles  Joret.  Des 
caracteres  et  de  Vextension  du  patois  normand.  !^tude  de  phon^tiqiie 
et  d'ethnographie,  suivie  d'une  carte.  In-B",  195  p.  Paria,  Vieweg. 
1882.  (Ausführliche  und  inhaltreiohe  Anzeige,  in  der  Rec.  zu  folgen- 
dem Schlüsse  kommt:  „l'ouviage  de  M.  Joret  contient  den  faits  iotei- 
essanta,  mais  il  ne  präsente  pas,  comme  le  titre  le  ferait  attendre,  le> 
caracterea  ni  les  limites  du  patois  normand,  et  il  y  a  pour  cela  une 
bonne  raison,  c'est  que  le  patois  normand  n'existe  paa  et  n'a  par  con- 
aäquent  ni  caracteres  ni  limitea  .  .  .  S'il  avait  aper9u  nettement  cette 
vdritö  avant  de  commencer  ses  recherchea,  il  les  aurait  certainemeot 
dirig^ea  avec  plua  de  pr^cision  et  lea  aurait  renduea  plua  fructueuaes.-| 
—  Die  Chroniqde  dieser  Nummer  hat  den  Tod  mehrerer  um  die  ro- 
manische Philologie  verdienter  Forscher  zu  verzeichnen:  AnatoU  Bov- 
ckerie,  der  bekannte  Herausgeber  der  Revue  des  langues  romaue?, 
starb  den  3.  April  1S83  in  Montpellier.  Im  März  1883  verachieden  der 
berühmte  Danteforacher  Karl  fVitte,  Jdalbert  von  Gelier  (Verf.  ii.  a.  von 
Altfranzöa.  Sagen,  Romvart),  Wenlrap  (bekannt  durch  eine  Unter- 
suchung über  den  sicilianischen  Dialekt)  und  Lorenz  Diejfenback  (Terf. 
u.  a.  von  Glossarium  latino -germanicum  medite  et  infimae  latinitatisl. 
Den  1.  April  starb  in  jugendlichem  Alter  H.  Flechtrter,  Verfasser  einer 
Abhandlung  über  die  Sprache  dea  Älberich  von  Besannen  (s.  h.  IV  *  Sal- 
in Padtia  starb  der  rühmlichst  bekannte  italienische  Romanist  Angel« 
Caneito,  in  Frankreich  der  durch  mehrere  Publikationen  bekaante  Ge- 
lehrte Hippeaii  im  Alter  von  80  Jahren.  —  Von  den  am  Schluss  de^ 
Bandea  kurz  angezeigten  Novitäten  aeien  hier  genannt:  Peter  Hüse»- 
Der  Nominativ  der  verbundenen  Peraonalprononiina  in  den  älteaten 
französischen  Sprachdenkmälern.  Kiel.  Lipaius.  8".  83  p.  (Disser- 
L.  Adam,  Les  idiomea  nögro-aryen  et  malöo-aryen,  essai  d'hv- 
^e  linguistique.  Paris,  Maiaonneuve,  8",  J6  p.;  Martin  Schiveis- 
:marques  aur  le  röle  de  l'^ldment  franc  dana  la  formation  ile 
ae  Iran^aiae  (wertlos);  E.  Elienne,  De  deminutivis,  intentivis. 
*is  et  in  malam  partem  abeuntibua  in  francogallico  aermoiie 
ms.  Nancy,  impr.  nauc^enne,  IV-162  p.  (thöse  latiae  de  doi-- 
lu,  Facult^  des  lettres  de  Paris).  („L'ouvrage  de  M.  fitieiine 
e  rien  de  trös  nouvean  .  .  .     Malgrö  cela   le   travail   est    inter- 


LiUeruiurhlali  für  germanische  und  romanische  Philologie.         97 

essant  par  la  rdunion  des  faits  et  par  les  id^es  que  la  r^union  meme 
suggere);  Franz  Koernig,  Der  syntaktische  Gebrauch  des  Imperfekts 
und  des  historischen  Perfekts  im  Altfranzösischen,  8°,  50  p.  (Bresl. 
Dissert.)  („Travail  qui  parait  fait  avec  intelligence  sur  un  sujet  int^x- 
e^s&nt^);  A.  Boesiger.  Neu-Hengstett  (Bursgt).  Geschichte  und  Sprache 
einer  Waldenser  Colonie  in  Württemberg.  Greifswald,  Abel,  8^,  77  p. 
(fitude  faite  avec  beaucoup  de  soin  et  de  methode.) 

4.     S.   534.     Stanislav  Prato.     Vorma  del  leone.     Racconto 
Orientale  considerato  nella  tradizione  popolare.  —  Melanoes.     S.  588. 
Ch.  Joret.     No  =  on.    (Entgegnung  aut  einen  Artikel  Fleury's  in  Ro- 
mania   1.  1883.   s.  hier   oben.)   —   S.  591.     Ch.  Joret.     />/  =  /.     (Der 
Übergang  von  j  in  di  wird  aus   einem   normannischen  Patois  belegt.) 
Ch.  Joret.     R  has-normand.   —    S.    595.     F.   Fertiault.      Chansons 
de  noces  de  la  Haute- Bourgogne.  —  Comptes-Rendüs.     G.  Paris.    Er- 
innerungsworte an  Friedrich  Diez.    Erweiterte  Fassung  der  Rede,  welche 
zur  Enthüllungsfeier  der   an  Diez'  Geburtshaus   angebrachten  Gedenk- 
tafel in  Giessen  am  9.  Juni  1883  gehalten  wurde  von  E.  Stengel.    Mar- 
burg, Elwert,  1888,  8",  104  p.     (Em  dem  recht  lesenswerten  Schriftchen 
beigegebener  Anhang  enthält  Briefe  von  F.  D.  an  L.  Dieffenbach,  W. 
Wackernagel,  K.  Weigand,  A.  v.  Keller,  A.  Mussafia  und  A.  Ebert.)  — 
G.  P.    A  Short  history  of  French  literature  by  George  Saintsbury.    Ox- 
ford, at  the  Ciarendon  Press,  1882,  XI-591  p.     (Nachdem  Rec.  bezüg- 
lich  der   Darstellung   der   neueren   Litteratur,   welche    den    grösseren 
Teil  des  Buches  einnimmt,  auf  die  sehr  günstige  Beurteilung  Bourget's 
in   der  Academy  vom  10.  Februar    1883   verwiesen,    bespricht    er    ein- 
gehend die  der  mittelalterlichen  Litteratur  gewidmeten  Kapitel,   über 
die  er  folgendes  Gesammturteil  fällt:  „son  tableau  de   notre   ancienne 
litt^rature  est  un  arrangement  fort  adroit,   mais  oü  Padresse  n'a  pas 
toujours  r^ussi  ä  masquer  Pimperfection  ou  l'inexactitude  du  savoir.") 
—  In  der  Chroniqüe   angezeigte  Novitäten:   E.  Bolland.     Recueil  de 
chansons  populaires.     I.     Paris,  ^iaisonneuve,  in -8**,  VIII- 356  p.     JTn- 
stoffer   Nyrop.    Den    oldfranske  Heltedigtning.     Histoire    de   P^pop^e 
fran^aise    au  moyen  äge,    accompagnde  d'une    bibliographie    d^taill^e. 
Kcebenhavn,  Reitzel  (Heilbronn,   Henninger.     Paris,  Vieweg),    8°,  XII- 
491  p. ;   A.  Gaste,  Noels  et  Vaudevirs   du  manuscrit   de  Jehan  Por^e. 
]5tnde    critique    et   historique.     Caen,  Le  Blanc-Hardel,   in -8**,  78  p.; 
N.  Haülanty  Essai  sur  un  patois  vosgien    (ürim^nil ,  prös  Spinal).     Pre- 
miere Partie.    Phon^tique  (suite).    fipinal,  CoUet,  in -8*^,  56  p.   (s.  hier 
V*^,  99);  H.  Haillant.    Concours  de  Pidiome  populaire  ou  patois  vosgien 
ä  la  dätermination  de  Porigine  des  noms  de  lieu  des  Vosges.    fipinal,. 
CoUot,  in-S**,  34  p.;  A.  Tobler.    Vom  französischen  Versbau  alter  und 
neuer    Zeit.     Zusammenstellung    der    Anfangsgründe.     Zweite    Auflage. 
Leipzig,  Hirzel,  in-8*',  V-149  p. 

liitteratnrblatt  fttr  germani^clie  und  romanische 
Philologie.    1883. 

Nr.  7.  H.  Schuchardt.  Anton  Marx,  Hilfsbüchlein  für  die 
Aussprache  der  lateinischen  Vokale  in  positionslangen  Silben.  Mit 
einem  Vorwort  von  Franz  Bücheier.  Wissenschaftliche  Begründung 
der  Quantitätsbezeichnung  in  den  lateinischen  Schulbüchern  von  Her- 
mann Perthes.  Berlin,  Weidmann.  1883.  XII,  80  S.  8.  M.  2,40.  (Wo 
Verfasser  auf  das  Romanische  Bezug  nimmt,  geht  er  nicht  immer  mit 
der  nötigen  Kritik  zu  Werke.)  —  Reinhold  Köhler.  Rochs,  Über 
den  Veilchen -Roman  und  die  Wanderung  der  Euriant-Sage.  Inaugu- 
ral- Dissertation.    Halle.     1882.    48  S.  S**.    (Gehaltreiche  Anzeige  dieser 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     Yl^.  7 


98  Zeitschnftenschau,    1).  Behrens, 

als  vollständig  wertlos  bezeichneten  Abhandlung.)  —  v.  Sallwürk. 
Rieh.  Mahrennoltz,  Voltaire -Studien.  Beiträge  zur  Kritik  des  Histo- 
rikers und  Dichters.  Oppeln.  Eugen  Franck's  Buchhandlung  (Georg 
Maske).  1882.  VIII,  196  S.  M.  6.  (Lobende  Anzeige.)  —  K.  Foth, 
Timme,  Über  die  Auswahl  von  französischer  Lektüre  für  die  oberen 
Bealklassen.  Programm  des  Andreaneums  zu  Hildesheim.  Ostern 
1882.  20  S.  4.  (Eine  verständig  geschriebene  kleine  Arbeit,  die  im 
grossen  und  ganzen  auf  den  Abhandlungen  von  Münch  und  Vogel 
fusst.  Zu  Einzelheiten  findet  Ref.  einiges  zu  bemerken.  So  hält  er 
namentlich  die  moderne  franz.  Litteratur  zu  einer  statarischen  Schul- 
lektüre für  wenig  geeignet  und  will  dieselbe  teils  der  cursorischen 
Lektüre  aus  einem  Lesebuch,  teils  der  Privatlektüre  vorbehalten  wissen.) 

—  Nr.  8.  R.  Meyer.  C.  Ayer,  Grammaire  compar^e  de  la  langue 
fran9ai8e.  3«  Edition.  Geneve,  Bäle  et  Lyon:  H.  Georg;  Paris:  Ch. 
Borrani,  G.  Fischbacher  1882.  XVI,  624  S.  (Das  Buch  in  der  jetzt 
vorliegenden  Gestalt  zeigt  neben  grossen  Vorzügen  grosse  Mängel. 
Unzureichend  ist  namentlich  die  Darstellung  der  Lautlehre.  Die  Syn- 
tax bildet  den  besten  Teil  von  A.'s  Werk).  —  v.  Sallwürk.  Alfred 
Botigeauld,  £tude  sur  T^tat  mental  de  J.-J.  Rousseau  et  sa  mort  ä 
Ermenouville.  Paris,  E.  Plön  et  C»«.  1883.  169  S.  fr.  2.  (Schwache 
Arbeit.)  Derselbe.  Charles  Borgeaud,  J.-J.  Rousseau's  Religions- 
philosophie. Jenenser  Promotionsschrift.  Geneve:  H.  Georg;  Leipzig: 
G.  Fock.  1883.  171  S.  (Günstig  beurteilt.)  —  A.  Wesselofsky. 
Kolmdcevsky,  Das  Thierepos  im  Occident  und  bei  den  Slaven.  Eazan. 
1882.  Vin,  316  S.  (Russisch.)  („Viele  Aufstellungen  des  Verfassers 
erscheinen  als  wohlbegründet  und  die  weitere  Forschung  wird  von 
ihnen  dankbar  ausgehen  müssen.")  —  Nr.  9.  W.  Knörich.  Louis 
Moland,  (Euvres  compl^tes  de  Moliöre,  collationnöes  sur  les  textes  ori- 
ginaux  et  comment^es.  Deuxi^me  Edition,  soigneusement  revue  et 
consid^rablement  augment^e.  Paris,  Garnier  freres.  1881  ff.  Band 
m—VI.    (s.  des  Ref  Urteil  über  Bd.^II.  dieser  Ausgabe  hier  V*  102.) 

—  R.  Mahrenholtz.  Krause,  Wycherley  und  seine  französischen 
Quellen.  Hallenser  Dissertation.  1883.  36  S.  (Wenn  auch  die  von 
Macaulay,  Despois-Mesnard  u.  a.  bereits  festgestellten  Resultate  wenig 
erweitert  oder  verändert  werden,  kann  die  neissige  Untersuchung  K.'8 
wegen  ihrer  detaillierenden  Erörterungen  als  eine  dankenswerte  Lei- 
stung bezeichnet  werden.)  —  Charles  Joret.  Johannes  üthoff,  Ni- 
velle  de  la  Chaussöe's  Leben  und  Werke.  Ein  Beitrag  zur  Litteratur- 
geschichte  des  18.  Jahrh.  und  insbesondere  zur  Entwickelungsgeschichte 
der  „Com^die  larmoyante".  Heilbronn,  Gebr.  Henninger.  1883.  67  S. 
8.  (Französische  Studien,  herausg.  von  G.  Körting  und  E.  Koschwitz, 
IV,  1.)  („Im  allgemeinen  gewissenhafte  Arbeit,  welche  von  sorgfälti- 
ger, ernster  VorSereitung  und  guter  Methode  zeugt."  Vergl.  hier  V*, 
S.  108  f.)  --  V.  Sallwürk  zeigt  an:  1)  Klemens  Klöpper,  Französische 
Synonymik  für  höhere  Schulen  und  Studierende.  Zum  Gebrauch  bei 
der   Anfertigung  von  Exercitien  und  freien  Arbeiten.    Leipzig,  Koch, 

1881.  X,  198  S.  2)  Karl  Meurer,  Französische  Synonymik.  Für  die 
oberen  Klassen  höherer  Schulen.  2.  gänzlich  umgearbeitete,  sehr  ver- 
mehrte Auflage.  Köln,  Roemke  &  Co.  1881.  VHI,  170  S.  3)  Kolde- 
wey^  Französische  Synonymik  für  Schulen.  2.  umgearbeitete  und  ver- 
mehrte Auflage.  Wolfenbüttel,  Zwissler.  1881.  IV,  184  S.  4)  Schmitz, 
Deutsch -französische  Phraseologie  in  systematischer  Ordnung  nebst 
einem  Vocabulaire  syst^matique.    4.  Auflage.    Berlin,  Langenscheidt. 

1882.  Vn,  179  S.  —  Nr.  10.  v.  Sallwürk.  Heinr,  Breitinger,  Ele- 
mentarbuch der  französischen  Sprache  für  Mittelschulen  (Real-   und 


Liiteraturblati  für  germanische  und  romanische  Philologie.         99 

Bürgerschulen).  Zürich,  Schulthess.  1882.  Zwei  Hefte:  VII,  152  und 
80  S.  M.  1,20.  (Empfehlende  Anzeige.)  —  G.  Willenberg.  KoeMer, 
Nouvelles  observations  sur  le  latin  dans  Tenseignement  du  fran9ai8. 
Programm  der  Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in  Meissen.  1882. 
25  S.  4.  (Die  Tendenz  des  im  Allgemeinen  inhaltlich  recht  dürftigen 
Schriftchens,  die  Resultate  neuer  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der 
modernen  Philologie  der  Behandlung  der  französischen  Grammatik  in 
der  Schule  nutzbar  zu  machen,  findet  beim  Referenten  volle  Billigung.) 
—  Johann  Vising,  Fr.  Wulff,  Nagra  ord  om  Aksent  i  allmänhet 
och  om  den  moderna  Franska  aksentueringen  i  synnerhet.  [Einige 
Worte  über  Accent  im  Allgemeinen  und  die  moderne  französische  Ac- 
centuierung  im  besonderen.]  Föredrag  vid  det  Nordiska  Filologmcetet 
i  Kristiania  1881.  In  Forhandlinger  paa  det  nordiske  Filologmcede  i 
Kristiania  den  10.— 13.  August  1881,  udgivne  af  Gustav  Storm.  Kri- 
stiania, Cappelen.  1883.  S.  169  — 183.  („Interessante  eigene  Beob- 
achtungen über  den  franz.  Accent.")  —  Johan  Vising.  P.  A.  Geijer, 
Om  de  franska  episka  versformernas  Ursprung  (=  Von  dem  Ursprung 
der  französischen  epischen  Versformen.]  In  Forhandlinger  paa  det 
andet  nordiske  Filologmoede  i  Kristiania  den  10.  — 13.  August  1881, 
udgivne  af  Gustav  Storm,  Moedets  Generalsekretaer.  Kristiania,  Cap- 
pelen. 1883.  XVI,  255  S.  8.  S.  143  —  169.  („Geijer  durchmustert 
die  in  älterer  und  neuerer  Zeit  vorgebrachten  Ansichten  über  den  frz. 
epischen  Vers  und  seinen  Ursprung,  um  schliesslich  bei  ziemlich  skep- 
tischen Resultaten  stehen  zu  bleiben.")  —  H.  Morf.  Ferdinand  KatUen^ 
Poetik  Boileau's.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  französ.  Poesie  im 
XVII.  Jahrh.  Hannover,  1882.  128  S.  8.  Münsteraner  Dissertation.] 
(Schwache  Arbeit.)  —  R.  Mahrenholtz.  a.  A.  Lüder,  Carlo  Goldoni 
in  seinem  Verhältnis  zu  Moliere.  Dissertation.  Oppeln,  Georg  Maske. 
1883.  44  S.  [=  Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  und  Litt.,  Y\  S.  138  ff.]  (Sehr 
günstig  beurteilt.)  —  Charles  Joret.  B.  Körting,  Über  zwei  religiöse 
Paraphrasen  Pierre  Corneille's:  Limitation  de  J^sus -Christ  und  die 
Louanges  de  la  Sainte-Vierge.  Ein  Beitrag  zur  Corneille -Forschung. 
Oppeln,  Georg  Maske,  1883.  56  S.  8.  (Anerkennende  Beurteilung. 
Vgl.  hier  V^  23.)  —  Nr.  11.  Johan  Vising.  P.  A.  Victor  Hugo 
och  det  nyare  Frankrike.  En  Studie.  Första  och  andra  delen  1879. 
Tredje  delen  1881.  Stockholm,  Centraltryckeriet.  (Lesenswert.)  — 
Gaspary.  Attilio  Pörtioli,  Le  Opere  Maccheroniche  di  Merlin  Cocai. 
Mantova,  Mondovi.  1882  und  1883.  2  Bände.  CXVI,  306  und  291  S. 
gr.  8.  —  Nr.  12.  R.  Mahrenholtz.  /.  Klette,  William  Wycherley^s 
Leben  und  dramatische  Werke  mit  besonderer  Berücksichtigung  von 
Wycherley  als  Plagiator  Moli^re's.  (Dissertation.)  Münster,  Coppen- 
rath  i.  Comm.  1883.  75  S.  8.  M.  1.  (Eine  durch  Genauigkeit,  Fleiss 
und  Schärfe  ausgezeichnete  Arbeit,  in  der  alles  Material  über  W.  und 
seine  Beziehungen  zu  Moliere  und  anderen  Dichtern  vollständig  und 
kritisch  geordnet  zusammengestellt  ist,  ohne  —  wie  zu  erwarten  —  zu 
erheblichen,  neuen  Resultaten  zu  führen.  Zu  Einzelheiten  macht  Ret. 
einige  Ausstellungen.)  —  Gustav  Karsten.  Heinrich  Aicgust  Schoeten- 
sack,  Beitrag  zu  einer  wissenschaftlichen  Grundlage  für  etymologische 
Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  französischen  Sprache.  Bonn, 
Emil  Strauss  in  Commiss.  1883.  XIX,  626  S.  8.  M.  10  (wertlos).  — 
R.  Meyer.  E.  Görlich,  Die  südwestlichen  Dialekte  der  langue  d'oil, 
Poitou,  Aunis,  Saintonge  und  Angoumois.  Heilbronn,  Gebr.  Henninger 
1882.  135  S.  8.  (=  Franz.  Stud.  III,  2;  s.  hier  IV,  91.)  —  Johan 
Vising.  W.  Altenburg,  Versuch  einer  Darstellung  der  wallonischen 
Mundart  nach  ihren  wichtigsten  Lautverhältnissen.    I. — III.  Teil  (siehe 


100         Zeitschriftenschau.    D.  Behrens,  Magazin  f.  d.  Litt.  etc. 

hier  IV,  92).  —  Johan  Visin g.  Ä.  E.  Edström,  Studier  öfver  upp- 
komsten  och  utvecklin^en  af  fomfranskans  E-ljud  i  betonad  stafvelse. 
I.  Akademisk  Afhandling.  üpsala,  Almqvist  &  Wiksell.  1883.  123  S. 
8.  =  Studien  über  die  Entstehung  und  Entwickelung  der  E-Laute  in 
betonter  Silbe  im  Altfranzösischen.  Inaugural- Dissertation.  („Ein 
trefflicher  Führer  zur  Orientierung  in  der  vielbesprochenen  Frage.")  — 
Oskar  Ulbrich.  A.  Chassang ,  Remarques  sur  la  langue  francoise 
par  Vaugelas.  Nouvelle  Edition.  Versailles,  Cerf  et  fils.  Paris,  J.  JBau- 
dry.  1880.  2  Bände.  LXII,  447  und  524  S.  8.  (Die  neue  Ausgabe 
entspricht  allen  billigen  Anforderungen,  die  man  an  eine  wissenschaft- 
liche Arbeit  stellen  kann.)  —  G.  Willenberg.  Stein^  Essai  sur  la 
formation  et  l'emploi  syntaxique  des  pronoms  prdtendus  inddfinis  „qui 
.  .  .  que"  (sie!)  etc.  et  des  locutions  conformes  „si .  .  .  que"  etc.  Pro- 
gramm des  Progymnasiums  zu  Rheinbach  1882.  S.  3  — 13.  4.  („Der 
Gehalt  dieser  Arbeit  ist  ziemlich  dürftig,  teils  nicht  neu,  teils  ver- 
fehlt.«) 

Das  Magazin  fttr  die  liitteratnr  des  In-  nnd  Aus- 
landes.   1883. 

Nr.  41.  Schmidt-Weissenfe Is.  Paienne.  F&r  Juliette  Lamber 
(Madame  Adam).  Paris,  Paul  OUendorff.  3,50  fr.  —  Nr.  43.  In  der 
Kritischen  Rundschau:  Anzeige  von  Taß?ot,  Rabelais  et  Montaigne. 
Extraits  relatifs  ä  l'äducation.  Paris,  Delalain.  (Eine  sehr  dankens- 
werte Zusammenstellung  der  pä>dagogisch  interessanten  Stücke  aus  den 
genanten  Schriftstellern.)  —  Nr.  46.  0.  Heller.  Andre  Thenriet,  Le 
livre  de  la  payse.  Nouvelles  po^sies..  Paris,  Alphonse  Lemerre.  3  fr. 
(Gelobt.)  —  Nr.  47.  Alexander  Büchner.  Maxime  du  Camp,  Sou- 
venirs littäraires.  Zweiter  Band.  Paris  1883.  Hachette.  7,50  francs. 
(Behandelt  die  Zeit  von  1851  bis  auf  unsere  Tage.)  —  Nr.  50.  Alfred 
Kl  aar.  Die  „Mache^  der  Franzosen.  (Sonderabdruck  der  Einleitung 
zu  Vf.s  „Das  moderne  Drama."  Bd.  3.)  —  Nr.  51.  A.  Kl  aar,  Die 
„Mache^  de?'  Franzosen  (Schluss). 

D.  Behrens. 


Miscellen. 


Ultimatum  in  Sachen  der  Satyre  Mdnippöe.  —  loh 
meine  mit  dem  Titel  keine  Eriegsandrohung,  sondern  will  damit  nur 
tragen,  dass  mit  den  folgenden  Zeilen  für  mich  die  Kontroverse  unter 
allen  Umständen  abgeschlossen  ist  —  so  lange,  bis  nicht  etwa  wirk- 
lich neues  Quellenmaterial  entweder  für  oder  gegen  meine  Ansicht  zu 
Tage  gefördert  wird.  Ich  war  lange  im  Zweifel,  ob  ich  auf  Herrn 
Prot.  Frank's  „Duplik  in  Sachen  der  Satyre  Mönipp^e"  (V,  5,  p.  206  sq. 
dieser  Zschr.)  etwas  erwidern  sollte;  mir  schien  beiderseits  genug  ge- 
Hchehen  zu  sein,  um  dem  sich  für  die  Sache  interessierenden  Leser  ein 
Urteil  zu  ermöglichen:  zuletzt  entschloss  ich  mich,  noch  einen  Versuch 
zu  machen,  meine  Auffassung  zu  rechtfertigen,  in  der  Hoffnung,  viel- 
leicht doch  nicht  bloss  „aöra  verberare". 

Zuvörderst  muss  ich  ein  paar  Ausdrücke  zurückweisen,  die  mir 
mein  geschätzter  Gegner  unbegreiflicher  Weise  unterlegt.  Er  sagt 
(1.  c.  p.  208):  „Noch  weniger  darf  er  (Zv.)  mir  die  Albernheit  zu- 
muten, dass  ich  meine,  die  Ständesitzungen  hätten  sich  genau  in  der 
in  der  Mönippde  geschilderten  Weise  abgespielt".  Ich  konstatiere,  dass 
der  unterstrichene  Ausdruck  in  meiner  „Replik"  weder  dem  Wortlaut 
noch  dem  Sinne  nach  vorkommt  und  dass  p.  83  ib.,  worauf  sich  dieser 
Teil  der  Erwiderung  F.'s  nur  beziehen  kann,  weder  direkt  noch  in- 
direkt auf  ihn  hingewiesen  wird.  —  P.  210  (1.  c.)  schreibt  F.:  Prof.  Z. 
legt  es  mir  als  lächerliche  Naive  tat  aus,  dass  ich  sagte:  „Wir 
wissen,  wie  wenig  Bernard  den  an  ihn  geknüpften  Erwartungen  (La- 
bitte's)  entsprach."  Ich  konstatiere  wieder,  dass  der  unterstrichene 
Ausdruck  bei  mir  nicht  zu  finden  ist,  sondern  nur  (p.  83  Rep.):  „Selt- 
sam ist  es  etc.".  F.  erklärt  nun,  mit  obigen  Worten  („Wir  wissen, 
wie  wenig"  etc.)  etwas  Tadelndes  zu  sagen,  sei  ihm  wahrlich  nicht 
beigekommen ;  er  habe  nur  die  dürre  Thatsache  konstatiert,  dass  La- 
bitte  sich  solchen  Erwartungen  hingegeben  habe.  Ich  nehme  gerne 
Akt  von  dieser  Erklärung  meines  geehiten  Gegners :  nur  hätte  er  dann, 
um  jeden  Zweifel  auszuschliessen,  sagen  sollen:  Wir  wissen,  wie  wenig 
B.  solchen  Erwartungen  entsprechen  konnte.  Ich  glaubte  um  so 
mehr  eine  tadelnde  Absicht  vermuten  zu  dürfen,  als  F.  beifügt:  „Er 
empfahl  vielmehr  gegen  die  M^nipp^e  das  Pamphlet:  du  MaUieustre 
(vielmehr:  Maheutre)  et  du  Manant".  Als  Historiker  konnte  eben 
B.  den  so  betitelten,  höchstinteressanten  Dialog  (1)  mit  Recht  der 
M^nipp^e  gegenüberstellen.  —  P.  210  und  211  sagt  F.:  „Dass  Labitte 
u.  8.  w.  Bernard  wirklich  „abfertigten",  davon  kann  sich  jeder   über- 


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Miscellen.  103 

That  die  Richtigkeit  des  10.  Februar  als  erwiesen  betrachtet.  Ich 
frage  jeden  unbefangenen  Leser  des  Fränkischen  W  o  r tl  a  ui;  e  s ,  ob  meine 
Auslegung  desselben  nicht  wenigstens  entschuldbar  ist.  Ich  habe  ge- 
wiss meinem  Gegner  seine  Diktion  nicht  vorzuschreiben,  aber  ich 
wenigstens  h'ätte,  um  blos  zu  beweisen  dass  die  M^nipp^e  mit  ihrem 
10.  Februar  nicht  isoliert  dasteht,  einfach  gesagt :  Auch  Chiverny  be- 
richtet, die  Stände  hätten  am  10.  Februar  ihre  Sitzungen  begonnen. 
—  Doch,  so  sehr  auch  der  Wortlaut  entgegensteht,  die  Versicherung  meines 
Herrn  Gegners  nötigt  mich,  meinerseits  ein  Missverständnis  anzu- 
nehmen :  was  ist  aber  dadurch  für  ihn  gewonnen  ?  F.  will  gezeigt 
haben,  dass  der  10.  Februar  in  der  Mönippäe  irgend  einen  that  säch- 
lichen Hintergrund  haben  müsse.  Ein  thatsächlicher  Hintergrund 
kann  nur  im  einer  Thatsache  bestehen;  als  solche  Thatsachen 
scheinen  mir  hier  nur  möglich:  1)  entweder  war  der  10.  Febr.  wirk- 
lich der  Eröffnungstag,  2)  oder  es  wurde  am  10.  Februar  wenigstens 
eine  Sitzung  gehalten,  die  aus  irgend  einem  Grunde  von  der  M^n.  und 
von  Chiverny  al&  die  erste  angesehen  worden  ist;  oder  endlich  3)  die 
M^nipp^e  hat  ihre  irrtümliche  Angabe  Chiverny's  Werk  entnommen.  Das 
erste  stellt  F.  selbst  entschieden  in  Abrede.  Die  Nichtwirklichkeit  des 
zweiten  wird  er  auch  ohne  weiteres  zugeben ;  damit  zerfällt  aber  auch 
die  Möglichkeit  der  Annahme,  „dass  die  Stände  vor  dem  10.  Februar 
so  fragmentarisch  versammelt  waren,  dass  die  vor  diesem  Tage  statt- 
gefundenen  Sitzungen  von  den  Mdnipp^eautoren  sowie  von  Chiverny 
nnd  auch  anderen  (wem?)  als  nicht  zählend  angesehen  wurden". 
Gewiss  waren  die  Deputierten  anfangs  nur  spärlich  versammelt :  aber 
als  Motiv  für  die  Ansetzung  des  10.  Februar  als  Eröffnungstages  ist 
dies  nur  verständlich,  wenn  an  diesem  Tage  überhaupt  eine  Sitzung 
stattfand.  Das  dritte  verwirft  F.  ebenfalls  und  mit  Recht ;  die  Chro- 
nologie macht  eine  solche  Annahme  schlechterdings  unmöglich.  Mit 
dem  thatsächlichen  Hintergrund  ist's  also  nichts.  —  Doch  vielleicht  ist 
der  that  sächliche  Hintergrund  bei  F.  nicht  so  wörtlich  zunehmen; 
wenigstens  begnügt  er  sich  schliesslich  damit  „wenn  nunmehr  die  Md- 
nippä^e  mit  ihrem  10.  Februar  nicht  isoliert  dasteht".  Aber  was  ist 
damit  gewonnen?  muss  ich  wieder  fragen:  für  die  M^nipp^e  einzig  und 
allein  der  Trost :  Dulce  est  socium  habuisse  —  erroris.  —  Prof.  F.  meint, 
durch  seinen  Fund  bei  Chiverny  alle 'Vermutungen  überflüssig  gemacht 
zu  haben.  Ich  würde  dies  begreifen  —  wenn  auch  natürlich,  der  Masse 
der  entgegenstehenden  Zeugnisse  gegenüber,  nicht  billigen  — ,  wenn  F. 
meinte,  den  10.  Februar  als  einzig  richtiges  Datum  gefunden  zu  haben; 
da  er  aber  mit  Entschiedenheit  für  den  26.  Jänner  eintritt,  da  er  nicht 
bestreitet,  dass  am  10.  Februar  gar  keine  Sitzung  stattgefunden,  da  er 
bezüglich  dieses  unrichtigen  Datums  jeden  gegenseitigen  ursächlichen 
Zusammenhang  zwischen  der  M^n.  und  Chiv.  zurückweist,  so  ist  mir 
ganz  unfassbar,  über  welchen  Punkt  F.  eigentlich  alle  Vermutungen 
überflüssig  gemacht  haben  will.  Für  ihn  müssen  jetzt  die  Vermutun- 
gen erst  recht  angehen ;  denn  nun  erheben  sich  unabweisbar  die 
Fragen :  Indem  historisch  feststeht,  dass  der  10.  Febr,  als  Eröffnungs- 
tag vollständig  aus  der  Luft  gegriffen  ist,  wie  kommt  die  M^nippie, 
wie  kommt  Chiverny  gerade  dazu,  diesen  Tag  anzusetzen?  ist  ihre  falsche 
Angabe  auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurückzuführen  und  auf  welche? 
Offenbar  trägt  die  Stelle  bei  Chiverny  zur  Lösung  dieser  Fragen  nicht 
das  geringste  bei,  ruft  sie  vielmehr  erst  recht  hervor  —  und  ich 
wiederhole  es,  eine  Lösung  im  Sinne  meines  Gegners,  eine  Rechtferti- 
gung des  10.  Februar  auf  historischem  Boden  ist  nie  und  nimmer  zu 
erwarten.     Wir  bleiben  vielmehr  nach   wie  vor  behufs  Erklärung  des 


Mkcellen.  105 

vage,  durch  kein  einziges  stichhaltiges,  unanfechtbares  Argument  ge- 
stützte Überlieferung  festzuhalten,  die  sich  nun  einmal  in  ihm  als  un- 
erschütterliche Lieblingsansicht  krystallisiert  hat.  Dagegen  ist  mit 
Beweisgründen  nicht  mehr  viel  auszurichten;  es  genüge  daher  die  Er- 
kVärung :  d'Aubignä  zeugt  auf  ganz  klare  und  unzweideutige  Weise  für 
einen  Verfasser ;  dies  glaube  ich  in  meinen  beiden  vorausgehenden 
Artikeln  über  den  Gegenstand  bewiesen  zu  haben;  es  bedarf  einer 
willkürlichen  uud  gewaltthätigen  Interpretation,  um  aus  seinen  Worten 
das  Gegenteil  von  dem  herauszubringen,  was  ihr  Wortlaut  besagt. 
F.  stellt  d'Aubignd  kein  einziges  gleichwertiges  Zeugnis  entgegen, 
sondern  legt  sich  seine  Worte  zurecht  zu  Gunsten  der  von  ihm  als 
gewiss  angenommenen  Mehrheit  der  Autoren,  die  doch,  wie  F.  selbst 
(Progr.  p.  7)  zugibt,  nichts  weniger  als  feststeht.  —  Die  kritischen 
Bedenken  Fraukes  gegen  d'Aubignd  sind  unbegründet.  Wenn  d'Aubignd 
an  einer  Stelle  sagt :  ce  linre  atribtie  ä  plusieurs  soriii  veritäblemeni  d'un 
petit  Aumosnier  und  an  einer  andern  Eapin  einen  Anteil  zuschreibt, 
so  ist  zu  erwidern:  Die  Stelle,  wo  Rapin  erw'ahnt  wird,  ist  der  Reihen- 
folge nach  die. erste  jener  Stellen  des  Werkes  (zum  J.  1591),  an  denen 
vom  Catholicon  die  Rede  ist;  wenn  daher  zum  J.  1593  Rapins  nicht 
noch  einmal  gedacht  wird,  so  ist  selbstverständlich  die  Stelle  ce 
livre  etc.  mit  Bezug  auf  die  frühere  z.  J.  1591  zu  interpretieren  und 
kann  insofern  „nicht  so  unbedingt  jeden  Mitarbeiter  ausschliessen" : 
aber  auch  nichts  weiter ! 

Auch  zwischen  „atribuä  ä  plusieurs"  und  „Rapin  ä  qui  on  l'avait 
atribud"  kann  kein  Widerspruch  erkannt  werden :  es  konnten  ja  wirk- 
lich zuerst  Rapin  und  dann  nach  und  nach  andere  Namen  einzeln  oder 
zusammen  mit  der  Autorschaft  in  Verbindung  gebracht  worden  sein; 
oder  d'Aubignö  wollte  eben  Rapin,  da  er  wirklich  wenigstens  einiges 
7Aim  Ganzen  der  Mdnippee  beigetragen,  vor  den  übrigen  fälschlich  als 
Verfasser  bezeichneten  hervorheben.  Die  „chronologische  Verschie- 
bung^'  erklärt  sich  sehr  einfach  dadurch,  dass  der  Verfasser  als  Ein- 
leitung zum  Jahre  1591  überhaupt  eine  antizipierende  Übersicht  über 
die  Ereignisse  der  nächsten  Jahre  gibt;  wer  die  Erwähnung  der  M^n. 
unter  1591  „nicht  ganz  unbedenklich"  findet,  muss  auch  die  in  dem- 
selben Context  vorkommende  Erwähnung  der  liguistischen  Stände 
(„La  dessus  commencent  les  Estats")  bedenklich  finden.  Die  Stelle 
aus  Read  beweist  nur,  dass  dieser  schon  vorher  d'Aubign^ 'ebenso  miss- 
deutete wie  jetzt  Frank.  —  P.  214  („Duplik"  etc.)  schreibt  F.  mit  ge- 
sperrter Schrift:  „Auch  die  Annahme,  die  Worte  d'Aubignd's  können 
sich  auf  das  Catholicon  im  engeren  Sinne  (also  den  Teil  bis  zu  den 
Reden)  beziehen,  ist  nicht  unmöglich,  wie  Zv.  will,  denn  auch  dieser 
Teil  enthält  schon  Verse".  Diese  ziemlich  späte  Entdeckung  meines 
Gegners  ist  eine  entschieden  verunglückte.  Nichts  berechtigt  dazu, 
unter  „Catholicon  im  engeren  Sinne"  den  Teil  bis  zu  den  Reden  zu 
verstehen.  Ein  Blick  in  eine  M^nipp^e-Ausgabe  belehrt  uns,  dass  nur 
das  die  Anpreisung  des  „Catholicon"  genannten  Universalmittels  ent- 
haltende Stück  „La  Vertu  du  Catholicon"  heisst,  während  die  anderen 
Fragmente  bis  zu  den  Reden  eigene  Überschriften  tragen.  So  finde 
ich  in  der  Regensburger  Ausgabe  von  1709  als  Vorläufer  der  Reden 
folgende  Abteilungen:  La  Vertu  du  Catholicon^  pag.  1 — 10;  Ahhrege  de 
La  farce  des  Estats  de  la  Ligne  (worin  die  Prozession),  pag.  11  — 15; 
Les  pieces  de  Tapisseries  dont  la  sale  des  Estats  fut  tendtufj  pag.  15 — 20; 
L' Ordre  tenu  ponr  les  Seances,  pag.  27  —  31.  Die  ersten  Verse  stehen 
auf  pag.  19  in  der  dritten  Abteilung.  Ich  habe  nirgends  einen  Beleg 
dafür  gefunden,   dass  die  Bezeichnung  „Catholicon"  im  engeren  Sinne 


106  Miscdlen. 

auf  alles  bis  zu  den  Reden  ausgedehnt  worden  sei;  alle  Gewährsmänner 
stimmen  darin  überein,  unter  „Vertu  du  Catholicon"  nur  das  erste 
Stück  zu  begreifen,  während  „Abbreg^"  der  Separattitel  alles  folgenden 
war  und  daher  M^nipp^e  sofort  nach  „Vertu  du  Catholicon"  steht.  Es 
ist  daher  auch  durchaus  unwahrscheinlich,  dass  d'Aubign^,  vom  allge- 
meinen Gebrauche  abweichend,  unter  Catholicon  alle  Teile  der  Man. 
bis  auf  die  Reden  verstanden  habe,  und  insofern  „Vertu  du  Catholicon" 
identisch  ist  mit  der  von  Leber  beschriebenen  „tr^s  mince  brochure", 
erscheint  die  Annahme,  diese  enthalte  Verse,  ganz  unhaltbar  ;  denn 
nach  Leber's  Beschreibung  (Catalogue  II,  238)  umfasst  dieses  Heftchen 
eben  nur  die  später  allen  vollständigen  Ausgaben  unter  dem  alten 
Titel  „Vertu  du  Catholicon"  vorgedruckte  parodistische  Szene,  und 
wenn  ich  Leber  recht  verstehe,  nicht  einmal  die  Prozession,  von  Versen 
ist  gar  keine  Rede  (2). 

Ober  de  Thou  habe  ich  nichts  mehr  zu  sagen ;  wenn  Herr  Frank 
metne  Deutung  nicht  annehmbar  findet,  so  muss  ich  mir  das  eben  ge- 
fallen lassen.  Mag  er  aber  auch  einen  noch  so  grossen  Widerspruch 
zwischen  d'Aubign?  und  de  Thou  herausfinden,  für  die  von  ihm  ver- 
teidigte Pluralität  von  Autoren  kann  er  sich  nie  und  nimmer  auf  de 
Thou  berufen:  denn  ein  „succedens  alius"  wird  durch  keine  Aus- 
legungskunst zu  „succedentes  alii".  —  Dass  aus  den  im  „deuxieme  ad- 
vis  de  rimprimeur"  beklagten  unberechtigten  Zuthaten  nichts  für  die 
Annahme  einer  Mehrheit  von  Verfassern  sich  ergebe,  gibt  jetzt  F. 
unter  Umschreibungen  selbst  zu,  wenn  er  aber  meint:  „Auch  der  von 
mir  vermutete  Zusammenhang  des  „argument"  im  2ieme  advis  und  des 
„argumentum"  bei  de  Thou  scheint  mir  mit  nichten  widerlegt;  ohne 
auch  nur  den  leisesten  Versuch  zu  machen,  meine  Gegenbemerkungen 
zu  entkräften,  so  überhebt  mich  eben  dieses  beredte  Schweigen  jedes 
weiteren  Wortes  über  diesen  Punkt. 

In  Bezug  auf  Vigneul-Marville  schreibt  jetzt  H.  Frank:  „Setzen 
wir  den  Fall,  derselbe  habe  (wie  dies  durch  Professor  Zvöfina's  Aus- 
einandersetzungen allerdings  sehr  wahrscheinlich  (3)  geworden  ist)  von 
der  Existenz  eines  von  Leroy  allein  verfasaten  texte  primitif  keine 
Ahnung  gehabt,  so  wird  dies  doch  nicht  beweisen  können,  dass  ein 
solcher  thatsächlich  nicht  vorhanden  war,  da  uns  ja  der  von  Ch.  Read 
aufgefundene  erste  Entwurf,  wenn  wir  denselben  nicht  als  Fälschung 
hinstellen,  vom  Gegenteile  überzeugt".  Dass  doch  mein  geehrter 
Gegner  bei  mir  so  oft  Dinge  liest,  die  ich  nicht  sage!  Ich  habe  mit 
keinem  Worte  die  Echtheit  des  Read'schen  texte  pr.  angezweifelt,  son- 
dern mich  einzig  und  allein  mit  dem  Nachweise  befasst,  dass  F.  seine 
Ansicht  über  die  successive  Abfassung  und  Veröffentlichung  der  Mön. 
mit  der  Darstellung  Vigneul-Marville 's  unmöglich  in  Einklang  bringen 
kann.  Es  findet  sich  auch  in  meiner  Auseinandersetzung  kein  Wort, 
mit  welchem  ich  in  „unerlaubter  eklektischer  Weise"  gerade  nur  das 
für  glaubwürdig  finde,  was  zu  Gunsten  meiner  Behauptungen  spricht: 
ich  muss  daher  die  bezügliche  leise  Mahnung  (Dupl.,  p.  215)  dankend 
ablehnen.  —  F.  hält  mir  aus  dem  Briefe  Villeroy's  vom  1.  Aug.  1599 
die  Worte  entgegen:  „.  .  .  ce  censeur  (Leroy)  et  ses  compagnons  (car 
on  dit  que  plusieurs  ont  mis  la  main  ä  ce  bei  oeuvre)"  und  meint 
elegisch:  „Wenn  das  alles  nichts  beweist,  so  fürchten  wir,  überhaupt 
nichts  beweisen  zu  können".  Gewiss:  durch  ein  on  dit  lasse  ich  mir 
nichts  beweisen. 

Die  Worte :  „Sich  stets,  wo  der  Wortlaut  der  Quellen  klar  für 
die  Mehrheit  der  Autoren  spricht,  hinter  die  Tischgesellschaft  bei 
Gillot  zurückzuziehen,   scheint  uns  wirklich  mehr  wolfeil  als  glücklich 


Miscellen.  107 

gewählt",  konnte  F.  nur  niederschreiben,  weil  er  eben  auf  das  punctum 
saliens  meiner  ganzen  Argumentation  nicht  eingehen  wollte.  Für  mich 
ist  d^Aubign^  das  Alpha  und  Omega  der  Beweisführung  (4):  er  vin- 
diziert in  energischer,  klarer  und  bestimmter,  keineswegs  wie  F.  will, 
in  ungenauer  and  mehrdeutiger  Weise,  die  Verfasserschaft  der  M^n. 
dem  „aumosnier  du  Cardinal  de  Bourbon",  er  erwähnt  die  Meinung 
von  der  Mehrheit  von  Verfassern  und  bezeichnet  sie  ausdrücklich  als 
unrichtig.  Lässt  man  nun  dem  Zeugnis  d'Aubign^'s  sein  verdientes 
Recht  widerfahren,  so  können  die  vagen  Angaben  anderer  (Chiverny's, 
Le  Grains,  Villeroy's)  über  eine  Mehrheit  von  Autoren  (4)  nur  als  Be- 
stätigung der  von  d^Aubignd  berichteten  Thatsache  dienen,  dass  viele 
—  fälschlich  —  eine  solche  Mehrheit  annahmen,  keineswegs  aber  ein 
Beweis  gegen  d'Aubign^  für  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  sein.  F. 
stellt  aber  die  Sache  auf  den  Kopf:  er  nimmt  die  Mehrheit  als  be- 
wiesen an  und  sucht  nun  mit  dieser  Annahme  d'Aubign^  wol  oder  übel 
in  Einklang  zu  bringen.  Natürlich  steht  es  nach  F.  auch  in  vollster 
Harmonie  miteinander,  wenn  ein  Schriftsteller  an  einer  Stelle  das 
Gegenteil  von  dem  an  einer  anderen  Stelle  desselben  Werkes  gesagten 
angibt:  man  darf  ihm  beileibe  nicht  Gedankenlosigkeit  und  Vergess- 
lichkeit  zumuten,  das  wäre  „willkürlich" ;  was  ist  es  aber  dann,  wenn 
man  jedes  noch  so  unzweideutige  Zeugnis  für  Leroy  als  alleinigen 
Verfasser  auf  den  texte  primitii  beschränkt?  —  Die  von  Read  auf 
einem  Mc^nippde-Exemplare  der  Arsenalbibliothek  gefundene  Aufzeich- 
nung („L'autheur  ou  au  moins  .  .  ."),  fällt  jedenfalls  nach  1627,  be- 
weist also  gar  nichts.  —  Auf  meine  Bemerkungen  in  den  Nebenfragen 
der  Untersuchung  (successives  Erscheinen,  Titel,  falsches  Datum)  geht 
F.  nicht  näher  ein,  ich  halte  es  daher  ebenfalls  für  überflüssig,  mich 
weiter  damit  zu  befassen.  Mit  Poirson  ist  F.  insofern  in  Widerspruch, 
als  dieser  von  einem  Gesamtentwurf  Leroy's  (texte  pr.)  ebensowenig 
etwas  weiss  als  Vigneul-Marville.  —  Die  Stelle  im  „deuxieme  advis", 
über  die  „copies  imparfaictes  et  barbouill^es"  wäre  im  Zusammenhalt 
mit  der  folgenden  über  den  „libraire"  geradezu  sinnlos,  wenn  unter 
„copies"  Druckexemplare  zu  verstehen  wären.  Wie  „le  reste"  für 
letztere  Auffassung  sprechen  soll,  verstehe  ich  nicht. 

Anmerkungen. 

1)  Ich  gedenke,  diese  wichtige  piece  ßcstificative  zu  neuem  Ab- 
druck zu  befördern. 

2)  Damit  ist  nicht  in  Abrede  gestellt,  dass  die  Prozession  und 
die  „Tapisseries"  nicht  bald  nach  dem  Drucke  der  „Vertu  du  Catho- 
licon"  eine  handschriftliche  Verbreitung  fanden;  aber  von  der  „tr^s 
mince  brochure"  sind  sie  auszuschliessen. 

3)  Vielmehr  unwiderleglich  gewiss;  die  Worte  Vigneul-Marvilles 
sind  ganz  und  gar  nicht  misszuverstehen. 

4)  De  Thou  kommt  in  zweiter  Linie  und  hauptsächlich  insofern 
in  Betracht,  als  zu  zeigen  ist,  dass  seine  Worte  in  keinem  unlösbaren 
Widerspruche  zu  d'Aubignd  stehen,  was  schon  daraus  hervorgeht,  dass 
er  ebenso  wie  d'Aubignö  nur  von  einem  Mitarbeiter  Leroy's  weiss. 

F.  ZvfiiiiNA. 


Verzeichnis 

der 

während  des  letzten  Halbjahres  (vom  1.  November  1883  bis 

30.  April  1884)  auf  dem  G-ebiete  der  französischen  Philologie 

erschienenen  wichtigeren  Bücher  und  Schriften.'^) 

I.    Methodologie. 

G.  Körting^  Encyklop'ädie  und  Methodologie  der  romanischen  Philolo- 
gie mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Französischen  und  Italie- 
nischen.   I.  Teil.     Heilbronn,  Henninger.    XVI,  244  S.  8^.    M.  4.    t 

Wie  studiert  man  neuere  Philologie  und  Germanistik?  Von  einem 
älteren  Fachgenossen.    Leipzig.     Rossberg.     M.  0,80.  2 

H.  Breymann,  Über  Lautphysiologie  und  deren  Bedeutung  für  den 
Unterricht.     München  a.  Leipzig.     Oldenbourg.     8".     M.  1.  3 

F.  Franke,  Die  praktische  Spracherlernung  auf  Grund  der  Physiologie 
der  Sprache  dargestellt.    Heilbronn.     Henninger.     8^.     40.  4 

0.  ülbrwh,  Über  die  franz.  Lektüre  an  Realgymnasien,  gr.  8.  30  S. 
Berlin.     Gärtner.     M.  1.  5 

U.    Grammatik. 

Orihographia  gdllica.  Ältester  Traktat  über  französ.  Aussprache  und 
Orthographie,  herausg.  von  J.  Stürzinger.  Heilbronn.  Henninger 
(Bd.  VIII.  der  altfranz.  Bibl.)  6a 

Fr.  Brinkmann,  Syntax  des  Französischen  und  Englischen  in  verglei- 
chender Darstellung.  Erster  Band.  XVII,  528  S.  8".  Braunschweig. 
Vieweg.  6  h 

J.  H.  HarrisoUy  French  Syntax.    A  critical  Study   of  the  French  Lan- 


*)  Derartige  Verzeichnisse  beabsichtigen  wir  von  jetzt  ab  regel- 
mässig zu  bringen.  Bibliographische  Vollständigkeit  erstreben  wir 
nicht,  verweisen  vielmehr  in  dieser  Beziehung  auf  Ehering\  „Biblio- 
graph. Anzeiger  f.  roman.  Sprachen  und  Litteraturen"  (Leipzig,  Twiet- 
meyer,  bis  jetzt  sind  —  seit  Herbst  1883  —  fünf  Hefte  erschienen). 
Unser  Zweck  ist  lediglich,  diejenigen  unserer  Leser,  denen  bibliogra- 
phische Hilfsmittel  nicht  oder  doch  nicht  bequem  zur  Verfügung  stehen, 
auf  die  wichtigeren  Novitäten  unseres  Faches  aufmerksam  zu  machen. 

Z>.  Red. 


Novitätenverzeichnis.  109 

guage  ön  the  Basis  of  Mätzner.  Philadelphia.  Patter  and  Co. 
XXVI,  678  S.  7 

E.  Höpfner,  Die  Wortstellung  bei  Alain  Chartier  und  Geraon.  Disser- 
tation.   Leipzig.     8**.     66  S.  8 

Karl  Knösel^  Das  altfranz.  Zahlwort.  8".  69  S.  Erlangen.  Deichert. 
M.  1,50.  9 

T.  Haas,  Die  Plurale  der  Abstracta  im  Französischen.  Ein  Beitrag 
zur  histor.  Syntax.     8**.     83  S.    Erlangen.     Deichert.  iO 

Fr.  d'Hargues^  Lehrbuch  der  franz.  Sprache.  Unterstufe.  2.  rev.  Aufl. 
Berlin.     Oehmigke.     8<>.     XII,  190  S.    geb.  M.  1,20.  11 

H.  Isaac,  Lernbuch  für  die  französischen  unregelmässigen  Verba  (sie!). 
Berlin  1884.    Friedberg  und  Mode.     46  S.     8".    M.  0,30.  12 

J.  P.  Magnin  und  A.  Dittmann,  Praktischer  Lehrgang  zur  Erlernung 
der  franz.  Spr.iche  für  Bürger-,  Real-  und  Töchterschulen  I.  Abt. 
Regelmässige  Formenlehre.  6.  verb.  Aufl.  Wiesbaden.  M.  Bisch- 
kopff.     8»».     VI,  ^82.     M.  1.  U3 

A.  Schies^  Leitfaden  z  im  Anschauungsunterrichte  im  Französ.  Einprä- 
gen eines  Wortschatzes,  welcher  im  Vorstellungskreise  der  Kinder 
Hegt.     Freiburg  i.  iS.    Herder.     M.  0,30.  14 

Ph.  IHattner,  Elementarbuch  der  franz.  Sprache.  Karlsruhe.  J.  Biele- 
feld.    VIII,  224.     M.  1,25.  15 

K.  Ptoeiz,  Methodisches  Lehr-  und  Übungsbuch  zur  Erlernung  der 
franz.  Sprache.  T.  I.  Aussprache  und  Wortlehre.  2.  Aufl.  Ber- 
lin, Herbig.     M.  1,  30. 16 

R.  Sonnenhurg,  Grammatisches  Übungsbuch  der  französischen  Sprache. 
Methodische  Anleitung  zur  Einübung  der  syntakt.  Regeln.  Mit 
deutsch -franz.  Mustersätzen  und  einem  vollständigen  Wörterbuch. 
Berlin.     Springer.     8®.     X,  223.     M.  2.  17 

A.  Kressnei\  Aufsätze  technischen  und  historischen  Inhalts  zum  Über- 
setzen aus  dem  Deutschen  ins  Französische.  Für  die  oberen  Klas- 
sen höherer  Lehranstalten  zusammengestellt.  Baden-Baden.  0. 
Sommermeyer.     M.  1,20.  18 

m.   Lexikologie. 

H.  A.  Binnann,  Grand  dictionnaire  fran^ais-allemand  et  allemand- 
francais,  compos^  sur  uu  plan  nouveau  d'apr^s  les  dictionnaires 
de  1  Acad^mie,  de  Bescherelle  et  de  Litträ,  avec  la  prononciation 
dans  les  deux  langues,  accompagn^  d'un  tableau  des  verbs  forts 
et  irr^guliers  simples.    Paris,  Garnier  freres.    8®  ä  3  col.  X,  1160.  19 

A.  Feis^  Das  Wörterbuch  der  franz.  Akademie.  I.  Die  erste  Ausgabe 
des  Wörterbaches  der  franz.  Akademie,  gr.  4.  26  S.  Hamburg. 
Nolte.    M.  1,50.  20 

K.  Erhe  und  P.  Fernia',  Mentor.  Vergleichende  Wortkunde  der  lat. 
und  franz.  Sprache.  Ein  Hilfsmittel  zur  Erleichterung  der  Erler- 
nung des  Französ.  und  zur  Befestigung  in  der  Kenntnis  des  Lat. 
Für  Gymnasien  und  den  Selbstunterricht  bearbeitet.  Stuttgart. 
Neff.     8«.    IV,  316.     geb.  M.  1,50.  21 

A.  L.  Penel-Beaufin,  Orthographe  de  mots  divers  d'aprös  le  diction- 
naire de  l'Acad^mie,  avec  les  modifications  de  la  derniere  ^dit. 
(1878).    2«  ^dit.,  corrigäe  et  augmentäe.    Paris,  Ganguet.  12**.  34.  22 

Edgren,  Quelques  observations  sur  T^löment  roman  de  Vanglais,  con- 
sidör^  dans  ses  rapports  au  fran9ais  moderne.  Lunds  üniv.  Ars- 
skrift.    XIX.    4°.     40  S.  23 


110  Novitäten  verzetcltnis. 

K.  Pioetz,  Voyage  ä  Paris.  Sprachführer  für  Deutsche  in  Frankreich. 
Praktisches  Handbuch  der  französischen  Umgangssprache.  9.  verb. 
Aufl.     BerUn.    Herbig.     12«.     VI,  122.    M.  1  (geb.  1,40).  24 

Ferd.  Leiffkoldt,  Etymologische  Figuren  im  Romanischen,  nebst  einem 
Anhang:  Wiederholungen,  betr.  Steigerung  und  Erweiterung  eines 
Begriffes.     S*».     VII,  96  S.    Erlangen.    Deichert.  24  a 

H,  Lehmann,  Der  Bedeutungswandel  im  Französischen.  8^  VII,  130  S. 
Erlangen.     Deichert.  24h 

IV.    Litteratargeschichte. 

C.  Auhertin^  Histoire  de  la  langue  et  de  la  litt^rature  fran9aise  au 
moyen-äge,  d'aprös  les  travaux  les  plus  räcents.  2^  Edition.  2  vols. 
Paris,    Belin.  25 

V.  Beränek^  Martin  Opitz  in  seinem  Verhältnis  zu  Scaliger  und  Ron- 
sard. Programm  der  Staats  -  Oberrealschule  im  III.  Bez.  in  Wien. 
28  S.  26 

J.  ten  Brink,  nieuwe  romans.  Alphonse  Daudet.  George  Ebers.  Emile 
Zola.  H.  J.  Schimmel.  Ferdinand  Fahre.  Haarlem,  H.  D.  Tjeenk 
WiUink.     8°.     1,40  fr.  27 

C.  Janin,  Traditions  populaires  de  la  Cöte-d'Or.  Paris,  Lechevalier. 
8<^.     56  S.     Fr.  2,50.  28 

E.  Deschanel^  Le  Romantisme  des  classiques.  2«  s^rie.  Racine.  2  vol. 
Paris,  Lävy.     Fr.  7.  29 

Pr,  Despine^  La  Science  du  Coeur  humain  ou  la  Psychologie  des  senti- 
ments  et  des  passions  d'apr^s  les  (Euvres  de  Moli^re.  Paris, 
F.  Savy.     8°.     136.  30 

L.  Despres,  L'Evolution  naturaliste.    Paris,  Tresse.  31 

R.  Fage,  Moli^re  et  les  Limousins.  Limoges,  Ve  Ducourtieux.  42  S. 
8".  32 

E.  Faguet,  Essai  sur  la  trag^die  fran9ai8e  au  XVI^  siecle  1550—1600. 

Th^se.  33 

F,  Feriiault,    Histoire    d'un    chant    populaire    bourguignon.      Mäcon. 

36  S.     12.  34 

Ch.  Joret^  Des  rapports  intellectuels  et  littöraires  de   la  France   avec 

TAUemagne  avant  1789.    Paris,  Hachette.     8°.     46.  35 

Buetj  Litterarische  fantasien  en  kritieken.     Oude  romans.  Jean-Jaques 

Rousseau.     Goethe.     Elizabeth  Wolff.     Bernardin   de  Saint -Pierre. 

Haarlem,  WiUink.    8<^.     4  zu  274.    FL  1,40.  36 

F.  Lotheissen ,  Geschichte  der  französ.  Litteratur  im  XVH.  Jahrhundert. 

4  Bde.    Wien,  Gerold's  Sohn.     8<^.     IH,  390.  '9  M.  37 

G. Merlei,  Tableau  de  la  litt^rature  fran9aise  (1800—15).  2«  et  3^  parties. 

Paris,  Hachette.     8°.    Frs.  15.  38 

E.  Monlegui^  Nos  Morts  contemporains.    Paris,  Hachette.     (Handelt  von 

Bäranger,  Ch.  Nodier,  A.  de  Musset  und  A.  de  Vigny.)  39 

0.  Richter^  Die  französische  Litteratur  am  Hofe  der  Herzöge  von  Bur- 

gund.    Hallenser  Dissertation.     8®.     46.  40 

J.  E.  Roy^  Racine,   sa  vie  intime   et   sa  correspondance  avec  son  fils. 

3e  ädit.    Lille,  Paris,  Lefort.     12«.     144  S.  41 

J.  Sarrazin^  Das  französ.  Drama  in  unserem  Jahrh.     Vortrag.    Berlin. 

1883.     8^    40  S.    M.  0,80.    (Sammlung  wissenschaftlicher  Vorträge. 

Heft  429.)  42 

H.  M.  Schütterer^  Geschichte   der  Spielmannszunft  in  Frankreich  und 

der  Pariser  Geigerkönige.  Studien  zur  Geschichte  der  franz.  Mu- 
sik,   n.     Berlin,  Damköhler.    8<».    M.  4,50,  43 


Noviiätenverzeich7ns.  111 

E.  Riiier  von  Stauber,  Les  Romanciers  de  TEmpire  et  de  la  Restaura- 

tion. Premiere  partie.  Progr.  der  Staats -Oberrealschule  in  Lai- 
bach.    28.  44 

P.  Se'billot,  Gargantua  dans  les  traditions  populaires.  Paris,  Maison- 
neuve.    Frs.  7,50.  45 

Stern,  Geschichte  der  neueren  Litteratur.  Von  der  Frührenaissance 
bis  auf  die  Gegenwart.  Erscheint  in  25  Lieferungen  ä  M.  0,50. 
Leipzig,  Bibliograph.  Institut.  46 

StosZj  Le  Sage  als  Vorkämpfer  der  Atomistik.  Dissertation.  Halle. 
8^     60.  47 

F.  H.  Weddigen,  Lord  Byrons  Einfluss  auf  die  europäischen  Litteraturen 

der  Neuzeit.  Ein  Beitrag  zur  allgemeinen  Litteraturgeschichte. 
Hannover,  Weichelt.    XV,  132  S.  8.     M.  2.  45 

V.   Ausgaben  und  GhrestomatlLien. 

Barthelemy,  Voyage  du  jeune  Anacharsis  en  Grece.  Im  Auszuge.  Er- 
klärt von  W.  Kühne.    1.  Bändchen.    Berlin,  Weidmann.    M.  1,80.  49 

Bossuet,  Oraisons  fun^bres  de  Bossuet.  Nouvelle  Edition,  collationnde 
sur  le  texte  de  T^dition  de  1699,  accompagn^e  de  notices,  de  notes 
et  d'extraits  des  auteurs  contemporains,  pr^cddäe  d'une  biographie, 
d'un  aper9u  sur  Thistoire  de  Toraison  funebre  et  d'une  ^tude  nou- 
velle sur  les  oraisons  funäbres  de  Bossuet,  par  Albert  Cahen. 
Paris,  lib.  P.  Dupont.     In- 12,  LXXXIV,  407  p.     Fr.  2,25.  50 

— ,  Oraisons  funebres  de  Bossuet.  Publikes  avec  une  introduction 
et  des  notes  historiques  et  bibliographiques,  par  Armand  Gast^. 
Paris,  Libr.  des  bibliophiles.     In- 16,  XXXIII,  312  p.  fr.  3.  51 

Deschamps,  Les  (Euvres  d'Eustache  Deschamps.  T.  III.  p.  p.  le  mar- 
quis  de  Queu  St.-Hilaire.  Paris,  A.-F.  Didot.  Sociötä  des  anciens 
textes  francais.  52 

Destouches,  Le  Glorieux,  comödie  en  cinq  actes.  Avec  une  pr^face  par 
Georges  d'Heylli.  In- 12,  XVI,  147  p.  Paris,  Libr.  des  bibliophi- 
les.   Fr.  4.  53 

L' Heplameron,  des  nouvelles  de  la  Reine  de  Navarre,  Edition  rdimpri- 
möe  d'apr^s  celle  de  Claude  Gruget  (1559).  Notice  par  Benjamin 
Pifteau.     3  vols.    Col.  el^^virienne  ä  1  franc.    Paris,  Delarue.    54 

La  Fontaine  et  Champmesle,  La  coupe  enchant^e,  comddie  en  un  acte. 
Pr^face  par  Georges  d'Heylli,  et  un  appendice  contenant  les  ori- 
gines  de  la  piece.  In- 12,  XX,  116  p.  Paris,  Libr.  des  biblio- 
philes.    Fr.  3,50.  55 

La  Foniame,  30  fahles.  Für  die  Mittelklassen  höherer  Schulanstalten 
ausgewählt,  bearbeitet  und  erläutert  von  H.  A.  Werner.  Berlin, 
Springer.    M.  1,20.  56 

A.  Kressner,  Ausgewählte  französische  Kanzelreden  (Bossuet,  Fl^chier, 
Massillon),    Leipzig,  Renger.     VIII,  95  S.  8<^.    M.  1.  57 

Z«»/r<?y,  Campagne  de  1806—1807.  Erklärt  von  Dr.  J.  Sarrazin. 
Leipzig,  Renger.     M.  1,50.  58 

Michaud,  Moeurs  et  coutumes  des  croisades.  Für  den  Schulgebrauch 
erklärt  von  F.  Hummel.    Leipzig,  Renger.    M.  1,25.  59 

Moliere,  Le  Bourgeois  gentilhomme,  comädie -ballet.  Texte  revu  sur 
l'^dition  originale  (1671)  avec  une  introduction,  les  notes  les  plus 
importantes  des  pr^c^dents  commentateurs  et  de  nouvelles  notes 
historiques,  grammaticales  et  litt^raires,  par  Armand  Gastd.  In-12, 
152  p.  avec  Vignette  et  musique.    Paris,  lib.  Ve  Belin  et  fils.      60 

Kavier  de  Maistre,  Prascovie  ou  la  jeune  Sibörienne.    Mit  Anmerkun- 


112  iVö  vitätenverzeichnis. 

gen  herauRgegeben  von  Dr.  A.  Lundehn.  Berlin,  Friedberg  und 
Mode.     112  S.  8<*.     Wörterbuch  25  S.  Gl 

Peius  Poetes  du  XVIIJe  siecle.  Po^sies  de  Gentil  Bernard.  Paris. 
Quantin.     XX,  352  S.  8.     Fr.  10.  62 

P.  de  Saint -Victor,  Les  deux  masques;  trag^die-comddie.  2^  s^rie.  Les 
modernes.  T.  III.  Shakespeare.  Le  th^ätre  fran^ais  depuis  les 
origines  jusqu'a  Beaumarchais.     Paris,  L^vy.    Fr.  7,50.  63 

Villon,  CEuvres  completes  de  Francois  Villon;  suivies  d'un  livre  de 
po^sies  attribu^es  ä  Villon.  Edition  accompagn^e  d'une  pröface 
d'un  glossaire  et  de  notes  par  M.  Theophile  Gautier.  Un  vol.  in- 
18  j^sus.     Paris,  Charpentier.    Fr.  3,50.  64 

A.  Tohler,  Vom  französischen  Versbau  alter  und  neuer  Zeit.  Zweite 
Auflage.     Leipzig,  Hirzel.     1883.     VII,  149  S.  8**.  64a 

K.  Bartsch,  Chrestomathie  de  Tancien  fran9ais  [VVIIe  —  XV«  si^cles]. 
Accompagnee  d'une  grammaire  et  d'un  glossaire.  5.  dd.  corr.  et 
augm.    Leipzig,  Vogel.    8**.    VIII,  748  .Sp.     M.  10.  65a 

W.  Foerster  und  E.  Koschrvitz,  Altfranz.  Übungsbuch.  Heft  I.  Heil- 
bronn.    Henninger.     M.  3.  65h 

K.  Ploeiz,  Lectures  choisies.  Französische  Chrestomathie  mit  Wörter- 
buch.    21.  Aufl.    Berlin,  Herbig.    M.  2.  66 

L.  Hetrig,  La  France  litt^raire.  35ieme  Edition.  Braunschweig,  Wester- 
mann.    M.  4,50.  67 

Ä.  de  La  Fontaine,  Mosa'ique  fran9aise  ou  extraits  des  ^osateurs  et 
des  poetes  fran9ai8  ä  l'usage  des  AUemands.  Avec  de  nombreuses 
notes  explicatives  et  un  vocabulaire.  5^  ^d.  Berlin,  Langenscheidt. 
8**.     VIII,  278.     M.  2.  68 

Lüdecking^  Französisches  Lesebuch.  II.  Teil,  für  obere  Klassen.  8.  Aufl. 
Leipzig.    M.  3.  69 

VI.    Metrik. 

Max  Banner,  Über  den  regelmässigen  Wechsel  männlicher  und  weib- 
licher Reime  in  der  altfranzösischen  Dichtung.  Marburg,  Elwert. 
Abhandl.  und  Ausgaben  XIV.     51  S.  8<».  70 

L,  Mainard;  Trait^  de  versification  fran9aise.  Paris  ,  Lemere.  16. 
Fr.  2.  ,  71 

Georg  Otten,  Über  die  Cäsur  im  Altfranzösischen.  I.  Dissertation. 
Greifswald,  Abel.     8^     25.  72 

P.  Herson,  fitude  sur  la  m^trique  naturelle  du  langage.  Avec  une 
pr^face  de  M.  G.  Paris.  Paris,  Vieweg.  Biblioth^que  de  l'Ecole 
des  hautes  ^tudes.     56.  73 

0.  Reissert,  Die  syntaktische  Behandlung  des  zehnsilbigen  Verses  im 
Alexius-  und  Bolandsliede  (Stengel,  Abhandl.  und  Ausgaben  VIII). 
Marburg,  Elwert.    VIII,  100  S.     M.  2,  40.  74 


Referate  und  Rezensionen. 


'  Mahreilholtz,  Voltaire  im  Urteil  der  Zeitgenossen.  Op- 
peln,  Eugen  Franek*s  Buchhandlung  (Georg  Maske),  1883. 
96  Seiten.     Preis  3  Mk. 

Das  Buch  bietet  eigentlich  mehr,   als  es  verspricht,   und  gibt 

]  anschauliches  und   fesselndes  Bild   des   litterarischen  Lebens   im 

'.iirhundert  Voltaire's.     Wir  sehen  wieder  einmal  aus  dem  reichen 

.halte  dieses  Buches,  wie  sehr  der  Patriarch  von  Ferney  den  Mittel- 

■inkt  des  litterarischen  Interesses  bildete. 

Die  Urteile  der  Gesinnungsgenossen  Voltaire's,  der  anderen 
litglieder  der  „Acadömie  de  Berlin"  sowohl,  als  des  Redakteurs 
tor  Correspondance  litteraire  (Grimm),  gelten  mehr  dem  Menschen 
ils  dem  Schrittsteller.  Daher  ist  auch  in  Friedrich  des  Grossen 
Korrespondenz  mit  den  beiderseitigen  Freunden  die  Meinung  über 
Voltaire  dem  Schriftsteller  wenig  günstig.  Dieses  Verhältnis  war 
f'ben  auf  gegenseitige  Berechnung  gegründet. 

Was  die  Jesuiten-  und  Theologenclique  gegen  Voltau'e  schrieb, 
ist  heute  glücklich  vergessen,  und  von  den  obskuren  Litteraten, 
welche  dem  Philosophen  so  viele  Unannehmlichkeiten  brachten,  ist 
höchstens  noch  der  Verfasser  der  Voltairomanie,  der  Jesuit  Des- 
fontaines.  heute  bekannt.  Mahrenholtz  hat  aber  keine  Mühe  ge- 
scheut, zahlreiche  der  bitterbösen  Pamphlete  dieser  frommen  Sippe 
durchzuackern  und  sogar  das  Kunststück  fertig  gebracht,  durch  den 
Wust  von  Fröron's  bändereicher  Zeitschrift  sich  hindurchzuwinden. 
Vielleicht  ist  es  dieser  unheimlichen  Arbeit  zuzuschreiben,  wenn 
der  arme  Piron  „qui  ne  fut  rien,  pas  mßme  acadömicien"  etwas 
schlimm  wegkommt.  —  Dass  Montesquieu  und  besonders  Jean- 
Jacques  Rousseau  im  strikten  Gegensatz  zu  dem  geistvollen  und 
feinkultivierten  Philosophen  standen,  liegt  in  ihrer  ganz  anders  ge- 
arteten Anlage. 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VR  3 


114  Referate  wul  Rezensiotien.    W.  Scheffler, 

Bei  dieser  vielseitigen  Antipathie,  die  wohl  zum  Teil  auch 
auf  Voltaire's  Feigheit  und  ewiger  Pseudonymität  beruhen  mag,  ist 
das  günstige  Ergebnis  der  Snbscription  für  die  bei  Lebzeiten  Vol- 
taire^s  errichtete  Statue  auffallend.  Mahrenholtz  zeigt,  dass  dieselbe 
keineswegs  als  Nationaldenkmal  zu  betrachten  ist,  und  dass  man 
auf  die  im  September  1  792  in  engerem  Kreise  stattgefundene  Apo- 
theose noch  weniger  Gewicht  zu  legen  hat  Seine  Gegner  behaupte- 
ten  sich  bis  zuletzt. 

Von  den  Beurteilern  Voltaire^s  im  Ausland  nimmt  Lessing 
unser  Hauptinteresse  in  Anspruch.  Es  wäre  vielleicht  dankenswert 
gewesen,  wenn  der  Verf.  Lessing's  oft  ungerechtfertigte  Kritik  der 
Tragödien  Voltaire*s  ausführlicher  behandelt  hätte.  Sallwürk's 
Ausgaben  der  Dramen  Voltaire's  enthalten  sehr  feine  Bemerkungen 
hierüber,  die  dem  fleissigen  Forscher  jedenfalls  wohlbekannt  sind. 

Streng  geht  M.  mit  dem  Plagiator  Voltaire  ins  Gericht,  der 
noch  ungenierter  als  Moliere  das  geistige  Eigentum  anderer  aus- 
plünderte. Sophokles,  Shakespeare,  Corneille,  Racine,  Boileau,  alle 
mussten  Federn  lassen.  Doch  ist  von  Plagiat  im  Sinne  der  Gegner, 
wie  Fröron  und  Konsorten,  keine  Bede.  M.  führt  das  Geschrei  auf 
das  vernünftige  Mass  zurück.  Mit  einer  Kritik  der  parUnetischen 
Schriften  über  Voltaire  schliesst  die  hochinteressante  und  gewandt 
geschriebene  Brochüre.  Sie  bildet  eine  willkommene  Ergänzung  zu  den 
Voltairestudien  des  nämlichen  Verfassers  und  rückt  die  von  ihm 
in  Aussicht  gestellte  wissenschaftliche  Biographie  Voltaire^s  hoffentlich 
immer  näher.  Die  Befähigung  des  Moliere-  und  Voltaire-Forschers 
Mahrenholtz  für  diese  heikle  Aufgabe  steht  wohl  ausser  Frage. 

Jos.  Sarkazin. 


Geschichte  der  neueren  Litteratur  von  Dr.  A.  Stern,  ord. 
Professor  für  Litteratur-  und  Kulturgeschichte  am  Königl. 
Polytechnikum  Dresden.  5  Bde.  Leipzig.  Bibliographi- 
sches Listitut     1883.*) 

m 

In  unserer  Zeit  der  strengen  Arbeitsteilung,  welche  auf  geistigem 
Gebiete  oft  in  Besorgnis  erregender  Weise  um  sich  greift,  ist  das 
vorliegende  Werk  geradezu  als  eiu  Ereignis  zu  betrachten.  Wir 
kennen  ^ Allgemeine  Litteratur-  oder  Kulturgeschichte"  eigentlich 
nur  noch  in  ^  Einzeldarstelhingen ",  wie  das  Schlagwort  lautet;  die 
verschiedenen    Teile    werden    tüchtigen    „  Spezialisten "    anvertraut, 

*)  Mit  dem  überaus  günstigen  Urteile,  welches  der  verehrte  Herr 
Rezensent  über  obiges  Werk  ausgesprochen  hat,  können  wir  uns  nicht 
allenthalben  einverstanden  erklären,  behalten  uns  vielmehr  die  Be- 
gründung einer  abweichenden  Ansicht  vor.  D.  Red. 


A.  Slern,  Geschichte  der  neueren  Litieraiur.  115 

welche  sie  gemäss  ihrer  Individualität  gestalten,  —  allein  die  „un- 
erlässliche  Einheit  des  Tones"  fehlt.  Das  so  entstandene  Werk 
bnngt  wohl  den  Eindruck  eines  Mosaikbildes  hervor,  nicht  aber  den 
eines  Gemäldes,  welches  in  allen  Teilen  von  einer  Kraft  künst- 
lerisch beherrscht  wird. 

Dieses  so  wünschenswerte  Geschaffensein  aus  einem  Guss  ist 
es,  wodurch  das  Werk  von  Stern  so  wertvoll  wird.  Sicherlich  gehört 
eine  Fülle  von  Eigenschaften  dazu,  um  einer  Aufgabe  zu  genügen, 
wie  Stern  sie  sich  mit  der  Darstellung  der  gesamten  Litteratur  der 
neueren  Zeit  gestellt  hat.  Zu  der  Befähigung,  dichterische  Grössen 
zu  beurteilen,  gesellt  sich  die  innige  Vertrautheit  mit  seinem  um- 
fassenden Stoffe,  sowie  die  Kraft,  das  Bleibende  aus  der  Erscheinun- 
gen Flucht  festzuhalten  und  in  lebensvollen  Bildern  zu  gestalten. 
Stem's  Werk  stellt  sich  zugleich  als  die  reife  Frucht  jahrelanger, 
ernster  Arbeit  dar;  man  fühlt  es,  nicht  in  der  Brutwärme  der 
Studierstube  allein  ist  dieses  Werk  herangereift,  sondern  die  warme 
Sonne  des  Lebens  hat  ihm  geschienen,  seine  letzte  Gestalt  hat  es 
durch  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Dozent  und  Hörer  erhalten 
und  ist  daher  auch  seiner  Wirkung  auf  „die  draussen  Stehenden" 
sicher. 

Nicht  einseitig  hat  der  Verfasser  die  Litteratur-  von  der  Kul- 
turgeschichte losgelöst,  sondern  von  Anbeginn  dahin  gestrebt,  die 
Beziehungen  des  Einzelnen  zur  Allgemeinheit  und  die  Einwirkungen 
des  gesamten  Lebens  auf  den  Einzelnen  zum  Ausdruck  zu  bringen. 
Wir  erhalten  sonach  mit  der  Lebensgeschichte  des  Autors  zugleich 
die  Geschichte  seiner  Zeit,  die  Schilderung  des  staatlichen,  gesell- 
schaftlichen und  künstlerischen  Lebens,  aus  welchem  der  Schriftsteller 
erwächst,  und  in  welches  er  seinerseits  wiederum  die  Keime  zu  neuer 
Entfaltung  streut. 

Während  andere  allgemeine  Litteraturgeschichten  eigentlich 
nur  in  eine  Reihe  von  Einzellitteraturen  der  verschiedenen  Völker 
zerfallen,  hat  Stern  eine  glückliche  Neuerung  in  der  Anordnung 
seines  Stoffes  insofern  getroffen,  als  er  die  durch  eine  gemeinsame 
Idee  beherrschten  Litteraturepochen  der  verschiedenen  Völker  ähn- 
lich den  Gliedern  einer  Kette  aneinanderreiht;  so  gleichen  die 
einzelnen  Epochen  einem  Eundgemälde,  welches  wir  von  einem  idealen 
Standpunkte  aus  überschauen  und  an  der  Hand  des  kundigsten 
Führers  gemessen. 

Bei  der  Besprechung  der  einzelnen  Werke  und  ihrer  Stellung 
im  Rahmen  der  Weltlitteratur,  stützt  unser  Verfasser  sein  eigenes 
Urteil,  ohne  dessen  SelbsiÄndigkeit  zu  beeinträchtigen,  auf  Aussprüche 
bedeutender  Fachmänner.  Wir  lernen  somit  für  das  jeweilige  Ge- 
biet zugleich  die  für  dasselbe  grundlegenden  Werke  kennen.  Wie 
sehr  übrigens  Adolf  Stern  hierbei   seinen  eigenen  Weg   geht,   zeigt 

8* 


116  Referate  und  Rezensionen.    J.  Klette , 

z.  B.  sein  Urteil  über  Moliere.  Dasselbe  steht  in  vollem  Gegen- 
sätze zu  demjenigen  von  Hettner,  welcher  in  seiner  berühmten  Litte- 
raturgeschichte  bekanntlich  dem  dichterischen  Repräsentanten  der 
französischen  Nation  die  „sichere  sittliche  Fährte"  abspricht.  In 
einzelnen  Fällen,  wo  unser  Verfasser  zur  Charakterisierung  seines 
Autors  Proben  nötig  zu  haben  glaubt,  sind  dieselben  nach  den  besten 
deutscheu  Übersetzungen  gegeben.  Wie  reich  wir  Deutschen  an 
mustergiltigen  Übertragungen  und  Nachdichtungen  sind,  ergibt  sich 
hiei'bei  aus  den  reichen  Litteraturnachweisen,  welche  Stern  am  Fusse 
der  Seiten  als  angenehme  Zugabe  aaiführt. 

Zu  der  Tiefe  der  Auffassung,  der  lichtvollen  Anordnung  und 
der  anziehenden  Charakteristik  gesellt  sich  eine  edle,  von  Begeiste- 
rung getragene  Sprache ,  welche  auch  da  den  richtigen  Ton  zu 
treffen  weiss,  wo  sie  bedenkliche  Seiten  der  Litteratur  zu  berühren 
hat.  Sicherlich  haben  wir  es  hier  nicht  mit  dem  ersten  Guss  zu 
thun  —  denn  der  Autor  weiss  mit  wenig  viel  zu  sagen  — ,  und 
doch  stehen  wir  unter  dem  Eindruck,  als  wäre  diese  Sprache  „schlank 
und  leicht,  wie  aus  dem  Nichts  gesprungen". 

Bei  seinem  Streben  nach  Vervollkommnung  wird  es  dem  Ver- 
fasser nur  lieb  sein,  wenn  wir  sein  Augenmerk  auf  einige  spezielle 
Punkte  richten,  —  denn  wer  vermag  ihm  auf  alle  Gebiete  zu  folgen! 

Ronsard  scheint  mir  noch  immer  unter  dem  Urteil  zu  leiden, 
welches  Boileau  in  seiner  „Art  poetique"  über  ihn  fällt:  dass  seine 
Muse  nicht  französisch,  sondern  griechisch  und  lateinisch  spreche. 
Und  doch  hat  Ronsard  sehr  im  Gegensatz  zu  der  zweiten  Renais- 
sance im  XVII.  Jahrhundert,  welche  einseitig  in  der  Antike  auf- 
ging, den  Versuch  gemacht,  auch  in  der  Sprache  das  heimische 
Element  mit  dem  antiken  zu  verschmelzen;  freilich  ist  der  Versuch 
nicht  voll  geglückt,  aber  dasa  die  Romantiker  über  das  XVII.  Jahr- 
hundert hinweg  auf  Ronsard  zurückgriffen  und  seine  Ideen  über 
Sprachbildung  und  Spracherneuerung  in  Fleisch  und  Blut  zu  über- 
führen suchten,  zeigt  doch,  dass  diese  Ideen  gesünder  und  dem 
französischen  Geiste  entsprechender  waren,  als  man  gemeinhin  an- 
nimmt. 

In  Betreff  des  genealogischen  Problems,  ob  Moliöre's  Frau 
Armande  als  Tochter  oder  als  Schwester  von  Madeleine  Be- 
jart  zu  betrachten  sei,  ist  der  Verfasser,  wohl  durch  eine  Unter- 
suchung von  Prölss,  welche  dann  auch  in  dessen  treffliche  Geschichte 
des  neueren  Dramas  übergegangen  ist,  zu  einem  Zweifel  veranlasst 
worden.  Nach  den  die  Verhältnisse  der  Wirklichkeit  berücksichti- 
genden Untersuchungen  von  Mahrenholtz  scheinen  die  Akten  hier- 
über geschlossen:  Armande  ist  hiernach  als  Madeleine's  Tochter 
zu  betrachten. 


H.  Krause:  Wychei^ley  wnd  seine  franz.  Qnellen.  117 

Moland's  Ausgabe  der  gesamten  Werke  Moli^re^s  ist  bereits 
in  zweiter  Autlage  erschienen. 

In  Betreff  der  Besprechung  von  Moliöre*s  Werken  hätte  ich 
im  allgemeinen  den  Wunsch,  Zusammengehöriges  noch  mehr,  als  es 
bereits  geschehen  ist,  zu  vereinen.  So  könnte  leicht  und  zwanglos 
an  die  Pr^cieuses  ridicules  die  Besprechung  der  Femmes  savantes 
gereiht  werden,  sowie  an  den  Malade  imaginaire  sämmtliche  auch 
possenhafte  Stücke,  welche  sich  auf  die  Verspottung  der  Ärzte 
beziehen. 

Bei  Sganarelle  vermisst  man  den  Hinweis  auf  den  Monolog  des 
Helden  (!)  über  die  Ehre,  welche  Scene  uns  allein  auch  heute  noch, 
namentlich  wegen  ihrer  merkwürdigen  Beziehungen  zu  Fallstaff's 
gleichnamigem  Monologe,  interessieren  kann. 

Das  Citat:  tu  Tas  voulu,  George  Dandin,  wird,  wie  Büchmann 
schon  bemerkt,  stets  in  dieser  Form  angeführt;  bei  Moliöre  lautet 
es:  V0U8  Tavez  voulu,  George  Dandin! 

Druckfehler  habe  ich  wenig  bemerkt,  einmal  Erasto  statt 
Eraste.  —  Die  neue  Orthographie  scheint  nicht  in  allen  Teilen  den 
Beifall  des  Druckers  gefunden  zu  haben.*  Denn  während  er  das  h 
sonst  wegschneidet,  scheint  ihm  ürtheil  ohne  diesen  Schmarotzer- 
buchstaben nicht  vollwichtig  genug  zu  sein. 

Die  Verlagsbuchhandlung  hat  das  ihre  durch  schönen  Druck 
und  vornehm  einfachen  Einband  gethan;  doch  hätte  ich  der  statt- 
licheren Repräsentation  halber  etwas  mehr  Durchschuss  (wie  in  der 
Einleitung  beispielsweise)  und  überhaupt  ein  etwas  grösseres  Format 
gewünscht. 

Der  Verleger  eröffnet  uns  schliesslich  die  angenehme  Aussicht, 
dass  Herr  Prof.  Ad.  Stern  mit  einem  VI.  Bande  die  Darstellung 
der  allgemeinen  Litteraturgeschichto  bis  hart  an  die  Schwelle  der 
Gegenwart  fortzuführen  gedenkt.  Nach  dem  Vorhergesagten,  wie 
nach  den  Vorarbeiten  von  Ad.  Stern  auch  auf  diesem  Gebiete, 
dürfen  wir  mit  Sicherheit  erwarten,  dass  dieser  letzte  Band  sich 
würdig  seinen  Vorgängern  anschliessen  werde. 

W.  Scheffleu. 


Wycherley  und  seine  französischen  Quellen  von  H.  Krause. 
Dissertation.     Halle  a/S.  1883. 

Der  Zweck  obiger  Schrift  ist  ein  Vergleich  der  Dramen  Wy- 
cherley's  mit  ihren  französischen  Vorbildern,  vornehmlich  mit  L'Ecole 
des  maris,  L'Ecole  des  femmes  und  Le  Misanthrope.  Dieser  Ver- 
gleich ist  mit  Genauigkeit  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  durch- 
geführt, konnte  aber  wesentlich   neue  Gesichtspunkte   nicht  ergeben, 


118  Referate  und  Rezensionen,    J.  Klette, 

da  das  Thema  schon  öfter  in  derselben  Weise  mehr  oder  weniger 
ausführlich  behandelt  worden  ist,  und  der  Verfasser  der  Schrift  von 
demselben  Standpunkte  aus,  wie  seine  Vorgänger,  den  Gegenstand 
behandelt  hat 

Als  Resultat  seiner  Untersuchungen  konstatiert  Krause  eine 
grosse  Verschiedenheit  an  moralischem  Gehalt  in  bezug  auf  die 
Fabeln  von  L'Ecole  des  femmes  und  The  Country-Wife,  in  bezug 
auf  die  Charaktere  des  Arnolphe  und  des  Pinchwlfe,  der  Agn^s  und 
der  Margery,  des  Horace  oder  Val^re  und  des  Homer,  des  Alceste 
und  des  Manly  und  erblickt  den  Grund  dieser  Verschiedenheit  1)  in 
dem  Bestreben  Wycherley's,  die  Moliöre'schen  Stücke  dem  Ge- 
schmacke  seiner  Zeit  anzupassen,  und  2)  in  der  Individualität  des 
Dichters  selbst. 

So  sehr  Bef.  den  ersten  der  angeführten  Gründe  anerkennt,  so 
muss  er  doch  ebenso  sehr  die  Stichhaltigkeit  des  zweiten  anzweifeln. 
Als  Grund  dafür,  dass  der  geringe  moralische  Gehalt  von  Wycherley's 
Lustspielen  auch  aus  der  Individualität  des  Dichters  resultiere,  führt 
Krause  nur  an,  dass  sich  Wycherley,  wie  er  uns  von  seinen  Bio- 
graphen geschildert  werde,*  in  seiner  Lebensweise  und  seiner  Lebens- 
anschauung  nicht  viel  von  den  von  ihm  gemalten  Typen  unter- 
schieden habe.  Dies  ist  aber  eine  unerwiesene  Behauptung  und  Kr. 
verschmäht  es  auch  anzugeben,  auf  welche  Biogi*aphien  sich  diese 
seine  Behauptung  giiindet.  Ganz  abgesehen  davon,  dass  schon 
aus  der  „klugen  Anpassung  an  den  englischen  Zeitgeschmack^'  auch 
mit  Notwendigkeit  die  Charaktei^seichnung  der  einzelnen  Personen 
sich  ergibt,  und  daher  die  eigene  subjektive  Überzeugung  des  Dich- 
ters eine  ganz  andere  gewesen  sein  kann,  so  tiifft  gerade,  wie  aus 
den  über  ihn  gemachten  biographischen  Notizen,  teilweise  selbst  aus 
denen  Pope's  hervorgeht,  die  Identität  von  Wycherley's  eigenem 
Charakter  und  demjenigen  der  von  ihm  gezeichneten  Personen  nicht 
zu.  Ich  habe  schon  in  meiner  Schrift  über  Wycherley  (Münster  i/W. 
1883)  nachzuweisen  versucht,  dass  bei  der  Beurteilung  von  Wy- 
cherley's  Charakter  notwendig  zwei  Perioden  zu  unterscheiden  seien 
und  dass  in  der  ersten  —  es  ist  Wycherley's  Dichterperiode  1669 
bis  ca.  1676  —  Wycherley  als  feingebildeter  Kavalier,  wie  Pope 
sagt,  als  echter  Aristokrat  zu  denken  sei,  und  erst  in  der  zweiten 
als  solch  ein  hohler  G^ck  und  verkommenes  Sujet,  wie  ihn  Ma- 
caulay  zuerst  geschildert  hat  und  wie  er  seitdem  in  den  Litteratur- 
geschichten  spukt,  und  dass  eben  der  Grund  für  diese  Umwand- 
lung von  Wycherley's  Charakter  in  seinen  Missgeschicken  nach  seiner 
Heirat,  in  der  durch  das  Fieber  (1679)  entstandenen  Zerrüttung 
seines  Nervensystems,  welche  sich  durch  grosse  Gedächtnisschwäche 
dokumentierte,  und  vor  allem  in  der  Haft  von  sieben  Jahren  1681 
bis  1688   zu    suchen    sei.     So   richtig  die  Schilderung  Wycherley^s 


ü.  Krause:  Wycherley  und  seine  franz.  Quellen,  119 

II  Seiten  Macaulay's  für  die  zweite  Periode  seines  Lebens  ist,  so 
M richtig  ist  sie  für  die  erste,  also  für  seine  Dichterperiode.  Macanlay 
/uzt  sich  eben  in  seiner  Schilderung  Wycherley *s  vorzugsweise  auf  den 
lüt'wechsel  zwischen  Wycherley  und  Pope,  und  dieser  ist  nur  für 
•  zweite  Periode  massgebend;  alle  andern  uns  überkommenen  No- 
•m  über  Wycherley's  Charakter  liefern  eben  ein  ganz  anderes  Bild 
li  dem  Dichter,  worüber  man  Kap.  I,  §  3  meiner  Schrift  ver- 
loben möge. 

So   lange   also  Er.  uns    nicht  angibt,   auf  welche  uns  unbe- 
nute  Biographieen  er  seine  Behauptung    stützt,   so   lange    werden 
r,   gestützt   auf   die   bisher  bekannten   Notizen   über  Wycherley's 
uirakter  als  Dichter,   an    der  Verschiedenheit  seines   eigenen  Cha- 
.iters  und  der  seiner  Figuren  festhalten  und   daher   auch    die  In- 
vidualität  Wycherley's   für  die  moralische  Verderbtheit  seiner  Fi- 
.ren    nicht   verantwortlich    machen    dürfen.      Hinzu   kommt    aber, 
.SS    die   eigenen  Aussagen  Wycherley^s    zeigen,    dass    er    durchaus 
.cht    mit    den    Gesinnungen    seiner    Bühnenfiguren    übereinstimmt. 
dler  in  seinem  universal -Lexikon  1 749  berichtet  ein  Dictum  Wy- 
erley's  über  sich  und  Moli^re,  in  welchem  es  heisst,  er,  Wycher- 
j-,    kenne   sich   selbst    und  Moli^re  zu  gut,    um    nicht   zu  wissen, 
SS    er  Moliöre's  Charaktere    mehr   verdorben   als   verbessert   habe, 
jch  sei  er  dabei  mehr  dem  Geschmacke  seiner  Landsleute, 
is  seinem  eigenen  gefolgt.     Ich  habe  hierauf  bereits  in  meiner 
hrift   über  Wycherley   (p.  60)    hingewiesen   und    dabei    bemerkt, 
iss   allerdings   Zedler's   Quelle   für   diesen    Ausspruch  Wycherley's 
icht  nachgewiesen  werden  kann,  dass  aber  ebenso  wenig  ein  Grund 
orliegt,    die    Richtigkeit    desselben   anzuzweifeln.      Wycherley   war, 
.  ie  alle  anderen  englischen  Dichter  damaliger  Zeit,  gezwungen,  wenn 
r   überhaupt  reüssieren    wollte,   ausschliesslich    dem  Zeitgeschmack 
AI  huldigen,  und  Wycherley's  Abhängigkeit  von  demselben  wird  am 
testen  dadurch  gekennzeichnet,  dass  —  worauf  auch  Kr.  (pag.  24) 
hinweist  —  der  Dichter  es  für  nötig  hält,  da,  wo   er    dem  Zeitge- 
schmack entgegenhandelt,  sein  Verfahren  dem  Publikum   gegenüber 
zu  rechtfertigen  (Prolog  zu  Piain -Dealer,  Ende).     Wenn   also  Wy- 
cherley  nur   seinem   eigenen   Geschmacke   hätte    folgen    können,   so 
würden   seine   Charaktere    ganz   andere,  jedenfalls  moralischere,  ge- 
worden sein. 

Wie  Krause  (p.  29 — 30)  ganz  richtig  herausgefühlt  hat,  ist 
die  Dedikation  des  Piain -Dealer  an  My  Lady  B.  eine  Art  Ver- 
teidigung ^des  Cynismus  der  Form^,  eine  Erklärung  des  Dichters, 
dass  er  selbst  ein  Piain -Dealer,  ein  ehrlicher  Makler  sein  will,  der 
mit  den  Gebrechen  seiner  Zeitgenossen  rechtet,  doch  traut  Kr.  den 
Worten  des  Dichters  nicht  und  zweifelt,  ob  es  ihm  selbst  Ernst  mit 
seiner  wahren  Sittlichkeit  gewesen  sei  und  meint,  dass  eine  derartige 


120  Referate  und  Rezensionen.    J.  Klette, 

Beschreibung  des  Lasters,  wie  sie  Wycherley  gibt,  auf  das  Publi- 
kum damaliger  Zeit  einen  ganz  anderen  Eindruck  als  den  des  Ab- 
schens machen  mnsste.  Uns  scheint  in  beiden  Punkten  Kr.  Unrecht 
zu  haben.  Ref.  muss,  um  Krause  zu  widerlegen,  auf  einen  Punkt 
näher  eingehen,  den  er  bereits  in  seiner  Schrift  über  Wycherley 
(Kap.  III,  §  3)  berührt  hat,  nämlich  auf  die  den  Dramen  Wycher- 
ley's  eigene  satirische  Tendenz,  ein  Punkt  allerdings,  der  bei  den 
Reconsenten  seiner  Schrift  (Mahrenholtz,  Litteraturblatt  1883,  p.  463, 
Varnhagen,  Deutsche  Litteraturzeitung  1883,  Nr.  52)  wenig  Anklang 
gefunden  zu  haben  scheint.  Auf  den  Nachweis  der  satirischen  Ten- 
denz in  Wycherley's  Dramen  kommt  alles  für  die  Beurteilung  Wy- 
cherley's  an,  und  diesen  glaube  ich  allerdings  erbracht  zu  haben, 
wenn  auch  nicht  in  der  Weise,  wie  es  Varnhagen  annehmen  zu 
müssen  glaubt,  nämlich  durch  das  Zusammenstellen  dessen,  was 
Wycherley  gelegentlich  von  den  wits  u.  s.  w.  in  seinen  Dramen 
sagt;  diese  Zusammenstellungen  sollten  überhaupt  keinen  Beweis 
für  die  satirische  Tendenz  bilden,  sondern  nur  eine  Exemplifizierung 
sein  für  die  Art  und  Weise,  wie  der  Dichter  seine  Tendenz  zum 
Ausdruck  bringt.  Da  es  vielleicht  ein  Mangel  meiner  Schrift  ist, 
auf  diese  Beweisstellen  nur  in  den  Anmerkungen  hingedeutet  und 
es  dem  Leser  überlassen  zu  haben,  die  betreffenden  Stellen  bei  Wy- 
cherley selbst  nachzulesen  und  zu  prüfen,  so  will  ich  meine  Beweise 
dafür,  duss  sich  Wycherley  de^  erziehenden  Macht  seiner  Muse  wohl 
bewusst  war,  und  dass  er  dieser  am  besten  dadurch  zum  Ausdruck 
zu  verhelfen  glaubte,  dass  er  sein  Zeitalter  kopierte,  um  es  lächer- 
lich zu  machen,  hier  genauer  präzisieren,  weil  durch  einen  Nach- 
weis der  verfolgten  satirischen  Tendenz  zugleich  Krause^s  Ansichten 
widerlegt  werden  dürften.  Dieser  Nachweis  gründet  sich  auf  Wy- 
cherley's  Worte  selbst.  In  seinem  Prologe  zu  The  Piain -Dealer 
sagt  der  Dichter,  dass  er  mit  seinem  Stücke  heute  die  Witzlinge 
nicht  ergötzen  will,  ebenso  wenig  wie  die  lauten  Herren  im  Par- 
terre und  die  boshaften  Kritiker  in  den  Logen,  welche  sagen  wer- 
den, piain -dealing  sei  aus  der  Mode,  und  es  daher  ebenso  hassen 
werden,  wie  in  einer  Dedikation ;  ebenso  wenig  werden  ihre  schönen 
Nachbarinnen  piain -dealing  einem  sie  porträtierenden  Dichter  zu- 
gestehen; aber  der  Maler  der  folgenden  Szenen  folgt  nur  dem  Leben 
und  der  Natur  und  stellt  Euch  so  dar,  wie  Ihr  seid:  die  (vor- 
geblich) anständige  Dame  macht  er  zu  einer  käuflichen,  keinem  Manne 
treuen  Kokette,  seine  Witzlinge  sind  solche  Schurken,  wie  sie  nur  je 
auf  der  Bühne  erschienen,  er  zeichnet  einen  Freund  genau  nach  der 
Sitte,  zufolge  der  er  natürlich  seine  Treue  bricht.  Ich  allein 
(der  Plaiu-Dealer)  handle,  wie  keiner  von  Euch,  als  ein  ehr- 
licher Mann,  der,  wie  Ihr,  nie  Fehler  übersieht,  aber.  Euch  im- 
gleich,  spricht,  was  er  denkt,  der  einzigste  Narr  der   bisher   keinen 


H.  Krause:  fVychej'ley  und  seine  franz.  Quellen.  121 

Schutzherrn  fand,  da  ja  Wahrheit  jetzt  ebenso  sehr  ein  Fehler  ist, 
wie  Verstand.  Wo  anders  als  auf  der  Bühne  sehen  wir  jetzt  ge- 
^llige  Wahrheit  und  belohnte  Ehrenhaftigkeit?  Unser  kühner 
Dichter  zeigt  sie  heut  in  mir.  Wenn  nicht  dem  Ehrenhaften, 
so  seid  doch  dem  Erfolgreichen  günstig  und  lasst  den  Piain -Dealer 
einige  Freunde  am  Hofe  finden. 

Aus  diesem  Prologe,  voll  ironischen  Spottes,  in  welchem  der 
Dichter  mit  fast  jedem  Worte  einen  Schlag  versetzt,  geht,  wie  ich 
glaube,  doch  deutlich  genug  hervor,  dass  er  sich  in  Gegensatz  setzt 
zu  seinem  Publikum,  dass  er  dessen  moralische  Anschauungen  nicht 
teilt,  dass  er  sein  Stück  nicht  zur  Belustigung,  sondern  zur  Besse- 
rung hat  schreiben  wollen.  Dass  ferner  Wycherley  allerdings  glaubte 
auf  dem  richtigen  Wege  zu  sein,  um  die  Gesellschaft  als  Dichter 
zu  einziehen,  wenn  er  ihr  ihre  Unsitten  rücksichtslos  vor  Augen 
führte;  dass  also  ,, jener  Begriff  wahrer  Sittlichkeit,  welcher  in  der 
Dedikation  des  Plaiu- Dealer  so  eifrig  hervorgehoben  und  betont 
wird,  wirklich  kein  sophistischer  Zug  ist",  sondern  „Selbsttäuschung 
des  Dichters",  das  geht  aus  der  Stelle  des  Countrj-Wife  hervor  (Akt  II, 
Szene  2,  auch  hierauf  hat  Kr.  nicht  geachtet),  wo  Wycherley  bei- 
nahe wörtlich  aus  Moliöre's  L'Impromptu  de  Versailles  entlehnt 
(p.  59  meiner  Schrift).  Der  Dichter  führt  hier  ein  Beispiel  dafür  an, 
dass  ein  rücksichtsloses  Porträtieren  der  Schwächen  und  Fehler  auf 
der  Bühne  in  Wahrheit  Besserung  bewirkt  habe,  wenn  er  den  grössten 
Gecken  des  Stückes,  Sparkish,  auf  die  Dichter  räsonnierend  sagen 
lUsst:  „Die  Dichter  machen  einen  weisen  und  verständigen  Mann 
der  Welt  (so  wie  Sparkish  selbst  einer  ist)  auf  der  Bühne  zu  einem 
Narren,  und  deswegen  hasse  ich  sie  auch,  denn  ich  weiss  nicht,  ob 
es  nicht  mit  mir  ebenso  der  Fall  sein  kann.  Ihre  Vorgänger  waren 
zufrieden,  Diener  zu  ihren  Bühnennarren  zu  machen,  aber  diese 
Schurken  müssen  Hen-en  haben,  ja  sogar  Ritter,  und  wahrlich  Ihr 
werdet  kaum  einen  Narren  auf  der  Bühne  sehen,  ohne  dass  er  ein 
Ritter  ist.  Und  um  Euch  die  Wahrheit  zu  sagen,  sie  haben 
mich  schon  sechs  Jahre  lang  abgehalten,  mich  zum  Rit- 
ter machen  zu  lassen,  aus  Furcht,  in  einem  Stücke  zum 
Ritter  und  Narren  geschlagen  zu  werden".  Wenn  der  Dich- 
ter einen  Menschen,  wie  Sparkish,  so  sprechen,  wenn  er  ihn  selbst 
einräumen  lässt,  dass  ihn  die  Furcht,  auf  der  Bühne  porträtiert  zu 
werden,  vor  einer  Thorheit  bewahrt  habe,  die  guten  Wirkungen 
eines  satirischen  Porträtierens  also  an  ihm  selber  beweist,  so  kann 
doch  dem  Dichter  das  Bewusstsein  von  der  erziehenden  Macht  seiner 
Muse  nicht  abgesprochen  werden;  und  sollte  nun  Wycherley  dieses 
Bewusstsein  gehabt  und  zum  Ausdruck  gebracht  haben,  ohne  selbst 
die  Absicht  zu  hegen,  auch  durch  seine  Stücke  seinem  Publikum 
diese  Macht  fühlen  zu  lassen? 


114  Referate  nrul  Rezensiotieri.    W.  Scheffler, 

Bei  dieser  vielseitigen  Antipathie,  die  wohl  zum  Teil  aach 
auf  Voltaire*s  Feigheit  und  ewiger  Pseudonymität  beruhen  mag,  ist 
das  günstige  Ergebnis  der  Subscriptiou  für  die  bei  Lebzeiten  Vol- 
taire's  errichtete  Statue  auffallend.  Mahrenholtz  zeigt,  dass  dieselbe 
keineswegs  als  Nationaldenkmal  zu  betrachten  ist,  und  dass  man 
auf  die  im  September  1  792  in  engerem  Kreise  stattgefundene  Apo- 
theose noch  weniger  Gewicht  zu  legen  hat  Seine  Gegner  behaupte- 
ten  sich  bis  zuletzt. 

Von  den  Beurteilern  Voltaire's  im  Ausland  nimmt  Lessing 
unser  Hauptinteresse  in  Anspruch.  Es  wäre  vielleicht  dankenswert 
gewesen,  wenn  der  Verf.  Lessing's  oft  ungerechtfertigte  Kritik  der 
Tragödien  Voltaire^s  ausführlicher  behandelt  hätte.  Sallwürk^s 
Ausgaben  der  Dramen  Voltaire's  enthalten  sehr  feine  Bemerkungen 
hierüber,  die  dem  fleissigen  Forscher  jedenfalls  wohlbekannt  sind. 

Streng  geht  M.  mit  dem  Plagiator  Voltaire  ins  Gericht,  der 
noch  ungenierter  als  Moliere  das  geistige  Eigentum  anderer  aus- 
plünderte. Sophokles,  Shakespeare,  Corneille,  Racine,  Boileau,  alle 
mussten  Federn  lassen.  Doch  ist  von  Plagiat  im  Sinne  der  Gegner, 
wie  Fr^ron  und  Konsorten,  keine  Bede.  M.  führt  das  Geschrei  auf 
das  vernünftige  Mass  zurück.  Mit  einer  Kritik  der  paränetischen 
Schriften  über  Voltaire  schliesst  die  hochinteressante  und  gewandt 
geschriebene  Brochüre.  Sie  bildet  eine  willkommene  Ergänzung  zu  den 
Voltairestudien  des  nämlichen  Verfassers  und  rückt  die  von  ihm 
in  Aussicht  gestellte  wissenschaftliche  Biographie  Voltaire's  hoffentlich 
immer  näher.  Die  Beföhigung  des  Moliöre-  und  Voltaire-Forschers 
Mahrenholtz  für  diese  heikle  Aufgabe  steht  wohl  ausser  Frage. 

Jos.  Sabbazin. 


Geschichte  der  neueren  Litteratur  von  Dr.  A.  Stern,  ord. 
Professor  für  Litteratur-  und  Kulturgeschichte  am  Königl. 
Polytechnikum  Dresden.  5  Bde.  Leipzig.  Bibliographi- 
sches Institut     1883.*) 

• 

In  unserer  Zeit  der  strengen  Arbeitsteilung,  welche  auf  geistigem 
Gebiete  oft  in  Besorgnis  erregender  Weise  um  sich  greift,  ist  das 
vorliegende  Werk  geradezu  als  ein  Ereignis  zu  betrachten.  Wir 
kennen  „Allgemeine  Litteratur-  oder  Kulturgeschichte"  eigentlich 
nur  noch  in  „Einzeldarstellungen",  wie  das  Schlagwort  lautet;  die 
verschiedenen    Teile    werden    tüchtigen    „  Spezialisten "    anvertraut, 

*)  Mit  dem  überaus  günstigen  Urteile,  welches  der  verehrte  Herr 
Rezensent  über  obiges  Werk  ausgesprochen  hat,  können  wir  uns  nicht 
allenthalben  einverstanden  erklären,  behalten  uns  vielmehr  die  Be- 
gründung einer  abweichenden  Ansicht  vor.  D.  Red. 


ff.  Krause:  Wycherley  und  seine  franz.  Quellen.  123 

Kr.  angeführten  äusseren  und  inneren  Gründen  für  eine  Benutzung 
<les  Originals  steht  es  kaum  besser.  Die  Annahme,  dass  der  jugend- 
liche Wycherley  sich  gerade  in  Paris  aufhielt,  als  Moliere  anfing, 
berühmt  zu  werden,  ist  zwar  für  die  Beweisführung  Krauses  recht 
passend,  muss  aber  solange  als  eine  rein  willkürliche  angesehen 
werden,  als  nicht  Kr.  eine  sichere  Quelle  für  dieselbe  nachweist 
(was  er  in  seiner  Schrift  nicht  gethan),  denn  die  uns  erhaltenen  Bio- 
graphien erzählen  wohl  von  einem  Aufenthalle  Wycherley's  an  den 
Ufern  der  Charente,  aber  von  keinem  Aufenthalte  in  Paris.  Dass 
Wycherley,  wie  Krause  will ,  durch  die  Übersetzung  der  Ecole  des 
femmes  des  ^Sir  Salomon^  auf  das  französische  Original  aufmerksam 
fvemacht  worden  ist,  ist  wohl  möglich,  bekannt  gewesen  sind  wohl 
aber  beide  Schulen  Moliöre's  im  Original  schon  vor  1669,  wenig- 
stens lässt  sich  dies  von  der  Ecole  des  maris  konstatieren,  da  Sedley, 
der  Freund  Wycherley's,  die  Szene  1  des  ersten  Aktes  seines  Mul- 
berry- Garden  augenscheinlich  nach  dem  Original  zusammenkompi- 
liert hat. 

Da  nun  Wycherley  durch  Sedley's  Stück  zu  Love  in  a  Wood 
angeregt  worden  (1669),  dürfte  er  auch  durch  eben  dieses  StTick 
auf  Ecole  des  maris  aufmerksam  gemacht  worden  sein  und,  das 
kann  man  wohl  unbedenklich  weiter  schliessen,  wenn  auf  die  Schule 
der  Männer,  dann  auch  auf  die  der  Frauen.  Wenn  nnn  Referent 
auch  Kr.  zugeben  wollte,  dass  Wycherley  bei  der  Abfassung*  seiner 
Erstlingsstücke  die  beiden  Schulen  Moliöre's  noch  nicht  gekannt  habe, 
(p.  33  —  34,  cf.  dagegen  p.  40  —  53  meiner  Schrift),  so  würde  sich 
doch  jedenfalls  aus  obigem  ergeben,  dass  Wycherley  schon  lange 
vor  Abfassung  von  ;,The  Country-Wife"  durch  Zufall  die  beiden 
Schulen  Moliöre's  kennen  gelernt  haben  kann,  und  es  also  durch- 
aus nicht  nötig  ist,  mit  Krause  (pag.  6  —  7)  zu  behaupten ,  dass 
Wycherley  deswegen  eben  die  Schulen  Moli^re's  sich  zum  Vor- 
bilde genommen,  weil  er  gerade  diese  dem  lasciven  Geschn^ack 
seiner  Zeit  anzupassen  hoffen  durfte,  weil  er  es  hier  leicht  finden 
musste,  wahre  Sittlichkeit  in  offenbare  ünsittlichkeit  zu  verwandeln. 

2)  Die  Vermutung  (p.  20),  dass  Wycherley  bei  der  Abfas- 
sung des  Schlusses  von  The  Country-Wife  durch  Moliere  inspiriert 
worden  sei,  scheint  nicht  gerechtfertigt,  da  Wycherley  vielmehr 
gerade  in  der  Episode  Harcourt-Sparkish-Alithea  sich  auf  die  chro- 
nique  scandaleuse  stützte  und  das  Verkleidungskunststück  Harcourt's 
sein  Pendant  in  der  Liebesaffäre  fand,  welche  sich  zwischen  dem 
Earl  of  Oxford  und  der  Schauspielerin  Roxane  abgespielt  hatte 
(pag.  59  —  59  meiner  Schrift). 

3)  Die  Entlehnung  der  Viola  aus  Shakespeare's  Twelfth  Night 
als  Fidelia  im  Piain -Dealer  ist  nicht  sicher  nachzuweisen,  da  Wy- 


114  Referate  und  Rezensiotien.    W.  Scheffler, 

Bei  dieser  vielseitigen  Antipathie,  die  wohl  zum  Teil  auch 
auf  Voltaire's  Feigheit  und  ewiger  Pseudonymität  beruhen  mag,  ist 
das  günstige  Ergebnis  der  Snbscription  für  die  bei  Lebzeiten  Vol- 
taire's  errichtete  Statue  auffallend.  Mahrenholtz  zeigt,  dass  dieselbe 
keineswegs  als  Nationaldenkmal  zu  betrachten  ist,  und  dass  man 
auf  die  im  September  1  792  in  engerem  Kreise  stattgefundene  Apo- 
theose noch  weniger  Gewicht  zu  legen  hat  Seine  Gegner  behaupte- 
ten  sich  bis  zuletzt. 

Von  den  Beurteilern  Voltaire^s  im  Ausland  nimmt  Lessing 
unser  Hauptinteresse  in  Anspruch.  Es  wäre  vielleicht  dankenswert 
gewesen,  wenn  der  Verf.  Lessing's  oft  ungerechtfertigte  Kritik  der 
Tragödien  Voltairo's  ausführlicher  behandelt  hätte.  Sallwürk's 
Ausgaben  der  Dramen  Voltaire's  enthalten  sehr  feine  Bemerkungen 
hierüber,  die  dem  fleissigen  Forscher  jedenfalls  wohlbekannt  sind. 

Streng  geht  M.  mit  dem  Plagiator  Voltaire  ins  Gericht,  der 
noch  ungenierter  als  Möllere  das  geistige  Eigentum  anderer  aus- 
plünderte. Sophokles,  Shakespeare,  Corneille,  Racine,  Boileau,  alle 
mussten  Federn  lassen.  Doch  ist  von  Plagiat  im  Sinne  der  Gegner, 
wie  Fr^ron  und  Konsorten,  keine  Bede.  M.  führt  das  Geschrei  auf 
das  vernünftige  Mass  zurück.  Mit  einer  Kritik  der  paränetischen 
Schriften  über  Voltaire  schliesst  die  hochinteressante  und  gewandt 
geschriebene  Brochüre.  Sie  bildet  eine  willkommene  Ergänzung  zu  den 
Voltairestudien  des  nämlichen  Verfassers  und  rückt  die  von  ihm 
in  Aussicht  gestellte  wissenschaftliche  Biographie  Voltaire's  hoffentlich 
immer  näher.  Die  Beföhigung  des  Moliöre-  und  Voltaire-Forschers 
Mahrenholtz  für  diese  heikle  Aufgabe  steht  wohl  ausser  Frage. 

Jos.  Sakbazin. 


Geschichte  der  neueren  Litteratur  von  Dr.  A.  Stern,  ord. 
Professor  für  Litteratur-  und  Kulturgeschichte  am  Königl. 
Polytechnikum  Dresden.  5  Bde.  Leipzig.  Bibliographi- 
sches Institut     1883.*) 

• 

In  unserer  Zeit  der  strengen  Arbeitsteilung,  welche  auf  geistigem 
Gebiete  oft  in  Besorgnis  erregender  Weise  um  sich  greift,  ist  das 
vorliegende  Werk  geradezu  als  ein  Ereignis  zu  betrachten.  Wir 
kennen  „Allgemeine  Litteratur-  oder  Kulturgeschichte"  eigentlich 
nur  noch  in  „Einzeldarstelhmgen",  wie  das  Schlagwort  lautet;  die 
verschiedenen    Teile    werden    tüchtigen    „  Spezialisten "    anvertraut, 

*)  Mit  dem  überaus  günstigen  Urteile,  welches  der  verehrte  Herr 
Bezensent  über  obiges  Werk  ausgesprochen  hat,  können  wir  uns  nicht 
allenthalben  einverstanden  erklären,  behalten  uns  vielmehr  die  Be- 
gründung einer  abweichenden  Ansicht  vor.  D.  Red. 


M.  Trautfnann:  Die  Sprachlaute  etc.  125 

seiner  einzelnen  Teile  eingehender  behandelt,  doch  gentigt  das 
hier  Gesagte  für  praktische  Zwecke  vollkommen. 

Der  kurze  Abschnitt  3  handelt  über  Wesen,  Entstehung, 
Einteilung  und  System  der  Sprachlaute.  Hier  verdienen  folgende 
Sätze  hervorgehoben  zu  werden:  'Ein  Sprachlaut  ist  ein  solches 
Schallerzeugnis  des  Sprechorgans,  welches  vom  Ohr  als  eine 
Einheit  empfunden  wird  .  .  .'  'Jede  Bewegung  zum  Zwecke  der 
Lauterzeugung  heisst  Artikulation.'  Das  Wort  hat  also  eine 
etwas  andere  Bedeutung  als  bei  Techmer.  'Die  Sprachlaute  sind 
nicht  nach  der  Art  ihrer  Hervorbringung,  sondern  nach  ihrem 
Klange  einzuteilen  .  .  .'  'Die  uralte  Scheidung  der  Laute  in  Vo- 
kale und  Konsonanten  ist  beizubehalten,  aber  diese  Ausdrücke 
durch  geeignetere  zu  ersetzen  .  .  .'  Besonders  beachtenswert 
sind  die  Forderungen,  die  der  Verf.  an  jedes  Lautsystem,  also 
auch  an  das  seinige  stellt.  Ich  erwähne  nur  die  Forderungen 
2  und  3:  'Das  System  muss  vollständig  sein,  nicht  vollständig 
in  dem  Sinne,  dass  .es  alle  bisher  bekannt  gewordenen  (oder 
überhaupt  möglichen?  Ref.;  man  erinnere  sich  an  die  Systeme 
Techmer's  und  des  Prinzen  L.  L.  Bonaparte  und  Ellis'  in  On 
Early  Engl.  Pronunciation !)  Laute  einverleibt,  sondern  dass  es 
Vertreter  sämtlicher  Hauptformen  der  Sprachlaute  enthält.  Alle 
Laute  des  Systems  müssen  unverrückbar  feste  Werte 
sein,  an  denen  sich  die  mehr  oder  minder  schwanken- 
den Laute  einer  Sprache  oder  Mundart  messen  lassen.' 
Diese  letzte  Forderung  wird  wohl  ohne  weiteres  zu  unterschrei- 
ben und  demjenigen  Systeme  die  Krone  zuzuerkennen  sein,  wel- 
ches dieselbe  am  besten  erfüllt. 

Ein  ebenso  wichtiger  als  interessanter  Abschnitt  ist  der 
folgende,  der  über  die  Vokale  handelt. 

Nach  Helmholtz  u.  a.  kommt  ein  lauter  Vokal  bekanntlich 
dadurch  zu  Stande,  dass  mit  dem  Tone  der  Stimme  zugleich  ein 
höherer  Nebenton  erklingt,  der  sich  zu  dem  ersteren  harmonisch 
verhalten  müsse.  Auf  die  Schwierigkeiten,  die  dieser  Ansicht 
entgegenstehen,  ist  bereits  von  E.  v.  Quanten  genügend  hinge- 
wiesen worden,  und  sind  diese  Schwieiigkeiten  auch  durch  die 
Entgegnung  Helmholtzens  noch  nicht  als  beseitigt  anzusehen.  Der 
Verf.  führt  nun  aus  oder  macht  es  zum  mindesten  sehr  wahr* 
scheinlich,  dass  Helmholtzens  und  seiner  Vorgänger  Ansichten 
von  der  Entstehung  der  Vokale  auf  des  Engländers  Willis  Unter- 
suchungen zurückgehen,  deren  Ergebnisse  auf  den  ersten  Blick 
wohl  dieselben  sind,  bei  genauerem  Zusehen  jedoch  nicht  unbe- 
deutend von  den  späteren  Anschauungen  abweichen.  Auch  Willis 
erkennt,  dass  der  laute  Vokal  dadurch  zu  Stande  kommt,  dass 
mit  einem  Tone  zugleich  ein  höherer  Nebenton  erklingt.     Davon 


126  Referate  wid  Rezensionen,    E.  Einenkel, 

aber,  dass  dieser  zu  jenem  in  einem  harmonischen  Verhältnisse 
stehen  müsse,  davon  finden  wir  bei  ihm  nichts.  Auch  finden 
wir  bei  Willis  schon  eine  recht  geschickte  Erklärung  der  Art, 
wie  dieser  Nebenton  erregt  wird.  Doch  will  ich  mich  hierbei 
nicht  länger  aufhalten;  ich  verweise  für  das  Weitere  auf  das 
Buch  selbst. 

Das  Resultat  dieses  Abschnittes  ist  in  kurzen  Worten:  die 
Vokale  sind  verschiedene  Halle  des  Lautrohres  (das  ist  der 
Mundhöhle),  die  wir  beim  Flüstern  allein  hören  und  die  sich 
beim  lauten  Sprechen  mit  den  Tönen  der  Stimme  verbinden. 

Der  Rest  des  Abschnittes  bringt  das  Vokalsystem.  Die 
Vokale  zerfallen  zunächst  in  Mund-  und  Nasenvokale,  d.  h.  reine 
und  genäselte. 

Die  kreuzweise  Anordnung  der  Vokale  ist  die  aus  Traut- 
mann's  früheren  Aufsätzen  bekannte,  nur  dass  die  Schenkel  an- 
ders gestellt  sind.  Die  Anordnung  gründet  sich,  wie  nach  dem 
Gesagten  leicht  denkbar,  auf  die  harmonischen  Töne  der  Mund- 
halle, des  wesentlichsten  Teiles  der  Vokale. 

Die  genäselten  Vokale  haben  einen  volleren,  tieferen  Klang 
und  ihre  Halle  stehen  denn  auch  eine  Terz  tiefer  als  die  der 
reinen  Vokale.  Erklärt  wird  diese  Abweichung  durch  den  durch 
Öffnung  des  Nasenraumes  vergrösserten  Hallraum. 

Auf  die  Rechtfertigung  dieses  Vokalsystems  brauchen  wir 
wohl  nicht  genauer  einzugehen;  nach  den  oben  angegebenen,  an 
jedes  Vokalsystem  zu  stellenden  Anforderungen  rechtfertigt  es 
sich  von  selbst.  Das  System  unterscheidet  sich  von  dem  bisher 
aufgestellten  dadurch,  dass  es  auf  die  geflüsterten  Vokale  sich 
gründet,  und  dadurch,  dass  es  harmonisch  ist. 

Die  Wichtigkeit  der  Plüstervokale  ist  schon  frühzeitig  er- 
kannt worden.  Die  erste  Untersuchung  derselben  datiert  aus 
dem  Ende  des  17.  Jahrh.  Die  abweichenden  Ergebnisse  erklären 
sich  aus  der  Art  der  Untersuchungen.  Sie  konnten  nicht  richtig 
ausfallen ! 

Es  ist  eins  der  Hauptverdienste  Trautmann's,  die  Mund- 
halle der  Vokale  endgiltig  festgestellt  zu  haben.  Seine  Resul- 
tate erhalten  jetzt  wieder  eine  Bestätigung  durch  die  sehr  gründ- 
lichen Untersuchungen  Dr.  v.  Zahn's,  die  derselbe  niedergelegt 
hat  in  seiner  leider  zu  wenig  bekannten  Schrift,  betitelt:  Aku- 
stische Analyse  der  Vokale.  Auch  er,  wie  auch  zum  Teil  die 
früheren  Untersucher,  gelangte  überdies  bei  seiner  Feststellung 
der  Tonhöhen  der  Mundhalle  zu  harmonischen  Reihen,  ein  Beweis, 
dass  dieselben  keine  Spielerei  sind,  wie  Techmer  nahe  legt,  son- 
dern in  der  Natur  der  Sache  begründet  sind. 

Die  Haupt-  oder  Grundvokale  des  Trautmann'schen  Systems 


M,  Trautmann:  Die  SpracMaute  etc.  127 

sind  also  feste  Werte  und  leicht  bestimmbar,  in  erster  Linie 
durch  die  Angabe,  bezw.  Feststellung  des  Mundhalles,  in  «weiter 
durch  die  der  Mnndstellung. 

Will  man  ein  erweitertes  System  haben,  so  schiebt  man 
Zwischenvokale  ein,  deren  Halle  um  einen  Ton  von  den  zunächst- 
stehenden abweichen,  und  gentigen  diese  noch  nicht,  so  greift 
man  zu  den  halben  Tönen. 

Die  folgenden  §§  besprechen  die  Vokalsysteme  anderer 
Gelehrten,  an  letzter  Stelle  das  System  BelFs,  das  jetzt  'the 
rush'  hat,  wie  man  sagen  könnte.  Trautmann's  Stellung  zu  die- 
sem Systeme  ist  von  frtiherher  bekannt.  Sie  ist  in  den  betr.  §§ 
weiter  ausgeführt.  Der,  wie  ich  mir  denke,  recht  starken  und 
naheliegenden  Versuchung,  polemisch  zu  werden,  hat  der  Verf. 
glücklicherweise  widerstanden,  seine  Einwände  scharf  präzisiert 
und  ruhig  und  sachlich  gehalten.  Ich  darf  daher  den  Leser 
ohne  Weiteres  auf  die  betr.  §§  163  flf.  selbst  verweisen  mit  der 
Mahnung:  Prüfet  und  das  Beste  behaltet! 

Die  Konsonanten  scheidet  der  Verf.  ihrem  Klange  ent- 
sprechend, in  Schleifer  und  Klapper.  Eine  beiläufige  Frage: 
Wäre  nicht  das  Wort  Tlatzer'  dem  Klange  der  betr.  Konsonanten 
entsprechender? 

Auch  in  den  §§  über  die  Konsonanten  findet  sich  manches 
Neue  und  Treffende.  So  die  Beobachtung,  dass  die  Bildung  der 
Enge  oder  des  Verschlusses  nicht  das  allein  Nötige  und  Wesent- 
liche sei,  sondern  die  charakteristische  Eigentümlichkeit  eines 
Konsonanten  in  dem  Klange  des  von  dem  Expiration shauche  an- 
geblasenen Hohlraumes  des  Mundes  bestehe. 

Dcu"  Klang  dieses  Hohlraumes  oder  'Bauches'  hat  natürlich 
bei  weitem  nicht  die  Wichtigkeit,  wie  bei  den  Vokalen.  Der 
Verf.  hat  jedoch  auch  ihm,  als  einem  Teile  der  Wesenheit  der 
Konsonanten,  die  grösste  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Ich  habe 
seine  Ergebnisse  nachgeprüft  und  kann  mich  mit  fast  allen  ein- 
verstanden erklären.  Nur  für  /  erhalte  ich  ^3  anstatt  /g,  für  den 
Schleifer  in  (Leipzigerisch)  'ich',  'mich'  erhalte  ich  h^  anstatt  C4 
und  für  das  zum  Schleifer  entartete  Zäpfchen -*r'  erhalte  ich  f^ 
anstatt  d^.  Bei  zwei  oder  drei  anderen  bin  ich  zweifelhaft.  Es 
gehört  ein  sehr  scharfes  Gehör  dazu,  um  den  Grundton  von  den 
vielen  ihn  fast  übertönenden  Obertönen  auszuscheiden. 

Die  Klapper  scheidet  der  Verfasser  in  eigentliche  und  un- 
eigentliche. 

Hier  fällt  uns  die  Fassung  des  §  206  auf.  'Die  Klapper 
unseres  Systemes  sind  vollkommen  rein,  d.  h.  es  folgt  der  Lösung 
ihres  Verschlusses  keine  Spur  von  Hauch  oder  Schleifer.'  Ist 
ein  Klapper  wohl  ohne  einen  solchen  nachfolgenden  Hauch  denk- 


128  Referate  und  Rezensionen.    E,  Einenkel, 

bar?  Handelt  es  sich  um  die  Aussprache  des  Lautes  innerhalb 
eines  Wortes  oder  Satzes,  dann  müchte  man  wohl  zweifelhaft 
sein,  weil  hier  der  nachfolgende  Hauch  sofort  zur  Bildung  des 
folgenden  Lautes  verwendet  wird.  In  diesen  Abschnitten  sollen 
ja  aber,  wie  der  Verf.  an  anderer  Stelle  sagt,  die  Laute  fUr 
sich  und  als  alleinstehend  behandelt  werden!  Wenn  wir  nicht 
irren,  so  sollen  durch  diese  Auffassung  die  eigentlichen  Klapper 
den  uneigentlichen  näher  gerückt  werden.  Als  solche  uneigent- 
liche sind  angegeben  die  l-,  r-,  m-,  n-  und  n^- Laute,  die  in  der 
That  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den  eigentlichen  Klappern 
haben,  bisher  jedoch  nur  von  sehr  wenigen  Forschern  als  Ex- 
plosivae  aufgefasst  worden  sind.  Auf  jeden  Fall  wird  durch 
diese  Auffassung  die  Scheidung  der  Konsonanten  in  reine  und 
genäselte  eine  durchgreifende  und  vollkommene. 

Zu  dem  Streite,  ob  die  Explosivae  in  stimmlose  und  stimm- 
hafte oder  harte  und  weiche  zu  scheiden  seien,  hat  sich  Traut- 
mann für  die  erstere  Art  der  Scheidung  erklärt.  Entschieden 
mit  Recht.  Seine  Ansicht,  dass  der  Systematiker  nur  Artunter- 
schiede, nicht  aber  auch  Gradunterschiede  zu  berücksichtigen 
habe,  ist  ohne  Weiteres  zu  unterschreiben. 

Auch  darin,  dass  der  Verf.  bei  Feststellung  der  einzelnen 
Artikulationsstellen,  nicht,  wie  es  früher  üblich  war,  den  Rücken 
der  Zunge,  sondern  allein  das  demselben  gegenüberliegende  Dach 
des  Mundes  zu  Hilfe  nahm,  wird  man  ihm    beipflichten    müssen. 

Der  Rest  des  Abschnittes  5  bringt  Charakteristiken  anderer 
Konsonantensysteme,  auf  die  wir  hier  aus  Gründen  des  Raumes 
nicht  näher  eingehen  können. 

Der  sehr  kurze  Abschnitt  6  bespricht  das  lautliche  Ver- 
hältnis der  Vokale  zu  den  Konsonanten.  Ein  vollständiges 
Schema  des  Lautsystems  des  Verf.s  ist  beigefügt. 

Abschnitt  7  behandelt  nur  in  weiten  Umrissen  die  Funktionen 
der  einzelnen  Laute  in  fortlaufender  Rede.  Er  handelt  von  der 
Dauer,  von  der  Stärke  und  von  dem  Ton  (der  hier  sehr  richtig  in 
zwei  Arten  geschieden  wird:  Ton  und  Treff!)  und  zuletzt  von 
der  Berührung  der  Sprachlaute  und  ihrer  gegenseitigen  Beein- 
flussung. Der  Verf.  sagt  selbst  (S.  134,  Anm.),  dass  die  Be- 
merkungen dieses  Abschnittes  keineswegs  erschöpfend  sind.  In 
der  That  sind  sie  dies  nicht  und  durften  es  nicht  sein,  wenn  in 
den  entsprechenden  Abschnitten  des  'Zweiten  Teiles'  nicht  das 
Meiste  wiederholt  werden  sollte. 

Über  die  letzten  Bogen  des  Heftchens:  Die  ersten  Abschnitte 
der  Behandlung  der  Laute  des  Engl.,  Franz.  und  Deutschen  im 
Besonderen,  halte  ich  mein  Urteil  zurück  bis  zum  Erscheinen 
der  Schlusshälfte. 


M.  Trautmann:  Die  Sprachlavie  etc.  129 

Dagegen  brauche  ich  meine  Ansichten  in  betreff  des  Ge- 
samteindruckes, den  der  erste  Teil  auf  mich  macht,  um  so  we- 
niger zu  verschweigen,  als  wir  hier  ein  vollständig  abgeschlos- 
senes Ganzes  vor  uns  haben. 

Den  Eindruck,  den  die  Lesung  des  ersten  Teiles  auf  mich 
machte,  kann  ich  einen  äusserst  befriedigenden  nennen.  Ver- 
glichen mit  manchen  der  in  jüngster  Zeit  auf  diesem  Gebiet  er- 
schienenen Leistungen  haben  wir  hier  von  Anfang  bis  zu  Ende 
das  wohlthuende  Gefühl  uns  auf  festem  Boden  zu  befinden,  und 
wenn  wir  auch  dem  Verfasser  nicht  überall  hin  zu  folgen  ver- 
mögen, so  bemerken  wir  doch,  dass  auch  an  solchen  Stellen  die 
Ergebnisse  sorgfältiger  und  selbständiger  Studien  vor  uns  liegen. 
Auf  die  Behandlung  der  Vokale  ist  entschieden  die  meiste  Sorg- 
falt verwendet,  wenn  auch  in  den  Abschnitten  über  die  Konso- 
nanten es  keineswegs  an  selbständigen  und  überraschenden  Beob- 
achtungen mangelt,  und  ich  kann  inbezug  auf  jene  ersteren  nicht 
umhin,  an  dieser  Stelle  auf  eine  der  brennendsten  der  in  jenen 
§§  behandelten  Fragen  zurückzukommen. 

Wie  man  weiss,  hatte  bisher  die  deutsche  Phonetik  bei 
der  Kennzeichnung  der  Vokale  auf  die  Eigentöne  der  Mundhöhle 
ein  grosses  Gewicht  gelegt.  Dies  geschah  auf  Anregung  seitens 
einer  Reihe  der  tüchtigsten  Gelehrten  auf  physiologischem  Ge- 
biete, vor  allem  Helmholtzens,  und  hätte  auch  unserer  Meinung 
nach  gute  Früchte  getragen,  wenn  nicht  eines  Tages  Herr  Sweet 
der  Fachwelt  verkündigt  hätte,  dass  die  deutsche  Phonetik  sich 
zu  weit  in  theoretisch  akustische  Wege  hineinverirrt  habe,  und 
die  engl.  Phonetik  ihr  deshalb  zu  Hilfe  kommen  müsse,  um  sie 
auf  praktischere  Wege  zu  leiten.  Das  einzige,  was  uns  hier 
helfen  könne,  sei  das  von  ihm  verbesserte  Melvill-BelVsche 
System,  das  sich  auf  einseitig  akustische  Fragen  nicht  einlasse 
und  lediglich  und  in  hervorragender  Weise  auf  der  Beobachtung 
der  Mundstellungen  beruhe. 

Der  Verf.  der  im  Obigen  besprochenen  Schrift  hat  nun 
zu  verschiedenen  Zeiten  gegen  die'se  whole-sale  Verurteilung 
der  deutschen  Phonetik  Verwahrung  eingelegt,  ohne  jedoch  ver- 
hindern zu  können,  dass  eine  ziemliche  Anzahl  von  den  wort- 
sttirmenden  Fachgenossen  mit  nur  unbedeutenden  Vorbehalten  in 
das  engl.  Lager  überging.  Man  sollte  nun  glauben,  dass  dies 
nicht  ohne  vorhergehendes  scharfes  Aneinanderprallen  der  gegen- 
sätzlichen Ansichten  hätte  statt  haben*  können;  dem  ist  jedoch 
nicht  so.  Überall,  wo  von  den  akustischen  Eigenschaften  der 
Vokale  die  Rede  ist,  erhält  man  von  den  Bellanern  vage  Be- 
hauptungen,    dass   dieselben   für   praktische   Zwecke    nicht   ver- 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VI 2.  9 


130  Referate  und  Rezensionen.    J.  Sarrazin, 

wendbar    seien:    so  oder    ähnlich    ausgedrückt;    eingehende  Be- 
gründungen dagegen  sucht  man  vergebens.') 

Auch  in  der  vorliegenden  Schrift  hat  Trautmann  seine 
Ansichten  in  scharfer  und  treffender  Weise  dargelegt.  Er  sagt 
mit  kurzen  Woi*ten^  dass  bei  der  Kennzeichnung  der  Vokale 
neben  der  Bezeichnung  der  Mundstellung,  deren  Wichtigkeit  er 
durchaus  nicht  verkenne,  die  Bezeichnung  der  Eigenhalk  der 
Mundhöhle  durchaus  nicht  fehlen  dürfe!  Und  ich  denke,  dass  es 
nun  endlich  einmal  an  der  Zeit  ist,  dass  die  Gegner  dieser  An- 
sicht aus  ihrer  vorsichtigen  Zurückhaltung  heraustreten  und  an 
eine  wissenschaftliche  Widerlegung  derselben  denken. 

Für  mich  ist  es  völlig  klar,  dass  die  akustische  Seite  der 
Vokale  neben  ihrer  theoretischen,  die  ja  wohl  niemand  bestreiten 
wird,  auch  eine  hohe  praktische  Bedeutung  besitzt.  Greifen  wir 
nur  einen  bestimmten  Fall  aus  dem  Leben  heraus.  Man  wird 
dereinst  daran  denken,  die  Vokalwerte  der  jetzt  mehr  und  mehr 
sich  verwischenden  Dialekte  festzustellen.  Aus  der  letzten  Juni- 
Nummer  der  Academy  (1884)  ersehe  ich  soeben,  dass  Herr 
Sweet  an  die  Philological  Society  (London)  die  dringende  Auf- 
forderung gerichtet  hat,  die  Laute  der  irischen  Dialekte  genau 
zu  untersuchen  und  festzustellen,  ehe  diese  Dialekte  völlig  aus- 
sterben. Es  ist  also  mein  Vereinst'  nicht  einmal  recht  am 
Platze!  Wie  wird  man  wohl  in  einem  solchen  Falle  mit  der  ein- 
fachen wenn  auch  noch  so  genauen  Angabe  der  Mundstellung 
auszukommen  denken?  Ich  möchte  behaupten,  dass  man  mit  Hilfe 
des  engl.  Systemes  über  die  frühere  Unbestimmtheit  und  Un- 
sicherheit nie  hinauskommen  wird,  selbst  wenn  man  die  Mund- 
stellungen photographisch  fixieren  oder  etwa  Gipsabdrttcke  zu 
Hilfe  nehmen  könnte. 

Der  Mundhall  ist  es  eben,  der  den  Vokalen  ihren  eigen- 
tümlichen Klang  und  ihre  Färbung  verleiht,  und  der  lässt  sich 
nicht  ohne  beigegebene  Angabe  des  Tones  beschreiben  oder 
wiederbeleben.  Freilich  will  ich  gern  zugeben,  dass  es  zu  der 
Feststellung  dieses  Tones  eines  einigermassen  entwickelten  musi- 
kalischen Gehöres  bedarf.  Wer  dieses  nicht  besitzt,  der  mag 
seine  Hand  nur  von  der  Phonetik  lassen,  für  den  sind  die  höheren 


*)  Will  man  etwa  Sievers  Verwerfung  der  akustischen  Theorie 
eine  begründete  nennen?  und  doch  ist  sie  eine  der  wortreichsten  ihrer 
Art.  Sie  umfasst  etwa  24  Zeilen.  Andere  schweigen  sich  ganz  aus. 
Jedenfalls  ist  das  besser  als  jene  platonischen  An^strufe,  die  mit  ^Oh 
wenn  doch'  oder  *Wenn  doch  nicht'  beginnen,  wie  der  in  der  7.  Nr. 
des  Litt. -Blattes,  1884,  S.  292. 


A.  Kressner:  Aufsätze  technischen  und  hist.  Inhalts  etc.         131 

.'ragen  der  Phonetik  überhaupt  nicht  da,  weder  die  theoretischen 
noch  die  praktischen.*) 

E.  EiNENKEL. 


Adolf  Kressner,  Aufsätze  technischen  und  historischen 
Inhalts  zum  Übersetzen  ins  Französische.  Ba- 
den-Baden, Oskar  Sommermeyer,  1884.     VI  und  128  8. 

Brauchbare  Übungsbücher  mit  zusammenhängenden  Stücken 

.  ibt  es  für  den  französ.  Unterricht  eine  ganze  Reihe.    Es  genügt 

t'eters,  Wiedmayer,  Burger,  WüUenweber  (s.  u.),  Benecke  u.  a. 

M   nennen.     Das    eine    will   einseitig   den  historischen  Stil  aus- 

ilden,  während  andere  möglichst  viele  Stilgattungen  kultivieren, 

im  möglichst  vielen  Bedürfnissen  zu  genügen  und  an    möglichst 

vielen  Schulen  eingeführt  zu  werden. 

Kressner's  Übungsbuch  ist  dagegen  vorzugsweise  für  Real- 
und  Gewerbeschulen  berechnet,  also  für  Anstalten,  in  denen  die 
Vaturwissenschaften,  Physik,  Chemie,  Mineralogie,  Astronomie, 
Technologie  u.  dergl.  den  wahren  Mittelpunkt  des  Unterrichts 
bilden.  Demgemäss  bringt  es  zunächst  eine  Reihe  deutscher 
Originalstticke  aus  diesen  Gebieten  (Nr.  1 — 16),  woran  sich, 
«lamit  auch  hier  Einseitigkeit  gemieden  werde,  fünf  Aufsätze  hi- 
storischen und  beschreibenden  Inhalts  anschliessen:  Nr.  16  Auf- 
stand der  Preussen  unter  Herkus  Monte;  Nr.  17  Verdienste  des 
Grossen  Kurfürsten  (beide  aus  Heinel);  Nr.  18  Erdbeben  von 
Lissabon  (Hirschfeld);  Nr.  19  Schlacht  bei  Waterloo  (Varn- 
hagen  von  Ense);  Nr.  20  Die  Wüste  Sahara  (Zimmermann). 
Um  auch  dem  Novellen-  und  Konversationsstile  gerecht  zu  wer- 
den, hat  Kressner  einen  Abschnitt  aus  Werther's  Leiden  und 
eine  Bearbeitung  von  Souvestre,  le  secret  du  M6decin  beige- 
fügt, übrigens  das  einzige  einem  französischen  Autor  entnommene 
Stück.  Alle  anderen  Aufsätze  stammen  aus  deutschen  Fach- 
werken. 

Nicht  nur  in  der  geschmackvollen  Auswahl  der  deutschen 
Originalstttcke ,  auch  in  den  erklärenden  Anmerkungen  erkennt 
man  die  kundige  Hand  des  erfahrenen  Fachmannes.  Wo  die 
Wahl  des  treffenden  Ausdrucks  auch  für  Vorgerücktere  schwierig 
ist,  da  greift  eine  Erklärung  helfend  ein,  und  mit  Recht  ist  hie 


*)  Wenn  dem  so  wäre,  so  würde  damit  ausgesprochen  sein,  dass 
die  Phonetik  eine  Disziplin  der  Philologie  nicht  ist.  Manche  Philo- 
logen dürften  damit  mcht  einverstanden  sein  —  möchten  doch  auch 
manche  Phonetiker  aufhören,  sich  als  Philologen  zu  geberden. 

G.  K. 

9* 


132  Referate  nnd  Rezensionen.    J.  Sarrazin, 

und  da  „des  Guten  lieber  zu  viel,  als  zu  wenig  gethan**,  ohne 
dem  Studierenden  alle  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  zu  räumen. 

Wie  schwierig  aber  eine  richtige  Kommentierung  deutscher 
Original  stücke  ist  und  wie  oft  für  den  Herausgeber  Gelegenheit 
zu  Fehlern  sich  bietet,  kann  nur  derjenige  schätzen,  welcher 
mit  dergleichen  sich  selbst  befasst  hat  und  oft  stundenlang  nach 
dem  idiomatisch  richtigen  Ausdrucke  rang.  In  Kressner's  Übungs- 
buch dürfte  selbst  der  peinlichste  Kritiker  kaum  eine  unrichtige 
Übersetzung  entdecken,  was  einerseits  der  umfassenden  Sprach- 
kenntnis des  Verf.s,  andererseits  dem  Umstände  zuzuschreiben 
ist,  dass  die  meisten  Aufsätze  im  eigenen  Unterricht  praktisch 
erprobt  wurden. 

So  ist  denn  Kressner's  Sammlung  vorzüglich  geeignet,  dem 
Realschüler  innerhalb  seines  Gesichtskreises  tiefere  Einsicht  in 
das  französische  Idiom  zu  vermitteln  und  den  mit  dem  humani- 
sehen  Gymnasium  wetteifernden  Anstalten  das  zu  werden,  was 
seit  Jahren  dem  Gymnasialprimaner  die  Palsestra  Ciceroniana 
ist.  Dies  neue  Buch  des  strebsamen  Herausgebers  der  jungen 
Franco-Gallia  sei  hiermit  den  betreffenden  Fachmännern  aufs 
wärmste  empfohlen,  zumal  der  billige  Preis  (Mk.  1,20)  die  Ein- 
führung wesentlich  erleichtert.  In  der  bald  zu  erw'artenden 
2.  Auflage  wird  u.  a.  S.  121,  Anm.  3   der  Druckfehler  entreinte 

St.  dtreinte  zu  tilgen  sein. 

J.  Sarrazin. 


W.    Wiedmayer,    Französische    Stiltibungen    für    obere 
Klassen.     Stuttgart,  Metzler  1883. 

Wenn  die  Wtirttembergischen  Gelehrtenschulen  in  Mathe- 
matik und  neueren  Sprachen  weniger  leisten,  als  etwa  die  badi- 
sehen,  so  ist  dies  nicht  einer  weniger  gründlichen  Behandlung 
des  betreffenden  Faches  zuzuschreiben,  sondern  nur  der  gerin- 
geren Stundenzahl.  Denn  auch  in  neueren  Sprachen  arbeiten 
die  Württemberger  wacker,  wie  aus  einer  Reihe  tüchtiger  ein- 
schlägiger Werke  ersichtlich.  Zu  letzterer  Gattung  ist  auch  dieses 
zu  rechnen. 

Wiedmayer' s  Übungsbuch  ist  eine  Ergänzung  zu  der  im 
gleichen  Verlag  erschienenen  Syntax,  kann  aber  auch  ohne  die- 
selbe mit  Erfolg  benützt  werden.  Sein  Zweck  ist,  ,,den  Schüler 
in  strenge  Geisteszucht  zu  nehmen  nnd  ihm  Gelegenheit  zu 
geben,  Klarheit  des  Denkens  und  Einsicht  in  den  Geist  der 
französischen  Sprache  sich  anzueignen^.  Dabei  gehört  Wied- 
mayer nicht   zu   jenen    humanen  Pädagogen,  welche    den    unter 


W-  Wiedmayer:  Franz.  Siüühungen  für  obere  Klassen,  133 

dem  Joch  der  Überbürdung  schwer  seufzenden  jugendlichen  Mär- 
tyrern mit  sorglicher  Hend  alle  Dornen  aus  dem  Pfade  räumen: 
ihm  steht  ,,Anstrengung  und  Ausbildung  der  Geisteskräfte"  viel 
höher  als  „Erwerbung  schwatzhafter  Fertigkeit  im  enggezogenen 
Kreise  des  Gewöhnlichen".  Nach  einem  unter  solchen  Grund- 
sätzen verfassten  Buche  wird  jeder  Lehrer  mit  Freuden  greifen, 
dem  es  um  die  Schule  wirklich  ernst  ist.  Er  wird  es  nicht  ent- 
täuscht aus  der  Hand  legen. 

Das  Übungsbuch  zerfällt  in  drei  Abschnitte:  1)  Spezielle 
Übungen,  auf  Verarbeitung  einzelner  Kapitel  der  Syntax  berechnet 
(36  Stücke),  2)  Allgemeine  Übungen  zur  Repetition  und  3)  längere 
Stiltibungen  für  Vorgerücktere  (50,  resp.  17  Stücke).  Während 
andere  Lehrbücher  Konzentration  des  Unterrichts  verfolgen,  ist 
liier  die  Ausbildung  in  mannigfachen  Stiigattungen  erstrebt.  Wir 
finden  nicht  nur  historische  Stücke,  eine  Gattung,  die  z.  B.  im 
Grossherzogtum  Baden  fast  allein  geübt  wird,  sondern  beschrei- 
bende und  litterarische  und  auch  solche  in  Briefform;  also  Stoff 
genug  für  jeden  Geschmack.  Wem  das  eine  oder  andere  nicht 
passt,  der  wird  in  dem  Buche  immer  noch  genug  finden.  Dabei 
sind  die  Übungen  nicht  erst  künstlich  zurechtgemacht,  sondern 
Origrnalstücke,  einige  wohl  aus  des  Verfassers  eigener  Fabrik. 
Für  Vorgerücktere  ist  der  3.  Abschnitt  sehr  passend;  er  ent- 
hält schwierigere  Stellen  aus  J.  Scherr,  Julian  Schmidt,  Loth- 
eissen  und  andern  neueren  Autoren  neben  Stücken  aus  den 
deutschen  Klassikern  Lessing,  Wieland,  Goethe,  Schiller,  Hum- 
boldt und  anderen. 

Wiedmayer's  Buch  verdient   also    in  seiner  Art  empfohlen 

zu  werden. 

J.  Sarrazin. 


Litterarische  Chronik. 


Methodik  des  franzöBischen  Unterrichts  and 

Grammatik. 

1.  Th.  B.  A.  Klotz  seh:  a)  Methodisch  bearbeitetes  französisches  Lese- 
buch für  höhere  Unterrichts -Anstalten.  470  S.  Berlin.  Weidmann- 
sche  Buchhandlung.  1887.  b)  Methode  des  fremdsprachlichen  Unter- 
richts. Ein  Beitrag  zur  praktischen  Pädagogik.  (Als  Manuskript 
gedruckt.)  10  S.  Borna  1883.  c)  Französische  Formenlehre  zum 
wörtlichen  Auswendiglernen.    50  S.    Dresden.    Ehlermann.     1^83. 

2.  K.  Kühn:  Zur  Methode  des  französischen  Unterrichts.  Ein  Beitrag 
zur  Reform  des  Sprachunterrichts  und  zur  Oberbürdungsfrage.  48  S. 
Wiesbaden.    Bergmann.     1883. 

3.  G.  F.  Pflug  er:  Grammatik  der  französischen  Sprache  für  höhere 
Schulen.  Erster  Teil.  2.  Auflage.  96  S.  mit  3  x  XVI  S.  für  das 
Vokabularium  und  ein  französisch -deutsches  und  deutsch -französi- 
sches Wörterverzeichnis.  Dresden.  1883.  Ursprünglich  im  Ver- 
lage von  Siegismund  und  Volkening  in  Leipzig,  jetzt,  wie  es  scheint, 
im  Selbstverlage  des  Verfassers. 

1.  Kl.  ist  ein  Vorkämpfer  der  neuen  oder  neu  erstandenen  und 
immer  wieder  neu  erstehenden  pädagogischen  Richtung,  die  der  Gram- 
matisierung  des  Sprachunterrichts  gegenüber  Front  macht.  Er  ist  der 
Ansicht,  dass  man  im  Sprachunterrichte  das  Hauptgewicht  auf  die  Lek- 
türe legen  müsse,  dass  man  die  fremde  Sprache  nicht  aus  der  Gramma- 
tik, durch  Einüben  von  unzähligen  Begeln,  Regelchen  und  Ausnahmen 
und  Vokabeln  an  einer  unermesslichen  Menge  von  Einzelsätzen,  sondern, 
in  ähnlicher  Weise  wie  die  Muttersprache,  durch  die  Lektüre  und  die 
damit  verbundenen  schriftlichen  und  mündlichen  Übungen  am  besten 
lerne,  dass  man  auch  die  grammatischen  Begriffe  und  Erscheinungen 
an  der  Sprache  selbst,  in  der  Lektüre  und  im  lebendigen  Wort  viel 
besser  erkenne,  als  durch  die  abstrakte  Grammatik,  die  nur  als  Hilfs- 
mittel zur  Zusammenfassung,  Wiederholuoff  und  genauen  Einpräguns  des 
schon  gelernten  Wissensstoffes  dienen  solle.  Schon  einige  Jahre  bevor 
der  berühmt  gewordene  Anonymus  „Quoasque  tandem"  über  „des  Do- 
natus  System",  wie  er  die  in  den  deutschen  Schulen  zur  Herrschaft  ge- 
langte grammatistische  Methode  des  Sprachunterrichts  nennt,  ein  so  hartes 
und  in  vieler  Hinsicht  so  gerechtes  Urteil  geföUt  hat,  —  schon  im  Jahre 
1877  hat  Kl.  sein  „Methodisch  bearbeitetes  französisches  Lesebuch"   ver- 


Litterofische  Chrmtik.    Ä,  Rambeau,  Methodik  etc.  135 

licht  und  in  der  „Methodischen  Einleitung"   daza  (S.  #3 — 25)  den 
hm  befolgten  l^ehrgang  auseinandergesetzt.    Er  hat  also  auch  noch 
Wesondere  Verdienst,  dass  er  nicht  bloss  negativ  als  Angreifer  auf- 
rf'tea  ist,  sondern  auch  positiv  mit  dem  Lesebuche  den  Beweis  der 
.ichkeit  und  Durchführbarkeit   der  sog.  natur^emässen  Methode  ge- 
r  und  diese  schon  längere  Zeit  mit  Erfolg  im  praktischen  Unter- 
angewandt und  erprobt  hat.    Selbstverständlich  ist  auch  er  nicht 
erste,  der  verlangt  hat,  dass  man  den  Schüler  nicht  zuerst  die  Regel 
.  das  Wort  und  dann  die  Sprache,  sondern   die  Sprache  an  der 
iche  selbst  lernen  lasse.    Derartige  Forderungen  sind  schon  lange 
aI.  aufgestellt  worden,   und  im  Grunde  hat  die   „natürliche"   oder 
^urgemässe"   Methode»  wie  sie  gegenüber  der   „grammatischen"   ge- 
int werden  mag,  immer  neben  dieser  bestanden  und  ist«  wenn  auch 
.ählich  immer  mehr  zurückgedrängt,  doch  nie  ganz  beseitigt  worden, 
t    hätte  man  nie  eine   fremde  Sprache  beherrschen  gelernt,  da  sich 
durch  Lernen  von  Regeln,  Ausnahmen  und  Vokabeln  und  Über- 
<>n  von  Einzelsätzen  überhaupt  nicht  erreichen  lässt.     Die  Humanisten 
von  dem  Studium   des  Lateinischen  im  Mittelalter  und  des  Griechi- 
ju  im  alten  Rom  sehe  ich  hier  ab  —   und  noch  unsere  Gross  väter 
>i  gar  unsere  Väter  haben  ihre  Gewandtheit  und  Fertigkeit  im  Schrift- 
en und  mündlichen  Gebrauche   der   lateinischen   Sprache   wahrlich 
Ai  durch  des  Aelius  Donatus  Grammatik  und  ihre  Nachahmungen  er- 
'gt,  wenn  auch  diese  Grammatik  im  Keformationszeitalter  das  Haupt- 
rbuch  fär  den  Elementarunterricht  geworden  und  das  Muster  und  Vor- 
l  der  lateinischen  Schulgrammatik  geblieben  ist.    Vielmehr  haben  sie 
">  durch  eifriges  Lesen  der  Schriftsteller  und  beständiges  Schreiben  und 
echen  der  Sprache  erreicht.    Freilich  ist  nach  und  nach  durch  den 
er  der  Grammatisten  des  Donatus  „ars  minor  grammatica"  zu  einer 
iren  „ars  major  grammatica"*  angeschwollen,  und  das  Regelwerk  der 
inischen  Schulgrammatik   ist  mit  so  vielen  Feinheiten  und   Subtili- 
tn  bereichert  worden,  dass  der  Schüler  vor  lauter  grammatischen  und 
istischen  Übungen   keine  Zeit   mehr  findet,  Lektüre,    Sprechen    und 
reiben  in  genügendem  Masse  zu  treiben  und   daher   nur   noch   aus- 
msweise  die  lateinische  Sprache  beherrschen  lernt. 

Leider  ist  diese  „grammatische"  Lehrweise  auch  auf  die  modernen 
kchen  übertragen  worden,  und  man  hat  allgemein  die  französische 
englische  Schulgrammatik  ebenfaUs  nach  dem  Vorbilde  der  „ars 
amatica"  des  Donatus  eingerichtet.  Gerade  die  „Sprachmeister" 
es,  die  mit  Vorliebe  in  Plöts'  (franz.)  und  Plate's  (engl.)  Lehrbüchern 
eine  Vokabelliste,  eine  Regel,  eine  Ausnahme  nach  der  andern  aus- 
li^  lernen  und  einen  Abschnitt  deutscher  Einzelsätze  nach  dem  an- 
m  monotoner  Gleichmässigkeit  übersetzen  lassen.  Dies  ist  jeden- 
ihre  Hauptbeschäftigung,  wenn  sie  auch,  vorausgesetzt  dass  sie  die 
gliche  Sprache  einigermassen  sprechen  gelernt  haben,  einige  Kon- 
tionen über  Wetter,  Zeit,  Haus  und  ähiüiche  Dinge,  wie  sie  eben- 
im  Lehrbuche  enthalten  sind,  anstellen  mögen.  —  Die  romanischen 
mglischen  Philologen,  die  an  den  hohem  Schulen  die  Erbschaft 
'  Sprachmeister  übernommen  haben  oder  übernehmen,  haben  am 
renigsten  Ursache,  die  im  lateinischen  und  griechischen  Unterrichte 
Siegle  gelangte  „grammatische"  Methode  in  ihrem  Unterrichte  nach- 
len  und  auf  die  lebenden  Sprachen  anzuwenden,  bei  denen  diese 
Dm  herein  lächerlich  erscheinen  muss.  Allerdings  soll  der  philo- 
ch  vorgebildete  Lehrer  des  Französischen  gar  nicht  jene  banale 
ifertigkeit  bei  seinen  Schülern  erstreben  und  mit  ihnen  fode,  allen 
(santen  Inhalts  baare  Sprechübungen  anstellen,  aber  es  ist  gewiss 


136  Liiterarische  Chronik.    Ä.  Rambeau, 

von  ihio  zu  verlangen,  dass  er  mit  seinen  Schülern  von  Anfang  an  in- 
haltvolle,  interessante  und  lehrreiche  Lesestücke  und  später  ganze  Schrift- 
stellerwerke lese  und  sie  allmählich  in  den  Geist  der  fremden  Sprache 
einführe,  indem  er  sie  ebensogut  oder  möglichst  ebensogut  an  das  rich- 
tige Sprechen  als  an  das  richtige  Schreiben  im  Anschluss  an  die 
Lektüre  gewöhnt,  dass  er  sie  auf  diese  Weise  dahin  bringe,  die  fremde 
Sprache  bis  zu  einem  gewissen  Grade  im  mündlichen  wie  schriftlichen 
Gebrauche  zu  beherrschen.  Wenn  die  einzelnen  grammatischen  Erschei- 
nungen der  französischen  Sprache  von  vornherein  in  der  lebendigen 
Sprache  selbst,  im  Anschluss  an  die  Lektüre  gelernt  werden,  bedarf  der 
Lehrer  gar  nicht  jener  Masse  von  Begeln,  Regelchen,  Ausnahmen,  da- 
gegen hat  er  dann  um  so  mehr  Zeit  und  Gelegenheit,  seine  im  Studium 
der  romanischen  Philologie  erworbenen  Eennttiisse  auch  praktisch  zu 
verwerten,  ohne  den  Schüler  zu  belasten.  In  einer  möglichst  kurz  ge- 
fassten  Grammatik,  die  beständig  das  bereits  gelernte  znsammenfasst 
und  demnach  nur  zum  Wiederholen  und  Befestigen  des  schon  aufgenom- 
menen Wissensstoffes  dient,  muss  er  die  „Regel",  die  nur,  wenn  sie 
keine  oder  sehr  wenig  Ausnahmen  zulässt,  wirklich  ihren  praktischen 
Wert  hat,  weil  sie  dann  das  Gedächtnis  unterstützt,  hinter  dem  «Ge- 
setze", das  möglichst  viele  Fakta  umfasst  und  zugleich  erklärt,  zurück- 
treten lassen  und  überhaupt  jede  willkürliche  Kegel,  deren  Haltlosigkeit 
und  Nichtigkeit  er  etwa  im  vergleichenden  und  kritischen  Studium  der 
Sprache  erkannt  hat,  aus  seinem  Unterrichte  ganz  und  gar  verbannen. 
Die  Formen  sollen  von  seinen  Schülern  weder  in  klein  zugeschnittenen, 
auseinandergerissenen  Portionen,  wie  in  Plötz  und  andern  Lehrbüchern 
seiner  Richtung,  gelernt  werden,  noch  nach  der  Lehrweise  jener  umfang- 
reichen syst  ematisehen  Schulgrammatiken,  die  alle  Erscheinungen  der 
Sprache,  gewöhnliche  und  ungewöhnliche,  ohne  Rücksicht  auf  ihr  häufi- 
ges oder  seltenes  Vorkommen,  mit  zahllosen  Regeln  und  Ausnahmen, 
aber  ohne  irgend  welche  wissenschaftliche  Erklärung  bringen,  sondern 
in  der  von  ihm  gebrauchten  kurzen  Grammatik  dürfen  nur  die  haupt- 
sächlichen und  wichtigsten  Erscheinungen  der  Formenlehre  verzeichnet 
stehen,  und  da  die  Formen  bereits  in  der  Lektüre  gelernt  und  geübt 
werden  oder  worden  sind,  muss  die  Erkenntnis  ihrer  Entstehung  und 
Bildung  betont  werden.  Der  Schüler  soll  in  seiner  Grammatik  nicht 
mehr  eine  Sammlung  von  Regelmässigkeiten  und  Unregelmässigkeiten 
sehen,  sondern  soll  die  in  der  angewandten  Sprache,  in  der  Lektüre  ein- 
zeln wahrgenommenen  Erscheinungen  jetzt  im  Zusammenhang  mit  ähn- 
lichen und  gleichen  betrachten  und  ihren  gemeinsamen  Grund,  das  sie 
bestimmende  Gesetz  erkennen,  so  dass  immer  das  Gedächtnis  durch  das 
wissenschaftliche  Verständnis  unterstützt  werden  muss. 

Eine  derartige  Behandlung  der  fremden  Sprache  in  der  Schale 
wird  nicht  bloss  praktische  Resultate,  sichtbare  Erfolge  erzielen,  also  dem 
Schüler  die  Litteratur  dieser  Sprache  erschliessen  und  ihn  zum  mündli- 
chen und  schriftlichen  Gebrauche  derselben  befähigen,  sondern  ihm  auch 
eine  tüchtigere  und  gründlichere  geistige  oder,  wenn  man  das  Lieblings- 
wort des  klassischen  Philologen  hören  will,  „formale"  Bildung  gewähren, 
als  das  „Einpauken"  der  Formen,  Regeln  und  Ausnahmen  ihm  zu  geben 
im  stände  ist.  Dann  wird  der  Ausspruch,  dass  der  Schüler  durch  das 
Studium  der  Sprache,  die  die  meisten  Formen,  den  grössten  Formen- 
reichtum  habe,  die  beste  formale  Bildung  erhalte,  um  so  weniger  be- 
rechtigt erscheinen,  und  um  diese  Frage  zu  entscheiden,  wird  man  sicher 
andere  und  wichtigere  Gesichtspunkte  aufstellen  und  auch  besonders 
darauf  achten  müssen,  wie  weit  beim  Treiben  einer  Sprache  in  der  Schule 
die  wissenschaftliche  Betrachtungsweise  zur  Anwendung  gelangen  kann. 


Methodik  des  franz,  ünierrichts  etc.  137 

Dem  Romanisten,  der  in  seiner  Schulpraxis  mit  der  Donat'schen 
Lehrweise  gebrochen  hat  oder  zu  brechen  bereit  ist,  hat  also  Klotzsch 
mit  seiner  kurzen,  übersichtlichen  und  doch  auf  wissenschaftlicher  Grund- 
lage aufgebauten  Formenlehre  einen  grossen  Dienst  erwiesen,  und  es  ist 
nur  zu  wünschen,  dass  er  dieser  vorzüglichen  kleinen  Formenlehre  eine 
?benso  kurze  und  klar  geschriebene  Syntax,  die  nur  die  wichtigsten  syn- 
baktischen  Erscheinungen,  aber  in  ebenso  wissenschaftlicher  Weise  dar- 
jtellt,  bald  folgen  lassen  möge.  Es  gereicht  mir  zur  besonderen  Freude 
5u  konstatieren,  dass  Kl.,  der  jedenfalls  in  einer  Zeit  studiert  hat,  wo  die 
omanische  Philologie  auf  den  deutschen  Hochschulen  noch  „in  ihren 
A^indeln  lag"  und  neben  der  klassischen  Philologie  kaum  Beachtung 
und,  mit  seiner  Formenlehre  beweist,  dass  er  sich  ein  offenes  Auge  für 
ie  Fortschritte  der  romanischen  Sprachwissenschaft  bewahrt  und  die 
esultafe  derselben  nicht  etwa  unverdaut  aufgenommen  und  als  blossen 
chmuck  oder  unvermittelte  Beigabe  (vgl.  Plötz)  angefügt,  sondern  wirk- 
ch  sich  angeeignet  und  verwertet  hat.  Dem  kleinen  Buche  merkt  man 
gene,  selbständige  Arbeit  an,  wenn  auch  der  Verfasser,  wie  er  selbst 
gt  (Vorrede  IV),  durch  Lücking's  Schul grammatik  (Berlin  1880)  beein- 
isst  und  bei  der  Abfassung  seines  Werkes  durch  den  Rat  des  Herrn 
of.  Koschwitz  unterstützt  worden  ist.     In  der  methodischen  Einleitung 

seinem  Leaebuche  steht  er  allerdings  noch  nicht  auf  dem  wissen- 
haftlichen  Standpunkte,  den  er  sich  demnach  erst  später  errungen  hat. 
h  werde  daher  auf  den  ausdrücklichen  Wunsch  des  Verfassers  die  in 
V  Einleitung  angeführten  grammatischen  Bemerkungen  und  die  be- 
.udige  Verweisung  auf  seine  „Grundzüge  der  französischen  Grammatik", 
j  er  jetzt  als  ganz  verfehlt  bezeichnet,  unbeachtet  lassen.  Aber  was 
'ziell  die  methodische  Seite  betrifft,  so  bietet  schon  die  Einleitung 
I  Lesebuches  viel  Gutes  und  Beachtungswertes.  Auch  das  Lesebuch 
3st  ist  immer  noch  brauchbar,  wenn  auch  nach  meiner  Ansicht  einiger 
derungen  bedürftig.  Das  Vaterunser  und  die  religiösen  Betrachtungen 
T  das  "Weltall,  den  Schöpfer,  den  Sündenfall  u.  dgl.  in  der  ersten, 
das  erste  Schuljahr  berechneten  Abteilung  (Vorübungen  Nr.  1  — 16) 
1,  wie  ich  glaube,  für  eine  Schullektüre  wenig  geeignet  und  auch  für 
je  Klassenstufe  zu  schwierig,  wenn  auch  der  Inhalt  dieser  Lesestücke, 

Kl.  bemerkt  (Meth.  des  fremdsprachl.  ünterr.),  den  Schülern  längst 
annt  ist.  Ich  würde  an  ihrer  Stelle  viel  lieber  einige  gute  Anekdo- 
und  mehr  kurze  Fabeln  sehen.  Auch  halte  ich  die  wörtliche  Inter- 
arübersetzung,  die  zu  den  Lesestücken  des  ersten  Abschnittes  gegeben 
in  einem  Schulbuche,  das  gar  nicht  den  Anspruch  macht,  den  er- 
enden  und  nachhelfenden  Lehrer  zu  ersetzen,  für  durchaus  unnötig. 
;  solche  Interlinearübersetzung  ist  nur  in  den  Lehrbüchern,  die  aus- 
e^slich  oder  ebenfalls  für  den  Selbstunterricht  bestimmt  sind, 
hrem  Platze,  z.  B.  in  den  Lehrbüchern  der  französischen,  englischen, 
snischen  Sprache  u.  s.  w.  von  Booch-Arkossy  nach  der  Kobertson'- 
1  Methode,  die  im  Grunde  dieselbe  als  die  von  Klotzsch  angewandte 
von  ,,Quou8que  tandem"  und  Kühn  empfohlene  ist  oder  wenigstens 
t  viel  Ähnlichkeit  hat.  Vgl.  meine  Besprechung  des  französischen 
biiches  von  Booch-Arkossy  in  dieser  Zeitschrift,  Bd.  IV,  p.  96  ff. 

Die  den  folgenden  Lesestücken  und  Gedichten  (Nr.  17  —  32  der 
1  Abteilung  und  Nr.  33 — 56  der  zweiten  Abteilung)  beigefügten  Vo- 
ll arien  will  der  Verfasser  selbst  nicht  mehr  gelten  lassen 

Die  Lektüre  ist  auf  vier  Schuljahre  verteilt;  im  Anschluss  daran 
ntsprechend  den  vier  Abteilungen  auch  ein  bestimmtes  Pensum  der 
1  ni  a  t  i  k  durchgenommen  werden.  Auf  diese  Weise  sollen  die  Schüler 
nde  des  vierten  Schuljahres  die  ganze  Formenlehre  und  einiges  aus 


138  Litterarisclie  Chronik.    A.  Ramheau, 

der  Syntax  gelernt  haben.  —  Im  allgemeinen  sind  die  Lesestücke  und 
Gedichte  recht  gut  ausgewählt,  und  abgesehen  von  den  ersten  Stücken 
religiösen  Inhalt,  ist  ein  Fortschreiten  vom  Leichteren  zum  Schwereren 
sichtbar.  Das  Lesebuch  verdient  von  seiten  der  Fachgenossen  Berück- 
sichtigung, von  Seiten  des  VeriBiSsers  eine  genaue  Durchsicht  und  Ver- 
besserung für  eine  neue  Auflage. 

In  dem  Schriftchen  „Methode  des  fremdsprachlichen  Unterrichts^ 
macht  Kl.  darauf  aufmerksam,  wie  durch  eine  naturgemässe  Behandlung 
des  Sprachunterrichts  in  der  Schule  der  Überbürdung  der  Zöglinge  ab- 
zahelfen  sei  und  doch  das  nächste  Ziel  des  fremdsprachlichen  Unterrichts 
erreicht  werden  könne.  »Das  Lesebuch,^  sagt  er,  „ist  der  Leitfaden,  an 
welchem  ich  von  der  ersten  Stunde  an  die  Schüler  in  das  Gebiet  der 
neuen  fremden  Sprache  und  damit  zugleich  in  das  Geistesleben  desjeni- 
gen Volkes,  mit  dessen  Sprache  wir  uns  im  Unterricht  beschäftigen,  ein- 
führe/' Indem  er  sich  dann  auf  das  Französische  beschränkt,  schildert 
er  genau  seine  Lehrweise  und  zeigt,  wie  er  „durch  die  ersten  Stücke 
vorzugsweise  die  Aussprache  zur  Klarheit  zu  bringen  suche",  wie  er 
„deutsche  Beispiele,  oder  richtiger,  deutsche  Sätze  in  den  untern  Klassen 
überhaupt  nicht  mehr  übersetzen  lasse  und  das  Deutsche  nur  dazu  be- 
nutze, das  Verständnis  der  fremden  Sprache  anzubahnen  und  zu  ver- 
mitteln", auf  welche  Weise  er  die  französischen  Lesestücke  and  Gedichte 
und  zugleich  die  Grammatik  behandele,  wie  er  durch  fortgesetzte  Übun- 
gen, die  sich  zuerst  eng  an  die  jedesmalige  Lektüre  anschliessen  und 
nach  und  nach  immer  freier  werden,  die  Schüler  endlich  dahin  bringe, 
in  der  französischen  Sprache  ungezwungen  ihre  eigenen  Gedanken  wieder- 
zugeben. Kl.  schliesst  mit  den  Worten :  „Indem  ...  die  Kenntnis  der 
Grammatik  aus  der  Lektüre  erworben  und  dabei  jeder  Schüler  zum  Mit- 
arbeiter an  derselben  gemacht  wird,  fUUt  Unnötiges  und  Überflüssiges 
von  selbst  fort;  die  Beschäftigung  mit  syntaktischen  Raritäten,  die  in 
den  meisten  Übungsbüchern  so  gern  traktiert  werden,  bleibt  vollkommen 
ausgeschlossen;  nur  das,  was  die  Lektüre  bietet,  geht  durch *die  leben- 
dige Anschauung  in  das  geistige  Eigentum  der  Schüler  über.  Gleichwohl 
bleibt  es  natürlich  unerlässlich,  dass  ihnen  für  die  Bepetition  sowohl 
als  zur  genauen  und  gründlichen  Eiiiprägung  der  grammatischen  Formen 
ein  geeignetes  Hilfsmittel  in  die  Hand  gegeben  werde." 

Aus  diesem  Grunde  hat  Kl.  seine  kleine  französische  Formenlehre 
zum  wörtlichen  Auswendiglernen  herausgegeben  und  zwar  hat  er  die- 
selbe nach  dem  Vorbilde  der  bekannten  „lateinischen  Formenlehre  zum 
wörtlichen  Auswendiglernen"  von  Hermann  Perthes  (vgl.  Vorwort,  p.  III) 
abgefasst,  dessen  Schrillen  offenbar  überhaupt  auf  ihn  in  seinen  päda- 
gogischen Ansichten  über  den  Sprachunterricht  eingewirkt  haben. 

Die  Formenlehre  ist  zunächst  für  Lateinisch  lernende  Schüler,  also 
für  die  Schüler  der  Real-  und  humanistischen  Gymnasien  berechnet»  da  das 
Lateinisch,  wenn  auch  durchaus  nicht  allzu  häufig  und  immer  kurz  und 
sachlich,  erwähnt  wird.  Kl.  könnte  daraus  leicht  eine  auch  für  andere 
Anstalten  geeignete  Formenlehre  herstellen,  ohne  in  wesentlichen  Dingen 
den  wissenschaftlichen  Standpunkt  aufgeben  zu  müssen. 

Es  mögen  einige  Notizen  folgen,  die  ich  mir  beim  Gebrauche  der 
Formenlehre  von  Klotzsch  im  Unterricht  an  einem  humanistischen  Gym- 
nasium gemacht  habe. 

Von  den  flektierbaren  Redeteilen  behandelt  Kl.  I.  „Substan- 
tivum  und  Artikel  mit  Einschluss  einzelner  Teile  der  Lehre  vom  Ad- 
jektivum"  (§  1  —  19). 

Die  in  §  5  und  6   aufgestellte  kurze  Genusregel  nach  den   drei 


Methodik  des  franz.  Unterrichts  etc.  139 

äsichtspunkten  der  BedeutuDg,  der  Endung  und  der  Ableitung  ist  vor- 
jfflich. 

§  5,  1:  „So  sind  Masculina  alle  Benennungen  der  männlichen 
esen;  die  Namen  der  Wochentage  und  Monate  [ergänze  „Jahreszeiten'^, 
1.  un  eie  ixoiz  des  lat.  Geschlechts];  die  Metalle  ..."  —  Jahreszeiten, 
)Date  und  Wochentage  fallen  unter  einen  weitern  Begriff,  so  dass  die 
nzufiiguDg  von  „Jahreszeiten^'  die  F^sslichkeit  der  Regel  keineswegs 
ßinträchtigt. 

§  6,  3 :  „Feminina .  .  .  von  den  aus  dem  Lateinischen  abgeleiteten 

tirtern  fast  alle,  die  dort  Feminina  (z.  B.  mort,  tentation)  oder  Neutra 

Plural  (z.  B.  arnie,  ceuvre)  sind.^     Ergänze:   Die  neutrale  Pluralen- 

Dg  -a  der  2.,  3.  und  4.  Deklin.  wurde  im  Vulgärlatein  als  die  feminin. 

igularenduDg  der  1.  Deklin.  aufgefasst. 

Anmerk.  2:  „Gens  gilt  als  Femininum  nur  noch  für  Adjektiva 
;ier  Endungen,  wenn  sie  dem  Worte  gens  yoranstehen  (z.  B.  toutes  les 
iües  gens;  dagegen  tons  les  gens  vieux).^  Ich  würde  sagen:  Gens  gilt 
Femininum  wegen  seiner  Etymologie  (lat.  gentes)  ...  z.  B.  toutes  les 
lies  gens,  sonst  als  Masculinum  wegen  seiner  Bedeutung  =  hommes 
1.  deutsch  Leute,  engl,  people),  z.  B.  totis  les  braves  gens. 

Zusatz  4.  „Die  Masculina  auf  -^at«  haben  Im  Femininum  -eile, 
3.  jtimeau  (Zwilling)  —  jumeüe.^  Diese  Femininbildung  muss  dem 
üler  als  regelmässig  erscheinen,  wenn  er  an  die  Formen  hei,  nouvel, 
QU  htau,  noiiveau,  F.  helle,  nouvelle  erinnert  wird,  vgl.  Adjekt.  §  22. 
i  =  el :  l  vor  folg.  Kons,  wird  zu  w  vokalisiert,  vgl.  Pluralbildung 
Konjugation.  Das  Doppel-/  im  Femininum  (auch  etymol.  richtig, 
;  =  -ellam)  bezeichnet  das  offene  e  vor  folg.  stumm,  e. 

§  8 — 12.  „Deklination.  A.  Numerus.  B.  Kasusbezeichnung.'' 
Ersetzung  des  (}enetivs  und  Dativs  oder  die  Bezeichnung  des  Gene- 
und  Dativverhältnisses  durch  die  Präpositionen  de  und  ä  beim  Sub- 
tiv  gehört  im  syntaktischen  Sinne  eigentlich  in  die  Lehre  von 
Präpositionen,  kann  indes  in  der  Formenlehre  auch  an  dieser  Stelle 
!  Schädigung  der  wissenschaftlichen  Auffassung  erwähnt  werden.  Von 
:  wirklichen  Kasusflexion  des  Subst.  kann  aber  im  Neufranz,  gar 
b  die  Rede  sein:  denn  wenn  auch  de,  ä  mit  le  zu  du,  au  und  de,  ä 
les  zu  des,  aux  verschmelzen,  so  kann  man  doch  diese  formellen 
;rungen,  die  scheinbar  im  Artikel  selbst  geschehen,  keine  Kasus- 
»n  nennen,  da  de  und  ä  mit  dem  Artikel  ebenfalls  andere,  auch  in 
leutschen  Übersetzung,  präpositionale  Verhältnisse  ausdrücken  können, 
luss  daher  deutlich  gesagt  werden,  dass  die  französische  Sprache  die 
lischen  Kasus  überall  —  spez.  beim  Subst.  —  aufgegeben  hat,  aus- 
oimen  bei  den  Pronominibus  person.  und  relat.,  an  denen  noch  der 
nativ  (U,  eile,  üs,  elles,  je  u.  s.  w.,  qui)  und  der  Accnsativ  (le,  la, 
ne  u.  8.  w.,  que)  und  zum  Teil  auch  der  Dativ  (lui,  leur)  in  der 
n  unterschieden  werden.  Der  lat.  Genetiv  ist  ganz  und  gar  ge- 
inden.  Kl.  sagt  ganz  richtig,  dass  der  Nomin.  und  Accus.,  der 
.  nur  durch  ihre  Stellung  im  Satze  unterschieden  werden.  Aber 
enet.  und  Dat.  werden  nicht,  wie  er  sagt  (§  12)  durch  Präpositionen 
edrückt''  oder  „bezeichnet",  sondern  ersetzt,  vgl.  schon  in  der 
.  Umgangssprache  dico  ad  amicum  =  dico  amico.  „Bezeichnet" 
„ausgedrückt*'  durch  die  Präpositionen  de  und  ä  wird  das  Genetiv- 
>ativ  Verhältnis.  —  Auch  in  der  Ausdrucks  weise  und  Fassung  der 
-10  könnte  manches  geändert  und  gebessert  werden:  „Jeder  Nu- 
hat  nur  eine  Kasusform,  den  Aocusativ  (z.  B.  mort  aus  mortem; 
'on  aus  ientationem  etc.).  Die  Accusativform  wird  aber  auch  für 
Tominativ  gebraucht . .  ."     Für  das  neufranzösischö  Sprachge- 


140  LiUerarische  Chronik.    A.  Rambeau, 

fühl  ist  die  Form  mort  kein  Accusativ.  —  Wenn  einmal  von  vornherein 
gesagt  worden  ist,  dass  für  das  franz.  Sahst,  und  Adjekt.  keine  Kasus- 
flexion existiert,  so  braucht  man  für  Lateinisch  lernende  Schüler  nur 
noch  hinzuzufügen,  dass  die  Form  des  franz.  Subst.  und  Adj.  in  den  bei 
weitem  meisten  Fällen  auf  die  lateinischen  casus  obliqui  oder,  wenn  man 
will,  spez.  auf  den  lat.  Accus,  mit  Weglassung  der  Flexionsendung  (mort 
—  mortem),  in  nur  sehr  wenigen  Fällen  auf  den  lat.  Nomin.  (pätre  — 
pastor,  fils  —  filins,  pire  —  pejorj  zurückgehe.  Dies  erklärt  sich,  wie 
man  bemerken  mag,  aus  dem  Altfranz.,  wo  noch  zwei  wirkliche  Kasus, 
der  Nomin.  und  der  casus  obliquus,  vorhanden  gewesen  sind.  Vgl.  im 
Neufranz,  z.  B.  la  Porte  Saint- Martin  (porta  Sancti  Martini),  la  Porte 
Saint- Denis  (porta  Sancti  Dionysii)  u.  ä.,  ein  Rest  des  alt  franz.  casus 
obliquus  {=  Genet.  in  diesem  Falle).  —  Das  s  (nach  u  meist  x  geschrie- 
ben) im  Plural  rührt  vom  lat.  Acc.  Plur.  der  Masculina  und  Feminina 
her  (urspr.  nur  Zeichen  des  cas.  obliqu.  Plur.  im  Altfranz.),  ist  aber 
lautlich  nur  noch  in  der  Liaison  vorhanden  und  ist  auch  graphisch 
ausgelassen,  wenn  das  Wort  auf  s,  x,  z  (alle  drei  =  weich,  tön.  s  in 
der  Liaison)  au4>geht. 

§  10,  Zusatz  5,  c.  „Ohne  Plural bildung  bleiben  . .  .  die  nicht  ein- 
gebürgerten Lehnwörter,  z.  B.  les  in-folio;  les  Te-deum;  (eingebürgerte 
erhalten  s,  wie  z.  B.  les  operas;  les  e'chos  .  .  .;  les  facturas  u.  s.  f.).** 
Nach  der  neuen  Orthographie  ist  Te  Deum  zu  schreiben.  —  Les  fac- 
turas ist  zu  streichen.  Ich  kenne  kein  franz.  Wort  factttra,  sondern  nur 
facture  (=  1.  Waarenrechnung ,  2.  Ausarbeitung),  das  mit  seiner  echt 
franz.  Femininendung  e  =  a  nicht  zu  den  Lehnwörtern  (wohl  aber  zu 
den  mots  savants  wegen  des  erhaltenen  c)  gerechnet  werden  darf.  Die 
populäre  Form  dieses  Wortes  müsste  faiture  (i  =  c)  sein,  so  im  Ält- 
franz.  mit  der  Bedeutung  „Gestalt",  „Haltung",  „Geschöpf"  u.  dgl. 

§  14.  „Unbestimmter  Artikel  (article  indefini)  [ein,  eine,  Plural 
im  Deutschen  ohne  Artikel]. 

Singular.    Mascalinum:  un  (lat.  unum).    Femininum:  une. 

Plural. 

a)  Unmittelbar   vor   einem   Substantivum :  =   Genetiv   Plur.  des 
bestimmten  Artikels. 

b)  Vor  dem   mit  dem  Subst.   verbundenen  Adjektivum:   de  (das 
Adjektivum  vertritt  hier  die  Stelle  des  Artikels)." 

Dieser  sog.  „Plural  des  unbestimmten  Artikels"  ist  nichts  weiter 
als  der  Plural  des  Teilartikels  (article  partitif),  der  von  Kl.  in  §  15  be- 
handelt wird.  Der  unbestimmt^  Artikel  hat  keinen  Plural.  In  dem 
Satze  „J*«i  im  des  soldats^  =  „Ich  habe  Soldaten  gesehen",  bezeichnet 
der  Plural  soldats  mit  dem  Teilartikel  (=  de  -\-  best.  Art.)  =  deutsch 
„Soldaten"  ohne  Artikel  eine  unbestimmte  Anzahl,  einen  unbestimmten 
Teil  von  einem  Ganzen,  ebenso  gut  wie  der  Singular  du  pain  =  „Brot" 
in  einem  Satze  wie  „J^'as  du  pain^  eine  unbestimmt-e  Masse,  also  auch 
einen  unbestimmten  Teil  von  einem  Ganzen  ausdrückt.  Der  unbestimmte 
Artikel  mit  einem  Subst.  bezeichnet  zwar  ebenfalls  einen  unbestimmten 
Teil  von  einem  Ganzen,  aber  als  Einheit  gedacht,  und  ist  daher  for- 
mell gleich  dem  Zahlwort  1  und  kann  nur  im  Singular  vorkommen. 
Wie  kann  also  von  einem  Plural  des  unbestimmten  Artikels  gesprochen 
werden?  —  Auch  der  Ausdruck  „Genetiv  (resp.  Genetiv  Plur.)  des  be- 
stimmten Artikels"  in  §  14,  15  ist  falsch  und  irreführend,  vgl.  Kasus- 
bezeichnung §  11—12.  Der  Teilartikel  ist  =  de  -{•  best.  Art.;  wenn 
ein  Adj.  vor  dem  Subst.  steht,  tritt  es  an  Stelle  des  best.  Artikels,  der 
dadurch  unnötig  wird:  du  pain,  de  bon  pain. 

Zusatz  zu  §  14  und  15.     „Der  Genetiv  im  Plural  des  unbestimm- 


Methodik  des  franz.  Unterrichts  etc.  141 

>en  Artikels  (resp.  „im  Singular  und  Plural"  §  15)  wird  durch  die  blosse 
Casuspräposition  de  ausgedrückt."  In  „Un  (jrand  nomhre  de  soldats^ 
t.  ä.  kann  y^de  soUlats^'-  u.  ä.  unmöglich  ein  Genetiv  genannt  werden. 
)er  Teilartikel  (=  de  -{■  best.  Artik.)  mit  einem  Subst.  kann  im  Satz- 
efüge  Subjekt  und  Objekt  sein»  also  die  Stelle  eines  Nomin.  und  Accus. 
innehmen  und  nach  allen  Präpositionen  gesetzt  werden  (vgl.  ä  des  amis, 
vec  des  amis  u.  s.  w.),  ausgen.  nach  sans  (sans  pain  =  ohne  Brot)  und 
atürlich  nach. der  Präposition  de  selbst,  also  damis  =  von  Freunden. 
ine  derartige  Regel  beseitigt  jene  imaginäre  grammatische  Ungeheuer- 
chkeit,  den  Genetiv  des  Genetivs  des  bestimmten  Artikels!  Allerdings 
ihört  diese  Frage  eigentlich  in  die  Syntax. 

§  16—19.  Der  Frageartikel  (article  interrogatif)  guel,  der  De- 
jnstrativartikel  (article  demonstratif)  ce,  die  Possessivartikel  (articles 
ssessifs)  mon,  ton  u.  s.  w.,  die  EoUektivartikel  (articles  collectifs)  aucun, 
"tain  u.  s.  w.  haben  wohl  manches  mit  dem  bestimmten  und  unbe- 
nmten  Artikel  gemein,  aber  ich  würde  sie  doch  lieber  mit  ihren  ge- 
hnlichen  Namen  „Adjektivische  Frage-,  Demonstrativ-,  Possessiv-,  in- 
initive  Pronomina",  franz.  „adjectif,  interrogatif,  ddmonstratif,  possesif, 
($fini"  unter  den  Pronominibus  im  IV.  Abschnitte  sehen,  besonders  die 
ektivischen  indefinitiven  Pronomina,  da  die  meisten  derselben  unver- 
lert  auch  als  substantivische  indefinite  Pronomina  (vgl.  §  39)  verwandt 
den  können.  Ich  würde  in  Abschn.  IV  sogar  auf  den  bestimmten 
ikel  in  §  13  verweisen,  da  dieser  ja,  wie  El.  selbst  angibt,  vom  lat. 
Qom.  demonstr.  iUum  u.  s.  w.  abgeleitet  werden  muss  (vgl.  den  deutsch., 
1.  und  griech.  Artikel). 

IL    „Vom  Adjektivum.«     §  20-26. 
§  22,  Nr.  5.     „Abweichend  erscheint  die  Femininbildung  bei  äb- 
(freigesprochen)    —   absoute  .  .  .  hebreu   (hebräisch)    —    he'bratque.^ 

Feminin,  von  hebreu  gibt  es  nicht;  hebrdique  ist  Masc.  und  Femin. 
§  23,  Nr.  2.   '  ^Bleu  und  feu  haben  im  Plural  s  statt  x."     „Statt" 

fcht  richtig;  besser:  .  .  .  s,  nicht .o:  wie  die  Substantiva  auf  en  fies 

tixj, 
§  25,   Anmerkung.     „Da^s  Bindewort  nach  dem   Komparativ,   das 

lurch  als  oder  wie  ausdrücken,  wird  bezeichnet  1.  durch  que,  wenn 

ualität,  um  die  es  sich  handelt,  überschritten  ist .  .  .;  2.  durch  de, 
ein  Zahlausdruck  folgt  und  das  damit  angegebene  Quantum  zu  dem 

istand,  um  den  es  sich  handelt,  hinzugenommen  werden  soll  (z.  B. 

verrez  dans  la  ville  plus  de  Cent  eglises;  cette  locomotive  tratne  plus 

arante  wagons)"^  Der  zweite  Teil  dieser  syntaktischen  Regel 
ändern:  das  Biudewort  kann  nicht  durch  eine  Präposition  bezeich- 

3rden.     Nach  plus  und  moins  wird,  wenn   ein  Zahlausdruck  folgt, 

Bindewort  gesetzt,  wie  im  Deutschen,  sondern  die  Präposition  de, 
man  nach  der  Auffassung  der  französischen  Sprache  keinen  Ver- 
anstellt, sondern  ein  unbestimmtes  Quantum  (plus,  moins)  von 
bestimmten   (der  Zahl)   entweder  addierend   (plus)   oder   subtra- 

\  (moins)  abrechnet. 

III.  „Vom  Numerale."  §  27  —  30. 
^  27.  „Bemerkungen.  1.  Einer  und  Zehner  erscheinen  in  der 
lensetzung  mit  Bindestrich  verbunden,  wenn  nicht  et  zwischen 
fceht."  —  Nicht  bloss  Zehner  und  (-f )  Einer  (vingt-deux)  oder 
ad  (x)  Zehner  (quatre-vingl),  sondern  auch  Zehner  und  (-f )  Zehner 
e-diücj, 

„Die  Schreibart  mü  findet  sich  nur  bei  der  Angabe  von  Jahres- 
[und    auch   dann  nur,  wenn   1000  nicht  durch  eine  andere  Zahl 


142  Litierat-ische  Chf*onik.    A.  Rambeau, 

multipliziert  iat)."     Einfacher   und   genauer:    1^'d   in   Jahreszahlen    der 
christlichen  Zeitrechnung  zwischen  lÜÜO  und  2000,  also  1001  —  1999. 

6.  „ .  .  .  Louis  Quaiorze;  le  onze  Jiän;  dagegen  Charks  Premier, 
[Frdderic  SecondJ  le  premier  aoiU.J'^  Beim  Datum  und  bei  Regenten- 
namen werden  die  Zahlen  in  Ziffern  ausgedrückt:  Louis  XIV;  le  11  juin; 
Charles  /•'";  Fredenc  II  (=  deux,  second  beginnt  zu  veralten),  le  1^ 
aoilt.  Wenn  die  Zahlen  wirklich  ausgeschrieben  werden,  müssen  sie  auch 
bei  den  Regentennamen  mit  kleinen  Anfangsbuchstaben  geschrieben 
werden:  Louis  quaiorze  u.  s.  w. 

§  28.  Die  Schreibweise  quatre-vingts,  deux  cents,  trois  Cents  u. 
s.  w,  in  der  Zahlentabelle  kann  irre  führen.  Besser:  quatre-vingi(s), 
deux  cent(s)  u.  s.  w.,  vgl.  bei  Kl.  §  27,  Nr.  3. 

IV.    „Vom  Pronomen."    §  31-  39. 

§  39.  Unter  den  angeführten  einfachen  und  unveränderlichen 
Pronominibus  indefinitis  finden  sich  „personne  irgend  jemand'',^  rien  etwas*! 
Besser:  personne  irgend  jemand,  im  negativen  Sinne  (mit  ne  beim  Ver- 
bum)  niemand;  rien  irgend  etwas,  im  negat.  Sinne  (mit  ne  beim  Ver- 
bum)  nichts. 

V.    „Vom  Verbum«.    §40-81. 

§  52.  Unter  die  intransitiven  Verba,  die  sich  in  ihren  zusammen- 
gesetzten Temporibus  mit  avoir  und  ^ire  verbinden,  je  nachdem  „auf  die 
Handlung  selbst  Bezug  genommen  wird"  oder  „durch  sie  ein  Zustand 
angegeben  werden  soll",  stellt  El.  auch  cesser  und  p^rir,  Verba,  die  be- 
kanntlich jetzt  nur  mit  avoir  gebraucht  werden.  Vergl.  darüber  die 
franz.  Schulgramm,  von  Plattner,  der  den  neufranz.  Sprachgebrauch  in 
bezug  auf  die  Hilfsverba  avoir  und  Sire  bei  derartigen  Verben  wie 
avance?',  monier  u.  s.  w.  (§  54)  gründlich  untersucht  hat.  £r  hat  auch 
bei  einigen  festgestellt,  dass  sich  der  Sprachgebrauch  meist  für  ein  Hilfs- 
verbum  entschieden  hat,  bei  grandir,  croltre,  decroitre  für  avoir^  bei 
monier,  passer  und  (immer)  bei  afcroUre  für  Sire. 

Kl. 's  Einteilung  der  Verba  in  Konjugationsgruppen  weicht  von 
der  Lücking's  und  Plattner's  (archaische  und  herrschende  Konjuga- 
tionen), ab,  scheint  mir  aber  weniger  ^t,  da  sie  zu  Inkonsequenzen 
führt.  Auch  wird  das  Prinzip  der  Einteilung  selbst  von  ihm  etwas  zu 
äusserlich  aufgefasst. 

Vgl.  §  54.  „Bleibt  der  Stamm  in  Verbindung  mit  den  Endungen 
unveränderlich,  so  heisst  die  Konjugation  schwach  (oder  regelmässig). 
Ist  der  Stamm  in  Verbindung  mit  den  Endungen  veränderlich,  so  heisst 
die  Konjugation  stark  (oder  unregelmässig)."     Ferner 

§  55.  „Nach  der  Infinitivendung  werden  Verba  auf  -er  (=  erste 
Konjugation),  -re  (=  zweite  Konjugation),  -fr  (=  dritte  Konjugation) 
unterschieden." 

§  56.  „Der  wirkliche  Stamm  des  Verbum  lässt  sich  nicht  über- 
all im  Infinitiv  erkennen,  da  bei  mehreren  Verben  vor  dem  r  des  In- 
finitivs der  Stamm  verkürzt  oder  unrein  geworden  ist.  .  . .  Bei  mehre- 
ren Verben  (mit  starker  Konjugation)  findet  sich  -  oir  als  Infinitivendung. 
Bei  einigen  schwachen  Verben  findet  eine  Vermischung  mehrerer  Kon- 
jugationen statt." 

In  einer  Tabelle  (p.  30 — 45)  hat  Kl.  1)  „die  schwachen  Verba  mit 
besondem  Eigentümlichkeiten"  §  72  —  77),  2)  die  „starken  Verba"  (§  78 
bis  80)  und  3)  die  „anomalen  Verba"  (§  81)  zusammengestellt.  Diese 
Tabelle  ist  im  allgemeinen  recht  übersichtlich,  besonders  infolge  der 
Rubriken,  die  oben  auf  je  zwei  neben  einander  liegenden  Seiten  vermerkt 
sind  und  Wiederholungen,  lange  Erörterungen  u.  dgl.  unnötig  machen. 
Es  sind  folgende  Rubriken:  Infinitiv  —  Stiunm  —  Klasse  der  Ko^juga- 


Methodik  des  franz.  Unterrichts  etc.  143 

»n  —  besondere  Eigentümlichkeiten  der  Nominalformen  und  der  Per- 
lal  formen  —  Anmerkungen. 

Was  die  Haupteinteiluivg  in  schwache  (oder  regelmässige 
d  starke  (oder  un regelmässige)  Verba  betrifft,  so  ist  vor  allem  zu) 
streiten,  dass  sich  die  Ausdrücke  stark  und  unreg^lmässig,  resp.  schwach 
d  regelmässig  decken,  gerade  wenn  man  an  Kl/s  Einteilungsprincip  fest- 
It.  [st  etwa  die  Mischung  zweier  Konjugationsarten  im  Verbum  vitir 
irt.  Präi  väti  nach  Analogie  der  Verba  auf  -oir  und  -re,  alle  übrigen 
rmen  gebildet  wie  die  von  dormir,  mentir  u.  s.  w.)  oder  im  Verbum  stnvre 
rt.  Prät.  suivi  nach  Analogie  der  Verba  auf  -ir,  alle  übrigen  Formen 
äldet  wie  die  von  rompre)  u.  ä.,  die  El.  zu  den  „schwachen  Verben 
i  besondern  Eigentümlichkeiten"  rechnet,  weniger  vom  gewöhnlichen 
reichend,  also  weniger  nunregelmässig",  als  die  Formenbildung  vieler 
von  ihm  als  stark  bezeichneten  Verba,  z.  B.  moudre?  Oder  zeigt  das 
iwache  Verbum"  rire  (§  74)  eine  geringere  Abweichung  oder  ünregel- 
sigkeit  als  das  „starke  Verbum"  conciure  (§  78)?  Beide  haben  ein 
im  betontes  bist.  Perf.  (je  ri-s  =  lat.  risi,  je  conclu-s  =  lat.  con- 
i);  nar  bat  das  eine  Verbum  t,  das  andere  u  als  Stammvokal. 

Ein  grosser  Übelstand  zeigt  sich  auch  darin,  dass  Kl.  die  der 
sehen  Grammatik  entlehnten  Ausdrücke  „stark"  und  „schwach"  auf 
französische  Koiijugationslehre  in  einem  ganz  andern  Sinne  anwendet, 
man  sie  sonst  zu  gebrauchen  pflegt.  Gewöhnlich  versteht  man  ja 
;nnt1ich  in  der  romanischen,  resp.  französischen  Grammatik  unter 
ken  Verben  diejenigen  Verba,  die  den  Stamm  betonen,  z.  B.  eres- 
—  crottre  (vgl.  Brächet,  Gramm,  bist.,  p.  .189),  also  vorzugsweise 
^erba  der  3.  lat.  Konjugation  (ohne  Ableitunssvokal),  und,  da  in 
m  Sinne  kein  einziges  Verbum  vollständig  stark  flektiert  wird,  d.  h. 
llen  Formen  den  Ton  auf  dem  Stamme  behält,  spez.  nur  solche 
a,  die  ein  starkes  oder  stammbetontes  Präteritum  (bist.  Perf.) 
Q,  wie  1)  tenir  —  il  tint  ftenuü),  venir  -^  ü  vint  (venit),  2)  die 
en  Verba  auf  -oir,  recevoir  —  il  regut  (recepit),  3)  viele  Verba  auf 
dire  —  ü  dit  (dixit),  faire  —  il  fit  (fecit),  taire  —  il  tut  (täcuit) 
w.  Diesen  stehen  die  schwachen  Verba  gegenüber,  d.  h.  dierjeni- 
die  ein  schwaches  oder  endungsbetontes  Präteritum  haben, 
l)  Verba  auf  -er  (latein.  -ärej,  aimer  —  ü  aima  (amävit  mit  dem 
kteristischen  Vokal  (lat.  Ableitungsvokal)  a;  2)  Verba  auf  -tr  (lat. 
dormir  —  il  dormit  (dormivit)  mit  dem  charakt.  Vokal  (lat.  Ab- 
gavokal)  i;  3)  einige  Verba  auf  -re  (lat.  -ire),  die  im  bist.  Perf. 
nalogie  der  Konjug.  auf  -ir  gefolgt  sind,  rendre  —  ü  rendit  mit 
kt.  Vokal  i;  4)  einige  Verba  auf  -oir  (lat,  -irej  im  bist.  Perf.  mit 
charakt.  Vokal  u,  der  im  klass.  Latein  unbetont  war,  vahir  —  il 
(valf'di  =  vältätj. 

Verglichen  mit  dieser  üblichen,  jedenfalls  berechtigten  Einteilung, 
int  Kl.*s  Einteilung  sehr  inkonsequent.  Faire  mit  dem  bist.  Perf. 
(lat.  fecij  wird  als  stark  bezeichnet  (§  78),  dagegen  seine  Kompo- 
ff/ire  (§  72),  confire  (§  76)  mit  demselben  bist.  Perf.  Je  suffis,  je 
(lat.  su/feci,  confeci)  selten  als  schwach.  Der  Grund  dieser  sonder- 
Ordnung  ist  kein  anderer,  als  dass  faire  =  lat.  facere  (ai  =  lat. 
^  im  bist.  Perf.  einen  vom  Präsensstamm  verschiedenen  Vokal  hat, 
id  dies  im  bist.  Perf.  von  suffire,  confire  (lat.  sufficere,  conficere)  nicht 
II  ist,  weil  schon  im  lat.  Präsensstamm  dieser  Verba  ein  kurzes  t 
den  war^  das  mit  dem  folg.  c  zu  franz.  i  geworden  ist.  Wie  suf 
mftre,  so  rechnet  Kl.  auch  rire,  dire,  drconcire,  alle  mit  einem 
3eto]iten  bist.  Perf.  (je  ris,  dis,  drconcis,  lat.  risi,  Mxi,  drcumcisi 
ifncidij  zu  den  „schwachen  Verben  mit  besondem  Eigentümlich- 


144  Litterarische  Chronik.    A.  Ramheau, 

keiten",  offenbar  weil  sie  denselben  Stammvokal  /  im  Präs.  und  bist. 
Perf.  zeigen,  —  aber  ebenfalls  auch  mettre,  prendre  (§  77),  obgleich  der 
Präsensstamm  dieser  Verba  in  ihrem  stammbetonten  bist.  Perf.  sehr  ver- 
ändert ist:  je  mis,  pris  =  lat.  misi,  pi'ensi  st.  prendi,  prcheruii.  Und 
doch  stellt  El.  als  Prinzip  seiner  Einteilung  auf:  „Ist  der  Stamm  in 
Verbindung  mit  den  Endungen  veränderlich,  so  heisst  die  Konjugation 
stark". 

Beziehen  sich  diese  Worte  etwa  nur  auf  das  Präsens?  Sollen  die- 
jenigen Verba  als  stark  betrachtet  werden,  deren  Stammvokal  im  Prä- 
sens in  Folge  des  wechselnden  Wortaccentes  (accent  tonique)  veraudert, 
im  Neufranz,  meist,  ursprünglich  immer  diphthongiert  ist?  Also  Verba 
wie  apercevoir  (St.  apercev-  in  den  endungsbetonten,  aper^oiv-  in  den 
stammbetonten  Formen  des  Präsens),  devoir  (St.  dev-,  doiv-J,  boire  (St. 
buv-,  boiV'J,  tenir  (St.  ten-,  iien-),  venir  (St.  ven-,  vien-J,  regue'rir  (St. 
reqve'r-,  requiei-),  mouvoir(St  mouv-,  meuv-J^pouvoir  {Bt.  pouv-  peuv-J, 
vouloir  (St.  voul-,  veul-J,  mourir  (St.  mour-,  meur-).  Alle  diese  Verba 
sind  bei  Kl.  unter  den  „starken  Verben"  verzeichnet,  daneben  aber 
eine  grosse  Menge  von  Verben,  die  den  Stammvokal  ohne  Rücksicht  auf 
den  wechselnden  Wortaccent  unverändert  lassen:  connaltre  (St.  connais-J, 
croire  (St.  croi-,  croy-,  y  =  ii  nur  wegen  des  Hiatus  vor  volltönenden 
Endungen),  vivre  (St.  viv-),  valoir  (St.  val-)  u.  a.  Allerdings  zeigen 
alle  diese  und  ähnliche  Verba  gewisse  Eigentümlichkeiten  in  der  Be- 
handlung des  Stammes,  besonders  Wegfall  des  Endkonsonanten  des 
Stammes  oder  Vokalisierung  des  l  z\x  u  vor  folg.  konsonantischer  En- 
dung (val-,  ü  val-t  =  il  vaiit)  u.  dgl.  Aber  es  treten  ganz  ähnliche 
oder  gleiche  Eigentümlichkeiten  auf  im  Präsens  der  Verba  fuir,  mentir, 
dormir,  servir,  oouülir,  suivre,  bruire,  e'crire,  taire,  ceindre  u.  a.,  die  KL 
alle  unter  die  „schwachen  Verba"  rechnet. 

Es  ist  daher  Kl.  zu  raten,  seine  Einteilung  in  „schwache"  und 
r.starke"  Verba  aufzugeben.  Dagegen  schlage  ich  ihm  vor,  seine  Grup- 
pierung der  Verba  nach  drei  Konjugationsarten  „Verba  auf  -er,  auf  -re, 
auf  -«>"  (die  Reihenfolge  -er,  -ir,  -re  ist  vielleicht  praktischer,  weil  es 
mehr  „regelmässige"  Verba  auf  -ir  als  auf  -re  gibt)  beizubehalten, 
die  Verba  auf  -ir  in  die  zwei  Klassen,  Verba  mit  reinem  (einfachem) 
Stamme  (mentir,  St.  ment-J  und  Verba  mit  inchoativem  Stamme  (punir, 
St.  pun-,  puniss-)  einzuteilen  und  darnach  eine  Tabelle  der  abweichenden 
oder  „unregelm aasigen"  Verba  oder  der  „Verba  mit  besondern  Eigen- 
tümlichkeiten", 1)  Verba  auf  -ir,  2)  auf  -7'e,  3)  auf  -oir  folgen  zu  lassen. 
Von  den  Verben  auf  -er  sind  aller  und  envoyer  anomal.  Die  Gesichts- 
punkte, nach  denen  diese  abweichenden  Verba  auf  -ir,  -re,  -oir  unter 
sich  gruppiert  werden  können,  finden  sich  leicht,  z.  B.  das  stammbetonte 
bist.  Perf.  oder  Veränderung  des  Stammvokals^^  infolge  des  wechselnden 
Wortaccentes  im  Präs.  u.  dgl.  —  Eine  solche  Änderung  könnte  Kl.  vor- 
nehmen ohne  grosse  Mühe  und  ohne  seinem  Abschnitte  „vom  Verbum" 
eine  wesentlich  verschiedene  Gestalt  zu  geben.  Im  allgemeinen  ist  ja 
auch  dieser  Abschnitt  —  erfahrungsmässig  der  schwierigste  in  einer 
Schulgrammatik  —  sehr  klar  und  übersichtlich  und  beweist  trotz  der 
kurzen,  knappen  Darstellung,  die  ganz  besonders  zu  loben  ist  (p.  22 — 45), 
wissenschaftliche  Gründlichkeit  und  Verarbeitung  der  Resultate  der  ro- 
manischen Philologie. 

In  §  56  findet  sich  eine  auffällige  Bemerkung:  „Auch  zeigt  nicht 
bei  allen  Verben  die  Infinitivendung  die  Klasse  der  Konjugation  an,  da 
selbst  bei  schwachen  Verben  die  Infinitivendung  bisweilen  ver- 
kürzt (z.  B.  fm-r  statt  fui-re)  oder  vertauscht  (vSt-ir  statt  vit-rej 
ist".    Kl.  sagt  in  seinem  Vorworte:    „Dass  in  diesem  Büchlein  manches, 


.•1..( 


Methodik  des  franz,  ünierrichis  etc.  145 

^~  "^~- ^ ••'''! nrlinn er  des  Verbum,  mit  den  streng  wissenschaftlichen 

u:i  TL     -   «;/.])t    übereinstimmt;,    ist   mir,    wie   ich    zur    Beseitigung 

'    ur«t;indnisses  ausdrücklich  bemerke,   recht  wohl   bekannt; 

ich    aus   pädagogischen  Gründen   hier   und   da  meinen 

"♦^'rangen".     Dies  kann  die  oben  angeführte  Bemerkung 

'HirrpTi:   denn  sie  ist  nicht  nur  wissenschaftlich  falsch, 

vom  pädagogischen  Standpunkte  aus  durchaus  verfehlt. 

md  fni'.  fuy-  =  lat.  fng-)  und  v^ür  (St.  vH-,  lat.  vest-) 

•PH  Verben  auf  -*r  mit  einfachem  Stamme  (ohne  Inchoativ- 

"  "///r  \\.  a.  zu  trennen,  dafür  ist  nicht  der  geringste  pädago- 

'  vorhanden.     VHir  zeigt  sellbst  im  klassischen  Latein  das 

"Offar  im  Infin.  (vest-ire),  fuir  wenigstens  in  vielen,  andern 

'i-'t-o,  fy^-i-uni).    Im  Vulgärlatein  und  spätem  Schriftlatein 

»'  einen  Infin.  fugire,   vgl.   Neue,   Lat.  Formenlehre,  II,  415, 

Vokalismus  des  Vulgärlateins,  I,  408,  vgl.  auch  ital.  fuggire, 

iYOw.  ffigir,  altfranz.  fuir  (schon  im  Rolandslied,  96  :  1255  in 

-  Assonanz,  gestützt).    Es  hat  im  Franz.  nie  eine  Form  fuire 

vdtre  gegeben! 

•Das  Personalzeichen  der    1.  Person   im   Singular  s   fehlt 

.  wird  nach   der  Tempusbezeichnung  a  zu  i  (z.  B.  je  nomme; 

.n."    Die  Ausdrücke  „fehlt"  und  „wird  . .  .  zu"  sind  unrichtig. 

aizeichen  s  ist  bekanntlich  auch  in  den  übrigen  Temporibus, 

.1  Stationen   (in   der  Konjugation   auf  -ir  mit  inchoativ.  Stamm 

ler  1.  Pers.  Sing.  Präs.  Ind.  stammhaft)  ursprünglich  nicht  vQir- 

w  esen  und  erst  nachträglich  angefügt  worden.     S  kann  daher 

t  im  bist.  Perf.  der  1.  Konjug.  zu  i  werden,   da  dieses  i  schon 

xistiert  hat  (am-a-vi)   und   nach   Ausfall   des   intervokalen  v 

u  im  klass.  Lat.  -m  =  -m,  redii,  appeiii)  mit  dem  ableitenden 

iiolzen  ist.     Die  urspr.  Form  ist  nur  noch  in  der   Schrift  er- 

.  der  Sprache  ist  -««jetzt  =  geschl.  e. 

(i4.     Als   Tempusbezeichnung   des   Präs.    Ind.   und    Imper.   der 

_^.  (auf  -ir)  gibt  Kl.  im  Sing,  -i-,  im  Plur.  -iss-   an.     Auch  im 

:   es  dieselbe  Inchoativsübe  -iss-,  nur  musa  in  der  1.  und  2.  Per- 

-   schliessende  s,  wie  gewöhnlich,  vereinfacht  werden  und  in  der 

.  vor  folg.  Kons,  (t)  wegfallen.     Vgl.  je  punis,  tu  punis,  ü  punii 

parais,  tu  parais,  ü  paraii,  St.  puniss-,  paraiss-.    In   der  1.  und 

.  Sing,  ist   das   erhaltene  s  statt  ss  als  zum  Stamme  gehörig  zu 

ten;    die  Personalendung  s   in   der   2.  Sing,  und  später,   als   die 

Liialogie  der  2.  folgte  (vgl.  vendo  =  vend,  vends;  vendis  =  vendsj, 

1.  Sing,  blieb  als  unnötig  weg,   vgl.  die  Pluralbildung  der  Sub- 

,  ias,  nez,  twix. 

inm.  zu  §  64.     „Das  tonlose  e  der  1.  Person  des  Singulars  wird 

Frageform   vor  je  in  geschlosses  e  (e)  verwandelt  (z.  ß.  nomme- 

i  der  Schrift  tritt  allerdings  der  accent  aigu  ein,  trotzdem  ist  es 

les  oder  wenigstens  halboTOues  e,  wie  in  der  Form  ai  (lat.  häbeo) 

Futurum  das  geschlossene  e  (geschr.  ai)  in  der  Fragestellung  vor 

enem  e  wird,  vgl.  nommd-je,  ai-je,  nommerai-je. 

81.      ,,Geht  der  Stamm  eines   Verbum   auf  ai,  oi  oder  ui  ans, 

der  Halbvokal  i  vor  einer  mit  vollem   (d.  i.  lautbarem)  Vokal 

den  Verbalendung  zu  y,  um  den  Hiatus  zu  tilgen  (z.  B.  croi-re  : 

>yons ;   envoyer,  Stamm  envoi;  fuir,  Stamm  fui  :  nous  fuyons 

Dagegen  kann  am  Stammende  ay  auch  vor  tonlosem  ^blei- 

\.   payer  :  je  paye  ijgd  je  paiej.^    Der  Bjj^hstabenkombination 

^    oi   (spr.  Diphth.  od),  ui  (spr.  Diphth.  üij  kommt   der  Laut 

Ibvokals  t  gar  nicht  zu,  sondern  dieser  kann  bei  oi  und  ui 

r.   nfrz.    Spr.  u.  Litt.    VI  2.  jq 


146  LUierarkche  Chronik.    A.  Ramheau, 

erst  dann  eintreten,  wenn  eine  vokalisch  anlautend^  voll  tönende  En- 
dung folgt;  dann  schreibt  man  oy,  uy  (spr.  oa-i-,  üi-i-).  Die  Verba, 
deren  Stamm  auf  ei  auslauten  könnte,  haben  auch  vor  stummem  e  den 
Halbvokal  i;  daher  in  der  Schrift  ey-,  spr.  e-i-:  vgl,  ff rassey er,  s'asseoir 
—  je  fp^asseye,  üs  s'asseyent. 

Den  kurzen  „Bemerkungen  über  einige  Konsonanten  am  Stamm- 
ende des  Verbum"  (§  70)  und  „über  Lautveränderungen  in  der  Stamm- 
endsilbe des  Verbum'^  (§71)  folgt  unmittelbar  die  Tabelle  der  schwachen 
(mit  besondern  Eigentümlichkeiten),  starken  und  anomalen  Verba«  über 
die  ich  oben  gesprochen  habe.  Es  mögen  hier  nur  noch  einige  Einzel- 
heiten erwähnt  werden: 

§  72.  Von  luire,  nuire,  suffire  ist  neben  dem  Stamm  luis-,  nuis-, 
suffis-  (vor  vokalischen  Endungen)  auch  der  Nebenstamm  lux-,  nui-, 
suffi-  (vor  konsonantischen  Endungen)  anzugeben  —  und  so  in  ähn- 
lichen Fällen,  wie  dire,  faire  u.  a.  —  Suffire  darf  nicht  von  confire  (§  76) 
und  faire  (§  78)  getrennt,  wenn  auch  sein  Part.  Prät.  das  Nominalsuffix 
-^  (vgl.  suffi  —  confit,  fait)  verloren  hat. 

§  76.  Bruire  (St.  brui-,  bruy-J  und  die  andern  Defectiva  sollten 
wie  die  Anomala  abgesondert  sein. 

„Frire,  Stamm  fris."  Der  Stamm  kann  nur  fii-  lauten  (lat.  f?^- 
g^e)  und  lautete  auch  so  vor  vokalischen  Endungen  in  den  jetzt  ver- 
schollenen Formen;  Impf,  je  frims,  Part.  Präs.  friant.  Vgl.  im  Neufrz. 
das  Adj.  (Subst.)  friand,  Subst.  friandise. 

%  Bei  ceindre,  atteindre  u.  a.  (§  76),  ferner  bei  movdre,  ahsoudre 
u.  a.  (§  78)  und  (vorher  §  72)  coudre  ist  das  d  des  Inf.  als  unorganisch, 
euphonisch  zwischen  n  -\-  r,  i  (später  zu  u  vokalisiert)  -f  r,  weich,  s  •\-  r 
(s  später  weggefallen  vor  Konson.),  bei  connaitre,  parcaire  u.  a.  (§  78) 
das  t  des  Infin.  ebenso  zwischen  scharf,  s  fssj  -{•  r  fs  später  weggefallen 
vor  Konson.)  zu  erklären;  schon  vor  der  Tabelle  muss  auf  dieses  eupho- 
nische d  und  i  aufmerksam  gemacht  werden.  Das  d  im  Sing.  Ind.  und 
Imper.  Präs.  von  moudre  und  coudre  muss  als  eingedrungen  (nur  gra- 
phisch), also  als  hybrid  bezeichnet  werden. 

§  77.  y^Prendre,  Stamm  pren-."^  Daneben  prend-  (vgl.  lat.  prendre, 
prehendere). 

§  78.  „Jbsoudre,  Stamm  absolv-  vor  vokalisch  beginnender  Ver- 
balendung, absou-  vor  konsonantisch  beginnender  Verbalendung."  —  Das 
V  dem  Stammes  absolv-  muss  vor  Konson.  ausfallen  (vgl.  je  vis,  sers  u.  a.), 
daher  absol-;  das  /  ist  später  vor  folg.  Konson.  zu  u  vokalisiert  worden, 
vgl.  die  Pluralbildung:  cheval-s  =  chevaux  (x  =  s).  Danach  ist  §  70, 
Bemerk.  2  zu  verbessern :  /  wird  nicht  „vor  dem  Personalzeichen  fx)  , ,, 
ausgestossen",  sondern  ist  vor  den  Personalzeichen  s  (nach  u  oft  ge- 
schrieben x)  und  t  2M  u  vokalisiert  worden.  Die  „Ausstossung  des  /" 
ist  in  dem  von  Kl.  angeführten  Beispiele  je  veu-x.  Stamm  veul-  nur 
scheinbar. 

JStre  mit  seinen  verschiedenen  Stämmen  es-,  ei-,  fu-  gehört  nicht 
zu  den  „starken  Verben"  in  §  78,  sondern  zu  den  Anomalis  (§  81). 

y,Vivre,  Stamm  viv-.^  Nebenstamm  ve'c-  (lat.  vic-,  Perf.  vic-si, 
vixi,  Part.  Prät.  vic-ium,  im  Franz.  anders  gebildet:  je  ve'c-us,  ve'c-uj, 

„Naitre^  Stamm  naiss-.^    Nebenstämme  naqu-  (je  naquis),  n-  (he). 

§  79.  Der  eine  Stamm  von  asseoir  ist  nicht  assei-,  sondern  assey- 
(auch  vor  stumm,  e),  vgl.  oben.  —  Kl.  „assied-  in  stammbetonten  Verbal- 
formen ausser  vor  stummem  e.^  Es  ist  hinzuzufügen:  im  Präs.  Ind.  und 
Imper.,  wegen  j'assis  bist.  Perf.  und  assis  Part.  Prät.  Ähnlich  in  an- 
dern Fällen,  wie  in  §  80  „mourir.  Stamm  mour-  in  endungsbetonien 
Verbalformen,  meur-  in  stammbetonten  Verbalformen".     Zu   ergänzen: 


Methodik  des  franz.  Unterrichts  etc.  147 

m  Präsens.  —  Im  Part   Prät.  zeigt  sich  in   betonter   Silbe  noch  der 
nveränderte  lat.  Stammvokal:  mor-t  (lat.  mortuum). 

Bei  courh'  und  mourir  sind  in  der  Tabelle  die  abweichenden  Fu- 
ira  je  cowrai,  je  mourrai  (von  den  Infin.  cour-re,  mour-re)  wohl  aus 
ersehen  weggelassen  worden. 

„Reguerir  holen."  Kins  der  übrigen,  häufigeren  Komposita  von 
leh'r,  etwa  conquerir,  sollte  mit  seinen  Hauptformen  angeführt  sein, 
as  die  Bedeutung  betrifft,  so  heisst  requerir  ersuchen,  fordern,  requi- 
?ren,  erfordern.    Mit  der  Bedeutung   „(noch  einmal)  holen"  ist  es  nur 

Infin.  gebräuchlich,  vgl.  Sachs*  Wb.  -—  Von  tenir  fehlt  in  der  Ta- 
lle  das  abweichende  Part.  Prät.  tenu. 

§  80.  y^Aüer,  Stamm  o//-.**  Nebenstämme  va-  (lat.  vad-)  und  t- 
t.  Inf.  ire,  franz.  Put.  firaij. 

In  den  letzten  7  §§  (82  —  88)  bespricht  Kl.  die  unflektierbaren 
leteile.  Sehr  sachgemäss  ist  seine  Behandlung  der  „abgeleiteten  Ad- 
l)ia". 

§  84,  „Doch  bezeichnen  die  Adjektiva  assidu,  continu,  cru,  nu, 
üu  den  (zu  erg.  vermeintlichen)  Ausfall  von  e  vor  ment  durch 
n  Cirkumflex  auf  u;  .  .  ."  Die  Orthographie  hat  sich  bei  einem  dieser 
erbien  verändert:  man  schreibt  jetzt  re'solument,  aber  assidüment  etc. 
§  88.  „Über  die  subordinierende  Konjugation  gue  mit  dem  Kon- 
tiv"  enthält  eine  kurze  syntaktische  Regel  über  5  Fälle,  in  denen 
Nebensatze  qtie  mit  dem  Konjunktiv  steht".  In  Nr.  2  („in  Kondi- 
Jsätzen")  empfiehlt  es  sich  „si  tant  est^  zu  streichen,  ebenso  nmcU- 

in  Nr.  3  („in  Konzessivsätzen").  Man  schreibt  jetzt  nonobstani  nicht 
vei  Wörtern  (Nr.  3).  „4.  in  Finalsätzen,  allgemein  wenn  der  Haupt- 
einen Wunsch  (Bitte,   Forderung,  Befehl,   Billigung,  Verbot,  War- 

u.  dgl.  m.)  oder  Affekt  (Furcht,  Erstaunen,  Freude,  Schmerz)  oder 
el  enthält,  ..."  —  Kl.  fahrt  in  Nr.  4  fort:  „.  .  .  oder  im  beson- 
in  Verbindung  mit  pour,  afin,  de  peur  (de  crainte)  oder  mit  de 
,  de  maniere,  de  sorte  (en  sarte),  wenn  die  Absicht  (deutsdi:  da- 
ausgedrückt  wird".  Ergänze  nach  dem  letzten  „oder":  in  Konse- 
ätzen. 

„5.  in  Temporalsätzen  in  Verbindung  mit  avant,  jusqu'ä  ce  que 
%  atiendant.^  Diese  zusammengesetzten  Konjunktionen  könnten  sehr 
n  Nr.  4  eingefügt  werden.  Msqu*ä  ee  que  regiert  den  Konjunktiv 
Q  finalen  Sinne. 

Folgende  Druckfehler  sind  zu  berücksichtigen: 

Z.  22  V.  o,  negresse  —  schreib  negresse, 

Z.  29  V.  o.  defendeur  (Beklagte) —  soll  wohl  heissen  „Verklagte" 

(im  Civilprozess), 
2.   13  V.  o.  Schreib  „Zwilling"  statt  „Zwillinge", 
5.  22  V.  o.  heros  (Herold)  —  lies:  Held, 
5      8  V.  o.  verbundenem  —  lies:  verbundenen, 
I.     7  V.  o,  doiix  (Fuss)  —  lies:  süss, 
i.     4  V.  o.  douple  —  lies:  double, 

8,  9  V.  o.  oü  (lat.  ubi)  in   der  Bedeutung  wo  (wohin,  woher), 

worin  ...  —  „woher"  ist  zu  streichen  (=  d!oü), 
8  V,  u,  hruire  brauchen  —  lies:  brausen,  rauschen, 
)  in    der  Tabelle:   Besondere   Eigentümlichkeiten   der   Personal- 
formen  —  der  Nominalformen.    Die  Namen  sind  vertauscht 
-worden, 
6  V.  u.  (je  mourus).    Streiche  die  Parenthese;  in  der  3.  Pers. 
ist  dieses  Tempus  von  mourir  sehr  häufig. 

10* 


148  Liiierarisehe  Chronik.    A.  Rambeau, 

2.  Denselben  Standpunkt  wie  Klotzsch  vertritt  im  grossen  und 
ganzen  Kühn  in  seiner  Abhandlung  „Zur  Methode  des  franz.  Unterrichts". 
£r  hat  diese  Abhandlung  schon  ein  Jahr  vorher  (1882)  als  Programm- 
arbeit  des  Realgymnasiums  zii  Wiesbaden  veröffentlicht,  und  sie  ist  auch 
bereits  von  Koschwitz  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  IV,  p.  95  besprochen  und 
zwar  recht  günstig  beurteilt  worden.  Das  sehr  lesenswerte  und  inter- 
essante Schriftchen,  das  in  der  vorliegenden  Ausgabe  einige  Änderungen 
und  Zusätze  erhalten  hat,  mag  von  neuem  der  Beachtung  der  Fachge- 
nossen empfohlen  werden.  Es  hat  gewiss  schon  auch  in  seiner  neuen, 
handlicheren  Gestalt  zahlreiche  Leser  gefunden. 

K.  verlangt  (p.  4,  47)  nicht  bloss  Reform  der  Methode  im  Unter- 
richte der  einzelnen  fremden  Sprachen,  sondern  auch  der  Ordnung,  in 
welcher  sie  gelehrt  werden.  Da  allmähliches  Voranschreiten  vom  Nächst- 
liegenden zum  Fernliegenden  die  einzig  naturgemässe  Art  jedes  Unter- 
richts sei,  so  müsse  das  Streben  dahin  gehen,  an  allen  Schulen  den 
fremdsprachlichen  Unterricht  mit  einer  modernen  Sprache,  und  zwar  mit 
dem  Englischen,  zu  beginnen.  Man  kann  dem  Verfasser  nur  beistimmen, 
wenn  er  sagt,  dass  die  Schüler  dadurch  „um  ein  gutes  Stück  unnützer 
Arbeit  erleichtert  würden".  In  der  That  würde  dies  dazu  beitragen,  die 
leidige  Überbürdungsfrage,  die  jetzt  die  Direktoren  und  Lehrer  und  das 
Publikum  bis  zum  Übermasse  beschäftigt,  zu  lösen.  „Auch  würde  für 
die  untern  Klassen  unserer  höheren  Schulen  volle  Einheit  erreicht  —  in 
praktischer  Hinsicht  von  grosser  Bedeutung". 

Indem  sich  K.  auf  das  Französische  beschränkt,  wendet  er  sich 
zunächst  (I)  gegen  die  in  den  meisten  französischen  Lehrbüchern  be- 
folgte Methode  in  bezug  auf  die  Aussprache,  gegen  die  unzähligen  Aus- 
spracheregeln, mit  denen  man  den  Schüler  quäle,  die  dieser  aber  nicht 
anwende.  Die  gegenwärtig  in  den  Schulen  herrschende  Aussprache  des 
Französischen  und  Englischen  sei  trotz  der  vielen  Regeln  und  der  darauf 
verwandten  Mühe  grauenvoll.  K.  verlangt,  dass  man  im  Unterrichte  in 
der  Aussprache  auf  die  Laute  zurückgehe,  indem  er  auf  Trautmann's 
bekannten  Artiael  in  der  Anglia  (I)  und  Vietor^s  englische  Grammatik 
(1879)  und  seinen  Aufsatz  „Schriftlehre  oder  Sprachlehre"  verweist.  Was 
meine  persönlichen  Erfahrungen  betrifft,  so  befolge  ich  schon  seit  eini- 
gen Jahren  im  wesentlichen  dieselbe  Methode.  Anfangs  hat  mein  Schü- 
ler nur  zu  hören,  und  das  erste,  was  er  von  der  fremden  Sprache  zu 
sehen  bekommt,  sind  Lautzeichen  auf  Lauttafeln,  die  ich  zu  diesem 
Zwecke  in  allen  Klassen,  in  den  unteren  sowohl  als  den  oberen,  anfer- 
tigen und  in  jeder  Stunde  im  Klassenzimmer  aufhängen  lasse.  Daran 
werden  die  fremden  Laute  in  ihrem  Verhältnis  zu  einander  und  zu  den 
aus  der  Muttersprache  wohl  bekannten  erklärt  und  eingeübt,  und  ich 
bin  dadurch  in  den  Stand  gesetzt,  bei  den  Lese-  und  Sprechübungen 
einen  etwaigen  Fehler  sofort  zu  korrigieren  und  durch  ein  Fingerzeichen 
als  Fehler  nachzuweisen.  Ausspracheregeln  kommen  nur  gelegentlich 
und  zwar  allein  in  der  Praxis  beim  Lesen  vor  und  werden  von  den 
Schülern  selbst  gefunden,  z.  B.  ^  =  ^  vor  <?,  i,  y  u.  dgl.  Auf  diese 
Weise  kann  man  nicht  bloss  bei  10— 12jährigen  Knaben,  deren  Zunge 
noch  biegsam  ist,  sondern  bei  allen  Schülern  gute  Resultate  erzielen, 
mag  ihr  heimatlicher  Dialekt  noch  so  eigenartig  sein.  Sie  müssen  lernen, 
wie  die  fremden  Laute  hervorzubringen  sind,  und  wie  sie  selbst  die 
Laute  ihrer  eigenen  Sprache  hervorbringen,  —  das  Übrige  ergibt  sich 
von  selbst. 

Mit  Recht  bemerkt  K.,  dass  die  bisherige  Methode  die  Aussprache 
zu  lehren,  zu  einer  grossen  Verwirrung  der  Begriffe  „Laut"  und  „Buch- 
stabe" geführt  habe,  und  beweist  dies  an  einigen  der  beliebten  „Laut- 


Methodik  des  franz*  Unterrichts  etc.  149 

,  dio  wirklich  mchts  anderes  als  orthographische  Vorschriften 

.  B.  X  =  s  in  je  vaitx,  les  chevaux.    Er  sagt:  „.  .  .  das  x  in  je 

st  doch  eine  blosse  Äusserlichkeit  nnd  verdient  nur  als  solche  be- 

i  zu  werden."     Gewiss.    Trotzdem  ist  eine  orthographische  Regel 

lieses  X  sehr  brauchbar  und  nützlich,  wenn  sich  diese  auf  alle 

im  Französischen  und  nicht  auf  specielle  Fälle,  zuerst  auf  das  Subst., 

das  Adj.,  zuletzt  das  Verbum  bezieht:  x  wird  statt  s  geschrieben 

mbten  Wörtern,  nicht  in  Fremdwörtern)  immer  nach  at/^  meist 
I  (.'u,  oft  (beim  Sahst.)  nach  ou. 
K.  spricht  sogar  von  einer  „Manie  Regeln  und  Gesetze  aufzustel- 

der  „ein  Ende  gemacht  werden  müsse".  Mit  diesen  Worten  wird 
\  erfasser  hoffentlich  nicht  die  wirklichen  umfassenden  Gesetze,  spez. 
^esetze  beseitigt  zu  sehen  wünschen,  und  aus  einigen  Stellen  seiner 
ft  geht  hervor,  dass  er  Gesetze,  die  das  „warum"  anzeigen,  durch 
ler  Grund  einer  Erscheinung  erklärt  wird  (vergl.  pag.  15) ,  zu 
zen  weiss. 

Dass  das  l  vor  folg.  Eonson.  in  ererbten  (echten,  einheimischen) 
)si8chen  Wörtern  zu  u  vokalisiert  wird  und  mit  dem  vorhergehen- 
lokaA  verschmilzt,  ein  solches  Lautgesetz  braucht  der  Schüler  nicht 
ch  „auswendig  zu  lernen",  aber  er  soll  und  muss  es  allmählich  selbst 

lernen,  da  es  beim  Verbum  (il  vaut  =  vaU-t)^  beim  Subst.  (che- 
=  chevod-s)  bei  der  Wortbildung  (haut  =  (ütum),  bei  der  Zusam- 
tzung  (Vaugirard  =  Valgirard)  von  der  grössten  Bedeutung  ist 
agleich  sehr  deutlich  hervortritt.  In  ähnlicher  Weise  äussert  sich 
S^.  p.  12.  Er  sagt  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  der  Laut  /  in  be- 
ben Fällen  schwinde.  Dies  ist  allerdings  richtig  bei  dem  sog.  / 
/  (urspr.  =  /  +  Halbvok.  i)  und  dem  Fron,  ü  (=  i  in  der  vul- 
Aussprache),  aber  es  ist  bei  /  vor  folg.  Konson.  nur  in  einem  be- 
:en  Sinne  richtig,  insofern  das  /  in  solcher  Stellung,  wie  man  im 
einen  annimmt,  urspr.  einen  «/-Laut  vor  sich  bewirkt  hat  alium  — 
hault  —  haut  (die  Schreibweise  hault  beweist  aber  an  sich  nichts) 
nn  erst  ausgefallen  ist.  Im  Neufranz,  erscheint  nur  noch  das  eine 
1,  dass  u  statt  /  vor  folg.  Konson.  eingetreten  ist. 
Die  Formenlehre  auf  die  Lautlehre  zu  gründen,  wie  es  Vietor  für 
g^lische  gethan  hat  und  es  E.  auch  für  das  Französische  wünscht 

ist   besonders  im  Anfangsunterrichte   zu   empfehlen,   wenn   der 

zuerst  die  Laute  und  nachher  die  üblichen  Buchstaben  kennen 
Freilich  hätte  ein  solches  Unternehmen,  wenn  es,  wie  es  im  Engl, 
en  ist,  in  einem  Lehrbuche  durchgeführt  würde,  im  Französischen 
Issere  Schwierigkeiten  zu  überwinden,  die  hauptsächlich  durch 
ison"  verarsa».'ht  werden.  Diese  wird  zwar  bekanntlich  in  der 
Wichen  Umgangssprache  oft  nicht  und  von  den  Ungebildeten 
angewandt,  aber  sie  existiert  doch  in  der  guten,  gebildeten  Um- 
räche,  die  allein  für  die  Schule  massgebend  sein  kann;  sie  wird 
3ildeten,  der  die  grammatischen  Endungen  aus  dem  Schulunter- 
!nnt,  als  etwas  wesentliches,  jedenfalls  als  ein  besonderer  Schmuck 
)rache  empfunden  und  geradezu  als  ein  Vorzug  derselben  ge- 
Daher  geht  E.,  wie  ich  glaube,  zu  weit,  weim  er  sagt:  «Die 
Ichen  Endungen,  welche  bisher  den  Eopf  der  Lernenden  be- 
3,  werden   nur  noch  als  orthographische  Eigentümlichkeiten  ge- 

Die  „angeblichen"  Endungen  werden  im  Munde  des  Gebildeten 
e  richtige  Anwendung  der  „liaison"  zu  wirklichen  Flexions- 
,  deren  Unterschiede  dieser  wohl  zu  fühlen  imstande  ist.    Also 

die  Personalendungen  -s  und  -t  in  je  rompSy  tu  romps,  ü  rompt 
ruds,  tu  rends,  ü  rend  (eig.  rent,  vgl.  die  Aussprache  von  rend- 


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Methodik  des  franz.  Untetfichis  etc.  151 

r  den  Anfänger  im  Lehrberuf  um  so  nützlicher  und  anregender  sein, 
s  er  mit  den  nun  einmal  bestehenden  Verhältnissen  rechnet  und  eigne 
tahrun^en  mitteilt.  Er  sucht  das  übermässige  grammatische  Material 
ij  in  seine  Anstalt  eingeführten  Übungsbuches  von  Plötz  möglichst  zu 
schränken  und  lässt  überhaupt  dieses  Übungsbuch  vor  der  Lektüre,  an 
r  zuerst  die  Laute  geübt  werden,  dann  die  Grammatik  veranschaulicht 
rd,  „in  den  Hintergrund  treten  oder  höchstens  als  gleichberechtigt 
Iten^'.  Er  zeigt  an  einigen  Teilen  der  Grammatik,  wie  diese  an  Quan- 
ät  sehr  vereinracht  und  doch  in  ihrer  Auffassung  vertieft,  wissenschaft- 
lier  gestaltet  werden  kann.  Seine  Ausführungen  über  die  französische 
ortstellung,  den  Konjunktiv  und  den  sog.  Teilungsartikel  sind  aus 
•sem  Grunde  vom  pädagogischen  Standpunkte  aus  sehr  wertvoll. 

Im  V.  Kapitel  (neu)  verteidigt  K.  einem  seiner  Rezensenten  gegen- 
3r  die  von  ihm  aufgestellte  Forderung,  dass  der  Unterricht  mit  den 
uten  der  fremden  Sprache  beginnen  solle-    Er  verlangt  nicht,  dass 

Lehrer  der  modernen  Sprachen  etwa  wissenschaftliche  Phonetik 
:be,  aber  dass  er  selbst  diese  studiert  habe,  um  seinen  Schülern  die 
ite  und  ihren  Zusammenhang  unter  einander  zu  erklären.  Duichaus 
itig  ist  seine  Bemerkung,  dass  man,  ohne  sich  um  die  Laute  zu 
amern,  also  auf  rein  mechanischem  Wege  zu  korrektem  Sprechen 
;r  Sprache  nur  durch  mehrjährigen  Aufenthalt  im  Lande  selbst 
imen  könne,  dass  man  aber  nach  einer  tüchtigen  Vorbereitung  be- 
iers  in  der  Lautlehre  schon  durch  einen  verhältnissmässig  kurzen 
enthalt  im  Auslande  sehr  viel  zu  erreichen  im  Stande  sei. 

K.  hält  es  für  sehr  wünschenswert  und  selbst  für  notwendig,  dass 
modernen  Philologen  auf  einige  Zeit,  etwa  nach  dem  Wissenschaft- 
en Staatsexamen,  ins  Ausland  gehen.    Er  erwähnt  die  von  Stengel 
Körting  gemachten  Vorschläge,    die    bezwecken,    den    angehenden 
:ern  Gelegenheit  zur  praktischen  Ausbildung  im  Gebrauche  der  leben- 
Sprachen  zu  geben,  und  wendet  sich  mit  einem  neuen  Vorschlage 
lie  Professoren  der  neueren  Philologie  an  unseren  Universitäten,  wel- 
meist  die  hervorragenden  Vertreter  derselben  Fächer   in  England 
Frankreich   kennen:  sie  „sollten  mit  den  letzteren  eine  Art  Nach- 
ebureau  gründen"  und  ihre  Studenten,  die  sie  ja  persönlich  kennen 
rnt  haben,  für  Hauslehrerstellen  empfehlen.    Der  Vorschlag  scheint 
praktisch;  ob  er  ausführbar  ist,  werden  die  Herren,  an  die  sich  K. 
seiner   Aufforderung  wendet,  am  besten  beurteilen  können.    Indes 
die  eigentümlichen.  Verhältnisse  der  Universitäten  und  Schulen,  die 
artige  Stellung  der  Universitätsprofessoren  und  der  anderen  Lehrer 
ankreich  und  England  kennt,  muss  an   der  Ausführbarkeit  dieses 
gemeinten  Vorschlages  zweifeln. 

Die  von  Kühn  empfohlene  Methode  setzt,  wie  er  selbst  zugesteht, 
tüchtige  Lehrer,  die  ihrer  Aufgabe  vollkommen  gewachsen  sind, 
is;  sie  verlangt  von  ihnen  „eine  gute  wissenschaftliche  Grundlage, 
lautliche  Sicherheit  und  einige  Gewandtheit  im  Sprechen'^  (p.  46). 
lit  die  verschiedenen  grammatischen  Erscheinungen,  welche  an  der 
des  Lesebuches  gelernt  werden,  nicht  die  jugendlichen  Köpfe  ver- 
n,  werden  sie  vom  Lehrer  erklärt,  zusammengefasst  und  geschieden, 
:  ist  da  allerdings  meist  die  lebendige  Grammatik'^  (p.  40).  In  der 
haben  Plötz  und  seine  Nachfolger  dem  Lehrer  seine  Aufgabe  viel 
?r  gemacht:  er  hat  ja  einfach  durchzunehmen,  was  im  Lehrbuche 

Nach  ihrer  Methode  können  auch  Lehrer  unterrichten,  die  „an 
asien  und  auch  noch  an  manchen  Bealschulen  zur  Erteilung  des 
sischen  Unterrichts  gegen  ihren  Willen  kommandiert  werden", 
leue"   Methode  verlangt  aber  die  ganze  Lehrkraft  eines  tüch- 


152  LUierarische  Chronik,    A.  Ramheau, 

tig  vorgebildeten  Fachmannes.  Mit  Becht  meint  E.,  daas  der  An- 
fangsunterricht nur  Fachlehrern  übertragen  werden  dürfe,  und  dass 
Lehrer  mit  mittleren  Fakultäten  nur  in  Tertia  und  Unter -Sekunda  Ver- 
wendung finden  sollten.  Aber  selbst  für  Fachlehrer  sind  die  Anfor- 
derungen, die  die  „neue"  Methode  stellt,  sehr  hoch.  Was  die  wissen- 
schaftliche und  theoretische  Ausbildung  betrifft,  so  sind  sie  in 
dieser  Beziehung  sicher  nicht  niedriger,  als  die  Anforderungen,  die  man 
bisher  an  neuere  Philologen  gestellt  hat.  Im  Gegenteil  ergibt  sich  da- 
raus, dass  sie  mindestens  ein  Triennium  auf  ihre  Universitätsstudien  ver- 
wenden müssen.  Zugleich  wird  aber  von  ihnen  verlangt ^  dass  sie  zu 
ihrer  praktischen  Ausbildung  einige  Zeit  im  Auslande  gewesen  sind. 
Es  ist  daher  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Aufgabe  des  neuern  Philologen, 
der  sich  für  den  Lehrberuf  vorbereitet,  eine  weit  schwierigere  geworden 
ist,  als  die  des  klassischen  Philologen  und  des  Mathematikers,  die  sich 
sofort  nach  Absolvierung  ihres  wissenschaftlichen  Examens  ihrem  Berufe 
widmen  können.  Jedenfalls  erfordert  sie  mehr  Zeit  und  Geld.  Ich  bin 
der  Ansicht,  dass  dieser  Umstand  von  den  Herren  Examinatoren  in  der 
Beurteilung  der  Kandidaten  im  Staatsexamen  und  von  den  Behörden  bei 
ihrer  Anstellung  und  Beförderung  berücksichtigt  werden  sollte.  Denn 
es  scheint  mir  ein  grosser  Missstand  und  ein  bedenkliches  Missverhältnis 
zu  sein,  wenn  ein  neuerer  Philologe,  der  stets  seine  Zeit  gut  angewandt 
und  seine  wissenschaftlichen  Studien  mit  Erfolg  getrieben  hat,  in  seinem 
26.  oder  27.  Jahre  bei  der  Übernahme  eines  Amtes  keine  besseren  Aus- 
sichten hat,  als  ein  22  oder  23 jähriger  Mathematiker  oder  klassischer 
Philologe,  —  nur  weil  er  nach  seinem  Triennium  seine  Studien  im  Aus- 
lande fortsetzen  zu  müssen  geglaubt  hat.  Meistens  haben  ja  auch  die 
neueren  Philologen,  die  sich  im  Auslande  aufgehalten  haben,  dort  schon 
als  Lehrer  gewirkt  und  praktische  Erfahrungen  für  den  Unterricht  ge- 
sammelt. Es  scheint  mir  sehr  hart  und  einer  Zurücksetzung  sehr  ähn- 
lich zu  sein,  dass  sie  dann  trotzdem  als  unerfahrene  Probekandidaten, 
die  eben  die  Universität  verlassen  und  noch  nie  unterrichtet  haben,  be- 
handelt werden  und  in  einer  solchen  Stellung  ein  Jahr  lang  aushalten 
müssen,  ohne  nachher  irgendwie  entschädigt  zu  werden. 

3.  Der  Verfasser  der  „Grammatik  der  französischen  Sprache  für 
höhere  Schulen"  nennt  sich  auch  Reformator.  Er  ist  einer  jener  vielen 
„Heformatoren",  die  mit  ihrem  Werke  ,.einem  längst  gefühlten  Bedürf- 
nisse" abzuhelfen  behaupten.  Ausser  den  zwei  Vorreden  zur  ersten  und 
zweiten  Auflage  (7  Seiten!)  liegen  mir  noch  zwei  gedruckte  Zuschriften 
vor,  in  denen  Pflüger  in  beredten  Worten  die  Notwendigkeit,  Nützlich- 
keit und  Überlegenheit  seiner  Grammatik  ins  hellste  Licht  zu  stellen 
versucht.  Auch  eine  Sammlung  von  höflichen  Privatbriefen,  die  auf  die 
Zusendung  seines  Buches  antworten,  und  die  er  „R-ezensionen  über  die 
Grammatik  der  französischen  Sprache  für  höhere  Schulen"  nennt,  ist  mir 
zu  Händen  gekommen.  Um  zu  zeigen,  was  der  Verfasser  von  seinem 
„Unternehmen",  wie  er  sein  Werk  bezeichnet,  denkt,  will  ich  ihn  selbst 
sprechen  lassen: 

„Wenn  ich  mir  erlaube,  auf  diesem  Wege  Ihre  Aufmerksam- 
kamkeit  zu  lenken  auf  das  nachstehende,  von  mir  verfasste.  Lehr- 
buch . .  .,  so  geschieht  es  in  der  wohlbegründeten  Voraussetzung,  daas 
das  Werk  ein  von  vielen  Lehrenden  und  Lernenden  längst 
gefühltes  Bedürfnis  in  allen  wesentlichen  Punkten  zu  be- 
friedigen berufen  ...  sein  dürfte.  ...  Sie  würden  alsdann  die 
Grundzüge  der  Methode,  so  wie  ich  sie  in  der  Vorrede  eingehender 
erörtert  habe,  durchgeführt  finden,  d.  h.  Klarheit  und  relative  Voll- 


Methodik  des  franz.  Unterrichts  eic,  153 

ständigkeit  in  der  Fassung  der  Regeln,  ein  konsequentes  Fortschreiten 
vom  Einfachen  zum  Zusammengesetzten,  vom  Regelmässigen  zum 
Unregelmässigen,  eine  reiche  Auswahl  von  schönen,  anregenden  Übungs- 
beispielen . . ." 

An  einer  Stelle  seiner  Vorrede  zur  2.  Auflage  (p.  VII)  nennt  Pf. 
e  Bestrebungen  geradezu  „reformierende  Bestrebungen'^. 

Leider  ist  es  mir  unmöglich,  den  hohen  Ansichten,  die  der  Ver- 
3r  von  seinem  Werke  hat,  beizustimmen,  wenn  ich  auch  seinen  Mut, 
3  Entschlossenheit  und  Thatkratt  in  der  Betreibung  seines  ünterneh- 
s  nicht  genug  bewundern  kann.  Dies  sind  lobenswerte  Eigenschaften 
3  Geschäftsmannes,  die  jedoch  keineswegs  dazu  berechtigen,  ein 
jchtes  Buch  zu  schreiben. 

In  dem  ganzen  ersten  Teile  —  die  zwei  andern  Teile  der  2.  Aufl. 
zum  GlOck  noch  nicht  erschienen,  und  der  Verfasser  hat  noch  Zeit, 
her  nachzudenken,  „dass  (wie  er  selbst  sagt)  die  Nichteinführuug  gar 
r  Lehrbücher  ihren  triftigen  Grund  gehabt  hat"  —  habe  ich  mich 
3bens  bemüht,  etwas  „f^eformierendes'S  Besserndes,  Neues  in  der  be- 
sn  Methode  oder  in  der  wissenschaftlichen  Auffassung  zu  entdecken, 
soll  etwa  das  Neue,  Bessernde,  Reformierende  darin  bestehen,  dass 
lUzahl  der  zu  erlernenden  und  der  schon  gelernten,  nochmals  auf- 
rten  Vokabeln  jedem  Übungsstücke  vorgedruckt  und  die  letztere 
mit  der  ersten  durch  ein  Pluszeichen  verbunden  ist?  Pflüger 's  Me- 
ist keine  andere  als  die  allbekannte,  viel  angewandte  Plötz-Seiden- 
jr'sche;  der  I.  Kursus  (Lekt.  1—22)  bringt  jene  bekannten  „Lese- 
.usspracheregeln"  u.  dgl.,  aber  in  einer  sehr  verschlechterten  Fassung 
nit  vielen  Fehlem,  ausserdem  einige  Formen  von  avoir  und  Hre 
.,  um  die  Bildung  von  Sätzen  zu  ermöglichen;  Kursus  £i — V  (Lekt. 
l)  behandeln  ebenfalls  ungefähr  denselben  Lernstoff  und  auf  un- 
dieselbe  Weise  wie  etwa  das  £lementarbuch  von  Plötz  und  zwar 
in  kleinen,  auseinander  gerissenen  Portionen ,  die  durch  die 
ktionen  verteilt  sind.  Zur  Einübung  der  Vokabeln,  die  für  die 
Lektionen  vorn  und  nachher  in  einem  Anhange  zusammengestellt 
md  der  vielen  grossen  und  kleinen  Regeln  und  Ausnahmen  und 
rmen,  enthalten  die  Lektionen  2  —  71  eine  Anzahl  von  kleinen j 
;senen,  nichtssagenden  und  nichtswürdigen  französischen  und  deut- 
i^inzelsätzen  „zum  Übersetzen^',  die  Pf.  allerdings  in  stolzer  Vater- 
ais eine  Auswahl  von  „schönen,  anregenden  Übungsbeispielen" 
net.  An  Lekt.  72  endlich  schliesaen  sich  mehrere  Zusammenbau- 
ranzösische  und  deutsche  Übersetzungsstücke  nebst  einigen  kleinen, 
jtenden  französischen  Gedichten  an,  die  den  Eindruck  machen, 
;e  sie  Pf.  einer  Sammlung  von  französisch  geschriebenen  Qeburts- 
i^ulationen  und  Album versen  entnommen. 

iigentlich  verdient  dieses  Buch  gar  keine  eing^ehende  Besprechung, 
i  würde  mich  mit  einer  einfachen  Verurteilung  und  Warnung 
Jen  und  Lehrer  begnügen,  wenn  ich  nicht  den  Verfasser  in  seinem 
Interesse  davon  zu  überzeugen  wünschte,  dass  er  am  besten  thäte, 
nternehmen"  aufzugeben,  oder  vor  der  B^ortsetzung  desselben 
fionetik  zu  treiben  und  sich  die  französischen  Wörter  von  Fran- 
rsprechen  zu  lassen  und  vor  allen  Dingen  romanische  Philo- 
studieren.  Wenn  ihm  dies  unmöglich  ist,  mag  er  wenigstens 
irt  sein  sollenden  Bemerkungen  meiden  und  nur  die  Fakta  der 
^Jsischen  Grammatik  ohne  den  Versuch  einer  wissenschaftlichen 
mg*,  da  diese  ohne  ein  gründliches  Studium  der  romanischen 
9  doch  missglücken  müsste,  anführen. 
n    ^oteskesten  sind  Pf.'s  Auslassungen  über  die   französischen 


154  Liitei'arische  Chronik.     Jf\  ICnörich, 

Laute,  die  er  nur  von  Hörensagen  zu  kennen  scheint.  Von  einem  unter- 
schiede der  franz.  Vokale  in  Qualität  (ofiPen  und  geschlossen)  und  Quan- 
tität (lang  und  kurz)  hat  er  ofiPenbar  nur  eine  sehr  unklare  Anschauung. 
Das  ö  in  peu  (lang  und  geschl.!)  und  in  coßur  (lang  und  offen!)  ist  für 
ihn  derselbe  Laut  (Lekt,  2).  ebenso  das  o  in  noble,  aurore,  opprobre, 
ejnsode,  Limoges,  dogue,  ckose.  Es  soll  in  allen  diesen  Fällen  ein  langes 
o  sein  (Lekt.  3).  In  derselben  Lektion  sagt  er:  ,,Das  seltene  he  ist  in 
ahe,  ohe  meist  kurz,  in  ehey  ibe,  übe  meist  lang:  syüäbe,  glöhe^  röbe,  cu- 
be-he  (kübähb),  n-be,  bu-be'f  Ob  der  Verfasser  diese  Begel  versteht?? 
Vgl.  ferner  was  er  über  astronome  u.  a.  (p.  4),  über  das  „stumme  s,  x, 
z^,  die  „den  vorhergehenden  Vokalklang  verlängern^'  (p.  5),  über  das  a 
in  iable,  classe  (p.  6)  u.  ä.  sagt. 

Mit  den  „Nasenlauten"  (Lekt.  5)  hat  sich  Pf.  sehr  abgequält,  ohne 
indes  zur  Klarheit  zu  gelangen.  Wie  undeutlich  ist  der  allgemeine  Aus- 
druck „Nasenlaut",  der  sowohl  einen  Nasal  vokal  als  einen  nasalen  Mittel- 
laut bezeichnen  kann?  Wozu  dient  der  Vergleich  mit  den  ins  Deutsche 
eingedrungenen  Fremdwörtern  Jean,  Teint,  Drain,  Bonbon?  Die  von  Pf, 
erwähnten  Buchstabenverbindungen  am,  an  etc.  —  im,  in  etc.  —  om,  on 
stellen  drei  Nasalvokale  a,  e,  o  dar,  auch  in  den  angeführten  deutsch- 
französischen Fremdwörtern,  wenn  sie  der  gebildete  Deutsche  auf  fran- 
zösische Weise  richtig  ausspricht.  In  der  Regel  werden  ja  aber  derartige 
Fremdwörter  —  wenigstens  in  Norddeutschland  —  mit  a,  e,  ö  (nicht 
Nasal  vokale!)  und  folgendem  palatal  -  nasalem  Mittellaut  rj  (geschr.  ng, 
vgl.  Angst)  ausgesprochen. 

Pf.  kennt  ein  hartes,  weiches  und  sehr  weiches  ^  (Lekt.  7,  11,  19), 
während  mir  im  Franz.  nur  ein  weiches,  tönendes  und  ein  hartes,  ton- 
loses s  bekannt  sind.  —  Das  g,  die  weiche  (tönende)  entbrechende  Pala- 
talis,  in  longue  spricht  er  =  k:  lonk  (Lekt.  11). 

„6r  vor  e,  i,  y  lautet  =  weiches  sch"^  (Lekt.  14),  aber  „7  ist  äusserst 
weich  auszusprechen"  (Lekt.  16).  Sollen  g  und  j  verschiedene  Laute  be- 
deuten? —  Vgl.  ferner,  was  Pf.  über  qu  sagt  (Lekt.  16)  u.  ä. 

Ich  bedauere  fürwahr  den  armen  Schüler,  der  diesen  in  Lekt.  1 — 19 
enthaltenen  Wust  von  Ausspracheregeln  mit  ihren  zahlreichen  Fehlern 
und  Entstellungen  lernen  muss.  Nicht  minder  bedauernswert  ist  er  aber 
auch,  wenn  er  vor  die  Notwendigkeit  gestellt  Lst,  die  folgenden  Lektionen 
mit  ihren  groben  Verstössen  und  Sonderbarkeiten  zu  verdauen.  Es  mögen 
auch  in  diesen  Lektionen  nur  die  auffälligsten  Dinge  berührt  werden : 

Lekt.  25,  Anm.  „Der  Infinitiv,  das  Participe  Paasd  und  die  Ein- 
zahl des  Präsent  de  l'Indicatif  sind  die  einzigen  Zeiten,  wo  jede  der 
vier  Konjugationen  ihre  besondern  Endungen  hat."  Was  versteht  Pf. 
unter  Zeiten?  Sind  Infin.,  Partie,  und  Einzahl  Tempora?  —  Vorher  steht 
der  Sing.  Präs.  Ind.  von  parier,  finir,  voir,  vendre.  Zeigen  nicht  voir 
und  vendi^e  denselben  charakteristischen  Vokal  im  Part.  Prät. :  vti  — 
vendu?  Haben  nicht  je  finis,  tu  ßnis,  ü  finit  (vom  erweiterten  oder  in- 
choativen Stamme  finiss  —  mit  regelmässigem  Wegfall  von  ss),  —  Je 
vois,  in  vois,  ü  voil,  —  je  vends,  tu  vends,  U  vend  (t  fehlt  in  der  Schnfb 
nach  d,  vgl.  aber  ü  rompi)  dieselben  Personalendungen  -s,  -s,  -t?  Frei- 
lich sieht  Pf.  in  je  vois  etc.  die  Eedungen  -oüf,  -ois,  -oit,  so  in  je  finis 
etc.  die  Endungen  -is,  -is,  -it. 

Lekt.  26,  Anm.  „Bei  itre  verkürzt  sich  das  dehnende  Ton- 
zeichen (accent  circonflexe)  ins  schliessende  (accent  aigu)  vor  den  langen 
und  volltönenden  Endungen  des  Imparfait:  fe'tais  (nicht  f^tais)  etc." 
Eine  merkwürdige  Ausdrucksweise!  Vgl.  damit  Lekt  4,  wo  Pf.  von  den 
Tonzeichen  handelt:  „Das  öffnende  Tonzeichen  C).  Es  kommt  nur  (?) 
auf  e  vor  (e  wie  ä  oder  äh,  besonders  vor  tönendem  r)  und  wird  mit 


Schtdausgahen.  155 

losprochen"  —  das  Tonzeichen!  —  In  Hre  ist  das 
■Hen,  in  feiais  kurz  und  geschlossen,  daher  die 
■tel 

len  neben  die  richtigen  zu  stellen,  wie  hier   „nicht 

M  Pf. 's  Eigentümlichkeiten.    Vgl.  noch  Lekt.  42  y^quatre 

■•res,  sept  (nicht  septes),  armoires^^  —  Lekt.  67  „tous 

uer  „Le  prix  de  (nicht  du)  iout  le  logemeni.^  —  Lek- 

."H   serait   (statt   on   Strait)  ist  das  unregelmässige  Con- 

'//(',   entstanden  aus  fesserais'*   —   serait  (3.  Sing.)  aus 

j.)  entstanden!  Auf  derselben  Seite:  „lächelte  sourit  (statt 

ts  iniregel massige  Passä  Däfini  von  sourire."     Pf.   glaubt 

ilie  Endung  ist,  vgl.  lat.  rtsit.  —  p.  95   „J^accourais  (statt 

ist  das  unregelmässige  Imparfait  von  accourir  herbeilaufen, 

J'accow-ais  ist  durchaus  regelmässig!  —  p.  96  y^Doit  (statt 

chd)   ist   das   unregelmässige    Präsent   von   devoir  sollen." 

•  nun  und  nimmermehr  zu  aevoit,  sondern  nur  zu  doli  wer- 

■'int  (statt  diro7U)  ist  das  unregelmässige  Futur  von  etre  sein.** 

f'ben  p.  93. 

.^  der  letzteren  Bemerkungen,   über  fesserais  u.  dgl.,  scheint 

beäondern  Absicht  gemacht  zu  haben,   seinem  Buche  einen 

Anstrich  zu  geben.     Er  mag  vielleicht  auch  von  einem  Boma- 

ire  Andeutungen  und  Winke  erhalten  haben,   die  er  allerdings 

.i  verstanden  oder  unrichtig  angewandt  hat.     Anf  einen  solchen 

Junflnss  lassen  besonders   einige  Stellen   schliessen,  so  die  Kon- 

abelle  in  Lekt.  72,  an  der  manches  zu  loben  ist,  dann  Lekt.  29, 

11    den   Kasuspräpositionen  de  und   ä  spricht.    Freilich  ist   er 

len   Falle   nicht   im    Stande,    die  wissenschaftliche   Auffassung 

.iiren  und  spricht  doch  nachher  von  einem    Genetiv   und  Dativ 

tantiva   und   von    „einer   unregelmässigen   Deklination   des   be- 

!i  Artikels   le   und    der  Mehrzahl   les"^  (p.  32).    Aufs  Lateinische 

Pf.  mehrere  Mal,  so  in  Lekt.  29  (Abi.  des  Lat.  durch  Vorwör- 

iU\,  par,   avee,   da?is  etc.  ausgedrückt),   Lekt.  47  (lat.  -mente  = 

'fifui  zur  Bildung  der  Adverbia  verwandt),  Lekt.  54  (Genusregeln). 

che  Art  von  Schulen  mag  das  Buch  wohl  bestimmt  sein? 

:ti   Lekt.  55    behandelt  Pf.  den   „Teilungssinn",  worunter  er  den 

ilungsartikel   zu   verstehen   scheint,     „um   den  Dativ  zu   bilden, 

iian   ä   vor  den  Nominativ   des  Teilungssinnes.    Der  Genetiv  ent- 

wenn  man  ^^  geradezu  vor  den  im  Teiluugssinn  genommenen  Aus- 

Mitzt"  u.  ä.     Welche  Auflassung!  Welche  Ausdruckweise! 

iienug  von  diesem  entsetzlichen  Buche!  Es  ist  wirklich  beschämend 

>  Komanisten,  dass  man  es  jetzt  noch  wagt,  ein  derartiges  Mach- 

lu    Ministerien,  Direktoren,  Lehrer,  Redaktoren  wissenschaftlicher 

ritten  behufs  Einführung  in  höhere  Unterrichtsanstalten  zu  schicken. 

A.  Bambeau. 


Sclinlansgabeii. 

e  franpais  publik  par  Velhagen  &  Elasing,  Bielefeld  et  Leipsic, 
ag-en  &  Elasing.  1)  L'Avare  par  Möllere,  nouvelle  ädition,  revue 
iDotee  par  E,  Friese  etc.  1884.  2)  Les  Femmes  savantes 
VIol.,  nouv.  äd.,  rev.  et  aan.  par  F.  Fischer  etc.  1884.  3)  Les 
Meuses  ridicules  par  Mol.,  nouv.  ed.,  a  Pusage  des  dcoles 
bee  par  G.  Scheffler  etc.    1884.    4)  Le  Cid  par  Com.,  nouv.  ed., 


156  Litierat'ische  Chronik.    W.  Knörich^ 

rev.  et  ann.  par  P.  Carel  etc.    1882.    5)  Cinna  par  Com.,  5«™«  ^d., 

rev.  et  ann.  par  S.  Wäizoldt  etc.     1880. 

Die  hohe  Wichtigkeit,  welche  einem  solchen  Unternehmen,  wie 
den  neuen  Schulausgaben  des  Th^tre  tran^.,  für  den  Unterricht  beizu- 
messen ist,  wird  es,  wie  ich  hoffe,  gerechtfertigt  erscheinen  lassen,  wenn 
ich  noch  einmal  (vgl.  V^,  p.  25  in  dieser  Zeitschrift)  über  dasselbe  das 
Wort  nehme.  Es  ist  meine  Absicht, .  das  Programm  des  neuen  Th.  fr. 
einer  eingehenderen  Besprechung  zu  unterziehen,  als  es  Lion  in  dieser 
Zeitschrift  Band  IV^,  256  ff.  gethan  hat,  und  an  den  benannten  fünf 
Heften  zu  zeigen,  wie  dasselbe  von  den  Herausgebern  innegehalten  wird. 
Die  neuen  Ausgaben  sollen  an  Güte  des  Inhalts  und  der  Aus- 
stattung, sowie  an  Billigkeit  des  Preises  jeder  Anforderung  genQgen. 
Die  Grundsätze,   welche  im  einzelnen  für  die  Bearbeitung  gelten,  sind : 

1)  Die  Sammlung  enthält  Dramen  des  XVII.  Jahrhs.  und  auch  neuere; 

2)  Jedem  Heft  wird  eine  den  Autor  und  das  betreffende  Stück  behan- 
delnde Einleitung  beigegeben.  3)  Den  versifizierten  Stücken  wird  eine 
kurze  Metrik  mit  den  nötigsten  Leseregeln  beigegeben.  4)  Die  Texte 
werden  möglichst  korrekt  gestaltet,  soweit  wie  möglich  nach  den  grossen 
Hachette- Ausgaben.  5)  Die  Anm.  unter  dem  Text,  für  Schüler  und  an- 
dere Leser  bestimmt,  sollen  genügendes  Material  für  das  Verständnis 
liefern  und  Spezial- Hilfsmittel  mehr  oder  weniger  entbehrlich  machen. 
6)  Die  Anm.  dienen  zur  Erklärung  schwierigier  Konstruktionen,  weniger 
gebrauchter  oder  ungebräuchlicher  und  veralteter  Ausdrücke,  zur  Per- 
sonen- und  Sacherklärung.  7)  Übersetzung  und  Erklärung  einzelner 
Wörter  sind  im  allgemeinen  von  den  Anm.  ausgeschlossen  und  in 
das  Spezial Wörterbuch  verwiesen.  8)  Ein  Spezialwörterbuch  wird  jedem 
Stück  beigegeben.  9)  Die  Orthographie,  sowohl  deutsche  als  französische 
wird  nach  den  neuesten  Bestimmungen  reguliert.  10)  Ein  Hauptgesichts- 
punkt  bei  Abfassung  der  Anm.  ist  der,  dass  sie  schwer  zugängliche  Hilfs- 
mittel ersetzen  und  unverhältnismässigen  Zeitaufwand  ersparen  sollen, 
dass  sie  das  richtige  Verständnis  des  Inhalts  erschliessen  und  die  Sprach- 
kenntnis bereichern.  11)  Synonymische  und  etymologische  Erörterungen 
sind  grundsätzlich  ausgeschlossen,  wo  sie  nicht  für  die  Erklärung  unbe- 
dingt nötig  sind.  12)  Aussprache  wird  nur  da  angegeben,  wo  die  Mög- 
lichkeit des  Schwankens  oder  des  Irrtums  anzunehmen  ist.  13)  In  Bezug 
auf  Grammatik  werden  nur  schwierigere  Punkte  berücksichtigt. 

Diesem  von  Herrn  Direktor  Benecke  und  der  Verlagsfirma  unter- 
zeichneten Programme  wird  man  wohl  im  allgemeinen  gern  zustimmen, 
und  in  der  That  lassen  sich  bei  strikter,  gewissenhafter  Befolgung  des- 
selben gute,  sogar  mustergültige  Schulausgaben  schaffen.  Wenn  es  aber 
im  Anfang  desselben  heisst,  dass  diese  Gesichtspunkte  „im  Gegensatze  zu 
anderen  Ausgaben  einzelner  franz.  Stücke,  welche  in  den  letzten  Jahren 
erschienen  sind,  zur  Ausführung  gebracht"  worden  sind,  so  kann  ich  das 
nicht  als  ganz  zutreffend  anerkennen.  Alle  diese  Grundsätze  sind  schon 
(zum  Teil  lange)  vor  diesen  Ausgaben  in  Anwendung  gewesen,  wenn  auch 
nicht  alle  bei  allen.  Billig  und  doch  gut  ausgestattet  sind  auch  die  von 
der  Theissing'schen  Buchhandlung  besorgten  Ausgaben.  Ferner  ad  I: 
Ich  kenne  keine  franz.  Schulbibliothek,  welche  Theaterstücke  aus  früherer 
Zeit  als  aus  dem  XVII.  Jahrh.  aufgenommen  hat;  ad  2  findet  längst 
Anwendung  in  der  Weidmännischen  und  Teubner'schen  Sammlung;  ad  3 : 
Bändchen  XlII,  XXI,  XXII  der  Theissing'schen  Sammlung  enthalten  schon 
längst  einen  Abriss  der  franz.  Verslehre ;  ad  4 :  vorzüglich  die  Weid- 
männische Sammlung  hat  für  Schulausgaben  moderner  Autoren  die 
Korrektheit  des  Textes  betont;  ad  5 — 7:  diese  Bestimmungen  sind  dem 
Th.  fr.  durchaus  nicht  allein  eigen,  sondern  allgemein  in  Anwendung; 


'f^f 


Schulausgaben.  157 

8:  SpezialWörterbücher  liefern  leider  schon   längst  die  Auegaben  von 
dberg  und  Mode;  ad  9 — 13:  diese  Bestimmungen  sind  fast  allgemein 

Geltung  und  werden  nur  noch   von  wenigen  nicht  beachtet.    Einen 

ronsat^  zu  anderen  Ausgaben  kann  ich  in  dem  Programm  ebenso 
Miig  entdecken,  wie  etwas  Neues.  Das  Einzige,  welches  das  Thdätre 
iiii^.  von  anderen  Unternehmungen  unterscheidet,  ist  der  wirklich  billige 
t'is  bei  guter  Ausstattung.  Daher  würde  ich  gern .  die  Worte  „im 
^ensatze  — •  erschienen  sind'*  aus  dem  Programm  verschwinden  sehen. 
Wenn  ich  oben  dem  Programm  im  allgemeinen  aus  voller  Über- 
i^niDg  zugestimmt  habe,  so  muss  ich  dennoch  bemerken,  dass  ich  in 
i'i  Punkten  (Nr.  3»  5,  8)  nicht  völlig  mit  demselben  einverstanden  bin. 
1  hauptsächlichste  ist  der,  dass  die  neuen  Schulausgaben,  wie  sie  in 
I  Überschrift  des  Programms  genannt  werden,  nach  Nr.  5  auch  für 
lere  Leser  berechnet  sind.  Dann  liegt  ein  Widerspruch,  der  für  die 
ize  Sammlung  verhängnisvoll  werden  kann.  Eine  Ausgabe  für  Schüler 
sH  notwendig  anders  gearbeitet  sein,  als  eine  Ausg.  für  Litteratur- 
mde  (solche  sind  doch  wohl  unter  den  „weiteren  Kreisen"  zu  ver- 
jen).  Dem  Bedürfnisse  beider  lässt  sich  auf  so  engem  Räume,  wie 
ie  Ausgaben  dem  Kommentare  gestatten,  nicht  zugleich  entsprechen, 

weiss  jeder,  welcher  in  der  Lage  gewesen  ist,  sich  mit  der  müh- 
i^en  Arbeit  des  Kommentierens  zu  befassen.  Sollten  solche  Leser 
erhalb  der  Schülerkreise  gemeint  sein,  welche  franz.  Dramen  zur 
icherlernung  lesen,  so  brauchten  dieselben  nicht  besonders  hervorge- 
en  zu  werden,  da  sie  nicht  anders  als  Schüler  bedient  werden  können. 
Dass  jedem  in  Alexandrinern  geschriebenen  Stück  eine  kurze  Vers- 
e  und  eine  Anleitung  zum  richtigen  Lesen  von  Versen  beigegeben 
kann  wohl  nur  beifällig  autgenommen  werden,  wenn  eine  Schulaus- 
!  dieser  Beigabe  auch  nicht  notwendig  bedarf,  da  ja  der  verständige 
er  genügend  in  dieser  Richtung  für  Belehrung  sorgen  wird.  Allen 
ken  wird  eine  und  dieselbe  Anleitung  zu  teil  und  das  möchte  ich 
b  loben.  Wenn  die  metrische  Anleitung  immer  nur  auf  das  Stück 
bezöge,  welchem  sie  beigedruckt  ist;  wenn  sie  die  metrischen  Ge- 
,  so  wie  die  Abweichungen  von  denselben  ans  ihm  belegte,  wäre  sie 
hieden  praktisch  brauchbarer,  indem  sie  nicht  mehr  als  ein  Beiwerk, 
;rn  als  ein  organischer  Bestandteil  der  Ausgabe  des  betreffenden 
:es  sich  erwiese.  Ferner  würde  der  Kommentar,  dessen  Raum  ja 
beschränkt  ist,  dadurch  entlastet;  endlich  würden  diese  kurzen  Ab- 
der  Metrik,  wenn  sie  sorgfältig  gearbeitet  würden,  für  die  wissen- 
tliche Forschung  recht  dankenswerte  Materialiensammlungen  bilden. 
ron  Herrn  Direktor  Benecke  verfasste  metrische  Abhandlung  hätte 
leim lehre   ausführlicher  behandeln  und  besonders  angeben  dürfen, 

der  franz.  Dichter  reichen  Reim  anwenden  muss.  Für  unentbehr- 
tiöchte  ich  Belehrung  halten  über  die  sogenannten  poet.  Lizenzen 
/A\fr  auf  Wortform  und  Wortstellung,  schon  aus  dem  Grunde,  um 
Vrt  von  Anm.,  welche  von  Inversion  handelnd,  mancher  Ausgabe 
r:i lirige  Berühmtheit  verliehen  haben,   von   vom  herein  Thor  und 

M   verschliessen,   aber  auch  ebensosehr  um  dem  Schüler  zu  zeigen, 

'<>h  in  diesen  Lizenzen  Gesetz  herrscht.  Der  unangenehme  Plural 
'     t  «tt  3L'tren  endlich  ist  wohl  nur  ein  Druckfehler. 

'  Zugabe  von  Spezial- Wörterbüchern  dienen  nach  meiner  An- 
zur  Empfehlung  der  Sammlung.  Ich  weiss  sehr  wohl,  was 
ü'^eltend  macht,  z.  B.  dass  das  Wälzen  grosser  Lexika  eine 
•,  <leu  Geist  nicht  bildende  Arbeit  sei,  die  man  dem  Schüler 
.>:isäe.  Trotzdem  aber  muss  ich  mich  dagegen  aussprechen, 
ite  die  Benutzung  eines  guten  Lexikons»  die  Auswahl  der  zu- 


I  I ' 


158  Liiterarische  Chronik.    W.  KnöricK 

treffenden  Bedeutung  aus  der  Fülle  des  Gebotenen  nicht  für  eine  bloss 
mechanische  Arbeit,  sondern  wesentlich  für  eine  Verstandesarbeit,  welche 
zwar  Zeit  kostet,  aber  auch  Lohn  bringt.  Darum  wird  man  wohl  besser 
thun,  den  Schüler  möglichst  früh  mit  einem  guten  Dictionnaice  vertraut 
zu  machen  und  den  Gebrauch  dieser  Spezial- Wörterverzeichnisse  zu  in- 
hibieren. Leider  ist  das  nicht  mehr  so  leicht  zu  erreichen,  wie  Lion 
(a.  a.  0.)  es  sphildert.  Seit  dieselben  von  der  Verlagshaudlung  mit 
eigenem  Titel  versehen,  separat  für  15  Pf.  das  Stück  ausgegeben  werden, 
ist  die  heimliche  Benutzung  nicht  mehr  zu  verhindern,  was  ich 
bedauere. 

Noch  einen  Punkt,  der  zwar  nicht  im  Programm  vorgesehen  ist, 
aber  alle  Hefte  betrifft,  will  ich  auch  gleich  hier  erledigen,  das  ist  das 
eitleren  von  §§  aus  Benecke's  franz.  Schulgrammatik,  was  sogar  so  weit 
geht,  dass  Carel  für  die  Biographie  Corneille's  auf  Seite  193  —  196  der- 
selben verweist.  Derartige  Citate  sind  so  lange  für  eine  grosse  Zahl 
(vielleicht  die  Mehrzahl)  Leser  durchaus  überflüssig,  bis  eine  Grammatik 
den  vollständigen  Sieg  über  die  andern  davon  getragen  hat.  Dieselben 
sind  also  wohl  zu  unterdrücken. 

Was  nun  die  oben  bezeichneten  5  Hefte  der  Sammlung  betrifft,  so 
entsprechen  sie  dem  Programm  und  gerechten  Ansprüchen  in  sehr  ver- 
schiedenen Grade. 

Die  Ausgabe  des  Avare  von  Friese  und  die  der  Femmes  sa- 
vantes  von  Fischei'  habe  ich  in  älterer  Auflage  schon  in  dieser  Zschr. 
Band  V^,  S.  25  ff.  ausführlich  besprochen,  ich  kann  mich  über  dieselben 
also  kurz  fassen.  Die  Einleitung  zum  Avare  ist  unverändert  geblieben, 
der  Kommentar  ist  vielfach  erweitert  worden,  leider  aber  hauptsächlich 
durch  blosse  Übersetzungen.  Hätte  der  Herausgeber  die  blossen  Über- 
setzungen, welche  die  frühere  Auflage  schon  in  so  grosser  Menge  bot, 
der  Mehrzahl  nach  beseitigt,  oder  nach  Nr.  7  des  Programms  dem  dazu 
bestimmten  Spezial wöiterbuche  einverleibt,  dann  hätte  er  seine  in  andern 
Beziehungen  gute  Ausgabe  wesentlich  verbessert,  wohingegen  er  ihren 
Nutzen  für  den  Schulgebranch  jetzt  geschädigt  hat.  Wie  bedeutend  der 
Zuwachs  an  bloss  übersetzenden  Anm.  ist,  möge  dadurch  veranschaulicht 
werden,  dass  von  den  36  neuen  Noten  zu  Akt  II,  Szene  YI  nicht  weniger 
als  23  zu  dieser  Kategorie  gehören.  In  diesem  wichtigen  Punkte  ent- 
spricht die  Ausgabe  dem  Programme  noch  immer  nicht. ^) 

Schlimmer  steht  es  mit  der  neuen  Ausgabe  der  Femm.  sav.  Da 
war  gewiss  Gelegenheit  genügend  vorhanden,  um  notwendige  Verbesserun- 

§en  anzubringen,  und  wa«  ist  geschehen?  Die  deutsche  und  die  franz. 
rthographie  sind  korrigiert,  der  Text  ist  berichtigt,  in  den  Anm.  sind 
einige  Verbesserungen  angebracht  (z.  B.  I,  1,  76;  II,  4,  1 ;  IV,  1,  1; 
V,  2,  22  und  an  einigen  wenigen  andern  Stellen).  Die  Einleitung  mit 
ihren  stilistischen  und  sachlichen  groben  Fehlern,  die  falschen  und  un- 
genügend formulierten  Erklärungen  stehen  doch  noch  im  Grossen  und 
Ganzen  da,  und  der  Übersetzungen  sind  auch  mehr  geworden.  Ich  bin 
daher  in  der  nicht  erfreulichen  Lage,  das  früher  über  die  ältere  Auflage 
gefällte  harte  Urteil  auch  auf  diese  neue  ausdehnen  zu  müssen :  dieselbe 
entspricht  dem  Programm  der  Sammlung  durchaus  nicht  und  ist  noch 
immer  so  überreich  an  Fehlem,  dass  ich  den  ernsten  und  wohlgemeinten 
Wunsch  nicht  unterdrücken  kann,  die  Verlagshandlung  möge  in  ihrem 
eigenen,  aber  auch  im  Interesse  der  Schule,  die  Bearbeitung  des  viel  ge- 
lesenen Stückes  noch  einem  andern  Mitarbeiter  anvertrauen,  der  die  so 


^)  Der  Herausgeber  Dr.  Friese  ist  leider  vor  kurzem  verstorben. 


ScMda^tsgaben.  159 

rtvolle  Sammlung  mit  einer   Ausgabe   bereichere,    die  derselben  zur 
prde  und  dem  grossen  Dichter  nicht  zur  ünzierde  gereiche. 

Die  Ausgabe  der  Präcieuses  ridicules  von  GuiUawne  (warum 
2ht  Wilhelm  ??)  Schefller  gehört  zu  den  guten  .Ausgaben  des  Theätre 
Ln9.,  sie  ist  sorgfaltig  und  gewissenhaft  gearbeitet.  Die  Biographie 
(l  die  Einleitung  sind  hübsch  geschrieben  uitd  geben  in  wenigen 
orten  das  für  das  Verständnis  Notwendigste.  Der  Kommentar  er- 
itert  den  Sprachgebrauch  Moliere's,  die  preziösen  Ausdrücke  und  die 
iturgeschichtlichen  Data  nach  guten  Quellen,  ohne  einer  Seite  zu 
laden,  die  andere  zu  bevorzugen.  Beigegeben  sind  die  Prefaee  und  ein 
le  die  Einleitung  besagt)  von  Benecke  gefertigter  Auszug  aus  Somaize's 
i.  des  Präcieuses.    Die  letztgenannte  Zugabe  wird   bei  vielen,  welche 

den  Besitz  von  Livet's  Ausgabe  desselben  nicht  10  Mark  opfern 
Den,  Beifall  finden  und  ist  auch  entschieden  dankenswert,  da  sie 
iigstens  einen  Begriff  von  dem  vielgenannten  und  im  allgemeinen 
lig  gekannten  Opus  vermittelt.    Folgendes  habe  ich  als  Mängel  resp. 

Deäideria  anzuführen:  Der  Auszug  aus  Somaize  hätte  nicht  ein 
^erliches  Beiwerk  bleiben,  sondern  im  Kommentar  verwertet  werden 
jäen,  was  unterlassen  ist.  Warum  ist  p.  48,  2  ajusitment  durch 
ilette  erklärt  und  nicht  verwiesen  auf  ajtisiei'  im  Dict.  d.  Pröc? 
Qso  hätte  p.  48,  6  auf  cerveau;  p.  58,  2  statt  auf  das  Dict.  de  TAcad. 
danser  im  Anhang;  p.  51,  9  auf  encore  ib.;  p.  47,  4  auf  garniture 
p.  48,  4  auf  meiüeur  ib.;  p.  55  Zeile  15  und  57  Zeile  14  auf  peupler 
p.  48,  3  auf  sentir  ib, ;  p.  57,  2  auf  les  violons  ib.  verwiesen  werden 
sen.  Dadurch  hätte  der  sonst  recht  zuverlässige  Kommentar  an 
itigkeit  gewonnen,  der  Schüler  wäre  angeregt  worden,  vom  Anhang 
ntnis  zu  nehmen  und  hätte  besser  begriffen,  wie  Mol.  die  Dämchen 
:h  seine  Sprache  persiffliert.  Femer:  p.  17,  Anm.  3  ist  überflüssig, 
1  ne  pas  ignorer  muss  einem  Primaner  auch  ohne  den  Hinweis  auf 
l  ignoro  bekannt  und  verständlich  sein;  die  Zurückführung  des  Fon 
lat.  [h]om[o]  verstösst  gegen  das  Programm  Nr.  11.  —  p.  16,  4 
Erklärung  von  avoir  heau  faire  qc.  ist  überflüssig;  —  p.  22,  4  hätte 
in  einer  Schülerausgabe  den  Ausdruck  „Jungfemmilch ^'  vermieden ; 
.  23,  1  sollte  Gorgibus  den  Ausdruck  graisser  le  musemt  nicht  ganz 
lieh  veratehen,  da  er  sie  doch  bei  Anfertigung  von  Lippenpomade 
?  —  p.  39,  5  sHl  faüait  que  ist  nicht  erklärt,  vgl.  meine  Misan- 
)e-Ausgabe  zu  Vers  169;  —  p.  45,  8  die  Auslassung  der  Präposition 

wohl  als  veralteter  Sprachgebrauch  zu  kennzeichnen  gewesen;  — 
,  3  wie  aus  sehr  zahlreichen  Stellen  hervorgeht,  beschränkte  sich  die 

die  begrüsste  Person  zu  küssen,  nicht  auf  die  Hofleute,  vgl.  Mol. 
Q.  Sav.  III,  5  Vers  983  nebst  Fritsche's  Bemerkung,  Le  Sicilien  XU 
^carron,  Rom.  com.  I,  13 :  La  mere  de  ceiie  fiüe  [Leonore]  se  pre- 
ä  moi  pour  dire  saiuee  ä  la  frangaise^  ei  je  vous  avoue  qu'eUe  me 
piutoi  que  je  ne  la  baisai;  —  p.  54  Zeile  8  die  Bühnenweisung 
3r  Ausgabe  von  1734  entnommen,  da  aber  laut  Programm  Nr.  4 
>i8'  Text  massgebend  sein  soll,  wäre  dieselbe,  wie  bei  Fritsche  in 
^nm.  zu  verweisen  gewesen;  —  p.  58,  3  die  Stelle  ist  nicht  ge- 
id  klar  gelegt,  der  Herausgeber  hätte  ausser  Fritsche^s  auch  Tobler*s 
rung  berücksichtigen  müssen,  die  sich  in  der  Zeitschr.  für  das  Gym- 
wesen  Band  XXaIII  in  der  bekannten  Rezension  der  Weidmann- 
Sammlung  findet;  p.  63,  3  die  Anm.  ist  durchaus  überflüssig,  da 
)racher8cheinung  schon  in  IV  eingepaukt  zu  werden  pflegt.  Ich 
auch  g^ewünscht,  dass  der  Herausgeber  die  Ausgaben  von  Despois 
Vitsche,  welche  er  benutzte,  in  der  Einleitung  oder  an  den  be- 
den  Stellen  genannt  hätte.  —  Im  ganzen  aber  entspricht  die  Au$- 


160  LUterarische  Chronik,    W.  Knörich, 

gäbe  dem  Progr.,  sie  ist  trotz  der  kleinen  Ausstellungen   gut  und  wohl 
zu  empfehlen. 

Nicht  so   die  Ausgabe  des   Cid   von    Corel,      Zwar   ist   dieselbe 
fleissig  und  sorgsam  angefertigt,  aber  der  Herausgeber  hat  sich  durchaus 
nicht  den  Forderungen  des  Programms  anbequemt  ^  auch  ohne  rechten 
Plan   darauf  los   kommentiert   und    dadurch    die   Brauchbarkeit  seiner 
mühsamen  Arbeit  geschädigt.     Ich  glaube  nicht  zu  viel  zu  behaupten, 
wenn  ich  sage,  dass  über  die  Hälfte  sämmtlicher  Anmerkungen  unnötig 
sind,  notwendige  dagegen  an  manchen  Stellen  vermisst  werden.    Über- 
flüssig, also  vom  Übel,  sind  vor  allen  Dingen  die  wirklich  fast  unzähligen 
blossen  Übersetzungen,   weiche  in  dieser  Ausgabe  wie  in  keiner  andern 
mir  bekannten  wuchern   und  ihr   fast  das   Aussehen  einer  sogenannten 
Eselsbrücke  verleihen.    Wenn  dieselben  auch  mit  geringen  Ausnahmen^) 
sämmtlich  richtig,  treffend  und  geschmackvoll  sind  (wie  ich  gern  zuge- 
stehe), der  so  knapp  dem  Kommentar  zugemessene  liaum  ist  nicht  der 
geeignete  Ort  dafür.    Wenn  der  Herausgeber  sein  unleugbares  Übersetzer- 
talent bethätigen  will,  so  bereichere  er  unsere  Übersetzungslitteratur  mit 
einer  gediegenen  Übertragung  des  Cid,  welche  noch  immer  nicht  ge- 
liefert ist,   denn   die  beste  mir  bekannte  von  Hänlein  (1811)   hat  doch 
noch  manche  Fehler  und  Schwächen.    Überflüssig  sind  ferner  die  zahl- 
reichen Wiederholungen  von  Anmerkungen;  ghire  ist  p.   32,  89   nicht 
einmal  mit  Ehre  übersetzt;   erst  p.  44,  42  erfahren  wir  die  Bedeutung 
des  Wortes  an  jener  Stelle,   dann  aber  wird  dasselbe  gesagt  p.  57,  41; 
73,  55;  89,  38;  110,  10;  114,  12;  119,  44;  summa  summarum  siebenmal 
dieselbe  Anmerkung  I    Ferner  der  Inf.  mit  ä  im  Sinne  eines  G^rondif  ist 
erklärt   p.  27,  1;   31,  20;  44,   37;    106,  24;  jusques  p.   33,  56;  42,   1; 
54,  53;   die  Voranstellung  des  Pron.   pers.  beim  Imperativ  p.   35,    19; 
54,  1;  104,  119;  7ie  im  Komparativsatze  p.  92,  16;  107,  45.    Überflüssig 
sind  eine  ganze  Zahl  von  grammatischen  Erklärungen,  welche  zur  Klar- 
legung des  Inhalts  nicht  beitragen,  lediglich  als  grammatische  Bepetition 
zu   betrachten  sind  und  solche  Dinge  behandeln,   welche  ein  niässiger 
Primaner  notwendiger  Weise  schon  wissen  muss;  z.  B. :  p.  27,  10  s^en- 
tendre  =  gehört  werden ;   28,  13  sur  =  in  Bezug  auf;  28,  30  Subj.  im 
Relativsätze;  29,  47  haut  mit  h  aspir^e;  30,  58  quoi  qu'il  en  sott;  31,  17 
d  von  grand  in  der  Bindung  =  t,  31,  20  Inf.  mit  ä  =  Gärond.,  ebenso 
27,   1  u.  s.  w.;  33,  59  Koi^j.  nach  einem   Ausdruck  des  Affekts;   35,  19 
und  54,  1;  104,  119;  35,  9  servir  de  qch  ä  qn;  36,  23  exercez  la  zu  er- 
gänzen ceiie  indignite;  37,  51;  53,  33  und  90,  25  ist  vom  Komparativ 
mit  dem  best.  Artikel  im  Gegensatz  zum  Superlativ  die  Rede,  als  ob  das 
Französische  überhaupt  wirkliche  Superlative  hätte ;  die  Form  dieser  Be- 
merkungen hätte  anders  gefasst  werden  müssen.     Überflüssig   sind    die 
Anm.  zu  55,  1;*)  57,  40;   59,  36;  87,  6;  92,  6;   99,  14  die  Anweisung 
sprich  gut  =  ghi  wird  einem  Schüler  wohl  schwerlich  nützen;   107,  45; 
120,  17  u.  8.  w. 

Während  der  Kommentar  so  viel  Überflüssiges  gibt,  lässt  er  doch 
manches  Nötige  vermissen:  p.  27,  3  (a  =  dans);  30,  9  und  10  (Binnen- 
reim); 31,  30  (cavalier);  33,  77  (esperance-espoir) ;  36,  33  (insiruisez-le 
d^exemple,  Artikel!);  39,  82  ihonieux  cf.  54,  49);  46,  28  (s'il  fant  que  = 
wenn  der  Fall  eintritt);  92,  56  (die  altkla^ssischen  Vorbilder  hätten  an- 


M  p.  85,  38  change. 


^)  dans  resprit  ist  gar  nicht  für  den   deutschen  Ausdruck  über- 
flüssig, vgl.  Hänlein^s  Übersetzung:  Elvire,  welch'  ein  Leiden  presst  mein 


Herz! 


Schiüausgaben.  161 

iföbrt  werden  müssen);  93,  21   (was  für  eine  Bemerkung  Voltaire^s? 
,  14  {tous  knguissants). 

UüfifeDau,  unvollständig  oder  unrichtig  sind  folgende  Bemerkun- 
n:  38,  78  der  Herausgeber  musste  zu  Voltaire*s  Widerlegung  anführen, 
SS  Coro,  gar  nicht  front  de  ma  race  sagt;  48,  3  der  Ausdruck  la  mime 
'tu  statt  la  verttt  mime  u.  ähnl.  sind  in  der  älteren  Sprache  durchaus 
ht  ungewöhnlich,  vgl.  Godefroy,  Lex.  comp.  11,  39  ff.;  Qänin,  p.  240, 
»e  Wortstellung  ist  nicht  bloss  dem  Spanischen  eigen,  sondern  ebenso 
n  Italienischen  und  älteren  Franz.;  49,  14  Herausg.  hätte  die  Bemer- 
ig  Voltaire^s,  der  allbekanntlich  als  Kenner  der  älteren  Sprache  und 
mmentator  Corneille*s  sich  nicht  mit  Ruhm  bedeckt  hat,  nicht  kritik- 
wiederholen,  sondern  nach  Godefroy  1,  149  kontrollieren  sollen;  50,  27 
h  Haase,  Band  IV,  p.  134,  1  dieser  Zeitschrift,  hätte  die  Notiz  mehr 
zisiert  w^erden  können;  56,  26  die  Anm.  ist  nicht  gut  formuliert; 
42  die  tjbersetzung:  „wie  hoch  ihr  seinen  Ruhm  erhebt'S  ist  nicht 
effend.  oü  vous  portez  son  h'(zs  heisst:  »wie  hoch  ihr  die  Kraft  seines 
les  schätzt'',  vom  Ruhm  steht  nichts  darin;  81,  146  iant  qite  =  so 
ge  als  und  das  veraltete  iani  gue  c.  Conj.  =  bis  müssen  nicht  ver- 
ht  werden ;  83,  22  die  im  XVII.  Jh.  recht  häufige  Form  der  Doppel- 
3  (mit  ou  si)  ist  auch  durch  den  Nachtrag  aus  Litträ  ungenügend 
Irt,  zu  vergleichen  wäre  gewesen  Fritsche's  Erklärung  zu  Femm. 
1224  und  Godefroy  II,  316;  89,  33  die  statt  dise  und  93,  2  vers 
envers  mussten  als  veraltet  gekennzeichnet  werden;  100, 41  franchise 
reiheit  ist  veraltet;  65,  57  vom  Semikolon  an  ist  die  Anmerkung 
Dich  unverständlich;  51,  45  le  fils  dege'nere  gut,  die  Trennung  des 
:iv8  vom  Beziehungswort  musste  notiert  werden. 
Die  Einleitung  hätte  die  für  Schüler  ziemlich  überflüssigen  Hin- 
auf von  Schack,  Joh.  von  Müller,  Val.  Huber,  Dozy,  Köh- 
Eülasden,  Vögelin  sehr  wohl  entbehren  können,  besonders  wenn 
e  Dinge  einer  eingehenderen  Behandlung  gewürdigt  wären.  Aus- 
cheres  wäre  erwünscht  gewesen  Über  Voltaire*s  Kommentar,  der  in 
Lumerkungen  häufig  als  bekannt  erwähnt  wird;  woher  soll  der 
3r  ihn  kennen,  wenn  ihm  darüber  nichts  verraten  wird?  —  Gar 
ist  gesagt  worden  über  die  charakteristischen  Eigenschaften  des 
ille'schen  Stils.  —  Über  die  ästhetische  Wertschätzung  erfährt  der 
^r  nur,  dass  der  Cid  „trotz  der  angeführten  Mängel,  und  obschon 
«fach ahmung,  ein  wunderschönes  Stück  ist",  ohne  dass  dieses  Urteil 
iheren  begründet  wäre.  Die  Schönheiten  des  Cid  in  Rücksicht  auf 
<e,  Gedanken  und  Charakterentwickelung  lassen  sich  aber  doch  de- 
1,  auch  in  der  Kürze,  und  das  hätte  geschehen  müssen,  um  dem 
r  eine  Richtschnur  für  seine  eigene  Beobachtung  zu  geben,  und 
1  zu  gerechter  Beurteilung  franz.  klassischer  Tragik  anzuleiten.  — 
kann  ich  es  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  der  Cid  schlechtweg 
ragödie  genannt  wird,  denn  das  ist  er  doch  nach  der  allgemeinen 
on  nicht;  er  ist  ein  Schauspiel  (franz.  drame).  Corneille  selbst 
^anntlich  geschwankt,  in  welche  Gattung  dramatischer  Poesie  er 
reihen  sollte,  um  so  mehr  musste  die  Einleitung  dem  Schüler  die 
aus  dem  Wege  räumen,  welche  ihm  beim  Nachdenken  kommen 
—  Endlich,  wenn  der  Herausg.  sagt:  von  allen  wird  zugegeben, 
doA  erste  klassische  Trauerspiel  des  franz.  Theaters  ist'^ ,  so  scheint 
die  eminente  Bedeutung  des  Cid  für  die  franz.  Dichtung  bei  wei- 
ht energisch  genug  hervorzuheben,  wenigstens  nicht  für  Schüler. 
sammenfassendes  Urteil  über  die  Ausgabe  ist;  sie  entspricht  dem 
im  nicht,  indem  sie  bald  zu  viel,  bald  zu  wenig  Kenntnisse  vor- 
eine grosse]2iahl  überflüssiger  Anmerkungen  bietet  und  doch  der 

f.  nfr«.  Spr.  u.  Litt.    VI«.  \\ 


162  Litterarische  (Jhronik.    W.  Knörkh, 

Erklärung  Bedürftiges  übergeht;  indem  sie  ferner  die  vorhandenen  Hilfs- 
mittel (Speziallexika,  grammatische  Abhandlungen  u.  a.)  nicht  hinreichend 
ausnutzt,  geschweige  die  Sprachkenntnis  fördert.  Die  Ausgabe  ist  nicht 
zu  empfehlen. 

Über  die  Ausgabe  des  Cinna  kann  ich  mich  kurz  fieissen.  Der 
Herausg.  hat  sich  die  mühselige  Arbeit  des  Kommentierens  nicht  ver- 
driessen  lassen;  er  hat  verschiedene  gute  Ausgaben,  auch  die  vortreff- 
liche von  Strehlke  besorgte,  fleissig  benutzt  und  eine  als  brauchbar  em- 
pfehlenswerte Schulausgabe  geliefert.  Die  Einleitung  ist,  wenn  sie  auch 
wenig  Eigenes  enthält,  doch  klar  und  hübsch  und  orientiert  in  ausrei- 
chendem Masse.  Der  Kommentar  hält  sich  musterhaft  an  die  Vorschrif- 
ten des  Programms,  er  ist  eingehend,  präcis  und  klar,  und  bietet  nichts 
Überflüssiges.  Nur  wenige  Punkte  habe  ich  notiert,  welche  eine  Ände- 
rung, resp.  Verbesserung  gestatteten:  p.  39,  181  hätte  die  auffallende 
Inversion  wohl  der  Erwähnung  bedurft;  64,  104  das  auch  bei  Molifere 
nicht  selten  vorkommende  adversative  et  hätte  notiert  werden  müssen; 
da  die  moderne  Schreibweise  für  das  Theätre  fran^.  obligatorisch  ist, 
hätte  p.  75,  15  dbjects  statt  dbjeis,  p.  78,  68  und  80,  17  ait  statt  aye 
gedruckt  werden  müssen,  die  Anmerkungen  hätten  ja  nebenbei  Cörneille's 
Schreibweise  angeben  können.  Die  moderne  Schreibung  war  in  den  drei 
Fällen  um  so  mehr  anzuwenden,  als  sie  sich  in  den  Vers  fügt;  mit 
gleichem  Rechte  hätte  auch  gedruckt  werden  können  cojfnoisire,  ve'ritez 
u.  a.;  p.  84,  54  hätte  die  nicht  unbedingt  notwendige  synonymische 
Auseinandersetzung  unterdrückt  werden  müssen,  da  das  Programm  solche 
verbietet.  —  Die  Ausgabe  ist  zu  empfehlen. 

Von  den  besprochenen  fünf  Bändchen,  welche  alle  viel  gelesene 
Stücke  enthalten,  sind  demnach  nur  zwei  als  den  Forderungen  der  Re- 
daktion entsprechend  zu  betrachten;  kein  günstiges  Verhältnis. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  in  Kürze  und  ohne  sie  jeman- 
dem aufdrängen  zu  wollen,  meiner  persönlichen  Ansicht  darüber  Ausdruck 
zu  geben,  wie  die  Kommentare  des  Thdätre  fran9.  (auch  mit  Innehaltung 
des  für  dasselbe  aufgestellten  Programms)  zufriedenstellender  zu  gestalten 
sein  möchten. 

Was  die  Hilfsmittel  betrifft,  so  ist  es  für  die  Erklärung  von  Dramen 
aus  dem  XVH.  Jahrh.  gewiss  nicht  genügend,  mit  dem  Dictionnaire  de 
PAcad^mie  und  Sachs  zu  operieren.  Unentbehrlich  sind  Littr^'s  Diction- 
naire, die  Speziallexika  von  Marty-Laveaux  und  Godefroy  zu  Corneille, 
von  Gänin  zu  Moli^re,  von  Mesnard  zu  Racine,  das  Dictionnaire  des  Prä- 
cieuses,  grammatische  Monographieen,  Spezialstudien  über  Schriftsteller 
des  genannten  Jh.s  Nur  aus  Spezialhilfsmitteln,  welche  ja  auch  nach  dem 
Programm  benutzt  werden  sollen,  wird  es  sich  zuverlässig  ermitteln 
lassen,  welche  Bedeutung  einem  Worte,  einer  Phrase  im  speziellen  Falle 
beizulegen  ist,  ob  dieselben  veraltet  sind,  resp.  schon  zur  Zeit  des  Autors 
veraltet  waren.  Der  Kommentar  dieser  Schulausgaben  ist  natürlich  von 
den  ausführlichen  Citaten  frei  zu  halten,  es  genügt  die  genaue  Konsta- 
tierung der  Thatsachen.  Femer  halte  ich  es  für  unumgänglich  nötig, 
dass  der  Herausgeber  sich  klar  mache,  in  welcher  Klasse  das  betreffende 
Stück  vorzugsweise  gelesen  werden  wird,  und  dass  er  nur  das  erklärt, 
was  der  Schüler  der  betreffenden  Stulle  noch  nicht  wissen  kann.  Die 
Tragödien  und  Komödien  des  XVII.  Jh.s  werden  fast  nur  in  Prima  ge- 
lesen, wo  die  elementare  Syntax,  ein  hübscher  Schatz  von  Vokabeln  und 
Phrasen  und  auch  einige  Übung  im  Übersetzen  schon  vorauszusetzen  sind. 
Der  Herausg.  solcher  Werke  muss  derartiger  Erklärungen  und  Notizen 
sich  enthalten,  welche  für  den  mittelmässigen  Primaner  selbstverständ- 
lich sind,  dagegen  es  nicht  versäumen,  anscheinend  oder  wirklich  Regel- 


Schulausgaben,  163 

iriges,  Fehlerhaftes,  Veraltetes,  auch  Eigentümlichkeiten  des  Autors  zu 
tieren.  Als  Muster  müssen  uns  Neuphilologen  immer  noch  die  guten 
srährten  Ausgaben  antiker  Klassiker  dienen.  Warum  sagt  man  dem 
maner,  dass  riguenr  Härte  (F.  S.  p.  38),  larde  gespickt,  lard  Speck 
r.  27)  bedeuten?  Falls  ihm  die  Wörter  unbekannt  sind,  kann  er  sich 
ht  leicht  aus  dem  Wörterbuch  unterrichten?  Keinen  Nutzen  kann  ich 
on  einsehen,  wenn  prendre  Fair  (Av  p.  55)  dem  Schüler  übersetzt 
l  noch  dabei  ihm  versichert  wird,  der  Ausdruck  sei  noch  jetzt  sehr 
räuchlich,  denn  ihm  musa  derselbe  aas  seinem  Plötz  (Lekt.  20)  be- 
ut sein ;  wenn  nicht,  so  greife  er  zum  Wörterbuch,  meinetwegen  zum 
zial Wörterbuch,  in  den  Kommentar  gehören  so  selbstverständliche 
ge  nicht.  —  Ist  es  nötig  und  pädagogisch  richtig,  dass  man  fast 
itlicbe  Regeln  der  Syntax,  auch  die  elementarsten  und  abgedroschen- 
,  wieder  und  immer  wieder  in  den  Erklärungen  der  grössten  Dichter- 
^e  durchnimmt?  Ich  finde,  der  Kommentator,  welcher  das  thut,  stellt 

das  Testimonium  aus,  dass  er  weiter  nichts  damit  anzufangen,  da- 
T  zu  sagen  weiss.  Die  von  der  Hegel  abweichenden  Spracherschei- 
7en  sind  gewiss  zu  erläutern,  um  den  Schüler  nicht  an  seinen  Hegeln 
werden  zu  lassen,  aber  im  übrigen  bleiben  nach  meinem  Gefühl 
imatische  Ergüsse  am  besten  aus  dem  Kommentar  fort,  denn  die 
llektüre  dient  nicht  zur  Einprägung  grammatischer  Hegeln,  noch 
lyntaktischen  Hepetitionen ,  sondern  zur  Einführung  in  die  Ge- 
enwelt  des  Schriftstellers  und  seiner  Nation  überhaupt.  Und  diese 
ulen  gar  nicht  leichte  Aufgabe  der  Schule  wolle  man  nicht  da- 
1  erschweren,  dass  man  dem  Schüler  durch  die  ewigen  Belehrun- 
über  ne  im  Vergleichungssatze,  über  das  Verbum  reflexivum  in 
i^er  Bedeutung,  über  den  Konjunktiv  im  Relativsätze  etc.  etc.  die 
iration  verleide  und  seine  Aufmerksamkeit  vom  Inhalt,  von  der 
)n  ablenke.  Ich  halte  es  für  allein  richtig,  dass  der  Kommentar  in 
m atischer  und  lexikalischer  Rücksicht  nur  das  erkläre,  was  der 
er  mit  Hilfe  seiner  Grammatik  und  seines  Lexikons  gar  nicht,  oder 

ganz  richtig  verstehen  kann.  Es  bleibt  immer  noch  der  Erklärung 
ftiges  genug,  wenn  man  nur  genau  hinsieht.  —  Auch  in  der  Sach- 
ung  kann  man  in  den  Fehler  des  Übermasses  und  der  Trivialität 
len.  Trivial  sind  Erklärungen,  wie:  Plutarch,  griechischer 
raph  des  2.  Jahrb.  n.  Chr.  (F. S. 67),  oder:  Vergil,  römischer 
fcer,  70 — 19  v.  Chr.  (ib.  96),  oder:  l)ie  Iden  waren  bei  den 
irn  etc.  (ib.  135);  überflüssig  ist  z.  B.  eine  Notiz  wie:  Die  Prin- 
1  Urania  ist  Marie  von  Orleans,  seit  1657  mit  dem  Her- 
en Nemours  verheiratet,  denn  der  Schüler  kennt  die  Personen 
und  erfahrt  auch  nichts  Behaltenswertes  über  sie;  ferner:  meta" 
Metapher  bildlicher  Ausdruck  (F.  S.  p.  80  u,  82).  Als  in  den 
entar  gehörig  betrachte  ich  aber  vor  allen  Dingen  Aufklärung  über 

Anschauungen,  Einrichtungen,  nationale  Unterschiede  u.  dgl.  und 
Qöchte  ich  wünschen,  dass  dieser  Seite  der  Erklärung  ein  möglichst 
'  Teil  des  Kommentars  gewidmet  und  keine  passende  Gelegenheit 
erabsäumt  würde.    Man  gebe  z.  B.  an   konkreten  Beispielen  den 

für  die  so  oft  wiederholte  Behauptung,  dass  die  griechisch -römi- 
Selden  der  klassischen  franz.  Bühne  im  wesentlichen  moderne  Em- 
Igen  und  Ansichten  haben.  Oder  um  noch  ein  recht  markantes 
l  zu  nennen:  „Muss  nicht  der  Schüler  bei  der  Lektüre  des  Avare 
daran  nehmen,  dass  Val^re  aus  Liebe  zu  Elise  Bedienter  ihres 
wii'd?"  Entschieden  und  mit  Recht;  er  wird  sich  über  die  Ge- 
ftsklasse,  zu  der  Harpagon  und  Valpro  gehören,  üoer  die  weibliche 
Elisens  ganz  verkehrte  Vorstellungen  bilden.    Darum  belehre  man 

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österreichische  Programme. 


Von  den  Frogrammaufeätzen  des  Jahres  1883  bieten  die  folgenden 

jnser  Fach  mehr  oder  ^eni^er  Interesse: 

Victor  Beränek  behandelt  im  Programm  der  k.  k.  Staats-Beal- 

le  auf  der  Landstrasse  in  Wien  Martin  Opiz  in  seinem  Verhältnis  zu 
iaer  und  Ronsard  (8**,  26  S.).  Von  ersterem  benutzte  0{)iz  das  Buch 
^tces  Ubri  Septem,  von  letzterem  den  Aln*dge  de  Vart  poetique  und  die 
rede  zu  la  Franciade.  Der  Verf.  geht  die  8  Kapitel  der  Opiz'schen 
sterey"  genau  durch,  um  durch  wörtliche  Anführung  der  betreffenden 
ien  zu  zeif^en,  wie  weit  der  Beformator  des  deutschen  Famasses  von 
m  französischen  Vorbildern  abhängig  ist.  U.  a.  wird  auf  die  Bon- 
schen  Originale  zweier  Sonette  Opizens  hier  zum  erstenmal  auf- 
csam  gemacht;  es  sind  dies:  Ich  muss  bekennen  nun  und  Au  weh! 
nn  in  tausend,  tausend  Schmerzen.  Ersteres  ist  auf  das  5L  Sonett 
ard*s  Miüe,  vrayment,  et  mOle  voudroieni  bien  (Amours,  1.  1),  letzteres 
lesselben  34.  Sonett  Las!  je  me  pUüns  de  miäe  et  müle  et  müle  sou- 
zurückzufuhren.  Da  der  Gegenstand  meines  Wissens  noch  nie  in  so 
matisch  zusammenhängender  und  übersichtlicher  Weise  dargestellt 
en  ist,  mache  ich  auf  die  gut  geschriebene  Arbeit  aufmerksam. 

Emanuel  Bitter  y.  Stauber,  Prof.  an  der  k.  k.  Staats-Beal- 
e  zu  Laibach,  liefert  im  vorjährigen  Programm  dieser  Anstalt  den 
il  eines  Essai  über  Les  romanciers  de  VEmpire  et  de  la  Restaura- 
[8**,  28  S.).  Diese,  dem  Stoffe  nach  eine  Art  Fortsetzung  einer  1879 
alls  als  Programmarbeit  erschienenen  und  seinerzeit  in  diesen  Blät- 
angrezeigten  Studie  über  den  franz.  Boman  des  17.  und  18.  Jahrh. 
ide  Abhandlung,  bekundet  viel  Fleiss  und  Belesenheit,  ohne  gerade 
Aufschlüsse  zu  erteilen  oder  neue  Gesichtspunkte  aufzustellen;  nach 
Vollendung  mag  sie  zur  Orientierung  üoer  das  Gebiet  brauchbar 
[m  vorliegenden  Teil  werden  Glmteaubriand,  M°^«  de  Staöl,  B.  Gonstant 
^ecque,  rigault-Lebrun,  Fi^väes,  M"»«  de  Genlis,  Sophie  Bistaud,  M™« 
,baat-Souza,  Sophie  Gay  vorgeführt.  Es  hätte  der  Arbeit  zum  Vorteil 
hty  -w&niL  sie  deutsch  oder  italienisch  (falls  ich  nicht  irre,  Muttersprache 
rf.)  geschrieben  wäre.  Das  französische  Gewand,  in  welches  sie  nun 
ngt  ist,  ermangelt  manchmal  der  grammatischen  und  lexikalischen 
:theit*     So  heisst  es  p.  4:  Cela  vaut  de  toutes  les  pönales  lyriques 


•••'*».    den  .1 
c  -.".-*-     .  —    )2D  Ofln.  Ter^. 

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österreichische  Pi^ogramme.  167 

a  uennen  sei,  und  beantwortet  sie  also:  „Es  wird  in  demselben  eine 
iharaktereigenschaft  geschildert,  die  jedoch  im  entscheidenden  Augen- 
licke,  d.  i.  in  der  Katastrophe,  für  die  Handlung  ganz  ausser  Spiel 
leibt.  Der  Knoten  wird  gelöst,  wie  er  gelöst  worden  wäre,  wäre  der 
er  Held  kein  Lügner,  sondern  nur  das  Opfer  einer  Namensverwechslung 
ewesen.  In  einer  Charakterkomödie  soll  aber  eben  der  Charakter  oder 
le  Charaktereigenschaft  das  Movens  des  ganzen  Stückes,  aber  insbeson- 
dre der  Katastrophe*  sein.  Der  Dichter,  der  die  Katastrophe  aus  der 
erJogenheit  gefolgert  hat,  hat  somit  eine  wahre  Charakterkomödie  ge- 
hauen, und  das  ist  Alarcon;  das  Werk  seines  französischen  Nachahmers 
inn  aber  nur  eine  Situationskomödie  genannt  werden.''  Sein  „Gesamt- 
teJl"  glaubt  der  Verf.  dahin  formulieren  zu  können,  ,,das8  Comeille's 
larbeitung  ziemlich  tief  unter  dem  Original  geblieben  ist".  Der  Bu- 
%rdo  endlich  ist  im  Hinblick  auf  seine  weit  grössere  Originalität  und 
uf  den  nicht  jedes  moralische  Gefühl  verletzenden  Ausgang"  über  den 
mteiir  zu  stellen. 

Derselbe  Verfasser  war  vor  seiner  Anstellung  in  Pilsen  an  der 
k.  ersten  deutschen  Staats -Realschule  zu  Prag  thätig  und  hat  im 
ogramm  dieser  Anstalt  von  1882  einen  uns  verspätet  zugekommenen 
[fsatz  veröfiPentlicht:  Über  den  Charakter  einer  Klasse  dei*  Worthüdung 
,  33  S.).  Diez  stellt  bekanntlich  für  Bildungen  wie  ital.  appartare, 
'ivare  ein  eigenes  Prinzip  der  Formation  auf,  indem  er  diese  Verba 
ht  als  Komposita  von  ad  und  den  nicht  existierenden  partare  und 
ai-e,  sondern  als  unmittelbare  Derivationen  der  Fügungen  a  part, 
iva  auffasst,  während  z.  B.  äbattre  eine  echte  Zusammensetzung  der 
Lposition  ä  mit  hattre  ist.  Darmesteter  („Trait^  de  la  formation  des 
ts  compos^  dans  la  langue  fran^aise")  erklärt  gar  Wörter  wie  de- 
quer,  emharquer  als  „le  rösultat  d'une  composition  et  d'une  d^rivation 
ssant  ensemble  sur  un  mSme  radical,  de  teile  sorte  que  Tune  ou 
itre  ne  peut  Stre  supprimee  sans  amener  la  perte  du  mot"  Die  Frage 
h  der  Natur  solcher  Wortgebilde  interessiert  selbstverständlich  nicht 
in  die  romanischen  Sprachen,  sondern  vielmehr  den  gesamten  indo- 
opäischen  Sprachstamm  (vgl.  nur  griech.  ivuu^^euWf  ififierpo^^  ivdo^o^, 

inglo?ius,  eliminare,  pemoctare):  der  Verfasser  wendet  den  romani- 
3n  Sprachen  (und  unter  diesen  wieder  dem  Französischen)  nur  des- 
sen seine  besondere  Aufmerksamkeit  zu,  weil  diese  Bildungsweise  in 
lelben  fruchtbarer  ist  als  sonstwo   und  weil   die  Frage  in  neuester 

eben  von  romanistischer  Seite  angeregt  wm*de.  Der  Verf.  sucht  nun 
irseits  die  Annahme  einer  gleichzeitigen  Wirksamkeit  von  Kom- 
tion  und  Derivation  auf  denselben  Stamm  ad  absurdum  zu  fuhren 

andrerseits  den  Beweis  zu  erbringen,  dass  die  Sprache  nie  von  syn- 
ischen  Konstruktionen  (a  parte,  a  riva)  Ableitungen  bilde,  es  sei 
1  von  konstruktiven  Versteinerungen  (wie  franz.  agreer  von  ä  gre, 
Orden  zu  a^^e,  span.  pordiosei'o  aus  pordios,  d.  i.  por  diosj.  Bildun- 
wie  arrivare,  emhoiier,  embarqtiei'  sind  demnach  allerdings  Kompo- 

einer  Partikel  mit  einem  Simplex  rivare,  boiter,  barquer.  Gewiss 
licht  von  jedem  solchen  Kompositum  das  Simplex  nachweisbar:  allein 
3  theoretische  Annahme  ist  unabweisbar,  und  wie  bei  jedem  regen 
Samen  Sprachprozess,  ist  auch  hier  der  Analogie  der  nötige  Spiel- 
1  einzuräumen.  Damit  soll  nicht  jeder  Zusammenhang  der  ent- 
shenden  präpositionalen  Konstruktion  geleugnet  werden:  „Das  Ver- 
lis  der  Konstruktion  zum  (neugebildeten)  Verbum,  Adjektivum  oder 
tantivunoL  unserer  Klasse  ist  jenes  der  Ursache  zur  Folge;  die  Kon- 
±10X1  veranlasste  die  Bildung  dieses  Verbums,  Adj.,  Subst.,  ohne  selbst 


Ifö  F,  ZMi 


mB  Tierb^  Adj.,  Salist.  n  waiiaL  9e  befierte  die  UeCy  ^bk  fafeilft, 
aller  niciit  die  Form.*^  An  die  AbharndTimg  arbHanfc  aiek  em  mriihaltä- 
%f»  TokahnTar  tod.  Fonwatfmtew  der  tofgocheae»  Azt  aoB  den  iKiwlrip» 
deaen  romamHcben  SpnctaL  Die  in  diirrhamt  wiaeBiAaifKTpfcfm  GcJata 
darehgefölirte  Arbeit  geiiört  m  den  iduuiiiis  cnd  liririirRiiiIi  ifaeii  flirRr 

F.  ZTiiisi. 


Zeitschriftenschau. 


ReTue  politiqne  et  litt^raire.    1883. 

Nr.  21.  F.  Brunetiere,  Etudes  de  Utierature  compare'e:  La 
question  de  „Gü  Blas^.  —  Nr.  23.  Caus.  litt.:  A.  Bouraoin,  Conrart  et 
äon  temps.  Paris,  Hachette  1883.  E.  Moreau,  Corneille  et  Richelieu. 
—  Nr.  24.  A.  Barine,  IJn  critique  danois:  M.  George  Brandes^  ses 
ide'es  sur  J.-J.  Rousseau.  •—  Nr.  25.  L.  Queen el,  Le  theäire  anglais 
coniemporain ;  les  imitations  des  comedies  fran^aises;  les  drames  et  les 
iragedies,  Gaue,  litt.:  Anzeige  von  G.  Brunei,  L'J^lite  des  contes  du 
sieur  d'Ouville.  2  vol.  und  Pa%d  de  Raynal,  Les  Correspondants  de 
J.  Joubert  (lettres  inödites)  l  vol.  —  Nr.  26.  Sully  Frudhomme, 
JDu  pittoresque  dans  la  liiteraiure  frafigaise,  —  Caus.  litt. :  Reaume,  £tude 
historique  et  litt,  sur  Agrippa  d*Aubignä;  L.  Berey  et  G,  Maugras^ 
Derniäres  annäes  de  M««  d'Epinay. 

Nr.  2.  J.  Grand-Carteret,  Exposition  iconograpkique  de  J.-J, 
Rousseau.  Les  portraits,  les  estampes,  les  suiies  de  vigneites.  —  3.  Caus. 
litt.:  J.  Fleury,  Litt^rature  orale  de  la  basse  Normandie.  —  4.  J.  Cla- 
retie.  Poeie  et  soldat.  M.  Paul  De'roulede.  Caus.  litt.:  A.  Barbier, 
Souvenirs  personnels  et  silhouettes  contemporaines.  1  vol. ;  Z.  Lacour, 
Gaulois  et  Parisiens.  —  /.  Claretie,  M.  Ludovic  Hal^vy.  —  6.  P.  Hö- 
rn on,  Poetes  provencaux  contemporains.  Roumanüle  et  Avbanel.  — 
7.  F.  Hömon,  Les  Felibres  et  ravemr  du  feHbrige.  M.  M.  Tavan,  Ma- 
thieu,  Gras,  Bonaparte  Wyse.  Les  Languedodens.  —  8.  C.  Lenient, 
Alfred  de  Vigny.  —  Caus.  litt.:  G.  Ferry,  Les  derni^res  annäes  d' Ale- 
xandre Dumas.  —  9.  C.  Lenient,  Alfred  de  Vigny  (Schluss).  —  Nr.  11. 
R.  Rosiäres,  La  litterature  aüemande  en  France  de  1750 — 1800.  — 
12.  Jules  Lemaltre,  Francis  Coppe'e.  —  13.  J.  Lemattre,  ün  poete 
de  dix-neuf  ans.  Charles  Read.  —  P.  Deschanel,  La  seconde  moitie 
de  la  vie  de  Madame  d'Epinay  dapres  MM.  Luden  Percy  et  Gaston 
Maugras. 

ReTue  eritique.    1883. 

Nr.  11.  C.  EmUe  Eggei\  La  tradition  et  les  röformes  dans 
l'enseignement  universitaire ;  Souvenirs  et  conseils.  Paris.  G.  Masson. 
8^  XII -368  p.  („II  y  est  beauconp  question  de  Tantiquitä  grecque 
et  latine,  mais  presque  autant  de  la  France."  Sehr  gelobt.)  —  A.  D ar- 
mesteter.   Hermann  Flechtner.    Die  Sprache  des  Alexanderfragments 


170  Zeiischrifienschau,    D.  Behrens, 

des  Alberich  von  Besan90D.  Breslau,  1882,  in -8,  78  p.  (s.  hier  IV*,  93). 
—  A.  C.  Felix  Hemon,  Rotrou,  thäätre  choisi,  nouvelle  Edition  avec 
une  introduction  et  des  notices,  illustrde  de  quatre  gravures  colorides, 
deasin^es  par  M.  Henri  AUouard.  Paris,  Laplace,  Sanchez  et  C»«.  1888. 
8".  510  pp.  3,50  fr.  (Enthält  den  Text  von:  Les  Sosies;  Lanre  per- 
s^cut^e;  La  soeur;  Saint  Genest;  Don  Bernard  de  Cabrere  und  Vences- 
las  et  Chosroes  nach  der  Editio  princeps.  Sehr  gelobt  wird  die  litte- 
rarhistorische  Einleitung  des  Herausgebers).  —  A.  Gazier.  R.  Chante- 
lauze.  Les  grands  äcrivains  de  la  France.  GDuvres  du  cardinal  de 
Retz,  nouvelle  Edition,  VH.  ün  vol.  8"  de  XL -603  pp.  Paris,  Hachette 
1882.  —  Nr.  12.  F.  de  L.  Pmd  d'Esiree.  (Euvres  inädites  de  Pierre 
Motin,  publikes  avec  une  notice  et  des  notes.  Paris,  librairie  des  bi- 
bliophiles, 1883.  In- 12  de  XXXI- 116  pp.,  tir^  ä  350  exemplaires  nu- 
märot^s.  8  fr.  (Lobende  Anzeige.)  —  Nr.  13.  A.  Darmestete r. 
Ayer.  Granimaire  comparäe  de  la  langue  fran^aise.  Troisieme  ädit., 
Genäve  et  Paris.  1  vol.  in- 12  de  624  pages.  (Trotz  vieler  Mängel 
die  beste  Darstellung  der  französischen  Grammatik  in  französischer 
Sprache.)  —  Nr.  14.  A.  Darmestete r.  H.  Breymann.  Die  Lehre 
vom  französischen  Verb  auf  Grundlage  der  historischen  Grammatik. 
München  und  Leipzig,  Oldenbourg,  1882,  in-8,  VIII- 132  pp.  (s.  hier 
V*,  1  ff.).  —  Nr.  15.  Theses  de  doctorat  es  letlres.  Soutenance  de  M. 
Jules  Lemaitre:  I.  Thöse  latine:  Quomodo  Cornelius  noster  Aristo- 
ielis  Pöeiicam  sit  interpretatvs  (Hachette).  IL  Thfese  tran9aise;  La  co- 
medie  apres  Moliere  et  le  theätre  de  Dancotart  (Hachette).  —  Nr.  16. 
Vabietes.  Schuchardt  u.  Gaidoz.  Bibliographie  cre'ole.  (Nachträge 
zu  Revue  critique  1881,  Nr.  35,  45  und  zu  1882,  Nr.  49.)  —  Nr.  17. 
E.  Picot.  Oranges  de  Surgere.  Traductions  en  langues  dtrangeres 
des  Räflexions  ou  Sentences  et  Maximes  de  La  Rochefoucauld.  Paris, 
L6on  Techener,  1883.  In -8  de  32  pp.  (Extr.  du  Bulletin  du  Biblio- 
phile. Es  werden  57  Übersetzungen ,  darunter  24  englische,  15  deut- 
sche, 4  russische,  2  griechische,  1  magyarische  aufgezählt.  Rec.  gibt 
einige  Nachträge.)  —  Nr.  21.  A.  Darmestete r.  Altfranzösische  Bi- 
bliothek, herausg.  von  Dr.  Wendelin  Foerster,  Heilbronn,  Gebr.  Hen- 
ninger,  1879  —  1883.  5  Bde.  in- 12.  (Günstig  beurteilt.)  —  T.  de  L. 
C.  F.  Royhet.  Les  Ser^es  de  Guillaume  Bouchet,  sieur  de  Brocourt, 
avec  notice  et  index.  Paris,  Alphonse  Lemerre,  1873  — 1882.  6  voL 
in- 12  äcu,  imprim^s  sur  papier  de  Hollande,  de  XXII-2S7,  271,  301, 
331,  175  et  VlII-302  pp.  Prix  du  volume:  7  fr.  50.  („Les  äditeurs 
[Roybet  ist  ein  Pseudonym.  Die  Herausgeber  sind  Charles  Royer  und 
Emest  Gour^^]  nous  ont  donnä  une  excellente  notice  sur  leur  auteur, 
un  excellent  texte  et  un  excellent  index.")  —  Nr.  22.  A.  Gazier. 
Gustave  Merkt.  £tudes  litt^raires  sur  le  theätre  de  Corneille,  de  Ra- 
cine et  de  Moliöre;  Paris,  Hachette.  ün  vol.  in-8  et  in -12.  2)  fitudes 
sur  la  chanson  de  Roland,  Joinville,  Montaigne,  Pascal,  Bossuet  etc.,  par 
le  meme.  Ibid.  (Gelobt.  Rec.  vermisst  Litteraturnachweise.)  —  Nr.  24. 
A,  Chassang.  (Euvres  complätes  de  La  Rochefoucauld,  nouvelle  ädit., 
avec  des  notices  sur  la  vie  de  La  Rochefoucauld  et  sur  ses  divers 
ouvtages,  un  choix  de  variantes,  des  notes,  une  table  analytique 
des  matieres  et  un  lexique.  Tome  premier.  Les  M^moires.  —  Por- 
traits.  —  Apologie  de  Marcillac;  Paris,  Garnier  fröres,  libraires- 
^diteurs,  1883,  in-8,  XL -470  pages.  („L'ddition  Chassang  est  simple- 
ment,  tant  pour  les  notices  que  pour  le  texte  et  le  commentaire,  tautöt 
une  copie  ä  peine  modifi^e,  tantöt  un  abr^gä,  souvent  adroit,  souvent 
aiisa  assez  malhabile,  de  l'ädition  Gilbert  et  Gourdault.")  —  !^mile 
Picot.    ArtliW  de  la  Borderie.    Archives  du  bibliophile  breton.    No- 


üeviw  criiiqtte.    Deutsche  Litieraitirzeitung.  171 

tices  et  Documenta  pour  servir  ä  Thistoire  littäraire  et  bibliographique 
de  la  Bretagne.  IL  ßennes,  Plihon,  1882,  pet.  in- 16  de  VII- 196  pp., 
plus  1  f.  (Wichtiger  Beitrag  zur  Geschichte  der  Buchdr ucker kunst 
und  des  Buchhandels  im  XVI.  Jahrh.  Vergl.  desselben  Verf.  „L'im- 
primerie  en  Bretagne  au  XV^  si^cle.")  —  Nr.  26.  Maurice  Tour- 
neux.  Athert  Jansen,  Jean -Jacques  Rousseau.  Fragments  inädits. 
Recherches  biographiques  et  litt^raires,  Paris,  Sandoz  et  Thuillier; 
Neuchätel,  Geneve  et  Berlin,  1882,  in -8,  88  p.  3  fr.  (Anerkennend 
beurteilt.)  —  Theses  de  doctorat  es  lettres.  Soutenanee.de  M.  Auguste 
Bourgoin.  ün  hourgeois  de  Paris  lettre  an  XV IP  siecle.  Valentin 
Conra9%  premier  secr^taire  perpätuel  de  VAcad^mie  fran9ai8e,  et  son 
teuips,  sa  vie,  ses  Berits,  son  röle  dans  Thistoire  littöraire  de  la  pre- 
miere  partie  du  XVIIe  siecle.  Hachette,  in -8**,  356  pp.  (Ein  Anhang 
enthält  25  Seiten  meist  noch  nicht  edierter  Poesien  Conrart's.)  —  Nr.  27. 
T.  de  L.  Pierre  de  Nolhac.  Lettres  de  Joachim  du  Bellay,  publikes 
pour  la  premiere  fois  d'apräs  les  originaux,  avec  uö  portrait  inädit 
et  un  autographe.  Paris,  Charavay  fröres,  1883,  1vol.  in- 16  de  102  p. 
8ur  papier  de  Hollande,  tirä  ä  trois  cents  exemplaires  num^rotös. 
Prix  6  fr.     (Sehr  anerkennend  besprochen.    Ein  Anhang  enthält  Briefe 

—  meist  Autographa  und  Inedita  —  Olivier's  an  Jean  de  Morel,  Jacques 
du  Bellay's  an  Joachim  du  Bellay,  Charles  Fontaine's  an  J.  de  Morel 
etc.  —  T,  A.  Bougeault.  ]&tude  sur  T^tat  mental  de  J.-J.  Rousseau  et 
sa  mort  ä  Ermenonville  (s.  h.  VP,  98).  —  A.  Gazier.  Mffr  Ricard, 
Les  Premiers  Jans^nistes  et  Port -Royal.  IJn  vol.  in -8  de  XI -500  pp. 
Paris,  Plön,  1883.  (Wertlos:  „c'est  un  long  tissu  d'erreurs  cent  fois 
relev^es,  de  calomnies  cent  fois  ddtruites.")  —  Nr.  28.  T.  de  L. 
Eugene  Reaume,  Etüde  historique  et  litt^raire  sur  Agrippa  d'Aubign^. 
Paris,  veuve  Eugene  Belin  et  fils,  1883.  1  vol.  in -8  de  V-320  p.  (Das 
günstig  beurteilte  Buch  enthält:  I.  Biographie.  II.  Appr^ciation  de 
d'Aubign^,  homme  priv^,  homme  public.  III.  Jugement  critique  sur 
d'Aubign^,  historien  et  poöte.  Opinions  de  d'Aubignd  sur  quelques 
^crivains  du  XVI«  siecle,  opinions  des  contemporains  et  des  äges  sui- 
vants  sur  d'Aubign^.  IV.  Documents  et  pi^ces  justificatives.)  —  Nr.  29. 
0.  Douan.  Paul  de  Feiice.  Lambert  Daneau,  de  Beaugency- sur -Loire, 
pasteur  et  professeur  en  th^ologie  (1530  — 1595).  Sa  vie,  ses  ouvrages, 
ses  lettres  in^dites.  Paris.  Fischbacher,  1882,  grand  in -8  de  VI  et 
884  pages.  —  Lettre  de  M.  Cha^sang.  (Entgegnung  auf  einen  Artikel 
über  Ch.'s  Ausgabe  des  La  Rochefoucauld.     S.  o.  zu  Rev.  crit.  Nr.  24.) 

—  Nr.  32.  C.  J.  C.  Humbert,  Deutschlands  Urteil  über  Moli^re.  Op- 
peln,  Maske,  1881.  In-8,  XXII-206  p.  (Lobende  Anzeige.)  —  Nr.  35. 
Theses  de  doctorat  es  lettres.  E.  Etienne:  De  deminutivis,  intensivis 
etc.  (s.  hier  VP,  96).  —  Nr.  36.  Maurice  Tourneu x.  De  Lescure. 
Rivarol  et  la  sociät^  fran^aise  pendant  la  rävolution  et  l'^migration 
(1753  — 1801),  ^tudes  et  portraits  historiques  et  litt^raires  d'apr^s  des 
documents  in^dits.  Paris,  E.  Plön  et  0»^,  1883.  In-8  de  XII- 516  p, 
8  fr.  (Eine  sehr  sorgfältige,  wenn  auch  nicht  in  allen  Teilen  ab- 
schliessende Untersuchung.)  —  Nr.  38.  C.  J.  Mahrenholtz,  Voltaire- 
Studien.  Beiträge  zur  Kntik  des  Historikers  und  des  Dichters.  Oppeln, 
Georg  Maske,  1882.     8^  VIII- 196  pp.    (Lobend  besprochen.) 

Dentsehe  liitteratnrzeitnng.    1883. 

Nr.  18.  E.  0.  Lübars  eh.  R.  Mahrenholtz,  Meliere.  Einfüh- 
rung in  das  Leben  und  die  Werke  des  Dichters.  Kleinere  Ausgabe 
von  des  Verfassers  „Moli^re's  Leben  und  Werke".  Heilbronn,  Hennin- 
ger, 1883,  VI  u.  266  S.  8".    M.  4.    (Empfehlende  Anzeige).   —  Nr.  19. 


172      Zeitschriftenschau.    D.  Behrens,  Deutsche  Litteraturzeitung. 

Adolf  Tobler.  G.  Servois,  La  Bruyfere,  (Euvres.  Nouvelle  ^d.  revue 
sur  les  plus  anciennee  impresBions  et  les  autographes  et  augment^e 
de  morceaux  in^dits,  de  variantes,  de  notices,  de  notes,  d'un  lexique 
des  mots  et  locutions  remarquables,  d'un  portrait,  d'un  fac-simile,  etc. 
Paris,  Hachette  et  CK  T.  I  (1865)  CXC  u.  567  S.,  T.  11  (1865)  713  S., 
Tome  Öl  (1878)  II  und  242,  20  p.  (1872)  LXXI  u.  880  S.  gr.»  Album 
(2  Wappentafeln  und  2  Portr.,  Facs.  mit  Text).  Fr.  26,50.  (Eine  in 
jeder  Beziehung  ausgezeichnete  Ausgabe.)  —  Nr.  22.  L.  Geojy  Brandes, 
Die  romantische  Schule  in  Frankreich  (Die  Litteratur  des  SiX.  Jahrh. 
in  ihren  Hauptströmun^en.  V.  Bd.).  Leipzig,  Veit  u.  Co.,  1883.  462  S. 
gr.  8**.  M.  8,60.  (Wemger  eine  Geschichte  der  französischen  Roman- 
tik, als  eine  Heihe  gelungener  Essays  über  einzelne  wichtige  Erschei- 
nungen derselben.)  —  Nr.  25.  Adolph  Tobler.  W,  G.  C.  Bijvanck, 
Specimen  d'un  essai  critique  sur  les  oeuvres  de  Fran9oi8  Villen.  I^r« 
partie.  Le  Petit  Testament.  Ballades  inädites.  Leyde.  De  Brenk  et 
Smits,  1882.  220  S.  gr.  8^  M.  3,50.  (Günstig  beurteilt,  s.  hier  V*,  108). 
—  Nr.  26.  H.  Varnhagen.  Anonym,  Gedanken  über  das  Studium  der 
modernen  Sprachen  in  Bayern  an  Hoch-  und  Mittelschulen.  München, 
Lindauer*8che  Buchhandlung,  1882.  39  S.  gr.  8^  M.  0,70.  (Enthält 
manche  Unrichtigkeiten  und  Widersprüche.)  —  Nr.  31.  A.  Tobler. 
Charles  Joret,  Des  caractöres  et  de  Textension  du  patois  normand. 
ißtude  de  phonötique  et  d'ethnographie  suivie  d*une  carte.  Paris,  Vie- 
weg,  1883.  XXXII  u.  211  8.  gr.  8^  (Wertvolle  Untersuchungen.  Zu 
wünschen  wäre  etwas  mehr  Umsicht  bei  der  schriftlichen  Darstellung 
der  Laute.) 

D.  Behbens. 


ozellen. 


'.('1'   und  das  Mo li^re -Museum.     Mit  dem 
■  iseiiin  ist  auch  seine  Schöpfung  dahingeschwun- 
IV n,  dem  bisher  nicht  ohne  Erfolg  geleiteten  ünter- 
A  einzuhauchen,  muss  als  unausrahrbar  betrachtet 
Uli  der  ständigen  Abonnenten  mit  Schw.'s  Tode  sich 
•11  reduziert  hat.    Es  gehört  also  das  Museum,   ebenso 
.  in  der,  jetzt  der  Geschichte  an,   und  beide  haben  wohl 
iuif  ein  Wort  objektiver  Würdigung. 
.   ideale  Plan,  welcher  der  Schöpfung  des  „Moliöre- Museum" 
ile  lag,  war  der  des  Wetteifers  mit  dem  Shakespeare -Jahr- 
•    und  der  Heranbildung  eines  Meliere -Vereins,  welcher  nach  des 
.  lers  Tode  das  verwaiste  Jahrbuch   schützen   und  erhalten  sollte. 
nr  bald  aber  zeigte  sich  diese  hochstrebende  Absicht  als  unausführ- 
bar,  es  fehlte  eben   das  Interesse  der  weiteren  Kreise,  das  sich  seit 
den   Zeiten  Schlegers  und  Tieck's  dem  britischen  Tragöden  zu-,  von 
der  französischen  Dichtung  aber  abgewandt  hat,  es  fehlte  nicht  minder  die 
Mitwirkung  der  namhaftesten  Philologen  und  Litterarhistoriker,  deren 
Domäne  nicht  gerade  die  Moli^re-Forschung  zu  sein  pflegt.    So  musste 
das  Werk  von  der  Geburtsstimde  an  mit  Nahrungssorgen  kämpfen, 
musste  Abonnenten  in  Kreisen  suchen,  die  nicht  eben  aus  idealen  Mo- 
tiven oder  aus  Begeisterung  für  Moliöre  beisteuerten,  und  trug  so  den 
Todeskeim  von  dem  ersten  Augenblicke  an  in  sich.  Die  Reklame,  welche 
die   schlechte  Fresse  machte,   das  Wohlwollen,  welches  die  gute  dem 
schön  geplanten  Unternehmen  entgegentrug,  scheiterten  erfolglos  an 
der  Zähigkeit,  mit  welcher  der  „gebildete"  Deutsche  seinen  Geldbeutel 
allen  nicht  materiellen  Dingen  verschliesst,  und  die  kleine  Schar  der 
Abonnenten,  welche  sich  um  das  neue  Werk   gesammelt  hatte,  war 
dünn  gesät  und  über  alle  Himmelsrichtungen  zerstreut.    Sie  hätte  nicht 
einmal  ausgehalten,  wenn  der  Herausgeber  seinen  ursprünglichen  Vor- 
satz, alljährlich  drei  Hefte  a  8  M.  vom  Stapel  zu  lassen,  durchgeführt 
hätte;  aus  Rücksicht  auf  diese  Gäste  von  der  Landstrasse  nicht  min- 
der, wie  aus  Mangel  an  wissenschaftlichen  Beiträgen,  musste  Dr.  Schw. 
sein  Werk  zu  einem  „Jahrbuch"  umgestalten,  so  dass  er,  in  der  äusse- 
ren Form  wenigstens,  notgedrungen  sich  dem  „Shakespeare- Jahr  buch" 
anschloss.    Auch  das  „Jahrbuch"  bot  des  Ungleichmässigen  und  Ge- 
legentlichen allzuviel,  war  mit  Miszellen  und  Gedichten,  wieder  der 


174  MiszeUen. 

Eindringlinge  von  der  Heerstrasse  wegen,  überladen  und  erfüllte  seinen 
nächsten  Zweck,  Mittelpunkt  der  Moliere- Forschung  zu  sein,  durchaus 
nicht.  Eine  schärfere  Kritik,  ein  tieferes  Eindringen  in  die  behandel- 
ten Gegenstände  hielt  der  Hsg.  —  auch  in  Rücksicht  auf  die  nicht 
hochzeitlichen  Gäste  —  am  liebsten  fern,  Tadel  war  verpönt,  ein  zwar 
wohlwollendes,  aber  unwahres  Lobsystem  beherrschte  die  sechs  Hefte 
des  „MuseumM  Wer  das  nicht,  um  den  Abonnenten  zu  gefallen,  mit- 
machen wollte,  wie  Dr.  Knörich,  Humbert,  Verf.  dieses  u.  a.,  musste 
sich  in  reservierter  Ferne  halten  und  vor  dem  dringenden  Hilferufe 
des  Hsg.  öfters  die  Ohren  mit  Wachs  verstopfen.  So  wurde  das  „Jahr- 
buch" zuletzt  nur  von  Dilettanten  und  Schöngeistern  ziemlich  nach- 
lässig bedient,  und  stieg  von  der  relativen  wissenschaftlichen  Höhe, 
die  es  in  den  ersten  Heften  einnahm,  immer  mehr  herab. 

und  das  alles  war  doch  nur  im  geringsten  Masse  die  Schuld 
des  dahingeschiedenen  Herausg.,  der  mit  unverdrossener  Mühe,  durch 
keine  materiellen  Opfer  abgeschreckt,  sein  Werk  bis  in  die  Nacht  der 
Blindheit  und  des  Todes  fortführte.  Er  wollte  eben  dem  mit  vollster 
Überzeugung  und  innerstem  Herzensdrange  verehrten  Dichter  auch  in 
Deutschland  das  Bilrgerrecht  verschaffen,  ihn  dem  ungleich  grösseren 
Britten  ebenbürtig  zur  Seite  stellen,  und  übersah  nur,  dass  zu  diesem 
Plane  alle  Voraussetzungen  bei  uns  fehlten.  Zum  Dolmetscher  Moliere 's, 
wenn  man  es  mit  dem  wissenschaftlichen  Dolmetscher -Examen  nicht 
zu  genau  nahm,  besass  er  alle  Eigenschaften.  Der  zünftigen  Gelehr- 
sanikeit,  der  religiösen  und  politischen  Ausschliesslichkeit  feind,  von 
unbedingtem  Indifferentismus  in  allen  kirchlichen  Fragen  beherrscht, 
lebte  er  der  Kunst  und  Gesellschaft  und  streifte  nur  von  ferne  an  die 
engabgeschlossene  Fachwissenschaft  an.  Arzt  von  Beruf,  dachte  er 
über  die  medizinische  Wissenschaft  nicht  anders  als  der  französische 
Komödiendichter  und  entsagte  der  ärztlichen  Wirksamkeit,  sobald  eine 
Jahresrente  ihm  die  Mittel  zu  einem  angenehmen,  sorgenfreien  Dasein 
gewährte. 

Noch  sein  Begräbnis  sollte  —  eine  eigene  Fügung  des  Geschickes 
—  dem  Moliäre's  nicht  unähnlich  sein.  Obwohl  bis  zur  Todesstunde 
dem  mosaischen  Bekenntnis  zugethan,  weil  es  ihm  nicht  besser  und 
nicht  schlechter  als  die  anderen  schien,  und  weil  Pflichten  der  Dank- 
barkeit ihn  zu  einem  äusseren  Festhalten  an  demselben  nötigten,  hatte 
er  sich  doch  jede  B;ede  am  Grabe  durch  seine  letzte  Willensäusserung 
verbeten.  Der  jüdische  Gemeindevorstand  verlegte  daher  den  letzten 
Gang  auf  die  Mittagszeit  und  machte  so  den  zahlreichen  Freunden  und 
Verehrern  des  Dahingeschiedenen  eine  Teilnahme  schwer  möglich.  Eine 
kleine  Schar  nur,  Christen  und  Juden  im  Gemisch,  begleitete  den  Sarg 
des  vielgeliebten  Mannes  zum  Friedhofe.  Seine  letzte  Lebensaufgabe, 
die  Begründung  eines  Moliere -Vereins  und  die  Sicherung  seines  Mu- 
seums sollte  der  hochsinnige  Kämpfer  für  das  Gute  und  Schöne  nicht 
erfüllt  sehen,  und  noch  in  der  Todesstunde  musste  er  sich  an  zweifel- 
hafte Hoffnungen  klammern,  deren  Nichtigkeit  seine  scharfe  Menschen- 
kenntnis bei  ernster  Prüfung  sicher  durchschaute. 

Die  zahlreichen  Abonnenten  von  der  Landstrasse,  deren  Namen 
am  Schluss  der  letzten  Hefte  des  „Museum"  prangten,  verliessen  wie 
die  Ratten  das  sinkende  Schiff  und  sandten  zum  Teil  noch  das  letzte 
Heft  zurück,  dessen  Vollendung  mit  der  Todesstunde  des  Hsg.  fast  zu- 
sammenfiel.  Und  wer  die  Dinge  anders  auffasst,  als  der  ideal  ge- 
sinnte Schöpfer  des  Moliere -Jahrbuches,  wird  um  Moli^re's  willen  es 
preisen,  dass  dieser  Schutzverein  sich  zerstreut,  dass  ebenso  keine  ge- 


Miszellen.  175 

'  im  Schatten  von  Moli^re's  Ruhm  sich  behäbig  ausgestreckt 

.eunung  ungeschmälerter  Art  gebührt  nichts  desto^reniger 

noch   im  Greisenalter,  wo    der  Idealsmut   des  Lebens   und 

onst  entschwindet,  einem  so   edel  gemeinten  Ziele  nachge- 

H.  p.  a. 

R.  Mahbekholtz. 


1 1 


•  rammatische  Bemerkungen.   I.    Im  folgenden  sollen  einige 
der  französischen  Grammatik  erörtert  werden,   deren  Behand- 
ln  den   Sprachlehren,   speziell  in  den   schätzenswerten  Büchern 
>äcking  und  Plattner,  der  Ergänzung  oder  Berichtigung  bedürftig 
t.     Es  handelt  sich  im  wesentlichen   um  eine  Konkurrenz  von 
•  n  der  Sätze  oder  Satzglieder,  die  ich  bisher  nicht  genügend  be- 
ichtigt finde.    Ich  beginne  mit   einer  Doppelform,   die  man  fast 
hweg  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Euphonie  betrachtet  hat: 

On,  Pofu 

Im  Altfranz,  steht  Fon  neben  on  nach  Diez  (Gr.  III',  S.  805)  fast 
il kürlich.  Im  16.  Jahrh.  ist  es  nach  Darmesteter-Hatzfeld  (Le  sei- 
ine  siecle,  p.  261)  ebenso  üblich  als  on.    Für  das  17.  stellen  Chas-  j 

iig   (Nouv.  gr.',  p.  299)  und  Ayer  (Gr.  comp.',  p.  181)  häufigen  Ge-  | 

.auch   desselben  im  Anfang  eines  Satzes  fest.    Für  die  neueste  Zeit  i 

ird   ron  ziemlich  übereinstimmend  von   den   Grammatikern   auf  die 
\  mbindung  mit  vorhergehendem  et,  ou,  on,  que,  qnoi^  si  beschränkt,  , 

'ianeben  auch  wohl  sein  Vorkommen  im  Anfang  des  Satzes  anerkannt,  i 

andere  Anwendung  für  selten  erklärt;  diese  Fassung  der  Regel  gibt 
/.  B.  LücMng.    Beträchtlich  weiteren  Raum  lässt  Plattner  dem  Fon:  1 

1 )  nach  ei,  ou^  oü,  qui,  quoi  (nebst  pourquoij,  si  (nebst  anssi,  ainsij,  que 
als  Relativ   und  Konjunktion  (nebst  lorsque,  puisque  u.  a.);  2)  manch-  1 

mal  nach  defä,  aujourcThui,   ici,  comme  und  sogar  nach  Konsonanten,  | 

z.  B.  nach  donc^  doni^  cor,  mais,  plns,  cependant  u.  a.^;  dagegen  ist  es 
nach  ihm  „sehr  selten  zu  Anfang  des  Satzganzen  oder  des  Nachsatzes^. 
Ich  lasse  eine  Sammlung  von  Beispielen  folgen,  welche  einen  noch 
umfassenderen  Gebrauch  der  Form  belegen  werden. 

A.    Innerhalb  der  Bindung: 

Ici  Von  peut  embrasser  d'un  conp  d'oeil  tous  les  temps.  Corinne 
XIII,  4.  Comme  Ton  ^tait  certain  etc.  Mais  Ton  n'avance  pas.  ebd. 
YII,  1.  Tu  sais  comme  autrefois  Von  s'y  amusait.  La  Camaraderie  I,  3. 
Commeni  Von  n'avait  pas  confi^  cette  affaire  au  jeune  Oscar  Rigaut. 
ebd.  I,  4.  Id  Von  m'envoie.  Ruy  Blas  IV,  4.  Bienidi  Von  rencontre 
une  foule  d'hommes.  S^gur,  Eist,  de  Nap.  et  de  la  gr.  a.  Comme 
bien  Von  pense.  Le  XIX«  Siäcle,  6.  Aug.  1882.  Mais  enfin  Von  va  partir 
en  vacances.  ebd.  10.  Aug.  1882.  Puisque  Von  en  possfede  les  ^lö- 
ments.  R.  crit.  1883,  I,  p.«  512.  Quand  Von  fera  Thistoire  de  la  pro- 
pagation  et  de  la  transformation  en  Europe  des  fables  orientales. 
ebd.  II,  p.  471.  Pourtant  Von  eüt  dit  etc.  Numa  Roumestan,  p.  7. 
Car  Von  ne  peut  pas  se  repr^senter  Taction  de  ronger  sans  nn  objet 
qui  est  rongö.  Ayer,  Gr.  comp.*,  p.  358.  Or  Von  sait  que  ces  tenta- 
tives  etc.    R.  crit.  1883,  I,  p.  508. 

B.    Nach  einer  Pause  (mit  oder  ohne  Interpunktion): 

Dans  ce  pays-ci  Von  ne  rencontre  que  les  meillenres  gens  du 
monde.    Corinne  1,  3.    Dans  ce  Heu  Von  devait  goüter  plus  du  calme. 


176  Miszellen. 

ebd.  V,  1.  Ce  rCest  pas  lä  ce  que  dans  aucun  pays  Von  considere  comme 
l'art  dramatique.  ebd.  VII,  2.  Ei  moi,  Von  m'a  vendu!  Euy  Blas 
IV,  5.  0hl  Von  aurait  bien  du  nous  laisser  en  paix!  ebd.  V,  1.  Dans 
le  rang  que  joccupe.  Von  a  tort  d'^tre,  comme  je  le  suis,  trop  bonne. 
Les  doigts  de  f^e  IV,  15.  Ouiy  Von  est  bien  plus  libre,  quand  on  a 
un  maitre!  ebd.  V,  1.  Out,  Von  a  de  la  peine  ä  s'avouer  qu'on  a  ^t^ 
injuste.  La  Camaraderie  IV,  9.  De  m^me,  Von  a  des  pronoms  demon- 
stratifs,  adjectifs  et  substantifs.  R.  crit.  1876,  II,  p.  105.  Qu'au  lüm 
de  Moliere,  Von  mette  le  nom  d*an  grand  poäte  dramatique.  R.  crit. 
1888,  I,  p.  91.  Si,  par  hasard^  cette  daie  correspond  ä  ceÜe  du  calen- 
drier  räbbinique.  Von  nous  dit  qu'en  teile  annäe  tel  mois  commen^a  le 
mSme  jour  chez  les  Cara\'tes  et  chez  les  Rabbanites.  Si  le  5  iomhe  un 
dimanche^  on  nous  dit  que  le  mois  donnä  commen9a  un  jour  plus  tot 
chez  les  Caraltes  que  chez  les  Rabbanites.  Si  le  5  est  un  mardi,  Von 
8*en  arrange  encore.  ebd.,  p.  333.  L*on  a  propose\  du  nom  de  cette 
diviiiit^,  diverses  explications.  ebd.,  p.  414.  Les  vrait  coupables,  en 
toui  ceci.  Von  doit  en  convenir,  sont,  sans  contredit,  les  däput^s.  La 
France,  24.  Juli  1882.  Malgre  soi.  Von  se  sent  pris  d*une  certaine 
tristesse.    Le  Temps,  2.  Aug.  1882. 

Ich  könnte  diese  Beispiele  vermehren.  Die  gegebenen  genügen 
aber  wohl,  um  zu  beweisen,  dass  noch  heute  Von  eine  beliebig  ver- 
wandte Nebenform  ist,  die  wohl  aus  Rücksichten  des  Wohllauts  mit 
on  wechselt,  aber  keineswegs  solchem  Bedürfnis  ihr  Fortleben  verdankt. 

En  +  bestimmtem  Artikel 

ist  bekanntlich  von  sehr  beschränktem  Gebrauch,  während  die  Ver- 
bindung mit  unbestimmtem  Artikel  nicht  eben  selten  ist.  Indessen 
geht  LücMng  zu  weit,  wenn  er  nur  formelhaftes  Vorkommen  von  en 
4-  V  anerkennt  und  für  en  ■]-  la  nur  ein  einzelnes  Beispiel  fen  la  pre- 
sence  de  DieuJ  gibt.  Richtiger  sind  die  betreffenden  Angaben  in  den 
Grammatiken  von  Mätzner,  Chassang,  Plattner  und  Holder.  Nach 
letzterem  hat  das  auf  en  folgende  Substantiv  „wohl  den  apostrophier- 
ten Artikel  V,  und  den  weiblichen  Artikel  la,  aber  niemals  le  oder  ies 
vor  sich'*.  Die  von  Chassang  gemachte  Beschränkung  des  en  -{-  la  auf 
den  style  soutenu  ist  unbegründet,  und  es  konunt  auch  nicht  bloss 
vor  einigen  Substantiven  noch  vor,  wie  Mätzner  meint,  „in  gewissen 
hergebrachten  Formeln"  (Diez,  Gr.»  III,  S.  169).  Die  folgenden  Bei- 
spiele werden  dies  zeigen. 

En  Ve'tal  actuel  de  TEurope.  Le  XIX«  Siecle,  29.  Juli  1882.  üne 
des  plus  grandes  artistes  en  Vart  de  dire.  Legouv^,  L'art  de  la  1.^*, 
p.  115.  II  ne  pouvait  relever  en  Vhomme  un  trait  de  fatuit^,  en  1'^- 
crivain  un  excäs  de  langage.    R.  crit.  1883,  I,  p.  130. 

Vous  perdez  en  la  mort  d'un  homme  de  son  rang.  Cid  11,  8. 
Mais  cherchez  ton  asile  en  la  maison  du  mort!  ebd.  III,  1.  Dans  nos 
combats  d*aujourd'hui  un  particulier  n'a  guäre  de  confiance  qu*en  la 
mtdiitude.  Mont.,  Consid.  2.  Leur  confiance  mutuelle  en  la  bonte'  Ce- 
leste, Corinne  VIII,  1.  II  croit  en  la  sagesse,  en  la  prudence  du  gou- 
vemement.  La  France,  30.  Juli  1882.  La  p^roraison  de  M.  de  Frey- 
cinet  est  un  appel  ä  la  confiance  de  la  Chambre  en  la  sincerite  du 
cabinet,  en  sa  prudence.  Le  XIX«  Siäcle  1882,  31.  Juli.  Expert  en  la 
maiitre.  Le  Temps,  21.  Dez.  1883.  (Le)  gardien,  en  la  place  duquel 
ils  voulaient  installer  un  homme  de  leur  choix.  R.  crit.  1883,  n,  p.  202. 
Trois  manuscrits  qui  se  trouvent  Tun  ä  la  Bibliothäque  nationale,  le 
second  k  la  bibliothäque  du  British  Museum  et  le  troisieme  en  la  pos- 
Session  de  M.  A.  d'Abbadie.    R.  crit.  1884,  I,  p.  4. 


MszeUen.  177 

Immerhin  ist  en  vor  beat.  Artikel  ziemlich  selten  und  ganz  un- 
gebräuchlich unmittelbar  vor  le  und  les.  Andererseits  führt  Plattner 
en  totis  les  cas,  en  ioutes  les  langues  an,  und  häufig  sind  bekanntlich 
Ausdrücke  wie  en  ce  Heu,^)  en  son  joouvoir,  in  denen  das  Pronomen  eine 
ähnliche  Bestimmung  wie  der  Artikel  bildet.  Also  auch  das  Sein  in 
bestimmten  Grenzen  kann  noch  jetzt  durch  et^,  ebenso  wie  durch  dans, 
bezeichnet  werden;  und  wenn  en  -]-  le  oder  les  sich  nicht  findet,  so 
erhebt  sich  die  Frage,  weshalb  die  Sprache  diese  Formen  nicht  an- 
gewendet. En  -\-  le  stellte  sich  im  16.  Jahrh.  noch  als  ou  dar,  aus 
älterem  el,  wie  en  +  les  zu  es  verschmolzen  war.  Ou  konnte  sich 
neben  au  aus  a  -{•  le  nicht  halten,  und  wohl  im  Zusammenhang  damit 
wurde  auch  es  bis  auf  den  bekannten  erstarrten  Überrest  aufgegeben. 
Zum  Teil  bestand  en  +  le  in  der  Form  au  fort.  Chassang  (Nouv.  Gr., 
p.  434)  führt  mehrere  Beispiele  davon  aus  dem  17.  Jahrh.  an.  So 
findet  sich  bei  Corneille:  S'tl  ne  revivait  pas  au  prince  Nicomede.  Die 
entsprechende  Vertretung  des  en  -f  les  durch  aux  zeigen  Beispiele 
wie  Changeant  leur  frile  enduit  aux  marbres  les  plus  durs  (La  Font.), 
Tant  d^espoir  tCenire  pas  aux  cosurs  des  malheuretix  (Cr^billon),  beide 
bei  Chassang.^)  Der  Gebrauch  des  en  vor  f  und  la  wurde  natürlich 
von  diesem  Übergange  zunächst  nicht  berührt.  Daher:  Leur  felicite 
ftii  changde  en  la  triste  consolation  de  se  faire  des  compagnons  dans 
leur  misere,  et  leurs  bienheureux  exercices  au  miserable  emploi  de  tenter 
les  hommes,  (Bossuet,  bei  Chass.,  p.  444.)  Es  ist  aber  begreiflich,  dass 
die  bei  le,  les  eingetretene  Beschränkung  der  Ausdrucksformen  all- 
mählich fortwirkte,  sodass  en  vor  V  und  la  jetzt  zwar  noch  nicht  ver- 
altet, aber  altertümlich  ist. 

JDe  qui  ftls  Attribut  eines  Yorang^henden  Snbst. 

grilt  manchen  Grammatikern  (Mätzner,  Holder,  Lücking,  Plattner)  für 

fanz  oder  fast  ungebräuchlich.  Chassang  und  Ayer  lassen  de  qui  in 
ezug  auf  Personennamen  zu,  und  wohl  mit  Becht;  es  behauptet  sich 
in  der  That  noch  im  gegenwärtigen  Sprachgebrauch  neben  dem  üb- 
licheren duqueL 

Dieu,  pour  la  gloire  de  mii  vous  avez  d^jä  fait  tant  de  choses. 
Chat.,  Atala.  Vn  dient  trös  ricne  et  tres  moral,  aupres  de  qui  tu  vas 
me  faire  du  tort.  Scribe,  Une  Chaine  I,  4.  Un  juge  aux  yeux  de  qui 
se  rflövent  bien  des  d^fauts  cachös.  Legouv^,  L  art  de  la  1.^^,  p.  98. 
L^homme  ä  cotä  de  qui  eile  vivait  depuis  dix-ans.  N.  Roumest.,  p.  6. 
Ce  sont  lä  les  honnStes  femmes,  Celles  en  faveur  de  qui  Ton  invoqne 
le  noeud  sacr^.  J.  A.  Pons,  Zschr.  f.  nfrz.  »pr.  u.  Litt.  1881.  11  peut 
s'en  trouver  quelques -uns  d'un  z^le  intemp^rant,  des  mains  de  qui  les 
remontrances  et  les  blämes  tombent  dru  comme  gr^le.  Le  XIX«  Siäcle, 
27.  Aug.  1882. 

Inversion  naoli  auasi,  encore,  au  nuAna,  en  vain  nnd 

fthnliclLen  Adverbien. 

Lücking  gibt  über  die  Stellung  des  Subjekts  nach  den  genann- 


^)  VgL  Je  me  ber^ais  dans  ma  t3te  tTaller  fapprendre  bientot  en 
ce  Paris  ou  seuiement  on  le  savait,    S'e-Beuve,  bei  Holder,  S.  228. 

^)  Dahin  gehört  im  jetzigen  Franz.  u.  a.  der  Wechsel,  auf  wel- 
chen Plattner  (Schulgr.  S.  148)  aufmerksam  macht:  En  mon  nom,  da- 
gegen au  nom  de  mes  amis;  ü  tomba  en  leur  pouvoir,  dagegen  tomber 
au  pouvoir  d^un  ennemi. 

Zschr.  f.  nfrc.  Spr.  u.  Litt.     VIS.  ^2 


178  MiszeUen, 

ten  Adverbien,  den  Nebenformen  du  moifis  und  vainemeni,  femer  noch 
peui'iire,  ä  peine  u.  e.  a.  folgende  Regel :  „Nach  .  .  .  steht  gewöhnlich 
ein  tonloses  Subjekt  nach  der  Determinante  und  ein  betontes  als  ab- 
solutes Satzglied,  welches  durch  ein  tonloses  Personalpronomen  (nach 
der  Determinante)  aufgenommen  wird".  Ähnlich  Plattner  („Die  In- 
version des  Subjekts  &idet  in  der  Regel  statt"),  der  übrigens  noch 
einige  Fälle  hinzufügt.  Richtiger  scheint  hier  die  FonnuKerung,  welche 
Holder  gibt:  dieser  spricht  nur  von  einer  Möglichkeit  solcher  Stellung. 
Häufig  genug  findet  man  die  regelmässige  Wortstellung,  vielleicht  aber 
in  verschiedenem  Masse  nach  den  einzelnen  Adverbien.  So  habe  ich 
sie  sehr  oft  nach  attssi,  nur  sehr  selten  nach  peut-Hre  und  ä  peine  ge- 
funden.  Vielleicht  sind  andere  im  Stande,  die  folgende  Zusammen- 
stellung zu  vervollständigen. 

Nach  aussi  (aussi  bienj. 

Le  temps  nous  paratt  long.  —  A  moi ...  de  mSme  .  .  .  Aussi, 
vouB  le  voyez.  Je  me  suis  aiT^e  chez  vous  en  allant  au  chäteau  de 
Trämazan.  Les  doigts  de  fäe  I,  6.  Elle  vous  impatienterait  bien,  et 
moi  tout  autant,  si  son  service  la  tenait  plus  pr^s  de  moi.  Aussi  je 
ne  vous  la  propose  pas.  Corresp.  de  G.  Sand  I,  p  37.  L*enseignement 
.  .  .  dut  des  lors  se  renfermer  dans  les  g^n^ralit^s  de  la  philosophie  et 
de  rhistoire  politique  ou  litt^raire  .  .  .  aussi  on  en  vint  bientöt  ä  con- 
siddrer  les  chaires  de  facult^  comme  un  lieu  de  repos.  R.  crit.  1876, 
n,  p.  233.  Avec  son  livre  on  ne  saurait,  par  exemple,  6tre  embar- 
rass^  Bur  la  mani^re  de  construire  une  phrase  .  .  .  Aussi  je  ne  douie 
pas  que  le  manuel  de  M.  S.  Broberg  ne  rende  de  grands  Services. 
R.  crit.  1883,  I,  p.  273.  L'analyse  et  Tdtude  du  „Corbaccio",  de  la 
„Vie  de  Dante"  et  des  „6glogues"  qui  le  remplissent  suffisent  pour  ex- 
pliquer  cette  importance;  aussi  on  ne  doii  pas  iire  trop  surpris  que 
M.  A.-T.  ait  ajout^  185  pages  de  commentaires  et  de  notes  aux  13 
pages  du  texte,  ebd.  p.  367.  L'accent  tonique  ayant  en  fran9ais  une 
place  invariable,  Vemploi  de  ces  signes  pour  noter  la  place  de  l'ac- 
Cent  est  au  moins  superflu.  Aussi  ce  rCest  pas  dans  ce  but  que  nous 
en  faisons  usage.  Ayer,  Gr.  comp.®,  p.  24,  —  Atissi  bien  ü  rCen  fera 
rien.    Ac. 

J'ai  sur  tout  9a  des  id^es  qui  ne  ressemblent  pas  ä  Celles  des 
autres.  Atissi  mon  sang  toume  quand  je  vois  des  hommes  comme  votre 
baron.  Souv.  Sous  la  tonnelle  (Velh.  &  Klas.,  p.  45  —  46).  Voilä  dans 
quel  milieu  äclata  la  Marseillaise.  Ce  d^vouement,  ce  d^sint^resse- 
ment,  cette  grandeur  d*äme,  ce  courage,  ce  patriotisme  qui  ^taient 
dans  tous  les  coeurs,  ses  accents  inspir^s  traduisaient  tout  cela  Aussi 
ckacun  se  reconnut  en  eile.  Le  Temps,  25.  Juli  1882.  D^s  le  d^ut 
j*ai  parlä  si  haut  et  si  fort  ...  —  Que  tu  peux  mßme  dire  que  tu  as 
cri^!  ^f^^',  au  bout  d*un  quart  d'heure,  iavoix  s'est  eraälee,  Legouv^, 
L'art  de  la  1.^^,  p.  82.  Tout  cela  m'^tait  refus^,  aussi  le  decourage- 
meni  et  le  de'sespoir  avaient  promptement  succädä  ä  mes  folles  illusions. 
Scribe,  üne  Chalne  I,  4.  De  pareilles  mesures  n'^taient  pas  süffi- 
santes .  .  . ;  aussi  Cassetnblee  iCen  fui  ni  satistaite,  ni  rassurde.  Mignet, 
Hist.  de  la  R.  I.  Cette  mädiation  devait  ^tre  sans  r^sultat,  puisque 
la  noblesse  ne  voulait  point  le  vote  par  t^te,  ni  les  communes  le  vote 
par  ordre.  Aussi  les  Conferences  conciliatoires  .  .  .  furent  rompties  par 
la  noblesse.  ebd.  —  Les  biographies  de  Sophocle  et  d'Eunpide  . . . 
abondent  en  inexactitudes  que  nous  ne  releverons  pas;  aussi  bien,  ces 
chapitres-lä  se  deiachent  ais^ment  de  Tensemble.  R.  crit.  1883,  I,  p.  441. 
M.  J.  ne  s'arrSte   ni  ä  Diocl^tien  ni  ä  Thäodose:  aussi  bien  ces  deux 


Miszellen.  179 

regnes  ne  mairjuent  lien  de  nouveau  pour  Thistoire  du  developpement 
intärieur  de  la  plupart  des  provinces.    ebd.  U,  p.  66. 

Nach  au  moins,  du  moins. 

Mais  au  moins  ou  senitdl  que  ce  nMtait  pas  la  soci^tä.  Corinue 
III,  1.  Au  moins,  Monsieur,  vous  ponrrez  Cf'oire  que  tout  le  monde  ici 
ne  vous  halt  pas.  W^^  de  la  Seigl.,  t.  Ü,  Sc.  9.  —  Du  moins.  Je  serais 
le  seid  ä  piain dre.  Scribe  et  de  Rougem.:  Av. ,  Pend.  et  Apr.  I,  11. 
M.  Bellac  .  .  .  va  venir  s'installer  ici  pour  quelque  temps;  du  moins  on 
Ves'pere.  Pailleron,  Le  monde  oü  Ton  s'e.  I,  8.  S'il  n*est  pas  fort 
riebe,  du  moins  ü  a  d€  quoi  vivre  honnetement.  Ac.  Vgl.  bei  Holder 
S.  319:  Qu'ils  lisent  cet  ouvrage:  peut-Hre  y  renconireront-ils  quelque 
cbose,  ou  du  moins,  ils  rCy  perdront  pas  beaucoup.    Pasc. 

Mais  du  moins,  le  tableau  qui  passe  sous  nos  yeux  est  variä,  s'il 
n'est  pas  attrayant.  R.  crit.  187j6,  II,  p.  366.  Du  moins  les  depiches 
de  Constantinople  nous  annonceni  que  le  conseil  des  ministres  continue 
ä  ddlib^rer  sur  sa  teneur.    Le  Temps,  1.  Sept.  1882. 

Nach  en  vain,  vainemeni. 

En  vain  . .  .  je  loasse  mes  jours  et  mes  nuits  dans  des  travaux 
assidus.  La  Oamaradibie  I,  4.  Vainement  fai  voulu  r^sister  au  cbarme 
qui  m'envabissait.    W^^  de  la  Seigl.    A.  III,  Sc.  7. 

En  vain  dans  nos  champs  cultiv^s  rimaginaiion  cherche  a  s'^- 
tendre.  Chat.,  Genie  du  Chr.  I,  5,  13.  Fainement  notre  precepteur  nous 
emmenait  ä  Tätude.  P.  de  Musset,  Biogr.  de  A.  de  Muss.,  p.  37.  Vaine- 
ment M,  de  Marcere  s*est  efforce  de  montrer  combien  il  ätait  Strange 
et  dangereux  de  tout  confondre.    E.  d.  d.  M.  1883. 

Nach  encore. 

Et  encore  je  suis  jeune  maintenant.  Les  doigts  de  f^e  II,  7. 
Vgl.  bei  Holder  a.  a.  0.:  Sur  six  mille  ämes  nous  ne  comptons  qu'un 
bon  manage  qui  soit  authentique;  encore  ce  soni  des  Picards.    Delav. 

Cette  bibliographie  .  .  .  ne  comprend  pas  moins  de  1177  numl^ros; 
et  encore  la  bibliographie  concernant  la  plupart  des  pays  d*Europe  les 
mieux  connus  a  e'te  laisse'e  de  cöt^.    R.  crit.  1883,  H,  p.  92. 

Nach  peut'itre. 

Bei  Holder  a.  a.  0.:  Peul-^tre  Je  devrais,  plus  humble  en  ma 
mis^re,  Me  souvenir  du  moins  que  je  parle  ä  son  fröre.  Rac.  Peut- 
Hre  on  voudra  d*un  C^sar.    V.  Hugo,  bei  Mätzner,  Synt.  II,  p.  271. 

Pent'Hre  alors  les  conclusions  de  M.  AUain  auraient  e'te,  sinon 
changdes  du  tout  au  tout,  au  moins  modifi^es.  R.  crit.  1884,  I,  p.  28. 
Peut-Hre  tm  homm^  plus  sage  que  moi  serait  embarrasse  de  däcider. 
Montesq.,  bei  Holder  a.  a.  0. 

Nach  ä  peine. 

Das  Beispiel  aus  Racine's  Phedre  ist  bekannt.  Ein  anderes  gibt 
Mätzner  a.  a.  0.:  A  peine  je  la  quitie  Que  . .  .  Delav.  A  peine  ils  y 
etaient  entres,  Cromwell  apostropha  rudement  le  colonel.  Bei  Lücking, 
S.  220.  Peui-Hre  il  obtiendra  la  gu^rison  commune  (La  F.  VII,  1).  Bei 
Ayer,  Gr.  c.*,  p.  481. 

A  peine  un  demi-siecle  s*dtait  ecouU  qu'Agrippine  vint  ^taler  aux 
in§mes  lieux  les  fun^railles  de  Germanicus.  Chat.,  Itin.  (Velh.  &  Klas. 
I,  p.  19).  A  peine  rempereur  Othon  e'tait  retoume  en  Allemagne,  que 
les  Romains  voulurent  §tre  libres.    Volt.,  bei  Holder  a.  a.  0. 

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Miszeüen.  '     181 

France,  6.  Sept.  1882.  Sogar:  Les  musiciens  .  .  .  s*ammaient  ä  mieux 
faire  senUr  le  g^nie  de  leur  art.  Corinne  VI,  1.  Pour-  bien  vous  faire 
comprendre  T^tat  de  la  question.  Ac.  j^fin  sans  doute  d^  mieux  faire 
resso7*iir  ce  qu'a  de  special  etc.  R.  d.  d.  M.  Vgl.  Ce  räcit  qui  nous  a 
tani  faxt  pleurer,  ebd.  (Daneben:  Lucile  prit  Juliette  dans  ses  braspour 
Im  faire  mieux  voir  le  tableau.  Corinne  XIX,  6.  Nul  ouvrage  ne  sau- 
raii  faire  mieux  connattre  quelles  furent  les  conceptions  poutiques  et 
sociales  de  Voltaire.  R.  crit.  1888,  II,  p.  207.)  Weitere  Beispiele  bei 
Holder  S.  316. 

Wie  durch  Adverbien,  so  wird  der  nachfolgende  Infinitiv  auch 
durch  adverbial  gebrauchte  Substantive,  denen  eine  Präposition 
vorangehen  kann,  bestimmt;  doch  findet  sich  diese  Stellung  gegen- 
wärtig selten  anders  als  beim  reinen  Infin.:  niemals  steht  in  der  heu- 
tigen Prosa  ein  Substantiv  zwischen  Präp.  und  Inf.,  wohl  aber  zuweilen 
vor  der  Pr'äp.  (Freier  war  der  alt-  und  mittelfranzösische  Gebrauch; 
s.  Mätzner,  Syht.  II,  S.  314—15.) 

Les  Romains  mSmes  pouvaient,  dans  des  laraires  ou  des  iemvles 
pariiculiers ,  rendre  des  honneurs  divins  ä  leurs  ancßtres.  Mont.,  Con- 
sid.  12.  Cet  Oc^an,  du  sein  de  qui  devaieni  un  jour,  par  un  muluel 
eckange  et  des  phases  conlraires,  soriir  pour  tous  les  deux  l'opulence, 
la  libertö,  la  civilisation.  Salvandy,  in  Lüdeking's  Lesebuch  II.  Nul 
ne  sut  avec  plus  d'habüete  s'emparer  du  fait.  R.  d.  d.  M.  1881.  Des 
hommes  pröchent  chaque  jour  la  vertu,  et  ne  laissent  pas,  chaque  jour, 
de  s^en  ecarier.    Boiste,  bei  Mätzner,  Synt.  11,  S.  313. 

Adverbien  zwischen  dem  Verbnm  nnd  den  Ergänznngswörtern 

der  Negation. 

Besprochen  ist  diese  Erscheinung  von  Mätzner  (Synt.  II,  S.  882, 
Gr.,.  S.  628),  Holder  (S.  289),  Lücking  (S.  316),  Ayer  (Gr.  comp.», 
p.  885  —  86).  Sie  lässt  sich  aber  in  betarächtlich  weiterem  Umfang  be- 
obachten, als  es  nach  jenen  Angaben  scheinen  möchte.  Es  wird  daher 
nicht  überflüssig  sein,  ihre  weitere  Ausdehnung  mit  einer  Reihe  von 
Beispielen  zu  belegen. 

•  La  Porte  n'a  absolument  pas  une  piastre.  Le  XIXe  Si^cle,  29. 
Juli  1882.  De  grands  principes,  qui  ne  soni  heureusement  pas  menacäs. 
Le  Temps,  9.  Sept.  1882.  Ils  n'y  meiteni  parfois  pas  plus  de  diversitö 
ou  d'initiative.  R.  crit.  1876,  11,  p.  232.  Ils  fConi  pour  ainsi  dire  pas 
modifi^  l'opinion  ^tablie.  R.  bist.  1881.  li  ne  se  donne  ordinairement 
pas  la  peine  de  convertir  les  mesures  romaines.  R.  crit.  1883, 1,  p.  241. 
Cette  immense  affliction  n'avait  reellemeni  pas  de  raison  d*§tre.  FeuiUet, 
Le  Village,  Sc.  5.  Ses  explications  ne  permireni  bieniot  plus  de  se 
tromper  sur  sa  v^ritable  position.  Souv.,  Au  c.  d.  f.,  V.  M.  L.  n*en 
sait  lä'dessus  pas  plus  que  personne.    R.  crit.  1884,  I,  p.  74. 

Dieselben  Adverbien  erscheinen  vor  und  nach  dem  Ergänzungs- 
wort: 

Toute  trace  n'en  est  encore  pas  effacöe.  R.  d.  d.  M.  1881  (selten). 
Ils  rCetait  pas  encore  venu.  Ac.  —  I\  ne  sait  dejä  plus  ce  que  vous 
etes  venu  iPaire  ici.  M"«  de  la  Seigl.,  A.  III,  Sc.  5.  Il  n'y  narait  plus 
dejä.  Feuillet,  Le  Vill.,  Sc.  5.  —  Moi  qui  n*y  pensais  sememeni  pas, 
La  Gamaraderie  U,  8.  Cet  homme,  que  Ton  msait  mort,  n'a  pas  seule- 
ment  ^t6  malade.  Ac.  —  G'est  une  difficultd  sans  doute,  mais  ce  n*est 
assure'ment  pas  une  impossibilitä.  Bei  Lücking  a.  a.  0.  Nous  ne  nierons 
pas  assurement  que  le  spectacle  de  la  Grece  puisse  ötre  utile  pour  Tin- 
telligence  de  quelques -uns  de  ses  mythes.    R.  crit.  1876,  II,  p.  55.  — 


182  Miszeüen. 


ün  de  ces  traits  .  . .  que  La  Rochefoucauld  , , .  ne  voulaii  sans  doute 
pas  faire  paraitre  dans  sa  premiere  Edition.  R.  crit.  1883,  II,  p.  392. 
Ils  n'eiaieni  pas  sans  doute  ce  que,  sous  Tancienne  monarchie,  on  eüt 
appel^  des  grands  seigneurs.  Bei  Lücking  a.  a.  0.  —  Les  grandes  et 
les  petites  d^clamations  .  .  .  ne  proviennent  e'videmmetii  pas  de  la  mSme 
tradition.  R.  crit.  1883,  II,  p.  887.  Son  ouvrage  n*esi  pas  e'videmment 
destinä  au  grand  pubKc.  R.  crit.  1884,  I,  p.  52.  —  Ce  n'est  pourtant 
pas  qu*il  faille  ddsesp^rer.  Ac.  Tout  cela  n'empSche  pas  pourtant  que 
la  renaissance  de  TOrient  chr^tien  ne  soit  Toeuvre  du  peuple  de  Rourik, 
Bei  Lücking,  S.  412. 

Negation  im  Nebensatz  nach  verneinter  Steig'ernng. 

Wann  nach  verneinendem  Hauptsatz,  der  einen  Komparativ  ent- 
hält, ne  einzutreten  habe,  wann  nicht:  darüber  ist  die  Lehre  der  Gram- 
matiker bekanntlich  sehr  bestimmt.  Auch  Plattner  und  Lücking  haben 
sich  mit  der  üblichen  Unterscheidung  begnügt,  und  man  darf  sie  nicht 
darum  tadeln,  da  beide  ihre  Bücher  für  den  Schulgebrauch  verfasst 
haben.  Wohl  aber  ist  die  Frage  gestattet,  ob  denn  der  Sprachgebrauch 
wirklich  die  Theorie  rechtfertigt,  und  ob  nicht  die  Sache  im  Anschluss 
an  die  gründliche  Behandlung  derselben  bei  Mätzner  (Synt.  I,  S.  400) 
und  Holder  (S.  442)  auf  Grund  ausgedehnter  Beobachtung  des  Sprach- 
gebrauchs sicherer  festgestellt  werden  muss.  Einen  kleinen  Beitrag 
hierzu  will  das  Folgende  liefern,  das  zunächst  die  augefährten  Dar- 
legungen von  Mätzner  und  Holder  kurz  zusammenfasst,  dann  einige 
eigene  Beobachtungen  hinzufügt. 

Sobald  die  Steigerung  verneint  ist,  ist  eine  zwiefache  Möglich- 
keit gegeben: 

I.  Durch  die  Verneinung  des  höheren  Grades  bei  dem  ersten 
Gliede  fällt  der  Grund  für  den  Ausdruck  des  geringeren  Grades  bei 
dem  zweiten  Gliede  hinweg:  ne  fehlt.  —  Gleichwohl  findet  sich  häufig 
die  Negation  im  Nebensatz,  unabhängig  von  diesem  grammatischen 
Verhältnis,  weil  man,  zwar  nicht  den  gleichen  Grad  für  den  Inhalt  des 
Nebensatzes,  aber  das  Vorhandensein  desselben  in  irgend  welchem  zu 
verneinen  thatsächlich  Ursache  hat  Es  tritt  also  das  sachliche 
Verhältnis  der  Form  gegenüber.  Zuweilen  überwiegt  die  grammatische 
Form,  und  ne  bleibt  weg  (Beispiele  bei  M.  und  H.) ;  meistens  das  sach- 
liche Verhältnis.  Zu  den  hierdurch  herbeigeführten  zahlreichen  Fällen 
des  ne  gesellen  sich  nun  aber  andere,  denn 

IL  kann  die  Sprache  in  einer,  wenn  man  will,  unlogischen  Weise 
den  Komparativsatz  nach  verneinendem  Hauptsatz  dem  nach  bejahen- 
dem Hauptsatz  gleichstellen  und,  wie  in  dem  letzteren,  so  auch  in  dem 
ersteren  ne  anwenden,  in  Fällen,  wo  dasselbe  durch  den  besprochenen 
sachlichen  Gesichtspunkt  nicht  herbeigeführt  werden  kann.  So  findet 
sich  bei  M^e  de  S^vign^  II  est  impossible  de  s'Stre  plus  distingue  qu*ü 
a  faxt  (Chassang,  p.  428)  neben  Cependant  vous  nCavez  fait  une  re'ponse, 
et  on  ne  peut  avoir  ete  mieux  perdue,  qa'elle  ne  Va  ete  (Mätzner  a.  a.  0). 
Holder  gibt  sechs  weitere  Beispiele  aus  verschiedenen  Schriftstellern 
des  17.  und  des  19.  Jahrh.    Dazu  nehme  man  folgende: 

Une  petite  ville  du  Nord  .  ,  ,ne  peut  itre  autrement  qu'eüe  n'est. 
Corinne  XIV,  2.  Ils  ne  souleveraient  pas  la  pierre  qui  les  couvre  avec 
plus  d^impatience  que  je  n'en  eprouvais  pour  ^Carter  de  moi  tous  mes 
unceuls.  ebd.  3.  M.  Ad.  R^gnier  .  .  .  ne  pouvait  s*adresser  mieux  qu'ü 
ne  la  fait,  R.  crit.  1888,  I,  p.  106.  //  n*y  avait  pas  moyen  de  faire 
cette  guerre  autrement  q%Con  ne  Va  faite.  ebd.,  p.  290.  Nous  n'avons 
guere  moins  de  peine  aujourd'hui  ä  d^couvrir  les  particularit^s  de  leur 


Miszellen.  183 

vie  qu^ils  rCen  onl  eu  ä  ouvrir  de  nouvelles  voies  ä  travers  les  mers 
inconnues.  R.  crit.  1883,  II,  p.  88.  //  n*est  guere  poss^le  de  creuser 
ces  questions  d^licates  avec  nne  methode  plus  rigowreuse  que  ne  ta  faii 
M.  Ritter,  ebd.,  p.  885.  Le  cadre  d'une  pareille  recherche  ätait  presque 
donn^  d'avance,  mais  ü  e'iait  difficile  de  le  mieux  remplir  qute  Tauieur 
ne  Va  fait.    R.  crit.  1884,  I,  p.  107. 

Diese  Fälle  sind  zu  zahlreich,  als  dass  man  sie  als  Ausnahmen 
betrachten  könnte;  es  ist  vielmehr  anzuerkennen,  dass  die  Sprache 
z.  T.  den  Unterschied  zwischen  bejahendem  und  verneinendem  Haupt- 
satz hinsichtlich  der  Einwirkung  auf  den  Komparativsatz  vernach- 
lässigt: ein  Vorgang,  der,  nach  Mätzner's  Urteil,  schon  an  sich  nicht 
unnatürlich,  durch  das  häufige  Vorkommen  des  ne  aus  anderem  Grunde 
wesentlich  liefördert  werden  musste.  Bis  zu  welchem  Grade  diese  Aus- 
gleichung bereits  stattgefunden  hat,  das  bleibt  noch  festzustellen. 

R.  Meter. 


Les  Parisismes  de  M.  Villate.*)  Rien  n'est  plus  louable  que 
la  conscience  et  la  bonne  foi  apport^es  en  AUemagne  dans  tout  ce  qui 
regarde  Tinstruction,  Malheureusement  Texces  meme  de  cette  bonne 
foi  la  rend  plus  faite  ä  surprendre.  C'est  l'impression  que  laissent 
ces  Parisismes  ou  Argot  parisien:  deux  synonymes  aussi  exacts  que 
GaUicismes  ou  Argot  frangais. 

II  serait  oiseux  de  s'arr§ter  ä  l'dpigraphe  et  ä  la  pr^face,  qui 
^tabliraient  la  raison  d*§tre  du  livre,  si  Ton  pouvait  bätir  une  th^orie 
sur  des  boutades  et  des  paradoxes.  Ce  livre,  dit  Vauteur,  n'est  pas 
^crit  pour  les  jeunes  gens.  Non,  certes,  il  est  fait  pour  ßtre  soigneuse- 
ment  serr^,  quand  il  y  a  femme  et  enfants  dans  la  maison. 

Pourquoi  d'abord  ce  titre  de  Pa?isismes,  puisque,  sur  le  nombre 
de  locutions  que  renferme  Touvrage,  il  n'y  en  a  pas  une  centaine  de 
speciales  ä  Paris?  Une  grande  partie  sont  de  bonne  langue  courante, 
p.  ex.  baguenaudej\  avoir  la  main,  dessale'e,  mdas,  flandrin,  fendani, 
lampas,  cracher  svr  qn  ou  qc,  courir  le  guiltedon,  coüter  les  yeux  de 
la  Ute,  croque,  dare  dare,  de'couvrir  S^-IHerre  pour  cotivrir  S^-Patd,  ä 
la  diable,  au  diable  au  vert,  jeter  un  froid,  se  couper  etc.  Si  VAcadämie, 
toujours  en  retard  d'un  demi-siöcle  sur  la  langue,  n*a  pas  encore  accordö 
Testampille  ä  teile  ou  teile  de  ces  expressions,  elles  n'en  figurent  pas 
moins  depuis  longtemps  dans  les  oeuvres  m§mes  de  ses  membres,  et 
dans  les  dictionnaires  assez  autoris^s  pour  pr^parer  et  devancer  la  d^- 
cision  de  cette  compagnie. 

Le  vrai  argot,  le  fonds  du  livre,  en  justifie  tout  aussi  peu  le 
titre.  CMCy  larbin,  potin,  potache,  postiUon,  panne\  pantre,  scie,  fourhi, 
Mcher,  remporter  une  veste,  piquer  un  chien  ou  un  renard,  ou  une  to- 
mate,  ou  un  sqleil,  ou  un  latus  etc.  —  je  prends  au  hasard  —  tout  cela 
n'est  pas  plus  particulier  ä  Paris,  qu'ä  Bergerac  ou  ä  Pont-ä-Mousson. 
Escarper,  refroidii\  hussard  ae  la  auülotine,  abbaye  de  monte  ä  regret 
etc.  seront  certainement  connus  dans  toutes  les  maisons  de  force; 
comme  d'autres  choses,  qui  ne  peuvent  se  citer  ici,  s'entendront  en 
France  dans  tous  les  Etablissements  d'une  certaine  sorte.    Si,  par  le 


*)  Vgl.  oben  S.  38  ff.  Wir  hoffen,  dass  auch  die  folgende  Be- 
trachtung des  ViUatte'schen  Buches  von  Seiten  eines  Franzosen  für 
unsere  Leser  nicht  ohne  Interesse  sein  werde.  D.  Red. 


184  MiszeUen. 

vocable  Parisismes,  on  a  voiüu  dire  que  la  plupart  de  ces  termes  doi- 
vent  leur  origine  ou  leur  sanction  ä.  Paris,  autant  substituer  pour  la 
langue  räguliöre  parisien  ä  fran^ais,  puisque  Paris,  devenu  successive- 
ment  centre  politique  et  centre  intellectuel  du  pays,  est  depuis  long- 
temps  en  possession  de  faire  et  de  d^faire  la  langue  et  les  gouveme- 
ments. 

D'autres  parisismes  sont  de  pures  mystifioations.  Floqaer  (du 
nom  d*nn  homme  politique)  signifierait  oublier  ses  engagements  — 
comme  lui!  Et  faignant  ou  feiffnant  pour  fain^ant,  comme  qui  dirait 
en  allemand  Bmoihek  au  Heu  de  Bibliothek ^  Jptheker  &n  Heu  de  Jpo- 
theker!  Pourqoi  pas  aussi  colidor  pour  corridor,  mouchechoir  pour  moa- 
choir,  s'ostiner  pour  s'obstiner,  vesquer  pour  vexer,  etc. 

Discuter  au  surplus  le  procdd^  de  l'auteur,  les  raisons  qui,  ä 
malpropret^  ^gale,  lui  ont  fait  prendre  ceci  et  laisser  cela,  appr^cier 
la  valeur  de  ses  sources  et  le  parti  qu'il  en  a  tir^,  relever  les  lacunes, 
les  inexactitudes  de  traduction,  le  manque  ou  Tinsuffisance  des  expH- 
cations,  c'est  besogne  impossible  dans  ce  Journal. 

Et  que  revient-il  au  bout  de  compte  de  ce  genre  d'^tude?  Y 
apprend-on  au  moins  un  argot  sür  et  durable?  Ce  n'est  pas  possible. 
Ces  expr^ssions,  n^es  d'une  actuaHt^  quelconque,  d'une  cbanson,  d'une 
plaisanterie  de  rue,  d'une  fantaisie  qui  s'accepte  ou  s^impose,  vivant 
en  g^n^ral  aussi  longtemps  que  la  circonstance  qui  les  a  fait  nattre 
—  ou  se  transforment  avec  une  teile  rapidit^  que,  sauf  de  rares  ex- 
ceptions,  le  lexicographe  qui  a  cru  les  saisir  au  passage  voit  son  oeuvre 
d^mod^e  avant  d'Stre  finie.  P.  ex.  ce  qui  s'appelait  autrefois  un  petit 
mmtre,  puis  un  misscadin,  un  incroyable,  puis  un  beau,  puls  un  gandm, 
puis  un  dandy,  puis  un  lion,  puis  un  tigre,  puis  un  petit  creve,  puis  un 
peiit  aras,  puis  un  boudine',  puis  un  gommeux,  puis  un  poissetcx^  s'appe- 
lait  il  y  a  quelques  mois  un  pschutteux,  „II  se  fait  plus  de  tropes  ä 
la  Halle  en  un  jour  qu'ä  TAcademie  en  un  an^,  disait  Duniarsais,  et 
Celles  d'hier  ne  sont  d^jä  plus  Celles  d'aujourd'hui  qui  seront  d^jä  rem- 
plac^es  demain.  Que  sert  donc  ä  un  ^tranger  de  distraire  de  Tdtude 
d^jk  assez  longue  de  la  bonne  langue  un  temps  pr^cieux  pour  s'em- 
barrasser  la  t§te  de  formules  qui  le  laiss'eront  en  cbemin  ä*  tout  mo- 
ment?  Qu'il  essaie  par  ex.,  ä.  Taide  de  ces  Parisismes,  de  traduire,  non 
pas  'La  Cipe  cass^e*,  mais  r*Assommoir*  ou  la  'Chanson  des  Gueux'  ou 
les  'Deux  Papas  träs-bien',  cette  joHe  com^die  de  Labiche  pr^cis^ment 
contre  les  parleurs  d'argot.    II  verra. 

Et  poss^dät-on  nieme  les  deux  ou  trois  cents  termes  les  plus 
^lYOuables,  qu'on  ne  croie  pas  avoir  surpris  le  secret  du  beau  langage 
de  Paris  ou  de  France,  ou  du  moins  l'^lägant  sans-gSne,  les  heureuses 
n^gHgences  d'expressions  que  se  permettent  les  honnötes  gens.  Non, 
la  bonne  soci^tä  ne  parle  pas  ainsi:  quiconque  Ta  approch^e  le  sait. 
Les  bob^mes,  les  ddbraiU^s  du  boulevard  et  des  caf^s  chantants,  les 
cacographcs  de  la  petite  presse  etc.  s'en  servent  parfois.  Si,  par  le 
fait  d'un  contact  quelconque  avec  ce  monde,  qui  n*est  pas  le  monde 
parisien,  quelque  cbose  de  sä  phras^ologie  s'^gare  dans  la  langue,  ce 
n'a  jamais  ^i€  pris  au  s^rieux  —  II  n*y  a  pas  ä.  s'occuper  ici  des  can- 
didats  ä  Noum^a  et  de  leurs  compagnes,  pour  qui  semble  ^crite  une 
notable  partie  du  Hyre  —  Les  bonn^tes  gens  connaissent  ces  termes, 
simplement  parce  que  dans  la  rue  on  ne  peut  pas  toujours  ne  pas 
entendre.  Et  Ton .  veut  traduire  cela  pour  l'^tranger !  Mais  une  tra- 
duction bien  adäquate,  et  conservant  Todeur  et  la  saveur  de  la  chose, 
lui  serait  souvent  inintelHgible,  ou  lui  soul^verait  le  cceur.  Et  que 
lui  importe  aprös  tout  la  vari^l^  des  expressions  dont  se  seryent  teUes 


Miszellen.  185 

classes  pour  rendre  tel  otibli  des  convenances  ou  la  pratique  de  tel 
vice  Beeret?  Et  quel  avantage  enfin  offre  cette  ^tude  que  la  possibilit^ 
de  parier  leur  langue  k  des  gens  qu'on  se  fait  en  gänäral  un  devoir 
d'^viter? 

Les  curieux,  qui,  parmi  les  productions  dans  la  littdrature  fran- 
caise,  choisiront  comme  objet  d'^tude  les  ^Combles*  du  Figaro  ou  les 
Charades  du  Journal  des  abrutis  ou  les  M^moires  de  Vidoeq  ou  les 
po^sies  bigornes  de  Lacenaire,  ou  tel  autre  chef  d'oeuvre  qui  attire  le 
flair  malheureux  de  l'^tranger,  ceux-lä  ont  les  ouvrages  sp^ciaux  de 
Delvau,  de  ßieaut,  de  Lor^dan  Larchey,  livres  honnßtes  en  ce  que  le 
titre  dit  franchement  le  contenu.  Le  frontispice  du  demier  repr^sente 
la  cömmission  du  dicfcionnaire:  un  chiffonnier,  un  cocher,  une  lavan- 
diere,  un  ganiin,  un  enfant  de  troupe,  un  b^h§me,  une  farceuse  lorgn^e 
par  un  jeune  faquin  dont  un  personnage  louche  flaire  le  yStement,  on 
voit  imm^diatement  oü  Ton  est. 

R^capitulons:  Deux  ou  trois  cents  excentricit^s  de  langage 
ayant  cours  en  France  et  qui  dans  un  siöcle  auront  peut-6tre  fourni 
ä  la  langue  une  dizaine  de  termes;  le  Jargon  des  plus  mauvais  lieux, 
triä  m6me  sans  souci  de  Timportance  relative  des  expressions,  et  inter- 
pr^t^  d'une  faQon  fort  contestable,  le  tout  grossi  d'une  multitude  de 
termes  honnßtes,  honteux  de  se  trouver  lä;  voilä.  ce  livre  dont  le  besoin 
se  faisaii  seniir  comme  celui  d'une  Edition  populaire  de  T Ärztin  ou 
d'un  Yade-mecum  ä  l'usage  des  farceurs  et  des  farceuses  que  leurs 
goüts  ou  leur  industrie  attirent  au  delä.  de  la  frontiäre.  Et  cela  s*ap- 
pelle  Parisismes.  Si,  pour  compl^ter  Touvrage,  on  oflfrait  au  pubHc 
fran9ais  sous  le  nom  de  BerUnismes  une  pareille  vidange  ramassäe 
dans  les  coins  honteux  de  Berlin,  qu'en  penserait  un  Allemand? 

II  n*est  pas  permis  de  d^shonorer  le  nom  d'une  ville,  en  lui  em- 
pruntant  un  titre  qui  facilite  la  vulgarisation  de  certaines  choses  faites 
pour  rester  enfouies  dans  les  ouvrages  sp^ciaux,  comme  certaines  cu- 
riosit^s  pathologiques  dans  ces  cabinets  d'anatomie  dont  la  police  ne 
permet  Tentr^e  qu'aux  hommes.  Ou,  du  moins,  que  la  marchandise 
re9oive  sa  vraie  dtiquette.  Qu'on  lieu  d'intituler  son  livre  Parisismeä, 
l'auteur  l'intitule:  Vocabulaire  fran^ais  -  aiiemand  de  la  mauvaise  com" 
pagnie,    Cela  ne  pechera  plus  que  par  un  peu  d'euphämisme. 

L.  Bebtband. 


Zum  Pariser  Argot.  Monsieur,  Ayant  lu  dans  votre  estimable 
publication  un  article  de  M.  Sarrazin  relatif  aux  Farisismes  du  Doc- 
teur  Villatte,^)  je  me  permets  de  vous  envoyer  ces  quelques  pages  non 
pour  däfendre  ce  dernier  ouvrage,  qui  n'en  a  aucun  besoin,  mais  dans 
l'int^rgt  de  la  chose  et  pour  rectifier  plusieurs  assertions,  ä  mon  sens 
hasarddes,  de  M.  Sarrazin. 

Page  211,  ligne  1.  Le  taf  n'appartient  pas  seulement  ä  la  Gau- 
nersprache, c*est  un  mot  populaire.  II  y  a  quelque  temps,  le  Journal 
la  iataiäe  a  publik  un  article  de  tete  intitulä  Le  Taf;  il  n'aurait  pas 
employ^  ce  terme,  si  ce  vocable  faisait  partie  de  la  Gaunersprache. 

L.  8.  Je  crois  que,  comme  le  dit  M.  Sarrazin,  l'invasiou  du  ja- 
vanais  remonte  au  second  empire,  mais  ses  effets  ne  se  sont  pas  en- 
vol^s  avec  les  abeilles  imperiales  au  4  septembre.  Dans  une  piece  de 
Gondinet,  intitulde  le  Panache,  repr^sentö  en  octobre  1875,  il  est  que- 


*)  S.  Band  V*,  p.  209. 


186  Miszeüen. 

stion  d'une  correspondance  äcrite  en  javanais;  j'ajouterai  que  les  ho- 
rizontales me  semblent  avoir  completement  reuonc^  ä  cette  naive  d6- 
formation  de  la  langue,  qui,  chose  curiense,  est  employ^e  assez  soavent 
par  les  petites  fiUettes  des  pensionnats. 

L.  14.  Je  professe  pour  feu  le  talent  de  M.  "Victor  Hugo  la  plus 
yive  admiration,  mais  si  Von  trouve  k  Paris  seulement  six  gamins  com- 
prenant  que  nom  (Tünch  signifie  nom  d^un  chien,  je  consens  ä  apprendre 
par  coßur  les  Miserables. 

L.  31.  On  dit  plutöt  tenir  le  crachoir,  ou  ne  pas  lächer  le  cra- 
choir  que  jouer  du  crachoir. 

L.  34.  La  cambtise  des  genonx  ne  d^signe  pas  plutöt  le  s^nat 
que  toute  assembl^e  de  g^rontes.  11  y  a  bien  longtemps,  le  mot  genau 
^tait  späcialement  r^serv^ .  aux  acad^miciens.  Dans  son  räcit  de  la 
premiere  repr^sentation  d'Hernani,  Thdopliile  Gautier  raconte  qu'un 
jeune  romantique,  rendu  furieux  a  la  vue  des  classiques  (aux  cränes 
beurre  frais)  qui  sifflaient  les  audaces  hugotiques,  s'^cria:  A  la  guillo- 
tine,  les  genoux! 

Page  212,  1.  1.  Si  une  piece  de  10  fr.  s'appelle  une  paire  de 
cymbales,  c'est  parce  qu'elle  vaut  deux  pieces  de  cinq  francs,  deux 
pieces  de  cinq  balles. 

Page  213,  1.  3.  Les  diff^rents  partis  ont  toujours  ^prouv^  le 
besoin  de  se  barboailler  d'^pithötes  injurieuses;  au  terme  rappelt  par 
M.  Sarrazin,  badinoouinard^  il  faudrait  joindre  badinguettiste ,  de'cem- 
braülard  etc.  De  leur  cötä  les  r^publicains  ont  et^  appel^s  septem- 
braiUards  ou  sepiembriseurs.  Ce  dernier  mot  sert  de  titre  ä  un  curieux 
Pamphlet  de  Fulbert  Dum  on  teil,  dirig^  contre  le  gouvernement  de  la 
Defense  nationale. 

L.  7.  Aux  mots  germinisme  et  gerministe,  il  faut  aj  outer  le  verbe 
germiniser,  Comme  le  complice  de  M.  de  Germiny  s'appellait  Chauwd, 
on  a  employ^  pendant  quelque  temps  une  grossiöre  ^quivoque  pour 
d^signer  les  p^därastes  passifs;  on  les  appelait  ceux  qui  se  laissaient 
chouard  (qui  se  laissaient  choir). 

Page  213,  1.  1.  ün  bateau  de  fleurs  n'est  pas  un  bordel;  tout 
le  monde  sait  ce  que  sont  les  bateaux  de  fleurs  chinois,  et  les  expli- 
cations  extraordinairement  comiques  du  pudibond  Tscheng-Ki-Tong 
de  la  Revue  des  Deux  Mondes  n'y  changeront  rien.  Mais,  en  France, 
les  mots  bateau  de  fleurs  ne  sont  qu'un  euph^misme  plaisant  et  non 
un  äquivalent  de  bordel.  Dans  le  Nabab  de  Daudet,  il  est  question 
d'un  article  de  Journal  qui  reproche  ä  Jansoulot  d'avoir,  jadis,  tenu 
un  bateau  de  fleurs ;  c'est  une  allusion  m^chamment  transparente,  mais 
rien  de  plus.    Je  le  r^pete,  bateau  de  fleurs  n'est  pas  de  Targot. 

2.  Bibi  veut  bien  dire  moi.  C'est  ainsi  que  le  petit  livre  de 
po^sies  argotiques  d'Andrä  Gill  est  intitul^  La  Muse  ä  Bibi,  autrement 
dit  Mes  vers. 

4.  Si  les  gommeux  sont  devenus  les  boudine'St  ce  n'est  pas  seule- 
ment ä.  cause  de  leurs  pantalons,  mais  ä,  cause  de  leurs  vestons  ^troits 
qui  les  ^tranglent  et  suivent  toutes  les  courbes  du  corps.  Le  mot 
boudine  a  ^td  cr^^  par  Eichepin,  qui  a  fait  dans  le  Gü-  Blas  un  article 
intitul^  Le  Boudine,  article  curieux  et  ecrit  avec  une  humour  incroyable. 

5.  Boujarou  m'est  inconnu.  II  doit  y  avoir  lä  une  faute  d'im- 
pression  pour  boujaron;  mais  ce  dernier  mot  est  exclusivement  mari- 
time (v.  Sachs -Villattej. 

10.  II  rCa  plus  de  mousse  sur  le  caillou  se  dit  quelquefois,  mais 
moins  que  „II  n'a  plus  de  persil  sur  sa  tite  de  veau".  On  appeÜe  sou- 
vent  eine  Glatze  une  pomme  dCescaUer^  c'est  a  dire  une  pomme  de  rampe 


MiszeUen.  187 

>iÜ8  les  nouveaux  appareils  d'^clairage  dleetrique,  on  a 

t  cliauve  comme  un  JaUochkoff^  (c'est  ä  dire  comme  un 

:.koff)   et  m^me  „un  tel  a  un  Jäblochkoff^  pour  dire  eine 

I'iii  des  doutes  sur  le  verbe  se  colonner:  je  lui  pr^fere  se 
la  colonne  et  surtout  se  polir  la  cohnne;  cette  derniäre  ex- 
st,  de  beaucoup,  la  plus  r^pandue. 

Un  conneau  (Etymologie:  (?ön^  n'est  pas  un  farceur,  mais  un 

1(1.     Un  corsage  haiiant  son  plein  n'est  pas  une  expression  argo- 

luais   une   allusion  plaisantie   ä   une  mer  qui  bat  son  plein,  qui 

L'tsse  par  cons^quent. 

17.    Pour  le  fantassiii,  un  croitin  (et  non  un  crotin,  comme  l'E- 

.    M.  Sarrazin)   est  un   ca valier.    II  dira  plus  souvent   „Un  tel   est 

itin"  que  „un  tel  est  dans  les  crottins". 

22.    S'encanaiUer  est  dans  PAcad^mie.    Ne  soyons  pas  plus  sE- 
■  res  qu'elle. 

24.    Meme  Observation.    II  n'est  nuUement   argotique   de    dire 
<.'e  boudine  est  engonce'  dans  son  suif". 

Page  214,  26.  Je  connais  „Faire  de  de  Ve'pate^  mais  je  ne  crois 
pas  que  y^ faire  des  epates^  soit  tres  usitE. 

28.  Le  sens  1  m'ätonne  extremement.  Je  suis  sür  d'avoir  en- 
tendu  le  mot  fader  signifier  exactement  Ic  contraire. 

29.  Rapprochement  curieux:  un  slangsword  assez  r^pandu  en 
Angleterre  est  lobsler^  homard,  pour  d^signer  le  soldat  de  Sa  MajestE, 
gön^ralement  habülä  de  rouge,    Homard  vaut  e'crevisse  de  rempart. 

34.  Une  grtie,  dans  la  hi^rarchie  des  vendeuses  d'amour,  est 
plus  ElevEe  qu'une  grenotiiUe.  De  plus,  eile  ne  saurait  ötre  comparde 
a  une  goihon,  ce  dernier  mot  d^signant  presque  toujours  un  torchon 
ou  une  fille  de  la  derniere  classe,  comme  le  dit  fort  bien  le  docteur 
Villatte. 

35.  Infirgo.  II  faudrait  un  dictionnaire  gros  comme  Vun  des 
tomes  du  Sachs- Villatte'sche  Wörterbuch  pour  noter  toutes  les  d^for- 
mations  du,genre  de  celle-ci. 

40.  Etre  dans  les  legumes  a  bien,  je  crois,  une  origine  militaire, 
mais  se  dit  couramment  aujourd'hui  pour  les  fonctionnaires  civils  in- 
fluents.  On  dit  m§me  „c'est  uner  gros^^  lEgume"  (sie)  pour  dire  „C'est 
un  homme  d'importance". 

46.  Je  vois  dans  LittrE  que  paiate  ddsigne  improprem ent  la 
pomme  de  terre,  mais  je  ne  crois  pas  qu'il  y  ait  la  un  terme  d'argot. 

47.  Eemporier  une  peüe  (terme  militaire)  ou  olutöt  ramctsser 
une  pelle  signifie,  au  propre,  iomber,  du  moins  au  31«»<^  d' Artillerie,  en 
1879.  En  revanche,  remporier  une  veste  se  prend  au  figurö,  comme  on 
le  trouve  mentionn^  dans  les  Parisismes. 

49.  On  ne  dit  pas  avoir  du  poil,  mais  un  poil  dans  la  main; 
ce  poil  disparaitrait  vite  si  notre  fain^ant  avait  toujours  Poutil  a  la 
main.  Mais  ce  maudit  poil  le  gene,  pour  empoigner  la  varlope  ou  la 
beche.  Quant  au  poü  au  cid,  cest  Pattribut  de  la  force,  de  la  virilitd. 
De  plus,  les  Farisismes  donnent  träs  nettement  Pexplication  des  deux 
phrases  eitles  par  M.  Sarrazin.  Enfin,  ce  n'est  pas  par  antithäse  qu*on 
dit  poil  dans  la  main  et  poil  au  cul. 

51.    Prendre  en  grippe  est  tout  ce  qu'il  y  a  de  moins  argotique. 

53.  Si  M.  Sarrazin  avait  ouvert  les  Farisismes,  page  180,  ü 
aurait  trouvE  expliqu^e  Pexpression  „quinte  et  quatorze". 

56.    Ravigoier,  v.  le  Dict.  de  PAcad. 


188  Müzeüen. 

58.  Passer  la  Jambe  ä  Thomas  (on  dit  plutöt  Thomas  que  Jnles 
dans  cette  expression)  ne  sienifie  que  „den  Nachttopf  des  ArreBtlokals 
ausleeren".  Une  preuve  ind^niable  c'est  que  les  soldats  chantent  las 
paroles  suivantes  sur  Tair  de  la  sonnerie  aux  consign^s: 

Descendras-tu,  mauvais  soldat, 
Four  passer  la  jambe  k  Thomas! 

Les  expressions  eitles  aux  paragraphes  63,  64  et  65  n'ont  absolument 
rien  de  local  et  sont  bien  loin  d'^tre  particuli^res  ä  Vincennes. 

63.  Quand  un  lit  est  mis  en  baiterie,  il  ne  se  d^molit  pas  d^s 
que  le  bleu  se  paniotte,  mais  seulement  quand  les  farceurs  tirent  vi- 
goureusement  la  corde  ä.  fourrage  qu*ils  ont  attachäe  au  chälit.  Cette 
Operation  se  fait  au  commandement :  Feu  en  arri^re,  en  Batterie! 

H.  (xAUTHIEB-VlLLABS. 


Novitäten-Verzeichnis. 


I.   Mefhodoloffie. 

Körting,  G.,  Encyklopädie  und  Methodologie  der  romanisclien  Philologie 
mit  besonderer  Berücksichti^ng  des  Französischen  und  Italieni- 
schen. II.  Die  Encyklonädie  der  romanischen  Qesamtphilologie. 
Heilbronn,-  Henninger.    XVIII,  505  S.  8. 

IHtz,  A.,  Zur  Frage  der  Verwertung  der  Etymologie  in  der  Schule. 
Progr.  des  Landes-Beal-  und  Ober-Gymnas.  zu  Hom.    70  u.  13  S. 

Lachmund,  A.,  Über  den  Bildungswert  des  Unterrichts  in  den  alten 
und  neuen  Sprachen.  Progr.  der  Grossh.  Realschule  I.  0.  zu  Lud- 
wigslust.   1888.    4^    16. 

n.   Grammatik  und  Spraehgescbielite. 

AuberUn,  C,  Origines  et  formation  de  la  langue  et  de  la  m^trique 
fran9ai8es;  ouvrage  conforme  au  nouveau  plan  d'^tudes  et  com- 
pos^  d'apres  les  travaux  les  plus  r^cents,  contenant  les  notions 
d'^tymologie  et  de  prosodie  et  un  choix  de  textes  de  Tancien  fran- 
cais  du  X«  au  XVI«  s.,  po^tes  et  prosateurs  du  moyen  fige,  avec 
des  sommaires  histor.,  des  notices  biogr.,  etc.  Paris,  Belin  et  fils. 
12^    IV,  584. 

Breymann,  H.,  Französische  Grammatik  für  Realschüler.  München,  01- 
denbourg.    XU,  75  S.    8«. 

Mätzner,  E.,  Franz.  Grammatik  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 
Lateinischen.    I.    8.  Aufl.    Berlin,  Weidmann.    8^. 

Plaitner,  1%.,  Anleitung  zum  Gebrauch  des  Elementarbuchs  der  fran- 
zösischen Sprache.  Sep.-Abdr.  aus  dem  Schlüssel  zum.  Elementar- 
buch.   Karlsruhe,  A.  Bielefeld.    8^ 

Salztnann,  J.,  Über  die  Aussprache  der  franz.  Laute.  Progr.  des  Gym- 
nasiums zn  Stendal. 

Seeger,  ff.,  Lehrbuch  der  neufranz.  Syntax  mit  systematischer  Berück- 
sichtigung des  Deutschen.  Wismar,  Hinstorff.  XIV,  171.  XII, 
208  S.    8. 

Thuroi,  C,  De  la  prononciation  fran9aise  depuis  le  commencement  du 
XVIe  si^cle,  d'apr^s  les  tämoignages  des  grammairiens.  T.  2.  8^. 
779  p.    Paris,  imp.  nat. 

VHu,  A,j  Le  jarffon  du  XV«  si^cle.  !^tude  philologique.  Onze  ballades 
en  Jargon  attribu^es  ä.  Fran9oi8  Villen,  dont  cinq  ballades  in^dites 
. . .  prec^Sd^es  d'un  discours  pr^iminaire  sur  Porigine  des  Gueux 


190  Noviiätetwerzeichnis. 

et  l'origine   du  Jargon,   et  suivies  d'un  vocabiilaire  analytique  du 
Jargon.    Paris,  Charpentier.     25  Frs. 


Benecke,  A.,  Exercices  syntaxiques.  Sammlung  französiselier  Sätze  und 
zusammenhängender  Stücke  zur  Einübung  der  französischen  Syn- 
tax.   Potsdam,  Stein. 

Zamprecht,  F.,  Übungsbuch  zum  Übersetzen  ins  Französische  im  An- 
schluss  an  Lücking's  Grammatik.    Berlin,  Weidmann. 

m.   Lexikographie. 

Bourguignon^  A.,  et  Bergeroi,  E.,  Dictionnaire  des  synonymes  de  la  lan- 
gue  fran9aise,  comprenant  et  r^sumant  tous  les  travaux  faits  jus- 
qu'ä  ce  jour  sur  les  synonymes  francais  et  notamment  ceux  de 
Girard,  d'Alembert,  Diderot,  Beauzäe,  Koubaud,  Condillac,  Guizot, 
Laveaux,  Lafaye,  etc.  Paris,  Garnier  freres.  In- 32  ä  2  col.  VI- 
770  p.  , 

Lafaye,  B.,  Dictionnaire  des  synonymes  de  la  langue  fran9aise,  avec 
une  introduction  sur  la  th^orie  des  synonymes.  5«  Edition,  suivie 
d'un  Supplement,    Paris,  Hachette  et  C«.    8**.   LXXX-1446  p.    23  fr. 

Sardou,  A.  X.,  Nouveau  dictionnaire  des  Synonymes  fran9ais.  6«  Edition. 
Paris,  Delagrave.     18**  j6sus,  XI-580  p. 

rv.   Litteratnrg'eschiclite. 

Dkitonnaire  universel  illusträ  de  la  vie  fran9ai8e  contemporaine,  com- 
prenant, par  ordre  alphab^tique,  la  biographie  de  tous  les  Fran9ai8 
et  Alsaciens- Lorrains  marquants  de  T^poque  actuelle,  Tanalyse 
des  Oeuvres  les  plus  cäl^bres  des  auteurs  vivants  .  . .  en  g^n^ral 
tout  ce  qui  constitue  la  vie  intellectuelle  et  sociale  de  la  France; 
par  une  soci^t^  de  gens  de  lettres  et  de  savants,  sous  la  direction 
de  J.  Lermina.  Livraison  1.  Paris,  Boulanger.  In-4*'.  ä  2  col., 
8  p.  (Wöchentlich  erscheinen  2  Lieferungen  a  10  cent.  Im  Abon- 
nement: 1  fr.  monatlich.     Subscriptionspreis  20  fr.) 

Berger,  S.,  La  Bible  fran9ai8e  au  moyen  äge.  fitude  sur  les  plus  an- 
ciennes  versions  de  la  Bible  ^crites  en  prose  de  langue  d'oil. 
Paris,  Champion.     8. 

Charpentier,  J.  P.,  La  Littäratare  fran9aise  au  XIXe  siöcle.  Paris,  Gar- 
nier freres.    In- 18  jdsus,  XXIV -3 70  p. 

GatTeavd,  L.,  Causeries  sur  les  origines  et  sur  le  moyen  äge  litt^raires 
de  la  France.    2  vol.    Paris,  vieweg.     18". 

Gaidoz,  ff.,  et  Se'bülot,  P.,  La  France  merveilleuse  et  l^gendaire.  Paris, 
Leopold  Cerf.    In- 18.    fr.  3,50. 

Gourcuff,  O.  de,  Petites  ^tudes  sur  le  XVI«  siöcle.  La  50«  Edition  de 
Robert  Garnier  j  Le  Präsident  Bouju.  Nantes,  imp.  Forest  et  Gri- 
maud.    In -8**,  20  p. 

Haffner,  P.,  Voltaire  und  seine  Epigonen.  Eine  Studie  über  die  Revo- 
lution. Frankfurt  a.  M.,  Fösser  Nachf.  8®.  40.  =  Frankfurter 
zeitgemässe  Broschüren,  Heft  7. 

ffüdehrand,  J,,  J.-J.  Rousseau  vom  Standpunkte  der  Psychiatrie.  Berlin. 
Gärtner. 

Kaischer,  L.,  Charakterbilder  aus  dem  19.  Jahrh.  Biograph. -kritische 
Essays.  BerUn,  Dümmler.  8**.  (Behandelt  u.  a.  G.  Sand,  Taine, 
De  Musset.) 

Krug,  A.,  fitude  sur  la  Phödre  de  Racine  et  l'Hippolyte  de  Senöque. 
Gymnas.-Progr.    Buchsweiler.    8**.    31. 


Novitätenverzeichnis.  191 

Lermina,  /.,  Le  Mouvement  litt^raire  en  France  en  1882  et  1883.  Pa- 
ris.    Ghio.     8^     24. 

Metves,  E.,  Böranger.  Ausgewählte  Lieder,  in  deutsche  Verse  über- 
tragen und  mit  Erläuterungen  versehen.  Gymnas.-Progr.  Gross- 
Glogau.    A9.    74. 

Schnütßen,  Olivier  de  Magny.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  lyrischen 
Dichtung  Frankreichs  im  16.  Jahrh.    Köln.    Progr.  Ober. -R.- Seh. 

Soleil,  F.,  Les  Heures  gothiques  et  la  littärature  pieux  au  XV^  et  au 
XYIe  si^cles.  Eouen,  Aug^,  1883.  8^  300.  24  fac-sim.,  6  dessins 
origin.,  1  eau- forte.    Fr.  40. 

V.   Ausgaben  und  Clirestomatliieii. 

Boüeau' Despreaux,  (Euvres  poätiques.  Nouvelle  Edition,  coUationn^e 
sur  les  meilleurs  textes  et  renfermant  une  annotation  g^n^rale 
d'apräs  tous  les  commentateurs,  un  nouveau  commentaire  litt^raire 
et  grammatical,  des  sommaires  historiques  et  analytiques  et  une 
vie  de  l'auteur,  par  M.  Ch.  Aubertin.  Paris.  V«  Belin  et  fils.  12®. 
XIX,  292. 

Brantöme,  (Euvres.  Vie  des  dames  galantes.  J^dition  revue  d'apr^s  les 
meilleurs  textes,  avec  une  präface  historique  et  critique  et  des 
annotations,  par  H.  Yigneau.  Paris,  Charpentier.  In- 18  j^sus, 
XIV -386  p. 

Dancourt,  F,  C,,  Thäätre  choisi  de  Dancourt.  Nouvelle  Edition,  prä- 
c^d^e  d'une  nptice  par  Fr.  Sarcey.    Paris,  Laplace, 

Deschamps,  E.,  (Euvres  compl^tes  d'Eustache  Deschamps,  publikes  d'a- 
präs  le  manuscrit  de  la  biblioth^que  nationale,  par  le  marquis  de 
Queux  de  Saint -Hilaire.  T.  3.  •  Paris,  Firmin  Didot  et  C»e.  8*». 
XXI-416  p. 

Destouches,  P.  K,  Th^ätre  choisi  de.  Nouv.  Edition,  pr^c^döe  d'une 
notice  par  M.  Edouard  Thierry,  et  iUusträe  de  4  jfravures  colori^es, 
p.  M.  AUouard.  18®.  XXVIl,  569  p.  Paris,  libr.  Laplace,  San- 
chez  et  C»e. 

Diderot,  (Euvres  choisies.  Edition  du  centenaire  (30  juillet  1884),  pu- 
blice par  les  soins  de  M.  M.  Dutailly,  Gillet- Vital,  Yves  Guyot, 
Issaurat,  De  Lanessan,  Andr^  Lefövre,  Ch.  Letourueau,  M.  Tour- 
neux,  E.  V^ron.  Paris,  Reinwald.  In -18  jäsus,  XXIV,  664  p.  et 
Portrait.     3  fr.  50. 

Du  Bellay,  Lettres,  publikes  pour  la  premi^re  fois  d'apräs  les  origi- 
naux,  par  Pierre  de  Nolhac.  16®.  103  p.  avec  portrait  inädit  et 
autographe.    Paris,  lib.  Charavay  fr^res. 

La  Bruyere,  Les  caracteres  ou  les  moeurs  de  ce  si^cle;  suivis  des  ca- 
ract^res  de  Th^ophraste,  traduits  du  grec,  et  du  discours  de  l'Aca- 
dämie.    Bruges,  Descl^e,  de  Brouver  et  C»«.    8®.    425. 

La  Pteiade  frangaise.  IX.  (Euvres  en  rimes  de  Jean  Antoine  de  Baüf. 
Avec  une  notice  biographique  et  des  notes  p.  Ch.  InEarty-Laveaux. 
II.    Paris,  Lemerre.     25  fr. 

Lc  Sage,  Le  Diable  boiteux.  Nouvelle  Edition,  compl^te,  präcäd^e  d'une 
notice  sur  Le  Sage,  par  Sainte-Beuve.  Paris,  Garnier  fräres.  18®. 
j^sus,  XXXVIII-396  p.  frontisp. 

Maistre,  X.  de,  (Euvres  complötes.  Nouv.  ^dit.  präc.  d'une  notice  sur 
l'auteur  p.  Sainte-Beuve.    Paris,  Garnier.     18®,  XL,  391. 

Massiilon,  J.  B.,  Correspondances ,  däcisions,  ordonnances  et  autres 
(Euvres  inädits,  recueillies  et  publikes  p.  Michel  Cohendy.  18®, 
176  p.    Clermont-Ferrand,  lib.  Thibaud. 


190 


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1 

Hilde 


Referate  und  Rezensionen. 


M.  de  Lescure,  Bivarol  et  la  sociöt^  fran^aise  pendant  la 
rävolution  et  remigration.  Paris  1883.  E.  Plön 
et  Cie.     501   SS.  gr.  8.*) 

Buch  I.  RivaroTs  Jugend  (1753  —  1788).  Kapitel  L 
Einleitung.  Wenn  ßivarol  in  der  französischen  Litteratur  sich 
nicht  zu  einer  Grösse  ersten  Banges  emporgeschwungen  hat,  so  liegt 
der  Grund  hierfür  einerseits  in  seinem  frühzeitigen  Lebensende  (er 
starb  mit  47  Jahren  in  der  Yerbaonung),  andererseits  in  dem  Aus- 
bruch der  Devolution,  welche  sein  genial  aufstrebendes  Talent  hemmte 
und  in  den  Dienst  der  streitenden  politischen  Parteien  stellte.  Es 
ist  daher  natürlich,  dass  seine  hinterlassenen  Werke  den  Charakter 
von  Bruchstücken  an  sich  tragen;  aber  von  sehr  vielen  muss  man 
zugestehen,  dass  sie  Anfänge  von  wahren  Meisterstücken,  und  des- 
halb für  die  Nachwelt  von  bleibendem  Wert  und  Interesse  sind. 
Noch  heute  schätzt  man  jene  Epigramme  mit  ihrem  feinen  beissenden 
Zuge  und  bewundert  man  vor  allen  Dingen  seine  glänzende  ünter- 
haltungsgabe,  welche,  von  einem  gewaltigen  Ideen-  und  Wortreich- 
tum getragen,  in  ihrer  Wirkung  durch  den  Zauber  eines  ergötzlichen 
Mienenspiels  noch  verstärkt  wurde.  Der  Graf  von  Tillj  und  be- 
sonders Chönedolle  habeu  uns  in  Notizen,  die  unter  der  Wirkung 
des  Augenblicks  aufgezeichnet  wurden,  eine  Probe  von  den  fabel- 
haften Leistungen  RivaroFs  als  Improvisator  überliefert,  und  man 
muss  mit  bezug  auf  den  Erfolg,  den  sie  hatten,  rückhaltslos  zu- 
geben, dass  ßivarol  als  „Causeur"  wahrhaft  genial  war  und  in 
4e8er  Eigenschaft  weder  von  andern  übertroffen  noch  überhaupt 
ncht  wurde.  Freilich  fehlte  es  auch  ihm  nicht  an  zahlreichen 
lern  unter  seinen  Zeitgenossen,   die  aus  Groll  über  seine  Spott- 


*)  Referat.    Vgl.  Zeitschrift  Bd.  V,  S.  129  Anm. 

2schr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VR  ^3 


192 

Miräbeau^s   ansgewä. 

aus  dem  Jahre   1  - 
Sebülot,  P.,  Contes  <^ 
Voltaire* s  ausge wä  h  1 1 .  - 

Alzire.    Berlin,  \'. 


Stanae,  A.,  Auswalil  i- 
brauch  an  Realsn. 
M.  1  (brosch.). 


I^autmann^  M.,   Die   S 
Englischen  ,  Frau  /  <  • 
in  den  Text  gedru. 


•» 


1UL  31  Spa- 
ri£L    ÜTarolo. 


-t^M* 


.-rT.fr  -/•:  ixTaroJa. 
'r^c^^ueu  KivaroJV 


'iiiirhundert  Jeau 
ttiiier,    der  hohe 

...*-^i::.  Anasta^a  Bi- 
--•   .-tvsfalls,  wie  der 

•  •  *:•  von  welchem  die 


de  Lescnre:  Rivarol  ei  la  socieie  franqaise  etc.  195 

Dieser  Letztere  war  zu  Vinsali,  einer  mailändischen  Diöcese 
Xovari,  am  16.  August  1685  geboren;  nahm  1708  am  Erb- 
krieg in  Spanien  Teil  und  vermählte  sich  auf  dem  Heimwege 
"Spanien  in  Nimes  mit  einer  Französin  aus  bescheidener  Lebens- 
ing Namens  Jeanne  Bonnet  d' Alois  am  22.  Mai  1720  in  dem 
spiel  Saint -Castor.  Nach  einer  kirchlichen  Urkunde  vom 
Si'ptember  1752   über  die  Traunng  seines  ältesten  Sohnes  muss 

*  Antoine  Roch  de  Rivarol  eine  Gastwirtschaft  betrieben  haben. 
r  Ehe,  welche  übrigens  eine  m^salliance  war,  entsprossten  eine 

•  von  Kindern,  deren  ältestes,  Jean  Rivarol,  im  Jahre  1727  ge- 
n,  und  der  Vater  unseres  Schriftstellers  wurde.  Anfangs  Steuer- 
titer  in  Toulouse  schwang  er  sich  später  zum  Direktor  der  könig- 

"11    Pächtereien   in    Bagnols   empor.      Am    26.  September    1752 
ito  er  einem  gewissen  Fräulein  Katherine  Avon   die  Hand    zum 
nnude.     In  der  hierüber  aufgezeichneten  Urkunde  figuriert  Jean 
arol  als  Seidenfabrikant  und  Besitzer  eiies  Gasthauses,  ohne  in- 
^  den  Wirt  zu  machen;  seine  Frau  erscheint  als  die  Tochter  eines 
.nenschneidermeisters.     Von  der  Vielseitigkeit  der  Profession  jenes 
111  Rivarol  belehrt  uns  der  Umstand,  dass  er  ausser  den  Geschäf- 
i  des  Seidenfabrikanten  und  Gastwirths  sich  auch  noch  der  Aus- 
'iing    des   Schulmeisterbenifes    unterzog.     Von    seinen    ehemaligen 
liülern   lebten   bis    wenige   Jahre   vor   Mai  1862    noch   einige    in 
■ignols,  die  ihrem  alten  Lehrer  Geist  und  Phantasie,   gute  Kennt- 
's der  italienischen  Sprache  und  sogar  die  Kunst  des  Versemachens 
1  ach  rühmten. 

In  dieser  Weise  lebte  der  Vater  des  Schriftstellers  Antoine 
''ivarol  und  seines  berühmten  Bruders,  des  Generals  Fran9ois  Rivarol. 
Kapitel  IL  Die  ersten  Jahre  in  der  Provinz  und  in 
i'aris  (1776  — 1782).  Antoine  Rivarol  wurde  in  der  Languedoc 
/i  Bagnols  am  26.  Juni  1753  geboren;  andere  setzten  den  17.  April 
1757  als  Geburtsdatum  hin,  noch  andere  nahmen  das  Jahr  1754 
un.  Nach  den  neuesten  Forschungen  jedoch  unterliegt  es  kaum 
noch  einem  Zweifel,  dass  er  an  dem  erstgenannten  Datum  das  Licht 
iler  Welt  erblickte.  Er  war  das  älteste  von  16  Kindern  und  be- 
er ann  seine  Studien  zweifellos  im  Süden  Frankreichs  imd  zwar,  wie 
Samte -Beuve  meint,  in  Cavaillon.  Der  Vater,  dessen  Liebling  er 
war,  leitete  seinen  Elementarunterricht  erst  selbst,  später  schickte 
er  ihn  in  die  Schule  der  Josephisten  in  Bagnols,  wo  er  in  einem 
Jahre  sich  solche  Fähigkeiten  aneignete,  dass  er  sogleich  aus  der 
fünften  in  die  zweite  Klasse  aufstieg.  Mit  18  Jahren  trat  er  in  das 
Seminar  der  Sulpiciusschüler  zu  Bourg- Saint -Andöol.  Dort  lenkte 
er  durch  seinen  Fleiss  und  seine  guten  Leistungen  die  Aufmerksam- 
keit und  Gunst  des  Eiv^bischofs  Uzös  auf  sich,  welcher  ihn  für  den 
geistlichen   Stand    gewann   und   ihn   von   Bourg- Saint -Andöol  nach 

13* 


196  Referate  und  Rezensionen.     W.  Bmmmert, 

Ayignon  führte,  wo  der  jnnge  Geistliche  freuudliche  Aufnahme  im 
Seminar  von  Sainte- Garde  fand. 

Aber  bald  zeigte  es  sich,  dass  der  Aufenthalt  nnter  dem  Ge- 
wölbe eines  Klosters  für  ihn  nnerträglich  war;  sein  Wissensdurst, 
sein  Drang  nach  Freiheit,  sein  jngendfroher  Mut  trieben  ihn  in  die 
Welt  hinaus  nach  Paris,  wo  er  für  seinen  rastlos  regsamen  Greist 
ein  demselben  entsprechendes  Arbeitsfeld  za  finden  hoffte.  Und  er 
irrte  sich  nicht,  Paris  bot  ihm  die  gesuchte  Freiheit,  Paris  lieferte 
ihm  die  zum  Studium  notwendigen  Bücher,  hier  fand  er  in  der 
Armut  notwendige  Verborgenheit,  hier  gab  es  endlich  mächtige  Be- 
schützer und  ergebene,  willige  Nacheiferer.  Der  Geist  durfte  AUes 
wagen,  und  der  Vernunft  wurde  ihr  Recht. 

Im  Herbst  des  Jahres  1777  finden  wir  Rivarol  in  der  That 
in  Paris.  Man  kann  sagen,  dass  für  ihn  dieser  Ort  das  Ziel  einer 
Odysseusreise  war,  die  nicht  ohne  mannigfache  Wechselfälle  gewesen 
zu  sein  scheint,  wenn  wir  die  allerdings  mit  einiger  Vorsicht  auf- 
zunehmenden Berichte  seiner  Feinde  —  denn  das  ist  leider  die  ein- 
zige Quelle  darüber  —  als  wahr  hinnehmen  dürfen.  Vieles  Aben- 
teuerliche, was  uns  über  diese  Beise  erzählt  wird,  ist  jedenfalls 
Erfindung  seiner  Gegner;  als  thatsäcblich  steht  nur  fest,  dass  er 
sich  in  Lyon  als  Lehrer  unter  dem  Namen  eines  Abbä,  später  eines 
Chevalier  Rivarol  de  Parcieux  nach  einer  Sinekure  umsah.  Er 
vertraut«  immer  der  Vorsehung  und  dem  Zufall  und  war,  wenn 
auch  häufig  in  Verlegenheit,  womit  er  seine  Zeche  bezahlen  sollte, 
stets  heiterer  Laune,  ja  er  fühlte  die  Kraft  in  sich,  eine  Welt  zu 
regieren. 

Sein  mutiges  Hoffen  und  Vertrauen  ward  in  der  That,  als  er 
sich  1777  in  „le  pöre  prudent  et  äquitable  ou  Crispin  rheureux 
fourbe"  schriftstellerisch  zu  versuchen  anfing,  durch  glückliche  Er- 
folge belohnt.  Das  nie  erlöschende  Feuer  seiner  Begeisterung,  sein 
unerschütterlicher  Frohsinn,  seine  Genauigkeit  in  der  Kritik  und 
sein  Glück  in  der  Satyre,  wodurch  er  bald  zum  furchtbaren  Meister 
in  dieser  Art  geistigen  Turniers  und  zum  Richter  par  excellence  in 
Gegenständen  des  Geschmackes  wurde,  hatten  ihm  viele  Freunde, 
freilich  zugleich  auch  viele  Feinde  verschafft.  Zu  den  letzteren 
zählten  besonders  diejenigen,  welche  Rivarol  zur  Entschädigung  fGür 
das  ihm  durch  Führung  des  Namens  de  Parcieux  widerfahrene 
kleine  Missgeschick  zu  G^enständen  seiner  satyrischen  AusßOle  ge- 
macht hatte.  Jener  Name  de  Parcieux,  den  Rivarol  seinem  Fa- 
miliennamen hinzugefügt  hatte,  war  nämlich  keinesw^s  eine  blosse 
Fiction  seinerseits,  sondern  der  Träger  desselben  war  ein  ehrwürdi- 
ges Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften.  Dieser  Name  war 
für  ihn,  den  man  noch  wenig  kannte,  eine  ausgezeichnete  Empfeh- 
lung, und  er  stellte  in  Gesellschaft  von  Cubiöres-Palmaizeaux  äch 


de  Lescure:  Rivarot  ei  la  socie'le  fran^aise  etc.  197 

unter  demselben  auch  d' Alembert  vor,  welcher  ihn  dann  wieder 
mit  Voltaire,  dem  Patriarchen  von  Ferney,  persönlich  bekannt  machte. 
Lange  Zeit  führte  ßivarol  den  ursurpierten  Namen  unangefochten, 
erst  als  bei  dem  1768  erfolgten  Tode  des  rechtmässigen  Besitzers 
der  Sohn  desselben,  Namens  M.  Antoine  de  Parcieux,  an  Rivarol 
die  energische  Forderung  richtete,  den  ihm  nicht  zustehenden  Namen 
niederzulegen,  da  entäusserte  er  sich  desselben  und  zwar  in  solch 
launiger  Weise,  dass  trotz  der  erfahrenen  Zurechtweisung  die  Lacher 
auf  seiner  Seite  waren.  Ohne  sich  lange  zu  besinnen,  nannte  er 
sich  nun  Chevalier  de  Rivarol  und  später  comte  de  Rivarol,  obwohl 
er  dadurch  seinem  ursprünglichen  Namen  mehr  als  untreu  wurde 
und  nahm  dazu  von  Zeil  zu  Zeit,  besonders  für  seine  ersten  Werke, 
mehr  oder  weniger  autorisierte  Pseudonyme  an. 

Es  besass  jedoch  nicht  die  fast  ins  Übermass  gehende 
Empfindlichkeit  eines  Voltaire,  der  sich  alle  Freiheiten  gegen  an- 
dere gestattete,  selbst  aber  nicht  leiden  konnte,  dass  andere  sich 
derselben  Waffen  bedienten,  die  er  selbst  so  gern  gebrauchte;  viel- 
mehr gestattete  Rivarol  bereitwillig  seinen  Feinden  alle  Waffen  des 
Geistes  gegen  ihn  anzuwenden,  sogar  dann,  wenn  sie  in  dem  Be- 
streben, geistreich  zu  sein,  beleidigend  wurden;  denn  dass  er  als 
Sieger  aus  allen  solchen  Kämpfen  hervorgehen  würde,  dafür  bürgte 
ihm  seine  unerschütterliche  Ruhe,  seine  Gewandtheit  im  Angriffe 
und  die  niederschmetternde  Gewalt  seiner  Erwiderungen.  Meistens 
begnügte  er  sich  damit,  über  seine  Neider  zu  lächeln,  und  diejeni- 
gen, welche  er  für  seiner  Gegnerschaft  würdig  erachtete,  hatten  stets 
Ursache,  den  wirklichen  Ausgang  des  Kampfes  mit  ihm  sich  selbst 
und  der  Welt  zu  verheimlichen,  wie  z.  B.  Chamford,  Cerutti,  Ch6- 
nier,  Garat,  Rulhi^re,  Mirabeau  und  Delille. 

Über  die  harten  und  peinlichen  ersten  Jahre,  über  welche  seine 
Feinde  so  viel  sprachen,  hat  Rivarol  selbst  uns  nicht  das  geringste 
Detail  überliefert,  so  dass  wir  in  dieser  Beziehung  mit  dem,  was 
Cubi^res  -  Palmaizeaux  in  seiner  Vie  de  Rivarol  über  ihn  berichtet, 
vorlieb  nehmen  müssen.  Nach  dieser  Quelle  fallen  in  jene  Zeit  die 
litterarischen  Versuche,  welche  Rivarol  unter  dem  Titel  maiden- 
speech  für  monatlich  50  Thaler  dem  Mercure  lieferte.  Sie  be- 
standen zumeist  aus  Improvisationen,  welche  weniger  glänzend,  aber 
doch  ebenso  kurzlebig  wie  seine  Salonimprovisationen  waren;  ein 
Vorzug  an  ihnen  Yirar  nur,  dass  Rivarol  durch  sie  den  allzu  kühnen 
Schwung  seiner  Phantasie  zu  zügeln,  seinen  Geist  zu  schärfen  und 
sich  in  den  verschiedensten  Gegenständen  zu  versuchen  lernte.  Die 
von  ihm  gelieferten  extraits  (so  wurden  die  kritischen  Versuche 
jener  Zeit  genannt)  unterzeichnete  unser  Autor  nicht,  weil  sie  ihm 
weder  seines  eigenen,  noch  überhaupt  eines  Namens  wert  erschienen; 
ebensowenig    fand    sich  der  Name  Rivarol's  auf  der  Liste  der  Mit- 


198  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brummert, 

arbeiter  des  Mercure,  welche  für  jene  Epoche,  von  1780  bis  1782, 
von  den  Spezialgeschichtschreibern  aufgestellt  wurde,  noch  auch  in 
den  Memoires  Utteraires  oder  den  Memoires  politiqueSf  die  in 
jenem  Blatte  mit  dem  Namen  Cosseph  d'üstaritz  unterzeichnet  waren. 

Hieraus  erklärt  es  sich,  weshalb  der  Anfang  der  litterarischen 
Laufbahn  RivaroVs  vor  der  Hand  in  Dunkel  gehüllt  blieb;  wenn 
nun  aber  auch  Garat  in  seinen  Memoires  historiques  sur  le  dix- 
huitihme  silde  et  sur  M.  Suard  (2  vol.  in* 8.),  worin  dieser  die 
Geschichte  des  Geisteslebens  im  18.  Jahrh.  skizziert,  mit  keinem 
Worte  unseres  ßivarol  gedenkt,  so  war  das  lediglich  ein  Bacheakt 
gegen  ihn,  weil  er,  so  oft  die  beiden  zusammengekommen  waren, 
seinem  tückischen  Landsmann  Garat  seine  bedeutende  Überlegenheit 
in  der  Kunst  weltlicher  Beredtsamkeit  bewiesen  hatte. 

Eine  Änderung  in  dieser  Beziehung  brachte  erst  der  Anfang 
des  Jahres  1783,  wo  unser  Held  durch  die  Veröffentlichung  des 
Discours  sur  Vuniverscditi  de  la  langue  frangaise  in  die  Litte- 
ratur,  und  durch  seine  Verheiratung  ernstlich  in  das  Leben  eintrat. 

Kapitel  IIL  Die  ersten  Werke  und  die  Heirat  Bi- 
varoTs  (1782  — 1783).  Das  erste  Werk,  welches  Rivarol  trotz 
seiner  Abneigung  gegen  die  Feder,  wie  er  sich  scherzend  ausdrückte, 
im  Jahre  1782  erscheinen  Hess,  war  ein  kleines  kritisches  Pamphlet 
gegen  das  bekannte  Gedicht  des  Abbä  Delille,  um  dadurch  das 
Zeichen  zu  einer  heilsamen  Beaction  gegen  jenen  Enthusiasmus  zu 
geben,  dessen  Gegenstand  der  genannte,  noch  weniger  geschickte  als 
glückliche  Übersetzer  und  Versificator  Virgil's  war.  Es  führte  den 
Titel:  Lettre  du  ^resident  de  \*  ä  M.  le  comte  de  %*  sur  le 
polme  des  Jardins  et  la  reponse  du  comte  de  %*  und  trug  nicht 
den  Namen  seines  eigentlichen  Verfassers,  sondern  den  eines  comte 
de  Barruel-Beauvert,  eines  Dragonerhauptmanns,  der  zugleich  Neffe 
und  Sekretär  Bivarol's  war.  Durch  seinen  Versuch  war  Delille, 
welcher  seit  1774  Mitglied  der  Acadömie  fran9aise  war,  zum  an- 
gebeteten Götzen  der  Salons  und  ziim  angebeten  Liebling  aller  ge- 
fühlvollen hübschen  Damen  geworden.  Es  fragte  sich  nur,  ob  das 
Gedicht  in  der  That  jener  Lobesüberschüttungen  wert  war,  die  ihm 
von  allen  Seiten  in  so  reichem  Masse  gespendet  wurden;  sicherlich 
war  Bivarol  zu  einer  näheren  Prüfung  und  eventuellen  Verurteilung 
desselben  berechtigt,  denn  es  trieb  ihn  dazu  nicht  Eifersucht  auf 
die  glänzenden  Erfolge  des  Nebenbuhlers,  sondern  der  Ärger  über 
den  Geschmack  der  Salons  an  einem  litterarischen  Produkt,  das 
seiner  Meinung  nach  das  Schicksal  der  Mais  von  Boucher  verdient 
hätte.  Er  protestierte  also  im  Namen  der  Kritik  gegen  Delille^s 
Werk,  welches  ihm  nichts  anderes  war,  als  ein  Gedicht  ohne  Li- 
spiration,  eine  Komposition  ohne  Plan  und  Einheit,  eine  beiläufige 
didaktische  Arbeit,  deren  beschreibende  Stellen  sich  in  leere  Phrasen 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  socicie  fran<^mse  etc.  199 

ergehen,  ein  Natai^emälde,  in  dem  überhaupt  die  Natur  fehlt,  kurzum 
ein  Werk,  das  jenes  Aufhebens,  welches  man  von  ihm  machte,  gar 
nicht  wert  war. 

Wie  zu  erwarten,  machte  diese  Kritik,  die  man  ein  kleines 
Meisterwerk  des  Scharfsinns  und  der  Satire  nennen  durfte,  grosses 
Aufsehen.  Man  erkannte  an,  dass  Rivarol  im  Rechte  war  und 
lobte  besonders  die  Art  und  Weise,  wie  er  es  sich  verschafft  hatte, 
mit  Oeist,  Takt  und  Mass,  ohne  das  urteil  seiner  Zeitgenossen  gröb- 
lich anzugreifen  oder  an  den  Gegenstand  seiner  Kritik  einen  über- 
trieben strengen  Massstab  anzulegen.  Daher  wurde  denn  auch  dieser 
Angriff,  zumal  eines  Anfängers,  auf  einen  geheiligten  Dichternamen 
von  den  meisten  nicht  für  allzu  kühn  gefunden,  ausgenommen  von 
Grimm  oder  seinen  Mitarbeitern,  welche  folgendes  darüber  schrieben: 
„Von  allen  Kritiken  des  Dichters  der  Jardins  ist  die  herbste,  viel- 
leicht die  ungerechtfertigste,  aber  zugleich  auch  interessanteste  die 
von  einem  jungen  Manne,  der  sich  lange  hat  M.  Deparcieux 
nennen  lassen  und  sich  nun,  da  er  das  Recht,  diesen  Namen  zu 
tragen,  nicht  nachweisen  konnte,  Chevalier  de  Rivarol  zu  unterzeich- 
nen beliebt.'^ 

Um  seinen  Sieg  zu  vollenden  und  zugleich  dem  Abte,  welchen, 
wie  wir  weiter  unten  erwähnen,  eine  Portsetzung  der  „lettre  etc." 
zur  Anwendung  von  Gewaltmassregeln  zu  treiben  drohte,  die  er  in- 
des nicht  ausführte,  seine  Dankesbezeugung  für  die  gütige  Schonung 
in  ironischer  Weise  zu  übermitteln,  richtete  Rivarol  an  Delille  den 
in  Versen  abgefassten  Dialogue  du  chou  et  du  navet,  ein  Zwie- 
gespräch zvidschen  dem  Kohl  und  der  Steckrübe  in  Form  eines  Ge- 
dichtes, in  welchem  der  Verfasser  die  in  Vergessenheit  geratenen 
gewöhnlicheren  Pflanzengattungen  gegen  die  bevorzugteren  vornehmen 
Gewächse  verteidigte  und  die  von  dem  Dichter  der  Jardins  mit  un- 
gerechter Verachtung  behandelten  gewöhnlichen  Gemüsearten  rächte. 
Einige  Proben  davon  findet  man  in  Lescui*e's  Buch  über  Rivarol, 
pag.  62  ff. 

Delille,  der  sich  nicht  verhehlen  konnte,  dass  der  ihm  in  so 
scherzhafter  Weise  von  seinem  Gegner  gemachte  Vorwurf  begründet 
war,  entschloss  sich,  zur  Beruhigung  der  vernachlässigten  Gemüse 
und  ihres  Anwaltes,  seinen  Jardins  eine  versöhnende  Episode  hin- 
zuzufügen, die  er  dem  Suppentopfe  viddmete. 

Wenn  der  Abt  sich  bis  dahin  trotz  seiner  Erbitterung  gegen 
Rivarol  nur  auf  litterarischem  Wege  an  ihm  gerächt  hatte,  so  schien 
die,  kurze  Zeit  nach  der  Veröffentlichung  des  lettre  au  prösident  de 
*j^*  sur  le  poöme  des  jardins  erschienene  Fortsetzung  desselben,  ihn 
zu  einem  wirklichen  Gewaltakt  gegen  Rivarol  zu  treiben,  den  alle 
von  den  Ministern  protegierten  Persönlichkeiten  durch  Anwendung 
der  bekannten   lettres    de   cachet  gegen  ihre  Feinde  leicht  ausüben 


200  Referate  und  Rezensionen,    W.  Brummert, 

konnten;  hatte  doch  auch  der  Journalist  Clement  für  sein  Vergehen 
von  genau  derselben  Art  im  Gefängnisse  schmachten  müssen. 

Indes  sah  Delille  von  diesen  Gewaltmassregeln  ab,  und  Ri- 
varol  Hess  es  an  den  bereits  erwähnten  ironischen  Dankesbezeugun- 
gen nicht  fehlen,  indem  er  in  jenem  Dicdogue  du  chou  et  du 
navet  die  ihm  von  seinem  Gegner  widerfahrene  ausserordentliche 
Gnade  besang.  Delille  schwieg  nun  und  that  wohl  daran,  denn  er 
hatte  mit  einem  Manne  zu  schaffen,  dessen  Eifer  durch  Widerspruch 
nur  gestärkt  wurde. 

Infolge  des  litterarischen  Streites  zwischen  Delille  und  Riyarol 
war  eine  Beziehung  zwischen  letzterem  und  Buffon  eingetreten,  von 
der  wir  hier  indes  nur  erwähnen  wollen,  dass  in  Briefen,  von  denen 
unter  anderen  einer  an  Bivarol  selbst  und  an  madame  Necker  ge- 
richtet war,  der  berühmte  Verfasser  der  Histoire  naturelle  sich  in 
lobender  und  anerkennender  Weise  über  Rivarol's  Kritik  der  Jardins 
äusserte. 

In  den  kleineren  Schriften  RivaroFs,  von  denen  wir  nur  die 
lettre  ä  M,  le  president  cfe  *  ^  *  sur  le  glohe  aerostatique,  sur  les 
tetes  parlantes  et  sur  Vitat  de  Vopinion  publique  ä  Parisy  pour 
servir  de  suite  ä  la  lettre  sur  le  pohme  des  jardins  erwähnen 
wollen,  weil  man  sie,  wie  auch  im  Titel  angedeutet,  als  Fortsetzung 
seiner  Kritik  der  Jardins  betrachten  kann,  findet  man  die  Kunst 
Rivarol's,  zu  beobachten,  zu  analysieren  und  zu  kritisieren  in  glei- 
chem Masse,  wie  in  jenem  grossen  Werke  wieder. 

Wie  durch  diese  Schriften  Rivarol  in  die  litterarische  Welt, 
so  wurde  er  durch  seine  Heirat,  über  die  wir  jetzt  berichten  wollen, 
ins  Leben  hineingeführt.  Im  Jahre  1780  oder  1781  lernte  er  zu- 
fällig eine  junge  Dame  kennen,  die,  freilich  älter  als  er,  durch  ihre 
ausserordentliche  Schönheit  seine  Aufmerksamkeit  erregte.  Sie  hiess 
Louise  Henriette  Mather  Flint  und  stammte  aus  einer  schottischen 
Familie,  welche  unter  den  Stuarts  durch  ein  unglückliches  Geschick 
hart  heimgesucht  worden  war.  Rivarol  erklärte  ihr  seine  Liebe, 
und  beide  schlössen  den  Ehebimd.  Cerutti  behauptete  in  seinem 
Buche  über  Rivarol  in  gehässiger  und  schmähsüchtiger  Absicht  von 
der  betreffenden  Dame,  sie  sei  die  Tochter  eines  englischen  Sprach- 
lehrers und  habe  ihrem  Manne  als  Mitgift  die  Grammatik  ihres 
Vaters  gebracht,  sie  stamme  übrigens  aus  einem  sächsischen  Hause. 
—  Der  letzteren  Behauptung,  die  Genealogie  betreffend,  wird  indes 
durch  die  PensSes  inddites  de  Rivavol  widersprochen,  denen  zufolge 
die  Familie  Mather  Flint  sehr  alt  und  einst  dem  Könige  Jakob  von 
Schottland  nach  Frankreich  gefolgt  war.  Fräulein  Mather  Flint, 
nunmehr  madame  Rivarol,  besass  ein  grosses  Interesse  ftir  die 
Litteratur,  und  sie  bethätigte  dies  nicht  allein  durch  ihre  litterarische 
Korrespondenz,   wie  z.  B.   mit  dem   Dichter   Restif  de  la  Bretonne, 


de  Lescure:  Rivarol  ei  la  societe  fran^aise  eic.  201 

sondern  auch  indem  sie  selbst  sich  schriftstellerisch  versuchte,  wie 
folgende  ihrer  Werke  beweisen;  VAppel  des  whigs  anciens  aux 
Whigs  modernes,  aus  dem  Englischen  übersetzt  von  Edmund  Burke 
1791  in- 8;  Histoire  de  Vagricidture  en  Italie,  aus  dem  Eng- 
lischen übersetzt  1797  in- 8;  Couvent  de  Saint- Dominique  eben- 
falls aus  dem  Englischen  übersetzt  in- 8;  Encyclop^die  morale, 
1802  in- 12,  welch  letzteres  neugedruckt  wurde  unter  dem  Titel: 
Econmnie  de  la  vie  civüe,  1812  in -12. 

Mehr  Interesse  für  uns,  namentlich  wegen  der  Details,  die  sie 
für  die  Biographie  von  beiden  Gatten  bieten,  haben  diejenigen 
Schriften,  welche  die  Wittwe  Rivarol  zum  Teil  gegen  die  von  ihr 
gehassten  Journalisten,  weil  sie  nicht  genug  oder  nicht  nach  ihrem 
Willen  über  sie  gesprochen  hatten,  zum  Teil  gegen  Freunde 
und  Verwandte  ihres  Mannes,  namentlich  gegen  ihren  Schwager 
richtete.  Sie  glaubte,  dass  von  Seiten  der  letzteren  der  Same  der 
Zwietracht  zwischen  ihr  und  ihrem  Gemahl  gesäet  und  eifrig  genährt 
worden  wäre,  um  sie  der  Hinterlassenschaft  des  letzteren  zu  be- 
rauben. 

Es  spricht  sich  in  diesen  Werken  mehr  Bitterkeit  and  Arger 
als  aufrichtiges  Leid  aus,  und  der  darin  zur  Schau  getragene  Schmerz 
über  den  Verlust  ihres  Mannes  ist  mehr  eine  theatralische  Trauer. 
Das  erste  von  den  hierher  gehörigen  Werken  war :  Notice  sur  la  vie 
et  la  mort  de  M,  de  Rivarol  par  madame  de  Rivarol,  sa  veuve,  en 
reponse  ä  ce  qui  a  eti  public  dans  les  journeaux',  mit  einer  Einleitung 
und  Noten  versehen.  Wir  entnehmen  daraus,  dass  madame  Rivarol 
in  Remiremont  geboren  wurde,  von  ihrem  Vater  eine  ausgezeichnete 
Erziehung  erhielt  und  in  der  besten  Gesellschaft  aufwuchs,  dass  sie 
femer  von  selten  aller  ihrer  Bekannten  sieh  der  besten  Achtung 
und  Wertschätzung  zu  erfreuen  gehabt  und  eines  Tages  Herrn 
Rivarol  die  Hand  gereicht  habe  in  der  Hoffnung,  dass  derselbe  in 
diesem  Bunde  mit  ihr  wenigstens  ebensoviel  Glück  empfangen  werde, 
als  er  ihr  selbst  durch  seine  ausgezeichneten  Eigenschaften  bot. 
—  Wie  sehr  sich  aber  die  beiden  Gatten  in  ihren  Erwartungen 
eines  stillen,  glücklichen  Familienlebens  getäuscht  hatten,  das  be- 
wiesen die  sich  allmählich  bis  zur  völligen  Trennung  steigernden 
Differenzen  unter  ihnen,  deren  Ursprung  in  der  Ungleichheit  der 
Charaktere  lag.  Rivarol's  eigener  Ausspruch  seinen  Freunden  gegen- 
über: „Je  ne  suis  ni  Jupiter  ni  Socrate,  et  j'ai  trouvä  dans  ma 
maison  Junon  et  Xantippe^  charakterisiert  uns  zur  Genüge  sein  Un- 
glück, und  das  von  Wjrsch,  einem  Maler  aus  der  Franche-Comtö, 
im  Jahre  1784  gefertigte  Bildnis  Rivarol's  drückt  uns  sein  ganzes 
Glück,  aber  auch  alle  seine  Leiden  als  Mensch  und  als  Schriftsteller 
vortrefflich  aus,  besser  als  jenes  von  Carmontelle,  das   gewöhnlich 


202  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brummert, 

an  der  Spitze  seiner  T^erke  figuriert,  aber  nicht  viel  mehr  als  eine 
Karrikatur  ist. 

Aus  den  ehelichen  Unverträglichkeiten,  welche  die  gegenseitige 
Täuschung  entwickelte,  gingen  bald  häusliche  Streitigkeiten  und 
stürmische  Auftritte  hervor,  die  schliesslich  mit  einer  freiwilligen 
und  stillschweigenden  Trennung  —  Ehescheidung  ist  nicht  nach- 
weisbar —  endigten.  Nichts  war  da  natürlicher,  als  dass  allerlei 
stark  übertriebene  Gerüchte  über  die  beiden  Eheleute  in  Umlauf 
kamen  und  auch  in  Werken  der  Litteratur  Platz  fanden.  So  schrieb 
z.  B.  Arsäne  Houssaye  über  Bivarol:  ^ Eines  Tages  las  er  (Bivarol) 
in  der  Zeitung,  dass  die  Akademie  der  Wärterin  seiner  kranken 
Gattin,  die  von  ihm  im  Stich  gelassen  sei,  für  treue  Aufwartung 
und  Pflege  der  Anerkennungspreis  verliehen  worden  sei;  das  wäre 
für  einen  Mann  von  zartfühlendem  Herzen  ein  empfindlicher  Schlag 
gewesen,  aber  Rivarol  besass  nur  Geist."  Hier  scheint  M.  Arsöne 
Houssaye  eine  Thatsache  in  etwas  romanhafte  Form  gebracht  za 
haben,  welche  allerdings  in  zwei  Biographien  von  mittelmässigem 
Werte  enthalten  ist;  in  jener  von  Cubiöres-Palmaizeaux  nämlich 
steht:  „Es  bot  sich  indessen  eine  Gelegenheit  dar,  Bivarol,  der  da- 
mals sehr  arm  war,  einen  Dienst  zu  erweisen;  d'Alembert  ergriff 
sie  begierig  und  liess  die  Kammerfrau  der  madame  von  Rivarol 
den  von  der  Akademie  ausgesetzten  Preis  gewinnen,  da  er  in  An- 
betracht seiner  Jugend  nichts  anderes  für  den  Gemahl  der  letzteren 
thun  konnte.  Um  den  Anerkennungspreis  bewarben  sich  Personen 
von  ausgezeichneten  Verdiensten,  und  ohne  d'Alembert  würde  ihn 
die  Kammerfrau  BivaroFs  nicht  erhalten  haben,  obgleich  sie  es  in 
vieler  Hinsicht  verdiente."  Und  die  andere  Biographie,  jene  von 
Sulpice  de  la  Plati^re,  erzählt  ganz  dieselbe  Geschichte  folgender- 
massen:  „Als  Rivarol  vernommen  hatte,  dass  die  Wärterin  seiner 
Frau  den  Preis  für  hohe  Verdienste  erhalten  habe,  eilte  er  ihr  ent- 
gegen mit  den  Worten:  „^Ich  hätte  Euer  Herz  erraten  sollen,  ich 
werde  diesen  Fohler  wieder  gut  machen,  indem  ich  Euch  von  nun 
an  mit  aller  Achtung  und  Zärtlichkeit  eines  Sohnes  behandle."" 

Alle  drei  Biographien,  sowohl  Cubi^res-Palmaizcaux,  als  auch 
Sulpice  de  la  Plati^re  und  Arseue  Houssaye  haben  auf  eine  wahre 
Thatsache  angespielt,  aber  dieselbe  übertrieben,  je  nach  ihrer  Eigen- 
art gedeutet  und  romanhaft  gestaltet.  Dies  wird  ganz  klar,  wenn 
man  die  Ooirespondance  de  Grimm  liest ;  hieraus  geht  i^mlich  hervor, 
dass  im  August  1783  die  Akademie  fran9aise  den  Preis  Monthy 
der  Magd  oder  Wärterin  von  madame  ßivoral  unter  Umständen 
bewilligte,  die  weder  auf  das  erwähnte  Vergehen,  seine  Frau  ver- 
lassen zu  haben,  noch  auf  schnöde  Undankbarkeit  Bivarol's  hin- 
deuten, und  aus  denen  die  wahren  Absichten  der  Akademie  herza- 
leiten,  vollständig  unmöglich  war,  obgleich  sich  böswillige  Chronisten 


j 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  socie'te  fran<^aise  etc.  203 

fanden,  die  es  aus  den  dargebotenen  Details  versuchten.  Nur  soviel 
geht  aus  Grimmas  Korrespondenz,  von  der  man  einen  Auszug  in 
Lescure's  Werk  über  Rivarol  (pag.  85  ff.)  findet,  als  sicher  hervor, 
dass  jene  Anschuldigung,  seine  Gattin  in  Not  und  Elend  zurückge- 
lassen zu  haben,  durch  nichts  begründet  ist,  dass  aber  allerdings  Miss- 
helligkeiten und  Unverträglichkeit  zwischen  den  beiden  Gatten  Platz 
griffen,  die  mit  der  Trennung  endigten,  indem  jeder  Teil  seine  Frei- 
heit zurückerhielt  und  sich  zurückzog,  ohne  erst  Vermögen  und 
Unterstützungsgelder,  die  sie  beide  nicht  besassen,  teilen  zu  müssen. 
EivaroVs  Gattin  starb  in  ziemlicher  Dürftigkeit  zu  Paris  am 
21.  August  des  Jahres  1821. 

Zur  Zeit,  als  Rivarol  seine  bedeutenden  Werke,  eine  Über- 
setzung des  Inferno  (1783)  und  den  Discours  sur  Tuniversalitö  de  la 
langue  fran9aise  (1784)  erscheinen  liess,  bestand  wenigstens  äusser- 
lich  noch  ein  gutes  Einvernehmen  mit  seiner  Gattin,  und  die  Freude 
über  den  Erfolg,  den  sie  hatten,'  entschädigte  ihn  einigermassen  für 
die  bitteren  Erfahrungen  im  Eheleben. 

Kapitel  IV.  Rivarol  gewinnt  den  Preis  der  Aka- 
demie von  Berlin  und  übersetzt  Dante's  „Inferno".  Nach 
Veröffentlichung  der  lettre  sur  les  jardins  und  der  erwähnten 
kleineren  Schriften,  entschloss  sich  Rivarol  in  Berlin  ein  Werk  zu 
versuchen,  das,  frei  von  Malize,  nur  seinen  Konkurrenten  Missmut 
erregen  konnte.  Es  war  der  im  Jahre  1 784  erschienene  Discours 
sur  Vuniversalite  de  la  langue  frangaise,  wodurch  ihm  ein  äusserst 
glänzender  Erfolg  neben  der  besonderen  Anerkennung  Friedrich's 
des  Grossen  in  einem  ganz  französisch  geschriebenem  Briefe  des- 
selben zu  Teil  wurde. 

Die  Akademie  von  Berlin  hatte  im  Jahre  1783  zum  Gegen- 
stand einer  Preisbewerbung  die  Beantwortung  folgender  Fragen  ge- 
macht: „Qu'est-ce  qui  a  rendu  la  langue  fran9aise  universelle?"  — 
„Pourquoi  mörite-t-elle  cette  prörogative?"  —  „Est-il  ä  prösumer 
qu'elle  la  conserve?"  —  Die  Beantwortung  dieser  Fragen,  in  der 
Rivarol  als  hervorstechende  Eigenschaften  der  französischen  Sprache 
deren  Einfachheit  und  Klarheit  rechnete,  liess,  abgesehen  von  den 
in  ihr  entwickelten  geistreichen  Gedanken,  auch  rücksichtlich  des 
Stils  die  meisten  anderen  eingegangenen  akademischen  Arbeiten 
weit  hinter  sich  zurück.  Deutschland  und  Frankreich  wetteiferten 
dem  Autor  die  Beweise  ihrer  Hochachtung  und  des  Dankes  abzu- 
stattten.  Friedrich  der  Grosse  schrieb  ihm  sehr  schmeichelhaft: 
^Depuis  les  ouvrages  de  Voltaire,  je  n^ai  rien  lu  de  meilleur  en 
littörature  que  votre  discours  et  j'ai  trouvö  vos  vers  aussi  spirituels 
qu'öl^nts."  Ludwig  XVI.  wollte  nicht  hinter  Friedrich  in  seinen 
Gunstbezeugungen  zurückbleiben  und  überwies  dem  Verfasser  des 
Discours,  der,  wie  er  sagte,  die  französische  Sprache  und  Nation  zu 


304  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brummcrt, 

so  glänzendem  Ansehen  emporhob,  durch  Herrn  von  Breteuil  eine 
vierteljährige  Rente  von  1000  Francs,  wovon  die  Öffentlichkeit 
indes  erst  durch  die  1836  von  dem  Bruder  BivaroFs  herausge- 
gebene Freface  aux  Pensees  inedites  Kenntnis  erhalten  hat. 

Das  Werk  erlebte  vier  Auflagen,  von  denen  eine  in  London 
bei  Dulan  erschien.  Sulpice  de  la  Plati^re  hat  es  ganz  in  den 
zweiten  Band  seiner  weitschweifigen  Biographie  mit  angeblich  vom 
Verfasser  selbst  vorgenommenen  Änderungen  und  Verbesserungen 
aufgenommen. 

Es  war  fast  selbstverständlich,  dass  das  Werk  auch  Gegner 
fand  und  besonders  von  Seiten  solcher  Kritiker  hart  beurteilt  wurde, 
die  sich  durch  die  ungeheuer  glänzende  und  beitUllige  Aufnahme 
desselben  in  den  Schatten  gestellt  sahen;  man  hätte  vorhersagen 
können,  dass  Garat  den  Discours  mittelmässig,  dass  La  Harpe  dem 
Verfasser  eine  zu  weitgehende  Entlehnung  (aus  Condillac)  vorwerfen, 
dass  Cerutü  das  Meisterwerk  sogar  für  eine  blosse  Mystifikation 
erklären  würde.  Allein  unbeschadet  aller  dieser  Anfeindungen  blieb 
das  Werk  BivaroFs  auf  seiner  ursprünglichen  Höhe  stehen ;  vor  den 
vielen  und  häufig  wiederholten  Herabsetzungen  schützte  es  der 
kunstvolle  und  anmutige  Stil,  so  dass  Grimmas  Urteil  in  seiner 
correspondance  littöraire,  worin  er  ähnlich,  wie  Friedrich  der  Grosse 
und  die  Akademie  sich  ausdrückte,  dass  nämlich  das  Werk  nicht 
rhetorische  oder  philosophische  Gemeinplätze,  sondern  eine  mit  Ver- 
nunft und  vielem  Scharfsinn  behandelte  Frage  enthalte,  noch  heute 
zu  Recht  besteht. 

ßivarol,  der  sich  bewusst  war,  dass  das  Unerwartete,  das 
Neue,  und  die  Raschheit  in  den  Unternehmungen,  wesentlichere 
Faktoren  zum  erfolgreichen  Gelingen  eines  Werkes  sind,  als  selbst 
das  Talent,  lenkte  bald  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  durch  einen 
Versuch  auf  sich,  der,  anscheinend  unbedeutend,  dennoch  niemanden 
über  die  Schwierigkeiten  der  Ausführung  im  Zweifel  Hess.  Es  war 
die  Übersetzung  der  HöUe  Dante's,  von  dem  allerdings  bereits 
eine  Obersetzung,  aber  noch  keine  in  Prosaform  erschienen  war 
Welch  grosses  Wagstück  ein  derartiger  Versuch  war,  leuchtet  ein, 
wenn  man  bedenkt,  dass  Dante  wie  Shakespeare  für  unübersetzbar 
erklärt  worden  waren,  und  Rivarol  sich  zuerst  daran  setzte,  einen 
in  Frankreich  unbekannten  oder  doch  schlecht  gekannten  Dichter, 
den  Voltaire  ein  Monstrum  von  Dunkelheiten  genannt  hatte,  in  die 
französische  Sprache  und  Litteratur  einzuführen. 

Nach  Rivaro^s  Ansicht  wird  nun  eine  Übersetzung  nicht 
gemacht,  um  den  Leser  von  der  Lektüre  des  Originals  zu  befreien, 
sondern  ihr  Zweck  ist  lediglich  Unterstützung  beim  Lesen  in  dem 
französischen  Idiom;  sie  ist  weniger  eine  Kopie,  als  eine  Nach- 
ahmung und  Erklärung;    dessen   eingedenk  hat   er  sich  weniger  an 


de  Lescure:  Rhmrol  et  la  societe  franqaise  etc.  205 

die  buchsiäbliche  Grenauigkeit  und  gewissenhafte  Ti'eue  seiner  Über- 
setzung gebunden  und  —  wenn  man  absieht  von  der  eingeengten 
Betrachtung  von  ausschliesslich  historischem  und  litterarischem  Ge- 
sichtspunkte aus  —  das  dreifache  Ziel  nach  dem  er  strebte,  mit 
ziemlicher  Volkommenheit  erreicht.  Seine  Absicht  war  nämlich 
erstlich,  alle  Streitkräfte  der  französischen  Sprache  zu  einem  ritter- 
lichen Wettstreit  mit  der  italienischen  ins  Feld  zu  führen,  damit 
die  beiden,  weniger  um  sich  zu  besiegen,  als  um  ihre  Kraft  zu 
zeigen,  mit  einander  kämpften;  sodann  nur  dasjenige  aus  Dante' s 
Werk  herauszunehmen,  was  den  meisten  seiner  Leser  leicht  ver- 
ständlich war,  Dämlich  diejenigen  Teile,  welche  sich  nicht  allzusehr 
von  der  Realität  entfernten,  und  dafür  alle  diejenigen  Partien  des 
Fegefeuers  und  Paradieses,  welche  dem  Versl^ndnisse  der  Franzosen 
des  achtzehnten  Jahrhunderts  zu  mystisch  und  erhaben  waren,  zu 
streichen. 

Nach  diesen  Andeutungen  lässt  sich  das  urteil  über  BivaroFs 
Enfer  etwa  in  folgende  Worte  zusammenfassen:  „Die  Übersetzung 
von  Dante's  Enfer,  insoweit  als  sie  ein  origineller  litterarischer  Ver- 
such und  eine  vortreflTliche  geistige  Übung  ist,  verdient  mit  Recht, 
gelobt  zu  werden ;  insofern  man  sie  aber  als  Übersetzung  betrachtet, 
ist  dies  nicht  der  Fall;  denn  das  derselben  zu  Grunde  gelegte 
System,  die  rücksichtslose  Hintansetzung  von  Treue  und  Genauig- 
keit birgt  Konsequenzen  in  sich,  gegen  die  zu  protestieren  man 
völlig  berechtigt  ist."  Was  kann  auch  dem  Leser  das  Ungefähr 
einer  Übersetzung  nützen,  wenn  ihm  statt  der  vom  Dichter  fein  ge- 
wählten Worte  nur  ähnliches  sagende  Ausdrücke,  wenn  ihm 
statt  der  anschaulichen,  die  Sprache  belebenden  Bilder  nur  abge- 
schwächte Phrasen  geboten  werden.  Hier  ist  die  Klippe,  an  der 
die  meisten  Übersetzungen  Schiffbruch  leiden,  hieran  hat  auch  die 
bekannte  Übersetzung  des  Don  Quichotte  von  Florian,  wie  auch  jene 
der  lliade  von  Bitaubä  Schaden  genommen,  und  auch  Rivarol's 
Übersetzung  musste  an  ihrer  allzu  grossen  Unabhängigkeit  vom 
Original  verunglücken. 

Interessant  wäre  ein  Veigleich  zvidschen  RivaroVs  und  jener 
von  Littre  gelieferten,  von  ganz  anderen  Prinzipien  beherrschten 
Übersetzung.  Dieser  versuchte  nämlich,  seinem  Werke  jene  Naivität 
und  Jugendfrische,  die  seiner  Ansicht  nach  eine  Übersetzung  Dante's 
haben  müsse,  durch  Anwendung  des  dem  dreizehnten  Jahrhundert 
angehörigen  Französisch,  welches  dem  Italienisch  der  Divina  comedie 
zeitlich  entspricht^,  zu  verleihen;  indes  auch  dieser  Versuch  ist  für 
die  Lösung  des  Problems,  mit  vollständiger  Treue  zu  übersetzen, 
nicht  glücklicher  gewesen,  als  die  vielen  anderen,  die  wir  hier  über- 
gehen können. 

Den  Schluss  dieses  Kapitels  möge  eine  zeitgenössische   Kritik 


206  Referate  und  Rezensione'n .    Pf\  Brummeri, 

und  zwar  die  der  Correspondance  littäraire  von  Grimm  vom  Augnst 
des  Jahres  1785  bilden,  welche  über  RivaroFs  Leistung  mehr 
günstig  als  beifällig  urteilt.  Es  hiess  da  (im  Auszug):  „Obgleich 
der  Stil  dieser  neuen  Übersetzung  nicht  immer  auf  gleicher  Höhe 
gehalten  ist,  und  obgleich  wir  häufig  die  notwendige  Eleganz  und 
Treue  vermissten,  haben  wir  dennoch  in  dem  Werke  grosse  Schwierig- 
keiten mit  Glück  überwältigt  gefunden  und  wagen  zu  behaupten, 
dass  es  höher  als  alle  diejenigen  steht,  welche  wir  kennen.^  Dieses 
Urteil  Grimmas  hat,  wie  auch  manche  andere  von  ihm,  durch  den 
definitiven  Aussprach  der  gegenwärtig  bedeutendsten  Kritiker  seine 
Richtigkeit  bewähi-t. 

Kapitel  V.  Rivarol  als  Pamphletschreiber.  —  Petit 
Almanach  des  grands  hommes  (1787  —  1788.).  Nach  Vollendung 
der  beiden  im  Vorhergehenden  erwähnten  Werke  kehrte  Rivarol  zu 
jener  litterarischen  Thätigkeit,  in  der  er  Meister  war  —  zar 
Kritik  —  zurück.  Die  Litteratur  drohte  nämlich  zu  allgemeiner, 
leichtfertiger  Mittelmässigkeit,  zu  platter  Nachahmung  der  glänzen- 
den Erzeugnisse  grosser  Geister  herabzusinken,  wenn  nicht  ein 
energischer,  scharfsinniger  Kopf  die  verkehrten  Ansichten  in  littera- 
rischen Dingen  ausrottete  und  durch  den  Sturz  jener  Menge  von 
Kleingeistern,  die  sich  auf  den  Dichterparnass  gedrängt  hatten,  den 
guten  Geschmack  wiederherstellte.  Da  trat  nun  Rivarol  mit  seinem 
schneidigen  Werk:  Le  Petit  Almanach  des  grands  hommes  pour 
Vannie  1788,  als  Befreier  auf.  Das  Erscheinen  dieser  Schrift  war 
ein  Ereignis;  sie  führte  den  Vemichtungsstreich  gegen  die  das 
Publikum  mit  ihren  wertlosen  Erzeugnissen  belästigenden  und  den 
guten  Geschmack  verderbenden  seichten  Autoren.  Allein  die  Freude 
des  Triumphes  währte  nicht  so  lange,  als  Rivarol  vielleicht  gedacht 
hatte;  denn  die  so  grausam  von  ihm  gestrafte  Mittelmässigkeit  er- 
hob sich  wie  eine  tausendköpfige  Viper  gegen  ihn  und  suchte  ihn 
mit  ihren  giftigen  Waffea  zu  verderben.  Le  Brun,  Cerutti  und 
Chönier  waren  seine  erbittersten  und  gefährlichsten  Gegner.  Scho- 
nungslos durchwühlten  sie  förmlich  Rivarol's  Privatleben  nach 
seinen  wunden  Stellen.  Man  untersuchte  seinen  Adel,  um  ihn  als 
unecht  zu  bezeichnen,  map  erfand  eine  ganze  Skandallegende  gegen 
ihn  und  ging  in  dem  Hasse  gegen  ihn  schliesslich  soweit,  ihn  in 
der  Person  seines  Vaters  zu  kränken. 

Den  schwersten  Stein  in  dieser  allgemeinen  Steinigung  schleu- 
derte Joseph  Chönier  gegen  unsem  Dichter  durch  eine  Satire  in 
Dialogform,  betitelt:  Dialogue  entre  la  Public  et  V Anonyme,  von 
dem  einige  Bruchstücke  bei  Lescure  pag.  130  ff.  zn  finden  sind. 
Es  wäre  schwer,  dieses  Werk  zu  analysieren,  das  in  seinen  Einzel- 
heiten bis  zur  Brutalität  gehende  Verleumdungen  aufweist;  hier 
seien    nur  die  hauptsächlichsten    Anklagen    aus    demselben  heraus- 


de  Lescnre:  Rivarol  et  la  societe  fraimdse  eic.  207 

gehoben:  Rivarol  wird  beschuldigt,  sich  den  Adel  unrechtmässiger 
Weise  angemasst,  seinen  Geist  andern  gestohlen,  aus  lauter  Faul- 
heit, die  mit  seiner  Ohnmacht  in  Verbindung  stehe,  niemals  ein 
Werk  ganz  fertig  gebracht  und  seinen  Lebensunterhalt  wie  seine 
anrüchige  Berühmtheit  nur  durch  die  Abfassung  von  Streitschriften 
gesucht  und  gefunden  zu  haben;  das  Ganze  endigte  mit  einem  Rate, 
der  einer  Drohung  mit  Stockprügeln  sehr  ähnlich  sah.  — 

Wir  fragen,  was  that  Rivarol  auf  solche  infame  Verläum- 
dungen  und  Schmähungen  ?  —  Er  betrachtete  sie  mit  philosophischer 
Verachtung  und  lächelte  nur  über  den  masslosen  Zorn  seiner  er- 
bitterten Gegner. 

Das  beste  aber  an  Rivarol's  Werk  war  der  heilsame  Einfluss, 
den  es  auf  den  litterarischen  Geschmack  seiner  Zeit  ausübte.  Seine 
Ironie  vernichtete  oder  verminderte  wenigstens  die  verderblichen 
Wirkungen  jenes  tJbermasses  von  mittelmässigen  Geistern,  die  einen 
Engländer  mit  Bezug  auf  ihre  flüchtigen  und  schwachen  Produkte 
veranlassten,  das  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts  das  „papieme 
Zeitalter"  zu  nennen.  Es  ist  auch  gewiss,  dass  der  Petit  Almanach 
des  grands  hommes,  welcher  mehr  den  Eindruck  einer  Satire,  als 
einer  Kritik  macht,  ein  geistreiches  und  unterhaltendes  Werk  ist, 
welches  dieser  Vorzüge  halber  verdient,  noch  heute  gelesen  zu  wer- 
den. Die  meisten  seiner  Scherze  und  spöttischen  Witzworte  sind 
freilich  veraltet,  doch  die  Form  ist  immer  noch  ansprechend,  und 
die  Wirkung  auf  das  Publikum,  das  derartige  Bücher  durchaus 
nicht  hasst,  immer  noch  gross. 

Kapitel  VI.  Rivarol  als  Philosoph.  —  Briefe  an 
Necker  (1788).  Sehr  bald  nach  dem  Erscheinen  des  Petit  Al- 
manach des  grands  hommes  veröffentlichte  Rivarol  zwei  Briefe,  die 
an  den  Verfasser  des  Buches:  Sur  Vlmportance  des  opinions 
religieuses  gerichtet  waren.  Besonders  der  erste  dieser  Briefe,  wel- 
cher vom  Jahre  1788  datiert  ist,  war  bestimmt^  das  erwähnte  Buch, 
das  Necker  verfasst  hatte,  einer  Prüfung  und  Kritik  zu  unterziehen. 
Nachdem  er  in  der  Einleitung  desselben  Necker  durch  seine  Aner- 
kennung als  tüchtigen  Minister  volle  Gerechtigkeit  hatte  widerfahren 
lassen,  stellte  er  seine  eigenen  philosophischen  Ansichten  denen 
Necker's  gegenüber  und  wies  die  Unklarheit  der  Lehre  des  letzteren 
und  die  Unzulänglichkeit  seines  Systems  nach.  —  Schon  der  un- 
glückliche Titel  des  Buches  war  der  erste  Fehler,  den  Rivarol  jenem 
nachwies,  denn,  sagte  er,  in  Sachen  der  Religion  genügt  die  Mei- 
nung nicht,  hier  gelten  nur  Prinzipien,  und  diese  dürfen  nicht  aus 
der  Meinung,  dass  die  Religion,  welche  man  bekennt,  nützlich  und 
notwendig,  sondern  daraus,  dass  sie  wahr  sei,  resultieren.  Necker 
hingegen  hatte  von  vornherein  zu  sehr  die  Notwendigkeit  und  Nütz- 
lichkeit der  religiösen  Ideen  betont. 


208  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brmnmeri, 

Im  zweiten  Briefe  unternahm  Rivarol  darzulegen  —  entgegen 
Necker's  Ansicht  —  dass  die  Moral  über  der  Religion  stehe,  ^s 
die  Philosophen  ohne  die  Kenntnis  der  Moral  keine  Weisen  mehr 
wären,  sondern  einfach  nur  Grübler,  dass  die  Religion  durchaus 
nicht  die  Vervollkommnung  der  Moral  bildete,  „da  die  letztere  immer 
vollkommen  sei,  dass  vielmehr  die  Religion  als  die  Ergänzung  der 
Sittengesetze  aufzufassen  sei,  weil  sie  der  Furcht  vor  zeitlichen 
Strafen  die  Angst  vor  der  ewigen  Verdammnis  hinzufüge".  —  Die 
Correspondance  von  Grimm  äusserte  sich  unter  dem  Datum  vom 
August  1788  folgendermassen  über  diesen  Brief.  ^^Der  Gegenstand 
des  zweiten  Briefes  ist,  zu  beweisen,  dass  es  eine  von  Kultus  und 
Religion,  welcher  Art  sie  auch  sein  mögen,  unabhängige  Moral 
giebt;  aber  selbst  wenn  dies  streng  bewiesen  sein  würde,  so  folgte 
daraus  noch  nicht,  dass  diese  Moral  auch  ihre  Wirkung  auf  das 
Volk  äusserte,  oder  grossen  Einfluss  auf  die  öffentlichen  und  privaten 
Sitten  und  Gewohnheiten  ausübte,  wenn  nicht  religiöse  Mei- 
nungen zu  Hilfe  kommen,  die  so  ganz  geeignet  sind,  das  Gefühl 
und  den  Willen  des  Menschen  zu  beherrschen.  Alle  Jahrhunderte 
und  Länder  geben  uns  Zeugnis,  dass  niemals  eine  zivilisierte  Gesell- 
schaft ohne  irgend  eine  Religion  bestanden  hat  und  bestehen  konnte.  ^ 

Rivarol  hatte  also  doch  nicht  gut  daran  gethan,  die  Moral 
auf  Kosten  der  Religion  so  hoch  zu  erheben,  und  er  beeilte  sich 
auch  noch  kurz  vor  Ausbruch  der  Revolution,  welche  in  so  beredter 
Weise  die  politische  Wichtigkeit  und  moralische  Notwendigkeit  der 
religiösen  Überzeugungen  beweisen  sollte,  seine  Ansichten  zu  ändern. 
Bevor  wir  jedoch  diesen  Wechsel  seiner  Gesinnungen  verfolgen,  sei 
es  gestattet,  ims  einen  Augenblick  mit  seinen  Freunden  und  Feinden, 
sowie  mit  der  Gesellschaft  der  Salons  vor  dem  unmittelbaren  Aus- 
bruch der  Revolution  zu  beschäftigen. 

Kapitel  VII.  Freunde  und  Feinde  Rivarol's.  —  Erster 
Blick  auf  die  Gesellschaft  und  die  Salons  am  Abende  vor 
der  Revolution.  Die  Zahl  der  Freunde  Rivarol's  war  wie  die- 
jenige seiner  Feinde,  wie  wir  auch  bereits  zu  beobachten  Gelegenheit 
hatten,  eine  sehr  grosse,  unter  den  ersteren  ragen  die  drei  bedeu- 
tendsten Persönlichkeiten  der  Litteratur  am  Ende  dieses  Jahrhunderts, 
nämlich  d'Alembert,  Voltaire  und  Buffon  vor  den  übrigen  besonders 
hervor.  Wir  erinnern  uns,  d'Alembert  früher  schon  als  den  Führer 
und  Beschützer  RivaroPs  in  der  litterarischen  Welt  begegnet  zu 
sein;  es  war  ein  Mann,  der  auf  dem  Gebiete  der  Philosophie  sehr 
kühn,  in  litterarischen  Beurteilungen  sehr  scharfsinnig  und  in 
moralischen  Dingen  sehr  egoistisch  zu  Werke  zu  gehen  pflegte. 
Rivarol  spricht  von  ihm  nicht  viel,  imd  es  werden  uns  nur  wenige 
Spuren  und  Andeutungen  über  seine  Beziehung  zu  diesem  Manne 
überliefert. 


de  Lescure:  Rivarol  ei  la  socie'te  franqaise  etc.  209 

Besser  unterrichtet  sind  wir  über  den  Verkehr  und  das  Ver- 
hältnis zwischen  Rivarol  und  Voltaire  einerseits  und  Buffon  anderer- 
seits. Voltaire  war  bald  von  dem  Zauber  dieses  Geistes  hingerissen^ 
der  in  Rivarol  mit  unwiderstehlicher  Gewalt  wirkte.  Er  begeisterte 
sich  für  den  bewunderungswürdigen  jungen  Manu  und  bot  ihm,  was 
er  sonst  nicht  leicht  that,  einen  Sommeraufenthalt  in  Ferney  an. 
Aber  Rivarol,  der  seinerseits  von  Bewunderung  des  gewaltigen 
Geistes  in  Voltaire  tief  erfüllt  war,  nahm  dessen  Anerbieten  nicht 
ernst  und  schlug  es  damals  aus;  auch  später  hat  er  es  —  soweit 
wir  davon  unterrichtet  sind  —  nicht  angenommen,  und  hierin  lag 
wohl  der  Grund  des  dauernd  guten  Einvernehmens  zwischen  beiden 
Männern,  welches  auf  diese  Weise  vor  den  Gefahren  der  Intimität 
geschützt  blieb.  Voltaire  empfand  eine  Lust  daran,  seinen  Freund 
mit  Lobeserhebungen  zu  überschütten  und  nannte  ihn  häufig  den 
Franzosen  par  excellence;  aber  auch  Rivarol  war  ein  aufrichtiger 
Freund  und  Verehrer  seines  grossen  Zeitgenossen.  Er  schätzte  frei- 
lich an  ihm  den  Historiker  wenig  und  noch  woniger  den  Philo- 
sophen, doch  dafür  stellte  er  ihn  als  Dichter  um  so  höher. 

Mit  Buffon  lebte  Rivarol,  wenigstens  anfangs,  in  einem  herz- 
lichen, freundschaftlichen  Verhältnis  und  bewunderte  ohne  Rückhalt, 
was  ihn  an  jenem  wahrhaft  Bewunderungswertes  erschien.  Später 
erst  wurden  allem  Anscheine  nach  —  aus  welchen  Gründen  wissen 
wir  nicht  bestimmt  —  die  guten  Beziehungen  zwischen  beiden 
Männern  getrübt;  vermutlich  lag  die  Ursache  der  gegenseitigen  Ab- 
neigung einerseits  in  der  Verschiedenheit  ihrer  Geistesrichtungen, 
denn  Buffon  war  von  religiöser  Begeisterung  für  seinen  Schöpfer 
erfüllt,  wählend  Rivarol  für  die  Unabhängigkeit  der  Forschung  in 
Dingen  der  Moral  und  Philosophie  eintrat,  andererseits  in  dem  Ver- 
kehr Buffon's  mit  den  Mitgliedern  zweier  Salons,  die  Rivarol  gegen- 
über eine  oppositionelle  Haltung  annahmen.  In  dem  einen  von 
beiden,  dem  salon  de  Saint-Ouen,  waren  die  Hauptpersonen  madame 
Necker,  der  besonders  Buffon  seine  Aufmerksamkeit  bewies,  dann 
die  Frau  von  Staöl,  die  er  unendlich  bewundert«,  und  der  alte 
Necker,  den  er  gern  rühmte;  ferner  noch  der  Marquis  von  Crest, 
der  Kanzler  des  Herzogs  von  Orleans  und  dessen  Schwester,  die 
Frau  von  Genlis,  die  längst  gegen  Rivarol  von  Hass  erfüllt  war. 

Zu  der  Zahl  seiner  Freunde  dürfte  unser  Autor,  dann  noch 
ausser  seinem  Bruder,  der  sich  ebenfalls  in  dem  1785  erschienenen 
Romane:  y^Osman  ou  le  Fatalisme"'  als  Schriftsteller  versuchte,  den 
Chevalier  von  Champceultz,  den  Bruder  des  bekannten  ersten  könig- 
lichen Kammerdieners,  zählen. 

Unter  den  Gegnern  RivaroFs,  die  fast  ohne  Ausnahme  ur- 
sprünglich seine  Freunde  gewesen  waren,  nennen  wir  als  hauptsäch- 
lichste: Mirabeau,  Ghamfort  und  Beaumarchais. 

Z«chr.  f.  nfr«.  Spr.  u.  Litt.     VI«.  j4 


210  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brnmmei'i. 

Die  Feindschaft  mit  dem  ersten  dieser  drei  Männer  rührte 
daher,  dass  derselbe  sich  widerrechtlich  die  Autorschaft  eines  Werkes 
angemasst  hatte,  welches  in  Wirklichkeit  von  Bivarol  herrührte  mid 
von  diesem  auch  im  Mercure  —  was  Mirabeau  jedenfalls  nicht  er- 
fahren hatte  —  veröffentlicht  worden  war,  unter  dem  Titel:  j^ Essai 
sur  VamiUi^,  Wie  heftig  die  gegenseitige  Erbitterung  der  beiden 
Männer  allmählich  wurde,  mögen  einige  Worte  Rivarol's,  in  denen 
er  —  fast  auf  jeder  Seite  seiner  Werke  —  seinem  Hasse  und  der 
Verachtung  Mirabeau's  Ausdruck  gibt,  beweisen.  Es  heisst  da  ein- 
mal: „Mirabeau,  capable  de  tout  pour  de  iWgent,  m3me  d'une 
bonne  action^;  dann  anderswo:  ,,Mirabeau  etait  l'homme  du  monde 
qui  ressemblait  le  plus  ä  sa  röputation:  il  etait  affreux;^  und  end- 
lich über  dessen  Werke:  ^Je  compare  les  ouvrages  de  Mirabeau  ä 
des  brülots  läch^s  au  milien  d'une  flotte,  ils  y  mettent  le  feu,  mais 
ils  s'y  consumeut".  —  Mirabeau  erwiderte  seinem  Angreifer  in 
nicht  weniger  erbittertem  Tone,  aber  es  gelang  ihm  dennoch  nicht, 
sich  vor  der  Welt  zu  rechtfertigen,  und  das  Brandmal  eines  littera- 
rischen Freibeuters  blieb  an  ihm  haften. 

Der  Bruch  mit  Chamfort,  einem  Manne,  der  mit  Bivarol,  wie 
aus  Briefen  an  ihren  gemeinsamen  Freund,  den  Abbe  Roman  zu 
ersehen,  bis  zum  Jahre  1785  in  freundschaftlichem  Verhältnis 
gelebt  hatte,  wurde  durch  die  Berufung  Chamfort' s  zum  Mitglieds 
der  Akademie  herbeigeführt,  indem  Bivarol  sich  über  diese  von 
auserlesenen  Männern  getroffene  Wahl  lustig  machte:  ^Da  hat  man 
einen  Maiblümchenzweig  auf  Mohnblumen  gepfropft'^  rief  er  aus, 
als  er  Chamfort's  Wahl  erfuhr,  worauf  dieser  in  schneidiger  Weise 
—  und  nicht  ohne  Grund  —  Bivarol  wegen  seines  vornehmen 
Dilettantismus  und  prunkhaft  zur  Schau  getragenen  BoyaHsmus  an- 
griff. Eines  Tages  soll  er,  als  Bivarol  ihn  zu  überzeagen  suchte, 
dass  man  nicht  zugleich  der  Bepublik  und  den  Künsten  dienen 
könne,  und  dass  es  eines  Königtums  wie  das  Ludwigs  XIV.  bedurft 
habe,  um  Männer  wie  Moli^re  und  Bacine  hervorzubringen,  diesem 
erwidert  haben:  „Ihr  gehört  zu  denen,  welche  über  jenen  Übelstand, 
Priester  zu  wählen,  nur  deshalb  die  Augen  zudrücken,  weil  wir  ohne 
das  Dasein  von  Priestern  keinen  Tartufe  besitzen  würden.'^ 

Was  endlich  die  Feindseligkeiten  zwischen  Bivarol  und  Beau- 
marchais betrifft,  so  glaubt  der  Verfasser  jener  feinen  und  leben- 
digen Schilderung  von  Beaumarchais  und  der  französischen  Gesell- 
schaft im  18.  Jahrhundert  (siehe  Beaumarchais  et  son  temps  etc., 
par  M.  de  Lomönie,  t  II.  p.  266  ä  270)  den  Grand  derselben  einer- 
seits in  einem  abschlägigen  Bescheid,  welchen  BivaroVs  Brüder  von 
Beaumarchais  auf  sein  an  ihn  gerichtetes  Gesuch  um  ein  Darlehn 
von  25  Louisd'or  erhalten,  und  wodurch  Bivarol  selbst  gekränkt 
worden   wäre,    andererseits  in    den   diesem   von    Beaumarchais  von 


de  Lescure:  Rivarol  ei  la  socie'id  frangaise  etc.  211 

Zeit  zu  Zeit  erteilten  Lektionen  zu  erkennen,  welche  darin  bestan- 
den, dass  der  letztere  die  ohne  Hilfsmittel  zurückgelassene  Gattin 
Rivarors  mit  kleinen  Geldsummen  unterstützte.  Jedoch  weder  die 
eine  noch  die  andere  dieser  beiden  Mutmassungen  ist  der  Wirklich- 
keit entsprechend.  Denn  erstlich  war  Bivarol  weit  entfernt,  das 
Missgescluck  seines  Bruders,  welcher  ebenso  gut,  wie  er  selbst,  die 
Tücken  des  Schicksals  zu  ertragen  gelernt  haben  musste,  Beaumar- 
chais entgelten  zu  lassen,  und  dann  ging,  wie  wir  bereits  wissen, 
die  Fürsorge  für  seine  Gattin  nicht  so  weit,  um  fremde  Unter- 
stützung derselben,,  welche  übrigens  absolut  unnötig  war,  da  Rivarol 
seine  Frau  und  Kinder  mit  dem  Notdürftigsten  versorgte,  zu  ver- 
bieten und  darüber  in  Entrüstung  zu  geraten.  Es  war  vielmehr, 
was  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  die  Eigenartigkeit  der 
von  Beaumarchais  in  seinen  Werken  behandelten  Stoffe  mit  ihren 
neuen  gewaltig  revolutionären  Ideen,  welche  Rivarol  so  sehr  gegen 
ihn  erbitterten  und  ihn  so  ungnädig  über  dessen  Geistesprodukte 
urteilen  Hessen. 

Ohne  erst  noch  einmal  auf  die  Beziehungen  Rivarol' s  zu  Garet, 
Cerutti,  Delille,  Ch^nier,  Cubiäres  und  La  Harpe  zurückzukommen, 
werfen  wir  nunmehr  einen  flüchtigen  Blick  auf  die  Personen  jener 
Gesellschaftskreise,  in  denen  sich  Rivarol  in  den  letzten  Jahren  vor 
Ausbruch  der  Revolution  zn  bewegen  pflegte. 

Unter  den  Damen  ragten  besonders  hervor:  Frau  von  Bdthizy, 
mit  welcher  unser  Autor  mit  so  grossem  Vergnügen,  wie  er  selbst 
gestand,  die  „Eloges*^  Fontenelle's  las;  ferner  Frau  von  Sabran,  die 
Freundin  und  spätere  Gemahlin  des  Chevalier  von  Bouffiers;  Frau 
von  Champceultz;  Frau  von  la  Reyniöre,  Frau  Vigöe-Lebrun ;  Frau 
von  Tesse;  Frau  von  Houdetot;  Frau  von  Polignac;  Frau  von 
Montmorin  und  endlich  die  Marquise  von  Coigny,  an  welch  letztere 
der  Fürst  von  Ligne  so  begeisterte  Lobreden  richtete. 

Zu  den  Männern,  welche,  seien  es  nun  Schriftsteller  und 
Philosophen,  oder  bei  Hofe  angesehene  Persönlichkeiten,  durch  den 
Verkehr  mit  ihm  in  jenen  Salons  in  nähere  Beziehung  zu  Rivarol 
traten,  zählten :  Herr  von  Tressan,  von  la  Borde  (welcher  vergebens 
Rivarol  Gelegenheit,  Geld  zu  gewinnen,  bot);  von  la  Porte;  der 
Vicomte  von  Sägur;  Vigöe,  der  Bruder  der  Frau  von  Vig^-Lebrun ; 
der  Herzog  von  Guiche;  Herr  von  Tilly;  der  Marquis  von  Cr^qui; 
der  österreichische  Gesandte  von  Mercy-Argenteau ;  endlich  der  Graf 
und  spätere  Herzog  von  Brancas-Laurognais ;  der  Fürst  von  Ligny 
und  der  Graf  von  Narbonne. 

Die  letzten  Jahre  vor  Ausbruch  der  Revolution  brachten  mit 
dem  gänzlichen  Wechsel  der  gesellschaftlichen  Verhältnisse  und  des 
geistigen  Zugs  jener  Zeit  auch  eine  Änderung  der  eben  erwähnten 
Beziehangen  RivaroFs.     An  die   Stelle  der   Salons,  in  denen  er  so 

14* 


212  Referate  uivd  Rezensionen.    W.  Brummert, 

oft  durch  seine  femsinnigen  und  geistreichen  Bemerkungen  die  Unter- 
haltung belebt,  die  Aufmerksamkeit  und  das  Interesse  seiner  Freunde 
zu  Staunen  gesteigert  hatte,  traten  vielfach  Freimaurerlogen  und 
andere  Klubs,  wo  sich  ein  scharf  revolutionärer  Geist  geltend  machte. 
Bivarol  stemmte  sich  mit  aller  Energie  den  immer  mehr  sich  Bahn 
brechenden  neuen  Ideen  und  Organisationen  der  Revolutionszeit  ent- 
gegen; er  kämpfte  mutig,  freilich  vergeblich,  gegen  ihr  Empor- 
kommen, und  durch  diese  Zeit  der  bittersten  Erfahrungen  wollen 
wir  ihn  begleiten. 

Buch  IL  Die  Revolution  (1789—1792).  —  Kapitel  I. 
Journal  politique  national.  —  Rivarol  als  philosophi- 
scher Politiker  und  Polemiker.  Obgleich  Rivarol  bei  dem 
Ausbruche  der  Revolution  sehr  wohl  einsah,  dass  die  Gebrechen, 
an  denen  die  französische  Monarchie  litt,  zu  ihrem  Unter- 
gange  führen  würden,  nahm  er  dennoch  ihre  Partei,  weil  es 
ihm,  dem  Helden  der  französischen  Gesellschaft,  welcher  mit  so  be- 
redten Worten  die  Herrschaft  der  französischen  Sprache  in  Europa 
proklamiert,  in  so  geistreicher  Weise  Kritik  geübt  und  das  seiner 
Ansicht  nach  Falsche  mit  Ernergie  bekämpft  hatte,  unmöglich  war, 
in  die  Reihen  der  Zerstörer  der  alten  Monarchie  und  Gesellschaft 
einzutreten.  Um  uns  ein  Bild  von  den  politisch -philosophischen 
Anschauungen  Rivarol's  zu  machen,  mögen  folgende  seiner  Aus- 
sprüche hier  Platz  finden,  die  er  teils  an  die  revolutionäre  Partei, 
teils  an  die  Staatsminister  richtete.  Der  ersteren  gelten  besonders 
folgende    Sätze: 

„Die  Kunst  in  der  Politik  besteht  darin,  nicht  zu  schaffen, 
sondern  zu  erhalten;   nicht  zu  verändern,  sondern  festzuhalten.^ 

^Weil  die  Philosophie  die  Frucht  langen  Nachdenkens  und 
das  Resultat  des  ganzen  Lebens  ist,  so  kann  und  darf  sie  niemals 
dem  Volke  mitgeteilt  werden,  da  dieses  immer  ein  unmündiges  Kind 
in  der  Schule  der  Philosophie  ist." 

„Es  gibt  für  den  Volkshaufen  kein  Jahrhundert  der  Auf- 
klärung, denn  er  ist  immer  und  in  jedem  Lande  dasselbe,  nämlich 
roh  und  kannibalisch." 

„Das  Volk  schenkt  seine  Gunst,  niemals  sein  Vertrauen." 

„Das  Volk  geniesst  die  Freiheit  wie  starke  liqueure,  nur  um 
sich  zu  berauschen  und  wütend  zu  werden." 

Und  dem  Könige  und  den  Staatsmännern  ruft  er  zu: 

„Gold  ist  der  Herrscher  aller  Herrschor." 

„Es  geht  der  Person  der  Könige,  wie  Götterstatuen;  die 
ersten  Schläge  treffen  den  Gott  selbst,  aber  die  späteren  fallen  auf 
formlosen  Marmor." 

„Die  Fürsten  dürfen  niemals  vergessen,  dass  ein  Schriftsteller 
wohl  Soldaten  werben,  aber  ein  General  nicht  Leser  werben  kann." 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  societe  frangaise  etc.  213 

,,Becht  ist  ein  aaf  Macht  gegründetes  Besitztum;  wenn  die 
Macht  fällt,  föllt  auch  das  Recht." 

„Zutrauen  ist  das  einzige  Almosen,  das  man  einem  Staats- 
mann schenken  kann.^ 

Zugegeben,  dass  diese  kurzen  Urteile  Rivarors,  welche  er  aus 
den  Ereignissen  der  Zeit  herleitete,  zutreffend  und  gerecht  waren,  so 
muss  dagegen  die  Kritik  der  Personen,  au  die  sich  die  Ereignisse 
knüpften,  als  weniger  glücklich  bezeichnet  werden,  da  er  hier,  durch 
den  ironischen  Ton  verleitet,  ungerechter  Weise  übertrieb  und  nur 
eine  bestimmte  Seite  der  Person,  welche  er  genau  studiert  hatte, 
hervorkehrte.  So  sagte  er  über  Necker:  „Necker  ist  ein  so  unver- 
schämter Marktschreier,  'dass  seine  Versprechungen  schliesslich  sogar 
diejenigen  überreden,  welche  nicht  daran  glauben,  und  —  um  nur 
noch  ein  Beispiel  seiner  ungerechten  Urteile  anzuführen  —  von  dem 
Kardinal  von  Brienne,  von  dem  man  behauptete,  ob  mit  Recht  steht 
nicht  fest,  dass  er  sich  vorgiftet  habe,  meinte  er:  „Er  wird  wohl 
eine  seiner  Maximen  verschlungen  haben." 

Am  besten  erfahren  wh*  seine  Ansichten  über  die  Ereignisse 
und  Personen  jener  Zeit  aus  dem  Journal  politique  national^ 
welches  von  dem  Abb^  Sabatier  gegründet  und  nominell  geleitet,  in 
Wirklichkeit  aber  von  Rivarol  redigiert  wurde.  Es  war  eher 
ein  politisch -philosophisches,  als  ein  praktisch  politisches  Werk 
eher  eine  Kritik  der  Revolution  als  eine  Verteidigung  der  Mon- 
archie zu  nennen  und  enthielt  eine  Reihe  von  Reflexionen  über 
die  Beschlüsse  der  Nationalversammlung,  über  die  Fehler  der  Re- 
gierung und  das  Unglück  Frankreichs* 

Die  Eigenartigkeit  des  Blattes  bestand  darin,  dass  es  nicht 
wie  andere  Journale,  eine  polemische  Haltung  annahm,  sondern  sich 
auf  eine  unparteiische  Kritik  und  eingehende  Darstellung  und  Prüfung 
der  Ereignisse  und  der  Verordnungen  der  Nationalversammlung  seit 
dem  12.  Juli  1789  beschi-änkte. 

Zu  gleicher  Zeit  mit  dem  Journal  politique  national  veröffent- 
lichte Rivarol  den  Petit  Älmanach  des  grands  kommes  de  la  Ri- 
voluUouj  in  welchem  er  seine  ehemaligen  litterarischen  Opfer  von 
neuem  verfolgte.  Nebenher  arbeitete  er  an  dem  satyrischen  Doppel- 
werk: Etats  gineraux  und  Dames  frangaises.  Nach  dem  6.  Ok- 
tober, als  nach  seiner  eigenen  Äusserung  „alle  grossen  Streiche  ge- 
führt waren  ^,  und  er  nichts  mehr  thun  zu  können  glaubte,  um  die 
verlorene  Sache  zu  retten,  trat  er  wieder  in  die  Dienste  der  saty- 
rischen Zeitungsschreiber,  welche  die  Revolution  nur  noch  mit  Epi- 
grammen angriffen,  und  schleuderte  als  die  letzten  Reste  zugleich 
seiner  Begeisterung  und  seines  Zornes  die  Actes  des  ÄpStres  in  die 
Öffentlichkeit  —  Wir  wollen  uns  darum  im  nächsten  Kapitel  mit 
Rivarol  dem  politischen  Pamphletschreiber  kurz  beschäftigen. 


214  Refei^aie  und  Rezensionen.    W,  Brummer i, 

Kapitel  U.  Bivarol  als  politischer  Pamphletschrei- 
ber. Unter  den  Tausenden  von  Gelegenheitsschriften,  welche  die 
Erregung  der  Leidenschaften  und  der  Wechsel  der  Ideen  im  Jahre 
1789  erzeugten,  verdient  vor  allen  übrigen  die  Galerie  des  etats 
generaux  et  des  Dames  frangaises,  wegen  ihrer  Feinheit  der 
Beobachtung  und  Eleganz  des  Stils  besondere  Erwähnung.  Eine 
Anzahl  der  in  dieser  Sammlung  enthaltenen  satyrischen  Porträts 
wird  Rivarol  zugeschrieben;  da  jedoch  die  Verfasser  sich  unter 
der  Maske  der  AnonymiiÄt  verborgen  hielten,  so  war  es  natür- 
lich, dass  die  Ansichten  über  die  mutmasslichen  Verfasser 
sehr  auseinandergingen.  Eine  Autorität  auf  dem  Gebiete  der 
Bücherkenntnis,  der  Bibliograph  Barbier,  erklärte  die  ganze  Galerie 
für  ein  Sammelwerk,  zu  dem  vier  Männer,  nämlich  der  Marquis  von 
Luchet,  Mirabeau,  Choderlos  de  Laclos  und  Rivarol  ihre  Beiträge 
geliefert  hätten,  und  behauptete  speziell,  dass  Mirabeau  der  Verfasser 
sowohl  des  Porträt  von  Nerses^(Neeker)  als  auch  desjenigen  seiner 
eigenen  Person,  betitelt  Iramba  wäre,  während  untei*  dem  Anonymus 
Cnete  sich  abwechselnd  Laclos  und  Rivarol    zu  verbergen  schienen. 

Lidessen  eine  aufmerksame  Lektüre  der  Porträts  und  eine  Ver- 
gleichung  mit  dem,  was  wir  von  dem  Charakter  der  mutmasslichen 
Verfasser  und  ihrer  Darstellungsweise  wissen,  beweist  augenschein- 
lich, dass  jene  Behauptung,  wonach  das  Porträt  Necker's  als  Mira- 
beau's  Werk  und  Cne'ls  als  das  Selbstporträt  Rivarol's  anzusehen 
wäre,  völlig  hintUllig  ist,  dass  allerdings  jenes  Porträt  Iramba 
(Mirabeau),  welches  mehr  schmeichelhaft,  als  ähnlich  ist,  als  7on 
Mirabeau  selbst  geschrieben  zu  betrachten,  Cne*LS  hingegen  weder  als 
Rivarol  selbst  noch  überhaupt  von  ihm   herrührend   aufzufassen  ist 

Der  letzte  Teil  der  Galerie  des  6tats  gönöraux  umfasste  die 
Galerie  des  Dames  frangaises,  welche  gleichsam  das  Gegenstück 
zu  den  männlichen  Porträts  bildete,  indem  darin  die  hervorragend- 
sten Frauengestalten  der  Revolution  mit  täuschender  Nachahmung 
der  Rivarorschen  Darstellungsweise  von  Champcenetz  gezeichnet 
waren.  In  einer  Reihe  dieser  Federgemälde,  wie  z.  B.  in  dem  der 
Frau  Necker  (Statira),  der  Frau  von  Staöl  (Marthösie),  der  Gräfin- 
nen von  Sabran  (Sapho)  und  von  Beauharnais  (Corylla),  sowie  in 
denen  der  Frau  von  Vigöe- Lebrun  (Charitas)  und  der  Frau  von 
Genlis  (Polyx^ne)  darf  man  Rivarol  als  den  Verf£ksser  annehmen. 

In  dem  Petit  Dictionnaire  des  grands  hommes  de  la  Rivo- 
lution,  par  un  citoyen  actif^  ci-devant  rien,  in  welchem  auch  eine 
ironische  und  satyrische  Epitre  didicatoire  ä  8.  E.  madame  la  ha- 
rönne  de  StaM,  ambassadrice  de  Sti^de  aupres  de  la  Nation,  ent- 
halten ist,  wendet  sich  Rivarol  mit  Vorliebe  gegen  die  Mitglieder 
der  Nationalversanmilung  und  sagt  als  Entschuldigung  dafür,  dass 
er    aus    dieser    Versammlung     das     grösste    Kontingent    für    die 


de  Lescure:  Rivarol  et  ia  socieie  franqaise  elc.  215 

Sammlung  seiner  neuen  Berühmtheiten  genommen  hat:  „Grerade  in 
diesem  erhabenen  Areopag  haben  wir  Geister  emporkommen  sehen, 
welche  ohne  die  Revolution  noch  der  langweilige  Ausschuss  der 
Gesellschaft  wären ;  welche  Wunder  bewirkt  nicht  der  Patriotismus : 
die  stupidesten  Geister  der  Litteratur  haben  sich  als  die  tiefsinnig- 
sten in  der  Nationalversammlung  bewiesen.  Die  vornehmsten  Kohl- 
köpfe der  französischen  Jugend  haben  auf  der  Erednerbühne  zu 
Paris  ohne  Verwirrung  gesprochen,  kurzum,  die  Feinde  der  Sprache 
sind  plötzlich  die  Verteidiger  der  Nation  geworden  etc." 

Wenn  Rivarol  in  seinem  Urteil  über  die  im  Dictionnaire  be- 
handelten Personen  allzu  sti*eng  und  oft  sogar  ungerecht  verfahrt, 
so  kann  ihn  nur  der  Umstand  einigermassen  entschuldigen,  dass  er 
im  Jahre  1790  das  tragische  und  frühzeitige  Ende  aller  jener,  gegen 
die  er  die  Waffen  der  Satyre  missbraiicht  hatte,  nicht  vorhersehen 
konnte. 

Am  2.  November  1789  begannen  die  Ades  des  Äpdtres  zu 
erscheinen,  ein  wöchentlich  zweimal  erscheinendes  Pamphlet,  an  dem 
ausser  Rivarol  als  Chef,  noch  Suleau  als  Vicechef,  Champcenetz,  der 
junge  Mirabeau,  Bergasse,  Montlosier,  Lauragnais,  Tilly,  von  ßonnay 
u.  a.  mitarbeiteten. 

Dieses  Pamphlet  ist  so  recht  geeignet,  uns  zu  zeigen,  in  wel- 
che Extreme  Rivarol  allmählich  in  seiner  polemischen  E[ampfweise 
geriet.  Hatte  er  sich  bis  jetzt  gemässigt  und  sich  nur  verhältnis- 
mässig wenig  der  beleidigenden  Satyre  bedient,  um  seine  Feinde  zu 
demütigen,  so  Hess  er  sich  nunmehr  leider  so  weit  hinreissen,  die- 
selben an  ihrer  Ehre  anzugreifen  und  aus  einem  Kampf,  der  ur- 
sprünglich nur  gegen  Ideen  gerichtet  war,  nun  auch  einen  solchen 
gegen  die  Träger  derselben  zu  bereiten. 

Aber  vergebens  bemühte  er  sich,  durch  diese  Mittel  den  im- 
mer kühner  sich  erhebenden  Freiheitsideen  einen  wirksamen  Damm 
entgegenzusetzen  und  die  Revolution  wieder  in  die  ihr  vom  König- 
tum angewiesene  Bahn  zu  lenken;  vergebens  suchte  er,  der  roya- 
listischen  Partei,  die  fast  willenlos  geworden  war,  mit  seinen  Rat- 
sch^gen  und  Lehren  aufzuhelfen;  er  musste  bald  einsehen,  dass  die 
Zeit  dazu,  ebenso  wie  diejenige  der  Satyren,  längst  vorbei  war. 
Entmutigt  und  niedergeschlagen  zog  er  sich,  wie  ein  Arzt,  der  seine 
Entbehrlichkeit  fühlt,  zu  seinem  Freund  und  Mitarbeiter  Lauragnais 
auf  das  Schloss  Monicamp  und  später  näher  an  Paris  nach  Maisons 
zurück  und  führte  von  dort  aus  in  unruhiger  Erwartung  der  kom- 
menden Ereignisse  von  April  des  Jahres  1791  an  eine  lebhafte 
Korrespondenz  mit  M.  de  la  Porte,  dem  Intendanten  der  Givilliste, 
in  Noten  und  Memoiren,  die  er  als  ^avocat  Consultant^  und  y^m6- 
decin  in  extremis^  dem  sterbenden  Königtum  widmete. 

Kapitel  III.     Rivarol  avocat  Consultant  et  m^decin 


216  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brtimmert, 

in  extremis  de  la  Royautö.  Trotz  der  grossen  Gefahren,  welche 
eine  Verbindung  mit  dem  Hofe  für  ihn  mit  sich  brachte,  richtete 
Bivarol  von  Maisons  aas  darch  die  Vermittelcmg  des  erwähnten 
M.  de  la  Porte  am  25.  April  1791  die  erste  seiner  Denkschriften 
an  den  König.  ^Je  ne  dois  pas^,  sagt  er  darin,  ^nögliger  de  faire 
nn  tablean  raccourci  de  quelques  faits  importants  qui  ont  influä 
sur  Testat  actuel  du  Eoi  et  de  la  monarchie.  Ce  tablean  servira: 
1^  ä  jeter  du  jour  sur  ce  que  j'ai  ä  dire  et  donnera  du  poids  an 
plan  que  je  propose,  en  prouvant  que  mes  idöes  s'enchalnent  de 
loin,  et  tiennent  ögalement  aux  causes  et  aux  efPets  de  la  Eävolu- 
üon;  2^  ce  tablean  prouvera  qu'on  a  toujours  conseille  au  Boi  des 
actes  qui  ^taient  forcös  d'avanoe,  ce  qui  lui  a  fait  perdre  Tä-propos 
de  tous  ses  sacrifices.  On  me  saurait  trop  insister  sur  cette  v6- 
rite  afin  de  renoncer  le  plus  tot  possible  ä  une  politique  si  mal- 
heureuse. " 

Nach  den  Ausführungen  BivaroVs  in  dieser  Denkschrift,  in 
welcher  Necker  und  der  Herzog  von  Orleans  scharf  kritisiert  wer- 
den, handelt  es  sich  für  den  König  vor  allen  Dingen  darum,  für 
geringe  Opfer  seine  wertvollsten  Grüter  zu  retten;  er  muss  an  die 
Spitze  der  herrschenden  Partei  treten,  um  ihren  Sieg  auszunutzen, 
ja  sogar  Adel  und  Geistlichkeit  aufopfern,  um  mit  Hilfe  des  dritten 
Standes  die  Bevolution  zu  Gunsten  der  Monarchie  niederzuwerfen. 
—  Aber  alle  die  dringlichen  Mahnungen  und  Bestimmungen  Biva- 
rol's  vermochten  den  König,  der  nur  der  Erfüllung  häuslicher  Pflich- 
ten und  ländlichen  Vergnügungen  zu  leben  schien,  nicht  aus  seiner 
Thatlosigkeit  heranszureissen. 

Eine  andere  Note,  welche  vom  15.  Mai  1791  datiert  ist, 
gibt  eine  Fortsetzung  seiner  Auseinandersetzungen  der  Massregeln, 
durch  welche  die  revolutionaire  Bewegung  in  den  Dienst  des  König- 
tums gezogen  werden  müsse. 

Eine  dritte  vom  4.  September  fordert  die  energische  Anwen- 
dung aller  dem  Staate  zu  Gebote  stehenden  Gewaltmittel  und  sucht 
den  König  zu  überzeugen,  dass  er,  um  geeignete  politische  Mass- 
regeln zu  treffen,  vor  allen  Dingen  danach  streben  müsse,  die  Na- 
tionalversammlung, welche  durch  ihre  fehlerhaften  Anordnungen  so 
unsägliches  Unglück  über  Frankreich  gebracht  habe,  bei  dem  Volke 
zu  verdächtigen  und  ihre  Beseitigung  durchzusetzen.  —  AUein  die 
Minister,  welche  den  König  dabei  hätten  unterstützen  müssen,  waren 
auf  die  Seite  der  Nationalversammlung  getreten  und  verhielten  sich 
schweigend  und  unthätig. 

Voll  Ingrimm  ruft  deshalb  der  royalistische  Streiter  aus: 
^Zwei  Dinge  scheinen  mir  Se.  Majestät  davon  abzuhalten,  aus  meinen 
Memoiren  eine  praktische  Konsequenz  zu  ziehen  und  ein  vorteilhaf- 
tes System  zu  adoptieren:    erstens  die  Erinnerung   an   vergangene 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  societe  frangaise  etc.  217 

Zustande,  welche  von  den  jetzigen  so  unendlich  verschieden  sind, 
und  zweitens  die  Dienste,  welche  einige  Deputierte  der  ersten  Le- 
gislatur ihrem  Könige  durch  das  Zusammengehen  mit  den  Ministem 
leisteten.  Glücklich  die  Könige,  welche  auch  bittere  Ratschläge  an- 
hören und  einem  Batgeber,  der  ihnen  missfällt,  nicht  abweisen!  Nur 
angenehme  und  gefügige  Minister  suchen,  hiesse  ein  Weib  an  die 
Staatsmaschine  rufen." 

Bivarol  sah  ein,  dass  das  Königtum  sich  alles  nehmen  lassen 
würde,  was  es  nicht  selbst  schon  hergab.  Vor  seinem  geistigen 
Auge  stand  schon  der  gefangene  König  und  die  gedemütigte  Mo- 
narchie; er  musste  notwendig  vor  der  unvermeidlich  hereinbrechen- 
den Katastrophe  an  seine  persönliche  Sicherheit  denken,  und  da  er 
wohl  den  Mut  zu  kämpfen,  nicht  aber  zu  sterben  in  sich  fühlte,  so 
entschloss  er  sich  zu  einer  freiwilligen  Verbannung  aus  Frankreich. 
Ehe  wir  ihn  jedoch  auf  seiner  Wanderung  folgen,  wollen  wir  noch 
einmal  einen  kurzen  Blick  auf  die  Gesellschaft,  die  privaten  und 
öffentlichen  Kreise  zurückwerfen,  in  denen  er  von  1782  bis  1792 
verkehrte. 

Kapitel  IV.  Die  Hauptveränderungen  in  der  fran- 
zösischen Gesellschaft  von  1782 — 1792.  Seit  dem  Jahre  1780 
begann  eich  ein  allmählicher  Wechsel  in  den  Sitten  und  Gewohn- 
heiten der  französischen  Gesellschaft  bemerkbar  zu  machen.  An  die 
Seite  der  grossen  Salons,  wo  sich  die  Schöngeister  um  eine  berühmte, 
geistreiche  Frau  zusammenzufinden  pflegten  und  die  zu  besuchen 
kein  fremder  Gesandter  oder  Potentat  versäumten,  traten  bunt  zu- 
sammengesetzte Gesellschaften  mit  bedeutend  seichterem  geistigen 
Niveau,  in  denen  man  über  die  verschiedensten  Dinge,  wie  Mode- 
artikel, Litteratur  und  ßegierungsknnst  redete,  sodass  Paris  nicht 
mehr  der  salon  par  exellence  war,  vielmehr  den  Namen  eines  euro- 
päischen Kaffeehauses  verdiente.  —  Eine  Haupterscheinung  jener 
Umwandlung  der  französischen  Gesellschaft  war  das  erwachende,  in 
den  Sitten  und  Gewohnheiten  immer  mehr  zum  Ausdruck  kommende 
Gefühl  für  die  Schönheiten  der  Natur  nnd  die  Reize  des  Landlebens. 
Horace  Walpole  schrieb  über  diesen  Punkt  am  5.  August  1771  an 
seinen  Freund  John  Chute:  „Ich  beneide  Euch  um  Eure  Stachel- 
beerpromenaden und  sehne  mich  nach  einem  Fleckchen  Rasen,  wie 
ein  Seemann  nach  der  Heimfahrt  von  langer  Reise  um  die  Welt. 
Nur  eins  tröstet  und  beruhigt  mich  einigermassen,  und  das  ist  die 
Mode,  hier  englische  Gärten  anzulegen ;  freilich  geht  man  damit  nur 
langsam  vor,  ich  habe  bis  jetzt  nur  einen  gesehen,  und  der  glich  t 
der  bunten  Musterkarte  eines  Schneiders." 

Auch  Arthur  Jouny,  welcher  auf  seinen  interessanten  Reisen 
auch  Frankreich  in  den  Jahren  1787 — 1790  besuchte,  berichtet 
uns  über  den  zunehmenden  Geschmack  an  ländlichen  Partien,  indem 


218  Referate  und  Rezensionen,    W.  Bnimmert, 

er  folgendes  schreibt:  es  herrscht  in  Frankreich  die  neue  Mode, 
einige  Zeit  auf  dem  Lande  zuzubringen,  seit  mehreren  Wochen  (er 
berichtet  vom  September  1787)  ist  es  in  Paris  vollständig  einsam 
geworden;  wer  ein  Schloss  besitzt,  hat  darin  seinen  Wohnsitz  ge- 
nommen; wer  nicht  so  glücklich  ist,  begibt  sich  wenigstens  für 
einige  Zeit  in  eine  ländliche  Gegend,  um  Teil  zu  nehmen  an  den 
Freuden  der  Jagd,  der  Ernte  und  ländlichen  Festlichkeiten." 

Und  mit  dieser  Veränderung  der  Sitten  und  Gewohnheiten 
ging  eine  ebensolche  in  der  Sprache,  Kunst  und  Litteratur  Hand  in 
Hand.  Die  geschriebene  wie  die  gesprochene  B^de  erfuhr  in  Ton 
und  Form  eine  tiefgehende  Umgestaltung  durch  den  begeisternden 
Eindruck,  den  jene  hen'lichen  Naturschilderungen  Diderot^s  und 
Bousseau's  hervorriefen.  Man  begann  Gefallen  zu  finden  an  einem 
malerischen  Stile  der  Sprache,  der  mit  der  Strömung  des  Gemüts 
im  Einklang  stand  und  die  Eindrücke  und  Gefühle,  welche  die 
wunderbare  Pracht  der  Natur  im  Menschenherzen  erzeugte,  durch 
den  sprachlichen  Ausdruck  genau  wiedergab.  Welch  herrliche  Ge- 
mälde der  Natur  bieten  uns  nicht  die  Werke  eines  Diderot,  Bousseau 
und  Florian,  welch  stimmungsvollen  Bilder  enthalten  nicht  die 
Schriften  des  Bernardin  von  St.  Pierre  und  von  Frau  von  Sabran! 
Hier,  sieht  man,  ist .  die  Natur  mit  Verständnis  angeschaut  und  mit 
Meisterschaft  von  geistreichen  Menschen  gemalt  worden. 

Was  wurde  aber  bei  dieser  allgemeinen  Umgestaltung  in  dem 
äusserlichen  und  geistigen  Leben  aus  den  alten  Salons?  —  Sie 
wurden  teils,  weil  man  ihre  Mitglieder  als  Antirevolutionäre  ins 
Gefängnis  warf,  geschlossen,  teils,  wie  schon  angedeutet,  durch  min- 
der hohe  Ideale  verfolgende  Klubs  ersetzt,  die  durch  ihre  Geistes- 
richtung, durch  Sprache  und  Gewohnheiten  deutlich  den  Einfluss 
Diderot's  und  Bousseau's  erkennen  Hessen. 

Man  kann  sich  leicht  eine  Vorstellung  von  dem  durch  den 
Kampf  der  politischen  Leidenschaften  und  Ideen  herbeigeführten  Ver- 
fall dieser  ehemals  so  glänzenden  Salons  machen,  wenn  man  hört, 
was  ein  berühmter  Beisender  und  Geschichtskenner,  namens  Karam- 
sine,  in  seinen  „k^^res  d*un  voyageur  russe  en  France,  en  AUemagne 
et  en  Suisse"  (1789—1790)  über  ihren  Zustand  berichtet:  „Ich 
ging, "  sagt  er  an  einer  Stelle,  „mit  dem  Abbö  X  die  Strasse  Saint- 
Honor^  entlang,  als  dieser  plötzlich  stehen  blieb  und  mit  seinem 
Stocke  auf  zwei  unbewohnte  Häuser  deutend  betrübt  zu  mir  sagte: 
„Hier  bei  dem  Marquis  D  .  .  .  versammelten  sich  einst  Sonntags 
geistreiche  Damen  und  Männer  aus  den  höchsten  Kreisen  und  die 
berühmtesten  Schöngeister  unseres  Volkes,  teils  um  zu  spielen,  teils 
um  untereinander  über  wissenschaftliche  imd  ästhetische  Fragen  zu 
diskurieren ;  man  sprach  über  Probleme  der  Philosophie,  über  guten 
Geschmack  in  der  Wahl  und   Behandlung  dramatischer  Stoffe  und 


de  Lescure:  Rivarol  ei  la  sociele  franqaise  etc.  219 

über  tausend  andere  Dinge  ähnlicher  Art.  —  Dort  drüben  zur 
Gi^fin  A  .  .  .  kamen  jeden  Donnerstag  die  tiefsinnigsten  Politiker 
beiderlei  Geschlechts,  man  verglich  die  Ideen  Mably*s  mit  denen 
von  Jean-Jaques,  besprach  sie  und  legte  sich  im  Geiste  den  Grund- 
plan für  einen  Idealstaat  zurecht.  —  Sie  kommen  leider  zu  spät 
naich  Paris,  denn  jene  schönen  Tage,  von  denen  ich  Ihnen  erzählte, 
sind  jetzt  entschwunden,  die  glänzenden  Zirkel  sind  auseinanderge- 
rissen und  die  Mitglieder  nach  allen  Richtungen  der  Welt  hin  zer- 
streut; nirgend  mehr  bietet  sich  einem  bedeutenden  Geist  Gelegen- 
heit, den  Abend  in  altgewohnter  Weise  zuzubringen." 

Dieses  Paris,  wo  die  Freunde  und  Freundinnen  entweder  im 
Gefängnis  schmachteten,  oder  sich  zur  Auswanderung  rüsteten,  wo 
sein  Lieblingsaufenthalt,  die  Salons  geschlossen  waren,  wo  der  Kultus 
der  Natur  und  die  Religion  des  Gefühls  ihm  doppelt  heftig  die 
Nerven  erregte,  vermochte  auch  Rivarol  nicht  länger  zurückzuhalten. 
Er  verliess  Frankreich,  mit  dem  Bewusstsein  allerdings,  dass  diese 
freiwillige  Verbannung  für  ihn  mehr  ein  Unglück,  als  eine  Befreiung 
von  Widerwärtigkeiten  war. 

Buch  III.  Die  Auswanderung  (1792  — 1800).  Brüssel 
und  London  (1792 — 1795).  Nachdem  Rivarol  eingesehen  hatte, 
dass  alle  seine  Anstrengungen,  die  Sache  der  Monarchie  und  des 
Königs  zu  retten,  vergeblich  waren,  entschloss  er  sich,  freilich  im 
Augenblick  der  höchsten  Gefahr,  dem  Beispiele  so  vieler  anderer  zu 
folgen  und  sein  Vaterland  zu  verlassen.  Am  10.  Juni  1792  trat 
er,  binglänglich  mit  Geldmitteln  versehen,  welche  ihm  das  Journal 
politique  national  eingebracht  hatte,  die  Reise  nach  Brüssel  an. 
Dort  wurde  er  schnell  der  Held  der  Gesellschaft  und  übte  selbst 
auf  diejenigen,  welche  nicht  in  nähere  Beziehungen  zu  ihm  traten 
und  sein  schriftstellerisches  Talent  kennen  lernten,  einen  gewissen 
Ginfluss  aus.  Er  knüpfte  Verbindungen  mit  dem  Grafen  Fersen  an 
und  trat  in  Konnex  zu  dem  Herrn  von  Breteuil,  dessen  Plan,  alle 
bisher  zerstreuten  und  unter  sich  uneinigen  Gruppen  von  Emigranten 
zu  verbinden  und  unter  die  gemeinsame  Leitung  der  hervorragendsten 
Persönlichkeiten  aus  ihrer  Mitte  zu  stellen,  ihm  ungemein  gefiel. 
Aber  entgegen  den  friedlichen  Absichten  BreteuiVs  und  trotz  seiner 
Mahnung  zur  Mässigung  wurde  unter  dem  geheimen  Einfluss  des 
Grafen  von  Fersen  und  unter  Mitwirkung  von  Calonne  und  Simon 
ein  unvorsichtiges  and  ungeschicktes  Manifest  abgefasst,  dessen  öffent- 
liche Verkündigung  durch  den  Herzog  von  Braunschweig  vor  seinem 
Einmarsch  in  Frankreich  geschah.  Es  wurde  Frankreich  darin  als 
besiegtes  Land,  Paris  als  eroberte  Stadt  behandelt  und  beiden  mit 
Strafen  gedroht,  die  nur  die  blinde  Wut  einer  rachsüchtigen  Menge 
verhängen  konnte.  Die  Möglichkeit  einer  Aussöhnung  mit  dem 
Vaterlande  war  darin  gänzlich  ausgeschlossen. 


220  Referate  und  Rezensionen.    W.  Brummer l. 

Gegen  diese  Proklamation  trat  nun  Rivarol  mit  einer  Art 
von  Gegenmanifest,  datiert  vom  8.  August,  auf.  Er  erklärte  darin 
den  Baron  von  Breteuil  für  den  alleinigen  Inhaber  der  königlichen 
Vollmachten  und  griff  in  empfindlicher  Weise  den  Grafen  von  Fersen 
wegen  seiner  Unvorsichtigkeit,  Simon  wegen  seines  Eifers,  Intriguen 
anzuspinnen,  und  Calonne  w^n  seiner  unersättlichen  Ehrgier  an; 
er  nannte  sie  Männer,  die  durch  die  hinterlistige  österreichische  und 
preussische  Politik  herrliche  Thaten    verrichten  zu  können  meinten. 

Es  würde  hier  zu  weit  führen,  noch  näher  in  die  Einzelheiten 
des  braunschweigischen  Manifestes  einzugehen;  wer  sich  indessen 
dafür  interessiert,  findet  solche  in  den  Erzählungen  von  Mallet  du 
Pan  und  besonders  bei  Fersen  in  dem  Buche:  le  comte  de  Fersen 
et  la  cour  de  France,  extraits  des  papiers  du  grand  mar^hal  de 
Suöde,  comte  Jean  Axel  de  Fersen,  par  son  petit-neveu,  etc.,  Didot, 
1748,  t.  II.  pag.  2  ff. 

Zehn  Tage  nach  dem  braunschweigischen  Manifeste  und  zwei 
nach  demjenigen  RivaroPs,  ging  das  königliche  Schloss  in  Flammen 
auf,  der  König  selbst  wurde  von  den  Revolutionären  gefangen  ge- 
nommen und  Belgien  durch  die  am  5.  November  erfolgte  voll- 
ständige Niederlage  der  Verbündeten  bei  Jemmappes  den  Heeren 
der  Republik  geöffnet. 

Rivarol,  der  wie  immer  zur  Einigkeit  und  Mässigung  riet, 
veröffentlichte  eine  Verteidigung  des  Königs,  in  weither  er  mehr 
zum  Herzen  als  zum  Verstände  sprach,  allein  seine  Anstrengungen, 
ihn  zu  befreien,  waren  erfolglos. 

Ausser  diesem  Verteidigungsversach  verfasste  Rivarol  in  Brüssel 
noch  eine  Reihe  anderer  Schriften,  von  denen  wir  hier  nur,  da  es 
zu  weit  führen  würde,  ihre  Veranlassung  und  ihren  Inhalt  anzu- 
geben, den  Titel  erwähnen ;  es  sind :  lettre  ä  la  nohlesse  frangaise 
au  moment  de  sa  rentree  en  France'^,  ferner  ein  Fragment  der 
Geschichte  der  Revolution  mit  satyrischem  Charakter,  betitelt:  De 
la  vie  politique,  de  la  fuite  et  de  la  capture  de  M.  de  sa  Fayette^, 
worin  der  Verfasser  stellenweise  viel  Geist  und  Feuer  zeigt,  aber 
es  darum  doch  nicht  zu  einem  Meisterwerke  brachte,  endlich  das 
letzte  politische  Werk  Rivarol's,  die  durch  englischen  Einfluss  zu 
stände  gekommene:  Adresse  du  peuple  beige  ä  la  Majeste  VEmpe- 
reuTj  in  welcher  er  für  die  Aufrechterhaltung  der  belgischen  Ver- 
fassung eintritt. 

Von  denjenigen  Persönlichkeiten,  welche  mit  Rivarol  von  der 
ersten  Stunde  der  Verbannung  bis  zur  letzten  mit  unerschütterlicher 
Treue  durch  das  Freundschaftsband  verbunden  waren,  müssen  wir 
in  erster  Linie  den  Amsterdamer  Banquier  David  Cappadoce  Pereira, 
einen  Mann  von  viel  Geist  und  Geschmack,  erwähnen.  Aus  dem 
Briefwechsel  zwischen  beiden  ergeben  sich  eine  Menge  von  wichtigen 


de  Lescure:  Rivarol  et  La  socieie  franqaise  etc.  221 

Details,  vermittelst  deren  wir  im  stände  sind,  das  Bild  des  Ver- 
hältnisses BivaroFs  zu  seinen  Schicksalsgenossen  zu  vervollständigen. 
Diese  Schicksalsgenossen,  welche  mit  unserm  Autor  auf  nicht  gerade 
freundschaftlichem  Fusse  standen  und  nur  durch  Zufall  in  nähere 
Beziehung  zu  ihm  gebracht  wurden,  hiessen:  Hallet  du  Pan,  be- 
kannt durch  seine  im  März  1793  zu  Brüssel  veröffentlichten  Con- 
sidirations  sur  la  Revolution  frangaise,  femer  Malouet  und  Mont- 
losier ;  aus  den  Papieren  des  letzteren,  die  gleichsam  den  Keim  seiner 
unvollendet  gebliebenen  ^M6moires^  bilden,  entnehmen  wir,  dass  er 
mit  Rivarol,  trotz  der  Verschiedenheit  ihrer  Charaktere,  in  einigen 
der  Brüsseler  Salons  und  namentlich  in  dem  der  Frau  von  Montre- 
gard  häufig  zusammentraf,  um  sich  Über  die  politischen  Ereignisse 
des  Tages  zu  unterhalten.  Von  dem  in  diesen  Zusammenkünften 
zu  Tage  tretenden  glänzenden  Talente  Rivarol's  als  ,,Causeur"  ge- 
stand Montlosier,  dass  in  dieser  Eigenschaft  nur  madame  de  Sta^l 
an  ihn  heranreichen  könne. 

Indes  trieben  die  siegreichen  Waffen  der  Revolution  die  Emi- 
granten mehr  und  mehr  aus  Belgien  heraus;  sie  wandten  sich  über 
den  Kanal  nach  England,  und  hier  finden  wir  auch  Rivarol  in  den 
ersten  Septembertagen  des  Jahres  1794  wieder.  Man  zählte  in 
London  bereits  vier  Tausend  französische  Geistliche,  die,  um  ihre 
Bischöfe  geschart,  sich  den  Lebensunterhalt  teils  durch  Handarbeiten, 
teils  durch  Erteilen  von  Unterricht  verdienten.  Die  Lage  der  Mehr- 
zahl dieser  armen  Ausgewanderten  musste  anfangs,  nach  der  Skizze 
zu  urteilen,  die  uns  d'Haussonville  nach  den  Erinnerungen  seines 
Vaters  davon  entwirft,  geradezu  trostlos  sein,  „Alle  waren",  heisst 
es  da,  „in  der  ersten  Zeit  in  die  äusserste  Not  versetzt.  Die  Männer, 
welche  irgend  eine  Kunst  oder  Wissenschaft  zu  lehren  verstanden 
—  und  das  waren  nur  wenige  —  erteilten  Unterrichtsstunden  darin, 
die  Frauen  verkauften  ihrer  Hände  Arbeit,  welche  in  der  Anferti- 
gung von  Strohhüten,  künstlichen   Blumen   und  Schachteln  bestand. 

Rivarol  begegnete  Chateaubriand,  obgleich  sich  dieser  auch  in 
London  aufhielt,  nirgendwo  dort.  Dies  hatte  seinen  Grund  darin, 
dass  Chateaubriand  in  ärmlichen  Verhältnissen  lebte  und  sich  meist 
in  seiner  stillen  Dachwohnung  verborgen  hielt,  wohingegen  Rivarol 
sehr  viel  in  den  hohen  Kreisen  der  Londoner  Gesellschaft  verkehrte, 
selbst  auf  die  Gefahr  hin,  dort  mit  ihm  unliebsamen  Personen  zu- 
sammenzustossen,  wie  z.  B.  mit  einem  Herrn  von  Cazal^s,  einem 
seiner  alten  Feinde,  der  ebenfalls  die  vornehmen  Gesellschaften  be- 
suchte. 

Einst  fügte  es  der  Zufall,  dass  bei  einer  Festlichkeit,  die  der 
Lord-Mayor  veranstaltet  hatte,  jener  Cazal^s,  der  auch  eingeladen 
war,  bei  Tische  seinen  Platz  zwischen  Rivarol  und  Malouet  erhielt. 
Der   Letztere  bemühte    sich    in    unparteiischer    Weise    sowohl    mit 


222  Referate  und  Rezensionen,    W.  Brummeri, 

diesem  als  mit  jenem  eine  Unterhaltung  anzuknüpfen,  als  er  aber 
ein  Gespräch  mit  Eivarol  beginnen  wollte,  zupfte  ihn  Cazal^s  am 
Rocke  und  brummte:  „Was,  Sie  sprechen  mit  diesem  Narr  da?  Ich 
wundere  mich,  dass  der  Lord -Mayer  einen  solchen  Menschen  hier 
zugelassen  hat!"  —  Rivarol  erwiderte,  zu  Malouet  gewandt,  jenem 
in  sehr  gereizten  Tone:  „Wie,  Sie  reden  mit  Cazalös,  diesem  Tropf, 
der  wohl  Dünste  in  seinem  Magen,  aber  nicht  eine  einzige  gute 
Idee  in  seinem  Kopfe  hat?"  —  Malouet  flirchtete  nun  einen  heftigen 
Auftritt  zwischen  beiden  und  erschöpfte  sich  in  beruhigenden  und 
höflichen  Zureden;  er  nahm  Cazal^s  beiseite  und  sagte:  „Sie  schätzen 
Rivarol  nicht  nach  Gebühr,  Sie  müssen  doch  wenigstens  zugestehen, 
dass  er  Geist  besitzt. "  —  „Ja,  knirschte  jener  zwischen  den  Zähnen 
hervor,  „wie  ein  Perrückenmacher.** 

So  verlief  das  ganze  Diner,  und  Malouet  hatte,  wie  man 
denken  kann,  eine  höchst  unangenehme  Stellung  zwischen  diesen 
beiden  Gegneim,  die  sich  gegenseitig  zu  sehr  verachteten  um  sich 
direkt  die  Beleidigungen  an  den  Kopf  zu  schleudern. 

Derartige  Auftritte  in  Verbindung  mit  andern  unliebsamen 
Vorkommnissen  machten  Rivarol  bald  zu  einer  in  der  Gesellschaft 
nur  mit  geteiltem  Jubel  begrüssten  Person;  er  merkte  selbst  recht 
wohl,  dass  der  Verkehr  in  den  dortigen  bekannten  Kreisen  nie  ein 
intimes  Verhältnis,  wie  er  es  wünschte,  herbeiführen  würde,  er  fühlte 
sich  vereinsamt,  ja  gelangweilt  und  beschloss  schliesslich,  England 
den  Rücken  zu  kehren. 

Die  eigentlichen  Gründe  jedoch,  die  ihn  zu  diesem  definitiven 
Schritte  trieben,  erfahren  wir  nicht;  es  ist  mehr  als  wahrscheinlich, 
dass  es  andere  waren,  als  diejenigen,  welche  er  in  einem  Briefe  an 
den  Abb6  von  Villefort  zu  Ende  des  Jahres  1795  angibt,  worin  es 
heisst:  ^Ich  habe  England  aus  zwei  Gründen  verlassen,  erstens,  weil 
mir  das  Klima  dort  nicht  bekam  und  zweitens,  weil  ich  zur  Ab- 
fassung eines  Dictionnaire  de  la  langue  auf  dem  Kontinente  leben 
mnss.  Übrigens  fuhr  er  fort,  bin  ich  nicht  gern  in  einem  Lande, 
wo  es  mehr  Apotheken  als  BäckerUlden  gibt  und  man  ausser  ge- 
backenen  Äpfeln,  keine  reifen  Früchte  findet." 

Wir  wollen  auch  nicht  erst  die  nähere  Veranlassung  zu  seiner 
Abreise  von  London  zu  erforschen  suchen.  Es  genüge  uns,  zu 
wissen,  dass  der  tiefere  Grund  derselben  das  ihn  quälende  Gefühl 
der  Vereinsamung  und  des  Verlassenseins  mitten  in  den  munteren 
Kreisen  der  Gesellschaft  war.  Am  23.  Dezember  hatte  er  sich  noch 
an  seine  Freunde  und  besonders  an  Cappadoce,  der  zu  jener  Zeit  in 
Hamburg  weilte,  wohin  er  von  Amsterdam  geflohen  war,  mit  der 
Bitte  gewandt,  dass  sie  nach  London  kommen  möchten,  um  dort 
mit  ihm  den  gastlichen  Herd  und  traulichen  Verkehr  intimer  Freunde 
zu   gründen,   nach   dem   er   sich   bis  jetzt  vergebens  gesehnt  hatte. 


de  Lescure:  Rivarol  ei  la  societe  franqaise  etc.  223 

Doch  schon  im  Anfang  des  nächsten  Jahres  Hess  er  diese  Lieblings- 
ideo  wieder  fahren  and  schrieb  am  26.  April  an  Cappadoce,  von 
der  Reise  nach  London  abzustehen  und  ihn  in  Hamburg  zu  er- 
warten. 

Kapitel  IL  Hamburg  (1795—1800).  In  den  Jahren 
1796 — 1799  war  Hamburg,  welches  Rivarol  scherzweise  „conso- 
latrix  afflictionum  et  refugium  peccatorum'^  nannte,  das  Ziel  und  der 
Zufluchtsort  für  die  Mehrzahl  der  aus  vornehmen  Familien  stammen- 
den Flüchtlinge.  Vordem  in  glücklichen  and  zum  Teil  glänzenden 
Verhältnissen  lebend  waren  sie  jetzt  nichtsdestoweniger  alle,  oder 
fast  alle  —  denn  wenige  hatten  reich  ihr  Vaterland  verlassen  — 
darauf  angewiesen,  sich  ihren  HLglichen  Lebensbedarf  durch  geistige 
oder  körperliche  Arbeit  zu  erwerben.  Es  Hesse  sich  mit  Hilfe  der 
Angaben  in  den  zeitgenössischen  Memoiren  und  besonders  durch  die 
Benutzung  der  interessanten  Denkwürdigkeiten  des  Grafen  von  Neuilly 
eine  ganze  Liste  von  ehemaligen  vornehmen  französischen  Aristokraten 
aufstellen,  welche  ein  bürgerHches  Gewerbe  betrieben  oder  in  unter- 
geordneten Stellungen  bei  hohen  Herrschaften  lebten.  um  nur 
einige  diesbezügHche  Beispiele,  welche  wir  der  letzteren  von  beiden 
oben  erwähnten  QueUen  verdanken,  anzuführen,  sei  bemerkt,  dass 
eine  Gräfin  von  Asfeld  in  Gemeinschaft  mit  einem  Marquis  von 
Romanne  ih  Hamburg  einen  Wein-  und  DeHkatessenhandel  untere 
hielt,  dass  eine  Frau  von  Bormond  in  Schwerin  ein  Putzgeschäft, 
ein  Chevalier  von  Montmorency  in  Hamburg  eine  Kuchenbäckerei, 
und  eine  Frau  von  Biencourt  einen  Tabakhandel  betrieb,  von  der 
Zahl  der  instituteurs  und  institutrices ,  der  Sprachlehrmeister  und 
Gesellschaftsdamen,  die  sich  zu  Dutzenden  anboten,  gar  nicht  erst 
zu  reden. 

Nur  ein  glücklicher  Umstand  bewahrte  Rivarol,  der  sich  schon 
mit  dem  Gedanken  vertraut  gemacht  hatte,  künftig  ebenfalls  als 
professeur  de  fran9ais  auftreten  zu  müssen,  vor  dem  harten  Schick- 
sal seiner  aristokratischen  Gefährten.  Es  fand  sich  nämlich  nicht 
aUein  der  „Spectat^ar  du  Nord"  zur  Aufnahme  von  Artikeln,  die 
er  verfassen  würde,  bereit,  sondern  auch  der  Mitbesitzer  dieses 
Blattes,  der  Buchhändler  Fauche-Bosel  versprach  ihm  sogar,  seine 
Werke  herauszugeben,  und  das  eröffnete  Rivarol  die  Aussicht  auf 
ein  gutes  Einkommen  und  ein  behagliches  Leben. 

Bald  erschienen  nun  im  Spectateur  grössere  Beiträge  und 
kürzere  Notizen  aus  der  Feder  Rivarol's.  Eine  kurze,  aber  sehr 
beissende  der  letzteren  Art  enthielt  eine  Nummer  des  Jahres  1797 
als  Vorbemerkung  zu  dem  darin  abgedruckten  Rivarorschen  Essai 
sur  Vamitii,  dessen  Autorschaft,  wie  wir  wissen,  sich  Mirabeau 
zugeeignet  hatte.  „Der  verstorbene  Mirabeau",  sagt  Rivarol,  „dessen 
Brieftasche   wie  die  der  Mäkler  immer  voU   von  fremden   Schrift- 


224  Refei^aie  und  Rezensionen,    W.  Brumme?% 

stücken  war,  besass  eine  Abschrift  meines  Essay  sur  Tamitie.  Da 
er  aber  nicht  wiisste,  dass  derselbe  bereits  ein  Jahr  vorher  im 
Merkur  abgedruckt  war,  gab  er  ihn  seinen  deutschen  Freunden  als 
sein  eigenes  Produkt,  wie  die  Sammlung  seiner  an  Mauvillon  ge- 
richteten Briefe  beweist." 

Auf  Seite  416  desselben  Bandes  findet  sich  eine  Abhandlung 
unter  dem  Titel:  De  la  litter ature  frangaise  en  1788  ä  Voccasion 
cCun  ouvrage  de  M.  Florian]  weiterhin  ein  anderer  Artikel,  den 
man  ihm  ebenfalls  zuschreiben  kann,  obgleich  er  mit  dem  Anonym 
Lucius  Apulejus  unterzeichnet  ist,  mit  dem  Titel:  lettre  au  Spec- 
tateur,  worin  der  Verfasser  eine  Besprechung  von  madame  de  StafiPs 
Werk:  De  Vinfliience  des  passions  darbietet. 

Ausserdem  brachte  der  Spectateur  seinen:  Discours  preli- 
minaire  zu  dem  in  Aussicht  gestellten  Erscheinen  des  „Noaveau 
Dictionnaire  de  la  laugue  fran9aise"  und  einige  üebersetzungsver- 
suche  der  Armide  mit  Anmerkungen  und  Noten. 

Aber  die  Mitarbeiterschaft  RivaroVs  am  Spectateur  war  nur 
von  kurzer  Dauer.  Sein  frühes  Zurücktreten  mag  einerseits  durch 
den  Umstand  erklärt  werden,  dass  von  1798  ab  derselbe  nicht 
mehr  in  Hamburg,  sondern  im  Holsteinischen  erschien,  andererseits 
und  hauptsächlich  dadurch,  dass  Fauche  seine  Beteiligung  an  der 
Redaktion  desselben  zu  verbergen  suchte  und  zwar  deshalb,  wie  sich 
später  herausstellte,  weil  er  dem  Publikum  darin  schwindelhafte 
Versprechungen  gemacht  hatte. 

Durch  einen  Vertrag  zwischen  Eivarol  einerseits  und  Fauche 
andererseits,  war  nämlich  ein  Teil  der  Autorrechte  des  von  jenem 
verfassten  Dictionnaire  de  la  langue  fran9aise  an  Fauche  abgetreten, 
und  es  war  daher  natürlich,  das  beide  die  grosse  Verbreitung  des 
Spectateur  als  ein  geeignetes  Mittel  benutzten,  um  dem  Publikum 
durch  ihn  jenes  Werk  anzuzeigen  und  zu  empfehlen.  Aber  an  der 
Spitze  jedes  Exemplars  des  Discours  prüirrdnaire  du  Nouveau 
Dictionnaire  de  la  langue  frangaise^  durch  dessen  Herausgabe  das 
Erscheinen  jenes  Dictionnaire  feierlich  eingeleitet  wurde,  und  ebenso 
im  3.  Bande  des  Spectateur  paradierte  ein  von  Fauche  abgefasster 
Prospekt,  in  welchem  dieser  allen  denjenigen,  welche  auf  den  Dicti- 
onnaire abonnieren  würden,  durch  ein  von  ihm  gratis  verabfolgtes 
Lotterieloos  die  Möglichkeit  eröffnete,  500  resp.  6000  tourisdie 
livres  zu  gewinnen.  —  Der  schwindelhafte  Charakter  dieser  Aner^ 
bietungen  zeigte  sich  nur  zu  bald;  denn  als  die  glücklichen  Besitzer 
der  Treffnummem  ihren  vermeintlichen  Gewinn  za  erheben  kamen, 
präsentierte  ihnen  Fauche  seinen  reichhaltigen  Bücherkatalog,  indem 
er  bemerkte,  dass  dort  jedes  zu  einem  (jowinn  ausgesetzte  livre  ver- 
zeichnet stände;  von  Geldauszahlen  war  keine  Bede. 

Die  Beziehangen,   welche   Rivarol  mit  anderen   in  Hamburg 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  societe  fran(^aise  etc.  225 

weilenden  Personen  anknüpfte,  waren,  wie  man  dies  erwarten 
konnte,  hauptsächlich  litterarische.  £s  gewährte  ihm  ein  be- 
sonderes Vergnügen,  sich  mit  Leuten,  die  wie  er  selbst  eine 
grosse  Lebhaftigkeit  und  Gewandtheit  des  Geistes  besassen,  in 
litterarische  Plaudereien  und  kleine  Gefechte  einzulassen. 

Im  Sommer  des  Jahres  1799  traf  er  zufällig  und  ganz  un- 
erwartet mit  dem  Abbe  Delille  zusammen,  der  von  Braunschweig 
nach  Hamburg  gekommen  war,  um  sich  von  dort  nach  England 
zu  begeben.  Beide  trafen  sich  im  Hause  der  Gräfin  von  Ver- 
thumy.  Man  fürchtete  das  Schlimmste  von  dieser  Begegnung, 
aber  sie  verlief  gegen  alles  Erwarten  ruhig  und  die  beiden  vor- 
dem so  erbitterten  Gegner  beschlossen  sogar,  fortan  auf  fried- 
lichem Fusse  zu  leben.  —  Vielleicht  war  für  jeden  von  ihnen 
das  Gefühl,  dass  sie  beide  Royalisten  und  Ausgewanderte  waren, 
ein  Grund  zur  gegenseitigen  Schonung  gewesen. 

Wenn  auch  Rivarol  die  Begegnung  mit  L6nac  de  Meilhan, 
dem  Verfasser  des  Werkes  über:  le  gouvernemeaty  les  mosurs  et 
les  conditions  en  France  avant  la  Revolution^  das  ihn  in  die  erste 
Reihe  der  Schriftsteller  des  18.  Jahrhunderts  stellte,  geflissent- 
lich vermied,  so  suchte  er  dafür  in  dem  freundschaftlichen,  herz- 
lichen Verkehr  mit  dem  Grafen  Alexander  von  Tilly  nnd  dem 
durch  seine  Briefe  berühmt  gewordenen  Dichter  Livult  Chene- 
doll6  Entschädigung.  Er  bewies  dem  letzteren  sogar  eine  fast 
väterliche  Zuneigung  und  ermunterte  ihn  unaufhörlich  in  seinen 
dichterischen  Bestrebungen. 

Man  könnte,  um  die  Reihe  der  Namen,  welche  sich  an  den 
Aufenthalt  RivaroPs  in  Hamburg  knüpften,  einigermassen  voll- 
ständig zu  machen,  zu  den  Personen,  die  in  ein  mehr  oder  min- 
der intimes  Verhältnis  zu  ihm  traten,  noch  hinzufügen:  den 
Marquis  von  la  Tresne,  einen  Mann  von  hohem  Geist  und  viel 
Talent  und  bekannt  als  geschickter  Übersetzer  Virgil's  und  Klopp - 
stock's;  den  Marquis  von  Romance,  den  ehemaligen  Bischof  von 
Autun,  welcher  vielfach  im  Hause  der  Fürstin  von  Vaudemont 
verkehrte,  femer  die  Gräfin  von  Flahaut,  die  sich  in  der  Litte- 
ratur  durch  ihren  hübschen  Roman  „Adöle  de  S6nanges"  einen 
Namen  machte;  Frau  von  Saint- Chamond  und  endlich  Frau 
Gromot  de  Fongy. 

Es  mag  auffallend  erscheinen,  dass  unter  diesen  Personen, 
mit  denen  unser  Autor.  Umgang  hatte,  Damen  eine  nicht  unbe- 
deutende Rolle  spielen.  Dies  erklärt  sich  aber  aus  der  Vor- 
liebe, mit  welcher  Rivarol  in  Gesellschaft  von  Damen  sprach, 
weil  ihre  meist  mit  einem  freundlichen  Lächeln  begleiteten  Bei- 
fallsäusserungen und  Lobspenden  ihm  weit  angenehmer,  als  die 
trockenen  Anerkennungsworte  der  Männer,  und  ihre  Urteile  wegen 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.  VI  3.  25 


aJ26  Referate  u/ui  Rezensumen.    W.  Brummeri, 

des  bei  ihnen  bedeutend  höher  entwickelten  Gefühls  für  die  Fein- 
heiten der  Sprache  ihm  von  höherem  Werte,  als  die  seiner 
Freunde  waren. 

Länger  jedoch  als  fünf  Jahre  sagte  Rivarol  auch  in  Ham- 
burg der  Aufenthalt  nicht  zu,  trotzdem  die  unaufhörlich  andrin- 
genden Fluten  neuer  Ankömmlinge  ihm  ein  stetig  sich  verändern- 
des Bild  von  interessanten  Charakteren  und  vielfache  Gelegen- 
heiten zur  Anknüpfung  neuer  Verbindungen  bot.  Er  sehnte  sich 
hinaus  aus  der  Stadt  mit  dem  dichten  Nebel,  wo  der  Sinn  der 
Bürger  nur  auf  Handel  sintere  ssen  gerichtet  war,  und  begrüsste 
deshalb  die  ihm  im  Herbste  des  Jahres  1800  von  Ludwig  XVIH., 
der  sich  damals  in  Mittau  aufhielt,  erteilte  Weisung,  sich  in 
dienstlicher  Mission  zum  König  von  Preussen  nach  Berlin  zu  be- 
geben um  so  mehr,  als  ihm  in  seiner  Eigenschaft  als  Mitglied 
der  dortigen  Akademie,  zu  dem  er  infolge  seines  Discours  sur 
Tuniversalit^  de  la  langue  fran^aise  ernannt  war,  die  litterarischen 
Salons  und  andere  Zirkel  der  Berliner  Gesellschaft  offen  standen. 

Kapitel  HL  Berlin.  Um  gegen  den  gebieterischen 
Einfluss  des  französischen  Gesandten  in  Berlin,  des  Generals 
Beurnonville  anzukämpfen  und  zugleich,  um  von  dem  Könige 
Friedrich  Wilhelm  HL  eine  Zufluchtstätte  für  seinen  vom  rus- 
sischen Kaiser  Paul  L  grausamer  Weise  aus  Mittau  vertriebenen 
König  zu  erlangen,  begab  sich  Rivarol  nach  Berlin  zur  Unter- 
stützung des  Marquis  von  Moustier,  der  an  dem  dortigen  Hofe 
die  Interessen  Ludwig's  XVIH.  wahrzunehmen  hatte. 

Sein  Empfang  von  Seiten  des  Hofes  war  von  demjenigen, 
den  ihm  die  Stadt  bereitete,  durchaus  verschieden.  Während 
jener  in  dem  Neuangekommenen  nur  den  lästigen  Gesandten  und 
Fürbitter  eines  thronlosen  Königs  sah,  begrüsste  diese  in  ihm 
den  ausgezeichneten  „Causeur"  und  überhäufte  ihn  mit  Ehren- 
bezeugungen. 

Daher  waren  denn  auch  alle  seine  Bemühungen ,  bei  Hofe 
vorgelassen  zu  werden,  vergebens.  Friedrich  Wilhelm  UI. 
fürchtete  nämlich,  wenn  er  ihn  offiziell  empfing,  den  Unmut  des 
Gesandten  der  Republik  zu  erregen  und  schob  als  Entschuldi- 
gungsgrund seiner  Weigerung  die  Bestimmung  des  verstorbenen 
Königs  vor,  nach  welcher  französischen  Ausgewanderten  von 
Rang  und  Stand  der  Zutritt  zum  preussischen  Hofe  nur  dann 
gestattet  war,  wenn  sie  sich  durch  eine  Bescheinigung  von  vier 
schon  vorgelassenen  Landsleuten  als  dieser  Ehre  würdig  erweisen 
konnten,  und  da  der  König  hartnäckig  auf  dieser  Forderung  eines 
Empfehlungsschreibens  bestand,  so  blieben  für  Rivarol  die  Thüren 
des. königlichen  Empfangsalons  vorläufig  geschlossen,  bis  er  Mittel 


J 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  socie'ie  fran(^aise  eic,  227 

und  Wege  gefunden   hatte,   seine   Absicht  auf  andere  Weise  zu 
erreichen. 

Trotz  dieser  wenig  erfreulichen  Behandlungsweise  seitens 
des  Hofes  waren  die  Eindrücke,  welche  Rivarol  von  Berlin  em- 
pfing, Dank  seinen  durchschlagenden  Erfolgen  in  der  gebildeten 
Gesellschaft,  wo  sich  die  Huldigung-en ,  die  man  ihm  allseitig 
darbrachte,  allmählich  zu  wahren  Triumphen  für  ihn  steigerten, 
bedeutend  günstiger,  als  in  Hamburg.  Dies  spricht  sich  auch 
in  einigen  seiner  Briefe  aus:  „Obgleich  hier  alles",  schrieb  er 
in  einem  derselben,  „das  militärische  Gepräge  Sparta's  trägt, 
gibt  es  doch  auch  Tempel  für  die  Musen.  Freilich  wird  im 
allgemeinen  die  militärische  Taktik  mehr  geachtet,  als  die  Be-  ' 
schäftigung  mit  philosophischen  Problemen;  dies  erklärt  sich 
daraus,  dass  man  die  Männer,  welche  ein  Handwerk  daraus 
machen,  zu  töten  und  sich  töten  zu  lassen,  weit  »über  die- 
jenigen stellt,  die  gar  keinen  Anteil  am  Waffenhandwerk  und 
den  Wechselfällen  des  Krieges  nehmen.  Dafür  kann  aber  der< 
jenige,  welcher  wirklich  Talente  und  Lust  zur  Wissenschaft  be- 
sitzt, sicher  sein,  einen  Beschützer  zu  finden.  Wer  hier  befiehlt, 
der  weiss  sich  auch  beliebt  zu  machen,  ohne  von  seiner  Achtung 
etwas  zu  vergeben,  oder  die  Pflichten,  welche  ihm  sein  Rang 
auferlegt,  zu  vergessen;  wer  arm  und  unglücklich  ist,  darf  ge- 
trost auf   die   Unterstützung  seitens  seiner  Mitmenschen  hoffen.^ 

Die  schmerzliche  Sehnsucht  nach  dem  Vaterlande,  die  ihn 
zuweilen  ernst  und  melancholisch  stimmte,  wurde  durch  den  Ver- 
kehr in  glänzenden  Salons,  die  sich  seinen  Besuch  zur  beson- 
deren Ehre  rechneten,  durch  das  besondere  Wohlwollen  der 
Königin  Louise,  durch  die  Erneuerung  alter  Bekanntschaften  und 
die  Anknüpfung  neuer  freundschaftlicher  Beziehungen  bedeutend 
gemildert. 

Er  begegnete  nämlich  in  Berlin  dem  Chevalier  von  Boufflers 
und  dessen  Gemahlin,  der  Frau  von  Sabran,  fand  dort  auch 
seinen  alten  Freund,  den  Grafen  von  Tilly  wieder  und  verkehrte 
mit  diesem  häufig  in  dem  Salon  des  Barons  von  Krüdener. 
Dazu  besuchte  er  von  Zeit  zu  Zeit  die  Abendgesellschaften  des 
Prinzen  Heinrich  von  Preussen  auf  dessen  Schloss  Rheinsberg, 
wo  auch  Bouffiers  und  die  Marquise  von  Sabran  gern  gesehene 
Gäste  waren. 

Von  dem  bedeutendsten  Einfluss  auf  seinen  Geist  und  sein 
Herz,  der  sich  auch  auf  sein  äusseres  Leben  ausgebreitet  haben 
würde,  wenn  ihn  nicht  ein  früher  Tod  so  plötzlich  hingerafft 
hätte,  war  aber  der  herzliche,  freundschaftliche  Verkehr  mit  der 
Fürstin  Dolgorowki.  Diese  Dame  besass  nicht  allein  eine  wun- 
derbare und  seltene  Schönheit,  welche  griechische   Regelmässig- 

15* 


228  Referate  und  Rezensionen,    W.  Brummert, 

keit  der  Formen  mit  biblischer  Reinheit  der  Linien  vereinigte, 
sie  war  auch  geistreich,  wie  eine  Französin  und  liebte  Frank- 
reich, das  ihr  ein  Adoptiwaterland  geworden  zu  sein  schien ;  so 
sehr  war  sie  eingenommen  für  französischen  Geschmack,  für 
französische  Moden  und  Sitten. 

In  der  Freundschaft  mit  dieser  Frau  fand  Rivarol  Ersatz 
und  Trost  für  die  vielen  ihm  widerfahrenen  Enttäuschungen  und 
zugleich  die  Wiederversöhnung  mit  allen  seinen  Hoffnungen, 
selbst  mit  derjenigen,  sein  Vaterland  wiederzusehen.  Sie  wurde 
seine  Bundesgenossin,  und  ihrem  mächtigen  Einflüsse  und  erfin- 
derischen Eifer  hatte  er  es  zu  verdanken,  dass  seine  Pläne  und 
stillen  Hoffnungen  endlich  Verwirklichung  fanden.  Auf  einem 
Maskenballe  steckte  sie  nämlich  der  Königin  eine  Bittschrift 
Rivarol*s,  worin  er  sein  Anliegen  in  artigen  und  anmutigen  Versen 
ausgedrückt  hatte,  unter  dem  Schutze  der  auf  solchen  Bällen  er- 
laubten Freiheit  heimlich  zu,  und  der  schliessliche  Erfolg  war, 
dass  Ludwig  XVIH.  mit  seiner  Nichte  ein  Asyl  in  Warschau 
angewiesen  erhielt. 

In  allen  Briefen  vom  Anfang  des  Jahres  1801  drückt  Ri- 
varol den  Wunsch  aus,  wieder  in  sein  Vaterland  zurückzukehren 
und  dort  in  der  Hauptstadt  mit  der  Fürstin,  seiner  edlen  Freundin, 
welche  ja  Paris  ebenso  liebte,  wie  er  selbst,  die  Reize  eines 
ungestörten,  von  den  bisherigen  WechselfUUen  befreiten  Residenz- 
lebens zu  gemessen.  Er  ahnte  nicht,  dass  der  Tod  ihn  noch  in 
demselben  Frühjahr  der  ewigen  Heimat  zuführen  würde.  Schon 
im  Februar  1801  stellten  sich  Krankheitssymptome  bei  ihm  ein, 
die  ihn  hätten  veranlassen  sollen,  mit  seiner  bisherigen  zügellosen 
und  genusssüchtigen  Lebensweise  zu  brechen;  aber  entweder  ein 
unbegreiflicher  Leichtsinn  oder  die  überwältigende  Macht  der 
Leidenschaft,  die  er  nicht  mehr  beherrschen  konnte,  machten  ihn 
blind  gegen  die  Gefahr,  und,  als  sich  in  den  ersten  Tagen  des 
April  die  Folgen  seines  allzu  weltlichen  Lebenswandels  von 
neuem  in  einem  heftigen  Fieber,  oder  nach  anderen  in  einem 
schmerzlichen  Gallenübel  zeigten,  waren  seine  Lebenstage  ge- 
zählt; er  erlag  seinen  Leiden  nach  kurzem  Krankenlager  am 
11.  April  1801. 

Sulpice  de  la  Plati^re  erzählt,  dass  nach  dem  Tode  Ri- 
varol's  die  Fürstin  Dolgorowki,  in  der  Absicht  ihm,  wie  so  oft 
im  Leben,  auch  im  Tode  noch  eine  Wohlthat  zu  erweisen,  sich 
in  allen  deutschen  Zeitungen  als  die  Verwalterin  der  von  ihm 
hinterlassenen  Summen  angekündigt  und  die  Gläubiger  des  Ver- 
storbenen um  Angabe  der  von  ihnen  zu  fordernden  Beträge  ge- 
beten habe. 

Diese  Angabe,    welche  von  dem   Journal  des   D6bats  am 


de  Lescure:  Rivarol  et  la  societe  franqaise  etc.  229 

14.  Mai  1801  und  auch  später  von  allen  Biographen  Rivarors 
wiederholt  wurde,  ist  jedoch  nach  dem  Zeugnisse  Dampmartin^s 
der  bei  RivaroFs  Tode  zugegen  und  auch  sein  Testamentsvoll- 
strecker war,  vollständig  erfunden. 

Wenn  es  Rivarol  auch  nicht  vergönnt  war,  sich  einen  Platz 
in  der  Reihe  der  bedeutendsten  französischen  Schriftsteller  des 
18.  Jahrhunderts  zu  erwerben,  so  wird  dennoch  die  Nachwelt 
seine  schriftstellerischen  Leistungen  zu  würdigen  wissen  und  ihm 

ein  ehrenvolles  Andenken  bewahren. 

W.  Brümmert. 


Litterarische  Chronik. 


Scbulgranunatikeii.  —  Grammatiscbe  Schriften. 

Ciala,  Französische  Schulgrammatik.  Mittelstufe,  2.  Auflage.  Bear- 
beitet von  H.  Bihler,  Prof.  am  Gymn.  zu  Karlsruhe.  —  Leip- 
zig, Teubner  1883.  —  VIII  und  200  Seiten. 

Die  vielfachen  Mängel  der  Ciala'schen  Grammatik  und  besonders 
die  zahlreichen  Schnitzer,  welche  auf  des  leider  inzwischen  verstorbenen 
Verfassers  Sprachkenntnis  bedenkliches  Licht  warfen,  hat  der  Unter- 
zeichnete in  Herrig's  Archiv  ausführlich  besprochen  (Bd.  68,  S.  98-  103). 
Unterdessen  ist  die  für  Tertia  bestimmte  Mittelstufe  vollständig  umge- 
arbeitet worden,  und  zwar  von  einem  Manne,  der  mit  Ciala^s  wissen- 
schaftlicher Systematik  noch  *eine  gründliche  Kenntnis  der  lebendigen 
Sprache  verbindet  und  somit  befähigt  war,  zunächst  die  Sprachfehler  zu 
beseitigen.  H.  Bihler  war  zudem  in  der  glücklichen  Lage,  von  den  teil- 
weise sehr  ausführlichen  Gutachten  Einsicht  zu  nehmen,  welche  die  Ba- 
dische Oberschulbehörde  im  Jahre  1882  über  die  seit  zwei  Jahren  an 
den  dortigen  höheren  Lehranstalten  eingeführte  Ciala'sche  Schulgramma- 
tik eingefordert  hatte,  und  hat  die  zahlreichen,  sich  teilweise  wider- 
sprechenden Urteile  und  Reform  vorschlage  mit  weiser  Einsicht  benutzt. 

Als  erster  Fortschritt  der  zweiten  Auflage  sei  die  ganz  neue  An- 
ordnung der  sogenannten  unregelmässigen  Verben  begrüsst.  Ciala  hatte 
die  Einteilung  in  starke  und  schwache  Konjugation  streng  durchgeführt 
und  die  Verba  demgemäss  geordnet.  Da  die  meisten  Stimmen  der  ba- 
dischen Fachleute  sich  entschieden  gegen  dieselbe  ausgesprochen  hatten,  so 
kehrte  Bihler  zur  althergebrachten  Anordnung  zurück.  Elf  kurze  Laut- 
gesetze schickte  er  voraus,  um  den  Schüler  zum  voraus  zu  orientieren 
und  auch  um  der  sprachwissenschaftlichen  Behandlung  das  übliche  Rauch- 
Opfer  zu  bringen.  Vielleicht  hätte  er  hier  noch  einen  Schritt  weiter 
gehen  und  neben  jeden  Infinitiv  den  Präsensstamm  bzw.  über  jeden 
Paragraphen  den  Namen  der  betreffenden  Klasse  setzen  dürfen,  —  soweit 
nämlich  gleiche  Stämme  zusammengestellt  sind,  —  z.  B.  über  conntätre 
etc.:  „Inchoativstämme",  über  ecrire  etc.  „v- Stämme"  u.  dgl.  Durch  die 
geschickte  Gruppierung  ist  der  Lehrstoff  auf  20  §§  verteilt,  wozu  in  §  21 
die  Defektiva  kommen.  Hier  geht  nun  das  Streben  nach  Vollständigkeit 
zu  weit:  Formen  wie  ardre,  ü  ard,  qu*il  arse,  Part  ards,  ars  gehören  nie 
und  nimmermehr  in  eine  Schulgrammatik;  die  Infinitive  apparoir,  cha- 
loir,  souloir  ebensowenig,  zumal  wenn  dieselbe  Grammatik  unter  andern 


Schulgrammatiken.    Grammatische  Schäften.  231 

Regeln  die  über  Pluralbildung  so  unvollständig  gibt.  Es  sind  z.  B.  von 
den  7  Ausnahmen  auf  -ou  nur  hijo\i,  caillou,  genoM,  von  den  6  auf  -al 
gar  nur  hal,  von  denen  auf  -ail  nur  travail  angegeben.  Bei  den  Femi- 
nina auf  -eresse  vermisst  man  chasseresse,  de f ender  esse,  enchanteresse, 
fecheresse  und  so  fort. 

Wohl  könnte  der  seltene  Gebrauch  der  einen  oder  anderen  jener 
zuletzt  angeführten  Ausnahmen  geltend  gemacht  werden:  aber  das  Ver- 
fahren muss  in  einem  Schulbuche  konsequent  sein.  Entweder  beschränke 
man  den  Lehrstoff  überall  wo  es  möglich  ist,  oder  man  gebe  dem  Schü- 
ler ein  vollständiges  Nachschlagebuch  für  alle  in  der  Schullektüre 
vorkommenden  Formen  in  die  Hand.  Bihler  hat  im  Abschnitt  über  die 
Verba  den  letzteren  Weg  gewählt,  während  er  leider  in  der  Formenlehre 
des  Nomens  allzu  eklektisch  verfuhr.  —  Die  anderen  Abschnitte  der 
Grammatik  sind  fast  unverändert  aufgenommen,  so  auch  die  ungenügende 
Kegel  über  die  zusammengesetzten  Substantiva.  Nur  §  22  (früher  25) 
hat  eine  sehr  vorteilhafte  Umarbeitung  erfahren,  indem  die  von  Ciala 
unpraktischer  Weise  zum  Teil  nach  §  27  verschlagenen  Partizipregeln 
hier  wirklich  trefflich  zusammengefasst  sind. 

Auch  in  den  Übungssätzen  erkennt  man  auf  Schritt  und  Tritt  die 
bessernde  Hand  des  praktischen  Schulmannes.  Die  anrüchigen  Sätze  der 
französischen  §§  wurden  unbarmherzig  geopfert  (doch  fristet  les  entrants 
§  3,  1  noch  sein  zweifelhaftes  Dasein);  jedem  der  §§  1—23  ist  ausserdem 
eine  kleine  zusammenhängende  Übung,  wohl  zur  Repetition,  beigefügt 
worden. 

Von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Brauchbarkeit  der  neuen  Auflage 
im  Unterricht  ist  ferner  die  Zugabe  eines  sorgfältig  zusammengestellten 
und  völlig  ausreichenden  Lesebuches.  Somit  braucht  der  Tertianer  nur 
ein  französisches  Buch;  und  höchstens  im  letzten  Semester  wird  bei  guten 
Klassen  die  Beschaffung  weiterer  Lektüre  notwendig  sein.  Der  poetische 
Teil  umfasst  36  Gedichte  (auf  20  Seiten),  unter  denen  auch  solche  neue- 
sten Datums  sind,  wie  Nr.  7  Le  soldat  von  Paul  Deroulede,  dem  be- 
rüchtigten Schreier,  aber  guten  Dichter.  Vielleicht  ist  H.  Bihler  im 
löblichen  Streben,  möglichst  viel  neuen  Stoff  zu  bringen,  ein  wenig  weit 
gegangen:  Obskure  Dichterlinge  wie  Nioche,  Bourguin,  Bonnard, 
Flau,  Malan,  Lonlay,  Catalan  finden  sich  in  rührender  Eintracht  ne- 
ben Heroen  wie  La  Fontaine,  Bäranger,  Victor  Hugo,  Musset  und  neben  den 
beliebten  Schulpoeten  Dovalle,  Millevoye,  Chönedollä  etc.  etc.  Auch  sind 
etliche  der  aufgenommenen  Gedichte  gar  zu  unbedeutend  oder  seicht,  wie 
No.  15,  16,  20,  21.  Etwas  mehr  Fabeln,  wie  sie  ja  bekanntlich  die  Ju- 
gend so  gerne  liest,  hätten  den  poetischen  Teil  des  Buches  noch  will- 
kommener gemacht. 

Die  32  Prosastücke  (S.  126  — 165)  bieten  einen  reichen  und  man- 
nigfachen Lesestoff  für  jeden  Geschmack.  Neben  harmlosen  Geschichten 
findet  man  gediegene  historische  Erzählungen  aus  Mittelalter  und  Neu- 
zeit, Schilderungen  und  Beschreibungen,  alles  aus  den  besten  Autoren 
entnommen.  Einen  klaren  Begriff  vom  Abstand  zwischen  dem  Franzö- 
sischen zur  Zeit  Saint-Simons  —  das  betr.  Stück  hätte  vielleicht  durch 
ein  inhaltreicheres  ersetzt  werden  können  —  und  der  heutigen  Sprache 
gewinnt  man  durch  Lesen  des  Geschichtleins  vom  wandelndeh  Hause 
(No.  27)  neben  dem  Referat  des  Debatskritikers  Bärard-Varagnac 
über  Henry  Stanley's  berühmte  Reisebeschreibung  (No.  32).  Als  beson- 
deres Verdienst  des  Herausg.  mag  erwähnt  werden,  dass  er  das  bekannte 
Abenteuer  Courier 's  in  Calabrien  und  des  Knaben  Rousseau  in  der 
Dorfkirche  nicht  wie  die  sich  gegenseitig  abdruckenden  Lesebücher  in 
verstümmelter  und  verkürzter  Gestalt  wiedergibt. 


232  Litieraiische  Chronik,    A.  Rhode, 

Bei  Bearbeitung  der  dritten  Auflage  muss  aber  der  Verf.  die  drei 
Vokabelverzeichnisse  sorgfältig  umarbeiten.  Ein  grosser  Fortschritt  ist 
zwar  da,  im  Vergleich  zum  Wüste  Ciala'scher  Derivate;  aber  es  ist  nicht 
recht  ersichtlich,  wie  Bihler  sich  die  Benutzung  der  Vokabelverzeichnisse 
dachte.  Die  Mangelhaftigkeit  derselben  tritt  besonders  bei  der  Lektüre 
hervor:  Referent  musste  im  eigenen  Unterricht  oft  mehr  als  noch  einmal 
so  viel  Vokabeln  diktieren,  als  in  der  PrSparation  angegeben  waren,  was 
höchst  zeitraubend  und  unangenehm  ist.  Von  Tertianern  kann  man  im 
ersten  Jahr  doch  nur  die  900—1000  Wörter  verlangen,  die  sie  in  Quarta 
kennen  lernten.  Oder  sollte  man  auf  den  Missgriff  geführt  werden,  auf 
dieser  Stufe  schon  dem  Schüler  ein  Lexikon  in  die  Hand  zu  geben? 

Zum  Schluss  noch  ein  paar  Druckfehler:  109,  8  v.  u.;  110,  6  v.  u.; 
116,  7  V.  u.;  117,  15  v.  o.;  143,  ,20  v.  u.;  102,  16  v.  o.,  93,  27  v.  o.  sind 
Accentfehler  (wir  rechnen  dabei ^  mit);  ein  Apostroph  fehlt  133,  8  v.  u.; 
le  tonuerre  ist  zu  schreiben  st.  la  S.  112;  das  e  von  «ncore  zu  tilgen  S.  110; 
en  vain  zu  trennen  S.  1Ö7;  suivie  ohne  s  S.  109;  regarda  fixement  zu 
schreiben  S.  128  st.  garda;  S.  143  sind  im  letzten  Abschnitt  Buchstaben, 
verschoben;  S.  140  schreibe  appele  ohne  s\  S.  172  schreibe  man  gentil, 
üe  st.  e;  S.  173  Reeder  st.  Rheder;  S.  41,  Satz  7  das  Tiret  zwischen  tres 
mal  zu  tilgen,  ibid.  Satz  11  malheureu^e?  zu  schreiben  st.  sse;  §  14,  7 
abandonner  zu  schreiben  etc.  etc. ;  bei  den  Verben  §  5  lese  man  jaiUir 
hervorsprudeln,  statt  saillir. 

Hoffentlich  folgt  die  dritte  Auflage  des  trotz  dieser  geringen  Män> 
gel  trefflichen  Buches  bald  in  gereinigter  Gestalt. 

J.  Sabbazin. 


J.  Masberg,  Französische  Grammatik  für  sechskUissige  Schulen.  Stutt- 
gart und  Berlin.  Verlag  von  W.  Spemann,  1883. 
Das  vorliegende  Buch  ist  für  höhere  Bürgerschulen  berechnet,  bei 
denen  naturgemäss  das  Französische  im  Mittelpunkte  des  Sp^-achunter- 
richtes  steht  und  die  im  Zeitraum  von  6  Jahren  „eine  innerhalb  engerer 
Grenzen  gewonnene  allgemeine  Bildung  geben  sollen".  Es  ist  für  drei 
Jahre  berechnet  und  zerfällt  in  vier  Abteilungen:  A.  Lautlehre  (S.  3— 12) ; 
B.  Formenlehre  mit  Übersetzungsstücken  (S.  13 — 161);  C.  Lesestücke 
(S.  161-186);  D.  Wörterbuch  (S.  187— 243).  Zuletzt  folgt  ein  die  Verben 
behandelnder  Anhang  (S.  244—297).  An  dem  Buche  gefällt  mir,  dass 
der  Verf.  die  Regeln  meistens  kurz  und  bündig  gibt.  Zusammengehöriges 
nicht  auseinander  reisst,  und  vor  allen  Dingen  in  diesem  für  die  ersten. 
Jahre  bestimmten  Buche  alles  seltene  und  unnütze  über  Bord  wirft. ^) 
Aus  diesem  Grunde  erscheint  mir  das  Buch  für  lat  einlöse  höhere 
Bürgerschulen  empfehlenswert,  wenn  es  auch  noch  verschiedene  schwache 
Seiten  zeigt  und  an  manchen  Stellen  der  bessernden  Hand  bedarf.  Gleich 
die  Lautlehre  zum  Beispiel  findet  nicht  durchgeh ends  meinen  Beifall. 
Ich  bin  mit  dem  Verf.  vollständig  einverstanden,  dass  er  dieselbe  von 
der  Formenlehre  trennt,  aber  einer  schlechten  Aussprache  —  über  die 
Masberg  selbst  in  der  Vorrede  klagt  —  kann  meines  Erachtens  nur  dann 
abgeholfen  werden,  wenn  wir  die  Resultate  der  Lautphysiologie  für  die 
Schule   verwerten   und   die   Sache   gründlicher   und    systematischer   be* 

^)  Als  ein  nachzuahmendes  Beispiel  möchte  ich  die  auf  Seite  99 
gegebene  Regel  über  die  unregelmassige  Pluralbildung  empfehlen,  wo  es 
einen  ordentlich  wohlthuend  berührt,  dass  die  Kohlarten,  Läuse,  Pacht- 
kontrakte, Kellerlöcher,  Schwielen,  Schakale  u.  a.  nicht  der  Aufnahme 
gewürdigt  werden. 


Schulgra7nmaliken.    Grammatische  Schriften,  233 

handeln  als  dies  bis  jetzt  geschehen  ist.  So,  um  nur  einen  einzigen 
Punkt  herauszugreifen,  erwähnt  Masberg,  dass  o  und  e  im  Französischen 
geschlossen  und  offen  vorkommen,  aber  über  die  anderen  Vokale  gibt  er 
in  dieser  Hinsicht  nichts  oder  durchaus  ungenügendes,  und  doch  kommt 
für  den  Schüler  erst  Klarheit  in  die  Sache,  wenn  er  erfährt,  dass  jeder 
Vokal  mit  straffer  oder  schlaffer  Zunge  gesprochen  werden  kann,  und 
dass  die  i-,  u-  e/-Laute  französisch  nur  geschlossen  vorkommen.  An 
einigen  anderen  Stellen  finden  sich  Verstösse  gegen  die  historische 
Grammatik.  So  soll  (S.  89)  in  donnes-en,  portes-y  das  s  ,.wieder  aufge- 
nommen" werden.  Das  ist  falsch,  weil  wegen  der  direkten  Ableitung 
vom  lateinischen  Imperativ  die  Form  ursprünglich  gar  kein  s  hatte. 
S.  81  wird  bei  der  Bildung  des  Adverbs  von  dem  ,  jetzt  veralteten  Wört- 
chen ment^  gesprochen,  als  ob  dasselbe  je  im  Französischen  ein  selbstän- 
diges Wort  gewesen  wäre. 

In  Betreff  der  Behandlung  des  Verbs  beruft  sieh  Masberg  auf  die 
Bemerkungen  Foerster's  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  IV,  Heft  2,  S.  24,  wo 
ein  einfaches  Memorieren  des  Thatsächlichen  im  Verb  empfohlen  und 
behauptet  wird,  dass  auf  diesem  Wege  der  Schüler  am  allerleichtesten 
sich  die  Formen  aneigne.  Damit  hat  der  Verf.  in  dieser  so  oft  venti- 
lierten Frage  seinen  Standpunkt  gekennzeichnet,  nur  hat  er  nachher  bei 
der  Ausführung  denselben  nicht  konsequent  innegehalten,  sondern  durch 
einzelne  (zuweilen  sonderbare)  Bemerkungen  unter  dem  Texte  gleichsam 
ein  gemischtes  Verfahren  eingeschlagen.  So  steht  bei  ecrire  S.  290: 
„Vor  den  vokalisch  anlautenden  Endungen  wird  v  eingeschoben  (nous 
eanvons)'^.  Bei  äbsoudre  und  resoudrei  „rf  fällt  aus  vor  den  Endungen 
s  und  t,  ou  wird  zu  Iv  vor  den  vokalisch  anlautenden  Endungen;  je- 
doch wird  im  Pass^  däfini  das  v  ausgestossen",  Derartige  Bemerkungen 
dürften  schwerlich  den  Beifall  Foerster's  finden.  Auf  andere  Punkte  hier 
noch  näher  einzugehen,  verbietet  der  mir  zugemessene  Raum. 

0.  Schulze. 


Französische  Elementar-Grammatik  für  Realschüler  von  Hermann  Brey- 
mann.    München,  Oldenburg.     1884.    74  S.     8. 

Wunderbar,  trotzdem  sich  die  Überzeugung  von  der  Notwendig- 
keit einer  gänzlichen  Umgestaltung  des  neusprachlichen  Unterrichts  in 
immer  weiteren  Kreisen  Bahn  bricht,  trotzdem  seit  Jahr  und  Tag  nam- 
hafte Fachleute  mit  aller  Energie  auf  eine  solche  dringen,  behauptet  die 
Plötz-Plate'sche  Unterrichtsmethode  im  grossen  und  ganzen  noch  immer 
das  Feld!  Der  Grund  dieser  auffallenden  Erscheinung  liegt  einesteils  in 
dem  Umstände,  dass  der  Anfangsunterricht  in  den  neueren  Sprachen 
noch  ziemlich  weit  verbreitet  in  den  Händen  von  Elementarlehrern,  sog. 
Mittelschullehrern^)  ruht,  andernteils  aber  auch  darin,  dass  der  neu- 
sprachliche Unterricht  in  vielen  Fällen  als  Nebenfach  von  Nichtfach- 
männern  erteilt  wird,  denen  Neigung  und  Vorbildung  für  eingehendes 
Studium  der  Fortschritte  unserer  Wissenschaft  abgehen. 

Zu  diesen  Übelständen  gesellte  sich  nun  seither  noch  die  That- 


^)  Auf  die  Schädlichkeit  dieser  Einrichtung,  der  es  unser  Fach 
zum  grossen  Teil  zu  verdanken  hat,  dass  es  nicht  schon  längst  dem  der 
kl.  Philologie  als  völlig  ebenbürtig  angesehen  wird,  ist  von  berufener 
Seitd  noch  lange  nicht  nachdrücklich  genug  hingewiesen. 


334  Litterarische  Chronik.    G.  WiUenberg, 

Sache,  dass  es  für  den  Anfangsunterricht  des  Französischen  an  einem 
Lehrmittel  fehlte,  welches  die  Ergebnisse  wissenschaftlicher  Forschung, 
namentlich  der  Lautlehre,  für  die  Lehrpraxis  im  Zusammenhange  ver- 
wertbar gemacht  hätte.  Für  das  Englische  hat  Victor^)  bereits  1879 
eine  zweckentsprechende  Formenlehre  geliefert,  für  das  Französische  ist 
durch  obiges  Schriftchen  Breymann's  das  Eis  gebrochen.  Wir  neueren 
Philologen,  soweit  wir  im  Schuldienste  stehen,  sind  dem  für  Hebung 
unseres  Faches  unermüdlich  thätigen  Verfasser  daher  zu  besonderem 
Danke  für  seine  Arbeit  verpflichtet.  Möge  er  als  Ausdruck  desselben  die 
bescheidenen  Bemerkungen  eines  Schulmannes  ansehen,  der  den  Fort- 
schritten der  Phonetik  mit  grossem  Interesse  gefolgt  ist  und  bereits  selbst 
in  der  Praxis,  soweit  dies  unter  den  jetzigen  Verhältnissen  möglich  ist, 
Gelegenheit  gehabt  hat,  sich  von  der  Vorzüglichkeit  der  neuen  Lehr- 
methode zu  überzeugen. 

Das  Breymann'sche  Büchlein  ist  in  zwei  Ausgaben,  eine  für  Lehrer 
(Preis  1  Mark),  die  andere  für  Schüler  (Preis  60  Pf.)  erschienen.  Erstere 
unterscheidet  sich  von  letzterer  nur  durch  Hinzufügung  eines  20  Seiten 
langen  Anhangs,  in  dem  die  französischen  Sprachlaute  nach  ihrer  phy- 
siologischen Beschaffenheit  und  Entstehung  beschrieben  werden.  Wir 
würden  es  für  zweckmässig  erachtet  haben,  wenn  Br.,  ähnlich  wie  Vietor, 
eine  solche  Beschreibung,  natürlich  mit  möglichster  Kürze,  auch  den  für 
die  Schüler  bestimmten  Exemplaren  vorausgeschickt  hätte,  anstatt  sofort 
die  von  ihm  zur  phonetischen  Bezeichnung  gewählten  Schriftbilder  (er 
benutzt  dazu  die  Druckbuchstaben  der  deutschen  Frakturschrift)  dem 
Schüler  vorzuführen  und  französische  Wörter  als  Proben  daneben  zu 
setzen.  Der  Schüler  erhält  dadurch  nicht  von  vorn  herein  das  so  not- 
wendige Bewusstsein,  dass  diese  Zeichen  gewisse  Lautwerte  der  franzö- 
sischen Sprache  vorstellen,  die  sich  durchaus  nicht 'alle  mit  denen  der 
eigenen  Sprache  decken.  Auch  lässt  ihn  die  Thatsache,  dass  dasjenige, 
was  ihm  vorgesprochen  wird,  sich  beschreiben  und  danach  genau  nach- 
ahmen lässt,  zuversichtlicher  an  die  anfangs  mühsame,  aber  unerlässliche 
Zungen-  und  Mundgymuastik  herangehen. 

In  die  Lehre  von  der  Konjugation  hat  Br.  die  auch  von  Lücking 
adoptierte  Einteilung  Chabaneau's  in  lebende  und  tote  oder  archaische 
Konjugation  aufgenommen.  Über  diesen  terminus  rechtet  von  Sallwürk 
mit  Lücking  (vgl.  Litt.  Bl.  für  rom.  u.  germ.  Phil.,  1884, 288)  und  wir  müssen 
ersterem  beipflichten.  Der  Ausdruck  ist  hier  verfrüht,  denn  die  Schüler 
können  sich  darunter  noch  nichts  rechtes  vorstellen.  Es  wäre  u.  E,  besser 
auf  dieser  Stufe  überhaupt  nur  von  einer  Konjugation  zu  reden, 

§  124  behandelt  die  Stellung  der  persönlichen  Fürwörter  unter 
einander.  Hier  geht  Br.  merkwürdigerweise  noch  in  Plötz'schen  Schuhen. 
Sollte  nicht  die  Erklärung  nach  dem  von  Kühn  (Methode  des  fmnz. 
Unterrichts,  p.  31)  angegebenen  Prinzipe  besser  so  zu  fassen  sein :  Das 
nähere  Objekt  steht  dem  Verb  zunächst,  gleichviel  ob  es  vor-  oder  nach- 
steht, nur  lui  und  leur  machen  vor  dem  Verb  stehend  eine  Ausnahme? 

§  140,  3  lautet:  Ist  das  Relativ  von  einer  Präposition  abhängig 
und  bezieht  es  sich  auf  eine  Sache,  so  muss  dasselbe  durch  lequel,  la- 
quelle  etc.  übersetzt  werden.  Hier  wäre  der  Schluss  abzuändern  in  „über- 
setzt und  nachgestellt  werden".  ' 

Es  Hessen  sich  bei  längerem  Gebrauche  des  Buches   gewiss  noch 


^)  Die  dazu  angekündigten  Übungsbücher  sind  bis  jetzt  leider  noch 
nicht  erschienen,  was  der  allgemeinen  Verbreitung  des  Werkchens  hinder- 


lich gewesen  ist. 


Schulgrammatiken.    Grammatische  Schriften.  235 

mancherlei  Besserungsvorschläge  auftinden,  worauf  sich  ja  auch  Br.,  wie 
er  ausdrücklieh  in  der  Vorrede  bemerkt,  selbst  gefasst  macht.  Für  heute 
mögen  diese  wenigen  Bemerkungen  genügen,  um  Interesse  für  sein 
Schriftchen  auch  bei  denjenigen  Fachgenossen  zu  erwecken,  die  der 
neueren  Richtung,  welcher  die  Zukunft  gehört,  bisher  noch  fern  gestan- 
den haben.  Denjenigen  aber,  die  voll  Selbstbewusstsein  auf  ihre,  an  der 
Hand  der  alten  Methode  erzielten  Resultate  blicken  und  die  neueren 
Forschungen  mit  überlegenem  Lächeln  als  Tüfteleien  oder  gar,  was  noch 
naiver  ist,  als  Modesache  ohne  genaue  Prüfung  von  der  Hand  weisen, 
rufen  wir  zu :  „Fahrt  fort  elende  Hütten  zu  bauen,  wo  Mittel  und  Wege 
zu  Gebote  stehen,  schöne  Paläste  zu  errichten.  Wir  kommen  doch  noch 
an  die  Reihe!" 

A.  Rhode. 


Die  Lehre  vom  französischen  Verb  auf  Grundlage  der  historischen  Gram- 
matik von  Dr.  Hermann  Breymann,  Professor  an  der  Uni- 
versität München.  München  und  Leipzig,  R.  Oldenbourg.  1882. 
136  S.    8. 

Das  vorliegende  Buch  hat  bereits  mehrfache  Beurteilungen  in  ver- 
schiedenen Zeitschriften  gefunden,  u.  a.  -  so  viel  uns  bekannt  gewor- 
den —  von  H.  Isaac  im  .,Centralorgan  f.  Realsoh."  XI,  485  --  488 ;  von 
Wolpert  in  den  ».Blättern  f.  d.  bayr.  Gymnasialwesen"  XIX,  145  -  •  149 ; 
von  K.  Mayer  in  der  „Ztschr.  f.  d.  Gymnasialwesen"  XXXVII,  474  bis 
485  ;  von  StengeKim  ^Päd.  Archiv"  1883,  S.  375—386,  und  von  Heiner, 
ib.  S.  386—396.  '  .     ' 

Der  erste  T4i\  (S.  1 — 44),  welcher  den  „neusprachlichen  Unterricht 
an  Gymnasium  und  Realschule"  zum  Gegenstande  hat,  ist  auch  von  uns 
schon  in  dieser  Zeitschr.  (V*,  1  S.)  besprochen  worden,  weshalb  derselbe 
hier  nicht  weiter  berücksichtigt  werden  soll.  Mit  dem  zweiten,  dem 
Hauptteil,  in  welchem  „die  Lehre  vom  französischen  Verb  auf  Grund- 
lage der  historischen  Grammatik"  zur  Darstellung  kommt,  ist  die  grosse 
Zahl  der  bekannten  Monographieen  über  die  Behandlung  des  franz.  Ver- 
bums in  der  Schule,  welche  im  Laufe  der  letzten  Jahre  erschienen  sind, 
wieder  um  eine  gewachsen,  leider  ohne  dass  man  sie  als  den  Schluss- 
stein dieser  ganzen  Reihe  betrachten  könnte,  was  allerdings  —  da  die 
bisher  vorgeschlagenen,  resp.  angewandten  Methoden  sich  immer  nur 
teilweiser  Zustimmung  zu  erfreuen  hatten  —  im  Interesse  des  Unterrichts 
dringend  zu  wünschen  gewesen  wäre. 

Der  Verf.  will  die  Lehre  vom  Verb,  „wohl  das  wichtigste  Kapitel 
der  ganzen  Formenlehre,  in  einer  der  wissenschaftlichen  For- 
schung und  zugleich  den  Bedürfnissen  der  Schule  Rechnung  tra- 
genden Weise  darzustellen"  und  so  „auf  Grund  der  gesicherten  Ergeb- 
nisse der  historischen  Grammatik  zu  zeigen  versuchen,  in  welcher 
Weise  der  grammatische  Unterricht  an  den  Schulen,  und  zwar  zunächst 
an  den  lateinlosen  Realschulen,  traktiert  werden  müsste,  um  für 
Lehrer  und  Lernende  gleich  anziehend,  für  letztere  aber  das  zu  werden, 
was  er  sein  kann  und  sein  soll ..." 

Das  Ganze  zerföllt  in  einen  allgemeinen  Teil  (Seite  47  —  56), 
welcher  die  notwendigsten  Angaben  über  Stamm  und  £ndung,  sowie  über 
die  Einteilung  der  Verbalformen  und  der  Verben  enthält,  und  einen  be- 
sonderen Teil  (S.  57  —  115),  in  welchem  die  einzelnen  Verben,  zu 
Gruppen  zusammengefasst,  behandelt  werden.  Hierauf  folgen  zwei  An- 
hänge, von  denen  der  erste  (S.  116—121)  die  Flexionsendungen  in  über- 


236  Liiter arische  Chronik.    G.  WiUenherg, 

sichtlicher  ZusammenstelluDg  aufweist,  während  in  dem  zweiten  (S.  122 
bis  132)  die  in  dem  besonderen  Teile  zur  Anwendung  gekommenen 
„Lautgesetze**  noch  einmal  im  Zusammenhange  aufgeführt  werden.  Ein 
alphabetisches  Register  von  vier  Seiten  bildet  den  Schluss. 

Ehe  wir,  dem  Wunsche  des  Verf.  Rechnung  tragend,  ihn  „auf  die 
diesem  bescheidenen  Versuche  anhaftenden  Mängel  und  zugleich  auf  die 
richtigen  Mittel  zu  ihrer  Beseitigung  aufmerksam  zu  machen",  zur  Be- 
sprechung von  Einzelheiten  übergehen,  sehen  wir  uns  zu  einigen  allge- 
meineren Bemerkungen  veranlasst. 

1)  „Historische  Grammatik  der  franz.  Sprache  ohne  Zurückgreifen 
auf  Lateinisch  und  Altfranzösisch  zu  lehren,  ist  ein  Ding  der  Unmöglich- 
keit; auch  gehört  die  historische  Grammatik  nicht  in  die  Schule'*  (Vor- 
rede). Gewiss  hat  der  Verf.  hierin  recht,  sofern  er  darunter  einen 
systematischen  Unterricht  in  historischer  Grammatik  versteht;  in 
solcher  Weise  Französisch  lehren  zu  wollen,  wäre  in  der  That  eine  grobe 
Versündigung  an  der  schon  so  stark  mit  Lernstoff  belasteten  Jugend. 
Ein  rationeller  Betrieb  dieser  Disziplin  ist  aber,  uns  wenigstens,  ohne 
gelegentliches  Zurückgreifen  auf  Latein  und  Altfranzösisch  (NB.  an 
Latein  treibenden  Schulen!)  nicht  denkbar,  denn  „abgesehen  von  dem 
pädagogischen  Werte,  den  die  Vergleichung  zweier  in  der  Schule  gelehrter 
Sprachen  für  die  Konzentration  des  Unterrichts  bietet,  liegt  in  der 
historischen  Betrachtung  so  viel  Belehrendes,  dass  der  franz.  Unter- 
richt .  . .  dadurch  an  Wertschätzung  in  den  Augen  der  Schüler .  .  .  un- 
gemein gewinnen  kann"  (von  SalJwürk,  Päd.  Arch.  1880,  S.  6);  die 
Schwierigkeit  besteht  nur  darin,  zu  entscheiden,  wie  und  in  welcher 
Ausdehnung  die  histoiische  Grammatik  in  der  Schule  berücksichtigt 
werden  soll,  worüber  allerdings  die  Ansichten  ebenfalls  noch  weit  aus- 
einander gehen. 

2)  Im  Anschluss  an  den  oben  zitierten  Satz  föhrt  nun  Br.  fort : 
„Daher  wird  auch  dort,  und  zwar  sowohl  in  Schulen  mit  Latein  als  auch 
in  Schulen  ohne  Latein,  die  Behandlung  der  Formenlehre  wohl  nie  eine 
andere  als  die  beschreibende  sein  können,  welche  die  einzelnen  Formen 
nach  dem  psychologischen  Werte  analysiert,  welchen  dieselben  gegen- 
wärtig haben,  nicht  nach  denjenigen  Werten,  welche[n]  sie  in  irgend 
einer  Epoche  der  Vergangenheit  etwa  gehabt  haben  (Lücking,  Die 
französischen  Veroalformen,  S.  V,  Berlin  1875)**.  In  diesem  Punkte 
können  wir  dem  Verf.  durchaus  nicht  ganz  beipflichten.  Schon  Mayer 
(1.  c.  481)  hat  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  dass  allerdings  „für  eine 
lateinlose  Schule  [und  nur  solche  hat  ja  die  vorliegende  Schnffc  im  Auge] 
die  beschreibende  Formenanalyse  als  allein  zweckmässig  angesehen 
werden  muss**,  dass  dann  aber  konsequenter  Weise  darauf  verzichtet 
werden  müsse,  „zu  einer  genetischen  Formenerklärung  überzu- 
gehen**, wie  dies  doch  Br.  an  mehreren  (von  M.  näher  bezeichneten) 
Stellen  thue ;  auch  Lücking  selbst  warnt  a.  a.  0.  vor  einer  „Veimischung 
von  beschreibender  und  erklärender  Darstellung  für  den  elemen- 
taren Unterricht**.^)  —  Die  Behauptung  aber,  dass  auch  an  „Schulen  mit 
Latein**    eine  lediglich  beschreibende  Formenanalyse  am  Platze  sei, 


^)  Nur  beiläufig  sei  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass,  wie  sich 
auf  den  ersten  Blick  erkennen  lässt,  Br.  diese  „beschreibende  Behand- 
lung*" in  ganz  anderer  Weise  auffasst  und  durchführt  als  Lücking,  wo- 
bei sogar  mehrfach  offenbar  Falsches  mit  unterlauft;  vgl.  z.  B.  die  Zer- 
legung des  Präs.  Ind.  von  finir  in  Stamm  und  Endungen  bei  Br.  S.  71 
mit  dem  bei  Lücking  §  19  aufgestellten  Schema. 


Schulfjframmaliken.    Grammaiische  Schriften.  237 

wird  uns  nur  durch  die  Annahme  erklärlich,  daas  der  Verf.  die  Organi- 
sation dieser  Anstalten  dabei  völlig  ausser  acht  gelassen  habe;  unserer 
Ansicht  nach  muss  hier  dasjenige  Verfahren  Anwendung  finden,  welches 
wir  schon  unter  1)  andeuteten.^) 

3)  „Zugleich  kann  und  soll  uns  aber  die  Kenntnis  der  historischen 
Grammatik  davor  bewahren,  Regeln  aufzustellen,  die  den  Ergebnissen 
der  letzteren  widersprechen".  Wir  dürfen  annehmen,  dass  dieser  Satz 
die  unbedingte  Zustimmung  fast  aller  wissenschaftlich  gebildeten  Fach- 
genossen findet.  Leider  sieht  sich  nun  aber  der  Verf.  am  Schlüsse  seiner 
Arbeit  zu  folgender  Erklärung  gedrängt  (S.  121):  „Unter  Hinweis  auf 
das  Si  3  Gesagte  sei  hier  noch  einmal  daran  erinnert,  dass  unter  allen 
Umständen  an  dem  Grundsatze  festgehalten  werden  muss,  dass  in  der 
lateinlosen  Schule  weder  Latein  noch  Alttranzösisch  gelehrt  werden  darf. 
Die  Befolgung  dieses  Gründsatzes  hat  es  notwendiger  Weise  (?)  mit  sich 
gebracht,  dass  in  der  vorstehenden  Darstellung  der  Lehre  vom  Verb  für 
einzelne  Kegeln  eine  Fassung  gewählt  werden  musste,  die  in  einer 
historischen  Grammatik  der  französ.  Sprache  nicht  am  Platze  ge- 
wesen wäre".  Wie  lässt  sich  nun  hiermit  jener  absolut  unbestreit- 
bare pädagogische  Grundsatz  in  Einklang  bringen,  welchen  Foerster  in 
einer,  auch  Br.  (nach  S.  4,  Anm.)  bekannt  gewordenen,  bedauer- 
licher Weise  aber  viel  zu  wenig  von  ihm  beherzigten,  inhaltreichen 
Rezension  einiger  Schriften  von  Steinbart  folgendermassen  formuliert 
(hier  IV-^,  37):  „Man  darf  unter  keinen  Umständen,  auch  nicht  um 
den  Preis  eines  praktischen  Nutzens,  wissentlich  Falsches  und 
Unrichtiges  lehren"?  Wir  fürchten,  dass  Br.  nicht  imstande  sein  wird, 
hierauf  eine  sein  inkonsequentes  Verfahren  völlig  rechtfertigende  Ant- 
wort zu  geben. 

4)  Wiederholt  hebt  der  Verf.,  wie  aus  dem  Vorstehenden  ersicht- 
lich, mit  besonderem  Nachdruck  hervor,  dass  nach  seiner  Meinung  ,,in 
der  lateinlosen  Schule  weder  Latein  noch  Altfranzösisch  gelehrt  werden 
darf^'  —  womit  er  offenbar  sagen  will,  dass  an  solchen  Anstalten  beim 
Unterricht  in  der  neufrz.  Grammatik  auf  jene  beiden  Sprachen  keine 
Bücksicht  genommen  werden  dürfe.  Dieser  Ansicht  haben  wir  auch 
bereits  unter  2)  rückhaltlos  beigestimmt.  Wie  nun  aber,  wenn  in  un- 
serer, für  die  Behandlung  des  französischen  Verbs  „an  den  lateinlosen 
Realschulen"  bestimmten  Schrift  thatsächlich  das  Lateinische  und  Alt- 
französische  fast  auf  jeder  Seite,  zum  Teil  in  ausgiebigstem  Masse,  zur 
Erklärung  einzelner  Formen  (z.  B.  des  Futurs  von  envoyer  etc.,  §  76) 
herangezogen  werden,  resp.  die  Kenntnis  des  Lateins  zum  Verständnis 
gewisser  Regeln  oder  Lautgesetze  (z.  B.  §  72,  2;  §  93;  §  147)  bei  den 
Schülern  vorausgesetzt  wird  (vgl.  Stengel  1.  c.  paasim)?!  Ein  so  ekla- 
tanter Widerspruch  ist  uns  in  der  That  unbegreiflich.  —  Ebenso  unver- 
ständlich bleibt  es  uns  auch,  warum  der  Verf.  im  Anfang  des  „allge- 
meinen Teils"  die  Flexionsendungen  (wohl  nach  Basedow,  Das  französi- 
sche Verb  in  der  Schule)  in  „Tempus-,  Modus-  und  Personalzeichen" 
zerlegt,  schliesslich  aber  (S.  121)  sehr  richtig  auseinandersetzt,  dass  die- 
selben im  Französischen  „viel  von  ihrer  ursprünglichen  Lautfülle  einge- 
büsst"  und  sich  „nur  noch  in  sehr  verkümmerter  Gestalt  erhalten  haben" : 


^)  Vgl.  Mayer,  1.  c.  483.  Auch  Foerster  will  „die  Schüler  zuerst 
die  Formen  einfach  memorieren  lassen  und  erst  später,  in  den  obersten 
Klassen  (?),  davon  so  viel  zu  erklären  trachten,  als  sich  ohne  besondere 
Schwierigkeit  aus  dem  Latein,  und  zwar  auf  Grund  absolut  sicherer 
Lautgesetze,  auf  dieser  Stufe  erklären  lässt"  (s.  hier  IV^,  38). 


238  LUterarische  Chronik.     G.  Willenberg, 

„mit  diesen  Eategorieen  der  Tempus-  und  Moduszeichen  in  lateinloser 
Schule  [nach  unserer  Ansicht  überhaupt  an  jeder  Schule!]  zu  operieren 
ist  also  unter  diesen  umständen  nicht  nur  sehr  misslich,  sondern  so- 
gar unmöglich"!!    (Vgl.  Mayer,  1.  c.  482  unt.) 

5)  Im  Hinblick  darauf,  dass  die  vorliegende  Monographie,  wie 
eben  bemerkt,  zur  Benutzung  beim  Unterricht  von  solchen  Schülern  be- 
stimmt ist,  welche  kein  Latein  lernen,  müssen  wir  auch  die  vom  Vf. 
zu  Grunde  gelegte  Einteilung  der  Verben  in  schwache  und  starke  ver- 
werfen, da  diese  doch  auf  der  gleichen  Klassifikation  der  lateinischen 
Zeitwörter  beruht  (vgl.  u.  a.  von  Sallwürk,  Päd.  Arph.  1880,  S.  11).  In 
Latein  treibenden  Schulen  ist  diese  Gruppierung,  unserer  Ansicht  nach, 
durchaus  am  Platze;^)  an  lateinlosen  Schulen  würden  wir  (mit  Stengel, 
1.  c.  382)  die  Chabaneau'sche  Klassifikation  in  „lebende"  und  „tote"  Kon- 
jugationen vorziehen,  obgleich  uns  darüber  kein  erfahr ungsmässiges  Ur- 
teil zusteht  —  eine  in  allen  Teilen  befriedigende,  wissenschaftliche 
Einteilung  zu  finden,  wird  und  kann  ja,  wie  Foerster  so  treffend  nach- 
gewiesen hat  (hier  IV^,  32  ff.),  niemals  gelingen. 

6)  An  der  Anordnung  des  Stoffes  haben  wir  mit  Heiner  (1.  c.  390) 
ganz  besonders,  zu  tadeln,  „dass  überall  der  Schüler  durch  die  Theorie 
erst  zu  der  Sache,  durch  das  Gesetz  zu  der  konkreten  Form  gelangen 
soll.  Der  Verf.  will  zuerst  Tempus-,  Modus-  und  Personalzeichen,  dann 
die  Formen  selbst,  zuerst  Lautgesetze,  dann  die  darauf  beruhenden 
Stammveränderungen  geben.  Nach  der  natürlichen  Ordnung  der  Dinge 
soll  der  Schüler  zuerst  Formen  und  Paradigmen  lernen  und  etwa  auf 
späterer  Stufe'^)  durch  Vergleichung  das  Gesetz  ableiten";  er  soll  „ge- 
legentlich der  Einübung  der  Formen  durch  geschickte  Gruppierung  und 
übersichtliche  Zusammenstellung  des  Gleichartigen  mit  den  wichtigsten 
Lautgesetzen  und  der  sprachlichen  Entwickelung,  wie  sie  die  historische 
Grammatik  bietet,  bekannt  gemacht  werden"  (ib.  395).  Auch  v.  Sall- 
würk legt  auf  das  „gelegentliche  Lernen,  d.  h.  die  grundsätzliche 
Anlehnung  an  die  angeschaute,  begriffene  Form"  (Päd.  Arch.  1880,  S.  15) 
mit  Recht  das  Hauptgewicht  und  bemerkt,  ganz  mit  unserer  Ansicht 
übereinstimmend,  ib.  S.  4 :  „Die  Lautgesetze  müssen  an  den  bezeichnend- 
sten Beispielen  induktiv  gefunden  werden.  Wenn  aber  darauf  gehalten 
wird,  dass  bei  jedem  neuen  Fall  die  Reihe  der  schon  vorgekommenen 
verwandten  Beispiele  wieder  vorgeführt  wird,  so  wird  die  Behandlung 
dieses  Abschnittes  der  Grammatik  zur  Sicherung  und  Befestigung  von 
Wort-  und  Formkenntnissen  ungemein  viel  beitragen". 

7)  Da  das  Buch  „zunächst  nicht  für  Schüler  berechnet^'  ist  (S.  60, 
Anm.),  so  muss  die  Breite  und  Weitschweifigkeit  der  ganzen  Anlage  am 


*)  Die  von  Br.  in  einem  Schlusswort  (S.  132)  vorgeschlagene  Drei- 
teilung (schwache,  starke  und  halb  starke  Verben)  scheint  uns  sehr 
empfehlenswert,  da  sie  in  der  That  „die  Übersicht  über  das  Ganze  und 
somit  auch  das  Erlernen  der  zahlreichen  Verbalformen  erleichtem  dürfte". 

*)  Heiner  behauptet,  ähnlich  wie  Foerster  (vgl.  oben  S.  237.  Anm), 
die  genetische  Erklärung  von  Formen  wie  connaii,  voudrai  u.  dgl.  sei 
„viel  gelehrter  Apparat,  der  auch  dem  Tertianer  noch  unverständ- 
lich bleibt"  (1.  c.  394).  Mehrjährige  Erfahrung  berechtigt  uns  jedoch, 
diese  Ansicht  als  irrtümlich  zu  bezeichnen  und  darauf  hinzuweisen,  dass 
gerade  das  Selbst  finden  derartiger  Entwickelungen  im  Anschluss  an 
bereits  bekannte  Vorgänge  den  meisten  unserer  Tertianer  sogar  Freude 
macht  und  ihnen  das  Behalten  der  betreffenden  Formen,  allen  entgegen- 
gesetzten Behauptungen  zum  Trotz,  augenscheinlich  erleichtert. 


Schnkparnmaükcn.     Grammatische  Schriftert.  239 

so  auffälliger  erscheinen:  für  deu  Lehrer  hätte  offenbar  statt  der  jedes- 
maligen, ausführlichen  Angabe  der  in  den  einzelnen  Fällen  erforderlichen 
Lautgesetze  (Ltg.   14  z.  B.   ist    im  ganzen   kurz  hinter  einander   5  mal 

—  S.  74,  78,  81,  84,  95  —  wörtlich  zitiert!)  ein  einfacher  Hinweis  auf 
die  Zusammenstellung  derselben  im  zweiten  Anhange  genügt.  Die  Para- 
digmen und  viele  Regeln  konnten  bedeutend  kürzer  gefasst,  gleichartiges 
mehrfach  zusammengezogen  werden  u.  s.  w.  (vgl.  Wolpert  1.  c).  — 

Nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  wollen  wir  nun,  dem 
Gange  des  Buches  folgend,  dasjenige  erwähnen,  was  uns  im  einzelnen 
daran  aufgefallen  ist. 

S.  50,  Anm.  8.  Aus  dem  afrz.  cosdre  lässt  Br.  das  nfrz.  coudre 
dadurch  entstehen,  dass  „vor  dem  eingeschobenen  d  das  s  ausfieJ  und  o 
darauf  in  02/ gedehnt  wurde",  also:  coare,  coudre.  Im  Widerspruch  hier- 
mit führt  aber  der  Verfasser  selbst  S.  84  und  130  die  Durchgangsform 
cousdre  an,  wonach  also  das  s  erst  nach  dem  Übergang  von  o  in  ou 
ausgefallen  wäre,  was  wohl  auch  thatsächlich  der  Fall  ist  (vgl.  z.  B. 
afrz.  cousiuj^e  in  Bartsch,  Chrest.*  182,  32). 

S.  51.  Für  hattre  ausser  haiU  den  Nebenstamm  hau  anzusetzen, 
ist  mindestens  überflüssig;  zur  Erklärung  der  Präsensformeu  hats  vm^hat 
genügt  eine  einfache,  auf  den  Stamm  hait-  angewandte  orthographische 
Kegel  (vgl.  Mayer  L  c.  484). 

ib.  Von  prendre  muss,  wenn  nun  einmal  die  Annahme  zweier 
Stämme  erforderlich  scheint,  nicht  der  Hauptstamm  pren-,  der  Neben- 
stamm prend-  lauten,  sondern,  wie  die  Etymologie  dieses  Wortes  an  die 
Hand  gibt,  umgekehrt. 

ib.,  Anm.  5.  Mais  ist,  wie  das  altnorm,  esteie  feie  =  ebam  !)  beweist, 
nicht  auf  stabam  zurückzuführen,  sondern  wie  mettais  von  meitre  u.  dgl. 
gebildet  (vgl.  Stengel  1.  c.  381). 

ib.,  Anm.  7  und  8.  Der  Verf.  meint,  die  afrz.  Perfecta  nasqui 
von  naitre  und  vesqui  von  vivre  beruhten  auf  lat.  *nascHi,  näscui,  nascvi, 
resp.  *vicsi  (=  viocij,  tnskiy  bedenkt  aber  nicht,  dass  dann  die  Accen- 
tuierung  von  nasqui  und  vesqui  vollständig  unerklärt  bliebe ;  bekanntlich 
liegt  diesen  Formen  *naskivi  und  *viskivi  zu  Grunde  (weniger  wohl  wie 
Stengel  1.  c.  379  annimmt :  *nascuivi  und  *vis€uivi). 

S.  64,  §  26.  Die  hier  angegebene  Behandlung  der  Verben  cro- 
cheter,  e'potcsseier  eict  welche  nach  Br.  das  offene  e  „bald  durch  den 
acceftt  ffrave,  bald  durch  Verdoppelung  des  Endkonsonanten  der  Stamm- 
silbe" bezeichnen,  lässt  dem  Gutdünken  des  Schülers  freien  Spielraum, 
was  man  doch  so  viel  als  möglich  vermeiden  sollte. 

S.  67,  Anm.  1.  Von  den  Verben  auf  ayer  behauptet  der  Verf. 
fälschlich,  das  y  sei  hier  „genau  genommen  ursprünglicher  als  i,  nämlich 
der  zwischen  Vokalen  erhaltene  letzte  Rest  der  früheren  Gutturalis", 
beachtet  aber  nicht,  dass  z.  B.  payer  =  afrz.  paiier,  y  also  =  ii  resp. 
(/ist,  wie  er  dies  selbst  ganz  richtig  kurz  vorher  (S.  Q^y  Anm.  2)  an 
royal  erörtert  hat. 

S.  67,  Anm.  2.  Nicht  in  paieras  (wo  e  stumm!),  sondern  nur  in 
payeras  ist  das  e  ein  dumpfes. 

S.  74,  Anm.  1.  ^  Florissani  und  florissavi  sind  keineswegs  „ge- 
lehrte", sondern  eben  „volkstümliche",  unter  genauer  Beachtung  des  mit 
der  Accentuation  zusammenhängenden  Gesetzes  vom  Lautwandel  gebil- 
dete Formen. 

S.  77,  Anm.  1.    Das  Etymon  von  ouvertisimohiapertus,  sondern 

—  wie  aus  afrz.  aovrir,  prov.  adubrir  ersichtlich  —  (a  de-)  opertiuf. 

S.  78,  §  52  Anm.  Warum  repartir  etc.  wie  finir  abgewandelt 
werden,  konnte  wohl  kurz  angegeben  sein,  jedenfalls  sind  wir  dem  den- 


240  Liitei'ai'isclie  Chronik.     G.  Willenhtrg, 

kenden  Schüler  eine  solche  Erklärung  schuldig,  wenn  auch  der  Verf. 
dies  dem  Lehrer  zu  sagen  vielleicht  nicht  für  nötig  befunden  hat,  was 
allerdings  seinem  sonstigen  Verfahren  widerspricht. 

In  §  60  kommt  ausser  den  dort  angeführten  auch  Lautgesetz  3 
(zu  suhn'e  und  ecrire)  in  Anwendung. 

ib.  (zu  Ltg.  19).  Der  Verf.  ist  zwar,  wie  wir  hörten,  bemüht  ge- 
wesen, nicht  solche  Regeln  aufzustellen,  die  den  Ergebnissen  der  histo- 
rischen Grammatik  widersprechen,  hat  aber  nicht  daran  gedacht,  dass 
aus  demselben  Grunde  auch  einzelne  unhistorische  Formen  durchaus 
vermieden  werden  müssen.  Schon  oft  ist  von  verschiedenen  Seiten,  am 
nachdrücklichsten  von  Foerster  (hier  IV*,  36  ff.)»  die  ausdrückliche  An- 
führung von  „Phantasieformen",  wie  hier  *plaign-re  und  andere,  die  den 
Schüler  nur  zu  ganz  falschen  Annahmen  verleiten,  gebrandmarkt  worden, 
und  es  kann  nicht  genug  auf  das  Schädliche  dieses  Verfahrens  hinge- 
wiesen werden  (vgl.  auch  Mayer  1.  c.  484) ;  sehr  richtig  fordert  darum 
V.  Sallwürk  (Päd.  Arch.  1880,  S.  9),  „dass  ausser  der  lateinischen  Grund- 
form der  klassischen  oder  der  späteren  Sprache  nur  diejenigen  Zwischen- 
formen aus  dem  Altfranzösischen  beigezogen  werden,  welche  den  Über- 
gang in  die  neufranzösische  Form  vermitteln,  alle  andern  streng  ausge- 
schlossen bleiben '\ 

S.  85,  Anm.  1.  Dass  c  in  vaincre  auch  vor  a  und  o  in  qu  ver- 
wandelt wird,  ist  allerdings  als  eine  ,^ Unregelmässigkeit"  anzusehen,  die 
aber  in  dem,  auch  von  Br.  mehrfach  angedeuteten,  uniformierenden 
Prinzip  der  franz.  Sprache  ihre  sehr  einfache  Erklärung  findet. 

S.  89,  §  74,  2.  Bei  der  Erörterung  der  Bildung  der  Futurformen 
durfte  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  unter  den  einer  betonten  Silbe 
vorangehenden  Vokalen,  welche  sonst  ausfallen,  allein  lat.  ä  sich  als 
dumpfes  e  erhält  —  vgl.  den  dem  Verf.  bekannten  (!)  und  gerade  an 
dieser  Stelle  offenbar  ausgiebig  verwerteten  Artikel  von  Foerster  (hier 
IVS  40). 

Die  gröbsten  Irrtümer  auf  dem  Gebiete  der  historischen 
Grammatik  enthält  §  76,  in  welchem  die  Herleitung  der  Futurformen 
von  envoyer  etc.  „von  einem  älteren  französ.  Infinitiv"  erläutert  wird, 
wobei  Br.  seltsamerweise  wiederum  zum  Teil  mit  seinen  eigenen,  un- 
mittelbar vorangehenden  Auseinandersetzungen  in  Widei*8pruch  gerat. 
Zunächst  kommen  von  den  dort  genannten  13  Verben  überhaupt  nur 
envoyer,  pouvoir,  choir,  voir  und  vouloir  in  Betracht.  Hören  wir,  wie 
der  Verf.  bei  diesen  verfährt.  ^Envoyer:  afrz.  enveier,  *enveier-m,  en- 
verrai"^.  Wie  letzteres  aus  enveierai  entstehen  soll,  ist  uns  unklar.  Die 
zu  Grunde  zu  legende,  auch  lautgesetzlich  einzig  richtige  Form  ist  afrz. 
enveer  f=  inviare) ;  hieraus  entwickelt  sich  (enverai  und)  enverrai,  in- 
dem ausnahmsweise  (analog  zu  courrai  u.  dgl.)  das  e  der  Infinitiv- 
enduDg  ausfällt  (vgl.  afrz.  jurrai,  dorrai  von  jurer,  doner).  —  Pouvoir 
und  choir.  Diesen  sollen  nach  Br.  die  lautgesetzlich  ganz  unmöglichen 
afrz.  Infinitive  poder  und  cheder  entsprechen,  während  er  z.  'S.  dem  nfrz. 
voir  und  seoir  mit  Recht  afrz.  vefdjeir  und  se(äjeir  gegenüber  stellt! 
Im  übrigen  ist  bei  jenen  beiden  Verben  die  Entwickelung  des  Futurs 
richtig  angegeben,  nur  dass  bei  pouvoir  die  afrz.  Durchgangsform  porrai 
fehlt.  —  Voir  und  vouloir.  Die  Berechtigung,  hierbei  als  Mittelformen 
*vedeirai  und  *voleirm  anzusetzen,  wie  Br.  es  thut,  ist  zwar  von  Foerster 
(hier  IV=^,  40)  bestritten,  von  Stengel  aber  (1.  c.  380)  immerhin  ziemlich 
überzeugend  gestützt  worden.  —  Was  nun  die  übrigen  acht  Verba  be- 
trifft, so  gehören  sie  überhaupt  nicht  hierher.  Ferai  leitet  Br.  von  afrz. 
fvre  ab;  von  dieser  Form  auszugehen  ist  jedoch  ganz  unnötig,  da  ferai 
—  wofür  das  Afrz.  auch  noch  lairai  hatte;  vgl.  z.  B.  Bartsch,  Chrest.' 


Schtäfjramniatiken.    Grammatische  Schriften.  241 

53,  26:  si  fairoiz  que  gentü  —  nichts  anderes  AufiUlliges  bietet,  als  dass 
hier  die  (lautliche)  Verkürzung  des  Stammvokals,  die  wir  schon  in  den 
vortonischen  Silben  von  faisons,  faisais  und  faisant  finden,  auch  in  der 
Schrift  zum  Ausdruck  gekommen  ist  (vgl.  fincrai  von  finir  u.  a.).  Bei 
devoir,  recevoir,  savoir,  avoir  und  valair  braucht  man  zur  Erklärung  des 
Futurs  gleichfalls  die  afrz.  Infinitivform  nicht  (die  Br.  noch  dazu  durch- 
gängig, ausser  bei  valoir^  auf  -er  endigen  lässtü).  Zu  seoir  führt  der 
Verf.  folgendes  an:  „afrz.  sedeir  *sedeira  *sedra  siera**.  Die  Herleitung 
des  nfrz.  sie'ra  von  *sedra  ist  jedoch  ganz  undenkbar,  und  ui4.fo  auf- 
fälliger, als  Br.  selbst  auf  der  vorhergehenden  Seit^  die  einzig 
mögliche  Erklärung  für  die  Entstehung  dieser  Form  gegeben  hat!  Was 
schliesslich  faUoir  anlangt,  so  lässt  es  sich  leicht  an  valoir  anschliessen; 
keinesfalls  ist  irgend  ein  zwingender  Grund  vorhanden,  dabei  von  „afrz. 
/«/»•"  (V)  auszugehen. 

S.  97.  Die  Formen  asseient,  asseie  etc.  sind  durchaus  unüblich; 
auch  die  Akademie  schreibt  -ey-  vor  (vgl.  Isaac  1.  c.  487  unt.).  Über  die 
überflüssiger  Weise  erwähnten  Nebenformen  assois  etc.  vgl.  das  in  dieser 
Zschr.  III,  541  ob.  Gesagte. 

Noch  bleibt  uns  übrig,  die  im  zweiten  Anhang  zusammengestellten 
19  „Lautgesetze**,  denen  sich  3  „orthographische  Schreibregeln" ^)  an- 
schliessen, einer  Prüfung  zu  unterziehen,  wobei  wir  einige  Bemerkungen, 
zu  denen  sich  uns  schon  bei  Besprechung  des  Hauptteils  Gelegenheit  bot, 
der  Kürze  halber  unterdrücken.  Zu  der  eben  erwähnten  Einteilung  resp. 
Benennung  scheint  wiederum  Foerster's  schon  mehrfach  von  uns  zitierter 
Artikel  die  direkte  Veranlassung  gegeben  zu  haben  (vgl.  hier  IV^,  44) ; 
gerade  darum  aber  muss  es  uns  um  so  mehr  Wimder  nehmen,  dass  auch 
Br.,  wie  seine  Vorgänger,  noch  nicht  im  Stande  gewesen  ist,  „sich  von 
der  gewöhnlichen,  auf  den  Schulen  herrschenden  Unsitte,  Laut  und 
Buchstaben  zu  verwechseln,  zu  emanzipieren".^)  Er  weiss  zwar 
sehr  wohl  (vgl.  S.  4,  Anm.),  dass  die  französ.  Lautgesetze  (im  strengsten 
Sinne)  „mit  der  Konjugation  nichts  zu  thun  haben"  (Foerster), 
sondern  auf  alle  Wortarten  Anwendung  finden,  und  doch  sind  seine 
„Lautgesetze",  wie  die  von  Steinbart,  zum  Teil  weiter  nichts  als  me- 
chanische Schreibregeln!  Dahin  gehören  Ltg.  4  fconnait  statt 
connaiS'tJ,  5  (pars  statt  part-s),  14  (part  statt  part-t),  15  (tu  fais  statt 
faiS'S;  vgl.  Stengel  1.  c.  380  unt.).  Andere  wieder  sind  weder  „Lautge- 
setze" noch  „Schreibregeln",  sondern  könnten  etwa  —  nach  dem  Vor- 
gange von  Foth  (Jahrb.  f.  Phil,  und  Päd.  1882,  S.  635)  und  Isaac  (Cen- 
tralorgan  1883,  S.  91)  —  Bildungsregeln  genannt  werden,  nämlich 
Ltg.  2  (Stammerweiterung  durch  t^.9^^  6  (s-tis  neben  sav-aisj,  18  (vendrai 
statt  vendre-ai)  u.  a. 

Im  Besonderen  haben  wir  nun  noch  folgendes  zu  den .  Br.'schen 
„Lautgesetzen"  zu  bemerken.  Auf  die  unglückliche  und  für  den  einen 
Fall  sogar  falsche  Bezeichnung  „Stammverstärkung"  statt  „Vokalwechsel"* 
hat  bereits  Stengel  (1.  c.  378)  hingewiesen.  —  §  145  begeht  der  Verf. 
den  „sonderbaren  Fehler",  dass  er  ü  fait  und  ü  confit  aus  fais-t  und 
coTifiS't  entstehen  lässt,  während  er  z.  B.  S.  49,  Anm.  1  am  E.  richtig 
auseinander  gesetzt  hat,  dass  il  dit  nicht  von  diS't  herkommen  könne, 
weil   eben   die   lateinische   Grundform    keinen   Sibilanten   enthält   (vgl. 


^)  f  statt  c  und  ge  statt  g  vor  a  und  o;  qu  statt  c  in  vaincre;  x 
statt  s  nach  a%i  und  ähnlichen  Endungen. 

^)  Vgl.  auch  Stengel,  1.  c.  377;  Kühn,  Zur  Methode  des  frz.  Unter- 
richts, Programm  S.  4  unt.  (Separatabdr.  S.  12). 

Zschr.  f.  nfrx.  Spr.  u.  Litt.    VI^.  26 


242  Litieranschc  Chronik.     G.  fViäenber//, 

Wolpert  1.  c.  148;  Stengel  1.  c.  379  ob.).  —  Dass  Ltg.  7  nicht  dahin  ge- 
hört, wo  es  jetzt  steht,  "sondern  unter  die  Rubrik,  welche  von  der  Ein- 
Schiebung  euphonischer  Buchstaben  zwischen  Stamm  und  Endung  han- 
delt (Ltg.  19),  insofern  in  employer  etc.  das  y  aus  i  und  (hiatustilgendem) 
j  entstanden  ist,  sowie  dass  Ltg.  11,  weil  aus  Ltg.  3  und  8  kombiniert, 
überflüssig  erscheint,  hat  ebenfalls  schon  Stengel  (l.  c.  380)  hervorge- 
hoben. —  §  149.  Nfrz.  tu  veux  hat  sich,  historisch  betrachtet,  nicht 
aus  *veuU'X  (vom  Stamme  veul-J  unter  Verschmelzung  beider  u  in  eins,^) 
sondern  wohl  in  folgender  Weise  entwickelt:  lat.  *vÖlis  ergibt  altfrz. 
vu€is  fvueils},  *vueus,  *vuetix;  eine  derartige  Häufung  von  Vokalen,  wie 
die  beiden  letzten  Formen  aufweisen,  strebte  man  jedoch  zu  vermeiden, 
daher  erfolgte  sofort  die  Ausstossung  des  ersten  u,  wie  man  aus  dem 
gleichen  Vorgange  bei  folgender,  andersartiger  Weiterbildung  von  vuels 
schliessen  darf:  *vuials,  viaüt,  viaus,  viax  (z.  B.  Chev.  au  Lyon  375); 
ebenso  ialz  für  uels  fiieüsj  =  ocidos  (Ch.  L.  300),  diax  für  duels  (ib. 
986)  u.  8.  f.  — 

Vermisst  haben  wir  die  Anführung  einiger  Verben,  nämlich  §  24 
deceler  (neben  degeler),  §  73a)  resoudre,  §  150  equivaloir^  §  166  (und  im 
aiphabet.  Reg.)  faüHr,  welches  S.  77  unt.  ausdrücklich  als  Beleg  ange- 
zogen ist. 

Von  Druckfehlern  erwähnen  wir  nur  folgende  auffallige:  S.  88, 
Z.  3  V.  ob.  lies  pourvoir  statt  surseoir;  S.  107,  Z.  2  v.  u.  lies  accroitre 
und  decroitre  statt  accroire  und  decj'uire. 

Sollen  wir  zum  Schluss  unser  urteil  über  die  im  Vorstehenden 
besprochene  Schrift  zusammenfassen,  so  wird  es  dahin  lauten,  dass  wir 
dieselbe  —  bei  aller  Anerkennung  der  oben  eingangs  angeführten,  wohl- 
gemeinten Absicht  und  des  darauf  verwandten  Fleisses,  der  sich  nament- 
lich in  der  meist  klaren  Fassung  und  der  übersichtlichen  Gruppierung 
dokumentiert  —  mit  Rücksicht  auf  den  vom  Verf.  im  Auge  gehabten 
speziellen  Zweck  nicht,  wie  Wolpert  L  c.  148  meint,  als  „vollständig 
galungen",  sondern  im  Gegenteil  als  in  der  ganzen  Anlage  leider  ver- 
fehlt bezeichnen  müssen,  und  sie  auch  —  in  Anbetracht  der  darin  vor- 
kommenden mannigfachen,  zum  Teil  groben  IrrKLmer,  die  uns  bei  der 
amtlichen  Stellung  des  Verfassers  als  üniversitätsprofessor  der  neueren 
Sprachen  um  so  unbegreiflicher  erscheinen  —  Lehrern  und  Studieren- 
den zu  ihrer  eigenen  Belehrung  keineswegs  so  dringend  wie  Wolpert  und 
Isaac  „empfehlen^  können. 

G.  WiLLENBEBG. 


Die  einfafihen  Formen  des  französischen  Zeitwortes  in  geordneter  Dar- 
stellung. Ein  Beitrag  zu  einer  systematischen  Grammatik  der 
französischen  Sprache  für  Studierende  von  Karl  R.  Holzin- 
ger  von  Weidich,  k.  k.  Landesschulinspektor  i.  R.  Graz, 
Leuschner  &  Lubensky.     1883.    61  S.  gi-.  8.    M.  1,60. 

Diese,  in  Bezug  auf  Druck  und  Papier  äusserst  splendid  ausge- 
stattete Schrift  verfolgt  den  gewiss  löblichen  Zweck,  von  den  einfachen 
Formen  des  frz.  Verbs  ein  „geordnetes,  logisch  gegliedertes  Ganzes'^  zu 
bieten,  um  so  „das  mechanische  Einlernen  von  Regeln  und  Paradigmen 


^)  Auch  wäre  es  nicht  möglich,  dass  sich  (nach  §  159)  aus  dem 
Stamme  veul-  sofort  veul-x  und  veuu-x  gebildet  hätten,  sondern  erst 
vetd-s,  dann  veuu-s  und  veuu-x. 


J 


Schidgrmnmatiken.     Grammatische  Schriften.  ^43 

mit  einem  nicht  enden  wollenden  Nachtrabe  scheinbar  willkürlicher  Un- 
regelmässigkeiten''  aus  der  Schule  zu  verbannen.  Laut  Titelblatt  ist  die 
Broschüre  „für  Studierende"  bestimmt,  nach  dem  Vorwort  aber  „zu- 
nächst zum  Gebrauche  für  Lehrer  des  Französischen ''  geschrieben; 
„doch  ist . . .  den  einzelnen  Regeln  ein  solcher  Ausdruck  gegeben  worden, 
dass  dem  Auffassungsvermögen  eines  etwa  11 — 12jährigen  Schülers,*) 
der  bereits  die  französischen  Hilfszeitwörter  erlernt  hat  und  daher  auch 
mit  der  bezüglichen  Terminologie  vertraut  ist,  nicht  zuviel  zugemutet 
wird" !  Nun,  es  müsste  wunderbar  zugehen,  wenn  hiernach  das  Buch 
keine  Käufer  fände  —  wenn  es  nur  dem  Inhalte  nach  empfehlens- 
werter wäre! 

Dieser  besteht,  nachdem  in  5  Paragraphen  die  nötigsten  Vorbe- 
griffe über  Stamm,  Endung  u.  dgl.  vorausgeschickt  sind,  in  der  Betrach- 
tung der  Verbalflexion  (§§  6  —  12)  und  der  Stammesänderungen  (§§  13 
bis  19),  worauf  als  zweiter  Hauptteit  ein  vollständiges  „Verbalsystem" 
folgt,  welches  wieder  in  einzelne  „Verbalklassen"  (Inf.  auf  er,  ir  etc.) 
zerfällt  (§§  20  —  27).  Ein  „Verzeichnis  derjenigen  französischen  Zeit- 
wörter, welche  gewöhnlich  als  unregelmässige  aufgeführt  werden",  bildet 
den  Schluss. 

Die  vorliegende  Monographie  ist,  wie  wir  von  vornherein  be- 
merken müssen,  eine  von  denjenigen,  welche  in  Wirklichkeit  dem  Schüler 
die  Arbeit  erschweren,  statt,  wie  sie  vorgeben,  ihm  dieselbe  zu 
erleichtern.  Wir  können  in  der  That  nur  von  ganzem  Herzen  die  armen 
Jungen  bedauern,  welche  sich  die  vom  Vf.  ,.nach  wesentlichen,  leicht 
erkennbaren  Merkmalen  (?)  vorgenommene  Sonderung  der  verschiedenen 
Verbalklassen  in  „Gruppen,  und  in  weiterer  Scheidung  Sippen  und 
Familien"  (! !  S.  38)  einprägen  sollen  —  damit  wäre  allerdings  die 
Überbürdung  auf  dem  Gipfelpunkt  angelangt. 

Was  die  Anlage  des  Ganzen  betrifft,  so  glaubte  H.,  um  „eine 
grössere  Gesetzmässigkeit  der  Formenbildung  nachzuweisen",  radikaler 
zu  Werke  gehen  zu  müssen  als  seine  Vorgänger.  Er  hat  daher  zu- 
nächst, in  Anlehnung  an  Chabaneau  (vgl.  auch  Stengel,  Päd.  Arch.  1883, 
S.  382),  die  Zahl  der  Konjugationen  auf  zwei  zurückgeführt  (S.  5):  die 
„herrschende"  Verbalklasse  (auf  ^r^  und  die  „historischen"  Verbalklassen 
(auf  «r,  re  und  oir)^  und  damit  eine  gerade  für  lateinlose  Schulen  wohl- 
geeignete Klassifikation  seiner  Darstellung  zu  Grunde  gelegt.  Ferner  hat 
er  die  früher  übliche,  „schwerfällige  Ableitung  einer  Verbalform  von 
einer  andern"  —  und  das  mit  Recht  —  aufgegeben,  statt  dessen  aber 
seltsamerweise  ausser  dem  allgemeinen  verbalstamm  noch  drei 
Tempusstämme  angesetzt:  einen  Präsens-,  einen  Perfekt-  und  einen 
Futurstamm.  Die  Annahme  eines  besonderen  Futurstammes,  um  von  den 
ersten  beiden  abzusehen,  ist  mindestens  überflüssig  und  führt,  im  Verein 
mit  anderen  abnormen  Anschauungen  des  Verf.  zur  Aufstellung  ganz 
unannehmbarer  Stammformen,  wie  S.  29  assier e  (asseoir),  S.  32  moiTC 
fmourir),  movre  fmouvoirj,  porre  fpouvoirj,  S.  55  vouare  (vouloir)  u. 
dgl.  m.  Dies  sind  in  der  That  „Stämme,  mit  denen  sich  ein  philolo- 
gisches Gewissen  unmöglich  befreunden  kann",  und  die  doch  der  Vf.,  wie 
er  im  Vorwort  ausdrücklich  hervorhebt,  „vermieden"  zu  haben  meint! 
Er  hätte  das  allerdings  vermocht,  wenn  er  die  „Geschichte  einzelner 
Formenbildungen"  nicht  bloss   „hie  und  da"  herangezogen,   sondern    die 


*)  Und  zwar,  wie  man  aus  dem  Schlüsse  des  Vorworts  entnehmen 
m,  vorzugsweise  eines  solchen,  der  keine  Kenntnis  des  Lateinischen 
Itzt. 

16* 


244  Litterarische  Chronik.    C.  Th.  Lioti, 

historische  Entwickelung  durchgängig  berücksichtigt  und  für  seine 
Darstellung  verwertet,  wenn  er  die  Verbaiformen  nicht  in  so  mechani- 
scher Weise  erklärt,  sondern  ihre  Bildung  auf  feststehende  Laut-  und 
Betonungsgesetze  zurückgeführt  hätte,  die  auch  einem  nicht  Latein  ler- 
nenden Schüler  verständlich  gemacht  werden  können. 

Es  ist  nicht  möglich,  die  oft  recht  absonderlichen,  verkehrten  An- 
sichten, Annahmen  und  Behauptungen  des  Yf.  hier  sämtlich  anzuführen ; 
ausser  dem  schon  oben  Gerügten  sei  daher  nur  einiges  von  dem,  was 
uns  sonst  noch  aufgefallen,  im  folgenden  hervorgehoben. 

Seltsam  und  neu  ist  gleich  S.  3  die  Bemerkung,  dem  in  üblicher 
Weise  gefundenen  Yerbalstamme  müsse  „häufig  ein  stummes  e  angesetzt 
werden^  damit  er  vollständig  und  richtig  ausgesprochen  werden  könne ; 
.  .  .  man  muss  daher  schreiben:  chante,  nage,  force  etc."  Natürlich  sieht 
sich  nun  der  Verf.  genötigt,  nach  dem  bekannten  Lautgesetz  als  Stämme 
von  celer,  posse'der,  venir,  acqu&ir,  devoir  u.  s.  f.  cele,  possede,  vene, 
acquere,  deve  anzusetzen  (S.  4)!  Dass  die  aus  diesen  Ste,mmformen  für 
die  Konjugation  der  betreffenden  Yerba  gezogenen  Folgerungen  ganz 
verkehrte  sind,  ist  selbstverständlich.  So  heisst  es  S.  5  ob.:  „Das  dem 
Stamme  beigesetzte  e  fällt  ab  (!),  sobald  ersterem  eine  Endung  ange- 
fügt wird.  Nur  die  auf  ge  ausgehenden  Stämme  behalten  dieses  ^(!) 
vor  0,  0,  u  ,  . ."  Ferner  S.  27 :  „a)  Stämme,  welche  g<usgehen  auf  ece, 
ele,  ene,  epe,  ete,  eve,  evre  und  die  einzelnen  Stämme  p^se  und  seme  ( ! ! ) 
schwächen  ihr  offenes  e  in  allen  flexionsbetonten  Formen  zu  stummem 
e  ab,  nur  in  den  Verbalformen  des  Futurstammes  etc.''  ...  (dazu  25 
Ausnahmen!),  „b)  Alle  übrigen  Stämme,  ausgehend  auf  üce,  ecke, 
ede,  ege,  egue,  eme,  eque,  ere,  ese,  eJ/re,  ecre,  egle,  efle,  eg9ie,  egre,  etre(!!) 
und  die  unter  a)  ausgenommenen  schwächen  in  den  flexionsbetonten 
Formen  das  offene  e  des  Stammes  bloss  zu  e  ab"  u.  s.  w. 

Die  ungeheuerlichsten  Phantasieformen  aber  bietet  uns  der  Ab- 
schnitt von  den  sog.  „suppletiven"  Verben,  zu  denen  der  Verf.  ausser 
aUer  auch  vivre  und  savoir  rechnet!  Man  höre  (S.  37):  „Für  den  Aus- 
druck leben  ergänzen  sich  die  beiden  defektiven  Zeitwörter  viv7'e  und 
das  untergegangene  Zeitwort  vescoir,  =  vivere  und  vesci  von  etwas  leben 
oder  sich  nähren  ?  Das  afrz.  p.  p.  vescut  lässt  auf  einen  Inf.  vescoir,  so 
wie  das  p.  döf.  nasqui  auf  einen  Inf.  nascWe  schliessen,  wiewohl  diese 
Formen  sich  nicht  oder  nicht  mehr  vorfinden".  —  „Für  den 
Ausdruck  wissen  ergänzen  sich  savoir  und  das  untergegangene  sctchir,  = 
saper e  und  sagire  (?)".^) 

Dass  bei  der  geringen  Berücksichtigung,  die  in  der  vorliegenden 
Schrift  der  historischen  Grammatik  zu  teil  geworden  ist.  mehrfach 
Formen,  die  ihrer  geschichtlichen  Entwickelung  nach  durchaus  regel- 
mässig sind,  in  ihrer  neufranzösischen  Gestalt  aber  nicht  in  H.'s  „Ver- 
balsystem" passen,  ausdrücklich  unregelmässig  genannt  oder  als  Aus - 


^)  Zur  Supponierung  solcher  Infinitive  wie  vescoir  und  sachir 
scheint  sich  der  Verf.  deshalb  für  berechtigt  zu  halten,  weil  sich,  wie  er 
S.  52  bemerkt,  „bei  der  Dürftigkeit  (!?)  der  schriftlichen  Denkmäler 
aus  der  früheren  Entwickelungsperiode  der  französischen  Sprache"  die 
ehemalige  Existenz  einiger  von  ihm  angenommener  Formen  nicht  nach- 
weisen lasse!  —  Wie  eine  solche  Behauptung,  die  der  von  Reiche  und 
Martin  in  ihrer  „Prosodie"  in  dieser  Hinsicht  aufgestellten  (s.  hier  III, 
675)  an  Abgeschmacktheit  und  grober  Unkenntnis  ziemlich  gleichkommt, 
noch  im  Jahre  1882  gedruckt  in  die  Welt  hinausgesandt  werden  konnte, 
begreift  man  kaum. 


Schulausgaben.  245 

nahmen  behandelt  werden,  darf  uns  nicht  Wunder  nehmen.  Dies  ist  der 
Fall  mit  dem  historischen  Perfekt  von  venir,  ienir  (S.  29),  faire  (50), 
metire  (51),  voir  (56),  naitre  (57) ;  mit  dem  Part.  Perf.  von  mourir  (32 
und  58),  meiire  (51),  ommr  (53),  nmire  (57);  mit  dem  Futur  von  eti- 
voyer  (38),  sowie  mit  den  Formen  vous  (rejdites  (49),  il  appert  (57)  u.  a. 
Doch  genug.  Wir  glauben  uns  hinreichend  mit  diesem  Elaborat 
beschäftigt  zu  haben,  um  weitere  Einzelheiten,  die  wir  uns  notiert,  über- 
gehen zu  können.  So  viel  dürfte  jedenfalls  durch  Vorstehendes  bewiesen 
sein,  dass  der  Verf.  mit  diesem  „Beitrag  zu  einer  systematischen  Gram- 
matik der  französischen  Sprache"  „das  Streben  neuerer  Grammatiker,  die 
vielen  unregelmässigen  Zeitwörter  der  französischen  Sprache  nach  den 
Sprach-  und  Lautgesetzen,  nach  denen  sich  ihre  Formen  bildeten,  zu 
gruppieren,  hierdurch  die  Unregelmässigkeiten  selbst  auf  das  möglichst 
geringste  Mass  zurückzuführen  und  so  zu  einem  von  Anomalien  möglichst 
freien  Systeme  der  französischen  Verbalbildung  zu  gelangen",  noch 
keineswegs,  wie  er  nach  dem  Vorwort  beabsichtigte,  zu  eiiem  „befriedi- 
genden Abschlüsse"  gebracht  hat. 

G.  WiLLENBEBG. 


Scliulansgabeii. 

Thöätre  fran9ais  publik  par  Velhagen  &  Klasing.  1)  I^^e  g^rie, 
5«  Livraison.  Michel  Pej^in  p.  Mälesville  et  Duveyrier.  kart. 
50  Pf.  2)  IV«  Serie,  3^  Livraison.  Le  hourgmestre  de  Sardam  p. 
Mälesville,  Merle  et  Boirie.  kart.  50  Pf.  3)  V«  S^rie,  8«  Livr. 
La  hei'line  de  Vemigre  p.  Mälesville  et  Hestienne.    kart.  60  Pf. 

4)  IX«  Särie,  3«  Livraison.    Loms  XI  p.  Delavigne.    kart.  60  Pf. 

5)  X«  S^rie,  7«  Livraison.  Le  hourgeois  gentilhomme  p.  Moli  er  e. 
kart.  60  Pf.  6)  XI 11«  Serie,  4«  Livr.  Les  rohes  Manches  p.  Gozlan. 
kart.  50  Pf.  7)  XVIIe  Sörie,  5«  Livr.  Les  pre'cieuses  ridicules  p. 
Molifere.    kart.  50  Pf.    Vgl.  diese  Zeitschrift  Bd.  IV*,  S.  255  ff. 

No.  1  erscheint  für  die  Lektüre  in  der  Schule  wohl  geeignet,  der 
Inhalt  des  Stückes  ist  durchaus  unverfänglich,  der  geschichtliche  Hinter- 
grund verleiht  ihr  ein  grösseres  Interesse,  als  viele  andere  Lustspiele  be- 
anspruchen können,  die  Spannung  wird  bis  zum  Schluss  erhalten,  und 
die  vielen  Missverständnisse,  zu  denen  Michel  Perrin's  liebenswürdige 
Geschwätzigkeit  und  Harmlosigkeit  Veranlassung  gibt,  sind  in  hohem 
Grade  ergötzlich.  Die  von  dem  Herausgeber  W.  Begemann  vorange- 
schickte Einleitung  ist  wohl  geeignet,  ein  richtiges  Verständnis,  des  zwei- 
aktigen  Lustspiels  vorzubereiten,  und  die  Anmerkungen  erfüllen  im  all- 
gemeinen ihren  Zweck;  manches  hätte  allerdings  mit  einem  Hinweis  auf 
die  Grammatik  abgethan  werden  können,  wie  un  poi  au  lait,  un  pot  ä 
lait,  un  pot  de  lait  u.  dgl.  m.;  anderes  wieder  ist  halbrichtig  und  musste 
anders  behandelt  werden;  z.  B.  y,c*est'il  dröle!  vulgärer  Ausruf  für  voüä 
gut  est  dröle  oder  c'est  (bien)  dröle  =  das  ist  doch  seltsam  (schnurrig)" 
(S.  11,  8).  Die  grammatische  Struktur  der  Redeweise  wird  dadurch  nicht 
erklärt,  wir  haben  es  mit  einem  Fragesatze  zu  thun,  an  dem  kein  An- 
stoss  zu  nehmen  ist:  „ist  das  drollig?!"  vgl.  Mätzner,  fr.  Gr.  S.  553  und 
S.  303.  —  Ebenso  S.  17,  10  zu  quand  il  est  arrive'  ici  pour  chercher  un 
asile,  a-t'il  e'te  de'sole  de  ne  plus  trouver  . . .  que  moi  seule!  :  „Inversion 
im  Ausrufesatze,  weil  das  Ausrufewort  (que,  comme,  combienj  weggelas- 
sen ist."  Wir  haben  hier  ebenfalls  einen  Fragesatz,  der  die  Kraft  eines 
Ausrufesatzes  hat:  „ist  er  da  ausser  sich  gewesen  ...?!"    Die  Antwort 


246  LUierajische  Chronik.    C.  Th.  Zion, 

darauf  ergibt  sich  von  selbst:  „das  kann  ich  bezeugen  1"  Wieder  andere 
Bemerkungen  sind  allzu  elementarer  Natur,  wie  z.  B.  die,  dass  nach 
quoiqye  der  Konjunktiv  steht. 

No.  2  möchte  ich  weniger  als  Schullektüre  empfehlen.  Das  Ein- 
zige, was  dem  Stück  einiges  Interesse  verleiht,  ist  die  Einführung  des 
Czaren  Peter  als  le  prince  charpentier;  sonst  erscheint  es  mir  recht  un- 
bedeutend, ist  aber  für  die  Privatlektüre  immer  noch  zu  empfehlen.  Die 
Zuthaten  des  Hgs.  F.  Friedrich  sind  fast  durchweg  angemessen;  wenn 
S.  39,  1  zu  le  aiable  de  Michaloff  bemerkt  wird:  „der  Teufel(skerl),  der 
Michalow.  Das  grammatische  Verhältnis, beider  Begriffe  ist  dasselbe  wie 
in  la  vüle  de  Paris  u.  s.  w.",  so  ist  die  Übersetzung  zwar  richtig,  aber 
das  Beispiel  dafür  übel  gewählt;  dgl.  Ausdrücke  bilden  eine  Kategorie 
für  sich,  in  denen  der  appositive  Genetiv  zu  einem  Hauptworte  tritt, 
welches  logisch  betrachtet  das  Attribut  des  andern  ist  (Mätzner,  fr.  Gr., 
S.  484). 

No.  3.  Vgl.  diese  Zeitschr.  Bd.  III,  S.  480  ff.  Die  Einleitung  des 
Hgs.  Rauch  hätte  einige  Worte  über  den  Inhalt  des  Stückes  zur  Ein- 
führung in  die  Lektüre  geben  können,  die  Anmerkungen  sind  auf  weni- 
ger vorgerückte  Schüler  berechnet,  weil  das  Stück  sich  für  die  Mittel- 
stufe eigne;  doch  wohl  nur  für  Unter-  oder  Obersekunda,  eher  ist  dafür 
keine  Zeit,  also  könnte  immerhin  manches  wegfallen;  überhaupt,  da  zu 
den  Stücken  besondere  Wörterbücher,  zu  15  Pf.  käuflich,  abgefasst  wer- 
den, könnte  namentlich  mit  Rücksicht  auf  lexikalische  Angaben  im 
Interesse  der  Schule  grössere  Zurückhaltung  beobachtet  werden:  die 
Wörter  prägen  sich  besser  ein,  wenn  ihr  Besitz  mit  einiger  Anstrengung 
errungen  wird,  namentlich  wenn  sie  in  einem  Wörterbuch  aufgesucht 
und  aufgeschrieben  werden;  die  kleinen  Wörterbücher  selbst  sind 
nicht  ohne  Geschick  abgefasst.  Was  die  Besprechung  grammatischer 
Einzelheiten  anlangt,  so  sollte  man  dafür  den  Grundsatz  walten  lassen, 
an  allen  den  Stellen  vorüberzugehen,  über  die  Plötz'  Schulgrammatik 
genügende  Auskunft  gibt.  Die  Anmerkungen  sind  im  übrigen  im  allge- 
meinen zweckentsprechend.  S.  17,  3  wird  Je  ne  dis  pas!  einfach  über- 
setzt: „das  will  ich  nicht  leugnen".  Man  vergleiche  damit  meine  Be- 
merkung a.  a.  0.  S.  482  und  frage  sich,  ob  das  eine  Erklärung  der 
Wendung  ist.  Schreibe:  „ich  sage  nicht"  d.  h.  „ich  will  davon  nicht 
viel  reden,  weiter  kein  Aufhebens  machen  (aber)."  (Vgl.  das  von  Littr^ 
und  Sachs  angegebene  ce  rCest  pas  pour  dire,  mais  .  .  .  ich  will  mich 
nicht  rühmen,  aber  .  .  ,).  IV,  2:  Oü  c'qu'est  ma  caisse?  hat  seine  rich- 
tige Erklärung  gefunden:  S.  104,  11.  Unrichtig  aber  scheint  es.  wenn 
nach  ainsi  pMsseni  les  irattres  (am  Schluss  des  Stückes)  das  Ausrufungs- 
zeichen fehlt  und  von  einer  Inversion  gesprochen  wird,  die  in  der  pa- 
thetischen Sprache  oft  nach  ainsi,  ici,  lä  gebraucht  werde.  Demnach 
scheint  der  Hg.  perissent  als  Indikativ  zu  fassen  (?). 

No.  4.  Vgl.- diese  Zeitschr.  Bd.  I,  S.  263.  Gegen  die  bei  Weid- 
mann erschienene  Ausgabe  Gräser's  des  Louis  XI  yon  De}  SiY  ig  ne  sticht 
die  von  A.  Benecke  vorteilhaft  ab.  Die  Einleitung:  A.  Biographie, 
B.  Inhalt  und  Anlage  des  Dramas  Louis  XL,  C.  Geschichtliches  über  die 
Personen  in  Louis  XL,  bietet  das  zum  Verständnis  des  Stückes  Notwen- 
dige. Unter  D.  wird  die  Belehrung  über  den  Alexandriner  und  zwar 
erst  im  allgemeinen,  dann  1)  über  le  vers  classique,  2)  über  le  vers  ro- 
maniique  nebst  einer  Beantwortung  der  Frage:  „Wie  ist  der  Alexandri- 
ner zu  lesen  und  zu  sprechen?"  auf  Grund  und  unter  Benutzung  der 
neueren  Forschungen  gegeben.  Auch  die  Anmerkungen  sind  im  Allge- 
meinen angeihessen,  wenngleich  im  einzelnen  sich  gegen  die  Fassung 
mehrerer  begründeter  Einspruch  erheben  Hesse;  z.  B.  S.  48,  7:  croi  statt 


Schulausgaben,  247 

rrois,  um  die  Schreibart  für  das  Auge  mit  mit  dem  Versworte  roi  über- 
oiii.stimmend  zu  machen.  (S.  57,  115:  Druckfehler  parternel.)  S.  78,  14: 
.jUüjoüts  =  ennuis  vgl.  I,  6,  Vers  3  und  5"  vermag  ich  nicht  als  eine 
Kiklärung  anzuerkennen,  Littrö  gibt  unter  4  deplaisir,  mortification  als 
Bedeutung  an,  die  sich  leicht  aus  der  eigentlichen  „Ekel,  Überdruss, 
Widerwillen"  ableitet.  S.  85,  84:  entend  statt  entends  wegen  des  Reim- 
worts palpitant.  S.  126,  9:  y^rCavoir  garde  sich  hüten"  ist  keine  Er- 
klärung. (S.  130,  ni,  3,  6:  Druckfehler  pagsans  für  paysans.)  S.  198, 
164  (IV,  7)  y^sein  und  fond  bezeichnen  beide  hier  die  Tiefe  mit  dem 
Nebenbegriff  des  Schrecklichen  und  Bejammernswerten  u.  s.  w."  — 
Das  Wesen  des  Bildes  scheint  mir  nicht  richtig  gefasst:  Bei  dem  Begriff 
sein  tritt  die  weite  Entfernung  von  menschlichem  Thun  und  Treiben 
hervor  (trotzdem  dass  die  Unglücklichen  in  den  Schoss  der  Kerker  ge- 
schleudert sind,  aus  denen  sonst  kein  Laut  hörbar  wird  u.  s.  w.);  bei 
dem  Begriffe  fond  de  leur  souffrance  die  Machtlosigkeit:  aus  der  Tiefe 
ihres  Leidens,  aus  dem  sie  sich  nicht  erheben  können,  bleibt  ihnen  doch 
noch  die  Kraft,  mit  ihrem  Geschrei  deine  Stimme  zu  übertönen.  —  Auf 
Gymnasien  und  Realgymnasien  wird  für  die  Lektüre  des  vorliegenden 
Dramas  keine  Zeit  sein,  auch  möchte  ich  Lehranstalten  anderer  Art  da« 
Stück  wegen  seines  Inhalts  nicht  als  eine  Klassenlektüre  empfehlen,  wohl 
aber  angelegentlich  allen  denen,  die  eine  immerhin  nicht  unbedeutende 
und  sprachlich  hervorragende  Litteraturerscheinung  kennen  lernen  wollen: 
dafür  ist  die  Ausgabe  Benecke's  gegenwärtig  die  geeignetste. 

No.  5.  Vgl.  diese  Zeitschrift  Bd.  VS  S.  26  ff.  Mit  dem  Urteil 
der  Rezension  Knörich's  über  Fischer 's  Moli^reausgaben  stimme  ich 
vollständig  überein,  bei  der  Bearbeitung  der  2.  Auflage  meiner  Ausgabe 
der  Femmes  Savantes  habe  ich  verschiedentlich  mir  auch  die  Fischer'sche 
Ausgabe  näher  angesehen,  danach  ist  kein  Wort  mehr  darüber  zu  ver- 
lieren. 

Nr.  6.  Ein  anziehendes  Stück  in  zwei  Akten,  dass  sich,  wie  der 
Hg.  A.  Benecke  meint,  auch  für  Unterrichtszwecke  eigne,  da  die  Sprache 
sehr  sorgfältig  und  der  Inhalt  zu  Bedenken  nicht  Anlass  gebe.  Die  An- 
merkungen beobachten  das  wünschenswerte  Mass.  Auch  ich  bin  der  An- 
sicht, dass  wenn  es  sich  darum  handelt,  einmal  ein  kurzes  Theaterstück 
nach  Erledigung  des  sonst  vorliegenden  Lektürestoffs  zu  lesen,  man  wohl 
zu  Les  rohes  hlanches  p.  L.  Gozlan  greifen  kann. 

Nr.  7.  Sehe  ff  1er 's  Ausgabe  der  Precieuses  Ridicules  ist  eine 
sorgfältige  Arbeit,  die  als  Schulausgabe  vor  der  Fritsche's  (Weidmann- 
sche  Buchh.)  den  Vorzug  verdient:  S.  59,  2  wird  in  infame  que  vous 
dies  das  que  trotz  meiner  Bemerkung  in  dieser  Zeitschrift  IV'*,  S.  258 
noch  als  Prädikats a«cusativ  erklärt. 

C.  Th.  Lion. 


Zeitschriftenschau. 


Centralorgan  für  die  Interessen  des  Realsclinl- 
wesens.    Z^völfter  Jahrgang.    Heft  I  — VDI.    1884. 

I.  S.  29  —  31.  A.  Brennecke:  Otto  Bickmann,  franz.  und  engl. 
Schulbibliothek.  Heft  L  — VIII.  Leipzig  1883.  Renger  (Gebhardt  und 
Wilisch).  Die  äusseren  Vorzüge  in  Schrift,  Papier,  Format  und  Einband, 
Preis  (der  Ganzleinwandband  8®  kostet  durchschnittlich  1  Mk.  25  Pf.) 
dienen  zur  Empfehlung  der  neuen  Schulbibliothek.  Jedes  Heft  ist  als 
Lektürstoff  für  ein  Semester  gedacht,  also  für  je  zwei  wöchentliche  Lek- 
türstunden auf  60 — 100  Seiten  Text  bemessen.  Vor  dem  Text  eine  kurze 
Biographie  des  Schriftstellers,  danach  die  erklärenden  Anmerkungen. 
Der  Inhalt  in  sachlicher  Beziehung  ist  der  äusseren  Anlage  entsprechend. 
Dass  Synonymik  und  Etymologie  grundsätzlich  aus  den  Anmerkungen 
verbannt  sind,  scheint  dem  Kez.  eine  übergrosse  Ängstlichkeit  in  Be- 
folgung des  Grundsatzes,  dem  „persönlichen  Lehrer'^  derartige  „Exkurse  in 
die  mehr  wissenschaftliche  Sphäre  zu  überlassen".  Der  Rez.  erkennt 
einen  grossen  Vorzug  dieser  Sammlung  darin,  dass  ein  Speziallexikon 
nicht  beigegeben  wird  (ich  vermag  in  der  Beigabe  eines  gesondert  wie 
bei  den  Velhagen  und  Elasing'schen  Ausgaben  und  sonst  käuflichen 
Wörterbuches  keinen  Schaden  zu  erkennen).  Der  Rez.  bezeichnet  die 
Bibliothek  als  die  empfehlenswerteste  aller  bisher  erschienenen  Samm- 
lungen, welche  demselben  Zwecke  dienen  sollen.  (Meine  im  einzelnen 
begründete  Meinung  darüber  s.  Heft  8  unter  Schulausg.).  S.  31.  Hans 
Löschhorn:  B.  Mahrenholtz,  Molibre,  Einführung  in  das  Leben  und 
die  Werke  des  Dichters.  Kleinere  Ausgabe  von  des  Verfassers;  Moliere's 
Leben  und  Werke.  Heilbronn  1883.  Gebr.  Henninger.  IV,  266  S.  8°. 
Der  Rez.  bezeichnet  es  als  einen  glücklichen  Griff,  Mahrenholtz'  grosse, 
1881  als  zweiter  Band  der  „Französischen  Studien"  veröffentlichte  Molifere- 
Biographie  in  verkürzter  Gestalt  und  vom  „kritirchen  Bällast  befreit" 
erscheinen  zu  lassen.  Nur  einige  Kapitel  allgemeineren  Inhalts  haben 
durch  die  Umarbeitung  etwas  gelitten.  Das  Buch  ist  zur  Privatlektüre 
der  Primaner  geeignet  und  sollte  in  keiner  Schulbibliothek  fehlen. 

U.  S.  112  ff.  K.  Thum:  W.  Fr.  Eisenmann,  Schulgrammatik 
der  franz.  Sprache.  9.  um^earb.  Aufl.  Stuttgart,  1882.  Metzler.  VUI 
und  410  S.  Die  Gr.  ist  mit  Fleiss  ^arbeitet,  gibt  mehr  als  die  Schulgr. 
von  Plötz,  da  aber  der  Inhalt,  wenigstens  was  die  Formenlehre  betrifft, 
viel  besser  geordnet  ist,  wird  man  sie  in  derselben  Zeit  wie  jene  durch- 
machen können.    Wo  die  Terminologie  von   der  Plötz'schen  abweicht, 


Zeitschrifienschau.    C.  Th.  Lion^  Ventralorgan  etc.  249' 

gibt  sie  das  Richtigere,  adjectif  ddmonstratif  bei  Plötz,  meint  der  Bez., 
sei  doch  sehr  seltsam  (Plötz  folgt  aber  darin  nur  den  Grammatiken  der 
Franzosen;  wo  er  mehr  wissenschaftlich  verfahren  will,  wie  in  seiner 
„Syntax  und  Formenlehre",  spricht  er  sich  ebenso  darüber  aus  wie  der 
Rez.).  Die  Übungssätze  sind  im  allgemeinen  recht  passend  gewählt,  aber 
wenn  im  zweiten  Teile  des  Buches  nur  deutsche  Übungsstücke  ohne  An- 
gabe von  Wörtern  beigefügt  werden,  so  traut  Eisenmann  wohl  dem 
Schüler  wie  dem  Schulwörterbuch  etwas  zu  viel  zu.  Auf  4  Seiten  gibt 
der  Bez.  an,  was  ihm  im  einzelnen  aufgefallen  ist;  im  allgemeinen  hält 
er  die  Syntax  für  weniger  gelungen. —  S.  117 ff.  Hans  Löschhorn: 
Otto  Ciaia,  Französische  Schulgrammatik  mit  Übungsstücken.  Untere 
Stufe.  2.  vermehrte  Aufl.  Leipzig,  1881.  Teubner,  156  S.  8**.  Die  untere 
Stufe  ist  für  die  drei  ersten  Semester  berechnet  und  umfasst  die  Aus- 
sprache, das  Wesentlichste  der  Formenlehre  und  einige  Begeln  über  den 
Belativsatz.  Die  Angaben  über  die  Aussprache  sind  glücklicherweise  we- 
niger umfangreich,  als  in  ähnlichen  Werken,  noch  eine  weitere  Be- 
schränkung wäre  erwünscht.  Der  Verf.  kennt  nur  3  regelm.  Konjugationen, 
nimmt  aber  punir  als  Paradigma  für  die  zweite  (besser  sentir  11  a,  punir 
11  b).  Das  Lehrb.  wird  als  ein  Versuch  willkommen  geheissen,  ,.den 
Unterricht  im  Franz.  aus  den  alten  Bahnen  der  Plötz'schen  Lehrbücher 
zu  heben." 

in.  S.  163  ff.«  G.  Strien:  Albert  Wittstock,  L'antiquite  litteraire. 
Extraits  des  classiques  grecs  et  latins  traduits  en  fran9ai3.  Jena,  1881. 
Herm.  Costenoble.  XI  und  466  S.  gr.  8^.  Eine  Auswahl  aus  den  Werken 
der  alten  Klassiker  in  französischer  Übersetzung ;  zunächst  20  griechische 
Schriftsteller  von  Homer  bis  Longin,  dann  14  lateinische,  von  Plautus 
bis  Tacitus.  Die  Übersetzungen  sind  nicht  ausschliesslich  von  Neueren; 
Namen  wie  Jean  Bacine,  Lafontaine  u.  s.  w.  finden  sich  als  Verfasser. 
Trotz  einiger  Ausstellungen  und  Wünsche  empfiehlt  der  Bez.  das  eigen- 
artige Buch  den  Fachgenossen,  auch  den  Lehrern,  die  sich  vielleicht  da- 
durch veranlasst  sehen  würden,  gelegentlich  einmal  einen  Abschnitt 
aus  einem  römischen  Geschichtsschreiber  von  Primanern  ins  französische 
übertragen  zu  lassen  (Für  den  Befer.  hat  es  dieser  äusseren  Veranlassung 
nicht  bedurft,  er  hat,  Corneilles  Horace  zu  Gefallen,  Livius  I,  23  ff.  über- 
tragen lassen  und  die  Aufgabe  nach  dem  Ergebnis  als  zweckmässig  be- 
funden).—  S.  164 ff.  G.  Nölle:  Hermann  Isaak,  Lembuch  für  die  fran- 
zösischen unregelmässigen  Verba.  Friedberg  und  Mode,  Berlin,  1884. 
46  S.  8**.  „Das  vom  Verfasser  angewandte  Verfahren  kann  nur  gebilligt 
werden,  und  es  steht  zu  erwarten,  dass  das  Lernbuch  viel  Anklang  finden 
wird."  Diesem  Urteil  schickt  der  Bez.  einige  allgemeine  Bemerkungen 
voraus  und  einige  kleine  Ausstellungen  nach.  —  S.  165  f.  G,  Strien: 
Julius  Jäger,  Die  Quantität  der  betonten  Vokale  im  Neufranzösischen. 
Heilbronn,  1883.  Gebr.  Henniger.  68  S.  gr.  8°.  (Körting  und  Koschwitz, 
Franz.  Studien,  Bd.  IV,  Heft  2.)  G.  Strien  gibt  ausführlich*  die  Ge- 
sichtspunkte an^  nach  denen  Jäger  die  Quantität  der  betonten  Vokale  im 
Neufranzösischen  mit  grosser  Sorgfalt  untersucht  habe:  die  dabei  ge- 
wonnenen Resultate  sind  am  Ende  der  einzelnen  Gruppen  zusammenge- 
stellt.—  S.  166  f.  Derselbe:  Karl  VollmöUer,  Sammlung  französischer 
Neudrucke.  2.  Armand  de  Bourbon,  Prince  de  Conti,  Traitä  de  la 
Comädie  et  des  Spectacles.  Heilbronn,  1881.  Gebr.  Henniger.  XIX  und 
103  S.  8**.  Der  Bez.  gibt  kurz  den  Inhalt  der  Abhandlung  des  Fürsten 
von  Conti  über  die  Verwerflichkeit  des  Schauspiels  an;  der  vorliegende 
Neudruck  ist  nach  der  ersten  Ausgabe  des  Traitä  von  1667  hergestellt.  — 
S.  167  f.  Derselbe:  Joh.  IJthoff,  Nivelle  de  la  Chauss^e's  Leben  und 
Werke.    Ein  Beitrag  zur  Litteraturgeschichte  des  18.  Jahrh.  und  insbes. 


250  T^iischriftenschan.    C.  Th.  Lion, 

zur  Entwicklungsgeschichte  der  „Comädie  larmoyante".  (Franz.  Studien, 
herausgegeben  von  G.  Körting  und  E.  Koschwitz,  Bd.  IV,  Heft  I.)  Heil- 
bronn, 1883,  Gebr.  Henninger.  67  S.  gr.  8**.  Die  fleissige  Arbeit  gibt 
einen  Überblick  über  das  in  seinen  Einzelheiten  wenig  bekannte  Leben 
des  Dichters,  zählt  dann  seine  Werke  und  deren  Ausgaben  auf,  berichtet 
ausführlich  über  ihren  Inhalt  und  bespricht  eingehend  die  Stellung  des 
Dichters  sowohl  in  der  Französischen  Litteratur  als  in  der  Litteratur  des 
18.  Jahrhunderts  überhaupt.  Der  Rez.  gibt  dann  eine  Übersicht  übet 
den  Inhalt  der  Schrift,  rügt  dabei  nur  einen  Widerspruch,  wenn  S.  4 
behauptet  werde,  de  la  Chaussee  begründete  1733  das  rührende  Lustspiel 
Frankreichs  durch  die  »Fausse  Antipathie'',  während  es  S.  50  genauer 
laute:  „De  la  Ch.  ist  der  Begründer  des  Rührdramas,  nicht  des  rühren- 
den Lustspiels  überhaupt  u.  s.  w.** 

IV.  S.  233  ff.  H.  Isaac:  ff.  B?'ettschneider,  La  France.  Premier 
livre  de  lecture  k  Tusage  des  ^coles  secondaires,  accompagne  d'un  choix 
de  themes  en  textes  suivis.  Altenburg,  1882.  Pierer,  IV  und  258  S.  8**. 
Der  Verf.  will  den  Schüler,  der  Französisch  zu  lernen  anfängt,  nicht  in 
Deutschland  weilen  lassen,  nicht  nach  Sibirien  oder  Kalifornien  ver- 
schlagen, sondern  nach  Frankreich  führen  und  nur  nach  Frankreich. 
Sodann  hat  er  sich  bemüht,  in  der  Reihenfolge  seiner  Lesestücke  ein 
methodisches  Fortschreiten  vom  Leichten  zum  Schwierigeren  zu  beobachten, 
dabei  zugleich  dem  Schüler  ein  zusammenhängendes  »Bild  von  der  äussern 
Geschichte  Frankreichs,  sowie  von  seiner  Kulturentwicklung  zu  geben. 
Zwei  eigentlich  unvereinbare  Aufgaben,  deren  Lösung  jedoch  mit  päda- 
gogischem Takte  versucht  ist.  Der  Rez.  macht  in  der  Beziehung  einige 
Vorschläge.  Die  Anmerkungen  zeichnen  sich  durch  klare  knappe  Fassung 
aus,  und  die  angehängten  Eztemporalientexte  sind  eine  annehmbare  Zu- 
gabe. —  S.  235—238.  A.  Brennecke:  B,  FrUsche,  Molifere,  le  Tartufe. 
Berlin,  1883.  Weidmännische  Buchh.  S.  1—39  Vorrede.  S.  43— 50  Pr^face. 
S.  51 — 175  Text  mit  Anmerkungen,  8^  Der  Rez.  wirft  zunächst  die 
Frage  auf:  Gehört  Mol.  Tart.  in  die  Schule?  Er  selbst  hat  in  einer 
kleinen  Oberprima  (in  der  kein  Katholik)  die  Lektüre  gewagt  und  das 
Wagnis  nicht  zu  bereuen  gehabt.  Die  Fritsche'sche  Ausgabe  bietet 
quantitativ  und  qualitativ  zu  viel  des  Guten  in  den  Anmerkungen,  ebenso 
in  der  Einleitung.  An  einigen  Bemerkungen  über  den  ersten  Akt  weist 
der  Rez.  nach,  dass  neben  den  überwiegend  sachlichen,  zweckentsprechen- 
den Anmerkungen  sich  doch  an  einzelnen  Kritik  üben  lasse.  Er  fasst  * 
sein  Urteil  schliesslich  dahin  zusammen,  dass  das  Buch  auf  jeder  Seite 
den  fleissigen,  sachkundigen  Moli^rekenner  verrate,  dass  jeder  Fachlehrer 
des  Franz.  es  mit  Vorteil  studieren  werde  und  dass  es  das  gründliche 
Verständnis  des  grossen  Dichters  in  jeder  Beziehung  zu  fördern  geeignet 
sei;  aber  für  die  Schüler  sei  die  Ausgabe  nicht  geeignet.  —  S.  238  f. 
G.  Strien:  Hubert  Wingerath,  Choix  de  lectures  fran9aise8  k  l'usage  des 
äcoles  secondaires.  Deuxibme  partie:  Classes  moyennes.  2<^  ^d.  Cologne» 
1883.  Dumont-Schauberg.  VI.  und  394  S.  8'*.  Premiere  partie:  Claases 
infärieures.  3«  äd.  Cologne,  1884.  XUL  und  250  S.  8".  Der  Rez.  stellt 
die  Besserungen  zusammen,  die  die  Lesebücher  in  den  neuen  Auflagen 
erfahren  haben:  die  Vorzüge  dieser  Sammlung  sind  von  der  Kritik  mit 
seltener  Einmütigkeit  anerkannt,  sie  ist  als  eine  der  besten  ihrer  Art 
empfohlen. 

V.  S.  302— 3Q5.  H.  Isaac:  Ch.  Noel,  Glossaire  fran9ais  dialoguö. 
Causeries  munies  de  notes  explicatives  fran9aises  et  allemandes  propres 
k  familiariser  le  lecteur  avec  les  näologismes,  les  gallicismes,  les  prover- 
bes,  les  synonymes  et  les  termes.  5e  ödition.  Wien,  1883.  Karl  Gerold 
Sohn.    Vlll  und  612  S.  8**.     Die  Erklärung  vieler  fremdartiger  Aus- 


Cenirahrgan  für  dw  Interessen  etc,  251 

drücke  und  Wendungen  wird  neben  deren  Übersetzung  vermisst,  es  wäre 
wenigstens  bei  ausschliesslich  der  Umgangssprache  angehörigen  Wörtern 
hinzuzufügen,  ob  sie  salonfähig,  familiär  oder  vulgär  sind.  Das  Deutsch 
der  Erklärungen  ist  an  verschiedenen  StelljBn  verbesserungsbedürftig;  die 
Orthographie  sollte  sich  nach  dem  Die.  de  l'Acad.  richten.  Der  Rez. 
empfiehlt  schliesslich  dies  Konversationslexikon  höheren  Stiles 
allen,  die  sich  eine  genauere  Kenntnis  des  neuesten  Französisch  ver- 
schaffen wollen,  besonders  aber  zur  Vorbereitung  für  einen  Aufenthalt  in 
Prankreich.  —  S.  305  f.  Hans  Lös chhorn:  W.  Bei^iram,  a)  Gramm. 
Übungsbuch  für  den  Unterricht  in  der  französischen  Sprache.  Im  An- 
schluss  an  die  Schulgr.  von  Dr.  C.  Plötz.  Heft  I:  5.  neu  bearb.  Aufl. 
168  S.  b)  Dasselbe,  Heft  V:  enthaltend  schwierige  Übungsstücke  zum 
Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Franz.  65.  S.  c)  Übungsstücke  zum 
Übersetzen  aus  dem  Deutschen  in  das  Französische  zum  Gebrauche  für 
die  Oberklassen  höherer  Töchterschulen,  d)  Neues  Übungsbuch  zum  Ge- 
brauche neben  der  Schulgr.  des  Prof.  Dr.  C.  Plötz.  206  S.  Bremen,  1881. 
Heinsius.  Der  Rez.  hebt  hervor,  dass  die  Sätze  in  reicher  Fülle  vor- 
handen sind  und  auch  bei  geringer  Zeit  eine  nützliche  Auswahl  gestatten, 
und  dass  sie  aus  guten  modernen  franz.  Autoren  gewählt  wurden.  Bei 
No.  2  ist  der  „Anschluss  an  Plötz"  reine  Reklame;  hätte  der  Verf.  die 
Vokabeln  unter  dem  Texte  getilgt,  so  wäre  sein  Buch  für  die  Oberklassen 
des  Realgymnasiums  recht  brauchbar  geworden.  Nr.  3,  für  höhere 
Töchterschulen  bestimmt,  enthält  gleichfalls  zusammenhangende  Stücke 
teils  biographischen  Inhalts,  teils  Betrachtungen  über  Gegenstände  des 
täglichen  Lebens,  Briefe  und  Gespräche,  auch  ein  Lustspiel.  Nr.  4  be- 
gleitet in  der  Weise  von  Nr.  1  die  ganze  Schul grammati k ;  man  wird 
auch  hier  gutes  Material  für  schriftliche  Arbeiten  finden.  -—  S.  306  f.: 
Derselbe:  Adolf  Kor  eil,  M.  Mignet,  Histoire  de  la  Revolution  fran9aise 
depuis  1789  jusqu'en  1814.  Herausgegeben  und  mit  sprachlichen,  sach- 
lichen und  geschichtlichen  Anmerkungen  versehen.  IV.  Band:  Directoire, 
Consulat  et  Empire.  Depuis  le  27  octobre  1795  jusqu'en  1814.  Leipzig, 
1882.  Teubner.  146  S.  gr.  8.  Das  Schlussheft  der  Korell'schen  Ausg. 
ist  im  ganzen  den  vorangehenden  gleich.  Die  Anm.  über  Synonyma 
u.  dgl.  treten  hier  freilich  mehr  zurück,  die  historischen  Notizen  sind 
nur  stellenweise  zu  breit  geworden.  Der  Druck  ist  korrekter  als  im 
ersten  Heft.  Bei  Gelegenheit  der  Lektüre  in  Obersekunda  hat  der  Rec. 
gefunden,  dass  die  Erläuterungen  des  Herausgebers  dem  Verständnis  der 
Schüler  fördernd  entgegenkamen.  —  S.  307.  G.  Strien:  Bernhard  Schmitz, 
Deutsch-französische  Phraseologie  in  systematischer  Ordnung  nebst  einem 
Vocabulaire  syst^matique.  4.  Aufl.  Berlin,  1882.  Langenscheidt.  VII 
u.  179  S.  8^.  Der  Rez.  gibt  die  Anordnung  des  Werkes  an,  das  sich 
durch  Reichtum  des  übersichtlich  geordneten  Inhalts,  Wissenschaftlich- 
keit und  Zuverlässigkeit  außzeichnet,  und  bringt  für  einige  Stellen  Er- 
gänzungen bei.  —  S.  307  f.  Derselbe:  A,  Wiemann,  Französische 
Chrestomathie.  Gotha,  1882.  Gustav  Schlössmann.  129  S  8^.  soll  als 
Lesebuch  für  Quarta,  bez.  Untertertia  und  als  Unterlage  zu  Sprach- 
übungen für  die  folgenden  Klassen  dienen;  enthält  1)  Stücke  aus  L^his- 
toire  naturelle  von  B^l^ze,  2)  aus  L* Odyssee  von  Gignet;  3  —  5)  aus 
Petit  Cours  d' histoire  universelle  von  Duruy.  Die  Entlehnung  des 
Stofl^es  aus  der  Mythologie  und  in  noch  höherem  Grade  die  Heranziehung 
der  Naturgeschichte  erscheint  wenig  zweckmässig,  die  dem  ersten  Teile 
beigegebenen  Questionnaires  sind  nicht  gerade  in  ihrer  Fassung  nach- 
ahmenswert; dass  die  Vokabeln  in  dem  Memorirstoff  von  den  betreffen- 
den Redensarten  getrennt  sind,  wird  man  schwerlich  billigen. 

VL    S,  365  ff.      G.  Strien:   Ä.   Dihm,  Hilfsbueh  znr  Erlernung 


252  Zeiischriflenschau.    C,  Th.  Lion, 

des  Wortschatzes  der  franz.  Sprache.  Herausgegeben  von  Dr.  A.  Hoburg. 
Frankfurt  a.  M.,  1881.  J.  D.  Sauerländer.  XXXIl  und  77  S.  gr.  8«. 
Dem  Übelstande  der  mangelnden  Wortkenntnis  soll  durch  die  vorlie.8:ende 
„genealogische  Übersicht  des.  französischen  Wortgebäudes"  abgeholfen 
werden.  Die  Einprägung  dieses  Wortschatzes  soll  bereits  in  den  unteren 
Klassen  erfolgen.  Die  Wortfamilien  sollen,  ehe  sie  zum  Auswendiglernen 
aufgegeben  werden,  vom  Standpunkte  einer  tüchtigen  Lautlehre  aus  er- 
klärt werden.  Eine  sg.  Onomatik  behandelt  auf  22  Seiten  die  Laut-, 
Silben-  und  Wortlehre.  Bei  aller  Anerkennung  der  etymologischen  Kennt- 
nisse des  Verfassers  hält  der  Kez.  das  Buch  zum  Gebrauch  in  der 
Schule  für  wenig  geeignet  (Wo  wäre  denn  in  der  Schule  Zeit  dafür 
übrig?).  —  S.  367.  Derselbe:  Adolf  Korell,  Mignet,  Histoire  de  la  re- 
volntion  francaise.  Ausg.  mit  Anm.  II.  Band.  Leipzig,  1880.  B.  Q. 
Teubner.  128  S.  8°.  III.  Band.  1881.  104  S.  Der  zweite  Band  um- 
fasst  den  Zeitraum  vom  1.  Oktober  1791  — 2.  Juni  1793  (Chap.  V— VII), 
der  dritte  führt  die  Geschichte  der  französ.  Revolution  bis  zum  26.  Ok- 
tober 1795  fort  (Chap.  VIII  ^- XI).  In  sprachlicher  Beziehung  werden 
besonders  die  Synoyma  berücksichtigt  im  Anschluss  an  Sachs,  Wörterb. 
Bei  den  Wörtern  auf  ege  ist  die  Orthographie  ege  beibehalten,  Eigen- 
tümlich  ist  an  manchen  Stellen  der  deutsche   Ausdruck    in  den  Anm. 

—  S.  367  f.  Derselbe:  A.  Mfäler,  Französische  Grammatik.  L  Teil. 
Elementargrammatik.  Aachen,  1877.  Kommissionsverlag  von  B.  Barth. 
48  u.  52  u.  80  S.  8**.  Die  erste  Stufe  (Quinta)  enthält  das  wesentlichste 
von  den  Wortarten,  die  zweite  (Quarta)  das  Verb,  die  dritte  (Tertia)  die 
erweiterte  Formenlehre  mit  einschlägigen  syntaktischen  Regeln.  Das 
Buch  bietet  im  einzelnen  manches  Treffliche,  daneben  finden  sich  aller- 
dings nicht  unerhebliche  Irrtümer.  In  den  französischen  Beispielen 
kommen  manche  entlegene  Vokabeln  vor;  auch  die  methodische  Anlage 
des  Buches  ist  nicht  ganz  glücklich. 

VIL  S.  425-450.  T.  Merkel:  Ph.  Plattne?',  Französische  Schul- 
grammatik. Karlsruhe,  1883.  Bielefeld.  Das  Buch  macht  schon  in 
seiner  äusseren  Erscheinung  einen  sehr  günstigen  Eindruck,  der  bestechen- 
den Aussenseite  entspricht  der  Inhalt  vollkommen,  an  Kürze  und  Be- 
stimmtheit der  Regeln  dürfte  Plattner  nicht  leicht  von  einer  andern 
Grammatik  übertroffen  werden.  Auf  S.  427  ff.  lässt  der  Rez.  einzelne 
Wünsche  und  Ausstellungen  verlauten,  die  jedoch  nur  den  Zweck  haben 
sollen,  sein  im  allgemeinen  günstiges  Urteil  ins  rechte  Licht  zu  stellen, 

—  S.  451.  Klöpper:  Adolf  Kressner,  Aufsätze  technischen  und  histori- 
schen Inhalts  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Französche  für  die 
obersten  Klassen  höherer  Lehranstalten.  8°.  126  S.  Baden-Baden  1884. 
Oskar  Sommermeyer.  Der  Verfasser  hat  für  die  Benutzung  seines  Wer- 
kes besonders  die  Oberrealschulen,  Gewerbe-  und  Handelsschulen  im  Auge, 
diesen  ist  es  bestens  zu  empfehlen.  —  S.  451  f.  Gustav  Schneider: 
G.  Strien,  Die  unregelmässigen  fi-anzösischen  Zeitwörter  nebst  einem  Ab- 
riss  der  französischen  Syntax.  Halle  a.  S.,  1883.  E.  Strien.  Ein  recht 
wertvolles  Büchlein. 

Vni.  S.  505.  Derselbe:  R.  Sonnenburg,  Grammatisches  Übungs- 
buch der  französischen  Sprache.  Methodische  Anleitung  zur  Einübung 
der  syntaktischen  Regeln  mit  deutsch -französischen  Mustersätzen  und 
einem  vollständigen  Wörterbuche.  Berlin,  1884.  Julius  Springer.  Für 
die  praktische  Emübung  der  Syntax  mit  Ohr  und  Zunge  ist  dieses  gram- 
matische Übungsbuch  das  Beste  und  Zuverlässi^te,  das  in  den  letzten 
Jahren  erschienen  ist;  es  folgt  Schritt  für  Schritt  den  Bedürfnissen  des 
Lernenden;  der  Verf.  lässt  zuerst  das  Einzelne  beobachten  und  ans  den 
Beispielen  zu  der  Regel  oder  dem  Gesetz  emporsteigen.    Der  ganze  Stoff 


Ceniraloryan  für  die  Interessen  elc.  253 

ist  in  25  Kapiteln  (173  S.)  behandelt,  S.  174-195  folgt  ein  in  allen 
Punkten  genau  zutreffendes  Wörterverzeichnis.  —  S.  505  f.  G.  Nölle: 
Gustav  Körting,  Encyklopädie  und  Methodologie  der  romanischen  Philolo- 
gie mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Französischen  und  Italienischen. 
Erster  Teil.  Heilbronn,  1884.  Gebr.  Henninger.  XVI  und  244  S.  8«. 
Das  Werk  ist  das  erste  seiner  Art,  da  das  von  Schmitz,  Encyklop.  und 
Methodik  des  phil.  Studiums  der  neuereu  Sprachen,  eine  andere  Tendenz 
verfolgte.  Der  Inhalt  des  bisher  veröffentlichten  Teiles  wird  kurz  ange- 
geben, es  ergibt  sich  daraus  grosser  Reichtum  des  Inhalts;  übersicht- 
liche und  wissenschaftliche  Anordnung  und  Zuverlässigkeit  dienen  ferner 
zur  besonderen  Empfehlung;  ein  abschliessendes  Urteil  kann  erst  dann 
gefällt  werden,  wenn  die  noch  ausstehenden  zwei  Teile  des  Werkes  er- 
schienen sind.  —  S.  506.  Derselbe:  Jean  Westenhceffer,  Le  Fablier  de 
nos  enfants.  Recueil  de  fahles  k  Tusiage  des  äcoles  supörieures,  Mul- 
house,  Bufleb.  208  S.  8^.  Eine  Sammlung  gut  auegewählter  Fabeln  der 
bedeutendsten  französischen  Fabeldichter;  vor  jeder  Fabel  werden  schwer 
ins  Deutsche  zu  übertragende  Vokabeln  angegeben  und  gramm.  Schwie- 
rigkeiten erörtert.  Die  zugefügten  deutschen  Fabeln  sollen  in  der  Klasse 
mündlich  übersetzt  werden;  korrekter  Druck,  gute  Ausstattung  empfehlen 
das  Buch.  —  S.  507.  Derselbe:  Johann  Westenhöffer,  Französische  Fibel. 
In  zwei  Abschnitten  für  reichsländische  Schulen.  Mit  4  Holzschnitten. 
Mülhausen  i.  E.  und  Leipzig.  Wilh.  Bufleb.  100  S.  8^.  Soll  als  Lese- 
buch beim  ersten  Unterricht  in  der  franz.  Sprache,  in  gleicher  Weise 
wie  eine  deutsche  Fibel  für  Deutsche  dienen.  —  S.  507.  Derselbe:  Adolf 
Lundehn,  Xavier  de  Maistre,  Prascovie  ou  la  jeune  Sibärienne.  Mit  An- 
merkungen herausgegeben.  Berlin,  1884.  Friedberg  &  Mode.  112  S. 
16**.  Bibliothfeque  fran9aise,  Collection  Friedberg  &  Mode.  No.  1.  Das 
Vorwort  gibt  eine  kurze  Biographie  des  Verfassers,  die  unter  dem  Text 
beigefügten  Anmerkungen  sind  teils  sachlich,  teils  grammatisch  (und 
lexikalisch)  und  sind  durchaus  zweckentsprechend.  —  S.  508.  Derselbe: 
Albert  Benecke  und  Friedrich  dtHargues,  Französisches  Lesebuch,  An- 
fangs- und  Mittelstufe.  Zweite  verbess^e  Auflage,  mit  den  durch  die 
7.  Aufl.  des  Dict.  de  TAc.  fr.  (1878)  bedingten  Änderungen.  Potsdam, 
1881.  August  Stein.  Lobende  Anzeige  des  hübsch  ausgestatteten,  fünf 
Abteilungen  (130  S.)  und  ein  Wörterbuch  (bis  S.  209)  umfassenden  Buches. 
—  S.  508  f.  Derselbe:  M,  Weiss ,  Recueil  de  morceaux  choisis  de  prose 
et  de  vers  —  extraits  des  meilleurs  ^crivains  fran9ai8  pour  la  jeunesse. 
Breslau,  1883.  E.  Morgenstern.  Für  die  an  Alter  und  Einsicht  mehr 
vorgeschrittenen  Leser  bestimmt,  führt  die  durch  Mannigfaltigkeit  und 
Anzüglichkeit  (so!)  der  mit  Geschmack  gewählten  Stücke  ausgezeichnete 
Sammlung  die  Jugend  in  das  Studium  der  französischen  Litteratur  ein. 
Dieser  2.  Band  dürfte  wohl  eine  ebenso  günstige  Aufnahme  erfahren  wie 
der  erste.  —  S.  509.  Derselbe:  Gustav  Lücking,  französische  Grammatik 
für  den  Schulgebrauch.  Berlin,  1883.  Weidmännische  Buchhdlg.  Das 
Ganze  macht  den  Eindruck  einer  wissenschaftlichen  Geammatik,  deren 
Hauptregeln,  durch  grösseren  Druck  hervorgehoben,  sich  dem  Gedächt- 
nisse leicht  einprägen  müssen;  die  Grammatik  erscheint  besonders  wert- 
voll für  Schüler  von  Anstalten,  welche  die  wissenschaftliche  Ausbildung 
derselben  weniger  durch  das  Studium  der  alten  als  durch  das  der  neue- 
ren Sprachen  und  Litteraturen  zu  erreichen  streben. 

C.  Th.  Lion. 


Miszellen. 


Die  französisclie  Schullektüre  der  badischen  Gym- 
nasien und  Progymnasien.  1883  —  84.  —  Bei  der  regen  Thätigkeit, 
die  von  jeher  im  badischen  Lande  auf  dem  Gebiete  des  französischen 
Unterrichts  geherrscht  hat,  dürfte  ein  Überblick  über  den  im  verflosse- 
nen Schuljahr  verarbeiteten  Lesestoff  dankenswert  erscheinen. 

A.  Lektüre  der  Seknnda: 

L  Prosa,  a)  Historisches:  1.  Bar  ante,  Jeanne  Darc,  2.  Buruy, 
Auswahl  von  Meyer,  3.  Guizot  ßecits  historiques,  4.  Michaud,  Premiere 
Croisade,  je  eine  Anstalt;  —  5.  Mignet,  Franklin,  2;  6.  Segur,  Histoire 
de  la  Grande  armäe,  versch.  Ausw.,  3;  7.  Thiers,  Expedition  d'figypte, 
2;  Marengo,  1;  8.  Voltaire,  Charles  XII,  an  3  Anst.  —  b)  Erzählendes: 

1.  Erckmann-ChaU'ian,  2;  2.  Souvestre,  Au  coin  du  feu,  2;  Sous  la  Ton- 
nelle, 1.  —  c)  Theater:  1.  Augier-Sandeau,  Gendre  de  M»*  Poirier,  Pierre 
de  touche,  2.  Scribe,  Bertrand  et  Raten,  Diplomate,  Verre  d'eau,  je  1.  — 
IL  Poesie,  a)  Dramatisches:  1.  Corneille,  Cid,  1;  2.  Racine,  Athalie,  2; 
Iphigenie,  Mithridate,  Andromaque,  je  eine  Anst.;  —  3.  Voltaire,  Sömira- 
mis,  M^rope,  Zaire,  je  1.  —  b)  Lyrisches  und  Didaktisches:  1.  Be- 
ranger,  4a.  Hasper;  2.  Lafontaine,  Fabeln,  je  1. 

B.  Lektüre  der  Prima: 

L  Prosa,  a)  Historisches:  1.  Gnizot,  Hist.  de  la  Civilisation  en 
Europe,  3; —  Hist.  de  Charles  I«^,  1;  2.  Lanfrey,  Campagne  de  1806,  2; 
3.  michaud,  3«™«  Croisade,  1 ;  4.  Michelet,  Precis  de  Vhist.  moderne,  1 ; 
5.  Mignet^  Hist.  de  la  Rev.  6:9.,  3;  6.  Montesquieu,  Considärations,  1; 
7.  Thierry,  Guillaume  le  Conquärant,  1 ;  8.  Thiers,  Expäd.  d'Egypte,  2 ; 
Campagne  de  1800  und  Waterloo,  je  1;  9.  Voltaire.  Hist.  de  Louis  XIV,  1. 
b)  Oratorisches   und    Erzählendes:    1.   Bossuet,   Oraisons  funbbres, 

2.  Chateaubriand,  Itin^raire,  3.  Souvestre,  Au  coin  du  feu,  4.  Voltaire, 
Histoire  de  Jenni,  je  1.  —  H.  Poesie,  a)  Dramatisches:  1.  Corneille, 
Cid,  2;  Horace,  Polyeucte,  Rodogune,  je  1;  2.  BugOy  Hernani,  2;  3.  Mo- 
liere,  Femmes  Savantes  und  Misanthrope,  je  5;  Bourgeois  Gentilhomme, 
Maiade  imaginaire,  Tartuffe,  je  2;  Avare,  1;  —  4.  Racine,  Britannicus  2; 
Iphigänie  und  Mithridate,  je  l;--5.  Voltaire,  Zaire,  2.  — b)  Lyrisches: 
1.  Beranger,  Auswahl,  eine  Anstalt.  — 

Wenn  dieses  Jahr  beliebte  und  geeignete  Schulautoren  fehlen,  wie 
z.  B.  Miraheavüs  Reden  für  Prima  u.  ähnl.,  so  ist  dies  eine  rein  zuföUige 
Erscheinung,  wie  aus  den  Programmen  früherer  Jahre  leicht  zu  ersehen. 
Schliesslich  die  Bemerkung,  dass  noch  drei  badische  Anstalten  die  Chres- 
tomathie bis  in  die  Prima  hinein  hartnäckig  festhalten,  ohne  ganze  Schrift- 
werke in  besonderen  Ausgaben  zu  lesen.  — 

Jos.  Sabkazin. 


Novitäten  -  Verzeichnis. 


I.   Methodologie. 

Pfeü,  L,  Graf  von,  Wie  lernt  man  eine  Sprache  am  leichtesten  und 
besten?  Nebst  einem  Anhang:  Karl  Witte,  eine  Erziehungsge- 
schichte.     2.  Aufl.  gr.  8.  (43  S.)    Breslau,  Max  &  Co. 

n.    Grammatik.    Übungsbücher. 

Benecke,  Alb.,  Wörterbuch  zu  den  französischen  Exerzitien  und  Ex- 
temporalien. Übungsstoff  in  Sätzen  und  zusammenhängenden 
Stücken  zu  Abtlg.  111,  Ausg.  B,  der  franz.  Schul-Gramm.  8.  52  S. 
Potsdam,  Stein. 

Breymann,  H.  und  H,  Moeller^  Franz.  Elementar -Übungsbuch  für  Real- 
schüler.   München,  Oldenbourg.    VI,  175  S. 

Leier,  Chr,  G,  Joh,,  Französisches  Repetitorium.  2  Tle.  8".  Gross- 
Lichterfelde,  Deter.  (1.  Für  die  Klassen  Quarta  bis  Sekunda.  — 
2.  Prima.) 

I^ttner,  Ph.,  Vorstufe  für  die  Elementarstufe  der  französischen  Sprache, 
gr.  8.  82  S.    Karlsruhe  1885,  Bielefeldes  Verl.  cart. 

Seegei\  AL,  Systematisch -praktische  Darstellung  der  neufranz.  Verba 
für  den  Schulgebrauch.  Prag.  Progr.  der  II.  deutschen  Staats- 
Oberrealschule.    48  S.  8. 

Corrigä  des  th^mes  adaptäs  ä  la  nouvelle  grammaire  de  Ploetz.  8". 
Bremen,  Heinsius. 

ni.   Lexikographie. 

DetinoUe,  P.,  Dictionnaire  pratique  des  synonymes  fran9ais.  Avec  une 
pr^face  par  L.  Chatelain.  ün  vol.  grand  in- 12.  Paris,  Nilsson. 
fr.  7,50. 

rv.   Litteraturgeschichte. 

Humbert,  C,  Englands  Urteil  über  Moliere,  den  einzigen  Nebenbuhler 
Shakespeare's  und  den  gtössten  Komiker  aller  Zeiten.  2.  (Titel-) 
Aufl.    gr.  8.    XII,  124  S.    Leipzig  (1878),  A.  Krüger. 

Foumel,  V.,  De  Malherbe  ä  Bossuet.  j^tudes  litt^raires  et  morales  sur 
le  XVUe  siöcle.    Paris,  Firmin-Didot.    ün  volume  in- 18  j^sus.  fr.  8. 

V.   Ausgaben  und  Chrestomathien. 

Biblioth^que  francaise  a  Tusage  des  äcoles.  No.  3—5.  16^  Berlin, 
Friedberg  &  Mode.    geb.  M.  3,20. 


256  }loviiätenverzeic}mis. 

Beaumarchais^  Le  Barbier  de  Säville,  ed.  with  introduction  and  notes 
by  A.  Dobson.     157  S.     Oxford  (Clarendon  Press  series). 

Cent,  les,  nouveUes  nouvelles,  dites  les  Cent  nouvelles  du  roi  Louis  XI. 
Ed.  avec  des  notes  et  une  introduction  par  P.  Lacroix.  Paris, 
Charpentier.    XXIV,  393  p.    fr.  3,50. 

Diderot,  Est-il  bon?  est-il  m^chant?  com^die  en  quatre  actes.  Avec 
une  pröface  par  A.  Houssaye.  In-16,  XII,  160  p.  Paris,  Librairie 
des  bibliophiles,     fr.  4. 

Frank,  Jos.,  Satyre  M^nipp^e  de  la  vertu  du  catholicon  d'Espagne  et 
de  la  tenue  des  estats  de  Paris.  Kritisch  rev.  Text  mit  Einleitung 
und  erklärenden  Anmerkungen.  Oppeln,  Georg  Maske.  255.  S. 
8.     M.  10. 

Guillaume,  P.,  Le  Myst^re  de  saint  Eustache,  jou^  en  1504  sous  la  di- 
rection  de  B.  Chancel,  chapelain  du  Puy-Saint-Andr^,  pres  Brian- 
9on  (Hautes- Alpes).  In-8,  115  p.  Paris,  lib.  Maisonneuve  et  Ci«. 
Extrait  de  la  Revue  des  langues  romanes,  8«  serie,  t.  7  et  8  (mars- 
novembre  1882). 

Le  Verdier ^  P,,  Mystere  de  l'incarnation  et  nativit^  de  notre  sauveur 
et  rädempteur  J^sus- Christ,  repr^sent^  k  Ronen  en  1474,  publik 
d'apres  un  imprim^  du  XV«  siecle,  avec  introduction,  notes  et 
glossaire.  Texte.  Premiere  journee.  Petit  in -4,  359  p.  Ronen, 
impr.  Cagniard.  Publication  de  la  Soci^t^  des  bibliophiles  nor- 
mands. 

Moliere^B  les  Pröcieuses  ridicules,  ed.  with  introduction  and  notes  by 
H.  Lang.    80  S.  (Clarendon  Press  series). 

Nouvelle  CoUection  Molieresque:  XIII.  Le  mödecin  volant  de  Bour- 
sault.  Publik  par  le  Bibliophile  Jacob,  Paris,  librairie  des  bi- 
bliophiles,   fr.  4. 

Otto,  E.,  und  Dickmann,  A,,  Französische  und  englische  Schulbibliothek. 
13—16.  Bd.    8°.    Leipzig  1885,  Renger.. 

Rabelais,  Tout  ce  qui  existe  de  ses  oeuvres.  Gargantua,  Pantagruel, 
Pantagrueline,  progn.  almanachs,  Sciomachie,  lettres,  etc.  Texte 
soigneusement  coUationn^  sur  les  ^ditions  originales,  pr^cäd^  d*une 
vie  de  l'auteur,  d'aprös  les  documents  les  plus  r^cemment  d^cou- 
verts  et  les  plus  authentiques,  et  suivi  d'une  bibliographie  de 
notes  et  d'un  glossaire  par  L.  Moland.  In- 18  j^sus,  XLIV, 
770  p.    Paris,  lib.  Garnier  fr^res. 


Brächet,  A,,  Morceaux  choisis  des  grands  ^crivains  fran^ais  du  XV«  siäcle, 
accompagn^s  d'une  grammaire  et  d'un  dictionnaire  de  la  langue 
du  XVI«  siecle.  7«  Edition.  In- 18  jäsus.  323  p.  Paris,  librairie 
Hachette  et  C»«.    fr.  3,50. 

FMie9',  le,  classique  de  la  jeunesse.    Choix  de  fables  de  La  Fontaine 
et  d'auteurs  divers.    8.    IV,  180  S.    Bremen,  Heinsius. 
—  dasselbe.    Supplement  contenant  des  notes  explicatives.    8.    VIII, 
80  S.    Ebd. 

VI.   Metrik. 

Zschaiig,  H.,  Die  Verslehren  von  Fabri,  Du  Pont  und  Sibilet.  Ein  Bei- 
trag zur  älteren  Geschichte  der  französischen  Poetik.  Heidelber- 
ger Dissertation.    80  S.  8. 


Referate  und  Rezensionen. 


H.  A.  Thibant,  Wörterbuch  der  französischen  und  deut- 
schen Sprache.  Zwei  Teile  in  einem  Bande.  Voll- 
ständig umgearbeitet  nach  der  neuesten  deutschen  und 
französischen  Orthographie  und  durch  zahlreiche  Wörter 
und  Redensarten  vermehrt.  100.  Aufl.  Braunschweig. 
Druck  und  Verlag  von  Georg  Westermann.  1883. 
994  S.     Lex. -8«. 

Die  Austattung  des  Buches  verdient  alles  Lob.  Festes, 
glattes  Papier  mit  dem  leichten  gelblichen  Ton,  welcher  für  das 
Auge  weit  angenehmer  ist  und  weniger  ermüdend  wirkt  als  blen- 
dende Weisse,  scharfe  und  deutliche  Lettern  und  dabei  ein  so 
sorgfältiger  Druck,  dass  beispielsweise  auf  den  944  Seiten  auch 
nicht  ein  Spiess  zu  entdecken  ist.  Die  Schrift  ist  allerdings 
sehr  klein,  das  war  aber  nicht  zu  umgehen,  wenn  die  Bogenzahl 
nicht  bedeutend  anwachsen  sollte.  Da  das  Buch  vielfach  von 
Schülern  benützt  wird,  so  muss  dieser  Punkt  besprochen  werden, 
um  so  mehr,  da  hierüber  falsche  Ansichten  unglaublich  weit  ver- 
breitet sind.  —  Es  ist  nicht  der  kleine  Druck  an  und  für  sich, 
welcher  das  Auge  angreift,  sondern  die  Undeutlichkeit  und  das 
Geflimmer,  welches  bei  schlecht  ausgeführtem  kleinen  Druck 
allerdings  leichter  entsteht  als  bei  grösseren  Typen.  Trotzdem 
bleibt  ein  scharfer  und  sorgfältig  behandelter  kleiner  Druck  les- 
barer als  ein  grösserer,  demzuliebe  etwa  nach  anderer  Seite  hin 
Ersparnisse  gemacht  worden  sind.  Es  kommt  nicht  so  sehr  auf 
die  Grössenverhältnisse  selbst,  als  auf  die  richtige  Wahl  der- 
selben an,  auf  die  kunstgerechte  Bestimmung  der  Abstände,  be- 
sonders des  Durchschusses,  auf  die  verhältnismässige  Zeilenlänge, 
vor  allem  aber  auf  die  Schärfe  der  Lettern,  die  bei  Fraktur  oft 
viel  zu  wünschen  lässt,  während  die  daneben  stehende  Antiqua 
genügen  kann,  und  endlich  auf  reinlichen  Abzug.    Ist  nach  allen 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI*.  -yj 


258  Referate  und  Rezensionen.    Ph.  Pktttne^*, 

diesen  Richtungen  hin  das  Richtige  getroffen,  so  strengt  kleiner 
Druck  unter  übrigens  gleichen  Umständen  das  Auge  nicht  mehr 
an  als  ein  grösserer,  und  einer  gerechten  Beurteilung  ist  folglich 
nicht  so  sehr  das  Millimetermass  als  der  Gesammteindruck, 
welchen  das  Auge  empfängt,  zu  Grunde  zu  legen. 

Dem  neuen  Thibaut  hat  der  Verlag  alle  Sorgfalt  gewid- 
met. Auf  Rechnung  der  Bearbeiter,  Prof.  Dr.  Wtillenweber 
und  Oberlehrer  Dr.  Dickmann,  ist  zu  setzen,  dass  die  Grup- 
pierung innerhalb  der  Artikel  mit  grossem  Geschick  angelegt 
ist,  und  dass  ohne  Verwendung  vielartiger,  die  Lesbarkeit  be- 
einträchtigender Schriftarten  eine  grosse  Übersichtlichkeit  er- 
reicht wurde. 

Als  Vorzüge  des  Buches  sind  hervorzuheben  die  bei  aller 
Vollständigkeit  gedrängte  Kürze,  die  Bezeichnung  der  Aussprache 
in  Fällen  wo  ein  Irrtum  möglich  wäre,  die  Einschiebung  der 
Namen  in  den  Eontext,  während  andere  Wörterbücher  dieselben 
in  störender  Weise  einem  besonderen  Register  überweisen  und 
die  Aufnahme  der  Abkürzungen.  Für  Anfänger  werden  auch 
Formen  einzeln  aufgeführt,  dass  aber  hierin  so  weit  gegangen 
wurde  duqud  =  de  lequel  (S.  162)  u.  ähnl.  anzugeben,  ist  Raum- 
verschwendung. —  Obwohl  technische  Ausdrücke  und  Neologis- 
men ausgiebige  Berücksichtigung  gefunden  haben,  fehlt  manches, 
z.  B.  un  comble  (Nonplusultra),  houdan,  zigue  (Littr6:  zig);,  es 
fehlt  z.  B.  auch  alphonse  (=  souteneuTy  unser  Louis),  wobei  be- 
merkt sein  mag,  dass  S.  475  souteneur  unrichtig  als  Bordell- 
wirt bezeichnet  ist.^)  —  An  der  Aussprachebezeichnung  ist  die 
unvorsichtige  Wahl  von  ng  für  Nasale  und  von  Id^  für  geschliffe- 
nes l  zu  rügen.  Wie  soll  der  Norddeutsche  besser  aussprechen 
lernen,  wenn  das  französische  Wörterbuch  ihm  träng  und  betald^ 
als  Aussprache  von  %x(m  und  3)etaU  vorführt? 

Von  Druckfehlem  ist  das  Buch  leider  nicht  frei.  Wenn 
S.  424  regouflement  für  regonflementy  S.  490  tetes  feroces  für  bites 
feroceSy  S.  638  destilieren  für  desiMiereny  8.  788  lucifer  für  Lu- 
cifer  steht,  so  hat  das  nicht  viel  zu  bedeuten,  sollte  aber  in 
einem  Wörterbuch  auch  vermieden  sein.  Dass  S.  17  bei  am- 
poide  9ll§eim§  steht  (und  ebenso  bei  remois),  dagegen  richtig  SletntS 
neben  Eeims,  ist  eine  Ungleichheit  in  der  Behandlung,  die  leicht 
durchschlüpft.     Ärgerlicher  sind  schon  Fehler  wie  S.  19  fdne  du 


^)  Ich  stelle  mich  dabei  auf  den  Standpunkt  der  Bearbeiter, 
welche  ähnliche  Wörter  nicht  vermeiden  zu  dürfen  glaubten.  Meinem 
Geschmacke  würde  es  mehr  zusagen,  wenn  solche  Ausdrücke  in  Büchern 
fehlten,  die  naturgem'äss  vielfach  Kindern  in  die  Hand  gegeben  wer- 
den. Der  allgemeinen  Verwendbarkeit  der  Bücher  geschähe  kein  grosser 
Abbruch. 


TMbaui:  Wörterbuch  der  französischeil  etc.  259 

commune  (fttr  commun),  8.  190  esUUden  (für  esthiticien),  S.  639 
compacte  (für  compact),  S.  757  giffle  (für  ^fi/^J;  noch  schlimmer 
ist,  dass  baudruche,  Cendrülon  als  m.  statt  als  f.  und  umgekehrt 
ditritus  als  f.  statt  als  m.  bezeichnet  werden.  Nach  welchem 
Grundsatz  ÄthhieSy  Bruxelles,  Lucques,  NapUsy  Thlhes  weiblich, 
Brindes,  Douvres,  Londres,  Sardes  dagegen  männlich  sein  sollen, 
ist  unklar,  und  noch  unklarer  ist,  warum  Naples  im  französisch- 
deutschen Teil  als  f.,  im  deutsch -französischen  dagegen  als 
m.  steht. 

Die  einzelnen  Artikel  streben  bei  alier  Gedrängtheit  der 
Anordnung  nach  möglichster  Vollständigkeit,  geben  aber  manch- 
mal Wörter  und  Ausdrücke,  die  mindestens  tiberflüssig  sind.  So 
steht  S»  228  cela  ressemble  ä  nne  gageure  (=  das  ist  unbegreif- 
lich), S.  400  dans  la  propre  maison  (=  in  demselben  [?]  Hause), 
S*  788  ist  unter  „Lücke"  auch  dificit  (dans  une  caisse)  gegeben 
und  das  S.  359  noch  aufgeführte  les  papiers  puhlics  oder  les 
papiers-nouvelles  kann  man  unbedenklich  einen  längst  ausge- 
merzten Anglicismus  nennen.  Solcherlei  Streichungen  Hessen 
sich  noch  vielfach  vornehmen  und  damit  Platz  gewinnen  für  er- 
klärende Angaben  bei  Aufführung  mehrerer  Wörter.  So  steht 
z.  B.  ohne  nähere  «Bezeichnung  S.  603  unter  „Bengel"  auch 
hülot,  welches  nur  Klotz  oder  Block,  nebenbei  aber  auch  den 
Knüttel  bedeutet,  welcher  Tieren  angehängt  wird,  um  sie  am 
Laufen  zu  hindern.  Öfter  vermisst  man  auch  die  in  einem 
Wörterbuch  so  nötige  Hinweisung,  dass  ein  Wort  veraltet  ist 
oder  doch  altert,  so  S.  311  bei  merveilleux  (=  Stutzer;  unter 
diesem  Stichwort  fehlt  S.  897  auffallender  Weise  gommeux). 
Auswärtige  Kaufleute  mxirchands  forains  auf  S.  589  bedarf  auch 
einer  deutlicheren  Bezeichnung,  die  unter  forain  allerdings  ge- 
geben ist  Die  kurze  Übersetzung  von  Tenebres  mit  „Nachmit- 
tagsmesse" (S.  491)  wird  manches  Kopfschütteln  erregen.  Wenn 
S.  35  automne  als  m.  und  f.  aufgeführt  wird,  so  müsste  letzteres 
als  veraltet  bezeichnet  werden.  Bei  prochain  (S.  397)  ist  ein 
Unterschied  von  le  prochain  und  le  plus  prochain  nicht  gemacht, 
letzteres  nicht  einmal  genannt.  Während  S.  311  enfants  de  la 
Tuesse  de  minuit  erklärt  wird,  fehlt  messe  de  minuiL 

Von  kleineren  Ausstellungen  führe  ich  noch  folgende  an: 
S.  522  un  vieil  oder  vn  vietuc  hommcj  wobei  ich  homme  durch 
ami  oder  ein  ähnliches  Wort  ersetzen  würde,  denn  man  hat 
schon  gerade  genug  gegen  den  Gebrauch  von  un  vieil  homme 
statt  un  vieiUard  bei  Schülern  zu  kämpfen.  Bei  Pythie  S.  831 
(ebenso  bei  Vierge)  würde  ich  den  bestimmten  Artikel  nicht  weg- 
gelassen haben,  denn  ebenso  gut  könnte  man  auch  schreiben- 
Kairo  n.  Caire  m.     S.  718  par   ou  pour   quelle  raison  (=  aus 

17* 


260  Referate  und  Rezensionen.    R,  Mahrenholiz, 

welchem  Grunde),  par  würde  ich  streichen.  Loi  gomhette'S,  237 
ist  mir  nur  als  Singular  bekannt,  auch  wenn  die  ganze  Samm- 
lung gemeint  ist.  Entschieden  würde  ich  S.  33  das  deutsch- 
und schweizerisch-französische  attendre  aprls  qn  (statt  attendre  qn 
auf  jem.  warten)  unterdrücken.  Ebenso  S.  32  bei  c'est  lä  que 
je  Vattends  das  sogar  in  erster  Linie  gegebene  oü  für  que,  wel- 
ches grammatisch  fehlerhaft  ist;  nebenbei  bemerkt,  scheint  mir 
die  Übersetzimg  „da  wird  es  sich  schon  zeigen"  in  den  meisten 
Fällen  zutreffender,  als  „er  soll  mir  nur  kommen".  Edtir  le  cafe 
S.  623  ist  durch  griUer  le  cafe  zu  ersetzen.  Für  le  mien  et  le 
tien  S.  795  ist  die  jetzt  allein  übliche  umgekehrte  Stellung  zu 
wählen:  le  tien  et  le  mien.  Der  Myrtenkranz  S.  804  ist  nach 
französischem  Brauch  durch  la-  couronne  d* oranger  (nicht  de 
myrtes)  zu  übersetzen.  Nicht  ganz  richtig  ist  S.  523  pot  de  vin 
erklärt  als  Extrazugabe  (bei  einem  Kauf);  das  Wort  beschränkt 
sich  mehr  und  mehr  auf  die  Bedeutung  „Trinkgeld"  im  üblen 
Sinne,  d.  h.  ein  Geldgeschenk  für  eine  Geschäftsvermittelung, 
die  man  geheim  zu  halten  gute  Gründe  hat.  S.  51  ist  couvrez- 
vouSy  la  chaleur  vous  est  bonne  übersetzt  mit:  bedecken  Sie  sich 
und  machen  Sie  nicht  so  viel  Komplimente.  Keinem  Franzosen 
wird  es  einfallen  den  Ausdruck  zu  gebrauchen,  wo  er  nicht  eine 
Impertinenz  durch  eine  andere  zurückweisen  will;  er  wird  sich 
daher  so  ausdrücken,  wenn  jemand  im  Hutaufsetzen  sich  über- 
eiiig  zeigt  und  der  Sinn  ist  etwa:  ja,  Sie  haben  recht,  Sie  könn- 
ten einen  Schnupfen  kriegen.  S.  60  brüler  le  pavi  laufen,  dass 
die  Sohlen  brennen,  wäre  richtig  übersetzt  durch:  reiten  oder 
fahren,  dass  die  Funken  stieben. 

Manchmal  haben  die  Bearbeiter  sich  die  Arbeit  etwas  zu 
leicht  gemacht,  wie  es  scheint  von  dem  Bestreben  geleitet,  das 
Buch  für  beide  Nationen  gebrauchsfähig  zu  machen,  indem  sie 
nicht  leicht  erklärliche  Ausdrücke  der  einen  Sprache  durch  un- 
mittelbar verständliche  Ausdrücke  der  anderen  Sprache  wieder- 
gaben. Dabei  leidet  aber  die  Treue  der  Wiedergabe,  denn  das 
Wörterbuch  hat  ebenso  sehr  wie  eine  gute  Übersetzung  nicht 
nur  im  allgemeinen  den  Sinn,  sondern  auch  möglichst  genau  die 
Schattierung  beizubehalten.  Alle  Nasenlang  S.  808  ist  eher  ä 
tout  bout  de  champy  welches  sich  wenigstens  in  der  familiären 
Gebrauchsweise  mit  dem  deutschen  Ausdruck  deckt,  als  ä  tout 
moment  S.  684  ist  für  »den  Weg  alles  Fleisches  gehen"  das 
französische  mourir  doch  zu  farblos.  Auch  S.  796  konnte  für 
„wir  waren  nicht  in  geringer  Verlegenheit"  leicht  ein  mehr  ent- 
sprechender Ausdruck  gefunden  werden  als  nous  itions  dans  un 
grand  embarras;  gerade  im  Französischen  ist  ja  dieser  Gebrauch, 


nk:  Satyr e  MSnippde,  261 

s  Diminutiv  bezeichnen  könnte,  sehr  aus- 

Hemerkungen  wollen  als  Beitrag  zur  Ver- 

li  guten  Arbeit  betrachtet  sein.     Was  von 

uauflage  berücksichtigt  werden  muss,  kann 

■,  auch  wenn  das  Buch  mit  Platten  gedruckt 

die  Schönheit   des  Druckes  hindeutet.     Der 

t  es  ja    ein    leichtes,    noch    in    den  Platten 

n    vorzunehmen.     Auch    so   wie    es  vorliegt, 

als    gewissenhafte    und    gediegene  Leistung 

Ph.  Plattnee. 


'pee.     Kritisch   revidierter  Text   mit   Einleitung 
därenden  Anmerkungen  von  Josef  Fl*ailk.   Oppeln, 

'   1884. 

i   Vernachlässigung,  unter  welcher  die    franz.  Litte- 

I.  Jahrh.  immer  noch  zu  leiden  hat,   ist  jeder  Bei- 

.    HO  Ausgabe  an  sich  höchst  willkommen.    Ein  grosses 

;  wirbt  sich  aber  der,  welcher  ein  bisher  nur  in  Frank- 

<'h  gekanntes,  auch  dort  wohl  nur  von  den  wenigsten 

tiuliertes  Litteraturwerk  den  gelehrten  Kreisen  Deutsch- 

Mglicber  macht.     Diese  Aufgabe   ist  von  Herrn  Prof. 

der  vorliegenden  Ausgabe   mit  ebenso  grossem  Fleiss, 

liok  gelöst  worden.     Die  Einleitung  gibt  eine   richtige 

i- sende  Schilderung  der  politischen  Wirren  der  Liguen- 

1  beschränkt  sich  nicht  bloss  auf  Ranke's,  die  bisherige 

s   erweiternde    und    durch  geniale  Kombinationen   ergän- 

Darstellung,  sondern  berücksichtigt  auch  die  zeitgenössi- 

'   1  Berichte,   soweit  sie   charakterisierend   und  von  allgemei- 

Wiebtigkeit    sind.     Der  Charakter   der  Satire    iselbst  ist 

II d  gekennzeichnet,  der  Hauptinhalt  in   den  Grundzügen   so 

jii(*kt  angegeben  worden,  dass  die  Lektüre  der  etwas  breiten, 

■  xn  Schmähschrift  dadurch  sehr  erleichtert  wird. 

Der  Versuch  einer  objektiven,  auch  die  schwachen  Seiten 

Norhebenden  Würdigung  dieser  Satire  (wir  möchten  den  Herrn 

>  rf.  bitten,  nicht  Satyre   drucken  zu   lassen,)   zeigt,   wie  weit 

.  F.  von  der  Überschätzung  des  Gegenstandes  mühsamer  Stu- 

II  entfernt  ist,  doch  scheint  uns  die  politische  Bedeutung  der- 

iben  zu  günstig  beurteilt  zu  sein.     Denn,  wie  alle  Flug-  und 

'^<']iniähschriften,    so    ist    auch    die   „Satyre  M6nipp6e^'   nur   ein 

Nachhall    der  Zeitanschauung,    die    sich  von   den  Bestrebungen 


262  Referate  und  Rezensionen.    R,  Mahrenholtz, 

der  halbspanischen  Ligue  und  der  sechzehn  Pariser  Tyrannen 
immer  mehr  zu  Heinrich  IV.  und  seiner  Partei  wandte,  nicht 
etwa  eine  Schöpferin  dieses  Umschwunges.  Der  Hr.  Verf.,  des- 
sen Auseinandersetzung  über  die  ursprüngliche  Publikationszeit 
der  Satire  (1593)  wir  gern  beitreten,  kann  doch  auch  nicht  er- 
weisen, dass  dieselbe  einen  tiefgehenden  Einfluss  zu  Gunsten 
Heinrich's  gehabt  hat.  Was  er  über  die  ästhetischen  Mängel 
der  Schrift  bemerkt,  läuft  eigentlich  darauf  hinaus,  dass  eine 
Satire  eben  nur  Satire,  nicht  ein  treues  geschichtliches  Bild  sei, 
und  dass  eine  lediglich  politische  Tendenzschrift  mit  grellen 
Zügen  und  starken  Farben  schildern  muss.  Das  Verhältnis  Le- 
roy's,  des  ersten  Verf.  der  Satire  zu  den  späteren  Bearbeitern 
ist  wohl  auch  durch  Hm.  F.'s  ausführliche  Darlegungen  in  die- 
ser Zeitschrift  nicht  endgiltig  festgestellt  worden,  und  manche 
Argumente  ZvöHna's,  der  für  Leroy's  alleinige  Autorschaft  in 
den  wesentlichen  Bestandteilen  plaidiert,  bleiben  wohl  bestehen. 
Uns  scheint  diese  Frage  überhaupt  eine  höchst  schwierige,  nicht 
unwiderleglich  zu  lösende,  die  für  die  Tendenz  und  den  Cha- 
rakter der  „M6nipp6e"  in  der  Hauptsache  nicht  zu  viel  austrägt. 
Dagegen  hat  unser  Verständnis  der  Flugschrift  und  unsere 
Kenntnis  der  Verhältnisse  jener  Zeit  eine  grosse  Förderung  durch 
den  sorgfältigen,  in  grammatischer  wie  historischer  Hinsicht  gleich 
vollkommenen,  Kommentar  erfahren  und  wird  daher  die  spätere 
litterarhistorische  Schilderung  dieser  Satire  sich  wesentlich  auf 
die  Frank'sche  Ausgabe  stützen  müssen. 

R.  Mahrekholtz. 


Allgemeine   Litteraturgeschichte  von  Dr.  P.  Norrenberg 
in  3  Bänden.    Münster,  Russel's  Verlag,  1884.    M.  13,20. 

Die  Büchermacherei,  die  nirgends  ärger  ist,  als  auf  dem 
Gebiete  der  Litteratur-  und  Kulturgeschichte,  die  bequeme  Manier, 
aus  einer  Anzahl  von  Biographien  und  Spezialdarstellungen  ein 
neues  Buch  zusammenzuleimen  und  diese  wenig  haltbare  Buch- 
binderart durch  die  lockende  Aussenseite  schön  klingender 
Phrasen  und  souveräner  Kritik  gefälliger  zu  machen,  hat  uns 
soeben  mit  einem  dreibändigen  Werke  beglückt,  das  zur  Ab- 
wechselung einmal  den  christlich  -  orthodoxen  Standpunkt  der 
historischen  Wahrheit  aufdrängt.  In  der  Vorrede  schon  klagt  der 
Herr  Verf.,  dass  man  in  der  Litteratur-  und  Kulturgeschichte 
stets  nach  Waffen  gegen  die  überlieferten  religiösen  Anschauungen 
geforscht  habe,  nun  will  er,  statt  objektiv  zu  schildern  und  die 
Thatsachen  reden  zu  lassen,  den  Spiess  umkehren  und  sich  zum 


Norrenberg:  Aügemeine  LitteraiurgescMchie.  263 

Verteidiger  der  katholischen  Partei-Interessen,  die  er  ohne  wei- 
teres mit  dem  Christentum  identifiziert,  aufwerfen.  Das  wäre  an 
sich  schon  der  Neuheit  wegen  recht  interessant,  wenn  nur  der 
gläubige  Herr  Verf.  neben  dem  Glauben  auch  das  Wissen  und 
das  Beweisen  etwas  höher  schätzte.  Seine  Methode  ist  eine 
ungeheuer  einfache:  was  von  den  zahllosen  Litteraturwerken  zu 
seinem  Standpunkte  passt,  wird  wohlgefällig  angepriesen,  das 
andere  geschmäht  oder  kurz  abgethan.  Am  ausführlichsten  und 
günstigsten  wird  daher  die  Litteratur  bis  zum  Aufklärungszeitalter 
beurteilt,  von  da  ab  muss  sie  sich  meist  eine  kurze,  summarische 
Aburteilung  gefallen  lassen.  Die  Perle  aller  Dichtkunst  ist  im 
alten  Testamente  verborgen,  von  der  orientalischen  Poesie  wird 
das  dem  Geiste  des  alten  Testamentes  verwandte  gepriesen,  mit 
besonderer  Gunst  wird  dann  die  christliche  Dichtung  des  Mittel- 
alters bedacht.  Schlimm  ergeht  es  der  englischen  Bühnen- 
dichtung vor  Shakespeare,  und  allem,  was  von  der  deutschen 
Litteratur  mit  der  Reformation  zusammenhängt  —  man  lese,  was 
II,  S.  128  darüber  an  erbaulichen  Eapuzinaden  vorgebracht  wird, 
nur  Shakespeare  wird  noch  aus  der  höllischen  Reformations- 
epoche in  die  christliche  Weltanschauung  hinübergerettet.  Ein- 
zelne aus  dem  Zusammenhang  gerissene  Stellen  des  „Lear'', 
„Hamlet'^,  „Merchant  of  Venice ^  mit  einigen  Eanzelphrasen  aus- 
staffiert, mögen  frommen  Seelen  wohl  diese  Überzeugung  bei- 
bringen. Dasselbe  Wohlwollen  zeigt  der  Herr  Verf.  auch  den 
beiden  grossen  Tragödiendichtem  im  Zeitalter  Ludwig's  XIV., 
Corneille  und  Racine,  doch  muss  der  erstere  es  sich  gefallen 
lassen,  dass  nur  sein  „Polyeucte"  den  Gläubigen  empfohlen,  der 
letztere,  dass  die  „Athalie"  zwar  als  „Meisterwerk  der  französi- 
schen Dramatik"  gefeiert,  die  übrigen  Dichtungen  aber  wegen 
ihrer  „weichen,  unchristlichen  Liebestragik''  und  ihrer  „schweif- 
wedelnden" Höflingspoesie  auf  den  Index  gesetzt  werden. 

Und  Moliöre?  Er  hat  ja  den  „TartuflTe"  geschrieben, 
welchen  die  ästhetische  Bildung  des  Herrn  Norrenberg  zu  einer 
„ Posse '^  und  zu  einem  „Pamphlet"  herabsetzt,  in  seinem  „Don 
Juan  ^  ist  die  alte  spanische  Sage  „  in  der  Entartung  fort- 
geschritten" etc.  Die  Gunst,  welche  der  allerchristliche  König 
(N.  nennt  ihn  kurzweg  „Louis",  ob  das  ein  Witz  sein  soll, 
können  wir  nicht  ergründen)  gleichwohl  dem  gottverlassenen 
Dichter  zuwandte,  wird  aus  der  Notwendigkeit,  „in  seinem  Kampfe 
gegen  den  Adel  Hilfstruppen"  zu  haben,  erklärt.  Welch  ein 
Gedanke  von  entzückender  Originalität!  Die  Militärmacht  Frank- 
reichs, die  ganz  Europa  in  Schranken  hielt,  genügte  zur  Demü- 
tigung des  bereits  niedergeworfenen,  zahmen  Adels  nicht,  da 
mnsste  man  schon  einen  Schauspieler,  den  jeder  Hoffähige  da- 


264  Referate  und  Rezensionen.    C.  Humberi, 

mals  nach  Herzenslust  verachten  und  beschimpfen  konnte,  und 
den  der  König  selbst  den  geistlichen  Interessen  jeder  Zeit  auf- 
opferte, zu  Hilfe  nehmen. 

Kommt  nun  Moli^re  schon  in  die  erste  Höllenetappe^  was 
wird  dann  aus  Voltaire?  Die  unterste  Höllenstufe  kann  ihm  ge- 
wiss nicht  vorenthalten  werden.  Indessen  der  Jesuitenzögling 
Voltaire,  der  gelegentlich  auch  den  kirchlichen  Interessen  Rech- 
nung trug,  ist  dem  Herrn  Peter  Norrenberg  doch  ein  ganz  Teil 
sympathischer.  Voll  EntzUcken  teilt  er  zur  Erbauung  christlicher 
Gemüter  eine  lange  Stelle  aus  der  „ZaYre"  mit,  mit  vollster  Un- 
kenntnis rühmt  er  Voltaire's  anfängliche  Begeisterung  für  den 
christlich-katholischen  Shakespeare,  dem  nur  sein  „fester,  christ- 
licher Kern"  später  die  wenig  schmeichelhaften  Prädikate  „be- 
trunkener Wilder  und  Dorfhanswurst"  von  selten  seines  Ver- 
ehrers eingetragen  habe.  Im  Übrigen  ist  Voltaire  ein  grund- 
schlechter Kerl  —  bereits  seine  jesuitischen  Lehrer  haben  das 
gewusst  —  und  auch,  soweit  er  nicht  aus  Berechnung  frömmelt, 
ein  ganz  miserabler  Dichter.  Seine  „Henriade"  ist  schon  dess- 
halb  nichts  wert,  weil  man  in  „diesem  Heldengedicht  voll  Krieg 
und  Schlachtrossen  nicht  einmal  Gras  findet  um  die  Pferde  zu 
füttern,  und  Wasser,  um  sie  zu  ti'änken". 

Doch  genug  an  diesen  Proben.  Erlassen  wir  dem  Verf. 
zur  Belohnung  des  letzten  unübertrefflichen  Witzes  eine  weitere 
Durchmusterung  seiner  Kapuzinaden  über  die  neueste  Litteratur 
und  fragen  wir  ihn  aufs  Gewissen,  von  wie  vielen  der  Band  III 
auf  64  enggedruckten  Seiten  ohne  jede  Auswahl  angeführten 
Bücher  er  denn  mehr  als  die  Titel  kennt,  und  wie  es  mit  seiner 
kirchlichen  Tendenz  sich  vereint,  auch  ganz  ketzerischen  Geistes- 
produkten durch  Anführung  ihres  Titels  Existenzberechtigung  zu- 
zugestehen ? 

B.  Mahbenholtz. 


Meliere  auteur  et  comedien.      Sa  vie  et  ses  oeuvres.     Par 
L^on  Damoustier.   Paris,  Laplace,  Sanchez  et  C^e.   1883. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  erscheint  bei  Laplace,  Sanchez 
in  Paris  eine  Sammlung  französischer  Schriftsteller:  Collection 
de  beaux  volumes  in -12,  format  anglais.  Sup^rienrement  im- 
prim^s  et  orn6s  de  gravures  colori6es,  k  3  fr.  50  c.  le  volnme, 
die  man  in  jeder  Hinsicht  empfehlen  kann.  Sie  enthält  unter 
anderen  in  je  2  Bänden:  den  Moli^re;  Regnard;  Th6ttre  frangais 
au  16.  et  au  17.  si^cle;  Choix  des  com^dies  les  plus  remar- 
quables   ant^rieures   k  Möllere;    Chefs -d'oenvre   dramatiques    du 


Dumoustier:  MoHere,  auieur  et  comedien,  265 

18  siecle;  in  3  Bänden:  P.  Corneille,  th6ätre  complet;  in  je 
1  Bande:  P.  Corneille,  th^ätre  choisi;  T.  Corneille,  th^ätre 
choisi;  Racine;  Rotrou;  Scarron;  Boursault;  Quinault;  la  Fon- 
taine; Voltaire,  th6ätre  choisi;  Beaumarchais;  CoUin  d*Harle- 
ville;  Picard;  Marivaux;  Boileau;  la  Brayöre.  Unter  denen, 
welche  die  Ausgaben  besorgten  und  mit  Einleitungen  versahen, 
hebe  ich  besonders  hervor:  Edouard  Thierry,  Victor  Fournel, 
Ed.  Foumier.  Besonders  interessant  ist  Fournier,  th6ätre  fr.  au 
16  et  au  17  siecle,  sowohl  wegen  des  Inhalts  als  der  hübschen 
kolorierten  Bilder  von  M.  Sand  (Matthieu,  cr^ancier;  Le  capi- 
taine  Rodomont;  Nivelet;  Cardenio;  La  Dnpre,  conrtizanne;  Le 
duc  d'Ossonne;  Hespörie).  * 

Ihnen  schliesst  sich  in  Preis,  Format  und  Druck  —  aber 
ohne  Bilder  —  das  oben  genannte  Buch  von  Dumoustier  über 
Moli^re  an.  Der  Verfasser  ist  kein  Kritiker  oder  Litterar- 
historiker  von  Fach  und  tritt  nicht  mit  der  Prätension  auf,  uns 
über  das  Leben  des  Dichters  und  Geschichte  seiner  Werke  neue 
Aufklärungen  bringen  zu  wollen  —  in  einem  Bändchen  von  376  S. 
fehlte  schon  dazu  der  Platz  —  er  kennt  aber  die  einschlägigen 
französischen  Schriften  und  berichtet  mit  selbständigem  und  in 
den  Hauptpunkten  richtigen  Urteil  über  die  Resultate  fremder 
Forschung.  In  manchen  Einzelheiten  stimme  ich  nicht  mit  ihm 
überein,  desto  mehr  aber  in  den  Hauptfragen.  Was  ihn  haupt- 
sächlich leitet,  ist,  neben  den  Grundsätzen  historischer  Kritik,  die 
Achtung  vor  der  Person  des  Dichters.  Toutes  les  misferes 
attach6es  k  nos  vies,  bemerkt  er  in  einem  den  Gegenstand  be- 
treffenden Schreiben,  ne  sont  que  trop  souvent  forc6es  et  exa- 
g6r6es  sans  preuves  pour  nos  hommes  illustres.  Dans  quel 
but?  A  quel  profit?  k  quelle  gloire?  II  me  semble  au  con- 
traire  que  la  reconnaissance  que  nous  devons  aux  vaillants  g6- 
nies  de  nos  pays  nous  devrait  faire  un  devoir  de  cacher  leurs 
misöres.  Wie  neuere  Forschung  zeigt,  ward  besonders  gegen 
Meliere  und  diejenigen,  die  ihm  durch  die  Bande  des  Bluts,  der 
Liebe  und  Freundschaft  am  nächsten  standen,  vielfach  in  dieser 
Hinsicht  gesündigt  Freilich,  wir  sollen  nicht  aus  Humanität  ihre 
offenbaren  Schwächen  und  Vergehen  wegleugnen  oder  verdecken, 
aber  weniger  noch  dürfen  wir  sie  verdammen,  auf  die  Aussage 
gemeiner,  unglaubwürdiger  Zeugen.  Das  geringste,  was  ein 
grosser  Mann  und  seine  Angehörigen  von  uns  verlangen 
können,  ist,  dass  wir  in  solchem  Fall,  unsere  Unwissenheit  be- 
kennend, wie  die  Geschworenen  den  Angeklagten,  sie  bis  auf 
weiteres  frei  sprechen,  aus  Mangel  an  Beweisen: 

Sub  judice  lis  est. 


266     Referate  und  Rezensionen,    C.  Humberi:  MoUere,  auieur  eic. 

Wenn  aber  der  Verfasser  in  dem  schon  erwähnten  Schreiben 
meint:  „A  part  ce  sentiment  qne  vous  trouverez  dans  chaque 
chapitre  de  Moli^re  auteur  et  com6dien,  le  reste  vous  laissera 
peut-Stre  beaucoup  k  d^sirer^^,  so  muss  ich  dem  in  einem  nicht 
wenig  wichtigen  Punkte  widersprechen.  Ich  meine  die  Beur- 
teilung der  Werke.  Dumoustier  ist  selbst  dramatischer  Dichter 
und,  durch  Erfahrung  mit  den  zu  überwindenden  Schwierigkeiten 
bekannt,  mehr  als  ein  blosser  Kritiker  befähigt  und  geneigt,  die 
Grösse  des  Dichters  zu  erkennen.  Auch  gibt  dies  seinem  Urteil 
eine  grössere  Bedeutung.  Wollte  ich  von  den  Bemerkungen  über 
den  Dichter  und  die  einzelnen  Werke  wiedergeben^  was  mir  aus 
dem  Herzen  gesprochen  ist,  so  mtisste  ich  einen  ziemlichen  Teil 
des  Buches  abdrucken. 

Ich  schliesse  mit  denselben  Worten  wie  der  bescheidene 
Verfasser  selber: 

Moli^re  nous  connaissait  tous;  nous  ne  le  con- 
naissons  que  bien  peu  et  le  secret  de  son  art  nous  est 
interdit 

En  rappelant  ses  ouvrages,  en  essayant  de  ra- 
conter  sa  vie,  nous  avons  6t6  condnit  par  ces  deux 
seuls  sentiments:  le  respect  de  son  foyer  et  Tadmi- 
ration  de  son  oeuvre. 

H.  HUMBEST. 


Litterarische  Chronik. 


Scbnlgraiaiaatikeii.    Übungsbücher. 

P.  Steiner,  Einleitung  zur  Erlernung  der  französischen  Spretche.    Neu- 
wied und  Leipzig  1884.   Heuser's  Verlag.    8<».    89  SS.   M.  1,80. 

Der  Verfasser  dieses  Elementarbuches  scheint  ein  etwa  mit  den 
Kenntnissen  eines  Preuss.  Mittelschullehrers  (gehobenen  Elementar- 
lehrers) ausgerüsteter  Volksschullehrer  zu  sein,  der  sich  für  befähigt 
hielt,  für  den  im  Beichslande  üblichen  französischen  Vorschulunter- 
richt ein  geeignetes  Buch  zu  verfassen,  der  zur  Ausführung  dieser  Auf- 
gabe aber  in  keiner  Weise  vorbereitet  war.  Von  dem  an  unsern  Ele- 
mentarlehrern so  sehr  gerühmten  und  den  Lehrern  an  unsern  höheren 
Lehranstalten  so  oft  zur  Nachachtung  empfohlenen  pädagogischen  Takte 
ist  bei  ihm  nichts  zu  bemerken.  Seine  französische  Sprachkenntnis 
lässt  ihn  alle  Augenblicke  im  Sticht  und  selbst  mit  seinem  deutschen 
Ausdruck  ist  es  nicht  weit  her.  Man  braucht  nicht  weit  zu  lesen,  um 
sich  von  der  Richtigkeit  unserer  Angaben  zu  überzeugen.  Schon  seine 
Vorbemerkungen  zur  Lautlehre  auf  S.  1  sind  charakteristisch.  Es 
heisst  dort  u.  a.:  „als  Nasallaute  dienen  die  Zeichen  (f^,  o»  etc.";  „das 
Zeichen  oa  dient  als  einsilbiffer  Laut** ;  „sh  dient  zur  Bezeichnung  eines 
weicheren  Zischlautes  als  scn,  tief  aus  der  Kehle  gesprochen,  fast  ohne 
Bewegung  der  Zunge.  Er  soll  das  französische  j  darstellen  —  also 
s/uif  shi,  she**,  S.  2  nennt  er  den  Buchstaben  g  dann  8ehe\  und  zwar 
zweimal;  erklärt  er,  „g  vor  e  und  i  lautet:  sehe,  schi^.  Vorzüglich 
sind  auch  seine  Regeln:  „das  c  ist  öfter  als  A:-Laut  gebraucht"  (S.  1); 
das  h  wird  nicht  ausgesprochen,  das  gehauchte  h  (^h)  ist  kaum  be- 
merkbar in  der  Aussprache"  (S.  2) ;  „das  e  am  Ende  mehrsilbiger  Worte 
ist  stumm",  —  „in  der  Mitte  der  Wörter  ist  seine  Aussprache  ver- 
schieden" (S.  2).  Prächtig  ist  die  Art,  wie  der  Verf.  die  Bildung  der 
Nasalvokale  beschreibt.  Er  sagt  (S.  2  f.)  unter  der  Überschrift:  „Die 
Vorbereitungslaute  m  bei  h,  und  das  n  bei  d^i  „Sie  werden  nicht  aus- 
gesprochen. Man  stellt  den  Mund  nur  zu  ihrer  Aussprache  bereit, 
geht  aber  sofort  zur  Aussprache  des  andern  auszusprechenden  Konso- 
nanten über."  Zur  Einübung  wird  dann  die  Aussprache  von  ^^a,  ^be^ 
^bi,  ^da,  ^de  etc.  empfohlen.  Auf  derselben  Höhe  steht  das  Übrige. 
Bodenlos  ist  die  Flüchtigkeit  der  Korrektur:  Vöilä  wird  nie  mit  Ac- 
Cent  seschrieben,  v^l.  S.  11  (3  mal),  S.  32  (2  mal),  S.  39.  Das  Wort 
de'picher  steht  richtig  auf  S.  16,  sonst  heisst  es  depechez-vaus  (S.  8, 


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Schulausgaben.  269 

rede   deutlich  zeigt.    Es   ist   zu  wünschen^   dass   der  Herausgeber   im 
II.  Teil  weniger  ängstlich  mit  Streichungen  ist. 


Schlnssbemerknng. 

In   Bd.  V,  Heft  6    dieser  Zeitschrift   fand   die    16.  Auflage    der 
Causeries  parisiertnes  von  Peschier  (1881)  eine  Besprechung,  in  wel- 
cher bemerkt  wurde,  dass  der  grossenteils  veraltete  Inhalt  eine  Neu- 
bearbeitung nötig  erscheinen  lasse.     Mittlerweile   habe  ich  erfahren, 
dasB    der  Verf.  bereits   im  Jahre   1878   gestorben   ist,   jedenfalls   also 
nicht  dafür  verantwortlich  gemacht  werden  kann,  wenn  sein  Buch  im- 
mer  wieder  in   unveränderter  Gestalt   in    die  Welt  hinausgeht.     Zur 
Yer^leichung  besitze  ich  nur  die  13.  Auflage  (1871),  während  die  14. 
und   15.  mir  unzugänglich  blieben«    Die  13.  Auflage  bietet  ausser  dem 
Avant -propos  Vorreden   zur   8.,  9.  und   13.  Auflage.     Die   16.  Auflage 
enthält    nur   einen  Avant -propos,   der   aus   den  Vorreden   zur  9.  und 
13.  Auflage  zusammengeschweisst  ist  und  die  Unterschrift   „Peschier, 
professeur",  aber  kein  Datum  zeigt.    Nur  im  Kontext  sind  einige  Da- 
tums'änderungen   vorgenommen,   wie    sich    aus    folgender   Gegenüber- 
stellung ergibt. 


Vorrede  der  13.  Anflage 

datiert  novembre  1870: 

Nous  aurions  voulu  mettre  les 
Causeries  de  1870  en  harmonie 
avec  les  changements  survenus 
dans  la  politigue  de  nos  voisins  . . . 
atissi  nous  flattons-nous  d^offrir, 
ceite  foiS'Ci  comme  les  precedenies, 
un  tableau  fidele  de  la  socie'te  pa- 
risienne,  ainsi  que  des  traits  qui 
la  caracterisent  en  Van  de  gräce 
1870. 


Avant -propos  der  16.  Auflage 

(1881)  ohne  Datum: 

Nous  aurions  voulu  mettre  les 
Causeries  de  1880  en  harmonie 
avec  les  changements  survenus 
dans  la  politigue  de  nos  voisins  . . . 
aussi  nous  flattons-nous  d'offrir, 
dans  cette  nouveüe  edition,  comme 
dans  les  pre'ce'dentes,  un  tableau 
fidele  de  la  socie'te  parisienne, 
ainsi  que  des  traits  qui  la  carac- 
terisent  en  Van  de  gräce  1880. 

Hinzuzufügen  habe  ich  nur  noch,  dass  die  Verlagshandlung  (Paul 
Neff,  Stuttgart)  zweimal  um  Aufklärung  bezw.  Zusendung  eines  Exem- 
plars der  Zwischenauflagen  angegangen  wurde,  eine  Antwort  aber 
nicht  erteilte. 

Ph.  Plattneb. 


Schulausgaben. 

Prosateurs  fran9aiR  ä  l'usage  des  dcoles  publi^s  par  Tel' 
hagen  k  Klasing.  Livr.  88  —  50.  Vgl.  diese  Zeitschr.  Bd.  II, 
S.  545  —  557.  Bd.  III,  S.  326  —  329.  Bd.  IV*  S.  114  —  117. 
Bd.  V2,  S.  216. 

88)  Aventures  de  Tdl^naque  par  Fehelon,  III.  Teil.  In  Aus- 
zügen mit  Anmerkungen  zum  Schulgebrauch  herausgegeben  von 
G.  Jaep.  Kart.  90  Pf.  Die  sachlichen  Anmerkungen  sind  wohl 
befriedigend,  weniger  die  grammatischen  und  lexikalischen  z.  B.  S.  5,  9: 
„iraiter  de  faible  als  Schwächling  behandeln  (!)**.  S.  7,  2:  „Nach  vorauf- 
gehendem  bejahenden  Komparativ  im  Hauptsatze  muss  im  Neben- 
sätze des  Vergleichs  ne  (im  Deutschen  unübersetzbar)  stehen."  Wozu 
hier  die  ungenügende  Angabe  der  Regel,  da  doch  die  Einrichtung  der 


270  Litierarische  Chronik,    C.  Th.  Lion, 

Ausgaben  es  ermöglicht,  den  Fall  mit  einem  Hinweis  aof  die  Grammatik 
zu  erledigen?    Dergleichen  findet  sich  mehrfach. 

39)  Risioire  ancienne  par  M.  le  comte  de  S^gur.  Achtund- 
zwanzig Geschichtsbilder.  Mit  Anm.  zum  Schulgebr.  herausg.  von 
0.  Schau  mann.  Kart.  1,20  Mk.  Ein  Auszug  aus  der  1847  bei  Didier 
in  Paris  erschienenen  zweibändigen  8.  Aufl.  Die  Anmerkungen  sind 
im  allgemeinen  zweckmässig,  wenn  auch  die  lexikalischen  Mitteilungen 
etwas  sparsamer  hätten  sein  können,  zumal  das  zu  50  Pf.  besonders 
käufliche  Wörterbuch  hinreichend  dafür  aufkommt.  Die  Geschichts- 
bilder behandeln  Ägypten,  Sesostris,  die  Assyrer  und  Lydier,  Krösus 
u.  s.  w.,  dann  u.  a.  Kekrops,  Theseus,  Lykurs,  Solon,  die  Perserkriege, 
den  peloponnesischen  Krieg,  Perikles,  Alcibiades,  Sokrates.  Wenn  der 
Hg.  meint,  dass  dieser  Inhalt,  „welcher  uns  Ereignisse  der  alten  Ge- 
schichte vorführt,  die  wir  von  Jugend  auf  mit  besonderem  Interesse 
gehört  haben^,  nebst  der  lebendigen  fesselnden  Darstellung  und  der 
im  ganzen  leichten  Sprache  der  ausgewählten  Stücke  dafür  spreche, 
dass  in  dem  Bändchen  ein  erwünschtes  Material  für  Klassen-,  sowie 
für  Priyatlektüre  ffeboten  werde,  so  möchte  ich  das  wohl  für  das  zu- 
sammenhängende Werk  S^gurs  zugeben,  aber  nicht  für  diese  chresto- 
mathischen  Stücke,  deren  Inhalt  ja  sonst  der  Jugend  hinreichend  ver- 
mittelt wird. 

40)  Cinq  semaines  en  haUon  par  Jules  Verne.  In  Auszügen  z. 
Schulgebr.  herausg.  von  W.  Begemann.    Kart.  1  M. 

41)  Le  Tour  du  Monde  enquatre-vingts  jowrs  par  Jules  Verne. 
DgL  bearbeitet  von  K.  Bandow.  Kart.  1,20  M.  Die  bei  dieser  Ge- 
legenheit erneuerte  Lektüre  der  voyages  extraordÄnaires  hat  mir  trotz 
der  vollen  Anerkennung  ihrer  vielfachen  guten  Eigenschaften  die  feste 
Überzeugung  verschaflt,  dass  sie  als  Klassenlektüre  in  die  Schule  nicht 
gehören;  das  Romanhafte  tritt  zu  sehr  in  den  Vordergrund,  nimmt 
einen  zu  grossen  Raum  ein  und  ist  dabei  zu  überspannt,  als  dass  man 

flauben  könnte,  den  Schülern  damit  etwas  Mustergültiges  zu  bieten;  die 
'orderung  bleibt  unerlässlich:  der  Lektürestoff,  der  für  die  Schule  ge- 
wählt wird,  muss  eine  ziemlich  strenge  Kritik  ertragen  können;  das 
lässt  sich  aber  von  J.  Verne^s  Romanen,  gerade  wenn  man  sie  als 
solche  betrachtet,  nicht  sagen.  Man  denke  bei  den  fünf  Wochen  im 
Ballon  z.  B.,  von  manchem  anderen  abgesehen,  nur  an  die  unglaub- 
lichen Erlebnisse  Joe's,  als  er  sich  aus  dem  Ballon  in  den  Tchadsee 
hinabstürzt,  deren  Bericht  in  dem  hier  gegebenen  Auszuge  S.  140 — 165 
wegnimmt.  Trotzalledem  ist  die  Herausgabe  der  vorstehenden  Romane 
verdienstlich,  weil  sie  sich  mit  den  Zuthaten  der  Anmerkungen  und 
der  88  und  96  S.  umfassenden  Wörterbücher  (ä  80  Pf.)  zur  Privat- 
lektüre der  Schüler  einerseits  und  sonstiger  Litteraturfreunde,  die  noch 
einer  Beihilfe  bedürfen,  andererseits  sehr  empfehlen.  (Druckfehler 
in  40.  Lieferung:  S.  14,  Z.  19  v.  o. :  q'une.  S.  187,  Z.  3  v.  u.:  puis-qu'Ü, 
—  Anmerkung  S.  17,  7  zu  vous  auriez  coupe'Joe  en  morceaux,  . .  .  qu*ä 
n*aurait  pas  change  d^anis,  „Satzgefüge,  die  im  Hauptsatze  ein  Kondi- 
tional und  im  Nebensatze  que  mit  derselben  Zeit  haben,  sind  als  un- 
vollständige Sätze  zu  erklären ;  zu  dem  Hauptsatze  ist  ein  Konditional- 
oder Konzessivsatz  zu  ergänzen,  und  der  Nebensatz  ist  als  Konsekutiv- 
satz zu  fassen:  si  vous  aviez  oder  quand  mime  vous  auriez  coupe'  Joe 
en  morceaux^  vous  f  auriez  cou]9e  de  sorte  qu*il  n*auraii  pas  chanae' 
d'avis  etc.^  Der  Hg.  sollte  bei  einer  so  umstrittenen  Sache  doch  nicht 
eine  so  diktatorische  Sprache  anwenden.  Aus  dem,  was  Mätzner, 
fr.  Gr.  S.  881  über  den  Fall  bemerkt,  lässt  sich  keine  Erklärung 
dafür  entnehmen.    Lücking,  fr.  Gr.  f.  d.  Schulgebr.  S.  102  erklärt  das 


Schulausgaben,  271 

que  in  dem  Satzgefüge  auffallender  Weise  durch  wie  sehr,  wie! 
Tobler,  in  der  Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen  1883,  Juniheft,  er- 
klärt das  ^t/^  durch  während;  also  hier:  man  hätte  (gegebenen  Falls) 
Joe  in  tausend  Stücke  geschnitten,  während  er  seine  Ansicht  nicht  ge- 
ändert, ohne  dass  er  seine  Ansicht  geändert  hätte.  Probst-Knebel,  fr. 
Schulgr.  17,  S.  183  bemerkt  ziemlich  in  sachlicher  Übereinstimmung 
mit  Mätzner:  Merkwürdig  ist  der  in  solchen  Fällen  ziemlich  häufige 
Fall,  dass  im  Vordersatze  die  Konjunktion  ganz  weggelassen  und  der 
Nachsatz  mit  ^ue  angeknüpft  wird."*  Mir  ist  die  Bemerkung  Tobler*s 
am  meisten  einleuchtend.)  Für  den  Zweck  sind  auch  die  Beihülfen  in 
angemessener  Weise  abgefasst,  insofern  sie  sich  da  einstellen,  wo  man 
sie  wünscht. 

42)  Histoire  de  Charles  I^  par  Guizot.  Im  Auszuge  mit  Anm. 
z.  Schulgebr.  herausgegeben  von  IC.  Mayer,  I.  Teil.  £art.  80  Pf. 
Wörterbuch  dazu  20  Ff.  Das  Bändchen  enthält  S.  121  —  290  des 
1.  Bandes  der  Originalausgabe;  ausserdem  sind  im  Texte  selbst  öfter 
kleinere  oder  grössere  Auslassungen  vorgenommen ;  S.  228  —  239  der 
Originalausgabe,  welche  den  Ursprung  der  schottischen  Erhebung  dar- 
stellt, ist  durch  eine  kurze  deutsche  Inhaltsangabe  ersetzt.  Was  die 
Fassung  der  Anmerkungen  anlangt,  so  ^eben  wir  dem  yorliegenden 
Bändchen  den  Vorzug  vor  der  1878  Berun,  Weidm.  veröffentlichten 
Ausgabe  Bruno  Gräser*s  (vgl.  diese  Zeitschriffc  Bd.  I,  S.  269  f.).  Wenn 
Guizot*s  histoire  de  la  rävoluiüm  d^Angleterre  in  der  Schule  gelesen 
werden  soll  —  und  an  und  für  sich  ist  nichts  dagegen  einzuwenden  — 
bleibt  nichts  übrig,  als  einen  Auszug  daraus  zu  machen;  auch  in  der 
Beziehung  verdient  das  Bändchen  (160  S.  kl.  8')  zu  80  Fi.  kart.  den 
Vorzug  vor  der  1.  Abteilung  des  ersten  Bandes  der  Ausgabe  Gräser's 
(190  S.  8")  zu  M.  1,80  brosch.  Es  umfasst  die  Zeit  von  der  Thronbe- 
steigung KarFs  I.  bis  zur  Hinrichtung  Strafford's.  Wir  bemerken 
übrigens  noch,  dass  die  Formulirun^^  der  grammatischen  Anmerkungen 
vielfach  zu  wünschen  übrig  lässt,  mitunter  sind  sie  geradezu  unrichtig ; 
z.  B.  wenn  S.  11,  2  bemerkt  wird,  dass  in  dem  durch  ä  peine  einge- 
leiteten Temporalsätze  (bei  Guizot)  ebenso  offc  das  Plusquamperfekt 
wie  das  Aut^rieur  stehe,  ohne  dass  ein  Unterschied  der  Bedeu- 
tung zu  erkennen  wäre.  Der  Hg.  hat  nur  den  Unterschied  nicht 
erkannt ;  an  allen  den  Stellen,  wo  das  erste  Plusquamperfekt  bei  Guizot 
nach  ä  peine  auftritt,  steht  es  in  der  ihm  eigenen  Bedeutung  des  Zuständ- 
lichen,  bereits  vollendet  Vorliegenden.  Vielfach  sind  Parallelstellen 
aus  Macaulay,  gelegentlich  auch  aus  Hume  herangezogen,  wie  das  auch 
schon  Gräser  hin  und  wieder  gethan  hatte:  überhaupt  hätte  der  Hg. 
wohl  der  Arbeit  seines  Vorgängers,  der  er  manches  entnommen  hat 
und  manche  Anregung  verdankt,  mit  einigen  anerkennenden  Worten 
gedenken  können;  er  zitiert  jene  Schriftsteller,  wie  er  im  Vorworf  an- 
gibt, „natürlich  in  der  Sprache  des  Ori^als",  während  Gräser  mit 
Rücksicht  auf  die  Schüler  des  Gymnasiums  Macaulay  in  deutscher 
Übersetzung  herangezogen  hatte.  Diese  Rücksicht  scheint  mir  keine 
ganz  unbillige,  und  das  „natürlich^  des  Vorworts  nicht  gerechtfertigt. 

43)  Voyage  au  cenire  de  la  Terre  par  Jules  Verne.  In  Aus- 
zügen mit  Anm.  z.  Seh.  hg.  von  G.  Opitz.  Kart.  1,20  M.  Wörter- 
buch dazu  30  Pf.  Über  £eses  Bändchen  gilt  dasselbe  wie  über  40 
und  41.  Die  sprachlichen  Anmerkungen  geben  indes  hier  zu  Aus- 
stellungen mehrfach  Veranlassung;  z.  B.  S.  148,  1:  tu  vas  votr  =  tu 
verras.  S.  145,  4:  parvenir  ä  faire  qe.  =  H\iBBir  ä  faire  qc.  Wenn 
dazu  überhaupt  für  den  Verneleser  eine  Anmerkung  nötig  war,  was  ich 
vollständig  verneine,  so  musste  nicht  die  Gleichheit  der  beiden  Wen* 


272  LUierarische  Chronik.    C,  Th.  Lion, 

dangen  behauptet,  sondern  der  Unterschied  nachgewiesen  werden.  In- 
dessen dürfte  dieser  Mangel  der  Ausgabe  gerade  bei  dem  Yerneleser, 
der  dergleichen  Anmerkungen  unberücksichtigt  lassen  wird,  weniger 
ins  Grewicht  fallen. 

44)  Uineraire  de  Paris  ä  Jerusalem  par  F.  de  Chateaubriand. 
In  zwei  Teilen.  In  Auszügen  mit  Anm.  z.  Seh.  hg.  von  Otto  Ritter. 
II.  Teil.  Voyage  de  Rhodes,  de  Jaffa^  de  Beifdeem,  de  la  Mer  Morie  et 
de  Jerusalem  (vgl.  Bd.  III.  dieser  Zeitschr.  S.  329  über  Teil  I.  und 
ebenda  S.'829  ff.  über  die  Ausg.  von  Kühne  in  Berlin  bei  Weidm. 
2.  Aufl.  1881.  90  Pf.  geh.).  Kart.  M.  1.  Wörterbuch  dazu  20  Pf.  Die 
Anmerkungen  sind  wohl  gelungen  (die  Ausgabe  vermeidet  die  von 
J'äckel  a.  a.  0.  an  der  Ausgabe  Kühne's  gerügten  Fehler),  nur  könnte 
noch  in  Bezug  auf  die  Angabe  bekannter  grammatischer  Regeln  grössere 
Beschränkung  obwalten,  die  Zitate  der  Grammatik,  die  ja  auch  nur 
ein  für  manche  erwünschtes  Accessit  sein  sollen,  reichen  dafür  voll- 
ständig aus,  die  Regel  selbst  könnte  mit  einem  kurzen  Schlagwort  an- 
gedeutet werden.  Wenn  S.  66,  3  über  la  chmne  du  levant  .  .  .  ,  est  la 
plus  elevee;  .  .  .  un  grand  mur  perpendiculaire  on  dirait  gesagt  wird: 
„Zu  bemerken  ist,  dass  bei  dire  in  der  Bedeutung  „halten^'  der  deutsche 
Acc.  des  pers.  Fürworts  fortfällt",  so  vermisst  man  dabei  eine  Er- 
klärung des  französischen  Sprachgebrauchs. 

45)  Histoire  des  croisades  par  Michaud.  In  zwei  Teilen.  In 
Auszügen  mit  Anm.  z.  Schulgebr.  hrg.  von  E.  Paetsch.  II.  Teil. 
Troisüme  croisade.  Mit  einer  Übersichtskarte.  Kart.  1  M.  Wörter- 
buch dazu  20  Pf.  Die  Bearbeitung  ist  im  ganzen  wohl  gelungen  und 
entspricht  mehr  den  Anforderungen  an  eine  Schulausgabe,  als  die  Aus- 
gabe Volkeradt's  (Berlin,  WeicEnann'sche  Buchh.  1877).  Die  Zugabe 
der  Übersichtskarte  ist  dankenswert.  Der  Hg.  erwähnt  seinen  Vor- 
gänger nicht,  dem  er  manche  Notiz  entnommen  hat,  ich  will  ihm 
damit  nicht  Unselbständigkeit  ziim  Vorwurf  machen,  aber  ein  Wort 
des  Dankes  oder  dgl.  jener  Vorarbeit  gegenüber  wäre  immerhin  am 
Platze  gewesen.  In  der  Biographie  S.  4  lesen  wir,  dass  Michaud  am 
5.  Oktober  1795  festgenommen  und  zum  Tode  verurteilt  wurde.  Gleich 
darauf  S.  5:  „Im  April  1797  wurde  das  Urteil  widerrufen  und  er  über- 
nahm wieder  die  Redaktion  der  Quotidienne."  Sollte  sich  dabei  nicht 
eine  Frage  der  Verwunderung  darüber  einstellen,  dass  ein  festge- 
nommener, zum  Tode  Verurteilter,  also  weil  festgenommen,  doch 
hingerichteter,  nach  eineinhalb  Jahren  wieder  auflebt?  S.  8,  4:  „Ge- 
hört nur  oder  erst  zu  einem  Verb,  so  braucht  man  n^  faire  gue^,  ist 
eine  in  ihrer  Fassung  unbefriedigende  Anm.  Besser  war  die  Volkeradt's : 
ne  faire  gue  mit  folgendem  Infinitiv  übersetze  man  mit  „nur".  Gute 
Grammatiken  (LücMng;  Probst-Knebel  S.  233  Anm.  6)  geben  dafür 
eine  noch  bessere  Form. 

46)  Histoire  de  Napoleon  et  de  la  grand^-armee  en  1812  (richtig 
lautet  der  Titel  pendant  Tannee  1812)  par  le  Comte  de  S^gur.  In 
Ausz,  m.  Anm.  z.  Schulgebr.  hg.  von  0.  Schmager  (Gera).  Teil  11. 
Buch  Vin  und  XL  (Napoleon  in  Moskau  und  Übergang  über  die 
Beresina.)  Mit  einer  Übersichtskarte.  Kart.  1,20  M.  Wörterbuch  dazu 
20  Pf.  Meine  Ansicht  über  das  Werk  S^gur's  ist  nun  einmal  die,  dass 
<es  keine  Kürzung  irgend  welcher  Art  verträgt;  ich  wünsche  es  als 
ganzes  in  dem  Besitze  des  Schülers,  als  ein  Werk,  an  dessen  Besitz 
er  Freude  und  Genuss  haben  kann^).    Die  Bearbeitung  der  Stücke  ist 


^)   Ich  habe  deshalb  gern  der    Aufforderung  der  Verlagshand- 
lung von  Friedberg  und  Mode,  Berlin,  Folge  geleistet  und  die  Heraus- 


Sckulansgäben.  273 

dem  für  die  Prosateurs  gültigen  Programm  entsprechend,  die  lexika- 
lischen Angaben  hätten  mit  Rücksicht  auf  das  Wörterbuch  auch  hier 
mehr  beschränkt  werden  können. 

47)  Louis  XI  par  Fran9oi8  Guizot.  In  Auszügen  aus 
Hisioire  de  France  racontee  ä  mespeiiis-enfants.  Mit  Anm.  z.  Schulgebr. 
hg.  von  K.  Bandow  (vgl.  diese  Zeitschritt  Bd.  II,  S.  551,  Bd.  III. 
S.  328.).  Inhalt  und  Form  lassen  die  Wahl  dieses  Werkes  für  Schul- 
lektüre wohl  geeignet  erscheinen  und  zwar  wegen  der  dazu  erforder- 
lichen Geschichtskenntnis  und  der  mehrfachen  Zitate  aus  Commynes 
und  anderen  zeitgenössischen  Schriftstellern,  sowie  überhaupt  wegen 
des  reflektierenden  Stils  für  Prima.  Darauf  hin  habe  ich  eine  genauere 
Prüfung  der  Anmerkungen  angestellt,  die  mir  danach  teilweise  einer 
Umarbeitung  bedürftig  erscheinen.  S.  6,  1:  „Das  Personalpronomen 
je  kann  fehlen,  weil  ai  an  sich  als  erste  Person  des  Singulars  kennt- 
lich ist."  Doch  nicht  mehr  in  der  heutigen  Sprache ;  im  Afr.  aber  be- 
durfte das  Verb  zur  Bezeichnung  der  Person  im  Nominativ  des  per- 
sönlichen Fürworts  überhaupt  nicht,  es  wird  nur  da  hinzugefügt,  wo 
es  der  Nachdruck  (ein  Gegensatz  oder  dgl.)  oder  die  Deutlichkeit  er- 
heischt. S.  6,  2  zu  oü  miettx  vons  semblera:  „wo  es  Dir  am  besten 
passt",  eig.  „besser  als  einem  anderen  Orte,  zu  dem  Du  nicht  herein- 
gehst." (Dazu  hätte  auf  den  gleichen  Sprachgebrauch  bei  Corneille 
(Beispiele  bei  Littrö)  hingewiesen  werden  können,  der  mieux  mehrfach 
im  Sinne  eines  jetzt  erforderlichen  le  mieux  anwendet).  „Eigentümlich 
ist  das  Adverb  mieux ^  während  es  sonst  heisst:  sibonlui  semble,  comme 
hon  lui  semble.^  Nicht  eigentümlich  (und  mit  dem  Worte  wird  die 
Schwierigkeit  doch  nicht  erklärt),  sondern  durchaus  regelrecht  finden 
sich  die  Adverbien  (ursprünglich  Neutra)  mieux,  pis,  plus,  moins,  und 
le  mieux  (neben  le  meüleur),  le  j^  (neben  le  pire),  le  plus,  le  moins 
(nicht  le  moindre)  als  substantivische  Neutra  (Lücking,  fr.  Gr.  S.  146.). 
S.  14,  4:  y^ne  im  Vergleichungssatze  nach  que^  wenn  der  Hauptsatz 
nicht  verneint  ist",  eine  Bemerkung,  die  der  elementaren  Grammatik 
angehört  und  in  dieser  Fassung  ungenügend,  aber  nun  vgl.  S.  24,  1 : 
„w^  im  Vergleichungssatze  nach  einem  Komparativ  bisweilen  auch, 
wenn  der  Hauptsatz  verneinten  Sinn  hat."  Die  Frage  wann  ?,  die  sich 
doch  nun  sofort  aufdrängt,  bleibt  unbeantwortet  (Lücking,  fr.  Gr. 
S.  399.  §  519.  Anm.).  S.  21,  3:  „envers  nicht  selten  im  feindlichen 
Sinne."  Besser  Mätzner,  fr.  Gr.  S.  388,  der  envers  die  Bedeutung  einer 
freundlichen  und  feindlichen  Beziehung  zuschreibt.  S.  29,  4: 
„qui  für  celui  qui^.  Die  Anmerkung  in  dieser  Form  sollte  endlich  ver- 
schwinden. S.  31,  3  wird  zu  n*avoir  garde  die  Umschreibung  des  Dict. 
de  PAc,  dann  die  Übersetzung  „sich  wohl  hüten"  angegeben;  s.  die 
Erklärung  bei  Lücking,  fr.  Gr.  S.  327.  S.  47,  6  zu  pour  quelque  cas 
que  ee  soit  ei  qui  puisse   advenir:    sachlich  „was";   vgl.  voilä   qui  eit 


gäbe  des  ganzen  Werkes  mit  der  Bearbeitung  der  vier  ersten  Bücher 
in  einem  Bändchen,  dessen  Druck  im  August  d.  J.  beendet  ist,  be- 
gonnen. Es  ist  mit  obigem  nicht  gesagt,  dass  der  Schüler  das  ganze 
W  erk ,  das  in  meiner  Ausgabe  4 — 5  ßändchen  ergeben  würde,  besitzen 
müsste,  der  Lehrer  kann  unter  den  Bändchen  wählen,  eins  genügt, 
um  eine  Vorstellung  von  dem  Ganzen  zu  geben;  aber  durch  das  eine 
wird  die  Anregung  für  die  Lektüre  der  übrigen  gegeben,  und  dafür 
fehlte  es  bisher  an  einer  guten  Ausgabe;  meine  Schulausgabe  soll 
zugleich  eine  Textausgabe  für  alle  werden,  die  das  Werk  in  emem  ge- 
fölligen  Gewände  lesen  wollen. 

Zschr.  f.  nfrx.  Spr.  u.  Litt.    VI  9.  jg 


274  .  Liiterari9C?te  Chronik.     C.  Th.  Lion, 

beau,  qui  plus  est  u.  s.  w.  Der  Fall  liegt  doch  offenbar  ganz  anders 
und  es  bietet  sich  nicht  die  geringste  Schwierigkeit,  wenn  wir  nur  das 
gewöhnlich  nicht  beachtete  quelgue  .  .  .  qui  einmal  beachten  wollen ; 
„für  welchen  Fall  auch  immer,  der  vorliegt  und  der  vielleicht  vor- 
kommt." S.  60,  1:  „Konjunktiv  nach  s'il  leur  semblait  wegen  der 
indirekten  Frageform;"  (auch  sonst  erscheint  wohl  nach  il  me  semble 
der  Konjunktiv!)  „eigentümlich  auch  das  Imperfekt,  wo  man  den  Konj. 
des  Plusquamperfekts  erwartet  hätte."  Weshalb  auch,  da  doch  der 
Konjunktiv  erklärt  ist?  und  das  eigentümlich  gibt  wieder  keine 
Erklärung!  S.  70,  2:  nach  avant  que  findet  sich  (schiebe  ein  „wie 
nach  dem  Komparativ")  bisweilen  die  Verneinung  (besser :  ne  vor  dem 
Verb)  u.  s.  w.  S.  93,  2:  auiani  .  .  .  auiani  u.  s.  w.  vgl.  S.  34,  2.  S.  116, 
2 :  „aus  mortde  Dieu  sind  entstanden  die  Inteijektionen  mordieu  u.  s.  w. "; 
doch  nicht  aus  7nori  de  JDieu,  sondern  aus  mo7'i  Dieu  (cas.  obliq.)^ 
Es  ist  nicht  meine  Aufgabe,  eine  gleiche  Revision  aller  Schulausgaben 
vorzunehmen,  die  vorliegende  ist  wegen  der  von  mir  gemachten  Besse- 
rungsvorschläge  nicht  etwa  schlechter  als  andere,  die  Anmerkungen 
sind  im  allgemeinen  mit  Einhaltung'  des  richtigen  Masses  und  zweck- 
entsprechend abgefasst. 

48)  Jeunesse  de  Chateaubriand.  Aus  Memoires  d! outre-tombe  par 
Chateaubriand.  In  Auszügen  mit  Anm.  z.  Seh.  hg.  von  Emil 
Grube.  Ausgabe  A.  mit  Anmerkungen  unter  dem  Texte.  Kart.  1  M. 
Wörterbuch  dazu  20  Pf.  Meines  Erachtens  kann  dies  nachgelassene 
Werk  Ohateaubriand's  nur  für  den  Interesse  haben,  der  ihn  als  Schrift- 
steller sonst  schon  kennt,  aber  nicht  für  die  Jugend,  für  die  sich  eben 
nur  sein  liine'raire  de  Paris  ä  Jerusalem  eignet.  Jenem  aber  kann  nur 
die  Lektüre  des  ganzen  Werkes  wirklich  etwas  bieten.  Ich  habe  mich 
dazu  gezwungen,  den  Auszug  zu  lesen,  habe  ihn  sogar  teilweise  mit 
dem  unter  dem  Titel:  Ma  jeunesse,  Exirail  des  y^memoires  dLOutre- 
tombe^  par  Chateaubriand  in  2  Aufl.  in  Leipzig,  Baumgärtner's 
Buchh.  veröffentlichten  Auszuge  verglichen  (letzterer  ohne  Anmerkungen, 
aber  umfangreicher);  es  ist  mir  aber  schwer  genug  geworden,  das 
Werk  ist  im  stände  die  Befriedigung,  die  die  übrigen  Werke  Chateau- 
briand *s  hinterlassen,  zu  trüben.  Die  Anmerkungen  weisen  die  Vor- 
züge, aber  auch  die  Mängel  der  oben  besprochenen  auf,  auch  hier 
werden  wiederholt,  ohne  die  Stelle  der  Grammatik  anzugeben,  bekannte 
Kegeln  nach  ihrem  Wortlaut  und  nicht  immer  in  mustergültiger 
Fassung  vorgeführt,  dieselbe  Regel  wird  sogar  mehrmals  wiederholt 
(vgl.  59,  4  mit  24,  1;  80,  2).  S.  81,  2  zu  Cetie  vilie,  iouie  historique, 
.  . .  montrait  wird  bemerkt :  „tout  (ganz)^  sonst  nur  veränderlich  vor 
u.  s.  w."  Von  früherem  Sprachgebrauch  abgesehen,  passt  hier  die 
Regel  gar  nicht,  weil  tout  mer  besser  als  Adjektiv,  denn  als  Adverb 
gemsst  wird. 

Von  dieser  Lieferung  hat  die  Verlagshandlung  ebenso  wie  von 
der  20.  und  45.  (Michaud),  31.  und  46.  (S^gur),  sowie  vom  Th^ätre 
fran^ais  (Corn.,  le  Cid.  Delavigne,  Louis  XI.  Racine,  Athalie.  Moliäre, 
TAvare.)  eine  Doppelausgabe  veröffentlicht.  Ausgabe  A.  enthält  den 
Text  mit  untergesetztem  Anmerkungen,  Ausgabe  B.  den  Text,  dem  die 
Anmerkungen  in  einem  besonderen  Heftchen  beigegeben  werden.  Man 
will  damit  dem  Wunsche  vieler  Lehrer  entgegenkommen,  die  für  die 
Lektüre  in  den  oberen  Klassen  höherer  Lehranstalten  reine  Textaus- 
gaben ohne  Anmerkungen  oder  wenigstens  eine  Trennung  der  letzteren 
vom  Texte  verlangen.  Ich  kann  mich  nach  den  von  mir  gemachten 
Erfahrungen  dem  Wunsche  nicht  anschliessen ;  die  Göbersche  Samm- 
lung hat  ein  alphabetisches   Namensverzeichnis,   das  häufig   wohl  für 


Schdausgaben,  275 

die  Erklärung  des  Schriftstellers  ausreicht,  (jedoch  in  vielen  Fällen 
nicht;  ich  vermisse  z.  B.  in  Mignet,  vie  de  Franklin  die  Erklärung 
von  une  Charge  par  cascades,  die  ich  mir  erst  bei  dem  Physiker  der 
Anstalt  holen  musste)  aber  der  Schüler  sieht  es  ohne  Nötigung  nicht 
au,  und  wenn  ich  verlange,  dass  er  jeden  vorkommenden  Namen  auf- 
sucht und  die  Erklärung  in  sein  Vorbereitungsheft  einträgt,  so  könnte 
diese  doch  ebenso  gut,  wie  in  diesem  Heft,  gleich  unter  dem  Texte 
stehen.  Mein  Wunsch  geht  vielmehr  auf  eine  möglichste  Beschränkung 
der  Anmerkungen  in  Ausgaben,  die  für  die  Schule  bestimmt  sind,  eine 
Beschränkung,  die  nicht  die  sachlichen  Erklärungen,  in  erheblicher 
Weise  aber  die  grammatischen  trifft  und  lexikalische  Angaben  so  gut 
wie  ganz  ausschfiesst.  Insbesondere  finde  ich  die  Veranstaltung  einer 
Doppelausgabe  für  die  48.  Lieferung  überflüssig,  da  ich  kaum  erwarte, 
dass  sie  in  Schulen  irgend  welcher  Art  Eingang  finden  wird. 

49)  Voyage  du  jeune  Anacharsis  enGrece  par  Barth^lemy.  II. 
Legislation  de  Lycurgue,  —  Sur  la  nature  et  sur  Cohjet  de  la  trage'die. 
Mit  Anm.  zum  Schulgebr.  hg.  von  0.  Schulze.  Kart.  75  Pf.  (Vgl. 
diese  Zeitschr.  Bd.  IV,  S.  115.)  Ein  Heft,  das  sich  zur  Lektüre  für 
Prima  (dem  Thema  nach)  eignen,  dürfte,  zumal  da  auch  die  Anmerkungen 
(von  einigen,  namentlich  wenn  es  für  Prima  bestimmt  werden  sollte, 
überflüssigen  abgesehen)  recht  wohl  gelungen  sind. 

50)  Linvasion  par  Erckmann-Chatriau.  In  Auszügen.  Mit 
Anm.  zum  Schul-  und  Privatgebrauch  hg.  von  K.  Bandow.  Kart.  1  M. 
Da  das  Ganze  eben  weiter  nichts  ist  als  ein  Roman  und  manche  Btark 
romanhafte,  lediglich  auf  Spannung  berechnete,  phantastisch  und  un- 
wahrscheinliche Züge  enthält,  ist  das  Heft  lediglich  dem  Privatge- 
brauche zu  überweisen^  kann  aber  diesem  wegen  der  den  beiden 
Schriftstellern  auch  in  diesem  Werke  eigentümlichen  Vorzüge  lebhaft 
empfohlen  werden;  der  Auszug  ist  geschickt  gemacht,  die  gegebenen 
Erklärungen  sind  geeignet,  die  Privatlektüre  zu  fördern. 

Corneille 's  Cinna  ou  la  clemence  d^ Auguste.  Für  die  oberen  Klassen 
höherer  Lehranstalten  herausgegeben  von  Dr.  K.  Brunne- 
mann.  Julius  Zwissler,  1883.  I  und  78  S.  Kart.  IM.  — 
Corneille's  Pölyeucle,  Martyr.  Hg.  von  de  ms.  ebendas. 
1884.    I  und  76  S.    Brosch.  90  Pf. 

In  dem  Vorwort  zum  Cinna  bemerkt  der  Herausgeber,  dass  er  im 
J.  1877  bei  B.  G.  Teubner  zwei  ßändchen  ausgewählter  Dramen  Comeille's 
mit  erläuternden  Anmerkungen  veröffentlicht  habe;  dem  Schüler  solle 
es  durch  deren  Benutzung  ermöglicht  werden,  schon  bei  der  häuslichen 
Vorbereitung  so  in  das  Verständnis  des  Schriftstellers  einzudringen,  dass 
der  Lehrer,  anstatt  langatmige  Erklärungen  geben  zu  müssen,  bei  der 
Übersetzung  in  der  Klasse  nur  hier  und  da  helfend  einzugreifen  habe. 
Er  föhrt  dann  fort:  ^ Abgesehen  von  einer  gewissen  litterarischen  Clique, 
die  grundsätzlich  nichts  gelten  lässt,  was  nicht  von  einem  der  ihrigen 
ausgeht,  ist  den  beiden  Bändchen  durchweg  die  freundlichste  Beurteilung 
zuteil  geworden."  Der  erste  inhaltlich  angegebene  Satz  konnte  wohl  als 
selbstverständlich  angesehen  werden;  denn  wenn  ein  fremdsprachlicher 
Schriftsteller  zum  Schulgebrauch  mit  Anmerkungen  versehen  wird,  so  können 
diese  doch  qie  einen  anderen  Zweck  haben,  als  dem  vollen  in  der  Schule  zu 
erzielenden  Verständnis  vorzuarbeiten.  Ebenso  können  wir,  um  das  gleich 
hier  zu  bemerken,  den  im  Vorwort  aufgestellten  Grundsätzen  als  solchen, 
die  jetzt  so  ziemlich  allgemein  anerkannt  sind ,  unsere  Billigung  nicht 
versagen:  der  Hg.  will  dem  Drama  vorausschicken,  was  zn  seinem  Ver- 
ständnis im  allgemeinen  notwendig;  die  Anmerkungen  sollen  besonders 

18* 


"  ft'tt». 


'—  1S  «■•••■..■.';- 


Schulausgaben.  277 

Vers   1 1 :  Objektssatz,  abhängig  von  reprochez.^    Wird  der  Schüler,  wenn 
er  übersetzt  hat:    „und  wenn  (dass?)    ihr    meiner   traurigen    Erinnerung 
vorwerft**  zu  fragen  vergessen:  Was  werft  ihr  vor?V    Zu  par  sa  propre 
main  Vers  1 1 :    „Übertreibung,  er  wurde  nicht  von  Augustus  mit  eigener 
Hand  getödtet."     (Herr  Br.  bedient  sich  (1883)  der  Schulorthographie  (von 
1 880)  nur  ausnahmsweise,  seine  Ausgabe  dürfte  demnach  nicht  in  Schulen 
eingeführt  werden.)     Bleibt  dabei  nicht   die  Frage   unerledigt?:     Durfte 
der  Dichter    sich   so    ausdrücken?      Heisst   das    nicht   einfach   ihn  eines 
Fehlers   bezichtigen?    Quae  quis  alios   facere  iubet  ipse   fecisse   dicitur. 
„Was  soll  die  Anm.  zu  Vers    12:     Du  frone  oü  je  le  voü  faii  le  premier 
degre  „öii  für  sur  lequel^\     Wäre  vielleicht  oü  in  der  heutigen  Sprache 
unzulässig?    Ferner  „Construere  que  mon  pere  massacre  par  sa  propre 
main  a  fait  le  premier  degre  du  irone  oü  je  le  vois."^     Dergleichen  Kon- 
struktionsangaben finden  sich  durchschnittlich  ein  um  die  andere  Seite. 
Wäre  nicht  eine  Bemerkung  über  die  Freiheit  dichterischer  Wortstellung 
im    allgemeinen    für    den    Primaner   mehr   als   ausreichend?     Zu    encor 
V.  18 :  „poetisch  statt  encore"^  eine  in  dieser  Fassung  gewiss  unzulässige 
Bemerkung.    Zu  ne  V.  18:  abundirend  nach  plus  qve,^    Die  Eegel  über 
ne  nach  dem  Komparativ  lernt  jeder  Sekundaner,  dbundiei^end  klingt  aber 
sehr  schön,    Zu  ow  Vers  22  kehrt  wieder  (vgl.  V.  12):  Für  dans  lesquels, 
(Hier  genügt  wohl  für  den  sachkundigen  Leser  ein  !)    Endlich  findet  es 
zu  apprehendts  Vers  23  nach  quoique  Herr  Br.  für  nötig  einzuschärfen: 
„Subjonctif  wie  in  allen   Concessivsätzen    mit   quoique  und  hienque    (so! 
überhaupt   sind  Druckfehler  nicht  gerade  selten  z.  B.  S.  22:   conditiowel 
passe?V.     Wir  bemerken  noch,    dass  die  Anmerkung   qui  (auch  quiconque 
S.  35,  164)  statt  celui  qui  bis  zum  Überdruss  wiederkehrt,  dass  fast  kein 
en  oder  y  ohne  Anmerkung  wegkommt,  ebenso  dass  que  mit  dem  Kon- 
junktiv des  Wunsches  regelmässig  mit  der  Anm.:   imperativisch  ausge- 
zeichnet wird.     An   die  Anm.:   qui  statt   celui  qui  hat  Herr  Br.  sich  so 
gewöhnt,   dass  er   sie   auch   z.  B.   S.   57,  99  in  dem   Verse:   cet  empire 
Qui  nous  rend  odieux,  contre  qui  ron  conspire  für  statthaft  hält. 

Die  Anmerkungen  zum  Polyeucie  sind  in  gleicher  Weise  verfehlt, 
so  dass  ich  zu  jeder  Seite  Anmerkungen  wieder  eine  Seite  schreiben 
könnte;  ich  wäre  auch  diesmal  nicht  so  ausführlich  geworden  (und  für 
Sachkundige  ist  es  unnötig),  wenn  nicht  der  Ausfall  Brunnemann's  in 
dem  Vorwort  eine  gründliche,  sachliche  Widerlegung  erheischt  hätte. 
Es  sei  schliesslich  noch  der  Bemerkung  des  Vorworts  (vom  März  1883) 
gedacht,  dass  derselbe  seine  grammatischen  Bemerkungen  gewissermassen 
für  diejenigen  als  überflüssig  bezeichnet,  welche  die  französische  Gram- 
matik von  Eduard  Mätzner  oder  des  Herausgebers  Syntax  der  neufranz. 
Sprache  in  Händen  haben,  die  den  Schüler  „dann  allerdings  nirgends  im 
Stich  lassen.'' 

Rob.  Schwalb,  Chefs-d^oeuvre  dramatiques  de  la  liiierature  francaise. 
Racine,  Athalie.  3.  ed.  1863.  75  Pf.  Molifere,  VÄvare, 
2.  äd.  1860.  75  Pf.  Moliöre,  /<?  Misanthrope.  2.  6d,  1860. 
75  Pf.  Biblioth'eque  choisie  de  la  litterature  francaise  en  prose, 
Guizot,  Discours  siir  Thisioire  de  la  re'volution  d^Angleterre, 
2.  ^d.  1877.  60  Pf.  Guizot,  ffistoire  de  Charles  /«  depuis 
son  avenement  jusqu*ä  sa  mori.  3.  ^d.  1875.  1  M.  Recits 
hisioriques  par  Augustin  Thierrg  et  M"**  Campan.  1859.  75  Pf. 
G.  D.  Bädeker,  Essen. 

Die  Einsicht  des  Schulbücherkatalogs  der  oben  benannten  Verlags- 
handlung und  die  unter  den  betr.  Titeln  abgedruckte  Kritik  der  Päda- 
gogischen Bevue,  die  den  Ausgaben  einen  „korrekten  Text,  weises  Mass 


276  Liiiei'arische  Chronik.    C.  Th.  Lion^ 

sachlicher  und  historischer  Art  sein,  grammatische  Schwierigkeiten  nur 
da  berührt  werden,  wo  es  mindenstens  fraglich  ist,  ob  der  Schüler  an 
der  Hand  seiner  Grammatik  im  stände  sein  würde  sie  selbständig  zu 
überwinden;  ästhetisches  Baisonnement  ist  als  nicht  in  die  Schule  gehörig 
ausgeschlossen.  Nur  über  den  letzten  Punkt,  für  den  der  Hg.  uns  den 
Beweis  schuldi}^  bleibt,  liesse  sich  streiten,  im  Übrigen  können  wir  ihm 
bereitwillig  beipflichten.  Ehe  wir  auf  das  Einzelne  eingehen,  einige 
Worte  über  die  „gewisse  litterarische  Clique".  Ich  verfolge  nun  seit  dem 
Bestehen  dieser  Zeitschrift,  also  seit  dem  Jahre  1879,  mit  unausgesetzter 
Aufmerksamkeit  die  Bewegung  auf  dem  Gebiete  des  franz.  Schulausgaben, 
die  Ausgaben  selbst  gehen  mir  zur  Beurteilung  zu,  ich  l»eachte  zugleich 
die  Kezensionen,  die  anderweitig  erscheinen ,  soweit  sie  mir  zugänglich 
sind;  von  dem  Bestehen  jener  „Clique"  habe  ich  nichts  wahrgenommen; 
von  „freundlichster  Beurteilung"  der  Brunneman naschen  Ausgaben  habe 
ich  (vgl.  diese  Zeitschr.  V,  2  S.  112)  nur  eine  gefunden,  wenn  ich  auch 
nicht  bezweifeln  will,  dass  mehrere  Beui-teilungen  jener  Art  veröffentlicht 
sind:  wohl  aber  andere  gegenteiliger  Art;  zum  Beweise  will  ich  nur  an 
die  von  Herding,  seiner  Ausgabe  des  Cinna  (Erlangen,  A.  Deichert.  1880.) 
voraufgeschickte  Vorrede  erinnern  (vgl.  diese  Zeitschr.  III,  478).  Dem- 
nach muss  ich  das  Bestehen  jener  Clique  in  Abrede  stellen 
und  den  darin  liegenden  Vorwurf  einer  gehässigen  Kritik 
im  Namen  aller  dabei  Beteiligten  energisch  zurückweisen. 
Ich  will  nicht  leugnen,  dass  bei  der  Beurteilung  der  Ausgaben  Brunne- 
mann's  nicht  hie  und  da  ein  Ton  angeschlagen  sein  mag,  der  sich  von 
dem  Boden  einer  rein  sachlichen  Kritik  hin  und  wieder  entfernt,  ich 
kann  das  nicht  billigen,  aber  wohl,  wenn  einer,  wie  G.  Ei-zgräber  (vgl. 
diese  Zeitschr.  V,  2  S.  120)  der  Ansicht  ist,  dass  „Herr  Brunnemann  den 

futen  Namen  des  deutschen  Lehrerstandes  mit  seinen  traurigen   Publi- 
ationen  zu  untergraben  sich  angelegen  sein"  lässt,  entschuldigen. 

Die  Einleitungen  zum  Cinna  wie  zum  Polyeucte  halten,  was  sie 
versprechen.  Der  Hg.  zeigt  sich  indessen  und  zwar  hier  mit  Recht  im 
Widerstreit  mit  seinem  Programm,  als  er  über  die  ästhetische  Würdigung, 
die  die  Stücke  bei  den  Zeitgenossen  und  Späteren  gefunden  haben,  be- 
richtet und  hin  und  wieder  seine  eigenen  Bemerkungen  daran  knüpft. 
Die  Schwäche  der  Ausgabe  liegt  in  den  Anmerkungen,  über  die  ich 
genau  dasselbe  Urteil  fällen  muss  wie  Herding.  Gehen  wir  die  auf 
S.  9,  der  ersten  Seite  des  Cinna  sämtlich  durch.  Zu  illustre  Vers  1 : 
„insofern  es  sich  um  die  Person  des  Kaisers  handelt":  gut  Zu  J)ont 
Vers  2:  „Attributivbestimmung  zu  la  naissance.^  Überflüssig:  Sollte  ein 
Primaner  noch  nicht  mit  Sätzen  wie  Le  päre  dont  les  enfants  ont  vu 
l'ours  .  .  .  fertig  werden  können?  Zu  souffrez  qtie  je  respire  et  que  consi- 
dere  V.  6  und  7:  „Objektssätze  abhängig  von  souffrez,  daher  als  von 
einem  Verb  der  Billigung  oder  des  WoUens  abhänrig,  der  Subjonctif." 
Ist  die  Angabe  der  einfachsten  Begeln  über  den  Konjunktiv  für  den 
Primaner  noch  notwendig?  Ich  würde,  da  die  Form  des  Konj.  als  solche 
hier,  nicht  kenntlich  ist,  eine  Frage:  „welcher  Modus?"  für  allenfalls  er- 
laubt, aber  doch  für  gänzlich  entbehrlich  halten.  Zu  et  gue  (votis  re- 
prochez)     Vers    10:    „Zur    Vermeidung   der   Wiederholung   von   quatid, 

äuand  on  saura  mon  crime  et  que  ta  flamme  dttre,  Corneille  le  Cid.** 
b  das  gue  hier  quand  wiederaufnimmt,  ist  fraglich  und  mag  unent- 
schieden bleiben  (vgl.  diese  Zeitschr.  III,  S.  479),  aber  das  Beispiel,  das 
Br.  anführt,  ist  so  unglücklich  wie  möglich  gewählt  und  würde  gerade 
das  Gegenteil  beweisen :  es  ist  für  jedermann  ersichtlich,  dass  et  que  ta 
flamme  dure  (schon  wegen  der  Verschiedenheit  der  Zeiten  saura  und 
dure)  ein  Objektssatz,  dem  Objekte   mon  crime  beigeordnet,  ist.    Zu  que 


Schulausgaben.  277 

Vers  1 1 :  Objektssatz,  abhängig  von  reprockez.^  Wird  der  Schüler,  wenn 
er  übersetzt  hat:  „und  wenn  (dass?)  ihr  meiner  traurigen  Erinnerung 
vorwerft'*  zu  fragen  vergessen :  Was  werft  ihr  vor  ?  ?  Zu  par  sa  propre 
main  Vers  1 1 :  „Übertreibung,  er  wurde  nicht  von  Augustus  mit  eigener 
Hand  getö^to."  (Herr  Br.  bedient  sich  (1883)  der  Schulorthographie  (von 
1880)  nur  ausnahmsweise,  seine  Ausgabe  dürfte  demnach  nicht  in  Schulen 
eingeführt  werden.)  Bleibt  dabei  nicht  die  Frage  unerledigt?:  Durfte 
der  Dichter  sich  so  ausdrücken?  Heisst  das  nicht  einfach  ihn  eines 
Fehlers  bezichtigen?  Quae  quis  alios  facere  iubet  ipae  fecisse  dicitur. 
„Was  soll  die  Anm.  zu  Vers  12 :  Du  frone  oü  je  le  vois  faii  le  premier 
(Legre  „öw  für  sur  lequeV.  Wäre  vielleicht  oü  in  der  heutigen  Sprache 
unzulässig?  Ferner  „Constrmre  que  mon  pere  massacre  par  sa  propre 
main  a  fait  le  premier  degre  du  irone  oü  je  le  i?öw."  Dergleichen  Kon- 
struktionsangaben finden  sich  durchschnittlich  ein  um  die  andere  Seite. 
Wäre  nicht  eine  Bemerkung  über  die  Freiheit  dichterischer  Wortstellung 
im  allgemeinen  für  den  Primaner  mehr  als  ausreichend?  Zu  encor 
V.  18:  „poetisch  statt  encor e*^^  eine  in  dieser  Fassung  gewiss  unzulässige 
Bemerkung.  Zu  ne  V.  18:  abunderend  nach  plus  que.^  Die  Eegel  über 
ne  nach  dem  Komparativ  lernt  jeder  Sekundaner,  ahundiei^end  klingt  aber 
sehr  schön,  Zu  o^i  Vers  22  kehrt  wieder  (vgl.  V.  12):  Für  dans  lesquels, 
(Hier  genügt  wohl  für  den  sachkundigen  Leser  ein  !)  Endlich  findet  es 
zu  apprehendts  Vers  23  nach  quoique  Herr  Br.  für  nötig  einzuschärfen: 
„Subjonctif  wie  in  allen  Concessivsätzen  mit  quoique  und  Henque  (so! 
überhaupt  sind  Druckfehler  nicht  gerade  selten  z.  B.  S.  22:  conditionel 
passiv.  Wir  bemerken  noch,  dass  die  Anmerkung  qui  (auch  quiconqiie 
S.  35,  164)  statt  celni  qui  bis  zum  Überdruss  wiederkehrt,  dass  fast  kein 
en  oder  y  ohne  Anmerkung  wegkommt,  ebenso  dass  que  mit  dem  Kon- 
junktiv des  Wunsches  regelmässig  mit  der  Anm.:  imperativisch  ausge- 
zeichnet wird.  An  die  Anm. :  qui  statt  celui  qui  hat  Herr  Br.  sich  so 
gewöhnt,  dass  er  sie  auch  z.  B.  S.  57,  99  in  dem  Verse:  cet  empire 
Qui  nous  rend  odieitx,  contre  qui  ron  conspire  für  statthaft  hält. 

Die  Anmerkungen  zum  Polyeucie  sind  in  gleicher  Weise  verfehlt, 
so  dass  ich  zu  jeder  Seite  Anmerkungen  wieder  eine  Seite  schreiben 
könnte;  ich  wäre  auch  diesmal  nicht  so  ausführlich  geworden  (und  für 
Sachkundige  ist  es  unnötig),  wenn  nicht  der  Ausfall  Brunnemann*s  in 
dem  Vorwort  eine  gründliche,  sachliche  Widerlegung  erheischt  hätte. 
Es  sei  schliesslich  noch  der  Bemerkung  des  Vorworts  (vom  März  1883) 
gedacht,  dass  derselbe  seine  grammatischen  Bemerkungen  gewissermassen 
für  diejenigen  als  überflüssig  bezeichnet,  welche  die  französische  Gram- 
matik von  Eduard  Mätzner  oder  des  Herausgebers  Syntax  der  neufranz. 
Sprache  in  Händen  haben,  die  den  Schüler  „dann  allerdings  m'rgends  im 
Stich  lassen.'' 

Rob.  Schwalb,  Chefs-d^oeuvre  dramatiques  de  la  liiterature  francaise. 
Racine,  Aihalie.  3.  ed.  1863.  75  Pf.  Molifere,  FAvare, 
2.  äd.  1860.  75  Pf.  Moliöre,  le  Misanihrope.  2.  ^d.  1860. 
75  Pf.  Biblioiheque  choisie  de  la  litterature  francaise  en  prose, 
Guizot,  Discours  sur  Fhisioire  de  la  revolution  d^Angleierre. 
2.  äd.  1877.  60  Pf.  Guizot,  Histoire  de  Charles  /"  depuis 
son  avenement  jusqtCä  sa  mori,  3.  ^d.  1875.  1  M.  Recits 
historiques  par  Augustin  Thierrg  et  M^  Campan.  1859.  75  Pf. 
G.  D.  Bädeker,  Essen. 

Die  Einsicht  des  Schalbücherkatalogs  der  oben  benannten  Verlags - 
handlung  und  die  unter  den  betr.  Titeln  abgedruckte  Kritik  der  Päda- 
gogischen Revue,  die  den  Ausgaben  einen  „korrekten  Text,  weises  Mass 


278  Liiterarische  Chroruk.    C.  Th.  Lion, 

in  den  Noten,  gnte  Einleitungen,  treffliche  äusserliche  (so!)  Ausstattung, 
wohlfeilen  Preis"  als  Vorzüge  nachrühmt,  bestimmte  mich,  dieselben  für 
die  Besprechung  in  dieser  Zeitschrift  zu  erbitten^  ohne  dass  ich  davon 
eine  Ahnung  hatte,  dass  die  Ausgaben  aus  den  Jahren  1859  —  1877  her- 
rührten. Die  Durchsicht  dieser  Ausgaben  ist  in  mancher  Beziehung  in- 
teressant. Im  allgemeinen  können  sie  uns  den  Fortschritt  vergegen- 
wärtigen, der  seit  jener  Zeit  in  den  Schulausgaben  gemacht  worden  ist. 
Die  damals  treffliche  äussere  Ausstattung  sticht  bedeutend  zu  ihrem 
Nachteil  ab  gegen  die  der  Prosateurs  und  des  Theätre  fran<^ais,  sowie 
der  weiter  unten  zu  besprechenden  Aasgaben.  Der  Druck  ist  in  so 
kleinen  Lettern  ausgeführt,  dass  man  jetzt  überhaupt  nicht  mehr  wagen 
würde,  die  Ausgaben  zur  Einführung  vorzuschlagen.  Die  Einleitungen 
und  Anmerkungen  zu  den  Chefs -d^cßuvres  dramaXiques  sind  in  französi- 
scher Sprache  geschi-ieben,  d.  h.  nicht  ohne  Geschmack  aus  den  von 
Franzosen  herrührenden  Ausgaben  kompiliert.  Wo  der  Hg.  auf  sich  selbst 
angewiesen  ist,  ist  er  von  Fehlern  nicht  sicher,  z.  B.  la  delice  statt  le 
äe'lice.  Man  ist  jetzt  allgemein  davon  zurückgekommen,  die  Anmerkun- 
gen in  französischer  Sprache  abzufassen  (Zitate  aus  französischen  Ausgaben, 
aus  Littre  u.  dgl.  machen  selbstverständlich  Ausnahme:  die  Rücksicht 
auf  den  Standpunkt  der  Schüler,  für  die  die  betr.  Ausg.  bestimmt  ist,  ist 
in  der  Beziehung  das  allein  Entscheidende).  In  der  Ausgabe  der  Athalie 
finden  sich  bereits  sorgfältig  alle  Bibelstellen  angeführt,  auf  die  der 
Dichter  anspielt.  Abgesehen  von  dem  Deutsch -Französisch,  das  sich  in 
manchen  Anmerkungen  findet  (z.  B.  S.  57:  Le  pluriel  eux  n*a  rien  de 
choguani,  le  mot  pauvre  etani  employe  dans  un  sens  coUectif)  hat  die 
Erklärung  manche  gute  Seiten,  wenn  sie  auch  durchweg  den  philologi- 
schen oder  wissenschaftlichen  Charakter  vermissen  lässt  (z.  B.  S.  41 : 
Potir  ä  qui  ü  fandrait,  en  prose,  auxquels).  In  noch  höherem  Grade 
als  die  Athalie  dürfen  die  Ausgaben  der  beiden  Stücke  Molifere's  heute 
als  überholt  gelten. 

Guizot's  Discours  etc.  ist  unverkürzt  gegeben,  hin  und  wieder, 
aber  sehr  selten  mit  einer  deutschen  Anmerkung;  der  Text  hätte  wohl 
ab  und  zu  eine  solche  notwendig  gemacht,  im  allgemeinen  aber  finde 
ich  in  dem  82  Seiten  umfassenden  Buche,  das  im  1.  Kap.  Ursachen  und 
Beginn  der  Revolution,  das  lange  Parlament,  im  9.  Resultat  und  Folgen 
der  Revolution,  im  10.  Washington  und  Nord- Amerikas  Freiheitskampf 
behandelt,  eine  sehr  geeignete  Lektüre  für  Prima  und  kann  da- 
bei nur  die  Wahl  der  kleinen  Lettern  bedauern. 

Guizot,  histoire  de  Charles  I^  habe  ich  mit  der  bei  Weidmann 
in  2  Abteilungen,  die  einen  Band  bilden  sollen  (I.  Bd.  Erste  Abteilung. 
Buch  I-IV.  1,80  Mk.  Zweite  Abteilung.  Buch  V— VIII.  2,25  Mk.)  ver- 
glichen. Die  Ausgabe  beginnt  mit  Livre  II,  S.  79.  I,  1  Weidmann  und 
gibt  dann  einen  unverkürzten  Text  bis  zum  Schluss  des  Livre  III.  Dann 
folgt  S.  81—152  der  Schluss  des  Werkes  (Livr.  VII,  gegen  Ende,  S.  156, 
I,  2  Weiduaann,  S,  281).  Auch  die  Weidmännische  Ausgabe  ist  unvoll- 
ständig, weil  angeblich  diejenigen  Stellen  weggelassen  sind,  »in  welchen 
Guizot  durch  seine  Neigung  zu  moralisieren  sich  zu  sehr  hat  hinreissen 
lassen,  und  die  dadurch  ermüdend  auf  den  Leser  einwirken.  Der  Inhalt 
der  weggelassenen  Stellen  ist  jedes  Mal  kurz  in  deutscher  Sprache  an- 
gegeben worden,  so  dass  der  Zusammenhang  nicht  gelöst  und  das  Ver- 
ständnis nicht  gestört  ist".  Bei  der  vorliegenden  Ausgabe  ist  am  An- 
fange und  in  der  Mitte  das  gleiche  Verfahren  mit  grösseren  Abschnitten 
beobachtet,  ein  Verfahren,  das  wir  mit  Rücksicht  auf  die  Anforderungen 
der  Schule  eher  billigen  können  als  jenes.  Der  Schüler  bekommt  mit 
dem  einen  Bande  Schwalb*s  eher  ein  Ganzes  in  die  Hände  als  mit   den 


Schxdausgahen,  279 

zweien  bei  Weidmann,  und  der  Leser  kann  sich  eher  eine  Vorstellung 
von  dem  Schriftsteller  machen,  der  in  den  gegebenen  Stücken  wenigstens 
sein  Fleisch  und  Blut  behält:  nur  ein  Band  kann  aber  der  verfügbaren 
Zeit  wegen  in  der  Schule  gelesen  werden.  Sollte  die  Ausgabe  daher  ja 
einmal  eine  neue  Auflage  erfahren,  was  wir  ihr  im  Interesse  der  Schule 
eher  wünschen  als  der  Weidmännischen  unpraktischen,  so  würden  wir 
einerseits  die  Beigabe  notwendiger  sachlicher  Erläuterungen,  andererseits 
selbstverständlich  die  Wahl  grösserer  Typen  anraten. 

In  den  Recits  hisioriques  par  Augustin  Thierry  (dessen  Re'cits 
des  temps  merowingiens  entnommen)  et  M™«  Camp  an  (aus  den  M^- 
moires  sur  la  vie  pnve'e  de  Marie-Antoinetle)  vermag  ich  keine  geeig- 
nete Schullektüre  zu  erkennen;  in  dem  ersteren  Abschnitt,  welcher  von 
S,  15—54  in  10  Kapiteln  die  Charaktere  der  Fredegunde  und  Brunhilde 
zur  Darstellung  btingt,  deshalb  nicht,  weil  darin  (zum  Teil  sagenhafte) 
Thatsachen  ausführlich  behandelt  werden,  die  mit  Recht  im  eigent- 
lichen Geschichtsunterricht  kurz  abgethan  werden;  in  dem  zweiten  von 
S.  57  bis  S.  94,  der  in  4  Kapiteln  (I.  Historischer  Überblick.  II.  Die 
Halsbandgeschichte.  III.  Der  5.  und  6.  Oktober  1789.  IV.  Der  10.  August 
1792)  uns  Einzelheiten  aus  der  französischen  Bevolutionsgeschichte  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Königin  Marie-Antoinette  vorführt,  fehlt 
der  innere  Zusammenhang,  so  dass  der  Leser  keine  Befriedigung  aus  der 
Lektüre  gewinnen  kann.  Der  mit  der  Zusammenstellung  in  der  Ausgabe 
gemachte  Versuch  ist  zwar  wohl  gemeint  (der  Hg.  schreibt  darüber:  In 
beiden  (historischen  Gemälden)  wie  viel  Stoif  und  Veranlassung  zu  in- 
teressanten Vergleichen,  Vor-  und  Bückblicken  und  Betrachtungen  über 
die  Geschichte  Frankreichs,  über  die  Schicksale  der  Völker  und  Herrscher!), 
aber  meines  Erachtens  für  die  Schule  verloren  und  anderen  Lesern 
möchten  wir  doch  die  Originalwerke  eher  zur  Lektüre  empfehlen. 

Französische  (und  Englische)  Schulbibliothek.  Leipzig,  Renger- 
sche  Buchhandlung,  Gebhardt  und  Wilisch.     1883  und  1884. 

Band  L  Siege  d'Anüoche  et  Prise  de  Jerusalem  {hvlb  Histoire  des 
croisades  von  Joseph -Fran9ois  Michaud.  Mit  drei  eingedruckten 
Karten  für  den  Schulgebrauch  erklärt  von  Franz  Hummel.  X  und 
86  S.  geb.  1  M.  15  Pf.  Band  H.  Bisioire  de  France  de  1560—1643 
aus  Histoire  de  France  von  Victor  Duruy.  Mit  drei  Kartenskizzen  und 
einer  Spezialkarte  Frankreichs.  Für  die  Schulen  erklärt  von  Alfred 
G,  Meyer.  92  S.  1  M.  30  Pf.  Band  III.  Conside'raiions  sur  les  causes 
de  la  grandeur  des  Romains  ei  de  leur  decadence  (Chapitre  I — XV)  von 
Montesquieu.  Für  die  Schulen  erklärt  von  B.  Lengnick.  VIII  und 
107  S.  1  M.  35  Pf.  Band  X.  Moeurs  ei  couiumes  des  croisades  (aus 
hisioire  des  a'oisadesj  von  Joseph-Fran^ois  Michaud.  Für  die 
Schulen  erklärt  von  Franz  Hummel.     VÜL  und  100  S.     1.  M.  25  Pf. 

Wir  haben  es  in  den  vorliegenden  Bändchen  mit  einem  seit  dem 
1.  Oktober  1883  ins  Leben  getretenen  neuen  Unternehmen  zu  thun.  Es 
sei  vorweg  bemerkt,  dass  auch  hier  die  Verlagshandlung  in  bezug  auf 
Druck,  Papier  und  Einband  das  Ihrige  gethan  hat,  um  den  Anforderun- 
gen, die  man  jetzt  an  ein  Schulbuch  stellt,  zu  entsprechen.  Die  An- 
kündigung der  Redaktion  (E.  A.  Dick  mann)  nimmt  von  den  15  Thesen 
der  dritten  Direktoren  Versammlung  der  Provinz  Hannover  die  8.,  9.,  10. 
und  11.  These  in  den  Prospekt  auf  (vgl.  diese  Zeitschr.  V,  S.  111  und 
S.  175  ff.).  Diese  Thesen  sollen  nach  folgenden  Grundsätzen  durchgeführt 
werden:  1)  nur  Prosawerke,  überwiegend  historischen  Inhalts. 
2)  jeder  Band  enthält  den  Lesestoff  für  ein  Semester;  Teile  eines 
Ganzen,  die  in  sich  eine  Art  Ganzes  bilden.     3)  Vorausgeschickt  wird 


280  Lilterariscfie  Chronik.     C\  Th.  Lion, 

eine  kurze  Biographie  des  Schriftstellers  und  Zusammenstellung  des 
sonst  zum  Verständnis  im  voraus  Notwendigen.  4)  Text  nach  den 
besten  Autoritäten,  Orthographie  der  Acad.  1877.  5)  Anmerkungen  in 
deutscher  Sprache  folgen  dem  Texte  nach.  6)  Die  Erklärung  bringt 
alles  sachlich  Notwendige.  Sprachliche  Bemerkungen  nur 
da,  wo  eine  Eigenheit  oder  Abweichung  vom  herrschenden  Sprachge- 
brauch vorliegt;  Grammatisches  nur  ausnahmsweise;  keine  synonymischen 
und  etymologisierenden  Exkurse.  7)  Ausschluss  von  Übersetzungen, 
soweit  sie  nur  die  Trägheit  des  Schülers  fördern ;  keinSpeziallexikon. 
8)  Aussprachebezeichnungen  nur  da,  wo  die  verbreitetsten  Wörter- 
bücher und  Grammatiken  im  Stich  lassen  (9.  10.  11.  unwesentlich). 

Ich  habe  daran  nichts  wesentliches  auszusetzen.  Der  erste  Grund- 
satz mit  seinem  beschränkenden  Überwiegend  schliesst  ja  andere 
wünschenswerte  Veröffentlichungen  nicht  aus.  Die  Ausführung  des 
2.  Grundsatzes  ist  von  Fall  zu  Fall  zu  prüfen.  Über  den  fünften  Grund- 
satz habe  ich  mich  oben  schon  ausgesprochen ;  wenn  ich  nicht  einmal 
bei  den  Velhagen-Elasing'schen  Ausgaben  die  Notwendigkeit  einsehen 
kann,  so  hat  es  doch  bei  diesen  eine  gewisse  Berechtigung  Text  und 
Anmerkungen  zu  trennen,  weil  die  letzteren  das  manchem  wünschens- 
werte, für  den  Schüler  aber  unter  dem  Text  in  der  Weise,  wie  es  häufig 
geschehen  ist,  nicht  angemessene  „Accessit"  der  grammatischen  Bemer- 
kungen einerseits  und  häufige  lexikologischen  Bemerkungen  anderseits 
enthalten.  Ausserdem  ist  das  in  den  Velhagen-Elasing'schen  Ausgaben 
eingehaltene  Verfahren  insofern  praktischer,  als  die  Anmerkungen  in 
einem  besonders  gehefteten  Anhang  beigegeben  werden,  also  bei  der 
Vorbereitung  auf  die  Lektüre  daneben  gelegt  werden  und  in  der  Schule 
dann  unsichtbar  bleiben  können.  Ganz  unzweckmässig  ist  dagegen  das 
Verfahren  in  den  von  Dickmann  redigiei*ten  Ausgaben.  Wenn  der 
Schüler  weiss,  dass  er  für  die  Erleichterung  des  sprachlichen  Verständ- 
nisses in  den  Anmerkungen  nach  dem  Texte  keine  Hilfe  findet,  so  würde 
ich  es  ihm  geradezu  verdenken,  wenn  er  sich  seine  Arbeit  noch  durch 
deren' Studium  vergrössern  wollte.  Daas  sich  eine  Gegenwirkung  gegen 
die  üblichen  Fussnoten  zeigt,  ist  mir^  der  ich  die  Schulausgaben  kraft 
des  mir  von  der  Redaktion  dieser  Zeitschrift  gewordenen  Auftrages 
durchmustere,  durchaus  verständlich,  aber  man  sollte  da  bessernd  ein- 
treten, nicht  das  Kind  mit  dem  Bade  ausschütten. 

Die  Lectures  choisies  von  Plötz  geben  aus  Micha ud:  Pierre  VEr- 
mite,  Concile  de  Clermont,  Prise  d'Antioche,  Prise  de  Jerusalem, 
S.  42  —  S.  64,  und  damit  kein  übeles  Bild  des  Geistes,  der  den  ersten 
Kreuzzug  hervorrief  und  beseelte,  sowie  der  Haupterei gnis^e.  Lamp- 
recht  hat  1879  bei  Weidmann  die  vollständige  Geschichte  des  ersten 
Kreuzzuges  in  1  Bd.  (2,25  M.)  veröff'entlicht,  doch  dabei  eine  Anzahl  von 
Stellen  gekürzt;  dieser  Ausgabe,  die  von  Hummel,  wenn  auch  in 
selbständiger  Weise  benutzt  ist,  konnte  mit  einem  Worte  gedacht  werden. 
Hummel  hat  nun  der  Anlage  der  Ausgabe  gemäss  die  Belagerung  von 
Antiochien  und  die  Eroberung  Jerusalems  gewählt,  sein  Text  erscheint 
mir  in  diesen  Stücken  besser  gestaltet  als  der  Lamprecht's,  weil  er  nicht 
in  gleicher  Weise  gekürzt  ist.  Hummel  beginnt  mit  Livr.  V :  Lamprecht. 
Der  erste  Absatz  findet  sich  bei  beiden;  Absatz  2  Hummel  fehlt  bei 
Lamprecht,  derselbe  enthält  eine  charakteristische  Anrede  des  Bischofs 
Adh^mar  von  Puy  an  die  Kreuzfahrer,  die  ich  ungern  missen  würde. 
Weitere  Vergleichung  lieferte  ähnliche  Ergebnisse.  Die  Anmerkungen 
Hummels  umfassen  7  Seiten  und  enthalten  nur  sachliche  Anmerkungen, 
die  entschieden  mit  Sorgfalt  abgefasst  sind  und  auch  wohl  ausreichend 
sein  dürften.    Auf  S.  85  f.  folgt  als  schliessliche  Beigabe  eine  Zeittafel 


SchtilatAsgaben.  281 

für  die  Belagerung  von  Antiochia  und  die  Einnahme  von  Jerusalem,  wohl 
geeignet^  die  Übersicht  über  die  dargestellten  Ereignisse  zu  fördern.  Trotz 
alledem  glaube  ich,  dass  für  das  Bändchen  eine  andere  Wahl  zweck- 
mässiger gewesen  sein  würde.  Das  Hauptinteresse  des  ersten  Kreuzzuges 
liegt  in  der  Art  und  Weise  wie  er  zu  Stande  kam,  darum  meine  ich, 
dass  das  erste  gegebene  Stück  wohl  durch  ein  anderes,  am  besten  wohl 
mit  dem  von  Plötz  und  nach  ihm  vielfach  sonst  beliebten  Anfang:  »La 
gloire  de  delivrer  Jerusalem"  (Lamprecht,  S.  13)  ersetzt  werden  würde.  Die 
Eroberung  Jerusalems  scheint  mir  dagegen  gut  gewählt,  um  einem  solchen 
Bändchen  den  erforderlichen  Abschluss  zu  geben. 

Den  2.  Band,  einige  Stücke  aus  Dur uy,  histoire  de  France  (I.  Die 
Hugenottenkriege  bis  zum  Tode  Karl's  IX.  II.  Ausgang  der  Hugenotten- 
kriege. III.  Heinrich  IV.  IV.  Richelieu.)  glaube  ich  als  eine  nach  In- 
halt und  Form  geeignete  Lektüre  für  Sekunda,  Privatlektüre  für 
Prima  bezeichnen  zu  dürfen.  Den  einzelnen  Kapiteln  sind  deutsch  abge- 
fasste  Einleitungen  vorangeschickt;  wo  Stellen  ausgelassen  sind,  ist  der 
Übergang  durch  eine  deutsche  Inhaltsangabe  vermittelt. 

Der  3.  Band,  Montesquieu,  bringt  die  ersten  15.  Kapitel  und 
den  Anfang  des  16.  der  consiäe'rations  eic.  Als  Grund  für  die  Kürzung 
wird  angegeben,  dass  man  im  Unterricht  bei  der  Darstellung  der  römi- 
schen Geschichte  mit  vollem  Recht  nur  bis  auf  Augustus,  höchstens  bis 
auf  die  Zeit  der  Antonine  gehe;  sodann  habe  diese  Beschränkung  den 
Vorteil,  gerade  nur  so  viel  Lesestoff  zu  bieten,  als  für  ein  halbes  Jahr 
erforderlich  sei.  Ich  würde  früher  wahrscheinlich  unbedingt  gegen  jede 
Kürzung  des  Werkes  von  Montesquieu  Verwahrung  eingelegt  haben, 
jetzt  bestimmen  mich  mit  dessen  Lektüre  in  der  Gymnaaialprima  gemachte 
Erfahrungen  dazu,  mich  nicht  mehr  dagegen  zu  erklären:  es  ist  nicht 
möglich,  das  für  einen  Teil  des  Werkes  ziemlich  lebendige  Interesse  für 
die  Lektüre  des  ganzen  auf  gleicher  Höhe  zu  halten,  ich  bin  deshalb 
nach  der  Beendigung  der  ersten  Kapitel,  sobald  die  Schüler  Geläufigkeit 
im  Übersetzen  erlangt  hatten  und  zur  weiteren  Privatlektüre  hinreichend 
befähigt  waren ,  namentlich  ttuch  der  Zeit  halber,  da  zugleich  im 
Jahre  Moli^re,  Corneille  oder  Racine  gelesen  werden  musa,  zu  anderer 
Lektüre  übergegangen.  Da  nun  in  der  Ausgabe  Erzgräber's  bei  Weid- 
mann eine  leidlich  gute  und  leicht  zu  beschaffende  Ausgabe  des  ganzen 
Werkes  vorhanden  ist,  schadet  es  nichts,  für  die  Schule  eine  Kürzung 
vorzunehmen.  Ich  halte  aber  die  hier  vorgenommene  nicht  für  zweck- 
mässig. Der  dafür  angegebene  Grund  ist  hinfällig,  ich  kann  das  „mit 
vollem  Rechte"  nicht  zu  Recht  anerkennen ;  ausserdem  schwindet  dadurch 
der  einheitliche  Charakter  der  Consid^rations ;  eine  ändert  Weise  der 
Kürzung  für  Schulzwecke  wurde  ich  demnach  eher  billigen.  Auffallender 
Weise  zeigt  die  vorliegende  Ausgabe  insofern  eine  Abweichung  von  den 
übrigen,  als  sprachliche  Anmerkungen  (und  dazu  nicht  immer  gelungene) 
unter  detn  Texte  sich  finden:  z.  B.  S.  20,  14  zu  a  preseni  les  soldats 
sont  pour  rien,  ou  pour  peu,  et  les  gens  de  Cari  pour  beaucoup:  „Re- 
gelrecht müsste  es  heissen:  ne  sont  pour  rien  u.  s.  w."  Es  war  hier 
lediglich  die  Aufgabe  des  Erklärers,  rien  in  negativer  Bedeutung  auch, 
ohne  dass  dem  Verb  ne  vorangeht,  nachzuweisen,  nicht  die  Sprache 
Montesquieu*8  zu  bemängeln.  S.  15,  35:  „des  anciennes  nuBurs:des,  um 
den  Begriff  des  Adjektivs  besonders  hervorzuheben",  ist  eine  der  Ausgabe 
Erzgräber's  (dessen  Name,  wie  wir  ein  gleiches  nun  schon  mehrfach  bei 
ähnlicher  Gelegenheit  beobachtet  haben,  vom  Hg.  nicht  erwähnt  wird) 
entlehnte  Anmerkung,  die  ich  für  unrichtig,  mindestens  für  nichtssagend 
halte:  das  Richtige  bei  Lücking,  fr.  (Schul)gram.  S.  358,  Anm.  1)«    Wk 


282  Litterarische  Chronik.    C.  Th.  Lion, 

ich  darüber  denke,  möge  man  meinen  obigen  allgemeinen  Bemerkungen 
über  die  Renger'sche  franz.  Schulbibliothek  entnehmen. 

Der  10.  Band  (Bd.  4 — 9:  englisch)  gibt  eine  Darstellung  der  Sitten 
und  Gebräuche  bei  den  Kreuzzügen  in  einem  Auszuge  aus  dem  XXI.  Buche 
von  Michaud's  histoire  des  a^oisades.  Der  Hg.  nimmt  an,  dass  der 
gegebene  Stoff  eine  vortreffliche  Lektüre  etwa  für  eine  Obersekunda  bilden 
würde.  Bücksichtlich  des  Inhalts  stimme  ich  ihm  bei,  weniger  mit  Hin- 
sicht auf  die  Sprache;  danach  möchte  ich  das  Bändchen,  das  ich  sonst 
auch  für  sehr  ansprechend  halte,  lieber  der  Untersekunda  zuweisen;  ob 
es  trotz  alledem  auf  den  Zukunftskanon  zu  setzen  ist,  erscheint  mir  doch 
noch  fraglich:  man  wird  demnächst,  d.  h.  nach  einigen  Jahren,  festzu- 
stellen haben,  was  unter  allen  Umständen  gelesen  werden  muss,  nach- 
dem bis  dahin  hinreichend  geklärt  ist,  was  gelesen  werden  kann. 

Histoire  de  Charles  XII  par  Voltaire.    Texte  complet,  revu  avec  soin. 
suivi  de  notes.    256  S.    8.    Breme,  M.  Heinsius,  1884. 

S.  1—4.  Discours  sur  Thistoire  de  Charles  XII.  S.  5—8.  Lettre 
k  M.  le  mar^hal  de  Schullenbourg.  S.  8  — 14.  Lettre  k  M.  Norberg. 
S.  14.  Avis  important  sur  l'histoire  de  Charles  Xll;  deren  Glaubwürdig- 
keit betreffend.  S.  15—232.  Text  ohne  Anmerkungen;  die  Absätze  inner- 
halb der  einzelnen  Kapitel  beziffert.  S,  233  f.  Table  des  matieres. 
S.  235—236.  AdditioDS  und  zwar:  I.  Table  alphabetique  de  quelques 
mots  ätrangers  ou  vieillis,  avec  l'explication  de  quelques  termes  peu 
usites.  —  S.  241.  ü.  Observatioüs  sur  quelques  particularitäs  ou  diffi- 
cultäs  grammaticales  et  de  style,  avec  quelques  notes  explicatives.  — 
S.  253  meist  aus  französischen  Erklärern  zusammengeschrieben.  III.  Liste 
des  souverains  contemporains  de  Charles  XII.  S.  245.  IV.  Voltaire 
(1694-  1778).  13  Zeilen  Biographie,  der  Anthologie  des  Prosateurs  fran- 
cais.  Alphonse  Lemerre  entnommen  und  (3)  Jugements  litt^raires  sur 
rhistoire  de  Charles  XII.  Endlich  5  Errata.  S.  256.  —  Der  Hauptvor- 
zug der  Ausgabe  würde  die  sorgfältige  Herstellung  des  unverkürzten 
Textes  seih ;  mancher  würde  sie  eben  deshalb  lieber  in  Gebrauch  nehmen, 
als  die  jetzt  so  sehr  beliebten  gekürzten  Ausgaben,  wenn  nur  das  Druck- 
fehlerverzeichnis ein  vollständiges  wäre;  aber  Sorgfalt  der  Korrektur  wird 
iu  dem  ganzen  Buche  schmerzlich  vermisst,  das  avec  soin  des  Titels  lässt 
sich  nicht  unterschreiben.  Die  Zuthaten  des  anonymen  Hg. 's  sind  zum 
Teil  dankenswert,  aber  meist  wertlos.  Die  Ausstattung  (Papier,  Druck) 
ist  befriedigend. 

Bibioth^q^e  fran9aise  ä  l'usage  des  ecoles.  CoUection  Fried- 
berg &  Mode.  Nr.  1.  Prascovie  ou  la  jeune  Sib&ienne  par 
Xavier  de  Maistre.  Mit  Annierkuugen  herausgegeben  von 
Adolf  Lundehn.  Berlin,  1884.  Friedberg  und  Mode.  kart. 
60  Pf.,  in  Callicoband  75  Pt.,  Wörterbuch  dazu  20  Pf.  Nr.  2. 
Montesquieu,  conside'rations  ete.  Mit  Anm.  hg.  M  Schauns- 
land.    In  Callicoband  1  M.,  Wörterbuch  dazu  20  Pf. 

Wiederum  ein  auf  früherer  Grundlage  (wie  auch  das  Benger'sche) 
auferbautes  neues  Unternehmen,  das  sich  durch  die  bis  jetzt  erschienenen 
Lieferungen  vorteilhaft  einführt.  Die  Ausstattung  entspricht  auch  hier 
allen  Anforderungen,  ebenso  der  billige  Preis.  Die  Prascovie  bietet  un- 
bestritten eine  gute  Lektüre  für  die  höhere  Töchterschule,  die  Anmer- 
kungen des  Herausgebers  beobachten  das  richtige  Mass  und  sind  im 
allgemeinen  angemessen,  für  eine  weitere  Auflage  möchte  ich  ihm  ins- 
besondere empfehlen,  den  Gebrauch  des  Wortes  »hier"  in  den  Anmer^ 
kungen  zu  beseitigen.    So  lesen  wir  z.  B.  auf  S.  11  die  Anm.:  an  ne  Itn 


Schulausgaben.  283 

fit  pas  plus  de  re'ponse,  hier:  man  gab  ihm  ebensowenig  Antwort.  Das 
ist  doch  hier  wie  immer  die  Übersetzung  von  ne ,  .- ,  pas  plus  que.  — 
Über  seine  Herstellung  des  Textes  zu  Montesquieu,  considSraiions 
sagt  Schaunsland  S.  VIII.:  „Die  Kapitel einteilung  habe  ich  beibehalten, 
den  Text  jedoch  fast  um  die  Hälfte  verkürzt,  indem  ich  die  Stellen  fort- 
liess,  in  welchen  die  Ansichten  Montesquieu's  auf  irrtümlicher  Auffassung 
der  Verhältnisse  sich  gründeten  und  infolge  dessen  Schlussfolgerungen 
gezogen  wurden,  die  bei  den  Lesern  eine  falsche  Auffassung  der  That; 
Sachen  hervorzurufen  geeignet  waren".  Der  Text,  so  wie  ihn  Schauns- 
land danach  gibt,  liest  sich  ohne  irgend  merkliche  Störung.  Daher  würde 
ich  nun  nach  dem  oben  Bemerkten,  da  die  Erklärungsweise  eine  fast 
durchweg  angemessene  ist,  seiner  Ausgabe  für  die  Lektüre  in 
der  Schule  vor  allen  anderen  deij  Vorzug  geben.  Er  hat  mit  Recht 
in  den  Anmerkungen  das  Hauptgewicht  auf  die  notwendigen  sachlichen 
Erklärungen  gelegt  und  das  auf  Grammatik  und  Lexikon  bezügliche 
möglichst  beschränkt.  Darum  hai  er  auch  absichtlich  nicht  immer,  um 
der  Besprechung  in  der  Stunde  nicht  vorzugreifen,  auf  die  Abweichungen 
vom  heutigen  Sprachgebrauch,  die  sich  bei  Montesquieu  finden,  aufmerk- 
sam gemacht.  Er  stellt  deshalb  in  seinem  vorauf  geschickten  „zur  Er- 
läuterung" die  häufigsten  derselben  zusammen.  Die  Bemerkung:  „Ferner 
setzt  er  mit  Vorliebe  en  auch  mit  Bezug  auf  Personen"  bedarf  einer  be- 
stimmteren Fassung.  Und  wenn  Seh.  ne  .  .  ,  pas  seulement  für  ne  .  .  .  pas 
m3me  für  ungewöhnlich  erklärt,  so  ist  dagegen  zu  sagen,  dasa  es  so  gar 
ungewöhnlich  nicht  ist;  vgl.  Sachs',  encykl.  Wörterb.  unter  seül  und  bei 
S^gur,  hist.  de  Nap.  etc.  FV,  6  lesen  wir  z.  B.  ils  ne  songerent  seule- 
ment pas  ä  profiter  des  hois  pour  lourner  la  droite  de  Davout.  — 
S.  86,  2  zu  qui  eüt  le  dessus,  du  senat  ou  dupeuple:  „als  ob  vorher  ge- 
sagt wäre:  in  wessen  Händen  die  Gewalt  —  dann  würde  sich  richtig 
anschliessen:  des  Senats  oder  des  Volks".  Warum  nicht  für  diesen  Fall 
(vgl.  auch  S.  98,  1)  eine  gute  Grammatik  zu  Rate  ziehen?  —  oe  statt 
ö?  sollte  nachgerade  nicht  mehr  vorkommen.  —  Als  unangenehmer 
Druckfehler  verbessere  man  auf  S.  78,  Z.  7  v.  o.:  Quoiqne  Von  ait  in 
Quoi  que  Von  ait  dit.  —  or  kommt  auf  S.  4  ohne  Erklärung  fort,  ist 
aber  5,  3  und  17,  2  erklärt.  Dergleichen  Kleinigkeiten  fallen  indessen 
nicht  schwer  ins  Gewicht,  ich  vermisse  nur  auch  bei  dieser  Ausgabe  die 
Erwähnung  der  früheren  Ausgaben  von  Wendler  und  Erzgräber,  die 
Schaunsland  benutzen  musste  und  wohl  auch  benutzt  hat.  Für  den 
Schulgebrauch  des  Buches  ist  es  kein  Unglück,  dass  das  dazu  besonders 
käufliche  Wörterbuch  nicht  sonderlich  gelungen  ist;  es  konnten  hier  eine 
Menge  der  gegebenen  Wörter,  z.  B.  agre'able,  angenehm,  fehlen  ;  actuel 
„augenblicklich"  statt  etwa  „thatsächlich",  „gegenwärtig"  ist  nicht  an- 
gemessen, weil  in  der  gegebenen  Bedeutung  das  agere  nicht  zum  Aus- 
druck kommt;  dgl.  m.  Auf  der  anderen  Seite  hätte  namentlich  die 
Phraseologie  mehr  Berücksichtigung  finden  sollen.  Schliesslich  steht 
Einiges  an  falscher  Stelle,  z.  B.  livre  defs)  raisonfsj  unter  ävre  (ich 
hatte  mir  zuerst  notiert,  dass  livre  des  raisons  (so  bei  Montesquieu  XII) 
im  Wörterbuche  fehle,  bis  ich  es  unter  livre  aufsuchte  und  fand).  Da- 
bei hätte  bemerkt  werden  können,  dass  der  Ausdruck  veraltet  ist  und 
dafür  jetzt  grand-livre  gesagt  wird. 

Bibliothfeque  frauQaise  k  l'usage  des  ecoles.  Collection  Fried- 
berg &  Mode.  Nr.  3.  Fünf  Erzählungen  aus  Au  coin  du  feu  par 
Ömile  Souvestre.  Mit  Anmerkungen  und  einem  Wörterverzeich- 
nisse herausgegeben  von  K.  Kaiser.  Berlin»  1884.  VIII  u.  98  S. 
Wörterbuch  (Preis  20  Pf)  29  S.    Nr.  4.  Histoi^e  de  Napoleon  et  de 


284  Lit  kr  arische  Chronik.    E.  von  SaUwurk, 

la  grande  arme'e  pendant  Tannee  1812  par  le  Comte  de  Segur. 
Mit  einer  Einleitung  und  erklärenden  Anmerkungen  nebst  einer 
Karte.  Herausgegeben  von  C.  Th.  Lion.  Erster  Teil:  Buch  I— IV. 
1884.  XIII  u.  201  S.  Wörterbuch  dazu  74  S.  Nr.  5.  Leiires  de 
mon  moulin  par  Alphonse  Daudet.  B erausgegeben  und  mit  An- 
merkungen versehen  von  Adolf  Lundehn,  1884.  VIII  u.  102  S. 
Wörterbuch  dazu  25  S.  Sämtlich  in  Kallikoband,  kl.  8<>. 
Die  Ausstattung  der  vorliegenden  Bändchen  in  bezug  auf  Druck, 
Papier  und  Einband  ist  in  hohem  Grade  anerkennenswert  und  übertrifft 
alles  bisher  Geleistete,  obgleich  die  Ausstattung  der  Frosateurs  fran9ais 
und  der  Renger'schen  Schulbibliothek  allen  billigen  Anforderungen  ge- 
recht wird.  Auch  rücksichtlich  der  Billigkeit  des  Preises  lassen  diese 
neuen  Schulausgaben  nichts  zu  wünschen  übrig.  Endlich  lässt  die  Bear- 
beitung, bei  deren  Beurteilung  ich  selbstverständlich  von  Nr.  4  absehe, 
seitens  der  Herausgeber  den  beiden  erwähnten  Unternehmungen  gegen- 
über einen  Fortschritt  erkennen.  Wir  haben  es  hier  mit  durchaus 
selbständigen  Leistungen  zu  thun:  das  lässt  sich  von  den  Prosateurs  fran- 
9ai8  nicht  iu  gleicher  Weise  sagen,  weil  nie  ganz  klar  zu  stellen  ist, 
was  Arbeit  des  Herausgebers,  was  Zuthat  (oder  dgl.)  der  Redaktion  ist; 
die  Anmerkungen  stehen  unter  dem  Text  und  sind  nicht  durch  ein  so 
ängstlich  reaktionäres  Programm  wie  das  Dickmann'sche  (vgl.  oben)  in 
Fesseln  gelegt,  können  somit  mehr  der  Individualität  des  Schriftstellers 
und  der  Elassenstufe  und  Schülergattung,  für  die  er  bestimmt  ist,  ange- 
passt  werden.  Während  früher  die  Ausgabe  von  Dr.  0.  Schulze  (2  Bd. 
ä  1  M.  Leipzig,  B.  G.  Teubner)  als  die  beste  der  Ausgaben  von  au  coin 
du  feu  bezeichnet  werden  konnte  (vgl.  diese  Zschr.  III,  S.  325)  —  K.  Kaiser 
selbst  empfiehlt  sie  (p.  V  der  Einleitung  seiner  Ausgabe)  als  eine  gründ- 
liche für  den  Gebrauch  des  Lehrers  und  gibt  dann  beispielsweise  einzelne 
Stellen  an»  bei  denen  er  eine  mangelhafte  oder  irrige  Erklärung  gefunden 
hat  —  glauben  wir  nun  die  vorliegende  als  eine  recht  praktische«  billige, 
durchaus  zweckmässige  Schulausgabe  und  für  diesen  Zweck  als  die  beste 
Ausgabe  des  au  coin  du  feu  bezeichnen  zu  dürfen.  Das  schliesst  nicht  aus, 
dass  ich  nicht  einzelnes  berichtigt  zu  sehen  wünschte;  wenn  z.  B.  S.  3,3 
les  longues  causeries  du  four  ei  de  la  foniaine  einfach  übersetzt  wird : 
„Das  lange  Geplauder  am  Backofen  (oder  in  der  Backstube)  und  am 
Brunnen",  so  vermisse  ich  darin  eine  Erläuterung  des  eigentümlichen 
Gebrauchs  der  Präposition  de.  S.  6:  desesperance  fehlt  im  Wörterbuch. 
S.  6,  1  zu  une  .  .  .  ferme  phis  arrentee  de  deties  que  de  revenus  „mit 
mehr  Schulden  als  Einkünften  verpachtet''  ist  die  wörtliche«  aber  sinn- 
lose t5l3ersetzung,  da  der  Eigentümer,  nicht  der  Pächter  die  Hypotheken- 
schulden zu  trafen  hat;  hier:  une  ferme  doni  les  revenus  ne  couvraient 
point  les  frais  ae  radministration,  ein  Pachthof,  dessen  Ertrag  nicht  die 
Unkosten  der  Bewirtschaftung  deckte".  Der  Herausgeber  hat  sich  die 
Sache,  allem  Anschein  nach  durch  Schulze's  Erklärung,  die  mir  nicht  zur 
Hand  ist,  verleitet,  schwieriger  gemacht  als  sie  ist.  Es  wäre  mir  nie  in 
den  Sinn  gekommen,  bei  der  Stelle  an  Hypothekenschulden  zu  denken. 
Der  Sinn  ist  schliesslich  im  allgemeinen  richtig  von  dem  Herausgeber 
angegeben,  obgleich  bei  seiner  Angabe  der  witzige  pointierte  Ausdruck 
der  Stelle  verloren  geht.  Schreibe  etwa:  „ein  Pachtgut,  auf  dem  mehr 
Schulden  als  Einkünfte  zu  machen  waren",  de  gibt  die  Beziehung  an, 
in  der  der  Verbalbegriff  sich  äussert:  ein  Landgut  wird  in  (Kenten)parCht 
gegeben  und  genommen,  wenn  der  Pächter  bei  Zahlung  der  Pachtsumme 
leben  und  noch  etwas  erübrigen  kann;  in  diesem  Falle  aber  war  das 
letztere  unmöglich,  das  erstere  nur  dann  möglich,  wenn  der  Pächter  von 
dem    eigenen   Vermögen    zusetzte    oder    Schulden    machte.     S.   11,   2. 


PädfUfogviche  Schriften.  285 

.  . .  „Konsekutivsatze,  welche  sich  auf  ein  tellement,  si,  de  sorfe  gue,  tel, 
tant  etc.  beziehen  und  eine  IJngewissheit  ausdrücken,  verlangen  den  Subj. 
selbst  dann,  wenn  der  übergeordnete  Satz  affirmativ  isf.  Aus  der  Lehre 
vom  Konjunktiv  ist  gegenwärtig  der  Ausdruck  „üngewissheit",  mit  dem 
in  der  That  nichts  gesagt  wird,  sonst  glücklich  verbannt;  richtig  und 
präzis  Lücking,  fr.  Gr.  §  329  und  328;  desselben,  fr.  Gr.  f.  d.  Schulgebr. 

tl73  und  §  170,  obgleich  ich  die  gelehrten  Fremdwörter,  die  für  den 
chüler  die  Sache  unverständlich  machen  (der  Fehler  durchzieht  die 
ganze  Grammatik)  an  dieser  Stelle  wie  an  anderen  beseitigt  sehen  möchte. 

Nr.  3  und  5  bieten  meines  Erachtens  eine  vorzügliche  Lektüre  für 
höhere  Mädchenschulen  und  eine  sonst  notwendige  Privatlektüre  für  die 
Lehranstalten,  die  ihrem  ganzen  Zuschnitt  nach  mehr  oder  minder  ge- 
nötigt sind,  ihren  Bedarf  an  Lektüre  fast  ausschliesslich  der  akademischen 
Sprache  (vgl.  diese  Zschr.  VI*,  S.  93)  zu  entnehmen  Von  den  Stücken 
in  Nr.  5  habe  ich  mit  grossem  Vergnügen  Kenntnis  genommen,  beson- 
ders haben  mir  II:  Le  secrei  de  maitre  Comiiie  und  Vi:  Les  vienx  ge- 
fallen, ich  empfehle  daher  das  Bändchen  allen  denen,  die  Alphonse 
Daudet  in  seiner  Eigenart  kennen  lernen  wollen.  Die  Bearbeitung  ist 
angemessen  wie  in  Nr.  I.  Sehr  häufig  kommt  auch  hier  in  den  An- 
merkungen der  eigentümliche  Gebrauch  des  Wortes  „hier"  vor;  z.  B. 
S.  3,  4:  Commeni  votUez-vous  queje  le  regrette  hier:  Wie  sollte  ich  es 
vermissen?  Diese  und  ähnliche  Wendungen  sind  doch  nie  anders  zu 
übersetzen. 

Mit  Nr.  4  wird  der  Anfang  zur  Herausgabe  des  ganzen  S^gur- 
schen  Werkes  gemacht,  aber  in  Teilen,  die  für  sich  ein  Ganzes  bilden. 
Das  Werk  ist  dermassen  ein  einheitliches,  wohl  gegliedertes,  dass  sich 
weder  Kürzungen  noch  Auslassungen  ohne  Schaden  vornehmen  lassen. 
In  der  Beziehung  steht  die  Ausgabe  im  Gegensatz  zu  den  mehrfach  jetzt 
versuchten  Auszügen.  Es  sollte  ferner  eine  wirkliche  Schulaus- 
gabe werden:  nur  für  das  Verständnis  notwendige  Erklärungen  (keine 
Streiizüge  in  das  Gebiet  der  Etymologie  und  Synonymik,  wie  sie  Lam- 
beck  unternimmt,  aber  wohl  einmal  eine  Bemerkung  auch  dieser  Art, 
wenn  der  Text  sie  notwendig  machen  sollte) ;  für  die  Erklärung  der 
geographischen  Namen  dient  die  Karte,  welche  in  der  geographischen 
Anstalt  von  Wagner  und  Debes  in  Leipzig  mit  grosser  Sorgfalt  herge- 
stellt ist;  grammatische  Erklärungen,  wo  ein  charakteristischer  Sprach- 
gebrauch des  Schriftstellers  auftritt;  für  Worterklärungen  kommt  (im 
allgemeinen)  das  besonders  beigegebene  Wörterbuch  auf.  Der  Text  ist 
geuau  nach  der  besten  Originalausgabe  (Paris,  Delaroque  ain^)  unter  Ver- 
besserung der  Druckfehler  und  mit  Einführung  der  Orthographie  der  Ac. 
1878  wiedergegeden ;  die  Varianten  einer  anderen  Pariser  Ausgabe  (bei 
Charles  Gosselin)  sind  in  den  Anmerkungen  berücksichtigt. 

C.  Th.  Lion. 


Pftdagogische  Schriften* 

Neubauer,  Bemerkungen  zu  Bousseau^s  Emil.     10  S.  4®.     Programm 
der  städt.  höh.  Bürgerschule  in  Erfurt     1884. 

Wer  bei  Beurteilung  von  Roussean's  Emil  dessen  erkenntnis- theo- 
retischen, theologischen  und  ethisch-sozialen  Standpunkt  nicht  in  Betracht 
zieht,  wird  in  dem  Buche  mehr  Unverstand  und  Widersprüche  finden  als 
reife  und  ernste  Gedanken.  Das  ist  dem  Verfasser  dieser  kurzen  Skizze 
auch  begegnet.    Ja,   er  zieht  sogar  aus  der  langen  Stelle  IV  §  472  bis 


286  LiiterariscJie  Chronik.     W.  Münch, 

§  499^),  worin  R.  ausführt,  was  er  thäte,  wenn  er  das  Unglück  hätte, 
zu  den  Heichen  zu  gehören,  einen  Beweis  dafür,  „wie  schlaff,  trotz  seines 
hohen  Gedankenfluges,  E<ousseau*s  sittliche  Haltung  im  allgemeinen  war". 
Aber  auch  das  rein  Litterarische  in  dem  Hauptwerke  Kousseau's  ist  nicht 
ganz  richtig  erkannt.  Wenn  der  „Emil"  deshalb  so  umfaugreich  ge- 
worden ist,  weil  er  in  einer  vom  „Grimme  genährten  Beredsamkeit"  ge- 
schrieben ist  (S.  5),  so  müsste  sich  das  nämliche  auch  von  der  noch  um- 
fangreicheren „Neuen  Helo'ise"  sagen  lassen ,  die  doch  gewiss  nicht  in 
grimmiger  Stimmung  entstanden  ist.  Wenn  ferner  die  „Überraschungen 
und  Schauspiele",  welche  R.  für  seinen  Zögling  anstellt,  „echt  französisch" 
sein  sollen  (S.  7),  so  wird  vergessen,  dass  auch  der  nüchterne  Locke  der- 
artiges empfiehlt,  wie  überhaupt  alle  Pädagogen  der  antischolastischen 
Richtung.  Auch  hat  gerade  der  Franzose  Formey  sich  an  diesen 
Dingen  am  meisten  geärgert.  Die  Bemerkung  über  den  Punkt  (S..12), 
in  dem  alle  Franzosen  „gleich  unreinlich"  sein  sollen,  ist  ebenfalls  miss- 
verständlich: wenn  Emil  ein  neues  Geschlecht  begründen  sollte,  waren 
die  Geschlechtsbeziohungen  allerdings  von  grösster  Wichtigkeit.  Aber  es 
hätte  gesagt  werden  dürfen,  dass  hier  in  der  That  das  Buch  zum  Roman 
wird,  so  sehr,  dass  der  Verf.  einmal  den  Faden  sogar  gewaltsam  abreissen 
muss  (V  §  169  f.).  Dagegen  glaubt  der  Verf.  da  einen  Roman  zu  finden, 
wo  R.  „das  Werk  seiner  Phantasie,  seiner  Klügelei  und  seines  Grimmes 
.  .  .  allen  anderen  Menschenkindern  gegenüberstellt".  Die  Frage,  ob  der 
Emil  ein  Roman  sei,  ist  von  R.  selbst  entschieden  worden  (V  §  210).  Die 
Frau  von  Stael  hat  ihn  bekanntlich  mit  vielen  ihrer  Zeitgenossen  für 
ein  „systematisches  Werk"  gehalten;  aber  die  Frage  ist  im  Grunde 
müssig. 

E.  VON  Sallwübk. 


Die  neue  Sprachenkunst.    Ein  Beitrag  zur  Lösung  moderner  Schulfragen, 
von  Wilhelm  Weil.    München,  Karl  Merhoff,  1884.    48  S. 

Forderungen,  wie  sie  die  vorliegende  Schrift  erhebt,  pflegen  auf 
einen  Widerstand  eigentümlicher  Art  zu  stossen:  man  leiht  flüchtig  das 
Ohr,  um  sich  dann  mit  Lächeln  abzuwenden.  Wer  als  Sprachlehrer  von 
solider  Vergangenheit  und  in  geordneten  Verhältnissen  die  Vorschläge 
von  W.  Weil  vernimmt,  wird  im  allgemeinen  wenig  Geduld  zur  Würdi- 
gung derselben  beweisen.  Die  Hauptgedanken  sind :  der  Sprachunterricht 
sollte  seinen  Ausgang  nicht  nach  grammatischen  Gesichtspunkten  nehmen, 
sondern  vom  Sachbedürfnis  aus  ansetzen,  Sachobjekte  nach  logischen 
Kategorieen  betrachten  und  behandeln,  sich  konkreter  Sachgebiete  be- 
mächtigen und  in  diesen  —  mit  vorläufig  energischer  Fernhaltung  der 
höheren  sprachlich-litterarischen  Sphäre  —  Übung  anstellen,  Fertigkeit, 
Leichtigkeit,  Sicherheit  in  der  Benützung  gewinnen.  Um  diese  Idee 
praktisch  zu  verwirklichen,  wird  nun  gefordert,  dass  die  Realien  des 
Lehrplans,  einschliesslich  der  Geschichte,  abwechselnd  in  einer  der  fremden 
lebenden  Sprachen  (denn  um  diese  handelt  es  sich)  gelehrt  und  Leitfaden 
in  der  betreffenden  Sprache,  oder  in  Doppelsprache,  zu  gründe  gelegt 
werden  sollen.    Es  würden  dabei  Sprach-  und  Sachunterricht  gewinnen, 


^)  Ich  citiere  nach  der  in  meiner  deutschen  Ausgabe  (Langensalza, 
2.  Aufl.,  1882/83)  durchgeführten  Paragraphenzählung,  welche  den  Absätzen 
der  Originalausgabe  entspricht.  Es  ist  sonst  nicht  möglich,  in  dem  weit- 
läufigen Buche  eine  Stelle  findbar  zu  bezeichnen. 


Pädagogische  Schriften,  287 

2  Standen  Franzömscb  +  2  Stunden  Geschichte  in  französischer  Sprache 
Sprache  seien  doch  im  Grunde  4  Stunden  Französisch  +  4  Stunden  Ge- 
schichte. Der  Verfasser  weist  hierauf  alle  ihm  wirklich  gemachten  oder  von 
ihm  erwarteten  Einwände,  deren  im  ganzen  14  sind,  in  mehr  oder  weniger 
ausgedehnter  Beweisführung  zurück,  und,  nachdem  er  den  Feind  aus 
diesen  14  Positionen  hinausgeschlagen,  im  Besitze  des  Feldes,  befestigt 
er  die  errungene  Stellung  durch  Aufführung  einer  grossen  Reihe  von 
Zitaten  aus  dem  Munde  geistiger  Koryphäen  der  verschiedensten  Zeiten 
und  Zungen. 

„11  n'y  a  pire  sourd  que  celui  qui  ne  veut  pas  entendre'^  ist  eine 
banale  Wahrheit.  Minder  banal,  aber  auch  wahr  ist,  dass  zum  Adoptieren 
der  saubersten  logischen  Schlussreihe  doch  immer  ein  gewisses  Mass  des 
Wollens,  eine  gewisse  Bereitwilligkeit  des  Gemütes,  gehört,  dass  die 
syllogistischeu  Kettenschüsse  doch  oft  an  unsichtbaren  Mauern  thatsäch- 
lich  abprallen;  und  das  ist  noch  gar  nicht  einmal  ein  Unglück  oder  eine 
Schande.  Trotz  der  14  erlittenen  Niederlagen  sind  die  Zweifler  und 
Benitenten  imstande  aufrecht  dazustehen  und  die  Achseln  zu  zucken. 

Es  Hesse  sich  in  der  That  noch  manches  antworten,  was  in  dem 
prophylaktisch-polemischen  Teile  nicht  vorgesehen  ist.  Vor  allem:  die 
Anschauung  von  dem,  was  Sprache  ist,  oder  wie  sich  z.  B.  im  Ge- 
schichtsunterricht oder  dem  naturhistorischen  Sprache  und  Inhalt  zu 
einander  verhalten,  ist  eine  untiefe,  unzureichende.  Es  wäre  auf  dieser 
Seite  sicher  kein  Gedeihen  zu  erwarten.  Man  wird  dem  gegenüber  nicht 
etwa  auf  den  Modus  des  französischen  Gymnasiums  zu  Berlin  hinweisen 
wollen,  wo  die  fremde  Sprache,  und  zwar  eine  und  dieselbe,  von  mittleren 
Klassen  an  als  allgemeine  und  beständige  Unterrichtssprache  figuriert, 
und  dann  allerdings  mit  dem  gewünschten  Erfolg. 

Erkennen  wir  jedoch  das  Positive  der  WeiFschen  Leistung  an. 
Erstlich  enthält  die  Schrift  eine  erhebliche  Anzahl  von  richtigen  Be- 
obachtungen und  zutreffenden  Einzelurteilen.  Und  zweitens  liegt  ihr 
Grundgedanke  oder  Ausgangspunkt  doch  eigentlich  nicht  abseits  von 
einem  Wege,  den  zu  bahnen  gegenwärtig  mehrere  beschäftigt  sind.  Es 
muss,  wo  es  lebenden  Sprachen  gilt,  das  Ziel  des  Könnens  in  ernstlicherer 
Weise  aufgestellt  und  angestrebt  werden ;  es  muss  die  Aufgabe  der  Fertigkeit 
von  der  des  Verständuisses  deutlicher  gelöst  und  neben  dieselbe  gesetzt 
werden,  \md  es  muss  jener  Aufgabe  mehr  der  Anfang  des  Sprachunter- 
richts als  der  Schluss  gewidmet  sein,  es  darf  dazu  Wiederholung  und 
Bewegung  in  einem  engen  Kreise  nicht  gescheut  werden,  und  es  muss 
nicht  immer  blos  Übersetzung  (Hin-  und  Herübersetzung)  figurieren, 
sondern  schon  frühzeitig  der  Versuch  selbständiger  Bewegung  in  fremder 
Sprache  gepflegt  werden. 

Sofern  die  Schrift  dies  bezweckt,  ist  sie  weniger  seltsam  als  sie 
zuerst  erscheinen  mag,  und  weniger  isoliert.  Das  Wie  der  Verwirk- 
lichung jener  Forderungen  bleibt  im  wesentlichen  noch  zu  finden. 
Möchten  diejenigen,  die  hierüber  nachdenken  wollen,  dabei  mehr 
Anschluss  an  einander  suchen.  Schon  zur  Kontrolle  und  zur  Beschei- 
dung der  allzu  originell  aufschiessenden  Ideen  ist  dies  wünschenswert. 

Wie  lassen  sich  beim  französischen  Unterricht  in  der  Prima  die  vorge- 
schriebenen dreiwöchentlichen  Extemporalien  am  ergiebigsten 
ausnützen?  Mit  einem  Anhang:  Wie  sind  die  deutschen  Parti- 
zipien zu  übersetzen?  Von  Dr.  Eduard  Franke.  Wissen- 
schaftliche Beilage  zum  Gymnasial-Programm  Beuthen  1884. 
4.  16  p. 

In   dem  anspruchslos  geschriebenen  Hauptaufsatze  erzählt  der 


288  Litierarische  Chronik»    A,  Klotzsch, 

Verfasser  dem  Kollegenkreise,  wie  er  auf  der  obersten  Schulstufe  Auf- 
gabe und  Gehalt  der  £xtemporalien  zu  yariieren  pflege  oder  dies  in 
Zukunft  zu  thun  gedenke.  Dass  man  auch  in  Gymnasialprima 
anderes  thun  könne  als  Sätze  über  grammatische  Regeln  schreiben 
lassen,  dass  man  auch  stilistisch  freier  extemporieren  lassen  und  selbst 
bis  zu  einem  ganz  kleinen  Aufsatze  steigen,  dass  man  mit  Diktaten 
und  ebenso  wiederum  mit  Übersetzung  aus  dem  Französischen  hin- 
länglich hohe  Ansprüche  an  die  Geistesthätigkeit  verbinden  könne, 
ferner  dass  man  andererseits  die  (nie  ganz  abzusetzende)  ein- 
fache Grammatik  ausserordentlich  beleben  könne  durch  Wieder- 
holungen nach  originellen  Gesichtspunkten,  das  wird  in  dem  Schriftchen 
angenehm  und  annehmbar  dargelegt.  Zweifellos  kann  auch  ein  Unter- 
richt von  so  bescheidener  Rolle  wie  der  französische  am  Gymnasium 
in  schöner  Weise  gehoben  werden,  wenn  der  Lehrer  nicht  um  jener 
eingeschränkten  Rolle  willen  sich  zu  sehr  resigniert,  sondern  an  seine 
didaktische  Arbeit  Geist  wendet  und  Lebendigkeit.  Die  möglichen 
positiven  Resultate  sind  vielleicht  überschätzt,  aber  das  ist  nicht  von 
Übel.  Namentlich  dankenswert  ist  aber  die  Beilage,  welche  in  treuer, 
sauberer,  ausgebreiteter  Arbeit  jene  selbständig  gestellte  und  durch- 
dachte Frage  beantwortet.  Themata  dieser  Art  könnten  öfter  bear- 
beitet werden.  Sie  mögen  der  Lektüre  fruchtbar  werden  wie  dem 
Stile,  sind  für  den  Lehrer  praktisch  verwertbar  und  fördern  zugleich 
die  systematische  Grammatik. 

W.  MÜNCIL 


ül brich,  Dr.  0.,  Über  die  französische  Lektüre  an  Realgymnasien, 
Wissenschaftliche  Beilage  zum  Programm  des  Friedrichs- 
Realgymnasiums  (in  Berlin).  Ostern  1884.  —  Berlin.  Gärtner. 
4"  30. 

Aus  dem  Gebiete  der  Methodik  des  französischen  Unterrichts 
hat  der  Verfasser  die  Lektüre  zum  Gegenstand  seiner  Programm- 
arbeit gewählt,  um  seine  Ansichten  und  Erfahrungen  darzulegen 
1.  über  die  Stellung  der  Lektüre  im  Sprachunterricht,  2.  über  das, 
was  gelesen  werden  soll  und  3.  darüber,  wie  gelesen  werden  soll. 

Indem  U.  die  Lektüre  als  den  Mittelpunkt  des  Sprach- 
unterrichts betrachtet,  weiss  er,  dass  er  mit  dieser  Ansicht  nicht  mehr 
vereinzelt  dasteht.  Deswegen  nimmt  er  Veranlassung,  zuerst  über  die 
Reform  vor  schlage  einiger  neueren  Methodiker,  welche  dieselbe  For- 
derung wie  er  aufgestellt  haben,  kurz  zu  referieren.  Das  Gute,  was 
der  Anonymus  Qnousque  tandem,  was  Karl  Kühn,  was  Graf  Pfeil  über 
den  Gegenstand  geschrieben  haben,  erkennt  er  gern  an,  ohne  aber 
einzelne  Fehler  ihrer  Reformvorschläge  zu  übergehen.  In  der  dasselbe 
Thema  behandelnden  Schrift  von  Fenz  Franke  (Die  praktische  Sprach- 
erlernung auf  Grund  der  Psychologie  und  der  Physiologie  der  Sprache) 
kann  er  ausser  dem,  was  sie  mit  den  Reformgedanken  anderer  gemein 
hat,  welche  die  Benutzung  zusammenhängender  Texte  für  den  Anfangs- 
unterricht fordern,  nichts  als  brauchbar  bezeichnen.  Die  besten  Vor- 
schläge zur  Reform  des  französischen  Unterrichts  findet  er  in  der 
Broschüre  Münchs  (»Zur  Förderung  des  franz.  Unterrichts'^),  über 
welche  Ref.  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  im  V.  Band  (S.  187  fT.)  be- 
reits ausführlich  berichtet  hat. 

ü.  stimmt  mit  Münch  in  allen  wesentlichen  Punkten  überein; 
er  hebt  hervor,  dass  in  den  Reformvorschlägen  dieses  Pädagogen  nicht 


Pädagogische  Schriften.  ÖÖÖ 

wie  in  den  Schriften  der  zuerst  Genannten  auch  Abenteuerliches  und 
Revohitionäres  sich  finde,  und  sagt  mit  Recht,  dass  jeder,  der  mit 
den  Erfolgen  unserer  gegenwärtigen  Methode  nicht  zufrieden  ist,  der 
unsere  gegenwärtigen  Zustände  nicht  für  die  denkbar  besten  hält,  sich 
dazu  wird  verstehen  müssen,  auf  dem  von  M.  vorgezeichneten  Wege 
eine  Besserung  zu  suchen. 

Es  ist  eine  Freude,  aus  der  vorliegenden  Programmarbeit  zu 
ersehen,  dass  nicht  nur  die  Notwendigkeit  einer  Reform  der  Methode 
des  französischen  Unterrichts  immer  allgemeiner  anerkannt  wird,  son- 
dern dass  auch  die  Zahl  derer ,  welche  aus  dem  Schatz  ihrer  eigenen 
Erfahrungen  neues  wertvolles  Material  für  die  Lösung  der  wichtigen 
Aufgabe  darbieten,  stetig  zunimmt.  Denn  U.  hat  sich  bei  seiner  Arbeit 
keineswegs  nur  darauf  beschränkt,  die  vortrefflichen  Vorschläge  Münchs 
zu  wiederholen,  sondern  er  behandelt  gerade  einzelne  Punkte,  die  M. 
in  seiner  Broschüre  aus  besonderen  Gründen  nur  kurz  berührt  hat,  mit 
dankenswerter  Ausführlichkeit.  Namentlich  bei  den  Betrachtungen 
über  den  Sffcoff  der  Lektüre  (IL  Teil),  Über  welches  Kapitel  M.  ab- 
sichtlich rasch  hinweggegangen  ist,  hat  ü.  mancherlei  bemerkt,  was 
eine  volle  Berücksichtigung  verdient.  Er  bespricht  hier  die  bekannten 
Thesen  der  dritten  Hannoveraner  Direktorenkonferenz  und  erklärt,  es 
werde  zwar  über  das  bei  der  Auswahl  der  Lektüre  zu  befolgende 
Prinzip  Zweifel  und  Streit  schwerlich  bestehen;  dagegen  könne  er  die 
von  dem  Referenten  jener  Konferenz,  Dr.  Hemme,  geforderte  Beschrän- 
kung des  Lektürestoffes  nicht  billigen ;  er  könne  ernste  Bedenken  nicht 
unterdrücken,  wenn  von  den  Hannoveranern  summarisch  alle  Romane, 
Novellen,  Reisebeschreibungen,  launige  Erzählungen,  fachwissenschaft- 
liche Abhandlungen  und  Briefe  von  der  Schullektüre  ausgeschlossen 
werden.  Gregen  solche  Beschränkung  spricht  auch  thatsächlich  der 
offizielle  Lehrplan  von  1882,  insofern  m  demselben  für  das  Französische 
Muster  des  abhandelnden,  rednerischen  und  Briefstils  zugelassen  und 
empfohlen  werden. 

IT.  ist  noch  aus  einem  andern  Grunde  gegen  die  Beschränkung. 
Er  erinnert  an  die  oft  gehörte  Klage,  „dass  die  Aufsätze  der  Real* 
Bchulabiturienten  durch  Mangel  an  Gedanken,  Armut  der  Phantasie  und 
Dürftigkeit  der  stilistischen  Form  hinter  denen  der  Gymnasialabiturien- 
ten zurückstehen,  und  er  erkennt  darin  die  Verpflichtung,  immer  von 
neuem  zu  untersuchen,  „ob  denn  auch  die  Schule  wirklich  alles  was 
möglich  ist,  thut,  um  das  Bildungsideal,  das  ihr  vorschwebt,  zu  er- 
reichen". Und  wenn  man  nun  sieht,  fährt  er  fort,  dass  der  Tertianer 
des  Gymnasiums  ausser  seinem  Cäsar  und  Xenophon  bereits  Ovid  und 
Homer  in  Händen  hat,  dass  diese  ihm  eine  neue  Welt  eröffnen,  seinen 
Geist  durch  Bilder  und  Formen  bereichern  und  Eindrücke  zurücklassen, 
die  die  Meisten  ihr  Leben  lang  nicht  vergessen,  während  der  Real- 
schüler auf  der  gleichen  Stufe  nur  das  bellum  gallicum  und  höchstens 
noch  den  Charles  XIL  als  sprachliches  Bildungsmittel  erhält,  dann 
wird  man  sich  nicht  verhehlen  können,  dass  die  Armut,  in  welcher 
letzterer  systematisch  gehalten  wird,  zu  dem  Reichtum  des  Gymnasial- 
unterrichts vielleicht  in  demselben  Verhältnis  steht,  wie  der  Ideenvor- 
rat in  einem  Realschüleraufsatz  zu  dem  eines  Gymnasiastenaufsatzes. 
—  Das  sind  in  der  That  beherzigenswerte  Worte!  U.  weist  hier  auf 
eine  nicht  wegzuleugnende  Schwäche  der  dermaligen  Realschulbildung 
hin.  Aber  mit  dem  blossen  Hinweis  begnügt  er  sich  nicht,  sondern 
als  wahrer  Freund  der  Realschule  sucht  er  auch  zur  Beseitigung  des 
vorhandenen  Übels  beizutragen:  ihm  scheint  es  —  und  er  hat  wohl 
kaum  unrecht   —   dass   des  Übels  Wurzel  hauptsächlich  mit  in   der 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI*.  \^ 


2dO  LUierarisehe  Chronik,    A,  klotzsch, 

gegenwärtig  üblichen  Verteilung  des  Stoffes  der  Lektüre  liegt.  Nach 
unten,  sagt  er,  wird  zu  sehr  gekargt,  und  oben  werden  unsere 
Schüler  mit  einem  Bildungsmaterial  überschüttet,  das  schwer  auf  ein- 
mal zu  verarbeiten  ist;  während  der  kurzen  Zeit  des  Aufenthalts  in 
Prima,  wo  die  lateinischen,  französischen  nnd  englischen  Dichter  zum 
erstenmal  zu  voller  Wirkung  gelangen,  soll  der  Realschüler  mit  Hast 
und  Mühe  alles  das  erreichen,  was  im  Gymnasium  durch  eine  weise 
Verteilunff  des  Stoffs  mit  Leichtigkeit  bewältigt  wird.  Um  diesem 
Nachteil,  unter  dem  die  Realschule  leidet,  abzuhelfen,  erklärt  sich 
U.  vor  allem  ^egen  die  von  den  Hannoveranern  geplante  Beschränkung ; 
er  wünscht  vieknehr  „Toleranz  für  alles  wahrhart  Poetische,  auch  wenn 
es  sich  unter  der  Form  des  Romans  oder  der  Novelle  darbieten  sollte ; 
Toleranz  aber  nur  >uf  der  Stufe,  welche  eine  Verstärkung  des  poe- 
tischen Elementes  zu  brauchen  scheint,  auf  der  mittleren  Stufe; 
dagegen  hält  er  für  die  obere  Stufe  (II.  und  I.)  den  unbedingten  Aus- 
schluss dieses  leichten  Genres  für  notwendig. 

Im  weiteren  bespricht  dann  U.  den  von  der  Hannov.  Konferenz 
angenommenen  Kanon.  Er  erkennt  das  Wertvolle  desselben  in  der 
Hauptsache  an,  ohne  jedoch  einzelne  Missgriffe  bei  der  Wahl  der 
Schulautoren  zu  übersehen.  Mit  den  Anforderungen  in  Betreff  der 
Lektüre  geht  er  aber  noch  weiter,  als  der  Kanon  vorschreibt,  weiter 
überhaupt,  als  es  bis  jetzt  üblich  ist:  nach  seiner  Überzeugung  wird 
an  Realschüler  keine  zu  hohe  Anforderung  gestellt,  wenn  alle  geschicht- 
lichen Werke,  die  von  den  Hannov.  emp^hlen  sind  —  ausser  Voltaire's 
siäcle  de  Louis  XIV  —  um  eine  Klasse  herabgesetzt  werden ,  und 
wenn  der  Kanon  für  11^  durch  Lanfrey,  hist.  de  Napoleon  bereichert 
wird,  so  dass  die  Prima  für  andere  Stilgattungen ,  d.  h.  ausser  der 
Poesie  für  den  abhandelnden,  rednerischen,  beschreibenden  und  den 
Briefstil  freibleibt. 

Hiermit  schlägt  ü.  eine  ebenso  praktische  als  heilsame  Reform 
vor,  deren  Wert  Ref.  aus  eigener  Erfahrung  erkannt  hat,  und  die  er 
deswegen  warm  empfiehlt.  Die  Zumutungen  sind  für  die  Schüler  der 
mittleren  Klassen  keineswegs  zu  ctobs.  Im  Anfang  gibt  es  natürlich 
Schwierigkeiten  zu  überwinden ;  doch  es  werden  dieseU)en  allenthalben 
verschwinden  oder  doch  wesentlich  vermindert  werden,  wenn  es  end- 
lich dazu  kommt,  dass  die  zusammenhängende  Lektüre  bereits  in 
Quinta  beginnt,  und  wenn  auf  diese  Weise  die  Schüler  mit  einem 
höheren  Masse  von  Sprachkenntnissen  an  die  Autorenlektüre  herantre- 
ten werden,  als  dies  jetzt  gewöhnlich  der  Fall  ist. 

Wie  nun  U.  wünscht,  dass  die  Anforderungen  an  die  Schüler 
gesteigert  werden,  ebenso  verlaujp^t  er  weiter,  dass  die  Beschaffenheit 
unserer  Schulausgaben  der  &anzösischen  Autoren  höheren  An- 
sprüchen genüge.  Seine  Bemerkungen  über  diesen  Gegenstand  sind 
gewiss  zu  beachten;  da  dieselben  aber  von  denen  Münchs  kaum  ab- 
weichen, so  brauchen  sie  hier  nicht  besonders  erwähnt  zu  werden;  es 
genügt  zu  wissen,  dass  er  die  üblichen  mit  Anmerkungen  versehenen 
Ausgaben  verurteilt.  Als  dringendes  Bedürfnis  bezeichnet  er,  dass  wir 
für  die  Schulen  billige  Textausgaben  bekommen,  die  frei  sind  von 
sprachlichen  Noten  und  nur  in  einem  Anhang  sachliche  Erklärungen 
bieten.  Ob  die  weitere  Forderung  ü.'s,  dass  eine  Schulausgabe  nur 
einen  ununterbrochenen  Text  ohne  Lücken,  die  durch  deutsche  Inhalts- 
angaben ausgefüllt  sind,  enthalten  dürfe,  allgemein  für  richtig  und  billig 
gehalten  werden  wird,  erscheint  dem  Ref.  etwas  zweifelhan.  Warum 
sollte  z.  B.  eine  Schulausgabe  wie  die  der  Reden  Mirabeau's  von  Frit- 
Bcfae,  in  der  die  vorhandenen  Lücken  durch  deutsche  Inhaltsangaben 


Pädagogisclie  Schriften*  291 

sicherlich  mit  richtigem  pädagogischem  Takt  ausgefüllt  sind,  verworfen 
werden?  —  Auch  in  einem  anderen  Punkte  ist  wohl  ü.  etwas  zu  weit 
gegangen.  £r  wünscht,  dass  das  für  Quinta  und  Quarta  notwendige 
Lesebuch  schon  zum  Anfang  statt  kürzerer  Lesestücke  solche  enthalte, 
die  so  lang  sind,  dass  „an  einer  einzigen  Geschichte  mehrere  Wochen, 
ja  selbst  zwei  bis  drei  Monate  zu  arbeiten'^  wäre.  Offenbar  ist  dieser 
Wunsch  nicht  aus  seiner  eigenen  Schulpraxis  hervorgegangen;  denn 
sonst  würde  ihm  die  Wahrnehmung  nicht  entgangen  sem ,  dass  eine 
einzige  Geschichte  zu  lange  traktiert,  das  Interesse  des  Kindes  ab- 
schwächt. 

Im  übrigen  verdient  die  ganze  Ausführung  des  zweiten  Teiles 
der  vorliegenden  Programmarbeit  vollste  Anerkennung.  Auch  der 
dritte  Teil  enthält  wertvolle  Bemerkungen;  u.  a.  bietet  er  hier  dem 
praktischen  Schulmanne  einige  ebenso  interessante  als  belehrende  Bei- 
spiele über  Behandlung  und  Verwertung  eines  Lesestücks  auf  der 
unteren  Stufe.  Die  Vorschläge  selbst  stimmen  auch  hier  mit  denen 
Münch's  im  Prinzip  überein.  Ebenso  schliesst  sich  XJ.  in  betreff  der 
Behandlung  der  Lektüre  auf  der  mittleren  und  oberen  Stufe  genau  an 
M.  an,  und  zwar  ohne  dass  er  den  Gegenstand  in  grösserer  Ausführ- 
lichkeit behandelt.  Denn  in  den  vortrefflichen  Ansichten  und  Vor- 
schlägen Münch's  hat  er  dasselbe  gefunden,  was  er  selbst  hatte  sagen 
wollen.  Er  bekennt  übrigens  zum  Schluss,  dass  ihn  das  Erscheinen 
der  Münch'schen  Schritt  insofern  unangenehm  überrascht  hat,  als  durch 
diese,  die  während  der  Vorbereitung  zu  seiner  Arbeit  ihm  zu  Gesicht 
gekommen  ist,  ihm  ein  Teil  seiner  Gedanken  vorweggenommen  worden 
sei;  dass  ihm  aber  dadurch  zugleich  auch  eine  grosse  Genugthuung 
bereitet,  worden  sei,  und  er  sich  nun  erst  recht  ermutigt  gefühlt  habe, 
manches  auszusprechen,  was  er  ohne  solche  Unterstützung  für  allzu 
verwegen  gehalten  und  niederzuschreiben  schwerlich  gewagt  haben 
würde. 

Jedenfalls  wird  Ulbrichts  Arbeit  neben  der  Münch'schen  von 
den  Fachgenossen  als  ein  willkommener  Beitrag  für  die  Reform  des 
Sprachunterrichts  dankbar  aufgenommen  werden. 

A.  Klotzsch.  . 


19* 


Zeitschriftenschau. 


liitterarisehes  Centralblatt  fikr  Deutschland.  1884. 
Nr.  1—33. 

No.  2,  Sp.  59  f.  Heinrich  August  Schoetens(u:k,  Beitrag  zu  einer 
wisseuschaftliclien  Grundlage  für  etymologische  Unterauebungen  auf  dem 
Gebiete  der  französischen  Sprache.  Bonn,  1883.  Strauss.  (XIY,  626  S. 
8®.)  M.  10.  Es  ist  bedauerlich,  dass  so  viel  Zeit  und  Kraft  an  ein  an 
sich  zwar  löbliches  Unternehmen  gewendet  worden  ist,  das,  wie  es  hier 
angegriffen  wurde,  erfolglos  bleiben  musste.  Der  Verf.  hat  es  versäumt, 
sich  über  sprachliche  Eiitwickelung  und  Lautphysiologie  die  nötigsten 
allgemeinen  Vorkenntnisse  anzueignen.  —  Sp.  60  f.  (Such)ier:  Charles 
Joret,  Des  caractbres  et  de  Textension  du  patois  normand.  ^tnde  de 
phon^tique  et  d'ethnog^phie  suivie  d'une  carte.  Paris,  1883.  Vieweg. 
(XXXir,  211  S,  8«.  Karten  Roy.  fol.)  Der  erste  Abschnitt  betrifft  die 
germanischen  Ansiedlungen  an  der  normannischen  Küste,  der  zweite  soll 
uns  über  die  heutigen  Volksmundarten  der  Normandie  aufklären;  wenn 
man  auch  vielfach  bestimmtere  und  genauere  Angaben  wünschen  möchte, 
so  sind  doch  die  von  Joret  ermittelten  Thatsacnen  recht  lehrreich.  — 
No.  3,  Sp.  92  f.  A.  St.:  M,  A.  Thtbaut,  Wörterbuch  der  deutschen  und 
französischen  Sprache.  Vollständig  umgearbeitete  100.  Auflage.  Braun- 
schweig, 1883.  Westermann.  (VT,  904  S.  Lex.-8<>.)  Mk.  7.  Lobende 
Anzeige,  Die  Herausgeber  haben  sich  u.  a.  bemüht,  die  verschiedenen 
Bedeutungen  der  einzelnen  Wörter  streng  logisch  zu  ordnen,  allein  gerade 
in  diesem  Punkte  scheint  dem  Bez.  das  Buch  am  meisten  besserungs- 
föhig;  er  weist  dies  an  dem  Beispiel  der  Präposition  ä  nach.  —  No.  7, 
Sp.  219  f.  Avg.  Lange,  Der  vokalische  Lautstand  in  der  französischen 
Sprache  des  16.  Jahrh.  nach  den  Zeugnissen  der  alten  Grammatiker  und 
den  Grundsätzen  der  neueren  Phonetik  dargestellt.  Elbing,  1883.  Meiss- 
ner. (III,  46  S.  8^)  M.  1,50.  Der  Verf.  zeigt  sich  als  ein  gut  geschul- 
ter Ijautphysiologe,  der  die  Aussprache  der  franz.  Vokale  des  16.  Jahrh. 
im  Anschluss  an  die  phonetischen  Handbücher  von  Sievers  und  Sweet 
behandelt  und  dabei  von  den  in  neuerer  Zeit  geäusserten  Ansichten  qicht 
selten  zu  seinem  Vorteil  abgeht.  —  No.  13,  Sp.  444  f.  M.  K.:  Emile 
Grucker,  histoire  des  doctrines  litt^raires  et  esthetiques  en  AUemagne. 
(Opitz,  Leibniz,  Gottsched,  les  Suisses.)  Paris,  1883.  Berger -Levrault 
&  Gi«.  (XX,  526  S.  8<'.)  M.  6,75.  An  einzelnen  Irrtümern  fehlt  es  nicht, 
im  ganzen  aber  hat  Grucker  eine  Arbeit  geliefert,  die  von  einem  Deut- 
schen verdienstlich  wäre,  von  einem  Ausl£ider  geschrieben  aber  auf  das 


Zeischrifienschau.    C.  Th*  Lion,  Litterar,  CentraUflatt,  293 

ehrendste  Lob  g^pründeten  Anspruch  erheben  darf.  —  Nr.  16,  Sp.  559  f. 
E,  Rollandy  recueil  de  chansons  populaires.  Tome  I.  Paris,  1883.  Mai« 
sonnenve  et  G*«.  (III,  378  S.  8**.)  Eine  Sammlung  franzasischer  Volks- 
lieder,  die  aus  drei  Quellen  geschöpft  ist:  1)  ans  mündlicher  Überliefe- 
rung, 2)  aus  der  handschriftl.  Sammlung  der  Pariser  Nationalbibliothek, 
3)  aus  seltenen  oder  wenig  gekannten  Büchern.  Der  vorliegende  Band 
umfasst  158  Nummern,  die  meisten  derselben  bringen  mehrere  Fassungen 
desselben  Liedes.  Der  Hg.  hat  nur  Material  liefern  wollen  in  der  Hoff- 
nung, dass  sich  bald  ein  Gelehrter  finden  werde,  der  damit  eine  allseitige 
und  gründliche  Prüfung  vornehme.  Das  ist  mit  einem  dieser  Volkslieder 
in   Romania  XII,    307   bereits  zur    Befriedigung    des    Rez.    geschehen. 

—  Sp.  564.  Chr.  Sich,  dictionnaire  francaia-dano-norv^gien.  Kopenhagen, 
1883.  Gyldendal.  (XXIV,  1039  S.  Imp.  16).  Das  Wörterbuch  fusst  fast 
nur  auf  der  neuesten  Sprache  und  Litteratur  und  ist  dafür  vortrefflich, 
für  eine  histor«  Erlernung  der  Spr.,  für  Mol.,  Ck)rn.  La  Font.  u.  a.  ist  es 
nicht  geschaffen.  —  No.  18.  Sp.  621  ff.  6.  B.:  De  Lescure^  lea  m^res 
illustres,  ^tudes  morales  et  portraits  d'histoire  intime.  Ouvrage  orn^  de 
12  grav.  sur  bois  d'apr^  les  documents  originauz.  Paris,  1882. 
Didot  &  Co.  (XXXn,  436  S.  Roy.  8.)  gehört  zu  den  nicht  eben  häufigen 
französischen  Büchern,  welche  auch  der  deutschen  Familie  zur  Lektüre 
empfohlen  zu  werden  verdienen.  Den  hier  und  da  stark  rhetorisirenden 
Stil  wird  man  mit  dem  reichen  und  anregenden  Inhalt  gern  in  den  Kauf 
nehmen.  —  No.  22.  Sp.  763.  E.  W.:  Le  theätre  d^Älexmidre  Hardy. 
Erster  Neudruck  der  Dramen  von  Pierre  CorneilIe*s  unmittelbarem  Vor- 
läufer nach  den  Exemplaren  der  Dresdener  und  der  Wolfenbütteler  Bibli- 
othek besorgt  von  E.  Stengel  Tomes  III  et  IV.  Marburg,  1883.  Elwert. 
(265,  331  S.  kl.  S«".)  M.  5,20  n.  M.  4,20.  Wenn  die  Werke  poetisch  nur 
geringen  Wert  besitzen,  so  verdienen  sie  doch  vor  anderen  einen  Neu- 
druck, da  sie  litterargeschichtlich  von  grossem  Interesse  sind.  Daher 
sind  wir  Stengel  für  dieses  neue  Unternehmen  grossen  Dank  schuldig. 

—  No.  23.  Sp.  797  f.  Kn.:  Ferd,  Brunetüre,  die  Sprachforschung  der 
Gegenwart.  Mit  Bezug  auf  die  französische  Litteratur  im  MitteuJter. 
Mit  Genehmigung  des  Verf.  übersetzt  von  E.  Law,  Heidelberg,  1883. 
Winter.  (63  S.  kl.  S*».)  M.  1,20.  Eine  interessante  kleine  Schrift,  die  viel- 
fach zum  Widerspruch  reizt,  ja  sich  zuweilen  selbst  widerspricht.  Der 
Verf.  bekämpft  die  hohe  WertschätzunjZ  der  Litteratur  des  Mittelalters, 
deren  Studium  er  nur  für  die  Sprachforschung,  Geschichte  und  Kritik 
gestatten  will;  indirekt  zieht  er  auch  gegen  die  deutsche  Sprachwissen- 
schaft zu  Felde.  —  No.  27.  E.  Stengel,  Erinnerungs werte  an  Friedrich 
Diez.  Nebst  mehreren  Anlagen  und  einem  Anhang :  Briefe  von  F.  Diez 
an  L.  Diefenbach  und  andere.  Marburg,  1883.  Elwert.  (104  S.  gr.  8'^ 
M.  1,50.  Eine  Rede,  die  am  9.  Juli  1883  zur  Enthüllungsfeier  der  an 
Diez'  Geburtshause  in  Giessen  angebrachten  Gedenktafel  gehalten  wurde 
und  manche  schätzbare  Ergänzungen  zur  Biographie  des  berühmten 
Romanisten  bietet;  auch  an  Berichtigungen  fehlt  es  nicht.  Auch  die 
sonstigen  Beigaben  sind  von  Interesse.  —  No.  28.  Sp.  961  f.  (Such)ier; 
Äd.  Soming^  zur  Geschichte  des  lateinischen  c  vor  e  und  t  im  Roma- 
nischen. Halle  a.  S.,  1883.  Niemeyer.  (UI,  140  S.  8«.)  M.  3,60.  Die 
Arbeit  beruht  auf  gründlichen  Vorstudien,  zeigt  im  ganzen  eine  vortreff- 
liche Auffassung  und  richtige  Beurteilung  sprachlicher  Vorgänge,  enthalt 
im  einzelnen  manches  Interessante  und  Lehrreiche,  dennoch  kann  man, 
wie  der  Rez.  dann  nachweist,  den  Ergebnissen,  die  der  Verf.  gewonnen 
zu  haben  glaubt,  keineswegs  beistimmen.  —  No.  29.  Sp.  991.  En. : 
Karl  Meurer,  Französisches  Lesebuch.  I.  T.  -  Für  Quarta^  tmd  Untertertia 
der  Gymnasien  u.  sl  w. .  Mit  einem  WQrterbuch.     Leipzig,  1883.    Fues*. 


294  ZeiUchrifienschau.    D.  Behrens, 

Verl.  (Beisland).  (X,  134  S.  8^)  M.  1,10.  Eine  gute  Auswahl  aus  allem 
möglichen;  nur  in  der  ersten  Abteilung  sind  Fussnoten  beigegeben;  ein 
deutlicher,  sauberer  Druck  des  Textes  bei  sehr  niedrigem  Preise.  Der 
Bez.  bezweifelt,  dass  ein  zweiter  Teil,  für  die  übrigen  Klassen  bestimmt, 
ein  Bedürfnis  sei  (Auch  der  erste  war  es  nicht,  wir  haben  schon  eine 
yiel  zu  grosse  Auswahl,  wenn  schon  einmal  ein  Lesebuch  herangezogen 
werden  soll).  —  No.  32.  Sp.  1090  f.  Sgl:  Ferd.  Lotheissen,  Geschichte 
der  französischen  Litteratur  im  17.  Jahrh.  4.  Bd.  Wien,  1884.  Gerold 's 
Sohn.  (390  S.  8°.)  M.  9.  Der  4.  (letzte)  Band  des  Werkes  hat  es  vor- 
züglich mit  Molibre  und  Racine  zu  thun;  ausserdem  werden  u.  a.  noch 
La  Bruj^re  und  F^nelon  besprochen.  Ein  Werk  ist  somit  zum  Abschluss 
gekommen,  für  das  wir  aufrichtig  dankbar  sein  müssen;  es  bildet  auch 
ror  weitere  Kreise  eine  nicht  nur  belehrende,  sondern  auch  genuss- 
reiche Lektüre. 

C.  Th.  Lion. 


Deutsche  I^itteratiirzeitiing.    1883. 

Nr.  34.  W.Po  erster.  Herrn.  Breymann,  Diez,  Kleinere  Arbeiten 
und  Rezensionen.  München,  Oldenbourg,  1883.  XVI  und  351  S.  gr.  8^ 
Mark  6.  (Das  schöne  stattliche  Werk  gibt  in  34  Nummern  die  in  Zeit- 
schriften zerstreuten  Abhandlungen  und  Rezensionen  des  Meistere  in 
genauem  revidierten  Abdruck.  Zwei  Anhänge  folgen:  der  erstere  gibt 
zwei  Gedichte  und  eine  Nachdichtung  des  Bjron'schien  Corsars  und  seiner 
Lara;  der  zweite  eine  Übersicht  der  von  D.  gehaltenen  Vorlesungen. 
Beigegeben  ist  dem  Band  eine  Kopie  der  bekannten  Bonner  Photographie 
von  D.  mit  einem  Faksimile  seines  Namenzuges.  Rez.  vermisst  in  der 
Sammlung  D/s  Schrift  über  die  Minnehöfe.)  —  Nr.  35.  E.  Schmidt. 
G.  Larroumet,  Marivaux,  sa  vie  et  ses  oeuvres  d'apr^  de  nouveaux 
documents  avec  deux  portraits  et  deux  facsimiles.   Paris,  Hachette  &  Co. 

1882.  XI  u.  640  S.  gr.  8«.  Fr.  10.  (Sehr  gelobt.  S.  hier  V*.  106.) 
G.  Körting.  M,  de  Lescwre,  Rivarol  et  la  soci^tä  fran9aise  pendant 
la  revolntion  et  V^migration  (1753  — 1801).  i^tudes  et  portraits  histori- 
ques  et  litt^raires   d*apr^s  des  documents  inädits.     Paris,   Plön  et  C^«. 

1883.  XII  und  516  S.  gr.  8^  Fr.  8.  (Ein  streng  wissenschaftliches 
Werk  von  hervorragender  Bedeutung.)  —  Nr.  36.  B.  Suphan. 
R.  Lindemann,  Herder  und  die  Realschule  unserer  Zeit.  Löbau,  1881. 
30  S.  4®.  (Separat-Abdr.  aus  d.  Zentral-Organ  f.  d.  Interessen  des  Real- 
schulwesens. 1882.  August-September.)  F.  L.  Adolphe  Juilien,  La  co- 
m^e  k  la  cour.  Les  th^tres  de  sociätä  royale  pendant  le  si^cle  demier. 
La  duchesse  du  Maine  et  les  grandes  nuits  des  sceaux,  madame  de 
Pompadour  et  le  th^tre  des  petits  cabinets,  le  th^tre  de  Marie -An- 
toinette  k  Trianon.  Paris,  Didot  u.  C«,  1883.  VE  u.  323  S.  4«.  Fr.  25. 
(Ein  interessanter  Beitrag  zur  französischen  Sittengeschichte,  der  sich  be- 
schäftigt mit  dem  Theater  der  Herzogin  Du  Maine,  der  M°^«  de  Pompa- 
dour und  der  Königin  Marie- Antoinette.)  —  Nr.  38.  G.  Ger  1  and.  Luden 
Adam,  Ijes  idiomes  N^gpro-Arjen  et  Mal^o-Arjen.  Essai  d^hybridologie 
linguistique.  Paris,  Maisonneuve  u.  G*«,  1883.  76  S.  gr.  8''.  Fr.  3,50. 
(Rez.  empfiehlt  auf  das  wärmste  die  sehr  interessante  Abhandlung  allen 
Linguist^,  Ethno-  wie  Anthropologen.)  —  Nr.  38.  F.  L.  Juies  Lenutüre, 
La  com^die  aprte  Moli^re  et  le  thä.tre  de  Dancourt.  Paris,  Hachette  et 
(?«,  1882.  247  S.  8°.  Fr.  3,50.  (Vf.  behandelt  zunächst  resümierend 
die  Geschichte  des  französischen  Lustspiels  in  den  ersten  Jahrzehnten 
nach  Moli^re*s  Tod,  darauf  beschäftigt  er  sich  weniger  mit  Dancourt's 
litterarischer  Stellung,  als  mit  einer  Charakteristik  der  Gesellschaft  jener 


Deutsche  Litteraturzeitung.  ^95 

Zeit,  wie  sie  sich  aus  seinen  Lustspielen  ergibt.)  —  Nr.  39.  J.  Ulrich. 
Alhan  Rosiger,  Neuhengstett  (Buraöt).  Geschichte  und  Sprache  einer 
Waldenser  Kolonie  in  Würtemberg.  Greifswald,  Abel.  1883.  IV  und 
78  8.  gr.  8°.  (Der  Hauptwert  der  verdienstlichen  Arbeit  besteht  in  dem 
mitgeteilten  Material,  zu  dessen  Erklärung  mehr  beigebracht  werden 
konnte.)  —  Nr.  43.  Anon.  Heinr.  Aug.  Schoeiensack,  Beitrag  zu  einer 
wissenschaftlichen  Grundlage  für  etymologische  Untersuchungen  auf  dem 
Gebiete  der  französischen  Sprache.  Bonn.  Strauss,  1883.  XIV  u.  626  S. 
gr.  8*>.  M.  10.  (Gänzlich  verfehlt  und  wertlos.)  —  Nr.  44.  Er. 
Schmidt.  Jlbr echt  Graf  Wkkenhurg,  yie\'s\mV9XhQ\m,  Altfranzösischer 
Schwank  in  drei  Aufzügen.  Übersetzt  und  f&r  die  deutsche  Bühne  bear- 
beitet. Wien,  Rosner.  1883.  72  S.  8»».  M.  2.  (Sehr  gelobt.)  —  Nr.  45. 
F.  L.  zeigt  an:  1)  R.  Mahrenholiz,  Voltaire-Studien.  Beiträge  zur  Kritik 
des  Historikers  und  des  Dichters.  Oppeln,  Franck,  1882.  XII  u.  196  S. 
gr.  8<*.  Mark  6.  2)  desselben  Verf.  Voltaire  im  Urteil  der  Zeitgenossen. 
Oppeln,  Franck.    1883.    95  S.    gr.  8".    M.  3.    (Vgl.  hier  VP,  113.) 

Nr.  48.  F.  L.  George  Sand,  Correspondance.  1812—1866.  T.  III 
u.  IV.  Paris,  Levy  1882  und  1883.  381,  386  S.  8'».  Fr.  7.  [vgl.  hier 
V*,  40.]  —  Nr.  49.  L.  Geiger,  JRaul  de  Raynal.  Les  correspon- 
dances  de  J.  Joubert  1785—1822.  Lettres  inedites  de  M.  de  Fontanes, 
M»e  de  Beaumont,  M.  et  M°»«  de  Chateaubriand,  M.  Mola,  M"«  de  Gui- 
tant,  M.  Frisell,  W^^  de  Chastenay.  Avec  les  portraits  de  Mesdames  de 
Chateaubriand  et  de  Beaumont.  Paris,  Levy.  1883.  398  S.  8°.  — 
Nr.  50.  Jodl.  /.-/.  Rousseau.  Übersetzt  und  erläutert  von  E.  v.  Sall- 
würk.  Mit  einer  Biographie  Rousseau's  von  Theod.  Vogt.  2.  Auflage. 
2  Bde.  (Beyer's  Bibliothek  pädagogischer  Klassiker.  Eine  Sammlung  der 
bedeutendsten  pädagogischen  Schriften  älterer  und  neuerer  Zeit.  Heraus- 
gegeben von  Fr.  Mann.)  Langensalza,  Beyer  u.  Söhne,  1883.  XX,  CXXIII 
und  268  S.;  VIII  und  405  S.  8«.  geb.  M.  6.  (Empfehlende  Anzeige.) 
—  Nr.  51.  L.  Geiger.  Auguste  ^ourgoin^  ün  bourgeois  de  Paris 
lettr^  au  XVII  si^cle,  Valentin  Conrart  (Premier  Secrätaire  perpätael  de 
TAcad^mie  frauQaise)  et  son  temps.  Sa  vie,  ses  ^rits,  son  röle  dans 
rhistoire  litt^raire  de  la  premi^re  partie  du  XVII  sibcle.  Paris,  Hachette 
et  Cie,  1883.  356  S.  8«.  Fr.  5.  (Rez.  erkennt  den  Wert  der  fleissigen 
Arbeit  im  einzelnen  an,  ist  aber  der  Ansicht,  dass  eine  Neubearbeitung 
des  erst  neuerlich  durchgearbeiteten  Stoffes  (von  Ben^  Kerviler  und 
Ed.  de  Barthelemy,  Paris  1881)  kaum  notwendig  war.)  —  Nr.  52. 
H.  Varnhagen.  Joh.  Klette,  William  Wycherley's  Leben  und  dra- 
matische Werke.  Mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Wycherley  als 
Plagiator  MoUbres.  Ein  Beitrag  zur  Litteraturgeschichte  des  17.  Jahr- 
hunderts. Münster,  Coppenrath.  1883.  74  S.  gr.  8^  Mark  1.  (Siehe 
hier  VP,  99.) 

1884.  Nr.  1.  0.  Pfleiderer.  Ch.  Borgeaud,  J.  J.  Rousseau's 
Religionsphilosophie.  Unter  Benutzung  bisher  nicht  veröffentlichter 
Quellen.  Leipzig,  Fock.  1883.  VI  und  168  S.  gr.  8^  M.  3.  (Eine 
interessante  Arbeit,  die  zur  Richtigstellung  des  Urteils  über  Rousseau 
einen  wertvollen  Beitrag  gibt.  R«z.  vermisst  eine  eingehende  Behand- 
lung des  Einflusses  Rousseau's  auf  Herder  und  durch  ihn  auf  die  deutsche 
Philosophie.)  —  Nr.  2.  E.  0.  Lubarsch.  Molifere's  Werke  mit  deutschem 
Kommentar,  Einleitungen  und  Exkursen.  Herausgeg.  von  Adolf  Laun. 
I.  Le  Misanthrope.  Bearb.  von  Wilhelm  Knörich,  Leipzig,  Leiner.  1883. 
147  S.  gr,  8^.  Mark  2.  (Die  Ausgabe  hat  durch  die  neue  Bearbeitung 
ausserordentlich  gewonnen  und  ist  zur  Zeit  in  Bezug  auf  den  Misan- 
thrope als  die  bäte  deutsche  Arbeit  zu  empfehlen.  Zum  Kommentar 
gibt  Rez.  einige  Bemerkungen.)  —  Nr.  4.  J.  Zupitza.   Heinr,  Reichardt 


296  ZeitschrifiensclMu,    D,  Behrens, 

Der  deutsche  Lehrer  in  England.  £ine  Warnung  für  die  deutsche  Lehrer- 
und Studentenschaft  sowie  eine  Mahnung  an  die  englische  Nation.  Die 
eine  Hälfte  des  Reinertrages  ist  für  den  Allgemeinen  deutschen  Schul- 
verein in  Berlin,  die  andere  für  einen  zu  gründenden  deutscheu  Lehrer- 
verein  in  London  bestimmt.  Berlin,  Weidmann.  1883.  64  S.  gr.  8^. 
Mark  1,60.  (Kez.  empfiehlt  die  Schrift  jedem,  der  sich  über  die  jetzigen 
Schulverhältnisse  Englands  unterrichten  will.)  Anon.  Aug.  Lange, 
Der  vokalische  Lautstand  in  der  französischen  Sprache  des  16.  Jahrhun- 
derts nach  den  Zeugnissen  der  alten  Grammatiker  und  den  Grundsätzen 
der  neueren  Phonetik  dargestellt,  El  hing,  Meissner.  1883.  46  Seiten. 
M.  1,50.  (Ungünstig  beurteilt.)  —  Nr.  7.  0 eisner.  Les  Continuateurs 
de  Loret.  Lettres  en  vers  de  La  Gravette  de  Mayolas,  Robinet,  Bour- 
sault,  Perdou  de  Subligny,  Laurent  et  autres  (1665—1689),  recueillies  et 
publikes  par  le  Baron  James  de  Rothschild,  T.  I  (Mai  1665  k  Juin  1666), 
T.  II  (juillet  k  d^cembre  1667).  Paris,  Norgaud  et  Patout,  1881  —  1882. 
XLIV  u.  1166,  XLII  u.  1310  Sp.  gr.  Lex.-8''.  Fr.  30.  (Die  hier  ge- 
sammelten »Briefe  in  Versen '^  verdienen  Beachtung  nicht  nur  als  eine 
litterarische  Erscheinung,  sondern  auch  als  eine  wichtige  Quelle  geschicht- 
licher Belehrung.)  —  Nr.  10.  E.  Ko schwitz.  Otto  Danker ^  Die  Real- 
gymnasien bezw.  Realschulen  I.  0.  und  das  Studium  der  neueren  Sprachen. 
Mit  einem  Vorwort  an  alle  früheren  Schüler  der  Realschule  I.  0.  etc. 
Kassel,  Kessler.  1883.  92  S.  8^  (In  dieser  Broschüre  bilden  abge- 
droschene Stichworte,  wiedergekäute  Zitate,  banausische,  oberflächliche 
und  einfaltige  Ausführungen,  Persönlichkeiten^  Missverständnisse  und  Ver- 
drehungen, versetzt  mit  einer  starken  Dosis  Anmassung  und  Eigendünkel, 
einen  Brei,  mit  dem  der  Verf.  einer  „guten  Sache"  dienen  zu  können 
glaubt.  Böswillige  Antirealschulmänoer  werden  ihn  in  Zukunft  als  Bei- 
spiel citieren,  welche  traurige  Erscheinungen  die  Realschulbildung  auf- 
kommen lasse;  besonnene  und  massvolle  Realschulmänner  werden  un- 
zweifelhaft die  Solidarität  mit  diesem  Vorkämpfer  ihrer  Sache  entrüstet 
von  sich  weisen.)  —  Nr.  11.  pp.  Otto  Dambach,  Der  deutsch-franzöei- 
sche  Litteraturvertrag  vom  19.  April  1883.  Mit  Erläuterungen.  Berlin, 
Enslin.  1883.  VI  und  74  S.  8«.  Mark  2.  (Siehe  hier  V*.  S.  107.)  — 
Nr.  13.  Anon.  E.  Siengel,  Erinnerungsworte  an  Friedrich  Diez.  Mar- 
burg, Elwert.  1883.  104  S.  gr.  8^.  Mark  1,50.  (Siehe  hier  VP,  97.) 
—  Nr.  14.  E.  0.  Lübars  eh.  kVilh.  Bornemann,  Boileau  -  Desprdaux  im 
Urteile  seines  Zeitgenossen  Jean  Desmarets  de  Saint -Sorlin.  (Französ. 
Studien  IV  3.)  Heilbronn,  Henninger.  1883.  148  S.  gr.  8^  Mark  5. 
(Günstig  besprochen.  Siehe  hier  Seite  298.)  —  Nr.  16.  W.  P.  G. 
Körting,  Encyklopädie  und  Methodologie  der  romanischen  Philologie  mit 
besonderer  Berücksichtigung  des  Französischen.  I.  Teil.  1.  Buch:  Erör- 
terung der  Vorbegriffe.  2.  Buch:  Einleitung  in  das  Studium  der  roma- 
nischen Philologie.  Heilbronn,  Henninger.  1884.  XVI  u.  244  S.  gr.  8®. 
Mark  4.  (Ein  gut  geschriebenes,  eminent  praktisches  Buch,  das  sich  hier 
mit  seinem  ersten  Bande  einem  grossen  Leserkreise  vorstellt  und  dem- 
selben nicht  warm  genug  empfohlen  werden  kann.)  —  Nr.  19.  A.Tobler, 
J,  de  La  Fontaine,  (Euvres.  Nouvelle  edition  revue  sur  les  plus  an- 
ciennes  impressions  et  les  autographes  et  augment^e  de  variantes  de 
notices,  de  notes,  d*un  lexicme  des  mots  et  locutious  remarquables,  de 
portraits,  de  facsimile,  etc.  rar  M.  Henri  Regnier.  Tome  [.  (Les  grands 
^crivains  de  la  France.  Nouvelles  editions.)  Paris,  Hachette  et  C^.  1883. 
CJCXXIV  u-  471  S.    gr.  8«.    Fr,  7,50.    (Sehr  gelobt.) 


Zttte?*aiurbl.  für  fferm,  und  rom,  Phü.  297 

liitteratnrblatt  für  germaniische  und  romanische 
Philologie.    1884. 

Nr.  1.  W.  Meyer.  M.  Mirisch,  Geschichte  des  Suffixes -ö/m^  in 
den  romanischen  Sprachen  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Vulgär- 
und  Mittellateins.  Bonn  1882.  38  S.  8.  (Bonner  Dissertation.)  (Ein 
erster  dankenswerter  Beitrag.)  G.  Wolpert  E.  Freymond,  Über  den 
reichen  Beim  bei  altfranzösischen  Dichtern  bis  zum  Anfang  des  XIV.  Jahr- 
hunderts. (Separatabdruck  aus  Gröber 's  Zeitschrift  Bd.  VI,  p.  1—36  und 
p.  177— 215.)  8^  (Gelobt.)  W.  Knörich.  B.  Mahrenholtz,  Uolihxe. 
Einführung  in  das  Leben  und  die  Werke  des  Dichters.  Kleinere  Aus- 
gabe von  des  Verfassers :  „Molifere's  Leben  und  Werke".  Heilbronn,  Gebr. 
Henninger.  1883.  266  S.  8.  Mark  4.  (Verf.  gibt  die  Besultate  seiner 
Molierestudien  in  kurzer,  präziser,  ansprechender  Form  und  guter  An- 
ordnung. Die  in  den  Rezensionen  des  grösseren  Werkes  ausgesprochenen 
abweichenden  Ansichten,  Ergänzungen  und  Berichtigungen  smd  sorg- 
fältig zu  Rate  gezogen  und  benutzt.)  W.  Knörich.  ff.  Fritsche,  Le 
Tartufe  von  Molifere.  Berlin,  Weidmännische  Buchhdlg.  1883.  176  S. 
8.  M.  1,50.  (Eine  durch  Gründlichkeit  und  Klarheit  ausgezeichnete 
Arbeit,  in  der  die  neuesten  Forschungen  Berücksichtigung  finden.  Ref. 
gibt  Nachtrage  und  Bemerkungen  zu  Einzelheiten.)  R.  Mahrenholtz. 
se  Li  vre  abominable  de  1665,  decouvert  et  publie  p.  Louis  Aug,  Menard. 
Paris,  F.  Didot.  1883.  2  voll.  fr.  20.  (Ref.  weist  des  Herausgb.s  An- 
sicht, Moli^re  sei  der  Verfasser  der  hier  zum  ersten  Mal  veröffentlichten 
Satire,  die  eine  Verherrlichung  des  General  -  Intendanten  Fouquet  zum 
Gegenstande  hat,  zurück.)  R.  Mahrenholtz.  Les  Grands  äcrivains  de 
la  France.  Moliäre.  T.  VIII  p.  p.  P.  Mesnard.  Paris,  Hachette.  1883. 
(Inhalt:  Bourgeois  gentilhomme.  Psycho,  Fourberies  de  Scapin,  Comtesse 
d'Escarbagnas.  Einleitung,  Text,  Kommentar  und  Anhänge  zeigen  die- 
selben anerkannten  Vorzüge,  die  allen  Ausgaben  der  Sammlung  nachzu- 
rühmen sind.)  —  Nr.  2.  H.  Schuchardt.  A.  Mussafia,  Zur  Präsens- 
bildimg  im  Romanischen.  Wien,  Gerold.  1883.  77  S.  8°.  (Akad.- 
Ber.)  (Inhaltreiche  Anzeige  der  sehr  gelobten  Abhandlung.)  A.  Schröer. 
F,  Franke,  Die  praktische  Spracherlernung  auf  Grund  der  Psychologie 
und  der  Physiologie  der  Sprache  dargestellt.  Heilbronn,  Henninger. 
1884.  40  S.  8**.  (Ref.  nennt  die  Schrift  eine  in  ihrer  Art  bedeutende 
und  höchst  beachtenswerte  Erscheinimg  auf  dem  Gebiet  der  pädagogi- 
schen Litteratur.)  —  Nr.  3.  H.  Breymann.  G.  Körting,  Encyklopädie 
und  Methodologie  der  romanischen  Philologie.  Mit  besonderer  Berück- 
sichtigung des  Französischen.  Erster  Teil.  Heilbronn,  Gebr.  Henninger, 
1884.  VI,  244  S.  8.  M.  4.  (Enthusiastisch  begrüsst.)  F.  Settegast. 
P.  Nissen,  Der  Nominativ  der  verbundenen  Personalpronomina  in  den 
ältesten  französischen  Sprachdenkmälern.  Kieler  Dissertation.  1882. 
83  S.  8.  (Fleissige  Materialsammlung.)  —  Nr.  4.  R.  Thurneysen. 
W,  Meyer,  Die  Schicksale  des  lateinischen  Neutrums  im  Romanischen 
(Zürich,  Dissertation).  Halle,  Niemeyer.  1883.  175  S.  8^  (Im  allge- 
meinen anerkennende  Beurteilung.)  —  Nr.  5.  G.  Wolpert.  A.  Tohler, 
Vom  französischen  Versbau  alter  und  neuer  Zeit.  Zusammenstellung  der 
Anfangsgründe.  Zweite  Auflage.  Leipzigs  Hirzel.  1883.  VH,  148  S. 
8^  Mark  3.  (Fast  auf  jeder  Seite  dieser  neuen  Auflage  erkennt  man 
die  sorgsam  bessernde  Hand  des  verdienten  Verfassers.)  A.  Tob  1er. 
K.  Knösel,  Das  altfranzösische  Zahlwort.  Erlangen,  Deichert.  1884. 
69  S.  8.  (Die  wissenschaftliche  Verarbeitung  der  fleissig  gesammelten 
Materialien  wird  vermisst.)  —  G.  W^illenberg.  /.  Witte,  Abriss  der 
französischen  Etymologie  für  den  Standpunkt  der  oberen  Gymnasial- 
klassen.    Erste  Hälfte.      Programm  des  herzoglichen  Gymnasiums   zu 


298  Zeitschrifienschau.    D.  Behrens, 

Wolfenbüttel,  1883.  20  S.  4.  (Die  gut  disponierte  und  im  allgemeinen 
klar  geschriebene  Abhandlung  dürfte  sich  weniger  für  Schüler  der  oberen 
Gymnasialklassen  als  für  angehende  Studierende  der  neueren  Sprachen 
zur  vorläufigen  Orientierung  empfehlen.  Rez.  berichtigt  einzelne  Unge- 
nauigkeiten.)  —  Nr.  6.  W.  Meyer.  E.  Etienne,  De  deminutivis  in- 
tentivis  collectivis  et  in  malam  partem  abeuntibus  in  francogallico  ser- 
mone  nominibus.  Paris,  Vieweg.  1883.  152  S.  8®.  fr.  4.  (Siehe  hier 
IV*,  S.  96  f.)  W.  Knörich.  W.  Bornemann,  Boileau  -  Despr^aux  im 
Urteile  seines  Zeitgenossen  Jean  Desmarets  de  Saint- Sorlin.  Heilbronn, 
Henninger.  1883.  148  S.  8*».  M.  5.  (Franz.  Studien,  IV.  Band,  3.  Heft.) 
(Warm  empfohlen.)  F.  Liebrecht.  E.  Roüand,  Recueil  de  Chansons 
popnlaires.  Tome  I.  Paris,  Maisonneuve  et  C»«.  1883.  III,  356  Seiten, 
gr.  8.  (Gelobt.)  —  Nr.  7.  W.  Meyer.  A,  Homing.  Zur  Geschichte 
des  lateinischen  c  vor  e  und  t  im  Romanischen.  Halle,  Niemeyer.  1883. 
140  S.  8.  M.  3,60.  (Ref.  bezeichnet  viele  von  des  Verf.  Resultaten  als 
unrichtig,  erkennt  aber  an,  dass  seine  Arbeit  seit  langer  Zeit  die  beste 
phonologische  ist  und  einen  wesentlichen  Fortschritt  bezeichnet.)  — 
H.  Schnchardt.  E.  Rolland,  Faune  populaire  de  la  France.  (Noms 
vul^aires,  dictons,  proverbes,  legendes,  contes  et  superstitions.)  Paris, 
Maisonneuve.  8".  I.  Les  mammif^res  sauvages.  1877.  XV,  179  Seiten. 
II.  Les  oiseaux  sauvages.  1879.  XV,  421  S.  III.  Les  reptiles,  les 
poissons,  les  moUusques,  les  crustacäs  et  les  insectes.     1881.    aV,  365  S. 

IV.  Les  mammif^res  domestiques.     Premiere  partie.     1881.     XII,  276  S. 

V.  Les   mammif^res  domestiques.     Deuxi^me  partie.    1882.    VI,  265  S. 

VI.  Les  oiseaux  domestiques  et  la  fauconnerie.  1883.  XI,  243  S.  (Aus- 
führliche Anzeige  des  in  mehi*facher  Beziehung  höchst  willkommenen 
Werkes.)  A.  L.  Stiefel  zeigt  an:  1)  Le'once  Person.  Histoire  du 
vdritable  Saint -Genest  de  Rotrou.  Paris,  L.  Cerf.  1882.  103  S.  8". 
2)  desselben  Verfassers  Histoire  de  Venceslas  de  Rotrou,  suivie  des  Notes 
critiques  et  biographiques.  Paris,  L.  Cerf.  1883.  148  S.  8.  3)  dessel- 
ben Verfassers  Les  Papiers  de  Pierre  de  Rotrou  de  Saudreville.  Hiervon 
nur  Appendice  von  S.  107—135.  Paris,  L.  Cerf.  1883.  (Zu  Einzelheiten 
findet  Ref.  mehreres  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen.  Im  allgemeinen 
bekundet  P.  in  seinen  Arbeiten  gesunde  Anschauungen  und  ein  mass-' 
volles  urteil.)  E.  v.  Sallwürk.  G.  Lücking,  Französische  Grammatik 
für  den  Schulgebrauch.  Berlin,  Weidmann.  1883.  X,  286  S.  8.  (Eine 
den  heute  bestehenden  Lehrplänen  angepasste  kürzere  Fassung  der  seit 
1880  in  zwei  Auflagen  erschienenen  „Französischen  Schul -Grammatik" 
desselben  Verfassers.  Rez.  hält  die  vorliegende  Reduction  um  so  mehr 
für  zeitgemäss,  da  zu  gleicher  Zeit  in  der  Fassung  der  Regeln  und  in  der 
Gruppierung  des  Stoffes  manches  zum  Vorteil  des  Buches  geändert  wor- 
den ist.)  A.  Schröer.  H.  Breymann,  Über  Lautphygiologie  und 
deren  Bedeutung  für  den  Unterricht.  München  und  Leipzig,  R.  Olden- 
bourg.  1884.  32  S.  8**.  (Anerkennend  beurteilt.)  —  Nr.  8.  St. 
Waetzoldt.  W,  Scheffler,  Die  französische  Volksdichtung  und  Sage. 
Ein  Beitrag  zur  Geistes-  und  Sittengeschichte  BVankreichs.  Erster  Band. 
Leipzig,  Bernhard  Schlicke.  1884.  XI.  332  S.  8^  M.  9.  (Ausführ- 
liche, sehr  lobende  Beurteilung.  Siehe  hier  V,  5  und  7.)  P.  Hintzel- 
mann.  Lobende  Anzeige  von  1)  Llstoire  de  la  destruction  de  Troye  la 
grant  translatee  de  latin  en  francoys  mise  par  parsonnages  et  composee 
par  Maistre  Jacques  Milet.  Autographische  Vervielfältigung  des  der  k. 
Bibliothek  zu  Dresden  gehörigen  Exemplars,  veranstaltet  von  E.  Stengel. 
Marburg,  Elwert.  1883.  VIU,  434  S.  4.  M.  15.  2)  Robert  Garnier, 
les  trag^dies.    Treuer  Abdruck  der  ersten  Gesammtausgabe  (Paris  1585), 

. . .  herausgegeben  von  W,  Foerster.  (Sammlung  französischer  Neudrucke^ 


Bevue  ctitiqtie.  299 

hrsg.  von  Karl  Vollmöller.  3—6.  Bändchen.)  Heilbronn,  Gebr.  Hennin- 
ger. 1882—1883.  XIX,  214,  168,  172.  XIX-XLI,  126  S.  8.  3)  Le 
Thöätre  d*Alexandre  Hardy.  Erster  Neudruck  der  Dramen  von  Pierre 
Gomeille's  unmittelbarem  Vorläufer  nach  den  Exenoplaren  der  Dresdener 
und  der  Wolfenbütteler  Bibliothek,  besorgt  von  JE.  Ste^igel.  Tom.  III, 
IV.  Marburg,  Elwert.  1883.  265.  331  S.  8.  M.  3,60;  2,80.  E.  von 
Sallwürk.  R.  Mahrenholtz,  Voltaire  im  Urteile  der  Zeitgenossen. 
Oppeln,  E.  Franck.  1883.  95  S.  M.  3.  (Die  von  Pleiss  und  Talent 
zeugende  Schrift  bildet  die  Fortaetzung  zu  des  Verf.  früher  erschienenen 
„Voltaire -Studien".  Vgl.  hier  VP,  98.)  J.  Herz.  A.  E.  Beauvais. 
Grosse  deutsch-französische  Phraseologie.  Nach  den  besten  Quellen  und 
den  neuesten  französischen  Schriftstellern  bearbeitet  und  mit  synonymi- 
schen etc.  Noten  versehen.  Wolfenbüttel,  Jul.  Zwissler.  1.  Band,  976  S. 
2.  Band,  S.  1 — 112.  (Verf.  zeigt  sich  seiner  Aufgabe  durchaus  nicht  ge- 
wachsen.)—  Nr.  9.  P.  Franke.  H.  Breymann,  Französische  Elementar- 
grammatik für  Realschüler.  München,  Oldenbourg.  1884.  XO,  75  S.  8. 
(Ein  trotz  allerlei  Schwächen  empfehlenswertes  Buch.)  H.  Schuchardt. 
Z.  Hertff  Esquisses  africaines.  Fablee  cräoles  et  explorations  dans  Tin- 
tärieur  de  Tile  Bourbon.  Nouvelle  Edition.  Paris,  typographie  et  litho- 
graphie  J.  Rigal  et  C^«,  1883.    196  S.    S**. 

ReTue  Crltiqne.    1888. 

Nr.  43.  H.  Körting,  Über  zwei  religiöse  Paraphrasen  Pierre  Cor- 
neille^s,  L*imitation  de  J^us-Christ  und  die  Louanges  de  la  Sainte-Vierge. 
Ein  Beitrat  zur  Corneille-Forschung.  Oppeln,  Maske.  8°.  55  p.  (Eine 
sehr  sorgßutige  und  gewissenhafte  Untersuchung.)  —  Nr.  44.  A.  Del- 
boulle.  M.  Aubertin,  Choix  de  textes  de  l'Ancien  fran9ais  du  X«  au 
XVI«  siecle.  357  p.  Paris,  Eugene  Belin.  (Das  für  französische  Schulen 
bestimmte  Buch  erfüllt  seinen  Zweck  schlecht.  Die  Auswahl  der  mitge- 
teilten Texte  lässt  viel  zu  wünschen  übrig.  Die  Anmerkungen  enthalten 
neben  Nützlichem  und  Gutem  viel  Überflüssiges  und  Irriges.  Ein  Glossar 
fehlt.)  T.  de  L.  Les  grands  äcrivains  de  la  France,  nouvelles  ^ditions 
publi^s  sous  la  direction  de  M.  Ad.  Begnier,  membre  de  Tlnstitut,  sur 
les  manuscrits,  les  copies  les  plus  authentiques  et  les  plus  anciennes  im- 

Sressions  avec  variantes,  notes,  notices,  lexiques,  portraits  etc.  /.  de  la 
"oniaine.  Tome  I.  Paris,  Hachette.  1883.  in -8  de  CO -XXIV- 471  p. 
7  fr.  50.  (Eine  in  jeder  Beziehung  vorzügliche  Ausgabe.)  T.  de  1. 
E.  Socard,  Biographie  des  personnages  remarquables  de  Troyes  et  du 
d^partement  de  TAube.  Troyes,  L.  Lacroix.  1882.  in -8  de  445  p. 
6  fr.  (Rez.  empfiehlt  das  Buch  und  gibt  einige  Nachträge.)  Camille 
Jullian.  A  propos  des  lettres  de  Bossuet  ä  Leibnitz.  (Dem  Heraus- 
geber dieser  Briefe,  Foucher  de  Careil  in  (Euvres  de  Leibnitz,  Paris, 
1859,  werden  grobe  Versehen  nachgewiesen.)  —  Nr.  45.  A.  T. 
W.  G.  C.  Bijvanck,  Sp^cimen  d*un  essai  critique  sur  les  Oeuvres  de  Fran- 
^ois  Villen.  Le  Petit  Testament.  Leyde,  1883.  [s.  hier  V«,.108.]  — 
E.  Picot.  Cl.  Janin,  Les  Imprimeurs  et  les  Libraires  dans  la  Cöte-d*Or. 
Seconde  Edition,  avec  portrait  et  fac-simile.  Dijon,  Darantibre,  1883. 
Pet.  in-8  carre  de  Vn-238  p.  p.  et  1  f.,  plus  1  portr.  et  2  planches. 
(Mangelhaft  in  Bezug  auf  Vollständigkeit  und  Genauigkeit  der  bibliogra- 
phischen Nachweise.)  —  Nr.  46.  A.  T.  E.  Freymond,  Über  den  reichen  ^im 
bei  altfranzösischen  Dichtern  bis  zum  Anfang  des  XIV.  Jahrh.  Halle, 
1882.  In-8.  [s.  hier  V^  98].  G.  Raynand.  Maximes  de  La  Roche- 
foucaald,  premier  texte  imprim^  k  la  Haye  en  1664,  collationnd  sur  le 
ms.  autographe  et  sur  les  äditions  de  1665  et  1678,  pr^dd^  d'une  prd- 
face  par  A.  Patdy,  conservateur  sons-directear  a^joiut  &  la  Biblioth^ne 


300  ZeitschrifUnscJiati.    D,  Behrens, 

nationale.  Paris,  Morgand.  1882.  In -8  de  XX- 129  pages.  In  der 
Chbonique  Anzeige  von  Z.  Person.  Les  papiers  de  Pierre  Rotrou  de 
Saudreville,  secr^taire  da  mardchal  de  Gu^oriant.  Paris.  Cerf.  8^ 
135  p,  3  fr.  („L'appendice  [pp.  108—135]  renferme  une  contribution  k 
Thistoire  de  l'Hypocondriaque,  du  V^ritable  Saint-Genest,  du  Venceslas 
et  du  Cosrofes  de  Jean  de  Rotrou".)  —  Nr.  47.  A.  DelbouUe,  N.  M. 
Bernardin,  Morceaux  choisis  des  classiques  frangais  du  XVQ«  si^cle. 
380  p.  ap.  Delagrave,  Paris.  1883.  E.  Picot.  Llmprimerie  et  la  Li- 
brairie  dans  la  Haute- Marne  et  dans  Tancien  dioc^e  de  Langres,  par 
deux  membres  correspondants  de  la  Soci^tä  historique  et  arch^ologique 
de  Langres.  Paris,  Champion;  Langres,  F.  Dangien.  1883.  in-o**  de 
2  ff.  et  50  pp.  (Extrait  du  Bulletin  de  la  Soci^td  historique  et  arcbdolo- 
gique  de  Langres,  tird  ä  100  exempl.  (Rez.  ^bt  zahlreiche  Nachträge.) 
—  Nr.  48.  T.  de  L.  Z.  Person,  Les  papiers  de  Pierre  Rotrou  de 
Saudreville  (s.  oben  Rev.  crit.  Nr.  46).  —  Nr.  49.  E.  Picot.  H.  Cordier, 
Bibliographie  des  (Euvres  de  Beaumarchais.  Portrait  d*apr^s  Cochin. 
Paris,  A.  Quantin.  8**.  VI  et  143  pp.,  plus  un  portr.  (Eine  sorgßlltige 
Arbeit,  in  der  522  Ausgaben,  Übersetzungen  und  Nachbildungen  der 
Werke  Beaumarchais  aufgezählt  und  beschrieben  werden.  Rez.  vermisst 
Litteratumachweise  und  ^ibt  sehr  zahlreiche  Nachträge.)  Varietes. 
T.  de  L.  UEstoüe  et  Jodeüe.  —  Nr.  50.  In  der  Chronique  Anzeige 
von  A.  Magen.  Fran9ois  Philon  et  son  Virgile  ävangälizant.  Agen. 
Lamy.  In-8^  24  p.  —  Nr.  52.  T.  de  L.  R.  Fage,  Lettres  inddites  de 
Baluze  ä  M.  Melon  du  Verdier,  avec  une  introduction  et  des  notes. 
TuUe,  Crauffon.  1883.  Grand  in-8  de  154  p.  A.  Gazier.  Ch.  Henry, 
Correspondance  in^dite  de  Condorcet  et  de  Turgot  (1770— 1779),  avec 
des  notes  et  une  introduction  d'apr^s  les  autographes  de  la  collect ion. 
Minor  et  et  les  manuscrits  de  l'Institut.  ün  voL  in-8  de  XXX -324  p. 
Paris,  Charavay  frerea.  1882.  7  fr.  50.  (Von  den  253  hier  veröffent- 
lichten Briefen  waren  180  noch  ungedruckt.  Der  sorgfältigen  Ausgabe 
ist  eine  wertvolle  Einleitung  beigegeben.)  Varietes.  A.  Delboulle. 
Quelques  notes  sur  Tedition  de  J.  De  La  Fontaine  par  E.  Regnier. 
Hachette  1883. 

1884.  Nr.  3.  D.  de  Nolhac.  Sammlung  französischer  Neu- 
drucke. Robert  Garnier,  les  tragedies,  treuer  Abdruck  der  ersten  Ge- 
sammtausgabe  (Paris  1585)  .  . .  herausgegeben  von  W.  Foersier.  Heil- 
bronn, Henninger.  1882—83.  4  vol.  in-8.  (Sehr  gelobt.  S.  hier 
V^  83.)  —  Nr.  4.  C.  J.  Ch.  Borgemid.  J.-J.  Rousseau's  Religionsphilo- 
sophie, unter  Benutzung  bisher  nicht  veröffentlichter  Quellen.  Geneve 
et  Leipzig.  In-8.  1883.  px)>  168.  (Bietet  wenig  Neues,  kann  aber  zur 
Orientierung  über  die  den  behandelten  Gegenstand  betreffende  neuere 
Litteratur  dienen.)  —  Nr.  6.  A.  Gazier.  E.  Bespois  et  P.  Mesnard. 
Moli^re,  tome  VIII  (collection  des  grands  ecrivains  de  la  France,  publice 
sous  la  direction  de  M.  Ad.  Regnier.)  Nouvelle  Edition  revue  sur  les 
plus  anciennes  impressions  et  augment^e  de  variantes,  de  notices,  de 
notes  etc.  Paris,  Hachette.  1883.  (siehe  hier  VI*,  S.  217.)  —  C.  J. 
R.  Mahrenholtz,  Voltaire  im  urteile  der  Zeitgenossen.  Oppeln,  Maske. 
In-8.  p.  95.  (Ein  sehr  dankenswerter  Beitrag  zur  Litteraturgeschichte 
des  XVIII.  Jahrhunderts.)  0.  E.  MaiUy,  Histoire  de  Pacadämie  impe- 
riale et  royale  des  sciences  et  helles  lettres  de  Bruzelles.  Bruxelles, 
Hayez.  Deux  volumes,  in-8,  720  et  426  pp.  (Extrait  des  m^ 
moires  de  TAcad^mie  royale  de  Belgique.)  (Gelobt.)  Tscherpakof,  Les 
fous  litt^raires.  Rectifications  et  additions  k  Tessai  biliographique  sur 
la  litt^rature  excentrique,  les  illumin^s  visionnaires  etc.,  par  Philomneste 
Junior.    Moscou,   librairie  T.  G.  Gauthier,     1883.     in -16.    89  pp.     In, 


Revue  critiqtte.  301 

der  Chbonique  wird  u.  a.  angezeigt:  M.  Toumeux,  La  politique  de  Di- 
derot. Feuillets  in^its  extraits  d^in  manuscrit  de  la  Biblioth^que  par- 
ticalibre  des  czars.  Paris.  Georges  Chamerot.  18S3.  Grand  in -8"  de 
63  p.  (Extrait  de  la  Nouvelle  Revue.)  —  Nr.  7.  T.  de  L.  Poesies 
fran9aise8  de  la  reine  Marie  Stuart,  d'apr^  un  livre  r^cemment  d^ou- 
vert,  par  G.  Pawlowski,  avec  un  portrait  de  la  Reine,  k  deux  teintes. 
Paris,  A.  Quantin.  1883.  4**.  16  pp.  (Extrait  du  Livre,  tirä  a  60  ex- 
emplaires.)  —  Nr.  11.  A.  Delboulle.  Ch.  Lormer,  Trois  cent  soi- 
xante  et  six  Apologues  d'Esope,  traduicts  en  rithme  fran9ai8e  par  maistre 
Guillaume  Haudent,  d*apr^  r^dition  de  1547,  avec  Introduction,  Table 
et  Glossaire.  Ronen,  1877.  (Gelobt.)  VakietIis.  Marcel  Schwob. 
TJne  correction  daiis  le  Me'decin  Volant.  In  der  Chboniqüe  :  Ani.  Thomas, 
Michel  de  Boteauville  et  les  premiers  vers  tran9ais  mesur^  (Erschienen 
in  den  Annales  de  la  Facultd  des  lettres  de  Bordeaux.  —  Nr.  14.  T.  d  e 
L.  Ch,  Jorei,  Des  rapports  intellectuels  et  littdraires  de  la  France  avec 
TAUemagne  avant  1789.  Paris,  Hachette  1884.  Grand  in -8  de  46  p. 
(„La  brochure  de  M.  Joret  est  remplie  de  choses  interessantes  trbs  bien 
dites  et  qui  seront  nouvelles  pour  un  grand  nombre  de  lectenrs,  mdme 
de  lecteurs  germanisants".)  —  Nr.  16.  E.  Picot.  A.  Prost,  Les  Sciences 
et  les  Arts  occultes  au  XVI<^  si^cle.  Corneille  Agrippa,  sa  vie  et  ses 
CEuvres.  II.  Paris,  Champion.  1882.  In-8.de  2  ff.  543  pp.  et  1  fr. 
VARiETifes.  L.  Mavillier.  Deux  teures  intimes  de  M.  et  M^  Roland, 
—  Nr.  23.  Rend  Kerviler.  Tamizey  de  Larroque^  Lettres  de  Jean 
Chapelain,  de  TAcad^mie  fran9aise.  Tome  second,  du  2  janvier  1659  au 
20  däcembre  1672.  Paris,  imprimerie  Nationale.  1883.  in-4,  967  pp. 
(Sehr  empfehlende  Anzeige.) 

D.  Behbeks. 


Miszellen. 


Kinige  Stellen  aus  Moli^re's  Femmes  Savantes.  —  Als  ich 
von  der  VerlagsbuchliandluDg  von  B.  G.  Teubner  aufgefordert  wurde, 
das  Manuskript  zu  einer  2.  Aufl.  der  Femmes  Savantes  zu  lieferui  war 
für  mich  zunächst  die  Frage  zu  erledigen,  was  ich  aus  jener  meiner  Erst- 
lingsarbeit machen  sollte;  entweder  eine  gelehrte  Ausgabe,  d.  h.  eine 
solche,  die  in  ihren  Erklärungen  auf  die  besonderen  Anforderungen  der 
Schule  keine  Rücksicht  zu  nehmen  und  nicht  etwa  die  Ergebnisse  der 
Forschung,  sondern  diese  selbst  in  ihrem  ganzen  Umfange  vorzuführen 
hätte,  oder  eine  reine  Schulausgabe.  Da  ich  alsbald  bei  der  Arbeit  er- 
kannte» dass  eine  reine  Schulausgabe,  mit  philologischer  Methode  ver- 
fasst,  für  das  bisherige  Absatzgebiet  der  Femmes  Savantes  das  einzig 
Richtige  sei,  war  die  Frage  nach  dieser  Richtung  hin  entschieden;  ich 
musste  also  in  jeder  Beziehung  die  Anforderungen  der  Schule  obenan 
stellen. 

Während  ich  früher  einen  behaglich  gemütlichen  Kommentar 
eigentlich  für  jedermann,  Gelehrte  und  Üngelehrte  bestimmt,  geliefert, 
dem  Schüler  dadurch  vielfach  die  Arbeit  zu  leicht  gemacht  hatte,  musste 
ich  jetzt  überall  die  Frage  entscheiden  lassen :  was  ist  für  das  Verständ- 
nis des  Primaners  und  des  Lehrers  der  Prima,  der  nicht  gerade  Moli^re 
zu  seinem  Spezialstudium  gemacht  hat,  unentbehrlich?  Was  darüber  hin- 
ausging, musste  gestrichen  werden.  Gestrichen  sind  daher  die  Inhalts- 
angaben der  einzelnen  Szenen,  sowier  viele  elementare  grammatische  und 
lexikalische  Bemerkungen,  die  vor  13  Jahren,  als  der  Durchschnittsstand 
der  französischen  Sprachkenntnisse  ein  erheblich  geringerer  war,  wohl 
am  Platze  waren,  deren  Kenntnis  aber  jetzt  wohl  vorausgesetzt  werden 
durfte.  Sodann  bedurfte  vielfach  die  Formulierung  des  einzelnen  einer 
Umarbeitung,  die  auch  durch  eine  ausgiebige  Benutzung  früher  mir  nicht 
zu  Gebote  stehender  Hilfsmittel  geboten  war.  Die  in  einzelnen  Rezen- 
sionen dafür  gegebenen  Winke  und  Bemerkungen  sind  in  dankbarer 
Weise  von  mir  entgegengenommen  und  benutzt.  Bei  der  Ausarbeitung 
habe  ich  gesehen,  wie  vielfache  Anregung  meiner  Erstlingsausgabe  die 
Ausgabe  von  Fritsche  (Berlin,  Weidm.  1879)  verdankt;  ich  habe  es,  wie 
ich  ja  das  in  dieser  Zeitschrift  schon  mehrfach  in  ähnlichen  Fällen  an- 
gedeutet habe,  für  meine  Pflicht  gehalten,  auf  den  Schultern  meiner  Vor- 
gänger stehend,  wenn  möglich  ehlras  besseres  oder  doch  mindestens  von 
mir  selbst  gründlich  verarbeitetes  zu  liefern,  dabei  strengste  Kritik  übend. 
In  dieser  Weise  erkenne  ich  dankbar  an,  welche  Vorarbeit  für  meine 
Ausgabe  die  Fritsche's  geliefert  hat ;  ich  musste  mitunter  bedauern,  dass 


Miszelkn.  303 

Fritsche  mir  gefolgt  ist,  wenn  eine  nähere  Prüfung  mir  ergab,  dass  ich 
früher  eine  nicht  haltbare  Erklärung  aufgestellt  hatte,  und  habe  mehr- 
fach Gelegenheit  gefunden,  meine  eigenen  und  Fritsche's  Erklärungen 
zu  berichtigen.  Ich  schliesse  an  diese  allgemeinen  Erörterungen  die  Be- 
sprechung einzelner  Stellen. 

Zunächst  Vers  S:  Ei  de  vous  marier  vous  osez  faire  ßte?  (Vgl. 
diese  Zeitschrift  H,  77). 

Es  ist  bisher,  meiner  Ansicht  nach,  hier  von  allen  Erklärern  der 
Fehler  gemacht  worden,  dass  sie  den  Schriftsteller  nicht  aus  dem  Schrift- 
steller selbst  erklären,  sondern  in  ihrer  Not  von  vornherein  sich  Hilfe  in 
den  Wörterbüchern  suchen.  Nach  der  überall  hier  durchklingenden  An- 
sicht der  Armande  ist  eine  Heirat  etwas  Widerliches  (degoüiani),  Ge- 
meines (vulgaire).  Schmutziges  (sale),  also  Entehrendes.  Die  wörtliche 
Übersetzung  ergibt:  „Du  wagst  Festlichkeit  (Herrlichkeit,  Grossartigkeit, 
im  Sinne  der  Armande:  Ehre)  daraus  zu  machen,  dass  du  dich  verhei- 
raten willst?"  In  verständliches  Deutsch  übersetzt  also:  „Du  wagst  noch 
damit  zu  prahlen  (dich  noch  damit  zu  brüsten),  dass  du  dich  verheiraten 
willst?*'  Erst  jetzt,  nachdem  ich  den  Sinn  der  Worte  richtig  ermittelt 
zu  haben  glaube,  erwächst  für  mich  natürlich  die  Aufgabe  festzustellen, 
ob  die  Worte  diesen  Sinn  auch  haben  können,  und  daftir  leistet  Litträ's 
Wörterbuch  die  besten  Dienste.  Wir  finden  dafür  zunächst  die  Stelle 
aus  Mol.,  Critique  H. :  Elle  l'avait  invitä  ä  souper  comme  bei  esprit,  et 
jamais  il  ne  parut  si  sot,  parmi  une  demi-douzaine  de  gens  ä  gui  eile 
avaii  faxt  ßte  de  lui  (denen  sie  mit  ihm  geprahlt  hatte),  et  qui  le  re- 
gardaient  avec  de  grands  yeux  etc.  Auch  unsere  Stelle  führt  Littr^  an 
unter  se  faire  une  ßte  de  qc,  das  er  durch  s*en  promeitre  heaucoup  de 
plaisir  gewiss  ganz  richtig  erklärt,  dx)ch  gehört  unsre  Stelle  nicht  dahin, 
weil  sie  die  Wendung  gar  nicht  bietet,  sondern  (se)  faire  ßte  de  qc. 
Littrd  erklärt  sodann  se  faire  de  fite  wiederum  richtig  durch  faire  comme 
si  on  e'tait  d*une  ßte,  etc.,  schreibt  aber  dann  unrichtig  se  faire  de  ßte, 
se  dit  aussi  pour  se  faire  honneur.  Er  hätte  das  de  weglassen  sollen, 
denn  in  dem  von  ihm  angeführten  Beispiel  Sev.  Lettr.  k  Buasy-Rabutin, 
19  mai  1677:  „Elle  ne  se  presse  jamais  de  faire  voir  qu*elle  a  plus 
d^esprit  que  les  autres ;  eile  sait  bien  des  chosee  dont  eile  ne  se  fait  point 
de  föte"  ist  das  de  offenbar  durch  .das  vorangehende  point  heraufbe- 
schworen. Nach  dieser  Angabe  Littrd's  finden  wir  in  Sachs,  enc.  Wör- 
terbuch unter  fite  als  selten  aufgeführt:  se  faire  de  fite  de  qc.  sich  mit 
etwas  (schreibe:  einer  Sache)  brüsten:  die  Bedeutung,  die  wir  für  unsere 
Stelle  und  für  se  faire  fite  brauchen!  Litträ  hätte  unsere  Stelle  unter 
die  von  ihm  gegebene  Bedeutung  se  faire  honneur  einreihen  sollen,  dann 
wäre  auch  Sachs  nicht  irre  geleitet« 

Man  möge  der  die  Besprechung  von  Vers  3  einleitenden  Bemer- 
kung nicht  die  Missdeutung  geben,  als  sei  es  dem  Erklärer  gestattet, 
seine  eigenen  Phantasien  den  Worten  des  Schriftstellers  unterzulegen :  es 
ist  ihm  verboten,  den  Worten  Gewalt  anzuthun  und  ihnen  einen  Sinn 
beizulegen,  den  sie  nach  sämtlichen  Belegstellen  nicht  haben  können. 
Zu  V,  ö  Vers  1715  (1708  f.,  wenn  die  Prosastellen  nicht  mitgezählt  wer- 
den) Sans  trouble  ai-je  assez  ^coute  Votre  digne  interp7'ete?  hatte  ich  sans 
iroiible  erklärt  durch  „ohne  Störung,  ohne  Unterbrechung,"  eine  Erklä- 
rung, die  auch  Fritsche  übernommen  hat,  die  aber  nicht  haltbar  ist. 
Sans  trouble  „ohne  Aufregung,  gelassen,"  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung, 
gibt  einen  guten  Sinn.  Philaminte  wundert  sich  mit  Kecht  darüber, 
dass  sie  sich  diesmal  ausnahmsweise  so  viel  hat  gefallen  lassen;  diesmal 
soll  das  nur  ein  Mittel  für  sie  sein,  ihren  Zweck  zu  erreichen,  und  wie 
achlau  hat  sie  das  angefangen,  wenn  Ghrysale  sich  alsbald  ihrem  Vor* 


304  Miszelkn. 

schlage  zu  fügen  bereit  ist  (Yoilk  dans  cette  aifaire  un  accommodement!). 
Sie  mhlt,  dass  diesmal  ein  in  jeder  Beziehung  gebieterisches  Auftreten 
ihren  Plänen  schaden  könnte ;  daher  bis  dahin  die  (scheinbare)  Gelassenheit. 

Zu  V,  1  Vers  1587  f.:  Je  ne  pensais  pas  que  la  phüosophie  Füi 
si  belle  qu*elle  esl,  (Tinsiruire  ainsi  les  gens  etc.  bemerkt  Fritsche:  „In 
dem  Verse  (1588)  steckt  eine  grammatische  Unklarheit;  entweder  ist 
qu'elle  est  eine  blosse  Vergleichung  (wie  sie  es  ist)  oder  si  helle  qiCeUe 
est  ist  eine  Einräumung.  Im  ersteren  Falle  müsste  es  qu'elU  Vest  heissen, 
im  zweiten  wäre  aus  dem  Einräumungssatz  vor  (Tinsiruire  noch  einmal 
si  belle  zu  ergänzen.'^  Ich  betrachte  diese  Anmerkung  als  eine  der  eigen- 
tümlichen Verblendungen,  die  meist  an  irgend  einer  Stelle  einer  vielleicht 
sonst  ganz  guten  Ausgabe  sich  finden.  So  ist  es  mir  mehrfach  begegnet, 
dass  wenn  ich  nachher  kaltblütig  an  eine  derartige  Stelle  wieder  heran- 
trat, mich  des  höchsten  gewundert  habe,  wie  es  nur  möglich  gewesen. 
So  ist  es  vielleicht  Fritsche  schon  mit  dieser  Stelle  gegangen.  In  meiner 
Ausgabe  war  die  Stelle  bisher  ohne  Anmerkung,  weil  ich  keinen  Anstoss 
genommen,  nach  Fr.  konnte  ich  allerdings  nicht  umhin,  eine  Anm.  zu- 
zufügen. Es  kann  darüber  gar  kein  Zweifel  obwalten,  dass  wir  es  mit 
einem  Vergleichssatze  zu  thun  haben;  die  Einschiebung  eines  le  ist  doch 
in  solchen  Sätzen,  um  mit  Lücking  zu  reden,  nur  fakultativ.  Fr.  hat 
ferner  ganz  ausser  acht  gelassen,  dass  der  Einräumungssatz  si  belle  qu'elle 
soit  lauten  müsste,  und  wie  gekünstelt  wäre  die  alsdann  notwendige 
Ergänzung  von  si  helle  vor  d'instruire! 

Die  ausführliche  Behandlung  dieser  Stellen  sollte  an  einigen  Bei- 
spielen darthun,  wie  ich  meine  Aufgabe  aufgefasst,  wie  ich  mich  bestrebt 
habe,  eine  des  Dichters  würdige  Schulausgabe  der  Femmes  Savantes  zu 
liefern.     Ob  und  in  wie  weit  mir  das  gelungen,  mögen  andere  beurteilen. 

C.  Th.  Lion. 


XXXVIl.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer zu  Dessau  (1. — 4.  Okt.  1884).  Neusprachliche  Sektion. 
Den  anderen  durch  die  Tradition  geheiligten  Sektionen  der  Philologen- 
Versammlungen  stellte  sich  diesmal  die  neusprachliche  Sektion  als  legi- 
tim anerkannte  zur  Seite,  nachdem  sie  zum  3.  Male  die  offiziell  be- 
dungene Zahl  von  20  Mitgliedern  nicht  nur  erreicht,  sondern  noch  weit 
überstiegen  hatte.*)    Die  Verhandlungen  in   dieser  Sektion   waren   von 


*)  Uns  erscheint  die  Legitimität  dieser  neuen  Sektion  immer  noch 
anfechtbar,  wenn  auch  den  zur  Anerkennung  derselben  geforderten  for- 
mellen Bedingungen  genügt  ist.  Eine  innere  Berechtigung  besitzt '  sie 
neben  den  übrigen,  namentlich  der  germanisch -romanischen  Sektion, 
nicht,  in  deren  Rahmen  auch  das  Französische  und  Englische  fällt.  Und 
nur  diese  Sprachen  scheinen  —  ohne  allen  haltbaren  Grund  —  mit  den 
„neueren  Sprachen"  gemeint  zu  sein.  Beschäftigt  sich  aber  die  „neu- 
sprachliche Sektion"  in  ihren  Sitzungen,  wie  in  der  oben  geschilderten 
letzten,  ausschliesslich  mit  pädagogischen  Fragen,  so  sollte  sie  der  „pä- 
dagogischen Sektion"  angehören,  und  könnte  eine  berechtigte  Unter- 
abteilung dieser  abgeben,  insofern  sie  ihre  Aufmerksamkeit  ausschliess- 
lich dem  Unterrichte  einiger  lebender  Sprachen  zuwendet.  Wir  halten 
die  Gründung  dieser  neuen  Sektion  desnalb  für  in  hohem  Grade  be- 
dauerlich,' weil  wir  uns  der  Befürchtung  nicht  entschlagen  können,  sie 
möchte  das  Ansehen  der  in  ihr  vertretenen  philologischen  Fächer  schä- 


MiszeÜen.  305 

groflsem  Interesse,  indem  sie,  umsichtig  geleitet  und  vorbereitet,  die 
wissenschaftliche  Seite  der  Spracherkenn&is  mit  der  praktischen  des 
Sprachunterrichtes  vereinten.  Herr  O.-L.  Dr.  Deutschbein  (Zwickau)  hielt 
einen  sorgföltig  durchgearbeiteten  Vortrag  über  »Die  Lautphysiologie  beim 
neusprachlichen  Unterricht",  der  eine  lebhafte,  mehr  auf  Einzelheiten  als 
auf  die  Grundprinzipien  gerichtete  Debatte  hervorrief  und  mit  der  An- 
nahme folgender,  nur  wenig  modifizierter,  Thesen  endete: 

1.  Trotz  mehrfacher  Bedenken  ist  es  empfehlenswert,  in  der  Schule 
beim  neusprachlichen  Unterrichte  die  Resultate  der  Laut- 
physiologie theoretisch  und  praktisch  zu  verwerten. 

2.  Dabei  sind  nicht  bloss  die  physiologischen  Vorgänge  und 
Verhältnisse  zu  berücksichtigen,  sondern  auch  die  akustischen. 

3.  In  den  ersten  2—3  Stunden  des  neusprachlichen  Anfangsunter- 
richtes ist  das  Notwendigste  aus  der  allgemeinen  Laut- 
physiologie zu  behandeln,  um  so  eine  Grundlage  für  die 
spezielle  Lautphysiologie  der  betreffenden  Sprache,  welche 
am  besten  im  Anschlüsse  an  die  einzelnen  Lektionen  des  ein- 
geführten Lehrbuches  behandelt  wird,  zu  gewinnen. 

Nicht  gleiche  Übereinstimmung  herrschte  über  den  Anfangsunter- 
richt im  Französischen,  welcher  den  Gegenstand  eines  Diskurses  des  O.-L. 
Löwe  (Bemburg)  bildete.  Das  von  dem  Herrn  Vortragenden  zu  Grunde 
gelegte  „Elementarbuch  des  franz.  Unterrichtes",  welches  er  als  Fest- 
schrift für  die  Philologenversammlung  verfasst  hatte,  wurde  in  mancher 
Hinsicht  von  den  Herren  Dr.  Kühn  (Wiesbaden)  und  Dr.  Elinghard 
(Beichenbach)  ergänzt,  doch  fanden  auch  diese  beiden  Herren  nicht  un- 
bedingte Zustimmung,  da  sie  die  induktive  Methode  des  Sprachunterrichtea 
als  für  alle  Stufen  anwendbar  erklärten.  Herr  Direktor  Benecke  erörterte 
praktischen  Vorzüge  der  von  ihm  in  seinen  franz.  Lehrbüchern  mit  so 
vielem  Erfolge  durchgeführten  Methode,  konnte  aber  auf  die  Schlussab- 
stimmung keinen  entscheidenden  Einfluss  üben,  da  er  durch  Unwohlsein  am 
Erscheinen  verhindert  war.  Man  einigte  sich  endlich,  um  beiden  Rich- 
tungen, der  deduktiven  und  induktiven,  Rechnung  zu  tragen  in  der  An- 
nahme der  These; 

,,Auf  der  Anfangsstufe  des  franz.  Unterrichtes  ist  das  Lesebuch 

zum  Ausgangs-  und  Mittelpunkt  zu  machen  und  die  Grammatik 

induktiv  zu  betreiben." 
Von  einer  definitiven  Entscheidung  über  die  auf  der  mittleren  und 
oberen  Stufe  vorzuziehende  Methode  wurde,  als  dem  eigentlichen  Gegen- 
stande der  Tagesordnung  fem  liegend,  Abstand  genommen.  Für  diese 
relative  Einigung  so  verschieden  gerichteter  Fachgenossen  war  besonders 
die  vermittelnde  und  entgegenkommende  Haltung  des  Vorsitzenden,  Herrn 
Prof.  Lambeck  (Cöthen),  von  Einfluss.     Diesem,  wie  dem  regen  Anteil, 


gen ,  und  das  Vorurteil  bestärken,  als  seien  Französisch  und  Eng- 
usch  organisch  enger  zusammengehörig  als  etwa  Latein  und  Roma- 
nisch oder  Englisch  und  Germanisch.  Auch  die  für  den  Unterricht  im 
Französischen  und  Englischen  zur  Geltung  kommen  den  pädagogischen 
Fragen  sollten  nicht  von  der  pädagogischen  Behandlung  des  sprachlichen 
Unterrichts  überhaupt  völlig  abgetrennt  behandelt  werden.  Wir  können 
daher  den  Wunsch  und  die  Hoffnung  nicht  unterdrücken,  dass  eine  spätere 
Philologenversammlung  wieder  die  Auflösung  dieser  Sektion,  oder  doch  eine 
zweckentsprechendere  Benennung  und  Einordnung  derselben  in  die  Ge- 
samtheit oer  in  diesen  Versammlungen  vertretenen  Disziplinen  beschliessen 
werde.  B,  Red. 

Zsciur.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.    VI^.  20 


306  MkzeUm. 

welchen  die  Herren  Benecke»  Vietor  (Wiesbaden),  Eühn^  Elinghard, 
Techmer  (Leipzig)  an  allen  Debatten  nahmen,  ist  der  günstige  Eindruck 
und  die  bestimmte  Stellung  der  Verhandlungen  zuzuschreiben. 

R.  Mahrenholtz. 


Zur  Verwahrung  und  Richtigstellung.  —  Im  Zentralorgan 
ftlr  die  Interessen  des  Realschulwesens,  1884,  Heft  12.  hat  Herr  Dr.  Löwe, 
Oberlehrer  am  herzoglichen  Realgymnasium  in  Bernburg,  einen  Vortrag: 
„Über  den  Anfangsunterricht  im  Französischen*'  veröffentlicht,  den  er 
in  der  neusprachlichen  Sektion  der  37.  Versammlung  deutscher  Philo- 
logen und  Schulmänner  zu  Dessau  (1.— 4.  Oktober  1884)  gehalten  hat. 
Der  Vortrag  umfasst  in  dem  Format  des  genannten  Zentralorgans 
9*/a  Druckseiten,  Nach  einer  kurzen  Einleitung  erklärt  Herr  Löwe,  dass 
er  einen  „Entwurf  eines  französischen  Elementarbuchs  nach  neueren  An- 
schauungen'^  verfasst  habe,  den  er  der  Sektion  vorlege.  Er  habe  die 
betrübende  Erfahrung  gemacht,  dass  die  Ergebnisse  der  bisherigen  gram- 
matistischen  Lehrweise  im  französischen  ganz  kärgliche  seien,  während 
er  dagegen  mit  seiner  eigenen  Lehrmethode  im  englischen  Elementar- 
unterrichte stets  gute  Erfolge  erzielt  habe.  Dies  habe  ihm  den  Gedanken 
nahe  gelegt,  seine  Methode  auch  auf  das  Französische  zu  übertragen, 
und  so  sei  der  obige  Entwurf  entstanden.  Dabei  habe  er  die  für  dieses 
Gebiet  vorhandene  Litteratur  benutzt,  und  müsse  sich  daher  mit  manchem 
seiner  Vorgänger  erst  hier  auseinandersetzen.  ~  Diese  Darlegung  bis 
hierher  umfasst  2  Seiten.  Es  folgt  auf  den  folgenden  4  Seiten  ein 
längeres  wörtliches  Zitat  aus  dem  Osterprogramm  der  Realschule  zu 
Borna  1883  vom  Direktor  Klotzsch,  dann  eine  Aufzählung  der  von  diesem 
verfassten  Lehrbücher  und  eine  kurze  Kritik  derselben  (10  Zeilen),  die 
ablehnend  ausföllt.  Alsdann  werden  kritisiert  das  „Elementarbuch  der 
französischen  Sprache  von  Plattner ^  (17  Zeilen),  das  „Lehrbuch  des 
Französischen''  von  Scholderer  (11  Zeilen),  endlich  die  „Französische 
Elementargrammatik  für  Realschüler''  von  Brejmann  nebst  dem  dazu- 
gehörigen Übungsbuch  von  Breymann  und  Möller  (18  Zeilen);  die  Be- 
sprechung kommt  überall  zu  negativen  Ergebnissen.  Dann  folgen  einige 
„Erläuterungen'*  zu  dem  von  Herrn  Tjöwe  vorgelegten  Entwürfe  (1  Seite), 
die  im  wesentlichen  aus  einer  Inhaltsangabe  desselben  bestehen,  dann 
ein  Schlusswort  (ca.  ^Z,  Seite),  in  welchem  ein  zweiter  Teil  des  liöwe- 
schen  Elementarbuches  angekündigt  wird.  Hinter  diesem  Vortrage,  der 
am  Anfang  und  am  Ende  in  Anführungszeichen  eingeschlossen  ist, 
kommt,  in  derselben  Schriftgattung  gedruckt  und  als  Fortsetzung  des 
Textes,  nicht  etwa  als  Anmerkung,  folgender  Satz:  „Nach  zweitägigen, 
interessanten  Debatten  wurde  folgende  These  des  Vortragenden  ein- 
stimmig angenommen:  „„Im  französischen  (wie  im  englischen)  Anfangs- 
unterricht ist  der  Lesestoff  zum  Ausgangs-  und  Mittelpunkt  des  Unter- 
richts zu  machen  und  die  Grammatik  zunächst  immer  induktiv  zu  be- 
handeln"«." 

Schon  nach  der  Lektüre  der  obigen  kurzen,  aber  alles  wesentliche 
enthaltenden  Inhaltsangabe  muss  es  auffallen,  dass  die  These  sich  nicht 
als  Endergebnis  der  in  dem  Vortrage  enthaltenen  Entwickelungen  dar- 
stellt, überhaupt  in  gar  keinem  inneren  Zusammenhange  mit  demselben 
steht.  Indessen  der  Leser  wird  sich  vermutlich  sagen:  Wenn  die  Hinzu- 
fügung dieser  heterogenen  These  überhaupt  einen  Sinn  haben  soll,  so 
muss  es  wohl  der  sein,  dass  die  Sektion  durch  die  Annahme  derselben 
hat  aussprechen  wollen,  das  Elementarbuch   des  Herrn  Löwe  sei  nach 


Muszeüen.  307 

den  in  der  These  aasgesprochenen  Grundsätzen  bearbeitet,  und  die  Sektion 
wolle  dasselbe  damit  billigen  und  empfehlen.  Dies  ist  aber  in  keiner 
Weise  der  Fall.  Als  Mitglied  der  neusprachlichen  Sektion  des  Dessauer 
Philologentages  habe  ich  allen  Verhandluogen  derselben  von  Anfang  bis 
zu  Ende  beigewohnt  und  mich  mehrfach  an  denselben  beteiligt;  auch 
mein  Votum  ist  in  der  einstimmigen  Annahme  der  obigen  These  ent- 
halten; ich  glaube  daher  sowohl  das  Recht  wie  die  Pflicht  zu  haben, 
das  über  die  betreffenden  Verhandlungen  künstlich  verbreitete  Halb- 
dunkel zu  lichten  und  den  thatsächliohen  Verlauf  der  Angelegenheit 
öffentlich  festzustellen.  Ich  erkläre  dabei  ausdrücklich,  dass  ich  auf  eine 
Kritik  sowohl  des  Vortrags  wie  des  Elementarbuchs  des  Herrn  Löwe  an 
dieser  Stelle  verzichte,  so  sehr  auch  beide  Leistungen  dazu  herausfordern ; 
es  kommt  mir  hier  lediglich  auf  die  Klarstellung  der  Thatsachen  an. 

Als  Herr  Löwe  in  der  ersten  Sitzung  der  neusprachlichen  Sektion 
(am  2.  Oktober  1884)  seinen  Vortrag  beendet  hatte,  stellte  er  nicht 
die  oben  angefahrte  These,  wie  man  nach  der  von  ihm  beliebten  An- 
fügung derselben  an  seinen  Vortrag  in  dem  im  Zentralorgan  gegebenen 
Abdruck  annehmen  muss,  sondern  die  folgende : 

„Ein  gedeihlicher  Unterricht  im  Französischen  ist  bei 
Zugrundelegung  des  vorgelegten  Entwurfes  möglich." 

Diese  These  verlas  Herr  Löwe  mehrmals  mit  nachdrücklichem 
Tone  und  bat  um  deren  Annahme.  Es  war  wohl  sofort  jedem  Mitgliede 
der  Sektion  klar,  dass  durch  die  Annahme  dieser  These  eine  Billigung 
und  Empfehlung  des  Löwe^schen  Buches  ausgesprochen  werden  sollte; 
diese  von  einer  Versammlung  von  Fachmännern  gegebene  Empfehlung 
später  zur  ausgiebigsten  Reklame  für  das  Buch  zu  verwenden,  würde 
sich  schon  Herr  Löwe  oder  wenigstens  dessen  Verleger  haben  angelegen 
sein  lassen.  Jene  Zumutung  wirkte  um  so  verblüffender,  da  wir  ja  den 
Löwe^schen  Entwurf  erst  am  Tage  vorher  in  die  Hand  bekommen  und  die 
meisten  von  uns  noch  nicht  Zeit  gefunden  hatten,  denselben  genauer  an- 
zusehen. Schon  aus  diesem  Grunde  erhoben  sich  sofort  Proteste  aus  der 
Mitte  der  Versammlung  gegen  die  Diskussion  dieser  These.  Trotz  der 
Kürze  der  Zeit  hatten  aber  einige  Herren  Müsse  gefunden,  das  Buch  des 
Herrn  Löwe  in  einzelnen  Teilen  zu  prüfen;  es  wurde  daher  in  eine  Be- 
sprechung über  dasselbe  eingetreten.  In  längerer  Darlegung  gaben  nun 
die  Herren  Dr.  Kühn- Wiesbaden,  Dr.  Klinghard-Reichenbach  i.  Schi,  und 
Josupeit- Rastenburg  eine  Kritik  verschiedener  Teile  des  Löwe'schen 
Buches,  die  in  allen  Punkten  ablehnend  ausfiel.  Nach  dem  von  mir 
empfangenen  Eindruck  zu  schliessen,  würde  die  Zurückweisung  des  Ent- 
wurfes noch  viel  entschiedener  gewesen  sein,  wenn  sich  die  Redner  nicht 
wegen  der  Anwesenheit  des  Verfassers  augenscheinlich  bemüht  hätten, 
ihre  Kritik  in  eine  schonende  Form  zu  kleiden. 

Hiemach  könnt«  von  einer  Annahme  der  gestellten  These  keine 
Rede  mehr  sein;  es  wurde  vielmehr  der  Vortrag  und  die  These  des 
Herrn  Löwe  vollständig  bei  Seite  geschoben  und  auf  Anregung  aus  der 
Mitte  der  Versammlung  die  Frage  so  gestellt:  Was  ist  zur  Grundlage 
des  französischen  (und  englischen)  Unterrichts  zu  machen,  die  Grammatik 
oder  der  Lesestoff?  Es  wurde  beschlossen,  über  diese  Frage  zu  debattieren, 
und  zwar  zunächst  nur  über  den  Elementarunterricht  zu  verhandeln. 
Die  Debatte  begann  auch  sofort  und  mehrere  Redner  sprachen  sich,  ohne 
erheblichen  Widerspruch  zu  finden,  f[ir  die  Zugrundelegung  des  Lese- 
stoffes aus,  sodass  man  schon  erkennen  konnte,  nach  welcher  Richtung 
sich  die  Meinung  der  Mehrheit  neigte. 

Indessen  nahte  die  Zeit  der  ersten  allgemeinen  Sitzung  heran,  und 
die  Sektionsaitzung  sollte  geschlossen  "werden.    Da  versuchte  Herr  Löwe 

20* 


308  Misteten. 

noch  einmal,  seine  These  durclizubringen.  Er  erklärte,  dass  es  ihm  nicht 
möglich  sein  würde,  an  den  beiden  folgenden  Sektionssitzangen  teil  za 
nehmen,  da  er  nicht  wieder  von  Bernburg  herüber  kommen  könne;  es 
müsse  ihm  aber  doch  daran  liegen,  die  Meinung  der  Sektion  über  seinen 
Entwurf  kennen  zu  lernen;  er  bitte  daher  um  Abstimmung  über  die 
von  ihm  gestellte  These.  Die  Sektion  kam  jedoch  diesem  Wunsche 
nicht  nach;  sie  lehnte  es  ab,  über  die  These  des  Herrn  Löwe  abzu- 
stimmen, beschloss  vielmehr,  am  übernächsten  Tage,  da  für  die  nächste 
Sitzung  schon  ein  anderer  wichtiger  Gegenstand  auf  der  Tagesordnung 
stand,  die  Verhandlungen  über  die  Gestaltung  des  neusprachlichen 
Elementarunterrichts  fortzusetzen. 

An  diesem  Tage,  Sonnabend  den  4.  Oktober',  erschien  zu  allge- 
meiner Überraschung  Herr  Löwe  wieder  in  der  Sektionssitzung  und  stellte 
zu  Beginn  der  Verhandlungen  eine  neue  These,  die  von  seiner  früheren 
vollständig  verschieden  war  und  ungefähr  dasjenige  zum  Inhalt  hatte, 
was  als  das  schliessUchc  Ergebnis  der  Debatten  schon  mit  einiger  Wahr- 
scheinlichkeit vorausgesehen  werden  konnte.  Die  Absicht  dieser  ver- 
änderten Taktik  des  Herrn  Löwe  war  sofort  klar:  er  wollte  offenbar  das 
Heft  des  Thesenstellens  in  der  Hand  behalten,  um  nachher  sagen  zu 
können,  eine  von  ihm  gestellte  These  sei  angenommen  worden.  Ob  die- 
selbe die  schliesslich  von  der  Sektion  angenommene  Form  ursprünglich 
hatte,  ist  mir  nicht  mehr  genau  erinnerlidi;  ich  mnss  es  jedoch  auf  das 
entschiedendste  bezweifeln ;  denn  dieselbe  wurde  in  eingehender  Debatte, 
die  sich  fast  um  jeden  einzelnen  Ausdruck  erhob,  von  der  Sektion  selbst 
festgestellt;  wer  der  These  die  schliessliche  Formulierung  gegeben  hat, 
weiss  ich  nicht  mehr  genau. 

Soviel  geht  jedenfalls  aus  dieser  rein  sachlichen  Darstellung  hervor: 
Die  von  der  neusprachli'chen  Sektion  des  Dessauer  Philo- 
logentages angenommene  These  steht  in  keinerlei  Beziehung 
zu  dem  Vortrage  und  zu  dem  Entwurf  eines  französischen 
Elementarbuchs  des  Herrn  Löwe;  sie  ist  ursprünglich  nicht 
von  Herrn  Löwe  gestellt  worden;  sie  kann  in  keiner  Weise 
zur  Empfehlung  des  von  Herrn  Löwe  veröffentlichten  und 
aus  jenem  Entwurf  hervorgegangenen  Buches:  „Naturge- 
mässer  Lehrgang  des  Französischen  für  die  beiden  ersten 
Jahre  des  französischen  Unterrichts  (Quinta  und  Quarta). 
Berlin,  Friedberg  &  Mode.''  benutzt  werden. 

Die  neusprachliche  Sektion  des  Philologentages  hat  sich  in  Dessau 
zum  dritten  male  in  ununterbrochener  Reihenfolge,  und  zwar  diesmal 
mit  über  dreissig  Mitgliedern,  konstituiert  und  ist  damit  in  die  Reihe 
der  ständigen  Sektionen  eingetreten;  es  kann  sie  aber  bei  ihren  älteren 
Schwestern  nur  kompromittieren,  wenn  die  Meinung  aufkommen  könnte, 
sie  habe  sich  jemals  dazu  missbrauchen  lassen,  für  ein  Buch  des  Herrn 
Löwe  Reklame  zu  machen. 

Nachschrift.  -T  Soeben  (Anfang  Januar  1885)  versendet  die  Verlags- 
handlung von  Friedberg  &  Mode  in  Berlin  einen  Sonderabzug  des  Löwe'schen 
Vortrags  und  einen  vom  Dezember  1884  datierten  Prospekt,  in  welchem  es 
heisst:  (Anbei  übersenden  wir  ein  Exemplar)  „des  von  Herrn  Dr.  Löwe  etc. 
auf  der  diesjährigen  Philologenversammlung  in  Dessau  gehaltenen  und 
mit  allseitiger  Anerkennung  aufgenommenen  (! !)  Vortrages  über  die  Um- 
gestaltung des  französischen  Unterrichts.  Ein  bezüglicher 
Entwurf  der  Methode  des  Herrn  Dr.  Löwe  wurde  mit  Unterstützung  der 
Herzogl.  Anhalt.  Regierung  als  Festschrift  zur  erwähnten  Philologenver- 
sammlung gedruckt.    Der  Ton  Eterm  Dr.  Löwe  aufgestellte  (1!)  Grund- 


Mieteüen.  309 

satz:  Im  französischen  Anfangsunterricht  ist  der  Lesestoff 
znm  Ausgangs-  und  Mittelpunkt  des  Unterrichts  zu  machen 
und  die  Grammatik  zunächst  immer  induktiv  zu  behandeln, 
ist  von  der  neusprachlichen  Sektion  einstimmig  angenommen  worden. 
Der  auf  Grund  dieses  angenommenen  Prinzips  bearbeitete  (!!)  Lehr- 
gang etc.  ist  soeben  erschienen.  Nach  dem  urteile  hervorragender  Pä- 
dagogen ist  es  zweifellos  (! !),  dass  hier  ein  Buch  vorliegt,  welches  be- 
rufen ist,  den  französischen  Unterricht  in  hervorragendster  Weise  zu 
fördern^'.  Es  folgt  eine  Aufzählung  der  Vorzüge  des  Buches  und  Auf- 
forderung zur  Einführung  desselben. 

Dieser  Prospekt  enthält  fast  ebensoviele  Unwahrheiten  wie 
Sätze. 

1)  Der  bez.  Vortrag  des  Herrn  Löwe  ist  von  der  neusprachlichen 
Sektion  des  Dessauer  Philologentages  nicht  nur  nicht  „mit  allseitiger 
Anerkennung  aufgenommen"  i  sondern  im  Gegenteil  mit  eisiger  Kälte 
abgelehnt  worden.  Weder  während  des  Vortrages  noch  am  Schluss 
desselben  machte  sich  auch  nur  das  geringste  Zeichen  des  Beifalls  oder 
der  Zustimmung  bemerklich.  Dass  der  Herr  Vorsitzende  der  Sektion  dem 
Vortragenden  seinen  Dank  für  den  Vortrag  aussprach,  war  eine  in 
solchen  Fällen  übliche  Höflichkeitsformel,  die  Niemand  als  „allseitige 
Anerkennung"  auslegen  kann. 

2)  die  von  der  Sektion  angenommene  These  war  von  Herrn  Löwe 
ursprünglich  überhaupt  nicht,  und  später  nicht  in  dieser  Form  aufge- 
stellt worden.  Sie  ist  vielmehr  ohne  Zuthun  und  sogar  gegen  den 
Willen  des  Herrn  Löwe  aus  den  Verhandlungen  der  Sektion  hervor- 
gegangen. 

3)  Es  ist  unerfindlich,  wieso  der  „Lehrgang  etc.^  des  Herrn  Löwe 
„auf  Grund  dieses  angenommenen  Prinzips"  (nämlich  der  von  der  Sektion 
angenommenen  These)  bearbeitet  sein  soll,  da  der  Entwurf  dieses  Lehr- 
ganges schon  vor  den  Verhandlungen  der  Sektion  gedruckt  vor,  und  Herr 
Löwe  ja  gar  nicht  wissen  konnte,  welche  Grundsätze  die  Sektion  auf- 
stellen würde. 

4)  „Nach  dem  Urteile  hervorragender  Pädagogen  ist  es  zweifel- 
los etc."  Welcher  hervorragenden  I^agogen?  Ein  öffentliches  Urteil 
über  das  Buch  des  Herrn  Löwe  ist  noch  nicht  abgegeben  worden,  da  ja 
das  Buch  soeben  erst  erschienen  ist.  Sollten  etwa  unter  den  „hervor- 
ragenden Pädagogen"  die  Mitglieder  der  neusprachlichen  Sektion  ge- 
meint sein,  so  wird  es  denselben  sicherlich  sehr  schmeichelhaft  sein, 
we^en  ihrer  Teilnahme  an  einer  Philologenversammlung  von  der  ge- 
fälligen Verlagshandlung  zu  „hervorragenden  Pädagogen"  gestempelt  zu 
werden;  es  muss  aber  konstatiert  werden,  dass  die  Sektion  kein  Urteil 
über  das  Löwe^sche  Buch  abgegeben  hat,  am  allerwenigsten  aber 
ein  anerkennendes. 

Wenn  auch  Herr  Löwe,  wie  ich  zu  seiner  Ehre  annehmen  will, 
den  erwähnten  Prospekt  weder  selbst  verfasst  noch  inspiriert  hat,  so 
hätte  er  doch  in  seinem  eigenen  Interesse  verhindern  sollen,  dass  in 
dieser  würdelosen  Weise  und  vor  allen  Dinp^en  durch  Entstellung  der 
Wahrheit  für  sein  Buch  Reklame  gemacht  wird.  Indessen  —  mögen  die 
Herren  thun,  was  sie  mit  ihrer  Wtbrde  für  vereinbar  halten;  wenn  aber 
dritte  Personen  oder  Körperschaften  für  eine  solche  Bieklame  gemiss- 
braucht  werden  sollen,  und  wenn  in  Bezug  anf  dieselben  EntsteUungen 
und  direkte  Unwahrheiten  verbreitet  werden,  so  haben  die  Betroffenen 
die  Pflicht,  dagegen  anf  das  Entschiedenste  Verwahrung  einzulegen. 

F.  HVKIIBL, 


310  MiszeUen. 

Eine  Bectification.  Das  Sachs- Vi latte*8che  Wörterbuch  ent- 
hält manches,  was  meiner  Ansicht  nach  nicht  hinein  gehört ;  dazu  rechne 
ich  besonders  eine  Reihe  fremdsprachlicher,  aber  nicht  französischer, 
auch  nicht  irgendwie  ein  französisches  Gewand  tragender  Ausdrücke  und 
Formehl.  Dergleichen  findet  seinen  Platz  am  passendsten  in  einem 
Fremdwörterbudi  oder  einem  Konversationslexikon.  Das  Spezialwörter- 
buch  einer  einzelnen  Sprache  braucht  und  soll  nicht  ein  Promptuarium 
heteroglotter  Termini  sein,  die  zu  dem  betreffenden  Sprachgut  in  gar 
keiner  Beziehung  stehen.  So  hätte  denn  auch  bei  Sachs- Vilatte  die  Auf- 
nahme der  Formel  urbi  et  orbi  füglich  unterbleiben  können,  wenn  auch 
hie  und  da  die  Phrase  vorkommt  publier  une  nduveUe  urbi  el  orbi; 
denn  dieser  Ausdruck  ist  eben  in  keiner  Weise  und  auch  nicht  im  wei- 
testen Sinne  französisches  Sprachgut,  sowenig  er  etwa  für  das  deutsche 
Lexikon  reklamiert  werden  könnte,  trotzdem  er  in  deutschen  Texten  zu 
finden  ist.  Es  verhält  sich  mit  ihm  gerade  so  wie  mit  hundert  anderen 
mehr  oder  minder  häufig  angewandten  Latinismen  (pro  domo,  non  multum 
sed  mtdia,  ad  captandam  benevoleniiam  etc.,  etc.).  Doch  es  ist  nicht 
meine  Absicht,  dieses  Thema  hier  weiter  auszuführen;  der  eigentliche 
Zweck  dieser  Zeilen  ist  vielmehr,  auf  die  Unrichtigkeit  der  von  Sachs 
gegebenen  Sacherklärung  von  urbi  et  orbi  aufmerksam  zu  machen.  Die- 
selbe lautet:  „im  päpstlichen  Segen  vorkommende  Worte". 
Sachs  ist  zu  entschuldigen,  denn  selbst  in  von  sonst  sachkundigen  Ka- 
tholiken verfassten  Büchern  (Reiseberichten  u.  dgl.)  ist  die  Behauptung 
zu  lesen,  der  Papst  erteile  an  gewissen  Tagen  feierlich  und  öifentlich 
seinen  Segen  urbi  et  orbi.  Diese  Behauptung  sowie  die  damit  unmittel- 
bar zusammenhängende  Angabe,  eine  päpstliche  Segensformel  ent- 
halte die  Worte  urbi  et  orbi  ist  vollständig  aus  der  Luft  gegriffen: 
es  existiert  weder  dem  Wortlaute  noch  der  Sache  nach  eine  benedictio 
urbi  et  orbi.  Der  Sachverhalt  ist  vielmehr  folgender:  Der  Papst  spendet 
(beziehungsweise  spendete  vor  dem  20.  September  1870)  an  gewissen 
(3—4)  Tagen  des  Jahres  von  der  Loggia  einer  der  drei  Patriarchalbasi- 
Uken  S.  Giovanni  in  Laterano,  S.  Pietro  und  S.  Maria  Maggiore  öffent- 
lich und  feierlich  die  benedictio  apostolica  den  auf  dem  Platze  vor  der 
Kirche  Anwesenden,  wobei  dieselben,  insofern  sie  die  gewöhnlichen 
vorgeschriebenen  Bedingungen  (Beichte,  Kommunion  etc.)  erfüllt  haben, 
einen  vollkommenen  Ablass  (Nachlass  der  zeitlichen  Sündenstrafen)  ge- 
winnen können.  Die  bei  diesem  Se^en  gebrauchte  Formel  ist  durchaus 
die  gewöhnliche:  Benedicat  vos  omntpotens  JDeus  Pater  et  Filius  et  Spi- 
ritus Sancttis.  Während  der  ganzen,  ungeföhr  eine  Viertelstunde  dauern- 
den Zeremonie  findet  nicht  die  leiseste  Anspielung  auf  ein  urbi  et  orbi 
st^tt.  Die  Auffassung  des.  apostolischen  Segens  als  eines  urbi  et  orbi  gel- 
tenden entbehrt  aber  auch  jeder  sachlichen  Begründung:  der  Seeen,  be- 
ziehungsweise dessen  spirituale  Wirkungen  gelten,  wie  gesagt,  den  An- 
wesenden, der  Se^nspendung  in  der  erforderlichen  Disposition  Beiwoh- 
nenden; eine  Partizipation  Abwesender,  mögen  sie  sich  in  urbe  oder  in 
orbe  befinden,  ist  nach  katholischem  Lehrbegriff  unstatthaft.  Die  Be- 
zeichnung urbi  et  orbi  findet  sich  denn  auch  in  keinem  einzijscen  un- 
mittelbar oder  mittelbar  authentischen  Werke  über  katholische  Litnrgik 
und  in,  diesen  päpstlichen  Akt  erwähnenden,  italienischen,  sowohl  älteren 
als  neueren,  Büchern  heisst  derselbe  nur  benedizione  publica,  b,  solenne, 
oder  kurz:  die  benedictio  urbi  et  orbi  ist  eine  yielleicht  fromme,  aber 
recht  unverständige  und  unglückliche  Erfindung,  ein  durchaus  inhalts- 
leerer Mythus.  Entstanden  mag  (üeser  Mythus  sein  durch  eine  miss- 
verstandene Auffassung  und  Übertragung  der  Portalaufschrift  von  S.  Gio- 
vanni in  Laterano,   der  Kathedrale  des    Papstes:   Ommum    ecclesiamm 


Miszeüen. 


311 


urhis  ei  orbis  maier  ei  capui,  Soll  daher  das  urbiei  orbioMch  künftig 
im  Sächsischen  Wörterbuch  stehen  bleiben,  so  mnss  die  Erklärung  etwa 
lauten:  „entstanden  durch  missyerständliche  Deutung  des  feierlichen 
päpstlichen  Segens".  F.  ZvfifiiNA. 


Bemerkungen  zu  den  Ausgaben  der  Consid^rations  Mon- 
tesquieu's  von  Oberlehrer  Dr.  Mayer  ^Velhagen  und  Klassing)  und 
Oberlehrer  Dr.  Lengnkk  (Renger).  Zugleich  eine  oratio  pro  domo.  — 
Im  ersten  Bande  dieser  Zeitschrift  (S.  268,  416)  missbilligte  C.  Th.  Lion 
an  meiner  Ausgabe  der  Considdrations,  dass  ich  im  Vorwort  die  Aus- 
gaben von  Wendler  und  Prölss^  sowie  auch  die  GöbePsche  nicht  als  Vor- 
arbeiten für  mich  anerkannte.  Ich  hielt  und  halte  mich  noch  heute  zu 
diesem  Verfahren  für  berechtigt,  weil  ich  den  genannten  früheren  Aus- 
gaben nichts  verdanke;  jeder,  der  sich  der  Mühe  des  Vergleichs  unter- 
ziehen will,  wird  sich  von  der  Wahrheit  meiner  Behauptung  leicht  über- 
zeugen. Als  eine  Art  Genugthuung  betrachte  ich  es,  dass  Lion  im 
2.  Bande  (S.  556)  bei  Besprechung  der  Mayer^schen  Ausgabe  die  meinige 
(mit  Ausschluss  der  vorhergehenden)  für  die  Lektüre  an  der  Realschule, 
die  M.'sche  für  die  Lektüre  an  den  Gymnasien  empfahl.  Als  ich  mir 
aber  die  M.'sche  Ausgabe  auf  Veranlassung  dieser  Anzeige  kommen  Hess, 
fand  ich,  dass  die  sachlichen  Anmerkungen  M.'s  fast  ausschliesslich  meiner 
Ausgabe  entnommen  sind  oder  wenigstens  auf  denselben  basieren  (seine 
grammatischen  Anmerkungen  sind,  von  einigen  wenigen  abgesehen,  reiner 
Ballast)  ~  und  auch  das  hätte  Lion  sehen  imd  sagen  sollen. 

Eine  Anzeige  der  Lengnick'schen  Ausgabe  habe  ich  noch  nicht, 
wenigstens  nicht  in  dieser  Zeitschrift  gesehen;^)  ich  erlaube  mir  daher 
über  dieselbe  zu  bemerken :  Die  Beschränkung  auf  die  ersten  15  und  den 
Anfang  des  16.  Kapitels  halte  ich  vom  budihändlerischen  Standpunkte 
aus  für  recht  geschickt.  Die  sachlichen  Anmerkungen  sowohl  als  die 
grammatischen  haben  etwa  gleiche  Ausdehnung  wie  die  meinigen  und 
sind  unvergleichlich  verständiger  als  die  Mayer'schen;  viel  neues  haben 
aber  weder  die  einen  noch  die  andern  den  meinigen  hinzugefügt  und 
einige  der  neuen  Anmerkun^n  konnten  ruhig  wegbleiben  ( —  dass  bei- 
spielsweise eine  römische  Meile  =  Vs  deutsche  Meile  ist,  darf  man  bei 
einem  Primaner,  auch  der  Realschule,  als  bekannt  voraussetzen  — ).  an- 
dererseits fehlen  manche  Bemerkungen,  welche  mir  wesentlich  zu  sein 
scheinen.  Jedenfalls  meine  ich,  dass  in  erster  Linie  Mayer,  aber  auch 
noch  Lengnick  sich  hätten  gebunden  halten  müssen,  in  dem  Vorworte 
ihrer  Ausgaben  hervorzuheben,  wie  viel  sie  meiner  Ausgrabe  verdanken. 
Für  die  Art  der  Benutzung  meiner  Anmerkungen  wiu  ich  nur  eine 
kleine  Probe  geben;  ich  nehme  gleich  die  drei  ersten  Anmerkungen  des 
ersten  Kapitels: 

Mayer. 

Die  Krim  bildete  da- 
mals ein  tartarischee 
Khanat  unter  Oberho- 
heit des  Sultan;  1774 
wurde  diese  Oberhoheit 
aufgehoben  und  1783 
das  Land  an  Russland 
abgetreten. 


Erzgraeher. 

Die  Krim  war  von 
1478  —  1783  ein  tatari- 
sches Khanat  unter  tür- 
kischer Oberherrschaft, 
von  Katharina  IL  Russ- 
land einverleibt.  Vergl. 
a  7,  aL  2. 


Lengnick. 

La  Crim^  war  zur 
Zeit  des  Montesquieu  ein 
unter  türkischer  Ober- 
hoheit stehendes  tata- 
risches Khanat.  Seit  1774 
von  der  Pforte  unabhän- 
gig, wurde  sie  1784  dem 
russischen  Reiche  ein« 
verleibt. 


^)  Eine  solche  erschien  indessen  VP,  281  f. 


lUd. 


312 


MiszeUen. 


Erzgraeber. 

Ein  offenbarer  Irrtum; 
die  fora  boarinm,  sua- 
rium,  olitorium  gehören 
einer  späteren  Zeit  an 
und  ihre  Namen  er- 
wecken doch  nur  den 
Gedanken »  dass  dort 
Kühe  u.  9.  w.  verkauft 
wurden. 


Man  wird  aber  über 
die  Kloaken  (welche  von 
Mont.  in  einer  Anmerk. 
besonders  genannt  sind) 
das  Mausoleum  Hadri- 
ani  (die  Engelsburg), 
das  Kolosseum  und  an- 
dere Bauten  nicht  ver- 
gessen dürfen. 


Meyer. 

Diese  Ansicht  beruht 
auf  irrtümlicher  Auf- 
fassung einzelner  topo- 
^graphischer  Angaben  u. 
ist  historisch  nicht  zu 
begründen. 


wie  die  Kloaken,  die 
Ringmauern,  der  Circus, 
welche  gegen  das  Ende 
der  Königszeit  vollendet 
wurden. 


Lengniek« 

Das  forum  Bomannm 
selbst,  sowie  die  auch 
schon  in  frühester  Zeit 
angelegten  fora  boari- 
um,  olitorium,  piscato- 
rium  waren  im  Gegen- 
teil Marktplätze  für  Kauf 
und  Verkauf,  zu  dem 
auch  die  Bauern  der 
Umgegend  in  die  Stadt 
kamen. 

Hinter  der  Cloaca 
maxima,  der  serviani- 
schen  Mauer  und  dem 
Circus,  der  überdies  erst 
nach  seiner  Erweiterung 
durch  Cäsar  grossartig 
wurde,  stehen  doch  wohl 
das  Pantheon,  Colosseum 
und  Mausoleum,  die  von 
Agrippa  und  den  Kai- 
sern Titus  und  Hadrian 
erbaut  wurden,  nicht 
zurück. 

In  betreff  der  ersten  Anmerkung  bemerke  ich  nur  noch,  dass  bei 
M.  und  L.  die  Hauptsache  fehlt,  nämlich  die  Verweisung.  Das  That- 
sächliche  der  Anmerkung  steht  im  „kleinen  Meyer"  und  hat  für  das 
Verständnis  der  Stelle  gar  keine  Bedeutung  —  ist  also  an  sich  Ballast  — 
aber  einige  Seiten  später  kommt  Mont.  auf  den  Vergleich  der  alten 
Römer  mit  den  Tataren  zurück,  ohne  als  ihren  Wohnsitz  die  Krim  zu 
nennen;  darum  glaubte  ich  die  Anmerkung  machen  zu  müssen. 

Ausserdem  aber  ist  Mayer  sehr  oft  bei  Interpretationsversuchen 
ar^  gestolpert  und  einmal  ist  Lengnick  mit  ihm  gefallen.  Im  6.  Kapitel 
heisst  es:  Comme  ils  (les  Romains)  faisaient  ä  leurs  ennemis  des  maux 
inconcevabks,  ü  ne  se  formait  guere  de  Ugues  ccnire  eux;  cor  celui  qui 
eiait  le  plus  dloigne  du  peril,  ne  voidait  pas  en  approcher.  Man  mag  ja 
zugeben,  dass  der  Gebrauch  des  inconcevable  hier  einigermassen  anfällig 
ist  (ich  gab  daher  eine  etymologisch-synonymische  Bemerkung),  aber  der 
Sinn,  sollte  ich  meinen,  ist  doch  klar  genug:  weil  die  Römer  ihre 
Feinde  in  einer  über  alles  Denken  grausamen  Weise  behandelten,  hielten 
sich  die  andern  nach  Möglichkeit  fem  (oder  erkauften  sie,  wie  es  im  fol- 
genden heisst,  den  Frieden  mit  der  jämmerlichsten  Selbsterniedrigung). 
M.  aber  übersetzt  und  L.  spricht  es  ihm  nach :  „nicht  sofort  merkbar'* ! 
Das  „sofort"  ist  übrigens  verräterrisch;  vermutlich  stimmte  die  historische 
Ansicht  der  Herausgeber  nicht  mit  der  vermeintlichen  Ansicht  Mont.*fl 
überein  und  da  sollte  nun  das  „sofort"  aushelfen.  —  Im  5.  Kapitel  heisst 
es:  La  Grece  se  mainlenait  par  une  espece  de  balance  . . .  Mais,  par 
Tarrivee  des  Bomains,  toui  equUtbre  futrompu;  M&jer  übersetzt  balance 
(oder  espece  de  baiancej?  mit  „Schaukelsystem".  Auf  S.  55  seiner  Aus- 
gabe erklärt  Mayer  (la  conquete)  ge'n&ale  mit  „des  gesamten  Orients" 
anstatt  „der  (ganzen)  Welt".  S.  74:  //  ne  s'dtgissait  pas  du  degre  de 
leur  puissance;  mais  leur  personne  propre  etait  aiiaquee;  Mayer  inter- 
pretiert: „um  die  Ausdehnung  ihres  Reiches". 


Miszeäen.  313 

Von  der  nicht  unbedeutenden  Zahl  grammatischer  Anmerkungen, 
welche  nicht  nur  überflüssig,  sondern  darch  ihre  Inkorrektheit  oder 
schiefe  Fassung  direkt  schädlich  sind:  ein  paar  Beispiele:  S.  63,  9: 
^attendre  quS  stets  mit  dem  Konjunktiv";  S.  130,  6  de  fa^on  qu'eüe  ne 
reveüläi:  ,, Konjunktiv  im  Finalsatze".  S.  22  ist  von  einem  Conj.  quali- 
taiis  die  Rede  mit  dem  Citat:  Ben.  §  127,  1;  wenn  B.  (dessen  Gramma- 
tik mir  nicht  vorliegt)  wirklich  von  einem  solchen  Konjunktiv  redet,  so 
ist  das  eine  Eigenheit,  deren  Erwähnung  den  nicht  nach  B.  unterrichte- 
ten Schüler  nur  verwirren  kann. 

Vorstehendes  hatte  ich  nach  langem  Zaudern  bald  nach  dem  Er- 
scheinen der  Lengnick'schen  Ausgabe  geschrieben;  die  Scheu,  von  mir 
selber  zu  reden,  hatte  es  in  die  Schreibtischlade  zurückgedrängt.  Da 
bekam  ich  die  Hefte  Juli- August  und  September  (1884)  a.c.  der  „Zschr.  f. 
d.  Gymnasialwesen"  zu  Gesicht,  in  deren  erstem  Mayer  Lengnick,  kurz 
gesagt,  des  Plagiats  aus  seiner  Aufgabe  beschuldigt.  An  die  Möglichkeit 
einer  solchen  I^aivität  hätte  ich  nicht  gedacht.  Natürlich  weist  in  der 
nächsten  Nummer  L.  die  Incriminationen  zurück  und  verweist  M.  auch, 
allerdings  recht  zurückhaltend,  auf  seine  Beziehungen  zu  meiner  Aus- 
gabe. M.,  in  einer  Duplik,  wagt  meinen  Namen  nicht  auszusprechen, 
antwortet  auch  nicht  auf  die  Aufforderung  L.'s,  seine  Quelle  für  einen 
gewissen  Passus  der  Einleitung  (Hettner?)  zu  nennen.  Dieses  jedenfalls 
nicht  lobenswerte  Verfahren  möge  die  Veröffentlichung  vorstehender 
Zeilen  entschuldigen.  —  Wenn  ich  schliesslich  noch  einen  Wunsch  aus- 
sprechen darf,  so  ist  es  der,  dass  die  Herren  Bezensenten  mehr  wie  bis- 
her beitragen  möchten,  die  Veröffentlichung  von  Schulbüchern,  welche 
dem  deutschen  Lehrerstande  nicht  zur  Ehre  gereichen  können,  unmöglich 
zu  machen.  Diese  Zeitschrift  hat  namentlich  in  ihren  letzten  Heffceti 
lobenswerte  Beispiele  gegeben. 

G.  EBZaBAEBEB. 


Notiz«  Zu  Zeitschrift  VP,  38  werde  ich  von  Herrn  Dr.  Kressner 
in  freundlicher  Weise  aufmerksam  gemacht,  dass  lexikalische  Beiträge 
auch  in  seiner  Gallia  I,  109—36  und  S.  339  von  ihm  und  den  Herren 
Heller,  Förtsch  und  Sarrazin  geliefert  worden  sind,  die  natürlich 
ebenfalls  bei  Lieferung  von  neuen  Nachträgen  dieser  Art  nicht  ausser 
Acht  zu  lassen  sind. 

E.  KOSCHWITZ. 


Systematisches  Verzeichnis 

sämtlicher  in  der  „Bevue  des  denz  Mondes",  Jahrgang  1883, 
enthaltenen  Artikel,  sowie  der  in  ihren  Bulletins  hihliogra- 

phiques  angezeigten  Bücher.'^) 

A.  Wissenschaftliche  liitteratur. 

I.  Theologie  und  Kirehengesehichte. 

Le  comte  Gohlet  d^Alvieüa,  L'^volution  religieuee  contemporaine  chez  les 

Anglaifi,  les  Am^ricains  et  les  Hindous.    1  vol.  in-8^.    Maquardt  et 

Germer -Baillibre.    1.  12.  1 

*—,  Les  Origines  et  le  Developpement  du  Rationalisme  religieux   aux 

Ötats-Ünis.    1.  4.  '2 

*B,  Auhe,  La  Theologie  et  le  Symbolisme  dans  les  catacombes  de  Kome, 

^  propos  d'une  publication  r^cente.     15.  7.  3 

LAbhe  Feret,  L'Abbaye  de  Sainte-Genevi^ve  et  la  Congregation  de  France. 

2  vol.  in-8**.    Champion.     15.  2.  4 

Maithieu  Lelievre,  John  Wesley,  sa  vie  et  son  oeuvre.    Nouvelle  ^ition, 

complbtement  refondue.  1  vol.  in- 18.  Librairie  ^vangelique.  1. 10.  5 
Ernest  Renan,   Histoire  des  origines  du   christianisme.    Index  gdn^ral. 

1  voL  in-8".    Calmann  Levy.     1.  7.  6 

Albert  Ee'vüle,   Les  Beligions   des  peuples  non   civilis^.    2  vol.  in-8^ 

Fiachbacher.     15.  2.  7 

Ricard,   Les  Premiers  Jansänistes   et  Port^Eoyal.    1  vol.  in- 8^.    Plön. 

15.  8.  8 

J.  Delaville  le  Roulx,  Les  Archives,  la  Biblioth^que  et  le  Tresor  de  Tordre 

,   de  Saint- Jean  de  Jerusalem  k  Malte.     1  vol.  in-8^    Thorin.    1.  8.    9 

Edouard  Zeller,  Christian  Baur  et  T^cole  de  Tubingue.    1  vol.  in -18. 

Germer -Baillibre.    15.  9.  10 

IL  Philosophie. 

*Emile  Beaussire,  La  personnalitä  humaine,  d*aprki  les  th^ries  röcentes. 
15.  1.  11 

PatU  Bourget,  Essais  de  psychologie  contemporaine.  1  vol.  in- 18.  A.  Le- 
merre.   1.  11.  12 

E.  Coro,  M.  Litträ  et  le  Positiviame.    1  vol.  in- 18.    Hachette.    1.  1.   13 

* — ,  Essais  de  psychologie.  —  I.  —  L*h^r^ditä  intellectuelle  et  morale. 
15,  4.  —  IL  —  Les  consäquences  de  l'höräditä.     1.  6.  13  a 

* — ,  La  Maladie  de  Tlddal,  d'apr^s  les  confessions  d*an  rdveur.   15. 2.  14 

^)  Die  in  der  E.  d.  d.  M.  erschienenen  Artikel  sind  durch  ein  vor- 
gesetztes^ bezeichnet. 


B.  Schmidt j  Syst,  Verzeiehn,  sämtl.  in  der  R.  d.  d.  m,  enth.  Art.     315 

jcon  Bemard-Derosne,  Types   et  Travers,   aveo  une  pr^face  de  SuUy- 

Prudhomme.     1  vol.  in-18.    Calmann  I^ävy.     15.  7.  15 

Alfred  FouiUee,  Les  Postulats  et  les  Symbol ea  de  la  morale  naturaliste. 

15.  3.  16 

~,  La  Vie  consciente  et  la  vie  inconsciente,  d'apr^  la  nouvelle  Psycho- 
logie.  —    I.   —   La  Conscience.     15.  10.   —   IL    —   Llnconscienee. 

1.  11.  16a 

— ,  Critique  des  systemes  de  morale  contemporaina.    1  vol.  in-8.    Ger- 

mer-Bailli^re.     15.  11.  16  b 

Jules  Gresland,  Genie  de  Thomme.  —   Libre  philosophie.    1  vol.  in-18. 

Germer-Bailliere.     15.  6.  17 

'■'31.  Guy  au,  ün  Probleme  d'Esthötique.  —  L'Antagonisme  de  l'Art  et  de 

la  science.     15.  11.  18 

Paul  Janet,  Les  Maitres  de  la  Pens^e  moderne.    1  vol.  in-18.    Calmann 

Levy.     1.  5.  19 

Henry  Joly,  Psychologie  des  grands  hommes.     1  voL  in-18.    Hachette. 

15.  3.  20 

Henry  Maudsley,  La  Pathologie  de  Tesprit,  traduit  par  le  docteur  Ger- 

mont.     1  vol.  in-S**.    Germer-Baillifere.     1.  7.  21 

John  Stuart  Mill,  L'XJtiMtdinQme.   1vol.  in-18.  Germer-Baillibre.    1.12,22 

*  Charles  Richet,  Le  Eoi  des  Animaux.    15.  2.  23 

IIL   Politisclie  Geschichte. 

Archives  de  la  Bastle,  t.  XV,  1737—1748.    1  voL  in-8^    Pedone-Lau- 

riel.    15.  11.  24 

WaUszewski,  Acta  historica,  res  gestas  Poloniae  illuatrantia.    Tome  IV 

et  V.    2  voL  in-8^    Cracovie.     15.  10.  25 

Victor  Advielle,   Histoire  de  la  ville  de  Sceaux.     1  vol.  in-8^    Alphonse 

Picard.     1.  7.  26 

Germain  Bapst,  Inventaire  de  Marie-Josephe  de  Saxe.    1  vol.  in-4^.    La- 

hure.     1.  9.  .  27 

*Anatole  Leroy  -  BeauHeu,  Le  Vatican  et  le  Quirinal- depuis  1878.  —  IL 

Le  Pape  Läon  XIII  et  l'Italie  sous  le  rägime  de  la  loi  des  garantiea. 

15.  10.  28 

*  Ferdinand  Brunetikre^   Le  Paysan  sous   Tancien   regime,    d'aprbs   des 

livres  r^cena.    1,  4.  29 

C.  de  Cardonne,  L'Empereur  Alexandre  II;  viogt-six  ans  de  r^gne.    1  vol. 

in-8«.     Furne  et  Juvet.     15.  9.  30 

H,Cm'not,   La   Revolution  fran9ai8e.     1  vol.  in-18.    Germer  -  Baillibre. 

1.  8.  31 

Le  baron  Du  Casse,  Les  Rois  fr^res  de  Napol^n  I«**;   documens  inädits. 

1  vol.  in  8^    Germer-Bailliere.     15.  5.  32 

R.  Chantelauze,  Louis  XV  U,  son  enfance,  sa  prison  et  sa  mort  au  Temple, 

d'apr^s  des  documens  inädits.  1  vol.  in-8°.  Firmin  Didot.  1.12.  33 
*Gabriel  Charmes,  L'Insurrection  militaire  en  SSgypte.  —  I.  —  Le  Tri- 

omphe  du  parti  militaire.    15.  8.  —  IL  —  La  Ddfaite  et  le  Progr^s 

d'Arabi.     1.  9.  34 

A,  Cheruel,  Histoire  de  France  sous  le  minist^re  de  Mazarin.    1  vol.  in- 

8°.    Hachette.    15.  2.  35 

De  Clercq,  Becueil  des  traitäs  de   la  France.    Tome  XIII.    Durand  et 

Pedone-Lauriel.     15.  1.  36 

Marius  Fontane,  Histoire  universelle.  —  Les  Asiatiques.    1  vol.  in-8®. 

Lemerre.    1.  8.  37 

*A.  Geffroy,  Une  £nqudte  franoaise  sur   les  croisades  et  TOrient  latin. 

i.  12.  38 


316  R.  Sc^mudt, 

*  Albert  Gigot,  La  D^mocratie  autoritaire  anx  ätats-ünis.   —  La  Jeanesse 

et  la  Yie  militaire  d'Andr^  Jackson.    15.  6.  39 

Jurten  de  la  Graviere,  Le  Drame  macädonien.  1  vol.  in-18,  Plön.  1. 6.  40 
*Le  comie  (THaussonvilie,  La  Colonisation  officielle  en  Algärie.  —  L  — 

Essais  tentäs   depuis  la  Conqugte.    1.  6.  —  11.  —  Son  role  actuel. 

1.  7.  41 

Grandeur  et  Decadence  d'Ali  Hourchid-Bey.     1  vol.  in-18.    Firmin  Didot. 

1.  9.  42 

E.  Laffineur  et  Gaune',  Repertoire  g^näral  de  politique  et  d'histoire  con* 
temporaines.    Septibme  annäe.     1  vol.  in  4^    Ollendorff.    1.  1.       43 

*  Auguste  Laugel.   Coligny.  —  I.  —  La  prämiere  guerre  de  religion  en 

France.  1.  8.  —  II.  —  La  deuxibme  et  la  troisi^me  guerre  de  reli- 
gion, la  Saint- Barthelemj.     1.  9.  44 

Juks  Levallois,  Autour  de  Paris,  promenades  historiques.  1  vol.  in -8^, 
ornä  de  gravures.    A.  Marne.    15.  12.  45 

*G.  de  la  magdeleine,  Les  Biens  d'Orl^ans  et  la  Loi  de  d^cembre  1872. 
1.  1.  46 

R.  de  Maricourt,  Le  Proc^  de  Borgia.    1  vol.  in-18.    Oudin.    1.  3.    47 

Frdderic  Masson,  Las  Diplomates  de  la  revolution.  1  vol.  in  8^.  Cba- 
ravaj.    15.  4.  48 

*Charles  de  Mazade^  Cinquante  Ann^es  d'histoire  contemporaine.  —  Mon- 
sieur Thiers.  —  VII.  —  La  Crise  politique  de  la  France  aprfes  la 
guerre.  —  M.  Thiers,  TAssembläe  de  Versailles  et  la  B^publique.  — 
19.  fävrier  1871,  24.  mai  1873.    1.  8.  49 

A.  Me'zieres,  En  France,  XVIII«  et  XIX«  si^cles.  1  vol.  in  - 18.  Hachett«. 
1.  9.  50 

Le  comte  de  Parut,  Histoire  de  la  guerre  civile  en  Amärique.  Tome  V 
et  VI.    2  vol.  in-8'*.    Calmann  Lävy.     15.  6.  51 

*Edmond  Plaxtchut,  Chine  et  Tonkin.    1.  5.  52 

F.  Ravaisson,  Archives  de  la  Bastille.  Tome  XIV.  1  vol.  in-8^  Pedone- 
Lauriel.    15.  4.  •  53 

*Salomon  Reinach,  Le  Vandalisme  moderne  en  Orient.    1.  8.  54 

E.  Rey,   Les  Colonies  franques  de  Syrie  au  XII«  et  XII I«  si^le.    1  vol. 

in-8^    Alphonse  Picard.     15.  5.  55 

ffermile  Reynald,  Succession  d'Espagne.  —  Louis  XIV  et  Guillaume  III. 

2  voL  in-8''.    Plön.     1.  7.  56 

*  *  '  I-a  Räpublique  en  1883.    1.  2.  57 

*  Albert  Sorel,  La  decadence  de  la  Prusse  apr^  Fr^äric  II.  15  1.  58 
*H.  TainCf  Le  Programme  Jacobin.  1.  3.  59 
*G.  Valbert,  Le  Livre  de  M.  de  Brogliesur  Prüderie  II  et  Marie-Th^i^se. 

1.  1.  60 

*'^f  Les  Annäes  d'apprentissage  de  M.  de  Bismarck.    1.  2.                 60a 

* — ,  La  Question  des  Princes.    1.  3.  60b 

♦— ,  La  Triple  Alliance.    1.  5.  60  e 

*— ,  Le  roi  Fräderic-Guillaume  N.    1.  9.  60d 

*— ,  Le  Badicalisme  et  ses  Vari^t^.  1.  11.  60  e 
*AU)ert  Vandal,  Un  Mariage  politique  au  XVII«  si^cle.  —  Marie  de  Gon- 

za^ne  k  Varsovie.    1.  2.  61 

"^Eugene  Melchior  de  Vogüe,  Un  Changement  de  r^gne.  —  La  Mort  de 

Catherine  11  et  TAvänement  de  Paul  I«r.    1.  7.  62 

IV.  Kriegsgeseliiehte  und  Kriegsknnst 

*L*Armement  de  Tinfanterie  et  rinstnictioB  du  tir  en  France,  15. 12.  63 
*Le  duc  d^Aumale^  La  premii^re  campagne  de  Cond^.  -^  L  —  Murches 


Syst.  Vetzeichn.  sämiL  in  der  R.  rf.  d.  m.  etUh.  Art,  317 

et  Operations.    1.  4.  —  II.  —  Recroy.    15.  4.  —  III.  —  Thionville. 

1.  5.  —  IV.  —  Le  Secoiira  d'Allemagne.    15.  5.  64 

*Henry  Houssaye,  Les  Gommentaires  des  soldats  (1792—1815).  1.  12.  65 

*G.  VtUbert,  Le  Chemin  de  fer  du  Soudan  et  les  trois  campagnes  du  Co- 

lonel  Borgnis-Desbordes.     1.  10.  66 

V.   Volkswirtsehaft  und  Politik. 

*Jrvede  Barine,  La  Revolte  de  rHomme.    15.  6.  67 

H,  Baudriäart,   Philosophie   de   P^onomie   politique.     1    vol.   in    8®; 

Guillaomin.     1.  4.  68 

*Patd  Leroy-BeauUeu,  Le  Budget  de  1884  et  la  Situation  financi^e  de  la 

France.     15.  5.  ^.9 

Leon  ßequet,  Repertoire  du  droit  administratif.    fasc.   I  et  II.     in-4^; 

Paul  Dupont.     1.  3.  70 

Correspondance  diplomatique  de  M.  de  Bismarck  (1851 — 1859).    2  voL  in 

8".    Plön.     15.  6.  71 

Maurice  Block,  Annuaire  de  r^conomie  politique  et  de  la   statistique, 

40«  ann^e.    1  vol.  in-12.    Guillaumin.    1.  11.  72 

*Ferdinmid  Bruneütre,  Questions  de  morale  sociale.     I.    La  Recherche 

de  la  Paternite.     15.  9.  73 

*Maxime  Du  Camp,  La  Charit^  priy^e  ^  Paris.  —  I^es  Petites-Soeurs  des 

pauvres.    1.  4.  —  U.  lies  Dames  du  Calvaire.    15.  5.   —  III.  Les  Ho- 

apitaliers  de  Saint  Jean-de-Dieu.   1.7.  —  lY.  L'Orphelinat  des  appren- 

tis,  Pabbä  Roussel.    1.  8.  74 

*  Gabriel  Charmes^    La  France   et   le   protectorat  catholique  en  Orient. 

15.  2.  75 

* — ,  La  Politique  actuelle  et  la  Situation  de  PEurope.    1.  10.  75a 

*— ,  La  Politique  coloniale.    1.  11.  75b 

*J,  Clavd.  La  Pdche  et  la  Pisciculture  en  France.     I.    Les  Eauz  douces. 

1.  12.  76 

*Benys  Cochin,  Les  Falsificateurs  et  le  Laboratoire  municipal.  15.  6.  77 
*Andrd  Cochut,  De  TEnchärissement  des  marchandises  et  des   Services. 

1.  12.  78 

Andrä  Daniel,  L'Ann^e  politique  1882.  1  vol.  in-18.  Charpentier.  1.4.  79 
George  Deloison,  Traitä  des  soci^t^  commerciales  fran^aises  et  ^trang^res. 

2  vol.  in  8'».    Alühonse  Picard.     15.  1.  80 

Ihtä  Deschanel^  La  Question  du  Tonkin.     1  vol.  in-18.    Berger^Levranli 

1.  11.  ^  8i 

*  Arthur  Desjardin,  La  guerre  maritime  et  le  droit  de  propri^ä.  1.9.  82 
*Mm»  la  duchesse  de  Fitz -James,  La  Vigne  Am^ricaine«     Le  Congr^  de 

Montpellier.    1.  6.  83 

*  Alfred  Fouiüee,    La  Solidaritä  hnmaine   et   les   Droits    de  Pindividn. 

15.  8.  84 

*  Albert  Gigot,  La  Dtoocratie  autoritaire  aux  l^tats-Unis.    11 .  La  Vie  po- 

litique d'Andrä  Jackson.    1.  10.  85 

*Othenin  d^Haussonville,  La  Vie  et  les  Salaires  k  Paris.    15.  4.  86 

*Charles  Lavoüäe,  Les  chemins  de  fer  et  le  Budget.    15.  2.  ^7 

"^  —  Les  chemins  de  fer  et  P^tat.    Les  Conventions.    15.  11.  87a 

*  —  Le  Commerce  de  Pextrgme  Orient  et  la  Question  du  Tonkin.  1.9.  88 
*Jides  Leberquier,  Le  Barreau  et  la  Defense  devant  les  tribunaux  ^tran- 

gers.     15.  11.  89 

^A,  Bailleux  de  Marisy,  Moeors  financi^res  de  la  France.    Les  Banquiers 

et  les  Banques.    15.  8.  90 

H,  Napias  et  A.-J.  Martin,  L^titude  et  les  Piogr^  de  Thygi^e  en  France 

de  1878  &  1882.    Massen.    15.  6.  91 


318  R.  Schmidt, 

Alfred  Picard,   Les   Chemins   de  fer   fran^ais.    !£!tude  historique  %\xt   la 

Constitution  et  le  regime  du  röseau.  A  vol.  in-8°.  Rothschild.  15.  9.  92 
Pigeonneau  et  A.  de  Foville,  L' Administration  de  l'agriculture  au  con- 

tröle-gänäral  des  finances  (1785 — 1787),  proc^  -  verbaux  et  rapports, 

1  vol.  in  8«.    Guillaumin.     1.  2.  93 

*La  Politique  prussienne  en  Orient  k  la  fin  du  sifecle  demier.  1.  12.  '94 
*R.  Radau,   Les  V§temens   et  les  Habitations  dans  leurs  rapports  avec 

Tatmosph^re.     15.  7.  95 

Charles  Rtchei,  La  Richesse  et  la  Population.    1.  7.  96 

Armand  Riviere,  La  Politique  coloniale  et  la  Question  du  Tonkin.    in-8°. 

Ghio.     15.  10.  97 

Edmond  Scherer,  La  D^mocratie  et  la  France.     1  vol.  in -8®.     Calmann 

Lävy.     15.  11.  98 

Herbert  Spencer,  Principes  de  sociologie,  t.  III.    1  vol.  in -8^.     Germer- 

Baillifere.     15.  10.  99 

*G.  Valbert,  La  Belgique  en  1883.    1.  12.  100 

*F.  Vidalin,  Le  cheval  arabe  en  France.    La  Jnmenterie  de  Pompadour. 

15.  3.  101 

A.  Vuitry,  ^tudes  sur  le  Regime  financier  de  la  France.    2  vol.  in-8^. 

Guillaumin.    1.  6.  102 

*  —  Un  Chapitre  de  I'histoire  financiere  de  la  France.  —  Les  Abus  du 

credit  et  le  D^ordre  financier  k  la  fin   du  r^gne  de  Louis  XIV.    I. 
Les  Abus  du  cr^it.    15.  12.  102a 

VI.  Knltnrgeschiclite. 

Albert  Babeau,   La  Vie  rurale  dans   l'ancienne  France.     1  vol.  in -8®. 

Didier.    15.  1.  i03 

Gustave  Le  Bon,  La  (Zivilisation  des  Arabes,  ouvrage  illustr^  de  10  chro- 

molithographies,  4  cartes  et  ^66  gravures.     1   vol.  in  8^.     Firmin- 

Didot.     15.  12.  104: 

Honord  Bonhomme,  Grandes  Dames  et  P^cheresses.    1  vol.  in- 18.     Cha- 

ravay.    1.  3.  105 

Jules  Claretie,  Un  Enlfevement  au  XVIII«  sifecle.     1  vol.  in-18.     Dentu. 

15.  1.  106 

*Jurien  de  la  Gravüre,  Le  Commerce  de  TOrient  sous  les  rbgnes  d'Auguste 

et  de  aaude.    15.  11.  107 

De  Lescure,  Les  Grandes  ^pouses,   ^tudes  morales  et  portraits  d^istoire 

intime.  1  vol.  in-8^;  orn^  de  douze. portraits.  Firmin  Didot.  15. 12.  108 
C,  Martha,  SStud es  morales  sur  l'antiqüit^.  1  vol.  in-18.  Hachette.  15.1.  109 
"^Georges  Picot^  Le  Ddpot  l^gal  et  nos  coUections  nationales.  1.  2.  110 
*Edmond  Plauchut,  Monte-Carlo.     15.  1.  111 

Emest  Renan,  Le  ludalLsine  comme  race  et  comme  religion.    1  vol.  in-8. 

Calmann  Lävy.     15.  3.  112 

*G.  de  Saporta,  Un  Essai  de  Synthese  paläoethnique.    1.  5.  113 

G.  Valbei'ty  Hommes  et  Choses  du  temps  pr^ent.    1  vol.  in-18.  Hachette. 

1.  1.  114 

*  —  L'Affaire  de  Tisza-Ezlar.  1.  8.  114a 
*J.  ZeUer,   Italic  et  Renaissance,  politique,  lettres,  arts.     2  vol.  in-18. 

Didier.    15.  7.  115 

VII.   Theorie  nnd  Geschichte  der  Künste. 

Annuaire  illustr^  des  beaux-arts,  publik  sous  la  direction  de  F.-G,  Dumas, 
1  vol.  in-8^    L.  Baschet.    1.  10.  116 

*F,  Brünettere,  Revue  littäraire.  —  La  Crittque  d'art  au  XVII«  si^cle, 
d'apr^  une  publication  räcente.    1.  7.  117 


Syst  Verl,  sämtl.  in  der  R.  ä.  d,  M.  enth,  Art,  319 

• 

W,  Bode,  Studien  zur  Gescliichie  der  holländischen  Malerei.     1  vol.  in- 

8°.    Braunschweig»  Vieweg.    15.  5.  118 

*Gaston  Boissier,  Uno  Nonvelle  histoire  de  Tart  antique.     15.  2.         119 

*  Henri  Blaze  de  Bury,  La  Question  mnsicale  en  Italie,  d'aprte  un  livre 

r^cent.     15.  8.  120 

Le    vicomU  H,  Belaborde,  La  Qravnre  en  Italie  avant  Marc-Antoine 

,  (1452—1505).    1  vol.  in-4».    Librairie  de  Tart.     1.  7.  121 

Etienne  Desforges,  Notice  historique  sar  le  ch&teau  de  Saint-Qermain-en- 

Laye,  suivie  d*un  Guide  du  musee.    1  vol.  gr.  in-8^  avec  dessins  et 

planches.    Henry  Lebon.    Versailles.    15.  7.  122 

*A,  Geffroy,  .L'jßcole  fran9ai8e  de  Rome.    Ses  Premito  Travaux    I.  L'An- 

tiquitä    classique.      1.    6.    —     Ses    premiers   travaux.      II.    Moyen- 

Age.     1.  7.  123 

"^Gustave  Gruyer,  Le  Palais  de  Schifanoia  k  Ferrare.    1.  8.  124 

^  Henry  Houssaye^  Benvenuto  Cellini  et  Jean  de  Bologne.    15.  1.         125 

*  —  Le  Salon  de  1883.  1.  6.  125a 
*F.  de  Lagenevais,  Bevue  musicale.  —  Bichard  Wagner  et  son  Parsifal; 

Verdi  et  Jago.  —  L*Op^ra-Comique.  —  L'Opöra-Populaire.  —  L'Aca- 
demie  nationale  de  musique.  1.  3.  —  Henry  VIII  li  TOp^ra;  La 
Symphonie  et  le  Th^tre;  M.  Saint -SaSns.  1.  4.  —  Th^tre  de 
l'OpIra-Comique,  M.  L^  Delibes  et  Lakm^,  F^icien  David  et  la  Perle 
du  Brasil,  Bizet  et  Carmen,  Les  D^uts  de  M^^«  Nävada.  15.  7.  — 
Däbuts  k  rOp^ra  et  k  POp^ra-Comique.  —  Reprise  de  Roland  k  Ron- 
cevaux  au  Th^tre  Lyrique  Populaire.  —  Un  Livre  de  Zooplastique 
musicale.     1.  11.  i26 

(Euvres  de  A,  de  Langperier,  tome  L     1  vol.  in-8^   avec  11  planches. 
,Leroux.    1.  11.  127 

*  Emile  Michel,  Fr^d^ric  U  et  les  Arts  k  la  cour  de  Prusse.  15.  4.  128 
J,  Moifrier,  L^Art  au  Caucase.  1  vol.  in-4®.  Odessa,  Rousseau.  1.  10.  129 
*M.  le  marquis  de  Nadaillac,  L'Art  pr^istorique  en  Amärique.  1. 11.  130 
^Gustave  Oüendorff,  L'ßxposition  nationale  de  1883.  15.  11.  131 
Gabriel  Pre'vost,  Le  Nu,  le  Vötement,  la  Parure.    1  vol.  in-18.    Marpon 

et  Flammarion.    15.  11.  132 

*Eughfie'Melchior  de  VogOä,  Aux  Portraits  du  si^le.    15.  5.  133 

VIII.   Litteraturgescliichte. 

*Th.  Benizon,  lies  nouveaux  romanciers  am^ricains.    I.    W.  D.  Howells. 
1.  2.    H.  Henry  James.    1.  5.  134 

*  Henri  Blaze  de  Bttry,    Le  Po^te   Arvers  k  propos  du  roi  s'amuse. 

1.  2.  135 

*—  j^tudes  et  Souvenirs.    Fr^äric  Chopin.    15.  10.  136 

*Bourdeau,   Pontes   et  Humoristes   de  TAllemagne.     Joseph-Victor  von 

Scheffel.    15.  8.  137 

Augtisie   Bourgoin,   Valentin  Conrart  et    son    Temps.       1   vol.   in- 8**. 

Hachette.     15.  6.  138 

*P  Brunetiere,  iStudes  sur  le  XVIII«  sibcle.    Les  Romanciers.    I.  Alain 

Ren^  le  Sage.  15.  5.  —  Les  Bomanders.    H.  Pierre  Carlet,  de  Cham- 

blain,  de  Idarivaux.    15.  12.  139 

* —  Bevue  littäraire.  —  Le  demier  roman  de  M.  Alphonse  Daudet.  15.  2. 

-—  Les  Commencemens  d'nn  grand  pobte,   d*aprbs  un  livre  r^nt. 

1.  5.   —   Bivarol,   d'apr^s  un   livre  r^cent.    1.  5.   —   üne  nouvelle 

histoire  de  la  litt^rature  anglaise.    1.  8.   —   La  Fureur  de  Pln^it. 

1.  10.   —   Les  Bomans  de  Pierre  Loti.     1.  11.    Une  Figure  de  con- 

ventionnel,  d*aprte  an  livre  rdcent.     1.  12.  140 

•*-  Le  Boman  naturaliste.    1  vol.  in-18.    Calmann  Lävy.    1.  2.       141 


m  R.  Schmult, 

« 

* —  Classioraes  et  Romantiquesi  k  roccasion  d'un  livre  r^nt.   15. 1.  142 

Maxime    Vu    Camp,    Souvenirs    littärairea.      tome    ü.      1    vol    in -8^. 

Hachette.    15.  8.  143 

L,  de  Viel  Castel,  Essai  sur  le  th^tre  espagnol.    2  vol.  in- 18.     Ohar- 

Sentier.    1.  1.  144 

^eröme,  Po^es  de  Gresset,  avec  une  notice.    1  vol.  in-8®.     Qnantin. 

15.  5.  145 

SeUvaiare  Farina,  Les  Cent  Yeuz  de  Tamoar,  traduction  de  Läon  Dieu. 

1  vol.  in-18.    Plön.     15.  10.  146 

P,  Fatigere,  iScrits  inädita  de  Saint-Simon.     t  V  et  VI.     2  vol.  in  -  8<». 

Hachette.    1.  12.  147 

J,  de  la  Fontaine,  Les  Grands  iScrivains  de  la  France,  t.  I.    1  vol.  in-8^. 

Hachette.    1.  6,  148 

Les  Grands  iScrivains   de  la  France.     Moli^re.     t.  VH!.     1  vol.  in -8°. 

Hachette.    1.  12.  149 

D'Arhois  de  JubainvOle,  Introduction  k  Vätude  de  la  litt^rature  celtique. 

1  vol.  in-8»     Thorin.    1.  6.  150 

Adolphe  JuUient  La  Com^die  k  la  cour.  1  vol.  in-4°.  Firmin  Didot.  15. 4.  151 
G.  Larroumet,  Marivaux,  sa  vie  et  ses  OBuvres.     1  vol.  in-8^.    Hachette. 

1.  2.  152 

♦Les  Livres  d'lfitrennes.    15.  12.  153 

*€histave  Merlet,  La  Critique  litt^raire  sous  le  premier  empire.    GeofiProy, 

,  Hoffman,  Dussault,  Feletz.    1.  10.  154 

*EmUe  Monie'gui,  Esquisses  litt^raires.     George  Eliot.    I.   L*Ame  et   le 

Talent.     1.  3.  —  U.  Les  (Euvres  et  la  Doctrine  morale.     15.  3.     155 

—  Essais  sur  la  littärature  auglaise.    1  vol.  in-18.   Hachette.   1.  3.    155a 

Paul  Oursel,  Les  Essais  de  lord  Macaulay,  etude  critique.     1  vol.  in-8^. 

Hachette.    15.  1.  ^     156 

Luden  Perey  et  Gaston  Maugras,  Les  Demi^res  Annees  de  M°ie  d'l^pinay. 

1  voL  in-8«.    Calmann  Lävy.     15.  6.  157 

Maximes  de  la  Rochefoucauld,  premier  texte  imprimd  k  la  Haye  en  1664, 

publik  par  A,  Pauly.     1  vol.  in-8*'.    D.  Morgand.     15.  8.  158 

James  de  Rothschild,  Les  Continuateurs  de  Loret,  lettres  en  vers.    t.  U. 

1  vol.  in-8«.    (1666-1667).    D.  Morgand.     15.  3.  159 

Rouxel,  L'Amie  des  Hommes,  par  le  marquis  de  Mirabeau,  avec  une  in- 
troduction et  une  notice  biographique.  1  vol.  in-8^  Guillaumin.  1.  5.  160 
George  Saintsbury,  A  Short  History  of  French  Litterature.  1  vol.  in-18. 
,H.  Frowde.    Londres.     1.  1.  161 

*Edouard  Schürt,  Les  L%endes  de  TAlsace.    Promenades  et   Souvenirs. 

15.  12.  162 

Andre  Theuriet,  Le  Journal  de  Tristan.  Impressions  et  Souvenirs.    1  voJ. 

in-18.    Gharpentier.    1.  11.  163 

Leon  VdUe'e,  Bibliographie  des  bibliographies.     1  vol.  in-8®.    Terquem. 

1.  5.  164 

IX.  Klassische  PUlolo^e  und  Arehäologie. 

*Gaston  Boissier,  Promenades  archäologiques.  Le  Maison  de  Gampagne 
d'Horace.     15.  6.  165 

* —  La  L^ende  d'^n^e,  d'apr^s  de  r^cens  travaux.     15.  9.  165a 

Guiäaume  Breton,  Essai  sur  la  po^ie  philosophique  en  Gräce.  1  voL  in-8^. 
Hachette.  166 

Maxime  CoUignan,  Mythologie  figuree  de  la  Greoe.  1  vol.  in-8®.  Qnan- 
tin.   1.  11.  167 

Maurice  Croiset,  Essai  sur  la  vie  et  les  oeuvres  de  Luden.  1  voL  in-18. 
Hachette.    1«  2.  168 


Syst.  Verz.  sitmll.  in  der  R.  d.  d.  7n,  enth.  Art.  321 

*^.  Geffroy,  üoe  föte  arch^ologique  ä  Rome.     15.  1.  169 

*  Jules  Girard,  L'Alexandrinisme,  a  roccasion  d'un  livre  räcent.  1.  11.  170 
"^ Henry  ffoussaye,  L'Ostracisme  a  Athenes.  15.  2.  171 
Barthelemy  Saint- Hilaire,  Histoire  des  animaux,  d'Aristote.     3  vol.  in-8**. 

Hachette.    1.  9.  172 

X.    Neuere  Philologie. 

Abrege  du  Dictionnaire  de  VAcademie  fran9ai8e.  1  vol.  in-8^  Firmin 
Didot.     15.  6.  17 S 

XL   Geographie  and  Reisebeschreibnngen. 

Atlas  gen^ral.  1  vol.  in-8^  J.  Perthes,  Haar  et  Steinert.  15.  8.  174 
Lucien  Biart,  Le  Roi  des  prairies,  illustrations  de  F.  Lix.     1  vol.  in-8*^. 

Hennuyer.     15.  12.  175 

Cartes  de  la  frontiere  nord-eat  de  la  France,  par  un  ancien   eleve   de 

TEcole  polytechnique.    Dumaine.     15.  3.  176 

Gabriel  Charmes,  La  Tunesie  et  la  Tripolitaine.  1  vol.  in- 18.  Calmann 
Lävy.     15.  4.  177 

Jules  Chevrier,  Chälon-sur-Saone.     1  vol.  in-4**.     Quantin.     1.  3.  178 

Mme  Lee  Chüde,  Un  Hiver  au  Caire.  1  vol.  in-18.  Calmann  Ldvy.  1.  3.  179 
Emest  Haeckel,   Lettres  d'un   voyageur  dans  l'Inde.     Traduction  de  M. 

Ch.  Letoumeau.    1  vol.  in-8^    Reinwald.    15.  7.  180 

V^e  d*ffaussonville,  A  travers  les  ßtats-Unis.     1  vol.  in-18.     Calmann 

L^vy.     1.  2.  181 

Victor  Hugo,  L' Archipel  de  la  Manche.     1  vol.  in-18.     Calmann  Ldvy. 

15.  10.  182 

*Italie  et  Levant,  Notes  d'un  marin.     15.  9.  18S 

Charles  Jeannest^  Quatre  Ann^es  au  Congo.     1  vol.  in-18,    Charpentier. 

1.  8.  184 

Loriet,  La  Syrie  d'aujourd'hui  (1875—1880),  ouvrage  contenant  364  gra- 

vures,   une  carte  de  la  Palestine  et  huit  autres  cartes.     1  vol.  in-4^. 

Hachette.    15.  12.  185 

^Frani^ois  Lenormani,  A  travers   FApulie   et   la   Lucanie.  —  Not«s  de 

voyage.  —  I.  La  Capitanate,  Termoli,  Foggia,  Siponto,  Manfredonia, 

Lucera.    1.  3.  —  H.  L'intörieur  de  la  Pouille.    Melfi  et  Venosa.  15.  3. 

JII.  La  Basilicate.  Acerenza,  Pietragalla  et  Potenza.  1.  4.  In  Buch- 
form erschienen  bei  A.  L^vy.  2  vol.  in-8^  1.  9.  186 
E.  Marifi  de  la  Mesle'e,  L'Australie  nouvelle.    1  vol.  in-18  avec  gravures. 

Plön.     15.  7.  187 

Max  O'Rell,  John  Bull  et  son  Ile.  1  vol.  in-18.  Calm.  Levy.  15.  9.  188 
QuatreUes,  ün  Parisien  dans  les  Antilles.  1  vol.  in-18.  Plön.  1.  11.  189 
Ch.  Robot  et  Ch.  LaUemand,   Voyage  de   la  Vega,   traduit  du  suädois. 

1  vol.  in-8^.    Hachette.     15.  4.  190 

Arthur  Rhone,  Coup  d'oeil  sur  Tetat  du  Caire  ancien  et  moderne,  illu- 
strations  de   Paul   Chardin,   C.  Mauss,   J.   Bourgoin.      1  vol.  in -8®. 

E.  Leroux.     1.  4.  191 

Abel  Clarin  de  la  Rive,  Histoire  gändrale  de  la  Tunisie.      1  vol.  in-18. 

Challemel.    15.  7.  192 

Denis  de  Rivoyre,   Obock,   Mascate,    ßouchirei    ßassorah.     1  vol.  in-18f 

avec  gravures.    Plön.     1.  8.  193 

*Antoine  de  Saporta,  Les  Autores  Boreales,  d'apr^s  les  räcens  travaux  de 

Mme  Nordenskiold  et  Lenström.     1.  10.  194 

*  V^^  de  Caix  de  Saint- Aymour,  La  Bosnie  ou  l'Herz^govine,  aprfes  Poccu- 

pation  austrohongroise.    Notes  de  voyage.  —  I.  La  Bosnie.    De  Brod 

Zschr.  f.  nfrz.  Spr.  u.  Litt.     VI2  21 


322  R.  Schmidt 

a  Serajewo.    1.  1.   —   II.  Serajewo.    La  question   agraire  en  Bosnie. 

15.    1.    —    III.    L'Herz^govine.      Conclusion    politique.      L^Autriche 

slave.    1.  2.  195 

— ,  LeaPays  sud-slaves  de  TAustro-Hongrie.  1  vol.  iii-18.  Plön.  1. 10.  195a 

G.  Valberi,  L'Exp^dition  du  lieutenant  Schwatka  dans  lea  rägions  arcti- 

ques.     1.  6.  196 

*—,  Madagascar  et  les  Missionnaires  anglais.     1.  7.  196a 

Le  baron  Z.  de  Vaitx,  La  Palestine,  ouvrage  illustrd  par  MM.  Chardin 

et  Maui«.     1  vol.  in-8^    Ernest  Leroux.     1.  10.  197 

XII.   Natnrwissenscilaften  (nnd  Medizin). 

Louis  Fignier,  Les  Nouvelles  Conquetes  de  la  science.    1«^*  partie.    1  vol. 
gr.  in-8°.    Librairie  illustr^e.     1.  10.  198 

*  Eugene  Foumiet%  La  Botanique  des  Chinois.  15.  10.  199 
Sir  John  Lübhock,  Fourmis,  Abeilles  et  Guepes.    2  vol.  in-8®  avec  figurea 

et  planches.    Germer-Bailli^re.     1.  8.  200 

Ernest  NaviUe,   La   Physique   moderne.     1  vol.  in -8.     Germer- Bailliere. 

L  5.  201 

XIII.   Technik. 

*J.  Berirand,  Des  Prog^  de  la  Mecaniqne.  Marcel  Deprez.  15.  10.  202 
Louis    Figuier,    L'Ann^    seien tifique    et    industrielle.      1    vol.    in-18^ 

Hachette.     1.  3.  20S 

*F.  Fouque\  La  Beproduction  artificielle   des   min^raux  et   des   roches. 

l.  1.  204 

Henri  de  ParvUle,   Gauseries   scientifiques.     Ann^  XIX  —  XXII.    4  vol. 

in-18.    Rothschild.     15.  9.  205 

*R,  Radau,  Les  Progr^s  de  la  mirographie  atmosp^rique.     15.  5.        206 

XIV.   Pädagogik. 

*E.  Caro,  Souvenirs  d*un  enseignement  k  la  Sorbonne.     15.  12.  207 

E.  Egger,  La  Tradition  et  les  B^formes  dans  Tenseignement  universitaire. 

1  vol.  in-8».    Masson.     1.  6.  208 

J.  M,  Guardia,  L'^tat  enseignant  et  Pj^cole  libre.     1  vol.  in-18.    G.  Pe- 

done-Lauriel.    15.  2.  209 

*Paiä  Janel,  L'fSducation  des  Femmes.    1.  9.  210 

*G,  Falber i,  L*Internat  et  la  Vie  de  College  en  France  et  en  Anglet«rre. 

1.  4.  211 

B«    Belletristische  Utteratnr. 

I.   Romane  nnd  Novellen. 

*7%.  Bentzon,  T§te  folle.    Premifere  partie.    1.  6.    Die  Fortsetzung  in 

R.  d.  d.  M.   15.  6.;    1.  7.;   15.  7.    In  Buchform   erschienen  bei  Cal- 

mann  L^vy.     1  voL  in-18.     15.  9.  212 

— ,  Le  Meui'ü«  de  Bruno  Gralli.    1  vol.  in-18.   Calmann  L^vy.   15. 4.  212a 

^George  CabU,  Jean  Roquelin.  —  R^t  de  la  Louisiane.     1.  11.  21S 

*  Victor  CherbuHez,  La  ierme  du  Choquard,  troisi^me  partie.     1.  1.    Die 

Fortsetzung  in  R.  d.  d.  M.  15.  1.  und  1.  2.  In  Buchform  4  vol.  in- 
18.    Hachette.     15.  4.  214 
Paul  ColUn,  Les  Heures  paisibles.     1  vol.  in-18.  Hachette.     15.  10.    215 

*  Albert  Delpii,  Le  Crime  de  Bemardin.  1.  8.  216 
*— ,  Nissa.  15.  12.  216a 
Albert  Dupuit,  Panline  Tardivan.     1  vol.  in-18.  Charpentier.    1.  7.    217 


Syst.  Vd9*z.  samt/.,  in  der  R.  d.  d.  m.  eiith,  Art.  323 

6'Äör/^^  ^(rfwi^nrf,  La  Bücheronne.    1  vol.  in-18.    Calmann  Ldvy.    \h.l.  218 

''^Ferdinand  Fahre,  Le  Roi  Ramire.  Premiere  partie.  1.  9.  Die  Fort- 
setzung in  R.  d.  d.  M.  15.  9.  und  1.  10.  219 

*Octave  FeuiUet,  La  Veuve.  Premiere  partie  1.  12.;  derniere  partie 
15.  12.  220 

Gerald,  La  Fante  de  Germaine.    1  vol.  in-18.    Calmann  L^vy.    15. 11.  221 

Mme  Henry  Gre'vüle,  Perdue,  il Instrations  de  Frdd^ric  R^gamey.  1  vol. 
in-8'>.     Plön  et  Nourrit.     15.  12.  222 

Ludovic  Haie'vy,  Criquette.  1  vol.  in-18.  Calmann  Lävy.  1.  4.  223 
— ,  Deux  mariages.     1  vol.  in-18.     Calmann  Levy.     15.  8.  223 a 

Arthur  Kennard,  Helene.     2  vol.  in-18.     London.     Bentley.     1.  9.      224 

*  Pierre  Loti,  Mon  Frfere  Yves,  premifere  partie.     1.  8.    Die  Fortsetzung 

in  R.  d.  d.  M.  15.  8.;  1.  9.;  1^  9.  225 

Marc  Monnier,  ün  Ddtraqu^.     l  vol.  in-18.     Calmann  L^vy.     15.  2.  226 
* — ,  La  petite  Angela,    nouvelle   tir^e   d*un  roman  de  Salvatore  Farina. 
15.  4.  226  a 

Okoma,  roman  japanais,  illustr^  par  Felix  Regamey,  1  vol.  in-4°.  Plön. 
1.  2.  227 

*Ouida,  Les  Fresques,  traduction  de  Hephell.  Premiere  partie  15.  6.  — 
dernifere  partie.    1.  7.  '  228 

George  de  Peyrebrune,  Jean  Bernard.  1  vol.  in-18.  Plön.  1.  4.  229 
— ,'Victoire'la  Rouge.     1  vol.  in-18.    Plön.     1.  11.  229a 

Alexandre  Piedagnel,  Hier.     1  vol.  in-8^     Claude  Motteroz.     1.  4.      230 
^ Henry  Babusson,  Madame  de  Givre.    Premifere  partie.    1.  10.    Die  Fort- 
setzung in  R.  d.  d.  M.  15.  10.  und  1.  11.  231 
Jean  Rolland,   La  Fille  aux  oies.  —  Mon  Grand-Pfere  Vauthret.     1  vol. 
in-18.     Ollendorf.     1.  2.  232 
*Rouslane,  Le  Juif  de  Sofievka.    Premiere  partie  1.  5.;   dernifere  partie 
15.  5.  233 
Saj^don  et  E.  de  Najac,  Divor9on8.    1  vol.  in-18.   Calm.  L^vy.    15.11.  234 
Jules  Simon,  L'Affaire  Nayl.     1  vol.  in-18.     Calmann  Levy.     1.  9.      235 
E.  Texier  et  C.  Le  Senne^  Mademoiselle  de  Bagnols.     1  vol.  in-18.    Cal- 
mann Levy.     15.  1.                                                                                  236 
*Miss  Thackeray,  La  Campanule.    1.  3.  277 
*Andrd   Theuriet,  Michel  Vemeuil.    Premifere  partie.     15.  2.    Die  Fort- 
setzung in   R.  d.  d.  M.  1.  3.;    15.  3.;  1.  4.;  15.  4.     In  Buchform  er- 
schienen bei  Ollendorff.     1  vol.  in-18.     15.  5.                                     238 
— ,  Raymonde.    1  vol.  in  32.    Petite  bibl.  Charpentier.     15.  10.     238a 
*— .  Bigarreau.     15.  11.                                                                           238b 
Xavier  Thiriat^  Journal  dun  solitaire.     1  vol.  in-18.    Alphonse  Picard. 
1.  5.                                                                                                        239 
Fran^ois  Vilars,  Un  Homme  heureux.     1  vol.  in-18.    Hetzel.     15.  6.  240 
Emile  Zola,  Au  Bonheur  des  dames.    1  vol.  in-18.    Charpentier.    15.3.  241 

IL   Epische  Dichtangen. 

(Euvres  de  Frangois  Coppe'e,    PoÄies,  1864—1872.    Eaux-fortes  de  M.  E. 

Boilvin.     1  vol.  in-4^.    A.  Lemerre.     1.  1.  242 

*Andrd  Lemoyne,  Poesie.    Le  Songe  du  Grand  Veneur.    15.  3.  243 

*  Jacques  Normand,  Podsie.     1.  5.  244 
Fernand  de  Loubens.   Poesies  de  jeunesse  (1870  k  1880).     1  vol.  in-18. 

A.  Sauton.     15.  5.  245 

Le  marquis  de  Pimopan,  Le  Coffret  de  perles^'noires.  1  vol.  in-8®.    Rou- 

veyre  et  Blond.    1.  7.                                 '  246 

Po^ies  d Adolphe  Rolland.    1  vol.  in-18.    Lemerre.  1.  12.                 247 

21* 


324  R.  Schmidt, 

III.   Lyrische  Dichtangen. 
Jules  Lemaiire,  Petites  Orientales.     1  vol.  in-18.    Lemerre.     15.  5.     248 

IV.   Dramatische  Litteratnr. 

^ Louis  Ganderax,  Kevue  dramatique.  —  Vaudeville:  Pädora,  de  M.  Sardou. 

—  Od^on:  Ambra,  de  M.  Grangeneuve.  —  Le  Mariage  de  Racine  de 
MM.  G.  Livet  et  Vautrey.  —  Le  Drame  de  la  rue  de  la  Paix.    1.  1. 

—  Gymnase,  Monsieur  le  Ministre.  —  Ambigu  -  Comique,  la  Glu.  — 
Oddon,  le  Nom.  15.  2.  —  Comödie-Fran9ai8e,  Les  Effront^s,  de  M. 
fimile  Augier.  15.  3.  —  Th^ätre  du  Gymnase,  Le  Pfere  de  Martial, 
de  M.  Albert  Delpit.  1.  5.  —  La  Mise  en  Scbne.  15.  5.  —  Vaude- 
ville, La  Vie  facile;  Comddie-Frangaise,  Toujours;  Corneille  et  Riche- 
lieu. 15.  6.  —  Com^die  -  Fran^aise,  M^i^  du  Vigean,  de  W^^  Simone 
Arnaud.  15.  7.  —  Le  Conservatoire  de  d^clamation.  15.  8.  —  Odeon, 
le  Bei  Armand,  l'Exil  d'Ovide.  15.  9.  —  Comedie-Fran9aise,  Les 
Maucroix,  de  M.  Albert  Delpit.  —  Od^on,  La  Familie  d'Armelles  de 
M.  Jean  MarraA.  —  Palais-Royal,  Ma  Camarade,  de  MM.  H.  Mailhac 
et  Ph.  Gille.  15.  10.  —  Tbeätre  du  Gymnase,  La  Petite  Marquise. 
15.  11.  —  Od»^on,  Severe  Torelli,  de  Fran^ois  Coppee.  —  Com^die- 
Fran9aise,  Reprise  de  Bertrand  et  Raten.     15.  12.  2^9 

Felix  He'mon^  Th^ätre  choisi  de  Rotrou,  avec  une  introduction  et  des  no- 

tices.     1  vol.  in-18.    Laplace  et  Sanchez.     15.  1.  250 

*A.  Mezieres,  Le  Th^ätre  espagnol,  d'aprfes  un  livre  räcent.     15.  4.    251 

L.  de  Ronchaud,   Pommes   dramatiques.      1  vol.  in -12.     Alpb.  Lemerre. 

15.  11.  252 

ۥ    Briefsammlungen,  Memoiren,  Biograpliieii. 

*A,  Bardoux,  Pauline  de  Montmorin,  comtesse  de  Beaumont.  —  I.  Sa 
Familie,  ses  premiferes  Amities.  15.  5.  —  II.  Le  Ministere  du  comte 
de  Montmorin  pendant  la  r^volution.  15.  7.  —  III.  La  Comtesse  de 
Beaumont  et  sa  Familie  pendant  la  terreur.  15.  8.  —  IV.  M»»«  de 
Stael  et  Joubert.  15.  9.  —  La  comtesse  de  Beaumont  et  Chateau- 
,   briand.     15.  11.  253 

E.  de  Barthelemy,  Les  Correspondans  de  la  marquise  de  Balleroy.  2  vol. 
in-8.    Hachette.     15.  9.  254 

*Michel  Breal^  La  Jeunesse  d'un  Enthousiaste.  —  Charles  Benoit  Hase. 
15.  3.  255 

Le  duc  des  Cars,  Memoires  de  la  duchesse  de  Tourzel.  2  vol.  in-8®. 
Plön.     15.  5.  256 

Memoires  de  /.  de  Chastenet,  seigneur  de  Puysigur,  Les  Guerres  du  rbgne 
de  Louis  XIII  et  de  la  minorit^  de  Louis  XIV,  publica  par  Ph.  Ta- 
mizey  de  Larroque.    2  vol.  in-12.    Societö  bibliogr.    1.  10.  257 

AugusUis  Craven,  Le  Prince  Albert,  extraits  de  l'ouvrage  de  sir  Theo- 
dore Martin.     2  vol.  in-8°.     Plön.     15.  3.  258 

George  Duruy,  Le  Cardinal  Carlo  Carafa.  1  vol.  in-8'^.  Hachette.  14. 8.  259 

H.  Pare,  Un  Fonctionnaire  d'autrefois,  P.-F.  Lafaurie.  1  vol.  in -8°. 
Plön.     1.  3.  260 

*Hector  de  In  Ferriere,  Isabelle  de  LimeuiL     1.  12.  261 

Victor  Foumel,  Pigures  d'hier  et  d'aujourd*hui.  1  vol.  in-18.  Calmann 
Lävy.     1.  11.  262 

Henry  Jouin,  Antoine  Coysevox,  sa  vie  et  son  oeuvre.  1  vol.  in-18. 
Didier.     1.  5.  263 


Syst.  Verz.  sämtL  in  der  R.  d.  d.  m-  enth.  Art.  325 

Charles  Henry,  Correapondance  inedite  de  Turgot  et  de  Condorcet,  avec 
des  notcs  et  une  introduction.     1  vol.  in-8**.     Charavay.     1.  4.       264: 

"^Charles  Lavollee,  Richard  Cobden.     15.  7.  265 

Mömoires  du  prince  de  Mettei^nich.  t.  VI  et  VII.  2  vol.  in -8°.  Plön. 
1.  5.  ^  .      2^^ 

J.  P.  Marat,  filoge  de  Montesquieu,  publik  avec  une  mtroduction  par 
M.  Arthur  de  Br^znzt.  1  vol.  in-B**.  Libourne,  Malleville.    15.  5.    262 

Paul  de  Baynal,  Les  Correspondans  de  Joubert  (1785—1822.)  Lettres 
inedites.     1  vol.  in-18.    Calmann  Lövy.     1.  6.  ^^o 

Correspondance  de  M.  de  Remusat,  publice  par  Paul  de  Re'musat.  1  vol. 
iü-8^.    Calmann  Lövy.     15.  IL  .  ^^f 

Ernest  Renan,  Souvenirs  d'enfance  et  de  jeunesse.  1  vol.  in-8  .  tal- 
mann L^vy.     1.  5.  ^  ,  T  ' 

Correspondance  de  George  Sand.  t.  IV.  1  vol.  in-18.  Calmann  Levy. 
15.  9. 

M^moir^  du  marquis  de  Sourches.  tome  II.  1  vol.  in-8*».  Hachette. 
15    8.  ^ 

GiUes  de  la  Tourette,  Theophraste  Renaudot,   d'aprfes  des  documens  in^- 

dits.     1  vol.  in-8^    Plön.     1.  12.  x.     tr    m     VJ\ 

"^Eugene-Melchior  de  Vogüe,  Ivan  Serguievitch  Tourguenef.    15.  10.    J74 

*— ,  ün  Sectaire  Russe.    1.  1.  ,        tr    n       Sf 

H.   WaUon,  Öloges  acadämiques.    2  vol.  in-18.     Hachette.     15.  2.      27b 


Systematisches  Verzeichnis 

sämtUcher  im  VI.  Bande  dieser  Zeitsclirift  l)enrteilten,  bezw. 
besprochenen  oder  doch  erwähnten  Werke  und  Schriften. '^) 


Die  Seitenzahlen  mit  beigesetztem  *  beziehen  sich  auf  den  Abhandlungen- 

teil^  alle  übrigen  auf  den  kritischen  Teil. 


I.  Allgemeines. 

—  Verzeichnis  der  während  des  letzten  Halbjahres  (vom  1.  November  1883 
bis  30.  April  1884)  auf  dem  Gebiete  der  französischen  Philologie  er- 
schienenen wichtigeren  Bücher  und  Schritten,     p.  108.  1 

—  Novitäten-Verzeichnis,    p.  189  und  p.  255.  2 

—  Systematisches  Verzeichnis  sämtlicher  in  der  'Revue  des  deux  Mondes\ 
Jahrgang  1883,  enthaltener  Artikel,     p.  314.  3 

Joliet,  Pseudonymes  du  jour.    Paris  1884.    p.  46.  4 

Körting,  C,  Encyklopädie  und  Methodologie  der  romanischen  Philologie 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Französischen.  Erster  Teil. 
Erstes  Buch:  Erörterung  der  Vorbegriife.  Zweites  Buch:  Einleitung 
in  das  Studium  der  romanischen  Philologie,     p.  1,  253,   296,  297.     5 

Diez,  Friedr.,  Kleinere  Arbeiten  und  Rezensionen.    Herausg.  v.  Breymann. 

München.     1883.    p.  89,  96  und  244.  6 

— ,  Briefe  von  L,  Dieffenbach,  W.  Wackernagel,  K.  Weigand,  A.  v.  Keller, 

A.  Mussafia  und  A.  Ebert.    p.  97.  7 

Körthigy  G.  und  Koschwitz,  E.,  Französische  Studien.    I— III.    p.  95.    8 

Norreriberg,  P.  Dr.,  Allgemeine  Litteraturgeschichte  in  3  Bänden.  Münster. 

1884.    p.  262.  9 

Stern,  A,,  Geschichte   der'  neueren    Litteratur.    5  Bde.    Leipzig.    1883. 

p.  114.  10 


^)  Die  näheren  Angaben  (Erscheinungsort  und  -jähr  u.  dgl.)  über 
die  in  der  Litterarischen  Chronik,  Zeitschriften-  und  Programmschau  be- 
sprochenen Werke  finden  sich  auf  den  betr.  Seiten. 


SysL  Verz.  sämil.  in  dieser  Zschr.  beurteilten  Werke  eic,         327 

Grucker,  Em.,  Histoire  des  doctrines  littäraires  et  esthdtiques  eo  AUe- 
ma^ne.    Paris.     1883.    p.  292.  ti 

Kolmacevsky,  Das  Tbierepos  im  Occident  und  bei  den  Slaven.  Kezau. 
1882.     p.  98.  12 


BiograpliisolLe  Notizen  nnd  Nekrologe, 

Boucherie,  Anatole,  Nekrolog,    p.  26.  13 

Caneüo,  Angela,  Nekrolog,    p.  96.  14 

Stengel,  E.,  Erinnerungsworte  an  Friedr.  Diez.    Nebst  mebreren  Anlagen 

u.   e.  Anhang:   Briefe  von  F.   Diez   an   L.    Diefenbach   und   andere. 

Marburg.     1883.    p.  97,  293  und  296.  15 

Deschanel,  P.,  La  seconde  moitiä  de  la  vie  de  Madame  d*£!pinay  d'aprei^ 

MM.  Lucien  Percy  et  Gaston  Maugras,    p,  169.  17 

Percy,  Z.  et  Mattgras,  G.,  Demi^res  annäes  de  M*»«  d'ßpinay.  p.  169.  18 
Ferry,  G.,  Les  dernibres  ann^es  d' Alexandre  Dumas,   p.  169«  19 

Clareiie,  J.,  M.  Ludovic  Halövy.    p.  169.  20 

ffipveau,  Nekrolog,    p.  26.  21 

Manrenholtz,  R.,  Dr.  H.  Schweitzer  und  das  Molibre-Museum.  p.  173.  22 
Witte,  K,,  Nekrolog,    p.  26.  23 

Brunetib^e ,  Die  Sprachforschung  der  Gegenwart.  Mit  Bezug  auf  die 
französ.  Litteratur  im  Mittelalter.  Mit  Genehmigung  des  Verf.  über- 
setzt von  liaur.    Heidelberg.    1883.    p.  283.  24 

Flechtner,  Herrn,,  Die  Sprache  des  Alexanderfragments  des  Alberich  von 
Besan9on.    Breslau.     1882.    p.  96,  169  u.  170.  25 

Boesiger^  A.,  Geschichte  und  Sprache  einer  Waldenser  Kolonie  in  Würtem- 
berg.    Greifswald.    p.  97  und  295.  26 

Merlet,  G.,  Etudes  sur  la  chanson  de  Roland,  Joinville,  Montaigne, 
Pascal,  Bossuet  etc.    p.  170.  27 

Merlin  Cocai,  Le  Opere  Maccheroniche.    Mantova.     1882  u.  1883.    2  Bde. 

p.  99.  28 

Prato,  StanisL,  L'orma  del  leone.    Bacconto  Orientale  considerato  nella 

tradizione  populäre,    p.  27.  29 

Egger,  Emile,  La  tradition  et  les  räformes  dans  l'enseignement  univer- 
sitaire;  souvenirs  et  conseils.    Paris,    p.  169.  30 

Koehler,  Nouvelles  observations  sur  le  latin  dans  Venseignement  du 
fran^ais.  Progr.  der  Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in  Meissen. 
1882.    p.  99.  31 

—  Verhandlungen  der  III.  Direktoren- Versammlung  in  Hannover,  p.  92.  32 

Danker,  0.,  Die  Bealgymnasien  bezw.  Realschulen  I.  0.  und  das  Studium 
der  neueren  Sprachen.  Mit  einem  Vorwort  an  alle  früheren  Schüler 
der  Realschulen  I.  0.  und  Realgymnasien  und  eine  Besprechung  der 
Schrift  des  Prof.  Dr.  Körting  in  Münster:  Gedanken  und  Bemerkungen 
über  das  Stadium  der  neueren  Sprache  auf  den  deutschen  Hoch- 
schulen unter  Berücksichtigung  der  darüber  erschienenen  Beuiieilungen. 
Kassel.    1883.    p.  14  und  296.  33 


328  A.  Aschenberg 

II.  Fraiizösisclie  Grammatik. 

a.  Scliriften  über  Lantlehre. 

D'auiniann,  Moritz  Dr.,  Die  Sprachlaute  im  allgemeinen  und  die  Laute 
des  Engl.»  Französ.  und  Deutschen  im  besonderen.    Mit  10  in  den  Text 
gedruckten  Holzschnitten.     1.  Hälfte.     Leipzig.     1884.    p.  124.        34 
*  Böhmer,  Ed.,  Gemeinsame  Transskription  für  Französisch  und  Englisch, 
p.  1.  35 

Niemer,  Hugo,  Die  orthographischen  Reformversuche  der  französ.  Phone- 
tiker des  XIX.  Jahrhund.     Diss.    Greifswald.    p.  26.  36 
Westenhoeffer,  Die  Regeln  der  franz.  Aussprache.    2.  A.    Mülhausen  i.  E. 

1882.  p.  84.  37 
Wuljf,  Fr,,  Nagra  ord  om  Aksent  i   allmänbet  och   om  den  moderna 

Franska  aksentueringen  i  synnerhet.  Foredrag  vid  det  Nordiska 
Filologmcedet  i  Kristiania.  1881.  In  Fortaadlinger  paa  det  nordiske 
Filologmoede  in  Kristiania  d.  10.— 13.  Aug.  1881;  udgivne  af  Gustav 
Storm.    Kristiania.     1883.    p.  29.  38 

Marx,  Anion,  Hilfsbüchlein  für  die  Aussprache  der  lateinischen  Vokale 
in  positionslangen  Silben.  Mit  e.  Vorw.  von  Franz  Bücheier.  Wissen- 
schaftl.  Begründung  der  Quantitätsbezeichnung  in  den  latein.  Schul- 
büchern von  Herm.  Perthes.    Berlin.    1884.    p.  97.  3!) 

Jäger,  JuL,  Die  Quantität  der  betonten  Vokale  im  Neufranzösischen. 
Heilbronn.     1883.    (Franz.  Stud.    Bd.  IV.    H.  2.)    p.  249.  40 

^Harih,  H.,  Die  Qualität  der  reinen  Vokale  im  Neufranzösischen,  p.  11.  41 

Lange,  Aug.,  Der  vokalische  Lautstand  in  der  französ.  Sprache  des 
16.  Jahrh.  nach  den  Zeugnissen  der  alten  Grammatiker  und  den 
Grundsätzen  der  neuen  Phonetik  dargestellt.  Elbing.  1883.  p.  292 
und  296.  42 

Edsirötn ,  A.  E,,  Studier  öfver  uppkomsten  och  utveiklingen  af  fore- 
franskans  E-ljod  i  betonad  stafvelse.  I.  Akademisk  Afhandlung. 
Upsala.    1883.    Diss.    p.  100.  43 

Hormng,  Ad,,  Zur  Geschichte  des  lateinischen  c  vor  e  und  i  im  Roma- 
nischen.   Halle  a.  S.  1883.    p.  293  und  298.  44 

Jorei,  Ch.,  Di  =  J.    p.  27.  45 

b.  Schriften  über  Formenlehre. 

Klotzsch,    Th.   R.  A.,   Französische   Formenlehre    zum    wörtlichen    Aus- 
wendiglernen.   Dresden.    1883.     p.  134.  46* 
Witte,  J.,  Abriss   der   französischen   Etymologie.     Progr.     Wolfenbüttel. 

1883.  p.  84  und  297.  47 
Spelthahn,  /.,  Das  Genus  der  franz.  Substantiva.  Amberg.  1883.  p.  94.  48 
Thomas,  Ant.,  Lui  et  lei.  p.  26.  49 
Thuimeysen,   E.    R.,    Das  Verbum    ßtre    und    die    franz.    Konjugation. 

E.  Bruchst.  aus  der  Entwickelungsgeschichte  der  franz.  Flexion.  Halle. 
1882.    p.  26.  50 

Risop,  A.,  Die  analogische  Wirksamkeit  in  der  Entwickelung  der  franz. 
Konjugation,    p.  95.  51 

Bechtel,  A,.  Ein  Hilfsmittel  für  die  Erlernung  der  französischen  Kon- 
jugation,   p.  92.  52 

Breymann,  Heim.,  Die  Lehre  vom  franz.  Verb,  auf  Grundlagen  der 
historischen  Grammatik.  München  und  Leipzig.  1882.  p.  84,  88,  94, 
170  und  235.  53 

ZveHna,  Die  Lehre  vom  franz.  Verb,  in  der  Schule  mit  Beziehung  auf 
fachmännische  Publikationen,    p.  94.  54 


Syst.  FoTZ.  särnU.  in  dieser  Zschr.  beurleilten  Werke  de.  329 

Lan/fenscheklt,  G.,  Konjugationsmuster  für  alle  Verba  der  franz.  Sprache, 

regelm.  wie  unregelm.,    mit  Angabe  der  Ausspr.  jeder  aufgeführten 

Zeitform  und  Person.     Berlin,    p.  90.  65 

Holzinger,  K.,  Die  einfachen  Formen   des  franz.  Zeitwortes  in  geordneter 

Darstellung.     E.   Beitr.   zu  e.   system.  Gramm,    d.    franz.   Sprache  f. 

Studierende.     Graz.     1883.    p.  81  und  242.  56 

Isaak,  Herrn.,  Lernbuch  für  die   franz.   unregelmässigen  Verba.     Berlin. 

1884.    p.  249.  57 

Strien,  G.,    Die  unregclmässigen  franz.  Zeitwörter  nebst  einem  Abriss  d. 

franz.  Syntax.     Halle  a.  d.  S.  1883.     p.  252.  58 

Dziaizko,  K.,   Die  Entstehung   der  romanischen  Partizipialpräpositionen. 

p.  95.  69 

Zeitlin,   W,,  Die  aitfranz.  Adverbien  der  Zeit.     p.  95.  60 

c.  Schriften  über  Syntax. 

Nissen,  Peter,  Der  Nominativ  der  verbundenen  Personalpronomina  in  d. 

ältesten  franz.  Sprachdenkmälern.  Kiel.  Dias.  p.  96  und  297.  6/ 
Siein,  Essai  sur  la  formation    et  l'emploi  syntaxique  des    pronoms  prd- 

tendus   indefinis    „qui  .  .  .  que",    et  des  locutions  conformes    „si  .  .  . 

que"  etc.    Progr.  des  Progymn.  zu  Rheinbach.     1882.     p.  100.  62 

Bockhoff,  Der  syntaktische   Gebrauch  der  Tempora   im  Oxforder  Texte 

des  Rolandsliedes.     Dias.     Münster.     1880.     p.  53.  6S 

Koernig,  Fr.,  Der  syntaktische  Gebrauch  des  Imperfekts  und  des  histo- 
rischen Perfekts  im  Altfranzös.  Bresl.  Diss.  p.  97.  64r 
Quiehl,  Der  Gebrauch    des   Konjunktivs    in    den    ältesten    französischen 

Sprachdenkmälern    bis    zum   Rolandsliede   einschliessl.      Diss.      Kiel. 

1881..  p.  53.  65 

Spohn,  Über   den    Konjunktiv   im    Afrz.    Beil.    z.  Osterprogr.    1882    des 

Königl.  Gymnas.  in  Schrimm.    p.  53.  66 

Kowalski,  Der  Konjunktiv  bei  Wace.  Diss.  Breslau.  1882.  p.  54.  67 
Bischoff ,  Fr.,  Der  Konjunktiv  bei  Grestien.  Halle  a.  d.  S.  p.  53.  68 
Nebling,  Der  Subjonctif  bei  Joinville.  Diss.  Kiel.  1879.  p.  54.  69 
Haase,  A.,  Über  den  Gebrauch  des  Konjunktiv  bei  Joinville.    Progr.  des 

Gymn.  zu  Küstrin.     1882.     p.  55.  70 

KroUick,  Gebrauch  des  Konjunktivs  bei  Yille-Hardonin.    Diss.    Greifswald. 

1877.    p.     54.  7i 

^lapperich,  Historische  Entwickeluug  der  syntaktischen  Verhältnisse  der 

Bedingungssätze  im  Altfranzösischen.    Heilbronn.    1882.    (Franz.  Stud. 

III.    4.)    p.  55.  75 

Bombe,  E.,  De  ablat.  absol.  apud  antiquiss.  Rom.  scr.  usu.  (Greifsw.  Diss. 

1877.)    p.  25.  73 

Jordan,  H.,  Vind.  serm.  lat.  antiq.  (Ind.  lect.  eest.  Regiom.  1882.)  p.  95.  74 
Zatelli,  Dom..,  De  Temploi  de  la  negation  en  fran9ais  et  en  Italien.   Progr. 

d.  k.  k.  Elisabeth-Staats-Realschule  zu  Rovereto.    p.  166.  75 

Wespy,  L.,  Die  historische  Entwickelung  der  Invei-sion  des  Subjektes  im 

Französischen  und  der  Gebrauch  derselben  bei  Lafontaine,  p.  150.  76 

d.   Vollstfindig«  Grammatiken.    Allgemeinere  grammatische 
Abhandinngen.    Elementarbüclier. 

Ayer,  6'.,  Grammaire  comparäe  de  la  langue  fran9aise,  3«  edit.  Genfeve, 
Bäle  et  Lion.    1882.    p,  98  und  170.  .  77 

Ciaia,  Otto,  Französische  Schulgrammatik  mit  Übungsstücken.  Untere 
Stufe,    2.  verm.  Aufl.     Leipzig.     1881.    p.  249.  78 

— ,  Mittlere  Stufe.  II.  Aufl.  umgearbeitet  von  Bihler.  Leipzig.  1883. 
p.  94  und  230.  79 


330  A.  Aschenherg 

Eisenmann,   W.  Fr.,  Schulgrammatik  der   franz.   Sprache.    9.  umgearb. 

Aufl.    Stuttgart.     1882.  .p.  298.  80 

Lücking,  G.,   Französische  Grammatik   für   den    Schulgebrauch.     Berlin. 

1883.    p.  91  und  253.  81 

Masherg,  J.,  Französische  Grammatik  für  sechsklassige  Schalen.    Stuttgart 

und  Berlin.    1883.    p.  232.  82 

Pflüger^  G.  F.,  Grammatik  der  französischen  Sprache  für  höhere  Schulen. 

Erster  Teil.    2.   Aufl.     Dresden.     1883.     Mit  Vokabularium   und    ein 

französisch-deutsches  und  deutsch-franz.  Wörterverzeichnis,  p.  134.  83 
Raitner,  Th.,   Französische   Schulgrammatik.     Karlsruhe.     1883.    p.   55 

und  252.  84 


Meyer,  R.,  Grammatische  Bemerkungen,    p.  175.  95 


Breitinger,   H.,   Elementarbuch    der    franz.    Sprache    für    Mittelschulen. 

2  Hefte.    Zürich.     1882.    p.  87  und  99.  86 

Breymann,  Herrn.,   Französische  Elementar-Grammatik    für   Realschüler. 

München.     1884.    p.  232  und  299.  81 

Heiner,    fF.,    Lehrbuch    der    franz.   Sprache.    I.  Kursus.    4.   verb.    Aufl. 

Elberfeld.    II.  K.    2.  Aufl.    p.  86.  88 

Müller,  A.,  Französische  Grammatik.   I.  Teil.   Elementargramm.   Aachen. 

1877.    p.  252.  89 

Steiner,  P.,  Einleitung  zur  Erlernung  der  französischen  Sprache.    Neuwied 

und  Leipzig.     1884.     p.  267.  90 

Wesienhoejfer,  Joh.,  Französische  Fibel.    In  zwei  Abschnitten  für  reichs- 

ländische   Schulen.    Mit  4  Holzschn.     Mülhausen  i.    E.  und  Leipzig. 

p.  253.  9i 

6.  Übnngsbüclier.    Übersetznngsbücher.    Stil-  nnd  Anfsatzlehren. 

Platiner,  Th.,  Übungsbuch  zur  französischen  Schulgrammatik.  Karlsruhe. 
1883.    p.  55  und  88.  92 

Sonnenburg,  R.,  Grammatisches  Übungsbuch  der  franz.  Sprache.  Meth. 
Anleitung  z.  Einübung  der  syntakt.  Kegeln  mit  deutsch-franz.  Muster- 
sätzen u.  e.  vollst.  Wörterb.     Berlin.     1884.     p.  252.  93 

Be?'tram,  W.,  Gramm.  Übungsbuch  für  den  Unterricht  in  der  franz. 
Sprache.  Im  Anschl.  an  die  Schulgr.  von  Dr.  C.  Piötz.  H.  I,  5,  neu- 
bearb.  Aufl.     p.  251.  94 

— ,  Neues  Übungsbuch  zum  Gebrauche  neben  d.  Schulgr.  des  Prof. 
Dr.  C.  Plötz.    Bremen.     1881.    p.  251.  95 


Bertram,  W.,  Übungsstücke  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins 
Franz.  zum  Gebr.  f.  d.  Oberkl.  höherer  Töchterschulen,     p.  251.      96 

—  j  Schwierige  Übungsstücke  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins 
Franz.    p.  251.  97 

Burger,  E.,  Übungsbuch  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Fran- 
zösische nebst  einer  Phraseologie.     Berlin.     1883.     p.  88.  98 


Wiedmayer,   W.,  Französische  Stilübungen  für  obere  Klassen.    Stuttgart. 
1883.    p.  88  und  132.  99 

Wilcke,  R.,  Anleitung  zum  französischen  Aufsatz.  Hamm.  1883.  p.  22.   101 


'<'f^'f.  ^Vrz.  sämtt.  in  dieser  Zsc/ir.  beurteilten  Weiche  etc.  331 

•  '/•.  Ad.,  Aufsätze  techuischen  und  historischen  Inhalts  zum  Über- 

»n  ans  dem  Deutschen  ins  Französische   für  die  obersten  Klassen 

•^'♦^r  Lehranstalten.    Baden-Baden.     1884.     p.  131  und  252.       102 

*>.   Französische  liexikographie.    Phraseologie, 
'''^nonymik.  —  JStymoIogie  und  Wortbildung. 

n  >4tch ,    Lor.,     Glossarium    latino  -  germanicum  medise    et    infimse 

■  initatis.     p.  96.  103 

-iiehifontainCi   Nouveau    vocabulaire   fran9ais-allemand    avec   phra- 

•  Mutrie.     Wien.     1883.     p.  91.  104= 

/i'.,    Encyklopädisches    französisch  -  deutsches    und    deutsch  -  franz. 

.  t-rterbucb.     Hand-    und    Schulausgabe.      (Auszug    aus    der    grossen 

,.ibe.     T.   I.  franz. -deutsch.     T.  IL  deutsch -franz.     Berlin.     1880. 

<y  105 

U.,  Zu  dem  französischen  Wörterbuche  von  Sachs,  p.  *234.  106 
•'.iii,  M.  A.,  Wörterbuch  der  französischen  und  deutschen  Sprache. 
.  icile  in  einem  Bd.  Vollst,  umgearb.  nach  der  neuesten  deutschen 
.lud  frauz.  Orthogr.  und  durch  zahlreiche  Wörter-  und  Redensarten 
vermehrt.  100.  Aufl.  Braunschweig.  1883.  p.  257  und  292.  107 
.  .  Chr.j  Dictionnaire  fran9ais-dano-norvegien.  Kopenhagen.  1883. 
i>.  2U3.  108 


.iiuie,  International  Dictionary  for  Natura lists  and  Sportsmen.  London. 

iö80.     p.  46.                        ^  109 

-melier ie,  Technologie  botanique.    p.  38.  110 

.'ssari,  Dictionnaire  des  termes  de  marine.     Paris.     1880.    p.  46.     111 

.  1\  Termes  de  chapellerie.    p.  38.  112 

>chwiiZy  E.^  Dictionnaires  d'argot.    p.  38.  113 

,  Dictionnaire  du  bas  langage.    p.  38.  IM 

ti^lcaUy  Dictionnaire  de  la  Langue  Verte.    Paris.    1866.    Supplement  von 

Fustier.     p.  43.  115 

rKstier,  G.,  Supplement  zu  Delvau;  Diction.  dela  Langue  Verte.  p.  44.  116 
'.ituthier- Villars,  H.,  Zum  Pariser  Argot,    p.  185.  117 

fMrchey,   Dictionnaire   historique    d'argot.      7«  ed.  des   Excentricites    du 

Langage,    considerablement    augmentee   et    mise    k   la    hauteur    des 

revolutions  da  jour.     Paris.     1878.    p,  42.  118 

Macrohe,  A7nhi\,   La  Flore  pornographique.      Glossaire  de  l'ecole  natu- 

raliste  extrait  des  oeuvres  de  M.  Em.  Zola  et  de  ses  disciples.  p.  46.  119 
Rigaud,  Luden,  Dictionnaire  d'argot  moderne.  Paris.  1881.  p.  44.  120 
— ,  Dictionnaire  du  Jargon  parisien.     p.  44. i  121 

— ,  Dictionnaire  des  Lieux  communs  de  la  conversation,  du  style  epistolaire, 

du  theätre,  du  livre,  du  Journal,  de  la  tribune,  du  barreau,  de  Toraison 

funfebre  etc.    Paris.     1881.    p.  44.  122 

Vilatte,  Parisismeh.     Berlin.     1884.    p.  45  und  183.  123 


Dihm,  R.,  Hilfsbuch  zur  Erlernung  des  Wortschatzes  der  franz.  Sprache. 

Hrsg.  V.  Dr.  A.  Hoburg.    Frankfurt  a.  M.     1881.    p.  252.  124 

Hupe,  &,,  Französisches  Vokabular  unter  Berücksichtigung  der  Etymologie 

und  Phraseologie  auf  der  Basis  der  Lehrbücher  von  Plötz.    Rostock. 

1882.    p.  84.  125 

Schmitz,  Beruh.,  Deutsch-französ.  Phraseologie  in  system.  Ordnung  nebst 
einem  Vocab.  system.    4.  A.    Berlin.    1882.    p.  251.  126 


332  A.  Aschenbdrg 

Schmitz,  Deutsch- französische  Phraseologie  in  systematischer  Ordnung 
nebst  einem  Vocabulaire  systematique.   4.  A.   Berlin.    1882.  p.  98.  127 

Louis,  J.,  Idiotismes  dialogues.  Guide  de  conversation  frangaise  k  Tusage 
des  Colleges,*  des  ecoles  et  des  le9on8  particulifercs.  5«  ed.  nouvelle 
revue  et  augmeniee  par  Dr.  M.  C.  Wahl.  Tome  l^^,  Dessau.  1884. 
p.  268.  ^  128 

Noel,  Ch,,  Glossaire  frangais  dialogue.  Causeries  munies  de  notes  expli- 
catives  fran9aises  et  allemandes  propres  k  familiariser  le  lecteur 
avec  les  n^ologismes,  les  gallicismes,  les  proverbes,  les  synonymes  et 
les  termes.    5«  ed.     Wien.     1883.     p.  250.  129 

Peschier,  Causeries  parisiennes.     16.  Aufl.     1881.    p.  269.  130 

Klöpper,  Klem.,  Französische  Synonymik  für  höhere  Schulen  und  Studie- 
rende zum  Gebr.  bei  d.  Anfertigung  von  Exerzitien  und  freien  Ar- 
beiten.    Leipzig.     1881.    p.  86  und  98.  1S4: 

Koldervey ,  Fr,,  Synonymik  für  Schulen.  2.  Aufl.  Wolfenbüttel.  1881. 
p.  86  und  98.  132 

Meiirer,  Karl,  Französische  Synonymik.  Für  die  oberen  Klassen  höherer 
Schulen.    2.  Aufl.  1881.    p.  28.  1S3 

Schoßtensack,    H.  Aug.,    Beitrag   zu   einer    wissenschaftl.   Grundlage   für 

etyraol.  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  franz.  Sprache.     Bonn. 

1883     p.  99,  292  und  294.  134 

Schweissihal ^    /¥.,    Remarques   sur   le   role  de   l'element   franc   dans    la 

formation  de  la  langue  f'ran9aise.    p.  96.  135 

Michel,  Fr.,  l^tudes  de  philologie  comparee  sur  l'argot  et  sur  les  idomes 

analogues,  par  les  en  Europe  et  en  Asie.     Paris.     1856.    p.  39.       136 

Darmesteter,  A.,  De  la  creation  actuelle  de  mots  nouveaux  dans  la 
langue  fran9aise.    Paris.     1877.     p.  39.  137 

Darmesteter,  Traite  de  la  formation  des  mots  composäs  dans  la  langue 
fran9ai8e.    Paris.     1875.    p.  39  und  167.  138 

Etienne,  E.,  De  deminutivis,  intensivis,  collectivis  et  in  malam  partem 
abeuntibus  in  francogallico  sermone  nominibus.  Nancy,  p.  96,  171 
und  298. .,  139 

Scola^  Joh.,  Über  den  Charakter  einer  Klasse  der  Wortbildung.  Progr. 
der  k.  k.  ersten  deutschen  Staats-Realschule  zu  Prag.  1882.  p.  167.  140 

IT.  Französische  Metrik  und  Poetili. 

Tohler,  A.,  Vom  französischen  Versbau  alter  und  neuer  Zeit.  Zusammen- 
stellung der  Anfangsgründe.     2.  Aufl.     Leipzig,     p.  97  und  297.     141 

Gaijer,  P.  A.,  Om  de  franska  episka  vers  formernas  Ursprung.  In 
Forhaiidlinger  paa  det  andet  nordiske  Filologmoede  i  Kristiania  den 
10  —13.  Aug.  1881,  udgivne  af  Gustav  Storm.  Kristiania.  1883. 
p.  99. ^  142 

Kaulen,  Ferd.,  Poetik  Boileau's.  Ein  Beitrag  \\xv  Geschichte  der  franz. 
Poesie  im  XVJI.  Jahrh.     Hannover.    1882.    Münster.  Diss.    p.  99.  143 

\.  Französisclie  liitteraturgescliiclite. 

a)  Zur  Litteratnrgesoliiolite  der  filteren  Zeit  bis  zum  16.  Jahrhandert. 

^yrop,  Kristoffer,  Den  aldfranske  Heltedigtning.  Histoire  de  l'äpop^e 
fran9aise  au  mögen  äge,  accompagn^e  d'une  bibliographie  detaillee. 
Koebenhavn.    p.  27.  144 


Syst.  Verz.  sämil.  in  dieser  Zschr.  beurteiltest  Werke  etc.  333 

P,  G.,  La  Mgende  de  Saint  Rolland,    p.  95.  145 

Rochs,  Über  den  Veilchen -Roman   u.  d.  Wanderung  der  Euriant-Sage. 

Inauffural-Diss.     Halle.     1882.    p.  97.  140 

Gaste,  A.,   NoSls    et   Vaudevirs   du  manuscrit   de   Jehan   Por^e.    Etüde 

critique  et  historique.     Caen.    p.  97.  147 

BijvancK,  M.  G.  C,  Dr.,   Specimen   d'un  essai  critique  sur  les  ceuvres  de 

Fr.  Villon.    Le  petit  testaraent.  Leiden.  1882.  p.  89,  172  und  299.    148 

b)  Znr  Litteratnrgeschiclite  des  16.  Jahrliimderts. 

Beränek ,    Victor,    Martin  Opiz   in   seinem    Verhältnis   zu    Scaliger   und 

Ronsard.    Progr.    d.  k.  k.  Staats-Realschule  auf  der   Landstrasse   zu 

Wien.    p.  165.  149 

Scaliger,  Poetices  libri  Septem,    p.  165.  150 

Ronsard,  Abregd  de  Tart  poetique.    p.  165.  151 

— ,  La  Franciade.  p.  165.  152 

Re'autne,  ätude  historique  et  litt,  sur  Agrippa  d'Aubigne.    Paris.     1883. 

p.  169  und  171.  153 

Talbot,   Rabelais   et  Montaigne.    Extraits  relatifs  a  l'^dueation.    Paris. 

p.  100.  154 

de  Feiice ,  Paul,  Lambert  Daneau,    de  Beaugancy-sur-Loire,   pasteur   et 

professeur   en    theologie    (1530 — 1595).      La  vie,   ses    ouvrages,     ses 

lettres  inädites.     Paris.     1882.    p.  171.  155 

c)  Zur  LitteratnrgescMclite  des  17.  Jahrlmnderts. 

Lotheissen,  Geschichte  der  franz.  Litt,  im  XVIL  Jahrh.    III.  Bd.    Wien. 

1880.    p.  90  vgl.  p.  294.  156 

— ,  Bd.  IV.    Wien,    1884.    p.  35,  90  und  294.  157 

Frank,  J.,  Studien  über  die  Satyre  M^nippee.    p.  113.  158 

ZveHna,  F.,  Ultimatum  in  Sachen  der  Satyre  Me'nipp^e.  p.  101.  159 
Bourgoin,  A.^  Conrart  et  son  temps.  Paris.  1883.  p.  169,  171  u.  295.  160 
Merkt,  Gust.,  Etudes  litt,  sur  le  thäätre   de  Corneille,   de  Racine  et  de 

Moli^re.     Paris.     1  Vol.    p.  170.  161 

Lemaitre,  /.,  Quomodo  Cornelius  noster  Aristotelis  Poeticam   sit   inter- 

pretatus.    p.  170.  162 

Moreau,  E.,  Corneille  et  Richelieu,    p.  169.  163 

Körting,  H.,  Über  zwei  religiöse  Paraphrasen  Pierre  Corneille's :  L'Imitation 

de   J^sus-Christ  und  die  Louange  de  la  Sainte  -  Vierge.     E.  Beitr.   z. 

Corneille-Forschung.    Oppeln.     1883.    p.  99  und  299.  164 

Mahrenholtz,  R.,  Molifere's  Leben    und  Werke.    Vom   Standpunkte   der 

heutigen  Forschung.     Heilbronn.     1881.     II.  Bd.  der   franz.   Studien 

von  H.  Körting  und  E.  Koschwitz.    p.  90  und  91.  165 

— ,  Molifere,  Einfuhrung  in  das  Leben  und  die  Werke  des  Dichters.  Heil- 
bronn. 1883.  p.  92,  171,  248  und  297.  166 
Dumotistier,  Leon,   Molifere  auteur  et  com^dien.    La  vie  et  ses  ceuvres. 

Paris.     1883.    p.  264.  167 

Ät/wft^rr,  C,  Deutschlands  Urteil  über  Moliöre.  Oppeln.  1881.  p.  171.  168 
Lader,  H.  A.,  Carlo   Goldoni   in   seinem   Verhältnis  zu   Meliere.     Diss. 

Oppeln.     (=  Zschr.  f.  nfr.  Sprache  und  Litt.  V^)    p.  99.  169 

Scola,  Joh.,  Corneille's  Le  Menteur  und  Goldoni's  II  Bugiardo  in  ihrem 

Verhältnisse   zu  Alarcon's   La    Verdad   sospechosa.     Progr.   d.   k.   k. 

Staats-Realschule  zu  Pilsen,    p.  166.  170 

Mangold,   W.,  Molifere's  Tartuffe.    Geschichte  und  Kritik.    Oppeln.   1882. 

p.  88.  171 

Klette,  J.,  William  Wycherley's  Leben  und  dramat.  Werke  mit  beson- 


334  A.  Aschenherg 

derer  Berücksichtigung  von  Wycherley  als  Plagiator  Molifere's.    (Diss. 

Münster.     1883.    p.  99  und  295.  172 

Krause,  Wycherley  und  seine  französischen  Quellen.   Halle.    Diss.     1883. 

p.  98  und  117.  17 S 

Ricard,   Msr,    Les   premiers   Jansenisfes   et   Port -Royal.    1  vol.    Paris. 

1883.    p.  171.  174 

*Thor  Sunäbt/f  Blaise  Pascal,  sein  Kampf  gegen  die  Jesuiten  und  seine 

Verteidigung  des  Christentums,    p.  210.  165 

Chassang,  Lettre  (La  Roche-Foucauld).    p.  171.  176 

d)    Znr  Litteratnrgeschiclite  des  18.  Jahrlinnderts. 

Wershoven,  F.  J.,  Smollet  et  Lesage.    Berlin.     1883.    p.  88.  177 

Bruneiiere,  F.,  I^tudes  de    litterature  comparee:    La   question   de    „Gil 

Blas",    p.  169.  178 

MahrenhoUz,  Rieh.,  Voltaire-Studien.     Beiträge  zur  Kritik  des  Historikers 

und  des  Dichters.    Oppeln.     1882.    p.  89,  98,  171  und  295.  179 

— ,  Voltaire  im  Urteile  der  Zeitgenossen.    Oppeln.   1883.    p.  89,  113,  295, 

299  und  300.  i80 

Botigeauldf  AI  fr.,  iJtude  sur  Tdtat  mental   de  J.-J.  Rousseau  et  sa  mort 

ä  Ermenonville.    Paris.     1883.    p.  98  nnd  171.  181 

Borgeaud,   Charles,   J.-J.  Rousseau's   Religionsphilosophie.     Jena.    Diss. 

1883.    p.  98,  295  und  300.  182 

Barine,  A.^  Un  critique  danois:    M.  George  Brandes,   ses  idees  sur  J.-J. 

Rousseau,    p.  169.  183 

Neubauer.  Bemerkungen  zu  Rousseau's  Emil.  Progr.  d.  städt.  höh.  Bür- 
gerschule in  Erfurt.  1884.  p.  285.  184 
Grand-Carieret,  /.,  Expositions   iconographiques   de  J.-J.    Rousseau.    Les 

portraits,  les  estampes,  les  suites  de  vignettes.    p.  169.  185 

Vihoff,  Joh,,  Nivelle-  de  la  Chaussäe's  Leben  und  Werke.    E.  Beitrag  zur 

Litter aturgeschichte  des  18.  Jahrh.  und  insbesondere  zur  Entwickelungs- 

geschichte   der    „Comddie    larmoyante".     Heilbronn.     1883.     (Franz. 

Stud.    IV.     1.)    p.  98  und  249.  186 

De  Lescure,    Rivarol    et   la  societe  fran9aise  pendant   la  revolution   et 

l'emigration  (1753 — 1801),    ötudes   et  portraits    historiquee   et   litt., 

d'apres  des  documents  inddits.    Paris  1883.     p.  171,  194  u.  294.    187 

e)  Zur  Litteratnrgescliiclite  des  19.  Jahrhnnderts. 

Antoine,  Patd,  aper^u  sur  la  litterature  fran9aise  du  XIX^  sibcle  depuis 
le  premier  empire  jusqu'k  nos  jours.    Dresden  1882.    p.  89.  188 

V.  Siauher,  Ematiuel,  Ritter,  Les  romanciers  de  l'Empire  et  de  la  Restau- 
ration.   Progr.  d.  k.  k.  Staats-Realschule  zu  Laibach.    p.  165.      189 

Brandes,  G.,  Die  romantische  Schule  in  Frankreich.  Leipzig,  1883. 
p.  172.  190 

du  Camp,  Maxime,  Souvenirs  litteraires.  2  Bd.  Paris  1883.   p.  100.    191 

Quernel,  L,,  Le  thäätre  anglais  contemporain;  les  imitations  des  com^dies 
frangaises;  les  drames  et  les  tragcdies.    p.  169.  192 

^Heller,  J.,  Der  Naturalismus  in  der  Romandichtung  Frankreichs  und 
Deutschlands,    p.  297.  193 

Barbier,  A.,  Souvenirs  personnels  et  silhouettes  contemporains.  1  vol. 
p.  169.  194 

Lacour,  L.,  Gaulois  et  Parisiens.    p.  169.  195 

Klaar,  Alfred,  Die  Mache  der  Franzosen,    p.  106.  196 

La  Ciaire  Fontaine^  Chanson  populaire  franfaise.  Examen  critique  des 
diverses  versions.    p.  96,  197 

Lenieni,  C,  Alfred  de  Vigny.    p.  169.  198 


Syst.  Vei'z,  sämil.  in  diese?*  Zschr.  heurteülen  Werke  etc.  335 

A.  7>.,  Victor  Hufsro.  och  det  nyare  Frankrike.  En  Studie.  Första  och 
andra  delen.  1879.    Tredje  delen  1881.     Stockholm,     p.  99.  199 

Ba?'bou,  A.,  Victor  Hugo  und  seine  Zeit.     Nach  dem  Französ.  frei  über- 
tragen von  Otto  Weber.    Leipzig.     1882.    p.  88.  200 
Lemaitre,  JuleSy  Fran9ai8  Coppee.    p.  169.  201 
Claretie,  Poete  et  soldat.    M.  Paul  Däroulfede.    p.  169.                         202 
LemaUre,  J.,  Un  pofete  de  dix-neuf  ans.    Charles  Read.    p.  169.          203 
de  Raynal,   Paul,   Les  Correspondants   de   J.   Joubert   (lettres   inedites). 
1  vol.    p.  169.  204: 
Hemon,  F.,  Les  F^libres  et  l'avenir  du  fälibrage.    M.  M.  Tavau,  Mathieu, 
Gras,  Bonaparte,  Wyse.     Les  Languedociens.    p.  169.                      205 
He'mon,    Poetes  •proven9aux    contemporains.     Eoumanille    et    Aubanel. 
p.  169.                                                                                                      206 

f)  Werke  nnd  Schriften  über  grrtfssere  Zeitrftnme^  Litteratnrgattnngen 
oder  das  gesamte  Gebiet  der  französischen  Litteratnrgeschichte. 

Holder,  Handbuch  der  älteren  und  neueren  franz.  Litt.  Neu  bearb.  von 
L^on  Bertrand.     Stuttgart.     1882.    p.  191.  207 

Sainishiry,  George,  A  short  hiotory  of  French  literature.  Oxford.  1882. 
p.  97.  208 

Rosieres,R.,  La  litt^ratnre  allemande  en  France  de  1750—1800.  p.  169.  209 

LemaUre,  J.,  La  com^die  fran9aise  apr^s  Moli^re  et  le  theätre  de  Dan- 
court,   p.  170  und  294.  210 

Prtidhomme,  Suüy,  Dn  pittores  que  dans  la  litt^rature  fran^aise. 
p.  169.  211 

Poulain,  De  la  part  de  la  Champagne  dans  la  formation  et  le  ddvelop- 
pement  de  la  langue  et  de  la  littdrature  fran9aise.    p.  25.  212 

Tl.  Ausgaben  (mit  und  ohne  Kommentar)  einzelner 
Sehrifteteller  nnd  Schriftwerlie  in  alphabetisclier 

Ordnung. 

Barthelemy,  Voyage  du  jeune  Anacharsis  en  Grfece.  II,  Legislation  de 
Lycurgue.  —  Sur  la  nature  et  sur  Tobjet  de  la  tragedie.  Mit  Anm. 
z.  Schulgebr.  hg.  v.  0.  Schulze,    p.  275.  213 

du  Bellay,  Joachim^  Lettres  publikes  pour  la  premifere  fois  d'apres  les 
originaux,  avec  un  Portrait  in^dit  et  un  autographe.  Paris.  1883. 
(p.  p.  P.  de  Nalhac.)    p.  171.  214 

Beleze,  L'histoire  naturelle,    p.  251.  215 

Bouchet,  Guülaume,  sieur  de  Brocouri,  Les  Seräes  avec  notice  et  index, 
p.  p.  C.  F.  Roybet  (Ch.  Royer  et  Em.  Courbet).  Paris.  1873—1883. 
6  vol.    p.  170.  216 

de  Bourhon,  Armand,  Prince  de  Conti,  Traitd  de  la  Com^die  et  des 
Spectacles.    (K.  Vollmöller:  Sammlung  franz.  Neudr.)    p.  249.      217 

M"^  Campan,  Becits  historiques  (aus  M^moires  sur  la  vie  priv^  de 
Marie-Antoinette).     1859.    p.  278.  218 

Ceard,  Henry^  Soir^es  de  Mddan.    p.  47.  219 

Chateaubriand,  F.  de,  Itindraire  de  Paris  k  Jerusalem.  In  zwei  Teilen. 
In  Auszügen  mit  Anm.  zum  Schulgebr.  hg.  von  Otto  Richter.  II.  Teil. 
Yoyage  de  Bhodes,  de  Jaffa,  de  Bethldem,  de  la  Mer  Morte  et  de 
Järusalem.    p.  272.  220 

—  Jeunesse  de  Chateaubriand.  Aus  m^moires  d'outre-tombe.  In  Aus- 
zügen mit  Anm.  z.  Schulgebr.  von  Emil  Grube,    p.  274.  221 

Corneille,  Le  Cid,  Nouv.  ^d.  rev.  et  ann.  par  P.  Carel.  1882.  p.  155.   222 


.  ''■  ■ 


i'ii'lL.jtIiök,   besorvt  v,.ii 

1*4.". 

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ais  anciennes  inipreeBions 
"X  laedits,  de  variantea. 
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'I-  ll'-^fä).  T.  HI.^JT87R 
lis.     p.  100.  v?,'i 

.  .uec  des  noticea  aur  1 1 
"uvotttw.  ou  choii  Je 
s  Uiiiütres  et  un   lesiqu« 


Syst.  Verz,  sämü.  m  dieser  Zeiischriß  heurieüien  Weiche  etc.       337 

La  Roche foucauldy  (Euvres  complbtes.     Notiv.  4d.  avec  des  notices  sur  la 

vie  de  la  Rochefoucauld  et  aur  ses  divers  ouvrages,  un  choix  de  vari- 

antes,    des   notes,  uue  table  analytique   des  matieres  et  un   lexique 

(p.  p.  A.  Chassanf?.)    Tome  premier.     Lcs   mämoires.  —  Portraits.  — 

Apolofpes  de  Marsülac.    Paris  1883.    p.  170.  209 

— ,  Räflexions  on  Seutences  et  Maximes.  Traductions  en  langues  ^trang^res. 

(Granges  de  Surg^re.)    Paris  1883.     p.  170.  250 

De  Lescure ^   les   innres   illustres,   Stades    morales  et  portraits  d'histoire 

intime    Ouvrage  om^  de  12  grav.  sur  bois  d'aprbs  les  documents  origi- 

naux.    Paris  1882.    p.  293.  25t 

De  Maistre,  Xavier.    Exp^ition  noctume  atitonr  de  ma  chambre.    Mit 

Erl.  u.  Wörterb.  von  a  Th.  Lion.    p.  84.  "        252 

— ,  Prascovie  ou  la  jeune  Sibärienne.    Mit  Anm.  herausgeg.  v.  Ad.  Lun- 

dehn.    Berlin  1884.    p.  253  und  p.  282.  253 

— ,  Voyage  autotir  de  ma  chambre.    Mit  Erläut.  u.  Wörterb.  von  C.  Th. 

Lion.    p.  84.  254 

de  MaupassarU,  Guy,  la  Femme  de  Paul.   p.  47.  255 

— ,  Une  Vie.    p.  47.  256 

Melesvüle  et  Hestienne,  lä  fierline  de  T^migr^    (Th.  fr.  p.  p.  Velhagen 

et  Elasing.)    p.  245.  257 

— y  Meißle  et  Boirie,   Le  bourgmestre   de  Sardam.  (Th.  fr.  p.  p.  Yelhagen 

et  Klasing.)    p.  245.  258 

— ,  et  DuveyrÜTy  Michel  Perrin.  (1«»^«  S^rie,  5«  Livraisou.  Th.  fran9.  ?•  P* 

Yelhagen  et  Klasing.)    p.  245.  259 

Mifnard,  Louis  Aug.,  Le  Livre  abominable  de  1665,   ddconvert  et  publik. 

Paris  1883.  5  voll.  p.  37  und  p.  297.  260 

Meunier,  Les  Baisers  tristes,     p.  47.  261 

Michaudj  Histoire  des  croisades.    In  zwei  Teilen.     1.  Ausg.  mit  Anm.  z. 

Schulgebr.    Herausgeg.  v.  E.  Paetsch.    II.   Teil.    Troisi^me  croisade. 

Mit  ^ner  Obersichtskarte,    p.  272.  292 

— ,  Moeurs  et  coutumes  des  croisades.    Für  d.  Schule  erkl.  v.  Fr.  Hummel. 

p.  279.  263 

— ,  Siäge  d'Antioche  et  Prise  de  Jerusalem  (aus  Hist.  des  croisades).    Mit 

drei  eingedruckten  Karten  für   d.  Schulgebr.  erkl.  von   Fr.  Hummel. 

p.  279.  264 

Mignet,    Hist.   de  la  Revolution   fran9aise   depuis   1789  jnsqu'en   1814. 

Herausgeg.  u.  m.  sprachl.,  sachl.  u.  geschichtl.  Anm.  versehen  von  Ad. 

KoreU.    1814.    Leipzig  1882.    p.  251,  252.  265 

MoUtre,  (Euvres  compl^tes  collationn^  sur  les  textes  originaux  et  commen- 

t^.  Deuxi^me  äd.  soigneusement  revue  et  consid^rablemeDt  augmentäe. 

Paris  1881.    pag.  98,  297  und  300.  266 

— ,  L'Avare,  nouvelle  äd.  revue  et  annot^  par  E.  Friese.  1884  (Thäätre 

fr.  p.  p.  Yelhagen  et  Klasing).    p.  155.  267 

-  2«  äd.  1860.    p.  278.  268 

Le  bourgeois  Gentilhomme.  (Th^tre.  fr.  p.  p.  Yelhagen  et  Klasing.) 

p.  245.  269 

Les  Fächeux.    p.  93.  210 

Les  Femmes  savantes.  Nonv.^  rev.  et  ann.  par  F.  Fischer  etc.  1884. 

(Th^tre  fr.    p.   p.   Yelhagen  et    Klasing.      Bielefeld    et    Leipzic.) 

p.  155.  271 

Le  Misanthrope.    2«  dd.    1880.    p.  278-^295.  272 

Les  Pr^enses  ridicules.   Kouv.  A,  &  Tusage  des  ^coles,  ann.  par  G. 

Scheffler  etc.  1884.    p.  155.  273 

— ,  (Th.  fr.  p.  p.  Yelhagen  et  Klasing.)    p.  245.  274 

Les  Pr^euees  ridicules.    p.  93.  ^75 

^schr.  f.  nfn.  Spr.  o.  Litt.    VI*.  22 


338  H.  Aschenberg 

Moliere,  l^  Tartufe,  erkl.  von  H.  Fritsche.  p.  94,  250  und  297.  276 
Montesquieu,   Gonsiddrations  sur  les  causes  de  la  Grandeur  des  Romains 

et  de  leur  däcadence.  (Ob.  I — XV.)  Für  d.  Schule  erkl.  v.  B.  Leng- 
nick, p.  279.  279 
— ,  — ,  Mit  Anmerk.  herausgeg.  M.  Schaunsland.  p.  282.  278 
Motin,  Pierre^   (Euvres  in^ites,   publikes  avec  une  notice  et  des  notes» 

p.  Faul  d'Estr^e.     Paiis  1883.    p.  171.  279 

d'Ouville,  sietir,  Ölite  des  contes  p.  p.  F.  Brunet.  2  vol.  p.  160.  280 
Pascal,  Lettres  provinciales.    p.  93.  281 

— ,  Pensdes,  p.  93.  282 

Racine,  Athalie.    3«  äd.     1883.    p.  278.  283 

Retz,  Cardinal  de,   (Euvres.  Nouv.  ^d.  T.  VII.   (R.   Chantelauze.   Les  gr. 

^criv.  de  la  France.)    Paris  1882.    p.  170.  284: 

RotroUf  Thäätre  choisi,  nouvelle  ^d.  p.  p.    F^lix  Hdmon,  avec  une  introd. 

et  des  notices,  illustr^e  de  quatre  gravures  coloriäes.  p.  170.  285 

Rousseau,   J.-J.,    Fragments  in^dits.     Recherches   biogr.   et   litt.     Paris 

1882.    (Alb.  Jansen.)    p.  171.  286 

de  Saini-Pierre,  Bernh,,  Paul  et  Virginie.    p.  93.  287 

Sand,    George,  La  mare  au  diable,    erkl.  v.  Sachs.  (Weidmann,  Samml.) 

p.  91.  288 

Frank  y  Jos.,  Satyre  Mdnipp^e.    Kritisch  revidierter  Text  mit  Einl.  und 

erkl.  Anm.    Oppeln  1884.    p.  261.  289 

Sedaine,  Le  Philosophe  sans  le  savoir.  Erkl.  v.  M.  Gisi.  p.  94.  290 
de  Se'gur,  le  comte,  Histoire  ancienne.    28  Geschichtsbilder  mit  Anm.  z. 

Schulgebrauch  herausgegeb.  v.  0.  Schaumann.    (Prosat.  fr.  p.  p.  Vel- 

hagen  et  Klasing.)    p.  270.  291 

— ,  Histoire  de  Napoldon  et  de  la  grande  armäe  pendant  Pannde  1812. 

Mit  e.  Einl.  u.  erkl.  Anm.  nebst  e.  Karte.  Herausgeg.  v.  C.  Th.  Lion. 

I.  Teil.    Buch  I— IV.    1884.    p.  284.  292 

—,  — ,  Ausg.  mit  Anmerk.  zum  Schulgebr.    Herausgeg.  v.  0.  Schmager. 

Teil  n.  Buch  VHI  u.  XI,  mit  einer  Uebersichtskarte.  p.  272.  293 
Souveslre,  Emile,  Au  coin  du  feu.    Fünf  Erzählungen   daraus   mit  Anm. 

u.  e.  Wörterbuch.     Herausgeg.  v.  K.  Kaiser.     Berlin  1884.    p.  284, 

und  p.  93.  294 

— ,  ün  Philosophe  sous  les  toits.   p.  93.  295 

Theuriei,  Andrd,  Le  livre  de  la  payse.    Nouvelles  podsies.  Paris,  p.  100. 

296 
Thierry ,  Äugusiin,  Recits  historiques  (aus  Recits  des  temps  merovingiens). 

1859.   p.  278.  297 

Vaugela^,  Remarques  sur  la  langue  fran9ai8e.  Nouv.  äd.  p.  p.  A.  Ghassang, 

Versailles  et  Paris  1880,  2  Bde.    p.  100.  298 

Ferne,  Jules,  Ginq  semaines  en  ballon.    In  Auszügen  z.  Schulgebrauch. 

Herausgeg.  v.  W.  Begemann.   (Prosat.  fr.  p.  p.  Velhagen  et  Klasing.) 

p.  270.  299 

— ,  Le  Tour  du  Monde  en  quatre-vingts  jours,  bearbeitet  von  K.  Bandow. 

(Prosat.  fr.  p.  p.  Velhagen  et  Klasing.)    p.  270.  300 

— ,  Voyage   au   centre   de   la   Terre.    In  Ausz.  mit  Anm.  z.  Schulgebr. 

Herausgeg.   von   G.  Opitz.    (Prosat.   fr.  p.  p.  Velhagen   et   Klasing.) 

p.  271.  301 

Voltaire,  Histoire  de  Gharles  XII.    Texte  complet,  revu  avec  soin,    suivi 

de  notes.    Br§me  1884.    p.  282.  302 

— ,   Za'ire,     erklärt    von    E.   v.   Sallwürk.       (Weidmännische     Samml.) 

p.  91.  303 

Zola,  Assommoir.    p.  46.  304 

—,  Au  Bonheur  des  Damea.    p.  46.  305 


/ 


Syst.  Verz.  sömU,  in  dieser  Zschr,  beurteüUn  Werke  etc.  339 

Zola,  Poirfioaille.    p.  46.  306 

— ,  Nana.    p.  46.  307 

Vn.    Sammelwerke.  Chrestomathien  und  Antholegien.  —  Lesehneher. 

Fcdrsier,  WendeUn,  Altfranzdsische  Bibliothek.  Heilbronn.  1879  bis 
1883.    5  Bde.    p.  170.  308 

Dickmann,  Otto,  Franz.  und  engl.  Schalbibliothek,  fl.  I — VIII.  Leipzig. 
1883.    p.  248.  309 

V.  KeMa\  AddSb.,  Bomvart,  Altfranz.  Sagen,    p.  96.  310 

Foure,  M^  PauUne,  La  France  lyriqne.  Album  des  meilleores  po^ies 
lyriques  des  auteurs  frau9aiB.  4«  ^d.  enti^rement  refondue  et  aug- 
mentde  par  Otto  Kampe.    Gütersloh.     1882.    p.  87.  311 

Bartsch,  K,,  Alte  französische  Volkslieder  übersetzt.  Heidelberg.  1882. 
p.  27.  312 

Rouand,  E.,  Recueil  de  chansons  populaires.  L  Paris,  p.  37  nnd 
p.  293  und  298.  213 

Kampe,  Otto,  Frankreichs  schönste  Einderlieder  und  Jugendgedichte. 
Gütersloh.    1882.    p.  87.  31i 

Westenhceffer,  Jean,  Le  Fablier  de  nos  enfants.  Recneil  de  fables  ä 
Tnsage  des  ecoles  snp^rieares.    Mulhoose.    p.  253.  315 

TVershoven,  F.  J.,  La  France.  Historische  nnd  geographische  Charakter^ 
bilder  für  die  französ.  Lektüre  der  höh.  Lehrans&Iten.  Cöthen.  1882. 
p.  87.  316 

Wittstockt  L*antiqait^  littäraire.  Fxtraits  des  classiques  grecs  et  latins 
tradnits  en  francais.    Jena  1881.    p.  249.  317 

Benecke,  Alb.  u.  d'tiargues,  Friedr.,  Franz.  Lesebuch,  Anfangs-  u.  Mittel- 
stufe. 2.  verb.  Aufl.  mit  den  durch  die  7.  Aufl.  des  Dict.  de  TAcad. 
fr.  (1878)  bedingten  Änderungen.    Potsdam  1881.    p.  253.  318 

Bretschneider,  H.,  La  France.  Premier  livre  de  lecture  k  Pusage  des  äcoles 
secondaires,  accompagn^  d'nn  choix  de  th^mes  en  textes  suivis.  Alten- 
burg.   1882.    p.  91  nnd  p.  250.  319 

Klotzsch,  Th.  B.  A.,  Methodisch  bearbeitetes  französisches  Lesebuch  für 
höhere  Ünterrichts-Anstalten.    Berlin.    1881.    p.  134.  320 

Meura',  Karl,  Französisches  Lesebuch.  I.  T.  Für  Quarta  u.  Untertertia 
der  Gymnasien  u.  s.  w.    Mit  Wörterb.    Leipzig.  1883.    p  293.     321 

t\  OrelU,  Conr.,  Französische  Chrestomathie.  Erster  Teil.  Nach  d.  5. 
Aufl.  nen  bearbeitet  von  A.  Rank.    Zürich.    1882.    p.  87.  322 

Weiss,  M.,  Becueil  de  morceaux  choisis  de  prose  et  de  vers,  extraits 
des  meilleurs  äcrivains  fran9ai8  pour  la  jeunesse.  Breslau.  1883. 
p.  253.  323 

Wingerath,  E.,  Choix  de  lectures  fran9aiBes  k  Pusage  des  6^oles  secon- 
daires.  H.  partie:  classes  moyennes.  Köln.  1883.  p.  91  und 
p.  250.  32^ 

Wiemann,  A.,  Französische  Chrestomathie.    Gotha.    1882.    p.  251.    325 

YIU.    Französische  Dialekte. 

Görlich,  E.,  Die  südwestl.  Dialekte  der  langue  d*oil,  Poitou,  Aunis,  Saintonge 
u.  Angonmois.    Heilbronn.  1882.    (Franz.  Stud.  IH.  2.)    p.  99.    326 

Fertiault,  Chansons  de  noces  de  la  Hante-Bourgogne.    p.  97.    *  327 

de  la  Borderie,  Arthur,  Archiyes  du  bibliophile  breton.  Notices  etDocu- 
ments  pour  seryir  &  lliistoire  litt^raire  et  bibliog^phiqne  de  la  Bre- 
tagne,   n.    Rennes.  1882.    p.  171.  328 

Bohmdahl,  Axel,  Glossaire  du  patois  du  Val  de  Loire  (Manche)  suivi  de 
remarques  grammaticales.    Linkoeping.  1882.    p.  95.  329 

22*