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Zeitscluift
für
neufranzösische Sprache
und Litteratur
mit besonderer Berücksichtigung des Unterrichts
im Französischen auf den deutschen Schulen
herausgegeben
von
Dr. G. Körting und Dr. E. Koschwitz.
Prof. a. d. AKadeiie zu Hluster i/W. Prol. a. d. üniyersltit zn (}reilswald.
Band VI.
OPPELN
Eugen Franck's Buchhandlung
Georgr Maske.
1884.
Inhalt.
E. Böhmer. Gemeinsame Transscription für Französisch
und Englisch 1—10
J. Frank. Studien über die Satyre M^nippde 118 — 149
H. H ar t h. Die Qualität der reinen Vokale im Neufranzösischen 11 — 112
H. J. Heller. Der Naturalismus in der Romandichtung
Frankreichs und Deutschlands 297 — 319
Thor Sundby. Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten
und seine Verteidigung des Christentums . 210 — 238, 265 — 296
B. über. Zu dem französischen Wörterbuche von Sachs . 234 — 264
L. Wespy. Die historische Entwickelung der Inversion des
Subjektes im Französischen und der Gebrauch derselben
bei Lafontaine 150—209
Gemeinsame Transscription für Franz. und Engl 5
ich a. a. Ort auf diese Frage eine kurze Antwort gegeben; hier
ist nun etwas näher darauf einzugehn. Unterscheidet man in
jedem solchen Gebiet drei Stufen, so beschränkt sich das ein-
fache Abzeichen, Punktierung oder Häkchen, auf die mittlere
Stufe; der Laut, der enger ist als der mittelenge, bekommt unter
seinen Punkt einen zweiten, engstes a hat drei Punkte, der Laut,
der weiter als der mittel weite, erhält an dem Häkchen unten ein
zweites, die aneinander grenzenden Stufen des weiten und des
engen Vokals, die durch denselben Buchstaben ausgedrückt wer-
den, erhalten jede die beiden Abzeichen, das Hauptzeichen voran,
also bei dem wenigst weiten links Häkchen, rechts Punkt (oder
Punkte) und umgekehrt bei dem wenigst engen. Die in der bei-
gegebenen ausgeftthrteren Tafel zu beiden Seiten des weitesten
CL liegenden q werden dadurch unterschieden, dass ein wage-
rechtes Strichlein, das die Mittelinie von a bis v bedeutet, bei
dem oberen cl unten an das Häkchen tritt, bei dem unteren q
oben an das Häkchen. Statt des Trtibungshäkchens, das übri-
gens, in gleicher Weise wie das andere Häkchen, verdoppelt
werden kann zur Bezeichnung von stärkerer Trübung in der-
selben Richtung, ist bei den Vokalen der Mittelreihe, die oben
und unten Trübungen haben, jenes wagerechte Strichlein in
gleichem Sinne wie bei den q anzuwenden. Wo bei den Trü-
bungen der Mittelreihe Strich und : zusammentreffen, können, da
keine Verwechslung möglich ist, die Punkte neben einander ge-
druckt werden. Auch I, 3. 4 der Tafel könnte man einen Punkt
unter den andern setzen. Wenn beide Häkchen neben einander
vorkommen, werden sie zu einem Dach aneinandergelehnt, unter
und neben welchem für Punktierung Platz bleibt. II, 3 mag
man die Punkte links und rechts vom Dach setzen. Wer mit
semitischen Sprachen bekannt ist, dem wird die beigegebene
Tafel nicht zu kraus aussehen. Es sind nicht mehr als vier
Abzeichen verwendet: Punkt, ^sweierlei Häkchen, Strich, und ist
die strenge Regelmässigkeit ihrer Verwendung offenbar. Die
Tafel kann in eine Halbkreisfiäche umgewandelt werden, in-
dem man auf die Kreislinie das alleinstehende a und die unterste
und die oberste Reihe überträgt, alle Buchstaben in gleichen
Abständen, ferner die Reihe IV auf den wagerechten Halbmesser
bringt, und in jeder der senkrechten Reihen 2 — 18 auf jeder
Seite der Mittellinie vier gleiche Teile macht, von deren drei
Grenzpunkten der mittlere ohne Buchstaben bleibt — Wenn die
120 Vokale dieser Tafel nicht ausreichen, kann man jeden in
zweitheilen: f'f,,~a? «-, oder in drei, in welchem Fall unge-
stricheltes f die Mittelstufe bedeutete, oder statt der Dreitei-
lung der Tafel eine Siebenteilung vornehmen, für die ich schon
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Böhmer
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Ebenda ist bemerkt: in das obere Dreieck sei frz. f^ in das
untere dakorom. q zu setzen; und dass ich die Nasalvokale a
u. s. w. schreibe. Für meine Zuhörer ist diese Vokaltafel litho-
graphiert worden, ein Halbkreis von u zu i durch a, a links, u
unten, am Halbmesser die Eeihe a bis v, mit (in den E. St.
1875 flg. angewendeten) punktierten Vokalen; der Herausgeber
dieser Zeitschrift hat die Tafel in Greifswald aufs Neue verviel-
ßlltigen lassen. Cornu, Förster, Mussafia u. a. (vgl. auch R. St.
n, 227) haben sich gelegentlich dieser Vokalzeichen bedient,
Tobler hat in der zweiten Auflage seiner Schrift über frz. Vers-
bau f für frz. dumpfes e angenommen; durch Gärtner, der diese
Tafel schon in seinem Greden abdruckte und zu Grunde legte,
hat sie in seiner Kätoromanischen Grammatik, welche die vom Gott-
hardt bis zur Adria lebenden Mundarten darstellt, eine, man
darf sagen monumentale Anwendung gefunden, auch in den von
Miklosich in den Denkschriften der Wiener Akademie veröflfent-
lichten Aufzeichnungen Gartner's über das Istro - rumänische sind
"ä § f gebraucht; Rosiger hat mit derselben Vokalbezeichnung
den jetzigen Waldenserdialekt von Neu-Hengstatt (Bijrset) treff-
lich aufgenommen. Über die Verwendbarkeit beim frz. Schul-
unterricht handelt Kreutzberg in der Festschrift zum Jubiläum
der Realschule zu Neisse 1882.
Machen wir die Anwendung auf das Englische, so zeigt
sich, dass von den in Sweet^s Elementarbuch aufgeführten Ton-
vokalen die allermeisten sich ohne weiteres in jener Weise be-
zeichnen lassen. Nämlich path hat a, pat a, pet e, pate e, pit |\
peat iy fall g, note o, füll u, moot u. Fraglich bleiben also nur
but not Tier.
Es ist nun sofort noch das klar, dass das Trübungszeichen
zu jedem Vokalbuchstaben hinzugefügt werden kann, wenn das
Bedürfnis vorliegt (und meine Zuhörer wissen, dass ich e und q
nur als Hindeutungen darauf in die Tafel gesetzt habe. Im
Grednerischen, R. St. HI, 87, glaubte ich einen gewissen
dumpfen Laut ,,mit j besser wiederzugeben als mit ^'^; die beste
Bezeichnung j war nämlich nicht vorrätig).
Aber wie ist das o von not, das zwischen g und a liegt,
zu bezeichnen? Die Frage läuft auf die allgemeinere hinaus: wie
sind, nachdem die Vokale durch Punktierung und rechts offenes
Häkchen unterschieden worden sind, Unterschiede innerhalb des
Gebietes jedes solchen Vokals zu bezeichnen? Schon 1872 habe
Gemeinsame Transscription für Franz, und Engl 5
ich a. a. Ort auf diese Frage eine kurze Antwort gegeben; hier
ist nun etwas näher darauf einzugehn. Unterscheidet man in
jedem solchen Gebiet drei Stufen, so beschränkt sich das ein-
fache Abzeichen, Punktierung oder Häkchen, auf die mittlere
Stufe; der Laut, der enger ist als der mittelenge, bekommt unter
seinen Punkt einen zweiten, engstes a hat drei Punkte, der Laut,
der weiter als der mittel weite, erhält an dem Häkchen unten ein
zweites, die aneinander grenzenden Stufen des weiten und des
engen Vokals, die durch denselben Buchstaben ausgedrückt wer-
den, erhalten jede die beiden Abzeichen, das Hauptzeichen voran,
also bei dem wenigst weiten links Häkchen, rechts Punkt (oder
Punkte) und umgekehrt bei dem wenigst engen. Die in der bei-
gegebenen ausgeführteren Tafel zu beiden Seiten des weitesten
CL liegenden q werden dadurch unterschieden, dass ein wage-
rechtes Strichlein, das die Mittelinie von a bis v bedeutet, bei
dem oberen q unten an das Häkchen tritt, bei dem unteren q
oben an das Häkchen. Statt des Trtibungshäkchens, das übri-
gens, in gleicher Weise wie das andere Häkchen, verdoppelt
werden kann zur Bezeichnung von stärkerer Trübung in der-
selben Kichtung, ist bei den Vokalen der Mittelreihe, die oben
und unten Trübungen haben, jenes wagerechte Strichlein in
gleichem Sinne wie bei den q anzuwenden. Wo bei den Trü-
bungen der Mittelreihe Strich und : zusammentreffen, können, da
keine Verwechslung möglich ist, die Punkte neben einander ge-
druckt werden. Auch I, 3. 4 der Tafel könnte man einen Punkt
unter den andern setzen. Wenn beide Häkchen neben einander
vorkommen, werden sie zu einem Dach aneinandergelehnt, unter
und neben welchem für Punktierung Platz bleibt. II, 3 mag
man die Punkte links und rechts vom Dach setzen. Wer mit
semitischen Sprachen bekannt ist, dem wird die beigegebene
Tafel nicht zu kraus aussehen. Es sind nicht mehr als vier
Abzeichen verwendet: Punkt, zweierlei Häkchen, Strich, und ist
die strenge Regelmässigkeit ihrer Verwendung offenbar. Die
Tafel kann in eine Halbkreisfiäche umgewandelt werden, in-
dem man auf die Kreislinie das alleinstehende a und die unterste
und die oberste Reihe überträgt, alle Buchstaben in gleichen
Abständen, ferner die Reihe IV auf den wagerechten Halbmesser
bringt, und in jeder der senkrechten Reihen 2 — 18 auf jeder
Seite der Mittellinie vier gleiche Teile macht, von deren drei
Grenzpunkten der mittlere ohne Buchstaben bleibt — Wenn die
120 Vokale dieser Tafel nicht ausreichen, kann man jeden in
zweitheilen: f'e,~a? ce~, oder in drei, in welchem Fall unge-
stricheltes f die Mittelstufe bedeutete, oder statt der Dreitei-
lung der Tafel eine Siebenteilung vornehmen, für die ich schon
Ed. Böhmer
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Ebenda ist bemerkt: in das obere Dreieck sei frz. fy in das
untere dakorom. q zu setzen; und dass ich die Nasalvokale a
u. s. w. schreibe. Für meine Zuhörer ist diese Vokaltafel litho-
graphiert worden, ein Halbkreis von u zu i duixh a, a links, u
unten, am Halbmesser die Reihe a bis v, mit (in den K. St.
1875 flg. angewendeten) punktierten Vokalen; der Herausgeber
dieser Zeitschrift hat die Tafel in Greifswald aufs Neue verviel-
fältigen lassen. Cornu, Förster, Mussafia u. a. (vgl. auch R. St.
n, 227) haben sich gelegentlich dieser Vokalzeichen bedient,
Tobler hat in der zweiten Auflage seiner Schrift über frz. Vers-
bau f für frz. dumpfes e angenommen; durch Gärtner, der diese
Tafel schon in seinem Greden abdruckte und zu Grunde legte,
hat sie in seiner Rätoromanischen Grammatik, welche die vom Gott-
hardt bis zur Adria lebenden Mundarten darstellt, eine, man
darf sagen monumentale Anwendung gefunden, auch in den von
Miklosich in den Denkschriften der Wiener Akademie veröflfent-
lichten Aufzeichnungen Gartner's über das Istro - rumänische sind
"ä § f gebraucht; Rosiger hat mit derselben Vokalbezeichnung
den jetzigen Waldenserdialekt von Neu-Hengstatt (Bijrset) treff-
lich aufgenommen. Über die Verwendbarkeit beim frz. Schul-
unterricht handelt Kreutzberg in der Festschrift zum Jubiläum
der Realschule zu Neisse 1882.
Machen wir die Anwendung auf das Englische, so zeigt
sich, dass von den in Sweet's Elementarbuch aufgeführten Ton-
vokalen die allermeisten sich ohne weiteres in jener Weise be-
zeichnen lassen. Nämlich path hat a, pat a, pet §y pate e, pit i,
peat i, fall g, note o, fuU w, moot u. Fraglich bleiben also nur
but not her.
Es ist nun sofort noch das klar, dass das Trübungszeichen
zu jedem Vokalbuchstaben hinzugefügt werden kann, wenn das
Bedürfnis vorliegt (und meine Zuhörer wissen, dass ich e und o
nur als Hindeutungen darauf in die Tafel gesetzt habe. Im
Grednerischen, R. St. HI, 87, glaubte ich einen gewissen
dumpfen Laut ,,mit i besser wiederzugeben als mit a"; die beste
Bezeichnung i war nämlich nicht vorrätig).
Aber wie ist das o von not, das zwischen g und a liegt,
zu bezeichnen? Die Frage läuft auf die allgemeinere hinaus: wie
sind, nachdem die Vokale durch Punktierung und rechts offenes
Häkchen unterschieden worden sind, Unterschiede innerhalb des
Gebietes jedes solchen Vokals zu bezeichnen? Schon 1872 habe
Gemeinsame TransscripHon für Franz. und Engl 5
ich a. a. Ort auf diese Frage eine kurze Antwort gegeben; hier
ist nun etwas näher darauf einzugehn. Unterscheidet man in
jedem solchen Gebiet drei Stufen, so beschränkt sich das ein-
fache Abzeichen, Punktierung oder Häkchen, auf die mittlere
Stufe; der Laut, der enger ist als der mittelenge, bekommt unter
seinen Punkt einen zweiten, engstes a hat drei Punkte, der Laut,
der weiter als der mittelweite, erhält an dem Häkchen unten ein
zweites, die aneinander grenzenden Stufen des weiten und des
engen Vokals, die durch denselben Buchstaben ausgedrückt wer-
den, erhalten jede die beiden Abzeichen, das Hauptzeichen voran,
also bei dem wenigst weiten links Häkchen, rechts Punkt (oder
Punkte) und umgekehrt bei dem wenigst engen. Die in der bei-
gegebenen ausgeführteren Tafel zu beiden Seiten des weitesten
q liegenden q werden dadurch unterschieden, dass ein wage-
rechtes Strichlein, das die Mittelinie von a bis v bedeutet, bei
dem oberen q unten an das Häkchen tritt, bei dem unteren q
oben an das Häkchen. Statt des Trtibungshäkchens, das übri-
gens, in gleicher Weise wie das andere Häkchen, verdoppelt
werden kann zur Bezeichnung von stärkerer Trübung in der-
selben Richtung, ist bei den Vokalen der Mittelreihe, die oben
und unten Trübungen haben, jenes wagerechte Strichlein in
gleichem Sinne wie bei den q anzuwenden. Wo bei den Trü-
bungen der Mittelreihe Strich und : zusammentreffen, können, da
keine Verwechslung möglich ist, die Punkte neben einander ge-
druckt werden. Auch I, 3. 4 der Tafel könnte man einen Punkt
unter den andern setzen. Wenn beide Häkchen neben einander
vorkonmien, werden sie zu einem Dach aneinandergelehnt, unter
und neben welchem für Punktierung Platz bleibt. U, 3 mag
man die Punkte links und rechts vom Dach setzen. Wer mit
semitischen Sprachen bekannt ist, dem wird die beigegebene
Tafel nicht zu kraus aussehen. Es sind nicht mehr als vier
Abzeichen verwendet: Punkt, zweierlei Häkchen, Strich, und ist
die strenge Regelmässigkeit ihrer Verwendung offenbar. Die
Tafel kann in eine Halbkreisfiäche umgewandelt werden, in-
dem man auf die Kreislinie das alleinstehende a und die unterste
und die oberste Reihe überträgt, alle Buchstaben in gleichen
Abständen, ferner die Reihe IV auf den wagerechten Halbmesser
bringt, und in jeder der senkrechten Reihen 2 — 18 auf jeder
Seite der Mittellinie vier gleiche Teile macht, von deren drei
Grenzpunkten der mittlere ohne Buchstaben bleibt. — Wenn die
120 Vokale dieser Tafel nicht ausreichen, kann man jeden in
zweitheilen: e' e , ~a? ce-, oder in drei, in welchem Fall unge-
stricheltes ^ die Mittelstufe bedeutete, oder statt der Dreitei-
lung der Tafel eine Siebenteilung vornehmen, für die ich schon
Ed. Böhmer
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Ebenda ist bemerkt: in das obere Dreieck sei frz. fy in das
untere dakorom. o zu setzen; und dass ich die Nasalvokale ä
u. B. w. schreibe. Für meine Zuhörer ist diese Vokaltafel litho-
graphiert worden, ein Halbkreis von u zu i durch a^ a links, u
unten, am Halbmesser die Reihe a bis v, mit (in den R. St.
1875 flg. angewendeten) punktierten Vokalen; der Herausgeber
dieser Zeitschrift hat die Tafel in Greifswald aufs Neue verviel-
föltigen lassen. Cornu, Förster, Mussafia u. a. (vgl. auch R. St.
II, 227) haben sich gelegentlich dieser Vokalzeichen bedient,
Tobler hat in der zweiten Auflage seiner Schrift über frz. Vers-
bau f für frz. dumpfes e angenommen; durch Gärtner, der diese
Tafel schon in seinem Greden abdruckte und zu Grunde legte,
hat sie in seiner Rätoromanischen Grammatik, welche die vom Gott-
hardt bis zur Adria lebenden Mundarten darstellt, eine, man
darf sagen monumentale Anwendung gefunden, auch in den von
Miklosich in den Denkschriften der Wiener Akademie veröffent-
lichten Aufzeichnungen Gartner's über das Istro - rumänische sind
"ä f f gebraucht; Rosiger hat mit derselben Vokalbezeichnung
den jetzigen Waldenserdialekt von Neu - Hengstatt (Bijrset) treff-
lich aufgenommen. Über die Verwendbarkeit beim frz. Schul-
unterricht handelt Kreutzberg in der Festschrift zum Jubiläum
der Realschule zu Neisse 1882.
Machen wir die Anwendung auf das Englische, so zeigt
sich, dass von den in Sweet's Elementarbuch aufgeführten Ton-
vokalen die allermeisten sich ohne weiteres in jener Weise be-
zeichnen lassen. Nämlich path hat a, pat a, pet ^, pate e, pit i,
peat iy fcdl q^ note Oj fuU Uy moot u. Fraglich bleiben also nur
hut not her.
Es ist nun sofort noch das klar, dass das Trübungszeichen
zu jedem Vokalbuchstaben hinzugefügt werden kann, wenn das
Bedürfnis vorliegt (und meine Zuhörer wissen, dass ich e und o
nur als Hindeutungen darauf in die Tafel gesetzt habe. Im
Grednerischen, R. St. III, 87, glaubte ich einen gewissen
dumpfen Laut „mit i besser wiederzugeben als mit ^"; die beste
Bezeichnung i war nämlich nicht vorrätig).
Aber wie ist das o von notj das zwischen q und a liegt,
zu bezeichnen? Die Frage läuft auf die allgemeinere hinaus: wie
sind, nachdem die Vokale durch Punktierung und rechts offenes
Häkchen unterschieden worden sind, Unterschiede innerhalb des
Gebietes jedes solchen Vokals zu bezeichnen? Schon 1872 habe
Gemeinsame TransscripHon f&r Franz, und Engl 5
ich a. a. Ort auf diese Frage eine kurze Antwort gegeben; hier
ist nun etwas näher darauf einzugehn. Unterscheidet man in
jedem solchen Gebiet drei Stufen, so beschränkt sich das ein-
fache Abzeichen, Punktierung oder Häkchen, auf die mittlere
Stufe; der Laut, der enger ist als der mittelenge, bekommt unter
seinen Punkt einen zweiten, engstes q hat drei Punkte, der Laut,
der weiter als der mittelweite, erhält an dem Häkchen unten ein
zweites, die aneinander grenzenden Stufen des weiten und des
engen Vokals, die durch denselben Buchstaben ausgedrückt wer-
den, erhalten jede die beiden Abzeichen, das Hauptzeichen voran,
also bei dem wenigst weiten links Häkchen, rechts Punkt (oder
Punkte) und umgekehrt bei dem wenigst engen. Die in der bei-
gegebenen ausgefilhrteren Tafel zu beiden Seiten des weitesten
q liegenden ^ werden dadurch unterschieden, dass ein wage-
rechtes Strichlein, das die Mittelinie von a bis v bedeutet, bei
dem oberen q unten an das Häkchen tritt, bei dem unteren a
oben an das Häkchen. Statt des Trübungshäkchens, das übri-
gens, in gleicher Weise wie das andere Häkchen, verdoppelt
werden kann zur Bezeichnung von stärkerer Trübung in der-
selben Richtung, ist bei den Vokalen der Mittelreihe, die oben
und unten Trübungen haben, jenes wagerechte Strichlein in
gleichem Sinne wie bei den q anzuwenden. Wo bei den Trü-
bungen der Mittelreihe Strich und : zusammentreffen, können, da
keine Verwechslung möglich ist, die Punkte neben einander ge-
druckt werden. Auch I, 3. 4 der Tafel könnte man einen Punkt
unter den andern setzen. Wenn beide Häkchen neben einander
vorkommen, werden sie zu einem Dach aneinandergelehnt, unter
und neben welchem für Punktierung Platz bleibt. II, 3 mag
man die Punkte links und rechts vom Dach setzen. Wer mit
semitischen Sprachen bekannt ist, dem wird die beigegebene
Tafel nicht zu kraus aussehen. Es sind nicht mehr als vier
Abzeichen verwendet: Punkt, zweierlei Häkchen, Strich, und ist
die strenge Regelmässigkeit ihrer Verwendung offenbar. Die
Tafel kann in eine Halbkreisfläche umgewandelt werden, in-
dem man auf die Kreislinie das alleinstehende a und die unterste
und die oberste Reihe überträgt, alle Buchstaben in gleichen
Abständen, ferner die Reihe IV auf den wagerechten Halbmesser
bringt, und in jeder der senkrechten Reihen 2 — 18 auf jeder
Seite der Mittellinie vier gleiche Teile macht, von deren drei
Grenzpunkten der mittlere ohne Buchstaben bleibt. — Wenn die
120 Vokale dieser Tafel nicht ausreichen, kann man jeden in
zweitheilen: e'e,~6B cb-, oder in drei, in welchem Fall unge-
stricheltes f die Mittelstufe bedeutete, oder statt der Dreitei-
lung der Tafel eine Siebenteilung vornehmen, für die ich schon
6 Ed. Böhmer
1872 a« a« 0. auf Bezeichniiogeii hinwies wie x a„, a^ osg €b%
ce-2 (= (^^X — doch genug f&r diesnuü, fibeigenng. In Tex«
ten sind diese Bezeichnungen Ton mehr als drei Stofen zu nn-
geftige^ aber auch nicht erforderlich.
Nunmehr ist das o Ton not leicht zu bezeichnen, es ist o
mit rechts offenem Doppelhäkchen. Ffir den Vokal tou but kann
man sich nicht gut mit q behelfen, er gehört zu Gruppe der
zwischen den a und den cß liegenden Lauten, — schon Lepsius
setzte ihn dort an, — für die ich ein a Terwende, das rechts
mit einer Knrve verbunden ist, die als Andeutung tou <b gelten
möge (beim Schreiben bediene ich mich der in der Tafel wieder*
gegebenen Form, um Verwechselungen mit a und os vorzubeugen,
gedruckt wird auch die kursive Form klar von diesen unter-
schieden werden); er ist ein weiter, gewöhnlich getrübt Be-
tontes her hat Trübung des Tonvokals von hare, den Sweet im
Elementarbnch nicht fOr nötig findet von dem Tonvokal von paper
zu unterscheiden, während ihn Schröer in seiner Schultransscrip-
tion nach Sweefs früherer Bestimmung besonders bezeichnet
Wenn man a hat, so bekommt das a von care drei Punkte (nach
Sweefs Aussprache von carey das er bei low narrow hat, wäh-
rend es bei Bell mid wide ist, also ein e, — ein Beispiel der
vielen Verschiedenheiten zwischen den beiden Engländern), und
her, wenn betont, ausser den drei Punkten das Trübungszeichen.
Wenn unbetont, ist sein Vokal eine zu a gehörige Trübung.
Schreibt man mit Sweet's Elementarbuch alle unbetonten Vokale
mit einem und demselben Buchstaben p, so ist für den Tonvokal
von Tier^ wo es sich nur um Englisches handelt, a mit Trübungs-
häkchen ausreichend. — Zugleich erhellt wie bei einer ver-
gleichenden Übersicht des deutschen, des englischen und des fran-
zösischen Vokalismus zu verfahren ist Z. B. Sweet unterscheidet
vom 0 des frz. beau das englische in go als weites, andererseits
wird beim frz. Unterricht hier und da ein zu enges deutsches o
abzuwehren sein; man hätte also die Bezeichnungen VII, 10—^12
anzuwenden. Oder spricht Sweet in go ein tiefstes o?
Es wäre sehr dankenswert, wenn Sweet sich dazu ent-
schlösse^ uns einige genauere Bestimmungen mit Hilfe des hier
vorgeschlagenen Transscriptionssystems zu geben. Da er durch
Verzicht auf Rursivbuchstaben in seinem Elementarbuch die Be-
ziehung auf die Zweiteilung seiner Vokaltafel in narrmv und wide
aufgegeben hat, so könnte er sich auch unserer Transscription
bedienen, ohne etwas von seinen Theorieen preiszugeben, übri-
gens aber erweist sich seine Vokaltafel mit den 4x9 Feldern
als eine ihm noch haften gebliebene Schale. Für Bell ist phy-
sische Ursache der Vokalweite retraction of ihe soft palate and
Gemeinsame Transscription für Franz. und Engl. 7
expansion of (he pharynx (Visible Speech, S. 71, vgl. 17, 40,
123). Sweet hingegen bemisst den Unterschied der weiten Vo-
kale von den engen nach der Entfernung der Zange vom Gaumen
(Handbook, S. 23: bei den narrow front voweU ist im Unter-
schied von den weiten die Zunge konvex, die Oberfläche der-
selben gehoben). Diese Entfernung aber begründet nach ihm
wie nach Bell die Einteilung in high, mid, low. Es müssen sich
also enge und weite in eine Reihe bringen lassen. In der That,
wenn man die front vowels im Zickzack abliest, so dass immer
Wide und narrow wechseln: man care pen ite finny fini, dazu die
runden: un (dies mit sehr weitem ce gemeint) peur peu Hütte
lune, ferner ebenso die backs: not law go beau book sou, so er-
geben sich drei Reihen, die sich mit den von a nach i, nach v,
nach u ausgehenden meines Diagramms decken. Analog verhält
es sich mit den mixed: how (das o) earth eye pretty. Runde
mixed setzt Sweet für das Englische nicht an. Bell hat für das-
selbe weite runde mixed: ward victory (das o) -fid. Es leuchtet
ein, dass diese sich in die untere Hälfte meines Diagramms,
jene in die obere, in unveränderter Folge einordnen. Wenn ich
demgemäss die engen und die weiten der Sweet'schen Tafel der
Sound Notation (nach dem Schröer'schen Auszug) so vereine,
dass immer auf eine Reihe mit drei engen eine mit drei weiten
folgt, also zu Oberst fini, darunter pretty finny, zu unterst not
how (für das w), und wenn ich femer die runden links neben
die unrunden rücke, so dass nun zu oberst die sechs niedrigen
stehen, so deckt die Sweet'sche Tafel hinsichtlich der Stellung
der Vokale zu einander die meinige, mit einer, aber einer wich-
tigen, Ausnahme, nämlich fafher und up. Ich glaube, hier kommt
ein Fehler des Bell-Sweet*schen Schemas zu Tage.
Leichter als mit Sweet sollte ich hoffen dürfen mich mit
Trautmann zu verständigen. Seine Tafel in der Anglia 1878
enthält nur die zehn Vokale Chladni's, anders projiciert. Im
Anzeiger zu Band IV der Anglia 1881 bespricht er, ausser der
Reihe u durch a zu i, und der Reihe ö U, welche beide Chladni
hat, eine dritte, — Trautmann gibt sie, „in Ermangelung einer
besseren Bezeichnung", mit e e i. Der erste dieser drei Laute
sei der im engl, rough come nut, der dritte „der dumpfe engl.
t-Laut in bzt happy pretty/ scolded cottage, das russ. yeri.
Diese Beispiele für i sind ungleichartig: das i von bit gehört
in dieselbe Reihe mit i und e, zwischen dieselben (R. St. 1872 I,
299; Trautmann selbst bemerkt, es habe „sicherlich oft einen mehr
oder weniger echten z-Laut); die i der andern Beispiele sind Trü-
bungen. Über sein e spricht sich Trautmann gar nicht weiter aus,
gibt auch kein Beispiel. Übrigens merkt er an, dass die Laute des
Gemeinsame Transscripiion für Franz. und Engl, 9
in das über ihrer jetzigen Linie liegende Dreieck schieben, nnd
die eben erwähnte Beli'sche Reihe in das untere legen. Aber
lautet nicht pretty zwischen i und ü? Sollen wir also nicht die
Vokale, die rechts vom Stamme stehn, in die Dreiecke links
hineinlegen? Probieren wir dies, nnd kommen wir zugleich einem
Wunsch entgegen, den der Vf. ausspricht. Nachdem er eine Tafel
der Tonhöhen, eine andere flir die Mundstellungen gegeben, sagt
er S. 62 : „Vielleicht Hesse sich eine anordnung finden, in wel-
cher hall und mundstellung gleichmässig zum ausdrucke gelangten,
und eine solche wäre durchaus nicht one werf Ich will dem
Hrn. Vf. nicht nur dieses beides in eine Tafel bringen, sondern
dieselbe auch mit der Elangtafel, die er kreuzförmig ordnet,
vereinen, wenn ich die trüben Vokale in der fraglichen Weise
umlegen darf. Siehe die beiliegende Lithographie. Die Tonhöhe
steigt von u durch a zu i\ Striche machen Abteilungen, in deren
jeder die beiden inneren Vokale gleiche Tonhöhe mit dem äusseren
haben. Gleiche Mund Stellungen in jedem der zusammengeklam-
merten Columnenpaare, a bleibt in dieser Hinsicht für sich. (Um
senkrechte Reihen zu haben, wurden die gleichen Abstände auf
der Mittelllinie verkürzt.) Nehmen wir nun Klammern, Striche
und Trübungen weg, was ich alles um Trautmann's Ansicht dar-
zustellen hinzugethan habe, und stellen wir die Figur auf die
Linie u t, so sind wir wieder bei Chladni.
Was die Schreibung betrifft, so wünscht Trautmann Anglia I
für das offene e ein oben offenes e-Zeichen, für das o ein oben
offenes o-Zeichen, nebst zwei entsprechenden neuen Ligaturen
für die beiden o?; ü schreibt er u mit i-Punkt über dem ersten
Stab; seinen Zwischenvokalen will er ein kleines Dach unter-
setzen, das, wenn die Spitze oben ist, höher bedeutet, wenn
unten, tiefer. Jene Bezeichnung der Offenheit scheitert daran,
dass sie nicht auf i und u anwendbar ist. Die Zeichengebung
muss aber den in folgenden Gleichungen ausgedrückten Vokalver-
hältnissen gerecht werden:
hit : head = head : hate
hood : hoot = hot : ho.
Ich benutze diese Gelegenheit, um ein Miss Verständnis in
meiner Notiz „Die beiden U", R. St. HI, 167, aufzuklären. Ich
habe dort angenommen, dass Helmholtz mit dem u, welches er
in seiner Lehre von den Tonempfindungen zum ersten Male 1877
bespricht und das er, wie er sagt, mit der frz. Bezeichnung ou
versieht, dasjenige u meine, das die Franzosen so bezeichnen.
»:
Ä'
<^-
^
Die Qualität der Reinen Vokale im
Neufranzösischen.
Der Wichtigkeit des Kapitels „Quantität der neufran-
zösischeD Vokale" (Jul. Jäger: Quantität der betonten Vokale
im Neufranzösischen, Französ. Studien, IV, 2. Heft) stellt sich
ebenbürtig und gleichberechtigt zur Seite das Interesse, welches
eine mustergiltige Aussprache des Französischen für die Quan-
tität der neufranzösischen Vokale beansprucht. In Anrechnung
gebracht die zahlreichen Notationen, wie solche neben den Re-
geln für die Quantitätsbezeichnung sich in den Werken der fran-
zösischen Orthoepisten, von Fabri (1521) bis auf Charles Thurot
(1881),^) bei französischen und ausserfranzösischen Grammatikern
vorfinden, ist dem Kapitel: Qualität des neufranzösischen
Vokals die sachlich umfassendste Rechnung getragen durch das
„Encyclopädische Wörterbuch von Karl Sachs, Ber-
lin 1877".
Gegenstand und Zweck nachstehender Untersuchung kann
somit nicht sein, die Qualität der neufranzösischen Vokale als
solche kritisierend oder vervollständigend zu behandeln, als
vielmehr Gesetze und Regeln zu ermitteln, welche in mittelbarer
oder unmittelbarer Weise die nach dem Ergebnis empirisch ge-
gebener Thatsachen fixierte, feststehende Vokalquantität beein-
flussen oder beherrschen.
„Unsere Arbeit ist folglich nicht sowohl eine orthoepische.
*) Charles Thurot, De la prononciation francaise depuis le com-
mencement du XVI« siÖcle, Paris 1881, t. p. Die Einleitung gibt eine
Geschichte der französischen Grammatik nebst „Bibliographie des
ouvrages et biographie des auteurs, de Tusage normal (S. IX — CIV).
Die Qualität der Reinen Vokale im Neufranz. 13
geeignet erscheineD, die für die Erbwörter gewonnenen Ge-
sichtspunkte und Eategorieen zu befestigen oder deutlicher her*
yoi*treten zu lassen.
Eine weitere Frage nach den für die Neuformung des ge-
gebenen Materials massgebenden Gesichtspunkten und Katego-
rien wird durch nachfolgende Vorbemerkungen beantwortet.
Während im Altfranzösischen noch die Unterschiede des
lateinischen Vokalismus die Qualität der Vokale beherrschten
(lat. tel und mer assonieren mit chantd — neufranz. reimen sie
mit bd und hiver: Lücking, 1. c. 405), — wird der qualitative
Unterschied der neufranzösischen Vokale durch andere Katego-
rien beherrscht, unter welchen die Stellung des Vokals in offener
oder aber in geschlossener Silbe, oder besser: der Gegensatz
zwischen phonetisch offener und geschlossener Silbe die wich-
tigste und Grund legende ist.^)
Ob weiterhin die Stellung des Vokals im Anlaut, Inlaut
oder Auslaut, sowie dessen Stellung unter dem Tone oder
ausserhalb desselben modifizierend auf die Qualität eingewirkt hat,
und welches der Einfluss der benachbarten Konsonanten und
Vokale sei,^) eine Ermittelung angedeuteter Einflüsse ist mit dem
gestellten Ziele unserer Arbeit selbst gegeben. Überdies: ,^Il
faut disUnguer les mots de la langue vulgaire de ceux de la langue
savantey et les mots masculins ou ä terminaison mascvline des
mots fiminins ou ä terminaison feminine (Thurot 1. c. S. 47).
Unter Zugrundelegung der angedeuteten Gesichtspunkte ist,
bei der Wichtigkeit, welche der Gegensatz zwischen geschlosse-
ner und offener Silbe für die Qualität hat (welcher Gegensatz
auch von J. Jaeger, 1. c. S. 6, für die Vokal- Quantität als
massgebend angenommen ist), zunächst und zuvörderst fest-
zustellen :
Was ist phonetisch offene Silbe?
Was phonetisch geschlossene Silbe? — und wenn
und wo hat im Innern eines Wortes die phonetische Silbentren-
nung statt, welche Silbentrennung von der orthographischen oft
abweicht?^)
^) Zar Kritik des anfgestellten Grandsatzes, dessen Erhärtung
auch die vorliegende Arbeit mit bezweckt^ vergleiche die einschlägigen
Urteile und Bemerkungen, wie solche in dem lebhaften Streit über aas
Kapitel der Vokalquantität sich vorfinden. Die diesbezüglichen Quellen
gibt J. Jaeger, 1. c. S. 1, 5 und 6. Zur Vergleichung früherer Sprach-
zuBtörnde vgl. die Anmerkung bei J. Jaeger, 1. c. S. 11.
') Les consonnes, ä savoir c g . . . oni une action d^cisive sur la
qualite et la quantite de la voueüe, qui les prdeede (Thurot, 1. c p. 2).
^) Im folgenden sind die Ausdrücke „offen" und „geschlos-
sen" nur phonetisch, nicht orthographisch zu verstehen. Beeüglicl^
14 H. Barth
Dabei ist eine Berücksichtigung der etymologischen
Kategorien,^) aus welchen sich die phonetischen entwickelt
haben, nicht zu umgehen, insofern dadurch etwaige etymologische
Nachwirkungen, als im Gegensatz stehend zu den in der neu-
französischen Aussprache massgebenden Prinzipien, nachgewie-
sen wird.
Sind, wie angemerkt, für Qualität und Quantität der
neufranzösischen Vokale dieselben Hauptgesichtspunkte geltend,^)
so ist eine möglichst adäquate Anwendung der J. Jaeger'schen
Grundprinzipien hinsichtlich Einteilung und Gruppierung auch für
die vorliegende Untersuchung um so mehr angebracht, als bei
der engsten Wechselbeziehung zwischen Qualität und Quan-
tität der Vokale die Vergleichung der nach denselben Prinzipien
aus Kategorien gewonnenen Resultate für' Qualität und Quan-
tität auf diese Weise erleichtert und spezialisiert wird.^)
Aus vorstehenden Bemerkungen resultieren für die nach-
stehende Abhandlung, beziehungsweise deren Einteilung und
Gruppierung folgende Gesichtspunkte:
Zu den Bedingungen, unter welchen die qualitativen (und
quantitativen) Unterschiede der Vokallaute statthaben, gehört
zuvörderst der Gegensatz zwischen:
A. Geschlossenen,
B. Offenen Silben, welch letztere Silben die Unterabtei-
lung erheischen:
a) (Betonte-unbetonte) yokale im Wortinlaut;
ß) (Betonte-unbetonte) Vokale im Wortauslaut.
Bezüglich der Frage, wann sich im Neufranzösischen ein
Vokal im Wortinlaut in offener oder geschlossener Silbe
(d. h. im Silbenauslaut oder im Silbeninlaut) befinde, ist
folgendes zu bemerken:*)
der Verschiedenheit der phonetischen und orthographischen Sil-
bentrennung vgl. Sachs 1. c. Anhang: „Regeln über die Silbenteilung
im Französischen."
^) vgl. Lücking, 1. c. S. 406, Anmerk. **.
^) Bei der engsten Wechselwirkung zwischen Quantität und
Qualität der Vokale (vgl. J. Jaeger, 1. c. S. 6) ist für bestimmte Fälle
(der Vokal e) Unabhängigkeit der Quantität von der Qualität und um-
gekehrt konstatiert: La quantite n'esi nuUement lie'e ä la qualite pour
Ve, comme eile Test pour Ta, Vo, Veu (vgl. Thurot, 1. c. p. 1, Anm. 2).
^) Herrn Dr. J. Jaeger spreche ich hiermit meinen herzlichsten
Dank aus für die Bereitwilligkeit, mit welcher er meinen Anfragen und
Gesuchen stets freundschaftlichst und unterstützend entgegengekom-
men ist.
*) vgl. J. Jaeger, 1. c. S, 7.
Die QitaHtäi der Reinen Vokale im ^/eufranz. 15
In französischen Erbwörtern können den Anlaut einer Silbe
bilden:
1) Einfache Konsonanten;
2) mouilliertes l und n;
3) Muta cum Liquida (Z, r — M.-Cazal);
4) geminierte Konsonanten.
Letztere (geminierte Konsonanten) gelten meistens als
einfache Konsonanten, da wirkliche Doppelkonsonanz im Fran-
zösischen nur ausnahmsweise und fast allein in gelehrten Wörtern
gesprochen wird.^)
Bei mehrfacher Konsonanz zwischen Vokalen befolgt Sachs
(siehe Vorwort zum Wörterbuch, S. IX) das im allgemeinen nach
dem Vorgange von Littre angenommene Prinzip, „dass am An-
fang einer Silbe soviele Konsonanten zusammengesprochen wer-
den, als sich ohne zu grosse Schwierigkeiten zusammen sprechen
lassen, ohne einen derselben zu trüben (was bei absent selbst
Franzosen thun, wenn sie bs zusammen als ps sprechen), z. B«
actuel = a-ctuelj a-djoinV'
Da nun mehrfache Konsonanz in neufrz. volkstümlichen
Wörtern fast nur aus r -}- folgendem Konsonanten be-
stehen/) und diese Gruppe, wie die Beispiele bei Sachs zeigen,
nicht zusammengesprochen werden kann, so fallen also die Vo-
kale vor mehrfacher Konsonanz in volkstümlichen Wörtern unter
die Tonvokale in geschlossener Silbe.
Die Tonvokale der (gelehrten und halbgelehrten) Wörter
vor andern Konsonantengruppen als vor r -f- Konsonant
würden nach Sachs der Aussprache nach meist in offener Silbe
stehen; es wird jedoch aus praktischen Gründen ratsam sein,
dieselben mit unter den Tonvokalen von r -\- lautbarem Kon-
sonanten zu betrachten; ausserdem zeigt auch die qualitative
Entwickelung der romanischen Tonvokale, dass solche vor jenen
andern Konsonantengruppen in früheren Sprachperioden als in
geschlossener Silbe stehend behandelt wurden, auch scheint
heute die Silbengrenze in der Aussprache derartiger Wörter
überhaupt nicht ganz festzustehen.^)
Tonvokale vor einfachen (oder geminierten) Konsonanten
mit stummem e stehen in offener Silbe; denn wenn auch das
^) vgl. Floetz, Systemat. Darstellung der französischen Aussprache,
10. Aufl., Berlin 1877, § 17. — Herrigs Arch. LXX, 1. Heft, S. 70, § 46.
*) In einigen wenigen auch s -}- Konsonant.
^) ^i* gögß^ Sachs: 6. Lücking, Franz. Schulgrammatik, § 19;
Mätzner, Franz. Schulgrammatik, S. 37 ; — Lücking nach Malvin-Cazal
in Herrig's Archiv LIX, S. 409.
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Die Ouaiitdi der Reinen Vokale im Neufranz. 1y
A. Vokale in geschlossener Silbe.
okale vor einfachem (auch mouilliertem l) wortauslauten-
1cm Konsonanten*
\ okale vor lautbarer mehrfacher Konsonanz (meistens r 4~
lautbarem Konsonanten — seltener 8 -\- Konsonant).^)
B. Vokale in offener Silbe.
a. Im Wortinlaut.
a) Vor einfacher Konsonanz -f- stummem e.
\ror (lat.) einfacher, (franz.) bisweilen gesohwttchter Konsonanz.
Vor (lat.) mehrfacher, (franz.) einfacher Konsonanz.
Vor (früh) vereinfachier Konsonantengemination oder mehrfacher
Konsonanz.
Vor frtth yenrtammtem s -f Konsonant.
ß) Vor mouilliertem / oder n -f- stummem e.
y) Vor Muta -{- Liquida -{- stummem e.
Vor einfacher hluttt cum Liquida,
Vor geminierter Muta cum Liquida.
{. Vor yerstuomtem 8 + Muta cum Liquida.
b. Im Wortauslaut.
a) Der Vol(al tritt durch lat. Konsonantenabfall ans Ende.
ß) Vor stummem e.
r) Vor verstummten Konsonanten:
1. Ursprünglich einfacher Konsonanz.
2. Die verstummte Gruppe st.^)
Ihrer qualitativen Tonfärbung nach sind nun noch Sachs
(Wörterbuch, Vorwort 8. XVIII — XXI) bei den nachstehenden
Vokalen folgende Lauteigenarten zu unterscheiden:
1) Der Vokal a erscheint als
a) Tiefes a; — ß) hohes a.
2) Der Vokal e ist notiert als
a) Offenes e; /9) halboffenes e; 7*) geschlosse-
nes c.*) *)
?
vgl. S. 15, Anm. 2.
Vgl. die vorangestellte Inhaltsangabe.
*) Unbetontes e sowie e muei oder e feminin erfordert eine be-
sondere Betrachtung. Vgl. Thurot, 1. c. S. 87; Lücking, 1. c. S. 484.
*) Selbstredend teilt die Lautgruppe: ai, ay — ei — ei/ im all-
gemeinen das Los von einfachem e und ist deren Qualität bei dem Vo-
kal e zu notieren.
Zscbr. f. nfrs. Spr. u. Litt. VP, o
18 B. Harth
3) Der Vokal o zeigt
d) Geschlossenes o; — ß) offenes o.
4) Die Lautverbindnngen eu
a) Geschlossenes ett; ß) offenes eu.
Für die Vokale: i, ou, u sind qualitative Differenzen
nicht zu notieren.
Bei den Diphthongen ist zn beachten, dass sie heute
steigende sind, deren erster Komponent als Halbvokal, d. h. „ein
unter dem Einfluss der Accentlosigkeit zur Funktion als Konso-
nant herabgesunkener Vokal^^^) anzusehen ist, während der, den
Ton tragende, zweite Komponent die zu notierende Tonfärbung
bestimmt oder enthält*)
Die Qualität der Diphthonge schliesst sich somit an die
Behandlung der Qualität desjenigen einfachen Vokals an, welcher
in dem jeweiligen Diphthong den zweiten Komponenten bildet,
sodass U (ohne halbvokalischen Vorschlag) unter 4, oi unter a
zu behandeln ist.
Vorstehende Vokale und Vokalgruppen mit ihrer fixierten
Tonfärbung werden nunmehr in die oben (S. 17) angedeuteten
Rubriken einzuordnen sein. Es bedarf hierbei kaum der Bemer-
kung, dass die von J. Jäger aufgestellten Gesichtspunkte, bei
der Qualität wie bei der Quantität, zunächst nur fQr die be-
tonten Vokale massgebend sind. Die in unserer Abhandlung
nebenherlaufende Untergruppierung fQr die unbetonten Vokale
(unbetontes e und e muet ist besonders behandelt, vergl. S. 17,
Anm. 3) nimmt, behufs DarchfQhrung einer gleichzeitigen und
übersichtlichen Darstellung, Rücksicht auf die massgebenden und
bestimmenden Momente fOr die Hauptgruppen der betonten
Vokale.
Eine Zusammenstellung der bei den einzelnen Unterabtei-
lungen erzielten Resultate behufs Feststellung allgemeiner Ge-
sichtspunkte und die Vergleichung dieser „qualitativen^ Re-
sultate mit den Resultaten für die „Quantität^ bildet den Schluss
eines jeden Kapitels in Betrachtung der einzelnen Vokale resp.
Diphthonge.
*J Vgl. E. Sievers, Phonetik, S. 128.
') Havet, Romania III, 321 und VI, 821 und dessen Bemerkung
zu den Lautgruppen oi, ui, ie; vgl. J. Jaeger, 1. c. S. 9t
tHe Qualität der Reinen Fokale im Netifrant. Id
§1.
Der (betonte -unbetonte) reine Vokal a (oi).
A. In offener Silbe.
I. Im Wortinlaut,
a. Vor (nenfranz.) einfaoher Zonsonanz mit stummem e.
(Der Konsonant ist teils einfach, teils [behufs Andeutung der Kürze]
doppelt geschrieben.)
a) Tor sokhen [silbenanlantenden] Konsonanten, welche anf lateinisehe
einfache Konsonanz zurnckgehen.
a') Im Lateinischen befand sich der einfache Konsonant zwischen
zwei Voicalen.
a'O Vor silbenanlaatender Liquida L
Der Tokal a.
1. Betontes a = hohes a (q).
In den gelehrten Bildungen der weiblichen Adjektiva auf cd:
allodicde, amicaley argentaley armorialey annale^ automnaley bacha-
ncde, horialey brutale , baptismaley capüale, centrale y dentahy
ducaley igahy fataley fiahy genSrahy gutturalßy idSaley Ugale, li-
biraUy linealey moraley normale y orSale, partialey riahy royale,
vemale.
In den lautlich unregelmässig gebildeten und nicht -lateinischen
Wörtern:
animaley amirale, cabahy eigaley Scale {8cala)y icale (dtsch. 8chala)y
marichaley NatalCy OrientaleSy orvdle (or -|- valoir)y pale (pala),
sale, sandaley scandaley ainidudey va^ssale^)^
Doppelkonsonanz als quantitatives Kürzungszeichen in den Wör-
tern germanischen Ursprungs:
baUcy calUy haUe, malley saUcy SaUeSy staUe.
2. unbetontes a zeigt hohes a (q),
alacTitiy amaladiry annalistey anomaliey ÄÜhaliey banalitiy baleiney
ccdamitdy Calais y DaliUiy Sgalery fiodalitiy Qalüiey invalidey La-
lagiy maUdictiony Malabary originalitSy palaisy qucMti^ Raleighy
scdeTy talon, valoiry Valence.
^) Les adjeciifs que Ton renconire iermin^s iantdt en al, iantdi
en el fr^ale — reelle — originale — originelle etcj, appariiennent ä la
langue savanie, Thurot, 1. c. S. 20.
*) astragaHe — estragale, vgl. Thurot, 1. c. S. 25.
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Die Qualiiät der Reinen Vokale im Nettfranz, 21
qualitativ hoheB a: Aare, Aarcm, Aar^ Baal, Braa, daalder, Saardi,
Saar dam, Saaralbe, Saar -Union, Saasheim, Vaasi, Waast; dane-
ben auch: Aare = q-q^r, Aaron = a-q-ron, Baal = q-ql. Aar
= q-ar, Naab, dafür gewöhnlich Nah mit hohem q.^)
Anmerkung 3. ä (betont wie unbetont) hat tiefes q: Paris -Chälons,
vgl. unten 1.
Der Diphthong oU
1. Betontes oi hat tiefes a foq).
aratoirey armoire (Thur., 1. c. 413), coire, dicritoire^ diclama-
toircy dSdicatoirey Scr^moire, icritoire, evocatoirey ivumoire^ foirej
gloire, ivoire (Thur. 374, 412), moire, matoirey noire, poire
(Thur. 410), voircy sassoire,
2. Unbetontes oi dagegen zeigt hohes a (oq).
armoiriey foirery Loirety MoiranSy noireuXy noirätrey poirieTy
soiriey Thoyras.
Anmerkung, poireau : M. - Cz . 156 notiert mit stummem i: desgleichen
poire'e; nach Littr^, Landais hat oi hohes a fq): poq-re (Thur.,
1. c. 326, 410); vgl. irocart — ou irois-quarts (Thur. 873).
Y'*) Vor silbenanlautendem Nasal m.
Der Tokal a.
1. Betontes a ist mit hohem a (q) notiert«
higamey chamey digamey estamey glamey JameSj lamey ramcy tamSy
trame»
2. unbetontes a hat ebenfalls hohes a fq).
AmaMsy amanty amiy amÜioriy Bromantey camarade, CamoenSy
Damiettey DamiSy dameloty estamety fameuxCy famMey Oamay Oa-
Tnaliely Lamagouy Hamütony Camay Lamiy lamentahley mameUey
ramaye, ramiy SamsTy sarrddy traTnety Tamino»
*) Thurot, 1. c. S. 497; Aa iCestpas diphihongue franqaise, cor . . .
en Chalons, Aaron et semblables^ y a un a superflu, que Taccent ctrcon-
flex sur la simple, Chälon, Aron, supplira assez"^ Sibilet 8; yyles
mois Isaac, Aaron, Baal sont heh^eux, et ausst doivent se prononcer
par deux a comme en he'breu"^ B^ze 61; „^i a se rencontre double, ce
qni est rare, c'est seulemeht pour alonger la syUabe enpronon^ani . . .
Exceptez les mois he'h'ietix ei chaldäiques, comme Baal, Galaad, Naason,
etc. Quant ä Isaac, Aaron ^ fr äqueniez en nostre vulgaire, iü sont
prononcez änostre mode, Isäc, Aron^ Maupas 5; f^les deux voyeües
doivent se faire entendre dans les mots he'breux, comme Isaac, Aaron^
An. de 1624; Isaac et Aaron se prononcent par un seul a long, sui-
vant Baiües (15), Duez (6), qm prescrit de prononcer nourtant Baal, Ga-
laad, Canaan, Mauconduit (ei)y Roux (se)y Ve la Touche {Z%)y Billecoq (4^),
qui ajoute Raab; mais Aaron par deux a est prescrit par Viard(b\y et
cette prononciation a prevalu, comme dans le saini Gräal, ^ue Richelet
e'crit le saint Gräl,
23 Ä Harlh
Anmerkung 1. a erscheint als tiefes a fq) in den kontrahierten
Formen: b^ame (brahme = brahamej, Brama (Brahma), Brahma-
pouira, bramine, hramer etc.
Zur lautlich unregelmässigen Bildung der Wörter auf ame
vgl. J. Jaeger, 1. c. S. 14.
Anmerkung 2. Der Diphthong oi bietet vor m keine Beispiele; in
Verbindungen, wie soi-mouvant erscheint er als hohes a (q).
Anmerkung 3. ^in fäme, fämd hat tiefes a (a), vgl. S. 27.
^0 Vor silbenanlautendem Nasal n.
Der Tokal a.
1. Betontes a Tor n hat hohes a {q).
ar carte, adiaphane, cdbane, carte j chicarte, courtisarte, crasarte
(crassarte, cresane — Thur. , 1. c. 32), Harte, farte, f aisarte,
hanebarte, idcarte, larte, orgarte, pertuisarte, plane, profane, Sou-
tane (Thur. 264), tisane, und pay säurte, Femininum zu dem
nfrz. Maskulinum paysan (afrz. pdisant).
2. Unbetontes a = hohes a (q).
anal, animal, animer, aplanir, anuit, Bauer, hauat, Cäbanis,
Danemark, Omaner, ganache, Hanovi^e, humaniU, laniaire, Manis,
Nanirte, rartdle, soutanelle, Panama, vaniti,
Anmerkung 1. ä vor w = tiefes a (a): cräne, mänes, cränerie.
Der Diphthong ol.
1. Betontes oi Tor n aeigt tiefes a fa).
Äntoine, antimoiue, avoine (Thur. 405), brioirte, choine, chanoirte,
foirte (Thur. 547) , Macidoirte , moine , patrimoine , pivoine
(Thur. 413), roirtes.
2. Unbetontes oi Tor n ist mit hohem a fq) notiert, wenn es
unmittelbar Tor der Tonsilbe steht, sonst besonders Tor e sonrd nur
mit tiefem a fa).
ÄntoineUCy avoineux, chanoinesse, chauoinie, foirtette, moineau,
pivoiner — avoinerie, moinerie,
Anmerkung 2. M.-Cz. 135 gibt für oi vor « durchweg hohes a (oq)
an mit widersprechender Notation bei brioirte mit tiefem a (q).^)
e'O Vor silbenanlautenden, stimmhaften Dauerlauten
S (j)y V» « (^)'
Der Tokal a (ol) Tor g und t.
1« Betontes a (oi) Tor ^ und t = hohes a foq).
age, mage. Tage, agave, batave, bave, brave, cave, concave, eirave,
^) vgl. Lücking, 1. c. S. 415, Anm.
Die QuaUtäi der Reinen Vokale im Neufranz. 23
endave, entrave, esdave (Thnr. 432), fave^ gave^ grave^ Uwe,
margrave, palavey rave; — je boive, appergoivey re^tve.
2* Vnbetontos a (oi) = liolies a foq).
agiteTy Ägide, magiey • nuzgistral, majeure y majeM — avare,
aveincy Batamay braver y caveauy entraveTy faveur, QravenkaguCy
Havaney Mavors, Navarin, navirey paveTy raviry Savary, saveur,
taveur, boivin etc.
Anmerkung 1. M.-Cz. g^bt für a vor v tiefes a an; nur brave,
wenn es vor seinem Substantiv steht, hat hones q] zu brave
und grave, vgl. Plötz, 1. c. S. 26.
Der TokUl s Tor 8 (z),
1. Betontes a vor s (8) ist mit tiefem a (a) notiert.
apostase, Äthanasey arase^ ose, base, case, Caucase, Damase,
emphasey extasey gymnasey hase, iconoataae, phasey PSgase, rase,
aze, gazcy tazcy topaze.
2. unbetontes a Tor s (s) sohwankt in der Qualität;
fast ausnahmslos zeiffen tiefes ^ die direkten Ableitungen von
Wörtern mit tiefem (k.
Tiefes a: apostasiey baser , caseTy araseTy ibasir, extasier, jaser,
phrasery vaseux, gazer, gazan, topazoghtSy abrazite.
Hohes q: as^tS, asüey basaley asarinSy basaney Basany basüique,
Casimiry fasSohy hasardy vaset; gazeUey gazeüey Gaza.
Anmerkung 2. raser notieren Feline und Landais mit tiefem ^, Littr^
mit hohem q,
Der Diphthong oi Tor 8 (z).
1. Betontes a = tiefes a foaj.
autenoise, ardoisey armoisey Barroisey bourgeoise, Fran^otse,
grivoisey liigeoisey moise, noisey Oise, roisey poise, vUlageoisey que
je voise (= aiüe).^)
2. unbetontes oi =s hohes a (oq).
accoiser, ardoiser, bourgeoisie, empoisonner, foisonnementy oisif,
Oisemonty toisiy noizerety DecraiziUes.
^0 ^OT silbenanlantenden, stimmhaften Momentan-
lauten b, d, g.
1. Betontes wie unbetontes a (oi) «eigen hohes a foq) Tor b und g (gn).
äbey alabey arabe, astrolabe, crabey fdbe, habe, räbe, tyüäbe,
^) Im Gegensatz hierzu bezeichnet M.-Cz, das betonte oi vor s
mit hohem 9, marquiert dagegen nach liücking (1. c. S« 405) wider«
24 H. Harth
trabe; — abeäle, acabit (Thur. 25), drabiey aiphabet, Babel,
babily Dabo, MabiUon, labeur, labiale, Säbie, Souabe (Suäbe
Thur. 31), syUaber etc., blague, brague, crague, dague, gyrovague,
lague, rague, vague; — agami, agate, agot, bagari, Chicago,
ipagogue, fagot, Qaguin, paganiser, sagacite, vaguer, boiga.
2. Der Vokal a Tor d.
Betontes a vor d hat tiefe Tonfärbung = a.
accolade, aigade, ambassade, arcade, aubade, bade, bailade, bicade,
barricade, cade, canade, camarade (Thur. 30), er ade, cascade,
croisade, fagade, Egades, estafiiade (Thur. 218), escapade, fade,
ferrade, Granade, gambade, grade, jade, Iliade, obade, parade,
poivrade, sporade, saccade, Stade,
Unbetontes a vor d.
Die Qualität eines hohen q wiegt vor; doch direkte Ab-
leitungen von Wörtern mit tiefem a zeigen vielfach tiefes q.
Hohes q: Acadie, academie, Armada, ballader, badiner, barricader,
Canada, cad^ne, fadeur, graduel, Madeleine, Nadir u. a.
Tiefes q: accolader, ambassader, aubader, camaraderie , Ärcadie,
Anmerkung 1. vade hat nach Sachs hohes q. Der Diphthong oi
in Verbindungen wie: soi-disant zei^t hohes q.
Anmerkung 2. Bei oi in roide und semen Ableitungen entspricht
die gewöhnlichere Schreibweise raide der Aussprache
1) eines halboffenen e = e; Feline, oder
2) eines geschlossenen e (nach Landais, Dupuis 221), oder
8) uae (Lesaint, 2. Aufl., 98);
in foible — faibie = halboffenes e fq) — lady hat nach Sachs
halooffenes e (^, nach Litträ geschlossenes e. — vgl. Thurot 410.
rj**) Vor silbenanlautenden, stimmlosen Konsonanten
^} f (P^)f P) ^ (^h)} ^ (^; <^h 9V')'
1. Der Vokal a Tor t.
Betontes a vor t (th) zeigt mit wenigen Ausnahmen tiefes a.
acrobate, agate, Agathe, amate, apostate, aristocrate, aromate,
autocrate, biate^ Carpathes, delicate, disparate, democrate, ipi-
grathes, Etisihathes, Gates, immidiate, ingrate^ mate, Mithridate
(Thur. 194), pinate, pirate, renigate^ scÜirate, sarmate, u. a. m,
Ausnahmen. Mit hohem q werden notiert:
date, antidate, automate, bäte, croate, cravate, fregate (Thur. 30),
rate, savate, plate.
Anmerkung 1. nates notiert Littr^ mit hohem q; Landais mit
tiefem q;
sprechend; Jroquoise, marquoise, turquoise u, ähnl. 205, hourgeoise, vtUa-
geoise u. 8*. 228 — mit tiefem ^.
Die Quaäiät der Beinen Fokale im Neufranz. 25
ouaie fouaief*) hat nach Landais, Littr^, M.-Cz. hohes q (so
auch TAcad. 1878); die Notation mit e ouvert ist veraltet. —
Thurot 22.
Der Diphthong oi in dem Femininum coiie zeigt hohes a foq);
F^raud notiert oaet.
Unbetontes a = hohes q,
agater, amateury armateur, anatide, hataüley hateauy CaUdle^
chaton, difatigueTy eschatologie, laterole, natify satire etc.
2. Betontes wie unbetontes a Tor f (ph), ch, p, k (c, oh, qn)
hohes q.
ape, cape, escape, Stapey etrape, Eunape, MapeSy nape, pape,
sape, scape (Thur. 217), tape;
agrafe, Äsculaphey escafey Epigraphe y gafsy naphe, paragraphSy
tafe, gouache;
amphibraqitey attaquey braque, caque, caraque, dimoniaquey itra-
qucy eifquaque, Gracques, flacque, haqttey krakey laquSy JaqueSy
maquey raque, taquCy vaqnsy wake;
apanagey apartiy capacitiy chapoUy tapisy sapirtj yaporiy Ächabe,
ÄchaZy Ächaie, bairachitey Ärachosiey Zachariey Aquüay aqueuXy
blaqueVy bourracon (baracon Thur. 35), vaqtiery escafeTj gafeur^
mafauj tafau, caphar.
Anmerkung, öt in Wörtern wie: quoique, goiper, goipeur zeigt ho-
hes a foq).
ß') Im Lateinischen oder durcli romanisclien Volcalausfall
folgten auf den Tonvolcal zwei Konsonanten, von welchen sich der
erste vokalisierte und mit dem Tonvokal zu einem (altfranzösi-
schen) Diphthong verband. Dieser Diphthong ist entweder durch
reciproke Assimilation (aiy au) der beiden Komponenten oder
durch Accentwechsel (oiy ui) zu einem einfachen Vokal (ohne
oder mit halbvokalischem Vorschlag) geworden. Der zweite,
nicht vokalisierte Konsonant blieb entweder in seiner ursprüng-
lichen Intensität bestehen, oder er war bereits vor der Vokali-
sierung des ersten mit folgendem palatalem / zu Einem Laute
verschmolzen.*)
Für a findet sich zu dieser Gruppe das Beispiel: charade^)
mit tiefem a (nebst der Ableitung charadiste mit hohem q [vgl.
S. 24: unbetontes a vor d]).
Für den Diphthong oi wird in den hierhergehörigen
Fällen Yor d, t und unbetont vor « immer hohes q (oq) notiert.
*) J. Jaeger, 1. c. 21, 22.
2) Nach W. Foerster (Zeitschrift für rom. Phil. UI, 268) charaude
=■ charaute von *caracta.
Die QuaiUäi der Reinen Vokede im Neufranz, 27
2. Unbetontes a.
Analog der Lauterscheinung des a vor einfachem r •■{' e
(vgl. S. 20 Anm. 1) ist auch hier die Qualität strittig; a un-
mittelbar vor der Tonsilbe hat meistens tiefes Oy wobei jedoch
die Fälle mit hohem q nicht selten sind.
Tiefes a: arrher, barrer, barreau, carre, carreau, charras,
charrue, Garrot, harrot, jarre, larron, marron, marrer, Na-
varrois, parrain, sarrot, Varron.
Hohes q: ArraSy arroser, Arrie, arriire, Barrabas, barrirf
Carrare, carrefour, carriere (Fei. tiefes a), jarette, narrer,
Tarragone,
Der Diphthong oi.
Betontes oi = tiefes a foq); — unbetontes oi = hohes a foq)
(vgl. S. 21).
Tiefes a: accroire, croire, doloire (dolabra), boire, Loire^ re-
fectoire (Thurot 199),
Hohes q: croirai, croirons, croirais, croirions, boirae, boirions,
Loiret, loirot,
Y*) Vor silbenanlautendem Nasal m.
1. Circumflektiertes fi = tiefes g,,
fldme, dme (fdme vgl. S. 21, 22).
2. Betontes wie tonloses a vor nun (m) = hohes q.
dame,^) madame (Thurot 21), estame, gaTn/me, gramme, fla-
gramme, decigramme, lame; Ämmon, damer et, dammaTf eeta-
minet, gamache, lame, mammon, u. a. m.
Anmerkunffl. Im Gegensatz zu Bescherelle, Dubroca, FeUne, Lan-
dais, Lesaint — gibt Sachs (nach Litträ) für flamme und Zu-
sammensetzungen hohes q an, während nach M.-Gz. 7, flamme
im eigentlichen Sinne hohes q hat, im figürlichen Sinne tiefes (k;
in den Zusammensetzungen zeigt flamme nach M.-Cz. überall
hohes ^.' oriflamme etc. (vgl. auch Plötz, 1. c. S. 28. — Thur. 204).
3^) Vor silbenanlautendem Nasal n.
Betontes wie unbetontes a zeigen hohes q.^)
Anne, Canne, canne, Jeanne, Lannee, manns — manne
(Manna — Thurot 204), panne, plane (plantanue), rouanne,
tanne, vaime.^)
Annane, annale, annoncer, bannir, canneau, ipanndeur^
U^noiseUe, damoiseUe etc. — Thurot 28.
.-Gz. gibt tiefes a an.
j Zur Endung anne vgl. Plötz, 1. c. S. 28.
26 H, Barth
adrottej boitej doite (Thurot 409), droite^ itroite^ matte y voitey
froide (Thurot 409); doiUe^ moMr. toiturcy exploiture^ roitdet^
froidir^ fraideur^ noiseuXj noUette,^)
ß) ToDTokale toh solchen (sUbenanlantenden) einfaehen Konso-
nanten, welehe ans geminierten früheren Konsonanten oder ans mehr-
fachen Konsonanten hervorgegangen sind ; letztere bestanden entweder
schon im Lateinischen, oder sie wurden durch romanischen Vo-
kalausfall oder durch den im Romanischen erfolgten Übergang
eines auf lateinischen einfachen Konsonanten folgenden unbeton-
ten Hiatusvokal (sogen, palatales i) in einen zweiten Konsonan-
ten verursacht.*)
Folgende Tonfärbungen sind hier fUr a (oi) zu notieren.
a*) Vor silbenanlautender Liquida l.
1. Girkumflektiertes fi (betont wie unbetont) = tiefes a.
päUj Mlej rdlej pdli oder bdli, päHr^ päleuTj MUTj räler.
2. a (d) Tor U (1), betont wie unbetont = hohes q.
cavalle (Thurot 25), daUe (dame — Thurot 9), espale (ipaule)^
itaUj falle (fcde)^ gälte (gale)y graUej intervaUe (Thur. 196),
paUe (pcde)^ SaUeSy savaUcy taUe;
boüle, joüle, oüle (nach M. Cz. mit mouilliertem Z), Allahj ÄUe-
magne^ aUiefr^ aUumer^ ballade, baUorij avaUer^ caUeux, espaler^
faUoir^ fallace^ gallotSj OalluSy pälettey PaUaSj raUeTy valUe, WaUis,
ß^ Vor silbenanlautender Liquida r.
Der Tokal a.
1. Betontes a = tiefes a.
arrheSf^') Amharres^ amarrey barre, bizarre, carre, catarrhe
(Thurot 6), escarre (esare — Thur. 5), Sparre, harre, jarre,
marre, Navarre, parre, Sarre, varre.
Anmerkung, foarre (foirre — Thur. 373) erscheint nach Sachs mit
tiefem a, nach Litträ mit hohem q.
*) raide — roide, vgl. S. 24, Anm. 2.
*) J. Jaeger, 1. c. 23, 24.
') airrhes (nach Chifflet und Boahours). — La permutaUon enire
Va et Ve a Ueu suriout devant Vr double ou suivie dSune autre consonne,
un peu moins souvent devant Vr simple. Devant les autres consonnes,
cette permutation vCest pas rare; mais eile de'pend de la place que la
voyeÜe occupe dans le mot plutot que de la nature de la consonne, —
Thurot, 1. c. 4 ff.
IHe QuaUtäi der Reinen Vokede im Neufranz, 27
2. Unbetontes a.
Analog der Lanterscheinung des a vor einfachem r -|- 6
(vgl. S. 20 Anm. 1) ist auch hier die Qualität strittig; a un-
mittelbar vor der Tonsilbe hat meistens tiefes a^ wobei jedoch
die Fälle mit hohem q nicht selten sind.
Tiefes a: arrher, barrer, barreau, carre, carreau, cTiarras,
ckarrue, Garrot, harrot, jarre, larron, marron, marrer, Na-
varrois, parrain, sarrot, Varron.
Hohes q: Arras, arroser, Arrie, arriire, Barrabas, barrir,
Carrare, carrefour, carriere (Fei. tiefes a), jarette, narrer,
Tarragone.
Der Diphthong oi.
Betentes oi = tiefes a foa); — unbetontes oi = hohes a foq)
(vgl. S. 21).
Tiefes q: accroire, croire, doloire (dolabra), boire, Loire, ri-
fectoire (Thurot 199).
Hohes q: croirai, croirons, croirais, croirions, boirac, boirions,
Loiret, loirot.
Y*) Vor silbenanlautendem Nasal m.
1. Circnmflektiertes fi = tiefes g,.
fldme, dme (fdme vgl. S. 21, 22).
2. Betontes wie tonloses a vor nun (m) = hohes q.
dame,^) madame (Thurot 21), estame, gamme, gramme, fla-
gramme, decigramme, lame; Ammon, damer et, dammar, esta-
minet, gamache, lam4, mammorij u. a. m.
Anmerkung 1. Im Gegensatz zu Bescherelle, Dubroca, FeHne, Lan*
dais, Lesaint — gibt Sachs (nach Litträ) für flamme und Zu-
sammensetzungen hohes q an, während nach M.-Gz. 7, flamme
im eigentlichen Sinne hohes q hat, im figürlichen Sinne tiefes q,;
in den Zusammensetzungen zei^ flamme nach M.-Cz. überall
hohes 9; oriflamme etc. (vgl. auch Plötz, 1. c. S. 23. — Thur. 204).
8*) Vor silbenanlautendem Nasal n.
Betontes wie unbetontes a zeigen hohes q.^)
Anne, Canne, canne, Jeanne, Lannes, manne — manne
(Manna — Thurot 204), panne, plane (plantanua), rouanne,
tanne, vanne.^)
Annane, annale, annoncer, bannir, canneau, Spanneteur^
*) Zu demoiselle, damoiseUe etc. — Thurot 28.
') M.-Gz. gibt tiefes a an.
») Zur Endung anne vgl. Plötz, 1. c. S. 23.
28 H, Harth
gannaliser, Jeannet, Lannoy, manneau, Marianne, Nannette,
pannaire, vanneau (hanebane-hennebane-henebane- Tbu-
rot 30).
Anmerkung 2. couenne (ital. cotenna) und die Ableitungen schwan-
ken zwischen hohem ^ (Littr^ und andere) und halboffenem
e (Bescherelle und Feime — vgl. S. 26, 1, permuiation — dazu
banne, ital. benna, afrz. benne, aus dem Kelt.); (Thur. 542).
£0 Vor silbenanlautenden, stimmhaften Momentan-
und Dauerlauten.
Folgende Fälle sind zu betrachten:
1. Betontes (unbetontes) a Tor bb, gg (gg) = hohes q,
labbe, abbe, Abbeville, r abbin, sabbat, sabot, sabin; dagard,
Agg4e, waggon.
2. Betontes wie nnbetontes a Tor g = hohes q.
ajustage (ajutage Thur. 203), cage, gage, image, page, plage,
nage, rage (Thnr, 314), Tage, vages, sowie in den zahlreichen
Wörtern mit dem Suffixum age (aticum):
avantage, bavardage, camage, chauffage, cirage, courage,
davantage, dommage, etage, feuillage, fromage (Thur. 262),
hommage, language, mariage, ouvrage, vogage, u. a m. —
sowie in dem Lehnwort: naufrage, — avantager, cagette,
gager, hagee, Jagdlon, imaginer, nager, sagesse, Pages, vaginal,
Anmerkung. Circumflektiertes ä = tiefes a: äge, äge (Thurot
523 und 538).
8. Betontes a Tor d (dd) = tiefes a\ nnbetontes a = hohes qS)
malade, moussade, sade — Adda, addition, maladie, maussa-
derie, sadinat, padda, Sadd&r^)
^) Vor silbenanlautender, stimmloser Sibilans ss (g).
Die einschlägigen Beispiele zeigen für betontes wie für unbetontes a (oi)
hohe Vokalquantität q (oq).
1. Betontes a (oi).
brasse, casse (f6m. zu cas), casse (coisse, capsa — Thurot 34),
casse (s. v. zu casser) und seine Zusammensetzungen: casse-
bras, casse-cou, casse-tete, chasse und seine Zusammensetzungen :
chasse-chien, classe, crasse, echasse, grasse, impasse, masse,
passe, Parnasse, repasse, Tasse\
agace, Alsace, audace, besace, bonace, contumace, coriace.
*) vgl. S. 24.
') Zur Qualität der Endung ade vgl. die gegenteilige Notation
von Plötz, 1. c. S. 22.
Die QuaUtäi der Reinen Vokale im Neufranz. 29
dedicace, efficace, espace, face, grimace, glace, leinace
(Thurot 200), menacey place, populace, rosace, tenace, vilace,
vivace, vorace, Wace; — gleichfalls in den Zasamniensetzun-
gen mit dem Suffixum — a^se (ace) = lat. axieum-acea^
vgl. Diez, Gr. U*, 315 und 316:
bagasse, hecasae, molasse, paiUasse, pinasse, terraase, molasae,
u, a. m. — fouace;
angoisae, moisse, paroisse, poisse, roisse.
Verbalformen: fappdasse, je fasse, iU fassent, je croisse.
2. Unbetontes a foij.
amasser, assa, ambassade, assez, aaaidu, bassin, bassinoire,
bassage, cassant, casser, chasser; agacer, alsacien, audacieux,
besacier; contumacier, Dacier, delacer, fouacier; — angoisser,
accroissement, boisson, froisser, Froissard, moisson, parois-
sien, poisser, Poissy, Soissons, voici (Thur. 529 und Anmer-
kung. 6 S. 32).
Verbal formen: appelassions, fassions, croissions,
Anmerkung 1, ä vor ss (0 = tiefes a\ chStsse (capsa), gräce, dis-
gräce, — chässis.
Anmerkung 2. basse (Um, zu bas als Adjektivum hat hohes q;^)
dagegen basse als Substantivum notiert Sachs mit hohem ^ und
mit tiefem (k; ebenso zeigen bald hohes q, bald tiefes a die
Wörter: nasse und tasse, während die Ableitungen stets hohes
q haben: basse -contre, basse- eau, basse -mer, bassonisie, nasseite,
— doch iasse, iassette mit hohem a und mit tiefem a.
Anmerkung 3. In der Endung asion folgt a, als vor weichem s
stehend, der S. 23 gegebenen Qualitötserscheinung; a zeigt tie-
fes a: dissuasion, occasion, occasionner, occasionel.
Die Endungen aiion und assion, tie dagegen haben wegen
ihres scharfen ^-Lautes hohes q: passion, compassion, passi-
onnement, abdication, abjuration, admiraiion, agiiation, naiion, na-
tional, aristocratie, democratie, ochlocratie, auiocratie, DalmaUe,
Croiiie, primatie, Sarmatie (Thurot 228).*)
Anmerkung 4. M.-Cz. notiert für alle betonten ^-Fälle tiefes q,;
vgl. auch die Bemerkungen zu den Endungen: asse, ace, asion,
aiion, assion, Plötz, 1. c. S. 25, 22, 24.
Tj') Vor den übrigen (silbenanlautenden) stimmlosen
Momentan- und Dauerlauten ch, ff, pp, tty cc.
Betontes wie unbetontes a (oi) erscheint in Yorstehenden Fällen mit
der Tonf&rbnng eines hohen a (oq).^)
ache, attache, bacche, cache, flache (Thur. 187), nache, vache,
^) vgl. Lücking, 1. c. 411 Anmerk. **♦.
') Nach Lesaint scharfer ^-Laut, nach M.-Cz. weicher 8-Laut|
doch in beiden Fällen hohes q,
») vgl. r/', S. 24, 25.
30 B. Barth
sowie die Wörter mit dem Suffix — ache (vgl. Diez, Gr. ü*,
314 und 316): bamache, bourrache (Thur. 32), bravache,
gamachs, mordache, moustache, packe, panache, patache, pi-
stäche, rondache — hache (prov. apcha).
acheter (Thur. 20), attacher, Achille, acheminer, bachot, cacher,
hacher, Fächer^ Rachel, sachant, tacher, vacher,
caffe, empaffes, faffe, gamaffe, Joffe, naffe, raffe, taffe; —
affecter, Baffin, Caffa^ cafe, goffeau, echafaud (Thur. 220),
Jaffa, nafe, raffermer, rafale,
chape (cappa), cappe, echappe, frappe, happe, jappe, mappe,
nappe, pappe; — apparat, echapper, frappant, happer,
japper, nappiste u. a. m.
atte, blatte, chatte, datte, gatte, gratte\ jatte, matte, natte
patte, platte, satte; — attacher, attder, battu, dattier, flatter,
Matthias, Acca, acceder, accomplir, accordcr, saccade, Sac-
charin, bacchanaie, bacca u. ä.
boitte, coiffe (Thür, 355), boittee, voichive, coiffer, •goiffon,
soiffer,
r) Tonvokale vor solchen silbenanlantenden Konsonanten, vor welchen
in altfranzosischer Zeit ein s verstammt ist.
Circnmflektiertes fi (o!), betont wie unbetont, erscheint als tiefes a foa).
bdche, gdche, lache, mäche, r däche, Bäle, male, räle, bläme,
äne, päpe, päque, gäte (gäte-bois) , häte, päte, täte, boite
(Thurot 355).
fächeux, gdcher, lächer, mächer, tächer, Mäcon, bäbiste, bä-
bard, bäloise, cälin, räler, Säfel, blämer, änee, bäton, bätard,
chäteau, gäteau, häter, päquerette, täter, räteau, boitier,
Anmerkung 1. Auch die Yerbalendungen ämes und ätes haben nach
Sachs tiefes a (im Gegensatz zu M. - Csizal) :^) parlämes, fächätes.^)
Ebenso gibt M.-Cazal 154 f. für unbetontes ä (oij hohes q (oq)
an im Gegensatz zu Sachs: chäteau, gäteau, boitier =■ oa.
Benotte, henoite (Thurot 511) und die Ableitungen henoiton^
henoitonisme, henottonner folgen der Gruppe l l -^ et und haben
hohes q (vgl. droite, adroite, S. 25, 26 /?0-
Anmerkung 2. räche (a.irz. rasche, prov. rasca frascarj, {ra.nz. racher, 11
V. rasicare, hat hohes q\ dagegen räche frassusj tiefes a;
ebenso hat Jachere (gascaria) hohes q.
Für trtüe (nach Diez und Scheler träte, afrz. trasle v. ahd.
thrascela) notiert Sachs nach Landais hohes q^ dagegen für
trasle (dtsch.) mit stummem s — tiefes a.
1) vgl. Lücking, 1. c. S. 409.
') G. Lan^enscheidt, Konjugationsmuster, mit Angabe der Aus-
sprache — Berlin, 1881, S. 10 (Note 18 — 16): , . . ät, ... ätes . . . ämes
(P. und Imperf. des Subj.) wird trotz des Cirkumflex auf a durch viel-
fach mit offenem (hohem) halblangen oder kurzen a gesprochen etc.
JHe QtiaHiäi der Reinen Vokale im Neufranz. 31
Bei täche (Thurot 313), iächer, tächeron (taxare) mit tiefem a
und lache, tacher^ tacheter (iasca, ital. tetcca, kelt. tac) — nach
Dupuis, Feline, Landais, Poitevin mit hohem q, wahren Ety-
mologie und Bedeutiingffunter schied ihre Rechte.^)
b) Der Vokal a (oi) vor (neiifranzösiscliem) motdUiertem
1 oder n mit stummem e-O
Betontes wie unbetontes a (oi) zeigt vor f und n hohes q (oq),
jaiüe, aumaiUe, baille, bataille, broussaiUe (Thurot 253),
caille, chamaille, cisailles, crapaudaille (crespodaille —
(Thurot 30), ^caille, entrailleSf faule, fouaiUe, frocaille,
graille, maüle, medailley moinaille, mangeaille, muraille,
orailles (Thurot 259), ouaille (Thurot 347, 543), paille, pe-
naille, quoaiUe, raiUe, taiUe, tenaille, traüle, victuaille, vo-
laillcj vaille.
Allemagne, bagne, Bretagne, campagne (Thur. 331), Cham-
pagne (Thur. 331), cagne, compagne, ecagne, etagne, Espagne,
fagne, gagne, magne, montagne, pagne, Romagne u. a. m.
ailleurs, Ailly, bailler, bretailler, brottssailler, caillade, Caillet,
craiUer, ecaiUement, emailler, faiüir, haiUer, jaiUir, maiüer,
paillasse, iailleur, vaiUant
Agnes, agneau, campagnard, campagnie (Thur. 222), espagnol,
estagnon, Magny, magnifique, pagnon etc.
eloigner, joignant, moignon, soigner, oignement, Oignies, u. ä.
Anmerkung 1. Zu dem Wort-Anfang poign. . . macht Sachs die
Bemerkung: Dieser Wort-Anfanc wird von Autoritäten teils
pooL-nj , . . teils pö-nj , . . angegeben, sodass beides richtig ist;
doch scheint pö-nj . . . familiär, nachlässige Sprach weise zu sein,
wofür auch Lesaint, 2. Aufl. 83: poigne, poignant, poigne'e, poig-
nard, poignei, empoigner etc.
Anmerkung 2. In encoignure und coigne'e (welche Formen bei Le-
saint, Maigne, Littr^, Landais auch ohne t vorkommen: en-
cognure, cogne) ist t stumm; ebenfalls verstummt t in dem
Personen -Eigennamen Coigny, dessen Aussprache also mit der
Aussprache der türkischen Stadt Cogni identisch ist. — ot = oq
in den Worten coignei, coigneux, coigner,
i ist ferner stumm in Montaigne, oignon, oignonade, oignouei,
oignouiere; für oignard gibt Sachs oq an, nach Litträ ist das t
in diesem Worte stumm.*)
Anmerkung 8. ä vor 7= tiefes a: häiUer, bäiäeur, bäiliant
Anmerkung 4. Nach M.-Gazal 7; 94, Anm. 1; 168; 416; 418; etc. —
hat a vor palatalem f (Hl) tiefes a; doch sind die Ausnahmen
mit hohem q nicht selten: mddaiUe, bataille, il baille etc. — Die
Verwirrung steigert sich bei den abgeleiteten Formen, wo der
*) vgl. Plötz, L c. S. 23.
*) vgL Thurot, 327 — 30, 869, 370.
») vgl. Plötz, L 0. S. 86.
32 H. Harth
EinfiuBB des Vokals der nachfolgenden Silbe nicht mehr zar Be-
stimmung der Tonfärbung ausreicht. — vgl. Lücking, 1. c. S. 412.
.Anmerkung 5. Auch in den Wörtern: agnai, agnante, aanaihe, agna-
tion, agnatique, magnai, magnatisme,^) siagner^) und seinen Ab-
leitungen: Stagnation, stagnal, stagnant etc. — wo gn nicht die
son mo utile hat, ist a mit hoher Qualität notiert.
Anmerkung 6. En un certain nombre de mots, oü oi ne vient pas de
ei et ne se trouve pas devant une l ou une n mouilUes, il per-
mute ou semble permuter soit avec ou, soit avec o, soit ave'c i,
soit avec eu (Thurot, S. 870-71).
c) Der Vokal a vor (netiüranzösclier) Muta ctim Liquida
mit stummem e.
a) Der Mal a vor nrsprfinglieh (lateinischer) oder durch romanisehen
Malansfall entstandener (einfacher) Inta cnm Liquida.
1. Betontes a zeigt die Qnalitttt eines tiefen a vor folgenden
Verbindungen: br, dr, gpr, tt, zr, cl/pl, tl.
ahre^ cdbre, canddabre, cinabre, dolabre, gabre, glabre, ma-
cabre, zabre;
cadre^ quadre, ladre, madre,^) baraihre.
Anmerkung 1. ^^^<w?r^ hat nach Landais, M.- Gz., Chifflet — tiefes a,
nach Littr^, Feline hohes q\ ladre nebst Derivaten notiert M.-Cz. 7
mit hohem q.
bagre, dgagre, gonagre, ischiagre, lagre, Meleagre, Ocagre,
Pagre, podagre, sagre,
Anmerkung 2. hlagre hat nach Sachs hohes q\ nach M.-Gz. 11 hat
«vor gre nur nach Vokalen (MeUagre) tiefes a, sonst hohes ^.
cadavrCf havre, savre, Wavre.
Anmerkung 3. oi vor vre = hohes q (oq): poivre, poivrer.
habitacle,^) mach, mir ade, obstade, orade, rade, spectade,
Naples, Octaples.
2. Bei nnbetontem a in Torstehenden FttUen dominirt hohes q) die
direkten Derivaten zeigen tiefes q.
Hohes a: cabril, cabriUet, cabrioler , Abraham, fabrique, Gabriel,
glabrier, sabri, sabrieux, sabree] adresse, adroit, badrouille,
decadrier, escadrille, ladrerie, Nadrovie, madre, quadrat,
sadrSe; flagrant, aggraver, agreer, Bagration, lagriaire,
Wagram; avril, navrer, aclide, macler, maclage, obstader,
*) vgl. Plötz, 1. c. S. 86.
^) Poitevin gibt son mouUle an, Sachs bezeichnet diese Notation
als unnötig, regelwidrig.
*) vgl. J. Jaeger, 1. c. S. 88, Anm. ^.
*) Die Endung acte anlangend — vgl. Plötz, 1. c. S. 23; zu den
Sndungen: abre, adre, avre . . . S. 24.
Die QtiaMtät der Reinen Vokale im Is'eufranz. 33
obstacleTy aplaner, applaudir, aplatir, cataplasme, caplan,
Naplouse, Azrael, Atlantide, Atlas,
Tiefes a: cabrer, sabreur, racler, raclage u. a. n.
Annmerkung 4. sab?'e hat nach Dupuis 3, Landais, Feline tiefes a,
nach Littr^ hohes q\ für die Ableitungen notiert Sachs tiefes a:
sabrer, sabreur, sah^elache, sdbrenaud.
8, Betontes wie unbetontes a = hohes a vor den Verbindungen
er, fr, pr, tr, bl, dl, fl, gl.
acre, Acre, fiacre, lacre, macre, massacre, nacre, pouacre
(Thurot 541), sacre, simulacre;
Anmerkung 1. diacre hat nach Litträ und M.-Gz. hohes q^ nach
Chifflet tiefes^.
balafre, baffre, cafre, caffre, gouliafre, safre, saffre, Zafre,
Venafre, capre,
Anmerkung 2. affre ist mit tiefem q (nach (M.-Cz.) notiert;
häfre und bäfrer zeigen tiefes q.
able, affable, agreable, aimable, buvable, capable, comparable,
convenable, diable, debitable, itable, effroyable, epouvantable,
ex4crable, fable, gable, ignorable, immangeable, jable, labou-
rable, louable, mangeable, miserable, nable, navigable, obviable,
pagable, sortable, tolerable, visable.
Anmerkung 3: sMe hat nach Landais und Dupuis tiefes a, was
Littr^ für regelwidrig erklärt.
fable = hohes a; nach Litträ im 17. Jahrh. und auch heute
noch bisweilen tiefes a; dagegen bezeichnet Sachs affable (des-
sen a nach Plötz, 1. c. S. 24 sehr lang ist) mit hohem q,
rafle und seine Ableitungen notiert Littr^ mit hohem q (s.
V. zu rafler v. mhd. raff^en)^ — Bescherelle und Boiste notieren
circumflektiertes ä = rafle, rafler, räfleur, räfleux, äräfler.
acree, dacryode, diacrdnien, fiacre, Macrin, sacre, abluer,
bablah, diablesse, erablet, fablier, dtablir, jablQre, mably^
sabler, tableau; affleurer, mafle, safleur, Afrique, affreux,
balafre, Lafroi, safrerie^ appr4cier, aprou, apres, caprice,
diaprer, approcher, rapprocher;
Atride, Atropos, attroper, catrin, diatribuer, fratricide, im-
matricule, Latrou, matrone, patrie, estrapie, Agla4, Aglante,
agglutiner, cataglasse, haglure, Fadladeen,
Anmerkung 4. M.-Cz. bezeichnet a vor bl, fr (ffr), fl — mit tie-
fem a, gibt aber den Adjektiven auf -äble hohes q: lotuiblef
mtiahle etc.; ebenso den Substantiven table, etable, jable. ^)
Circumflektiertes d\ In sämtlichen zu c gehörigen Grup-
pen ist das circumflektierte a (betont oder tonlos) mit tiefem q
notiert.
^) Vgl. zu diesen Verbindungen: Plötz, 1. c. S. 24: table.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VH. 3
34 H. Harih
äcre, backet bäfre, cäble (afrz. cheable), debdchf cdpre, thed-
tre, dcrete, bdcleur, bdfrerie, cäbler, debdcler, cdprier, ihedtraL
Anmerkung 1. r^le (afrz. raable — Thurot 541) und seine Ableitun-
gen: rähler, räblot, räblu, räblure hat nach Littr^ auch hohes ^,
welche doppelte Notation durch die Verschiedenheit der Bedeu-
tung als motiviert erscheinf. Pautex gibt rable ohne Circumflex
an. — M.-Cazal 104 notiert für ihe'ätral hohes q^)
ß) Der Vokal a vor nrsprünglicli geminierter Muta ctim
Liquida mit stummem e.
Betontes wie nnbetontes a = hohes q.
battre, abattre, combattre, quatre;
acdind, affley affligery aggredir, appUqaer, apprendre, attri-
buer etc.
r) Der Vokal tritt durch Verstummnng eines s vor Muta
CTim Liquida.
Das circnmflektierte fi (oi) zeigt unter nnd ausserhalb des Tones
tiefes q (oq),
dprCy dtre (Diez asser, Scheler astrum), Chdtre, empldtre,
muLdtre (Thurot 194), pdtre, pldtre — sowie in den Wörtern
mit dem Suffixum -dtre: albdtre, belldtre, blanchdire^ bleu-
dtre, foldtre, grisätre, idoldtre, pyroldtre, rougedtre, verddtre.
dprete, chdtrable, empldtrer, pldtras.
doitre, doitrer, goitre, goitreux, croitre, und dessen Kompo-
sita; — je crottrai, croitrons u. a. m.
Anmerkung 2. Auch hier^) gibt M.-Cazal 154 f. für unbetontes
Ol hohes q an: tu accroitreis, vous decroitrez etc.; demzufolge
iti croUras mit tiefem q nach Lücking (1. c. S. 414) falsch no-
tiert ist.
IL Der Tonvokal a (oi) im Wortauslaut.
a. Im Wortauslaut ohne folgenden stummen Konsonanten oder
folgendes stummes e.
a) UrsprangUeh einfaeher Mal.
Der Vokal a hat hohes q.
aba, Adda, assa, aUeluja, auriga, acta, Äja, ana, Anna,
ba, baba, Bidassoa, boa, ga, gä, caaba, caraba, caracaUa,
Canada, cda, da, dada, d4jä, Emma, gala, Goa, ha, ja, lä,
Oeta, piega, Saara, Zama, voilä (Thurot 529).
^) vgl..S. 30, Anmerkung 1.
*) vgl. S. 80, Anmerkung 1.
Die Qualilät der Reinen Vokale im Neufranz. 35
Anmerkung 1. Für Acca, ah, ha, la (Ton und Zeichen), Zampa wird
tiefes a angegeben.
Anmerkung 2. Die Verbalendung a betreffend; so notiert Sachs
für a der Endung der 3. p. sing. fut. — tiefes a: ü portera,
il mangera; dagegen für dieselbe Endung der 3. p. sing. Pf.
hohes q: il porta, eile alla; dasselbe Verh'ältnis bleibt für die
Inversion: payera-i-il — parla-t-U.
il a hat wie ü aura tiefes a (doch auch oft offen gesprochen).^)
ß) Ifeafranzosisehe Tokale, welche ans altfranzosisehen Diphthongen
entstanden sind.
Der diphthongisohe Ursprung ist noch angedeutet in der
neufranz. Orthographie.
Der Diphthonge oi hat hohes a (oqj.
ahoi (Thur. 385), aloi, arroi, avoi, beffroi (Thur. 30), bSfroi,
charroij coi, coy, convoi, courroi, effroi (Thur. 387), emoi,
emploiy envoiy foi, Jouffroy, loi, moi, Moy, Mainfroi, octroi,
orfroi, Outroi, palefroi, paroi, pourquoi, quoi, remploi^ ren-
voij roi (Thur. 398), soiy toi, troy, toumoiy voL
Dieselbe Tonfärbung bleibt für das unbetonte oi (^= oq)
in den erweiterten Formen: aboyer, charroyeur, charroyer, con-
voyer, employer, foi-mentir, royer, royal (Thur. 397), royaume,
royalme, royaute") u. a. m.
b) Der Vokal (Diphthong) steht nnmittelhar vor stummem
e im Wortauslant.
1. Betontes oi (oy)^) unmittelbar vor stummem e = hohes a foqj.
Avoie, boie, broie, baudroie, courroie (Thur. 396), Cloyes,
foie, joie, lamproie, . mont-joie, moie, oie, ormoie, proie, Sa-
voie, soie, Troie, voie, voye,
Anmerkung 1. Die Formen mit y (oy) begünstigen tiefes a, wo-
durch zugleich einem Unterschied in der Bedeutung bei sonst
gleichen Formen Rechnung getragen. wird:
Moye (moie), Roye, voye (roi), Troyes (Troie) — doch voye
und voie mit gleicher Qualität, u. a. m. Für moye giebt Lan-
dais hohes q und Nachschlag von j an, was Sachs als nach-
lässige Sprechweise bezeichnet.
Anmerkung 2. Der Diphthong oi in den Verbalformen bietet in
und ausser dem Tone nur hohes a (oq).^)
je croie (Thurot 891), •/ croie (tu croies), fassoie, il assoie, ils
^) vgl. G. Langenscheidt, 1. c. S. 20 (Note 1 — 12, 18 — 16); S. 38.
*) Für die Anfangssilbe roy . . . gibt Littre Ö-ro^au.
») vgl. Thurot, 1. c. S. 364—866.
*) Thurot 367, 382.
3*
■ .;?i.'raciie ;t '■iienöni
Die Qualität der Reinen Vokale im Neufranz. 37
o) Tonvokale vor stummen Konsonanten im Wortäuslaut.
a) Im iltfranzosisehen folgte anf den Tonvokal einfache Konsonanz
nnd zwar:
a') Die Liquida I. ] Beide Fälle bieten für a (oi) keine
ß') Die Liquida r. j Beispiele.
f) Der Vokal a (oi) vor stummem s (x, z).
1. Der Vokal a vor stummem s (s) hat tiefes a.
agas, amaSj anabas, appas, Assas, harras, bas, bassinaa,
bourgelas, bras, cabas, cadenas, Carabas, carcas, choucas
(Thur. 263), compaa, embarraa, echalas, fracas, Foullahs,
Gormas, galimatias, glas (Thur. 326), gras, haras, Havas,
jas, las, Lucas, lila^, mas, matelas, Nicolas, pas, pldtrasj
ras, repas^ las, Thomas, trepas, tracas, La Sarraz, Raz,
Anmerkung 1. Die Verbalformen tu as, sowie die 2. p. sing. fut. tu
auras, tu parier as — haben tiefes a; demgegenüber erscheint
die 2. p. sing. pf. mit hohem q notiert: tu parlas (vgl. die ana-
loge Notation S. 35, Anmerkung 2).
Anmerkung 2. cas als Substantivum hat tiefes a; cas als Adjek-
tivum hat ebenfalls tiefes a, doch nach Boiste und Poitevin
hohes q.
chas mit stummem s (nach Feline und Landais) hat tiefes a^
mit lautbarem s (nach M.-Cazal) hohes a. Dieselbe Notation
gilt für:
bourras (tiefes q nach Littr^, hohes q nach Landais);
papas (tiefes q nach Littr^, hohes q nach M.-Cazal).
^o^ (tiefes q nach Landais, Poitevin, Litträ, hohes q nach
M.-Cazal); bei sas lässt Feline die Qualität von der Bedeutung
abhängig sein;
verglas dagegen hat stets stummes s, qualitativ nach Feline
tiefes a, nach Dupuis 7, M.-Cz. 9 — hohes q.
Für helas geben Landais, Feline, Lesaint, lautbares s und
hohes q an; nach Littr^ ist s stumm vor Konsonanten, lautbar
vor Vokalen; in beiden Fällen aber ist tiefes q notiert.
Für abas mit lautbarem s gibt Sachs tiefe s'a an.
fars mit stummem rs, auch fos und gä geschrieben, hat nach
Feime und Littr^ tiefes a; die Aussprache gar (lautbares r)
mit hohem q ist veraltet.
Judas (nach Lesaint und Poitevin mit lautbarem sj hat ho-
hes q (nach Littr^ mit stummem s und tiefem a. Zur Aus-
sprache resp. Verstummung des s vgl. Plötz, 1. c. S. 94.)*)
2. Der Diphthong oi Tor stummem s (z) zeifirt hohes a (oq).^)
antenois, Artois, autrefois, Aiixois, bourgeois, Blois, cana-
^) Plötz, L c. S. 25, legt der Endung as (mag s stumm sein oder
gesprochen werden), für die meisten Wörter tiefes q bei. Zur Endung
as mit lautbarem s vgl. S. 41, 5.
^ vgl. Thurot, 1. c. 399.
38 H. Harth
dois, chamois, Champenois, chinois, cowrtois, dois, empoisy
FrangoiSf fois, gaulois, gregeois, genevois, mois, trois; choix,
Saint-FoiXj Quinquempoix, Mirepoix, voix;
Verbalformen: je crois (Thur. 393), tu sois, je regois, tu vois,
vois, j^assoisj je dechois, tu bois, tu crois,
Anmerkung 1. M.-Cazal 475, 155, 213, gibt für oi vor stummem s
(x) tiefes a an, wobei nach Lücking^) eine Anzahl von Wörtern
ungenau oder widersprechend notiert sind (mit hohem q)-. PAu-
xerrois, rJuxois, carquoi^, Iroquois, riarquois etc.
Anmerkung 2. Folgende Wörter zeigen qualitative Schwankungen:
hois (subst.) notiert Sachs mit hohem q\ Feline und Nodier mit
tiefem a;
poids nach Sachs mit hohem ^, nach Feline und Nodier mit
tiefem a;
pois, nach Sachs mit hohem a, nach Landais mit tiefem a;
dieppois (Dieppois) bei stummem s = hohes a, bei lautbarem
s = tiefes q\
poix (auch in der liaison) nach Dupuis 140, M.-Cz. 477 = ho-
hes ^, nach Littr^ tiefes a.
Anmerkung 3. Für die veraltete Form harnois (nach Sachs oq) ist
die Form hamais mit halboffenem e (e) eingetreten.*)
Anmerkung 4. Die Verbalformen crots : je (tu) crois zeigen ebenfalls
hohes q.
d*) Vor stummem f (bieten sich für a (oi) keine Beispiele).
e^ Vor stimmlosen Momentanlauten (t, c, p, h), welche im Neu-
franzOsischen stumm sind.
1. Der Vokal a zeigt tiefes q.
ahat (abat-faim, abat-jour\ achat, agnat, assassinat, assig-
not, avocaty cabat, ca^at {Th. 279), canonicat, chat, chocolat
(Thur. 196), combat, debat, eclat, entrechat (Thur. 194), elat,
grat, Josaphat, Murat, magnat, majorat, malvat, mandat,
odorat, orgeat, oleolat, plat, peat, rabat, rachat, Sarlaty Sol-
dat, scelerat, fellah,
Anmerkung 1. mat (nach Littre mit stummem i, nach der Acad.,
Poitevin, Landais mit lautbarem tj hat hohes q (Thurot 189);
be'at (nach Littr^, Poitevin mit stummem i, nach M.-Cazal mit
lautbarem tJ zeigt tiefes a; ebenso adequai (nach M.-Cz.,
Feline, Nodier mit lautbarem t).
opiat hat nach Littr^ stummes i, nach Acad., Dupuis, M.-Cazal
— lautbares i; in beiden Fällen wird tiefes a notiert (Thu-
rot 201).
Anmerkung 2. Drap, rat mit stummem Endkonsonanten haben
hohes q\
estomac zeigt auch bei stummem c hohes q\ dagegen lacs bei
*) Lücking, 1. c. 414.
*) vgl. S, 24, Anmerkung 2,
Die Qualität der Reinen Fokale im Neu fr am. 39
stummem sc tiefes a; ebenso der Plural von tabacs, wäh-
rend der Singular (bei stummem wie bei lautbarem cj hohes q
zeigt (Littr^, M.-Cz. 436, Landais, Poitevin);*) — wie t(Ufac ist
almanach notiert.*)
2. Der Diphthong oi Tor t (d) hat hohes a (oq),
adroit, detroit, doit, droit, etroit, exploit, toit, froid, Void;
Verbal formen: ü regoit, il hoit, il voit etc.
Anmerkung 1. soit (mit oder ohne lautbares t) = hohes a; für
doigi (mit nur orthographischem g) gibt Sachs nach Gattel tie-
fes a, nach Littr^ und Morin hohes q an.
henoit (auch benoisi, benoit) hat hohes q»^)
ß) Im iltfranzosisehen folgten auf den Tonvokal st, von welcher
firappe zuerst s, später t verstummt ist.
1. Der Vokal fi = tiefes a.
m
appdty bat, degdtf gät, jdt, mdt, pdt;
Verbalformen: il parldt, fdchdt — ftir welche Verbalformen
M.-Cazal 5 hohes q angiebt.^)
2. Der Diphthong oi = hohes q.*)
accroit, croit, decroit, surcroit (sowohl als Subst. verbale, als
wie als Verbalformen).
B. In geschlossener Silbe.
a. Vor wortauslautendem einfachem Ecnsonanton.
1. Vor lautbarem, einfachem h
Der Vokal a (oi) vor 1 zeigt hohes a (oq).
allodial, animal, Äral, armorial, archal (Th. 34), aval, bal,
boreal, carnaval (Thur. 25), chenal, chevaly deloyal, egal,
etal, feal, ßoreal, ideal, loyal, mal, martial, mardchal, pal,
real, royal, senechal, val, vassal — sowie in den gelehrten
Substantiven und Adjektiven^) auf al . . . cal, canal, cristal,
brutal, capital, corporal — caporal (Thur. 34), ecral (Thur. 258),
cordial, ducal, formal, fatal, gener al, hdpital, inaugural,
laical, legal, liberal^ ma'estral (Thar. 234), moral, nadiral,
*) Thurot 38, 192. — Plötz, 1. c. 104, 112.
^) Für a vor stummem t gibt M.-Cz. hohes a an, vgl. Lüdang,
1. c. S. 414.
8) vgl. S. 30, Anm. 1.
*) M.-Cz. notiert tiefes a, Lücking, 1. c. S. 414.
*) vgl. S. 19 nebst Anmerkung 1.
40
H. Harth
I I
i.i,
/
nasalj nominal, oral, poitrinal, spiral, stomacal (Thur. 218),
special (Thur. 219), veg4tal, — poil.
2) Vor auslautendem mouilliertem l.
Der Vokal a = hohes q.
aigail, ail, aspirail, attirail, bail, bercail, betail, brau, ca-
mail, corail, dail, detail, egail, email, eventail, Oail, gouver-
nail, hail, mail , poitrail, soupirail, tail, travail, vantail
{ventail — Thur, 21), tr email {tramail — Thur. 30).
Anmerkung. Das englische raü gibt Landais mit hohem q + / =
raj — an; Poitevin notiert ra-el.
3) Vor auslautendem r oder r mit stummen Kon-
sonanten (d, t, s).
Der Vokal a (oi) ist in den nachstehenden FttUen mit tiefem q notiert.
achar, Agar, caffar, char, coquemar, Cesar, Escobar, far,
gabar, Gibraltar, instar, jar, lascar, Neckar, nectar, Nadar,
realgar (Thurot 225), sar, Var, Karr, Zanguebar.
Adelard, art, bard, Bart, bdtard, bavard, Bernard, billard,
binard, brouillard, comard, criard, couard, dard, dart, ecart,
egard, encart, epart, fard, flambart, fuyard, Oard, guisard,
Guissar d, gamard, gueulard, hart, incart {inquart), jard,
lezard (Thur. 201), lard, leopard (Thur. 225), pard, part,
picard, poignard, renard, tard, tetard, vieillard, vasard;
echars, epars, Essars, ards, tuvülards.
abreuvoir, accoudoir, afßnoir, apercevoir, arrosoir, asseoir,
assommoir, avoir, battoir, choir, comptoir, concevoir, couloir,
couvoir, decevoir, dechoir, disespoir, devoir, dortoir, ebardoir,
ebauchoir, ^aisoir, echamoir, echoir, emouvoir, encensoir,
falloir, gardoir, hoir, lavoir, Loir, loir, miroir, mouvoir,
noir, parloir, paroir, pouvoir, rSservoir, savoir, voir, vouloir.
Anmerkung 1, Mit hohem q erscheinen: car und die unbetonte Prä-
position par; für jars (mit stummem s) gibt Peline tiefes q; M.-
Gazal 874, Dupuis 112 und Litträ hohes q an;
Mars mit lautbarem s hat nach M.-Cz. 357 hohes q^ mit
stummem s tiefes q; (nach Jaubert);^) dasselbe gilt für ars
(Thurot 5 u. 78) und bars; für cars notiert Sachs bei lautbarem
s hohes q] für bayard mit stummem d=i tiefes a, mit laut-
barem d = hohes q,^)
Anmerkung 2. Für a vor einfachem lautbaren r gibt M.-Cz.')
hohes % an; für r -f Konsonant tiefes a.
1) vgl. Plötz, 1. c. S. 94.
*) houlevari (houlevard) vgl. Thurot, 1. c, 5.
^) Lücking, 1. c. S. 409, 410, nebst Anmerkung ** 410.
1
I
Die Qualität der Meinen Vokale im Neu franz. 41
4) Vor den nasalen Konsonanten m und n im
Wortauslaut.
Der Vokal a = hohes %.
Abraham, Ägram, alchitram, alpam, Amsterdam, Assam,
Balaam,^) Bantam, Beiram, Cham, Herman, islam, Jero-
hoam, madapolam, melam, Ozanam, Priam, Saardam, yam,
Wagram,
5) Vor lautbarem s im Wortauslaut.
Der Vokal a = hohes %.
Agesilas, Atlas, Bias, Calchas, Esdras, Eurotas, Epaminon-
das, Jonas, Ldonidas, Menelas, Nimias, Olympias, Pausania^,
Phidias, Blas, La Casas, Duras, Ladila^s, Venceslas, Vau-
gelas — also in Eigennamen älteren und jüngeren Datums —
sowie in gelehrten Bildungen = a^, alas, balatas, bokas,
choras, fas, kas, quas, vas.
Anmerkung 1. Für Bash ist hohes und tiefes a fq, a) notiert;
stras (strass) hat nach Dupuis 7, 197, Feline, Landais tiefes a;
nach Littr^, PlÖtz S. 94 hohes q\
Har>as hat nach Sachs stummes, nach Plötz lautbares s;
in beiden Fällen ist tiefes a angegeben.
Anmerkung 2. Im Gegensatz zu Sachs geben M.-Cazal*) und Plötz*)
für die Endung -as mit lautbarem s = tiefes q an, wobei die
Notation bei M.-Cz. von Jolas (138), Joas (152), chovas, nach
Lücking ungenau ist.
Anmerkung 3. Die Endung -az dagegen (z = weiches s) ist mit
tiefem q notiert: Achaz, ferraz, Lazes;
^az hat nach Landais, Lesaint, Poitevin, Plötz (99), tiefes a,
nach Litträ hohes q.
6) Vor lautbarem / (ff) im Wortauslaut.
a (oi) ist hoch notiert.
«/; cÄa/, haff, raf {raff), paf, taf, soip)
7) Vor lautbaren stimmlosen Momentanlauten
(c, chf kf q, p, tf th).
a = hohes %.
Alasac, amoniac, ampac, Armagnac (Thur. 237), bac, Ber-
gerac, bivac, bissac, brac, Camac, caüicac, clairac, Cognac,
Cotignac (Thur. 266), drac, fac, Figeac, flac, frac, Giguac,
Layrac, Layssac, lac, rabac, sac, tac, Hambach, jach, dagak.
*) vgl. S. 20, Anm. 2.
«) Lücking, L c. S. 410. — Plötz, 1. c. S. 93, 94.
») Thurot, 1. c. 373.
42 H. Barth
maq, yak, Kahak; — cap, escap, Gap, glap, hanap, jalap,
tap; bat, fat, pat, exeat, vivat, — Ath, Baih.^)
Anmerkung 1. yacht nach Landais, Poitevin, M.-Cz. 290, 425, 466,
= qk mit stummem t; nach Nodier mit lautbarem t, doch auch
hier hohes q,
Goliath mit hiutbarem t hat tiefes q nach Lesaint 167 und
Sachs; ebenso assorath; damit stimmt die Notation von Plötz.*)
b) Vor lautbarer, einfaclier und zusammengesetzter Konsonanz
ohne stummes e.
Der Vokal a aeig^t in allen FttUen hohes q.
a) h, d, g; ß) hs, ps, x, ss, st, et, pt, tt, tz; y) Ib, Ip, Id, It, Ic;
d) rc (rk, rq), rn, rp, rtz, (rz).
Achah, Aglah, Bah, cab, dab, Kab, mab, nabab, rabab, Con-
rad, Bagdad (nach Voltaire Bagdat mit stummen t und
tiefem cl), Gad, Galaad, Joad u. m.;^) — Zigzag,
Krabe, blaps, craps, laps, relaps, Ax, Arctoptylax, anthrax,
Astyanax, aloithorax, borax, charax, orax, Dax, donax,
fax, Max etc. — Bass, Lass, quass, trass; Gast, Wast,
Watt, Gratz; rapt (M.-Cz. 260); ambact, compact,^) contact,
contract, pact, tact, exact; Alb, calp, Harald, Berald, Gri-
moald, Anhalt, talc (Thur. 193), arc, Darc, parc, Danemark,
Le Parcq, marc (nach Littr6 und Landais mit stummem c,
nach Sachs regelwidrig mit lautbarem in Victor Hugo ; in beiden
Fällen hohes q;^) der Eigenname Marc mit lautbarem c
und hohem q.
Tarn (nach Dupuis 189), gadam, Beam (nach M.-Cz. 413
und Dupuis mit lautbarem n; nach Steffenhagen und Lesaint
tiefes a mit stummem n), — warp, Hartz {Harz), quaHz.^)
c) Vor lautbarer mehrfacher Konsonanz und stummem e.
Betontes wie unbetontes a = hohes q.
a) Vor r + Kons, -j- e: rbe, rbre, rce, rche, rde, rare, rge, rgne, rgue,
rle, rme^ rne, rpe, rque, rse, rte, rthe, rtre, rve:
barbe, garbe,'^) arh*e, marbre, farce, arche, marche, patriarche,
bdtarde, carde, garde, moutarde, jarde, bombarde, Ardres,
*) vgl. S. 38, c' Anmerkung 1.
8) Plötz, 1. c. S. 119.
*) In breyzad ist stummes d und tiefes a (vgl. S. 38).
*) Thurot 183.
*) vgl. Plötz, 1. c. S. 104.
®) Zur Notation des a vor r -f- Kons, bei M.-Cz., s. S. 40.
') Zu garbe, vgl. Thurot S. 8. i
Die Qualität der Beinen Fokale im I^ev franz. 43
ardre, charge, large, marge, sarge,^) targe, epargne, argue,
cargue, largue, hartes, marle, arme, carme, charme, garme,
g endarme, marne, carne, hai*pe, escarpe, asiarque, barque,
marque, monarque, barse, echarse, marse, carte, Barihe,
Sarthe, chartre, Chartres, dartre, tartre (Thur. 9), sarve,
dbditolarve, Algarve,
arbre, arbois, arbrer, marbrer, farcer, archee, patriarchie, Ar-
cadie, arcane, ardeur, dar der, garder, parfumer, charger,
largesse, sargie, epargner, Arcueü, Argueil, carguette, lar-
guer, carlette, harlou, Carmel, parmi, sarment, armer, carnal,
marner, harpeau, haiper, marquer, barset, marseillais, par-
sonnier, cartelle, Barthelemi, dartreux, sarvir,
ß) Vor / + Kons, -j- ^•* üt^, läe, Igue, Ime, Ipe, Ique, Ise, lie, lihe,
lire, Ive, Ize.
Albe, galbe,^) Aide, Bar aide, algue, calme, buphthalme, palme,
alpe, palpe, alque, calque, balse, walse. Malte, calthe, malthe,
maltre, Gozalve, balze.
Albert, album, alber ge, albrene, aldee, Aldhelme, Alcandre,
Alceste, alcöve, Alfred, alpha, alga>ce, Algerie, alguette,
Alhambra, Alma, salmer, palmer, epalpd, Calpe, calqua,
balsamique, Baltimore, Balthazar, malihee, maltraiter, mal-
verser, malzingue,
Y) Vor sme, spe, spre, sqiie, sie, sthme, stre, xe, chne, de, ctre, pte.
enthousiasme, cataplasme, miasmes, aspe, jaspe, aspre, basque,
flasque, masque, asthme, ecclesiaste, enthousiaste, caste, faste,
laste (last — Thur. 195), plastre, Bactres (Thur. 337).
Asmodee, enthousiasmer, Jasmin, miasmater, Asnieres, asbeste,
Ascagne, ascele, Asdrubal, aspect, asprede, basquiner, mas-
quer, astome, asthme, astronomie, axiome, aptitude, bactrien,
lapsus.
®) sarge (sargtLc), vgl. Thurot S. 8.
2) gdihe, vgl. Thurot S. 8.
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Die QifaiiUU der Beinen Vokaie im Neu/ranz.
für die Qualität und Quantität 0
45
Der Blphtlioiig oL
1. Betontes oL
Qualität. I Quantität.
2. Unbetontes oi.
Qualität. I Quantität.
Der nachfolgende Konsonant: A. In offener Silbe.
Vor urspr. einfachem:
r
m
n
Vor den stimmhaften Dauer-
lauten: V
s(z)
Vor den stimmhaften Momen-
tanlauten: h, gu
Vor den stimmlosen Konso-
nanten : t
ch, p, k
Vor ursprünglich mehrfachem,
später einfachem Konsonan-
ten: d, t ($)
Vor geminiertem: /
r
m
n
h, g
d
Vor ch, ff, pp, tt, cc
hohes oa
tiefes oa
vacat.
tiefes oa
hohes oa
vacat.
tiefes oa
vacat.
hohes oa
hohes oa
tiefes oa
vacat.
kurzes
(halbl.) oa
langes oa
vacat.
•
halbl. oa
halbl. oa
vacat.
langes oa
vacat.
w
n
n
n
hohes oa
hohes oa
kurzes
(halbl.) oa
kurzes
(halbl.) oa
langes oa
vacat.
hohes oa
hohes oa
vacat.
fhohes oa
{tiefes oa
hohes oa
vacat.
hohes oa
hohes oa
vacat.
n
hafbl.
(lang.) oa
halbl.
(kurz.) oa
hohes oa
hohes oa
hohes oa
hohes oa
vacat.
n
n
»
hohes oa
hohes oa
kurzes oa
kurzes oa
vacat.
kurzes oa
halbl. oa
kurzes oa
vacat.
kurzes oa
kurzes oa
vacat.
kurzes
oa
kurzes
oa
kurzes
oa
kurzes
oa
vacal
m
n
n
kurzes
oa
kurzes
oa
30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37; 40, 41; 43; 46; 52, 58; 58, 59, 60, 61; 64, 65.
Die Qualität der Reinen Vokale im ^eufranz.
47
Der Diplitliong oi«
1. Betontes oi.
Qualität. I Quantität.
2. Unbetontes oi.
Qualität. I Quantität.
Vor mouilliertem / und n
Vor einfacher Muta cum Liq.:
IT
er, ir, pr, fr, hl, gl, fl
Vor ursprünglich geminierfer
Muta cum Liquida
hohes oa
hohes oa
yacat.
halbl.
kurzes oa
langes oa
vacat.
hohes oa
hohes oa
vacat.
«
kurzes oa
halbl.
kurzes oa
vacat.
»
XX. XaasL TT^ortei-CLslsi-CLt
Ohne Konsonant und ohne
e muet
Vor e muet
Vor stummem s (z)
Vor stimmlosen stummen Mo-
mentanlauten
hohes oa
hohes oa
hohes oa
hohes oa
kurzes
(halbl.) oa
kurzes
(halbl.) oa
kurzes oa
kurzes
(halbl.) oa
Mhoh.()^i
yacat.
»
kurzes oa
yacat.
Der nachfolgende Konsonant: B. In geschlossener Silbe.
kurzes
Vor lautbarem einfachem /
Vor mouilliertem /
Vor r oder r + stumm. Kons.
Vor lautbarem m (n)
Vor lautbarem s
Vor lautbarem z
Vor lautbarem f (ff)
Vor lautbaren stimmlosen Mo-
mentanlauten
Vor lautbarer einfacher oder
zusammengesetzer Konso-
nanz ohne ^ muet
Vor lautbarer mehrfacher Kon-
sonanz mit ^ muet
hohes oa
hohes oa
tiefes oa
vacat.
«
hohes oa
vacat.
(halbl.) oa
kurzes
(halbl.) oa
langes oa
vacat.
n
«
kurzes oa
yacat.
«
/
vacat.
48 H. Harth
Resultate und allgemeine Bemerkungen.
Die angeführten Beispiele (unter Berücksichtigung ihrer
qualitativen und quantitativen Beziehungen zu einander in vor-
stehender Tabelle) bieten für die Qualität der neufranzösischen
reinen Vokale folgende, allgemeine Grundsätze:
I. Das circmnflektierte ä (ot).
!• Betontes wie unbetontes, circumflektiertes fi zeigt bei langer oder
halblanger Quantität die Notation des tiefen a.^)
(Vgl. 8. 22, Anm. 3; 8. 22, Anm. 1; 8. 26, a' 1; 8. 27,
r' 1; 8. 28, Anm.; 8. 29, Anm. 1; 8. 30, r; 8. 30, Anm. 1;
8. 30, Anm. 3; 8. 33, Annu 2; 8. 34; S. 39, ß 1.)
2. Cironmflektiertes, quantitativ langes oder halblanges ot, betont
wie unbetont, ist durchweg mit tiefem a notiert.
(Vgl. 8. 30, r\ S. 30, Anm. 1; S. 34, r\ S. 36, 2 —
Ausnahmen: 8. 38, Anm. 4; 8. 39, 2, Anm. 1; 8. 39, ßy 2.)*)
n. Der Vokal a.
A. Der Vokal a mit der Qnalität eines hohen q.
a) In offener 8ilbe.
a) Im Wortinlaut.
Betontes wie unbetontes a (bei halblanger oder kurzer
Quantität), ist hohes <{:
1) Vor ursprünglich einfachem Z, m, n (8. 19, 21, 22).
2) Vor den stimmhaften Dauerlauten ^, v (8. 22).^)
3) Vor den stimmhaften Monmentanlauten b und g (8. 23).^)
4) Vor den stinmilosen Konsonanten (f, ph, 6h, p, A;, c, c%, q)
(8. 25).
5) Vor geminiertem Z, m, n (8. 26, 27, fj d*).
^) Zur Notation des circumflektierten ä bei M.-Cz. vgl. Lückingf
1. c. 409; bei Plötz, 1. c. S. 23.
*) Im Gegensatz hierzu trennt M.-Cz. (Lücking, 1. c. S. 414) das
betonte und unbetonte (circumflektierte) ol und damit die Notation
zwischen tiefem ua und hohem uq,
^) Bei dieser Notation entspricht die Quantität (J. Jäger^ S. 24}
„vor V für alle Vokale lang" — nicht der Qualität; die Notation bei
M.-Cz., S. 17, Anm. 1, mit tiefem a stimmt zu dem allgemeinen Ge-
setze der Correlation zwischen Qualität und Quantität besser.
*) Lesaint notiert kurze, J. Jäger, S. 21 lange Quantität.
Die Qualität der Reifien Vokale im Neu franz. 49
6) Vor den gem. stimmhaften Momentan- und Dauerlauten i,
g, § (S. 28, £': 1, 2).^)
7) Vor der stimmlosen Sibilans ss (g) (S. 28, f')-^)
8) Vor den stimmlosen Momentan- und Dauerlauten dh, ff, pp,
U, cc (S. 29).^
9) Vor mouilliertem l oder n (8. 31).
10) Vor einfacher Muta cum Liquida: cTy pr, tr^ /r, bl, dl, gl,
fl (S. 33).3)
11) Vor ursprünglich geminierter Muta cum Liquida: ttr (tr),
ggr, cd, ffl, ppl (S. 34).
ß) Im WortauslAut.
Betontes a am Ende eines Wortes, ohne Konsonant und
ohne nachfolgendes e mtiet, sowie unbetontes a im Hiatus (S. 34,
35, 36 Anm. 4).
b) In geschlossener Silbe.
1) Vor lautbarem einfachem l (oder mouilliertem l), m, n
(S. 39, f.).
2) Vor lautbarem s (8. 41).*)
3) Vor lautbarem / (ff) (8. 41).
4) Vor den stimmlosen Momentanlauten c, ch, k, q, p, t, th
(8. 41 f.).
5) Vor lautbarer einfacher oder zusammengesetzter Konsonanz
ohne stummes e: h, d, g; hs, ps, x, ss, st, et, pt, tt,
tz; Ih, Ip, Id, It, U, rc, m, rp, rz (8. 42).
6) Vor lautbarer mehrfacher Konsonanz mit stummem e (8. 42).
B. Der Vokal a als tiefes a.
a) In offener Silbe.
a) Im Wortinlaut.
a') Betontes a = tiefes (qualitativ langes oder halblanges) a.
1) Vor ursprünglich einfachem r (8. 20).
^) Zur quantitativen Differenz des Tonvokals der Wörter auf
•age vgl. J. Jäger, S. 32.
^) Abweichende Quantitätsbezeichnung bei J. Jaeger, S. 33, 6.
^ Die von J. Jaeger (S. 40, 4) gegebene Quantitätsbezeichnung
stimmt mit der vorstehenden Qualität durchweg. Übersichtlicher lau-
tet die Regel: Der betonte Vokal hat hohe (kurze) Tonfärbung vor
stimmloser Muta mit r; tiefe (lange) Tonfärbung vor stimmhafter
Muta mit r; vor Muta cum Liquida f tritt das entgegengesetzte (quali-
tative — quantitative) Verhältnis ein; die Muta f bildet keine Aus-
nahme. Die unbetonten Vokale zeigen in den betreffenden Fällen
durchweg hohe (kurze) Tonfärbung.
*) J. Jaeger, S. 58 notiert lange (halblange) Quantität.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI i. 4
— -"t* aaxiir;**
~ r '
■i.
'tus*^ .. Si, S. ^, «', 3^ ^
Die Qualität der Reinen Vokale im Pjeufrani. 51
5) Vor geminiertem l (S. 26).
6) Vor der stimmlosen Sibilans ss (g) (S. 28, 29).
7) Vor den stimmlosen Momentan- und Dauerlauten dh, ff, pp,
tt, cc(S. 29).^
8) Vor mouilliertem l und n (S. 31).
9) Vor vr (S. 32, Anm. 3).
ß) Im Wortanslaut.
1) Betontes oi am Ende und im Hiatus (S. 35).
2) Vor stummem e (S. 35)^)
3) Vor stummem s (x) (S. 37).
4) Vor stummem t (d) (S. 39).')
b) In geschlossener Silbe.
1) Vor lautbarem einfachen l und vor mouilliertem l (8. 39 f.).
2) Vor lautbarem / (S. 41).
B. Der Diphthong ci als geschlossenes oi.
a) In offener Silbe.
a) Im Wortinlaut.
1. Betontes oi = tiefes (lang^es oder halblanges) oa,
1) Vor ursprünglich einfachem r und vor geminiertem r
(S. 21, 27).
2) Vor ursprünglich einfachem n (8. 22).
3) Vor dem stimmlosen Dauerlaut s (z) (S. 23).
ß) Im Wortauslaut. (Vacat.)
b) In geschlossener Silbe.
Vor auslautendem r (S. 40).
2. Unbetontes oi == hohes (kurzes), bisweilen tiefes (halbl.) oi.
1) Vor ursprünglich einfachem r und n (S. 21, 22).
2) Vor s (z)^ (S. 23).
3) Vor geminiertem r (8. 27).'*^)
*) Unbetontes oie vor der Adverbial -Endung -ment hat tiefen (t
(S. 86, 2).
*) Der Vokal a zeigt hier tiefes (langes) a, vgl. S. 49, a', 3, 4
und S. 50 ß. — 48, a, 1.
") Nicht übereinstimmende qualitative Notation zwischen a und
oi besteht in zwei Fällen:
a) Vor lautbarem oder stummem d, t (s) \ i «
ß) Vor n j ^ * *
'^' »m» tm^f -•
I ••••4;,
1'.
■• .
^«
*•-*. "«s^*« '*&*
»^ '^
Die QucdUäi der Reinen Vokaie im Neufranz. 53
Circumflectiertes d zeigt hier wie überall geschloBBenes q:
gedle,^) geolier, geölage (Thur. 524) — - mole, radier,
Der Monoplitliong au (eau).
bietet hier keine Beispiele (au, dana les mota de la langue
vulgaire, provient d)a suivi d^une labiale ou d!une l devenue *
u. — Thurot, 1. c. § 425).«)
ß") Vor silbenanlautender Liquida r,
]>er Tokal o.
1. Betontes o ersolieiiit als oifenes o (g).
adiaphore, achores, accore, aerophore, albicore, albiflore, am-
bore, amphore, Ana^xogore, anthophore, Apollodore, apiospore,
aurore, Azores, bore, Boapore, camivore, chlore, clore
(Thur. 540), diaphore, Diadore, Diodore, Dioacore, eclore,
eUebore, empöre, encore, Flore, multiflore, ore, Pandore, pore,
Pyihagore, pecore, aophore, aonore, atore, Symphore, tMophore,
tricolore.
Verbalformen: /adore, je colore, tu devorea, ila honorent
2. Unbetontes o = o.
aavora, aboriglne, accorer, afforer, amSliorer, aphoriatiquef
colorer (Thur. 258), corail, decorer elaborer (Thur. 258), eoc-
corporer, floral, fortiori, immoral, implorer, moral, oreüle,
Oracle, oripeau, paatorelle (Thur. 258) u. a. m.
Verbal formen: je dorai, noua clorona, voua clorez.
Anmerkung 1. aoriste hat nach Littr^, Landais, Bescherelle ein of-
fenes, kurzes o; nach der Acad., M.-Cz., Feline halblanges, ge-
schlossenes 0 — vgl. S. 36.
Anmerkunff 2. Zur Aussprache des sonoren o = o vor r — vgl.
Plötz, 1. c. 27; Benecke, Frz. Schulgr. I, S. 10; Mätzner, Franz.
Gramm., U. Aufl., S. 10 und 11, au, c,
Anmerkung 3. M.-Cz. gibt für o vor r geschlossenes o an (Lücking,
1. c. S. 417).
Der Monoplitliong au«
1. Betontes an
ist mit Rücksicht auf seine Qualität vor r streitig; mit einfach
*) geSle mit geschlossenem, langem o. Die von J. Jäger, 1. c.
S. 17 für die Quantität geltend gemachte Verstummung des vortonigen
Hiatusvokals (12. Jahrh. gaole, und zwar reimt im Rou gaole auf pa-
role; 13. Jahrh. ^(Pöä?, aaiote; 14. und 15. Jahrh. aeole; 16. Jahrh« geatUe)
iie Qualität, da : la quantiie est Itde ä la quaUie pour Co
— Thur. S. 1 *. Dem Suffix -oU kommt sonst offenes, kurzes o zu. —
gilt auch für die
M.-Cazal gibt für geole geschlossenes o an, für geoUer, geolage aber
offenes p. — Lücking, 1. c. S. 415.
>) Diez, I, 405 (435); vgl. Thur. 191 (206),
54 H. Barth
offenem g erscheinen nur wenige, die meisten Wörter zeigen
offenes g neben geschlossenem.
d) Offenes g: aure, epaure, Faure, Minotaure; bucentaure.
ß) Offenes g neben geschlossenem g: caure, Gaures,
gaure, Isaure, Maure (more), Laure, saure, taure.
2. Unbetontes an zeigt durchweg gesohlossenes o.
Amaurif amaurose, Aurele, aureole, auricule, Daurat, eaurole,
laurier, lauriot, Maurice; — taureau hat offenes oder ge-
schlossenes 0.
Verbalformen: /awrai, tu auras etc.y^) je saurai, noussaurons.
Y'*) Vor silbenanlautendem Nasal m.*)
Der Tokal o.
1. Betontes o Yor m ist qualitativ streitig.
Die Fälle mit geschlossenem g scheinen zu überwiegen,
doch ist offenes g in dieser Verbindung nicht selten; unbetontes
0 zeigt durchweg offenes o.
d) Offenes g: agronome, amome, astronome, batanome,
comme, econome, frome, home, lome, lithodome, nome,
pomme, prodrome, paradrome {g und g), peristome, Rome,
Sodome, tylome, vidrecome.
ß) Geschlosseneso: anadrome, anisotome, anastome, a/rome,
aplome (nach Landais 6), aplostome, astomey atome, axiome,
brome (nach Boiste ö), diazome, dichotome, drome, Deu-
teronome, entomostome, Eunome, exostome, gymnosome,
gymnostome, gnome, hematome, Kistome, idiome, isonome,
fibrome, majordome, pedionome, peliome, tome, Tomes,
terrivome.^^
2. Unbetontes o vor m = offenes o.
Abomey, abdomen, abdomine, aboma, abominable, acromion,
acomat, aeromotion, anatomie, anomie, assortier , bromer ,
Diomede, domino, Eunomie, economie, fromage, Gerome,
moment, promener (Thur. 260), r omain, romanesque u. a. m.
Die Wörter momerie und vomir zeigen geschlossenes o neben
offenem g.
Giroomflektiertes d = gesohlossenes o (vgl. S. 62, y).
Der Monoplitliong au
bietet keine Beispiele (vgl. S. 53 und S. 58).
^) faurai etc. (Thurot, 1. c. 482) mit geschlossenem o; vgl. dazu
Plötz, 1. c. S. 80; G. Langenscheidtj 1. c. S. 20, N. 15.
*) Zur Endung -ome, -one, -omme, -onne vgl. Plötz, 1. c. S. 28 — 29.
") Ebenso vor sme mit verstummtem s: Cosme, brosme.
Die Qu€Läiät der Reiften Vokale im ^'eu franz. 55
^') Vor silbenanlautendem Nasal n.
1. Betontes o Yor n zeigt offene Qualität; doch auch gesoliloBsenes o
ist vertreten.
a) offenes g: abrotone, a4rotone, agone, Alcione, aUogone,
amidonef anemone, annone, Antigone, antiphone, atone,
Babylone, Bellone, Crotone, Ccemone, cydone, Dodoney
egophone, endecagone, Epigone, f agone, Girone, Gorgone,
granitone, Hermione, isopogone, laone, Latone, Lac^demone,
Mentone, matrone, monotone, (Enone, ozone, propione^
ramonej Suetone, Triones, Verone; — ferner^) Yonne
(lat. Icauna), in den Femininis bonne, couronnsj personne,
sowie in den zu den Maskulinis auf -on (= lat onem)
gebildeten Femininformen, wie baronne, bouffonne, bretonne,
folichonney friponne, hMsonne, mignonne, moutonney pa-
tronne, pietonne, pigeonne^ poltronne^ pouponne^ vigneronne
u. a. m.; ferner in consonne, Sorbonne, und den Städte-
namen Bayonne, Barcelon{n)e, Lisbonne, Ratisbonne,
ß) Geschlossenes o: Abeone, Adeone, adrophone, amazone^
Auzones, azones, Bone, canzone, damasone, diazone, zone
(nach Landais mit d); . — femer vor der Gruppe sne mit
verstummtem 8\ Cosne^ Groane, Losne.
synchrone zeigt nach Landais und Poitevin offenes g^ — nach
Littr6 und Feline geschlossenes q.
Circnmflelctiertes d vor n = gesohlossenes (langes) o in den
Lehnwörtern:
cöne, trone^ (afr. tron, trone, trosne), pröne (f\ir preone =
prceconium), Ancdne^ sdne, Sa&ne (lat. Saucöna),
2, Unbetontes o = oifenes o.
Abdolonyme^ Adonis, Adonai, agonie, admoniteury (dtonaisy
coordonable, cyclonote^ ironie, monarque, monode, monocorde^
ozone, sonore u. a. m.
Geschlossenes o haben actioniser, zoni,
t*') Vor silbenanlautenden, stimmhaften Dauerlauten
1. Der (betonte -unbetonte) Vokal o vor g (j) und v hat oifene
QuaUtftt = 9.
agoge, doge,^) Estoge, Limoges, löge, menologe^ poge^ toge; apa-
^) J. Jaeger, 1. c. S. 15.
^) Zu trone vgl. J. Jaeger, L c. S. 21 u. 36.
56 H. Barth
jovBy Harlowe, love^ Noves^ quinquenove; in Boyeman, Vos-
ges — vosgien mit stummem s.
abrogerjacologiej acrogene^ apogee^ loger , projet; amoviblcj Qower^
Howard, Jowag, nover, novice etc.
Oeschlossenes g in Canova, Casanova.
Der Tokal o Tor s (z).
1. Betontes a vor s (s) ist mit greschlossenem o notiert.
acormose, adenose, alose (Thnrot 247) ^ apotMose, amaurose,
anabrose, anadose, analose , antiphose, apodose, cataphose,
chose (Thur. 245, 446), dose, cenose, cyanose, colpose, dt-
agnose, dose, ectrose, enclose, exosmose, exostose, Oose, glose,
lordose, lose, morphose, pectose, pose, prose, ptilose, rose,
sose, sycose, Th4odose, Tobose.
Verbalformen: je dose, tu doses, ils dosent (Thur. 540).
2. Unbetontes o vor s (s) ist streitig;
die meisten Fälle zeigen geschlossenes g, andere Wörter sind mit
offenem g notiert.
Oeschlossenes g: alosier, apotheoser, apposer, amorose, cy-
anoser, composer, doser, gosier (Thur. 253), imposer, opposer,
poser, rose (Thur. 253), roseau u. a. m.
Verbalformen: nous dosions, vous dosiez.
Offenes g (meistens vor nachfolgendem i): aerosis, aerognosis,
autognosie, geognosie, sosie. Sosig ene, Sosibe, ozone, ozene,
ozonique, sozove, Corozo.
Anmerkung. Die Endung -osion zeigt ebenfalls geschlossenes g: ex-
plosion etc. — Die Endung -otion ist streitig; M.-Cazal 15, Fe-
liue notieren geschlossenes p; Littr^, Landais offenes o; Plötz,
1. c. S. 81 gibt geschlossenes p.') ae'romoUon, commoiion, ddvo-
tion, emotion, lotion, motion, nbtion.
Der Monoplitlioiig au
hat (betont wie unbetont) geschlossenes p.
datbse — dausoir, dausule, cause — causer, pause; Eauze,
tauze, Lauzun, Satdzais mit stummem l.
&') Vor silbenanlautenden, stimmhaften Momentan-
lauten b, d, g — gu.
1. Betontes wie unbetontes o = offenes o.
acropode,^) cegopode, alode, amdode, anectode, anode, anthra-
*) vgl. Plötz, 1. c. S. 28.
*) vgl. S. 29, Anm. 3.
») Zur Endung -ade vgl Thurot, S. 250.
Die Qualität der Reinen Vokale im Neil franz. 57
codßy astropodey cathodey catapode, code, commodej desmodsy
dipodej egopode, episode, epode^ exode, gaUodej geode^ hym-
node, Herodej iodsy m^thodej modcj monopode, node^ ode^
periodey pagode^ polypode, Ehode^ rhapsodey rode^ synode;
adobe (Thur. 251), aerophobey Amöbe, antilobej cobe, dilobey
ipilobe, globey hydrophobe, polylobe, robe (mlat. rauba, ahd.
roubön), garde-robe;
analogue, antilogue, apologue, astrologue, cataloguej dogtie,,
drogue, dialogue, eclogue, epilogue, fogue, g4ologue, isologue^
menologue, prologue, synagogue, theologue, rogue,
accomoder, acrobate, adrogation, apodose, cobolt, codex, doguer,
droguerie, dialoguer, feodal, fogone, Glogow, gober, hetSro-
doxe, incommoder, loguer, Lobau, logos, moderne, nogtiet,
obese, odieux, Oder, parodie, voguer.
2. Betontes wie nnbetontes an (ean) zeiget gesoliloflsenes o
(s. die Beispiele zu ß*^ e^', S. 59.
7j'') Vor silbenanlautenden, stimmlosen Konsonanten
Betontes und nnbetontes o vor den vorstellenden Konsonanten bat
offene Quantität = p.
1) Betontes o: acrote, ällebote, anigote, antidote, apote,
azote, barbote, cagote, camelote, cote, compote, despote,
Diodotej Gigote, hydropote, idiote, indivote, note, papillote,
pelote, pilote, redingote, rote, synote, vote; patriote, com-
patriote, galiote (Lehnwörter); acanthope, anatrope, apoa-
cope, boope, canope, chope, catope, echope, ecope, elope,
Europe, glaucope, genope, müanthrope, nope, ope, Pcurthi'
nope, Penelope, pope, Procope, Sinope, syncope;
anastrqphe, apostrophe, catastrophe, centrolophe, Strophe;
altiloque, Antiloqvs, bailloques, baroque, broque, hicoque,
Cadoque, choque, coque, equivoque^ epoque, moque, poque,
reciproque, toque;
Ändoche, anicroche, anoche, approche, bamboche, broche,
chavoche, coche, cloche, croche, egaloche, emboche, ßloche,
floche, hoche, Loches, oche, proche, saboche, reproche; cea-
nothe, Lamothe,
2) Unbetontes o. abricote, acochiton, ^gos, Potamos,
aerophone, a4rophore, aerostone, agioter, amocher, annoter,
anthophore, Antiochus, approfondir, approcher, Atropos,
ballotage, caloqtiet, clocher, choqvsr, caboter, cocher, coquer,
coquille, foccd, fagoter, geophagus, gedoper, jaboter, mo-
queur, noter, opera, ophite, opol, prochain, prophite, pro-
I)ie Qnniüät der Reinen Fokale im Neu franz. 59
£'0 Vor silbenanlautenden^ stimmhaften Momentan-
und Dauerlauten ö, d, g (guX — ^, v.
Der Monophthong an^ betont wie unbetont, hat geschlossene
Tonfilrbnng.
Betontes au, cdbicaude (Suffix -avde, dtsch. -ald^ -a), Avde^
chaude, cartaude, courtattde, crapaude, ^meraude, faude,
gaude, grimaudej lourdaude^ Maude^ maraude^ noiraudey
pataude^ ribaude^ tavde etc.;
auhe^ daube; aissaugue, assaugue, saugue;
Auge, augey beäuge, gauge Herbauges, mauge, sauge, Sauige
(mit stummem Z); «
chauve, fauve, guimauve, mauve, sauve, Tauves,
Unbetontes au. applaudir, Claudius, bretauder (Thur. 250),
auberge, aubepine, audace, auditoire, augure, auguste, bi-
caude^ bauder, baubis, chaudiere, cauder, embauder, echa-
fauder, echauder, fauder, grimaudage, Maubert, ravaudage,
vaudevüle, tauder;
Augier, aujourd'hui (Thur. 261), Auvergue, auvd, Beaujeu,
chauver, eauvole, Faujos, fauvette, fauveau, mauvais, ^) sauver.
f'O Vor silbenanlautenden, stimmlosen Konsonanten
dÄ, Pf t (ss), öj q,
an = geschlossenes o.
auckey hauche y cauche, dibauchey ebauche (Thur. 431), gauche;
fauque ;
saupey taupe, gaupe;
faute, haute, saute, (maltdte — afrz. mal-tolte),'^) maute, Baute;
BeaucBy bauce, Cauces, chauces, sauce;
Beaicsse, chausse, fausse, gausse, hausse, sausse.
auchois, Äufide, aucun, auparavant, auprlSy augueton, autant, Au-
teuüy audhentiquey autoer ate, baucher y beaucoup, BeauchampSy
cTuautiy heautiy FebaucheTy ipautieTy faucony gauperiey glaucope,
hauteury paupüre, royaute, tauper; aussiy aussitdty chaussSe,
defausser, exaucer, hausser, HaussonviUey saucer u. a. m.
ß) TdüTokale Yor sokken (sUbenanlantenden) lonseiiaiiten, wdcke
ans nrspringlicher lonsonantengemination oder mehrbeher lonsonaiu
hervorgegangen sind (vgl. s. 26 ß).
^) mauvais: Die Qualitätsbezeichnung mit offenem 9 ist nach
Landais regelwidrig; — dagegen Plötz, 1. c. S. 80.
^) J. Jaeger, 1. c. 8. 23.
60 H. Barth
aQ Vor silbenanlautender Liquida Z.
1) Circumflektiertes 6 vor l erscheint als geschlos-
senes; langes o = g: röle (ital. rotolo und ntUoy prov.
roüe, roUe; nach Littr6 ist die französische Form vom 14.
bis 16. Jahrhundert vorwiegend roole oder rooUe —
J. Jaeger S. 24); cantrßler, enröler; dröle, drölatique, trSle^
trSler, jSUe, hSler, hSlement
2) Offenes g in: coüe (coUa), aHMvoUe^ parmcoUe, sarcocoUey
aboUe, hachoüef cciqueroUe, Condoüey giroUey GnoUeSf peteroüe^.
quirdoUe^ signoUe^ trolle^ und den Femininis foUe und motte;
accoUS, Apottodore^ cotter, cott^ge, DoUard, HoUcaide^
moüesse, rotter, trotter,
ß*) Vor silbenanlautender Liquida r.
Der Vokal o hat offenes (sonores) o.^)
Andorre, Bijorre, GomorrJie, Torres- {Vedrci8),f abkarre; dbhorrable,
Borromies, coporrhie, gorra, horreur, lorrain, Torrls, torrent
Y*) Vor silbenanlautendem Nasal m.
Der Vokal o = offenes o.
honhomme, homme, Rtchomme, gomme, somme; assommer, Com-
mander, Dommart, gommer, commencer (Thur. 268), nommer,
comma.
3') Vor silbenanlautendem Nasal n.
Betontes wie unbetontes o zeigen offenes o.
Calonne, Cambronne, colonne, donne, Estonne, gönne, Garonne,
jordonne, nenne, pedonne, tonne,
äbandonner, actionner, adonner, bonnetj batonner, canonner, con-
naUre, digonner, ddtonner, jargonner, monnaie, postiüonner,
questionner, sonner, tcdonner.^)
e') Vor silbenanlautenden stimmhaften Momentan-
und Dauerlanten.
Der Vokal o = offenes o.
läge, üoge, horloge; gobbe, Hobbes, Pogge; diaggot, Dogger, globbie,
goddam.
?
vgl. S. 5S, Anm. 2.
GeschloBBenes o: lang in aurone (nach Bescherellef wie Sachs
angibt, auch auronne geschrieben und mit offenem 9 gesprochen) und
Rhdne.
JHe QuaHiät der Reinen Vokale im Nett franz. 61
^0 Vor silbenanlantender stimmloser Sibilans 88 (g).
Der Vokal o, betont wie unbetont, ersobeint dnrobwe^ mit oflbnem o.
armctglosse, airoce, hoho88e, bosse, hrosse (Thur. 249), cabo88e,
carosse, colosse, cosse^ crossey culosse, ditoce, JEcosse, imo88e^
endrosse y fSroce, fSrocosse^ gioglosse^ glosse, Josse, Lafosse,
mosse, molossCf nigoce, pelosse, pricoce, rosse, saeerdoce, Sara-
gösse, Strosse, irosse.
adossement, hossette, crosser, dosser (= glousser, Thur. 249), cm-
losser, dShosser, ' dcossais, embosser, firociti, focHe, fiossade, Ossa,
rossignol u. a. m.
Anmerkung 1. dosse hat nach Lesaint, Landais geschlossenes, lan-
ges p; nach Litträ kurzes, offenes p; desgleichen die Ablei-
tungen: äusseret, dossier etc.
gösse (= gausse, Thurot 249) mit geschlossenem o bezeichnet
Sachs als wenig gebräuchlich; d;e Ableitung gosser (=- gaiASser)
hat geschlossenes p.
fosse nach Lesaint, Litfcr^, Feline, Landais mit langem, geschlosse-
nem p, nach Moli^re (ißtourdi) kurzes, offenes p, was Sachs
als regelwidrig bezeichnet; ebenso zeigen die Ableitungen
geschlossenes p: foss€, fosserage, fosser^e, fossei, fossoyer,
fossoyewr und La Fosses (belg. Stadt — Namur),
grosse erscheint mit geschlossenem p, ebenso die Zusammen-
setzungen und Ableitungen: grosse -tiie, grosses -Uvres, grosse-
gorge, grosseur, grossir.
Anmerkung 2. Zur Endung -otion (-osion) vgl. S. 56, Anmerk.
Tj') Vor den übrigen (silbenanlautenden) stimmlosen
^Momentan- und Dauerlauten ch, ff, pp, U, sc.
1. Betontes wie unbetontes o haben holie Tonf&rbmig = p.
Die Wörter mit dem Suffix -oche (lat. -oceum, vgl. Diez, Gr. ü*
319),^) bamboche, cahoche, ipinocke, ßloche, maiUoche, galoche,
sacoche, pioche, taloche; femer in basoche, proche^ reproche,
approche, röche, floche (flocca) und dem aus dem Germanischen
entlehnten poche;
die Wörter auf 'Otte (meist Feminina — lat. utta oder oUa,
vgL Diez, Gr. II*, 374 — teils Erb-, teils Lehnwörter):
amelotte, babotte, baiUoUe, boUe, bigotte, bouülotte, cachotte, cagotte,
calotte, camelotte, capote, carotte, cülotte, cotte, orotte, Schalotte,
flotte, fotte, frotte, fiivrotte, garzotte, gelinotte, gavotte, gibelotte,
gotdotte, grotte (Thur. 250), hachotte, hotte, htdotte (Thur. 268),
jotte, Lamotte, linotte, machotte, manchote^ mar cotte (Thur. 249),
mignotte, pelote, perotte, polyglotte, quenotte, ribotte, rotte (Thur.
^) J. Jaeger, 1. c. S. 29 und S. 57 dieser Abhandig.
62 H. Harth
249), motte, suotte, sötte, trotte, vigotte; enveloppe (ethymolo-
gisch zweifelhaft), äoffe (Thur. 251), goffe (Thur. 251) u. a. m.
anotto, hachott^er, carotter, Coppet^ crott;er, deboiter, developper,
itoffer, flotter, hoUer, quotter u. a. m.
2. Betontes wie unbetontes an = gesoUosseneß o.
auffe, hauffe, ckauffe, dauffe, dchauffe, nauffe; chauffer, chauffiire,
^chauffer, Geoffro^, vauffelm.
r) Tonvokale vor solchen silbenanlantenden Konsonanten, vor welchen
in altfranzosiseher Zeit ein s verstummt ist.
Cironmflektiertes d, betont wie nnbetont, ersclieint dnrcliweg als
langes, gescMossenes o.
1) Circumflektiertes 6 vor l vgl. S. 53, 58, 60.
2) „ ^ vor m: binSme, chdme, chdmer, CSme,
dipldme, dipldmd, ddme, drdms, fantöme, GirSme, Jerdms, mdme,
mSmeresse, mömier, mdmir, nöme, polinßme, Symptome, Vend&me,
3) Circumflektiertes 6 vor n vgl. S. 55; ausserdem c6ne
(= cTosne),
Ausnahme: aumdne und die Ableitungen aüm&nerie,
aumdnier sind nach Sachs mit offenem, kurzem (halblangem) o
zu sprechen.
4) Circumflektiertes 6 vor v: alcSve, alcöviste; die Aussprache
mit offenem g ist nach Sachs veraltet; Bescherelle setzt hier
keinen Accent circonfl.
5) Circumflektiertes 6 vor t: hSte, hdtesse, hdtel, Ster, cdte,
cdter;
Pentecdte (Thur. 247) hat nach Sachs geschlossenes o, nach
nach M.-Cazal offenes o;^)
rdti (nach Dupuis 61, Q^j 108; M.-Cazal 13; Lesaint, 2. Aufl.,
436 mit offenem q — was Littre mit Landais als regel-
widrig bezeichnet; dagegen zeigen die Ableitungen offenes
q: rdtir, rdtissage, rdtisserie:
hSpital hat offenes g.
b) To&vokale vor (nenfranzösischem) mouilliertem 1 oder n
mit stummem e.
Die Yorkommenden Fftlle zeigen offenes o.
Bastogne^ hesogne^ Boulogne, Bourgogne, cogne, Cologne (Thur. 256),
^) vgl. Lücking, 1. c. S. 415 und 417, Anmerk. S: Wir erinnern
daran, dass Malvin-Gazal das lanp^e und das geschloBsene — , das
kurze und das offene o identifiziert.
Die Quaäiät der Remeii Vokale im Neu franz. 63
carogne, Catalogne, charognsy cigogne, Gascogne^ Oigogne^ g^ogne^
wTogne, pogne, Pologne (Thur. 257), rogne, Sologne, trogne,
vergogne, vigognsy vologne;
cognac^ fogner^ grogner, wrogner u. a. m., sowie in dem aus dem
Spanischen stammenden Fremdwort oüle (Aussprache nach
Littrö und M.-Cz. angegeben).^)
c) Tonvokale vor (neufranzösisclier) Muta cum Liquida
mit stummeni e.
a) Tonvokale vor nnpronglieh (lateinischer) oder dnreh romanisehen
Tokalansfall entstandener (einfacher) Inta enm Uqnida.^)
1. Der Vokal o, betont wie unbetont, bat offenes o vor den Verbindungen
br, pr, dr, tr, gr, or, tt, nr, bl, pl, 11, tl, gl, cl, 11, fr.
a) Betontes o: cöbre, copre, dogre^ octohre, approbre, propre,
sobrcy ogre, mddiocrey ocre, coffre, LocreSy mdlpropre, Licoptre,
Ägatocley binode, Empidode, Lochy girofte (Thur. 251), girofle^
PartfUnoplCy Patrode, sode, sinople,
ß) Unbetontes o: appropriery acoddide, acographey aconaSrogra-
phdsy shodadßy bodrat, CodlSy Codrus, Diod^Sy ddmocratey gio-
blastey gioglosaey obligeTy Obrecky ovry, progrlSy ProcriSy tocro,
2. Betontes wie unbetontes au = geschlossenes o.
atitrey epeautrey faucrey gaufre (Thur. 431), Lepautre, pauvre (Thur.
431), vautre (Thur. 440);
appauvrtr, BacepriaUy beauprS, BautrUy batfreury beau-frh'ey Cha^
teaubriandy ipaufreVy ftmorodsy navfragey pauvretiy vautrer; —
je vaudraiy nous vaudronSy il faudrcu
ß) Tonvokale vor ursprünglich geminierter Inta cum Liqnida.
0 hat offene Qualität = 9.
offrey offriry m^soffref soffre, coffre, coffrer,
yj) lN)r Tonvokal ist dnrch Terstnmmnng eines s vor Iota cnm
Liquida getreten.
Oeschlossenes 0: ap6trey Lenötre, nßtrey vdtrcj paJtenßtre^ dß-
ture; — zu notrey votre vgl. oben e.
*) J. Jaeger, 1. c. S. 87.
*) vgl. S. 82.
64 H, Barth
n. Der Tonvokal o (au) im Wortauslaut.
a. Im Wortauslant ohne folgenden stnmmen Zonsonanten oder
folgendes stummes e.
a) Drsprnnglieh einfache Male.
Der Vokal o 2ßigt geschlossenes o.^)
abacOy äbdomino, ablativo, accelerando, acho, adagio, adSnOy AeUoy
anottOy alto, alaco, amorosOj apoco^ arco, argilo, Argo, aristo y
BartholOy Calypso, Calisto, coco, da-capo, dacO'(roman), icho,
ergo, ferro, folio, galago, Kalo, HSro, imhroglio, indigo, irato,
Jirichoj loco, moto, o (als Buchstabe), Pilago, quarto, solo,
Tobaco.
Anmerkung 1. Der Vokal o erscheint als offenes g in Verbindun-
gen wie acidO'hasique u. a. m.; in den Zusammensetzungen mit
fibro . . .; fihrO'Cartüage, fibro-plastique, fibro-soyeux etc.; in der
Zusammensetzung :
filO'Capulaire; in den Zusammensetzungen mit
gallo : gallo -romain, Gallo -TFisigoik etc.; in den Zusammensetzun-
gen mit
gastro . . .: gastro-brochite, gastro-colite; überhaupt in zusammen-
gesetzten Ausdrücken, m welchen dann o als unbetontes o
erscheint — so bei neo . . ., ortho . . ., sacro . . . etc.
Anmerkung 2. Circumflektiertes o = geschlossenes o: P$, ö
(les d de Noil [nach Littr^; die Acad. ohne Acc.]).
ß) lenfranzosisehe Male, welche aas altfranzosisehen Diphthongen
entstanden sind.
Der Monophthong an (ean) hat geschlossenes o.^)
acquirau, aideau, AgcRSseau, (zgneau, aisseau, aimeau, appeau, areau^
au, asseau, bandeau, beau, Boüeau, bourreau, bateauj cäbleau^
cadeau, carreau, ciseau, couteau (Thur. 252), dau, doleau, eau
(Thur. 513), fardeau, fliau (Thur. 440, 512), FontainebUau,
forceau, gaveau, Glogow, guideau, horreau, Isabeau, Landeau,
Labau, Moldau, nassau^ oiseau (Thur. 439), oripeau, Paw, Pau,
peau, pinceau, poteau (Thur. 252), prdau (Thur. 440, 512),
sceau (Thur. 512), taureau, tassau^ vanteau, ä vau-Veau,
b. Der Tonvokal o unmittelbar vor stummem e im
Wortatislatit.
Der Vokal o in Ifoe, FoS hat geschlossenes o.
Anmerkung 1. Der Vokal o im Hiatus ist das tonlose, kurze,
hohe g, „oder das ö, weniff hervortretend, kurzer Vorschlag im
Diphthongen" (Sachs, L c. S. XIX.):
^) M.-Cz. gibt hier (für o und au) offenes p an; Lücking, 1. c. S. 416.
Die Qualität der Beinen Vokale im Neu franz. 65
acroatique, Adoald, aüochroä, aloide, aUoite, alotne, Cohen, emoeüer,
fotne, Foe, herotne, heroisme, moelle, poSle u. a. m.
ffo^l 0= OuelJ zeigt geschlossenes o; ebenso poa, poäere, po-
alker, poire, soif, Thoas; —
podte, poeme und die Ableitungen haben nach Sachs geschlos-
senes 0, nach Litträ und Landais aber offenes g; desgleichen
Zo^, egoisme, e'goisie, Zoile.
Anmerkung 2. Die Lautverbindung oo erscheint entweder als ein-
heitlicher Laut und dann bald als offenes o, bald als geschlos-
senes o;^) oder beide o werden gesprochen, wobei das erste o
durchweg als geschlossenes o erscheint:
a) 00 = offenes g: boobook, looc, Moore;
geschlossenes p: Chootz, Moospach, Noovoo, soole.
ß) oo = O'O: bg-obook, bg-op, bo-opis, Bg-oth, Bg-oz, cg- Obligation,
co-ope'rer, cg-opter, dicrg-ophiie, Flg-ovani, Aerg^on, Zg-
ohie, Zg-ogene, zo-ophore?)
y) 00 = u in entlehnten Wörtern: Cook, Cooper, Book etc.
prg-ode hat nach Littr^ auch offenes g; ebenso proodique,
Anmerliung 3. o ist stumm in: Craon, 6Vaonn^ (nach Lanaais mit
lautbarem oj, faon, faonner, Laon, Laonnais, paon, paonne, paon-
nier, paonneau — während in paonaee das o lautet.
c) To&vokale vor sttimmen Zonsonanten im Wortauslant.
a) Im Altfranzosisehen folgte aif den TonTokal einfache Konsonanz.
a') Die Liquida I.
Der Monophthong au zeigt geschlossenes g vor der
stummen Eonsonantengrnppe It, Id,
Berbault^ Desault, feravlty Gerauld, Gdricaulty grimault, raffaultj
Rigault, SaiUtj Vault
/90 Die Liquida r. (Beispiele fehlen.)
f) Stummem s (x, z).
Der Vokal o sowie der Monophthong an haben geschlossenes o.
1) Der Vokal o: adosj cäbos, chaosj dos, enctos, dispoSy dos,
endos, Droz, gros, heros, propos, repos, Lenclos, nos, vos — je
dos, tu dos.
Anmerkung, compos mit lautbarem s (nach Landais) hat ofFenes p,
mit stummem s (nach Feline) geschlossenes p;
Carlos nach Sachs mit lautbarem s und offenem p; die Aussprache
mit stummem s und geschlossenem p ist nach Sachs regel-
widrig;
Ecos nach Larousse mit stummem s und geschlossenem g, nach
Landais umgekehrt; desgleichen faros;
») vgl. S. 20 und Thurot, l. c. 497.
') tUcg*ol (akohol) und die Ableitungen zeigen offenes p.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VP. 5
66 H. Barth
logos hat stets lantbares s, aber bald geschlossenes p, bald
offenes p; desgleichen Minos and Thasos.
Laos zeigt bei stets lantbarem s geschlossenes o.
los und OS (Plötz, 1. c. 98) bei stummem wie bei lautbarem s
stets geschlossenes o.
2) Der Vokal att in den SubBtantiven — Singalar, wie im
Plural der Substantive und Adjektive auf -eauj -alj -aü:
aüodiauXy auXf atdx, amicatix, beauXf hocaux, Bordeaux
(Thur. 263), eanaux^ cartauXy cardinaux, chaux, chevaux^ corauXy
comttXj Debraux, Desbarreaux, DesprSaux, difavXy d^loyaux,
^gaux, SmauXy fatix, feaux^ ginSraux, glaux, höpitattXj journauXy
jumauXy libSrauXy locaux, MeauXj m^taux, mardchauXj ToauXy
moraux^ nasaux^ nominaux, nouveaux, originauXy prSvdtauXy
PuteauXy quintauXf rivaux, Sceaux, sinichavXy soupiraux, sur-
taux, tauXy totaux^ trümnartXj vantaux, ventauXy vaux, venaiix,
mtaux,
ä*) Vor stummem f (vacat).
e') Vor stimmlosen Momentanlauton, welche Im NeufranzSsischen
stumm sind.
0 wie au vor den stummen Endkonsonanten t, d, o, p aeigen
gesoklossenes o.
1) Der Vokal o: dbacoty abotj abricot, accot, acot, aigidUoty ayoty
Ämyoty anascoty angelot, bachoty baUot, barbot, bardot, beUoty
biblots, bofy brälot, cahot, cachot, coyot, caüloty eapot, cmssoty
charioty chicoty culot, dioggot, divot, ergot, escargoty fagoty faloty
floty femdotSy ganoty govloty grdoty halot, tloty idioty jaboty
loty Uroty linoty lorioty maiUoty manchoty moty pdloty povloty pÜot,
roty sanglot (Thur. 249), saboty troty corigeotj vieÜlot; sowie in
Eigennamen wie: Charloty Gruizoty Jacqtioty Lancdoty Jeannotj
Pierroty Margoty Yvetot
dropy galopy sirop, orocy lods,
Anmerkung, accroc und raccroc haben bei stummem c offenes p.
hloc bei lautbarem c hat offenes p (nach M. - Gz.), bei stummem c
(vor Eons, nach Litträ) geschlossenes p.
hloi mit stets stummem i hat nach Sachs geschlossenes, nach
Litträ offenes o,
Goih nach Landais geschlossenes p, nach Littr^ offenes p bei
stummem th; desgleichen Ostrogoih, Visigoik.
irop nach Landais, Lesaint, 2. Aufl. 87, geschlossenes o; nach
Dupuis 66 offenes p, was Lesaint für regelwidrig erklärt; in
in der Bindung bei lautbarem p offenes p (Plötz, 1. c. 8. 30, 81).
2) Der Monophthong au\ assauty avauty boucauty caut^ difavty
hauty hirauty ressauty sauty sursauty soubresauty tressautj ü vaut
— femer in den Lehnwörtern: artichautf marsatdt;
Die Qualiiäi der Reinen Vokale im Neu fr am. 67
badaudy band (auch mit lautbarem d)y bSgaud, chatid, clabaud,
couriaudy crapaudy ichafaud, grimaud, Giraud, lourdaud, maraud,
MiUaudj moricaud, nigaud, raoiraud, pataud, penaud, quinaiidy
ribatid, rougeaud, rustaud, noMaudy surdavdy trigaudy taud^
verdaudy Vaud,
ß) In Aitfranzosisehen folgte auf dei Tonvokal st, Ton welcher
firappe znerst s, später t verstofflmt ist.
Der Vokal d = gMoUossenes o.
aussitöty bientdty ü clSty dip6t, entrepdty impdtj prSvßty plutSty rSty
suppöty sitoty tantöty tdty sowie in Privost und Provost (mit ver-
stummtem 8t), Die Ableitung prSvötal, privöti haben nach
Dupuis 66, M.-Cz. 13 offenes q, nach Sachs und Littr^ ge-
schlossenes o.
B. In geschlossener Silbe.
a. Vor wortanslautendem einfachem Konsonanten.
1. Vor lautbarem, einfachem h
Der Vokal o = offenes o.
cUcooly Algoly areignoly bol, caracoly convol, coly Deolsy doly espa-
gnoly entresoly gioly Jtydroly hausse-cöly foly laitroly licoly moly
Koly opoly payoly parasol, PuyolSy ptdpoly Roly rossignoly Signoly
8oly toumesoly tercoly Tyrol, viol, viti'ioly voL
au = o: braut — doch Paül^) mit offenem q.
2) Vor auslautendem mouilliertem l.
(Bietet keine Beispiele.)
3) Vor auslautendem r oder r mit stummen Kon-
sonanten.
Der Vokal o hat offenes o.
AlcoVy alUnoTy cdidor, alligatory ÄlmanzoTy Äthory azoVy azuroVy eory
corridor (Thur. 251), dicory dory essoVy Evinory foVy gor^ La-
bradory LionoTj LuxoTy majory Mentor y ory quatuor, quadory so-
por, Täbory trSsor,
sor: Das (wenig gebräuchliche) Wort zeigt geschlossenes o neben
offenem.
*) (J. Jaeger, 1. c. 54, Anm. 1): Im 16. Jahrh. begegnet der Reim
Pol (Paul : fol) in einem Sprichwort, vgl. Livet, 1. c. p. 851.
68 H. Harth
ahordy accord^ accortj Alfort, alora^ apport, babard, Befart, Mtord,
bordy Cahoi'Sy CamorSy consortsj corpSy debord, efforty empört^
ErfoTty fiwdy forSy forty gabordy gordy horsy HorpSy lors, lordy
morSy mordy morty nord, perigordy port, Pussorty raiforty rapporty
regordy recorSy remords, ressorty sabordy sorty sporty supporty
torty torsy porc (bei stummem c).
au =^ geschlossenes q: gaur — doch Maur mit offenem o.
4) Vor lautbarem m (n) im Wortauslaut.
0 = oiTeiies o.
lomy Manom, monty Tom,
5) Vor lautbarem s (z) im Wortauslaut.
Die Qualität von o im vorstehenden Falle ist streitig.
Offenes o: jEgos, PotamoSy albinosy alfosy albomoSy AmoSj an-
thoSy apioSy AthoSy AtropoSy azygos, ColvadoSy CioSj CathoSy CoSy
Tinos (auch mit geschlossenem q), Badajoz (Badajox).
Geschlossenes o: ArgoSy DeloSy Colonosj Sthos, mirinosy Pa-
phosy PaloSy pathoSy ScyroSy — BooZy Persoz.
rhinociros hat nach Dupuis 67, Landais geschlossenes o; nach
Poitevin und Littr6 offenes q.
au = geschlossenes o; Caus.
6) Vor lautbarem / (ff) im Wortauslaut.
0 = offenes o; au = geschlossenes o.
Azofy doffy Koffy lofy lophy Plagoff y stoffy Yaloff; sauf,
7) Vor lautbaren stimmlosen Momentanlauten.
Der Vokal o hat offene Tonf&rbnngr.
alembrothy Allcotky atroc, blocy boc, boocy bistoc, CaradoCy chocy
copy coqy crocy estoCy 4toCy jiocy foCy frocy hadocky hocy hopy loc,
Karrocky Rocky Midoc, maniocy Molochy Naboky ocy ploCy rocy
Rocky socy tocy Tothy VidocQ,
Auch (6h) hat geschlossenes o.
coak (= coke) mit stummem a hat geschlossenes o.
b) Vor lautbarer, einfacher und zusammengesetzter Zonsonanz
ohne stummes e.
Der Vokal o aeigt in allen FftUen offenes o.
^) b, d, g; ß) bs, ps, x, ss, st, sc, et, pt, tt, tz; y) Üb, Ip, Id, It, If, Iz;
d) rc (rk, rq), rn, rp, rz.
cegüops, Alosty Amoldy AzoVy Bosc, CheopSy cobolty composty corby
CosSy girondolly poll, Cemebogy ithiopsy flossy floXy grogy Haröldy
Horriy Jacoby JbZe, Leopold, Kott, logy Ops, ost, OüroU, posU
Die Qiudiiät der Reinen Vokale im Neufranz. 69
phlox, pross, porc, Potty Reinolf, RuolZy Swedenborg^ Viborg,
Wolffy WormSf York, Zoon.
c) Vor lautbarer mehrfacher Zonsonanz und stummem e.
Betontes wie nnbetontes o = offenes o.
a) Vor r -f Kons. + e.
acrochorde,^) caborde, horde, isocorde, Laborde, torde, torte\ aorte,
Corte, redorte, bistorte, forte, porte, sporte;
euphorbe, orphe, dorque, estorgue, Minorque, orgue, Sorgues;
divorce, ecorce, torce, morce; dorche, torche; Gorze, quatorze,
orze, alicome, bicorne, corne, Hornes, raorne, ome, orle (Thur.
248), bome, borgne, caborgne, calorgrte;
Corve, morve; De Lorge, forge, Georges, gorge, orge; Delorme,
forme, Lormes, morme, norm^; desordre^ debordre, discordey
mordre.
abnormal, aborder, aborner, abortif, accome, accordd, absorption,
absorber, acormose, albornos, amorcer, amorphie^ arnortir, an-
ordie, anorganique^ anormal, apporte, aortique, Bordeaux, bomer.
CantorUry, chiorme (chiourme Thur. 252), corbeäle, corner, Cor-
neille, corporelle, corpsS, Cortez, corbiau, riformer, dSsormais,
ditorquer, dStortoir, dorcade, Dorval, efforcer, igorger, forgable,
forfaire (Thur. 260), forgeter, gorger, gortheen, morti, mortd,
Norvlge, orchestre, orval, portrait (Thur. 259), porcdaine (Thur,
266), ^ortir u. a. m.
ß) Vor / H- Kons. + e:
absolve, Adolphe, Amolphe, archivolte, Delolm^, dolc, Gisolfe, golfe
(Thur. 248), Hippomolgues, Pandolfe, Rudolphe, revolte, solde,
Solre, wolfe, Volkes, volve, volte, Volces,
absolvable, Bolbec, Colmar, colnad, colrabiy colti, dolman, poltron,
volter,
y) Vor sme, spe, spre, sque, sie, stkre, sire, xe, ohne, de, ctre, pte.
agathosme, coprosme, accoste, anagoste, coste^ geognoste, imposte,
poste, albirostre, altirostre, atricostre, rostre; aloxe, iquinoxe,
heterodoxe, paradoxe; rhogmje, Skopzes, Locke, sorque, cophte,
adopte, ipopte etc.
acosmie, anosmie, cosmologie, acrostique, accostable, aerostat, agro-
sÜme, apostat, apostrophe, Boston, costmne, obstacU, Bospore,
Bosbocque, acrospore, anthosperme, atmosphlre, phosphore, adopter,
caloptlre, aerognosie, gothique, Aloxane, aluminoxyde, approx-
(Fortsetzung hinter der tabell. Zusammenstellung, S. 74.)
^) Zur Endung orde vgl. Thurot, 1. c. S. 248.
.isanimensLeüung' der Reaniiaie
-1. o , ..Tfenea „ kurz« -
, I
■•■«•' I -iffane« o kurze« /-
,;„*; "*««« " kurze« .,
'■"' " [ ''ffepsH „ kurze;- o
'^" '■'■■^- '9-20, 21; 23; 29.
Die Qualiiät der Seinen Vokale im Neufranz.
71
für die Qualität und Quantität ')
Der Diphthong an (eau).
1. Betontes an.
Qualität. I Quantität.
2. Unbetontes an»
Qualität. I Quantität.
Der nachfolgende Konsonant: A. In offener Silbe.
Vor urspr. einfachem:
r
m
n
Vor den stimmhaften Dauer-
lauten : V
a
s(z)
Vor den stimmhaften Momen-
tanlauten
Vor den stimmlosen Konso-
nanten
Vor ursprünglich mehrfacher,
später einfacher Konsonanz :
Vor stimmhaften Momen-
tan- und Dauerlauten
l, m, n
Vor stimmlosem Kons. .
Vor geminiertem: /
r
m
n
Vor stimmhaften Momentan-
'und Dauerlauten: hhe, gge
Vor ch, ff, pp, tt, cc
vacat.
vacat.
vacat.
offenes
und
langes o
geschl. 0
geschl. 0
vacat.
vacat.
vacat.
Yi
»
n
Y>
n
n
geschl. 0
langes o
geschl. 0
vacat.
vacat.
vacat.
n
. n
n
geschl. 0
geschl. p
geschl. 0
vacat.
langes o
langes o
langes o
vacat.
geschl. 0
geschl. 0
geschl. 0
vacat.
n
»
»
w
»
n
n
»
n
V)
r>
n
r,
ji
r>
n
r
n
geschl. 0
langes o
geschl. 0
vacat.
halbl. 0
vacat.
halhl. o
vacat.
halbl. o
halbl. 0
halbl. 0
vacat.
»
w
n
n
halbl. 0
30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37; 40, 41; 43; 46; 52, 53; 58, 59, 60, 61; 64, 65,
72
H. Harih
Ber Tokäl o.
'
1* Betontes o.
2. Unbetontes o.
Qualität.
Quantität.
Qualität.
Quantität.
Vor monilliertem / nnd n
offenes o
halbl.
kurzes o
offenes o
kurzes o
Vor (oraprünglicli) einfacher
Mnta com Liquida . . .
offenes ^
halbl. 0
offenes o
halbl. 0
Vor (ursprüngl.) mehrfacher
Muta cum Liquida . . .
offenes m
kurzes o
offenes o
kurzes o
Ohne Konsonant und summest?
Vor stummem e
Vor stummem s (z) ....
Vor stimmlosen stummen Mo-
mentanlauten
geschl. 0
geschl. o
geschl. 0
geschl. 0
halbl. o
halb]. 0
langes od.
halbl. o
langes od.
halbl. 0
}i ^ff- ^
kurzes o
yacat.
Der nachfolgende Konsonant: B. In geschlossener Silbe.
Vor lautbarem einfachen / .
Vor mouilliertem / . . . .
Vor r oder r -f stumm. Eons.
Vor lautbarem m (n) . . .
Vor lautbarem s (z) ...
Vor lautbarem f (ff) ....
Vor lautbaren stimmlosen Mo-
mentanlauten
Vor lautbarer einfacher oder
zusammengesetzer Konso-
nanz ohne stummes e
Vor lautbarer melyrf acher Kon-
sonanz mit stummem e .
offenes o
yacat.
offenes o
offenes o
offenes
und
geschl. 0
offenes o
offenes o
offenes o
offenes o
halbl. od.
kurzes o
yacat.
langes o
halbl. 0
halbl. od.
langes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
yacat.
Die Qualität der Reinen Vokale im Neu franz.
73
mm
wü^mmatfma^tfmmmm
BAW
stamBmeasammmmittBaBmBmtmtaamm
Der Diphthong au (eau).
1. Betontes an.
Qualität. 1 Quantität.
8. unbetontes an.
Qualität. I Quantität.
Vor mouilliertem l und n
Vor (ursprünglich) einfacher
Muta cum Liquida . . .
Vor (urflprüngl.) mehrfacheir
Muta cum Liquida . . .
vacat.
geschl. 0
vacat.
vacat.
langes o
vacat.
vacat.
Ohne Konsonant a. stummes ief
Vor stummem e
Vor stummem s (z) ....
Vor stimmlosen stummen Kon-
sonanten
gesohl. 0
vacat.
geschl. Q
geschl. 0
ha^b). o
vacat.
laofipes od.
halbl. 0
langes od.
hal^l. Q
vacat.
Der naehfolgende KouBonänt: B. In^eBohlossener Silbe.
Vor lautbarem einfachen / .
Vor mouilliertem l . . . .
Vor r oder r + stumm. Kons.
Vor lautbarem m (n) . . ,
Vor lautbarem s (z) . ". .
Vor lautbarem f (ff) . . .
Vor lautbaren stimmlosen Mo-
mentanlauten
Vor lautbarer einfacher oder
zusanuueugesetzer Konso-
nanz ohne e mtiet . . .
Vor lautbarer mehrfacher Kon-
sonanz mit ^ muet . . .
geschl. 0
vacat.
geschl. o
vacat.
geschl. 0
geschl. 0
geschl. o
vacat.
geschl. o
halbl. o
vacat.
langes o
Yficat.
langes o
langes o
langes o
vacat.
langes o
vacat.
74 H. Harih <
mieTy atoxique, hicoxyde^ noxal, paroxysme, BosniBy floscutej
camyopse, catoptrique, coetion, noctume, Octavie, octroi, Öustozza,
Ddmosthhkef dioptre^ Dioscore, gioscopiSi horoscope^ obschie,
dogme, domne, CromveUj Gozzo.
Der Monophthong an hat ffOBchlosBones o.
balatiste, Auster, australf caustique, daustrcd, Bautzen, ddvauxite,
augmenter, Austerlitz, austeritS, saiddre, Vaulry, VauxhaU.
Für toster wird geschlossenes g neben offenem g notiert.
Resnltate nnd allgemeine BemeAnngeii.
Vorstehende Zusammenstellnng bietet für die Qualität des
Vokals o und Monophthongs au (eau) folgende allgemeine Ge-
sichtspunkte:
I. Das circumflektierte 6.
Betontes wie nnbetontee, cirenmflektierteB d hat bei langer
(halblanger) Qnantitftt geechlossene Qnalitftt.
(Vgl. 8. 53; S. 58 a" 1; S. 60 «'; S. 62 r\ S. 63; S. 63 r\
S. 67 ß. Ausnahmen: S. 62, r 3; S. 62.^)
IL Der Vokal o.
A. Der Vokal o mit der Qualität eines offenen o. *
a) In offener Silbe.
a) Im Wortinlant.
Betontes wie unbetontes o (bei halblanger oder kurzer
Quantität) ist offenes o (q):
1) Vor ursprünglich einfachem Z, r,*) w, n (S. 52, ff,).*)
2) Vor den stimmhaften Dauerlauten jj v (S. 55).^)
3) Vor den stimmhaften Momentanlauten b, d, g (gu) (S. 56).*)
4) Vor den stimmlosen Konsonanten öh, f (ph)^ p^ t, (th) k, qu
(S. 57).
5) Vor geminiertcm l, r,») m, n (S. 58 a', ß' r\ *')•
^) Zur Notation des circumflektierten o beiM.-Cz. vgl. Lücking,
1. c. S. 415, sowie S. 62, 5 nebst Anm. dieser Abhandl.
') Vor m und n ist Qualitö.t streitig; y^l. S. 53, 54, 55.
') Bei dieser Qualitätsbezeichnung entspricht die Quantität nicht
der Qualität; vgl. S. 48, Anm. 3.
*) vgl. S. 48, Anm. 4.
Die Qualität der Reitien Vokale im Neufranz. 75
"I Vor den gem. Btimmhaften Momentan- und Dauerlanten bj
g, S (S. 59).
Vor der stimmlosen Sibilans ss (g) (S. 59).
Vor den stimmlosen Momentan- und Dauerlauten (%, ^, pp,
— tt, cc (S. 61).^
. V^or mouilliertem l oder n (8. 62).
Vor (urspr.) einfacher Muta cum Liquida (S. 63).^)
• ' Vor (urspr.) geminierter Muta cum Liquida (B. 63).
ß) Im Wortauslant.
rnbetontes o im Hiatus zeigt offenes; kurzes o.
b) In geschlossener Silbe.
L ) Vor lautbarem einfachem Z, m, n, r (S. 67, f.).
Vor lautbarem s (z)^) (S. 68).
;) Vor lautbarem / (ff) (S. 68).
I) Vor den stimmlosen Momentanlauten c, cq^ k, ck, p, ty th
(S. 68 f.).
>J Vor lautbarer einfacher oder zusammengesetzter Konsonanz
ohne stummes e (8. 68).
f)) Vor lautbarer mehrfacher Konsonanz mit stummem e (8. 74).
. B. Der Vokal o als geschlossenes o.
a) In offener Silbe.
a) Im Wortinlant.
Betontes o = gescUossenes (qualitativ langes oder halblanges) o.
1) Vor dem stimmhaften Dauerlaut s (z) (8. 56).
ß) Im Wortaaslaut.
2) Am Ende eines Wortes, ohne Konsonant und stummes e
(8. 64).
3) Unmittelbar vor stummem e (8. 64).
4) Vor stummem s (z) (8. 65).
5) Vor stummen stimmlosen Momentanlauten (8. 66).
b) In geschlossener Silbe.
6) Vor lautbarem s (z) — doch auch offenes o (8. 68).
Anmerkung. Eine Verschiedenheit in der Qualitätsbezeichnung für
die Vokale « und o tritt zu Tage in folgenden Punkten:
^) vgl. die Qualitätsbezeichnung bei a S. 49, Anm. 3.
^) Vor lautbarem s (z) ist die Qualität streitig; vgl. die Beispiele
S. 68. Die von J. Jaeger S. 58 angegebene Quantitätsbezeichnuug „lang
oder halblang" spricht für geschlossenes o.
76 R Harih
1) Vor r (einfachem, geminiertem, aaslaatendem) bat a tiefe,
0 oifene Qualität — beide Vokale sind quantitativ lang.
2) Vor den Momentanlauten d, i hat a tiefe, o offene Qualität.
3) Vor einfacher Muta cum Liquida zeigt o überall offene
Qualität, der Vokal a vor gewissen Konsonantengruppen
tiefes a (S. 82).
4) Im Auslaut hat o durchweg geschlossene, a tiefe Qualität.^)
III. Der Monophthong an (ean).
Die Qualität des Monophthongs au bestimmt sich nach
Sachs (auch Piötz, 1. c. S. 30, 31) dahin:
Betontes wie unbetontes au (eau) haben geschlossene
(lange, halblange) Qualität, wobei Schwankungen vor r
vorkommen (8. 53; S. 56; S. 58 «'', /9", f\ ^';
S. 59 e", f"; S. 62 2; S. 63, 2; S. 64 ß-, S. 65, 66,
67, 68, 74); — vgl. dagegen die Qualitätsbestimmung
von au (eau) nach Malvin-Cazal (Lücking, 1. c. S. 417
und 418).
§ in.
Die Buchstabengruppe eu (obu, ob, ue).^)
Übersichtliche Darstellung Ihrer Qnalitäts- nnd Quantltätsverhältnlsse.
A. In offener Silbe.
I. Im Wortinlant.
Der Monophthong en (oen) zeigt offene Qualität.
1) Vor silbenanlautender Liquida l (einfacher, geminierter oder
mouillierter) bei langer Quantität vor einfachem /,*) bei
kurzer Quantität vor mouilliertem l.
a) Betontes eu.
a'ieule, bisaleule trtsateule, baveule, begueule, Deule, epagneule,
eteule (stipvla) (Thur. 452), filleule, geule, gueule, gueulf-bee),
meule, nieule, seule, veule, ils veulent; Rozerieulles;
*) Ein qualitativer Unterschied zwischen o und oi besteht vor r,
im Auslaut und teilweise vor n.
*) Orthographische Vorbemerkung — Plötz, 1. c. S. 32; Aus-
sprache und deren historische Entwickelung, Vertausch ang und Über-
gänge in andere Vokallaute — vgl. Thurot 442.
') Lesaint gibt kurze Quantitätsbezeichnung an; J. Jaeger, 1. c.
Seite 13.
l
Die Qualität der Reinen Vokale im Neu franz. 77
cueille, je cueiUe, tu cueilles, ih cuetUent, feuille,^) chevre-feu-
nie, parte -feuille, meuüle, treuiUe, je veuille, ils veuülent
ß) Unbetontes eu,
begueulerie, degueuler, egueuler, engueider, gueuleton, gueide-
tonner, meuleau, meulerie, meulette, meuton; breuiller, cueillir,
effeuiller, feuillage, orgueilleux^ Veuillot.
Ausnahmen: gueuler, gueulette, gueidard, gueulardise, ipeu-
leuse, epeuler zeigen geschlossenen Laut.
Anmerkung 1. Unbetontes eu im Anlaut zeigt Btets geschlossene
Quantität (Thur. 523):
eiihage, Euchah^e, eucalypte, enerasie, Eude'mon, euemie, Eugene,
euhage, . Eulake, Eumäe, etmugne, Eupatrides, Euphemie, Eu-
rope, Eusebe, Eustache, Euterpe, Eutnydeme, Euirope, Euxin.
2) Vor silbenanlautender Liquida r (einfacher wie geminierter)
bei langer Quantität.^)
a) Betontes eu (Thur. 520).
chantepleure y demeure, diiieure, Eure,^) Eure(- et - Loire), ex-
terieure, heure, inferieure, Interieure, majeure, meilleure,
mineure, neure, pleure (-misere), superieure, vlterieure, ih
meurent (Thurot 449), je meure, tu meures, je pleure (Thu-
rot 458);*)
beurre, baheurre (Thur. 451), feurre (Thur. 470), leurre, Seurre.
ß) Unbetontes eu.
chantepleurer, couleure, coeuret, defleurir, demeurer, desheurer,
effleurir, 4peurer, fleurir, fleurette, Fleurus, Fleury, Leurer,
heurisique, labeurer, meuron, Meurice, neurine, pleurer, pleu-
rerie, soBuretts, beurrer, beurrerie, embeurrer, teuerer.
Anmerkung 2. Unbetontes eu Yor Liquida mit nachfolgendem eu-
Laut ist mit geschlossener Qualität notiert.*
chaleureux, heureux (Thur. 449, 415), heureusete, Uquetireua:,
malheureux,peu9'eux — doch pleureux, pleurense mit offenem eu.
^) Zur Quantitätsbezeichnung nach M.-Cazal 117 vgl. Lücking,
1. c. S. 420.
2) OÄenes, sonores eu, vgl. Plötz, 1. c. 33 — Mätzner, 1. c. 12, c
— S. 53, Anm. 2 dsr. Abhandl.
^) Eure. Die Aussprache mit „w" bezeichnet Sachs als regel-
widrig.
*) M.-Cazal: r und n' — Lücking, 1. c. S. 420 und 421: Auch
bei eu ist wieder an die Identifizierung der qualitativen und quanti-
tativen Differenzen zu erinnern, S. 62, 1.
70
H. Harih
Zusammenstellung der Resultate
Der Tokal o.
1. Betontes o.
Qualität. I Quantität.
2. Unbetontes o.
Qualität. I Quantität.
Der Dachfolgende Konsonant: A. In offener Silbe.
X. Jzxi TP^ortiaa.lei'o.t.
Vor ursprünglich einfachem : /
r
m
n
Vor den stimmhaften Dauer-
lauten : V
9
s (z)
Vor den stimmhaften Momen-
tanlauten
Vor den stimmlosen Konso-
nanten
Vor ursprünglich mehrfacher,
später einfacher Konsonanz :
Vor stimmhaften Momen-
tan- und Dauerlauten
l, m, n
Vor stimmlosem Kons. .
Vor geminiertem Kons.: /
r
m
n
Vor stimmhaften Momentan-
und Daüerlauten : bbe, gge
V
9
Vor scharfer Sibilans: ss (g)
Vor ch, ff, pp, tt, cc
offenes o
knrzes o
offenes o
ofP. son. 0
langes o
off. son. 0
ofPenes
kurzes od.
offenes o
und
halbl. 0
geschl. 0
offenes
kurzes od.
offenes o
und
halbl. 0
geschl. 0
offenes o
langes o
offenes o
offenes o
langes o
offenes o
geschl. 0
langes o
offen, und
geschl. 0
offenes o
halbl. 0
offenes o
offenes o
kurzes od.
halbl. 0
offenes o
vacat.
vacat.
vacat.
offenes o
kurzes od.
halbl. 0
offenes o
offenes o
halbl. 0
offenes o
offenes o
kurzes od.
halbl. 0
offenes o
offenes o
kurzes od.
halbl. 0
offenes o
offenes o
kurzes od.
halbl. 0
offenes o
offenes o
langes o
offenes o
offenes o
halblang,
od. kurz.o
offenes o
offenes o
kurzes o
offenes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
halbl. o
halbl. o
halb]. 0
kurzes o
kurzes o
vacat.
n
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
^) Die Resultate der Quantität bei J. Jäger, 1. c. S. 19, 20, 21 ; 23; 29,
Die Qvaiiiät der Beinen Vokale im ßieufranz. 79
a) Betontes en^)
affreuse, dlumineuse, amasseMse, belliqueuse, boiteuse, brodeuse,
betteßf botieuse, caUeuse, cacheuse, creuse, dangeretise, Dieuze,
d4daigneu8e^ douteuse, icumeuse, envieuse, ^pincheuse, 4pi-
neuse, furieuse, geuse, gueuse, Gfretize, gSnireuse, heuse, hm-
reuse, imp4tueu8e (Thur. 553), jeüneitse, joyeuse, laiteuse,
luxurieuse, lieuse, majestueuse, Meuse, neigeuse, raffineuaef
aableuae, vaniteuse, yeuse (Thnr. 471); deusse, eusse.
ß) Unbetontes eu.
audacieusement, captieusete, creuser, creuset, Oreuzot, Eleusis,
bleusten, Eus^be, guetiserie, gracieuser, monieusement, scßu-
sceur, Vieuzac, zeiizere; bieu88on, Teucer, aeleucide, leuci.
2) Vor den silbenanlautenden, stimmhaften Momentanlauten b^
d, g (gu); quantitativ langes eu.
Endes, leude (nach Diez, W. B. 11, e von lerita, nach teugue;
Sachs dtsch.).
Breughel, Eubee, enheuder, eudimon, feudol (Thurot 470), feu-
diste, heugenon, Leuben, Meudon, Neubois, pseudo und seine
Ableitungen, Pleudihen.
Ausnahmen: greube hat langes, offenes eu.
3) Vor den silbenanlautenden, stimmlosen Konsonanten t (ih),
p, c, qu, f, ph; quantitativ langes eu,
erneute, meute, quev^ue, Octateuque, Pentateuqae; bleute, Ceuty,
Deucalion, deuterogamie, Eleuthere, 4leuth4rie, eutarie^ Eu-
terpe, feuquiere, dmeuter, Eupatoides, Euphorie, feutier, leu-
cociphale, Leucade, leucocyte, lieutenant, leucomele, neutonien,
Newton, queuter, teutonique, Teutobourg.
bc&ufer hat offenen Laut.
4) Vor Muta cum Liquida in den Verbindungen tr, dr, er,
d, fl; quantitativ langes eu.
feutre, pleutre, neutre, Seudre; — Eutrope, feutrable, neutralite,
heudoir, Teucrie, teucrien, Euclide, teuftet, eugraphe.
Anmerkung zur Qualität von cd.^
Der Monophthong m ohne nachfolgendes u hat die Laut-
bezeichnung eines halblangen, geschlossenen e; vor folgen-
*) In allen Pemininis auf -eiise (= iat. 'Osa).
*) Orthographische Vorbemerkung — Plötz, 1. c. S, 32,
72
H. Harih
M
l>er Tokäl o.
1* Betontes o. 2. Unbetontes o.
Qualität. Quantität. Qualität. Quantität.
Vor mouilliertem l und n
Vor (ursprftnglicli) einfacher
Muta cum Liquida . . .
Vor (ursprüngl.) mehrfacher
Muta cum Liquida . . .
offenes o
offenes o
offenes ^
halbl.
kurzes o
halbl. 0
kurzes o
offenes o
offenes o
offenes o
kurzes o
halbl. 0
kurzes o
Ohne Konsonant und summes«?
Vor stummem e
Vor stummem s (z) , . . .
Vor stimmlosen stummen Mo-
mentanlauten
geschl. 0
geschl. 0
geschl. o
geschl. 0
halbl. 0
halbl. 0
langes od.
hsSbl. 0
lansres od.
halbl. 0
jl off. o
kurzes o
vacat.
Der nachfolgende Konsonant: B. In geschlossener Silbe.
Vor lautbarem einfachen / .
Vor mouilliertem / . . . .
Vor r oder r -f stumm. Kons.
Vor lautbarem m (n) . . .
Vor lautbarem s (z) ...
Vor lautbarem f (ff) ....
Vor lautbaren siimmlosen Mo-
mentanlauten
Vor lautbarer einfacher oder
zusammengesetzer Konso-
nanz ohne stummes e
Vor lautbarer mehrfacher Kon-
sonanz mit stummem e .
offenes o
vacat.
offenes o
offenes o
offenes
und
geschl. 0
offenes o
offenes o
offenes o
offenes o
halbl. od.
kurzes o
vacat.
langes o
halbl. o
halbl. od.
langes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
kurzes o
vacat.
Die Qualität der reinen Vokale im Neufranz. 81
2) Vor stummem e (und im Hiatus) — quantitativ langes
(halblanges) eu, (Thur., 1. c. 447.)
bleue f lieue, banlieue, queue, queue blanche, queue-de-lion,
chaqueue, rouge-queuef feue.
Hiatus: aveuer, bleueur, bleuätre, bleueur. euemie, aleuatSy
euexie,
3) Vor stummer Liquida r (halblang, nach Lesaint kurz).
monsieur, messleurs (Thur. 537).
4) Vor stummem s (x, z), quantitativ lang oder halblang
(J. Jäger, 49).
CaqueuXy cevac, Descüieux, Desßeux, deux deux (-quatre), etix,
preux, queux, Saint- Preux^ vieux;
je (tu) peux, je meus, tu meus; sowie in den Pluralen und in
den Masculinis aller Adjektiva auf eux (= lat. ösus) (Thu-
rot 537): f eux, hebreux, jeux, lieux, milieux etc.
alumineux, amoureux, audacieux, belliqueux, calomnieux,
dangereu^c, envieux, epineux familUeux, fameux, fdcheux,
gueux, galeux, genereux, industrieux, joyeux, laitev^, mieux,
quinteux, victorieux:
5) Vor stummem f, quantitativ halblanges eu.
bcßuf in den Verbindungen boduf gras, boeuf sale und im Plural
— sonst lautbares / mit offenem eu-Laut.
eteuf mit stummem/^ geschlossenen Laut; bei lautbarem / offenen
Laut; ebenso neuf;
Neuf 'Brisach, Neufchdteau, Neufchdtel, neufme, Neufmoulins^
neuf-huit, Neufbourg (mit stummem f).
o&uf mit lautbarem offenen eu, oder mit stummem geschlossenen
ew-Laut; — Plural oeufs mit stummem fs und geschlossenem
Laut — fs lautet in cßufs am Ende des Satzes. J. Jäger,
1. c. 57.
6) Vor stimmlosen Momentanlauten (halblang).
no&ud (Thur. 446), il pleut, il peut, il meut, Saint- Brieuc oder
bei lautbarem c offenen Laut.
Zschr. f nfrz. Spr. u. Litt. VI i.
82 H. Harih
B. Der Monophthong eu (oeu) in geschlossener
Sübe.
Der Moncphthong eu (oeu) in geschlossener Silbe vor wort-
auslautenden einfachen Konsonanten hat offenen Laut.
1) Vor lautbarem einfachen l (halblang).
aleulf bisaieulf trisateul, epagneul, filleul (Thar. 461), glaleul,
greuly linceul, seul, tilleul.
2) Vor auslautendem mouillierten l (quantitativ kurz in den
Wörtern auf -euil, -ueil,
accueil, Argenteuil, tuteuil, Breteuil, bibreuü, breuil, bouvreuil,
cerfeuü, deuil, ectieil, ecureuil, fauteuil, Nieuil, osil, cßiUet,
cßillade (Thurot 462, 465), orgueil, Reuil, recueil, Santeuil,
seuil, treuil, Vouneil.
3) Vor wortauslautendem einfachen r oder r mit stummen
Konsonanten (quantitativ lang). (Thur. 447, 459.)
ardeur, ambassadeur, auteur, ampleur, agreeur, bäilleur, bai-
gneur, bonheur, chaleur, cacheur, coiffeur, couleur, choßur,
ccßur, dissipateur, empereur, erreur, fdcheur, fleur^ flatteur,
hauteur, honnetcr, interieur, jauneur, jeuneur, Jongleur, la-
beur, leuVy mächeur, meilleur, majeur, malheur, pdleur, pe-
cheur, sableur, valeur;
ailleurs, feurs, heurt, — je meurs, il meurt.
Ebenso in der Verbindung: rte, rle:
heurtej Meurthe (Thur. 450), meurtre, heurter, meurtrier, heurler,
4) Vor lautbarem / im Wortauslaut (kurz).
bcßuf, Chassebcßuf, Elbeuf, eteuf, ^teuffier, mceuf, neuf, neuf-
quatre, ceuf (Thur. 447), peuf, veuf,
moßurs, s. Plötz, 1. c. 34.
Anmerkung. Bayreuth hat offenen Laut, Teut geschlossenes eu;
leuc und Piosuc mit lautbarem c haben geschlossenes eu;
vor lautbarem o: geschlossener Laut: äeuocieme, Euxide, Zeuxis;
ebenfalls in zeugme;
y Ol st gibt Sachs offenen Laut an: Neustrie, neustrien —- Plötz,
34 B, geschlossenes eu.
Die Qualiiäi der reinen Fokale im Neufranz, 83
§ IV.
Der betonte Vokal e (e, 6, e; ai, ei, ay, ey).
A. In offener Silbe.
I. Im Wortinlaut.
a. Vor (neu&anz.) einfacher Konsonanz mit stummem e.
a) Vor solehen [silbenanlaotendeB] Konsonanten, wekho anf lateiniseho
einfache Konsonanz zurückgehen.
a') Im Lateinischen befand sich der Konsonant zwischen
zwei Vol(alen.
O Vor silbenanlautender Liquida L
Der (betonte) Vokal e^) (ai, ay, ey) zeigt halboifene q^ftlitftt = e.
In den quantitativ halblangen (meist gelehrten) Femininis
der Adjektive auf -eile (lat. -ahm) und in der quantitativ langen
Endung -ele:
accidentdle, actuelle, annuelle, casuelle, charnellej continuelle,
corporellef criminelle, cruelle, esexuelle, eternelle, eventuelle,
formelle, graduelle, ideelle, manuelle, matdrielle, matemelle,
mortelle, mutueUe, naturelle, paternelle, perpetuelle, reelle,
sensuelle u. a. m.
Adehf amphismele, cadenele, cistele, clientUe, corditUe, diatele^
ecmele, ectromele, fidele (Thur. 189), infidele, modele, parallele,
territeles, tabiteles, Urgele, zUe; sowie in den gelehrten Wör-
tern: Schelle (scald), pelle (Thur. 21), voyelle, abele, arele;
alle (Thur. 337), Bayle, Veyle.
Verbal formen: je cele, tu celes, cele, agnele, hourrUe, congele,
decelent, degeles, ecartUe, harcelent, martele, modele, pele,
Circumflectiertes e ist desgleichen mit halboffenem, halblan-
gem e notiert: hUe, beler (balare Sachs).
^") Vor silbenanlautender Liquida r.^)
Betontes e (ai) vor r hat offenen (quantitativ langen Laut = e),
1) Wörter auf -aire (-ärium, -äria): abecedaire, abeadaire.
*) Zur Qualität des Vokals ^, zur qualitativen Differenz der ver-
schiedenen ^- Laute und deren Geschichte (Accente etc.) vgl. Thurot,
1. c. p. 87 ff.; für ai und ei: livr. II, chap. I et II. — M.-Cz. (Lücking,
1. c. 426, 427) notiert für ai vor /.• i = tres ouvert, für e: e = e moyen.
*) QiMUild de Te, Permutations , Dierese — vgl. Thur., 1. c. chap.
VIII, p. 471—490.
84 H. Harth
absiraire, accusataire, actionnairej actuaire, adversaire, cestu-
aire, agraire, aire, Ayres, ampuüatref ancillaire, angulaire,
annulaire, arbitraire, baccilaire, baccaulairey barbaricaire,
Belisaire, brumaire, Caire, calcaire, capsidaire, claire, com-
mentatre, commissaire, consulaire, dataire, deposüaire, die-
tionnaire, dietaire, doctrinaire, douaire,^) emissaire, esclaire,
ßmbriaire, formulaire, glaire, glandairej glossaire, grammairej
haire, Hilaire, imaginaire, jubüaire, lactaire, lapidaire, li-
neaire, Macah^e, maire, major ataire, mercenaire, necessaire,
obligataire, paire, quaire, radiaire, raire, rdiquaire, secretaire,
trinitaire, tutelaire, uvaire, volontaire, vulgaire, Voltaire,
2) Wörter auf -ere und -iere:^) Abdere, acere, aigriere, ai-
guillere, aligere, amere, atmosphere, aubhre, baccifere, bais-
siere (Thur. 29), banniere, Baviere, bergere, bacheliere, beliere,
boulangere, bruylre, büre, Bructeres, caractere, carriere, Cer-
bere, cJiaumih'e, chhre, cMm^rej cimeti^re, Cleres, cremailUre
(Thur. 29), cuiller (mit lautbarem r: die etymologisch rich-
tige Schreibung cuülere kommt auch vor, Thurot 198, vgl.
Belveder und Belved^re), coUre, Cubi^res, dalinh^e, elath'e,
enchere, flere, Fleg^re, galere, garqonnüre, gemmifere, Guil-
lotiere, haussiere, Harzere, ibere, jardiniere, Lep^re, legere,
lumiere, magistere, maniere, minist ere, mislre, Moliere, mo-
nastere, Mezieres, mystere, pantiere, priere, rayere, severe, ta-
pere, telliere, Valere, vipere,
T*") Vor silbenanlautendem Nasal m.
Der Vokal e kat kalboffenen (langen) Laut = ^.^)
absteme, agrosteme^ akneme, anatheme, Aristodeme, centieme.
Creme, deme, diademe, embleme, edeme, medeme, Neoptoleme,
noeme, quantieme, poeme, Thellme, theme, tireme, und ebenso
creme, s. später y.
Anmerkung. Ob die Ordnungszahlen mit dem Suffix -ieme: cinquani-
ieme etc. hier anzuführen sind, ist bei der unsicheren Etymologie
derselben zweifelhaft (J. Jäger 35 und S. 90 dies. Abhandl.).
(J") Vor silbenanlautendem Nasal n.
Betontes e (ai, ei) vor n kat kalboffenen (langen) Laut = e.^)
1) Die Feminin-Endung -aine: achaine, aine, anabaine,
*) douaire (Thur. 544).
2) (= Srium oder -erum — Lehnwörter, J. Jäger, 1. c. S. 13;
Thurot, p. 476.
^\ M.-Cazal notiert für e vor r hier e = e moyen ouveri (Lücking,
1. c. 427).
*) Zur Endung -ieme vgl, Thurot, 1. c. p. 477.
^) Zur Endung -aine vgl. Thurot, p. 321; für -eine Thur., p. 341;
für 'ienne Thur., p. 477.
Die QualiUlt der rdiien. Vokale im ^eufranz, 85
aquiiaine^ aubaine, hedainpj bourdaine, centaine, cinquantainej
chevaine, daine, douzaine, dizaine, fontaine, foraine, f utaine,
graine, geraine, hautaine, laine, mondame, maine, puritaine,
plaine, raine, saine, semaine, souveraine, vaine, vilaine,
2) Die Endung -eine: aveine, baieine, Eyne, Heine, haieine,
Ma[g]deleine, peine, pleine, sereine, veine, verveine, domaine
Bazahie, Braine, Elaine, entaine, fayne, Maine, misaine,
mitaine, Paine, Quaines, sowie in den zahlreichen Lehnwör-
tern auf Eigennamen auf -ene:
acene, acridogene, acrogene, adene, adelog^ne, aghne, akhne,
Alcmene, alanoghne, anablnes, ar^ne, Athenes, AntistMnes,
balsamodene, bequene, cadene, carene (Thur. 231), Celenes,
cere, Commenes, diachene, digene, ebene, gaihne, gazolhie,
glene, Helene, heterogene, hyene, Icenes^ Modhne, mene, ob-
sclrie, seine, sirene, Hermogene.
3) In den zahlreichen Femininis der Substantive und Adjektive
auf -ien, -ienne (== -ianum) (quantitativ halblang): achalenne,
adoptienne, aer ienne, alizeenne, ancienne, Andr ienne, am-
moneenne, baccienne, babylonienne, Bienne, cayenne, chienne,
chretienne, citoyenne, doyenne, Etienne, etreenne, egyptienne,
gardienne, Guyenne, indienne, Kaldeenne, Henne, malenne,
meridienne, mienne (Thurot 471), moyenne, ovarienne, pal-
enne, rubienne, sienne, tienne, vaurienne, Vienne; ebenso en-
trenne (lat. strena, nach Littr6 im 12, 13, 14, 15 und auch
noch im 16. Jahrh. estraine, im 15. Jahrh. auch estrainne
und estrene, im 16. Jahrh. auch estrenne geschrieben), garenne
(garer) und dem Fremdwort renne (schwed. ren).^)
4) In Wörtern, deren heutiger Tonvokal aus zwei, früher im
Hiatus befindlichen Vokalen durch reciproke Assimilation oder
Unterdrückung des vortonigen Hiatusvokals hervorgegangen
ist: *) chaine (chaine) afrz. chatne und chaeine;
gaine, afrz. gaine; degaine (nach Littr6 auch ohne Accent
circonflex), rengaine;
faine (afrz. faine), faineau;
haine (afrz. harne); reine (afrz. reine — Thur. 510);
seine (afrz. saene, seine); traine (von trainer &nB trainer) ;
gene (gehenne) Thur. 509.
Zur Endung -alne s. Thur., 1. c. p. 499.
O ^or silbenanlautenden, stimmhaften Dauerlauten
^, V, s (z).
Betontes e (ai, ei) zeiget halboifenen (langen) Laut = e.
niese (aleze Thur. 25), Beze, cacogenese, carchlse^ Edeze, en-
^) J. Jäger, 1. c. S. 15 — quantitativ lang.
Dk QuaMtät der reinen Vokale im Neufranz. 87
ß') Im Lateinischen oder durch romanischen Vokalausfall
folgten auf den Tonvokal zwei Konsonanten, von welchen sieh der
erste vokalisierte und mit dem Tonvokal zu einem (altfranzösi-
schen) Diphthong verband. (vgL S. 25, /?.')
1) Die hierher gehörigen Fälle: e (ai, ei) vor silbenanlauten-
der Liquida l (m, n fehlt), und vor den anlautenden stimm-
haften wie stimmlosen Momentan- und Dauerlauten sind
mit halboffener Quantität notiert.
2) Vor der Liquida r ist offenes (langes) e notiert:
freie (afr. fr alle) ^ haue (Thur. 316).
aide (Thur. 314), raide, aigue, Aigues-Mortes; aigue- marine,
resaigue, faisse (fascia), fraisse (*fraxa), laisse (zu laisser,
laxare), abstraite, defaite, entrefaiteSj parfaite, traite, re-
traite, laite.
abstraire, affaire, attraire, etraire, traire, braire, deplaire,
plaire, faire, veraire.
Zur Endung -aire vgl. Thur. 1. c. 316, 317.
ß) Tonvokale vor solchen (silbenanlantenden) Konsonanten, welche
ans nrsprnnglicher Konsonantengemination oder mehrfacher Konsonanz
hervorgegangen sind (vgl. s. 26 ß).
«') Vor silbenanlautender Liquida l (II).
Betontes e vor 1 (11) hat halblangen (halboffenen) Laut = q.^)
airelle, acmeUe, alimelle, alumelley amelle, anseile, Anpeile,
apelle, Arnelle, arondelle, aselle, aiselle, aissdle, bagatelle,
balancelle, baucdle, belle, Bruxelles, camelle, cannelle, ca-
prelle, carpelle, cazelle, chamelle, chandelle, chapelle. Dar-
dandles, darddle, demoisdle (Thur. 27), dentelle, embelle, die,
femelle, gabelle, gouelle, Lacretelle, lamelley libelle, manivdle,
Montelle, morelle, Nivelle, nouvelle, nuelle, ocelle, ombrelle,
parelle, Puelle, sdle, Stdle, truelle, vielle,
Verbalformen: fappelle, tu appdles, 4pdle, renouvelle, ils
se querdient, ils se fiagellent, il se rebelle.
Das circumflektierte e in prde (asperella) hat gesphlos-
senen langen Laut.
Anmerkung. Ausnahmsweise lautet <? = ö in:
poile, moeUe (umgestellt aus meole, welches e nach den Orthoe-
') In Übereinstimmung mit a' a!\ S. 83. — M.-Cazal gibt vor
doppelt geschriebenen Konsonanten ausser r (e^ = ^ moyen ouvert an
(Lücking, 1. c. p. 427 — doch bei Verbalformen: fe'pelie, il renouvelle
etc. die Notation d^ = e moyen demi-ouvei^i dazu Lücking's Anm. *** 428.
» »
*" *• n:, und ß" 2 > ■
^- ly-r? ai vor /• i\r
.*/ >'*'•
Die Qualität de?' reinen Vokale im Neu franz. 89
341), pi^ge, pleige, privüegey rege, sacrilege, siege,
./ye, Stratege; — siede.
lormen: fahrige, tu abreges, ils abregent,
.V u n g. Diese, der thatsächlichen Aussprache angemessene Schreib-
eise der Wörter auf -ef/e mit Acc. grave = ege ist erst neuer-
ings in Aufnahme gekommen; bei den meisten Schriftstellern
aidet man noch e in allen Formen (so auch bei Sachs). G. Lan-
^enscheidt, 1. c. S. 24 — vgl. dazu Thur., 1. c. 471, 475.
'or siJbenanlautender stimmloser Sibilans ss (q),
er Vokal e (ai) hat halboffenen (halblangen) Laut = e.^)
n, accortesse, acutesse, adresse (s. v. zu adresser), cares.se,
^eresse, clergesse, comtesse, altesse, ajustesse, anesse, bas-
"fe, billeresse, besse, cabesse, deesse, dresse, duchesse, deli-
.esse, faiblesse, finesse (Thur. 22), gentillesse, gesse, har-
sse, hotesse, hautesse, ivresse, jeunesse, justesse, maitresse,
illesse, noblesse; desgleichen in cesse, coesse, confesse, com-
esse, Edesse, esse, expresse, fesse, Hesse, lesse, messe, naissent,
lisse, paissent, presse, professe, promesse, tresse (Thur. 22);
f'sse, baisse, caisse (capsa), epaisse, faisse, graisse, paisse;
Endung -ece (quantitativ lang, Thur. 475): tece, espece, niece,
d^ce, vesce, Vegece.
7') Vor den übrigen (silbenanlautenden) stimmlosen
Momentan- und Danerlauten.
etontes e (bei kurzer oder halblanger Quantität) zeigt halboffene
Qualität.^)
'^che (Thur. 341) (prov. crepia, ahd. krtppa), flecke (Thur. 34)
(urspr. dtsch.), seche (sicca), s^che (seiche — sepia (Thur. 340),
(nach Mathieu, Dictionn. des rimes); preche (afrz. preechier);
%e (auch ebe, nach Poitevin ebe);
i^ff^y g'^eff^j Semeffe;
)ie Feminina mit dem Suffix -ette (= vlglt. -itta — Diez, Gr.
11^, 373 und Romania VI, 227).
aigrette, aiguilette, ailette, aliguette, alguette, alouette, allumette,
amourette, amusette, anisette, Antoinette, avalette, bachelette,
baiette, baiUette, bandellette, banquette, bannette, barquette,
belette, bluette, boursette, brünette, buvette, cachette, cadenette,
chambrette, Chemisette, chosette, cigarette, clichette, cuvette,
Damiette, dagaette, doucette, doublette, etalette, etiquette (Thu-
rot 32), fadette, Fayette, fermette, galette, gazette, Gilette,
girouette, guette, hachette, Jeannette, lette, lancette, Macette,
*) M.-Cazal; für e = e^\ für ai = i; für -iece e^.
'^) Zur Qualitätsbezeichnung bei M.-Cazal s. S. 87 ^
90 H. Barth
miette, maignelette, navette, noisette, onglette, palette^ piecette,
pierrette, quintette; sowie in bette (*betta), cette, dette, emplette,
nette, recette, sagette, sujette, vette.
V e r b a 1 f 0 r m e n : je jette, tu jettes, ils jettent, jette.
r) ToBvokale vor solchen silbenanlaotenden Konsonanten, vor welchen
in altfranzosiseher Zeit ein s Terstnmmt ist.
Der TonYokal e hat halboffenen (langen — halblangen Laut).^)
feie (feile), grele (afrz. graisle, gresle), Nesle, pele (pene),
heche, depeche, dreche, C'ompeche, fraiche, meche, peche, reche,
reveche, — vgl. S. 86, Anm. 2.
Angouleme, hapteme, bareme, Barremej Belleme (Bellesme),
bleme (Thur. 324), Boheme, breme, careme, chreme, extreme,
meme, Mesmes (mit stummem s), supreme.^)
alene, chene, freme. Genes, pene, vene, Surenes, ebenso in chesne,
Duchesne, Laisne mit stummem s.
crepe, guepe, archeveque, eveque; reve;
arete, apprete, bete, crete, fete, prete, quete, tete, tempete (Thu-
rot 62).
b) Tonvokale vor (nenfranzösiscliem) mouilliertem 1 oder n
mit stnmmem e.
Betontes e (ei) erscheint als halboffenes (kurzes) e (Thur. 327).
abeille, Bourdeille, bouteille, corbeille, Corneille, groseille, mer-
veille, oreille, oseille, pareille, Reille, seille, surveille, teille,
treille, veille, vermeille, vieille (Thur. 475).
ambi^gne, duegne, regne ;^)
araigne, baigne, beigne, chdtaigne, craigne, daigne, empeigne,
enseigne, f eigne, musaraigne, peigne, Sardaigne, seigne, taigne.
Zur Endung -iegne (Thur. 329, 478)^ für -eigne (Thur. 348).
c) Tonvokale vor (neufranzösisclier) Muta cum Liqnida
mit stummem e.
OL) TonvoJLale vor nrsprünglieh (lateinischer) oder dnrch romanischen
Vokalansfall entstandener (einfacher) Inta cum Liqnida.
e erscheint als halboffenes, langes e~.
algebre, celebre, Lbre, ghebre, Gu^bres, Hebre, riebre, tenebre^
Zebre,
^) Übereinstimmend mit den Notationen zu S. 87, 86, 84, 85; —
M.-Cazal notiert ^ im Inlaut e = ires ouvert (Lücking, 1. c. 426 H),
*) Vgl. S. 84, Anm. (suprime = supremus, also kein s verstummt).
^) M.-Cz. notiert für die Endung -egne e^ (Lücking, 1. c. 427 ß).
Die Qtmlität der reinen Vokale im Neufranz. 91
Abouhkkre; cMre, dodecaMre, ledre, octaedre;
aigre, allegre, integre, laigre, Ugre, maigre, n^gre, p^gre, vaigre,
Upre ;
cerometrej ' aUtre, baitre, balHre, haromHre^ geometre, metre^
pietrey traitre (Thur. 500), triquHrej urHhre;
haUvrCy btevre, chevre (Thur. 75), fevre, ßevre, Genevre, levre,
lievre, genievre (Thur. 482), mievre^ sevre, orfevre (Thur. 478);
ferner in Desvres, Sesvres, Mesvres mit stummem s; Liepre
(mit stummem p);
faible, hieble, reble, regle (Thur. 340), rieble; siede (Thur. 478J;
nefley trefle (Thur. 76); aigle, Feinaigle^ Laigle, seigle (Thu-
rot 33 9). 0
ß) Der Vokal e vor orsprünglieh gemilderter Iota eoin Liquida.
e hat halboffenen (kurzen) Laut = e.
admettre, commettre, emettre, mettre, lettre (Thur. 75).
i) Der VoJLal e ist durch Verstummung eines s vor luta cum
Liquida getreten.
Die Qualität ist die eines halboffenen (langen) e = f .^)
ancetres, Bicetre, bissetre, champetre, chevetre, connaitre, em-
petre, etre, fenetre, guetre, maitre, naitre, paitrej pretre,
salpetre (Thur. 86), reitre (Thur. 512), vepre.
II. Im Wortauslaut.
a. Im Wortauslaut ohne folgenden stummen Konsonanten oder
folgendes stummes e.
a) Ursprünglich einfache ToJLale.
Der Vokal e erscheint als geschlossenes (stets halblanges) e == e.
In der Endung e (= -atum, -atem):
abbe, Abs, acerbite, adoue, amitie^ aine, avoue, beaute, bl4,
carrej charite, chertej cite, clarte, clerge, conge, cötej cruaute^
Danae^ de, degre, delie, ducke, ehe, eplore, equite, ete, ferme,
gre (Thur. 336), gue, le, liberte, marche, moitie, Noe, ne
(Thur. 337), pitie, pre, prejuge, sante, vanite, variete, verse
^) aiire fatfiumj veraltet -— hat nach Bescherelle keinen Accent
und offenes e (e.)^ M.-Cazal setzt für e vor hr, hl = e^ (Lücking 427/J;
für ai vor gr, gl, ir, sowie für <? vor tr, pr = ^ an (ires ouvert) S. 426.
Die Qualität der reiften Vokale im Neu franz. 93
qualitativer Unterschied für die Substantive und Adjektive
nicht vorhanden; die Quantität betreffend gibt Sachs für die
Substantive auf -ee langes e an, für die Adjektive und Parti-
zip def. halblanges e: J. Jäger, L c. S. 44, 45.
2. Die Monophthonge ai, ay, ey haben halboffenen, halblang-en Lant.
(Thur. 293). ')
anthropokaie, aunaie, haie, hraie, boai/e, boulaie, buissonaie,
cerisaiCf chätegneraie, chenaie, claie, coudraie, craie, effraie,
Delehaye, essaie, etaie (dtsch.), frenaie, futaie, faye, gaye,
glaye, glaie, haie, harjpaie, hetraie, ivraie, laie, maie, mort-
naie, offraie, osteraie, pommeraie, raie, saie, seye, soulaie,
saussaie, täte, fremblaie, vraie,
Verbalformen: fessaye, tu essayes, il essaye, asseyent; faie
(auch aej mit Nachschlag von j gesprochen), desgleichen paie
(paye) ; einen Nachschlag von / oder i gibt Sachs für die
familiäre Rede bei fast allen Wörtern auf -oie zu (Thur. 294:
et d^autres [et c^est la prononciation qiii est approuvee par
JBeze] pronongaient plai-ie, e-ie etc.).
Anmerkung 2. abhaye. Die Aussprache in abhaye (afrz. abeie, abaie
[Thur. 502), gibt Sachs nach der Akademie und nach M. -Cazal
mit geschlossenem e und mit einem Nachschlag von i an ; dagegen
Nodier und Landais stellen halboffenen, halblangen Laut fest,
mit Nachschlag von i.^)
gaie (vgl. gai S. 92, Anm. 1) hat geschlossenes e.
c) Der Vokal steht vor stummen Eonsonanten im
Wortanslaut.^)
a) Im Altfranzoskehen folgte anf den Tonvokal einfache Konsonanz.
a*) Die Liquida I (kein Beispiel).
ß') Vor stummer Liquida r.
Der Vokal e zeigrt geschlossene halblangre Tonjf&rbnng = e.
1) In den Substantiven und Adjektiven auf -ier und -er (=
lat. ' avium, -arem, -erium, -erum):
acier, alenier, atelier, aubier, bachelier, baudrier, bouclier, ca-
^) Der qualitative Unterschied zwischen ee und aie, aye, eye tritt
hier wie vorhin (S. 91, 92 a, ß) hervor.
'^) cobaye (nach Littr^ = kobä-i).
8) Zur qualitativen Differenz des e vor lautbarem oder aber vor
stummem Konsonant, vgl. Thurot, 1. c. p. 48: „3fais la prononciation
de la consonne finale eocerga une action dedsive sur la qualiie de Ve; ü
ne resta fei^me que la oü la consonne finale devini muette; mais partout
oü Von continua ä prononcer la consonne finale, Ve^ qui devait Hre ferme,
devint ouvert sans exception^ wobei offenes und halboffenes e theoretisch
nicht unterschieden ist).
94 H, Barth
feier (Thur. 512), cafeyer, cafetier, coessier, cahier, cellier,
cliantier, acharoutier, chevalier; courrier, denier, demier,
ecolier, entier, evier, faisandier, foyer, greffier, gibier, herbier,
jar dinier, laurier, leyer (Thur. 56), metier, meunier, panier,
premier, quartier, Eegnier, sentier, tahatier, tablier, verdier,
verger u. a. m.
2) In der Infinitiv - Endung -er, (-are):
aimer, affaiter, affraicher, appreter, arreter, habiller, hiatifier,
bercer, brüler, casser, charger, chercher, dater, declarer, don-
ner, errer, fermerj fortifier, greler, habiller, incliner, jeter,
laisser, manquer, montrer, nommer, obliger, payer, quadrer,
realiser, supplier, tomber, verser, veiller, user, zebrer,
Anmerkung. Das lautbare r in der liaison, welches für die Infinitiv-
Endung nur in der Poesie eintritt (Plötz, 1. c. S. 139, 140), be-
wirkt für die heutige Qualität keine Änderung — wohl in frü-
heren Sprachperioden (vgl. Thur., 1. c. 59 ff.).^)
7-') Vor stummem s (x, z) (Thur. 50).
1. Betontes e (mit oder ohne Accent) zeigt geschlossenen (halblangen)
Lant = e.
assez, ardez, Bex, biez, Brulez, chez, Guez, Illiez, Jallez, Nat-
chez, nez, rez; ferner in den Pluralen: barres, bouts-rimes,
estropies u. a. m.
Verbalformen: vous avez, vous serez, vous parlez, vous ayez,
vous parlieZj vous parlerez, ayez, soyez.
Anmerkung. Forez hat halboffenes oder geschlossenes e;
lez, recez, Tousez haben halboffenes e = e;
Geriisez halboffenes e bei lautbarem z, sonst geschlossenes e.
sonnez (nach Littr^, M.-Cazal 38, Boil. Satire X, 220 — geschlos-
senes e, nach der Acadämie halboffenes e (was Littr^ ent-
schieden verwirft).
2. Der Vokal mit accent grave nnd ai haben halboffenes halblanges e.°)
«) Die Wörter: apres, aupres, congres, eres, des, deces, dres,
exces, gres, pres, profes, tres;
ß) des und in femininen Verbindungen wie Descartes, Descamps,
Desmarets etc.; ces, les, mes, tes, ses und vor stummem ts:
aguets, entremets, mets, rets und die Verbalformen: tu es, il
est, je mets, tu mets,
f) Im Suffix -ais (lat. -ensem): anglais, biarnais, bordelais, can-
*) M.-Cazal notiert e (Lücking, 1. c. 434 ß),
^) Zur Qualität der Endung ~iez vgl. Thur. 1. c. p. 50, 471. M.-
Cazal zur Endung -ez notiert e (Lücking, 1. c. p. 434 /?).
*) M.-Cazal für ai vor s notiert ^ (ires ouvert) Lücking, 1. c.
425 B; für die Wörter ces, mes etc. = e^) S. 426,*.
Die Qucdität der reinen Vokale im Neu franz. 95
tonais, courlandais, Scossais, frangais, hoUandais, irlandais,
lyonnaisj marais, jportugais etc.; ferner in:
ahlaisy ais, Calais, Cayx, chablais, chais, Campeix, Ühaumeix,
dais, deffaia, delais, desormais, engrais, epais, faix, frais,
glaisy hamais, jais, jamais, lais, laquais, meix, mais, nais,
jpalais, paix, rabais, rais, relais, niais, sigrais u. a. m.;
' sowie in den Verbalformen:
favais, itais, appelais, faurais, je serais, je menerais, je plais,
je trais, tais (Thur. 30 C), je fais, je vais (Thur. 325), mit
Ausnahme von: je sais, tu sais (il saitj, (Thur. 306).
Anmerkung. Offenes e (== e) haben nach Sachs:
abces, acces, progres und acces; in den beiden letztern wird auch
halboffenes e (^) gesprochen. — Zur Endung -es (= -essusj
vgl. Thurot 52.
legs (afrz. lais, s. y. zu lavisierj hat nach Lesaint, Litträ, Dupuis
halboffenes e fqj, nach Poitevin geschlossenes e (e);
Sachs notiert halboffenes e (e), mag das nur orthographisch
eingeschobene g lauten oder nicht (Thur. 333).
dO Vor stummem f.
Geschlossenes (lialblanges) e (e) in:
clef (auch de geschrieben), hief (= hiez); wird / in bief ge-
sprochen, so hat bief halboffenes e (e); in chef-d^oauvre,
chef' cens mit stummem / ist halboffenes, halblanges e (e) no-
tiert (s. später 8. 98, 6).
sO Vor stimmlosen Momentanlauten, welche im NeufranzSsischen
stumm sind.
Der Vokal e (ai) zeigt halboffene (halblange) Qualität.^)
ablet, acrelet, Adrets, amelet, archet, armet, auyet, Bajazetj
baillet, batelet, bandet, bezet, bittet, bonnet, bouquet, Cabet,
cadet, chapetet, chevalet, ctairet, cor sei, couplet, defet, decret,
echets, effet, epittet, Eymet, Fouguet, grosset, gilet, Guichet,
tancet, itet, jaffet, jet, tinguet, maigrelet, maguet, maittet,
martelet, mairet, net (auch lautbares t), objet, Odet, oittet,
parapet, pauvret, prefet, projet, replet, secret, trajet, viotet
u. a. m.
abait, attrait, Clairfayt, Chandetait, extrait, faids, fait (auch
mit lautbarem t), forfait^ imparfait, laid, tait, mait, par-
faity retrait, soukait, ptaid, trait, — sowie in den Verbal-
formen: avait, hait (Thur. 520), fait, partait, parier ait, met,
*) M.-Cazal notiert hier e^ — Lucking, 1. c. p. 426, 2 — vgl.
Thurot, 1. c. p. 53.
h4
^, . y/ mit iumuarrm - - .uu. . .ts !:r> •' ;
Au-^'^prartit' m luMn-n a\-\ .\^n>onaj:rtiiveTnindiiii^ rf.- in Jedrtn
hulif wjru tiir . .uui^i-i«. m ^. .'a*.;,;: an^eireben ivjzl. Pir»tz.
I 0, s. l: •♦ • ^*t' -- "■
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In ;*'; '<'' *k::\v:i.n: .: \.>^;^nK.:v •t-n'ic'^ifb der Enilkon-
soDaattrc. * -c-Ji w.r* >?-• \ ui'tmii .r,» '^rv.niiiit'ni / ha n> ot fe-
il rf-. QU. .j^iiT^^ f. »^' .u.:r- .»rtvr. v# i.»i:*'^"n "aui.! »offenes lvarze>
B- ^ In geschlossener Silbe.
t^^ f'^iud • bat kalMhMB li^iatM) Lhüe.'^
■fir-nj«-|
1 ////,<# //^* w^'^* f'^ f^^t mi 9 estmftetie, est, acquest, arrest, forest,
Ca tihHt ftßf'f^ff ^^ ^''''^ d'nftrt'9 t mmm/nite des mUmtrs (Thor., L c. p. 54^
4 Vj/j '( >»"^ ^/'. '^ ' «'/nl notiert hier e^ (Lückiii^^ p. 42^^ ^v.
Die Qualitäi der reinen Vokale im Neufranz. 97
maUridj mid, missel, mortel, mutud, naturdj Neuchätel,
noely nouvelf postel, perpStudy quel, lequel, Rochd, scely sd,
spiritud, tel, Uriel, Wenzd, — Steinheil.
2. Vor auslautendem mouillierten l.
e hat lialboffenen (kurzen) Laut.^)
appareil, conseil, Corbeily Creil, eveil, mÜailj orteil, pareil,
pueily remeil, reveil, Bueil, soleil, sommeil, teil, vermeil,
Verceil, vieiL
3) Vor auslautendem r oder r mit stummem Kon-
sonanten.
e (ai) erscheint hier als offenes, langes e ffj.^)
air (Thur. 334), chair, dair, dair, edair, impair, m^sair, pair,
vair;
Abner, Antipater, Alger^ Alfader, Beider, Bouffiers, Boner,
ehester, JEgger, Esther, Euler, Gessner, Geer, Gers, Fugger,
Jupiter, Lucifer, Manchester, Scaliger, Oder, le Veser\ —
alt-er, amer, asper, helv^der, Cancer, eher, cuiller, cutter, en-
fer, ether, fer, daler, gaster, hiver, hier, magister, mer,
pater, ver,
agers, amers, Auvers, anders, couvers, devers, divers, ers, le
Gers, envers, Nivillers, Nevers, pers, univers — facquiers,
tu acquiers (Thur. 475 J; Albert, concert, couveH, desert, des-
sert, disert, decouvert, Egbert, exert, expert, Gilbert, Hubert,
couvert, offert, rouvert, souffiert, vert — il acquiert, il sert,
je perds, il perd.
clercy mauclerc, Leder cq, Ledere;
cerfy serf, nerf (vgl. Plötz, 1. c. 8. 121);
Berg, Königsberg, Vergt.
Anmerkung. In amers, anders, hers, pers, pervers ist das s bald laut-
bar, bald stumm; tiers hat stets lautbares s (Thur. 475).
4) Vor lautbarem m (n) im Wortauslant
e = halboffenes e.
abdomen, Achem, Aden, adrem Althen, amen, Bethlehem, Cal-
den, Coethen, cerumen, Coetquen, dictamen, dolmen, Eden,
Ensichheim, gluten, harem, Hellen, hymen, Heim, idem, Je-
rusalem, Kraken, Laquedem, Niimeti, Yemen, Ziem;
examen (nach M.-Cz. 60; nach Littr^ und Landais mit Nasal-
Laut).
*) Vgl. Thur. 346.
«) In allen Fällen gibt M.-Cazal = e^ an (Lücking 422) (in der
Endsilbe).
Ztchr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VH. 7
98 ff. ffarth
5) Vor lautbarem 8 im Wortauslaut.
e = halboffenes (knrBOs) e ({),
ahieSj apices, BrueySj Sees, Sieyes (Sieyes), Charoes; Agnes,
alo^s, alkermes, AntareSy Ajppries, asperges, Averroes, Codes,
Cebes, Ceres, Damocles, Dejoces, Eyries, es, Fualdes, Gades,
Hades, Hermes, Ines, Manes, Manzanares, Poles (Thur. 78),
Phares, Thaies, Uzes, Verres, Xires, Kerxes,
6) Vor lautbarem/ im Wortauslaut.
e = halboffenes kurzes e (ej.
ceronef, href (Thur. 481), hief (vgl. S. 95, &), hrief, chef, grief
(Thur. 472, 481), lief, Joseph, nef, relief.
7) Vor den lautbaren stimmlosen Momentanlauten
c, chy q (cq), p, t (th),
e = halboffenes (kurzes) e (^l
avec, bec (Thur. 49), cleguerec, echec, Erec, Eyk, grec, hec,
illec, Laemec, mec, rebec, sec, varec (varech Thurot 192);
Amalech, Delpech, Lambrechts, Lantech, Pech, Maibeck, Pecq.
cep (sep) vgl. S. 96; nep, salep, julep;
Albret, debet, Elisabeth, Nazareth, sept, cet, net (vgl. S. 95);
Aleth, anetJi (auch mit stummem th), leth,
V) Vor andern laiitl)aren einfachen oder zusammengesetzten
Konsonanten ohne stummes e.
e hat geschlossenen (kurzen) Laut = e.
b: Bab-el, Mandeb, mahaleb, caleb, Oreb:
d, g, v: Alfred, Edred, Ized, Seid, taled; meg; Kiev, Mohilev;
mSfps: nems; cepSy biceps, forceps;
x: Aix, (x bald s, bald ks) ; apex, carex, CasteXy Daix,
Estex, Essex, GeXy index, interreXy Oyex;
sc, seh: Lambesc; dagaesch, Fesch;
ss: mess;
st: lest, Pest, Est, Ouest (Thur. 545);
et (cht), cq: Fecht, Lübeck, Utrecht, copeck; Refecq;
tch: Ketek;
tz, z: Äletz (t ist stumm), Alvarez, barometz, Barthez, bezy
Cortez, fahlertz, Filetz, Fernandez, Fez, Juarez, lez^
Reiz, Retz, Rhodez, Senez,
It: Crivet;
rf, rs: cerf, nerf, serf (vgl. S. 97); amers, anders, bersj
per 8, pervers, -tiers (vgl. S. 97).
Die QveUität der reinen Vokale im Neufranz, ^
c) Vor laiitl)ar6r mehrfacher Konsonanz mit stummem e.^
e = halboffenes (knnses) e = f oder e,
a) e vor r -j- Kons. + e hat offenen (kurzen) Laut = e'; Albu-
querque, alerte, Artaxercej asper ge (Thur. 25), auberge, Au-
vergne, averse, baleverne, Berthey certes, cerque, cierge^ cherche,
cercle, commerce, conserve, convercle, derle, derme, desertc,
deverse, Dom^ergue, Erdre, ermes, ferme, gerbe, gerce, gerle,
goberge, hiberge, herbe, herque, Hertz, herse, homocerque, im-
berbe, inerte, interne, isotherme. Kerne, lanterne, lacerne,
Laerce, Lavergne, Lerne, lairdge, laird, Ugniperde, Malherbe,
malberge. Malesherbes, Mam^rte, merle, Montmerle, merde.
mergue, moderne, Offerte, Palerme, perce, perche, perdre, perle,
PerseSy perte, quaterne, quinquerce, recherche, renvcrse, serve,
süperbe, tabeme, vierge (Thur. 479), tierce, verbe, verte, zerde.
ß) e vor l -f- Kons. -[- e = halboffenes (kurzes) e = f : Ansdme,
Ddphes, Beige, Celse, Celte, Elbe, elfe, Elme, guelfe, isa-
delphes, Gueldre, pelte, qudque (Thurot 75), svelte, schelme,
vdche, vdte,
f) vor dm£, gm£, mne, sme, spl, sgu, sd, st, sth, sdre, stre, x,
xt, et, ctr, pt, ptr, cqu: Edme, eclegme, parapegme, pJdegme,
smegme, indemne, lemne, antidesme, epidesme, mesple, ba-
belesque, ßabesque, fresque, picaresque, Vesque, Dreste, Aceste,
asbeste, couteste, Digests, Este, geste, inceste, manifeste, Pre-
neste, reste, veste, Vesdre, bimestre, enclestre, englesfre, La-
prestre, Maistre, palestre, trimestre, Aixe, anexe, asexe, bi-
flexe, circonflexe (Thurt 189), complexe, convexe, implexe,
perplexe, rißexe; contexte, texte; collecte, synodecte, dialecte,
gastronecte, insßcte, Pandectes, Electre, chepte, chepthe, di-
leptes, lepte, septre, greque, Mecque, pecque, Rebecque.
*) Thurot, 1. c. p. 62, zu den Wörtern auf: erc, erd, ert: „ZV a
ioujours eu dans toutes ces finales le son ouvert, que leur atlribue Lo-
noue;^ ferner p. 63: „Dans les mois en: erque, erce, erse, erche, erque,
erge, erle, erde, erpe^ erbe, ei've, erle, trne, ergne, erme, ertre, les e soni
marqties comme ouverts par les auteurs, et la remarque, par laquelle La-
noue (erge) attrtbue Ve ouvert aux mois en ei'ge s*appUque evidemment
aiix autres. VaUard (50) leur donne te ferme, mais so7i temoignage est
isole et sans auiorite.
7
^
B, Barth
Zusammenstellung der Resultate
Ber V«kAl e.
BetonteF e
ai «BT, CiL eT|.
Betomtes «i
Qnatirift. *J-^*"-^*
IK
^ » >ii
i )(tei ufotiTMidi. Konsonant: A. In offener Silbe.
"W oxtiÄli
r
IM
Y 'j' '* '^liJu.w.bAft^.fi Dauer-
^ ^" '- -t.j.
M /
Vor ^i' i u. 1 ^i',t^ tt$ K'»tito.; /
r
m
Vor .'^ >u.u t.i^U^fi Mftutf''titiin'
Vor >* />a/"f<'/ h,''/J;*Oi»: ## /"^y
V'// /7/, /jT, /v^ ((, cc
Vo/ //,V/.y »Hfi^m l urui »
Vor ^i/^p/^/i/JjW^/ KUifiuthtir
Vor <<iir|//.>/ij<i./ wjir<<rJ«t<iher
hal>»off.
oüen
halboff.
halblang 1 lialboftii
lang
r
r
r
lang
ihalblg.)
lang
1»
r
halblang
(lang)
vacat.
lang
racat.
halboff. I halblang
offen
balboff.
lang
Iran
«
; lang
' halblang
(kurz)
halblang
(kurz)
offen
Tacat.
balboff.
T
vacat.
halboffl
lang
lang
lang
kurz
l lg. (hlblg.)
offen l^ng
yacat.
offen
vacat.
▼acat.
lang
▼acat.
halboff.
yacat.
halboff.
?»
vacat.
halblang
vacat.
halblang
(kurz)
lang
vacat.
Die Qualiiät der reinen Vokale im Neufranz.
für die Qualität und Quantität
101
Der Vokal e.
Betontes e
Qualität. I Quantität.
Der Mono|)hthong
ai (ay, ei, ey).
Betontes ai
Qualität. I Quantität.
II. laaa T?^ort8i-u.sl8i-u.t.
Ohne Konsonant und summest
Vor stummem e
Vor stummem r
Vor stummem s (z) . , . .
Vor stummem f
Vor stimmlos, stummen Kons.
Vor stimmlos, lautbar. Kons.
geschloss.
n
halboff.
halblang
lg.(hlblg.)
halblang
n
«
halboif.
»
vacat.
halboif.
halboflF.
halblang
vacat.
halblang
halblang
kurz
n
lang
kurz
lang
kurz
Der nachfolgende Konsonant: B. In gesell lossener Silbe.
Vor lautbarem einfachen /
Vor mouilliertem / . . .
Vor r oder r -\- stumm. Kons
Vor lautbarem m (n) . .
Vor lautbarem s (z) . .
Vor lautbarem f (ff) . . .
Vor lautbaren stimmlosen Mo-
mentanlauten
Vor lautbarer einfacher oder
zusammengesetzer Konso-
nanz ohne stummes e
Vor lautbarer mehrfacher Kon-
sonanz mit ^ mviei
1) vor r ....
2) vor and. Kons. .
halboif.
n
offen
halboff.
n
n
n
offen
halboff.
(hlbl.) krz.
kurz
vacat.
offen
vacat.
halboff.
offen
halboff.
vacat.
lang
vacat.
lg. (hlblg.)
lang
n
102 H. Barth
Die vorstehenden Beispiele mit den beigefügten qualitativen
(quantitativen) Notationen verweisen für die Qualität (Quantität)
die nachfolgenden Sätze.
L Circumflektiertes e (ai)
zeigt bei halblanger (langer) Quantität stets halboffene Qualität
(vgl. S. 83, 85, 87, 90, 91, 96).
IL Der Vokal e.
A. Der Vckal e mit der Qualität eines halboffenen e.
Betontes e seigt lialboffene Qualität.
a) In offener Silbe:
1) Im Wortinlaut tiberall (mit Ausnahme vor r.
2) Im Wortauslaut bloss vor stimmlosen Momentanlauten,
welche neufranz. stumm sind.
b) In geschlossener Silbe (mit Ausnahme vor r).^)
B. Der Vokal e mit offener Qualität
vor r (einfachem, geminiertem im Wortinlaut; oder einfachem
oder zusammengesetzten [r -f~ Kons.]) in geschlossener Silbe.*)
C. Der Vokal e zeigt geschlossene Qualität
im ganzen Wortauslaut mit Ausnahme des vorstehenden Falles
vor stummen, stimmlosen Momentanlauten. ^)
III. Die Monophthonge ai (ay, ei, ey).
A. Die vorstehenden Monophthonge zeigen durchweg halb-
offenen Laut.*)
B. Die vorstehenden Monophthonge haben offenen Laut
nur vor r (einfachem, geminiertem oder zusammenge-
setztem = r -f- Kons.).^)
Die Quantität anlangend, so zeigt:
^) halboffenes e a) In offener Silbe im Wortinlaut:
halblange (lange) Quantität; kurze Quantiisit vor geminiertem m,
n, vor den stimmlosen Momentan- und Dauerlauten (daneben halblange
Quantität) und vor ursprünglich mehrfacher Muta cum Liquida.
*) offenes e stets lange Quantität.
') geschlossenes e durchweg halblange Quantität (vor stum-
mem e auch lang).
Zur Qualität:
*) Die halboffenen Monophthonge sind qualitativ: a) in of-
fener Silbe: a) Im Wortinlaut lang (kurz neben halblang vor
mouilliertem / oder nj; b) In geschlossener Silbe lang.
'^) Die offenen Monophthonge zeigen lange Qualität.
Die QtioUtdt der reinen Vokale im Neufranz.
103
Übersichtliche Darstellung
der
qualitativen und quantitativen YerMltnisse der betonten (reinen) Yokale.
Yolral.
Der nachfolgende
Konsonant
Qualität.
Quantität.
a
oi
o
au
en
e
ai ei
a
oi
o
au
eu
e
ai ei
a
oi
o
au
eu
e
ai ei
a
oi
o
au
eu
e
ai ei
a
oi
o
au
eu
e
ai ei
a
oi
o
au
eu
e
ai ei
A. In offener Silbe.
I. Im Wortinlant.
> Vor einfachem
m
Vor einfachem
n
V
Vor
stimmlosen
Dauerlauten
^
9
hohes
^
w
oq
offen
0
vacat.
^
offen
Ö§
halboffen
6
n
§
tiefes (offen)
a
m
n
oq
offen
0
offen (geschl.)
offen
9'(o)
oq
hohes
vacat.
offen (geschl.)
ofoj
vacat.
offen
oq
halboffen
q
vacat.
hohes
9
tiefes
oa
offen (geschl.)
9(0)
vacat.
offen
oq
halboffen
5
n
§
hohes
9
Yt
oq
offen
9
vacat.
offen
oq
halboffen
hohes
vacat.
offen
9
vacat.
m
halboffen
q
vacat.
kurz, h albig.
krz. (halblg.)
kurzes
vacat.
langes
halblanges
langes
n
Ti
kurz, halblg.
vacat.
kurz, halblg.
vacat.
halblg. kurz.
lang
vacat.
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Die Qualität der reinen Vokale im Neufranz.
105
Der nachfolgende
7okal.
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Qualität.
Quantität.
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I 3) Tor stimmlos.
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offen
geachlosiien
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vaoat.
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halblang
halblang
lang
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lang
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halblang
kurz (halblg.) \
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lang
\r% (halbli
lang
Die Qualiiät der reinen Fokale im Neufranz.
105
Der nachfolgende
Yokal.
Konsonant
Qualität.
Quantität.
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vacat.
e
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2) - stimmhaf-
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>Vor geminiertem
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lang (halblg.)
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Die Quaiiiäi der reinen Vokale im Neufram.
107
Yolcal.
Der nachfolgende
Konsonant
Qualität.
Quantität.
n. Im Wortanslant.
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o
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a
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o
au
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a
oi
o
au
eu
e
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Ohne Konsonant und
e muet
Vor stummem e
Vor stummem s (z)
Vor stummem r
Vor stummem f
Vor stimml. stum-
men Momentanlaut.
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§
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11
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kurz (halblg.)
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halblg. (lang)
oe (oe)
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halblang
«
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kurz
oq
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oe (oe)
halblang
11
11
e oe
vacat.
11
halblang
e
•
11
oe
•
vacat.
1»
halblanff
kurz (halblg.)
halolang
a
oq (oq)
0
halblg. (lang)
0(0)
halblang
oe
m
11
§
11
e
B. In geschlossener Silbe.
Vor lautbarem ein-
einfachem /
hohes
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11
oq
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geschlossen
0
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0^
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§
vacat.
kurz (halblg.)
11
halblang
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oq (oq)
9(9)
o
•
11
kurz
oe
e
vacat.
108
H. Barth
Yolcal.
Der nachfolgende
Konsonant
Qualität.
Quantität.
a
'
hohes
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kurz (halblg.)
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oi
11
oq
11
oq (oq)
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e
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e
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ei wie vor s.
tief
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a
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11
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hohes
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kurz
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^
oi
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vacat.
0
Vor lautb. stimml.
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1
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au
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Momentanlauten
geschlossen
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a
V
hohes
^
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e
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sonanz ohne e muei
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•
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11
halblg. (lang)
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i
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—
a
oi
0
au
Vor lautbarer mehr-
facher Kons, mit e
muet
hohes
vacat,
offen
geschlossen
9
0
•
kurz
vacat.
kurz
lang
0
•
Die Qualität der rinnen Vokale im Neufranz.
109
■Kai.
Der nachfolgende
Konsonant
Qualität.
Quantität.
e
li ei
Vor lautb. mehrf. Kons.
mit e muei
( 1) vor ;• -f Konso-
nant + ^ . . .
2) vor den and. Kon-
l sonanten + e .
( 1) vor r + Konso-
nant + <?...
2) vor den and. Kon-
l sonanten -f e .
vacat.
offen
halboffen
offen
halboffen
P.
*
vacat.
kurz
11
lang
e
••
Das unbetonte e im Neufranzösischen.
Allgemeine Darstellung seiner quantitativen und qualitativen
Verhältnisse.')
Bei dem (nenfranzös.) unbetonten e (ai, ei) unterscheidet
^achs (1. c. S. XIX; 15, 16) eine vierfache Tonfärbnng, bei
velcher Unterscheidung die Zeichen 1) ob = e, 2) « = e, 3) ö'= a,
() C) in Anwendung kommen. Unbetontes e hat nämlich:
1) halboffenen Laut (§); oder
2) geschlossene Qualität (e); oder
3) kurzes ce, wenig hervortretend und ganz kurz (me, te,
»e, le); oder
4) fast stummes und kurzes cßy noch kürzer und flüchtiger
als cß (Nr. 3) — fenStre = f'ncßtre — ein Zwischen-
laut; ohne welchen sich gewisse, zusammenstehende
Konsonanten nicht aussprechen lassen , entsteht von
selbst und wird deshalb oft gar nicht durch das Zeichen
C = Apostroph) angedeutet.^)
^) Eine eingehende und erschöpfende Darstellung dieses Kapitels
liegt jenseits der Grenzen dieser Arbeit und dürften die vielen hier
einschlägigen Einzelfalle hinreichenden Stoff zu einer Spezialarbeit
bieten. — vgl. die reichhaltige Section IL bei Thurot, 1. c. p. 87: e,
e aiones und Mende.
') Nach Thurot, 1. c. p. 37: Nous avons en fran^ais trois esphces
(Ce, Ve ferme, Ve ouvert et te qtt'on appeüe g^näral^ment e muet,
et que fappeüerai e feminin. Nous avons deux e f^minins, l'e fe-
minin fort, comme dans la dernidre syüabe de gavae-le; Ve feminin
faible, comme dans la penultihme de garde-le. Zur Behandlung des e
11«»
f{, Hm^
1. Dm aeeeBtairte (nahtttate) e.
I ; Djiii circumtiektierte e 'ai) \\aX unbetont stets balboffeneD.
quantitativ halblangen Lantwert
.ihfiHr. iwvrrff, ucqueter, a^aiter, ajfraicher, atne^ amesse^ cUenier.
,tn'k4i9ff4'hr, uppri*ter, areter, hechetoUy heehet, becher, bSler^ hetise.
h/^rrttr. huHitrftux^ chame, ciiemer, chenaie^ chenette, naitrcu. eon-
ftttilrnttM, devhmtttT^% defraichir, tlegentr, dSaer, devetir, ebttir.
^frffrr, rfnptfrtfr, t'ftg^rffler, faineaiL, faiteauj faüage, feler gatner,
'ft^^lpr, honnehte^ maitresw^ meler, pecher^ precher, rever^ trainer.
S rr rrr'«r K itriK. /it f/uimeni, fjmte mit geschloBseaem e vgl. S. 92. Au-
MMvrKiin^ J <liuH4»r Abhaudlung.
'i, t'fibiUoiitc» ^ tuit dem aeeent grave hat qualitativ
halboll'oiieu» t|iiantitativ lialblangen Lant.
fffhiftn^ /firUrtnuffißi f*ilttriner^ — ja celerai^ nau» celeronH, je /wr-
tt4fr*H, tlit inrnV'f'fttvHL
'/> f*Mb4>toiitim f luit lioui aueent aigu (besonders im Xn-
Udi miii itu Hiataa vertreten; hat gesehlossenen i meistens
<nnc(fn) haut«
• hftfhar, fh$tlhrrt ihru/t0r, ftHtilUy echange^ eeko^ eelipMy idifiee^ tlga-
///#, *{ffnpgH't\ t'hüHHn*, t'jiHuUfr, tlaOre, epauiee^ ephemere, eqtuper.
//*'«/««//«, f'^itutA, t'tfifidrtt^ vtailty eireindre, evefUuel, ezoterique:
////# /W/i«^# «4 ithiif^iUy tthM^HittifuMf^ ajfameantiry etgreabie, faineant
i, Oti» 'H<iiio|ihlhoitKti ae, apy ei, ep zeigen im Aniaat wie
iu$ liilaiti «iiinWiweic halbottenen kurzen) Louit.
/;'//•/. 'utjuifu^ '*«//«<///?, ntleitfy aiiiun' (na«h Sacbs; Littre gibt ge-
■ki'bloAjar'iHiit *'. rill;, titfum^ utit^mt, ApfHorgue^y Aymeri ^ rtynet,
uf^tUf at^Utt, i'Jiti^tiuvht titnifuuytk^ eyalet, Eyder, Eylam, Eymery,
II« Hutf lutneoeifctitierte e.
l) V«>i isi)»lai/)ii-.iu Kuiuüuaut meistens mit dem accent
/////// tm /imiHUi l>4:i M. ('}i/iU v^l. liiU'kiii^, l. o. p. 436: .»Die Betliii'
\ I a «j t. »i L , uad Av^üA'; l. deutlicher,
U. wolliger deutlich, odttr
U. Qldiuui int/*
*> i'hui'it, I. I. |i, ti^: Ue aiomf est toujsmrs ferms demmi hhh
n litte k-tttfilU, uHuiid U fot mt! tnuf syUubit sitpurtßif,
'") l IUI ^M.huitooi^c AiioApiüchv dida nuhiiU>nteiA m (/imemt:^ faixiou
. Die Qualität der reinen Vokale im Neu franz. 111
aigu, vgl. I; 3) hat e geschlossene Qualität; derselbe
Lautwert ist vertreten vor Müta cum Liquida Z, r.
Edred, Eyletons, Ephrem etc. — (Thurot, 1. c. 89: Ve atone
est toujours fermi au commencement ctun mot [Ve pricMi ou
non de th], quand ü est suivi dlune seule consonne ou de deux
consonneSf dont la premüre est une muette et la seconde une l
ou une r,
2) Vor Doppelkonsonanz oder mehrfacher Kon-
sonanz, deren zweiter Bestandteil kein l oder r ist,
hat e halboffenen Laut.
ecbcLse, Ecceliriy eccUsicuste^ eccopie^ ectase, ecth^se, ectopie^ Edda^
Edgardy Edmie^ Edwards^ effagage, Egbert, Egger, Egmont, El-
beuf, Elchingen, Eldorado u. a. m.
3) Offenen Lautwert zeigt e vor r (rr) oder r -\- Kons.
e7Tcr, erranty errata, erreur, errond; Erfort, ergoty ergoter, ermi-
tage, erpeton, erseau. — (Thur., 1. c. 89: L*e atone est toujours
ouvert devant Vr double ou suivie d*une autre eonsonne) ^)
B. Im Inlaut.
^Im Innern des Wortes ist es (e) am wenigsten vernehm-
bar, indem es dort nur den Übergang von einem Konsonanten
zum andern in der Weise macht, dass der Abbruch, welcher
dem ersten von beiden durch seine unmittelbare Verbindung mit
dem zweiten geschehen würde, abgewehrt wird, wie auch ein e
in der Endsilbe den Konsonanten vor Verstummung schtltzt: reyret,
secret, appeler, cela u. a. m." — Mätzner, 1. c. p. 10; daselbst
auch über das „e beim Zusammenstosse mehrerer stummer e.^
Die eingehende Behandlung des ,/ feminin^ bei Thurot,
1. c: Section III, p. 119 ff. — Plötz, 1. c. 8. 39.
*) Thurot, 1. c. p. 88: A prendre les choses dans ^ensemble^ Ve
atone est:
1^ toujours ferme devant une autre voyeile, quand il forme
une syUme s4paree;
2^ le plus souvent ouvert, quad il provient de deux^e;
3^ le plus souvent ferme', quand il est suivi imme'diatement des
consonnes ch, j, d'une s devenue muette, d'une s douce dans
les prdfixes des-, mes-;
4® toujours ouvert devant Vr double ou suivie d^une autre con^
sonne, et d'ordinaire devant les doubles consonnes, ss, tt, ff, ü;
5^ au commencement d^un mot, Ve precM^ ou non de Vh fermS,
quand il est suivi d^une setüe consonne ou de deux con-
sonnes dont la premiere est une muette et la seconde une
l ou une r: övique, Sglise (Filetier 6, 32); herisson, k&aut (L.).
112 H. Ba$'(h, Die QuiUität der reinen Vokale im Neufranz.
C. Im Auslaut.^)
„Bei dem Lautwert dieses e sourd, welches nie gänzlich
stumm sein soll, glauben wir vier sehr verschiedene Abstufungen
unterscheiden zu dürfen:
1) e sourd mit einem Anlaut, der aus zwei verschiedenen
Konsonanten gebildet wird, hat einen verhältnismässig
bedeutenden Lautwert, welcher demjenigen der einsilbi-
gen Wörter je, wie, te, ne u. s. w. ziemlich nahe steht.
Z. B. irou-ble, sa-hre, am-ple, pom-pre^ su-cre etc.
2) e sourd mit einem Anlaut, der von einem weichen Kon-
sonanten gebildet wird (by v, d, g) l mouill^e, weiches s)
z. B. au'bey doi-venty capti-ve^ quü ren-dej arran-gey
prodi-ge, ru-se, topa-ze erfordert ein leises Mittönen
des e, weil sonst die Weichlichkeit des Anlautes nicht
genügend gewahrt werden kann.
3) e sourd mit einem Anlaut, den ein harter Konsonant
(py ty /, qu) bildet, z. B. du-pey imi-tey cali-fey cha-que
nähert sich dem stummen e.
4) e sourdj dessen Anlaut ein flüssiger Konsonant fZ, m,
n, r) oder einer, der vom scharfen s oder ch gebildeten
Zischlaute ist, z. B. nm-ley subli-mey rei-ney pu-rey
ma-ssBy gla-ce, ru-che geht nach unserer Ansicht so
gut wie völlig in das stumme e über/^ E. 0. Lubarsch,
Franz. Verslehre, Berlin, 1879; Herz, Zschr. f. nfrz. Spr.
u. Litt, lly 361 ff.
H. Haeth.
») Thurot, 1. c. p. 162 ff.
Studien über die Satyre Mönippee.
I. Allgemeines.
Die M^nipp^e ist eine ganz ausgesprochen politische Satire.
^an kann demnach nicht umhin, die damaligen staatlichen Ver-
iiltnisse Frankreichs kennen zu lernen, wenn man sich mit dem
\ esen dieser Satire beschäftigen will. Wir wollen daher in
möglichst gedrängten Zügen eine Skizze der Lage entwerfen, die
nh historischen Hintergrund der Satire bildet.
Zur Zeit der Ermordung Heinrich's III. war Frankreich von
!on schlimmsten Parteiungen zerrissen und ein Tummelplatz für
!en masslosen Ehrgeiz politischer Abenteurer geworden. Nicht
weniger als zehn Bewerber um die Krone Frankreichs waren
lufgetreten, die es besonders verstanden, die gerade damals in
len religiösen Kämpfen erhitzten Leidenschaften ihren eigensüch-
igen Zwecken dienstbar zu machen und dieselben in ihr Schlepp-
:au zu nehmen. Da man über den, allem Gesetze und Her-
kommen nach, allein zur Thronfolge berechtigten Heinrich von
Navarra als über einen Ketzer zur Tagesordnung übergehen zu
müssen glaubte, so waren es besonders die Spanier und Gruisen,
die grosse Aussicht hatten, über die Köpfe der kleinen Mitbe-
werber hinweg die Krone zu erreichen. Philipp U. hatte für
sich seine unerschöpflichen Machtmittel und seinen durch Geld
und rührige Wühlereien besonders in den niedrigen Schichten
der Pariser Bevölkerung erworbenen reichen Einfluss; die Ab-
stammung der Infantin (und für diese hatte er die Krone zunächst
in Aussicht genommen) von der ältesten Tochter Heinrich's IL
verlieh seiner Bewerbung, wenn man absah von dem salischen
Gesetze, die Krone dürfe nicht kommen von der Lanze an die
Kunkel, sogar einen Schimmer von Legitimität. Dagegen hatte
sich durch die in Frankreich in der letzteren Zeit eingeschlagene
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Littr. VH. g
114 . J. Frank
Politik ein starker Gegensatz zu Spanien herausgebildet und
auch der Charakter Philipp's IL die beiderseitige Entfremdung
noch vergrössert. Die Guisen ihrerseits durften für sich den
Kuhm einer einflussreichen Vergangenheit und hoher Begabung
einzelner Mitglieder ihres Hauses in Anspruch nehmen. Sie
hatten sich von allem Anfang an zu Vorkämpfern der katholischen
Partei gemacht und, seitdem besonders Heinrich von Guise, der
sich einer besonderen Beliebtheit erfreut hatte, anscheinend als
Märtyrer seines Glaubenseifers unter den Stichen der Mörder
gefallen war, durften die Mitglieder seines Hauses selbst das
Höchste nicht für unerreichbar halten. Sie hatten besonders die
Liga, die anfänglich in der loyalen Absicht begründet worden
war, dem Könige in seinem Kampfe gegen die Hugenotten frei-
willige Hilfstruppen zuströmen zu lassen, ganz unter ihren Ein-
fluss gebracht; sie wussten des Königs katholische Gesinnung
bei derselben zu verdächtigen und so zwischen derselben und
ihm einen Gegensatz zu schaffen; sie konnten schliesslich über
dieselbe wie aber ein williges Werkzeug verfügen. Die Rivalität
zwischen den Bestrebungen der Spanier und der Guisen trat
lange hinter ihrer Bundesgenossenschaft gegen die gemeinschaft-
lichen Feinde, Heinrich von Navarra und den König Heinrich HL,
der des ersteren Thronrechte für den Fall seiner Bekehrung mit
einer an ihm ungewohnten Zähigkeit festhielt, zurück. Diese
anfängliche Gemeinsamkeit ihrer Interessen hatte zwischen den
Spaniern und den Guisen das Bündnis von Joinville schon im
Jahre 1585 zusammengeschmiedet, das bis nun keine Lockerung
erfahren hatte. Da sie auch nach dem Tode Heinrich III. beide
noch nicht an der Zeit hielten, mit ihren letzten Zwecken offen
hervorzutreten und sich gegenseitig über dieselben zu täuschen
suchten, so konnte auch jetzt noch der Gegensatz ihrer Ziele
zur Not verborgen bleiben, obgleich die schärfer blickenden
unter ihnen den nahen Zeitpunkt voraussahen, wo die Frage
werde ausgefochten werden müssen, wem die wie ein herrenloses
Gut behandelte Krone Frankreichs zufallen solle und hierfür
ihre Vorbereitungen trafen. Bis dahin behalf man sich mit einem
Verlegenheitskönig, dem altersschwachen kinderlosen Kardinal
von Bourbon, der sich überdies in der Haft Heinrich's von Na-
varra befand, und somit unter dem Namen ,,Karl X.^ nur einen
Platzhalter für die anderen Kronprätendenten abgeben sollte.
Bis dahin wollte der Herzog von Mayenne, dem nach der Er-
mordung seines Bruders, Heinrich von Guise, die Führerschaft
der Liga zugefallen war, unter dem Namen eines „Statthalters
der Krone und des Staates von Frankreichs^ alle Rechte eines
Herrschers ausüben^ worin er sich ebenso wohl gefiel als be-
.'/ I
"(her die Satyr e Menippee. 115
•rr der geistige Schwung, die Spannkraft und
M seines Bruders; er war bei einem gewissen
nur ein Meister in allen kleinlichen Mitteln
^veideutigen Charakters, und der Kern seiner
in einem fortgesetzten Lavieren und Ver-
iiiA's war er auf allen Seiten von Hemmnissen
tt' sich von den Spaniern nicht offen lossagen,
M> die materiellen Mittel boten, sich in seiner
/M behaupten; noch argwöhnischer als diese
iber die eifersüchtigen Mitglieder seiner eigenen
den Thron missgönnten und ihn für sich selbst
'l)erdies hattte er aber neben den offenen Fein-
iiirich's von Navarra auch jene zahlreiche Partei
' n Umgebung, die zu den „Politikern" hinneigte,
:^^en, die ihm wohl treue Heerfolge leistete, so
Hell als Vorkämpfer der katholischen Interessen
die aber von dem Grrundsatze einer legitimen Suc-
1 eicht abzubringen war und bedenklich geworden
(M* seine Ziele offen bekannt hätte. Die Guisen
jigs gefällige Federn gefunden, die ihren Stamm*
ii'l den Grossen zurttckführten, doch glaubte daran
(^n wollte. Wenn man dazu erwägt, dass er auch
I iegsunternehmungen meist unglücklich war, und sich
lie Hilfe des spanischen Feldherm Alexander Farnese
Konnte, so findet man es begreiflich, dass er nie durch
•tschlag versuchte, sich die Krone aufs Haupt zu setzen.
aber nicht die moralische Kraft der Selbstverleugnung,
Hüter der Krone sie dem allein successionsberechtig-
.ich von Navarra zurückzugeben, als seine ehrliche Ab-
tiiolisch zu werden, zweifellos erschien, und so griff er
. charakterlosen Politik und suchte sich wenigstens in
sitze seiner jetzigen Machtstellung möglichst lange zu
1, indem er die Lösung der Kronfrage durch allerhand
weit hinauszuschieben suchte.
VVeder die Spanier aber, noch auch das französische Volk,
u die Königsfrage versumpfen lassen. Philipp's H. Ver-
erkannten, dass wenn nicht unter dem Hochdrucke ihres
^en Einflusses die Wahl vollzogen würde, sie nichts zu hoffen
n, und das Volk litt unsäglich unter diesen eigentlich anar-
chen Zuständen, insbesondere aber unter der harten Bedräng-
einer wiederholten Belagerung, mit der Heinrich v. Navarra
Stadt Paris eingeschlossen und die grösste Hungersnot inner-
ib derselben hervorgerufen hatte. Die Übertragung der Macht
i Mayenne war ausdrücklich mit der zeitlichen Einschränkung
116 J. Frank
„bis zur nächsten Ständeversammlung^^ erfolgt und nun sollte
das Provisorium ins Endlose verlängert werden! Auch der Tod
des ,,König Karl X.'* erheischte immer dringender eine Ent-
scheidung und so erhob sich allgemein der Ruf nach den Stän-
den. Auch die Spanier hofften, die Deputierten für ihre End-
absichten günstig stimmen zu können, und wenn sie eine tüchtige
Armee zur Hand hätten, ihrer Sache sicher zu sein; das Volk
aber wünschte das langersehnte Ende der aufreibenden WiiTcn.
Der Herzog von Mayenne wusste die wirkliche Einberufung der
Stände drei Jahre hindurch teils unter nichtigen Verwänden, teils
weil die Kriegsunternehmungen des Bearners ein^ solche un-
möglich machten, zu vereiteln. Er fürchtete mit Kecht, dieselbe
würde der Anfang vom Ende seiner Herrlichkeit bedeuten und
er bei den Ständeversammlungen gezwungen werden, Farbe zu
bekennen. Am 26. Januar 1593 aber waren die Generalstände
dennoch zusammengetreten. Bei denselben aber begann das un-
würdige Spiel des Kronenschachers erst recht; jeder wollte sich
der Stimme der Deputierten, die übrigens unter den grössten
Schwierigkeiten und lange nicht vollzählig eingetroffen waren,
versichert halten und es begann eine wahre Hetzjagd nach dem
Throne. Jeder wollte den andern überlisten und ihn dann als
unnütz gewordenes Werkzeug bei Seite schieben. Mayenne nahm
eine Zeitlang eine zuwartende Haltung ein, so lange er sich noch
mit der Hoffnung trug, es werde sich ein gewisser Ausgleich
seiner und der spanischen Ansprüche durch eine Vermälung der
Infantin mit seinem Sohne finden lassen. Da er aber mit der
Zeit gewahr wurde, dass der Erzherzog Ernst von Osterreich
als präsumtiver Gemal gelte, war er fest entschlossen, den
Spaniern wenigstens das Spiel zu verderben. So kamen, ge-
wiss nicht gegen seinen Willen, die intimeren Annäherungs-
versuche der Stände an die Royalisten im Lager Heinrich's von
Navarra zu Stande, und wenn auch Mayenne die Übertragung
des Königtums an den Bearner mindestens in weite Feme verlegt
sehen wollte, so konnte er sich mit diesem Gedanken doch leichter
vertraut machen, als sich entschliessen, Spaniens Dienste zu besor-
gen. Trotzdem schien das mit vollen Händen ausgestreute Gold
Spaniens und dessen mächtiger Anhang im Kreise der ^Sechzehn^'
den Sieg behaupten zu sollen, da erhob sich das Parlament und
erwies sich als ein Hoii; echt nationalen und gesetzlichen Sinnes
und als die mächtige Stimme der wahren öffentlichen Meinung,
indem es gegen jede Verletzung des salischen Gesetzes und gegen
die Zumutung eines nicht französischen Königs feierlichen Protest
einlegte. Es nützte den Spaniern weder die moralische Unter-
stützung des päpstlichen Legaten noch auch, dass sie zuletzt
Studien übe?' die Stilyre Menippec. 117
den jungen Sohn des ermordeten Heinrich von Guise als Gemahl
der Infantin in Vorschlag brachten. Es war zu spät, um so mehr,
als indes auch Heinrich von Navarra in den Schooss der alten
Kirche zurückgekehrt und er so seinen Gegnern mit dem Vor-
wand der Nichtanerkennung den Boden unter den Füssen weg-
gezogen hatte.
II. Verfasser und Tendenz der M^nipp^e.^)
So hatte Mayenne endlich dem von allen Seiten auf ihn
eindringenden Verlangen nach der Einberufung der Stände nichf
länger widerstehen können und musste dieselbe nach wieder-
holter Hinausschiebung endlich verwirklichen. Doch blieb diese
Ständeversammlung nur sehr unvollkommen; ein grosser Teil
der berufenen Vertreter nämlich war aus Abneigung gegen die
neuen Wortführer und ihre Bestrebungen ferngeblieben, auch die
allenthalben herumstreifenden Truppen Heinrich's von Navarra er-
schwerten den Zugang, und so waren diese Stände nur eine
Scheinversammlung, nur Afterstände. Die Verhöhnung derselben
und ihrer Arrangeure bildet den Hauptinhalt der Satyre Menipp^e.
Die Lage in Paris war damals eine sehr trübe. Die
arme Stadt musste alle Bedrängnisse einer harten Belagerung
durchmachen, mit der sie der Bearner fast ununterbrochen wie
mit eisernen Klammern umschlossen hielt, und es war, als würden
alle sieben Gefässe der Apocalypse über sie geschwungen!
Allenthalben wütete die Hungersnot, die unmöglichsten Dinge
mussten zur Nahrung dienen, und mehr als einmal schlachteten
Mütter ihre Kinder, um ihren Heisshunger zu stillen; im Lonvre
und an den Stadtthoren wimmelte es von zügellosen Söldnern
der ausländischen Besatzung, die oft mordend und plündernd
allen ihren Launen freien Lauf Hessen; fanatische oder bezahlte
Prediger trieben das Volk zu den wahnsinnigsten Ausschreitungen,
indem sie dasselbe durch schürende Reden ^) von Zeit zu Zeit
^) Die kritische Begründung der von mir hier mitgeteilten An-
gaben über die Art und Zeit der Abfassung der M^nipp^e habe ich in
zwei Aufsätzen in dieser Zeitschrift vorangehen lassen und glaube auf
dieselben verweisen zu dürfen.
*) Über die aufrührerische Thätigkeit dieser Prediger vergleiche
man : „Les Prödicateurs de la Ligue, Thäse pour le doctorat präaent^e
a la Facult^ des lettres de Paris (1841)" von Ch. Labitte, und Ch.
Lenient's „La Sat. en France etc." In letzterem Werke (Teil II., S. 69)
heisst es unter anderem: „L'äruption de cette ^loquence fi^vreuse,
triviale, bouffonne, sanffuinaire, est un ph^nom^ne curieux ä signaler
dans notre histoire. L'^glise bransform^e en clnb, la chaire en tnbune,
les ministres de TEvangile en demagogues et en spadassins; les suc-
cesseurs des Basile et des Chrysostome parlant la langue
118 /. Frank
aus der dumpfen Resignation zu Thaten hellster Verzweiflung em-
porrissen; jeder Rat zu besonnener Umkehr ward als Verrat an der
heiligen Sache ausgerufen. Nachdem die Ligisten in Paris ihre
offenen Gegner aus dem Wege geräumt hatten, wendeten sie
ihren Hass sogar gegen einander und suchten die dieses Treibens
überdrüssig werdende Menge mit trügerischen Aussichten auf das
baldige Ende des Kampfes und auf glänzende Siege über den
äusseren Feind zu vertrösten, nach denen sie reichliche Ent-
schädigung für die ausgestandenen Leiden finden würden. Damit
vollends die Axt an jedes harmlose Behagen gelegt erscheine,
war auch die öffentliche Meinung geknebelt, ja selbst die Ge-
sichtsmienen wurden so beargwöhnt, so dass ein ironisches Lächeln,
ein vom Galgenhumor eingegebener Scherz, der einige glücklich
beanlagte Naturen einen Augenblick über den Jammer der Lage
hätte hinwegtäuschen können, als eine schwarze Missethat galten ;
eine Frau, die von ihrer Magd denunziert worden war, sie habe
nach der Schlacht bei Ivry eine vergnügte Miene gezeigt, ent-
ging mit knapper Not dem Gehenktwerden, und wer Heinrich von
Navarra anstatt ,,den Bearner", „den König ^ nannte, dem drohte
man von der Kanzel herab, ihn ins Wasser zu werfen.^)
Unter solchen Umständen wurden endlich am 26. Jan. 1593
die Ständesitzungen eröffnet. Jetzt drängte alles zur Entscheidung,
und es war sehr zu befürchten, dass der Spanierkönig seine Ab-
sicht, die Krone von Frankreich für seine Tochter 7u erlangen,
nunmehr verwirklichen und dass der ausländische Einfluss in Frank-
reich sich so zu einem bleibenden gestalten werde. Da war
Gefahr im Verzuge und es galt schleunige Abhilfe. Es galt den
Hauptfaiseurs die Maske vom Gesichte zu reissen und dasselbe
mit greller Fackel zu beleuchten, es galt ihr verbrecherisches
Treiben hinter der immer dünner gewordenen Decke in seiner
ganzen Hässlichkeit blosszulegen. Das öffentliche Gewissen be-
gann sich zu regen, ^) die bessere Erkenntnis zu erwachen, viele
begannen sich wie nach einem wüsten Rausche die Augen zu
reiben und emporzuraffen. Diese durfte man nicht erschlaffen
lassen, man musste Frankreich vor sich selbst darüber erröten
des Clodius et des Catilina, mölant au style inspirä des prophetes
le cat^chisme des halles et des carrefours: voilä Vddiiiant spectacle
qui va se d^rouler ä nos yeux etc."
1) Vergl. L'Estoile, Coli. Petitot 45, p. 408.
^) Besonders 'äusserte sich der Widerwille gegen die „Sechzehn" :
„Un bourgeois poss^dant seize poules, faisait tuer la seizieme, disant
qu'il ne voulait entendre parier de Seize en sa maison. ün autre
demandait quon lui baillät des chandelles qui ne fussent pas de Seize.
On riait tout haut du cube carrd, c'est ä dire des Seize etc." (Ch. Le-
nient, La Sat. en France etc., 2. Teil S. 103.)
SUidlen über die Satyr e Menippee. 119
acben, dass es mit ihm so weit gekommen, man mnsste auf
e Blossen des Feindes ebensogut hinweisen, wie auf die drohende
efahr, und man durfte die immer lauter und zahlreicher wer-
Bnden Stimmen jener, die dem Verderben ein entschiedenes
'alt ! zuzurufen entschlossen waren, in der allgemeinen Ver-
irrung nicht wirkungslos verklingen lassen.
So wie einst die begeisterten patriotischen Weckrufe eines
Jain Chartier und Eustache Deschamps die öffentliche Meinung
nd den nationalen Sinn gegen die drohende Herrschaft der Eng-
ander allarmiert hatten, so thaten sich auch jetzt einige feder-
gewandte Patrioten zur Abwehr gegen die Spanier zusammen.
i^er aber in Frankreich lächerlich gemacht ist, der ist auch
icbon gerichtet, und da überdies die Satyre der geistigen Eigenart
dieser Männer am besten entsprach, so bedienten sich die Patrioten
dieser scharfgeschliffenen Waffe, um ihr Opfer tötlich zu treffen,
nachdem sie es mit witzigen Ruten gestrichen und mit glühendem
Holine gebrandmarkt hatten. Noch waren die wirklichen Stände
lange nicht alle zusammengetreten, noch bahnten sich viele inmitten
allerlei Gefahren den Weg nach Paris, da hatten diese, wie ihr
Herr nnd Meister Heinrich von Navarra, ,,frühaufstehenden" Männer
in aller Geräuschlosigkeit der Liga einen Vorsprung abgewonnen
und das Bild ihrer Ständesitzungen im Geiste zustande gebracht,
wie sich deren Verlauf abspielen musste, wenn die gehaltenen
Reden ohne Schmuck nnd Schminke der wahre Reflex ihrer Be-
strebungen und ihrer inneren Gesinnung werden sollten. Der
bald darauf von einem aus ihrer Mitte, dem Kanonikus Leroy,
nach den in ihren geselligen Zusammenkünften empfangenen An-
regungen hervorgegangene erste Entwurf des Werkes wurde
zunächst von seinen Freunden heimlich als Manuskript verbreitet,
bald aber gefeilt und erweitert, in bnchgerechte Form gebracht
und dem Drucke übergeben. Es sollten durch diese Schrift
allen die Schuppen von den Augen fallen, es sollten in der-
selben die demagogischen Götzen des Tages ihre intimsten Hinter-
gedanken mit unverschämter Offenheit bekennen und ihre innere
Verlogenheit eingestehen; ihre lichtscheuen Machinationen, ihr
bemakeltes Privatleben sollten ein offenes Buch werden, so offen-
kundig, als Sassen sie in einem gläsernen Hause, ihre Gefühle
sollten* eine tönende Stimme erhalten und sie selbst sollten dies
moralische Schergenamt an sich vollziehen!
Einer alten Überlieferung zufolge hätte die Wiege der
Satyre Menippee in einem Hause des Quai des Orf^vres, nahe
der Stätte gestanden, wo sich später auch die Wiege des Ver-
fassers des „Lutrin" befand. In diesem Hause, so wird uns von
ziemlich verlässlicher Seite berichtet, versammelte der Parlaments-
120 /. Fnmk
rat und Kanonikus Gillot die Elite der damaligen Geistesaristo-
kratie von Paris. Er war eben so bekannt durch seinen feinen
Geschmack in kulinarischen Genüssen, wie ii; Sachen der Kunst
als Sammler und Schöngeist. Bei diesen Syssitien und Symposien
bildeten nicht nur die neuesten litterarischen Schöpfungen die
Würze eines leckeren Mahles, sondern auch alle Tagesfragen
(es gab damals so viele brennende Tagesfragen!) wurden in den
Kreis einer freimütigen Diskussion gezogen. Der Gastgeber
Gillot^) war eine mehr epikuräisch geniessende, anregende und
anempfindende als schöpferische Natur; dennoch sorgte er nicht
bloss für die Ansprüche eines verwöhnten Gaumens und Magens,
sondern leistete auch Beiträge zur geistigen Unterhaltung in Form
kurzgeschürzter Anekdoten, beissender Epigramme und schlagen-
der Impromptus, in deren Vortrag er brillierte. Unter den anderen
Teilnehmern an diesen Zusammenkünften interessieren uns zunächst
als Autoren der Menippee: der Sekretär des jüngeren Kardinals von
Bourbon, der Kanonikus Charles Leroy, dessen Anteil an dem
bedeutenden Werke erst seit kurzem in seiner wahren Grösse
erkannt ward, und der sich eben so bemühte, unerkannt und un-
bemerkt im Schatten der Zurückgezogenheit zu bleiben, als sonst
unbedeutende Menschen sich lärmend vorzudrängen lieben. Dieser
durch seine Bescheidenheit und Kechtschaffenheit gleich aus-
gezeichnete Mann gilt mit Hecht als der Vater der Menippee.
In nicht mehr ganz präzis festzustellender, aber gewiss hervor-
ragender Weise an diesem Werke beteiligt war ausser Leroy
auch Nicolas Rapin, ein Edelmann aus Poitiers, der sich der
Sache Heinrich's von Navarra zu einer Zeit angeschlossen und
ihr schwere Opfer gebracht hatte, '^) als sie noch die besiegte
war und der seinen persönlichen Mut durch seine wackere Hal-
tung in der Schlacht von Ivry bewiesen hatte. Widrige Lebens-
schicksale hatten in ihm im höheren Alter eine zu ruhiger Milde
hinneigende Lebensanschauung zur Keife gebracht, die ihm ein
von jeder stärkeren Erschütterung freies und dem Landbau ge-
weihtes Dasein als Ideal erscheinen liess. Wir begegnen weiter
in Jean Passerat '•) dem würdigen Nachfolger des Kamus auf
^) Vergl. „Notice sur Jaques Gillot" in der CoUection de
M^moires relatifs ä rhistoire de France von Petitot, t. 49, p. ^41.
*) Vergl. L'Estoile's Tagebuch, Coli. Petitot 45, p. 368.
^) Über Passerat vergleiche man: M^moires sur le College royal
de France, par Vabb^ Goujet, seconde pswrtie, p. 130; Mdmoires sur
les Troyens cälebres, in den (Euvres infedites von Grosley, t. 11,
p. 295; Vie de Passerat in den fiph^märides von Grosley, t. I, p. 231
und Sainte-Beuve, Tabl. de la poös. franc. au 166"»« siecle, 1828,
in 8", p. 148. — Thuanus (Eist., l. 127, § 17, p. 128 der Lond. Ausg.)
nennt ihn einen „homo emunctae naris et cui aliena vix placerent".
Studien über die Saiyre Menippe'e. 121
der philosophischen Lehrkanzel des College de France, dessen
erfolgreiche Lehrthätigkeit durch die Unordnungen der Liga
unterbrochen ward, einem ebenso bedeutenden und gelehrten
Dichter, als humorvollen Zecher; ihn hatte ebenso der frische
Hauch der altklassischen Dichtung überkommen, als er, ein
Schüler Marot's und würdiger Vorläufer Lafontaine's, von nationaler
Eigenart erfüllt war. Ein weiteres Mitglied dieser Tafelrunde
war der Lehrer Heinrich's IV., Florent Chrestien;^) nie hatte
er seine Feder um schnöden Sold verkauft, er war loyal, wenn
auch schneidig und hatte sich in einer litterarischen Fehde gegen
Ronsard und Pibrac trotz aller Heftigkeit des Kampfes die Achtung
beider zu erhalten verstanden. Er galt als besonders gründlicher
Kenner des Plautus. J. Passerat und Flor. Chrestin unterhielten
ebenso innige Beziehungen zu der hohen Bourgeoisie, als zu den
ersten Kronräten.
Unter den Edlen und Gelehrten im Kreise bei Gillot der
besten einer und ein Hauptmitarbeiter an der M6nipp^e war
auch Pierre Pithou.^) Er war dem Gemetzel in der Bartho-
lomäusnacht nur dadurch entgangen,^) dass er sich durch eine
Bodenluke im Hemde über die Dächer flüchtete. Sein uner-
schrockener Patriotismus war allgemein anerkannt und er genoss
uneingeschränkte Achtung ; er war einer der gelehrtesten Juristen,
der ausgezeichnetste Publizist seiner Zeit, der für die Freiheit
der gallikanischen Kirche mit dem ganzen Gewichte Beines
reichen Wissens erfolgreich eingetreten war, und war von so gründ-
licher Kenntnis in allen Fragen, die das öffentliche Recht be-
trafen, dass die Minister nie etwas beschlossen, ohne vorher
seine Meinung eingeholt zu haben. ^)
Der Grundzug im Charakter aller dieser Männer war ein
starkentwickelter Zug royalistischen, konservativen^) und
^) Vergl. Palma -Cayet, Chronologie nov^nnaire, Coli. Petitot,
t. 39, p. 248.
^) Vergl. über ihn de Thou, 1. 97, § 9 und die Vie de Pierre
Pithou in den fiph^mörides von Grosley.
') Er war damals noch ein Hugenott, war aber später im J. 1573
aus Überzeugung zum Katholicismus zurückgekehrt. Es mochten ihn
auch die demokratischen Tendenzen des Kalvinismus von dieser Lehre
abgestossen haben.
*) Manche zählen zu diesen Tischgenossen auch Gilles Durand,
nach Poirson ohne jeden berechtigenden Grund, gerade so wie seine
„Regrets ä ma commere sur le tr^pas de son asne'*, die der Liga den
Grabgesang anstimmten, als sie unter den Peitschenhieben der Mänippäe
zusammenbrach, nicht in eine Ausgabe der Satyre Mänipp^e hinein-
gehören.
*) Agnoste, der angebliche Verfasser der Mänippäe (wahrschein-
lich ist darunter der Kanonikus Leroy zu verstehen, worauf auch die
122 /. Frank
nationalen Sinnes. Sie waren Franzosen von echtem Schrot
und Korn; eine genaue Kenntnis der Geschichte und eine reiche
Lebenserfahrung hatten in ihnen ein feines Gefühl fttr das mög-
liche und opportune gezeitigt, und eine ebenso starke Abneigung
gegen das exzessive und exzentrische. Sie konnten es nicht
verwinden, dass Ausländer in Frankreichs häuslichen Angelegen-
heiten mitentscheiden sollten, und aus diesem Grunde, nicht
etwa aus Mangel an persönlichem Mute und Überzeugungstttchtig-
keit, oder aus Lauheit fOr die höchsten Güter der Menschheit^
konnten sie nur „Politiker" sein.^) Die tobenden, Frankreich im
Innersten aufwühlenden Kriege waren ihnen ein Gegenstand des
Abscheues, und so gut katholisch sie waren,*) (wenn auch galli-
kanischer Richtung), erkannten sie doch, dass die rohe Gewalt
das allerletzte Mittel sei, jemanden in Glaubenssachen zu über-
zeugen, oder eines besseren zu belehren. Sie begriffen, dass die
Hugenotten bereits zu sehr erstarkt und zu zahlreich waren, als
dass man sie jetzt noch, wie die Fanatiker wollten, mit Stumpf
und Stiel ausrotten könnte; sie waren davon durchdrungen, die
einfachste Staatsraison erheische gebieterisch, dass man sich mit
dieser einmal nicht mehr zu ändernden Notwendigkeit, mochte
man sie noch so sehr als Übel empfinden, nach Möglichkeit ab-
finde. Sie erkannten, man müsse sich damit begnügen, die ka-
tholische Lehre in Frankreich zur vorwiegenden zu machen,
nachdem man es versäumt habe, sie rechtzeitig als alleinherr-
Worte: „parce qu*il est toujours habill^ d*une faQOn" hin-
deuten!) lässt sich im deux. advis von seinem Freunde Ypragmon als
aus der Familie der „Misoquänes" (Feinde von Neuerungen) stam-
mend hinstellen.
*) Ch. Lenient charakterisiert in seinem Werke: La Satyre en
France ou la litt^rature militante au 16. siecle (Teil IL, S. 115) die
„Politiker" folgendermassen : „Le Politique est un hemme sens^, positif,
qui aime ses aises, et qui trouve que le premier bien en ce monde est
d'^tre maltre chez soi, Fran9ais en France, Parisien k Paris, sans avoir
besoin d'^tre protägä par des soldats du roi d'Espagne, admonestä par
le L^gat et confess^ par les Jäsuites".
*) „Du reste, ce que Ton connait des sentiments religieux de la
plupart des auteurs de la Mänipp^e, ne permet pas de les accuser
d'impi^tä. Le Roy dtait un eccläsiastique consciencieuz;
Pierre Pithou se fit catholique par conviction,. sans que per-
sonne ait jamais suspectä la sinc^ritd de sa conversion; et un abbä
a dit de Passerat: „Quant ä sa religion, il est sür qu'il a tou-
jours dt^ sinc^rement ennemi des nouvelles opinions et
träs attachä k la foi de l'Eglise catholique. II aimoit son
Roi et sa Patrie; il ätoit bon Fran9ois, et il s'est toujours d^clarä
contre la Ligue et ses partisans". (Marcilly in der Introduction seiner
Mänipp^e-Ausgabe, S. XXXVII.) ■— Dieser „abbä" ist übrigens der Abb^
Goujet.
Studien über die Satyre Menippee. 123
sehenden zu erhalten, dass die Existenzbedingungen des Staates
zu allererst ermöglicht werden müssten, und dass blindes Stürmen
nichts Erspriessliches erziele. Ihr religiöses Gefühl hielt sie von
dieser Erkenntnis um so weniger zurück, als sie gefunden hatten,
dass die Führer und Machthaber der ligistischen Bewegung sich
des Glaubenseifers des Volkes meist nur für ihre eigensüchtigen
Zwecke bedienten, wie auch, dass die irregeleitete Menge langsam
einzusehen beginne, sie sei ein missachtetes und missbrauchtes
Werkzeug frevelhaften Ehrgeizes, der Frankreich zum Tummel-
platze seiner verderblichen Bestrebungen gemacht habe. Die bald
nach der Eröffnung der Ständeversammlungen vorbereiteten Kon-
ferenzen von Suresnes und zahlreiche andere vorhergegangene
Anzeichen bewiesen, dass in breiten Volksschichten eine rück-
läufige Bewegung vorherrsche,^) dass die Politik des gesunden Ver-
standes erstarke und bei einiger Nachhilfe zum Durchbruche ge-
langen müsse. Dazu kam, dass der letzte Schein von Berech-
tigung für die Auflehnung der Liga gegen die königliche Gewalt
verschwand und ihr der Boden unter den Füssen weggezogen
wurde, als Heinrich IV. im Juni des J. 1593 das Hugenottentum
abschwor und in der Kollegiatkirche zu Saint-Denis in den Schooss
der katholischen Kirche zurückkehrte. Eine kräftig wirkungs-
volle literarische Manifestation, jedem verständlich und von
starker Schlagfertigkeit, musste dieses hohe Ziel erreichen. Der
Stoff hierzu lag nur. allzureichlich am Wege und brauchte nur
aufgelesen zu werden. Die Personen am Euder und die durch
sie geschaffene Lage gehörten zu jenen, über die es schwer
sein soll, keine Satire zu schreiben. Die Gäste bei Gillot hatten
ausser den angeführten Gründen auch noch einen persönlichen,
über die jetzige Lage erbittert zu sein: abgesehen davon, dass
die meisten derselben durch die ligistischen Wirren aus ange-
sehenen Lebensstellungen hatten scheiden müssen, war ihnen durch
die fortwährende Unruhe und Unsicherheit der Zustände jene Müsse
und Behaglichkeit geraubt worden, die die erste Bedingung jedes
ungetrübten Lebensgenusses ist. Als Freunde eines guten
Glases Wein,^) einer exquisiten Schüssel und eines pikanten
Bonmots, konnten sie es nicht verschmerzen, dass ihre Zusammen-
künfte, infolge einer zeitweiligen Einkerkerung Gillofs durch
Bussy le Giere, eine Zeitlang gesprengt waren, und dass auch
nach ihrer Erneuerung, trotz der redlichsten Bemühungen ihres
*) Vergl. hierüber den Anfang des „Ebranslement et Estats de
Paris" überschriebenen 20. Kap. im t. III der Eist. imiv. d'Aubignd's.
*) Ypragmon sagt von Agnoste (im „Deux. advis"): „qui aime
mieux le concüe de vin (Wortspiel mit vingt) qiie de Trente",
124 J. Frank
wieder freigelassenen Wirtes infolge der Belagerung von Paris
der Schmalhans Küchenmeister blieb. Weit entfernt, darüber
stumm zu trauern, hielten sie sich dafür an jenen schadlos, die
diese Situation geschaffen hatten, und entluden ihren Verdruss
gegen die Urheber ihres verschlechterten Tisches in zahlreichen
Geschossen, deren Spitzen ihre gallige Laune stark vergiftet
hatte. Der Unwille machte eben den Vers. Das so reichlich
aufgespeicherte Gut war aber noch roh und formlos, es musste
geordnet und hierfür ein passender Rahmen gefunden werden.
Dieser Aufgabe unterzog sich nun P. Leroy, und kleidete die un-
geschlachten Kinder ihrer schelmischen Laune in ein Gewand,
in dem sie sich aehen lassen und in die Welt hinauswandem
konnten. Der Plan war zur That geworden, und der Erfolg blieb
nicht aus. Dies ermutigte Leroy's Genossen zu erneuter Thätig-
keit. Ohne den Grundplan des Werkes zu ändern, bereicherten
sie in den wiederholt schnell hintereinander nötig gewordenen
Neuauflagen dessen Inhalt, die neuesten Fehler und Lächerlich-
keiten der Ligistenführer wurden eingeflochten und satirisch ver-
wertet, um dem Werke den erhöhten Reiz grösserer Aktualität
zu verleihen, das früher nur skizzenhaft angedeutete wurde mit
behaglicher Breite ausgeführt, die Witze, die sich früher kaum
hervorgewagt hatten, wurden immer kecker, der schüchterne Ver-
such wurde zu einer geharnischten Publikation. Die immer sieg-
reicher werdende Sache Heinrich' s IV. hob auch die Dreistigkeit
seiner litterarischen Kämpen, und alle Gutgesinnten freuten sich,
das in den stärksten Ausdrücken gedruckt zu lesen, was man
sich längst furchtsam verstohlen in die Ohren geflüstert hatte.
Während man sich früher Leroy's Entwurf nur ängstlich und
heimlich, wie eine verbotene Frucht zugesteckt hatte, war jetzt
das Werk mit fieberhafter Hast mehrmals nach einander auf-
gelegt und von einem begierigen Leserkreise förmlich verschlungen
worden. So waren die Witzesfunken der Gillot'schen Garde zu
einer Lichtgarbe gesammelt, die den Ständen wie eine blutrote
Feuersäule voranleuchten sollte.
Schon das Vorwort (oder richtiger das Nachwort, denn der
sogenannte „deuxieme advis" kam erst nach Vollendung des Werkes
in einer späteren Ausgabe hinzu) des Buchdruckers enthält
manches treffende Witzwort mit sehr bitterem Beigeschmäcke.
So wird dem Buchdrucker, der angeblich auf der Suche nach
dem Verfasser begriffen ist, mitgeteilt, der Autor sei der Herr
Unbekannt aus dem Lande der Wahrheit und der Stadt der Freiheit
und wohne in der „Rue du Bontemps", in dem Hause mit dem
Wahrzeichen des „Riebe Laboureur". Der Buchdrucker aber,
so heisst es weiter, finde weder die Strasse „Bontemps" noch den
Studiert über die Satyr e Menippe'e. 125
„Riche Laboureur^^; nach dem warum? möge man die Liga fragen.
Nach einer weitläufigen Erklärung des Titels „Satyre M6nipp6e"
folgen einige das Werk einleitende Stücke, die uns, als ge-
lungene Exposition, die Personen und Zustände näher rücken.
Um uns einen Vorgeschmack der öffentlichen Gedankenfreiheit
zu geben, wird erzählt, wie ein ärmer Eseltreiber, der seinem
vor sich hergetriebenen Grauchen zurief: „Vorwärts Dick-
h a n s , es geht zu den Ständen ! ^ für diese Anspielung
auf den Herzog von Mayenne von den „Sechzehn" arg miss-
handelt worden sei. Eine weitere für den Inhalt der ganzen
Satyre hoch bedeutsame Szene ist das sich nun abwickelnde Vor-
spiel: Zwei Charlatane bieten , während im Innern des Louvre
die Vorbereitungen für die Sitzungen getroffen werden, zur
Kurzweil der wartenden Zuschauer im Vorhofe im üblichen
Marktschreiertone und unter der möglichsten Anpreisung ihre
Heilmittel an. Der eine von beiden ist ein Spanier, der andere
ein Lothringer. Der erstere ist ein lustiger Geselle mit allem
Flitterkram und Blendwerk seines Metiers reichlich ausgestattet
und wird wegen seiner ergötzlichen Schnurren auch M^^ de
Plaisance genannt. Er hat die Erfahrung gewonnen, dass das alte
römische Oatholicon seine Wirksamkeit zu versagen anfängt und
nichts mehr vermag, als etwa noch die wunden Seelen zu heilen
und die gebeugten aufzurichten, dass es höchstens das Heil im
Jenseits verbürgen könne; da ihn nun eine so lange Wartezeit
verdriesst, ist er auf ein Mittel geraten, das alte römische
Oatholicon durch allerlei unlautere Manipulationen
zu fälschen und daraus ein neues souveraines üniversalmittel,
das Oatholicon d'Espagne, herzustellen, das die hellsten
Wunder zu vollbringen vermag, über jedes sittliche Bedenken
leicht hinweghilft und das Wort „Unrecht" ganz aus dieser Welt
zu bannen berufen erscheint. Der zweite Oharlatan, ein armer
Wicht in schäbiger Kleidung,*) möchte auch eine neue Art von
Oatholicon an den Mann bringen, findet aber keinen Abnehmer,
weil es zu verblassen und zu verwittern beginnt und weil ihm die
wesentlichste Ingredienzie fehlt, nämlich das Gold. — Man mtiss
die Deutung dieser Szene richtig verstehen, wenn man die
Tendenz der ganzen Menipp6e richtig beurteilen will: Alle ihre,
oft sehr heftigen Ausfälle richten sich nämlich nur gegen diesen
neumodischen, von den Spaniern erfundenen und im-
^) Die schäbige Kleidung des lothringischen Charlatans zielt auf
den Umstand, dass die Aussichten und die Mittel Mayenne*s und seiner
lothringischen Vettern sich immer mehr verringerten, während die
Chancen Philipp's IL immer höher stiegen.
126 /. Frank
•
portierten EatholicismnS; dem Catholicon d'Espagne, der sich,
im schroffen Gegensatze zu dem alten wahren, von den
ewigen hehren Zielen abwendet, und die Religion zur Magd rein
weitlicher Zwecke herabwürdigen möchte; alle ihre Angriffe
richten sich nur gegen jene, die sich unter dem Vorwande, es
gelte die Rettung der gefährdeten Religion, alles gestatten, die
sich unter diesem Deckmantel über alles Herkommen und alle gute
Sitte hinwegsetzen, die die Scheinheiligkeit für Frömmigkeit aus-
geben möchten und die, wenn man ihnen an den Leib rückt,
sich in das Gehäuse der Religion zurückziehen und sich mit
derselben identifizieren.
An diese Szene schliesst sich die Schilderung jenes grotesken
Aufzuges der Liga in Waffen, die den Segen Gottes auf die
Ständesitzungen ei*flehen soll und die, im Vereine mit der folgen-
den Sitzordnung, die Hauptpersonen ebenso plastisch hervortreten
lässt, als die vorhergehende, das Catholicon d'Espagne charak-
terisierende Beschreibung das Leitmotiv der ganzen Satire
kräftig betont. Die kriegführende Kirche erscheint hier im
wörtlichsten Sinne als solche, und der innere Widerspruch
zwischen der gebotenen friedlichen Mission und der thatsäch-
lichen zum erbitterten Kampfe anfeuernden Haltung des ligistischen
Klerus erhält hier den schärfsten und handgreiflichsten Ausdruck.
Man kann sich nicht leicht etwas Bizarreres denken, als diesen wie
Strohfeuer aufflackernden zugleich kriegerischen und priesterlichen
Ungestüm, die innige Nebengesellung des Scapnliers und des Ring-
kragens, der Breviers und der Hellebarde, der Soutane in allen
Farben und des Harnisches, und die ungeschickte Handhabung
der ungewohnten Waffen, das verkehrte Kommando lässt das
widerspruchsvolle nur noch drastischer hervortreten. Wir sehen
hier aber auch vorbeidefilieren: die neuen Machthaber mit der
nur erborgten Distinktion des Parvenüs und der prunkenden Gebärde
des falschen Anstandes, die Ritter der Liga von der trau-
rigen Gestalt mit der fadenscheinigen Noblesse, den Generalstab
von roten Bischofsmützen und goldbrokatnen Gewändern mit den
tiefen Bücklingen nach oben und den hochmütigen Blicken nach
unten, die Pedanten mit ihrem linkischen, überall anstossenden
Wesen und ihren kleinlichen Rangstreitigkeiten, die Patrones^en
der Liga mit ihren unsauberen Liaisons und ihrer laxen Moral,
mit ihren buhlerischen Manieren und ihrer intriguierenden Schürzen-
herrschaft. Hierauf werden wir auf den engeren Schauplatz der
Handlung in den Sitzungssaal eingeführt und derselbe wird mit
seinen Teppichen und Malereien beschrieben. Wie an einem
langen Friese ziehen da die Thaten alter und neuer politischer
Verschwörer und Empörer und die Geschichte der Liga an unseren
Studien über die Satyr e Menippee. 127
Augen in mehr oder minder allegorischen Bildern vorüber; ein
jedes Gemälde, jede Zeichnung, ja jede Unterschrift bat tiefe
und reiche Bedeutung und Beziehung, und wenn je, so findet hier
das biblische Wort Anwendung: Der Stein in der Wand schreit
es laut hinaus und das hölzerne Getäfel verkündet es! Alles
variiert nur das Thema von den Volksaufrührem und ihrer bis
zum Königsmorde sich steigernden Frechheit, von ihrer kriege-
rischen Unzulänglichkeit und jämmerlichen Katlosigkeit, wenn es
gilt, einem durch sein gutes Recht starken Helden entgegen-
zutreten, von der unbändigen Anarchie und ihren Schrecken.
Nachdem so die rechte Stimmung vorbereitet ist, beginnt, um
die Vorstellung der handelnden Personen zu vervollständigen,
der Aufmarsch, die klägliche Parade der sich zu ihren Bitzen
begebenden Deputierten, ein förmliches Spiessrutenlaufen ; der
Herold Oourte-Joye weist den Teilnehmern unter namentlichem
Aufrufe den Platz an, wobei er jedem etwas anhängt, woran er
sein Lebenlang schwer zu tragen hat und wodurch er mit
wenigen biographischen Strichen gekennzeichnet ist. Nun be-
ginnen die Reden der Deputierten und damit der eigentliche Teil
des Werkes.
Als wären die Redner von einem Kobold mit einem ma-
gischen Stabe berührt worden, als sässen sie in einem Zauber-
palaste, müssen sie, wie unter einem unsichtbaren Zwange, über
sich selbst und ihre Freunde ihre geheimsten Gefühle und Ge-
danken in alle Welt hinausposaunen. So wie der biblische
Bileam, zum Fluchen bestellt, unter dem Einflüsse einer höheren
Macht segnen muss, so müssen umgekehrt diese Redner, die das
Lob der Liga singen sollen, wie durch einen bösen Zauberspuk,
von ihr die bedenklichsten Dinge sagen, und die Ehrendenkmäler,
die sie einander errichten wollen, verwandeln sich unter der
Hand in Schandsäulen. Jeder von ihnen, sagt d'Aubray, wird
nach der Reihe da gekratzt, wo es ihn nicht juckt! Der erste
Redner, der den Reigen der moralischen Selbstzerfleischung er-
öffnet, ist der Herzog von Mayenne, der Generalstatthalter
des Reiches und der Krone von Frankreich, der unter dem
Scheine der Sorg- und Harmlosigkeit eine tiefe Verschlagenheit
verbirgt, dem es nur an dem Mute, nicht am guten Willen ge-
bricht, das höchste zu erlangen, der aber, wenn er dies nicht
erreichen kann, krämerhaft genug denkt, sich seine Ansprüche
feilschend für Geld abkaufen zu lassen, um seinen grobsinnlichen
Genüssen fröhnen zu können. Als gelte es eine herrliche Tugend
ins schönste Licht zu rücken, betheuert er mit komischem Ernst
unter den heiligsten Eidschwüren, der niedrigste Egoismus, die
gemeinste Genuss- und Habsucht sei die einzige Triebfeder
128 J, Frank
seines- ganzen Lebens , sein einziger Leitstern gewesen; die
Sorge um die Erhaltung der Religion habe er dem lieben Gott
überlassen, der sich selbst ohne ihn werde verteidigen können;
nie habe er aber auf sich vergessen. Er prahlt mit seinem mehr
als dubiosem Heroismus: wie er sich in den Schlachten einen
schönen Rückzug stets zum Gegenstand angelegentlichster Für-
sorge gemacht habe, und wie er, vom Waffenglücke im Stiche
gelassen, in der Aufwiegelung der Menge und der schmiegsamsten
und demütigsten Anlehnung an Spanien sein Heil gesucht und
gefunden habe, wie er die öffentliche Meinung gefälscht und
künstliche Siegestrophäen habe anfertigen lassen, und wie er
alle, unter der Vorspiegelung, ihnen die Krone zu verschaffen,
am Gängelbande geleitet und ihnen schweres Geld heraus gelockt
habe. Er habe es in seiner Schaukelpolitik mit niemandem ehr-
lich gemeint, als mit sich selbst, und sei stets der Ansicht ge-
wesen, die Moral sei eben gut genug für den grossen Haufen,
Leute seines Ranges aber seien über dieselbe hoch erhaben.
Unter seiner fürsorglichen Obhut sei dieses Königreich , vordem
ein reizender Lustgarten, ein grosser Kirchhof, voll schöner be-
malter Kreuze und Galgen, geworden. Er habe viele verborgen
und unbenutzt gelegene Schätze zu heben gewusst, und wenn
er mit der von diesem Gelde zustande gebrachten Armee vor
Heinrich HL und Heinrich von Navarra zurückgewichen sei, so
sei dies nur geschehen, um wegen der Berührung mit den Ketzern
nicht exkommuniziert zu werden. Er werde den jetzigen Zustand
des Hangens und Bangens möglichst lange zu erhalten suchen,
denn dieser sei ebenso die erste Bedingung seiner jetzigen Stellung,
wie sein rechtes Element der Bürgerkrieg; daher mache ihm
schon das Wort „Friede" eine Gänsehaut. Diese Ständekomödie
habe er nur inszeniert, weil er nicht mehr anders gekonnt, und
wie er immer nur auf den Schein hingearbeitet habe, so habe er
auch diesmal den Leichtgläubigen durch seine Handlungen Sand
in die Augen streuen wollen. Übrigens mögen sich seine Freunde
nicht um sein mit Unrecht als sittenlos verschrieenes Privatleben
kümmern, sondern lieber dem unverschämten Bearner auf die
Finger sehen.
Die ganze Rede Mayenne's ist voll trivialer Redensarten,
allen Hochsinnes und Seelenadels bar, seine pöbelhafte Ge-
sinnung, sein ganzer Cynismus sollen, jedes falschen Scheines
entkleidet, voll hervortreten; bei allem äusseren Apiomb des
Theaterkönigs denkt und fühlt er würdelos „wie ein Seifensieder",
und die ihm etwa früher gezollte Bewunderung mnss nach
dieser Rede in der Seele des Lesers in tiefe Verachtung
dieses der Völlerei ergebenen philiströsen Dickwanstes um-
Studien über die Saiyre Me'nippe'e. 129
ßchlageo.^) Nachdem dieser Vertreter des gewissen- und ge-
sinnungslosen Abenteurertums in der Liga geendet, sprechen die
geistlichen Vertreter Worte, in denen sich die nackte Selbst-
sucht tiberall auf die Füsse tritt, wobei der folgende Redner,
aus Genugthuung darüber, die lange Rede seines Vorredners
tiberstanden zu haben, eine noch längere hält.
Diese Wortführer sind der päpstliche Legat, der
Kardinal de Pellev^ und der Erzbischof von Lyon.
Auch sie verkünden mit aller nur wünschenswerten Offenheit und
sich stolz in die Brust werfend, wie sie, den wahren ver-
söhnenden und ausgleichenden Beruf der Kirche missbrauchend,
stets den Krieg im Munde geführt haben, wie sie, um die unver-
äusserlichen Güter gemarktet und gefeilscht, und anstatt durch die
Bekehrung des Bearner*s einen glücklichen Abschluss der Wirren
in Frankreich anzustreben, ihre von Eitelkeit und Hochmut ein-
gegebenen Sonderzwecke verfolgt haben. „Ihr sollt nicht wohnen,
dass ich gekommen sei, Frieden zu senden auf Erden. Ich bin
nicht gekommen, Frieden zu senden, sondeni das Schwert!"
(Evangel. Matthäi 10, 34), ruft der Legat. Wenn Frankreich auf
den schnöden Undank der Kurie hinweise, die so herrliche
Wohlthaten mit der Anfachung des Bürgerkrieges vergelte, so
solle man teils schon längst verschollene Historien nicht aufwärmen,
teils müssten sich die Franzosen durch die ihnen im Laufe der
Jahre wiederholt erteilten Dispense reichlich bezahlt sehen. Die
Wunderkraft der Liga habe sich trefflich bewährt, indem sie den
Bodensatz des Volkes emporgeschnellt und aus abgefeimten, ge-
brandmarkten Personen heldenmütige Vorkämpfer und Führer ge-
macht habe, und dieser Umstand sei ein höherer Fingerzeig, in
dem bisherigen wilden Treiben zu verharren. Über die durch-
gemachten Leiden sollten sie sich nicht grämen, sie hätten so
das Fegefeuer schon auf Erden gehabt und brauchten es nicht
mehr im Jenseits zu fürchten. Als treuer Schüler des Hippokrates
(er sagt Hypokrit), ruft der Kardinal von Pellev6, habe er, um
den Krankheitsstoff zu bannen, allenthalben in Frankreich Feuer-
brände anzünden lassen, die beinahe das ganze Land verzehrt
hätten. — Was für die weltlichen Grossen die Aussicht auf die
Krone, das ist für die geistlichen Redner die Hoffnung auf den
Kardinalshut und nur von dieser, nicht von Recht und Billigkeit,
*) So ißt Mayenne in der M^nippäe charakterisiert, ähnlich ur-
teilen über ihn, wie man sehen kann, die „Sechzehn" (bei L'E^toile);
dem halte man die viel milderen Urteile d'Aubign^'s und de Thou's
gegenüber. Auch der von ligistischer Seite hervorgegangene ßialoffue
du Mahetistre et du Manant ist auf Mayenne sehr schlecht zu
sprechen.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI^ q
-i.1-.:^ T' >
fuu: I. uf — Et
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Studien über die Saiyre Menippee. 131
^n Hörsälen das idyllische Bild der daselbst
''^n Mutterschweine und Milchkälber ge-
ist es seiner akademischen Stellung
7ukehren, und begibt sich mit dem
olastischen Philosophie und mit
'^ schmale Gedankenseil haar-
n. Er wird dabei aber so
^nkheit. Er lässt sämt-
bt an ihren Ansprüchen
1 Abschluss seiner un-
iiii>^e, da zu viele Kron-
.i'lc Hunde für einen Knochen
-- zufolge, dass jene Staaten die
i'iiilosophen Könige und die Könige
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sei" durch den langjährigen Aufenthalt in
.11(11 doch etwas Gelehrsamkeit angezogen
,' (Icr dieser geistlichen Redner vertritt nur seine
und seine eigenen Interessen: So spricht Pelleve
..>(n, denen er sein erstes Emporkommen zu danken
bezog aber auch in Rom durch zwanzig Jahre eine
ui vom Könige von Spanien, und da sich die Stände am
.Kt doch zu Gunsten dieses entscheiden könnten, so muss man -
k'b auch mit ihm vertragen. Aber auch mit denen, die über
sein Erzbistum in Sens verfügen könnten, dessen Sequestration
ihm so tiefen Hass gegen Frankreich und seine Könige eingeflösst
hat, will er es nicht ganz verderben. Dagegen ist der Erz-
bischof von Lyon ganz entschieden für den Usurpator Mayenne
und für den Umsturz des salischen Gesetzes; Rosa spricht für
die Sorbonne, der ihre ausgezeichneten Dienste seiner Meinung
nach nicht genug gelohnt worden seien: Philipp IL ist geld-
geizig und die ihr von demselben zugedachte Remuneration ist
anderweitig verteilt worden; darum ist Rosa g^^^n alle wütend,
er wirft „grobe Steine in den Garten"*) Mayenne's und sagt,
man solle ihn ins Kloster Clugny sperren, ebenso beschimpft er
die Herzöge von Savoyen und Lothringen; die Kandidatur des
Herzogs von Guise würde ihm nicht übel gefallen, aber er würde
der Narr Spaniens werden. Er würde sogar einverstanden sein,
für die Wahl des Bearner*s zu arbeiten, „vorausgesetzt, dass er
die Lehre vom Purgatoire und das „pain de chapitre" nicht antaste".
Der Eindruck der Rede Rose's ist ein verblüffender; der
^) Worte Poirson's, dem wir auch die letzten Bemerkungen
entnommen haben.
lau J. Frank
laeaeD sie sich in «11 ihrem anpatriotischen Than niid Lassen
beBtimmen. Die von der Parteileidenschafl eingegebenen Redeo
dieser Bchwerteifrigen Zionswächter erhalten aber dadurch auch
ein komisches Belief, dass sie als wahre Hischmischer
ihre geistig platten und sittlich traurigen Ergüsse mit gespreizter
Breitsparigkeit nnd („nin weniger verständlich zu sein!") io
einem Sammelsurinm von verschiedenen Sprachen vortragen:
Jeder von ihnen mSchte sein Licht leuchten lassen und meint,
„das Schwert seiner Latinität" aus der Scheide zücken zu
mUssen; da sie aber mit einem dürftigen Schnlsacke bepackt
nur an den kümmerlichen Besten ihrer mangelhaften Vorbildnug
hemmknuspern, bekommen wir, anstatt dem Inhalt und der Form
nach vollendeter Leistnngen, eine ganze Menge abgedroschener Re-
densarten zu bitren, Reden voller Flicken, wobei es auch nicht ohne
grobe Versündigungen gegen Logik und Grammatik abgeht Aach
die behäbige Selbstgefälligkeit ihres Auftretens als Männer von
Gewicht und Würden, die da nicht gestattet, an ihrer Existenz
zu zweifeln, die schwachküpfige Vergesslichkeit, die sich von
dem vorliegenden Manuskripte nicht tosmachen kann, obzwar dessen
Inhalt von den Ereignissen bereits ganz überholt ist, die stets
zum Ausgleiten geneigte Zunge, kurz, ihr ganzes Behaben „wie
sie sich räuspern und wie sie spucken", alles hat ihnen der
Autor als feiner Beobachter in der glücklichsten Weise abge-
lauscht nnd von der angewandten Anstrengung der Redner zengt,
dass sich Hr de Lyon so in die Hitze geredet, dass er nach
seiner Rede von Mme de Montpensier die Erlaubnis erbitten mnss,
das Hemd zu wechseln.
Als Vertreter der Wissenschaft in der Liga ei^reift hierauf
das Wort der Rektor Rosa, nachdem er sich zur Redner-
hUhne durchgedrängt hat. Er ist ein pedantischer Hanswurst,
voll läppischer Schnurrpfeifereien, Die ganze Bede dieses Pol-
terers, ebenfalls ein wahres Makkaroni im Stile Passavants, trägt
den Stempel der frisch -frei -fröhlichen LTuwissenheit und sein
Charakter steht auf der Höhe seines geistigen Könnens. Er
trägt allen Unrat der chronique scandaleuse auf seinen Schultern
mitten in die Öffentlichkeit, nnd — (on n'est jamais trahi qne
par les siensl) webe denen, denen er Komplimente an den Kopf
wirft: er macht es dann wie der Bär in der Fabel, der von der
Stime des schlafenden Freundes eine Schmeissfiiege verschenchen
wollte nnd mit dem Quadersteine, den er auf sie schlenderte,
das Hirn des Schützlings zerquetschte. So preist er es als
grosses Verdienst des Statthalters, dass man in den Räumen der
Hochschule nicht mehr von dem Kanderwäisch der disputierenden
Taugenichtse von Studenten gemartert werde und dass man
Studien ilber die Saiyre Menippe'e, 131
anstatt derselben in den Hörsälen das Idyllische Bild der daselbst
eingelagerten süssflötenden Mutterschweine und Milchkälber ge-
niessen könne. Auch Rosa ist es seiner akademischen Stellung
schuldig, den Gelehrten herauszukehren, und begibt sich mit dem
schwerfälligen Rüstzeug der scholastischen Philosophie und mit
falschen Zitaten ausgerüstet, auf das schmale Gedankenseil haar-
spalterischer, spitzfindiger Distinktionen. Er wird dabei aber so
konfus, wie ein Hammel in der Drehkrankheit. Er lässt sämt-
liche Kronkandidaten Revue passieren und übt an ihren Ansprüchen
die beissendste Kritik, und ein würdiger Abschluss seiner un-
sinnigen Rede ist der Vorschlag, man möge, da zu viele Kron-
bewerber, oder, wie er sagt, zu viele Hunde für einen Knochen
da seien, dem Ausspruche Plato's zufolge, dass jene Staaten die
glücklichsten sind, wo die Philosophen Könige und die Könige
Philosophen sind, den biederen Küster Guillot Fagotin zum
Könige machen, da dieser durch den langjährigen Aufenthalt in
den Universitätsräumen doch etwas Gelehrsamkeit angezogen
haben müsse. Jeder dieser geistlichen Redner vertritt nur seine
eigene Partei und seine eigenen Interessen: So spricht Pellev6
für die Guisen, denen er sein erstes Emporkommen zu danken
hat; er bezog aber auch in Rom durch zwanzig Jahre eine
Pension vom Könige von Spanien, und da sich die Stände am
Ende doch zu Gunsten dieses entscheiden könnten, so muss man
sich auch mit ihm vertragen. Aber auch mit denen, die über
sein Erzbistum in Sens verfügen könnten, dessen Sequestration
ihm so tiefen Hass gegen Frankreich und seine Könige eingeflösst
hat, will er es nicht ganz verderben. Dagegen ist der Erz-
bischof von Lyon ganz entschieden für den Usurpator Mayenne
und für den Umsturz des salischen Gesetzes; Rosa spricht für
die Sorbonne, der ihre ausgezeichneten Dienste seiner Meinung
nach nicht genug gelohnt worden seien: Philipp II. ist geld-
geizig und die ihr von demselben zugedachte Remuneration ist
anderweitig verteilt worden; darum ist Rosa gegen alle wütend,
er wirft „grobe Steine in den Garten"*) Mayenne's und sagt,
man solle ihn ins Kloster Clugny sperren, ebenso beschimpft er
die Herzöge von Savoyen und Lothringen; die Kandidatur des
Herzogs von Guise würde ihm nicht übel gefallen, aber er würde
der Narr Spaniens werden. Er würde sogar einverstanden sein,
für die Wahl des Bearner's zu arbeiten, „vorausgesetzt, dass er
die Lehre vom Purgatoire und das „pain de chapitre" nicht antaste".
Der Eindruck der Rede Rose's ist ein verblüffender; der
^) Worte Poirson's, dem wir auch die letzten Bemerkungen
entnommen haben.
182 J. Frank
Herr Statthalter flüstert dem Legaten ganz leise zu: ^Ce Fol
icy gastera tout nostre mystere!"; im übrigen erhebt sich ein
turbulenter Skandal, die Herolde schreien: „Qu'on se taise!^' denn
das Wort „Paix-lä!^ ist in dieser Gesellschaft auf das stärkste
verpönt.
Nachdem der betäubende Lärm zur Not gedämpft ist, tritt
als Vertreter des ligistischen Adels sehr bezeichnend der ehe-
malige Verpflegungsbeamte Mrde Rieux auf. Er ist der T3rpu8
des wegelagemden Schnapphahns, der neuen Helden der Liga,
die sich die Pose des Edelmannes zu geben suchen, bei denen
aber stets die banausischen Manieren zum Ausbruche gelangen.
Er ist selbst überrascht, wie er zur Ehre gelangt sei, im Namen
des Adels zu sprechen, erklärt sich dies aber durch die der
Liga innewohnende Wunderkraft. Im sicheren Vorgefühle des
Galgens spürt er ein unausgesetztes Jucken am Halse. Er ist
der bramarbasierende Rataplan seiner Partei, der übermütige
Kalbfellrassler , er reklamiert das Rauben und Stehlen als sein
angeborenes Menschenrecht und den Krieg aller gegen alle als
seine Liebiingsidee. Es lebe der Bürgerkrieg! ist seine Losung.
Alle Ideale und Palladien der Patrioten, die Rücksicht auf Ehre,
Manneswürde erklärt er für einen Popanz und leeres Gewäsche.
Auf Argumente lässt er sich nicht ein, höchstens auf das schla-
gende des Stockes, und als rechter Eisenfresser löst er jede noch
so verwickelte Frage mit dem Schwerte. Er hat eine instink-
tive tiefe Abneigung gegen alle Bildung und die Gebildeten, be-
sonders gegen die Juristen, die er mit dem Witze eines Fisch-
weibes verhöhnt. Die Justiz sei für seinesgleichen nicht ge-
schaffen, er werde die Kühe und Hühner seiner Nachbarn
nehmen, wann und wo es ihm beliebe. Und warum auch nicht?
Herrsche nicht Freiheit? Habe der Herr Statthalter nicht er-
laubt, alles zu thun, sogar Eltern, Brüder, Freunde zu ermorden,
wofern man nur gut ligistisch sei und nie das Wort „Frieden"
in den Mund nehme. In seiner angeborenen Bescheidenheit
plädiert er am Schlüsse seiner säbelklirrenden Rede für seine
eigene Königs wähl und begründet sein Anrecht darauf mit dem
Vorhaben, die Anarchie und das Faustrecht zu verwirklichen.
Nachdem hierauf in einer weiteren Episode die radikale
Umsturzlust der neuen Partei glücklich beleuchtet wird,^ ergreift
*)Wir meinen die Stelle, wo d'Engoulevent, im Namen einer
Art „vierten Standes", der „nouvelle noblesse", sich vordrängend, eine
Rede halten will, und d'Aubray mit allem Nachdrucke geltend macht,
man habe in Frankreich seit jeher nur drei Stände anerkannt und man
dürfe keine Neuerungen schaffen. Die Meinungen der Deputierten sind
Studien übcT die Saiyi'e Menippee. 133
das Wort der Generalredner d'Aubray als Vertreter der „Po-
litiker" und des Bürgerstandes. Wenn es die alten Griechen liebten,
nach einer markerschütternden Tragödie durch ein heiteres Satyr-
spiel die Wiederkehr in die reale Welt und in die alltägliche
Stimmung zu finden, so wird hier der umgekehrte Vorgang be-
folgt, und auf die lustigen Personen, auf die Karrikaturen mit
den logischen Bockssprttngen in ihren Reden folgt die ernste
Sprache des besonnenen und willensstarken Mannes. Er spricht
nicht in leichtkomischer Stilvermummung, er ist kein Strafprediger
in Balltoilette, sondern er trifft sein Ziel geradeaus mit wuch-
tigen Kernhieben, die man ordentlich durch die Luft sausen
hört. Ihm dienen die Ereignisse nicht bloss zur Folie scherz-
hafter Einfälle, er treibt nicht frostigkalte Rhetorik, sondern
seine Worte machen trotz ihrer fast gesuchten Einfachheit meist
eine zündende Wirkung. Obzwar vom Adel, gürtet er sich doch
stets mit dem ganzen Stolze seines schlichten Bürgertums, in
dem erhebenden Bewusstsein, wie schwer bereits die Stimme
dieses Standes in die Wagschale falle. Er hält sich eben so
fern von allem falschen Heldentum, wie von aller servilen
Kriecherei, er weiss, des Bürgers beste Wehr sei der Friede,
stellt sich aber jedem mutig entgegen, der diesen Frieden mut-
willig stören zu wollen vermessen genug ist. Wohl verschmäht
auch er es nicht, über seine Gegner zuweilen die ätzende Lauge
bitteren Hohnes auszugiessen, aber man sieht, er will nicht
lachen machen, sondern aufstacheln, fortreissen, sittlich empor-
raffen. Es thut wohl, nach den überwürzten Reden der anderen,
nach dem rhetorischen Ragout die gesunde Hausmannskost der
d'Aubray'schen Rede aufgetischt zu erhalten.
Diese ist von grossem Wurfe und entrollt ein gewaltiges
historisches Gemälde der politischen Gesamtlage. Er kann im
Beginne seiner Rede nicht mehr an sich halten, und bevor er
geteilt und es droht eine regelrechte Prügelei auszubrechen; da ent-
scheidet der Generaladvokat d'Orl^ans, d'Engoulevent sei wohl im
Rechte, denn die Ständesitzungen wären ja überflüssiff, wenn man
nicht etwas Neues, Apartes schüfe, d'Engoulevent solle aber wegen der
vorgerückten Zeit seine Rede aufschreiben. — Auch diese Stelle
spielt auf thats'achliches an, da Mayenne, um seinen Ständen ein
grösseres Lustre zu verleihen und um auch die Lücken auszufüllen,
die souveränen Gerichtshöfe gegen alles Herkommen eingeladen hatte,
die Ständesitzungen zu beschicken. Die drei Kammern aber, die die
Stände vertraten, protestierten gegen diesen Zuwachs, der sich nicht
als der Vertreter eines anerkannten Standes hinstellen konnte. Das
nähere hierüber vergleiche man in der Vorrede A. Bernard 's zu den
von ihm herausgegeoenen Proces-verbaux der fitats G^n^raux de 1598,
Seite LIV und auf S. 219 dieser Protokolle.
134 /. Frank
ruhigen Erwägungen und einer Prüfung der Ursachen der jetzigen
Zustände Raum gibt, muss er seiner gepressten Brust, seinem
lange niedergehaltenen Schmerze durch einen gewaltigen Auf-
schrei Luft machen und durch einen Vergleich zwischen der
einstigen hingeschwundenen Grösse und dem jetzigen Elend zeigen,
wie weit es mit Frankreich gekommen. Es werde doch, so
meint er, wenigstens noch gestattet sein, sein Leid zu klagen,
und so hält er eine Umschau und schildert mit den lebendigsten
Farben den Kontrast zwischen dem früheren Wohlstande und der
jetzigen Verarmung, zwischen der entrissenen Freiheit und dem
nun herrschenden Parteiterrorismus, der ehemaligen Lustigkeit
und der nunmehrigen Verzweiflung. An Stelle des behaglichen
Schlaraffenlebens sei nun bitterer Mangel getreten, die schön-
getäfelten Speisesäle, die zum Brechen gefüllten Speicher und
Keller, die reichlich gedeckten Tafeln, sie seien vorüber und
man finde jetzt so viele, die nach Schweizerart bloss von Milch
und Käse leben. Diese aber seien noch beneidenswert im Ver-
gleiche mit jenen, die schon zum Pferde- und Hundefleisch
greifen oder gar den Rat Mendoza*s, aus den Todtenknochen
auf den Friedhöfen ein Mehl zu bereiten, in Erwägung ziehen
müssten. Ob denn dieser Jammer die Urheber desselben nicht
rühre, ob ihnen das Herz nicht breche, beim Anblicke der an
der kraftlosen Mutterbrust verschmachtenden Kinder, der an
einem Stocke gleich leblosen Schatten einherwankenden Krie-
ger, der vor Hunger mitten auf der Strasse niedersinkenden
Bürger?
Nachdem d'Aubray die niedrigen Instinkte des Magens,
die unbefriedigte Begehrlichkeit und Lebenslust im Menschen
aufgerüttelt, wendet er sich im edlen Pathos von hohem mora-
lischen Standpunkte an die grossen mächtigen Leidenschaften,
die die Menschenbrust bewegen und das Menschenherz erheben, und
sucht sittliche Entrüstung hervorzurufen. Er klagt darüber, wie
auch das ethische Leben sich allenthalben verroht und ver-
schlechtert habe, wie neben den materiellen auch die ewigen
Güter durch das Treiben der Liga arg gefährdet erscheinen.
Die V7issenschaft sei aus ihren Pflegestätten verbannt, die Stu-
denten seien eine verwilderte Söldnerhorde geworden, die Scheu
vor den geheiligten Mysterien der Religion sei abhanden ge-
kommen, die den Priestern entgegengebrachte Ehrfurcht sei ent-
flohen und jeder mache sich jetzt eine Religion nach seiner Fagon!
Und das sei kein Wunder, denn die Prediger seien die feilen
Werkzeuge der Parteibestrebungen geworden, ihre geweihte
Thätigkeit sei zu einer gemeinen Agitation herabgesunken und
die Kanzel sei zur Verbreitung lügnerischer Tendenzgerüchte miss*
Studien über die Satyre Mernppee. 135
braucht wordcD. Aber auch die Autorität der weltlichen Behörden
sei im; reissenden Niedergange: Wie könnten hier sonst in diesen
Ständesitzungen alle die fehlen, die als die wahren Stützen des
Thrones hier zu erscheinen das erste Recht hätten, und sich
freche Eindringlinge an ihrer Stelle breit machen? Und da wolle
man noch glauben machen, die Liga habe alles, was sie gethan,
nur im Interesse der Erhaltung der Religion und des französischen
Staates gethan!
Nach diesem harschen Weckrufe geht d'Aubray im abge-
dämpften ruhigen Kammertöne sachlicher Erörterung an die
Untersuchung, wie es so weit gekommen und wo die Abhilfe zu
suchen sei. Er sieht den ersten Urheber des nationalen Unglückes
im Könige von Spanien. Dieser habe schon früher mit richtigem
Scharfblick in Frankreich das grösste Hindernis seiner ländersüch*
tigen Pläne erkannt und es auf dessen Vernichtung abgesehen, und
da er dies im offenen ehrlichen Kampfe nicht vermocht, habe er es
zielbewusst durch Erweckung und fortgesetzte Nährung der inneren
Wirren zu erreichen gesucht und der masslose Ehrgeiz der Guisen
habe ihm hierzu die beste Handhabe geboten. Es folgt nun eine
lichtvolle, sachkundige Darstellung des verderblichen, zerstörenden
Einflusses der Guisen, wie dieselben zum Schaden des Staates immer
mehr an Bedeutung gewonnen und alle Macht an sich gerissen,
wie sie kaum zurückgedämmt, von neuem immer schranken-
loser hervorgebrochen seien, schürend und hetzend, das Ansehen
des Königtums mit den Mitteln der Kabale und der Gewalt,
mit dem Schwerte und der Feder untergrabend. Von der
Religion sei im Anfange der Streitigkeiten keine Rede
gewesen, und die politischen Parteien haben erst
späterdie religiösen ins Schlepptau genommen. Alle
wohlwollenden und ehrlichen Absichten des Königs seien durch
die unterminierende Wirksamkeit der beiden mit der ränkesüchtigen
Königin-Mutter verbundenen Gewalten Spaniens und der Guisen
verdächtigt und vereitelt worden und haben nur dazu gedient,
das Königtum noch tiefer in den Kot zu zerren, bis ihr Treiben
zuletzt mit der offenen Empörung, den Barrikaden und der An-
stiftung des Königsmordes endigte. Er zeigt weiter, wie es nach
dem Tode Heinrich's III. dem Haupte der Guisen selbst an
dem Mute des Bösen gefehlt habe, mit einem kecken Griffe die
Krone an sich zu reissen, und wie Mayenne den Ausweg ein-
geschlagen habe, den Titel eines Statthalters des Staates und
der Krone von Frankreich anzunehmen. Dieser Titel sei ein
Ausbund der Lächerlichkeit und ein wahres Unding, dei^i ein
Statthalter könne wohl eine Person, nie aber eine Sache ver-
treten. Wenn es noch geheissen hätte : „Statthalter innerhalb des
136 /. Frank
Staates und der Krone von Frankreich!^' Indes was bedeute ein
Sprachfehler gegenüber anderen so groben thätlichen Versün-
digungen?
Es wird nun die Person und die Wirksamkeit Mayenne^s
als Statthalter, besonders aber seine tiefe Demütigung Spanien
gegenüber einer scharfen, aber gerechten Kritik unterzogen.
D'Aubray bezeichnet es als schweres Unglück, dass der Wider-
stand gegen Heinrich von Navarra sich so in die Länge gezogen
habe. Wir wären, so meint er, im Falle der baldigen Unter-
werfung, unter Heinrich von Navarra der Strafe nicht entgangen,
aber wir wären nicht so langsam am Kleinfeuer geröstet worden,
wir hätten noch so vieles erhalten können, was jetzt unwieder-
bringlich verloren ist. In einer vorzüglich ausgeführten histo-
rischen Parallele zwischen der jetzigen Lage von Paris und der
des von Titus belagerten Jerusalem mit der gebührenden Nutz-
anwendung, entwickelt hierauf d'Aubray ein tiefes Verständnis
geschichtlicher Vorgänge. Auch die dortigen Zeloten haben da-
selbst immerfort jede Äusserung des Friedensbedürfnisses mit
dem Geschrei, es gelte die Erhaltung der Eeligion, niederge-
halten, auch dort haben demagogische Schreckensmänner stets
dieselben Schlagwörter im Munde geführt, „aber was sie
euch da von der Religion vorschwätzen, ist nur eine
Maske, mit der sie den Einfaltspinseln imponieren
können, wie die Füchse die Elstern mit ihrem langen
Schwänzen kitzeln, um sie schliesslich zu fangen und
nach Belieben aufzufressen. Habet ihr schon jemals
gesehen, dass Leute, die es auf eine unbedingte Herr-
schaft über die Menge abgesehen hatten, nicht irgend
einen gleissenden Vorwand, als gelte es der Rettung
der Religion oder des Gemeinwohles, zu finden wuss-
ten?" Und doch wäre dies stets nur die Flagge gewesen, um
die verbotene Waare zu decken. D'Aubray hält ferner seinen
Hörern wie in einem Spiegel ein zweites Bild der jetzigen Lage
vor durch die Erinnerung an jene Zeit, da England und Burgund
so, wie jetzt Spanien und die Guisen, den Fortbestand Frank-
reichs in Frage stellten, und vergleicht die Stände Sitzungen von
Troyes mit den heutigen. Also, schliesst er diesen Teil seiner
Rede, habe ich auch nachgewiesen, nur die Eifersucht zwischen
den Bourbonen und Lothringern und die zügellose Ehrsucht der
Guisen seien die alleinige Ursache unseres Unglückes; die vor-
geschützte Rücksicht auf die Religion ist nur „der Schlaftrunk, der
uns betäuben soll, gleichsam eiü gut versüsstes Opiat, das als
narkotisches Mittel dienen soll, unsere Glieder gefühllos zu
machen, damit wir nicht empfinden, wie man sie uns stückweise
Studien über die Satyr e Menippee. 137
iiander amputiert, so dass nur ein Stumpf übrig bleibt, der
' zu grossen Blutverlustes ebenfalls den Blutumlauf und das
eiubiissen wird!"
Nachdem er so die Politik und die Staatsstreiche der
n mit grosser Gewandtheit und Klarheit auseinandergesetzt
•lachdem er Überzeugend nachgewiesen hat, dass die Mit-
vT dieser Stände die Ausländer und die Interessen derselben
ehr vertreten, als die Frankreichs, nachdem er den Herzog
Mayenne als einen intriguierenden Charlatan lavieren-
zweideutigen Charakters blossgestellt hat, nachdem er
die ganze Sippe der anderen Thronbewerber mit ihren
igen Thronansprüchen gekennzeichnet hat, hält er alledem
lurch unverbrüchliche Gesetze geheiligten Rechte Heinrich's
Navarra auf den französischen Thron entgegen und be-
rt sich als ebenso ehrlichen und eifrigen Roya-
jii, wie er von wahrer, ungeheuchelter Religiosität
lllt ist. Ohne jeden Byzantinismus, meint er, dürfe man es
prechen, dass auch die persönlichen Vorzüge dieses Prinzen
abgesehen von seinen ererbten Rechtstiteln, hoch über seine
^)ewerber erheben. Sein offener, gerader Sinn, seine Leut-
'^keit, sein ritterliches Wesen, seine nur allzugrosse Milde
-en seine besiegten Feinde und sein liebenswürdiger Humor
"hen so vorteilhaft gegen die Schliche und die künstlich auf-
'^lähte Unbedeutendheit seiner Gegner ab, dass man ihm den
•^Tang vor allen zuerkennen müsse. Wenn man dem Bearner
Mien Hang zu galanten Abenteuern vorwerfe,^) so sei ein
'ches dem Waffenhandwerk und dem Dienste der Frauen ge-
ihtes Leben echte Soldatenart 5 ein so aufreibender Beruf
'isse einen reichen Zeitvertreib haben, und wer sein Leben
den Augenblick zu verlieren Gefahr laufe, der müsse dasselbe
ich in raschen, vollen Zügen gemessen. Die ihm vorgewor-
ne Ketzerei werde bald verschwinden, da er eben seine Ver-
ehrungen treffe, aufrichtigen Herzens in den Schooss der alten
^'irche zurückzukehren; aber selbst, wenn dem nicht so wäre,
so gebe kein Gesetz, kein Evangelium jemandem das Recht,
inen Menschen wegen des abweichenden Glaubens seines irdischen
Hesitzes verlustig zu erklären. Wenn das der Fall wäre, so
nüsste durch die Exkommunikation einem Trunkenbolde der Ge-
luss des Weines, einem Frauenjäger der Umgang mit den Frauen,
und einem Aussätzigen sich zu kratzen, verboten werden können!^
*) D'Aubign^ sagt von ihm (in seiner Rist, univ., t. lU, 1. 3,
eh. 23, S. 400, Amsterdam 1626): „auquel on ne pouvoit reprochei:
aucune imperfection qae nature n'avouast".
138 J. Frank
Er eröffnet ihoen schliesslich eine herrliche Perspektive des
Friedens mit allen seinen Segnungen und seinem Balsam für die
durch den Krieg geschlagenen Wunden. Er ruft mit den Worten
des Profeten Isaias : „0 quam speciosi pedes nuntiantium pacem,
nuntiantium bona et salutem!'' „Es gibt^^, meint er, ,,keinen so
schlechten Frieden, der nicht mehr wert wäre, als ein noch so
gerechter Krieg'', und ermahnt alle die, die nicht schon mit
Haut und Haaren an die Spanier verkauft sind, eindringlich zur
Umkehr. Noch könne alles wieder gut werden! Es sei thöricht
und verbrecherisch, einen König wählen zu wollen, wo man
einen habe; „man könne zwar künstlich Kronen und Szepter
schaffen, aber nimmermehr einen König, ebenso wie man zwar
ein hölzernes Bein, einen eisernen Arm, eine silberne Nase
machen könne, aber keinen künstlichen Kopf.'' Also hinweg mit
den ausländischen Störenfrieden, die sich in unsere häuslichen
Verhältnisse einmischen, die an unserem Mark und Bein zehren ;
wir sind dessen müde, uns wie die Gladiatoren zu ihrer Augen-
weide untereinander zu zerfleischen! „Hinaus mit dem Legaten,
dem Spanier und dem Lothringer; gebrauchen wir ihnen gegen-
über einmal unser Hausrecht!" „Ich weiss zwar", schliesst er,
„dass ihr mich gleich beim Verlassen dieser Räume ver-
haften und töten könnet", aber besser ein Ende mit Schrecken,
als ein Schrecken ohne Ende! Der Schluss erinnert lebhaft an
Luther's: „Gott helfe mir, ich kann nicht anders!"
Wie ein grell aufzuckender Lichtstrahl hat die Rede
d'Aubray's die ganze Lage beleuchtet und das Netz von Wahn-
gebilden zerrissen, mit denen der Sinn der Bethörten bis jetzt
umfangen gehalten wurde, wie ein reinigendes Ungewitter hat
diese gewaltige Kundgebung eines klaren Kopfes und biederen
Herzens den dichten Nebel von Lug und Trug zerstreut, und
selbst, die wütendsten Ligisten sind eine Zeitlang von der Macht
dieser Rede betrofl'en, bis ein Spanier, der zuerst seine Fassung
wiedererlangt hat, sich erhebt und mit einem derben Fluche die
seinen Plänen ungünstige Stimmung zu verscheuchen sucht. Es
kommen noch die Pläne aufs Tapet, die einige querköpfige
Staatsretter zur Gesundung Frankreichs vorschlagen. Da ist
keine Verfassung zu entlegen und zu absurd, als dass sie für
Frankreich nicht geeignet erscheinen sollte. Die alte keltische
Republik, die anarchische Demokratie Mariana's, die angebliche
athenische Oligarchie, die permanente Diktatur, das Konsulat,
alle kommen sie an die Reihe, um den verfahrenen französischen
Staatswagen ins rechte Geleise, zu rücken, und das Ende ist,
dass, wie gewöhnlich bei so vielen Beratern, gar kein Beschluss
zu stände kommt. Auch hier zeigt sich, dass ein schlichter
V«^«w
^''ftdk'n über die Salyre Mcnippee. 139
- »».aiisbackenen Verstände das richtige eher errät,
•••*' falsch verstandene Doktrinen verschrobenen
< i)ildeten. Der Weinbauer Trepelu aus Su-
Milioh: „der König sei die wahre Sonne Frank-
Sonne sei trotz alle- und alledem, obgleich es
'11 Weinbergen friere, eine schöne Erfindung und
•nnn nicht auf sie spucken und aufhören, sein
irinken, obgleich der Wein teuer sei". So ver-
^ ■ . orte sind, können sie natürlich die eingefleischten
t*m nicht überzeugen, und diese Versammlung endet
vi(^ sie begonnen: man geht resultatlos auseinander
sich, indem man als Schlussfeuerwerk, zahlreiche
iCaketen und Flammenräder von witzsprtihenden Cou-
atrains loslässt, in denen man, sich selbst ironi-
wii schadenfrohe besondere Genugthuung darüber
!<iss das letzte Stündlein der Liga geschlagen habe
Ibst ihre früheren ergebensten Anhänger in den Ruf:
' König! bald einstimmen werden.
III. Würdigung der Satyre M^nipp^e.
Mcnippee hat, wie selten ein anderes Werk, bei Freund
l ihrer Parteistellung nahezu ungeteilten Beifall ge-
ihr schlagender Witz, ihre glückliche Komposition
über ihre Zeit hinausreichende Bedeutung wurden fast
^ anerkannt.') Suchen wir uns darüber Rechenschaft
1, in wie weit sie diesen hohen Ruf verdiente.
e Satire überhaupt setzt sich als Ziel, menschliche
ten und Verirrungen einer aus den Fugen gerückten,
idersprüchen erfüllten Welt in kunstmässiger Form so zu
in, dass das Verkehrte derselben und ihr Gegensatz zu
lern Dichter vorschwebenden oder dem in der An-
mg der besten aller Zeiten anerkannten Ideale aufs Kräf-
hervortritt. Der Satiriker darf zu diesem Zwecke räum-
^) Wir müssen darauf verzichten, auch nur einige dieser schwung-
^en, des grössten Lobes vollen Urteile über die Mänippde hier zu
'•oduzieren. Wir wollen hingegen bemerken, dass Voltaire, der
nche gelungene Stelle der Mänipp^e litterarisch ausgebe«tet hat,
«elbe einmal, mit der wenig noblen Manier, in den Napf zu spucken,
^ dem er gegessen hat, als ein „ouvrage tres m^diocre" abthut.
1 einer anderen Stelle (eh. 9 der „Mälanges de Litt^rature et de
hilosophie") sagt er freilich im stärksten Widerspruche zu diesen ab-
llligen Worten: „Je d^sesp^re de vous faire connaitre Hudibras,
>oeme anglois : c'est Don Quichotte, c'est notre Satire M^nippäe fondus
ensemble de tous les Livres que j'ai jamais lüs, celui oü j'ai trouv^
plus d'esprit".
140 J. Frank
lieh und zeitlich Auseinanderliegendes zusammendrängen und
verdichten, gewisse Züge hervorstechender gestalten und tendentiös
vergröbern; es darf sein Recht nicht verkümmert werden, durch
künstliche Beleuchtung und Farbenmischung die beabsichtigte
Wirkung zu erzielen und die stumpf gewordenen Sinne der öffent-
lichen Meinung, denen der geeignete Massstab und die Fähigkeit
des nüchternen, richtigen Sehens abhanden gekommen ist, durch
drastische Mittel zu schärfen und wieder gesunden zu lassen.
Er darf keinen blossen Abklatsch der Wirklichkeit bieten, denn
er ist kein Geschichtschreiber; er muss vielmehr die zu betrach-
tenden Objekte in die seinen Lesern passende geistige Sehweite
rücken oder unter Umständen auch künstlich vergrössern, er darf
besonders durch die Nebengesellung des Normalbildes und der
im satirischen Hohlspiegel aufgewiesenen Verzerrung das Ab-
weichende des letzteren in die Augen springen lassen. Er darf
aber keinen Augenblick sein ethisches Ziel aus den Augen lassen,
wir müssen erkennen, er wolle nicht bloss mutwilligen Spott
treiben oder ein wohlfeiles Lachen erzielen; wir müssen vielmehr
die Überzeugung gewinnen, ihn treibe nicht hämische Schmähsucht
oder gar Neid und Missgunst, sondern nur das sittliche Miss-
behagen über die menschlichen Thorheiten, die Erbitterung gegen
alles niedrige mache seine Feder so scharf und spitz, er habe
es auf die Sache und nicht auf die Personen abgesehen. Er
darf darum nicht zufällige und unverschuldete menschliche
Gebrechen, sondern nur sittlich verwerfliche Richtungen zur
Zielscheibe seines Spottes machen; die Satire soll, wenn sie
auch das Einzelwesen zeichnet, ihren Blick doch stets auf das
unvergänglich Ewige, was die ganze Menschheit angeht, ge-
richtet halten, die Einzelwesen, die sie geisselt, sollen ihr nur
so viel gelten, als sie dieselben in ihrer Individualität zum
Träger einer typischen Idee gestaltet, sonst wird sie zum
Pamphlet,^) zum Pasquill. Dabei muss sich aber der Satiriker
davor hüten, in den trocken lehrhaften Ton des Sittenpredigers
zu fallen, oder sich in Allgemeinheiten und Abstraktionen zu
verlieren, denn bei all ihren didaktischen Ursprüngen und End-
zielen hat die satirische Dichtung doch ihre ganz ausgeprägte
Eigenart: sie lässt die Erkenntnis des Wahren genetisch ans der
des Falschen hervorgehen, sie lässt uns mit den Mitteln des
Witzes und der Ironie das Lächerliche an den Aussendingen
*) Wohl hat man auch die Mönipp^e „le roi des pamphlets" ge-
nannt, doch ist sie es nur durch ihre stark persönliche Färbung in-
sofern, als sie bestimmte historische Individuen angreift und in jenem
Sinne, in dem auch Bourke ein politischer Pamphletär war; ein Pam-
phlet in jener Zeit vertrat nämlich unseren „Leitartikel".
/< aber die Satyre Menippce.
141
mau dn-
-.liäst es, nachdem sie uns durch die an-
.ft Lächelns herangezogen und gefesselt hat,
u ernsten Gedankenarbeit, das Richtige an
• tzen. Sie muss aber stets wirkliche Ver-
• uen zum realen Hintergrund haben und kann
.iistwerk besonders darauf nicht verzichten,
tiif unsere sinnlichen Wahrnehmungen einzu-
i hätten ihre Figuren anstatt Fleisch und Blut
. hemenhaftes und sie würde des grössten Reizes
^A'c wird den meisten dieser Anforderungen ge-
.j;t kühn in das wogende Auf und Ab von Lei-
die, wenn auch mit etwas veränderten
immer wiederkehren. Sie brandmarkt die
Tartüffes, die die heilige Lohe religiöser Be-
.li das unreine Feuer ihrer schnöden Begehrlich-
.i möchten, die sich nicht scheuen, einen Weltbrand
. wenn sie daran das Linsengericht ihrer niedrigen
machen können. Sie kennzeichnet jene Fetische
die mit dem kurzen Mantel einiger verbrauchter
alle ihre Blossen decken möchten und die ihr
chönen Worten, wie der Vogelsteller das seine mit
i\ Lockpfeife, hinter sich herziehen. Sie will das
Volk von seiner Leichtgläubigkeit und Vertrauens-
. eilen und es daran mahnen, wie man es unter den
1 Führern so herrlich weit gebracht, und wie die
büssen müsse, wenn die Grossen hadern. Die Ge-
sollen die Überzeugung gewinnen, dass ihre Verführer
swohl und die Religion nur als Köder aushängen, um sie
lanken- und willenlos zu machen und dann einzufangen.
r Plan, in einer Parodie der Stände Sitzungen die letzteren
•nauslöschlichen Gelächter preiszugeben, ist sehr gut aus-
:. ' Es gewinnt dadurch die ganze Satire einen aktuellen
ter und ein dramatisches Leben und es tritt durch die
^he an die Komödie gemahnende Anordnung der Grund-
ke: die wirklich stattgehabten Ständesitzungen seien auch
-ine Posse gewesen, kräftig hervor. Der Satiriker hat sie
in diesem Rumpfparlamente alle zusammen, die Betrüger und
betrogenen Betrüger, und kann die Pfeile seines reichgefttllten
•hers nicht nur gegen die preislichen Helden, sondern auch
^en die Maulthiere und Hunde abschnellen. Er trifft den
iiwerfälligen Mayenne, der vor dem Brei steht und dem der
öffel fehlt, die Parvenüs, denen die neue Herrlichkeit wie ein
u weit gewordenes Kleid um die mageren Glieder schlottert,
142 J. Frank
die Gltickßjäger auf ihrer Hetzjagd nach einer Krone, die dem
Ziele 80 nahe, ihres Fanges nicht froh werden sollen,^) da sie
sich über die Teilung der Beute nicht einigen können, die vater-
landslosen Abenteuerer, die das Haschen nach dem besten Platze
am Mahle des Lebens als die höchste Tugend und göttliche
Inspiration ausgeben möchten; aber auch die kleinen Leute, die
ihnen dabei Handlangerdienste leisten, die Verblendeten, die sich
von ihnen im Taumel zur Schlachtbank schleppen lassen. Die
heftigsten Ausfälle aber richten sich gegen die Spanier,^) die
sich in die häuslichen Angelegenheiten Frankreichs einmischen,
die die Verwirrung vergrössern, um dann, gleichsam vom Schimmer
einer rettenden That angeleuchtet, als Befreier desto herrlicher
erstrahlen zu können, und ihre französischen Helfershelfer.
Die Menipp6e erklärt besonders die Urfehde dem Miss-
brauche der Religion, dem neuaufgebrachten, das alte ver-
drängenden Catholicond'Espagne. Es kann nicht genug betont
werden: Keine Redewendung im ganzen Verlaufe der Menippee
redet der Reformation das Wort, dieselbe wird vielmehr überaU
allen Ernstes als Ketzerei bezeichnet und aus jeder Seite spricht,
wenn schon nicht ein fanatischer Hass, so doch eine ganz aus-
gesprochene Abneigung gegen dieselbe. Sie ist eben ein Werk
der „Politiker", die eben so entschieden national als gut katho-
lisch gesinnt waren, sie stemmt sich nur gegen die Zumutung
eines ausländischen Königs, sie ist nur über jene entrüstet, die
die einzig mögliche glückliche Lösung der herrschenden Wirren
verhindern, indem sie sagen, Heinrich von Navarra könne selbst
dann nicht König von Frankreich werden, nachdem er aufrichtig in
den Schooss der katholischen Kirche zurückgekehrt sei.^) Wohl
^) „. . . suivant ce que me dit un jour Michel Montaigne,
assavoir, que las pretendans ä la Couronne trouvent tous las aschalons
jusquas au marchepied du throsne, et petita et aisez, mala que la
dernier ne se pouvoit franchir, pour sa hautaur" (d'Aubign^, hist. univ.,
T. m, 1. 3, eh. 23).
^) Granz 'ähnliche Tendenzen verfolgte auch der zur Zeit der Er-
öffnung der Konferenzen von Suresnes arschienane Anti-Espagnol, in
dam die Spanier als „puants Visigoths" als „faquins de Castille" be-
zeichnet werden und ihnen vorgehalten wird, wie sie, die Bastard-
katholikan, die kaum erst den Arianismus abgelegt hätten, die Halb-
judan und Halbmohamadaner, die noch halb im Banne dar Synagoge
und des Korans sich befänden, dem Sprossen das heil. Ludwig den
Thron streitig machen wollten. Auch in dieser „politischen" Satire ist
dar Schluss wie in der M^nipp^e versöhnend und apelliart an den ge-
sunden nationalen Sinn aller Franzosen, die sich durch die vorge-
spiegelten Ziele nicht irre machen lassen sollen.
") Boucher und d'Aubray hatten gepredigt, Gott selbst
könne dem Bearnar nich4; verzeihen.
^1 'liftpce. 143
jene im Geiste des
'Sichen insbesondere
vierus; es hiesse aber
.' Litteratur subversive
ch und beissend, aber
iiehr geneigt über ihre
widerlegen, unwidersteh-
v)ch der Autorität entraten
1 die Franzosen schon im
r Gewissen ohne Widerstand
leren Macht sie fürchteten ".^
(üeistes,^) in welches heftige.
eilten und so wie die M6nipp6e
:iie Tochter des Pfarrers von
>ü sie insbesondere in bezug auf
« lassenheit ihr Vorbild nicht ver-
. gehenlassen des Witzes, das alles
it hereinzieht, das die Befürchtung,
der Religion darunter leiden, schon
Aj weil dieselbe in jener Zeit in den
.niindet war, als dass der Mann mit
r Narrenpritsche an sie heran konnte.
damals das ganze geistige Leben in
1 der Humor in seinen mäandrischen
ser Richtung bewegen und den in den
:eii der Menschen von dem religiösen
neu Stoff aufnehmen musiste.
lüg allerdings weiter als Rabelais: wenn
i iasslichen Immunität des Hofnarren, der auch
^,^ Gesch. der fr. Nationallitt., S. 47.
nirche fasste es in diesem Sinne auf und legte ihm
i)pi. Geistreich, wenn auch nicht ohne Malice,
:te-Beuve (Tabl. bist, et crit. de la Poesie fran9ai6e
--. 452): „On ä remarqu^ das longtemps cette gaietä
}>aYs catholiques: ce sont des enfants qui sur le giron
i iVjnt toutes sortes des niches et prennent leurs aises.
chez lui permet bien des choses, quand on ne l'attaque
N'iLvez-vous pas jamais remarqu^ dans la foule, un jour
■loiis grands chevaux de gardes municipaux entre les
"Is se passent les passants, fiUes et gar9ons, et qui ne
.J)()t sur personne? Tels sont les bons chevaux de garde
jKiya catholiques."
nmiortelle Mänipp^e est sa (Babelais') fiUe legitime" (Geruzez,
l. Bd., S. 314).
144 J. Frank
gegen seinen Herrn und Gebieter etwas wagen darf, an kirch-
lichen Würdenträgern seine Zunge wetzte, so musste dies in so
gewundener, verborgener Weise geschehen, dass alle und nie-
mand gemeint sein konnte, dass er mit der Geschmeidigkeit
eines Aals jedem Versuche, ihn zu fassen, entschlüpfte, dass
das Gelächter jede Bedenklichkeit erstickte; die Menippee-
autoren hingegen durften und mussten, wenn sie ihren Zweck
erreichen wollten, unter dem viel ausgiebigeren Schutze der
Anonymität ohne jede Verschleierung die stärksten Invektiven
gegen mit ihrem vollen Namen genannte einflussreiche Männer
geistlichen Standes erheben. Dennoch ist auch die Menippee
frei von jener zersetzenden, den religiösen Skeptizismus herbei-
führenden Beimischung, die etwa den späteren Schriften eines
Voltaire das Gepräge aufdrückt. Sie bekämpft nämlich
im ligistischen Klerus nicht den Priester, sondern
denLigisten, der mit Spanien an einem Strange zieht,
sie bekämpft Personen und nicht hochgehaltene In-
stitutionen und Glaubenslehren, und wenn zuweilen ein
scharfer Hieb daneben geht und da trifft, wo er nicht treffen
soll und nicht einmal treffen will, wenn er das Kind mit dem
Bade auszuschütten droht, so muss man dies der Natur der
lustigen Redner, die sich in ihrer übermütigen Tollheit im Spotte
überschlagen, zu gute halten und sie nicht allzu ernst nehmen.
Nur die Rede d'Aubray's darf mit solcher Strenge geprüft wer-
den, und aus dieser spricht zweifellos die tiefe Frömmigkeit
eines gottergebenen Sinnes und die innige Hingebung an
den angestammten Glauben, die fest entschlossen ist, jeden
Versucher, der sie darin irre machen wollte, eben so entschieden
von sich zu weisen, wie alle die, die mit derselben Missbrauch
treiben.
Man kann eben so wenig sagen, dass die Menippee im
Ganzen und Grossen nicht ein wahres Gemälde der Zeit und
der Personen entwerfe, die sie schildert, und dass sie nur gift-
geschwollene Verleumdungen enthalte, dass sie Zustände und
Menschen angreife, wie sie in Wirklichkeit nie eiListiert haben. ^)
*) Wir können uns hier auf Einzelheiten nicht einlassen und
dürfen uns dessen um so eher überheben, als wir das Gesagte in den
einzelnen Stellen der Mönipp^e nachweisen werden. Hier sei nur an-
geführt, dass selbst in der von allerdings gemässigter ligistischer
Seite ausgehenden Satyr e dem „J)ialoaue du Maheusire et duManant^,
aus der die ursprüngliche berecntigte Tendenz der Ligue
spricht, der Kampf für den alten Glauben ohne alle ehrgeizigen welt-
lichen Nebenzwecke, das Treiben der Guisen und der späteren Führer
der Liga in rückhaltsloser Weise angegriffen wird. Lenient sagt von
Studien über die Saiyre Menippee. 145
Wohl ist sie eine ansgeBprochene Parteischrift und als solche
zuweilen recht einseitig in ihrer Auffassung der gegebenen Ver-
hältnisse, wohl macht sie von den Vorrechten des Satirikers
ausgedehnten Gebrauch und wohl ist sie weit entfernt von jener
Zurückhaltung^ die sich scheut, selbst bei einem öffentiicheD Cha-
rakter bis in die intimsten Heimlichkeiten des Privatlebens einzu-
dringen; allerdings endlich benutzt sie ohne Kritik manches im
Miasma des Parteiklatsches gezeitigte halbverbürgte Gerücht, um
ihr Opfer zu zermalmen. Dennoch beweist die Vergleichung mit
den zeitgenössischen Geschichtsquellen, dass die M6nipp6eautoren
über eine geradezu bewunderungswürdige Kenntnis der Zeitge-
schichte verfügten, dass sie ebenso in die verschlungensten
politischen Intrignen, wie in die delikatesten Mysterien der
Boudoirs eingeweiht waren. Man hat mit gutem Grunde be-
hauptet, die M6nipp^e sei das in Szene gesetzte L'Estoile'sche
Tagebuch. Wenn der idealisierende Künstler das Zufällige ent-
fernt und die Auswüchse wegschneidet, so akzentuiert dagegen
der Satiriker gerade diese Zufälligkeiten und treibt die Aus-
wüchse auf die Spitze, und das ist sein gutes Recht; aber auch die
Mienen, die dem flüchtigen Beobachter entgehen, zeichnet er mit
unverlöschbaren Zügen und stellt sie vor das Gericht der Öffent-
lichen Meinung und der Nachwelt, auch die tiefsten Falten des
Herzens legt er bloss und lässt uns in dieselbe einen Einblick
thun, damit sich die harte, spröde Wirklichkeit in scharfer
schwarzer Silhouette vom leuchtenden Hintergrunde der Idee kräftig
abhebe. Der Plan, für die Personen, die er treffen will, das
Kapitel des Ruhmes, das sie in ihren Reden ersteigen wollen,
zum tarpejischen Felsen werden zu lassen, ist zwar nicht neu,
aber doch sehr gut ausgeführt.
Der nie versiegende Witz, mit dem die M^nipp^e die Ver-
spotteten geisselt, ist meist kaustisch und schneidend, und man
dieser letzteren Satyre (1. c. II, S. 97) folgendes: „Mais tout en
justifiant la Ligue, eile en trahit l'impuissance, la d^sunion, les causes
innombrables de ruine: eile ^tablit que le peuple a ^tä sinc^rement
d^vou^ k la cause catholique, et les princes ä leur ambition. Le
Manant commence ä ouvrir les yeux et ä s*apercevoir qu'il est dup4
de tous cdt^s« ,Les deux chefs des deux partis ont ressembl^ deux
vieux renards qui, pour faire lever le gibier du bois, contrefont
raboi du chien, et vont Tun apres l'autre chassant pour attaquer leur
proie. Ainsi, le roi de Navarre a contrefait le catholique
et M. de Mayenne le ligueur, et ne sont ni Tun ni l'autre'".
In dieser Auffassung stimmen also diese ligistische Emanation und
die M^nippäe vollkommen überein. — Wir bemerken nur noch, dass
im Verlaufe der M^nipp^e das Wort „katholisch" meist |im Sinne von
„ligistisch" gebraucht wird.
Zschr. f. nfrx. Spr« u. Litt. VP. ^q
146 J. Frank
•
hört ordentlich das Wimmern jener, denen der satirische Stachel
tief ins Fleisch gedrungen ist. Das Salz ist mit vollen Händen
ausgestreut, und es fehlt hei den einzelnen Rednern nicht an
fein charakterisierenden Zügen; freilich wo das reine Salz fehlte,
that es auch der Salpeter aus der Kloake! Sie wollte eben die
Lacher auf ihrer Seite haben, und da sie auf das grosse Volk
berechnet war, so musste sie zuweilen mit recht groben Mitteln
arbeiten. An den Derbheiten und dem Treiben der nackten Sinn-
lichkeit, die unseren Geschmack verletzten, stiess man sich im
16. Jahrhundert nicht, wo man die Dinge lieber beim wahren
Namen nannte ^ und dabei an nichts arges dachte, da es auf
niedrigen Kitzel nicht abgesehen war und kein gesunder Trieb
vergiftet wurde. Neben solchen mit groben Pinselstrichen auf-
getragenen ungemilderten Farben, neben solchen durchsaftigten
Stellen, wo der Witz jedes schicklichen Masses entbehrt, fehlt
es auch nicht an solchen von attischer Feinheit und echt galli-
scher Laune, an einer sprudelnden Fülle gelungener Parodien.
Man darf auch nie vergessen, wem diese Eüpeleien in den Mund
gelegt werden, man darf den Klown nicht in Heldenrollen und
mit einem Rolandsschwerte umgürtet sehen wollen. Wenn man
die wahre Gesinnung und Überzeugung der Menipp6eautoren
kennen lernen will, so vertiefe man sich in die herrliche Rede
d'Aubray's. Der Kern seines Wesens verknittert nicht in
leichten Spässen, aus seinen Worten vernehmen wir die selbst-
lose Weisheit des Kanonikus Lero}^, dem sich in seiner Ein-
samkeit Herz und Ohr für das Wohl und Wehe seiner Mit
weit erschlossen hat, sie sind ernst und würdig und ein Be-
weis des Satzes: „Pectus est, quod disertum facit", sie fallen
wie ein voller Harfenton in die zuweilen misstönig zischende
Persifflage seiner Vorredner, ruhig und besonnen, mit versöhnen-
dem Abschlüsse. Beim Lesen dieser Rede wird man auch be-
sonders gewahr, wie vorteilhaft sich die satirischen Schriften
der „Politiker" von den gleichzeitigen ligistischen Litteratur-
erzeugnissen abheben. Bei den letzteren athmet uns nur ein
glühender wilder Haas entgegen, sie sind meist wüste Ausbrüche
der Parteileidenschaft und die Feder scheint sich in einen Staup-
besen verwandelt zu haben; es fehlt ihnen jedes Mass und jede
Klarheit, und selbst in ihren Witzeleien ist mehr Ärger als
Geist zu verspüren. War doch der ligistische Prediger P. Martin
in seinem Fanatismus auf der Kanzel wahnsinnig geworden !
^) „mais je luy ay ouy dire qu'il estoit d*un pays oü 1*0 n
appelloit le pain pain, et les figues figues^ heisst es vom
Verfasser im „deux. advis,"
wohl i.. "= =« iS^St^^^TLt- ■
,.kt.r bi. « *• ••^d, i«.«« '"j:,^,.
: B..dair. eM«"^^'«, d. n -^
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ik<. des
ii'sa und
\iu(l den
■ .,11 tVeies
^^^lien Scherz
148 /. Frank
und Ernst, das Rügen des Abfalles der Gegenwart von der Ein-
fachheit der alten Zeit und die polemische Richtung gegen das
herrschende System sind beiden gemeinschaftlich. Auch sind
bei beiden Inhalt und Einkleidung bunt, Gelehrsamkeit und
Leben, Mythologie und Geschichte, Vergangenheit und Gegen-
wart umspannend«^) Der häufig dialogischen Gestaltung der
alten Menippea entsprechen die Reden in der unsrigen; in beiden
finden sich: die Erzählung einer Reihe von Erlebnissen und der
charakteristische lockere und abspringende Gedanken-
gang, viel volksmässiges, sprichwörtliches und der-
bes, zahlreiche eingemischte griechische Wörter und
ganze Verse. Sogar die Art der Satyre M^nipp6e, die Ge-
richteten selbst die moralische Justifikation an sich vollziehen
zu lassen, ist Seneka's ^AnoxoXox6vrw<n<:y einer Nachahmung der
alten Menippeischen Satire, entnommen.
Die M^nipp6e nimmt also unter den wie leichtes Reiter-
geschwader gegen den Feind ausgesandten Streitschriften den
hervorragendsten Rang ein, und wir können diesen Versuch ihrer
Würdigung nicht besser abschliessen, als mit den trefflichen
Worten Ch. Read's:«)
,,La Satyre M6nipp6e est depuis longtemps compt6e parmi
les monuments de notre langue comme parmi ceux de notre hi-
stoire. Elle a Signale le triomphe de Tesprit fran9ais k la fin
du XVI^ si^cle. Sa place, selon Topinion des meilleurs juges,
est k Jamals marqu6e entre Rabelais et Pascal; eile continue
le Premier, eile pr6sage le second: c'est la transition entre Gar-
gantua et les Provinciales.
„Pour la d6finir un critique a dit, — et Ton s'est plu k
r^p6ter que la M^nipp^e ^t^it tout k la fois un pamphlet, une
com^die, un coup d'^tat.
„C'est en effet, avant tout, un pamphlet, et comme on Ta
appel6, He roi des pamphlets'. Mais c'est plus et mieux encore
qu'un admirable pamphlet, car le pamphlet ne peint des gens
que les costumes et les dehors, comme Fa fait observer Saint-
Marc Giradin, tandis que dans la M6nipp^e, chaque auteur a
une part de v6rit6 contemporaine qui marque sa dato et son
nom, et une part de v6rit6 abstraite et philosophique qui lui
donne quelque chose d*6temel.
„El c'est bien aussi une com^die, une com^die d'ä-propos,
k la mani^re d'Aristophane , mel^e de farce et de gros sei.
Mais c'est plus encore, car la com6die d'ä,-propos et de person-
*) Vgl. Teuffei, Geschichte der röm. Litteratur, § 165, S.
') In der „Introductiou" seiner M^nippäe- Ausgabe, S. I ff.
Studien über die Saiyre Menippee. 149
iialit6s a an caract^re essentiellement actael et 6ph6m6re, tandis
que la Menippee, g6n6raliBant ses personnages, en a fait par Ik
des types vivants de tous les temps et de tous les pays. C^est
sous ce rapport, une vraie com6die de moeurs; c'est — il faut
le dire ä sa gloire, — un v6ritable „Tartuffe" antieip^, le Tar-
tüffe des ambitieux, des intrigants, des hypocrites de la politique.
„Mais UD coup d'^tat? Peut-on qualifier ainsi la M6nipp6e?
Elle fut jüstement tout le contraire. £lle fut le coup de gräce,^)
et si Fexpression nous est ici permise, le coup de balai donn^,
en fin de compte, aux Ouisards, aux faiseurs de barricades et
de coups d'^tat par le bon sens et Fesprit gaulois, venant
en aide au bon droit de celui qu'on avait forc6 de conqn^rir
son royaume k la pointe de Fep6e. En fletrissant les auteurs
des d^sordres publics, en amenant, comme dit Grosley, toute
la nation k rougir d'elle - m^me , la Satyre M6nipp6e, il faut le
reconnattre avec le pr^sident H^nanlt, ne fut gn6re moins utile
k Henri IV, au parti national et k la paix que la bataille dlvry.
L^arme du ridicule, si 'gaillardement' mani^e, achevait Foeuvre
de la victoire."
J. Frank.
^) Wir sind mit dieser Ansicht nicht ganz einverstanden.
Die Mstorisclie Entwickelnng der Inversion des Subjektes
im Französischen nnd der Gebranch derselben bei Lafontaine.
Einleitung.
Mätzner, Synt. § 482 f. — Mätzner, Gramm. § 253. — Henri Weil,*) p. 51. —
Diez, III* 447. — Le Coultre,^) pp. 9, n, 16, 17. — Morf,'») p. 204.—
Marx,*) p. 338. -— Schlickum,*) p. 2 f. — Habicht,«) pp. 3 f., 28 flf. —
Völcker,') p. 7. — Delbrück.»)
Der nachstehende Versuch fasst die Resultate der zur Kenntnis
des Verfassers gekommenen Abhandlungen, welche die Inversion des
Subjektes betreffen, zusammen und führt im Anschlüsse hieran die
BeolDachtungen auf, welche über den Gebrauch der Subjektsinversion
bei Lafontaine gemacht sind.
Lafontaine' s Sprache schien besonders dazu geeignet, einer
solchen Untersuchung als Gegenstand zu dienen, weil sein Stil ein
viel altertümlicheres Gepräge trägt, als man dies von einem Schrift-
steller seiner Zeit (1621 — 1695) erwarten sollte, und weil dadurch
die Vermutung nahe lag, dass Lafontaine sich auch im Gebrauche
der Inversionen von seinen Zeitgenossen unterscheiden werde, dass
sich insbesondere bei ihm die modernen Begeln noch nicht stetig
durchgeführt finden würden.
Nicht in allen Schriften Lafontaine's treten jedoch die alter-
tümlichen Konstruktionen in Menge auf. In den Prosa werken
(namentlich in der Bede an die Akademie) und in einem grossen
*) De Vordre des mots dans les langues anciennes compar^es aux
langues modernes. Paris 1869. *) De Vordre des mots dans Crestien
de Troyes. Leipzig 1875. ^) Die Wortstellung im altfranz. Rolands-
liede. Rom. Stud. III. Strassburg 1878. *) Über die Wortstellung bei
Joinville. Frz. Stud. I. *) Die Wortstellung in der altfranz. Dichtung
Aucassin und Nicolette. Frz. Stud. III. «) Beiträge zur Begründung
der Stellung von Subjekt und Prädikat im Neufranzös. Diss. Jena
1882. '') Die Wortstellung in den ältesten franz. Sprachdenkmälern.
Frz. Stud. III. ®) Die Grundlagen der griechischen Syntax.
^f'espt/. Die hist. Entwickelung der Inversion eic. 151
dramatischen Werke glauben wir inbezug auf die In-
iion modernen Schriftsteller vor uns zu haben, der sich
nsweise Freiheiten in der Konstruktion erlaubt Dafür
I *ontes ein ihnen von Lafontaine mit Absicht verliehenes
ics Gepräge; in zweiter Linie ist dies bei den Fabeln
lubezug auf ersteren Punkt sagt Lafontaine selbst: „L'au-
lu öprouver lequel caractöre est le plus propre pour rimer
: il a cru que les vers irröguliers ayant un air qui tient
•le la prose, cette maniöre pourroit sembler la plus na-
par cons^quent la meilleure. D'autre part aussi le vieux
[)Our les choses de cette nature, a des grd>ces que celui de
>'cle n*a pas"* (III, 134). — An einer anderen Stelle,
der Dichter allgemeiner ausdrückt, hat. er jedenfalls auch
••«^Imässigkeiten der Woiiistellung im Auge gehabt. Es heisst
ici . . . la demiöre occasion de justifier ses hardiesses (les h. de
dans les contes) et les licences qu'il s'est donnöes. Nous ne
point des mauvaises rimes, des vers qui enjambent, des
oyelles Sans Elision, nieng^n^ral deces sortes de n^gli-
.pi'il ne se pardonneroit pas ä lui-m6me en un autre genre
sie, mais qui sont ins^parables, pour ainsi dire, de celui -ci."
1)5.)
Das Interesse der Wissenschaft hat sich schon seit geraumer
lem Studium der Satzkbnstruktion zugewendet, und das mit
, denn die verschiedene Anordnung der syntaktischen Elemente
(ede verleiht den einzelnen Sprachen ihren Charakter, der sich
mühsam endgiltig feststellen lässt, da er so äusserst mannig-
•f ist. Ja, nicht nur verschiedene Sprachen unterscheiden sich
h die Wortstellung von einander, sondern es bietet sogar hin-
'lich derselben jede einzelne Sprache ein verschiedenes Bild auf
•n verschiedenen Entwickeln ugsstufen dar.
Habicht sucht darzulegen, wie ursprünglich das Verb das erste
zglied gewesen sei. Dies zeigen noch die semitischen Sprachen.
st bezeichnete man die Thätigkeit als das den Sinnen bemerk-
rc und dann erst den Urheber der Handlung. Als die Fähigkeit
• reflektieren zunahm, da eilte der Verstand dem Gefühl voraus
'id bezeichnete erst das Subjekt als Ausgangspunkt und dann erst
ie Thätigkeit. Diese letztere Auffassung ist für das Neufranzös.
lassgebend.
Mätzner meint nun, dass von einem durch die Natur des Ge-
lankens selber bestimmten, unabänderlichen Gesetze hier nicht die
Rede sein könne, und gibt nur eine gewisse Stätigkeit der Sprache
zu, welche bald als ängstliche Regelrichtigkeit, bald als minder ge-
messene Ordnung, bald als versteckte, nur dem feineren Gefühle
merkliche Symmetrie erscheine.
Die hist Entnnckelung det* Inversion etc. 153
Ilaupisatze 4 Inversionen. Das Bulalialied (ca. 900) weist
^gelmässige Konstruktionen und 3 Inversionen auf, während wir
>or Passion Christi 64^/o regelmässig konstruierte neben 36"/o
iüerten Hauptsätzen finden.
Die oben genannten Prozentsätze sind aber wenig von Belang.
X'erhältnisse des Eintretens der Inversion befinden sich in den
iiaft gemachten Werken ganz ausserhalb der historischen Ent-
volungsreihe, weil in denselben der Einfluss des Lateinischen noch
^^ross ist. Indessen wird sich das neue Bestreben nach strenger
laug des Satzbaues sofort nach dem Schwinden der Flexionen
iid gemacht haben und seit jener Zeit beständig tbätig ge-
'u sein.
In den ältesten Denkmälern finden wir die meisten Anklänge
*hn lateinischen Gebrauch; je mehr sich dieselben der Neuzeit
rn, desto festere Formen sehen wir die mehr und mehr er-
' kenden Eegeln gewinnen. Die neufranzösische Sprache hat sich,
•• überall, so auch hier, die engste Grenze gesetzt.
Dass es in der That im Laufe der Jahrhunderte immer mehr
>'^h wurde, das Subjekt des Hauptsatzes vor das Prädikat zu
m, geht aus den Prozentsätzen hervor, welche die verschiedenen
Tsuchungen für das Eintreten der Inversion in den einzelnen
n-iftwerken ergeben haben.
Die ältesten in Betracht kommenden Schriftwerke sind das
legarlied (1 0. J.) und Gormont und Isembart (letztes Viertel des
.7. oder auch früher), welche überhaupt unter den ältesten Sprach-
ik malern nebst dem Alexiusliede die grösste Wichtigkeit besitzen.
' Leodegarlied finden sich 4:7 ^Jq Inversionen neben 53*^/o regel-
<sigen Konstruktionen; in Gormont und Isembart steht schon in
'"/o die i*egelmässige Wortstellung, während 44 "/o luv. zeigen.
Morf sagt, dass im Rolandsliede (11. J.) in 43 ^/o der ersten
'0 Haupt-sätze Inversion des Subjektes eintrete. Le Coultre gibt
1, dass der Prozentsatz der invertierten Subjekte in Hauptsätzen
i Crestien v. Troyes (12. J.) auf 33% gesunken sei. Krüger
(t keine Berechnung für die von ihm untersuchte Sprache des
' o. J. angestellt, doch lässt sich annehmen, dass in dei*selben sich
in Rückgang im Prozentsätze ergeben haben würde, denn Schlickum
loUt denselben für Aucassin und Nicolette (13. J.) auf 22Vi%
est, indem er allerdings die 73 vorkommenden eingeschobenen Sätze
inberücksicbtigt lässt. (Der Prozentsatz würde sonst 37^? betra-
fen.) Marx' Beobachtungen ergeben für die Sprache Joinville^s
vEnde 13. und Auf. 14. J.) 2b\ luv. des Subjektes.
Die Steigerung, welche sich hier dem Resultate Schlickum^s
ti>i
154 X. Wespy
gegenüber zeigt, igt entweder eine zufällige, oder darauf zurückzu-
führen, dass, wie schon bemerkt, Schlickum absichtlich die einge-
schobenen Sätze nicht in den Bereich seiner Berechnung zog.
Je mehr sich nun die syntaktischen Regeln inbezug auf die
Stellung des Subjektes und des Pi^dikates im Satze festigten, desto
mehr musste eine Änderung in der regelmässigen Stellung auffallen
und zur Hervorhebung des umgestellten Satzteiles dienen. Dies
deutet auch Dumarsais in seiner Encyclopödie möthodique beim
Worte Konstruktion an, wo es heisst: „Cette figure (Hnversion)
donne souvent aux phrases plus de rapidite, de gräce, d'energie;
quelquefois m^me eile ajoute ä la clart^ en övitant les amphibolo-
gies; et alors on doit, mdme dans le discoui*s ordinaire, la pröförer
ä la constrnction grammaticale".
In der That machte sich der Reiz und die hervorhebende
Kraft der luv. den Dichtern bald bemerklich, und darum finden
wir in Werken, welche unabhängig von lateinischen Mustern sind,
die Inv. häufiger, wenn sie poetisch, als wenn sie prosaisch sind.
Je mehr wir uns aber der Neuzeit nähern, desto mehr schwindet
auch dieser Unterschied in Poesie und Prosa, wenn auch ein solcher
bis zu einem gewissen Grade stets erhalten geblieben ist.
Bei Lafontaine tritt dieser Unterschied sehr stark hervor, in-
dem namentlich die Contes viele altertümliche Konstruktionen zeigen,
aber auch die meisten anderen poetischen Werke mehr Inversionen
aufweisen als die Prosasohnften. Selbstverständlich sind in den
folgenden Ausfühningen im wesentlichen nur die metrisch freien
Beispiele von Inversion berücksichtigt worden.
Was die innere Gliederung des nachstehenden Versuches be-
trifft, so soll zunächst in jedem Abschnitte, an der Hand der
benutzten Abhandlungen, ein geschichtlicher Überblick über den
Gebrauch der Inversion zu den verschiedenen Zeiten gegeben werden.
— Verfasser hat an Material herbeigezogen, was ihm bekannt und
erreichbar war. Kaum wird es ihm gelungen sein, Vollständigkeit zu
erreichen, er hofft aber auf Nachsicht bei allen denen, welche wissen,
wie schwer es ist, sich in der Provinz über litterarische Dinge auf dem
Laufenden zu erhalten, und wie viel Mühe und Weitläufigkeiten
es verursacht, sich die zu einer wissenschaftlichen Arbeit notwendigen
Werke zu verschaffen. Bei der vorliegenden Arbeit kam überdies
zu den genannten Übelständen noch der ungünstige Umstand hinzu,
dass eine Zusammenstellung der Lafontaine betreffenden Litteratur,
welche die Vollständigkeit der Notizen sehr gefördei-t haben würde,
und welche von Kreyssig in seiner „Geschichte der franz. National-
litteratur^, 1879, Aufl. 5, pag. 225 (Anm.) aufgeführt ist (Lacroix,
Bibliographie Lafontainienne, Paris 1875), bis Mai 1883 noch nicht
J
Die hiat. Entmickelun^ der Inversion etc. 155
erschienen war, dass man vielmehr (wie durch gefl. Vermittelung
der Herren Buchhändler Twietmeyer in Leipzig festgestellt wurde)
in Paris zweifelte, dass das Werk überhaupt erscheinen werde. So
sah sich der Verfasser des nachstehenden Versuches auf die gele-
gentlichen Notizen, welche ihm Herr Prof. Körting in Münster freund-
lichst zukommen liess, sowie auf seine eigenen Studien angewiesen.
Herrn Prof. Körting spricht der Verfasser auch an dieser
Stelle seinen aufrichtigsten Dank für die wertvollen Mitteilungen
und Batschläge aus, welche ihm von grösstem Nutzen waren.
Der Verfasser beabsichtigte durchaus nicht, in den folgenden
Ausfühningen, soweit es sich um den ersten Teil jedes Abschnitios
handelt, originell zu sein, er glaubte vielmehr Nutzbringendes zu
schaffen, wenn er das, was in vielen Schriften zerstreut zu finden
ist, in übersichtlicher Weise zusammenstellte. Hiernach wird es
erklärlich erscheinen, wenn in dem ersten Teile jedes Abschnittes
die Stellen, welche wörtlich oder doch genau dem Inhalte nach und
nur z. T. verkürzt aus anderen Schriften angeführt wurden, nicht
durchweg als Citate bezeichnet sind. Der Verfasser glaubte genug
zu thun, wenn er an dieser Stelle ein für allemal den am Kopf
der einzelnen Abschnitte oder im Texte genannten Verfassern das
Eigentumsrecht an dem Inhalte der gegebenen Übersicht zuerkannte.
Bezüglich der Anordnung der einzelnen Abschnitte wurde die
Einteilung zu Grunde gelegt, welche Völcker auf Anraten Körting's
angewendet hat. Diesem höchst praktischen und übersichtlichen
Schema ordnete der Verfasser die Ausführungen anderer Abhand-
lungen wie seine eigenen unter.
In jedem Abschnitte folgen auf diese Übersicht als zweiter
Teil die Beobachtungen, welche der Verfasser bezüglich der Stel-
lung von Subjekt und Prädikat bei Lafontaine gemacht hat Hier-
auf fussend wird sodann die Stellung näher präzisiert, welche La-
tontaine's Sprache betreffs der Inversion einnimmt.
Eine Schwierigkeit stellte sich bei der Bezeichnung der einzelnen
Belegstellen heraus. Die Angabe des Namens der betr. Werke La-
fontaine^s, in welchen die angezogenen Stellen vorkommen, wäre
thunlich, aber von keiner praktischen Bedeutung gewesen, da hier-
mit eine genaue Bezeichnung nicht gegeben worden wäre. Um die-
sem IJbelstande in etwas abzuhelfen, ist allen Angaben eine bestimmte
Ausgabe der Lafontaine' sehen Werke ((Euvres complfttes de Lafon-
taine. 3 voL Paris 1883, Libr.-Hachette & Cie) zu Grunde gelegt
worden. Die römische Ziffer unter jedem Citate bezeichnet den
Band, die deutsche Zahl dagegen die Seite, auf welcher die in
Frage kommende Stelle zu finden ist.
Die Buchstaben, welche jedem Citate beigefügt sind, geben
die Dichtungsart an, der dasselbe entnommen ist.
Die hist. Eniwickelung der Inversion etc. 157
ein pronominales ) ob es nachgestellt, eingeschoben oder voige-
stellt ist.
Morf spricht sich bezüglich des nachgestellten und einge-
schobenen Satzes im gleichen Sinne aus und ist der Ansicht WeiFs^
indem er die Inversion in diesen beiden Fällen so anffasst» als sei
dieselbe dm*ch ein voranstehendes Objekt veranlasst, als welches der
Inhalt der Rede inbezug auf die Verba dicendi gelten kann.
Le Coultre (p. 21 und 22) und Krüger (p. 35), die der-
selben Ansicht sind, haben in den von ihnen uptersuchten Denk-
mälern ausnahmslos Inv. in diesem wie auch in dem dritten Falle
angetroffen.
Mätzner dagegen (Synt. 11, p. 274) führt einige Stellen ans
altfranzösischen Schriften an, in denen die Inversion nnterblieben
ist. Schlick um sagt, dass in Aucassin und Nioolette, wenigstens
in der poetischen Sprache, nach den verbis dicendi die Inversion
gestattet, aber nicht geboten sei, wenn die Bede direkt darauf
folge.
Der Fall nun, in welchem der „eingeschobene Satz^, mit dem
Verbum dicendi an der Spitze, voransteht, wurde von Morf mit
dem Namen „unbedingte Inversion^ belegt, bezüglich deren er be-
merkt, dass sie nur bei nominalem Subjekte stehen könne. Tobler,
in seiner Rezension der Morf sehen Arbeit, weist diese Bezeichnung als
unzutreffend zurück und führt als Ursache der Umstellung an, dass
diese Inversion zur Hervorhebung des Subjektes diene, das dann
gleichsam als nachträgliche Ergänzung zum Verbum stehe.
Als Grund für die Inversion des Subjektes in dem nachge-
setzten Satze mit dem Verbum dicendi nennt Habicht den, dass
sich an die direkt angeführte Rede unmittelbar der dem Sinne nach
dazugehörige Ausdruck des Begriffs der Rede anschliesse, das Sub-
jekt also zurücktreten müsse. — Bestätigt, so fährt Habicht fort,
wird diese Auffassung durch die im Neufranzösischen veraltete Aus-
drucksweise, bei welcher dem Verbum des Sagens das Pronomen ce
vorangeht, welches auf die direkte Rede hindeutet (vergl. auch
Mäizner, Synt. II, § 488). Diese Konstruktion finden wir noch
öfter bei Lafontaine, wo es z. B. heisst:
Raten
N'^toit pas content, ce dit-on. I, 196. — jP. —
Si le dien Pan, ou le Faune,
Prince des bois, ce dit-on,
Se fait jamais faire un tröne,
C*en sera lä le patron. II, 335. — Ä ^. —
Die Inversion im eingeschobenen Satze wird dadurch bedingt,
dass auf das Verb der Hauptton gelegt wird. Sobald das Subjekt
denselben erhalten soll, bleibt dasselbe an der Spitzendes Satzes,
158 Z. Wespy
was in den meisten der Fälle eintritt, in denen der Sprechende sein
eigenes Urteil Über den Inhalt des Gesagten ausdrückt.
Fassen wir das Gesagte noch einmal zusammen: Im Alt-
französischeii erfolgt zwar in der Regel im eingeschobenen, vor-
oder nachgestellten Satze bei den verbis dicendi Inversion, doch fin-
den sich mancherlei Abweichungen. Im Neu französischen muss
Inversion statthaben in Sätzen, welche in die direkte Bede einge-
schoben oder derselben unmittelbar nachgesetzt werden, um die
sprechende Person anzugeben. — Drückt aber in der Parenthese
der Bedende sein eigenes Urteil über den Inhalt der Bede aus, so
hat in der Begel die gewöhnliche Woiistellung statt.
Bei Lafontaine ist die Inversion des Subjektes im eingescho-
benen oder nachgestellten uneingeleiteten Hauptsatze, dessen Prädi-
kat ein verbum dicendi ist, durchweg Begel.
Eine Ausnahme bilden selbstverständlich die adverbial ein-
geleiteten parenthetischen Sätze, deren Subjekt ein Pronomen (on)
ist (vgl. AI, bl = adverbial eingeleiteter Hauptsatz) z. B.:
Colette donc (ainei Von l'appeloit),
En mariase ä l'envi demand^e,
Rejetoit 1 un, de Tautre ne vonloit, III, 179. — C —
Madame Alis (ainsi l'on l'appeloit)
Par un beau jour eut de la jeune Aminte
Ce compliment, ou plutöt cette plainte : III, 382. — C. —
Wenn der Bedende sein eigenes Urteil über den Inhalt der
Bede ausspricht, so unterbleibt auch bei L. die Inversion und zwar
sowohl in der Poesie wie in der Prosa, wo sich gleichfalls die schon
vorhin erwähnte Wiederholung des Satzinhaltes durch ein Inversion
verhinderndes, voranstehendes ^ce^ belegen lässt (s. oben).
Quelques imitateurs, sot n'dtait, je Vavoue,
Suivent en vrais moutons le pasteur de Mantoue.
I, 431. — P.rf. —
je le toucherai, je m*assure, et ne deute point qu'il ... II, 260.
JTi.p. — Considdrez, je vous prie, Tutilit^ que ce vous seroit, si, . . .
je vous avois aecoutumde ä Thistoire, ... II, 333. Z. — ... car il vaut
mieux, ce me semble, 6tre trompöe de cette fa^on que de l'autre.
II, 352. Z. —
Ist der eingeschobene oder nachgestellte Satz durch comme
eingeleitet, so gelten für ihn die auf den Modalsatz bezüglichen
Begeln, d. h. bei nominalem Sabj. steht gern die luv., welche bei
pronominalem Subj. nicht stehen darf:
, , , si ce rCitoit qu'üs ne sont pas grands ddificateurs, comme
dit Voiture: II, 351. Z/. — Le sujet en est simple, comme le
prescrivent nos mattres; II, 1. P. — Bonnes gens, je ne vous puis
voir^ comme dit mattre Fran^ois dans son livre. II, 439. L, —
Die hist Enitvickelung der Inversion etc. 159
. . . i7 8*en trouvoit meme de capitaineSj dont les exploitSf camme
dit le hon Amyot, avoient . . . III, 91. Ä, — Ces endroits, comine
vous aavezy sont äordinaire le quart dek quartier Flores: 11, 360. L,
Zuweilen unterbleibt die Inv. aber auch bei nominalem Sub-
jekte, z. B. bei Hinzutreten eines Objektes:
Tu te trompes assur^ment, mon eher amiy s'ü est bien vrai,
comme M. de Soissons me Va dit, que tu me oroies plus malade
d'esprit que de corps, 11, 443. L. —
2. Das Prftdikat ist ein sonstiges trans. oder intrans. Verb.
Diese Inversion ist in den von Völcker untersuchten ältesten
Denkmälern selten (3 Fälle). Alle Sätze, in denen die Umstellung
angewendet ist, sind kurz, und das Subjekt ist ein Substantiv, so
dass jedenfalls ein rhetorischer Nachdruck erzielt werden soll.
Da diese Inversion demnach nicht häufig steht, so tritt
Völcker ebenso wie Morf den Angaben Diez^ und Mätzner's
entgegen, welche behaupten, dass nach transitiven wie intransitiven
Verben die Inv. des Subjektes im Altfranz, häufig gebraucht werde.
Morf stellt auf Grund seiner Beobachtungen im Eolandsliede
fest, dass ^unbedingte Inv.^, wie er sie nennt (s. oben), nur in
solchen Sätzen stattfinden kann, welche folgende Bedingungen er-
füllen :
1) Das Subjekt muss nominal sein fauch ein ganzer Satz).
2) Das Subjekt darf keine prädikative Bestimmung bei sich
haben.
.3) Das Verb darf von keinem Objekte begleitet sein, weshalb
die ^unbedingte Inv.^ nur in solchen Sätzen eintreten kann,
deren Verb entweder
a. intransitiv,
b. transitiv ist, aber in letzterem Falle kein Objekt bei
sich hat, es sei denn, dass dieses durch einen ganzen
Satz ausgedrückt wäre.
Le Coultre, Krüger, Marx, Tönnies (p. 11), Stim-
min g (p. 192) können diese Umstellung in den von ihnen unter-
suchten Werken in nicht höherem Grade nachweisen, als dieselbe auch
im Neufranz, vorkommt
Auch hier treten Tobler und Völcker dem Ausdrucke „un-
bedingte Inversion^ entgegen, den Morf anwendet, indem sie auch
hier, gleichwie Le Coultre, als Grund für die Umstellung die Be-
lebung des Stiles anführen, welcher durch diese Inv. den Charakter
der Aufzählung erhält.
Habicht teilt diese Ansicht, welche er näher ausführt, indem
er sagt, dass diese Inv. dem doppelten Zwecke diene:
1) einen starken Nachdruck auf das besonders betonte Sub«
160 Z. Wespy
jekt zu legen, das an eine ihm dem allgemeinen Sprach-
gebrauche nach nicht zukommende Stelle trete,
2) das in die erste Stelle eingerückte Prädikat an den Thätig-
keitsbegriff des vorhergehenden Satzes anzulehnen, zu dem
es einen Gegensatz bilde und dasselbe durch seine gleich-
falls ungewöhnliche Stellung ebenso wie das Subjekt her-
vorzuheben.
Übrigens stimmt Habicht mit der Ansicht aller genannten
Verfasser darin überein, dass diese Konstruktion im Neufranzösischen
selten sei. Es folgen in den vorkommenden Fällen dem, übrigens
stets intransitiven, Verb gewöhnlich Adverbien, welche den Anschluss
an Vorhergehendes bezeichnen, z. B. älorsy ensuite etc. etc.
In gewissen Fällen soll sich bei intransitiven Verben an das
invertierte Subjekt lediglich etwas Folgendes ansehliessen, wie bei
der Anführung von Regeln, im amtlichen und gerichtlichen Stile,
in Depeschen u. dgl. (Habicht, 15 ff.).
Diese Fälle von Inversion sind nicht zu verwechseln mit denen,
wo das Subjekt (stets ein Pronomen) weggelassen ist. Dies ge-
schieht
1) regelmässig in der ersten und zweiten Person des Imperativs;
2) in altertümlicher Weise auch sonst bis ins 16. J. ;
3) (und das ist uns besonders wichtig) indem im Neufranz,
das neutrale ü in echten und unechten unpersönlichen
Verben weggelassen wird (z. B. quand hon me semblera,
— Soit dit entre nous).
In einer Anzahl von Fällen tritt auch bei Lafontaine das
intransitive Verbum an die Spitze des Satzes, vor das nominale
Subjekt (auch ganzer Satz). Vielfach ist nur das neutrale ^t/^
der echten oder unechten unpersönlichen Verben weggelassen, sodass
alsdann das logische Subjekt invertiert erscheint. Die beobachteten
Beispiele dieser Umstellung des Subjektes finden sich stets in leb-
hafter Schilderung oder Bede und beweisen, dass sich L. dieser
Wortstellung in der Poesie gern bediente (die Prosa L.*s zeigt keine
Fälle solcher luv.), um eine Folge, eine eintretende Handlung zu
bezeichnen.
Die Verben, bei welchen diese Inv. angewendet ist, sind die
folgenden:
Faui que tels cas aux gens surviennent. III, 418. P. d. —
Jvint qu'un jour, en un bourg arr^t^,
11 vit passer une dame jolie, 111,155. C. —
Anm. 1: Gleiche Beispiele mit avini sind zu finden: III, 317. C. — III,
825. C— ni, 340. C. — III, 387. C.
Anm. 2: Sobald der Charakter der lebhaften Darstellung fehlt, finden
wir stets das logische Subjekt ausgedrückt, z. B.:
Ün tempe fut qu'il savoit accorder les d^bats. I, 176. F.—
Die hist Enirvickelung der Invei*sion eic. 161
Dies ist namentlich der Fall; wenn irgend eine adverbiale Be-
stimmung zu aviiU tritt; z. B. Dont Ü mnni que . . . III, 179 (C); — 11
en avint un fori plaisant trafic III, 345 (C),
Anm. 3: Sogar in lebhafter Schilderung kann das Subjekt vor avenir
stehen, das dann aber persönlich gebraucht ist, z. B. Mime dispute
avint entre deux voyageurs I, 180 (F).
ün jour de föte, arrive que la dame, 111,214. C.
Anm. 1: desgl. 111,208 (C).
Anm. 2: Neben diesen Beispielen von Inversion finden wir deren, in
welchen die gerade Konstruktion steht [1, 154 (F); T, 189 (F)\ neben
einem, in dem das unpersönliche ü angewandt ist [1, 197 (FJ\.
Vient une dame avec un jouvenceau. III, 215. C.
Anm. 1: desgl. UI, 361 (C).
Anm. 2: Häufig unterbleibt die Inv. und die Konstruktion des Subjekts
wird persönlich: 1,150 (F); 1,196 (F); 1,212 (F); 1,254 (F),
Survieni un diable ä titre de aeigneur; 111,325. C.
Anm.: Viel häufiger finden wir die persönliche Konstruktion; z. B. ün
qmrt voleur survient. qui ... I, 32 (F); desgl. 1, 137 (F); 1, 140 (F);
*I, 144 (F); I, 284 (P. d.J; III, 168 CC.J; III, 322 fCJ. ~ In den durch
einen * bezeichneten Fällen ist übrigens das grammatische Sub-
jekt „t/" vor das Verb getreten.
Fut alleguä d'autre part k la cour:
Que plus la dame ätoit cruelle.
Plus eile avoit d'embonpoint et d'attraits; 111,409. P.d.
Parbleu! dit le meunier, est bien fou du cerveau
Qni pr^tend contenter tout le monde et son p^re. 1, 58. F,
Resioii sans plus d'y disposer sa femme. III, 256. C.
Sehr häufig findet man endlich die Auslassung des grammatischen
Subjektes bei y^suffire^, namentlich in der 3. pers. d. Pres., z. B. suffit
qijut cei objet charmant Les kdssa soupirer, et ne s*en emut guere. III,
299 (C). — Desgl. III, 300 (C); HI, 362 (C); III, 364 (C); III 144 (C).
Aus vorstehenden Beispielen ersehen wir einmal, dass der Ge-
brauch der regelmässigen Konstruktion in dem behandelten Falle in
der Prosa streng durchgeführt ist und auch in der Poesie tiber-
wiegt, wo die meisten Belegstellen für die invertierte Wortfolge den
Contes angehören, die aber auch sehr häufig die gerade Wortstellung
zeigen.
b. Im eingeleiteten isolierten Hauptsatze.
Der Satz ist eingeleitet durch:
1. Adverbialien.
Völcker, pp. 9 f. -- Le Coultre, pp. 12 ff. — Krüger, pp. 36 f. — Morf,
pp. 210 ff. — Marx, pp. 339 f. — Glauning*), p. 42. - Hohlfeld,«) p. 56.
^) Glauning, Syntaktische Studien zu Marot. Erlangen 1870. Diss.
«) Hohlfeld, Über die Sprache des Fran9ois de Malherbe. Göttin-
ger Diss. Posen 1875.
Zschr. f. nfr«. Spr. u. Litt. VI*. j^j
162 L, Wespy
— Diez, III*, pp. 468 f. — Mätzner, Gramm., § 254, A, 1, ;'. — Mätzner,
Synt. § 487. — Ling, §§ 5 u. 8. — Schlickum, pp. 4 f. — Körting,
§ 129, 2, d. — Lücking, § 189, I, 2 b n. II, sowie g 386, Anmerk. 1. -
Habicht, pp. 3 f., 11.
Es macht sich eine Neigung zur Inversion des Subjektes in
allen den Fällen geltend, in denen andere Satzteile dem Verbum
vorangehen. Namentlich gilt dies von Adverbialien. Es beruht
diese Wortstellung eigentlich auf einer Umdrehung des Satzes: denn
wird ein vom Verbum abhängiger Satzteil vorausgeschickt, so steht
das Subjekt, um den logischen Zusammenhang jenes Satzteiles mit dem
Verbum nicht zu stören, passender Weise dem letzteren nach (Diez).
Die Inversion ist im adverbial eingeleiteten Satze häufiger als
im vorigen Falle und tritt auch ein, wenn ausser den Adverbien
und Adverbialien noch ein anderes Satzglied (Attributiv, Konjunk-
tion, Objekt oder noch eine adverbiale Satzbestimmung) den Satz
einleiten.
Nach Mätzner's Angabe ist es im Altfranz, ganz gleich, ob
die Verben in dem invertierten Satze transitiv (vgl. nächsten Ab-
schnitt) oder intransitiv sind, ob das Subjekt ein Substantivum oder
ein Pronomen ist. Le Co nitre hebt sogar hervor, dass nichts ge-
wöhnlicher sei, als die Inversion nach einem aktiven Verb. Auch
Grlauning (p. 426 u. 46) macht die gleiche Angabe.
Demgegenüber sagt Morf (p. 214), dass im allgemeinen Inv.
wie im uneingeleiteten Satze nur bei einem objektlosen Verb statt-
finde, wenn das Subjekt ein Substantiv sei; sei aber das Subj. ein
Fronomen oder ein Eigennamen, dann könne von einer Erschwerung
des Verständnisses durch die Inversion nicht mehr die Bede sein,
und diese trete dann auch ein, wenn bei dem Verbum ein Objekt
stehe. Zu dieser Regel Morf s stimmen auch die Beispiele Krüger's
(p. 46) und Le Coultres (p. 32).
Völcker findet die Inv. in den ältesten Denkmälern im ad-
verbial eingeleiteten Satze als Begel.
Nach Morf steht im adverbial eingeleiteten -Satze in 83 ^/o
der Fälle Inv. Nach Adverbien ist übrigens auch hier schon die
Inv. häufiger als nach pi^positionalen Adverbien, was nach Morf
seinen Grund darin hat, dass das Adverb seiner geringen Etlrze
wegen nicht das Hervorheben eines zweiten Satzteiles dulden konnte.
Die Anwendung der geraden Konstruktion würde aber hier noch
eine Hervorhebung des Subjektes bedeuten, da das Eintreten der
Inv. noch das gewöhnliche war.
Le Co nitre hat aus Crestien festgestellt, dass die Inv. des
Subjektes in SO^/q der adverbial eingeleiteten Sätze erfolgt; es ist
also hiermit eine abermalige Abnahme konstatiert.
Krüger spricht sich nicht weiter über das Verhältnis in der
Die hist. EntTvickelvng der Inversion etc. 163
Prosalitteratur des 13. J. aus, doch nennt er die Inv. im adverbial
eingeleiteten Satze „gewöhnlich".
Schlickum hat durchgehends Inversion beobachtet; mir nach
dem Adverbinm der Negation (ainc = unc) steht nie Inv., wenn,
was selten ist, überhaupt ein Subjekt ausgesetzt ist.
Marx sagt, dass bei Joinville die Inv. im adverbial einge-
leiteten Satze gewöhnlich sei.
Bei Malherbe ist die Inv. lange nicht mehr so häufig wie
früher, aber doch noch zahlreicher als in der klassischen Sprache.
Im Alt franz. machte man, wie schon erwähnt, keinen Unter-
schied zwischen Sätzen mit substantivischen und Sätzen mit pronomi-
nalen Subjekten. — Im Neu franz. kann nach Mätzner die Inv. des
„subst. Subjektes" in solchen behauptenden Sätzen eintreten, deren
Prädikat durch adverbiale Bestimmungen bereichert wird, welche
an die Spitze des Satzes treten. Diese Bestimmungen können sein:
a. Kasus (den Akkusat. betr. siehe Alb 2);
b. von Präpositionen begleitete Hauptwörter;
c. Adverbien und Adverbialien;
d. selten andere Satzbestandteile (Infinitiv, u. dgl.).
Die Verben solcher Sätze sind :
a. gewöhnlich intransitiv;
b. selten transitiv, dann aber (die aktiven betr. siehe später):
a. passiv,
ß. reflexiv,
y. reziprok.
Inversion des „pronominalen Subjektes" tritt im adverbial
eingeleiteten Satze des Neufranz, nur nach si und ausserdem nach
einigen Adverbien ein, wo sie aber nicht notwendig ist. Diese Ad-
verbien sind: aussi, en vain, vainement, peut-etre^ du moins, au
moins, tout au plus, ä plus forte raison, encore, ä peine, toujours
(Lticking § 189 II), bisweilen auch rarement (Lücking, p. 319,
Anm. 1). — Nach ainsi steht bei tonlosem Subjekt Inv. desselben.
Habicht erklärt den Umstand, dass im französischen Be-
hauptungssatze, abweichend vom Deutschen, die Inv. des Subjektes
nicht eintrete, wenn demselben auch eine adverbiale oder adnomi-
nale Bestimmung von grösserer Länge vorausgehe, daraus, dass diese
Satzteile abgesondert von dem eigentlichen Satze zu halten seien^
was meist schon die Interpunktion bekunde. — Tritt die Inversion
des nominalen Subjektes bei einem intransitiven Verb in dem durch
ein kurzes Adverb eingeleiteten Aussagesatze ein, so sind die Gründe
für dieselbe die nämlichen wie für die Inv. im uneingeleiteten Be-
hauptungssatze. Das Adverb übt dabei eine Anziehungskraft auf
das Verb aus, sodass begrifflich Zusammengehöriges auch der Form
nach zusammentritt — Habicht erklärt die doppelte Möglichkeit
11*
164 L, Wespy
des Eintretens und des ünterbleibens der luv. nach den ^konjunk-
tionalen Adverbien" aitssi etc. dadurch, dass er annimmt, im er-
steren Falle werde gewöhnlich ein Anschluss an etwas Vorangehen-
des, im letzteren an etwas Folgendes erzielt (wenn anch unbewusst).
Nach den genannten kurzen Adverbien steht bei ^substanti-
vischem Subjekte" heutzutage gewöhnlich die absolute Konstruktion,
d. h. das Subjekt steht dem Prädikat voran, wird aber nach letz-
terem durch eines der persönlichen Pronomina wiederholt. Bei pro-
nominalem Subjekte steht dagegen in der Eegel die einfache Inv.
Indem wir nun auf den Sprachgebrauch bei Lafontaine
übergehen, wollen wir zunächst die Fälle untersuchen, in denen der
Satz durch eines der angeführten kurzen Adverbien eingeleitet ist.
Wir sprechen da immer erst von der Poesie und alsdann von der
Prosa, und zwar zunächst von der Konstruktion mit nominalem
Subjekte.
In der Poesie steht nach anssi die heute übliche Konstruk-
tion nie; es tritt vielmehr in der Regel die gerade Wortstellung ein:
Ausd le seul devoir a contraint mon desir, II, 5. Th. v.
Aussi le roi m'emploie, et j*ai su le servir ... 11, 28. 7%. v.
Aussi Leurs Majestäs s'en tiennent honor^; 11,376. P.d.
Aussi de ces objets Täme n'est point ^mue, I, 411. P.d.
Zuweilen (aber selten) findet man die einfache Inv., die aber
in den zwei beobachteten Fällen stets von folgenden Relativsätzen
veranlasst ist:
Aussi l'^toit ce prince» dont la vie
Doit rarement servir d'exemple aux rois, 11,341. P.d.
Aussi ne le sont paa la plupart de ces princes
Qui, ... 1, 196. F.
In der Prosa steht bei nominalem Subjekte nach aussi drei-
mal die absolute Konstr.:
Äussi Tirence s^est-ü servi des modales les plus parfaüs
que la Ghrlce ait jamais formes\ II, 1. P. — Äussi l'epouse de
Oupidon fut-elle Sconduite encore une fois. DI, 85.-4. — Aussi
le rot la prifera-t-ü ä Megano, III, 88. Ä.
In zwei Fällen ist die gerade Konstr. beobachtet worden:
Äussi les paretis de la beUe d^uth'ent longtemps s^üs obS-
iroient lU, 16. il. — Äussi PsycM le prit pour Deucaliori'
ni, 64. Ä.
In der Poesie überwiegt also nach aussi entschieden der Ge-
brauch der geraden Wortstellung, welche geradezu Regel ist. In
der Prosa dagegen ist die Anwendung der abs. Inv. schon üblich,
doch treten daneben noch Beispiele für die gerade Konstr. auf. Die
einfache Inv. lässt sich in der Prosa nicht belegen.
In der Poesie sind nach peut-Üre gleichfalls keine Fälle
Die hist Entwickelung der Inversion etc. 165
von Inv. beobachtet worden, welche der heutigen Regel entsprächen.
Es steht regelmässig die gerade Eonstr.:
Peut-Stre mes enfans lui content leur aifaire. 11,56. Th.v.
Anm.: desgl. U, 87 (P. d.); I, 178 (F.); III, 131 (P. d.); DT, 275 (C);
II, 54 (Th. v.J.
Die Inv. unterbleibt sogar, wenn noch ein anderes Adverb
dabeisteht:
peut-§tre en ce moment
Tout le monde nous croit au corps d'une baieine. III, 224. C.
In der Prosa dagegen zeigen die zwei beobachteten Fälle die
absolute Konstruktion:
Peut-etre le lecteur en jugera-t-ü favordblement: II, 2. P. —
Peut-etre le ciel vous riserve-t-ü un bonheur plus grand que celui
que vous regrettez; III, 68. Ä.
In der Poesie ist also (gerade wie bei aussi) bei peut-etre die
gerade Wortstellung die gebräuchliche, während in der Prosa die
moderne Eegel schon massgebenden Einfluss gewonnen hat.
In der Poesie sind nach encore zwei Fälle von absoluter
Konstr. beobachtet worden:
. . . encore leur ministere
A-t-il mille longueurs. 1,231. F.
. . . encore un dieu s'en m§le-t-iL II, 88. Th. v.
In einem Falle steht die gerade Wortstellung:
Encor ce peu lui donnoit de la peine. 111,207. C
In der Prosa steht nach encore in den drei beobachteten
Fällen die absolute Eonstr.:
. . . encore une honne partie des Ämours, . . ., la quittoient-
ils pour se mettre au Service de sa rivale, HL, 12. A, — ... en-
core ce mot est-ü foible, III, 45. -4. — . . . encore Vauteur n^auroit-Ü
pas satisfait au principal point, qui est , . . III, 165. P.
Nach encore überwiegt also in der Poesie wie in der Prosa
der Gebrauch der absoluten Eonstr.
Nach ä peine steht in der Poesie die gerade Wortstellung:
A peine le soleil en savoit les chemins. I, 296. P. d.
Anm.: desgl. 1,357 fP.d.); 1,409 fP.d.J; l,^2h fPd.J; 111,120 (Pd.J.
In einem Falle ist die direkte Inv. eingetreten:
A peine fut cette sc^ne achevde, 111,407. C.
Die sechs in der Prosa beobachteten Fälle, in welchen ä peine
den Satz einleitet, zeigen die gerade Eonstr.:
Ä peine les fahles qv!on attribue ä Esope virent le jour,
que ... I, 3. P.
Anm.: Desgl. 1,9. K; 1,323. P; II, 121. P; III, 14. A.; 111,20. A.
166 L. Wespy,
Nach ä peine ist also in Poesie und Prosa die gerade Wort-
stellang üblich.
Zuweilen kommen diese Partikeln auch kombiniert vor. In
der Poesie steht die gerade Wortstellung:
Aussi bien Fint^rSt de Daphn^ nous appelle. 11, 113. Th, v.
Encm^e si c'dtoit un blondin. HI, 140. C.
In der Prosa unterbleibt hier die Inv. gleichfalls, und zwar
auch nach aussi^ wo also hien die Inv. verhindert zn haben scheint:
Aussi bien ma lettre commence ä me semhler un peu longue.
II, 359. L, — Aussi bien les agremens de votre sociitS remplissent
tdlement les coßurs, gue ... II, 391. L, — JEncore si ma nourrijce
me fermoit les yeux! III, 59. A.
Stehen die „konjunktionalen Adverbien" nicht zu Anfang des
Satzes, 80 bewirken sie natürlich keine Inv. — Dies weisen für
ä peine und peut-etre folgende Beispiele nach:
Notre couple, au contraire, a peine etoit coucbä. I, 99. F.
S^üs ne plaisent par leur bonte, leur variete suppUera peut-
etre ä ce qui leur manque dJaüleurs, I, 324. P.
Anm.; Desgl. 1,164. F.; 1.241. F.; 1,288. F.d.; lll,h&. F.d.; 111,202. C;
111,393. C.
Sehr häufig erfolgt in der Poesie die einfache Inv. des no-
minalen Subjektes nach ainsi^ doch ist das Verb stets intransitiv
oder reflexiv; überdies sind die Sätze meist ganz kurz, oder das
Subjekt ist durch eine nähere Bestimmung verlängert, wie denn
überhaupt die Hervorhebung des Subjektes der Hauptginind dieser
Inversion ist.
Ainsi passe le temps, saus tracas, sans cabale III, 420. F. d.
Ainsi, d'un discours insolent,
Se plaigDoit Taraign^e autrefois tapissi^re, 1, 210. F.
Anm. : Desgl. I, 78. F.; 1, 127. F.; 1, 178. F.; 1, 205. F.; 1, 21 1. F.; 1, 228. F.;
1,284. P. d.; 1,288. P. d.; 1,308. F.d.; 1,381. Pd.; 1,411. Pd.;
1, 122. Pd.; 111,273. C; m, 278 C; hier tritt überall die Inv. bei
verbis des Sagens ein.
Daneben finden sich aber zahlreiche Beispiele dafür, dass die
Inv. auch unter den oben genannten Bedingungen in kurzen Sätzen
unterbleibt:
Aiusi Venus cessa. III, 133. P. d.
Anm. 1 : Desgl. I, 219 F.; I, 381. P d.; II, 69. 77?. v.; IIT, 155. C; IH, 275. C.
Anm. 2: Die unter den übrigen Adverbialien au&uführenden Beispiele
sind hier nicht mitgenannt.
In der Prosa ist in drei Fällen Inv. des nominalen Subj. bei
transitiven und reflexiven Verben beobachtet worden. In diesen drei
Fällen sind im übrigen die Bedingungen wie bei den poetischen
Inversionen :
Die hisi. Entrvickelung der Inversion etc, 167
Ain»i se passa Vaventure de la grotte. III, 21, A. — Ainsi
raisonnoit Psycho, . . . III, 34. A, — Ainsi s'en aUoit la harque
fort gaiement III, 88. A.
Häufiger sind aber die Fälle, in denen die Inversion unter-
bleibt, z. B.: 1,6. R; 11,349. L.; 11,412. L.; 111,29. A; III,
85. A. Die Verben sind in den angeführten Beispielen alle in-
transitiv (in 4 Fällen etre^ in 1 Falle demeurer).
Dass nach ainsi luv. des Subjektes auch bei transitivem Yer-
bum eintreten kann, wie Habicht (p. 9) dies behauptet, lässt sich
bei L. nicht belegen.
Weit seltener als nach ainsi findet sich in der Poesie Inv.
nach den Adverbien lä und de lä. Inversionen finden sich:
1. bei intransitiven Verben:
1,27. R; 1,332. P.d; 111,56. A.; HI, 226. C.
2. bei reflexivem Verb:
111,329. C.
Ebensohäufig unterbleibt aber auch die Inv., z. B.: I, 220. F.;
I, 254. F,; in beiden Fällen finden wir nach lä ein Komma, was
uns glauben lässt, dass hier derselbe Fall stattfindet, den Habicht
für die langen Adverbien konstatiert, dass nämlich das Adverbium
hier einen Satzteil für sich bildet.
Natürlich unterbleibt die Inv. beim transitiven Verb; doch
ist auch hier, bis auf die mit einem * versehenen Stellen, lä durch
ein Komma von dem übrigen Satze getrennt, z. B. 1, 142. F.; *I, 304.
P. d.; 1,326. Rd.; *III, 236. C; IE, 250; mit anderem Adv. C;
♦111,278. a
Auch in der Prosa finden sich Beispiele für die Inv., und zwar:
1. bei intransitiven Verben:
II, 122. R; m, 50. A.: H, 325. R;
2. bei rückbezüglichen Verben: H, 335. L.; HI, 36. A,
Die Inversion unterbleibt in dem mit lä eingeleiteten Satze
1. bei intransitivem Verb: HI, 110. A.;
2. bei rückbezüglichem Verb: III, 80. A.;
3. bei passivem Verb: III, 89. A,
Weder in der Poesie noch in der Prosa haben sich bei no-
minalem Subjekte Belegstellen für die Inv. gefunden nach den hierher
gehörigen Adverbien: en vain, vainementy toujours, du moins, au
moinSj tont au pluSy ä plus forte raison, rarement
Aus Vorstehendem ersehen wir, dass bei nominalem Subjekte
in der Poesie die jetzt gebiiluchliche absolute Konstruktion nur in
zwei Fällen nach encore bei transitivem und reflexivem Verb vor-
kommt, dem ein Fall mit gerader Wortstellung bei transitivem
Verb entgegensteht. Dies ist das einzige konjunktiouale Adverb,
dessen Konstruktion sich dem heutigen Sprachgebrauche nähert
T
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nckehmg der Inversion eic.
169
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1,333. P.d.
m, 169. C.
in,253. C,
1,158. i^.
1, 52. F.
111,433. i>rf.
111,349. C.
'S
''^i^.
«r,Js
Ik-dessns
uant qui marchoit las pieds nus: 1,48. F.
und Weise bewirken Inv.:
ous les murs d'CEbalie
beaut^
)iicor que nice fClt)
le jeu ne lui plüt.
tre en autre science,
Q sage ennemi.
olereaux de faire les volenrs.
.,134. C; 111,160. C.
08. P. d.; m, 342. 6'./ IH, 442. P. d.
sind reflexiv. Hier ist die Inv. seltener:
ant moi, sur Parnasse notaire,
enta la reine des beaut^,
appliqua Rustic k ce myst^re, . . .
in l'enfer s'accoutumant au diable
n toujours sa presence agreable,
ht sogar bei reflexivem Verb die absolute Eonstr.:
rement Thrason se plaint-il d*une dame;
11,27. Th,v.
. 3rben sind transitiv:
drallen steht die Inv. bei transitivem Verb nach dem
r Art und Weise aussi; alle drei Sätze sind sehr
dikat ist faire und dies hat keinen Akkusativ bei sich :
Aussi fönt les profanes. 1,75. F.
». Aussi fait sa famille,
, ■ , chevaux et valets, tous gens bien endent^s I, 76. F.
,, ** •. ^, Aussi fait le deuxibme: 111,163. C
'■'•••■
„. ' ich steht auch die Inv. in zwei metrisch freien Beispielen
• , 'ivem Verb mit näherem Objekte, doch gehören alle zwei
^y ^.^'' Contes an:
Taut se la mit le dröle en la cervelle, IH, 155. C.
En ce ne fit Bichard tour d'homme habile; 111,207. C.
1 der Prosa tritt die Inversion des nominalen Subjektes fast
^h Adverbialien des Ortes ein, und zwar:
/ 1. nach intransitiven Verben (meist etre): III, 8. A,\ III,
8. A.; III, 37. A,; UI, 72. A; III, 87. A.; UI, 89. A.;
m, 89. A.; III, 89. A.; UI, 95. A.; I, 328. R; I,
346. R; II, 122. R; II, 336. L.; H, 341. L,; H,
353. L.; 11,359. L.; 111,86. A.; 111,90. A. — Bei
diesen Beispielen ist das Verbale Prädikat stets etre. —
111,87. couler A,; 111,89. reposer A,;
/.
L. Wespy
h rfickbezüglicfaen Verben: I, 19. ve promener R;
23. »e lire F.; I, 323. se voir F.; lU, 88. s'eMK
UI, 90.
h passiven Verben; Sur chaque cSte du plmßa ipii
ardoit direetement, . . . le midi, le septentrion, . . ■
'.ent entaäUs ees mots: III, 86. A. Sur chaque bau
deux colonnes les plus proehea de la porU, itaKiA
liUia ces mots: III, 90. Ä.
rerbicQ der Zeit ist nur ein Beispiel von Inv. bei
aobachtot worden, das überdies zweifelhaft erecheinl;
e feu succida celui des tambours II, 387. P. Kt
auch als dnrch ein Dativobjekt bewirkt angeseb^
rerbien der Art und Weise ist Inv. selten, und &
Beispiele sind durch „bien" eingeleitet, das ancb in
n Inv. bewirkte. So: Jiien lui prit dfavoir da
igonner pour le temps et pour la doideur, et e(WWf
le. III, 88. Ä. — Bien prit ä Psycho gue la mmni'
Holt sm mari: UI, 77. A.
Luf einander folgende, adverbial eingeleitete Haiiptaäte
cboni Subjekte ist die Anzahl der Inversionen be-
und es hat sich dabei ergeben, dass die Inversimi
interWeibt) wie in dem folgenden Schema ang^
des Ortea,
der Zeit,
ler Art u. Weise,
des GrundeB.
31 19
adverbial eingeleiteten HaapteStzen zeigten also 19
i von den vorher besonders behandelten Inv. ab-
iger Tabelle ei^bt sieh, dass die Adverbien der Zeil.
d nach die häufigsten, doch nie Inv. des subatftnti'
} hervorbringen. Das eine vorhin angeführte, mehr al^
ipiel steht mit dieser Beobachtung nicht im Wider
ter ergibt sich aus der Tabelle, daas bei einleiten-
!)rtes die luv. in der Mehrzahl der Falle eintritt
er Art und Weise selten, die des Grundes nie Im-
e Angaben bezUgl. der Adv. der Zeit und derjenige'
Die hisi. Entwickelung der Inve7'sion etc. 171
des Grundes werden noch dadaroh bestätigt, dass nicht ein Beispiel
von Inv. in den Prosawerken Lafontaine's nach denselben nachge-
wiesen werden konnte.
In dem untersuchten Abschnitte fanden sich ausser den schon
angeführten Adverbialien nocif 34 Hauptsätze, welche mit ^kon-
junktionalen Adv/ eingeleitet waren, u. z. durch encore (3 -f" ö)»^)
ainsi (4 + 5), lä (4 + 6), de lä (1 + 0), peut-Üre (1 + 0),
aiLssi (2 + 2), ä peine (0 + 5), encore si (0 + 1). Von diesen
34 Beispielen zeigen also 15 Inv. und 19 nicht. Ziehen wir diese
15 Inv. in den Kreis unserer Berechnung, so ergeben sich für La-
fontaine ca. 25^/3 *7ü Inversionen für den adverbial eingeleiteten
Hauptsatz mit substantivischem Subjekte.
Wir gehen nun über zu dem Gebrauche der Inv. im adver-
bial eingeleiteten Satze mit „pronominalem Subjekt" und be-
handeln da wieder zuerst die Poesie und alsdann die Prosa.
Zunächst sprachen wir von dem Einflüsse, welchen die „kon-
junktionalen Adverbien" auf die Stellung des pronominalen Subjektes
ausüben.
In der Poesie wurden 16 durch aitssi eingeleitete Sätze be-
obachtet. Von diesen zeigen 13 Inv. (9 bei trans. Verb. mitObj.;
1 bei trans. V. ohne Obj.; 3 bei intrans. Verba). Nur in 3 Fällen
unterblieb die Inversion bei trans. V. mit Obj. — Ebenso bewirken
Inv. aussi peu (1 Fall), aussi bien (4 Fälle, 2 ohne Inv.).
In der Prosa ist von 15 Fällen 14 Mal Inv. eingetreten
(5 bei trans. V. mit Obj.; 0 bei trans. V. ohne Obj.; 5 bei intrans.
V. ; 2 bei rückbez. V. ; 2 bei unpers. V.). Die Inv. unterblieb ein-
mal bei trans. V. mit Obj.
Bei peut-etre ist von 26 FäUen der Poesie in 16 das Sub-
jekt invertiert (9 bei trans. V. mit Obj.; 1 bei trans. V. ohne Obj.;
6 bei intrans. Verb). In 10 Fällen unterblieb die Inv. (6 bei
trans. V. mit Obj.; 2 bei intrans. V.; 1 bei refl. V.; 1 bei pas-
sivem Verb).
In der Prosa zeigen alle 16 beobachteten Fälle Inv., ebenso
ein Fall nach peut-itre atissi.
Nach encore zeigen von 13 beobachteten Fällen in der Poesie
10 Inv. (5 bei trans. V. mit Obj.; 3 bei intrans. V.; 2 bei pas-
sivem V.). Unterblieben ist die Inv. in einem Falle bei trans. V.
mit Obj. und 2 Mal nach encore si (intrans. V.; trans. V. mit Obj.).
In der Prosa zeigen die 11 beobachteten Fälle Inv., ebenso
ein Fall mit encore moins.
Bei ä peine zeigen von 18 beobachteten Fällen in der Poesie
7 Inv. (4 bei trans. V. mit Obj.; 2 bei intrans. V.; 1 bei refl. V.),
*) Die erste Zahl bezeichnet die inv., die zweite die nicht inv. Fälle,
L. ffespy,
' bei trans. V. mit Obj.; 1 bei iutranB. V.; 3 bei
eobachteten liUUen zeigen in der Prosa 10 Ic»,
bewirkt ia der Poösie 2 luv-, 3 Mal nuterblubt
: Prosa zeigt sich eine luv., 1 Ual nntorbleibi
<am unterbleibt die Inv. etets: in der Poeaie wa
ia 3 Mal.
nnd lä zeigt sieh in der Prosa kein Fall von h'<-
i die gerade Konstruktion, oder, was ziemlich häoG;
bt weggelassen.
tritt in der Poesie 4 Mal Inversion ein in der
st-it vrai, einmal nach trop hien. Häofig ietdai
»en. In der Prosa tritt die Inv. immer ein Dscb
i'en Ädv. Bind »och in der Prosa za bemerleii;
J Inv., 1 Ual nicht); rarement (1 Mal Inv.); Iwi'
T-); touUfois (2 Mal nnt^rblieben).
Iverbien bewirken jedenfalls in der Poesie m
des pronominalen Snbj. Namhaft gemacht kam
lispiel werden:
leg enfera encore en chauge-t-on. 111,403. C.
ig ist d^egen die Anslasguug des pronominalEii
08a werden die wenigen P^lle von Inv. meist dunl
id Weise bewirkt.
'orte raison le serai-je par des Fransois:' Ui
'OSsibU avee-vous pay^, en son acquit, ces 400 tivre '
>e» de Ia rente; II, 372. L. — et poasible suis-j'
semble. III, 29. A. — St possible n'a-ce pas i^
, 166. P. — Tel pouvoit-on appder le puissa»'
nes qu'eUe irwentoit; I, 331. P. i
•n Ausführungen kann man zusammenfassend sagen. |
äsen Ädv. (aussi etc.) die Inv. des pronomioalen
;h Übrigen Adv. dagegen sehr selten ist.
2. Das Objekt.
- Morf, pp. 212 ff. — Le Coultre, pp. 16 ff.. 33.-
— Schlicknm, p. 6. — Marx, pp. 341 f. — Dies III'
tzner. Gramm. §254, A, 1,;-. — Matzner, Sjnt. § ^''■
Jing, g 9. — Körting, § 129, 2e (p. 218).
itret«n des Objektes, welches im Altfranz. Inv. b^
Die hist. Enirvickelung der Inversion etc. 173
wirkt, hätte füglich schon bei den Adverbialien behandelt werden
können, wie dies mehrere Grammatiker thnn. Wir schliessen uns
der Einteilung Völcker's an.
In den ältesten von Völcker untersnchten Denkmälern fin-
den sich wenig metrisch freie Beispiele für unsere Regel. Da aber
diese wenigen ebenso wie die unfreien Inv. des Subjektes zeigen, so
kann man, da sich aus späteren Werken die luv. als Begel ergibt,
auch hier die Inv. als Gesetz betrachten.
Morf findet im Rolandsliede die Inv. bei einleitendem Ob-
jekte stets angewendet, und zwar ohne Unterschied, ob dasselbe zum
verbum finitum oder zu einem davon abhängigen verbum infinitum
gehört. Wenn einmal die Inv. unterblieben ist, dann ist das Sub-
jekt ein Pronomen, das in diesem Falle grössere Freiheit hat als
das Nomen. Die Beispiele Krtiger's, welche die gerade Wortstellung
aufweisen (p. 39), haben alle pronominale Subjekte.
Le Coultre sagt, dass im Chevalier au Lyon die Inv. stets
angewendet sei.
Krüger hat die Morf sehe Regel schon früher für die Prosa-
litteratur des 13. Jahrh. fesl^estellt.
Schlickum sowie Marx finden für Aucassin und Nicolete,
sowie für Joinville diese Regel bestätigt. In beiden Werken steht
Inv., mag nun das Subjekt ein Substantiv oder Pronomen sein, zum
verbum fin. oder zu einem von diesem abhängigen Infinitum ge-
hören; in letzterem Falle ist aber das Subjekt fast stets ein Pro-
nomen.
Diez und Mätzner lehren gleichfalls das Eintreten der Inv.
für das Altfranz.
Selbstverständlich gilt diese Regel auch, wenn ausser dem
Objekte noch ein anderer Inversion bewirkender Satzteil zu Anfang
des Satzes steht.
Zur Erklärung dieser Inversion dient die Ansicht Diez' über
die ümkehrung des Satzes, wie wir dieselbe beim Adv. (vgl. p. 1 62)
anführten.
Diez sagt (III, p. 464), dass das Neufranzösische diese Inv.
nicht liebe, sondern nur nach Adv. anwende.
Schlickum bezeichnet eine solche Stellung für das Neufrz.
als ganz unmöglich; Völcker, sowie Körting (p. 418), auch
Mätzner (Gramm. § 256, B, a, 1) dagegen als noch in Spuren vor-
handen.
Mätzner sagt an der bezeichneten Stelle, dass sich die Voran-
stellung des Akkusativs meist bei älteren Dichtern finde. Die
Frosa hat noch die Voranstellung eines Akkusativs unbestimmter
Fürwörter, besonders vor Infinitiven und seine Einfügung in die
174 Z. Wespy
zusammengesetzten Zeitformen bewahrt. (Diese Akknsative sind:
autanty tant, heaucoup^ tropy plus, moins, rien.)
Für die Poesie Lafontaine 's finden sich einige Beispiele
der von Mätzner für die Prosa als zulässig erkannten luv. nach
autant und rien, sowie peu in Verbindung mit einem Subst.
Rien ne te sert d'ötre farine ; I, 72. F.
Pen de prudence eurent les pauvres gens.
D*accommoder un peuple si sauvage. 1, 135. F,
Autant en dit de aa part le Romain. 111, 147, C.
Autant en fit la femme de Joconde:
Autant en fönt d'autres qu'on ne sait point. III, 149. C.
Autant vaut l'avoir vu que de Tavoir touchö." 111,323. C,
Rien n'en a dit ce proph^te menteur
Qui ne devint trfes-croyable et sensible
A ces gens-lä. 111,329. C,
Nur ein Beispiel ist uns aufgefallen, in welchem ein substan-
tivisches Akkusativobjekt, welches voransteht, Inv. hervorruft; das
Subjekt ist in diesem Falle das pronominal gebrauchtes chose:
üne chose ai-je a dire: 111,288. C,
Eine ganze Anzahl von Beispielen finden sich aber dafür, dass
bei voranstehendem Akkusativobjekte das pronominale Subjekt weg-
gefallen ist. Fast alle hierher gehörigen Stellen gehören jedoch den
Contes an:
Deux pailles prend d'inegale grandeur; 111,162. C.
Mot n'en dirai; Hl, 192. C,
Mämoire n^ai d'aucun grain qui s'appelle
De cette sorte: 111,326. C.
Douter ne faut qu'il ne s'en entremette, 111, 332. C.
Mais teile ofiense,
En coüscience
14 e commettrois pour cent ducats. 111, 417. P. d.
In der Prosa Lafontaine's ist der altertümliche Gebrauch
anscheinend geschwunden; Beispiele für die Inversion mit voran-
stehendem Objekte sind nicht beobachtet worden.
8. Einen attributiven Qenetiv.
Völcker, p. 12. — Morf, pp. 213 ff. — Schlickum, p. 5. — Marx, p, 342.
' Habicht, p. 5.
Völcker kann aus den von ihm untersuchten Denkmälern
keinen Schluss ziehen. Morf findet die Inv. meistens angewendet,
wenn im Attribut, das übrigens nur ein attributiver Genetiv sein
Die hist. Entwkkehtng der Inversion etc. 175
.], dea Satz beginnt; mag dieser nan zum Subjekte, zom Objekte
zum Prädikate gehören. Natürlich gilt diese Regel auch für
^ätze, in welchen ausser der attributiven Bestimmung noch ein
• mehrere andere Inv. bewirkende Satzteile an der Spitze des
3 stehen. Schlickum und Marx konstatieren das Eintreten
Inv. als gewöhnlich.
über die Begründung dieser Wortstellung vergl. die Ansicht
ichfs (s. oben S. 163).
Lafontaine liebte entschieden die Inv. in diesem Falle nicht.
1er Poesie wie in der Prosa ist je ein Fall des voranstehenden
•tives beobachtet; beide zeigen aber die gerade Wortstellung:
Du Lignon Tonde impitoyable
Vieut de l'ensevelir. 11, 146. 7%. v.
Des püces suivantes, les trois prerrvi^res sont des fragments
la description de VaitXj laquelle faifait venir en un songe^ . . .
.24. Note. P.
In einem Falle von Inv. ist dieselbe jedenfalls durch ein-
üudes lä bewirkt:
Lk finit de Psycho le bonheur et la gloire: 111,46. A.
4. Eine prädikative Bestimmnng.
'oker, p. 12. -- Mätzner, Gramm. § 254, A, a, \ß, — Mätzner, Synt.
^Q, — MorF, pp. 213 f. - Le Coultre. pp. 13 ff. ~ Krüger, p. 37. —
>x, pp. 339 ff. — Ling, § 8. — Körting, § 129, 2c. — Lücking, § 189,
I, 2 a. — Habicht, pp. 11 f.
In den ältesten Denkmälern findet sich nach Yölcker (bis
einen Fall Eulalia 164) die bei Mätzner angegebene Regel
1 tätigt, dass im Altfranz, in Sätzen, deren Prädikat das Verb
e mit einem prädikativen Adjektiv, Substantiv, Particip, Posses-
\rpronomen oder Pronominaladjektivum (tel und autre) ausmacht,
r prädikative Begriff, dem das Verb folgt, zuweilen mit Nach-
uck an die Spitze des Satzes tritt; doch ist das Subjekt meist
1 Hauptwort und darf nie ein persönliches Fürwort sein.
Morf, Le Coultre, Krüger haben gleichfalls das Eintreten
T Inv. beobachtet und fügen dem gesagten hinzu, dass es gleich
ä, ob die prädikative Bestimmung zum Subjekt oder zum Objekt
'höre.
Marx findet, dass bei Joinville die Beispiele weniger zahlreich
nd als in den übrigen Denkmälern.
Morf macht darauf aufmerksam, dass das Vorantreten von
'artizipien darauf hinweise, dass in jener Zeit Partizip und Kopula
lOch nicht zu einer Zeitform verwachsen waren, sondern noch als
liweiheit gefühlt wurden.
Selbstverständlich ist es auch hier wieder, dass auch Inv. des
tivisciiL-
Subjol.-
grfai:
hie hist. Entrvickehing der Inversion ete. 177
•11 Ausrufesätze hat das voranstehende priidikafive Ad-
. i vorgerufen:
Oh! qu'heureux sout les amans
Qui . . . ir, 126. Th, v,
L'rosa Lafontaine's scheint diese Konstruktion nicht
/Ai sein; es sind von uns keine derartigen Beispiele
orden.
bstantivische Prädikativ bewirkt, wenn es an die
/izcs tritt, Inv. sowohl in der Poesie als auch in der
II Oracle est Bacchus, quand j'ai quelques soucis,
:iia Sibylle est ma bouteille. 11,110. Th.v.
'\ de ces enchanteurs est le sieur Torelli,
•ricien expert, et faiseur de miracles; 11,385. P.d.
niH menagers furent nos deux amans, 111,201. C.
'tut son plaisir etoit cet innocent ramage; 111,249. C.
L i^rincipale favorite
ins que jamais est la vertu. 11,398. P.d.
orce est qu'un an dans ce sejour se passe; 111,332. C.
.>eä provinces enti^res sont ses presens. II, 320. P.
. rt ces ambassadeunt furent les Jeux et les Ris: III, 37. A,
et ce prix etoit le portrait du rot, qui setoit donne par
, . . . I, 324. P. — Ses principaux soins sont de travaiUer
grandeur de son mattre; III, 57. A.
ti an die Spitze des Satzes tretendes Partizipium findet sich
<\e und Prosa Lafontaine's nicht. Die zwei Fälle, welche
den Contes finden, stossen diesen Satz nicht um, da beide
Contes vorkommen (vgl. p. 151). Die zwei erwähnten Bei-
ind:
Louä soit Dien qui vous ramfene ici ! HI, 261. C.
Craint n^^toit*il pour Timmense campagne
Qu'il poss^dät, ni pour aucun monceau (D'or et d'argent,)
III, 329. C.
Ein Fall ist beobachtet worden, in welchem trotz des voran-
Uten substantivischen Prädikativs die Inv. unterblieben ist:
Cause il n'est pas de ta d^convenue: 111,445. P.d,
Nach dem Pronominaladjektivnm tel (teile) steht, wenn dieses
Prädikativ zu etre an die Spitze des Satzes tritt, in Poesie
) Prosa stets Inversion.
Diese Inv. findet sich auch bei anderen intransitiven Zeit-
Jrtem, wenn tel den Satz einleitet:
Teiles vont au butin les nombreuses abeilles; 1,326. P.d.
Teile vint en ce säjour
La merveille que je chante. 1, 376« P. d.
Zschr. f. ufrz. Spr. u. Litt. VIi- ]^2
Die hisi. Eniivickelung der Inversion eic. 179
Pas ne tiendroit aus gens qu*on ne fit mieux. III, 345. C,
In einer Anzahl von Fällen ist das pronominale Subjekt aus-
lassen. Da sich überdies dasselbe nie invertiert findet, so ist
s sicher anzunehmen, dass Lafontaine, selbst in der Poesie, die
v. des pronominalen Subjektes in dem durch die Negation ein-
leiteten Satze für unerlaubt hielt:
Pas n'y manqua; III, 152. C,
Pas ne trouva la pucelle endormie, III, 180. C.
Plus ne fera de ddpense chez vous. 111,370. €,
Pas ne voudrois qu'on le crüt autrement. 111,389. (7.
b. Befehls- und Wunschsätze.
Ucker, pp. 13 f. — Morf, pp. 216 f. — Le Coultre, pp. 23 ff. — Krü-
r, pp. 43 f. — Schlickum, pp. 7 f. — Marx, p. 343. — Mätzner, Gramm.
•^54, A, a, 3. — Mätzner, 8ynt. § 490. — Körting, § 129, 2, a. —
Lücking, §§ 307 f. — Habicht, p. 20.
Zu berücksichtigen ist hier nur der konjunktivisch ausgedrückte
.fehl oder Wunsch.
In den ältesten Denkmälern sind die Beispiele spärlich,
i die meisten der konjunktivischen Befehlssätze kein pronominales
ibjekt enthalten. In den vorhandenen Fällen wechseln beide Stel-
in gen derart ab, dass man annehmen muss, in der ältesten Periode
ibe es noch kein\9 diesbezügliche Regel gegeben.
Nach Morf tritt im konjunktivischen Befehlssatze Inv. des
)minalen und . pronominalen Subjektes gern ein, wenn die für den
^olierten Hauptsatz realen Inhaltes aufgestellten Bedingungen ein-
icteu. Nur das Wort Deus macht eine Ausnahme, indem es nie
ivertiert erscheint. — Der Gebrauch des que in Heischesätzen
cbeint im Bolandsliede noch unbekannt zu sein, da Morf nicht
lavon spricht.
Dieselbe Regel stellt Le Coultre fest, u. z. fügt er hinzu,
lass beim Vortreten jener Bestimmungen nur selten die Inv. iinter-
)leibe.
Krüger konstatiert zwar auch noch obige Regel als gewöhn-
lich massgebend, bemerkt aber doch schon mannigfache Abweichun-
i^en. Auch wenn keine von den früher genannten Satzteilen den
Satz einleiten, steht häufig Inversion, wenn das Verb emphatisch an
die Spitze des Satzes tritt.
Schlickum hat zwei Heischesätze gefunden, welche mit que
beginnen, und von denen der eine, prädikativ eingeleitete Satz Inv.
zeigt, der andere nicht. — Die nicht durch que eingeleiteten Haupt-
sätze zeigen in der Regel keine luv.; dagegen bewirken Adverbien
etc. stets Inv. wie in den Aussagesätzen.
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Die hisi. Entwickelmig der Inversion etc. 181
Qae de vous naisse un h^ros
Dont les palmes immortelles
Ne donnent aucun repos
Aux nations infideles: 1,377. P.d.
Bei pronominalem Subjekte, wo die Inv. sowohl bei transi-
tiven wie bei intransitiven Verben beobachtet worden ist, hat der
Wunschsatz ganz den Charakter der Frage, welche in affektvoller
Weise betont wird, ohne dass sie aber eine eigentliche Affektfrage
wird (vgl. diese p. 185).
Que n*en ai-je oubliä les funestes inomens! 111,131. P.d.
Que ne m'est-il permis d'errer parmi les ombres!
111,133. P.d.
Que ne puis-je en ces vers avec gräce parier
Des qualit^s qui fönt voler
Son nom jusqu aux peuples Stranges! 1,421. P.d.
Que ne sait-il qu'un arr^t inhumain
M'a condamne, moi qui n'ai poiot fait faute! 1,399. P.d.
Bei Lafontaine gelten im allgemeinen im nicht mit que ein-
geleiteten Wunschsatze dieselben Eegeln wie im Neufranz. Es be-
schränkt sich der Sprachgebrauch auf die Voranstellung gewisser
Verben, die auch heutzutage noch häufig in der 3. Pers. des Prä-
sens und Imperfekts (meist bei intrans., selten bei trans. Verben)
an die Spitze des Satzes treten und Inv. des nominalen und prono-
minalen Subjektes zur folge haben. '^
Solche Verben sind:
Puisse: 111,396. C; 111,441. P.d.; 1,319. P.a.; 1,377. Rd.;
II, 329. P. d.; II, 337. P. d.; III, 441. P. d. (subst. Sub-
jekt); 1,270. F. (pron. Subj.).
Puissent: 1,250. F.; 1,394. P.d.; 1,415. P.d.; 1,367. P. d.;
11,121. Th.v.; 11,31. Tä. v. (nom. Subj.).
1,377. P.d.; 1,428. P.d.; 11,382. P.d. (pron. Subj.).
Vive und Vivent: I, 43. F.; II, 335. P d.; III, 31 3. C; I, 43. F.;
11,27. — (subst. Subj.).
Die Inv. des pron. Subj. kommt hier nicht vor.
Peri8se(nt): UI, 281. 0.; 11,121. Th.v.; 111,293. C.
Pron. Subj. ist nie invertiert.
Pmt: 11,35. A.; 11,107. Th.v.; 11,117. Th.v.; 11,179. Th.v.;
I, 88. F.; I, 390. P. d.; III, 153. C; III, 281. C;
das Subjekt ist stets ein Substantivsatz. — Prosa (die
vorher citierten Beispiele gehören alle der Poesie an):
111,35. A; 111,464. P
Aber auch andere an der Spitze des Satzes stehende elliptische
Konjunktive haben Inv. des Subjektes zur Folge. In der Poesie:
182 ^- tf^
Ah! fi*»»^— ^«,xi« ce hK-T W
It'l»^''™ et j„ *«8i^^ <1« .
Qu'il «!«-<«=»*» ««» jh^ '«« w?ii-! ,
VeuiU« i:^»«*- "" Petit .*o^ ^"UV *^' ^
i?!«:-,'«^»»^ >oiiiA d'n.iT Ce „. *e». -* '»29
In der P r ^^ jj!, 60. ^' *«««4»»,_ * ^o^«V ^ l ,„,
wenn pourotr * gatees t^j ^e^o„^ .«»»e / " • • ff r , "^ ««
an dxe Spitze <»^ , • " «Je« »/iv. ''' «l.
m vielen F«"- f^r ^ \*^^^^ 1i ' '^- ^
andere vorantretende Safefeüe dfe V **'«'«)* *^"''«* ' *^0. -^
Unterschied bei <ran«t.^e« «^^ V ' «« J*e., , ^r.
und pronominalem Subjette ein^^-^V^'^'f t ^f^^aft '^ ^'^
Adverbium: "^W. ^ «^ %t?*^eö '^ ob ^j .
Objekt im Dativ ^ °*^«» i^ "««öi^^em
Te confondent leg j. ^^ort)
Attributiver 0^,,^°"'^ W««, ^ '' «« ^.^ ^O. ^^ ^
/fr* Js« c
^' leo. f.
Die hist. Eniwickelung iler Inversion etc. 183
ation:
e plaise k Dieu que si belle amitie
oit par moQ fait de d^saatre ainsi pleine . . . UT, 210. C,
der Redensart ne plaise ä findet sich Inv. des durch einen
.en Satz ausgedrückten Subj. 1,67. F,; 1,100. F.; 11,31. Th.v.
^^ation und pron. Objekt:
ne vous diplaise,
Que . . . III, 262. C.
Et, n'en deplaise aux suppots de saint Pierre,
Les augustins sont serviteurs du roi.** III, 432. P. d.
c. Fragesätze.
p. 15. — Morf, pp. 217 f. — Le Coultre, pp. 25 ff. — Krüger,
<. — Schlickum, pp. 8 f. — Marx, p. 344. — Glauning, p. 42. —
, Gramm. § 254, Aa, 2. — Mätzner, Synt. § 491. — Körting,
§ 133. — Lücking, §§ 256 ff. — Habicht, pp. 22 ff.
j'ür die ältesten Denkmäler lassen sich keine genauen
iDungen treffen, weil daselbst vielfach das Subjekt gar nicht
.rückt ist.
Im Bolandsliede findet sich im Fragesatze das Subjekt in-
;t, es sei denn, dass es ein fragendes Pronomen wäre. Die
j Ausnahme, welche Morf als Spur des modernen Gebrauches
irt, erklärt Marx (p. 344) für metrisch unfrei.
Le Coultre sagt, dass im Altfranz, zur Zeit Crestiens das
nale Subjekt der Verbalfrage nie dem Verbum vorangehe (wjas
'cufrz. Regel geworden ist), dass vielmehr das Subjekt, gleichviel
lominal oder pronominal, einfach invertiert werde. — Einzelne
0 treten schon bei Crestien auf, in welchen das Subjekt in der
ifrage an der Spitze des Satzes, d. h. vor dem Frageworte steht,
0 indes, wie im Neufranz., hinter dem Verb durch ein Prono-
1 wiederholt zu werden. — (Wenn das Subjekt ein Fragewort
so beginnt dieses natürlich den Satz.)
Krüger konstatiert zunächst gleichfalls, dass im Altfranz, im
agesatze einfache Inv. eintrete, möge das Subjekt ein nominales
er ein pronominales sein, möge der Satz durch interrogative Pro-
)miua oder Adverbia eingeleitet werden oder nicht. — Beispiele
ir die bei nominalem Subjekte im Neufranz, übliche Konstruktion
nden sich erst gegen das Ende des 13. J. ; in den Novellen in
inem Falle. — Wie im Eolandsliede, so tritt auch im 12. und
.3. Jahrh. manchmal das Subjekt dem Frageworte nachdrücklich
7/oran, aber auch hier erfolgt keine Wiederholung hinter dem Verb
(z. B. Et vous, qid estes ...?). — Wenn zwei Fragesätze durch
koordinierende Konjunktionen verbunden werden, so darf im zweiten
die Inv. des Subjektes unterbleiben (dors-tu ou tu veilles).
184 L. Wespy
Schlickum hat nicht konstatiereu können, ob in A. und N.
gelegentlich schon einmal die absolute Konstruktion angewendet ist
oder nicht. In den meisten Fällen ist das Subjekt ein Pronomen,
und dann tritt stets die einfache Iny. ein, wenn das Subjekt nicht
ein fragendes Pronomen ist, oder die Frage nur durch den Ton
ausgedrückt werden soll. — Ein substantivisches Subjekt findet sich
in A. und N. nur 4 mal und es steht luv. in den Fällen, in wel-
chen dieselbe auch im Neu franz. üblich ist, wenn nämlich das Verb
in einem einfachen Tempus steht und kein Objekt bei sich hat.
Auch Joinville kennt die moderne Pragekonstruktion noch
nicht; übrigens ist es eine Eigentümlichkeit des erzählenden Stiles
Joinville's, dass nominale Subjekte in der Frage sehr selten vor-
kommen. — In einem Falle muss auch bei Joinville die Frage
lediglich durch den Ton ausgedrückt werden.
Nach Glauning ist auch bei Marot von einer absoluten Kon-
struktion noch nichts zu finden.
Wir finden demnach durch die vorstehenden Resultate be-
stätigt, was Mätzner sagt, dass nämlich im Altfranz, das Sub-
jekt unbedenklich hinter das Verbum trete, und dass ein nominales
Subjekt, wenn dasselbe vor das Verb gesetzt wird (was besonders
häufig ist, wenn im Fragesatze ein Interrogativpronomen oder ein
interrogatives Adverb vorkommt), keine Verdoppelung durch ein
Pronomen erfahre.
Im Neufranz, ist die luv. als Ersatz für den Verlust der
Fragewörter des Lateinischen (ne, an, num) anzusehen. Hier zeigt
sich aber im Neufranz, viel mehr als im Altfranz, die Neigung, vor-
zugsweise das persönliche Fürwort (auch ce und on) hinter das
Verb und in den zusammengesetzten Zeiten hinter das Hilfsverb
zu stellen.
Wenn das Subjekt nominal ist, so tritt es gewöhnlich vor
das Verb, wird aber nach demselben durch ein persönliches Pro-
nomen wiederholt, welche Stellung gewissermassen als Kompromiss
zwischen Altfranz, und Neufranz. bezeichnet werden kann (Le Coultre).
Die Ausnahmen, welche zu verzeichnen sind, sind folgende:
Die Inv. unterbleibt:
1. wenn die Frage durch den Ton (Fragezeichen) auszu-
drücken ist (Ton frage);
2. wenn das Subjekt der Frage eines der fragenden Für-
wörter qui, lequd ist;
3. wenn das Subjekt des Satzes ein von einem attributiven
Fragefürworte (quel) begleitetes Nomen ist;
4. wenn die Frage den Ausdruck des Affektes angenommen
und den Charakter der Frage verloren hat.
Die einfache Inv. tritt ein bei nominalem Subjekte, wo man
— --
Die hisi. Enttvickebmg der Inversion etc. 185
die absolute Konstruktion erwarten sollte, wenn die Fragewörter
y?/e, oÄ, d^oily comment, quel, quandy combien, pourquoi den Satz
Binleiten, wenn das Verb in einer einfachen Zeit steht und kein
Objekt bei sich hat.
Wir müssen darauf verzichten, an dieser Stelle eine Erklä-
rung der Fragekonstruktion in allen ihren Teilen zu geben, da dies
7M weit führen würde. Man lese bei Habicht die oben näher
liezeichnete Stelle nach.
Nach den Fragewörtern que (in seinen verschiedenen Kasus),
ow, d!oü, quand, comment steht bei Lafontaine in Poesie und
Prosa ganz gewöhnlich einfache Inv. des nominalen Subjektes (auch
Subjektsatzes), wenn das Verb in einer einfachen Zeit steht und
kein Objekt bei sich hat. — Uoü vient wird sehr häufig mit fol-
gendem Subjektivsatz gebraucht, ohne dass dieser durch das Perso-
nalpron, il zuvor zusammengefasst wäre.
Ziemlich häufig steht bei L. auch nach que (in seinen ver-
schiedenen Kasus) die einfache Inv. des nominalen Subjektes, wenn
das Verb in einer zusammengesetzten Zeit steht:
„Qu*a donc mangd mon camarade? Tll, 147. C.
— Qa'a fait madame? III, 233. C.
qu'eüt fait le pauvre sire? III 309. C.
Qu'eüt fait Alaciel? 111,228. C.
Qu'est devenu TAmour? II, 100. Th. v.
Qu'est devenu mon fils ? IT, 99. Th. v.
Contre tant de trompeurs qu*eüt fait une innocente?
111,380. C.
Sur ce pied-lk, qu'eüt coütd la maitresse? 111,405. C.
Auch wenn bei dem Verb der einfachen Zeit sich ein näheres
Objekt findet, ist in zwei Fällen Inv. beobachtet worden:
Qii*ont de mieux vos soci^tös? 111,420. P.d.
Oü l'iront retrouver les faiseurs d'horoscope? 1, 165. F.
Alle vorstehenden Beispiele gehören, wie man sieht, der Poesie,
lie meisten sogar den Contes, an, während sich in der Prosa keine
Belege für den Gebrauch der einfachen luv. des nominalen Sub-
jektes bei zusammengesetzten Zeiten oder bei einfachen Formen mit
Akkusativobjekt finden:
Viel öfter tritt Inv. ein, wenn ein entfernteres substantivisches
3der pronominales Objekt zu dem Verb tritt, z. B.:
Que me sert de troubler d'innocentes amours? II, 140. Th. v.
Mais que vous sert votre märite? 1, 138. F.
Quen fera, dit-il, moo ciseau? 1, 185. F.
Que sert k vos pareils de lire incessamment? 1, 169. F.
186 L, Wespy
Anm.: Desgl. 1, 253. F.; 1, 425. P, d,; II, 147. Th. v.; 1, 98. F.; II, 47. Ih. v.;
1,50. F.; 11,61. Th.v.
Id einem hierher gehörigen Falle findet sich auch die Zu-
sammenfstösung des Subjektsatzes durch das unpersönliche ü:
Hälas! que ine sert-il de Taimer constamment? II, 130. Th. v.
Nach pourquoi steht bei L., wie in der heutigen Sprache, in
der Poesie wie in der Prosa bei nominalem Subjekte stets die
absolute Konstruktion. Der eine Fall von einfacher luv., welcher
in der Poesie beobachtet worden ist, wurde wohl durch den Beim
bedingt:
Pourquoi n'ont pas p^ri ces tristes monumens! III, 131. P, d.
Das adjektivische Fragefürwort qud, sowie das interrogative
Adverb combien stehen im Neufnmz. mit den zugehörigen Wörtern
stets zu Anfang des Satzes.
Sind nun quel und combien nebst den dazu gehörigen Wör-
tern Objekte, so steht im Neufranz, bei pronominalem Subjekte die
einfache, bei nominalem die absolute Konstruktion. — In der Poesie
Lafontaine's steht in einigen Fällen auch bei nominalem Subjekte die
einfache luv.:
Quelle farce, dit-il, vout jouer ces gens-lk? 1,58. F.
Et quel droit a sur nous un cruel ravisseur? I, 302. P. d.
Quel fruit aura ton crime, infortund Sämire? II, 140. Th. v.
In der Prosa dagegen ist kein Beispiel bemerkt worden, das
dem heutigen Gebrauche widerspräche.
Stehen qud und combien als Prädikative zu dem Verbum
etrcy so steht in Poesie wie Prosa (hier selten belegt) die ein-
fache Inv.
Wenn eiae Frage den Charakter der Frage verloren und den
des Affektes angenommen hat, so tritt im Neufranz, die gerade
Wortstellung ein. Habicht (p. 26) bezeichnet diese Art der Frage
als solche, welche ihre Antwort, so zu sagen, in sich selbst trage
und meint, dass in derselben die gerade wie die invertierte Wort-
folge stehen könne.
Bei Lafontaine tritt in der Poesie die einfache Inv. ein:
Que n^ose et que ne peut Tamitie violente! I, 257. F.
Que ne peux-tu sur nous, si tu plais meme aux saints!
1, 293. P d.
Combien a-t-il sauve de precieuses tetes! 1,319. P.d.
Helas! Quand reviendront de semblable momens!
Faut-il que tant d'objets si doux et si charmans
Me laissent vivre au grä de mon äme inqui^te! 1, 182. F.
Que ne fii-ent alors les peuples du Permesse! 11,361. P.d.
Die hisi. Eniwickelung der Inversion etc. 187
»acciidö-je? ä quel exc^s monte votre colfere!
Liquez la Grece, une seconde mere! ... II, 174. Th, v.
niibien voit de loin l'homme prudent et sage!
II, 19. Th. V.
»ttutitn dignement s'est-ü acquitti de tous les emplois qui
• t confies! II, 311. P. — Quelle gloire me sera-ce donc
. / avec vous la protection particidüre d^un rot que non-
ifs academieSy mais les republiqueSy les royaumes memeSy
• pour protecteur et pour mattre! II, 310. P. — Et que ne
f les etrangers! Que ne dira point la posterite quand
ces chefs ' d! ceuvre de tous les arts! III, 8. A, — Quelles
'.dt, mes destineesi III, 59, A,
«1er Prosa kommt aber auch die gerade Konstruktion
i.ou in der Poesie ein Fall:
. ' )l! de Cyihiree en eUe-meme^ une esdave me rdsistera!
■ <nitrai tous les jours une nouvelle mattere de triompher!
J. — Quel mauvais choix vous avez faitf ma scßur! II,
ist übrigens leicht begreiflich, dass bei Lafontaine die
' luv. in Affektfragen häufig steht. Es ist die Scheidung
n diesen und den wirklichen Fragen keine scharfe, und
ite mancher Satz, welcher durch das Ausruf ungszeichen
•ktfrage bezeichnet ist,, auch als wirkliche Frage gelten,
„Faiit-il croire ce qu'elle dit! 1,204. F.
Desgl. I, 175. F.; I, 177. F.; 1,226. F.; 1,287. F.; 1,268. F.; II,
-1. Th.v.; 111,256. C; 111,308. C; 111,346. C; 111,386. C.
Ans diesem Grunde finden sich häufig auf die Affektfragen
-i^eln angewendet (insbes. die von quel und combien), welche
n reinen Fragesatz gelten.
In einem Falle ist auch in der poetischen Affektfrage
'V. unterblieben:
Quoi! les dieux vous serviront d'exemples,
La beaut^ dans TOlympe aura trouv^ des temples.
Et vous serez honteux de lui sacrifier! II, 168. Th. v.
Einzelne Fälle von Tonfragen sind auch bei L. aufgefallen,
selben sind, wie Habicht (p. 26) meint, in der That meist
.- oder Neinfragen".
Du bonheur d'un rival vous seriez le tämoin? II, 14. Th. v.
Les morts sont donc heureux? I, 287. P. d.
Quoi! je ne suis pas maintenant de corps auprls de vous,
^prit U mariy et vous ne me touchez pasf III, 28. il. — Quoi!
i fai voulu tuer! quoi! cette pensie m'esi venue! III, 46. A, —
>i(' hisi. Enirvickehifig der Inversion etc. 189
in Nomen ist. Indes tiberwiegt sowohl bei nomi-
i pronominalem Subjekte die gerade Konstruktion.
Mauning bewirkt das kopulative „e^" bei Montaigne
Voranstellung des Prädikativs, was im Neufranz.
.11 den Seltenheiten gehört, in unserem modernen
'lagegen ausserordentlich überhand nimmt.
ich fuhrt für die Inv. nach ^e^" drei Beispiele aus dem
cueil de Contes k Rire etc. Paris 1869; zwei aus
s du Seigneur des Accords. Ronen 1621 an und
dasB sich die grossen französischen Dichter und Pro-
17. Jahrb., wie Scarron, dieser Inv. gar nicht bedien-
(ss sie selbst in den Komödien jener Zeit und in den
..weiten Rattges dem Veifasser nicht aufgefallen seien.
..ach „e£^^ ist also auf eine recht tief stehende Littera-
, beschränkt und den Franzosen jener Zeit wohl ebenso
an und „ widerlich ^^ gewesen, wie sie es uns in unserer
iche ist, wenn jene Umstellung auch von berühmten
bisweilen gebraucht wird und gebraucht worden ist.
. haben gesehen, dass es sich bei der Frage über das
der Inv. im wesentlichen um die Konjunktionen si^ et
handelt. Auch die Angaben Mätzner's, der die Inv. des
s nach beiordnenden Konjunktionen als oft eintretend
et, stimmen mit dem Gesagten überein. Die vier resp.
spiele, welche er notiert, beginnen sämtlich mit der
*ei Lafontaine findet sich im konjunktional eingeleiteten
:uweilen Inv. des Subjektes. Es kommen hierbei in Be-
die Konjunktionen et^ si, or.
läufig tritt aber die Inv. gar nicht infolge der einleitenden
xiktion ein, sondern sie wird durch andere Gründe verursacht.
ist sogar kein Fall beobachtet, in dem die Inv. unzweifel-
ine Folge der Konj. wäre. Sie kann vielmehr auch ver-
Iit sein durch
. Adverb:
Et possible n*a-ce pas et^ inutilement ; III, 166. P,
Et possible est-ce par gageure
Qu'il a caus^ cette aventure." III, 140. C.
in Prädikativ:
Et cependant tres-bonne est sa m^thode. III, 212. C.
Jiine Negation:
Et n'eüt-on cru de jouissance teile
Dans le pays, ni m§me encor plus lein. III, 252. C,
?Vonce gui vous fait aller braver U* io-
ie votre gloiref Ü, 438. L.
ites in dem in einer Satzreibe steheadei |
Hauptsätze.
f, pp. 208 ff. — Le Coultre, p. 17. — Krüger.
— Mara, p. 339. — KnCrich, Zechr. f. uto
ft 1, p. 75 — 77. — Glauning, SjntaktiBcli
e. Herrig 49, p. 426. — Mätzner, Synt. § «i.
ier nur um diejenigen Sat^veibindnngei
! Hauptsätze unter einander durch Koi-
ind, oder am Hauptsätze, sn deren Spitit
deren Grunde eine anreibende Konjimk'
len ältesten Sprachdenkmälern folgende ;
inend die Inv.; '
manchmal Inv. nach sich, dieselbe ist
a durch andere Redeteile veranlasat; 1
einmal Inv. des Subjektes ; |
einige zweifelhafte Fälle, stete Inv.
>njunktionen zeigt sich keine verändertt
im 11. Jahrh. zuweilen nach Konjunklio-
»ch erklärt VÜlcker die angezogenen Bei-
t sehr sticfahaltig) und et si;
und den Übrigen Konjunktionen.
lIoultre'B, dass Konjunktionen niemili
1 Morf widerlegt, welcher etwaiges Untw-
Werken Crestiens auf Zufall oder beab-
ickfUbrt.
hrt an, dass in der Prosa des 13. JahrL
1 der Inv, des Subjektes nicht in Betractl
rf nach, dass diese Angabe ganz nabc*
Ihrt nämlich bei Besprechung der soge-
iv." lauter Beispiele auf, in welchen dif
'anstehenden Konjunktion „e^** ist.
t in A. und N. stets Inv. nach si (^ 6-
h alleinstehendem „et" tritt nie Inv. eiu
ndet sich öfters Inv. nach Ko^j-, wen«
.rd
Dit hisi. EntnickeluMg dvr InrersloH etc. 189
das Sabjekt ein Nomen ist Indes fiberwiegt sowohl bei nomi-
nalem wie bei pronominalem Subjekte die gerade Konstruktion.
Nach Glanning bewirkt das kopalatire ^e^ bei Montaigne
sehr oft die Voranstellung des Prädikativs, was im Neofhuiz.
gleichfalls za den Seltenheiten gehört, in unserem modernen
Zeitungsstil dagegen ausserordentlich überhand ninunt.
Knorich fBhrt für die Iuf. nach ^et^ drei Beispiele aus dem
Nouveau Becueil de Contes a Rire etc. Paris 1869; zwei aus
Les Touches du Seigneur des Accords. Bouen 1621 an und
fugt hinzu, dass sich die grossen französischen Dichter und Pro-
saiker des 17. Jahrb., wie Searron, dieser Inv. gar nicht bedien-
ten, und dass sie selbst in den Komödien jener Zeit und in den
Romanen zweiten Raages dem Verfasser nicht aufgefallen seien.
Die luY. nach y,ef^ ist also auf eine recht tief stehende Littera-
tni^attung besehrankt und den Franzosen jener Zeit wohl ebenso
unangenehm und „widerlieh" gewesen, wie sie es uns in unserer
Huttersprache ist, wenn jene Umstellung auch von berfihmten
Männern bisweilen gebraucht wird und gebraucht worden isL
Wir haben gesehen, dass es sieh bei der Frage über das
Eintreten der Iuf. im wesentlichen um die Konjunktionen «ü, ei
ind tt si handelt Auch die Angaben Mätzner*s, der die Iuf. des
!>ubjektes nach beiordnenden Konjunktionen als oft eintretend
bezeichnet, stinmien mit dem Gesagten fiberein. Die vier resp.
Unf Beispiele, welche er notiert, beginnen sämtlich mit der
S^onj. eL
Bei Lafontaine findet sich im konjunktional eingeleiteten
Satze zuweilen Iuf. des Subjektes. Es kommen hierbei in Be-
dacht die Konjunktionen e£, si, or.
Häufig tritt aber die Iuf. gar nicht infolge der einleitenden
Konjunktion ein, sondern sie wird durch andere Grfinde verursachL
Bei et ist sogar kein Fall beobachtet, in dem die luv. unzweifel-
laft eine Folge der Konj. wäre. Sie kann vielmehr auch Ycr-
irsacht sein durch
ein Adverb:
Et posBible n'a-ce pas et^ inatälement; III, 166. P,
Elt possible est-ce par ga^are
Qa'3 a caus^ cette aventiiTe." m, 140. C.
ein Prädikativ:
Et cependant tres-bonne est sa m^thode. 111,212. C.
eine Negation:
Et n'eüt-on cm de joniBsance teile
Dans le pays, ni mäne eaeor plus loin. 111,252. C
i^.H 'luiw im iTB-if iaia- S^nnip^ ■ la fin, m. 4it- P. d.
'j....ii'ji» fiinä die metrarai fliftwir $i*U*b wenig nuUBgeWnJ
,,, vi^üfti» Tiir Vi>hl \fhAujiiim öx.-f*n, in der Sprache Li
. 1 Bvtr dii' liir. dt« ^l'> iiAfäi ytl' BJcbt ein.
\>.^ ,(»''' ia i\ht-T äit Ixv. dftf^ fji^tomiiialen Subjekte^
1« \-i>ki^-ji> ]H>ur tiF ntnq- out ms num «r k»anle. 11, 49. Tk. r.
11 luuilra-I-il Qi: nöf j T^imof jwnrxiiaü. HL, 367. '..
« titul-il UM- i.uf nr-tüB cm i«; «at*U*: I,3fi4. /'.li
it l'uut-il ^i-.'a ia iix » tti» -paiaa* miim ■q^txeat: 1,134. P.i.
•it r'>tM(-*f f*it K ii miiar im fitavüSSe «nc qmelqtte Cm-
t<jiie AttcjnjstuM^ 1L3IS. f. — M i'mf-^ pM Je viauu '■
U, Uta. X — n .-£•£• <i ,9./or-;u>M ^M^^^yrr tmcore nir rr
.- M ***-<■• 'f» .lOi &/>v.-Äi>r rt .tft Hirn i4r r«r ^ Me ma xtiii'v
H »uU<ma Filltii HOS* «4 rwüh'-ISift Meiben, ob .^-
nJfr» KwrsüttwCtjfl-I-; SaoEeL«; E« Lit. bewirk» (111, 35>-
m,S^*. f. — m.-J" C — IIL3I2- C.
i'M'hältui$tta3$%: am. nKbteit Mebt ib im Po«sie die Inc.
llistuitivUohtrit im>i pc<fa>jaLiii:iL>;n Sobjektes nck or. ^
i>äK tühl<et iJ-vll Jiifät; luv, iii.:Iit.
t>i uä-j« di.t un ji^uiti! aumini), aE poor «»■«; IIL 355. ('.
Ur «i-j« «ttf ptvlüd iur I.''* -i^
Voujt t-yuaruitfc l'i^ituijw i« Fii:unJe. 111, iSO. '.".
Ol *i-j< ifii iwiiiuj/i* luiii ito »ars Liicnture, UI, 37«. C
t'l ust Vfuii rKulilaC si iuuiliUh;, ni,«4t. P.i
K'>x e<it <«uu ili:iJuuiii aocr« iiniven!
tV» hertlwr Jim a.s*«a bei empir«.
Vvl eu^uC cbifT ä cttuC pouffltiB tiivQc^ m, UO. P. i.
t, UAvIl wi;kh<:tt b<;i trüberen $chriAätellent ntiB«bnuI Icr.
. so Ut lU. b<;iut;rk.tiu r i^ä^ bei Lafuntaine „maU* wi
anWmi DM luv. lies Su>)j<:li.tes aar Fi>lge habes.
Ü»cU „inuix'' üitiiet Mcb allenüngs einigemal« nul iu<^i.
iuuu) luv,, jeiiu^b »teta al» folg« eines sndetcB Torsn-
Ittt S^UWil«» utlt;r des Keimes wog^n:
<lau ^s w# Mmt I& Les plus duulounux: Ql, 443. (
dftia iwWMfst Xhcwwit w pltuiit-il d'un» dama; Q, SI. n. r
Die hiit. Eniwickelvng der Inversion eic, 191
Car d^eux doit naitre un pape, dont la vie
R^formera tout le peuple cluretien." III, 239. C.
Zuweilen ist auch nach j^et^^ und ^^si^ das pronominale
Subjekt weggefallen:
£t ne sais comme il y manqua,
Car il est bonne cr^ature. 1, 166. F,
. . .jje me häte de venir auxfables, et najouterai aux viritds
que je V0U8 ai dites que cdle-ci: I, 2. P. — 8i ae mit dans Vesprit,
. . ., d^en passer son envie, III, 184. C,
Si se venoient joliment attrouper
Pres de ces gens, qui, . . . III, 329. C.
Je viens de Vaux, sachant bien que sur tout
Lea Muses fönt en ce lieu r^sidence;
Si leur ai dit, eu ployant les geuoux: III, 433. P. d.
C. StellnDg des Sabjektes im Verhältnis znm Verbnm in dem
innerhalb einer Periode stehenden Hauptsätze (Nachsatz).
. a. Der Hauptsatz ist uneingeleitet.
Völcker, p. 17. — Morf, p. 215. — Le Coultre, pp. 15 ff. — Krüger,
p. 39. — Schlickum, p. 6. — Marx, pp. 34, 41, 341. — Mätzner, Gramm.
§ 254, Aa, E. ~ Mätzner, Synt. § 489.
In den ältesten Denkmälern geht das Subjekt dem
Prädikate voraus. Die zwei vorkommenden Inversionen sind
durch eine folgende direkte Rede und einen temporalen Neben-
satz bewirkt.
Im Rolandsliede tritt die Inv. gleichfalls nicht ein; die
zwei von Morf beobachteten Fälle kommen nach seiner Angabe
nicht in Betracht.
Crestien wendet im uneingeleiteten Nachsätze selten Inv.
an, wenn sich auch Fälle derselben finden. — Gewöhnlich wird
der Sinn des voranstehenden abhängigen Satzes durch eine der
Konjunktionen si, donc, ja wiederholt, welche dann die Inv. ver-
anlassen.
In der Prosalitteratur des 13. Jahrh. sind uneinge-
leitete Nachsätze selten, und in den vorkommenden die Inv. des
Subjektes Ausnahmen.
Die 34 uneingeleiteten Nachsätze in Aue. und Nie. zeigen
keine Inversionen. Hieraus muss man folgern, dass im unein-
geleiteten Nachsatze die Regel der geraden Wortstellung bereits
so streng ausgebildet war, um keine Ausnahme zu gestatten.
'•**.-
Die hisi. Enirvickelung der Inversion etc» 193
kommen von Inv. des pronominalen Subj. des Nachsatzes in
Prosa zu. Es heisst:
Aprls que la helle eut fait une longue imuniration des plai-
s quelle y rencontroit , disoit-ellej de tous cöteSj il se trouvOtr
u son campte le principal point y manquoit III, 28. A,
b. Der Hauptsatz ist eingeleitet.
.cker, p. 17. — Moirf, p. 216. — Le Coultre, p. 18. — Krüger, p. 39.
^chlickum, p. 7. — Marx, p. 341. — Glauning, Syntaktische Ar-
ismen bei Montaigne; Herrig 49, p. 427. — Hohlfeld, p. 57. —
( kmann,^) p. 62. — Nordström,*) p. 53. — Mätzner, Gramm. § 254,
Aa, E. — M'ätzner, Synt. § 489.
In den 15 eingeleiteten Nachsätzen, welche Völcker in
11 ältesten Denkmälern beobachtet hat, geht das Verb dem
bjekte voran; nur zwei (metrisch gebundene) Beispiele zeigen
ine Inv. Von den invertierten Sätzen werden eingeleitet mit
iv. 4, mit 81 3, mit Negationen 3, mit Objekten 3.
Im Rolandsliede sind die Beispiele f(lr die Inv. des
ibjektes im Nachsatze sehr selten, was seinen Grand darin
it, dass der Nebensatz überhaupt selten vor dem Hauptsatze
('ht, und dass letzterer, wenn einmal nachgestellt, oft kein aus-
setztes Subjekt hat. — Es findet sich Inv. nach si, dune, Ad-
•rb, präpositionalem Adverbiale und Prädikativ. — Nach et
legt, wie vermutlich auch im Vordersatze, keine Inv. einzutreten.
Wie schon beim uneingeleiteten Nachsatze erwähnt ist,
iederholt Crestien gewöhnlich den Sinn des abhängigen Satzes
irch die Konjunktionen si, donc, ja^ nach welchen dann in der
ringen Anzahl von vorkommenden Fällen Inv. steht.
Krüger findet, dass die Inv. in der Regel nur dann ein-
itt, wenn der Nachsatz durch ein Adverbium eingeleitet wird
gewöhnlich die Partikeln si, dont, ja).
In Aue. und Nie. gelten im allgemeinen für den einge-
iteten Nachsatz dieselben Regeln, welche schon beim einge-
iteten Vordersatze besprochen worden sind. — ,,^^", das sich
iiufig einleitend findet, bedingt keine Inv. Die übrigen Nach-
atze sind eingeleitet durch si, dont, encor oder ja und zeigen
iimer Inv. — Que nach einer Konj. im zweiten Gliede einer
ergleichung hat Inv. nach sich; doch findet sich ein Beispiel,
1 welchem die Inv. unterblieben ist.
Bei Joinville zeigt, wie schon beim uneingeleiteten Nach-
^) l^tude sur la langue et la versification de Malherbe. Bonn
.872. Diss. *) Observations sur la langue et la versification de Ma-
hurin R^gnier. Lund 1870. Diss.
Zschr. f nfrz. Spr. u. Litt. VIi. J3
Die hisl. Eniwickelung der Inversion etc. 195
. . . Tnais evitez tant qite vous voudrez le combat, si faut-il que
'(fi TYiavouiez que votre proposition est absurde, III, 48. A. —
l'on trouve quelque satisfaction ä lire ces deux premiers, peut-
f' me resoudrai'je ä y ajouter le troisieme. ]I, 125. P.
Auch der Fall kommt vor, dass das Subjekt weggelassen
, wo man es invertiert erwarten sollte:
Voyez un peu la petita effront^e,
Fille du diable, et qui nous gätera
Notre couvent! Si Dieu plait, ne fera; 111,335, C.
D. Stellung des Subjektes im Nebensätze einer Periode.
Icker, pp. 17 f. — Morf, pp. 220 f. — Schlickum, p. 9. — Mätzner,
amm. § 255. — Mätzner, Synt. § 493. — Lücking, § 189, I, Anmerk.
In den ältesten Denkmälern findet sich Inv. des Sub-
vtes im Nebensatze noch seltener als im Rolandsliede, obwohl
0 Nebensätze in ersteren zahlreicher sind als in letzterem.
n der Passion 43 ^/o, im Alexiusliede sowie in Gormont und
embart B0% in Leodegar 32%)
Im Eolandsliede zeigt der Nebensatz weniger Inv. des
■ibjektes als der Hauptsatz. Sieht man von den Relativsätzen
!id von den Fragesätzen ab, deren Subjekt das Fragepronomen
Idet — in welchen beiden Fällen Inv. unmöglich ist — so ist
0 Verhältniszahl der Nebensätze mit umgestelltem Subjekte
>"/o gegenüber 43 ^/o im Hauptsatze. — Es hängt dies mit der
iufachheit der epischen Sprache zusammen, die überhaupt Neben-
itze nicht liebt (nur 25^2^/0)« Der Nebensatz ist schon wegen
oiner Abhängigkeit an und Äir sich schwerer zu verstehen als
er Hauptsatz; wo er gebraucht werden musste, wurde ihm da-
r die thunlichst einfache Form gegeben. — Die angetroffenen
iversionen weist Morf zum grossen Teile dem metrischen Zwange
II. Dieselben treten übrigens nur in ganz kurzen Sätzen ein,
>'o von einer Erschwerung des Verständnisses nicht die Rede
ein kann. — Im übrigen folgen die Inv. des Nebensatzes den
besetzen, welche für den Hauptsatz gelten.
In Aue. und Nie. gelten für den Nebensatz dieselben
lesetze wie für den Hauptsatz, nur tritt selten ein Inv. bewir-
kender Satzteil an die Spitze des Nebensatzes.
Die vorstehenden Bemerkungen bestätigen zunächst das,
vas Mätzner sagt, welcher angibt, dass im Nebensatze im
illgemeinen dieselben Regeln hinsichtlich der Stellung des Sub-
jektes und des Prädikates gelten, welche für den behauptenden
Hauptsatz massgebend sind. Mätzner fügt aber dem noch hinzu,
dass im Nebensatze die gemeine Wortstellung in einzelnen Fällen
13*
196 L, Wespy
der Inv. gewichen sei, ohne dass dies durch die beim Haupt-
satze wirkenden Motive verursacht werde.
Es sind zu behandeln die Inversionen im substantivischen,
im adverbialen und im adjektivischen Nebensatze. Wir bringen
dieselben in drei Kategorien, je nachdem die Sätze eingeleitet
sind durch Konjunktionen, Relativpronomina oder Fragepartikeln.
a. Konjunktionen.
1. Substantivsätze (Subjekt- und Objektsfitze).
Völcker, p. 18. — Morf, p. 218. — La Coultre, p. 76. — Marx, p. 343.
Mätzner, Gramm. § 255, b. 1. — Mätzner, Synt. § 493.
In den ältesten Denkmälern sind solche Sätze in ziem-
licher Anzahl vorhanden, zeigen aber bis auf zwei wenig be-
deutende Fälle keine Inv.
Im Rolandsliede lässt sich, des Metrums wegen, etwas
Sicheres nicht bestimmen. Jedenfalls war die Inv. hier weniger
unbeliebt als im Relativsatze (vgl. unten p. 205); sie ist aber
dennoch das Ungewöhnlichere (lO^/o).
Bei Crestien tritt die Inv. nur ein, wenn irgend ein Teil
des Nebensatzes unmittelbar hinter die Konj. tritt.
Bei Joinville findet sich gleichfalls zuweilen Inv. im
Nebensatze, doch treten dann, wie im Hauptsatze, Objekt, Ad-
verb oder adverbiale Bestimmungen an den Anfang des Satzes.
Im Altfranz, wird demnach, wenn auch in geringerem
Masse als im Hauptsatze das nominale wie das pronominale Sub-
jekt hinter das Verb gesetzt.
Im Neufranz, kommt in Substantivsätzen, welche mit que
eingeleitet werden, zuweilen Umstellung des Stibjektes, aber nur
des nominalen hinter das Prädikat oder wenigstens hinter dessen
Verb vor. Meistenteils sind in Sätzen dieser Art die Zeitwörter
intransitiv, passiv, reflexiv oder reziprok. — Veranlasst wird
diese Inv. z. T. durch den grösseren Umfang des durch attri-
butive Bestimmungen (bes. attributive Nebensätze) bereicherten
Subjektes; ein Umstand, der bei allen invertierten Nebensätzen
mitwirken kann.
Bei Lafontaine tritt in Poesie und Prosa nie Inv. des
pronominalen Subjektes ein. Dieselbe unterbleibt sogar, wenn
Satzteile an die Spitze des Satzes treten, die sonst Inv. bewirken:
£t plüt a quelque dieu qu^en passant par la rue
Du rival de mon mattre eile fut aper9ue! II, 17. Th.v.
MaiSy comme nous sommes gens ä profiter de totis nos malr
heurSj nous avons trouvi quaussi bien eUe itoit trop longue, et
ßie hist. Entwickelmi^ der Inversion elc. 197
V emharrassoit II, 334. L, — 8i hien que le monstre , , , se mit
en Vesprit qtüen vain ü craignoit ses sceurSy , . . III, 39. A, —
Je ne vous assure pas qtie tantSt je nen mHe aussi parmi les
plus tristes. III, 47. A.
In dem durch que eingeleiteten Subjektsatze tritt zuweilen,
aber sehr selten, in der Poesie Inv. des nominalen Subjektes
ein. Im ersten Beispiele ist die Inv. wohl durch den auf das
Subjekt folgenden Attributivsatz hervorgerufen, das zweite ist
nicht metrisch frei:
Le mal est que dans Tan s'entremelent des jours
Qu'il faut chömer; 1, 149. F,
n semble qu'en lui seul se termine la guerre: III, 129. P. d.
In der Prosa finden sich solche Fälle überhaupt nicht.
Der Objektsatz zeigt gleichfalls nur in der Poesie Inv.
des Subjektes bei intrans. oder rückbezüglichen Verben. Die
bei weitem meisten Beispiele sind aber metrisch unfrei; in an-
deren ist sie bewirkt durch attributive Zusätze, welche das Sub-
jekt verlängern, z. B.:
Vous vous souviendrez bien et beau
Qu^ä chaque beut est une place
Grande, carr^e, et de niveau;
Ce qui Sans deute a bonne gräce. II, 351. P. d.
Sonst findet man stets die gerade Konstruction angewen-
det, ebenso stets in der Prosa, z. B.:
Vous savez bien, monsieur, qu^enti'e la tele et le talon d'autres
affaires sonf' III, 212. C.
Zuweilen wird die Inv. des nominalen Subjektes durch das
Vorantreten anderer Satzteile hervorgerufen:
Ami, dit-il, pour beaucoup je voudrois
Te pouvoir dire ä quel point va ma joie. Hl, 182. C.
Je Tai ja dit, rien n'y fönt les soupirs: III, 213. C,
je . . . montre en gdn^ral,
Par ce que fit tout un troupeau de nonnes,
Que brebis sont la plupart des personnes: III, 313. C.
Die Inv. des nominalen Subjektes scheint stets einzutreten,
wenn quel als Prädikativ der Kopula Hre an die Spitze des
Satzes tritt! In der Poesie sind freilich auch hier die Beispiele
netrisch unfrei, aber die Prosa liefert gleichfalls Beispiele für
liese Regel:
Je sais quel est leur prix : I, 284. P. d.
Et, Sans savoir encor quelle est cette beaut^, II, 25. Th. v,
11 suffit . . . que Von sott en attente de savoir . . . queUes
eront les agitations de son dme apres quelle Vaura vu, III, 4. A.
198 X. Wespy
Die Behandlung vorstehender Beispiele hätte man eigent-
lich wohl unter c. erwarten sollen, doch glaubten wir, die hier
angeführten Belegstellen abgesondert von dem indirekten Frage-
satze betrachten zu müssen, um hervorzuheben, dass ein, aller-
dings nicht immer leicht festzustellender Unterschied in der Auf-
fassung der durch Fragewörter eingeleiteten Sätze zu machen
ist, die manchmal als indirekte Fragesätze, oft aber auch ledig-
lich als Objektivsätze erscheinen. So bieten auch folgende Bei-
spiele Belege für das Eintreten der Inv. in Objektsätzen, welche
durch interrogative Adverbien eingeleitet sind:
Peu de personnes ignorent de comhien cPagi^emens est rempli
VEunuque latin» II, 1. P. — Vous ne sauriez croire comhien est
excellent le heurre que nous mangeons; II, 334. L.
2. Adverbialsätze.
a) Temporalsätze.
Völcker, p. 19. — Morf, p. 219. — Le Coultre, pp. 78 f. — Kruger,
p. 40. — Schlickum, p. 10. — Marx, pp. 342 f. — Mätzner, Gramm.
§ 255, b,2, ß. — Mätzner, Synt. § 494, b,2.
Die Temporalkonj. bewirken in den ältesten Denk-
mälern zuweilen, aber selten, Inversion. Das Verhältnis ist
folgendes:
Passion: 24 regelm., 3 inv. Konstr.
Leodegar: 11 „ 1 „ „
Alexius: 12 „ 3 „ „
Go. u. Is: 10 „ 4 „ „
Alle invertierten Sätze sind besonderer Art, z. T. metrisch
gebunden; die übrigen sind kurze, kleine Sätzchen, meistens mit
quand beginnend, wonach Inv. des substantivierten, niemals aber
die des pronominalen Subj. eintritt.
Ahnliches gilt für das Rolandslied, wo Inv. eintreten
kann, ohne dass ein anderer Satzteil unmittelbar hinter die Kon-
junktion tritt. Die invertierten Sätze sind alle kurz und ent-
halten eitf verbum declarandi. — Die Temporalsätze zeigen hier
die grösste Zahl von Inversionen (umgekehrt wie im Neufranz.),
nämlich 28"/o.
Bei Crestien findet sich die Inv. nie, wenn auch nach
der Konj. ein adverbialer Ausdruck (auch im Objekt) steht.
In Aue. und Nie. scheint der Dichter absichtlich die An-
wendung der Inv. in allen Adverbialsätzen vermieden zu haben.
Von 10 Inversionen gehören 6 dem poetischen Teile an; hier
hat der Dichter nach der Konj. ein Adverbium eingeschoben.
Die anderen 4 Sätze sind Temporalsätze, in denen nach quant
Die hisi. Eniwickelimg der Inversion etc. 199
„o?'** eingeschoben ist, welches die Inv. des Subjektes hervor-
ruft, das übrigens hier überall ein Eigenname ist.
Die Regel für die temporalen Nebensätze lässt sich der-
art präzisieren, dass sich im Altfranz, die Inv. hier häufiger
als in allen anderen Adverbialsätzen findet. Die Zahl der Um-
stellungen vermindert sich aber um so mehr, je weiter die Denk-
mäler an unsere Zeit heranrücken, bis im Neufranz, die Inv.
im temporalen Nebensatze ausserordentlich selten wird.
Bei Lafontaine findet sich die Inv. im temporalen Neben-
satze nie in der Prosa, selten in der Poesie. Nur ein Beispiel
ist metrisch frei; die Inv. in demselben aber durch ein voran-
stehendes Adverb bedingt:
Le vautour s'en alloit le Her, quand des nuea
Fond ä son tour un aigle aux ailes ^tendues. 1, 181. F,
Von den metrisch unfreien Beispielen mögen zwei hier eine
Stelle finden:
Trois jours n*ätoieat passes entierement
Que revoiei chez Alis notre belle. III, 383. C.
Tandis qu'aux yeux. de Gyges
Sötaloient de blancs objets: 111,340. C,
ß) Nebensätze, welche ein Kausalverhältnis
ausdrücken.
aa) Kausalsätze im engeren Sinne (begründende).
Das Altfranz, bietet hier nach Mätzner (Synt. § 494, b3),
der ein Beispiel aus Joinville anfährt, einige Fälle, während im
Neufranz, die Inv. hier wohl selten vorkommen dürfte.
Lafontaine bietet kein Beispiel für die Inv. in derarti-
gen Kausalsätzen.
ßß) Konditionalsätze (hypothetische Sätze).
Völcker, p. 20. — Morf, p. 220. — Mätzner, Gramm. § 255, h^y und
§ 231 77, dd. ~ Mätzner, Synt. § 494, b3. — Diez, III*, p. 359. —
Habicht, p. 21.
In den ältesten Denkmälern steht gewöhnlich keine
Inversion; die wenigen Beispiele, welche sich dafür finden, sind
kurze Sätze.
Im Rolandsliede scheint die Inv. nicht wie im Tempo-
ralsatze gestattet zu sein; es sei denn, dass ein anderer Inv.
bewirkender^ Satzteil der Konj. folge. Doch tritt die Inv. ein,
um bei fehlender Konj. den Konditionalsatz als solchen zu cha-
rakterisieren.
200 L, Wdspy
Im Altfranz, tritt also die Inv. im hypothetischen Neben-
sätze selten ein und nicht öfter wie dies Mätzner angibt — An
Stelle des hypothetischen Nebensatzes kann aber, nach der ge-
wöhnlichen Auffassung, ein Fragesatz treten, und diese Konstrak-
tion wird, auch ohne Andeutung durch ein Interpunktionzeichen,
auf negative Sätze (aber nur mit dem Yerbum etre) übertragen.
Habicht tritt dagegen entschieden der Auffassung entgegen,
als habe der invertierte Bedingungssatz seine Wortstellung dem
Fragesatze nachgebildet. Er behauptet vielmehr, dass im Frage-
satze wie im Bedingungssatze die gleichen Momente die Inv.
veranlasst hätten. In beiden Satzarten ruhe nämlich der Haupt-
nachdruck auf dem Thätigkeitsbegriffe , der durch sein Voran-
treten hervorgehoben werde.
Bei Lafontaine ist in der Poesie die Inv. selten, wenn
,fSi^ an der Spitze des Satzes steht, doch kommt dieselbe vor:
Si mieux n'aime la mere en erder une rente,
Des le ddc^s du mort courante." I, 55. F,
In der Prosa findet sich diese Inv. nie, doch fällt in eini-
gen Fällen das pronominale Subj. in bestimmten Redensarten
aus, z. B.: si hon lui semble I, 325.
Häufig tritt aber die Konstruktion des Fragesatzes an Stelle
des Konditionalsatzes. Das Subjekt ist in den beobachteten
Fällen stets ein Personalpronomen (auch on), z. B.:
L'ai-je ä peine obtenu, vous y joignez un mal
Qu'apres moi Ton peut dire ä tous amans fatal. I, 369. P. d.
Passa-t-il ä ramour, il eut le coeur des belies: 1,426. P,d,
Elle meurt. quelquefoia avant qu'etre conteiite;
L'est-elle, eile devient aussitöt languissante ; 1,279. P.d.
Anm.: Desgl. 111,316. C; 1, 195. F.; 1, 161. F.; 1, 142. F,; 11,48. Th.v.;
III, 462. P. d.; III, 276. C,
YY) Konzessivsätze.
Völcker, p. 20. — Morf, p. 220. — Le Coultre, p. 78. — - Mätzner,
Gramm. § 255, b2;'; § 235, ;';'dd. — M'atzner, Synt. § 494, b3. —
Diez, III*, p. 364. — Körting, § 145; 2 a und § 133; 4 b.
Die wenigen Beispiele der ältesten Denkmäler zeigen
pronominales Subjekt und die regelmässige Konstruktion.
Im Rolandsliede lässt sich keine Regel feststellen.
Bei Crestien finden sich keine Inversionen; wo solche
anzutreffen sind, da wurden dieselben durch einen adverbialen
Ausdruck (auch Objekt) hervorgerufen, welcher unmittelbar hinter
die Konj. trat.
Ähnlich wie beim hypothetischen Satze tritt auch an die
Stelle des Konzessivsatzes zuweilen die Konstruktion des Frage-
Die hist. Eniwickehmg der Inversion etc. 201
Satzes, und zwar häufiger als beim Bedingungssätze (z. B. : Vou-
lons-nous etre heureuXy ivitons les extremes). Es können in diesem
Falle sowohl das nominale Subjekt, wie auch die unbetonten
Pronomina hinter das Verb treten.
Gebräuchlich ist ferner auch im Neufranz, die Nachstellung
des Subjektes mit Ausnahme der unbetonten persönlichen Für-
wörter, sowie des demonstrativen ce, cela und des unbestimmten
on, wenn die Konzessivsätze durch gradbestimmende Adverbien,
sowie durch verallgemeinernde Fürwörter und Adverbien einge-
leitet werden. Derartige Wörter sind:
Adv.: qudque . . . ywe, Fron: quel que, qui que ce soit,
tout . . . qitBf quelqite, quoi que ce soity
81 , . , que, qui que,
pour . . . que, quoi que.
Der Konzessivsatz nimmt häufig die Form eines Haupt-
satzes mit der Wortstellung der Frage und dem Prädikat im
Konjunktiv Imperfekti an (Körting). Dies geschieht bei La-
fontaine besonders häufig, wenn das Personalpronomen der
3. Person oder ce und on Subjekte sind, und zwar sowohl in
der Poesie wie in der Prosa:
Ce quelqu*un, füt-il roi des dieux,
En aiiroit pour toute sa vie. II, 401. P, d.
Anm.: Desgl. Poesie: 111,366. C; 111,377. C; 1,76. F,; 111,405. C;
II, 68. 7%. V.; II, 53. Th. v.; I, 394. P. d.; III, 455. P rf.;II, 63. Th. v.;
1,357. Pd.; 11,58. Th.v.; 1,102. F.; 111,340. C; 111,361. C; II,
27. Th, V.; II, 402. P d. — Prosa: III, 34. A.; lU, 96. A.; II, 423. Z.
Doch findet sich diese Konstruktion auch, wenn die anderen
ersonen des Personalpronomens Subjekte sind:
Dussd -je une fois vous d^plaire, I, 392. P, d.
Duss^-je entrer au fin fond d'une tour, 111,434. P.d.
Eussiez-vous pour partisan
Belzäbut, Läviathan, III, 414. P. d.
Et fuBsiez-vous embätonn^s, 1,54. F,
Nur eine Inv. mit nominalem Subjekte ist beobachtet:
Car, veuille ou non son maitre, il faut qu'il le lui vende,
111,303. C.
Der Konzessivsatz tritt zuweilen konjunktivisch mit inver-
tiertem Subjekt auf, z. B.:
„Passe encor de bätir; mais planter k cet äge!" 1,232. F.
Passe encore pour des richesses, mais de la divinum, c'^toit trop.
III, 36. A.
Auch bei L. finden sich Beispiele in grosser Menge dafür,
202 Z. Wespy
dass nominales Subjekt invertiert erscheint, wenn der Konzessiv-
satz durch gradbestimmende Adverbien, sowie durch verallge-
meinernde Fürwörter und Adverbien eingeleitet wird:
. . .: il n'^toit point de belle
Qui n'employät ce qu'elle avoit d'attraits
Pour le gagner, tant sanvage füt-elle; 111,398. C
Bref, ne voudroit avoir laiss^ debout
Aucune place, et tant forte fdt-elle. 111,276. C.
. . . ; ce sont tr^sors
Que ne m^prise aucune dame,
Tant seit son esprit pr^cieux. UI, 290. C,
Quelque pr^texte qu*ait un mensonge pieux,
n est toujours mensonge, et toujours odienx. I, 802. P. d,
„Car, dira-t-on, quelque parfait
Que puisse §tre un galant dedans cette science, III, 144. C.
Quoi que fit ce monde ennemi,
Celui qu'ils craignoient fut le maitre, 1,222. F.
Quoi qu*en ait dit femme un peu trop d^pite,
Rien n'est chang^ du sciecle d'Amadis, UI, 444. P. d.
Et, quel que soit le but oü tendent leurs desseins, I, 300. P. d.
Quelque opinion quait eue Vecole jusqu'ä prisenty . . III, 50. A,
— Quelle que puisse etre mon aveniure, . . . III, 16.-4. — . . ./ mats
quelque peu d*assurance qiÜait un auteur quü entretiendra un jour
la posteritS, . . . III, 5. Ä,
Das Subjekt im Konzessivsatz ist manchmal auch weg-
gelassen, z. B.:
Car, que soyez de Paris ou d'Auxerre,
II faut subir cette commune loi ; III, 432. P. d.
Les chapons ont en nous fort peu de confiance,
Soit instinct, soit exp^rience. 1, 171. F.
dd) Konsekutivsätze.
Völcker, p. 18. — Morf, p. 220. — Mätzner, Synt. § 494.3.
Körting, § 129. Zus. a.
In den ältesten Denkmälern ist die regelmässige Stel-
lung gewöhnlich, wenn auch Inv. zuweilen vorkommt.
Trotz der grossen Anzahl von Konsekutivsätzen im Ro-
landsliede, findet sich nur ein Beispiel von Inversion.
Mätzner gibt an, dass in solchen Nebensätzen im Alt-
franz. die Inv. des Subjektes sehr häufig sei, was uns nach
den obigen Angaben wunder nehmen muss. Die Beispiele Mätz-
ner's zeigen durchweg, dass hinter die Konjunktion irgend ein
anderer Satzteil getreten ist, welcher Inv. bewirkt.
Im Neu franz. zeigt sich keine Neigung zu Inv,, die aber
selbstverständlich durch ähnliche Gründe hervorgerufen werden
kann, wie im Hauptsatze. — Nach Körting findet im Konseku-
Die hist. Enitvickelurig der Inversion etc. 203
tivsatze Inv. eines substantivischen Subjektes statt, wenn der-
selbe von c'est abhängt und das Prädikat ein intransitives Ver-
bum ist.
Bei Lafontaine finden sich Inversionen nur dann in der
Poesie wie in der Prosa, wenn Inv, bewirkende Satzteile nach
der Konj. stehen, z. B.:
Je vois pour lui m^diter tant de vers,
Qu'impossible est aux neuf Soeurs d'y suflire. III, 441. P, d.
La Loire est donc une riviere
Arrosant un pays favorisd des cieux,
Douce, quand il lui plait, quand il lui plait, ei fi^re
Qu*ä peine arrete-t-on soucours impärieux. 11,345. F.d.
Elle se leva aussitdt, et courut ä nos deux hergeres, qui se
jeUrent ä ses genoux si confiises, qu'ä peine purent-elles ouvrir
la houche pour lui demander pardon, III, 74. A. — . , ,, on voit
trois petits HercideSy autant poupins et autant mignons qua le
peuvent itre de petits Hercules,' II, 353. Ä.
Die übrigen poetischen Beispiele sind metrisch unfrei. In
der Prosa unterbleibt sogar in einem Falle die Inv., wo dieselbe
infolge eines einleitenden konjunktionalen Adverbs zu erwarten
gewesen wäre:
. . . ; pauvre esprit qui ne voyoit pas que si la vertu ne garde
une femmef en vain Von pose des sentinelles ä Ventour! III, 69. A,
Auch nach c^est que, c'est oü, c'est Id steht bei intrans.
Verben Inv. des substantivischen Subjektes, doch sind in der
Poesie die meisten Beispiele nicht metrisch frei, z. B.:
Car c'est souvent ainsi que comptent las amans. II, 3. Th. v.
Anm.: DesgL I, 140. F.; 1, 142. F,; I, 333. R d.; III, 120. P. d.; III, 299. C.
j^Dieux immortels! dit-elle en soi-meme, est-ce ainsi que sont
faits les monstresf III, 46. A,
Ein Beispiel von Inv. findet sich bei rückbezüglichem Verb :
Ce fut lä que se renouvelerent les cris; III, 17. J.
Bei transitivem Verb unterbleibt die Inv.:
C'est dans les bois qu'Amour a troubld son repos.
III, 120. P. d.
C^est lä que la sagesse divine rend ses oracles avec plus
d'elevation, plus de majeste^ et plus de force^ que n^en ont les
Virgile et les Homere, I, 291. P. — C*est ä quoi les fahles tra-
vaillent: I, 6. P. — C^est ainsi que les bonnes gens cherchoient
des raisons pour garder leur fille; III, 16. ^. — (c*est ainsi
que leur jeune smur s^appeloit), III, 12. A,
Die hlsi. Eiiiwicketnnf/ de?' Inversio?* eic. 1^05
Voici comment 8*y prit notre assidgeant. III, 367. C.
Vous avez plus de feu que n'ont les jeunes gens. II, 410. P. d,
Tout va bien mieux, comme m*ont assur^
Ceux que Ton tieut savans en ce myst^re. III, 155. C.
Le sujet en est simple, comme le prescrivent nos maitres;
II, 1. R
Mais mentir comme sut faire
ün certain d^positaire,
Pay^ par son propre mot.
Est d'un m^chant et d'un sot. 1, 179. F
. . .: enfin votre personne
Lui parut avoir plus d*attraits
Que n'en auroient, k beaucoup pr^s,
Tous les joyaux de la couronne. III, 249. C,
»US avez plus d'appas que n*en a l'Amour meme, II, 143. Th. v,
M§me les chiens de leur s^jour
Ont meilleur nez que n'ont les nötres. I, 268. F,
Notts saludmes ces deux avec beaucoup de respectf tant ä
'' d'elles que de leurs jupes, qui vdritablement itoient plus
■'S qvs ne sembloü le promettre un td Squipage. II, 348. L. —
•tai pas besoin des vous exhorter ä prendre la chose un peu
' (s tragiqnement que ne le comporte man aventure, II, 419. L,
'J^est lä que la sagesse divine rend ses oracles avec phis düili-
'/i, plus de majesti^ et plus de force, que n'en ont les Virgile
' s' Homlre, I, 291. P. — Elle n'avoit ni le nez ni la bouche
.ne Tont ceUes qice nous voyonSy mais enfin c^etoit une More,
109. Ä. — , . .; ü vous reste plus de beaute que n'en ont toutes
iiiortett^s ensemble. III, 113. A,
Einmal finden wir sogar Inv. des pronominalen on, die aber
h ein vorantretendes aussi bewirkt ist:
Et Ton ne voyoit point, comme au si^cle oü nous sommes
Tant de selles et tant de bäts
Comme aussi ne voyoit -on pas
Tant de festins et tant de noces. 1, 85. F,
Sonst wird pronominales Subjekt nie invertiert:
. . .: le teint de Psychi est aussi blanc que jamais ü fut:
, 116. A.
Auch die Inv. des nominalen Subjektes unterbleibt zuweilen,
gleich das Eintreten derselben gewöhnlich ist, z. B.:
L^avons-nous loui comme les Atheniens auroient faitf II,
4. P. — Alexandre et M. le Prince se sont peu soudis de
rter cet avantage aussi haut que Jules Cisar a fait II, 315. P.
206 Z. Wespy
7j7J) Lokalsatz.
In den beiden beobachteten Fällen steht Inv., allerdings
findet sich das Subjekt stets im Keime. In der Prosa ist kein
Fall von Inv. beobachtet.
„Mes chers enfans, dit-il, je vais oü sont nos peres; I, 89. F.
Tous deux marchent en häte oü las guido leur sort. I, 302. P. d.
b. Relativpronomina (od. relat. Lokaladverbien).
Völcker, pp. 20 f. — Morf, p. 218. — Le Coultre, p. 73. — Krüger,
p. 41. — Schlickum, p. 9. — M'ätzner, Gramm. § 255, b3. — Mätzner,
Synt. § 495. — Körting, § 129, 2, Zus. b.
In den ältesten Denkmälern findet sich in diesem Falle
fast durchweg die regelmässige Konstruktion. Die wenigen Bei-
spiele, welche Inv. zeigen, sind metrisch gebunden und ver-
schwinden bei der grossen Zahl von Beispielen mit regelmässiger
Konstruktion.
Das Rolandslied liefert den Beweis dafür, dass das Alt-
franz, eine entschiedene Abneigung gegen die Inv. im ßelativ-
satze hatte, denn es findet sich nur ein Beispiel mit invertiertem
Subjekte. — Die Relativsätze bilden eine leicht begreifliche Aus-
nahme von dem Gesetze, nach welchem ein vorangehendes
Objekt immer Inv. des Subjektes nach sich hat.
Bei Crestien findet sich das Subjekt in dem durch que
eingeleiteten Relativsatz schon häufig invertiert; nie aber nach
den Lokaladverbien.
Die Prosalitteratur des 13. Jahrh. zeigt dieselbe Ab-
neigung gegen diese Inv. wie die ältesten Denkmäler.
In der Sprache Aue. und Nic.'s scheint die Inv. im Re-
lativsatze vollständig gemieden zu werden, ja völlig unstatthaft
gewesen zu sein. In 58 Fällen (abgesehen von denen, in wel-
chen das Subjekt qui ist), finden wir keine Inv. Eine Ausnahme,
welche zu verzeichnen ist, hat keine Bedeutung.
Im Neufranz, findet neben der gewöhnlichen Stellung die
Nachstellung des nominalen Subjektes statt. Da der oblique
Kasus des relativen Fürwoi*tes meist an der Spitze des Neben-
satzes steht, so ist ein Zusammenrücken mit dem Verb, von dem
er abhängt, natürlich. — Alle Rücksichten, welche im behaupten-
den Hauptsatze für die Inv. massgebend sind, kommen hier zu-
gleich im weitesten Umfange zur Geltung.
Bei Lafontaine ist die Inversion des nominalen Subjektes
ausserordentlich häufig. In 100 auf einander folgenden Relativ-
sätzen (Amor et Psycho), welche durch que oder oü eingeleitet
Die hist. Eniruickelung der Inversion etc. 207
sind, zeigen 34 luv. des nominalen Subjektes, 66 aber nicht.
Von den 100 Relativsätzen sind 14 durch oit eingeleitet und
von diesen zeigen 10 Inv. Demnach treten hier in Tl^a^'/o ^^^
Fälle Inversionen nach oü und in ca. 28 "/o ^^r Beispiele Inv.
nach qüe ein.
Wenn der Relativsatz anders als durch que oder oü ein-
geleitet ist, so ist die Inv. selten, doch kommen Beispiele vor,
und zwar nach dont und de qui (dem neufranzös. Gebrauche
widersprechend):
. . . c'etoit le Zdphyre qui . . . lui dit Vordre quil avoit de
Venlever de la sorte, et de la rriener ä cet epoitx dont parloit
r Oracle, et . , , III, 18. A. — j^e doutez point que ces peines dont
parloit Psyche neussent leurs plaisirs: 111, 31. ^. — . . ,; si hien
quelles touchent, ainsi que les chenes dont parle Virgile, ... II,
347. L. — Je voudrois pour heaucoup me souvenir des autres cir-
constances de ce combat et des differens personnages dont est com-
pose le tableau, car ... II, 357. L» — Le mot dont se sert Piaton
fait que je me figure le mime polte se rendant mattre de tout un
peuple, III, 51.-4. — On me repondra que celui de qui depend le
^'alut de toute une armee, ne doit jamais devoir le sien propre ä
%n bienfait du hasard. II, 319. P.
Die Inv. steht auch nach dem Relativpronomen mit andern
Präpositionen :
La premüre chose fut de s^enquerir du nom de celui ä qui
ippartenoient des lieux si charmans: III, 19. A. — . . .; nous
ivons fait des reflexions sur les faules et sur les erreurs ä quoi
tont sujet les hommes; III, 71. A,
Alle diese Inv., welche dem Stile L.'s ein altertümliches
jcpräge geben, gehören immerhin zu den, wenn auch verhältnis-
nässig häufigen Ausnahmen.
Inv. des pronominalen Subjektes tritt im Relativsatze nie
jin; dieselbe unterbleibt sogar, wenn der Relativsatz durch die
bekannten konjunktionalen Adverbien eingeleitet ist:
Je remarquai une chose ä quoi peut-etre on ne prit pas
farde] II, 384. L, — C^est-ce que favois ä dire pour prevenir
les objections, que peut-etre on ne fera point II, 326. P. — II
toit ränge dans des magasins dont ä peine on voyoit le bout:
II, 36. A. — Tantot eile avoit peine ä s'imaginer quun mari
uä toutes sortes de marques eile avoit sujet de croire jeune et
ien fait, . . . füt quelque rnagicien ou qudque dragon, III, 42. A.
Bei nominalem Subjekte finden sich im adverbial einge-
3iteten Relativsatze Beispiele von direkter wie von absoluter
208 Z. Wespy
Konstruktion, doch scheinen die Fälle beider Art in diesem Falle
bei weitem seltener zu sein, als die gerade Wortstellung:
Le thedtre represente le pays du ForeZy arrosi de la rivih'e
du Lignorij sur les hords de laquelle sont plusieurs hameatix et
bocages. 11,140. Th.v. — ,,,; et le chagrin quen ce moment-lä
timoignlrent les autres fies fit une partie de sa joie, . . . I, 331.
P. — Ce goüt exquis et ce jugement si solide que vous fcutes
parottre dans toutes choses au delä d'un dge oü ä peine les autres
princes sont-ils touchis de ce qui les environne avec le plus d^edat;
l. 235. P.
c. Fragewörter (indirekter Fragesatz).
Völcker, p. 21. — Morf. pp. 218 f. — Le Coultre, p. 74. — Krüger,
p. 40. — Mätzner, Gramm. § 255, b 1. — Mätzner, Synt. § 493. —
Körting p. 129, 2, Zus. c. — Habicht, p. 27.
Der im Neufranz, häufig eintretende Fall, dass Inv. des
substantivischen Subjektes in indirekten Fragesätzen eintritt,
welche mit prädikativem quel, quelle beginnen, kommt für die
ältesten Denkmäler nicht in Betracht, da Beispiele fehlen.
— Sämtliche indirekte Fragesätze haben entweder das Frage-
wort si oder cum oder quel in Verbindung mit Nominibus, und
das Subjekt steht tiberall vor dem Verbum.
Im Rolandsliede gibt es wenige indirekte Fragesätze,
und diese ermöglichen keinen Schluss.
Der indirekte Fragesatz wird bei Crestien konstruiert wie
der Relativsatz, d. h. nominales Subjekt findet sich nach que
häufig invertiert, nicht aber nach den Lokaladverbien.
In der Prosalitteratur des 13. Jahrh. konnte das
Subjekt seine Stelle vor dem Verb behalten, wenn es ein Snbst
war, selbst wenn prädikative Bestimmungen oder Interrogativ-
pronomina wie qui und quel den Satz begannen.
Im Neufrz. ist die Umstellung des Subjektes notwendig,
wenn die fragenden Fürwörter quel, qui, que als prädikative Satz-
bestimmungen im Fragesatze vorkommen; zulässig ist sie be-
sonders in den Fällen, wo eine interrogative Pronominalform oder
ein interrogatives Adverb als adverbiale Satzbestimmung vor-
kommt. Die unbetonten persönlichen Ftirwörter und ce sowie
on sind auch hier ausgenommen.
Bei Lafontaine tritt in Poesie wie Prosa sehr häufig
Inv. des nominalen Subjektes ein, z. B.:
Die hist Entrvickelung der Inversion etc. 209
Pour moi, qui sais comment doivent a.gir les rois
Je les affranchis du supplice." I, 251. F,
Qiie je Sache au moins, inhumaine,
Ce qu'ä Tharsis en lui de si digne de haine? II, 104. Th. v,
Jugez ce que feroit une plus longue absence;
Jugez ce que feroit un triste 'changement : 11,46. Th.v.
Pour le moins 'dites- moi d'oü vient votre colere?
11,7. Th.v.
Pronominales Subjekt findet sich nie invertiert:
Dites-nous quel il est, afin qu*on s'en corrige. II, 72. Th: v.
Levez-voas, et nous dites
Quelles sont ces faveurs, soit grandes ou petites,
Dont les fils de V^nus a pay^ vos tourmens. II, 85. J%. v.
Jugez quel il doit §tre, et ce qu'on peut attendre
D'un chef-d'oeuvre form^ par eile, et par Louis.
11,381. P.d,
L. Wespy.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI*. j^
Blaise Pascal, sein l^ampf gegen die Jesuiten etc. 211
ilim bei ihrem Tode im Jahre 1626 ausser einem Sohne,
zwei Töchter hinterliess, Gilberte, geboren 1620, und
'', geboren 1625.
- ist hier der Ort^ aus Blaise's frühester Kindheit ein
mitzuteilen, das in Wirklichkeit für ihn und sein Leben
i^er Bedeutung ist und deshalb auch von den älteren
i'ii tibergangen wurde, das aber von den neueren in
.lieber Weise benutzt worden ist und deshalb der Mit-
^vert erscheint. Obwolil nämlich sein Vater ein aufge-
wissenschaftlich gebildeter Mann war, Hess er sich
. um sein Kind aus gefährlicher Krankheit zu retten,
ler Umgebung verleiten, zu den thörichten Künsten eines
en Weibes seine Zuflucht zu nehmen, welches in seinem
verkehrte, obwohl sie für eine Zauberin galt. Da Etienne
nun fortwährend behaupten hörte, dass diese das Kind
rt hätte, wandte er sich endlich an sie. Nach verschie-
Drohungen liess sie sich zu dem Bekenntnis bewegen,
sie auf Etienne Pascal erzürnt gewesen sei, weil derselbe
weigert habe, für sie einen Prozess zu führen, und dass
"'^«halb das Kind durch Zauberei dem Tode geweiht hätte;
uiber könne jedoch auf ein anderes lebendes Wesen tiber-
M werden. Ätienne wies diesen Ausweg mit Abscheu zurück;
♦' aber versicherte, dass sie den Zauber auch auf ein Tier
»ngen könnte, bot er ihr ein Pferd dazu an. Sie wollte
iodoch mit einer Katze begnügen, erhielt daher eine solche
'••ing damit fort. Auf der Treppe begegnete sie zwei Kapu-
•>>, welche den betrübten Vater trösten wollten. Als diese
Weib mit der Katze sahen, bezichtigten sie. dieselbe der
rei, worauf sie das Tier aus einem Fenster warf. Obwohl
vjres nicht sehr weit vom Erdboden entfernt war, blieb die
le doch auf der Stelle tot liegen. Am Abende verlangte
Weib, dass ein Kind unter sieben Jahren vor Sonnenauf-
; von drei verschiedenen Pflanzenarten je drei Blätter pflücken
le. Dies geschah; sie empfing dieselben und bereitete daraus
n Umschlag, welcher dem einjährigen Blaise auf den Magen
gt wurde. Bis Mitternacht blieb der Knabe in einem tot-
. liebem Zustande; dann zeigte sich einige Besserung, gewiss
•3 natürliche Folge des Umschlags, und am nächsten Tage
' er vollständig gesund.
ReuchlinV war der erste, welcher von diesem Vorfall Kunde
*j, wie er von Blaise's Schwestertochter, Marguerite Parier,
jdergeschrieben ist, die auch mitteilt, dass Etienne später seine
*) Reuchlin: Pascars Leben, p. 3.
14*
212 Thor Sundby
Handlung bereute. In Frankreich wurde diese Begebenheit za-
erst von Victor Cousin^) erzählt, dann von Ernest Havet*'^) mit
dem Bemerken, dass auch Blaise Pascal an Zauberei glaubte
(Pensöes XXIII, 23; 6d. Faugfere, II, p. 234). Lßlut») benutzte
dieselbe sowohl zu der Andeutung, dass des Vaters Aberglaube
an des Sohnes Wunderglauben seinen Anteil gehabt habe, als auch
zum Ausgangspunkt für die physiologisch-psychologische Entwicke-
lung seiner Ansicht, dass PascaFs religiöses Leben aus einem
Nerven- und Gehinileiden erklärt werden mtlsse. Ohne uns hier
weiter auf diese Frage einzulassen, wollen wir nur darauf aufmerk-
sam machen, dass, wenn man vom Glauben an Zauberei spricht,
man selbstverständlich sorgfältig unterscheiden muss zwischen den
Hexenkünsten, die ein simpler Betrug sind, und jener Art Zauberei,
welche in einem Missbrauch des Körpers besteht, indem man
denselben der natürlichen, aber wunderbaren und gewaltigen Ein-
wirkung gewisser Salben und Tränke aussetzt — einem Miss-
brauche des Körpers, welcher die vollständige Zerstörung des
geistigen Lebens oder dessen Entartung nach sich zieht. Um
an die letzte Art Zauberei zu glauben, braucht man wirklich
kein Köhler zu sein. Diejenigen, welche hierüber etwas mehr zu
wissen wünschen, verweisen wir auf Görres* „Christliche Mystik",
auf den 11. Band von Michelet's Histoire de France, oder, wenn
man will, auf Heine's Faust.
Die ausgezeichneten Fähigkeiten, welche Blaise bereits in
frühester Jugend zeigte, bestimmten den Vater, seinen Sohn nicht
in eine Schule zu schicken, sondern den ganzen Unterricht selbst
zu übernehmen. Um diese Aufgabe besser erfüllen zu können,
verkaufte er 1631 sein Amt und zog mit seiner Familie nach
Paris. In seiner Unterrichtsmethode nahm der Vater immer
darauf Rücksicht, den Knaben nicht zu schnell vorwärts zu
treiben. Namentlich hielt er ihn von der Mathematik zurück, Hess
ihn dagegen mit den Sprachen und mit den Naturwissenschaften
beginnen. Für die letzteren zeigte Blaise ein ausserordentliches
Interesse. So bemerkte er eines Tages, nach dem Berichte
seiner Schwester, dass der Laut, welcher durch einen Schlag auf
einen Teller hervorgerufen wird, aufhört, sobald man die Hand
auf denselben legt. Diese Entdeckung veranlasste ihn zu
mehreren Experimenten über den Schall, über welche er,
12 Jahre alt, eine Abhandlung schrieb. Auch an die Mathematik
suchte der lernbegierige Knabe schon frühzeitig heranzutreten.
*) V. Cousin: 6tudes sur P., p. 329.
2) Havet: Pens^es de P. 2 Ed. 1866. Bd. L, p. CIL
^) L^lat: L' Amulette, p. 119.
Maise Bascal, sein Kam'pf gegen die Jesuiten etc. 213
Wie sorgfältig auch der Vater ihn davon abzuhalten versuchte,
konnte er doch nicht verhindern, dass der Knabe nach einer
ganz allgemeinen Erklärung des Inhaltes dieser Wissenschaft
Figuren zu konstruieren begann, deren Namen ihm nicht
einmal bekannt waren. Auf eigene Faust kam er bis zum
32. Satze des Euklid, dass die Summe der Winkel in einem
Dreieck gleich zwei Rechten ist. Eines Tages ist er damit be-
schäftigt, auf den Fussboden des Zimmers seine Figuren zu
zeichnen; unbemerkt tritt der Vater ein, beobachtet eine Zeit-
lang sein Treiben und verlangt dann Aufklärung darüber. Der
Knabe entwickelt nun alles, was er gefunden hat, wobei er den
Kreis „Ring" (un rond) und die Linie „Stange" (une barre)
nennt. Ausser sich vor Verwunderung und Freude sucht der
Vater bei einem seiner gelehrten Freunde Rat. Dieser bewegt
ihn dazu, den Knaben nicht länger in Unwissenheit bezüglich
der Wissenschaft zu halten, in welcher er sich später so aus-
zeichnete. Sobald Blaise nun den Euklid in die Hände bekam,
machte er solche Fortschritte, dass er von der Zeit ab an den
Gelehrtenzusammenkünften teilnahm, aus welchen sich später die
Academie des Sciences^) entwickelte. Diese Versammlungen
fanden bei dem bekannten Pater Mersenne statt und wurden von
den ausgezeichnetsten Gelehrten jener Zeit besucht, von Gassendi,
Descartes, Le Pailleur, Roberval, Carcavi. Unter solchen An-
regungen entwickelte Blaise seine mathematischen Anlagen ausser-
ordentlich schnell; schon in seinem 16. Jahre schrieb er eine
Abhandlung über die Kegelschnitte,^ deren Bedeutung klar aus
der besonderen Art und Weise hervorgeht, wie Descartes darüber
urteilte ; dieser hielt dieselbe zuerst für nichts Bedeutendes ;
später aber leugnete er, dass ein Knabe der Verfasser sein
könne, und endlich behauptete er sogar, dass sie ein Plagiat
sei, und als dieses widerlegt wurde, dass PascaFs Vater die
Abhandlung geschrieben habe.
Der junge Mathematiker war indessen nicht das einzige
Wunderkind in der Familie. Seine jüngere Schwester, Jacqueline,
zeichnete sich bereits in einem Alter von 11 Jahren (1636)
durch ihre dichterischen Anlagen aus. 1638 schrieb sie, sonder-
bar genug, ein Gedicht auf die Schwangerschaft Anna's von
Österreich. Man zweifelte daran, dass sie die Verfasserin sei,
aber siegreich ging sie aus einer Prüfung hervor, indem sie sofort
*) Fran^ois de Neufchäteau: Des Provinciales et du Style de
Pascal, in „Provinciales", ^d. Lefevre. Paris 1844. p. 3 f. (Euvres
de Pascal, äd. Lahure. II. p. 391, Anm.
*) L^lut: L'Amulette, p. 229. — Maynard: Pascal, sa vie etc.
1. p. 168.
214 Thor Sundby
eine Anzahl wohlgelungener Improvisationen vorbrachte. Ihr
Talent hatte auch Einfluss auf das Schicksal der Familie. Als
nämlich der Kardinal Richelieu 1633 in seinem Palaste G. de
Scudery's Tragödie L'Amour tyrannique aufführen Hess, wurde
Jacqueline 0 von seiner Nichte Mme d'Aiguillon für eine Bolle
ausersehen. Nach der Vorstellung wurde sie zu dem Kardinal
geführt und deklamierte ihm ein Gedicht vor. Die Anmut
des jungen Mädchens entzückte denselben derartig, dass er seinen
Zorn gegen den Vater vollständig vergass. Dieser hatte sich
nämlich die Ungnade des mächtigen Ministers zugezogen^ indem
er mit noch einigen anderen Staatsgläubigern Schritte zur Rettung
seines Geldes that, als die Renten aus der Staatsschuld herab-
gesetzt wurden. Den Verfolgungen des Kardinals hatte er sich
indessen durch die Flucht nach der Auvergne entzogen. Nun
wünschte derselbe, dass er nach Paris zurückkommen möchte, da
er ihm nicht bloss vergeben, sondern sogar seine ganze Familie
kennen lernen wollte. Dieses geschah, und Richelieu war mit
dem jungen genialen Mathematiker sowie mit dessen poetischer
Schwester so zufrieden, dass er sagte; „Wachen Sie über Ihre
Kinder, ich will mit der Zeit etwas Grosses aus ihnen machen^.
Bald nachher ernannte er den Vater zum Intendanten in Ronen.
Sein Versprechen hinsichtlich des Sohnes fand Richelieu keine
Gelegenheit zu erfüllen: Blaise Pascal wurde nicht ein weltlicher
„grosser Herr", sondern schuf sich selbst eine Grösse, wie sie
der Kardinal schwerlich geahnt hatte. „Die grossen Geister
haben ihr eigenes Reich, ihren eigenen Glanz, ihre eigene
Grösse, ihre eigenen Siege; sie bedürfen der weltlichen Grösse
nicht, die ja keine Beziehung zu dem hat, was sie suchen. Sie
sind nicht dem körperlichen, sondern dem geistigen Auge sicht-
bar, was auch genug ist" (Pens^es XVII, 1 ed. Havet; ed. Fau-
g6re, II, 330).
Um seinem Vater die vielen Berechnungen zu erleichtern,
welche bei seinem Amte vorkamen, erfand Pascal zu Ronen in
den Jahren 1641—42 eine Rechenmaschine,^) welche später
durch die Logarithmen überflüssig gemacht worden ist, die aber
einen Beweis von seinem seltenen mechanischen Talente abgab.
1650 sandte er der Königin Christine von Schweden ein Modell
dieser Maschine samt einem Briefe, dessen edle Beredsamkeit
davon Zeugnis ablegt, dass er bereits damals vollkommen Herr
^) Faugere: Lettres, opuscules etc., p. 56, 117 ff., 445. Cousin:
Jacqueline Pascal, p. 55, 76, 81 ff.
*) Recueil d'ütrecht, p. 244 ff. — In den CEuvres de Pascal, ^d.
Lahure, Paris 1860. II. p. 368 — 380 wird eine Beschreibung der Ma-
schine nach Diderot (in der Encyclop'ädie) mitgeteilt.
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc, 215
seiner Muttersprache war, wenngleich sein Stil die spätere Voll-
kommenheit noch nicht erreicht hatte. Dieses Schriftstück ist
als der erste Entwurf zu dem unvergleichlichen Abschnitte in den
Pensees (XVII, 1) über den „unendlichen Abstand zwischen dem
Körper und dem Geiste" zu betrachten, aus welchem wir soeben
ein Bruchstück angeführt haben, und den wir vollständig mit-
teilen möchten, wofern dadurch nicht der Eindruck des Briefes
geschwächt würde, der schon der feinen Anlage wegen Bewun-
derung verdient. Er preist nämlich in erhebender Weise die
Würde der Wissenschaft, und bringt zugleich der berühmten Königin
eine ausgesuchte Huldigung dar: „ — — — Ich hege eine
ganz vorzügliche Hochachtung vor denen, welche die höchste
Stufe der Macht oder der Wissenschaft erstiegen haben. Irre
ich nicht, so können die letzteren ebenso gut wie die ersteren
als Herrscher angesehen werden. Dieselben Abstufungen finden sich
unter den Geistern, wie unter den Klassen der Gesellschaft; und
die Macht der Könige über ihre ünterthanen ist, wie mir scheint,
nur ein Abbild der Macht der Geister über die, welche unter
ihnen stehen; über diese üben sie das Recht zu überzeugen
aus, was bei ihnen dasselbe ist, wie das Recht des Befehlens
bei der staatlichen Macht. Diese zweite Herrschaft scheint mir
um eben so viel erhabener zu sein, als die Geister einen
höheren Rang einnehmen wie die Körper, und zwar mit um so
mehr Recht, als sie nur durch das Verdienst erlangt und erhalten
wird, während man die andere durch die Geburt oder durch die
Gunst des Geschicks erlangen kann (Lettre k la reine Christine)^^
Schade nur, dass die Königin Christine, welche, wie er sagt,
diese beiden königlichen Eigenschaften in ihrer Person vereinigte,
sich bloss als mittelmässige Herrscherin erwies.
Seine Schwester Gilberte, welche sich 1641 mit Florin
Perier vermählte, der später Assessor am Kammergericht zu
Clermont wurde , berichtet , dass die grossen Anstrengungen,
welche es Blaise kostete, jene Maschine nach seinem Wunsche
verfertigt zu erhalten, ihm eine schmerzliche Krankheit zuzogen.
Nach kurzer Unterbrechung kehrte dieselbe infolge der anstren-
genden, physikalischen Versuche^) wieder stärker zurück, welche
er in den Jahren 1646 — 48 teils in der Normandie und teils zu
Paris auf dem Turme Saint - Jacques vornahm, wo jetzt seine
Statue aufgestellt ist. Sein Schwager Parier wiederholte auf sein
Ersuchen diese Experimente in grösserem Massstabe auf dem
Puy-de-D6me in der Auvergne. Sie bestärkten in Pascal eine
Vermutung, welche bereits früher von Torricelli ausgesprochen
*) OEuvres de Pascal, äd. Lahure. IL p. 173 — 334.
216 Thor Sundby
war^ und setzten ihn in den Stand, die Lehre von dem horror
vacui vollständig zu widerlegen, wie sie ihm auch eine sichere
Grundlage für die Darstellung der Lehre von der Schwere der
Luft und dem Gleichgewicht der Flüssigkeit darboten. Eine
kurze Mitteilung über das Ergebnis der Versuche, welche im
Jahre 1647 erfolgte, rief eine heftige und thörichte Polemik \on
Seiten des Jesuiten Noel hervor, der die aristotelische Physik
verteidigte. Seine Schrift über die „Fülle des Leeren" bewirkte,
dass Pascal einen halb ironischen Brief an Le Pailleur ver-
öffentlichte, während sein Vater ein kräftiges Entgegnungsschreiben
an den Jesuiten richtete. Diese Schrift ist bereits gleichsam eine
Ankündigung der „Lettres provinciales ". „Ein junger Mann",
sagt er, „der sich aus irgend einem Grunde herausgefordert
sieht, könnte in dem bitteren Gefühle, beleidigt zu sein, sowie in
jugendlicher Unbesonnenheit sich hinreissen lassen, Ihren heftigen
Angriff, der in sich ganz unbegründet ist, derartig zurückzu-
weisen, dass Ihnen daraus stete Reue entstände". Pascal
hatte die Absicht, seine Lehre in einem grösseren Werke
„Über den leeren Raum" darzustellen. An demselben arbeitete
er im Jahre 1651. Jedoch ist uns von diesem Werke nichts
anderes übrig, als ein Bruchstück der Vorrede, das ein allge-
meineres Interesse besitzt. In demselben entwickelt er nämlich
klar den Unterschied, welcher zwischen der Bedeutung der Au-
torität in den historischen Wissenschaften, die notwendig darauf
bauen müssen, und in den Naturwissenschaften besteht, bei denen
jene der Beobachtung und dem Versuche weichen muss.
Wie bereits erwähnt, hatten PascaVs Versuche eine gefähr-
liche Krankheit zur Folge; eine Lähmung der Beine zwang ihn
zum Gebrauche von Krücken. Um diese Zeit hat er wahrschein-
lich sein „Gebet zu Gott um eine gute Benutzung der Krankheit"
geschrieben.
Im Jahre 1646 hatte er die Bekanntschaft zweier Brüder
gemacht, Bailleul de la Bouteillerie und Bailleul des Landes,
welche seinen Vater geheilt hatten, als derselbe infolge eines
Falles auf der Strasse sich die eine Hüfte verstaucht hatte. Diese
Männer waren eifrige Anhänger des Jansenius oder Cornelius
Jansen,^) der 1638 als Bischof von Ypern gestorben war.
Die jansenistische Lehre war zuerst durch das umfang-
reiche lateinische Werk Jansen's „Augustinus" in die Öffentlich-
keit getreten, das erst zwei Jahre nach des Verfassers Tode
herauskam und bald eine grosse Berühmtheit erlangte, ob-
*) Sainte-Beuve: Port -Royal. I. p. 280 ff. — Reuchlin: Ge-
schichte von Port- Royal. Hamburg und Grotha, 1839 — 44. I., p. 301 ff.
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuilen eic. 217
(S nur verhältnismässig wenige Leser fand. Aber der
für diese Lehre war in Frankreich derartig vorbereitet,
'ie Aussaat derselben in kurzer Zeit die reichste Ernte
Jansen hatte nämlich einen treuen Mitarbeiter an Duver-
U' Hauranne, Abt von S.t-Cyran^ (1581 — 1643), gefunden.
beiden Freunde hatten in ihrer Jugend zusammen studiert
•cheinen schon damals den Plan zu einer Reform der ka-
rhen Kirche gefasst zu haben, welche sie später zur Aus-
»1^ zu bringen suchten.
Es scheint ein ausdrückliches Abkommen zwischen ihnen
iiden zu haben, dass Saint- Cyran, der eine mehr praktische
aug hatte, versuchen sollte, in dem einen oder anderen
ichen Institute festen Fuss zu fassen, um in aller Stille für
Zweck wirken zu können. Dieses gelang ihm erst 1636,
i Seelsorger von Port-Royal wurde, einem Zisterzienserinnen-
r, das zu Anfang des 13. Jahrhunderts gestiftet worden war.
Auf dieses Kloster, welches 1626 von Chevreuse, 3 Meilen
ich von der Hauptstadt, nach der Vorstadt Saint - Jacques
'^aris-) verlegt wurde, hatte die Familie Arnauld einen sehr
en Einfluss geübt, namentlich durch Jacqueline Arnauld (1591
' G61), welche als Äbtissin desselben Mutter Angelique hiess.
'idem Saint-Cyran hier Seelsorger geworden war, wuchs sein
'uss stetig, und bald sammelte sich eine Schar angesehener
ner um ihn, die Einsiedler von Port-Royal, welche ein
'S, abgesondertes Leben führten, das der religiösen Betrach-
und der Unterweisung der Jugend gewidmet war. Kardinal
'lelieu hatte schon lange mit misstrauiscbem Auge Saint-Cyran's
ksamkeit angesehen. Der Abt hegte nicht allein theologische
chauungen, welche von denen des Kardinals abwichen, son-
ii hatte auch nicht weniger als fünf Bistümer abgelehnt 5 über-
s stand er in steter Verbindung mit Jansen, welcher 1635
seiner Schrift Mars Galliens den Kardinal angegriffen hatte,
il derselbe im dreissigjährigen Kriege die Partei der Pro-
tanten ergriff.
*) Lancelot: M^moires touchant la vie de M. de St.-Cyran. Co-
^^ne 1738. 1 — 2. — Fontaine: Mämoires pour servir ä. Thist. de P.-R.
recht 1736. 1 — 2. — Thomas du Fossä : Mdmoires pour servir ä l'hiRt.
P.-R. Cologne 1739.
*^) Dies Gebäude befindet sich noch jetzt auf der Strasse, welche
!n Namen Rue de Port-Royal führt und die Rue de St. -Jacques mit
er Rue de l'Enfer verbindet. In der Revolutionszeit erhielt es den
amen Port-Libre, obgleich es als Gefängnis diente. Gegenwärtig
ird es als Entbindungsanstalt benutzt. Über dem Thore steht die
ischrift: Maison d*accouchement; in den Büchern findet man den
lübscheren Namen: Maternit^. Sainte-Beuve. P.-R. I. p. 329, Anm. \.
Blaisc PasccU, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 219
eine Begebenheit, welche nur mit ein paar Worten von Con-
dorcet/) einem der Mitkämpfer Voltaire's für die Toleranz, er-
zählt wird, welche aber mit der grössten Genauigkeit von
Cousin-) erörtert wird, der hierauf eine seiner vielen An-
klagen gegen Pascal stützt, die Anklage der Intoleranz. Die
Sache betrifft einen Kapuziner, Jacques Forton, Bruder Saint-
Ange genannt, welcher im Jahre 1647 zu Ronen seinen Hörern
einige wunderliche Lehrsätze vortrug, wie z. B. dass man mit
der Vernunft die Dreieinigkeit nachweisen könne. Nach einem
vergeblichen Versuche, denselben von der Verkehrtheit seiner An-
sichten zu überzeugen, teilte Pascal mit einigen Freunden die
Theorieen desselben dem Erzbischofe mit. Es ist nicht der ge-
ringste Grund vorhanden, die Äusserung der wahrheitsliebenden
Mme Perier zu bezweifeln, dass dies erst nach einer vorhergegange-
nen Warnung an den Kapuziner geschah. Nach vielen Ver-
handlungen wurde die Angelegenheit, ohne dass der Bruder Saint-
Ange in die geringsten Unannehmlichkeiten geriet, in Güte von
dem Bischöfe Camus von Belley beigelegt, welcher wegen seiner
burlesken Predigten und erbaulichen Liebesromane bekannt ist.
Die ganze Sache mag vielleicht für einen übertriebenen Eifer
des neubekehrten 24jährigen Pascal und seiner Freunde zeugen;
aber es ist kein Grund vorhanden, die übrigens rechtliche Hand-
lungsweise als ein Verbrechen anzusehen, wenn man nicht nach
den Anschauungen des 19. Jahrhunderts urteilt, und vielleicht
auch dann kaum. Will man Pascal's Meinung über den Zwang
in religiösen Anschauungen kennen lernen, so sucht man die-
selbe besser in seinen Pens^es XXIV, 3: Gott, welcher alles
mit Güte ordnet, geht so zu Werke: dem Verstände flösst er die
Religion mit Vernunftgründen ein, dem Herzen durch die Gnade.
Dem Verstände und dem Herzen die Religion mit Gewalt oder
Drohungen einflössen wollen, das heisst nicht Religion einflössen,
sondern Furcht erwecken: terrorem potius quam religionem.
Obgleich Pascars Vater von des Sohnes Religiosität nicht
unberührt blieb, wirkte dieselbe doch besonders auf die jüngste
Schwester Jacqueline. Bisher hatte dieselbe Freude am gesell-
schaftlichen Leben gefunden, wo sie wegen ihrer Talente sehr be-
liebt war. Ihre Vorliebe für die Poesie fand bei dem berühmten
Dichter Pierre Corneille Anregung, welcher, wie bekannt, in Ronen
geboren wurde und ein Freund der Familie war. Am 8. Dezem-
ber 1640 hatte sie bei einem religiösen Sängerfest durch eine
*) Pensäes de P. avec las notes de Voltaire. Genöve 1778. I.
p. X, Anm.
*-*) Cousin: Etudes snr P., p. 343 if.
218 Thor Sundby
Im Jahre 1638 brach Richelieu's Zorn los; er Hess Saint-
Cyran ins Gefängnis werfen und wies die Einsiedler aus Paris
aus. Aber Saint- Cyran setzte seine Wirksamkeit vermittelst eines
ausgedehnten Briefwechsels fort^ und die Einsiedler zogen aus zu
dem alten Kloster bei Chevreuse, welches nun Port-Royal auf dem
Lande (des Champs) genannt wurde. Ihre Zahl vergrösserte sich
beständig; der bedeutendste unter ihnen, Antoine Arnauld (1612
bis 1694), der grosse Arnauld, wie er später genannt wurde,
kam jedoch erst während Saint- Cyran*s Gefangenschaft dazu.
Zu seiner „Bekehrung" hat vielleicht auch Jansen*s Augustinus
beigetragen, der in demselben Jahre erschien (1640). Die Sekte
erhielt so eine ausführliche Darstellung ihres Lehrbegriffes und
nach dem Verfasser des Buches zu derselben Zeit auch einen
Namen, als sie in Arnauld einen gewaltigen Kämpfer fand, dessen
ünverdrossenheit in einer Antwort an Nicole ') so schön zum Aus-
druck kam. Da dieser ihm nämlich riet, nach dem unermüdlichen
Kampfe eines langen Lebens nunmehr Ruhe zu suchen, brach
er in die Worte aus: „Haben wir denn nicht die Ewigkeit, um
zu ruhen?"
Das Streben des Jansenismus richtete sich auf eine Reform
der katholischen Kirche, ohne dieselbe zu stürzen ; er wollte zu
der Lehre und Zucht der Kirchenväter zurückkehren, ohne mit
der Tradition zu brechen oder sich vom Papste loszureissen ; er
wollte die scholastische Theologie stürzen, ohne die Entschei-
dungen der Kirchenversammlungen bei Seite zu setzen. In
seinem Abscheu vor dem äusseren Scheinleben der ganzen
Kirche und besonders vor der leichtfertigen Abfindung mit den
Geboten der Sittenlehre, welche ihren Höhepunkt in der Kasuistik
erreichte, erneuerte der „Augustinus" eine strenge und tief ein-
greifende Auffassung der Sünde und Gnade in demselben Geiste
wie die Reformatoren. In zwei Punkten stimmte er ganz mit
dem Kalvinismus überein, in der Lehre von der Prädestination
sowie in der Strenge, womit man das Christentum auffasste,
nicht als eine abstrakte Theorie oder als ein nur äusseres Zere-
moniell, sondern als eine Lehre, die bedeutungslos bleibt, wenn
sie nicht in dem Leben des Einzelnen, und zwar sowohl in der
Gottesverehrung wie in der strengen Befolgung der Moral ihren
Ausdruck findet.
In diese Lehre nun wurde Pascal von den beiden Brüdern
Bailleul eingeführt. Der Eindruck, den dieselbe auf ihn machte^
war ein höchst bedeutender und hat den Namen „seiner ersten
Bekehrung" erhalten. In diese Zeit von PascaFs Leben fällt
*) Sainte-Beuve: P.-R. IV. p. 318.
Blaise Basceil, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 219
eine Begebenheit, welche nur mit ein paar Worten von Con-
doreet,^) einem der Mitkämpfer Voltaire's für die Toleranz, er-
zählt wird, welche aber mit der grössten Genauigkeit von
Cousin-) erörtert wird, der hierauf eine seiner vielen An-
klagen gegen Pascal stützt, die Anklage der Intoleranz. Die
Sache betrifft einen Kapuziner, Jacques Forton, Bruder Saint-
Ange genannt, welcher im Jahre 1647 zu ßouen seinen Hörern
einige wunderliche Lehrsätze vortrug, wie z. B. dass man mit
der Vernunft die Dreieinigkeit nachweisen könne. Nach einem
vergeblichen Versuche, denselben von der Verkehrtheit seiner An-
sichten zu überzeugen, teilte Pascal mit einigen Freunden die
Theorieen desselben dem Erzbischofe mit. Es ist nicht der ge-
ringste Grund vorhanden, die Äusserung der wahrheitsliebenden
Mme parier zu bezweifeln, dass dies erst nach einer vorhergegange-
nen Warnung an den Kapuziner geschah. Nach vielen Ver-
handlungen wurde die Angelegenheit, ohne dass der Bruder Saint-
Ange in die geringsten Unannehmlichkeiten geriet, in Güte von
dem Bischöfe Camus von Belley beigelegt, welcher wegen seiner
burlesken Predigten und erbaulichen Liebesromane bekannt ist
Die ganze Sache mag vielleicht für einen übertriebenen Eifer
des neubekehrten 24jährigen Pascal und seiner Freunde zeugen ;
aber es ist kein Grund vorhanden, die übrigens rechtliche Hand-
lungsweise als ein Verbrechen anzusehen, wenn man nicht nach
den Anschauungen des 19. Jahrhunderts urteilt, und vielleicht
auch dann kaum. Will man PascaFs Meinung über den Zwang
in religiösen Anschauungen kennen lernen, so sucht man die-
selbe besser in seinen Pens^es XXIV, 3: Gott, welcher alles
mit Güte ordnet, geht so zu Werke : dem Verstände flösst er die
Religion mit Vernunftgründen ein, dem Herzen durch die Gnade.
Dem Verstände und dem Herzen die Religion mit Gewalt oder
Drohungen einflössen wollen, das heisst nicht Religion einflössen,
sondern Furcht erwecken: terrorem potius quam religionem.
Obgleich PascaFs Vater von des Sohnes Religiosität nicht
unberührt blieb, wirkte dieselbe doch besonders auf die jüngste
Schwester Jacqueline. Bisher hatte dieselbe Freude am gesell-
schaftlichen Leben gefunden, wo sie wegen ihrer Talente sehr be-
liebt war. Ihre Vorliebe für die Poesie fand bei dem berühmten
Dichter Pierre Corneille Anregung, welcher, wie bekannt, in Ronen
geboren wurde und ein Freund der Familie war. Am 8. Dezem-
ber 1640 hatte sie bei einem religiösen Sängerfest durch eine
*) Pens^es de P. avec les notes de Voltaire. Genöve 1778. I.
p. X, Anm.
2) Cousin: ßtudes siir P., p. 343 ff.
220 Tfwr Sundl)y
Dichtung auf die unbefleckte Empfängnis Maria's^) den Preis da-
vongetragen, und Corneille hatte in ihrem Namen in improvisierten
Versen gedankt. Sie hatte sich übrigens nicht auf die religiöse
Dichtung beschränkt; aber nun gab sie ihre Beschäftigung mit
der Poesie ganz auf, um ihre Gedanken der Religion zuzuw^enden.
Als Pascal Ende 1647 nach Paris reiste um ärztliche Hilfe für
sich zu suchen,^) besuchte seine Schwester, welche ihm nach-
gereist war, fleissig die Predigten Singlin's in Port-Royal, wodurch
bei ihr der Wunsch entstand, in das Kloster einzutreten. Da aber
ihr Vater, welcher 1648 nach Paris zurückkehrte, sich dem be-
stimmt widersetzte, begnügte sie sich zunächst damit, in ihres
Vaters Hause zu Paris ganz wie eine Nonne zu leben.
1649 machten alle drei eine Reise in die Auvergne zu
Mme Perier. Auf derselben soll sich Pascal nach einer Äusse-
rung F16chiers^) in eine Dame, die Sappho der Gegend genannt,
verliebt haben. Diese Aussage ist von Cousin^) als bezeichnend
für Pascal's Leben in dieser Zeit sehr hervorgehoben worden ; aber
die Zuverlässigkeit derselben ist mindestens zweifelhaft. Faugere,''')
welcher Pascal nicht als einen epikuräischen Stutzer geschildert
haben will, weist nämlich darauf hin, dass F16chier hier wahr-
scheinlich Pascal mit einem anderen Träger desselben Namens
verwechselt hat, wie ihm das an einer anderen Stelle ganz be-
stimmt passiert ist. Bekannt ist jedoch, dass Pascal um diese
Zeit an dem gesellschaftlichen Leben teilnahm. Er machte Be-
kanntschaft mit dem Herzoge de Roannez, mit Georges Brossin
de M6r6 (1610 — 85) und mit Miton, dessen in den Pens6es VI, 20
als eines reinen Weltmannes Erwähnung geschieht. Mere soll
sogar nach Fran9ois Collet^) Pascal „geschaffen" haben, eine
Behauptung, welche natürlich bedeutend eingeschränkt werden
muss. Collet gründet dieselbe auf eine Stelle in Mer^'s Discours
de l'Esprit,'') wo derselbe über eine Reise berichtet, welche er
mit Le D. D. R., mit M. M., „der bei Hofe wohl angesehen ist",
und ,,mit einem Manne in den mittleren Jahren" machte, „welcher
ein tüchtiger Mathematiker war, der sich nur auf die Mathematik
verstand, und damals noch wenig bekannt war, später aber be-
*) Las palinods de Reuen, cf. Faugere; Lettres, opuscules etc.,
p. 130 und 485.
^) Faugere: Lettres etc., p. 65.
*) Fl^chier: Mömoires sur las Grands-Jours d'Auvergne en 1665.
Paris 1882. p. 84.
*) fitudes sur P., p. 499.
^) Faugere: Lettres, opuscules etc., p. XIV., Anm. 2.
^) Fran^ois Collet: Fait in^dit de la vie de Pascal. Paris 1848.
') (Euvres de M. le Chevalier de M^r^. Amsterdam 1692. T. I
pag. 38.
Blaiie Pasccd, sein fCampf gegen die Jesuiten etc. 221
rühmt wurde". Dieser letztere hatte gar keinen „Geschmack";
nachdem er aber drei Tage mit M^re gereist war und stetig sein
Notizbuch zu Aufzeichnungen (wahrscheinlich von M6r6's guten
Bemerkungen!) benutzt hatte, war er gleichsam ein anderer
Mensch geworden, was er auch selbst erkannte. Pascal war
damals noch nicht ein Mann in den mittleren Jahren; er war
erst 27 Jahre alt, während M6r6, dessen Geburtsjahr freilich
nicht sicher feststeht, gegen 40 Jahre war. Wenn man aber
PascaFs Ernst und Kränklichkeit in Betracht zieht, ist es doch
wahrscheinlich, dass er „der tüchtige Mathematiker, der später
berühmt wurde'', war, und dass die beiden anderen der Duc de
Roannez und M. Mi ton waren. Es entspricht vollkommen der Un-
verschämtheit M6r6's darin, dass er sich fUr denjenigen ansah,
der Pascal Lebensart beigebracht habe. In einem Briefe^) an
denselben spricht er auch so, als ob er ihm in der Mathematik
unendlich überlegen sei, während Pascal in einem Briefe^) an
Formet (1654) dem eingebildeten Edelmann das Zeugnis ausstellt,
dass er durchaus kein Mathematiker sei.
In einem Punkte jedoch kann man M6r6 einen gewissen
Einfluss auf Pascal kaum absprechen. M6r6 legte nämlich hohen
Wert darauf, nicht in einseitige, professionelle Studien und Ar-
beiten aufzugehen; er strebte immer danach, dieselben in den
Hintergrund treten zu lassen, sie nur als ein Mittel zu einer
allseitigen, humanen Bildung zu benutzen.^) In PascaFs Pens^es
wird oft eine ähnliche Anschauung ausgesprochen: „Man darf
von einem Menschen nicht sagen können: er ist ein Mathema-
tiker, er ist ein Kanzelredner, oder er ist ein ausgezeichneter
Redner, sondern: er ist ein allseitig gebildeter Mann, ein Mann
wie er sein muss. Diese universelle Eigenschaft ist es allein,
welche mir zusagt^ (Pens6es VI, 15). Es ist höchst wahrschein-
lich, dass diese Anschauungsweise zum Teil von M6r6'8 Einfluss
herrührt ; aber es ist allerdings ein grosser Unterschied, ob die-
selbe von einem Gecken wie M6r6, oder von einem ausgezeich-
neten Gelehrten wie Pascal ausgesprochen wird.
Dass überdies M6r6 ebenso wie die übrigen Lebemänner, mit
welchen Pascal in dieser geselligen Periode seines Lebens verkehrte,
eben durch diesen Umgang zu der grossen Gewandtheit seines
Ausdrucks beigetragen haben, ist annehmbar genug; sicher ist
1) (Euvres de M^r^. T. IL p. 60.
*) (Euvres de Pascal, fid. Lahure. II. p. 895: „II a tr^s bon
esprit, mais il n'est pas gäomötre".
^) Sainte-Beuve: Le Chevalier M6t6 ou de rhonnßte hemme au
XVIIe siöcle. Revue des deux Mondes. 1, Jan. 1848.
222 Thor Sundby
jedoch, dass ihre erkünstelten Redewendungen keinen Einflnss
auf ihn gehabt haben.
Noch in anderer Hinsicht hat Mer6 eine hohe Bedeatnng
ftir Pascal gehabt. Als Spieler stellte er demselben nämlich eine
Aufgabe^) bezüglich der Verteilung der Einsätze an die ver-
schiedenen Teilnehmer eines Spiels, welches abgebrochen wird.
Diese Aufgabe löste Pascal durch sein berühmtes ^^arithmetisches
Dreieck ***) 1654. Unter die mannigfachen wissenschaftlichen
Anwendungen, welche er von demselben machte, gehörte nämlich
auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dieses gab ihm nicht
bloss ein Anrecht auf den Namen eines grossen Mathematikers,
sondern es diente ihm auch als ein Beweis, oder besser als ein
Überzeugungsmittel für die Zweifler, was zu der so oft und so
gedankenlos wiederholten Äusserung Veranlassung gegeben hat,
„dass er Zahl oder Wappen um das Dasein Gottes spielte^^
Pascal's Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erlitt eine
Unterbrechung durch den Tod seines Vaters, welcher Ende 1651
erfolgte. Seinem Schwager Parier schrieb er bei dieser Gelegen-
heit einen Brief, welcher beweist, dass er weit davon entfernt
war, mit dem Christentum gebrochen zu haben, wenngleich er
nicht das asketische Leben führte, welches ihn später unter den
Anhängern von Port-Royal auszeichnete.
Mit des Vaters Tode fiel für Jacqueline der Grund fort,
welcher sie bis dahin davon abgehalten hatte, in das Kloster
Port-Royal einzutreten. Daher führte sie im folgenden Jahre
ihren Entschluss aus trotz des heftigen Widerstandes ihres
Bruders, welcher nicht zugleich den Vater und die Schwester
verlieren wollte. Vom Kloster aus schrieb sie ihm einen Brief, ^)
um seine Einwilligung zu erbitten, „nicht um ihren Vorsatz aus-
führen zu können, da es dazu dessen nicht bedürfe, sondern
um ihn mit Freude, Seelenruhe und Zufriedenheit ausführen zu
können". Nur schwer Hess er sich zu der Zustimmung bewegen,
und er erhob von neuem Widerspruch, als sie nach beendeter
Probezeit die Gelübde ablegen sollte. Er gab jedoch endlich
nach, sodass im Jahre 1653 die Sache abgemacht war.
Irgend welche bestimmte Nachrichten über das Leben Pas-
cal's in seiher -weltlichen Periode" haben wir nicht. Seine
Schwester M^ae Parier berichtet, dass die Arzte ihm rieten, sich
nicht anzustrengen, sondern die Gelegenheit zur Zerstreuung auf-
zusuchen. „Die Befolgung dieses Rates kostete ihm grosse Über-
^) (Euvres de Pascal. 6d. Lahure. II. p. 392.
2) ibid. II. p. 415 — 440.
^) Faugere: Lettres, opuscules etc. p. 5S5.
Blaise Pasccd, sein Kampf gegen die Jesuiten eic. 223
Windung, da er glaubte, dass dieselbe mit Gefahr verbunden
sei; aber er richtete sich schliesslich doch danach in der Über-
zeugung, dass er verpflichtet sei, alles Mögliche zu thun, um
seine Gesundheit wieder zu erlangen^^ Sie berichtet auch, „dass
er sich vom Laster allezeit frei hielt". Eine andere Nachricht
sagt/) dass er „im Anfang Mass hielt, später aber sich der
Eitelkeit, dem Tand, dem Vergnügen und der Zerstreuung hin-
gab, ohne jedoch irgendwie in ein ausschweifendes Leben zu
verfallen". Wenn man bedenkt, dass dieses Urteil von Leuten
gefällt wird, welche einer so strengen und asketischen Lebens-
anschauung huldigten, wie die Anhänger von Port-Royal, so wird
man mit der grössten Sicherheit den Schluss ziehen können,
dass sein Leben weder ein wildes noch ein ungeregeltes war.
Wie wir oben bereits gesehen haben, beschäftigte er sich zum
Teil mit mathematischen Untersuchungen; dass er aber zugleich
von dem gesellschaftlichen Leben in Anspruch genommen wurde,
geht nicht bloss »aus den soeben angeführten Nachrichten und
aus seiner Bekanntschaft mit Mere und Miton hervor, sondern
auch mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der zuerst von Cousin
ans Licht gebrachten Schrift: „Über die Erregungen der Liebe".
Die Echtheit dieser Schrift ist von Einigen in Zweifel ge-
zogen worden und wirklich auch nicht vollständig erwiesen.
Der Stil ist etwas von dem verschieden, welcher sonst Pascal
eigentümlich ist; namentlich findet sich die grosse Klarheit, wie
in seinen anderen Schriften, nicht darin; aber manches erinnert
doch an Pascal, ja es sind sogar Stellen darin, welche sich
geradezu in den Pens^es wiederfinden. Weder Faugfere, noch
Vinet, noch Sainte - Beuve • haben daher gezögert, ihn als den
Verfasser derselben zu betrachten. Wir führen hier den Anfang
der Schrift an: ^Der Mensch ist geschaffen um zu denken, was
er keinen Augenblick unterlassen kann. Aber das reine Denken,
welches ihn glücklich machen würde, falls er im Stande wäre,
sich ihm beständig hinzugeben, widerstreitet ihm und beugt ihn
nieder. In ein solch einförmiges Leben kann er sich nicht
finden; er fühlt einen Trieb zur Bewegung und Handlung; mit
anderen Worten, er muss notwendigerweise zuweilen von den
Leidenschaften in Bewegung gesetzt werden, deren lebendige
und tiefe Quellen er in seinem Herzen fühlt".
„Die Leidenschaften, welche sich am besten für den Menschen
eignen und manche andere in sich schliessen, sind die Liebe
und der Ehrgeiz. Obgleich sie nur wenig mit einander zu thun
^) Recueil d'ütrecht, d. 257.
224 Thor Sundby
haben, vereinigt man sie doch ziemlich oft; aber sie schwächen,
um nicht zu sagen vernichten sich gegenseitig."
„Wie umfassend auch jemandes Geist sein mag, es kann
doch nur eine starke Leidenschaft darin Platz finden; wenn da-
her Liebe und Ehrgeiz im Vereine herrschen, sind sie kaum halb
so heftig, als wenn jede für sich herrschen würde. Das Alter
hat keinen Einfluss darauf, wann diese beiden Leidenschaften
beginnen, oder wann sie aufhören; sie entstehen in frühester
Jugend und dauern häufig bis zum Grabe fort. Da sie viel Energie
voraussetzen, ist die Jugend jedoch fähiger, sie bei sich zu nähren,
als das Alter; auch scheinen sie mit den Jahren abzunehmen^ das
ist jedoch nur sehr selten der Fall."
„Das menschliche Leben ist elendiglich kurz. Man rechnet
seinen Beginn von dem Eintritt des Menschen in die Welt; ich
für meine Person bin aber geneigt, es erst von dem Eintritt der
Vernunft ab zu rechnen, von der Zeit ab, wo man beginnt, von
der Vernunft durchdrungen zu werden, was im ^allgemeinen nicht
vor dem 20. Jahre stattfindet. Vor dieser Zeit ist man ein Kind,
und ein Kind ist noch kein Mensch."
„Wie glücklich ist nicht ein Leben, welches mit der Liebe
beginnt und mit dem Ehrgeize endet! Wofern die Wahl bei
mir stände, würde ich ein solches wählen. So lange man Feuer
im Herzen hat, ist man liebenswürdig; wird es vernichtet oder
verschwindet es, ein wie grosser und schöner Spielraum bleibt
da nicht für den Ehrgeiz zurück! Dieses bewegte Leben spricht
die grossen Geister an, die mittelmässigen finden kein Ver-
gnügen daran; sie sind in allen Dingen Maschinen. Wenn daher
jemandes Leben mit der Liebe und -dem Ehrgeize beginnt und
endet, ist er so glücklich, als er gemäss der menschlichen Natur
sein kann."
Es ist klar, dass Pascal, da er dies schrieb (1652 — 53),
nicht sehr stark von der Religion angezogen wurde^ aber an-
dererseits ist es auch gewiss, dass die Reinheit und Keuschheit,
welche in dieser beredten Verteidigung der Leidenschaften
herrschen, ihm keine Schande bringen können, wenngleich die
Anschauungen, welche er hierin ausspricht, nicht mit dem Ur-
teile in Einklang stehen, welches er später über den Ehestand
fällte, ,,da6S derselbe der gefährlichste und niedrigste im Christen-
tum sei".^) Es ist jedoch nicht der Schatten eines Grundes
^) Dieses urteil über den Ehestand findet sich in einem Briefe,
welchen Pascal 1659 an seine Schwester, Mme Parier, schrieb, von wel-
chem uns jedoch nur ein Auszug erhalten ist. Derselbe enthält eigent-
lich nur eine Wiedergabe des Bedenkens, welches Singlin, de Saci und
de Rebours gelegentlich eines Heiratsantrages ausgesprochen hatten,
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 225
vorhanden, um mit Cousin^) höhnisch darüber zu lächeln, dass
Pascal in Descartes* Weise geliebt habe , oder um an Ovid*s
Amatoria zu erinnern. Es ist jedoch selbstverständlich kein
Wunder; dass die Entdeckung dieser Schrift zu Behauptungen
geführt hat, die viel zu weit gingen.
Früher hatte man sich nämlich daran gewöhnt, Pascal als
einen Mann anzusehen, dessen Herz gegen den Einüuss der Liebe
durchaus gepanzert war, eine Anschauung, welche nach unserer
Ansicht im Widerspruch mit einem seiner Gedanken steht (XXIV,
64), der geradezu darauf hinzuweisen scheint, dass er sich wegen
seiner Empfänglichkeit für die Liebe ängstigte: „Alle grossarti-
gen Zerstreuungen sind dem christlichem Leben gefährlich: unter
allen aber, welche die Welt erfunden hat, ist keine mehr zu
fürchten als das Schauspiel. Denn dieses ist eine so natürliche
und so feine Darstellung der Leidenschaften, dass es dieselben
in unserm Herzen weckt und erregt. Vor allem gilt dieses von
der Liebe, besonders wenn sie sehr keusch und anständig darge-
stellt wird. Je unschuldiger sie den unschuldigen Seelen er-
scheint, desto leichter werden diese davon ergriffen. Ihre Hef-
tigkeit gefällt unserer Eigenliebe, die sogleich wünscht, die-
selben Wirkungen zu erzielen, welche wir so schön dargestellt
sehen; und ausserdem liegt in der Ehrbarkeit der dargestellten
Gefühle eine Beruhigung, welche die Furcht reiner Seelen er-
stickt, indem in diesen der Gedanke entsteht, dass es nicht
die Reinheit verletzen heisst, in so besonnener Weise zu lieben.
So geht man aus dem Schauspiele fort, das Herz voll von der
Schönheit und Süssigkeit der Liebe, im Geist und Gemüt so von
ihrer Unschuld überzeugt, dass man ganz bereit ist, ihre ersten
Eindrücke zu empfangen, oder vielmehr die Gelegenheit zu suchen,
sie in einem andern Herzen zu wecken, um dieselben Freuden
zu gemessen, und dieselben Opfer auf sich zu nehmen, welche
man im Theater so schön hat darstellen sehen.^^
Als man erst so weit gekommen war, einzuräumen, dass
Pascal geliebt habe, suchte man nach dem Gegenstande seiner
Leidenschaft, welcher vermutlich zu der erwähnten Schrift die
Veranlassung gegeben habe. Faugere denkt an Charlotte Gouf-
fier de Roannez, Schwester des mehrfach genannten Herzogs, an
welchen M»«« parier für ihre 15jährige Tochter Jacqueline erhalten
hatte. Es scheint jedoch wahrscheinlich zu sein, dass Pascal die Mei-
nung der genannten Männer teilte. Pens^es de Pascal. Edition Fau-
gere. Paris 1844. I. p. 55.
^) Cousin: 6tudes sur Pascal. V« £d. p. 475, 476, 483.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VIi- jg
220 Thor Smulhy
welche Pascal eine Reihe Briefe schrieb, die jedoch alle streng
religiös gehalten sind. Es kommen nun allerdings in der Schrift
„Über die Liebe" Hindeutongen auf Standesunterschiede vor,
welche hierfür zu sprechen scheinen; ein Umstand jedoch macht
diese Vermutung minder wahrscheinlich. Es ist uns nämlich
überliefert,^) dass Pascal in dieser Zeit daran dachte, sicli ein
Amt zu kaufen und zu heiraten; obschon Pascal nun aber eine an-
gesehene Stellung in der Gesellschaft einnahm, war doch eine
Heirat zwischen ihm und einer Herzogstochter nach damaliger An-
schauung nicht leicht denkbar, um so weniger, als er, wie seine
Schwester ausdrücklich bemerkt, kein sehr grosses Vermögen
besass. Letzteres hat man dennoch aus dem Umstände herleiten
wollen, dass er einmal mit sechs Pferden fuhr. Als Pascal näni-
lieh, so wird erzählt, im Oktober 1654 auf einer Spazierfahrt
über die Brücke von Neuilly^) kam, deren Geländer zerbrochen
war, wurden die Pferde scheu und würden unzweifelhaft den
Wagen in die Seine hinabgezogen haben, wenn nicht die Stränge
gerissen wären, sodass nur die vordersten Pferde in die Fluten
stürzten, während die Stangenpferde mit dem Wagen am Rande
der Brücke stehen blieben. Es ist jedoch nicht daran zu zwei-
feln, dass der von Pascal benutzte Wagen, wofern derselbe mit
Sechsen fuhr, dem Herzoge von Roannez gehörte; denn ein
solcher Luxus würde, selbst wenn Pascal die Mittel dazu gehabt
hätte, wider die Etikette des 17. Jahrhunderts gewesen sein.
Nach der Meinung vieler hat diese Begebenheit den Um-
schwung in Pascars Leben hervorgerufen, welcher im Jahre 1654
erfolgte und gewöhnlich seine „zweite Bekehrung" genannt wird.
Obgleich diese Ansicht wider W^^ P6rier's Auffassung verstösst,
dass nämlich Jacqueline den Umschlag bewirkt habe, ist es doch
nicht unwahrscheinlich, dass der erschütternde Vorfall eine mit-
wirkende Ursache zu demselben gewesen sei. Wenn ein Mensch
so plötzlich dem Tode von Angesicht zu Angesicht gegenüber-
steht, macht das sehr häufig einen tiefen Eindruck auf ihn. Es
ist bekannt, dass M"ae Krüdener, welche durch ihre Valerie
^) Recueil d*ütrecht, p. 258. Cfr. A. Gagier, Le roman de Pas-
cal (Rev. pol. et litt., 24. Nov. 1877).
*) Recueil d'Ütrecht, p. 258. Cf. auch Jean Guerrier's (f 1731)
Aufzeichnungen nach einer anonymen Handschrift in „Lettres, opus-
cules etc.", p. 470. Pater Guerrier, welcher mit Pascal verwandt war
dessen Schwestertochter, Marguerite Parier, er gekannt hatte, muss
die Erzählung wohl für wahr gehalten haben. Sie ward zuerst von
Bossut in den „(Euvres de P.", 1779, Einleitung, niedergeschrieben.
Wahrscheinlich hat er ein nun verschwundenes Dokument benutzt.
Cf. Pens^es de P., Ed. Faug^re. I. p. XVI., Anm.
liUdsc P{iscaL sein Kamff gegen die Jesuiten etc, 227
n, wenn auch nur geringen Platz in der französischen Litte-
*ur einnimmt, ihr mehr als weltliches Leben plötzlich aufgab,
"\ (iner ihrer Anbeter tot niederstürzte, als er an ihrem Fenster
vorbeiging und zu ihr hinaufgrüsste/)
Man hat übrigens der vermuteten Erschütterung noch eine
andere Wirkung zugeschrieben. Voltaire, welcher wiederholt
Pascal's „Gedanken" Träume eines kranken Mannes nennt und
sie gern für das Werk eines Verrückten erklären möchte, be-
hauptete in einem Briefe vom 1. Juni 1738 an den holländischen
Gelehrten 's Gravesande, dass PascaVs Verstand durch diese
Begebenheit zerrüttet worden sei. Er beruft sich dafür auf
Leibnitz, welcher jedoch Pascal nicht persönlich kannte und
überdies nur gesagt hat (Leibnitiana), dass er in seiner Religio-
sität „skrupulös bis zum Wahnsinn" geworden sei. Worauf Vol-
taire sich eigentlich stützte, war vielmehr die übrigens gänzlich
unbeweisbare Behauptung des Abb6 Boileau,*) dessen Briefe 1737
herauskamen, dass Pascal beständig zu seiner Linken einen Ab-
grund sähe, so dass er, nm sich zu beruhigen, immer einen
Stuhl oder dergleichen auf diese Seite stellen müsse.
Diese Erzählung, welche erst 75 Jahre nach Pascal's Tode
auftauchte, als alle gestorben waren, welche hierüber Zeugnis
hätten ablegen können, wurde von dem Abb6 vorgebracht, um
eine hysterische Dame in ihrer Krankheit zu trösten. Sie ist
auch von dem Arzte und Philosophen La Mettrie,^) dem Freunde
Friedrich's des Grossen, benutzt worden, der zuerst ein eifriger
Jansenist war, um dann ein krasser Materialist zu werden. In
seinem Buche „L'Homme machine" ruft er aus: „Welche ge-
waltige Wirkung der Einbildungskraft oder einer eigentümlichen
Circulation auf einen Gehimlappen! Er war ein grosser Mann
auf der einen Seite und halbverrückt auf der anderen ! Wahnsinn
und Weisheit hatten beide ihre Seite . , . Durch welche Seite
war er so innig mit den Herren in Port- Royal verknüpft?" Man
kann sich die Antwort leicht denken.
Während Condorcet sich mit einer Ausgabe der Pens6es
beschäftigte, legte Voltaire ihm ans Herz,^) dass er nicht müde
werden dürfe zu wiederholen, dass Pascal's Gehirn seit der Be-
gebenheit auf der Brücke von Neuilly zerrüttet gewesen sei.
Also ein überlegter Plan! In Condorcet's sogenannter Lobrede
^) Vie de Mme de Krudener, par Ch. Einard. Paris 1849. I. p. 151.
2) Boileau: Lettres sur diffärents siijets de morale et de piti^.
1737. L p. 206 f.
') (Euvres philosophiques ; Londres 1751. 4^ p. 46, Anm.
*) Cf. Vinet: fitudes sur Pascal. IJe fid. p. Ö.
15
228 TJwf Snndhf
auf Pascal (1776) findet man nun auch eine Andeutung hiervon
zugleich mit einer Erwähnung des eingebildeten Abgrundes.
Condorcet hat auch — zum ersten Male in einer Ausgabe*) der
Pens6es — zum Spotte einen Zettel mitgeteilt, den man bei
FascaFs Tode in seiner Kleidung eingenäht fand, und welchen
Condorcet sein „Amulett^ nannte. Dieses Blatt bekundet, dass
Pascal am 23. November 1654 sich in einer starken religiösen
Erregung befand; zum Andenken hieran hatte er eine Reihe ab-
gebrochener Sätze auf ein Stück Papier geworfen, welches er
immer bei sich zu tragen wünschte. Man mag hierüber urteilen,
wie man will; dass er aber den Zettel als ein Amulett betrachtet
habe, ist eine Erfindung von Leuten, welche wahrscheinlich zum
Andenken an einen weit weniger ergreifenden Augenblick ihres
Lebens Verlobungsringe, Haarlocken, Porträts u. dgl. tragen, die sie
doch wohl nicht für Amulette halten. Man ist noch weiter ge-
gangen. Man hat behauptet, dass Pascal bei dieser Gelegenheit
eine Vision^) gehabt habe, obschon weder er selbst noch irgend
jemand, der es wissen könnte, irgendwie ein Wort darüber ge-
äussert hat.
Auf diese unsichern und durchaus unbeweisbaren Data
gründet man so eine Wahnsinnserklärung. Übrigens ist es weder
das erste noch das letzte Mal, dass gegen einen Mann, welcher
das Christentum mit grösserem Ernste als die Menge auffasste,
eine solche Beschuldigung ausgesprochen wird. Wenn man offen
und ehrlich ist, mag man seine Unsicherheit bezüglich des Chris-
tentums zugestehen, oder, wenn man dasselbe als ein Ärgernis
oder als eine Thorheit ansieht, so mag man sich wider dasselbe
erklären; aber diejenigen in das Irrenhaus zu verweisen, welche
von den Forderungen des Christentums nicht ablassen wollen,
das zeugt doch wohl nicht von irgend welcher geistigen Über-
legenheit.
In der neueren Zeit hat namentlich der Irrenarzt L61ut,^)
*) Froher gedruckt in: Recaeil d*ütrecht, p. 259.
^) Recueil d'Utrecht, p. 258: „Eine Vision, welche er übrigens
niemandem mitgeteilt hat, ausser vielleicht seinem Beichtvater." —
Man hat sich auch auf einen Brief Brienne's an M»ne Parier stützen
wollen, worin der Schreiber dem Worte Feu eine solche Bedeutung
beilegt, obwohl es nur eine lebhafte Erregung oder eine glühende An-
dacht bezeichnen soll. Pens^es de P. lild. Faug^re. I. p. 398. — Es
ist merkwürdig genug, dass es keine medizinische Abhandlung über
Descartes* Vision gibt, welche doch eine Reform der Philosophie her-
beiführte und ihn zu einer Wallfahrt nach Loretto veranlasste.
3) L^lut: L*Amulette de Pascal, p. VII und Du D^mon de So-
crate. Paris 1836.
//, sein A'anipf gegen die Jesuiten etc. 229
•ites als von einer fixen Idee beherrscht an-
lich nachzuweisen gesucht, dass PascaPs Ge-
vcsen sei. Da jedoch nicht bloss die Lettres
mIcih auch wissenschaftliche Arbeiten von hoher
la Roulette, die Radlinie (Cycloide) 1658 — nach
..kte^) entstanden sind, hat er notwendigerweise
-111^^' einschränken müssen, und lässt sie nur nach
hin gelten: Pascal sei nur Hallucinationen , also
.11- en unterworfen gewesen, und übrigens sei seine
it Ursache seiner Religiosität und seines asketischen
vt'son.
s dies wird dargestellt als ein Beweis, dass PascaFs
t absoluter Notwendigkeit eine solche Richtung nehmen
<)l)sclion diese Annahme doch wohl in starkem Wider-
/u Lelut's Verwerfung der Prädestination steht.
Wie wir bereits erwähnt haben, bewirkte nach Mine Pe-
- 1 .iziililiing Jacqueline PascaVs zweite Bekehrung. Sie hatte
lui.uitliorlich bestrebt, ihren Bruder von dem weltlichen Le-
■ liwzuieissen. In einem Briefe vom 8. Dezember 1654 schreibt
, (in SS er bereits seit einem Jahre von Weltverachtung erfüllt
>v<'>oii sei und einen fast unüberwindlichen Abscheu gegen
... .:ii(*li gesinnte Menschen gehegf habe. In einem andern Briefe
11 1^5. Januar 1655 erzählt sie, dass ihre Bestrebungen schon
i September 1654 (also vor dem Vorfalle auf der Brücke und
. <»r doY Amulettaflfäre) sehr erfolgreich ausfielen, und dass er sich
. n s. Dezember an Singlin als an seinen Seelsorger wandte.
'^.( ses geschah gerade am 14. Jahrestage der Krönung Jacque-
line's auf dem Sängerfeste zu Ronen.
Unmittelbar nach einer Predigt Singlin's über den Anfang
zu einem christlichen Leben fasste Pascal seinen Entschluss,^)
man kann wohl nicht bloss sagen Christ zu werden, sondern
iX'dnz mit der Welt zu brechen. Antoine Singlin, Saint - Cyran's
Nachfolger in der Seelsorge zu Port-Royal, war ein ungelehrter
Mann, der so darüber erschrak, Pascal's geistliche Leitung auf
^) Dieses hindert jedoch Condorcet nicht, zu schreiben: Es ist
ein grosser Abstand des Amuletts von der Abhandlung über die Cy-
cloide ; nichts scheint uns geeigneter, zu erkl'ären, wie es möglich war,
(liiss alle die Gedanken, welche man in PascaVs Papieren fand, aus
demselben Kopfe entspringen konnten. Der Verfasser der Cycloide
hat einiges davon geschrieben, das übrige ist von dem Verfasser des
Amuletts. Pensäes de P. avec les notes de Voltaire. Londres 1785.
I. p. 29 und 32.
'^) Recueil d'Utrecht, p. 261 ff. — Faugere: Lettres, opusculea
etc., p. 453 und 361 ff.
230 Thor Sundby
sich zu nehmen, dass er dieselbe Jacqueline übertrug und sich
nach Port-Royal des Champs begab, indem er dem berühm-
ten Büsser ausdrücklich untersagte, ihm zu folgen. Kurz darauf
verliess Pascal jedoch Paris, um sich der Gesellschaft Roannez'
und seiner Freunde zu entziehen; er begab sich auf das Schloss
Vaumurier, welches dem Herzoge von Luynes gehörte, und bald
darauf zu dem naheliegenden Port-Royal des Champs. Hier
stellte er sich unter Le Maistre de Saci's Leitung. Dieser Mann
(1613 — 84), der Schwestersohn Arnauld's (sein häufig gebrauch-
ter Zuname de Saci ist nur eine Umschreibung seines Vornamens
Isaac), war auf Grund seines ruhigen, ernsten Charakters dazu
ausersehen worden, nicht bloss für die „Einsiedler" Seelsorger zu
sein, sondern auch für einen Teil der Nonnen, welche aus dem
Kloster zu Paris ausgezogen waren und in einem besonderen
Gebäude eine Filiale desselben eingerichtet hatten.
Die Nachricht über das erste Gespräch de Saci's mit Pas-
cal verdanken wir Fontaine, dem Sekretär de Saci's. Nur im
Vertrauen auf die Schrift und die Kirchenväter durfte sich der
Seelsorger mit Pascal einlassen. Dieser entwickelte im Ge-
spräche die Grundlage seiner Auffassung von dem Wesen des
Menschen und seinem Verhalten zur Religion. Indem er Epiktet
und Montaigne einander gegenüberstellt, zeigt er die Hoheit, welche
in der stoischen Auffassung des Menschen liegt, und die Armselig-
keit und Ohnmacht desselben nach der epikuräisch - skeptischen
Anschauung. Die eine Auffassung führt zur Einbildung und zum
Übermut, die andere zur Selbstverachtung und Feigheit. Nur
im Christentume können sich diese Gegensätze vereinigen, sonst
müssen Glaube und Zweifel beständig mit einander im Kampfe
liegen. Des Menschen doppelte Natur, seine Grösse und sein
Elend, kann nur durch die christliche Lehre vom Sündenfall
erklärt werden. Obschon nun Epiktet wie Montaigne nur je eine
Seite hervorheben, sind beide doch vorzüglich geeignet, der eine
um uns vom Äusserlichen loszureissen, der andere um uns von un-
serer Unfähigkeit zu überzeugen, durch eigene Kraft, nur mit Hilfe
des Verstandes zu der Erkenntnis der absoluten Wahrheit zu
gelangen. Wiewohl de Saci meinte, dass das Lesen dieser
Autoren wohl nicht so leicht andere als Pascal zum Christentum
führen würde, fühlte er sich doch von dem Umstände betroffen,
dass Pascal, welcher die Kirchenväter nicht gelesen hatte, auf
diesem Wege zu demselben Resultate gekommen war, wie sie.
Er bewunderte auch die Art und Weise, wie Pascal in kurzen
kräftigen Zügen Montaigne schilderte, so dass er hieraus den-
selben besser kennen lernte, als wenn er ihn lange studiert
hätte. Übrigens führt de Saci natürlich Augustinus als
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten eic, 231
ampfgenossen ins Feld, aber so ruhig und besonnen,
ausserordentlich interessant ist, gegenüber PascaFs
ng seines Lieblingsschriftstellers diese ruhigen Bemer-
zii lesen. Wesentlich jedoch knüpft sich unser Interesse
l's leidenschaftliche Äusserungen, welche selbst der ge-
Fontaine in seiner besonnenen Darstellung nicht voll-
abzuschwächen vermocht hat. Wie charakteristisch ist
1 Ausruf wie dieser: „Ich gestehe Ihnen, dass ich nur
ude sehen kann, wie bei Montaigne die hochmütige Ver-
) unwiderstehlich durch ihre eigenen Waffen geschlagen
wie mich auch diese gewaltsame Erhebung des Menschen
it'u Menschen freut Von der Gemeinschaft mit Gott,
r Mensch sich durch seine Grundsätze erhob, schliesst
>^e Empörung aus und erniedrigt ihn zum Tiere, Von
Herzen würde ich Montaigne, das Werkzeug dieser gross-
liache, geliebt haben, weil er, der bezüglich des Glau-
11 Anhänger der Kirche war, auch die Gesetze der Moral
und die Menschen, welche er so heilsam gedemütigt
'azu vermocht hat, nicht durch neue Sünden den zu er-
welcher allein von der Sünde lossprechen kann, gleich-
sie auch überzeugt hat, dass sie die Sünde nicht einmal
können."
»iitaine schliesst seinen Bericht über diese Unterredung
. r Schilderung der Freude, welche PascaFs Bekehrung
Koyal erregte. Dieselbe zog bald andere nach sich;
/v>g von Roannez und Domat, beide PascaFs Freunde,
1 sich ebenfalls. 1) Roannez (1630 — 1696), der letzte
Spross seines Hauses, war damals erst 24 Jahre alt.
dem er mit Port -Royal in Verbindung getreten war,
Scliritte, um eine Heirat zwischen ihm und der „reich-
' des Landes", MUe de Menüs, zu Stande zu bringen.
lull eine abschlägige Antwort, was bei seinen Ver-
•"A Bedienten eine starke Erbitterung gegen Pascal
Dieser wohnte damals gerade in Roannez' Palais zu
Mi'mals seinen ständigen Aufenthalt zu Port-Royal nahm.
'S begab sich die Frau eines Schweizers (Pförtners) mit
< l)ewaffnet, zu ihm, um ihn zu ermorden; er enl^ing
liache, da er an dem Tage zufällig früh ausgegangen
<ie er genötigt, dieses Haus zu verlassen; aber
e dadurch nicht geneigter, seine Ehelosigkeit auf-
luilim später seinen Aufenthalt bei den Oratoria-
■ITtrecht, p. 272, Anm.
232 Thor Sundby
nern; seine Schwester/) welche 1656 unter seinem und PascaFs
Einfluss daran dachte, Nonne zu werden, heiratete 1667 Fran-
gois d'Aubusson de la Feuillade, auf welchen sie die Pairswürde
übertrug.
Domat (1625-96), ein Mathematiker und Rechtsgelehrter,
hat vorn in sein corpus juris mit Rotstift ein hübsches Bild von
Pascal gezeichnet, welches in Faug^re's Ausgabe der Pensees
wiedergegeben ist Es ist vermutlich 1648, als Pascal 25 Jahr
war, entstanden,') und bildet mit seinem jugendlichen, fast
kindlichen Gepräge einen merkwürdigen Gegensatz zu dem be-
kannteren Porträt, dessen ernste, ja sorgenvolle Züge andeu-
ten, dass es mindestens 10 Jahre später entstanden ist Dieses
letztere, welches von Edelinck nach einem erst nach Pascal's
Tode gemalten Bilde gestochen ist, soll jedoch einem Zeugnisse
der Marguerite Parier zufolge sehr gut getroffen sein. Obgleich
Domat's Grossonkel, der gelehrte Jesuit Jacques Sirmond, Lud-
wig's XIII. Beichtvater, den Neffen in dem Jesuitenkolleg zu
Paris hatte erziehen lassen, blieb derselbe doch beständig ein
Freund PascaFs und ein Anhänger von Port -Royal,
Mit diesen beiden Freunden blieb Pascal im Verkehr; im
übrigen aber scheint er zu dieser Zeit sich von dem Umgang
mit seinen früheren Bekannten zurückgezogen zu haben. Er
führte nicht bloss ein stilles, einsames und dürftiges Leben,
sondern fand auch Befriedigung darin, sich selbst gewissen Dienst-
leistungen zu unterziehen, wie etwa sein Bett zu machen und
sein Essen aus der Küche zu holen. Seine Gleichgiltigkeit ge-
gen alles Äusserliche ging bis zum Extrem. Ein Brief seiner
Schwester,') in welchem diese sonst so ernsthafte Nonne darüber
scherzt^ „dass er die Besen zu den überflüssigen Dingen rechne^',
und ihm rät, für seine Person etwas mehr zu sorgen, bewirkte
jedoch eine Änderung hierin. Die meiste Zeit brachte er damit
zu, die Bibel wieder und wieder zu lesen. Ihre Worte prägte
er sich derartig ein, dass er eine Kenntnis der heiligen Schrift
erlangte, wie sie selbst bei den Geistlichen jener Zeit selten
war. Lange jedoch konnte diese ruhige Beschäftigung nicht
währen. Der Lauf der Begebenheiten riss ihn aus dem stillen
Hafen der Betrachtung, um ihn auf das brausende Meer der Po-
lemik zu schleudern, ehe er sich dessen versah. Aber auch
hier befand er sich in seinem Element; des Kampfes Lust
und Leben war fttr sein leidenschaftliches Gemüt nicht ohne
*) Becueil d'Utrecht, p. 801, Anm.
2) Faugöre: Pens^es de P., p. LXXIl f.
*) Faugere: Lettres, opuscules etc., p. 374.
BUüse Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiieti eic 233
Reiz. „Es ist ein Vergnügen," sagt er in den Pensöes XXIV,
31, 6d. Faugfere, I, 324, „sich am Bord eines sturmbewegten
Schiffes zu befinden, wenn man sicher ist, dass es nicht unter-
gehen wird. Die Verfolgungen, deren Gegenstand die Kirche
ist, bieten eine solche Befriedigung." Die Zeit eignete sich wohl
dazu, ihm diese Befriedigung zu verschaffen.
(Fortsetzung folgt.)
Thor Sündby.
Zu dem französischen Wörterbuch von Sachs.')
Die im Folgenden angeführten Citate sind zum tiberwie-
genden Teile dem „Petit Jouraal" entnommen, welches in Paris
täglich in einer Auflage von 720000 — 730000 Exemplaren er-
scheint. Vgl. Le Petit Journal, 12 janvier 1884: „Le tirage du
Petit Journal ayant d^passe d'une maniöre que Ton peut croire
definitive, le chiffre de 720000 exemplaires par jour, varie
de ce chiffre ä 730000" und Grand Almanach niustr6 du
Petit Journal, 1884, pag. 8: „Le tirage moyen en 1882 a 6t6
de 664927 exemplaires contre 629651 en 1881. Pendant les
six Premiers mois de 1883, il s'est 61eve ä 701125 par jour;
celui de la mßme p6riode en 1882 n'avait 6t6 que de 651112
exemplaires." Ich bediene mich der Abkürzung P. J. = Le
Petit Journal, gebe das Datum der Nummer, die Überschrift des
Artikels und in () entweder den Namen des Verfassers oder
eine den Ursprung des Artikels betreffende Notiz. Die im
Feuilleton erscheinenden Romane sind mit ihrem vollen Titel
angeführt.
L Wörter, welche bei Sachs fehlen:
adaptateur = Jemand, der etwas für einen bestimmten Zweck zu-
recht macht. — M. Georges Ohnet, auteur du Maitre de Forges, vient
d'adresser la lettre suivante au directeur du Journal anglais, The Era, :
Monsieur, Un des lecteurs de votre estimable Journal vous adresse une
lettre dans laquelle il vous demande si je n'aurais pas tir^ mon roman
et ma piöce, le Maitre de Forges, d'une oeuvre de M. Bachanan, in-
titul^e; Lady Cläre, et jouöe il y a quelques mois ä Londres . . . Ayant
ätä adapt^, suivant Teuphämisme dälicat en usage dans la maison
Buchanan and C^, je m'^tais räsi^nä. Mais accus^ d'Stre un adapta-
teur, cette fois je me r^volte et ]e demande qu'on laisse ä chacun ce
qui lui appartient: a moi le petit m^rite d'avoir fait le Maitre de
Forges; ä M. Buchanan le grand avantage d'y avoir promen^ sa bonne
*) Grosse Ausgabe; 4. Aufl., 1883.
B. Über, Zu dem franz. Wörkrhuehe von Sachs. 235
■■x ix!
- P. J. 8 janv. 1884. Lettres, sciences et arts. —
. •(• ili's anjourd*hui utiliser toutes les forces naturelles, spä-
■ .<> «hiites d'eau, etc., sans autres frais sensibles que deux
~ cl\ iiiiiuo -^lectriques rdunies par deux fils mätalliques pour
.' couv!^ d'eau muni de turbines ou de roues hydrauliques . . .
I. fus ])aysages, qu'egayent des chutes d'eau, perdront de leur gran-
r et de leur poesie; mais, h^las! avant tout, ilfautvivre; Thomme
1- vicndra t'atalement, et de plus en plus, un adaptateur de la nature.
— V. J. 24 janv. 1884. L'älectricitö motrice. — Fehlt bei Acad^mie
und Littre.
a(jisse7nenis pl. = Gebahren. Vgl. diese Zeitschrift V^*, p. 51.*)
— Apres quelques affaires peu importantes, le conseil entend une
qupstion de M. Monteil, au sujet de nombreuses plaintes qui se sont
elevees contre les agissements abusifs de la compagnie fermi^re des
eaux de la Ville. — r. J. 5 d^c. 1883. Conseil municipal de Paris. —
M. Vauthier signale les agissements d'une compagnie de distribution
d'eau qui traite directement avec les consommateurs, et qui, une fois
les engagements sonscrits, augmente indüment ses tarifs. — P. J.
7 ddc. 1883. Cons. municip. de Paris. — Fehlt Acad.; Littrö: Supple-
ment: agissement, s. m. Terme de palais. Mani^re de faire.
alpinisie = Alpensteiger. — Le col de la Traversetta, oü arri-
verent les hardis alpinistes, est un vallon situä au Nord. — P. J. 4 janv.
1884. fitranger. — Fehlt bei Acad.; Littr^, Suppl.: alpiniste s. m.
Celui qui pratiqne Tascension des montagnes des Alpes.
amel = Emir, Scheik? — Le ministre de la guerre a re^u d*Oran
une d^p^che annon^ant que le gän^ral Thomassin, escortä par une forte
colonne sous les ordres du g^n^ral de brigade Gand, s'est rencontr^ le
25 janvier a Sidi Saher avec Tamel d'Oudjda. Le g^nöral Thomassin
a obtenu de ce personnage qu*il emploierait son influence k la pacifi-
cation definitive de la rögion oranaise. -• P. J. 3 f^v. 1884. Derniöres
nouvelles. — Fehlt bei Acad. und Littr^. Es ist wohl ein arabisches
Wort und bezeichnet offenbar einen geistlichen (oder weltlichen?)
W ürdenträger.
amorce = Anfang. — Daniel Coalquin pointa vers le grand corps
de legis, relie ä la rue de la Fontaine par une all^e ä cintre de pierres.
A Tamorce de ce couloir voüte Claude .Morel s'ötait s^par^ de Robert
Gärad. — P. J. 16 mars 1884. A.-J. Dalsöme: La Folie de Claude. —
Cf. Acad. amorce. II se dit, en termes des Ponts et Chauss^es, d'une
route, d'une rue commencäe ä Tune de ses extr^mitäs.
amorcer (se) = anfangen, sich entspinnen, sich ansetzen. —
Apr^s la discussion des paragraphes relatifs ä la nomination des in-
stituteurs . . . la discussion ne peut plus ofirir que de rares äldments
d*intär6t. Un d^bat tout juridique s*(^tait amorc^ sur Tarticle 18 du
projet de toi . . . — P. J. 13 mars 1884. Chambre des däputäs. —
Entre son chevet et ce mur de cloture regne une streite cour plant^e.
Des cours pareilles s'armorcent ä la fa^ade du nord. — P. J. 21 mars
1884. A.-J. Dalseme: La Folie de Claude.
ante'prece'deni , e = (an zweiter Stelle) vorhergehend, so dass
*) Von demselben Worte sagt bereits Darmesteter, De la cr^-
ation actuelle de mots nouveaux dans la langue fran9aise et des lois
qui la r^gissent. Paris 1877, S. 96: „S'emploie surtout au pluriel: ^Les
agissements de cet homme* selon M. F. Wey (Remarques sur la langue
fran9aise II, 93), ce mot est du k M. Billaud." E. K.
236 ß. über
also le jour ant^pr^cödent = Tavant-veille ist. (Vgl. ant^pänultieme).
— Le budget de 1883 et celui de 1884 furent pr^paräs dans cet esprit:
les recettes, au lieu d'etre inscrites, comme autrefois, en reprenant
simplement les chifPres räalis^s Tannäe antö-präc^dente, furent calcu-
l^es Bur le pied des räsultats obtenus au cours de Texercice äcoul^,
augmeut^es de la moyenne des plus-values offertes par les cinq der-
niers exercices. — P. J. 26 oct. 1883. L'amortissement (Thomas Grimm).
— Fehlt Acad. und Littr^.
antivivisectionniste = gegen die Vivisektion. — Les promoteurs
de la Ligue anti-vivisectionniste ... — P. J. 31 juill. 1883. — Fehlt
Acad. und Littr^.
antisemite und antkemitique = Antisemit und antisemitisch. —
Troubles antis^mistiques. Vienne, 7 aoüt. Des d^pSches reines de
Buda-Pesth par les journaux de Vienne annoncent que des troubles
antis^mitiques ont eu lieu ä Zalaegerszeg ... On assure que les anti-
sämites ont faii> d'horribles dägäts dans les maisons des Isra^lites. —
P. J. 29 aoüt 1883. fitranger. — Troubles antisömitiques. Vienne,
30 aoüt. De nouvelles ^meutes antisämitiques ont ^clat^ dans le comtat
de Zala. — P. J. 2 sept. 1883. fitranger. — Ähnliche Depeschen stehen
in den Nummern vom 4. und 5. Sept. 1883. — Fehlt Acad. u. Litträ.
apicole = auf die Bienenzucht bezüglich. — Le Congrös apicole.
Voilä pourquoi a 6t6 organisä le congres apicole de 1883 .. . dans un
congrös apicole ... — P. J. 19 juill. 1883. — Fehlt Acad.; Littre SuppL:
Qui a rapport ä l'apiculture.
w^chidemode, e = ganz und gar aus der Mode gekommen. —
[La piäce] appartient ä la catägorie des opärettes ä outrance qui eurent
leur heure de vogue vers 1865, au temps de la Belle H^läne, aujourd'hui
archi-dämod^es. — P J. 1 oct. 1883. Premieres repräsentations (L^on
Kerst). — Fehlt Acad. u. Litträ.
archimiUionnaire = vielfacher Millionnär. — Vous figurez-vous
que les agents de la pr^fecture s'occuperont de moi quand je serai
archimillionnaire? — P. J. 15 avril 1883. Xavier de Montäpin: Simone
et Marie. — Depuis plusieurs ann^es une grande dame, archi-million-
naire, M^e Nathaniel de Rothschild ... — P. J. 15 sept. 1883. — Mon-
sieur Joramie est un des personnages politiques et financiers les plus
en vue de Paris. Pour ne pas connaitre ce nom d'un archi-million-
naire il faudrait avoir toujours vöcu au Congo ... — P. J. 6 döc. 1883.
E. Richebourg: La Petite Mionne. — On annonce Tarriväe, k Marseille,
du richissime Amäricain, M. William Astor, de New -York. Cet archi-
millionnaire jouit de 15 millions de revenu annuel, seit plus de 40000 fr.
par jour. — P. J. 12. janv. 1884. Petites Nouvelles. — Fehlt Acad.
u. Littr^.
arraisonnement = Anrufen eines Schiffes zu genauer Erforschung
seines verdächtigen Gesundheitszustandes. — Lorsqu'un navire suspect
se presente, il est „arraisonn^". L'arraisonnement consiste dans un
interrogatoire d^taillö ... — P. J. 4 juill. 1883. La quarantaine. —
Fehlt Acad.; Litträ, SuppL: Terme du langage sanitaire. Examen
soigneux d'un navire duquel on doute quant ä la santä.
arriere-pibce = Hinterzimmer. — Vienne, 10 janvier. Une gou-
vernante et deux jeunes enfants ^tant, aux cris d'appel, accourus d'une
arri^re-pi^ce, cette gouvemante et un des enfants ont ^t^ ä leur tour
griävement bless^s. — P. J. 13 janv. 1884. fitranger. — Fehlt Acad.
u. Litträ.
arroseur = Begiesser. — üne, temp§te ä Madrid. On lit dans
la Epoca du 16 septembre: „Une violente tempöte a öclatä hier soir,
Zu dem franz. Wörierlmch von Sachs. 237
ä Madrid, oü eile a cause de grands degäts. Dans le parc de Madrid,
un arroseur, qui s'^tait r^f ugi^ sous ,un arbre . . . a ^tä frappä par la
foudre ... — P. J. 20 sept. 1883. Etranger. — Fehlt Acad. u. Littrö.
arroyos plur. (Span.) = Gefliesse. — Le ministre de la marine vient
de rdpartir . . . les diffärents bätiments qui . . . seront plac^s sous les or-
dres de M. le contre-amiral Meyer . . .: ... I^esteront arm^s a Saigon et
dans les arroyos de la Basse-Cochinchine : stationnaire le Tilsitt ... —
P. J. 11 mai 1883. Commissions parlementaires. — La partie occiden-
tale du pays [la Cochinchine fran9aise] präsente un sol g^n^ralement
plat, trös peu ölevd et sillonn^ de tous cötds d'un nombre considörable
d'arroyos. — P. J. 15 janv. 1884. Les colonies fran^aises. — Fehlt
Acad. u. Littrö. — Die Bedeutung verdanke ich der Schlesischen Zei-
tung, No. 785, in 1883, welche ein Gitat bringt aus £niile Bägin: Über
die Gesundheit sverhältnisse in Cochinchina: „Cochinchinas Boden ist
ein vollständiges Schwemmland, also sehr feucht; die Stödte sind unter
einander durch zahlreiche Gefliesse (arroyos) verbunden, auf denen
sich ein zahlreicher Dschunkenverkehr bewegt".
atier = ?; Name eines Fruchtbaumes. — On cultive aussi dans
nos possessions un grand nombre d*arbres frutiers: bananier, citron-
nier, oranger, grenadier, pamplemoiissier, goyavier, papayer, vigne,
manguier, atier, etc. — P. J. 6 janv. 1884. Les colonies fran^aises. —
Fehlt Acad. u. Litträ.
auiocopisie = Autokopist, Selbstabschreiber. — Enorme succ^s!
L'autocopiste noir ou l'imprimerie chez soi. Cet appareil donne, sans
passe, 50 ä 100 reproductions en noir, d^une simple Venture ou dessin,
ä. Teuere ou au crayon, aussi helles qu*en lithographie. — P. J. 2 janv.
1884. Annonce. — Wiederholt am 31 janvier 1884. — Fehlt Acad.
u. Littr^.
hätiment-ecole = Schulschiff. — Le b&timent-6cole roumain la
Nircea doit se rendre prochainement ä Toulon et ä Alger. — P. J.
20 sept. 1883. — L'itinäraire des bätiments -Cooles de matelotage et
de timonerie la R^solue et la Favorite . . . a ^tö räglö ... — P. J.
12 oct. 1883. — Fehlt Acad. u. Littr^.
öelleinllois, e = zw Belleville (Kommune im Bezirk von Paris)
gehörig. — Peut-6tre . . . ne saurait-on faire reproche au däputä de
Bellevüle d'en avoir envisagö la suite au point de vue bellevillois. —
P. J. 30 janv. 1884. Les Solutions propos^es.*)
boiseur ouvrier - = Holzarbeiter. — ... tous deux ouvriers boi-
seurs ... — P. J. 30 juill. 1883. — Fehlt Acad. u. Litträ.
bonneteau = Kummelblättchen (Villatte: Parisismen). — ... les
joueurs de bonneteau ... — P. J. 18 mars 1883. — M. le prüfet de
police fait observer que le jeu de bonneteau ätant considär^ comme
une escroquerie et puni comme tel par le tribunal de police correc-
tionnelle, c^est au public k se tenir en garde et ä ne pas exposer son
argent. — P. J. 28 nov. 1883. Conseil gän^ral de la Seine. — Fehlt
Acad.; Littr^, Suppl.: Jeu de filou dans lequel is s^agit de deviner la
place d*un as de cceur parmi trois cartes etc.*)
bookmaker = Buchmacher;') vergl. Littr^, Suppl.: book s. m.
*) „Nous avons vu depuis 1869 les Bellevillois paraitre sur la
scöne politique." Darmesteter 1. c. S. 85. E. K.
^) Genauer und ausführlicher ist L. Bigaud. Dict. d'argot mo-
derne, Paris 1881. s. v. E. K,
') Das Wort ist bereits von Kressner in dieser Zschr. III, 546
belegt. E, K,
238 B. Über
Terme de turf. Livre sur lequel les parieurs inscrivent leurs pari».
— M. Dulac, des d^ldgations, chargä de faire une enquSte sur les faits
et gestes de ce bookmaker Ta arr^t^ hier matin et äcroae au d^pöt.
— P. J. 26 nov. 1883. Paris, — M. Lallemand, commissaire de police
. . ., a re9u . . . la yisite djune centaine de personnes de toutes classes,
qui venaient porter plainte contre quatre bookmakers faisant le pari
ä la cote pour les courses de chevaux. Ces bookmakers, qui avaient
leurs tableaux de courses . . . Les bookmakers en fuite vont ^tre re-
cherchäs ... — P. J. 30 janv. 1884. Paris. — Fehlt Acad, u. Littr^.
boudine = zu fett und rund (von den Fingern gesagt); subst. ==
Stutzer.*) — Ses gros doigts boudinäs portaient des bagues dömesuröes.
— P. J. 27 mai 1883. A. Matthey: La Belle Julie. — Schlesische Zei-
tung 1883, No. 786, Pariser Brief: Sollen, wie bisher, die der Kutscher-
liver^e entlehnten, bleichgestreiften Cravatten, die — ein Kunststück
der Webekunst — obwohl aus Seide gefertigt, genau wie Baumwolle
aussehen, noch fernerhin getragen werden, oder . . .? Schwerwiegende
Frage! behaupten die pariser boudinös. — Fehlt Acad. u. Litträ. —
Das Wort ist offenbar von boudin „Wurst" abzuleiten und bezeichnet
im ersten Falle die Finger als wurstförmig und im zweiten einen „glatt
geschniegelten und gebügelten" Stutzer. Vgl. Acad. sub voce: boudin,
se dit, par extension, de certaines choses qui ont, par leur forme, quel-
que ressemblance avec le boudin; und Villatte, Parisismen: boudins
pl. zu fette Hände mit runden Fingern.*) Vgl. aber Ztschr. V*, p. 213.
braisette f. = kleine Holzkohle. — A Tentröe de l'hiver, nous
rappelons au public que, pour emp^cher les feux de coke de s'öteindre,
il est bon de mölanger ce combustible avec de la braisette. L'id^e
que nous en avons suggär^e a notre clientöle Van passä a 4t6 fort ap-
pr^ci^e et nous en avons vendu beaucoup. Notre stock de braisette
s'est röform^ cet ^t^. Nous l'offrons ä trös bon march^', 3 fr. le sac
de 25 kilog. — P. J. 14 d^c. 1883. Annonce. — Wiederholt 9 fävrier
1884. — Fehlt Acad. u. Littrö. — Vgl. Acad. s. v. braise, se dit aussL
des charbons que les boulangers tirent de leur four, et qu^ils ^teignent
ensuite pour les vendre; u. Littr^: braise 3** Charbons ^teints. La
braise est trös commode pour allumer le feu.
burquisme = m^talloth^rapie ; vgl. dort.
cabocheur = Schlächtergehilfe, welcher die Hammelköpfe spaltet,
um Zunge und Gehirn herauszunehmen. — Puis vient le tour du ca-
bocheur, qui fend chaque tSte avec un couperet pour en retirer la
cervelle. — P. J. 16 aoüt 1883. Tableaux et types parisiennes IV:
Cabocheurs, philosophes ... — En parcourant le sous-sol des Halles
centrales nous avons visit^ le massacre oü les cabocheurs fendent les
totes de moutons pour en retirer la langue et la cervelle. — P. J.
6 sept. 1883. Tableaux et types parisiennes. — Fehlt Acad. u. Littr^.
cageau m = kleiner viereckiger Käfig. — On place d'abord dans
Tobscuritä, pendant une di^aine de jours, l^)iseau dans la petite cage
carrde, le cageau, qui lui est d^stinle. — P. J. 21 sept. 1883. — Fehlt
Acad. u. Litträ.
Canaqtie = Kanake. — La Nouvelle-Cal^donie a comme däpen-
*) „La derniöre incamation du gommeux. Le mot est de Riche-
pin." So G. Fustier im Suppl. zu Delvau. E. K.
*) Man vgl. dazu boudiner bei Delvau, Dict. de la langue verte,
Paris 1883; Larchey, Dict. historique d*argot, 7« ^d. Paris 1878 und
Villatte, der hier nur Eigaud benutzt zu haben scheint. E. K,
Zu dem frnnz. Wörterbuch von Sachs. 239
dance l'ile des Pins et las iles Loyalty, habit^es par les Canaques.
— P. J. 22 nov. 1883.
capuchonner = eine Lokomotive so behandeln, dass die Dampf-
entwickelung aufhört. — [Le m^canicien] Guy eut encore la pr^sence
d'esprit de desserrer ses balances et de capuchonner sa machine, qu'il
ne voulut abandonner qu*ä Valence. — P. J. 21 janv. 84. Chronique
du bien. — Fehlt Acad.; Litträ, Suppl.: Disposer une locomotive de
teile fa^on que la production de la vapeur y cesse, et que la pression
de la machine aille s'afPaiblissant ä mesure que le train avance; cela
se fait dans les souterrains, afin d'y ^viter la fum^e.
carbiner ses mireties = erstaunt die Augen öffnen. — En route,
deux rödeurs causaient ensemble: — Ah mince! dit Tun, ta gonse, en
rappliquant ä la piaule (maison), va bougrement carbiner ses mirettes
(ouvrir les yeux d'^tonnement). — P. J. 19 janv. 84. Une raüe dans
les carriöres. — Fehlt Acad., Litträ u. Villatte: Parisismen.*)
carhurateur = ? — Deux hommes de peine, . . ., travaillaient
... au carburateur ä gaz du tissage m^canique . . . Soudain, une ex-
plosion terrible eut lieu; . . . L*un deux . . . en ce moment montä sur
une Schelle au-dessus du carburateur, se pr^oipite ä terre . . . le con-
cierge du tissage . . . se leve et entre bravement dans le logement du
carburateur, pour porter secours ... — P. J. 19 d^c. 1883. Nouveau
sinistre ä Roubaix. — Fehlt Acad. u. Littr^.
championnai m. = Meisterschaft. — La 31« course annuelle de
Championnat de France. — La coupe du Championnat est . . . le don . . .
— . . . la derniöre ^preuve du Championnat. — P. J. 8 oct. 1883. Le
Championnat de France. — La grande course nautique du Championnat
de France a €t€ un nouveau triomphe pour M. Lein, qui conserve le
titre de Champion de France. — P. J. 9 oct. 1883. — Course du Cham-
pionnat de Paris, organis^e par la sociöt^ völocip^dique m^tropolitaine.
— P. J. 28 oct. 1883. — La course annuelle du Championnat de Paris . . .
— P. J. 31 oct. 1883. — Le sport välocipädique a choisi, pour courir
Bon championnat de fond ... — P. J. 11 nov. 1883. — Comme nous
Pavions annoncä, le championnat de fond völocipddique . . . a €t^ couru
dimanche. — P. J. 17. nov. 1883. — Fehlt Acad.; Litträ, Suppl. Add. :
Qualitä de champion.
charruer = pflügen. — Dans une commune de la cöte, vers
Hirel, raconte le Phare de Bretagne, un cultivateur charruait son
champ ... La charrue, en d^chirant le sol, avait äventrd un nid de
frelons ... — P. J. 11 oct. 1883.*)
cMnier = ? — Quant au röglement des däpenses, Pagence s'en
chargeait, moyennant commission, et si completement qu'elle ^vitait
aux int^ress^s jusqu'ä ces de pourboires dont les harcelent porteurs,
tendeurs, cochers, chßniers et fossoyeurs. — P. J. 20 janv. 1884. A.-J.
Dals^me: La Folie de Claude. — Fehlt Acad.; Littr^: chänier s. m.
Terme de botanique. Champignon de chene, eine Bedeutung, die hier
ausgeschlossen ist.^)
*) Vgl. mirette(s) bei Eigaud, Larchey, Delvau und Villatte, der
Eigaud ausschreibt.
*) Das Wort fehlt auch L. und A. Altfranzösisch ist es häufig.
Vgl. Godefroy, Dict. de Panc. langue fran9. s. v. charuer. Etym. *car-
racare. E. K,
^) Das Wort dürfte mit chßniöre zusammenhängen, und etwa
Fährmann, Schiffer bedeuten, über chßniöre s. Littr^, Suppl. s. v.
240 B. mer
chinant = ennuyeux.*) — II est rien chinant (ennuyeux) le quart
d'cBÜ (le commissaire de police), r^plique l'autre [des deux rddeurs].
— P. J. 19 janv. 1884. üne rafle dans les carri^res. — Fehlt Acad.
und Littre; Villatte, Parisismen: chiner bekritteln, an etwas mäkeln.
cigariere = Cigarrenarbeiterin. — Le Ha vre, 18 septembre. —
Les cigari^res sont en gr^ve. — P. J. 15 sept. 1888. — Fehlt Acad.;
Littr^, Suppl.: s. f. Femme qui fa9onne le tabac en cigares.
clapotement = das Plätschern, Anschlagen des Wassers (Regens).^)
— . . . un clapotement de sinistre augure avait annonc^ la rupture du
barrage Clignancourt. — P. J. 17 mars 1888. — Partout un silence
morne, effrajant que troublaient seuls le clapotement de la Marne et
le vent qui sifflait dans les arbres. — U me semble avoir entendu un
clapotement particulier . . . comme celui produit par un corps qui se
d^at . . . Mais on n'entendait plus d*autre bruit que le clapotement
sinistre de Veau noire qui coulait prfes d*eux ... — P. J. 28 juill. 1888.
A. Matthey: La Belle Julie. — . . . la pluie tombait des tuiles, et le
vent la chassait jusqu'au milieu des rues. On entendait ce clapote-
ment toute la journöe. — Erckmann-Chatrian: Waterloo, pag. 111
(Hetzel et C»«). — Fehlt Acad. und Littr^.
conire-amendemeni = Gegenamendement. — Le reste du d^bat,
en effet, n'est que la couture, ou plutöt le däcousu d*une s^rie de dis-
positions emprunt^es ä droite et k gauche, oü le projet de la commis-
sion, les contre-projets, les amendements, les sous-amendementn et
les contre- amendements se rencontrent sur le bureau, se heurtent ä
la tribune ... — P. J. 26 nov. 1883. Le cumul des mandats. — - Fehlt
Acad. und Littr^e.
conire- insurr ection = Gegenaufstand. — Le Caire, 19 d^cembre
soir. — On assure qu'une contre -insurrection, oppos^ au Mahdi, a
^clat^ au Darfour. — P. J. 22 döc. 1888. Dernieres nouvelles. — Fehlt
Acad. und Littr^.
coprevenu = Mitangeklagter. — Un chätiment exemplaire at-
tend le marquis de Kays et certains de ses coprävenus, si le tribunal
fait droit aux revendications de la loi . . . — P. J. 6 d^c. 1888. La
colonie de Port -Breton. — Fehlt Acad. und Littr^.
creditable = kreditfilhig. — En France, plus qu'en tout autre pays,
en France oü la propri^t^ du sol est la plus divisäe du monde, oü les
petits agriculteurs sont si nombreux, tout Systeme de credit agricole doit
surtout avoir en vue les petits agriculteurs. II s'agit de rendre cr^-
ditables nos petits agriculteurs. rour cela, quelques rapporteurs des
enqu^tes successives . . . ont suggär^ certaines mesures legislatives qui
. . . autoriseraient le cultivateur ä mettre en gage sur place les objets
mobiliers de son exploitation agricole, les äl^ments mSme de son in-
dustrie, ses instruments de travail, sorte de mont-de-pi^t^ sur place.
— P. J. 11 fövr. 1884. Le credit pour les petits agriculteurs (Th.
Grimm). — Fehlt Acad. und Littr^.
cre'matoire s. m. u. appareil crömatoire = Leichenverbrennungs-
apparat. — n est question d'^tablir dans les trois grands cimeti^res
de Paris des appareils crdmatoires qui ne pourront etre utilisäs qu'en
^) Ist diese Obersetzung auch verbürgt? In dem Suppl. Fustier's
zu Delvau finde ich chiner mit „plaisanter^ übersetzt. £. K,
^) In dieser Zschr. bereits I, 841 von Schulze und II, 281 von
Schmager angeführt. E, K,
Zu dem franz. Wörterhuch von Sachs. 241
cas d'^pidtoie. — P. J. 22 juill. 1883. — 11 est facile de concevoir
qu'une personne, tomb^e seulement en l^thargie, se ranimerait prompte-
ment des qu*on aurait ouvert le premier bec du cr^matoire. — P. J.
18 aoüt 1883. La cremation. — Fehlt Acad. und Litträ.
creve-la-faim = Hungerleider. — Paresseux, fain^ant, va-nu-
pieds, creve-la-faim! cria-t-il, quand il se sentit en suret(? dans le
couloir; demain expulse! — P. J. 5 d^c. 1883. fimile Richebourg: La
Petite Mionne. — Fehlt Acad. und Littrd.
de'ciaiine s. f. = Dessjatine (russisches Flächenmass). — Le feu
a ravag^ jusqu'ici plus de deux mille d^ciatines de terrain boisä. —
P. J. 26 sept, 1883. — Fehlt Acad.; Littr^: Mesure agraire russe, corre-
spondant a 5121 ou 6821 m^tres ca^räs, suivant les localit^s.
demi-couveriure = Halbdecke (der franz. Soldaten). — En con-
formitä d'une d^cision du 28 novembre, la demi-couverture cessera
d*§tre emport^e par les troupes appel^es k faire campagne, ce qui
all^gera considdrablement la Charge du soldat. D'ailleurs, cette me-
sure se justifie par cette raison que le cantonnement est de venu la
rögle dans les guerres europöennes. — P. J. 1 döc. 1883. Bulletin
militaire. — Fehlt Acad. und Littrö.
demi-pevple = das niedere Volk? — Le demi-peuple et la petite
bourgeoisie, quand ils ne sont pas honnStes, se livrent ä des calculs,
des combinaisons, des trafics auxquels le divorce apportera un äläment
de plus: le chantage. — 10 fövr. 1884. Le divorce (Th. Grrimm). —
Fehlt Acad. und Littr^.
demi'Voix: k demi-voix = halblaut. — Steht weder in einem
besonderen Artikel, noch bei voix, wie z. B. Acad. : parier k demi-voix.
deodaeiyle = spaltfüssig. — Le premier volume, consacr^ aux
passereaux d&dactyles, a paru. — P. J. 28 juill. 1883. ~ Fehlt Acad.;
Littre: Terme d'ornithologie. Qui a les doigts fendus.
däsaffecialion = Aufhebung einer Bestimmung. — Sur la propo-
sition de M. Mathä, un avis favorable est ämis pour la däsaffectation
du march^ Saint-Maur-du-Temple. — P. J. 30 juill. 1883. Conseil mu-
nicipal de Paris. — . . . un amendement de M. Paul Bert : Les conseils
municipaux pourront prononcer la däsaffectation totale ou partielle
des immeubles consacräs, en dehors des prescriptions et lois concor-
dataires, soit aux cultes, soit ä des Services religieux ou Etablissements
eccläsiastiques quelconques. — P. J. 10 nov. 1883. — Le conseil renvoie
ä la quatrieme commission deux projets de d^libärations. Le premier,
prEsentE par M. Lamouroux, tend a la d^saffectation de la chapelle
expiatoire. — P. J. 7 däc. 1883. Conseil gänäral de la Seine. —
(M. Lamouroux renouvelle un voeu d^jä präsente plusieurs fois, et
tendant a la dämolition de la chapelle expiatoire ... — P. J. 14 d^c.
1883. Cons. g^n. de la Seine). — Fehlt Acad. ; auch Littrö nur :
Terme de finances. Action d'effacer une affectation. DäsafPectation d'un
credit.
desenguignonner = aus dem Peche ziehen (wieder auf den Damm
bringen). — Jamais collaboration ne fut plus heureuse. Au grand
savoir th^atral de M. Meilhac sont venus se joindre, pour Ma Cama-
rade, Tesprit subtil et la verve brillante de M. Philippe Gille ; et de
cette Union assortie est n^e la piöce qui d^senguignonne däfinitivement
le Palais-Royal. — P. J. 12 oct. 1883. Premiäres repr^sentations (LEon
Kerst). ~ Fehlt Acad. und Littrö.
ddsobstruciionniste = die Obstruktion (absichtliche Verhinderung
des Fortschreitens parlamentarischer Verhandlungen durch Stellung
von Anträgen, übermässig lange Reden etc.) verhindernd. — Aprös
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VP. j[q
2« B-Vber
une s^rie dli^sitations qoi n'ont pria fin que pea de minntes avant
1 Ouvertüre de la säance dliier, les membres de la droite du S^nat
ont reuoncä aux projets obBtructionnisteB miB en ayant. Les sänateurs
anti-räpnblicaing ont-ils recnl^, comme quelques Colleges des autres
bancs le prätendent, devant l'^ventnalit^ dont la majorit^ les anrait
menacäs, de faire dnrer les s^ances de une k sept heures, avec suppig
ment noctume et au besoin s^ance du matin? A tout prendre, le
Systeme de däfense de la ganche, Systeme essentiellement „d^sobstruc-
tionniste", on en conviendra, eüt ^tä d'un emploi legitime. — P. J.
28 däc. 1883. Le budget au S^nat. — Fehlt Acad. und Littr^.
detecUve = Polizeiagent (för besonders verwickelte Angelegen-
heiten). — Inntile, monsieur, — fit le d^tective, dont l'oreille ^tait
d'une finesse prodigieuse ... — P, J. 15 mai 1883. Xavier de Mont^-
pin: Simone et Marie. — On annonce Tarrestation au Havre, par un
d^tective anglais ... P. J. 4 oct. 1883. — ün dätective anglais la
suivit et finit par la däcouvrir ä l'hötel Scribe ... Le d^tective se
rendit imm^diatement chez le procureur de la R^publiqne ... —
P' J. 25 janvier 1884. Paris. — Vienne, 25 janvier. On mande de
Floridsdorf que le dätective Bloech . . . a ^t^ tu6 ce matin. — P. J.
27 janv. 1884. l^tranger. — L'avanturiäre Marie Bailly, qui a ^tä
anritte sur les indications d'nn d^tective anglais. — P. J. 28 janv. 1884.
Paris. ^ Fehlt Acad.; steht in Litträ. Suppl.
dizainaire = zehnjährig. — La commission proposera le vote
de 50 millions que M. Tirman räclame pour donner ä FAlgärie tonte
son ezpansion coloniale. II est seulement convenu que ces 50 millions
seront versus en diz ans au lieu de cinq. M. Rousseau, auteur de ce
projet d'espacement dizainaire, a ^t^ nommä rapporteur. — P. J.
18 d^c. 1883. La colonisation (Th. Grimm). — Fehlt Acad. u. Littr^.
entre-sort s. m. = Schaubude. — A c6t^ des diverses exploita-
tions foraines que nous venons de signaler, il y a dans toutes les fStes
ce qu'on appelle ded entre-sort. Le mot peint bien la chose. Le
public ne fait qu'entrer et sortir dans ces baraques, oü jamais il n'y
a de repr^sentations. Le montreur est k l'entr^e qui fait le boniment,
appelant la foule ä coups de tam-tam, pendant que se fönt entendre
les roulements änergiques d'nn tambour et les conacs d^chirants d'nn
piston. Ce qui attire surtout les curieux, ce sont d'äpouvantables ru-
gissements, qui semblent sortir de la baraque. A Tintärieur, que voit-
on? Une sorte de fosse au fond de laqueUe on trouve une hy^ne en
cage; une femme, pr^tendue Charmeuse de serpents. Et les rugisse-
ments? Ce n'est certes pas la hyäne qui les pousse. Yoici comment
les montreurs s'y prennent pour produire ce bruit qui imite ä mer-
veüle les rugissements d'un lion: Ils tendent sur un petit tonneau
une peau d'Sne, au milieu de laquelle ils percent un trou; il suffit de
tirer vivement la corde d*un cötä ou de l'autre pour produire ce
bruit trompeur Ce truc porte le nom de fosse myst^rieuse et se
prdte ä toutes les exhibitions feminines imaginables; femmes-torpilles,
femmes-poissons, femmes-tigräes, femmes-^crevisses etc. Grand Almanach
lUustrd du P. J. 1884, p. 30 (A. Goffignon). -— Fehlt Acad.; steht bei
Littr^, Suppl.
envoie'e. Vgl. diese Zeitschrift V, pag. 55. — Une dizaine de
fillettes de huit ä six ans sont airiv^es, ayant aux ^panles des ailes
d'anges, au cötä une lyre dor^e. Elles simulaient dans leur d^marche
et avec leurs gestes Tenvol^e des anges ; mise en sc^ne charmante et
naüve ä la fois. — P. J. 31 mai 1883. Rapprochement (Th. Grimm).
— Victor de Laprade . . . Ses satires ne nous paraissent pas avoir la
Zu dem franz. Wörierhich von Sachs. 243
grande envol^e qu^exige ce mode po^tiqne, m§me quand nous nous
rappelons que ces satires lui valurent en 1861 sa r^vocation de pro-
fesseur ä la Facultö des lettreß de Lyon. — P. J. 16 d^c. 1888. Deiix
morts (Th. GrimmJ. — Le centre de röunion, c'est le jeu de boules ;
non le jeu de boules ä grandes envol^es, comme on le pratique dans
le Midi, et qui se tient sur les grandes routes, au risque de casser
les jambes des promeneura et des passantsj — Grand Alman. Jll. du
P. J. 1884, pag. 47 (Louis Vermont). — Tout en estompant de teintes
sombres ou mi-claires la blancheur du carton, la jeune fiUe donnait
l'envolöe aux rßves joyeux qui hantaient son esprit. — P. J. 31 janv.
1884. A.-J. Dalseme; La Folie de Claude.
essayaae s. m. = das Anprobieren. — Le salon d*essayage d'un
couturier ä la mode. — P. J. 21 oct. 1888. — Fehlt Acad.; steht bei
Litträ, Suppl.
farcoi = ? — Toulon, 8 janvier. L*Annamite fait une sortie pour
essayer son farcot. 11 sera ce soir aux appontements. — P. J. 10 janv.
1884. Au Tonkin. — Fehlt Acad. und Littrö.
frldiegre = Feldjäger. — Xavier de Maistre : La jeune Sib^rienne,
pag. 376 (Garnier Freres) : . . . le m§me feldi^gre, qui leur avait ap-
port^ . . .; pag, 377 : . . . qu'un feldi^gre le cherchait . . . mit folgender
Note: Mot tir^ de Tallemand, qui signifie chasseur de campagne. Les
feldi^gres sont un corpd avec des grades et un habit militaires: ils
remplissent en Eussie les fonctions de courrier d*£tat et de cabinet.
Fehlt Acad. und Littrö.
garde-mine = Bergmeister? — Parmi les amendements proposäs
aux divers chapitres [du budget des travaux publics], un seul, du ä
M. Cantagrel, passe en partie, gräce au concours du gouvernement et
de la commission; les sous-ing^nieurs, conducteurs et gardes-mines
apprendront avec plaisir que la Chambre a vot^ en leur faveur un
credit de 600 000 francs. M. Laroche- Joubert, däsireux probablement
de faire, lui aussi, son petit cadeau, insinue ä. ses coU^gues une idde
originale: „Si nous changiohs le titre des gardes-mines?" Et comme
on lui demande pour quels motifs? „Ne comprenez-voua pas ä quel
point leur d^nomination actuelle est humiliante?" Garde-mine, cela
ressemble bien trop ä garde-barriöre". Seulement, Thonorable d^putö
d'Angoulöme dälaye en un long discours cette fantaisie grammaticale,
d. laquelle le sous-secrätaire d*£tat, M. Baihaut, n'a point de peine ä
r^pondre en rappelant la d^nomination souvent enviäe de »g^^cl^ g^'
n^ral des eaux et forSts" et il ^crase finalement l'auteur sous le poids
de cette autre dänomination: garde des sceaax. — P. J. 7 däc. 1883.
Chambre des däputäs. — Des examens s'ouvriront le 4 fävrier pour
l'admission ä Temploi de garde-mines. Adresser les demandes au mi-
nist^re des travaux publics avant le 1*"" janvier prochain. — P. J.
16 d^c 1888. Petites nouvelles. — [Le citoyen Rondet, däl^guä de
Saint-Etienne] passe ensuite les quatre projets de r^formes d^posäs ä
la Chambre: 1® Celui qui conceme les conseils de prud'hommes,
2° Celui des heures de travail, 3® Celui des gardes-mines. — P. J.
26 d^c. 1883. La question sociale (Th. Grimm). — Fehlt Acadämie
und Littr^.
garde-moulin = Mühlen wEchter? — . . . un comitd de surveillance
compos^ de MM. Debray, meunier . . ., Janot, contre-maitre, . . . Profit,
garde-moulin ... — P. J. . 28 juilL 1888. — Fehlt Acad. und Litträ.
gavevLse = Mastkoben. — Gaveuses -Martin, pour engraisser les
yolailles chez soi et industrie . . . Odile Martin, inventeur. — P. J.
16*
?44 B, Uht
36 janvier 1884. Annonce. — Grebildet wie coaveiiBe = Bratofen. —
Fehlt Acad. and Littr^.
cmgely = gengelL — Les caltnres secondaires sont Celles da
b^tel, du tabac, de la canne ä sncre, da coton, des plante« ol^agineases
telles qae le Bäsame, le gingely et le palma-christi. — P. J. 6 janvier
18S4. Les colonies fran9ai8e8. — Fehlt Acad.; Littr^ Snppl. : ging^j
$. m. C'est le m§me que gengeli. — Littr^ mit -', P. J. ohne -'.
gobe'as = ? Pflanzenname. — ... le joyeax concert de deax
grands canaris hollandais, hötes channants d^ane cage plac^ ä nne
f^n^tre de la maison voisine dans an encadrement de gobäas et de
Tolabilis. — P. J. 29 nov. 1883. fi. Richebonrg: La Petite Mionne. —
« « . dans l*encadrement de gob^s et de yolnbUis qai grimpaient ä la
fen^tre de votre chambre. — P. J. 18 janv. 1884. Ibid. — . . . la
jeune fiUe se montra dans l'encadrement des gob^as et des yolabilis
qui grimpaient de chaque cdt^. — P. J. 5 f^vr. 1884. Ibid. -- Fehlt
Acad. und Littr^.
grands-parenU = Grossonkel and Grosstante. — Mademoiselle
ILucienne] de Formose avait ^tä recueillie par monsieor le baron de
Cormarin, son ^^nd-oncle. Le baron et la baronne de Cormarin
^taient deux vieillards de soixante-dix et soixante-quinze ans: ils
nvtüent pris lear petite- niäce en affection . . . Vous devinez le reste.
Lucienne for^a ses grands -parents ä consentir ä son manage, et eile
dovint l'^ponse bien aimäe d'Andr^ Bamel. — P. J. 13 d^c 1883.
K. Richebourg: La Petite Mionne. — Fehlt Acad. und Littr^.
greloiiement = Klirren ; Zittern vor Kälte, Frösteln. — ... mais
un bruit bien pire et qui traversait les nerfs, c'ätait le grelottement
do la mitraüle dans les baionnettes ; cela sifflait comme une esp^ce de
mu8iq|ue terrible et qui s'entendait de bien loin. — Erckmann-Ghatrian«
Uistoire d'un consent de 1813, pag. 169 (Hetzel et Ci«). — Ce fut an
Srand amour qui dura jaste cinq mois, le temps de la belle saison;
8*dteignit tont d'un coup k la chute des premi^res feuilles mortes,
uu premier grelottement dans la mansarde. Ma Musette ent pear
d*avoir froid Thiyer, et . . . eile s'en alla un bean soir pour ne plus
vt)venir. — P. J. 16 d^c. 1883. E. Richebourg: La Petite Mionne.
grenaille s. f. = gehacktes Metall. — ... an p^tard entourä de
ohifFons et contenant de la grenaille et des fragments divers ne pou-
vunt faire courir aucnn danger. — P. J. 12 oct. 1883. Departements.
- - Steht bei Acad. and Littr^.
impressumnUme s. m. = ultra -realistische Malerschule, die, un-
bekümmert um Zeichnung, Komposition und Harmonie der Formen,
uur durch liederlich hingeworfene Farbenkleckse den Eindruck an-
deutet (ViU. Parisismen). — ... ces grands mots crenx de r^alisme,
d'id^alisme, d'impressionnisme^ — qui sait si nous n'aurons pas aussi,
äuelque jour, l'intentionnisme ? — P. J. 22 oct. 1883. Citat aus einer
;ede Gounod's. — Fehlt Acad. ; steht Littr^ Suppl.
indiseontinu, e = ununterbrochen. En Angleterre, il en est tout
autrement, car, dans cette nation pratique, par excellence^ tout s*y fait
pour Vindustrie et par les commer9ants et les industriels; c'est lä. le
Hccret de la prospärit^ presque indiscontinue du commerce anglais ; —
P. J. 18 däc 1883. L'action industrielle (Rede eines Herrn Mazaroz,
niauufacturier). — Fehlt Acad.; Littr^ SuppL hat: indiscontinuä, e.
msenstbiUsateur = Insensibiiisator. — Insensibilisatenr Duchesne.
Extraction et pose de dents sans douleur, 45, rue Lafayette. — P. J.
Zw dem franz. Wörterbuch von Sachs. 245
1 d^c. 1883. Annonce. — öfter wiederholt. — Fehlt Acad. und
Littr^.\)
intercolonial^ e, = interkolonial. — Les d^l^guäs ä. la Conference
intercoloniale, qui doit examiner la question de Tannexion de la Nou-
velle-Guin^e et d'autres iles du Pacifique ä l'Australie, sont arrivös ä*
Sydney. — P. J. 80 nov. 1883. Petites nouvelles. — Fehlt Acad.; steht
Littr^ Suppl.
inierinewer = interviewen, ausfragen, x- . . . un reporter se prö-
senta . . . pour interroger la däbutante, pour „hinter viewer", comme
ils disent dans leur langage mätin^ d'anglais. — P. J. 7 nov. 1883.
Ernest Daudet: Mademoiselle Vestris. — Fehlt Acad. und Littrö.*)
iniransigeance = Intransigententum. — Vgl. diese Zschr. V*,
p. 56. II y a . . . une expansion d'intransigeance, pour me servir du
nom mSme qu*on se glorifie de porter, sur laquelle les hommes sou-
cieux de l'avenir de la Räpublique ne sauraient trop porter leur atten-
tion. Mais que parlons-nous de gouvernement, de stabilit^, de m^-
thode? L'intransigeance n*en veut pas: eile est le contraire de *out
cela . . . Pour l'intransigeance la stabilitä, voilä Pennemi! ... Le
principe de Pintransigeance consiste ä däclarer qu'il n'en faut pas
avoir ... Le programme de Pintransigeance, c'est . . . la table des
matiäres d'un dictionnaire politique du vingti^me ou du vingt et
unieme siöcle. — P. J. 17 oct. 1883. Rede J. Ferry's in Havre. —
Tout cela est vrai, oui, et, de plus, pendant que retentissent les fan-
fares de Pintransigeance, les organes graves ... — P. J. 1 janv. 1884.
Le däblaiement (Th. Grimm). — Fehlt Acad., steht Littrö Suppl.
intransigeani s. m. = Intransigent. ~ A Ronen, M. Jules Ferry
avait dänonce les violences des intransigeants ... — P. J. 17 oct. 83.
— Vgl. zu anticolonial'.)
intransigeani, e, adj. — II faut choisir entre la politique gou-
vernementale ... et la politique intransigeante. — P. J. 17 oct. 1883.
r Miransigeant = Zeitung, gegründet von Rochefort im Juli 1880
(Vill. Par.). — ... une nouvelle publice par PIntransigeant ... — P. J.
14 nov. 1883. — Fehlt Acad.; steht Litträ Suppl.^)
krach (krack) = Börsenkrach ; vgl. diese Zeitschrift V*, p. 55 :
Crack. — . . . le syndicat a support^ glorieusement le choc et n'a pas
succomb^ ä la perte de 80 millions r^sultant du krach! — P. J.
15 juill. 1873. — Le krach de PUnion gön^rale et les d^sastres finan-
ciers qui Pont suivi ont-ils fait sentir leur contre-coup sur Pindustrie
parisienne ? — P. J. 13 avril 1883 (Frage aus einer vom conseil mu-
nicipal angeordneten enqußte industrielle). — C'est de cette facilit^,
injustifiäe ä tous ägards, que sont näs, en grande partie, les abus qui
ont mis si souvent notre march^ en dötresse; eile est, ce n'est pas
trop dire, Porigine et la cause de tous les krachs. — Le krach de
janvier 1882 n'a pas eu d'autre cause que Pimpr^voyance et Pavidit^
des agents de change! — P. J. 15 avril 1883. Les agents de change.
— La d^bäcle financiäre du mois de janvier 1882, et que Pon appelle
le Krach, a brusquement arret^ Pessor magnifique ... — P. J.
») VgL in dieser Zschr. I, 344. E. I^.
*) Dasselbe Wort, interviever geschrieben, wurde in dieser Zeit-
schrift III, 548 bereits von Kressner belegt. Es ist von Fustier im
Suppl. von Delvau ausführlich besprochen. E. K.
^) Über intransigeant und PIntransigeant vgl. Rigaud und Vil-
latte 8. V. E. K
246 B. über
24 nov. 1883 (Th. Grimm). — La cataatrophe de rUnion g^n^rale, au
mois de janvier 1882, que l'on a appel^e le Krack, n'a pas eu une in-
flaence u^faste seulement sur les fortunes priv^es, eile a räagi sur la
fortime publique. — Gr. Alm. du P. J. 1884, pag. 2. — Dans la qua-
tri^me [parti^, le Krack, le n^ant des combinaisons les mieux ourdies
apparait. — P. J. 24 janv. 1884. ^Annonce (Inhaltsangabe des Romans:
La Folie de Ville-d'Avray, par Edouard Sylvin). — 11 y a eu . . . Un
affolement de sp^culation qui a amen^ le krach du mois de janvier
1882. Les cons^quences du krach, nous les subissons maintenant dans
toute leur rigueur. M. Andr^ Cochut, directeur du mont-de-pi^tä, . . . a
^tudi^ les enets de cette catastrophe financiöre dans un travail qu'a
publik la Revue des Deux- Mondes du l" d^cembre demier. . . J'en
dätache le passage suivant: . . . A Taffaissement qui a suivi le krach
de Vienne en 1873 . . . Aprea le krach fran9ai8, une baisse ... est
in^vitable . . . — P. J. 7 f^vr. 1884. Le rapport de M. Amouroux.
laicisation s. f. = Laisirung (die von der Schlesischen Zeitung
in den Pariser Correspondenzen gebrauchte Übersetzung). — Vgl. diese
Zeitschrift V*, pag. 56. — . . . la laicisation des ^coles ... — P. J.
9 mars 1883. — üne vive discussion s'^l^ive au sujet de l'aumönier de
Pasile Sttinte-Anne qui, malgrä la laicisation de cet Etablissement,
continue ä y habiter. — ^ P. J. 10 döc. 1883. Conseil gänäral de la
Seine. — Le conseil renvoie ä l'administration une proposition de
M. Guichard, demandant la mise en vente des emblSmes religieux qui
se trouvent dans les magasins de la Ville depuis la laicisation des
Ecoles. — P. J. 29 d^c. 1883. Conseil municipal de Paris. — A propos
du Service des Enfants-Assist^s, le rapporteur demande qu'^tant donn^es
les promesses de laicisation faites et non tenues par l'administration,
la Subvention municipale ne soit accord^e que conditionnellement. —
P. J. 1 janv. 1884. Ibid.
käciser = laisiren. — La loi du 28 mars 1882, qui a laicis^
les äcoles, c'est-ärdire qui a enlevE ä l'enseignement tout caractere re-
ligieux, cette loi . . . n'est pas une loi ath^e. — P. J. 21 nov. 1883.
— Le prüfet de TArd^che ayant la'icisE les Ecoles ... — P. J. 26 nov.
1883. VgL diese Zeitschrift V^, pag. 56.
kince-amarres adj. = porte-amarre(s) (doch ist letzteres nur als
Subst. angeführt). — Enfin, on apercoit la voiture apportant des cor-
dages et le canon lance-amarres. — F. J 8. sept. 1883.
lance^piei'res = Steinschleuder. — ... des gamins, arm^s de lance-
pierres, y vont chaque jour pour tuer des moineaux. — P. J. 24 sept.
1883. — Fehlt ebenso wie lance-amarres Acad. und LittrE.
Ubre-pensde s. f. = Gedanke des Freidenkers. — . . . un regime
mixte qui ne donnera peut-6tre pas satisfaction enti^re ni ä la Libre-
Pensöe ni k TEglise ... — P. J. 1 juill. 1883 (Th. Grimm). Fehlt
Acad. und Litträ.
linographie (-peinture) = Linographie (Verfahren, durch welches
alte Portraits wieder hergestellt werden); ein so hergestelltes Bild. —
Parmi les lots de la loterie de la föte de l'OpEra dont nous parlons
plus loin se trouvait un bon pour une linographie-peinture, et ce n'est
pas celui qui a EtE le moins bien accueilli. La linographie-peinture
est cette merveilleuse invention dont on peut voir les spEcimens a
Pexposition permanente de Tavenue de l'OpEra. M^es Thöo, Rosine
Bloch, MM. Sellier, Berlioz, Pasteur, etc., semblent vivants. — P. J.
8 avril 1883. Lettres, sciences et arts. — Le Figaro a parlö de ioutes
les merveilles de la Photographie, de la photogravure et de la lino-
graphie-peinture; mais il a oubliä de dire que par la linographie-
Zu dem franz. Wörterbuch von Sachs. 247
peinture on peut reproduire tous les anciens portraits quels qu'ils
soient. — P. J. 15 septembre 1883. Lettres, sciences et arts. — Nous
apprenons que M. Pierre Petit, qui a le monopole de la linographie,
a ddcid^ ... — P. J. 8 avril 1883. — Pierre Petit, professeur de Pho-
tographie ä r^cole, a eu la g^n^reuse pensde d'offrir le portrait du
docteur Thuillier [mort victime de son dävouement ä la science, en
ätudiant le cholöra ä Alexandrie] en linographie-peinture, buste, gran-
deur nature. — P. J. 27 sept. 1883. Lettrea etc.
linographique = linographisch. — M. Pierre Petit . . . a d^cid^
de verser . . . 20^© de ses bön^fices linographiques dans la caisse de
rOrphelinat des arts ... — P. J. 8 avril 1883. Lettres Ac. — lino-
graphie-peinture und linographique fehlen Acad. und Littrö.
machinette s. f. = kleines geistiges Erzeugnis (vgl. machine =
bedeutendes geistiges Erzeugnis). — A propos, reprit le pofete, il faut
que je vous dise une machinette rim^e, en trois Couplets, que le ta-
bleau de Georges m*a inspir^e. Oh! cela m*est venu d'une fa^on trös
dröle la nuit derniere, pendant mon sommeil, en rßvant ... La ma-
chinette en question ressemble ä une romance d'autrefois quand c'^tait
le beau temps des Lolsa Puget, des Mazzini ... et cela pourra §tre
mis en musique un jour. Le poete fouilla dans une de ses poches et
en tira un carr^ de papier. — Voyons la machinette, fit Georges en
souriant . . .
Elle dort!
Dans son berceau l'enfant repose,
De sa m^re c'est l'ange aim^!
Elle admire sa bouche rose,
Et son ceil bleu demi-ferm^.
La m^re heureuse et recueillie
Les yeux fix^s sur son tr^sor,
Se dit tout bas, Täme ravie:
Elle dort!
Folgen noch zwei Verse. — P. J. 19 j an vier 1884. E. Richebourg: La
Petite Mionne. — Fehlt Acad. und Littr^.
majorer = über den wirklichen Wert angeben. — Avec la com-
plicit^ des administrateurs . . . Tancien dätenu de Poissy montait, au
capital de 4 millions, Tentreprise dont la valeur reelle ^tait de 1 million
475000 francs. C'^tait une premi^re majoration de 2 millions et demi.
Elle ne parut pas süffisante. Les actions ^taient ämises ä 500 fr. On
les majora de 200 fr. EUes sortirent au prix de 700 fr., comme si
cette hausse eüt eu pour motif un succes prodigieux sur le march^. —
P. J. 13 d^c. 1883. Vidanges et engrais (Bericht über eine Gerichts-
verhandlung). — M. Bocher . . . se plaint . . . de ce qu'on ^quilibre les
budgets en majorant les recettes, ce qui, ä. son avis, ne constitue qu'un
^quilibre fictif. — P. J. 23 janv. 1884. S^nat. — Fehlt Acad.; steht
Littrö Suppl.: ^ßvaluer au dessus de la valeur reelle. (In dieser Zeit-
schrift V*, 56 ist majorer als bei Littr^ fehlend angegeben.)
mandoliniste = Mandolinenspieler. — Parmi les nouveaux venus,
on a beäucoup remarqu^ M. Chaussier, un cor m^lodieux et charmant,
M. Talomo, mandoliniste, qui seront Tun et Tautre recherch^s pour
les soiröes de cet hiver. — P. J. 27 döc. 1888. Lettres etc. — Fehlt
Acad. und Littr^.
mairiciel, ^ ^ = auf die Stammrolle bezüglich. Valeur matri-
cielle = der in der Stammrolle veranlagte Taxwert (im Gegensatz
zum wirklichen Werte). — Article premier. — Tous les loyers d'une
248 B. übet'
yaleur matricielle de 480 fr. et au-dessous sont affranchis de toute
contribution . . . Art. 2. — Tont loyer excödant 480 fr. de valeur ma-
tricielle est frappd . . . Art. 3. — Les loyers . . . sont frapp^s, sur leur
valeur matricielle integrale, d'une taxe ... — P. J. 16 nov. 1888. Con-
seil municipal de Paris. — Les individus habitant des locanx d'une
valeur matricielle infärieure ä 400 fr. (500 fr. de loyer r^el) seront
considär^s comme non imposables ... — P. J. 5 jauv. 1884. Taxe des
loyers ä Paris. — Fehlt Acad.; steht Littr^ Suppl.*)
metoMoscopie s. f. = Untersuchung, ob ein Patient geeignet ist,
nach der Methode der Metallheilkunde behandelt zu werden.
metaUoscopique adj. = metalloskopisch.
metaüotherapie s. f. = Metallheilkunde.
metaUothe'rapique adj. = auf die Metallheilkunde bezüglich. —
M. le docteur Burq qui, au cours de ses travaux sur la m^talloth^-
rapie, a ötö amenä ä constater ... — P. J. 1 aoüt 1883. — La s^ance
[de l'Acadämie des sciences] s'est terminäe par une lecture du docteur
Burq relative ä la gu^rison des maladies nerveuses par la m^tallothd-
rapie ... — P. J. 10 sept. 1883. — Grand Almanach lUusträ du P. J.
enthält einen zwei Seiten langen Artikel über die „mätalloth^rapie",
welchem ich folgende Stellen entnehme: pag. 52: Le P. J. a tenu ses
lecteurs au courant de cette merveilleuse ddcouverte: la m^talloth^-
rapie appel^e aussi le burquisme, du nom de son inventeur, qui . . . a
fini par s'imposer au monde savant. On sait maintenant que tönte
une grande cat^gorie de malades, les n^vropathes des deux sexes, les
hystäriques ... et les diabätiques sont sensibles ä Taction de certains
m^taux qui, appliquös ä Texterieur sous forme d*armatures ou donnäs
ä rint^rieur ä Tötat convenable gu^rissent ou sinon soulägent. Le
m^tal curatif se reconnalt ä ce fait, en lequel röside toute la mdtallo-
scopie qui sert de base scientifique ä la m^talloth^rapie, ä savoir : que,
ce m^tal ^tant appliqu^ sur une partie plus ou moins insensible, il en
existe presque toujours chez les malades en question, la tempärature
de cette partie s'^feve, la sensibilitö y revient et la force musculaire
des muscles sousjacents s'accroit ... M. Dumontpallier, Tauteur des
remarquables rapports sur la m^talloscopie. . . . Apr^s un examen
metaUoscopique m^thodique, le däputä fut traitä par une armature de
cuivre et par Tor ä l'intlrieur ... Le moment est venu pour le bur-
quisme d'avoir sa clinique et son Organe special (Gaston Klein). — II
n'est bruit, dans toute la presse parisienne, que d'une invention qui
laisse loin derriere eile les calmants et autres agents curatif s ; ce sont
les Plaques Dynamo -Dermiques de la Soci^tö des Plaques, 36, rue
Godot-de-Mauroy, ä Paris. L'application d'une de ces plaques m^tallo-
thärapiques ^lectriques fait disparaitre ... — P. J. 13 d^c. 1883. An-
nonce. — Diese 4 Wörter fehlen Acad.; Littr^ Suppl. nur: mätallo-
thärapie (mit Bindestrich).
mic7'ohe s. m. = Kleinleben, Mikroorganismus (gemeint sind:
Bacillen und Bakterien). — Ces affections sont aussi provoqu^es, en
dehors de tout microbe, par une Irritation directe quelconque . . .
fividemment, en ces deux cas, les microbes n*ont que faire ... — P. J.
17 juill. 1883. — La troisieme partie se passe au pays des microbes . . .
— P. J. 19 oct. 1883. — C'est bien un microbe, le „Bacille de la Tu-
berculose", qui produit la terrible phtisie des poumons ... — P. J.
7 nov. 1883. Annonce. — C'est courir de graves dangers que de nd-
^) und bei Darmesteter S. 191. E, K^
Zu dem franz. Wörterbuch von Sachs. 249
gliger un rhume, car le microbe de la phtisie se d^veloppe alors dans
les poumons. — P. J. 27 nov. 1883. Annonce. — . . . ä TAcadämie
des scieuces . . . une trös interessante communication de M. Pasteur. —
Louis Thuillier . . . däcouvrit le microbe de rouget. — II fallait trans-
f ormer ce microbe mortel en un vaccin pr^servatif. ... — P. J. 28. nov.
1883. Lettres etc. — C'est au moment oü Ton reconnait que les graves
maladies de poitrine sont causäes par un microbe ... — P. J. 16 döc.
1883. Annonce. — La coquille, cet acarus (Milbe) de .la lettre moul^e,
ce microbe accroch^ ä la phrase pour en saccager la contexture et en
d^sorganiser le tissu; ce ver qui ronge, qui corrompt, qui d^vaste le
mot. — Almanach du P. J., pag.: Cocasseries littöraires (A. Dalseme).
— Fehlt Acad. und Litträ.
migrainettx adj. = an Migräne leidend. — ... une grande cat^-
gorie de malades, les n^vropathes des deux sexes, les hyst^riques, les
chlorotiques, les an^miques, les rhumatisants, les migraineux, les n^-
vralgiques, etc. — Alm. du P. J. 1884, pag. 52: La Mötallothärapie
etc. (Gaston Klein). — Fehlt Acad. und Littr^.
ministricide = Minister tötend. Jusqu'au 15 novembre dernier,
donc, l'apprenti ministricide n'avait offert dans sa conduite aucun acte
röpr^hensible. — P. J. 5 janv. 1884. Affaire Curien. — Fehlt Acad.
und Littr^.
monarchico = ... in Zssg. : monarchisch — ... A cette coali-
tion monarchico -bourgeoise, il est temps d*opposer la coalition de
r^ternel däshärit^: le peuple. — P. J. 23 d^c. 1883. L'anarchie ä la
place de la Bourse (aus dem Manifest, welches die ouvriers sans tra-
vail zu dem Meeting auf dem Börsenplatze für den 7. Dezember auf-
forderte). — Fehlt Acad. und Littrö.
morph%(h)omane und morphi(n)omanie = Morphiumsüchtiger und
Morphium sucht. — Les Morphinomanes — Leitartikel des P. J. 17 mars
1883. — Persuadä que la morphinomanie est un danger, nous publions
la communication suivante: Asni^res, 17 mars 1883. Monsieur le rd-
dacteur, Votre article sur les morphinomanes m'a rappelt de bien
cruels Souvenirs. — P. J. 20 mars 1888. Les morphinomanes. — . . . la
morphiomanie n'est pas populaire . . . Gu^rir un morphiomane est
aussi malaisä que de corriger un buveur . . . Pour les morphiomanes
l'opposition vigilante du medecin ... est n^cessaire. — P. J. 13 oct.
1883. Les morphiomanes. — .Fehlen Acad. und Litträ.
moudir (mudir) = Mudir. — Le Caire, 18 däcembre. II est ä
peu präs d^cid^ de supprimer la pr^fecture de police et de la rem-
placer par trois inspecteurs g^näraux anglais. Les moudirs indigänes
seraient remplac^s par des inspecteurs anglais. — P. J. 20 d^c. 1883.
Les Anglais en figypte. — Le Caire, 11 janvier. Les Mndirs ont re9u
l'ordre de recruter des soldats. — P. J. 18 janv. 84. Ibid. — Fehlt
Acad. und Littr^.
mycologtie = Kenner der Schimmelpilze. — II y a trois ans,
M. Tulasne, le savant mycologue, voulut bien r^diger pour la sociätä
d'agriculture de Toulon une note trös dätaill^e sur le mildew [pero-
nospora vitis, moisissure des vignes]. — P. J. 6 sept. 1883. Le mudew.
Fehlt Acad. und Litträ.
myophüe s. m. = Muskelfreund (eine Einreibung). — Le myo-
phile. La force et la santä k tout äge (hautes attestations), user de
cette friction agräable pour vivre sans douleurs ... — P. J. 30 janv.
1884. Annonce. — ^ Wiederholt 12 fövr. 1884. — Fehlt natürlich Acad.
und Littr^.
350 B. über
obsiructionniste ' a,dj, = die Obßtruktion betreffend. — VgL d^s-
obBtructionniste und die Belegstelle dazu.^)
oranais, e = von Oran — La r^gion oranaise ... — P. J.
80 juilL 1883. — Oran, 2 d^c. 1888. L'affaire du lieutenant Wein-
brenner, assassinä Tannäe derniere avec quatre hommes d'escorte dans
le sttd oranais, vient d'§tre jug^e par le conseil de guerre d'Oran. —
P. J. 4 döc. 1883. — Carte du Sud-Oranais -— Titel des Blattes Süd-
Oran der Generalstabskarte von Algerien (Petermann's Mitteilungen
1883, XII, p. 464). — Le g^nöral Thomassin a obtenu de ce person-
nage qu'il emploierait son influence ä la pacification definitive de la
r^gion oranaise. P. J. 3 f^vr. 1884. — ... nos terribles adversaires du
sud oranais . . . des soulövements . . . dans le sud oranais ... — P. J.
19 f^vr. 1884. Le Mahdi et TAlgörie.
paiUoiie s. f. = Strohhütte; Strohmatte. — Quoique seul, je ne
me suis pas ennuy^ un instant pendant ma descente du fleuve. Mon
harmoniflüte ätait install^ sous ma paillotte, et, ä. chaque mouilla^e,
les riverains envahissaient mon chaland, s'extasiaient devant mon In-
strument ... — P. J. 12 avril *1883. Mouvement gdographique (üne
Lettre de M. Ernest Noirot). — Le bombardement n'a detöriorö que
quelques paillottes. Les Hovas ont tirä en tout cinq coups de canon . . .
— P. J. 18 juill. 1883. — Les principaux objets d'exportation [de la
Cochinchine fran9aise] sont . . . l'^b^ne, les tuiles, les paillottes, les
boites et meubles incrustäs ... — P. J. 15 janv. 1884. Les colonies
fran^aises. — Fehlt Acad. ; Litträ SuppL: paillote 1" Hütte eo paille
2'* Teile de paille de riz.
papiUoiemeni = zu grelle Licht- und Farbenverteilung (Malerei).
— Aux Salons annuels, on s'engoue quelquefois; les couleurs fraiches
ou des papillotements trompeurs ... — P. J. 16 sept. 1883. Le salon
officiel (Th. Grimm). — Fehlt Acad. und Littr^.
parneüiste = zur Partei Parnell's gehörig. — Dublin, 28 sep-
tembre. — ... les Orangistes ont attaquä le däputä parnelliste O'Con-
nor. — P. J. 30 sept. 1883. — Fehlt natürlich Acad. und Littr^.
peirolier = Petroleumschiff. — Le changement de naphte ä bord
du navire Oxford continue ä brüler sans danger, gräce k de puissantes
pompes. Deux autres p^troliers, mouilläs dans le meme bassin, ... —
P. J. 22 sept. 1888. — - Fehlt Acad. und Littrö.
piquriere = Arbeiterin, welche durchlöcherte Verzierungen auf
Taft macht? — Roubaix, 5 novembre. Ce soir, ä. six heures, le feu a
äclatä ä la filature Dilly fröres, dans Tatelier des piquri^res par suite
d'une imprudence, commise par un enfant qui a r^pandu une bouteille
de benzine. — P. J. 7 nov. 1883. Departements. — Roubaix, 29 no-
vembre. — . . . Ce commencement d'incendie a pu 6tre facilement
steint: mais une panique s'est emparäe des vingt-sept ouvriers de
Tatelier, lesquels, craignant le sort de leurs compagnes de l'atelier des
piquriöres, se sont enfuis ... — P. J. 1 däc. 1883. Le nouveau sinistre
de Roubaix. — Fehlt Acad. und Litträ.
pluvinage = ? — Lille, 7 novembre. ün bouilleur a fait ex-
plosion ce matin a la distillerie du pluvinage Dubois, k Avoingt (Nord).
— P. J. 9 nov. 1883. Departements.
porte-parole = Wortführer. -— Tels sont les points pr^cis sur
lesquels le porte-parole de la droite däsire 6tre äclairö ... — P. J.
^) Bereits von Kressner in dieser Zschr. III, 549 belegt.
I
Zu (lern franz. Wöriei^huch von Sachs. 251
26 f^vr. 1888. — M. Louis Veuillot, qui ötait le porte-parole du parti
clörical . . . — P. J. — Fehlt Acad. ; Littrö Suppl. : Celui qui porte
parole pour d'autres, qui trauBmet dee paroles.
porte -pompe adj. = Pumpen tragend. — . . . le projet du gänöral
Paris : . . . On propose donc d'installer, dans chacune des gares de
Paris, une pompe ä vapeur et sa voiture de tuyaux sur un truc r^-
mis^ ä proximitä aussi imm^diate que possible du quai de däpart. —
Coup pour coup, il envoie le si^nal convenu au chef de gare de Saint-
Lazare: ce dernier fait imm^diatement disposer le truc porte -pompe
a la suite du train qui doit partir ... — P. J. 27 döc. 1888. Le feu.
— Fehlt Acad. und Litträ.
rattachement s. m. = Verbindung mit . . ., Übernahme auf. —
La commission municipale de la Chambre des deput^s a entendu hier
M. Margue, sous-secrätaire d'^tat, et M. Camille Lyon, directeur du
cabinet du ministre de Tintärieur. II s'agissait du rattachement k
l'Etat du budget de la präfecture de police. ■— La commission adopte
. . . le principe du rattachement. — P. J. 3 döc. 1883. Dernieres nou-
velles. — . . . le ministre de Tint^rieur, M. Waldeck- Rousseau, qui de-
mande le rattachement au budget de l'Etat, des d^penses de la prä-
fecture de police ... — - P. J. 15 d^c. 1888. La pröfecture de police.
— M. Depasse demande au conseil de voter le budget de la prdfecture
de police ; ce sera la seule fa9on d'empScher le rattachement au budget
de TEtat. — P. J. 20 döc. 1883. Conseil municipal de Paris. — In
derselben Verbindung kommt das Wort noch vor: P. J. 22 döc,
23 d^c. 1883; 1 janv., 7 janv., 13 janv., 19 janv., 21 janv., 23 janv.,
3 fävr. 1884. — Si ces deux projets diffferent sur un point capital,
rattachement de l'infanterie de marine au däpartement de la guerre,
ils sont d'accord sur la Constitution des forces locales indigänes. —
P. J. 22 janv. 1884. Les troupes indigönes. — Au cours de la dis-
cussion sur Tarm^e coloniale le ministre de la guerre a expos^ que le
gouvernement est d'accord pour rattacher Tinfanterie de marine au
ministäre de la guerre, mais qu'il est impossible de proc^der ä ce
rattachement pendant le cours de Texpödition du Tonkin. — P. J.
25 janv. 1884. Commissions parlementaires. — Fehlt Acad.; Littrö
Suppl. : Action de rattacher, ^tat de ce qui est rattach^.
reassortir = wieder (mit Waaren) versehen. — L'annonce dans
toute la France du tirage d^finitif de la loterie Tunisienne pour le
17 juillet prochain a dätermin^ une vente considärable de billets. Les
marchands se r^assortissent en ce moment et tout fait prävoir une
fin d'^mission trös rapide. — P. J. 30 janv. 1884. Annonce. — Fehlt
Acad. und Littr^.
reinhtimer = wieder begraben. — Le corps a ^tö remis dans le
cercueil et ramenä dans le cimeti^re Saint-Ouen, oü il a ät^ rä'inhum^
en prösence des parents du däfunt. — P. J. 7 döc. 1888. Paris. — II
y a, ä. cet ^gard, une taxe municipale : vingt francs par corps exhum^
et r^inhumö. — P. J. 23 janv. 1884. Chambre des d^putös. — Fehlt
Acad. und Litträ, welcher jedoch im Suppl. r^inhumation hat.
reporiage = Einziehen von Erkundigungen für eine Zeitung;
Geschäft eines Reporters, Reportertum (Villatte, Parisismen). — Vgl.
diese Zeitschrift V'', p. 60. — ... les reporters anglais se sont piteuse-
ment laiss^ battre par. le reportage am^ricain ... — P. J. 27 sept.
1888. ün revenant (Th. Grinun). — A une heure du matin, notre re-
portage nous apporte une nouvelle grave et que nous ne pouvons
donner que sous toute räserve. — P. J. 2 oct. 1888. Le roi d'Espagne
är Paris.
252 B. über
repousse = Wiederwachsen. Vgl. diese Zeitschrift V*, p. 57. —
Plus de chauyes! Eepousse certaine ä toot age! Croissances äton-
nantes de cheveux produites ... — P. J. 1 janv. 1884. Annonce. —
La pommade quinine Lechaux . . . produit une repousse certaine ä tout
äge ... P. J. 19 janv. 1884. II faut avoir des cheveux. — Pour con-
server votre chevelure employez l'eau suprßme amäricaine; repousse
certaine des cheveux ä tout äge ... — P. J. 2 fävr. 1884. Annonce.
resserre s. f. = Raum, in den man etwas verschliessen kann. —
De nombreux vols ^taient commis depuis quelque temps dans la ressefre
du pavillon n^ 47, aux Halles centrales. — P. J. 29 mars 1883. Le
conseil adopte un projet de mise en adjudication de la perception des
droits de stationnement aux abords des halles et march^s de Paris, et
de Texploitation de la resserre publique des halles. — P. J. 18 nov.
1888. Conseil municipal de Paris. — . . . il ^tait entrö au service de
Lemardelay, restaurateur, rue Richelieu, eu qualitä d'aide de cuisine.
On Ta trouv^, avant-hier soir, dans une resserre de cet Etablissement,
avalant präcipitamment une corde de plnsieurs m^tres de longueur.
— P. J. 10 f^vr. 1884. Paris. -— Fehlt Acad.; steht bei Litträ Suppl.
ricUis s. = öffnen des Mundes; der geöffnete Mund. — . . . un
affreux rictus plissa les lävres minces de D^Birö ... — P. J. 6 juill.
1883. A. Matthey : La belle Julie. — Au moyen d'une forte bobine de
Rumkoff [soll heissen Ruhmkorff], on a excitE, les uns apr^s les autres,
tous les muscles de la face. Ce fut d'abord un rictus äpouvantable ;
puis les yeux se sont ouverts, ferm^s ... — P. J. 3 oct. 1883. Exö-
cution de Houy. — Madame Zidore s'ätait levEe Egalement, et cette
femme, qui ne riait jamais, dans la crainte peut-ßtre de d^truire Thar-
monie des fronces de son rictus, s'effor^a de sourire aussi agr^able-
ment que possible ä. Tancien locataire mis ä la porte. — P. J.
2 janv. 1884. E. Richebourg: La Petite Mionne. — Fehlt Acad.; Litträ:
Mot latin qu'on emploie quelquefois aujourd'hui, et qui signifie fente
de la bouche.
romanigo = Zigeuner. — Les marchands forains tiennent ces
jeux d'une fa^^on fort honnSte, mais il n'en est pas de mSme d'une
catögorie d'individus que Ton däsigne sous le nom gönörique de ro-
manigos et de romanitchells [Sachs = romanichel]. Ce sont des bo-
hämiens au teint cuivrE, aux cheveux noirs, qui viennent sans vergogne
s'installer dans toutes les f^tes, qu'ils s'efforcent de mettre en coupe
rä^lEe. Chaque famille de romanigos poss^de d'ordinaire cheval et
voiture. — Grand Alman. Illustr. du P, J. 1884, p. 32. — Fehlt Acad.
und Litträ.
ruisseüement s. m. = das Rieseln, Rinnen. II Tavait äblouie,
grisäe du ruissellement imaginaire des millions de mademoiselle d'Es-
parre. — P. J. 17 oct. 1883. A. Matthey: La Belle Julie. — ... comme
si eile entendait le ruissellement des piäces d'or ... — P. J. 18 oct.
1883. Ibid. -• Fehlt Acadämie und Litträ; vgl. jedoch LittrE: ruisseler.
Fi^. . . . Tordre eccläsiastique, qui faisait ruisseler, dans le sein de
ToisivetE et de Tignorance, tous les tr^sors de la religion et des
pauvres , . . Mirabeau, CoUection, t. IV, p. 336.
senottsUn = Mitglied einer muhamedanischen Brüderschaft (siehe
senousisme). — Ainsi il est acquis aujourd'hui que les senousiens de
Tripoli avaient connaissance des soul^vements des Oulad-Sidi-Cheiks . . .
Mais Jamals, il est vrai, la confrärie des senousiens ne s'Etait encore
montr^e aussi puissante ... Le p^re du directeur actuel de la con-
fr^rie des senousiens n'ignorait pas . . . Teffervescence r^gnant parmi
Zu dem franz. Wörterbuch von SacJis. 253
les senousiens ... — P. J. 19 fövr. 1884. L^f^afadi et TAlgärie. —
Fehlt Acad. u. Littr^. — Vgl. Globus, 1884, p. 265. Die Sekte der Senusya.
senousisme s. m. = Senusismus, muhamedaniBche Brüderschaft
im Norden von Afrika. — On parle beaucoup du Mahdi et de ses ez-
ploits, mais ignore-t-on que Sidi-Mohammed-El-Mahedi (chef actuel du
senousisme, cette redoutable coniri^rie musulmane aujourd'hui k l'ordre
du jour), est le fils de Ali-Es-Senousi, qui fonda son ordre präs de
Mostaganem, d. Mazonna, il y aura bientöt une cinquantaine d^ann^es . . .
Les progr^s effrayants accomplis en ces derniers temps, par la terrible
confr^rie du senousisme dämontrent ... — C'est au senousisme qu'il
faut attribuer les ^yänements d'^gypte ... On retrouve des affili^s
du senousisme depuis la Mecque jusque sur les c6tes de S^n^gambie
. . . la France et TAngleterre qui d^tiennent de si pr^cieuses possessions
coloniales dans les r^gions oü domine le senousisme ... — P. J.
19 f Syrier 1884. Le Mahdi et VAlg^rie. — Fehlt Acad. u. Littr^.
sergoi = Polizeidiener, Schutzmann (Vilatte : Parisismen = sergo:
ohne t).^) — En route pour le poste, le prisonnier invective les agents.
— II ne faut plus de police ! yocifäre-t-il. A bas les sergots ! k Teau
les mouchards! Je les tuerai tous! — P. J. 15 janv. 1884. Affaire
Curien. — Jules Delorme, marmiton, seize ans, hurlait pr^s de l'hötel
de yille: Enlevez les sergots! — P. J. 14 mars 1883. Fehlt Acad^mie
und Littr^.
sinisträ = von einem Unglücksfall betroffen. — ... au bän^fice
. . . des agriculteurs sinisträs de Lorraine ... — P. J. 7 sept. 1888. —
. . . nous sommes heureux de pouvoir faire connaitre le projet du g^-
näral Paris : ... 2^ Utiliser . . . Torganisation actuelle de ce r^giment
[sapeurs-pompiers] et la nouvelle instruction qui lui est donn^e pour
amener . . . sur les points ext^rieurs sinistr^s les secours . . . la com-
mune la plus voisine de la Station desservant la commune sinistr^e . . .
dirieer sur le Heu sinisträ les deux ou quatre pompes ä yapeur ... —
P. J. 27 d^c. 1888. Le feu. — Les entrepreneurs sont tout dispos^s
d. indemniser les sinistr^s et leurs familles ... — P. J. 29 d^c. 1888.
Les syndicats (Th. Grimm). — L'incendie de la rue Saint- Bemard
atteint particuliörement quatre m^nages d'ouyriers . . . L'un de ces
sinistr^s a une femme et huit enfants. — P. J. 28 jany. 1884. Paris.
— Nous ayons re9U pour les sinistr^s de la rue Saint-Bernard ... —
P. J. 28 jany. 1884. Chronique du bien. — üne quSte sera faite pour
les sinisträs de la cit^ Joly. — P. J. 8 f^yr. 1884. Revue des th^tres.
— Dfes dem henres, les sinistr^B ont 6t6 rangle par ordre d'inscription
a cette distribution [de litsl. — P. J. 8 fäyr. 1884. Les yictimes de la
cit^ Joly. — Fehlt Acad.; Littr^: Qui a subi un sinistre.
solicitor (engl.) = Anwalt. — II craint en outre que les jour-
iiaux an^lais ne s'occupent d'un h^ritage de plusieurs millions tomb^s
n desherence ... — Pour cela, — r^pliqua Lartigues, — il faudrait,
•' me semble, que le solicitor ait communiqu^ le testament ... —
.1. 29 ayril 1888. Xayier de Mont^pin: Simone et Marie. — Mais
nie je yeux constater imm^diatement, c'est que ce Systeme [de
' rt> Torrens'*], condamnä, cela ya sans dire, par les grossoyeurs de
l«H pays, comme il a eu contre lui, il y a yingt ans, la foule des
>rs anglais däjä. implant^s sur le sol australien, ce Systeme ne
' plus que des critiques d*ordre infime ... — P. J. 28 sept. 1883.
vil foncier (Th. Grinmi). — Fehlt Acad. und Littr4
Ebenso Larchey, der A. Daudet citiert, und Rigaud. E. K,
254 B. Ubei'
soliloguer = eiivSelbstgespräch halten. — Tout en soliloquant,
ü ätait paryenu ... — P. J. juill. 1883. A. Matthey: La Belle Julie.
— Fehlt Acad. und Littr^.
sous - chapitre = Unterabteilung. — M. Dreyfus präsente un
rapport sur une proposition de M. G. Martin tendant ä räunir toutes
les däpenfles du personel du d^partement dans un meme sous-chapitre
du budget et propose un projet de d^lib^ration conforme ä cette pro-
position. — P. J. 30 däc. 1883. Conseil gän^ral de la Seine. — Fehlt
Acad. und Litträ.
stand 8. m. = Schiessstand. — Tous les dimanches, ä Vincennes,
exercices de tir au fusil Gras et a la carabine, au nouveau stand de
la Soci^tä regionale, 108, rue de Fontenay. — P. J. 31 mars 1883
Petites nouvelles. — Säances de tir ... au stand du fort . . . — P. J.
19 avril 1883. — Concours de la sociät^ de tir . . . au stand du fort
de Noisy ... — P. J. 11 oct. 1883. — On a inaugurä un stand a
Tusage des enfants ... — P. J. 24 oct. 1883. — Fehlt Acad.; Litträ
Suppl.: Nom, dans la Suisse, des endroits disposäs ,pour un tir.
tessmois^ e = zn (dem Kanton) Tessin gehörig. — Berne. 18 f^v.
soir. Hier soir, l'express Milan -Lucerne a d^raill^ ä Glornico (station
tessinoise entre Bellinzona et Airolo). -— P. J. 21 f^vr. 1884. Etranger.
iorpiUeur = Torpedoboot. — Cherburg, 18 sept. Une embar-
cation du Jemmapes, mont^e par des r^serristes, en manoeuvrant sur la
rade, a ätä abordne en travers par un torpilleur. — P. J. 20 sept. 1883.
Departements. — Division des mers de Chine (contre - aniiral Meyer):
cuirasses la Victorieuse, TAtalante . . . transports le Drac, l'Annamite,
le Mytho, et deux torpilleurs. — P. J. 11 mai 1883. Commissions par-
lementaires. — Le bätiment torpilleur le Japon va ^tre mis ä la die-
Position de Tamiral Jaur^s ... — Au commencement de mars, les
Mtiments torpilleurs seront armäs pour faire temporairement partie
de Tescadre d'^volutions. — P. J. 20 janv. 1884. Bulletin militaire et
maritime. — Fehlt Acad.; Littr^: Nom donn^ aux marins qui diri-
gent une torpille, und Suppl.: bateau torpilleur^ bateau portant une
torpille.
ioume-omfs = Eierwender (in Brütöfen). — Couveuse per-
fectionnäe ä thermo-siphon [Sachs = thermosiphonl ä lampe extincteur
et tourne-oöufs. ficlosions 85 ä 90°/o. — P. J. 26 janv. 1884. Annonce.
— £nvoi franco du catalogue . . . des couveuses ä thermo-siphon ä
lampe ou au gaz, extincteur -^lectrique et toume-ceufs m^canique. —
P. J. 14 fävr. 1884. Annonce. — Fehlt Acad. u. Litträ.
toxicophobe = eine Vergiftung befürchtend. — Voici maintenant
le r^cit du crime, d'apräs le rappoi^ de M. Legrand du Saulle [le sa-
vant aliänistel : ... Ghabert, redevenu intemp^rant, hypocondriaque,
pers^cutä, hallucin^ de Vouie, toxicophobe, exalt^ et däsespärä, a quittä
les ateliers ... — P. J. 15 oct. 1883. L'assassin du docteur Eochard.
— Fehlt Acad. u. Littr^.
irichinosique = von der Trichinosis herrührend. — M. H^risson,
ministre du commerce, a' beau repräsenter que depuis trois semaines
la libre importation a ätä rätablie sans suites trichinosiques^ M. Pen-
levey au beau proposer ä la Chambre le vote de Tordre du jour pur
et simple, celle-ci se prononce nettement contre le dernier däcret de
M. üärisson. — P. J. 24 däc. 1883. Chambre des däputäs. — Fehlt
Acad. u. Litträ.
izigane = Zigeuner. — Les tziganes hongrois, sous la conduite
de Darasz Miska, sont eng^gäs pour les quatre bals de TOpära. Ils
joueront, dans leurs süperbes costumes nationaox, d. Torchestre du
Zu dem franz. Wörlerhuch von Sachs. 255
foyer. — P. J. 1 däc. 1883. Revue des th^ätres. — Nice, 7 janvier.
... La musique de tziganes s^est fait entendre pendant le banquet. —
P. J. 9 janv. 1884. Departements. — Samedi 23, avant- dernier bal
de rOpära. — A Tavant-foyer, concert-promenade des Tziganes, sous
la direction de Darasz - Miska. — P. J. 16 fövr. 1884. ßevue des
th^ätres. — Fehlt Acad.; Littr^: Synonyme de tzingari. Tzingari:
Nom de vagabonds qui marchent par petites bandes, qui disent la
bonne aventure, exercent de petits m^tiers, et dont l'origine parait
indienne. — Sachs: Asigane.
tütra-anarchisie = ultraanarchistisch. Deux discussions suivent.
Celles-ci donnent lieu ä des votes. L'une concerne la demande en
autorisation de poursuites däpos^e par le ministre de la justice contre
M. Talandier, d^put^, g^rant d'un Journal oü ont paru des articles
ultra-anarchistes. — P. J. 24 janv. 1884. Chambre des döput^s. —
Fehlt Acad. u. Litträ.
nltraindividualiste = ultraindividualistisch. — Depuis 1847, date
de la mort d* AI exandre Vinet, chaque annäe quelque publication nou-
velle entretient son souvenir et agrandit le cercle de son influence.
De son vivant, son g^nie profond et ultraindividualiste n'ätait rien
moins que populaire au sein de la grande majoritä de notre peuple;
— Eug. Secretan in dieser Zeitschrift V, pag. 88. — Fehlt Acadämie
und Litträ.
tdira-seculaire = über das Jahrhundert hinausreichend, jenseits
des Jahrhunderts. — Discuter une ä une toutes les Solutions apport^es
ä la tribune parlementaire, entrer, pour ainsi dire, en conversation
avec tous les auteurs de systämes et tous les pröneurs de remedes
rassembl^s autour de la plaie sociale, soutenir ou r^torquer des thöses
dont quelqaes-unes sont ultra-s^culaires^ excädait ävidemment la tache
de l'organe du gouvernement. — P. J. 2 fävr. 1884. La Hbertö pour
tous. — Fehlt Acad. u. Litträ.
velouiier = Samtweber. — L'une des balles a atteint le passant.
Augustin Rejol, veloutier ä. Tence. — P. J. 14 sept. 1883. — Fehlt
Acad.; Litträ: Ouvrier qui fait du velours.
vendredisie = Abgeordneter, welcher am Freitag eine Sitzung
anberaumen will (also etwa: Freitagsmann). — Quelques membres,
ämus ä la pens^e de ne pouvoir expedier ä. temps les travaux d^s ä
präsent inscrits au feuilleton, ä travers les nombreuses interpellations
que d^autres membres tiennent toutes pretes, ont eu l'idäe charitable
de restituer ä la Chambre une s^ance par semaine : le vendredi. Le
vendredi, comme le mercredi, ätait plusieurs annäes d^jä» consacrä aux
travaux des commissions et aux r^unions des groupes. M. Folliet^ in-
terprete des „vendredistes" , däpose une proposition ... — P. J.
17 janvier 1884. Chambre des däputäs. — Fehlt natürlich bei Acad.
und Litträ.
vivisectionniste = für die Vivisektion. Vgl. das oben angeführte
antivivisectionniste. — Fehlt Acad. u. Litträ.
n. WSrter mit erweiterter Bedentang:
ahatage = das Hauen (vom Berghauer gesagt). Sachs nur:
«, 2. Hauerlohn. — L'ensemble de la lache des mineurs comprend:
1^ Tabatap^e, 2^ Tentretien des petites galeries, 3° le roulage du char-
bon extrait. — P. J. 22 fävr. 1884. Les mineurs d'Anzin. — Auch
Littr^ gebraucht das Wort in dieser Bedeutung: Suppl. s. v. abatteur:
»56 B. über
Ouvrier employä ä Tabatage dans les mines. Terme d*exploitation
houillöre.
affolement = die bis zum Wahnsinn gesteigerte Aufregung. —
Sachs nur: ^ plötzliches Abweichen der Magnetnadel. Acad. fehlt das
Wort ganz. Littr^ : Action de devenir fou et sourtout fou par amour ;
die von Sachs angegebene Bedeutung fehlt. — La defense retrace la
scene du crime, montrant l'exasp^ration de Boissy, TafFolement dans
lequel il s'est trouvö, et repousse toute idäe de primäditation. — P. J.
2 juill. 1888 (Gerichtsverhandlung). — On ne saurait d^peindre Taffole-
ment qui s'est empar^ des habitants entourant Vimmense foyer ... —
P. J. 28 juill. 1883 (Bericht über einen Brand). — L'id^e venait de
jaillir de son cerveau, mais quelle id^e ! Une id^e insens^e, teile qu'elle
pouvait naitre de son affolement. — P. J. 31 oct. 1883. E. Riche-
bourg: La Petite Mionne. — ün ^lan involontaire la pröcipita vers la
rampe, presqu'agenouilläe. Dans cet älan sa jupe passa sur un quin-
quet; une ^tincelle jaillit et un jet de flamme monta comme un ser-
pent le long de V^toffe, tandis qu'un long cri de detresse succddait,
dans cette salle toute vibrante d'emotion, aux clameurs enthousiastes
de tout ä l'heure. Cela s'^tait pass^ si vite que, parmi les spectateurs
glacäs par Teffroi, il n'y eut d'abord que cet affolement qui, dans ces
heures tragiques, paralyse la präsence d'esprit. — P. J. 9 nov. 1883
E. Daudet: Mademoiselle Vestris. — La malheureuse mere, vingt ans
avant, s'eat dans Taffolement de la douleur, et pour sauver son ?poux,
livr^e au tyran qui, ä, ce prix seulement, a consenti ä faire gräce. —
P. J. 23 nov. 1883. Premi^res reprösentations (L^on Kerst). — Eh
bien, va demander ä ton fils qui a frapp^ Jenny, la servante de Ver-
dier, dans le tombeau Kourawieff oü il s'introduisait pour voler nos
correspondances, il te r^pondra: — C'est moi ! ! ! — Lui ! ! — fit ma-
dame Rosier avec affolement. — P. J. 28 mai 1883. Xavier de Mon-
t^pin : Simone et Marie. -— Le feu a gagn^ des fabriques voisines. Au
Premier signal, ce fut dans Roubaix un affolement gön^ral. On croyait
k de nouvelles victimes. — P. J. 30 nov. 1883. Nouveau sinistre ä
Roubaix. — Nous rappelons pour mtooire que la Chine a fait, — ou
est cens^e avoir fait, — de la prise de Son-Tay ou de Bac-Ninh
r^quivalent d'une döclaration de guerre. Nous notons une distinction
ä. ^tablir, parce qu'il nous parait näcessaire de r^agir contre l'affole-
ment que plusieurs journaux s'efforcent malheureusement de rendre
plus grand encore. — P. J. 19 d^c. 1883. La marche sur Son-Tay. —
Nous voici fort heureusement revenus ä une plus saine appr^ciation
de la Situation. La Bourse qui, pendant quelques jours, a %i^ livr^e
k une d^bandade effr^n^e, c^dant, ä Timpulsion d un groupe de sp^-
culateurs intäressäs, . . . Maintenant que Taffolement est fini, que la
raison est revenue, il nous parait n^cessaire de rappeler la n^cessit^
d*un calme imperturbable. — P. J. 21 d^c. 1883. L'affolement. — La
tante a ^crit une lettre d'aveu dans un moment d*affolement, sans
doute, sous Tempire de la terreur. — P. J. 27. d^c. 1888. ün vol
sans voleur. — Une ouvri^re couturiöre . . . a 6t^ blessäe griävement
de deux coups de revolver qu'un employä de la gare de rEst lui a
tirä, la nuit. dans Taffolement de la peur. — P. J. 17 janvier 1884.
Paris. — En rendant compte de l'incendie de la citä Joly, nous avons
parlä de la disparition de plusieurs enfants. Les recherches dans les
däcombres n'ont amen^ que la .d^couverte d'un seul cadavre, celui
d'une fiUette de trois ans . . . Dans l'affolement de la premi^e heure,
il s'^tait . . . produit des r^clamatious d'enfants disparus; — P. J.
5 fävr. 1884. Paris. — . . . le jeune homme a r^pondu que sa m^re
Zu dem franz. Wörterbuch von Sachs. 257
affbler = "wahnsinnig machen, bis zum Wahnsinn aufregen
(durchaus der Bedeutung von affolement entsprechend). Sachs : « L zum
Narren machen, bethören, ist sicherlich zu schwach. Acad.: Rendre
fou, inspirer une passion qui tient de l'^garement. Litträ : Bendre fou,
et particuliörement riendre fou d'amour. -r Messieurs, il y aurait grand
profit pour tout le monde ä imiter cette s^r^nitö, cet ^quilibre d'esprit.
Oui, ce serait une oeuvre patriotique que de ne pas aflPoler les imagi-
nations, de ne pas exag^rer les p^rils d'une entreprise qui n'est pas,
que je sache, au-dessus des forces de la France ... — P. J. 20 d^c.
1888. Les nouveaux cr^dits (discours de M. Jules Ferry). — La möre
qui avait men^ promener [sa petite fiUe], s'aper9ut tout ä coup de sa
disparition. Aprös l'avoir vainement cherch^e partout, eile se rendit
au bureau de M. Bolos, commissaire de police, auquel eile donna le
Signalement de'son enfant. Puis, toute affoläe, eile courut ä. son do-
micile . . . oü eile esp^rait retrouver la petite Juliette. — P. J. 20 däc.
1883. Paris. — A peine s'ätait-il approch^ de la palissade en planches
que deux coups de feux se faisaient entendre, et que deux balles
Vatteignaient . . . Affol^ par la peur, il s*ätait enfui ... — P. J.
22 d^c. 1883. Paris. — Le marquis de Tseng n'a nuUement demand^
ses passeports. Les journaux anglais, affol^s, supplient la France de
s'arröter, de faire la paix avec la Chine. — P. J. 23 döc. 1883. La
prise de Son-Tay. — Sa terreur redoubla . . . Alors, son imagination
affoläe enfanta diverses hypotheses toutes plus alarmantes les unes
que les autres. — P. J. 27 d^c. 1883. E. Daudet: Mademoiselle Vestris,
— Mais l'indispensable, par dessus tout, c'est d'agir, et d'agir, — sans
s'afFoler, — avec la plus grande rapiditö. — P. J. 8 janv. 1884. Ex-
tinctions de huiles de pötrole . . . enflamm^s. — L'oiseau ne pouvait
plus fuir: effrayä par le bruit, dans un vol affol^ il se cognait aux
murs, tombait sur le parquet; — P. J. 12 janv. 1884. E. Richebourg:
La Petite Mionne. — Misöricorde du ciel! Vous me cachez un mal-
heur ! Avant qu'on püt lui barrer le passage, eile prenait, afFol^e, son
61an vers la porte. — P. J. 18 janv. 1884. A.-J. Dals^me: La Folie de
Claude. — ... une Enorme chemin^e, renvers^e par le vent, est venue
s'abattre sur les mansardes, dont les plafonds se sont eifondr^s. Les
locataires, aifol^s ont pu heureusement fuir ä teraps. — P. J. 30 janv.
1884. La tempßte du 26. — Madame . . , aflPol^e par la peur, s*est
^lanc^e d*une fenötre. — P. J. 2 fövr. 1884. L'incendie de la cit^
Joly. — Se voyant entour^e de flammes, eile perdit la'tßte, et se mit
ä courir, affol^e, en poussant des cris de d^tresse. — P. J. 16 f^vr.'
1884. Paris. — . . . un cheval de fiacre descendait ä, toute vitesse le
bonlevard Magenta. M. Bonne . . . se pla9a sur le chemin de l'animal
affolö et parvint ä, Tarrßter ... — P. J. 18 f^vr. 1884. Paris.
a^avre = agrarisch. — Sachs: * nur gebr. in loi ^ Ackergesetz.
Acad. und Litträ ebenso. — Dublin, 18 d^cembre. Un crimö agraire
a ^tä commis hier soir, d. Eillarina (comtä de Cavan). La victime est
un fermier ... — P. J. 20 däc. 1883. Derni^res nouvelles.
allumeur = Schlepper (der die Opfer des Betruges anlockt). —
Sachs: .* de chalands, Eundenanlocker.^) — Les bonneteurs sont beati-
coup plus redoutables que les boh^miens, car ils poss^dent une Orga-
nisation väritable. Le dimanche, dans une grande f§te eomme oelle'
de Neuilly, on ne tronve pas moins de deux cents bonneteurs, r^partis'
entre une vingtaine de jeux diff^rents. Tons les röles sont distribn^s,
^) Das Wort findet sich erklärt bei Rigand, Delvau, Larohey und*
Villatte. E/IC.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI^. j^y
^ R Vher
depms celm du banquier jiuqa'ä celm de raUomeor. — 6r. Alm. JIL
du P, J. 1884, pag. 33.
s^amorcer. — Un qnart dlieore plus tard, denx paBsants le
rencontraient dans an petit chemin qui s^amorce sor la gprande nie de
la commane. Ce sentier longe nn jardin ... — P. J. 24 janirier 18S4.
Die p. 235 angefOhrien Wörter amorce und s'amorcer gehören hierher.
arc-bonier. #' « = sich stätzen, lehnen. — Sachs nur: mit
Strebepfeilern, mit Strebebogen stfiteen. Littr^ ebenso. Acadämie: II
s'emploie aussi avec le pronom personneL S'arc-bouter ä on mnr,
S'appnyer fortement k un mar. — Epais^ par Tefifort qa'il venait
d'accomplir, il s'arc-bontait ä la moraille. — P. J. 13 janvier 1884.
A^-J. Dalstoe: La Folie de Claude.
ardent, e. 3. chapelle « e = Leichenzimmer; der ganze Raum,
in welchem die Leiche aufgebahrt ist. Sachs: erleuchteter Katafalk
(Trauergerfist). Littr^ und Acad. ebenso. — ... l'interieur [de la gare
du Nord] avait ^t^ transform^ en chapelle ardente. — P. J. 3 octobre
1883. Lettres ete. — Le peristjle de la mairie avait ^tä converti en
une magnifique chambre (= chapelle) ardente, oü, de neuf henres ä
dix heures du matin, les yisiteurs n*ont cessä d'affluer. — P. J. 21 däc.
1883. Obs^ques d'Henri Martin.
assimäable = vergleichbar, zu vereleichen, gleichzustellen; vgl.
assimilation 4. — Sachs nur: assimilirbar, wohl als Ausdruck der
Physiologie. — Acad. und Littr^ ebenso. — Mais les monnaies d^cri^es
ont teu^ours €t6 consid^r^es comme pi^ces de bon aloi. EUes ne sont
pas assimilables ä la faussemonnaie. — P. J. 18 janv. 1884. Cisaille-
ment des monnaies.
assisiance, - publique, öfifentliche Armenpflege. — Acad.: Cette
partie de Tadministration qui comprend les secours ä donner aux
pauvres, aux malades. Lit&^: Tensemble de Vadministration et des
itablissements qui viennent aux secours des malades et des näcessiteux.
— Le directeur de TAssistance publique d. re^u, pour les pauvres, de
M. Blumenthal, 500 fr. — P. J. 15 die. 1883. Chronique du bien. —
M. Charles Quentin, directeur de TAssistance publique; — P. J. 15 d^c.
1888. Les enfants assistes. — Auguste Brice, l'un des principaux four-
nisseurs de TAssistance publique. — P. J. 22 däc. 1883. Paris. —
Hier, apr^s-midi, a eu lieu, dans la salle de Tadministration de l'Assi-
stence publique, la distribution solennelle des prix aux dl^ves internes
et externes en mädecine et en Chirurgie des hospices et höpitaux de
Paris. — P. J. 29 däc. 1888. Lettres, etc.
averUsseur. 1. eine Art Patrone, 2. Portier, der die Ankunft:
und den Abgang der Züge ausruft, 3. Diener in der Oper, der die
Schauspieler auf den Beginn der Vorstellung aufmerksam macht,
4. Feuermeldeapparat. — - Sachs nur: Wächter, Rufer. Ebenso Litträ.
Acad. fehlt das Wort ganz. — . . . un systäme de cartouches, dites
„avertisseurs", ä. Tusage des r^gates et autres fdtes publiques. —
P. J. 5 juill. 1883. — ... l'avertisseur signala tout d. coup Varriv^e du
train-poste ... — P. J. 5 sept. 1883. •— L'entretien fut interrompu.
L'avertisseur passait dans les couloirs [de TOp^ra]. D fallait descen-
dre ... P. J. 8 nov. 1883. £. Daudet : Mademoiselle Vestris. — Hier
ont eu lieu, au ministöre des finances, les interessantes expäriences de
Favertisseur Aectro-autematique Charpentier contre les mcendies, k
Voccasion de la räception officielle des travaux ex^cut^s pour la pose
de cet ing^nieoz appareil de protection. ^ P. J. 17 d^c. 1883. L'aver-
tisseur des incendies.
Zu dem franz. Wörterbuch von Sachs, 259
bacheüere = Baccalaurea. — Bei Acad. und Littr^ felilt das
Wort in dieser Bedeutung. — ... rien ne s'oppose, ä mon avis, d. ce
que les femmes aient a leur disposition des Cooles de tous les degräs,
et qu'on leur enseigne les lettres, les arts, les sciences comme aux
hommes. L'exp^riene a 6t6 faite dans d'autres pays ; eile a rdussi.
Les Francaises sont aussi intelligentes que les ätrang^res ; pourquoi ne
seraient-elles pas de force ä profiter de Tenseignement universitaire ?
D'ailleurs, malgr^ des entraves de toutes sortes et la quasi-räprobation
du monde, il y a actuellement en France 81 bacheli^res, 21 doctoresses
en mädecine, etc., en tout 138 diplomäes. — P. J. 9 sept. 1888. L'ädu-
cation des femmes (Th. Grimm).
bagateües de la porie = die kleinen Vorstellungen und Kunst-
stücke, durch welche reisende Künstler das Publikum zum Eintritt in
die Schaubude veranlassen wollen und die deshalb vor derselben aus-
geführt werden. — Fehlt auch Acad. und Littr^. — Les directeurs des
th^ätres forains pr^f^rent maintenant attirer le public en lui jetant de
la poudre aux yeux. Plus de bagatelles de la porte, plus de däsopi-
lantes parades ! II semble que la race joyeuse des pitres soit en train
de s'^teindre ... La parade a eu jadis ses virtuoses, grands artistes
consomm^s qui avaient fait de la bagatelle de la porte une ^tude
approfondie. Tels furent au XVII« siöcle, Turlupin, Gfautier-Öarguille
et Gros-Guillaume, dont les träteaux, place de TEstrapade, attiraient
tous les badauds de leur temps . . . Ce qui remplace les bagatelles de
la porte, c'est T^talage que fönt les directeurs de toute la garde-robe
et du magasin d'accessoires de leur thäätre, sur lequel ils jouent le
drame, l'opörette ou la fä^rie. — Gr. Alm. III. du P. J. 1884, pag. 27
und 28 (A. Coffignon). — Hierdurch wird erst verständlich : prv. ce sont
les bagatelles de la porte das ist noch gar nichts, es kommt noch weit
besser. — VgL L. Larchey, 9« ^d., Paris 1881.
haiterie = Schlossteil (des Feuersteinj^ewehres), der die Zünd-
pfanne bedeckt und ge^en den der Feuerstein schlägt; der Hahn des
Gewehres? — Acad.: Piöce d'acier qui couvre le bassinet des armes ä
feu portatives, et contre laquelle donne la pierre qui est au chien.
Les armes ä percussion n'ont pas de batterie. — Littr^ ebenso. — H
glissa sa main sous le traversin d*oü il tira un fort pistolet d. canon
double dont il fit jouer les batteries, comme pour s'amuser. — P. J.
1 däc. 1888. £. Richebourg: La Petite Mionne. — . . . la pluie tom-
bait comme d'un arrosoir, et nous allions en arrondissant les dos, le
fusil sous le bras, le pan de la capotte sur la batterie . . . ^- Erckmann-
Chatrian: Waterloo, pas. 288 (Hetzel et O«).
hohme == Drah^oUe des Induktionsapparates; Papierrolle. — Au
moyen d'une forte bobine de Rumkoff [RuhmkorfT], on a excit^ . . . tous
les muscles de la face. » P. J. 8 oct. 1888. — Le feu s'est däclar^,
on ne sait comment, dans un hangar sous lequel ^taient rangäes quatre
Cents bobines de papier neuf . . . ~ P. J. 18 janv. 1884. (Brand einer
fabrique de cartonnages). Acad.: ün cylindre autour duquel s'enrou-
lent des fils mätalliques, qui servent k conduire un courant ^lectrique.
Littr^ Suppl. ebenso.
braiser = aufsieden (des Silbers etc.)? =s blanchir. — C'est une
süperbe chaine de montre giletiäre avec bäton, mousqueton, mädaillon,
en m^tal dor^, cisel^, braisi, soudä ä la lampe. — P. J. 1 janv. 1884.
Les camelots.
brassard = ? Wickelband kann es neben „lange" nicht be-
deuten. ^ Le milieu de la pi^ce est occupä par une Enorme chemin^e^
oü flambe nn bon feu, devant lequel chauffent ^tendus Goaches, la^es,
17*
aeo B, Vber
brassards, bonnets ; en an mot, tout ce qu'il faut pour yStir convena-
blemen); le nouveau venu. — P. J. 27 oct. 1888. L'enfance ä Paris
(Th. Grimm).
brasseur, ^ d'affaires = faiseor d'affaires? Un An^lais, brasseur
d'affaires, John Arthur, s'dtait ^tabli dans la rue GastigUone, oü, pen-
dant plusieurs ann^es, il fit le change et trafique sur tout, vente
d'immeubles et vente de marchandises. II y avait des hauts et des
bas dans ce commerce d. tout faire ... — P. J. 15 fävr. 1884. Paris.
— Sachs, Acad. und Littr^: Bierbrauer, Bierwirt.
brimade = Fuchsprellen, nicht bloss vom Schüler (Sachs), son-
dern auch vom Rekruten. — Quand ä la brimade [le conscrit d'aujourd»
hui] ne la connaitra que par des contes qui, remontant aux temps les
plus recul^s, n'ont plus cours ä notre äpoque. — P. J. 28 däc. 1883.
Le conscrit d'aujourd'hui.
buche = Gasbrenner (mit Löchern). — Une buche ä gaz flambait
dans un appartement, quand la flamme s'äteignit soudain . . . le gaz
continua ä sortir des trous de la buche ... — P. J. 30 janvier 1884.
La tempSte du 26. — Diese Bedeutung fehlt in den Wörterbüchern.
budgetaire a. u. s. m. (effectif) « Budgetbestand. So Sachs. Man
ist somit versucht zu glauben, das Wort käme nur in dieser äinea
Verbindung vor. — Parmi la droite bonapartiste, deuz hommes con*
naissent le m^canisme budg^taire et sont capables de faire d'excellents
discours d'opposition ; — P. J. 80 nov. 1883. Chambre des döputäs. —
— . . . la question budg^taire ... — P. J. 26 janv. 1884. — les n^-
cessit^s budgätaires ... — P. J. 2 fävr. 1884. — les embarras budgö-»
taires ... — P. J. 10 fävr. 1884. — Des consid^rations budgötaires. —
P. J. 12 fävr. 1884. — Acad. : budg^taire. adj. des deux genres. Qui
appartient au budget, qui a rapport au budget. AUocutions budg^-
taires. — Littr^ ¥de Sachs; aber Suppl. budg^tairement.
cannage = Beflechten (der Stühle) mit Rohr. — La socidt^ [des
ateliers d'aveugles] pourra y dävelopper la fabrication de brosserie,
de sparterie, ainsi que le cannage et le rempaillage des chaises. —
P. J. 7 janv. 1884. Lettres, etc. — Sachs nur: Ausmessen mit der
Rohrelle. Acad. ebenso. Littr^ Suppl.: Action de tresser des Cannes,
des rpseaux. Les rotins servant au cannage des siäges.
capter 2. eine Mineralquelle fassen. So Sachs und Littr^. Acad.
hat diese Bedeutung nicht. — Hier auch von anderem Wasser ge-
braucht. — L'administration colooiale [de la Räunion] se pr^occupe
enfin de l*ätude d'un grand projet d'irrigation qui aura pour r^sultat
de capter et d'amänager les eaux si n^cessaires ä la prosp^ritä de
Tagriculture ... — P. J. 22 janv. 1884. Les colonies fran9aises. —
M. Marcel Deprez a fait, ä l'exposition de Munich ... et ä Grenoble . . .
des expäriences tres interessantes; des chutes d'eau captäes par des
turbines ä des distances de dix-huit küometres et cinquante-sept kilo-^
m^tres ont fait marcher . . . des pompes rotatives ... — P. J. 24 janv.
1884. L*älectricite motrice.
ceiniure. la Grande -Ceinture, die grosse Gürtelbahn um Paris.
— Gr. Alm. JH. du P. J. bringt einen Aufsatz (mit Plan) über diese
Bahn pag. 40 f. Überschrift: La Grande Ceinture. Anfang: La ligne
de Grande-Ceinture, commencäe en 1875 . . . a 4it6 . . . achev^e et ouverte
au public au mois de mai 1888 (Louis Barroux).
cenienaire, une piäce ^ = ein Stück, das zum 100. Male aufge-
führt wird. — Fehlt in den Wörterbüchern. — Quand une piece nou-
velle, jou^e sur un th^tre de Paris, atteint sa centi^me repräsentation,
ee qui est la constatation de son succes, et aussi de ees süperbes re-
Zu dem fram, fFörierbuch von Sachs, 261
cetteSf ü est d'asage que l'henreux directeor offire nne fdte ä ses ar*
tistes et aux anteors de la pi^ce centenaire; on appelle cela föter la
centi^me. — P. J. 21 fävrier 1884. £. Richebourg: La Petite Mionne.
chevcU. chevaux de bois = Karussell. — Fehlt in den Wörter-
büchern. ^- De distance en distance, an manage de chevaux de bois,
la joie des enfants, toornait au son de la musique d'un orgue de bar-
barie. — P. J. 28 d^c. 1888. £. Bichebourg: La Petite Mionne. — Les
chevaux de bois constituent un des äl^ments indispensables des fötes
foraines. Dans les grandes fötes, c'est aux chevaux de bois que se
donnent rendez-vous toutes les bandes joyeuses armäes de mirlitons et
autres instruments aussi sonores que tintamarresques. Dans les fdtes
locales, les chevaux de bois sont Tamusement des enfants et la tran-
quillitä des parents qui fönt cercle autour du manage ... La musique
Burtout joue un grand röle dans le fonctionnement des chevaux de
bois. — Gr. Alm. Jll. du P. J. 1884, pag. 31 (A. Coffignon).
chiffbnnaae = chiffonnerie = das Lumpensammeln. Fehlt in
den Wörterbüchern. •— L'arr^tä du prüfet de la Seine [relatif aux
ordures mdnag^riBs], . . . va räduire d. la mis^re trente miUe chiffon-
niers, sans parier de cent mille autres travailleurs que le chifPonnage
fait vivre accessoirement. — P. J. 21 janvier 1884. Räunion des
chiffonniers. — Libres ä eux, s'ils le veulent, de vider partiellement le
contenu des bottes dans des toiles d. sacs ou des toiles ciräes, comme
beancoup le faisaient d^ä, afin de faciliter Vop^ration du chiffonnage.
— P. J. 23 janv. 1884. ün terme moyen. — . . . le duc de la Boche-
foucanld-Bisaccia, pour secouer la tyrannie de la B^publique parle-
mentaire, ^tend sa main protectrice sur la modeste industne du
chiffonnage. — P. J. 24 janv. 1884. Le chiffonnage. — L'arrfit^ . . .
n'a fait que transformer Tindustrie du chiffonnage en substituant le
placier au chiffonnier de la rue. — P. J. 10 £^vr. 1884. Gons. mun.
de Paris.
Chiffreur = Porzellanmaler (der Namenszeichen malt? v^l.
chiffire 4). — Se sont ensuite pr^ent^s devant la commission les pem-
tres en porcellaine ... La journ^e de 10 heures de travail est payöe
6 fr., 7 fr. 50 ou 10 fr., selon la sp^cialit^: Chiffreur, d^corateur, neu-
riste ou figuriste. — P. J. fi^vr. 1884. — Diese Bedeutung fehlt in den
Wörterbüchern.
chrdtienid = Ghristenniederlassung. Sachs nur: Christenheit. —
Acad. ebenso. Litträ Suppl.: Communant^ chrdtienne, en an pays qui
n'est pas chrätien. — ... la d^pdche que VLp Paginier a exp^diäe :
Hong-Kong, 9 fävr.: Massacräs . . . 1 pr^tre, 22 cat^chistes, 215 chrd-
tiens; 108 chr§tient^s detruites. Demande secours. Puginier. •— P. J.
18 fdvr. 1884. Dem. nouv.
claquemeni de la langue = Schnalzen mit der Zunge. — ... les
chevaux, anim^s par un claquement de la langue contre le palais,
reprirent lenr trot rapide. — P. J. 18 nov. 188S. £. Bichebourg: La
Petite Mionne. — Dieser Gebrauch von claquement fehlt in den
Wörterbüchern.
comparer, compar^, e = vergleichend. Sachs verweist zwar auf
anatomie, nicht aber auf grammaire, das er doch gibt: grammaire
compar^e. Acad. führt noch „philologie" an, das bei Sachs auch nicht
mit „comparee^ verbunden angeführt ist. — La chaire d^histoire des
l^gislations compar^es et la chaire d'arabe du College de France sont
vacantes. — P. J. 10 döc. 1883. Petites nou volles. — Le College de
France vient de däsigner, pour la chaire d'histoire des l^slations
comparäes, vacante par le d^^s de M. Edouard Laboulay, en premiire
260 Ä Vber
brassards, bonnets ; en an mot, tout ce qu'il faat pour vetir convena-
blement le nouveau venu. — P. J. 27 oct. 1888. L'enfance ä Paris
(Th. Grimm).
brasseur. . d'affaires = faiseur d'affaires? Un Anglais, brassenr
d'affairee, John Ari;hur, s'dtait ätabli dans la rue CastigUone, oü, pen<
dant plusieurs ann^es, il fit le change et trafique sur tout, yente
d^immeubles et vente de marchandises. II y avait des hauts et des
bas dans ce commerce d. tout faire ... — P. J. 15 fävr. 1884. Paris.
— Sachs, Acad. und Littr^: Bierbrauer, Bierwirt.
brimade = Fuchsprellen, nicht bloss vom Schüler (Sachs), son-
dern auch vom Rekruten. — Quand d. la brimade [le conscrit d'aujourd*
hui] ne la connaitra que par des contes qui, remontant aux temps les
plus recul^s, n'ont plus cours ä notre ^poque. — P. .7. 28 däc. 1883.
Le conscrit d'aujourd'hui,
buche = Gasbrenner (mit Löchern). — Une buche ä gaz fiambait
dans un appartement, quand la flamme s'äteignit soudain . . . le gaz
continua ä sortir des trous de la buche ... — P. J. 30 janvier 1884.
La tempSte du 26. — Diese Bedeutung fehlt in den Wörterbüchern.
budgetaire a. u. s. m. (effectif) ^ Budgetbestand. So Sachs. Man
ist somit versucht zu glauben, das Wort käme nur in dieser ^inen
Verbindung vor. — Parmi la droite bonapartiste, deux hommes con-
naissent le m^canisme budgätaire et sont capables de faire d'excellents
discours d'opposition ; — P. J. 80 nov. 1883. Chambre des d^putäs. —
— . . . la question budgetaire ... — P. J. 26 janv. 1884. — les n^
cessit^B budgätaires . . . — P. J. 2 fävr. 1884. — les embarras budg^-
taires ... — P. J. 10 fävr. 1884. — Des considörations budgätaires. —
P. J. 12 f^vr. 1884. — Acad. : budgätaire. adj. des deux genres. Qui
appartient au budget, qui a rapport au budget. AUocutions budg^-
taires. — Littr^ wie Sachs; aber Suppl. budg^tairement.
cannage = Beflechten (der Stühle) mit Rohr. — La soci^t^ [des
ateliers d'aveugles] pourra y dävelopper la fabrication de brosserie,
de sparterie, ainsi que le cannage et le rempaillage des chaises. —
P. J. 7 janv. 1884. Lettres, etc. — Sachs nur: Ausmessen mit der
Rohrelle. Acad. ebenso. Littr^ Suppl.: Action de tresser des cannes,
des roseaux. Les rotins servant au cannage des si^ges.
capier 2. eine Mineralquelle fassen. So Sachs und Littr^. Acad.
hat diese Bedeutung nicht. — Hier auch von anderem Wasser ge-
braucht. — L'administration coloniale [de la Räunion] se pr^occape
enfin de l*ätude d'un grand projet d'irrigation qui aura pour r^sultat
de capter et d'amänager les eaux si näcessaires ä la prospärit^ de
Tagriculture ... — P. J. 22 janv. 1884. Les colonies fran9ai8es. —
M. Marcel Deprez a fait, ä Texposition de Munich ... et ä Grenoble . » .
des expäriences träs interessantes; des chutes d'eau captäes par des
turbines ä des distances de dix-huit küomätres et cinquante-sept kilo-
m^tres ont fait marcher . . . des pompes rotatives ... — P. J. 24 janv.
1884. L*eiectricite motrice.
ceiniure, la Grande -Ceinture, die grosse Gürtelbahn um Paris.
— Gr. Alm. JH. du P. J. bringt einen Aufsatz (mit Plan) über diese
Bahn pag. 40 f. Überschrift: La Grande Ceinture. Anfang: La ligne
de Grande-Ceinture, commencäe en 1875 . . . a äte ... achev^e et ouverte
au public au mois de mai 1888 (Louis Barroux).
cenienaire, une piäce ^ = ein Stück, das zum 100. Male aufge-
führt wird. — Fehlt in den Wörterbüchern. — Quand une piece nou-
velle, jouäe sur un th^ätre de Paris, atteint sa centi^me repr^sentationi
ee qui est la constatation de son succäs, et anssi de ees süperbes re-
Zu dem franz, fFörierbuch von Sachs, 261
cettes, il est d'asage que Vhenreux directeor offire une fdte ä. ses ar-
idstes et aux auteurs de la piäce centenaire; on appelle cela föter la
centieme. — P. J. 21 f^vrier 1884. £. Richebourg: La Petite Mionne.
ckeval. chevaux de bois = Karussell. — Fehlt in den Wörter-
büchern. — De distance en distance, un manage de chevaux de bois,
la joie des enfants, touruait au son de la musique d'un orgue de bar-
barie. — P. J. 28 d^c. 1883. £. Bichebourg: La Petite Mionne. -- Les
chevaux de bois constituent un des ^^ments indispensables des fStes
foraines. Dans les grandes fdtes, c'est aux chevaux de bois que se
donnent rendez-vous toutes les bandes joyeuses arm^es de mirlitons et
autres Instruments aussi sonores que tintamarresques. Dans les fötes
locales, les chevaux de bois sont l'amusement des enfants et la trän-
quillitä des parents qui fönt cercle autour du manage ... La musique
Burtout joue un grand röle dans le fonctionnement des chevaux de
bois. — Gr. Alm. Jll. du P. J. 1884, pag. 31 (A. Coffignon).
chiffonnaae = chiffonnerie = das Lumpensammeln. Fehlt in
den Wörterbüchern. — L'arrdtä du prüfet de la Seine [relatif aux
ordures mänag^riBs], . . . va rdduire ä la misäre trente nulle chiffon-
niers, sans parier de cent mille autres travailleurs que le chiffonnage
fait vivre accessoirement. — P. J. 21 janvier 1884. R^union des
chiffonniers. — Libres k eux, s'ils le veulent, de vider partiellement le
contenu des bottes dans des toiles ä sacs ou des toiles ciräes, comme
beaucoup le faisaient dd^jä, afin de faciliter l'opäration du chiffonnage.
— P. J. 23 janv. 1884. ün terme moyen. — . . . le duc de la Boche-
foucauld-Bisaccia, pour secouer la tyrannie de la B^publique parle-
mentaire, ^tend sa main protectrice sur la modeste Industrie du
chiffonnage. — P. J. 24 janv. 1884. Le chiffonnage. — L*arr6t^ . . .
n'a fait que transformer Tindustrie du chiffonnage en substituant le
placier au chiffonnier de la rue. — • P. J. 10 fiävr. 1884. Gons. mun.
de Paris.
Chiffreur = Porzellanmaler (der Namenszeichen malt? vj^l.
chifßre 4). — Se sont ensuite pr^sent^s devant la commission les pein-
tres en porcellaine ... La journ^e de 10 heures de travail est payde
6 fr., 7 fr. 50 ou 10 fr., selon la späcialit^: Chiffreur, d^corateur, fleu-
riste ou figuriste. ^ P. J. fävr. 1884. — Diese Bedeutung fehlt in den
Wörterbüchern.
chrdUenU = Ghristenniederlassung. Sachs nur: Christenheit. —
Acad. ebenso. Litträ Suppl.: Gommunant^ chr^tienne, en un pays qui
n'est pas chr^tien. — ... la döp^che que Me^ Puginier a expi^diäe :
Hong-Kong, 9 f^vr.: Massacr^s . . . 1 pr^tre, 22 cati^chistes, 215 chrd-
tiens; 108 chrgtient^s ddtruites. Demande secours. Puginier. — P. J.
13 fövr. 1884. Dem. nouv.
eiaquemeni de la langue = Schnalzen mit der Zunge. — ... les
chevaux, anim^s par un claquement de la langue contre le palais,
reprirent leur trot rapide. — P. J. 18 nov. 1883. E. Richebourg: La
Petite Mionne. — Dieser Gebrauch von claquement fehlt in den
Wörterbüchern.
comparer. compar^, e = vergleichend. Sachs verweist zwar auf
anatomie, nicht aber auf grammaire, das er doch gibt: grammaire
compar^e. Acad. führt noch „philologie" an, das bei Sachs auch nicht
mit „comparee'' verbunden angeführt ist. — La chaire d'histoire des
l^gislations compar^es et la chaire d'arabe du College de France sont
vacantes. — P. J. 10 d^c. 1883. Petites nou volles. — Le College de
France vient de däsigner, pour la chaire d'histoire des l^slations
comparees, vacante par le däc^s de M. Edouard Laboulay, en premiire
262 B. über
ligDe M. Dareste, conseiller ä la conr de cassatioii. — P« J. SO jany.
1884. Lettre«, etc. — An mns^ de sciilptnre compar^ de Trocad^,
on aclifeye le montage de la copie en moulage du grand portail de la
cath^rale de Bordeaux. — P. J. 10 fi^vr. 1884. Pet. noav. — Somit
durfte sich wohl die besondere Aufnahme von compar^, e ins Lexikon
empfehlen.
comte = Helfershelfer vor Spielbnden. — La r^le fondamentale
de l'association [des bonnetenrs] est qn'il doit tonjonrs entrer de l'ar-
gent dans la caisse commune, mais qn'il ne doit jamais en sortir. Si
donc vons voyez nn jonenr qni gagne ä nne table de jen, c'est qne
c'est nn comte, c'est-ä-dire un comp^re. — Gr. Alm. HL dn P. J. 1884,
pag. 33 (A. Coffignon).
eanformateur = Apparat znr Feststellung der Kopfform (for
Hntmacher). — Sachs: Hniform. Littr^: Instrument pour donner aux
chapeaux la forme de la t^te. Bei Acad. fehlt das Wort. — . . . il
propose de ce servir, pour mesurer la tSte [des r^cidivistes] dn con-
formateur des chapeliers. On sait que les conformateurs prennent
les dimensions d^limit^es par les os dn cräne. — P. J. 3 oct. 1883.
consigne = consignation, Aufbewahrungsort des Handgepäcks.
— A la gare, M™« G . . . apprit . . . ; et on lui montra une grande
manne qui avait ötä laiss^e k la consigne ... — P. J. 9 nov. 1883. —
. . . trois colip deposäs ä la consigne de la gare de Vincennes. — P.
J. 21 oct. 1883. — Cette femme avait mis en consigne une Enorme
malle. — Le bulletin de la malle en consigne a ^te retrouy^ ... —
P. J. 21 mars 1883. — A chaque dämänagement, pretextant un voyage,
eile emportait avec les malles une table de jen qu'elle d^posait ä la
consigne dans une gare de chemin de fer. — P. J. 18 janv. 1884.
Paris. — M. Kuehn a däcouyert les malles ä la consigne de la gare
Saint-Lazare oü elles ayaient et^ mises sous le nom de Madame Meldoff.
— P. J. 25 jany. 1884. Paris. — VgL d. Zschr. IV, 53, s. y. aufgeben.
Cöupure 4. = Abschnitt (einer Actie), Stück. — La Rente „Trois
pour Cent amortissable'' porte un intärSt annnel de 3 fr. et se rem-
bourse ä 100 fr. par des tirages au sort räpartis sur 75 ans. Sa con-
pure minima est de 15 francs. — Elle [la Banque de France] ^met des
billets de banque payables au porteur et ä yue, dont les coupures les
plus nombreuses sont de 1000 fr., de 500 fr. et de 100 fr. — Des obli-
gations Fondferes de 500 ir. sont en ce moment en cours d'^ission
k 480 fr., et par coupures de 100 fr., au prix de 96 fr. — Gr. Alm.
HL du P. J. 1884, pag. 6 f. — Sachs: kleine Banknote, besonders yon
200 Franken und darunter. Acad. u. Littr^ ebenso.
coureur = Läufer (Vogel, an einem Faden befestigt, zum An-
locken der Vögel beim Vogelfange). — Quand les autres oiseaux en-
tendent, perch^ sur les branches, les appels inusitäs du pinson, ils
accourent, puis ils yiennent se mSler aux „coureurs", qni, eux aussi,
semblent en libertä dtant retenus par un fil tenu et par nn petit cor-
set. C'est ä ce moment que s'abat sur eux le filet de Toiseleur ... —
P. J. 21 sept. 1883. Tableaux et types parisiens.
craquey auch yon gesprungenem Lack gebraucht; Sachs, Acad.
und Littr^ nur yon der Glasur des Porzellans. Vgl. craquelure Ab-
schuppung des Lackes und der Farben yon Gemälden. — Monsieur . . .
monsieur ... fit le concierge , tortillant entre ses doigts la longue
yisifere craquel^e de sa casquette dont la calotte bouffiEinte, aplatie et
d^formäe, attestait tont ä la fois des seryiees anciens et une sage
^onomie. -^ P. J. 12 janyier 1884. A*-J. Dalsdme: La Folie de
(5laude,
Zu dem franz, fV^frierbuch von Sachs. 263
crisper = „krampfhaft*' zusammenziehen, ballen. Sachs nur
„zusammenziehen". VgL crispation 2: krampfhafte Zusammenziehung.
— ... les mains de M. de Soleure se crisp^rent sur les bras de son
fauteuil. — P. J. 25 oct. 1883. E. Bichebourg: La Petite Mionne. —
Madame de Soleure attendait avec impatience fi^vreuse, les mains
crispäes sur son fauteuil ... — P. J. 27 oct. 1883. Ibid. — C'est le
bras ^maci^ d'un vieillard, dont les muscles sont des cordes, au bout
duquel la main pend l^gärement crisp^e ... — P. J. 30 oct. 1883. —
Ses doigts ^taient crispSs dans ses cheveuz ... — P. J. 31 oct. 1883.
E. Bichebourg: La Pet. Mionne. — ... ses l^vres s*agitaient convul-
säes et ses mains crisp^es dans un mouvement d'^treinte suppliante
paraissaient pr§tes ä. s'^ever vers le ciel ... — P. J. 16 nov. 1883
E. Daudet: Mademoiselle Yestris.
debraiUe s. m. = Vernachlässigung des äusseren Anstandes. —
Sachs: nur fig. in: il ne iaut pas aller jusqu'au * man muss es nicht
bis zur Ausgelassenheit treiben. Littr^ ebenso. — 11 laissait crottre
ses cheveux^ sa barbe inculte poussait en broussailles ; lui, autrefois si
soigneux de sa personne, il se laissait aller ä un d^railld qui faisait
peine ä voir. — P. J. 12 novembre 1883. E. Bichebourg: La Petite
Mionne.
debraiUe partic. une chemise d^raillde = ein Hemde, das Hals
und Brust entblösst lässt. — Notre voisin, le vieux forgeron Bnppert,
avec son tablier de cuir et sa chemise d^braiU^e arriva mSme . . . —
Erckmann-Chatrian: Waterloo, p. 60 (Hetzel et C>««)»
ddchaussoir = Stiefelknecht. Sachs, Acad. und Littrd haben
diese Bedeutung nicht. — Grande utilit^ nouvelle. D^chaussoir sata-
nique, brevet^ S. Q. D. G. En nne seconde assis ou debout, tout le
monde, hommes, femmes et enfants, retire ses chaussures sans se fa-
tiguer. — P. J. 14 fävr. 1884. Annonce mit Abbildung.
ddfaut faire d^faut = fehlen, nicht bloss wie Sachs 3. 4. an-
gibt. — ... puis je me remettrai au travail. II faut que mon second
roman suive de präs le premier. Dame il faut profiter de la veine.
Ah! les id^es ne me faisaient pas d^faut: j'avais vingt sujets de ro-
mans dans la tSte. — P. J. 4 d^cembre 1883. E. Bichebourg: La Pet*
Mionne. — Vgl. diese Zschr. I, 342.
demissionner = seine Demission geben. Sachs nur = v/a aus
dem Dienste entlassen. Littr^ Suppl.: donner sa d^missien. Bei
Acad. fehlt das Wort. — Cette visite [de M. Henri Brisson] est la
preuve de son acceptation de la pr^sidence et non de son d^sir de
d^missionner, contrairement ä. ce qu'affirmait un Journal d^hier matin.
P. J. 12 janv. 1884. Dem. nouv.
ddplacements = Bubrik (in einer Zeitung), in welcher Ankunft
und Abreise hoher Personen berichtet wird; s. m. falsche Anlage (eines
Kapitals). — Littr^ Suppl. : Par emploi ndologique, visite avec r^sidence
chez quelqu'un en quelque lieu. On annonce que Lord . . . viendra
bientöt en deplacement ä Paris. VoUä le mot pass^ des petits Jour-
naux dans les revues et dans le monde. — Acad. wie Sachs. — Enfin,
avant de s'attacher aux annonces, eile s'arr^ta k la rubrique: „Deplace-
ments". Elle ne n^gligeait jamais de parcourir la Uste des per-
sonnages de distinction arriv^s k Paris ou qui en sont partis, qni se
trouve ä. cette place, et d'envoyer son adresse aux nouveaux venus. —
P. J. 3 d^c. 1883. E. Daudet: Mademoiselle Vestris. — Une panique
est r^sult^e et le public, confondant les bons et les mauvais, a fui les
placements commerciaux. II faut arr§ter cette d^sertion si pr^'udi-
ciable a la richesse du pays et rameuer le numöraire k sa yeritablQ
264 B. über. Zu dem franz. Wörterbuch von Sachs,
place, Les jeux de Bourse et de sp^cnlation ne Bont qae des ddplace-
ments de fortune, le travail seul est soorce de richesse. — F. J.
6 däc» 1883. L'agitation commerciale.
desintdresser, se » = das Interesse verlieren. — Fehlt in den
Wörterbüchern. — La commission a demande d'etre relevö de son
mandat, Mais le conseil • . . a d^clar^ ne pas se d^sintäresser de la
question et se r^serve d*y revenir lors de la discussion du budget. —
V. J. 1 aoüt 1883. Cons. mun. de Paris. — ... le peuple fran^ais a
monträ maintes fois qu'il etait jaloux de ses droits, lorsqu'il les
croyait menacäs et Tenthousiasme provoquä par les revolutions de 1830
et de 1848 et par le scrutin de 1877 indique qa*il ne se d^sintäresse
pas de la politique. — P. J. 21 oct. 1883 (Th. Grimm). — L*dmanci-
pation a fait en France, depuis une vingtaine d'annäes, d^assez rapides
progres, surtout dans le domaine des lettres et des arts. L'Etat s'est
däsint^ress^ dans ces questions, et s'il reste jusqu'ä. an certain point
donateur et protecteur, iL a cess^ d'^tre dominateur et oppresseur. ü
n'y a plus, ostensiblement du moins, ni litt^rature ni arts officiels. —
P. J. 22 nov. 1883. Les charges de la libert^ (Th. Grimm). — A Tori-
gine, M°ie Duvillars semblait se däsintäresser de la cause. Son attitude
change, ä cette derni^re audience. Elle se porte partie civile et re-
clame 10000 fr, de dommages-intärets. — P. J. 26 nov. 1883. Tribu-
naux. — Au milieu des changements minist^riels trop fr^quents, le
ministre des postes et telegraphes donne le bon exemple de la sta-
bilit^. M. Cochery s'est ddsintäressä de la politique active et s'applique
ä> ce que son administration soit un intermediaire rapide et fidlle. —
P. J. 6 d^cembre 1883. Les lettres -telögrammes (Th. Grimm). — La
commission a ät^ aussi d'avis que TEtat ne pouvait se d^sint^resser
de ses cräations. — P. J. 2 janv. 1884. Les musäes commerciaux. —
. . . deux au moins ont . . . vot^ dans ce sens uniquement pour qu'une
fausse interprätation de leur buUetin ne les repräsentät pas, aux yeux
de leurs ^lectenrs, comme se däsint^ressant des questions sociales. —
i*, J. 9 fävr. 1884. Les quarante-quatre. — Nos gouvernants ont le
grand tort de se d^sintäresser, la plupart du temps, des incessants
efforts qu« räalisent les musulmans au nom de la religon ... — P. J.
19 fävr. 1884. Le Mahdi et l'Alg^rie.
^cheance = die am Yerialltage zu zahlende Summe. — Au
30 septembre dernier, les freres Bloch ^taient arriv^s, par des traites
a trois et ä six mois . . . ä avoir une ^ch^ance de plus de 300000 fr.
— P. J. 8 oct. 1883. — Le fabricant de chapeaux, qui avait une forte
dch^ance ^ payer hier, a laiss^ une lettre. — Ibid. — ... les credits
ant^rieurement inscrits au chapitre Y atteignaient t-ils le montant des
^chöances prävues pour l'exercice? — P. J. 29 nov. 1883. Chambre
des d^put^s. — Acad. und Littre wie Sachs. — Vgl. Petit vocabulaire
fran^ais par G. van Muyden, II, p. 5.
(Fortsetzung folgt.)
Blaise Pascal,
sein Kampf gegen die Jesuiten und seine Verteidigung des
Christentums.
(Fortsetzung.)
n. Eampf gegen die Jesuiten. Lettres provinciales.
Bereits Saint-Cyran hatte die Jesuiten angegriflfen, und An-
toine Arnauld hatte dessen Werk mit Eifer fortgesetzt. Unter
der Einwirkung des gefangenen Abtes Saint-Cyran, sowie durch
Jansep's Buch Augustinus bewogen, hatte Arnauld sich an Port-
Royal angeschlossen. Im Jahre 1643, kurz nach dem Tode des
Abtes, gab er seine Schrift gegen die häufige Kommunion heraus.
Die Veranlassung dazu gab die Weigerung der Prinzessin de
Guemen^, an einem Tage auf einen Ball zu gehen, an welchem
sie kommuniziert hatte. Durch Antoine's ältesten Bruder, Robert
Arnauld d'Andilly, welcher diese Weltdame platonisch- christlich
liebte, angespornt, hatte sie sich in einer Anwandlung von Re-
ligiosität — welche später von ihrem minder platonischen Freunde,
dem Kardinale Retz, gründlich überwunden wurde — an Saint-
Cyran gewandt, während derselbe noch im Gefängnisse sass.
Dieser hatte ihr manchen Rat gegeben und sie besonders davor
gewarnt, täglich gedankenlos das heil. Abendmahl zu empfangen.
Die Weigerung der Prinzessin sowie die Darlegung ihrer Gründe
dazu kamen durch W^^ de Sabl6 ihrem Beichtvater, einem Je-
suiten, zu Ohren, welcher sofort eine Abhandlung zur Verteidi-
gung der häufigen Kommunion schrieb. Ogleich dieselbe nicht
gedruckt wurde, kekam Antoine Arnauld^) sie doch zu sehen
*) Arnauld führt sehr oft die Sätze, welche er widerlegt, vor
jedem Kapitel an. Diese Indiskretion ist ihm sehr übel genommen
worden. Gf. Arnauld: De la fr^quente Communion. VII. Edition. 1683.
Prdface, pag. 6.
266 Thor Sundby
und widerlegte sie in seinem oben genannten Buche. Dieses
machte ihn zu dem angesehensten Vorkämpfer der neuen Lehre,
zu dem grossen Arnauld, und erwarb Port -Royal manche An-
hänger. Aber sogleich entflammte der Hass der Jesuiten gegen
die Jansenisten und die Familie Arnauld. Sie setzten alles in
Bewegung, dass das Buch vom Papste verdammt würde, was
ihnen jedoch nicht glückte.
Es währte jedoch nicht lange, dass der Papst den Janse-
nismus verdammte. Die theologische Fakultät zu Paris hatte
nämlich im Jahre 1649 aus Jansen's Schrift fünf Sätze ausge-
zogen, welche sie als mit der wahren Lehre in Widerspruch
stehend ansah. Nach vierjährigen Verhandlungen erliess daher
Papst Innocenz X. im Jahre 1653 eine Bulle, welche die 5 Sätze
für ketzerisch erklärte. Die Jansenisten beugten sich vor der
päpstlichen Bulle und erklärten sich bereit, diese Sätze, welche
von der Prädestination und der Willensfreiheit handelten, zu
verdammen, wo sie sich so fänden; aber, sagten sie, bei
Jansenius fänden sie sich nicht. Da erklärte eine neue Bulle
im Jahre 1654, dass dieselben sich in jener Schrift fänden. In
einer Streitschrift^) erlaubte sich Arnauld das Faktum zunächst
in Zweifel zu ziehen und erklärte sodann zugleich, „dass das
Evangelium und die Kirchenväter in dem Apostel Petrus uns
einen Gerechten zeigen, dem es an der nötigen Gnade gefehlt
hat" (die rechtliche Seite der Frage).*) Wegen dieser Sache
wurde er vor die Sorbonne, die theologische Fakultät zu Paris,
vorgeladen.
Während die Angelegenheit noch schwebte (vom 1. Dezem-
^) Lettre k an duc et pair (Herzog de Luynes) 1655; 250 p. 4^
^) Dieee Erklärung stimmte mit dem ersten der 5 Sätze, welche
so lauteten: 1. Einige von den Geboten Gottes sind von dem Gerechten
mit den Kräften, über welche er zu verfüffen hat, nicht zu erfüllen,
und selbst die Gnade, wodurch die Erfüllung ihm möglich gemacht
werden kann, mangelt ihn. 2. In dem Zustande der gefallenen Natur
widersteht man niemals der inneren Gnade. 3. Damit im Zustande
der gefallenen Natur das Gute oder Böse angerechnet werde, ist es
nicht notwendig, die Freiheit zu besitzen, welche einen Gegensatz zu
der innern Nötigung bildet ; sondern die Freiheit, welche in der Ab-
wesenheit äusseren Zwanges besteht, ist hinreichend. 4. Die Semipe-
lagianer räumten die Notwendigkeit einer innern, treibenden Gnade
für jede gute Handlung, ja sogar für den Anfang des Glaubens, ein ;
aber sie waren Ketzer in der Annahme, dass der Wille des Menschen
dieser Gnade ebenso gut widerstehen, als folgen könne. 5. Es ist
ein semipelagianischer Irrtum zu sagen, dass Ghnstus für alle Menschen
gestorben ist und sein Blut vergossen hat. Cf. Maynard : Les Provin-
ciales de P. H, 281 Anm. — Sainte-Beuve: Port -Royal II, 103 ff. —
Reuchlin: Geschichte von Port-Royal I, 606 ff.
Blaise Pascal, sein Kam'pf gegen die JesuUen ete, 267
ber 1655 bis 31. Januar 1656), gebrauchten seine Gegner aller-
hand Kniffe, um eine günstige Entscheidung dcB Streites her^
beizuftthren. Hierin wurden sie vom Hofe, von Mazarin und
Fouquet kräftig unterstützt. Der Kanzler Signier ^) musste auf
allerhöchsten Befehl mit einem grossen, imponierenden Gefolge
den Verhandlungen beiwohnen; überdies zog man eine grosse
Anzahl Doktoren des Franziskanerordens zu, da Amauld mehr
als 60 Doktoren auf seiner Seite hatte. Eines Tages hörte man
die Königin ganz laut zu der Prinzessin von Guemenö, welche
die Veranlassung zu der Schrift „De la fr^quente Communion^
gegeben hatte, sagen: ,,Eure Doktoren reden zu viel." „Eure
Majestät kümmern sich ja nicht weiter darum, '^ erwiderte die
Prinzessin, „denn sie berufen ja so manche Bettelmönche, dass
Sie mehr als genug auf Ihrer Seite haben werden." ^Ja," ant-
wortete die Königin trocken, „wir berufen jeden Tag einige."
Am 14. Januar wird Arnauld bezüglich des einen Punktes
für schuldig befunden;^) es ist bereits jetzt augenscheinlich, dass
seine Sache vor der Sorbonne ganz und gar verloren ist. Man
beschliesst daher, dieselbe vor das Publikum zu bringen. Ar-
nauld schreibt einen Brief, welchen er in einer Versammlung der
Einsiedler von Port-Royal auf dem Lande, wo Pascal gerade zum
Besuch war, vorliest. Er ersieht jedoch aus dem Schweigen
der Versammlung sehr bald, dass sein Versuch missglückt ist.
Daher wendet er sich an Pascal mit der Aufforderung zu
schreiben. Derselbe gelobt jedoch bloss, die Sache zu prüfen;
aber am folgenden Tage hat er schon einen Brief fertig, welchen
er in der Versammlung mit grossem Beifall vorliest.
PadcaFs Erwiderung wurde am 23. Januar 1656 unter dem
Titel: „Lettre k un Provincial par un de ses amis" gedruckt.
Im Laufe eines Jahres folgten 17 andere nach; der 18. wurde
am 24. März 1657 veröffentlicht. Während die 10 ersten Briefe
an einen Provinzialen gerichtet sind (vielleicht an Pascal's
Schwager Perier), wenden sich die 6 folgenden (11 — 16) an die
Jesuiten, die beiden letzten aber an den Beichtvater des Königs,
Pater Annat S. J. In den Pens^es^) bemerkt Pascal, dass der
Titel „Lettres k un Provincial" von dem Buchdrucker herrührte
und nicht von ihm gebilligt würde, obschon die Briefe freilich
*) Sainte-Beuve : Port-Royal II, 532 ff.
*) Faugöre: Lettre«, opusculeB etc., p. 460. — Les Provinciales
de P. 1712, I, p. 4.
•) Fens^es de P. fid. Paugöre, 1844, I, p. 260. — Les Provinciales.
Cologne 1659. Advertissement. — (Daniel:) Bäponse aux Provinciales
oa Entretiens de Gläandre et d'Eudoxe. Bruzelles 1697. p. 16 n.ie?.
268 Thor Sundby
einem Manne auf dem Lande gesehrieben wären. Das Pablikom,
sagt Vinet,^) that denselben inzwischen die Ehre an, welche es
Werken anthnt, deren Namen es häufig im Munde führt: es
kürzte den Titel ab zu ^lesProvinciales^', eine Abkürzung, welche
Pascars Beifall fand. Man nannte sie auch ^Kleine Briefe.^
Diese Bezeichnung, welche man bei M°^e de S6vign6, einer der
begeistertsten Bewunderinnen FascaFs, fortwährend findet, soll
wahrscheinlich den geringen Umfang derselben im Vergleich zu
Amauld's ungeheuer langen Fehdebriefen andeuten.
Gleich der erste Brief machte ein ausserordentliches Auf-
sehen. Der Kanzler S6guier,^) welcher den Prozess wider Ar-
nauld sehr eifrig betrieb, wurde darüber so wütend, dass er
siebenmal zur Ader gelassen werden musfite. Die Druckerei,
welche für Port-Royal zu arbeiten pflegte, wurde sogar ge-
schlossen; da jedoch ein Druckerlehrling am nächsten Tage dem
eirsten Parlamentspräsidenten Belli^vre, welcher im 18. Briefe
erwähnt wird, ein frisch gedrucktes Exemplar des 2. Briefes
überbrachte, um zu zeigen, dass der Druck anderswo seinen
Fortgang nähme, wurde die Beschlagnahme aufgehoben.
In späterer Zeit jedoch erforderte es grosse List und Ge-
schicklichkeit, die Briefe gedruckt zu erhalten. Zum Teil wurde
die Drucklegung von Fortin, ^) dem Rektor des Harcourt-CoUfege,
einem Freunde PascaFs, besorgt; ja, einige Briefe sollen sogar
im College selbst gedruckt worden sein.
Nach Veröffentlichung des ersten Briefes zog sich Pascal
nach Paris zurück. Er nahm seinen Aufenthalt jedoch nicht in
seiner eigenen Wohnung, welche nahe vor dem Thore Saint-
Michel lag, sondern lebte als M. de Mons im Roi David, einem
Gasthause in der Rue des Poiriers (Poir6es ?) hinter der Sorbonne
und gegenüber dem Jesuitenkolleg de Clermont, dem späteren
College LouiS'le-Grand. Mitten im Lager der Feinde, hoffte er,
würde man wohl nicht den Verfasser der Briefe suchen.
Mit jedem Briefe stieg natürlich die Neugier des Publikums.
Im Anfange dachte man gar nicht an Pascal als den Verfasser,
sondern riet auf verschiedene andere, so auf den Abt von Haute-
Fontaine: Le Roi, sowie auch lächerlicher Weise auf den Roman-
schreiber Gomberville.^) Beide lehnten die Verfasserschaft ab.
^) Vinet: iStudeB sur PascaL p. 272.
') Sainte-Beuve : Port-Royal, II, p. 654.
') Fang^re: Lettres, opuscnleB etc., p. 469.
^) Am Schlüsse des 15. Briefes bemerkt Pascal, dass er niemals
weder Romane geschrieben noch gelesen habe. Da aber an einer
Stelle der „Pens^es'' Gli^obaline, eine der Personen in Mii« de Scud^rj's
lObändigem Romane „Artam^ne on le Grand Cyrus" (herausgegeben
Blaise Pascal, sein Kampf gegen du Jesuiten etc. S69
aber natürlich auf verschiedene Art: Gomberville beklagte sich,
dass man ihn für den Verfasser gehalten habe; der Abt bedauerte,
dass er nicht der Autor sei. Durch eine rätselhafte Unterschrift
unter dem dritten Briefe reizte Pascal die wachsende Neugier
noch mehr.
Trotz aller Heimlichkeit erhielt man doch nach Veröffent-
lichung des 6. Briefes Kunde über den rechten Zusammenhang.
Im Beginne des 8. Briefes deutet Pascal auf einen ergötzlichen
Vorfall hin, welcher leicht zu der Gewissheit hätte führen können,
dass er der Verfasser war, wodurch er dann an der Fortsetzung
des Kampfes gehindert worden wäre.^) Als nämlich Parier in-
zwischen in die Hauptstadt gezogen war und seine Wohnung
gleichfalls im Roi David genommen hatte, kam eines Tages ein
ihm bekannter Jesuit zu ihm mit der Bitte, Pascal doch zu
warnen, da man Argwohn gegen denselben hege. Parier ant-
wortete, so gut er konnte; aber er stand gleichsam auf glühen-
den Kohlen, da der 7. Brief in einer Menge ganz frischer Ab-
züge auf seinem Bette lag. Glücklicherweise waren die Gardi-
nen vorgezogen; sonst wäre er vielleicht nicht so glimpflich
davon gekommen. Die Warnung des Jesuiten, die wohl nicht so
ganz uneigennützig war, hatte jedoch keine Wirkung. „Zum
Schweigen zu zwingen ist die schlimmste Verfolgung: niemals
haben die Heiligen geschwiegen," meinte Pascal (Pens^esXXIV, 66);
auch er schwieg nicht, sondern fuhr so lange fort zu schreiben,
bis er im 17. Briefe den Jesuiten zurufen konnte: • . . „Man
muss sagen, dass Ihr den Papst betrogen habt; aber das erregt
kein Ärgernis mehr, so gut kennt man Euch nun" — er meinte:
durch die Lettres Provinciales.
1650) erwähnt wird, so meint E. Havet (PenB^es de Pascal, 11^ iSd.,
1866, II. p. 164 u. 217) er habe Pascal auf einer Unwahrheit ertappt.
Es würde richtiger gewesen sein, wenn er daraus geschlossen hätte,
dass Pascal erst nach dem Zeitpunkte, wo er diese Worte schrieb^
d. h. nach 1656 Romane gelesen habe. Übrigens hatte Pascal einen
triftigen Grund, die Prinzessin Cläobuline und ihren Geliebten Myrinthe
zu erwähnen, da Mii^ de Scud^ry in ihnen die EOnigin Christine von
Schweden und ihren ersten Günstling, den Grafen Magnus de la
Gardie, geschildert hatte (Pens^es de Pascal par Havet, II« ißd. Paris
1866. IL p. 164 u. 217). Dies hat E. Havet auch später erkannt:
„Cette conjecture de M. G. m'a semblö d6s Tabord trös-plausible : je
viens de la v^rifier, et j'ai reconnu qu'elle paratt rigoureusement exacte.
£n effet, tandis que la XV« Provinciale est de 1556, le tonu VI de la
„Clälie'' qui contient d'^loge de Port-Boyal et qui sans doute est coute
que Pascal a en la „Gl^lie^ est de 1657. II n'y a donc aucune raison
de supposer que Pascal, dans la XV« Provinciale, n'ait pas dit la
v^rit^'*. Revue pol. et litt. 24 mars 1877.
^) Recueil d'Utrecht, p. 278. — Faug^re: Lettres, opuscules etc^
pag. 461.
^70 Thor Sundby
Die Lettres Provinciales zerfallen in 2 verschiedene Reihen;
zu der ersten gehören die drei ersten und die beiden letzten
Briefe. In denselben behandelt Pascal die Frage, welche den
Prozess gegen Arnauld hervorgerufen hatte, und tritt zunächst
als Verteidiger der jansenistischen Lehre auf. Auf den zweiten
Brief folgt eine Antwort des Provinzialen, welcher zwei Schreiben
mitteilt,^) wovon das eine vielleicht von Chapelain, das andere
sicher von MUe de Scudöry herrührt. Dieses ergibt sich aus
einem Streite, welcher sich zwischen Nicole (1625 — 95) und dem
berühmten Dichter Jean Racine^) abspielte. Ersterer hatte zu-
gleich mit Arnauld Pascal beim Sammeln des Stoffes für die
Provinzialbriefe geholfen, wäürend letzterer zu der Zeit, als
Pascal seine ersten Briefe schrieb, in Port-Royal Schüler war
und so gute Gelegenheit hatte, sich hinreichende Einsicht zu
verschaffen. Da nun Nicole in einem Angriffe auf Demarets de
Saint-Sorlin die Romanschreiber und Schauspieldichter öffentliche
Giftmischer genannt hatte, fühlte sich Racine verletzt und schrieb
wider Nicole, Port -Royal und den Jansenismus. ^) An einer
Stelle seines Briefes (1666) sagt er, dass Pascal Müe de Scu-
d6ry in einem der Provinzialbriefe aus Dankbarkeit gerühmt
habe, weil sie Port -Royal in ihrem Romane C161ie gepriesen
hätte. ^) Mit diesem Lobe, welches Pascal der überspannten Dame
gezollt hat, können nur die Worte gemeint sein, welche über
die Verfasserin des zweiten Schreibens in der Antwort des Pro-
vinzialen gebraucht werden. — Obschon diese Antwort besagt,
dass „die Briefe nicht allein von Theologen geschätzt werden,
sondern auch den Weltleuten gefallen und selbst für Frauen
verständlich sind,^ glauben wir doch, dass das Thema zu theo-
logisch ist und zu viele Erklärungen erfordern würde, als dass
wir uns hier darauf einlassen dürften.
In der 2. Reihe (4 — 16) trug Pascal zur grössten und un-
angenehmsten Überraschung seiner Gegner die praktische Seite
des Christentums, die Gottesverehrung und die Moral vor, und
ging zum Angriff über, ein Angriff, welchen die Jesuiten niemals
verwinden sollten. Die Gegner „haben es bequemer gefunden,
zu verdammen als zu antworten, weil es leichter fällt, Mönche
?
Sainte-Beuve : Port-Royal, II, p. 566 u. 577.
Le S>^ de Damvilliers i. e. : Nicole : Onzi^me Imaginaire ou Pre«
mi^re Visionnaire in Las Visionnaires, Liäge 1667, p. 51 (2. Band der
LettreB sur L'H^r^sie imaginaire). Der 1. Sand heisst auch: Las Ima-
ginairas. — OEuvres de Racine, 1819, IV, p. 18 u. 9.
') Racine versöhnte sich später mit Port-Royal, dessen Geschichte
er schrieb.
*) Doch siehe p. 268, Note 4.
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. ä71
zu finden, als Gründe" (III. Prov.). Nun, da Arnauld verurteilt
und als Doktor der Theologie aus der Sorbonne ausgestossen
war, will Pascal ihn nicht länger gegen die Anklage der
Ketzerei verteidigen (III. Prov.): „Ich habe eingesehen, dass es
sich hier um eine neue Art Ketzerei handelt. Nicht Amauld's
Meinungen sind ketzerisch, sondern nur seine Person. Es ist
eine persönliche Ketzerei. Er ist nicht Ketzer auf Grund dessen,
was er gesagt oder geschrieben, sondern nur weil er Arnauld
ist. Das ist alles, was man an ihm auszusetzen hat Er kann
thun, was er will; hört er nicht auf zu existieren, so bleibt er
nimmer ein guter Katholik. Die Gnadenlehre des heiligen
Augustinus ist niemals die rechte, so lange er sie verteidigt.
Sie würde es aber sein, sobald er sich daran gäbe, sie zu be-
kämpfen.^ Es war nun durchaus kein Grund mehr vorhanden
zur Schonung.
Mit gewaltiger Kraft stürzte er sich in den Kampf: „Es
gibt nichts, was mit den Jesuiten verglichen werden kann!
Ich habe nun manche Dominikaner, Doktoren der Theologie und
alle Arten Menschen gesehen, aber ein solcher Besuch mangelte
bis jetzt meiner Kenntnis. Die andern sind nur matte Abbilder.
Alles ist doch am besten an der Quelle selbst." Er sucht daher
einen der tüchtigsten Jesuiten auf und stellt nun mit einem dra-
matischen Leben, welches dem ungefügen Stoff Hohn spricht, die
Moral der Jesuiten in Form ' eines Gespräches zwischen dem
Briefschreiber und jenem Jesuiten dar. Mit staunenswerter
Kunst wird der mitteilsame Jesuit als ein treuherziger Be-
wunderer der scharfsinnigen und gelehrten Kasuistik geschildert.
Die Unterweisung beginnt im 4. Briefe, der gleichsam ein Vor-
spiel ist, mit Bauny's Lehre, dass die aus Unwissenheit oder
aus Unachtsamkeit begangenen Sünden nicht angerechnet werden
können. Der Jesuit bekreuzt sich, dass Ballier, bevor er ein
Freund der Jesuiten wurde, sich über Bauny mit den Worten
lustig machen konnte: „Siehe, er nimmt hinweg die Sünden der
Welt^ (Joh.-Ev. I, 29). „Ja,^ sagt der Gast, „das kann man
auch eine neue Erlösung nennen. Welche Wohlthat für ver-
schiedene Leute, die ich kenne! Ich muss sie zu Euch führen.
Ich habe vielleicht niemals Leute gesehen, die weniger Sünden
haben; denn sie denken niemals an Gott." — Die Unterweisung
in der „bequemen Frömmigkeit'^ kommt dieses Mal jedoch nicht
weit, da sie durch die Frau eines Marschalls und eine Marquise
unterbrochen wird, welche vermutlich Beruhigung für ihr Gewissen
bei dem Jesuiten suchen wollen.
Am Schlüsse des 4. Briefes gelobt Pascal eine Darstellung
der Moral der Jesuiten; aber er war noch im Zweifel, ob ßr
S?2 Thm- Swidby
Bein Versprechen halten sollte, da er Escobar's Moraltheologie ^)
zu lesen begann. Dieselbe erfüllte ihn mit einem solchen Ent-
setzen und Ekel, dass er beschloss, sie zum Gegenstand des
Absehens und Hasses der Welt zu machen. Dieses Ziel erreicht
er so gut, dass sogar Escobar's Name auf ewig gebrandmarkt
wurde. Escobarder, d. h. eine doppelzüngige Sprache in betrü-
gerischer Absicht führen, wurde ein Wort, welches bald in
aller Munde war, und welches noch jetzt in der französischen
Sprache existiert.
„Wer ist Escobar, ehrwürdiger Vater?" — „Was! Ihr kennt
Escobar nicht aus unserer Gesellschaft (8. J.), welcher die Theo-
logia moralis nach 24 unserer Väter ausgearbeitet hat!" Aus
diesem Grunde gibt er in der Vorrede einen allegorischen Ver-
gleich seines Werkes mit dem Buche der Offenbarung Johannis
(IV, 4. V, 1), welches mit 17 Siegeln versehen ist. Auch sagt
er, „dass Jesus das so versiegelte Buch den 4 Tieren: Suarez,
Vasquez, Molina und Valentia überreicht in Gegenwart von 24
Jesuiten, welche die 24 Ältesten vorstellen." — So oft Pascal
einen dieser vier anführt, nennt er ihn stets eins von Escobar's
4 Tieren (V. Prov.)
Escobar^s Buch, das bereits 36 Auflagen erlebt hatte, wurde
natürlich nach dem Erscheinen des 5. Briefes noch mehr ver-
langt als früher. Im 6. Briefe fragt der Jesuit seinen Gast, ob
er nicht begonnen habe, Escobar zu lesen. „Ich erhielt ihn erst
gestern," antwortet der Gast, „es hielt sehr schwer, ihn auf-
zutreiben. Ich weiss nicht, was dazu veranlassen mag, dass in
letzter Zeit alle nach ihm fragen." In der Nachschrift zu dem
8. Provinzialbriefe gibt Pascal folgenden ergötzlichen bibliogra-
phischen Nachweis: „Ich habe immer vergessen, Ihnen zu sagen,
dass es verschiedene Ausgaben des Escobar gibt. Wenn Sie
einen kaufen, so nehmen Sie die Lyoner Ausgabe, worin man
vom das Bild eines Lammes sieht, welches auf einem mit 7 Sie-
geln versehenen Buche ruht, oder auch die Brüsseler Ausgabe
von 1651. Diese neuesten Ausgaben sind besser und ausführ-
licher als die früher zu Lyon erschienenen aus dem Jahren 1644
und 1646." Nach dem Erscheinen der Lettres Provinciales
kamen übrigens noch mehrere neue Ausgaben heraus, darunter
auch eine Pariser, welche in der Ausgabe der Briefe von 1659
empfohlen wird.
Antonio de Escobar y Mendoza (1589 -^ 1669) lebte in-
zwischen hoch angesehen zu Valladolid, wo er, wie Pascal im
^) Escobar: Liber theologisB moralis. Post 82 editiones hiepa-
nicas et 8 Ingdunensea editio novissima. Broxelfe 1651.
Blatse Ikiscdl, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 273
12. Briefe erwähnt, die 10 ersten Lettres Provinciales empfing,
während er in bestem Wohlsein an dem Schlüsse seiner sieben
Foliobände starken Moraltheologie arbeitete. Diese Briefe machten
einen tiefen Eindmck auf den armen Kasuisten, der nahe daran
gewesen war, wegen seiner Strenge^) vor die Inquisition gestellt
zu werden.
Es war Escobar wie den meisten Kasuisten ergangen: sie
ahnten vielfach nicht einmal die Immoralität ihrer Schriften. Sie
schrieben ursprünglich nicht für das grosse Publikum, sondern
für die Beichtväter, welche, wie die Jesuiten sagen, genötigt
waren, eine Richtschnur für die Anwendung der Kirchenzucht zu
haben, um die Busse auferlegen zu können, welche jedes Be-
kenntnis erforderte. Wenn man die Natur der katholischen
Beichte erwägt, ist selbstverständlich etwas Wahres hieran;
wenn nun aber die Theologen alle möglichen Fälle (cas de
conscience) ausdachten, sie gegen einander abwägten, sie in
Tod- und lässliche Sünden (mortels, vöniels) einteilten und die
Busse festsetzten , welche für jede Sünde besonders auferlegt
werden sollte, so führte das unglücklicherweise nicht bloss dazu,
dass sie bei ihren Nachfragen neue Sünden (darunter die un-
glaublichsten und anstössigsten) förmlich auffanden und schufen,
sondern auch zu einer Verrückung des Fundamentes der Moral.
Diese Skala, welche nur dem Priester als Anleitung bei seinem
Verhalten den Beichtkindern gegenüber dienen sollte, erhielt bald
Giltigkeit als ein moralisches Gesetz, welchem im Augenblicke
des Handelns zu folgen sich jeder für berechtigt hielt.
Man hat nun Pascal vorgeworfen, dass er diese gelehrten
lateinischen Werke vor das grosse Publikum gebracht und da-
durch dasselbe auf solche Repertorien für alle diese mit einem
erstaunlichen Scharfsinne aufgefundenen Möglichkeiten zu der
Sünde hingewiesen hat, welche nur durch die Mitwirkung so
vieler Männer so entsetzlich vollständig und umständlich werden
konnten. Aber hätte er nicht gesucht, das Übel in der Wurzel
zu zerstören, was ihm ja zum grossen Teil gelang, so hätte er
niemals dem üppigen Wachstum desselben Einhalt thun können.
Nicht wenige derartige Schriften begannen überdies in französi-
scher Sprache zu erscheinen, so dass sie jedermann zugänglich
wurden, wie denn auch sonstige religiöse Schriften von dieser
Laxheit stark beeinflusst wurden.^) Pascal hat sich übrigens
^) Las Provinciales de Louis de Montalte et leur r^futation par
Tabbö Maynard. Paris 1851. II, 454.
^) Baany: La Somme des p^ch^s: Garasse: La Somme des v^ri-
t^s (y ollständiger Titel: Somme th^ologique des v^rit^s capitales de la
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI^. j^g
274 Thor Sundf)ij
selbst gegen diese Anklage verteidigt. Seine Nichte, Marguerite
Parier, hat folgende Worte, welche sie ihn im Jahre 1662
aussprechen hörte, aufgezeichnet:
I. Man fragt mich, ob ich nicht bereute, die Lettres Pro-
vinciales geschrieben zu haben. Ich antwortete darauf, dass das
mir nicht bloss fem liegt, sondern d^ss ich sogar, wenn ich sie
heute schriebe, sie viel schärfer machen würde.
II. Man fragt mich, warum ich die Verfasser namhaft ge-
habt habe, aus welchen ich jene abscheulichen Sätze, die in
meiner Schrift angefahrt sind, ausgezogen habe. Ich antworte
darauf so: Wenn ich in einer Stadt lebte, wo es 12 Brunnen
gibt, und ich mit Bestimmtheit wüsste, dass einer derselben ver-
giftet ist, so würde ich verpflichtet sein, alle Leute zu warnen,
aus jenem Brunnen Wasser zu holen; und weil man das für eine
reine Grille meinerseits ansehen könnte, so würde ich verpflichtet
sein, diejenigen zu nennen, welche den Brunnen vergiftet haben,
um nicht eine ganze Stadt der Vergiftung preiszugeben.
III. Man fragt mich, warum ich in einem leicht lesbaren,
unterhaltenden Stile geschrieben habe. Meine Antwort ist diese:
Wenn ich in streng wissenschaftlichem Stile geschrieben hätte,
so würde meine Schrift nur von den Gelehrten gelesen worden
sein, welche sie nicht nötig hatten, da sie darüber ebenso gut
wie ich Bescheid wissen. Ich habe daher geglaubt, in einer
Weise schreiben zu müssen, welche selbst Weiber und Gesell-
schaftsmenschen zum Lesen meiner Briefe veranlassen könnte,
damit diese auf das Gefährliche in all diesen Grundsätzen und
Lehren aufmerksam werden könnten, welche ja damals überall
Verbreitung fanden, und welche man so leicht in Versuchung
kam anzunehmen.
IV. Man fragt mich, ob ich selbst alle die Bücher gelesen
habe, auf welche ich hinweise. Ich antwortete : Nein ; da müsste
ich wahrhaftig mein Leben damit zugebracht haben, viele schlechte
Bücher zu lesen. Aber ich habe Escobar zweimal von Anfang
bis zu Ende gelesen. Was die übrigen angeht, so habe ich sie
von meinen Freunden lesen lassen; aber ich habe nicht einen
einzigen Satz von ihnen genonmien, ohne ihn in dem betreffenden
Buche selbst gelesen zu haben; auch habe ich inmier das Thema
untersucht, weshalb der Satz ausgesprochen ist, und habe das,
was vorausgeht und folgt, gelesen, da ich mich nicht der Ge-
fahr aussetzen wollte, eine Einwendung mit einer Antwort zu
religion chr^tienne. Paris 1625.) Ant. Sirmond: D^enae de la vertu;
Pierre le Moine: La Dävotion ais^e. Die Verfasser waren sämtlich
Jesuiten.
BUtise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 275
verwechseln, was nicht bloss unrichtig, sondern auch zu tadeln
gewesen wäre (Pens^es II, Art. XVII, 78).
Wenn man in Maynard's Ausgabe der Lettres Provinciales
dessen Widerlegung Pascal* s und Verteidigung der Kasuisten
liest, so hat es bisweilen den Anschein, als ob er wirklich Recht
habe. Dies ist aber nur der Fall, wenn man darauf eingeht,
mit der Kasuistik sich bloss in der Sphäre der Relativität zu
bewegen. Hält man aber mit Pascal das Absolute fest, nicht als
etwas Abstraktes, sondern als eine bestimmte Forderung, deren
Erfüllung vielleicht unmöglich ist, welche aber trotzdem an uns
gestellt wird und zugleich das Ziel ist, welches wir erstreben
sollen, so fallen seine Argumente nichtig zusammen. Rein mensch-
lich gesprochen, kann der Kasuist in manchen Fällen Recht zu
haben scheinen, aber Pascal's Standpunkt ist der des Geistes.
Die Aufgabe für ihn ist diese, Geist zu sein oder richtiger zu
werden; und von diesem Standpunkte aus muss man alle Unter-
scheidungen, die sich auf die Relativität gründen, verwerfen.
Man soll nicht daran denken, wie tugendhaft man im Vergleich
zu andern ist; man soll sich nicht damit zuMeden geben, zu den
respektablen Durchschnittsmenschen zu gehören. Es darf nicht
festgesetzt werden, was eine Tod- oder lässliche Sünde ist; es
darf nicht bestimmt werden, was in einem gewissen Falle zu
thun oder zu lassen ist; es muss dem Gewissen des Einzelnen
überlassen werden, auf eigene Verantwortlichkeit und mit vollem
Bewusstsein der Zurechnungsfähigkeit zu wählen.
Der Fehler des Kasuismus liegt darin, dass er Angelegen-
heiten des Gewissens als äussere Rechtsfragen behandelt. An-
dererseits aber macht er auch Rechtsfragen zu Angelegenheiten,
welche der einzelne auf eigene Hand zu schlichten unternehmen
kann; z. B., wenn er einem Diener, welcher unzulänglichen Lohn
erhält, gestattet, seinen Herrn zu bestehlen, um sich Ersatz zu
verschaffen.^) In dem 6. Briefe führt der Jesuit, welcher Pascal
unterwies, den P. Bauny als Stütze hierflir an. Der Schüler er-
innert dabei an die Geschichte von Jean d'Alba, welche sich
1647 zutrug; und da der Jesuit sagt, dass ihm die Sache unbe-
kannt sei, weil er damals fem von Paris, wo sich die Sache er-
eignete, Vorlesungen über die Gewissensfälle hielt, so erzählt
Pascal, wie dieser Jean d'Alba, welcher in dem Jesuitenkolleg
Diener war, die ehrwürdigen Väter bestahl. Als er vor Gericht
geführt wurde, berief er sich auf Bauny und sagte, dass er
nicht gestohlen, sondern nur etwas genommen habe, weil er zu
geringen Lohn empfinge. Herr de Montronge, eins der ange-
^) Verdammt von Innocenz XL am 2. März 1679.
18*
276 Thor Sundhy
sehensten Mitglieder des Gerichts, erklärte bei dieser Gelegen-
heit, dass Bauny's Lehre verdammenswert und verderblich sei
und im Widerspruch mit allen göttlichen und menschlichen Ge-
setzen stehe. Aber Jean d'Alba, fügt Pascal hinzu, entwischte,
man weiss nicht wie; Montrouge's Votum befand sich jedoch bis
jetzt in dem Archive des Gerichts. Diese Geschichte gefällt
dem Jesuiten nicht recht, der lieber die Lehre der Kasuisten
vortragen, als dergleichen Rechtsfälle hören will.
Als Beispiel für eine verwerfliche Anwendung einer Rechts-
regel in der Moral kann Escobar's allgemeine Regel dienen
(Lettres Prov. VIII.): „Die Güter, welche man durch schimpf-
liche Mittel erlangt, wie durch einen Mord, ein ungerechtes Ur-
teil, eine unzüchtige Handlung etc. besitzt man zu Recht, und
man ist nicht verpflichtet, sie zurückzugeben." Gesetzlich ist es
ein feststehender und vollständig richtiger Satz, dass ein Teil-
nehmer an einer ungesetzlichen Handlung auf diese keine Rechts-
forderung gründen kann: derjenige, welcher einen Mörder gedun-
gen hat, kann nicht versuchen, durch einen Prozess sein Geld
wieder zu erhalten, selbst wenn der Mörder sein Begehr nicht
ausführt. Weil aber der Staat eine solche Forderung nicht an-
erkennen kann, was er thun würde, wenn er derselben Prozess-
kraft beilegte, d. h. wenn er zuliesse, dass die Forderung vor
Gericht abgeurteilt würde, so fällt darum natürlich die moralische
Verpflichtung nicht fort: der gedungene Mörder hat gar kein
moralisches Recht auf das Geld, ob er nun den Mord begangen
hat oder nicht. Beide Irrtümer sind darin begründet, dass man
das Absolute als etwas Abstraktes auffasst, was in der morali-
schen Praxis nicht angeht. Durch den allerdings wahren Satz,
dass man bei Beurteilung der Handlungen anderer immer Rück-
sicht nehmen muss auf die Relativität, d. h. auf die entschuldi-
genden Umstände, auf die Grösse und Art der Versuchung sowie
auf die eigene Schwachheit, Hessen sich die Kasuisten verleiten,
die Relativität als ein durchgehendes Prinzip in der Moral, als
eine Norm für die eigenen Handlungen, für den eigenen Willen
aufzustellen.
Das Verhältnis zwischen Religion und Moral ist bekanntlich
einer der schwierigsten Punkte der Ethik. Pascal hält an der
christlichen Moral fest, wie sie durch die Schriften und Kirchen-
väter aufgestellt ist. Dass die sittlichen Anschauungen sich in
mancher Hinsicht verändern und entwickeln, ist gar nicht zu
leugnen; man braucht nur an die Verschiedenheit in der Auffassung
der Sklaverei, der Erziehung oder der Stellung des Weibes in
der Gesellschaft zu denken, wie sie in der ersten christlichen
Zeit und wie sie vordem herrschte. Ob man an der Verbindung
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten eic, 277
der christlichen Glaubenslehre mit der christlichen Moral festhält
oder nicht, das steht dennoch fest, dass der Kern derselben, die
Forderung bezüglich des Absoluten, des Vollkommenen wenigstens
als Ziel nicht verrückt werden kann. Aber auch hier zeigt die
kasuistische Moral ihren Hang, die Relativität hervorzuheben, in-
dem sie ein so starkes Gewicht auf das Besondere in dem ein-
zelnen Stadium, auf die Forderungen der Zeit, auf die Mode und
auf das, was man im Durchschnitt verlangen kann, legt, dass
sie tibersieht, was für alle Stadien gemeinsam ist, und dass sie
so den Zusammenhang der Entwickelung aufhebt. Die Moral ist
verschieden für die verschiedenen Klassen und die verschiedenen
Zeiten. „Die Kirchenväter," sagt der Jesuit nach Reginaldus
(Lettres Prov. V), „waren gut für die Moral ihrer Zeit; aber sie
liegen für uns zu ferne" — und nun gibt er die lange, in
ihrer Zusammenstellung komische Liste der Kasuisten, welche
nun in der Moral Autorität sind, worauf sein Gast in die Worte
ausbricht: „0 mein Vater, waren diese Männer alle Christen?"
Hier nun lässt Pascal den Jesuiten ausdrücklich hervor-
heben, dass nicht alle Kasuisten Jesuiten seien, dass aber letztere
sich vor den übrigen durch den Eifer auszeichnen, womit sie sich
der Kasuistik angenommen und sie benutzt haben, ^) was von
um so grösserer Bedeutung ist, als kein Jesuit irgend ein Buch
ohne Billigung seiner Oberen veröffentlichen durfte, so dass der
ganze Orden für die Schriften seiner Mitglieder verantwortlich
ist^) (Prov. IX. u. XVII.). Und doch hat man Pascal beschul-
digt, dass er den Jesuiten allein die Entwickelung der Kasuistik
zugeschrieben habe, während dieselbe in Wirklichkeit viel älter
sei, als die Gründung der Gesellschaft Jesu (1540), und sogar
bis auf Thomas von Aquin (1227 — 74) zurückgeführt werden
könne. Spricht man über die Neigung der Menschen, welche
die Kasuistik hervorgerufen hat, so kann man ganz ruhig sagen,
dass letztere so alt ist, wie die Menschheit 5 aber ganz anders
wird die Sache, wenn man nur die systematische Darstellung der
Lehre meint. Kann dieselbe auch weiter zurückgeführt werden
als bis zu den Jesuiten, so beweist das nur ihren Zusammenhang
mit der Scholastik; bekanntlich hielten die Jesuiten sehr viel
auf diese sowohl in der Philosophie als auch in der Theologie.
Die Probabilität ist die notwendige Ergänzung der Ka-
suistik. An einer Stelle beruft sich der Jesuit auf den Kasuisten
Basilius Pontius (Prov. V.): „Man kann eine Gelegenheit zur
Sünde direkt und ihrer selbst wegen suchen, primo et per se,
^) Guettde : Histoire de Vfiglise de France, X, p. 359.
*) J. Huber; Der Jesuitenorden, Berlin, 1873. p. 91.
278 Thor Sundby
wenn das geistliche oder leibliche Wohl unserer selbst oder un-
seres Nächsten uns dazu führt. "^) — ^Wahrhaftig, ehrwürdiger
Vater, ich glaube zu träumen, wenn ich Geistliche so sprechen
höre. Sagt mir doch auf Euer Gewissen, hegt Ihr diese Mei-
nung?" — „Nein, wahrhaftig nicht," antwortete der Pater. —
„Ihr sprecht also gegen Euer Gewissen?" — „Nein, keineswegs;
ich sprach nicht nach meinem Gewissen, sondern nach dem von
Pontius und Bauny, und diesen könnt Ihr wahrhaftig folgen, denn
sie sind tüchtige Männer." — Hier ist das Prinzip der Proba-
bilität angewandt. Sanchez sagt (Prov. V.): „Eine Meinung wird
wahrscheinlich (probable) genannt, wenn sie ein tüchtiges Fun-
dament hat:^) nun ist aber die Autorität eines gelehrten und
frommen Mannes nicht von geringer, sondern vielmehr von hoher
Bedeutung. Denn (hört wohl zu) wenn das Zeugnis eines solchen
Mannes gewichtig genug ist, uns zu überzeugen, dass eine Sache
sich zugetragen hat, z. B. in Rom, warum sollte es denn nicht
ebenso sein bei einem zweifelhaften Punkte in der Moral ?" Dies
entwickelt der Jesuit nun weiter: „Man weiss sehr wohl, dass
sie nicht alle derselben Meinung sind; und das ist nur um so
besser. Sie einigen sich im Gegenteil fast niemals; es gibt
nur wenige Fragen, wo Ihr nicht finden würdet, dass der eine
„Ja", der andere „Nein" sagt. In solchen Fällen sind die beiden
entgegengesetzten Meinungen annehmbar." Daher sagt auch
Saymann (L. Prov. V.), „dass man wohl einen Rat geben kann,
welchen man selbst missbilligt, sofern derselbe die Autorität eines
andern für sich hat und besser mit den Wünschen des Rat-
suchenden stinmit."
Fasst man all das Vorangehende zusammen, so wird man
sehen, wie leicht es ist, jede auch noch so schlechte Handlung
zu verteidigen. Hierfür noch einige Beispiele zu den bereits
gegebenen. Es steht in der heil. Schrift: Gebet Almosen von
eurem Überfluss. Vasquez, eins von Escobar's vier Tieren, hat
jedoch einen Ausweg gefunden, sogar die reichsten Leute von
der Pflicht, Almosen zu spenden, zu befreien (L. Prov. VI.):
„Was die vornehmen Leute behalten, um ihre und ihrer Ver-
wandten Stellung zu heben, wird nicht Überfluss genannt. Und
daher wird man kaum finden, dass bei den vornehmen Leuten,
selbst nicht einmal bei den Königen, Überfluss herrscht".®)
*) Verdammt von Innocenz XI. am 2. März 1679.
*) Ursprünglich galt eine Anschauung nur dann für probabel,
wenn sie gute mnere Gründe (Evangelium, Vernunft), und gute
äussere Gründe für sich hatte (Autoritäten). Reuchlin : Leben Pascars,
pag. 96.
^) Verdammt von Innocenz XI. am 2. März 1679.
Btaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc, 279
„Die Verläumdung," sagt der Jesuit Dicastillo (L. Prov.
XV.), „welche man gegen einen Verläumder anwendet, ist wohl
eiiie Lüge, keineswegs eine Todsünde, oder eine Sünde wider die
Gerechtigkeit oder die Liebe." Der Jesuit Alby erklärte 1650
(ib.) „dass es ihm erlaubt gewesen wäre, einen andern Geist-
lichen zu verläumden, wofern es sich mit demselben wirklich so
verhalten hätte, wie er geglaubt hatte, dass jener nämlich eine
Schrift veröffentlicht habe, um die Gesellschaft Jesu anzu-
greifen."
Valentia, auch eins von Escobar's vier Tieren, hat das
Mittel gefunden, auf schlaue Weise die Simonie einzuschränken,
die Sünde, welche in dem Handel mit Benefizien oder geistlichen
Ämtern besteht (Prov. VI.): „Wenn man ein zeitliches Gut für
ein geistiges gibt, d. h. Geld für ein Benefizium, und man das
Geld als den Preis des Benefiziums zahlt, so ist das offenbare
Simonie. Wenn man dasselbe aber als Motiv gibt, welches den
Willen des Besitzers bestimmt, sein Amt abzutreten, so ist das
keine Simonie, wenngleich der Abtretende das Geld als die Haupt-
sache betrachtet."^) „Durch dieses Mittel," fügt der naive Jesuit
hinzu, welcher in den Lettres provinciales auftritt, „verhindern
wir eine Menge Simonieen. Denn wer würde so schlecht sein
nicht zu beabsichtigen, dass das Geld, welches er für ein Bene-
fizium zahlt, nur das Motiv sei, welches den zeitigen Benefi-
zianten zum Rücktritt bewegt, anstatt es ihm als Bezahlung zu
geben? Niemand ist dazu gottverlassen genug." „Nein," ant-
wortet der ironische Gast (Pascal), „ich muss gestehen, dass
alle zureichende Gnade haben, um einen solchen ^Handel abzu-
schliessen."
Hier hat man zugleich ein Beispiel für die Hinwendung
der Absicht in eine bestimmte Richtung, um die Natur der
Handlung zu verändern. Der Satz, dass die Absicht das Wesent-
liche sei, hat in der Moral allerdings Geltung, sonst würde die
unvorsätzliche und die vorsätzliche Handlung neben einander zu
stellen sein. Es ist klar, dass derjenige, welcher unvorsichtig
genug ist, auf einen Vogel zu schiessen, der auf einem Stroh-
dache sitzt, und so das Haus in Brand steckt, nicht in eine Linie
mit dem vorsätzlichen Brandstifter gestellt werden kann. Aber
die Richtigkeit des Satzes ist doch nur eine beschränkte. Denn
sonst würde der seit PascaFs Briefen so berüchtigte Satz gelten,
dass der Zweck die Mittel heilige. Ist allein die Güte der Ab
sieht oder die willkürliche Richtung der Absicht auf eine un-
wesentliche Seite der Sache hinreichend, das Wesen einer
*) Verdammt von Alexander VII. am 24. September 1665.
280 Ihor Sundby
Handlung zu bestimmen oder zu verändern, so ist jede Handlung
zu verteidigen. Es würde wahnsinnig aussehen, wenn man einen
Mann für unschuldig an vorsätzlicher Brandstiftung erklären
wollte, weil er nicht gerade seine Gedanken darauf richtete,
sondern nur daran dachte, den Vogel auf dem Strohdache zu
schiessen, während es doch sein Wunsch war, das Haus möchte
abbrennen. „Wenn unsere Feinde daran denken uns zu schaden,"
sagt Escobar (Prov. VH.), „so dürfen wir ihnen den Tod nicht
aus Hass wünschen, aber wohl, um uns vor Schaden zu be-
wahren." Ebenso kann ein Benefiziant, nach Hurtado (ib.), ohne
sich einer Todsünde schuldig zu machen, den Tod dessen
wünschen, der eine Pension von seinem Benefizium bezieht; ein
Sohn kann den Tod seines Vaters herbeiwünschen und sich
freuen, wenn er eintritt, wofern das mit Rücksicht auf den Vor-
teil, der daraus entsteht, geschieht, und nicht aus persönlichem
Hass".*) „Derjenige, welcher eine Ohrfeige erhalten hat, darf
nicht die Absicht haben, sich zu rächen, aber wohl die Absicht,
der Schande zu entgehen, und daher auf der Stelle die Beleidi-
gung vergelten, selbst mit dem Schwerte,"^ sagt Lessius (ib.)
Dies geht, wie man sieht, viel weiter, als die jetzt allgemein
herrschenden Anschauungen über die Notwendigkeit eines Duells
in solchen Fällen. Pascal wurde übrigens beschuldigt, ver-
schwiegen zu haben, dass Lessius, welcher „nach Vasquez's An-
schauung ein Heide und ein niedriger Mensch sein musste"
(Prov. Xin.), eine solche Selbstrache in der Praxis verdammte,
während es zweifelhaft wäre, ob er dieselbe in der Theorie zu-
liesse. In sjeiner Antwort (Prov. XHI u. XIV.) findet Pascal
Gelegenheit, über eine Ohrfeige in Compi^gne zu berichten,
welche ein Hofbeamter von einem Jesuiten erhalten hatte, der
folglich ohne Gewissensskrupel getötet werden konnte. Diese
Sache gibt ihm zu der witzigen Nachschrift des 14. Briefes Ver-
anlassung: „Das steht fest, ehrwürdige Väter, dass er von dem
Jesuiten einen Schlag auf die Wange erhalten hat; und alles
was Eure Freunde haben thun können, war : in Zweifel zu ziehen,
ob er den Schlag mit der Fläche oder den Rücken der Hand
erhalten hat, und die Frage aufzuwerfen, ob ein Schlag auf die
Wange mit dem Rücken der Hand Ohrfeige genannt werden darf
oder nicht. Ich weiss nicht, wem die Entscheidung darüber zu-
steht; aber ich sollte doch glauben, dass es wenigstens eine
„wahrscheinliche" Ohrfeige ist, und das beruhigt mein Gewissen".
Bei dieser Gelegenheit benutzt er auch seine kurze, aber
*) Verdammt von Innocenz XI. am 2. März 1679.
^) Verdammt am 2. März 1679.
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. J281
bündige Erklärung der Restriotion ment^le^ welche darin besteht,
„die Wahrheit ganz leise, eine Lüge aber laut und deutlich zu
sagen" (Prov. IX). In enger Verbindung hiermit steht die Lehre
von dem Gebrauche zweideutiger Worte. In dem neunten Briefe
sagt der Jesuit: „Ich will Ihnen nun von den Erleichterungen
sprechen, welche wir eingefühii; haben, um die Sünden, zu
welchen die Gespräche und Intriguen der Welt Veranlassung
geben können, zu vermeiden. Besonders schwierig ist die Ver-
meidung der Lüge, vornehmlich, wenn man eine Unwahrheit für
wahr ausgeben möchte. Ein vortrefOiiches Mittel hierzu ist un-
sere Lehre von den zweideutigen Worten, gemäss welcher es
erlaubt ist, wie Sanchez sagt, Ausdrücke von doppelter Bedeu-
tung zu gebrauchen, welche man in dem einen Sinne auffassen
lässt, während man selbst sie in dem andern Sinne versteht."^)
— „Dass weiss ich, ehrwürdiger Vater." — „Ja, und wir haben
unsere Lehre derartig an die Öffentlichkeit gebracht, dass am
Ende Jedermann sie kennt. Aber wissen Sie auch, wie man sich
verhalten muss, wenn man keine zweideutigen Worte findet?"
— „Nein, ehrwürdiger Vater." — „Das dachte ich mir wohl,"
sagte er, „es ist etwas Neues, nämlich unsere Lehre von „dem
Vorbehalt in Gedanken" (restriction mentale). Sanchez ent-
wickelt sie an derselben Stelle: „Man kann schwören," sagt er,
„dass man eine That nicht begangen hat, obschon es doch so
ist, indem man für sich denkt, dass man sie nicht an einem
bestimmten Tage, oder, bevor man geboren wurde, gethan hat,
oder indem man an irgend einen ähnlichen Umstand denkt, ohne
dass die Worte, welche man gebraucht, dies andeuten. Und das
ist in vielen Fällen sehr bequem und ist immer recht, falls es
für die Gesundheit, die Ehre oder das Vermögen notwendig oder
nützlich ist."') — ^Wie, ehrwürdiger Vater, ist das denn nicht
eine Lüge, ja sogar ein Meineid?" — „Nein," sagte der Jesuit,
„das beweist nicht bloss Sanchez, sondern auch unser Vater
Filutius, weil, wie er sagt, die Absicht die Qualität der Handlung
bestinmit."
Die Kasuisten und speziell die Jesuiten machen also den
Menschen das Leben nicht sauer. Sie gestatten es, dass eine
Frau ihrem Manne Geld nimmt, um damit zu spielen (Prov. IX) ;
sie geben jede Art Umgehung der Wuchergesetze zu (Prov. VIII);
sie erlauben uns, den zu töten, der uns den Wert eines Thalers
nimmt, ja sogar, wenn er nur einen Apfel nimmt, falls unsere
Ehre mit im Spiele ist (Prov. VII. und XIV.); sie erklären, dass
ein Mönch oder Priester denjenigen erschlagen darf, welcher
^) Verdammt am 2. März 1679.
282 Tkoi' Sundby
androht, ihre oder ihres Ordens geheime und anstössige Misse-
thaten zu verbflFentlichen (Prov. VII.). ^) — Dieses alles aus Mit-
leid mit den schwachen Menschen, ,, welche so verdorben sind,
dass die Jesuiten zu ihnen gehen müssen, da sie nicht von selbst
zu denselben kommen." (Prov. VI).
Diese Anpassungs- und Schonungspolitik bei den Jesuiten
ist nicht eine Erdichtung Pascal' s,^) obgleich dies nicht bloss von
den Feinden der Lettres Provinciales sondern auch von Bewun-
derem derselben, wie Villemain und Voltaire,®) behauptet wurde.
Letzterer sagt: „Das ganze Buch beruhte auf einer falschen
Grundlage. Man legte in geschickter Weise der Gesellschaft
die abgeschmackten Meinungen verschiedener spanischen und
flämischen Jesuiten bei. Man hätte ebenso gut die Meinungen
bei den Kasuisten des Dominikaner- und Franziskanerordens bei-
bringen können; aber nur den Jesuiten wollte man zu« Leibe.
Man suchte in diesen Briefen zu beweisen, dass die Jesuiten den
vorgefassten Plan hätten, die Sitten der Menschen zu verderben,
ein Plan, den keine Sekte, keine Gesellschaft je gehabt hat
oder haben kann. Aber es galt nicht Recht zu haben, es galt
nur, das Publikum zu unterhalten." Es ist offenbar, dass Vol-
taire die Lettres Provinciales nur als einen genialen Scherz oder
vielleicht mit Chateaubriand als eine „unsterbliche Lüge"*) auf-
fasst. In seiner vortrefflichen Abhandlung über Pascal macht
Villemain^) darauf aufmerksam, „dass mehr als ein berühmter
Autor seine Philosophie vermittels seiner Moral ausgebreitet und
diese verdorben habe, um Eingang zu finden", aber er fügt doch
hinzu: „Indem er seinen Widersachern die förmliche und über-
legte Absicht, die Moral zu verderben, beilegt, stellt er eine
freilich übertriebene Voraussetzung auf".
Die Ansicht Henri Martinas ^) hierüber ist folgende: „Man
(die Jesuiten) will so viel als möglich den alten und gewaltigen
Gegensatz zwischen Christus und der Welt, den Dualismus des
Vollkonmienen und Unvollkommenen mildem, aus welchem die
ersten Christen den Gegensatz zwischen Himmel und Hölle her-
^) Verdammt teils 1665, teils 1679.
*) Selbst die Geliebte Ludwig's XIV., M«»« de Montespan, spottete
über die Milde der Jesuiten, indem sie den Beichtvater des Königs,
den Jesuiten La Chaise, die chaise de la commoditd nannte (Huber:
der Jesuitenorden. Berlin, 1873. p. 163).
^) Voltaire: Siede de Louis XIV. Paris, 1808. II. Kap. 37, p. 200.
*) Sonderbar, sagt Sainte-Beuve, an „unsterbliche Lügen" zu
glauben.
*) Discours et M^langes litt^raires. 1846. p. 137.
•) Histoire de France, XIII, p. 460.
Blaise Pascal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 283
geleitet haben. Man will die Wett gewinnen, indem man ihren
früher verdammten Werken, ihrer Pracht die religiöse Weihe
gibt. Man will den Inhalt umsohaffen und die Form behalten.
— Was mangelte nun diesem genialen Plane? — Die Recht-
schaffenheit, die Freimütigkeit, eine wirklich religiöse Gesinnung
(jedenfalls das Christentum !), welche allein der Natur ihre Bechte
wiedergeben konnten, ohne das ewige Gesetz des Guten und
Wahren zu verletzen," Dieser geniale Plan wird auch von
einem Freunde der Jesuiten, dem Historiker Cretineau-Joly,*)
anerkannt: „Pascal schrieb in den schwierigsten Fragen mit dem
Zauber einer heiteren Satire und der Strenge der festesten
Grundsätze." „Er fand die Kunst, die Menschen zu der An-
nahme einer Lehre zu bringen, welche weder mit ihrem Ge-
schmacke noch ihren Sitten stimmte. Er setzte Strenge gegen
Milde." ,,Er machte Gott unzugänglich, um die Jesuiten un-
möglich zu machen; die Jesuiten, welche versucht hatten, eine
Übereinstimmung zwischen der unendlichen Vollkommenheit und
den Lastern der Menschheit zu wege zu bringen, und „nur
suchten, die Religion zu popularisieren, indem sie einige Punkte
der Moral nach den Gefühlen der Welt einrichteten." „Die Welt
hatte von Beginn des Christentums an über die Strenge gewisser
Vorschriften geklagt; die Jesuiten kamen diesen Klagen ent-
gegen." Nach diesen mehr oder weniger sympathischen Äusse-
rungen, welche beide einen Plan oder eine Tendenz anerkennen,
wollen wir Pascal hören:
„Wisset also, dass es nicht ihr Ziel ist, die Sitten zu ver-
derben; das ist nicht ihre Absicht. Aber sie haben auch nicht
eine Besserung der Sitten zum einzigen Zweck; das wäre eine
schlechte Politik. Vielmehr ist dies ihr Gedanke. Sie haben
eine so gute Meinung von sich selbst, dass sie es für nützlich
und gleichsam für notwendig zum Heile der Religion halten,
dass ihr Einfluss überall hinreicht, und sie alle Gewissen be-
herrschen. Und weil nun die strengen Grundsätze des Evange-
liums wohl geeignet sind, gewisse Arten von Leuten zu lenken,
so bedienen sie sich ihrer, wo sie ihnen günstig sind. Da aber
diese selben Grundsätze den meisten Menschen nicht gefallen^
geben sie mit Rücksicht auf diese dieselben aaf, um alle zu-
frieden zu stellen; und sie haben mit Leuten aller Stände und
so verschiedener Nation zu thun. Sie müssen daher Kasuisten
haben, welche sich ganz nach dieser gemischten Menge richten.
Wenn sie nun nur laxe Kasuisten hätten, so würden sie,
wie leicht einzusehen ist, gegen ihren Hauptgrundsatz Verstössen:
^) Histoire de la Compagnie de Jesus. 1845. IV. p. 49.
284 Thor Sundby
alle Menschen zu umfassen, «weil ja die wirklich Frommen eine
strengere Leitung suchen. Da es aber nur wenige Leute dieser
Art gibt, so haben sie auch zu deren Leitung nicht viele strenge
Seelsorger nötig. Sie haben deren nur wenige, um diese wenigen
zu leiten, während die grosse Menge der schlaffen Kasuisten
sich der grossen Menge derer zur Verfügung stellt, welche die
Laxheit lieben. — Durch diese entgegenkommende Milde, wie
P. Petau sagt, reichen sie allen die Hand. Denn wenn jemand
zu ihnen kommt, der fest entschlossen ist, das unrechtmässig
erworbene Gut zurückzugeben, so steht nicht zu fürchten, dass
sie ihn davon abhalten; im Gegenteil, sie werden ihn loben und
einen so heiligen Entschluss bestärken. Wenn aber ein anderer
zu ihnen kommt, der die Absolution haben will, ohne zu resti-
tuieren, so würde ihre Sache sehr schlimm stehen, wenn sie
nicht Mittel dazu hätten, für welche sie natürlich die Verant-
wortlichkeit übernehmen. Auf diese Weise erhalten sie sich ihre
Freunde und verteidigen sie sich gegen ihre Feinde. Denn wenn
man ihnen ihre ausserordentliche Laxheit vorwirft, so führen sie
sofort dem Publikum ihre strengen Seelsorger, sowie einige
Bücher vor, welche diese über die Strenge des christlichen
Gesetzes geschrieben haben; und die Einfachen, sowie die, welche
nicht tiefer in die Sache eindringen, begnügen sich mit diesen
Beweisen." (Prov. V.) Man wird nun selbst beurteilen können,
ob Pascal zu beleidigend gegen die Jesuiten aufgetreten ist.
Die entgegenkommenden Bestrebungen der Jesuiten, die
Keligion populär zu machen, galten nicht bloss der Moral, son-
dern auch dem Gottesdienste. So erlaubten ihre Missionäre den
neubekehrten Chinesen, an dem Götzendienste teilzunehmen, wenn
sie nur ihre Gedanken auf ein Christusbild richteten, welches
sie unter ihren Kleidern verborgen hatten (Prov. V.). Ihre
Kasuisten glaubten auch nicht, dass es nötig sei, Gott zu lieben.
„Es war vernünftig," sagt Pinterau (Prov. X), „dass Gott indem
Gnadengesetze des Neuen Testaments die ärgerliche und schwie-
rige Verpflichtung aufhob, welche sich in dem strengen Gesetz
fand, nämlich einen Akt vollkommener^) Reue zu erwecken, um
gerechtfertigt zu werden; und dass er die Sakramente einsetzte,
welche die Reue ersetzen und den Mangel in derselben ergänzen
könnten. Sonst würden ja die Christen, welche die Kinder
^) Vollkommene Reue (contrition) ist die Reue, welche aus Liebe
ZT» Gott hervorgeht ; unvollkommen (attrition) nennt man Reue aus
Furcht vor der Strafe. — „Nach der sinnlichen Vorstellung der
Christen ist Jesus Christus zu unserer Erlösung gekommen, damit wir
Gott lieben und um uns die Sakramente zu geben, welche alles ohne
unser Zuthun wirken" (Pens^es XV, 10).
Blaise Ihscal, sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 285
sind, es nicht leichter haben, das Wohlgefallen Gottes zu er-
ringen, als die Juden, welche Sclaven waren, um die Barm-
herzigkeit ihres Herrn zu erflehen."
Escobar teilt die Ansichten verschiedener Kasuisten über
die Verpflichtung, Gott zu lieben, mit (Prov. X.): Hurtado de
Mendoza behauptet, dass man jedes Jahr dazu verpflichtet sei,
und dass man uns noch sehr gnädig behandele, uns nicht öfter
dazu zu verpflichten. Unser Pater Coninck aber glaubt, dass
man alle drei oder vier Jahre dazu verpflichtet sei. — Henriquez
alle fünf Jahr; und Filutius sagt, dass man jedes fünfte Jahr
nicht so strenge dazu verpflichtet sei. Aber wann dann? Das
iiberlässt er dem Urteile der Weisen." Vor allen aber zeichnet
sich der Jesuit Antoine Sirmond aus. Man mag Maynard ja gern
einräumen, dass derselbe ein unbedeutender Mann ist, aber man
darf nicht vergessen, was wir früher berührt haben, dass die
Gesellschaft Jesu als verantwortlich für die Schriften ihrer Mit-
glieder anzusehen ist. In seinem Buche Defense de la vertu,
in welchem er gemäss seinen eigenen Worten Französisch in
Frankreich spricht, lässt er sich folgendermassen aus (Prov. X):
„Thomas von Aquin sagt, dass man Gott lieben muss, sobald
man den Gebrauch der Vernunft erlangt hat; das ist etwas früh.
Scotus, jeden Sonntag; aus welchem Grunde? — Andere, wenn
man schwer versucht wird; ja, falls man nur diesen Weg hat,
die Versuchung zu fliehen. Sotus, wenn man eine Wohlthat von
Gott empfängt; gut, um ihm dafür zu danken. Andere, beim
Tode; das ist recht spät. Ich glaube auch nicht, dass es bei
jedem Empfange eines Sakramentes nötig sei; dazu genügt die.
unvollkommene Reue in Verbindung mit der Beichte, wenn man
bequeme Gelegenheit dazu hat. Suarez sagt, dass man zu einer
bestimmten Zeit dazu vei*pflichtet ist, aber zu welcher Zeit?^)
Da» überlässt er Ihnen, er weiss nichts davon. Und was dieser
Theologe nicht gewusst hat, wer das wissen mag, weiss ich
nicht."2)
*) Verdammt 1679.
*) Diese Entbindung von der Verpflichtung, Gott zu lieben,
scheint den Dichter Boileau ausserordentlich unangenehm berührt zu
haben. M«»« <Je Sövignä erzählt in einem Briefe vom 15. Januar 1690,
dass derselbe in einer Gesellschaft bei Lamoignon, wo Bourdaloue
und noch ein anderer Jesuit zugegen waren, die Schriftsteller der
alten Zeit über die der neuen stellte. Doch nahm er einen der letz-
teren aus. Der Jesuit will wissen, wer dieser sei. Boileau will es
nicht sagen. Man besteht darauf. „Ach, Sie haben ihn gewiss mehr
als einmal gelesen," sagte Boileau lächelnd. Doch diese Ausrede nützt
ihm nicht, trotz seiner Bitten muss er den Namen sagen. „Sie wollen
es wissen, nun wohl, ehrwürdiger Vater, es ist Pascal." Feuerrot
386 Thor Sundby
Wir haben gesehen, wie die Jesuiten in der Religion und
Moral die grösste Laxheit bewiesen, wenn es ihnen zur Aus-
breitung ihres Einflusses und zur Erweiterung ihrer Macht passend
erschien. Warum suchten sie nun diesen Einfluss, diese Macht
zu erlangen? Das geschah, wie man sagte, um die katholische
Religion auszubreiten und das Papsttum zu befestigen; da dieses
Ziel aber nach ihrer Anschauung am besten durch ihre Hilfe
erreicht werden konnte, so wurde das Heil der Religion für eins
mit ihrem eigenen Vorteil gehalten, und um dieses Ziel zu er-
reichen, scheuten sie kein Mittel. Durch eine vorzügliche Or-
ganisation und strenge Disziplin bildeten sie die Mitglieder des
Ordens zu schlauen und mutigen Werkzeugen aus. Sie verstan-
den es mit der grössten Kunst sich in alle Verhältnisse zu
schicken. Sie wurden Ratgeber der Könige und Seelsorger der
Mächtigen; sie machten sich geltend als Männer der Wissen-
schaft und als Erzieher der Jugend; sie wanderten als Missionare
in alle Welt und trotzten als solche allen Gefahren mit der
grössten ünerschrockenheit, wenn sie nur die Religion ausbreiten
konnten. Aber während sie für die Ausbreitung derselben
kämpften, nahmen sie, wie wir gesehen haben, freilich nicht so
genau darauf Rücksicht, ob die Neubekehrten sich mit wahrer
Innigkeit an sie anschlössen. Sie zeigten auch einen uner-
schütterlichen Mut und eine seltene Aufopferung als Kranken-
pfleger. Aber bei allem, was sie unternahmen, vergassen sie
niemals, für ihren eigenen Einfluss zu kämpfen. Stellte sich
ihrem Ziele irgend ein Hindernis in den Weg, so wandten sie
alle Mittel an, um dasselbe fortzuschaffen. Daher bedachten sie
sich nicht, den Königsmord ^) zu billigen, wenn er mit ihren In-
teressen stimmte; daher kämpften sie nicht bloss gegen die
Reformation der christlichen Kirche, welche sich vom Papsttum
trennte, sondern verfolgten auch mit der grössten Ausdauer und
dem leidenschaftlichsten Hasse die Reformationsversuche, welche
innerhalb der römisch-katholischen Kirche stattfanden, namentlich
stammelt der Jesuit: „Pascal ist so schön, als die Unwahrheit sein
kann." „Die Unwahrheit," sagt Boileau erbittert, „ist es vielleicht
nicht wahr, dass einer Ihrer Väter geschrieben hat, man brauche
Gott nicht zu lieben?" „Mein Herr," ruft der Jesuit aus, „man muss
unterscheiden." „Unterscheiden — Gottes Tod! — unterscheiden, ob
wir Gott lieben sollen!" Und wie ein Rasender stürzte er aus dem
Zimmer. — Diese Szene ist wahrscheinlich für ihn die Veranlassung
gewesen, seine 12. Epistel zu schreiben.
*) „Die anderen Morde" (Provinc. XIV.) sind Eön^smord und
Kindesmord. Mariana: De Rege et Regis institutione. Toledo 1599.
6f. Hnber: Der Jesuitenorden, p. 251.
Blaise Pascal^ sein Kampf gegen die JesiiHen eic, 287
den Jansenismus, dessen strenger Ernst sich nicht darin finden
konnte, mit der Glaubens- und Sittenlehre zu akkordieren.
Da die Jansenisten ihre Glaubensfreiheit angegriffen sahen,
begannen sie sich zu verteidigen; aber die Jesuiten hatten die
Macht auf ihrer Seite und gebrauchten dieselbe so, dass die
Jansenisten sich zum Angriff gezwungen sahen. Den härtesten
Schlag führte Pascal, indem er die verdorbene Moral bloss-
deckte, welche von fast allen jesuitischen Kasuisten verbreitet
wurde. Der Schlag traf die Jesuiten so nachdrücklich, dass
man sich nicht wundem kann, dass sie und ihre Freunde ver-
schiedene Mittel anwandten, um die Lettres Provinciales herab-
zusetzen.
Im allgemeinen wählte man den Ausweg, PascaVs Worte
für reine Unwahrheit zu erklären; und diese Taktik wird noch
immer angewandt, obwohl hinlänglich bewiesen ist, dass in den
Lettres Provinciales nur einige wenige und dann unbedeutende
Ungenauigkeiten vorkommen. Und selbst wenn Pascal in ein-
zelnen Punkten sich unfreiwillig eines geringfügigen Unrechts
gegen die Jesuiten schuldig gemacht haben sollte, so ist es doch
sicher, dass ihre Kasuisten durchaus nicht gewinnen, wenn man
ihre Lehre in ihren eigenen Werken studiert. Im Gegenteil,
dann erscheinen sie in einem noch viel schlimmeren Lichte.
Pascal's Darstellung ist nicht unwahr. Er hatte vollkommen
Recht, da er diese Worte niederschrieb: „Ich stehe da, einer
gegen 3000? Nein! Behaltet Ihr nur den Hof und den Trug auf
Eurer Seite! Ich habe die Wahrheit auf meiner. Das ist meine
ganze Stärke, verliere ich diese, so bin ich selbst verloren. Es
wird nicht an Anklagen gegen mich und an Verfolgungen
fehlen. Aber ich habe die Wahrheit für mich, und wir werden
sehen, wer siegt. Ich bin unwürdig, die Religion zu verteidigen;
aber es ist Eurer unwürdig, den Irrtum und die Ungerechtigkeit
zu verteidigen." (Pens^es, Äd. Faug^re. I, 308.)
Andere, wie Voltaire, welcher für die Jesuiten, die Lehrer
seiner Jugend, immer viel übrig hatte, meinten, die Briefe dürften
nur als ein unterhaltender Scherz betrachtet werden; aber es
gibt schwerlich viele unbefangene Beurteiler, welche sich dieser
Auffassung anschliessen werden. Was half Voltaire denn so sehr
in seinem Kampfe für die Toleranz? Was bewirkte wohl eigent-
lich die Vertreibung der Jesuiten aus Frankreich 100 Jahre nach
PascaFs Tode? Wie würde es Michelet, Quinet und den andern
ergangen sein, welche 1843 gegen die Jesuiten kämpften, wenn
sie nicht Pascal's mächtige Hilfe gehabt hätten? Die Lettres
Provinciales waren nicht bloss damals den Jesuiten „ein Pfahl im
Fleische"; sie sind ein stetiges Hindernis für die Ausbreitung
as« Thor Sundby
ihrer Hacht Sie waren Dicht bloss fUr einen Aogenblick eine
kriftige Verteidigung der GewiBsensfreibeit, sie bleiben stets ein
bedentnngsvoller Einspruch gegen die Unterdrückung Anders-
denkender durch die kirchliche Mehrheit. Und das ist nicht ihre
einiige Bedeutung: sie haben auch Bedentung für uns alle. Wohl
-wird man vielleicht sagen: „Die Lettres Provinciales haben gewiss
yire historische Bedeutung, abet was gehen sie uns an? Sie
haben den Kasnismus vemicbtet nnd das so gut gemacht, dass
wir dessen Wiederaufleben nicht zu beftlrcbten brauchen. Über
dies ist das Ganze eine rein katholische Angelegenheit: wir
danken Ulr, Gott, dass .wir nicht sind wie diese Katholiken!"
Aber hierin geht man sehr fehl; in unserer Zeit kommen noch
MM kasuistische Systeme heraus, wie z. B. das des Jesuiten
J«k. IVter Gury,'} welches ja teilweise genugsam von Escobar
«1*4 at'tneu Geistesgenossen abweicht, wenn anch nicht so sehr,
«H> Kwu glauben sollte. Aber selbst wenn dies nicht der Fall
itKiv, darf man doch nicht annehmen, dass das Entgegenkommen
«t^K Mfuanlien gegentlber, welches die Kasuistik herrorgerufen
)>M, MtlMKeiottet sei. Besonders wo es gilt, nicht bloss zu reden
MHit *\\ auhrelben, sondern zu leben nnd zu handeln, ist der
\l>'H»i>tt Innuer bereit, dem durchdringenden Lichte des Absoluten
f.» ^^t)Ulllll^|ll'en, um Schutz und Schirm in den Winkclzflgen der
K\ \\\\\ imt KU Buchen , wie Adam nnd Eva hinter den BSumen
vM ('tti'itdleses. Um einigermassen Stand zu halten, bedarf man
>'^ •in ilur ülrmabnung durch sieb selbst oder durch andere. Die
t.tu« fcovinciales sind nicht bloss ein Schreckbild fllr die
• M^^tvlli iondern auch ein heilsainer Mahner fUr nns alle.
4lmr deswegen haben Pascal's Briefe nicht die grosse
\' l'Uiiliiiig gefunden, sondern vorzugsweise wegen der Art nnd
W'iiv tli^l' Darstellung. Diese hat Pascal die meisten Freunde
, v\.>^\miu.') Durch BmchstUcke kann man natürlich niemand
: i\ V nlUtUndigen Begriff derselben geben; da sie jedoch zu
<) l^uiupendiiim theologiffi moralis. RatiaboiitB 1874. Dies ist
I. Aimifube in Deutschland. 1027 zweiepaLtige Seiten in %". —
'K' 1 viii'teitligt und benutzt Escobaj und bezichtigt Pascal grober Ver-
i> "idi\h(,' ilüfselben. p. iOB u. S9!. Gurj gibt ale Anhang zu eeinem
■.II- 'ii> uinu Liute der von den Päpsten verdammten jesuitiachen S&tze,
i<U iir wir zu den Anmerkungen benutzt haben.
'1 Ale der Jeauit Daniel 1694 die Entretiens de Cl^andrc et
:ab, ein Buch, welches Pascal widerlegen sollte, fiel
iBselben den Hofleuten des vertriebenen engliachen
. in die U3.nde, Diene eigOtzten sich derartig an
Paecal, welche aagefi]hrt werden, dass sie sofort nach
nciales sandten und Daniel'B Buch zur Seite warfen.
rt-Eoyal. 111. p. 167.
Btaise Pascal, setn liamp/ gegen die Jesuiten etc. 289
der richtigen Vorstellung verhelfen können^ so wollen wir einige
wenige anführen, die zugleich auch einen völligeren Begriff von
der Laxheit der kasuistischen Moral vermitteln.
Im Gespräche über das Fasten fragt der Jesuit seinen
Gast (Pascal), ob er viel Wein tränke. „Nein, ehrwürdiger
Vater," sagte ich, j,ich kann es nicht vertragen." — „Ich sagte
es," antwortete er, „um Ihnen mitzuteilen, dass Sie des Morgens
und wann Sie wollen, Wein trinken können, ohne das Fasten zu
brechen; das stärkt doch immerhin. Es steht die Erlaubnis dazu
bei Escobar. „Kann man, ohne dadurch das Fasten zu brechen,
Wein trinken, wann man will und selbst in grosser Menge?" „Man
kann es, sogar Gewürzwein. Ich erinnerte mich nicht dieses
Gewtirzweins," sagte er, „den muss ich doch in meine Auf-
zeichnungen setzen." — „Das ist ein anständiger Mann," sagte
ich ihm, „dieser Escobar." — „Alle Welt hat ihn gern," ant-
wortete der Pater. „Er stellt so hübsche Fragen." An derselben
Stelle findet sich diese: „Wenn ein Mensch daran zweifelt, ob
er 21 Jahre alt ist, muss er dann fasten? Nein. Aber wenn
ich heute um 1 Uhr Nachts 21 Jahre werde, und morgen ist
Fasttag, muss ich dann morgen fasten? Nein; denn du kannst
so viel essen wie du willst, zwischen Mitternacht und 1 Uhr,
weil du dann noch nicht 21 Jahre alt bist; und da du so ein
Recht hast die Fasten zu brechen, so bist du nicht dazu ver-
pflichtet." — „0, das ist reizend," sagte ich zu ihm. „M%n kann
sich von der Lektüre nicht losreissen," antwortete er mir; „ich
bringe Tag und Nacht damit zu; ich thue nichts anderes." Der
gute Pater war ganz entzückt, dass mir das Vergnügen machte
und fuhr fort: „Sie müssen nun noch die Stelle aus Filutius
hören, der zu den 24 Jesuiten gehört: „Ist man verpflichtet zu
fasten, wenn man durch irgend eine Sache müde geworden ist,
indem man z. B. einem Mädchen nachlief, ad insequendam ami-
cam? Keineswegs. Aber wenn man absichtlich sich ermüdet
hat, um vom Fasten dispensiert zu sein, ist man dann dazu ver-
pflichtet? Nein, selbst wenn man das in dieser Absicht gethan
hat, braucht man nicht zu fasten. Nun, hätten Sie das wohl
geglaubt?"^) — „Wahrhaftig, ehrwürdiger Vater, ich glaube es
noch nicht recht" (Prov. V.).
Im 7. Briefe entwickelt der Jesuit mit grossem Eifer, dass
die Duelle in gewissen Fällen zulässig seien. Da der König
die Duelle in allen Fällen strenge verboten hat, wundert sich
sein jansenistischer Gast (Pascal) sehr über die Lehre, welche
er vortragen hört „Aber der gute Pater war so im Zuge, dass
^) Verdammt 1665.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VIi. |q
290 Thor Sundby
es Unrecht gewesen wäre, ihn aufzuhalten." Er fuhr so fort:
^Sanchez (geben Sie wohl acht, welche Männer ich Ihnen citiere)
geht noch weiter, denn er erlaubt nicht bloss ein Duell anzu-
nehmen, sondern auch es anzubieten, wenn man nur in gehöriger
Weise seine Absicht lenkt; und Escobar folgt ihm darin, wie
aus der angeführten Stelle hervorgeht." — „Ehrwürdiger Vater, "
sagte ich, ,,wenn das so ist, so gebe ich ihn auf; aber ich
werde nie glauben, dass er das geschrieben hat, wenn ich es
nicht selbst sehe." — „Lesen Sie selbst," sagte er, „und ich
las wirklich diese Worte in Sanchez' Moraltheologie: Es ist ganz
recht zu sagen, dass ein Mann sich duellieren darf um sein
Leben, seine Ehre oder sein Eigentum (falls es sich um Erheb-
liches handelt) zu retten, wenn feststeht, dass man ihm diese
Güter ungerechter Weise durch Prozesse oder Ränke rauben will,
und er nur diesen Weg hat, sie sich zu erhalten. Und Navarro
fiagt sehr gut, dass man in diesem Falle eine Herausforderung
sowohl annehmen als anbieten darf, licet acceptare et offerre
duellum, ja dass man seinen Feind sogar heimlich töten darf.
Unter solchen Umständen braucht man nicht den Weg des Duells
einzuschlagen, wenn man seinen Gegner insgeheim töten und sich
dadurch aus der Sache herausziehen kann; denn so vermeidet
man es sowohl, sein Leben im Kampfe aufs Spiel zu setzen, als
auch sich der Sünde teilhaftig zu machen, welche unser Gegner
durch äas Duell begehen würde." — „Das kann man einen
frommen Meuchelmord nennen ; denn, wie fromm er auch sei, es
ist und bleibt doch ein Meuchelmord, weil eben erlaubt wird,
einen Gegner verräterischer Weise zu töten." — „Habe ich ge-
sagt," antwortete der Pater, „dass man verräterischer Weise
töten darf? Gott behüte mich davor! Ich sagte, dass man seinen
Feind heimlicher Weise töten darf, und daraus schliessen Sie,
dass man verräterischer Weise töten darf, als ob das dasselbe
wäre. Lernen Sie von Escobar, was das heisst, verräterischer
Weise töten, und dann können Sie mitsprechen. Verräterischer
Weise töten heisst jemanden töten, der sich dessen gar nicht
versieht. Von demjenigen, der seinen Feind tötet, kann daher
nicht gesagt werden, dass er ihn verräterischer Weise getötet
habe, selbst wenn das von rückwärts oder aus einem Hinter-
halte geschieht; licet per insidias aut a tergo percutiat. Und
in demselben Abschnitte steht: Tötet jemand seinen Feind, nach-
dem er sich mit demselben versöhnt und ihm versprochen hat,
ihm nicht nach dem Leben zu trachten, so kann man nicht un-
bedingt sagen, dass er ihn verräterischer Weise getötet habe,
wofern nicht zwischen ihnen eine engere Freundschaft bestand,
arctior amicitia. — Hieraus sehen Sie, dass Sie nicht einmal die
Blaute Pascal, sein Kumpf gegen die Jesuiten etc.
291
richtige Bedeutung der Ausdrücke kennen und doch sprechen Sie
wie ein Doktor der Theologie." — „Ich muss gestehen, dass
das für mich neu ist; aus dieser Definition ersehe ich, dass man
leicht niemals jemanden verräterischer Weise töten kann, da
man woETliicht leicht darauf verfällt, andere als seine Feinde zu
töten. Mag aas aber auch sein wie es will, nach Sanchez kann
man also einen^ Yerläumder, der uns auf dem Wege des Rechtes
erfolgt, dreist töten, ich will nicht sagen verräterischer Weise,
her doch von rückwärts oder aus einem Hinterhalt?"^) — j^Ja»'*
gte der Pater, Lwenn man nur seine Absicht gehörig lenkt;
vergessen immer die Hauptsache."
In demselben Briefe (Prov. VII.) lässt Pascal seinen Je-
en den Schliiss vortragen, welchen der Kasuist Caramuel aus
r L'amy's Lehre gezogen hat : dass ein Priester in gewissen
n einen Varläumder nicht bloss töten darf, sondern dass es
Fälle gibty wo er das muss, aliquando debet occidere.^) -^
Bezug herauf untersucht er," föhrt der Jesuit fort, „mehrere
Frage;!^ z. B. auch, ob die Jesuiten die Jansenisten töten
„Ehrwürdiger Vater," unterbricht ihn der Gast, „das ist
eine höchst überraschende theologische Frage! Gemäss
'amy's Lehre halte ich bereits alle Jansenisten für tot."
habe ich Sie," sagte der Pater; „Caramuel schliesst aus
n Prinzipien das Gegenteil." — ,7 Wie ist das möglich?"
sie unserem Rufe nicht schaden," sagte er, „Hören Sie
rte: Die Jansenisten nennen die Jesuiten Pelagianer;^)
sie deshalb töten? Nein; denn die Jansenisten ver-
ibenso wenig den Glanz der Gesellschaft Jesu, wie eine
der Sonne; im Gegenteil, sie haben ihn erhöht, wenn
ihren Willen; occidi non possunt quia nocere non
Dies war so vor den Lettres Provinciales ; aber nach
die Jansenisten offenbar tot.
er anderen Stelle fragt der Jesuit seinen Gast (Pascal),
rsager das Geld zurückgeben müsse, welches er
Kunst erworben habe (Prov. VQL). — rjWie Sie
diger Vater." — „Was? Wie ich will? Sie sind
! Nach Ihren Worten sollte man glauben, dass
)n unserm Gutdünken abhinge. Ich sehe wohl,
e niemals von selbst findien würden. Hören Sie
sein
darf
dunk
£ule
auch
potue
diesen
A
ob ein
durch s
wollen,
wirklich
die Wahrh
dass Sie di
*) Verdi
>) Anhäni
Anfange des 5.
dass die Verderbt
Sünde Adams sei
Erlangmig der Sei
[es Pelagius, eines britischen Mönches^ welcher im
mnderts gegen Augustinus die Lehre verteidigte,
der menschlichen Natur nicht eine Folge der
dass die natürlichen Kräfte des Menschen zur
ausreichten.
19*
292 Ihor SunSy
also, wie diese Schwierigkeit von Sanchez gelöst wird — aber
das ist auch Sanchez! ,, Zunächst unterscheidet er in seiner Summa,
ob der Wahrsager sich der Astrologie und anderer natürlicher
Mittel bedient, oder ob er die diabolische Kunst benutzt hat;
denn er sagt, dass er in dem einen Falle das Geld zurückgeben
muss, in dem anderen aber nicht. Können Sie nun sagen in
welchem?^ — „Das ist nicht schwer," sagte ich. — „Ich weiss
wohl, was Sie meinen,'^ erwiderte er. „Sie glauben, dass er
zurückzahlen muss, falls er die Hilfe böser Geister benutzt hat?
Aber Sie verstehen sich schlecht darauf; gerade das Gegenteil.
Hören Sie, wie Sanchez entscheidet: Wenn der Wahrsager sich
nicht die Mühe gegeben hat, vermittels des Teufels zu erfahren,
was es nicht anders erfahren kann, so muss er das Geld zurück-
geben; aber wenn er sich diese Mühe gemacht hat, ist er nicht
dazu verpflichtet." — „Aber wie ist das denn möglich? ehr-
würdiger Vater!" — „Verstehen Sie das nicht?" sagte er, „das
kommt daher, dass man woM durch die Kunst des Teufels wahr-
sagen kann, während die Astrologie ein unzuverlässiges Mittel
ist." — „Aber, ehrwürdiger Vater, wenn der Teufel nicht die
Wahrheit sagt — denn er ist nicht wahrhaftiger als die Astro-
logie — muss dann der Wahrsager nicht aus demselben Grunde
restituieren?" — „Nein, nicht immer," sagte er. „Distinguo,
sagt Sanchez; denn wenn der Wahrsager sich nicht auf die
Teufelskunst versteht, muss er restituieren; wenn er aber ein ge-
schickter Zauberer ist und thut, was er kann, um die Wahrheit
zu erfahren, so braucht er das nicht, weil ja die Kunst eines
solchen Mannes des Geldes wert ist." — „Das ist vernünftig,"
sagte ich; „denn auf diese Weise bringt man die Zauberer dazu,
dass sie sich bestreben, geschickt und erfahren in ihrer Kunst
zu werden, weil ihr Verdienst nach Ihren Maximen dann ein
rechtmässiger ist, wenn sie das Publikum gut bedienen." —
„Ich glaube, Sie spotten," sagte der Pater. „Das ist nicht
schön; denn wenn Sie so an Orten sprächen, wo Sie nicht be*
kannt sind, so könnten sich Leute finden, welche Ihre Worte
falsch auffassten und Ihnen vorwürfen, dass Sie mit der Religion
Spott trieben." — „Ich könnte mich leicht gegen einen solchen
Vorwurf verteidigen, ehrwürdiger Vater; wenn man sich die Mühe
macht, den wahren Sinn meiner Worte zu prüfen, so wird man,
glaube ich, keinen finden, der nicht das Gegenteil sagt; und
vielleicht kommt noch der Tag, da ich in unseren Unterhaltungen
Gelegenheit finde, das deutlich zu zeigen." — „Hoho!" sagte
der Pater; „Sie lachen nicht mehr." — „Ich gestehe," sagte
ich, „dass der Verdacht^ dass ich über heilige Sachen spotten
wollte, mir unangenehm sein würde, da er ganz ungerecht ist."
Bliäse Pascal, sein Kampf ßegen die Jesuiten etc. 293
— ^Ich sagte das nicht im Ernet^^ antwortete der Pater, ^sprechen
wir nun aber ernster.'^ — ^Ich bin dazu ganz geneigt, wenn
Sie das wünschen, ehrwürdiger Vater; das kommt nur auf Sie an.'^
Es ist bekannt, dass die Messe im katholischen Gottes-
dienst den wichtigsten Platz einnimmt. Da sie eine sinnbildliche
Darstellung von Christi Erlösungstod ist, so leuchtet es ein, dass
sie, um wirkliche Bedeutung zu haben, mit inniger Andacht ge-
hört werden muss. Für denjenigen, welcher sich nicht mit
ganzer Seele dem Gedanken an den Kreuzestod des Erlösers
hingibt, ist sie eine leere und nichtige Ceremonie ; und in vielen
Fällen ist sie nichts anderes. Aber anstatt ihre Bedeutung ein-
zuschärfen, haben die Jesuiten sie zu dem leichtfertigsten Spiele
herabgewürdigt. Am Schlüsse des 9. Briefes sagt der Jesuit,
dass er dazu übergehen will „über wichtigere Grundsätze zu
reden, welche die Benutzung der heiligen Institutionen erleich-
tem, wie z. B. die Art und Weise, eine Messe zu hören. Unsere
grossen Theologen Gaspar Hurtado und Ooninck haben hierüber
gelehrt, dass es genügt, der Messe körperlich beizuwohnen,
obgleich man geistig abwesend ist, wenn man nur bloss
äusserlich eine achtungsvolle Haltung beobachtet Und Vas-
quez geht noch weiter; denn er sagt, dass man der Vor-
schrift, eine Messe zu hören, genügt, selbst wenn man mit
der Absicht, sie nicht zu hören, zugegen ist. Alles dieses
steht auch im Escobar, der als Beispiel diejenigen anftihrt, welche
mit Gewalt zur Messe geführt werden und den festen Vorsatz
haben, sie nicht zu hören. '^ — „Das würde ich wirklich niemals
glauben,^ sagte ich, „wenn ein anderer als Sie mir das mit-
teilte." — • „Ja," antwortete er; „dazu bedarf es wohl der Au-
torität dieser grossen Männer. Das gilt auch von Escobar's
Worten, dass eine schlechte Absicht, wie etwa Frauen mit un-
keuschem Wunsche anzusehen, nicht daran hindert, die Messe zu
hören, wenn man zugleich die Absicht hat, der Messe beizu-
wohnen, wie es sich gebührt: Nee obest alia prava intentio, ut
aspiciendi libidinose feminas. Überdies aber findet man bei
unserm gelehrten Turrianus die bequeme Anweisung, dass man
eine Messe hören kann, halb bei einem Priester und halb bei
einem andern; ja sogar, dass man zuerst das Ende einer Messe
und dann den Anfang einer andern hören kann. Ich will Omen
noch mehr sagen, dass man es für zulässig erklärt hat, zu
gleicher Zeit zwei halbe Messen von zwei verschiedenen Priestern
zu hören, falls die eine Messe beginnt, wenn die andere bei der
Elevation ist; weil man zu gleicher Zeit seine Aufmerksamkeit
auf beide richten kann und zwei halbe Messen eine ganze aus-
machen : DusB medietates unam missam constituunt* So haben
294 Tkor Sunäby
unsere Väter entschieden, nämlich Bauny, Hurtado, Azoriüs und
EsGobar in dem Kapitel: Pratique pour oulr la messe selon
notre Sooi6t6. Sie werden in diesem Buche, Ausgabe von Lyon,
1644, auch die Schlüsse finden, welche er hieraus zieht. Daraus
schliesse ich, dass du die Messe in sehr kurzer Zeit hören
kannst, wenn Du z. B. es triflTst, dass vier Messen zu gleicher
Zeit gelesen werden, welche derartig zu einander passen, dass
beim Beginne der ersten die zweite beim Evangelium, die dritte
bei der Konsekration und die vierte bei der Kommunion steht."
— j^Auf diese Weise, ehrwürdiger Vater, kann man die Messe in
Notre-Dame in einem Augenblicke hören." — „Sie sehen also,"
sagte er, „dass man nicht besser verfahren konnte, um das
Hören der Messe zu erleichtern."^)
Man kann wirklich nicht leugnen, dass der Jesuit Le Moine
in einer Beziehung Recht hat, wenn er in seiner „bequemen
Frömmigkeit" sagt, dass die Jesuiten, „indem sie das Schreckbild
Stürzten, welches den Teufel an den Eingang zu dem frommen
Leben aufgestellt hatte, dieses leichter gemacht haben, als das
Laster und weniger anstrengend als die Wollust".
Man hat die zehn ersten Briefe mit Plato's Dialogen ver-
glichen. Villemain ^) hält dieselben für Pascal's Vorbild und
hebt besonders die Ähnlichkeit zwischen Enthydemos, der die
Tugend nach einer kürzeren Methode zu lehren sucht, und dem
Jesuiten hervor, welcher die Grundsätze der bequemen Frömmig-
keit entwickelt. Dass Pascal die Dialoge vor Augen gehabt
hat, ist höchst wahrscheinlich, wenn man sieht, wie er über Plato
in einer seiner Pens^es (VL 42) spricht. Obgleich er darin zu-
gleich von Plato und Aristoteles redet und ausdrücklich nur die
Schriften über den Staat erwähnt, scheint er doch von Plato's
andern Werken einen Eindruck gehabt zu haben. „Man stellt
sich Plato und Aristoteles nur in langen Schulmeisterkleidem als
ernste Personen vor. Sie waren aber angenehme Gesellschafter,
welche wie andere Menschen mit ihren Freunden scherzten".
Die letzten Briefe *) hat man dagegen mit Demosthenes philippischen
Reden verglichen, wegen der leidenschaftlichen Kraft und der
Innigkeit der Überzeugung, womit* er für seinen Glauben und
gegen die Ränke der Jesuiten kämpft.
PascaFs Gegner bestrebten sich unaufhörlich, die Briefe als
eine gelehrte Untersuchung auszugeben, welche nicht die allge-
*) Verdammt 1679.
. ^) Villemain: Discours et Mölanges. 1846. p. 187. Cf. Sainte-
Beuve: Port-Royal III, p. 46.
**) Vinet: Etudes sur Pascal. II. 6d., p. 283.
Blaise Pascal^ sein Kampf gegen die Jesuiten etc. 295
meine Aufmerksamkeit^ welcke sie erregten, beanspruchen könnte.
Hiergegen musste Pascal unaufhörlich kämpfen; aber sein Kampf
war Sieg. Im 12. Briefe sagte er: „Der Kampf wird auf Eurem
Gebiete und auf Eure Kosten geführt; und obwohl Ihr gedacht
habt, dass durch Einhüllung der Fragen in philosophische Aus-
drücke die Anworten darauf recht lang, dunkel und holperig
würden, wird das vielleicht doch nicht der Fall sein. Denn ich
werde mich bemühen. Euch so wenig zu langweilen, als in dieser
Art Schriften möglich ist. Eure Grundsätze haben etwas so
Unterhaltendes an sich, was der Welt immer Freude macht."
Pascal verstand es nun auch, das allgemeine Interesse sich
zu erhalten, bis es ihm mit dem achtzehnten Briefe gelang, die
Fehde zum Stillstand zu bringen. „Die Macht ist Beherrscherin
der Welt, nicht die öflTentliche Meinung; aber die öffentliche
Meinung macht Gebrauch von der Macht". (Pens^es Anhang 8.)
Die Macht war ihm feindlich; aber er gewann die öffentliche
Meinung für sich, so dass die „Beherrscherin der Welt" es ge-
raten fand, ihr Zepter inne zu halten, das schon zu dem ver-
nichtenden Schlage erhoben war: der Herrscherstab schwebte
fortwährend drohend über dem Haupte der Jansenisten, der Schlag
aber erfolgte nicht.
Die Lettres Provinciales wurden nicht bloss einzeln in
mancher Auflage gedruckt ^) ; sondern als sie gesammelt und unter
dem Namen Louis de Montalte ^) herausgegeben wurden, erschien
die eine Ausgabe nach der andern. 1658 popularisierte Nicole
sie für die gelehrte Welt von ganz Europa, indem er sie unter
dem angenommenen Namen Wilhelm Wendrock ins Lateinische
übersetzte^). Nach der 6. Ausgabe dieser lateinischen Über-
setzung übertrug Mlle de Joncoux im Jahre 1712 Nicole's An-
merkungen ins Französische und gab sie zugleich mit dem fran-
zösischen Text heraus.^) NicpWs lateinische Übersetzung wurde
ebenso wie das Original vom Papste verdammt. Das Original
^) Auf der Königl. Bibliothek zu Kopenhagen befindet sich eine
Sammlung der Originalbriefe in 4**. Nach den Originalbriefen gab
Lesueur heraus: Le. Texte primitif des Lettres Provinciales. Paris.
1867. in-40.
*) Reuchlin (Geschichte von Port-Royal I, p. 633) bringt diesen
Namen mit der gebirgigen Gegend in Verbindung, wo Pascal geboren
wurde (Auvergnej; Sainte-Beuve (Port-Royal II, p. 545, Anm. 1) mit
Montaigne.
') Sainte-Beuve: Port-Royal III, p. 145. Ludovici Montaltii LittersB
Provinciales a Wilhelme Wendrock translatsB. ColonisB 1658 und 1665
in-8^ Heimst. 1664 in 4° und andere Ausgaben.
*) Sainte-Beuve: Port-Royal III, p. 146.
296 Thor Sunäbi/j Blaisc Pascal, sein Kamyf etc.
wurde überdies, als es abgeschlossen war, von dem Parlament
zu Aix zur Verbrennung verurteilt. Als aber dieser Urteilsspruch
am 9. Februar 1657 ausgeführt werden sollte, wollte, so be-
hauptet man, niemand, nicht einmal einer der Richter, sein Exemplar
dazu hergeben, so dass man den Büttel anstatt der 16 ersten
Briefe einen Almanach verbrennen Hess. Nicole's Übersetzung
wurde gemäss einem Beschlüsse des Staatsrats vom Henker zu
Paris am 14. Oktober 1660 verbrannt, was jedoch nicht hinderte,
dass dieselbe immer wieder gedruckt wurde. An einer Stelle
der Pens6es (XXIV. 122) sagt Pascal: „Wenn meine Briefe auch
in Rom verurteilt werden, so ist doch das, was ich in ihnen
verurteilt habe, im Himmel verurteilt: vor deinen Richterstuhl,
Herr Jesus, bringe ich meine Sache l'^ Es mag noch dessen Er-
wähnung geschehen, dass die Verurteilung des Papstes nicht den
Angriff auf die Jesuiten traf, sondern nur die Verteidigung des
Jansenismus.
Pascal erlebte die Verdammung der kasuistischen Moral,
welche im Jahre 1700 im Namen der gallikanischen Kirche von
Bossuet ausgesprochen wurde ^), nicht mehr. Letzterer soll sogar
trotz seiner Vorliebe für das Bestehende geäussert haben, dass
er selbst wünschen könnte, die Lettres Provinciales geschrieben
zu haben. Diese wurden übrigens schon zu PascaFs Lebzeiten
in die meisten europäischen Sprachen übersetzt. 1684 kam eine
mehrsprachige Ausgabe zu Köln heraus, welche neben dem fran-
zösischen Text die lateinische, spanische und italienische Über-
setzung gab.
Ist es wahr, was Libri^) 1842 erzählte, dass es in Paris
Buchhändler gibt, welche mit den Jesuiten in Verbindung stehefi
und alle Exemplare, deren sie habhaft werden können, vernichten,
so muss deren Wirksamkeit doch ziemlich nutzlos sein, da kaum
ein Jahr vergeht, in dem nicht neue Auflagen erscheinen^).
Thor Sundby.
(Schluss folgt.)
^) Sainte - Beuve : Port-Royal III, p. 148. Voltaire: Siecle de
Louis XIV. Paris, 1808. Kap. 32, p. 106.
2) Revue des deux Mondes, 15. August 1842, p. 543 Anm.
^) Es wäre interessant zu untersuchen, ob die Vorschriften,
welche Christian V. in dem dänischen Gesetze 6-1-2 und 6-1-3 erliess,
nicht durch die Lettres Provinciales hervorgerufen seien.
Der Naturalismus in der Romandichtung Frank-
reichs und Deutschlands.
In der Litteratur aUer Kulturvölker hat der Roman jetzt die
Stelle des Epos eingenommen. Das eigentliche Heldengedicht scheint
überall verstummt; nur kleinere erzählende Dichtungen erinnern
noch hier und da an sein ehemaliges Vorhandensein; wo der An-
lauf zu einem wirklichen Epos genommen wird, fällt er fruchtlos
aus. Es mag das zu bedauern sein, aber Klagen helfen nichts;
die Thatsache bleibt bestehen.
Die Mannigfaltigkeit der Bomane ist gross. Sterne konnte,
im D^sobligeant sitzend, mit Leichtigkeit die verschiedenen Arten
der Reisenden aufzeichnen; auch den Belesensten wird es schwer,
im Nachdenken des Studierzimmers alle Gattungen des Romans
zusammenzubringen. Es genügt nicht mehr, wie man es im vorigen
Jahrhundert that, den idealen Roman, wie Richardson^s Sir Charles
Grandison und den realen, wie SmoUet^s Roderick Random, zu
unterscheiden. Auch die französische Einteilung roman d'aven-
tures, wie Les trois mousquetaires , roman d'incidents, wie etwa
Gil Blas oder Les Mohicans de Paris, roman d'intrigue, wie der
Graf Monte Cristo, roman de moeurs, wie Manon Lescaut oder Les
Liaisons dangereuses oder Faublas oder La Dame aux cam^lias,
reicht nicht mehr aus. Wir haben den sentimentalen Roman be-
kommen, als dessen Vertreter ich nur La nou volle Höloise,
Werther*s Leiden und Atala anzuführen brauche; man hat längst
den komischen Roman gehabt, wie Scarron's Le Roman comique
zeigt, hat ihn später gehabt, das zeigt Paul de Rock, hat ihn noch,
bei uns arbeitet von Winterfeld in diesem Fach; man hat davon
den humoristischen auszusondern, als dessen Beispiele Tristram
Shandy, die Flegeljahre und der ganze Boz gelten können. Göihe's
Wahlverwandtschaften und manche unter den Büchern der George
298 H. J. äeUer
Sand könnte man psychologische Romane nennen; andere, z. B.
Yischer's Aach einer, möchten nnter den Begriff pathologisch fallen.
Den historischen Boman pflegen, nach Scott's nngeheneren Erfolgen,
zahlreiche Schriftsteller, allerdings weniger in Frankreich und jetzt
hauptsächlich in Deutschland; er ist teilweise kultuigeschichtlicfa,
archäologisch, ja mjtholc^sch, z. B. Odin*s Trost, and nach den
Personen, welche er behandelt, litterarisch, musikalisch, artistisdi
geworden; nach dem Lokal, in dem er spielt, ist die Abart des
Marineromans, und wo er sich mit fremden Erdtheilen beschäftigt,
wie Gerstäcker*s Erzählungen oder Belot's La Fievre de Tinconna
der geographische oder Beiseroman entstanden, welcher didaktisch
bei Defoe, satirisch bei Swift, hjperphantastisch bei Jules Veme
auftritt. Bitter- und Bäubergeschichten werden noch jetzt, auch
nach Yulpius, Spiess und Gramer, geschrieben ; ein popu^res ünter-
haltuDgsblatt hat vor kurzem Schiller's Bäuber in eine Erzählung
umgewandelt, welche sich vor der gewöhnlichen Eolportagelitteratur
in nicht« auszeichnete. Die Wildenromane Cooper's haben ihrer
Zeit grossen Beifall, und nicht bloss bei der Jugend gefunden; die
Gattung ist noch nicht ausgestorben, wie Loti^s Boman d'un spahi
und Bochefort's L'Evad^, roman canaque beweisen. Die Wilden der
grossen Städte schildert der Kriminalroman Gaboriau's, Mont^pin*s,
Belot^s, nur eine Gattung des Sensationsromans, zu dem auch noch
die Spuk-, Geister- und Schauergeschichten gehören, wie sie Amadeus
Hoffmann, Bulwer (Zanoni), Th^ophile Gaatier (Avatar, Spirite),
Balzac (L'Elixir de yie, L^Auberge rouge), Edgar Poe verfasst haben;
einzelne unter diesen, wie Balzac*s Söraphita muss man sweden-
borgianisch nennen, wie desselben Peau de chagrin allegorisch,
Louis Lambert mystisch, «Ursule Mirouet spiritistisch, Teile der
M^moires d'un m^decin von Alexandre Dumas somnambulistisch.
Viele huldigen der Tendenz: da hat man soziale, politische, i^da-
gogische, religiöse, moralische (freilich in noch grösserer Zahl un-
moralische) Erzählungen; einige gehen geradezu auf Yerbesserang
der Gesetzgebung aas, wie Wilkie Coilins^ Man and Wife, Malot's
Le Docteur Claude, Lemer's Un Crime lägal. Es gibt Dorfgeschichten,
und nicht bloss in Deutschland; La petite Fadette ist ftlr Frank-
reich das bekannteste Beispiel ; an sie schliesst sich seit Beuter bei
uns der plattdeutsche Boman an. Als besondere Gattung kann
man noch den Feuilletonroman der Familienblätter hervorheben, der
in seinen besseren Exemplaren etwa dem Familiendrama an die
Seite zu stellen sein dürfte, und der in Frankreich öfter in der
Bevue des denx mondes vertreten ist. Als Erzählung kleineren
Umfangs in allen diesen aufgeführten Spielarten ist noch die
Novelle zu erwähnen. Wenig beliebt sind jetzt im allgemeinen die
Bomane oder Novellen in Briefform; die Ichform dagegen nicht
Der Naturalismus in der Ronmndichiung Frankreiclus etc, 299
ungewöhnlidb. Ich würde mich gar nicht wandern, wenn man die
eben gegebene Aufzählung noch ansehnlich vermehren könnte, be-
sonders wenn man Kloster-, Irrenhausgeschichten etc. für ein
besonderes Genre ansehen wollte.
Alle diese Gattungen haben bisher friedlich neben einander
bestanden und in den verschiedenen Volksschichten ihre Leser und
Leseiinnen gefunden; einzelne sind allerdings bei den Gebildeten in
Verruf gekommen und zur Hintertreppenlitteratur herabgesunken,
wie die Bäuber-, Geister-, Spuk- und Schauergeschichten, andere
werden wenigstens nicht mehr kultiviert, wie der sentimentale
Roman. Erst in neuester Zeit hat eine Art der Bomanschreibung
sich als die alleingiltige hinzustellen versucht und alle anderen
Formen derselben für ungehörig erklärt. Dies hat Emile Zola
unternommen, und nicht bloss durch den Vorgang in seinen dichte-
rischen Werken, sondern auch durch seine theoretischen und kritischen
Schriften, von denen Le Boman exp^rimental, La Bepublique et la
litt^rature und Les Bom anders contemporains speziell diese Frage
behandeln, aber auch die übrigen hier und da Andeutungen geben.
Seine Wirksamkeit wie seine Ansprüche beschränken sich, wie man
sehen wird, nicht bloss auf Frankreich: seine Lehren haben auch
bei uns schon vielfach Eingang gefunden; nicht nur sind seine
Bomane teilweise durch Übersetzungen in Deutschland bekannt ge-
worden und werden von manchen in ihrer Gesamtheit höchlich
angepriesen; er hat auch schon in unserm Vaterlande Nacheiferer
erweckt. Es ist nicht mehr für das Studium des französischen
Schriftentums nicht allein nötig, es ist bereits eine Frage und eine
Aufgabe der Weltlitteratur geworden, zu ihm und seiner Schule
Stellung zu nehmen, seine Theorien einer gründlichen Prüfung zu
unterwerfen und des besseren Verständnisses wegen auch die allmähliche
Entstehung derselben zu betrachten. Denn wenngleich sich die natu-
ralistische Litteratur jetzt vorzugsweise an Zola's Namen knüpft und
mit wie grossem Becht er auch als Haupt der Schule anerkannt
wird, ist er dennoch nicht der erste Begründer derselben, hat ihr
nur die jetzige Bedeutung gegeben, nur ihr Wesen in völliger Klar-
heit hingestellt und die Ausschliesslichkeit für sie gefordert.
Diese litterarische Bichtung, die sich längst im Stillen vor-
bereitet hatte, gewann erst kurze Zeit nach dem Kriege von
1870 — 1871 einen so grossen Aufschwung, eine so bedeutende
Geltung, dass sie es wagen durfte, in Kritik und in Theorie gegen
die bisher in Ansehen stehende Dichtung und gegen die am höchsten
verehrten Poeten angreifend vorzugehen mit dem offen eingestandenen
Anspruch, sie gänzlich zu verdrängen und sich als die allein be-
rechtigte an ihre Stelle zu setzen.
Die klassische Tragödie der Franzosen, welche durchaus im
300 B. J. Heiler
Alterkun wnnelte and haDptäU:lilish antike Stoffe bdnndelte»
nach einem langen von Victor Hugo nnd dem Iltenn Alfliander
Domas seit 1830 begonnenen Kamf^e ans ihrer bisher nnnmsduinkt
herrschenden Stellang verdrängt worden; der sidi or^rOnglidi
ganz and immer wenigstens vorzugsweise an das Mittelalter nnd an
die Benaissance anschliessende Bomantismos nahm zuletzt siegreidi
von den Theatern, von denen man ihn aoszusddiesa^i veraodlit
hatte, Besitz, trotz der durch Mademoiselle Bachel ftbr önige Zeh
mit dem grOssten fSrfolg bewirkten Wiederbelebung der Muse
Comeille's und Badne's, und trotz der von Pongard mit gerii^ereai
Glück versachten Zuraekftihmng der in die Einheit von Zeit und
Ort gebannten alten Formen des Trauerspiels.
Im Gegensatz zu der romantischen sowohl wie der Uassisdien
Poesie verlangt Zola nnd verlangen seine Eanstgenosseo, filr das
Theater wie fELr die Erzählung, die ausschliessliche Bdiandlung
soldier Stoffe, welche der anmittelbaren Gegenwart entldmt sind;
das „Actuelle^ soll auf der Bühne, soll im Boman dem ZohSrer
und dem Leser entgegentreten. Statt des sporenklirrenden Bittrar-
tums, welches för uns ebenso mumifiziert sei, wie die griechisdie
and die römische Welt, soll der Mensch der Jetztzeit mit seinen
uns selbst nahe stehimden, uns selbst tief anr^nden Bestrebungen,
Leiden und Freuden, Tagenden und Lastern, Eigenschaften und
Eigentümlichkeiten im Spiegelbilde der Litteratur gezeigt werden.
„Wi^ ist mir Hecuba?^ könnte, Handet's Worte gebraachoid, Zola
gesagt haben ,,and was Buy Blas mit seinem erborgtm Bitterfeder-
buech? Wie kaon ich mich ftbr die Königin Christine und ihren
Monaldeschiy wie für die Orgien Maigarethen's von Borgond in
ihrem Tarm von Nesle und für Buridan, wie für Saint-M^grin und
die Mignons Heinridi*s des Dritten erwärmen? Dagegen öffiiet sidi
mein Herz für die Sorgen, Bemühungen und Leiden des Arbeiters,
Handwerkers und Kaufmanns, weil ich in der Lage bin, sie sa
teilen, es wird ein jeder, wie ich, ergriffen von den Lastern, Ver-
brechen und Gefahren, denen die Leute, mit denen ich tfiglich ver-
kehre, ausgesetzt sein können. An den mir vorgeführten Personen
mass ich Literesse fassen, wenn das Kunstwerk mich ergreifen soll,
and nur an der Schilderung von Schicksalen, die mich selbst oder
meine Umgebung betreffen, die ich in meiner eigenen Familie oder
doch in meiner N&he wahrnehmen könnte, nehme ich aach anmittel*
baren AnteiL^
In zweiter Linie verlangt der Naturalismus, dass aus dem
Boman wie ans dem Sdiauspiel alle abentenerlichen Vorgänge, alle
abstrusen Erfindungen fem gehalten werden, wie die z. B., mit
denen die allzu üppige Phantasie eines Alexandre Domas p^re,
Eugtoe Sue und vieler anderer ihre Werke vollgepfropft und über*
Der NaiuraUsmtts in der Romandichtung Frankreichs etc. 301
laden hatte. Was kann gerechtfertigter sein als diese Forderung?
Soll der Eoman, soll das Theaterstück ein Bild des menschlichen
Lebens sein, darf er dem Leser, darf er dem Zuhörer nicht vor-
führen, was nie vorgekommen ist, was nun und nimmermehr vor-
kommen kann? Statt dessen bringt der neue Roman und soll das
neue Drama eine zwanglos entwickelte, sich von selbst ergebende
Reihenfolge von häuslichen Auftritten bringen, wie sie das gewöhn-
liche Leben bietet. Von dieser Bückkehr zur Natur hat denn auch
die ganze Schule ihren Namen angenommen und trägt ihn trotz
aller Anfeindung und Yerketzerung, welche ihre Gegner ihm ange-
langt haben, mit Stolz. Um aber den Leser oder Hörer für den
Fortfall spannender Ereignisse und Situationen zu entschädigen und
trotz allen Mangels daran dennoch zu fesseln, ist die pittoreske
Beschreibung dafür eingesetzt, die bis in die kleinsten Einzelheiten
sich erstreckende Ausmalung der Szenerie, der häuslichen Umgebung
und Beschäftigung, des ganzen ^ Mittels'^, in dem die in der Er-
zählung oder im Drama auftretenden Personen leben, weben und
wirken, aus dem sie ihre Empfindungen schöpfen, welches sie je
nach ihrer Gemütslage verschieden auffassen, eine Ausmalung, welche
zugleich die Schilderung ihres Charakters und ihrer Seelenzustände,
weil sie mit ihnen in Harmonie steht, effektvoll zu unterstützen
und durchweg die rechte Stimmung hervorzubringen geeignet ist.
„Une (Buvre d'art est un coin de lanature vu ä travers un tempöra-
ment'^, sagt in diesem Sinne Zola.
Das Hauptgewicht endlidi wird auf die Analyse der mensch-
lichen Natur gelegt; ^le document bumain'^, wie der übrigens von
Taine entlehnte Ausdruck dafür b^ Zola selbst und seiner Partei
heisst, soll völlig so, wie es die Chemie mit den Naturkörpem thut,
rücksichtslos untersucht, gleichsam in seine Bestandteile aufgelöst
und in seiner ganzen Eigenheit, seinem ganzen Wesen und in völliger
Blosse hingestellt werden. Der bisherigen Kunst wird vorgeworfen,
dass sie, angeblich aus Anstandsrücksichten, in Wirklichkeit nur
nach konventioneller Alanier, mit den Charakteren, ihren Gesinnungen
Äusserungen und Handlungen eine Beschönigung vornehme, welche
geradezu als Heuchelei oder Lüge bezeichnet werden müsse. Es
handle sich, wie Zola öfter in seinen theoretischen und kritischen
Schriften erklärt, nicht, wie ehemals bei dem Eomantismus» nur um
eine neue Form, sondern um eine ganz neue Methode, welche er
selbst die wissenschaftliche nennt, wie er sich denn auch zu wieder-
holten Malen als Gelehrten einführt. Aus der Familienbeanlagung,
der Erziehung, der Umgebung, den gewonnenen Eindrücken, dem
Beispiel und dem Vorgang anderer, so will es diese von ihm auf-
gebrachte Methode, wird der Charakter einer Bomanfigur nach
Naturnotwendigkeit und mit logischer Konaequenz konstruiert und
302 - B. J. Heiler
in seiner Entwicklung verfolgt. Das hier skizzierte System der
^wissenschaftUchen Analyse^ führt Zola in seinem grossen Eoman-
cyklus, ^Die Familie Rongon-Macqnart'^, bis zn solchen Details
durch, dass er für die verschiedenen Mitglieder derselben einen
Stammbaum entwirft, der nicht bloss ihre Abstammung, sondern
auch ihre in Folge dieses Herkommens durch Vererbung bedingten
Anlagen und Eigenheiten dem Leser vor die Augen bringen soll.
Mit diesem Streben nach Exaktheit in den Thatsachen hält
auch der Stil, in dem Zola schreibt, gleichen Schritt: nicht nur in
der eignen Praxis, sondern auch durch seine geradezu ausgesprochenen
Prinzipien erklärt er der Phrase, der Antithese, dem Pathos, der
Schönrednerei — er nennt dabei Victor Hugo nicht, aber er be-
zeichnet ihn stets deutlich — den Krieg. Für die Personen — die
nackte Darlegung des Innern, für die Sache — den knappen und
treffenden Ausdruck (le mot propre), sollte er selbst im gesell-
schaftlichen Umgang als trivial oder gar gemein vermieden werden,
— das ist die Losung des in dieser Hinsicht gewiss kühnen und
mit völliger Ungenirtheit vorgehenden Schriftstellers. Wo er Ax-
beiter oder sonst Leute der untersten Volksklassen zu schildern hat,
begnügt er sich nicht damit, in ihren Gesprächen ihre Inkorrekt-
heiten oder ihre volkstümlichen Wendungen wiederzugeben, — das
haben auch andere vor ihm und in allen Ländern längst gethan — ;
er selbst geht in seinen eigenen Beschreibungen dann auf diese
Ausdrucksweise ein und erzeugt so, nicht nur durch das, was er
beschreibt, sondern auch durch die Sprache, in der er es thut, eine
Übereinstimmung zwischen den geschilderten Personen und der
Sphäre, in der sie leben, welche an die realistische Manier der nie-
derländischen Maler erinnert, und die auch dem Leser, der sonst
von seinen Werken wenig erbaut ist, mit dem Eindruck der Richtig-
keit der Schilderung überraschen und frappieren muss.
Nach der Ansicht des Schriftstellers sollen die Leser in seinen
Romanen nicht einen müssigen Zeitvertreib finden ; er will sie sichere
Einsicht in die menschliche Denk- und Handlungsweise gewinnen
lassen. Dieser Zweck ist ohne Zweifel sehr edel, doch für die Er-
reichung desselben zeigt sich notwendiger Weise in dem Verfahren
auch des naturalistischsten Romanschreibers eine unausfüUbare Lücke.
Zola selbst vergleicht die Thätigkeit des letzteren mit der Arbeit
des Physiologen; aber dieser stellt seine Untersuchungen an dem
lebenden oder auch toten Körper sei es eines Tiers oder eines
menschlichen Individuums an ; das kann der Romancier nicht. Denn
wenn er, wie Goncourt in Ch^rie, die von allen Seiten hier einge-
holten Notizen über physiologische und psychologische Eigenheitea
und Entwickelnngen des Mädchenlebens, mag er sie immerhin an
eine gewisse Persönlichkeit anknüpfen, der Reihenfolge nach zu-
Der Naturalismus in der Romandichiimg Frankreichs etc. 303
sammenstellt , so gibt er damit nicht die Analyse ihres Wesens,
sondern eine Synthese seiner eigenen Beobachtnngeo und Erfahrungen,
so schreibt er damit noch keine Erzählung, sondern nur ein Essay,
nicht mehr einen Roman, sondern Materialien zu demselben; und
der eben genannte Schriftsteller, selbst einer der Stifter der neuen
Schule, gesteht denn auch ein, dass die naturalistische Methode
schliesslich darauf hinausführen muss, anstatt der kunstmässig ge-
gliederten Erzählung Sammlungen von zwanglos aneinander ge-
reihten aper9us hervorbringen, wie sie schon Balzac in Physiologie
du mariage und andern seiner ^philosophischen^ oder „analytischen^^
Abhandlungen geliefert hat. Wer aber, wie Zola, wirkliche Romane
schreibt, bei dem sind die Personen, mit denen er sich in seinen
Erzählungen zu schaffen macht, erdichtete; ihre Situation und ihre
Eigentümlichkeiten von ihm angenommen und erfunden ; der Schluss,
den er selbst auf ihr Verhalten macht, ein willkürlicher; es fehlt
demnach für die von dem Autor gemachten Folgerungen jede Be-
weiskraft: er kann immer statt der Wirklichkeit im besten Falle
nur seine eigenen Meinungen und Überzeugungen, nicht das Wesen,
nur den Schein, nicht das Objekt selbst, nur seine eigene An-
schauung desselben geben. Gerade was die — übrigens keineswegs
neue — Ansicht von der Vererbung der Anlagen nnd Neigungen
anbetrifft, springt es sofort in die Augen, dass er das, was erst
bewiesen werden soll, bereits als feststehend voraussetzt; man kann
ihm glauben, dass irgend eine von ihm eingeführte Person gewisse
Eigenschaften oder Fehler durch Greburt mitbekommen habe, eine
Notwendigkeit, ein allgemeines Gesetz ergibt sich aus dem Fall
nicht, und hier um so weniger, weil er eben blosse Annahme ist
Danach muss sein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit bei der Be-
handlung des Romans abgewiesen werden — selbst da, wo, wie in
seinem neuesten Buch La Joie de vivre, eine schwere Entbindung
nach irgend einer Hebammenunterweisnng ausführlich und mit allen
technischen Details geschildert wird — ; es bleibt als Grundlage
für denselben, wie bisher, nur die Beobachtung der Individuen.
Aber auch diese wird sich immer nur auf einzelne, nie mit absoluter
Gewissheit auf eine Gesamtheit erstrecken können; ein Urteil über
die letztere hat stets nur den Wert einer subjektiven Meinungs-
äusserung. Und so kommt es denn, was eigentlich nach Zola 's
Vorgeben ausgeschlossen sein müsste, dass gegen viele seiner Dar-
stellungen, z. B. gegen seine Schilderung der Lebensweise des Pariser
Arbeiterstandes, überhaupt im Assommoir, Einwendungen und Pro-
teste auch von der berufensten Seite erhoben worden sind. Doch
dem sei wie ihm wolle, jedenfalls wird von der Richtigkeit sich
derjenige Schriftsteller am wenigsten entfernen, der seine Einbildungs-
kraft und seine Erfindungsgabe in den Dienst der Beobachtong und
304 H, J. Heller
der Wahrnehmung stellt; unbedingte Bealität kann er seinen er-
dichteten Personen und den von ihm ihnen gegebenen und auf-
erlegten Verhältnissen nicht zuschreiben; er wird, wie ihm von
Albert Wolf schon 1879 im Figaro nachgewiesen worden ist, dann
hinter dem Berichterstatter, der in den Zeitungen die täglichen
Vorkommnisse mitteilt, zurückstehen; und einzig und allein diese
Genauigkeit der Mitteilungen für die Belehrung der Lesewelt ins
Auge fassend, dringt denn in der Gitoyenne von 1882 nr. 64 Frau
von Tissoniöre, selbst nicht ganz schuldlos an der Abfassung von
Büchern dieser Ai-t, darauf, dass überhaupt gar keine Bomane ge-
schrieben werden sollten, weil sie nur geeignet wären, die Köpfe
zu verwirren, — eine Ansicht, mit welcher die sozialistische Schrift-
stellerin von der äussersten Linken sich mit vielen frommen Gre-
mütem der äussersten Rechten in Übereinstimmung befindet.
Wer einer neuen von ihm eingeschlagenen Richtung in der
Litteratur Bahn brechen und sich den Zulauf sichern will, muss die
Hindemisse, welche sich ihr entgegenstellen, beseitigen, muss die
andern W^, welche bisher betreten wurden, entweder ^üizlich
versperren, oder doch wenigstens in Verruf bringen. Bei diesem
Bestreben, dem Kampfe gegen das Hergebrachte und sich der all-
gemeinen Gunst Erfreuende, hat Zola sich besonders gegen Victor
Hugo wenden müssen. Nicht genug, dass er den Romantismus des
Dichters für veraltet erklärt, dass er ihm Phrasensucht, übertriebene
Rhetorik und hohle Deklamation zuschreibt — Eigenschaften, von
denen der grosse Mann allerdings nicht frei ist — ; er verwirft
namentlich seine Verherrlichung des Idealen, das ihm selbst eine
reine Einbildung zu sein scheint; und der grösste Vorwurf, den er
gegen ihn erheben zu können glaubt, ist, dass am Ende aller seiner
Verse ^Gott'^ wiederkehre (La Räpublique et la littörature, p. 29):
für ihn selbst gibt es nur eine ^schöpferische Kraft ^. Von diesen
schädlichen und den Fortschritt im Leben wie in der Ästhetik
henunenden Vorurteilen wollen die Naturalisten die Welt befreien,
und sicherlich muss man den Mut anerkennen, mit dem sie sich so
offen aussprechen. Alles zusammenfassend, könnte man Schiller's
Verse nahezu umkehrend, sie ihre Ansicht dem Idealismus gegen-
über, mit den Worten charakterisieren lassen:
Eurer Phantasie Gebilde geben
Bunten Schein uns ohne Wesenheit:
Nur was tätlich sich bepbt im Leben,
Einzig wahr ist nur die Wirklichkeit.
Mag man immerhin, wenn man von der naturalistischen
Schule spricht, sofort an Zola denken, gegründet hat er sie nach
seinem eigenen Eingeständnis nicht, nicht einmal die Benennung
dafür erfunden; sie rührt von Balzac (Petites mis^res conjugales)
Der Naturalismus in der Romandichtung Frankreichs etc. 305
her, wenngleich sie erst in neuerer Zeit in diesem Sinne gebräuch-
lich geworden ist. Diesen Schriftsteller verehren alle Zolal'ten als
ihren Meister und Propheten. Sein Pore Goriot, seine Eug^nie
Grandet, seine Illusions perdues, seine Parents pauvres, seine
Grandeur et däcadence de C^sar Birotteau u. a. gelten als die grössten
Muster der Gattung; über diejenigen seiner Schriften, die nicht in
ihren Kram passen, in denen er seine Vorliebe für Kartenlegerei
und Somnambulismus eingesteht, oder die in anderer Weise das
Übernatürliche behandeln, und von denen ich deshalb oben absicht-
lich einige charakterisiert habe, gehen sie mit Stillschweigen hinweg.
Nächst ihm wird Flaubert wegen seiner Madame Bovary und seiner
l^ducation sentimentale, die GebrtLder de Goncourt, besonders wegen
ihrer Germinie Lacerteux, — die, wie Edmond de Goncourt in der
Vorrede zu Chörie seinen verstorbenen Bruder Jules rühmend sagen
lässt, zu den naturalistischen Schöpfungen der Neuzeit den Anstoss
gegeben hat, — auch Stendhal und Feydeau als verwandte Geister
und Gesinnungsgenossen gerühmt. Dem anständigen und fein-
fühlenden Publikum, namentlich Damen, welche von Zola's Schriften
Kenntnis nehmen wollen, können . — ausser den unbedeutenden
teilweise märchenhaften Contes ä Ninon und der eben so unbedeu-
tenden Erzählung L' Attaque du moulin (in den sonst grösstenteils
widerwärtigen von verschiedenen Verfassern herrührenden Soiröes de
Mödan), welche keine rechte Vorstellung von der Eigentümlichkeit
dieses Schriftstellers geben, — hauptsächlich nur das etwas lang-
stielige Au Bonheur des Dames und etwa noch Une page d'amour,
La Fortune des Rougon, La Conqu^te de Plassans und allenfalls
Le Ventre de Paris empfohlen werden; gerade diejenigen Werke,
welche die meisten Auflagen erlebt und Zola*s Namen eine europäische,
ja Weltberühmtheit erworben haben, L'Assommoir, Nana, Pot-bouille
eignen sich dazu, mehr oder weniger, nicht, auch stellenweise nicht
die Nouveaux contes ä Ninon, der Capitaine Burle, Nals Micoulin
nnd La Joie de vivre. Jene Romane, wie auch die Jugend werke
La Oonfession de Claude und Madeleine Färat, sowie femer aus
dem Zyklus La Curöe, Son Excellence Engine Rougon, und wie
endlich die Romane der Anhänger Zola^s, Maupassant, Huysmans,
Vast-Ricouard etc., oder die Skizzen der 1879 als Organ der Schule
in 12 Nummern erschienenen Revue r^aliste, behandeln fast durch-
weg Szenen der Trunkenheit, der Lüderlichkeit und anderer Laster,
das Leben von Cocotten, Bohämiens und Taugenichtsen. Der Lihalt
ist daher überwiegend unerquicklich; mehrere Romane dieser Gattung,
hintereinander gelesen, können nicht verfehlen, auch dem Besten eine
menschenfeindliche Stimmung einzuflössen.
und dieser Inhalt, oder vielmehr die Ausschliesslichkeit dieses
Inhalts, ist denn auch der Stein des Anstosses, der die noch junge
2schr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VIi. 20
306 tt. J. Heller
Litteratar nicht zu Jahren kommen lassen, sondern über kurz
oder lang einem jähen Ende enl^egenführen wird. Die grossen
Dichter der Neuzeit haben fast alle, und zum Teil in ihre erhabensten
Werke, aus dem gewöhnlichen und niedrigen Leben kopierte Per-
sonen und Auftritte eingemischt, so Shakespeare und Göthe; aber
sie haben aus solchen Personen und Auftritten nicht ganze Werke
zusammengesetzt. Das Gemeine und das Niedrige diente ihnen nur
als Folie, welche das lElrhabene und das Edle, das ihr Hauptaugen-
merk blieb, desto besser hervortreten und glänzen lassen sollte.
Anders bei Zola und seinen Partei^ngern ; in ihren realistischen
Darstellungen wird nur das gewöhnliche Volk und vorzugsweise
seine schlechten Seiten geschildert, und bringen sie in ihren Er-
zählungen einmal das Bürgertum, la bourgeoisie, vor, so kommt
es als philisterhaft und engherzig und nebenbei bodenlos unsittlieh,
nur noch schlimmer fort, als der Arbeiter. Victor Hugo übrigens,
den Zola so stark anficht, hat gerade mehr als irgend ein anderer
Franzose vor ihm und eher als alle übrigen in seinen Werken neben
dem Schönen und Edlen auch das Hässliche und das Gemeine an-
zubringen versucht und eigentlich zur Einführung des gewöhnlichen
Elements bei onsern westlichen Nachbarn den ersten Anstoss ge-
geben; er hat es aber anders als Shakespeare und Göthe dabei an-
gefangen, und die Art, wie er es thut, ist eben eine seiner hervor-
stechendsten Eigentümlichkeiten: er leiht nämlich dem Hässlichen,
Schlechten oder Gemeinen einen oder den andern edlen Zug, eine
rührende Seite, durch welche die sonst widerwärtige Persönlichkeit
ein tiefes Interesse gewinnt: in Quasimodo versöhnt die tiefe Dank-
barkeit für die einzige jemals erfahrene Freundlichkeit mit seiner
Ungeschlachtheit, in Lucröce Borgia und in Triboulet die leiden-
schaftliche Mutter- und Vaterliebe, in Valjean das erwachte und
stets andauernde Gefühl für unverdient genossene Güte mit den
sonst zurückstossenden Persönlichkeiten und Charakteren. Es wäre
verkehrt, diesen Kunstgriff Victor Hugo's zur Nachahmang auf-
stellen zu wollen, er ist eben nur ihm eigen, sozusagen seine
Spezialität und würde bei einem andern leicht zu unerträglicher
Manier ausarten. Diese Beimischung des Burlesken, Niedrigen und
Gemeinen in den Werken des Dichters hat die Vertreter des fran-
zösischen Kunstwerks der Zukunft in nicht geringe Verlegenheit
gesetzt: während Zola selbst, auch gerade wegen dieses Zusatzes
edler Züge in gewöhnlichen Naturen, ihn für einen Vorkämpfer des
Idealismus ansieht, finden seine Anhänger in der Revue röaliste,
dass der Realismus bei ihm in nicht unbeträchtlichem Grade her-
vortritt. Andere Schriftsteller, die ebenfalls zu der realistischen,
wenn auch nicht naturalistischen Gruppe gehören, wie Alphonse
Daudet, der sich selbst rühmt ein Schüler Flaubert's zu sein, sind
Der Naturalismus in der Bomandichinng Frankreichs etc. 307
über den Angriff, den Zola auf Victor Hugo gemacht hat, indigniei*t
gewesen; in einer der Juninummern der Illustration von 1879
macht er, die Leser in seinen M6moires d'un homme de lettres
gerade von dem grossen französischen Dichter unterhaltend, darauf
aufmerksam, dass die Entwicklung der neueren Litteratur und
Schreibweise von Victor Hugo anhebt, und dass es unangenehm ist,
seinen Vater mit den Waffen, die man von seiner eigenen Sieges-
trophäe entlehnt hat, anzugreifen.
Die zweite EigentfLmlichkeit der erzählenden Werke Zola^s,
nämlich die Sprache und die schon oben kurz geschilderte Aus-
drucksweise dieses Schriftstellers, hat in Frankreich selbst wie auch
im Auslande bei den Gebildeten so vielfach Austoss erregt, dass
es ihm ein BedfLrfnis geworden ist, sich deswegen zu rechtfertigen.
In Vorreden zu seinen Romanen sonst karg, hat er bei der Heraus-
gabe des Assommoir Gelegenheit genommen zu erklären, dass dieser
sein Eoman — wie natürlich auch mehrere andere von den oben-
genannten — auch ein philologisches Interesse haben werde, und
dies ist in der That der Fall. Man kennt das argot oder die
Diebessprache, wenigstens in Proben, aus Victor Hugo's Le demier
jour d'un condamne und Les Miserables, sowie aus Eugöne Sue^s
Les Mystöres de Paris, die Sprechweise der Boulevardiers aus Mont-
äpin's und Houssaye's Bomanen, die Ausdrucksart der Cocotten, der
Soldaten, der Invaliden und der Matrosen aus dem Journal amüsant;
die Sprache der arbeitenden Klassen aber ist in dieser Ausdehnung
zuerst von Zola vorgebracht worden. Ob die Arbeiter in ihrer
Unterhaltung wirklich diese Fülle von ungewöhnlichen Ausdrücken
gebrauchen sollten, wie sie ihnen bei Zola in den Mund gelegt
werden, ist mir freilich fraglich; nach den allerdings beschränkten
Gelegenheiten, welche ich gehabt habe, darüber aus eigener Erfahrung
zu urteilen, möchte ich es in Abrede stellen. Diese Fülle ist so
gross, dass die Wörterbücher Mühe haben werden, die neu aus dem
Grande der untern Volksschichten heraui^ewühlten Ausdrücke ein-
zaregistrieren; Littrö's Supplement, obgleich später als der genannte
Roman erschienen, wie das Dictionnaire encyclopedique von Sachs
und Villatte sind noch weit hinter dieser Aufgabe zurückgeblieben.
Nur als Proben und es keineswegs auf Vollständigkeit absehend,
habe ich in der nr. 4 der Gallia vom Jahre 1882 eine Anzahl
dieser notwendig gewordenen Ergänzungen mitgeteilt Merkwürdiger-
weise finden sich in dem Wortschatz der französischen Arbeiter
auch einige Vokabeln, welche augenscheinlich von ihren deutschen
Kameraden aufgebracht und in die Pariser Werkstätten überge-
gangen sind: so un mastoc, ein ungeschlachter . Mensch, schon von
Littr^ auf das deutsche Mastochs zurückgeführt; und un fiferlin, für
unbedeutende Kleinigkeit, wenig Geld, entstammt offenbar der deut-
20*
308 E J. Heller
sehen Redewendung ^das ist nicht einen Pfifferling wert". Die
neue Schreibart Zola^s hat natürlich den gebildeten Franzosen nicht
dazu bringen können, seine Ausdrucksweise danach umzuwandeln;
aber im Auslande, z. B. in Eussland, hat man sich hier und da,
wie Jules Claretie im Mouvement parisien der Indäpendance beige
von 1879 mitteilt, diese Sprechweise angeeignet, und einzeln nach
Frankreich gekommene Russen sind nicht wenig darüber erstaunt
gewesen, dass diese von ihnen für modern und allgemein giltig
gehaltene Sprache in den Pariser Salons grossen Anstoss er-
regt hat.
Dieser, wie ich hiermit gezeigt zu haben glaube, im Inhalt
wie in der Form gleich neuen Erscheinung gegenüber verhielt sich
die Kritik in Frankreich anfangs grösstenteils ablehnend. Ich führe
dies nicht als einen Beweis gegen sie an; dem Romantismus ist es
zuerst durchaus nicht besser ergangen. Man warf Zola besonders
vor, dass er durch die Vorführung blosser Wüstheiten nur entsitt-
lichend auf die Gesellschaft und das Volk wirken könne. Seine
Anhänger sind die Antwort darauf nicht schuldig geblieben ; sie be-
haupten, dass gerade die eingehende Schilderung des Lasters darch
den Abscheu, den es einflössen wird, die Sittlichkeit befördern und
eine wahre Schule der Moral werden müsse. Von dieser Tendenz,
welche etwa auch dem Verfasser des Struwelpeters vorgeschwebt
hat, hält Zola selbst sich fem ; er will nur Einsicht in das mensch-
liche Wesen, wissenschaftliche Erkenntnis vermitteln. Aber die Er-
fahrung lehrt, dass, wie der häufige Anblick der rohen Auftritte
und Handlungen, welche im Kriege den Soldaten unumgänglicher-
weise vor Augen treten, ebenso auch das Lesen lasterhafter und
verbrecherischer Vorgänge das Gefühl abstumpft und das Gemüt
verwildern lässt. Manche Litteraten und zwar von den entgegen-
gesetztesten Parteien, wie der Republikaner Edmond Sch^rer (Etudes
sur la litterature contemporaine VII, 165) und der Legitimist Graf
Pontmartin (Souvenirs d'un vieux critique I, 149, III, 371) können
noch jetzt ihren Abscheu vor den Werken Zola's gar nicht stark
genug aussprechen; und die auf die Zierlichkeit und Feinheit des
französischen Ausdrucks Gewicht legenden Kritiker beschuldigen ihn
ausserdem, die Sprache zu verderben und mutzen ihm bei jeder
Gelegenheit, wie es namentlich der eben genannte Graf thut, kleine
Schnitzer oder unrichtige Bezeichnungen auf. Wenn man übrigens
dem Rezensenten Puff in Sheridan^s Critic Glauben schenken will, so
hat vielleicht gerade die gegen ihn erhobene Anklage der Unsitt-
lichkeit seiner Bücher Zola die meisten Leser verschafft. Trotz aller
Anfeindungen, oder möglicherweise wegen derselben, hat er sich
nach und nach, jedoch ohne Victor Hugo von seiner dominierenden
Stellung verdrängt zu haben, einen angesehenen Platz in der litte-
Der Naturalismus in der Romandichlung Frankreichs etc. 309
rarischen Welt, und nicht bloss Frankreichs, erworben und eine
beträchtliche Zahl von Anhängern gewonnen, die ihn ungemein hoch
stellen. , Mag man auch über den Gehalt seiner Schriften, der theo-
retischen wie der novellistischen, urteilen wie man wolle, ein unleug-
bares Talent der Darstellung und der Beschreibung wird man ihm
zugestehen müssen. Manche Schilderungen, wie im Assommoir die
Hochzeitfeier Coupeau^s und Qervaise's; ein Mittagsmahl, das sie
später in der Zeit ihres Wohlstandes geben, weisen recht drollige,
andere Stellen, wie das Herumirren GeiTaise's in ihrer Verlassenheit,
im Yentre de Paris die Einfahrt der Qemüsewagen nach den Halles
centrales und die gleichzeitige Bückkehr eines verhungerten Ver-
bannten aus Neukaledonien, in Nana das von dieser gegebene Fest,
in Pot-bouille die Betrachtungen des Pnesters, äusserst wahrheits-
getreue, zum Teil tief ergreifende Züge, wirkliche Stimmungsbilder,
auf; aber wenn man auch gern solche Einzelheiten gebührend be-
wundert, man wird den Schriftsteller darum nicht verehren oder
seine Werke lieben können; der angehende Eunstjünger kann in der
Technik vieles von ihm lernen, er würde sehr fehlgehen, wenn er
einfach ihm nachahmen wollte. Keine der von ihm geschilderten
Personen ist eigentlich sympathisch oder anziehend, nur einige
wenige doch so, dass man sie sich gefallen lässt; die meisten sind
zurückstossend oder widerlich. „Ich will," sagt Edmond Schörer in
seiner ästhetischen Exklusivität zu weit gehend, „mit Leuten dieser
Art durchaus nicht bekannt werden." Nie und nirgends kann durch
das Lesen der Schriften Zola's Begeisterung, Enthusiasmus, inniges
Entzücken oder eine andere edle Begung der menschlichen Brust,
höchstens in sehr seltenen Fällen Mitleid hervorgerufen werden."
Sein Talent hat in seiner Anschauungsweise eine notwendige Grenze
finden müssen: er bemerkt in der menschlichen Natur nur Instinkte
und kann daher nur gewöhnliche oder gemeine Subjekte schildern.
Ehrgefühl und Buhmbegierde, Elternliebe und Edelmut, Aufopferung
und Seelengrösse, keine der Eigenschaften, welche den Menschen
zieren, finden bei ihm eine Stelle. In seinem Pessimismus sieht er
alles schwarz, sogar die Natur; den Anblick von Paris schildert er
(üne Page d'amour) mit Vorliebe, wenn es von einem schweren
grauen Himmel bedeckt ist. Selbst in seinem Humor fehlt das
liebevolle Eingehen auf die kleinen Schwächen unsres Wesens, wie
es stellenweise bei Sterne, Walter Scott, Jean Paul, Victor Hugo
und Daudet so entzückend wirkt. Wenn er durch seine kritischen
Schriften und durch sein Beispiel es dahin gebracht hat, dass die
abenteuerlichen Ausgeburten von Charakteren und Begebenheiten aus
dem französischen Boman mehr und mehr verschwinden, — ganz
verschwunden sind sie, wie Montöpin's und anderer Schriften hin-
länglich beweisen, bis jetzt noch nicht, — so hat er andererseits
310 H, J. Heuer
seine Erzählung hier und da durch zu ausgedehnte und zu ermüdende
Besehreibungen überwuchern lassen, wie in der Schilderung des
Gartens in La Faute de Tabbe Mouret, der Markthallen in Le Venire
de Paris, des Geschäftsgangs in Au Bonheur des Dames, welche
überflüssig sind, weil sie die Stimmung nicht unterstützen, und seine
Partei^nger sind ihm darin getreulich gefolgt. Wenn seinen Werken
nicht die Unsterblichkeit versprochen werden kann, welche er wahr-
scheinlich selbst erwartet, bleiben sie immer ein Markstein in der
Entwickelung des französischen, vielleicht überhaupt des europäischen
Romaus, eine Staffel, über welche alle Nachfolger emporzuklimmen
haben. Dagegen sind seine dramatischen Versuche bisher sämtlich
missglückt; Tht^rese Raquin, ein Drama, welches er selbst aus seiner
Erzählung gleichen Namens gemacht hatte, ist in der Renaissance
nicht oft zur Aufführung gelangt und von der Kritik allgemein ver-
urteilt worden, und das Lustspiel Le Bouton de rose, nach seinem
eigenen Geständnis im Palais Royal, wo man keineswegs blöde ist,
vollständig durchgefallen; auch das beste seiner Theaterstücke, Les
H^ritiers Rabourdin, eine Bearbeitung des Ben Jonson'schen Volpone,
hat in Cluny nur einen massigen Anklang gefunden; das Assommoir,
welches auf dem Ambigu- Theater in Paris eine grosse Reihe von
Aufführungen erlebt hat, auch an vielen anderen Orten auf die
Bühne gebracht worden ist, verdankt diesen Erfolg hauptsächlich
der drastischen Art und Weise, mit welcher der Schauspieler in der
Rolle des Coupeau das delirium tremens darzustellen gewusst hat,
ist übrigens nicht von Zola selbst, sondern, wie auch Nana und
Pot-bouille von Busnach für das Theater zurechtgemacht worden.
Wichtiger sind, auch für das dramatische Fach, die theoretischen
und kritischen Arbeiten des ungemein fruchtbaren Schriftstellers, in
welchen er gegen die auf der Bühne herrschende konventionelle
Manier energisch zu Felde zieht: Le Naturalisme au thöätre und
Nos Auteurs dramatiques. Auch hier finden sich einzelne treffende
Bemerkungen und viele schätzbare litterarische Notizen.
Manche der ästhetischen aper^us und Forderungen Zola's werden
gewiss allmählich überall mehr und mehr Eingang finden ; aller-
dings wäre es ein Unglück, wenn seine litterarischen Gepflogen-
heiten um sich greifen sollten. Es wird nach und nach abkommen,
dass man dem Romane unmögliche, undenkbare und völlig in der
Luft schwebende Lebensverhältnisse und Begebenheiten unterlegt,
welche die Bezeichnung romanhaft längst stigmatisiert hat ; wie man
auch auf der Bühne die konventionellen Figuren und die banalen
Verwechselungen durch eigentümliche Charaktere und aus dem Leben
gegriffene Vorgänge wird ersetzen müssen. Man wird aufhören,
den Roman zum Vehikel für die Verbreitung archäologischer oder
historischer Kenntnisse zu machen und vieltausendjährige Leichen
Der Naturaiismus in der Romundichtuitg Frankreichs etc. 311
durch die Gulvanisierang einer überhasteten und dem vergänglichen
Tagesgeschmack huldigenden Biichfabrikation zum künstlichen Schein-
leben zu erwecken. Man wird bei Gesprächen in der Erzählung
wie im Theaterdialog eine den Personen angemessene Ausdrucks-
weise für nötig halten, aber man wird sie selbst für Leute der un-
tersten Volksschichten finden lernen, ohne zur Gemeinheit hinabzu-
steigen. Man wird endlich in der Beschreibung die Stimmung
wiederzugeben versuchen, welche in dem Betrachtenden seine Um-
gebung oder die Natur hervorruft, so wie die verschiedene Weise,
in welcher Natur und Umgebung bei verschiedener Geraütsstimmung
erscheinen. Man wird aber darauf verzichten, alles, was in der
Welt vorkommt, in der Kunst schildern zu wollen, und es vermei-
den, das Ekelhafte ans Licht zu ziehen oder gar breit zu treten und
durch seine Benennung mit dem eigensten Wort dafür das Scham-
gefühl zu verletzen und abzustumpfen. Auch die Wahrheit und die
Wirklichkeit hat ihre Gebiete, in welche die künstlerische Behand-
lung nicht eindringen, ihre Grenzen, welche auch die getreueste
Nachbildung der Welt und des Lebens nicht überschreiten darf.
Man wird hoffentlich bei uns nicht darauf erpicht sein, nur die Hefe
des Volks zum Gegenstand des dichterischen Schaffens zu machen,
und noch weniger dabei mit Vorliebe gerade ihre Laster und Ver-
brechen zu wählen. Es lässt sich erwarten, dass man bei uns
ausser den natürlichen Triebfedern und Instinkten, in der Menschen-
seele immer noch edlere und höhere Regungen anerkennen, noch ein
anderes Gesetz in der Bestimmung der Denk- und Handlungsweise
bewahren wird. Endlich werden wir schwerlich einen Grund ein-
sehen, warum wir unsere litterarischen Bestrebungen auf die un-
mittelbare Gegenwart einschränken und den Flug der Phantasie
nach entfernten Zonen und Zeiten, auf dem selbst Flaubert im Sa-
lammbd vorangegangen ist, hemmen müssten. Und das alles auch
auf die Gefahr hin, dass Deutschland noch fernerhin, wie bisher,
von den Vorkämpfern des Naturalismus für das Vaterland des ^hohlen
Idealismus^' angesehen werden sollte, wie es in der Bevue röaliste
geschehen ist.
Auch ohne Zola und vor ihm hat die naturalistische Rich-
tung, sei es angeregt durch Balzac und später durch Flaubert, oder
sei es urwüchsig mid durch Naturnotwendigkeit erzeugt, in Russland
Boden gefasst. Gogol stellt sich durch seine „Todte Seelen" und
durch seinen „Revisor", Turgenjew durch seine Romane „Väter und
Söhne *^ und „Neuland" etc., allerdings nicht in so verletzender
Weise vrie die Franzosen selbst, in die Reihe der Anhänger dieser
Schule; der Letztere ist auch in Frankreich den Jüngern derselben,
wie Maupassant, sehr gewogen gewesen. Wer Dostoz^wsky^s Roman
Staskölnikow gelesen hat, wird teils in den geschilderten Auftritten,
312 H, J. HeUer
teils in den Stimmungsbildern ganz die naturalistische, nicht gerade
erquickliche und erfrischende Luft einzuatmen geglaubt haben.
Natürlich haben alle diese Schriftsteller rein russische ZusÜlnde, aber
mit naturalistischen Augen angesehen, geschildert.
In ähnlicher Weise haben Ibsen, z. B. im Bund der Jugend
in den Stützen der Gesellschaft, im Volksfeind, Bjömson BjÖm-
steme, z. B. in dem Fischermädchen skandinavische, Maurus Jöka,
ungarische, Galdos in der Donna Perfecta spanische Verhältnisse
behandelt. Über ganz Europa, von Stockholm bis Cadix, von Pest
und Petersburg bis London weht der Wind aus der naturalisti-
schen Ecke.
Als die Eevue röaliste 1879 eine Übersicht über die Kunst
aller Zeiten und Länder gab, so weit diese ihrem Sinne gemäss zu
sein schien, wusste sie von litterarischen Werken Deutschlands nur
Wilbrandfs Arria und Messalina als naturalistisch anzuführen; —
Sacher Masoch und seine Messalinen Wiens müssen dem Verfasser
des Essays wohl nicht bekannt gewesen sein; — dagegen bringt
sie einige Namen, und zwar sehr erlauchte, in den andern Künsten
als Vertreter ihrer Prinzipien auf; in der Malerei hat sich, nach
ihrer Meinung, ähnlich wie Courbet in Frankreich, nur Menzel durch
seine Schmiede, die 1878 auf der Weltausstellung den Franzoseu
bekannt geworden war, als Realist ausgezeichnet; sie zählen auch
Gussow zu den Ihrigen, wahrscheinlich weil er bisweilen hässliche
alte Weiber, aber in virtuoser Weise, gemalt hat. In der Musik
finden sie dagegen den Realismus bei Weber, gewiss vornehmlich
wegen des Spottchors und des Kaspar im Freischütz, in Schumann,
Meyerbeer, hauptsächlich wohl wegen des Marcell in den Hugenotten,
und Wagner, vermutlich wegen der Nachtwächterszene in den
Meistersängen!, wegen des Alberich im Nibelungenringe und wegen
der Kundry im Parsifal, wenn sie diesen schon gekannt haben, in
eminenter Weise vertreten ; — beiläufig gesagt, wird der Bayreuther
Meister sehr erstaunt gewesen sein, wenn er erfahren hat, dass er
in Frankreich so ohne weiteres mit dem Komponisten, den er immer
am eifrigsten bekämpfte, zusammengeworfen worden ist; — diese
deutschen Musiker — und den eigenen Berlioz — empfehlen die
Vorschriften des Realismus den französischen Tonsetzern zur Nach-
eiferung.
Jetzt würde die genannte Revue eine reichlichere Ausbeute in
der deutschen Litteratur haben machen können.
Wie sehr Deutschland in litterarischer Beziehung immer noch
— oder jetzt wieder — von Frankreich abhängig ist, sieht man
nicht nur daraus, dass unsere Theater für Neuheiten grösstenteils
auf die dramatischen Erzeugnisse der überrheinischen Nachbarn an-
gewiesen sind, man sieht es auch an den Einflüssen, welche Zola
Der Naturalismus in der Rommidichtung frankreichs etc. 313
und der Naturalismus auf unsem Roman ausgeübt hat, an der
Fülle von Besprechungen, welche, sei es tadelnd, sei es rühmend,
über die Schriften dieses Mannes in unserer Presse fortwährend
laut werden.
Es ist bei uns bisher noch nie vorgekommen, dass über einen
unserer eigenen Dichter, selbst nicht über Göthe, bei seinen Leb-
zeiten eine so ausführliche Analyse seiner sämtlichen Werke er-
schienen ist, wie sie Welten über den ausländischen Schriftsteller in
dem Buche Zola -Abende bei Frau von S., Berlin bei Auerbach,
1883, und Gerstmann über Alphonse Daudet, ebenda, veröffent-
licht haben.
In feuilletonistischer Plauderei doziert Welten der Frau von
8., die eben so wenig wie ein Schüler seinem Lehrer widersprechen
und, ohne Kenntnis der Sache, gegen seine Behauptungen keine
Einwendungen machen kann, was im Boman exp6rimental von der
wissenschaftlichen Methode auseinandergesetzt wird, als unumstöss-
liche Wahrheit — entweder ohne Ahnung von der ganz haltlosen
Grundlage, auf welcher die angebliche Wissenschaftlichkeit steht,
oder diese Unsicherheit absichtlich verschweigend. Sodann „legt er
den Kern der Handlung und die Tendenz bloss und charakterisier
die Hauptfiguren". Wenn er sich auch nicht verhehlen kann, dass
die Romane nahezu alle nicht bloss veifängliche Situationen auf-
weisen, sondern dass der Gesamtbereich der meisten bedenklich ist,
so weiss er doch jene Punkte oder diesen Inhalt regelmässig auf
die eine oder die andere Weise zu beschönigen; er hat mit dorn
Laster Mitleid, wenn es tragisch endet, oder mit der Gemeinheit,
weil sie eine Folge der Zeitläufte ist; in letzter Linie muss die
Versicherung des sittlichen Ernstes des Verfassers über alle Unge-
heuerlichkeiten hinweghelfen.
Überall findet er femer die Entwickelung der Charaktere und
der Begebenheiten mit strenger Folgerichtigkeit, mit unerbittlicher
Logik durchgeführt. Das ist gewiss in den meisten Fällen zutreffend,
in einzelnen können gegründete Einwendungen gegen ZoWs Führungs-
weise der Personen vorgebracht werden, besonders da, wo der
naturalistische Dichter, ganz wie jeder andere, von der Beobachtung
hat absehen, wo er die Phantasie hat zu Hilfe nehmen müssen.
Denn allerdings konnte er wohl, um La Confession de Claude zu
schreiben, an sich selbst oder auch an einem Kameraden das all-
mähliche Verkommen des Mannes, der seine Liebe an eine unwür-
dige Dirne wegwirft, erfahrungsmässig festgestellt haben ; aber sicher-
lich fand er keinen Laurent, keine Th^r^se Raquin, welche ihn so
weit in ihr Vertrauen gezogen hätten, um ihm einzugestehen, dass
sie ein unerlaubtes Liebesverhältnis, welches sie bei Lebzeiten des
Ehemannes angeknüpft hatten, nach der verbrecherischen Beseitigung
a. J. HeOer
-> -I SV '!^i^ <tft«n dorcli den S^n der Kirdie rereint wueo,
-'->". !|<(ii)j{ vttfB Hut tmd die Neignng behalten bonnten.
'\ F-»i ''^lüpt Jarchans nicfat zwingend aas der Sitaation nnd
"^^ —■■<■' «i»i !Mi.'h einbände Änoabnie. Denn EljtSmnestra «od
't '>i'tttttu<,V Uuttor nnd Oheim sind genau in derselben Lage
—- .■* lic«». wrbrecherische Verbindung, auch nach der Brmor-
■J- IVIWiwaoner in aller Enhe fort-, und doch geben ihnen
'■ '""1 l.'b«(^ an Frechheit dnrchaas nichts nach. Die Logik
-^'')>'<M wie des Shakespeare geht in diesem Falle, trotz der-
' >-tiia>idiMi, auf eine andere Folgerang hinaus als die Zola's.
-UK lül) ijee Letzteren VorauBsetzang m^lich, aber nicht not-
l> iwuö „Diehterkünste" haben im Drama wie in der Er-
o mii- wenigstens nicht einmal die Überzeugung der „Wahi^
'k^iIji- lugen kUnnen, das Ergebnia mir keinesweges „uatürlich"
iiH-u Iftsaen. Denn die Verheiratung Laurenfa mit Thörfese
it Jiu'f, geaelznässig, erst etwa ein Jahr nach dem Tode ihres
'a vi't'olgen ; sie sind während dieser Zeit immer wieder nnd
^utiammen gewesen; wanim fallen der Wittwe gerade erst
ui-haeitabend diese Skrupel ein?
Wie Zola selbst nur Personen mit Instinkten ohne alle
>iuuergie vorführt, kann natürlich auch Welten, wenn er ihre
"ugaweiHfl logisch findet, iu ihr nur deu durch Oelegenheit
iUng gereizten Trieb anerkennen. Wo ihnen nicht Folge ge-
wii'd, darf nur eine physiologische Indisposition angenommea
u. In Thereseus Fall — die Erkältung; und das wirkt
jiid.
Das Kaiserreich hat demorahsierend auf die höhere Gesell-
gewirkt, mag sein, aber doch nicht auf das ganze Volk, nicht
iü ganze Bürgerklasse. Schüdert man die allgemeine Demo-
.ion, so tbut man es doch aus eigener Wahl, und eben diese
bleibt anfechtbar. Es ist in Zola'a Schriften so vieles aner-
iiBwerte, warum konnte Welten sich nicht begnügen, dies
anheben, warum musste er, wie der Advokat eines Änge-
u, nahezu alles, auch das AustSss^ loben oder wenigstens
ligen? Und trotz dieses Bestrebens, das schon durch den
des Buchs, Zola bei uns Eingang und eine bessere Würdl-
zu verschaffen, ihm auferlegt war, muss er bei Madelsine
bei La Onröe und bei den noch schlimmeren Nana und Pot-
i seine Vorbehalte machen ; die letzteren erklärt er sogar, »!s
am Ende seiner langen Arbeit ihm doch das ästhetische Ge-
geklopft hätte, für verfehlt, weil „sie das SchQnheitsgefUhl
*n". Welche Erwiderung vermag er wohl denen zu geben,
: ihm sagen, dass ihr Schönheitsgefühl auch bei vielen Stellen
idem Werke Zola's verlelat wird?
Der Naiuralismus in der Romandichiung Frankreichs etc. 315
Von dem Vorwurf, die ihm eigentümliche Art der Schilderun-
gen aufgesucht zu haben, kann man diesen, wenn man die ganze
Reihe seiner Romane überblickt, nach gerechtem Ermessen, nicht
freisprechen. Und wenn man einen langen, in Tugend schwelgenden
Roman Richardson's nicht ohne Überdmss auszulesen im Stande ist,
wird man doch andererseits ein wenn auch ungleich kürzeres von
Lastern strotzendes Buch wie Nana oder Pot-bouille nicht ohne Ekel
zu Ende bringen.
Zola, eben so sehr wie die Bouleyardschriffcsteller, verleumdet,
um Aufsehen zu erregen — und das ist ihm gelungen — durch
diese Ausschliesslichkeit seiner Schilderungen die Pariser Gesellschaft.
Die adligen Damen sind zur Zeit der Restauration nicht so durch-
weg ausschweifend gewesen, wie der Legitimist Balzac sie hinstellt,
unter dem zweiten Kaiserreich ist das Bürgertum nicht so lüderlich
geworden, dass ein und dasselbe Haus, wie es in dem zuletzt ge-
nannten Roman ausgeführt wird, ein blosses Nest der Unzucht l^tte
sein sollen. Diesen Anschauungen stehen die Behauptungen anderer
Franzosen, darunter auch vieler Schriftsteller, gegenüber, welche, im
Widerspruch dazu, in dem Kern des Volks, dem Bürger- und
Bauernstände, gesunde Grundsätze, in den höheren Klassen — die
Börsengauner natürlich abgerechnet — überwiegend edle Gesinnung
anerkennen. Wer auf den Skandal spekuliert, hat freilich überall
mehr Zulauf. Liesse man von den Romanschriftstellern die Meinung
bestimmen, so müsste man in Frankreich jeden Menschen ohne Aus-
nahme für einen Ehebrecher, jeden Engländer dagegen für einen
Wechselfälscher halten.
Hier hört die Wahrheit, trotz aller Beteuerungen, auf. Und
selbst wenn wahr, wären solche Schilderungen poetisch? Die noch
so getreue, meinetwegen photographische Kopie des ersten besten ist
doch noch immer nicht Poesie. Selbst in Pans sehnt man sich
jetzt allgemein nach ^ reinlicher^ Lektüre. Der Figaro vom 8. De-
zember 1883 folgert es aus dem unerhörten Glück, welches ein so
harmloses Buch wie Tristesses et Sourires von Gnst. Droz macht.
Das Buch Welten's ist mit Vorsicht zu lesen. Nicht etwa,
dass materielle Irrtümer darin vorkämen. Was ich davon bemerkt
habe, ist unbedeutend. Nicht der Roman Thör^se Raquin ist aus
dem Theaterstück gemacht worden, sondern umgekehrt, wie Zola
selbst in der Vorrede zum Drama ausführlich und mit einer ge-
wissen Herausforderung der Kritik auseinandersetzt. Den Ausdruck
Naturalismus hat sicherlich kein Franzose von dem Wort naturalia
in der Redensart naturalia non sunt turpia abgeleitet, das ist zu-
verlässig der Spott eines Berliner Journalisten, den ich wenigstens
Bedenken getragen haben würde gegen Frau von S. zu wiederholen.
Die von Welten stark gelobte Übersetzung des Assommoir von
316 H, /. HeOer
W. König wimmelt von den grotegkesien Schnitzern, wie im Maga-
zin für die Litteratur des Auslandes, 1881, nr. 12 (19. März) ein-
gehend nachgewiesen worden ist. Welten^s eigene sonst ganz ge-
schickte Übeiiiragung einzelner Stellen anderer Bomane ist nicht
frei von manchen argen Druckfehlern und einigen unzweifelhaften
Sprach versehen. — In vollständiger deutscher Ausgabe sind ausser
dem Assommoir, Le Ventre de Paris und Une Page d'amour, noch
La Faute de Tabbe Mouret und Nana erschienen, beide jedoch in
den Leihbibliotheken Berlins konfisziert, das erstere, sagt man,
wegen eines Ausdrucks. In französischer Sprache dürfen alle, auch
die schlimmsten, ruhig weiter gelesen werden.
Vor den Anpreisungen Welten's muss man demnach, wie ich
hinreichend gezeigt zu haben glaube, auf der Hut sein. Sonst
wird seine lieissige Arbeit wesentlich dazu beitragen, manche unbe-
gründete, gar zu missgünstige und alles ohne Ausnahme verwer-
fende Vorurteile gegen Zola und den Naturalismus zu zerstreuen
und zu beseitigen. Was davon gesund ist, wird durchdringen und
bleiben. Nur schadet leider hier wie überall die Übertreibung der
Seiden der allseitigen Aufnahme der wirklichen Verbesserungen.
Man glaube nicht, dass Welten mit seinen Ansichten bei uns
allein steht. Weit über ihn hinaus gehen in der unbedingten Ver-
herrlichung Zola's Nordau in seinem Buche über Paris, auch im
Magazin 1882, nr. 2, und Conrad z. B. im Magazin 1882, nr. 12,
1883, nr. 42. Die Vorliebe für die Schilderung des Lasterhaften,
die Hochschätzung des Gemeinen, der Kultus des Hässlichen wächst
und nimmt überhand. Ein Kritiker, dem der Redakteur einer 2iei-
tung Peschkau's Reichsgräfin von Walbeck zur Berichterstattung
einhändigte, rief, in dem Buche blätternd: „Gott sei Dank I endlich
einmal ein Roman, in dem auch eine Dirne vorkommt!^ Dieser
Ausruf ist erklärlich. Die Rezensenten haben allerdings unter der
Plattheit und der Prüderie der „familienblättlichen" Litteratur stark
zu leiden. Aber liegt nicht die Gefahr nahe, dass, gerade wegen
Zola's verleitenden Vorgangs, was sonst am Realismus und Na-
turalismus vollauf berechtigt ist, mit der Beschränkung auf die
blosse Darstellung der Lasterhaftigkeit verwechselt werde?
Diejenigen deutschen Erzähler, an denen der Einfluss Zola's^
mag er durch unmittelbare Einwirkung erfolgt oder durch den ein-
mal dahin gehenden Zug der Zeit veranlasst sein, sich am deutlichsten
zeigt, sind Kretzer und Kirchbach.
Es thut mir leid, diese Namen mit einigen von den hier ge-
nannten Schriftstellern, wie Flaubert, Zola selbst und besonders
Turgenjew, welche jedenfalls ihren europäischen Ruf wohl verdient
haben, zusammenstellen zu müssen ; aber der Charakter ihrer Ar-
beiten bringt es einmal mit sich. Wenn auch mit geringerem
Der Naiuralüfmvs in der Romandklitnng Frankreichf etc. 317
Talent und Erfolg als jene, haben sie sich doch auch der realisti-
schen oder geradezu naturalistischen Behandlungsweise des Romans
zugewendet, vorzüglich durch die Stoffe, welche sie bearbeiten; man
braucht darauf hin nur Kretzer's „Die Betrogenen** und „Die Ver-
kommenen**, — in deren Anpreisungen er Zola an die Seite ge-
stellt wird, — so wie Eirchbach^s „Reichshauptstadt** in dem Cyklus
„Kinder des Reichs** einzusehen. Aber es darf dem letzteren die
Anerkennung nicht versagt werden, sich von den groben Aus-
schreitungen des französischen Romanciers fem gehalten zu haben.
Weit zarückgeblieben sind Beide hinter dem Franzosön in der
Anlage, in der Form und im Stil.
Was sie ihm nicht nachzumachen verstanden haben, das ist
die geschickte Erfindung der zu Grunde gelegten Annahmen. Die
Verhältnisse, in denen Zola seine Personen auftreten und wirken
lässt, sind bis auf wenige Ausnahmen durchaus ihnen natürliche
und angemessene ; im grössten Teil der Kretzerschen Romane wie in
sämtlichen Erzählungen der Kinder des Reichs von Kirchbach sind
die Voraussetzungen völlig anzutreffend, und die darauf ge-
bauten Geschichten darum haltlos. Bei Zola mnss man we-
nigstens die Richtigkeit der Darstellung und der Folgerungen
auf Grundlage seiner Annahmen und Voraussetzungen anerkennen,
auch wo der Inhalt zurückstossend ist; er würde Kunstwerke
schaffen, wenn er seinen Büchern einen andern Gehalt zu geben
verstehen könnte.
Will man femer das Geschick Zola^s in der Beschreibung
gegenüber der Kretzer'schen Manier recht deutlich erkennen, ver-
gleiche man die Schilderung des Anblicks von Paris in Une Page
d'amour mit der von dem deutschen Schriftsteller in den Betrogenen
I, S. 68 vorgeführten Ansicht des Arbeiterhofes. Hier wie dort
steht eine Frau am Fenster; Zola schildert, was Helene von diesem
Standpunkte aus wirklich erblicken kann, Kretzer, der ein stimmungs-
volles Bild geben will, das, was allein aus der Vogelperspektive
wahrgenommen werden könnte; denn es ist unmöglich, von einem
Hoffenster aus über iele Höfe und zugleich die Strasse entlang zu
sehen; er beschreibt, was er ßich denkt, nicht was Maria sieht;
man merkt es ausserdem an den wohlgemeinten, aber nicht an rechter
Stelle und in rechter Weise vorgebrachten Reflexionen über das
Elend, welches die Häuser der Arbeitergegend bergen; sollten hier
Betrachtungen folgen, hätte Marie sie anstellen müssen. Kein Wunder,
dass ein solches Bild nicht anschaulich werden kann.
Bis jetzt ist demnach — ich brauche es nicht weiter im
einzelnen auszuführen — der Versuch, den naturalistischen Roman
in Deutschland mit Glück einzubürgern, gänzlich misslungen. Wer
• I
i ^. ^«iS^. Der NatttraUtmus m der Romandkhiumg etc.
.^i^ vst^mö;^^ Y^rst^t sieb ohne ihn zu einer Lasterschole za maehen,
v^a(Ui> >^tM^ Wdeatenden Erfolges gewiss sein können. Was überall
^^>^U lo^Ck Wt der zwingende Eindruck der Wahrheit, der bei Zola
<w> utK>*'«4l(igdnd wirkt, und an dem unsere Realisten es noch ganz
i'i>vuas> ^^^ lassen, wie diejenigen unsrer Bomanschriftsteller, welche
^i,v^ i^M für Idealisten ausgeben.
H. J. Heller.
Druck von Erdmann Raabe in Oppeln.
Zeitscliriffc
für
neufranzösische Sprache
und Litteratur
mit besonderer Berücksichtigung des Unterrichts
im Französischen auf den deutschen Schulen
herausgegeben
von
Dr. G. KoBrting und Dr. E. Koschwitz
Prof. a. d. Akademie zu Ilnster i/W. Prof. a. d. üniTersitat zu ßreilswalil.
Band VI.
Zweite Hälfte: Referate und Rezensionen eto.
OFFELN.
Engen Franck's Buchhandlung
(Ctoorgr Maske)
1884.
Inhalt.
Referate und Rezensionen.
Seite
K, Bartsch, Alte französische Volkslieder (W. Scheffler) . . 27
ö. Danker, Die Realgymnasien bez. Realschulen I. 0. (P. Dörr) 14
Z. Dumoustier, Moliöre auteur et com^dien (H. Humbert) . . 264
/. trank, Satyre M^nippäe (R. Mahrenholtz) 261
G. Körting^ Encyclopädie und Methodologie der romanischen Phi-
lologie (R. Schmidt) 1
H. Krause, Wycherley und seine französischen Quellen (J. Klette) 117
A. Kressner, Aufsätze technischen und historischen Inhalts zum
Übersetzen ins Pranzösische (J. Sarrazin) 131
de Lescure ^ Rivarol et la sociät^ fran9ai8e (W. Brummert) . 193
F. Loiheisseny Geschichte der französ. Litteratur im XVII. Jahr-
hundert, Bd. IV. (R. Mahrenholtz) 35
R. Mahrenholtz, Voltaire im Urteil der Zeitgenossen (J. Sarrazin) 113
L, A, Menardy Le Li vre abominable de 1665 (R. Mahrenholtz) 37
P, ^orrenberg. Allgemeine Litteraturgeschichte (R. Mahren-
holtz) 262
A. Stern, Geschichte der neueren Litteratur (W. Scheffler) . 114
A. Thibaut, Wörterbuch der französischen und deutschen Sprache
(Ph. Plattner) 257
M. Trautmann, Die Sprachlaute im Allgemeinen und die Laute
im Engl., Französ. und Deutschen im besonderen (E. Ein-
enkel) 124
W. Wiedmayer, Französische Stilübungen (J. Sarrazin). . . 132
-ß. Wilcke, Anleitung zum französ. Aufsatz (W. Scheffler). . 22
LiTTEBARlSGHE ChRONIK.*)
Lexikalische Arbeiten. Dictionnaires d'argot (E Koschwitz). 38
Syntaktische Arbeiten (A. Haase) 52
*) Da die Titel der unter dieser Rubrik besprochenen Bücher und
Schriften in dem systematischen Verzeichnisse am Schlüsse dieses Ban-
des unter Verweis auf die betr. Seiten angeführt worden sind, so er-
schien es zwecklos, sie hier zu wiederholen.
IV
Schulgrammatiken. Ubungsbiicher. Methodik des französischen
Unterrichts (A. Rambeau, E. Koschwitz, Ph. Platt-
ner, J.Sarrazin, O.Schulze, A. Rhode, G. Willen-
berg) 55, 134, 280, 267
Schulausgaben (W. Knörich, C. Th. Lion) .... 155, 245, 269
Pädagogische Schriften (E. von Sallwürk^ W. Münch, A.
Klotzsch) 285
Zeitschriftenschau.
Centralorgan f. d, Interessen des Realschulwessns (C. Th. Lion) 84, 248
Deutsche Litteraturzeitung (D. Behrens) 171
Litterarisches Centralblatt (C. Th. Lion) 88
Litteraturbl. für german. und romanische Philologie (D. Behrens) 97
Magazin f. d. Litteratur des In- und Auslandes (D. Behrens) . 100
Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik (C. Th. Lion) . 89
Revue critique (D. Behrens) 169
Revue politique et litteraire (D. Behrens) 169
Romania (D. Behrens) 95
Zeitschrift für das Realschulwesen (F. Zvöfina) 90
Zeitschrift für romanische Philologie (D. Behrens) 95
Pkogrammschau.
österreichische Programme (F. ZvÖfina) 165
MiSZELLEN,
L. Berirand, Les Parisismes de M. Villatte 183
G. Erzgräher, Eine Rectification 310
H. Gattthier- Villars, Zum Pariser Argot 185
Hummel, Zur Verwahrung und Richtigstellung 306
B. Mahrenholiz, Dr. H. Schweitzer und das Moli^re-Museum . . 173
R, Mahrenholiz, XXX VII. Versammlung deutscher Philologen und
Schulmänner zu Dessau 304
R. Meyer ^ Grammatische Bemerkungen. 1 175
/. Sarrazin, Die französische Schullektüre der badischen Gymna-
sien und Progymnasien 254
F, ZveHna, Ultimatum in Sachen der Satyre Mdnippde .... 101
Verzeichnisse.
Novitäten -Verzeichnis 108, 189, 255
Systematisches Verzeichnis der in der „Revue des deux mondes"
Jahrgang 1883 enthaltenen Artikel etc. von R. Schmidt 314
Systematisches Verzeichnis sämtlicher im VI. Bande dieser Zeit-
schrift beurteilten oder doch erwähnten Werke und
Schriften von A. Aschenberg 326
Nachtrag von demselben 341
Referate und Rezensionen.
Encyklopädie und Methodologie der romanischen Philo-
logie mit besonderer Berücksichtigang des Französischen,
von 6. KSriing. Erster Teil. Erstes Buch: Erörterung
der Yorbegriffe. Zweites Buch: Einleitung in das Studium
der romanischen Philologie. Heilbronn, Gebr. Henninger.
1884. VI + 244 S. S^^)
Das Werk „gliedert sich in drei Teile; der erste erörtert die
Vorbegriffe und giebt eine Einleitung in das Studium der romani-
schen Philologie, der zweite soll die Encyklopädie der romanischen
Gesamtphilologie behandeln, der dritte endlich sich mit der Ency-
klopädie der romanischen Einzelphilologien beschäftigen".
Von dem ganzen Werk liegt uns der erste Teil vor, die
beiden anderen „werden in thunlichst kurzer Zeit nachfolgen^.
Das der „Erörterung der Vorbegriffe" gewidmete I. Buch des
I. Teiles besteht aus den folgenden neun Kapiteln: I. die Sprache,
n. Einteilung der Sprachen, HI. die Schrift, FV. die Litteratur,
V. Begriff der Philologie, VI. Umfang und Gliederung der Philologie,
Vn. Hülfswissenschaften der Philologie, VIII. Begriff der Encyklo-
pädie, IX. Begriff der Methodologie.
Das II. Buch des I. Teiles giebt die „Einleitung in das
Studium der romanischen Philologie^. Es besteht aus acht Kapiteln:
I. das Latein, II. das Romanische, HI. die romanischen Einzel-
sprachen, IV. Begriff der romanischen Philologie, V. die Hülfswissen-
schaften der rom. Philologie, VI. der Begriff der Encyklopädie und
Methodologie der rom. Philologie, VH. Bemerkungen über die Ge-
*) Eine kritische Besprechung des Werkes wird hier erschei-
nen, nachdem auch der zweite Band desselben zur Veröffentlichung
gelangt ist. D. Red.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI 2. ^
2 Referate und Rezensionen. R. Schmidt,
schichte der rom. Philologie, VIII. BemerkuDgen über das akademische
Studium der rom. Philologie.
Aus der Anführung dieser Überschriften ersehen wir bereits,
dass sich der Inhalt der beiden Bücher vollständig entspricht. Im
I. Buch wird der Ursprung und die Entwicklung der Sprachen
(Kap. 1 — 4) , die Einteilung derselben (Kap. 2) , die Philologie
(Kap. 5 — 6) und ihre Hülfswissenschaften (Kap. 7), die Encykloj^die
(Kap. 8) und die Methodologie (Kap. 9) des Sprachstudiums im
allgemeinen behandelt. Im IL Buch wird der Ursprung und die
Entwickelung der rom. Sprachen (Kap. 1 — 2), die Einteilung der-
selben (Kap. 3), ihre Philologie (Kap. 4) und deren Hülfswissen-
schaften (Kap. 5), die Encyklopädie (Kap. 6) und die Methodologie
(Kap. 8) des Studiums der rom. Sprachen im besonderen be-
handelt — Bevor der Verf. in Kapitel 8 zu seinen „Bemerkungen
über das akad. Studium der rom. Philologie'' übergeht, giebt er
zunächst in einem besonderen Kapitel eine kurze Geschichte dieses
Studiums, daher findet sich im IL Buch als 7. Kap. eingeschoben:
„Bemerkungen über die Greschichte der rom. Philologie '',
Wir gehen jetzt zu einer kurzen Darlegung des Inhalts der
einzelnen Kapitel über, welche ihrerseits wieder in eine Reihe von Para-
graphen zerfallen. Es würde uns zu weit führen, auf jeden einzelnen
der letzteren einzugehen; wir geben hier nur die Hauptgedanken
und Gesichtspunkte.
Das 1. Kap. behandelt die Sprache im allgemeinen; es be-
schäftigt sich in logischer Reihenfolge zunächst mit dem Begriff und
Ursprung, dann mit der Entwickelung derselben, schliesslich mit der
Litteratnr. § 1 — 12 können wir zusammenfassen unter dem Ab-
schnitt: Begriff und Ursprung der Sprache, § 13 — 15 unter dem
der Sprachentwickelung, § 16 — 17 unter dem der Litteratur. Der
letzte Paragraph des Kapitels (§ 18) zeigt die verschiedenen Arten
der wissenschaftlichen Erforschung der Sprache (Sprachphilosophie,
Sprachwissenschaft, Philologie). Als Anhang folgen ^Litteraturau-
gaben^. Einige Punkte, auf welche in diesem Kapitel nur ein-
leitungsweise hingewiesen wird, finden erst in den nächsten Kapiteln
ihre ausführliche Erörterung; wir werden sie ebenfalls dort erwäh-
nen und geben hier nur kurz die Faktoren an, welche nach Körting
die Entwickelung der Sprache bedingen. Die Motive der Sprach-
entwickelung beruhen auf inneren und äusseren Einflüssen; den
grössten Einfluss übt das Prinzip der Trägheit oder Krafterspamis
aus, welches die Analogiebildung in sich schliesst. Äussere Einflüsse
sind die politischen, sozialen, überhaupt die kulturellen Verhältnisse
der Länder.
Das 2. Kap. hat zum Gegenstand ^die Einteilung der Sprachen";
die Einleitung bildet der § 1, der sich mit dem Begriff und den
.G. A'örtinff, Encyklopädie und Meihodologie etc. 3
igenschaften der Wurzeln beschäftigt. Es folgt dann im § 2 — 6
u* eigentliche Gegenstand dieses Kapitels, nämlich die verschiedenen
inteilungen der Sprachen, § 7 behandelt die indogermanische
Drachfamilie. Zum Sfhiuss folgen wieder Litteraturangaben.
Die Wurzeln bilduii die Grnndelemente der Sprache, auf ihnen
jruht also der Bau der einzelnen Sprachen, der ein verschie-
mer ist , weil das Wurzelmaterial in den einzelnen Sprachen
^rschieden ist Ob es mehrsilbige Wurzeln giebt, bleibt dahingestellt,
)rläufig bleibt diese Behauptung noch eine unerwiesene Hypothese.
Die Einteilung der Sprachen nach ihrem Baue giebt der Verf.
it manchen Modifikationen nach Steinthal; wir beschränken uns
er auf die Aufzählung der Hauptabteilungen. Danach unterscheidet
ir Verf.:
A. Spi*achen, welche grammatische Kategorien nicht unter-
heiden (nach Steinthal „formlose Sprachen^). Hierzu gehören die
liierenden und die agglutinierenden Sprachen.
B. Sprachen, welche grammatische Kategorien zwar unter-
beiden, aber dieselben nicht grammatisch, sondern nur syntaktisch
iszudrücken vermögen.
Hauptvertreter dieser Sprachen ist das Chinesische.
C. . Sprachen, welche grammatische Kategorien unterscheiden
d dieselben sowie die Begriffsbeziehungen in weiterem oder ge-
igerem Umfange durch grammatische Mittel zum Ausdruck bringen,
es sind die flektierenden Sprachen. Zu ihnen gehören auch die
iogermanischen , bei denen das Prinzip des Formenbaues die
nthese ist.
Hierauf lässt der Verf. die ethnographische Einteilung der
rächen von Fr. Müller folgen. Eine geographische sowie genea-
rische Einteilung ist wissenschaftlich unstatthaft; zu berücksichtigen
nur noch die chronologische Einteilung der Sprachen in a) pri-
Lre, b) sekundäre, c) tertiäre.
Von der dann folgenden ausführlichen Übersicht der Sprachen
3 indogermanischen Sprachstammes seien hier nur die acht Sprach-
nilien erwähnt, nämlich die indische, eränische, keltische, germa-
che, slavische, lettische, griechische und italische Familie.
Die Verwandtschaft der indogermanischen Sprachen ist wissen-
laftlich zuei*st von Franz Bopp nachgewiesen, der damit der Be-
Inder des vergleichenden Sprachstudiums wurde.
Das 3. Kap. hat zum Gegenstand „die Schrift"; §1—2
landein Zweck, Notwendigkeit und Begriff derselben, § 3 — 6 die
•schiedenen Arten der Schrift (Begriffsschrift, Bilderschrift, Laut-
rift, Universalschrift), § 7 — 11 die Alphabete und die Orthogra-
8 : die Mannigfaltigkeit der ersteren , die Umgestaltung der
iteren durch innere und äussere Einflüsse (durch Lautphysiologie
4 Referate und Rezensionen, R, Schmidt,
nnd Dekrete), § 12 — 15 behandeln die yersehiedenen Schriftibrmen
(indiyidnelle Schrift, Schnellgchrift» Engschrift, Bnchdrack).
Wir heben nar weniges ans diesem Kapitel hervor. W^en
der verschiedenen Bezeichnung der einzehien Laute bei den ver-
schiedenen Spracbfamilien ist eine Allgemeinverständlichkeit der
Lautschrift ausgeschlossen« Eine Lautschrift mit phonetischer All-
gemeinverstän^ichkeit ist zwar von Lepsius und Bell aufgestellt
worden, eine derartige Lautschrift wird jedoch stets zum praktischen
Gebrauch untauglich sein. Die Alphabete der indc^rmanischen
Sprachen bezeichnen die HaupÜauttypen, nicht die einzelnen Laute,
daher die verschiedenen Schreibungen bei den Angehörigen einer
Nation. Jedes Individuum, jedes Volk, jedes Geschlecht hat seine
eigene ^Hand''.
Im 4. Kap. behandelt der Verf. „die Litteratur^. Nach
einem einleitenden Paragraphen (§1) über „das Schreiben und das
Schrifti)tttck ^ giebt derselbe in § 2 — 8 die verschiedenen Einteilungen
der Litteratur (nach Tendenz, Inhalt und Form der Schriftwerke).
§ 9 — 11 sind der Ent Wickelung der Litteratur und ihrer Geschichte
gewidmet, § 12 behandelt das Studium der letzteren, § 13 die
untergegangenen Litteraturwerke.
Nach Tendenz nnd Inhalt unterscheidet der Verf. folgende
Gattungen :
A. Schriftwerke realer Tendenz. Sie sind ganz sach-
licher Natur und geben ohne jede Reflexion nur die wirklichen
oder vermeintlichen Thatsachen, daher tritt die Person des Ver-
fassers bei ihnen ganz in den Hintergrund.
B. Schriftwerke idealer Tendenz. In ihnen herrscht
die Reflexion ; das persönliche Denken und Empfinden des Verfiässers
tritt stets hervor. Ihr Grundcharakter ist: Kritik des Bestehenden,
Phantasie und Subjektivität in der Auffassung des Idealen.
Für die Litteratur im engeren Sinne giebt der Verf. folgende
Definition: ,,Wir verstehen unter Litteratur im engeren Sinn die
Gesamtheit derjenigen innerhalb eines bestimmten Gebietes und
innerhalb eines bestimmten Zeitraumes hervorgebrachten Schriftwerke,
in denen das auf das Ideale gerichtete Denken und Empfinden des
betreffenden Volkes Ausdruck gefunden hat^.
Nun folgt eine Einteilung nach der Produktion durch den
Verstand und durch die Phantasie in wissenschaftliche und dichterische
Werke, darauf geht der Verf. auf die dreifache Form eines liiteratur-
werkes (sachliche, sprachliche, rhythmische) näher ein und giebt
schliesslich eine Betrachtung über die Litteratnrgeschichte. Man
unterscheidet 1) eine üniversallitteratur, 2) die litteratur einer
Völkergruppe, 3) eine Nationallitteratur. Die litteratuigeschichte
wird auf xweiÜEUshe Weise behandelt: auf historische und pragmatiadie;
G. Körting, Encyklopädie und Methodologie etc. 5
)r Wert eines Litteraturwerkes lässt eine doppelte Beurteilung zu,
ishalb spricht man von einem relativen und absoluten (ästheti-
hen) Wert
Im 5. Kap. wird der ^Begriff der Philologie '^ erörtert In
1 — 3 giebt der Verf. die Definition des Begriffes, § 4 — 6 be-
indeln den Zusammenhang der einzelnen Philologien in Bezug auf
e philologische Methode, § 7 — 8 die Aufgaben der Philologie.
Der Verf. definirt den Begriff der Philologie folgendermassen:
Die Philologie ist diejenige Wissenschaft, deren Aufgabe und Ziel
.6 Erkenntnis des eigenartigen geistigen Lebens eines Volkes (oder
ner Völkergruppe) ist, soweit dasselbe in der Sprache und Litteratur
inen Ausdruck gefunden hat, bezw. noch findet;^ er spricht des
eiteren über Kollektiv- und l^ationalphilologien und über die
lilologische Methode. Diese muss stet« historisch sein, und ist
isserdem, je nach dem in den betreffenden Fällen beobachteten
erfahren entweder kritisch oder analytisch oder synthetisch. Zu-
tzt weist der Verf. auf die Aufgaben der Philologie als Sprach-
ad Litteraturwissenschaft hin und auf ihre Stellung gegenüber den
itteraturwerken realer nnd idealer Tendenz.
Das folgende 6. Kap. behandelt ^Umfang und Gliederung der
bilologie^, die natürlich für jede Einzelphilologie besondere sind.
s wird ein ausführliches Schema aufgestellt, welches alle Disziplinen
3r Einzelphilologie einer flektierenden Sprache angiebt Die Ge-
kmtheit der Materien ordnet sich in einen ^einleitenden^, einen
sprachlichen^ und einen ^litterarischen Teil^. In Bezug auf eine
oUektivphilologie ist ein doppeltes Verfahren möglich, das statistische
1er das vergleichende. Der Umfang der Philologie erstreckt sich
cht auch auf die Geschichte derselben, diese fällt vielmehr in das
ebiet der Geschichtsschreibung. Zum Schluss des Kapitels .folgen
itteraturangaben.
Das VU. Kap. ist betitelt „Hülfswissenschaften der Philologie^,
ie beiden ersten Paragraphen geben gewissermassen die Einleitung
i diesem Kapitel, in § 3 — 9 werden die einzelnen Hülfswissen-
haften aufgezählt und ihrer Bedeutung für die Philologie gemäss
) würdigt, § 10 enthält eine Übersicht derselben.
In § 2 giebt der Verf. noch ein Schema der Abstufungen an,
eiche in Bezug auf die Schwierigkeit der Erklärung eines Schrift-
erkes denkbar sind. — Wir können hier nicht auf die Begründung
)r Hülfs¥nssen8chaften eingehen, wir geben deshalb nur eine Auf-
hlung derjenigen, die vom Verf. ausführlicher besprochen werden.
i sind Geschichte (§ 3), Geographie (§ 3), vergleichende Sprach-
Lssenschaften (§ 4), Logik (§ 5), Ästhetik (§ 6), Rhetorik und
)etik (§ 7), Kunst (§ 8) und Sprachfertigkeit (§ 9). Die Über-
3ht der Hülfswissenschaften im letzten Paragraphen schliesst sich
6 Refei^ate und Rezensionen. R, Schmidt,
an das Schema der Disziplinen im vorigen Kapitel an. Wir haben
demnach Hülfswissenschaften des einleitenden Teiles der Philologie^
dann solche des sprachlichen und des litterarischen Teiles jeder
Einzelphilologie, schliesslich noch Hülfswissenschaften der Philologie
im allgemeinen»
Das 7. Kapitel hat zum Gegenstand den „Begriff der Ency*
klopädie". § 1 — 5 enthält als Einleitung dazn Betrachtungen über
die wissenschaftliche Erkenntnis im allgemeinen. § 6 bespricht die
Notwendigkeit, den Begriff und die Wortableitung von „Encyklo-
pädie'* und die drei Arten der encyklopädischen Bildung, § 7 zeigt
die drei Arten der Eucyklopädien , § 8 die Aufgabe, § 9 die Ord-
nung des Stoffes, § 10 den relativen Wert derselben.
Encyklopädische Kenntnis ist die Übersicht über das Gesamt-
gebiet einer Wissenschaft. Ausser dieser fachwissenschaftlichen
Encyklopädie spricht man noch von einer erweiterten fachwissen-
schaftlichen und drittens von einer universal-wissenschaftlichen Ency-
klopädie. Die Darstellungsform ist dogmatisch und referierend, weil
die Encyklopädie sich nur beschränkt auf Angabe des bereits Er-
kannten und auf wissenschaftlich begründete Hypothesen.
Das letzte und 9. Kap. des I. Buches trägt als Überschrift
„Begriff der Methodologie^. Die Methodologie ist diejenige Wissen-
schaft, welche die Methoden zeigt, nach denen am besten die Er-
kenntnis eines Wissensobjektes erworben wird. Die Methodik hin-
gegen ist die praktische Anwendung der Methodologie auf das
Studium und den Unterricht.
Wir kommen damit zum IL Buch, welches eine Einleitung in
das Studium der romanischen Philologie giebt; es zerfällt» wie schon
erwähnt, in acht Kapitel.
Das 1. Kap. behandelt „das Latein", und zwar § 1 — 5 die
Stellung und Verbreitung des Lateins, § 6 — 7 den Einfluss des
Griechischen auf das Latein, § 8 — 11 das Volkslatein und seinen
Sieg über das Schriftlatein, § 12 das mittelalterliche Latein.
Das Latein gehört der sogen, italischen Sprachgruppe an,
welche ausserdem noch das Umbrische, Oskische und Sabellische um«
fasst. Ausser diesen Sprachen wurden vor der Herrschaft Borns
noch sechs andere in Italien gesprochen, doch sämtliche mit Aus-
nahme des Griechischen verschwanden mit der wachsenden Macht
der Römer: die lateinische Sprache wurde bald nicht allein in Italien
die herrschende. Die Römer waren eine kriegerische Nation, die
schönen Künste und Wissenschaften waren ihnen fremd; erst aus
dem eroberten Griechenland verpflanzten sie letztere nach Italien.
Somit entstammt die sich entwickelnde Litteratur nicht dem heimair
lichen Boden, nicht aus dem Grunde des Volkes, sondern entwickelte
sich vielmehr nach dem Vorbilde des Griechischen. Mithin war die
G. Körting, Encyklopädie und Methodologie etc. 7
einische Litteratur ein Eunstprodukt. Die Schriftsprache dieser
:teratur (sermo emditus) wurde zugleich auch die Umgangssprache
r Gebildeten und unterschied sich besonders in der klassischen
riode wesentlich von der Sprache des Volkes (sermo rusticus):
itere strebte nach synthetischer Formenbildung, letztere vertritt
) analytische Tendenz. Das Eunstprodukt der lateinischen Litte-
}ur war nur so lange lebensfähig, als die Machtstellung des römi-
len Reiches dauerte, und auch die in dieser Litteratur verwendete
räche ging mit dem Verfall der römischen Eultur unter. Nur
s Volkslatein blieb bestehen, zumal auch die Eirche, am allgemein
i<ständlich zu bleiben, sich desselben bediente. Da eine gelehrte
iederbelebung des Schriftlateins wegen des mangelhaften V^rständ-
mes für das klassische Altertum nicht gelang, behauptete sich das
)lk8latein durch das ganze Mittelalter.
Wegen seiner engen Beziehungen zu den romanischen Volks-
rachen und zur romantischen Litteratur ist das Studium dieses
ittelalterlichen sog. barbarischen Lateins äusserst wichtig. — Der
hluss des Eapitels ist einer eingehenden Bibliographie der Hülfs-
ittel für das Studium des Lateinischen (soweit dieselben den ro-
mischen Philologen angehen) gewidmet.
Eap. 2 behandelt das Bomanische, d. h. diejenige Sprachform,
)lche das Volkslatein dort, wo es sich behauptete, in Folge mannig-
3her Entwickelung angenommen hat.
Der Entwickelungsgang ist ungefähr folgender: Aus dem in
e Provinzen verpflanzten und dort in verschiedener Weise modi-
ierten Volkslatein bilden sich volkslateinische Provinzialdialekte ;
ese werden durch die fortschreitende Sprachentwickelung zu roma-
schen Provinzialdialekten. Die Völker, die sich dieser Provinzial-
älekte bedienen, werden durch Vermischung mit den Germanen
selbständigen Nationen, und somit wird auch ihre Sprache eine
Ibständige, und es entwickeln sich die romanischen Einzelsprachen.
ie Gebiete, auf denen ein derartiger Entwickelungsprozess vor sich
igangen ist, sind: Italien, Hispanien und Lusitanien, GuUien, die
döstliche Schweiz und Teile von Tyrol, Dacien. Es mussten sich
IS dem Volkslatein die romanischen Sprachen entwickeln, weil in den
itreffenden lilndern das Volkslatein die verbreitetste Sprache war und
selbst die christliche Eirche als ausschliessliche Eultussprache adop-
)rt hatte. Zwar war auch das Schriftlatein unter den gebildeten
Lassen der Provinzialbevölkerung ziemlich verbreitet; doch mit dem
hwindendem Verständnis für klasüsches Altertum schwUnd auch
Lmählich die Eenntnis seiner Sprache.
Der Einfluss des Germanischen auf die Entwickelung der
manischen Sprachen ist ein ziemlich bedeutender gewesen, hat
ioch immer mehr nachgelassen und ist heute zu einem Minimum
8 Referate und Rezensionen. R. Schmidt,
zusammengeschrumpft. Auch andere Völkerschaften haben durch
ihre Sprache erheblichen Einfluss auf einzelne romanische ausgeübt,
so die Araber auf die spanische imd portugiesische Sprache, die
slavischen und finnischen Stämme auf Dacien. — Zum Schluss
folgen 'auf das Kapitel bezügliche Litteraturangaben.
Im 3. Kap. behandelt der Verf. ^die romanischen Einzel-
sprachen ^, das Italienische, Spanische, Portugiesische, Katalanische,
Provenzalische, Französische, Rumänische und die räto- romanischen
Mundarten. Die Rätoromanen sind zu keiner Nationalität gelangt
und besitzen in Folge dessen auch noch keine einheitliche Sprache.
Ein genaues Datum für die Entstehung der anderen romanischen
Sprachen und Völker lässt sich nicht feststellen. Die Nationalität
von Frankreich und Spanien datiert aus dem 9. Jahrhundert, die
von Portugal aus dem 12., die von Italien aus der Hohenstaufeuzeit
und endlich die von Rumänien aus der Mitte des 1 9. Jahrhunderts. —
Nach der chronologischen Einteilung sind die rom. Sprachen in
Bezug auf das Latein sekundäre, in Bezug auf das Indogermanische
tertiäre Sprachen. Da sich jedoch keine Kultursprache des Vorzugs
der Unabhängigkeit rühmen kann, liegt in diesem Ursprungsverhältnis
durchaus nichts, was zu einer Geringschätzung dieser Sprachen be-
rechtigen könnte. — Der Verf. erwähnt darauf die Unstatthaftigkeit
eines Vergleiches der rom. Sprachen mit dem Schriftlatein und lässt
sich näher auf diesen Vergleich ein. Nach einer Parallele mit den
germanischen Sprachen werden die häufigen Benennungen der rom.
und germ. Sprachen (lebende, moderne, neuere) erwähnt und zugleich
erörtert, in wiefern diese Bencnnuugen wissenschaftliche Berechtigung
haben. Hierauf folgt eine Erörterung über die beiden Perioden in
der Geschichte der rom. Sprachen und zugleich über die Mittel zur
Erforschung der Sprachform in der vorlitterarischen Periode, dann
die Angabe des ungefähren Datums, in welchem die rom. National-
sprachen eine allgemein gültige Litteratur entwickelten und endlich
zum Schluss wieder Litteraturangaben.
Das 4. Kap. hat zum Thema ^Begriff der rom. Philoli^e^.
Im § 1 wird der Begriff (ähnlich wie in Buch L, Kap. 5) folgen-
dermassen definiert: ^Die romanische Philologie ist diejenige Wissen-
schaft, deren Aufgabe und Ziel die Erkenntnis des eigenartigen
geistigen licbens der rom. Völkergruppe ist, soweit dasselbe in Sprache
und Litteratur sdnen Ausdruck fand, bezw. noch findet. '^ § 2 han-
delt von der rom. Philologie als KoUektivwissenschaft, § 3 von den
Aufgaben der rom. Gesamt- und Einzelphilologie.
Im 5. Kap. finden ^die Hülfswissenschaften der romanischen
Philologie^ ihre Behandlung. Auch dieses Kapitel hat innigen Zu-
sammenhang mit dem 7. im I. Buche. Wir geben hier die
G. Körthig, Encyklopddie und Methodologie etc. 9
nfzählung der Hülfswissenschaften, welche für das Studium der
\m, Philologie unerlässlich sind. Diese sind: a) Lautphysiologie,
I Paläographie, c) die klassische besonders die lateinische Philologie,
I die germanische Philologie, e) die politische und die Eulturge*
hichte des Mittelalters und der Neazeit
Das 6. Kap. hat zur Überschrift ^der Begriff der Encyklo-
Idie und Methodologie der romanischen Philologie ''. Die Definition
'giebt sich aus dem in Buch I., Kap. 5 gesagten. Körtings Werk
b die erste Encyklopädie. Das Buch von B. Schmitz: Encyklo*
Ldie des philologischen Studiums der neueren Sprachen, Leipzig,
Aufl., 1859, bot bisher einen sehr unvollkommenen Ersatz, es
ksiert meist auf ganz falschen Prinzipien, so dass Anfänger geradezu
kvor zu warnen sind. Das einzig gute darin sind die im 4. Teil
thaltenen Fingerzeige über den methodischen neusprachlichen
nterricht.
Das 6. Kap. giebt eine Übersicht über die Geschichte und
in jetzigen Stand der rom. Philologie. § 1 — 4 behandeln das
itstehen der rom. Philologie aus der romantischen Geistesströmung;
^nn Baynouard und Diez. § 5 — 8 besprechen die gegenwärtige
lege dieser Wissenschaft in Deutschland, § 9 in den romanischen
Indem, § 10 in den skandinavischen Ländern; § 11 erörtert die
Bthode, § 12 den Charakter der gegenwärtigen rom. Philologie,
im Schluss folgen Litteraturangaben.
Es werden in diesem Kapitel klar und bündig die Verdienste
m Baynouard und Diez gewürdigt; alle lebenden Hauptvertreter
r rom. Philologie finden ebenfalls eine Erwähnung. § 5 giebt
1 acht Seiten langes Verzeichnis aller an Hochschulen deutscher
mge lehrenden Bomanisten mit Aufzählung dessen, was sie ver-
ssten, herausgaben oder redigierten. In § 7 und 8 finden wir
3 Anzahl der Studierenden und die neuphilologischen Vereine erwähnt.
Nachdem der Verf. die Werke der beiden bedeutendsten Bo-
inisten Frankreichs, G. Paris und P. Meyer, dann die der übrigen
)mäni8ten dieses Landes genannt, weist er auf die Gründe hin,
3 in Frankreich dem Studium der rom. Sprachen hinderlich
id und veranlassen, dass es hierin Deutschland ohne Frage
chstehi
In Italien befinden sich an der Spitze der Bomanisten: Ascoli
iibestritten als erster), d*Ovidio, Monaci, Caix (f) und Canello; in
anien und Portugal Braga und Coelho; in Bumänien Cihac und
isdeu; in Skandinavien Cederschiöld, lidforss, Nyrop, Storm,
ndby und F. A. Wolff, in Bussland Veseloffsky, in Belgien Scheler.
bedauern ist, dass Holland und England für die rom. Philologie
it gänzlich unfruchtbar sind.
Das letzte, 8. Kap. des II. Buches und somit des ganzen bis
10 Referate und Rezensionen. R. Schmidt,
jetzt erschienenen ersten Teils der Encyklopädie trilgt die Überschrift:
„Bemerkangen über das akademische Studium der romanischen
Philologie'^. Schon einmal hat sich der Verf. auf dem gleichen
Gebiete mit ausserordentlichem Glück bewegt, seine ^Gedanken und
Bemerkungeo über das Studium der neueren Sprachen^ sind noch
in lebhafter Erinnerung aller Derer, die sich überhaupt mit diesem
Studium beschäftigen; wie sie geradezu epochemachend wirkten
teils durch die Bedeutung der in ihnen aufgestellten Meinungen,
teils dadurch, dass sie die Veranlassung zu einer ganzen Reihe von
Schriften und Artikeln ähnlichen Inhalts wurden, so können wir
sicher voraussetzen, dass auch der vorliegende I. Teil der Encyklo-
pädie nicht zum mindesten wegen dieses letzten Kapitels sich bald
in den Händen aller Neuphilologen befinden wird. Der Wichtigkeit
seines Inhalts gemäss ist diesem Kapitel auch im Vergleich zu den
anderen ein bedeutend grösserer Baum zugestanden worden; es nimmt
ein ganzes Fünftel der Seitenzahl des eben erschienenen ersten Teils
in Anspruch, während die übrigen 16 Kap. in ^/^ der Seitenzahl
abgehandelt werden.
Wie es einem oberflächlichen Leser der erwähnten Broschüre
scheinen konnte, als wenn in ihr eben nur eine Anzahl ^Gedanken
und Bemerkungen'^ ordnungslos zusammengewürfelt wären, wie aber
der aufmerksame Leser bald merkte, dass jene „Gedanken und Be-
merkungen'^ sich nach einer planvollen, logisch-scharfen Disposition
entrollten, so ist ganz dasselbe auch hier der Fall. Wir geben zu-
nächst die Disposition, um dann etwas näher auf den Inhalt des
Kapitels einzugehen.
Als allgemeine Einleitung zum Kapitel dient § 1, der Lehrer-
beruf der Neuphilologen, als spezielle Einleitung § 2 — 3, die Vor-
bildung des Studenten der rom. Philologie (§ 2 das Lateinische,
§ 3 das Griechische). Es folgt dann der allgemeine Teil § 4 — 6,
Ort (§ 4-- 5) und Zeit (§ 6) des Studiums betrachtend: § 4 Wahl
und Wechsel der Universität, § 5 (p. 209 im Text dort fälschlich
§ 4 doppelt gezählt) der Aufenthalt im Auslande, § 6 (p. 210, im
Texte „§ 5^) Dauer des akademischen Studiums. Darauf folgt der
spezielle Teil, der vom geselligen (§ 7, p. 214 im Texte „§ 6")
und wissenschaftlichen (§ 8 — 10) Leben des rom. Studenten und
von den Gegenständen seines Studiums (§ 11 — 15) handelt. —
Die wissenschaftliche Thätigkeit § 8 — 10, eingeleitet von § 8
(p. 216, im Texte „§ 7"), der Studienplan, ist entweder eine recep-
tive (§ 9) oder produktive (§ 10), danach finden wir behandelt in
§ 9 (p. 217, im Texte „§ 8", im Inhaltsverzeichnis fälschlich
p. 219 angegeben; auf p. 221 ist „§ 9" zu streichen) die Vor-
lesungen, in § 10 (p. 222, im Inhaltsverzeichnis fälschlich p. 221
angegeben) die Arbeiten.
G. Körting, Encyklopädie untß Methodologie etc. 11
Die Gregenstände der wissenschaftUchen Thäügkeit des rom.
adenteo werden in § 11 — 15 dargelegt, zunächst in § 11 und 12
s besondere Objekt, das französische nnd zwar in § 11 das
anzösische nnd die übrigen rom. Sprachen, in § 12 das Altfran-
äische; schliesslich finden wir in § 13 — 15 die hinzutretenden
)jekte: § 13 die Hülfswissenschaften, § 14 die Sprachwissenschaft
d Sprachvergleichung, § 15 das Nebenfach.
G^ben wir jetzt, soweit es uns hier der Baum gestattet, einige
mptgedanken des Inhalts an ; sie und die vorhergehenden Inhalts-
^aben werden genügen, um den Wunsch rege zu machen, das vor-
gende Werk durch eigene Anschauung kennen zu lernen.
In der Einleitung werden zunächst § 1 die Licht- und Schatten-
ten des Lehrerstandes besprochen; der letzteren sind sehr viele:
nehmen einen breiten Raum ein. Das einzige Mittel, sich nicht
a ihnen entmutigen zu lassen, ist Begeisterung für den Beruf und
! ermüdendes wissenschaftliches Streben. Es werden mehrere
ten der wissenschaftlichen Arbeit angegeben, die sich besonders
: den rom. Lehrer eignen.
Spezielle Bnleitung (§ 2 — 3): die rechte Vorbildung zu
nem Fach kann der rom. Student nur auf dem Gymnasium er-
igen ; die Kenntnis und zwar eine sehr eingehende des Lateinischen
für ihn notwendig, die Kenntnis des Griechischen höchst wün-
enswert. Der Verf. spricht ausführlich über diese beiden Gegen-
nde, nimmt auch dort, wo er vom Griechischen handelt, ganz
ondere Bücksicht auf die romanischen Studenten mit Bealschul-
rbildung; mancher von ihnen wird ihm für die gemässigte Beur-
ung, für die billige Bücksichtnahme auf bestehende Verhältnisse
i vor allem für die gegebenen Batschläge dankbar sein.
Nach der Vorbildung schreiten wir zum allgemeinen Teil, zu-
hst § 4 zur Wahl der Universität. Dem „Fuchs" ist durch-
der Besuch einer kleineren ünivemtät anzuempfehlen, dort findet
leichteren Anschluss an ältere Kommilitonen und an Dozenten,
gerade für ihn von grosser Wichtigkeit ist; an einer grossen
iversität fehlt ihm meist jeder Wegweiser und die Vielartigkeit
Lehrstoffs verwirrt ihn. Einmal jedoch (höchstens zweimal) ist
Wechsel der Universität anzuempfehlen, derselbe geschieht
besten im 3. oder 4. Semester, wo der betreffende Student für
oder zwei Semester eine der grossen Universitäten (Berlin,
pzig, München) beziehen mag, besonders auch um grossstädtisches
en und Treiben kennen zu lernen. Zur Beendunj^ des Studiums
»fiehlt es sich wieder, nach der ursprünglichen kleineren Hoch-
ile zurückzukehren. — Ist es ratsam, während des Stadiums
längere Zeit ins Ausland (§ 5) zu gehn? Nein; eine solche
kürzung der eigentlichen Studienzeit zur Erlangung einer gewissen
12 Referate uruk Rezensionen. R. Schmidt,
Sprechfertigkeit, die auch dann nur selten erreicht wird, gestatten
jetzt nicht mehr die gesteigerten Anforderungen an die wissenschaft-
liche Durchbildung der Kandidaten. Zu empfehlen ist jedoch sehr
der Besuch des Auslandes nach dem Examen.
Die Zeit des Studiums (§ 6) beträgt sechs Semester; wenn
sie gewissenhaft benutzt werden, genügt sie wohl, aber an eine
Kürzung derselben ist nicht zu denken. Sie wird beschlossen zu-
nächst am besten durch das Doktor^Examen, dann durch das Staats-
Examen. Ernstlich wird gewarnt vor dem Verlassen der Universität
vor der Erledigung der Examina; wer es irgend möglich machen
kann, bleibe so lange als möglich in der geistigen Sphäre einer
Hochschule; die Hausmeisterei ist möglichst zu vermeiden.
Mit § 7 beginnt der spezielle Teil, zunächst vom geselligen
. Leben (§ 7) des rom. Studenten handelnd. Während seiner
Studienzeit soll auch der Jünger der rom. Philologie ein „Student^
sein in des Wortes ganzem und bestem Sinne, d. h. kein Duck-
mäuser und Familiensimpler. Nur ein ausgedehnter Verkehr mit
seines Grleichen bietet ihm die beste Erholung und Anregung, mag
er deshalb in eine „Verbindung" eintreten; empfehlenswerter ist je-
doch für ihn, weil in jeder Beziehung bedeutend vorteilhafter, wenn
er dem „Neuphilologischen Vereine" seiner Hochschule angehört.
Nachdem so kurz die gesellschaftliche Stellung des rom, Stu-
denten skizziert, folgen eingehende Betrachtungen über seine wissen-
schaftliche Thätigkeit (§ 8 — 10). Ein über allgemein gehaltene
Batschläge hinausgehender Studienplan (§ 8) lässt sich für diese
nicht entwerfen wegen der grossen Verschiedenheit der Vorlesungs-
cyklen; es ist das aber kein Mangel, denn der wahre Zweck der
Vorlesungen besteht im Lehren der rechten Methode des Studiums,
nicht in der Überlieferung von Wissenmaterial, das vielleicht bald
veraltet.
Von der receptiven Thätigkeit des romanischen Studenten in
den Vorlesungen handelt dann der folgende § 9. Es wird erst ihr
Wert, dann ihr Unwert betrachtet, d. h. erst der Unterschätzung
derselben, dann ihrer Überschätzung entgegengetreten: Das Lernen
durch Vorlesungen hat bedeutende Vorteile vor dem Lernen durch
Bücher, jedoch eine Überladung mit Vorlesungen verfehlt ihren
Zweck. Die Kunst des übersichtlichen und kritischen Mitschreibens
ist nicht leicht, aber wichtig, weil viele Zeit und Mühe' ersparend.
Im nächsten § 10 ist von der produktiven Thätigkeit des
rom. Studenten die Bede d. h. von seinen selbständigen wissenr
BohafUiohen Arbeiten. Dieselben haben etwa vom 3. Semester
an zu beginnen, da die ersten Semester meist reichlich in Anspruch
genommen werden durch Kollegienbesuch , propädeutische Vor-
bildung und — die Freude am Dasein. Stoff zu Arbeiten
G. Körting, Encyklopädie und Methodologie etc. 13
)tet gerade die rom. Philologie in übeiTeicher Menge; es werden
ispielsweise vom Verf. für zwei yerschicdene Stufen geistiger Ent-
ckelung eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Arbeit^ebieten
rgeschlagen; auch praktische Ratschläge für die Abfassung von
beiten angegeben: vorhergehende Bekanntmachung mit der Litteratur
3 betreffenden Gegenstandes, Sammlung des Materials meist am
3te4 auf einzelnen Zetteln geschehend, Entwurf einer ausführlichen
äposition, knappe sachgemässe Ansfühniog, keine langen Einleitun-
1, Meiden von Oemeinplätzen und schöngeistigen Reflexionen, be-
leidene, rein sachliche Kritik, genaue Angabe des Entlehnten und
r Quellenschriften. Als Muster solcher fachwissenschaftlichen Ar-
iten werden dann acht Schriften genannt und jedem rom. Philo-
;en das Studium derselben dringend empfohlen.
Mit § 11 geht der Verf. über zu seinen Betrachtungen über
) Gegenstände der wissenschaftlichen Thätigkeit des romanischen
identen, zunächst in § 11 und 12 über das Französische. Das-
be bildet mit Recht den Hauptgegenstand des Studiums
11); jedoch dürfen die anderen rom. Sprachen, besonders das
.lienische, nicht vernachlässigt werden; man soll sich wenigstens
viel Kenntnisse in jeder erwerben, um nötigenfalls ein in ihnen
ichriebenes wissenschaftHches Buch lesen zu können.
§ 12 geht dann speziell auf das Studium des Französi-
len ein, besonders auf das Verhältnis der altfranzösischen Studien
den neufranzösischen. Es wird ausführlich nachgewiesen, wie die
teren mit Recht das Übergewicht haben: Die wissenschaftliche
kenntnis des Neufranzösisehen ist notwendig auf der Kenntnis des
bfranzösischen begründet: beide sind unzertrennlich, von beiden ist
)r das Erstere die Grundlage und Grundbedingung, das Letztere
Folge; aber nicht etwa die Nebensache, das zeigen volle fünf
ten, auf denen sich der Verf. mit diesem Gegenstande beschäftigt
1 die reich sind an praktischen Winken über das Studium desselben.
Die folgenden und letzten drei Paragraphen des Kapitels
13 — 15) behandeln die übrigen mit mehr oder weniger Not-
adigkeit geforderten Gegenstände des wissenschaftlichen Studiums.
13 zunächst die Hülfswissenschaften; unter ihnen sind be-
iders drei zu nennen: die lat.einische Philologie, die deutsche
Uologie und die Geschichte. Von der ersten wurde schon in § 2
gehend gesprochen, sich mit der zweiten thunlichst zu bescMftigen,
Ehrensache jedes wissenschaftlich gebildeten Deutschen, die dritte
von grosser Wichtigkeit für das Verständnis der Litteraturge-
ichte. Besonders ist Kulturgeschichte (und speziell wieder die
Mittelalters) zu berücksichtigen; eine Anleitung zum Studium
selben giebt der Verf., indem er auch eine Reihe der Hauptwerke
selben namhaft macht. Im § 14 wird zunächst eindringÜch vor
14 Referate und Rezensionen. Fr. Dön',
der Polyhistorie gewarnt ; der Sprachwissenschaft kann der Studierende
auch nur wenig Zeit widmen, dagegen scheint die Vergleich ung der
rom. Sprachen mit anderen sekundären Sprachen (besonders dem
Neugriechischen) eher ein fruchtbringendes Arbeitsfeld zu werden. —
§15 behandelt zuletzt kurz das Fach, welches bis jetzt als Neben-
fach des Französischen gegolten hat, und welches so wenig sich
dazu eignet, das Englische; seine Stelle wird hoffentlich in nicht zu
langer Zeit das Lateinische einnehmen; die Zusammenkoppelung des
Französischen und Englischen wird als wissenschaftlich unberechtigt
nachgewiesen.
Zum Schluss folgen „Litteraturangaben^, die ja gerade für
dieses Kapitel nur sehr spärlich ausfallen konnten; die Lücken der-
selben werden indess zum nicht geringen Teil durch den reichen
Inhalt des Kapitels selbst ersetzt.
R. Schmidt.
0. Danker. Die Realgymnasien bezw. Realschulen L 0.
und das Studium der neueren Sprachen. Mit einem
Vorwort an alle früheren Schüler der Realschulen L 0.
und Realgymnasien und eine Besprechung der Schrift des
Professor Dr. Körting in Münster: „Gedanken und Be-
merkungen über das Studium der neueren Sprachen auf den
deutschen Hochschulen '^ unter Berücksichtigung der darüber
erschienenen Beurteilungen. Kassel, 1883. 8^. 92 SS.
Vor kurzem fiel mir die oben bezeichnete Flugschrift des Dr.
Dank er, ord. Lehrers am Realgymnasium in Kassel, in die Hände.
Ich verfolge als Dirigent einer Mädchenschule den Streit zwischen
Gymnasium und Realgymnasium nicht mit dem Interesse eines un-
mittelbar Beteiligten. Daher hatte ich seit einiger Zeit Flugschriften
derart nicht gelesen. Je weiter ich aber bei der Lektüre dieses
Heftchens gelangte, desto eigener ward mir zu Mute, und da das
Französische darin auch behandelt wird, so glaubte ich bei Herrn Prof.
Koschwitz anfragen zu dürfen, ob er mir die Spalten dieser Zeit-
schrift zu einer Besprechung öffnen wolle. Derselbe hatte die
Schrift noch nicht gesehen; gestattete mir aber etwas darüber zu
sagen in der Voraussetzung, dass es in massvoUer, sachgemässer
Weise geschehe. Ich will versuchen dies zu thuu, und es ist mir
um so mehr geboten, als Prof. Koschwitz selbst insbesondere in der
Schrift des Herrn Danker in einer Weise angegriffen wird, welche
ich ebenfalls werde etwas näher beleuchten müssen. ^
^) [Durch obige Rezension unseres geehrten Mitarbeiters, Herrn
Dir. Dörr, aufmerksam geworden, habe ich mir ein Exemplar der von
O. Danker, Die Realgy^nimsien hezw. Realschulen I. 0. 15
Die Abhandlang, von welcher die Schrift den Titel trägt,
mmt 20 Seiten ein; ihr geht (bis p. 16) ein Vorwort an alle
dheren Schüler der Realgymnasien voraus, und von p. 38 — 88
Igt eine Besprechung der Schrift des Herrn Prof. Körting über
LS Studium der neueren Sprachen auf den deutschen Hochschulen
id einiger Kritiken dieser Schrift
Das Vorwort ruft alle früheren Bealgymnasiasten auf, mit
ort und That ein^treten für die Schule, aus welcher sie hervor-
gangen, damit die ^gute Sache ^ triumphiere. Es behandelt haupt-
chlich die Gutachten der verschiedenen Universitäten und die
asserungen einzelner Professoren über die Zulassung der Beal-
'mnasiasten zum Studium der neueren Sprachen, wie über ihre
3istungen als Studenten im allgemeinen. Die Urteile, welche sich
ir das Realgymnasium aussprechen, finden warme Anerkennung;
tgegenstehende Äusserungen werden als ^sonderbar'', ^exzentrisch,"
zweifellos übertrieben '^ bezeichnet. Von Kiel heisst es: ^DasVor-
ihen der Kieler Fakultät ist genügend gebrandmarkt worden^,
it bezug darauf mahnt Herr Danker, ^ nicht dem Vorurteil,
ndern der Wahrheit Verbreitung zu verschaffen^; dem Kultus-
inister wird vorgeworfen, er habe im Abgeordnetenhaus zwar auf
e ^ meist auf zufälligen einzelnen Erfahrungen beruhenden Gut-
hten^, ^leider" aber nicht auf die ^den Realgymnasien bis jetzt
lustigen^ Prüfungsresultate Rücksicht genommen; von früheren
hülem des Realgymnasiums, welche als Studenten in ihrer Vor-
Idung Mängel fanden, wird gesagt: „Die Rücksicht auf die wahr-
heinlich (I) dem betreffenden Studierenden bekannte Vorliebe der
srren Professoren für das Gymnasium mag deshalb doch wohl
ch die erwähnten Äusserungen beeinflusst haben. Es gibt auch
decher (!) von dieser Sorte. ^ Wer aber für das Realgymnasium
itritt ^in männlicher, selbstbewusster Weise^ (^allerdings ohne
)erhebung^), der wird seinem Vaterlande, der Anstalt, die ihn
rgebildety und sich (I) einen grossen Dienst erweisen (p. 14).
Zu Eingang der nun folgenden Betrachtung über die Real-
m besprochenen Broschüre verschafiFt. Da ich in ihr einige unwahre
igaben über mich vorfand, forderte ich Hn. Danker zu einer ötfent-
hen Berichtigung derselben auf. Er antwortete mir mit einem vier-
in Seiten langen, für ihn charakteristischen Briefe und stellte die
iröfTentlichung desselben sowie meines an ihn gerichteten Schreibens
Ausaichtf wozu ich ihm ohne weiteres meine Einwilligung g^b. Auch
^en eine von mir ausgehende Publikation seiner Zuschrift an mich
t Hr. Danker keinen Einspruch erhoben. Ich erlaube mir daher, zur
fklärung über die Sonderart des Verfs. im Folgenden einige inter-
ante Stellen aus seinem Briefe in Anmerkungen mitzuteilen ; sie werden
zu beitragen, das oben gesagte in ein noch helleres Licht zu stellen.
E, IC.]
16 Referate und Rezensionen. Fr. Dörr,
gymnasien und das Studium der neueren Sprachen fordert Herr
Danker frühere RealgymnasiaL-Abiturienten, welche anderen Berufs-
zweigen sich gewidmet haben, auf, ^in ähnlicher Weise die Vorzüge
ihrer Bildung dai'zulegen'^; er scheint diesen Teil also als Darlegung
der Vorzüge seiner Bildung (oder überhaupt der Bildung von auf
Realgymnasien vorgebildeten Neusprachlern) zu betrachten. Dann
stellt er zwei Fragen: „1) Genügt die Vorbildung der Eealgymna-
sial- Abiturienten für ein wissenschaftliches Studium der neueren
Sprachen?" und „2) Welche Vorteile zieht das Studium der neueren
Sprachen selbst aus der Berechtigung der Realgymnasial-Abiturienten
zu diesem Studium?"
Er findet bei Beantwortung von 1, dass nach den Lehrplänen
von 1882 „die lateinischen Kenntnisse der R.-G.- Abiturienten für
ihr Studium vollständig genügen". „Die Professoren, welche künftig
den R.-6.-Abiturienten zu (!) mangelhafte Kenntnisse im Lateinischen
vorwerfen sollten, würden jedenfalls noch weniger Glauben
finden als bisher, und es dürfte den Verteidigern der R.- Gym-
nasien dann auch nicht schwer werden, die Grundlosigkeit solcher
Behauptungen nachzuweisen." — ^Der einzige Mangel, welcher den
R.-G.- Abiturienten vielleicht vorgeworfen werden kann, ist die Un-
kenntnis des Griechischen. Darüber wird nun mehr Geschrei er-
hoben, als nötig ist." Indessen „um dem R.-G. Ruhe und eine
neue Blüte zu verschaffen, fordere ich die R.-G.-Abiturienten
. . . dringend auf, sich in den ersten Semestern dasjenige Mass
griechischer Kenntnisse anzueignen, welches die meisten Pro-
fessoren zufrieden stellen wird, damit der Agitation gegen
die Zulassung der eigentliche Boden entzogen wird^. Er wendet
sich dann noch besonders gegen Prof. Koschwitz und G.- Direktor
Reisacker, wobei er eine Äusserung des ersteren als „ganz thöricht"
bezeichnet;^) tritt dafür ein, dass „die Realschulmänner die volle
^) [Die betreffende Stelle bei Danker lautet: „Als ganz thöricht
aber wird jeder, der da weiss, dass eine Schule, wie alles in der Welt,
nicht vollkommen, sondern nur relativ gut sein kann, die Forderung
des Prof. Koschwitz abweisen, den Schüler, wenn für einige Fächer ein
doch selbstverstöndlich leichtes Nachexamen auf der Universität ein-
geführt würde, doch lieber gleich aufs Gymnasium zu schicken. Es
bleibt doch immer der Unterschied bestehen, dass auf dem G3nnna8ium
sechs Jahre lang das Griechische neben dem Lateinischen (He Haupt-
arbeitskraffc des Schülers in Anspruch nimmt, während dieselbe auf
dem Realgymnasium der Mathematik, den Naturwissenschaften und
den neueren Sprachen neben dem Lateinischen zugewendet wird. Das
bleibt doch wahrlich immer noch ein gewaltiger Unterschied.^ Es ist
klar, wo hier die Thorheit liegt. Wenn man von dem Neuphilologen
eine möglichst gründliche Bekanntschaft mit dem Griechischen ver-
langt, so muss man bei gesundem Menschenverstände eben in folge
des von Hn. D. konstatierten gewaltigen Unterschiedes dem flüchtigen
0. Danker, Uealfßjmnasieix und Realschtden 1. 0. etc. 17
ieichberecbtigung erstreben"; bemerkt, dass „von sachkundiger Seite
e Kenntnis der griechischen Sprache, selbst für die griechische
irminologie der Medizin, als sehr unwesentlich betrachtet" werde;
id handelt noch weiter von der Art, wie R.-G.-Abiturienten beim
udieren der Medizin, Jurisprudenz, Theologie, „alten" Philologie
3h mit dem Griechischen einrichten könnten. Zum Schlüsse hofft
y „dass jeder unbefangen (!) Urteilende zu dem Resultat gelangt,
>ss es unbillig ist, von den R.- 6. -Abiturienten dasselbe Mass
istiger Ausbildung zu verlangen (!), wie von den G.-Abiturientjßn,
aen dieselben materiellen Opfer aufzuerlegen und ihnen dann
bliesslich fast alle Fakultäten zu verschliessen".
Als ,,Gesamtantwort auf die zweite Frage ergibt sich . . .":
)ie Existenz der Realgymnasien, welche augenblicklich in nicht
ringem Grade mit bedingt ist durch die Berechtigung, ihre Abitu-
inten zum Studium der neueren Sprachen zu entlassen, ist, be-
aders da auch in der erwarteten Einheitsschule der Löwenanteil
n alten Sprachen, der Mathematik und den Naturwissenschaften
fallen würde, auf die Dauer eine Lebensfrage für die Blüte des
adiums auch auf den Universitäten ..." Für die Lehrer an den
)errealschulen werde die „sogenannte wissenschaftliche Grundlage",
>nn er sie „nicht irgendwie verwerten" könne, „an Wert verlieren".
1 den Gymnasien spielen die neueren Sprachen „nur eine klägliche
>lle"; auch sind die Lehrer dort gewöhnlich schlechter vorge-
det (p, 18). (
Wer meiner Inhaltsangabe bis hierher gefolgt ist, wird sie
vas bunt finden; das ist nicht meine Schuld. Ich habe versucht,
i Frage 1 Herrn Danker zu folgen; er berührt aber so vielerlei
d so wenig, was zur Frage selbst gehört, dass man den Faden
r zu leicht verliert. Was haben die Ausführungen über etwaiges
iechisch für den Neuphilologen auf der Schule oder Universität,
er völlige Gleichberechtigung, über Griechisch und Medizin, Juris-
idenz u. s. w., über die Notwendigkeit gründlicher mathematisch-
burwissenschafÜicher Schulung für den Mediziner, über propädeu-
3he Vorlesungen, über Goethe's Kenntnisse im Griechischen mit
• Frage zu thun: Genügt die Vorbildung der R.-G.- Abiturienten
' ein wissenschaftliches Studium der modernen Sprachen?
s ist alles, und noch mehr dazu, auf 13 Seiten behandelt; dass
' eigentliche Nachweis etwas dürftig ausfällt, ist nicht zu ver-
ndem.
Am ausführlichsten aber bespricht Herr Danker Prof. Körting's
.chstudium des Griechischen an der Universität die sechs Jahre lange
ichäftigung des Gymnasiasten mit dem Griechischen vorziehen und
ler den Gymnasialbesuch empfehlen. E. K.]
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. Vis. n
18 Referate und Rezetisionen. Fr. Dörr,
Schrift und die Rezensionen derselben durch die Professoren Eosch-
witz, Kölbing, Trautmann. Eifrig und, wie ich glaube, mit Recht
tritt er für die Errichtung von besonderen Professuren für Neu-
französisch und Neuenglisch ein. Prof. Körting kommt im ganzen
noch ziemlich glimpflich weg, ausser wo Herr Danker anderer An-
sicht ist als er; da bekommt er auch etwas ab. Auch Prof. Traut-
mann gehts ganz gut; er ist so glücklich, vielfach mit Herrn Danker
übereinzustimmen und erhält dafüi* entsprechendes Lob. Aber den
Henen Koschwitz und Kölbing muss Herr Dr. Danker leider ein
recht schlechtes Prädikat geben; diese Herren haben auch den
massigsten Anforderungen nicht genügt; sie sind in keiner Weise
für das Realgymnasium als brauchbar zu erachten.
Ich glaube durch meine Inhaltsangabe und die Zitate aus
Herrn Danker's ersten zwei Teilen schon gezeigt zu haben, dass
Herr D. sich bei seinen Ausfühiiingen lediglich von Nützlichkeits-
rücksichten lenken lässt, und dass er in der Wahl der epitheta
ornantia für wirkliche oder vermeintliche Gegner nicht ängstlich
ist. Diese beiden Charakteristika treten im dritten Teil noch viel
schärfer hervor. Herr D. denkt immer nur daran, dass die Berech-
tigungen des Realgymnasiums erweitert müssten werden; immer
wieder heisst es: ceterum censeo ... — Mit Stolz und Beschämung
erfüllt es einen, wenn man liest, was Körting von einem Neusprachler
verlangt: mit Stolz, dass er unseren Beruf so hoch stellt, dass er
eine so vielseitige und umfassende Bildung für denselben erforderlich
hält; mit Beschämung, dass der Einzelne selten oder nie im Stande
ist, solch idealen Forderuogen auch nur einigermassen zu entsprechen.
Herr Dr. Danker wendet sich gegen jede ideale Auffassung, das
nackte Nützlichkeitsprinzip ist sein Leitstern; wer mehr verlangt,
als etwa Herr Dr. Danker leistet, gehört nach Utopien. Er hat ja
sogar seit einigen Monaten griechisch angefangen, da er gerade
Müsse hatte; was kann man mehr verlangen? Wer aber mehr ver-
langt» wehe dem!
Es bleibt nicht bei „ezcentrisch", „zweifellos übertrieben,"
„sonderbar" (obschon Herr D., der ja in Strassburg viel mit Re-
ferendaren verkehrt hat, und dessen meiste Bekannte vom Real-
gymnasium her „1. Chargierte" wurden, wohl weiss, dass dies schon:
Tusch — oder Touche? — ist); o nein, es kommt kräftiger: „gehässig,"
„schlechterdings unwahr,^ „oberflächlich," „leichtsinnig," „einfach
unwahr," „beleidigende Entstellung der Wahrheit," „durchaus un-
wahr;" det flutscht better, sagte der Pommersche Ländwehrmann
und schlug mit dem Kolben drein. Was müssen die Herren Pro-
fessoren Koschwitz und Kölbing doch für schändliche Charakteit»
sein! Damit ist Herr Danker aber noch nicht zufrieden; er muss
sie noch direkter packen. Da warnt er jeden R.-G.- Abiturienten
0. Danker, Realgymnaisien und Realschüen I. 0. etc. 19
ernstlich, nach den Hochschulen hinzugehen, wo „diese Herren" do-
zieren; da findet er, man werde „allerdings bald nur noch über
solche Professoren lächeln, die ... so etwas aufzutischen wagen
sollten '^j über diese Dinge (die Rolle des Englischen auf dem
R.-G.) haben sie „im Grunde gar nicht mitzureden ''. und zur
völligen Vernichtung des Herrn Prof. Koschwitz, „dieses grossen
Pädagogen," wird dann nach dem Vorgange des Herrn Dr. Löwe-
Bernburg (der den Teilnehmern an einer gewissen Sitzung der päda-
gogischen Sektion auf dem Trierer Philologentag in heiterer Erinne-
rung steht) erwähnt, Herr K. habe »in der kurzen Zeit seiner
Wirksamkeit" an einer Realschule „schlechte Erfahrungen machen
müssen",^) und es wird ihm versichert: „Wären Sie jetzt noch an
einer Schule angestellt, so würde man Ihrer Ansicht wahrscheinlich
sehr wenig Gewicht beilegen ; jetzt, da Sie von pädagogischen Fragen
wahrscheinlich noch weniger verstehen, wird man Sie auch danach
behandeln".
Herr Doktor, Herr Doktor, Sie waren übel beraten, als Sie
das schrieben, und wenn man Sie behandelt, wie es solche Dinge
verdienen, so würde Ihnen entweder eine Lessing*sche Abferti-
gung zu teil (lesen Sie einmal nach, was L. von denen sagt, welche
nicht mit Gründen, sondern mit Persönlichkeiten und Invectiven
fechton), oder man schweigt ganz still, da man gegen solche Waffen ,
doch nur mit Widerwillen kämpfen könnte. Auch habe ich keines-
ivegs deshalb mich an den Schreibtisch gesetzt, um einen Kampf
mit Ihnen zu beginnen. Aber es schien mir der Mühe wert, an
Ihrem Schriftchen zu zeigen, in welcher Weise der Kampf für Real-
g'ymnasium (und Gymnasium?) jetzt geführt wird, und davor zu
ivarnen, dass man diesen Weg weiter gehe. Womit soll das enden?
Wer gibt mir denn das Recht, meinen Gegner zu beleidigen und
persönlich herabzusetzen? Hat er nicht so gut Anspruch darauf, dass
ich voraussetze, er kämpfe für das, was er für wahr und recht
hält, wie ich verlange, dass er dies von mir thue? Warum sollen
^) [Es ist ebenso unwahr, dass ich nur kurze Zeit an einer Real-
}chule im praktischen Lehramt thätig war, wie dass ich an einer
lolchen schlechte Erfahrungen gemacht habe, wenn nicht etwa damit
[ie allerdings von mir beobachtete, bedauerliche Beschaffenheit einer
Anstalt gemeint ist, deren Direktor bald nach meinem Austritt
.US derselben der Degradation nur durch seinen plötzlichen Tod ent-
ing"- Hr. Danker h'ätte das alles ganz gut wissen können, wenn er
ewollt hätte; aber er schreibt mir selbst: ich muss bemerken, „dass
;li . . . nur Lowe's eigene Worte gegeben und damit keinerlei Ver-
ntveortung für die Wahrheit derselben übernommen habe".
'eiiiG Berichtigung der Löwe'schen Behauptung will er übersehen
jjoen, obgleich sie dieser in derselben Ztg. f. d. höh. Unterrichts-
esexi auf dem Fusse gefolgt ist. E. K.] '
2*
20 Referate und Rezensionen. Fr. Dörr,
meiae Freunde alle vortrefflich und meine Gegner alle nichtsnutsdg
sein? Wie, wenn nun der Spiess umgekehrt würde? Glaubt denn
Herr Dr. Danker, es würde so schwer sein, ihm und den Freunden
des Bealgymnasiums auch einmal persönlich eins anzuhängen? Hält
er seine Aufstellungen alle für unanfechtbar? Er beweifelt Herrn
Prof. Eoschwitz Kenntnisse im Englischen.^) Sollte sich nicht
unter den von ihm genannten dem R.-G. freundlichen Professoren
einer oder der andere finden, bei dem es da auch ein wenig haperte?
U. ä. m.
*) Es wird die Leser interessieren zu erfahren, wie Hr. D. zu
seiner Kenntnis von meinem geringen englischen Wissen gelangt ist.
Er schreibt mir darüber: „Es ist mir allerdings von sehr nahestehen-
der Seite berichtet worden, dass Sie bei Ihrer Berufung nach Greifs-
wald einem Strassburger Bekannten, der Sie gefragt hatte, wie Sie
denn mit Ihren Kenntnissen im Englischen in Greifs wald fertig zu
werden gedächten, geantwortet hätten: damit würden Sie sich schon
durchhelfen, oder derartiges. Aus einer solchen Frage geht doch
zweifellos hervor, dass man in Strassburg der Ansicht war, Sie besässen
nur mangelhafte Kenntnisse im Englischen. Aus der Ihnen zugeschrie-
benen Antwort geht aber ebenso die Bestätigung jener Ansicht Ihrer-
seits hervor.^ Seihe Quelle ist also Klatsch, una noch schlimmer, die
ganze Geschichte ist erfunden. Da ich zur Zeit meiner Berufung
nach Greifswald in Kiel weilte (wo ich nach Hn. D.'s Wissen niemals
als Dozent thätig gewesen bin!), und wusste, dass ich hier nur die
romanische Philologie zu vertreten haben würde, so hatte ich nicht
die geringste Gelegenheit, mich mit Strassburger Bekannten über meine
englischen Kenntnisse zu unterhalten. So viel englische Kenntnisse
wie für einen Romanisten notwendig sind, sogar noch etwas mehr,
habe ich mir übrigens immer zugetraut; Hr. D. möge sich in Bezug
darauf beruhigen. Doch hat derselbe noch andere triftige Gründe,
mir englisches Wissen abzusprechen. Er schreibt mir nämlich des
weiteren: „Meine Ansicht von Ihrer Kenntnis des Englischen gründet
sich hauptsächlich auf Ihre Bemerkung, das der neuere Philologie stu-
dierende Gymnasial - Abiturient „„ohne besondere Schwierigkeit"" das
ihm an neusprachlichen Vorkenntnissen fehlende ergänzen werde.
Ich habe mich auf der Universität etwas eingehender mit dem Engli-
schen beschäftigt und weiss, dass auch zu einer genaueren Kennt-
nis des Englischen ein längeres angestrengtes Studium gehört, deshalb
kann ich nur annehmen, dass ein Professor, der das Nachholen des
Englischen für so leicht hält wie Sie, noch nicht tief in das Studium
dieser Sprache eingedrungen sein kann." Das ist eine sonderbare
Schlussfolgerung! Auf dieselbe Weise kommt Hr. D. in seiner Schrift
S. 71 auch zu dem Resultat, dass ich ein ungründlicher Professor des
Französischen sein muss. Man wird sich also nicht wundern, wenn er
mit gleicher Schärfe argumentierend fortfährt: „Ich kann also so lange
nicht bekennen, dass ich falsch berichtet bin, als bis ich aus Ihren
Arbeiten entnehme, dass sie die von Körting auch an den Romanisten
gestellten hohen Anforderungen erfüllen, zumal mir auch ein Professor
des Romanischen versicherte, dass unter den jüngeren Professoren des
Romanischen wenige seien, welche das Englische einigermassen be-
herrschten. Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mich auf
0. banker, Realgymnasien und Realschulen I. 0. etc. 21
Er aagt so oft „wahrscheinlich", „vermutlich," und koUpft;
ganz beatimmt« Schlnssfolgerungen daran. Wenn nun jemand be-
hauptete, Herrn Danker'a Logik stunde auf schwachen Fttssen, und
er behandle Dinge, die er eben als wahrscheinlich bezeichnet habe,
gleich ale bewiesene Thatsachen! Was dann? Und damit geschtiie
Herrn D. nicht einmal so grosses Unrecht Wenn aber nur gar je-
mand sagte, Uber das Gymnasinm könne er gar nicht mitsprechen,
er sei ja weder dessen Schüler noch Lehrer daran gewesen, letzteres
könne er nicht einmal werden? Oder wenn man ihm alle Kompetenz,
Einrichtungen fttr Uaivei'sltftt«n zu bearteilen oder gar vorzuschlf^n,
absprttcbe, da er ja doch nicht Universitätsieb rer ist? Oder wenn
man sagte, er könne doch gewiss nicht über irgend jemaadea pfidar
gogische Kenntnisse urteilen, da ja bekanutermassen die Lehrer an
höheren Schulen von Pädagogik wenig oder nichts verständen tmd
anch meist nichts davon wissen wollten ? — Ja, das wÄre denn wohl
freilich nicht schön, und Herr Danker wäre gewiss erzUmt darüber.
Finge man nnn gar noch an zu behaupten, seine Äossemngen seien
sonderbar, ezcentrisch, zweifellos Übertrieben, ja gehässig, oberflUch-
lieh u. s. w. (wie vorher zu lesen), oder IStme man gar auf Herrn
Danker's persönliche Erfahrungen als Mensch und Lehrer zu sprechen,
so hätte er wohl recht sich sn beschweren, dass man „unfair" mit
ihm ver&hre. Ja, ja, Herr Doktor, was dem Einen recht ist, ist
dem Andern Inllig.
Ich bin kein Feind der R.-Gyranasien ; ich bin auch nicht ihr
Freund. Die Freunde derselben bitte ich aber, sie vor solcher Ver-
teidigung zu schützen; ein solcher Ton kann ihnen bloss schaden.
Ich bin auch kein Freund der Gymnasien; sie scheinen mir ebenso
wie die B.-Gymnasien bessemngsbedürftig. Der ganze Streit aber
um die Berechtigungen ist unerfreulich; zum mindestens sollte er
sachlich geführt werden, sonst wird er ganz unerträglich. Bade
22 Referate und Rezensionen, W. Scheffle^',
R.-6. noch besser werden könne; und die Heisssporne des Gymnar
siums wollen auch von einer Reform nichts hören, und so bekäm-
pfen sie sich so lange, bis sie beide fallen. Denn von allen Seiten
erwachsen ihnen die Feinde, und wer die Strömung der Zeit hier
verfolgt, der sieht, dass eine ümwälzang sich sicher vorbereitet.
Dabei wird aber, ti*otzdem dass Herr Danker sie für utopisch hält,
die Einheitsschule auch ihr Wort mitsprechen. Die Forderungen,
welche Wissenschaft, Pädagogik, praktisches Leben stellen, zu ver-
einen, ist allerdings unendlich schwer; eine Schule herzustellen, aus
welcher ein an Körper und Geist gesunder, in allem notwendigen
wohl unterrichteter, in Sittlichkeit und ernstem Streben fest gegrän-
deter Jftngling hervorgehe, ist eine hohe Aufgabe. Sie muss aber
gelöst werden um unseres Volkes, unserer Zukunft willen. Der
jetzige Zwiespalt, der keinem gentigt, darf nicht dauern. Der Zank
um Berechtigungen, soziales Ansehen u. dergl. muss verschwinden.
Daran sollten alle gemeinsam arbeiten und nicht einseitige Standes-
und Schulinteressen verfechten und dem Gegner die bedenklichsten
Dinge vorwerfen. Im Grunde ist es hoffentlich so schlimm nicht
gemeint, aber es sieht wahrlich bitterböse aus, und was sollen die
anderen Stände von uns denken? Drum: seid einig, einig, einig!
Wenn Herr Danker mir vielleicht zürnt, dass ich gerade an
ihm die Probe gemacht, so verzeihe er; seine Schrift war das Kräf-
tigste, was ich auf dem Gebiet gesehn; er selbst ist mit der betr.
Litteratur vertrauter und weiss am Ende noch kräftigeres, mich
verlangt nicht danach. Vielleicht gebe ich später einmal meine
Gedanken über die Einheitsschule zum Besten, und es soll mich
freuen, wenn Herr Danker sie dann recht entschieden und — sach-
gemäss beurteilt.
Fr. Döer.
Anleitung zum französischen Aufsatz von R. Wilcke, Ober-
lehrer an dem Königl. Gymnasium und dem Bealpro-
gynmasium zu Hamm. Hamm, 1883.
Die vorliegende Anleitung, ein Seitenstück zu des Verfassers
^Englischem Aufsatz^ (Berlin 1881, Bomträger), versucht es, die
gerade auf dem Gebiete der Stilistik und Rhetorik reiche franzö-
sische Litteratur für die Zwecke der Schule, speziell für die Zwecke
des französischen Aufsatzes nutzbar zu machen. Ich will gleich
voranschicken, dass die Arbeit mit liebe und Sorgfalt unternommen
ist, sich durch übersichtliche Anordnung und knappe Sprache nicht
minder auszeichnet, wie durch geschickt eingefiochtene, inhaltreiche
Beispiele. Es fragt sich jedoch, ob es notwendig gewesen wäre,
gewissermassen ab ovo zu beginnen. Bei Schülern der obersten
R. WUcke, Anleitung zum franz. Aufsatz.
23
Klassen, um welche allein es sich handeln kann, mnss angenommen
werden, dass sie dasjenige, was Teil I und Teil II gibt, nämlich
Erläuteningen der allgemeinsten, auf den Aufsatz bezüglichen Ge-
sichtspunkte, bereits aus der lateinischen, namentlich aus der deut-
schen Stunde hinlänglich kennen. In Teil lU dagegen, welcher vom
Stil im niederen, wie im höheren Sinne handelt, wird vieles gegeben,
was über die Ziele des Aufsatzes hinausgeht und nur dazu dient,
den Schüler auf die Schönheiten der einzelnen Autoren hinzuweisen,
welche er liest. Wie die Dinge einmal in der Schulpraxis liegen,
ist der Schüler meist gar nicht im Stande, dasjenige in seinem
Aufsatz nachzuahmen, was ihm als besondere Feinheit bei der Lek-
türe des Schriftstellers entgegentritt Wenn schon bei dem deutschen
Aufsatz mehrfach Klage erhoben wird, dass es demselben an Ge-
danken, Feuer und Schwung fehle, um wie viel mehr wird man
diese Eigenschaften vermissen, wenn es sich darum handelt, diese
„Gedankenarmut^ in eine fremde, zumal in eine Sprache zu pressen,
welche in ihrem Satzbau von unserer deutschen Muttersprache so
wesentlich verschieden ist.
Ich hätte daher mehr gewünscht, dass das Werk nicht aus-
gegangen wäre von dem französischen Schriftsteller und den von
Franzosen für ihre Schüler gelieferten Anleitungen, sondern aus
der Schulpraxis heraus geboren wäre und den deutschen Schüler
hingewiesen hätte auf jene Punkte, in welchen er vor allem fehlt,
wenn er französisch zu schreiben versucht. Seit vielen Jahren habe
ich an der Prima des Vitzthum'schen Gymnasiums bei der Korrektur
der französischen Aufsätze immer wieder und wieder auf ganz be-
stimmte Gruppen von Fehlem hinzuweisen gehabt, welche durch
ihre stetige Wiederkehr zeigen, dass sie speziell dem Deutschen
3igentümlich sind. Diese Sammlungen, diese Statistik der Fehler,
ivonn ich mich so ausdrücken darf, gedenke ich selbst — bei grösse-
rer Müsse — meinen Kollegen nicht vorzuenthalten, mache aber
jetzt schon darauf aufmerksam, dass eine kleine Arbeit in ähnlicher
Elichtung sich als Anhang in den von Dr. Otto Liebe herausgegebenen
[jbersetzungsaufgaben zur Einübung der französischen Grammatik
indet. Auch Wilcke's Buch enthält einzelne solcher Punkte, wie
sie mir als besonders nützlich vorschweben, so S. 45, 3, wo vom
^atzbau die Bede ist. Hier ist sehr richtig hervorgehoben, dass
las Deutsche eine Vorliebe für Nebenordnung, das Französische für
Jnterordnung habe. Das Beispiel, welches ich mir in anderer
xriippierung vorzuführen gestatte, lautet:
Die Asche des Brutus wurde
einer Frau Porcia . . . gesandt,
Lie dem Beispiele ihres Gemahles
olgte und sich tötete.
Les cendres de Brutus furent
envoy^s ä. sa femme Porcia . . .
qui, suivant Texemple de son
äpoux, se tua.
24 Referate utid Rezensionen. W. Scheffier,
Es ist ferner richtig daranf hingewiesen, dass der Franzose
nicht unnötiger Weise mit dem Subjekte wechsele, dass er mehr
Partizipial- und Infinitiv -Konstruktionen gebrauche u. s. f., ohne
dass jedoch diese Begeln, welche für die Praxis von besonderem
Werte sind, durch Beispiele belegt worden wären. Dieses Hesse sich
bei einer späteren Auflage leicht nachholen, da dem Verfasser, wie
Jedem, der auf gleichem Gebiete gearbeitet hat, sicherlich eine reiche
Anzahl von Beispielen zu Gebote steht.
Auch in den aiif den Wohllaut bezüglichen Stellen (8. 46 ff.)
finden wir neben einzelnen praktischen Winken für den Aufsatz
wiederum eine Beihe von Punkten, welche über dieses Ziel hinaus-
gehen, sich nur für die Erläuterung französischer Schriftsteller ver-
werten lassen. Sehr richtig sagt der Verfasser: „Jede Art des
Gefühls, jede Leidenschaft, die den Menschen erregt, hat ihre spezi-
fische sprachliche Ausdrucksweise". Aber welchem Primaner, so
frage ich, steht denn jemals im französischen Aufsatze diese Aus-
drucksweise zu Gebote?
Wenn Wilcke femer die Klarheit als Spezifizicum des Fran-
zösischen hinstellt, so könnte hierauf erwidert werden, dass es an
dem Individuum, nicht an der Sprache liegt, wenn das Deutsche
nicht ebenso klar ist, wie das Französische. Immerhin gebe ich
zu, dass die strenge Gesetzmässigkeit des Französischen es dem
Franzosen erleichtert, die Satzteile so zu gruppieren, dass der Leser
mühelos den Sinn des Ganzen erfasst. Der Hauptvorzug des
französischen Aufsatzes beruht daher auch meiner Anschauung nach
in dem Zwange, dem der Schüler unterworfen ist, seine deutsche
Ausdrucksweise in die strenge, ja starre Gesetzmässigkeit des fran-
zösischen Satzbaues einzukleiden. Hier kann der französische Auf-
satz zu einer trefflichen Schule für den deutschen Stil werden.
Dieser formalbildenden Seite des französischen Aufsatzes sind einige
gute Beispiele gewidmet; ich hätte aber der Wichtigkeit dieser Seite
des Aufsatzes entsprechend diesen Teil reicher ausgestattet gewünscht.
Selten wird von dem Deutschen beachtet, was im Französischen
Gesetz ist, dass ^die kürzeste von allen Ergänzungen zuerst steht,
die längste zuletzt:"
Also nicht:
L'hypocrisie s'efi'orce de donner
les dehors de la vertu
au vice;
sondern:
au vice
les dehors de la vertu.
H. Wilcke, AnkUung zum franz. Aufsatz. 25
Dagegen:
las dehors de la vertu
aux vices les plus honteux et les plus etc.
In dieser Gruppierung finde ich jedoch nicht bloss ein Gesetz
der Klarheit, sondern ebensowohl des Wohllautes; gleich der Musik
liebt es auch die Sprache, welche nicht minder musikalischen Ge-
setzen unterworfen ist, mit vollen Akkorden zu schliessen. Passend
verknüpft sich hiermit die weitere Regel, welche Wilcke gibt, dass
Abweidlungen von der oben erwähnten Stellung nur gestattet sind,
falls man durch eine andere Stellung grössere Klarheit in den
Gedankenmassen zu erreichen vermag.
Also nicht: Sondern:
La m orale inspire
une sensibilit^ qui n*a rien de
dangereux
ELux personnes qui veulent . . .
en suivre les principes;
aux personnes qui veulent . . .
en suivre les principes
une sensibilit^ qui n'a rien de
dangereux.
Dass hier das Bestreben, Zusammengehöriges, sich auf einander
Beziehendes möglichst an einander zu rtlcken, zu der zweiten Grup-
lierung geführt hat, liegt auf der Hand. Besonders wird hier, und
licht bloss von dem deutschon Schüler, gefehlt gegen die richtige
tellung des Relativs; Wilcke gibt ein paar charakteristische Beispiele.
Pour rendre V^tude de Thistoire naturelle int^resante aux enfants
n peut leur conter
nicht: sondern:
lelques traits remarquables sur
8 principaux animaux qui
quent leur curiositö
Femer führt W. an, dass La Bruj^re getadelt worden, als
geschrieben: statt:
sur les principaux animaux quel-
que traits remarquables qui
II y a des endroits dans l'o-
Ira qui en laissent d^sirer
lütres
II y a dans Vop^ra des en-
droits qui —
Hier hat wohl der anmutigere Tonfall, wie der Wunsch, durch
) Voranstellung von des endroits konstrastierend zu iavJbres zu
rken, zu der ersten Anordnung geführt
Wenn Wilcke die anfügende Schreibart (S. 54) nur als eine
)zielle Abart des französischen Stils hinstellt, so möchte ich glau-
ly dass sie dem Franzosen besonders eigentümlich wäre. Im
mzösischen führt jeder Teil eines Satzes gewissermassen sein
3nes Leben. Der Franzose will den Anfang einer Periode schon
Jessen haben, wenn er das Ende hört. Wir dagegen sind be-
ders darch die Stellung unseres Verbs genötigt, uns am Schlüsse
26 Referate und Bezemionen. W. Scheffter,
der Periode des Anfangs zu erinnern; gibt doch das Verb häufig
erst den Schlüssel des Ganzen. Nicht minder charakteristisch für
den Franzosen ist die Schreibart in karzen Sätzen. Beide soeben
erwähnte Momente bilden ein treffliches Gegenmittel gegen unsere
Neigung, langatmige ineinandergeschachtelte Sätze zu bilden. Wenn
schon im Deutschen die periodische Schreibart schwierig ist, um
wie viel mehr im Französischen, und welcher Primaner ?rird sich
die Mühe geben, wie Bonsseau, der (Wilcke, S. 56) bekennt: ^11
y a teile de mes pöriodes que j'ai toumöe et retouraöe cinq ou six
nuits dans ma töte avant qu^elle füt en ötat d'etre mise sur le papier^^
Praktisch sind die Satzverbindungen, welche Wilcke S. 57
gibt; richtig ist hier auf die Vorliebe des Franzosen hingewiesen,
mit Demonstrativen anzuknüpfen.
In Betreff des folgenden Kapitels, vom Stil im höheren Sinne,
muss ich das Gleiche sagen, was ich bereits früher erwähnt: es ist
instruktiv für die Lektüre französischer Schriftsteller. Der Schüler
wird durch das Studium dieses Kapitels befähigter, die Schönheiten
des französischen Schriftstellers tiefer in sich aufzunehmen, zu höhe-
rem Genüsse der Lektüre zu gelangen. Für unseren Aufsatz da-
g^en kann ich mich nur mit dem style simple, dem schlichten
Stil befreunden, und wenn irgendwo, so gilt hier das Goethe^sche
Wort: ^Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst
sich selber vor^. Wilcke gibt es selbst zu, wenn er bei det Er-
läuterung des anmutigen Stiles, Seite 63, sagt: 7,Nur Schriftsteller
ersten Banges gehören zu dieser Gattung^.
In den Rahmen der Schule gehört Abschnitt IV, von den
wichtigsten Aufsatzarten, wenn er auch manches aus dem ^Allgemeinen^
wie aus der ^ Einleitung^ Bekanntes wiederholt. Nicht minder
wichtig sind die folgenden Abschnitte (S. 70 ff.) von den Über-
(^ngen, der Partitio, der Becapitulatio u. s. f. Hier erfreut na^
mentlich die übersichtliche und geschickte Gruppierung.
Es folgen dann Bemerkungen über die Abhandlung (S, 84),
die Chrie (S. 85), die Rede (8. 86 ff.) und den Dialog (S. 97),
welche letztere Form sich namentlich für den französischen Aufsatz
verwerten lässt. Die Schüler gehen gern darauf ein, wie mir
wenigstens die Erfahrung gezeigt hat, gewisse Themata in Dialoge
form zu behandeln.
Der Brief (S. 98), womit das Werkchen schliesst, hebt, wie
dies in der Natur der Sache liegt, mehr das Äussere hervor und
gipfelt in einer Reihe von Briefköpfen und Briefschlüssen. Selt-
samerweise ist auf die gegenwärtige Regierungsform in Frankreich
keine Rücksicht genommen, die Anrede an den Präsidenten fehlt,
während die Anrede an die Majestät vorhanden ist.
W. SCHEFFLER.
K, Bartsch, Alte französische Volkslieder. 27
Alte französische Volkslieder, übersetzt von K. Bartsch.
Heidelberg, Winter's üniversitätsbuchhandloog. 1882.
Nicht zum ersten Male werden alte französische Volkslieder
in Deutschland veröffentlicht. Schon bei Lebzeiten hatte Haupt ein
als Manuskript gedrucktes Heftchen von solchen Liedern erscheinen
lassen, welches indessen unbemerkt vorüberging. Erst die aus
seinem Nachlass von Tobler herausgegebenen französischen Volks-
lieder machten weitere Kreise auf diese eigenartige Litteratur auf-
merksam. Zum ersten Male dagegen ist von Bartsch, dessen Name
einer weiteren Empfehlung nicht bedarf, der schwierige Versuch
unternommen worden, weitesten Kreisen die Schätze altfranzösischer
Volksdichtung durch eine deutsche Nachdichtung zu erschliessen.
Bartsch hat sich dabei nicht nur an die bereits genannte Sammlung
von Haapt-Tobler gehalten, sondern auch an die yon ihm selbst im
Jahre 1870 veröffentlichten altfranzösischen Bomanzen undPastoui'ellen,
endlich an eine dem Referenten unbekannt gebliebene Handschrift
ron Dr. Kajser in Elberfeld. Hoffentlich erfüllt Bartsch recht bald
ein Versprechen, die Lieder dieser Handschrift auch im Original
u veröffentlichen. Die Quellen, aus welchen Bartsch schöpft, sind
Iso verhältnismässig geringe, und doch, welche Fülle hat er uns
egeben! Vielleicht dürfte es ihm für eine zweite Auflage nicht un-
eb sein, eine Beihe weiterer Quellen erschlossen zu sehen. Zu-
ächst weise ich auf Wolff^s altfranzösische Volkslieder hin, femer
if die Liedersammlungen von Oaston Paris und besonders auf die
3r Zeit nach vorangehende normannische Liedersammlung von
astä, welche geiudezu entzückende Lieder in reicher Auswahl bietet.
Was das Buch von Bartsch auch dem Fachmann so wertvoll
acht, ist seine warmgeschriebene Vorrede, welche sich unter seiner
schickten Hand zu einem Überblick über die französische Volks-
esie des 12. — 16. Jahrhunderts erweitert hat. Mit dem reich-
Itigen Quellenverzeichnisse älterer französischer Volkslieder bei
Lupt- Tobler bildet sie eine anziehende Vorarbeit zur Geschichte
: französischen Volksdichtung überhaupt. In dieser Einleitung
tpricht Bartsch unter stetigem Hinweis auf seine Nachdichtungen
Stoffe, welche der Volkspoesie vor allem eigen sind. Ausgehend
1 den Bomanzen, welche allerdings auch einige Kunstdichter zum
*fasser haben, kommt er auf die Lieder zu sprechen, welche das
ischliche Leben umfassen. Hier behandelt er besonders ausftihr-
den Glanzpunkt jeder Volksdichtung: die Liebe. Besonders
rakteristisch sind auch jene Lieder, welche aus den sanges-
igen Ständen der fahrenden Gesellen, Soldaten, Müller, .Schäfer
(. w. hervorgegangen sind. Eingeflochten in diese Besprechungen
st sich eine Anzahl von Kehrreimen (Refrains), die uns gewisser-
28 . Referate und Eezeftsionen. W. Scheffler,
massen, wie die Früchte Kanaans, auf das gelobte Land der fran-
zösischen Volksdichtung hinweisen. Wenn Bartsch anführt, dass
der Kehrreim stets in inniger Beziehung zu dem Inhalte des Liedes
stehe, so kann ich ihm auf Grund meiner Beobachtungen nur be-
dingungsweise Recht geben. Wie oft ist der Kehrreim gewisser-
massen der Narr in der Tragödie, wie oft findet sich das trällernde
Tra la la bei tief ernstem Inhalte!
Treffliche Bemerkungen über die Sprache, den Reim des
Volksliedes, sowie seine Verfasser finden sich in die Einleitung ein-
gestreut; sie schliesst mit den die französische Volksdichtung fein
kennzeichnenden Worten:
^Der Atem gesunder Natur weht uns aus diesen lieblichen
Blüten des Volksgeistes an, die, mit reinem, unbefangenem Greiste
genossen, das Herz erfrischen und erfreuen. Sie schildern das Leben
nicht idealisiert, sondern wie es ist: oft in derbem Realismus, der
menschlichen Schwächen nicht schonend. Aber wie sie uns ein
frohes Lachen abgewinnen durch die plastische Wahrheit ihrer Ge-
stalten und Gebilde, so klingt das Volkslied in gleicher Weise die
tiefsten Saiten unseres Herzens an, wenn es, hineingreifend in die
Menschenseele, ihr innerstes Glück und Leid, Lust und Schmerz des
liebenden Herzens singt in stimmungsvollen Tönen, die ergreifender
wirken als das schönste Lied des Kunstdichters, wie das Nachtigall-
lied, das in lauer Sommernacht mit seinen einfachen Klängen tief
zum Herzen dringt und lange in unserer Seele nächzittert. ^
Was die Gruppierung anlangt, so hat Bartsch gleich allen,
die diesen Stoff zu sichten und zu ordnen unternahmen, die Schwierig-
keit derselben wohl empfunden. Er teilt sein Werk in vier Bücher.
In das erste hat er die mehr ernsten Romanzen verlegt, in das
zweite Liebesblüten, in das dritte Heirat, Ehe, während für das
vierte Buch die aus den einzelnen Ständen entsprossenen Lieder
übrig geblieben sind, ohne dass, wie gesagt, diese Trennung streng
durchgeführt wäre, denn in jeder dieser Gruppen finden sieh auch
Lieder, die in eine andere Gruppe eingeordnet werden könnten. Es
ist eben schwer, wenn nicht unmöglich, eine allgemein giltige Ein-
teilung zu finden.
Bartsch hat sich bei der Übertragung als ein formgewandter
Nachdichter erwiesen; nur selten finden sich Wendungen, welche der
Sprache Gewalt anthun, um dem Reime zu genügen. Wie ergrei-
fend ist nicht des Mädchens sehnsüchtige Klage (S. 64):
0, Liebe, Sehnsucht tötet mich!
Ach Liebster, ja ich muss es sagen,
So oft mein Herz gedenkt an Dich,
MuBB es gar tiefe Trauer tragen.
K. Barisch, Alte französische Volkslieder.
29
Vernimm die Bitte von mir Armen,
Erbarme Dieb, o Liebster, mein;
Will Dich Dein Liebchen nicht erbarmen.
So hast Du wohl ein Herz von Stein.
wie munter nicht, trotz seines ernsten Inhaltes, das kunstvolle Lied-
chen vom „Liebesklausner" (Seite 70):
Gott schütze Dich, Du Holde,
Die ^anz mein Herz gewann;
0 gib mir das zum Solde,
Du Holde, Du Holde,
Dass ich Dich küssen kann.
Du bist die Schönst' im Reiche,
Und ich, der treu Dich liebt,
Nicht Bpröd zurücke weiche
Und reiche, und reiche
Dem Trost, der Liebe gibt.
Mich hält die lose Minne
So fest in ihrem Band,
Dass ich ihr nicht entrinne,
Die Sinne, die Sinne,
Sind sklavengleich gebannt.
Bald wird mein Stündlein schlagen
Ach edel thust Du nicht;
Noch eins will ich Dir sagen.
Dir sagen mit Klagen,
Bevor das Herz mir bricht.
Ein Mädchen muss sich neigen
Zu dem geliebten Mann,
Und muss sich ihm erzeigen
Treu eigen, treu eigen.
Der Liebe unterthan.
In diesem grünen Haine,
Wohin mein Schmerz mich trieb,
Wo in der Klaus alleine
Ich weine, ich weine.
Wird sterben bald Dein Lieb.
Wenn nachts der Glocken Töne
Rufen zum Gotteshaus,
Dann denk* und komm. Du Schöne,
Und söhne, und söhne
Den treuen Liebsten aus.
Interessant ist auch das folgende Lied „Des Ritters Abschied^
(S. 73), ein Gegenstück zu Schiller^s bekannter Ballade vom Bitter
von Toggenburg, welche ihrerseits wiederum in der Volkslegende
wurzelt:
Du holde Adelsblüte,
Der g^nz gehört mein Herz,
0 gieb durch Deine Güte
Mir Trost in meinem Schmerz.
Achl Deine Liebe machet
Bei Tag und Nacht mich wund.
Und grausam immer lachet.
Wie unrecht ist 'sl Dein Mund.
„Herr Ritter, abzustehen
Fleh ich, bei Gott, Euch an.
Weil Euer Liebesflehen
Ich nicht erhören kann.
Ihr Hebt mich, doch erwiedem
Kann ich die Liebe nicht;
Es hiess' Euch selbst erniedem,
Log' ich Euch ins Gesicht.**
In fremde Lande gehen
Will ich nun in den Krieg,
In meiner Feinde Nähe
Und fem von meinem Lieb.
Mag leben oder sterben.
Mein Leben geb' ich hin,
Kann ich Euch nicht erwerben,
Der ich treu eigen bin.
30
Referate und Rezensiofien. W. Scheffler,
„Herr Ritter, brav und bieder,
0 zürnet nicht mit mir,
Kehrt ihr vom Kriege wieder,
Dann geht vorüber hier.
Der Mutter und dem Vater
Entbieten will ich's dann,
Und was sie werden raten.
Da halt ich mich daran."
Ich will mich fort begeben
Wohl in den grünen Hain,
Darin als Büsser leben,
Es kann nicht anders sein;
Will nie ein Mädchen lieben,
Sie trieben mit mir Scherz,
Will nur Maria dienen.
Darnach verlangt mein Herz.
Wenn Bartsch getreu dem Original in dem Liede ^Fern in
fremdem Lande", Seite 75, Vers 2,
Meinen Ring und mein silbern Rütelein (verge)
übersetzt, so habe ich in meiner „französischen Volksdichtung und
Sage", Bd. I, 82, schon darauf hingewiesen, wie viel besser an Stelle
von „Rute" dem Sinne nach „Gürtel" passen würde, welch* letzterer
Ausdruck sich auch in anderen ähnlichen Liedern wirklich findet.
Auch das folgende Lied, S. 76, „Der Treulose," eines der
schönsten sentimentalen Lieder, an denen die französische Volks-
dichtung reicher ist als der Deutsche denkt, ist von Bartsch sehr
schön nachempfunden worden. Ihm ist nicht entgangen, dass im
7. Verse sieh in dem Onginal bei Haupt ein Druckfehler befindet;
an Stelle von
Et que soit par ma faute
Chacun le cognoistra
muss es nämlich heissen:
Et que soit pas ma faute
Chacun le cognoistra.
Nur so ist der Sinn des Ganzen klargestellt. Dass „ne aus-
gelassen wird, kommt nicht nur beim Volke, sondern selbst bei
Kunstdichtern vor.
Ich gestatte mir das Lied im Original wie auch vergleichs-
weise in der Übersetzung, von Bartsch und von Claire von Glümer
folgen zu lassen, welch' letztere Nachdichtung in meiner „französi-
schen Volksdichtung und Sage^' Aufnahme gefunden hat.
Je m'en vois par le monde
A la pluye et au vent
(M'amour)
Pour chercher ma mignonne
(Helas),
Gelle que j'ayme tant.
Or Tay je tant cherchee
Qu'ä la fin Tay trouvee
(M'amour)
Le long d'une vallee
^elas),
Tout aupres d'un vert pr^.
Je luy ay dict ^doucette,
Oü vas tu maintenant?'
(M'amour)
„M'en vois rendre nonnette
(Helas),
En un petit couvent."
Puis que d'au(l)tre que moy
Vous e(s)tes amoureux
(M'amour)
Qui fai(c)t qu'en grand e(s)moy
(Helas),
Mon coeur soit langoureuz.
K, Bartsch, Alte französische Volkslieder.
31
llelas, toute ve(8)tue
Je seray de drap noir
(M'amour)
.\lon(s)trant que de(s)pourvue
(Helas),
Je vis en desespoir.
Car ma perseverance
Vji ma grand loyaut^
(M*amour)
N'ont de no(8)tre alliance
(Helas),
Grardd la fermet^.
Kt que 8oit pas ma fau(l)te
Jha(B)oun le cognoistra
(M'amour)
^ar quand je seray morte
(Helas),
Te s(9)ay qu'on me plaindra.
m Regen und im Winde
)urchwandre ich die Welt —
Mein Lieb!
)as8 ich mein Liebchen finde —
0 weh! —
as mir so sehr gefällt.
h suchte sie so lange
18 ich sie endlich fand —
Mein Lieb! —
a einem Wiesenhange —
0 weh!
IS grüne Thal entlang.
1 sprach zu ihr: Willkommen
3in Lieb, wo gehst Du hin? —
Mein Lieb! —
;h geh und werde Nonne —
0 weh! —
jenem Kloster drin.
Du hast einer andern
schenkt die Liebe Dein, —
Mein Lieb!
ist mein Herz in Banden —
O weh! --
n Trauer und von Pein.
Schwarz will ich mich kleiden
1 Kopf bis an den Fuss —
Mein Lieb! —
l so die Trauer zeigen —
O weh! —
ier ich leben muss.
Je 8(9)ay que maintes larmes
Des yeux il tombera
(M'amour)
De toute honne(s)te dame
(Helas),
Qui de moy parlera;
Et qu'il n'y aura homme
Ayant le coeur entier
(M'amour)
Qui me(8)chant ne vous nomme
(Helas),
E(s)tant de moy meurtrier.
Las, je sens venir l'heure
Et voy bien a present
(M'amour)
Qu'il convient que je meure.
(Helas),
Pour Yous en ce tourment.
Bin durch die Welt gegangen
Im Begen und im Wind
(Mein Lieb)
Zu suchen voll Verlangen
(0 weh!)
Mein allerliebstes Kind.
Gesucht hab' ich so lange,
Bis ich sie endlich fand
(Mein Lieb)
An einem grünen Hange,
(0 weh!)
An einer Wiese Band.
Ich sprach zu ihr: Du Feine^
Wo gehst Du aus und ein?
(Mein Lieb)
Ich bin nicht mehr die Deine,
(0 weh!)
Ich geh' ins Kloster ein.
Dieweil Du einer andern
Dein Herze hast geschenkt,
(Mein Lieb)
Muss ich in Trauer wandern,
(0 weh!)
Ist tief mein Herz gekränkt.
Fortan will ich mich kleiden
In härenes Gewand.
(Mein Lieb)
Auf dass mein bittres Leiden
(0 weh!)
Sei aller Welt bekannt.
32
Referate und Rezensußimi. W. Sclieffler,
Denn ach, mein stät Gemüte
Und treu Ergebenheit —
Mein Lieb!
Konnte mich nicht behüten —
0 weh! —
Vor Unbeständigkeit.
Ob ich die Schuld dran trage/)
Das sieht dann jeder ein —
Mein Lieb! —
Ich weiss, man wird mich klagen,
0 weh! —
Werd' ich gestorben sein.
Ich weiss, aus manchem Auge
Fällt wohl ein Thränelein —
Mein Lieb! —
Von mancher werten Fraue,
0 weh! —
Wenn sie gedenket mein.
Kein Mann ist dann auf Erden,
Dess' Herz die Liebe kennt.
Mein Lieb! —
Der Dir nicht bös wird werden
0 weh! —
Und Dich nicht Mörder nennt.
Die Stunde fühl' ich nahe,
Und schon ist da die Zeit,
Mein Lieb! —
Wo ich den Tod empfahe,
0 weh!
Um Dich vor Herzeleid.
Dass ich an Dir gehalten
In Treue sonder Wank,
(Mein Lieb)
Dich hat's nicht festgehalten,
(0 weh!)
Du weisst mir's keinen Dank.
Nun will ich's jedem sagen,
Dass ich die Schuld nicht hab*.
(Mein Lieb)
Und sterb ich, werden Klagen
(0 weh!)
Mir folgen in mein Orab.
Es werden viele Thränen
Um mich vergossen sein,
(Mein Lieb)
So oft sie mein erwähnen,
(0 weh!)
Die Frau'n und Mägdelein.
Und keinen Mann wird's geben,
So rechten Mut er trägt,
(Mein Lieb)
Der nicht mein bittres Sterben
(0 weh!)
Auf Deine Seele legt.
Die Stunde ist gekommen.
Ich seh' es deutlich ein,
(Mein Lieb)
Das Klagen kann nichts frommen,
(0 weh!)
Es muss gestorben sein.
Zu dem folgendem Liede, ^Vor Liebchens Thür^ (Seite 79),
verweise ich aof ein ähnliches gaskonisches Lied bei C^nac Moncaut,
S. 318, in welchem der Liebende gleichfalls anstatt „in Liebchens
Armen zu erwärmen^ vor der Thür schmachten muss und statt
des erhofften Lohnes Spott davon trägt
Ein hübsches Seitenstück zu Chamisso's „Du Bing an meinem
Finger, Da goldnes Bingelein^ findet sich bei Bartsch, Seite 88.
In dem letzten Verse heisst es:
AU' mein Lieb' ist eingeschlossen
In einem Silberringelein;
So ofb ich auf das Ringlein schaue.
Bricht mir beinah das Herze mein.
Manch Herz glaubt zu vergessen, das
Nicht kann zu Schlaf und Ruh gelangen;
Das Herz, das seinen Schmerz vergass,
Kennt Liebe nicht und Sehnsuchtsbangen.
Dem Seite 106 mitgeteilten Liede von dem Edelknappen, der
^) Wohl besser: Dass ich die Schuld nicht trage.
. Älie französische Volksliedei\ 33
Buchungen widersteht and seinem Ideb treu
in der Volksdichtung häufige Lied von dem
r jungen Tambour an die Seite setzen, der
vriege heimkehrt und den Werbungen der Prin-
seinem einfachen Lieb festhält. — Das zweite
tunem seltenen, aber um deswillen um so inter-
von einer geistiichen ümdichtung eines ursprüng-
.>'Jes.
.1. a. 0. darauf hingewiesen, wie weltliche Liebes-
htszeit sich in geistliche verwandeln und der Bursche
zu seiner Erwählten die Hingebimg an die Jungfrau
itte Buch hebt mit einem Eheliede an, welches ich
. wie Bartsch, für ein Fragment halten möchte. Ironisch
oib: „Warum schlägt mich denn mein Mann?" Und
res weiss sie, gewissermassen als Antwort darauf, zu
ich zu rächen im Arme des Liebsten. Was bedarf es
-uehr?
. <in aus den wenigen Proben, welche Bartsch mitteilt, geht
wie gedrückt die Stellung des Weibes im Volke in Frank-
in muss. Ich habe gerade diese Seite ausführlicher in
Kapitel „Ehelieder" behandelt. „Der eifersüchtige Ehe-
" Seite 137, zeigt uns ein seltsames Recht des Mannes auf
Iren loses Weib, welches der Mann, gleich einem Tiere, fesseln
zu Markte treiben darf. Ich erinnere hier an ein ganz ähn-
, Bartsch gewiss unbekanntes Lied bei C^nac-Moncaut, S. 293,
Hasile sein Weib in Stücke hackt, um sie auf dem Markte
Castillon zu verkaufen. Moncaut macht dazu die Bemerkung,
j,s die zu Markte geführte und zum Verkaufe ausgebotene Frau
/Aveifelhaft an Züge erinnern, deren Spuren Bascelais de Lagr^se
ilen Archiven der Gerichte von Bern wiedergefunden hat und
lohe seiner Anschauung nach bis in die Zeit zurückreichen, da
:.^ Engländer diese Provinz besetzt hatten, bei welchen dieser selt-
.me Gebrauch noch nicht völlig verschwanden sein soll". — jjl^ör
;«)ho Wittwer," Seite 145, ist gleichfalls eines jener beliebten, weit
N.rbreiteten Themen der Volkslitteratur, welche sich in besonders
knapper, wirkungsvoller Form auch bei Marelle finden,**
Zu dem Anfange:
Ich stand an einem Morgen auf,
Ich stand an einem Morgen auf
Und fand mein Weib gestorben;
Als ich das sah, so froh war mir
Noch nie das Herz geworden.
Zschr. f. nfr«. Spr. u. Litt. VI«. g
34 Referate und Rezetisionen. It. Mahrenholtz,
Ich öffne Fenster, Thür und Thor
Am Abend und am Morgen,
Und thu' kein Wasser in den Wein
Seitdem mein Weib gestorben,
kontrastiert seltsam der Schluss:
Kommt her, alle meine Nachbarn treu.
Ich will beweiben mich aufs neu.
Gebt mir 'ne andre Gattin;
Nur hab sie kein so dickes (?) Herz,
Wie es die erste hatte.
Ich öffne Fenster, Thür und Thor
Am Abend und am Morgen,
Und thu* kein Wasser in den Wein,
Seitdem mein Weib gestorben.
Die Schäferlieder darf ich bei der Bekanntschaft, deren sich
Bartsch's Originalausgabe der altfranzösischen Pastourellen rühmen
kann, wohl übergehen. Man müsste das ganze Buch ausschreiben,
wollte man alle Lieder berühren, welche unseres Interesses würdig
sind. Das Angedeutete mag genügen, nm zu zeigen, mit welch^
schöner Arbeit wir es zu thnn haben und wie diese Lieder mit
dazu beitragen können, in immer weitere Kreise die Erkenntnis zu
ti*agen, dass auch das französische Volk eine Dichtung besitzt, die
nicht minder innig und herzerfreuend ist als die unsere.
Dürfen wir noch einen Wunsch aussprechen, so wäre es der,
dass Bartsch sein formgewandtes Talent auch jenen Dichtungen zu-
wendete, welche durch ihre dialektische Form über die Kreise des
Fachmanns hinaus unverstanden bleiben. Um nur ein Paar Bei-
spiele anzuführen: welche reiche Ausbeute bieten die Lieder der
Gascogne, welche Cönac-Moncaut und Blad^ gesammelt haben.
Nicht minder reich an tief und warm empfundenen Liedern
ist die Sammlung von F. R. Michel ^Le Pays Basque". Ganz
originelle Dichtnngen finden sich in den proven9alischen Lieder-
Sammlungen von Arbaud, welche allein acht Bändchen umfassen.
Ganz eigenartige, sonst nur in Italien sich wiederfindende Lieder
lernen wir hier kennen, in welchen der Bursche zum Ausgangspunkte
seiner Dichtung irgend eine Blume nimmt und die Eigenschaften
derselben mit den Eigenschaften seines Liebs in Verbindung setzt.
Dagegen dürfte sich fragen, ob auch bei jenen Volksdichtungen
eine Übersetzung angezeigt erscheint, welche in der allgemein ver-
ständlichen hochfranzösischen Sprache vorliegen. Wenn irgend eine
der fremden Sprachen in Deutschland allgemein bekannt ist, so ist
es zur Zeit noch die französische Sprache; da scheint es mir denn
bei der Einfachheit der Sprache der französischen Volkslieder, wie
F. Lotheissen, Geschichte der franz. Litt, im XVII. Jahrh. 35
bei der Durchsichtigkeit des Inhalts, der ja vielfach an unsere
deutschen Volkslieder anklingt, angemessener, das Original statt der
Nachdichtung zu bieten. So flüssig diese Nachdichtung auch sein
mag, das Original wird den Reiz des Liedes doch noch tiefer em-
pfinden lassen.
W. Schefflee.
F. Lotheissen, Geschichte der französischen Litteratur im
XVII. Jahrh. Bd. IV. Wien, Geroldssohn 1884. 8». 390 SS.
Der Schlussband von L.'s Litteraturgeschichte behandelt vor
allem Maliöre, Bacine, Fänelon, Saint-Simon. Dem ersteren ist ein
längerer Abschnitt von ca. 85 SS. gewidmet worden, in welchem
die Resultate der neueren Moliöre- Forschung sorgfältig benutzt,
alles mythische imd halbmythische a.usgeschieden und ein einheitliches
Charakterbild entworfen ist, das keine wesentlichen Züge .vermissen
lässt. Eine bestimmte Stellung zu einzelnen Problemen der Moliöre-
Eritik zu nehmen, lag wohl nicht in dem Zwecke dieses Werkes,
sonst hätte L. die Beziehungen der beiden Ecoles zu Moli^re's
Liebesroman und die Frage nach einer absichtlichen Selbstporträtie-
rung des Dichters genauer erörtert.
Ist das Gesamturteil über Moli^re unangreifbar, so erscheint
der Dichter Racine in mancher Hinsicht zu günstig geschildert. Zu
loben ist zwar auch hier die genaue Benutzung neuerer Forschungen,
besonders der von Mesnard gemachten, ebenso wie das sichtliche
Streben, alle Schwächen des Dichters und des Menschen andeutungs-
weise vorzuführen. Aber indem L. das Extrem der Lessing'schen
Kritik zu vermeiden sucht, verfällt er in den entgegengesetzten
Fehler, er trägt tiefere Tendenzen in die franz. Hoftragödie hinein.
Nach ihm ist der Grundzug der Racine'schen Dichtungen ein durch*
aus idealistischer, was doch nur insofern zutrifft, als ihre Cha-
raktere in hochklingenden Worten die idealsten Grundsätze prokla-?
mieren, um in ihren Handlungen ganz auf das Niveau der Versailler
Hofwelt herabzusinken. Ich glaube auch nimmermehr, dass Racine
jemals daran gedacht hat, sich zur reinen Höhe der Menschheit zu
erheben und Personen zu zeichnen, die von allen historischen Be-
dingungen losgelöst seien; im Gegenteil hielt er sich ganz an den
herrschenden Geschmack der Hofwelt, wählte er die Stoffe aus dem
Altertum, weil das modern war, schwelgte er in antiken Reminiscenzen
und hauchte er diesen pseudoklassischen Mumien Sentenzen und An-
schauungen eiu; die dem König und dem Hofe gefallen mussten.
Wenn er trotz dieser Konzessionen schwer durchdrang, und wenn er
den weniger modischen und diplomatischen Corneille nicht recht zu
8*
36 Referate und Rezensionen. R. Mahrenholiz,
überflügeln yermochte, so hatte das vornehmlich zwei Gründe: Ein-
mal war die Theaterkritik und Theaterreklame zum grossen Teil
nicht auf seiner Seite, dann waren viele Herren und Damen der
Hofwelt zu alt, um sich von Corneille, an dessen Manier sie sich
einmal gewöhnt hatten, noch zu Raeine zu bekehren. Die jüngere
Generation, an ihrer Spitze die feinsinnige Henriette von Orleans,
fUr die Corneille nicht Gegenstand der Pietät sein konnte, huldigten
demzufolge auch Racine. Wie sehr R. nur bestrebt war, den Bei-
fall des Hofes zu gewinnen, geht schon daraus hervor, dass er mit
dem fromm gewordenen Hofe auch frömmelte und das unmoderne
Anüke mit dem zur Mode gewordenen Alttestamentlichen vertauschte.
Wahre Frömmigkeit oder gar eine plötzliche Inspiration durch den
heiligen Geist, der sich der Frau von Maintenon als Medium
bedient hätte, kann man bei einem Charakter, der stets sich von
Rücksichten des äusseren Vorteils, nicht von sittlichen Prinzipien
leiten Hess, kaum annehmen, und L. selbst bezweifelt ja auch, dass
eine Hinneigung zn den jansenistischen Erinnerungen der Jiigend
Ursache der königlichen Ungnade gewesen sei, die dem Dichter,
wenn auch in milder Form, später zu Teil wurde.
Wenn L. einzelne Charaktere Racine's mit denen Sohiller's
vergleicht, um den Idealismus der französ. Tragödie zu erweisen, so
ist doch zu entgegnen, dass alle Personen Racine's, wenn man sie
vom antiken Flitter befreit und ihnen die für den tragischen Ab-
schluss notwendigen Selbstmordgedanken nimmt, sich in der Yer-
sailler Hofwelt, ohne irgend welchen Anstoss, bewegen können,
während Schiller's Figuren meist in eine bestimmt begrenzte Welt
nicht passen und in Ideen leben, die Gemeingut der gesamten
Menschheit sind.
Von den folgenden Abschnitten möchte Ref. besonders dem
über Föneion beistimmen, weil L. hier mit grosser Schärfe und
Wahrheitsliebe die milde „Toleranz^ des jesuitisch angelegten Erz-
bischofs in ihre absolute Nichtigkeit aufgelöst und den Nachweis
geführt hat, dass Föneion nur da als Vorkämpfer politischer Frei-
heit und der angeborenen Menschenrechte auftrat, wo er durch Ano-
nymität sich einigermassen gesichert glaubte. Gleiches Lob verdienen
die Abschnitte über den Kardinal Retz, Saint-Simon und die Main-
tenon, da hier L. die höfische Manier der Auffassung, von der selbst
ein Ranke nicht freizusprechen ist, aufgegeben und die Dinge und
Personen in ihrer vollen Wirklichkeit geschildert hat.
Ein geistvoller Überblick über die skeptischen Ansichten am
Ende des „Si^de de Louis XIV^, die sich besonders in Bajle kon-
zentrieren, schliesst das mit so vielem Geiste nnd so eingehender
Gelehrsamkeit verfasste Werk.
R. Mahbenholtz.
Z. Me'nard, Le Livre abominable de 1665. 37
Le Livre abominable de 1665, döcouvert et publik par Louis
Aug. M^nard. Paris, F. Didot, 1883. 2 voll.
Unter diesem Titel hat der franz. Philologe L. Menard eine
Satire herausgegeben, welche, an die willkürliche Einkerkerung des
General-Intendanten Fouquet anknüpfend, ein grelles Bild der In-
triguen Colbert^s und der jesuitischen Doktrin gibt. In einer län-
geren Vorrede sucht Menard den bedeutendsten aller Protägäs Fou-
quet^s, Moli^re, als Verfasser zu erweisen, indem er auf ähnliche
Wendungen in Moli^re's Komödien und auf eine Stelle im Misan-
thrope, in der Alceste (d. i. Moli^re) als Autor eines „livre abo-
minable^ staatsgefährlichen Inhalts bezeichnet wird, hinweist Die
in der Satire auftretenden Personen seien Originale des Tartuffe und
diese ganze Dichtung überhaupt nur als Vorläufer der späteren Ko-
mödie, die Moli^re von ca. 1661 ab beschäftigt habe, aufzufassen.
Sieht man nun die ausgedehnte, fast 7000 Verse zählende Satire
näher an, so zeigen sich neben Versen, die recht wohl eines Moliäre
würdig sind, neben Spuren vollendeter Obaraktet*zeichnung auch Züge,
die den Anfönger im Style und in der Technik verraten. Schon
die ermüdende Länge des Gbnzen, die ewigen Wiederholungen, die
kindlich-naive Manier, mit der Colbert und seine jesuitischen Freunde
ihre Schurkereien renommistisch übertreiben, macht den Gedanken,
dass Moliere der Verf. der Satire sei, sehr unwahrscheinlich. Mo-
li^re hatte kaum Zeit, 6500 Verse bloss für gelegentliche Lektüre
im engsten, wohl verschwiegenen Kreise zu schreiben, zumal der
Zweck, seinem Wohlthäter Fouqaet ein Denkmal zu setzen und
dessen Gegner zu geissein, sich besser durch eine geringere Anzahl
schneidiger Verse erreichen liess. Wie hätte auch Mol. seinen über-
zeugungsvoll verehrten König als blindgläubigen Schüler eines
Jesuitenpaters, der ihm noch dazu alle Koulissengeheimnisse seines
Ordens ausplaudeii;, schildern, oder den hochverdienten Colbert als
infamsten Schurken hinstellen können? Indessen, da Moliere auch
nach Fouquet's Sturz den früheren Wohlthäter feierte, und da
manches in der Satire an „Tartuffe ^ und „Avare^ erinnert, so ist
eine Mitwirkung des grossen Dichters an dieser durch ungeschickte
Hände verunstalteten Satire nicht ausgeschlossen, nur müssen wir
vor Entscheidung dieser Frage durch Mönard näheres über die Foim
des Msc. und die Abfassungszeit desselben erfahren.
R. Mahbenholtz.
Litterarische Chronik.
Iiexikallsetae Arbeiten. DIctIonnalres d'argot.
(Ergänzungen zu Sachs und Littre. — Larchey, Diction-
naire historique d'argot. — Delvau, Dictionnaire de la langue verte. —
Rigaud, Dictionnaire d'argot moderne. — Villatte, Parisismen. —
Macrobe, La Flore pornographique.)
Seit einigen Jahren erfreut sich die neufranzösische Lexikographie
einer ganz besonderen Pflege. Dieselbe ist vornehmlich veranlasst worden
durch den mächtigen Anstoss, den das rasch auf einander folgende Er-
scheinen der Epoche machenden Wörterbücher von Sachs und Littre ge-
geben hat, verstärkt durch die Neuausgabe des Dictionnaires der Acaddmie
von 1877 (1878). Diese Wörterbücher bilden die Grundlage für alle Er-
weiterungen unserer Bekanntschaft mit dem nfrz. Wortschatz. In ihnen
ist der Wortvorrat der Litteratursprache der letzten und unseres Jhs.
fast erschöpfend zusammengetragen, und die Nachträge, die zu ihnen
immer reichlicher geliefert werden , sind daher vorzugsweise auf das
Sammeln von Neologismen oder von Veränderungen in der frz. Phraseologie
der Gegenwart angewiesen. Diesen Charakter tragen denn auch die lexi-
kalischen Beiträge der Herren Schulze (Zschr. I, 339—47; III, 219—27).
Schmager (Zschr. II, 228—41), Kressner (Zschr. III, 546-58; V^ 54
bis 61; Herrig's Archiv 68, 119 — 123), Plattner (Zschr. IV, 45 — 70),
R. Meyer (Zschr. V^ 40-50), Hayn (Zschr. V^ 51-4), die in dieser Zschr.
oder anderwärts zur Veröffentlichung gelangt sind, und deren Grundlage
die aufmerksame Lektüre von frz. Autoren der Gegenwart bildet. Seite-
ner geschieht es, dass ältere, von Sachs oder Litträ unbenutzte Litteratur-
werke oder von ihnen übersehene Spezialwörterbücher herbeigezogen
werden, um zu diesen lexikalischen Fundamentalwerken Ergänzungen
beizusteuern. Geschehen ist dies von Boucherie der, Revue des langues
romanes 3« s^rie V, 71 — 80, 118 — 137 in seinem Artikel Technologie
hotanique das 1556 erschienene Werk des Holländers Dessen, De Compo-
sitione medicamentorum hodierno aevo apud pharmacopolas passim ex-
stantium, zu diesem Zwecke ausbeutete, und von ZvSfina, der in dieser
Zschr. V, 256—80 das 1808 erschienene Dictionnaire du bas langage für
Nachträge zu Sachs heranzog. Kunde über bei Littre nicht berücksichtigte
Ausdrücke aus einem Spezialberufe gab überdies ein Hutfabrikant von
Laval (C. P.) in der Rev. d. 1. rom. 1. c. VI, 31; Termes de chapellerie.
Auch an wissenschaftlichen Untersuchungen über die Vermehrungsweisen
des nfrz. Wortschatzes hat es in neuerer Zeit nicht gefehlt: A. Darme-
Liitcrarische Chronik. E. Koschwitz, Dict d^argot. 39
steter hat in seineu Werken Trait^ de la formation des mots compos^
dans la langue fran9ai8e, Pai'is 1875, und noch mehr De la cräation
actuelle de mots nouveaux dans la langue fran^aise, Paris 1877, die frz.
Wortzusammensetzung und Wortbildung der Gegenwart auf das trefflichste
behandelt. Es ist nur sonderbar, dass diese Werke, und selbst das reich-
haltige Neologismenregister in dem an zweiter Stelle genannten, so oft
ausser Acht gelassen werden. Wer sich mit nfrz. Lexikographie beschäf-
tigen will, darf keines der beiden unberücksichtigt und ungelesen lassen.
Doch wollen wir uns hier nicht mit lexikalischen Arbeiten im
allgemeinen oder mit Arbeiten über Wortschöpfung beschäitigen. Vor-
stehende Zeilen verfolgen hauptsächlich den Zweck, die Aufmerksamkeit
unserer Neologismensammler auf Darmesteter's Arbeiten zu richten und
es ihnen zu erleichtem, die zerstreuten lexikalischen Nachtragsartikel
aufzufinden, die natürlich bei jeder neuen Nachlese berücksichtigt werden
müssen , wenn nicht dieselben Nachträge doppelt und dreifach gegeben
werden sollen. Wir wollen hier einer anderen Art der neufrz. Lexiko-
graphie unsere Beachtung zuwenden : den lexikalischen Arbeiten über
das argoi, welche von den Sammlern von neuen Worten und Wendungen
im Nfrz. ebensowenig übersehen werden dürfen, wie die vorher bezeich-
neten lexikalischen Arbeiten. Denn in der frz. Schriftsprache der Gegen-
wart stehen Argot und Neologismus in engerem Zusammenhange als je.
Die Romanlitteratur der naturalistischen Schule, die niedere und selbst die
höhere Komödie, die Tageslitteratur , und zwar speziell das Feuilleton,
schöpfen mit vollen fländen aus dem sog. Argot, in solchem Grade, dass
es nicht ganz unglaublich klingt, wenn Liebhaber desselben die Behaup-
tung aussprechen, die französische Litterat Ursprache stehe auf dem Wege,
dem Argot vollständig das Feld zu räumen, durch dasselbe ersetzt zu
werden. An einer sehr reichlichen Verwendung des Argot in der Um-
gangssprache hat es ohnehin zu keiner Zeit gefehlt; indessen scheint es
auch da gerade in neuerer Zeit früher unbekannte Fortschritte zu machen
und immer mehr auch in die Sprache der Gebildeten vorzudringen.
Wir haben bisher vermieden, das Wort Argot durch ein Synonymon
zu ersetzen, weil wir uns erst verständigen müssen, was wir unter dem-
selben verstehen wollen. Denn, so zahlreich die Litteratur des Argot auch
ist, so ist es bisher noch immer ebensowenig gelungen, eine allgemein
inerkannte Definition von ihm zu geben, wie eine überzeugende Etymo-
ogie des Wortes aufzufinden. In Bezug auf die Etymologie verweisen
nr mit Diez auf die von Fr. Michel, fitudes de philologie comparee
iir Target et sur les idiomes analogues, parles en Europe et en Asie,
^aris 1856, S. III ff., zusammengestellten Deutungen; neue und bessere
ind seitdem nicht gegeben worden. Es bleibt also bei Diezens uner-
littelter Herkunft. Anders ist es mit der Begriffsbestimmung des Wortes.
is ist ganz zweifellos, dass man eine Zeit lang damit ausschliesslich
ie Sprache der Gauner, der gefährlichen Klassen bezeichnen wollte,
iesem Argot im engeren Sinne gehören jene absichtlichen Wortent-
ellungen an, die nur die ünverständlichkeit für Profane erstreben,
e mit sonst ungebräuchlichen Präfixen , Infixen und Suffixen jedes
jliebige Wort versehen und schon dm-ch ihre Seltsamkeit und üm-
indlichkeit zu einer allgemeineren Verbreitung nicht gelangen können.
b meine die /er»* - Sprache (lonbem u. dgl. f. hon), die /?itfÄ- Sprache
nhuch = hon), das sog. Javanesisch fbavon = bonj, die /o^^M^-Bildungen
nboque u. s. w.) und die </m«o« - Bildungen fnondubonj^ sowie die
nsequente Anhängung der Suffixe dun, mar, orgue, sigue u. dgL*)
^) Die Beispiele sind Larchey, S. VIII, entlehnt.
40 Litterarische Chronik. E. Koschrvitz,
Wir haben in unserer deutschen Gaunersprache ähnliche Erscheinungen
gehabt. So erinnert sich Referent der in den fünfziger Jahren in Bre^au
und wohl auch anderweitig verbreiteten v- Sprache (ante = ein, udrcB
= drei, ustehce = hast du u. dgl.)- Es ist aber klar, dass die Verbrecher
und Gauner sich dieser schwerfälligen Ausdrucksweisen konsequent immer
nur ausnahmsweise bedienten und bedienen konnten, nämlich wenn sie
vor Zeugen sprachen, denen sie unverständlich bleiben wollten. In ihrem
gewöhnlichen Yei'kehr musste es bei dem allgemein gebräuchlichen
Französisch bleiben, natürlich nicht bei dem der litteratur, sondern dem
der niederen Yolksklassen. Damit war nicht ausgeschlossen, dass sie für
ihrcb speziellen Beschäftigungen (also Stehlen, Kauben und Morden) sowie
für ihr dabei gebräuchliches Handwerkszeug und ihre technischen Kunst-
griffe sich noch besondere Bezeichnungen erfanden, mit demselben Rechte,
in derselben Weise und schliesslich auch aus denselben Bedürfnissen wie
jede andere Berufsklasse. Auch diesen, z. T. gewiss aus dem Argot im
engeren Sinne entnommenen Kunstausdrücken verblieb die Bezeichnung
Argot. Wie nun technische Ausdrücke jeder Berufsklasse gelegentlich
eine weitere Verbreitung und selbst Eingang in die Schriftsprache finden,
so musste es auch denen der Gauner ergehen. Von diesen wanderten
sie über in die Kreise, mit denen Verbrecher in hauptsächlichem Um-
gänge stehen, in die Kreise der Vagabunden, Bettler, Dirnen und der
herab^ekommenen Subjekte aller Art. Da Armut und Verbrechen na-
mentlich in grossen Städten immer eng zusammen wohnen, so konnte es
nicht fehlen, dass die Terminologie des Verbrechertums teilweise der
armen Bevölkerung überhaupt bekannt und geläufig wurde und damit die
ausgedehnteste Verbreitungsschicht gewann. Durch Polizei- und Gerichts-
verhandlungen dringen bestimmte Ausdrücke noch durch einen anderen
Kanal in das grosse Publikum. So hört die Terminologie der Gauner
allmählich auf, ihr Eigentum zu bleiben, und verliert der Begriff des an
ihr haftenden Wortes Argot zugleich seine ursprüngliche Bedeutung.
Denn wenn auch die gefährlichen Bevölkerungsklassen ihre allgemeiner
bekannt gewordenen Ausdrücke immer wieder durch neue ersetzen, so
geht dadurch doch auch den ersteren ihre Vaterschaft nicht verloren.
Unter diesen Verhältnissen musste also unausbleiblich das Wort Argot
eine immer allgemeinere Verwendung finden. Auch die Terminologie der
Bettler, Dirnen und Strolche musste in seine Sphäre gezogen werden;
ihr folgte die der Säufer, der mauvais sujets von allen Sorten, der
Müssiggänger , » Bänkelsänger , Lustigmacher, Börsenjobber u. s. w.
Schliesslich wurde auch die volkstümliche Terminologie der Hand-
werker, Industriellen aller Art, kurz der verschiedensten Berufsklassen
in den Begriff des Argot hineingezogen, und so ist man endlich natur-
gemäss zu der Definition gelangt, welche Acadämie und litträ dem
Worte par extension geben. Die erstere erklärt, es werde quelquefois
gebraucht: Des mots particuliers qu'adoptent entre eux les gens de cer-
taines professions. Und Littre, dem thatsächlichen Verhältnisse entspre-
chender : Phraseologie particuli^re, plus ou moins technique, plus ou moins
riebe, plus ou moins pittoresque, dont se servent ehtre eux les geos exer-
cant le m§me art et la meme profession. Während wir also dem Argot
im engeren Sinne nach wie vor, und hierin mit Darmesteter, Mots Nou-
veaux, S. 39, ganz einverstanden, nur die künstliche, der volkstümlichen
Ausdrucksweise fremde, mit willkürlichen Bildungsmitteln hergestellte
Sprache der Berufsgauner beizählen, müssen wir dem Ar^ot im weiteren
Sinne die Bedeutung unseres Jargon vindizieren, der in ebenso zahl-
reichen Spielarten vorhanden ist, wie es Berufsklassen gibt. Dieses in
weiterem Sinne gefasste Argot ist im allgemeinen durchaus volkstümlich
Diciionnaires Margot 41
in Bildung und Ausbreitung; es bleibt nicht auf die betreffenden Klassen
beschränkt, denen es von Haus aus angehört; es wandert aus dem Munde
der Benifsgenossen in den anderer Stände, dringt in die Sprache der
Tagespresse, wird durch sie noch weiter verbreitet und schliesslich litte-
raturfähig. Je niedriger und volkstümlicher eine Litteraturgattung ist,
um so eher wird sie dem Argot Aufnahme gewähren : die Gemeingut des
Volkes gewordenen Ausdrücke des Argot verleihen diesen Litteraturwerken
erst ihren volkstümlichen Charakter. Ans dem Argot der einzelnen
Stände, Indnstrien und Handwerkszweige rekrutiert sich schliesslich das,
was man Volkssprache nennt: sobald ein zunächst nur in abgeschlossenen
Zirkeln gebräuchliches Wort diese engeren Grenzen überschritten hat,
lört es auf, dem Argot anzugehören, ist es Eigentum der volkstümlichen
Jmgangssprache. Immer wieder wird sich diese allgemeine ümgangs-
prache aus den dem Bedürfnis, der Bequemlichkeit, dem Humor oder
dnem euphemistischen Streben entsprungenen Neologismen der einzelnen
{ernfsstände und Volksklassen neue Truppen holen. Viele davon werden
D der Umgangssprache befangen bleiben und spurlos in ihr wieder
ntergeben; andere werden Glück machen und die ihnen anfän^
ezogenen Schranken noch weiter siegreich überschreiten; sie werden m
ie Sprache der Presse und der niederen Litteratur, zuletzt in die Schrift-
)rache überhaupt ihren Eingang finden.
Unter solchen Verhältnissen ist es natürlich ausserordentlich schwer,
1 bestimmen, welches Wort noch dem Argot, dem Jargon einzelner Be-
ifs- oder Bevölkerungsklassen angehört, welches bereits als Gemeingut
)r Umgangssprache aufzufassen und welches gar bereits als Eigentum
;r Literatursprache zu betrachten ist. Manches Wort, das selbst bereits
Litteraturwerken Eingang gefunden hat, ist darum doch niemals volks-
mlich gewesen; manches Wort, das längst eine weite Verbreitung in
n niederen Volksklassen besitzt, hat es trotzdem noch niemals zu einer
iterarischen Fixierung gebracht. Viele Worte werden plötzlich aus dem
beständigem Strome befindlichen Vorrat der Neubildungen des Argot
ftauchen, vielleicht selbst eine ephemere Popularität erringen, um
nn ebenso schnell aus dem Dasein zu verschwinden. Der Lexikograph
3 Argot und der Umgangssprache mag sich daher mühen wie er will,
wird ihm nimmer gelingen, beide Wortgattungen auseinander zu
Iten. Vergebens hat deshalb Darmesteter in seinen Mots Nouveaux
1 auf die Besprechung der mots populaires einschränken wollen; er
; dem Argot einen reichlichen Tribut zollen müssen. Andererseits hat
nes der neueren dem Argot gewidmeten Werke auch nur den Versuch
nacht, sich nur auf den Jargon der Gauner, Diebe und Dirnen, der
ustrie , des Handels , des Militairs oder der Handwerker zu be-
ranken. Wo, wie in Villatte's Parisismen, auch nur Scheidungen der
)rauch8krei8e der einzelnen Worte versucht werden, sind diese gewiss
Q80 häufig falsch wie richtig vorgenommen und selbst kaum immer
h nur nach ihrer Herkunft richtig besimmt. Das Argot ist eben zum
jsen Teil identisch mit der volkstümlichen Sprache überhaupt. Wer
lexikographisches Werk dem Argot ausschliesslich widmen will, der
s sich auf das Argot einer bestimmten Berufeklasse beschränken, und
1 dann wird er noch zu scheiden haben, was im augenblicklichen
rauche nur innerhalb dieser Berufsklasse üblich ist, und was bereits
weitere Verwendungssphäre gefunden hat.
Nach einer andren Seite hin bedarf indes der jetzt geläufige Be-
des Argot eine Begrenzung. Ohne dass es meines Wissens irgendwo
s^t sei, wird damit gewöhnlich nur die Volkssprache und der Jargon
in grossen Städten oder in Paris lebenden Berufsklassen bezeichnet,
43 Liiterarische Ckt^omk. E. Koschwitz,
wo allein Qauner und Dirnen mit ihren Anhängseln als besondere Stände
existieren können, wo Handel und Gewerbe, Industrie und Handwerk,
Kunst und Wissenschaft entweder allein oder doch am zahlreichsten und
in den verschiedensten Gestaltungen bestehen. Allenfalls tritt noch die
Sprache des Bergbaus, des Militairs und der Marine in ihrer Allgemein-
heit hinzu, die nicht nur in grossen Städten verbreitet ist. Die Sprache
des Landbewohners kommt für das Argot nur insoweit! in Betracht, als
sie in Beziehung zu der der Stadtbevölkerung tritt und dieser neues
Wortmaterial zuführt. Die in der Spruche der -Landbevölkerung ge-
bräuchlichen, zumeist durchaus volkstümlichen Spezialterminologien blei-
ben in der Vergessenheit der patoü, deren dialektische Sprachformen
natürlich auch ihnen anhangen. Die Unterscheidung eines Argot im
Munde des Landbewohners von der allgemeinen patois- Sprache musste
um so mehr unterbleiben, als auf dem Lande beides in Wirklichkeit
durcheinander fliesst, weil dort eine Gliederung nach Ständen und Be-
rufsgattungen selten in Betracht kommt. Der auf dem Lande lebende
Vertreter eines Spezialfaches, der hochfranzösisch spricht, und der Klein-
städter, soweit er sich dem patois entzieht, erhält sein Argot aus den
grossen Städteu, und zwar, wie es in Frankreich natürlich ist, zum grössten
Teil aus Paris. Es kann daher nicht verwundern, wenn des Argot des
kleinstädtischen Handwerkers oder Industriellen in der frz. Argot- Litte-
ratur kaum gedacht, und in den Argot -Wörterbüchern fast nur dem Pa-
riser Argot Berücksichtigung verstattet wird. Fügen wir noch hinzu, dass,
abgesehen vom Journalismus und Parlamentarismus, auch den Neologis-
men der gelehrten Stände und ihrer speziellen Terminologie gemeinhin
keine Beachtung zu Theil wird, dass noch weniger der Sprachgebrauch
der Kolonien und ihrer eigenen Berufszweige für die Argot- Litteratur in
Frage kommt, so sind wir genügend vorbereitet, um zu einer Besprechung
der neueren Argot- Wörterbücher übergehen zu können.
An erster Stelle haben wir Loredan Larchey's Dictiomiaire histori-
que d^argot. 7e ^d. des Excentricitäs du Langage, considerablement aug-
mentäe et mise a la hauteur des revolutions du jour. Paris 1878. 8**.
XVII, 377 SS.,*) zu verzeichnen. Die Exceniricite's y aus denen das Dic-
tionnaire hervorging, erschienen zum 1. Male 1860. Wir nennen dieses
Wörterbuch an erster Stelle, weil es zeitlich von den zu nennenden am
frühesten entstanden ist, und weil es in vielfacher Beziehung seine Mit-
bewerber um die Gunst des Publikums überbietet. Über einen auf-
geklärten Dilettantismus hat es freilich Larchey nicht hinausgebracht.
Doch hat sich der Verf. in der früheren Argot - Litteratur umgesehen,
sie nach Kräften ausgenutzt und ausserdem eine reichliche anderweitige
Litteratur, die S. XXXIV iF. verzeichnet wird, selbständig durchsucht
und ausgezogen. Seine Auswahl der gegebenen Worte geschieht mit
Bedacht; sie umfassen mit möglichster Vollständigkeit die Ausdrücke
der malfaiteurs und das, was er die excentricit^s de langage der übrigen
Bevölkerungsklassen nennt. Sein Hauptaugenmerk ist natürlich auf die
Pariser Volkssprache gerichtet, denn dort „se fabriquent ou se retrem-
pent tous le« mots nouveaux: ceux du bagne. et ceux du sport, ceux
du boudoir comme ceux de Tatelier, ceux de la caserne comme ceux
des couloirs de TAssembläe, ceux de la halle comme ceux du coU^ge
*| Der uns vorliegenden Ausg. ist 1880 eine 8. gefolgt, die betitelt
ist: augmentäe d'un suppläment mis k la hauteur des revolutions du
jour et contenant 2784 mentions nouvelles. 8**. XVII— 518 p. j lesuppl<^-
ment s^paräment 2 fr.
Dictionnaires d*argot 43
et du joarnalisme .... PariB fait 1a mode des motg, comme il faÜ
la mode des chapeaux (S. II.). *Den Worten werden Belege beige-
geben, und es wird angezeigt, welchem Autor oder welcher Quelle
dieselben entnommen sind. Leider fehlt den Zitaten die Genauigkeit:
man erfährt meist weder die Seitenzahl, noch die Ausgabe, noch das
Werk des zitierten Autors. Dafür ist der Verf. bestrebt, auch die Daten
bei Worten anzugeben, die nur eine Zeit lang im Umlaufe waren, oder
bei denen es ihm wünschenswert erscheint, ihre Entstehungszeit festzu-
stellen. Was nicht irgendwo einmal gedruckt worden ist, wird von ihm
womöglich ausgeschlossen, desgleichen solche Worte, die zwar in ander-
weitigen Argot- Verzeichnissen Aufnahme gefunden, in Wirklichkeit aber
niemals allgemeinen Kurs besessen haben. Auch in der Bestimmung der
Etymologien oder der sonstigen Herkunft seiner Vokabeln ist der Verf.
besonnen vorgegangen, soweit ihn nicht seine Unkenntnis des mittel-
alterlichen Sprachschatzes dabei irre leitete. Endlich hat Larohey mit
gutem Gnmd darauf verzichtet, seine Worte bestimmten BevOlkerungs-
klassen zuzuweisen. Er sagt darüber ganz zutreffend: „en spdcialisant
on reste fatalement au-dessous de sa täche. Chaque corps de metier,
chaque atelier, chaque coU^e, chaque caf^, chaque quartier ont leurs
petita argots. Si vous donnez Tun, il faut les donner tous. Vous vous
noyez alors dans l'infini et dans le puäril"* (S. XXX.). Aber wenn
auch der Verf. auf eine Sortierung der von ihm berücksichtigten Jargons
im allgemeinen verzichtet, so gibt er dennoch die Hilfsmittel an die
Hand, die der Sprache der Gauner und Spieler (grecs) entlehnten Aus-
drücke zu erkennen. Sie werden durch das Zitat der für diese Wort-
klassen benutzten Gewährsmänner erkenntlich gemacht. Mit den Namen
Grand val (Cartouche, pobme, Paris 1723), Haibert (Nouveau Dictionnaire
de Vargoi, Paris 1840), Vidocq {ks Vokurs, Paris, Datum? Der Verf t
1857), Colombey (C Esprit des VoleurSj suivi d'un Dictionnaire d'argot,
Paris 1862), Moreau Christophe (le Monde des Coqums, Paris 1864) und
Babasse, der dem Verf. mündliche Mitteilungen machte, werden alte und
neue Ausdrücke des Gaunerjargons erkenntlich gemacht; mit den Namen
Alyge {r^rl de ponier, 1854) und Cavaille fies FiUmteries du jeu, 1875)
die der Spieler und Bauernfänger. Für eine grosse Anzahl der übrigen
Worte ergibt sich, wie überall, aus ihrer Bedeutung ganz von selbst, in
welcher Gesellschaftsklasse sie aufgekommen sind, äe Gewissenhaftigkeit
des Verfs. wird auch daran ersichtlich, dass er selbst während des
Druckes eifrig weiter sammelte, und die Ergebnisse dieser Nachlese in
einem Supplement seiner Ausgabe anfügte, das S. 368—77 eine Anzahl
übersehener Worte, neue Belege und Berichtigungen in alphabetischer
Folge bringt. Die meisten Hinzu fugungen sind Zola^s Assommoir (von
1877) und dem Sublime (Paris 1872) entnommen, die ihm als „späcimens
tves-vrais du langage figurä dans le peuple parisien*' erscheinen.
Weit weniger lobenswertes lässt sich von Delvau's 1866 zum
ersten Male erschienenen IHctionnaire de la Langue Verte^ Paris, Marpon
und Flammarion, sagen, das 1883 in 3. Auflage erschienen ist, durch ein
umfangreiches Supplement von G. Fustier vermehrt. Im Übrigen ist
diese letzte Ausgabe ein treuer Abdruck der zweiten, vom Verf. noch
selbst durchgesehenen von 1867; auch die Vorrede der 2. Auflage (S. I
bis XXXIl, zu 562 SS. Text, kl. 8",) ist unverändert wiedergegeben. Der
Verf. stellt sich in ihr selbst als faubourien und aus einer Familie stam-
mend vor, in der man es durch Generationen hindurch war (S. 7); er
will alle von ihm gegebenen Worte im öffentlichen Verkehr selbst-
ständi^ gesammelt, jedes einzelne wenigstens hundert Mal gehört haben.
Doch ist es mit diesen Versicherungen nicht genau zu nehmen. In der
44 Liiterarische Chronik, E. Koschtvitz,
Auswahl seiner "Wörter ist D. wenig bedenklich; er nimmt auf, was ihm
unter die Hand kommt, den „cani, Targot des voleurs et des assassins"
und den „slang, l'argot des faubouriens et des filles, des voyous et des
soldats, des artistes et des ouvriers" (S. VIII) , und noch mehr wie das.
Er gibt sogar das ar(jfoi des Acaderniciens, oder verspricht wenigstens,
es zu geben. Dieses aber doch wohl auf Grund litterarischer Hilfsmittel.
In der in geistreichelndem Tone abgefassten Vorrede, wo Albernheiten
neben ganz richtigen Ansichten in buntem Wechsel vorgetragen werden,
verspricht D. auch, womöglich Etymologie, Ursprung, Jahrzahl, Vater
und Taufpathen seiner Wörter anzugeben (S. XXI.). In seinem Wb. ist
indess wenig von diesem berechtigten Streben zu bemerken; auf seine
Etymologien legt er (S. XXVI) selbst kein besonderes Gewicht; seine Er-
klärungen wollen nicht nur belehren, sondern oft auch amüsieren.
Belegstellen für seine Worte und Phrasen anzuführen , hat D. natürlich
nicht für nötig befunden, er gibt ja vor, alles direkt aus dem Volksmunde
geschöpft zu haben. Da der Verf. es mit der Ehrlichkeit in seiner Ein-
leitung nicht streng nimmt, so verdient auch sein Vokabular kein be-
sonderes Vertrauen, weder was die Erklärungen, noch was seine sonstigen
Zuthaten betrifft. Bei einer Anzahl von Worten führt er die Klassen
an, in denen sie gebräuchlich sind; aber nur wenn os ihm gerade be-
quem ist, ohne irgend welches Bestreben nach Regelmässigkeit.
Etwas gründlicher als Delvau verfährt sein Ergänzer, G. Fustier,
dessen Supplement von S. 493 bis S. 562 reicht, also eine ganz stattliche
Nachlese bringt. Er stellt sich in der seinem Supplemente vorausgehen-
den Notiz als seit langen Jahren mit einer Arbeit über die niedere Volks-
sprache (bas langage) beschäftigt vor, die u. d. T. les OrpheUns de la
Langue erscheinen soll. Seine Ergänzungen hat er nur auf solche Worte
ausgedehnt, die er in keinem früheren Dictionnaire d'argot (also auch
nicht bei Larchey und dem bald zu nennenden Rigaud) vorfand; vor-
zugsweise hat er Romane der naturalistischen Schale und Zeitungen aus-
genutzt, die er als seine Quellen bei den einzelnen Artikeln auch zitiert,
leider zumeist in derselben mangelhaften Weise wie Larchey.
Zwei Jahre vor der 3. Ausgabe Delvau^s, i. J. 1881, erschien das
Dictionnaire d'argoi moderne par Lucien Rigaud, Paris, OUendorff, 8**,
II -h 891 SS., dem derselbe Verfasser bereits ein Dictionnaire du Jargon
pafisien (I'argot ancien et l'argot moderne) vorangeschickt hatte, in
welchem er auch von dem Ursprünge und den Wandinngen des argot
handelte. Dieses ältere, im Buchhandel nicht zu erreichende Werk Bi-
gaud's ist uns nicht zu Gesicht gekommen, wir müssen daher auf einen
Vergleich desselben mit dem neuen Dictionnaire verzichten. Ganz kurz
vor dem Dictionnaire d'argot moderne publizierte Rigaud femer in dem-
selben Jahre 1881 ein Dictionnaire des Lieux communs de la conversa-
tion, du style ^pistolaire, du thäatre, du livre, du Journal, de la tribnne,
du iDarreau, de Poraison funSbre etc., mit dem wir uns hier aber nicht
zu beschäftigen haben (vgl. darüber Zschr. IV, 226). Der Tod hat den
Verf. verhindert, seinem Dict. d'arg. moderne ein Vorwort vorauszu-
schicken und über Zweck und Ziel seines Werkes Auskunft zu geben.
Die von dem Verleger an die Spitze desselben gesetzte Notiz kann dafür
keinen Ersatz gewähren, um so mehr aber das Wörterbuch selber. Wie
der Titel andeutet, will der Verf. nur das moderne Argot, und zwar,
wie fast selbstverständlich ist, das von Paris berücksichtigen, Argot im
Sinne von Volkssprache gefasst. Er unterscheidet , sich also insofern von
Larchey, mit dem sein Lexikon sonst die grösste Ähnlichkeit zeigt, als
dieser auch das ältere Gauner- Argot mit aufnahm. Im Übrigen sind seine
Prinzipien genau dieselben wie die Larchey's, nur sucht er diesen an
Diciionnaires Margot. 45
Sorgfalt noch zu übertreffen. Ohne Beleg und ohne Quellennachweis
bleiben nur Worte, die den Dictionnaires cTargot gemeinsam und allffe-
meioer verbreitet sind. Für Worte , die der Verf. nur aus Delvau oder
Larchej keont, werden diese als Quellen genannt. Andere verwandte
Werke werden noch genauer zitiert. Wenn irgend möglich, gibt der
Verf. selbständig gesammelt« Belegstellen aus modernen Autoren oder
Journalen. Von den zitierten Autoren wird auch das Werk bezeichnet,
nur nnterlässt auch er, Ausgabe und Seitenzahl anzuführen. Bei Zit-aten
aus Journalen wird Jahr und Datum der Nummer bezeichnet; hier
erreicht also der Verf. alle wünschenswerte Genauigkeit. Seine Erklä-
rungen sind besonnen und zurückhaltend ; wo R. sich für sie auf andere
Gewährsmänner stützt, sind diese genannt. Eine Bestimmung der Worte
nach Gattungen ist wie bei Larchey nur fakultativ vorgenommen, mit
richtiger Erwägung der Verhältnisse. Das ganze Werk macht in Bezug
auf Auswahl, Erkmrung, Nachweisungen und Oebrauchsbestimmungen
der darin enthaltenen Vokabeln den Eindruck der Gründlichkeit und
reiflichen Überlegung. Es steht an Wert und Zuverlässigkeit dem Larchey-
3chen fast mehr als ebenbürtig zur Seite, und übertrifft darum um so
mehr die gesucht dilettantische Leistung Delvau's.
Der Anziennität nach schliesst sich an die verzeichneten Werke
las einzige deutsche Wöi*terbuch dieser Art an: Villatte*s Parisismen,
alphabetisch geordnete Sammlung der eigenartigen Ausdrucksweisen des
'ariser Argot. BIrlin, 1884. mr können in unserer Beurteilung dieses
Verkes der in dieser Zschr. V^, 209 ff. von Sarrazin ge^benen nur be-
lügt zustimmen. So ist uns sehr fraglich, ob Villatte „einem wirklichen
Bedürfnis'' abgeholfen und eine „b^auerliche Lücke'* ausgefüllt hat.
Ver ein Bedürfnis fühlt, das Pariser Argot s^ verstehen, bei dem
ann man doch genügende frz. Sprachkenntnis voraussetzen, um auch die
rklärungen der frzi Dictionnaires verstehen zu können. Man dürfte
iher Villatte*8 Parisismen diesen nur dann vorziehen, wenn er mehr
1er besseres als sie bieten würde; denn die Bequemlichkeit, für die frz.
iterpretation einen naturgemäss nicht immer genau entsprechenden
mtschen Ausdruck im Nachschlagebuche zu erhalten, ist doch verhält-
smässig gering, unter Umständen wird die deutsche Obersetzung irre
hren können, umsomehr, als V. keine Belegstellen für seine Volokbeln
3tet. Wie wir über V.'s Versuch, die Gebrauchssphären der einzelnen
orte festzustellen, denken, haben wir schon oben gesagt. Es bedarf
ner keines Hinweises, dass es immer vorteilhafter ist, ein Quellenwerk
benutzen, als eine abgeleitete Arbeit. Im Verhältnis der Ableitung
3r der Abhängigkeit steht aber V. durchaus zu den frz. Dictionnaires
rgot. Schon das Vorwort lässt diese Sachlage erkennen. Es ist im
äentlichen aus den Einleitungen von Delvau und Larchey zusammen-
chweisst ; Irrtümer derselben werden mit Haut und Haaren übernommen
ir erst durch Misverstäodnis hineingebracht. So z. B. die schon von
hne Herrig's Archiv 71, 100 gerügte Anführun^weise der Worte
2uef% pecune und cadene u. ä. S. VI behauptet V. naiv, eine Zusammen-
lung der Wöi*ter des Pariser Argot sei erst jetzt durch die
arbeiten französischer Lexikographen möglich geworden. Das gilt
it einmal ganz von einer Zusammenstellung wie der seinen, die auf
(che selbständige Forschung Verzicht leistet. V. hat sich, wie wir
yn beweisen werden, in seiner Arbeit fast nur auf Ausnutzung der
ihm als Hauptquellen angeführten Dictionnaires von Delvau, fjarcbey
Ri|^ud beschränkt, und zwar in der Weise, dass er sich am engsten
üi^aud anschliesst und die beiden anderen zur Ergänzung heranzieht.
Hauptverdienst besteht darin, dass er die frz. Erläuterungen seiner
46 Liiterarische Chronik, E. Koschwitz,
Vorgänger durch deutsche Übersetzungen und Erklärungen ersetzt und
den in einer neuen Bedeutung verwendeten Vokabeln in Parenthese ihre
ursprüngliche oder gewöhnliche Bedeutung beigefügt hat. Ausserdem
hat er sein Material enger zusammengedrängt als seine Gewährsmänner ;
dafür unterlässt er es vollständig, für seine Bedeutungen Belegstellen an-
zuführen , was allerdings insofern überflüssig war , als er neue offenbar
nicht zu bieten hatte und als er auch keine neuen, nicht schon früher
gebuchten Worte aufnimmt. Der Gedanke, dass auch ein Deutscher oder
in Deutschland lebender Franzose selbständig durch Ausbeute der gegen-
wärtigen frz. Litteratur, spez. der Tagespresse und der naturalistischen
Schriftwerke, unsere Kenntnis des Pariser Argot bereichern kann, scheint
dem Verf. gar nicht gekommen zu sein. Wenn aber Villatte vielleicht
aus vorsichtiger Zurückhaltung eigene Sammlungen aus frz. Lektüre
unterlassen hat, so sollte man wenigstens erwarten, er habe die neuesten
Ausgaben seiner frz. Gewährsmänner seinem Wörterbuch zu Grunde ge-
legt. Auch das ist nicht der Fall. Von Larchey ist nicht einmal die
oben besprochene Ausg. v. 1878 benutzt, wie es die unten nachgewiesene
Ausserachtlassung von deren Supplement durch V. bezeugt, geschweige
denn die von 1880 mit ihrem reichen neuen Supplement, von Delvau
hat V. die durch Fustiers Anhang vermehrte 3. Auflage von 1883 viel-
leicht nicht mehr benutzen können; wir dürfen uns also auch nicht ver-
wundern, wenn wir das von Fustier gegebene bei ihm nicht wiederfinden.*)
Ob V. auch neuere Spezialwörterbücher, wie Pousssfrt's Dictionnaire
des termes de marine, Paris 1880; Baikie^s International Dictionary for
Naturalists and Sportsmen, London 1880 u. dgl. gekannt und benutzt
hat oder nicht, vermögen wir nicht zu entscheiden. Doch halten wir
ihre Nichtbenutzung för wahrscheinlich.
Ilerr Villatte wird gewiss nicht gern vernehmen, dass ihn in ge-
wisser Hinsicht ein Mann übertroffen hat, der in einer gar nicht
ernst gemeinten Sammlung des Dimeujargons, wie* er sich in den natura-
listischen Bomanen Zola*s und seiner Adepten vorfindet, viel selbständiger
gearbeitet hat als er. Ich meine das Paris 1883 (vor Villatte) erschienene
Werk von Ambroise Macrobe, La Flore pomographique. Glossaire de
riScole naturaliste extrait des oeuvres de M. Emile Zola et de ses dis-
ciples. 8**. 226 SS. Macrobe, dessen Namen ich weder bei Vapereau
noch in Joliet's Pseudonymes du jour (Paris 1884) vorfinde, gibt in seiner
von ziemlicher Belesenheit zeugenden und den Naturalisten sehr übel
wollenden Einleitung S. 21 die Bestimmung und Art seines Werkes selbst
an: „Nous avons cueilli, dans le jardin pomographique, les fleurs n^es
de la culture du r^alisme et du natural isme: nous en avons forma une
gerbe, une corbeille que nous presentons au public, afin qu'il puisse juger
honnStement et en connaissance de cause les inventions de langage ou,
si Von veut, les vulgarisations de langage de cette äcole moderne . . .^^
Und S. 22: Nous ne nous sommes pas donne la peine de rechercher les
^tymologies de ces termes grossiers; nous nous sommes content^ de les
traduire d^cemment, afin d^^viter aux Saumaises futurs de trop longues
recherches." Was der Verf. verspricht, hat er gehalten. Er hat, unbe-
kümmert um frühere Ausbeutungen, Zola's Nana (Z. N.), Assommoir
(Z. Ass.), Pot-Bouille (Z. P.), Au Bonheur des Dames (Z. B.) ; E. de Gon-
court's la Fille filisa (E. de G. E.), Huysmans' les Soeurs Vatard (H. S.),
^) Ist es Zufall, dass Villatte S. VI seiner Einleitung verschmäht
hat, die von ihm benutzten Ausgaben der Dictionnaires von Delvau und
Larchey anzugeben?
Diciionnaires cPargot 47
(11. M.); y. Meunier's les Baisers tristes (M. B); Guy de Mau-
. une Vie (G. d. M. V.), la Femme de Paul (G. d. M. F.) und
. t ard's Soiräes de Mädan (C. S.) gelesen und die pornographischen
derselben gesammelt, manchmal nicht ToUständig genug, manch-
zu vollständig, im ganzen ausführlicher, als ee für einzelne der
leii Romane vor ihm geschehen. Die, ein paar Mal allerdings
. tnau, alphabetisch geordneten Worte und Phrasen werden decent
imd durch je ein Zitat belegt. Ausgabe und Seitenzahl gibt
11 falls nicht an. Um seinem Werke, das auf sehr gutem Papier
kt ist, auch äusserlich den Stempel seiner Bestimmung aufzudrücken,
. der Umschlag eine Vignette, auf der an den Zitzen eines Mutter-
iies eine Anzahl Männchen saugen; drei übergesetzte Schweinchen
iue Aufschrift: Omnes mecum porto gereichen dem Bildchen zur
ou Zierde. Auch im Innern ist jeder neue Buchstabe durch eine
iie charakteristische Zeichnung illustriert.
Da wir nicht annehmen können, das für die augenblickliche Ge-
icksrichtung der frz. Belletristik bezeichnende Werkchen werde in
• bland eine grössere VerbreituDg finden, die es auch trotz seiner
ven Vorzüge in keiner Weise verdient, so geben wir hier alles
I enthaltene neue wieder, indem wir es zugleich benutzen, um
seiner Hilfe das Verhältnis der von uns besprochenen Argot-
erbücher in Bezug auf ihre Vollständigkeit zu bestimmen. Wir
II dabei zugleich passende Gelegenheit, unser Urteil besonders über
deutsche Bearbeitung des frz. Argot von Villatte zu begründen, und
n Nachtrag zu ihr zu liefern, der manchen willkommen sein wird.
Zunächt beweist uns, dass Villatte es ganz und gar nicht für nötig
in den hat, die von Macrobe durchsuchte Litterafiir der frz. natura-
ischen Romanschreiber Frankreichs auch seinerseits auszubeuten,, und
^ er über seine Quellen werke nicht hinaus geht, die grosse Anzahl
11 Ausdrücken und Bedeutungen, die weder bei ihm, noch bei Larchey,
Ivan und Rigaud zu finden sind, die aber Macrobe aus seinen Autoren
tiert hat. Es sind die folgenden, denen wir zugleich die M. 'sehen Er-
iirungen und, in abgekürzter Form, auch seine Autorenzitate beifügen:
s'allumer, etre pris de d^sirs violents (Z. N.).
ancienne, vieille fille galante (Z. N.).
fille assermentee, fille inscrite (E. d. G. E.).
avachi, e, dägnidä (Z. Ass.).
badigeonner, faire saillie (H. S.).
hal de Vestomac, Indigestion (H. S.).
halai, jeune fille maigre (Z. N.).
bique, femme qui vieillit (H. S.).
birbe, dient passager d'une femme galante (M. B.).
bivac des graces, faveurs d'une femme (H. S.).
blette adj., se dit d^une vieille femme galante (Z. N.).
etre bouchee, femme dans Timpossibilitt^ d'avoir des enfants (Z. P.).
bougresse, femme du monde qui se conduit mal (Z. N.).
hramer, synonyme de chanter (H. M.).
rhythme canaÜle, musique populaire (Z. N.).
car Offne, syn. de reveche (EL. S.).
6tre an carte, se dit d'une prostituee soumis^ auz rbglements de
la präfecture de police (Z. N.).
casser Vagrafe, se separer (H. S.).
chauffer la coUe, pr^parer un raccomodement (H. S.).
laDcer sa chemise par-dessus les raoulins; ch, est pris ici pour
bonnet (Z. N.)-
48 Litierarische Chronik. E. KoschwUz,
chenapan femelle, femme qui se prostitue (H. S.).
avoir un chien, eh. synonyme de chic (Z. N.).
chienne, femme ardente (H. S.).
coüer une affaire, rendre une temme ardente (Z. F.).
compote^ ^tat de maladie de venire (Z. P.).
corniche, contour (H. M.).
cotder des regards 8ur qch., regarder en dessous (Z. N.).
se faire donner un coup de plumeau, avoir un amant (Z. P.).
crache^louis, amant qui paye (M. B.).
cracher ses chicois, fa9on de chanter, expression poätique (H. M.)*
craptde, syn. de d^auche (H. M.).
— terme iniurieux qui quelquefois 8*emploie amicalement
(Z. N.).
— du vice, raffinement de perversion (Z. N.).
se c?'iper la tignasse, se prendre aux cheveux (H. S.).
se taper sur les cuisses, moyen de t^moigner sa satisfaction (Z. N.).
cuve humaine, grosse femme (H. M.).
dame de compagnie, syn. de prostituee de province (E. d. 6. E.).
ddboticher une femme, avoir des rapports intimes avec eile (Z. P.).
allure de'bringuee, allure de voyou (H. S.).
decrepir la face, se faner (H. S.).
ddgostiler un couplet, chanter (H. M.).
faire un salut ä derriere otivert, nouvelle manibre de salaer
(H. S.).
dessous secreis, ce que cachent les femmes (G. S.).
donne?* dans le iravers, se laisser s^duire (E. d. 6. E.).
donner de son corps, se prostituer (Z. N.).
donner des idees, syn. d^exciter (Z. F.).
ebouie, e, dtendn paresseusement (H. M.).
se frotter a Tecorche-ctd, se rouler sans m^nagements (H. S.).
icueUee dordures, ^num^rations d'äpith^tes injurieuses (H. S.).
4cM, e, fatigu^ (H. S.).
§tre emhdIU, se dit des gens dont on parvient a se d^barasser
(Z. N.).
emmerdeur, personnage ennuyeux (Z. N.).
empaille', Tair e. = Tair fier (Z. N.).
empoigner qch., gtre atteint d'une maladie vän^rienne (Z. F.).
se faire epousseter, avoir un amant (Z. N.).
s'enrager, devenir eperdument amoureux (Z. N.).
dtalage, pour une femme signifie: exhibition de ses charmes (6. d.
M. F.).
dteindre de la brmse, ramasser de Targent (H. M.).
dtrenner, attraper une vilaine maladie (Z. F.).
faire ga, syn. de bagatelle et de faire boum (Z. N.).
faire le cUent, s^uire un homme (G. d. M. F.).
faire son heure, signifie, pour une prostituäe, se promener peu-
dant une heure, sur le trottoir de la maison, afin d'attirer les
passants (E. d. G. E.).
fidoi, te adj., luisant (II. M.).
fouille-au-pot, debauche qui aime k palper les femmes (Z. Ass.).
fouiMonne, e, chiffonn^ (H. M.).
freiiUer de sa Croupe, remuer le derrifere en dansant (G. d. M. F.).
friponner, se caresser, s'agacer. Ce que nos ancgtres appelaient
„la petite oie" (H. S.).
fripouiäe, individu malpropre (Z. N.).
Diciionnah^e iVarfjoi. 49
fumei, parfum de la femme (C. S.)-
gci^n, syn. de grosaeur (H. S.).
gaky semploie dans le sens de maladie morale (Z. F.).
gmier qn, le s^duire (H. M.).
gargotileite, syn. de visage de feuime (H. S.).
gauk'bon-temps, homme d'une gaiete triviale et communicative
(H, M.).
gaiiier le fessier, battre qn (H. S.).
geigMrie, cri d'amour (H. M.).
gmüe, femme b§te (H. S.).
godaüleuse, femme gourmande (H. S.)*
gonape, syn. de coquioe (H. S.).
gueniüe, fille mal mise (Z. N.).
JeHner. etre chaste (Z. N.).
fleurir de jonquiüe a qn, tromper un homme (H. M.).
iäcker sa peau, se nögliger (Z. N.).
lan^age, debut d'une fille dans la galanterie (Z. N.).
iimande, syn. de femme maigre (H. S.).
mariner, syn. de flotter (H. M.}.
mistoufey bataille, syn. de cr^page de cbignon (M« B.).
en montrer trop, 6tre trop decollet^e (Z. N.).
moucher un homme, action amoureuse (Z. P.).
motde ensahpe, tete d'ouvrifere (H. S.).
neant, maigreur de la poitrine (Z. B.).
nourrisseur, entreteneur (H. S.).
se Foffrir, syn. de se la payer, obtenir les faveurs d*une femme
(M. B.).
opirun* de la hure, approuver de la töte (H. S.).
lächer une ordure, o. = mot grossier (Z. N.).
ordure, syn. de liaison amoureuse (Z. Ass.).
pain de graisse, femme colosse (H. S.).
paqitet, poitrine de femme (H. S.).
y passei\ se laisser s^dnire (Z. N.).
pcLSser qn, s*en d^barasser en Tabandonnant ä une autre femme
(Z. P.).
passer devanl la gUice, ne pas payer (E. d. G. E.).
le gdndral pave, syn. de rue (H. S.).
avoir qch. dans la peau, etre en proie k des passions violentes (Z. P.).
faire peau neuve, changer d'amant (Z. N.).
pimper des prunelles, regarder effront^ment (H. S.).
quelqv*un, dient de passage; expression de prox^nete (Z. N.).
räble, derri^re de femme (H. S.).
räielier, restaurant (H. M.).
ravigote, action de se parfnmer le visage (H. S.).
remachei' des claques, faire souvent le recit des coups que Ton
re9oit (Z. N.).
le ?'esie de qn, amant abandonnä et agree par une autre femme
(Z. N.).
rigolctde, flirtage sans consequence (Z. N.).
rompre sa longe, se säparer (H. S.).
rossignoler du nez, chanter du nez (H. M.).
roulis de chaires moües, femme grasse (H. S.).
roupienx, se, qui a la roupie (H. M.).
rut, excitation feminine (Z. N.).
salo?i, syn. de maison de prostitution, en provlnce (E. d. G. E.).
ehr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI*. a
50 Lütermische Chronik. E. Koschrvilz,
sanier le foss^, ae marier (H. S.).
sexe, instrument de travail (E. d. G. E.).
su^on, trace que laisse sur la peau un baiser trop ardent (Z. Ass.).
avoir un surcroit de hagage, §tre eDceinte (Z. Ass.).
iaches azurees des iruffes, syn. de plaques bleues sur la peau pro-
duites par des coups (H. S.).
terrme pleine de vices, gros homme d^bauche (H. S.).
tirej- des en/ants, faire un accouchement (E. d. G. E.).
iroUoir, Heu ou s'exerce la Prostitution (Z. P.).
le Tucker de la morgue, les dalles de la morgue. T. est employ^
coQime syn. de sommier (H. M.; M. fragt in Anmerkung:
Serait-ce une r^clame?)
vendanger des graces, obtenir les faveurs d'une femme (H. S.).
viande ä cocher, petite fille du penple (Z. P.).
Liefern die angeführten, der Flore pornographique entlehnten
Worte und Wendungen, die sich in den älteren Argotwörterbfichern ent-
weder gar nicht oder doch nicht in den zitierten Deutungen vorfinden,
den Beweis, dass Villatte sich von seinen Quellenlezicis nicht emanzipiert
hat, so bezeugen andere Fälle, dass er sie nicht ganz vollständig ausge-
zogen und sie nicht in den neuesten Ausgaben benutzt hat. Wir finden
bei Macrobe nämlich auch eine Anzahl Worte und Wortbedeutungen,
die wohl bei L(archey), D(elvau), oder R(igaud) gegeben sind, bei Villatte
aber fehlen. Es sind:
houloite, adj. grasse (Z. N.). Steht bei D. Supplem. von F(u8tier).
Mngue, fille du peuple dont la conduite est mauvaise (Z. Ass.).
In dieser Bedeutung auch in L.,
casser son lacet, rompre une liaison (H. S.). Steht bei F., der
dasselbe Beispiel zitiert.
chien, mot affectueux (Z. N.). Auch bei L.
cochonnerie, mauvaise action (Z. N.). Auch bei B. und L. In D.
sehr ausführlich.
couper dam la pommade, §tre dupe (H. S.). Auch bei R.
coyper les vivres, refuser k une femme les caresses qu*elle se croit
en droit d'exiger (Z. P.). Auch bei D.
crapoucin, homme laid, ressemblant k un crapaud (H. M.). Auch
bei D., crapouf^n geschrieben.
empaumer qn, faire sa conqußte (Z. N.). Auch bei D.
gaupe, syn. de femme d^vergondee (H. M.). Auch in D.
guenon, syn. de femme l^bre (C. M.). Auch in D.
lantiponner, flauer (H. S.). So auch D. In anderer Bedeutung in
R. Fehlt bei B. und Villatte.
voir le lonp, perdre sa virginitd (Z. Ass.). Ausführlich erklärt in R.
Madame, directrice d'une maison de Prostitution (E. d. G. E.). R.
zitiert dieselbe Stelle; steht auch in D. imd F.
miche, amant de passage qui paye une femme galante (M. B.).
Auch in L. und D.
faire son persü; faire le tour du lac» en voiture, pour raccrocher
des hommes (Z. N.). Auch bei R. und L.
etre pincee, femme qui devient enceinte ,(Z. N.). Auch bei F.
piolle, maison de Prostitution (H. M.). Ahnlich in R.
k la regeUade, pour rire, en riant (H. 8.). Auch in D.
salaud, adj., malpropre (Z. N.). Auch in D.
avoir qch. dans le venire, avoir du talent (Z. N.). Auch bei L.
Keinen Vorwurf kann man Villatte daraus machen, wenn sich
kein Pendant bei ihm findet für Deutungen Macrobe's, wo dieser, der
Diciionnaires (Car^fot. 51
es mit seinen Erklärungen Überhaupt nicht sonderlich streng nimmt,
ungenau übersetzt, oder wo er mit der Aufnahme von Worten und
Wendungen allzu liberal vorgeht. Die ungenauen Deutungen der Flore
hier aufzuführen» wo Villatte und dessen Vorgänger besseres bieten, wäre
zwecklos. Dagegen zählen wir noch die Fälle auf, wo Macrobe uns in
seiner Wortaufnahme zu weit zu gehen scheint, um damit den Inhalt
seines Buches, soweit es irgend Wert für uns besitzen kann, vollständig
zu erschöpfen:
faire le horüietir de qn., lui plaire (Z. N.).
bordel, th^tre de boulevard, ainsi baptisd par le directeur d'un
de ces Etablissements (Z. N.).
chaud, -de, ärotique (sc^ne de säduction plus chaude Z. N.).
couche-dehors et Camoureux, surnoms gracieux donn^s aux seins
d'une femme (G. d. V, V.).
coucher avec qn, le poss^der (Z. N.).
daine, syn. de fille publique (Z. N.).
empocher, recevoir des coups (Z. N.).
— un homme, l'agrEer (Z. P.).
flambe, syn. de flamme (H. M.).
fosse, deesous des bras (la f. des aisselles, H. S.).
garce, actrice du second ordre dans un theätre de genre (Z. N.).
morceati de bois, homme ou femme insensible (Z. N.).
plaisanterie , se dit des hommes qui ne payent point les femmes
(Z. N.).
pointe, exträmitä du sein (Z. N.).
3ii'e prise, ne pouvoir disposer de sa nuit (Z. N.).
avoir qn ou qch. q. pari, en faire fi, le prendre en grippe (Z. N.).
Venus, une vänus (Z. N.).
Wir nehmen damit von Macrobe's pornographischer ßlumenlese
Abschied. Es sei uns noch gestattet, den direkten Beweis zu liefern,
dass Villatte das Buch Larchey^s nicht einmal in der uns vorliegenden
7. Aufl. von 1878 als Quelle benutzt hat, sondern eine noch ältere Auf-
lage. Die Handhabe dazu gibt uns das Supplement dieser Ausg., von
dem wir wissen, dass es sicher erst in der 7. Ausg. hinzugekommen ist,
während es uns nicht vergönnt ist, den übrigen Inhalt dieser Ausg. mit
einer früheren zu vergleicnen. Finden wir das Supplement bei Villatte
unbenutzt, so wird er noch nicht die Ausg. von 1878 verwertet haben,
um so weniger, als wir auch sonst in L. mehr fanden als bei ihm. Dass
Villatte absichtlich die nicht auch bei Delvau oder Bigaud befindlichen
Vokabeln des L.'schen Supplements ausgeschlossen habe, diese Annahme
ist wohl ausgeschlossen. V. würde dann immer noch der Vorwurf treffen,
seine Quellen nicht ausreichend erschöpft zu haben. Es fehlen nun
bei Villatte z. B. die in L.'s Anhang befindlichen Vokabeln (wir nehmen
unsere Beispiele nur aus den Buchstaben A — C): achate (fehlt auch D.
und R.), atiianoles (fehlt D., aber ähnlich in B.), backer (fehlt auch D.
und R.), balots (= Ifeyres, f. auch D. und R.), bUifard (fehlt auch D.,
steht in R.), Mouser (auch in D., fehlt R.), book (f. auch D. und R.),
cassin (f. D., steht in R.), court-ä-pattes (f. D. und B.) etc. In anderen
Fällen fehlt bei Villatte wenigstens die in L.*s Supplement gegebene Bedeu-
tung oder Wendung : becasse, machine k vapeur (f. D. und R.), bibeloiter,
composer, machiner (f. D., steht ähnlich R.) , boulef\ tromper (f. D., steht
in R.), boushigoi, cabaret (f. D. und R.), se tenir en chien de fusil (f.
D. und R.), envoyer ä la comedie, faire chömer (f. D. und R.), meitre ä
la coitle, mettre au courant (f. D., steht in R.), coup de marteau, folie
(f. D. steht in R.), crin, homme irritable ou irrite (steht in D., f. in R.)
i)2 Liiierarische Chi'otuk. A. liiuute,
n. 8. w. Unsere Zitate zeigen auch hier wieder, dasa Villatte nicht ein-
mal Bigaud, seine Hauptquelle, vollständig ausgezogen hat. Noch offen-
barer ist die Nichtbenutzung Ton Fustier^s Supplement zu Delvau's
3. Aufl., die Villatte freilich nicht mehr wird haben heranziehen können.
Wir geben Beispiele nur aus dem Buchstaben A. Es fehlen von den
unter diesem Buchstaben bei F. befindlichen Worten bei Villatte voll-
ständig: ahhesse, acacia, afisioler, agaceur, Alphonsisme, amazone, archi-
cuhe, arrangeur t assesseur, avale-tout, avoir la caisse gaie, avoir de la
gltij de la poix aux mains , avoir un federe dans la casemate, avoir des
petits pois ä ecosser ensemhU; von allen übrigen bei F. unter A aufge-
zeichneten Wörtern und Wendungen fehlt wenigstens bei Villatte die
gleiche Bedeutung. Es sind abaiioir, cercle de jeu; ahoulee accouch^e;
äboulenieni, accouchement ; s'ahrutir sur qch., faire trainer un ouvrage en
longueur; abreuvoir ä mouches , ^laie sanglante; adjuger une hanque ä
un Operateur, voler ou tricher au Jeu; avoir une affaire cachee sous la
peau, §tre en ötat de grosseur ; affranchir, terme de joueur ; aÜer se faire
lanLaire, se däbarasser d'un importun; aUer chez Faldes^ partager; aller
en Belgique, fuir; allumeur, voleur; arnbidante, femme qui vend des ob-
jets quelconques sur la voie publique, se prostitue et vole en meme
temps ; americain, breuvage qui tient le milieu entre le grog et le punch
etc. etc. Doch genug. Da Fustier nur Worte und Bedeutungen bringt,
die er auch bei Larchey, Bigaud u. a. nicht vorfand, so sind wir sicher,
das bei ihm Befindliche auch bei Villatte vergebens zu suchen.
Mit dem Vorstehenden glauben wir die neueren Argot -Wörter-
bücher, so weit sie uns zugänglich waren, genügend charakterisiert zu
haben. Von dem einzigen m Deutschland erschienenen Werke dieser Art
hoffen wir aber, dass ihr Verf. im Falle einer zweiten Auflage seines
Werkes sich einer grösseren Sorgfältigkeit und Selbständigkeit befleissigen
werde. Auch können wir den Wunsch nicht unterdrücken, dass der
Verleger und die Bezensenten dieses Werkes den allzu lauten und auf-
dringlichen Ton ihrer Empfehlung in Zukunft etwas leiser klingen
lassen mögen.
E. KoscHWitz.
Abhandlungen über den Gebrauch der Tempora und des
Konjunktivs.
Bevor Beferent an die Besprechung der einzelnen Abhandlungen
geht (bei welcher , beiläufig bemerkt , ein Eingehen auf Dätails seitens
der Bedaktion, welche Bef. damit beauftragt hat, nicht gewünscht wurde),
sieht er sich veranlasst, zu bemerken, dass er hinsichtlich des Zweckes
von Spezialabhandlungen aus dem Gebiete der afrz. oder mfrz. Syntax,
welche sich auf ein Denkmal oder auch auf mehrere derselben Periode
erstrecken, mit den meisten der Verfasser nicht einverstanden sein kann.
Bef. ist nämlich der Ansicht, dass solche Schriften hauptsächlich sprach-
historische Zwecke verfolgen müssten, so dass die Punkte ganz besonders
hervorzuheben wären, in welchen die Sprache in den einzelnen Perioden
ihrer Entwickelung vom Lateinischen bis zum Nfrz. sich nicht gleich ge-
blieben ist, solche Fälle aber, in denen von jeher dieselbe Auffassung
ausnahmslos geherrscht hat, unberücksichtigt blieben, sollte auch das
Frz. eine Abweichung vom Lat. zeigen, denn das Verhältnis des ¥tz.
zum Lat. muss als dem Leser bekannt vorausgesetzt werden. Die Sprache
der dem untersuchten Denkmale vorhergehenden und folgenden Zeit mag
dabei ganz kurz oder auch nur stillschweigend berücksichtigt werden,
Abhandlungen iiber den Gebrauch der Tempora etc. 53
notwendig ist das aber eDtschieden, weil erst dadurch der behandelte
Gegenstand das rechte Licht erhält und der Verf. die wesentlichen Halt-
pnnkte für seine Darstellung gewinnt. Nur dann können Abhandlungen
dieser Art ein brauchbares Material für die historische franz. Syntax
liefern. Natürlich gehört dazu auch eine wissenschaftliche Methode. Es
ist selbstverständlich, dass für jede Erscheinung die wissenschaftiche Er-
klärung gegeben wird, und ausführliche Besprechung einzelner bisher
noch nicht erklärter Fälle wird den Wert einer Abhandlung nur er-
höhen. Dagegen scheint es nicht zu billigen, dass allgemeine gramma-
tische Erörterungen, die nur Bekanntes rekapitulieren, vorgetragen werden,
oft noch dazu mit behaglicher Breite. Auch hier ist mehr beim Leser
vorauszusetzen und der Irrtum zu meiden, dem Leser sei das, was der
Verf. zum Zwecke seiner Abhandlung sich angeeignet hat, bisher völlig
unbekannt geblieben.
Wenden wir uns nunmehr zu den einzelnen Schriften, so finden
jvir über den Gebrauch der Tempora nur eine Abhandlung, nämlich
Bockhoff, Der syntaktische Gebrauch der Tempora im Oxforder Texte
ies Bolandsliedes, Diss., Münster 1880, eine sehr anerkennenswerte wissen-
chaftliche Leistung, welche das Thema erschöpfend behandelt. Bef.
lätte nur gewünscht, dass ausser dem Lat. und Nfrz. auch der afrz. und
afrz. Gebrauch berücksichtigt worden wäre, und da es an Spezialschriften
ehlt, wenigstens das, was Diez und Mätzner geben, nicht unbeachtet ge-
liehen wäre. Auch hätte der Verf. in der oben bezeichneten Weise ver-
ihren und nicht mit der sonst an der Arbeit nur zu rühmenden Aus-
ihrlichkeit alle Fälle behandeln sollen, in denen der Gebrauch zu allen
3iten derselbe geblieben ist resp. bleiben musste. Doch ist die Arbeit
»nst, wir wiederholen es, durchaus zu loben.
Der Gebrauch des Konjunktivs hat eine ungleich grössere Berück-
chtigung erfahren. Die Syntax desselben in der ältesten Zeit behandelt
Liiehl, Der Gebi-auch des Konjunktivs in den ältesten französischen
»rachdenkmälern bis zum Bolandsliede einschliesslich, Diss., Kiel 1881.
irar beweist die Arbeit, dass der Verf. sich gründlich mit seinem Gegen-
inde beschäftigt hat, und ist im grossen und ganzen eine ansprechende
iistung, zeigt jedoch andererseits recht erhebliche Schwächen. Die ver-
ete Disposition verleitet den Verf., Zusammengehöriges auseinanderzu-
ssen; einige Stellen wären von dem Standpunkte der heutigen For-
Lung aus anders aufzufassen; einiges ist als irrtümlich zu bezeichnen,
r das Lateinische und Nfrz. ist zum Vergleich herangezogen, und die
ileitung p. 6 f. gibt nur Bekanntes wieder. Auch scheint die Arbeit
bt erschöpfend genug, und es wird sich sicher vieles nachtragen lassen.
;h steht die Arbeit jedenfalls ungleich höher als diejenige, welche
selbe Thema behandelt, Spohn, Über den Konjunktiv im Afrz.,
ienschaftliche Beilage zum Osterprogramm 1882 des Königl. Gymna-
as in Schrimm. Aus weiter unten zu berührenden Gründen (s. S. 55)
t Ref. von einer Kritik dieser Arbeit vollständig ab und begnügt
damit, auf die Biozension im Litteraturblatt für germanische und
anlache Philologie, 1882, Nr. 11, zu verweisen. Es sei nur bemerkt,
Spohn nur insofern sich von seinem Vorgänger vortheilhaft imter-
idet, als er den Ansatz zu einer wissenschaftlicheren Disposition macht,
ihn denn auch hauptsächlich bewogen hat, denselben Gegenstand
ehandeln.
Bereits lange vor seiner Arbeit, jedoch, wenn wir nicht irren, nach
hl 's Abhandlung, war eine Schrift über den Konjunktiv erschienen,
1 Studium jedenfalls für ihn höchst erspriesslich gewesen wäre, wir
en Fritz Bischoff, Der Konjunktiv bei Crestien, Halle a. S,
54 Litterarische Chronik. A. Ratnheau,
(ohne Jahreszahl, doch wohl im Sommer 1881), eine Abhandlung^ deren
Kenntnis jedem, der eine Konjunktiv -Arbeit schreibt, unentbehrlich ist.
Der Wert des verhältnismässig umfangreichen Buches liegt in der streng
wissenschaftlichen Methode, mit welcher der Verf. vorgegangen ist. Von
dem Wesen des Konjunktivs ausgehend, teilt er die ganze Abhandlung
in zwei Hauptteile: I. der Konjunktiv des Wunsches, IL der Konjunktiv
der Irrealität, die dann wieder in Unterabteilungen zerlegt sind. Das
Ganze ist vortrefflich disponiert und infolge dessen auch alles, was zu-
sammengehört, zusammen behandelt. Ist auch der Verf. hier und da
zu subtil und hat er auch durch seinen 3. Hauptteil: „Die hypothetischen
Sätze'^ seine Disposition aufgegeben, so ist doch hier zum ersten Male
der wohlgelungene Versuch gemacht, den Gebrauch des Konjunktivs im
Afrz., soweit derselbe eben bei Crestien erscheint, im Zusammenhange
darzustellen; es sind viele Erscheinungen erklärt, welclie bisher einer
Erklärung ermangelten, und manche althergebrachte unrichtige Auffas-
sung hat ihre Berichtigung gefunden. Wie der Verf. es dankbar bezeugt,
verdankt er sehr viel bei dieser Arbeit seinem Lehrer, Herrn Prof. Tobler,
dessen Methode er sich trefflich angeeignet hat, wie auch die geübte
Textkritik zeigt. Die Arbeit ist ohne alle Frage die bei weitem
hervorragendste von alten in letzter Zeit erschienenen Spe-
zialabhandlungen aus dem Gebiete der frz. Syntax überhaupt.
Die Erklärung der bei Crestien vorkommenden Konjunktive ist des
Verf. Zweck gewesen und diesen hat er vollkommen erreicht. Die Ab-
handlung erschöpft das Thema vollständig. Der sprachhistorische Stand-
punkt in der oben angedeuteten Weise ist allerdings nicht zu seinem
Rechte gekommen, weil der Verf. das nicht beabsichtigt hat. In engem
Anschluss an Bischoff ist gearbeitet Kowalski, Der Konjunktiv bei
Wace, Diss. , Breslau 1882, eine verständige Arbeit, welche das Thema
erschöpfend zu behandeln scheint, den sprachhistorischen Gesichtspunkt
aber fast gänzlich ausser Acht lässt. Immerhin ist die Dissertation als
ein brauchbarer Beitrag zur afrz. Syntax zu bezeichnen. — ^ Den Gebrauch
des Konjunktivs bei Villehardonin behandelt KroUick, Über den Kon-
junktiv bei Ville - Hardouin, Dies., Greifswald 1877. Es ist eine der frü-
hesten Arbeiten dieser Art, die auch schon lange vor Lücking's Gramma-
tik erschienen ist, darum ist derselben Vieles nicht so sehr zum Vorwurf
zu machen wie späteren. Wunderbarer Weise hat der Verf. sich der
Disposition von Schmitz angeschlossen. Im einzelnen finden sich un-
richtige Auffassungen in nicht ganz unerheblicher Zahl. Doch ist die
Dissertation sorgföltig gearbeitet und berücksichtigt auch den Sprachge-
brauch anderer afrz. und mfrz. Autoren, was dem Verf. um so höher
anzurechnen ist, als derselbe, ohne durch Vorarbeiten unterstützt zu sein,
durch eigne Lektüre das Material gesammelt hat. Besonders sind Join-
ville und die in Monnard^s Chrestomathie gegebenen Stücke zum Ver-
gleich herangezogen. Wenngleich sich hier und da noch einzelnes nach-
tragen Hesse, so ist doch die Darstellung als eine im ganzen genügende
zu bezeichnen. Viel weniger gilt dies von Nebling, Der Subjonctif bei
Joinville, Diss., Kiel 1879. Zwar bringt der Verf. eine grosse Anzahl
von Beispielen aus seinem Autor herbei, dieselben sind aber tant bien
que mal in die Mätzner^sche Disposition hineingezwängt, und es sind da-
bei grobe und zahlreiche Versehen vorgekommen, manches ist auch
ganz übergangen, so dass die Darstellung eine durchaus unzureichende
zu nennen ist. Der sprachhistorische Gesichtspunkt ist völlig ausser Acht
gelassen, wenn man von dem, was Mätzner's Grammatik gibt, absieht. Dieses
ist allerdings herangezogen. Infolge dessen sah sich Bef. veranlasst, in steter
Schulgrammaiiken. 55
BezugDahme auf das bereits Ton Nebling Gegebene irnd meist stillschwei-
gend seine Fehler verbessernd, in einer ganz kurzen Zusammenstellung
dasselbe Thema noch einmal zu behandeln, um eine brauchbarere Dar-
stellung zu versuchen. Dieselbe, betitelt „Über den Gebrauch des Eoigunktivs
bei Joinville", ist im Programm des Gymnasiums zu Küstrin 1882 abge-
druckt und nach den in den einleitenden Bemerkungen aufgestellten
Grundsätzen gearbeitet. In der Zschr. Y'^, 121 — 124 ist dieselbe von
Spohn rezensiert, worauf ibid. p. 247 eine Erwiderung erfolgt ist; vgl.
die Kritik Willenberg's im Litteraturblatt für germanische und romanische
PhiloL, 1882, Nr. 12.
Als eine sehr bedeutende Leistung ist anzuführen Elapperich,
Historische Entwickelung der syntaktischen Verhältnisse der Bedingungs-
sätze im Altfranzösischen, Heilbronn 1882 (Franz. Stud. III, 4). Die
Arbeit stäzt sich auf eine recht ansehnliche Zahl von Denkmälern, doku-
nentiert Bekanntschaft voxi der ganzen einschlägigen Litteratur, ist mit
grosser Sorgfalt gearbeitet und behandelt das Thema vollständig. Ref.
bat von dieser Abhandlung einen sehr günstigen Eindruck erhalten und
rann unbedenklich dieselbe als einen schätzenswerten Beitrag zur afrz.
Syntax empfehlen.
A. HAAse.
II. Scliulgranaiinatikeii*
h. Plattiier, 1. Französische Schulgrammatik. 322 S. 2. Übungs-
buch zur französischen Schulgrammatik. 211 S. Karlsruhe,
J. Bielefeld's Verlag. 1883.
(Fortsetzung.)
Von § 68 — 102 (p. 59 — 80) behandelt Plattner die sog. „abge-
neigten'^ oder archaischen Konjugationen.
§ 68 Konjugationsformen. Am Anfang dieses Paragraphen
det sich eine kurze, treffende Bemerkung, die die Erhaltung der archai-
len Formen bei einer verhältnismässig so geringen Anzahl von Verben
wa ^U^ aller Verba) erklären soll: „Wegen der Menge ihrer Kom-
•lita und meist auch wegen ihres häufigen Gebrauchs, besonders im all- i
glichen Leben, hätten sie ihre alten Formen beibehalten und nicht !
e Flexion einer der zwei Bauptkonjugationen angebildet^. — P. unter-
eidet nach den Endungen der Infinitive drei archaische Kon-
^ations formen: 1. Verba auf -ir mit reinem Stamm (parti7'J,
Verba auf -re (rompre) , 3. Verba auf -ow (recevoir) und teilt die-
>en nach der Bildung des historischen Perfekts in Klassen ein.
de dieser Klassen spaltet sich je nach dem Ausgang des Parti cips
I Präteritums in Gruppen, welche sich nach verschiedenen Gre-
itspunkten abermals zerlegen lassen."
Nach diesem Prinzip, das an und für sich sehr verständig und
l^tisch ist, stellt P. in § 69 eine Einteilung auf, der, wie er in einer
a. sagt, „im ganzen die Einteilung von Brächet zu Grunde gelegt
Es finden sich aber in Plattner's Einteilung sehr seltsame Schnitzer,
?vechselungen und Entstellungen, die sich später in der Durchführung
slben, bei der Besprechung der einzelnen archaischen Verba (von
[ an), wiederholen. Brächet, dessen „Grammaire historique de la
ue fran^aise" (15« edition) ich soeben zu diesem Zwecke noch ein-
genau angesehen habe, hat diese Fehler nicht verschuldet, und die
ufugung von „im ganzen" war in der Angabe Plattner's durchaus
56 Litterarische Chronik. A. Rambeau,
•
notwendig. Brachet's französische Schulgrammatiken, z. B. seine „Nou-
velle grammaire fran^aise fondee sur l'histoire de la langue" (Paris,
Hachette) habe ich augenblicklich nicht zur Hand. Ich kann mir aber
nicht denken und kann mich auch nicht erinnern j dass er in diesen
Büchern seinen sprachgeschichtlichen Standpunkt aufgibt. — Fast be-
ständig verwechselt P. die Formen, die den Accent (accent tonique) auf
der Stammsilbe haben, und die, welche denselben auf der Endungs-
silbe haben, die starken und die schwachen Formen, „les formes fortes"
— „les formes faibles", wie sie Brächet nennt, der gerade diesen unter-
schied ausdrücklich erwähnt und hervorhebt, cf. Gr. h. p. 189, 214.
Ich werde im folgenden Plattner's Einteilung der Verba der „ab-
gezweigten" (archaischen) Konjugationen in Klassen und Gruppen an-
föhren, um sie auf diese Weise im Zusammenhang zu kritisieren und um
mich später bei der Besprechung der §§ 71—102, in denen die einzel-
nen Verba mit ihren abweichenden Formen, ihren Kompositis u. s. w.
vorgeführt werden, kürzer fassen zu können.
„A. Verba auf -w* mit reinem Stamm.
I Kl. Histor. Perf. auf -is.
1. Gr. Parte. Prät. auf 4.
a) partir, dormir, mentir, se repentir, servir, seniir, sortir.
b) fuir, ouir.
c) botäliir, faillii\
d) cueillir, assaiUir."^
Warum stellt P. neben cueiüir nicht das Simplex saillir? Weil es
selten und defektiv ist? Ouh' und faillir sind auch defektiv; ouir ist
ausserdem sogar in seinem Part. Prät. fomj selten geworden (cf. Plattner
p. 63), und querir, das er statt seiner gebräuchlichen Komposita anführt,
ist jetzt ganz veraltet. Ich würde folgendermassen schreiben:
I. Kl. Hist. Perf. auf -ü (lat.*) 'ivi).
1. Gr. l'art. Prät. auf -i (lat.^) -itum).
a) partir u. s. w.
Plattner. „2. Gr. Parte. Prät. auf -u: vdtir, ferir, fissir].^ —
Warum ist nicht, wie issir, das ebenso veraltete, defektive ferir einge-
klammert? — Ich würde hinzufügen: Part. Prät. auf -u nach Analogie
vieler Verba auf -re und -oir; -u = lat.^) -ütum statt -tium, in diesen
Fällen statt -ittim, das im Franz. -i geben müsste.
Plattner. „3. Gr. Parte. Prät. auf -t (s).
a) ouvrir, couvrir, offrir, sonffrir.
b) querir (nach Littre querirj.^
Das hist. Perf. von querir, resp. seiner Komposita congue'rir u. s. w.
endigt nicht auf -is^ sondern ist stark mit betonter Stammsilbe; es ge-
hört daher gar nicht hierher, sondern in die 11. Klasse. — Ich würde
schreiben :
3. Gr. Part. Prät. stark/^) auf -t, mit erhaltenem urspr., lat.
^) Diese und ähnliche Bemerkungen , die sich auf das Lateinische
beziehen, sind von mir natürlich nur für solche französische Gramma-
tiken, die bei den Schülern die Kenntnis des Lateinischen voraussetzen,
beabsichtigt; ich halte sie durchaus nicht für notwendig zur Bewahrung
des wissenschaftlichen Standpunktes, aber gerade an dieser Stelle für
berechtig, besonders deshalb, weil P. an anderen Stellen seiner Gram-
matik die lateinische Sprache berücksichtigt.
*) Die schwachen franz. Part. Prät. sind endnngsbetont : auf -<?'
(lat. -atumj, auf -i (lat. -UumJ, auf -u (lat. -üium, 4ium mit vorgerücktem
Scktäfp'ammatiken. 57
Stammvokal e, der betont ist: onvrir fouver-t, = lat. aper-tvm), couvrir
und nach Analogie o/friVf souffrir (vom lat. Praeaensstamm offer-, suffer-).
Plattner. „IL El. Histor. Perf. mit i in der betonten Stammsilbe:
vewr, tmr.^
Dies ist richtig, aber auch das histor. Perf. von conque'rir n. s. w.
ist im Franz. stark geworden. Ich würde schreiben :
II. Kl. Histor. Perf. stark, mit t in betonter Stammsilbe.
1. Gr. Part. Prät. schwach, auf -u (nach Analogie vieler Verba
auf -re, -oir, cf. oben I Kl., 2. Gr.): venir, tenir.
2. Gr. Part. JPrat. stark, mit s statt des r im Praesensstamm,^)
mit t in der betonten Stammsilbe (wie im histor. Perf.) :
acquerir, conque'rir, s*enquerir, requerir, Komposita des
defektiven und veralteten querir.
Für lateinisch lernende Schüler könnte es vielleicht wichtig scheinen
hinzuzufügen, dass das starke bist. Perf. der 1. Gruppe (je vin-s = lat.
vsni, Je Uns = lat. tsni st. i^ui, vgl. je vis = lat. vidt) in der 1 . Pers.
Sing, ursprünglich den blossen Stamm zeigte und das s als Zeichen der
1. Pers. Sing, nach Analogie mit der 2. Pers. Sing., wie in so vielen
Fällen , erst später hinzugetreten ist. Vgl. oben bei den Hauptkonjuga-
tionen. So haben auch die schwachen bist. Perfekta, auaser dem der
1. Konjugation, das in der Schrift noch das lat. t bewahrt hat (lat.
am-a-vi = faim-ai), dieses s angenommen: je parlis (altfr. partij, je
vendis (altfr. vendi), ebenso je valtts, je dus (altfr. valui, dui), vgl.
über dieses Perf. unten. — Dagegen zeigt die 2. Gruppe in dieser Form
3Jn ursprüngliches (vulgär -lat.) -s: j'acquis = lat. adquis-i (statt der
schwachen klass. lat. Form adquis-ivi, vgl. oben), vgl. je mis = lat.
misi. — Indes ist eine solche Erörterung über die verschiedene Bildung
les starken (stammbetenten) bist. Perf. 1) mit einfacher Flexion, lat. -i
venia — verti), 2) mit sigmatischer Flexion, lat. si (mitto — misi), in
uner Schulgrammatik für Schüler, die nicht lateinisch verstehen, unnötig
ind unnütz, für die anderen jedenfalls unwesentlich, da im Neufranz, beide
•"lexionsweisen nicht mehr von einander zu unterscheiden sind. Die
ccent, z. B. vendttum = it. venduto, altfr. vendut, nfr. vendu). Das
n altfr. noch erhaltene t ist nach -e, -i, -u gefallen. Die Ableitungs-
9kale a (franz. e), i, sowohl wie den Bindevokal i, wofür u eingetreten
t, rechne ich für die französische Sprache absichtlich zur Endung. —
ie starken Part. Prät. sind stammbetont und endigen entweder auf -s
\t. sumj oder -t (lat. -tum), Nominalsuffixe, die ohne Bindevokal oder
bleitungsvokal an den Stamm gefügt werden : ouver-t = lat. aper-tum.
*) r im Praes. qucero (qucesivij, heereo fhcesij, haurio (haust) scheint
a urspr. s zu vertreten, das im Perf. dieser Verba hervortritt. Neben
cero findet sich auch quceso im älteren Latein und noch bei Cicero.
. Neue, Lat. Formenlehre II, 493, 487. Es findet also keine Assimila-
>n des r an die Perfektendung s statt, wie in gero fgessi), uro fussi).
L älteren Latein hat es neben dem schwachen Perf. quaesivi auch das
rke Perf. quaesi gegeben. Cf. Neue, Lat. Formenlehre 11, 486 — 8.
ufige Formen, wie qucesisii, adquisisti, adquisisset, conquisisse u. s. w.,
I Neue, Lat. Formenl. II, 511, anführt, brauchen daher nicht als syn-
pierte Formen (mit Weglassung der Silbe vi vor si, ss) aufgefa£»t zu
rden, sondern lassen sich als Beste des urspr. starken Perfektum, das
1 im Vulgärlatein und somit auch im Franz. erhalten hat {qucesi, ad-
si, cofiquisi) erklären. Dieses ist eig. nicht mit sigmatischer, sondern
i einfacher Flexion gebildet, wie vmi fvenio), feci (facto).
58 Liiierarische Chronik. A. Bambeau,
Scheidung war schon im Altfranz, bei faire überflüssig: vgl. ^ /i^ u. s. w.
= lat. ßcij wo ^ = lafc. c ist , mit je mis u. s. w. = lat. misi, . Jetzt
ist sie bei allen Verben mit starker Perfektbildung nicht bloss in der
1 . Fers. Sing. , sondern wegen des regelmässigen Wegfalles des s vor
folg. Konsonanten im Neufranz, auch in den übrigen Formen, wo- sie sich
früher bemerkbar machte, 3. Fers. Sing., 3. und anfangs auch 1. Fers.
Flur., überflüssig geworden: vgl. je vis, in vis, il vit, nous vimes, vofis
vltes, ils vireni mit je mis, tu mis u. s. w. Die Endungen und Kenn-
zeichen sind jetzt dieselben; -s, -s, -t, C-mes, ±tes, -reni.
Flattner. „III. Kl. Histor. Ferf. auf -its.
1. Gr. Fartc. Frät. auf -u: courir, gesir,
2. Gr. mourir (Fartc. Frät. mortj.^
Ich würde diese Klasse die IL, die vorhergehende mit starkem
bist. Ferf. die III. nennen. Das bist. Ferf. auf -us bezeichne ich als
schwach — selbstverständlich bei den Verben courir und mourir, da
hier -its (urspr. -ui) = lat. -'äi mit vorgerücktem Accent einfach an den
Stamm ohne Veränderung desselben gefügt worden ist, wie ich auch
das Fart. Fi-ät. auf -w (altfr. -utj = lat. -ülum statt itum mit vorge-
rücktem Accent als schwach bezeichnet habe. Der Ausdruck „starkes
bist. Ferf. auf -m^" passt eigentlich nur auf die Fälle , in denen der ur-
sprüngliche Stamm anf eine Muta ausgeht und -ui == lat, -üi oder auch
-vi f-oi, -pi) mit dem vorhergehenden Stammvokal verschmolzen und
nach einer Reihe von Zwischenstufen mit diesem zusammen zu neufranz.
-US geworden ist: j'eus == lat. häbui, je sus = lat. säpui (neben säpü),
je plus = lat. pld[c]ui, je dus = lat. de'bui, je connus = lat. cognövi,
je bus = lat. fnbi, je re^us = lat rece'pi. In allen diesen Ferfekten hat
sich im Neufranz, vom Stamm nur der anlautende Konsonant unverändert
erhalten, ausser j'eus, wo das in der Schrift bewahrte e das lat. a (hob-)
vertritt. Dagegen ist im Ferf. auf -t« der Stamm rein geblieben, wenn
er auf eine Liquida ausgeht: je moulus, je valus, je vouius, je mounis,
je €0U7'us, je parus. Diese hat dem Ausfalle widerstanden, und die En-
dung -US (altfranz. -ui) ist direkt aus lat. -^i mit vorgerücktem Accent
entstanden. Diez (Gramm. II, 242) hat, da seine Grammatik alle roma-
nischen Sprachen umfasst, seine besonderen Gründe, auch diese Ferfekt-
bildung stark zu nennen, — Gründe, die für eine .speziell französische
Grammatik nicht stichhaltig sind. Er bemerkt selbst, dass „die Tonver-
setzung", wie sie sich in välui — valüi — altfr. vahd, nfr. valus, in
vöiui — vohei — altfr. t}olui, nfr. vouius^) u. s. w. findet, ,,8ieh nicht
mit dem Wesen der starken Flexion vertrage^. Aber er fährt fort:
„Gleichwohl können wir die Verba dieser Klasse, wenn wir die romanische
Konjugation auf Grundlage der lateinischen aufbauen wollen, nicht unter
die schwachen ordnen, weil ihnen das Kennzeichen der schwachen avi,
evi, ivi fehlt und wir keine neue Konjugation dieser Ordnung einführen
dürfen, ohne den Organismus des romanischen Flexionsgebäudes zu
stören. Wir müssen sie wenigstens als unvollkommene starke, als halb-
starke gelten lassen . . . ." Bei mehreren Verben dieser Klasse mit stamm-
auslautender Muta lässt es sich nachweisen, dass ursprünglich der latei-
nische Accent in den bezüglichen Formen auf dem Stammvokal geblieben
^) Das Ferf. von vouloir war urspr. stark mit betontem Stamm-
vokal in den betreffenden drei Formen: volt = völuit mit regelmässigem
Wegfall des unbetonten -ui. Das schwache Ferf. tritt schon im späteren
Altfranz. (Ende des 13. Jahrb.) auf: volut = lat. voltüi mit Betonung
des derivativen m.
\f'
Schulgrammaiiken. 50
^ . mit dem das nachfolgende u (= lat. u oder vokalisierter Labialis)
"pn Diphthongen bildete: pout = pö/tjuit, out = auut, avtit, habuit,
.i/t = samU, saoui, säpuii, ploul = plä[c]uii. Erst später mnss der
Cent im Diphthong du, dessen erster Bestandteil ein betontes offenes
war (vgl. out in Asson.: offn. o, Bol. v. 1538| gesichert), wegen der
jialogie mit den übrigen schwachen Formen des Perf., in denen u von
uiiang an betont war und durch den Einfluss des folgenden i die Aus-
raehe ü erhalten hatte (2. Sg., 1. 2. Plur. Perf. und Plusqupf. Eoi\i.)i
vorgerückt sein, so dass der erste Bestandteil infolge dessen schwinden
11 J die Aussprache ü entstehen konnte: pöui = put, out = eut, söut
- sut, plout = plut. Vgl. Rambeau , Assonanzen des Rolandsliedes
,». 210—211. — Bei den übrigen Verben mit Perf. aiif -us, deren Stamm
.uf eine Muta ausgeht, muss man annehmen, dass ein ähnlicher Vorgang
'lir früh stattgefunden hat: z. B. rece'pit — recevit — receut — receüt
- repti. Denn schon im ursprünglichen Rolandsliede assoniert 7'egtä
, zweisilbig): ö, v. 2825, ebenso jurent (zweisilbig, entstanden aus geurent
- jäcueruni wegen jäcui, jdcuit): ü . . e, y. 3653. Der Accent war also
>ereiis in dieser frühen Sprachstufe in den ursprünglich stammbetonten
Türmen des bist. Perf. (1. 3. Sing., 3. Plur.) von receooir, mouvoir, de-
roir, croire (ü crut = Cfeduii* st. iTcdiditJ, connäitre u. s. w. auf das u
^^ätreten, und der Stammvokal war deshalb schon damals ausgefallen,
während sich dieser mit dem ursprünglichen Accent noch in denselben
^^rmen des bist. Perf. von avoir, pouvoir, savoir, plaire erhalten hatte.
Eine Schulgiammatik der neufranzösischen Sprache kann auf die
verschiedene Entstehung der Perfekta auf -tis keine Rücksicht nehmen,
la eine richtige Erklärung derselben ohne Erwähnung des Altfranzösi-
chen unmöglich ist. Auch erscheinen im Neu französischen die drei
irspr. stammbetonten, starken Formen ebenso behandelt, wie die anderen,
chwachen, in welchen von jeher die Endung betont war, weil der
tammvokal, der in diesen Formen eine eigene Silbe bildete, ebenfalls
un geschwunden ist: vgl. neufranz. d-us, d-us, d-ut, d-ümes, d-ütes, d-
reni mit altfranz. d-ui, de-us, d-ut, de-umes (de-usmes), de-ustes, d-urent.
erner haben #lle diese Verba mit dem Perf. auf -tis auch das Part,
raet. auf -u, das als schwach bezeichnet werden muss: -u = altfr. -ut
- lat. -ütum st. -ttum mit vorgerücktem Accent. Vgl. neufr. pln, altfr.
eü, pleüt = lat. plac-tium, plac-ntum, ital. piaciuto. Es wäre sehr un-
aktisch, in einer Schulgrammatik diese Bildung des Part. Praet. von
;r des bist. Perf., die denselben charakteristischen Vokal zeigt, zu trennen,
'ie ich daher drei schwache Bildungsarten des Part. Praet. auf -e
.t. -aiumj, auf -i {lat. -itumj, auf -w (lat. -ütum, -ttumj neben zwei
arken auf -s (lat. -sumj, auf -t (lat. -tum) annehme, — dem ent-
rechend teile ich die Bilduugsarten des bist. Perf. ein:
I. Schwaches bist. Perf.: 1) auf -ai (lat. -avi), 2) auf -is (lat.
ij, 3) auf -US (lat, -üh in einigen Fällen = in. In, pi mit zu u vokali-
rter Labialis). Zu der dritten Bildungsart ist zu bemerken: a. -us
:d ohne Änderung des Stammvokals an den Stamm gefügt, wenn
ser auf eine Liquida ausgeht: je valus. b. In allen übrigen Fällen
it der Stammvokal mit dem folgenden Konson. durch Ausfall oder
rHchmelzung verloren, so dass vor -us nur der anlautende Konsonant,
3. die anlautenden Konsonanten übrig bleiben :7V d-us, je p-us, je
US, Als Rest des Stammvokals ist in der Schrift e bewahrt im
f. y V - tis.
U. Starkes bist. Perf. auf -s mit i im Stamm: je tin-s, je mi-s,
lUen Fällen ausser ^(t^ conclu-s = lat. conclu-si, — Der im Altfranz.
landene Unterschied zwischen urspr. starken, stammbetonten Formen
60 LiUe7^arische Chronik, A. Rambeaa,
(1. 3. Sing., 3. Plur.) und den urspr. schwachen Formen mit dem be-
tonten lat. Bindevokal i (2. Sing , 1. 2. Plur.) hat für die neufranzösische
Sprachstufe infolge des Wegfalles des Stammvokals, resp. der Stamm-
silbe in den letzteren aufgehört: vgl. neufr. 1. di-s, 2. di-s, 3. di-i,
1. di-mes, 2. di-tes, 3. di-rent mit altfranz. 1. di-s, 2. de-sis — de-is,
3. di'St, 1. de-simes (de-sismes) — de-imes (de-ismes), 2. de-sistes — €le-
istes, 3. di-sirent, di-rent, di-sent. — Über die ursprüngliche Trennung
eines starken Perf. mit einfacher Flexion (je vi, neufr. je vis = lat.
vid'i) und eines starken Perf. mit sigmatischer Flexion (je mis = lat.
mi-si) vgl. oben.
Demnach würde ich bei A. III. El. schreiben:
Histor. Perf. auf -mj? (lat. ^i).
1. Gr. Part. Prät. auf -u (lat. -ütum, 4iumj: courir,
2. Gr. Part. Prät. stark auf -t (lat. -tum, -tuumj: mourir.
Das Verbum ge'sir würde ich bei ill, 1 ganz weglassen, da sein
bist. Perf. (altfr. jut = jäcuitj und sein Part. Prät. (altfr. geüi = jac-
üium, jac-iittm) verschollen sind. Es gehört unter die Defektiva und —
wegen seiner anomalen Behandlung des Stammes ^^e'^iV, il gisaiij —
unter die wirklich unregelmässigen verba.
Plattner. „B. Verba auf -re,
I. Kl. Hist. Perf. auf -w (als Endung).
1. Gr. Parte. Prät. auf -?/.
a) rompre, rendre, batire, vaincre,
b) coudre.^
,,Als Endung^ ist überflüssig und selbstverständlich, ist auch von
P. bei A. I. Kl. nicht hinzugefügt worden. Es soll offenbar nur einen
Gegensatz zu B. TT. Kl. (cf. unten) ausdrücken. Ich würde schreiben:
Hist. Perf. auf -is (lat. -ivij.
1. Gr. Part. Prät. auf -m (lat. -üium, -ttum mit vorgerücktem
Accent).
a) rompre, baitre, vaincre, rendre nebst einer Anzahl
von anderen Verben, deren Stamm auf -d- ausgeht.
b) coudre (St. cotis-, mit euphonischem ^im Inf.).
Plattner. „2. Gr. Parte Prät. auf -i(i).
a) suivre, ecrire.
b) iraire, braire.
c) conduire, cuire, nuire, bruire.
d) luire, reluire.
3. Gr. Parte. Prät. auf -s: clore,
4. Gr. Parte. Prät. auf -t: craindre, feindre, joifidre.
5. Gr. naitre (Parte. Prät. nej."^
Besonders in der 2. Gruppe zeigt sich eine arge Verwirrung, die
schon am Anfang in der Bezeichnung der Endung des Part. Prät. -i(tj
hervortritt. Das einzige Verbum dieser Gruppe, das im Part. Prät. der
Analogie der Verba auf -ir mit lat. Ableitungsvokal i gefolgt ist und
die Endung -i (altfr. -it = lat. -liitmj aufweist, ist suivre (St. suiv-J. Dies
ist jedenfalls durch das Vorbild des schwachen hist. Perf. auf -is (lat.
-ivij bewirkt worden. — Aber ecrire (St. e'criv- vor vokalischen, e'cri- vor
konsonantischen Endungen), conduire (St. conduis-, condui-J mit den
übrigen Kompositis von duire, ebenso consiruire (St. constrms-, consirui-j
mit den übrigen Kompositis von siruire, ferner cuire (St. cuis-, cui-) haben
im Neufranz, ein schwaches hist. Perf. auf -is (lat. -ivi), während es im
Altfranz, wie im Lat. stark war, haben jedoch ihr starkes Part. Prät.
auf -i (lat -tum ohne Bindevokal) bewahrt: je conduis -is, aber condui-t,
condui-te. Das i von e'cri-t, condui-t, construi-t, cui-t gßhört zum Stamm
SchiUgrammatikeu. 61
uod ist ausserdem in ecrit ganz verschiedener Herkunft, da es der urspr.
lateinische Vokal ist : das v des Stammes ecriv- (b, resp. p des lat. Stam-
mes scrub-, scrip-, e'cri-t = scrip - tum) ist wie gewöhnlich vor folgendem
t geschwunden, vgl. il sert = lat. servit, ü re^oit = lat. redtpii u. a.
In den anderen Part. Prät. ist i das regelmässig vor Konsonanten voka-
lisierte c (k), das sich vor den vokalischen Endungen als i$ darstellt:
noits conduis-ons, — Nuire (St. nuis- vor vokalischen, WMt- vor konsonan-
tischen Endungen), luire mit relvire (Si, lu&-, lui-J werden wie conduire,
construire, cuire konjugiert, ausgenommen das Part. Prät., das den blossen
Stamm zeigt und das Nominalsuffix -t deshalb verloren haben mag,
weil dieses im Femininum (es sind Verba intransitiva mit dem Hilfs-
verbum avoir) lautlich nicht hervortreten konnte: noclijtum = nui-t,
niii; lue- tum (im klass. Latein nicht vorhanden) = Itä-t, lui. Im Altfr.
zeigt nuire (lat. nöcSre st. nocerej im Part. Prät. die schwache Bilduil^
auf 'U = lat. 'ütum, -itum (no(^tum): neu.
Traire, braire, brmre haben, wie conduire, construire, cuire, ein
starkes Part. Prät. auf -t, nicht -it: trai-t (lat. trac-tumj, brai-t, das
im Neufranz, nicht mehr gebraucht, aber noch von Littre und Brächet
(Gr. hist. p. 219) als brauchbar vorgeschlagen wird, brui-t, das sich im
Subst. le aruit erhalten hat. Aber alle diese drei Verba sind im Neufr.
defektiv und haben kein hist. Perf. Von traire gab es im Altfranz, ein
starkes hist. Perf., vgl. traist = lat. traxit im Beim: piaist, bei Adenös
le Roi, Cläomad^s, Bartsch, altfr. Ohrest. ; danach müsste dieses Verbum
in die II. (folgende) Klasse mit starkem hist. Perf. auf -s verwiesen wer-
den. — Bruire gehört wegen seiner nach der 2. Hauptkonjugation ge-
bildeten Formen (ü bruissait, üs bruissaieni neben il bruyait, üsnruyaient)
sogar zu den Anomalis. Jedenfalls können traire, braire, bruire nicht zur
I. Klasse mit hist. Perf. auf -is gerechnet werden , da sie im Neufranz,
überhaupt kein hist. Perf. besitzen. Dasselbe gilt für das defektive clore,
ias höchstens wegen seines Kompositum conclure mit starkem hist. Perf.
in die IL (folgende) Klasse eingeordnet werden könnte*
Ich würde demgemäss B. I. KL, Gruppen 2 — 5 folgendermassen
»rdnen :
2. Gr. Part. Prät. auf -i (lat. -itum), nach Analogie der t- Konju-
gation (Inf. auf -ir)'' suivre.
3. Gr. Part. Prät. stark auf -t (lat. -tum):
a) ecHre. ^
. b) conduire mit den übrigen Kompositis von duire, construire
mit den übrigen Kompositis von struire, cuire.
c) craindre, feindre, Jotndre mit den übrigen in § 88 aufge-
führten Verben, die im Inf. zwischen n und r ein vermitteln-
des (euphonisches) d eingeschoben haben.
Gr. 4. Paxt. Prät. stark mit blossem Stamm, ohne Endung oder,
wenn man will, mit weggefallenem -t : nuire, luire nebst reluire.
Gr. 5. mätre mit einem Part. Prät. nach der 1. Hauptkonjugation,
auf -e (lat. -atumj: ne.
Das letzte Verbum könnte man ebensogut unter die Anomala
illen, weil sein Stamm (lat. na- und nasc-) im Franz. so ganz verschie-
ne Gestalten angenommen hat: naiss-, naqu- , n-. — Eine besondere
iippe mit dem starken Part. Prät. auf -s fehlt in der I. Klasse.
Plattner. „IL KL Hist. Perf. 'auf -is (in der betonten Stammsilbe).
1. Gr. Parte. Prät. auf -t: faire, confire, suffire,
frire, dire.
2. Gr. Parte. Prät. auf -is: mettre, prendre,
3. Gr. rire (Parte. Prät. n>.«
62 Litterarisciw Cfironik. A. Rambeau,
Der Ausdruck „auf -is (in der betonten Stammsilbe)" ist nicht
deutlich genug. Das hist. Perf. dieser Klasse ist als ein starkes Perf.
auf 'S mit i als Stammvokal zu bezeichnen : dire (je dis, lat. dic-si, dixij,
meitre (je mis, lat. misi), premlre (je pris, schon im Altfr. pris, vgl. ital.
presi gegenüber dem klass.-lat. prendi, prehvndi), rire (je ris, lat. nsi)
haben ein urspr. sigmatisches Perfektum, von dem sich aber die urspr.
einfache Flexion von faire und seinen Komposita (mit ai oder i im
Praesensstamm) schon im Xltfranz. nicht unterscheiden liess: je fis, lat.
fec'i, vgl. oben. — i^7-i7v (lat. frigere) ist defektiv; das hist. Perf., das
je fris (lat. fiig-si, frixi) lauten müsste, ist^ wenn auch nach Brächet,
Gr. hist. p. 219, noch vorhanden, jetzt veraltet und daher in den neu-
französischen Grammatiken nicht angeführt, cf. Bescherelle p.- 554, auch
Plattner § 90, Dagegen gehört hierher das einzige Verbum , das ein
Starkes hist. Perf. auf -s mit u als Stammvokal hat: conclure (lat. con-
chiderej, hist. Pf. je conclus (lat. conclu-si mit ausgestossenem d). Dieses
Verbum ist von P. am unrechten Platze in der IIl. Klasse mit hist. Perf.
auf -MA* aufgeführt. Es ist das Kompositum des defektiven Verbum
simplex clore, dessen o (lat. au, clandere) auch im Kompositum eclore
erhalten ist, während in conchtre und den übrigen veralteten oder defek-
tiven Komposita exchire, reclure, mclure das u der lat; Komposita = ü
durchgedrungen ist. Weder ehre noch eclore besitzen im Neufr. ein
hist. Perf. (altfr. clos, clostrent^ stark) und dürfen nicht, wie P. es thnt,
in die I. Klasse mit „hist. Perf. auf -is (als Endung)" gestellt werden.
Zur 1. Gruppe der II. Klasse (Part. Prät. auf -i) kann man im Neufr.
thatsächlich nur faire, confire und seine übrigen Komposita, die ai im
Praesensstamm haben, und dire nebst seinen Kompositis rechnen. Sufßre
zeigt im Part. Prät. den blossen Stamm (suffi- vor konsonantischen,
suffis- vor vokalischen Endungen) . es hat das Nominalsuffix -t verloren,
suffi- 1%! (lat. stiffec-ixmi), sufji, wie nuire und luire in der I. Klasse, cf.
oben. Es muss daher in die 3. Gruppe neben rire eingeordnet werden,
das, wie sein Kompositum sourire , im Part. Prät. das Nominalsuffix -s
(lat. n-sum) aufgegeben hat und ebenfalls den blossen Stamm (ri-) zeigt.
Dieses -s haben die vom lat. Supinum abgeleiteten Substantiva le ris
(lat. Subst. rism, risum), le souris bewahrt. — Wie im Part. Prät. von
nV^, so ist das Nominalsuffix -s auch im Part. Prät. von conclure (conclu,
lat. conclü-sum) und exclure (exclu, lat. exclü-sum) abgefallen, während
es im Part. Prät. von 7'eclure (rechts, lat. reclü-sum), des in den übrigen
Formen veralteten Kompositum inclure (inclus, lat. inclü-sum), des Sim-
plex clore (clos, lat. clau-sum) und seines anderen Kompositum eclore
(eclos, lat. ex -clau-sum) noch vorhanden ist. Indes ist hier allein con-
clure neben rire anzuführen, da die übrigen, Simplex und Komposita,
alle defektiv sind.
Die Bezeichnung der 2. Gruppe „Part. Prät. auf -is^ ist ebenso
wenig richtig oder noch undeutlicher als die der ganzen II. Klasse „Hist.
Perf. auf -is in der betonten Stammsilbe:" mis (lat. missum mit assimi-
liertem tj, pris (lat. presum,* prensum, prehensum mit ausgefallenem nj
gehen, wie acquis, conquis, requis, enquis (acquerir etc.) unter den Verben
auf -ir mit reinem Stamm (A. IL, resp. III. Kl.) und assis (asseoirj unter
den Verben auf -oir (C. II. KL), auf -s aus und haben, wie diese, den
charakteristischen Vokal i im Stamm.
Ich würde folgendermassen schreiben :
II. Kl. Hist. Perf. stark, auf -s, mit i, in einem Verbum mit
u als Stammvokal.
I. Gr. Part. Prät. auf -/ (lat. -tum): dire, faire nehat. con-
Schulgramuiatiken. 68
fire und seinen übrigen Komposita mit -ai im Praesens-
stamm.
2. Gr. Part. Prät. auf -s (lat. -sum) mit i als Stammvokal :
metire, pf^enilre,
3. Gr. Part. Prät. ohne Endung» mit blossem Stamme:
a) mit Wegfall der Endung -i^.* suffire (Part. Prät. suffi,
vgl. frti-t, confiri), .
b) mit Wegfall der Endung -s: rire (Part. Prät. ri, vgl.
Subst. le rirs le sourirs); das Kompositum des defek-
tiven Verbum clore, conclnre (Part. Prät. conclu, vgl.
recln-s von reclure).
Plattner. ^III. Kl. Histor. Perf. auf -m^.
Einzige Gruppe, Parte. Prät. auf -m.
a) connattre, paitre, crottre.
b) croire, hinre, plaire, lire, condure.
c) moudre, re'soudre,
d) vivre. Dazu iire (Part. Prät. ete).^
Das unter b) erwähnte conclu-re (lat. conclud-ere) gehört, wie wir
gesehen haben, gar nicht hierher, sondern muss mit seinem starken hist.
Perf. auf -s (lat. conclu -si^ franz. je conclu -sj und seinem ebenfalls
starken Part. Prät. ohne Nominalsuffix (s, lat. eonclu-sum, franz. conclu)
in die IL Klasse, Gruppe 3, eingereihet werden. — Die Bildung des bist.
Perf. und des Part. Prät. der anderen von P. hier aufgeführten Verba
labe ich bereits oben bei A, III (II) besprochen. Die III. Klasse (bei
Plattner) der Verba auf -re würde ich vor die Ü. Klasse stellen und
lach den dort angegebenen Gesichtspunkten folgendermassen einteilen:
Hist. Perf. auf -us, Part. Prät. auf -w.
(Vgl. C, Verba auf -oir, I. Klasse.)
1. Gr. Der Stamm endigt sich (wie in A, III., resp. II. Kl.)
auf eine Liquida (hier /, dort r). Im hist. Perf. werden
'US, -US, 'Ut, 'ümes, -ütes, -urent (lat. -'&(, -Üisii, -'äii
u. s. w. mit gleichem, auf ü gelegtem Accent), im Part.
Prät wird -u (lat. -ütum und -ttum mit vorgerücktem
Accent = -ülumj an den unveränderten Stamm gefügt:
re'soudre (St. re'soiv-, resol-, lat. Perf. resölvi — resolut
resolui, franz. Je re'solus), moudre (St. moul-J, beide mit
euphonischem d zwischen / (= u) und r im Inf.
2. Gr. Das u der Perfektbildung ist durch Verschmelzung
des unbetonten u (= lat. ü, v, h) mit dem Stammvokal
entstanden. Vom Stamm ist — durch Verschmelzung
im hist. Perf. — durch Ausfall des Stammvokals im
Part. Prät« — nichts als der anlautende Konson., resp.
die anlautenden Konsonanten übrig geblieben:
a) Ein Verbum mit einem auf -v (lat. -b) ausgehenden
Praesensstamm: boire (St. baiv- in den stammbe-
tonten Formen, sonst buv-, lat. bib-),
b) Verba mit einem auf -ss ausgehenden Praesens-
stamm: connattre (St. connaiss-, lat. cognosc-J,
paiire (St. paiss-, lat pasc-J, croUre (St. croiss-,
lat. cresc-Ji fl'lle i^it einem eingeschobenen eupho-
nischen t zwischen scharfem s und r im Inf.^)
^) parmtre (St. paraiss-)y das P. in § 93 neben diese drei Verba
;llt, gehört, vom Lat. aus betrachtet, zur l. Gruppe wegen seines hist.
64 Liiierarische Chronik. A. Ramheau,
c) Verba mit einem auf -s ausgehenden Praesens-
stamm: plaire (St. piais-, lat. plac-), lire (St. lis-,
lat. leg-).
d) croire (St. croy-, erat-, lat. cred-j.
Dazu kommt:
3. Gr. vwre (St. viv-J mit verändertem Stamm im bist. Perf.
und Part. Prät. ve'c- (vgl. lat. vic-, vic-si = vixi, vic-tum),
an den die bezüglichen Endungen, wie in der 1. Gruppe,
gefügt werden: je vec-us, vec-ii.
Eire, das P. neben vivre stellt, isf anomal, da es, wie aUer^ seine
Formen von verschiedenen Stämmen bildet, und mnss daher besonders
betrachtet werden, wenn es auch wegen seines Inf. auf -re (it. essei-e,
franz. es-t-re, ^tre mit einem eingeschobenen, euphonischen tj zu den
Verben der II. archaischen Konjugation gerechnet werden mag. Gegen-
über 1) dem Präsensstamm es- (s-), wozu in mehreren Formen ein urspr.
nur im Inf. vorhandenes und als euphonisch berechtigtes -/- tritt (est-, ei-.
Impf, fe't-ais u. s. w.), stehen 2) der Perfektstamm fu- (lat. fü-J, in dem
der charakteristische Vokal u (= lat ü) schon enthalten ist (je fu-s,
altfr. fui, lat. f%i%), und 3) der Stamm des Part. Prät. est-, ei- (lat. sU)
mit einem prothetischen e. Diese Form ist nach der I. Hauptkonjugation
mit dem Ableitungsvokal -e- (= lat. -a-) gebildet: eU (altfr. estei, lat.
statum). Sie ist der Rest eines altfranz. (jetzt nur im Inf. erhaltenen,
im Gerichtsstil gebrauchten) selbständigen Verbum ester (lat siare), das
in Hre , esire (essere, esse) aufgegangen ist. Von demselben Stamm
leitet man gewöhnlich auch das Part. Praes., resp. Gerund, etani, (estani,
lat. sianiem, siandum) ab. Im Impf, (j'e'tais u. s. w.) ist dies bekannt-
lich aus lautlichen Gründen (vgl. die altfranz. norm. Formen) nicht
möglich; es muss eine Neubildung vom Inf. esire, 3ire sein.
Plattner. „C. Verba auf -oir.
I. Kl. Histor. Perf. auf -us. ,
Einzige Gruppe, Parte. Prät. auf -u.
a) recevoir, devoir.
b) valoir, falloir, [chaloirj, vouloir.
c) pouvoir, choir.
d) savair, mouvoir, pleuvoir, avoir.^
Chaloir, das im Altfranz, das bist. Perf. chid-ut, das Part. Prät.
chal-u bildete, muss für die heutige Sprache unter die Defektiva gewiesen
werden. Die übrigen Verba dieser Klasse mit Inf. auf -oir, der Haupt-
klasse mit dem charakteristischen Vokal ü im bist. Perf. und Part. Prät.
teile ich auf ähnliche Weise, wie die Verba von B, III (resp. II), folgender-
massen ein:
I. Kl. Hißt. Perf. auf -us, Part. Prät. auf -«.
1. Gr. Verba mit einem auf eine Li(][uida (IJ ausgehenden
Stamm, an den ohne Veränderung im bist. Perf. -lis, -us^
-ui etc. (lat. Üi, 'äisii etc.) und im Part. Prät. -u (lat. -ütum,
-itum) als Endungen gefügt werden : vedoir (St. val-), falloir
(St. faU-), vouloir (St. voul-). [Vgl. B, III., resp. II. KL,
1. Gr. und A, III., resp. IL KL]
2. Gr. Das u der Perfektbildung ist durch Verschmelzung des
unbetonten u (lat. ü, v, b, p) mit dem Stammvokal ent-
standen. Vom Stamm ist — im bist. Perf. durch Ver-
Perf. und Part. Prät.: je par-tis, par-u (Stamm auf eine Liquida aug-
gehend). Vgl. lat. pärui, parüi mit cognovi, pävi, crevi.
Schulfframmaiikefi. 65
Schmelzung — im Part. Prät. durch Ausfall des Stamm-
vokals — nichts übrig geblieben, als der anlautende Konson.,
resp. die anlautenden Konsonanten, bei avoir wenigstens in
der Schrift e = lat. a (St. av-, lat. hob-). [Vgl. B, IIl.,
resp. II. Kl., Gruppe 2.]
a) Verba mit einem auf -v. (lat. -v, -b, -p) ausgehenden
Präsensstamm : mouvoir (St. mouv-, lat. moV'), devoir
(St. dev-, lat. deb-)j avoir (St. «y-, lat. hob-), savoir
(St. sav-, lat. sap-), recevoir (St. recev-, lat. recip-J
nebst den anderen Kompositis des lat. Verbum capire
st. capire. Dazu kommen zwei Verba, in denen v
zwischen den Stamm und die vokalisch anlautende
Endung zur Tilgung des Hiatus eingeschoben ist:
pouvoir (St. poM-, pouv-, lat. pol-), pleuvoir (St. pleu,
pieuv-, lat. piu-j,
b) de'choir, echoir, die Komposita des veralteten und
defektiven ckoir (St. choy-, choi-, lat. cad-). Vgl.
B, IIL, resp. II. Kl., 2. Gr., d.).
Plattner. „II. Kl. Histor. Perf. auf -is.
1. Gr. Parte. Prät. auf -is: asseoir.
2. Gr. Parte. Prät. auf -u: voir.^
Diese Verba haben ein starkes bist. Perf. auf -s mit % als Stamm-
)kal; die Flexion ist 1) ursprünglich sigmatisch: j'assis, schon im Alt-
anz. sis, sisi, sistreni — sisent, lat. s^i* sessi* st. s€di wegen des
ipin. *sesHm, sessum, 2) urspr. einfach: je vis, altfr. vi, lat. nuU.
y\. oben B, II., resp. IlI. Kl. imd A, IL, resp. III. Kl. Auch die Be-
ichnung „Part. Prät. auf -is"* ist falsch. Es ist ein starkes Part. Prät.
it dem Kominalsuffix -s und dem charakteristischen Vokal t im Stamme:
s, assi'S. Vgl. oben mis, pris, B. IL, resp. IIL Kl., 2. Gruppe, und
quis, A, IL, resp. III. Kl. (bei Plattner I. KL). Demgemäss würde ich
ireiben :
IL Kl. Eist. Perf., stark, auf -s mit i als Stammvokal.
1. Gr. Part. Prät., stark, auf -s (lat. -sutn) mit t als Stamm-
vokal : asseoir y rasseoir, surseoir, die Komposita des defek-
tiven seoir.
2. Gr. Part. Prät., schwach, auf-« (lat. -ütum, -Uum), mit
Wegfall der Stammsilbe ausser dem anlautenden Konson.:
voir, vgl. die Verba auf -oir, C, L Klasse.
In § 70 gibt Plattner „einzelne Bemerkungen" über die drei ar-
.ischen („abgezweigten") Konjugationen.
„1) Die in § 49 gegebene Tabelle über die Endungen der ein-
hen Tempora gilt auch für diese Verba, welche nur die dort an-
; ebenen Abweichungen in den Flexionsformen zeigen. Vgl. jedoch
en 4 ff."
Diese Worte scheinen mir unverständlich oder mindestens sehr
:lar, da ich dort keine Abweichungen dieser Verba (der drei ar-
ischen Konjugationen) in den Flexionsformen erwähnt finde.
P. fährt fort: „Bei den Verben der abgezweigten Konjugationen
en sich aber ausserdem Veränderungen im Verbalstamm: a. Stamm-
Flexionssilbe fallen oft zusammen: je vins (venir), je vis (voir),
9 (avoii'X j'dcquis (acquerir) u. a."
Dies Zusammenfallen der Stamm- und Flexionssilbe findet unter
von P. angeführten Perfekten in Wirklichkeit nur bei einem einzigen
;: j*eus (lat. häbui — avtii — auui — mii — etd — eus , mit unor-
j^chem, angefügtem s), und so überhaupt im Perf. auf -vs = lat. üi
[sehr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI^. {^
J)6 LUUrarviche Chronik. A. Ramheuv.
der Verba, deren Stamm auf eine Muta ausgeht, vgl. oben. Bei allen
übrigen von P. angeführten Verben konnten die Stammsilbe und die
Flexionssilbe im Perf. gar nicht zusammenfallen, da der Vokal der lat.
Flexionssilhe (Bindevokal) in den starken (stammbetonten) Formen des
Perf. als der betonten Silbe folgend nach dem bekannten Lautgesetze
abgeworfen werden musste und nicht als silbenbildend erhalten werden
durfte: lat. ven-i, altfr. vinc, ving (i zur Gutturalis verhärtet?), nfrz.
vins; lat. vid-i — vi — vis; lat. acquls-i (st. acguisivi) — acquis. Das i
im Stamme entspricht regelmässig dem lat. i und in diesem Falle auch
e. Im Neufranz, sind die urspr. schwachen Formen dieser Perfekta (im
Franz. 2. Sing., 1. und 2. Plur.) der Analogie der übrigen Formen ge-
folgt und erscheinen jetzt als starke Formen, so auch der ganze Konj.
Imperf. = lat. Konj. Plusqupf. ausg. 1. und 2. Plur. Vgl. neufr. iu vins,
nous vinmes, vous vmtes, que je vinsse u. s. w. mit altfranz. venis (lat.
venisti), venimes (lat. venimus st. ve'nimus wegen venistis), venistes (lat.
vemstü), venisse (lat. venissem). Wie kann man also von einem Zu-
sammfallen der Stamm- und Flexionssilbe im Perf. dieser Verba sprechen?
Plattner p. 61 „b. In der Tonsilbe erhält der Stammvokal vielfach
eine Lautverstärkung z. B. je viens (venir), j'acqmers (acquerir), j'assieds
(asseoir) , je petix (pouvoir) . . ." Diese Veränderung des Stammvokals
in der Tonsilbe (Nb. im Präs. !), die ursprünglich nicht flexivisch, sondern
rein lautlich aufzufassen ist (^., ae = fr. ie; Ö = oe, später ö, geschrieben
eu ; t, S = fr. ei, später oi in betonier Silbe), mag immerhin in gewissem
Sinne eine Lautverstärkung genannt werden, da sie in der Hegel urspr.
auf einer Diphthongierung beruht. Aber ;e sais (savoir), das P. eben-
falls anführt, gehört nicht hierher. Das i in sais, altfr. sai (das s ist
unorganisch und erst spät angefügt, vgl. oben) rührt von dem lateinischen
Ableitungsvokal i (säpio — säUo — sävio) her, der, weil er nach der
Tonsilbe stand, sich in syllabischer Geltung nicht halten konnte, aber,
weil er sich in der unbetonten, vorletzten Silbe befand, als Halbsvokal j
bewahrt wurde und mit dem stammhaften a verschmolz. Vgl. ai = häbio
(^ = i =r j in dieser Stellung). Tu sais, U sait sind sekundäre Bildungen
nach Analogie der 1. Person, Bildungen, die vielleicht nur Schreib-
weisen sind und lautlich auf die altfranzösischen Formen zurückgehen.
Während a in savjo = säpio wegen der Eonsonantenkombination
bleiben konnte, musste es in sdpis, säpit, sdp(i)imt nach der Begel — in
betonter Silbe, vor einf. Konson. — zu ^ (wahrsch. noch off. in der Sprache
des Bolandsliedes) werden: altfr. ses, sei, seveni. Die letzte Form ist im
neufr. ils savent geworden, eine Anbildung an die 1. und 2. Pers. Plur.,
wo a in unbetonter Silbe stand und daher erhalten wurde: savons,
savez. — Je sais ist demnach in keiner Weise mit den anderen Fällen
der „Laut Verstärkung^ der betonten Stammsilbe im Präsens zu ver-
gleichen, sondern nur mit j'ai {ävio, hdb^o), je vais, altfr. vai, voi und
vois (so im RoL v. 270, nur in Oxf.) = lat. vädio* st. vado, wo ebenfalls
der Ableitungsvokal in vorletzter, unbetonter Silbe = Halbvokal j, nicht
der Einfluss des Tones (accent ionique) die Veränderung des Stammvokals
bewirkt hat, femer mit je hais (hdtjo,* hdtio,* vgl. oben bei § 67 hair).
Die 2. und 3. Sg. Präs. Ind. von alle?- und avoir sind im Neufranz, nicht
der Analogie der 1. Sg. gefolgt: tu vas, ü va; iu as, ü a — aber iu
hais, il hait. — Wenn man von der Entstehung der Formen ganz ab-
sieht und nur die gegenwärtigen Lautverhältnisse, so wie sie sind,
berücksichtigt, kann der Laut ^'(geschlossen) = ai m je sais, tu sais,
il sait auch im eigentlichen Sinne nicht eine Lautverstärkung des Stamm-
vokals a, des offensten Vokals, genannt werden.
PI. „Dasselbe findet in Eonjunktlvformen statt und zwar ausser
SchulgrammaUken. 67
den obigen Verben in faule (aller), je vaille (valoir), ü faule (falloir).^
Der Ausdruck „in Konjunktivformen" ist unbestimmt und zweideutig.
PI. meint den Konjunkt. Präs., und, was er vorher sagt, bezieht sich auf
den Ind. Präs. und, wo der Imper. vom Ind. gebildet ist, auch auf
den Imper.
„Ausser den obigen Verben" ist in seiner Allgemeinheit ebenfalls
unrichtig. Der Konjunkt. Präs. von savoir zeifft keine Lantverstärkung
des Stammvokals in der Tonsilbe {fjue je seiche), und sowohl pouvoir
(jmisse — piissiofts) als asseoir (asseye — asseyions) verändern zwar den
Stammvokal im Konjunkt. Präs., aber dieser erscheint in derselben Ge-
stalt in den stammbetonten wie in den endungsbetonten Formen. Die
eigenartige Bildung des Konj. Präs. von savoir (sacke) und pouvoir
(puisse) ist auf denselben Einfluss des ableitenden Vokals i (sap-i-am,
poss-i-am = possim) zurückzuführen, der auch in faille i^aU-i-am), je
vaille (val-i-am = valeam), il faille (fall-i-at) hervortritt. In den leteten
drei Fällen zeigt sich trotz der Schreibweise ai keineswegs eine Laut-
Verstärkung des Stammvokals in der Tonsilbe, wenn auch der Ton
(accent tonique) bei der Bildung des Konj. Präs. dieser Verba seine Wir-
kung ausübt. Der Stammvokal a bleibt regelmässig — vor kompliz.
Konson. l •\- j = i, ^ in unbetonter, vorleteter Silbe — unverändert,
wie in bataille = baU[n]aUa: das i in aitte, vaille, faille u. ä. gehört nicht
zu a, sondern ist mit U vor stummem e das Zeichen des / mouille', das
im früheren FranzÖs. und noch in Dialekten / + Halbvokal i (j) lautet,
das aber in der heutigen Aussprache des Gebideten mit Aufgebung des /
nur noch = Halbvokal / klingt. Vgl. oben aäer § 64. — Formen wie
aille (im Oxf. Rol. al{j!e v. 309 = *all-iam), aittes (Oxf. Rol. alges v. 2978
= *all-ias), vaille (Rol. Oxf. cnntrevaillei v. 1984), Wörter wie bataille
assonieren im vermutlichen Original des Rolandsliedes nur in weiblichen
»-Tiraden und nicht in Tiraden mit offo. e, wo dagegen Wörter mit ai
z. B. faire), das auch im Neufranz. = offn. e gesprochen wird, assonieren
rönnen. Vgl. Rambeau, Assonanzen . . . p. 99 f, 111. — Indes ist der
(Vortton im Konj. Präs. von aller, valoir, faüoir insofern von Einfluss
gewesen, als sich im Neufranz, vor den volltönenden Endungen -ions, -iez (lat.
iamtis, -iaiis) das / in der Aussprache erhalten hat und nicht „mouilliert"
rorden ist: daher auch die verschiedene Schreibweise que je vaille etc.
- que noiis valions etc. Dieselbe verschiedene Behandlung des / zeigt
ch, zugleich mit einer Veränderung des Stammvokales („Lautverstärkung"),
n Konj. Präs. von vouloir: ^ que je veuille etc. (mit / mouille = iU und
3rändertem Stammvokal ö = eu statt u = ou in den stammbetonten
jrmen) — que nous voulions, que vous vouliez (mit erhaltenem / und
iverändertem Stammvokal). Dagegen hat der Ableitungsvokal i im
onj. Präs. von savoir und pouvoir nicht bloss in den stammbetonten,
ndern auch in den (urspr.) endungsbetonten Formen seinen Einfluss
isgeübt: que je sacke — que nous sackions (ck = p -{- j = p -^ t , .),
'e je puisse — que nous puissions (uiss = oss -\- j = oss -|- ? . .).
Es ist durchaus notwendig, bei den sog. archaischen („abgezweigten")
>DJugationen die Eigentümlichkeit, die gerade viele Verba dieser Kon-
^ation auszeichnet, die Wirkung des urspr. im Franz. viel stärkeren
ortaccentes (accent tonique) ^ hervorzuheben. Aber dies muss in einer
Qz anderen Weise geschehen. Etwa folgendermassen :
Bei vielen Verben der archaischen Konjugationen wird die Stamm-
>e, wenn diese den Wortaccent hat oder, was dasselbe ist, wenn ihr
ne volltönende Endsilbe folgt, dadurch oder zugleich damit verändert:
1) Im starken (stammbetonten) Perf. und Konj. Impf. (lat. Plusqupf.)
hrerer Verba erscheint als Stammvokal ein t (schon im Latein, zum
6S Litlerat'uche Chronik. A. Hambeau,
Teil l, meist aber e), während dieser im Präseosstamm e, c, ai, oi ist.
Vor Nasalen hat das i seine ursprüngliche Aussprache verloren: je mis
(Präs. mett-), je vis (voy-, voi-), facquis (acquer-), je pris (pren-), je vins
{ven-), je Uns ilen-), j*assis (assefd/-, assey-), je fis (fai-, fais-). Vgl. auch
je dis (Präs. di-, dis-), je ris (Prä3. n-).
2) Im Präsens selbst, Ind., Konj. und Imper., mehrerer Verba wird
der Stammvokal in den stammbetonten Formen modifiziert:
a) e, e, wird ie, z. B. facquiers, qite j^acquiere, aber notis acque-
rons (St. acquer-); je viens, que je vienne, aber nous venons
(St. ven-).
b) Der Laut u wird zu o (geschrieben ou — eu): je meurs, que
je meure — que notis mourioiis. Stamm mour-, u. s. w.
c) -ev-, -UV- wird zu -oiv-: je dois (Labialis fällt vor Konson.
weg), qiie je doive — vous devez, Stamm dev-; üs boivent,
que iu boives — que nous buvions. Stamm buv-, u. s. w.
Anm. Eine ähnliche Erscheinung zeigt sich im Präsens der ersten
herrschenden Konjugation: das dumpfe, resp. stumme e, und das ge-
schlossene e (e) werden in den stammbetonten Formen, wo ein stummes
e in der Endung folgt, zu einem offenem e, da« entweder durch den
accent grave oder durch Verdoppelung des folgenden Konsonanten be-
zeichnet wird, also fe metie — nous menons (St. men-)^ üs appeüent —
vous appelez (St. appel-), tu cedes — qtie nous ce'dions (St. ced-). Vgl.
das offene e in den bezüglichen Formen der archaischen Konjug., z. B.
üs prenneni, que je prenne — notts prenons (St. pren-), üs acquüreni —
vous acquer ez (St. acquer-)^ ebenso üs viennenl, que iu viennes u. s. w.
Der Stamm dieses Verbums ist ven- in den flexionsbetonten, vien- in den
stammbetonten Formen; der zweite Bestandteil des Diphth. ie ist ein
offenes, nicht nasaliertes e, wenn ein stummes e in der Endung folgt,
sonst ein nasales e (je viens).
c) / (ü) wird zu / mouüle (geschr. ül . . ,, gespr. t-Halbvokal, urspr.
/ + y • • = lat. / + unbetont, l, ^ . .) in den stammbetonten
Formen des Konj. Präs. von valoir, falloir, vouloir (St. voul-,
veul-, vgl. oben) wie auch von aüer, z. B. que je veuiUe — que
nous votdions.
Plattner. „2) Durch Abstossuug und Anfügung treten folgende
Veränderungen ein: . . . b. Von recevoir und den ähnlichen Verben
werden die Futura von einem Infinitiv auf f-everj gebildet, dessen e
ausfallt: je recevrai.^
Warum ist -ever in Parenthese eingeschlossen? Ich würde, indem
ich die Bildung des Präs. Fut. und des Impf. Fut. als schon erklärt vor-
aussetze, sagen: Die Zusammensetzung des Präs. Fut. und Impf. Fut. ist
in einer Zeit geschehen, wo die Infinitivendung -oir noch -er lautete [für
Lateinisch lernende Schüler, lat. Inf. -€re, auch in vielen Fällen, wo im
klsissischen Latein die Endung -' Sre lautet, vgl. deb&'e = devoir, reci-
p^re = recevoir]. Dieses e der Infinitivendung, das erst viel später zu
[altfranz. ei, dann] oi diphthongisiert wurde, wurde bei der Zusammen-
setzung des Infin. mit dem Präs., resp. Impf, von avoir infolge des Ge-
setzes vom „accent tonique" als unbetontes e ausgestossen , daher je
recev-r-ai, je sau-r-ai u. dgl. — Auch in der ersten Hauptkonjusation
ist wenigstens im Neufranz, (im Altfranz, musste sich lat. a in (jestalt
von e auch in der vorletzten, vor der Tonsilbe stehenden Silbe erhalten)
das geschlossene e der Infinitivendung -er = lat. -are in der Futurbildnng
entweder verstummt oder verdumpft (e sourd), wenn es auch in der
Schrift geblieben ist: j*aim-er-ai.
Plattner 's Angabe ist, da sie sich nur auf die Verba mit -ev- am
Schulgrammatiken, 69
nullende bezieht , zu eng gefasst und erklart nicht dieselbe Erschei-
g in den ebenso regelmässigen Putura je mouv-r-ai, ü pleuv-r-a, je
-r-ni (statt sav-r-ai), f anrät (statt av-r-at), je poun-ai (statt pouv-r-aiy)
i in den meisten der scheinbar so unregelmässigen Futura, die er in
folgenden Bemerkung anführt.
Plattner „c. Ein euphonisches d (d intercalaire) wird eingeschoben
je viendrai (venir) u. a, , je voudrai {votdoir), je vaudrai (valoir), ü
ndra (falloir).^
Ich vermisse hierbei eine Bemerkung, die für das Verständnis der
iturbildung mehrerer Verba auf -ir ebenso notwendig ist, als die vor-
Tgehende für das der Puturbildung der Verba auf -oir: Das Präs. Put.
ad das Impf. Put. mehrerer Verba auf -ir sind so gebildet, diias das t
er Infinitivendung ausgefallen zu sein scheint, ^V cour-r-ai {cour-ir), je
tour-r-ai (mour-ir), j'acquer-r-ai (acquer-ir), je vien-d r-ai (ven-ir), je
ien-d-r-ai (ten-ir). In der That beruhen diese Pormen auf einem Infinitiv
ler zweiten archaischen Konjug. auf -re (vgl. lat. currere, quaerere, mo-
ere st. mort), der sich auch noch selbständig bei zwei Verben als veraltete
J^ebenform des Inf. auf -ir erhalten hat: cour-re (von P. § 79 erwähnt)
— courir, quer-re = querir (als Simplex ebenfalls veraltet).
Ausserdem muss an dieser Stelle ein Lautgesetz klar und ganz
illgemein aufgestellt oder, wenn es schon vorher als allgemeines Gesetz
Lufgestellt ist, darauf verwiesen werden, ein Lautgesetz, das nicht nur
;ur Erklärung einiger der angeführten Putura, sondern überhaupt vieler
'"ormen der drei archaischen Konjugationen {/aillir, je faux; valoir, je
m}ix ; moudre, St. motd- u. a.) und der Pluralbildung vieler Substantiva
chevcd — chevanx) und vieler Zusammensetzungen (Pdiigirard = Valgi-
ard, Stadtteil in Paris, u. ä.) durchaus notwendig ist:
L (li und auch / mouüle = l) ist in der Regel vor folg. Eonson.
1 echt französischen, einheimischen Wörtern zu u vokalisiert worden,
as, wenn ein u in der Schrift schon vorhergeht, mit diesem verschmilzt :
vaut = val't (lat. val-et), il veut = vetU-i (St. veul- in den stamm-
etonten Pormen des Präsens, lat. St. völ-).
Als eine orthographische Regel muss hinzugefugt werden:
[an schreibt in der neufranzösischen Orthographie in den echt französi-
ihen Wörtern immer aiix = aus, meist eiuc = eus, selten oux = ous
US bleibt immer in der Konjugation): je vaux = val-s, chevaux =
\eval-s; je veux = vetd-s, vol-s, cieux = ciel-s; choitx = chou-s, chols,
lt. caules, coles), je bous = bouill-s, houl-s (bouill-ir, lat. btdi-ire).
Schliesslich ist die Regel vom euphonischen d als allgemeines
autgesetz viel weiter zu fassen, so dass die Bemerkungen, die P. folgen
sst, darin eingeschlossen werden. P. sagt: „Im Infinitiv steht dieses d
hon bei craimi'e u. a. (§ 88), prendre, coudre, moudre, rdsoudre . . .
a^ euphonische t von connatire, naitre u. a. steht nur im Infinitiv und
den davon abgeleiteten Pormen (Puturen).'* Ich schlage etwa folgende
LssuD^ dieses Lautgesetzes für eine neufranzösische Grammatik vor :
/> und t werden als euphonische Konsonanten zur Vermittel ung
n verschiedenen auf einander folgenden Konsonanten, resp. Mittellauten
^) Dem Lateinisch lernenden Schüler muss natürlich gesagt werden,
js hier eine Assimilation der Dentalis an r vorliegt (vgl. lat. pot-esi),
}s das lat. t zwischen zwei Vokalen (zu d erweicht), wie auch sonert
? = lat. vitam), ausgefallen und erst später zur Tilgung des Hiatus
.^iDgeschoben worden ist.
70 Liiicrarische Chronik. A. Eambeau,
verwandt: I. 1. ^ ist zwischen (den urspr. nasal-dentalen') Mittellant) n und
(den wahrsch. palatalen Mittellaut) r eingefügt worden — in einer Sprach-
periode, wo n noch seine selbständige Geltung als nasal-dent.*) Mittellant
hatte, während es jetzt mit dem vorhergehenden Vokal zusammen einen
Laut, einen nasalen Vokal, bezeichnet: crcdn-re (St. crahi- vor Eonson.,
craign- vor Vok.) wird crain-d-rCf daher je craindrai, je craindrais;
ebenso plaindre, peindre u. a. ; ferner ^V? tien-d-r-ai, je tien-d-r-ais von
einem Infin. auf -re statt -ir (tenir, lat. teuere, franz. St. ten-f lien- in
den stammbetonten Formen des Präs.), ebenso je vien-d-r-ai, je vten-d-r-ais.
Vgl. lat. ten[e)rum = tendre, lat. gen[e]rum = gendre.
2. d ist frühzeitig zwischen (den den dentalen Konsonanten nahe
stehenden lingualen Mittellaut) l und r eingefügt werden; erst später ist
die Vokalisiernng des i zu u vor folg. Konson. eingetreten: mol-re (lat.
moler e) — moUd-re — mou-d-re, daher ^V moudrai^je moudrais; resollv]-re
(lat. resolv^re) — resol-d-re — ?'esou-d-re, daher je re'soudrai^ je resou-
drais; ebenso in dem Infin. der Futurbildung der Verba auf -oir = lat.
-ert', wo das ursprüngliche e der Infinitivendung (erst später altfranz. ei,
dann oi) als unbetont vor der Tonsilbe geschwunden ist: vol-r-ai (lat.
*volere häbeo) — vol-d-r-ai — je vou-d-r-ai, ebenso je vou-d-r-ais;
val-r-ai (lat. valere habeo) — val-d-r-ai — je vau-d-r-ai, ebenso je vau-
drais; fall-r-a (lat. fallei^e habet) — fdU-d-r-a — il fau-d-ra, ebenso il
faudrait. Vgl. lat. pul[ve]rem = franz. pou-d-re.
3. d (die weiche und tönende entbrechende Dentalis) ist frühzeitig
zwischen z (die weiche und tönende entfliessende Dentalis, geschrieben s)
und r eingefügt worden; s ist erst später, wie in so vielen Fällen vor
folg. Eonson., ausgefallen: consüere (Kompos. von stiire) — cösu^re mit
ausgestossenem n vor s (vgl. lat. mensem — it. mese — altfr. meis, dann
mois) und, indem u zum Halbvokal w wird, mit zurückgezogenem Accent
(dem ital. cucire, span. ciisir neben coser u. s. w. liegt ein vulgärlat. cusire zu
Grunde, das sich in den Isidor. Glossen findet) — endlich, mit Wegfall des
Bindevokals ^ und des Halbvokals u {w), franz. cos-re — cous-d-re —
cou'd-re. Für den Schüler, der keineswegs die lat. Etymologie und die
verschiedenen Entwickelungsphasen von coudre zu kennen braucht, ge-
nügt es zu wissen, dass der Stamm dieses Verbums cous- (vgl. noits
couS'Ons) mit einem weichen, tönenden s ist : daher cous-d-re — cou-d-re^
je coudraiy je coudrais.
^) Wahrscheinlich ist dieses n wenigstens speziell im Verbum
craindre zu der Zeit, wo das euphonische a eingeschoben wurde, der
palatal-nasale Mittellaut n (im Engl, und Deutsch ng geschrieben: engl.
ring, dsch. Finger) gewesen, der später mit dem vorhergehenden Vokal
zum Nasalvokal e verschmolz. Ursprünglich war es ein m, vgl. altfr.
criem, crien, cri^ng = neufr. je crains, Impf, altfr. a^emoie , craignoie,
Inf. cremir neben creindre, crendre, criendre, craindre — selbst crembre
= tremere, Diez Wörterb. — Besonders der eingeschobene, euphonische
labiale Eonsonant b in cremte beweist, dass der Endkonsonant des
Stammes urspr. der labial-nasale Mittellaut m gewesen ist. Dieser konnte
in der Schrift zu n erst in einer Zeit werden, wo sowohl der labial-
nasale Mittellaut m als der dental-nasale Mittellaut n im Auslaute eines
Wortes oder einer Silbe (vor Eons.) die gleiche Aussprache w = palatal-
nasal. Mittellaut — die Vorstufe des durch Verschmelzen mit dem vor-
hergehenden Vokal enstandenen Nasalvokals — erhalten hatten. Vgl.
empreindre = imprimere, geindre = gemere, altfr. reangon, rhenchon,
nfr. rangon. = lat. redemfpjtionemf altfr. raenibre = lat. redimere.
ScInUgrafnmatiken. 71
II. t (die harte und tonlose entbrechende Dentalis) ist frühzeitig
zwischen s (die harte und tonlose entfliessende Dentalis, geschrieben ss
— lat. sc) und r eingefügt worden; auch dieses s ist, wie in so vielen
Fällen vor folg. Konson., ausgefallen, es ist in der Schrift, wie gewöhn-
lich vor folg. t^ durch einen Circumflex ersetzt worden: naiss-re (lat.
näsc&e, Akt. statt Depon.) — naiss-i-re^ nais-t-re — nat-t-t-ey daher je
naht-r-ai, je ncä-t-r-atSf ebenso connai-Ure (St. connaiss-), parat- i-re (St.
paraiss-), paUt-re (St. paiss'\ croi-Ure (St: croiss-) mit ihren Kompositis.
Vgl. lat. essSre (st. esse) — ess-Ure — es-i-re — S-t-re.
Plattner. „Vor s und t (Sing. Präs. Ind. und Imper.) fällt das
euphonische d b,vlb: je (tu) crains, il craintt je (tu) re'sousj ü resoui,
crains, resous. Es bleibt dagegen in den entsprechenden Formen bei
prendre, condret rnoudret deren 3. Sing, daher t nicht annimmt: je (tu)
prends, il prend; je (tu) coudsy il coud; je (tfi) mouds, il moud; prends,
couds, mouds."
Diese »Regel und die Bemerkung über t von connattre, nmt?'e u. a.
,.nnr im Infinitiv und in den davon abgeleiteten Formen (Futuren)"
entstellen und verdunkeln den wirklichen Sachverhalt. B und t sind als
euphonische — wirklich in der gesprochenen Sprache vorhandene —
Konsonanten nur im Infin. und in den davon abgeleiteten zwei Tempora
(Präs. Fut. und Impf. Fut.) berechtigt. Mit welchem Rechte kann man
sagen, dass d (also auch t) vor s und t im Sing. Präs. Ind. und Imper.
der Verba a-aindre u. s. w. (connaltre u. s. w.) ausfällt! Der Konson.
d (i) hat in diesen Formen nie existiert und lautlich nie existieren
können ! Es könnte dann ja auch scheinen , als ob d (Q in den übrigen
Formen, Plur. Ind. Präs. und Imper. u. s. w., eigentlich stehen müsste. —
Die Formen je couds^ tu couds, il coudf Imper. coiids und je mouds, tu
moudSi il moud, Imper. mouds sind in der That — wenn auch nur
graphisch — unregelmässig, da hier das d gar nicht berechtigt ist.
Die entsprechenden Formen aller übrigen Verba — ausser prendre f das
eine besondere Stelle einnimmt, — sind durchaus regelmässig. Die
Regel muss, wenn sie kurz sein soll, etwa so getasst werden:
Bei vielen Verben auf -re erscheint 1. ein unorganisches, eupho-
nisches d im Infin. 1) zwischen n und r: crain-d-re u. s. w., 2) zwischen
? (später zu u vokalisiert) und r: re'sou-d-re u. s. w. — bei einigen
Verben auf -oir in dei Zusammensetzung des Infin. mit dem Präs. und
Tmpf. von avoir^ 3) zwischen s (weich und tönend, das später ausgefallen
st) und r; cou-d-re; II. ein unorganisches, euphonisches t zwischen ss
scharf., tonlos, s) und r: nai^t'-re u. s. w. — Dieses rf, resp. / erhält
icH ganz regelmässig in der Zusammensetzung im Präs. Fut. und
mpf. Fut.
Anm. ünregelmässiger Weise ist dieses d in der Schriftsprache
US dem Inf. in die Formen des Sing. Präs. Ind. und Imper. der Verba
loudre und coudre eingedrungen, so dass in diesen Formen der ursprüng-
che Stamm (tnoul', cous-) verdunkelt erscheint und in der Schrift der
bamm moud- und coud- verwandt ist, woran die Endung s tritt (nicht
nach d).
Prendre nimmt, wie ich schon oben sagte, eine besondere Stelle
n. P. f^ibt zu diesem Yerbum eine Anmeldung unter den Zusätzen
XII : „In prendre isrf; (wenn es auch von prehenaere kömmt) d eupho-
9ch. — Zu bemerken ist, dass die heutige Regel überhaupt unbegründet
;, da auch etymologisches d den Platz räumen müsste; wie craindre:
craint sollte vendre: il veni bilden."
In der neufranz. Orthographie schreibt man allerdings il vend
leinbar ohne die Persooalendung t; die alte Orthographie (veni) und
72 LiUcrarische Chronik. A. Rambean,
die noch vorhandene Aussprache in der „Liaison" (vend-ii, twnd-elle^
vend'On) zeigt dagegen diese Personalendung ^, vor der der Endkonsonant
(d) des Stammes ausgefallen ist, wie in il sert (St. serv-), ü dort (St.
dorm-) u. v. a. Mit il crain-t (Stamm crain" vor konson., craign- vor
vokalisch anlautenden Endungen), wo kein d ausgefallen ist oder „den
Platz geräumt hat", lässt sich weder die neufranz. Schreibweise t^endftj
noch altfranz. t)en[dji vergleichen. Dass i in il vend nicht geschrieben
wird, ist nicht auiiUllig, da^sich das lat. d als Endkonsonant ganz ge-
wöhnlich in der neufranz. Orthographie erhält, wenn es auch = ^ in
der Liaison gesprochen wird, vgl. lat. grandem = ältfr. grant^ neufr.
grand, grande^ dagegen ve7% verte = lat. viridem neben dem Verbum
verdir. Die Analogie der übrigen Formen von vendre^ rendre u. a. be-
wirkt, dass das a des Stammes auch in der 8. Sing. Präs. Ind. in der
Schrift bleibt und die Personalendung t weggelassen wird: il vend, il
rend u. a. und so in mechanischer Analogie ü moud, il coudf als ob es
einen Stamm moud-, coud- (statt monl- und cous- vor Vok. , coU' vor
Konson.) gäbe. — Was nun je (tu) preiids^ il prend^ Imper. prends be-
trifft, so mag der Schüler, der nicht Lateinisch versteht, einfach
lernen , dass der Präsensstamm von prendre pren- (vgl. nous pren - ons)
ist, dass d als euphonischer Konson. im Infin. zwischen n und r tritt
(vgl. oben I* 1, craindre u. a.)* dass dieses hier berechtigte, ausgesprochene
d als blosses graphisches Zeichen in den Sing. Präs. Ind. und Imper.,
wie bei moudre und condre, eingedrungen ist, und dass demnach für
diese Formen ein zweiter Präsensstamm prend- anzunehmen ist, in
welchem das d wie in vendi^e u. a. ähnlichen Verben behandelt wird.
Für den Schüler, der Latein versteht, liegt die Sache anders: Er
kennt das lat Verbum 2^^<^*henderef prendere und sieht natürlich einen
ursprünglichen (= lat.) Stamm prend- im Sing. Präs. Ind. und
Imper., im Inf., Präs. Fut. und Impf. Fut., daneben pren- mit abgefalle*
nem d in allen übrigen Formen des Präsens und im Ind. Impf., prenti'
(nn Zeichen des offn. e?- Lautes) vor einem -stummen e (ils prenn-eni).
Trotz P.'s Angabe in den Zusätzen kann ich d iu prendre nicht für
schlechthin euphonisch, also unorganisch halten. Es finden sich im
Altfranz, auch Formen wie prendous (prenons)^ prendent (prenneni), da-
neben freilich auch prenre (prendre) j prenOf pren, pran (je prends),
prens (tu prends), 2)renl (il pre?id). Vgl. Diez, Gramm, und Bartsch,
ehrest, u. a. Jedenfalls ist es durchaus nicht entschieden und scheint
mir wenig wahrscheinlich, dass prendere im gallischen Vulgärlatein sein
d spurlos verloren hat (= prenn^re), und dass das d in prendre im
Altfranz, von vornherein ein euphonischer Konsonant gewesen und aus
dem Inf., Präs. Fut. und Impf. Fut., |wo er als solcher berechtigt ge-
wesen wäre, in andere Formen (nicht bloss graphisch, cf. altfr. prendent)
eingedrunfi^en — und nicht vielmehr ein etymologischer, aus dem Lat.
herrührender Konson. (vgl. ital. prendere, span. prender) ist, den die
französ. Sprache nach und nach, zuerst vor folg. Konson., aber nicht vor
folg. r, dann auch vor folg. Vokalen, aufgegeben hat.
Plattner „d. Der Ausfall von s vor 4 wird durch den Circumflex
bezeichnet: il connaU, il natt, il pUut (aber il taitj, il clot, il crott.^
Clot hat aus falscher Analogie den Circumflex erhalten, da s in
dieser Form (3. Sing. Präs. Ind.) vor i nie lautlich existiert hat: clore.
Stamm clo-, tat. claud-, vgl. oben bei § 69. Die altfranz. Form ist clot
= claudit; clost ist im Altfranz, die 3. Sing, des starken bist. Perf. =
lat. clausit. Die neufranz. Formen mit s vor vokalischer Endung im
Präs. Ind. eclosent und Konj. que je dose, qu'il eclose gehen auf ein vom
Supinum (Part. Perf.) lat. clausuni = franz. clos abgeleitetes Verbum zu-
Schulgrajnmaliken. 73
rück und mögen in der Schrift eine Form closi = cloi für die 3. Sing.
Präs. Ind. herbeigeführt haben. Vgl. altfranz. ctoons = claudimtts,
clodet = claudat und das Eompos. conclure (lat. concludere) , Stamm
conclu-, nous conclu-'Ons. Die nenfranz. Orthographie ist im Ersetzen des
ausgefallenen s durch den Circumflex selbst vor i nicht consequent: ü
connmt (Stamm connaiss-) u. s. w. — aber ü punit (St. pun-, inchoat.
puniss-), ü ftnit (St. /?»-, finiss-J u. s. w. Dem neufranz. U pMt liegt
allerdings ein altfranz. piaist zu Grunde, wo also das lat. c fplacet) in
doppelter Geltung sowohl dem i (in der Ansprache mit a frühzeitig ver-
schmolzen) als dem s entspricht, weil der lat. Ableitungsvokal e m der
3. Sing. Präs. Ind. sich länger erhalten zu haben scheint als der lat.
Bindevokal i, so dass der Gattural k (c) zwischen zwei Vokalen sigmati-
siert werden konnte, vgl. ü dii = lat. dicit. Dem pUni widerspricht die
Schreibweise tait = altfr. iaist = lat. iacet.
P. p. 62 „3) Die 1. Sing. Präs. Ind. endigt auf s: ebenso die
2. Sing, des Imperativs (ausser ouvre, cueüle und den ähnlichen, sowie
ate, Sache, vemäej." Vgl. damit p. 41 § 50, 2. „Die 2. Sing, des Präs.
Ind. hat immer s. Ebenso die 2. Sing, des Imperativs ausser in der
I. Konjugation. Auch in letzterer erhält diese Form ein s, wenn die
Pronominaladverbien en, y folgen: gardes-en^ retoumes-y.^ Dazu die
Anm. „Ebenso alle nicht auf s auslautenden Imperative aie, va, offre,
mche n. a." Diese doppelte Kegel über das s der 2. Sing. Imper. lässt
sich sehr vereinfachen, sobald sie nicht gesondert für die archaischen
und die herrschenden Konjugationen aufgestellt wird: Die 2. Pers. Sing,
[mper. hat nach Analogie des Indik. und Konjunkt. das Personalzeichen
r angenommen, das aber nach -e und -a nur dann eintritt, wenn die
Idverbia en und y darauf folgen: partes »en (parte), cueüles-y (ctteiUe),
ds-y {vd), aies-en (aie).
P. fahrt fort p. 62 Nr. 3: „Alte Formen ohne s sind in der Poesie
och erlaubt: je doi, je croi, je voi u. a." Dies ist sehr richtig, aber
ie Anmerkung „Nicht etwa auch bei der 11. Hauptkonjugation" führt
rre. Denn in der 1 Sing. Präs. Ind. und in der 2. Sing. Imper. dieser
onjugation gehört das s zum erweiterten Stamme: je punis, Imper.
Huis , St. puniss-, pun-; am Ende der echten franz. Wörter werden
oppelkonsonanten vereinfacht. Dieses s kann, solange die Endkonso-
inten noch nicht verstummt waren, und auch später lautlich in der
^iiaison" nie gefehlt haben und, wo sich die betr. Form ohne s ge-
hi-ieben findet, ist es nur eine Schreibweise, die durch falsche
aal cgi e entstanden ist. Vgl. oben bei den Hauptkonjugationen.
P. „Statt s tritt x ein nach au und eu (wie bei der Pluralbildung) :
vaux , je veiix. Ausgenommen je mevs, — Nach au steht nur s
cht wie bei der Pluralbildung auch manchmal x): je haus, je resaus
a." — Eine ganz passende orthographische Begel! — „In je cauds,
motids hinderte schon das Verbleiben des d den Antritt eines or." Der
sdruck „Verbleiben" ist falsch, vgl. oben Nr. 2, c.
P. „5) In der 1. und 2. Plur. Präs. Konj. von avair und Hre ist
n i zu setzen : que naus ayans, que vaus sayez.^ Das „warum ?" fehlt,
it = ii: ayans = ai-ians, vgl. que j'ai-e mit der Endung e = lat.
ilusvolsal a, mit regelmäss. Wegfall der Personalendun^ -m, lat. habe'
; soyez = sai-iez, vgl. que je sais, wo s wie gewöhnlich (ungewöhn-
nur im Konj.) als Zeichen der 1. Pers. Sing, im Neufranz, die lat.
sonalendung -m ersetzt hat. Über das t (verschmolzen mit a, resp. a)
Stamme des Konj. Präs. von avair und Stre vgl. unten.
P. „6) Der Plur. des Imperativs ist nicht den entsprechenden Per^
n des Präs. Ind. gleich in ayans, sayans, sachans, ve^iiUons (ayez
74 Litttrarische Chronik, A. Ramhemi,
u. 8. w.)*" Diese Regel ist viel za äusserlicli. Der Imperativ aller
Verba — man muss wieder auf alle Verba Bezug nehmen — ist vom
Ind. Präs. abgeleitet, seine Formen sind den bezüglichen des Ind. Präs.
im Sing, und Plur. gleich, indem beim Imper. das Subjekt nicht be-
sonders, sondern nur in der Form selbst ausgedrückt idt (Nb.: die
2. Sing. Imper. auf -e und -n hat das Personalzeichen s nur vor en
und y).* Ausgenommen der Imper. der Verba avoir, Hre, savoir, vouloir,
dessen Formen auf dem Eonj. Präs. beruhen und zum Teil mit den be-
züglichen Formen dieses Modus ganz übereinstimmen. Vgl. aie{s), sois,
sacheiß), veuiüe{s) mit que tu aies, sois, saches, veuiües, dagegen sach-
ons, sach-ez — • veuifl-ons, vewU-ez mit que nous sach-ions, vous sach-iez
— que nous votd-ions, vous voui-iez. Die bezüglichen Formen des Plur.
von avoir und ^tre, des Sing, von etre , sind im Imper. und Eonj. Präs.
identisch. Hier wäre es am Platze, an die Syntax zu erinnern, die P.
sonst in der Formenlehre viel zu oft erwähnt, und darauf hinzuweisen,
dass der Imperativ in seiner Bedeutung als Befehlsmodus viel Ähnlichkeit
mit dem Eonjunktiv (Wunschmodus) besitzt.
Das i, resp. y im Eonj. Präs. und Imper. von avoir und Hre, die
Veränderung des Stammvokals {ui) im Eonj. Präs. von pouvoir (que je
puisse, lat. possim, vulgärlat. poss-i-am), der Zischlaut im Eonj. Präs.
und Imper. von saooir, im Eonj. Präs. von faire (que je fasse, lat. faci-
am), ferner das / mouüld (geschrieb. -tU-, urspr. gesproch. / + Halbvokal
j) in den stammbetonten Formen des Eonj. Präs. und in allen Formen
des Imper. von vouloir , wie auch in den stammbetonten Formen des
Eonj. Präs. von iiüer, valoir, falhir (j'aüle, je vaüle, ü faiUe), — alle
diese anscheinend verschiedenen lautlichen Erscheinungen haben ein und
dieselbe Ursache, sie erklären sich alle dem Lateiuisch lernenden
Schüler durch den Einfluss eines unbetonten mit dem Stamme ver-
schmolzenen oder dazu gerechneten i, resp. e = vulgärlat. i, das sich in
den entsprechenden lateinischen Formen zeigt oder vorausgesetzt werden
muss (habS-am, fac^^am, välS^am u. s. w.). Hierbei ist man allerdings
gezwungen, auf das Vulgärlateinische insofern zurückzugreifen, als man
sagen muss, dass in der vulgärlat. Aussprache e = ^ = Halbvokal.^' in
unbetonter vorletzter Silbe geklungen (vdlS-am, hab^-am) und dass bei
einigen Verben ein vom klass. Latein abweichender, aber den übrigen
der oben erwähnten Verba analoger Eonj. Präs. auf -am, ^as, ^at, -amus,
'atis, -ant mit einem vorhergehenden, zum Stamme gerechneten t im
Vulgärlatein existiert habe und dem franz. Eonj. Präs. zu Grunde liege.
Vgl. klass.-lat. s-i-m, poss-i-m, vel-i-m, faü-a-i — vulgärlat. j^f-am, possX-
am, vÖH-am, faUX-at?) — In einer Schule, wo kein Liatein gelehrt wird,
^) Während in }\abeam^ valeam, sapiam, faciam und (nach Analo-
gie) in *fall'i'ai, ^ail-i-am e, resp. % der lat. Ableitungsvokal und a der
lat. Modusvokal (= franz. e) ist, muss man in dem i der Eoinunktive
sim, possim, vöHm (neben veäm , alt , sogar noch bei Cicero , vgl. Neue,
lat. Formenlehre, II, p. 606) den altlat. charakteristischen Vokal des
Eonj. Präs. (vgl. Neue, U, p. 441) sehen, der im Vulgärlatein als Stamm-
vokal behandelt wurde, an den man als neuen Modusvokal a anfügte,
daher alt&. seiej soie = lat. st- am (neufr. sois, vgl. altfr. seit = neufr.
soit direkt vom lat. stt abgeleitet), puisse (altfr. auch poisse, Alex. 31c)
= possi-am, veuille (altfr. voiüe, vueille, vosiüe u. s. w.) = völi^am. —
Es sind romanische oder spät vulgärlateinische Neubildungen und haben
nichts mit den vollen altlat. Formen zu thun, die sich für das Verbum
esse neben sim, sis, sit^ sint = siem, sies, stet, sient (vgl. Neue, 11, 592 f.)
Schidgrammatiken. 75
kaon natürlich bei den betreffenden Verben nur die Thatsache eines
franz. Eonj. Prae. , der im Stamme eine lautliche Verschiedenheit vom
Ind. Präs. zei^t, konstatiert werden.
P. „7) Die 2. Plar. Präs. Ind. endigt auf -es in vous faiies, vous
dites (sowie votis rediies) und vous iies; ebenso die entsprechenden
Formen des Imperativs (doch soyez).^
Die ßndung ist nicht -es, sondern -tes, lat. -lis! Dieses Personal-
suffix der 2. Plur. ist im Franz in den drei Modis des Präsens — ausge-
nommen die von P. angeführten Fälle — , im Ind. Impf, und Konj. Impf.
{= lat. Konj. Plqupf.) regelmässig in z (nrspr. = t -]- s) zusammenge-
zogen worden, indem sich der vorhergehende betonte Vokal (Ableitnngs-
vokal und Bindevokal) in der einzigen Form e (geschloss.) erhalten hat;
das der Tonsilbe folgende i in -tis musste nach der Bep^el vom n&ccent
tonique^ ausfallen: -äiis wurde -eZf und so nach Analogie -itiSf 'itis und
4iis mit vorgerücktem Accent. Von den Verben, die im Lat. den Binde-
vokal t vor dem Personalsuffix der 2. Plur. haben, entzogen sich nur
facere und dicere der Analogie der übrigen Verba: das X blieb bei diesen
Verben unbetont und fiel daher aus, während das % des Personalsuffix
'tis wegen der dadurch entstandenen Konsonantenkombination in Gestalt
von e bewahrt werden musste: faclijtis gab fai-ies, dicpjtis gab di-ies.
Die Komposita von dire sind aber alle ausser redire der übermächtigen
Analogie der anderen Verba gefolgt, ebenso die zwei Komposita mit
verändertem Stammvokal von faire, conftre^ suffire. In der 2. Plur. Ind.
Präs. von esse war schon im Lat. der Bindevokal % nicht vorhanden,
weshalb -tis = -ies erhalten werden konnte: lat. es -tis = franz. ^-tes.
Ebenso ist nach vorausgehendem s das Personalsnffix -lis = -tes im
franz. bist. Perf. aller Verba bewahrt worden, indem später das s (vor
folg. Kons.) ausfiel : lat. amasiis {amavistis) = franz. aimä-tes u. s. w. —
Die „Regel" 7) sollte demnach ungefähr so lauten: Die 2. Plur. Ind.
Präs. endigt auf -tes (lat. -tis) in vous fai-tes, vous di-tes, vous S-ies^
ebenso die entsprechenden Formen des Imper. (doch soyez). Die zwei
Komposita von faire: suffire und confire, alle Komposita von dxre (ausser
redire) sind der Analogie der übrigen Verba gefolgt und haben in der
2. Plur. Präs. Ind. und Imper. mit erhaltenem Ableitungsvokal (resp.
Bindevokal) die Endung -ez erhalten. — Das Personalsnffix -ies = lat.
'tis findet sich noch im bist. Perf. aller Verba: votis atm-ä-tes u. s. w.
P. fährt fort: „Die 1. Plur. Präs. Ind. endigt auf -es in nous
sommes."'
Auch dies ist unrichtig. Das Personalsuffix dieser Form ist -mes
{mm zur Bezeichnung der Aussprache, vgl. honne^ honne) = lat. -mus
mit erhaltenem u = ^, vgl. i = ö^ in dem Personalsuffix -iis = -tes^ cf.
oben. Da aber der Ableitungsvokal aller Konjugationen und ebenso der
Bindevokal, wo sich diese im Franz. deutlich erhalten haben, in der
französischen Grammatik am besten zur Endung gerechnet werden, so
muss man als die Endung der Form sommes — ommes bezeichnen: der
lat. Bindevokal ü ist, weil er in betonter Silbe vor fol^. Nasalis stand,
regelmässig zu o (geschloss. in der Sprache des Rolandsliedes) geworden.
Ursprünglich hat im Franz. die 1. Pers. Plur. des Präs. Ind. aller Verba
mit wenigen Ausnahmen (-mes) auf -ommes, altfranz. -omes, -umes (u
selbst im klass. Lat. erhalten haben. Das nach i stehende e hätte
schwinden müssen. — Das i dieser Konjunktive sim, possim, voUm (velim)
ist urspr. lang gewesen, aber frühzeitig — zuerst in den Formen mit t
(sit) — verkürzt worden, vgl. Neue, 11, 443.
76 Lilterarische (Chronik. A. Rambeau,
gleich oder sehr nahe dem geschlossenen d) geendet , was erst spater in
'Oms, dann -ans zusammengezogen worden ist. Die volle Endung -ommes
erhielt sich nur in nous sommes, da sonst diese Form in der Aussprache
mit sont = lat. sunt zusammengefallen wäre. Dies geschieht auch
wirklich in der heutigen Volkssprache. Vgl. in einem Volksliede
der Champagne (Scheffler, Die französische Volksdichtung und Sage,
' ^* ''* Quand noics sont mari§s,
Les femmes notts chagrinent.
Dem 0 der Endung -ons, altfranz. -omes liegt, wie in nous
sommes, so auch in der 1. Pers. Plur. Präs. Ind. der übrigen Verba
ohne Ableitungsvokal (vgl. auch die betr. Form der anderen Tempora
und Modi) der altlat. Bindevokal ü zu Grunde, der sich vor folg.
labial-nasalen Mittellaut (dem w-Vokal verwandt) im Vulgärlatein leicht
erhalten konnte, während er im klassischen Latein wohl vor dem
Suffix 'Ut blieb, aber vor -mus analog der 2. und 3. Sing, und 2. Plur.
der Bindevokal t herrschend wurde. Man findet im klass. Latein
ausser s-Ümus auch vol-ümus, mal-ümus, nol-ümns und neben quces-lmiis
noch quces'ümus, vgl. Neue, Lat. Formenlehre II, 437. — Der Accent
ist allgemein im Vulgärlatein in der Konjugation vom Stamme auf
den ursprünglich unbetonten, in vorletzter Silbe stehenden Bindevokal
vorgerückt, und so erhielt auch ü der Endung -ümus in der 1. Plur.
Präs. Ind. den Ton, wie l der Endung -iiis in der 2. Plur. Präs. Ind.
und t = ü der Endung -Uum = -ütum im Part. Prät. Vgl. nous voul-
ons = vol'^mus st. völ-ümus; vous voul-ez = vol-ttis st. völ-ttis^ klass.
lat. vuliis; perdu, altfr. perdut = perd-ttum 9>t, perd-ltum, ital. j)erd-uto.
Das betonte ü vor m in der 1. Plur. Präs. Ind. aller dieser Verba
wurde regelmässig zu o (geschlossen in der Sprache des Bolandsliedes).
Die übrigen Verba mit den Endungen -ämus, -Smus, -ttnus sind der
Analogie dieser Verba mit der Endung -'ämus (klass.-lat. meist -ttnus)
in der 1. Pers. Plur. gefolgt.^) Das alte Personalsuffix -mes = lat.
'tntis zeigt sich noch heute im Perf. bist, aller Verba: nous aim-ä-mes,
rend-i-mes, regä-mes, vün-mes, vl-mes u. s. w. Vgl. -tes = lat. -tis im
Perf. bist.
Den neufranz. Formen der 2. Plur. Präs. Ind. vous fai-tes, di-tes,
S'ies entsprechen im Altfranz, die Formen der 1. Plur. Präs. Ind. mit
betont gebliebenem Stamme und regelmäss. Ausfalle des in der vor-
letzten, unbetonten Silbe stehenden Bindevokals: di-mes = lat. dicli/mus,
fai-mes = lat. fäclijmus und so vielleicht auch es-mes (im Alexislied)
') Altfranz, -omes, -ons = lat. -amus^ -emus, -imus ist also nicht
eine Analogiebildung nach der einzigen Form somes^ sommes = lat.
sümus, was sehr unwahrscheinlich wäre , sondern überhaupt nach der
Präsensform auf -omes, -ons = lat. -'ämus mit erhaltenem und betontem
Bindevokal ü = altfranz. u, o (geschlossen). Diesen Vokal vor -mes,
-ns aus des Nasalierung des a, e, t in den Endungen -am (-amsj, -em
(-ems)t 'im f-imsj = -amus, -emus, -imus und der Trübung dieser Vo-
kale zu o (u) zu erklären, wie es Delius (vgl. Diez, Gram. II, 226) thut,
dem auch Freund (Verbalflexion der ältesten franz. Sprachdenkmäler,
p. 29) beizupflichten geneigt ist, scheint mir deshalb unnötig. Eine
nachträgliche Erweiterung von chantom oder chantoms zu chantomes,
die Dehus ebenfalls annehmen möchte, ist wenig glaublich, da die
Formen auf -mes gerade sehr alt sind. Vgl. posdomes, Fragm. Val.,
Ausg. Koschwitz, p. 12 (38).
SchnUp^ammatiken. 11
= altlat. e'slnfmus, wenn es nicht besser als eine spez. franz. Anbil-
diing an es-tes (neufr. MesJ = lat. es-tis aufgefasst werden mass.
Die Regel in Nr. 7 ist demnach so zu fassen: Die 1. Plur. Präs.
[nd. endigt auf -ommes (in allen übrigen Fällen -ons) in nous s-ommes
[Stamm s- = es\ vgl. vous ^-tes. Das alte Personalsuffix -mes (sonst
ns) = lat. 'imis hat sich ausserdem im Perf. hist. aller Yerba erhalten.
Zu den §§ 71 — 102, in denen P. die einzelnen Verba der drei
,abgezweigten" (archaischen) Konjugationen mit ihren charakteristi-
chen Formen nach der in § 69 aufgestellten Einteilung vorführt, habe
3h nur wenig zu bemerken, da das meiste und wichtigste, was zu
iesen §§ bemerkt werden könnte, schon bei der Besprechung der
! int eilung von mir gesagt worden ist. Eins vermisse ich bei der
nführung aller dieser verba, die genaue Bezeichnung des Stammes
eben den drei Hauptformen, die P. durch den Druck hervorzuheben
ad vorauszuschicken pflegt (Infin. , Bist. Perf. , Part. Prät.). Femer
Ute P. bei vielen Verben nicht bloss die lautlichen Veränderungen
ilbst, die etwa im Stamme eintreten, sondern auch, wo es sich mit
3m Standpunkte des Schülers verträgt, die Gründe derselben kurz
igeben oder andeuten sollen.
§ 72. P. „Verba auf -ir mit reinem Stamm. Hist. Perf. -is,
irt. Prät. -t. Wechsel von i und y, Fuir (fliehen) ; je fnis; fui.^ Ich
irde hinzufügen: St. fuy- (lat. fxig-) vor vokalisch anlautenden, voU-
nenden Endungen ausser %; fui- vor konsonantischen Endungen und
immem e. Folgt in der Endung ein i, so verschmilzt damit das
immhafte y (i).
§ 73. P. „Verba auf -ir mit reinem Stamm. Hist. Perf. -is;
rt. Prät. -i. Mouillirtes U fällt aus oder verschmilzt mit dem vor-
^gehenden Vokal." Es folgen bouülir und faUlir.
Das / mouille (geschrieb. -iU- vor Vokal.) der Stämme bouiU' und
!/- kann vor konsonantischen Endungen nicht stehen, sondern wird
Eegel gemäss, wie einfaches / und Doppel-/ vor Konsonant., be-
idelt und zu u vokalisiert (vgl. travaü-s = iravaux) , das in faiüir
a zu au =^ 0 (gespr.) verschmilzt, in bonUUn" im Stammvokal t^
jchrieb. ou) aufgeht : je faux (st. fau-s, fad-s), je bous.
§ 74. P. „Verba auf -ir mit reinem Stamm. Hist. Perf. 'is;
t. Prät. -}. Das mouillierte ü bleibt erhalten. Präsens, Imperfekt
Futurum wie bei der I. Hauptkoi^jugation." Es folgen cueüür und
ir mit ihren Kompositis.
Warum sollen das Imperf. (P. meint Ind. Impf.) und das ganze
lens nach der I. Hauptkonjugation gehen? Ind. Impf. ^-at>, -ais, -ait,
', -iez, -aient), Ind. Präs. Plur. (-ons , -ez, -entj und ebenso Imper.
. (-ons, -ez), Konj. Präs. (-e^ -es^ -<?, -ions, -iez, -entJ von ctteüHr
w. haben ja dieselben Endungen, als die bezüglichen Formen der
>a pariir^ darmir u. s. w. , die P. in § 71 anführt, ohne irgend
he Formen dieser Verba überhaupt der I. Hauptkonjugation zuzu-
3n. Ausserdem sind es Endungen, die sich in allen Konjugationen
erfinden, auch in der IL Hauptkonjugation, wenn man gebühren-
assen die Inchoativsilbe -iss- zum Stamme rechnet. Nur im Sing.
Ind. f-e , -es, -e) und daher auch im Sing. Imper. (-e neben -es
'in , y) von cueülir u. s. w. kann von Endungen der I. Hauptkon-
ion gesprochen werden, obgleich der Grund derselben ein ver-
lener ist. In der I. Hauptkongugation ist nämlich das e der En-
in des Sing. Präs. Ind. und Imper. der regelmässige Vertreter
Lt. Ableitungsvokals a und war daher urspr. in der 1. Sing, nicht
nden: lat. amo^ altfr. aim mit regelm. Wegfall des 0, neufr. und
78 LitterarUiche Chronik. A. Ra^nheau.
spät altfranz. aime durch Analogie. Bei cueiUir u. s. w. musste der
Bindevokal {cöUlgo^ cöliigist^ cöUlgii^ cölkge) nach den Lautgesetzen ab-
gestoBsen werden, wie es auch wirklich im Altfranz, geschehen ist
(vgl. 1. Sing, rekiiel^ 3. Sing, esketit mit vokalisiertera /), aber zur Be-
wahrung des / niouilie (urspr. = / -f Halbvok, j = lat. ä -{- g), das
in den übrigen Formen vor vokalischen Endungen berechtigt war,
wiirde in späterer Zeit ein „stützendes" e muet in den Formen des Sing.
Präs. Ind. und Imper. angefügt. — Ich würde in einer Schulgrammatik
sagen: Das -ill' (l mouiUe) bleibt überall, auch im Sing. Präs. Ind. und
Imper. , weshalb hier die Endungen der I. Hauptkonjugation -e , -es
(Imper. -e*, -es) -e statt s^ -f, -i an den Stamm ti'eten. Das Präs. Fut.
und Impf. Fut. der Verba amllir, accueülir, recueillir, saillir sind offen-
bar nach dem Vorbilde dieser vier Formen von einem Infin. auf -er
statt 'ir gebildet worden. Die Komposita von saillir: assaillir und
tressaillir bilden die zwei Tempora des Futurum regelmässig.
§76. P. „Verba auf -ir mit reinem Stamm. Hist. Perf. -is ;
Parte. Prät. -i. Präsens und Imperfekt wie bei der I. Hauptkonjuga-
tion." Es folgen ouvrir, couvrir^ so^fffrir u. s. w.
Auch hier ist es nur der Sing, des Präs. Ind. und Imper., wo
sich wirklich die abweichenden Endungen der I. Hauptkonjugation (-e,
-es, -e ; -e) zeigen. Der lat. Bindevokal ist in diesen Formen als e zur
Stütze der gehäuften Konsonanten (vr, ffr) bewahrt worden. Für La-
teinisch lernende Schüler ist es notwendig, beim Part. Prät. auf -i auf
die entsprechenden lat. Formen zu verweisen und daraus das im Stamme
erhaltene, betonte e vor rt zu erklären: lat. aper-t-um =: franz. ouver-l,
lat. Stamm aper-, franz. ouver-, ouvr-.
§ 77. Acquerir und die übrigen Komposita von querir (querv'). —
Für Lateinisch lernende Schüler muss erwähnt werden, dass im Präs.
und Ind. Imperf. der Stamm des lat. Simplex (quoerere) mit a? (= im
Vulgärlatein ^) = franz. e, ie, im Hist. Perf. und Part. Prät. und in
den abgeleiteten Formen der Stamm der lat. Komposita (conquisi st.
conquisivi, conqulsfim st. conqufsltum) mit l = franz. i verwandt wor-
den ist. P. sagt in diesem §: „Verba auf -ir mit reinem Stamm. Hist.
Perf. 'is; Parte. Prät. -i>." Vgl. oben § 69. Man muss etwa sagen:
acquerir, St. acquer*. Im Hist. rerf. und Part. Prät. zeigt sich i vor s
(= r im Präs.) im Stamme; das e des Präsensstammes geht in den
stammbetonten Formen d. h. , wenn keine volltönende Endung folgt,
in den Diphthong ie über : acqtäer-, vor stummem e acquier- mit einem
accent grave zur Bezeichnung des offh. e (vgl. Unir^ venir u. a.).
§ 78. Tenir^ venir. — Es ist hinzuzufügen: St. ien-, ven- ; in
den stammbetonten Formen des Präsens wird das e zu ie diphthon-
giert: iien-, vien-, vor stummem e in der Endung: tienn-, vienn- mit
verdoppeltem n zur Bezeichnung des oflb. e (vgl. appeler^ acquerir u. a.).
P. sagt selbst richtig an dieser Stelle: „Hist. Perf. mit -t- in der be-
tonten Stammsilbe." — Das euphonische ^ des Präs. Fut. und Impf.
Fut. müBste kurz erklärt und mit analogen Fällen verglichen werden,
cf. oben § 69.
§ 79. Courif\ § 80. Mourir.
Das Futurum, je courrai, Je mourrai^ muss erklärt werden: es
ist nicht von dem Inf. auf 4r, sondern von einem Inf. der 2. archai-
schen Konjugation auf -re abzuleiten, vgl. die alte Nebenform des Inf.
caur-re, lat. ciirr-S-re^ lat. mdr-^-re statt des Depon. möri. Bei dem
letzteren Verbum ist hinzuzufügen: St. mour-, in den stammbetonten
PiÄsensformen metir-, vgl. pouvoir, vouloir^ mouvoir.
§ 82. Coudre. — Ergänze: St. cous-. — Das euphonische d im
SchiiüjrammaiikeH. ^V
= 4^ ITT. zwischen weich, s -\- rj mass erklärt and mit lkkiu\'**:h^it
i: .1. v-f*ri?lichen werden : moudre^ je tiendrai u. ä. — \)iteiiieii> d i»ft Ä«i
. t^räs. Ind. und Imper., jedoch nar in der Schrift, ^nt/^K'
--. -.^ vtfi. oben § 69.
t;^_. .;;. Suivre, ecrire. — Ergänze: St. suiv-.^ ^criv-. — Der End'
-'. .^tiL ae8 Ötammes v darf nicht vor konsonantiBchen Endangen
iv aui-s u, 8. w., fecri-s u. s. w., auch ecri-t = lat. scriihi'Um,
«^ _• -^rvir ^11. Dieses v erhält sich vor dem Mittellaute r im Inf,
. ViHi in viü-re^ aber nicht in ecrire^ boi-re (St. huv-^ botv-J.
" t^k. Traue » — Ergänze: St. tray- vor vokalisch anlautenden,
•• tiaen Endungen , trai- vor stummem e und konsonantischen
iMi. Vgl. I. Hauptkonjug., payer^ je paye und je paie u. s. w.
s öO. Coiuluire, consitmif'e und die anderen Komposita von
Aimire; cuire ^ nuire. — Ergänze: St. conduis- vor vokalischen,
«- vor küusonantischen Endungen: nous conduis -ons, ü condui-ij
iiiL. condui't^ lat. conduc-i-um u. s. w. — Das Part. Prät. von
liuL das Suffix -/ verloren: nui, cf. oben § 69.
oruirc. — Ergänze: St. bruy- vor vokalischen, volltönenden
.4.:jt;u, bt'ui- vor Konson. nach stummem e: bruy-atil^ ü brui-t,
liauptkoujugation, ennuyer, fewmie etc., oben § 72 fuir^ St.
, fif.
s^ 8t). Luire. Vgl. nuire.
.> 87. Clore^ eclore. — Ergänze St. clo-, dclo-. Vgl. altfr. cloons,
..11/.. Formen wie closais, c/osanl, die Brächet (Gr. hist. p. 220) er-
..., >etzen einen Nebenstamm dos- = lat. cktus- neben clo- = lat.
»claudere) voraus. Vgl. oben § 70, Nr. 2d.
ji; 88. Craindre ^ eieindre^ joindre und die übrigen Verba auf
.idre, — St. craign- vor vokalischen , cratn- vor konsonantischen
.ugen u. 8. w.; n mouiüe (gn) kann nur vor Vokalen, auch vor
.liueu 6', gesprochen werden, n stellt in a'ain-^ ätein- u. s. w. mit
vorhergehenden Stammvokal einen einzigen Laut, einen Nasal-
..ii, dar. Bei diesen Verben erwähnt auch P. die Veränderlichkeit
otammes: „« vor Konsonant, gn vor Vokal." — Das euphonische
.1 Inf. ist kurz zu erklären , vgl. analoge Fälle, je tiendrai u, s. w.,
«»ben § 69.
§ 89. Nmtre. — Ergänze: St. naiss- (lat. nasc-) im Präs. und
.. Impf.; 'SS' fällt vor konsonantischen Endungen aus und wird vor
auch dem euphonischen t des Infin.) durch den Circumflex ersetzt,
.. § 93 connattre, parmtre etc. St. nagu- im Hist. Perf. und Konj.
•ipf. (= lat. Konj. Plusqupf.). — Das unregelmässige Part. Prät. ne'
.lt. natumj ist wie das der I. Hauptkonjug. gebildet.
§ 90. Faire. — Ergänze: St. fais- vor vokalischen, fai- vor
onsonantischen Endungen im Präs. und Ind. Impf., also nous faiS'Ons,
ons fai-tes (vgl. oben § 70, Nr. 7); ausgenommen sind die abweichen-
len Formen iS fönt = lat. faciunt (vgl. ont^ sont^ vont § 70, Nr. 8)
und Konj. Präs. gue je fasse = lat. faci-am (vgl. oben § 70, Nr. 5). —
P. „In den mehrsilbigen Formen (also ausserhalb der Tonsilbe) klinget
<ä der Stammsilbe wie ^, man spricht nous faisons^ faisant, je faisais
wie fezon^ fezan, feze u. s. w. Doch ist nicht beim Schreiben e für
ai zu setzen." — Die Bezeichnung dieses Lautes mit e ist sehr undeut-
lich; denn auch in der Tonsilbe klingt das stammhafte ai = ^, aber
lang und offen : faire , nicht ganz so lang in Je fais u. s. w., Part.
Prät. fait. In den Formen mit volltönenden Endungen, nous faisons^
je faisais u. s. w., ist dieses e (geschr, ai) ebenfalls gewöhnlich offen,
,iber kurz, wenn es nicht gar oft wie ein e muei verklingt oder auch
80 Liiierarische Chromk. A. Ramheau,
wohl manchmal gleich dem Bch wachen, kurzen offenen J-Laut (vgl. le
perej gesprochen wird. Das Präs. Fut. und Impf. Fut. müssen hier
oesonders hervorgehoben werden : die Aussprache des unbetonten
Stammvokales = kurz. off. e oder kurz. off. ö oder gewöhnl. = e muet hat
in diesen Temp. die Orthographie beeinflusst : /tf /i?r«i = fair\e\-a%^je ftn'ais
= /IwrM - [ö«;]aw; im Inf. bleibt ai in der Schrift, weil es hier betont
una daner = lang. offn. e ist. — Die meisten Komposita von faire
haben ai im Präsensstamme; i haben nur confire^ suffire: St. confts-^
suffis' vor vokal., confi-^ svffi- vor konsonantischen Endungen. Also
Part. Prät. confi-t; in suffi ist das Suffix t weggefallen.
Von frire^ das P. in demselben § anführt, ist nur der Stamm
fri' anzunehmen, wenn auch in den jetzt gebräuchlichen Formen dieses
defektiven Verbum der Stamm nur vor konson. Endungen erscheint.
Brächet (Gr. bist. p. 219—220) erwähnt als altfranz. Fornion friais^
friant^ Konj. Präs. frie etc., welche den Stamm fri- auch vor vokali-
Bchen Endungen zeigen. Vgl. das neufranz. Adj. und Subst. fri- and.
Frire ist daher eher neben iHre (St. ri-), das P. erst in § 92 anführt,
zu stellen.
Ich übersehe dire in § 90, prendre und mettre in § 91, rire
in § 92 , da sich meine Bemerkungen , die ich eventuell zu diesen
Verben machen könnte, aus dem, was ich im allgem. bei § 69 gesagt
habe, von selbst ergeben.
§ 93. ConnaUre, paräiire^ palli-e^ croiire. — Ergänze: St. con-
naiss-, paraiss-^ paiss-^ croiss- im Präs. und Ind. Imperf. ; -ss- (= lat.
inchoat. -sc-) fällt vor konsonantischen Endungen aus und wird vor t
durch den Circumflex ersetzt, auch vor dem euphonischen i im Infin.
(vgl. oben nältre). Bei croitre findet sich der Circumflex auch in
anderen Formen zur graphischen Unterscheidung von gleichlautenden
Formen des Verbum croire, — Wegen des Hist. Perf. -us und des
Part. Prät. -u vgl. die Verba auf -oir^ wie recevoir etc., cf. oben § 69.
§ 94. Croire. Präsensstamm: croi- vor konsonantischen Endun-
gen und stummem <f, croy- vor vokalisch anlautenden, volltönenden
Endungea. Vgl. I. Haupttonjug. employet^ u. a., femploie^ und voir, je
voiSj nous voyons.
Boire. — Präsensstamm: huv- (lat. Mh) vor vokalisch anlauten-
den, volltönenden Endungen, boiv- vor stummem e und, mit regel-
mässigem Wegiall des t;, vor allen konsonantischen Endungen : üs boi-
veni^ je hois^ boire. Vgl oben ecrire Für Lateinisch lernende Schüler:
lat. i geht, wenn es betont ist, im Franz. in oi über, üs boiveni = lat.
bibunt, vgl. ils recoivent = lat. rectp[i]unt.
Piaire. — rräsensstamm : piais- vor vokalischen, plai- vor kon-
sonantischen Endungen, ebenso iah^e: tais-, tat-, lire: lis-, ii-. Wegen
des Hist. Perf -as und Part. Prät. -m von croire, boire, pUdre, iaire,
Ure vgl. die Verba auf -oir, wie recevoir u. a. § 69.
Conclure, das P. in demselben § erwähnt, gehört nicht hierher:
St. conclu- in allen Formen. Vgl. oben § 69 und sein Simplex clwe
(St. clO'J in § 87 und rire (St. ri-) in § 92: Hist. Perf. je ri-s, conclu -s
= lat. ri-si, conclü'Si.
§ 95. Moudre. — Ergänze: St. moul-, l vor folg. Kons, zu « vo-
kalisiert. Das euphonische d des Infin. (zwischen / + r) ist in den Sing.
Präs. Ind. eingedrungen, aber nur graphisch.
Rdsoudre und die anderen Komposita des veralteten soudre (lat.
solvere) — Ergänze: St. resolv- vor vokalischen, resol- = re'sou- (mit
regelm. Wegfall des v und Vokalisierung des / zu u) vor konsonanti-
schen Endungen ; im Inf. euphon. d zwischen / -f- r. — Das Part. Prät.
Se/f nUjramma tiken . 8 1
Im. maz — Noinitinlsnffix -.9, i^esolu ist direkt von der klass. Tat.
FäiifiL -9^=. ■ 'Wi <ro bildet, mit u = t>, wie Hist. Perf. Je resolus (lat.
dei- cc_ - . leiaininen Formen des Part. Prät. ahsoiite (m. absous)^
mnmsL. _ . / % erscheint das Nominalsuffix -i^ vgl. di-t^ di-te =
iftnt.
koitMCBTT j //77'. Ergänze : St. ^nv- im Präs. und Ind. Impf. ; v fällt
Ptefc:_ -vuiisonantischen Endungen, ausgen. vor r im Inf., vgl.
v£- •"- '/-/r, ecri-re. St. ?'t'<7- im Hist. Perf. und Part. Prät.: je
AT-- " vy:i. lat. St. ?)/?>- und vic- {vic-si = vixi. vic-ium),
..-- 1'. hier anführt, ist neben aller zu stellen, dessen
' ..* - «1:1 ii>^ von verschiedenen Stämmen gebildet sind: St. es-
i~ - m. j;? 69.
ih roir und recevoir nebst den anderen im Franz. erhalte-
'«• ..- düs lat. capere. Ergänze: Stamm im Präsens und Ind.
itit't' (lat. dtfh^ recip') vor vokalischen, volltönenden Eu-
/. . /iroir- {oi = lat. e, J^ in der betonten Stammsilbe) vor
' itii Endungen und stummem e; die Labialis {v = lat. Ä,
.kakni) iällt, wie gewöhnlich, vor Konson. aus, vgl. servir^
. II. ;i. — Über das Hist. Perf. und Part. Prät. vgl. § 69.
i;ei valoii^ (St. ?;«/-), falloir (St. fall-) und vouloir (St voul-)
Isicrung des / (U) vor Konson. zu z/ und das Eintreten
i in den stammbetonten Formen des Konj. Präs. (cf. oben
. /.iilu^ben. Im Präsens von vouloir findet eine vom accent
uii^te Änderung des Stammvokals statt: voul-^ veul-, vgl.
/ - [niourir). Die Schreibweise x =^ s nach aw, <?w (a?^r, ^<ar)
. ..IC orthographische Kegel, vgl. § 70, vgl. auch die Plural-
1 Siibstantiva.
.>'.', Pouvoir. — Ergänze: Stamm im Präs. und Ind. Impf.
vokalischen , volltönenden Endungen ; eu statt ou in den
iuten Formen des Ind. Präs.: peuv- vor stummem ^, peu- vor
! Endungen, vgl. voul-, veul- (vouloir), monr-, meur- (mourir),
.u'Hv- (mouvoir); St. puiss- in der 1. Sing. Präs. Ind. {je puis
pcux) im Konj. Präs. {que je puisse, lat. *possiam st. possim
"itis sim, poiis siem, cf. Neue, Lat. Formenlehre, II, 601) und iu
,iktiyischen Nebenform des Part. Präs. pouvant — puissant
^). Über den Konj. Präs. vgl. § 70. — Das Futurum je poujTai
Lateinisch lernende Schüler leicht zu erklären: rr = ir, lat.
> pöi-, vgl. iiot-est, pot-esiis u. a. Das v im franz. Präs. und
liiipf. ist, lange nachdem das zu d erweichte intervokale lat. t
fallen war, zur Aufhebung des Hiatus eingeschoben worden:
anz. pouvoir, nous pouvons, altfr. pooir, poons u. s. w. , lat. Inf.
re st. poiesse, gewöhnlich posse , vgl. ital. potere, span. , port.,
. poder.
De'choir, e'choir, die Komposita des defektiven und veralteten
.'r (lat. *cadire st. cädere). — Ergänze: Stamm im Präs. und Ind.
()f. dechoy- vor vokalischen, volltönenden Endungen, de'choi- vor
•US. und stummem e, vgl. oben croire und die I. Hauptkonjugation
nployer). — Fut. je decherrai mit zwei r, vgl. je pourrai. Für Latei-
.sch lernende Schüler: Assimilation, dr, ir = rr; choir = cader e,
ouvoir, lat. Stamm pöi-.
§ 100. Savoir. — Vgl. oben § 69, 70. Das Futurum je saurai
(st. sav-r-ai) ist mit j*anrai (st. av-r-ai) zu vergleichen: die Labialis
V = lat. b, p) ist zu dem den Labialen verwandten Vokal u geworden,
das mit a zu einem Laute verschmolzen ist.
Mouvoir. — Ergänze : Präsensstamm mouv- vor vokalischen, voll-
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI 2. n
82 Littei'arische Chronik. A. Rambeau,
tönenden Endungen, meuv- vor stummem e und konsonantischen En-
dungen, mit regelmäss. Wegfall der Labialis vor Konson., vgl. sei^vir^
e'crire u. a. — Die Schreibweise evs bleibt in diesem Verbum: je ineus^
aber je peux, veux, vgl. Ics cheveiix, aber hleus (bleu). — Das Futurum
je 7nouv7'ai ist regelmässig gebildet, wie je i'ecev?'ai, je devrai: die La-
bialis ist urspr. stammhaft und erhält sich vor dem r des Infin. in
seiner Zusammensetzung mit den bezüglichen Formen von avoh\ vgl.
vivre. In pouvoir ist das v nachträglich zur Aufhebung des Hiatus
zwischen den Vokal des Stammes und den Vokal, resp. Diphth. der
Endung eingeschoben worden, daher Futurum je pourrai mit jt = ^r,
vgl. oben.
Pleuvoir. — Ergänze: Präsensstamm pteuv- (lat. St. plüv- st. plü-^
lat. Inf. ^pluere st. plüere) ; Fut. ü pleuvra ist regelmässig. Das v war
schon im Vulgärlatein stammhaft; und selbst im klass. Latein findet
es sich nicht bloss im Subst. plüvia^ in den Adj. plüvius, plüvialis u. a.,
sondern auch in Verbalformen: plüvit = plüü (Yerg.)^ plo vebat (Petion.)^
und in einer Opferformel (bei Fest.) perplovere^ vgl. Neue, Lat. Formen-
lehre II, 498. — Dieses v ist gemeinromanisch: it. piövei'e und prov.
ploure (u = t;, Konj. Präs. plovä) mit erhaltenem lat. Wortaccent, span
llover und altfranz. plovoir = neufr. pleuvoir.
Avoir. — Ergänze: Präsensstamm av-, aber mehrere Formen des
Präs. sind eigentümlich und abweichend, vgl. § 70. -r- Fut. j'aurai^
vgl. savoir. — Über das Hist. Perf. -w^, Part. Prät. -w von pouvoir^
de'choir, e'choir^ savoir, mouvoir, pleuvoir, avoir vgl. die Verba auf -evoir
§ 97, und § 69.
§ 101. Asseoir. — Ergänze: Präsensstamm asse- im Infin., wo
e nur noch graphisch vorhanden ist {se- Rest der lat. Stammsilbe
sSd-; lat. Inf. ass^dere st. assXdere, sSdere = altfr. sedeir, soueir, seoir,
imi Neufranz, einsilbig geworden); assied- mit erhaltenem lat. d und
Diphthongierung des lat. ^ zu «^ in betonter Stammsilbe (vgl. ien-,
iien-; ven-, vien-) im Sing. Präs. Ind. und Imper. vor den Endungen
'S, -s, -t, das nicht graphisch bezeichnet wird (vgl. ü s' assied — il
vendj; assey- in allen übrigen Formen des Präsens und im Ind. Impf,
(immer vor vokalischen Endungen, auch vor stummem e). Von der
zweiten Gestalt des Stammes bildet das defektive Simplex seoir auch
die 3. Plur. Präs. Ind. üs sie'ent, St si^'- statt sied- (beide mit geschl.
<?), von der ersten Gestalt das Part. Präs. seant, Adj. bienseant, St. se-
mit dem auch lautlich bewahrten lat. e (= geschl. e). Daneben
findet sich — auch im Sing. Präs. Ind. — der Stamm assoi- vor kon-
sonantischen Endungen und stummem e, assoy- vor vokalischen , voll-
tönenden Endungen. Vgl. oben dechoir, ci^oire und die I. Hauptkonju-
gation, employer u. a. Das andere Kompositum surseoir hat ausser
dem Infin. und den davon abgeleiteten Formen nur den Präsensstamm
sursoi-, sursoy-. Das Futurum von asseoir ist in dreifacher Form vor-
handen: fassoirai vom Infin. assoir = asseoir und die zwei unregel-
mässigen Bildungen j*assierai und fasseyerai, die durch die oben ge-
nannten Gestalten des Präsensstammes assie- (= assied) und assey- be-
stimmt worden sind. Das Futurum von surseoir, je sw'seoirai, ist von
der unveränderten neufranz. Form des Infin. gebildet, das Futurum
von seoir, il sie'ra, wie j^assierai. — Im Hist. Perf. und Part. Prät. er-
scheint der Stammvokal als i = lat. e: j'assis — assis, vgl. meiire,
prendre, acquerir.
§ 102. Voir. — Ergänze: Präsensstamm voi- vor konsonantischen
Endungen und stummem e, voy- vor vokalischen, volltönenden Endun-
gen, vgl. asseoir, de'choir, ci'oii'e und die 1. Haupt konj ugation, employei'
Schulgramtnatiken. 83
n. a. — Wegen des Part. Prät. vu vgl. die Verba auf -oir in § 97,
dechoir u, a., und § 69.
Das Hifit. Perf. zeigt im Stamme den Vokal i = lat. f, je vis^
vgl. je fis^ mis u. a. Das Kompositum potirvoir bildet aber sein Hist.
Perf,, ebenso wie sein Part. Prät., wie dechob' und die meisten anderen
Verba auf -oir: je pourvus. — Im Futurum von voir ist der Endkon-
sonant des urspr. Stammes, die Dentalis d (lat. St. r^'rf-), dem r des
Inf. assimiliert worden: je verrat ,, vgl. oben je de'cherrai, je pourrai.
Die Komposita potirvoir und pi'e'voir bilden ihr Futurum von der un-
veränderten neulranz. Form des Infin.: je pourvoirai, je prevoirai.
In § 103 führt P. ausser den schon in den vorhergehenden §§
erwähnten Verbis defektivis, wie accroire ^ hraire u. a. , noch einige
andere, wie apparoir^ souloir u. a. , an. Mehrere von diesen Verben
werden nur noch in der professionellen Sprache oder in bestimmten,
formelhaften Wendungen gebraucht. Die meisten braucht der Schüler
gar nicht zu wissen, weil sie allzu selten oder ganz veraltet sind.
§ 104, der von den „ursprünglichen Verben" handelt, und § 105,
der „im Deutschen unpersönliche Ausdrücke, welche es im Französischen
nicht sind", enthält, gehören nicht in die Formenlehre, sondern in den
III. Abschnitt der Syntax (Verbum § 225 ff.); die Eigentümlichkeiten
des deutschen und des französischen Sprachgebrauches, die idiomatischen
Übersetzungen der im Deutschen unpersönlichen Ausdrücke, die sich in
dem letzteren § finden, würden zum grossen Teil in einem lexikali-
schen Werke eine geeignetere Stelle finden.
(Fortsetzung folgt.)
A. Rambeau.
Zeitschriftenschau.
Centralorgan für die Interessen des Realsebnl-
wesens. Elfter Jahrgang (1883). VII. — XII. Heft.
S. 482 f. Beurteilungen UND Anzeigen VON Büchern, [f) Fran-
zösisch]). L. Rudolph: Heinrich Hupe, Französisches Vokabular
unter Berücksichtigung der Etymologie und Phraseologie auf der Basis
der Lehrbücher von K. Plötz. Rostock 1882. Werther. Das Voka-
bular ist alphabetisch nach Wortgruppen (jour, journee, ioujours, au-
jourd'hui, Journal) geordnet, setzt also ein vorangegangenes Memorieren
der Wörter an der Hand der Lehrbücher voraus ; einige Ausstellungen
werden gemacht, indessen meint der Rec, dass die Benutzung eines
solchen Vokabulars dem Schüler neben dem, was er gerade braucht
— das Buch ist in erster Linie zum Nachschlagen bestimmt — , auch
manchen interessanten und lohnenden Seitenblick eröffnet. (Wie viele
entbehrliche, um nicht zu sagen unnütze Bücher soll sich der Schüler
wohl noch anschaffen?) S. 483 f. Stühlen: C. Th. Lion, Xavier de
Maistre's „Voyage autour de ma chambre" und „Expedition nocturne
autour de ma chambre". Mit Erläuterungen und einem Wörterbiiche
für den Schul- und Privatgebrauch. Leipzig, Baumgärtner 's Buchhdl.
156 S., empfiehlt das Werk nach Inhalt und Form im allgemeinen,
für den Schulgebrauch insbesondere wegen der bequemen Einteilung
in kleine Kapitel und der gehaltvollen und doch kurzen Anmerkungen
und Erklärungen an den grammatisch und sonst sprachlich schwierigen
Stellen. S. 484. W. Lange: /. Witte, Abriss der franz. Etymologie.
Programm arbeit. Wolfenbüttel 1883. „Eine sehr brauchbare über-
sichtliche Zusammenstellung der wichtigsten Erscheinungen aus dem
Gebiete der Laut- und Flexionslehre." Am Schlüsse des Abrisses gibt
der Verf. eine neue Etymologie von aller, er nimmt eine Ableitung von
inde : indare, wie intrare, eiitrer an. Der Verf. glaubt mit Recht aber
selbst nicht daran. S. 484 f. Strien: Westenfmffer, Die Regeln der
französischen Aussprache. 2. Aufl. Mülhausen i. E. 1882. W. Bufleb.
32 S. Enthält in seinen Angaben und Regeln die gröbsten Verstösse.
S. 485 f. H. Isaak: Hermann Breymann, Die Lehre vom französischen
Verb auf Grundlagen der historischen Grammatik. München und Leip-
zig 1882. Oldenbourg. 136 S. In der Einleitung tritt der Verf. in
Gegensatz ^zu Asher, dem er die Tendenz vorwirft, den neusprachlichen
Unterricht „in bonnenartiger, rein empirischer Weise erteilen lassen"^
zu wollen. Der Rec. glaubt nicht, dass man solchen Vorwurf aus der
Schrift Asher's begründen könne. Der Gegensatz zwischen Breymann
Zeüschriftenschau. C. Th. Lion, Ceniralorgan f. d. Interesseti eic. 85
und Asher liegt nur in dem verschiedenen Werte, welcher den sprach-
geschichtlichen Kenntnissen für den Unterricht beigelegt wird. Jener
kenne die wunde Stelle des neusprachlichen Unterrichts nicht, welcher
die heutige Universitätsbildung, anstatt sie zu heilen, mit einem alt-
fränkischen Mäntelchen zu verdecken bestrebt sei. Die Gesetze der
nfrz. und neuengl. Sprache seien vor der Hand nur zum Teil erforscht.
Das beweise jede neu erscheinende tüchtige Grammatik, die über ge-
wisse grammatische Gebiete ein vollkommen neues Licht verbreite,
z. B. Lücking, sowie jede grammatische Spezialuntersuchung (z. B.
Verron über neuenglische Satzstelluug). «Der neusprachliche Unter-
richt wird erst dann zur Blüte gelangen, wenn die Herren Dozenten
selbst ihre Schüler von den sprachhistorischen Studien fort auf die
Erforschung der heutigen französischen und englischen Sprache als
auf ihre Lebensaufgabe hinweisen, wenn gerade sie auf den Uni-
versitäten hierfür Veranstaltungen treffen werden." (Wie schwer
ist es doch, sich von Übertreibungen fern zu halten, wenn man einen
thatsächlichen Übelstand richtig erkannt hat !. Warum von den sprach-
historischen Studien fort? Ohne diese hätte Lücking seine Grammatik
so, wie er sie geschrieben, nicht schreiben können ! Wer studiert jetzt
in grösserem Prozentsatze die neueren Sprachen? Ich glaube ohne
statistischen Nachweis behaupten zu können, dass es die Realgymna-
sialabiturienten sind, die auf der Schule schon einen tüchtigen Grund
im Französischen und Englischen gelegt haben. Diese brauchen zum
Studium in erster Linie die Anleitung für die Erwerbung sprachge-
schichtlicher Kenntnisse, da sie im übrigen nur in der Weise, erhaltend
und ausbauend, weiter zu gehen brauchen, wie sie auf der Schule an-
gefangen. Es fragt sich dabei allerdings, ob nicht die Universitäts-
lehrer gut thun würden, französische Grammatik in der Weise zu
lehren, wie es Mätzner in seiner französischen Grammatik thut, statt
lediglich die altfranzösische Grammatik in ihren Vorlesungen zu be-
handeln, in ähnlicher Weise, wie die historische Grammatik der deut-
schen und der alten Sprachen behandelt wird; es ist das freilich eine
viel schwierigere Aufgabe.^) Ich vermisse ausserdem im Vorlesungs-
^) Referent besitzt hierin von der Thätigkeit der Universitäts-
dozenten offenbar ebenfalls keine ganz richtige Anschauung. Univer-
sitätslehrer, die lediglich die alt französische Grammatik traktieren,
gibt es meines Wissens überhaupt nicht. In ihren Vorlesungen
über Laut- und Formenlehre, Syntax und Metrik gehen sie naturgemäss
vom Lateinischen aus, behandeln dann den mittelalterlichen Sprach-
zustand und schliesslich den neufranzösischen, dessen richtige Er-
kenntnis Endziel alles vorher gegebenen ist, der durch die historische
Grundlage erst die richtige Beleuchtung erhält und nur auf ihr allein
wirklich wissenschaftlich verarbeitet werden kann. Der umgekehrte
Weg, den Mätzner einschlägt, ist weder schwieriger noch gründlicher,
ist aber weit eher geeignet, zu falschen Aufstellungen zu führen. Auch
sollte nicht übersehen werden, dass von den Universitäten immer noch
Arbeiten (Dissertationen) ausgehen, die neufranzösische Dinge, selbst
aus der Gegenwart, behandeln und die eben gerade dadurch wertvoll
sind, dass sie auf Kenntnis des früheren Sprachzustandes aufgebaut
sind. Man denke an die Strassburger Dissertationen von List und Gröbe-
dinkel, an die durch Tobler veranlassten von Johannesson und Kalepky,
an die Bonnenser Dissertationen von Vogels, Jäger, Harth u. s. w.,
an die Münster aner Diss. von Heine, Uthoff, Kaulen, an die Greifs walder
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Lillcrarisckes Centralblatt für Deutsch/and. 87
I (•
•hlgriff begehen, die obligatorische Einführung solcher Werke in die
.. hulen zu veranlassen.) XL Heft. II. f) Französisch. S. 698 f.
'«. Strien: H. Bi^eitingery Elementarbuch der französischen Sprache
tiir Mittelschulen (Real- und Bürgerschulen). 2 Hefte. Zürich 1882.
I r. Schulthess. VI u. 152, 80 S. 8". Der Stoff ist auf drei Jahre ver-
vcrteilt, dem ersten fäUt die Aneignung eines elementaren Wort-
.^t hatzes zu und die Einübung der Formenlehre mit Auschluss der un-
icgelm. Verben, deren Erlernung für das zweite Jahr bestimmt ist;
usammenhängende Lesestücke folgen so bald als möglich, daran
-ohliessen sich Questions, die zum mündlichen Gebrauch der Sprache
uuleiten sollen. Die Fassung der Regeln ist möglichst knapp, zuweilen
.:ii knapp. Das 2. Heft enthält die wichtigsten syntaktischen Regeln
i'ider in französischer Sprache) nebst Übungsstücken. Besonders
.1 riefe sind unter den letzteren zahlreich vertreten, der deutsche Aus-
auck ist an manchen Stellen dem französischen zu sehr angenähert.
- S. 699 f. Derselbe: 1) M^^ Pauline Foure, La France lyrique.
Mbum des meilleures poäsies lyriques des auteurs francais. 4« Edition
"utierement refondue et augmentäe par Otto Kampe. Gütersloh, 1882.
''. Bertelsmann. XXXII u. 441 S. kl. 8<>. 2) Otto Kampe, Frankreichs
-' hönste Kinderlieder und Jugendgedichte. Gütersloh, 1882. C. Bertels-
mann. — S. 700. Derselbe: 1) F. J. FFershovertf Französisches Lese-
Imch für höhere Lehranstalten. Cöthen, 1882. Otto Schulze. VIII u.
'2()2 S. gr. 8°. 2) F. J. Wershoven^ La France. Historische und geo-
L^raphische Charakterbilder für die franz. Lektüre an höheren Lehran-
stalten. Cöthen, 1882. Otto Schulze. 89 S. gr. 8". Nr. 1 betrachtet
( s als seine Aufgabe, nicht nur in die Sprache und Litteratur des fremden
Volkes einzuführen, sondern auch mit dem Lande, der Anschauungs-
w(;i8e und den eigentümlichen Verhältnissen desselben einigermassen
bokannt zn machen. Daher ist Nr. 1 eine Reihe historischer und geo-
prraphischer Charakterbilder aus Frankreich einverleibt, die in Nr. 2
gesondert abgedruckt sind. Der Zusammenhang mit den übrigen Lehr-
gegenständen «oll durch Lesestücke, welche der Sage, der Geschichte,
der Naturwissenschaft entlehnt sind, gewahrt werden. Dazu kommen
noch Briefe und eine Anzahl Gedichte, namentlich von La Fontaine,
ß^ranger, Lamartine und V. Hugo. Der Rez. meint, dass das Lesebuch
wie das englische desselben Verfassers nach pädagogisch gewiss richtigen
Grundsätzen mit grosser Vorsicht und Sachkenntnis ausgeführt sei. —
S. 700 f. Derselbe: Conrad v. OreUi, Französische Chrestomathie.
Erster Teil. Nach der 5. Aufl. neu bearbeitet von A. Rank, Zürich,
1882. F. Schulthess. 284 S. gr. 8**. Einige Lesestücke der früheren
Auflagen sind durch andere ersetzt. Das ganze zerfällt in 4 Abteilangen.
I. Anecdotes, Rdcits, Contes. II. Biographies, Tableaux, Voyages,
Scenes de la Nature, Genre oratoire. III. Com^die (Mon fitoile p.
Scribe). IV. Po^sies. Dann noch 9 Seiten in franz. Sprache geschrie-
bener Anmerkungen litterarischen, historischen und geographischen
Inhalts. — XII. Heft. IL e) Französisch. S. 742. R. Mahren-
holtz: Karl Kuhn, Zur Methode des französischen Unterrichts. Ein
Beitrag zur Reform des Sprachunterrichts und zur Überbürdungsfrage.
Wiesbaden, 1883. J. F. Bergmann. 48 S. Kühn will die Aussprache
im Französischen und Englischen auf einfache, phonetische Prinzipien
zurückführen, den Wirrwarr der Regeln und Ausnahmen beseitigen
und der praktischen Einübung die Ergänzung und Befestigung des
theoretisch Erlernten überlassen; er übt dabei vielfach Kritik gegen
die überflüssigen (?), weitschichtigen (?) und nicht einmal stets klaren
Details der Plötz'schen Bücher. Eine Chrestomathie soll nur da ein-
88 Zeitschriftc7ischau. C. Th. Lio%
treten, wo die Kenntnis eines franz. Autors unerlässlich ist, für ein-
gehendere Beschäftigung mit ihm jedoch keine Zeit bleibt. Diese,
wenn auch nicht eben neuen Prinzipien sind selten so energisch geltend
gemacht worden wie von Kühn. S. 742 f. Derselbe: a. Wiedmayer^
Französische Stilübungen für obere Klassen. Stuttgart, 1883. Metzler.
128 S. b) E. Burger t Übungsbuch zum Übersetzen aus dem Deutschen
ins Französische. Nebst einer Phraseologie. Berlin, 1883. J.Springer.
178 S. c) Ph. Plattner, Übungsbuch zur französischen Schulgrammatik.
Karlsruhe, 1883. J. Bielefeld. 211 S. a. hätte die höchst erbärmliche
Kompilation über Moliere wohl weglassen können, bringt sonst eine
Reihe nützlicher Stücke über die Regeln der Satzlehre und längere
Abschnitte aus den Klassikern des vor. Jahrh. und aus modernen
Litterarhistorikern. b. nimmt nur Übungsstücke auf, die auch ihrem
Inhalte nach den Geist des Schülers bilden können ; die Ausfälle gegen
Plötz hätte man dem Verf. gern erlassen, in methodischer Hinsicht
lässt sich wenig den vielgebrauchten und vielgeschmähten Plötz'schen
Büchern an die Seite stellen, c. die Übungsstücke sind zweckent-
sprechend ausgewählt.
liitterariscbes Centralblatt fUr Dentsebland. 1883.
Nr. 31 — 52.
33, Sp. 1153 f. Anon. : Breymanriy Dr. Herm., Prof., Die Lehre
vom französischen Verb auf Grundlage der historischen Grammatik.
München, 1882. Oldenburg. (VIII, 136 S. 8.) M. 2,40. Ein für Schul-
zwecke wenig brauchbares Buch; ob die vorgeschlagene Unterrichts-
methode zu einem leichten Fassen und sicheren Wissen der Formen
helfen wird, scheint mehr als zweifelhaft. Der Rez. ist geneigt, gerade
für den Unterricht auf den lateinlosen Realschulen der perhorreszierten
Plötz'schen Methode hinsichtlich der Behandlung des Verbums den
Vorzug zu geben. 34, Sp. 1196 f. Sgt. : Garnier, Roh.^ Tragddies.
Treuer Abdruck der ersten Gesamtausgabe (Paris 1585) mit den Varian-
ten aller vorhergehenden Ausgaben und einem Glossaf herausg. von
Wendelin Foerstei\ 1. Bd. Porcie, Corn^lie, M. Antoine. Heilbronn.
1882. Henninger. (XVIII, 213 S. 8.) M. 3,60. A. u. d. T. Samm-
lungen französischer Neudrucke. Herausgeg. von Karl Vollmöller.
3. Ein sehr zeitgemässes Unternehmen ; der Rez. teilt die vom Herausg.
geäusserte Überzeugung, dass dieser Ausgabe Arbeiten über sprach-
liche und sonstige Eigentümlichkeiten des Dichters folgen werden.
35, Sp. 1221 f. Anon.: Barbou, A., Victor Hugo und seine Zeit. Nach
dem Französ. frei übertragen von Otto Weber. Leipzig, 1882. Thiel.
(408 S. gr. 8.) M. 5. Der Verfasser musste entweder nur eine Über-
setzuug oder eine Bearbeitung für deutsche Leser liefern, sein Buch
schwankt aber auf einer unsicheren Mitte zwischen beiden; immerhin
ist das Buch stoffreich genug, um mancherlei faktisch Wissens würdiges
zu bieten. Sp. 1234. Anon.: Wershoven, F. J., Smollett et Lesage.
Berlin, 1883. Weidmann. (83 S. 8.) Die nach Inhalt und Form recht
ansprechende Schrift bietet eine Vergleichung der litterarischen Cha-
rakterzüge von Smollett und Lesage, welche im ganzen zu Gunsten
des franz. Schriftstellers ausfällt. 36, Sp. 1277. Sgt.: Mangold, Wüh.^
MoHere's Tartuffe. Geschichte und Kritik. Oppeln, 1882. Franck.
(VIII, 239 S. gr. 8.) M. 5,60. Die Schrift gliedert sich in 5 Abschnitte,
von denen der dritte (die Geschichte des Tartuffe) der umfangreichste
ist ; am ansprechendsten ist der letzte (ethische und ästhetische Kritik) ;
weniger befriedigen die beiden ersten Abschnitte, sowohl hinsichtlich
des Inhalts als der Form. Trotz ihrer Mängel wird die Schrift manchem
Neue Jahrbücher für PliUologie und Pädagogik. 89
—illkoramen sein und hoffentlich viele zum Studium des grossen Ko-
' likers anregen. 38, Sp. 1346. Sgt. : Jntoine, Paul, aper9U sur la
ttt'rature fran^aise du XIXe siecle depuis le premier empire jusqu'ä,
^^ jours. Dresden, 1882. Ehlermann. (VII, 304 S. kl. 8.) M. 2,40.
'ir solche geschrieben, die sich mit einer, wenn auch nur oberfläch-
■-'•hon, Kenntnis der Litteraturerscheinungen begnügen wollen; auf
^. 219 — 296 wird als dankenswerte Beigabe eine Auswahl lyrischer
'i'dichte des betreffenden Zeitraums geboten. 40, Sp. 1418. Sgt.:
^•'Jranck, W. G. C, Dr.^ Specimen d'un essai critique sur les oeuvres
' > Fran^ois Villon. Le petit testament. Leiden, 1882. de Breuk et
^•nits. (228 S. 8.) Nach diesem ersten Teil eines grösseren, vom Vf.
M Aussicht gestellten Werkes, das sämtliche Dichtungen Villon^s behan-
i"lu soll, ist für das Ganze das beste zu erwarten; die Schrift bietet zu-
■ (list eine eingehende Untersuchung über die vier Handschriften, die
•^- Villon's Gedichte erhalten haben, dann eine kritische Ausgabe des
" 'tit Testament mit wertvollen Anmerkungen, endlich 2 Balladen des
f Richters, von denen die eine bisher nicht veröffentlicht, die andere
'"l^chlich Aloin Chartier zugeschrieben worden war. Sp. 1419. Anon.
''hiftrenholtz, Rich.^ Voltaire - Studien. Beiträge zur Kritik des Histori-
rs und des Dichters. Oppeln, 1882. Maske. (VIII, 196 S. 8.) M. 6.
Kin Buch, dessen Wert nicht in richtigem Verhältnis steht zu dem
•was anspruchsvollen Ton, den der Verf. mitunter anzuschlagen be-
lif'bt. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf Zusammenstellung be-
^•oits bekannter Thatsachen, man hat wiederholt das Gefühl, dass seine
i^thetische und philosophische Bildung zu einer richtigen Würdigung
\'(^ltaire's nicht ausreicht. Kap. 3 (Grundzüge einer Charakteristik
\ oltaire's) wird vielleicht manchem willkommen sein, das grosse Werk
von Desnoiresterres ist hier ausgebeutet; jedoch ist auch hier vieles
Wissenswerte mit Stillschweigen übergangen, manche Angaben sind
unrichtig, und des Verf. ästhetische Betrachtungen nötigen uns oft ein
Kopfschütteln ab. 41, Sp. 1453 f. Anon.: Mahi^enhollz^ Rich.^ Vol-
taire im Urteile der Zeitgenossen. Oppeln, 1883. Franck. (V, 95 S.
sfr. 8.) M. 3. Eine übersichtliche Darstellung der wichtigsten Beur-
teilungen Voltaire 's ; der Verf. hat die einschlägigen französ. Werke
lleissig durchgearbeitet, die Stellung der zeitgenössischen deutschen
Kritik zu Voltaire ist sehr flüchtig behandelt. 43, Sp. 1517 f. Anon.:
Diez^ Friedr.j kleinere Arbeiten und Rezensionen, herausg. von Herrn.
Breymann. München, 1883. Oldenbourg. (XVI, 351 S. u. Portr. Roy. 8.)
M. 6. Es war ein guter Gedanke, die in Zeitschriften zerstreuten Re-
zensionen und andere kleinere Aufsätze des Begründers der romani-
schen Philologie zu sammeln und chronologisch geordnet herauszu-
geben. Noch wichtiger aber erscheint die Veröffentlichung als Ganzes;
denn sie lässt uns den wissenschaftlichen Entwickelungsgang D.'s er-
kennen und bietet damit den bedeutendsten Beitrag zur Geschichte
der Wissenschaft die er vor allen anderen begründete. Der
Rez. belegt das im einzelnen und hebt zum Schluss die reiche Viel-
seitigkeit der litterarischen Thätigkeit des Altmeisters hervor, die er
den jüngeren Romanisten zur Nacheiferung empfiehlt.
Neue Jabrbtteber für Philologie nud Pftdagogik
127. und 128. Band. 1883. 5—11. Heft.
5. und 6. Heft. S. 334 — 344. H. Zeterling: K. Sachs, en-
cyklopädisches französisch- deutsches und deutsch- französisches Wörter-
buch. Band' und Schulausgabe (Auszug aus der grossen Ausgabe).
Teil I : französisch - deutsch. Teil II: deutsch - französisch. Berlin 1880.
90 Zcitschriflenschau. F. ZvcHiut,
LX und 738 S., 905 S. Der Rez. gibt an, in welcher Weise der
„grosse Sachs" zum „kleinen Sachs" geworden sei; das dabei beobach-
tete Verfahren findet im allgemeinen seine Billigung, er findet nur den
grossen Sachs mangelhaft in Bezug «auf die etymologischen Angaben,
die ihm zu kurz und ungenau erscheinen, wofür er eine Reihe Belege
gibt; im kleinen Sachs sind die ohnehin schon so kurzen Notizen noch
weiter verkürzt, der Rez. kann das nicht billigen, und auch die Art
und Weise nicht, in der es geschehen; dem kleinen Handwörterbuch
von Plötz gebührt darin der Vorrang vor Sachs. Die Rez. wird fort-
gesetzt im 7. Heft, S. 388 — 400; ein sorgfältig nach vielen Rück-
sichten hin angestellter Vergleich mit anderen Wörterbüchern und
ihre Benutzung bei der Lektüre ergibt, dass zwar auch im grossen
und kleinen Sachs Lücken sich finden, dass jedoch die kleine Ausgabe
als Hand- und Schulwörterbuch ihre Vorg'änger ebenso weit hinter
sich lässt als die grössere Ausgabe die ihrigen. 7. Heft. S. 368 bis
378. C. Humbert: R. MahrenhoUz , Moli^re's Leben und Werke.
Vom Standpunkt der heutigen Forschung. Heilbronn, Gebr. Henninger.
1871. Der Band II der Französischen Studien; der Rez. gibt über-
sichtlich den Inhalt der wissenschaftlichen Biographie an, die auf be-
schränktem Räume die sicheren Resultate der bisherigen Moliereüber-
lieferung und Molierekritik zusammen mit dem bringt, was Mahrenholtz
selber „erforscht hat oder erforscht zu haben glaubt". Der Rez. denkt
zwar über manche Punkte anders als der Verf., so kann er z. B. dem
gemeinen Pamphlet über Moliere und seine Frau gar keine Bedeutung
zusprechen ; sodann scheinen ihm die sogenannten Possen zu ungünstig
beurteilt; im grossen und ganzen kann er jedoch das Buch einem
jeden, der sich für Moliöre interessieren sollte, nicht bloss wegen seines
Inhalts und Gehalts, sondern auch wegen der lebendigen Form, die
überall die Langeweile fern hält, empfehlen. Er bespricht dann noch
die Abschnitte des Werkes, welche Moliöre's Persönlichkeit, seinen
sittlichen und poetischen Charakter und die einzelnen Werke betreiFen.
8. Heft. S. 441 — 442. H. Zeterling: G. Langenscheidt, Konjugations-
muster für alle Verba der französischen Sprache, regelmässige wie un-
regelmässige, mit Angabe der Aussprache jeder aufgeführten Zeitform
und Person. Berlin, Langenscheidt'sche Verlagsbuchhandlung. 45 S.
Eine Separatausgabe der zur 30. Auflage der Toussaint-Lan^enscheidt-
schen französischen Unterrichtsbriefe gehörigen dritten Beilage ; Ab-
schnitt B rubriziert die Verba nach dem Schema -<?r, -j'r, -oir, -re, gibt
dann die unregelmässigen Verba mit Einschluss der Hülfsverben; Ab-
schnitt A gibt Anweisung darüber, wie das betr. Konjugationsmuster
für ein beliebiges Verb in B aufzufinden ist, Abschnitt C konjugiert
s'en aller in einfacher, verneinter, fragender und fragend - verneinter
Form durch. Der Rez. hält es nicht für ein pädagogisches Bedürfnis,
ein derartiges Hilfsmittel in den Händen der Schüler zu wissen, em-
pfiehlt dasselbe aber den Lehrern, die manches ihnen bisher nicht be-
kannte darin finden würden.
C. Th. Lion.
Zeitschrift für das Realsclinlwesen* VIII. Jahrgang.
IL Heft. Rezensionen. P. 88. A. Bechtel: Lotheissen, Ge-
schichte der französischen Litteratur im XVII. Jahrhndert. III. Bd.
(Wien. Gerold's Sohn, 1880.) (Wie- bei den früheren Bänden wird
auch hier die vollständige Selbständigkeit der Darstellung und Beur-
teilung, die Objektivität der Kritik, die Unbefangenheit gegenüber der
Zcitschrifi für das Recdschulmcscn. 91
ikademischen Klassizität, die geschmackvolle und charakteristische
'ii.i gerühmt.)
Iir. Heft. — Rezensionen. P. 181. Oyex-Delafontaine, Nouveau
' iliiire fran^ais-allemand avec phras^ologie (Wien, H. Manz, 1883.)
i^cheidet sich von den bekannten Büchern dieser Art dadurch,
IS die Bedürfnisse des praktischen Unterrichts an österreichischen
1 a berücksichtigt. In Schulen, welche sich die Pflege der fran-
iLcn Konversation angelegen sein lassen, wird das Buch mehr-
■ 11 Nutzen gewähren.)
IV. Heft. — Rezensionen. P. 231. A. Bechtel: Bretschneider,
T.a France, Premier livre de lecture ä l'usage des ^coles secondai-
;ircompagnes d'un choix de themes en textes suivis. (Altenburg,
r, 1882.) Das Buch wird wegen mehrfacher pädagogischer Mängel
nicht sehr geeignet für den Schulgebrauch charakterisiert.) —
j;r2. A. Bechtel: Holder' s Handbuch der älteren und neueren
"Zösischen Litieraiur. Neu bearbeitet von Leon Berirand. (Stutt-
• . Metzler, 1882.) (Die Auswahl erregt teilweise pädagogische Be-
llen. Statt der sehr spärlichen Noten wäre ein systematisch an^
\c^ter Kommentar förderlich. Die biographischen Notizen sind der
(leste Punkt des Buches.) — P. 233: A. Bechtel: Wingeraih, H.,
•ix de lectures fran9aises ä l'usage des ^coles secondaires. 11« par-
: L'lasses moyennes. (Köln, Dumont-Schauberg, 1883.) Viele Stücke
's sprachlich, teils sachlich zu hoch gegriflen, manche vom erzieh-
i'u Standpunkt aus unpassend; der Mangel eines Vokabulars oder
OS sprachlich-sachlichen Kommentars ist um so fühlbarer, als Aus-
M'ke vorkommen, die selbst in dem zuverlässigsten und umfassendsten
r Schulwörterbücher — Sachs — nicht enthalten sind, und histo-
' h-geographische Namen, mit denen gewiss nicht einmal alle Lehrer
'traut sein werden.)
V. Heft. — Rezensionen. S. 295. A. Bechtel: Guizot, Histoire
la civilisation en Europe, erklärt von H. Lambeck. Geoi'ge Sand,
mare au diable, erklärt von K. Sachs. Voltaire, Zaire, erklärt
ii E. von Sallwürk (aus der Sammlung französischer Schriftsteller
i Weidmann). (I. günstig beurteilt ; II. für die Schule kaum brauch-
•r; III. empfehlenswert.)
VI. Heft. — Rezensionen. S. 359. A. Bechtel: Holzinger, K.,
':e einfachen Formen des französischen Zeitwortes in geordneter Dar-
• 'llung. Ein Beitrag zu einer systematischen Grammatik der franzö-
• sehen Sprache für Studierende. (Graz, Leuschner und Lubensky,
s83.) (Wol zu günstige Besprechung des allerdings gut gemeinten
-'•hriftchens.)
VII. Heft. — Rezensiozen. P. 433. Brunnemann, Corneille's
iuna. (Wolfenbüttel, Zwissler, 1883.) (Die Edition bietet keinen Fort-
■ hritt gegen ihre zahlreichen Vorgängerinnen.) — P. 434. Der Sprach-
niterricht muss umkehren. Ein Beitrag zur Überbürdungstrage von
^lousque tandem. (Heilbronn, G. Henniger, 1882.) (Die Neuerer auf
lern Gebiete des sprachlichen Unterrichts ä la Victor und Kühn sollten
• loch einmal mit einer schulmässigen Leistung hervortreten, welche die
Anwendung ihrer Prinzipien realisieren und den Erfolg ihrer Methode
überzeugend machen könnte.)
IX. Heft. — Rezensionen. P. 55. A. Würzner: Lücking, G.
Französische Grammatik für den Schul gebrauch. (Berlin, Weidmann,
1883.) („Es muss anerkannt werden, dass Lücking sich alle Mühe
gegeben hat, in seinem Buche ein vorzügliches Lehrmittel zu schaffen".)
-- P. 553. K. Merwart: Mahrenholtz, R., Moliere^s Leben und Werke
92 Zeilschriftcnschau. F. ZveHna,
vom Standpunkte der heutigen Forschung. (Heilbronn, G. Henninger,
1881, II. Bd. der „Französischen Studien" von G. Körting und E. Kosch-
witz.) (Die sehr eingehende und sehr anerkennende Rezension charak-
terisiert das Buch u. a. folgendermassen : „Gründlichkeit im Zusammen-
tragen des überaus reichlichen Quellenmaterials, Scharfblick beim
Sichten und Durcharbeiten desselben, Klarheit in der Darstellung der
gewonnenen Resultate sind des Verlassers Haupteigenschaften. Altes
und Neues, zu einem Ganzen harmonisch verschmolzen, wird uns in
streng wissenschaftlicher und doch nichts weniger als trockener Form
geboten. Der umfangreiche Stoif wird mit geschickter Hand so ge-
gliedert, dass wir den ganzen Entwickelungsprozess des Moliere'schen
Geistes im innigen Zusammenhange mit dem Lebensprozesse der Welt,
in welcher er gewirkt hat, klar übersehen. Die Person des Dichters
tritt aus dem Gewirre der oft mit wenigen Strichen meisterhaft ge-
zeichneten Gestalten, die in mehr oder minder einflussreicher Beziehung
zu ihm standen, recht plastisch hervor. Seine Werke werden immer
richtig beurteilt, die Entstehung derselben und der Grad ihrer
Selbständigkeit unter steter Anführung diesbezüglicher erwähnenswerter
Ansichten und Widerlegung der falschen klar dargelegt, bedeutende
Momente der Handlung, sofern sie zur Würdigung des Stückes unent-
behrlich sind, treffend skizziert und die Charaktere in einem treuen
Bilde vorgeführt") — P. 557: A. Bechtel: Mahrenholtz, R., Moliere.
Einführung in das Leben und die Werke des Dichters. (Heilbronn,
G. Henninger, 1883.) (Bietet als eine zugleich wissenschaftliche und
doch allgemein verständliche Biographie die Hauptpunkte und Resul-
tate der wissenschaftlichen Forschung, welche in dem grösseren Werke
niedergelegt sind, während einzelne Berichtigungen den Bedenken
kompetenter Beurteiler Rechnung tragen. Getadel,t wird der häufige
Gebrauch unnötiger Fremdwörter -und undeutscher Ausdrucksweisen,
sowie die inkonsequente Schreibung mancher Namen.)
X. Heit. — Abhandlungen und Aufsätze. P. 490. A. Bechtel;
Ein Hilfsmittel für die Erlernung der französischen Konjugation. (Be-
spricht einen von H. Köber, Lehrer an der höheren Töchterschule zu
Meissen, konstruierten und Conjugateur benannten Apparat, welcher
die elementare Einprägung der franz. Verbalformen erleichtern soll.
Der Herr Verf. glaubt, diesen Apparat den Fachkollegen zur Kenntnis-
nahme, eventuell zur Einführung in den Unterricht empfehlen zu
sollen. Ich kann diese Ansicht nicht teilen. Es erscheint denn doch
etwas bedenklich, eine förmliche Konjugationsmaschine als Hilfsmittel
des französischen Unterrichts einzuführen. Die Vorteile einer der
ganzen Klasse evidenten demonstrierenden Darstellung lassen sich durch
fleissige und zweckmässige Benutzung der Schultafel viel besser, ein-
facher und schneller erreichen, als durch das immer mehr oder weniger
einer Spielerei ähnlich sehende Manipulieren mit einem denn doch
ziemlich komplizierten Apparat. Die Mittelschule dürfte daher gut
thun, den Köber'schen Conjugateur getrost der Töchterschule zu über-
lassen.) — Schulnachrichten. P. 606: Aus den und über die Ver-
handlungen der III. Direktoren- Versammlung zu Hannover. (Ober den
von der Versammlung aufgestellten Kanon der französ. Schullektüre
äussert sich das Referat unserer Zeitschrift in so bemerkenswerter
Weise, dass ich die betreffende Stelle hier in extenso mitzutheilen der
Mühe wert erachte; bei der über diese doch so wichtige Seite des
französ. Sprachunterrichts an höheren Schulen noch vielfach herr-
schenden Zerfahrenheit dürften die nun folgenden Bemerkungen wenig-
stens den Anspruch erheben, durchdacht und verständig zu sein: „Die
Zeitschrift für das Realschulwesen. 93
oben zum Kanon erhobene Auswahl genügt nicht zur vollständigen
Erreichung der sprachlichen Seite des Lehrzieles. Die Sprache Des-
cartes' und Pascals* ist voller Archaismen, Moliere's ältere Lustspiele,
wie Les Fächeux und Les Precieiises ridicules sind im Stile teilweise
recht veraltet und bezeichnen keineswegs den Höhepunkt der Ent-
wickelung des Dichters; es ist demnach klar, dass die Lektüre der
philosophischen Werke von Descartes' und Pascal ebenso wenig wie
die der klassischen Dramen des XVII. Jahrhunderts geeignet sein kann,
„mit der modernen Schriftsprache" bekannt zu machen. Auch inhalt
lieh entsprechen Pascals' Werke nicht dem obgenannten Zwecke : die
Letires provinciaUes, für die katholische Jugend an und für sich unzu-
lässig, sind doch nur eine theologische Streit- und Zeitschrift und
haben kein Interesse für die Jugend; die Pensees aber bilden kein
Ganzes. Die historische Prosa ist einseitig in WortstofiF und in der
Sprachform; fast durchgängig in der III. Person erzählend, führt sie
selten die I. und IL Person der Verbalformen vor, so dass diese bei
längerem Betriebe dieser Art Lektüre den Schülern ungeläufig werden,
dass ihre schriftlichen Arbeiten grobe Fehlerhaftigkeit in dieser Hin-
sicht aufweisen, die früher gelernten Ausdrücke des täglichen Lebens
ihrem Gedächtnisse entfallen und ihre Versuche im Sprechen mühsam
und ungeschickt sind. Um die lebende gesprochene Sprache, die doch
bei einer modernen Sprache nicht ignoriert werden darf und welche
nach den Ansichten von Fachmännern auf der Unterstufe besonders
gepflegt werden soll, auch im Schulunterrichte zur Geltung zu bringen,
müsste die Lektüre sich nicht einseitig auf die akademische Sprache,
welche jener Kanon fast ausschliesslich repräsentiert, beschränken,
sondern sich auf gehaltvolle, im leichteren Erzählungston oder in ge-
bildeter Konversationssprache geschriebene Werke ausdehnen. Diesem
Zwecke entsprechen etwa Schriften von E. Souvestre (z. B. Un Philo-
sophe sous les toiis^ Au Coin du feuj^ von Erckmann - Chatrian, von
Saint-Marc Girardin, Ampere, dramatische Werke von Augier, Feuillet
(Le Gendre de M. Poii^ier^ Le VilktgeJ. Vermisst werden in jenem
Kanon lerner der die Jugend besonders fesselnde und sprachlich
mustergiltige Roman Paul et Virginie^ Auszüge aus der begeisternden
Prosa von J.-J. Rousseau, Dialoge, eine Auswahl von Briefen, endlich
die deskriptive Prosa; es sollten doch einem Realschüler in der
zweiten Hälfte seiner Schulzeit, wo das Verständnis für die Sprache
sich zu entwickeln beginnt, Muster des Briefstils vorgeführt werden,
damit er nicht der lebenden Sprache entfremdet werde und dem
Elternhaus und dem Publikum gegenüber in dem, was diese — nicht
mit Unrecht — schätzen, als Ignorant erscheine; auch sollten ihm für
seine Versuche im Aufsatze als Muster des historischen Aufsatzes kür-
zere, übersichtlich disponierte Abhandlungen geboten werden, welche
bei der kontinuierlichen Lektüre ganzer Werke völlig fehlen. Wenn
diese Forderung jetzt allgemein für die Aufsätze in der Muttersprache
an das deutsche Lesebuch gestellt wird, um wie viel berechtigter ist
sie für eine fremde Sprache. Da nun ohnedies eine „Sammlung lyri-
scher Dichtungen", sowie eine „Auswahl Reden" für Klasse II und I
aufgestellt sind, so hätte neben der Autorenlektüre der Gebrauch einer
Chrestomathie, welche den oben entwickelten Prinzipien entspräche,
in das Programm aufgenommen werden sollen". — Unter den Thesen
über die Extemporalien wird die 7. („das Extemporale ist nach dem
Diktat des Lehrers sofort in der fremden Sprache ins reine zu
schreiben") als der „wundeste Punkt" bezeichnet und dagegen u. a.
folgendes vorgebracht : „Vergegenwärtigen wir uns den Vorgang, wie
94 Zeiischriflenschan. IJ. Behrens,
der Schüler bei der Einrichtung, dass er nach dem Diktat des Lehrers
das Extemporale sofort in der fremden Sprache ins reine schreibt, ar-
beitet. Indem der Lehrer einen Satz ausspricht, hat der Schüler den
Sinn desselben aufzufassen und ihn wörtlich zu behalten; bei einem
aus 8 Wörtern bestehenden Satze hat er sich die 8 Äquivalente der
fremden Sprache ins Gedächtnis zu rufen, ihre Schreibung sich geistig
vorzustellen, jedes als Satzglied zu fixieren, ihm die als solchem zu-
kommende Form in der richtigen Schreibung zu geben und die Wörter
successive niederzuschreiben; und einen so komplizierten Denk- und
Kombinationsprozess soll schon ein lOjähriger Anfänger ohne jede
Unterlage bewerkstelligen ! Cfesetzt, es sei einem Schüler ein Wort
nicht erinnerlich und er denke nach, um sich desselben zu entsinnen,
so findet ihn das Diktieren des folgenden Satzes noch mit dem vor-
hergehenden beschäftigt; er versäumt das ihm nun Vorgelegte oder
umgekehrt, so dass er unsicher, verwirrt und bange wird. Dies ist
aber das Loos vieler Schüler, da doch nur die Minderzahl so glücklich
beanlagt ist, im Momente selbst über alle erworbenen Kenntnisse zu
verfügen. Dies beweisen auch die häufigen Fälle, wo den Lehrer die
Klassifikation von Schülern nach den Extemporalien in Rücksicht auf
ihre besseren mündlichen Leistungen in Verlegenheit versetzt, sowie
die Aufregung und die Bangigkeit mancher Schüler bei bevorstehender
„Schularbeit-'.) — Rezensionen. P. 260. A. Bechtel: Sammlung
französischei' Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen. (Berlin, Weid-
mann.) Guizot^ Histoire de la r^volution d'Angleterre. 3. Bd. Histoire
du pro te ctorat de Richard Cromwell. L Abt., erklärt von B. Gräser.
(Für die oberste Stufe der Schullektüre angemessen.) Moliere, Le Tar-
tufe, erklärt von H. Pritsche. (Der reichhaltige und gründliche Kom-
mentar mehr für den Lehrer als für den Schüler geeignet, schon des-
wegen, weil manche Anmerkungen sittlich oder religiös anstössig
erscheinen.) Sedaine^ Le Philosophe sans le savoir, erklärt von M. Gisi.
(Gelobt, die Anführung der oft langen Varianten ist überflüssig.) —
P. 62. P. Kühn^ Zur Methode des französischen Unterrichtes. Ein
Beitrag zur Reform des Sprachunterrichtes und zur tJberbürdungs-
frage.) (Die Ausführbarkeit der Vorschläge K.'s ist noch unerwiesen,
doch liegt manches darin, was für den Unterricht förderlich sein kann.)
— 621. Müfichj Zur Förderung des französischen Unterrichtes, insbe-
sondere auf Realgymnasien. (Die gründliche Arbeit verdient um so
mehr die Aufmerksamkeit der Fachlehrer des Französischen, als sie
die Litteratur der von ihm behandelten Frage berücksichtigt und die
polemischen und reformatorischen Schriften der jüngsten Zeit mit ein-
bezieht. — P. 630. Spelthahn, /., Das Genus der französischen Sub-
stantiva. (Amberg, Pohl, 1883.) (Wird für ziemlich wertlos erklärt.)
XL Heft. — Abhandlungen und Aufsätze. P. 641. F. Zvöfina:
Bie Lehre vom französischen Verb in der Schule mit Beziehung auf fach-
männische Publikatione?i. (Bespricht Breymann's Buch : „Die Lehre vom
französischen Verb auf Grundlage der historischen Grammatik" mit
Bezugnahme auf Lücking, Steinbach, Siegl u. s. w., wobei besonders
die Auffindung des Verbalstammes, die Futurbildung und die Termino-
logie einzelner Tempora in Betracht gezogen werden.) — Rezensionen.
P. 677. A. Bechtel: Cialaj 0., Französische Schulgrammätik mit
Übungs- und Lesestücken. Mittlere Stufe. II. Aufl., umgearbeitet von
H. Bihler. (Leipzig, Teubner, 1883.) (Im Ganzen anerkennend be-
sprochen.)
XII. Heft. — Rezensionen. P. 788. AL Würz n er: Körting,
Br. G.y Gedanken und Bemerkungen über das Studium der neueren
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■ 1. 8^, 77 p.
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;i>. S. 588.
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f' = /. (Der
.itois belegt.)
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. Paris. Er-
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H ecueil de
;'.56 p. Kri-
de l'^pop^e
.ie ddtaill^e.
■f,'), 8°, xn-
Jehan Por^e.
. ,in-8^ 78 p.;
^ Epinal). Pre-
3^^, 56 p. (s. hier
0 ou patois vosgien
des Vosges. fipinal^
chen Versbau alter und
.fcigründe. Zweite Auflage.
. aiiaiiisclie und romanisclie
Atiion Marx f Hilfsbüchlein für die
Vokale in positionslangen Silben. Mit
. hJücheler. Wissenschaftliche Begründung
_*• in den lateinischen Schulbüchern von Her-
vVeidmann. 1883. XII, 80 S. 8. M. 2,40. (Wo
tiianische Bezug nimmt, geht er nicht immer mit
zu Werke.) — Reinhold Köhler. Rochs, t5T3er
■iian und die Wanderung der Euriant-Sage. Inaugu-
. Halle. 1882. 43 S. 8^ (Gehaltreiche Anzeige dieser
Spr. u. Litt. VI«. 7
9ß Zvitschrißmschaii. l>. Belirims,
pagne dana la formation et le döveloppement de la langiie et de b
iittdrature fran^aiae. (»Le sujet est ä reprendre.") Hngo Niemer, iJie
orthographiachen Reformvevsuche der frauzÖHiachen Phonetiker de;
XIX. Jahrhunderts. I. Vf. 34 S. (Greifawald, Diaaertation.)
2/3. S. 307, J. Gilliöron. La Claire Fontahie. Chanson pu-
pulaire francaise. Exa,nien critique dea diverses versiona. — MfeLAüUEr-
S. 332. Ant. Thomas. Lui et Id. Als Etymon von lui wird vorge-
schlagen illvi — ilioi = illo + ei. — S. 342. Fleury. No narmand
et an franfais. Vf. verteidigt seine Rom. X, 3 (s. h. TV*, 264) nieder-
gelegte Ansicht gegen die Angriffe Joret's in den Mömoirea de la So-
ciät^ de linguiatique de Paris (t. V, p. 149 — 154.) — CoMPTES-BESDir^.
G. P. Hermann Breymann. Friedrich Die^' kleinere Arbeiten und
Rezensionen. München und Leipzig, Oldenbourg 1883, 8", XVI -35i \i.
(„M. Breymann a apportä dana son pieiix truvail le soin le pUiB digm^
d'öloges.") — S. 365. A. T. E. R. Thurneysen. Daa Verbum itre und
die französische Konjugation, Ein Bruchatfick aus dea Entwickelungs-
geschichte der französiBchen Flexion. Zur Erlangung der Licentia do-
cendi hei der Universität Jena eingereicht. Halle, Karras, 1882. (Ne-
ben unhaltbaren Ansichten enthält die AbhandlunK he achtens weite
Hypothesen, den Einfluaa des Hüfazeitworts itre auf die franzQsiarhe
Konjugation betreffend).— 8. 391. J. Gilliöron. Charles Joret. Des
caracteres et de Vextension du patois normand. !^tude de phon^tiqiie
et d'ethnographie, suivie d'une carte. In-B", 195 p. Paria, Vieweg.
1882. (Ausführliche und inhaltreiohe Anzeige, in der Rec. zu folgen-
dem Schlüsse kommt: „l'ouviage de M. Joret contient den faits iotei-
essanta, mais il ne präsente pas, comme le titre le ferait attendre, le>
caracterea ni les limites du patois normand, et il y a pour cela une
bonne raison, c'est que le patois normand n'existe paa et n'a par con-
aäquent ni caracteres ni limitea . . . S'il avait aper9u nettement cette
vdritö avant de commencer ses recherchea, il les aurait certainemeot
dirig^ea avec plua de pr^cision et lea aurait renduea plua fructueuaes.-|
— Die Chroniqde dieser Nummer hat den Tod mehrerer um die ro-
manische Philologie verdienter Forscher zu verzeichnen: AnatoU Bov-
ckerie, der bekannte Herausgeber der Revue des langues romaue?,
starb den 3. April 1S83 in Montpellier. Im März 1883 verachieden der
berühmte Danteforacher Karl fVitte, Jdalbert von Gelier (Verf. ii. a. von
Altfranzöa. Sagen, Romvart), Wenlrap (bekannt durch eine Unter-
suchung über den sicilianischen Dialekt) und Lorenz Diejfenback (Terf.
u. a. von Glossarium latino -germanicum medite et infimae latinitatisl.
Den 1. April starb in jugendlichem Alter H. Flechtrter, Verfasser einer
Abhandlung über die Sprache dea Älberich von Besannen (s. h. IV * Sal-
in Padtia starb der rühmlichst bekannte italienische Romanist Angel«
Caneito, in Frankreich der durch mehrere Publikationen bekaante Ge-
lehrte Hippeaii im Alter von 80 Jahren. — Von den am Schluss de^
Bandea kurz angezeigten Novitäten aeien hier genannt: Peter Hüse»-
Der Nominativ der verbundenen Peraonalprononiina in den älteaten
französischen Sprachdenkmälern. Kiel. Lipaius. 8". 83 p. (Disser-
L. Adam, Les idiomea nögro-aryen et malöo-aryen, essai d'hv-
^e linguistique. Paris, Maiaonneuve, 8", J6 p.; Martin Schiveis-
:marques aur le röle de l'^ldment franc dana la formation ile
ae Iran^aiae (wertlos); E. Elienne, De deminutivis, intentivis.
*is et in malam partem abeuntibua in francogallico aermoiie
ms. Nancy, impr. nauc^enne, IV-162 p. (thöse latiae de doi--
lu, Facult^ des lettres de Paris). („L'ouvrage de M. fitieiine
e rien de trös nouvean . . . Malgrö cela le travail est inter-
LiUeruiurhlali für germanische und romanische Philologie. 97
essant par la rdunion des faits et par les id^es que la r^union meme
suggere); Franz Koernig, Der syntaktische Gebrauch des Imperfekts
und des historischen Perfekts im Altfranzösischen, 8°, 50 p. (Bresl.
Dissert.) („Travail qui parait fait avec intelligence sur un sujet int^x-
e^s&nt^); A. Boesiger. Neu-Hengstett (Bursgt). Geschichte und Sprache
einer Waldenser Colonie in Württemberg. Greifswald, Abel, 8^, 77 p.
(fitude faite avec beaucoup de soin et de methode.)
4. S. 534. Stanislav Prato. Vorma del leone. Racconto
Orientale considerato nella tradizione popolare. — Melanoes. S. 588.
Ch. Joret. No = on. (Entgegnung aut einen Artikel Fleury's in Ro-
mania 1. 1883. s. hier oben.) — S. 591. Ch. Joret. />/ = /. (Der
Übergang von j in di wird aus einem normannischen Patois belegt.)
Ch. Joret. R has-normand. — S. 595. F. Fertiault. Chansons
de noces de la Haute- Bourgogne. — Comptes-Rendüs. G. Paris. Er-
innerungsworte an Friedrich Diez. Erweiterte Fassung der Rede, welche
zur Enthüllungsfeier der an Diez' Geburtshaus angebrachten Gedenk-
tafel in Giessen am 9. Juni 1883 gehalten wurde von E. Stengel. Mar-
burg, Elwert, 1888, 8", 104 p. (Em dem recht lesenswerten Schriftchen
beigegebener Anhang enthält Briefe von F. D. an L. Dieffenbach, W.
Wackernagel, K. Weigand, A. v. Keller, A. Mussafia und A. Ebert.) —
G. P. A Short history of French literature by George Saintsbury. Ox-
ford, at the Ciarendon Press, 1882, XI-591 p. (Nachdem Rec. bezüg-
lich der Darstellung der neueren Litteratur, welche den grösseren
Teil des Buches einnimmt, auf die sehr günstige Beurteilung Bourget's
in der Academy vom 10. Februar 1883 verwiesen, bespricht er ein-
gehend die der mittelalterlichen Litteratur gewidmeten Kapitel, über
die er folgendes Gesammturteil fällt: „son tableau de notre ancienne
litt^rature est un arrangement fort adroit, mais oü Padresse n'a pas
toujours r^ussi ä masquer Pimperfection ou l'inexactitude du savoir.")
— In der Chroniqüe angezeigte Novitäten: E. Bolland. Recueil de
chansons populaires. I. Paris, ^iaisonneuve, in -8**, VIII- 356 p. JTn-
stoffer Nyrop. Den oldfranske Heltedigtning. Histoire de P^pop^e
fran^aise au moyen äge, accompagnde d'une bibliographie d^taill^e.
Kcebenhavn, Reitzel (Heilbronn, Henninger. Paris, Vieweg), 8°, XII-
491 p. ; A. Gaste, Noels et Vaudevirs du manuscrit de Jehan Por^e.
]5tnde critique et historique. Caen, Le Blanc-Hardel, in -8**, 78 p.;
N. Haülanty Essai sur un patois vosgien (ürim^nil , prös Spinal). Pre-
miere Partie. Phon^tique (suite). fipinal, CoUet, in -8*^, 56 p. (s. hier
V*^, 99); H. Haillant. Concours de Pidiome populaire ou patois vosgien
ä la dätermination de Porigine des noms de lieu des Vosges. fipinal,.
CoUot, in-S**, 34 p.; A. Tobler. Vom französischen Versbau alter und
neuer Zeit. Zusammenstellung der Anfangsgründe. Zweite Auflage.
Leipzig, Hirzel, in-8*', V-149 p.
liitteratnrblatt fttr germani^clie und romanische
Philologie. 1883.
Nr. 7. H. Schuchardt. Anton Marx, Hilfsbüchlein für die
Aussprache der lateinischen Vokale in positionslangen Silben. Mit
einem Vorwort von Franz Bücheier. Wissenschaftliche Begründung
der Quantitätsbezeichnung in den lateinischen Schulbüchern von Her-
mann Perthes. Berlin, Weidmann. 1883. XII, 80 S. 8. M. 2,40. (Wo
Verfasser auf das Romanische Bezug nimmt, geht er nicht immer mit
der nötigen Kritik zu Werke.) — Reinhold Köhler. Rochs, Über
den Veilchen -Roman und die Wanderung der Euriant-Sage. Inaugu-
ral- Dissertation. Halle. 1882. 48 S. S**. (Gehaltreiche Anzeige dieser
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. Yl^. 7
98 Zeitschnftenschau, 1). Behrens,
als vollständig wertlos bezeichneten Abhandlung.) — v. Sallwürk.
Rieh. Mahrennoltz, Voltaire -Studien. Beiträge zur Kritik des Histo-
rikers und Dichters. Oppeln. Eugen Franck's Buchhandlung (Georg
Maske). 1882. VIII, 196 S. M. 6. (Lobende Anzeige.) — K. Foth,
Timme, Über die Auswahl von französischer Lektüre für die oberen
Bealklassen. Programm des Andreaneums zu Hildesheim. Ostern
1882. 20 S. 4. (Eine verständig geschriebene kleine Arbeit, die im
grossen und ganzen auf den Abhandlungen von Münch und Vogel
fusst. Zu Einzelheiten findet Ref. einiges zu bemerken. So hält er
namentlich die moderne franz. Litteratur zu einer statarischen Schul-
lektüre für wenig geeignet und will dieselbe teils der cursorischen
Lektüre aus einem Lesebuch, teils der Privatlektüre vorbehalten wissen.)
— Nr. 8. R. Meyer. C. Ayer, Grammaire compar^e de la langue
fran9ai8e. 3« Edition. Geneve, Bäle et Lyon: H. Georg; Paris: Ch.
Borrani, G. Fischbacher 1882. XVI, 624 S. (Das Buch in der jetzt
vorliegenden Gestalt zeigt neben grossen Vorzügen grosse Mängel.
Unzureichend ist namentlich die Darstellung der Lautlehre. Die Syn-
tax bildet den besten Teil von A.'s Werk). — v. Sallwürk. Alfred
Botigeauld, £tude sur T^tat mental de J.-J. Rousseau et sa mort ä
Ermenouville. Paris, E. Plön et C»«. 1883. 169 S. fr. 2. (Schwache
Arbeit.) Derselbe. Charles Borgeaud, J.-J. Rousseau's Religions-
philosophie. Jenenser Promotionsschrift. Geneve: H. Georg; Leipzig:
G. Fock. 1883. 171 S. (Günstig beurteilt.) — A. Wesselofsky.
Kolmdcevsky, Das Thierepos im Occident und bei den Slaven. Eazan.
1882. Vin, 316 S. (Russisch.) („Viele Aufstellungen des Verfassers
erscheinen als wohlbegründet und die weitere Forschung wird von
ihnen dankbar ausgehen müssen.") — Nr. 9. W. Knörich. Louis
Moland, (Euvres compl^tes de Moliöre, collationnöes sur les textes ori-
ginaux et comment^es. Deuxi^me Edition, soigneusement revue et
consid^rablement augment^e. Paris, Garnier freres. 1881 ff. Band
m—VI. (s. des Ref Urteil über Bd.^II. dieser Ausgabe hier V* 102.)
— R. Mahrenholtz. Krause, Wycherley und seine französischen
Quellen. Hallenser Dissertation. 1883. 36 S. (Wenn auch die von
Macaulay, Despois-Mesnard u. a. bereits festgestellten Resultate wenig
erweitert oder verändert werden, kann die neissige Untersuchung K.'8
wegen ihrer detaillierenden Erörterungen als eine dankenswerte Lei-
stung bezeichnet werden.) — Charles Joret. Johannes üthoff, Ni-
velle de la Chaussöe's Leben und Werke. Ein Beitrag zur Litteratur-
geschichte des 18. Jahrh. und insbesondere zur Entwickelungsgeschichte
der „Com^die larmoyante". Heilbronn, Gebr. Henninger. 1883. 67 S.
8. (Französische Studien, herausg. von G. Körting und E. Koschwitz,
IV, 1.) („Im allgemeinen gewissenhafte Arbeit, welche von sorgfälti-
ger, ernster VorSereitung und guter Methode zeugt." Vergl. hier V*,
S. 108 f.) -- V. Sallwürk zeigt an: 1) Klemens Klöpper, Französische
Synonymik für höhere Schulen und Studierende. Zum Gebrauch bei
der Anfertigung von Exercitien und freien Arbeiten. Leipzig, Koch,
1881. X, 198 S. 2) Karl Meurer, Französische Synonymik. Für die
oberen Klassen höherer Schulen. 2. gänzlich umgearbeitete, sehr ver-
mehrte Auflage. Köln, Roemke & Co. 1881. VHI, 170 S. 3) Kolde-
wey^ Französische Synonymik für Schulen. 2. umgearbeitete und ver-
mehrte Auflage. Wolfenbüttel, Zwissler. 1881. IV, 184 S. 4) Schmitz,
Deutsch -französische Phraseologie in systematischer Ordnung nebst
einem Vocabulaire syst^matique. 4. Auflage. Berlin, Langenscheidt.
1882. Vn, 179 S. — Nr. 10. v. Sallwürk. Heinr, Breitinger, Ele-
mentarbuch der französischen Sprache für Mittelschulen (Real- und
Liiteraturblati für germanische und romanische Philologie. 99
Bürgerschulen). Zürich, Schulthess. 1882. Zwei Hefte: VII, 152 und
80 S. M. 1,20. (Empfehlende Anzeige.) — G. Willenberg. KoeMer,
Nouvelles observations sur le latin dans Tenseignement du fran9ai8.
Programm der Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meissen. 1882.
25 S. 4. (Die Tendenz des im Allgemeinen inhaltlich recht dürftigen
Schriftchens, die Resultate neuer Forschungen auf dem Gebiete der
modernen Philologie der Behandlung der französischen Grammatik in
der Schule nutzbar zu machen, findet beim Referenten volle Billigung.)
— Johann Vising, Fr. Wulff, Nagra ord om Aksent i allmänhet
och om den moderna Franska aksentueringen i synnerhet. [Einige
Worte über Accent im Allgemeinen und die moderne französische Ac-
centuierung im besonderen.] Föredrag vid det Nordiska Filologmcetet
i Kristiania 1881. In Forhandlinger paa det nordiske Filologmcede i
Kristiania den 10.— 13. August 1881, udgivne af Gustav Storm. Kri-
stiania, Cappelen. 1883. S. 169 — 183. („Interessante eigene Beob-
achtungen über den franz. Accent.") — Johan Vising. P. A. Geijer,
Om de franska episka versformernas Ursprung (= Von dem Ursprung
der französischen epischen Versformen.] In Forhandlinger paa det
andet nordiske Filologmoede i Kristiania den 10. — 13. August 1881,
udgivne af Gustav Storm, Moedets Generalsekretaer. Kristiania, Cap-
pelen. 1883. XVI, 255 S. 8. S. 143 — 169. („Geijer durchmustert
die in älterer und neuerer Zeit vorgebrachten Ansichten über den frz.
epischen Vers und seinen Ursprung, um schliesslich bei ziemlich skep-
tischen Resultaten stehen zu bleiben.") — H. Morf. Ferdinand KatUen^
Poetik Boileau's. Ein Beitrag zur Geschichte der französ. Poesie im
XVII. Jahrh. Hannover, 1882. 128 S. 8. Münsteraner Dissertation.]
(Schwache Arbeit.) — R. Mahrenholtz. a. A. Lüder, Carlo Goldoni
in seinem Verhältnis zu Moliere. Dissertation. Oppeln, Georg Maske.
1883. 44 S. [= Zschr. f. nfrz. Spr. und Litt., Y\ S. 138 ff.] (Sehr
günstig beurteilt.) — Charles Joret. B. Körting, Über zwei religiöse
Paraphrasen Pierre Corneille's: Limitation de J^sus -Christ und die
Louanges de la Sainte-Vierge. Ein Beitrag zur Corneille -Forschung.
Oppeln, Georg Maske, 1883. 56 S. 8. (Anerkennende Beurteilung.
Vgl. hier V^ 23.) — Nr. 11. Johan Vising. P. A. Victor Hugo
och det nyare Frankrike. En Studie. Första och andra delen 1879.
Tredje delen 1881. Stockholm, Centraltryckeriet. (Lesenswert.) —
Gaspary. Attilio Pörtioli, Le Opere Maccheroniche di Merlin Cocai.
Mantova, Mondovi. 1882 und 1883. 2 Bände. CXVI, 306 und 291 S.
gr. 8. — Nr. 12. R. Mahrenholtz. /. Klette, William Wycherley^s
Leben und dramatische Werke mit besonderer Berücksichtigung von
Wycherley als Plagiator Moli^re's. (Dissertation.) Münster, Coppen-
rath i. Comm. 1883. 75 S. 8. M. 1. (Eine durch Genauigkeit, Fleiss
und Schärfe ausgezeichnete Arbeit, in der alles Material über W. und
seine Beziehungen zu Moliere und anderen Dichtern vollständig und
kritisch geordnet zusammengestellt ist, ohne — wie zu erwarten — zu
erheblichen, neuen Resultaten zu führen. Zu Einzelheiten macht Ret.
einige Ausstellungen.) — Gustav Karsten. Heinrich Aicgust Schoeten-
sack, Beitrag zu einer wissenschaftlichen Grundlage für etymologische
Untersuchungen auf dem Gebiete der französischen Sprache. Bonn,
Emil Strauss in Commiss. 1883. XIX, 626 S. 8. M. 10 (wertlos). —
R. Meyer. E. Görlich, Die südwestlichen Dialekte der langue d'oil,
Poitou, Aunis, Saintonge und Angoumois. Heilbronn, Gebr. Henninger
1882. 135 S. 8. (= Franz. Stud. III, 2; s. hier IV, 91.) — Johan
Vising. W. Altenburg, Versuch einer Darstellung der wallonischen
Mundart nach ihren wichtigsten Lautverhältnissen. I. — III. Teil (siehe
100 Zeitschriftenschau. D. Behrens, Magazin f. d. Litt. etc.
hier IV, 92). — Johan Visin g. Ä. E. Edström, Studier öfver upp-
komsten och utvecklin^en af fomfranskans E-ljud i betonad stafvelse.
I. Akademisk Afhandling. üpsala, Almqvist & Wiksell. 1883. 123 S.
8. = Studien über die Entstehung und Entwickelung der E-Laute in
betonter Silbe im Altfranzösischen. Inaugural- Dissertation. („Ein
trefflicher Führer zur Orientierung in der vielbesprochenen Frage.") —
Oskar Ulbrich. A. Chassang , Remarques sur la langue francoise
par Vaugelas. Nouvelle Edition. Versailles, Cerf et fils. Paris, J. JBau-
dry. 1880. 2 Bände. LXII, 447 und 524 S. 8. (Die neue Ausgabe
entspricht allen billigen Anforderungen, die man an eine wissenschaft-
liche Arbeit stellen kann.) — G. Willenberg. Stein^ Essai sur la
formation et l'emploi syntaxique des pronoms prdtendus inddfinis „qui
. . . que" (sie!) etc. et des locutions conformes „si . . . que" etc. Pro-
gramm des Progymnasiums zu Rheinbach 1882. S. 3 — 13. 4. („Der
Gehalt dieser Arbeit ist ziemlich dürftig, teils nicht neu, teils ver-
fehlt.«)
Das Magazin fttr die liitteratnr des In- nnd Aus-
landes. 1883.
Nr. 41. Schmidt-Weissenfe Is. Paienne. F&r Juliette Lamber
(Madame Adam). Paris, Paul OUendorff. 3,50 fr. — Nr. 43. In der
Kritischen Rundschau: Anzeige von Taß?ot, Rabelais et Montaigne.
Extraits relatifs ä l'äducation. Paris, Delalain. (Eine sehr dankens-
werte Zusammenstellung der pä>dagogisch interessanten Stücke aus den
genanten Schriftstellern.) — Nr. 46. 0. Heller. Andre Thenriet, Le
livre de la payse. Nouvelles po^sies.. Paris, Alphonse Lemerre. 3 fr.
(Gelobt.) — Nr. 47. Alexander Büchner. Maxime du Camp, Sou-
venirs littäraires. Zweiter Band. Paris 1883. Hachette. 7,50 francs.
(Behandelt die Zeit von 1851 bis auf unsere Tage.) — Nr. 50. Alfred
Kl aar. Die „Mache^ der Franzosen. (Sonderabdruck der Einleitung
zu Vf.s „Das moderne Drama." Bd. 3.) — Nr. 51. A. Kl aar, Die
„Mache^ de?' Franzosen (Schluss).
D. Behrens.
Miscellen.
Ultimatum in Sachen der Satyre Mdnippöe. — loh
meine mit dem Titel keine Eriegsandrohung, sondern will damit nur
tragen, dass mit den folgenden Zeilen für mich die Kontroverse unter
allen Umständen abgeschlossen ist — so lange, bis nicht etwa wirk-
lich neues Quellenmaterial entweder für oder gegen meine Ansicht zu
Tage gefördert wird. Ich war lange im Zweifel, ob ich auf Herrn
Prot. Frank's „Duplik in Sachen der Satyre Mönipp^e" (V, 5, p. 206 sq.
dieser Zschr.) etwas erwidern sollte; mir schien beiderseits genug ge-
Hchehen zu sein, um dem sich für die Sache interessierenden Leser ein
Urteil zu ermöglichen: zuletzt entschloss ich mich, noch einen Versuch
zu machen, meine Auffassung zu rechtfertigen, in der Hoffnung, viel-
leicht doch nicht bloss „aöra verberare".
Zuvörderst muss ich ein paar Ausdrücke zurückweisen, die mir
mein geschätzter Gegner unbegreiflicher Weise unterlegt. Er sagt
(1. c. p. 208): „Noch weniger darf er (Zv.) mir die Albernheit zu-
muten, dass ich meine, die Ständesitzungen hätten sich genau in der
in der Mönippde geschilderten Weise abgespielt". Ich konstatiere, dass
der unterstrichene Ausdruck in meiner „Replik" weder dem Wortlaut
noch dem Sinne nach vorkommt und dass p. 83 ib., worauf sich dieser
Teil der Erwiderung F.'s nur beziehen kann, weder direkt noch in-
direkt auf ihn hingewiesen wird. — P. 210 (1. c.) schreibt F.: Prof. Z.
legt es mir als lächerliche Naive tat aus, dass ich sagte: „Wir
wissen, wie wenig Bernard den an ihn geknüpften Erwartungen (La-
bitte's) entsprach." Ich konstatiere wieder, dass der unterstrichene
Ausdruck bei mir nicht zu finden ist, sondern nur (p. 83 Rep.): „Selt-
sam ist es etc.". F. erklärt nun, mit obigen Worten („Wir wissen,
wie wenig" etc.) etwas Tadelndes zu sagen, sei ihm wahrlich nicht
beigekommen ; er habe nur die dürre Thatsache konstatiert, dass La-
bitte sich solchen Erwartungen hingegeben habe. Ich nehme gerne
Akt von dieser Erklärung meines geehiten Gegners : nur hätte er dann,
um jeden Zweifel auszuschliessen, sagen sollen: Wir wissen, wie wenig
B. solchen Erwartungen entsprechen konnte. Ich glaubte um so
mehr eine tadelnde Absicht vermuten zu dürfen, als F. beifügt: „Er
empfahl vielmehr gegen die M^nipp^e das Pamphlet: du MaUieustre
(vielmehr: Maheutre) et du Manant". Als Historiker konnte eben
B. den so betitelten, höchstinteressanten Dialog (1) mit Recht der
M^nipp^e gegenüberstellen. — P. 210 und 211 sagt F.: „Dass Labitte
u. 8. w. Bernard wirklich „abfertigten", davon kann sich jeder über-
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Miscellen. 103
That die Richtigkeit des 10. Februar als erwiesen betrachtet. Ich
frage jeden unbefangenen Leser des Fränkischen W o r tl a ui; e s , ob meine
Auslegung desselben nicht wenigstens entschuldbar ist. Ich habe ge-
wiss meinem Gegner seine Diktion nicht vorzuschreiben, aber ich
wenigstens h'ätte, um blos zu beweisen dass die M^nipp^e mit ihrem
10. Februar nicht isoliert dasteht, einfach gesagt : Auch Chiverny be-
richtet, die Stände hätten am 10. Februar ihre Sitzungen begonnen.
— Doch, so sehr auch der Wortlaut entgegensteht, die Versicherung meines
Herrn Gegners nötigt mich, meinerseits ein Missverständnis anzu-
nehmen : was ist aber dadurch für ihn gewonnen ? F. will gezeigt
haben, dass der 10. Februar in der Mönippäe irgend einen that säch-
lichen Hintergrund haben müsse. Ein thatsächlicher Hintergrund
kann nur im einer Thatsache bestehen; als solche Thatsachen
scheinen mir hier nur möglich: 1) entweder war der 10. Febr. wirk-
lich der Eröffnungstag, 2) oder es wurde am 10. Februar wenigstens
eine Sitzung gehalten, die aus irgend einem Grunde von der M^n. und
von Chiverny al& die erste angesehen worden ist; oder endlich 3) die
M^nipp^e hat ihre irrtümliche Angabe Chiverny's Werk entnommen. Das
erste stellt F. selbst entschieden in Abrede. Die Nichtwirklichkeit des
zweiten wird er auch ohne weiteres zugeben ; damit zerfällt aber auch
die Möglichkeit der Annahme, „dass die Stände vor dem 10. Februar
so fragmentarisch versammelt waren, dass die vor diesem Tage statt-
gefundenen Sitzungen von den Mdnipp^eautoren sowie von Chiverny
nnd auch anderen (wem?) als nicht zählend angesehen wurden".
Gewiss waren die Deputierten anfangs nur spärlich versammelt : aber
als Motiv für die Ansetzung des 10. Februar als Eröffnungstages ist
dies nur verständlich, wenn an diesem Tage überhaupt eine Sitzung
stattfand. Das dritte verwirft F. ebenfalls und mit Recht ; die Chro-
nologie macht eine solche Annahme schlechterdings unmöglich. Mit
dem thatsächlichen Hintergrund ist's also nichts. — Doch vielleicht ist
der that sächliche Hintergrund bei F. nicht so wörtlich zunehmen;
wenigstens begnügt er sich schliesslich damit „wenn nunmehr die Md-
nippä^e mit ihrem 10. Februar nicht isoliert dasteht". Aber was ist
damit gewonnen? muss ich wieder fragen: für die M^nipp^e einzig und
allein der Trost : Dulce est socium habuisse — erroris. — Prof. F. meint,
durch seinen Fund bei Chiverny alle 'Vermutungen überflüssig gemacht
zu haben. Ich würde dies begreifen — wenn auch natürlich, der Masse
der entgegenstehenden Zeugnisse gegenüber, nicht billigen — , wenn F.
meinte, den 10. Februar als einzig richtiges Datum gefunden zu haben;
da er aber mit Entschiedenheit für den 26. Jänner eintritt, da er nicht
bestreitet, dass am 10. Februar gar keine Sitzung stattgefunden, da er
bezüglich dieses unrichtigen Datums jeden gegenseitigen ursächlichen
Zusammenhang zwischen der M^n. und Chiv. zurückweist, so ist mir
ganz unfassbar, über welchen Punkt F. eigentlich alle Vermutungen
überflüssig gemacht haben will. Für ihn müssen jetzt die Vermutun-
gen erst recht angehen ; denn nun erheben sich unabweisbar die
Fragen : Indem historisch feststeht, dass der 10. Febr, als Eröffnungs-
tag vollständig aus der Luft gegriffen ist, wie kommt die M^nippie,
wie kommt Chiverny gerade dazu, diesen Tag anzusetzen? ist ihre falsche
Angabe auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen und auf welche?
Offenbar trägt die Stelle bei Chiverny zur Lösung dieser Fragen nicht
das geringste bei, ruft sie vielmehr erst recht hervor — und ich
wiederhole es, eine Lösung im Sinne meines Gegners, eine Rechtferti-
gung des 10. Februar auf historischem Boden ist nie und nimmer zu
erwarten. Wir bleiben vielmehr nach wie vor behufs Erklärung des
Mkcellen. 105
vage, durch kein einziges stichhaltiges, unanfechtbares Argument ge-
stützte Überlieferung festzuhalten, die sich nun einmal in ihm als un-
erschütterliche Lieblingsansicht krystallisiert hat. Dagegen ist mit
Beweisgründen nicht mehr viel auszurichten; es genüge daher die Er-
kVärung : d'Aubignä zeugt auf ganz klare und unzweideutige Weise für
einen Verfasser ; dies glaube ich in meinen beiden vorausgehenden
Artikeln über den Gegenstand bewiesen zu haben; es bedarf einer
willkürlichen uud gewaltthätigen Interpretation, um aus seinen Worten
das Gegenteil von dem herauszubringen, was ihr Wortlaut besagt.
F. stellt d'Aubignd kein einziges gleichwertiges Zeugnis entgegen,
sondern legt sich seine Worte zurecht zu Gunsten der von ihm als
gewiss angenommenen Mehrheit der Autoren, die doch, wie F. selbst
(Progr. p. 7) zugibt, nichts weniger als feststeht. — Die kritischen
Bedenken Fraukes gegen d'Aubignd sind unbegründet. Wenn d'Aubignd
an einer Stelle sagt : ce linre atribtie ä plusieurs soriii veritäblemeni d'un
petit Aumosnier und an einer andern Eapin einen Anteil zuschreibt,
so ist zu erwidern: Die Stelle, wo Rapin erw'ahnt wird, ist der Reihen-
folge nach die. erste jener Stellen des Werkes (zum J. 1591), an denen
vom Catholicon die Rede ist; wenn daher zum J. 1593 Rapins nicht
noch einmal gedacht wird, so ist selbstverständlich die Stelle ce
livre etc. mit Bezug auf die frühere z. J. 1591 zu interpretieren und
kann insofern „nicht so unbedingt jeden Mitarbeiter ausschliessen" :
aber auch nichts weiter !
Auch zwischen „atribuä ä plusieurs" und „Rapin ä qui on l'avait
atribud" kann kein Widerspruch erkannt werden : es konnten ja wirk-
lich zuerst Rapin und dann nach und nach andere Namen einzeln oder
zusammen mit der Autorschaft in Verbindung gebracht worden sein;
oder d'Aubignö wollte eben Rapin, da er wirklich wenigstens einiges
7Aim Ganzen der Mdnippee beigetragen, vor den übrigen fälschlich als
Verfasser bezeichneten hervorheben. Die „chronologische Verschie-
bung^' erklärt sich sehr einfach dadurch, dass der Verfasser als Ein-
leitung zum Jahre 1591 überhaupt eine antizipierende Übersicht über
die Ereignisse der nächsten Jahre gibt; wer die Erwähnung der M^n.
unter 1591 „nicht ganz unbedenklich" findet, muss auch die in dem-
selben Context vorkommende Erwähnung der liguistischen Stände
(„La dessus commencent les Estats") bedenklich finden. Die Stelle
aus Read beweist nur, dass dieser schon vorher d'Aubign^ 'ebenso miss-
deutete wie jetzt Frank. — P. 214 („Duplik" etc.) schreibt F. mit ge-
sperrter Schrift: „Auch die Annahme, die Worte d'Aubignd's können
sich auf das Catholicon im engeren Sinne (also den Teil bis zu den
Reden) beziehen, ist nicht unmöglich, wie Zv. will, denn auch dieser
Teil enthält schon Verse". Diese ziemlich späte Entdeckung meines
Gegners ist eine entschieden verunglückte. Nichts berechtigt dazu,
unter „Catholicon im engeren Sinne" den Teil bis zu den Reden zu
verstehen. Ein Blick in eine M^nipp^e-Ausgabe belehrt uns, dass nur
das die Anpreisung des „Catholicon" genannten Universalmittels ent-
haltende Stück „La Vertu du Catholicon" heisst, während die anderen
Fragmente bis zu den Reden eigene Überschriften tragen. So finde
ich in der Regensburger Ausgabe von 1709 als Vorläufer der Reden
folgende Abteilungen: La Vertu du Catholicon^ pag. 1 — 10; Ahhrege de
La farce des Estats de la Ligne (worin die Prozession), pag. 11 — 15;
Les pieces de Tapisseries dont la sale des Estats fut tendtufj pag. 15 — 20;
L' Ordre tenu ponr les Seances, pag. 27 — 31. Die ersten Verse stehen
auf pag. 19 in der dritten Abteilung. Ich habe nirgends einen Beleg
dafür gefunden, dass die Bezeichnung „Catholicon" im engeren Sinne
106 Miscdlen.
auf alles bis zu den Reden ausgedehnt worden sei; alle Gewährsmänner
stimmen darin überein, unter „Vertu du Catholicon" nur das erste
Stück zu begreifen, während „Abbreg^" der Separattitel alles folgenden
war und daher M^nipp^e sofort nach „Vertu du Catholicon" steht. Es
ist daher auch durchaus unwahrscheinlich, dass d'Aubign^, vom allge-
meinen Gebrauche abweichend, unter Catholicon alle Teile der Man.
bis auf die Reden verstanden habe, und insofern „Vertu du Catholicon"
identisch ist mit der von Leber beschriebenen „tr^s mince brochure",
erscheint die Annahme, diese enthalte Verse, ganz unhaltbar ; denn
nach Leber's Beschreibung (Catalogue II, 238) umfasst dieses Heftchen
eben nur die später allen vollständigen Ausgaben unter dem alten
Titel „Vertu du Catholicon" vorgedruckte parodistische Szene, und
wenn ich Leber recht verstehe, nicht einmal die Prozession, von Versen
ist gar keine Rede (2).
Ober de Thou habe ich nichts mehr zu sagen ; wenn Herr Frank
metne Deutung nicht annehmbar findet, so muss ich mir das eben ge-
fallen lassen. Mag er aber auch einen noch so grossen Widerspruch
zwischen d'Aubign? und de Thou herausfinden, für die von ihm ver-
teidigte Pluralität von Autoren kann er sich nie und nimmer auf de
Thou berufen: denn ein „succedens alius" wird durch keine Aus-
legungskunst zu „succedentes alii". — Dass aus den im „deuxieme ad-
vis de rimprimeur" beklagten unberechtigten Zuthaten nichts für die
Annahme einer Mehrheit von Verfassern sich ergebe, gibt jetzt F.
unter Umschreibungen selbst zu, wenn er aber meint: „Auch der von
mir vermutete Zusammenhang des „argument" im 2ieme advis und des
„argumentum" bei de Thou scheint mir mit nichten widerlegt; ohne
auch nur den leisesten Versuch zu machen, meine Gegenbemerkungen
zu entkräften, so überhebt mich eben dieses beredte Schweigen jedes
weiteren Wortes über diesen Punkt.
In Bezug auf Vigneul-Marville schreibt jetzt H. Frank: „Setzen
wir den Fall, derselbe habe (wie dies durch Professor Zvöfina's Aus-
einandersetzungen allerdings sehr wahrscheinlich (3) geworden ist) von
der Existenz eines von Leroy allein verfasaten texte primitif keine
Ahnung gehabt, so wird dies doch nicht beweisen können, dass ein
solcher thatsächlich nicht vorhanden war, da uns ja der von Ch. Read
aufgefundene erste Entwurf, wenn wir denselben nicht als Fälschung
hinstellen, vom Gegenteile überzeugt". Dass doch mein geehrter
Gegner bei mir so oft Dinge liest, die ich nicht sage! Ich habe mit
keinem Worte die Echtheit des Read'schen texte pr. angezweifelt, son-
dern mich einzig und allein mit dem Nachweise befasst, dass F. seine
Ansicht über die successive Abfassung und Veröffentlichung der Mön.
mit der Darstellung Vigneul-Marville 's unmöglich in Einklang bringen
kann. Es findet sich auch in meiner Auseinandersetzung kein Wort,
mit welchem ich in „unerlaubter eklektischer Weise" gerade nur das
für glaubwürdig finde, was zu Gunsten meiner Behauptungen spricht:
ich muss daher die bezügliche leise Mahnung (Dupl., p. 215) dankend
ablehnen. — F. hält mir aus dem Briefe Villeroy's vom 1. Aug. 1599
die Worte entgegen: „. . . ce censeur (Leroy) et ses compagnons (car
on dit que plusieurs ont mis la main ä ce bei oeuvre)" und meint
elegisch: „Wenn das alles nichts beweist, so fürchten wir, überhaupt
nichts beweisen zu können". Gewiss: durch ein on dit lasse ich mir
nichts beweisen.
Die Worte : „Sich stets, wo der Wortlaut der Quellen klar für
die Mehrheit der Autoren spricht, hinter die Tischgesellschaft bei
Gillot zurückzuziehen, scheint uns wirklich mehr wolfeil als glücklich
Miscellen. 107
gewählt", konnte F. nur niederschreiben, weil er eben auf das punctum
saliens meiner ganzen Argumentation nicht eingehen wollte. Für mich
ist d^Aubign^ das Alpha und Omega der Beweisführung (4): er vin-
diziert in energischer, klarer und bestimmter, keineswegs wie F. will,
in ungenauer and mehrdeutiger Weise, die Verfasserschaft der M^n.
dem „aumosnier du Cardinal de Bourbon", er erwähnt die Meinung
von der Mehrheit von Verfassern und bezeichnet sie ausdrücklich als
unrichtig. Lässt man nun dem Zeugnis d'Aubign^'s sein verdientes
Recht widerfahren, so können die vagen Angaben anderer (Chiverny's,
Le Grains, Villeroy's) über eine Mehrheit von Autoren (4) nur als Be-
stätigung der von d^Aubignd berichteten Thatsache dienen, dass viele
— fälschlich — eine solche Mehrheit annahmen, keineswegs aber ein
Beweis gegen d'Aubign^ für die Richtigkeit dieser Annahme sein. F.
stellt aber die Sache auf den Kopf: er nimmt die Mehrheit als be-
wiesen an und sucht nun mit dieser Annahme d'Aubign^ wol oder übel
in Einklang zu bringen. Natürlich steht es nach F. auch in vollster
Harmonie miteinander, wenn ein Schriftsteller an einer Stelle das
Gegenteil von dem an einer anderen Stelle desselben Werkes gesagten
angibt: man darf ihm beileibe nicht Gedankenlosigkeit und Vergess-
lichkeit zumuten, das wäre „willkürlich" ; was ist es aber dann, wenn
man jedes noch so unzweideutige Zeugnis für Leroy als alleinigen
Verfasser auf den texte primitii beschränkt? — Die von Read auf
einem Mc^nippde-Exemplare der Arsenalbibliothek gefundene Aufzeich-
nung („L'autheur ou au moins . . ."), fällt jedenfalls nach 1627, be-
weist also gar nichts. — Auf meine Bemerkungen in den Nebenfragen
der Untersuchung (successives Erscheinen, Titel, falsches Datum) geht
F. nicht näher ein, ich halte es daher ebenfalls für überflüssig, mich
weiter damit zu befassen. Mit Poirson ist F. insofern in Widerspruch,
als dieser von einem Gesamtentwurf Leroy's (texte pr.) ebensowenig
etwas weiss als Vigneul-Marville. — Die Stelle im „deuxieme advis",
über die „copies imparfaictes et barbouill^es" wäre im Zusammenhalt
mit der folgenden über den „libraire" geradezu sinnlos, wenn unter
„copies" Druckexemplare zu verstehen wären. Wie „le reste" für
letztere Auffassung sprechen soll, verstehe ich nicht.
Anmerkungen.
1) Ich gedenke, diese wichtige piece ßcstificative zu neuem Ab-
druck zu befördern.
2) Damit ist nicht in Abrede gestellt, dass die Prozession und
die „Tapisseries" nicht bald nach dem Drucke der „Vertu du Catho-
licon" eine handschriftliche Verbreitung fanden; aber von der „tr^s
mince brochure" sind sie auszuschliessen.
3) Vielmehr unwiderleglich gewiss; die Worte Vigneul-Marvilles
sind ganz und gar nicht misszuverstehen.
4) De Thou kommt in zweiter Linie und hauptsächlich insofern
in Betracht, als zu zeigen ist, dass seine Worte in keinem unlösbaren
Widerspruche zu d'Aubignd stehen, was schon daraus hervorgeht, dass
er ebenso wie d'Aubignö nur von einem Mitarbeiter Leroy's weiss.
F. ZvfiiiiNA.
Verzeichnis
der
während des letzten Halbjahres (vom 1. November 1883 bis
30. April 1884) auf dem G-ebiete der französischen Philologie
erschienenen wichtigeren Bücher und Schriften.'^)
I. Methodologie.
G. Körting^ Encyklop'ädie und Methodologie der romanischen Philolo-
gie mit besonderer Berücksichtigung des Französischen und Italie-
nischen. I. Teil. Heilbronn, Henninger. XVI, 244 S. 8^. M. 4. t
Wie studiert man neuere Philologie und Germanistik? Von einem
älteren Fachgenossen. Leipzig. Rossberg. M. 0,80. 2
H. Breymann, Über Lautphysiologie und deren Bedeutung für den
Unterricht. München a. Leipzig. Oldenbourg. 8". M. 1. 3
F. Franke, Die praktische Spracherlernung auf Grund der Physiologie
der Sprache dargestellt. Heilbronn. Henninger. 8^. 40. 4
0. ülbrwh, Über die franz. Lektüre an Realgymnasien, gr. 8. 30 S.
Berlin. Gärtner. M. 1. 5
U. Grammatik.
Orihographia gdllica. Ältester Traktat über französ. Aussprache und
Orthographie, herausg. von J. Stürzinger. Heilbronn. Henninger
(Bd. VIII. der altfranz. Bibl.) 6a
Fr. Brinkmann, Syntax des Französischen und Englischen in verglei-
chender Darstellung. Erster Band. XVII, 528 S. 8". Braunschweig.
Vieweg. 6 h
J. H. HarrisoUy French Syntax. A critical Study of the French Lan-
*) Derartige Verzeichnisse beabsichtigen wir von jetzt ab regel-
mässig zu bringen. Bibliographische Vollständigkeit erstreben wir
nicht, verweisen vielmehr in dieser Beziehung auf Ehering\ „Biblio-
graph. Anzeiger f. roman. Sprachen und Litteraturen" (Leipzig, Twiet-
meyer, bis jetzt sind — seit Herbst 1883 — fünf Hefte erschienen).
Unser Zweck ist lediglich, diejenigen unserer Leser, denen bibliogra-
phische Hilfsmittel nicht oder doch nicht bequem zur Verfügung stehen,
auf die wichtigeren Novitäten unseres Faches aufmerksam zu machen.
Z>. Red.
Novitätenverzeichnis. 109
guage ön the Basis of Mätzner. Philadelphia. Patter and Co.
XXVI, 678 S. 7
E. Höpfner, Die Wortstellung bei Alain Chartier und Geraon. Disser-
tation. Leipzig. 8**. 66 S. 8
Karl Knösel^ Das altfranz. Zahlwort. 8". 69 S. Erlangen. Deichert.
M. 1,50. 9
T. Haas, Die Plurale der Abstracta im Französischen. Ein Beitrag
zur histor. Syntax. 8**. 83 S. Erlangen. Deichert. iO
Fr. d'Hargues^ Lehrbuch der franz. Sprache. Unterstufe. 2. rev. Aufl.
Berlin. Oehmigke. 8<>. XII, 190 S. geb. M. 1,20. 11
H. Isaac, Lernbuch für die französischen unregelmässigen Verba (sie!).
Berlin 1884. Friedberg und Mode. 46 S. 8". M. 0,30. 12
J. P. Magnin und A. Dittmann, Praktischer Lehrgang zur Erlernung
der franz. Spr.iche für Bürger-, Real- und Töchterschulen I. Abt.
Regelmässige Formenlehre. 6. verb. Aufl. Wiesbaden. M. Bisch-
kopff. 8»». VI, ^82. M. 1. U3
A. Schies^ Leitfaden z im Anschauungsunterrichte im Französ. Einprä-
gen eines Wortschatzes, welcher im Vorstellungskreise der Kinder
Hegt. Freiburg i. iS. Herder. M. 0,30. 14
Ph. IHattner, Elementarbuch der franz. Sprache. Karlsruhe. J. Biele-
feld. VIII, 224. M. 1,25. 15
K. Ptoeiz, Methodisches Lehr- und Übungsbuch zur Erlernung der
franz. Sprache. T. I. Aussprache und Wortlehre. 2. Aufl. Ber-
lin, Herbig. M. 1, 30. 16
R. Sonnenhurg, Grammatisches Übungsbuch der französischen Sprache.
Methodische Anleitung zur Einübung der syntakt. Regeln. Mit
deutsch -franz. Mustersätzen und einem vollständigen Wörterbuch.
Berlin. Springer. 8®. X, 223. M. 2. 17
A. Kressnei\ Aufsätze technischen und historischen Inhalts zum Über-
setzen aus dem Deutschen ins Französische. Für die oberen Klas-
sen höherer Lehranstalten zusammengestellt. Baden-Baden. 0.
Sommermeyer. M. 1,20. 18
m. Lexikologie.
H. A. Binnann, Grand dictionnaire fran^ais-allemand et allemand-
francais, compos^ sur uu plan nouveau d'apr^s les dictionnaires
de 1 Acad^mie, de Bescherelle et de Litträ, avec la prononciation
dans les deux langues, accompagn^ d'un tableau des verbs forts
et irr^guliers simples. Paris, Garnier freres. 8® ä 3 col. X, 1160. 19
A. Feis^ Das Wörterbuch der franz. Akademie. I. Die erste Ausgabe
des Wörterbaches der franz. Akademie, gr. 4. 26 S. Hamburg.
Nolte. M. 1,50. 20
K. Erhe und P. Fernia', Mentor. Vergleichende Wortkunde der lat.
und franz. Sprache. Ein Hilfsmittel zur Erleichterung der Erler-
nung des Französ. und zur Befestigung in der Kenntnis des Lat.
Für Gymnasien und den Selbstunterricht bearbeitet. Stuttgart.
Neff. 8«. IV, 316. geb. M. 1,50. 21
A. L. Penel-Beaufin, Orthographe de mots divers d'aprös le diction-
naire de l'Acad^mie, avec les modifications de la derniere ^dit.
(1878). 2« ^dit., corrigäe et augmentäe. Paris, Ganguet. 12**. 34. 22
Edgren, Quelques observations sur T^löment roman de Vanglais, con-
sidör^ dans ses rapports au fran9ais moderne. Lunds üniv. Ars-
skrift. XIX. 4°. 40 S. 23
110 Novitäten verzetcltnis.
K. Pioetz, Voyage ä Paris. Sprachführer für Deutsche in Frankreich.
Praktisches Handbuch der französischen Umgangssprache. 9. verb.
Aufl. BerUn. Herbig. 12«. VI, 122. M. 1 (geb. 1,40). 24
Ferd. Leiffkoldt, Etymologische Figuren im Romanischen, nebst einem
Anhang: Wiederholungen, betr. Steigerung und Erweiterung eines
Begriffes. S*». VII, 96 S. Erlangen. Deichert. 24 a
H, Lehmann, Der Bedeutungswandel im Französischen. 8^ VII, 130 S.
Erlangen. Deichert. 24h
IV. Litteratargeschichte.
C. Auhertin^ Histoire de la langue et de la litt^rature fran9aise au
moyen-äge, d'aprös les travaux les plus räcents. 2^ Edition. 2 vols.
Paris, Belin. 25
V. Beränek^ Martin Opitz in seinem Verhältnis zu Scaliger und Ron-
sard. Programm der Staats - Oberrealschule im III. Bez. in Wien.
28 S. 26
J. ten Brink, nieuwe romans. Alphonse Daudet. George Ebers. Emile
Zola. H. J. Schimmel. Ferdinand Fahre. Haarlem, H. D. Tjeenk
WiUink. 8°. 1,40 fr. 27
C. Janin, Traditions populaires de la Cöte-d'Or. Paris, Lechevalier.
8<^. 56 S. Fr. 2,50. 28
E. Deschanel^ Le Romantisme des classiques. 2« s^rie. Racine. 2 vol.
Paris, Lävy. Fr. 7. 29
Pr, Despine^ La Science du Coeur humain ou la Psychologie des senti-
ments et des passions d'apr^s les (Euvres de Moli^re. Paris,
F. Savy. 8°. 136. 30
L. Despres, L'Evolution naturaliste. Paris, Tresse. 31
R. Fage, Moli^re et les Limousins. Limoges, Ve Ducourtieux. 42 S.
8". 32
E. Faguet, Essai sur la trag^die fran9ai8e au XVI^ siecle 1550—1600.
Th^se. 33
F, Feriiault, Histoire d'un chant populaire bourguignon. Mäcon.
36 S. 12. 34
Ch. Joret^ Des rapports intellectuels et littöraires de la France avec
TAUemagne avant 1789. Paris, Hachette. 8°. 46. 35
Buetj Litterarische fantasien en kritieken. Oude romans. Jean-Jaques
Rousseau. Goethe. Elizabeth Wolff. Bernardin de Saint -Pierre.
Haarlem, WiUink. 8<^. 4 zu 274. FL 1,40. 36
F. Lotheissen , Geschichte der französ. Litteratur im XVH. Jahrhundert.
4 Bde. Wien, Gerold's Sohn. 8<^. IH, 390. '9 M. 37
G. Merlei, Tableau de la litt^rature fran9aise (1800—15). 2« et 3^ parties.
Paris, Hachette. 8°. Frs. 15. 38
E. Monlegui^ Nos Morts contemporains. Paris, Hachette. (Handelt von
Bäranger, Ch. Nodier, A. de Musset und A. de Vigny.) 39
0. Richter^ Die französische Litteratur am Hofe der Herzöge von Bur-
gund. Hallenser Dissertation. 8®. 46. 40
J. E. Roy^ Racine, sa vie intime et sa correspondance avec son fils.
3e ädit. Lille, Paris, Lefort. 12«. 144 S. 41
J. Sarrazin^ Das französ. Drama in unserem Jahrh. Vortrag. Berlin.
1883. 8^ 40 S. M. 0,80. (Sammlung wissenschaftlicher Vorträge.
Heft 429.) 42
H. M. Schütterer^ Geschichte der Spielmannszunft in Frankreich und
der Pariser Geigerkönige. Studien zur Geschichte der franz. Mu-
sik, n. Berlin, Damköhler. 8<». M. 4,50, 43
Noviiätenverzeich7ns. 111
E. Riiier von Stauber, Les Romanciers de TEmpire et de la Restaura-
tion. Premiere partie. Progr. der Staats -Oberrealschule in Lai-
bach. 28. 44
P. Se'billot, Gargantua dans les traditions populaires. Paris, Maison-
neuve. Frs. 7,50. 45
Stern, Geschichte der neueren Litteratur. Von der Frührenaissance
bis auf die Gegenwart. Erscheint in 25 Lieferungen ä M. 0,50.
Leipzig, Bibliograph. Institut. 46
StosZj Le Sage als Vorkämpfer der Atomistik. Dissertation. Halle.
8^ 60. 47
F. H. Weddigen, Lord Byrons Einfluss auf die europäischen Litteraturen
der Neuzeit. Ein Beitrag zur allgemeinen Litteraturgeschichte.
Hannover, Weichelt. XV, 132 S. 8. M. 2. 45
V. Ausgaben und GhrestomatlLien.
Barthelemy, Voyage du jeune Anacharsis en Grece. Im Auszuge. Er-
klärt von W. Kühne. 1. Bändchen. Berlin, Weidmann. M. 1,80. 49
Bossuet, Oraisons fun^bres de Bossuet. Nouvelle Edition, collationnde
sur le texte de T^dition de 1699, accompagn^e de notices, de notes
et d'extraits des auteurs contemporains, pr^cddäe d'une biographie,
d'un aper9u sur Thistoire de Toraison funebre et d'une ^tude nou-
velle sur les oraisons funäbres de Bossuet, par Albert Cahen.
Paris, lib. P. Dupont. In- 12, LXXXIV, 407 p. Fr. 2,25. 50
— , Oraisons funebres de Bossuet. Publikes avec une introduction
et des notes historiques et bibliographiques, par Armand Gast^.
Paris, Libr. des bibliophiles. In- 16, XXXIII, 312 p. fr. 3. 51
Deschamps, Les (Euvres d'Eustache Deschamps. T. III. p. p. le mar-
quis de Queu St.-Hilaire. Paris, A.-F. Didot. Sociötä des anciens
textes francais. 52
Destouches, Le Glorieux, comödie en cinq actes. Avec une pr^face par
Georges d'Heylli. In- 12, XVI, 147 p. Paris, Libr. des bibliophi-
les. Fr. 4. 53
L' Heplameron, des nouvelles de la Reine de Navarre, Edition rdimpri-
möe d'apr^s celle de Claude Gruget (1559). Notice par Benjamin
Pifteau. 3 vols. Col. el^^virienne ä 1 franc. Paris, Delarue. 54
La Fontaine et Champmesle, La coupe enchant^e, comddie en un acte.
Pr^face par Georges d'Heylli, et un appendice contenant les ori-
gines de la piece. In- 12, XX, 116 p. Paris, Libr. des biblio-
philes. Fr. 3,50. 55
La Foniame, 30 fahles. Für die Mittelklassen höherer Schulanstalten
ausgewählt, bearbeitet und erläutert von H. A. Werner. Berlin,
Springer. M. 1,20. 56
A. Kressner, Ausgewählte französische Kanzelreden (Bossuet, Fl^chier,
Massillon), Leipzig, Renger. VIII, 95 S. 8<^. M. 1. 57
Z«»/r<?y, Campagne de 1806—1807. Erklärt von Dr. J. Sarrazin.
Leipzig, Renger. M. 1,50. 58
Michaud, Moeurs et coutumes des croisades. Für den Schulgebrauch
erklärt von F. Hummel. Leipzig, Renger. M. 1,25. 59
Moliere, Le Bourgeois gentilhomme, comädie -ballet. Texte revu sur
l'^dition originale (1671) avec une introduction, les notes les plus
importantes des pr^c^dents commentateurs et de nouvelles notes
historiques, grammaticales et litt^raires, par Armand Gastd. In-12,
152 p. avec Vignette et musique. Paris, lib. Ve Belin et fils. 60
Kavier de Maistre, Prascovie ou la jeune Sibörienne. Mit Anmerkun-
112 iVö vitätenverzeichnis.
gen herauRgegeben von Dr. A. Lundehn. Berlin, Friedberg und
Mode. 112 S. 8<*. Wörterbuch 25 S. Gl
Peius Poetes du XVIIJe siecle. Po^sies de Gentil Bernard. Paris.
Quantin. XX, 352 S. 8. Fr. 10. 62
P. de Saint -Victor, Les deux masques; trag^die-comddie. 2^ s^rie. Les
modernes. T. III. Shakespeare. Le th^ätre fran^ais depuis les
origines jusqu'a Beaumarchais. Paris, L^vy. Fr. 7,50. 63
Villon, CEuvres completes de Francois Villon; suivies d'un livre de
po^sies attribu^es ä Villon. Edition accompagn^e d'une pröface
d'un glossaire et de notes par M. Theophile Gautier. Un vol. in-
18 j^sus. Paris, Charpentier. Fr. 3,50. 64
A. Tohler, Vom französischen Versbau alter und neuer Zeit. Zweite
Auflage. Leipzig, Hirzel. 1883. VII, 149 S. 8**. 64a
K. Bartsch, Chrestomathie de Tancien fran9ais [VVIIe — XV« si^cles].
Accompagnee d'une grammaire et d'un glossaire. 5. dd. corr. et
augm. Leipzig, Vogel. 8**. VIII, 748 .Sp. M. 10. 65a
W. Foerster und E. Koschrvitz, Altfranz. Übungsbuch. Heft I. Heil-
bronn. Henninger. M. 3. 65h
K. Ploeiz, Lectures choisies. Französische Chrestomathie mit Wörter-
buch. 21. Aufl. Berlin, Herbig. M. 2. 66
L. Hetrig, La France litt^raire. 35ieme Edition. Braunschweig, Wester-
mann. M. 4,50. 67
Ä. de La Fontaine, Mosa'ique fran9aise ou extraits des ^osateurs et
des poetes fran9ai8 ä l'usage des AUemands. Avec de nombreuses
notes explicatives et un vocabulaire. 5^ ^d. Berlin, Langenscheidt.
8**. VIII, 278. M. 2. 68
Lüdecking^ Französisches Lesebuch. II. Teil, für obere Klassen. 8. Aufl.
Leipzig. M. 3. 69
VI. Metrik.
Max Banner, Über den regelmässigen Wechsel männlicher und weib-
licher Reime in der altfranzösischen Dichtung. Marburg, Elwert.
Abhandl. und Ausgaben XIV. 51 S. 8<». 70
L, Mainard; Trait^ de versification fran9aise. Paris , Lemere. 16.
Fr. 2. , 71
Georg Otten, Über die Cäsur im Altfranzösischen. I. Dissertation.
Greifswald, Abel. 8^ 25. 72
P. Herson, fitude sur la m^trique naturelle du langage. Avec une
pr^face de M. G. Paris. Paris, Vieweg. Biblioth^que de l'Ecole
des hautes ^tudes. 56. 73
0. Reissert, Die syntaktische Behandlung des zehnsilbigen Verses im
Alexius- und Bolandsliede (Stengel, Abhandl. und Ausgaben VIII).
Marburg, Elwert. VIII, 100 S. M. 2, 40. 74
Referate und Rezensionen.
' Mahreilholtz, Voltaire im Urteil der Zeitgenossen. Op-
peln, Eugen Franek*s Buchhandlung (Georg Maske), 1883.
96 Seiten. Preis 3 Mk.
Das Buch bietet eigentlich mehr, als es verspricht, und gibt
] anschauliches und fesselndes Bild des litterarischen Lebens im
'.iirhundert Voltaire's. Wir sehen wieder einmal aus dem reichen
.halte dieses Buches, wie sehr der Patriarch von Ferney den Mittel-
■inkt des litterarischen Interesses bildete.
Die Urteile der Gesinnungsgenossen Voltaire's, der anderen
litglieder der „Acadömie de Berlin" sowohl, als des Redakteurs
tor Correspondance litteraire (Grimm), gelten mehr dem Menschen
ils dem Schrittsteller. Daher ist auch in Friedrich des Grossen
Korrespondenz mit den beiderseitigen Freunden die Meinung über
Voltaire dem Schriftsteller wenig günstig. Dieses Verhältnis war
f'ben auf gegenseitige Berechnung gegründet.
Was die Jesuiten- und Theologenclique gegen Voltau'e schrieb,
ist heute glücklich vergessen, und von den obskuren Litteraten,
welche dem Philosophen so viele Unannehmlichkeiten brachten, ist
höchstens noch der Verfasser der Voltairomanie, der Jesuit Des-
fontaines. heute bekannt. Mahrenholtz hat aber keine Mühe ge-
scheut, zahlreiche der bitterbösen Pamphlete dieser frommen Sippe
durchzuackern und sogar das Kunststück fertig gebracht, durch den
Wust von Fröron's bändereicher Zeitschrift sich hindurchzuwinden.
Vielleicht ist es dieser unheimlichen Arbeit zuzuschreiben, wenn
der arme Piron „qui ne fut rien, pas mßme acadömicien" etwas
schlimm wegkommt. — Dass Montesquieu und besonders Jean-
Jacques Rousseau im strikten Gegensatz zu dem geistvollen und
feinkultivierten Philosophen standen, liegt in ihrer ganz anders ge-
arteten Anlage.
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VR 3
114 Referate wul Rezensiotien. W. Scheffler,
Bei dieser vielseitigen Antipathie, die wohl zum Teil auch
auf Voltaire's Feigheit und ewiger Pseudonymität beruhen mag, ist
das günstige Ergebnis der Snbscription für die bei Lebzeiten Vol-
taire^s errichtete Statue auffallend. Mahrenholtz zeigt, dass dieselbe
keineswegs als Nationaldenkmal zu betrachten ist, und dass man
auf die im September 1 792 in engerem Kreise stattgefundene Apo-
theose noch weniger Gewicht zu legen hat Seine Gegner behaupte-
ten sich bis zuletzt.
Von den Beurteilern Voltaire^s im Ausland nimmt Lessing
unser Hauptinteresse in Anspruch. Es wäre vielleicht dankenswert
gewesen, wenn der Verf. Lessing's oft ungerechtfertigte Kritik der
Tragödien Voltaire*s ausführlicher behandelt hätte. Sallwürk's
Ausgaben der Dramen Voltaire's enthalten sehr feine Bemerkungen
hierüber, die dem fleissigen Forscher jedenfalls wohlbekannt sind.
Streng geht M. mit dem Plagiator Voltaire ins Gericht, der
noch ungenierter als Moliere das geistige Eigentum anderer aus-
plünderte. Sophokles, Shakespeare, Corneille, Racine, Boileau, alle
mussten Federn lassen. Doch ist von Plagiat im Sinne der Gegner,
wie Fröron und Konsorten, keine Bede. M. führt das Geschrei auf
das vernünftige Mass zurück. Mit einer Kritik der parUnetischen
Schriften über Voltaire schliesst die hochinteressante und gewandt
geschriebene Brochüre. Sie bildet eine willkommene Ergänzung zu den
Voltairestudien des nämlichen Verfassers und rückt die von ihm
in Aussicht gestellte wissenschaftliche Biographie Voltaire^s hoffentlich
immer näher. Die Befähigung des Moliere- und Voltaire-Forschers
Mahrenholtz für diese heikle Aufgabe steht wohl ausser Frage.
Jos. Sarkazin.
Geschichte der neueren Litteratur von Dr. A. Stern, ord.
Professor für Litteratur- und Kulturgeschichte am Königl.
Polytechnikum Dresden. 5 Bde. Leipzig. Bibliographi-
sches Listitut 1883.*)
m
In unserer Zeit der strengen Arbeitsteilung, welche auf geistigem
Gebiete oft in Besorgnis erregender Weise um sich greift, ist das
vorliegende Werk geradezu als eiu Ereignis zu betrachten. Wir
kennen ^ Allgemeine Litteratur- oder Kulturgeschichte" eigentlich
nur noch in ^ Einzeldarstelhingen ", wie das Schlagwort lautet; die
verschiedenen Teile werden tüchtigen „ Spezialisten " anvertraut,
*) Mit dem überaus günstigen Urteile, welches der verehrte Herr
Rezensent über obiges Werk ausgesprochen hat, können wir uns nicht
allenthalben einverstanden erklären, behalten uns vielmehr die Be-
gründung einer abweichenden Ansicht vor. D. Red.
A. Slern, Geschichte der neueren Litieraiur. 115
welche sie gemäss ihrer Individualität gestalten, — allein die „un-
erlässliche Einheit des Tones" fehlt. Das so entstandene Werk
bnngt wohl den Eindruck eines Mosaikbildes hervor, nicht aber den
eines Gemäldes, welches in allen Teilen von einer Kraft künst-
lerisch beherrscht wird.
Dieses so wünschenswerte Geschaffensein aus einem Guss ist
es, wodurch das Werk von Stern so wertvoll wird. Sicherlich gehört
eine Fülle von Eigenschaften dazu, um einer Aufgabe zu genügen,
wie Stern sie sich mit der Darstellung der gesamten Litteratur der
neueren Zeit gestellt hat. Zu der Befähigung, dichterische Grössen
zu beurteilen, gesellt sich die innige Vertrautheit mit seinem um-
fassenden Stoffe, sowie die Kraft, das Bleibende aus der Erscheinun-
gen Flucht festzuhalten und in lebensvollen Bildern zu gestalten.
Stem's Werk stellt sich zugleich als die reife Frucht jahrelanger,
ernster Arbeit dar; man fühlt es, nicht in der Brutwärme der
Studierstube allein ist dieses Werk herangereift, sondern die warme
Sonne des Lebens hat ihm geschienen, seine letzte Gestalt hat es
durch die Wechselbeziehungen zwischen Dozent und Hörer erhalten
und ist daher auch seiner Wirkung auf „die draussen Stehenden"
sicher.
Nicht einseitig hat der Verfasser die Litteratur- von der Kul-
turgeschichte losgelöst, sondern von Anbeginn dahin gestrebt, die
Beziehungen des Einzelnen zur Allgemeinheit und die Einwirkungen
des gesamten Lebens auf den Einzelnen zum Ausdruck zu bringen.
Wir erhalten sonach mit der Lebensgeschichte des Autors zugleich
die Geschichte seiner Zeit, die Schilderung des staatlichen, gesell-
schaftlichen und künstlerischen Lebens, aus welchem der Schriftsteller
erwächst, und in welches er seinerseits wiederum die Keime zu neuer
Entfaltung streut.
Während andere allgemeine Litteraturgeschichten eigentlich
nur in eine Reihe von Einzellitteraturen der verschiedenen Völker
zerfallen, hat Stern eine glückliche Neuerung in der Anordnung
seines Stoffes insofern getroffen, als er die durch eine gemeinsame
Idee beherrschten Litteraturepochen der verschiedenen Völker ähn-
lich den Gliedern einer Kette aneinanderreiht; so gleichen die
einzelnen Epochen einem Eundgemälde, welches wir von einem idealen
Standpunkte aus überschauen und an der Hand des kundigsten
Führers gemessen.
Bei der Besprechung der einzelnen Werke und ihrer Stellung
im Rahmen der Weltlitteratur, stützt unser Verfasser sein eigenes
Urteil, ohne dessen SelbsiÄndigkeit zu beeinträchtigen, auf Aussprüche
bedeutender Fachmänner. Wir lernen somit für das jeweilige Ge-
biet zugleich die für dasselbe grundlegenden Werke kennen. Wie
sehr übrigens Adolf Stern hierbei seinen eigenen Weg geht, zeigt
8*
116 Referate und Rezensionen. J. Klette ,
z. B. sein Urteil über Moliere. Dasselbe steht in vollem Gegen-
sätze zu demjenigen von Hettner, welcher in seiner berühmten Litte-
raturgeschichte bekanntlich dem dichterischen Repräsentanten der
französischen Nation die „sichere sittliche Fährte" abspricht. In
einzelnen Fällen, wo unser Verfasser zur Charakterisierung seines
Autors Proben nötig zu haben glaubt, sind dieselben nach den besten
deutscheu Übersetzungen gegeben. Wie reich wir Deutschen an
mustergiltigen Übertragungen und Nachdichtungen sind, ergibt sich
hiei'bei aus den reichen Litteraturnachweisen, welche Stern am Fusse
der Seiten als angenehme Zugabe aaiführt.
Zu der Tiefe der Auffassung, der lichtvollen Anordnung und
der anziehenden Charakteristik gesellt sich eine edle, von Begeiste-
rung getragene Sprache , welche auch da den richtigen Ton zu
treffen weiss, wo sie bedenkliche Seiten der Litteratur zu berühren
hat. Sicherlich haben wir es hier nicht mit dem ersten Guss zu
thun — denn der Autor weiss mit wenig viel zu sagen — , und
doch stehen wir unter dem Eindruck, als wäre diese Sprache „schlank
und leicht, wie aus dem Nichts gesprungen".
Bei seinem Streben nach Vervollkommnung wird es dem Ver-
fasser nur lieb sein, wenn wir sein Augenmerk auf einige spezielle
Punkte richten, — denn wer vermag ihm auf alle Gebiete zu folgen!
Ronsard scheint mir noch immer unter dem Urteil zu leiden,
welches Boileau in seiner „Art poetique" über ihn fällt: dass seine
Muse nicht französisch, sondern griechisch und lateinisch spreche.
Und doch hat Ronsard sehr im Gegensatz zu der zweiten Renais-
sance im XVII. Jahrhundert, welche einseitig in der Antike auf-
ging, den Versuch gemacht, auch in der Sprache das heimische
Element mit dem antiken zu verschmelzen; freilich ist der Versuch
nicht voll geglückt, aber dasa die Romantiker über das XVII. Jahr-
hundert hinweg auf Ronsard zurückgriffen und seine Ideen über
Sprachbildung und Spracherneuerung in Fleisch und Blut zu über-
führen suchten, zeigt doch, dass diese Ideen gesünder und dem
französischen Geiste entsprechender waren, als man gemeinhin an-
nimmt.
In Betreff des genealogischen Problems, ob Moliöre's Frau
Armande als Tochter oder als Schwester von Madeleine Be-
jart zu betrachten sei, ist der Verfasser, wohl durch eine Unter-
suchung von Prölss, welche dann auch in dessen treffliche Geschichte
des neueren Dramas übergegangen ist, zu einem Zweifel veranlasst
worden. Nach den die Verhältnisse der Wirklichkeit berücksichti-
genden Untersuchungen von Mahrenholtz scheinen die Akten hier-
über geschlossen: Armande ist hiernach als Madeleine's Tochter
zu betrachten.
H. Krause: Wychei^ley wnd seine franz. Qnellen. 117
Moland's Ausgabe der gesamten Werke Moli^re^s ist bereits
in zweiter Autlage erschienen.
In Betreff der Besprechung von Moliöre*s Werken hätte ich
im allgemeinen den Wunsch, Zusammengehöriges noch mehr, als es
bereits geschehen ist, zu vereinen. So könnte leicht und zwanglos
an die Pr^cieuses ridicules die Besprechung der Femmes savantes
gereiht werden, sowie an den Malade imaginaire sämmtliche auch
possenhafte Stücke, welche sich auf die Verspottung der Ärzte
beziehen.
Bei Sganarelle vermisst man den Hinweis auf den Monolog des
Helden (!) über die Ehre, welche Scene uns allein auch heute noch,
namentlich wegen ihrer merkwürdigen Beziehungen zu Fallstaff's
gleichnamigem Monologe, interessieren kann.
Das Citat: tu Tas voulu, George Dandin, wird, wie Büchmann
schon bemerkt, stets in dieser Form angeführt; bei Moliöre lautet
es: V0U8 Tavez voulu, George Dandin!
Druckfehler habe ich wenig bemerkt, einmal Erasto statt
Eraste. — Die neue Orthographie scheint nicht in allen Teilen den
Beifall des Druckers gefunden zu haben.* Denn während er das h
sonst wegschneidet, scheint ihm ürtheil ohne diesen Schmarotzer-
buchstaben nicht vollwichtig genug zu sein.
Die Verlagsbuchhandlung hat das ihre durch schönen Druck
und vornehm einfachen Einband gethan; doch hätte ich der statt-
licheren Repräsentation halber etwas mehr Durchschuss (wie in der
Einleitung beispielsweise) und überhaupt ein etwas grösseres Format
gewünscht.
Der Verleger eröffnet uns schliesslich die angenehme Aussicht,
dass Herr Prof. Ad. Stern mit einem VI. Bande die Darstellung
der allgemeinen Litteraturgeschichto bis hart an die Schwelle der
Gegenwart fortzuführen gedenkt. Nach dem Vorhergesagten, wie
nach den Vorarbeiten von Ad. Stern auch auf diesem Gebiete,
dürfen wir mit Sicherheit erwarten, dass dieser letzte Band sich
würdig seinen Vorgängern anschliessen werde.
W. Scheffleu.
Wycherley und seine französischen Quellen von H. Krause.
Dissertation. Halle a/S. 1883.
Der Zweck obiger Schrift ist ein Vergleich der Dramen Wy-
cherley's mit ihren französischen Vorbildern, vornehmlich mit L'Ecole
des maris, L'Ecole des femmes und Le Misanthrope. Dieser Ver-
gleich ist mit Genauigkeit bis in die kleinsten Einzelheiten durch-
geführt, konnte aber wesentlich neue Gesichtspunkte nicht ergeben,
118 Referate und Rezensionen, J. Klette,
da das Thema schon öfter in derselben Weise mehr oder weniger
ausführlich behandelt worden ist, und der Verfasser der Schrift von
demselben Standpunkte aus, wie seine Vorgänger, den Gegenstand
behandelt hat
Als Resultat seiner Untersuchungen konstatiert Krause eine
grosse Verschiedenheit an moralischem Gehalt in bezug auf die
Fabeln von L'Ecole des femmes und The Country-Wife, in bezug
auf die Charaktere des Arnolphe und des Pinchwlfe, der Agn^s und
der Margery, des Horace oder Val^re und des Homer, des Alceste
und des Manly und erblickt den Grund dieser Verschiedenheit 1) in
dem Bestreben Wycherley's, die Moliöre'schen Stücke dem Ge-
schmacke seiner Zeit anzupassen, und 2) in der Individualität des
Dichters selbst.
So sehr Bef. den ersten der angeführten Gründe anerkennt, so
muss er doch ebenso sehr die Stichhaltigkeit des zweiten anzweifeln.
Als Grund dafür, dass der geringe moralische Gehalt von Wycherley's
Lustspielen auch aus der Individualität des Dichters resultiere, führt
Krause nur an, dass sich Wycherley, wie er uns von seinen Bio-
graphen geschildert werde,* in seiner Lebensweise und seiner Lebens-
anschauung nicht viel von den von ihm gemalten Typen unter-
schieden habe. Dies ist aber eine unerwiesene Behauptung und Kr.
verschmäht es auch anzugeben, auf welche Biogi*aphien sich diese
seine Behauptung giiindet. Ganz abgesehen davon, dass schon
aus der „klugen Anpassung an den englischen Zeitgeschmack^' auch
mit Notwendigkeit die Charaktei^seichnung der einzelnen Personen
sich ergibt, und daher die eigene subjektive Überzeugung des Dich-
ters eine ganz andere gewesen sein kann, so tiifft gerade, wie aus
den über ihn gemachten biographischen Notizen, teilweise selbst aus
denen Pope's hervorgeht, die Identität von Wycherley's eigenem
Charakter und demjenigen der von ihm gezeichneten Personen nicht
zu. Ich habe schon in meiner Schrift über Wycherley (Münster i/W.
1883) nachzuweisen versucht, dass bei der Beurteilung von Wy-
cherley's Charakter notwendig zwei Perioden zu unterscheiden seien
und dass in der ersten — es ist Wycherley's Dichterperiode 1669
bis ca. 1676 — Wycherley als feingebildeter Kavalier, wie Pope
sagt, als echter Aristokrat zu denken sei, und erst in der zweiten
als solch ein hohler G^ck und verkommenes Sujet, wie ihn Ma-
caulay zuerst geschildert hat und wie er seitdem in den Litteratur-
geschichten spukt, und dass eben der Grund für diese Umwand-
lung von Wycherley's Charakter in seinen Missgeschicken nach seiner
Heirat, in der durch das Fieber (1679) entstandenen Zerrüttung
seines Nervensystems, welche sich durch grosse Gedächtnisschwäche
dokumentierte, und vor allem in der Haft von sieben Jahren 1681
bis 1688 zu suchen sei. So richtig die Schilderung Wycherley^s
ü. Krause: Wycherley und seine franz. Quellen, 119
II Seiten Macaulay's für die zweite Periode seines Lebens ist, so
M richtig ist sie für die erste, also für seine Dichterperiode. Macanlay
/uzt sich eben in seiner Schilderung Wycherley *s vorzugsweise auf den
lüt'wechsel zwischen Wycherley und Pope, und dieser ist nur für
• zweite Periode massgebend; alle andern uns überkommenen No-
•m über Wycherley's Charakter liefern eben ein ganz anderes Bild
li dem Dichter, worüber man Kap. I, § 3 meiner Schrift ver-
loben möge.
So lange also Er. uns nicht angibt, auf welche uns unbe-
nute Biographieen er seine Behauptung stützt, so lange werden
r, gestützt auf die bisher bekannten Notizen über Wycherley's
uirakter als Dichter, an der Verschiedenheit seines eigenen Cha-
.iters und der seiner Figuren festhalten und daher auch die In-
vidualität Wycherley's für die moralische Verderbtheit seiner Fi-
.ren nicht verantwortlich machen dürfen. Hinzu kommt aber,
.SS die eigenen Aussagen Wycherley^s zeigen, dass er durchaus
.cht mit den Gesinnungen seiner Bühnenfiguren übereinstimmt.
dler in seinem universal -Lexikon 1 749 berichtet ein Dictum Wy-
erley's über sich und Moli^re, in welchem es heisst, er, Wycher-
j-, kenne sich selbst und Moli^re zu gut, um nicht zu wissen,
SS er Moliöre's Charaktere mehr verdorben als verbessert habe,
jch sei er dabei mehr dem Geschmacke seiner Landsleute,
is seinem eigenen gefolgt. Ich habe hierauf bereits in meiner
hrift über Wycherley (p. 60) hingewiesen und dabei bemerkt,
iss allerdings Zedler's Quelle für diesen Ausspruch Wycherley's
icht nachgewiesen werden kann, dass aber ebenso wenig ein Grund
orliegt, die Richtigkeit desselben anzuzweifeln. Wycherley war,
. ie alle anderen englischen Dichter damaliger Zeit, gezwungen, wenn
r überhaupt reüssieren wollte, ausschliesslich dem Zeitgeschmack
AI huldigen, und Wycherley's Abhängigkeit von demselben wird am
testen dadurch gekennzeichnet, dass — worauf auch Kr. (pag. 24)
hinweist — der Dichter es für nötig hält, da, wo er dem Zeitge-
schmack entgegenhandelt, sein Verfahren dem Publikum gegenüber
zu rechtfertigen (Prolog zu Piain -Dealer, Ende). Wenn also Wy-
cherley nur seinem eigenen Geschmacke hätte folgen können, so
würden seine Charaktere ganz andere, jedenfalls moralischere, ge-
worden sein.
Wie Krause (p. 29 — 30) ganz richtig herausgefühlt hat, ist
die Dedikation des Piain -Dealer an My Lady B. eine Art Ver-
teidigung ^des Cynismus der Form^, eine Erklärung des Dichters,
dass er selbst ein Piain -Dealer, ein ehrlicher Makler sein will, der
mit den Gebrechen seiner Zeitgenossen rechtet, doch traut Kr. den
Worten des Dichters nicht und zweifelt, ob es ihm selbst Ernst mit
seiner wahren Sittlichkeit gewesen sei und meint, dass eine derartige
120 Referate und Rezensionen. J. Klette,
Beschreibung des Lasters, wie sie Wycherley gibt, auf das Publi-
kum damaliger Zeit einen ganz anderen Eindruck als den des Ab-
schens machen mnsste. Uns scheint in beiden Punkten Kr. Unrecht
zu haben. Ref. muss, um Krause zu widerlegen, auf einen Punkt
näher eingehen, den er bereits in seiner Schrift über Wycherley
(Kap. III, § 3) berührt hat, nämlich auf die den Dramen Wycher-
ley's eigene satirische Tendenz, ein Punkt allerdings, der bei den
Reconsenten seiner Schrift (Mahrenholtz, Litteraturblatt 1883, p. 463,
Varnhagen, Deutsche Litteraturzeitung 1883, Nr. 52) wenig Anklang
gefunden zu haben scheint. Auf den Nachweis der satirischen Ten-
denz in Wycherley's Dramen kommt alles für die Beurteilung Wy-
cherley's an, und diesen glaube ich allerdings erbracht zu haben,
wenn auch nicht in der Weise, wie es Varnhagen annehmen zu
müssen glaubt, nämlich durch das Zusammenstellen dessen, was
Wycherley gelegentlich von den wits u. s. w. in seinen Dramen
sagt; diese Zusammenstellungen sollten überhaupt keinen Beweis
für die satirische Tendenz bilden, sondern nur eine Exemplifizierung
sein für die Art und Weise, wie der Dichter seine Tendenz zum
Ausdruck bringt. Da es vielleicht ein Mangel meiner Schrift ist,
auf diese Beweisstellen nur in den Anmerkungen hingedeutet und
es dem Leser überlassen zu haben, die betreffenden Stellen bei Wy-
cherley selbst nachzulesen und zu prüfen, so will ich meine Beweise
dafür, duss sich Wycherley de^ erziehenden Macht seiner Muse wohl
bewusst war, und dass er dieser am besten dadurch zum Ausdruck
zu verhelfen glaubte, dass er sein Zeitalter kopierte, um es lächer-
lich zu machen, hier genauer präzisieren, weil durch einen Nach-
weis der verfolgten satirischen Tendenz zugleich Krause^s Ansichten
widerlegt werden dürften. Dieser Nachweis gründet sich auf Wy-
cherley's Worte selbst. In seinem Prologe zu The Piain -Dealer
sagt der Dichter, dass er mit seinem Stücke heute die Witzlinge
nicht ergötzen will, ebenso wenig wie die lauten Herren im Par-
terre und die boshaften Kritiker in den Logen, welche sagen wer-
den, piain -dealing sei aus der Mode, und es daher ebenso hassen
werden, wie in einer Dedikation ; ebenso wenig werden ihre schönen
Nachbarinnen piain -dealing einem sie porträtierenden Dichter zu-
gestehen; aber der Maler der folgenden Szenen folgt nur dem Leben
und der Natur und stellt Euch so dar, wie Ihr seid: die (vor-
geblich) anständige Dame macht er zu einer käuflichen, keinem Manne
treuen Kokette, seine Witzlinge sind solche Schurken, wie sie nur je
auf der Bühne erschienen, er zeichnet einen Freund genau nach der
Sitte, zufolge der er natürlich seine Treue bricht. Ich allein
(der Plaiu-Dealer) handle, wie keiner von Euch, als ein ehr-
licher Mann, der, wie Ihr, nie Fehler übersieht, aber. Euch im-
gleich, spricht, was er denkt, der einzigste Narr der bisher keinen
H. Krause: fVychej'ley und seine franz. Quellen. 121
Schutzherrn fand, da ja Wahrheit jetzt ebenso sehr ein Fehler ist,
wie Verstand. Wo anders als auf der Bühne sehen wir jetzt ge-
^llige Wahrheit und belohnte Ehrenhaftigkeit? Unser kühner
Dichter zeigt sie heut in mir. Wenn nicht dem Ehrenhaften,
so seid doch dem Erfolgreichen günstig und lasst den Piain -Dealer
einige Freunde am Hofe finden.
Aus diesem Prologe, voll ironischen Spottes, in welchem der
Dichter mit fast jedem Worte einen Schlag versetzt, geht, wie ich
glaube, doch deutlich genug hervor, dass er sich in Gegensatz setzt
zu seinem Publikum, dass er dessen moralische Anschauungen nicht
teilt, dass er sein Stück nicht zur Belustigung, sondern zur Besse-
rung hat schreiben wollen. Dass ferner Wycherley allerdings glaubte
auf dem richtigen Wege zu sein, um die Gesellschaft als Dichter
zu einziehen, wenn er ihr ihre Unsitten rücksichtslos vor Augen
führte; dass also ,, jener Begriff wahrer Sittlichkeit, welcher in der
Dedikation des Plaiu- Dealer so eifrig hervorgehoben und betont
wird, wirklich kein sophistischer Zug ist", sondern „Selbsttäuschung
des Dichters", das geht aus der Stelle des Countrj-Wife hervor (Akt II,
Szene 2, auch hierauf hat Kr. nicht geachtet), wo Wycherley bei-
nahe wörtlich aus Moliöre's L'Impromptu de Versailles entlehnt
(p. 59 meiner Schrift). Der Dichter führt hier ein Beispiel dafür an,
dass ein rücksichtsloses Porträtieren der Schwächen und Fehler auf
der Bühne in Wahrheit Besserung bewirkt habe, wenn er den grössten
Gecken des Stückes, Sparkish, auf die Dichter räsonnierend sagen
lUsst: „Die Dichter machen einen weisen und verständigen Mann
der Welt (so wie Sparkish selbst einer ist) auf der Bühne zu einem
Narren, und deswegen hasse ich sie auch, denn ich weiss nicht, ob
es nicht mit mir ebenso der Fall sein kann. Ihre Vorgänger waren
zufrieden, Diener zu ihren Bühnennarren zu machen, aber diese
Schurken müssen Hen-en haben, ja sogar Ritter, und wahrlich Ihr
werdet kaum einen Narren auf der Bühne sehen, ohne dass er ein
Ritter ist. Und um Euch die Wahrheit zu sagen, sie haben
mich schon sechs Jahre lang abgehalten, mich zum Rit-
ter machen zu lassen, aus Furcht, in einem Stücke zum
Ritter und Narren geschlagen zu werden". Wenn der Dich-
ter einen Menschen, wie Sparkish, so sprechen, wenn er ihn selbst
einräumen lässt, dass ihn die Furcht, auf der Bühne porträtiert zu
werden, vor einer Thorheit bewahrt habe, die guten Wirkungen
eines satirischen Porträtierens also an ihm selber beweist, so kann
doch dem Dichter das Bewusstsein von der erziehenden Macht seiner
Muse nicht abgesprochen werden; und sollte nun Wycherley dieses
Bewusstsein gehabt und zum Ausdruck gebracht haben, ohne selbst
die Absicht zu hegen, auch durch seine Stücke seinem Publikum
diese Macht fühlen zu lassen?
114 Referate nrul Rezensiotieri. W. Scheffler,
Bei dieser vielseitigen Antipathie, die wohl zum Teil aach
auf Voltaire*s Feigheit und ewiger Pseudonymität beruhen mag, ist
das günstige Ergebnis der Subscriptiou für die bei Lebzeiten Vol-
taire's errichtete Statue auffallend. Mahrenholtz zeigt, dass dieselbe
keineswegs als Nationaldenkmal zu betrachten ist, und dass man
auf die im September 1 792 in engerem Kreise stattgefundene Apo-
theose noch weniger Gewicht zu legen hat Seine Gegner behaupte-
ten sich bis zuletzt.
Von den Beurteilern Voltaire's im Ausland nimmt Lessing
unser Hauptinteresse in Anspruch. Es wäre vielleicht dankenswert
gewesen, wenn der Verf. Lessing's oft ungerechtfertigte Kritik der
Tragödien Voltaire^s ausführlicher behandelt hätte. Sallwürk^s
Ausgaben der Dramen Voltaire's enthalten sehr feine Bemerkungen
hierüber, die dem fleissigen Forscher jedenfalls wohlbekannt sind.
Streng geht M. mit dem Plagiator Voltaire ins Gericht, der
noch ungenierter als Moliere das geistige Eigentum anderer aus-
plünderte. Sophokles, Shakespeare, Corneille, Racine, Boileau, alle
mussten Federn lassen. Doch ist von Plagiat im Sinne der Gegner,
wie Fr^ron und Konsorten, keine Bede. M. führt das Geschrei auf
das vernünftige Mass zurück. Mit einer Kritik der paränetischen
Schriften über Voltaire schliesst die hochinteressante und gewandt
geschriebene Brochüre. Sie bildet eine willkommene Ergänzung zu den
Voltairestudien des nämlichen Verfassers und rückt die von ihm
in Aussicht gestellte wissenschaftliche Biographie Voltaire's hoffentlich
immer näher. Die Beföhigung des Moliöre- und Voltaire-Forschers
Mahrenholtz für diese heikle Aufgabe steht wohl ausser Frage.
Jos. Sabbazin.
Geschichte der neueren Litteratur von Dr. A. Stern, ord.
Professor für Litteratur- und Kulturgeschichte am Königl.
Polytechnikum Dresden. 5 Bde. Leipzig. Bibliographi-
sches Institut 1883.*)
•
In unserer Zeit der strengen Arbeitsteilung, welche auf geistigem
Gebiete oft in Besorgnis erregender Weise um sich greift, ist das
vorliegende Werk geradezu als ein Ereignis zu betrachten. Wir
kennen „Allgemeine Litteratur- oder Kulturgeschichte" eigentlich
nur noch in „Einzeldarstellungen", wie das Schlagwort lautet; die
verschiedenen Teile werden tüchtigen „ Spezialisten " anvertraut,
*) Mit dem überaus günstigen Urteile, welches der verehrte Herr
Rezensent über obiges Werk ausgesprochen hat, können wir uns nicht
allenthalben einverstanden erklären, behalten uns vielmehr die Be-
gründung einer abweichenden Ansicht vor. D. Red.
ff. Krause: Wycherley und seine franz. Quellen. 123
Kr. angeführten äusseren und inneren Gründen für eine Benutzung
<les Originals steht es kaum besser. Die Annahme, dass der jugend-
liche Wycherley sich gerade in Paris aufhielt, als Moliere anfing,
berühmt zu werden, ist zwar für die Beweisführung Krauses recht
passend, muss aber solange als eine rein willkürliche angesehen
werden, als nicht Kr. eine sichere Quelle für dieselbe nachweist
(was er in seiner Schrift nicht gethan), denn die uns erhaltenen Bio-
graphien erzählen wohl von einem Aufenthalle Wycherley's an den
Ufern der Charente, aber von keinem Aufenthalte in Paris. Dass
Wycherley, wie Krause will , durch die Übersetzung der Ecole des
femmes des ^Sir Salomon^ auf das französische Original aufmerksam
fvemacht worden ist, ist wohl möglich, bekannt gewesen sind wohl
aber beide Schulen Moliöre's im Original schon vor 1669, wenig-
stens lässt sich dies von der Ecole des maris konstatieren, da Sedley,
der Freund Wycherley's, die Szene 1 des ersten Aktes seines Mul-
berry- Garden augenscheinlich nach dem Original zusammenkompi-
liert hat.
Da nun Wycherley durch Sedley's Stück zu Love in a Wood
angeregt worden (1669), dürfte er auch durch eben dieses StTick
auf Ecole des maris aufmerksam gemacht worden sein und, das
kann man wohl unbedenklich weiter schliessen, wenn auf die Schule
der Männer, dann auch auf die der Frauen. Wenn nnn Referent
auch Kr. zugeben wollte, dass Wycherley bei der Abfassung* seiner
Erstlingsstücke die beiden Schulen Moliöre's noch nicht gekannt habe,
(p. 33 — 34, cf. dagegen p. 40 — 53 meiner Schrift), so würde sich
doch jedenfalls aus obigem ergeben, dass Wycherley schon lange
vor Abfassung von ;,The Country-Wife" durch Zufall die beiden
Schulen Moliöre's kennen gelernt haben kann, und es also durch-
aus nicht nötig ist, mit Krause (pag. 6 — 7) zu behaupten , dass
Wycherley deswegen eben die Schulen Moli^re's sich zum Vor-
bilde genommen, weil er gerade diese dem lasciven Geschn^ack
seiner Zeit anzupassen hoffen durfte, weil er es hier leicht finden
musste, wahre Sittlichkeit in offenbare ünsittlichkeit zu verwandeln.
2) Die Vermutung (p. 20), dass Wycherley bei der Abfas-
sung des Schlusses von The Country-Wife durch Moliere inspiriert
worden sei, scheint nicht gerechtfertigt, da Wycherley vielmehr
gerade in der Episode Harcourt-Sparkish-Alithea sich auf die chro-
nique scandaleuse stützte und das Verkleidungskunststück Harcourt's
sein Pendant in der Liebesaffäre fand, welche sich zwischen dem
Earl of Oxford und der Schauspielerin Roxane abgespielt hatte
(pag. 59 — 59 meiner Schrift).
3) Die Entlehnung der Viola aus Shakespeare's Twelfth Night
als Fidelia im Piain -Dealer ist nicht sicher nachzuweisen, da Wy-
114 Referate und Rezensiotien. W. Scheffler,
Bei dieser vielseitigen Antipathie, die wohl zum Teil auch
auf Voltaire's Feigheit und ewiger Pseudonymität beruhen mag, ist
das günstige Ergebnis der Snbscription für die bei Lebzeiten Vol-
taire's errichtete Statue auffallend. Mahrenholtz zeigt, dass dieselbe
keineswegs als Nationaldenkmal zu betrachten ist, und dass man
auf die im September 1 792 in engerem Kreise stattgefundene Apo-
theose noch weniger Gewicht zu legen hat Seine Gegner behaupte-
ten sich bis zuletzt.
Von den Beurteilern Voltaire^s im Ausland nimmt Lessing
unser Hauptinteresse in Anspruch. Es wäre vielleicht dankenswert
gewesen, wenn der Verf. Lessing's oft ungerechtfertigte Kritik der
Tragödien Voltairo's ausführlicher behandelt hätte. Sallwürk's
Ausgaben der Dramen Voltaire's enthalten sehr feine Bemerkungen
hierüber, die dem fleissigen Forscher jedenfalls wohlbekannt sind.
Streng geht M. mit dem Plagiator Voltaire ins Gericht, der
noch ungenierter als Möllere das geistige Eigentum anderer aus-
plünderte. Sophokles, Shakespeare, Corneille, Racine, Boileau, alle
mussten Federn lassen. Doch ist von Plagiat im Sinne der Gegner,
wie Fr^ron und Konsorten, keine Bede. M. führt das Geschrei auf
das vernünftige Mass zurück. Mit einer Kritik der paränetischen
Schriften über Voltaire schliesst die hochinteressante und gewandt
geschriebene Brochüre. Sie bildet eine willkommene Ergänzung zu den
Voltairestudien des nämlichen Verfassers und rückt die von ihm
in Aussicht gestellte wissenschaftliche Biographie Voltaire's hoffentlich
immer näher. Die Beföhigung des Moliöre- und Voltaire-Forschers
Mahrenholtz für diese heikle Aufgabe steht wohl ausser Frage.
Jos. Sakbazin.
Geschichte der neueren Litteratur von Dr. A. Stern, ord.
Professor für Litteratur- und Kulturgeschichte am Königl.
Polytechnikum Dresden. 5 Bde. Leipzig. Bibliographi-
sches Institut 1883.*)
•
In unserer Zeit der strengen Arbeitsteilung, welche auf geistigem
Gebiete oft in Besorgnis erregender Weise um sich greift, ist das
vorliegende Werk geradezu als ein Ereignis zu betrachten. Wir
kennen „Allgemeine Litteratur- oder Kulturgeschichte" eigentlich
nur noch in „Einzeldarstelhmgen", wie das Schlagwort lautet; die
verschiedenen Teile werden tüchtigen „ Spezialisten " anvertraut,
*) Mit dem überaus günstigen Urteile, welches der verehrte Herr
Bezensent über obiges Werk ausgesprochen hat, können wir uns nicht
allenthalben einverstanden erklären, behalten uns vielmehr die Be-
gründung einer abweichenden Ansicht vor. D. Red.
M. Trautfnann: Die Sprachlaute etc. 125
seiner einzelnen Teile eingehender behandelt, doch gentigt das
hier Gesagte für praktische Zwecke vollkommen.
Der kurze Abschnitt 3 handelt über Wesen, Entstehung,
Einteilung und System der Sprachlaute. Hier verdienen folgende
Sätze hervorgehoben zu werden: 'Ein Sprachlaut ist ein solches
Schallerzeugnis des Sprechorgans, welches vom Ohr als eine
Einheit empfunden wird . . .' 'Jede Bewegung zum Zwecke der
Lauterzeugung heisst Artikulation.' Das Wort hat also eine
etwas andere Bedeutung als bei Techmer. 'Die Sprachlaute sind
nicht nach der Art ihrer Hervorbringung, sondern nach ihrem
Klange einzuteilen . . .' 'Die uralte Scheidung der Laute in Vo-
kale und Konsonanten ist beizubehalten, aber diese Ausdrücke
durch geeignetere zu ersetzen . . .' Besonders beachtenswert
sind die Forderungen, die der Verf. an jedes Lautsystem, also
auch an das seinige stellt. Ich erwähne nur die Forderungen
2 und 3: 'Das System muss vollständig sein, nicht vollständig
in dem Sinne, dass .es alle bisher bekannt gewordenen (oder
überhaupt möglichen? Ref.; man erinnere sich an die Systeme
Techmer's und des Prinzen L. L. Bonaparte und Ellis' in On
Early Engl. Pronunciation !) Laute einverleibt, sondern dass es
Vertreter sämtlicher Hauptformen der Sprachlaute enthält. Alle
Laute des Systems müssen unverrückbar feste Werte
sein, an denen sich die mehr oder minder schwanken-
den Laute einer Sprache oder Mundart messen lassen.'
Diese letzte Forderung wird wohl ohne weiteres zu unterschrei-
ben und demjenigen Systeme die Krone zuzuerkennen sein, wel-
ches dieselbe am besten erfüllt.
Ein ebenso wichtiger als interessanter Abschnitt ist der
folgende, der über die Vokale handelt.
Nach Helmholtz u. a. kommt ein lauter Vokal bekanntlich
dadurch zu Stande, dass mit dem Tone der Stimme zugleich ein
höherer Nebenton erklingt, der sich zu dem ersteren harmonisch
verhalten müsse. Auf die Schwierigkeiten, die dieser Ansicht
entgegenstehen, ist bereits von E. v. Quanten genügend hinge-
wiesen worden, und sind diese Schwieiigkeiten auch durch die
Entgegnung Helmholtzens noch nicht als beseitigt anzusehen. Der
Verf. führt nun aus oder macht es zum mindesten sehr wahr*
scheinlich, dass Helmholtzens und seiner Vorgänger Ansichten
von der Entstehung der Vokale auf des Engländers Willis Unter-
suchungen zurückgehen, deren Ergebnisse auf den ersten Blick
wohl dieselben sind, bei genauerem Zusehen jedoch nicht unbe-
deutend von den späteren Anschauungen abweichen. Auch Willis
erkennt, dass der laute Vokal dadurch zu Stande kommt, dass
mit einem Tone zugleich ein höherer Nebenton erklingt. Davon
126 Referate wid Rezensionen, E. Einenkel,
aber, dass dieser zu jenem in einem harmonischen Verhältnisse
stehen müsse, davon finden wir bei ihm nichts. Auch finden
wir bei Willis schon eine recht geschickte Erklärung der Art,
wie dieser Nebenton erregt wird. Doch will ich mich hierbei
nicht länger aufhalten; ich verweise für das Weitere auf das
Buch selbst.
Das Resultat dieses Abschnittes ist in kurzen Worten: die
Vokale sind verschiedene Halle des Lautrohres (das ist der
Mundhöhle), die wir beim Flüstern allein hören und die sich
beim lauten Sprechen mit den Tönen der Stimme verbinden.
Der Rest des Abschnittes bringt das Vokalsystem. Die
Vokale zerfallen zunächst in Mund- und Nasenvokale, d. h. reine
und genäselte.
Die kreuzweise Anordnung der Vokale ist die aus Traut-
mann's früheren Aufsätzen bekannte, nur dass die Schenkel an-
ders gestellt sind. Die Anordnung gründet sich, wie nach dem
Gesagten leicht denkbar, auf die harmonischen Töne der Mund-
halle, des wesentlichsten Teiles der Vokale.
Die genäselten Vokale haben einen volleren, tieferen Klang
und ihre Halle stehen denn auch eine Terz tiefer als die der
reinen Vokale. Erklärt wird diese Abweichung durch den durch
Öffnung des Nasenraumes vergrösserten Hallraum.
Auf die Rechtfertigung dieses Vokalsystems brauchen wir
wohl nicht genauer einzugehen; nach den oben angegebenen, an
jedes Vokalsystem zu stellenden Anforderungen rechtfertigt es
sich von selbst. Das System unterscheidet sich von dem bisher
aufgestellten dadurch, dass es auf die geflüsterten Vokale sich
gründet, und dadurch, dass es harmonisch ist.
Die Wichtigkeit der Plüstervokale ist schon frühzeitig er-
kannt worden. Die erste Untersuchung derselben datiert aus
dem Ende des 17. Jahrh. Die abweichenden Ergebnisse erklären
sich aus der Art der Untersuchungen. Sie konnten nicht richtig
ausfallen !
Es ist eins der Hauptverdienste Trautmann's, die Mund-
halle der Vokale endgiltig festgestellt zu haben. Seine Resul-
tate erhalten jetzt wieder eine Bestätigung durch die sehr gründ-
lichen Untersuchungen Dr. v. Zahn's, die derselbe niedergelegt
hat in seiner leider zu wenig bekannten Schrift, betitelt: Aku-
stische Analyse der Vokale. Auch er, wie auch zum Teil die
früheren Untersucher, gelangte überdies bei seiner Feststellung
der Tonhöhen der Mundhalle zu harmonischen Reihen, ein Beweis,
dass dieselben keine Spielerei sind, wie Techmer nahe legt, son-
dern in der Natur der Sache begründet sind.
Die Haupt- oder Grundvokale des Trautmann'schen Systems
M, Trautmann: Die SpracMaute etc. 127
sind also feste Werte und leicht bestimmbar, in erster Linie
durch die Angabe, bezw. Feststellung des Mundhalles, in «weiter
durch die der Mnndstellung.
Will man ein erweitertes System haben, so schiebt man
Zwischenvokale ein, deren Halle um einen Ton von den zunächst-
stehenden abweichen, und gentigen diese noch nicht, so greift
man zu den halben Tönen.
Die folgenden §§ besprechen die Vokalsysteme anderer
Gelehrten, an letzter Stelle das System BelFs, das jetzt 'the
rush' hat, wie man sagen könnte. Trautmann's Stellung zu die-
sem Systeme ist von frtiherher bekannt. Sie ist in den betr. §§
weiter ausgeführt. Der, wie ich mir denke, recht starken und
naheliegenden Versuchung, polemisch zu werden, hat der Verf.
glücklicherweise widerstanden, seine Einwände scharf präzisiert
und ruhig und sachlich gehalten. Ich darf daher den Leser
ohne Weiteres auf die betr. §§ 163 flf. selbst verweisen mit der
Mahnung: Prüfet und das Beste behaltet!
Die Konsonanten scheidet der Verf. ihrem Klange ent-
sprechend, in Schleifer und Klapper. Eine beiläufige Frage:
Wäre nicht das Wort Tlatzer' dem Klange der betr. Konsonanten
entsprechender?
Auch in den §§ über die Konsonanten findet sich manches
Neue und Treffende. So die Beobachtung, dass die Bildung der
Enge oder des Verschlusses nicht das allein Nötige und Wesent-
liche sei, sondern die charakteristische Eigentümlichkeit eines
Konsonanten in dem Klange des von dem Expiration shauche an-
geblasenen Hohlraumes des Mundes bestehe.
Dcu" Klang dieses Hohlraumes oder 'Bauches' hat natürlich
bei weitem nicht die Wichtigkeit, wie bei den Vokalen. Der
Verf. hat jedoch auch ihm, als einem Teile der Wesenheit der
Konsonanten, die grösste Aufmerksamkeit gewidmet. Ich habe
seine Ergebnisse nachgeprüft und kann mich mit fast allen ein-
verstanden erklären. Nur für / erhalte ich ^3 anstatt /g, für den
Schleifer in (Leipzigerisch) 'ich', 'mich' erhalte ich h^ anstatt C4
und für das zum Schleifer entartete Zäpfchen -*r' erhalte ich f^
anstatt d^. Bei zwei oder drei anderen bin ich zweifelhaft. Es
gehört ein sehr scharfes Gehör dazu, um den Grundton von den
vielen ihn fast übertönenden Obertönen auszuscheiden.
Die Klapper scheidet der Verfasser in eigentliche und un-
eigentliche.
Hier fällt uns die Fassung des § 206 auf. 'Die Klapper
unseres Systemes sind vollkommen rein, d. h. es folgt der Lösung
ihres Verschlusses keine Spur von Hauch oder Schleifer.' Ist
ein Klapper wohl ohne einen solchen nachfolgenden Hauch denk-
128 Referate und Rezensionen. E, Einenkel,
bar? Handelt es sich um die Aussprache des Lautes innerhalb
eines Wortes oder Satzes, dann müchte man wohl zweifelhaft
sein, weil hier der nachfolgende Hauch sofort zur Bildung des
folgenden Lautes verwendet wird. In diesen Abschnitten sollen
ja aber, wie der Verf. an anderer Stelle sagt, die Laute fUr
sich und als alleinstehend behandelt werden! Wenn wir nicht
irren, so sollen durch diese Auffassung die eigentlichen Klapper
den uneigentlichen näher gerückt werden. Als solche uneigent-
liche sind angegeben die l-, r-, m-, n- und n^- Laute, die in der
That eine gewisse Verwandtschaft mit den eigentlichen Klappern
haben, bisher jedoch nur von sehr wenigen Forschern als Ex-
plosivae aufgefasst worden sind. Auf jeden Fall wird durch
diese Auffassung die Scheidung der Konsonanten in reine und
genäselte eine durchgreifende und vollkommene.
Zu dem Streite, ob die Explosivae in stimmlose und stimm-
hafte oder harte und weiche zu scheiden seien, hat sich Traut-
mann für die erstere Art der Scheidung erklärt. Entschieden
mit Recht. Seine Ansicht, dass der Systematiker nur Artunter-
schiede, nicht aber auch Gradunterschiede zu berücksichtigen
habe, ist ohne Weiteres zu unterschreiben.
Auch darin, dass der Verf. bei Feststellung der einzelnen
Artikulationsstellen, nicht, wie es früher üblich war, den Rücken
der Zunge, sondern allein das demselben gegenüberliegende Dach
des Mundes zu Hilfe nahm, wird man ihm beipflichten müssen.
Der Rest des Abschnittes 5 bringt Charakteristiken anderer
Konsonantensysteme, auf die wir hier aus Gründen des Raumes
nicht näher eingehen können.
Der sehr kurze Abschnitt 6 bespricht das lautliche Ver-
hältnis der Vokale zu den Konsonanten. Ein vollständiges
Schema des Lautsystems des Verf.s ist beigefügt.
Abschnitt 7 behandelt nur in weiten Umrissen die Funktionen
der einzelnen Laute in fortlaufender Rede. Er handelt von der
Dauer, von der Stärke und von dem Ton (der hier sehr richtig in
zwei Arten geschieden wird: Ton und Treff!) und zuletzt von
der Berührung der Sprachlaute und ihrer gegenseitigen Beein-
flussung. Der Verf. sagt selbst (S. 134, Anm.), dass die Be-
merkungen dieses Abschnittes keineswegs erschöpfend sind. In
der That sind sie dies nicht und durften es nicht sein, wenn in
den entsprechenden Abschnitten des 'Zweiten Teiles' nicht das
Meiste wiederholt werden sollte.
Über die letzten Bogen des Heftchens: Die ersten Abschnitte
der Behandlung der Laute des Engl., Franz. und Deutschen im
Besonderen, halte ich mein Urteil zurück bis zum Erscheinen
der Schlusshälfte.
M. Trautmann: Die Sprachlavie etc. 129
Dagegen brauche ich meine Ansichten in betreff des Ge-
samteindruckes, den der erste Teil auf mich macht, um so we-
niger zu verschweigen, als wir hier ein vollständig abgeschlos-
senes Ganzes vor uns haben.
Den Eindruck, den die Lesung des ersten Teiles auf mich
machte, kann ich einen äusserst befriedigenden nennen. Ver-
glichen mit manchen der in jüngster Zeit auf diesem Gebiet er-
schienenen Leistungen haben wir hier von Anfang bis zu Ende
das wohlthuende Gefühl uns auf festem Boden zu befinden, und
wenn wir auch dem Verfasser nicht überall hin zu folgen ver-
mögen, so bemerken wir doch, dass auch an solchen Stellen die
Ergebnisse sorgfältiger und selbständiger Studien vor uns liegen.
Auf die Behandlung der Vokale ist entschieden die meiste Sorg-
falt verwendet, wenn auch in den Abschnitten über die Konso-
nanten es keineswegs an selbständigen und überraschenden Beob-
achtungen mangelt, und ich kann inbezug auf jene ersteren nicht
umhin, an dieser Stelle auf eine der brennendsten der in jenen
§§ behandelten Fragen zurückzukommen.
Wie man weiss, hatte bisher die deutsche Phonetik bei
der Kennzeichnung der Vokale auf die Eigentöne der Mundhöhle
ein grosses Gewicht gelegt. Dies geschah auf Anregung seitens
einer Reihe der tüchtigsten Gelehrten auf physiologischem Ge-
biete, vor allem Helmholtzens, und hätte auch unserer Meinung
nach gute Früchte getragen, wenn nicht eines Tages Herr Sweet
der Fachwelt verkündigt hätte, dass die deutsche Phonetik sich
zu weit in theoretisch akustische Wege hineinverirrt habe, und
die engl. Phonetik ihr deshalb zu Hilfe kommen müsse, um sie
auf praktischere Wege zu leiten. Das einzige, was uns hier
helfen könne, sei das von ihm verbesserte Melvill-BelVsche
System, das sich auf einseitig akustische Fragen nicht einlasse
und lediglich und in hervorragender Weise auf der Beobachtung
der Mundstellungen beruhe.
Der Verf. der im Obigen besprochenen Schrift hat nun
zu verschiedenen Zeiten gegen die'se whole-sale Verurteilung
der deutschen Phonetik Verwahrung eingelegt, ohne jedoch ver-
hindern zu können, dass eine ziemliche Anzahl von den wort-
sttirmenden Fachgenossen mit nur unbedeutenden Vorbehalten in
das engl. Lager überging. Man sollte nun glauben, dass dies
nicht ohne vorhergehendes scharfes Aneinanderprallen der gegen-
sätzlichen Ansichten hätte statt haben* können; dem ist jedoch
nicht so. Überall, wo von den akustischen Eigenschaften der
Vokale die Rede ist, erhält man von den Bellanern vage Be-
hauptungen, dass dieselben für praktische Zwecke nicht ver-
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI 2. 9
130 Referate und Rezensionen. J. Sarrazin,
wendbar seien: so oder ähnlich ausgedrückt; eingehende Be-
gründungen dagegen sucht man vergebens.')
Auch in der vorliegenden Schrift hat Trautmann seine
Ansichten in scharfer und treffender Weise dargelegt. Er sagt
mit kurzen Woi*ten^ dass bei der Kennzeichnung der Vokale
neben der Bezeichnung der Mundstellung, deren Wichtigkeit er
durchaus nicht verkenne, die Bezeichnung der Eigenhalk der
Mundhöhle durchaus nicht fehlen dürfe! Und ich denke, dass es
nun endlich einmal an der Zeit ist, dass die Gegner dieser An-
sicht aus ihrer vorsichtigen Zurückhaltung heraustreten und an
eine wissenschaftliche Widerlegung derselben denken.
Für mich ist es völlig klar, dass die akustische Seite der
Vokale neben ihrer theoretischen, die ja wohl niemand bestreiten
wird, auch eine hohe praktische Bedeutung besitzt. Greifen wir
nur einen bestimmten Fall aus dem Leben heraus. Man wird
dereinst daran denken, die Vokalwerte der jetzt mehr und mehr
sich verwischenden Dialekte festzustellen. Aus der letzten Juni-
Nummer der Academy (1884) ersehe ich soeben, dass Herr
Sweet an die Philological Society (London) die dringende Auf-
forderung gerichtet hat, die Laute der irischen Dialekte genau
zu untersuchen und festzustellen, ehe diese Dialekte völlig aus-
sterben. Es ist also mein Vereinst' nicht einmal recht am
Platze! Wie wird man wohl in einem solchen Falle mit der ein-
fachen wenn auch noch so genauen Angabe der Mundstellung
auszukommen denken? Ich möchte behaupten, dass man mit Hilfe
des engl. Systemes über die frühere Unbestimmtheit und Un-
sicherheit nie hinauskommen wird, selbst wenn man die Mund-
stellungen photographisch fixieren oder etwa Gipsabdrttcke zu
Hilfe nehmen könnte.
Der Mundhall ist es eben, der den Vokalen ihren eigen-
tümlichen Klang und ihre Färbung verleiht, und der lässt sich
nicht ohne beigegebene Angabe des Tones beschreiben oder
wiederbeleben. Freilich will ich gern zugeben, dass es zu der
Feststellung dieses Tones eines einigermassen entwickelten musi-
kalischen Gehöres bedarf. Wer dieses nicht besitzt, der mag
seine Hand nur von der Phonetik lassen, für den sind die höheren
*) Will man etwa Sievers Verwerfung der akustischen Theorie
eine begründete nennen? und doch ist sie eine der wortreichsten ihrer
Art. Sie umfasst etwa 24 Zeilen. Andere schweigen sich ganz aus.
Jedenfalls ist das besser als jene platonischen An^strufe, die mit ^Oh
wenn doch' oder *Wenn doch nicht' beginnen, wie der in der 7. Nr.
des Litt. -Blattes, 1884, S. 292.
A. Kressner: Aufsätze technischen und hist. Inhalts etc. 131
.'ragen der Phonetik überhaupt nicht da, weder die theoretischen
noch die praktischen.*)
E. EiNENKEL.
Adolf Kressner, Aufsätze technischen und historischen
Inhalts zum Übersetzen ins Französische. Ba-
den-Baden, Oskar Sommermeyer, 1884. VI und 128 8.
Brauchbare Übungsbücher mit zusammenhängenden Stücken
. ibt es für den französ. Unterricht eine ganze Reihe. Es genügt
t'eters, Wiedmayer, Burger, WüUenweber (s. u.), Benecke u. a.
M nennen. Das eine will einseitig den historischen Stil aus-
ilden, während andere möglichst viele Stilgattungen kultivieren,
im möglichst vielen Bedürfnissen zu genügen und an möglichst
vielen Schulen eingeführt zu werden.
Kressner's Übungsbuch ist dagegen vorzugsweise für Real-
und Gewerbeschulen berechnet, also für Anstalten, in denen die
Vaturwissenschaften, Physik, Chemie, Mineralogie, Astronomie,
Technologie u. dergl. den wahren Mittelpunkt des Unterrichts
bilden. Demgemäss bringt es zunächst eine Reihe deutscher
Originalstticke aus diesen Gebieten (Nr. 1 — 16), woran sich,
«lamit auch hier Einseitigkeit gemieden werde, fünf Aufsätze hi-
storischen und beschreibenden Inhalts anschliessen: Nr. 16 Auf-
stand der Preussen unter Herkus Monte; Nr. 17 Verdienste des
Grossen Kurfürsten (beide aus Heinel); Nr. 18 Erdbeben von
Lissabon (Hirschfeld); Nr. 19 Schlacht bei Waterloo (Varn-
hagen von Ense); Nr. 20 Die Wüste Sahara (Zimmermann).
Um auch dem Novellen- und Konversationsstile gerecht zu wer-
den, hat Kressner einen Abschnitt aus Werther's Leiden und
eine Bearbeitung von Souvestre, le secret du M6decin beige-
fügt, übrigens das einzige einem französischen Autor entnommene
Stück. Alle anderen Aufsätze stammen aus deutschen Fach-
werken.
Nicht nur in der geschmackvollen Auswahl der deutschen
Originalstttcke , auch in den erklärenden Anmerkungen erkennt
man die kundige Hand des erfahrenen Fachmannes. Wo die
Wahl des treffenden Ausdrucks auch für Vorgerücktere schwierig
ist, da greift eine Erklärung helfend ein, und mit Recht ist hie
*) Wenn dem so wäre, so würde damit ausgesprochen sein, dass
die Phonetik eine Disziplin der Philologie nicht ist. Manche Philo-
logen dürften damit mcht einverstanden sein — möchten doch auch
manche Phonetiker aufhören, sich als Philologen zu geberden.
G. K.
9*
132 Referate nnd Rezensionen. J. Sarrazin,
und da „des Guten lieber zu viel, als zu wenig gethan**, ohne
dem Studierenden alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen.
Wie schwierig aber eine richtige Kommentierung deutscher
Original stücke ist und wie oft für den Herausgeber Gelegenheit
zu Fehlern sich bietet, kann nur derjenige schätzen, welcher
mit dergleichen sich selbst befasst hat und oft stundenlang nach
dem idiomatisch richtigen Ausdrucke rang. In Kressner's Übungs-
buch dürfte selbst der peinlichste Kritiker kaum eine unrichtige
Übersetzung entdecken, was einerseits der umfassenden Sprach-
kenntnis des Verf.s, andererseits dem Umstände zuzuschreiben
ist, dass die meisten Aufsätze im eigenen Unterricht praktisch
erprobt wurden.
So ist denn Kressner's Sammlung vorzüglich geeignet, dem
Realschüler innerhalb seines Gesichtskreises tiefere Einsicht in
das französische Idiom zu vermitteln und den mit dem humani-
sehen Gymnasium wetteifernden Anstalten das zu werden, was
seit Jahren dem Gymnasialprimaner die Palsestra Ciceroniana
ist. Dies neue Buch des strebsamen Herausgebers der jungen
Franco-Gallia sei hiermit den betreffenden Fachmännern aufs
wärmste empfohlen, zumal der billige Preis (Mk. 1,20) die Ein-
führung wesentlich erleichtert. In der bald zu erw'artenden
2. Auflage wird u. a. S. 121, Anm. 3 der Druckfehler entreinte
St. dtreinte zu tilgen sein.
J. Sarrazin.
W. Wiedmayer, Französische Stiltibungen für obere
Klassen. Stuttgart, Metzler 1883.
Wenn die Wtirttembergischen Gelehrtenschulen in Mathe-
matik und neueren Sprachen weniger leisten, als etwa die badi-
sehen, so ist dies nicht einer weniger gründlichen Behandlung
des betreffenden Faches zuzuschreiben, sondern nur der gerin-
geren Stundenzahl. Denn auch in neueren Sprachen arbeiten
die Württemberger wacker, wie aus einer Reihe tüchtiger ein-
schlägiger Werke ersichtlich. Zu letzterer Gattung ist auch dieses
zu rechnen.
Wiedmayer' s Übungsbuch ist eine Ergänzung zu der im
gleichen Verlag erschienenen Syntax, kann aber auch ohne die-
selbe mit Erfolg benützt werden. Sein Zweck ist, ,,den Schüler
in strenge Geisteszucht zu nehmen nnd ihm Gelegenheit zu
geben, Klarheit des Denkens und Einsicht in den Geist der
französischen Sprache sich anzueignen^. Dabei gehört Wied-
mayer nicht zu jenen humanen Pädagogen, welche den unter
W- Wiedmayer: Franz. Siüühungen für obere Klassen, 133
dem Joch der Überbürdung schwer seufzenden jugendlichen Mär-
tyrern mit sorglicher Hend alle Dornen aus dem Pfade räumen:
ihm steht ,,Anstrengung und Ausbildung der Geisteskräfte" viel
höher als „Erwerbung schwatzhafter Fertigkeit im enggezogenen
Kreise des Gewöhnlichen". Nach einem unter solchen Grund-
sätzen verfassten Buche wird jeder Lehrer mit Freuden greifen,
dem es um die Schule wirklich ernst ist. Er wird es nicht ent-
täuscht aus der Hand legen.
Das Übungsbuch zerfällt in drei Abschnitte: 1) Spezielle
Übungen, auf Verarbeitung einzelner Kapitel der Syntax berechnet
(36 Stücke), 2) Allgemeine Übungen zur Repetition und 3) längere
Stiltibungen für Vorgerücktere (50, resp. 17 Stücke). Während
andere Lehrbücher Konzentration des Unterrichts verfolgen, ist
liier die Ausbildung in mannigfachen Stiigattungen erstrebt. Wir
finden nicht nur historische Stücke, eine Gattung, die z. B. im
Grossherzogtum Baden fast allein geübt wird, sondern beschrei-
bende und litterarische und auch solche in Briefform; also Stoff
genug für jeden Geschmack. Wem das eine oder andere nicht
passt, der wird in dem Buche immer noch genug finden. Dabei
sind die Übungen nicht erst künstlich zurechtgemacht, sondern
Origrnalstücke, einige wohl aus des Verfassers eigener Fabrik.
Für Vorgerücktere ist der 3. Abschnitt sehr passend; er ent-
hält schwierigere Stellen aus J. Scherr, Julian Schmidt, Loth-
eissen und andern neueren Autoren neben Stücken aus den
deutschen Klassikern Lessing, Wieland, Goethe, Schiller, Hum-
boldt und anderen.
Wiedmayer's Buch verdient also in seiner Art empfohlen
zu werden.
J. Sarrazin.
Litterarische Chronik.
Methodik des franzöBischen Unterrichts and
Grammatik.
1. Th. B. A. Klotz seh: a) Methodisch bearbeitetes französisches Lese-
buch für höhere Unterrichts -Anstalten. 470 S. Berlin. Weidmann-
sche Buchhandlung. 1887. b) Methode des fremdsprachlichen Unter-
richts. Ein Beitrag zur praktischen Pädagogik. (Als Manuskript
gedruckt.) 10 S. Borna 1883. c) Französische Formenlehre zum
wörtlichen Auswendiglernen. 50 S. Dresden. Ehlermann. 1^83.
2. K. Kühn: Zur Methode des französischen Unterrichts. Ein Beitrag
zur Reform des Sprachunterrichts und zur Oberbürdungsfrage. 48 S.
Wiesbaden. Bergmann. 1883.
3. G. F. Pflug er: Grammatik der französischen Sprache für höhere
Schulen. Erster Teil. 2. Auflage. 96 S. mit 3 x XVI S. für das
Vokabularium und ein französisch -deutsches und deutsch -französi-
sches Wörterverzeichnis. Dresden. 1883. Ursprünglich im Ver-
lage von Siegismund und Volkening in Leipzig, jetzt, wie es scheint,
im Selbstverlage des Verfassers.
1. Kl. ist ein Vorkämpfer der neuen oder neu erstandenen und
immer wieder neu erstehenden pädagogischen Richtung, die der Gram-
matisierung des Sprachunterrichts gegenüber Front macht. Er ist der
Ansicht, dass man im Sprachunterrichte das Hauptgewicht auf die Lek-
türe legen müsse, dass man die fremde Sprache nicht aus der Gramma-
tik, durch Einüben von unzähligen Begeln, Regelchen und Ausnahmen
und Vokabeln an einer unermesslichen Menge von Einzelsätzen, sondern,
in ähnlicher Weise wie die Muttersprache, durch die Lektüre und die
damit verbundenen schriftlichen und mündlichen Übungen am besten
lerne, dass man auch die grammatischen Begriffe und Erscheinungen
an der Sprache selbst, in der Lektüre und im lebendigen Wort viel
besser erkenne, als durch die abstrakte Grammatik, die nur als Hilfs-
mittel zur Zusammenfassung, Wiederholuoff und genauen Einpräguns des
schon gelernten Wissensstoffes dienen solle. Schon einige Jahre bevor
der berühmt gewordene Anonymus „Quoasque tandem" über „des Do-
natus System", wie er die in den deutschen Schulen zur Herrschaft ge-
langte grammatistische Methode des Sprachunterrichts nennt, ein so hartes
und in vieler Hinsicht so gerechtes Urteil geföUt hat, — schon im Jahre
1877 hat Kl. sein „Methodisch bearbeitetes französisches Lesebuch" ver-
Litterofische Chrmtik. Ä, Rambeau, Methodik etc. 135
licht und in der „Methodischen Einleitung" daza (S. #3 — 25) den
hm befolgten l^ehrgang auseinandergesetzt. Er hat also auch noch
Wesondere Verdienst, dass er nicht bloss negativ als Angreifer auf-
rf'tea ist, sondern auch positiv mit dem Lesebuche den Beweis der
.ichkeit und Durchführbarkeit der sog. natur^emässen Methode ge-
r und diese schon längere Zeit mit Erfolg im praktischen Unter-
angewandt und erprobt hat. Selbstverständlich ist auch er nicht
erste, der verlangt hat, dass man den Schüler nicht zuerst die Regel
. das Wort und dann die Sprache, sondern die Sprache an der
iche selbst lernen lasse. Derartige Forderungen sind schon lange
aI. aufgestellt worden, und im Grunde hat die „natürliche" oder
^urgemässe" Methode» wie sie gegenüber der „grammatischen" ge-
int werden mag, immer neben dieser bestanden und ist« wenn auch
.ählich immer mehr zurückgedrängt, doch nie ganz beseitigt worden,
t hätte man nie eine fremde Sprache beherrschen gelernt, da sich
durch Lernen von Regeln, Ausnahmen und Vokabeln und Über-
<>n von Einzelsätzen überhaupt nicht erreichen lässt. Die Humanisten
von dem Studium des Lateinischen im Mittelalter und des Griechi-
ju im alten Rom sehe ich hier ab — und noch unsere Gross väter
>i gar unsere Väter haben ihre Gewandtheit und Fertigkeit im Schrift-
en und mündlichen Gebrauche der lateinischen Sprache wahrlich
Ai durch des Aelius Donatus Grammatik und ihre Nachahmungen er-
'gt, wenn auch diese Grammatik im Keformationszeitalter das Haupt-
rbuch fär den Elementarunterricht geworden und das Muster und Vor-
l der lateinischen Schulgrammatik geblieben ist. Vielmehr haben sie
"> durch eifriges Lesen der Schriftsteller und beständiges Schreiben und
echen der Sprache erreicht. Freilich ist nach und nach durch den
er der Grammatisten des Donatus „ars minor grammatica" zu einer
iren „ars major grammatica"* angeschwollen, und das Regelwerk der
inischen Schulgrammatik ist mit so vielen Feinheiten und Subtili-
tn bereichert worden, dass der Schüler vor lauter grammatischen und
istischen Übungen keine Zeit mehr findet, Lektüre, Sprechen und
reiben in genügendem Masse zu treiben und daher nur noch aus-
msweise die lateinische Sprache beherrschen lernt.
Leider ist diese „grammatische" Lehrweise auch auf die modernen
kchen übertragen worden, und man hat allgemein die französische
englische Schulgrammatik ebenfaUs nach dem Vorbilde der „ars
amatica" des Donatus eingerichtet. Gerade die „Sprachmeister"
es, die mit Vorliebe in Plöts' (franz.) und Plate's (engl.) Lehrbüchern
eine Vokabelliste, eine Regel, eine Ausnahme nach der andern aus-
li^ lernen und einen Abschnitt deutscher Einzelsätze nach dem an-
m monotoner Gleichmässigkeit übersetzen lassen. Dies ist jeden-
ihre Hauptbeschäftigung, wenn sie auch, vorausgesetzt dass sie die
gliche Sprache einigermassen sprechen gelernt haben, einige Kon-
tionen über Wetter, Zeit, Haus und ähiüiche Dinge, wie sie eben-
im Lehrbuche enthalten sind, anstellen mögen. — Die romanischen
mglischen Philologen, die an den hohem Schulen die Erbschaft
' Sprachmeister übernommen haben oder übernehmen, haben am
renigsten Ursache, die im lateinischen und griechischen Unterrichte
Siegle gelangte „grammatische" Methode in ihrem Unterrichte nach-
len und auf die lebenden Sprachen anzuwenden, bei denen diese
Dm herein lächerlich erscheinen muss. Allerdings soll der philo-
ch vorgebildete Lehrer des Französischen gar nicht jene banale
ifertigkeit bei seinen Schülern erstreben und mit ihnen fode, allen
(santen Inhalts baare Sprechübungen anstellen, aber es ist gewiss
136 Liiterarische Chronik. Ä. Rambeau,
von ihio zu verlangen, dass er mit seinen Schülern von Anfang an in-
haltvolle, interessante und lehrreiche Lesestücke und später ganze Schrift-
stellerwerke lese und sie allmählich in den Geist der fremden Sprache
einführe, indem er sie ebensogut oder möglichst ebensogut an das rich-
tige Sprechen als an das richtige Schreiben im Anschluss an die
Lektüre gewöhnt, dass er sie auf diese Weise dahin bringe, die fremde
Sprache bis zu einem gewissen Grade im mündlichen wie schriftlichen
Gebrauche zu beherrschen. Wenn die einzelnen grammatischen Erschei-
nungen der französischen Sprache von vornherein in der lebendigen
Sprache selbst, im Anschluss an die Lektüre gelernt werden, bedarf der
Lehrer gar nicht jener Masse von Begeln, Regelchen, Ausnahmen, da-
gegen hat er dann um so mehr Zeit und Gelegenheit, seine im Studium
der romanischen Philologie erworbenen Eennttiisse auch praktisch zu
verwerten, ohne den Schüler zu belasten. In einer möglichst kurz ge-
fassten Grammatik, die beständig das bereits gelernte znsammenfasst
und demnach nur zum Wiederholen und Befestigen des schon aufgenom-
menen Wissensstoffes dient, muss er die „Regel", die nur, wenn sie
keine oder sehr wenig Ausnahmen zulässt, wirklich ihren praktischen
Wert hat, weil sie dann das Gedächtnis unterstützt, hinter dem «Ge-
setze", das möglichst viele Fakta umfasst und zugleich erklärt, zurück-
treten lassen und überhaupt jede willkürliche Kegel, deren Haltlosigkeit
und Nichtigkeit er etwa im vergleichenden und kritischen Studium der
Sprache erkannt hat, aus seinem Unterrichte ganz und gar verbannen.
Die Formen sollen von seinen Schülern weder in klein zugeschnittenen,
auseinandergerissenen Portionen, wie in Plötz und andern Lehrbüchern
seiner Richtung, gelernt werden, noch nach der Lehrweise jener umfang-
reichen syst ematisehen Schulgrammatiken, die alle Erscheinungen der
Sprache, gewöhnliche und ungewöhnliche, ohne Rücksicht auf ihr häufi-
ges oder seltenes Vorkommen, mit zahllosen Regeln und Ausnahmen,
aber ohne irgend welche wissenschaftliche Erklärung bringen, sondern
in der von ihm gebrauchten kurzen Grammatik dürfen nur die haupt-
sächlichen und wichtigsten Erscheinungen der Formenlehre verzeichnet
stehen, und da die Formen bereits in der Lektüre gelernt und geübt
werden oder worden sind, muss die Erkenntnis ihrer Entstehung und
Bildung betont werden. Der Schüler soll in seiner Grammatik nicht
mehr eine Sammlung von Regelmässigkeiten und Unregelmässigkeiten
sehen, sondern soll die in der angewandten Sprache, in der Lektüre ein-
zeln wahrgenommenen Erscheinungen jetzt im Zusammenhang mit ähn-
lichen und gleichen betrachten und ihren gemeinsamen Grund, das sie
bestimmende Gesetz erkennen, so dass immer das Gedächtnis durch das
wissenschaftliche Verständnis unterstützt werden muss.
Eine derartige Behandlung der fremden Sprache in der Schale
wird nicht bloss praktische Resultate, sichtbare Erfolge erzielen, also dem
Schüler die Litteratur dieser Sprache erschliessen und ihn zum mündli-
chen und schriftlichen Gebrauche derselben befähigen, sondern ihm auch
eine tüchtigere und gründlichere geistige oder, wenn man das Lieblings-
wort des klassischen Philologen hören will, „formale" Bildung gewähren,
als das „Einpauken" der Formen, Regeln und Ausnahmen ihm zu geben
im stände ist. Dann wird der Ausspruch, dass der Schüler durch das
Studium der Sprache, die die meisten Formen, den grössten Formen-
reichtum habe, die beste formale Bildung erhalte, um so weniger be-
rechtigt erscheinen, und um diese Frage zu entscheiden, wird man sicher
andere und wichtigere Gesichtspunkte aufstellen und auch besonders
darauf achten müssen, wie weit beim Treiben einer Sprache in der Schule
die wissenschaftliche Betrachtungsweise zur Anwendung gelangen kann.
Methodik des franz, ünierrichts etc. 137
Dem Romanisten, der in seiner Schulpraxis mit der Donat'schen
Lehrweise gebrochen hat oder zu brechen bereit ist, hat also Klotzsch
mit seiner kurzen, übersichtlichen und doch auf wissenschaftlicher Grund-
lage aufgebauten Formenlehre einen grossen Dienst erwiesen, und es ist
nur zu wünschen, dass er dieser vorzüglichen kleinen Formenlehre eine
?benso kurze und klar geschriebene Syntax, die nur die wichtigsten syn-
baktischen Erscheinungen, aber in ebenso wissenschaftlicher Weise dar-
jtellt, bald folgen lassen möge. Es gereicht mir zur besonderen Freude
5u konstatieren, dass Kl., der jedenfalls in einer Zeit studiert hat, wo die
omanische Philologie auf den deutschen Hochschulen noch „in ihren
A^indeln lag" und neben der klassischen Philologie kaum Beachtung
und, mit seiner Formenlehre beweist, dass er sich ein offenes Auge für
ie Fortschritte der romanischen Sprachwissenschaft bewahrt und die
esultafe derselben nicht etwa unverdaut aufgenommen und als blossen
chmuck oder unvermittelte Beigabe (vgl. Plötz) angefügt, sondern wirk-
ch sich angeeignet und verwertet hat. Dem kleinen Buche merkt man
gene, selbständige Arbeit an, wenn auch der Verfasser, wie er selbst
gt (Vorrede IV), durch Lücking's Schul grammatik (Berlin 1880) beein-
isst und bei der Abfassung seines Werkes durch den Rat des Herrn
of. Koschwitz unterstützt worden ist. In der methodischen Einleitung
seinem Leaebuche steht er allerdings noch nicht auf dem wissen-
haftlichen Standpunkte, den er sich demnach erst später errungen hat.
h werde daher auf den ausdrücklichen Wunsch des Verfassers die in
V Einleitung angeführten grammatischen Bemerkungen und die be-
.udige Verweisung auf seine „Grundzüge der französischen Grammatik",
j er jetzt als ganz verfehlt bezeichnet, unbeachtet lassen. Aber was
'ziell die methodische Seite betrifft, so bietet schon die Einleitung
I Lesebuches viel Gutes und Beachtungswertes. Auch das Lesebuch
3st ist immer noch brauchbar, wenn auch nach meiner Ansicht einiger
derungen bedürftig. Das Vaterunser und die religiösen Betrachtungen
T das "Weltall, den Schöpfer, den Sündenfall u. dgl. in der ersten,
das erste Schuljahr berechneten Abteilung (Vorübungen Nr. 1 — 16)
1, wie ich glaube, für eine Schullektüre wenig geeignet und auch für
je Klassenstufe zu schwierig, wenn auch der Inhalt dieser Lesestücke,
Kl. bemerkt (Meth. des fremdsprachl. ünterr.), den Schülern längst
annt ist. Ich würde an ihrer Stelle viel lieber einige gute Anekdo-
und mehr kurze Fabeln sehen. Auch halte ich die wörtliche Inter-
arübersetzung, die zu den Lesestücken des ersten Abschnittes gegeben
in einem Schulbuche, das gar nicht den Anspruch macht, den er-
enden und nachhelfenden Lehrer zu ersetzen, für durchaus unnötig.
; solche Interlinearübersetzung ist nur in den Lehrbüchern, die aus-
e^slich oder ebenfalls für den Selbstunterricht bestimmt sind,
hrem Platze, z. B. in den Lehrbüchern der französischen, englischen,
snischen Sprache u. s. w. von Booch-Arkossy nach der Kobertson'-
1 Methode, die im Grunde dieselbe als die von Klotzsch angewandte
von ,,Quou8que tandem" und Kühn empfohlene ist oder wenigstens
t viel Ähnlichkeit hat. Vgl. meine Besprechung des französischen
biiches von Booch-Arkossy in dieser Zeitschrift, Bd. IV, p. 96 ff.
Die den folgenden Lesestücken und Gedichten (Nr. 17 — 32 der
1 Abteilung und Nr. 33 — 56 der zweiten Abteilung) beigefügten Vo-
ll arien will der Verfasser selbst nicht mehr gelten lassen
Die Lektüre ist auf vier Schuljahre verteilt; im Anschluss daran
ntsprechend den vier Abteilungen auch ein bestimmtes Pensum der
1 ni a t i k durchgenommen werden. Auf diese Weise sollen die Schüler
nde des vierten Schuljahres die ganze Formenlehre und einiges aus
138 Litterarisclie Chronik. A. Ramheau,
der Syntax gelernt haben. — Im allgemeinen sind die Lesestücke und
Gedichte recht gut ausgewählt, und abgesehen von den ersten Stücken
religiösen Inhalt, ist ein Fortschreiten vom Leichteren zum Schwereren
sichtbar. Das Lesebuch verdient von seiten der Fachgenossen Berück-
sichtigung, von Seiten des VeriBiSsers eine genaue Durchsicht und Ver-
besserung für eine neue Auflage.
In dem Schriftchen „Methode des fremdsprachlichen Unterrichts^
macht Kl. darauf aufmerksam, wie durch eine naturgemässe Behandlung
des Sprachunterrichts in der Schule der Überbürdung der Zöglinge ab-
zahelfen sei und doch das nächste Ziel des fremdsprachlichen Unterrichts
erreicht werden könne. »Das Lesebuch,^ sagt er, „ist der Leitfaden, an
welchem ich von der ersten Stunde an die Schüler in das Gebiet der
neuen fremden Sprache und damit zugleich in das Geistesleben desjeni-
gen Volkes, mit dessen Sprache wir uns im Unterricht beschäftigen, ein-
führe/' Indem er sich dann auf das Französische beschränkt, schildert
er genau seine Lehrweise und zeigt, wie er „durch die ersten Stücke
vorzugsweise die Aussprache zur Klarheit zu bringen suche", wie er
„deutsche Beispiele, oder richtiger, deutsche Sätze in den untern Klassen
überhaupt nicht mehr übersetzen lasse und das Deutsche nur dazu be-
nutze, das Verständnis der fremden Sprache anzubahnen und zu ver-
mitteln", auf welche Weise er die französischen Lesestücke and Gedichte
und zugleich die Grammatik behandele, wie er durch fortgesetzte Übun-
gen, die sich zuerst eng an die jedesmalige Lektüre anschliessen und
nach und nach immer freier werden, die Schüler endlich dahin bringe,
in der französischen Sprache ungezwungen ihre eigenen Gedanken wieder-
zugeben. Kl. schliesst mit den Worten : „Indem ... die Kenntnis der
Grammatik aus der Lektüre erworben und dabei jeder Schüler zum Mit-
arbeiter an derselben gemacht wird, fUUt Unnötiges und Überflüssiges
von selbst fort; die Beschäftigung mit syntaktischen Raritäten, die in
den meisten Übungsbüchern so gern traktiert werden, bleibt vollkommen
ausgeschlossen; nur das, was die Lektüre bietet, geht durch *die leben-
dige Anschauung in das geistige Eigentum der Schüler über. Gleichwohl
bleibt es natürlich unerlässlich, dass ihnen für die Bepetition sowohl
als zur genauen und gründlichen Eiiiprägung der grammatischen Formen
ein geeignetes Hilfsmittel in die Hand gegeben werde."
Aus diesem Grunde hat Kl. seine kleine französische Formenlehre
zum wörtlichen Auswendiglernen herausgegeben und zwar hat er die-
selbe nach dem Vorbilde der bekannten „lateinischen Formenlehre zum
wörtlichen Auswendiglernen" von Hermann Perthes (vgl. Vorwort, p. III)
abgefasst, dessen Schrillen offenbar überhaupt auf ihn in seinen päda-
gogischen Ansichten über den Sprachunterricht eingewirkt haben.
Die Formenlehre ist zunächst für Lateinisch lernende Schüler, also
für die Schüler der Real- und humanistischen Gymnasien berechnet» da das
Lateinisch, wenn auch durchaus nicht allzu häufig und immer kurz und
sachlich, erwähnt wird. Kl. könnte daraus leicht eine auch für andere
Anstalten geeignete Formenlehre herstellen, ohne in wesentlichen Dingen
den wissenschaftlichen Standpunkt aufgeben zu müssen.
Es mögen einige Notizen folgen, die ich mir beim Gebrauche der
Formenlehre von Klotzsch im Unterricht an einem humanistischen Gym-
nasium gemacht habe.
Von den flektierbaren Redeteilen behandelt Kl. I. „Substan-
tivum und Artikel mit Einschluss einzelner Teile der Lehre vom Ad-
jektivum" (§ 1 — 19).
Die in § 5 und 6 aufgestellte kurze Genusregel nach den drei
Methodik des franz. Unterrichts etc. 139
äsichtspunkten der BedeutuDg, der Endung und der Ableitung ist vor-
jfflich.
§ 5, 1: „So sind Masculina alle Benennungen der männlichen
esen; die Namen der Wochentage und Monate [ergänze „Jahreszeiten'^,
1. un eie ixoiz des lat. Geschlechts]; die Metalle ..." — Jahreszeiten,
)Date und Wochentage fallen unter einen weitern Begriff, so dass die
nzufiiguDg von „Jahreszeiten^' die F^sslichkeit der Regel keineswegs
ßinträchtigt.
§ 6, 3 : „Feminina . . . von den aus dem Lateinischen abgeleiteten
tirtern fast alle, die dort Feminina (z. B. mort, tentation) oder Neutra
Plural (z. B. arnie, ceuvre) sind.^ Ergänze: Die neutrale Pluralen-
Dg -a der 2., 3. und 4. Deklin. wurde im Vulgärlatein als die feminin.
igularenduDg der 1. Deklin. aufgefasst.
Anmerk. 2: „Gens gilt als Femininum nur noch für Adjektiva
;ier Endungen, wenn sie dem Worte gens yoranstehen (z. B. toutes les
iües gens; dagegen tons les gens vieux).^ Ich würde sagen: Gens gilt
Femininum wegen seiner Etymologie (lat. gentes) ... z. B. toutes les
lies gens, sonst als Masculinum wegen seiner Bedeutung = hommes
1. deutsch Leute, engl, people), z. B. totis les braves gens.
Zusatz 4. „Die Masculina auf -^at« haben Im Femininum -eile,
3. jtimeau (Zwilling) — jumeüe.^ Diese Femininbildung muss dem
üler als regelmässig erscheinen, wenn er an die Formen hei, nouvel,
QU htau, noiiveau, F. helle, nouvelle erinnert wird, vgl. Adjekt. § 22.
i = el : l vor folg. Kons, wird zu w vokalisiert, vgl. Pluralbildung
Konjugation. Das Doppel-/ im Femininum (auch etymol. richtig,
; = -ellam) bezeichnet das offene e vor folg. stumm, e.
§ 8 — 12. „Deklination. A. Numerus. B. Kasusbezeichnung.''
Ersetzung des (}enetivs und Dativs oder die Bezeichnung des Gene-
und Dativverhältnisses durch die Präpositionen de und ä beim Sub-
tiv gehört im syntaktischen Sinne eigentlich in die Lehre von
Präpositionen, kann indes in der Formenlehre auch an dieser Stelle
! Schädigung der wissenschaftlichen Auffassung erwähnt werden. Von
: wirklichen Kasusflexion des Subst. kann aber im Neufranz, gar
b die Rede sein: denn wenn auch de, ä mit le zu du, au und de, ä
les zu des, aux verschmelzen, so kann man doch diese formellen
;rungen, die scheinbar im Artikel selbst geschehen, keine Kasus-
»n nennen, da de und ä mit dem Artikel ebenfalls andere, auch in
leutschen Übersetzung, präpositionale Verhältnisse ausdrücken können,
luss daher deutlich gesagt werden, dass die französische Sprache die
lischen Kasus überall — spez. beim Subst. — aufgegeben hat, aus-
oimen bei den Pronominibus person. und relat., an denen noch der
nativ (U, eile, üs, elles, je u. s. w., qui) und der Accnsativ (le, la,
ne u. 8. w., que) und zum Teil auch der Dativ (lui, leur) in der
n unterschieden werden. Der lat. Genetiv ist ganz und gar ge-
inden. Kl. sagt ganz richtig, dass der Nomin. und Accus., der
. nur durch ihre Stellung im Satze unterschieden werden. Aber
enet. und Dat. werden nicht, wie er sagt (§ 12) durch Präpositionen
edrückt'' oder „bezeichnet", sondern ersetzt, vgl. schon in der
. Umgangssprache dico ad amicum = dico amico. „Bezeichnet"
„ausgedrückt*' durch die Präpositionen de und ä wird das Genetiv-
>ativ Verhältnis. — Auch in der Ausdrucks weise und Fassung der
-10 könnte manches geändert und gebessert werden: „Jeder Nu-
hat nur eine Kasusform, den Aocusativ (z. B. mort aus mortem;
'on aus ientationem etc.). Die Accusativform wird aber auch für
Tominativ gebraucht . . ." Für das neufranzösischö Sprachge-
140 LiUerarische Chronik. A. Rambeau,
fühl ist die Form mort kein Accusativ. — Wenn einmal von vornherein
gesagt worden ist, dass für das franz. Sahst, und Adjekt. keine Kasus-
flexion existiert, so braucht man für Lateinisch lernende Schüler nur
noch hinzuzufügen, dass die Form des franz. Subst. und Adj. in den bei
weitem meisten Fällen auf die lateinischen casus obliqui oder, wenn man
will, spez. auf den lat. Accus, mit Weglassung der Flexionsendung (mort
— mortem), in nur sehr wenigen Fällen auf den lat. Nomin. (pätre —
pastor, fils — filins, pire — pejorj zurückgehe. Dies erklärt sich, wie
man bemerken mag, aus dem Altfranz., wo noch zwei wirkliche Kasus,
der Nomin. und der casus obliquus, vorhanden gewesen sind. Vgl. im
Neufranz, z. B. la Porte Saint- Martin (porta Sancti Martini), la Porte
Saint- Denis (porta Sancti Dionysii) u. ä., ein Rest des alt franz. casus
obliquus {= Genet. in diesem Falle). — Das s (nach u meist x geschrie-
ben) im Plural rührt vom lat. Acc. Plur. der Masculina und Feminina
her (urspr. nur Zeichen des cas. obliqu. Plur. im Altfranz.), ist aber
lautlich nur noch in der Liaison vorhanden und ist auch graphisch
ausgelassen, wenn das Wort auf s, x, z (alle drei = weich, tön. s in
der Liaison) au4>geht.
§ 10, Zusatz 5, c. „Ohne Plural bildung bleiben . . . die nicht ein-
gebürgerten Lehnwörter, z. B. les in-folio; les Te-deum; (eingebürgerte
erhalten s, wie z. B. les operas; les e'chos . . .; les facturas u. s. f.).**
Nach der neuen Orthographie ist Te Deum zu schreiben. — Les fac-
turas ist zu streichen. Ich kenne kein franz. Wort factttra, sondern nur
facture (= 1. Waarenrechnung , 2. Ausarbeitung), das mit seiner echt
franz. Femininendung e = a nicht zu den Lehnwörtern (wohl aber zu
den mots savants wegen des erhaltenen c) gerechnet werden darf. Die
populäre Form dieses Wortes müsste faiture (i = c) sein, so im Ält-
franz. mit der Bedeutung „Gestalt", „Haltung", „Geschöpf" u. dgl.
§ 14. „Unbestimmter Artikel (article indefini) [ein, eine, Plural
im Deutschen ohne Artikel].
Singular. Mascalinum: un (lat. unum). Femininum: une.
Plural.
a) Unmittelbar vor einem Substantivum : = Genetiv Plur. des
bestimmten Artikels.
b) Vor dem mit dem Subst. verbundenen Adjektivum: de (das
Adjektivum vertritt hier die Stelle des Artikels)."
Dieser sog. „Plural des unbestimmten Artikels" ist nichts weiter
als der Plural des Teilartikels (article partitif), der von Kl. in § 15 be-
handelt wird. Der unbestimmt^ Artikel hat keinen Plural. In dem
Satze „J*«i im des soldats^ = „Ich habe Soldaten gesehen", bezeichnet
der Plural soldats mit dem Teilartikel (= de -\- best. Art.) = deutsch
„Soldaten" ohne Artikel eine unbestimmte Anzahl, einen unbestimmten
Teil von einem Ganzen, ebenso gut wie der Singular du pain = „Brot"
in einem Satze wie „J^'as du pain^ eine unbestimmt-e Masse, also auch
einen unbestimmten Teil von einem Ganzen ausdrückt. Der unbestimmte
Artikel mit einem Subst. bezeichnet zwar ebenfalls einen unbestimmten
Teil von einem Ganzen, aber als Einheit gedacht, und ist daher for-
mell gleich dem Zahlwort 1 und kann nur im Singular vorkommen.
Wie kann also von einem Plural des unbestimmten Artikels gesprochen
werden? — Auch der Ausdruck „Genetiv (resp. Genetiv Plur.) des be-
stimmten Artikels" in § 14, 15 ist falsch und irreführend, vgl. Kasus-
bezeichnung § 11—12. Der Teilartikel ist = de -{• best. Art.; wenn
ein Adj. vor dem Subst. steht, tritt es an Stelle des best. Artikels, der
dadurch unnötig wird: du pain, de bon pain.
Zusatz zu § 14 und 15. „Der Genetiv im Plural des unbestimm-
Methodik des franz. Unterrichts etc. 141
>en Artikels (resp. „im Singular und Plural" § 15) wird durch die blosse
Casuspräposition de ausgedrückt." In „Un (jrand nomhre de soldats^
t. ä. kann y^de soUlats^'- u. ä. unmöglich ein Genetiv genannt werden.
)er Teilartikel (= de -{■ best. Artik.) mit einem Subst. kann im Satz-
efüge Subjekt und Objekt sein» also die Stelle eines Nomin. und Accus.
innehmen und nach allen Präpositionen gesetzt werden (vgl. ä des amis,
vec des amis u. s. w.), ausgen. nach sans (sans pain = ohne Brot) und
atürlich nach. der Präposition de selbst, also damis = von Freunden.
ine derartige Regel beseitigt jene imaginäre grammatische Ungeheuer-
chkeit, den Genetiv des Genetivs des bestimmten Artikels! Allerdings
ihört diese Frage eigentlich in die Syntax.
§ 16—19. Der Frageartikel (article interrogatif) guel, der De-
jnstrativartikel (article demonstratif) ce, die Possessivartikel (articles
ssessifs) mon, ton u. s. w., die EoUektivartikel (articles collectifs) aucun,
"tain u. s. w. haben wohl manches mit dem bestimmten und unbe-
nmten Artikel gemein, aber ich würde sie doch lieber mit ihren ge-
hnlichen Namen „Adjektivische Frage-, Demonstrativ-, Possessiv-, in-
initive Pronomina", franz. „adjectif, interrogatif, ddmonstratif, possesif,
($fini" unter den Pronominibus im IV. Abschnitte sehen, besonders die
ektivischen indefinitiven Pronomina, da die meisten derselben unver-
lert auch als substantivische indefinite Pronomina (vgl. § 39) verwandt
den können. Ich würde in Abschn. IV sogar auf den bestimmten
ikel in § 13 verweisen, da dieser ja, wie El. selbst angibt, vom lat.
Qom. demonstr. iUum u. s. w. abgeleitet werden muss (vgl. den deutsch.,
1. und griech. Artikel).
IL „Vom Adjektivum.« § 20-26.
§ 22, Nr. 5. „Abweichend erscheint die Femininbildung bei äb-
(freigesprochen) — absoute . . . hebreu (hebräisch) — he'bratque.^
Feminin, von hebreu gibt es nicht; hebrdique ist Masc. und Femin.
§ 23, Nr. 2. ' ^Bleu und feu haben im Plural s statt x." „Statt"
fcht richtig; besser: . . . s, nicht .o: wie die Substantiva auf en fies
tixj,
§ 25, Anmerkung. „Da^s Bindewort nach dem Komparativ, das
lurch als oder wie ausdrücken, wird bezeichnet 1. durch que, wenn
ualität, um die es sich handelt, überschritten ist . . .; 2. durch de,
ein Zahlausdruck folgt und das damit angegebene Quantum zu dem
istand, um den es sich handelt, hinzugenommen werden soll (z. B.
verrez dans la ville plus de Cent eglises; cette locomotive tratne plus
arante wagons)"^ Der zweite Teil dieser syntaktischen Regel
ändern: das Biudewort kann nicht durch eine Präposition bezeich-
3rden. Nach plus und moins wird, wenn ein Zahlausdruck folgt,
Bindewort gesetzt, wie im Deutschen, sondern die Präposition de,
man nach der Auffassung der französischen Sprache keinen Ver-
anstellt, sondern ein unbestimmtes Quantum (plus, moins) von
bestimmten (der Zahl) entweder addierend (plus) oder subtra-
\ (moins) abrechnet.
III. „Vom Numerale." § 27 — 30.
^ 27. „Bemerkungen. 1. Einer und Zehner erscheinen in der
lensetzung mit Bindestrich verbunden, wenn nicht et zwischen
fceht." — Nicht bloss Zehner und (-f ) Einer (vingt-deux) oder
ad (x) Zehner (quatre-vingl), sondern auch Zehner und (-f ) Zehner
e-diücj,
„Die Schreibart mü findet sich nur bei der Angabe von Jahres-
[und auch dann nur, wenn 1000 nicht durch eine andere Zahl
142 Litierat-ische Chf*onik. A. Rambeau,
multipliziert iat)." Einfacher und genauer: 1^'d in Jahreszahlen der
christlichen Zeitrechnung zwischen lÜÜO und 2000, also 1001 — 1999.
6. „ . . . Louis Quaiorze; le onze Jiän; dagegen Charks Premier,
[Frdderic SecondJ le premier aoiU.J'^ Beim Datum und bei Regenten-
namen werden die Zahlen in Ziffern ausgedrückt: Louis XIV; le 11 juin;
Charles /•'"; Fredenc II (= deux, second beginnt zu veralten), le 1^
aoilt. Wenn die Zahlen wirklich ausgeschrieben werden, müssen sie auch
bei den Regentennamen mit kleinen Anfangsbuchstaben geschrieben
werden: Louis quaiorze u. s. w.
§ 28. Die Schreibweise quatre-vingts, deux cents, trois Cents u.
s. w, in der Zahlentabelle kann irre führen. Besser: quatre-vingi(s),
deux cent(s) u. s. w., vgl. bei Kl. § 27, Nr. 3.
IV. „Vom Pronomen." § 31- 39.
§ 39. Unter den angeführten einfachen und unveränderlichen
Pronominibus indefinitis finden sich „personne irgend jemand'',^ rien etwas*!
Besser: personne irgend jemand, im negativen Sinne (mit ne beim Ver-
bum) niemand; rien irgend etwas, im negat. Sinne (mit ne beim Ver-
bum) nichts.
V. „Vom Verbum«. §40-81.
§ 52. Unter die intransitiven Verba, die sich in ihren zusammen-
gesetzten Temporibus mit avoir und ^ire verbinden, je nachdem „auf die
Handlung selbst Bezug genommen wird" oder „durch sie ein Zustand
angegeben werden soll", stellt El. auch cesser und p^rir, Verba, die be-
kanntlich jetzt nur mit avoir gebraucht werden. Vergl. darüber die
franz. Schulgramm, von Plattner, der den neufranz. Sprachgebrauch in
bezug auf die Hilfsverba avoir und Sire bei derartigen Verben wie
avance?', monier u. s. w. (§ 54) gründlich untersucht hat. £r hat auch
bei einigen festgestellt, dass sich der Sprachgebrauch meist für ein Hilfs-
verbum entschieden hat, bei grandir, croltre, decroitre für avoir^ bei
monier, passer und (immer) bei afcroUre für Sire.
Kl. 's Einteilung der Verba in Konjugationsgruppen weicht von
der Lücking's und Plattner's (archaische und herrschende Konjuga-
tionen), ab, scheint mir aber weniger ^t, da sie zu Inkonsequenzen
führt. Auch wird das Prinzip der Einteilung selbst von ihm etwas zu
äusserlich aufgefasst.
Vgl. § 54. „Bleibt der Stamm in Verbindung mit den Endungen
unveränderlich, so heisst die Konjugation schwach (oder regelmässig).
Ist der Stamm in Verbindung mit den Endungen veränderlich, so heisst
die Konjugation stark (oder unregelmässig)." Ferner
§ 55. „Nach der Infinitivendung werden Verba auf -er (= erste
Konjugation), -re (= zweite Konjugation), -fr (= dritte Konjugation)
unterschieden."
§ 56. „Der wirkliche Stamm des Verbum lässt sich nicht über-
all im Infinitiv erkennen, da bei mehreren Verben vor dem r des In-
finitivs der Stamm verkürzt oder unrein geworden ist. . . . Bei mehre-
ren Verben (mit starker Konjugation) findet sich - oir als Infinitivendung.
Bei einigen schwachen Verben findet eine Vermischung mehrerer Kon-
jugationen statt."
In einer Tabelle (p. 30 — 45) hat Kl. 1) „die schwachen Verba mit
besondem Eigentümlichkeiten" § 72 — 77), 2) die „starken Verba" (§ 78
bis 80) und 3) die „anomalen Verba" (§ 81) zusammengestellt. Diese
Tabelle ist im allgemeinen recht übersichtlich, besonders infolge der
Rubriken, die oben auf je zwei neben einander liegenden Seiten vermerkt
sind und Wiederholungen, lange Erörterungen u. dgl. unnötig machen.
Es sind folgende Rubriken: Infinitiv — Stiunm — Klasse der Ko^juga-
Methodik des franz. Unterrichts etc. 143
»n — besondere Eigentümlichkeiten der Nominalformen und der Per-
lal formen — Anmerkungen.
Was die Haupteinteiluivg in schwache (oder regelmässige
d starke (oder un regelmässige) Verba betrifft, so ist vor allem zu)
streiten, dass sich die Ausdrücke stark und unreg^lmässig, resp. schwach
d regelmässig decken, gerade wenn man an Kl/s Einteilungsprincip fest-
It. [st etwa die Mischung zweier Konjugationsarten im Verbum vitir
irt. Präi väti nach Analogie der Verba auf -oir und -re, alle übrigen
rmen gebildet wie die von dormir, mentir u. s. w.) oder im Verbum stnvre
rt. Prät. suivi nach Analogie der Verba auf -ir, alle übrigen Formen
äldet wie die von rompre) u. ä., die El. zu den „schwachen Verben
i besondern Eigentümlichkeiten" rechnet, weniger vom gewöhnlichen
reichend, also weniger nunregelmässig", als die Formenbildung vieler
von ihm als stark bezeichneten Verba, z. B. moudre? Oder zeigt das
iwache Verbum" rire (§ 74) eine geringere Abweichung oder ünregel-
sigkeit als das „starke Verbum" conciure (§ 78)? Beide haben ein
im betontes bist. Perf. (je ri-s = lat. risi, je conclu-s = lat. con-
i); nar bat das eine Verbum t, das andere u als Stammvokal.
Ein grosser Übelstand zeigt sich auch darin, dass Kl. die der
sehen Grammatik entlehnten Ausdrücke „stark" und „schwach" auf
französische Koiijugationslehre in einem ganz andern Sinne anwendet,
man sie sonst zu gebrauchen pflegt. Gewöhnlich versteht man ja
;nnt1ich in der romanischen, resp. französischen Grammatik unter
ken Verben diejenigen Verba, die den Stamm betonen, z. B. eres-
— crottre (vgl. Brächet, Gramm, bist., p. .189), also vorzugsweise
^erba der 3. lat. Konjugation (ohne Ableitunssvokal), und, da in
m Sinne kein einziges Verbum vollständig stark flektiert wird, d. h.
llen Formen den Ton auf dem Stamme behält, spez. nur solche
a, die ein starkes oder stammbetontes Präteritum (bist. Perf.)
Q, wie 1) tenir — il tint ftenuü), venir -^ ü vint (venit), 2) die
en Verba auf -oir, recevoir — il regut (recepit), 3) viele Verba auf
dire — ü dit (dixit), faire — il fit (fecit), taire — il tut (täcuit)
w. Diesen stehen die schwachen Verba gegenüber, d. h. dierjeni-
die ein schwaches oder endungsbetontes Präteritum haben,
l) Verba auf -er (latein. -ärej, aimer — ü aima (amävit mit dem
kteristischen Vokal (lat. Ableitungsvokal) a; 2) Verba auf -tr (lat.
dormir — il dormit (dormivit) mit dem charakt. Vokal (lat. Ab-
gavokal) i; 3) einige Verba auf -re (lat. -ire), die im bist. Perf.
nalogie der Konjug. auf -ir gefolgt sind, rendre — ü rendit mit
kt. Vokal i; 4) einige Verba auf -oir (lat, -irej im bist. Perf. mit
charakt. Vokal u, der im klass. Latein unbetont war, vahir — il
(valf'di = vältätj.
Verglichen mit dieser üblichen, jedenfalls berechtigten Einteilung,
int Kl.*s Einteilung sehr inkonsequent. Faire mit dem bist. Perf.
(lat. fecij wird als stark bezeichnet (§ 78), dagegen seine Kompo-
ff/ire (§ 72), confire (§ 76) mit demselben bist. Perf. Je suffis, je
(lat. su/feci, confeci) selten als schwach. Der Grund dieser sonder-
Ordnung ist kein anderer, als dass faire = lat. facere (ai = lat.
^ im bist. Perf. einen vom Präsensstamm verschiedenen Vokal hat,
id dies im bist. Perf. von suffire, confire (lat. sufficere, conficere) nicht
II ist, weil schon im lat. Präsensstamm dieser Verba ein kurzes t
den war^ das mit dem folg. c zu franz. i geworden ist. Wie suf
mftre, so rechnet Kl. auch rire, dire, drconcire, alle mit einem
3eto]iten bist. Perf. (je ris, dis, drconcis, lat. risi, Mxi, drcumcisi
ifncidij zu den „schwachen Verben mit besondem Eigentümlich-
144 Litterarische Chronik. A. Ramheau,
keiten", offenbar weil sie denselben Stammvokal / im Präs. und bist.
Perf. zeigen, — aber ebenfalls auch mettre, prendre (§ 77), obgleich der
Präsensstamm dieser Verba in ihrem stammbetonten bist. Perf. sehr ver-
ändert ist: je mis, pris = lat. misi, pi'ensi st. prendi, prcheruii. Und
doch stellt El. als Prinzip seiner Einteilung auf: „Ist der Stamm in
Verbindung mit den Endungen veränderlich, so heisst die Konjugation
stark".
Beziehen sich diese Worte etwa nur auf das Präsens? Sollen die-
jenigen Verba als stark betrachtet werden, deren Stammvokal im Prä-
sens in Folge des wechselnden Wortaccentes (accent tonique) veraudert,
im Neufranz, meist, ursprünglich immer diphthongiert ist? Also Verba
wie apercevoir (St. apercev- in den endungsbetonten, aper^oiv- in den
stammbetonten Formen des Präsens), devoir (St. dev-, doiv-J, boire (St.
buv-, boiV'J, tenir (St. ten-, iien-), venir (St. ven-, vien-J, regue'rir (St.
reqve'r-, requiei-), mouvoir(St mouv-, meuv-J^pouvoir {Bt. pouv- peuv-J,
vouloir (St. voul-, veul-J, mourir (St. mour-, meur-). Alle diese Verba
sind bei Kl. unter den „starken Verben" verzeichnet, daneben aber
eine grosse Menge von Verben, die den Stammvokal ohne Rücksicht auf
den wechselnden Wortaccent unverändert lassen: connaltre (St. connais-J,
croire (St. croi-, croy-, y = ii nur wegen des Hiatus vor volltönenden
Endungen), vivre (St. viv-), valoir (St. val-) u. a. Allerdings zeigen
alle diese und ähnliche Verba gewisse Eigentümlichkeiten in der Be-
handlung des Stammes, besonders Wegfall des Endkonsonanten des
Stammes oder Vokalisierung des l z\x u vor folg. konsonantischer En-
dung (val-, ü val-t = il vaiit) u. dgl. Aber es treten ganz ähnliche
oder gleiche Eigentümlichkeiten auf im Präsens der Verba fuir, mentir,
dormir, servir, oouülir, suivre, bruire, e'crire, taire, ceindre u. a., die KL
alle unter die „schwachen Verba" rechnet.
Es ist daher Kl. zu raten, seine Einteilung in „schwache" und
r.starke" Verba aufzugeben. Dagegen schlage ich ihm vor, seine Grup-
pierung der Verba nach drei Konjugationsarten „Verba auf -er, auf -re,
auf -«>" (die Reihenfolge -er, -ir, -re ist vielleicht praktischer, weil es
mehr „regelmässige" Verba auf -ir als auf -re gibt) beizubehalten,
die Verba auf -ir in die zwei Klassen, Verba mit reinem (einfachem)
Stamme (mentir, St. ment-J und Verba mit inchoativem Stamme (punir,
St. pun-, puniss-) einzuteilen und darnach eine Tabelle der abweichenden
oder „unregelm aasigen" Verba oder der „Verba mit besondern Eigen-
tümlichkeiten", 1) Verba auf -ir, 2) auf -7'e, 3) auf -oir folgen zu lassen.
Von den Verben auf -er sind aller und envoyer anomal. Die Gesichts-
punkte, nach denen diese abweichenden Verba auf -ir, -re, -oir unter
sich gruppiert werden können, finden sich leicht, z. B. das stammbetonte
bist. Perf. oder Veränderung des Stammvokals^^ infolge des wechselnden
Wortaccentes im Präs. u. dgl. — Eine solche Änderung könnte Kl. vor-
nehmen ohne grosse Mühe und ohne seinem Abschnitte „vom Verbum"
eine wesentlich verschiedene Gestalt zu geben. Im allgemeinen ist ja
auch dieser Abschnitt — erfahrungsmässig der schwierigste in einer
Schulgrammatik — sehr klar und übersichtlich und beweist trotz der
kurzen, knappen Darstellung, die ganz besonders zu loben ist (p. 22 — 45),
wissenschaftliche Gründlichkeit und Verarbeitung der Resultate der ro-
manischen Philologie.
In § 56 findet sich eine auffällige Bemerkung: „Auch zeigt nicht
bei allen Verben die Infinitivendung die Klasse der Konjugation an, da
selbst bei schwachen Verben die Infinitivendung bisweilen ver-
kürzt (z. B. fm-r statt fui-re) oder vertauscht (vSt-ir statt vit-rej
ist". Kl. sagt in seinem Vorworte: „Dass in diesem Büchlein manches,
.•1..(
Methodik des franz, ünierrichis etc. 145
^~ "^~- ^ ••'''! nrlinn er des Verbum, mit den streng wissenschaftlichen
u:i TL - «;/.])t übereinstimmt;, ist mir, wie ich zur Beseitigung
' ur«t;indnisses ausdrücklich bemerke, recht wohl bekannt;
ich aus pädagogischen Gründen hier und da meinen
"♦^'rangen". Dies kann die oben angeführte Bemerkung
'HirrpTi: denn sie ist nicht nur wissenschaftlich falsch,
vom pädagogischen Standpunkte aus durchaus verfehlt.
md fni'. fuy- = lat. fng-) und v^ür (St. vH-, lat. vest-)
•PH Verben auf -*r mit einfachem Stamme (ohne Inchoativ-
" "///r \\. a. zu trennen, dafür ist nicht der geringste pädago-
' vorhanden. VHir zeigt sellbst im klassischen Latein das
"Offar im Infin. (vest-ire), fuir wenigstens in vielen, andern
'i-'t-o, fy^-i-uni). Im Vulgärlatein und spätem Schriftlatein
»' einen Infin. fugire, vgl. Neue, Lat. Formenlehre, II, 415,
Vokalismus des Vulgärlateins, I, 408, vgl. auch ital. fuggire,
iYOw. ffigir, altfranz. fuir (schon im Rolandslied, 96 : 1255 in
- Assonanz, gestützt). Es hat im Franz. nie eine Form fuire
vdtre gegeben!
•Das Personalzeichen der 1. Person im Singular s fehlt
. wird nach der Tempusbezeichnung a zu i (z. B. je nomme;
.n." Die Ausdrücke „fehlt" und „wird . . . zu" sind unrichtig.
aizeichen s ist bekanntlich auch in den übrigen Temporibus,
.1 Stationen (in der Konjugation auf -ir mit inchoativ. Stamm
ler 1. Pers. Sing. Präs. Ind. stammhaft) ursprünglich nicht vQir-
w esen und erst nachträglich angefügt worden. S kann daher
t im bist. Perf. der 1. Konjug. zu i werden, da dieses i schon
xistiert hat (am-a-vi) und nach Ausfall des intervokalen v
u im klass. Lat. -m = -m, redii, appeiii) mit dem ableitenden
iiolzen ist. Die urspr. Form ist nur noch in der Schrift er-
. der Sprache ist -««jetzt = geschl. e.
(i4. Als Tempusbezeichnung des Präs. Ind. und Imper. der
_^. (auf -ir) gibt Kl. im Sing, -i-, im Plur. -iss- an. Auch im
: es dieselbe Inchoativsübe -iss-, nur musa in der 1. und 2. Per-
- schliessende s, wie gewöhnlich, vereinfacht werden und in der
. vor folg. Kons, (t) wegfallen. Vgl. je punis, tu punis, ü punii
parais, tu parais, ü paraii, St. puniss-, paraiss-. In der 1. und
. Sing, ist das erhaltene s statt ss als zum Stamme gehörig zu
ten; die Personalendung s in der 2. Sing, und später, als die
Liialogie der 2. folgte (vgl. vendo = vend, vends; vendis = vendsj,
1. Sing, blieb als unnötig weg, vgl. die Pluralbildung der Sub-
, ias, nez, twix.
inm. zu § 64. „Das tonlose e der 1. Person des Singulars wird
Frageform vor je in geschlosses e (e) verwandelt (z. ß. nomme-
i der Schrift tritt allerdings der accent aigu ein, trotzdem ist es
les oder wenigstens halboTOues e, wie in der Form ai (lat. häbeo)
Futurum das geschlossene e (geschr. ai) in der Fragestellung vor
enem e wird, vgl. nommd-je, ai-je, nommerai-je.
81. ,,Geht der Stamm eines Verbum auf ai, oi oder ui ans,
der Halbvokal i vor einer mit vollem (d. i. lautbarem) Vokal
den Verbalendung zu y, um den Hiatus zu tilgen (z. B. croi-re :
>yons ; envoyer, Stamm envoi; fuir, Stamm fui : nous fuyons
Dagegen kann am Stammende ay auch vor tonlosem ^blei-
\. payer : je paye ijgd je paiej.^ Der Bjj^hstabenkombination
^ oi (spr. Diphth. od), ui (spr. Diphth. üij kommt der Laut
Ibvokals t gar nicht zu, sondern dieser kann bei oi und ui
r. nfrz. Spr. u. Litt. VI 2. jq
146 LUierarkche Chronik. A. Ramheau,
erst dann eintreten, wenn eine vokalisch anlautend^ voll tönende En-
dung folgt; dann schreibt man oy, uy (spr. oa-i-, üi-i-). Die Verba,
deren Stamm auf ei auslauten könnte, haben auch vor stummem e den
Halbvokal i; daher in der Schrift ey-, spr. e-i-: vgl, ff rassey er, s'asseoir
— je fp^asseye, üs s'asseyent.
Den kurzen „Bemerkungen über einige Konsonanten am Stamm-
ende des Verbum" (§ 70) und „über Lautveränderungen in der Stamm-
endsilbe des Verbum'^ (§71) folgt unmittelbar die Tabelle der schwachen
(mit besondern Eigentümlichkeiten), starken und anomalen Verba« über
die ich oben gesprochen habe. Es mögen hier nur noch einige Einzel-
heiten erwähnt werden:
§ 72. Von luire, nuire, suffire ist neben dem Stamm luis-, nuis-,
suffis- (vor vokalischen Endungen) auch der Nebenstamm lux-, nui-,
suffi- (vor konsonantischen Endungen) anzugeben — und so in ähn-
lichen Fällen, wie dire, faire u. a. — Suffire darf nicht von confire (§ 76)
und faire (§ 78) getrennt, wenn auch sein Part. Prät. das Nominalsuffix
-^ (vgl. suffi — confit, fait) verloren hat.
§ 76. Bruire (St. brui-, bruy-J und die andern Defectiva sollten
wie die Anomala abgesondert sein.
„Frire, Stamm fris." Der Stamm kann nur fii- lauten (lat. f?^-
g^e) und lautete auch so vor vokalischen Endungen in den jetzt ver-
schollenen Formen; Impf, je frims, Part. Präs. friant. Vgl. im Neufrz.
das Adj. (Subst.) friand, Subst. friandise.
% Bei ceindre, atteindre u. a. (§ 76), ferner bei movdre, ahsoudre
u. a. (§ 78) und (vorher § 72) coudre ist das d des Inf. als unorganisch,
euphonisch zwischen n -\- r, i (später zu u vokalisiert) -f r, weich, s •\- r
(s später weggefallen vor Konson.), bei connaitre, parcaire u. a. (§ 78)
das t des Infin. ebenso zwischen scharf, s fssj -{• r fs später weggefallen
vor Konson.) zu erklären; schon vor der Tabelle muss auf dieses eupho-
nische d und i aufmerksam gemacht werden. Das d im Sing. Ind. und
Imper. Präs. von moudre und coudre muss als eingedrungen (nur gra-
phisch), also als hybrid bezeichnet werden.
§ 77. y^Prendre, Stamm pren-."^ Daneben prend- (vgl. lat. prendre,
prehendere).
§ 78. „Jbsoudre, Stamm absolv- vor vokalisch beginnender Ver-
balendung, absou- vor konsonantisch beginnender Verbalendung." — Das
V dem Stammes absolv- muss vor Konson. ausfallen (vgl. je vis, sers u. a.),
daher absol-; das / ist später vor folg. Konson. zu u vokalisiert worden,
vgl. die Pluralbildung: cheval-s = chevaux (x = s). Danach ist § 70,
Bemerk. 2 zu verbessern : / wird nicht „vor dem Personalzeichen fx) , ,,
ausgestossen", sondern ist vor den Personalzeichen s (nach u oft ge-
schrieben x) und t 2M u vokalisiert worden. Die „Ausstossung des /"
ist in dem von Kl. angeführten Beispiele je veu-x. Stamm veul- nur
scheinbar.
JStre mit seinen verschiedenen Stämmen es-, ei-, fu- gehört nicht
zu den „starken Verben" in § 78, sondern zu den Anomalis (§ 81).
y,Vivre, Stamm viv-.^ Nebenstamm ve'c- (lat. vic-, Perf. vic-si,
vixi, Part. Prät. vic-ium, im Franz. anders gebildet: je ve'c-us, ve'c-uj,
„Naitre^ Stamm naiss-.^ Nebenstämme naqu- (je naquis), n- (he).
§ 79. Der eine Stamm von asseoir ist nicht assei-, sondern assey-
(auch vor stumm, e), vgl. oben. — Kl. „assied- in stammbetonten Verbal-
formen ausser vor stummem e.^ Es ist hinzuzufügen: im Präs. Ind. und
Imper., wegen j'assis bist. Perf. und assis Part. Prät. Ähnlich in an-
dern Fällen, wie in § 80 „mourir. Stamm mour- in endungsbetonien
Verbalformen, meur- in stammbetonten Verbalformen". Zu ergänzen:
Methodik des franz. Unterrichts etc. 147
m Präsens. — Im Part Prät. zeigt sich in betonter Silbe noch der
nveränderte lat. Stammvokal: mor-t (lat. mortuum).
Bei courh' und mourir sind in der Tabelle die abweichenden Fu-
ira je cowrai, je mourrai (von den Infin. cour-re, mour-re) wohl aus
ersehen weggelassen worden.
„Reguerir holen." Kins der übrigen, häufigeren Komposita von
leh'r, etwa conquerir, sollte mit seinen Hauptformen angeführt sein,
as die Bedeutung betrifft, so heisst requerir ersuchen, fordern, requi-
?ren, erfordern. Mit der Bedeutung „(noch einmal) holen" ist es nur
Infin. gebräuchlich, vgl. Sachs* Wb. -— Von tenir fehlt in der Ta-
lle das abweichende Part. Prät. tenu.
§ 80. y^Aüer, Stamm o//-.** Nebenstämme va- (lat. vad-) und t-
t. Inf. ire, franz. Put. firaij.
In den letzten 7 §§ (82 — 88) bespricht Kl. die unflektierbaren
leteile. Sehr sachgemäss ist seine Behandlung der „abgeleiteten Ad-
l)ia".
§ 84, „Doch bezeichnen die Adjektiva assidu, continu, cru, nu,
üu den (zu erg. vermeintlichen) Ausfall von e vor ment durch
n Cirkumflex auf u; . . ." Die Orthographie hat sich bei einem dieser
erbien verändert: man schreibt jetzt re'solument, aber assidüment etc.
§ 88. „Über die subordinierende Konjugation gue mit dem Kon-
tiv" enthält eine kurze syntaktische Regel über 5 Fälle, in denen
Nebensatze qtie mit dem Konjunktiv steht". In Nr. 2 („in Kondi-
Jsätzen") empfiehlt es sich „si tant est^ zu streichen, ebenso nmcU-
in Nr. 3 („in Konzessivsätzen"). Man schreibt jetzt nonobstani nicht
vei Wörtern (Nr. 3). „4. in Finalsätzen, allgemein wenn der Haupt-
einen Wunsch (Bitte, Forderung, Befehl, Billigung, Verbot, War-
u. dgl. m.) oder Affekt (Furcht, Erstaunen, Freude, Schmerz) oder
el enthält, ..." — Kl. fahrt in Nr. 4 fort: „. . . oder im beson-
in Verbindung mit pour, afin, de peur (de crainte) oder mit de
, de maniere, de sorte (en sarte), wenn die Absicht (deutsdi: da-
ausgedrückt wird". Ergänze nach dem letzten „oder": in Konse-
ätzen.
„5. in Temporalsätzen in Verbindung mit avant, jusqu'ä ce que
% atiendant.^ Diese zusammengesetzten Konjunktionen könnten sehr
n Nr. 4 eingefügt werden. Msqu*ä ee que regiert den Konjunktiv
Q finalen Sinne.
Folgende Druckfehler sind zu berücksichtigen:
Z. 22 V. o, negresse — schreib negresse,
Z. 29 V. o. defendeur (Beklagte) — soll wohl heissen „Verklagte"
(im Civilprozess),
2. 13 V. o. Schreib „Zwilling" statt „Zwillinge",
5. 22 V. o. heros (Herold) — lies: Held,
5 8 V. o. verbundenem — lies: verbundenen,
I. 7 V. o, doiix (Fuss) — lies: süss,
i. 4 V. o. douple — lies: double,
8, 9 V. o. oü (lat. ubi) in der Bedeutung wo (wohin, woher),
worin ... — „woher" ist zu streichen (= d!oü),
8 V, u, hruire brauchen — lies: brausen, rauschen,
) in der Tabelle: Besondere Eigentümlichkeiten der Personal-
formen — der Nominalformen. Die Namen sind vertauscht
-worden,
6 V. u. (je mourus). Streiche die Parenthese; in der 3. Pers.
ist dieses Tempus von mourir sehr häufig.
10*
148 Liiierarisehe Chronik. A. Rambeau,
2. Denselben Standpunkt wie Klotzsch vertritt im grossen und
ganzen Kühn in seiner Abhandlung „Zur Methode des franz. Unterrichts".
£r hat diese Abhandlung schon ein Jahr vorher (1882) als Programm-
arbeit des Realgymnasiums zii Wiesbaden veröffentlicht, und sie ist auch
bereits von Koschwitz in dieser Zeitschrift Bd. IV, p. 95 besprochen und
zwar recht günstig beurteilt worden. Das sehr lesenswerte und inter-
essante Schriftchen, das in der vorliegenden Ausgabe einige Änderungen
und Zusätze erhalten hat, mag von neuem der Beachtung der Fachge-
nossen empfohlen werden. Es hat gewiss schon auch in seiner neuen,
handlicheren Gestalt zahlreiche Leser gefunden.
K. verlangt (p. 4, 47) nicht bloss Reform der Methode im Unter-
richte der einzelnen fremden Sprachen, sondern auch der Ordnung, in
welcher sie gelehrt werden. Da allmähliches Voranschreiten vom Nächst-
liegenden zum Fernliegenden die einzig naturgemässe Art jedes Unter-
richts sei, so müsse das Streben dahin gehen, an allen Schulen den
fremdsprachlichen Unterricht mit einer modernen Sprache, und zwar mit
dem Englischen, zu beginnen. Man kann dem Verfasser nur beistimmen,
wenn er sagt, dass die Schüler dadurch „um ein gutes Stück unnützer
Arbeit erleichtert würden". In der That würde dies dazu beitragen, die
leidige Überbürdungsfrage, die jetzt die Direktoren und Lehrer und das
Publikum bis zum Übermasse beschäftigt, zu lösen. „Auch würde für
die untern Klassen unserer höheren Schulen volle Einheit erreicht — in
praktischer Hinsicht von grosser Bedeutung".
Indem sich K. auf das Französische beschränkt, wendet er sich
zunächst (I) gegen die in den meisten französischen Lehrbüchern be-
folgte Methode in bezug auf die Aussprache, gegen die unzähligen Aus-
spracheregeln, mit denen man den Schüler quäle, die dieser aber nicht
anwende. Die gegenwärtig in den Schulen herrschende Aussprache des
Französischen und Englischen sei trotz der vielen Regeln und der darauf
verwandten Mühe grauenvoll. K. verlangt, dass man im Unterrichte in
der Aussprache auf die Laute zurückgehe, indem er auf Trautmann's
bekannten Artiael in der Anglia (I) und Vietor^s englische Grammatik
(1879) und seinen Aufsatz „Schriftlehre oder Sprachlehre" verweist. Was
meine persönlichen Erfahrungen betrifft, so befolge ich schon seit eini-
gen Jahren im wesentlichen dieselbe Methode. Anfangs hat mein Schü-
ler nur zu hören, und das erste, was er von der fremden Sprache zu
sehen bekommt, sind Lautzeichen auf Lauttafeln, die ich zu diesem
Zwecke in allen Klassen, in den unteren sowohl als den oberen, anfer-
tigen und in jeder Stunde im Klassenzimmer aufhängen lasse. Daran
werden die fremden Laute in ihrem Verhältnis zu einander und zu den
aus der Muttersprache wohl bekannten erklärt und eingeübt, und ich
bin dadurch in den Stand gesetzt, bei den Lese- und Sprechübungen
einen etwaigen Fehler sofort zu korrigieren und durch ein Fingerzeichen
als Fehler nachzuweisen. Ausspracheregeln kommen nur gelegentlich
und zwar allein in der Praxis beim Lesen vor und werden von den
Schülern selbst gefunden, z. B. ^ = ^ vor <?, i, y u. dgl. Auf diese
Weise kann man nicht bloss bei 10— 12jährigen Knaben, deren Zunge
noch biegsam ist, sondern bei allen Schülern gute Resultate erzielen,
mag ihr heimatlicher Dialekt noch so eigenartig sein. Sie müssen lernen,
wie die fremden Laute hervorzubringen sind, und wie sie selbst die
Laute ihrer eigenen Sprache hervorbringen, — das Übrige ergibt sich
von selbst.
Mit Recht bemerkt K., dass die bisherige Methode die Aussprache
zu lehren, zu einer grossen Verwirrung der Begriffe „Laut" und „Buch-
stabe" geführt habe, und beweist dies an einigen der beliebten „Laut-
Methodik des franz* Unterrichts etc. 149
, dio wirklich mchts anderes als orthographische Vorschriften
. B. X = s in je vaitx, les chevaux. Er sagt: „. . . das x in je
st doch eine blosse Äusserlichkeit nnd verdient nur als solche be-
i zu werden." Gewiss. Trotzdem ist eine orthographische Regel
lieses X sehr brauchbar und nützlich, wenn sich diese auf alle
im Französischen und nicht auf specielle Fälle, zuerst auf das Subst.,
das Adj., zuletzt das Verbum bezieht: x wird statt s geschrieben
mbten Wörtern, nicht in Fremdwörtern) immer nach at/^ meist
I (.'u, oft (beim Sahst.) nach ou.
K. spricht sogar von einer „Manie Regeln und Gesetze aufzustel-
der „ein Ende gemacht werden müsse". Mit diesen Worten wird
\ erfasser hoffentlich nicht die wirklichen umfassenden Gesetze, spez.
^esetze beseitigt zu sehen wünschen, und aus einigen Stellen seiner
ft geht hervor, dass er Gesetze, die das „warum" anzeigen, durch
ler Grund einer Erscheinung erklärt wird (vergl. pag. 15) , zu
zen weiss.
Dass das l vor folg. Eonson. in ererbten (echten, einheimischen)
)si8chen Wörtern zu u vokalisiert wird und mit dem vorhergehen-
lokaA verschmilzt, ein solches Lautgesetz braucht der Schüler nicht
ch „auswendig zu lernen", aber er soll und muss es allmählich selbst
lernen, da es beim Verbum (il vaut = vaU-t)^ beim Subst. (che-
= chevod-s) bei der Wortbildung (haut = (ütum), bei der Zusam-
tzung (Vaugirard = Valgirard) von der grössten Bedeutung ist
agleich sehr deutlich hervortritt. In ähnlicher Weise äussert sich
S^. p. 12. Er sagt bei dieser Gelegenheit, dass der Laut / in be-
ben Fällen schwinde. Dies ist allerdings richtig bei dem sog. /
/ (urspr. = / + Halbvok. i) und dem Fron, ü (= i in der vul-
Aussprache), aber es ist bei / vor folg. Konson. nur in einem be-
:en Sinne richtig, insofern das / in solcher Stellung, wie man im
einen annimmt, urspr. einen «/-Laut vor sich bewirkt hat alium —
hault — haut (die Schreibweise hault beweist aber an sich nichts)
nn erst ausgefallen ist. Im Neufranz, erscheint nur noch das eine
1, dass u statt / vor folg. Konson. eingetreten ist.
Die Formenlehre auf die Lautlehre zu gründen, wie es Vietor für
g^lische gethan hat und es E. auch für das Französische wünscht
ist besonders im Anfangsunterrichte zu empfehlen, wenn der
zuerst die Laute und nachher die üblichen Buchstaben kennen
Freilich hätte ein solches Unternehmen, wenn es, wie es im Engl,
en ist, in einem Lehrbuche durchgeführt würde, im Französischen
Issere Schwierigkeiten zu überwinden, die hauptsächlich durch
ison" verarsa».'ht werden. Diese wird zwar bekanntlich in der
Wichen Umgangssprache oft nicht und von den Ungebildeten
angewandt, aber sie existiert doch in der guten, gebildeten Um-
räche, die allein für die Schule massgebend sein kann; sie wird
3ildeten, der die grammatischen Endungen aus dem Schulunter-
!nnt, als etwas wesentliches, jedenfalls als ein besonderer Schmuck
)rache empfunden und geradezu als ein Vorzug derselben ge-
Daher geht E., wie ich glaube, zu weit, weim er sagt: «Die
Ichen Endungen, welche bisher den Eopf der Lernenden be-
3, werden nur noch als orthographische Eigentümlichkeiten ge-
Die „angeblichen" Endungen werden im Munde des Gebildeten
e richtige Anwendung der „liaison" zu wirklichen Flexions-
, deren Unterschiede dieser wohl zu fühlen imstande ist. Also
die Personalendungen -s und -t in je rompSy tu romps, ü rompt
ruds, tu rends, ü rend (eig. rent, vgl. die Aussprache von rend-
! '
t .
'/•■ ■■
r
nr, '
ri'
1 I«'
1<.
<l.
w ■•
A
r
r
Methodik des franz. Untetfichis etc. 151
r den Anfänger im Lehrberuf um so nützlicher und anregender sein,
s er mit den nun einmal bestehenden Verhältnissen rechnet und eigne
tahrun^en mitteilt. Er sucht das übermässige grammatische Material
ij in seine Anstalt eingeführten Übungsbuches von Plötz möglichst zu
schränken und lässt überhaupt dieses Übungsbuch vor der Lektüre, an
r zuerst die Laute geübt werden, dann die Grammatik veranschaulicht
rd, „in den Hintergrund treten oder höchstens als gleichberechtigt
Iten^'. Er zeigt an einigen Teilen der Grammatik, wie diese an Quan-
ät sehr vereinracht und doch in ihrer Auffassung vertieft, wissenschaft-
lier gestaltet werden kann. Seine Ausführungen über die französische
ortstellung, den Konjunktiv und den sog. Teilungsartikel sind aus
•sem Grunde vom pädagogischen Standpunkte aus sehr wertvoll.
Im V. Kapitel (neu) verteidigt K. einem seiner Rezensenten gegen-
3r die von ihm aufgestellte Forderung, dass der Unterricht mit den
uten der fremden Sprache beginnen solle- Er verlangt nicht, dass
Lehrer der modernen Sprachen etwa wissenschaftliche Phonetik
:be, aber dass er selbst diese studiert habe, um seinen Schülern die
ite und ihren Zusammenhang unter einander zu erklären. Duichaus
itig ist seine Bemerkung, dass man, ohne sich um die Laute zu
amern, also auf rein mechanischem Wege zu korrektem Sprechen
;r Sprache nur durch mehrjährigen Aufenthalt im Lande selbst
imen könne, dass man aber nach einer tüchtigen Vorbereitung be-
iers in der Lautlehre schon durch einen verhältnissmässig kurzen
enthalt im Auslande sehr viel zu erreichen im Stande sei.
K. hält es für sehr wünschenswert und selbst für notwendig, dass
modernen Philologen auf einige Zeit, etwa nach dem Wissenschaft-
en Staatsexamen, ins Ausland gehen. Er erwähnt die von Stengel
Körting gemachten Vorschläge, die bezwecken, den angehenden
:ern Gelegenheit zur praktischen Ausbildung im Gebrauche der leben-
Sprachen zu geben, und wendet sich mit einem neuen Vorschlage
lie Professoren der neueren Philologie an unseren Universitäten, wel-
meist die hervorragenden Vertreter derselben Fächer in England
Frankreich kennen: sie „sollten mit den letzteren eine Art Nach-
ebureau gründen" und ihre Studenten, die sie ja persönlich kennen
rnt haben, für Hauslehrerstellen empfehlen. Der Vorschlag scheint
praktisch; ob er ausführbar ist, werden die Herren, an die sich K.
seiner Aufforderung wendet, am besten beurteilen können. Indes
die eigentümlichen. Verhältnisse der Universitäten und Schulen, die
artige Stellung der Universitätsprofessoren und der anderen Lehrer
ankreich und England kennt, muss an der Ausführbarkeit dieses
gemeinten Vorschlages zweifeln.
Die von Kühn empfohlene Methode setzt, wie er selbst zugesteht,
tüchtige Lehrer, die ihrer Aufgabe vollkommen gewachsen sind,
is; sie verlangt von ihnen „eine gute wissenschaftliche Grundlage,
lautliche Sicherheit und einige Gewandtheit im Sprechen'^ (p. 46).
lit die verschiedenen grammatischen Erscheinungen, welche an der
des Lesebuches gelernt werden, nicht die jugendlichen Köpfe ver-
n, werden sie vom Lehrer erklärt, zusammengefasst und geschieden,
: ist da allerdings meist die lebendige Grammatik'^ (p. 40). In der
haben Plötz und seine Nachfolger dem Lehrer seine Aufgabe viel
?r gemacht: er hat ja einfach durchzunehmen, was im Lehrbuche
Nach ihrer Methode können auch Lehrer unterrichten, die „an
asien und auch noch an manchen Bealschulen zur Erteilung des
sischen Unterrichts gegen ihren Willen kommandiert werden",
leue" Methode verlangt aber die ganze Lehrkraft eines tüch-
152 LUierarische Chronik, A. Ramheau,
tig vorgebildeten Fachmannes. Mit Becht meint E., daas der An-
fangsunterricht nur Fachlehrern übertragen werden dürfe, und dass
Lehrer mit mittleren Fakultäten nur in Tertia und Unter -Sekunda Ver-
wendung finden sollten. Aber selbst für Fachlehrer sind die Anfor-
derungen, die die „neue" Methode stellt, sehr hoch. Was die wissen-
schaftliche und theoretische Ausbildung betrifft, so sind sie in
dieser Beziehung sicher nicht niedriger, als die Anforderungen, die man
bisher an neuere Philologen gestellt hat. Im Gegenteil ergibt sich da-
raus, dass sie mindestens ein Triennium auf ihre Universitätsstudien ver-
wenden müssen. Zugleich wird aber von ihnen verlangt ^ dass sie zu
ihrer praktischen Ausbildung einige Zeit im Auslande gewesen sind.
Es ist daher nicht zu leugnen, dass die Aufgabe des neuern Philologen,
der sich für den Lehrberuf vorbereitet, eine weit schwierigere geworden
ist, als die des klassischen Philologen und des Mathematikers, die sich
sofort nach Absolvierung ihres wissenschaftlichen Examens ihrem Berufe
widmen können. Jedenfalls erfordert sie mehr Zeit und Geld. Ich bin
der Ansicht, dass dieser Umstand von den Herren Examinatoren in der
Beurteilung der Kandidaten im Staatsexamen und von den Behörden bei
ihrer Anstellung und Beförderung berücksichtigt werden sollte. Denn
es scheint mir ein grosser Missstand und ein bedenkliches Missverhältnis
zu sein, wenn ein neuerer Philologe, der stets seine Zeit gut angewandt
und seine wissenschaftlichen Studien mit Erfolg getrieben hat, in seinem
26. oder 27. Jahre bei der Übernahme eines Amtes keine besseren Aus-
sichten hat, als ein 22 oder 23 jähriger Mathematiker oder klassischer
Philologe, — nur weil er nach seinem Triennium seine Studien im Aus-
lande fortsetzen zu müssen geglaubt hat. Meistens haben ja auch die
neueren Philologen, die sich im Auslande aufgehalten haben, dort schon
als Lehrer gewirkt und praktische Erfahrungen für den Unterricht ge-
sammelt. Es scheint mir sehr hart und einer Zurücksetzung sehr ähn-
lich zu sein, dass sie dann trotzdem als unerfahrene Probekandidaten,
die eben die Universität verlassen und noch nie unterrichtet haben, be-
handelt werden und in einer solchen Stellung ein Jahr lang aushalten
müssen, ohne nachher irgendwie entschädigt zu werden.
3. Der Verfasser der „Grammatik der französischen Sprache für
höhere Schulen" nennt sich auch Reformator. Er ist einer jener vielen
„Heformatoren", die mit ihrem Werke ,.einem längst gefühlten Bedürf-
nisse" abzuhelfen behaupten. Ausser den zwei Vorreden zur ersten und
zweiten Auflage (7 Seiten!) liegen mir noch zwei gedruckte Zuschriften
vor, in denen Pflüger in beredten Worten die Notwendigkeit, Nützlich-
keit und Überlegenheit seiner Grammatik ins hellste Licht zu stellen
versucht. Auch eine Sammlung von höflichen Privatbriefen, die auf die
Zusendung seines Buches antworten, und die er „R-ezensionen über die
Grammatik der französischen Sprache für höhere Schulen" nennt, ist mir
zu Händen gekommen. Um zu zeigen, was der Verfasser von seinem
„Unternehmen", wie er sein Werk bezeichnet, denkt, will ich ihn selbst
sprechen lassen:
„Wenn ich mir erlaube, auf diesem Wege Ihre Aufmerksam-
kamkeit zu lenken auf das nachstehende, von mir verfasste. Lehr-
buch . . ., so geschieht es in der wohlbegründeten Voraussetzung, daas
das Werk ein von vielen Lehrenden und Lernenden längst
gefühltes Bedürfnis in allen wesentlichen Punkten zu be-
friedigen berufen ... sein dürfte. ... Sie würden alsdann die
Grundzüge der Methode, so wie ich sie in der Vorrede eingehender
erörtert habe, durchgeführt finden, d. h. Klarheit und relative Voll-
Methodik des franz. Unterrichts eic, 153
ständigkeit in der Fassung der Regeln, ein konsequentes Fortschreiten
vom Einfachen zum Zusammengesetzten, vom Regelmässigen zum
Unregelmässigen, eine reiche Auswahl von schönen, anregenden Übungs-
beispielen . . ."
An einer Stelle seiner Vorrede zur 2. Auflage (p. VII) nennt Pf.
e Bestrebungen geradezu „reformierende Bestrebungen'^.
Leider ist es mir unmöglich, den hohen Ansichten, die der Ver-
3r von seinem Werke hat, beizustimmen, wenn ich auch seinen Mut,
3 Entschlossenheit und Thatkratt in der Betreibung seines ünterneh-
s nicht genug bewundern kann. Dies sind lobenswerte Eigenschaften
3 Geschäftsmannes, die jedoch keineswegs dazu berechtigen, ein
jchtes Buch zu schreiben.
In dem ganzen ersten Teile — die zwei andern Teile der 2. Aufl.
zum GlOck noch nicht erschienen, und der Verfasser hat noch Zeit,
her nachzudenken, „dass (wie er selbst sagt) die Nichteinführuug gar
r Lehrbücher ihren triftigen Grund gehabt hat" — habe ich mich
3bens bemüht, etwas „f^eformierendes'S Besserndes, Neues in der be-
sn Methode oder in der wissenschaftlichen Auffassung zu entdecken,
soll etwa das Neue, Bessernde, Reformierende darin bestehen, dass
lUzahl der zu erlernenden und der schon gelernten, nochmals auf-
rten Vokabeln jedem Übungsstücke vorgedruckt und die letztere
mit der ersten durch ein Pluszeichen verbunden ist? Pflüger 's Me-
ist keine andere als die allbekannte, viel angewandte Plötz-Seiden-
jr'sche; der I. Kursus (Lekt. 1—22) bringt jene bekannten „Lese-
.usspracheregeln" u. dgl., aber in einer sehr verschlechterten Fassung
nit vielen Fehlem, ausserdem einige Formen von avoir und Hre
., um die Bildung von Sätzen zu ermöglichen; Kursus £i — V (Lekt.
l) behandeln ebenfalls ungefähr denselben Lernstoff und auf un-
dieselbe Weise wie etwa das £lementarbuch von Plötz und zwar
in kleinen, auseinander gerissenen Portionen , die durch die
ktionen verteilt sind. Zur Einübung der Vokabeln, die für die
Lektionen vorn und nachher in einem Anhange zusammengestellt
md der vielen grossen und kleinen Regeln und Ausnahmen und
rmen, enthalten die Lektionen 2 — 71 eine Anzahl von kleinen j
;senen, nichtssagenden und nichtswürdigen französischen und deut-
i^inzelsätzen „zum Übersetzen^', die Pf. allerdings in stolzer Vater-
ais eine Auswahl von „schönen, anregenden Übungsbeispielen"
net. An Lekt. 72 endlich schliesaen sich mehrere Zusammenbau-
ranzösische und deutsche Übersetzungsstücke nebst einigen kleinen,
jtenden französischen Gedichten an, die den Eindruck machen,
;e sie Pf. einer Sammlung von französisch geschriebenen Qeburts-
i^ulationen und Album versen entnommen.
iigentlich verdient dieses Buch gar keine eing^ehende Besprechung,
i würde mich mit einer einfachen Verurteilung und Warnung
Jen und Lehrer begnügen, wenn ich nicht den Verfasser in seinem
Interesse davon zu überzeugen wünschte, dass er am besten thäte,
nternehmen" aufzugeben, oder vor der B^ortsetzung desselben
fionetik zu treiben und sich die französischen Wörter von Fran-
rsprechen zu lassen und vor allen Dingen romanische Philo-
studieren. Wenn ihm dies unmöglich ist, mag er wenigstens
irt sein sollenden Bemerkungen meiden und nur die Fakta der
^Jsischen Grammatik ohne den Versuch einer wissenschaftlichen
mg*, da diese ohne ein gründliches Studium der romanischen
9 doch missglücken müsste, anführen.
n ^oteskesten sind Pf.'s Auslassungen über die französischen
154 Liitei'arische Chronik. Jf\ ICnörich,
Laute, die er nur von Hörensagen zu kennen scheint. Von einem unter-
schiede der franz. Vokale in Qualität (ofiPen und geschlossen) und Quan-
tität (lang und kurz) hat er ofiPenbar nur eine sehr unklare Anschauung.
Das ö in peu (lang und geschl.!) und in coßur (lang und offen!) ist für
ihn derselbe Laut (Lekt, 2). ebenso das o in noble, aurore, opprobre,
ejnsode, Limoges, dogue, ckose. Es soll in allen diesen Fällen ein langes
o sein (Lekt. 3). In derselben Lektion sagt er: ,,Das seltene he ist in
ahe, ohe meist kurz, in ehey ibe, übe meist lang: syüäbe, glöhe^ röbe, cu-
be-he (kübähb), n-be, bu-be'f Ob der Verfasser diese Begel versteht??
Vgl. ferner was er über astronome u. a. (p. 4), über das „stumme s, x,
z^, die „den vorhergehenden Vokalklang verlängern^' (p. 5), über das a
in iable, classe (p. 6) u. ä. sagt.
Mit den „Nasenlauten" (Lekt. 5) hat sich Pf. sehr abgequält, ohne
indes zur Klarheit zu gelangen. Wie undeutlich ist der allgemeine Aus-
druck „Nasenlaut", der sowohl einen Nasal vokal als einen nasalen Mittel-
laut bezeichnen kann? Wozu dient der Vergleich mit den ins Deutsche
eingedrungenen Fremdwörtern Jean, Teint, Drain, Bonbon? Die von Pf,
erwähnten Buchstabenverbindungen am, an etc. — im, in etc. — om, on
stellen drei Nasalvokale a, e, o dar, auch in den angeführten deutsch-
französischen Fremdwörtern, wenn sie der gebildete Deutsche auf fran-
zösische Weise richtig ausspricht. In der Regel werden ja aber derartige
Fremdwörter — wenigstens in Norddeutschland — mit a, e, ö (nicht
Nasal vokale!) und folgendem palatal - nasalem Mittellaut rj (geschr. ng,
vgl. Angst) ausgesprochen.
Pf. kennt ein hartes, weiches und sehr weiches ^ (Lekt. 7, 11, 19),
während mir im Franz. nur ein weiches, tönendes und ein hartes, ton-
loses s bekannt sind. — Das g, die weiche (tönende) entbrechende Pala-
talis, in longue spricht er = k: lonk (Lekt. 11).
„6r vor e, i, y lautet = weiches sch"^ (Lekt. 14), aber „7 ist äusserst
weich auszusprechen" (Lekt. 16). Sollen g und j verschiedene Laute be-
deuten? — Vgl. ferner, was Pf. über qu sagt (Lekt. 16) u. ä.
Ich bedauere fürwahr den armen Schüler, der diesen in Lekt. 1 — 19
enthaltenen Wust von Ausspracheregeln mit ihren zahlreichen Fehlern
und Entstellungen lernen muss. Nicht minder bedauernswert ist er aber
auch, wenn er vor die Notwendigkeit gestellt Lst, die folgenden Lektionen
mit ihren groben Verstössen und Sonderbarkeiten zu verdauen. Es mögen
auch in diesen Lektionen nur die auffälligsten Dinge berührt werden :
Lekt. 25, Anm. „Der Infinitiv, das Participe Paasd und die Ein-
zahl des Präsent de l'Indicatif sind die einzigen Zeiten, wo jede der
vier Konjugationen ihre besondern Endungen hat." Was versteht Pf.
unter Zeiten? Sind Infin., Partie, und Einzahl Tempora? — Vorher steht
der Sing. Präs. Ind. von parier, finir, voir, vendre. Zeigen nicht voir
und vendi^e denselben charakteristischen Vokal im Part. Prät. : vti —
vendu? Haben nicht je finis, tu ßnis, ü finit (vom erweiterten oder in-
choativen Stamme finiss — mit regelmässigem Wegfall von ss), — Je
vois, in vois, ü voil, — je vends, tu vends, U vend (t fehlt in der Schnfb
nach d, vgl. aber ü rompi) dieselben Personalendungen -s, -s, -t? Frei-
lich sieht Pf. in je vois etc. die Eedungen -oüf, -ois, -oit, so in je finis
etc. die Endungen -is, -is, -it.
Lekt. 26, Anm. „Bei itre verkürzt sich das dehnende Ton-
zeichen (accent circonflexe) ins schliessende (accent aigu) vor den langen
und volltönenden Endungen des Imparfait: fe'tais (nicht f^tais) etc."
Eine merkwürdige Ausdrucksweise! Vgl. damit Lekt 4, wo Pf. von den
Tonzeichen handelt: „Das öffnende Tonzeichen C). Es kommt nur (?)
auf e vor (e wie ä oder äh, besonders vor tönendem r) und wird mit
Schtdausgahen. 155
losprochen" — das Tonzeichen! — In Hre ist das
■Hen, in feiais kurz und geschlossen, daher die
■tel
len neben die richtigen zu stellen, wie hier „nicht
M Pf. 's Eigentümlichkeiten. Vgl. noch Lekt. 42 y^quatre
■•res, sept (nicht septes), armoires^^ — Lekt. 67 „tous
uer „Le prix de (nicht du) iout le logemeni.^ — Lek-
."H serait (statt on Strait) ist das unregelmässige Con-
'//(', entstanden aus fesserais'* — serait (3. Sing.) aus
j.) entstanden! Auf derselben Seite: „lächelte sourit (statt
ts iniregel massige Passä Däfini von sourire." Pf. glaubt
ilie Endung ist, vgl. lat. rtsit. — p. 95 „J^accourais (statt
ist das unregelmässige Imparfait von accourir herbeilaufen,
J'accow-ais ist durchaus regelmässig! — p. 96 y^Doit (statt
chd) ist das unregelmässige Präsent von devoir sollen."
• nun und nimmermehr zu aevoit, sondern nur zu doli wer-
■'int (statt diro7U) ist das unregelmässige Futur von etre sein.**
f'ben p. 93.
.^ der letzteren Bemerkungen, über fesserais u. dgl., scheint
beäondern Absicht gemacht zu haben, seinem Buche einen
Anstrich zu geben. Er mag vielleicht auch von einem Boma-
ire Andeutungen und Winke erhalten haben, die er allerdings
.i verstanden oder unrichtig angewandt hat. Anf einen solchen
Junflnss lassen besonders einige Stellen schliessen, so die Kon-
abelle in Lekt. 72, an der manches zu loben ist, dann Lekt. 29,
11 den Kasuspräpositionen de und ä spricht. Freilich ist er
len Falle nicht im Stande, die wissenschaftliche Auffassung
.iiren und spricht doch nachher von einem Genetiv und Dativ
tantiva und von „einer unregelmässigen Deklination des be-
!i Artikels le und der Mehrzahl les"^ (p. 32). Aufs Lateinische
Pf. mehrere Mal, so in Lekt. 29 (Abi. des Lat. durch Vorwör-
iU\, par, avee, da?is etc. ausgedrückt), Lekt. 47 (lat. -mente =
'fifui zur Bildung der Adverbia verwandt), Lekt. 54 (Genusregeln).
che Art von Schulen mag das Buch wohl bestimmt sein?
:ti Lekt. 55 behandelt Pf. den „Teilungssinn", worunter er den
ilungsartikel zu verstehen scheint, „um den Dativ zu bilden,
iian ä vor den Nominativ des Teilungssinnes. Der Genetiv ent-
wenn man ^^ geradezu vor den im Teiluugssinn genommenen Aus-
Mitzt" u. ä. Welche Auflassung! Welche Ausdruckweise!
iienug von diesem entsetzlichen Buche! Es ist wirklich beschämend
> Komanisten, dass man es jetzt noch wagt, ein derartiges Mach-
lu Ministerien, Direktoren, Lehrer, Redaktoren wissenschaftlicher
ritten behufs Einführung in höhere Unterrichtsanstalten zu schicken.
A. Bambeau.
Sclinlansgabeii.
e franpais publik par Velhagen & Elasing, Bielefeld et Leipsic,
ag-en & Elasing. 1) L'Avare par Möllere, nouvelle ädition, revue
iDotee par E, Friese etc. 1884. 2) Les Femmes savantes
VIol., nouv. äd., rev. et aan. par F. Fischer etc. 1884. 3) Les
Meuses ridicules par Mol., nouv. ed., a Pusage des dcoles
bee par G. Scheffler etc. 1884. 4) Le Cid par Com., nouv. ed.,
156 Litierat'ische Chronik. W. Knörich^
rev. et ann. par P. Carel etc. 1882. 5) Cinna par Com., 5«™« ^d.,
rev. et ann. par S. Wäizoldt etc. 1880.
Die hohe Wichtigkeit, welche einem solchen Unternehmen, wie
den neuen Schulausgaben des Th^tre tran^., für den Unterricht beizu-
messen ist, wird es, wie ich hoffe, gerechtfertigt erscheinen lassen, wenn
ich noch einmal (vgl. V^, p. 25 in dieser Zeitschrift) über dasselbe das
Wort nehme. Es ist meine Absicht, . das Programm des neuen Th. fr.
einer eingehenderen Besprechung zu unterziehen, als es Lion in dieser
Zeitschrift Band IV^, 256 ff. gethan hat, und an den benannten fünf
Heften zu zeigen, wie dasselbe von den Herausgebern innegehalten wird.
Die neuen Ausgaben sollen an Güte des Inhalts und der Aus-
stattung, sowie an Billigkeit des Preises jeder Anforderung genQgen.
Die Grundsätze, welche im einzelnen für die Bearbeitung gelten, sind :
1) Die Sammlung enthält Dramen des XVII. Jahrhs. und auch neuere;
2) Jedem Heft wird eine den Autor und das betreffende Stück behan-
delnde Einleitung beigegeben. 3) Den versifizierten Stücken wird eine
kurze Metrik mit den nötigsten Leseregeln beigegeben. 4) Die Texte
werden möglichst korrekt gestaltet, soweit wie möglich nach den grossen
Hachette- Ausgaben. 5) Die Anm. unter dem Text, für Schüler und an-
dere Leser bestimmt, sollen genügendes Material für das Verständnis
liefern und Spezial- Hilfsmittel mehr oder weniger entbehrlich machen.
6) Die Anm. dienen zur Erklärung schwierigier Konstruktionen, weniger
gebrauchter oder ungebräuchlicher und veralteter Ausdrücke, zur Per-
sonen- und Sacherklärung. 7) Übersetzung und Erklärung einzelner
Wörter sind im allgemeinen von den Anm. ausgeschlossen und in
das Spezial Wörterbuch verwiesen. 8) Ein Spezialwörterbuch wird jedem
Stück beigegeben. 9) Die Orthographie, sowohl deutsche als französische
wird nach den neuesten Bestimmungen reguliert. 10) Ein Hauptgesichts-
punkt bei Abfassung der Anm. ist der, dass sie schwer zugängliche Hilfs-
mittel ersetzen und unverhältnismässigen Zeitaufwand ersparen sollen,
dass sie das richtige Verständnis des Inhalts erschliessen und die Sprach-
kenntnis bereichern. 11) Synonymische und etymologische Erörterungen
sind grundsätzlich ausgeschlossen, wo sie nicht für die Erklärung unbe-
dingt nötig sind. 12) Aussprache wird nur da angegeben, wo die Mög-
lichkeit des Schwankens oder des Irrtums anzunehmen ist. 13) In Bezug
auf Grammatik werden nur schwierigere Punkte berücksichtigt.
Diesem von Herrn Direktor Benecke und der Verlagsfirma unter-
zeichneten Programme wird man wohl im allgemeinen gern zustimmen,
und in der That lassen sich bei strikter, gewissenhafter Befolgung des-
selben gute, sogar mustergültige Schulausgaben schaffen. Wenn es aber
im Anfang desselben heisst, dass diese Gesichtspunkte „im Gegensatze zu
anderen Ausgaben einzelner franz. Stücke, welche in den letzten Jahren
erschienen sind, zur Ausführung gebracht" worden sind, so kann ich das
nicht als ganz zutreffend anerkennen. Alle diese Grundsätze sind schon
(zum Teil lange) vor diesen Ausgaben in Anwendung gewesen, wenn auch
nicht alle bei allen. Billig und doch gut ausgestattet sind auch die von
der Theissing'schen Buchhandlung besorgten Ausgaben. Ferner ad I:
Ich kenne keine franz. Schulbibliothek, welche Theaterstücke aus früherer
Zeit als aus dem XVII. Jahrh. aufgenommen hat; ad 2 findet längst
Anwendung in der Weidmännischen und Teubner'schen Sammlung; ad 3 :
Bändchen XlII, XXI, XXII der Theissing'schen Sammlung enthalten schon
längst einen Abriss der franz. Verslehre ; ad 4 : vorzüglich die Weid-
männische Sammlung hat für Schulausgaben moderner Autoren die
Korrektheit des Textes betont; ad 5 — 7: diese Bestimmungen sind dem
Th. fr. durchaus nicht allein eigen, sondern allgemein in Anwendung;
'f^f
Schulausgaben. 157
8: SpezialWörterbücher liefern leider schon längst die Auegaben von
dberg und Mode; ad 9 — 13: diese Bestimmungen sind fast allgemein
Geltung und werden nur noch von wenigen nicht beachtet. Einen
ronsat^ zu anderen Ausgaben kann ich in dem Programm ebenso
Miig entdecken, wie etwas Neues. Das Einzige, welches das Thdätre
iiii^. von anderen Unternehmungen unterscheidet, ist der wirklich billige
t'is bei guter Ausstattung. Daher würde ich gern . die Worte „im
^ensatze — • erschienen sind'* aus dem Programm verschwinden sehen.
Wenn ich oben dem Programm im allgemeinen aus voller Über-
i^niDg zugestimmt habe, so muss ich dennoch bemerken, dass ich in
i'i Punkten (Nr. 3» 5, 8) nicht völlig mit demselben einverstanden bin.
1 hauptsächlichste ist der, dass die neuen Schulausgaben, wie sie in
I Überschrift des Programms genannt werden, nach Nr. 5 auch für
lere Leser berechnet sind. Dann liegt ein Widerspruch, der für die
ize Sammlung verhängnisvoll werden kann. Eine Ausgabe für Schüler
sH notwendig anders gearbeitet sein, als eine Ausg. für Litteratur-
mde (solche sind doch wohl unter den „weiteren Kreisen" zu ver-
jen). Dem Bedürfnisse beider lässt sich auf so engem Räume, wie
ie Ausgaben dem Kommentare gestatten, nicht zugleich entsprechen,
weiss jeder, welcher in der Lage gewesen ist, sich mit der müh-
i^en Arbeit des Kommentierens zu befassen. Sollten solche Leser
erhalb der Schülerkreise gemeint sein, welche franz. Dramen zur
icherlernung lesen, so brauchten dieselben nicht besonders hervorge-
en zu werden, da sie nicht anders als Schüler bedient werden können.
Dass jedem in Alexandrinern geschriebenen Stück eine kurze Vers-
e und eine Anleitung zum richtigen Lesen von Versen beigegeben
kann wohl nur beifällig autgenommen werden, wenn eine Schulaus-
! dieser Beigabe auch nicht notwendig bedarf, da ja der verständige
er genügend in dieser Richtung für Belehrung sorgen wird. Allen
ken wird eine und dieselbe Anleitung zu teil und das möchte ich
b loben. Wenn die metrische Anleitung immer nur auf das Stück
bezöge, welchem sie beigedruckt ist; wenn sie die metrischen Ge-
, so wie die Abweichungen von denselben ans ihm belegte, wäre sie
hieden praktisch brauchbarer, indem sie nicht mehr als ein Beiwerk,
;rn als ein organischer Bestandteil der Ausgabe des betreffenden
:es sich erwiese. Ferner würde der Kommentar, dessen Raum ja
beschränkt ist, dadurch entlastet; endlich würden diese kurzen Ab-
der Metrik, wenn sie sorgfältig gearbeitet würden, für die wissen-
tliche Forschung recht dankenswerte Materialiensammlungen bilden.
ron Herrn Direktor Benecke verfasste metrische Abhandlung hätte
leim lehre ausführlicher behandeln und besonders angeben dürfen,
der franz. Dichter reichen Reim anwenden muss. Für unentbehr-
tiöchte ich Belehrung halten über die sogenannten poet. Lizenzen
/A\fr auf Wortform und Wortstellung, schon aus dem Grunde, um
Vrt von Anm., welche von Inversion handelnd, mancher Ausgabe
r:i lirige Berühmtheit verliehen haben, von vom herein Thor und
M verschliessen, aber auch ebensosehr um dem Schüler zu zeigen,
'<>h in diesen Lizenzen Gesetz herrscht. Der unangenehme Plural
' t «tt 3L'tren endlich ist wohl nur ein Druckfehler.
' Zugabe von Spezial- Wörterbüchern dienen nach meiner An-
zur Empfehlung der Sammlung. Ich weiss sehr wohl, was
ü'^eltend macht, z. B. dass das Wälzen grosser Lexika eine
•, <leu Geist nicht bildende Arbeit sei, die man dem Schüler
.>:isäe. Trotzdem aber muss ich mich dagegen aussprechen,
ite die Benutzung eines guten Lexikons» die Auswahl der zu-
I I '
158 Liiterarische Chronik. W. KnöricK
treffenden Bedeutung aus der Fülle des Gebotenen nicht für eine bloss
mechanische Arbeit, sondern wesentlich für eine Verstandesarbeit, welche
zwar Zeit kostet, aber auch Lohn bringt. Darum wird man wohl besser
thun, den Schüler möglichst früh mit einem guten Dictionnaice vertraut
zu machen und den Gebrauch dieser Spezial- Wörterverzeichnisse zu in-
hibieren. Leider ist das nicht mehr so leicht zu erreichen, wie Lion
(a. a. 0.) es sphildert. Seit dieselben von der Verlagshaudlung mit
eigenem Titel versehen, separat für 15 Pf. das Stück ausgegeben werden,
ist die heimliche Benutzung nicht mehr zu verhindern, was ich
bedauere.
Noch einen Punkt, der zwar nicht im Programm vorgesehen ist,
aber alle Hefte betrifft, will ich auch gleich hier erledigen, das ist das
eitleren von §§ aus Benecke's franz. Schulgrammatik, was sogar so weit
geht, dass Carel für die Biographie Corneille's auf Seite 193 — 196 der-
selben verweist. Derartige Citate sind so lange für eine grosse Zahl
(vielleicht die Mehrzahl) Leser durchaus überflüssig, bis eine Grammatik
den vollständigen Sieg über die andern davon getragen hat. Dieselben
sind also wohl zu unterdrücken.
Was nun die oben bezeichneten 5 Hefte der Sammlung betrifft, so
entsprechen sie dem Programm und gerechten Ansprüchen in sehr ver-
schiedenen Grade.
Die Ausgabe des Avare von Friese und die der Femmes sa-
vantes von Fischei' habe ich in älterer Auflage schon in dieser Zschr.
Band V^, S. 25 ff. ausführlich besprochen, ich kann mich über dieselben
also kurz fassen. Die Einleitung zum Avare ist unverändert geblieben,
der Kommentar ist vielfach erweitert worden, leider aber hauptsächlich
durch blosse Übersetzungen. Hätte der Herausgeber die blossen Über-
setzungen, welche die frühere Auflage schon in so grosser Menge bot,
der Mehrzahl nach beseitigt, oder nach Nr. 7 des Programms dem dazu
bestimmten Spezial wöiterbuche einverleibt, dann hätte er seine in andern
Beziehungen gute Ausgabe wesentlich verbessert, wohingegen er ihren
Nutzen für den Schulgebranch jetzt geschädigt hat. Wie bedeutend der
Zuwachs an bloss übersetzenden Anm. ist, möge dadurch veranschaulicht
werden, dass von den 36 neuen Noten zu Akt II, Szene YI nicht weniger
als 23 zu dieser Kategorie gehören. In diesem wichtigen Punkte ent-
spricht die Ausgabe dem Programme noch immer nicht. ^)
Schlimmer steht es mit der neuen Ausgabe der Femm. sav. Da
war gewiss Gelegenheit genügend vorhanden, um notwendige Verbesserun-
§en anzubringen, und wa« ist geschehen? Die deutsche und die franz.
rthographie sind korrigiert, der Text ist berichtigt, in den Anm. sind
einige Verbesserungen angebracht (z. B. I, 1, 76; II, 4, 1 ; IV, 1, 1;
V, 2, 22 und an einigen wenigen andern Stellen). Die Einleitung mit
ihren stilistischen und sachlichen groben Fehlern, die falschen und un-
genügend formulierten Erklärungen stehen doch noch im Grossen und
Ganzen da, und der Übersetzungen sind auch mehr geworden. Ich bin
daher in der nicht erfreulichen Lage, das früher über die ältere Auflage
gefällte harte Urteil auch auf diese neue ausdehnen zu müssen : dieselbe
entspricht dem Programm der Sammlung durchaus nicht und ist noch
immer so überreich an Fehlem, dass ich den ernsten und wohlgemeinten
Wunsch nicht unterdrücken kann, die Verlagshandlung möge in ihrem
eigenen, aber auch im Interesse der Schule, die Bearbeitung des viel ge-
lesenen Stückes noch einem andern Mitarbeiter anvertrauen, der die so
^) Der Herausgeber Dr. Friese ist leider vor kurzem verstorben.
ScMda^tsgaben. 159
rtvolle Sammlung mit einer Ausgabe bereichere, die derselben zur
prde und dem grossen Dichter nicht zur ünzierde gereiche.
Die Ausgabe der Präcieuses ridicules von GuiUawne (warum
2ht Wilhelm ??) Schefller gehört zu den guten .Ausgaben des Theätre
Ln9., sie ist sorgfaltig und gewissenhaft gearbeitet. Die Biographie
(l die Einleitung sind hübsch geschrieben uitd geben in wenigen
orten das für das Verständnis Notwendigste. Der Kommentar er-
itert den Sprachgebrauch Moliere's, die preziösen Ausdrücke und die
iturgeschichtlichen Data nach guten Quellen, ohne einer Seite zu
laden, die andere zu bevorzugen. Beigegeben sind die Prefaee und ein
le die Einleitung besagt) von Benecke gefertigter Auszug aus Somaize's
i. des Präcieuses. Die letztgenannte Zugabe wird bei vielen, welche
den Besitz von Livet's Ausgabe desselben nicht 10 Mark opfern
Den, Beifall finden und ist auch entschieden dankenswert, da sie
iigstens einen Begriff von dem vielgenannten und im allgemeinen
lig gekannten Opus vermittelt. Folgendes habe ich als Mängel resp.
Deäideria anzuführen: Der Auszug aus Somaize hätte nicht ein
^erliches Beiwerk bleiben, sondern im Kommentar verwertet werden
jäen, was unterlassen ist. Warum ist p. 48, 2 ajusitment durch
ilette erklärt und nicht verwiesen auf ajtisiei' im Dict. d. Pröc?
Qso hätte p. 48, 6 auf cerveau; p. 58, 2 statt auf das Dict. de TAcad.
danser im Anhang; p. 51, 9 auf encore ib.; p. 47, 4 auf garniture
p. 48, 4 auf meiüeur ib.; p. 55 Zeile 15 und 57 Zeile 14 auf peupler
p. 48, 3 auf sentir ib, ; p. 57, 2 auf les violons ib. verwiesen werden
sen. Dadurch hätte der sonst recht zuverlässige Kommentar an
itigkeit gewonnen, der Schüler wäre angeregt worden, vom Anhang
ntnis zu nehmen und hätte besser begriffen, wie Mol. die Dämchen
:h seine Sprache persiffliert. Femer: p. 17, Anm. 3 ist überflüssig,
1 ne pas ignorer muss einem Primaner auch ohne den Hinweis auf
l ignoro bekannt und verständlich sein; die Zurückführung des Fon
lat. [h]om[o] verstösst gegen das Programm Nr. 11. — p. 16, 4
Erklärung von avoir heau faire qc. ist überflüssig; — p. 22, 4 hätte
in einer Schülerausgabe den Ausdruck „Jungfemmilch ^' vermieden ;
. 23, 1 sollte Gorgibus den Ausdruck graisser le musemt nicht ganz
lieh veratehen, da er sie doch bei Anfertigung von Lippenpomade
? — p. 39, 5 sHl faüait que ist nicht erklärt, vgl. meine Misan-
)e-Ausgabe zu Vers 169; — p. 45, 8 die Auslassung der Präposition
wohl als veralteter Sprachgebrauch zu kennzeichnen gewesen; —
, 3 wie aus sehr zahlreichen Stellen hervorgeht, beschränkte sich die
die begrüsste Person zu küssen, nicht auf die Hofleute, vgl. Mol.
Q. Sav. III, 5 Vers 983 nebst Fritsche's Bemerkung, Le Sicilien XU
^carron, Rom. com. I, 13 : La mere de ceiie fiüe [Leonore] se pre-
ä moi pour dire saiuee ä la frangaise^ ei je vous avoue qu'eUe me
piutoi que je ne la baisai; — p. 54 Zeile 8 die Bühnenweisung
3r Ausgabe von 1734 entnommen, da aber laut Programm Nr. 4
>i8' Text massgebend sein soll, wäre dieselbe, wie bei Fritsche in
^nm. zu verweisen gewesen; — p. 58, 3 die Stelle ist nicht ge-
id klar gelegt, der Herausgeber hätte ausser Fritsche^s auch Tobler*s
rung berücksichtigen müssen, die sich in der Zeitschr. für das Gym-
wesen Band XXaIII in der bekannten Rezension der Weidmann-
Sammlung findet; p. 63, 3 die Anm. ist durchaus überflüssig, da
)racher8cheinung schon in IV eingepaukt zu werden pflegt. Ich
auch g^ewünscht, dass der Herausgeber die Ausgaben von Despois
Vitsche, welche er benutzte, in der Einleitung oder an den be-
den Stellen genannt hätte. — Im ganzen aber entspricht die Au$-
160 LUterarische Chronik, W. Knörich,
gäbe dem Progr., sie ist trotz der kleinen Ausstellungen gut und wohl
zu empfehlen.
Nicht so die Ausgabe des Cid von Corel, Zwar ist dieselbe
fleissig und sorgsam angefertigt, aber der Herausgeber hat sich durchaus
nicht den Forderungen des Programms anbequemt ^ auch ohne rechten
Plan darauf los kommentiert und dadurch die Brauchbarkeit seiner
mühsamen Arbeit geschädigt. Ich glaube nicht zu viel zu behaupten,
wenn ich sage, dass über die Hälfte sämmtlicher Anmerkungen unnötig
sind, notwendige dagegen an manchen Stellen vermisst werden. Über-
flüssig, also vom Übel, sind vor allen Dingen die wirklich fast unzähligen
blossen Übersetzungen, weiche in dieser Ausgabe wie in keiner andern
mir bekannten wuchern und ihr fast das Aussehen einer sogenannten
Eselsbrücke verleihen. Wenn dieselben auch mit geringen Ausnahmen^)
sämmtlich richtig, treffend und geschmackvoll sind (wie ich gern zuge-
stehe), der so knapp dem Kommentar zugemessene liaum ist nicht der
geeignete Ort dafür. Wenn der Herausgeber sein unleugbares Übersetzer-
talent bethätigen will, so bereichere er unsere Übersetzungslitteratur mit
einer gediegenen Übertragung des Cid, welche noch immer nicht ge-
liefert ist, denn die beste mir bekannte von Hänlein (1811) hat doch
noch manche Fehler und Schwächen. Überflüssig sind ferner die zahl-
reichen Wiederholungen von Anmerkungen; ghire ist p. 32, 89 nicht
einmal mit Ehre übersetzt; erst p. 44, 42 erfahren wir die Bedeutung
des Wortes an jener Stelle, dann aber wird dasselbe gesagt p. 57, 41;
73, 55; 89, 38; 110, 10; 114, 12; 119, 44; summa summarum siebenmal
dieselbe Anmerkung I Ferner der Inf. mit ä im Sinne eines G^rondif ist
erklärt p. 27, 1; 31, 20; 44, 37; 106, 24; jusques p. 33, 56; 42, 1;
54, 53; die Voranstellung des Pron. pers. beim Imperativ p. 35, 19;
54, 1; 104, 119; 7ie im Komparativsatze p. 92, 16; 107, 45. Überflüssig
sind eine ganze Zahl von grammatischen Erklärungen, welche zur Klar-
legung des Inhalts nicht beitragen, lediglich als grammatische Bepetition
zu betrachten sind und solche Dinge behandeln, welche ein niässiger
Primaner notwendiger Weise schon wissen muss; z. B. : p. 27, 10 s^en-
tendre = gehört werden ; 28, 13 sur = in Bezug auf; 28, 30 Subj. im
Relativsätze; 29, 47 haut mit h aspir^e; 30, 58 quoi qu'il en sott; 31, 17
d von grand in der Bindung = t, 31, 20 Inf. mit ä = Gärond., ebenso
27, 1 u. s. w.; 33, 59 Koi^j. nach einem Ausdruck des Affekts; 35, 19
und 54, 1; 104, 119; 35, 9 servir de qch ä qn; 36, 23 exercez la zu er-
gänzen ceiie indignite; 37, 51; 53, 33 und 90, 25 ist vom Komparativ
mit dem best. Artikel im Gegensatz zum Superlativ die Rede, als ob das
Französische überhaupt wirkliche Superlative hätte ; die Form dieser Be-
merkungen hätte anders gefasst werden müssen. Überflüssig sind die
Anm. zu 55, 1;*) 57, 40; 59, 36; 87, 6; 92, 6; 99, 14 die Anweisung
sprich gut = ghi wird einem Schüler wohl schwerlich nützen; 107, 45;
120, 17 u. 8. w.
Während der Kommentar so viel Überflüssiges gibt, lässt er doch
manches Nötige vermissen: p. 27, 3 (a = dans); 30, 9 und 10 (Binnen-
reim); 31, 30 (cavalier); 33, 77 (esperance-espoir) ; 36, 33 (insiruisez-le
d^exemple, Artikel!); 39, 82 ihonieux cf. 54, 49); 46, 28 (s'il fant que =
wenn der Fall eintritt); 92, 56 (die altkla^ssischen Vorbilder hätten an-
M p. 85, 38 change.
^) dans resprit ist gar nicht für den deutschen Ausdruck über-
flüssig, vgl. Hänlein^s Übersetzung: Elvire, welch' ein Leiden presst mein
Herz!
Schiüausgaben. 161
iföbrt werden müssen); 93, 21 (was für eine Bemerkung Voltaire^s?
, 14 {tous knguissants).
UüfifeDau, unvollständig oder unrichtig sind folgende Bemerkun-
n: 38, 78 der Herausgeber musste zu Voltaire*s Widerlegung anführen,
SS Coro, gar nicht front de ma race sagt; 48, 3 der Ausdruck la mime
'tu statt la verttt mime u. ähnl. sind in der älteren Sprache durchaus
ht ungewöhnlich, vgl. Godefroy, Lex. comp. 11, 39 ff.; Qänin, p. 240,
»e Wortstellung ist nicht bloss dem Spanischen eigen, sondern ebenso
n Italienischen und älteren Franz.; 49, 14 Herausg. hätte die Bemer-
ig Voltaire^s, der allbekanntlich als Kenner der älteren Sprache und
mmentator Corneille*s sich nicht mit Ruhm bedeckt hat, nicht kritik-
wiederholen, sondern nach Godefroy 1, 149 kontrollieren sollen; 50, 27
h Haase, Band IV, p. 134, 1 dieser Zeitschrift, hätte die Notiz mehr
zisiert w^erden können; 56, 26 die Anm. ist nicht gut formuliert;
42 die tjbersetzung: „wie hoch ihr seinen Ruhm erhebt'S ist nicht
effend. oü vous portez son h'(zs heisst: »wie hoch ihr die Kraft seines
les schätzt'', vom Ruhm steht nichts darin; 81, 146 iant qite = so
ge als und das veraltete iani gue c. Conj. = bis müssen nicht ver-
ht werden ; 83, 22 die im XVII. Jh. recht häufige Form der Doppel-
3 (mit ou si) ist auch durch den Nachtrag aus Litträ ungenügend
Irt, zu vergleichen wäre gewesen Fritsche's Erklärung zu Femm.
1224 und Godefroy II, 316; 89, 33 die statt dise und 93, 2 vers
envers mussten als veraltet gekennzeichnet werden; 100, 41 franchise
reiheit ist veraltet; 65, 57 vom Semikolon an ist die Anmerkung
Dich unverständlich; 51, 45 le fils dege'nere gut, die Trennung des
:iv8 vom Beziehungswort musste notiert werden.
Die Einleitung hätte die für Schüler ziemlich überflüssigen Hin-
auf von Schack, Joh. von Müller, Val. Huber, Dozy, Köh-
Eülasden, Vögelin sehr wohl entbehren können, besonders wenn
e Dinge einer eingehenderen Behandlung gewürdigt wären. Aus-
cheres wäre erwünscht gewesen Über Voltaire*s Kommentar, der in
Lumerkungen häufig als bekannt erwähnt wird; woher soll der
3r ihn kennen, wenn ihm darüber nichts verraten wird? — Gar
ist gesagt worden über die charakteristischen Eigenschaften des
ille'schen Stils. — Über die ästhetische Wertschätzung erfährt der
^r nur, dass der Cid „trotz der angeführten Mängel, und obschon
«fach ahmung, ein wunderschönes Stück ist", ohne dass dieses Urteil
iheren begründet wäre. Die Schönheiten des Cid in Rücksicht auf
<e, Gedanken und Charakterentwickelung lassen sich aber doch de-
1, auch in der Kürze, und das hätte geschehen müssen, um dem
r eine Richtschnur für seine eigene Beobachtung zu geben, und
1 zu gerechter Beurteilung franz. klassischer Tragik anzuleiten. —
kann ich es nicht unerwähnt lassen, dass der Cid schlechtweg
ragödie genannt wird, denn das ist er doch nach der allgemeinen
on nicht; er ist ein Schauspiel (franz. drame). Corneille selbst
^anntlich geschwankt, in welche Gattung dramatischer Poesie er
reihen sollte, um so mehr musste die Einleitung dem Schüler die
aus dem Wege räumen, welche ihm beim Nachdenken kommen
— Endlich, wenn der Herausg. sagt: von allen wird zugegeben,
doA erste klassische Trauerspiel des franz. Theaters ist'^ , so scheint
die eminente Bedeutung des Cid für die franz. Dichtung bei wei-
ht energisch genug hervorzuheben, wenigstens nicht für Schüler.
sammenfassendes Urteil über die Ausgabe ist; sie entspricht dem
im nicht, indem sie bald zu viel, bald zu wenig Kenntnisse vor-
eine grosse]2iahl überflüssiger Anmerkungen bietet und doch der
f. nfr«. Spr. u. Litt. VI«. \\
162 Litterarische (Jhronik. W. Knörkh,
Erklärung Bedürftiges übergeht; indem sie ferner die vorhandenen Hilfs-
mittel (Speziallexika, grammatische Abhandlungen u. a.) nicht hinreichend
ausnutzt, geschweige die Sprachkenntnis fördert. Die Ausgabe ist nicht
zu empfehlen.
Über die Ausgabe des Cinna kann ich mich kurz fieissen. Der
Herausg. hat sich die mühselige Arbeit des Kommentierens nicht ver-
driessen lassen; er hat verschiedene gute Ausgaben, auch die vortreff-
liche von Strehlke besorgte, fleissig benutzt und eine als brauchbar em-
pfehlenswerte Schulausgabe geliefert. Die Einleitung ist, wenn sie auch
wenig Eigenes enthält, doch klar und hübsch und orientiert in ausrei-
chendem Masse. Der Kommentar hält sich musterhaft an die Vorschrif-
ten des Programms, er ist eingehend, präcis und klar, und bietet nichts
Überflüssiges. Nur wenige Punkte habe ich notiert, welche eine Ände-
rung, resp. Verbesserung gestatteten: p. 39, 181 hätte die auffallende
Inversion wohl der Erwähnung bedurft; 64, 104 das auch bei Molifere
nicht selten vorkommende adversative et hätte notiert werden müssen;
da die moderne Schreibweise für das Theätre fran^. obligatorisch ist,
hätte p. 75, 15 dbjects statt dbjeis, p. 78, 68 und 80, 17 ait statt aye
gedruckt werden müssen, die Anmerkungen hätten ja nebenbei Cörneille's
Schreibweise angeben können. Die moderne Schreibung war in den drei
Fällen um so mehr anzuwenden, als sie sich in den Vers fügt; mit
gleichem Rechte hätte auch gedruckt werden können cojfnoisire, ve'ritez
u. a.; p. 84, 54 hätte die nicht unbedingt notwendige synonymische
Auseinandersetzung unterdrückt werden müssen, da das Programm solche
verbietet. — Die Ausgabe ist zu empfehlen.
Von den besprochenen fünf Bändchen, welche alle viel gelesene
Stücke enthalten, sind demnach nur zwei als den Forderungen der Re-
daktion entsprechend zu betrachten; kein günstiges Verhältnis.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, in Kürze und ohne sie jeman-
dem aufdrängen zu wollen, meiner persönlichen Ansicht darüber Ausdruck
zu geben, wie die Kommentare des Thdätre fran9. (auch mit Innehaltung
des für dasselbe aufgestellten Programms) zufriedenstellender zu gestalten
sein möchten.
Was die Hilfsmittel betrifft, so ist es für die Erklärung von Dramen
aus dem XVH. Jahrh. gewiss nicht genügend, mit dem Dictionnaire de
PAcad^mie und Sachs zu operieren. Unentbehrlich sind Littr^'s Diction-
naire, die Speziallexika von Marty-Laveaux und Godefroy zu Corneille,
von Gänin zu Moli^re, von Mesnard zu Racine, das Dictionnaire des Prä-
cieuses, grammatische Monographieen, Spezialstudien über Schriftsteller
des genannten Jh.s Nur aus Spezialhilfsmitteln, welche ja auch nach dem
Programm benutzt werden sollen, wird es sich zuverlässig ermitteln
lassen, welche Bedeutung einem Worte, einer Phrase im speziellen Falle
beizulegen ist, ob dieselben veraltet sind, resp. schon zur Zeit des Autors
veraltet waren. Der Kommentar dieser Schulausgaben ist natürlich von
den ausführlichen Citaten frei zu halten, es genügt die genaue Konsta-
tierung der Thatsachen. Femer halte ich es für unumgänglich nötig,
dass der Herausgeber sich klar mache, in welcher Klasse das betreffende
Stück vorzugsweise gelesen werden wird, und dass er nur das erklärt,
was der Schüler der betreffenden Stulle noch nicht wissen kann. Die
Tragödien und Komödien des XVII. Jh.s werden fast nur in Prima ge-
lesen, wo die elementare Syntax, ein hübscher Schatz von Vokabeln und
Phrasen und auch einige Übung im Übersetzen schon vorauszusetzen sind.
Der Herausg. solcher Werke muss derartiger Erklärungen und Notizen
sich enthalten, welche für den mittelmässigen Primaner selbstverständ-
lich sind, dagegen es nicht versäumen, anscheinend oder wirklich Regel-
Schulausgaben, 163
iriges, Fehlerhaftes, Veraltetes, auch Eigentümlichkeiten des Autors zu
tieren. Als Muster müssen uns Neuphilologen immer noch die guten
srährten Ausgaben antiker Klassiker dienen. Warum sagt man dem
maner, dass riguenr Härte (F. S. p. 38), larde gespickt, lard Speck
r. 27) bedeuten? Falls ihm die Wörter unbekannt sind, kann er sich
ht leicht aus dem Wörterbuch unterrichten? Keinen Nutzen kann ich
on einsehen, wenn prendre Fair (Av p. 55) dem Schüler übersetzt
l noch dabei ihm versichert wird, der Ausdruck sei noch jetzt sehr
räuchlich, denn ihm musa derselbe aas seinem Plötz (Lekt. 20) be-
ut sein ; wenn nicht, so greife er zum Wörterbuch, meinetwegen zum
zial Wörterbuch, in den Kommentar gehören so selbstverständliche
ge nicht. — Ist es nötig und pädagogisch richtig, dass man fast
itlicbe Regeln der Syntax, auch die elementarsten und abgedroschen-
, wieder und immer wieder in den Erklärungen der grössten Dichter-
^e durchnimmt? Ich finde, der Kommentator, welcher das thut, stellt
das Testimonium aus, dass er weiter nichts damit anzufangen, da-
T zu sagen weiss. Die von der Hegel abweichenden Spracherschei-
7en sind gewiss zu erläutern, um den Schüler nicht an seinen Hegeln
werden zu lassen, aber im übrigen bleiben nach meinem Gefühl
imatische Ergüsse am besten aus dem Kommentar fort, denn die
llektüre dient nicht zur Einprägung grammatischer Hegeln, noch
lyntaktischen Hepetitionen , sondern zur Einführung in die Ge-
enwelt des Schriftstellers und seiner Nation überhaupt. Und diese
ulen gar nicht leichte Aufgabe der Schule wolle man nicht da-
1 erschweren, dass man dem Schüler durch die ewigen Belehrun-
über ne im Vergleichungssatze, über das Verbum reflexivum in
i^er Bedeutung, über den Konjunktiv im Relativsätze etc. etc. die
iration verleide und seine Aufmerksamkeit vom Inhalt, von der
)n ablenke. Ich halte es für allein richtig, dass der Kommentar in
m atischer und lexikalischer Rücksicht nur das erkläre, was der
er mit Hilfe seiner Grammatik und seines Lexikons gar nicht, oder
ganz richtig verstehen kann. Es bleibt immer noch der Erklärung
ftiges genug, wenn man nur genau hinsieht. — Auch in der Sach-
ung kann man in den Fehler des Übermasses und der Trivialität
len. Trivial sind Erklärungen, wie: Plutarch, griechischer
raph des 2. Jahrb. n. Chr. (F. S. 67), oder: Vergil, römischer
fcer, 70 — 19 v. Chr. (ib. 96), oder: l)ie Iden waren bei den
irn etc. (ib. 135); überflüssig ist z. B. eine Notiz wie: Die Prin-
1 Urania ist Marie von Orleans, seit 1657 mit dem Her-
en Nemours verheiratet, denn der Schüler kennt die Personen
und erfahrt auch nichts Behaltenswertes über sie; ferner: meta"
Metapher bildlicher Ausdruck (F. S. p. 80 u, 82). Als in den
entar gehörig betrachte ich aber vor allen Dingen Aufklärung über
Anschauungen, Einrichtungen, nationale Unterschiede u. dgl. und
Qöchte ich wünschen, dass dieser Seite der Erklärung ein möglichst
' Teil des Kommentars gewidmet und keine passende Gelegenheit
erabsäumt würde. Man gebe z. B. an konkreten Beispielen den
für die so oft wiederholte Behauptung, dass die griechisch -römi-
Selden der klassischen franz. Bühne im wesentlichen moderne Em-
Igen und Ansichten haben. Oder um noch ein recht markantes
l zu nennen: „Muss nicht der Schüler bei der Lektüre des Avare
daran nehmen, dass Val^re aus Liebe zu Elise Bedienter ihres
wii'd?" Entschieden und mit Recht; er wird sich über die Ge-
ftsklasse, zu der Harpagon und Valpro gehören, üoer die weibliche
Elisens ganz verkehrte Vorstellungen bilden. Darum belehre man
11*
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österreichische Programme.
Von den Frogrammaufeätzen des Jahres 1883 bieten die folgenden
jnser Fach mehr oder ^eni^er Interesse:
Victor Beränek behandelt im Programm der k. k. Staats-Beal-
le auf der Landstrasse in Wien Martin Opiz in seinem Verhältnis zu
iaer und Ronsard (8**, 26 S.). Von ersterem benutzte 0{)iz das Buch
^tces Ubri Septem, von letzterem den Aln*dge de Vart poetique und die
rede zu la Franciade. Der Verf. geht die 8 Kapitel der Opiz'schen
sterey" genau durch, um durch wörtliche Anführung der betreffenden
ien zu zeif^en, wie weit der Beformator des deutschen Famasses von
m französischen Vorbildern abhängig ist. U. a. wird auf die Bon-
schen Originale zweier Sonette Opizens hier zum erstenmal auf-
csam gemacht; es sind dies: Ich muss bekennen nun und Au weh!
nn in tausend, tausend Schmerzen. Ersteres ist auf das 5L Sonett
ard*s Miüe, vrayment, et mOle voudroieni bien (Amours, 1. 1), letzteres
lesselben 34. Sonett Las! je me pUüns de miäe et müle et müle sou-
zurückzufuhren. Da der Gegenstand meines Wissens noch nie in so
matisch zusammenhängender und übersichtlicher Weise dargestellt
en ist, mache ich auf die gut geschriebene Arbeit aufmerksam.
Emanuel Bitter y. Stauber, Prof. an der k. k. Staats-Beal-
e zu Laibach, liefert im vorjährigen Programm dieser Anstalt den
il eines Essai über Les romanciers de VEmpire et de la Restaura-
[8**, 28 S.). Diese, dem Stoffe nach eine Art Fortsetzung einer 1879
alls als Programmarbeit erschienenen und seinerzeit in diesen Blät-
angrezeigten Studie über den franz. Boman des 17. und 18. Jahrh.
ide Abhandlung, bekundet viel Fleiss und Belesenheit, ohne gerade
Aufschlüsse zu erteilen oder neue Gesichtspunkte aufzustellen; nach
Vollendung mag sie zur Orientierung üoer das Gebiet brauchbar
[m vorliegenden Teil werden Glmteaubriand, M°^« de Staöl, B. Gonstant
^ecque, rigault-Lebrun, Fi^väes, M"»« de Genlis, Sophie Bistaud, M™«
,baat-Souza, Sophie Gay vorgeführt. Es hätte der Arbeit zum Vorteil
hty -w&niL sie deutsch oder italienisch (falls ich nicht irre, Muttersprache
rf.) geschrieben wäre. Das französische Gewand, in welches sie nun
ngt ist, ermangelt manchmal der grammatischen und lexikalischen
:theit* So heisst es p. 4: Cela vaut de toutes les pönales lyriques
•••'*». den .1
c -.".-*- . — )2D Ofln. Ter^.
z- ' äienzeibisien ..
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1.
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1.
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A
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österreichische Pi^ogramme. 167
a uennen sei, und beantwortet sie also: „Es wird in demselben eine
iharaktereigenschaft geschildert, die jedoch im entscheidenden Augen-
licke, d. i. in der Katastrophe, für die Handlung ganz ausser Spiel
leibt. Der Knoten wird gelöst, wie er gelöst worden wäre, wäre der
er Held kein Lügner, sondern nur das Opfer einer Namensverwechslung
ewesen. In einer Charakterkomödie soll aber eben der Charakter oder
le Charaktereigenschaft das Movens des ganzen Stückes, aber insbeson-
dre der Katastrophe* sein. Der Dichter, der die Katastrophe aus der
erJogenheit gefolgert hat, hat somit eine wahre Charakterkomödie ge-
hauen, und das ist Alarcon; das Werk seines französischen Nachahmers
inn aber nur eine Situationskomödie genannt werden.'' Sein „Gesamt-
teJl" glaubt der Verf. dahin formulieren zu können, ,,das8 Comeille's
larbeitung ziemlich tief unter dem Original geblieben ist". Der Bu-
%rdo endlich ist im Hinblick auf seine weit grössere Originalität und
uf den nicht jedes moralische Gefühl verletzenden Ausgang" über den
mteiir zu stellen.
Derselbe Verfasser war vor seiner Anstellung in Pilsen an der
k. ersten deutschen Staats -Realschule zu Prag thätig und hat im
ogramm dieser Anstalt von 1882 einen uns verspätet zugekommenen
[fsatz veröfiPentlicht: Über den Charakter einer Klasse dei* Worthüdung
, 33 S.). Diez stellt bekanntlich für Bildungen wie ital. appartare,
'ivare ein eigenes Prinzip der Formation auf, indem er diese Verba
ht als Komposita von ad und den nicht existierenden partare und
ai-e, sondern als unmittelbare Derivationen der Fügungen a part,
iva auffasst, während z. B. äbattre eine echte Zusammensetzung der
Lposition ä mit hattre ist. Darmesteter („Trait^ de la formation des
ts compos^ dans la langue fran^aise") erklärt gar Wörter wie de-
quer, emharquer als „le rösultat d'une composition et d'une d^rivation
ssant ensemble sur un mSme radical, de teile sorte que Tune ou
itre ne peut Stre supprimee sans amener la perte du mot" Die Frage
h der Natur solcher Wortgebilde interessiert selbstverständlich nicht
in die romanischen Sprachen, sondern vielmehr den gesamten indo-
opäischen Sprachstamm (vgl. nur griech. ivuu^^euWf ififierpo^^ ivdo^o^,
inglo?ius, eliminare, pemoctare): der Verfasser wendet den romani-
3n Sprachen (und unter diesen wieder dem Französischen) nur des-
sen seine besondere Aufmerksamkeit zu, weil diese Bildungsweise in
lelben fruchtbarer ist als sonstwo und weil die Frage in neuester
eben von romanistischer Seite angeregt wm*de. Der Verf. sucht nun
irseits die Annahme einer gleichzeitigen Wirksamkeit von Kom-
tion und Derivation auf denselben Stamm ad absurdum zu fuhren
andrerseits den Beweis zu erbringen, dass die Sprache nie von syn-
ischen Konstruktionen (a parte, a riva) Ableitungen bilde, es sei
1 von konstruktiven Versteinerungen (wie franz. agreer von ä gre,
Orden zu a^^e, span. pordiosei'o aus pordios, d. i. por diosj. Bildun-
wie arrivare, emhoiier, embarqtiei' sind demnach allerdings Kompo-
einer Partikel mit einem Simplex rivare, boiter, barquer. Gewiss
licht von jedem solchen Kompositum das Simplex nachweisbar: allein
3 theoretische Annahme ist unabweisbar, und wie bei jedem regen
Samen Sprachprozess, ist auch hier der Analogie der nötige Spiel-
1 einzuräumen. Damit soll nicht jeder Zusammenhang der ent-
shenden präpositionalen Konstruktion geleugnet werden: „Das Ver-
lis der Konstruktion zum (neugebildeten) Verbum, Adjektivum oder
tantivunoL unserer Klasse ist jenes der Ursache zur Folge; die Kon-
±10X1 veranlasste die Bildung dieses Verbums, Adj., Subst., ohne selbst
Ifö F, ZMi
mB Tierb^ Adj., Salist. n waiiaL 9e befierte die UeCy ^bk fafeilft,
aller niciit die Form.*^ An die AbharndTimg arbHanfc aiek em mriihaltä-
%f» TokahnTar tod. Fonwatfmtew der tofgocheae» Azt aoB den iKiwlrip»
deaen romamHcben SpnctaL Die in diirrhamt wiaeBiAaifKTpfcfm GcJata
darehgefölirte Arbeit geiiört m den iduuiiiis cnd liririirRiiiIi ifaeii flirRr
F. ZTiiisi.
Zeitschriftenschau.
ReTue politiqne et litt^raire. 1883.
Nr. 21. F. Brunetiere, Etudes de Utierature compare'e: La
question de „Gü Blas^. — Nr. 23. Caus. litt.: A. Bouraoin, Conrart et
äon temps. Paris, Hachette 1883. E. Moreau, Corneille et Richelieu.
— Nr. 24. A. Barine, IJn critique danois: M. George Brandes^ ses
ide'es sur J.-J. Rousseau. •— Nr. 25. L. Queen el, Le theäire anglais
coniemporain ; les imitations des comedies fran^aises; les drames et les
iragedies, Gaue, litt.: Anzeige von G. Brunei, L'J^lite des contes du
sieur d'Ouville. 2 vol. und Pa%d de Raynal, Les Correspondants de
J. Joubert (lettres inödites) l vol. — Nr. 26. Sully Frudhomme,
JDu pittoresque dans la liiteraiure frafigaise, — Caus. litt. : Reaume, £tude
historique et litt, sur Agrippa d*Aubignä; L. Berey et G, Maugras^
Derniäres annäes de M«« d'Epinay.
Nr. 2. J. Grand-Carteret, Exposition iconograpkique de J.-J,
Rousseau. Les portraits, les estampes, les suiies de vigneites. — 3. Caus.
litt.: J. Fleury, Litt^rature orale de la basse Normandie. — 4. J. Cla-
retie. Poeie et soldat. M. Paul De'roulede. Caus. litt.: A. Barbier,
Souvenirs personnels et silhouettes contemporaines. 1 vol. ; Z. Lacour,
Gaulois et Parisiens. — /. Claretie, M. Ludovic Hal^vy. — 6. P. Hö-
rn on, Poetes provencaux contemporains. Roumanüle et Avbanel. —
7. F. Hömon, Les Felibres et ravemr du feHbrige. M. M. Tavan, Ma-
thieu, Gras, Bonaparte Wyse. Les Languedodens. — 8. C. Lenient,
Alfred de Vigny. — Caus. litt.: G. Ferry, Les derni^res annäes d' Ale-
xandre Dumas. — 9. C. Lenient, Alfred de Vigny (Schluss). — Nr. 11.
R. Rosiäres, La litterature aüemande en France de 1750 — 1800. —
12. Jules Lemaltre, Francis Coppe'e. — 13. J. Lemattre, ün poete
de dix-neuf ans. Charles Read. — P. Deschanel, La seconde moitie
de la vie de Madame d'Epinay dapres MM. Luden Percy et Gaston
Maugras.
ReTue eritique. 1883.
Nr. 11. C. EmUe Eggei\ La tradition et les röformes dans
l'enseignement universitaire ; Souvenirs et conseils. Paris. G. Masson.
8^ XII -368 p. („II y est beauconp question de Tantiquitä grecque
et latine, mais presque autant de la France." Sehr gelobt.) — A. D ar-
mesteter. Hermann Flechtner. Die Sprache des Alexanderfragments
170 Zeiischrifienschau, D. Behrens,
des Alberich von Besan90D. Breslau, 1882, in -8, 78 p. (s. hier IV*, 93).
— A. C. Felix Hemon, Rotrou, thäätre choisi, nouvelle Edition avec
une introduction et des notices, illustrde de quatre gravures colorides,
deasin^es par M. Henri AUouard. Paris, Laplace, Sanchez et C»«. 1888.
8". 510 pp. 3,50 fr. (Enthält den Text von: Les Sosies; Lanre per-
s^cut^e; La soeur; Saint Genest; Don Bernard de Cabrere und Vences-
las et Chosroes nach der Editio princeps. Sehr gelobt wird die litte-
rarhistorische Einleitung des Herausgebers). — A. Gazier. R. Chante-
lauze. Les grands äcrivains de la France. GDuvres du cardinal de
Retz, nouvelle Edition, VH. ün vol. 8" de XL -603 pp. Paris, Hachette
1882. — Nr. 12. F. de L. Pmd d'Esiree. (Euvres inädites de Pierre
Motin, publikes avec une notice et des notes. Paris, librairie des bi-
bliophiles, 1883. In- 12 de XXXI- 116 pp., tir^ ä 350 exemplaires nu-
märot^s. 8 fr. (Lobende Anzeige.) — Nr. 13. A. Darmestete r.
Ayer. Granimaire comparäe de la langue fran^aise. Troisieme ädit.,
Genäve et Paris. 1 vol. in- 12 de 624 pages. (Trotz vieler Mängel
die beste Darstellung der französischen Grammatik in französischer
Sprache.) — Nr. 14. A. Darmestete r. H. Breymann. Die Lehre
vom französischen Verb auf Grundlage der historischen Grammatik.
München und Leipzig, Oldenbourg, 1882, in-8, VIII- 132 pp. (s. hier
V*, 1 ff.). — Nr. 15. Theses de doctorat es letlres. Soutenance de M.
Jules Lemaitre: I. Thöse latine: Quomodo Cornelius noster Aristo-
ielis Pöeiicam sit interpretatvs (Hachette). IL Thfese tran9aise; La co-
medie apres Moliere et le theätre de Dancotart (Hachette). — Nr. 16.
Vabietes. Schuchardt u. Gaidoz. Bibliographie cre'ole. (Nachträge
zu Revue critique 1881, Nr. 35, 45 und zu 1882, Nr. 49.) — Nr. 17.
E. Picot. Oranges de Surgere. Traductions en langues dtrangeres
des Räflexions ou Sentences et Maximes de La Rochefoucauld. Paris,
L6on Techener, 1883. In -8 de 32 pp. (Extr. du Bulletin du Biblio-
phile. Es werden 57 Übersetzungen , darunter 24 englische, 15 deut-
sche, 4 russische, 2 griechische, 1 magyarische aufgezählt. Rec. gibt
einige Nachträge.) — Nr. 21. A. Darmestete r. Altfranzösische Bi-
bliothek, herausg. von Dr. Wendelin Foerster, Heilbronn, Gebr. Hen-
ninger, 1879 — 1883. 5 Bde. in- 12. (Günstig beurteilt.) — T. de L.
C. F. Royhet. Les Ser^es de Guillaume Bouchet, sieur de Brocourt,
avec notice et index. Paris, Alphonse Lemerre, 1873 — 1882. 6 voL
in- 12 äcu, imprim^s sur papier de Hollande, de XXII-2S7, 271, 301,
331, 175 et VlII-302 pp. Prix du volume: 7 fr. 50. („Les äditeurs
[Roybet ist ein Pseudonym. Die Herausgeber sind Charles Royer und
Emest Gour^^] nous ont donnä une excellente notice sur leur auteur,
un excellent texte et un excellent index.") — Nr. 22. A. Gazier.
Gustave Merkt. £tudes litt^raires sur le theätre de Corneille, de Ra-
cine et de Moliöre; Paris, Hachette. ün vol. in-8 et in -12. 2) fitudes
sur la chanson de Roland, Joinville, Montaigne, Pascal, Bossuet etc., par
le meme. Ibid. (Gelobt. Rec. vermisst Litteraturnachweise.) — Nr. 24.
A, Chassang. (Euvres complätes de La Rochefoucauld, nouvelle ädit.,
avec des notices sur la vie de La Rochefoucauld et sur ses divers
ouvtages, un choix de variantes, des notes, une table analytique
des matieres et un lexique. Tome premier. Les M^moires. — Por-
traits. — Apologie de Marcillac; Paris, Garnier fröres, libraires-
^diteurs, 1883, in-8, XL -470 pages. („L'ddition Chassang est simple-
ment, tant pour les notices que pour le texte et le commentaire, tautöt
une copie ä peine modifi^e, tantöt un abr^gä, souvent adroit, souvent
aiisa assez malhabile, de l'ädition Gilbert et Gourdault.") — !^mile
Picot. ArtliW de la Borderie. Archives du bibliophile breton. No-
üeviw criiiqtte. Deutsche Litieraitirzeitung. 171
tices et Documenta pour servir ä Thistoire littäraire et bibliographique
de la Bretagne. IL ßennes, Plihon, 1882, pet. in- 16 de VII- 196 pp.,
plus 1 f. (Wichtiger Beitrag zur Geschichte der Buchdr ucker kunst
und des Buchhandels im XVI. Jahrh. Vergl. desselben Verf. „L'im-
primerie en Bretagne au XV^ si^cle.") — Nr. 26. Maurice Tour-
neux. Athert Jansen, Jean -Jacques Rousseau. Fragments inädits.
Recherches biographiques et litt^raires, Paris, Sandoz et Thuillier;
Neuchätel, Geneve et Berlin, 1882, in -8, 88 p. 3 fr. (Anerkennend
beurteilt.) — Theses de doctorat es lettres. Soutenanee.de M. Auguste
Bourgoin. ün hourgeois de Paris lettre an XV IP siecle. Valentin
Conra9% premier secr^taire perpätuel de VAcad^mie fran9ai8e, et son
teuips, sa vie, ses Berits, son röle dans Thistoire littöraire de la pre-
miere partie du XVIIe siecle. Hachette, in -8**, 356 pp. (Ein Anhang
enthält 25 Seiten meist noch nicht edierter Poesien Conrart's.) — Nr. 27.
T. de L. Pierre de Nolhac. Lettres de Joachim du Bellay, publikes
pour la premiere fois d'apräs les originaux, avec uö portrait inädit
et un autographe. Paris, Charavay fröres, 1883, 1vol. in- 16 de 102 p.
8ur papier de Hollande, tirä ä trois cents exemplaires num^rotös.
Prix 6 fr. (Sehr anerkennend besprochen. Ein Anhang enthält Briefe
— meist Autographa und Inedita — Olivier's an Jean de Morel, Jacques
du Bellay's an Joachim du Bellay, Charles Fontaine's an J. de Morel
etc. — T, A. Bougeault. ]&tude sur T^tat mental de J.-J. Rousseau et
sa mort ä Ermenonville (s. h. VP, 98). — A. Gazier. Mffr Ricard,
Les Premiers Jans^nistes et Port -Royal. IJn vol. in -8 de XI -500 pp.
Paris, Plön, 1883. (Wertlos: „c'est un long tissu d'erreurs cent fois
relev^es, de calomnies cent fois ddtruites.") — Nr. 28. T. de L.
Eugene Reaume, Etüde historique et litt^raire sur Agrippa d'Aubign^.
Paris, veuve Eugene Belin et fils, 1883. 1 vol. in -8 de V-320 p. (Das
günstig beurteilte Buch enthält: I. Biographie. II. Appr^ciation de
d'Aubign^, homme priv^, homme public. III. Jugement critique sur
d'Aubign^, historien et poöte. Opinions de d'Aubignd sur quelques
^crivains du XVI« siecle, opinions des contemporains et des äges sui-
vants sur d'Aubign^. IV. Documents et pi^ces justificatives.) — Nr. 29.
0. Douan. Paul de Feiice. Lambert Daneau, de Beaugency- sur -Loire,
pasteur et professeur en th^ologie (1530 — 1595). Sa vie, ses ouvrages,
ses lettres in^dites. Paris. Fischbacher, 1882, grand in -8 de VI et
884 pages. — Lettre de M. Cha^sang. (Entgegnung auf einen Artikel
über Ch.'s Ausgabe des La Rochefoucauld. S. o. zu Rev. crit. Nr. 24.)
— Nr. 32. C. J. C. Humbert, Deutschlands Urteil über Moli^re. Op-
peln, Maske, 1881. In-8, XXII-206 p. (Lobende Anzeige.) — Nr. 35.
Theses de doctorat es lettres. E. Etienne: De deminutivis, intensivis
etc. (s. hier VP, 96). — Nr. 36. Maurice Tourneu x. De Lescure.
Rivarol et la sociät^ fran^aise pendant la rävolution et l'^migration
(1753 — 1801), ^tudes et portraits historiques et litt^raires d'apr^s des
documents in^dits. Paris, E. Plön et 0»^, 1883. In-8 de XII- 516 p,
8 fr. (Eine sehr sorgfältige, wenn auch nicht in allen Teilen ab-
schliessende Untersuchung.) — Nr. 38. C. J. Mahrenholtz, Voltaire-
Studien. Beiträge zur Kntik des Historikers und des Dichters. Oppeln,
Georg Maske, 1882. 8^ VIII- 196 pp. (Lobend besprochen.)
Dentsehe liitteratnrzeitnng. 1883.
Nr. 18. E. 0. Lübars eh. R. Mahrenholtz, Meliere. Einfüh-
rung in das Leben und die Werke des Dichters. Kleinere Ausgabe
von des Verfassers „Moli^re's Leben und Werke". Heilbronn, Hennin-
ger, 1883, VI u. 266 S. 8". M. 4. (Empfehlende Anzeige). — Nr. 19.
172 Zeitschriftenschau. D. Behrens, Deutsche Litteraturzeitung.
Adolf Tobler. G. Servois, La Bruyfere, (Euvres. Nouvelle ^d. revue
sur les plus anciennee impresBions et les autographes et augment^e
de morceaux in^dits, de variantes, de notices, de notes, d'un lexique
des mots et locutions remarquables, d'un portrait, d'un fac-simile, etc.
Paris, Hachette et CK T. I (1865) CXC u. 567 S., T. 11 (1865) 713 S.,
Tome Öl (1878) II und 242, 20 p. (1872) LXXI u. 880 S. gr.» Album
(2 Wappentafeln und 2 Portr., Facs. mit Text). Fr. 26,50. (Eine in
jeder Beziehung ausgezeichnete Ausgabe.) — Nr. 22. L. Geojy Brandes,
Die romantische Schule in Frankreich (Die Litteratur des SiX. Jahrh.
in ihren Hauptströmun^en. V. Bd.). Leipzig, Veit u. Co., 1883. 462 S.
gr. 8**. M. 8,60. (Wemger eine Geschichte der französischen Roman-
tik, als eine Heihe gelungener Essays über einzelne wichtige Erschei-
nungen derselben.) — Nr. 25. Adolph Tobler. W, G. C. Bijvanck,
Specimen d'un essai critique sur les oeuvres de Fran9oi8 Villen. I^r«
partie. Le Petit Testament. Ballades inädites. Leyde. De Brenk et
Smits, 1882. 220 S. gr. 8^ M. 3,50. (Günstig beurteilt, s. hier V*, 108).
— Nr. 26. H. Varnhagen. Anonym, Gedanken über das Studium der
modernen Sprachen in Bayern an Hoch- und Mittelschulen. München,
Lindauer*8che Buchhandlung, 1882. 39 S. gr. 8^ M. 0,70. (Enthält
manche Unrichtigkeiten und Widersprüche.) — Nr. 31. A. Tobler.
Charles Joret, Des caractöres et de Textension du patois normand.
ißtude de phonötique et d'ethnographie suivie d*une carte. Paris, Vie-
weg, 1883. XXXII u. 211 8. gr. 8^ (Wertvolle Untersuchungen. Zu
wünschen wäre etwas mehr Umsicht bei der schriftlichen Darstellung
der Laute.)
D. Behbens.
ozellen.
'.('1' und das Mo li^re -Museum. Mit dem
■ iseiiin ist auch seine Schöpfung dahingeschwun-
IV n, dem bisher nicht ohne Erfolg geleiteten ünter-
A einzuhauchen, muss als unausrahrbar betrachtet
Uli der ständigen Abonnenten mit Schw.'s Tode sich
•11 reduziert hat. Es gehört also das Museum, ebenso
. in der, jetzt der Geschichte an, und beide haben wohl
iuif ein Wort objektiver Würdigung.
. ideale Plan, welcher der Schöpfung des „Moliöre- Museum"
ile lag, war der des Wetteifers mit dem Shakespeare -Jahr-
• und der Heranbildung eines Meliere -Vereins, welcher nach des
. lers Tode das verwaiste Jahrbuch schützen und erhalten sollte.
nr bald aber zeigte sich diese hochstrebende Absicht als unausführ-
bar, es fehlte eben das Interesse der weiteren Kreise, das sich seit
den Zeiten Schlegers und Tieck's dem britischen Tragöden zu-, von
der französischen Dichtung aber abgewandt hat, es fehlte nicht minder die
Mitwirkung der namhaftesten Philologen und Litterarhistoriker, deren
Domäne nicht gerade die Moli^re-Forschung zu sein pflegt. So musste
das Werk von der Geburtsstimde an mit Nahrungssorgen kämpfen,
musste Abonnenten in Kreisen suchen, die nicht eben aus idealen Mo-
tiven oder aus Begeisterung für Moliöre beisteuerten, und trug so den
Todeskeim von dem ersten Augenblicke an in sich. Die Reklame, welche
die schlechte Fresse machte, das Wohlwollen, welches die gute dem
schön geplanten Unternehmen entgegentrug, scheiterten erfolglos an
der Zähigkeit, mit welcher der „gebildete" Deutsche seinen Geldbeutel
allen nicht materiellen Dingen verschliesst, und die kleine Schar der
Abonnenten, welche sich um das neue Werk gesammelt hatte, war
dünn gesät und über alle Himmelsrichtungen zerstreut. Sie hätte nicht
einmal ausgehalten, wenn der Herausgeber seinen ursprünglichen Vor-
satz, alljährlich drei Hefte a 8 M. vom Stapel zu lassen, durchgeführt
hätte; aus Rücksicht auf diese Gäste von der Landstrasse nicht min-
der, wie aus Mangel an wissenschaftlichen Beiträgen, musste Dr. Schw.
sein Werk zu einem „Jahrbuch" umgestalten, so dass er, in der äusse-
ren Form wenigstens, notgedrungen sich dem „Shakespeare- Jahr buch"
anschloss. Auch das „Jahrbuch" bot des Ungleichmässigen und Ge-
legentlichen allzuviel, war mit Miszellen und Gedichten, wieder der
174 MiszeUen.
Eindringlinge von der Heerstrasse wegen, überladen und erfüllte seinen
nächsten Zweck, Mittelpunkt der Moliere- Forschung zu sein, durchaus
nicht. Eine schärfere Kritik, ein tieferes Eindringen in die behandel-
ten Gegenstände hielt der Hsg. — auch in Rücksicht auf die nicht
hochzeitlichen Gäste — am liebsten fern, Tadel war verpönt, ein zwar
wohlwollendes, aber unwahres Lobsystem beherrschte die sechs Hefte
des „MuseumM Wer das nicht, um den Abonnenten zu gefallen, mit-
machen wollte, wie Dr. Knörich, Humbert, Verf. dieses u. a., musste
sich in reservierter Ferne halten und vor dem dringenden Hilferufe
des Hsg. öfters die Ohren mit Wachs verstopfen. So wurde das „Jahr-
buch" zuletzt nur von Dilettanten und Schöngeistern ziemlich nach-
lässig bedient, und stieg von der relativen wissenschaftlichen Höhe,
die es in den ersten Heften einnahm, immer mehr herab.
und das alles war doch nur im geringsten Masse die Schuld
des dahingeschiedenen Herausg., der mit unverdrossener Mühe, durch
keine materiellen Opfer abgeschreckt, sein Werk bis in die Nacht der
Blindheit und des Todes fortführte. Er wollte eben dem mit vollster
Überzeugung und innerstem Herzensdrange verehrten Dichter auch in
Deutschland das Bilrgerrecht verschaffen, ihn dem ungleich grösseren
Britten ebenbürtig zur Seite stellen, und übersah nur, dass zu diesem
Plane alle Voraussetzungen bei uns fehlten. Zum Dolmetscher Moliere 's,
wenn man es mit dem wissenschaftlichen Dolmetscher -Examen nicht
zu genau nahm, besass er alle Eigenschaften. Der zünftigen Gelehr-
sanikeit, der religiösen und politischen Ausschliesslichkeit feind, von
unbedingtem Indifferentismus in allen kirchlichen Fragen beherrscht,
lebte er der Kunst und Gesellschaft und streifte nur von ferne an die
engabgeschlossene Fachwissenschaft an. Arzt von Beruf, dachte er
über die medizinische Wissenschaft nicht anders als der französische
Komödiendichter und entsagte der ärztlichen Wirksamkeit, sobald eine
Jahresrente ihm die Mittel zu einem angenehmen, sorgenfreien Dasein
gewährte.
Noch sein Begräbnis sollte — eine eigene Fügung des Geschickes
— dem Moliäre's nicht unähnlich sein. Obwohl bis zur Todesstunde
dem mosaischen Bekenntnis zugethan, weil es ihm nicht besser und
nicht schlechter als die anderen schien, und weil Pflichten der Dank-
barkeit ihn zu einem äusseren Festhalten an demselben nötigten, hatte
er sich doch jede B;ede am Grabe durch seine letzte Willensäusserung
verbeten. Der jüdische Gemeindevorstand verlegte daher den letzten
Gang auf die Mittagszeit und machte so den zahlreichen Freunden und
Verehrern des Dahingeschiedenen eine Teilnahme schwer möglich. Eine
kleine Schar nur, Christen und Juden im Gemisch, begleitete den Sarg
des vielgeliebten Mannes zum Friedhofe. Seine letzte Lebensaufgabe,
die Begründung eines Moliere -Vereins und die Sicherung seines Mu-
seums sollte der hochsinnige Kämpfer für das Gute und Schöne nicht
erfüllt sehen, und noch in der Todesstunde musste er sich an zweifel-
hafte Hoffnungen klammern, deren Nichtigkeit seine scharfe Menschen-
kenntnis bei ernster Prüfung sicher durchschaute.
Die zahlreichen Abonnenten von der Landstrasse, deren Namen
am Schluss der letzten Hefte des „Museum" prangten, verliessen wie
die Ratten das sinkende Schiff und sandten zum Teil noch das letzte
Heft zurück, dessen Vollendung mit der Todesstunde des Hsg. fast zu-
sammenfiel. Und wer die Dinge anders auffasst, als der ideal ge-
sinnte Schöpfer des Moliere -Jahrbuches, wird um Moli^re's willen es
preisen, dass dieser Schutzverein sich zerstreut, dass ebenso keine ge-
Miszellen. 175
' im Schatten von Moli^re's Ruhm sich behäbig ausgestreckt
.eunung ungeschmälerter Art gebührt nichts desto^reniger
noch im Greisenalter, wo der Idealsmut des Lebens und
onst entschwindet, einem so edel gemeinten Ziele nachge-
H. p. a.
R. Mahbekholtz.
1 1
• rammatische Bemerkungen. I. Im folgenden sollen einige
der französischen Grammatik erörtert werden, deren Behand-
ln den Sprachlehren, speziell in den schätzenswerten Büchern
>äcking und Plattner, der Ergänzung oder Berichtigung bedürftig
t. Es handelt sich im wesentlichen um eine Konkurrenz von
• n der Sätze oder Satzglieder, die ich bisher nicht genügend be-
ichtigt finde. Ich beginne mit einer Doppelform, die man fast
hweg unter dem Gesichtspunkt der Euphonie betrachtet hat:
On, Pofu
Im Altfranz, steht Fon neben on nach Diez (Gr. III', S. 805) fast
il kürlich. Im 16. Jahrh. ist es nach Darmesteter-Hatzfeld (Le sei-
ine siecle, p. 261) ebenso üblich als on. Für das 17. stellen Chas- j
iig (Nouv. gr.', p. 299) und Ayer (Gr. comp.', p. 181) häufigen Ge- |
.auch desselben im Anfang eines Satzes fest. Für die neueste Zeit i
ird ron ziemlich übereinstimmend von den Grammatikern auf die
\ mbindung mit vorhergehendem et, ou, on, que, qnoi^ si beschränkt, ,
'ianeben auch wohl sein Vorkommen im Anfang des Satzes anerkannt, i
andere Anwendung für selten erklärt; diese Fassung der Regel gibt
/. B. LücMng. Beträchtlich weiteren Raum lässt Plattner dem Fon: 1
1 ) nach ei, ou^ oü, qui, quoi (nebst pourquoij, si (nebst anssi, ainsij, que
als Relativ und Konjunktion (nebst lorsque, puisque u. a.); 2) manch- 1
mal nach defä, aujourcThui, ici, comme und sogar nach Konsonanten, |
z. B. nach donc^ doni^ cor, mais, plns, cependant u. a.^; dagegen ist es
nach ihm „sehr selten zu Anfang des Satzganzen oder des Nachsatzes^.
Ich lasse eine Sammlung von Beispielen folgen, welche einen noch
umfassenderen Gebrauch der Form belegen werden.
A. Innerhalb der Bindung:
Ici Von peut embrasser d'un conp d'oeil tous les temps. Corinne
XIII, 4. Comme Ton ^tait certain etc. Mais Ton n'avance pas. ebd.
YII, 1. Tu sais comme autrefois Von s'y amusait. La Camaraderie I, 3.
Commeni Von n'avait pas confi^ cette affaire au jeune Oscar Rigaut.
ebd. I, 4. Id Von m'envoie. Ruy Blas IV, 4. Bienidi Von rencontre
une foule d'hommes. S^gur, Eist, de Nap. et de la gr. a. Comme
bien Von pense. Le XIX« Siäcle, 6. Aug. 1882. Mais enfin Von va partir
en vacances. ebd. 10. Aug. 1882. Puisque Von en possfede les ^lö-
ments. R. crit. 1883, I, p.« 512. Quand Von fera Thistoire de la pro-
pagation et de la transformation en Europe des fables orientales.
ebd. II, p. 471. Pourtant Von eüt dit etc. Numa Roumestan, p. 7.
Car Von ne peut pas se repr^senter Taction de ronger sans nn objet
qui est rongö. Ayer, Gr. comp.*, p. 358. Or Von sait que ces tenta-
tives etc. R. crit. 1883, I, p. 508.
B. Nach einer Pause (mit oder ohne Interpunktion):
Dans ce pays-ci Von ne rencontre que les meillenres gens du
monde. Corinne 1, 3. Dans ce Heu Von devait goüter plus du calme.
176 Miszellen.
ebd. V, 1. Ce rCest pas lä ce que dans aucun pays Von considere comme
l'art dramatique. ebd. VII, 2. Ei moi, Von m'a vendu! Euy Blas
IV, 5. 0hl Von aurait bien du nous laisser en paix! ebd. V, 1. Dans
le rang que joccupe. Von a tort d'^tre, comme je le suis, trop bonne.
Les doigts de f^e IV, 15. Ouiy Von est bien plus libre, quand on a
un maitre! ebd. V, 1. Out, Von a de la peine ä s'avouer qu'on a ^t^
injuste. La Camaraderie IV, 9. De m^me, Von a des pronoms demon-
stratifs, adjectifs et substantifs. R. crit. 1876, II, p. 105. Qu'au lüm
de Moliere, Von mette le nom d*an grand poäte dramatique. R. crit.
1888, I, p. 91. Si, par hasard^ cette daie correspond ä ceÜe du calen-
drier räbbinique. Von nous dit qu'en teile annäe tel mois commen^a le
mSme jour chez les Cara\'tes et chez les Rabbanites. Si le 5 iomhe un
dimanche^ on nous dit que le mois donnä commen9a un jour plus tot
chez les Caraltes que chez les Rabbanites. Si le 5 est un mardi, Von
8*en arrange encore. ebd., p. 333. L*on a propose\ du nom de cette
diviiiit^, diverses explications. ebd., p. 414. Les vrait coupables, en
toui ceci. Von doit en convenir, sont, sans contredit, les däput^s. La
France, 24. Juli 1882. Malgre soi. Von se sent pris d*une certaine
tristesse. Le Temps, 2. Aug. 1882.
Ich könnte diese Beispiele vermehren. Die gegebenen genügen
aber wohl, um zu beweisen, dass noch heute Von eine beliebig ver-
wandte Nebenform ist, die wohl aus Rücksichten des Wohllauts mit
on wechselt, aber keineswegs solchem Bedürfnis ihr Fortleben verdankt.
En + bestimmtem Artikel
ist bekanntlich von sehr beschränktem Gebrauch, während die Ver-
bindung mit unbestimmtem Artikel nicht eben selten ist. Indessen
geht LücMng zu weit, wenn er nur formelhaftes Vorkommen von en
4- V anerkennt und für en ■]- la nur ein einzelnes Beispiel fen la pre-
sence de DieuJ gibt. Richtiger sind die betreffenden Angaben in den
Grammatiken von Mätzner, Chassang, Plattner und Holder. Nach
letzterem hat das auf en folgende Substantiv „wohl den apostrophier-
ten Artikel V, und den weiblichen Artikel la, aber niemals le oder ies
vor sich'*. Die von Chassang gemachte Beschränkung des en -{- la auf
den style soutenu ist unbegründet, und es konunt auch nicht bloss
vor einigen Substantiven noch vor, wie Mätzner meint, „in gewissen
hergebrachten Formeln" (Diez, Gr.» III, S. 169). Die folgenden Bei-
spiele werden dies zeigen.
En Ve'tal actuel de TEurope. Le XIX« Siecle, 29. Juli 1882. üne
des plus grandes artistes en Vart de dire. Legouv^, L'art de la 1.^*,
p. 115. II ne pouvait relever en Vhomme un trait de fatuit^, en 1'^-
crivain un excäs de langage. R. crit. 1883, I, p. 130.
Vous perdez en la mort d'un homme de son rang. Cid 11, 8.
Mais cherchez ton asile en la maison du mort! ebd. III, 1. Dans nos
combats d*aujourd'hui un particulier n'a guäre de confiance qu*en la
mtdiitude. Mont., Consid. 2. Leur confiance mutuelle en la bonte' Ce-
leste, Corinne VIII, 1. II croit en la sagesse, en la prudence du gou-
vemement. La France, 30. Juli 1882. La p^roraison de M. de Frey-
cinet est un appel ä la confiance de la Chambre en la sincerite du
cabinet, en sa prudence. Le XIX« Siäcle 1882, 31. Juli. Expert en la
maiitre. Le Temps, 21. Dez. 1883. (Le) gardien, en la place duquel
ils voulaient installer un homme de leur choix. R. crit. 1883, n, p. 202.
Trois manuscrits qui se trouvent Tun ä la Bibliothäque nationale, le
second k la bibliothäque du British Museum et le troisieme en la pos-
Session de M. A. d'Abbadie. R. crit. 1884, I, p. 4.
MszeUen. 177
Immerhin ist en vor beat. Artikel ziemlich selten und ganz un-
gebräuchlich unmittelbar vor le und les. Andererseits führt Plattner
en totis les cas, en ioutes les langues an, und häufig sind bekanntlich
Ausdrücke wie en ce Heu,^) en son joouvoir, in denen das Pronomen eine
ähnliche Bestimmung wie der Artikel bildet. Also auch das Sein in
bestimmten Grenzen kann noch jetzt durch et^, ebenso wie durch dans,
bezeichnet werden; und wenn en -]- le oder les sich nicht findet, so
erhebt sich die Frage, weshalb die Sprache diese Formen nicht an-
gewendet. En -\- le stellte sich im 16. Jahrh. noch als ou dar, aus
älterem el, wie en + les zu es verschmolzen war. Ou konnte sich
neben au aus a -{• le nicht halten, und wohl im Zusammenhang damit
wurde auch es bis auf den bekannten erstarrten Überrest aufgegeben.
Zum Teil bestand en + le in der Form au fort. Chassang (Nouv. Gr.,
p. 434) führt mehrere Beispiele davon aus dem 17. Jahrh. an. So
findet sich bei Corneille: S'tl ne revivait pas au prince Nicomede. Die
entsprechende Vertretung des en -f les durch aux zeigen Beispiele
wie Changeant leur frile enduit aux marbres les plus durs (La Font.),
Tant d^espoir tCenire pas aux cosurs des malheuretix (Cr^billon), beide
bei Chassang.^) Der Gebrauch des en vor f und la wurde natürlich
von diesem Übergange zunächst nicht berührt. Daher: Leur felicite
ftii changde en la triste consolation de se faire des compagnons dans
leur misere, et leurs bienheureux exercices au miserable emploi de tenter
les hommes, (Bossuet, bei Chass., p. 444.) Es ist aber begreiflich, dass
die bei le, les eingetretene Beschränkung der Ausdrucksformen all-
mählich fortwirkte, sodass en vor V und la jetzt zwar noch nicht ver-
altet, aber altertümlich ist.
JDe qui ftls Attribut eines Yorang^henden Snbst.
grilt manchen Grammatikern (Mätzner, Holder, Lücking, Plattner) für
fanz oder fast ungebräuchlich. Chassang und Ayer lassen de qui in
ezug auf Personennamen zu, und wohl mit Becht; es behauptet sich
in der That noch im gegenwärtigen Sprachgebrauch neben dem üb-
licheren duqueL
Dieu, pour la gloire de mii vous avez d^jä fait tant de choses.
Chat., Atala. Vn dient trös ricne et tres moral, aupres de qui tu vas
me faire du tort. Scribe, Une Chaine I, 4. Un juge aux yeux de qui
se rflövent bien des d^fauts cachös. Legouv^, L art de la 1.^^, p. 98.
L^homme ä cotä de qui eile vivait depuis dix-ans. N. Roumest., p. 6.
Ce sont lä les honnStes femmes, Celles en faveur de qui Ton invoqne
le noeud sacr^. J. A. Pons, Zschr. f. nfrz. »pr. u. Litt. 1881. 11 peut
s'en trouver quelques -uns d'un z^le intemp^rant, des mains de qui les
remontrances et les blämes tombent dru comme gr^le. Le XIX« Siäcle,
27. Aug. 1882.
Inversion naoli auasi, encore, au nuAna, en vain nnd
fthnliclLen Adverbien.
Lücking gibt über die Stellung des Subjekts nach den genann-
^) VgL Je me ber^ais dans ma t3te tTaller fapprendre bientot en
ce Paris ou seuiement on le savait, S'e-Beuve, bei Holder, S. 228.
^) Dahin gehört im jetzigen Franz. u. a. der Wechsel, auf wel-
chen Plattner (Schulgr. S. 148) aufmerksam macht: En mon nom, da-
gegen au nom de mes amis; ü tomba en leur pouvoir, dagegen tomber
au pouvoir d^un ennemi.
Zschr. f. nfrc. Spr. u. Litt. VIS. ^2
178 MiszeUen,
ten Adverbien, den Nebenformen du moifis und vainemeni, femer noch
peui'iire, ä peine u. e. a. folgende Regel : „Nach . . . steht gewöhnlich
ein tonloses Subjekt nach der Determinante und ein betontes als ab-
solutes Satzglied, welches durch ein tonloses Personalpronomen (nach
der Determinante) aufgenommen wird". Ähnlich Plattner („Die In-
version des Subjekts &idet in der Regel statt"), der übrigens noch
einige Fälle hinzufügt. Richtiger scheint hier die FonnuKerung, welche
Holder gibt: dieser spricht nur von einer Möglichkeit solcher Stellung.
Häufig genug findet man die regelmässige Wortstellung, vielleicht aber
in verschiedenem Masse nach den einzelnen Adverbien. So habe ich
sie sehr oft nach attssi, nur sehr selten nach peut-Hre und ä peine ge-
funden. Vielleicht sind andere im Stande, die folgende Zusammen-
stellung zu vervollständigen.
Nach aussi (aussi bienj.
Le temps nous paratt long. — A moi ... de mSme . . . Aussi,
vouB le voyez. Je me suis aiT^e chez vous en allant au chäteau de
Trämazan. Les doigts de fäe I, 6. Elle vous impatienterait bien, et
moi tout autant, si son service la tenait plus pr^s de moi. Aussi je
ne vous la propose pas. Corresp. de G. Sand I, p 37. L*enseignement
. . . dut des lors se renfermer dans les g^n^ralit^s de la philosophie et
de rhistoire politique ou litt^raire . . . aussi on en vint bientöt ä con-
siddrer les chaires de facult^ comme un lieu de repos. R. crit. 1876,
n, p. 233. Avec son livre on ne saurait, par exemple, 6tre embar-
rass^ Bur la mani^re de construire une phrase . . . Aussi je ne douie
pas que le manuel de M. S. Broberg ne rende de grands Services.
R. crit. 1883, I, p. 273. L'analyse et Tdtude du „Corbaccio", de la
„Vie de Dante" et des „6glogues" qui le remplissent suffisent pour ex-
pliquer cette importance; aussi on ne doii pas iire trop surpris que
M. A.-T. ait ajout^ 185 pages de commentaires et de notes aux 13
pages du texte, ebd. p. 367. L'accent tonique ayant en fran9ais une
place invariable, Vemploi de ces signes pour noter la place de l'ac-
Cent est au moins superflu. Aussi ce rCest pas dans ce but que nous
en faisons usage. Ayer, Gr. comp.®, p. 24, — Atissi bien ü rCen fera
rien. Ac.
J'ai sur tout 9a des id^es qui ne ressemblent pas ä Celles des
autres. Atissi mon sang toume quand je vois des hommes comme votre
baron. Souv. Sous la tonnelle (Velh. & Klas., p. 45 — 46). Voilä dans
quel milieu äclata la Marseillaise. Ce d^vouement, ce d^sint^resse-
ment, cette grandeur d*äme, ce courage, ce patriotisme qui ^taient
dans tous les coeurs, ses accents inspir^s traduisaient tout cela Aussi
ckacun se reconnut en eile. Le Temps, 25. Juli 1882. D^s le d^ut
j*ai parlä si haut et si fort ... — Que tu peux mßme dire que tu as
cri^! ^f^^', au bout d*un quart d'heure, iavoix s'est eraälee, Legouv^,
L'art de la 1.^^, p. 82. Tout cela m'^tait refus^, aussi le decourage-
meni et le de'sespoir avaient promptement succädä ä mes folles illusions.
Scribe, üne Chalne I, 4. De pareilles mesures n'^taient pas süffi-
santes . . . ; aussi Cassetnblee iCen fui ni satistaite, ni rassurde. Mignet,
Hist. de la R. I. Cette mädiation devait ^tre sans r^sultat, puisque
la noblesse ne voulait point le vote par t^te, ni les communes le vote
par ordre. Aussi les Conferences conciliatoires . . . furent rompties par
la noblesse. ebd. — Les biographies de Sophocle et d'Eunpide . . .
abondent en inexactitudes que nous ne releverons pas; aussi bien, ces
chapitres-lä se deiachent ais^ment de Tensemble. R. crit. 1883, I, p. 441.
M. J. ne s'arrSte ni ä Diocl^tien ni ä Thäodose: aussi bien ces deux
Miszellen. 179
regnes ne mairjuent lien de nouveau pour Thistoire du developpement
intärieur de la plupart des provinces. ebd. U, p. 66.
Nach au moins, du moins.
Mais au moins ou senitdl que ce nMtait pas la soci^tä. Corinue
III, 1. Au moins, Monsieur, vous ponrrez Cf'oire que tout le monde ici
ne vous halt pas. W^^ de la Seigl., t. Ü, Sc. 9. — Du moins. Je serais
le seid ä piain dre. Scribe et de Rougem.: Av. , Pend. et Apr. I, 11.
M. Bellac . . . va venir s'installer ici pour quelque temps; du moins on
Ves'pere. Pailleron, Le monde oü Ton s'e. I, 8. S'il n*est pas fort
riebe, du moins ü a d€ quoi vivre honnetement. Ac. Vgl. bei Holder
S. 319: Qu'ils lisent cet ouvrage: peut-Hre y renconireront-ils quelque
cbose, ou du moins, ils rCy perdront pas beaucoup. Pasc.
Mais du moins, le tableau qui passe sous nos yeux est variä, s'il
n'est pas attrayant. R. crit. 187j6, II, p. 366. Du moins les depiches
de Constantinople nous annonceni que le conseil des ministres continue
ä ddlib^rer sur sa teneur. Le Temps, 1. Sept. 1882.
Nach en vain, vainemeni.
En vain . . . je loasse mes jours et mes nuits dans des travaux
assidus. La Oamaradibie I, 4. Vainement fai voulu r^sister au cbarme
qui m'envabissait. W^^ de la Seigl. A. III, Sc. 7.
En vain dans nos champs cultiv^s rimaginaiion cherche a s'^-
tendre. Chat., Genie du Chr. I, 5, 13. Fainement notre precepteur nous
emmenait ä Tätude. P. de Musset, Biogr. de A. de Muss., p. 37. Vaine-
ment M, de Marcere s*est efforce de montrer combien il ätait Strange
et dangereux de tout confondre. E. d. d. M. 1883.
Nach encore.
Et encore je suis jeune maintenant. Les doigts de f^e II, 7.
Vgl. bei Holder a. a. 0.: Sur six mille ämes nous ne comptons qu'un
bon manage qui soit authentique; encore ce soni des Picards. Delav.
Cette bibliographie . . . ne comprend pas moins de 1177 numl^ros;
et encore la bibliographie concernant la plupart des pays d*Europe les
mieux connus a e'te laisse'e de cöt^. R. crit. 1883, H, p. 92.
Nach peut'itre.
Bei Holder a. a. 0.: Peul-^tre Je devrais, plus humble en ma
mis^re, Me souvenir du moins que je parle ä son fröre. Rac. Peut-
Hre on voudra d*un C^sar. V. Hugo, bei Mätzner, Synt. II, p. 271.
Pent'Hre alors les conclusions de M. AUain auraient e'te, sinon
changdes du tout au tout, au moins modifi^es. R. crit. 1884, I, p. 28.
Peut-Hre tm homm^ plus sage que moi serait embarrasse de däcider.
Montesq., bei Holder a. a. 0.
Nach ä peine.
Das Beispiel aus Racine's Phedre ist bekannt. Ein anderes gibt
Mätzner a. a. 0.: A peine je la quitie Que . . . Delav. A peine ils y
etaient entres, Cromwell apostropha rudement le colonel. Bei Lücking,
S. 220. Peui-Hre il obtiendra la gu^rison commune (La F. VII, 1). Bei
Ayer, Gr. c.*, p. 481.
A peine un demi-siecle s*dtait ecouU qu'Agrippine vint ^taler aux
in§mes lieux les fun^railles de Germanicus. Chat., Itin. (Velh. & Klas.
I, p. 19). A peine rempereur Othon e'tait retoume en Allemagne, que
les Romains voulurent §tre libres. Volt., bei Holder a. a. 0.
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Miszeüen. ' 181
France, 6. Sept. 1882. Sogar: Les musiciens . . . s*ammaient ä mieux
faire senUr le g^nie de leur art. Corinne VI, 1. Pour- bien vous faire
comprendre T^tat de la question. Ac. j^fin sans doute d^ mieux faire
resso7*iir ce qu'a de special etc. R. d. d. M. Vgl. Ce räcit qui nous a
tani faxt pleurer, ebd. (Daneben: Lucile prit Juliette dans ses braspour
Im faire mieux voir le tableau. Corinne XIX, 6. Nul ouvrage ne sau-
raii faire mieux connattre quelles furent les conceptions poutiques et
sociales de Voltaire. R. crit. 1888, II, p. 207.) Weitere Beispiele bei
Holder S. 316.
Wie durch Adverbien, so wird der nachfolgende Infinitiv auch
durch adverbial gebrauchte Substantive, denen eine Präposition
vorangehen kann, bestimmt; doch findet sich diese Stellung gegen-
wärtig selten anders als beim reinen Infin.: niemals steht in der heu-
tigen Prosa ein Substantiv zwischen Präp. und Inf., wohl aber zuweilen
vor der Pr'äp. (Freier war der alt- und mittelfranzösische Gebrauch;
s. Mätzner, Syht. II, S. 314—15.)
Les Romains mSmes pouvaient, dans des laraires ou des iemvles
pariiculiers , rendre des honneurs divins ä leurs ancßtres. Mont., Con-
sid. 12. Cet Oc^an, du sein de qui devaieni un jour, par un muluel
eckange et des phases conlraires, soriir pour tous les deux l'opulence,
la libertö, la civilisation. Salvandy, in Lüdeking's Lesebuch II. Nul
ne sut avec plus d'habüete s'emparer du fait. R. d. d. M. 1881. Des
hommes pröchent chaque jour la vertu, et ne laissent pas, chaque jour,
de s^en ecarier. Boiste, bei Mätzner, Synt. 11, S. 313.
Adverbien zwischen dem Verbnm nnd den Ergänznngswörtern
der Negation.
Besprochen ist diese Erscheinung von Mätzner (Synt. II, S. 882,
Gr.,. S. 628), Holder (S. 289), Lücking (S. 316), Ayer (Gr. comp.»,
p. 885 — 86). Sie lässt sich aber in betarächtlich weiterem Umfang be-
obachten, als es nach jenen Angaben scheinen möchte. Es wird daher
nicht überflüssig sein, ihre weitere Ausdehnung mit einer Reihe von
Beispielen zu belegen.
• La Porte n'a absolument pas une piastre. Le XIXe Si^cle, 29.
Juli 1882. De grands principes, qui ne soni heureusement pas menacäs.
Le Temps, 9. Sept. 1882. Ils n'y meiteni parfois pas plus de diversitö
ou d'initiative. R. crit. 1876, 11, p. 232. Ils fConi pour ainsi dire pas
modifi^ l'opinion ^tablie. R. bist. 1881. li ne se donne ordinairement
pas la peine de convertir les mesures romaines. R. crit. 1883, 1, p. 241.
Cette immense affliction n'avait reellemeni pas de raison d*§tre. FeuiUet,
Le Village, Sc. 5. Ses explications ne permireni bieniot plus de se
tromper sur sa v^ritable position. Souv., Au c. d. f., V. M. L. n*en
sait lä'dessus pas plus que personne. R. crit. 1884, I, p. 74.
Dieselben Adverbien erscheinen vor und nach dem Ergänzungs-
wort:
Toute trace n'en est encore pas effacöe. R. d. d. M. 1881 (selten).
Ils rCetait pas encore venu. Ac. — I\ ne sait dejä plus ce que vous
etes venu iPaire ici. M"« de la Seigl., A. III, Sc. 5. Il n'y narait plus
dejä. Feuillet, Le Vill., Sc. 5. — Moi qui n*y pensais sememeni pas,
La Gamaraderie U, 8. Cet homme, que Ton msait mort, n'a pas seule-
ment ^t6 malade. Ac. — G'est une difficultd sans doute, mais ce n*est
assure'ment pas une impossibilitä. Bei Lücking a. a. 0. Nous ne nierons
pas assurement que le spectacle de la Grece puisse ötre utile pour Tin-
telligence de quelques -uns de ses mythes. R. crit. 1876, II, p. 55. —
182 Miszeüen.
ün de ces traits . . . que La Rochefoucauld , , . ne voulaii sans doute
pas faire paraitre dans sa premiere Edition. R. crit. 1883, II, p. 392.
Ils n'eiaieni pas sans doute ce que, sous Tancienne monarchie, on eüt
appel^ des grands seigneurs. Bei Lücking a. a. 0. — Les grandes et
les petites d^clamations . . . ne proviennent e'videmmetii pas de la mSme
tradition. R. crit. 1883, II, p. 887. Son ouvrage n*esi pas e'videmment
destinä au grand pubKc. R. crit. 1884, I, p. 52. — Ce n'est pourtant
pas qu*il faille ddsesp^rer. Ac. Tout cela n'empSche pas pourtant que
la renaissance de TOrient chr^tien ne soit Toeuvre du peuple de Rourik,
Bei Lücking, S. 412.
Negation im Nebensatz nach verneinter Steig'ernng.
Wann nach verneinendem Hauptsatz, der einen Komparativ ent-
hält, ne einzutreten habe, wann nicht: darüber ist die Lehre der Gram-
matiker bekanntlich sehr bestimmt. Auch Plattner und Lücking haben
sich mit der üblichen Unterscheidung begnügt, und man darf sie nicht
darum tadeln, da beide ihre Bücher für den Schulgebrauch verfasst
haben. Wohl aber ist die Frage gestattet, ob denn der Sprachgebrauch
wirklich die Theorie rechtfertigt, und ob nicht die Sache im Anschluss
an die gründliche Behandlung derselben bei Mätzner (Synt. I, S. 400)
und Holder (S. 442) auf Grund ausgedehnter Beobachtung des Sprach-
gebrauchs sicherer festgestellt werden muss. Einen kleinen Beitrag
hierzu will das Folgende liefern, das zunächst die augefährten Dar-
legungen von Mätzner und Holder kurz zusammenfasst, dann einige
eigene Beobachtungen hinzufügt.
Sobald die Steigerung verneint ist, ist eine zwiefache Möglich-
keit gegeben:
I. Durch die Verneinung des höheren Grades bei dem ersten
Gliede fällt der Grund für den Ausdruck des geringeren Grades bei
dem zweiten Gliede hinweg: ne fehlt. — Gleichwohl findet sich häufig
die Negation im Nebensatz, unabhängig von diesem grammatischen
Verhältnis, weil man, zwar nicht den gleichen Grad für den Inhalt des
Nebensatzes, aber das Vorhandensein desselben in irgend welchem zu
verneinen thatsächlich Ursache hat Es tritt also das sachliche
Verhältnis der Form gegenüber. Zuweilen überwiegt die grammatische
Form, und ne bleibt weg (Beispiele bei M. und H.) ; meistens das sach-
liche Verhältnis. Zu den hierdurch herbeigeführten zahlreichen Fällen
des ne gesellen sich nun aber andere, denn
IL kann die Sprache in einer, wenn man will, unlogischen Weise
den Komparativsatz nach verneinendem Hauptsatz dem nach bejahen-
dem Hauptsatz gleichstellen und, wie in dem letzteren, so auch in dem
ersteren ne anwenden, in Fällen, wo dasselbe durch den besprochenen
sachlichen Gesichtspunkt nicht herbeigeführt werden kann. So findet
sich bei M^e de S^vign^ II est impossible de s'Stre plus distingue qu*ü
a faxt (Chassang, p. 428) neben Cependant vous nCavez fait une re'ponse,
et on ne peut avoir ete mieux perdue, qa'elle ne Va ete (Mätzner a. a. 0).
Holder gibt sechs weitere Beispiele aus verschiedenen Schriftstellern
des 17. und des 19. Jahrh. Dazu nehme man folgende:
Une petite ville du Nord . , ,ne peut itre autrement qu'eüe n'est.
Corinne XIV, 2. Ils ne souleveraient pas la pierre qui les couvre avec
plus d^impatience que je n'en eprouvais pour ^Carter de moi tous mes
unceuls. ebd. 3. M. Ad. R^gnier . . . ne pouvait s*adresser mieux qu'ü
ne la fait, R. crit. 1888, I, p. 106. // n*y avait pas moyen de faire
cette guerre autrement q%Con ne Va faite. ebd., p. 290. Nous n'avons
guere moins de peine aujourd'hui ä d^couvrir les particularit^s de leur
Miszellen. 183
vie qu^ils rCen onl eu ä ouvrir de nouvelles voies ä travers les mers
inconnues. R. crit. 1883, II, p. 88. // n*est guere poss^le de creuser
ces questions d^licates avec nne methode plus rigowreuse que ne ta faii
M. Ritter, ebd., p. 885. Le cadre d'une pareille recherche ätait presque
donn^ d'avance, mais ü e'iait difficile de le mieux remplir qute Tauieur
ne Va fait. R. crit. 1884, I, p. 107.
Diese Fälle sind zu zahlreich, als dass man sie als Ausnahmen
betrachten könnte; es ist vielmehr anzuerkennen, dass die Sprache
z. T. den Unterschied zwischen bejahendem und verneinendem Haupt-
satz hinsichtlich der Einwirkung auf den Komparativsatz vernach-
lässigt: ein Vorgang, der, nach Mätzner's Urteil, schon an sich nicht
unnatürlich, durch das häufige Vorkommen des ne aus anderem Grunde
wesentlich liefördert werden musste. Bis zu welchem Grade diese Aus-
gleichung bereits stattgefunden hat, das bleibt noch festzustellen.
R. Meter.
Les Parisismes de M. Villate.*) Rien n'est plus louable que
la conscience et la bonne foi apport^es en AUemagne dans tout ce qui
regarde Tinstruction, Malheureusement Texces meme de cette bonne
foi la rend plus faite ä surprendre. C'est l'impression que laissent
ces Parisismes ou Argot parisien: deux synonymes aussi exacts que
GaUicismes ou Argot frangais.
II serait oiseux de s'arr§ter ä l'dpigraphe et ä la pr^face, qui
^tabliraient la raison d*§tre du livre, si Ton pouvait bätir une th^orie
sur des boutades et des paradoxes. Ce livre, dit Vauteur, n'est pas
^crit pour les jeunes gens. Non, certes, il est fait pour ßtre soigneuse-
ment serr^, quand il y a femme et enfants dans la maison.
Pourquoi d'abord ce titre de Pa?isismes, puisque, sur le nombre
de locutions que renferme Touvrage, il n'y en a pas une centaine de
speciales ä Paris? Une grande partie sont de bonne langue courante,
p. ex. baguenaudej\ avoir la main, dessale'e, mdas, flandrin, fendani,
lampas, cracher svr qn ou qc, courir le guiltedon, coüter les yeux de
la Ute, croque, dare dare, de'couvrir S^-IHerre pour cotivrir S^-Patd, ä
la diable, au diable au vert, jeter un froid, se couper etc. Si VAcadämie,
toujours en retard d'un demi-siöcle sur la langue, n*a pas encore accordö
Testampille ä teile ou teile de ces expressions, elles n'en figurent pas
moins depuis longtemps dans les oeuvres m§mes de ses membres, et
dans les dictionnaires assez autoris^s pour pr^parer et devancer la d^-
cision de cette compagnie.
Le vrai argot, le fonds du livre, en justifie tout aussi peu le
titre. CMCy larbin, potin, potache, postiUon, panne\ pantre, scie, fourhi,
Mcher, remporter une veste, piquer un chien ou un renard, ou une to-
mate, ou un sqleil, ou un latus etc. — je prends au hasard — tout cela
n'est pas plus particulier ä Paris, qu'ä Bergerac ou ä Pont-ä-Mousson.
Escarper, refroidii\ hussard ae la auülotine, abbaye de monte ä regret
etc. seront certainement connus dans toutes les maisons de force;
comme d'autres choses, qui ne peuvent se citer ici, s'entendront en
France dans tous les Etablissements d'une certaine sorte. Si, par le
*) Vgl. oben S. 38 ff. Wir hoffen, dass auch die folgende Be-
trachtung des ViUatte'schen Buches von Seiten eines Franzosen für
unsere Leser nicht ohne Interesse sein werde. D. Red.
184 MiszeUen.
vocable Parisismes, on a voiüu dire que la plupart de ces termes doi-
vent leur origine ou leur sanction ä. Paris, autant substituer pour la
langue räguliöre parisien ä fran^ais, puisque Paris, devenu successive-
ment centre politique et centre intellectuel du pays, est depuis long-
temps en possession de faire et de d^faire la langue et les gouveme-
ments.
D'autres parisismes sont de pures mystifioations. Floqaer (du
nom d*nn homme politique) signifierait oublier ses engagements —
comme lui! Et faignant ou feiffnant pour fain^ant, comme qui dirait
en allemand Bmoihek au Heu de Bibliothek ^ Jptheker &n Heu de Jpo-
theker! Pourqoi pas aussi colidor pour corridor, mouchechoir pour moa-
choir, s'ostiner pour s'obstiner, vesquer pour vexer, etc.
Discuter au surplus le procdd^ de l'auteur, les raisons qui, ä
malpropret^ ^gale, lui ont fait prendre ceci et laisser cela, appr^cier
la valeur de ses sources et le parti qu'il en a tir^, relever les lacunes,
les inexactitudes de traduction, le manque ou Tinsuffisance des expH-
cations, c'est besogne impossible dans ce Journal.
Et que revient-il au bout de compte de ce genre d'^tude? Y
apprend-on au moins un argot sür et durable? Ce n'est pas possible.
Ces expr^ssions, n^es d'une actuaHt^ quelconque, d'une cbanson, d'une
plaisanterie de rue, d'une fantaisie qui s'accepte ou s^impose, vivant
en g^n^ral aussi longtemps que la circonstance qui les a fait nattre
— ou se transforment avec une teile rapidit^ que, sauf de rares ex-
ceptions, le lexicographe qui a cru les saisir au passage voit son oeuvre
d^mod^e avant d'Stre finie. P. ex. ce qui s'appelait autrefois un petit
mmtre, puis un misscadin, un incroyable, puis un beau, puls un gandm,
puis un dandy, puis un lion, puis un tigre, puis un petit creve, puis un
peiit aras, puis un boudine', puis un gommeux, puis un poissetcx^ s'appe-
lait il y a quelques mois un pschutteux, „II se fait plus de tropes ä
la Halle en un jour qu'ä TAcademie en un an^, disait Duniarsais, et
Celles d'hier ne sont d^jä plus Celles d'aujourd'hui qui seront d^jä rem-
plac^es demain. Que sert donc ä un ^tranger de distraire de Tdtude
d^jk assez longue de la bonne langue un temps pr^cieux pour s'em-
barrasser la t§te de formules qui le laiss'eront en cbemin ä* tout mo-
ment? Qu'il essaie par ex., ä. Taide de ces Parisismes, de traduire, non
pas 'La Cipe cass^e*, mais r*Assommoir* ou la 'Chanson des Gueux' ou
les 'Deux Papas träs-bien', cette joHe com^die de Labiche pr^cis^ment
contre les parleurs d'argot. II verra.
Et poss^dät-on nieme les deux ou trois cents termes les plus
^lYOuables, qu'on ne croie pas avoir surpris le secret du beau langage
de Paris ou de France, ou du moins l'^lägant sans-gSne, les heureuses
n^gHgences d'expressions que se permettent les honnötes gens. Non,
la bonne soci^tä ne parle pas ainsi: quiconque Ta approch^e le sait.
Les bob^mes, les ddbraiU^s du boulevard et des caf^s chantants, les
cacographcs de la petite presse etc. s'en servent parfois. Si, par le
fait d'un contact quelconque avec ce monde, qui n*est pas le monde
parisien, quelque cbose de sä phras^ologie s'^gare dans la langue, ce
n'a jamais ^i€ pris au s^rieux — II n*y a pas ä. s'occuper ici des can-
didats ä Noum^a et de leurs compagnes, pour qui semble ^crite une
notable partie du Hyre — Les bonn^tes gens connaissent ces termes,
simplement parce que dans la rue on ne peut pas toujours ne pas
entendre. Et Ton . veut traduire cela pour l'^tranger ! Mais une tra-
duction bien adäquate, et conservant Todeur et la saveur de la chose,
lui serait souvent inintelHgible, ou lui soul^verait le cceur. Et que
lui importe aprös tout la vari^l^ des expressions dont se seryent teUes
Miszellen. 185
classes pour rendre tel otibli des convenances ou la pratique de tel
vice Beeret? Et quel avantage enfin offre cette ^tude que la possibilit^
de parier leur langue k des gens qu'on se fait en gänäral un devoir
d'^viter?
Les curieux, qui, parmi les productions dans la littdrature fran-
caise, choisiront comme objet d'^tude les ^Combles* du Figaro ou les
Charades du Journal des abrutis ou les M^moires de Vidoeq ou les
po^sies bigornes de Lacenaire, ou tel autre chef d'oeuvre qui attire le
flair malheureux de l'^tranger, ceux-lä ont les ouvrages sp^ciaux de
Delvau, de ßieaut, de Lor^dan Larchey, livres honnßtes en ce que le
titre dit franchement le contenu. Le frontispice du demier repr^sente
la cömmission du dicfcionnaire: un chiffonnier, un cocher, une lavan-
diere, un ganiin, un enfant de troupe, un b^h§me, une farceuse lorgn^e
par un jeune faquin dont un personnage louche flaire le yStement, on
voit imm^diatement oü Ton est.
R^capitulons: Deux ou trois cents excentricit^s de langage
ayant cours en France et qui dans un siöcle auront peut-6tre fourni
ä la langue une dizaine de termes; le Jargon des plus mauvais lieux,
triä m6me sans souci de Timportance relative des expressions, et inter-
pr^t^ d'une faQon fort contestable, le tout grossi d'une multitude de
termes honnßtes, honteux de se trouver lä; voilä. ce livre dont le besoin
se faisaii seniir comme celui d'une Edition populaire de T Ärztin ou
d'un Yade-mecum ä l'usage des farceurs et des farceuses que leurs
goüts ou leur industrie attirent au delä. de la frontiäre. Et cela s*ap-
pelle Parisismes. Si, pour compl^ter Touvrage, on oflfrait au pubHc
fran9ais sous le nom de BerUnismes une pareille vidange ramassäe
dans les coins honteux de Berlin, qu'en penserait un Allemand?
II n*est pas permis de d^shonorer le nom d'une ville, en lui em-
pruntant un titre qui facilite la vulgarisation de certaines choses faites
pour rester enfouies dans les ouvrages sp^ciaux, comme certaines cu-
riosit^s pathologiques dans ces cabinets d'anatomie dont la police ne
permet Tentr^e qu'aux hommes. Ou, du moins, que la marchandise
re9oive sa vraie dtiquette. Qu'on lieu d'intituler son livre Parisismeä,
l'auteur l'intitule: Vocabulaire fran^ais - aiiemand de la mauvaise com"
pagnie, Cela ne pechera plus que par un peu d'euphämisme.
L. Bebtband.
Zum Pariser Argot. Monsieur, Ayant lu dans votre estimable
publication un article de M. Sarrazin relatif aux Farisismes du Doc-
teur Villatte,^) je me permets de vous envoyer ces quelques pages non
pour däfendre ce dernier ouvrage, qui n'en a aucun besoin, mais dans
l'int^rgt de la chose et pour rectifier plusieurs assertions, ä mon sens
hasarddes, de M. Sarrazin.
Page 211, ligne 1. Le taf n'appartient pas seulement ä la Gau-
nersprache, c*est un mot populaire. II y a quelque temps, le Journal
la iataiäe a publik un article de tete intitulä Le Taf; il n'aurait pas
employ^ ce terme, si ce vocable faisait partie de la Gaunersprache.
L. 8. Je crois que, comme le dit M. Sarrazin, l'invasiou du ja-
vanais remonte au second empire, mais ses effets ne se sont pas en-
vol^s avec les abeilles imperiales au 4 septembre. Dans une piece de
Gondinet, intitulde le Panache, repr^sentö en octobre 1875, il est que-
*) S. Band V*, p. 209.
186 Miszeüen.
stion d'une correspondance äcrite en javanais; j'ajouterai que les ho-
rizontales me semblent avoir completement reuonc^ ä cette naive d6-
formation de la langue, qui, chose curiense, est employ^e assez soavent
par les petites fiUettes des pensionnats.
L. 14. Je professe pour feu le talent de M. "Victor Hugo la plus
yive admiration, mais si Von trouve k Paris seulement six gamins com-
prenant que nom (Tünch signifie nom d^un chien, je consens ä apprendre
par coßur les Miserables.
L. 31. On dit plutöt tenir le crachoir, ou ne pas lächer le cra-
choir que jouer du crachoir.
L. 34. La cambtise des genonx ne d^signe pas plutöt le s^nat
que toute assembl^e de g^rontes. 11 y a bien longtemps, le mot genau
^tait späcialement r^serv^ . aux acad^miciens. Dans son räcit de la
premiere repr^sentation d'Hernani, Thdopliile Gautier raconte qu'un
jeune romantique, rendu furieux a la vue des classiques (aux cränes
beurre frais) qui sifflaient les audaces hugotiques, s'^cria: A la guillo-
tine, les genoux!
Page 212, 1. 1. Si une piece de 10 fr. s'appelle une paire de
cymbales, c'est parce qu'elle vaut deux pieces de cinq francs, deux
pieces de cinq balles.
Page 213, 1. 3. Les diff^rents partis ont toujours ^prouv^ le
besoin de se barboailler d'^pithötes injurieuses; au terme rappelt par
M. Sarrazin, badinoouinard^ il faudrait joindre badinguettiste , de'cem-
braülard etc. De leur cötä les r^publicains ont et^ appel^s septem-
braiUards ou sepiembriseurs. Ce dernier mot sert de titre ä un curieux
Pamphlet de Fulbert Dum on teil, dirig^ contre le gouvernement de la
Defense nationale.
L. 7. Aux mots germinisme et gerministe, il faut aj outer le verbe
germiniser, Comme le complice de M. de Germiny s'appellait Chauwd,
on a employ^ pendant quelque temps une grossiöre ^quivoque pour
d^signer les p^därastes passifs; on les appelait ceux qui se laissaient
chouard (qui se laissaient choir).
Page 213, 1. 1. ün bateau de fleurs n'est pas un bordel; tout
le monde sait ce que sont les bateaux de fleurs chinois, et les expli-
cations extraordinairement comiques du pudibond Tscheng-Ki-Tong
de la Revue des Deux Mondes n'y changeront rien. Mais, en France,
les mots bateau de fleurs ne sont qu'un euph^misme plaisant et non
un äquivalent de bordel. Dans le Nabab de Daudet, il est question
d'un article de Journal qui reproche ä Jansoulot d'avoir, jadis, tenu
un bateau de fleurs ; c'est une allusion m^chamment transparente, mais
rien de plus. Je le r^pete, bateau de fleurs n'est pas de Targot.
2. Bibi veut bien dire moi. C'est ainsi que le petit livre de
po^sies argotiques d'Andrä Gill est intitul^ La Muse ä Bibi, autrement
dit Mes vers.
4. Si les gommeux sont devenus les boudine'St ce n'est pas seule-
ment ä. cause de leurs pantalons, mais ä, cause de leurs vestons ^troits
qui les ^tranglent et suivent toutes les courbes du corps. Le mot
boudine a ^td cr^^ par Eichepin, qui a fait dans le Gü- Blas un article
intitul^ Le Boudine, article curieux et ecrit avec une humour incroyable.
5. Boujarou m'est inconnu. II doit y avoir lä une faute d'im-
pression pour boujaron; mais ce dernier mot est exclusivement mari-
time (v. Sachs -Villattej.
10. II rCa plus de mousse sur le caillou se dit quelquefois, mais
moins que „II n'a plus de persil sur sa tite de veau". On appeÜe sou-
vent eine Glatze une pomme dCescaUer^ c'est a dire une pomme de rampe
MiszeUen. 187
>iÜ8 les nouveaux appareils d'^clairage dleetrique, on a
t cliauve comme un JaUochkoff^ (c'est ä dire comme un
:.koff) et m^me „un tel a un Jäblochkoff^ pour dire eine
I'iii des doutes sur le verbe se colonner: je lui pr^fere se
la colonne et surtout se polir la cohnne; cette derniäre ex-
st, de beaucoup, la plus r^pandue.
Un conneau (Etymologie: (?ön^ n'est pas un farceur, mais un
1(1. Un corsage haiiant son plein n'est pas une expression argo-
luais une allusion plaisantie ä une mer qui bat son plein, qui
L'tsse par cons^quent.
17. Pour le fantassiii, un croitin (et non un crotin, comme l'E-
. M. Sarrazin) est un ca valier. II dira plus souvent „Un tel est
itin" que „un tel est dans les crottins".
22. S'encanaiUer est dans PAcad^mie. Ne soyons pas plus sE-
■ res qu'elle.
24. Meme Observation. II n'est nuUement argotique de dire
<.'e boudine est engonce' dans son suif".
Page 214, 26. Je connais „Faire de de Ve'pate^ mais je ne crois
pas que y^ faire des epates^ soit tres usitE.
28. Le sens 1 m'ätonne extremement. Je suis sür d'avoir en-
tendu le mot fader signifier exactement Ic contraire.
29. Rapprochement curieux: un slangsword assez r^pandu en
Angleterre est lobsler^ homard, pour d^signer le soldat de Sa MajestE,
gön^ralement habülä de rouge, Homard vaut e'crevisse de rempart.
34. Une grtie, dans la hi^rarchie des vendeuses d'amour, est
plus ElevEe qu'une grenotiiUe. De plus, eile ne saurait ötre comparde
a une goihon, ce dernier mot d^signant presque toujours un torchon
ou une fille de la derniere classe, comme le dit fort bien le docteur
Villatte.
35. Infirgo. II faudrait un dictionnaire gros comme Vun des
tomes du Sachs- Villatte'sche Wörterbuch pour noter toutes les d^for-
mations du,genre de celle-ci.
40. Etre dans les legumes a bien, je crois, une origine militaire,
mais se dit couramment aujourd'hui pour les fonctionnaires civils in-
fluents. On dit m§me „c'est uner gros^^ lEgume" (sie) pour dire „C'est
un homme d'importance".
46. Je vois dans LittrE que paiate ddsigne improprem ent la
pomme de terre, mais je ne crois pas qu'il y ait la un terme d'argot.
47. Eemporier une peüe (terme militaire) ou olutöt ramctsser
une pelle signifie, au propre, iomber, du moins au 31«»<^ d' Artillerie, en
1879. En revanche, remporier une veste se prend au figurö, comme on
le trouve mentionn^ dans les Parisismes.
49. On ne dit pas avoir du poil, mais un poil dans la main;
ce poil disparaitrait vite si notre fain^ant avait toujours Poutil a la
main. Mais ce maudit poil le gene, pour empoigner la varlope ou la
beche. Quant au poü au cid, cest Pattribut de la force, de la virilitd.
De plus, les Farisismes donnent träs nettement Pexplication des deux
phrases eitles par M. Sarrazin. Enfin, ce n'est pas par antithäse qu*on
dit poil dans la main et poil au cul.
51. Prendre en grippe est tout ce qu'il y a de moins argotique.
53. Si M. Sarrazin avait ouvert les Farisismes, page 180, ü
aurait trouvE expliqu^e Pexpression „quinte et quatorze".
56. Ravigoier, v. le Dict. de PAcad.
188 Müzeüen.
58. Passer la Jambe ä Thomas (on dit plutöt Thomas que Jnles
dans cette expression) ne sienifie que „den Nachttopf des ArreBtlokals
ausleeren". Une preuve ind^niable c'est que les soldats chantent las
paroles suivantes sur Tair de la sonnerie aux consign^s:
Descendras-tu, mauvais soldat,
Four passer la jambe k Thomas!
Les expressions eitles aux paragraphes 63, 64 et 65 n'ont absolument
rien de local et sont bien loin d'^tre particuli^res ä Vincennes.
63. Quand un lit est mis en baiterie, il ne se d^molit pas d^s
que le bleu se paniotte, mais seulement quand les farceurs tirent vi-
goureusement la corde ä. fourrage qu*ils ont attachäe au chälit. Cette
Operation se fait au commandement : Feu en arri^re, en Batterie!
H. (xAUTHIEB-VlLLABS.
Novitäten-Verzeichnis.
I. Mefhodoloffie.
Körting, G., Encyklopädie und Methodologie der romanisclien Philologie
mit besonderer Berücksichti^ng des Französischen und Italieni-
schen. II. Die Encyklonädie der romanischen Qesamtphilologie.
Heilbronn,- Henninger. XVIII, 505 S. 8.
IHtz, A., Zur Frage der Verwertung der Etymologie in der Schule.
Progr. des Landes-Beal- und Ober-Gymnas. zu Hom. 70 u. 13 S.
Lachmund, A., Über den Bildungswert des Unterrichts in den alten
und neuen Sprachen. Progr. der Grossh. Realschule I. 0. zu Lud-
wigslust. 1888. 4^ 16.
n. Grammatik und Spraehgescbielite.
AuberUn, C, Origines et formation de la langue et de la m^trique
fran9ai8es; ouvrage conforme au nouveau plan d'^tudes et com-
pos^ d'apres les travaux les plus r^cents, contenant les notions
d'^tymologie et de prosodie et un choix de textes de Tancien fran-
cais du X« au XVI« s., po^tes et prosateurs du moyen fige, avec
des sommaires histor., des notices biogr., etc. Paris, Belin et fils.
12^ IV, 584.
Breymann, H., Französische Grammatik für Realschüler. München, 01-
denbourg. XU, 75 S. 8«.
Mätzner, E., Franz. Grammatik mit besonderer Berücksichtigung des
Lateinischen. I. 8. Aufl. Berlin, Weidmann. 8^.
Plaitner, 1%., Anleitung zum Gebrauch des Elementarbuchs der fran-
zösischen Sprache. Sep.-Abdr. aus dem Schlüssel zum. Elementar-
buch. Karlsruhe, A. Bielefeld. 8^
Salztnann, J., Über die Aussprache der franz. Laute. Progr. des Gym-
nasiums zn Stendal.
Seeger, ff., Lehrbuch der neufranz. Syntax mit systematischer Berück-
sichtigung des Deutschen. Wismar, Hinstorff. XIV, 171. XII,
208 S. 8.
Thuroi, C, De la prononciation fran9aise depuis le commencement du
XVIe si^cle, d'apr^s les tämoignages des grammairiens. T. 2. 8^.
779 p. Paris, imp. nat.
VHu, A,j Le jarffon du XV« si^cle. !^tude philologique. Onze ballades
en Jargon attribu^es ä. Fran9oi8 Villen, dont cinq ballades in^dites
. . . prec^Sd^es d'un discours pr^iminaire sur Porigine des Gueux
190 Noviiätetwerzeichnis.
et l'origine du Jargon, et suivies d'un vocabiilaire analytique du
Jargon. Paris, Charpentier. 25 Frs.
Benecke, A., Exercices syntaxiques. Sammlung französiselier Sätze und
zusammenhängender Stücke zur Einübung der französischen Syn-
tax. Potsdam, Stein.
Zamprecht, F., Übungsbuch zum Übersetzen ins Französische im An-
schluss an Lücking's Grammatik. Berlin, Weidmann.
m. Lexikographie.
Bourguignon^ A., et Bergeroi, E., Dictionnaire des synonymes de la lan-
gue fran9aise, comprenant et r^sumant tous les travaux faits jus-
qu'ä ce jour sur les synonymes francais et notamment ceux de
Girard, d'Alembert, Diderot, Beauzäe, Koubaud, Condillac, Guizot,
Laveaux, Lafaye, etc. Paris, Garnier freres. In- 32 ä 2 col. VI-
770 p. ,
Lafaye, B., Dictionnaire des synonymes de la langue fran9aise, avec
une introduction sur la th^orie des synonymes. 5« Edition, suivie
d'un Supplement, Paris, Hachette et C«. 8**. LXXX-1446 p. 23 fr.
Sardou, A. X., Nouveau dictionnaire des Synonymes fran9ais. 6« Edition.
Paris, Delagrave. 18** j6sus, XI-580 p.
rv. Litteratnrg'eschiclite.
Dkitonnaire universel illusträ de la vie fran9ai8e contemporaine, com-
prenant, par ordre alphab^tique, la biographie de tous les Fran9ai8
et Alsaciens- Lorrains marquants de T^poque actuelle, Tanalyse
des Oeuvres les plus cäl^bres des auteurs vivants . . . en g^n^ral
tout ce qui constitue la vie intellectuelle et sociale de la France;
par une soci^t^ de gens de lettres et de savants, sous la direction
de J. Lermina. Livraison 1. Paris, Boulanger. In-4*'. ä 2 col.,
8 p. (Wöchentlich erscheinen 2 Lieferungen a 10 cent. Im Abon-
nement: 1 fr. monatlich. Subscriptionspreis 20 fr.)
Berger, S., La Bible fran9ai8e au moyen äge. fitude sur les plus an-
ciennes versions de la Bible ^crites en prose de langue d'oil.
Paris, Champion. 8.
Charpentier, J. P., La Littäratare fran9aise au XIXe siöcle. Paris, Gar-
nier freres. In- 18 jdsus, XXIV -3 70 p.
GatTeavd, L., Causeries sur les origines et sur le moyen äge litt^raires
de la France. 2 vol. Paris, vieweg. 18".
Gaidoz, ff., et Se'bülot, P., La France merveilleuse et l^gendaire. Paris,
Leopold Cerf. In- 18. fr. 3,50.
Gourcuff, O. de, Petites ^tudes sur le XVI« siöcle. La 50« Edition de
Robert Garnier j Le Präsident Bouju. Nantes, imp. Forest et Gri-
maud. In -8**, 20 p.
Haffner, P., Voltaire und seine Epigonen. Eine Studie über die Revo-
lution. Frankfurt a. M., Fösser Nachf. 8®. 40. = Frankfurter
zeitgemässe Broschüren, Heft 7.
ffüdehrand, J,, J.-J. Rousseau vom Standpunkte der Psychiatrie. Berlin.
Gärtner.
Kaischer, L., Charakterbilder aus dem 19. Jahrh. Biograph. -kritische
Essays. BerUn, Dümmler. 8**. (Behandelt u. a. G. Sand, Taine,
De Musset.)
Krug, A., fitude sur la Phödre de Racine et l'Hippolyte de Senöque.
Gymnas.-Progr. Buchsweiler. 8**. 31.
Novitätenverzeichnis. 191
Lermina, /., Le Mouvement litt^raire en France en 1882 et 1883. Pa-
ris. Ghio. 8^ 24.
Metves, E., Böranger. Ausgewählte Lieder, in deutsche Verse über-
tragen und mit Erläuterungen versehen. Gymnas.-Progr. Gross-
Glogau. A9. 74.
Schnütßen, Olivier de Magny. Ein Beitrag zur Geschichte der lyrischen
Dichtung Frankreichs im 16. Jahrh. Köln. Progr. Ober. -R.- Seh.
Soleil, F., Les Heures gothiques et la littärature pieux au XV^ et au
XYIe si^cles. Eouen, Aug^, 1883. 8^ 300. 24 fac-sim., 6 dessins
origin., 1 eau- forte. Fr. 40.
V. Ausgaben und Clirestomatliieii.
Boüeau' Despreaux, (Euvres poätiques. Nouvelle Edition, coUationn^e
sur les meilleurs textes et renfermant une annotation g^n^rale
d'apräs tous les commentateurs, un nouveau commentaire litt^raire
et grammatical, des sommaires historiques et analytiques et une
vie de l'auteur, par M. Ch. Aubertin. Paris. V« Belin et fils. 12®.
XIX, 292.
Brantöme, (Euvres. Vie des dames galantes. J^dition revue d'apr^s les
meilleurs textes, avec une präface historique et critique et des
annotations, par H. Yigneau. Paris, Charpentier. In- 18 j^sus,
XIV -386 p.
Dancourt, F, C,, Thäätre choisi de Dancourt. Nouvelle Edition, prä-
c^d^e d'une nptice par Fr. Sarcey. Paris, Laplace,
Deschamps, E., (Euvres compl^tes d'Eustache Deschamps, publikes d'a-
präs le manuscrit de la biblioth^que nationale, par le marquis de
Queux de Saint -Hilaire. T. 3. • Paris, Firmin Didot et C»e. 8*».
XXI-416 p.
Destouches, P. K, Th^ätre choisi de. Nouv. Edition, pr^c^döe d'une
notice par M. Edouard Thierry, et iUusträe de 4 jfravures colori^es,
p. M. AUouard. 18®. XXVIl, 569 p. Paris, libr. Laplace, San-
chez et C»e.
Diderot, (Euvres choisies. Edition du centenaire (30 juillet 1884), pu-
blice par les soins de M. M. Dutailly, Gillet- Vital, Yves Guyot,
Issaurat, De Lanessan, Andr^ Lefövre, Ch. Letourueau, M. Tour-
neux, E. V^ron. Paris, Reinwald. In -18 jäsus, XXIV, 664 p. et
Portrait. 3 fr. 50.
Du Bellay, Lettres, publikes pour la premi^re fois d'apräs les origi-
naux, par Pierre de Nolhac. 16®. 103 p. avec portrait inädit et
autographe. Paris, lib. Charavay fr^res.
La Bruyere, Les caracteres ou les moeurs de ce si^cle; suivis des ca-
ract^res de Th^ophraste, traduits du grec, et du discours de l'Aca-
dämie. Bruges, Descl^e, de Brouver et C»«. 8®. 425.
La Pteiade frangaise. IX. (Euvres en rimes de Jean Antoine de Baüf.
Avec une notice biographique et des notes p. Ch. InEarty-Laveaux.
II. Paris, Lemerre. 25 fr.
Lc Sage, Le Diable boiteux. Nouvelle Edition, compl^te, präcäd^e d'une
notice sur Le Sage, par Sainte-Beuve. Paris, Garnier fräres. 18®.
j^sus, XXXVIII-396 p. frontisp.
Maistre, X. de, (Euvres complötes. Nouv. ^dit. präc. d'une notice sur
l'auteur p. Sainte-Beuve. Paris, Garnier. 18®, XL, 391.
Massiilon, J. B., Correspondances , däcisions, ordonnances et autres
(Euvres inädits, recueillies et publikes p. Michel Cohendy. 18®,
176 p. Clermont-Ferrand, lib. Thibaud.
190
Beneck i\ . ! .
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Garreif .
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Guido z,
U-
Gouro'
Halfm ' .
1
Hilde
Referate und Rezensionen.
M. de Lescure, Bivarol et la sociöt^ fran^aise pendant la
rävolution et remigration. Paris 1883. E. Plön
et Cie. 501 SS. gr. 8.*)
Buch I. RivaroTs Jugend (1753 — 1788). Kapitel L
Einleitung. Wenn ßivarol in der französischen Litteratur sich
nicht zu einer Grösse ersten Banges emporgeschwungen hat, so liegt
der Grund hierfür einerseits in seinem frühzeitigen Lebensende (er
starb mit 47 Jahren in der Yerbaonung), andererseits in dem Aus-
bruch der Devolution, welche sein genial aufstrebendes Talent hemmte
und in den Dienst der streitenden politischen Parteien stellte. Es
ist daher natürlich, dass seine hinterlassenen Werke den Charakter
von Bruchstücken an sich tragen; aber von sehr vielen muss man
zugestehen, dass sie Anfänge von wahren Meisterstücken, und des-
halb für die Nachwelt von bleibendem Wert und Interesse sind.
Noch heute schätzt man jene Epigramme mit ihrem feinen beissenden
Zuge und bewundert man vor allen Dingen seine glänzende ünter-
haltungsgabe, welche, von einem gewaltigen Ideen- und Wortreich-
tum getragen, in ihrer Wirkung durch den Zauber eines ergötzlichen
Mienenspiels noch verstärkt wurde. Der Graf von Tillj und be-
sonders Chönedolle habeu uns in Notizen, die unter der Wirkung
des Augenblicks aufgezeichnet wurden, eine Probe von den fabel-
haften Leistungen RivaroFs als Improvisator überliefert, und man
muss mit bezug auf den Erfolg, den sie hatten, rückhaltslos zu-
geben, dass ßivarol als „Causeur" wahrhaft genial war und in
4e8er Eigenschaft weder von andern übertroffen noch überhaupt
ncht wurde. Freilich fehlte es auch ihm nicht an zahlreichen
lern unter seinen Zeitgenossen, die aus Groll über seine Spott-
*) Referat. Vgl. Zeitschrift Bd. V, S. 129 Anm.
2schr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VR ^3
192
Miräbeau^s ansgewä.
aus dem Jahre 1 -
Sebülot, P., Contes <^
Voltaire* s ausge wä h 1 1 . -
Alzire. Berlin, \'.
Stanae, A., Auswalil i-
brauch an Realsn.
M. 1 (brosch.).
I^autmann^ M., Die S
Englischen , Frau / < •
in den Text gedru.
•»
1UL 31 Spa-
ri£L ÜTarolo.
-t^M*
.-rT.fr -/•: ixTaroJa.
'r^c^^ueu KivaroJV
'iiiirhundert Jeau
ttiiier, der hohe
...*-^i::. Anasta^a Bi-
--• .-tvsfalls, wie der
• • *:• von welchem die
de Lescnre: Rivarol ei la socieie franqaise etc. 195
Dieser Letztere war zu Vinsali, einer mailändischen Diöcese
Xovari, am 16. August 1685 geboren; nahm 1708 am Erb-
krieg in Spanien Teil und vermählte sich auf dem Heimwege
"Spanien in Nimes mit einer Französin aus bescheidener Lebens-
ing Namens Jeanne Bonnet d' Alois am 22. Mai 1720 in dem
spiel Saint -Castor. Nach einer kirchlichen Urkunde vom
Si'ptember 1752 über die Traunng seines ältesten Sohnes muss
* Antoine Roch de Rivarol eine Gastwirtschaft betrieben haben.
r Ehe, welche übrigens eine m^salliance war, entsprossten eine
• von Kindern, deren ältestes, Jean Rivarol, im Jahre 1727 ge-
n, und der Vater unseres Schriftstellers wurde. Anfangs Steuer-
titer in Toulouse schwang er sich später zum Direktor der könig-
"11 Pächtereien in Bagnols empor. Am 26. September 1752
ito er einem gewissen Fräulein Katherine Avon die Hand zum
nnude. In der hierüber aufgezeichneten Urkunde figuriert Jean
arol als Seidenfabrikant und Besitzer eiies Gasthauses, ohne in-
^ den Wirt zu machen; seine Frau erscheint als die Tochter eines
.nenschneidermeisters. Von der Vielseitigkeit der Profession jenes
111 Rivarol belehrt uns der Umstand, dass er ausser den Geschäf-
i des Seidenfabrikanten und Gastwirths sich auch noch der Aus-
'iing des Schulmeisterbenifes unterzog. Von seinen ehemaligen
liülern lebten bis wenige Jahre vor Mai 1862 noch einige in
■ignols, die ihrem alten Lehrer Geist und Phantasie, gute Kennt-
's der italienischen Sprache und sogar die Kunst des Versemachens
1 ach rühmten.
In dieser Weise lebte der Vater des Schriftstellers Antoine
''ivarol und seines berühmten Bruders, des Generals Fran9ois Rivarol.
Kapitel IL Die ersten Jahre in der Provinz und in
i'aris (1776 — 1782). Antoine Rivarol wurde in der Languedoc
/i Bagnols am 26. Juni 1753 geboren; andere setzten den 17. April
1757 als Geburtsdatum hin, noch andere nahmen das Jahr 1754
un. Nach den neuesten Forschungen jedoch unterliegt es kaum
noch einem Zweifel, dass er an dem erstgenannten Datum das Licht
iler Welt erblickte. Er war das älteste von 16 Kindern und be-
er ann seine Studien zweifellos im Süden Frankreichs imd zwar, wie
Samte -Beuve meint, in Cavaillon. Der Vater, dessen Liebling er
war, leitete seinen Elementarunterricht erst selbst, später schickte
er ihn in die Schule der Josephisten in Bagnols, wo er in einem
Jahre sich solche Fähigkeiten aneignete, dass er sogleich aus der
fünften in die zweite Klasse aufstieg. Mit 18 Jahren trat er in das
Seminar der Sulpiciusschüler zu Bourg- Saint -Andöol. Dort lenkte
er durch seinen Fleiss und seine guten Leistungen die Aufmerksam-
keit und Gunst des Eiv^bischofs Uzös auf sich, welcher ihn für den
geistlichen Stand gewann und ihn von Bourg- Saint -Andöol nach
13*
196 Referate und Rezensionen. W. Bmmmert,
Ayignon führte, wo der jnnge Geistliche freuudliche Aufnahme im
Seminar von Sainte- Garde fand.
Aber bald zeigte es sich, dass der Aufenthalt nnter dem Ge-
wölbe eines Klosters für ihn nnerträglich war; sein Wissensdurst,
sein Drang nach Freiheit, sein jngendfroher Mut trieben ihn in die
Welt hinaus nach Paris, wo er für seinen rastlos regsamen Greist
ein demselben entsprechendes Arbeitsfeld za finden hoffte. Und er
irrte sich nicht, Paris bot ihm die gesuchte Freiheit, Paris lieferte
ihm die zum Studium notwendigen Bücher, hier fand er in der
Armut notwendige Verborgenheit, hier gab es endlich mächtige Be-
schützer und ergebene, willige Nacheiferer. Der Geist durfte AUes
wagen, und der Vernunft wurde ihr Recht.
Im Herbst des Jahres 1777 finden wir Rivarol in der That
in Paris. Man kann sagen, dass für ihn dieser Ort das Ziel einer
Odysseusreise war, die nicht ohne mannigfache Wechselfälle gewesen
zu sein scheint, wenn wir die allerdings mit einiger Vorsicht auf-
zunehmenden Berichte seiner Feinde — denn das ist leider die ein-
zige Quelle darüber — als wahr hinnehmen dürfen. Vieles Aben-
teuerliche, was uns über diese Beise erzählt wird, ist jedenfalls
Erfindung seiner Gegner; als thatsäcblich steht nur fest, dass er
sich in Lyon als Lehrer unter dem Namen eines Abbä, später eines
Chevalier Rivarol de Parcieux nach einer Sinekure umsah. Er
vertraut« immer der Vorsehung und dem Zufall und war, wenn
auch häufig in Verlegenheit, womit er seine Zeche bezahlen sollte,
stets heiterer Laune, ja er fühlte die Kraft in sich, eine Welt zu
regieren.
Sein mutiges Hoffen und Vertrauen ward in der That, als er
sich 1777 in „le pöre prudent et äquitable ou Crispin rheureux
fourbe" schriftstellerisch zu versuchen anfing, durch glückliche Er-
folge belohnt. Das nie erlöschende Feuer seiner Begeisterung, sein
unerschütterlicher Frohsinn, seine Genauigkeit in der Kritik und
sein Glück in der Satyre, wodurch er bald zum furchtbaren Meister
in dieser Art geistigen Turniers und zum Richter par excellence in
Gegenständen des Geschmackes wurde, hatten ihm viele Freunde,
freilich zugleich auch viele Feinde verschafft. Zu den letzteren
zählten besonders diejenigen, welche Rivarol zur Entschädigung fGür
das ihm durch Führung des Namens de Parcieux widerfahrene
kleine Missgeschick zu G^enständen seiner satyrischen AusßOle ge-
macht hatte. Jener Name de Parcieux, den Rivarol seinem Fa-
miliennamen hinzugefügt hatte, war nämlich keinesw^s eine blosse
Fiction seinerseits, sondern der Träger desselben war ein ehrwürdi-
ges Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Dieser Name war
für ihn, den man noch wenig kannte, eine ausgezeichnete Empfeh-
lung, und er stellte in Gesellschaft von Cubiöres-Palmaizeaux äch
de Lescure: Rivarot ei la socie'le fran^aise etc. 197
unter demselben auch d' Alembert vor, welcher ihn dann wieder
mit Voltaire, dem Patriarchen von Ferney, persönlich bekannt machte.
Lange Zeit führte ßivarol den ursurpierten Namen unangefochten,
erst als bei dem 1768 erfolgten Tode des rechtmässigen Besitzers
der Sohn desselben, Namens M. Antoine de Parcieux, an Rivarol
die energische Forderung richtete, den ihm nicht zustehenden Namen
niederzulegen, da entäusserte er sich desselben und zwar in solch
launiger Weise, dass trotz der erfahrenen Zurechtweisung die Lacher
auf seiner Seite waren. Ohne sich lange zu besinnen, nannte er
sich nun Chevalier de Rivarol und später comte de Rivarol, obwohl
er dadurch seinem ursprünglichen Namen mehr als untreu wurde
und nahm dazu von Zeil zu Zeit, besonders für seine ersten Werke,
mehr oder weniger autorisierte Pseudonyme an.
Es besass jedoch nicht die fast ins Übermass gehende
Empfindlichkeit eines Voltaire, der sich alle Freiheiten gegen an-
dere gestattete, selbst aber nicht leiden konnte, dass andere sich
derselben Waffen bedienten, die er selbst so gern gebrauchte; viel-
mehr gestattete Rivarol bereitwillig seinen Feinden alle Waffen des
Geistes gegen ihn anzuwenden, sogar dann, wenn sie in dem Be-
streben, geistreich zu sein, beleidigend wurden; denn dass er als
Sieger aus allen solchen Kämpfen hervorgehen würde, dafür bürgte
ihm seine unerschütterliche Ruhe, seine Gewandtheit im Angriffe
und die niederschmetternde Gewalt seiner Erwiderungen. Meistens
begnügte er sich damit, über seine Neider zu lächeln, und diejeni-
gen, welche er für seiner Gegnerschaft würdig erachtete, hatten stets
Ursache, den wirklichen Ausgang des Kampfes mit ihm sich selbst
und der Welt zu verheimlichen, wie z. B. Chamford, Cerutti, Ch6-
nier, Garat, Rulhi^re, Mirabeau und Delille.
Über die harten und peinlichen ersten Jahre, über welche seine
Feinde so viel sprachen, hat Rivarol selbst uns nicht das geringste
Detail überliefert, so dass wir in dieser Beziehung mit dem, was
Cubi^res - Palmaizeaux in seiner Vie de Rivarol über ihn berichtet,
vorlieb nehmen müssen. Nach dieser Quelle fallen in jene Zeit die
litterarischen Versuche, welche Rivarol unter dem Titel maiden-
speech für monatlich 50 Thaler dem Mercure lieferte. Sie be-
standen zumeist aus Improvisationen, welche weniger glänzend, aber
doch ebenso kurzlebig wie seine Salonimprovisationen waren; ein
Vorzug an ihnen Yirar nur, dass Rivarol durch sie den allzu kühnen
Schwung seiner Phantasie zu zügeln, seinen Geist zu schärfen und
sich in den verschiedensten Gegenständen zu versuchen lernte. Die
von ihm gelieferten extraits (so wurden die kritischen Versuche
jener Zeit genannt) unterzeichnete unser Autor nicht, weil sie ihm
weder seines eigenen, noch überhaupt eines Namens wert erschienen;
ebensowenig fand sich der Name Rivarol's auf der Liste der Mit-
198 Referate und Rezensionen. W. Brummert,
arbeiter des Mercure, welche für jene Epoche, von 1780 bis 1782,
von den Spezialgeschichtschreibern aufgestellt wurde, noch auch in
den Memoires Utteraires oder den Memoires politiqueSf die in
jenem Blatte mit dem Namen Cosseph d'üstaritz unterzeichnet waren.
Hieraus erklärt es sich, weshalb der Anfang der litterarischen
Laufbahn RivaroVs vor der Hand in Dunkel gehüllt blieb; wenn
nun aber auch Garat in seinen Memoires historiques sur le dix-
huitihme silde et sur M. Suard (2 vol. in* 8.), worin dieser die
Geschichte des Geisteslebens im 18. Jahrh. skizziert, mit keinem
Worte unseres ßivarol gedenkt, so war das lediglich ein Bacheakt
gegen ihn, weil er, so oft die beiden zusammengekommen waren,
seinem tückischen Landsmann Garat seine bedeutende Überlegenheit
in der Kunst weltlicher Beredtsamkeit bewiesen hatte.
Eine Änderung in dieser Beziehung brachte erst der Anfang
des Jahres 1783, wo unser Held durch die Veröffentlichung des
Discours sur Vuniverscditi de la langue frangaise in die Litte-
ratur, und durch seine Verheiratung ernstlich in das Leben eintrat.
Kapitel IIL Die ersten Werke und die Heirat Bi-
varoTs (1782 — 1783). Das erste Werk, welches Rivarol trotz
seiner Abneigung gegen die Feder, wie er sich scherzend ausdrückte,
im Jahre 1782 erscheinen Hess, war ein kleines kritisches Pamphlet
gegen das bekannte Gedicht des Abbä Delille, um dadurch das
Zeichen zu einer heilsamen Beaction gegen jenen Enthusiasmus zu
geben, dessen Gegenstand der genannte, noch weniger geschickte als
glückliche Übersetzer und Versificator Virgil's war. Es führte den
Titel: Lettre du ^resident de \* ä M. le comte de %* sur le
polme des Jardins et la reponse du comte de %* und trug nicht
den Namen seines eigentlichen Verfassers, sondern den eines comte
de Barruel-Beauvert, eines Dragonerhauptmanns, der zugleich Neffe
und Sekretär Bivarol's war. Durch seinen Versuch war Delille,
welcher seit 1774 Mitglied der Acadömie fran9aise war, zum an-
gebeteten Götzen der Salons und ziim angebeten Liebling aller ge-
fühlvollen hübschen Damen geworden. Es fragte sich nur, ob das
Gedicht in der That jener Lobesüberschüttungen wert war, die ihm
von allen Seiten in so reichem Masse gespendet wurden; sicherlich
war Bivarol zu einer näheren Prüfung und eventuellen Verurteilung
desselben berechtigt, denn es trieb ihn dazu nicht Eifersucht auf
die glänzenden Erfolge des Nebenbuhlers, sondern der Ärger über
den Geschmack der Salons an einem litterarischen Produkt, das
seiner Meinung nach das Schicksal der Mais von Boucher verdient
hätte. Er protestierte also im Namen der Kritik gegen Delille^s
Werk, welches ihm nichts anderes war, als ein Gedicht ohne Li-
spiration, eine Komposition ohne Plan und Einheit, eine beiläufige
didaktische Arbeit, deren beschreibende Stellen sich in leere Phrasen
de Lescure: Rivarol et la socicie fran<^mse etc. 199
ergehen, ein Natai^emälde, in dem überhaupt die Natur fehlt, kurzum
ein Werk, das jenes Aufhebens, welches man von ihm machte, gar
nicht wert war.
Wie zu erwarten, machte diese Kritik, die man ein kleines
Meisterwerk des Scharfsinns und der Satire nennen durfte, grosses
Aufsehen. Man erkannte an, dass Rivarol im Rechte war und
lobte besonders die Art und Weise, wie er es sich verschafft hatte,
mit Oeist, Takt und Mass, ohne das urteil seiner Zeitgenossen gröb-
lich anzugreifen oder an den Gegenstand seiner Kritik einen über-
trieben strengen Massstab anzulegen. Daher wurde denn auch dieser
Angriff, zumal eines Anfängers, auf einen geheiligten Dichternamen
von den meisten nicht für allzu kühn gefunden, ausgenommen von
Grimm oder seinen Mitarbeitern, welche folgendes darüber schrieben:
„Von allen Kritiken des Dichters der Jardins ist die herbste, viel-
leicht die ungerechtfertigste, aber zugleich auch interessanteste die
von einem jungen Manne, der sich lange hat M. Deparcieux
nennen lassen und sich nun, da er das Recht, diesen Namen zu
tragen, nicht nachweisen konnte, Chevalier de Rivarol zu unterzeich-
nen beliebt.'^
Um seinen Sieg zu vollenden und zugleich dem Abte, welchen,
wie wir weiter unten erwähnen, eine Portsetzung der „lettre etc."
zur Anwendung von Gewaltmassregeln zu treiben drohte, die er in-
des nicht ausführte, seine Dankesbezeugung für die gütige Schonung
in ironischer Weise zu übermitteln, richtete Rivarol an Delille den
in Versen abgefassten Dialogue du chou et du navet, ein Zwie-
gespräch zvidschen dem Kohl und der Steckrübe in Form eines Ge-
dichtes, in welchem der Verfasser die in Vergessenheit geratenen
gewöhnlicheren Pflanzengattungen gegen die bevorzugteren vornehmen
Gewächse verteidigte und die von dem Dichter der Jardins mit un-
gerechter Verachtung behandelten gewöhnlichen Gemüsearten rächte.
Einige Proben davon findet man in Lescui*e's Buch über Rivarol,
pag. 62 ff.
Delille, der sich nicht verhehlen konnte, dass der ihm in so
scherzhafter Weise von seinem Gegner gemachte Vorwurf begründet
war, entschloss sich, zur Beruhigung der vernachlässigten Gemüse
und ihres Anwaltes, seinen Jardins eine versöhnende Episode hin-
zuzufügen, die er dem Suppentopfe viddmete.
Wenn der Abt sich bis dahin trotz seiner Erbitterung gegen
Rivarol nur auf litterarischem Wege an ihm gerächt hatte, so schien
die, kurze Zeit nach der Veröffentlichung des lettre au prösident de
*j^* sur le poöme des jardins erschienene Fortsetzung desselben, ihn
zu einem wirklichen Gewaltakt gegen Rivarol zu treiben, den alle
von den Ministern protegierten Persönlichkeiten durch Anwendung
der bekannten lettres de cachet gegen ihre Feinde leicht ausüben
200 Referate und Rezensionen, W. Brummert,
konnten; hatte doch auch der Journalist Clement für sein Vergehen
von genau derselben Art im Gefängnisse schmachten müssen.
Indes sah Delille von diesen Gewaltmassregeln ab, und Ri-
varol Hess es an den bereits erwähnten ironischen Dankesbezeugun-
gen nicht fehlen, indem er in jenem Dicdogue du chou et du
navet die ihm von seinem Gegner widerfahrene ausserordentliche
Gnade besang. Delille schwieg nun und that wohl daran, denn er
hatte mit einem Manne zu schaffen, dessen Eifer durch Widerspruch
nur gestärkt wurde.
Infolge des litterarischen Streites zwischen Delille und Riyarol
war eine Beziehung zwischen letzterem und Buffon eingetreten, von
der wir hier indes nur erwähnen wollen, dass in Briefen, von denen
unter anderen einer an Bivarol selbst und an madame Necker ge-
richtet war, der berühmte Verfasser der Histoire naturelle sich in
lobender und anerkennender Weise über Rivarol's Kritik der Jardins
äusserte.
In den kleineren Schriften RivaroFs, von denen wir nur die
lettre ä M, le president cfe * ^ * sur le glohe aerostatique, sur les
tetes parlantes et sur Vitat de Vopinion publique ä Parisy pour
servir de suite ä la lettre sur le pohme des jardins erwähnen
wollen, weil man sie, wie auch im Titel angedeutet, als Fortsetzung
seiner Kritik der Jardins betrachten kann, findet man die Kunst
Rivarol's, zu beobachten, zu analysieren und zu kritisieren in glei-
chem Masse, wie in jenem grossen Werke wieder.
Wie durch diese Schriften Rivarol in die litterarische Welt,
so wurde er durch seine Heirat, über die wir jetzt berichten wollen,
ins Leben hineingeführt. Im Jahre 1780 oder 1781 lernte er zu-
fällig eine junge Dame kennen, die, freilich älter als er, durch ihre
ausserordentliche Schönheit seine Aufmerksamkeit erregte. Sie hiess
Louise Henriette Mather Flint und stammte aus einer schottischen
Familie, welche unter den Stuarts durch ein unglückliches Geschick
hart heimgesucht worden war. Rivarol erklärte ihr seine Liebe,
und beide schlössen den Ehebimd. Cerutti behauptete in seinem
Buche über Rivarol in gehässiger und schmähsüchtiger Absicht von
der betreffenden Dame, sie sei die Tochter eines englischen Sprach-
lehrers und habe ihrem Manne als Mitgift die Grammatik ihres
Vaters gebracht, sie stamme übrigens aus einem sächsischen Hause.
— Der letzteren Behauptung, die Genealogie betreffend, wird indes
durch die PensSes inddites de Rivavol widersprochen, denen zufolge
die Familie Mather Flint sehr alt und einst dem Könige Jakob von
Schottland nach Frankreich gefolgt war. Fräulein Mather Flint,
nunmehr madame Rivarol, besass ein grosses Interesse ftir die
Litteratur, und sie bethätigte dies nicht allein durch ihre litterarische
Korrespondenz, wie z. B. mit dem Dichter Restif de la Bretonne,
de Lescure: Rivarol ei la societe fran^aise eic. 201
sondern auch indem sie selbst sich schriftstellerisch versuchte, wie
folgende ihrer Werke beweisen; VAppel des whigs anciens aux
Whigs modernes, aus dem Englischen übersetzt von Edmund Burke
1791 in- 8; Histoire de Vagricidture en Italie, aus dem Eng-
lischen übersetzt 1797 in- 8; Couvent de Saint- Dominique eben-
falls aus dem Englischen übersetzt in- 8; Encyclop^die morale,
1802 in- 12, welch letzteres neugedruckt wurde unter dem Titel:
Econmnie de la vie civüe, 1812 in -12.
Mehr Interesse für uns, namentlich wegen der Details, die sie
für die Biographie von beiden Gatten bieten, haben diejenigen
Schriften, welche die Wittwe Rivarol zum Teil gegen die von ihr
gehassten Journalisten, weil sie nicht genug oder nicht nach ihrem
Willen über sie gesprochen hatten, zum Teil gegen Freunde
und Verwandte ihres Mannes, namentlich gegen ihren Schwager
richtete. Sie glaubte, dass von Seiten der letzteren der Same der
Zwietracht zwischen ihr und ihrem Gemahl gesäet und eifrig genährt
worden wäre, um sie der Hinterlassenschaft des letzteren zu be-
rauben.
Es spricht sich in diesen Werken mehr Bitterkeit and Arger
als aufrichtiges Leid aus, und der darin zur Schau getragene Schmerz
über den Verlust ihres Mannes ist mehr eine theatralische Trauer.
Das erste von den hierher gehörigen Werken war : Notice sur la vie
et la mort de M, de Rivarol par madame de Rivarol, sa veuve, en
reponse ä ce qui a eti public dans les journeaux', mit einer Einleitung
und Noten versehen. Wir entnehmen daraus, dass madame Rivarol
in Remiremont geboren wurde, von ihrem Vater eine ausgezeichnete
Erziehung erhielt und in der besten Gesellschaft aufwuchs, dass sie
femer von selten aller ihrer Bekannten sieh der besten Achtung
und Wertschätzung zu erfreuen gehabt und eines Tages Herrn
Rivarol die Hand gereicht habe in der Hoffnung, dass derselbe in
diesem Bunde mit ihr wenigstens ebensoviel Glück empfangen werde,
als er ihr selbst durch seine ausgezeichneten Eigenschaften bot.
— Wie sehr sich aber die beiden Gatten in ihren Erwartungen
eines stillen, glücklichen Familienlebens getäuscht hatten, das be-
wiesen die sich allmählich bis zur völligen Trennung steigernden
Differenzen unter ihnen, deren Ursprung in der Ungleichheit der
Charaktere lag. Rivarol's eigener Ausspruch seinen Freunden gegen-
über: „Je ne suis ni Jupiter ni Socrate, et j'ai trouvä dans ma
maison Junon et Xantippe^ charakterisiert uns zur Genüge sein Un-
glück, und das von Wjrsch, einem Maler aus der Franche-Comtö,
im Jahre 1784 gefertigte Bildnis Rivarol's drückt uns sein ganzes
Glück, aber auch alle seine Leiden als Mensch und als Schriftsteller
vortrefflich aus, besser als jenes von Carmontelle, das gewöhnlich
202 Referate und Rezensionen. W. Brummert,
an der Spitze seiner T^erke figuriert, aber nicht viel mehr als eine
Karrikatur ist.
Aus den ehelichen Unverträglichkeiten, welche die gegenseitige
Täuschung entwickelte, gingen bald häusliche Streitigkeiten und
stürmische Auftritte hervor, die schliesslich mit einer freiwilligen
und stillschweigenden Trennung — Ehescheidung ist nicht nach-
weisbar — endigten. Nichts war da natürlicher, als dass allerlei
stark übertriebene Gerüchte über die beiden Eheleute in Umlauf
kamen und auch in Werken der Litteratur Platz fanden. So schrieb
z. B. Arsäne Houssaye über Bivarol: ^ Eines Tages las er (Bivarol)
in der Zeitung, dass die Akademie der Wärterin seiner kranken
Gattin, die von ihm im Stich gelassen sei, für treue Aufwartung
und Pflege der Anerkennungspreis verliehen worden sei; das wäre
für einen Mann von zartfühlendem Herzen ein empfindlicher Schlag
gewesen, aber Rivarol besass nur Geist." Hier scheint M. Arsöne
Houssaye eine Thatsache in etwas romanhafte Form gebracht za
haben, welche allerdings in zwei Biographien von mittelmässigem
Werte enthalten ist; in jener von Cubiöres-Palmaizeaux nämlich
steht: „Es bot sich indessen eine Gelegenheit dar, Bivarol, der da-
mals sehr arm war, einen Dienst zu erweisen; d'Alembert ergriff
sie begierig und liess die Kammerfrau der madame von Rivarol
den von der Akademie ausgesetzten Preis gewinnen, da er in An-
betracht seiner Jugend nichts anderes für den Gemahl der letzteren
thun konnte. Um den Anerkennungspreis bewarben sich Personen
von ausgezeichneten Verdiensten, und ohne d'Alembert würde ihn
die Kammerfrau BivaroFs nicht erhalten haben, obgleich sie es in
vieler Hinsicht verdiente." Und die andere Biographie, jene von
Sulpice de la Plati^re, erzählt ganz dieselbe Geschichte folgender-
massen: „Als Rivarol vernommen hatte, dass die Wärterin seiner
Frau den Preis für hohe Verdienste erhalten habe, eilte er ihr ent-
gegen mit den Worten: „^Ich hätte Euer Herz erraten sollen, ich
werde diesen Fohler wieder gut machen, indem ich Euch von nun
an mit aller Achtung und Zärtlichkeit eines Sohnes behandle.""
Alle drei Biographien, sowohl Cubi^res-Palmaizcaux, als auch
Sulpice de la Plati^re und Arseue Houssaye haben auf eine wahre
Thatsache angespielt, aber dieselbe übertrieben, je nach ihrer Eigen-
art gedeutet und romanhaft gestaltet. Dies wird ganz klar, wenn
man die Ooirespondance de Grimm liest ; hieraus geht i^mlich hervor,
dass im August 1783 die Akademie fran9aise den Preis Monthy
der Magd oder Wärterin von madame ßivoral unter Umständen
bewilligte, die weder auf das erwähnte Vergehen, seine Frau ver-
lassen zu haben, noch auf schnöde Undankbarkeit Bivarol's hin-
deuten, und aus denen die wahren Absichten der Akademie herza-
leiten, vollständig unmöglich war, obgleich sich böswillige Chronisten
j
de Lescure: Rivarol et la socie'te fran<^aise etc. 203
fanden, die es aus den dargebotenen Details versuchten. Nur soviel
geht aus Grimmas Korrespondenz, von der man einen Auszug in
Lescure's Werk über Rivarol (pag. 85 ff.) findet, als sicher hervor,
dass jene Anschuldigung, seine Gattin in Not und Elend zurückge-
lassen zu haben, durch nichts begründet ist, dass aber allerdings Miss-
helligkeiten und Unverträglichkeit zwischen den beiden Gatten Platz
griffen, die mit der Trennung endigten, indem jeder Teil seine Frei-
heit zurückerhielt und sich zurückzog, ohne erst Vermögen und
Unterstützungsgelder, die sie beide nicht besassen, teilen zu müssen.
EivaroVs Gattin starb in ziemlicher Dürftigkeit zu Paris am
21. August des Jahres 1821.
Zur Zeit, als Rivarol seine bedeutenden Werke, eine Über-
setzung des Inferno (1783) und den Discours sur Tuniversalitö de la
langue fran9aise (1784) erscheinen liess, bestand wenigstens äusser-
lich noch ein gutes Einvernehmen mit seiner Gattin, und die Freude
über den Erfolg, den sie hatten,' entschädigte ihn einigermassen für
die bitteren Erfahrungen im Eheleben.
Kapitel IV. Rivarol gewinnt den Preis der Aka-
demie von Berlin und übersetzt Dante's „Inferno". Nach
Veröffentlichung der lettre sur les jardins und der erwähnten
kleineren Schriften, entschloss sich Rivarol in Berlin ein Werk zu
versuchen, das, frei von Malize, nur seinen Konkurrenten Missmut
erregen konnte. Es war der im Jahre 1 784 erschienene Discours
sur Vuniversalite de la langue frangaise, wodurch ihm ein äusserst
glänzender Erfolg neben der besonderen Anerkennung Friedrich's
des Grossen in einem ganz französisch geschriebenem Briefe des-
selben zu Teil wurde.
Die Akademie von Berlin hatte im Jahre 1783 zum Gegen-
stand einer Preisbewerbung die Beantwortung folgender Fragen ge-
macht: „Qu'est-ce qui a rendu la langue fran9aise universelle?" —
„Pourquoi mörite-t-elle cette prörogative?" — „Est-il ä prösumer
qu'elle la conserve?" — Die Beantwortung dieser Fragen, in der
Rivarol als hervorstechende Eigenschaften der französischen Sprache
deren Einfachheit und Klarheit rechnete, liess, abgesehen von den
in ihr entwickelten geistreichen Gedanken, auch rücksichtlich des
Stils die meisten anderen eingegangenen akademischen Arbeiten
weit hinter sich zurück. Deutschland und Frankreich wetteiferten
dem Autor die Beweise ihrer Hochachtung und des Dankes abzu-
stattten. Friedrich der Grosse schrieb ihm sehr schmeichelhaft:
^Depuis les ouvrages de Voltaire, je n^ai rien lu de meilleur en
littörature que votre discours et j'ai trouvö vos vers aussi spirituels
qu'öl^nts." Ludwig XVI. wollte nicht hinter Friedrich in seinen
Gunstbezeugungen zurückbleiben und überwies dem Verfasser des
Discours, der, wie er sagte, die französische Sprache und Nation zu
304 Referate und Rezensionen. W. Brummcrt,
so glänzendem Ansehen emporhob, durch Herrn von Breteuil eine
vierteljährige Rente von 1000 Francs, wovon die Öffentlichkeit
indes erst durch die 1836 von dem Bruder BivaroFs herausge-
gebene Freface aux Pensees inedites Kenntnis erhalten hat.
Das Werk erlebte vier Auflagen, von denen eine in London
bei Dulan erschien. Sulpice de la Plati^re hat es ganz in den
zweiten Band seiner weitschweifigen Biographie mit angeblich vom
Verfasser selbst vorgenommenen Änderungen und Verbesserungen
aufgenommen.
Es war fast selbstverständlich, dass das Werk auch Gegner
fand und besonders von Seiten solcher Kritiker hart beurteilt wurde,
die sich durch die ungeheuer glänzende und beitUllige Aufnahme
desselben in den Schatten gestellt sahen; man hätte vorhersagen
können, dass Garat den Discours mittelmässig, dass La Harpe dem
Verfasser eine zu weitgehende Entlehnung (aus Condillac) vorwerfen,
dass Cerutü das Meisterwerk sogar für eine blosse Mystifikation
erklären würde. Allein unbeschadet aller dieser Anfeindungen blieb
das Werk BivaroFs auf seiner ursprünglichen Höhe stehen ; vor den
vielen und häufig wiederholten Herabsetzungen schützte es der
kunstvolle und anmutige Stil, so dass Grimmas Urteil in seiner
correspondance littöraire, worin er ähnlich, wie Friedrich der Grosse
und die Akademie sich ausdrückte, dass nämlich das Werk nicht
rhetorische oder philosophische Gemeinplätze, sondern eine mit Ver-
nunft und vielem Scharfsinn behandelte Frage enthalte, noch heute
zu Recht besteht.
ßivarol, der sich bewusst war, dass das Unerwartete, das
Neue, und die Raschheit in den Unternehmungen, wesentlichere
Faktoren zum erfolgreichen Gelingen eines Werkes sind, als selbst
das Talent, lenkte bald die öffentliche Aufmerksamkeit durch einen
Versuch auf sich, der, anscheinend unbedeutend, dennoch niemanden
über die Schwierigkeiten der Ausführung im Zweifel Hess. Es war
die Übersetzung der HöUe Dante's, von dem allerdings bereits
eine Obersetzung, aber noch keine in Prosaform erschienen war
Welch grosses Wagstück ein derartiger Versuch war, leuchtet ein,
wenn man bedenkt, dass Dante wie Shakespeare für unübersetzbar
erklärt worden waren, und Rivarol sich zuerst daran setzte, einen
in Frankreich unbekannten oder doch schlecht gekannten Dichter,
den Voltaire ein Monstrum von Dunkelheiten genannt hatte, in die
französische Sprache und Litteratur einzuführen.
Nach Rivaro^s Ansicht wird nun eine Übersetzung nicht
gemacht, um den Leser von der Lektüre des Originals zu befreien,
sondern ihr Zweck ist lediglich Unterstützung beim Lesen in dem
französischen Idiom; sie ist weniger eine Kopie, als eine Nach-
ahmung und Erklärung; dessen eingedenk hat er sich weniger an
de Lescure: Rhmrol et la societe franqaise etc. 205
die buchsiäbliche Grenauigkeit und gewissenhafte Ti'eue seiner Über-
setzung gebunden und — wenn man absieht von der eingeengten
Betrachtung von ausschliesslich historischem und litterarischem Ge-
sichtspunkte aus — das dreifache Ziel nach dem er strebte, mit
ziemlicher Volkommenheit erreicht. Seine Absicht war nämlich
erstlich, alle Streitkräfte der französischen Sprache zu einem ritter-
lichen Wettstreit mit der italienischen ins Feld zu führen, damit
die beiden, weniger um sich zu besiegen, als um ihre Kraft zu
zeigen, mit einander kämpften; sodann nur dasjenige aus Dante' s
Werk herauszunehmen, was den meisten seiner Leser leicht ver-
ständlich war, Dämlich diejenigen Teile, welche sich nicht allzusehr
von der Realität entfernten, und dafür alle diejenigen Partien des
Fegefeuers und Paradieses, welche dem Versl^ndnisse der Franzosen
des achtzehnten Jahrhunderts zu mystisch und erhaben waren, zu
streichen.
Nach diesen Andeutungen lässt sich das urteil über BivaroFs
Enfer etwa in folgende Worte zusammenfassen: „Die Übersetzung
von Dante's Enfer, insoweit als sie ein origineller litterarischer Ver-
such und eine vortreflTliche geistige Übung ist, verdient mit Recht,
gelobt zu werden ; insofern man sie aber als Übersetzung betrachtet,
ist dies nicht der Fall; denn das derselben zu Grunde gelegte
System, die rücksichtslose Hintansetzung von Treue und Genauig-
keit birgt Konsequenzen in sich, gegen die zu protestieren man
völlig berechtigt ist." Was kann auch dem Leser das Ungefähr
einer Übersetzung nützen, wenn ihm statt der vom Dichter fein ge-
wählten Worte nur ähnliches sagende Ausdrücke, wenn ihm
statt der anschaulichen, die Sprache belebenden Bilder nur abge-
schwächte Phrasen geboten werden. Hier ist die Klippe, an der
die meisten Übersetzungen Schiffbruch leiden, hieran hat auch die
bekannte Übersetzung des Don Quichotte von Florian, wie auch jene
der lliade von Bitaubä Schaden genommen, und auch Rivarol's
Übersetzung musste an ihrer allzu grossen Unabhängigkeit vom
Original verunglücken.
Interessant wäre ein Veigleich zvidschen RivaroVs und jener
von Littre gelieferten, von ganz anderen Prinzipien beherrschten
Übersetzung. Dieser versuchte nämlich, seinem Werke jene Naivität
und Jugendfrische, die seiner Ansicht nach eine Übersetzung Dante's
haben müsse, durch Anwendung des dem dreizehnten Jahrhundert
angehörigen Französisch, welches dem Italienisch der Divina comedie
zeitlich entspricht^, zu verleihen; indes auch dieser Versuch ist für
die Lösung des Problems, mit vollständiger Treue zu übersetzen,
nicht glücklicher gewesen, als die vielen anderen, die wir hier über-
gehen können.
Den Schluss dieses Kapitels möge eine zeitgenössische Kritik
206 Referate und Rezensione'n . Pf\ Brummeri,
und zwar die der Correspondance littäraire von Grimm vom Augnst
des Jahres 1785 bilden, welche über RivaroFs Leistung mehr
günstig als beifällig urteilt. Es hiess da (im Auszug): „Obgleich
der Stil dieser neuen Übersetzung nicht immer auf gleicher Höhe
gehalten ist, und obgleich wir häufig die notwendige Eleganz und
Treue vermissten, haben wir dennoch in dem Werke grosse Schwierig-
keiten mit Glück überwältigt gefunden und wagen zu behaupten,
dass es höher als alle diejenigen steht, welche wir kennen.^ Dieses
Urteil Grimmas hat, wie auch manche andere von ihm, durch den
definitiven Aussprach der gegenwärtig bedeutendsten Kritiker seine
Richtigkeit bewähi-t.
Kapitel V. Rivarol als Pamphletschreiber. — Petit
Almanach des grands hommes (1787 — 1788.). Nach Vollendung
der beiden im Vorhergehenden erwähnten Werke kehrte Rivarol zu
jener litterarischen Thätigkeit, in der er Meister war — zar
Kritik — zurück. Die Litteratur drohte nämlich zu allgemeiner,
leichtfertiger Mittelmässigkeit, zu platter Nachahmung der glänzen-
den Erzeugnisse grosser Geister herabzusinken, wenn nicht ein
energischer, scharfsinniger Kopf die verkehrten Ansichten in littera-
rischen Dingen ausrottete und durch den Sturz jener Menge von
Kleingeistern, die sich auf den Dichterparnass gedrängt hatten, den
guten Geschmack wiederherstellte. Da trat nun Rivarol mit seinem
schneidigen Werk: Le Petit Almanach des grands hommes pour
Vannie 1788, als Befreier auf. Das Erscheinen dieser Schrift war
ein Ereignis; sie führte den Vemichtungsstreich gegen die das
Publikum mit ihren wertlosen Erzeugnissen belästigenden und den
guten Geschmack verderbenden seichten Autoren. Allein die Freude
des Triumphes währte nicht so lange, als Rivarol vielleicht gedacht
hatte; denn die so grausam von ihm gestrafte Mittelmässigkeit er-
hob sich wie eine tausendköpfige Viper gegen ihn und suchte ihn
mit ihren giftigen Waffea zu verderben. Le Brun, Cerutti und
Chönier waren seine erbittersten und gefährlichsten Gegner. Scho-
nungslos durchwühlten sie förmlich Rivarol's Privatleben nach
seinen wunden Stellen. Man untersuchte seinen Adel, um ihn als
unecht zu bezeichnen, map erfand eine ganze Skandallegende gegen
ihn und ging in dem Hasse gegen ihn schliesslich soweit, ihn in
der Person seines Vaters zu kränken.
Den schwersten Stein in dieser allgemeinen Steinigung schleu-
derte Joseph Chönier gegen unsem Dichter durch eine Satire in
Dialogform, betitelt: Dialogue entre la Public et V Anonyme, von
dem einige Bruchstücke bei Lescure pag. 130 ff. zn finden sind.
Es wäre schwer, dieses Werk zu analysieren, das in seinen Einzel-
heiten bis zur Brutalität gehende Verleumdungen aufweist; hier
seien nur die hauptsächlichsten Anklagen aus demselben heraus-
de Lescnre: Rivarol et la societe fraimdse eic. 207
gehoben: Rivarol wird beschuldigt, sich den Adel unrechtmässiger
Weise angemasst, seinen Geist andern gestohlen, aus lauter Faul-
heit, die mit seiner Ohnmacht in Verbindung stehe, niemals ein
Werk ganz fertig gebracht und seinen Lebensunterhalt wie seine
anrüchige Berühmtheit nur durch die Abfassung von Streitschriften
gesucht und gefunden zu haben; das Ganze endigte mit einem Rate,
der einer Drohung mit Stockprügeln sehr ähnlich sah. —
Wir fragen, was that Rivarol auf solche infame Verläum-
dungen und Schmähungen ? — Er betrachtete sie mit philosophischer
Verachtung und lächelte nur über den masslosen Zorn seiner er-
bitterten Gegner.
Das beste aber an Rivarol's Werk war der heilsame Einfluss,
den es auf den litterarischen Geschmack seiner Zeit ausübte. Seine
Ironie vernichtete oder verminderte wenigstens die verderblichen
Wirkungen jenes tJbermasses von mittelmässigen Geistern, die einen
Engländer mit Bezug auf ihre flüchtigen und schwachen Produkte
veranlassten, das Ende des achtzehnten Jahrhunderts das „papieme
Zeitalter" zu nennen. Es ist auch gewiss, dass der Petit Almanach
des grands hommes, welcher mehr den Eindruck einer Satire, als
einer Kritik macht, ein geistreiches und unterhaltendes Werk ist,
welches dieser Vorzüge halber verdient, noch heute gelesen zu wer-
den. Die meisten seiner Scherze und spöttischen Witzworte sind
freilich veraltet, doch die Form ist immer noch ansprechend, und
die Wirkung auf das Publikum, das derartige Bücher durchaus
nicht hasst, immer noch gross.
Kapitel VI. Rivarol als Philosoph. — Briefe an
Necker (1788). Sehr bald nach dem Erscheinen des Petit Al-
manach des grands hommes veröffentlichte Rivarol zwei Briefe, die
an den Verfasser des Buches: Sur Vlmportance des opinions
religieuses gerichtet waren. Besonders der erste dieser Briefe, wel-
cher vom Jahre 1788 datiert ist, war bestimmt^ das erwähnte Buch,
das Necker verfasst hatte, einer Prüfung und Kritik zu unterziehen.
Nachdem er in der Einleitung desselben Necker durch seine Aner-
kennung als tüchtigen Minister volle Gerechtigkeit hatte widerfahren
lassen, stellte er seine eigenen philosophischen Ansichten denen
Necker's gegenüber und wies die Unklarheit der Lehre des letzteren
und die Unzulänglichkeit seines Systems nach. — Schon der un-
glückliche Titel des Buches war der erste Fehler, den Rivarol jenem
nachwies, denn, sagte er, in Sachen der Religion genügt die Mei-
nung nicht, hier gelten nur Prinzipien, und diese dürfen nicht aus
der Meinung, dass die Religion, welche man bekennt, nützlich und
notwendig, sondern daraus, dass sie wahr sei, resultieren. Necker
hingegen hatte von vornherein zu sehr die Notwendigkeit und Nütz-
lichkeit der religiösen Ideen betont.
208 Referate und Rezensionen. W. Brmnmeri,
Im zweiten Briefe unternahm Rivarol darzulegen — entgegen
Necker's Ansicht — dass die Moral über der Religion stehe, ^s
die Philosophen ohne die Kenntnis der Moral keine Weisen mehr
wären, sondern einfach nur Grübler, dass die Religion durchaus
nicht die Vervollkommnung der Moral bildete, „da die letztere immer
vollkommen sei, dass vielmehr die Religion als die Ergänzung der
Sittengesetze aufzufassen sei, weil sie der Furcht vor zeitlichen
Strafen die Angst vor der ewigen Verdammnis hinzufüge". — Die
Correspondance von Grimm äusserte sich unter dem Datum vom
August 1788 folgendermassen über diesen Brief. ^^Der Gegenstand
des zweiten Briefes ist, zu beweisen, dass es eine von Kultus und
Religion, welcher Art sie auch sein mögen, unabhängige Moral
giebt; aber selbst wenn dies streng bewiesen sein würde, so folgte
daraus noch nicht, dass diese Moral auch ihre Wirkung auf das
Volk äusserte, oder grossen Einfluss auf die öffentlichen und privaten
Sitten und Gewohnheiten ausübte, wenn nicht religiöse Mei-
nungen zu Hilfe kommen, die so ganz geeignet sind, das Gefühl
und den Willen des Menschen zu beherrschen. Alle Jahrhunderte
und Länder geben uns Zeugnis, dass niemals eine zivilisierte Gesell-
schaft ohne irgend eine Religion bestanden hat und bestehen konnte. ^
Rivarol hatte also doch nicht gut daran gethan, die Moral
auf Kosten der Religion so hoch zu erheben, und er beeilte sich
auch noch kurz vor Ausbruch der Revolution, welche in so beredter
Weise die politische Wichtigkeit und moralische Notwendigkeit der
religiösen Überzeugungen beweisen sollte, seine Ansichten zu ändern.
Bevor wir jedoch diesen Wechsel seiner Gesinnungen verfolgen, sei
es gestattet, ims einen Augenblick mit seinen Freunden und Feinden,
sowie mit der Gesellschaft der Salons vor dem unmittelbaren Aus-
bruch der Revolution zu beschäftigen.
Kapitel VII. Freunde und Feinde Rivarol's. — Erster
Blick auf die Gesellschaft und die Salons am Abende vor
der Revolution. Die Zahl der Freunde Rivarol's war wie die-
jenige seiner Feinde, wie wir auch bereits zu beobachten Gelegenheit
hatten, eine sehr grosse, unter den ersteren ragen die drei bedeu-
tendsten Persönlichkeiten der Litteratur am Ende dieses Jahrhunderts,
nämlich d'Alembert, Voltaire und Buffon vor den übrigen besonders
hervor. Wir erinnern uns, d'Alembert früher schon als den Führer
und Beschützer RivaroPs in der litterarischen Welt begegnet zu
sein; es war ein Mann, der auf dem Gebiete der Philosophie sehr
kühn, in litterarischen Beurteilungen sehr scharfsinnig und in
moralischen Dingen sehr egoistisch zu Werke zu gehen pflegte.
Rivarol spricht von ihm nicht viel, imd es werden uns nur wenige
Spuren und Andeutungen über seine Beziehung zu diesem Manne
überliefert.
de Lescure: Rivarol ei la socie'te franqaise etc. 209
Besser unterrichtet sind wir über den Verkehr und das Ver-
hältnis zwischen Rivarol und Voltaire einerseits und Buffon anderer-
seits. Voltaire war bald von dem Zauber dieses Geistes hingerissen^
der in Rivarol mit unwiderstehlicher Gewalt wirkte. Er begeisterte
sich für den bewunderungswürdigen jungen Manu und bot ihm, was
er sonst nicht leicht that, einen Sommeraufenthalt in Ferney an.
Aber Rivarol, der seinerseits von Bewunderung des gewaltigen
Geistes in Voltaire tief erfüllt war, nahm dessen Anerbieten nicht
ernst und schlug es damals aus; auch später hat er es — soweit
wir davon unterrichtet sind — nicht angenommen, und hierin lag
wohl der Grund des dauernd guten Einvernehmens zwischen beiden
Männern, welches auf diese Weise vor den Gefahren der Intimität
geschützt blieb. Voltaire empfand eine Lust daran, seinen Freund
mit Lobeserhebungen zu überschütten und nannte ihn häufig den
Franzosen par excellence; aber auch Rivarol war ein aufrichtiger
Freund und Verehrer seines grossen Zeitgenossen. Er schätzte frei-
lich an ihm den Historiker wenig und noch woniger den Philo-
sophen, doch dafür stellte er ihn als Dichter um so höher.
Mit Buffon lebte Rivarol, wenigstens anfangs, in einem herz-
lichen, freundschaftlichen Verhältnis und bewunderte ohne Rückhalt,
was ihn an jenem wahrhaft Bewunderungswertes erschien. Später
erst wurden allem Anscheine nach — aus welchen Gründen wissen
wir nicht bestimmt — die guten Beziehungen zwischen beiden
Männern getrübt; vermutlich lag die Ursache der gegenseitigen Ab-
neigung einerseits in der Verschiedenheit ihrer Geistesrichtungen,
denn Buffon war von religiöser Begeisterung für seinen Schöpfer
erfüllt, wählend Rivarol für die Unabhängigkeit der Forschung in
Dingen der Moral und Philosophie eintrat, andererseits in dem Ver-
kehr Buffon's mit den Mitgliedern zweier Salons, die Rivarol gegen-
über eine oppositionelle Haltung annahmen. In dem einen von
beiden, dem salon de Saint-Ouen, waren die Hauptpersonen madame
Necker, der besonders Buffon seine Aufmerksamkeit bewies, dann
die Frau von Staöl, die er unendlich bewundert«, und der alte
Necker, den er gern rühmte; ferner noch der Marquis von Crest,
der Kanzler des Herzogs von Orleans und dessen Schwester, die
Frau von Genlis, die längst gegen Rivarol von Hass erfüllt war.
Zu der Zahl seiner Freunde dürfte unser Autor, dann noch
ausser seinem Bruder, der sich ebenfalls in dem 1785 erschienenen
Romane: y^Osman ou le Fatalisme"' als Schriftsteller versuchte, den
Chevalier von Champceultz, den Bruder des bekannten ersten könig-
lichen Kammerdieners, zählen.
Unter den Gegnern RivaroFs, die fast ohne Ausnahme ur-
sprünglich seine Freunde gewesen waren, nennen wir als hauptsäch-
lichste: Mirabeau, Ghamfort und Beaumarchais.
Z«chr. f. nfr«. Spr. u. Litt. VI«. j4
210 Referate und Rezensionen. W. Brnmmei'i.
Die Feindschaft mit dem ersten dieser drei Männer rührte
daher, dass derselbe sich widerrechtlich die Autorschaft eines Werkes
angemasst hatte, welches in Wirklichkeit von Bivarol herrührte mid
von diesem auch im Mercure — was Mirabeau jedenfalls nicht er-
fahren hatte — veröffentlicht worden war, unter dem Titel: j^ Essai
sur VamiUi^, Wie heftig die gegenseitige Erbitterung der beiden
Männer allmählich wurde, mögen einige Worte Rivarol's, in denen
er — fast auf jeder Seite seiner Werke — seinem Hasse und der
Verachtung Mirabeau's Ausdruck gibt, beweisen. Es heisst da ein-
mal: „Mirabeau, capable de tout pour de iWgent, m3me d'une
bonne action^; dann anderswo: ,,Mirabeau etait l'homme du monde
qui ressemblait le plus ä sa röputation: il etait affreux;^ und end-
lich über dessen Werke: ^Je compare les ouvrages de Mirabeau ä
des brülots läch^s au milien d'une flotte, ils y mettent le feu, mais
ils s'y consumeut". — Mirabeau erwiderte seinem Angreifer in
nicht weniger erbittertem Tone, aber es gelang ihm dennoch nicht,
sich vor der Welt zu rechtfertigen, und das Brandmal eines littera-
rischen Freibeuters blieb an ihm haften.
Der Bruch mit Chamfort, einem Manne, der mit Bivarol, wie
aus Briefen an ihren gemeinsamen Freund, den Abbe Roman zu
ersehen, bis zum Jahre 1785 in freundschaftlichem Verhältnis
gelebt hatte, wurde durch die Berufung Chamfort' s zum Mitglieds
der Akademie herbeigeführt, indem Bivarol sich über diese von
auserlesenen Männern getroffene Wahl lustig machte: ^Da hat man
einen Maiblümchenzweig auf Mohnblumen gepfropft'^ rief er aus,
als er Chamfort's Wahl erfuhr, worauf dieser in schneidiger Weise
— und nicht ohne Grund — Bivarol wegen seines vornehmen
Dilettantismus und prunkhaft zur Schau getragenen BoyaHsmus an-
griff. Eines Tages soll er, als Bivarol ihn zu überzeagen suchte,
dass man nicht zugleich der Bepublik und den Künsten dienen
könne, und dass es eines Königtums wie das Ludwigs XIV. bedurft
habe, um Männer wie Moli^re und Bacine hervorzubringen, diesem
erwidert haben: „Ihr gehört zu denen, welche über jenen Übelstand,
Priester zu wählen, nur deshalb die Augen zudrücken, weil wir ohne
das Dasein von Priestern keinen Tartufe besitzen würden.'^
Was endlich die Feindseligkeiten zwischen Bivarol und Beau-
marchais betrifft, so glaubt der Verfasser jener feinen und leben-
digen Schilderung von Beaumarchais und der französischen Gesell-
schaft im 18. Jahrhundert (siehe Beaumarchais et son temps etc.,
par M. de Lomönie, t II. p. 266 ä 270) den Grand derselben einer-
seits in einem abschlägigen Bescheid, welchen BivaroVs Brüder von
Beaumarchais auf sein an ihn gerichtetes Gesuch um ein Darlehn
von 25 Louisd'or erhalten, und wodurch Bivarol selbst gekränkt
worden wäre, andererseits in den diesem von Beaumarchais von
de Lescure: Rivarol ei la socie'id frangaise etc. 211
Zeit zu Zeit erteilten Lektionen zu erkennen, welche darin bestan-
den, dass der letztere die ohne Hilfsmittel zurückgelassene Gattin
Rivarors mit kleinen Geldsummen unterstützte. Jedoch weder die
eine noch die andere dieser beiden Mutmassungen ist der Wirklich-
keit entsprechend. Denn erstlich war Bivarol weit entfernt, das
Missgescluck seines Bruders, welcher ebenso gut, wie er selbst, die
Tücken des Schicksals zu ertragen gelernt haben musste, Beaumar-
chais entgelten zu lassen, und dann ging, wie wir bereits wissen,
die Fürsorge für seine Gattin nicht so weit, um fremde Unter-
stützung derselben,, welche übrigens absolut unnötig war, da Rivarol
seine Frau und Kinder mit dem Notdürftigsten versorgte, zu ver-
bieten und darüber in Entrüstung zu geraten. Es war vielmehr,
was mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, die Eigenartigkeit der
von Beaumarchais in seinen Werken behandelten Stoffe mit ihren
neuen gewaltig revolutionären Ideen, welche Rivarol so sehr gegen
ihn erbitterten und ihn so ungnädig über dessen Geistesprodukte
urteilen Hessen.
Ohne erst noch einmal auf die Beziehungen Rivarol' s zu Garet,
Cerutti, Delille, Ch^nier, Cubiäres und La Harpe zurückzukommen,
werfen wir nunmehr einen flüchtigen Blick auf die Personen jener
Gesellschaftskreise, in denen sich Rivarol in den letzten Jahren vor
Ausbruch der Revolution zn bewegen pflegte.
Unter den Damen ragten besonders hervor: Frau von Bdthizy,
mit welcher unser Autor mit so grossem Vergnügen, wie er selbst
gestand, die „Eloges*^ Fontenelle's las; ferner Frau von Sabran, die
Freundin und spätere Gemahlin des Chevalier von Bouffiers; Frau
von Champceultz; Frau von la Reyniöre, Frau Vigöe-Lebrun ; Frau
von Tesse; Frau von Houdetot; Frau von Polignac; Frau von
Montmorin und endlich die Marquise von Coigny, an welch letztere
der Fürst von Ligne so begeisterte Lobreden richtete.
Zu den Männern, welche, seien es nun Schriftsteller und
Philosophen, oder bei Hofe angesehene Persönlichkeiten, durch den
Verkehr mit ihm in jenen Salons in nähere Beziehung zu Rivarol
traten, zählten : Herr von Tressan, von la Borde (welcher vergebens
Rivarol Gelegenheit, Geld zu gewinnen, bot); von la Porte; der
Vicomte von Sägur; Vigöe, der Bruder der Frau von Vig^-Lebrun ;
der Herzog von Guiche; Herr von Tilly; der Marquis von Cr^qui;
der österreichische Gesandte von Mercy-Argenteau ; endlich der Graf
und spätere Herzog von Brancas-Laurognais ; der Fürst von Ligny
und der Graf von Narbonne.
Die letzten Jahre vor Ausbruch der Revolution brachten mit
dem gänzlichen Wechsel der gesellschaftlichen Verhältnisse und des
geistigen Zugs jener Zeit auch eine Änderung der eben erwähnten
Beziehangen RivaroFs. An die Stelle der Salons, in denen er so
14*
212 Referate uivd Rezensionen. W. Brummert,
oft durch seine femsinnigen und geistreichen Bemerkungen die Unter-
haltung belebt, die Aufmerksamkeit und das Interesse seiner Freunde
zu Staunen gesteigert hatte, traten vielfach Freimaurerlogen und
andere Klubs, wo sich ein scharf revolutionärer Geist geltend machte.
Bivarol stemmte sich mit aller Energie den immer mehr sich Bahn
brechenden neuen Ideen und Organisationen der Revolutionszeit ent-
gegen; er kämpfte mutig, freilich vergeblich, gegen ihr Empor-
kommen, und durch diese Zeit der bittersten Erfahrungen wollen
wir ihn begleiten.
Buch IL Die Revolution (1789—1792). — Kapitel I.
Journal politique national. — Rivarol als philosophi-
scher Politiker und Polemiker. Obgleich Rivarol bei dem
Ausbruche der Revolution sehr wohl einsah, dass die Gebrechen,
an denen die französische Monarchie litt, zu ihrem Unter-
gange führen würden, nahm er dennoch ihre Partei, weil es
ihm, dem Helden der französischen Gesellschaft, welcher mit so be-
redten Worten die Herrschaft der französischen Sprache in Europa
proklamiert, in so geistreicher Weise Kritik geübt und das seiner
Ansicht nach Falsche mit Ernergie bekämpft hatte, unmöglich war,
in die Reihen der Zerstörer der alten Monarchie und Gesellschaft
einzutreten. Um uns ein Bild von den politisch -philosophischen
Anschauungen Rivarol's zu machen, mögen folgende seiner Aus-
sprüche hier Platz finden, die er teils an die revolutionäre Partei,
teils an die Staatsminister richtete. Der ersteren gelten besonders
folgende Sätze:
„Die Kunst in der Politik besteht darin, nicht zu schaffen,
sondern zu erhalten; nicht zu verändern, sondern festzuhalten.^
^Weil die Philosophie die Frucht langen Nachdenkens und
das Resultat des ganzen Lebens ist, so kann und darf sie niemals
dem Volke mitgeteilt werden, da dieses immer ein unmündiges Kind
in der Schule der Philosophie ist."
„Es gibt für den Volkshaufen kein Jahrhundert der Auf-
klärung, denn er ist immer und in jedem Lande dasselbe, nämlich
roh und kannibalisch."
„Das Volk schenkt seine Gunst, niemals sein Vertrauen."
„Das Volk geniesst die Freiheit wie starke liqueure, nur um
sich zu berauschen und wütend zu werden."
Und dem Könige und den Staatsmännern ruft er zu:
„Gold ist der Herrscher aller Herrschor."
„Es geht der Person der Könige, wie Götterstatuen; die
ersten Schläge treffen den Gott selbst, aber die späteren fallen auf
formlosen Marmor."
„Die Fürsten dürfen niemals vergessen, dass ein Schriftsteller
wohl Soldaten werben, aber ein General nicht Leser werben kann."
de Lescure: Rivarol et la societe frangaise etc. 213
,,Becht ist ein aaf Macht gegründetes Besitztum; wenn die
Macht fällt, föllt auch das Recht."
„Zutrauen ist das einzige Almosen, das man einem Staats-
mann schenken kann.^
Zugegeben, dass diese kurzen Urteile Rivarors, welche er aus
den Ereignissen der Zeit herleitete, zutreffend und gerecht waren, so
muss dagegen die Kritik der Personen, au die sich die Ereignisse
knüpften, als weniger glücklich bezeichnet werden, da er hier, durch
den ironischen Ton verleitet, ungerechter Weise übertrieb und nur
eine bestimmte Seite der Person, welche er genau studiert hatte,
hervorkehrte. So sagte er über Necker: „Necker ist ein so unver-
schämter Marktschreier, 'dass seine Versprechungen schliesslich sogar
diejenigen überreden, welche nicht daran glauben, und — um nur
noch ein Beispiel seiner ungerechten Urteile anzuführen — von dem
Kardinal von Brienne, von dem man behauptete, ob mit Recht steht
nicht fest, dass er sich vorgiftet habe, meinte er: „Er wird wohl
eine seiner Maximen verschlungen haben."
Am besten erfahren wh* seine Ansichten über die Ereignisse
und Personen jener Zeit aus dem Journal politique national^
welches von dem Abb^ Sabatier gegründet und nominell geleitet, in
Wirklichkeit aber von Rivarol redigiert wurde. Es war eher
ein politisch -philosophisches, als ein praktisch politisches Werk
eher eine Kritik der Revolution als eine Verteidigung der Mon-
archie zu nennen und enthielt eine Reihe von Reflexionen über
die Beschlüsse der Nationalversammlung, über die Fehler der Re-
gierung und das Unglück Frankreichs*
Die Eigenartigkeit des Blattes bestand darin, dass es nicht
wie andere Journale, eine polemische Haltung annahm, sondern sich
auf eine unparteiische Kritik und eingehende Darstellung und Prüfung
der Ereignisse und der Verordnungen der Nationalversammlung seit
dem 12. Juli 1789 beschi-änkte.
Zu gleicher Zeit mit dem Journal politique national veröffent-
lichte Rivarol den Petit Älmanach des grands kommes de la Ri-
voluUouj in welchem er seine ehemaligen litterarischen Opfer von
neuem verfolgte. Nebenher arbeitete er an dem satyrischen Doppel-
werk: Etats gineraux und Dames frangaises. Nach dem 6. Ok-
tober, als nach seiner eigenen Äusserung „alle grossen Streiche ge-
führt waren ^, und er nichts mehr thun zu können glaubte, um die
verlorene Sache zu retten, trat er wieder in die Dienste der saty-
rischen Zeitungsschreiber, welche die Revolution nur noch mit Epi-
grammen angriffen, und schleuderte als die letzten Reste zugleich
seiner Begeisterung und seines Zornes die Actes des ÄpStres in die
Öffentlichkeit — Wir wollen uns darum im nächsten Kapitel mit
Rivarol dem politischen Pamphletschreiber kurz beschäftigen.
214 Refei^aie und Rezensionen. W, Brummer i,
Kapitel U. Bivarol als politischer Pamphletschrei-
ber. Unter den Tausenden von Gelegenheitsschriften, welche die
Erregung der Leidenschaften und der Wechsel der Ideen im Jahre
1789 erzeugten, verdient vor allen übrigen die Galerie des etats
generaux et des Dames frangaises, wegen ihrer Feinheit der
Beobachtung und Eleganz des Stils besondere Erwähnung. Eine
Anzahl der in dieser Sammlung enthaltenen satyrischen Porträts
wird Rivarol zugeschrieben; da jedoch die Verfasser sich unter
der Maske der AnonymiiÄt verborgen hielten, so war es natür-
lich, dass die Ansichten über die mutmasslichen Verfasser
sehr auseinandergingen. Eine Autorität auf dem Gebiete der
Bücherkenntnis, der Bibliograph Barbier, erklärte die ganze Galerie
für ein Sammelwerk, zu dem vier Männer, nämlich der Marquis von
Luchet, Mirabeau, Choderlos de Laclos und Rivarol ihre Beiträge
geliefert hätten, und behauptete speziell, dass Mirabeau der Verfasser
sowohl des Porträt von Nerses^(Neeker) als auch desjenigen seiner
eigenen Person, betitelt Iramba wäre, während untei* dem Anonymus
Cnete sich abwechselnd Laclos und Rivarol zu verbergen schienen.
Lidessen eine aufmerksame Lektüre der Porträts und eine Ver-
gleichung mit dem, was wir von dem Charakter der mutmasslichen
Verfasser und ihrer Darstellungsweise wissen, beweist augenschein-
lich, dass jene Behauptung, wonach das Porträt Necker's als Mira-
beau's Werk und Cne'ls als das Selbstporträt Rivarol's anzusehen
wäre, völlig hintUllig ist, dass allerdings jenes Porträt Iramba
(Mirabeau), welches mehr schmeichelhaft, als ähnlich ist, als 7on
Mirabeau selbst geschrieben zu betrachten, Cne*LS hingegen weder als
Rivarol selbst noch überhaupt von ihm herrührend aufzufassen ist
Der letzte Teil der Galerie des 6tats gönöraux umfasste die
Galerie des Dames frangaises, welche gleichsam das Gegenstück
zu den männlichen Porträts bildete, indem darin die hervorragend-
sten Frauengestalten der Revolution mit täuschender Nachahmung
der Rivarorschen Darstellungsweise von Champcenetz gezeichnet
waren. In einer Reihe dieser Federgemälde, wie z. B. in dem der
Frau Necker (Statira), der Frau von Staöl (Marthösie), der Gräfin-
nen von Sabran (Sapho) und von Beauharnais (Corylla), sowie in
denen der Frau von Vigöe- Lebrun (Charitas) und der Frau von
Genlis (Polyx^ne) darf man Rivarol als den Verf£ksser annehmen.
In dem Petit Dictionnaire des grands hommes de la Rivo-
lution, par un citoyen actif^ ci-devant rien, in welchem auch eine
ironische und satyrische Epitre didicatoire ä 8. E. madame la ha-
rönne de StaM, ambassadrice de Sti^de aupres de la Nation, ent-
halten ist, wendet sich Rivarol mit Vorliebe gegen die Mitglieder
der Nationalversanmilung und sagt als Entschuldigung dafür, dass
er aus dieser Versammlung das grösste Kontingent für die
de Lescure: Rivarol et ia socieie franqaise elc. 215
Sammlung seiner neuen Berühmtheiten genommen hat: „Grerade in
diesem erhabenen Areopag haben wir Geister emporkommen sehen,
welche ohne die Revolution noch der langweilige Ausschuss der
Gesellschaft wären ; welche Wunder bewirkt nicht der Patriotismus :
die stupidesten Geister der Litteratur haben sich als die tiefsinnig-
sten in der Nationalversammlung bewiesen. Die vornehmsten Kohl-
köpfe der französischen Jugend haben auf der Erednerbühne zu
Paris ohne Verwirrung gesprochen, kurzum, die Feinde der Sprache
sind plötzlich die Verteidiger der Nation geworden etc."
Wenn Rivarol in seinem Urteil über die im Dictionnaire be-
handelten Personen allzu sti*eng und oft sogar ungerecht verfahrt,
so kann ihn nur der Umstand einigermassen entschuldigen, dass er
im Jahre 1790 das tragische und frühzeitige Ende aller jener, gegen
die er die Waffen der Satyre missbraiicht hatte, nicht vorhersehen
konnte.
Am 2. November 1789 begannen die Ades des Äpdtres zu
erscheinen, ein wöchentlich zweimal erscheinendes Pamphlet, an dem
ausser Rivarol als Chef, noch Suleau als Vicechef, Champcenetz, der
junge Mirabeau, Bergasse, Montlosier, Lauragnais, Tilly, von ßonnay
u. a. mitarbeiteten.
Dieses Pamphlet ist so recht geeignet, uns zu zeigen, in wel-
che Extreme Rivarol allmählich in seiner polemischen E[ampfweise
geriet. Hatte er sich bis jetzt gemässigt und sich nur verhältnis-
mässig wenig der beleidigenden Satyre bedient, um seine Feinde zu
demütigen, so Hess er sich nunmehr leider so weit hinreissen, die-
selben an ihrer Ehre anzugreifen und aus einem Kampf, der ur-
sprünglich nur gegen Ideen gerichtet war, nun auch einen solchen
gegen die Träger derselben zu bereiten.
Aber vergebens bemühte er sich, durch diese Mittel den im-
mer kühner sich erhebenden Freiheitsideen einen wirksamen Damm
entgegenzusetzen und die Revolution wieder in die ihr vom König-
tum angewiesene Bahn zu lenken; vergebens suchte er, der roya-
listischen Partei, die fast willenlos geworden war, mit seinen Rat-
sch^gen und Lehren aufzuhelfen; er musste bald einsehen, dass die
Zeit dazu, ebenso wie diejenige der Satyren, längst vorbei war.
Entmutigt und niedergeschlagen zog er sich, wie ein Arzt, der seine
Entbehrlichkeit fühlt, zu seinem Freund und Mitarbeiter Lauragnais
auf das Schloss Monicamp und später näher an Paris nach Maisons
zurück und führte von dort aus in unruhiger Erwartung der kom-
menden Ereignisse von April des Jahres 1791 an eine lebhafte
Korrespondenz mit M. de la Porte, dem Intendanten der Givilliste,
in Noten und Memoiren, die er als ^avocat Consultant^ und y^m6-
decin in extremis^ dem sterbenden Königtum widmete.
Kapitel III. Rivarol avocat Consultant et m^decin
216 Referate und Rezensionen. W. Brtimmert,
in extremis de la Royautö. Trotz der grossen Gefahren, welche
eine Verbindung mit dem Hofe für ihn mit sich brachte, richtete
Bivarol von Maisons aas darch die Vermittelcmg des erwähnten
M. de la Porte am 25. April 1791 die erste seiner Denkschriften
an den König. ^Je ne dois pas^, sagt er darin, ^nögliger de faire
nn tablean raccourci de quelques faits importants qui ont influä
sur Testat actuel du Eoi et de la monarchie. Ce tablean servira:
1^ ä jeter du jour sur ce que j'ai ä dire et donnera du poids an
plan que je propose, en prouvant que mes idöes s'enchalnent de
loin, et tiennent ögalement aux causes et aux efPets de la Eävolu-
üon; 2^ ce tablean prouvera qu'on a toujours conseille au Boi des
actes qui ^taient forcös d'avanoe, ce qui lui a fait perdre Tä-propos
de tous ses sacrifices. On me saurait trop insister sur cette v6-
rite afin de renoncer le plus tot possible ä une politique si mal-
heureuse. "
Nach den Ausführungen BivaroVs in dieser Denkschrift, in
welcher Necker und der Herzog von Orleans scharf kritisiert wer-
den, handelt es sich für den König vor allen Dingen darum, für
geringe Opfer seine wertvollsten Grüter zu retten; er muss an die
Spitze der herrschenden Partei treten, um ihren Sieg auszunutzen,
ja sogar Adel und Geistlichkeit aufopfern, um mit Hilfe des dritten
Standes die Bevolution zu Gunsten der Monarchie niederzuwerfen.
— Aber alle die dringlichen Mahnungen und Bestimmungen Biva-
rol's vermochten den König, der nur der Erfüllung häuslicher Pflich-
ten und ländlichen Vergnügungen zu leben schien, nicht aus seiner
Thatlosigkeit heranszureissen.
Eine andere Note, welche vom 15. Mai 1791 datiert ist,
gibt eine Fortsetzung seiner Auseinandersetzungen der Massregeln,
durch welche die revolutionaire Bewegung in den Dienst des König-
tums gezogen werden müsse.
Eine dritte vom 4. September fordert die energische Anwen-
dung aller dem Staate zu Gebote stehenden Gewaltmittel und sucht
den König zu überzeugen, dass er, um geeignete politische Mass-
regeln zu treffen, vor allen Dingen danach streben müsse, die Na-
tionalversammlung, welche durch ihre fehlerhaften Anordnungen so
unsägliches Unglück über Frankreich gebracht habe, bei dem Volke
zu verdächtigen und ihre Beseitigung durchzusetzen. — AUein die
Minister, welche den König dabei hätten unterstützen müssen, waren
auf die Seite der Nationalversammlung getreten und verhielten sich
schweigend und unthätig.
Voll Ingrimm ruft deshalb der royalistische Streiter aus:
^Zwei Dinge scheinen mir Se. Majestät davon abzuhalten, aus meinen
Memoiren eine praktische Konsequenz zu ziehen und ein vorteilhaf-
tes System zu adoptieren: erstens die Erinnerung an vergangene
de Lescure: Rivarol et la societe frangaise etc. 217
Zustande, welche von den jetzigen so unendlich verschieden sind,
und zweitens die Dienste, welche einige Deputierte der ersten Le-
gislatur ihrem Könige durch das Zusammengehen mit den Ministem
leisteten. Glücklich die Könige, welche auch bittere Ratschläge an-
hören und einem Batgeber, der ihnen missfällt, nicht abweisen! Nur
angenehme und gefügige Minister suchen, hiesse ein Weib an die
Staatsmaschine rufen."
Bivarol sah ein, dass das Königtum sich alles nehmen lassen
würde, was es nicht selbst schon hergab. Vor seinem geistigen
Auge stand schon der gefangene König und die gedemütigte Mo-
narchie; er musste notwendig vor der unvermeidlich hereinbrechen-
den Katastrophe an seine persönliche Sicherheit denken, und da er
wohl den Mut zu kämpfen, nicht aber zu sterben in sich fühlte, so
entschloss er sich zu einer freiwilligen Verbannung aus Frankreich.
Ehe wir ihn jedoch auf seiner Wanderung folgen, wollen wir noch
einmal einen kurzen Blick auf die Gesellschaft, die privaten und
öffentlichen Kreise zurückwerfen, in denen er von 1782 bis 1792
verkehrte.
Kapitel IV. Die Hauptveränderungen in der fran-
zösischen Gesellschaft von 1782 — 1792. Seit dem Jahre 1780
begann eich ein allmählicher Wechsel in den Sitten und Gewohn-
heiten der französischen Gesellschaft bemerkbar zu machen. An die
Seite der grossen Salons, wo sich die Schöngeister um eine berühmte,
geistreiche Frau zusammenzufinden pflegten und die zu besuchen
kein fremder Gesandter oder Potentat versäumten, traten bunt zu-
sammengesetzte Gesellschaften mit bedeutend seichterem geistigen
Niveau, in denen man über die verschiedensten Dinge, wie Mode-
artikel, Litteratur und ßegierungsknnst redete, sodass Paris nicht
mehr der salon par exellence war, vielmehr den Namen eines euro-
päischen Kaffeehauses verdiente. — Eine Haupterscheinung jener
Umwandlung der französischen Gesellschaft war das erwachende, in
den Sitten und Gewohnheiten immer mehr zum Ausdruck kommende
Gefühl für die Schönheiten der Natur nnd die Reize des Landlebens.
Horace Walpole schrieb über diesen Punkt am 5. August 1771 an
seinen Freund John Chute: „Ich beneide Euch um Eure Stachel-
beerpromenaden und sehne mich nach einem Fleckchen Rasen, wie
ein Seemann nach der Heimfahrt von langer Reise um die Welt.
Nur eins tröstet und beruhigt mich einigermassen, und das ist die
Mode, hier englische Gärten anzulegen ; freilich geht man damit nur
langsam vor, ich habe bis jetzt nur einen gesehen, und der glich t
der bunten Musterkarte eines Schneiders."
Auch Arthur Jouny, welcher auf seinen interessanten Reisen
auch Frankreich in den Jahren 1787 — 1790 besuchte, berichtet
uns über den zunehmenden Geschmack an ländlichen Partien, indem
218 Referate und Rezensionen, W. Bnimmert,
er folgendes schreibt: es herrscht in Frankreich die neue Mode,
einige Zeit auf dem Lande zuzubringen, seit mehreren Wochen (er
berichtet vom September 1787) ist es in Paris vollständig einsam
geworden; wer ein Schloss besitzt, hat darin seinen Wohnsitz ge-
nommen; wer nicht so glücklich ist, begibt sich wenigstens für
einige Zeit in eine ländliche Gegend, um Teil zu nehmen an den
Freuden der Jagd, der Ernte und ländlichen Festlichkeiten."
Und mit dieser Veränderung der Sitten und Gewohnheiten
ging eine ebensolche in der Sprache, Kunst und Litteratur Hand in
Hand. Die geschriebene wie die gesprochene B^de erfuhr in Ton
und Form eine tiefgehende Umgestaltung durch den begeisternden
Eindruck, den jene hen'lichen Naturschilderungen Diderot^s und
Bousseau's hervorriefen. Man begann Gefallen zu finden an einem
malerischen Stile der Sprache, der mit der Strömung des Gemüts
im Einklang stand und die Eindrücke und Gefühle, welche die
wunderbare Pracht der Natur im Menschenherzen erzeugte, durch
den sprachlichen Ausdruck genau wiedergab. Welch herrliche Ge-
mälde der Natur bieten uns nicht die Werke eines Diderot, Bousseau
und Florian, welch stimmungsvollen Bilder enthalten nicht die
Schriften des Bernardin von St. Pierre und von Frau von Sabran!
Hier, sieht man, ist . die Natur mit Verständnis angeschaut und mit
Meisterschaft von geistreichen Menschen gemalt worden.
Was wurde aber bei dieser allgemeinen Umgestaltung in dem
äusserlichen und geistigen Leben aus den alten Salons? — Sie
wurden teils, weil man ihre Mitglieder als Antirevolutionäre ins
Gefängnis warf, geschlossen, teils, wie schon angedeutet, durch min-
der hohe Ideale verfolgende Klubs ersetzt, die durch ihre Geistes-
richtung, durch Sprache und Gewohnheiten deutlich den Einfluss
Diderot's und Bousseau's erkennen Hessen.
Man kann sich leicht eine Vorstellung von dem durch den
Kampf der politischen Leidenschaften und Ideen herbeigeführten Ver-
fall dieser ehemals so glänzenden Salons machen, wenn man hört,
was ein berühmter Beisender und Geschichtskenner, namens Karam-
sine, in seinen „k^^res d*un voyageur russe en France, en AUemagne
et en Suisse" (1789—1790) über ihren Zustand berichtet: „Ich
ging, " sagt er an einer Stelle, „mit dem Abbö X die Strasse Saint-
Honor^ entlang, als dieser plötzlich stehen blieb und mit seinem
Stocke auf zwei unbewohnte Häuser deutend betrübt zu mir sagte:
„Hier bei dem Marquis D . . . versammelten sich einst Sonntags
geistreiche Damen und Männer aus den höchsten Kreisen und die
berühmtesten Schöngeister unseres Volkes, teils um zu spielen, teils
um untereinander über wissenschaftliche imd ästhetische Fragen zu
diskurieren ; man sprach über Probleme der Philosophie, über guten
Geschmack in der Wahl und Behandlung dramatischer Stoffe und
de Lescure: Rivarol ei la sociele franqaise etc. 219
über tausend andere Dinge ähnlicher Art. — Dort drüben zur
Gi^fin A . . . kamen jeden Donnerstag die tiefsinnigsten Politiker
beiderlei Geschlechts, man verglich die Ideen Mably*s mit denen
von Jean-Jaques, besprach sie und legte sich im Geiste den Grund-
plan für einen Idealstaat zurecht. — Sie kommen leider zu spät
naich Paris, denn jene schönen Tage, von denen ich Ihnen erzählte,
sind jetzt entschwunden, die glänzenden Zirkel sind auseinanderge-
rissen und die Mitglieder nach allen Richtungen der Welt hin zer-
streut; nirgend mehr bietet sich einem bedeutenden Geist Gelegen-
heit, den Abend in altgewohnter Weise zuzubringen."
Dieses Paris, wo die Freunde und Freundinnen entweder im
Gefängnis schmachteten, oder sich zur Auswanderung rüsteten, wo
sein Lieblingsaufenthalt, die Salons geschlossen waren, wo der Kultus
der Natur und die Religion des Gefühls ihm doppelt heftig die
Nerven erregte, vermochte auch Rivarol nicht länger zurückzuhalten.
Er verliess Frankreich, mit dem Bewusstsein allerdings, dass diese
freiwillige Verbannung für ihn mehr ein Unglück, als eine Befreiung
von Widerwärtigkeiten war.
Buch III. Die Auswanderung (1792 — 1800). Brüssel
und London (1792 — 1795). Nachdem Rivarol eingesehen hatte,
dass alle seine Anstrengungen, die Sache der Monarchie und des
Königs zu retten, vergeblich waren, entschloss er sich, freilich im
Augenblick der höchsten Gefahr, dem Beispiele so vieler anderer zu
folgen und sein Vaterland zu verlassen. Am 10. Juni 1792 trat
er, binglänglich mit Geldmitteln versehen, welche ihm das Journal
politique national eingebracht hatte, die Reise nach Brüssel an.
Dort wurde er schnell der Held der Gesellschaft und übte selbst
auf diejenigen, welche nicht in nähere Beziehungen zu ihm traten
und sein schriftstellerisches Talent kennen lernten, einen gewissen
Ginfluss aus. Er knüpfte Verbindungen mit dem Grafen Fersen an
und trat in Konnex zu dem Herrn von Breteuil, dessen Plan, alle
bisher zerstreuten und unter sich uneinigen Gruppen von Emigranten
zu verbinden und unter die gemeinsame Leitung der hervorragendsten
Persönlichkeiten aus ihrer Mitte zu stellen, ihm ungemein gefiel.
Aber entgegen den friedlichen Absichten BreteuiVs und trotz seiner
Mahnung zur Mässigung wurde unter dem geheimen Einfluss des
Grafen von Fersen und unter Mitwirkung von Calonne und Simon
ein unvorsichtiges and ungeschicktes Manifest abgefasst, dessen öffent-
liche Verkündigung durch den Herzog von Braunschweig vor seinem
Einmarsch in Frankreich geschah. Es wurde Frankreich darin als
besiegtes Land, Paris als eroberte Stadt behandelt und beiden mit
Strafen gedroht, die nur die blinde Wut einer rachsüchtigen Menge
verhängen konnte. Die Möglichkeit einer Aussöhnung mit dem
Vaterlande war darin gänzlich ausgeschlossen.
220 Referate und Rezensionen. W. Brummer l.
Gegen diese Proklamation trat nun Rivarol mit einer Art
von Gegenmanifest, datiert vom 8. August, auf. Er erklärte darin
den Baron von Breteuil für den alleinigen Inhaber der königlichen
Vollmachten und griff in empfindlicher Weise den Grafen von Fersen
wegen seiner Unvorsichtigkeit, Simon wegen seines Eifers, Intriguen
anzuspinnen, und Calonne w^n seiner unersättlichen Ehrgier an;
er nannte sie Männer, die durch die hinterlistige österreichische und
preussische Politik herrliche Thaten verrichten zu können meinten.
Es würde hier zu weit führen, noch näher in die Einzelheiten
des braunschweigischen Manifestes einzugehen; wer sich indessen
dafür interessiert, findet solche in den Erzählungen von Mallet du
Pan und besonders bei Fersen in dem Buche: le comte de Fersen
et la cour de France, extraits des papiers du grand mar^hal de
Suöde, comte Jean Axel de Fersen, par son petit-neveu, etc., Didot,
1748, t. II. pag. 2 ff.
Zehn Tage nach dem braunschweigischen Manifeste und zwei
nach demjenigen RivaroPs, ging das königliche Schloss in Flammen
auf, der König selbst wurde von den Revolutionären gefangen ge-
nommen und Belgien durch die am 5. November erfolgte voll-
ständige Niederlage der Verbündeten bei Jemmappes den Heeren
der Republik geöffnet.
Rivarol, der wie immer zur Einigkeit und Mässigung riet,
veröffentlichte eine Verteidigung des Königs, in weither er mehr
zum Herzen als zum Verstände sprach, allein seine Anstrengungen,
ihn zu befreien, waren erfolglos.
Ausser diesem Verteidigungsversach verfasste Rivarol in Brüssel
noch eine Reihe anderer Schriften, von denen wir hier nur, da es
zu weit führen würde, ihre Veranlassung und ihren Inhalt anzu-
geben, den Titel erwähnen ; es sind : lettre ä la nohlesse frangaise
au moment de sa rentree en France'^, ferner ein Fragment der
Geschichte der Revolution mit satyrischem Charakter, betitelt: De
la vie politique, de la fuite et de la capture de M. de sa Fayette^,
worin der Verfasser stellenweise viel Geist und Feuer zeigt, aber
es darum doch nicht zu einem Meisterwerke brachte, endlich das
letzte politische Werk Rivarol's, die durch englischen Einfluss zu
stände gekommene: Adresse du peuple beige ä la Majeste VEmpe-
reuTj in welcher er für die Aufrechterhaltung der belgischen Ver-
fassung eintritt.
Von denjenigen Persönlichkeiten, welche mit Rivarol von der
ersten Stunde der Verbannung bis zur letzten mit unerschütterlicher
Treue durch das Freundschaftsband verbunden waren, müssen wir
in erster Linie den Amsterdamer Banquier David Cappadoce Pereira,
einen Mann von viel Geist und Geschmack, erwähnen. Aus dem
Briefwechsel zwischen beiden ergeben sich eine Menge von wichtigen
de Lescure: Rivarol et La socieie franqaise etc. 221
Details, vermittelst deren wir im stände sind, das Bild des Ver-
hältnisses BivaroFs zu seinen Schicksalsgenossen zu vervollständigen.
Diese Schicksalsgenossen, welche mit unserm Autor auf nicht gerade
freundschaftlichem Fusse standen und nur durch Zufall in nähere
Beziehung zu ihm gebracht wurden, hiessen: Hallet du Pan, be-
kannt durch seine im März 1793 zu Brüssel veröffentlichten Con-
sidirations sur la Revolution frangaise, femer Malouet und Mont-
losier ; aus den Papieren des letzteren, die gleichsam den Keim seiner
unvollendet gebliebenen ^M6moires^ bilden, entnehmen wir, dass er
mit Rivarol, trotz der Verschiedenheit ihrer Charaktere, in einigen
der Brüsseler Salons und namentlich in dem der Frau von Montre-
gard häufig zusammentraf, um sich Über die politischen Ereignisse
des Tages zu unterhalten. Von dem in diesen Zusammenkünften
zu Tage tretenden glänzenden Talente Rivarol's als ,,Causeur" ge-
stand Montlosier, dass in dieser Eigenschaft nur madame de Sta^l
an ihn heranreichen könne.
Indes trieben die siegreichen Waffen der Revolution die Emi-
granten mehr und mehr aus Belgien heraus; sie wandten sich über
den Kanal nach England, und hier finden wir auch Rivarol in den
ersten Septembertagen des Jahres 1794 wieder. Man zählte in
London bereits vier Tausend französische Geistliche, die, um ihre
Bischöfe geschart, sich den Lebensunterhalt teils durch Handarbeiten,
teils durch Erteilen von Unterricht verdienten. Die Lage der Mehr-
zahl dieser armen Ausgewanderten musste anfangs, nach der Skizze
zu urteilen, die uns d'Haussonville nach den Erinnerungen seines
Vaters davon entwirft, geradezu trostlos sein, „Alle waren", heisst
es da, „in der ersten Zeit in die äusserste Not versetzt. Die Männer,
welche irgend eine Kunst oder Wissenschaft zu lehren verstanden
— und das waren nur wenige — erteilten Unterrichtsstunden darin,
die Frauen verkauften ihrer Hände Arbeit, welche in der Anferti-
gung von Strohhüten, künstlichen Blumen und Schachteln bestand.
Rivarol begegnete Chateaubriand, obgleich sich dieser auch in
London aufhielt, nirgendwo dort. Dies hatte seinen Grund darin,
dass Chateaubriand in ärmlichen Verhältnissen lebte und sich meist
in seiner stillen Dachwohnung verborgen hielt, wohingegen Rivarol
sehr viel in den hohen Kreisen der Londoner Gesellschaft verkehrte,
selbst auf die Gefahr hin, dort mit ihm unliebsamen Personen zu-
sammenzustossen, wie z. B. mit einem Herrn von Cazal^s, einem
seiner alten Feinde, der ebenfalls die vornehmen Gesellschaften be-
suchte.
Einst fügte es der Zufall, dass bei einer Festlichkeit, die der
Lord-Mayor veranstaltet hatte, jener Cazal^s, der auch eingeladen
war, bei Tische seinen Platz zwischen Rivarol und Malouet erhielt.
Der Letztere bemühte sich in unparteiischer Weise sowohl mit
222 Referate und Rezensionen, W. Brummeri,
diesem als mit jenem eine Unterhaltung anzuknüpfen, als er aber
ein Gespräch mit Eivarol beginnen wollte, zupfte ihn Cazal^s am
Rocke und brummte: „Was, Sie sprechen mit diesem Narr da? Ich
wundere mich, dass der Lord -Mayer einen solchen Menschen hier
zugelassen hat!" — Rivarol erwiderte, zu Malouet gewandt, jenem
in sehr gereizten Tone: „Wie, Sie reden mit Cazalös, diesem Tropf,
der wohl Dünste in seinem Magen, aber nicht eine einzige gute
Idee in seinem Kopfe hat?" — Malouet flirchtete nun einen heftigen
Auftritt zwischen beiden und erschöpfte sich in beruhigenden und
höflichen Zureden; er nahm Cazal^s beiseite und sagte: „Sie schätzen
Rivarol nicht nach Gebühr, Sie müssen doch wenigstens zugestehen,
dass er Geist besitzt. " — „Ja, knirschte jener zwischen den Zähnen
hervor, „wie ein Perrückenmacher.**
So verlief das ganze Diner, und Malouet hatte, wie man
denken kann, eine höchst unangenehme Stellung zwischen diesen
beiden Gegneim, die sich gegenseitig zu sehr verachteten um sich
direkt die Beleidigungen an den Kopf zu schleudern.
Derartige Auftritte in Verbindung mit andern unliebsamen
Vorkommnissen machten Rivarol bald zu einer in der Gesellschaft
nur mit geteiltem Jubel begrüssten Person; er merkte selbst recht
wohl, dass der Verkehr in den dortigen bekannten Kreisen nie ein
intimes Verhältnis, wie er es wünschte, herbeiführen würde, er fühlte
sich vereinsamt, ja gelangweilt und beschloss schliesslich, England
den Rücken zu kehren.
Die eigentlichen Gründe jedoch, die ihn zu diesem definitiven
Schritte trieben, erfahren wir nicht; es ist mehr als wahrscheinlich,
dass es andere waren, als diejenigen, welche er in einem Briefe an
den Abb6 von Villefort zu Ende des Jahres 1795 angibt, worin es
heisst: ^Ich habe England aus zwei Gründen verlassen, erstens, weil
mir das Klima dort nicht bekam und zweitens, weil ich zur Ab-
fassung eines Dictionnaire de la langue auf dem Kontinente leben
mnss. Übrigens fuhr er fort, bin ich nicht gern in einem Lande,
wo es mehr Apotheken als BäckerUlden gibt und man ausser ge-
backenen Äpfeln, keine reifen Früchte findet."
Wir wollen auch nicht erst die nähere Veranlassung zu seiner
Abreise von London zu erforschen suchen. Es genüge uns, zu
wissen, dass der tiefere Grund derselben das ihn quälende Gefühl
der Vereinsamung und des Verlassenseins mitten in den munteren
Kreisen der Gesellschaft war. Am 23. Dezember hatte er sich noch
an seine Freunde und besonders an Cappadoce, der zu jener Zeit in
Hamburg weilte, wohin er von Amsterdam geflohen war, mit der
Bitte gewandt, dass sie nach London kommen möchten, um dort
mit ihm den gastlichen Herd und traulichen Verkehr intimer Freunde
zu gründen, nach dem er sich bis jetzt vergebens gesehnt hatte.
de Lescure: Rivarol ei la societe franqaise etc. 223
Doch schon im Anfang des nächsten Jahres Hess er diese Lieblings-
ideo wieder fahren and schrieb am 26. April an Cappadoce, von
der Reise nach London abzustehen und ihn in Hamburg zu er-
warten.
Kapitel IL Hamburg (1795—1800). In den Jahren
1796 — 1799 war Hamburg, welches Rivarol scherzweise „conso-
latrix afflictionum et refugium peccatorum'^ nannte, das Ziel und der
Zufluchtsort für die Mehrzahl der aus vornehmen Familien stammen-
den Flüchtlinge. Vordem in glücklichen and zum Teil glänzenden
Verhältnissen lebend waren sie jetzt nichtsdestoweniger alle, oder
fast alle — denn wenige hatten reich ihr Vaterland verlassen —
darauf angewiesen, sich ihren HLglichen Lebensbedarf durch geistige
oder körperliche Arbeit zu erwerben. Es Hesse sich mit Hilfe der
Angaben in den zeitgenössischen Memoiren und besonders durch die
Benutzung der interessanten Denkwürdigkeiten des Grafen von Neuilly
eine ganze Liste von ehemaligen vornehmen französischen Aristokraten
aufstellen, welche ein bürgerHches Gewerbe betrieben oder in unter-
geordneten Stellungen bei hohen Herrschaften lebten. um nur
einige diesbezügHche Beispiele, welche wir der letzteren von beiden
oben erwähnten QueUen verdanken, anzuführen, sei bemerkt, dass
eine Gräfin von Asfeld in Gemeinschaft mit einem Marquis von
Romanne ih Hamburg einen Wein- und DeHkatessenhandel untere
hielt, dass eine Frau von Bormond in Schwerin ein Putzgeschäft,
ein Chevalier von Montmorency in Hamburg eine Kuchenbäckerei,
und eine Frau von Biencourt einen Tabakhandel betrieb, von der
Zahl der instituteurs und institutrices , der Sprachlehrmeister und
Gesellschaftsdamen, die sich zu Dutzenden anboten, gar nicht erst
zu reden.
Nur ein glücklicher Umstand bewahrte Rivarol, der sich schon
mit dem Gedanken vertraut gemacht hatte, künftig ebenfalls als
professeur de fran9ais auftreten zu müssen, vor dem harten Schick-
sal seiner aristokratischen Gefährten. Es fand sich nämlich nicht
aUein der „Spectat^ar du Nord" zur Aufnahme von Artikeln, die
er verfassen würde, bereit, sondern auch der Mitbesitzer dieses
Blattes, der Buchhändler Fauche-Bosel versprach ihm sogar, seine
Werke herauszugeben, und das eröffnete Rivarol die Aussicht auf
ein gutes Einkommen und ein behagliches Leben.
Bald erschienen nun im Spectateur grössere Beiträge und
kürzere Notizen aus der Feder Rivarol's. Eine kurze, aber sehr
beissende der letzteren Art enthielt eine Nummer des Jahres 1797
als Vorbemerkung zu dem darin abgedruckten Rivarorschen Essai
sur Vamitii, dessen Autorschaft, wie wir wissen, sich Mirabeau
zugeeignet hatte. „Der verstorbene Mirabeau", sagt Rivarol, „dessen
Brieftasche wie die der Mäkler immer voU von fremden Schrift-
224 Refei^aie und Rezensionen, W. Brumme?%
stücken war, besass eine Abschrift meines Essay sur Tamitie. Da
er aber nicht wiisste, dass derselbe bereits ein Jahr vorher im
Merkur abgedruckt war, gab er ihn seinen deutschen Freunden als
sein eigenes Produkt, wie die Sammlung seiner an Mauvillon ge-
richteten Briefe beweist."
Auf Seite 416 desselben Bandes findet sich eine Abhandlung
unter dem Titel: De la litter ature frangaise en 1788 ä Voccasion
cCun ouvrage de M. Florian] weiterhin ein anderer Artikel, den
man ihm ebenfalls zuschreiben kann, obgleich er mit dem Anonym
Lucius Apulejus unterzeichnet ist, mit dem Titel: lettre au Spec-
tateur, worin der Verfasser eine Besprechung von madame de StafiPs
Werk: De Vinfliience des passions darbietet.
Ausserdem brachte der Spectateur seinen: Discours preli-
minaire zu dem in Aussicht gestellten Erscheinen des „Noaveau
Dictionnaire de la laugue fran9aise" und einige üebersetzungsver-
suche der Armide mit Anmerkungen und Noten.
Aber die Mitarbeiterschaft RivaroVs am Spectateur war nur
von kurzer Dauer. Sein frühes Zurücktreten mag einerseits durch
den Umstand erklärt werden, dass von 1798 ab derselbe nicht
mehr in Hamburg, sondern im Holsteinischen erschien, andererseits
und hauptsächlich dadurch, dass Fauche seine Beteiligung an der
Redaktion desselben zu verbergen suchte und zwar deshalb, wie sich
später herausstellte, weil er dem Publikum darin schwindelhafte
Versprechungen gemacht hatte.
Durch einen Vertrag zwischen Eivarol einerseits und Fauche
andererseits, war nämlich ein Teil der Autorrechte des von jenem
verfassten Dictionnaire de la langue fran9aise an Fauche abgetreten,
und es war daher natürlich, das beide die grosse Verbreitung des
Spectateur als ein geeignetes Mittel benutzten, um dem Publikum
durch ihn jenes Werk anzuzeigen und zu empfehlen. Aber an der
Spitze jedes Exemplars des Discours prüirrdnaire du Nouveau
Dictionnaire de la langue frangaise^ durch dessen Herausgabe das
Erscheinen jenes Dictionnaire feierlich eingeleitet wurde, und ebenso
im 3. Bande des Spectateur paradierte ein von Fauche abgefasster
Prospekt, in welchem dieser allen denjenigen, welche auf den Dicti-
onnaire abonnieren würden, durch ein von ihm gratis verabfolgtes
Lotterieloos die Möglichkeit eröffnete, 500 resp. 6000 tourisdie
livres zu gewinnen. — Der schwindelhafte Charakter dieser Aner^
bietungen zeigte sich nur zu bald; denn als die glücklichen Besitzer
der Treffnummem ihren vermeintlichen Gewinn za erheben kamen,
präsentierte ihnen Fauche seinen reichhaltigen Bücherkatalog, indem
er bemerkte, dass dort jedes zu einem (jowinn ausgesetzte livre ver-
zeichnet stände; von Geldauszahlen war keine Bede.
Die Beziehangen, welche Rivarol mit anderen in Hamburg
de Lescure: Rivarol et la societe fran(^aise etc. 225
weilenden Personen anknüpfte, waren, wie man dies erwarten
konnte, hauptsächlich litterarische. £s gewährte ihm ein be-
sonderes Vergnügen, sich mit Leuten, die wie er selbst eine
grosse Lebhaftigkeit und Gewandtheit des Geistes besassen, in
litterarische Plaudereien und kleine Gefechte einzulassen.
Im Sommer des Jahres 1799 traf er zufällig und ganz un-
erwartet mit dem Abbe Delille zusammen, der von Braunschweig
nach Hamburg gekommen war, um sich von dort nach England
zu begeben. Beide trafen sich im Hause der Gräfin von Ver-
thumy. Man fürchtete das Schlimmste von dieser Begegnung,
aber sie verlief gegen alles Erwarten ruhig und die beiden vor-
dem so erbitterten Gegner beschlossen sogar, fortan auf fried-
lichem Fusse zu leben. — Vielleicht war für jeden von ihnen
das Gefühl, dass sie beide Royalisten und Ausgewanderte waren,
ein Grund zur gegenseitigen Schonung gewesen.
Wenn auch Rivarol die Begegnung mit L6nac de Meilhan,
dem Verfasser des Werkes über: le gouvernemeaty les mosurs et
les conditions en France avant la Revolution^ das ihn in die erste
Reihe der Schriftsteller des 18. Jahrhunderts stellte, geflissent-
lich vermied, so suchte er dafür in dem freundschaftlichen, herz-
lichen Verkehr mit dem Grafen Alexander von Tilly nnd dem
durch seine Briefe berühmt gewordenen Dichter Livult Chene-
doll6 Entschädigung. Er bewies dem letzteren sogar eine fast
väterliche Zuneigung und ermunterte ihn unaufhörlich in seinen
dichterischen Bestrebungen.
Man könnte, um die Reihe der Namen, welche sich an den
Aufenthalt RivaroPs in Hamburg knüpften, einigermassen voll-
ständig zu machen, zu den Personen, die in ein mehr oder min-
der intimes Verhältnis zu ihm traten, noch hinzufügen: den
Marquis von la Tresne, einen Mann von hohem Geist und viel
Talent und bekannt als geschickter Übersetzer Virgil's und Klopp -
stock's; den Marquis von Romance, den ehemaligen Bischof von
Autun, welcher vielfach im Hause der Fürstin von Vaudemont
verkehrte, femer die Gräfin von Flahaut, die sich in der Litte-
ratur durch ihren hübschen Roman „Adöle de S6nanges" einen
Namen machte; Frau von Saint- Chamond und endlich Frau
Gromot de Fongy.
Es mag auffallend erscheinen, dass unter diesen Personen,
mit denen unser Autor. Umgang hatte, Damen eine nicht unbe-
deutende Rolle spielen. Dies erklärt sich aber aus der Vor-
liebe, mit welcher Rivarol in Gesellschaft von Damen sprach,
weil ihre meist mit einem freundlichen Lächeln begleiteten Bei-
fallsäusserungen und Lobspenden ihm weit angenehmer, als die
trockenen Anerkennungsworte der Männer, und ihre Urteile wegen
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI 3. 25
aJ26 Referate u/ui Rezensumen. W. Brummeri,
des bei ihnen bedeutend höher entwickelten Gefühls für die Fein-
heiten der Sprache ihm von höherem Werte, als die seiner
Freunde waren.
Länger jedoch als fünf Jahre sagte Rivarol auch in Ham-
burg der Aufenthalt nicht zu, trotzdem die unaufhörlich andrin-
genden Fluten neuer Ankömmlinge ihm ein stetig sich verändern-
des Bild von interessanten Charakteren und vielfache Gelegen-
heiten zur Anknüpfung neuer Verbindungen bot. Er sehnte sich
hinaus aus der Stadt mit dem dichten Nebel, wo der Sinn der
Bürger nur auf Handel sintere ssen gerichtet war, und begrüsste
deshalb die ihm im Herbste des Jahres 1800 von Ludwig XVIH.,
der sich damals in Mittau aufhielt, erteilte Weisung, sich in
dienstlicher Mission zum König von Preussen nach Berlin zu be-
geben um so mehr, als ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied
der dortigen Akademie, zu dem er infolge seines Discours sur
Tuniversalit^ de la langue fran^aise ernannt war, die litterarischen
Salons und andere Zirkel der Berliner Gesellschaft offen standen.
Kapitel HL Berlin. Um gegen den gebieterischen
Einfluss des französischen Gesandten in Berlin, des Generals
Beurnonville anzukämpfen und zugleich, um von dem Könige
Friedrich Wilhelm HL eine Zufluchtstätte für seinen vom rus-
sischen Kaiser Paul L grausamer Weise aus Mittau vertriebenen
König zu erlangen, begab sich Rivarol nach Berlin zur Unter-
stützung des Marquis von Moustier, der an dem dortigen Hofe
die Interessen Ludwig's XVIH. wahrzunehmen hatte.
Sein Empfang von Seiten des Hofes war von demjenigen,
den ihm die Stadt bereitete, durchaus verschieden. Während
jener in dem Neuangekommenen nur den lästigen Gesandten und
Fürbitter eines thronlosen Königs sah, begrüsste diese in ihm
den ausgezeichneten „Causeur" und überhäufte ihn mit Ehren-
bezeugungen.
Daher waren denn auch alle seine Bemühungen , bei Hofe
vorgelassen zu werden, vergebens. Friedrich Wilhelm UI.
fürchtete nämlich, wenn er ihn offiziell empfing, den Unmut des
Gesandten der Republik zu erregen und schob als Entschuldi-
gungsgrund seiner Weigerung die Bestimmung des verstorbenen
Königs vor, nach welcher französischen Ausgewanderten von
Rang und Stand der Zutritt zum preussischen Hofe nur dann
gestattet war, wenn sie sich durch eine Bescheinigung von vier
schon vorgelassenen Landsleuten als dieser Ehre würdig erweisen
konnten, und da der König hartnäckig auf dieser Forderung eines
Empfehlungsschreibens bestand, so blieben für Rivarol die Thüren
des. königlichen Empfangsalons vorläufig geschlossen, bis er Mittel
J
de Lescure: Rivarol et la socie'ie fran(^aise eic, 227
und Wege gefunden hatte, seine Absicht auf andere Weise zu
erreichen.
Trotz dieser wenig erfreulichen Behandlungsweise seitens
des Hofes waren die Eindrücke, welche Rivarol von Berlin em-
pfing, Dank seinen durchschlagenden Erfolgen in der gebildeten
Gesellschaft, wo sich die Huldigung-en , die man ihm allseitig
darbrachte, allmählich zu wahren Triumphen für ihn steigerten,
bedeutend günstiger, als in Hamburg. Dies spricht sich auch
in einigen seiner Briefe aus: „Obgleich hier alles", schrieb er
in einem derselben, „das militärische Gepräge Sparta's trägt,
gibt es doch auch Tempel für die Musen. Freilich wird im
allgemeinen die militärische Taktik mehr geachtet, als die Be- '
schäftigung mit philosophischen Problemen; dies erklärt sich
daraus, dass man die Männer, welche ein Handwerk daraus
machen, zu töten und sich töten zu lassen, weit »über die-
jenigen stellt, die gar keinen Anteil am Waffenhandwerk und
den Wechselfällen des Krieges nehmen. Dafür kann aber der<
jenige, welcher wirklich Talente und Lust zur Wissenschaft be-
sitzt, sicher sein, einen Beschützer zu finden. Wer hier befiehlt,
der weiss sich auch beliebt zu machen, ohne von seiner Achtung
etwas zu vergeben, oder die Pflichten, welche ihm sein Rang
auferlegt, zu vergessen; wer arm und unglücklich ist, darf ge-
trost auf die Unterstützung seitens seiner Mitmenschen hoffen.^
Die schmerzliche Sehnsucht nach dem Vaterlande, die ihn
zuweilen ernst und melancholisch stimmte, wurde durch den Ver-
kehr in glänzenden Salons, die sich seinen Besuch zur beson-
deren Ehre rechneten, durch das besondere Wohlwollen der
Königin Louise, durch die Erneuerung alter Bekanntschaften und
die Anknüpfung neuer freundschaftlicher Beziehungen bedeutend
gemildert.
Er begegnete nämlich in Berlin dem Chevalier von Boufflers
und dessen Gemahlin, der Frau von Sabran, fand dort auch
seinen alten Freund, den Grafen von Tilly wieder und verkehrte
mit diesem häufig in dem Salon des Barons von Krüdener.
Dazu besuchte er von Zeit zu Zeit die Abendgesellschaften des
Prinzen Heinrich von Preussen auf dessen Schloss Rheinsberg,
wo auch Bouffiers und die Marquise von Sabran gern gesehene
Gäste waren.
Von dem bedeutendsten Einfluss auf seinen Geist und sein
Herz, der sich auch auf sein äusseres Leben ausgebreitet haben
würde, wenn ihn nicht ein früher Tod so plötzlich hingerafft
hätte, war aber der herzliche, freundschaftliche Verkehr mit der
Fürstin Dolgorowki. Diese Dame besass nicht allein eine wun-
derbare und seltene Schönheit, welche griechische Regelmässig-
15*
228 Referate und Rezensionen, W. Brummert,
keit der Formen mit biblischer Reinheit der Linien vereinigte,
sie war auch geistreich, wie eine Französin und liebte Frank-
reich, das ihr ein Adoptiwaterland geworden zu sein schien ; so
sehr war sie eingenommen für französischen Geschmack, für
französische Moden und Sitten.
In der Freundschaft mit dieser Frau fand Rivarol Ersatz
und Trost für die vielen ihm widerfahrenen Enttäuschungen und
zugleich die Wiederversöhnung mit allen seinen Hoffnungen,
selbst mit derjenigen, sein Vaterland wiederzusehen. Sie wurde
seine Bundesgenossin, und ihrem mächtigen Einflüsse und erfin-
derischen Eifer hatte er es zu verdanken, dass seine Pläne und
stillen Hoffnungen endlich Verwirklichung fanden. Auf einem
Maskenballe steckte sie nämlich der Königin eine Bittschrift
Rivarol*s, worin er sein Anliegen in artigen und anmutigen Versen
ausgedrückt hatte, unter dem Schutze der auf solchen Bällen er-
laubten Freiheit heimlich zu, und der schliessliche Erfolg war,
dass Ludwig XVIH. mit seiner Nichte ein Asyl in Warschau
angewiesen erhielt.
In allen Briefen vom Anfang des Jahres 1801 drückt Ri-
varol den Wunsch aus, wieder in sein Vaterland zurückzukehren
und dort in der Hauptstadt mit der Fürstin, seiner edlen Freundin,
welche ja Paris ebenso liebte, wie er selbst, die Reize eines
ungestörten, von den bisherigen WechselfUUen befreiten Residenz-
lebens zu gemessen. Er ahnte nicht, dass der Tod ihn noch in
demselben Frühjahr der ewigen Heimat zuführen würde. Schon
im Februar 1801 stellten sich Krankheitssymptome bei ihm ein,
die ihn hätten veranlassen sollen, mit seiner bisherigen zügellosen
und genusssüchtigen Lebensweise zu brechen; aber entweder ein
unbegreiflicher Leichtsinn oder die überwältigende Macht der
Leidenschaft, die er nicht mehr beherrschen konnte, machten ihn
blind gegen die Gefahr, und, als sich in den ersten Tagen des
April die Folgen seines allzu weltlichen Lebenswandels von
neuem in einem heftigen Fieber, oder nach anderen in einem
schmerzlichen Gallenübel zeigten, waren seine Lebenstage ge-
zählt; er erlag seinen Leiden nach kurzem Krankenlager am
11. April 1801.
Sulpice de la Plati^re erzählt, dass nach dem Tode Ri-
varol's die Fürstin Dolgorowki, in der Absicht ihm, wie so oft
im Leben, auch im Tode noch eine Wohlthat zu erweisen, sich
in allen deutschen Zeitungen als die Verwalterin der von ihm
hinterlassenen Summen angekündigt und die Gläubiger des Ver-
storbenen um Angabe der von ihnen zu fordernden Beträge ge-
beten habe.
Diese Angabe, welche von dem Journal des D6bats am
de Lescure: Rivarol et la societe franqaise etc. 229
14. Mai 1801 und auch später von allen Biographen Rivarors
wiederholt wurde, ist jedoch nach dem Zeugnisse Dampmartin^s
der bei RivaroFs Tode zugegen und auch sein Testamentsvoll-
strecker war, vollständig erfunden.
Wenn es Rivarol auch nicht vergönnt war, sich einen Platz
in der Reihe der bedeutendsten französischen Schriftsteller des
18. Jahrhunderts zu erwerben, so wird dennoch die Nachwelt
seine schriftstellerischen Leistungen zu würdigen wissen und ihm
ein ehrenvolles Andenken bewahren.
W. Brümmert.
Litterarische Chronik.
Scbulgranunatikeii. — Grammatiscbe Schriften.
Ciala, Französische Schulgrammatik. Mittelstufe, 2. Auflage. Bear-
beitet von H. Bihler, Prof. am Gymn. zu Karlsruhe. — Leip-
zig, Teubner 1883. — VIII und 200 Seiten.
Die vielfachen Mängel der Ciala'schen Grammatik und besonders
die zahlreichen Schnitzer, welche auf des leider inzwischen verstorbenen
Verfassers Sprachkenntnis bedenkliches Licht warfen, hat der Unter-
zeichnete in Herrig's Archiv ausführlich besprochen (Bd. 68, S. 98- 103).
Unterdessen ist die für Tertia bestimmte Mittelstufe vollständig umge-
arbeitet worden, und zwar von einem Manne, der mit Ciala^s wissen-
schaftlicher Systematik noch *eine gründliche Kenntnis der lebendigen
Sprache verbindet und somit befähigt war, zunächst die Sprachfehler zu
beseitigen. H. Bihler war zudem in der glücklichen Lage, von den teil-
weise sehr ausführlichen Gutachten Einsicht zu nehmen, welche die Ba-
dische Oberschulbehörde im Jahre 1882 über die seit zwei Jahren an
den dortigen höheren Lehranstalten eingeführte Ciala'sche Schulgramma-
tik eingefordert hatte, und hat die zahlreichen, sich teilweise wider-
sprechenden Urteile und Reform vorschlage mit weiser Einsicht benutzt.
Als erster Fortschritt der zweiten Auflage sei die ganz neue An-
ordnung der sogenannten unregelmässigen Verben begrüsst. Ciala hatte
die Einteilung in starke und schwache Konjugation streng durchgeführt
und die Verba demgemäss geordnet. Da die meisten Stimmen der ba-
dischen Fachleute sich entschieden gegen dieselbe ausgesprochen hatten, so
kehrte Bihler zur althergebrachten Anordnung zurück. Elf kurze Laut-
gesetze schickte er voraus, um den Schüler zum voraus zu orientieren
und auch um der sprachwissenschaftlichen Behandlung das übliche Rauch-
Opfer zu bringen. Vielleicht hätte er hier noch einen Schritt weiter
gehen und neben jeden Infinitiv den Präsensstamm bzw. über jeden
Paragraphen den Namen der betreffenden Klasse setzen dürfen, — soweit
nämlich gleiche Stämme zusammengestellt sind, — z. B. über conntätre
etc.: „Inchoativstämme", über ecrire etc. „v- Stämme" u. dgl. Durch die
geschickte Gruppierung ist der Lehrstoff auf 20 §§ verteilt, wozu in § 21
die Defektiva kommen. Hier geht nun das Streben nach Vollständigkeit
zu weit: Formen wie ardre, ü ard, qu*il arse, Part ards, ars gehören nie
und nimmermehr in eine Schulgrammatik; die Infinitive apparoir, cha-
loir, souloir ebensowenig, zumal wenn dieselbe Grammatik unter andern
Schulgrammatiken. Grammatische Schäften. 231
Regeln die über Pluralbildung so unvollständig gibt. Es sind z. B. von
den 7 Ausnahmen auf -ou nur hijo\i, caillou, genoM, von den 6 auf -al
gar nur hal, von denen auf -ail nur travail angegeben. Bei den Femi-
nina auf -eresse vermisst man chasseresse, de f ender esse, enchanteresse,
fecheresse und so fort.
Wohl könnte der seltene Gebrauch der einen oder anderen jener
zuletzt angeführten Ausnahmen geltend gemacht werden: aber das Ver-
fahren muss in einem Schulbuche konsequent sein. Entweder beschränke
man den Lehrstoff überall wo es möglich ist, oder man gebe dem Schü-
ler ein vollständiges Nachschlagebuch für alle in der Schullektüre
vorkommenden Formen in die Hand. Bihler hat im Abschnitt über die
Verba den letzteren Weg gewählt, während er leider in der Formenlehre
des Nomens allzu eklektisch verfuhr. — Die anderen Abschnitte der
Grammatik sind fast unverändert aufgenommen, so auch die ungenügende
Kegel über die zusammengesetzten Substantiva. Nur § 22 (früher 25)
hat eine sehr vorteilhafte Umarbeitung erfahren, indem die von Ciala
unpraktischer Weise zum Teil nach § 27 verschlagenen Partizipregeln
hier wirklich trefflich zusammengefasst sind.
Auch in den Übungssätzen erkennt man auf Schritt und Tritt die
bessernde Hand des praktischen Schulmannes. Die anrüchigen Sätze der
französischen §§ wurden unbarmherzig geopfert (doch fristet les entrants
§ 3, 1 noch sein zweifelhaftes Dasein); jedem der §§ 1—23 ist ausserdem
eine kleine zusammenhängende Übung, wohl zur Repetition, beigefügt
worden.
Von grosser Wichtigkeit für die Brauchbarkeit der neuen Auflage
im Unterricht ist ferner die Zugabe eines sorgfältig zusammengestellten
und völlig ausreichenden Lesebuches. Somit braucht der Tertianer nur
ein französisches Buch; und höchstens im letzten Semester wird bei guten
Klassen die Beschaffung weiterer Lektüre notwendig sein. Der poetische
Teil umfasst 36 Gedichte (auf 20 Seiten), unter denen auch solche neue-
sten Datums sind, wie Nr. 7 Le soldat von Paul Deroulede, dem be-
rüchtigten Schreier, aber guten Dichter. Vielleicht ist H. Bihler im
löblichen Streben, möglichst viel neuen Stoff zu bringen, ein wenig weit
gegangen: Obskure Dichterlinge wie Nioche, Bourguin, Bonnard,
Flau, Malan, Lonlay, Catalan finden sich in rührender Eintracht ne-
ben Heroen wie La Fontaine, Bäranger, Victor Hugo, Musset und neben den
beliebten Schulpoeten Dovalle, Millevoye, Chönedollä etc. etc. Auch sind
etliche der aufgenommenen Gedichte gar zu unbedeutend oder seicht, wie
No. 15, 16, 20, 21. Etwas mehr Fabeln, wie sie ja bekanntlich die Ju-
gend so gerne liest, hätten den poetischen Teil des Buches noch will-
kommener gemacht.
Die 32 Prosastücke (S. 126 — 165) bieten einen reichen und man-
nigfachen Lesestoff für jeden Geschmack. Neben harmlosen Geschichten
findet man gediegene historische Erzählungen aus Mittelalter und Neu-
zeit, Schilderungen und Beschreibungen, alles aus den besten Autoren
entnommen. Einen klaren Begriff vom Abstand zwischen dem Franzö-
sischen zur Zeit Saint-Simons — das betr. Stück hätte vielleicht durch
ein inhaltreicheres ersetzt werden können — und der heutigen Sprache
gewinnt man durch Lesen des Geschichtleins vom wandelndeh Hause
(No. 27) neben dem Referat des Debatskritikers Bärard-Varagnac
über Henry Stanley's berühmte Reisebeschreibung (No. 32). Als beson-
deres Verdienst des Herausg. mag erwähnt werden, dass er das bekannte
Abenteuer Courier 's in Calabrien und des Knaben Rousseau in der
Dorfkirche nicht wie die sich gegenseitig abdruckenden Lesebücher in
verstümmelter und verkürzter Gestalt wiedergibt.
232 Litieraiische Chronik, A. Rhode,
Bei Bearbeitung der dritten Auflage muss aber der Verf. die drei
Vokabelverzeichnisse sorgfältig umarbeiten. Ein grosser Fortschritt ist
zwar da, im Vergleich zum Wüste Ciala'scher Derivate; aber es ist nicht
recht ersichtlich, wie Bihler sich die Benutzung der Vokabelverzeichnisse
dachte. Die Mangelhaftigkeit derselben tritt besonders bei der Lektüre
hervor: Referent musste im eigenen Unterricht oft mehr als noch einmal
so viel Vokabeln diktieren, als in der PrSparation angegeben waren, was
höchst zeitraubend und unangenehm ist. Von Tertianern kann man im
ersten Jahr doch nur die 900—1000 Wörter verlangen, die sie in Quarta
kennen lernten. Oder sollte man auf den Missgriff geführt werden, auf
dieser Stufe schon dem Schüler ein Lexikon in die Hand zu geben?
Zum Schluss noch ein paar Druckfehler: 109, 8 v. u.; 110, 6 v. u.;
116, 7 V. u.; 117, 15 v. o.; 143, ,20 v. u.; 102, 16 v. o., 93, 27 v. o. sind
Accentfehler (wir rechnen dabei ^ mit); ein Apostroph fehlt 133, 8 v. u.;
le tonuerre ist zu schreiben st. la S. 112; das e von «ncore zu tilgen S. 110;
en vain zu trennen S. 1Ö7; suivie ohne s S. 109; regarda fixement zu
schreiben S. 128 st. garda; S. 143 sind im letzten Abschnitt Buchstaben,
verschoben; S. 140 schreibe appele ohne s\ S. 172 schreibe man gentil,
üe st. e; S. 173 Reeder st. Rheder; S. 41, Satz 7 das Tiret zwischen tres
mal zu tilgen, ibid. Satz 11 malheureu^e? zu schreiben st. sse; § 14, 7
abandonner zu schreiben etc. etc. ; bei den Verben § 5 lese man jaiUir
hervorsprudeln, statt saillir.
Hoffentlich folgt die dritte Auflage des trotz dieser geringen Män>
gel trefflichen Buches bald in gereinigter Gestalt.
J. Sabbazin.
J. Masberg, Französische Grammatik für sechskUissige Schulen. Stutt-
gart und Berlin. Verlag von W. Spemann, 1883.
Das vorliegende Buch ist für höhere Bürgerschulen berechnet, bei
denen naturgemäss das Französische im Mittelpunkte des Sp^-achunter-
richtes steht und die im Zeitraum von 6 Jahren „eine innerhalb engerer
Grenzen gewonnene allgemeine Bildung geben sollen". Es ist für drei
Jahre berechnet und zerfällt in vier Abteilungen: A. Lautlehre (S. 3— 12) ;
B. Formenlehre mit Übersetzungsstücken (S. 13 — 161); C. Lesestücke
(S. 161-186); D. Wörterbuch (S. 187— 243). Zuletzt folgt ein die Verben
behandelnder Anhang (S. 244—297). An dem Buche gefällt mir, dass
der Verf. die Regeln meistens kurz und bündig gibt. Zusammengehöriges
nicht auseinander reisst, und vor allen Dingen in diesem für die ersten.
Jahre bestimmten Buche alles seltene und unnütze über Bord wirft. ^)
Aus diesem Grunde erscheint mir das Buch für lat einlöse höhere
Bürgerschulen empfehlenswert, wenn es auch noch verschiedene schwache
Seiten zeigt und an manchen Stellen der bessernden Hand bedarf. Gleich
die Lautlehre zum Beispiel findet nicht durchgeh ends meinen Beifall.
Ich bin mit dem Verf. vollständig einverstanden, dass er dieselbe von
der Formenlehre trennt, aber einer schlechten Aussprache — über die
Masberg selbst in der Vorrede klagt — kann meines Erachtens nur dann
abgeholfen werden, wenn wir die Resultate der Lautphysiologie für die
Schule verwerten und die Sache gründlicher und systematischer be*
^) Als ein nachzuahmendes Beispiel möchte ich die auf Seite 99
gegebene Regel über die unregelmassige Pluralbildung empfehlen, wo es
einen ordentlich wohlthuend berührt, dass die Kohlarten, Läuse, Pacht-
kontrakte, Kellerlöcher, Schwielen, Schakale u. a. nicht der Aufnahme
gewürdigt werden.
Schulgra7nmaliken. Grammatische Schriften, 233
handeln als dies bis jetzt geschehen ist. So, um nur einen einzigen
Punkt herauszugreifen, erwähnt Masberg, dass o und e im Französischen
geschlossen und offen vorkommen, aber über die anderen Vokale gibt er
in dieser Hinsicht nichts oder durchaus ungenügendes, und doch kommt
für den Schüler erst Klarheit in die Sache, wenn er erfährt, dass jeder
Vokal mit straffer oder schlaffer Zunge gesprochen werden kann, und
dass die i-, u- e/-Laute französisch nur geschlossen vorkommen. An
einigen anderen Stellen finden sich Verstösse gegen die historische
Grammatik. So soll (S. 89) in donnes-en, portes-y das s ,.wieder aufge-
nommen" werden. Das ist falsch, weil wegen der direkten Ableitung
vom lateinischen Imperativ die Form ursprünglich gar kein s hatte.
S. 81 wird bei der Bildung des Adverbs von dem , jetzt veralteten Wört-
chen ment^ gesprochen, als ob dasselbe je im Französischen ein selbstän-
diges Wort gewesen wäre.
In Betreff der Behandlung des Verbs beruft sieh Masberg auf die
Bemerkungen Foerster's in dieser Zeitschrift Bd. IV, Heft 2, S. 24, wo
ein einfaches Memorieren des Thatsächlichen im Verb empfohlen und
behauptet wird, dass auf diesem Wege der Schüler am allerleichtesten
sich die Formen aneigne. Damit hat der Verf. in dieser so oft venti-
lierten Frage seinen Standpunkt gekennzeichnet, nur hat er nachher bei
der Ausführung denselben nicht konsequent innegehalten, sondern durch
einzelne (zuweilen sonderbare) Bemerkungen unter dem Texte gleichsam
ein gemischtes Verfahren eingeschlagen. So steht bei ecrire S. 290:
„Vor den vokalisch anlautenden Endungen wird v eingeschoben (nous
eanvons)'^. Bei äbsoudre und resoudrei „rf fällt aus vor den Endungen
s und t, ou wird zu Iv vor den vokalisch anlautenden Endungen; je-
doch wird im Pass^ däfini das v ausgestossen", Derartige Bemerkungen
dürften schwerlich den Beifall Foerster's finden. Auf andere Punkte hier
noch näher einzugehen, verbietet der mir zugemessene Raum.
0. Schulze.
Französische Elementar-Grammatik für Realschüler von Hermann Brey-
mann. München, Oldenburg. 1884. 74 S. 8.
Wunderbar, trotzdem sich die Überzeugung von der Notwendig-
keit einer gänzlichen Umgestaltung des neusprachlichen Unterrichts in
immer weiteren Kreisen Bahn bricht, trotzdem seit Jahr und Tag nam-
hafte Fachleute mit aller Energie auf eine solche dringen, behauptet die
Plötz-Plate'sche Unterrichtsmethode im grossen und ganzen noch immer
das Feld! Der Grund dieser auffallenden Erscheinung liegt einesteils in
dem Umstände, dass der Anfangsunterricht in den neueren Sprachen
noch ziemlich weit verbreitet in den Händen von Elementarlehrern, sog.
Mittelschullehrern^) ruht, andernteils aber auch darin, dass der neu-
sprachliche Unterricht in vielen Fällen als Nebenfach von Nichtfach-
männern erteilt wird, denen Neigung und Vorbildung für eingehendes
Studium der Fortschritte unserer Wissenschaft abgehen.
Zu diesen Übelständen gesellte sich nun seither noch die That-
^) Auf die Schädlichkeit dieser Einrichtung, der es unser Fach
zum grossen Teil zu verdanken hat, dass es nicht schon längst dem der
kl. Philologie als völlig ebenbürtig angesehen wird, ist von berufener
Seitd noch lange nicht nachdrücklich genug hingewiesen.
334 Litterarische Chronik. G. WiUenberg,
Sache, dass es für den Anfangsunterricht des Französischen an einem
Lehrmittel fehlte, welches die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung,
namentlich der Lautlehre, für die Lehrpraxis im Zusammenhange ver-
wertbar gemacht hätte. Für das Englische hat Victor^) bereits 1879
eine zweckentsprechende Formenlehre geliefert, für das Französische ist
durch obiges Schriftchen Breymann's das Eis gebrochen. Wir neueren
Philologen, soweit wir im Schuldienste stehen, sind dem für Hebung
unseres Faches unermüdlich thätigen Verfasser daher zu besonderem
Danke für seine Arbeit verpflichtet. Möge er als Ausdruck desselben die
bescheidenen Bemerkungen eines Schulmannes ansehen, der den Fort-
schritten der Phonetik mit grossem Interesse gefolgt ist und bereits selbst
in der Praxis, soweit dies unter den jetzigen Verhältnissen möglich ist,
Gelegenheit gehabt hat, sich von der Vorzüglichkeit der neuen Lehr-
methode zu überzeugen.
Das Breymann'sche Büchlein ist in zwei Ausgaben, eine für Lehrer
(Preis 1 Mark), die andere für Schüler (Preis 60 Pf.) erschienen. Erstere
unterscheidet sich von letzterer nur durch Hinzufügung eines 20 Seiten
langen Anhangs, in dem die französischen Sprachlaute nach ihrer phy-
siologischen Beschaffenheit und Entstehung beschrieben werden. Wir
würden es für zweckmässig erachtet haben, wenn Br., ähnlich wie Vietor,
eine solche Beschreibung, natürlich mit möglichster Kürze, auch den für
die Schüler bestimmten Exemplaren vorausgeschickt hätte, anstatt sofort
die von ihm zur phonetischen Bezeichnung gewählten Schriftbilder (er
benutzt dazu die Druckbuchstaben der deutschen Frakturschrift) dem
Schüler vorzuführen und französische Wörter als Proben daneben zu
setzen. Der Schüler erhält dadurch nicht von vorn herein das so not-
wendige Bewusstsein, dass diese Zeichen gewisse Lautwerte der franzö-
sischen Sprache vorstellen, die sich durchaus nicht 'alle mit denen der
eigenen Sprache decken. Auch lässt ihn die Thatsache, dass dasjenige,
was ihm vorgesprochen wird, sich beschreiben und danach genau nach-
ahmen lässt, zuversichtlicher an die anfangs mühsame, aber unerlässliche
Zungen- und Mundgymuastik herangehen.
In die Lehre von der Konjugation hat Br. die auch von Lücking
adoptierte Einteilung Chabaneau's in lebende und tote oder archaische
Konjugation aufgenommen. Über diesen terminus rechtet von Sallwürk
mit Lücking (vgl. Litt. Bl. für rom. u. germ. Phil., 1884, 288) und wir müssen
ersterem beipflichten. Der Ausdruck ist hier verfrüht, denn die Schüler
können sich darunter noch nichts rechtes vorstellen. Es wäre u. E, besser
auf dieser Stufe überhaupt nur von einer Konjugation zu reden,
§ 124 behandelt die Stellung der persönlichen Fürwörter unter
einander. Hier geht Br. merkwürdigerweise noch in Plötz'schen Schuhen.
Sollte nicht die Erklärung nach dem von Kühn (Methode des fmnz.
Unterrichts, p. 31) angegebenen Prinzipe besser so zu fassen sein : Das
nähere Objekt steht dem Verb zunächst, gleichviel ob es vor- oder nach-
steht, nur lui und leur machen vor dem Verb stehend eine Ausnahme?
§ 140, 3 lautet: Ist das Relativ von einer Präposition abhängig
und bezieht es sich auf eine Sache, so muss dasselbe durch lequel, la-
quelle etc. übersetzt werden. Hier wäre der Schluss abzuändern in „über-
setzt und nachgestellt werden". '
Es Hessen sich bei längerem Gebrauche des Buches gewiss noch
^) Die dazu angekündigten Übungsbücher sind bis jetzt leider noch
nicht erschienen, was der allgemeinen Verbreitung des Werkchens hinder-
lich gewesen ist.
Schulgrammatiken. Grammatische Schriften. 235
mancherlei Besserungsvorschläge auftinden, worauf sich ja auch Br., wie
er ausdrücklieh in der Vorrede bemerkt, selbst gefasst macht. Für heute
mögen diese wenigen Bemerkungen genügen, um Interesse für sein
Schriftchen auch bei denjenigen Fachgenossen zu erwecken, die der
neueren Richtung, welcher die Zukunft gehört, bisher noch fern gestan-
den haben. Denjenigen aber, die voll Selbstbewusstsein auf ihre, an der
Hand der alten Methode erzielten Resultate blicken und die neueren
Forschungen mit überlegenem Lächeln als Tüfteleien oder gar, was noch
naiver ist, als Modesache ohne genaue Prüfung von der Hand weisen,
rufen wir zu : „Fahrt fort elende Hütten zu bauen, wo Mittel und Wege
zu Gebote stehen, schöne Paläste zu errichten. Wir kommen doch noch
an die Reihe!"
A. Rhode.
Die Lehre vom französischen Verb auf Grundlage der historischen Gram-
matik von Dr. Hermann Breymann, Professor an der Uni-
versität München. München und Leipzig, R. Oldenbourg. 1882.
136 S. 8.
Das vorliegende Buch hat bereits mehrfache Beurteilungen in ver-
schiedenen Zeitschriften gefunden, u. a. - so viel uns bekannt gewor-
den — von H. Isaac im .,Centralorgan f. Realsoh." XI, 485 -- 488 ; von
Wolpert in den ».Blättern f. d. bayr. Gymnasialwesen" XIX, 145 - • 149 ;
von K. Mayer in der „Ztschr. f. d. Gymnasialwesen" XXXVII, 474 bis
485 ; von StengeKim ^Päd. Archiv" 1883, S. 375—386, und von Heiner,
ib. S. 386—396. ' . '
Der erste T4i\ (S. 1 — 44), welcher den „neusprachlichen Unterricht
an Gymnasium und Realschule" zum Gegenstande hat, ist auch von uns
schon in dieser Zeitschr. (V*, 1 S.) besprochen worden, weshalb derselbe
hier nicht weiter berücksichtigt werden soll. Mit dem zweiten, dem
Hauptteil, in welchem „die Lehre vom französischen Verb auf Grund-
lage der historischen Grammatik" zur Darstellung kommt, ist die grosse
Zahl der bekannten Monographieen über die Behandlung des franz. Ver-
bums in der Schule, welche im Laufe der letzten Jahre erschienen sind,
wieder um eine gewachsen, leider ohne dass man sie als den Schluss-
stein dieser ganzen Reihe betrachten könnte, was allerdings — da die
bisher vorgeschlagenen, resp. angewandten Methoden sich immer nur
teilweiser Zustimmung zu erfreuen hatten — im Interesse des Unterrichts
dringend zu wünschen gewesen wäre.
Der Verf. will die Lehre vom Verb, „wohl das wichtigste Kapitel
der ganzen Formenlehre, in einer der wissenschaftlichen For-
schung und zugleich den Bedürfnissen der Schule Rechnung tra-
genden Weise darzustellen" und so „auf Grund der gesicherten Ergeb-
nisse der historischen Grammatik zu zeigen versuchen, in welcher
Weise der grammatische Unterricht an den Schulen, und zwar zunächst
an den lateinlosen Realschulen, traktiert werden müsste, um für
Lehrer und Lernende gleich anziehend, für letztere aber das zu werden,
was er sein kann und sein soll ..."
Das Ganze zerföllt in einen allgemeinen Teil (Seite 47 — 56),
welcher die notwendigsten Angaben über Stamm und £ndung, sowie über
die Einteilung der Verbalformen und der Verben enthält, und einen be-
sonderen Teil (S. 57 — 115), in welchem die einzelnen Verben, zu
Gruppen zusammengefasst, behandelt werden. Hierauf folgen zwei An-
hänge, von denen der erste (S. 116—121) die Flexionsendungen in über-
236 Liiter arische Chronik. G. WiUenherg,
sichtlicher ZusammenstelluDg aufweist, während in dem zweiten (S. 122
bis 132) die in dem besonderen Teile zur Anwendung gekommenen
„Lautgesetze** noch einmal im Zusammenhange aufgeführt werden. Ein
alphabetisches Register von vier Seiten bildet den Schluss.
Ehe wir, dem Wunsche des Verf. Rechnung tragend, ihn „auf die
diesem bescheidenen Versuche anhaftenden Mängel und zugleich auf die
richtigen Mittel zu ihrer Beseitigung aufmerksam zu machen", zur Be-
sprechung von Einzelheiten übergehen, sehen wir uns zu einigen allge-
meineren Bemerkungen veranlasst.
1) „Historische Grammatik der franz. Sprache ohne Zurückgreifen
auf Lateinisch und Altfranzösisch zu lehren, ist ein Ding der Unmöglich-
keit; auch gehört die historische Grammatik nicht in die Schule'* (Vor-
rede). Gewiss hat der Verf. hierin recht, sofern er darunter einen
systematischen Unterricht in historischer Grammatik versteht; in
solcher Weise Französisch lehren zu wollen, wäre in der That eine grobe
Versündigung an der schon so stark mit Lernstoff belasteten Jugend.
Ein rationeller Betrieb dieser Disziplin ist aber, uns wenigstens, ohne
gelegentliches Zurückgreifen auf Latein und Altfranzösisch (NB. an
Latein treibenden Schulen!) nicht denkbar, denn „abgesehen von dem
pädagogischen Werte, den die Vergleichung zweier in der Schule gelehrter
Sprachen für die Konzentration des Unterrichts bietet, liegt in der
historischen Betrachtung so viel Belehrendes, dass der franz. Unter-
richt . . . dadurch an Wertschätzung in den Augen der Schüler . . . un-
gemein gewinnen kann" (von SalJwürk, Päd. Arch. 1880, S. 6); die
Schwierigkeit besteht nur darin, zu entscheiden, wie und in welcher
Ausdehnung die histoiische Grammatik in der Schule berücksichtigt
werden soll, worüber allerdings die Ansichten ebenfalls noch weit aus-
einander gehen.
2) Im Anschluss an den oben zitierten Satz föhrt nun Br. fort :
„Daher wird auch dort, und zwar sowohl in Schulen mit Latein als auch
in Schulen ohne Latein, die Behandlung der Formenlehre wohl nie eine
andere als die beschreibende sein können, welche die einzelnen Formen
nach dem psychologischen Werte analysiert, welchen dieselben gegen-
wärtig haben, nicht nach denjenigen Werten, welche[n] sie in irgend
einer Epoche der Vergangenheit etwa gehabt haben (Lücking, Die
französischen Veroalformen, S. V, Berlin 1875)**. In diesem Punkte
können wir dem Verf. durchaus nicht ganz beipflichten. Schon Mayer
(1. c. 481) hat mit Recht darauf hingewiesen, dass allerdings „für eine
lateinlose Schule [und nur solche hat ja die vorliegende Schnffc im Auge]
die beschreibende Formenanalyse als allein zweckmässig angesehen
werden muss**, dass dann aber konsequenter Weise darauf verzichtet
werden müsse, „zu einer genetischen Formenerklärung überzu-
gehen**, wie dies doch Br. an mehreren (von M. näher bezeichneten)
Stellen thue ; auch Lücking selbst warnt a. a. 0. vor einer „Veimischung
von beschreibender und erklärender Darstellung für den elemen-
taren Unterricht**.^) — Die Behauptung aber, dass auch an „Schulen mit
Latein** eine lediglich beschreibende Formenanalyse am Platze sei,
^) Nur beiläufig sei darauf aufmerksam gemacht, dass, wie sich
auf den ersten Blick erkennen lässt, Br. diese „beschreibende Behand-
lung*" in ganz anderer Weise auffasst und durchführt als Lücking, wo-
bei sogar mehrfach offenbar Falsches mit unterlauft; vgl. z. B. die Zer-
legung des Präs. Ind. von finir in Stamm und Endungen bei Br. S. 71
mit dem bei Lücking § 19 aufgestellten Schema.
Schulfjframmaliken. Grammaiische Schriften. 237
wird uns nur durch die Annahme erklärlich, daas der Verf. die Organi-
sation dieser Anstalten dabei völlig ausser acht gelassen habe; unserer
Ansicht nach muss hier dasjenige Verfahren Anwendung finden, welches
wir schon unter 1) andeuteten.^)
3) „Zugleich kann und soll uns aber die Kenntnis der historischen
Grammatik davor bewahren, Regeln aufzustellen, die den Ergebnissen
der letzteren widersprechen". Wir dürfen annehmen, dass dieser Satz
die unbedingte Zustimmung fast aller wissenschaftlich gebildeten Fach-
genossen findet. Leider sieht sich nun aber der Verf. am Schlüsse seiner
Arbeit zu folgender Erklärung gedrängt (S. 121): „Unter Hinweis auf
das Si 3 Gesagte sei hier noch einmal daran erinnert, dass unter allen
Umständen an dem Grundsatze festgehalten werden muss, dass in der
lateinlosen Schule weder Latein noch Alttranzösisch gelehrt werden darf.
Die Befolgung dieses Gründsatzes hat es notwendiger Weise (?) mit sich
gebracht, dass in der vorstehenden Darstellung der Lehre vom Verb für
einzelne Kegeln eine Fassung gewählt werden musste, die in einer
historischen Grammatik der französ. Sprache nicht am Platze ge-
wesen wäre". Wie lässt sich nun hiermit jener absolut unbestreit-
bare pädagogische Grundsatz in Einklang bringen, welchen Foerster in
einer, auch Br. (nach S. 4, Anm.) bekannt gewordenen, bedauer-
licher Weise aber viel zu wenig von ihm beherzigten, inhaltreichen
Rezension einiger Schriften von Steinbart folgendermassen formuliert
(hier IV-^, 37): „Man darf unter keinen Umständen, auch nicht um
den Preis eines praktischen Nutzens, wissentlich Falsches und
Unrichtiges lehren"? Wir fürchten, dass Br. nicht imstande sein wird,
hierauf eine sein inkonsequentes Verfahren völlig rechtfertigende Ant-
wort zu geben.
4) Wiederholt hebt der Verf., wie aus dem Vorstehenden ersicht-
lich, mit besonderem Nachdruck hervor, dass nach seiner Meinung ,,in
der lateinlosen Schule weder Latein noch Altfranzösisch gelehrt werden
darf^' — womit er offenbar sagen will, dass an solchen Anstalten beim
Unterricht in der neufrz. Grammatik auf jene beiden Sprachen keine
Bücksicht genommen werden dürfe. Dieser Ansicht haben wir auch
bereits unter 2) rückhaltlos beigestimmt. Wie nun aber, wenn in un-
serer, für die Behandlung des französischen Verbs „an den lateinlosen
Realschulen" bestimmten Schrift thatsächlich das Lateinische und Alt-
französische fast auf jeder Seite, zum Teil in ausgiebigstem Masse, zur
Erklärung einzelner Formen (z. B. des Futurs von envoyer etc., § 76)
herangezogen werden, resp. die Kenntnis des Lateins zum Verständnis
gewisser Regeln oder Lautgesetze (z. B. § 72, 2; § 93; § 147) bei den
Schülern vorausgesetzt wird (vgl. Stengel 1. c. paasim)?! Ein so ekla-
tanter Widerspruch ist uns in der That unbegreiflich. — Ebenso unver-
ständlich bleibt es uns auch, warum der Verf. im Anfang des „allge-
meinen Teils" die Flexionsendungen (wohl nach Basedow, Das französi-
sche Verb in der Schule) in „Tempus-, Modus- und Personalzeichen"
zerlegt, schliesslich aber (S. 121) sehr richtig auseinandersetzt, dass die-
selben im Französischen „viel von ihrer ursprünglichen Lautfülle einge-
büsst" und sich „nur noch in sehr verkümmerter Gestalt erhalten haben" :
^) Vgl. Mayer, 1. c. 483. Auch Foerster will „die Schüler zuerst
die Formen einfach memorieren lassen und erst später, in den obersten
Klassen (?), davon so viel zu erklären trachten, als sich ohne besondere
Schwierigkeit aus dem Latein, und zwar auf Grund absolut sicherer
Lautgesetze, auf dieser Stufe erklären lässt" (s. hier IV^, 38).
238 LUterarische Chronik. G. Willenberg,
„mit diesen Eategorieen der Tempus- und Moduszeichen in lateinloser
Schule [nach unserer Ansicht überhaupt an jeder Schule!] zu operieren
ist also unter diesen umständen nicht nur sehr misslich, sondern so-
gar unmöglich"!! (Vgl. Mayer, 1. c. 482 unt.)
5) Im Hinblick darauf, dass die vorliegende Monographie, wie
eben bemerkt, zur Benutzung beim Unterricht von solchen Schülern be-
stimmt ist, welche kein Latein lernen, müssen wir auch die vom Vf.
zu Grunde gelegte Einteilung der Verben in schwache und starke ver-
werfen, da diese doch auf der gleichen Klassifikation der lateinischen
Zeitwörter beruht (vgl. u. a. von Sallwürk, Päd. Arph. 1880, S. 11). In
Latein treibenden Schulen ist diese Gruppierung, unserer Ansicht nach,
durchaus am Platze;^) an lateinlosen Schulen würden wir (mit Stengel,
1. c. 382) die Chabaneau'sche Klassifikation in „lebende" und „tote" Kon-
jugationen vorziehen, obgleich uns darüber kein erfahr ungsmässiges Ur-
teil zusteht — eine in allen Teilen befriedigende, wissenschaftliche
Einteilung zu finden, wird und kann ja, wie Foerster so treffend nach-
gewiesen hat (hier IV^, 32 ff.), niemals gelingen.
6) An der Anordnung des Stoffes haben wir mit Heiner (1. c. 390)
ganz besonders, zu tadeln, „dass überall der Schüler durch die Theorie
erst zu der Sache, durch das Gesetz zu der konkreten Form gelangen
soll. Der Verf. will zuerst Tempus-, Modus- und Personalzeichen, dann
die Formen selbst, zuerst Lautgesetze, dann die darauf beruhenden
Stammveränderungen geben. Nach der natürlichen Ordnung der Dinge
soll der Schüler zuerst Formen und Paradigmen lernen und etwa auf
späterer Stufe'^) durch Vergleichung das Gesetz ableiten"; er soll „ge-
legentlich der Einübung der Formen durch geschickte Gruppierung und
übersichtliche Zusammenstellung des Gleichartigen mit den wichtigsten
Lautgesetzen und der sprachlichen Entwickelung, wie sie die historische
Grammatik bietet, bekannt gemacht werden" (ib. 395). Auch v. Sall-
würk legt auf das „gelegentliche Lernen, d. h. die grundsätzliche
Anlehnung an die angeschaute, begriffene Form" (Päd. Arch. 1880, S. 15)
mit Recht das Hauptgewicht und bemerkt, ganz mit unserer Ansicht
übereinstimmend, ib. S. 4 : „Die Lautgesetze müssen an den bezeichnend-
sten Beispielen induktiv gefunden werden. Wenn aber darauf gehalten
wird, dass bei jedem neuen Fall die Reihe der schon vorgekommenen
verwandten Beispiele wieder vorgeführt wird, so wird die Behandlung
dieses Abschnittes der Grammatik zur Sicherung und Befestigung von
Wort- und Formkenntnissen ungemein viel beitragen".
7) Da das Buch „zunächst nicht für Schüler berechnet^' ist (S. 60,
Anm.), so muss die Breite und Weitschweifigkeit der ganzen Anlage am
*) Die von Br. in einem Schlusswort (S. 132) vorgeschlagene Drei-
teilung (schwache, starke und halb starke Verben) scheint uns sehr
empfehlenswert, da sie in der That „die Übersicht über das Ganze und
somit auch das Erlernen der zahlreichen Verbalformen erleichtem dürfte".
*) Heiner behauptet, ähnlich wie Foerster (vgl. oben S. 237. Anm),
die genetische Erklärung von Formen wie connaii, voudrai u. dgl. sei
„viel gelehrter Apparat, der auch dem Tertianer noch unverständ-
lich bleibt" (1. c. 394). Mehrjährige Erfahrung berechtigt uns jedoch,
diese Ansicht als irrtümlich zu bezeichnen und darauf hinzuweisen, dass
gerade das Selbst finden derartiger Entwickelungen im Anschluss an
bereits bekannte Vorgänge den meisten unserer Tertianer sogar Freude
macht und ihnen das Behalten der betreffenden Formen, allen entgegen-
gesetzten Behauptungen zum Trotz, augenscheinlich erleichtert.
Schnkparnmaükcn. Grammatische Schriftert. 239
so auffälliger erscheinen: für deu Lehrer hätte offenbar statt der jedes-
maligen, ausführlichen Angabe der in den einzelnen Fällen erforderlichen
Lautgesetze (Ltg. 14 z. B. ist im ganzen kurz hinter einander 5 mal
— S. 74, 78, 81, 84, 95 — wörtlich zitiert!) ein einfacher Hinweis auf
die Zusammenstellung derselben im zweiten Anhange genügt. Die Para-
digmen und viele Regeln konnten bedeutend kürzer gefasst, gleichartiges
mehrfach zusammengezogen werden u. s. w. (vgl. Wolpert 1. c). —
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wollen wir nun, dem
Gange des Buches folgend, dasjenige erwähnen, was uns im einzelnen
daran aufgefallen ist.
S. 50, Anm. 8. Aus dem afrz. cosdre lässt Br. das nfrz. coudre
dadurch entstehen, dass „vor dem eingeschobenen d das s ausfieJ und o
darauf in 02/ gedehnt wurde", also: coare, coudre. Im Widerspruch hier-
mit führt aber der Verfasser selbst S. 84 und 130 die Durchgangsform
cousdre an, wonach also das s erst nach dem Übergang von o in ou
ausgefallen wäre, was wohl auch thatsächlich der Fall ist (vgl. z. B.
afrz. cousiuj^e in Bartsch, Chrest.* 182, 32).
S. 51. Für hattre ausser haiU den Nebenstamm hau anzusetzen,
ist mindestens überflüssig; zur Erklärung der Präsensformeu hats vm^hat
genügt eine einfache, auf den Stamm hait- angewandte orthographische
Kegel (vgl. Mayer L c. 484).
ib. Von prendre muss, wenn nun einmal die Annahme zweier
Stämme erforderlich scheint, nicht der Hauptstamm pren-, der Neben-
stamm prend- lauten, sondern, wie die Etymologie dieses Wortes an die
Hand gibt, umgekehrt.
ib., Anm. 5. Mais ist, wie das altnorm, esteie feie = ebam !) beweist,
nicht auf stabam zurückzuführen, sondern wie mettais von meitre u. dgl.
gebildet (vgl. Stengel 1. c. 381).
ib., Anm. 7 und 8. Der Verf. meint, die afrz. Perfecta nasqui
von naitre und vesqui von vivre beruhten auf lat. *nascHi, näscui, nascvi,
resp. *vicsi (= viocij, tnskiy bedenkt aber nicht, dass dann die Accen-
tuierung von nasqui und vesqui vollständig unerklärt bliebe ; bekanntlich
liegt diesen Formen *naskivi und *viskivi zu Grunde (weniger wohl wie
Stengel 1. c. 379 annimmt : *nascuivi und *vis€uivi).
S. 64, § 26. Die hier angegebene Behandlung der Verben cro-
cheter, e'potcsseier eict welche nach Br. das offene e „bald durch den
acceftt ffrave, bald durch Verdoppelung des Endkonsonanten der Stamm-
silbe" bezeichnen, lässt dem Gutdünken des Schülers freien Spielraum,
was man doch so viel als möglich vermeiden sollte.
S. 67, Anm. 1. Von den Verben auf ayer behauptet der Verf.
fälschlich, das y sei hier „genau genommen ursprünglicher als i, nämlich
der zwischen Vokalen erhaltene letzte Rest der früheren Gutturalis",
beachtet aber nicht, dass z. B. payer = afrz. paiier, y also = ii resp.
(/ist, wie er dies selbst ganz richtig kurz vorher (S. Q^y Anm. 2) an
royal erörtert hat.
S. 67, Anm. 2. Nicht in paieras (wo e stumm!), sondern nur in
payeras ist das e ein dumpfes.
S. 74, Anm. 1. ^ Florissani und florissavi sind keineswegs „ge-
lehrte", sondern eben „volkstümliche", unter genauer Beachtung des mit
der Accentuation zusammenhängenden Gesetzes vom Lautwandel gebil-
dete Formen.
S. 77, Anm. 1. Das Etymon von ouvertisimohiapertus, sondern
— wie aus afrz. aovrir, prov. adubrir ersichtlich — (a de-) opertiuf.
S. 78, § 52 Anm. Warum repartir etc. wie finir abgewandelt
werden, konnte wohl kurz angegeben sein, jedenfalls sind wir dem den-
240 Liitei'ai'isclie Chronik. G. Willenhtrg,
kenden Schüler eine solche Erklärung schuldig, wenn auch der Verf.
dies dem Lehrer zu sagen vielleicht nicht für nötig befunden hat, was
allerdings seinem sonstigen Verfahren widerspricht.
In § 60 kommt ausser den dort angeführten auch Lautgesetz 3
(zu suhn'e und ecrire) in Anwendung.
ib. (zu Ltg. 19). Der Verf. ist zwar, wie wir hörten, bemüht ge-
wesen, nicht solche Regeln aufzustellen, die den Ergebnissen der histo-
rischen Grammatik widersprechen, hat aber nicht daran gedacht, dass
aus demselben Grunde auch einzelne unhistorische Formen durchaus
vermieden werden müssen. Schon oft ist von verschiedenen Seiten, am
nachdrücklichsten von Foerster (hier IV*, 36 ff.)» die ausdrückliche An-
führung von „Phantasieformen", wie hier *plaign-re und andere, die den
Schüler nur zu ganz falschen Annahmen verleiten, gebrandmarkt worden,
und es kann nicht genug auf das Schädliche dieses Verfahrens hinge-
wiesen werden (vgl. auch Mayer 1. c. 484) ; sehr richtig fordert darum
V. Sallwürk (Päd. Arch. 1880, S. 9), „dass ausser der lateinischen Grund-
form der klassischen oder der späteren Sprache nur diejenigen Zwischen-
formen aus dem Altfranzösischen beigezogen werden, welche den Über-
gang in die neufranzösische Form vermitteln, alle andern streng ausge-
schlossen bleiben '\
S. 85, Anm. 1. Dass c in vaincre auch vor a und o in qu ver-
wandelt wird, ist allerdings als eine ,^ Unregelmässigkeit" anzusehen, die
aber in dem, auch von Br. mehrfach angedeuteten, uniformierenden
Prinzip der franz. Sprache ihre sehr einfache Erklärung findet.
S. 89, § 74, 2. Bei der Erörterung der Bildung der Futurformen
durfte nicht unerwähnt bleiben, dass unter den einer betonten Silbe
vorangehenden Vokalen, welche sonst ausfallen, allein lat. ä sich als
dumpfes e erhält — vgl. den dem Verf. bekannten (!) und gerade an
dieser Stelle offenbar ausgiebig verwerteten Artikel von Foerster (hier
IVS 40).
Die gröbsten Irrtümer auf dem Gebiete der historischen
Grammatik enthält § 76, in welchem die Herleitung der Futurformen
von envoyer etc. „von einem älteren französ. Infinitiv" erläutert wird,
wobei Br. seltsamerweise wiederum zum Teil mit seinen eigenen, un-
mittelbar vorangehenden Auseinandersetzungen in Widei*8pruch gerat.
Zunächst kommen von den dort genannten 13 Verben überhaupt nur
envoyer, pouvoir, choir, voir und vouloir in Betracht. Hören wir, wie
der Verf. bei diesen verfährt. ^Envoyer: afrz. enveier, *enveier-m, en-
verrai"^. Wie letzteres aus enveierai entstehen soll, ist uns unklar. Die
zu Grunde zu legende, auch lautgesetzlich einzig richtige Form ist afrz.
enveer f= inviare) ; hieraus entwickelt sich (enverai und) enverrai, in-
dem ausnahmsweise (analog zu courrai u. dgl.) das e der Infinitiv-
enduDg ausfällt (vgl. afrz. jurrai, dorrai von jurer, doner). — Pouvoir
und choir. Diesen sollen nach Br. die lautgesetzlich ganz unmöglichen
afrz. Infinitive poder und cheder entsprechen, während er z. 'S. dem nfrz.
voir und seoir mit Recht afrz. vefdjeir und se(äjeir gegenüber stellt!
Im übrigen ist bei jenen beiden Verben die Entwickelung des Futurs
richtig angegeben, nur dass bei pouvoir die afrz. Durchgangsform porrai
fehlt. — Voir und vouloir. Die Berechtigung, hierbei als Mittelformen
*vedeirai und *voleirm anzusetzen, wie Br. es thut, ist zwar von Foerster
(hier IV=^, 40) bestritten, von Stengel aber (1. c. 380) immerhin ziemlich
überzeugend gestützt worden. — Was nun die übrigen acht Verba be-
trifft, so gehören sie überhaupt nicht hierher. Ferai leitet Br. von afrz.
fvre ab; von dieser Form auszugehen ist jedoch ganz unnötig, da ferai
— wofür das Afrz. auch noch lairai hatte; vgl. z. B. Bartsch, Chrest.'
Schtäfjramniatiken. Grammatische Schriften. 241
53, 26: si fairoiz que gentü — nichts anderes AufiUlliges bietet, als dass
hier die (lautliche) Verkürzung des Stammvokals, die wir schon in den
vortonischen Silben von faisons, faisais und faisant finden, auch in der
Schrift zum Ausdruck gekommen ist (vgl. fincrai von finir u. a.). Bei
devoir, recevoir, savoir, avoir und valair braucht man zur Erklärung des
Futurs gleichfalls die afrz. Infinitivform nicht (die Br. noch dazu durch-
gängig, ausser bei valoir^ auf -er endigen lässtü). Zu seoir führt der
Verf. folgendes an: „afrz. sedeir *sedeira *sedra siera**. Die Herleitung
des nfrz. sie'ra von *sedra ist jedoch ganz undenkbar, und ui4.fo auf-
fälliger, als Br. selbst auf der vorhergehenden Seit^ die einzig
mögliche Erklärung für die Entstehung dieser Form gegeben hat! Was
schliesslich faUoir anlangt, so lässt es sich leicht an valoir anschliessen;
keinesfalls ist irgend ein zwingender Grund vorhanden, dabei von „afrz.
/«/»•" (V) auszugehen.
S. 97. Die Formen asseient, asseie etc. sind durchaus unüblich;
auch die Akademie schreibt -ey- vor (vgl. Isaac 1. c. 487 unt.). Über die
überflüssiger Weise erwähnten Nebenformen assois etc. vgl. das in dieser
Zschr. III, 541 ob. Gesagte.
Noch bleibt uns übrig, die im zweiten Anhang zusammengestellten
19 „Lautgesetze**, denen sich 3 „orthographische Schreibregeln" ^) an-
schliessen, einer Prüfung zu unterziehen, wobei wir einige Bemerkungen,
zu denen sich uns schon bei Besprechung des Hauptteils Gelegenheit bot,
der Kürze halber unterdrücken. Zu der eben erwähnten Einteilung resp.
Benennung scheint wiederum Foerster's schon mehrfach von uns zitierter
Artikel die direkte Veranlassung gegeben zu haben (vgl. hier IV^, 44) ;
gerade darum aber muss es uns um so mehr Wimder nehmen, dass auch
Br., wie seine Vorgänger, noch nicht im Stande gewesen ist, „sich von
der gewöhnlichen, auf den Schulen herrschenden Unsitte, Laut und
Buchstaben zu verwechseln, zu emanzipieren".^) Er weiss zwar
sehr wohl (vgl. S. 4, Anm.), dass die französ. Lautgesetze (im strengsten
Sinne) „mit der Konjugation nichts zu thun haben" (Foerster),
sondern auf alle Wortarten Anwendung finden, und doch sind seine
„Lautgesetze", wie die von Steinbart, zum Teil weiter nichts als me-
chanische Schreibregeln! Dahin gehören Ltg. 4 fconnait statt
connaiS'tJ, 5 (pars statt part-s), 14 (part statt part-t), 15 (tu fais statt
faiS'S; vgl. Stengel 1. c. 380 unt.). Andere wieder sind weder „Lautge-
setze" noch „Schreibregeln", sondern könnten etwa — nach dem Vor-
gange von Foth (Jahrb. f. Phil, und Päd. 1882, S. 635) und Isaac (Cen-
tralorgan 1883, S. 91) — Bildungsregeln genannt werden, nämlich
Ltg. 2 (Stammerweiterung durch t^.9^^ 6 (s-tis neben sav-aisj, 18 (vendrai
statt vendre-ai) u. a.
Im Besonderen haben wir nun noch folgendes zu den . Br.'schen
„Lautgesetzen" zu bemerken. Auf die unglückliche und für den einen
Fall sogar falsche Bezeichnung „Stammverstärkung" statt „Vokalwechsel"*
hat bereits Stengel (1. c. 378) hingewiesen. — § 145 begeht der Verf.
den „sonderbaren Fehler", dass er ü fait und ü confit aus fais-t und
coTifiS't entstehen lässt, während er z. B. S. 49, Anm. 1 am E. richtig
auseinander gesetzt hat, dass il dit nicht von diS't herkommen könne,
weil eben die lateinische Grundform keinen Sibilanten enthält (vgl.
^) f statt c und ge statt g vor a und o; qu statt c in vaincre; x
statt s nach a%i und ähnlichen Endungen.
^) Vgl. auch Stengel, 1. c. 377; Kühn, Zur Methode des frz. Unter-
richts, Programm S. 4 unt. (Separatabdr. S. 12).
Zschr. f. nfrx. Spr. u. Litt. VI^. 26
242 Litieranschc Chronik. G. fViäenber//,
Wolpert 1. c. 148; Stengel 1. c. 379 ob.). — Dass Ltg. 7 nicht dahin ge-
hört, wo es jetzt steht, "sondern unter die Rubrik, welche von der Ein-
Schiebung euphonischer Buchstaben zwischen Stamm und Endung han-
delt (Ltg. 19), insofern in employer etc. das y aus i und (hiatustilgendem)
j entstanden ist, sowie dass Ltg. 11, weil aus Ltg. 3 und 8 kombiniert,
überflüssig erscheint, hat ebenfalls schon Stengel (l. c. 380) hervorge-
hoben. — § 149. Nfrz. tu veux hat sich, historisch betrachtet, nicht
aus *veuU'X (vom Stamme veul-J unter Verschmelzung beider u in eins,^)
sondern wohl in folgender Weise entwickelt: lat. *vÖlis ergibt altfrz.
vu€is fvueils}, *vueus, *vuetix; eine derartige Häufung von Vokalen, wie
die beiden letzten Formen aufweisen, strebte man jedoch zu vermeiden,
daher erfolgte sofort die Ausstossung des ersten u, wie man aus dem
gleichen Vorgange bei folgender, andersartiger Weiterbildung von vuels
schliessen darf: *vuials, viaüt, viaus, viax (z. B. Chev. au Lyon 375);
ebenso ialz für uels fiieüsj = ocidos (Ch. L. 300), diax für duels (ib.
986) u. 8. f. —
Vermisst haben wir die Anführung einiger Verben, nämlich § 24
deceler (neben degeler), § 73a) resoudre, § 150 equivaloir^ § 166 (und im
aiphabet. Reg.) faüHr, welches S. 77 unt. ausdrücklich als Beleg ange-
zogen ist.
Von Druckfehlern erwähnen wir nur folgende auffallige: S. 88,
Z. 3 V. ob. lies pourvoir statt surseoir; S. 107, Z. 2 v. u. lies accroitre
und decroitre statt accroire und decj'uire.
Sollen wir zum Schluss unser urteil über die im Vorstehenden
besprochene Schrift zusammenfassen, so wird es dahin lauten, dass wir
dieselbe — bei aller Anerkennung der oben eingangs angeführten, wohl-
gemeinten Absicht und des darauf verwandten Fleisses, der sich nament-
lich in der meist klaren Fassung und der übersichtlichen Gruppierung
dokumentiert — mit Rücksicht auf den vom Verf. im Auge gehabten
speziellen Zweck nicht, wie Wolpert L c. 148 meint, als „vollständig
galungen", sondern im Gegenteil als in der ganzen Anlage leider ver-
fehlt bezeichnen müssen, und sie auch — in Anbetracht der darin vor-
kommenden mannigfachen, zum Teil groben IrrKLmer, die uns bei der
amtlichen Stellung des Verfassers als üniversitätsprofessor der neueren
Sprachen um so unbegreiflicher erscheinen — Lehrern und Studieren-
den zu ihrer eigenen Belehrung keineswegs so dringend wie Wolpert und
Isaac „empfehlen^ können.
G. WiLLENBEBG.
Die einfafihen Formen des französischen Zeitwortes in geordneter Dar-
stellung. Ein Beitrag zu einer systematischen Grammatik der
französischen Sprache für Studierende von Karl R. Holzin-
ger von Weidich, k. k. Landesschulinspektor i. R. Graz,
Leuschner & Lubensky. 1883. 61 S. gi-. 8. M. 1,60.
Diese, in Bezug auf Druck und Papier äusserst splendid ausge-
stattete Schrift verfolgt den gewiss löblichen Zweck, von den einfachen
Formen des frz. Verbs ein „geordnetes, logisch gegliedertes Ganzes'^ zu
bieten, um so „das mechanische Einlernen von Regeln und Paradigmen
^) Auch wäre es nicht möglich, dass sich (nach § 159) aus dem
Stamme veul- sofort veul-x und veuu-x gebildet hätten, sondern erst
vetd-s, dann veuu-s und veuu-x.
J
Schidgrmnmatiken. Grammatische Schriften. ^43
mit einem nicht enden wollenden Nachtrabe scheinbar willkürlicher Un-
regelmässigkeiten'' aus der Schule zu verbannen. Laut Titelblatt ist die
Broschüre „für Studierende" bestimmt, nach dem Vorwort aber „zu-
nächst zum Gebrauche für Lehrer des Französischen '' geschrieben;
„doch ist . . . den einzelnen Regeln ein solcher Ausdruck gegeben worden,
dass dem Auffassungsvermögen eines etwa 11 — 12jährigen Schülers,*)
der bereits die französischen Hilfszeitwörter erlernt hat und daher auch
mit der bezüglichen Terminologie vertraut ist, nicht zuviel zugemutet
wird" ! Nun, es müsste wunderbar zugehen, wenn hiernach das Buch
keine Käufer fände — wenn es nur dem Inhalte nach empfehlens-
werter wäre!
Dieser besteht, nachdem in 5 Paragraphen die nötigsten Vorbe-
griffe über Stamm, Endung u. dgl. vorausgeschickt sind, in der Betrach-
tung der Verbalflexion (§§ 6 — 12) und der Stammesänderungen (§§ 13
bis 19), worauf als zweiter Hauptteit ein vollständiges „Verbalsystem"
folgt, welches wieder in einzelne „Verbalklassen" (Inf. auf er, ir etc.)
zerfällt (§§ 20 — 27). Ein „Verzeichnis derjenigen französischen Zeit-
wörter, welche gewöhnlich als unregelmässige aufgeführt werden", bildet
den Schluss.
Die vorliegende Monographie ist, wie wir von vornherein be-
merken müssen, eine von denjenigen, welche in Wirklichkeit dem Schüler
die Arbeit erschweren, statt, wie sie vorgeben, ihm dieselbe zu
erleichtern. Wir können in der That nur von ganzem Herzen die armen
Jungen bedauern, welche sich die vom Vf. ,.nach wesentlichen, leicht
erkennbaren Merkmalen (?) vorgenommene Sonderung der verschiedenen
Verbalklassen in „Gruppen, und in weiterer Scheidung Sippen und
Familien" (! ! S. 38) einprägen sollen — damit wäre allerdings die
Überbürdung auf dem Gipfelpunkt angelangt.
Was die Anlage des Ganzen betrifft, so glaubte H., um „eine
grössere Gesetzmässigkeit der Formenbildung nachzuweisen", radikaler
zu Werke gehen zu müssen als seine Vorgänger. Er hat daher zu-
nächst, in Anlehnung an Chabaneau (vgl. auch Stengel, Päd. Arch. 1883,
S. 382), die Zahl der Konjugationen auf zwei zurückgeführt (S. 5): die
„herrschende" Verbalklasse (auf ^r^ und die „historischen" Verbalklassen
(auf «r, re und oir)^ und damit eine gerade für lateinlose Schulen wohl-
geeignete Klassifikation seiner Darstellung zu Grunde gelegt. Ferner hat
er die früher übliche, „schwerfällige Ableitung einer Verbalform von
einer andern" — und das mit Recht — aufgegeben, statt dessen aber
seltsamerweise ausser dem allgemeinen verbalstamm noch drei
Tempusstämme angesetzt: einen Präsens-, einen Perfekt- und einen
Futurstamm. Die Annahme eines besonderen Futurstammes, um von den
ersten beiden abzusehen, ist mindestens überflüssig und führt, im Verein
mit anderen abnormen Anschauungen des Verf. zur Aufstellung ganz
unannehmbarer Stammformen, wie S. 29 assier e (asseoir), S. 32 moiTC
fmourir), movre fmouvoirj, porre fpouvoirj, S. 55 vouare (vouloir) u.
dgl. m. Dies sind in der That „Stämme, mit denen sich ein philolo-
gisches Gewissen unmöglich befreunden kann", und die doch der Vf., wie
er im Vorwort ausdrücklich hervorhebt, „vermieden" zu haben meint!
Er hätte das allerdings vermocht, wenn er die „Geschichte einzelner
Formenbildungen" nicht bloss „hie und da" herangezogen, sondern die
*) Und zwar, wie man aus dem Schlüsse des Vorworts entnehmen
m, vorzugsweise eines solchen, der keine Kenntnis des Lateinischen
Itzt.
16*
244 Litterarische Chronik. C. Th. Lioti,
historische Entwickelung durchgängig berücksichtigt und für seine
Darstellung verwertet, wenn er die Verbaiformen nicht in so mechani-
scher Weise erklärt, sondern ihre Bildung auf feststehende Laut- und
Betonungsgesetze zurückgeführt hätte, die auch einem nicht Latein ler-
nenden Schüler verständlich gemacht werden können.
Es ist nicht möglich, die oft recht absonderlichen, verkehrten An-
sichten, Annahmen und Behauptungen des Yf. hier sämtlich anzuführen ;
ausser dem schon oben Gerügten sei daher nur einiges von dem, was
uns sonst noch aufgefallen, im folgenden hervorgehoben.
Seltsam und neu ist gleich S. 3 die Bemerkung, dem in üblicher
Weise gefundenen Yerbalstamme müsse „häufig ein stummes e angesetzt
werden^ damit er vollständig und richtig ausgesprochen werden könne ;
. . . man muss daher schreiben: chante, nage, force etc." Natürlich sieht
sich nun der Verf. genötigt, nach dem bekannten Lautgesetz als Stämme
von celer, posse'der, venir, acqu&ir, devoir u. s. f. cele, possede, vene,
acquere, deve anzusetzen (S. 4)! Dass die aus diesen Ste,mmformen für
die Konjugation der betreffenden Yerba gezogenen Folgerungen ganz
verkehrte sind, ist selbstverständlich. So heisst es S. 5 ob.: „Das dem
Stamme beigesetzte e fällt ab (!), sobald ersterem eine Endung ange-
fügt wird. Nur die auf ge ausgehenden Stämme behalten dieses ^(!)
vor 0, 0, u , . ." Ferner S. 27 : „a) Stämme, welche g<usgehen auf ece,
ele, ene, epe, ete, eve, evre und die einzelnen Stämme p^se und seme ( ! ! )
schwächen ihr offenes e in allen flexionsbetonten Formen zu stummem
e ab, nur in den Verbalformen des Futurstammes etc.'' ... (dazu 25
Ausnahmen!), „b) Alle übrigen Stämme, ausgehend auf üce, ecke,
ede, ege, egue, eme, eque, ere, ese, eJ/re, ecre, egle, efle, eg9ie, egre, etre(!!)
und die unter a) ausgenommenen schwächen in den flexionsbetonten
Formen das offene e des Stammes bloss zu e ab" u. s. w.
Die ungeheuerlichsten Phantasieformen aber bietet uns der Ab-
schnitt von den sog. „suppletiven" Verben, zu denen der Verf. ausser
aUer auch vivre und savoir rechnet! Man höre (S. 37): „Für den Aus-
druck leben ergänzen sich die beiden defektiven Zeitwörter viv7'e und
das untergegangene Zeitwort vescoir, = vivere und vesci von etwas leben
oder sich nähren ? Das afrz. p. p. vescut lässt auf einen Inf. vescoir, so
wie das p. döf. nasqui auf einen Inf. nascWe schliessen, wiewohl diese
Formen sich nicht oder nicht mehr vorfinden". — „Für den
Ausdruck wissen ergänzen sich savoir und das untergegangene sctchir, =
saper e und sagire (?)".^)
Dass bei der geringen Berücksichtigung, die in der vorliegenden
Schrift der historischen Grammatik zu teil geworden ist. mehrfach
Formen, die ihrer geschichtlichen Entwickelung nach durchaus regel-
mässig sind, in ihrer neufranzösischen Gestalt aber nicht in H.'s „Ver-
balsystem" passen, ausdrücklich unregelmässig genannt oder als Aus -
^) Zur Supponierung solcher Infinitive wie vescoir und sachir
scheint sich der Verf. deshalb für berechtigt zu halten, weil sich, wie er
S. 52 bemerkt, „bei der Dürftigkeit (!?) der schriftlichen Denkmäler
aus der früheren Entwickelungsperiode der französischen Sprache" die
ehemalige Existenz einiger von ihm angenommener Formen nicht nach-
weisen lasse! — Wie eine solche Behauptung, die der von Reiche und
Martin in ihrer „Prosodie" in dieser Hinsicht aufgestellten (s. hier III,
675) an Abgeschmacktheit und grober Unkenntnis ziemlich gleichkommt,
noch im Jahre 1882 gedruckt in die Welt hinausgesandt werden konnte,
begreift man kaum.
Schulausgaben. 245
nahmen behandelt werden, darf uns nicht Wunder nehmen. Dies ist der
Fall mit dem historischen Perfekt von venir, ienir (S. 29), faire (50),
metire (51), voir (56), naitre (57) ; mit dem Part. Perf. von mourir (32
und 58), meiire (51), ommr (53), nmire (57); mit dem Futur von eti-
voyer (38), sowie mit den Formen vous (rejdites (49), il appert (57) u. a.
Doch genug. Wir glauben uns hinreichend mit diesem Elaborat
beschäftigt zu haben, um weitere Einzelheiten, die wir uns notiert, über-
gehen zu können. So viel dürfte jedenfalls durch Vorstehendes bewiesen
sein, dass der Verf. mit diesem „Beitrag zu einer systematischen Gram-
matik der französischen Sprache" „das Streben neuerer Grammatiker, die
vielen unregelmässigen Zeitwörter der französischen Sprache nach den
Sprach- und Lautgesetzen, nach denen sich ihre Formen bildeten, zu
gruppieren, hierdurch die Unregelmässigkeiten selbst auf das möglichst
geringste Mass zurückzuführen und so zu einem von Anomalien möglichst
freien Systeme der französischen Verbalbildung zu gelangen", noch
keineswegs, wie er nach dem Vorwort beabsichtigte, zu eiiem „befriedi-
genden Abschlüsse" gebracht hat.
G. WiLLENBEBG.
Scliulansgabeii.
Thöätre fran9ais publik par Velhagen & Klasing. 1) I^^e g^rie,
5« Livraison. Michel Pej^in p. Mälesville et Duveyrier. kart.
50 Pf. 2) IV« Serie, 3^ Livraison. Le hourgmestre de Sardam p.
Mälesville, Merle et Boirie. kart. 50 Pf. 3) V« S^rie, 8« Livr.
La hei'line de Vemigre p. Mälesville et Hestienne. kart. 60 Pf.
4) IX« Särie, 3« Livraison. Loms XI p. Delavigne. kart. 60 Pf.
5) X« S^rie, 7« Livraison. Le hourgeois gentilhomme p. Moli er e.
kart. 60 Pf. 6) XI 11« Serie, 4« Livr. Les rohes Manches p. Gozlan.
kart. 50 Pf. 7) XVIIe Sörie, 5« Livr. Les pre'cieuses ridicules p.
Molifere. kart. 50 Pf. Vgl. diese Zeitschrift Bd. IV*, S. 255 ff.
No. 1 erscheint für die Lektüre in der Schule wohl geeignet, der
Inhalt des Stückes ist durchaus unverfänglich, der geschichtliche Hinter-
grund verleiht ihr ein grösseres Interesse, als viele andere Lustspiele be-
anspruchen können, die Spannung wird bis zum Schluss erhalten, und
die vielen Missverständnisse, zu denen Michel Perrin's liebenswürdige
Geschwätzigkeit und Harmlosigkeit Veranlassung gibt, sind in hohem
Grade ergötzlich. Die von dem Herausgeber W. Begemann vorange-
schickte Einleitung ist wohl geeignet, ein richtiges Verständnis, des zwei-
aktigen Lustspiels vorzubereiten, und die Anmerkungen erfüllen im all-
gemeinen ihren Zweck; manches hätte allerdings mit einem Hinweis auf
die Grammatik abgethan werden können, wie un poi au lait, un pot ä
lait, un pot de lait u. dgl. m.; anderes wieder ist halbrichtig und musste
anders behandelt werden; z. B. y,c*est'il dröle! vulgärer Ausruf für voüä
gut est dröle oder c'est (bien) dröle = das ist doch seltsam (schnurrig)"
(S. 11, 8). Die grammatische Struktur der Redeweise wird dadurch nicht
erklärt, wir haben es mit einem Fragesatze zu thun, an dem kein An-
stoss zu nehmen ist: „ist das drollig?!" vgl. Mätzner, fr. Gr. S. 553 und
S. 303. — Ebenso S. 17, 10 zu quand il est arrive' ici pour chercher un
asile, a-t'il e'te de'sole de ne plus trouver . . . que moi seule! : „Inversion
im Ausrufesatze, weil das Ausrufewort (que, comme, combienj weggelas-
sen ist." Wir haben hier ebenfalls einen Fragesatz, der die Kraft eines
Ausrufesatzes hat: „ist er da ausser sich gewesen ...?!" Die Antwort
246 LUierajische Chronik. C. Th. Zion,
darauf ergibt sich von selbst: „das kann ich bezeugen 1" Wieder andere
Bemerkungen sind allzu elementarer Natur, wie z. B. die, dass nach
quoiqye der Konjunktiv steht.
No. 2 möchte ich weniger als Schullektüre empfehlen. Das Ein-
zige, was dem Stück einiges Interesse verleiht, ist die Einführung des
Czaren Peter als le prince charpentier; sonst erscheint es mir recht un-
bedeutend, ist aber für die Privatlektüre immer noch zu empfehlen. Die
Zuthaten des Hgs. F. Friedrich sind fast durchweg angemessen; wenn
S. 39, 1 zu le aiable de Michaloff bemerkt wird: „der Teufel(skerl), der
Michalow. Das grammatische Verhältnis, beider Begriffe ist dasselbe wie
in la vüle de Paris u. s. w.", so ist die Übersetzung zwar richtig, aber
das Beispiel dafür übel gewählt; dgl. Ausdrücke bilden eine Kategorie
für sich, in denen der appositive Genetiv zu einem Hauptworte tritt,
welches logisch betrachtet das Attribut des andern ist (Mätzner, fr. Gr.,
S. 484).
No. 3. Vgl. diese Zeitschr. Bd. III, S. 480 ff. Die Einleitung des
Hgs. Rauch hätte einige Worte über den Inhalt des Stückes zur Ein-
führung in die Lektüre geben können, die Anmerkungen sind auf weni-
ger vorgerückte Schüler berechnet, weil das Stück sich für die Mittel-
stufe eigne; doch wohl nur für Unter- oder Obersekunda, eher ist dafür
keine Zeit, also könnte immerhin manches wegfallen; überhaupt, da zu
den Stücken besondere Wörterbücher, zu 15 Pf. käuflich, abgefasst wer-
den, könnte namentlich mit Rücksicht auf lexikalische Angaben im
Interesse der Schule grössere Zurückhaltung beobachtet werden: die
Wörter prägen sich besser ein, wenn ihr Besitz mit einiger Anstrengung
errungen wird, namentlich wenn sie in einem Wörterbuch aufgesucht
und aufgeschrieben werden; die kleinen Wörterbücher selbst sind
nicht ohne Geschick abgefasst. Was die Besprechung grammatischer
Einzelheiten anlangt, so sollte man dafür den Grundsatz walten lassen,
an allen den Stellen vorüberzugehen, über die Plötz' Schulgrammatik
genügende Auskunft gibt. Die Anmerkungen sind im übrigen im allge-
meinen zweckentsprechend. S. 17, 3 wird Je ne dis pas! einfach über-
setzt: „das will ich nicht leugnen". Man vergleiche damit meine Be-
merkung a. a. 0. S. 482 und frage sich, ob das eine Erklärung der
Wendung ist. Schreibe: „ich sage nicht" d. h. „ich will davon nicht
viel reden, weiter kein Aufhebens machen (aber)." (Vgl. das von Littr^
und Sachs angegebene ce rCest pas pour dire, mais . . . ich will mich
nicht rühmen, aber . . ,). IV, 2: Oü c'qu'est ma caisse? hat seine rich-
tige Erklärung gefunden: S. 104, 11. Unrichtig aber scheint es. wenn
nach ainsi pMsseni les irattres (am Schluss des Stückes) das Ausrufungs-
zeichen fehlt und von einer Inversion gesprochen wird, die in der pa-
thetischen Sprache oft nach ainsi, ici, lä gebraucht werde. Demnach
scheint der Hg. perissent als Indikativ zu fassen (?).
No. 4. Vgl.- diese Zeitschr. Bd. I, S. 263. Gegen die bei Weid-
mann erschienene Ausgabe Gräser's des Louis XI yon De} SiY ig ne sticht
die von A. Benecke vorteilhaft ab. Die Einleitung: A. Biographie,
B. Inhalt und Anlage des Dramas Louis XL, C. Geschichtliches über die
Personen in Louis XL, bietet das zum Verständnis des Stückes Notwen-
dige. Unter D. wird die Belehrung über den Alexandriner und zwar
erst im allgemeinen, dann 1) über le vers classique, 2) über le vers ro-
maniique nebst einer Beantwortung der Frage: „Wie ist der Alexandri-
ner zu lesen und zu sprechen?" auf Grund und unter Benutzung der
neueren Forschungen gegeben. Auch die Anmerkungen sind im Allge-
meinen angeihessen, wenngleich im einzelnen sich gegen die Fassung
mehrerer begründeter Einspruch erheben Hesse; z. B. S. 48, 7: croi statt
Schulausgaben, 247
rrois, um die Schreibart für das Auge mit mit dem Versworte roi über-
oiii.stimmend zu machen. (S. 57, 115: Druckfehler parternel.) S. 78, 14:
.jUüjoüts = ennuis vgl. I, 6, Vers 3 und 5" vermag ich nicht als eine
Kiklärung anzuerkennen, Littrö gibt unter 4 deplaisir, mortification als
Bedeutung an, die sich leicht aus der eigentlichen „Ekel, Überdruss,
Widerwillen" ableitet. S. 85, 84: entend statt entends wegen des Reim-
worts palpitant. S. 126, 9: y^rCavoir garde sich hüten" ist keine Er-
klärung. (S. 130, ni, 3, 6: Druckfehler pagsans für paysans.) S. 198,
164 (IV, 7) y^sein und fond bezeichnen beide hier die Tiefe mit dem
Nebenbegriff des Schrecklichen und Bejammernswerten u. s. w." —
Das Wesen des Bildes scheint mir nicht richtig gefasst: Bei dem Begriff
sein tritt die weite Entfernung von menschlichem Thun und Treiben
hervor (trotzdem dass die Unglücklichen in den Schoss der Kerker ge-
schleudert sind, aus denen sonst kein Laut hörbar wird u. s. w.); bei
dem Begriffe fond de leur souffrance die Machtlosigkeit: aus der Tiefe
ihres Leidens, aus dem sie sich nicht erheben können, bleibt ihnen doch
noch die Kraft, mit ihrem Geschrei deine Stimme zu übertönen. — Auf
Gymnasien und Realgymnasien wird für die Lektüre des vorliegenden
Dramas keine Zeit sein, auch möchte ich Lehranstalten anderer Art da«
Stück wegen seines Inhalts nicht als eine Klassenlektüre empfehlen, wohl
aber angelegentlich allen denen, die eine immerhin nicht unbedeutende
und sprachlich hervorragende Litteraturerscheinung kennen lernen wollen:
dafür ist die Ausgabe Benecke's gegenwärtig die geeignetste.
No. 5. Vgl. diese Zeitschrift Bd. VS S. 26 ff. Mit dem Urteil
der Rezension Knörich's über Fischer 's Moli^reausgaben stimme ich
vollständig überein, bei der Bearbeitung der 2. Auflage meiner Ausgabe
der Femmes Savantes habe ich verschiedentlich mir auch die Fischer'sche
Ausgabe näher angesehen, danach ist kein Wort mehr darüber zu ver-
lieren.
Nr. 6. Ein anziehendes Stück in zwei Akten, dass sich, wie der
Hg. A. Benecke meint, auch für Unterrichtszwecke eigne, da die Sprache
sehr sorgfältig und der Inhalt zu Bedenken nicht Anlass gebe. Die An-
merkungen beobachten das wünschenswerte Mass. Auch ich bin der An-
sicht, dass wenn es sich darum handelt, einmal ein kurzes Theaterstück
nach Erledigung des sonst vorliegenden Lektürestoffs zu lesen, man wohl
zu Les rohes hlanches p. L. Gozlan greifen kann.
Nr. 7. Sehe ff 1er 's Ausgabe der Precieuses Ridicules ist eine
sorgfältige Arbeit, die als Schulausgabe vor der Fritsche's (Weidmann-
sche Buchh.) den Vorzug verdient: S. 59, 2 wird in infame que vous
dies das que trotz meiner Bemerkung in dieser Zeitschrift IV'*, S. 258
noch als Prädikats a«cusativ erklärt.
C. Th. Lion.
Zeitschriftenschau.
Centralorgan für die Interessen des Realsclinl-
wesens. Z^völfter Jahrgang. Heft I — VDI. 1884.
I. S. 29 — 31. A. Brennecke: Otto Bickmann, franz. und engl.
Schulbibliothek. Heft L — VIII. Leipzig 1883. Renger (Gebhardt und
Wilisch). Die äusseren Vorzüge in Schrift, Papier, Format und Einband,
Preis (der Ganzleinwandband 8® kostet durchschnittlich 1 Mk. 25 Pf.)
dienen zur Empfehlung der neuen Schulbibliothek. Jedes Heft ist als
Lektürstoff für ein Semester gedacht, also für je zwei wöchentliche Lek-
türstunden auf 60 — 100 Seiten Text bemessen. Vor dem Text eine kurze
Biographie des Schriftstellers, danach die erklärenden Anmerkungen.
Der Inhalt in sachlicher Beziehung ist der äusseren Anlage entsprechend.
Dass Synonymik und Etymologie grundsätzlich aus den Anmerkungen
verbannt sind, scheint dem Kez. eine übergrosse Ängstlichkeit in Be-
folgung des Grundsatzes, dem „persönlichen Lehrer'^ derartige „Exkurse in
die mehr wissenschaftliche Sphäre zu überlassen". Der Rez. erkennt
einen grossen Vorzug dieser Sammlung darin, dass ein Speziallexikon
nicht beigegeben wird (ich vermag in der Beigabe eines gesondert wie
bei den Velhagen und Elasing'schen Ausgaben und sonst käuflichen
Wörterbuches keinen Schaden zu erkennen). Der Rez. bezeichnet die
Bibliothek als die empfehlenswerteste aller bisher erschienenen Samm-
lungen, welche demselben Zwecke dienen sollen. (Meine im einzelnen
begründete Meinung darüber s. Heft 8 unter Schulausg.). S. 31. Hans
Löschhorn: B. Mahrenholtz, Molibre, Einführung in das Leben und
die Werke des Dichters. Kleinere Ausgabe von des Verfassers; Moliere's
Leben und Werke. Heilbronn 1883. Gebr. Henninger. IV, 266 S. 8°.
Der Rez. bezeichnet es als einen glücklichen Griff, Mahrenholtz' grosse,
1881 als zweiter Band der „Französischen Studien" veröffentlichte Molifere-
Biographie in verkürzter Gestalt und vom „kritirchen Bällast befreit"
erscheinen zu lassen. Nur einige Kapitel allgemeineren Inhalts haben
durch die Umarbeitung etwas gelitten. Das Buch ist zur Privatlektüre
der Primaner geeignet und sollte in keiner Schulbibliothek fehlen.
U. S. 112 ff. K. Thum: W. Fr. Eisenmann, Schulgrammatik
der franz. Sprache. 9. um^earb. Aufl. Stuttgart, 1882. Metzler. VUI
und 410 S. Die Gr. ist mit Fleiss ^arbeitet, gibt mehr als die Schulgr.
von Plötz, da aber der Inhalt, wenigstens was die Formenlehre betrifft,
viel besser geordnet ist, wird man sie in derselben Zeit wie jene durch-
machen können. Wo die Terminologie von der Plötz'schen abweicht,
Zeitschrifienschau. C. Th. Lion^ Ventralorgan etc. 249'
gibt sie das Richtigere, adjectif ddmonstratif bei Plötz, meint der Bez.,
sei doch sehr seltsam (Plötz folgt aber darin nur den Grammatiken der
Franzosen; wo er mehr wissenschaftlich verfahren will, wie in seiner
„Syntax und Formenlehre", spricht er sich ebenso darüber aus wie der
Rez.). Die Übungssätze sind im allgemeinen recht passend gewählt, aber
wenn im zweiten Teile des Buches nur deutsche Übungsstücke ohne An-
gabe von Wörtern beigefügt werden, so traut Eisenmann wohl dem
Schüler wie dem Schulwörterbuch etwas zu viel zu. Auf 4 Seiten gibt
der Bez. an, was ihm im einzelnen aufgefallen ist; im allgemeinen hält
er die Syntax für weniger gelungen. — S. 117 ff. Hans Löschhorn:
Otto Ciaia, Französische Schulgrammatik mit Übungsstücken. Untere
Stufe. 2. vermehrte Aufl. Leipzig, 1881. Teubner, 156 S. 8**. Die untere
Stufe ist für die drei ersten Semester berechnet und umfasst die Aus-
sprache, das Wesentlichste der Formenlehre und einige Begeln über den
Belativsatz. Die Angaben über die Aussprache sind glücklicherweise we-
niger umfangreich, als in ähnlichen Werken, noch eine weitere Be-
schränkung wäre erwünscht. Der Verf. kennt nur 3 regelm. Konjugationen,
nimmt aber punir als Paradigma für die zweite (besser sentir 11 a, punir
11 b). Das Lehrb. wird als ein Versuch willkommen geheissen, ,.den
Unterricht im Franz. aus den alten Bahnen der Plötz'schen Lehrbücher
zu heben."
in. S. 163 ff.« G. Strien: Albert Wittstock, L'antiquite litteraire.
Extraits des classiques grecs et latins traduits en fran9ai3. Jena, 1881.
Herm. Costenoble. XI und 466 S. gr. 8^. Eine Auswahl aus den Werken
der alten Klassiker in französischer Übersetzung ; zunächst 20 griechische
Schriftsteller von Homer bis Longin, dann 14 lateinische, von Plautus
bis Tacitus. Die Übersetzungen sind nicht ausschliesslich von Neueren;
Namen wie Jean Bacine, Lafontaine u. s. w. finden sich als Verfasser.
Trotz einiger Ausstellungen und Wünsche empfiehlt der Bez. das eigen-
artige Buch den Fachgenossen, auch den Lehrern, die sich vielleicht da-
durch veranlasst sehen würden, gelegentlich einmal einen Abschnitt
aus einem römischen Geschichtsschreiber von Primanern ins französische
übertragen zu lassen (Für den Befer. hat es dieser äusseren Veranlassung
nicht bedurft, er hat, Corneilles Horace zu Gefallen, Livius I, 23 ff. über-
tragen lassen und die Aufgabe nach dem Ergebnis als zweckmässig be-
funden).— S. 164 ff. G. Nölle: Hermann Isaak, Lembuch für die fran-
zösischen unregelmässigen Verba. Friedberg und Mode, Berlin, 1884.
46 S. 8**. „Das vom Verfasser angewandte Verfahren kann nur gebilligt
werden, und es steht zu erwarten, dass das Lernbuch viel Anklang finden
wird." Diesem Urteil schickt der Bez. einige allgemeine Bemerkungen
voraus und einige kleine Ausstellungen nach. — S. 165 f. G, Strien:
Julius Jäger, Die Quantität der betonten Vokale im Neufranzösischen.
Heilbronn, 1883. Gebr. Henniger. 68 S. gr. 8°. (Körting und Koschwitz,
Franz. Studien, Bd. IV, Heft 2.) G. Strien gibt ausführlich* die Ge-
sichtspunkte an^ nach denen Jäger die Quantität der betonten Vokale im
Neufranzösischen mit grosser Sorgfalt untersucht habe: die dabei ge-
wonnenen Resultate sind am Ende der einzelnen Gruppen zusammenge-
stellt.— S. 166 f. Derselbe: Karl VollmöUer, Sammlung französischer
Neudrucke. 2. Armand de Bourbon, Prince de Conti, Traitä de la
Comädie et des Spectacles. Heilbronn, 1881. Gebr. Henniger. XIX und
103 S. 8**. Der Bez. gibt kurz den Inhalt der Abhandlung des Fürsten
von Conti über die Verwerflichkeit des Schauspiels an; der vorliegende
Neudruck ist nach der ersten Ausgabe des Traitä von 1667 hergestellt. —
S. 167 f. Derselbe: Joh. IJthoff, Nivelle de la Chauss^e's Leben und
Werke. Ein Beitrag zur Litteraturgeschichte des 18. Jahrh. und insbes.
250 T^iischriftenschan. C. Th. Lion,
zur Entwicklungsgeschichte der „Comädie larmoyante". (Franz. Studien,
herausgegeben von G. Körting und E. Koschwitz, Bd. IV, Heft I.) Heil-
bronn, 1883, Gebr. Henninger. 67 S. gr. 8**. Die fleissige Arbeit gibt
einen Überblick über das in seinen Einzelheiten wenig bekannte Leben
des Dichters, zählt dann seine Werke und deren Ausgaben auf, berichtet
ausführlich über ihren Inhalt und bespricht eingehend die Stellung des
Dichters sowohl in der Französischen Litteratur als in der Litteratur des
18. Jahrhunderts überhaupt. Der Rez. gibt dann eine Übersicht übet
den Inhalt der Schrift, rügt dabei nur einen Widerspruch, wenn S. 4
behauptet werde, de la Chaussee begründete 1733 das rührende Lustspiel
Frankreichs durch die »Fausse Antipathie'', während es S. 50 genauer
laute: „De la Ch. ist der Begründer des Rührdramas, nicht des rühren-
den Lustspiels überhaupt u. s. w.**
IV. S. 233 ff. H. Isaac: ff. B?'ettschneider, La France. Premier
livre de lecture k Tusage des ^coles secondaires, accompagne d'un choix
de themes en textes suivis. Altenburg, 1882. Pierer, IV und 258 S. 8**.
Der Verf. will den Schüler, der Französisch zu lernen anfängt, nicht in
Deutschland weilen lassen, nicht nach Sibirien oder Kalifornien ver-
schlagen, sondern nach Frankreich führen und nur nach Frankreich.
Sodann hat er sich bemüht, in der Reihenfolge seiner Lesestücke ein
methodisches Fortschreiten vom Leichten zum Schwierigeren zu beobachten,
dabei zugleich dem Schüler ein zusammenhängendes »Bild von der äussern
Geschichte Frankreichs, sowie von seiner Kulturentwicklung zu geben.
Zwei eigentlich unvereinbare Aufgaben, deren Lösung jedoch mit päda-
gogischem Takte versucht ist. Der Rez. macht in der Beziehung einige
Vorschläge. Die Anmerkungen zeichnen sich durch klare knappe Fassung
aus, und die angehängten Eztemporalientexte sind eine annehmbare Zu-
gabe. — S. 235—238. A. Brennecke: B, FrUsche, Molifere, le Tartufe.
Berlin, 1883. Weidmännische Buchh. S. 1—39 Vorrede. S. 43— 50 Pr^face.
S. 51 — 175 Text mit Anmerkungen, 8^ Der Rez. wirft zunächst die
Frage auf: Gehört Mol. Tart. in die Schule? Er selbst hat in einer
kleinen Oberprima (in der kein Katholik) die Lektüre gewagt und das
Wagnis nicht zu bereuen gehabt. Die Fritsche'sche Ausgabe bietet
quantitativ und qualitativ zu viel des Guten in den Anmerkungen, ebenso
in der Einleitung. An einigen Bemerkungen über den ersten Akt weist
der Rez. nach, dass neben den überwiegend sachlichen, zweckentsprechen-
den Anmerkungen sich doch an einzelnen Kritik üben lasse. Er fasst *
sein Urteil schliesslich dahin zusammen, dass das Buch auf jeder Seite
den fleissigen, sachkundigen Moli^rekenner verrate, dass jeder Fachlehrer
des Franz. es mit Vorteil studieren werde und dass es das gründliche
Verständnis des grossen Dichters in jeder Beziehung zu fördern geeignet
sei; aber für die Schüler sei die Ausgabe nicht geeignet. — S. 238 f.
G. Strien: Hubert Wingerath, Choix de lectures fran9aise8 k l'usage des
äcoles secondaires. Deuxibme partie: Classes moyennes. 2<^ ^d. Cologne»
1883. Dumont-Schauberg. VI. und 394 S. 8'*. Premiere partie: Claases
infärieures. 3« äd. Cologne, 1884. XUL und 250 S. 8". Der Rez. stellt
die Besserungen zusammen, die die Lesebücher in den neuen Auflagen
erfahren haben: die Vorzüge dieser Sammlung sind von der Kritik mit
seltener Einmütigkeit anerkannt, sie ist als eine der besten ihrer Art
empfohlen.
V. S. 302— 3Q5. H. Isaac: Ch. Noel, Glossaire fran9ais dialoguö.
Causeries munies de notes explicatives fran9aises et allemandes propres
k familiariser le lecteur avec les näologismes, les gallicismes, les prover-
bes, les synonymes et les termes. 5e ödition. Wien, 1883. Karl Gerold
Sohn. Vlll und 612 S. 8**. Die Erklärung vieler fremdartiger Aus-
Cenirahrgan für dw Interessen etc, 251
drücke und Wendungen wird neben deren Übersetzung vermisst, es wäre
wenigstens bei ausschliesslich der Umgangssprache angehörigen Wörtern
hinzuzufügen, ob sie salonfähig, familiär oder vulgär sind. Das Deutsch
der Erklärungen ist an verschiedenen StelljBn verbesserungsbedürftig; die
Orthographie sollte sich nach dem Die. de l'Acad. richten. Der Rez.
empfiehlt schliesslich dies Konversationslexikon höheren Stiles
allen, die sich eine genauere Kenntnis des neuesten Französisch ver-
schaffen wollen, besonders aber zur Vorbereitung für einen Aufenthalt in
Prankreich. — S. 305 f. Hans Lös chhorn: W. Bei^iram, a) Gramm.
Übungsbuch für den Unterricht in der französischen Sprache. Im An-
schluss an die Schulgr. von Dr. C. Plötz. Heft I: 5. neu bearb. Aufl.
168 S. b) Dasselbe, Heft V: enthaltend schwierige Übungsstücke zum
Übersetzen aus dem Deutschen ins Franz. 65. S. c) Übungsstücke zum
Übersetzen aus dem Deutschen in das Französische zum Gebrauche für
die Oberklassen höherer Töchterschulen, d) Neues Übungsbuch zum Ge-
brauche neben der Schulgr. des Prof. Dr. C. Plötz. 206 S. Bremen, 1881.
Heinsius. Der Rez. hebt hervor, dass die Sätze in reicher Fülle vor-
handen sind und auch bei geringer Zeit eine nützliche Auswahl gestatten,
und dass sie aus guten modernen franz. Autoren gewählt wurden. Bei
No. 2 ist der „Anschluss an Plötz" reine Reklame; hätte der Verf. die
Vokabeln unter dem Texte getilgt, so wäre sein Buch für die Oberklassen
des Realgymnasiums recht brauchbar geworden. Nr. 3, für höhere
Töchterschulen bestimmt, enthält gleichfalls zusammenhangende Stücke
teils biographischen Inhalts, teils Betrachtungen über Gegenstände des
täglichen Lebens, Briefe und Gespräche, auch ein Lustspiel. Nr. 4 be-
gleitet in der Weise von Nr. 1 die ganze Schul grammati k ; man wird
auch hier gutes Material für schriftliche Arbeiten finden. -— S. 306 f.:
Derselbe: Adolf Kor eil, M. Mignet, Histoire de la Revolution fran9aise
depuis 1789 jusqu'en 1814. Herausgegeben und mit sprachlichen, sach-
lichen und geschichtlichen Anmerkungen versehen. IV. Band: Directoire,
Consulat et Empire. Depuis le 27 octobre 1795 jusqu'en 1814. Leipzig,
1882. Teubner. 146 S. gr. 8. Das Schlussheft der Korell'schen Ausg.
ist im ganzen den vorangehenden gleich. Die Anm. über Synonyma
u. dgl. treten hier freilich mehr zurück, die historischen Notizen sind
nur stellenweise zu breit geworden. Der Druck ist korrekter als im
ersten Heft. Bei Gelegenheit der Lektüre in Obersekunda hat der Rec.
gefunden, dass die Erläuterungen des Herausgebers dem Verständnis der
Schüler fördernd entgegenkamen. — S. 307. G. Strien: Bernhard Schmitz,
Deutsch-französische Phraseologie in systematischer Ordnung nebst einem
Vocabulaire syst^matique. 4. Aufl. Berlin, 1882. Langenscheidt. VII
u. 179 S. 8^. Der Rez. gibt die Anordnung des Werkes an, das sich
durch Reichtum des übersichtlich geordneten Inhalts, Wissenschaftlich-
keit und Zuverlässigkeit außzeichnet, und bringt für einige Stellen Er-
gänzungen bei. — S. 307 f. Derselbe: A, Wiemann, Französische
Chrestomathie. Gotha, 1882. Gustav Schlössmann. 129 S 8^. soll als
Lesebuch für Quarta, bez. Untertertia und als Unterlage zu Sprach-
übungen für die folgenden Klassen dienen; enthält 1) Stücke aus L^his-
toire naturelle von B^l^ze, 2) aus L* Odyssee von Gignet; 3 — 5) aus
Petit Cours d' histoire universelle von Duruy. Die Entlehnung des
Stofl^es aus der Mythologie und in noch höherem Grade die Heranziehung
der Naturgeschichte erscheint wenig zweckmässig, die dem ersten Teile
beigegebenen Questionnaires sind nicht gerade in ihrer Fassung nach-
ahmenswert; dass die Vokabeln in dem Memorirstoff von den betreffen-
den Redensarten getrennt sind, wird man schwerlich billigen.
VL S, 365 ff. G. Strien: Ä. Dihm, Hilfsbueh znr Erlernung
252 Zeiischriflenschau. C, Th. Lion,
des Wortschatzes der franz. Sprache. Herausgegeben von Dr. A. Hoburg.
Frankfurt a. M., 1881. J. D. Sauerländer. XXXIl und 77 S. gr. 8«.
Dem Übelstande der mangelnden Wortkenntnis soll durch die vorlie.8:ende
„genealogische Übersicht des. französischen Wortgebäudes" abgeholfen
werden. Die Einprägung dieses Wortschatzes soll bereits in den unteren
Klassen erfolgen. Die Wortfamilien sollen, ehe sie zum Auswendiglernen
aufgegeben werden, vom Standpunkte einer tüchtigen Lautlehre aus er-
klärt werden. Eine sg. Onomatik behandelt auf 22 Seiten die Laut-,
Silben- und Wortlehre. Bei aller Anerkennung der etymologischen Kennt-
nisse des Verfassers hält der Kez. das Buch zum Gebrauch in der
Schule für wenig geeignet (Wo wäre denn in der Schule Zeit dafür
übrig?). — S. 367. Derselbe: Adolf Korell, Mignet, Histoire de la re-
volntion francaise. Ausg. mit Anm. II. Band. Leipzig, 1880. B. Q.
Teubner. 128 S. 8°. III. Band. 1881. 104 S. Der zweite Band um-
fasst den Zeitraum vom 1. Oktober 1791 — 2. Juni 1793 (Chap. V— VII),
der dritte führt die Geschichte der französ. Revolution bis zum 26. Ok-
tober 1795 fort (Chap. VIII ^- XI). In sprachlicher Beziehung werden
besonders die Synoyma berücksichtigt im Anschluss an Sachs, Wörterb.
Bei den Wörtern auf ege ist die Orthographie ege beibehalten, Eigen-
tümlich ist an manchen Stellen der deutsche Ausdruck in den Anm.
— S. 367 f. Derselbe: A. Mfäler, Französische Grammatik. L Teil.
Elementargrammatik. Aachen, 1877. Kommissionsverlag von B. Barth.
48 u. 52 u. 80 S. 8**. Die erste Stufe (Quinta) enthält das wesentlichste
von den Wortarten, die zweite (Quarta) das Verb, die dritte (Tertia) die
erweiterte Formenlehre mit einschlägigen syntaktischen Regeln. Das
Buch bietet im einzelnen manches Treffliche, daneben finden sich aller-
dings nicht unerhebliche Irrtümer. In den französischen Beispielen
kommen manche entlegene Vokabeln vor; auch die methodische Anlage
des Buches ist nicht ganz glücklich.
VIL S. 425-450. T. Merkel: Ph. Plattne?', Französische Schul-
grammatik. Karlsruhe, 1883. Bielefeld. Das Buch macht schon in
seiner äusseren Erscheinung einen sehr günstigen Eindruck, der bestechen-
den Aussenseite entspricht der Inhalt vollkommen, an Kürze und Be-
stimmtheit der Regeln dürfte Plattner nicht leicht von einer andern
Grammatik übertroffen werden. Auf S. 427 ff. lässt der Rez. einzelne
Wünsche und Ausstellungen verlauten, die jedoch nur den Zweck haben
sollen, sein im allgemeinen günstiges Urteil ins rechte Licht zu stellen,
— S. 451. Klöpper: Adolf Kressner, Aufsätze technischen und histori-
schen Inhalts zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Französche für die
obersten Klassen höherer Lehranstalten. 8°. 126 S. Baden-Baden 1884.
Oskar Sommermeyer. Der Verfasser hat für die Benutzung seines Wer-
kes besonders die Oberrealschulen, Gewerbe- und Handelsschulen im Auge,
diesen ist es bestens zu empfehlen. — S. 451 f. Gustav Schneider:
G. Strien, Die unregelmässigen fi-anzösischen Zeitwörter nebst einem Ab-
riss der französischen Syntax. Halle a. S., 1883. E. Strien. Ein recht
wertvolles Büchlein.
Vni. S. 505. Derselbe: R. Sonnenburg, Grammatisches Übungs-
buch der französischen Sprache. Methodische Anleitung zur Einübung
der syntaktischen Regeln mit deutsch -französischen Mustersätzen und
einem vollständigen Wörterbuche. Berlin, 1884. Julius Springer. Für
die praktische Emübung der Syntax mit Ohr und Zunge ist dieses gram-
matische Übungsbuch das Beste und Zuverlässi^te, das in den letzten
Jahren erschienen ist; es folgt Schritt für Schritt den Bedürfnissen des
Lernenden; der Verf. lässt zuerst das Einzelne beobachten und ans den
Beispielen zu der Regel oder dem Gesetz emporsteigen. Der ganze Stoff
Ceniraloryan für die Interessen elc. 253
ist in 25 Kapiteln (173 S.) behandelt, S. 174-195 folgt ein in allen
Punkten genau zutreffendes Wörterverzeichnis. — S. 505 f. G. Nölle:
Gustav Körting, Encyklopädie und Methodologie der romanischen Philolo-
gie mit besonderer Berücksichtigung des Französischen und Italienischen.
Erster Teil. Heilbronn, 1884. Gebr. Henninger. XVI und 244 S. 8«.
Das Werk ist das erste seiner Art, da das von Schmitz, Encyklop. und
Methodik des phil. Studiums der neuereu Sprachen, eine andere Tendenz
verfolgte. Der Inhalt des bisher veröffentlichten Teiles wird kurz ange-
geben, es ergibt sich daraus grosser Reichtum des Inhalts; übersicht-
liche und wissenschaftliche Anordnung und Zuverlässigkeit dienen ferner
zur besonderen Empfehlung; ein abschliessendes Urteil kann erst dann
gefällt werden, wenn die noch ausstehenden zwei Teile des Werkes er-
schienen sind. — S. 506. Derselbe: Jean Westenhceffer, Le Fablier de
nos enfants. Recueil de fahles k Tusiage des äcoles supörieures, Mul-
house, Bufleb. 208 S. 8^. Eine Sammlung gut auegewählter Fabeln der
bedeutendsten französischen Fabeldichter; vor jeder Fabel werden schwer
ins Deutsche zu übertragende Vokabeln angegeben und gramm. Schwie-
rigkeiten erörtert. Die zugefügten deutschen Fabeln sollen in der Klasse
mündlich übersetzt werden; korrekter Druck, gute Ausstattung empfehlen
das Buch. — S. 507. Derselbe: Johann Westenhöffer, Französische Fibel.
In zwei Abschnitten für reichsländische Schulen. Mit 4 Holzschnitten.
Mülhausen i. E. und Leipzig. Wilh. Bufleb. 100 S. 8^. Soll als Lese-
buch beim ersten Unterricht in der franz. Sprache, in gleicher Weise
wie eine deutsche Fibel für Deutsche dienen. — S. 507. Derselbe: Adolf
Lundehn, Xavier de Maistre, Prascovie ou la jeune Sibärienne. Mit An-
merkungen herausgegeben. Berlin, 1884. Friedberg & Mode. 112 S.
16**. Bibliothfeque fran9aise, Collection Friedberg & Mode. No. 1. Das
Vorwort gibt eine kurze Biographie des Verfassers, die unter dem Text
beigefügten Anmerkungen sind teils sachlich, teils grammatisch (und
lexikalisch) und sind durchaus zweckentsprechend. — S. 508. Derselbe:
Albert Benecke und Friedrich dtHargues, Französisches Lesebuch, An-
fangs- und Mittelstufe. Zweite verbess^e Auflage, mit den durch die
7. Aufl. des Dict. de TAc. fr. (1878) bedingten Änderungen. Potsdam,
1881. August Stein. Lobende Anzeige des hübsch ausgestatteten, fünf
Abteilungen (130 S.) und ein Wörterbuch (bis S. 209) umfassenden Buches.
— S. 508 f. Derselbe: M, Weiss , Recueil de morceaux choisis de prose
et de vers — extraits des meilleurs ^crivains fran9ai8 pour la jeunesse.
Breslau, 1883. E. Morgenstern. Für die an Alter und Einsicht mehr
vorgeschrittenen Leser bestimmt, führt die durch Mannigfaltigkeit und
Anzüglichkeit (so!) der mit Geschmack gewählten Stücke ausgezeichnete
Sammlung die Jugend in das Studium der französischen Litteratur ein.
Dieser 2. Band dürfte wohl eine ebenso günstige Aufnahme erfahren wie
der erste. — S. 509. Derselbe: Gustav Lücking, französische Grammatik
für den Schulgebrauch. Berlin, 1883. Weidmännische Buchhdlg. Das
Ganze macht den Eindruck einer wissenschaftlichen Geammatik, deren
Hauptregeln, durch grösseren Druck hervorgehoben, sich dem Gedächt-
nisse leicht einprägen müssen; die Grammatik erscheint besonders wert-
voll für Schüler von Anstalten, welche die wissenschaftliche Ausbildung
derselben weniger durch das Studium der alten als durch das der neue-
ren Sprachen und Litteraturen zu erreichen streben.
C. Th. Lion.
Miszellen.
Die französisclie Schullektüre der badischen Gym-
nasien und Progymnasien. 1883 — 84. — Bei der regen Thätigkeit,
die von jeher im badischen Lande auf dem Gebiete des französischen
Unterrichts geherrscht hat, dürfte ein Überblick über den im verflosse-
nen Schuljahr verarbeiteten Lesestoff dankenswert erscheinen.
A. Lektüre der Seknnda:
L Prosa, a) Historisches: 1. Bar ante, Jeanne Darc, 2. Buruy,
Auswahl von Meyer, 3. Guizot ßecits historiques, 4. Michaud, Premiere
Croisade, je eine Anstalt; — 5. Mignet, Franklin, 2; 6. Segur, Histoire
de la Grande armäe, versch. Ausw., 3; 7. Thiers, Expedition d'figypte,
2; Marengo, 1; 8. Voltaire, Charles XII, an 3 Anst. — b) Erzählendes:
1. Erckmann-ChaU'ian, 2; 2. Souvestre, Au coin du feu, 2; Sous la Ton-
nelle, 1. — c) Theater: 1. Augier-Sandeau, Gendre de M»* Poirier, Pierre
de touche, 2. Scribe, Bertrand et Raten, Diplomate, Verre d'eau, je 1. —
IL Poesie, a) Dramatisches: 1. Corneille, Cid, 1; 2. Racine, Athalie, 2;
Iphigenie, Mithridate, Andromaque, je eine Anst.; — 3. Voltaire, Sömira-
mis, M^rope, Zaire, je 1. — b) Lyrisches und Didaktisches: 1. Be-
ranger, 4a. Hasper; 2. Lafontaine, Fabeln, je 1.
B. Lektüre der Prima:
L Prosa, a) Historisches: 1. Gnizot, Hist. de la Civilisation en
Europe, 3; — Hist. de Charles I«^, 1; 2. Lanfrey, Campagne de 1806, 2;
3. michaud, 3«™« Croisade, 1 ; 4. Michelet, Precis de Vhist. moderne, 1 ;
5. Mignet^ Hist. de la Rev. 6:9., 3; 6. Montesquieu, Considärations, 1;
7. Thierry, Guillaume le Conquärant, 1 ; 8. Thiers, Expäd. d'Egypte, 2 ;
Campagne de 1800 und Waterloo, je 1; 9. Voltaire. Hist. de Louis XIV, 1.
b) Oratorisches und Erzählendes: 1. Bossuet, Oraisons funbbres,
2. Chateaubriand, Itin^raire, 3. Souvestre, Au coin du feu, 4. Voltaire,
Histoire de Jenni, je 1. — H. Poesie, a) Dramatisches: 1. Corneille,
Cid, 2; Horace, Polyeucte, Rodogune, je 1; 2. BugOy Hernani, 2; 3. Mo-
liere, Femmes Savantes und Misanthrope, je 5; Bourgeois Gentilhomme,
Maiade imaginaire, Tartuffe, je 2; Avare, 1; — 4. Racine, Britannicus 2;
Iphigänie und Mithridate, je l;--5. Voltaire, Zaire, 2. — b) Lyrisches:
1. Beranger, Auswahl, eine Anstalt. —
Wenn dieses Jahr beliebte und geeignete Schulautoren fehlen, wie
z. B. Miraheavüs Reden für Prima u. ähnl., so ist dies eine rein zuföUige
Erscheinung, wie aus den Programmen früherer Jahre leicht zu ersehen.
Schliesslich die Bemerkung, dass noch drei badische Anstalten die Chres-
tomathie bis in die Prima hinein hartnäckig festhalten, ohne ganze Schrift-
werke in besonderen Ausgaben zu lesen. —
Jos. Sabkazin.
Novitäten - Verzeichnis.
I. Methodologie.
Pfeü, L, Graf von, Wie lernt man eine Sprache am leichtesten und
besten? Nebst einem Anhang: Karl Witte, eine Erziehungsge-
schichte. 2. Aufl. gr. 8. (43 S.) Breslau, Max & Co.
n. Grammatik. Übungsbücher.
Benecke, Alb., Wörterbuch zu den französischen Exerzitien und Ex-
temporalien. Übungsstoff in Sätzen und zusammenhängenden
Stücken zu Abtlg. 111, Ausg. B, der franz. Schul-Gramm. 8. 52 S.
Potsdam, Stein.
Breymann, H. und H, Moeller^ Franz. Elementar -Übungsbuch für Real-
schüler. München, Oldenbourg. VI, 175 S.
Leier, Chr, G, Joh,, Französisches Repetitorium. 2 Tle. 8". Gross-
Lichterfelde, Deter. (1. Für die Klassen Quarta bis Sekunda. —
2. Prima.)
I^ttner, Ph., Vorstufe für die Elementarstufe der französischen Sprache,
gr. 8. 82 S. Karlsruhe 1885, Bielefeldes Verl. cart.
Seegei\ AL, Systematisch -praktische Darstellung der neufranz. Verba
für den Schulgebrauch. Prag. Progr. der II. deutschen Staats-
Oberrealschule. 48 S. 8.
Corrigä des th^mes adaptäs ä la nouvelle grammaire de Ploetz. 8".
Bremen, Heinsius.
ni. Lexikographie.
DetinoUe, P., Dictionnaire pratique des synonymes fran9ais. Avec une
pr^face par L. Chatelain. ün vol. grand in- 12. Paris, Nilsson.
fr. 7,50.
rv. Litteraturgeschichte.
Humbert, C, Englands Urteil über Moliere, den einzigen Nebenbuhler
Shakespeare's und den gtössten Komiker aller Zeiten. 2. (Titel-)
Aufl. gr. 8. XII, 124 S. Leipzig (1878), A. Krüger.
Foumel, V., De Malherbe ä Bossuet. j^tudes litt^raires et morales sur
le XVUe siöcle. Paris, Firmin-Didot. ün volume in- 18 j^sus. fr. 8.
V. Ausgaben und Chrestomathien.
Biblioth^que francaise a Tusage des äcoles. No. 3—5. 16^ Berlin,
Friedberg & Mode. geb. M. 3,20.
256 }loviiätenverzeic}mis.
Beaumarchais^ Le Barbier de Säville, ed. with introduction and notes
by A. Dobson. 157 S. Oxford (Clarendon Press series).
Cent, les, nouveUes nouvelles, dites les Cent nouvelles du roi Louis XI.
Ed. avec des notes et une introduction par P. Lacroix. Paris,
Charpentier. XXIV, 393 p. fr. 3,50.
Diderot, Est-il bon? est-il m^chant? com^die en quatre actes. Avec
une pröface par A. Houssaye. In-16, XII, 160 p. Paris, Librairie
des bibliophiles, fr. 4.
Frank, Jos., Satyre M^nipp^e de la vertu du catholicon d'Espagne et
de la tenue des estats de Paris. Kritisch rev. Text mit Einleitung
und erklärenden Anmerkungen. Oppeln, Georg Maske. 255. S.
8. M. 10.
Guillaume, P., Le Myst^re de saint Eustache, jou^ en 1504 sous la di-
rection de B. Chancel, chapelain du Puy-Saint-Andr^, pres Brian-
9on (Hautes- Alpes). In-8, 115 p. Paris, lib. Maisonneuve et Ci«.
Extrait de la Revue des langues romanes, 8« serie, t. 7 et 8 (mars-
novembre 1882).
Le Verdier ^ P,, Mystere de l'incarnation et nativit^ de notre sauveur
et rädempteur J^sus- Christ, repr^sent^ k Ronen en 1474, publik
d'apres un imprim^ du XV« siecle, avec introduction, notes et
glossaire. Texte. Premiere journee. Petit in -4, 359 p. Ronen,
impr. Cagniard. Publication de la Soci^t^ des bibliophiles nor-
mands.
Moliere^B les Pröcieuses ridicules, ed. with introduction and notes by
H. Lang. 80 S. (Clarendon Press series).
Nouvelle CoUection Molieresque: XIII. Le mödecin volant de Bour-
sault. Publik par le Bibliophile Jacob, Paris, librairie des bi-
bliophiles, fr. 4.
Otto, E., und Dickmann, A,, Französische und englische Schulbibliothek.
13—16. Bd. 8°. Leipzig 1885, Renger..
Rabelais, Tout ce qui existe de ses oeuvres. Gargantua, Pantagruel,
Pantagrueline, progn. almanachs, Sciomachie, lettres, etc. Texte
soigneusement coUationn^ sur les ^ditions originales, pr^cäd^ d*une
vie de l'auteur, d'aprös les documents les plus r^cemment d^cou-
verts et les plus authentiques, et suivi d'une bibliographie de
notes et d'un glossaire par L. Moland. In- 18 j^sus, XLIV,
770 p. Paris, lib. Garnier fr^res.
Brächet, A,, Morceaux choisis des grands ^crivains fran^ais du XV« siäcle,
accompagn^s d'une grammaire et d'un dictionnaire de la langue
du XVI« siecle. 7« Edition. In- 18 jäsus. 323 p. Paris, librairie
Hachette et C»«. fr. 3,50.
FMie9', le, classique de la jeunesse. Choix de fables de La Fontaine
et d'auteurs divers. 8. IV, 180 S. Bremen, Heinsius.
— dasselbe. Supplement contenant des notes explicatives. 8. VIII,
80 S. Ebd.
VI. Metrik.
Zschaiig, H., Die Verslehren von Fabri, Du Pont und Sibilet. Ein Bei-
trag zur älteren Geschichte der französischen Poetik. Heidelber-
ger Dissertation. 80 S. 8.
Referate und Rezensionen.
H. A. Thibant, Wörterbuch der französischen und deut-
schen Sprache. Zwei Teile in einem Bande. Voll-
ständig umgearbeitet nach der neuesten deutschen und
französischen Orthographie und durch zahlreiche Wörter
und Redensarten vermehrt. 100. Aufl. Braunschweig.
Druck und Verlag von Georg Westermann. 1883.
994 S. Lex. -8«.
Die Austattung des Buches verdient alles Lob. Festes,
glattes Papier mit dem leichten gelblichen Ton, welcher für das
Auge weit angenehmer ist und weniger ermüdend wirkt als blen-
dende Weisse, scharfe und deutliche Lettern und dabei ein so
sorgfältiger Druck, dass beispielsweise auf den 944 Seiten auch
nicht ein Spiess zu entdecken ist. Die Schrift ist allerdings
sehr klein, das war aber nicht zu umgehen, wenn die Bogenzahl
nicht bedeutend anwachsen sollte. Da das Buch vielfach von
Schülern benützt wird, so muss dieser Punkt besprochen werden,
um so mehr, da hierüber falsche Ansichten unglaublich weit ver-
breitet sind. — Es ist nicht der kleine Druck an und für sich,
welcher das Auge angreift, sondern die Undeutlichkeit und das
Geflimmer, welches bei schlecht ausgeführtem kleinen Druck
allerdings leichter entsteht als bei grösseren Typen. Trotzdem
bleibt ein scharfer und sorgfältig behandelter kleiner Druck les-
barer als ein grösserer, demzuliebe etwa nach anderer Seite hin
Ersparnisse gemacht worden sind. Es kommt nicht so sehr auf
die Grössenverhältnisse selbst, als auf die richtige Wahl der-
selben an, auf die kunstgerechte Bestimmung der Abstände, be-
sonders des Durchschusses, auf die verhältnismässige Zeilenlänge,
vor allem aber auf die Schärfe der Lettern, die bei Fraktur oft
viel zu wünschen lässt, während die daneben stehende Antiqua
genügen kann, und endlich auf reinlichen Abzug. Ist nach allen
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI*. -yj
258 Referate und Rezensionen. Ph. Pktttne^*,
diesen Richtungen hin das Richtige getroffen, so strengt kleiner
Druck unter übrigens gleichen Umständen das Auge nicht mehr
an als ein grösserer, und einer gerechten Beurteilung ist folglich
nicht so sehr das Millimetermass als der Gesammteindruck,
welchen das Auge empfängt, zu Grunde zu legen.
Dem neuen Thibaut hat der Verlag alle Sorgfalt gewid-
met. Auf Rechnung der Bearbeiter, Prof. Dr. Wtillenweber
und Oberlehrer Dr. Dickmann, ist zu setzen, dass die Grup-
pierung innerhalb der Artikel mit grossem Geschick angelegt
ist, und dass ohne Verwendung vielartiger, die Lesbarkeit be-
einträchtigender Schriftarten eine grosse Übersichtlichkeit er-
reicht wurde.
Als Vorzüge des Buches sind hervorzuheben die bei aller
Vollständigkeit gedrängte Kürze, die Bezeichnung der Aussprache
in Fällen wo ein Irrtum möglich wäre, die Einschiebung der
Namen in den Eontext, während andere Wörterbücher dieselben
in störender Weise einem besonderen Register überweisen und
die Aufnahme der Abkürzungen. Für Anfänger werden auch
Formen einzeln aufgeführt, dass aber hierin so weit gegangen
wurde duqud = de lequel (S. 162) u. ähnl. anzugeben, ist Raum-
verschwendung. — Obwohl technische Ausdrücke und Neologis-
men ausgiebige Berücksichtigung gefunden haben, fehlt manches,
z. B. un comble (Nonplusultra), houdan, zigue (Littr6: zig);, es
fehlt z. B. auch alphonse (= souteneuTy unser Louis), wobei be-
merkt sein mag, dass S. 475 souteneur unrichtig als Bordell-
wirt bezeichnet ist.^) — An der Aussprachebezeichnung ist die
unvorsichtige Wahl von ng für Nasale und von Id^ für geschliffe-
nes l zu rügen. Wie soll der Norddeutsche besser aussprechen
lernen, wenn das französische Wörterbuch ihm träng und betald^
als Aussprache von %x(m und 3)etaU vorführt?
Von Druckfehlem ist das Buch leider nicht frei. Wenn
S. 424 regouflement für regonflementy S. 490 tetes feroces für bites
feroceSy S. 638 destilieren für desiMiereny 8. 788 lucifer für Lu-
cifer steht, so hat das nicht viel zu bedeuten, sollte aber in
einem Wörterbuch auch vermieden sein. Dass S. 17 bei am-
poide 9ll§eim§ steht (und ebenso bei remois), dagegen richtig SletntS
neben Eeims, ist eine Ungleichheit in der Behandlung, die leicht
durchschlüpft. Ärgerlicher sind schon Fehler wie S. 19 fdne du
^) Ich stelle mich dabei auf den Standpunkt der Bearbeiter,
welche ähnliche Wörter nicht vermeiden zu dürfen glaubten. Meinem
Geschmacke würde es mehr zusagen, wenn solche Ausdrücke in Büchern
fehlten, die naturgem'äss vielfach Kindern in die Hand gegeben wer-
den. Der allgemeinen Verwendbarkeit der Bücher geschähe kein grosser
Abbruch.
TMbaui: Wörterbuch der französischeil etc. 259
commune (fttr commun), 8. 190 esUUden (für esthiticien), S. 639
compacte (für compact), S. 757 giffle (für ^fi/^J; noch schlimmer
ist, dass baudruche, Cendrülon als m. statt als f. und umgekehrt
ditritus als f. statt als m. bezeichnet werden. Nach welchem
Grundsatz ÄthhieSy Bruxelles, Lucques, NapUsy Thlhes weiblich,
Brindes, Douvres, Londres, Sardes dagegen männlich sein sollen,
ist unklar, und noch unklarer ist, warum Naples im französisch-
deutschen Teil als f., im deutsch -französischen dagegen als
m. steht.
Die einzelnen Artikel streben bei alier Gedrängtheit der
Anordnung nach möglichster Vollständigkeit, geben aber manch-
mal Wörter und Ausdrücke, die mindestens tiberflüssig sind. So
steht S» 228 cela ressemble ä nne gageure (= das ist unbegreif-
lich), S. 400 dans la propre maison (= in demselben [?] Hause),
S* 788 ist unter „Lücke" auch dificit (dans une caisse) gegeben
und das S. 359 noch aufgeführte les papiers puhlics oder les
papiers-nouvelles kann man unbedenklich einen längst ausge-
merzten Anglicismus nennen. Solcherlei Streichungen Hessen
sich noch vielfach vornehmen und damit Platz gewinnen für er-
klärende Angaben bei Aufführung mehrerer Wörter. So steht
z. B. ohne nähere «Bezeichnung S. 603 unter „Bengel" auch
hülot, welches nur Klotz oder Block, nebenbei aber auch den
Knüttel bedeutet, welcher Tieren angehängt wird, um sie am
Laufen zu hindern. Öfter vermisst man auch die in einem
Wörterbuch so nötige Hinweisung, dass ein Wort veraltet ist
oder doch altert, so S. 311 bei merveilleux (= Stutzer; unter
diesem Stichwort fehlt S. 897 auffallender Weise gommeux).
Auswärtige Kaufleute mxirchands forains auf S. 589 bedarf auch
einer deutlicheren Bezeichnung, die unter forain allerdings ge-
geben ist Die kurze Übersetzung von Tenebres mit „Nachmit-
tagsmesse" (S. 491) wird manches Kopfschütteln erregen. Wenn
S. 35 automne als m. und f. aufgeführt wird, so müsste letzteres
als veraltet bezeichnet werden. Bei prochain (S. 397) ist ein
Unterschied von le prochain und le plus prochain nicht gemacht,
letzteres nicht einmal genannt. Während S. 311 enfants de la
Tuesse de minuit erklärt wird, fehlt messe de minuiL
Von kleineren Ausstellungen führe ich noch folgende an:
S. 522 un vieil oder vn vietuc hommcj wobei ich homme durch
ami oder ein ähnliches Wort ersetzen würde, denn man hat
schon gerade genug gegen den Gebrauch von un vieil homme
statt un vieiUard bei Schülern zu kämpfen. Bei Pythie S. 831
(ebenso bei Vierge) würde ich den bestimmten Artikel nicht weg-
gelassen haben, denn ebenso gut könnte man auch schreiben-
Kairo n. Caire m. S. 718 par ou pour quelle raison (= aus
17*
260 Referate und Rezensionen. R, Mahrenholiz,
welchem Grunde), par würde ich streichen. Loi gomhette'S, 237
ist mir nur als Singular bekannt, auch wenn die ganze Samm-
lung gemeint ist. Entschieden würde ich S. 33 das deutsch-
und schweizerisch-französische attendre aprls qn (statt attendre qn
auf jem. warten) unterdrücken. Ebenso S. 32 bei c'est lä que
je Vattends das sogar in erster Linie gegebene oü für que, wel-
ches grammatisch fehlerhaft ist; nebenbei bemerkt, scheint mir
die Übersetzimg „da wird es sich schon zeigen" in den meisten
Fällen zutreffender, als „er soll mir nur kommen". Edtir le cafe
S. 623 ist durch griUer le cafe zu ersetzen. Für le mien et le
tien S. 795 ist die jetzt allein übliche umgekehrte Stellung zu
wählen: le tien et le mien. Der Myrtenkranz S. 804 ist nach
französischem Brauch durch la- couronne d* oranger (nicht de
myrtes) zu übersetzen. Nicht ganz richtig ist S. 523 pot de vin
erklärt als Extrazugabe (bei einem Kauf); das Wort beschränkt
sich mehr und mehr auf die Bedeutung „Trinkgeld" im üblen
Sinne, d. h. ein Geldgeschenk für eine Geschäftsvermittelung,
die man geheim zu halten gute Gründe hat. S. 51 ist couvrez-
vouSy la chaleur vous est bonne übersetzt mit: bedecken Sie sich
und machen Sie nicht so viel Komplimente. Keinem Franzosen
wird es einfallen den Ausdruck zu gebrauchen, wo er nicht eine
Impertinenz durch eine andere zurückweisen will; er wird sich
daher so ausdrücken, wenn jemand im Hutaufsetzen sich über-
eiiig zeigt und der Sinn ist etwa: ja, Sie haben recht, Sie könn-
ten einen Schnupfen kriegen. S. 60 brüler le pavi laufen, dass
die Sohlen brennen, wäre richtig übersetzt durch: reiten oder
fahren, dass die Funken stieben.
Manchmal haben die Bearbeiter sich die Arbeit etwas zu
leicht gemacht, wie es scheint von dem Bestreben geleitet, das
Buch für beide Nationen gebrauchsfähig zu machen, indem sie
nicht leicht erklärliche Ausdrücke der einen Sprache durch un-
mittelbar verständliche Ausdrücke der anderen Sprache wieder-
gaben. Dabei leidet aber die Treue der Wiedergabe, denn das
Wörterbuch hat ebenso sehr wie eine gute Übersetzung nicht
nur im allgemeinen den Sinn, sondern auch möglichst genau die
Schattierung beizubehalten. Alle Nasenlang S. 808 ist eher ä
tout bout de champy welches sich wenigstens in der familiären
Gebrauchsweise mit dem deutschen Ausdruck deckt, als ä tout
moment S. 684 ist für »den Weg alles Fleisches gehen" das
französische mourir doch zu farblos. Auch S. 796 konnte für
„wir waren nicht in geringer Verlegenheit" leicht ein mehr ent-
sprechender Ausdruck gefunden werden als nous itions dans un
grand embarras; gerade im Französischen ist ja dieser Gebrauch,
nk: Satyr e MSnippde, 261
s Diminutiv bezeichnen könnte, sehr aus-
Hemerkungen wollen als Beitrag zur Ver-
li guten Arbeit betrachtet sein. Was von
uauflage berücksichtigt werden muss, kann
■, auch wenn das Buch mit Platten gedruckt
die Schönheit des Druckes hindeutet. Der
t es ja ein leichtes, noch in den Platten
n vorzunehmen. Auch so wie es vorliegt,
als gewissenhafte und gediegene Leistung
Ph. Plattnee.
'pee. Kritisch revidierter Text mit Einleitung
därenden Anmerkungen von Josef Fl*ailk. Oppeln,
' 1884.
i Vernachlässigung, unter welcher die franz. Litte-
I. Jahrh. immer noch zu leiden hat, ist jeder Bei-
. HO Ausgabe an sich höchst willkommen. Ein grosses
; wirbt sich aber der, welcher ein bisher nur in Frank-
<'h gekanntes, auch dort wohl nur von den wenigsten
tiuliertes Litteraturwerk den gelehrten Kreisen Deutsch-
Mglicber macht. Diese Aufgabe ist von Herrn Prof.
der vorliegenden Ausgabe mit ebenso grossem Fleiss,
liok gelöst worden. Die Einleitung gibt eine richtige
i- sende Schilderung der politischen Wirren der Liguen-
1 beschränkt sich nicht bloss auf Ranke's, die bisherige
s erweiternde und durch geniale Kombinationen ergän-
Darstellung, sondern berücksichtigt auch die zeitgenössi-
' 1 Berichte, soweit sie charakterisierend und von allgemei-
Wiebtigkeit sind. Der Charakter der Satire iselbst ist
II d gekennzeichnet, der Hauptinhalt in den Grundzügen so
jii(*kt angegeben worden, dass die Lektüre der etwas breiten,
■ xn Schmähschrift dadurch sehr erleichtert wird.
Der Versuch einer objektiven, auch die schwachen Seiten
Norhebenden Würdigung dieser Satire (wir möchten den Herrn
> rf. bitten, nicht Satyre drucken zu lassen,) zeigt, wie weit
. F. von der Überschätzung des Gegenstandes mühsamer Stu-
II entfernt ist, doch scheint uns die politische Bedeutung der-
iben zu günstig beurteilt zu sein. Denn, wie alle Flug- und
'^<']iniähschriften, so ist auch die „Satyre M6nipp6e^' nur ein
Nachhall der Zeitanschauung, die sich von den Bestrebungen
262 Referate und Rezensionen. R, Mahrenholtz,
der halbspanischen Ligue und der sechzehn Pariser Tyrannen
immer mehr zu Heinrich IV. und seiner Partei wandte, nicht
etwa eine Schöpferin dieses Umschwunges. Der Hr. Verf., des-
sen Auseinandersetzung über die ursprüngliche Publikationszeit
der Satire (1593) wir gern beitreten, kann doch auch nicht er-
weisen, dass dieselbe einen tiefgehenden Einfluss zu Gunsten
Heinrich's gehabt hat. Was er über die ästhetischen Mängel
der Schrift bemerkt, läuft eigentlich darauf hinaus, dass eine
Satire eben nur Satire, nicht ein treues geschichtliches Bild sei,
und dass eine lediglich politische Tendenzschrift mit grellen
Zügen und starken Farben schildern muss. Das Verhältnis Le-
roy's, des ersten Verf. der Satire zu den späteren Bearbeitern
ist wohl auch durch Hm. F.'s ausführliche Darlegungen in die-
ser Zeitschrift nicht endgiltig festgestellt worden, und manche
Argumente ZvöHna's, der für Leroy's alleinige Autorschaft in
den wesentlichen Bestandteilen plaidiert, bleiben wohl bestehen.
Uns scheint diese Frage überhaupt eine höchst schwierige, nicht
unwiderleglich zu lösende, die für die Tendenz und den Cha-
rakter der „M6nipp6e" in der Hauptsache nicht zu viel austrägt.
Dagegen hat unser Verständnis der Flugschrift und unsere
Kenntnis der Verhältnisse jener Zeit eine grosse Förderung durch
den sorgfältigen, in grammatischer wie historischer Hinsicht gleich
vollkommenen, Kommentar erfahren und wird daher die spätere
litterarhistorische Schilderung dieser Satire sich wesentlich auf
die Frank'sche Ausgabe stützen müssen.
R. Mahrekholtz.
Allgemeine Litteraturgeschichte von Dr. P. Norrenberg
in 3 Bänden. Münster, Russel's Verlag, 1884. M. 13,20.
Die Büchermacherei, die nirgends ärger ist, als auf dem
Gebiete der Litteratur- und Kulturgeschichte, die bequeme Manier,
aus einer Anzahl von Biographien und Spezialdarstellungen ein
neues Buch zusammenzuleimen und diese wenig haltbare Buch-
binderart durch die lockende Aussenseite schön klingender
Phrasen und souveräner Kritik gefälliger zu machen, hat uns
soeben mit einem dreibändigen Werke beglückt, das zur Ab-
wechselung einmal den christlich - orthodoxen Standpunkt der
historischen Wahrheit aufdrängt. In der Vorrede schon klagt der
Herr Verf., dass man in der Litteratur- und Kulturgeschichte
stets nach Waffen gegen die überlieferten religiösen Anschauungen
geforscht habe, nun will er, statt objektiv zu schildern und die
Thatsachen reden zu lassen, den Spiess umkehren und sich zum
Norrenberg: Aügemeine LitteraiurgescMchie. 263
Verteidiger der katholischen Partei-Interessen, die er ohne wei-
teres mit dem Christentum identifiziert, aufwerfen. Das wäre an
sich schon der Neuheit wegen recht interessant, wenn nur der
gläubige Herr Verf. neben dem Glauben auch das Wissen und
das Beweisen etwas höher schätzte. Seine Methode ist eine
ungeheuer einfache: was von den zahllosen Litteraturwerken zu
seinem Standpunkte passt, wird wohlgefällig angepriesen, das
andere geschmäht oder kurz abgethan. Am ausführlichsten und
günstigsten wird daher die Litteratur bis zum Aufklärungszeitalter
beurteilt, von da ab muss sie sich meist eine kurze, summarische
Aburteilung gefallen lassen. Die Perle aller Dichtkunst ist im
alten Testamente verborgen, von der orientalischen Poesie wird
das dem Geiste des alten Testamentes verwandte gepriesen, mit
besonderer Gunst wird dann die christliche Dichtung des Mittel-
alters bedacht. Schlimm ergeht es der englischen Bühnen-
dichtung vor Shakespeare, und allem, was von der deutschen
Litteratur mit der Reformation zusammenhängt — man lese, was
II, S. 128 darüber an erbaulichen Eapuzinaden vorgebracht wird,
nur Shakespeare wird noch aus der höllischen Reformations-
epoche in die christliche Weltanschauung hinübergerettet. Ein-
zelne aus dem Zusammenhang gerissene Stellen des „Lear'',
„Hamlet'^, „Merchant of Venice ^ mit einigen Eanzelphrasen aus-
staffiert, mögen frommen Seelen wohl diese Überzeugung bei-
bringen. Dasselbe Wohlwollen zeigt der Herr Verf. auch den
beiden grossen Tragödiendichtem im Zeitalter Ludwig's XIV.,
Corneille und Racine, doch muss der erstere es sich gefallen
lassen, dass nur sein „Polyeucte" den Gläubigen empfohlen, der
letztere, dass die „Athalie" zwar als „Meisterwerk der französi-
schen Dramatik" gefeiert, die übrigen Dichtungen aber wegen
ihrer „weichen, unchristlichen Liebestragik'' und ihrer „schweif-
wedelnden" Höflingspoesie auf den Index gesetzt werden.
Und Moliöre? Er hat ja den „TartuflTe" geschrieben,
welchen die ästhetische Bildung des Herrn Norrenberg zu einer
„ Posse '^ und zu einem „Pamphlet" herabsetzt, in seinem „Don
Juan ^ ist die alte spanische Sage „ in der Entartung fort-
geschritten" etc. Die Gunst, welche der allerchristliche König
(N. nennt ihn kurzweg „Louis", ob das ein Witz sein soll,
können wir nicht ergründen) gleichwohl dem gottverlassenen
Dichter zuwandte, wird aus der Notwendigkeit, „in seinem Kampfe
gegen den Adel Hilfstruppen" zu haben, erklärt. Welch ein
Gedanke von entzückender Originalität! Die Militärmacht Frank-
reichs, die ganz Europa in Schranken hielt, genügte zur Demü-
tigung des bereits niedergeworfenen, zahmen Adels nicht, da
mnsste man schon einen Schauspieler, den jeder Hoffähige da-
264 Referate und Rezensionen. C. Humberi,
mals nach Herzenslust verachten und beschimpfen konnte, und
den der König selbst den geistlichen Interessen jeder Zeit auf-
opferte, zu Hilfe nehmen.
Kommt nun Moli^re schon in die erste Höllenetappe^ was
wird dann aus Voltaire? Die unterste Höllenstufe kann ihm ge-
wiss nicht vorenthalten werden. Indessen der Jesuitenzögling
Voltaire, der gelegentlich auch den kirchlichen Interessen Rech-
nung trug, ist dem Herrn Peter Norrenberg doch ein ganz Teil
sympathischer. Voll EntzUcken teilt er zur Erbauung christlicher
Gemüter eine lange Stelle aus der „ZaYre" mit, mit vollster Un-
kenntnis rühmt er Voltaire's anfängliche Begeisterung für den
christlich-katholischen Shakespeare, dem nur sein „fester, christ-
licher Kern" später die wenig schmeichelhaften Prädikate „be-
trunkener Wilder und Dorfhanswurst" von selten seines Ver-
ehrers eingetragen habe. Im Übrigen ist Voltaire ein grund-
schlechter Kerl — bereits seine jesuitischen Lehrer haben das
gewusst — und auch, soweit er nicht aus Berechnung frömmelt,
ein ganz miserabler Dichter. Seine „Henriade" ist schon dess-
halb nichts wert, weil man in „diesem Heldengedicht voll Krieg
und Schlachtrossen nicht einmal Gras findet um die Pferde zu
füttern, und Wasser, um sie zu ti'änken".
Doch genug an diesen Proben. Erlassen wir dem Verf.
zur Belohnung des letzten unübertrefflichen Witzes eine weitere
Durchmusterung seiner Kapuzinaden über die neueste Litteratur
und fragen wir ihn aufs Gewissen, von wie vielen der Band III
auf 64 enggedruckten Seiten ohne jede Auswahl angeführten
Bücher er denn mehr als die Titel kennt, und wie es mit seiner
kirchlichen Tendenz sich vereint, auch ganz ketzerischen Geistes-
produkten durch Anführung ihres Titels Existenzberechtigung zu-
zugestehen ?
B. Mahbenholtz.
Meliere auteur et comedien. Sa vie et ses oeuvres. Par
L^on Damoustier. Paris, Laplace, Sanchez et C^e. 1883.
Seit einer Reihe von Jahren erscheint bei Laplace, Sanchez
in Paris eine Sammlung französischer Schriftsteller: Collection
de beaux volumes in -12, format anglais. Sup^rienrement im-
prim^s et orn6s de gravures colori6es, k 3 fr. 50 c. le volnme,
die man in jeder Hinsicht empfehlen kann. Sie enthält unter
anderen in je 2 Bänden: den Moli^re; Regnard; Th6ttre frangais
au 16. et au 17. si^cle; Choix des com^dies les plus remar-
quables ant^rieures k Möllere; Chefs -d'oenvre dramatiques du
Dumoustier: MoHere, auieur et comedien, 265
18 siecle; in 3 Bänden: P. Corneille, th6ätre complet; in je
1 Bande: P. Corneille, th^ätre choisi; T. Corneille, th^ätre
choisi; Racine; Rotrou; Scarron; Boursault; Quinault; la Fon-
taine; Voltaire, th6ätre choisi; Beaumarchais; CoUin d*Harle-
ville; Picard; Marivaux; Boileau; la Brayöre. Unter denen,
welche die Ausgaben besorgten und mit Einleitungen versahen,
hebe ich besonders hervor: Edouard Thierry, Victor Fournel,
Ed. Foumier. Besonders interessant ist Fournier, th6ätre fr. au
16 et au 17 siecle, sowohl wegen des Inhalts als der hübschen
kolorierten Bilder von M. Sand (Matthieu, cr^ancier; Le capi-
taine Rodomont; Nivelet; Cardenio; La Dnpre, conrtizanne; Le
duc d'Ossonne; Hespörie). *
Ihnen schliesst sich in Preis, Format und Druck — aber
ohne Bilder — das oben genannte Buch von Dumoustier über
Moli^re an. Der Verfasser ist kein Kritiker oder Litterar-
historiker von Fach und tritt nicht mit der Prätension auf, uns
über das Leben des Dichters und Geschichte seiner Werke neue
Aufklärungen bringen zu wollen — in einem Bändchen von 376 S.
fehlte schon dazu der Platz — er kennt aber die einschlägigen
französischen Schriften und berichtet mit selbständigem und in
den Hauptpunkten richtigen Urteil über die Resultate fremder
Forschung. In manchen Einzelheiten stimme ich nicht mit ihm
überein, desto mehr aber in den Hauptfragen. Was ihn haupt-
sächlich leitet, ist, neben den Grundsätzen historischer Kritik, die
Achtung vor der Person des Dichters. Toutes les misferes
attach6es k nos vies, bemerkt er in einem den Gegenstand be-
treffenden Schreiben, ne sont que trop souvent forc6es et exa-
g6r6es sans preuves pour nos hommes illustres. Dans quel
but? A quel profit? k quelle gloire? II me semble au con-
traire que la reconnaissance que nous devons aux vaillants g6-
nies de nos pays nous devrait faire un devoir de cacher leurs
misöres. Wie neuere Forschung zeigt, ward besonders gegen
Meliere und diejenigen, die ihm durch die Bande des Bluts, der
Liebe und Freundschaft am nächsten standen, vielfach in dieser
Hinsicht gesündigt Freilich, wir sollen nicht aus Humanität ihre
offenbaren Schwächen und Vergehen wegleugnen oder verdecken,
aber weniger noch dürfen wir sie verdammen, auf die Aussage
gemeiner, unglaubwürdiger Zeugen. Das geringste, was ein
grosser Mann und seine Angehörigen von uns verlangen
können, ist, dass wir in solchem Fall, unsere Unwissenheit be-
kennend, wie die Geschworenen den Angeklagten, sie bis auf
weiteres frei sprechen, aus Mangel an Beweisen:
Sub judice lis est.
266 Referate und Rezensionen, C. Humberi: MoUere, auieur eic.
Wenn aber der Verfasser in dem schon erwähnten Schreiben
meint: „A part ce sentiment qne vous trouverez dans chaque
chapitre de Moli^re auteur et com6dien, le reste vous laissera
peut-Stre beaucoup k d^sirer^^, so muss ich dem in einem nicht
wenig wichtigen Punkte widersprechen. Ich meine die Beur-
teilung der Werke. Dumoustier ist selbst dramatischer Dichter
und, durch Erfahrung mit den zu überwindenden Schwierigkeiten
bekannt, mehr als ein blosser Kritiker befähigt und geneigt, die
Grösse des Dichters zu erkennen. Auch gibt dies seinem Urteil
eine grössere Bedeutung. Wollte ich von den Bemerkungen über
den Dichter und die einzelnen Werke wiedergeben^ was mir aus
dem Herzen gesprochen ist, so mtisste ich einen ziemlichen Teil
des Buches abdrucken.
Ich schliesse mit denselben Worten wie der bescheidene
Verfasser selber:
Moli^re nous connaissait tous; nous ne le con-
naissons que bien peu et le secret de son art nous est
interdit
En rappelant ses ouvrages, en essayant de ra-
conter sa vie, nous avons 6t6 condnit par ces deux
seuls sentiments: le respect de son foyer et Tadmi-
ration de son oeuvre.
H. HUMBEST.
Litterarische Chronik.
Scbnlgraiaiaatikeii. Übungsbücher.
P. Steiner, Einleitung zur Erlernung der französischen Spretche. Neu-
wied und Leipzig 1884. Heuser's Verlag. 8<». 89 SS. M. 1,80.
Der Verfasser dieses Elementarbuches scheint ein etwa mit den
Kenntnissen eines Preuss. Mittelschullehrers (gehobenen Elementar-
lehrers) ausgerüsteter Volksschullehrer zu sein, der sich für befähigt
hielt, für den im Beichslande üblichen französischen Vorschulunter-
richt ein geeignetes Buch zu verfassen, der zur Ausführung dieser Auf-
gabe aber in keiner Weise vorbereitet war. Von dem an unsern Ele-
mentarlehrern so sehr gerühmten und den Lehrern an unsern höheren
Lehranstalten so oft zur Nachachtung empfohlenen pädagogischen Takte
ist bei ihm nichts zu bemerken. Seine französische Sprachkenntnis
lässt ihn alle Augenblicke im Sticht und selbst mit seinem deutschen
Ausdruck ist es nicht weit her. Man braucht nicht weit zu lesen, um
sich von der Richtigkeit unserer Angaben zu überzeugen. Schon seine
Vorbemerkungen zur Lautlehre auf S. 1 sind charakteristisch. Es
heisst dort u. a.: „als Nasallaute dienen die Zeichen (f^, o» etc."; „das
Zeichen oa dient als einsilbiffer Laut** ; „sh dient zur Bezeichnung eines
weicheren Zischlautes als scn, tief aus der Kehle gesprochen, fast ohne
Bewegung der Zunge. Er soll das französische j darstellen — also
s/uif shi, she**, S. 2 nennt er den Buchstaben g dann 8ehe\ und zwar
zweimal; erklärt er, „g vor e und i lautet: sehe, schi^. Vorzüglich
sind auch seine Regeln: „das c ist öfter als A:-Laut gebraucht" (S. 1);
das h wird nicht ausgesprochen, das gehauchte h (^h) ist kaum be-
merkbar in der Aussprache" (S. 2) ; „das e am Ende mehrsilbiger Worte
ist stumm", — „in der Mitte der Wörter ist seine Aussprache ver-
schieden" (S. 2). Prächtig ist die Art, wie der Verf. die Bildung der
Nasalvokale beschreibt. Er sagt (S. 2 f.) unter der Überschrift: „Die
Vorbereitungslaute m bei h, und das n bei d^i „Sie werden nicht aus-
gesprochen. Man stellt den Mund nur zu ihrer Aussprache bereit,
geht aber sofort zur Aussprache des andern auszusprechenden Konso-
nanten über." Zur Einübung wird dann die Aussprache von ^^a, ^be^
^bi, ^da, ^de etc. empfohlen. Auf derselben Höhe steht das Übrige.
Bodenlos ist die Flüchtigkeit der Korrektur: Vöilä wird nie mit Ac-
Cent seschrieben, v^l. S. 11 (3 mal), S. 32 (2 mal), S. 39. Das Wort
de'picher steht richtig auf S. 16, sonst heisst es depechez-vaus (S. 8,
■wn.f
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Schulausgaben. 269
rede deutlich zeigt. Es ist zu wünschen^ dass der Herausgeber im
II. Teil weniger ängstlich mit Streichungen ist.
Schlnssbemerknng.
In Bd. V, Heft 6 dieser Zeitschrift fand die 16. Auflage der
Causeries parisiertnes von Peschier (1881) eine Besprechung, in wel-
cher bemerkt wurde, dass der grossenteils veraltete Inhalt eine Neu-
bearbeitung nötig erscheinen lasse. Mittlerweile habe ich erfahren,
dasB der Verf. bereits im Jahre 1878 gestorben ist, jedenfalls also
nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn sein Buch im-
mer wieder in unveränderter Gestalt in die Welt hinausgeht. Zur
Yer^leichung besitze ich nur die 13. Auflage (1871), während die 14.
und 15. mir unzugänglich blieben« Die 13. Auflage bietet ausser dem
Avant -propos Vorreden zur 8., 9. und 13. Auflage. Die 16. Auflage
enthält nur einen Avant -propos, der aus den Vorreden zur 9. und
13. Auflage zusammengeschweisst ist und die Unterschrift „Peschier,
professeur", aber kein Datum zeigt. Nur im Kontext sind einige Da-
tums'änderungen vorgenommen, wie sich aus folgender Gegenüber-
stellung ergibt.
Vorrede der 13. Anflage
datiert novembre 1870:
Nous aurions voulu mettre les
Causeries de 1870 en harmonie
avec les changements survenus
dans la politigue de nos voisins . . .
atissi nous flattons-nous d^offrir,
ceite foiS'Ci comme les precedenies,
un tableau fidele de la socie'te pa-
risienne, ainsi que des traits qui
la caracterisent en Van de gräce
1870.
Avant -propos der 16. Auflage
(1881) ohne Datum:
Nous aurions voulu mettre les
Causeries de 1880 en harmonie
avec les changements survenus
dans la politigue de nos voisins . . .
aussi nous flattons-nous d'offrir,
dans cette nouveüe edition, comme
dans les pre'ce'dentes, un tableau
fidele de la socie'te parisienne,
ainsi que des traits qui la carac-
terisent en Van de gräce 1880.
Hinzuzufügen habe ich nur noch, dass die Verlagshandlung (Paul
Neff, Stuttgart) zweimal um Aufklärung bezw. Zusendung eines Exem-
plars der Zwischenauflagen angegangen wurde, eine Antwort aber
nicht erteilte.
Ph. Plattneb.
Schulausgaben.
Prosateurs fran9aiR ä l'usage des dcoles publi^s par Tel'
hagen k Klasing. Livr. 88 — 50. Vgl. diese Zeitschr. Bd. II,
S. 545 — 557. Bd. III, S. 326 — 329. Bd. IV* S. 114 — 117.
Bd. V2, S. 216.
88) Aventures de Tdl^naque par Fehelon, III. Teil. In Aus-
zügen mit Anmerkungen zum Schulgebrauch herausgegeben von
G. Jaep. Kart. 90 Pf. Die sachlichen Anmerkungen sind wohl
befriedigend, weniger die grammatischen und lexikalischen z. B. S. 5, 9:
„iraiter de faible als Schwächling behandeln (!)**. S. 7, 2: „Nach vorauf-
gehendem bejahenden Komparativ im Hauptsatze muss im Neben-
sätze des Vergleichs ne (im Deutschen unübersetzbar) stehen." Wozu
hier die ungenügende Angabe der Regel, da doch die Einrichtung der
270 Litierarische Chronik, C. Th. Lion,
Ausgaben es ermöglicht, den Fall mit einem Hinweis aof die Grammatik
zu erledigen? Dergleichen findet sich mehrfach.
39) Risioire ancienne par M. le comte de S^gur. Achtund-
zwanzig Geschichtsbilder. Mit Anm. zum Schulgebr. herausg. von
0. Schau mann. Kart. 1,20 Mk. Ein Auszug aus der 1847 bei Didier
in Paris erschienenen zweibändigen 8. Aufl. Die Anmerkungen sind
im allgemeinen zweckmässig, wenn auch die lexikalischen Mitteilungen
etwas sparsamer hätten sein können, zumal das zu 50 Pf. besonders
käufliche Wörterbuch hinreichend dafür aufkommt. Die Geschichts-
bilder behandeln Ägypten, Sesostris, die Assyrer und Lydier, Krösus
u. s. w., dann u. a. Kekrops, Theseus, Lykurs, Solon, die Perserkriege,
den peloponnesischen Krieg, Perikles, Alcibiades, Sokrates. Wenn der
Hg. meint, dass dieser Inhalt, „welcher uns Ereignisse der alten Ge-
schichte vorführt, die wir von Jugend auf mit besonderem Interesse
gehört haben^, nebst der lebendigen fesselnden Darstellung und der
im ganzen leichten Sprache der ausgewählten Stücke dafür spreche,
dass in dem Bändchen ein erwünschtes Material für Klassen-, sowie
für Priyatlektüre ffeboten werde, so möchte ich das wohl für das zu-
sammenhängende Werk S^gurs zugeben, aber nicht für diese chresto-
mathischen Stücke, deren Inhalt ja sonst der Jugend hinreichend ver-
mittelt wird.
40) Cinq semaines en haUon par Jules Verne. In Auszügen z.
Schulgebr. herausg. von W. Begemann. Kart. 1 M.
41) Le Tour du Monde enquatre-vingts jowrs par Jules Verne.
DgL bearbeitet von K. Bandow. Kart. 1,20 M. Die bei dieser Ge-
legenheit erneuerte Lektüre der voyages extraordÄnaires hat mir trotz
der vollen Anerkennung ihrer vielfachen guten Eigenschaften die feste
Überzeugung verschaflt, dass sie als Klassenlektüre in die Schule nicht
gehören; das Romanhafte tritt zu sehr in den Vordergrund, nimmt
einen zu grossen Raum ein und ist dabei zu überspannt, als dass man
flauben könnte, den Schülern damit etwas Mustergültiges zu bieten; die
'orderung bleibt unerlässlich: der Lektürestoff, der für die Schule ge-
wählt wird, muss eine ziemlich strenge Kritik ertragen können; das
lässt sich aber von J. Verne^s Romanen, gerade wenn man sie als
solche betrachtet, nicht sagen. Man denke bei den fünf Wochen im
Ballon z. B., von manchem anderen abgesehen, nur an die unglaub-
lichen Erlebnisse Joe's, als er sich aus dem Ballon in den Tchadsee
hinabstürzt, deren Bericht in dem hier gegebenen Auszuge S. 140 — 165
wegnimmt. Trotzalledem ist die Herausgabe der vorstehenden Romane
verdienstlich, weil sie sich mit den Zuthaten der Anmerkungen und
der 88 und 96 S. umfassenden Wörterbücher (ä 80 Pf.) zur Privat-
lektüre der Schüler einerseits und sonstiger Litteraturfreunde, die noch
einer Beihilfe bedürfen, andererseits sehr empfehlen. (Druckfehler
in 40. Lieferung: S. 14, Z. 19 v. o. : q'une. S. 187, Z. 3 v. u.: puis-qu'Ü,
— Anmerkung S. 17, 7 zu vous auriez coupe'Joe en morceaux, . . . qu*ä
n*aurait pas change d^anis, „Satzgefüge, die im Hauptsatze ein Kondi-
tional und im Nebensatze que mit derselben Zeit haben, sind als un-
vollständige Sätze zu erklären ; zu dem Hauptsatze ist ein Konditional-
oder Konzessivsatz zu ergänzen, und der Nebensatz ist als Konsekutiv-
satz zu fassen: si vous aviez oder quand mime vous auriez coupe' Joe
en morceaux^ vous f auriez cou]9e de sorte qu*il n*auraii pas chanae'
d'avis etc.^ Der Hg. sollte bei einer so umstrittenen Sache doch nicht
eine so diktatorische Sprache anwenden. Aus dem, was Mätzner,
fr. Gr. S. 881 über den Fall bemerkt, lässt sich keine Erklärung
dafür entnehmen. Lücking, fr. Gr. f. d. Schulgebr. S. 102 erklärt das
Schulausgaben, 271
que in dem Satzgefüge auffallender Weise durch wie sehr, wie!
Tobler, in der Zeitschrift für das Gymnasialwesen 1883, Juniheft, er-
klärt das ^t/^ durch während; also hier: man hätte (gegebenen Falls)
Joe in tausend Stücke geschnitten, während er seine Ansicht nicht ge-
ändert, ohne dass er seine Ansicht geändert hätte. Probst-Knebel, fr.
Schulgr. 17, S. 183 bemerkt ziemlich in sachlicher Übereinstimmung
mit Mätzner: Merkwürdig ist der in solchen Fällen ziemlich häufige
Fall, dass im Vordersatze die Konjunktion ganz weggelassen und der
Nachsatz mit ^ue angeknüpft wird."* Mir ist die Bemerkung Tobler*s
am meisten einleuchtend.) Für den Zweck sind auch die Beihülfen in
angemessener Weise abgefasst, insofern sie sich da einstellen, wo man
sie wünscht.
42) Histoire de Charles I^ par Guizot. Im Auszuge mit Anm.
z. Schulgebr. herausgegeben von IC. Mayer, I. Teil. £art. 80 Pf.
Wörterbuch dazu 20 Ff. Das Bändchen enthält S. 121 — 290 des
1. Bandes der Originalausgabe; ausserdem sind im Texte selbst öfter
kleinere oder grössere Auslassungen vorgenommen ; S. 228 — 239 der
Originalausgabe, welche den Ursprung der schottischen Erhebung dar-
stellt, ist durch eine kurze deutsche Inhaltsangabe ersetzt. Was die
Fassung der Anmerkungen anlangt, so ^eben wir dem yorliegenden
Bändchen den Vorzug vor der 1878 Berun, Weidm. veröffentlichten
Ausgabe Bruno Gräser*s (vgl. diese Zeitschriffc Bd. I, S. 269 f.). Wenn
Guizot*s histoire de la rävoluiüm d^Angleterre in der Schule gelesen
werden soll — und an und für sich ist nichts dagegen einzuwenden —
bleibt nichts übrig, als einen Auszug daraus zu machen; auch in der
Beziehung verdient das Bändchen (160 S. kl. 8') zu 80 Fi. kart. den
Vorzug vor der 1. Abteilung des ersten Bandes der Ausgabe Gräser's
(190 S. 8") zu M. 1,80 brosch. Es umfasst die Zeit von der Thronbe-
steigung KarFs I. bis zur Hinrichtung Strafford's. Wir bemerken
übrigens noch, dass die Formulirun^^ der grammatischen Anmerkungen
vielfach zu wünschen übrig lässt, mitunter sind sie geradezu unrichtig ;
z. B. wenn S. 11, 2 bemerkt wird, dass in dem durch ä peine einge-
leiteten Temporalsätze (bei Guizot) ebenso offc das Plusquamperfekt
wie das Aut^rieur stehe, ohne dass ein Unterschied der Bedeu-
tung zu erkennen wäre. Der Hg. hat nur den Unterschied nicht
erkannt ; an allen den Stellen, wo das erste Plusquamperfekt bei Guizot
nach ä peine auftritt, steht es in der ihm eigenen Bedeutung des Zuständ-
lichen, bereits vollendet Vorliegenden. Vielfach sind Parallelstellen
aus Macaulay, gelegentlich auch aus Hume herangezogen, wie das auch
schon Gräser hin und wieder gethan hatte: überhaupt hätte der Hg.
wohl der Arbeit seines Vorgängers, der er manches entnommen hat
und manche Anregung verdankt, mit einigen anerkennenden Worten
gedenken können; er zitiert jene Schriftsteller, wie er im Vorworf an-
gibt, „natürlich in der Sprache des Ori^als", während Gräser mit
Rücksicht auf die Schüler des Gymnasiums Macaulay in deutscher
Übersetzung herangezogen hatte. Diese Rücksicht scheint mir keine
ganz unbillige, und das „natürlich^ des Vorworts nicht gerechtfertigt.
43) Voyage au cenire de la Terre par Jules Verne. In Aus-
zügen mit Anm. z. Seh. hg. von G. Opitz. Kart. 1,20 M. Wörter-
buch dazu 30 Pf. Über £eses Bändchen gilt dasselbe wie über 40
und 41. Die sprachlichen Anmerkungen geben indes hier zu Aus-
stellungen mehrfach Veranlassung; z. B. S. 148, 1: tu vas votr = tu
verras. S. 145, 4: parvenir ä faire qe. = H\iBBir ä faire qc. Wenn
dazu überhaupt für den Verneleser eine Anmerkung nötig war, was ich
vollständig verneine, so musste nicht die Gleichheit der beiden Wen*
272 LUierarische Chronik. C, Th. Lion,
dangen behauptet, sondern der Unterschied nachgewiesen werden. In-
dessen dürfte dieser Mangel der Ausgabe gerade bei dem Yerneleser,
der dergleichen Anmerkungen unberücksichtigt lassen wird, weniger
ins Grewicht fallen.
44) Uineraire de Paris ä Jerusalem par F. de Chateaubriand.
In zwei Teilen. In Auszügen mit Anm. z. Seh. hg. von Otto Ritter.
II. Teil. Voyage de Rhodes, de Jaffa^ de Beifdeem, de la Mer Morie et
de Jerusalem (vgl. Bd. III. dieser Zeitschr. S. 329 über Teil I. und
ebenda S.'829 ff. über die Ausg. von Kühne in Berlin bei Weidm.
2. Aufl. 1881. 90 Pf. geh.). Kart. M. 1. Wörterbuch dazu 20 Pf. Die
Anmerkungen sind wohl gelungen (die Ausgabe vermeidet die von
J'äckel a. a. 0. an der Ausgabe Kühne's gerügten Fehler), nur könnte
noch in Bezug auf die Angabe bekannter grammatischer Regeln grössere
Beschränkung obwalten, die Zitate der Grammatik, die ja auch nur
ein für manche erwünschtes Accessit sein sollen, reichen dafür voll-
ständig aus, die Regel selbst könnte mit einem kurzen Schlagwort an-
gedeutet werden. Wenn S. 66, 3 über la chmne du levant . . . , est la
plus elevee; . . . un grand mur perpendiculaire on dirait gesagt wird:
„Zu bemerken ist, dass bei dire in der Bedeutung „halten^' der deutsche
Acc. des pers. Fürworts fortfällt", so vermisst man dabei eine Er-
klärung des französischen Sprachgebrauchs.
45) Histoire des croisades par Michaud. In zwei Teilen. In
Auszügen mit Anm. z. Schulgebr. hrg. von E. Paetsch. II. Teil.
Troisüme croisade. Mit einer Übersichtskarte. Kart. 1 M. Wörter-
buch dazu 20 Pf. Die Bearbeitung ist im ganzen wohl gelungen und
entspricht mehr den Anforderungen an eine Schulausgabe, als die Aus-
gabe Volkeradt's (Berlin, WeicEnann'sche Buchh. 1877). Die Zugabe
der Übersichtskarte ist dankenswert. Der Hg. erwähnt seinen Vor-
gänger nicht, dem er manche Notiz entnommen hat, ich will ihm
damit nicht Unselbständigkeit ziim Vorwurf machen, aber ein Wort
des Dankes oder dgl. jener Vorarbeit gegenüber wäre immerhin am
Platze gewesen. In der Biographie S. 4 lesen wir, dass Michaud am
5. Oktober 1795 festgenommen und zum Tode verurteilt wurde. Gleich
darauf S. 5: „Im April 1797 wurde das Urteil widerrufen und er über-
nahm wieder die Redaktion der Quotidienne." Sollte sich dabei nicht
eine Frage der Verwunderung darüber einstellen, dass ein festge-
nommener, zum Tode Verurteilter, also weil festgenommen, doch
hingerichteter, nach eineinhalb Jahren wieder auflebt? S. 8, 4: „Ge-
hört nur oder erst zu einem Verb, so braucht man n^ faire gue^, ist
eine in ihrer Fassung unbefriedigende Anm. Besser war die Volkeradt's :
ne faire gue mit folgendem Infinitiv übersetze man mit „nur". Gute
Grammatiken (LücMng; Probst-Knebel S. 233 Anm. 6) geben dafür
eine noch bessere Form.
46) Histoire de Napoleon et de la grand^-armee en 1812 (richtig
lautet der Titel pendant Tannee 1812) par le Comte de S^gur. In
Ausz, m. Anm. z. Schulgebr. hg. von 0. Schmager (Gera). Teil 11.
Buch Vin und XL (Napoleon in Moskau und Übergang über die
Beresina.) Mit einer Übersichtskarte. Kart. 1,20 M. Wörterbuch dazu
20 Pf. Meine Ansicht über das Werk S^gur's ist nun einmal die, dass
<es keine Kürzung irgend welcher Art verträgt; ich wünsche es als
ganzes in dem Besitze des Schülers, als ein Werk, an dessen Besitz
er Freude und Genuss haben kann^). Die Bearbeitung der Stücke ist
^) Ich habe deshalb gern der Aufforderung der Verlagshand-
lung von Friedberg und Mode, Berlin, Folge geleistet und die Heraus-
Sckulansgäben. 273
dem für die Prosateurs gültigen Programm entsprechend, die lexika-
lischen Angaben hätten mit Rücksicht auf das Wörterbuch auch hier
mehr beschränkt werden können.
47) Louis XI par Fran9oi8 Guizot. In Auszügen aus
Hisioire de France racontee ä mespeiiis-enfants. Mit Anm. z. Schulgebr.
hg. von K. Bandow (vgl. diese Zeitschritt Bd. II, S. 551, Bd. III.
S. 328.). Inhalt und Form lassen die Wahl dieses Werkes für Schul-
lektüre wohl geeignet erscheinen und zwar wegen der dazu erforder-
lichen Geschichtskenntnis und der mehrfachen Zitate aus Commynes
und anderen zeitgenössischen Schriftstellern, sowie überhaupt wegen
des reflektierenden Stils für Prima. Darauf hin habe ich eine genauere
Prüfung der Anmerkungen angestellt, die mir danach teilweise einer
Umarbeitung bedürftig erscheinen. S. 6, 1: „Das Personalpronomen
je kann fehlen, weil ai an sich als erste Person des Singulars kennt-
lich ist." Doch nicht mehr in der heutigen Sprache ; im Afr. aber be-
durfte das Verb zur Bezeichnung der Person im Nominativ des per-
sönlichen Fürworts überhaupt nicht, es wird nur da hinzugefügt, wo
es der Nachdruck (ein Gegensatz oder dgl.) oder die Deutlichkeit er-
heischt. S. 6, 2 zu oü miettx vons semblera: „wo es Dir am besten
passt", eig. „besser als einem anderen Orte, zu dem Du nicht herein-
gehst." (Dazu hätte auf den gleichen Sprachgebrauch bei Corneille
(Beispiele bei Littrö) hingewiesen werden können, der mieux mehrfach
im Sinne eines jetzt erforderlichen le mieux anwendet). „Eigentümlich
ist das Adverb mieux ^ während es sonst heisst: sibonlui semble, comme
hon lui semble.^ Nicht eigentümlich (und mit dem Worte wird die
Schwierigkeit doch nicht erklärt), sondern durchaus regelrecht finden
sich die Adverbien (ursprünglich Neutra) mieux, pis, plus, moins, und
le mieux (neben le meüleur), le j^ (neben le pire), le plus, le moins
(nicht le moindre) als substantivische Neutra (Lücking, fr. Gr. S. 146.).
S. 14, 4: y^ne im Vergleichungssatze nach que^ wenn der Hauptsatz
nicht verneint ist", eine Bemerkung, die der elementaren Grammatik
angehört und in dieser Fassung ungenügend, aber nun vgl. S. 24, 1 :
„w^ im Vergleichungssatze nach einem Komparativ bisweilen auch,
wenn der Hauptsatz verneinten Sinn hat." Die Frage wann ?, die sich
doch nun sofort aufdrängt, bleibt unbeantwortet (Lücking, fr. Gr.
S. 399. § 519. Anm.). S. 21, 3: „envers nicht selten im feindlichen
Sinne." Besser Mätzner, fr. Gr. S. 388, der envers die Bedeutung einer
freundlichen und feindlichen Beziehung zuschreibt. S. 29, 4:
„qui für celui qui^. Die Anmerkung in dieser Form sollte endlich ver-
schwinden. S. 31, 3 wird zu n*avoir garde die Umschreibung des Dict.
de PAc, dann die Übersetzung „sich wohl hüten" angegeben; s. die
Erklärung bei Lücking, fr. Gr. S. 327. S. 47, 6 zu pour quelque cas
que ee soit ei qui puisse advenir: sachlich „was"; vgl. voilä qui eit
gäbe des ganzen Werkes mit der Bearbeitung der vier ersten Bücher
in einem Bändchen, dessen Druck im August d. J. beendet ist, be-
gonnen. Es ist mit obigem nicht gesagt, dass der Schüler das ganze
W erk , das in meiner Ausgabe 4 — 5 ßändchen ergeben würde, besitzen
müsste, der Lehrer kann unter den Bändchen wählen, eins genügt,
um eine Vorstellung von dem Ganzen zu geben; aber durch das eine
wird die Anregung für die Lektüre der übrigen gegeben, und dafür
fehlte es bisher an einer guten Ausgabe; meine Schulausgabe soll
zugleich eine Textausgabe für alle werden, die das Werk in emem ge-
fölligen Gewände lesen wollen.
Zschr. f. nfrx. Spr. u. Litt. VI 9. jg
274 . Liiterari9C?te Chronik. C. Th. Lion,
beau, qui plus est u. s. w. Der Fall liegt doch offenbar ganz anders
und es bietet sich nicht die geringste Schwierigkeit, wenn wir nur das
gewöhnlich nicht beachtete quelgue . . . qui einmal beachten wollen ;
„für welchen Fall auch immer, der vorliegt und der vielleicht vor-
kommt." S. 60, 1: „Konjunktiv nach s'il leur semblait wegen der
indirekten Frageform;" (auch sonst erscheint wohl nach il me semble
der Konjunktiv!) „eigentümlich auch das Imperfekt, wo man den Konj.
des Plusquamperfekts erwartet hätte." Weshalb auch, da doch der
Konjunktiv erklärt ist? und das eigentümlich gibt wieder keine
Erklärung! S. 70, 2: nach avant que findet sich (schiebe ein „wie
nach dem Komparativ") bisweilen die Verneinung (besser : ne vor dem
Verb) u. s. w. S. 93, 2: auiani . . . auiani u. s. w. vgl. S. 34, 2. S. 116,
2 : „aus mortde Dieu sind entstanden die Inteijektionen mordieu u. s. w. ";
doch nicht aus 7nori de JDieu, sondern aus mo7'i Dieu (cas. obliq.)^
Es ist nicht meine Aufgabe, eine gleiche Revision aller Schulausgaben
vorzunehmen, die vorliegende ist wegen der von mir gemachten Besse-
rungsvorschläge nicht etwa schlechter als andere, die Anmerkungen
sind im allgemeinen mit Einhaltung' des richtigen Masses und zweck-
entsprechend abgefasst.
48) Jeunesse de Chateaubriand. Aus Memoires d! outre-tombe par
Chateaubriand. In Auszügen mit Anm. z. Seh. hg. von Emil
Grube. Ausgabe A. mit Anmerkungen unter dem Texte. Kart. 1 M.
Wörterbuch dazu 20 Pf. Meines Erachtens kann dies nachgelassene
Werk Ohateaubriand's nur für den Interesse haben, der ihn als Schrift-
steller sonst schon kennt, aber nicht für die Jugend, für die sich eben
nur sein liine'raire de Paris ä Jerusalem eignet. Jenem aber kann nur
die Lektüre des ganzen Werkes wirklich etwas bieten. Ich habe mich
dazu gezwungen, den Auszug zu lesen, habe ihn sogar teilweise mit
dem unter dem Titel: Ma jeunesse, Exirail des y^memoires dLOutre-
tombe^ par Chateaubriand in 2 Aufl. in Leipzig, Baumgärtner's
Buchh. veröffentlichten Auszuge verglichen (letzterer ohne Anmerkungen,
aber umfangreicher); es ist mir aber schwer genug geworden, das
Werk ist im stände die Befriedigung, die die übrigen Werke Chateau-
briand *s hinterlassen, zu trüben. Die Anmerkungen weisen die Vor-
züge, aber auch die Mängel der oben besprochenen auf, auch hier
werden wiederholt, ohne die Stelle der Grammatik anzugeben, bekannte
Kegeln nach ihrem Wortlaut und nicht immer in mustergültiger
Fassung vorgeführt, dieselbe Regel wird sogar mehrmals wiederholt
(vgl. 59, 4 mit 24, 1; 80, 2). S. 81, 2 zu Cetie vilie, iouie historique,
. . . montrait wird bemerkt : „tout (ganz)^ sonst nur veränderlich vor
u. s. w." Von früherem Sprachgebrauch abgesehen, passt hier die
Regel gar nicht, weil tout mer besser als Adjektiv, denn als Adverb
gemsst wird.
Von dieser Lieferung hat die Verlagshandlung ebenso wie von
der 20. und 45. (Michaud), 31. und 46. (S^gur), sowie vom Th^ätre
fran^ais (Corn., le Cid. Delavigne, Louis XI. Racine, Athalie. Moliäre,
TAvare.) eine Doppelausgabe veröffentlicht. Ausgabe A. enthält den
Text mit untergesetztem Anmerkungen, Ausgabe B. den Text, dem die
Anmerkungen in einem besonderen Heftchen beigegeben werden. Man
will damit dem Wunsche vieler Lehrer entgegenkommen, die für die
Lektüre in den oberen Klassen höherer Lehranstalten reine Textaus-
gaben ohne Anmerkungen oder wenigstens eine Trennung der letzteren
vom Texte verlangen. Ich kann mich nach den von mir gemachten
Erfahrungen dem Wunsche nicht anschliessen ; die Göbersche Samm-
lung hat ein alphabetisches Namensverzeichnis, das häufig wohl für
Schdausgaben, 275
die Erklärung des Schriftstellers ausreicht, (jedoch in vielen Fällen
nicht; ich vermisse z. B. in Mignet, vie de Franklin die Erklärung
von une Charge par cascades, die ich mir erst bei dem Physiker der
Anstalt holen musste) aber der Schüler sieht es ohne Nötigung nicht
au, und wenn ich verlange, dass er jeden vorkommenden Namen auf-
sucht und die Erklärung in sein Vorbereitungsheft einträgt, so könnte
diese doch ebenso gut, wie in diesem Heft, gleich unter dem Texte
stehen. Mein Wunsch geht vielmehr auf eine möglichste Beschränkung
der Anmerkungen in Ausgaben, die für die Schule bestimmt sind, eine
Beschränkung, die nicht die sachlichen Erklärungen, in erheblicher
Weise aber die grammatischen trifft und lexikalische Angaben so gut
wie ganz ausschfiesst. Insbesondere finde ich die Veranstaltung einer
Doppelausgabe für die 48. Lieferung überflüssig, da ich kaum erwarte,
dass sie in Schulen irgend welcher Art Eingang finden wird.
49) Voyage du jeune Anacharsis enGrece par Barth^lemy. II.
Legislation de Lycurgue, — Sur la nature et sur Cohjet de la trage'die.
Mit Anm. zum Schulgebr. hg. von 0. Schulze. Kart. 75 Pf. (Vgl.
diese Zeitschr. Bd. IV, S. 115.) Ein Heft, das sich zur Lektüre für
Prima (dem Thema nach) eignen, dürfte, zumal da auch die Anmerkungen
(von einigen, namentlich wenn es für Prima bestimmt werden sollte,
überflüssigen abgesehen) recht wohl gelungen sind.
50) Linvasion par Erckmann-Chatriau. In Auszügen. Mit
Anm. zum Schul- und Privatgebrauch hg. von K. Bandow. Kart. 1 M.
Da das Ganze eben weiter nichts ist als ein Roman und manche Btark
romanhafte, lediglich auf Spannung berechnete, phantastisch und un-
wahrscheinliche Züge enthält, ist das Heft lediglich dem Privatge-
brauche zu überweisen^ kann aber diesem wegen der den beiden
Schriftstellern auch in diesem Werke eigentümlichen Vorzüge lebhaft
empfohlen werden; der Auszug ist geschickt gemacht, die gegebenen
Erklärungen sind geeignet, die Privatlektüre zu fördern.
Corneille 's Cinna ou la clemence d^ Auguste. Für die oberen Klassen
höherer Lehranstalten herausgegeben von Dr. K. Brunne-
mann. Julius Zwissler, 1883. I und 78 S. Kart. IM. —
Corneille's Pölyeucle, Martyr. Hg. von de ms. ebendas.
1884. I und 76 S. Brosch. 90 Pf.
In dem Vorwort zum Cinna bemerkt der Herausgeber, dass er im
J. 1877 bei B. G. Teubner zwei ßändchen ausgewählter Dramen Comeille's
mit erläuternden Anmerkungen veröffentlicht habe; dem Schüler solle
es durch deren Benutzung ermöglicht werden, schon bei der häuslichen
Vorbereitung so in das Verständnis des Schriftstellers einzudringen, dass
der Lehrer, anstatt langatmige Erklärungen geben zu müssen, bei der
Übersetzung in der Klasse nur hier und da helfend einzugreifen habe.
Er föhrt dann fort: ^ Abgesehen von einer gewissen litterarischen Clique,
die grundsätzlich nichts gelten lässt, was nicht von einem der ihrigen
ausgeht, ist den beiden Bändchen durchweg die freundlichste Beurteilung
zuteil geworden." Der erste inhaltlich angegebene Satz konnte wohl als
selbstverständlich angesehen werden; denn wenn ein fremdsprachlicher
Schriftsteller zum Schulgebrauch mit Anmerkungen versehen wird, so können
diese doch qie einen anderen Zweck haben, als dem vollen in der Schule zu
erzielenden Verständnis vorzuarbeiten. Ebenso können wir, um das gleich
hier zu bemerken, den im Vorwort aufgestellten Grundsätzen als solchen,
die jetzt so ziemlich allgemein anerkannt sind , unsere Billigung nicht
versagen: der Hg. will dem Drama vorausschicken, was zn seinem Ver-
ständnis im allgemeinen notwendig; die Anmerkungen sollen besonders
18*
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Schulausgaben. 277
Vers 1 1 : Objektssatz, abhängig von reprochez.^ Wird der Schüler, wenn
er übersetzt hat: „und wenn (dass?) ihr meiner traurigen Erinnerung
vorwerft** zu fragen vergessen: Was werft ihr vor?V Zu par sa propre
main Vers 1 1 : „Übertreibung, er wurde nicht von Augustus mit eigener
Hand getödtet." (Herr Br. bedient sich (1883) der Schulorthographie (von
1 880) nur ausnahmsweise, seine Ausgabe dürfte demnach nicht in Schulen
eingeführt werden.) Bleibt dabei nicht die Frage unerledigt?: Durfte
der Dichter sich so ausdrücken? Heisst das nicht einfach ihn eines
Fehlers bezichtigen? Quae quis alios facere iubet ipse fecisse dicitur.
„Was soll die Anm. zu Vers 12: Du frone oü je le voü faii le premier
degre „öii für sur lequel^\ Wäre vielleicht oü in der heutigen Sprache
unzulässig? Ferner „Construere que mon pere massacre par sa propre
main a fait le premier degre du irone oü je le vois."^ Dergleichen Kon-
struktionsangaben finden sich durchschnittlich ein um die andere Seite.
Wäre nicht eine Bemerkung über die Freiheit dichterischer Wortstellung
im allgemeinen für den Primaner mehr als ausreichend? Zu encor
V. 18 : „poetisch statt encore"^ eine in dieser Fassung gewiss unzulässige
Bemerkung. Zu ne V. 18: abundirend nach plus qve,^ Die Eegel über
ne nach dem Komparativ lernt jeder Sekundaner, dbundiei^end klingt aber
sehr schön, Zu ow Vers 22 kehrt wieder (vgl. V. 12): Für dans lesquels,
(Hier genügt wohl für den sachkundigen Leser ein !) Endlich findet es
zu apprehendts Vers 23 nach quoique Herr Br. für nötig einzuschärfen:
„Subjonctif wie in allen Concessivsätzen mit quoique und hienque (so!
überhaupt sind Druckfehler nicht gerade selten z. B. S. 22: conditiowel
passe?V. Wir bemerken noch, dass die Anmerkung qui (auch quiconque
S. 35, 164) statt celui qui bis zum Überdruss wiederkehrt, dass fast kein
en oder y ohne Anmerkung wegkommt, ebenso dass que mit dem Kon-
junktiv des Wunsches regelmässig mit der Anm.: imperativisch ausge-
zeichnet wird. An die Anm.: qui statt celui qui hat Herr Br. sich so
gewöhnt, dass er sie auch z. B. S. 57, 99 in dem Verse: cet empire
Qui nous rend odieux, contre qui ron conspire für statthaft hält.
Die Anmerkungen zum Polyeucie sind in gleicher Weise verfehlt,
so dass ich zu jeder Seite Anmerkungen wieder eine Seite schreiben
könnte; ich wäre auch diesmal nicht so ausführlich geworden (und für
Sachkundige ist es unnötig), wenn nicht der Ausfall Brunnemann's in
dem Vorwort eine gründliche, sachliche Widerlegung erheischt hätte.
Es sei schliesslich noch der Bemerkung des Vorworts (vom März 1883)
gedacht, dass derselbe seine grammatischen Bemerkungen gewissermassen
für diejenigen als überflüssig bezeichnet, welche die französische Gram-
matik von Eduard Mätzner oder des Herausgebers Syntax der neufranz.
Sprache in Händen haben, die den Schüler „dann allerdings nirgends im
Stich lassen.''
Rob. Schwalb, Chefs-d^oeuvre dramatiques de la liiierature francaise.
Racine, Athalie. 3. ed. 1863. 75 Pf. Molifere, VÄvare,
2. äd. 1860. 75 Pf. Moliöre, /<? Misanthrope. 2. 6d, 1860.
75 Pf. Biblioth'eque choisie de la litterature francaise en prose,
Guizot, Discours siir Thisioire de la re'volution d^Angleterre,
2. ^d. 1877. 60 Pf. Guizot, ffistoire de Charles /« depuis
son avenement jusqu*ä sa mori. 3. ^d. 1875. 1 M. Recits
hisioriques par Augustin Thierrg et M"** Campan. 1859. 75 Pf.
G. D. Bädeker, Essen.
Die Einsicht des Schulbücherkatalogs der oben benannten Verlags-
handlung und die unter den betr. Titeln abgedruckte Kritik der Päda-
gogischen Bevue, die den Ausgaben einen „korrekten Text, weises Mass
276 Liiiei'arische Chronik. C. Th. Lion^
sachlicher und historischer Art sein, grammatische Schwierigkeiten nur
da berührt werden, wo es mindenstens fraglich ist, ob der Schüler an
der Hand seiner Grammatik im stände sein würde sie selbständig zu
überwinden; ästhetisches Baisonnement ist als nicht in die Schule gehörig
ausgeschlossen. Nur über den letzten Punkt, für den der Hg. uns den
Beweis schuldi}^ bleibt, liesse sich streiten, im Übrigen können wir ihm
bereitwillig beipflichten. Ehe wir auf das Einzelne eingehen, einige
Worte über die „gewisse litterarische Clique". Ich verfolge nun seit dem
Bestehen dieser Zeitschrift, also seit dem Jahre 1879, mit unausgesetzter
Aufmerksamkeit die Bewegung auf dem Gebiete des franz. Schulausgaben,
die Ausgaben selbst gehen mir zur Beurteilung zu, ich l»eachte zugleich
die Kezensionen, die anderweitig erscheinen , soweit sie mir zugänglich
sind; von dem Bestehen jener „Clique" habe ich nichts wahrgenommen;
von „freundlichster Beurteilung" der Brunneman naschen Ausgaben habe
ich (vgl. diese Zeitschr. V, 2 S. 112) nur eine gefunden, wenn ich auch
nicht bezweifeln will, dass mehrere Beui-teilungen jener Art veröffentlicht
sind: wohl aber andere gegenteiliger Art; zum Beweise will ich nur an
die von Herding, seiner Ausgabe des Cinna (Erlangen, A. Deichert. 1880.)
voraufgeschickte Vorrede erinnern (vgl. diese Zeitschr. III, 478). Dem-
nach muss ich das Bestehen jener Clique in Abrede stellen
und den darin liegenden Vorwurf einer gehässigen Kritik
im Namen aller dabei Beteiligten energisch zurückweisen.
Ich will nicht leugnen, dass bei der Beurteilung der Ausgaben Brunne-
mann's nicht hie und da ein Ton angeschlagen sein mag, der sich von
dem Boden einer rein sachlichen Kritik hin und wieder entfernt, ich
kann das nicht billigen, aber wohl, wenn einer, wie G. Ei-zgräber (vgl.
diese Zeitschr. V, 2 S. 120) der Ansicht ist, dass „Herr Brunnemann den
futen Namen des deutschen Lehrerstandes mit seinen traurigen Publi-
ationen zu untergraben sich angelegen sein" lässt, entschuldigen.
Die Einleitungen zum Cinna wie zum Polyeucte halten, was sie
versprechen. Der Hg. zeigt sich indessen und zwar hier mit Recht im
Widerstreit mit seinem Programm, als er über die ästhetische Würdigung,
die die Stücke bei den Zeitgenossen und Späteren gefunden haben, be-
richtet und hin und wieder seine eigenen Bemerkungen daran knüpft.
Die Schwäche der Ausgabe liegt in den Anmerkungen, über die ich
genau dasselbe Urteil fällen muss wie Herding. Gehen wir die auf
S. 9, der ersten Seite des Cinna sämtlich durch. Zu illustre Vers 1 :
„insofern es sich um die Person des Kaisers handelt": gut Zu J)ont
Vers 2: „Attributivbestimmung zu la naissance.^ Überflüssig: Sollte ein
Primaner noch nicht mit Sätzen wie Le päre dont les enfants ont vu
l'ours . . . fertig werden können? Zu souffrez qtie je respire et que consi-
dere V. 6 und 7: „Objektssätze abhängig von souffrez, daher als von
einem Verb der Billigung oder des WoUens abhänrig, der Subjonctif."
Ist die Angabe der einfachsten Begeln über den Konjunktiv für den
Primaner noch notwendig? Ich würde, da die Form des Konj. als solche
hier, nicht kenntlich ist, eine Frage: „welcher Modus?" für allenfalls er-
laubt, aber doch für gänzlich entbehrlich halten. Zu et gue (votis re-
prochez) Vers 10: „Zur Vermeidung der Wiederholung von quatid,
äuand on saura mon crime et que ta flamme dttre, Corneille le Cid.**
b das gue hier quand wiederaufnimmt, ist fraglich und mag unent-
schieden bleiben (vgl. diese Zeitschr. III, S. 479), aber das Beispiel, das
Br. anführt, ist so unglücklich wie möglich gewählt und würde gerade
das Gegenteil beweisen : es ist für jedermann ersichtlich, dass et que ta
flamme dure (schon wegen der Verschiedenheit der Zeiten saura und
dure) ein Objektssatz, dem Objekte mon crime beigeordnet, ist. Zu que
Schulausgaben. 277
Vers 1 1 : Objektssatz, abhängig von reprockez.^ Wird der Schüler, wenn
er übersetzt hat: „und wenn (dass?) ihr meiner traurigen Erinnerung
vorwerft'* zu fragen vergessen : Was werft ihr vor ? ? Zu par sa propre
main Vers 1 1 : „Übertreibung, er wurde nicht von Augustus mit eigener
Hand getö^to." (Herr Br. bedient sich (1883) der Schulorthographie (von
1880) nur ausnahmsweise, seine Ausgabe dürfte demnach nicht in Schulen
eingeführt werden.) Bleibt dabei nicht die Frage unerledigt?: Durfte
der Dichter sich so ausdrücken? Heisst das nicht einfach ihn eines
Fehlers bezichtigen? Quae quis alios facere iubet ipae fecisse dicitur.
„Was soll die Anm. zu Vers 12 : Du frone oü je le vois faii le premier
(Legre „öw für sur lequeV. Wäre vielleicht oü in der heutigen Sprache
unzulässig? Ferner „Constrmre que mon pere massacre par sa propre
main a fait le premier degre du irone oü je le i?öw." Dergleichen Kon-
struktionsangaben finden sich durchschnittlich ein um die andere Seite.
Wäre nicht eine Bemerkung über die Freiheit dichterischer Wortstellung
im allgemeinen für den Primaner mehr als ausreichend? Zu encor
V. 18: „poetisch statt encor e*^^ eine in dieser Fassung gewiss unzulässige
Bemerkung. Zu ne V. 18: abunderend nach plus que.^ Die Eegel über
ne nach dem Komparativ lernt jeder Sekundaner, ahundiei^end klingt aber
sehr schön, Zu o^i Vers 22 kehrt wieder (vgl. V. 12): Für dans lesquels,
(Hier genügt wohl für den sachkundigen Leser ein !) Endlich findet es
zu apprehendts Vers 23 nach quoique Herr Br. für nötig einzuschärfen:
„Subjonctif wie in allen Concessivsätzen mit quoique und Henque (so!
überhaupt sind Druckfehler nicht gerade selten z. B. S. 22: conditionel
passiv. Wir bemerken noch, dass die Anmerkung qui (auch quiconqiie
S. 35, 164) statt celni qui bis zum Überdruss wiederkehrt, dass fast kein
en oder y ohne Anmerkung wegkommt, ebenso dass que mit dem Kon-
junktiv des Wunsches regelmässig mit der Anm.: imperativisch ausge-
zeichnet wird. An die Anm. : qui statt celui qui hat Herr Br. sich so
gewöhnt, dass er sie auch z. B. S. 57, 99 in dem Verse: cet empire
Qui nous rend odieitx, contre qui ron conspire für statthaft hält.
Die Anmerkungen zum Polyeucie sind in gleicher Weise verfehlt,
so dass ich zu jeder Seite Anmerkungen wieder eine Seite schreiben
könnte; ich wäre auch diesmal nicht so ausführlich geworden (und für
Sachkundige ist es unnötig), wenn nicht der Ausfall Brunnemann*s in
dem Vorwort eine gründliche, sachliche Widerlegung erheischt hätte.
Es sei schliesslich noch der Bemerkung des Vorworts (vom März 1883)
gedacht, dass derselbe seine grammatischen Bemerkungen gewissermassen
für diejenigen als überflüssig bezeichnet, welche die französische Gram-
matik von Eduard Mätzner oder des Herausgebers Syntax der neufranz.
Sprache in Händen haben, die den Schüler „dann allerdings m'rgends im
Stich lassen.''
Rob. Schwalb, Chefs-d^oeuvre dramatiques de la liiterature francaise.
Racine, Aihalie. 3. ed. 1863. 75 Pf. Molifere, FAvare,
2. äd. 1860. 75 Pf. Moliöre, le Misanihrope. 2. ^d. 1860.
75 Pf. Biblioiheque choisie de la litterature francaise en prose,
Guizot, Discours sur Fhisioire de la revolution d^Angleierre.
2. äd. 1877. 60 Pf. Guizot, Histoire de Charles /" depuis
son avenement jusqtCä sa mori, 3. ^d. 1875. 1 M. Recits
historiques par Augustin Thierrg et M^ Campan. 1859. 75 Pf.
G. D. Bädeker, Essen.
Die Einsicht des Schalbücherkatalogs der oben benannten Verlags -
handlung und die unter den betr. Titeln abgedruckte Kritik der Päda-
gogischen Revue, die den Ausgaben einen „korrekten Text, weises Mass
278 Liiterarische Chroruk. C. Th. Lion,
in den Noten, gnte Einleitungen, treffliche äusserliche (so!) Ausstattung,
wohlfeilen Preis" als Vorzüge nachrühmt, bestimmte mich, dieselben für
die Besprechung in dieser Zeitschrift zu erbitten^ ohne dass ich davon
eine Ahnung hatte, dass die Ausgaben aus den Jahren 1859 — 1877 her-
rührten. Die Durchsicht dieser Ausgaben ist in mancher Beziehung in-
teressant. Im allgemeinen können sie uns den Fortschritt vergegen-
wärtigen, der seit jener Zeit in den Schulausgaben gemacht worden ist.
Die damals treffliche äussere Ausstattung sticht bedeutend zu ihrem
Nachteil ab gegen die der Prosateurs und des Theätre fran<^ais, sowie
der weiter unten zu besprechenden Aasgaben. Der Druck ist in so
kleinen Lettern ausgeführt, dass man jetzt überhaupt nicht mehr wagen
würde, die Ausgaben zur Einführung vorzuschlagen. Die Einleitungen
und Anmerkungen zu den Chefs -d^cßuvres dramaXiques sind in französi-
scher Sprache geschi-ieben, d. h. nicht ohne Geschmack aus den von
Franzosen herrührenden Ausgaben kompiliert. Wo der Hg. auf sich selbst
angewiesen ist, ist er von Fehlern nicht sicher, z. B. la delice statt le
äe'lice. Man ist jetzt allgemein davon zurückgekommen, die Anmerkun-
gen in französischer Sprache abzufassen (Zitate aus französischen Ausgaben,
aus Littre u. dgl. machen selbstverständlich Ausnahme: die Rücksicht
auf den Standpunkt der Schüler, für die die betr. Ausg. bestimmt ist, ist
in der Beziehung das allein Entscheidende). In der Ausgabe der Athalie
finden sich bereits sorgfältig alle Bibelstellen angeführt, auf die der
Dichter anspielt. Abgesehen von dem Deutsch -Französisch, das sich in
manchen Anmerkungen findet (z. B. S. 57: Le pluriel eux n*a rien de
choguani, le mot pauvre etani employe dans un sens coUectif) hat die
Erklärung manche gute Seiten, wenn sie auch durchweg den philologi-
schen oder wissenschaftlichen Charakter vermissen lässt (z. B. S. 41 :
Potir ä qui ü fandrait, en prose, auxquels). In noch höherem Grade
als die Athalie dürfen die Ausgaben der beiden Stücke Molifere's heute
als überholt gelten.
Guizot's Discours etc. ist unverkürzt gegeben, hin und wieder,
aber sehr selten mit einer deutschen Anmerkung; der Text hätte wohl
ab und zu eine solche notwendig gemacht, im allgemeinen aber finde
ich in dem 82 Seiten umfassenden Buche, das im 1. Kap. Ursachen und
Beginn der Revolution, das lange Parlament, im 9. Resultat und Folgen
der Revolution, im 10. Washington und Nord- Amerikas Freiheitskampf
behandelt, eine sehr geeignete Lektüre für Prima und kann da-
bei nur die Wahl der kleinen Lettern bedauern.
Guizot, histoire de Charles I^ habe ich mit der bei Weidmann
in 2 Abteilungen, die einen Band bilden sollen (I. Bd. Erste Abteilung.
Buch I-IV. 1,80 Mk. Zweite Abteilung. Buch V— VIII. 2,25 Mk.) ver-
glichen. Die Ausgabe beginnt mit Livre II, S. 79. I, 1 Weidmann und
gibt dann einen unverkürzten Text bis zum Schluss des Livre III. Dann
folgt S. 81—152 der Schluss des Werkes (Livr. VII, gegen Ende, S. 156,
I, 2 Weiduaann, S, 281). Auch die Weidmännische Ausgabe ist unvoll-
ständig, weil angeblich diejenigen Stellen weggelassen sind, »in welchen
Guizot durch seine Neigung zu moralisieren sich zu sehr hat hinreissen
lassen, und die dadurch ermüdend auf den Leser einwirken. Der Inhalt
der weggelassenen Stellen ist jedes Mal kurz in deutscher Sprache an-
gegeben worden, so dass der Zusammenhang nicht gelöst und das Ver-
ständnis nicht gestört ist". Bei der vorliegenden Ausgabe ist am An-
fange und in der Mitte das gleiche Verfahren mit grösseren Abschnitten
beobachtet, ein Verfahren, das wir mit Rücksicht auf die Anforderungen
der Schule eher billigen können als jenes. Der Schüler bekommt mit
dem einen Bande Schwalb*s eher ein Ganzes in die Hände als mit den
Schxdausgahen, 279
zweien bei Weidmann, und der Leser kann sich eher eine Vorstellung
von dem Schriftsteller machen, der in den gegebenen Stücken wenigstens
sein Fleisch und Blut behält: nur ein Band kann aber der verfügbaren
Zeit wegen in der Schule gelesen werden. Sollte die Ausgabe daher ja
einmal eine neue Auflage erfahren, was wir ihr im Interesse der Schule
eher wünschen als der Weidmännischen unpraktischen, so würden wir
einerseits die Beigabe notwendiger sachlicher Erläuterungen, andererseits
selbstverständlich die Wahl grösserer Typen anraten.
In den Recits hisioriques par Augustin Thierry (dessen Re'cits
des temps merowingiens entnommen) et M™« Camp an (aus den M^-
moires sur la vie pnve'e de Marie-Antoinetle) vermag ich keine geeig-
nete Schullektüre zu erkennen; in dem ersteren Abschnitt, welcher von
S, 15—54 in 10 Kapiteln die Charaktere der Fredegunde und Brunhilde
zur Darstellung btingt, deshalb nicht, weil darin (zum Teil sagenhafte)
Thatsachen ausführlich behandelt werden, die mit Recht im eigent-
lichen Geschichtsunterricht kurz abgethan werden; in dem zweiten von
S. 57 bis S. 94, der in 4 Kapiteln (I. Historischer Überblick. II. Die
Halsbandgeschichte. III. Der 5. und 6. Oktober 1789. IV. Der 10. August
1792) uns Einzelheiten aus der französischen Bevolutionsgeschichte mit
besonderer Berücksichtigung der Königin Marie-Antoinette vorführt, fehlt
der innere Zusammenhang, so dass der Leser keine Befriedigung aus der
Lektüre gewinnen kann. Der mit der Zusammenstellung in der Ausgabe
gemachte Versuch ist zwar wohl gemeint (der Hg. schreibt darüber: In
beiden (historischen Gemälden) wie viel Stoif und Veranlassung zu in-
teressanten Vergleichen, Vor- und Bückblicken und Betrachtungen über
die Geschichte Frankreichs, über die Schicksale der Völker und Herrscher!),
aber meines Erachtens für die Schule verloren und anderen Lesern
möchten wir doch die Originalwerke eher zur Lektüre empfehlen.
Französische (und Englische) Schulbibliothek. Leipzig, Renger-
sche Buchhandlung, Gebhardt und Wilisch. 1883 und 1884.
Band L Siege d'Anüoche et Prise de Jerusalem {hvlb Histoire des
croisades von Joseph -Fran9ois Michaud. Mit drei eingedruckten
Karten für den Schulgebrauch erklärt von Franz Hummel. X und
86 S. geb. 1 M. 15 Pf. Band H. Bisioire de France de 1560—1643
aus Histoire de France von Victor Duruy. Mit drei Kartenskizzen und
einer Spezialkarte Frankreichs. Für die Schulen erklärt von Alfred
G, Meyer. 92 S. 1 M. 30 Pf. Band III. Conside'raiions sur les causes
de la grandeur des Romains ei de leur decadence (Chapitre I — XV) von
Montesquieu. Für die Schulen erklärt von B. Lengnick. VIII und
107 S. 1 M. 35 Pf. Band X. Moeurs ei couiumes des croisades (aus
hisioire des a'oisadesj von Joseph-Fran^ois Michaud. Für die
Schulen erklärt von Franz Hummel. VÜL und 100 S. 1. M. 25 Pf.
Wir haben es in den vorliegenden Bändchen mit einem seit dem
1. Oktober 1883 ins Leben getretenen neuen Unternehmen zu thun. Es
sei vorweg bemerkt, dass auch hier die Verlagshandlung in bezug auf
Druck, Papier und Einband das Ihrige gethan hat, um den Anforderun-
gen, die man jetzt an ein Schulbuch stellt, zu entsprechen. Die An-
kündigung der Redaktion (E. A. Dick mann) nimmt von den 15 Thesen
der dritten Direktoren Versammlung der Provinz Hannover die 8., 9., 10.
und 11. These in den Prospekt auf (vgl. diese Zeitschr. V, S. 111 und
S. 175 ff.). Diese Thesen sollen nach folgenden Grundsätzen durchgeführt
werden: 1) nur Prosawerke, überwiegend historischen Inhalts.
2) jeder Band enthält den Lesestoff für ein Semester; Teile eines
Ganzen, die in sich eine Art Ganzes bilden. 3) Vorausgeschickt wird
280 Lilterariscfie Chronik. C\ Th. Lion,
eine kurze Biographie des Schriftstellers und Zusammenstellung des
sonst zum Verständnis im voraus Notwendigen. 4) Text nach den
besten Autoritäten, Orthographie der Acad. 1877. 5) Anmerkungen in
deutscher Sprache folgen dem Texte nach. 6) Die Erklärung bringt
alles sachlich Notwendige. Sprachliche Bemerkungen nur
da, wo eine Eigenheit oder Abweichung vom herrschenden Sprachge-
brauch vorliegt; Grammatisches nur ausnahmsweise; keine synonymischen
und etymologisierenden Exkurse. 7) Ausschluss von Übersetzungen,
soweit sie nur die Trägheit des Schülers fördern ; keinSpeziallexikon.
8) Aussprachebezeichnungen nur da, wo die verbreitetsten Wörter-
bücher und Grammatiken im Stich lassen (9. 10. 11. unwesentlich).
Ich habe daran nichts wesentliches auszusetzen. Der erste Grund-
satz mit seinem beschränkenden Überwiegend schliesst ja andere
wünschenswerte Veröffentlichungen nicht aus. Die Ausführung des
2. Grundsatzes ist von Fall zu Fall zu prüfen. Über den fünften Grund-
satz habe ich mich oben schon ausgesprochen ; wenn ich nicht einmal
bei den Velhagen-Elasing'schen Ausgaben die Notwendigkeit einsehen
kann, so hat es doch bei diesen eine gewisse Berechtigung Text und
Anmerkungen zu trennen, weil die letzteren das manchem wünschens-
werte, für den Schüler aber unter dem Text in der Weise, wie es häufig
geschehen ist, nicht angemessene „Accessit" der grammatischen Bemer-
kungen einerseits und häufige lexikologischen Bemerkungen anderseits
enthalten. Ausserdem ist das in den Velhagen-Elasing'schen Ausgaben
eingehaltene Verfahren insofern praktischer, als die Anmerkungen in
einem besonders gehefteten Anhang beigegeben werden, also bei der
Vorbereitung auf die Lektüre daneben gelegt werden und in der Schule
dann unsichtbar bleiben können. Ganz unzweckmässig ist dagegen das
Verfahren in den von Dickmann redigiei*ten Ausgaben. Wenn der
Schüler weiss, dass er für die Erleichterung des sprachlichen Verständ-
nisses in den Anmerkungen nach dem Texte keine Hilfe findet, so würde
ich es ihm geradezu verdenken, wenn er sich seine Arbeit noch durch
deren' Studium vergrössern wollte. Daas sich eine Gegenwirkung gegen
die üblichen Fussnoten zeigt, ist mir^ der ich die Schulausgaben kraft
des mir von der Redaktion dieser Zeitschrift gewordenen Auftrages
durchmustere, durchaus verständlich, aber man sollte da bessernd ein-
treten, nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Die Lectures choisies von Plötz geben aus Micha ud: Pierre VEr-
mite, Concile de Clermont, Prise d'Antioche, Prise de Jerusalem,
S. 42 — S. 64, und damit kein übeles Bild des Geistes, der den ersten
Kreuzzug hervorrief und beseelte, sowie der Haupterei gnis^e. Lamp-
recht hat 1879 bei Weidmann die vollständige Geschichte des ersten
Kreuzzuges in 1 Bd. (2,25 M.) veröff'entlicht, doch dabei eine Anzahl von
Stellen gekürzt; dieser Ausgabe, die von Hummel, wenn auch in
selbständiger Weise benutzt ist, konnte mit einem Worte gedacht werden.
Hummel hat nun der Anlage der Ausgabe gemäss die Belagerung von
Antiochien und die Eroberung Jerusalems gewählt, sein Text erscheint
mir in diesen Stücken besser gestaltet als der Lamprecht's, weil er nicht
in gleicher Weise gekürzt ist. Hummel beginnt mit Livr. V : Lamprecht.
Der erste Absatz findet sich bei beiden; Absatz 2 Hummel fehlt bei
Lamprecht, derselbe enthält eine charakteristische Anrede des Bischofs
Adh^mar von Puy an die Kreuzfahrer, die ich ungern missen würde.
Weitere Vergleichung lieferte ähnliche Ergebnisse. Die Anmerkungen
Hummels umfassen 7 Seiten und enthalten nur sachliche Anmerkungen,
die entschieden mit Sorgfalt abgefasst sind und auch wohl ausreichend
sein dürften. Auf S. 85 f. folgt als schliessliche Beigabe eine Zeittafel
SchtilatAsgaben. 281
für die Belagerung von Antiochia und die Einnahme von Jerusalem, wohl
geeignet^ die Übersicht über die dargestellten Ereignisse zu fördern. Trotz
alledem glaube ich, dass für das Bändchen eine andere Wahl zweck-
mässiger gewesen sein würde. Das Hauptinteresse des ersten Kreuzzuges
liegt in der Art und Weise wie er zu Stande kam, darum meine ich,
dass das erste gegebene Stück wohl durch ein anderes, am besten wohl
mit dem von Plötz und nach ihm vielfach sonst beliebten Anfang: »La
gloire de delivrer Jerusalem" (Lamprecht, S. 13) ersetzt werden würde. Die
Eroberung Jerusalems scheint mir dagegen gut gewählt, um einem solchen
Bändchen den erforderlichen Abschluss zu geben.
Den 2. Band, einige Stücke aus Dur uy, histoire de France (I. Die
Hugenottenkriege bis zum Tode Karl's IX. II. Ausgang der Hugenotten-
kriege. III. Heinrich IV. IV. Richelieu.) glaube ich als eine nach In-
halt und Form geeignete Lektüre für Sekunda, Privatlektüre für
Prima bezeichnen zu dürfen. Den einzelnen Kapiteln sind deutsch abge-
fasste Einleitungen vorangeschickt; wo Stellen ausgelassen sind, ist der
Übergang durch eine deutsche Inhaltsangabe vermittelt.
Der 3. Band, Montesquieu, bringt die ersten 15. Kapitel und
den Anfang des 16. der consiäe'rations eic. Als Grund für die Kürzung
wird angegeben, dass man im Unterricht bei der Darstellung der römi-
schen Geschichte mit vollem Recht nur bis auf Augustus, höchstens bis
auf die Zeit der Antonine gehe; sodann habe diese Beschränkung den
Vorteil, gerade nur so viel Lesestoff zu bieten, als für ein halbes Jahr
erforderlich sei. Ich würde früher wahrscheinlich unbedingt gegen jede
Kürzung des Werkes von Montesquieu Verwahrung eingelegt haben,
jetzt bestimmen mich mit dessen Lektüre in der Gymnaaialprima gemachte
Erfahrungen dazu, mich nicht mehr dagegen zu erklären: es ist nicht
möglich, das für einen Teil des Werkes ziemlich lebendige Interesse für
die Lektüre des ganzen auf gleicher Höhe zu halten, ich bin deshalb
nach der Beendigung der ersten Kapitel, sobald die Schüler Geläufigkeit
im Übersetzen erlangt hatten und zur weiteren Privatlektüre hinreichend
befähigt waren , namentlich ttuch der Zeit halber, da zugleich im
Jahre Moli^re, Corneille oder Racine gelesen werden musa, zu anderer
Lektüre übergegangen. Da nun in der Ausgabe Erzgräber's bei Weid-
mann eine leidlich gute und leicht zu beschaffende Ausgabe des ganzen
Werkes vorhanden ist, schadet es nichts, für die Schule eine Kürzung
vorzunehmen. Ich halte aber die hier vorgenommene nicht für zweck-
mässig. Der dafür angegebene Grund ist hinfällig, ich kann das „mit
vollem Rechte" nicht zu Recht anerkennen ; ausserdem schwindet dadurch
der einheitliche Charakter der Consid^rations ; eine ändert Weise der
Kürzung für Schulzwecke wurde ich demnach eher billigen. Auffallender
Weise zeigt die vorliegende Ausgabe insofern eine Abweichung von den
übrigen, als sprachliche Anmerkungen (und dazu nicht immer gelungene)
unter detn Texte sich finden: z. B. S. 20, 14 zu a preseni les soldats
sont pour rien, ou pour peu, et les gens de Cari pour beaucoup: „Re-
gelrecht müsste es heissen: ne sont pour rien u. s. w." Es war hier
lediglich die Aufgabe des Erklärers, rien in negativer Bedeutung auch,
ohne dass dem Verb ne vorangeht, nachzuweisen, nicht die Sprache
Montesquieu*8 zu bemängeln. S. 15, 35: „des anciennes nuBurs:des, um
den Begriff des Adjektivs besonders hervorzuheben", ist eine der Ausgabe
Erzgräber's (dessen Name, wie wir ein gleiches nun schon mehrfach bei
ähnlicher Gelegenheit beobachtet haben, vom Hg. nicht erwähnt wird)
entlehnte Anmerkung, die ich für unrichtig, mindestens für nichtssagend
halte: das Richtige bei Lücking, fr. (Schul)gram. S. 358, Anm. 1)« Wk
282 Litterarische Chronik. C. Th. Lion,
ich darüber denke, möge man meinen obigen allgemeinen Bemerkungen
über die Renger'sche franz. Schulbibliothek entnehmen.
Der 10. Band (Bd. 4 — 9: englisch) gibt eine Darstellung der Sitten
und Gebräuche bei den Kreuzzügen in einem Auszuge aus dem XXI. Buche
von Michaud's histoire des a^oisades. Der Hg. nimmt an, dass der
gegebene Stoff eine vortreffliche Lektüre etwa für eine Obersekunda bilden
würde. Bücksichtlich des Inhalts stimme ich ihm bei, weniger mit Hin-
sicht auf die Sprache; danach möchte ich das Bändchen, das ich sonst
auch für sehr ansprechend halte, lieber der Untersekunda zuweisen; ob
es trotz alledem auf den Zukunftskanon zu setzen ist, erscheint mir doch
noch fraglich: man wird demnächst, d. h. nach einigen Jahren, festzu-
stellen haben, was unter allen Umständen gelesen werden muss, nach-
dem bis dahin hinreichend geklärt ist, was gelesen werden kann.
Histoire de Charles XII par Voltaire. Texte complet, revu avec soin.
suivi de notes. 256 S. 8. Breme, M. Heinsius, 1884.
S. 1—4. Discours sur Thistoire de Charles XII. S. 5—8. Lettre
k M. le mar^hal de Schullenbourg. S. 8 — 14. Lettre k M. Norberg.
S. 14. Avis important sur l'histoire de Charles Xll; deren Glaubwürdig-
keit betreffend. S. 15—232. Text ohne Anmerkungen; die Absätze inner-
halb der einzelnen Kapitel beziffert. S, 233 f. Table des matieres.
S. 235—236. AdditioDS und zwar: I. Table alphabetique de quelques
mots ätrangers ou vieillis, avec l'explication de quelques termes peu
usites. — S. 241. ü. Observatioüs sur quelques particularitäs ou diffi-
cultäs grammaticales et de style, avec quelques notes explicatives. —
S. 253 meist aus französischen Erklärern zusammengeschrieben. III. Liste
des souverains contemporains de Charles XII. S. 245. IV. Voltaire
(1694- 1778). 13 Zeilen Biographie, der Anthologie des Prosateurs fran-
cais. Alphonse Lemerre entnommen und (3) Jugements litt^raires sur
rhistoire de Charles XII. Endlich 5 Errata. S. 256. — Der Hauptvor-
zug der Ausgabe würde die sorgfältige Herstellung des unverkürzten
Textes seih ; mancher würde sie eben deshalb lieber in Gebrauch nehmen,
als die jetzt so sehr beliebten gekürzten Ausgaben, wenn nur das Druck-
fehlerverzeichnis ein vollständiges wäre; aber Sorgfalt der Korrektur wird
iu dem ganzen Buche schmerzlich vermisst, das avec soin des Titels lässt
sich nicht unterschreiben. Die Zuthaten des anonymen Hg. 's sind zum
Teil dankenswert, aber meist wertlos. Die Ausstattung (Papier, Druck)
ist befriedigend.
Bibioth^q^e fran9aise ä l'usage des ecoles. CoUection Fried-
berg & Mode. Nr. 1. Prascovie ou la jeune Sib&ienne par
Xavier de Maistre. Mit Annierkuugen herausgegeben von
Adolf Lundehn. Berlin, 1884. Friedberg und Mode. kart.
60 Pf., in Callicoband 75 Pt., Wörterbuch dazu 20 Pf. Nr. 2.
Montesquieu, conside'rations ete. Mit Anm. hg. M Schauns-
land. In Callicoband 1 M., Wörterbuch dazu 20 Pf.
Wiederum ein auf früherer Grundlage (wie auch das Benger'sche)
auferbautes neues Unternehmen, das sich durch die bis jetzt erschienenen
Lieferungen vorteilhaft einführt. Die Ausstattung entspricht auch hier
allen Anforderungen, ebenso der billige Preis. Die Prascovie bietet un-
bestritten eine gute Lektüre für die höhere Töchterschule, die Anmer-
kungen des Herausgebers beobachten das richtige Mass und sind im
allgemeinen angemessen, für eine weitere Auflage möchte ich ihm ins-
besondere empfehlen, den Gebrauch des Wortes »hier" in den Anmer^
kungen zu beseitigen. So lesen wir z. B. auf S. 11 die Anm.: an ne Itn
Schulausgaben. 283
fit pas plus de re'ponse, hier: man gab ihm ebensowenig Antwort. Das
ist doch hier wie immer die Übersetzung von ne , .- , pas plus que. —
Über seine Herstellung des Textes zu Montesquieu, considSraiions
sagt Schaunsland S. VIII.: „Die Kapitel einteilung habe ich beibehalten,
den Text jedoch fast um die Hälfte verkürzt, indem ich die Stellen fort-
liess, in welchen die Ansichten Montesquieu's auf irrtümlicher Auffassung
der Verhältnisse sich gründeten und infolge dessen Schlussfolgerungen
gezogen wurden, die bei den Lesern eine falsche Auffassung der That;
Sachen hervorzurufen geeignet waren". Der Text, so wie ihn Schauns-
land danach gibt, liest sich ohne irgend merkliche Störung. Daher würde
ich nun nach dem oben Bemerkten, da die Erklärungsweise eine fast
durchweg angemessene ist, seiner Ausgabe für die Lektüre in
der Schule vor allen anderen deij Vorzug geben. Er hat mit Recht
in den Anmerkungen das Hauptgewicht auf die notwendigen sachlichen
Erklärungen gelegt und das auf Grammatik und Lexikon bezügliche
möglichst beschränkt. Darum hai er auch absichtlich nicht immer, um
der Besprechung in der Stunde nicht vorzugreifen, auf die Abweichungen
vom heutigen Sprachgebrauch, die sich bei Montesquieu finden, aufmerk-
sam gemacht. Er stellt deshalb in seinem vorauf geschickten „zur Er-
läuterung" die häufigsten derselben zusammen. Die Bemerkung: „Ferner
setzt er mit Vorliebe en auch mit Bezug auf Personen" bedarf einer be-
stimmteren Fassung. Und wenn Seh. ne . . , pas seulement für ne . . . pas
m3me für ungewöhnlich erklärt, so ist dagegen zu sagen, dasa es so gar
ungewöhnlich nicht ist; vgl. Sachs', encykl. Wörterb. unter seül und bei
S^gur, hist. de Nap. etc. FV, 6 lesen wir z. B. ils ne songerent seule-
ment pas ä profiter des hois pour lourner la droite de Davout. —
S. 86, 2 zu qui eüt le dessus, du senat ou dupeuple: „als ob vorher ge-
sagt wäre: in wessen Händen die Gewalt — dann würde sich richtig
anschliessen: des Senats oder des Volks". Warum nicht für diesen Fall
(vgl. auch S. 98, 1) eine gute Grammatik zu Rate ziehen? — oe statt
ö? sollte nachgerade nicht mehr vorkommen. — Als unangenehmer
Druckfehler verbessere man auf S. 78, Z. 7 v. o.: Quoiqne Von ait in
Quoi que Von ait dit. — or kommt auf S. 4 ohne Erklärung fort, ist
aber 5, 3 und 17, 2 erklärt. Dergleichen Kleinigkeiten fallen indessen
nicht schwer ins Gewicht, ich vermisse nur auch bei dieser Ausgabe die
Erwähnung der früheren Ausgaben von Wendler und Erzgräber, die
Schaunsland benutzen musste und wohl auch benutzt hat. Für den
Schulgebrauch des Buches ist es kein Unglück, dass das dazu besonders
käufliche Wörterbuch nicht sonderlich gelungen ist; es konnten hier eine
Menge der gegebenen Wörter, z. B. agre'able, angenehm, fehlen ; actuel
„augenblicklich" statt etwa „thatsächlich", „gegenwärtig" ist nicht an-
gemessen, weil in der gegebenen Bedeutung das agere nicht zum Aus-
druck kommt; dgl. m. Auf der anderen Seite hätte namentlich die
Phraseologie mehr Berücksichtigung finden sollen. Schliesslich steht
Einiges an falscher Stelle, z. B. livre defs) raisonfsj unter ävre (ich
hatte mir zuerst notiert, dass livre des raisons (so bei Montesquieu XII)
im Wörterbuche fehle, bis ich es unter livre aufsuchte und fand). Da-
bei hätte bemerkt werden können, dass der Ausdruck veraltet ist und
dafür jetzt grand-livre gesagt wird.
Bibliothfeque frauQaise k l'usage des ecoles. Collection Fried-
berg & Mode. Nr. 3. Fünf Erzählungen aus Au coin du feu par
Ömile Souvestre. Mit Anmerkungen und einem Wörterverzeich-
nisse herausgegeben von K. Kaiser. Berlin» 1884. VIII u. 98 S.
Wörterbuch (Preis 20 Pf) 29 S. Nr. 4. Histoi^e de Napoleon et de
284 Lit kr arische Chronik. E. von SaUwurk,
la grande arme'e pendant Tannee 1812 par le Comte de Segur.
Mit einer Einleitung und erklärenden Anmerkungen nebst einer
Karte. Herausgegeben von C. Th. Lion. Erster Teil: Buch I— IV.
1884. XIII u. 201 S. Wörterbuch dazu 74 S. Nr. 5. Leiires de
mon moulin par Alphonse Daudet. B erausgegeben und mit An-
merkungen versehen von Adolf Lundehn, 1884. VIII u. 102 S.
Wörterbuch dazu 25 S. Sämtlich in Kallikoband, kl. 8<>.
Die Ausstattung der vorliegenden Bändchen in bezug auf Druck,
Papier und Einband ist in hohem Grade anerkennenswert und übertrifft
alles bisher Geleistete, obgleich die Ausstattung der Frosateurs fran9ais
und der Renger'schen Schulbibliothek allen billigen Anforderungen ge-
recht wird. Auch rücksichtlich der Billigkeit des Preises lassen diese
neuen Schulausgaben nichts zu wünschen übrig. Endlich lässt die Bear-
beitung, bei deren Beurteilung ich selbstverständlich von Nr. 4 absehe,
seitens der Herausgeber den beiden erwähnten Unternehmungen gegen-
über einen Fortschritt erkennen. Wir haben es hier mit durchaus
selbständigen Leistungen zu thun: das lässt sich von den Prosateurs fran-
9ai8 nicht iu gleicher Weise sagen, weil nie ganz klar zu stellen ist,
was Arbeit des Herausgebers, was Zuthat (oder dgl.) der Redaktion ist;
die Anmerkungen stehen unter dem Text und sind nicht durch ein so
ängstlich reaktionäres Programm wie das Dickmann'sche (vgl. oben) in
Fesseln gelegt, können somit mehr der Individualität des Schriftstellers
und der Elassenstufe und Schülergattung, für die er bestimmt ist, ange-
passt werden. Während früher die Ausgabe von Dr. 0. Schulze (2 Bd.
ä 1 M. Leipzig, B. G. Teubner) als die beste der Ausgaben von au coin
du feu bezeichnet werden konnte (vgl. diese Zschr. III, S. 325) — K. Kaiser
selbst empfiehlt sie (p. V der Einleitung seiner Ausgabe) als eine gründ-
liche für den Gebrauch des Lehrers und gibt dann beispielsweise einzelne
Stellen an» bei denen er eine mangelhafte oder irrige Erklärung gefunden
hat — glauben wir nun die vorliegende als eine recht praktische« billige,
durchaus zweckmässige Schulausgabe und für diesen Zweck als die beste
Ausgabe des au coin du feu bezeichnen zu dürfen. Das schliesst nicht aus,
dass ich nicht einzelnes berichtigt zu sehen wünschte; wenn z. B. S. 3,3
les longues causeries du four ei de la foniaine einfach übersetzt wird :
„Das lange Geplauder am Backofen (oder in der Backstube) und am
Brunnen", so vermisse ich darin eine Erläuterung des eigentümlichen
Gebrauchs der Präposition de. S. 6: desesperance fehlt im Wörterbuch.
S. 6, 1 zu une . . . ferme phis arrentee de deties que de revenus „mit
mehr Schulden als Einkünften verpachtet'' ist die wörtliche« aber sinn-
lose t5l3ersetzung, da der Eigentümer, nicht der Pächter die Hypotheken-
schulden zu trafen hat; hier: une ferme doni les revenus ne couvraient
point les frais ae radministration, ein Pachthof, dessen Ertrag nicht die
Unkosten der Bewirtschaftung deckte". Der Herausgeber hat sich die
Sache, allem Anschein nach durch Schulze's Erklärung, die mir nicht zur
Hand ist, verleitet, schwieriger gemacht als sie ist. Es wäre mir nie in
den Sinn gekommen, bei der Stelle an Hypothekenschulden zu denken.
Der Sinn ist schliesslich im allgemeinen richtig von dem Herausgeber
angegeben, obgleich bei seiner Angabe der witzige pointierte Ausdruck
der Stelle verloren geht. Schreibe etwa: „ein Pachtgut, auf dem mehr
Schulden als Einkünfte zu machen waren", de gibt die Beziehung an,
in der der Verbalbegriff sich äussert: ein Landgut wird in (Kenten)parCht
gegeben und genommen, wenn der Pächter bei Zahlung der Pachtsumme
leben und noch etwas erübrigen kann; in diesem Falle aber war das
letztere unmöglich, das erstere nur dann möglich, wenn der Pächter von
dem eigenen Vermögen zusetzte oder Schulden machte. S. 11, 2.
PädfUfogviche Schriften. 285
. . . „Konsekutivsatze, welche sich auf ein tellement, si, de sorfe gue, tel,
tant etc. beziehen und eine IJngewissheit ausdrücken, verlangen den Subj.
selbst dann, wenn der übergeordnete Satz affirmativ isf. Aus der Lehre
vom Konjunktiv ist gegenwärtig der Ausdruck „üngewissheit", mit dem
in der That nichts gesagt wird, sonst glücklich verbannt; richtig und
präzis Lücking, fr. Gr. § 329 und 328; desselben, fr. Gr. f. d. Schulgebr.
tl73 und § 170, obgleich ich die gelehrten Fremdwörter, die für den
chüler die Sache unverständlich machen (der Fehler durchzieht die
ganze Grammatik) an dieser Stelle wie an anderen beseitigt sehen möchte.
Nr. 3 und 5 bieten meines Erachtens eine vorzügliche Lektüre für
höhere Mädchenschulen und eine sonst notwendige Privatlektüre für die
Lehranstalten, die ihrem ganzen Zuschnitt nach mehr oder minder ge-
nötigt sind, ihren Bedarf an Lektüre fast ausschliesslich der akademischen
Sprache (vgl. diese Zschr. VI*, S. 93) zu entnehmen Von den Stücken
in Nr. 5 habe ich mit grossem Vergnügen Kenntnis genommen, beson-
ders haben mir II: Le secrei de maitre Comiiie und Vi: Les vienx ge-
fallen, ich empfehle daher das Bändchen allen denen, die Alphonse
Daudet in seiner Eigenart kennen lernen wollen. Die Bearbeitung ist
angemessen wie in Nr. I. Sehr häufig kommt auch hier in den An-
merkungen der eigentümliche Gebrauch des Wortes „hier" vor; z. B.
S. 3, 4: Commeni votUez-vous queje le regrette hier: Wie sollte ich es
vermissen? Diese und ähnliche Wendungen sind doch nie anders zu
übersetzen.
Mit Nr. 4 wird der Anfang zur Herausgabe des ganzen S^gur-
schen Werkes gemacht, aber in Teilen, die für sich ein Ganzes bilden.
Das Werk ist dermassen ein einheitliches, wohl gegliedertes, dass sich
weder Kürzungen noch Auslassungen ohne Schaden vornehmen lassen.
In der Beziehung steht die Ausgabe im Gegensatz zu den mehrfach jetzt
versuchten Auszügen. Es sollte ferner eine wirkliche Schulaus-
gabe werden: nur für das Verständnis notwendige Erklärungen (keine
Streiizüge in das Gebiet der Etymologie und Synonymik, wie sie Lam-
beck unternimmt, aber wohl einmal eine Bemerkung auch dieser Art,
wenn der Text sie notwendig machen sollte) ; für die Erklärung der
geographischen Namen dient die Karte, welche in der geographischen
Anstalt von Wagner und Debes in Leipzig mit grosser Sorgfalt herge-
stellt ist; grammatische Erklärungen, wo ein charakteristischer Sprach-
gebrauch des Schriftstellers auftritt; für Worterklärungen kommt (im
allgemeinen) das besonders beigegebene Wörterbuch auf. Der Text ist
geuau nach der besten Originalausgabe (Paris, Delaroque ain^) unter Ver-
besserung der Druckfehler und mit Einführung der Orthographie der Ac.
1878 wiedergegeden ; die Varianten einer anderen Pariser Ausgabe (bei
Charles Gosselin) sind in den Anmerkungen berücksichtigt.
C. Th. Lion.
Pftdagogische Schriften*
Neubauer, Bemerkungen zu Bousseau^s Emil. 10 S. 4®. Programm
der städt. höh. Bürgerschule in Erfurt 1884.
Wer bei Beurteilung von Roussean's Emil dessen erkenntnis- theo-
retischen, theologischen und ethisch-sozialen Standpunkt nicht in Betracht
zieht, wird in dem Buche mehr Unverstand und Widersprüche finden als
reife und ernste Gedanken. Das ist dem Verfasser dieser kurzen Skizze
auch begegnet. Ja, er zieht sogar aus der langen Stelle IV § 472 bis
286 LiiterariscJie Chronik. W. Münch,
§ 499^), worin R. ausführt, was er thäte, wenn er das Unglück hätte,
zu den Heichen zu gehören, einen Beweis dafür, „wie schlaff, trotz seines
hohen Gedankenfluges, E<ousseau*s sittliche Haltung im allgemeinen war".
Aber auch das rein Litterarische in dem Hauptwerke Kousseau's ist nicht
ganz richtig erkannt. Wenn der „Emil" deshalb so umfaugreich ge-
worden ist, weil er in einer vom „Grimme genährten Beredsamkeit" ge-
schrieben ist (S. 5), so müsste sich das nämliche auch von der noch um-
fangreicheren „Neuen Helo'ise" sagen lassen , die doch gewiss nicht in
grimmiger Stimmung entstanden ist. Wenn ferner die „Überraschungen
und Schauspiele", welche R. für seinen Zögling anstellt, „echt französisch"
sein sollen (S. 7), so wird vergessen, dass auch der nüchterne Locke der-
artiges empfiehlt, wie überhaupt alle Pädagogen der antischolastischen
Richtung. Auch hat gerade der Franzose Formey sich an diesen
Dingen am meisten geärgert. Die Bemerkung über den Punkt (S..12),
in dem alle Franzosen „gleich unreinlich" sein sollen, ist ebenfalls miss-
verständlich: wenn Emil ein neues Geschlecht begründen sollte, waren
die Geschlechtsbeziohungen allerdings von grösster Wichtigkeit. Aber es
hätte gesagt werden dürfen, dass hier in der That das Buch zum Roman
wird, so sehr, dass der Verf. einmal den Faden sogar gewaltsam abreissen
muss (V § 169 f.). Dagegen glaubt der Verf. da einen Roman zu finden,
wo R. „das Werk seiner Phantasie, seiner Klügelei und seines Grimmes
. . . allen anderen Menschenkindern gegenüberstellt". Die Frage, ob der
Emil ein Roman sei, ist von R. selbst entschieden worden (V § 210). Die
Frau von Stael hat ihn bekanntlich mit vielen ihrer Zeitgenossen für
ein „systematisches Werk" gehalten; aber die Frage ist im Grunde
müssig.
E. VON Sallwübk.
Die neue Sprachenkunst. Ein Beitrag zur Lösung moderner Schulfragen,
von Wilhelm Weil. München, Karl Merhoff, 1884. 48 S.
Forderungen, wie sie die vorliegende Schrift erhebt, pflegen auf
einen Widerstand eigentümlicher Art zu stossen: man leiht flüchtig das
Ohr, um sich dann mit Lächeln abzuwenden. Wer als Sprachlehrer von
solider Vergangenheit und in geordneten Verhältnissen die Vorschläge
von W. Weil vernimmt, wird im allgemeinen wenig Geduld zur Würdi-
gung derselben beweisen. Die Hauptgedanken sind : der Sprachunterricht
sollte seinen Ausgang nicht nach grammatischen Gesichtspunkten nehmen,
sondern vom Sachbedürfnis aus ansetzen, Sachobjekte nach logischen
Kategorieen betrachten und behandeln, sich konkreter Sachgebiete be-
mächtigen und in diesen — mit vorläufig energischer Fernhaltung der
höheren sprachlich-litterarischen Sphäre — Übung anstellen, Fertigkeit,
Leichtigkeit, Sicherheit in der Benützung gewinnen. Um diese Idee
praktisch zu verwirklichen, wird nun gefordert, dass die Realien des
Lehrplans, einschliesslich der Geschichte, abwechselnd in einer der fremden
lebenden Sprachen (denn um diese handelt es sich) gelehrt und Leitfaden
in der betreffenden Sprache, oder in Doppelsprache, zu gründe gelegt
werden sollen. Es würden dabei Sprach- und Sachunterricht gewinnen,
^) Ich citiere nach der in meiner deutschen Ausgabe (Langensalza,
2. Aufl., 1882/83) durchgeführten Paragraphenzählung, welche den Absätzen
der Originalausgabe entspricht. Es ist sonst nicht möglich, in dem weit-
läufigen Buche eine Stelle findbar zu bezeichnen.
Pädagogische Schriften, 287
2 Standen Franzömscb + 2 Stunden Geschichte in französischer Sprache
Sprache seien doch im Grunde 4 Stunden Französisch + 4 Stunden Ge-
schichte. Der Verfasser weist hierauf alle ihm wirklich gemachten oder von
ihm erwarteten Einwände, deren im ganzen 14 sind, in mehr oder weniger
ausgedehnter Beweisführung zurück, und, nachdem er den Feind aus
diesen 14 Positionen hinausgeschlagen, im Besitze des Feldes, befestigt
er die errungene Stellung durch Aufführung einer grossen Reihe von
Zitaten aus dem Munde geistiger Koryphäen der verschiedensten Zeiten
und Zungen.
„11 n'y a pire sourd que celui qui ne veut pas entendre'^ ist eine
banale Wahrheit. Minder banal, aber auch wahr ist, dass zum Adoptieren
der saubersten logischen Schlussreihe doch immer ein gewisses Mass des
Wollens, eine gewisse Bereitwilligkeit des Gemütes, gehört, dass die
syllogistischeu Kettenschüsse doch oft an unsichtbaren Mauern thatsäch-
lich abprallen; und das ist noch gar nicht einmal ein Unglück oder eine
Schande. Trotz der 14 erlittenen Niederlagen sind die Zweifler und
Benitenten imstande aufrecht dazustehen und die Achseln zu zucken.
Es Hesse sich in der That noch manches antworten, was in dem
prophylaktisch-polemischen Teile nicht vorgesehen ist. Vor allem: die
Anschauung von dem, was Sprache ist, oder wie sich z. B. im Ge-
schichtsunterricht oder dem naturhistorischen Sprache und Inhalt zu
einander verhalten, ist eine untiefe, unzureichende. Es wäre auf dieser
Seite sicher kein Gedeihen zu erwarten. Man wird dem gegenüber nicht
etwa auf den Modus des französischen Gymnasiums zu Berlin hinweisen
wollen, wo die fremde Sprache, und zwar eine und dieselbe, von mittleren
Klassen an als allgemeine und beständige Unterrichtssprache figuriert,
und dann allerdings mit dem gewünschten Erfolg.
Erkennen wir jedoch das Positive der WeiFschen Leistung an.
Erstlich enthält die Schrift eine erhebliche Anzahl von richtigen Be-
obachtungen und zutreffenden Einzelurteilen. Und zweitens liegt ihr
Grundgedanke oder Ausgangspunkt doch eigentlich nicht abseits von
einem Wege, den zu bahnen gegenwärtig mehrere beschäftigt sind. Es
muss, wo es lebenden Sprachen gilt, das Ziel des Könnens in ernstlicherer
Weise aufgestellt und angestrebt werden ; es muss die Aufgabe der Fertigkeit
von der des Verständuisses deutlicher gelöst und neben dieselbe gesetzt
werden, \md es muss jener Aufgabe mehr der Anfang des Sprachunter-
richts als der Schluss gewidmet sein, es darf dazu Wiederholung und
Bewegung in einem engen Kreise nicht gescheut werden, und es muss
nicht immer blos Übersetzung (Hin- und Herübersetzung) figurieren,
sondern schon frühzeitig der Versuch selbständiger Bewegung in fremder
Sprache gepflegt werden.
Sofern die Schrift dies bezweckt, ist sie weniger seltsam als sie
zuerst erscheinen mag, und weniger isoliert. Das Wie der Verwirk-
lichung jener Forderungen bleibt im wesentlichen noch zu finden.
Möchten diejenigen, die hierüber nachdenken wollen, dabei mehr
Anschluss an einander suchen. Schon zur Kontrolle und zur Beschei-
dung der allzu originell aufschiessenden Ideen ist dies wünschenswert.
Wie lassen sich beim französischen Unterricht in der Prima die vorge-
schriebenen dreiwöchentlichen Extemporalien am ergiebigsten
ausnützen? Mit einem Anhang: Wie sind die deutschen Parti-
zipien zu übersetzen? Von Dr. Eduard Franke. Wissen-
schaftliche Beilage zum Gymnasial-Programm Beuthen 1884.
4. 16 p.
In dem anspruchslos geschriebenen Hauptaufsatze erzählt der
288 Litierarische Chronik» A, Klotzsch,
Verfasser dem Kollegenkreise, wie er auf der obersten Schulstufe Auf-
gabe und Gehalt der £xtemporalien zu yariieren pflege oder dies in
Zukunft zu thun gedenke. Dass man auch in Gymnasialprima
anderes thun könne als Sätze über grammatische Regeln schreiben
lassen, dass man auch stilistisch freier extemporieren lassen und selbst
bis zu einem ganz kleinen Aufsatze steigen, dass man mit Diktaten
und ebenso wiederum mit Übersetzung aus dem Französischen hin-
länglich hohe Ansprüche an die Geistesthätigkeit verbinden könne,
ferner dass man andererseits die (nie ganz abzusetzende) ein-
fache Grammatik ausserordentlich beleben könne durch Wieder-
holungen nach originellen Gesichtspunkten, das wird in dem Schriftchen
angenehm und annehmbar dargelegt. Zweifellos kann auch ein Unter-
richt von so bescheidener Rolle wie der französische am Gymnasium
in schöner Weise gehoben werden, wenn der Lehrer nicht um jener
eingeschränkten Rolle willen sich zu sehr resigniert, sondern an seine
didaktische Arbeit Geist wendet und Lebendigkeit. Die möglichen
positiven Resultate sind vielleicht überschätzt, aber das ist nicht von
Übel. Namentlich dankenswert ist aber die Beilage, welche in treuer,
sauberer, ausgebreiteter Arbeit jene selbständig gestellte und durch-
dachte Frage beantwortet. Themata dieser Art könnten öfter bear-
beitet werden. Sie mögen der Lektüre fruchtbar werden wie dem
Stile, sind für den Lehrer praktisch verwertbar und fördern zugleich
die systematische Grammatik.
W. MÜNCIL
ül brich, Dr. 0., Über die französische Lektüre an Realgymnasien,
Wissenschaftliche Beilage zum Programm des Friedrichs-
Realgymnasiums (in Berlin). Ostern 1884. — Berlin. Gärtner.
4" 30.
Aus dem Gebiete der Methodik des französischen Unterrichts
hat der Verfasser die Lektüre zum Gegenstand seiner Programm-
arbeit gewählt, um seine Ansichten und Erfahrungen darzulegen
1. über die Stellung der Lektüre im Sprachunterricht, 2. über das,
was gelesen werden soll und 3. darüber, wie gelesen werden soll.
Indem U. die Lektüre als den Mittelpunkt des Sprach-
unterrichts betrachtet, weiss er, dass er mit dieser Ansicht nicht mehr
vereinzelt dasteht. Deswegen nimmt er Veranlassung, zuerst über die
Reform vor schlage einiger neueren Methodiker, welche dieselbe For-
derung wie er aufgestellt haben, kurz zu referieren. Das Gute, was
der Anonymus Qnousque tandem, was Karl Kühn, was Graf Pfeil über
den Gegenstand geschrieben haben, erkennt er gern an, ohne aber
einzelne Fehler ihrer Reformvorschläge zu übergehen. In der dasselbe
Thema behandelnden Schrift von Fenz Franke (Die praktische Sprach-
erlernung auf Grund der Psychologie und der Physiologie der Sprache)
kann er ausser dem, was sie mit den Reformgedanken anderer gemein
hat, welche die Benutzung zusammenhängender Texte für den Anfangs-
unterricht fordern, nichts als brauchbar bezeichnen. Die besten Vor-
schläge zur Reform des französischen Unterrichts findet er in der
Broschüre Münchs (»Zur Förderung des franz. Unterrichts'^), über
welche Ref. den Lesern dieser Zeitschrift im V. Band (S. 187 fT.) be-
reits ausführlich berichtet hat.
ü. stimmt mit Münch in allen wesentlichen Punkten überein;
er hebt hervor, dass in den Reformvorschlägen dieses Pädagogen nicht
Pädagogische Schriften. ÖÖÖ
wie in den Schriften der zuerst Genannten auch Abenteuerliches und
Revohitionäres sich finde, und sagt mit Recht, dass jeder, der mit
den Erfolgen unserer gegenwärtigen Methode nicht zufrieden ist, der
unsere gegenwärtigen Zustände nicht für die denkbar besten hält, sich
dazu wird verstehen müssen, auf dem von M. vorgezeichneten Wege
eine Besserung zu suchen.
Es ist eine Freude, aus der vorliegenden Programmarbeit zu
ersehen, dass nicht nur die Notwendigkeit einer Reform der Methode
des französischen Unterrichts immer allgemeiner anerkannt wird, son-
dern dass auch die Zahl derer , welche aus dem Schatz ihrer eigenen
Erfahrungen neues wertvolles Material für die Lösung der wichtigen
Aufgabe darbieten, stetig zunimmt. Denn U. hat sich bei seiner Arbeit
keineswegs nur darauf beschränkt, die vortrefflichen Vorschläge Münchs
zu wiederholen, sondern er behandelt gerade einzelne Punkte, die M.
in seiner Broschüre aus besonderen Gründen nur kurz berührt hat, mit
dankenswerter Ausführlichkeit. Namentlich bei den Betrachtungen
über den Sffcoff der Lektüre (IL Teil), Über welches Kapitel M. ab-
sichtlich rasch hinweggegangen ist, hat ü. mancherlei bemerkt, was
eine volle Berücksichtigung verdient. Er bespricht hier die bekannten
Thesen der dritten Hannoveraner Direktorenkonferenz und erklärt, es
werde zwar über das bei der Auswahl der Lektüre zu befolgende
Prinzip Zweifel und Streit schwerlich bestehen; dagegen könne er die
von dem Referenten jener Konferenz, Dr. Hemme, geforderte Beschrän-
kung des Lektürestoffes nicht billigen ; er könne ernste Bedenken nicht
unterdrücken, wenn von den Hannoveranern summarisch alle Romane,
Novellen, Reisebeschreibungen, launige Erzählungen, fachwissenschaft-
liche Abhandlungen und Briefe von der Schullektüre ausgeschlossen
werden. Gregen solche Beschränkung spricht auch thatsächlich der
offizielle Lehrplan von 1882, insofern m demselben für das Französische
Muster des abhandelnden, rednerischen und Briefstils zugelassen und
empfohlen werden.
IT. ist noch aus einem andern Grunde gegen die Beschränkung.
Er erinnert an die oft gehörte Klage, „dass die Aufsätze der Real*
Bchulabiturienten durch Mangel an Gedanken, Armut der Phantasie und
Dürftigkeit der stilistischen Form hinter denen der Gymnasialabiturien-
ten zurückstehen, und er erkennt darin die Verpflichtung, immer von
neuem zu untersuchen, „ob denn auch die Schule wirklich alles was
möglich ist, thut, um das Bildungsideal, das ihr vorschwebt, zu er-
reichen". Und wenn man nun sieht, fährt er fort, dass der Tertianer
des Gymnasiums ausser seinem Cäsar und Xenophon bereits Ovid und
Homer in Händen hat, dass diese ihm eine neue Welt eröffnen, seinen
Geist durch Bilder und Formen bereichern und Eindrücke zurücklassen,
die die Meisten ihr Leben lang nicht vergessen, während der Real-
schüler auf der gleichen Stufe nur das bellum gallicum und höchstens
noch den Charles XIL als sprachliches Bildungsmittel erhält, dann
wird man sich nicht verhehlen können, dass die Armut, in welcher
letzterer systematisch gehalten wird, zu dem Reichtum des Gymnasial-
unterrichts vielleicht in demselben Verhältnis steht, wie der Ideenvor-
rat in einem Realschüleraufsatz zu dem eines Gymnasiastenaufsatzes.
— Das sind in der That beherzigenswerte Worte! U. weist hier auf
eine nicht wegzuleugnende Schwäche der dermaligen Realschulbildung
hin. Aber mit dem blossen Hinweis begnügt er sich nicht, sondern
als wahrer Freund der Realschule sucht er auch zur Beseitigung des
vorhandenen Übels beizutragen: ihm scheint es — und er hat wohl
kaum unrecht — dass des Übels Wurzel hauptsächlich mit in der
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI*. \^
2dO LUierarisehe Chronik, A, klotzsch,
gegenwärtig üblichen Verteilung des Stoffes der Lektüre liegt. Nach
unten, sagt er, wird zu sehr gekargt, und oben werden unsere
Schüler mit einem Bildungsmaterial überschüttet, das schwer auf ein-
mal zu verarbeiten ist; während der kurzen Zeit des Aufenthalts in
Prima, wo die lateinischen, französischen nnd englischen Dichter zum
erstenmal zu voller Wirkung gelangen, soll der Realschüler mit Hast
und Mühe alles das erreichen, was im Gymnasium durch eine weise
Verteilunff des Stoffs mit Leichtigkeit bewältigt wird. Um diesem
Nachteil, unter dem die Realschule leidet, abzuhelfen, erklärt sich
U. vor allem ^egen die von den Hannoveranern geplante Beschränkung ;
er wünscht vieknehr „Toleranz für alles wahrhart Poetische, auch wenn
es sich unter der Form des Romans oder der Novelle darbieten sollte ;
Toleranz aber nur >uf der Stufe, welche eine Verstärkung des poe-
tischen Elementes zu brauchen scheint, auf der mittleren Stufe;
dagegen hält er für die obere Stufe (II. und I.) den unbedingten Aus-
schluss dieses leichten Genres für notwendig.
Im weiteren bespricht dann U. den von der Hannov. Konferenz
angenommenen Kanon. Er erkennt das Wertvolle desselben in der
Hauptsache an, ohne jedoch einzelne Missgriffe bei der Wahl der
Schulautoren zu übersehen. Mit den Anforderungen in Betreff der
Lektüre geht er aber noch weiter, als der Kanon vorschreibt, weiter
überhaupt, als es bis jetzt üblich ist: nach seiner Überzeugung wird
an Realschüler keine zu hohe Anforderung gestellt, wenn alle geschicht-
lichen Werke, die von den Hannov. emp^hlen sind — ausser Voltaire's
siäcle de Louis XIV — um eine Klasse herabgesetzt werden , und
wenn der Kanon für 11^ durch Lanfrey, hist. de Napoleon bereichert
wird, so dass die Prima für andere Stilgattungen , d. h. ausser der
Poesie für den abhandelnden, rednerischen, beschreibenden und den
Briefstil freibleibt.
Hiermit schlägt ü. eine ebenso praktische als heilsame Reform
vor, deren Wert Ref. aus eigener Erfahrung erkannt hat, und die er
deswegen warm empfiehlt. Die Zumutungen sind für die Schüler der
mittleren Klassen keineswegs zu ctobs. Im Anfang gibt es natürlich
Schwierigkeiten zu überwinden ; doch es werden dieseU)en allenthalben
verschwinden oder doch wesentlich vermindert werden, wenn es end-
lich dazu kommt, dass die zusammenhängende Lektüre bereits in
Quinta beginnt, und wenn auf diese Weise die Schüler mit einem
höheren Masse von Sprachkenntnissen an die Autorenlektüre herantre-
ten werden, als dies jetzt gewöhnlich der Fall ist.
Wie nun U. wünscht, dass die Anforderungen an die Schüler
gesteigert werden, ebenso verlaujp^t er weiter, dass die Beschaffenheit
unserer Schulausgaben der &anzösischen Autoren höheren An-
sprüchen genüge. Seine Bemerkungen über diesen Gegenstand sind
gewiss zu beachten; da dieselben aber von denen Münchs kaum ab-
weichen, so brauchen sie hier nicht besonders erwähnt zu werden; es
genügt zu wissen, dass er die üblichen mit Anmerkungen versehenen
Ausgaben verurteilt. Als dringendes Bedürfnis bezeichnet er, dass wir
für die Schulen billige Textausgaben bekommen, die frei sind von
sprachlichen Noten und nur in einem Anhang sachliche Erklärungen
bieten. Ob die weitere Forderung ü.'s, dass eine Schulausgabe nur
einen ununterbrochenen Text ohne Lücken, die durch deutsche Inhalts-
angaben ausgefüllt sind, enthalten dürfe, allgemein für richtig und billig
gehalten werden wird, erscheint dem Ref. etwas zweifelhan. Warum
sollte z. B. eine Schulausgabe wie die der Reden Mirabeau's von Frit-
Bcfae, in der die vorhandenen Lücken durch deutsche Inhaltsangaben
Pädagogisclie Schriften* 291
sicherlich mit richtigem pädagogischem Takt ausgefüllt sind, verworfen
werden? — Auch in einem anderen Punkte ist wohl ü. etwas zu weit
gegangen. £r wünscht, dass das für Quinta und Quarta notwendige
Lesebuch schon zum Anfang statt kürzerer Lesestücke solche enthalte,
die so lang sind, dass „an einer einzigen Geschichte mehrere Wochen,
ja selbst zwei bis drei Monate zu arbeiten'^ wäre. Offenbar ist dieser
Wunsch nicht aus seiner eigenen Schulpraxis hervorgegangen; denn
sonst würde ihm die Wahrnehmung nicht entgangen sem , dass eine
einzige Geschichte zu lange traktiert, das Interesse des Kindes ab-
schwächt.
Im übrigen verdient die ganze Ausführung des zweiten Teiles
der vorliegenden Programmarbeit vollste Anerkennung. Auch der
dritte Teil enthält wertvolle Bemerkungen; u. a. bietet er hier dem
praktischen Schulmanne einige ebenso interessante als belehrende Bei-
spiele über Behandlung und Verwertung eines Lesestücks auf der
unteren Stufe. Die Vorschläge selbst stimmen auch hier mit denen
Münch's im Prinzip überein. Ebenso schliesst sich XJ. in betreff der
Behandlung der Lektüre auf der mittleren und oberen Stufe genau an
M. an, und zwar ohne dass er den Gegenstand in grösserer Ausführ-
lichkeit behandelt. Denn in den vortrefflichen Ansichten und Vor-
schlägen Münch's hat er dasselbe gefunden, was er selbst hatte sagen
wollen. Er bekennt übrigens zum Schluss, dass ihn das Erscheinen
der Münch'schen Schritt insofern unangenehm überrascht hat, als durch
diese, die während der Vorbereitung zu seiner Arbeit ihm zu Gesicht
gekommen ist, ihm ein Teil seiner Gedanken vorweggenommen worden
sei; dass ihm aber dadurch zugleich auch eine grosse Genugthuung
bereitet, worden sei, und er sich nun erst recht ermutigt gefühlt habe,
manches auszusprechen, was er ohne solche Unterstützung für allzu
verwegen gehalten und niederzuschreiben schwerlich gewagt haben
würde.
Jedenfalls wird Ulbrichts Arbeit neben der Münch'schen von
den Fachgenossen als ein willkommener Beitrag für die Reform des
Sprachunterrichts dankbar aufgenommen werden.
A. Klotzsch. .
19*
Zeitschriftenschau.
liitterarisehes Centralblatt fikr Deutschland. 1884.
Nr. 1—33.
No. 2, Sp. 59 f. Heinrich August Schoetens(u:k, Beitrag zu einer
wisseuschaftliclien Grundlage für etymologische Unterauebungen auf dem
Gebiete der französischen Sprache. Bonn, 1883. Strauss. (XIY, 626 S.
8®.) M. 10. Es ist bedauerlich, dass so viel Zeit und Kraft an ein an
sich zwar löbliches Unternehmen gewendet worden ist, das, wie es hier
angegriffen wurde, erfolglos bleiben musste. Der Verf. hat es versäumt,
sich über sprachliche Eiitwickelung und Lautphysiologie die nötigsten
allgemeinen Vorkenntnisse anzueignen. — Sp. 60 f. (Such)ier: Charles
Joret, Des caractbres et de Textension du patois normand. ^tnde de
phon^tique et d'ethnog^phie suivie d'une carte. Paris, 1883. Vieweg.
(XXXir, 211 S, 8«. Karten Roy. fol.) Der erste Abschnitt betrifft die
germanischen Ansiedlungen an der normannischen Küste, der zweite soll
uns über die heutigen Volksmundarten der Normandie aufklären; wenn
man auch vielfach bestimmtere und genauere Angaben wünschen möchte,
so sind doch die von Joret ermittelten Thatsacnen recht lehrreich. —
No. 3, Sp. 92 f. A. St.: M, A. Thtbaut, Wörterbuch der deutschen und
französischen Sprache. Vollständig umgearbeitete 100. Auflage. Braun-
schweig, 1883. Westermann. (VT, 904 S. Lex.-8<>.) Mk. 7. Lobende
Anzeige, Die Herausgeber haben sich u. a. bemüht, die verschiedenen
Bedeutungen der einzelnen Wörter streng logisch zu ordnen, allein gerade
in diesem Punkte scheint dem Bez. das Buch am meisten besserungs-
föhig; er weist dies an dem Beispiel der Präposition ä nach. — No. 7,
Sp. 219 f. Avg. Lange, Der vokalische Lautstand in der französischen
Sprache des 16. Jahrh. nach den Zeugnissen der alten Grammatiker und
den Grundsätzen der neueren Phonetik dargestellt. Elbing, 1883. Meiss-
ner. (III, 46 S. 8^) M. 1,50. Der Verf. zeigt sich als ein gut geschul-
ter Ijautphysiologe, der die Aussprache der franz. Vokale des 16. Jahrh.
im Anschluss an die phonetischen Handbücher von Sievers und Sweet
behandelt und dabei von den in neuerer Zeit geäusserten Ansichten qicht
selten zu seinem Vorteil abgeht. — No. 13, Sp. 444 f. M. K.: Emile
Grucker, histoire des doctrines litt^raires et esthetiques en AUemagne.
(Opitz, Leibniz, Gottsched, les Suisses.) Paris, 1883. Berger -Levrault
& Gi«. (XX, 526 S. 8<'.) M. 6,75. An einzelnen Irrtümern fehlt es nicht,
im ganzen aber hat Grucker eine Arbeit geliefert, die von einem Deut-
schen verdienstlich wäre, von einem Ausl£ider geschrieben aber auf das
Zeischrifienschau. C. Th* Lion, Litterar, CentraUflatt, 293
ehrendste Lob g^pründeten Anspruch erheben darf. — Nr. 16, Sp. 559 f.
E, Rollandy recueil de chansons populaires. Tome I. Paris, 1883. Mai«
sonnenve et G*«. (III, 378 S. 8**.) Eine Sammlung franzasischer Volks-
lieder, die aus drei Quellen geschöpft ist: 1) ans mündlicher Überliefe-
rung, 2) aus der handschriftl. Sammlung der Pariser Nationalbibliothek,
3) aus seltenen oder wenig gekannten Büchern. Der vorliegende Band
umfasst 158 Nummern, die meisten derselben bringen mehrere Fassungen
desselben Liedes. Der Hg. hat nur Material liefern wollen in der Hoff-
nung, dass sich bald ein Gelehrter finden werde, der damit eine allseitige
und gründliche Prüfung vornehme. Das ist mit einem dieser Volkslieder
in Romania XII, 307 bereits zur Befriedigung des Rez. geschehen.
— Sp. 564. Chr. Sich, dictionnaire francaia-dano-norv^gien. Kopenhagen,
1883. Gyldendal. (XXIV, 1039 S. Imp. 16). Das Wörterbuch fusst fast
nur auf der neuesten Sprache und Litteratur und ist dafür vortrefflich,
für eine histor« Erlernung der Spr., für Mol., Ck)rn. La Font. u. a. ist es
nicht geschaffen. — No. 18. Sp. 621 ff. 6. B.: De Lescure^ lea m^res
illustres, ^tudes morales et portraits d'histoire intime. Ouvrage orn^ de
12 grav. sur bois d'apr^ les documents originauz. Paris, 1882.
Didot & Co. (XXXn, 436 S. Roy. 8.) gehört zu den nicht eben häufigen
französischen Büchern, welche auch der deutschen Familie zur Lektüre
empfohlen zu werden verdienen. Den hier und da stark rhetorisirenden
Stil wird man mit dem reichen und anregenden Inhalt gern in den Kauf
nehmen. — No. 22. Sp. 763. E. W.: Le theätre d^Älexmidre Hardy.
Erster Neudruck der Dramen von Pierre CorneilIe*s unmittelbarem Vor-
läufer nach den Exemplaren der Dresdener und der Wolfenbütteler Bibli-
othek besorgt von E. Stengel Tomes III et IV. Marburg, 1883. Elwert.
(265, 331 S. kl. S«".) M. 5,20 n. M. 4,20. Wenn die Werke poetisch nur
geringen Wert besitzen, so verdienen sie doch vor anderen einen Neu-
druck, da sie litterargeschichtlich von grossem Interesse sind. Daher
sind wir Stengel für dieses neue Unternehmen grossen Dank schuldig.
— No. 23. Sp. 797 f. Kn.: Ferd, Brunetüre, die Sprachforschung der
Gegenwart. Mit Bezug auf die französische Litteratur im MitteuJter.
Mit Genehmigung des Verf. übersetzt von E. Law, Heidelberg, 1883.
Winter. (63 S. kl. S*».) M. 1,20. Eine interessante kleine Schrift, die viel-
fach zum Widerspruch reizt, ja sich zuweilen selbst widerspricht. Der
Verf. bekämpft die hohe WertschätzunjZ der Litteratur des Mittelalters,
deren Studium er nur für die Sprachforschung, Geschichte und Kritik
gestatten will; indirekt zieht er auch gegen die deutsche Sprachwissen-
schaft zu Felde. — No. 27. E. Stengel, Erinnerungs werte an Friedrich
Diez. Nebst mehreren Anlagen und einem Anhang : Briefe von F. Diez
an L. Diefenbach und andere. Marburg, 1883. Elwert. (104 S. gr. 8'^
M. 1,50. Eine Rede, die am 9. Juli 1883 zur Enthüllungsfeier der an
Diez' Geburtshause in Giessen angebrachten Gedenktafel gehalten wurde
und manche schätzbare Ergänzungen zur Biographie des berühmten
Romanisten bietet; auch an Berichtigungen fehlt es nicht. Auch die
sonstigen Beigaben sind von Interesse. — No. 28. Sp. 961 f. (Such)ier;
Äd. Soming^ zur Geschichte des lateinischen c vor e und t im Roma-
nischen. Halle a. S., 1883. Niemeyer. (UI, 140 S. 8«.) M. 3,60. Die
Arbeit beruht auf gründlichen Vorstudien, zeigt im ganzen eine vortreff-
liche Auffassung und richtige Beurteilung sprachlicher Vorgänge, enthalt
im einzelnen manches Interessante und Lehrreiche, dennoch kann man,
wie der Rez. dann nachweist, den Ergebnissen, die der Verf. gewonnen
zu haben glaubt, keineswegs beistimmen. — No. 29. Sp. 991. En. :
Karl Meurer, Französisches Lesebuch. I. T. - Für Quarta^ tmd Untertertia
der Gymnasien u. sl w. . Mit einem WQrterbuch. Leipzig, 1883. Fues*.
294 ZeiUchrifienschau. D. Behrens,
Verl. (Beisland). (X, 134 S. 8^) M. 1,10. Eine gute Auswahl aus allem
möglichen; nur in der ersten Abteilung sind Fussnoten beigegeben; ein
deutlicher, sauberer Druck des Textes bei sehr niedrigem Preise. Der
Bez. bezweifelt, dass ein zweiter Teil, für die übrigen Klassen bestimmt,
ein Bedürfnis sei (Auch der erste war es nicht, wir haben schon eine
yiel zu grosse Auswahl, wenn schon einmal ein Lesebuch herangezogen
werden soll). — No. 32. Sp. 1090 f. Sgl: Ferd. Lotheissen, Geschichte
der französischen Litteratur im 17. Jahrh. 4. Bd. Wien, 1884. Gerold 's
Sohn. (390 S. 8°.) M. 9. Der 4. (letzte) Band des Werkes hat es vor-
züglich mit Molibre und Racine zu thun; ausserdem werden u. a. noch
La Bruj^re und F^nelon besprochen. Ein Werk ist somit zum Abschluss
gekommen, für das wir aufrichtig dankbar sein müssen; es bildet auch
ror weitere Kreise eine nicht nur belehrende, sondern auch genuss-
reiche Lektüre.
C. Th. Lion.
Deutsche I^itteratiirzeitiing. 1883.
Nr. 34. W.Po erster. Herrn. Breymann, Diez, Kleinere Arbeiten
und Rezensionen. München, Oldenbourg, 1883. XVI und 351 S. gr. 8^
Mark 6. (Das schöne stattliche Werk gibt in 34 Nummern die in Zeit-
schriften zerstreuten Abhandlungen und Rezensionen des Meistere in
genauem revidierten Abdruck. Zwei Anhänge folgen: der erstere gibt
zwei Gedichte und eine Nachdichtung des Bjron'schien Corsars und seiner
Lara; der zweite eine Übersicht der von D. gehaltenen Vorlesungen.
Beigegeben ist dem Band eine Kopie der bekannten Bonner Photographie
von D. mit einem Faksimile seines Namenzuges. Rez. vermisst in der
Sammlung D/s Schrift über die Minnehöfe.) — Nr. 35. E. Schmidt.
G. Larroumet, Marivaux, sa vie et ses oeuvres d'apr^ de nouveaux
documents avec deux portraits et deux facsimiles. Paris, Hachette & Co.
1882. XI u. 640 S. gr. 8«. Fr. 10. (Sehr gelobt. S. hier V*. 106.)
G. Körting. M, de Lescwre, Rivarol et la soci^tä fran9aise pendant
la revolntion et V^migration (1753 — 1801). i^tudes et portraits histori-
ques et litt^raires d*apr^s des documents inädits. Paris, Plön et C^«.
1883. XII und 516 S. gr. 8^ Fr. 8. (Ein streng wissenschaftliches
Werk von hervorragender Bedeutung.) — Nr. 36. B. Suphan.
R. Lindemann, Herder und die Realschule unserer Zeit. Löbau, 1881.
30 S. 4®. (Separat-Abdr. aus d. Zentral-Organ f. d. Interessen des Real-
schulwesens. 1882. August-September.) F. L. Adolphe Juilien, La co-
m^e k la cour. Les th^tres de sociätä royale pendant le si^cle demier.
La duchesse du Maine et les grandes nuits des sceaux, madame de
Pompadour et le th^tre des petits cabinets, le th^tre de Marie -An-
toinette k Trianon. Paris, Didot u. C«, 1883. VE u. 323 S. 4«. Fr. 25.
(Ein interessanter Beitrag zur französischen Sittengeschichte, der sich be-
schäftigt mit dem Theater der Herzogin Du Maine, der M°^« de Pompa-
dour und der Königin Marie- Antoinette.) — Nr. 38. G. Ger 1 and. Luden
Adam, Ijes idiomes N^gpro-Arjen et Mal^o-Arjen. Essai d^hybridologie
linguistique. Paris, Maisonneuve u. G*«, 1883. 76 S. gr. 8''. Fr. 3,50.
(Rez. empfiehlt auf das wärmste die sehr interessante Abhandlung allen
Linguist^, Ethno- wie Anthropologen.) — Nr. 38. F. L. Juies Lenutüre,
La com^die aprte Moli^re et le thä.tre de Dancourt. Paris, Hachette et
(?«, 1882. 247 S. 8°. Fr. 3,50. (Vf. behandelt zunächst resümierend
die Geschichte des französischen Lustspiels in den ersten Jahrzehnten
nach Moli^re*s Tod, darauf beschäftigt er sich weniger mit Dancourt's
litterarischer Stellung, als mit einer Charakteristik der Gesellschaft jener
Deutsche Litteraturzeitung. ^95
Zeit, wie sie sich aus seinen Lustspielen ergibt.) — Nr. 39. J. Ulrich.
Alhan Rosiger, Neuhengstett (Buraöt). Geschichte und Sprache einer
Waldenser Kolonie in Würtemberg. Greifswald, Abel. 1883. IV und
78 8. gr. 8°. (Der Hauptwert der verdienstlichen Arbeit besteht in dem
mitgeteilten Material, zu dessen Erklärung mehr beigebracht werden
konnte.) — Nr. 43. Anon. Heinr. Aug. Schoeiensack, Beitrag zu einer
wissenschaftlichen Grundlage für etymologische Untersuchungen auf dem
Gebiete der französischen Sprache. Bonn. Strauss, 1883. XIV u. 626 S.
gr. 8*>. M. 10. (Gänzlich verfehlt und wertlos.) — Nr. 44. Er.
Schmidt. Jlbr echt Graf Wkkenhurg, yie\'s\mV9XhQ\m, Altfranzösischer
Schwank in drei Aufzügen. Übersetzt und f&r die deutsche Bühne bear-
beitet. Wien, Rosner. 1883. 72 S. 8»». M. 2. (Sehr gelobt.) — Nr. 45.
F. L. zeigt an: 1) R. Mahrenholiz, Voltaire-Studien. Beiträge zur Kritik
des Historikers und des Dichters. Oppeln, Franck, 1882. XII u. 196 S.
gr. 8<*. Mark 6. 2) desselben Verf. Voltaire im Urteil der Zeitgenossen.
Oppeln, Franck. 1883. 95 S. gr. 8". M. 3. (Vgl. hier VP, 113.)
Nr. 48. F. L. George Sand, Correspondance. 1812—1866. T. III
u. IV. Paris, Levy 1882 und 1883. 381, 386 S. 8'». Fr. 7. [vgl. hier
V*, 40.] — Nr. 49. L. Geiger, JRaul de Raynal. Les correspon-
dances de J. Joubert 1785—1822. Lettres inedites de M. de Fontanes,
M»e de Beaumont, M. et M°»« de Chateaubriand, M. Mola, M"« de Gui-
tant, M. Frisell, W^^ de Chastenay. Avec les portraits de Mesdames de
Chateaubriand et de Beaumont. Paris, Levy. 1883. 398 S. 8°. —
Nr. 50. Jodl. /.-/. Rousseau. Übersetzt und erläutert von E. v. Sall-
würk. Mit einer Biographie Rousseau's von Theod. Vogt. 2. Auflage.
2 Bde. (Beyer's Bibliothek pädagogischer Klassiker. Eine Sammlung der
bedeutendsten pädagogischen Schriften älterer und neuerer Zeit. Heraus-
gegeben von Fr. Mann.) Langensalza, Beyer u. Söhne, 1883. XX, CXXIII
und 268 S.; VIII und 405 S. 8«. geb. M. 6. (Empfehlende Anzeige.)
— Nr. 51. L. Geiger. Auguste ^ourgoin^ ün bourgeois de Paris
lettr^ au XVII si^cle, Valentin Conrart (Premier Secrätaire perpätael de
TAcad^mie frauQaise) et son temps. Sa vie, ses ^rits, son röle dans
rhistoire litt^raire de la premi^re partie du XVII sibcle. Paris, Hachette
et Cie, 1883. 356 S. 8«. Fr. 5. (Rez. erkennt den Wert der fleissigen
Arbeit im einzelnen an, ist aber der Ansicht, dass eine Neubearbeitung
des erst neuerlich durchgearbeiteten Stoffes (von Ben^ Kerviler und
Ed. de Barthelemy, Paris 1881) kaum notwendig war.) — Nr. 52.
H. Varnhagen. Joh. Klette, William Wycherley's Leben und dra-
matische Werke. Mit besonderer Berücksichtigung von Wycherley als
Plagiator MoUbres. Ein Beitrag zur Litteraturgeschichte des 17. Jahr-
hunderts. Münster, Coppenrath. 1883. 74 S. gr. 8^ Mark 1. (Siehe
hier VP, 99.)
1884. Nr. 1. 0. Pfleiderer. Ch. Borgeaud, J. J. Rousseau's
Religionsphilosophie. Unter Benutzung bisher nicht veröffentlichter
Quellen. Leipzig, Fock. 1883. VI und 168 S. gr. 8^ M. 3. (Eine
interessante Arbeit, die zur Richtigstellung des Urteils über Rousseau
einen wertvollen Beitrag gibt. R«z. vermisst eine eingehende Behand-
lung des Einflusses Rousseau's auf Herder und durch ihn auf die deutsche
Philosophie.) — Nr. 2. E. 0. Lubarsch. Molifere's Werke mit deutschem
Kommentar, Einleitungen und Exkursen. Herausgeg. von Adolf Laun.
I. Le Misanthrope. Bearb. von Wilhelm Knörich, Leipzig, Leiner. 1883.
147 S. gr, 8^. Mark 2. (Die Ausgabe hat durch die neue Bearbeitung
ausserordentlich gewonnen und ist zur Zeit in Bezug auf den Misan-
thrope als die bäte deutsche Arbeit zu empfehlen. Zum Kommentar
gibt Rez. einige Bemerkungen.) — Nr. 4. J. Zupitza. Heinr, Reichardt
296 ZeitschrifiensclMu, D, Behrens,
Der deutsche Lehrer in England. £ine Warnung für die deutsche Lehrer-
und Studentenschaft sowie eine Mahnung an die englische Nation. Die
eine Hälfte des Reinertrages ist für den Allgemeinen deutschen Schul-
verein in Berlin, die andere für einen zu gründenden deutscheu Lehrer-
verein in London bestimmt. Berlin, Weidmann. 1883. 64 S. gr. 8^.
Mark 1,60. (Kez. empfiehlt die Schrift jedem, der sich über die jetzigen
Schulverhältnisse Englands unterrichten will.) Anon. Aug. Lange,
Der vokalische Lautstand in der französischen Sprache des 16. Jahrhun-
derts nach den Zeugnissen der alten Grammatiker und den Grundsätzen
der neueren Phonetik dargestellt, El hing, Meissner. 1883. 46 Seiten.
M. 1,50. (Ungünstig beurteilt.) — Nr. 7. 0 eisner. Les Continuateurs
de Loret. Lettres en vers de La Gravette de Mayolas, Robinet, Bour-
sault, Perdou de Subligny, Laurent et autres (1665—1689), recueillies et
publikes par le Baron James de Rothschild, T. I (Mai 1665 k Juin 1666),
T. II (juillet k d^cembre 1667). Paris, Norgaud et Patout, 1881 — 1882.
XLIV u. 1166, XLII u. 1310 Sp. gr. Lex.-8''. Fr. 30. (Die hier ge-
sammelten »Briefe in Versen '^ verdienen Beachtung nicht nur als eine
litterarische Erscheinung, sondern auch als eine wichtige Quelle geschicht-
licher Belehrung.) — Nr. 10. E. Ko schwitz. Otto Danker ^ Die Real-
gymnasien bezw. Realschulen I. 0. und das Studium der neueren Sprachen.
Mit einem Vorwort an alle früheren Schüler der Realschule I. 0. etc.
Kassel, Kessler. 1883. 92 S. 8^ (In dieser Broschüre bilden abge-
droschene Stichworte, wiedergekäute Zitate, banausische, oberflächliche
und einfaltige Ausführungen, Persönlichkeiten^ Missverständnisse und Ver-
drehungen, versetzt mit einer starken Dosis Anmassung und Eigendünkel,
einen Brei, mit dem der Verf. einer „guten Sache" dienen zu können
glaubt. Böswillige Antirealschulmänoer werden ihn in Zukunft als Bei-
spiel citieren, welche traurige Erscheinungen die Realschulbildung auf-
kommen lasse; besonnene und massvolle Realschulmänner werden un-
zweifelhaft die Solidarität mit diesem Vorkämpfer ihrer Sache entrüstet
von sich weisen.) — Nr. 11. pp. Otto Dambach, Der deutsch-franzöei-
sche Litteraturvertrag vom 19. April 1883. Mit Erläuterungen. Berlin,
Enslin. 1883. VI und 74 S. 8«. Mark 2. (Siehe hier V*. S. 107.) —
Nr. 13. Anon. E. Siengel, Erinnerungsworte an Friedrich Diez. Mar-
burg, Elwert. 1883. 104 S. gr. 8^. Mark 1,50. (Siehe hier VP, 97.)
— Nr. 14. E. 0. Lübars eh. kVilh. Bornemann, Boileau - Desprdaux im
Urteile seines Zeitgenossen Jean Desmarets de Saint -Sorlin. (Französ.
Studien IV 3.) Heilbronn, Henninger. 1883. 148 S. gr. 8^ Mark 5.
(Günstig besprochen. Siehe hier Seite 298.) — Nr. 16. W. P. G.
Körting, Encyklopädie und Methodologie der romanischen Philologie mit
besonderer Berücksichtigung des Französischen. I. Teil. 1. Buch: Erör-
terung der Vorbegriffe. 2. Buch: Einleitung in das Studium der roma-
nischen Philologie. Heilbronn, Henninger. 1884. XVI u. 244 S. gr. 8®.
Mark 4. (Ein gut geschriebenes, eminent praktisches Buch, das sich hier
mit seinem ersten Bande einem grossen Leserkreise vorstellt und dem-
selben nicht warm genug empfohlen werden kann.) — Nr. 19. A.Tobler,
J, de La Fontaine, (Euvres. Nouvelle edition revue sur les plus an-
ciennes impressions et les autographes et augment^e de variantes de
notices, de notes, d*un lexicme des mots et locutious remarquables, de
portraits, de facsimile, etc. rar M. Henri Regnier. Tome [. (Les grands
^crivains de la France. Nouvelles editions.) Paris, Hachette et C^. 1883.
CJCXXIV u- 471 S. gr. 8«. Fr, 7,50. (Sehr gelobt.)
Zttte?*aiurbl. für fferm, und rom, Phü. 297
liitteratnrblatt für germaniische und romanische
Philologie. 1884.
Nr. 1. W. Meyer. M. Mirisch, Geschichte des Suffixes -ö/m^ in
den romanischen Sprachen mit besonderer Berücksichtigung des Vulgär-
und Mittellateins. Bonn 1882. 38 S. 8. (Bonner Dissertation.) (Ein
erster dankenswerter Beitrag.) G. Wolpert E. Freymond, Über den
reichen Beim bei altfranzösischen Dichtern bis zum Anfang des XIV. Jahr-
hunderts. (Separatabdruck aus Gröber 's Zeitschrift Bd. VI, p. 1—36 und
p. 177— 215.) 8^ (Gelobt.) W. Knörich. B. Mahrenholtz, Uolihxe.
Einführung in das Leben und die Werke des Dichters. Kleinere Aus-
gabe von des Verfassers : „Molifere's Leben und Werke". Heilbronn, Gebr.
Henninger. 1883. 266 S. 8. Mark 4. (Verf. gibt die Besultate seiner
Molierestudien in kurzer, präziser, ansprechender Form und guter An-
ordnung. Die in den Rezensionen des grösseren Werkes ausgesprochenen
abweichenden Ansichten, Ergänzungen und Berichtigungen smd sorg-
fältig zu Rate gezogen und benutzt.) W. Knörich. ff. Fritsche, Le
Tartufe von Molifere. Berlin, Weidmännische Buchhdlg. 1883. 176 S.
8. M. 1,50. (Eine durch Gründlichkeit und Klarheit ausgezeichnete
Arbeit, in der die neuesten Forschungen Berücksichtigung finden. Ref.
gibt Nachtrage und Bemerkungen zu Einzelheiten.) R. Mahrenholtz.
se Li vre abominable de 1665, decouvert et publie p. Louis Aug, Menard.
Paris, F. Didot. 1883. 2 voll. fr. 20. (Ref. weist des Herausgb.s An-
sicht, Moli^re sei der Verfasser der hier zum ersten Mal veröffentlichten
Satire, die eine Verherrlichung des General - Intendanten Fouquet zum
Gegenstande hat, zurück.) R. Mahrenholtz. Les Grands äcrivains de
la France. Moliäre. T. VIII p. p. P. Mesnard. Paris, Hachette. 1883.
(Inhalt: Bourgeois gentilhomme. Psycho, Fourberies de Scapin, Comtesse
d'Escarbagnas. Einleitung, Text, Kommentar und Anhänge zeigen die-
selben anerkannten Vorzüge, die allen Ausgaben der Sammlung nachzu-
rühmen sind.) — Nr. 2. H. Schuchardt. A. Mussafia, Zur Präsens-
bildimg im Romanischen. Wien, Gerold. 1883. 77 S. 8°. (Akad.-
Ber.) (Inhaltreiche Anzeige der sehr gelobten Abhandlung.) A. Schröer.
F, Franke, Die praktische Spracherlernung auf Grund der Psychologie
und der Physiologie der Sprache dargestellt. Heilbronn, Henninger.
1884. 40 S. 8**. (Ref. nennt die Schrift eine in ihrer Art bedeutende
und höchst beachtenswerte Erscheinimg auf dem Gebiet der pädagogi-
schen Litteratur.) — Nr. 3. H. Breymann. G. Körting, Encyklopädie
und Methodologie der romanischen Philologie. Mit besonderer Berück-
sichtigung des Französischen. Erster Teil. Heilbronn, Gebr. Henninger,
1884. VI, 244 S. 8. M. 4. (Enthusiastisch begrüsst.) F. Settegast.
P. Nissen, Der Nominativ der verbundenen Personalpronomina in den
ältesten französischen Sprachdenkmälern. Kieler Dissertation. 1882.
83 S. 8. (Fleissige Materialsammlung.) — Nr. 4. R. Thurneysen.
W, Meyer, Die Schicksale des lateinischen Neutrums im Romanischen
(Zürich, Dissertation). Halle, Niemeyer. 1883. 175 S. 8^ (Im allge-
meinen anerkennende Beurteilung.) — Nr. 5. G. Wolpert. A. Tohler,
Vom französischen Versbau alter und neuer Zeit. Zusammenstellung der
Anfangsgründe. Zweite Auflage. Leipzigs Hirzel. 1883. VH, 148 S.
8^ Mark 3. (Fast auf jeder Seite dieser neuen Auflage erkennt man
die sorgsam bessernde Hand des verdienten Verfassers.) A. Tob 1er.
K. Knösel, Das altfranzösische Zahlwort. Erlangen, Deichert. 1884.
69 S. 8. (Die wissenschaftliche Verarbeitung der fleissig gesammelten
Materialien wird vermisst.) — G. W^illenberg. /. Witte, Abriss der
französischen Etymologie für den Standpunkt der oberen Gymnasial-
klassen. Erste Hälfte. Programm des herzoglichen Gymnasiums zu
298 Zeitschrifienschau. D. Behrens,
Wolfenbüttel, 1883. 20 S. 4. (Die gut disponierte und im allgemeinen
klar geschriebene Abhandlung dürfte sich weniger für Schüler der oberen
Gymnasialklassen als für angehende Studierende der neueren Sprachen
zur vorläufigen Orientierung empfehlen. Rez. berichtigt einzelne Unge-
nauigkeiten.) — Nr. 6. W. Meyer. E. Etienne, De deminutivis in-
tentivis collectivis et in malam partem abeuntibus in francogallico ser-
mone nominibus. Paris, Vieweg. 1883. 152 S. 8®. fr. 4. (Siehe hier
IV*, S. 96 f.) W. Knörich. W. Bornemann, Boileau - Despr^aux im
Urteile seines Zeitgenossen Jean Desmarets de Saint- Sorlin. Heilbronn,
Henninger. 1883. 148 S. 8*». M. 5. (Franz. Studien, IV. Band, 3. Heft.)
(Warm empfohlen.) F. Liebrecht. E. Roüand, Recueil de Chansons
popnlaires. Tome I. Paris, Maisonneuve et C»«. 1883. III, 356 Seiten,
gr. 8. (Gelobt.) — Nr. 7. W. Meyer. A, Homing. Zur Geschichte
des lateinischen c vor e und t im Romanischen. Halle, Niemeyer. 1883.
140 S. 8. M. 3,60. (Ref. bezeichnet viele von des Verf. Resultaten als
unrichtig, erkennt aber an, dass seine Arbeit seit langer Zeit die beste
phonologische ist und einen wesentlichen Fortschritt bezeichnet.) —
H. Schnchardt. E. Rolland, Faune populaire de la France. (Noms
vul^aires, dictons, proverbes, legendes, contes et superstitions.) Paris,
Maisonneuve. 8". I. Les mammif^res sauvages. 1877. XV, 179 Seiten.
II. Les oiseaux sauvages. 1879. XV, 421 S. III. Les reptiles, les
poissons, les moUusques, les crustacäs et les insectes. 1881. aV, 365 S.
IV. Les mammif^res domestiques. Premiere partie. 1881. XII, 276 S.
V. Les mammif^res domestiques. Deuxi^me partie. 1882. VI, 265 S.
VI. Les oiseaux domestiques et la fauconnerie. 1883. XI, 243 S. (Aus-
führliche Anzeige des in mehi*facher Beziehung höchst willkommenen
Werkes.) A. L. Stiefel zeigt an: 1) Le'once Person. Histoire du
vdritable Saint -Genest de Rotrou. Paris, L. Cerf. 1882. 103 S. 8".
2) desselben Verfassers Histoire de Venceslas de Rotrou, suivie des Notes
critiques et biographiques. Paris, L. Cerf. 1883. 148 S. 8. 3) dessel-
ben Verfassers Les Papiers de Pierre de Rotrou de Saudreville. Hiervon
nur Appendice von S. 107—135. Paris, L. Cerf. 1883. (Zu Einzelheiten
findet Ref. mehreres zu ergänzen und zu berichtigen. Im allgemeinen
bekundet P. in seinen Arbeiten gesunde Anschauungen und ein mass-'
volles urteil.) E. v. Sallwürk. G. Lücking, Französische Grammatik
für den Schulgebrauch. Berlin, Weidmann. 1883. X, 286 S. 8. (Eine
den heute bestehenden Lehrplänen angepasste kürzere Fassung der seit
1880 in zwei Auflagen erschienenen „Französischen Schul -Grammatik"
desselben Verfassers. Rez. hält die vorliegende Reduction um so mehr
für zeitgemäss, da zu gleicher Zeit in der Fassung der Regeln und in der
Gruppierung des Stoffes manches zum Vorteil des Buches geändert wor-
den ist.) A. Schröer. H. Breymann, Über Lautphygiologie und
deren Bedeutung für den Unterricht. München und Leipzig, R. Olden-
bourg. 1884. 32 S. 8**. (Anerkennend beurteilt.) — Nr. 8. St.
Waetzoldt. W, Scheffler, Die französische Volksdichtung und Sage.
Ein Beitrag zur Geistes- und Sittengeschichte BVankreichs. Erster Band.
Leipzig, Bernhard Schlicke. 1884. XI. 332 S. 8^ M. 9. (Ausführ-
liche, sehr lobende Beurteilung. Siehe hier V, 5 und 7.) P. Hintzel-
mann. Lobende Anzeige von 1) Llstoire de la destruction de Troye la
grant translatee de latin en francoys mise par parsonnages et composee
par Maistre Jacques Milet. Autographische Vervielfältigung des der k.
Bibliothek zu Dresden gehörigen Exemplars, veranstaltet von E. Stengel.
Marburg, Elwert. 1883. VIU, 434 S. 4. M. 15. 2) Robert Garnier,
les trag^dies. Treuer Abdruck der ersten Gesammtausgabe (Paris 1585),
. . . herausgegeben von W, Foerster. (Sammlung französischer Neudrucke^
Bevue ctitiqtie. 299
hrsg. von Karl Vollmöller. 3—6. Bändchen.) Heilbronn, Gebr. Hennin-
ger. 1882—1883. XIX, 214, 168, 172. XIX-XLI, 126 S. 8. 3) Le
Thöätre d*Alexandre Hardy. Erster Neudruck der Dramen von Pierre
Gomeille's unmittelbarem Vorläufer nach den Exenoplaren der Dresdener
und der Wolfenbütteler Bibliothek, besorgt von JE. Ste^igel. Tom. III,
IV. Marburg, Elwert. 1883. 265. 331 S. 8. M. 3,60; 2,80. E. von
Sallwürk. R. Mahrenholtz, Voltaire im Urteile der Zeitgenossen.
Oppeln, E. Franck. 1883. 95 S. M. 3. (Die von Pleiss und Talent
zeugende Schrift bildet die Fortaetzung zu des Verf. früher erschienenen
„Voltaire -Studien". Vgl. hier VP, 98.) J. Herz. A. E. Beauvais.
Grosse deutsch-französische Phraseologie. Nach den besten Quellen und
den neuesten französischen Schriftstellern bearbeitet und mit synonymi-
schen etc. Noten versehen. Wolfenbüttel, Jul. Zwissler. 1. Band, 976 S.
2. Band, S. 1 — 112. (Verf. zeigt sich seiner Aufgabe durchaus nicht ge-
wachsen.)— Nr. 9. P. Franke. H. Breymann, Französische Elementar-
grammatik für Realschüler. München, Oldenbourg. 1884. XO, 75 S. 8.
(Ein trotz allerlei Schwächen empfehlenswertes Buch.) H. Schuchardt.
Z. Hertff Esquisses africaines. Fablee cräoles et explorations dans Tin-
tärieur de Tile Bourbon. Nouvelle Edition. Paris, typographie et litho-
graphie J. Rigal et C^«, 1883. 196 S. S**.
ReTue Crltiqne. 1888.
Nr. 43. H. Körting, Über zwei religiöse Paraphrasen Pierre Cor-
neille^s, L*imitation de J^us-Christ und die Louanges de la Sainte-Vierge.
Ein Beitrat zur Corneille-Forschung. Oppeln, Maske. 8°. 55 p. (Eine
sehr sorgßutige und gewissenhafte Untersuchung.) — Nr. 44. A. Del-
boulle. M. Aubertin, Choix de textes de l'Ancien fran9ais du X« au
XVI« siecle. 357 p. Paris, Eugene Belin. (Das für französische Schulen
bestimmte Buch erfüllt seinen Zweck schlecht. Die Auswahl der mitge-
teilten Texte lässt viel zu wünschen übrig. Die Anmerkungen enthalten
neben Nützlichem und Gutem viel Überflüssiges und Irriges. Ein Glossar
fehlt.) T. de L. Les grands äcrivains de la France, nouvelles ^ditions
publi^s sous la direction de M. Ad. Begnier, membre de Tlnstitut, sur
les manuscrits, les copies les plus authentiques et les plus anciennes im-
Sressions avec variantes, notes, notices, lexiques, portraits etc. /. de la
"oniaine. Tome I. Paris, Hachette. 1883. in -8 de CO -XXIV- 471 p.
7 fr. 50. (Eine in jeder Beziehung vorzügliche Ausgabe.) T. de 1.
E. Socard, Biographie des personnages remarquables de Troyes et du
d^partement de TAube. Troyes, L. Lacroix. 1882. in -8 de 445 p.
6 fr. (Rez. empfiehlt das Buch und gibt einige Nachträge.) Camille
Jullian. A propos des lettres de Bossuet ä Leibnitz. (Dem Heraus-
geber dieser Briefe, Foucher de Careil in (Euvres de Leibnitz, Paris,
1859, werden grobe Versehen nachgewiesen.) — Nr. 45. A. T.
W. G. C. Bijvanck, Sp^cimen d*un essai critique sur les Oeuvres de Fran-
^ois Villen. Le Petit Testament. Leyde, 1883. [s. hier V«,.108.] —
E. Picot. Cl. Janin, Les Imprimeurs et les Libraires dans la Cöte-d*Or.
Seconde Edition, avec portrait et fac-simile. Dijon, Darantibre, 1883.
Pet. in-8 carre de Vn-238 p. p. et 1 f., plus 1 portr. et 2 planches.
(Mangelhaft in Bezug auf Vollständigkeit und Genauigkeit der bibliogra-
phischen Nachweise.) — Nr. 46. A. T. E. Freymond, Über den reichen ^im
bei altfranzösischen Dichtern bis zum Anfang des XIV. Jahrh. Halle,
1882. In-8. [s. hier V^ 98]. G. Raynand. Maximes de La Roche-
foucaald, premier texte imprim^ k la Haye en 1664, collationnd sur le
ms. autographe et sur les äditions de 1665 et 1678, pr^dd^ d'une prd-
face par A. Patdy, conservateur sons-directear a^joiut & la Biblioth^ne
300 ZeitschrifUnscJiati. D, Behrens,
nationale. Paris, Morgand. 1882. In -8 de XX- 129 pages. In der
Chbonique Anzeige von Z. Person. Les papiers de Pierre Rotrou de
Saudreville, secr^taire da mardchal de Gu^oriant. Paris. Cerf. 8^
135 p, 3 fr. („L'appendice [pp. 108—135] renferme une contribution k
Thistoire de l'Hypocondriaque, du V^ritable Saint-Genest, du Venceslas
et du Cosrofes de Jean de Rotrou".) — Nr. 47. A. DelbouUe, N. M.
Bernardin, Morceaux choisis des classiques frangais du XVQ« si^cle.
380 p. ap. Delagrave, Paris. 1883. E. Picot. Llmprimerie et la Li-
brairie dans la Haute- Marne et dans Tancien dioc^e de Langres, par
deux membres correspondants de la Soci^tä historique et arch^ologique
de Langres. Paris, Champion; Langres, F. Dangien. 1883. in-o** de
2 ff. et 50 pp. (Extrait du Bulletin de la Soci^td historique et arcbdolo-
gique de Langres, tird ä 100 exempl. (Rez. ^bt zahlreiche Nachträge.)
— Nr. 48. T. de L. Z. Person, Les papiers de Pierre Rotrou de
Saudreville (s. oben Rev. crit. Nr. 46). — Nr. 49. E. Picot. H. Cordier,
Bibliographie des (Euvres de Beaumarchais. Portrait d*apr^s Cochin.
Paris, A. Quantin. 8**. VI et 143 pp., plus un portr. (Eine sorgßlltige
Arbeit, in der 522 Ausgaben, Übersetzungen und Nachbildungen der
Werke Beaumarchais aufgezählt und beschrieben werden. Rez. vermisst
Litteratumachweise und ^ibt sehr zahlreiche Nachträge.) Varietes.
T. de L. UEstoüe et Jodeüe. — Nr. 50. In der Chronique Anzeige
von A. Magen. Fran9ois Philon et son Virgile ävangälizant. Agen.
Lamy. In-8^ 24 p. — Nr. 52. T. de L. R. Fage, Lettres inddites de
Baluze ä M. Melon du Verdier, avec une introduction et des notes.
TuUe, Crauffon. 1883. Grand in-8 de 154 p. A. Gazier. Ch. Henry,
Correspondance in^dite de Condorcet et de Turgot (1770— 1779), avec
des notes et une introduction d'apr^s les autographes de la collect ion.
Minor et et les manuscrits de l'Institut. ün voL in-8 de XXX -324 p.
Paris, Charavay frerea. 1882. 7 fr. 50. (Von den 253 hier veröffent-
lichten Briefen waren 180 noch ungedruckt. Der sorgfältigen Ausgabe
ist eine wertvolle Einleitung beigegeben.) Varietes. A. Delboulle.
Quelques notes sur Tedition de J. De La Fontaine par E. Regnier.
Hachette 1883.
1884. Nr. 3. D. de Nolhac. Sammlung französischer Neu-
drucke. Robert Garnier, les tragedies, treuer Abdruck der ersten Ge-
sammtausgabe (Paris 1585) . . . herausgegeben von W. Foersier. Heil-
bronn, Henninger. 1882—83. 4 vol. in-8. (Sehr gelobt. S. hier
V^ 83.) — Nr. 4. C. J. Ch. Borgemid. J.-J. Rousseau's Religionsphilo-
sophie, unter Benutzung bisher nicht veröffentlichter Quellen. Geneve
et Leipzig. In-8. 1883. px)> 168. (Bietet wenig Neues, kann aber zur
Orientierung über die den behandelten Gegenstand betreffende neuere
Litteratur dienen.) — Nr. 6. A. Gazier. E. Bespois et P. Mesnard.
Moli^re, tome VIII (collection des grands ecrivains de la France, publice
sous la direction de M. Ad. Regnier.) Nouvelle Edition revue sur les
plus anciennes impressions et augment^e de variantes, de notices, de
notes etc. Paris, Hachette. 1883. (siehe hier VI*, S. 217.) — C. J.
R. Mahrenholtz, Voltaire im urteile der Zeitgenossen. Oppeln, Maske.
In-8. p. 95. (Ein sehr dankenswerter Beitrag zur Litteraturgeschichte
des XVIII. Jahrhunderts.) 0. E. MaiUy, Histoire de Pacadämie impe-
riale et royale des sciences et helles lettres de Bruzelles. Bruxelles,
Hayez. Deux volumes, in-8, 720 et 426 pp. (Extrait des m^
moires de TAcad^mie royale de Belgique.) (Gelobt.) Tscherpakof, Les
fous litt^raires. Rectifications et additions k Tessai biliographique sur
la litt^rature excentrique, les illumin^s visionnaires etc., par Philomneste
Junior. Moscou, librairie T. G. Gauthier, 1883. in -16. 89 pp. In,
Revue critiqtte. 301
der Chbonique wird u. a. angezeigt: M. Toumeux, La politique de Di-
derot. Feuillets in^its extraits d^in manuscrit de la Biblioth^que par-
ticalibre des czars. Paris. Georges Chamerot. 18S3. Grand in -8" de
63 p. (Extrait de la Nouvelle Revue.) — Nr. 7. T. de L. Poesies
fran9aise8 de la reine Marie Stuart, d'apr^ un livre r^cemment d^ou-
vert, par G. Pawlowski, avec un portrait de la Reine, k deux teintes.
Paris, A. Quantin. 1883. 4**. 16 pp. (Extrait du Livre, tirä a 60 ex-
emplaires.) — Nr. 11. A. Delboulle. Ch. Lormer, Trois cent soi-
xante et six Apologues d'Esope, traduicts en rithme fran9ai8e par maistre
Guillaume Haudent, d*apr^ r^dition de 1547, avec Introduction, Table
et Glossaire. Ronen, 1877. (Gelobt.) VakietIis. Marcel Schwob.
TJne correction daiis le Me'decin Volant. In der Chboniqüe : Ani. Thomas,
Michel de Boteauville et les premiers vers tran9ais mesur^ (Erschienen
in den Annales de la Facultd des lettres de Bordeaux. — Nr. 14. T. d e
L. Ch, Jorei, Des rapports intellectuels et littdraires de la France avec
TAUemagne avant 1789. Paris, Hachette 1884. Grand in -8 de 46 p.
(„La brochure de M. Joret est remplie de choses interessantes trbs bien
dites et qui seront nouvelles pour un grand nombre de lectenrs, mdme
de lecteurs germanisants".) — Nr. 16. E. Picot. A. Prost, Les Sciences
et les Arts occultes au XVI<^ si^cle. Corneille Agrippa, sa vie et ses
CEuvres. II. Paris, Champion. 1882. In-8.de 2 ff. 543 pp. et 1 fr.
VARiETifes. L. Mavillier. Deux teures intimes de M. et M^ Roland,
— Nr. 23. Rend Kerviler. Tamizey de Larroque^ Lettres de Jean
Chapelain, de TAcad^mie fran9aise. Tome second, du 2 janvier 1659 au
20 däcembre 1672. Paris, imprimerie Nationale. 1883. in-4, 967 pp.
(Sehr empfehlende Anzeige.)
D. Behbeks.
Miszellen.
Kinige Stellen aus Moli^re's Femmes Savantes. — Als ich
von der VerlagsbuchliandluDg von B. G. Teubner aufgefordert wurde,
das Manuskript zu einer 2. Aufl. der Femmes Savantes zu lieferui war
für mich zunächst die Frage zu erledigen, was ich aus jener meiner Erst-
lingsarbeit machen sollte; entweder eine gelehrte Ausgabe, d. h. eine
solche, die in ihren Erklärungen auf die besonderen Anforderungen der
Schule keine Rücksicht zu nehmen und nicht etwa die Ergebnisse der
Forschung, sondern diese selbst in ihrem ganzen Umfange vorzuführen
hätte, oder eine reine Schulausgabe. Da ich alsbald bei der Arbeit er-
kannte» dass eine reine Schulausgabe, mit philologischer Methode ver-
fasst, für das bisherige Absatzgebiet der Femmes Savantes das einzig
Richtige sei, war die Frage nach dieser Richtung hin entschieden; ich
musste also in jeder Beziehung die Anforderungen der Schule obenan
stellen.
Während ich früher einen behaglich gemütlichen Kommentar
eigentlich für jedermann, Gelehrte und Üngelehrte bestimmt, geliefert,
dem Schüler dadurch vielfach die Arbeit zu leicht gemacht hatte, musste
ich jetzt überall die Frage entscheiden lassen : was ist für das Verständ-
nis des Primaners und des Lehrers der Prima, der nicht gerade Moli^re
zu seinem Spezialstudium gemacht hat, unentbehrlich? Was darüber hin-
ausging, musste gestrichen werden. Gestrichen sind daher die Inhalts-
angaben der einzelnen Szenen, sowier viele elementare grammatische und
lexikalische Bemerkungen, die vor 13 Jahren, als der Durchschnittsstand
der französischen Sprachkenntnisse ein erheblich geringerer war, wohl
am Platze waren, deren Kenntnis aber jetzt wohl vorausgesetzt werden
durfte. Sodann bedurfte vielfach die Formulierung des einzelnen einer
Umarbeitung, die auch durch eine ausgiebige Benutzung früher mir nicht
zu Gebote stehender Hilfsmittel geboten war. Die in einzelnen Rezen-
sionen dafür gegebenen Winke und Bemerkungen sind in dankbarer
Weise von mir entgegengenommen und benutzt. Bei der Ausarbeitung
habe ich gesehen, wie vielfache Anregung meiner Erstlingsausgabe die
Ausgabe von Fritsche (Berlin, Weidm. 1879) verdankt; ich habe es, wie
ich ja das in dieser Zeitschrift schon mehrfach in ähnlichen Fällen an-
gedeutet habe, für meine Pflicht gehalten, auf den Schultern meiner Vor-
gänger stehend, wenn möglich ehlras besseres oder doch mindestens von
mir selbst gründlich verarbeitetes zu liefern, dabei strengste Kritik übend.
In dieser Weise erkenne ich dankbar an, welche Vorarbeit für meine
Ausgabe die Fritsche's geliefert hat ; ich musste mitunter bedauern, dass
Miszelkn. 303
Fritsche mir gefolgt ist, wenn eine nähere Prüfung mir ergab, dass ich
früher eine nicht haltbare Erklärung aufgestellt hatte, und habe mehr-
fach Gelegenheit gefunden, meine eigenen und Fritsche's Erklärungen
zu berichtigen. Ich schliesse an diese allgemeinen Erörterungen die Be-
sprechung einzelner Stellen.
Zunächst Vers S: Ei de vous marier vous osez faire ßte? (Vgl.
diese Zeitschrift H, 77).
Es ist bisher, meiner Ansicht nach, hier von allen Erklärern der
Fehler gemacht worden, dass sie den Schriftsteller nicht aus dem Schrift-
steller selbst erklären, sondern in ihrer Not von vornherein sich Hilfe in
den Wörterbüchern suchen. Nach der überall hier durchklingenden An-
sicht der Armande ist eine Heirat etwas Widerliches (degoüiani), Ge-
meines (vulgaire). Schmutziges (sale), also Entehrendes. Die wörtliche
Übersetzung ergibt: „Du wagst Festlichkeit (Herrlichkeit, Grossartigkeit,
im Sinne der Armande: Ehre) daraus zu machen, dass du dich verhei-
raten willst?" In verständliches Deutsch übersetzt also: „Du wagst noch
damit zu prahlen (dich noch damit zu brüsten), dass du dich verheiraten
willst?*' Erst jetzt, nachdem ich den Sinn der Worte richtig ermittelt
zu haben glaube, erwächst für mich natürlich die Aufgabe festzustellen,
ob die Worte diesen Sinn auch haben können, und daftir leistet Litträ's
Wörterbuch die besten Dienste. Wir finden dafür zunächst die Stelle
aus Mol., Critique H. : Elle l'avait invitä ä souper comme bei esprit, et
jamais il ne parut si sot, parmi une demi-douzaine de gens ä gui eile
avaii faxt ßte de lui (denen sie mit ihm geprahlt hatte), et qui le re-
gardaient avec de grands yeux etc. Auch unsere Stelle führt Littr^ an
unter se faire une ßte de qc, das er durch s*en promeitre heaucoup de
plaisir gewiss ganz richtig erklärt, dx)ch gehört unsre Stelle nicht dahin,
weil sie die Wendung gar nicht bietet, sondern (se) faire ßte de qc.
Littrd erklärt sodann se faire de fite wiederum richtig durch faire comme
si on e'tait d*une ßte, etc., schreibt aber dann unrichtig se faire de ßte,
se dit aussi pour se faire honneur. Er hätte das de weglassen sollen,
denn in dem von ihm angeführten Beispiel Sev. Lettr. k Buasy-Rabutin,
19 mai 1677: „Elle ne se presse jamais de faire voir qu*elle a plus
d^esprit que les autres ; eile sait bien des chosee dont eile ne se fait point
de föte" ist das de offenbar durch .das vorangehende point heraufbe-
schworen. Nach dieser Angabe Littrd's finden wir in Sachs, enc. Wör-
terbuch unter fite als selten aufgeführt: se faire de fite de qc. sich mit
etwas (schreibe: einer Sache) brüsten: die Bedeutung, die wir für unsere
Stelle und für se faire fite brauchen! Litträ hätte unsere Stelle unter
die von ihm gegebene Bedeutung se faire honneur einreihen sollen, dann
wäre auch Sachs nicht irre geleitet«
Man möge der die Besprechung von Vers 3 einleitenden Bemer-
kung nicht die Missdeutung geben, als sei es dem Erklärer gestattet,
seine eigenen Phantasien den Worten des Schriftstellers unterzulegen : es
ist ihm verboten, den Worten Gewalt anzuthun und ihnen einen Sinn
beizulegen, den sie nach sämtlichen Belegstellen nicht haben können.
Zu V, ö Vers 1715 (1708 f., wenn die Prosastellen nicht mitgezählt wer-
den) Sans trouble ai-je assez ^coute Votre digne interp7'ete? hatte ich sans
iroiible erklärt durch „ohne Störung, ohne Unterbrechung," eine Erklä-
rung, die auch Fritsche übernommen hat, die aber nicht haltbar ist.
Sans trouble „ohne Aufregung, gelassen," in der gewöhnlichen Bedeutung,
gibt einen guten Sinn. Philaminte wundert sich mit Kecht darüber,
dass sie sich diesmal ausnahmsweise so viel hat gefallen lassen; diesmal
soll das nur ein Mittel für sie sein, ihren Zweck zu erreichen, und wie
achlau hat sie das angefangen, wenn Ghrysale sich alsbald ihrem Vor*
304 Miszelkn.
schlage zu fügen bereit ist (Yoilk dans cette aifaire un accommodement!).
Sie mhlt, dass diesmal ein in jeder Beziehung gebieterisches Auftreten
ihren Plänen schaden könnte ; daher bis dahin die (scheinbare) Gelassenheit.
Zu V, 1 Vers 1587 f.: Je ne pensais pas que la phüosophie Füi
si belle qu*elle esl, (Tinsiruire ainsi les gens etc. bemerkt Fritsche: „In
dem Verse (1588) steckt eine grammatische Unklarheit; entweder ist
qu'elle est eine blosse Vergleichung (wie sie es ist) oder si helle qiCeUe
est ist eine Einräumung. Im ersteren Falle müsste es qu'elU Vest heissen,
im zweiten wäre aus dem Einräumungssatz vor (Tinsiruire noch einmal
si belle zu ergänzen.'^ Ich betrachte diese Anmerkung als eine der eigen-
tümlichen Verblendungen, die meist an irgend einer Stelle einer vielleicht
sonst ganz guten Ausgabe sich finden. So ist es mir mehrfach begegnet,
dass wenn ich nachher kaltblütig an eine derartige Stelle wieder heran-
trat, mich des höchsten gewundert habe, wie es nur möglich gewesen.
So ist es vielleicht Fritsche schon mit dieser Stelle gegangen. In meiner
Ausgabe war die Stelle bisher ohne Anmerkung, weil ich keinen Anstoss
genommen, nach Fr. konnte ich allerdings nicht umhin, eine Anm. zu-
zufügen. Es kann darüber gar kein Zweifel obwalten, dass wir es mit
einem Vergleichssatze zu thun haben; die Einschiebung eines le ist doch
in solchen Sätzen, um mit Lücking zu reden, nur fakultativ. Fr. hat
ferner ganz ausser acht gelassen, dass der Einräumungssatz si belle qu'elle
soit lauten müsste, und wie gekünstelt wäre die alsdann notwendige
Ergänzung von si helle vor d'instruire!
Die ausführliche Behandlung dieser Stellen sollte an einigen Bei-
spielen darthun, wie ich meine Aufgabe aufgefasst, wie ich mich bestrebt
habe, eine des Dichters würdige Schulausgabe der Femmes Savantes zu
liefern. Ob und in wie weit mir das gelungen, mögen andere beurteilen.
C. Th. Lion.
XXXVIl. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer zu Dessau (1. — 4. Okt. 1884). Neusprachliche Sektion.
Den anderen durch die Tradition geheiligten Sektionen der Philologen-
Versammlungen stellte sich diesmal die neusprachliche Sektion als legi-
tim anerkannte zur Seite, nachdem sie zum 3. Male die offiziell be-
dungene Zahl von 20 Mitgliedern nicht nur erreicht, sondern noch weit
überstiegen hatte.*) Die Verhandlungen in dieser Sektion waren von
*) Uns erscheint die Legitimität dieser neuen Sektion immer noch
anfechtbar, wenn auch den zur Anerkennung derselben geforderten for-
mellen Bedingungen genügt ist. Eine innere Berechtigung besitzt ' sie
neben den übrigen, namentlich der germanisch -romanischen Sektion,
nicht, in deren Rahmen auch das Französische und Englische fällt. Und
nur diese Sprachen scheinen — ohne allen haltbaren Grund — mit den
„neueren Sprachen" gemeint zu sein. Beschäftigt sich aber die „neu-
sprachliche Sektion" in ihren Sitzungen, wie in der oben geschilderten
letzten, ausschliesslich mit pädagogischen Fragen, so sollte sie der „pä-
dagogischen Sektion" angehören, und könnte eine berechtigte Unter-
abteilung dieser abgeben, insofern sie ihre Aufmerksamkeit ausschliess-
lich dem Unterrichte einiger lebender Sprachen zuwendet. Wir halten
die Gründung dieser neuen Sektion desnalb für in hohem Grade be-
dauerlich,' weil wir uns der Befürchtung nicht entschlagen können, sie
möchte das Ansehen der in ihr vertretenen philologischen Fächer schä-
MiszeÜen. 305
groflsem Interesse, indem sie, umsichtig geleitet und vorbereitet, die
wissenschaftliche Seite der Spracherkenn&is mit der praktischen des
Sprachunterrichtes vereinten. Herr O.-L. Dr. Deutschbein (Zwickau) hielt
einen sorgföltig durchgearbeiteten Vortrag über »Die Lautphysiologie beim
neusprachlichen Unterricht", der eine lebhafte, mehr auf Einzelheiten als
auf die Grundprinzipien gerichtete Debatte hervorrief und mit der An-
nahme folgender, nur wenig modifizierter, Thesen endete:
1. Trotz mehrfacher Bedenken ist es empfehlenswert, in der Schule
beim neusprachlichen Unterrichte die Resultate der Laut-
physiologie theoretisch und praktisch zu verwerten.
2. Dabei sind nicht bloss die physiologischen Vorgänge und
Verhältnisse zu berücksichtigen, sondern auch die akustischen.
3. In den ersten 2—3 Stunden des neusprachlichen Anfangsunter-
richtes ist das Notwendigste aus der allgemeinen Laut-
physiologie zu behandeln, um so eine Grundlage für die
spezielle Lautphysiologie der betreffenden Sprache, welche
am besten im Anschlüsse an die einzelnen Lektionen des ein-
geführten Lehrbuches behandelt wird, zu gewinnen.
Nicht gleiche Übereinstimmung herrschte über den Anfangsunter-
richt im Französischen, welcher den Gegenstand eines Diskurses des O.-L.
Löwe (Bemburg) bildete. Das von dem Herrn Vortragenden zu Grunde
gelegte „Elementarbuch des franz. Unterrichtes", welches er als Fest-
schrift für die Philologenversammlung verfasst hatte, wurde in mancher
Hinsicht von den Herren Dr. Kühn (Wiesbaden) und Dr. Elinghard
(Beichenbach) ergänzt, doch fanden auch diese beiden Herren nicht un-
bedingte Zustimmung, da sie die induktive Methode des Sprachunterrichtea
als für alle Stufen anwendbar erklärten. Herr Direktor Benecke erörterte
praktischen Vorzüge der von ihm in seinen franz. Lehrbüchern mit so
vielem Erfolge durchgeführten Methode, konnte aber auf die Schlussab-
stimmung keinen entscheidenden Einfluss üben, da er durch Unwohlsein am
Erscheinen verhindert war. Man einigte sich endlich, um beiden Rich-
tungen, der deduktiven und induktiven, Rechnung zu tragen in der An-
nahme der These;
,,Auf der Anfangsstufe des franz. Unterrichtes ist das Lesebuch
zum Ausgangs- und Mittelpunkt zu machen und die Grammatik
induktiv zu betreiben."
Von einer definitiven Entscheidung über die auf der mittleren und
oberen Stufe vorzuziehende Methode wurde, als dem eigentlichen Gegen-
stande der Tagesordnung fem liegend, Abstand genommen. Für diese
relative Einigung so verschieden gerichteter Fachgenossen war besonders
die vermittelnde und entgegenkommende Haltung des Vorsitzenden, Herrn
Prof. Lambeck (Cöthen), von Einfluss. Diesem, wie dem regen Anteil,
gen , und das Vorurteil bestärken, als seien Französisch und Eng-
usch organisch enger zusammengehörig als etwa Latein und Roma-
nisch oder Englisch und Germanisch. Auch die für den Unterricht im
Französischen und Englischen zur Geltung kommen den pädagogischen
Fragen sollten nicht von der pädagogischen Behandlung des sprachlichen
Unterrichts überhaupt völlig abgetrennt behandelt werden. Wir können
daher den Wunsch und die Hoffnung nicht unterdrücken, dass eine spätere
Philologenversammlung wieder die Auflösung dieser Sektion, oder doch eine
zweckentsprechendere Benennung und Einordnung derselben in die Ge-
samtheit oer in diesen Versammlungen vertretenen Disziplinen beschliessen
werde. B, Red.
Zsciur. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI^. 20
306 MkzeUm.
welchen die Herren Benecke» Vietor (Wiesbaden), Eühn^ Elinghard,
Techmer (Leipzig) an allen Debatten nahmen, ist der günstige Eindruck
und die bestimmte Stellung der Verhandlungen zuzuschreiben.
R. Mahrenholtz.
Zur Verwahrung und Richtigstellung. — Im Zentralorgan
ftlr die Interessen des Realschulwesens, 1884, Heft 12. hat Herr Dr. Löwe,
Oberlehrer am herzoglichen Realgymnasium in Bernburg, einen Vortrag:
„Über den Anfangsunterricht im Französischen*' veröffentlicht, den er
in der neusprachlichen Sektion der 37. Versammlung deutscher Philo-
logen und Schulmänner zu Dessau (1.— 4. Oktober 1884) gehalten hat.
Der Vortrag umfasst in dem Format des genannten Zentralorgans
9*/a Druckseiten, Nach einer kurzen Einleitung erklärt Herr Löwe, dass
er einen „Entwurf eines französischen Elementarbuchs nach neueren An-
schauungen'^ verfasst habe, den er der Sektion vorlege. Er habe die
betrübende Erfahrung gemacht, dass die Ergebnisse der bisherigen gram-
matistischen Lehrweise im französischen ganz kärgliche seien, während
er dagegen mit seiner eigenen Lehrmethode im englischen Elementar-
unterrichte stets gute Erfolge erzielt habe. Dies habe ihm den Gedanken
nahe gelegt, seine Methode auch auf das Französische zu übertragen,
und so sei der obige Entwurf entstanden. Dabei habe er die für dieses
Gebiet vorhandene Litteratur benutzt, und müsse sich daher mit manchem
seiner Vorgänger erst hier auseinandersetzen. ~ Diese Darlegung bis
hierher umfasst 2 Seiten. Es folgt auf den folgenden 4 Seiten ein
längeres wörtliches Zitat aus dem Osterprogramm der Realschule zu
Borna 1883 vom Direktor Klotzsch, dann eine Aufzählung der von diesem
verfassten Lehrbücher und eine kurze Kritik derselben (10 Zeilen), die
ablehnend ausföllt. Alsdann werden kritisiert das „Elementarbuch der
französischen Sprache von Plattner ^ (17 Zeilen), das „Lehrbuch des
Französischen'' von Scholderer (11 Zeilen), endlich die „Französische
Elementargrammatik für Realschüler'' von Brejmann nebst dem dazu-
gehörigen Übungsbuch von Breymann und Möller (18 Zeilen); die Be-
sprechung kommt überall zu negativen Ergebnissen. Dann folgen einige
„Erläuterungen'* zu dem von Herrn Tjöwe vorgelegten Entwürfe (1 Seite),
die im wesentlichen aus einer Inhaltsangabe desselben bestehen, dann
ein Schlusswort (ca. ^Z, Seite), in welchem ein zweiter Teil des liöwe-
schen Elementarbuches angekündigt wird. Hinter diesem Vortrage, der
am Anfang und am Ende in Anführungszeichen eingeschlossen ist,
kommt, in derselben Schriftgattung gedruckt und als Fortsetzung des
Textes, nicht etwa als Anmerkung, folgender Satz: „Nach zweitägigen,
interessanten Debatten wurde folgende These des Vortragenden ein-
stimmig angenommen: „„Im französischen (wie im englischen) Anfangs-
unterricht ist der Lesestoff zum Ausgangs- und Mittelpunkt des Unter-
richts zu machen und die Grammatik zunächst immer induktiv zu be-
handeln"«."
Schon nach der Lektüre der obigen kurzen, aber alles wesentliche
enthaltenden Inhaltsangabe muss es auffallen, dass die These sich nicht
als Endergebnis der in dem Vortrage enthaltenen Entwickelungen dar-
stellt, überhaupt in gar keinem inneren Zusammenhange mit demselben
steht. Indessen der Leser wird sich vermutlich sagen: Wenn die Hinzu-
fügung dieser heterogenen These überhaupt einen Sinn haben soll, so
muss es wohl der sein, dass die Sektion durch die Annahme derselben
hat aussprechen wollen, das Elementarbuch des Herrn Löwe sei nach
Muszeüen. 307
den in der These aasgesprochenen Grundsätzen bearbeitet, und die Sektion
wolle dasselbe damit billigen und empfehlen. Dies ist aber in keiner
Weise der Fall. Als Mitglied der neusprachlichen Sektion des Dessauer
Philologentages habe ich allen Verhandluogen derselben von Anfang bis
zu Ende beigewohnt und mich mehrfach an denselben beteiligt; auch
mein Votum ist in der einstimmigen Annahme der obigen These ent-
halten; ich glaube daher sowohl das Recht wie die Pflicht zu haben,
das über die betreffenden Verhandlungen künstlich verbreitete Halb-
dunkel zu lichten und den thatsächliohen Verlauf der Angelegenheit
öffentlich festzustellen. Ich erkläre dabei ausdrücklich, dass ich auf eine
Kritik sowohl des Vortrags wie des Elementarbuchs des Herrn Löwe an
dieser Stelle verzichte, so sehr auch beide Leistungen dazu herausfordern ;
es kommt mir hier lediglich auf die Klarstellung der Thatsachen an.
Als Herr Löwe in der ersten Sitzung der neusprachlichen Sektion
(am 2. Oktober 1884) seinen Vortrag beendet hatte, stellte er nicht
die oben angefahrte These, wie man nach der von ihm beliebten An-
fügung derselben an seinen Vortrag in dem im Zentralorgan gegebenen
Abdruck annehmen muss, sondern die folgende :
„Ein gedeihlicher Unterricht im Französischen ist bei
Zugrundelegung des vorgelegten Entwurfes möglich."
Diese These verlas Herr Löwe mehrmals mit nachdrücklichem
Tone und bat um deren Annahme. Es war wohl sofort jedem Mitgliede
der Sektion klar, dass durch die Annahme dieser These eine Billigung
und Empfehlung des Löwe^schen Buches ausgesprochen werden sollte;
diese von einer Versammlung von Fachmännern gegebene Empfehlung
später zur ausgiebigsten Reklame für das Buch zu verwenden, würde
sich schon Herr Löwe oder wenigstens dessen Verleger haben angelegen
sein lassen. Jene Zumutung wirkte um so verblüffender, da wir ja den
Löwe^schen Entwurf erst am Tage vorher in die Hand bekommen und die
meisten von uns noch nicht Zeit gefunden hatten, denselben genauer an-
zusehen. Schon aus diesem Grunde erhoben sich sofort Proteste aus der
Mitte der Versammlung gegen die Diskussion dieser These. Trotz der
Kürze der Zeit hatten aber einige Herren Müsse gefunden, das Buch des
Herrn Löwe in einzelnen Teilen zu prüfen; es wurde daher in eine Be-
sprechung über dasselbe eingetreten. In längerer Darlegung gaben nun
die Herren Dr. Kühn- Wiesbaden, Dr. Klinghard-Reichenbach i. Schi, und
Josupeit- Rastenburg eine Kritik verschiedener Teile des Löwe'schen
Buches, die in allen Punkten ablehnend ausfiel. Nach dem von mir
empfangenen Eindruck zu schliessen, würde die Zurückweisung des Ent-
wurfes noch viel entschiedener gewesen sein, wenn sich die Redner nicht
wegen der Anwesenheit des Verfassers augenscheinlich bemüht hätten,
ihre Kritik in eine schonende Form zu kleiden.
Hiemach könnt« von einer Annahme der gestellten These keine
Rede mehr sein; es wurde vielmehr der Vortrag und die These des
Herrn Löwe vollständig bei Seite geschoben und auf Anregung aus der
Mitte der Versammlung die Frage so gestellt: Was ist zur Grundlage
des französischen (und englischen) Unterrichts zu machen, die Grammatik
oder der Lesestoff? Es wurde beschlossen, über diese Frage zu debattieren,
und zwar zunächst nur über den Elementarunterricht zu verhandeln.
Die Debatte begann auch sofort und mehrere Redner sprachen sich, ohne
erheblichen Widerspruch zu finden, f[ir die Zugrundelegung des Lese-
stoffes aus, sodass man schon erkennen konnte, nach welcher Richtung
sich die Meinung der Mehrheit neigte.
Indessen nahte die Zeit der ersten allgemeinen Sitzung heran, und
die Sektionsaitzung sollte geschlossen "werden. Da versuchte Herr Löwe
20*
308 Misteten.
noch einmal, seine These durclizubringen. Er erklärte, dass es ihm nicht
möglich sein würde, an den beiden folgenden Sektionssitzangen teil za
nehmen, da er nicht wieder von Bernburg herüber kommen könne; es
müsse ihm aber doch daran liegen, die Meinung der Sektion über seinen
Entwurf kennen zu lernen; er bitte daher um Abstimmung über die
von ihm gestellte These. Die Sektion kam jedoch diesem Wunsche
nicht nach; sie lehnte es ab, über die These des Herrn Löwe abzu-
stimmen, beschloss vielmehr, am übernächsten Tage, da für die nächste
Sitzung schon ein anderer wichtiger Gegenstand auf der Tagesordnung
stand, die Verhandlungen über die Gestaltung des neusprachlichen
Elementarunterrichts fortzusetzen.
An diesem Tage, Sonnabend den 4. Oktober', erschien zu allge-
meiner Überraschung Herr Löwe wieder in der Sektionssitzung und stellte
zu Beginn der Verhandlungen eine neue These, die von seiner früheren
vollständig verschieden war und ungefähr dasjenige zum Inhalt hatte,
was als das schliessUchc Ergebnis der Debatten schon mit einiger Wahr-
scheinlichkeit vorausgesehen werden konnte. Die Absicht dieser ver-
änderten Taktik des Herrn Löwe war sofort klar: er wollte offenbar das
Heft des Thesenstellens in der Hand behalten, um nachher sagen zu
können, eine von ihm gestellte These sei angenommen worden. Ob die-
selbe die schliesslich von der Sektion angenommene Form ursprünglich
hatte, ist mir nicht mehr genau erinnerlidi; ich mnss es jedoch auf das
entschiedendste bezweifeln ; denn dieselbe wurde in eingehender Debatte,
die sich fast um jeden einzelnen Ausdruck erhob, von der Sektion selbst
festgestellt; wer der These die schliessliche Formulierung gegeben hat,
weiss ich nicht mehr genau.
Soviel geht jedenfalls aus dieser rein sachlichen Darstellung hervor:
Die von der neusprachli'chen Sektion des Dessauer Philo-
logentages angenommene These steht in keinerlei Beziehung
zu dem Vortrage und zu dem Entwurf eines französischen
Elementarbuchs des Herrn Löwe; sie ist ursprünglich nicht
von Herrn Löwe gestellt worden; sie kann in keiner Weise
zur Empfehlung des von Herrn Löwe veröffentlichten und
aus jenem Entwurf hervorgegangenen Buches: „Naturge-
mässer Lehrgang des Französischen für die beiden ersten
Jahre des französischen Unterrichts (Quinta und Quarta).
Berlin, Friedberg & Mode.'' benutzt werden.
Die neusprachliche Sektion des Philologentages hat sich in Dessau
zum dritten male in ununterbrochener Reihenfolge, und zwar diesmal
mit über dreissig Mitgliedern, konstituiert und ist damit in die Reihe
der ständigen Sektionen eingetreten; es kann sie aber bei ihren älteren
Schwestern nur kompromittieren, wenn die Meinung aufkommen könnte,
sie habe sich jemals dazu missbrauchen lassen, für ein Buch des Herrn
Löwe Reklame zu machen.
Nachschrift. -T Soeben (Anfang Januar 1885) versendet die Verlags-
handlung von Friedberg & Mode in Berlin einen Sonderabzug des Löwe'schen
Vortrags und einen vom Dezember 1884 datierten Prospekt, in welchem es
heisst: (Anbei übersenden wir ein Exemplar) „des von Herrn Dr. Löwe etc.
auf der diesjährigen Philologenversammlung in Dessau gehaltenen und
mit allseitiger Anerkennung aufgenommenen (! !) Vortrages über die Um-
gestaltung des französischen Unterrichts. Ein bezüglicher
Entwurf der Methode des Herrn Dr. Löwe wurde mit Unterstützung der
Herzogl. Anhalt. Regierung als Festschrift zur erwähnten Philologenver-
sammlung gedruckt. Der Ton Eterm Dr. Löwe aufgestellte (1!) Grund-
Mieteüen. 309
satz: Im französischen Anfangsunterricht ist der Lesestoff
znm Ausgangs- und Mittelpunkt des Unterrichts zu machen
und die Grammatik zunächst immer induktiv zu behandeln,
ist von der neusprachlichen Sektion einstimmig angenommen worden.
Der auf Grund dieses angenommenen Prinzips bearbeitete (!!) Lehr-
gang etc. ist soeben erschienen. Nach dem urteile hervorragender Pä-
dagogen ist es zweifellos (! !), dass hier ein Buch vorliegt, welches be-
rufen ist, den französischen Unterricht in hervorragendster Weise zu
fördern^'. Es folgt eine Aufzählung der Vorzüge des Buches und Auf-
forderung zur Einführung desselben.
Dieser Prospekt enthält fast ebensoviele Unwahrheiten wie
Sätze.
1) Der bez. Vortrag des Herrn Löwe ist von der neusprachlichen
Sektion des Dessauer Philologentages nicht nur nicht „mit allseitiger
Anerkennung aufgenommen" i sondern im Gegenteil mit eisiger Kälte
abgelehnt worden. Weder während des Vortrages noch am Schluss
desselben machte sich auch nur das geringste Zeichen des Beifalls oder
der Zustimmung bemerklich. Dass der Herr Vorsitzende der Sektion dem
Vortragenden seinen Dank für den Vortrag aussprach, war eine in
solchen Fällen übliche Höflichkeitsformel, die Niemand als „allseitige
Anerkennung" auslegen kann.
2) die von der Sektion angenommene These war von Herrn Löwe
ursprünglich überhaupt nicht, und später nicht in dieser Form aufge-
stellt worden. Sie ist vielmehr ohne Zuthun und sogar gegen den
Willen des Herrn Löwe aus den Verhandlungen der Sektion hervor-
gegangen.
3) Es ist unerfindlich, wieso der „Lehrgang etc.^ des Herrn Löwe
„auf Grund dieses angenommenen Prinzips" (nämlich der von der Sektion
angenommenen These) bearbeitet sein soll, da der Entwurf dieses Lehr-
ganges schon vor den Verhandlungen der Sektion gedruckt vor, und Herr
Löwe ja gar nicht wissen konnte, welche Grundsätze die Sektion auf-
stellen würde.
4) „Nach dem Urteile hervorragender Pädagogen ist es zweifel-
los etc." Welcher hervorragenden I^agogen? Ein öffentliches Urteil
über das Buch des Herrn Löwe ist noch nicht abgegeben worden, da ja
das Buch soeben erst erschienen ist. Sollten etwa unter den „hervor-
ragenden Pädagogen" die Mitglieder der neusprachlichen Sektion ge-
meint sein, so wird es denselben sicherlich sehr schmeichelhaft sein,
we^en ihrer Teilnahme an einer Philologenversammlung von der ge-
fälligen Verlagshandlung zu „hervorragenden Pädagogen" gestempelt zu
werden; es muss aber konstatiert werden, dass die Sektion kein Urteil
über das Löwe^sche Buch abgegeben hat, am allerwenigsten aber
ein anerkennendes.
Wenn auch Herr Löwe, wie ich zu seiner Ehre annehmen will,
den erwähnten Prospekt weder selbst verfasst noch inspiriert hat, so
hätte er doch in seinem eigenen Interesse verhindern sollen, dass in
dieser würdelosen Weise und vor allen Dinp^en durch Entstellung der
Wahrheit für sein Buch Reklame gemacht wird. Indessen — mögen die
Herren thun, was sie mit ihrer Wtbrde für vereinbar halten; wenn aber
dritte Personen oder Körperschaften für eine solche Bieklame gemiss-
braucht werden sollen, und wenn in Bezug anf dieselben EntsteUungen
und direkte Unwahrheiten verbreitet werden, so haben die Betroffenen
die Pflicht, dagegen anf das Entschiedenste Verwahrung einzulegen.
F. HVKIIBL,
310 MiszeUen.
Eine Bectification. Das Sachs- Vi latte*8che Wörterbuch ent-
hält manches, was meiner Ansicht nach nicht hinein gehört ; dazu rechne
ich besonders eine Reihe fremdsprachlicher, aber nicht französischer,
auch nicht irgendwie ein französisches Gewand tragender Ausdrücke und
Formehl. Dergleichen findet seinen Platz am passendsten in einem
Fremdwörterbudi oder einem Konversationslexikon. Das Spezialwörter-
buch einer einzelnen Sprache braucht und soll nicht ein Promptuarium
heteroglotter Termini sein, die zu dem betreffenden Sprachgut in gar
keiner Beziehung stehen. So hätte denn auch bei Sachs- Vilatte die Auf-
nahme der Formel urbi et orbi füglich unterbleiben können, wenn auch
hie und da die Phrase vorkommt publier une nduveUe urbi el orbi;
denn dieser Ausdruck ist eben in keiner Weise und auch nicht im wei-
testen Sinne französisches Sprachgut, sowenig er etwa für das deutsche
Lexikon reklamiert werden könnte, trotzdem er in deutschen Texten zu
finden ist. Es verhält sich mit ihm gerade so wie mit hundert anderen
mehr oder minder häufig angewandten Latinismen (pro domo, non multum
sed mtdia, ad captandam benevoleniiam etc., etc.). Doch es ist nicht
meine Absicht, dieses Thema hier weiter auszuführen; der eigentliche
Zweck dieser Zeilen ist vielmehr, auf die Unrichtigkeit der von Sachs
gegebenen Sacherklärung von urbi et orbi aufmerksam zu machen. Die-
selbe lautet: „im päpstlichen Segen vorkommende Worte".
Sachs ist zu entschuldigen, denn selbst in von sonst sachkundigen Ka-
tholiken verfassten Büchern (Reiseberichten u. dgl.) ist die Behauptung
zu lesen, der Papst erteile an gewissen Tagen feierlich und öifentlich
seinen Segen urbi et orbi. Diese Behauptung sowie die damit unmittel-
bar zusammenhängende Angabe, eine päpstliche Segensformel ent-
halte die Worte urbi et orbi ist vollständig aus der Luft gegriffen:
es existiert weder dem Wortlaute noch der Sache nach eine benedictio
urbi et orbi. Der Sachverhalt ist vielmehr folgender: Der Papst spendet
(beziehungsweise spendete vor dem 20. September 1870) an gewissen
(3—4) Tagen des Jahres von der Loggia einer der drei Patriarchalbasi-
Uken S. Giovanni in Laterano, S. Pietro und S. Maria Maggiore öffent-
lich und feierlich die benedictio apostolica den auf dem Platze vor der
Kirche Anwesenden, wobei dieselben, insofern sie die gewöhnlichen
vorgeschriebenen Bedingungen (Beichte, Kommunion etc.) erfüllt haben,
einen vollkommenen Ablass (Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen) ge-
winnen können. Die bei diesem Se^en gebrauchte Formel ist durchaus
die gewöhnliche: Benedicat vos omntpotens JDeus Pater et Filius et Spi-
ritus Sancttis. Während der ganzen, ungeföhr eine Viertelstunde dauern-
den Zeremonie findet nicht die leiseste Anspielung auf ein urbi et orbi
st^tt. Die Auffassung des. apostolischen Segens als eines urbi et orbi gel-
tenden entbehrt aber auch jeder sachlichen Begründung: der Seeen, be-
ziehungsweise dessen spirituale Wirkungen gelten, wie gesagt, den An-
wesenden, der Se^nspendung in der erforderlichen Disposition Beiwoh-
nenden; eine Partizipation Abwesender, mögen sie sich in urbe oder in
orbe befinden, ist nach katholischem Lehrbegriff unstatthaft. Die Be-
zeichnung urbi et orbi findet sich denn auch in keinem einzijscen un-
mittelbar oder mittelbar authentischen Werke über katholische Litnrgik
und in, diesen päpstlichen Akt erwähnenden, italienischen, sowohl älteren
als neueren, Büchern heisst derselbe nur benedizione publica, b, solenne,
oder kurz: die benedictio urbi et orbi ist eine yielleicht fromme, aber
recht unverständige und unglückliche Erfindung, ein durchaus inhalts-
leerer Mythus. Entstanden mag (üeser Mythus sein durch eine miss-
verstandene Auffassung und Übertragung der Portalaufschrift von S. Gio-
vanni in Laterano, der Kathedrale des Papstes: Ommum ecclesiamm
Miszeüen.
311
urhis ei orbis maier ei capui, Soll daher das urbiei orbioMch künftig
im Sächsischen Wörterbuch stehen bleiben, so mnss die Erklärung etwa
lauten: „entstanden durch missyerständliche Deutung des feierlichen
päpstlichen Segens". F. ZvfifiiNA.
Bemerkungen zu den Ausgaben der Consid^rations Mon-
tesquieu's von Oberlehrer Dr. Mayer ^Velhagen und Klassing) und
Oberlehrer Dr. Lengnkk (Renger). Zugleich eine oratio pro domo. —
Im ersten Bande dieser Zeitschrift (S. 268, 416) missbilligte C. Th. Lion
an meiner Ausgabe der Considdrations, dass ich im Vorwort die Aus-
gaben von Wendler und Prölss^ sowie auch die GöbePsche nicht als Vor-
arbeiten für mich anerkannte. Ich hielt und halte mich noch heute zu
diesem Verfahren für berechtigt, weil ich den genannten früheren Aus-
gaben nichts verdanke; jeder, der sich der Mühe des Vergleichs unter-
ziehen will, wird sich von der Wahrheit meiner Behauptung leicht über-
zeugen. Als eine Art Genugthuung betrachte ich es, dass Lion im
2. Bande (S. 556) bei Besprechung der Mayer^schen Ausgabe die meinige
(mit Ausschluss der vorhergehenden) für die Lektüre an der Realschule,
die M.'sche für die Lektüre an den Gymnasien empfahl. Als ich mir
aber die M.'sche Ausgabe auf Veranlassung dieser Anzeige kommen Hess,
fand ich, dass die sachlichen Anmerkungen M.'s fast ausschliesslich meiner
Ausgabe entnommen sind oder wenigstens auf denselben basieren (seine
grammatischen Anmerkungen sind, von einigen wenigen abgesehen, reiner
Ballast) ~ und auch das hätte Lion sehen imd sagen sollen.
Eine Anzeige der Lengnick'schen Ausgabe habe ich noch nicht,
wenigstens nicht in dieser Zeitschrift gesehen;^) ich erlaube mir daher
über dieselbe zu bemerken : Die Beschränkung auf die ersten 15 und den
Anfang des 16. Kapitels halte ich vom budihändlerischen Standpunkte
aus für recht geschickt. Die sachlichen Anmerkungen sowohl als die
grammatischen haben etwa gleiche Ausdehnung wie die meinigen und
sind unvergleichlich verständiger als die Mayer'schen; viel neues haben
aber weder die einen noch die andern den meinigen hinzugefügt und
einige der neuen Anmerkun^n konnten ruhig wegbleiben ( — dass bei-
spielsweise eine römische Meile = Vs deutsche Meile ist, darf man bei
einem Primaner, auch der Realschule, als bekannt voraussetzen — ). an-
dererseits fehlen manche Bemerkungen, welche mir wesentlich zu sein
scheinen. Jedenfalls meine ich, dass in erster Linie Mayer, aber auch
noch Lengnick sich hätten gebunden halten müssen, in dem Vorworte
ihrer Ausgaben hervorzuheben, wie viel sie meiner Ausgrabe verdanken.
Für die Art der Benutzung meiner Anmerkungen wiu ich nur eine
kleine Probe geben; ich nehme gleich die drei ersten Anmerkungen des
ersten Kapitels:
Mayer.
Die Krim bildete da-
mals ein tartarischee
Khanat unter Oberho-
heit des Sultan; 1774
wurde diese Oberhoheit
aufgehoben und 1783
das Land an Russland
abgetreten.
Erzgraeher.
Die Krim war von
1478 — 1783 ein tatari-
sches Khanat unter tür-
kischer Oberherrschaft,
von Katharina IL Russ-
land einverleibt. Vergl.
a 7, aL 2.
Lengnick.
La Crim^ war zur
Zeit des Montesquieu ein
unter türkischer Ober-
hoheit stehendes tata-
risches Khanat. Seit 1774
von der Pforte unabhän-
gig, wurde sie 1784 dem
russischen Reiche ein«
verleibt.
^) Eine solche erschien indessen VP, 281 f.
lUd.
312
MiszeUen.
Erzgraeber.
Ein offenbarer Irrtum;
die fora boarinm, sua-
rium, olitorium gehören
einer späteren Zeit an
und ihre Namen er-
wecken doch nur den
Gedanken » dass dort
Kühe u. 9. w. verkauft
wurden.
Man wird aber über
die Kloaken (welche von
Mont. in einer Anmerk.
besonders genannt sind)
das Mausoleum Hadri-
ani (die Engelsburg),
das Kolosseum und an-
dere Bauten nicht ver-
gessen dürfen.
Meyer.
Diese Ansicht beruht
auf irrtümlicher Auf-
fassung einzelner topo-
^graphischer Angaben u.
ist historisch nicht zu
begründen.
wie die Kloaken, die
Ringmauern, der Circus,
welche gegen das Ende
der Königszeit vollendet
wurden.
Lengniek«
Das forum Bomannm
selbst, sowie die auch
schon in frühester Zeit
angelegten fora boari-
um, olitorium, piscato-
rium waren im Gegen-
teil Marktplätze für Kauf
und Verkauf, zu dem
auch die Bauern der
Umgegend in die Stadt
kamen.
Hinter der Cloaca
maxima, der serviani-
schen Mauer und dem
Circus, der überdies erst
nach seiner Erweiterung
durch Cäsar grossartig
wurde, stehen doch wohl
das Pantheon, Colosseum
und Mausoleum, die von
Agrippa und den Kai-
sern Titus und Hadrian
erbaut wurden, nicht
zurück.
In betreff der ersten Anmerkung bemerke ich nur noch, dass bei
M. und L. die Hauptsache fehlt, nämlich die Verweisung. Das That-
sächliche der Anmerkung steht im „kleinen Meyer" und hat für das
Verständnis der Stelle gar keine Bedeutung — ist also an sich Ballast —
aber einige Seiten später kommt Mont. auf den Vergleich der alten
Römer mit den Tataren zurück, ohne als ihren Wohnsitz die Krim zu
nennen; darum glaubte ich die Anmerkung machen zu müssen.
Ausserdem aber ist Mayer sehr oft bei Interpretationsversuchen
ar^ gestolpert und einmal ist Lengnick mit ihm gefallen. Im 6. Kapitel
heisst es: Comme ils (les Romains) faisaient ä leurs ennemis des maux
inconcevabks, ü ne se formait guere de Ugues ccnire eux; cor celui qui
eiait le plus dloigne du peril, ne voidait pas en approcher. Man mag ja
zugeben, dass der Gebrauch des inconcevable hier einigermassen anfällig
ist (ich gab daher eine etymologisch-synonymische Bemerkung), aber der
Sinn, sollte ich meinen, ist doch klar genug: weil die Römer ihre
Feinde in einer über alles Denken grausamen Weise behandelten, hielten
sich die andern nach Möglichkeit fem (oder erkauften sie, wie es im fol-
genden heisst, den Frieden mit der jämmerlichsten Selbsterniedrigung).
M. aber übersetzt und L. spricht es ihm nach : „nicht sofort merkbar'* !
Das „sofort" ist übrigens verräterrisch; vermutlich stimmte die historische
Ansicht der Herausgeber nicht mit der vermeintlichen Ansicht Mont.*fl
überein und da sollte nun das „sofort" aushelfen. — Im 5. Kapitel heisst
es: La Grece se mainlenait par une espece de balance . . . Mais, par
Tarrivee des Bomains, toui equUtbre futrompu; M&jer übersetzt balance
(oder espece de baiancej? mit „Schaukelsystem". Auf S. 55 seiner Aus-
gabe erklärt Mayer (la conquete) ge'n&ale mit „des gesamten Orients"
anstatt „der (ganzen) Welt". S. 74: // ne s'dtgissait pas du degre de
leur puissance; mais leur personne propre etait aiiaquee; Mayer inter-
pretiert: „um die Ausdehnung ihres Reiches".
Miszeäen. 313
Von der nicht unbedeutenden Zahl grammatischer Anmerkungen,
welche nicht nur überflüssig, sondern darch ihre Inkorrektheit oder
schiefe Fassung direkt schädlich sind: ein paar Beispiele: S. 63, 9:
^attendre quS stets mit dem Konjunktiv"; S. 130, 6 de fa^on qu'eüe ne
reveüläi: ,, Konjunktiv im Finalsatze". S. 22 ist von einem Conj. quali-
taiis die Rede mit dem Citat: Ben. § 127, 1; wenn B. (dessen Gramma-
tik mir nicht vorliegt) wirklich von einem solchen Konjunktiv redet, so
ist das eine Eigenheit, deren Erwähnung den nicht nach B. unterrichte-
ten Schüler nur verwirren kann.
Vorstehendes hatte ich nach langem Zaudern bald nach dem Er-
scheinen der Lengnick'schen Ausgabe geschrieben; die Scheu, von mir
selber zu reden, hatte es in die Schreibtischlade zurückgedrängt. Da
bekam ich die Hefte Juli- August und September (1884) a.c. der „Zschr. f.
d. Gymnasialwesen" zu Gesicht, in deren erstem Mayer Lengnick, kurz
gesagt, des Plagiats aus seiner Aufgabe beschuldigt. An die Möglichkeit
einer solchen I^aivität hätte ich nicht gedacht. Natürlich weist in der
nächsten Nummer L. die Incriminationen zurück und verweist M. auch,
allerdings recht zurückhaltend, auf seine Beziehungen zu meiner Aus-
gabe. M., in einer Duplik, wagt meinen Namen nicht auszusprechen,
antwortet auch nicht auf die Aufforderung L.'s, seine Quelle für einen
gewissen Passus der Einleitung (Hettner?) zu nennen. Dieses jedenfalls
nicht lobenswerte Verfahren möge die Veröffentlichung vorstehender
Zeilen entschuldigen. — Wenn ich schliesslich noch einen Wunsch aus-
sprechen darf, so ist es der, dass die Herren Bezensenten mehr wie bis-
her beitragen möchten, die Veröffentlichung von Schulbüchern, welche
dem deutschen Lehrerstande nicht zur Ehre gereichen können, unmöglich
zu machen. Diese Zeitschrift hat namentlich in ihren letzten Heffceti
lobenswerte Beispiele gegeben.
G. EBZaBAEBEB.
Notiz« Zu Zeitschrift VP, 38 werde ich von Herrn Dr. Kressner
in freundlicher Weise aufmerksam gemacht, dass lexikalische Beiträge
auch in seiner Gallia I, 109—36 und S. 339 von ihm und den Herren
Heller, Förtsch und Sarrazin geliefert worden sind, die natürlich
ebenfalls bei Lieferung von neuen Nachträgen dieser Art nicht ausser
Acht zu lassen sind.
E. KOSCHWITZ.
Systematisches Verzeichnis
sämtlicher in der „Bevue des denz Mondes", Jahrgang 1883,
enthaltenen Artikel, sowie der in ihren Bulletins hihliogra-
phiques angezeigten Bücher.'^)
A. Wissenschaftliche liitteratur.
I. Theologie und Kirehengesehichte.
Le comte Gohlet d^Alvieüa, L'^volution religieuee contemporaine chez les
Anglaifi, les Am^ricains et les Hindous. 1 vol. in-8^. Maquardt et
Germer -Baillibre. 1. 12. 1
*—, Les Origines et le Developpement du Rationalisme religieux aux
Ötats-Ünis. 1. 4. '2
*B, Auhe, La Theologie et le Symbolisme dans les catacombes de Kome,
^ propos d'une publication r^cente. 15. 7. 3
LAbhe Feret, L'Abbaye de Sainte-Genevi^ve et la Congregation de France.
2 vol. in-8**. Champion. 15. 2. 4
Maithieu Lelievre, John Wesley, sa vie et son oeuvre. Nouvelle ^ition,
complbtement refondue. 1 vol. in- 18. Librairie ^vangelique. 1. 10. 5
Ernest Renan, Histoire des origines du christianisme. Index gdn^ral.
1 voL in-8". Calmann Levy. 1. 7. 6
Albert Ee'vüle, Les Beligions des peuples non civilis^. 2 vol. in-8^
Fiachbacher. 15. 2. 7
Ricard, Les Premiers Jansänistes et Port^Eoyal. 1 vol. in- 8^. Plön.
15. 8. 8
J. Delaville le Roulx, Les Archives, la Biblioth^que et le Tresor de Tordre
, de Saint- Jean de Jerusalem k Malte. 1 vol. in-8^ Thorin. 1. 8. 9
Edouard Zeller, Christian Baur et T^cole de Tubingue. 1 vol. in -18.
Germer -Baillibre. 15. 9. 10
IL Philosophie.
*Emile Beaussire, La personnalitä humaine, d*aprki les th^ries röcentes.
15. 1. 11
PatU Bourget, Essais de psychologie contemporaine. 1 vol. in- 18. A. Le-
merre. 1. 11. 12
E. Coro, M. Litträ et le Positiviame. 1 vol. in- 18. Hachette. 1. 1. 13
* — , Essais de psychologie. — I. — L*h^r^ditä intellectuelle et morale.
15, 4. — IL — Les consäquences de l'höräditä. 1. 6. 13 a
* — , La Maladie de Tlddal, d'apr^s les confessions d*an rdveur. 15. 2. 14
^) Die in der E. d. d. M. erschienenen Artikel sind durch ein vor-
gesetztes^ bezeichnet.
B. Schmidt j Syst, Verzeiehn, sämtl. in der R. d. d. m, enth. Art. 315
jcon Bemard-Derosne, Types et Travers, aveo une pr^face de SuUy-
Prudhomme. 1 vol. in-18. Calmann I^ävy. 15. 7. 15
Alfred FouiUee, Les Postulats et les Symbol ea de la morale naturaliste.
15. 3. 16
~, La Vie consciente et la vie inconsciente, d'apr^ la nouvelle Psycho-
logie. — I. — La Conscience. 15. 10. — IL — Llnconscienee.
1. 11. 16a
— , Critique des systemes de morale contemporaina. 1 vol. in-8. Ger-
mer-Bailli^re. 15. 11. 16 b
Jules Gresland, Genie de Thomme. — Libre philosophie. 1 vol. in-18.
Germer-Bailliere. 15. 6. 17
'■'31. Guy au, ün Probleme d'Esthötique. — L'Antagonisme de l'Art et de
la science. 15. 11. 18
Paul Janet, Les Maitres de la Pens^e moderne. 1 vol. in-18. Calmann
Levy. 1. 5. 19
Henry Joly, Psychologie des grands hommes. 1 voL in-18. Hachette.
15. 3. 20
Henry Maudsley, La Pathologie de Tesprit, traduit par le docteur Ger-
mont. 1 vol. in-S**. Germer-Baillifere. 1. 7. 21
John Stuart Mill, L'XJtiMtdinQme. 1vol. in-18. Germer-Baillibre. 1.12,22
* Charles Richet, Le Eoi des Animaux. 15. 2. 23
IIL Politisclie Geschichte.
Archives de la Bastle, t. XV, 1737—1748. 1 voL in-8^ Pedone-Lau-
riel. 15. 11. 24
WaUszewski, Acta historica, res gestas Poloniae illuatrantia. Tome IV
et V. 2 voL in-8^ Cracovie. 15. 10. 25
Victor Advielle, Histoire de la ville de Sceaux. 1 vol. in-8^ Alphonse
Picard. 1. 7. 26
Germain Bapst, Inventaire de Marie-Josephe de Saxe. 1 vol. in-4^. La-
hure. 1. 9. . 27
*Anatole Leroy - BeauHeu, Le Vatican et le Quirinal- depuis 1878. — IL
Le Pape Läon XIII et l'Italie sous le rägime de la loi des garantiea.
15. 10. 28
* Ferdinand Brunetikre^ Le Paysan sous Tancien regime, d'aprbs des
livres r^cena. 1, 4. 29
C. de Cardonne, L'Empereur Alexandre II; viogt-six ans de r^gne. 1 vol.
in-8«. Furne et Juvet. 15. 9. 30
H,Cm'not, La Revolution fran9ai8e. 1 vol. in-18. Germer - Baillibre.
1. 8. 31
Le baron Du Casse, Les Rois fr^res de Napol^n I«**; documens inädits.
1 vol. in 8^ Germer-Bailliere. 15. 5. 32
R. Chantelauze, Louis XV U, son enfance, sa prison et sa mort au Temple,
d'apr^s des documens inädits. 1 vol. in-8°. Firmin Didot. 1.12. 33
*Gabriel Charmes, L'Insurrection militaire en SSgypte. — I. — Le Tri-
omphe du parti militaire. 15. 8. — IL — La Ddfaite et le Progr^s
d'Arabi. 1. 9. 34
A, Cheruel, Histoire de France sous le minist^re de Mazarin. 1 vol. in-
8°. Hachette. 15. 2. 35
De Clercq, Becueil des traitäs de la France. Tome XIII. Durand et
Pedone-Lauriel. 15. 1. 36
Marius Fontane, Histoire universelle. — Les Asiatiques. 1 vol. in-8®.
Lemerre. 1. 8. 37
*A. Geffroy, Une £nqudte franoaise sur les croisades et TOrient latin.
i. 12. 38
316 R. Sc^mudt,
* Albert Gigot, La D^mocratie autoritaire anx ätats-ünis. — La Jeanesse
et la Yie militaire d'Andr^ Jackson. 15. 6. 39
Jurten de la Graviere, Le Drame macädonien. 1 vol. in-18, Plön. 1. 6. 40
*Le comie (THaussonvilie, La Colonisation officielle en Algärie. — L —
Essais tentäs depuis la Conqugte. 1. 6. — 11. — Son role actuel.
1. 7. 41
Grandeur et Decadence d'Ali Hourchid-Bey. 1 vol. in-18. Firmin Didot.
1. 9. 42
E. Laffineur et Gaune', Repertoire g^näral de politique et d'histoire con*
temporaines. Septibme annäe. 1 vol. in 4^ Ollendorff. 1. 1. 43
* Auguste Laugel. Coligny. — I. — La prämiere guerre de religion en
France. 1. 8. — II. — La deuxibme et la troisi^me guerre de reli-
gion, la Saint- Barthelemj. 1. 9. 44
Juks Levallois, Autour de Paris, promenades historiques. 1 vol. in -8^,
ornä de gravures. A. Marne. 15. 12. 45
*G. de la magdeleine, Les Biens d'Orl^ans et la Loi de d^cembre 1872.
1. 1. 46
R. de Maricourt, Le Proc^ de Borgia. 1 vol. in-18. Oudin. 1. 3. 47
Frdderic Masson, Las Diplomates de la revolution. 1 vol. in 8^. Cba-
ravaj. 15. 4. 48
*Charles de Mazade^ Cinquante Ann^es d'histoire contemporaine. — Mon-
sieur Thiers. — VII. — La Crise politique de la France aprfes la
guerre. — M. Thiers, TAssembläe de Versailles et la B^publique. —
19. fävrier 1871, 24. mai 1873. 1. 8. 49
A. Me'zieres, En France, XVIII« et XIX« si^cles. 1 vol. in - 18. Hachett«.
1. 9. 50
Le comte de Parut, Histoire de la guerre civile en Amärique. Tome V
et VI. 2 vol. in-8'*. Calmann Lävy. 15. 6. 51
*Edmond Plaxtchut, Chine et Tonkin. 1. 5. 52
F. Ravaisson, Archives de la Bastille. Tome XIV. 1 vol. in-8^ Pedone-
Lauriel. 15. 4. • 53
*Salomon Reinach, Le Vandalisme moderne en Orient. 1. 8. 54
E. Rey, Les Colonies franques de Syrie au XII« et XII I« si^le. 1 vol.
in-8^ Alphonse Picard. 15. 5. 55
ffermile Reynald, Succession d'Espagne. — Louis XIV et Guillaume III.
2 voL in-8''. Plön. 1. 7. 56
* * ' I-a Räpublique en 1883. 1. 2. 57
* Albert Sorel, La decadence de la Prusse apr^ Fr^äric II. 15 1. 58
*H. TainCf Le Programme Jacobin. 1. 3. 59
*G. Valbert, Le Livre de M. de Brogliesur Prüderie II et Marie-Th^i^se.
1. 1. 60
*'^f Les Annäes d'apprentissage de M. de Bismarck. 1. 2. 60a
* — , La Question des Princes. 1. 3. 60b
♦— , La Triple Alliance. 1. 5. 60 e
*— , Le roi Fräderic-Guillaume N. 1. 9. 60d
*— , Le Badicalisme et ses Vari^t^. 1. 11. 60 e
*AU)ert Vandal, Un Mariage politique au XVII« si^cle. — Marie de Gon-
za^ne k Varsovie. 1. 2. 61
"^Eugene Melchior de Vogüe, Un Changement de r^gne. — La Mort de
Catherine 11 et TAvänement de Paul I«r. 1. 7. 62
IV. Kriegsgeseliiehte und Kriegsknnst
*L*Armement de Tinfanterie et rinstnictioB du tir en France, 15. 12. 63
*Le duc d^Aumale^ La premii^re campagne de Cond^. -^ L — Murches
Syst. Vetzeichn. sämiL in der R. rf. d. m. etUh. Art, 317
et Operations. 1. 4. — II. — Recroy. 15. 4. — III. — Thionville.
1. 5. — IV. — Le Secoiira d'Allemagne. 15. 5. 64
*Henry Houssaye, Les Gommentaires des soldats (1792—1815). 1. 12. 65
*G. VtUbert, Le Chemin de fer du Soudan et les trois campagnes du Co-
lonel Borgnis-Desbordes. 1. 10. 66
V. Volkswirtsehaft und Politik.
*Jrvede Barine, La Revolte de rHomme. 15. 6. 67
H, Baudriäart, Philosophie de P^onomie politique. 1 vol. in 8®;
Guillaomin. 1. 4. 68
*Patd Leroy-BeauUeu, Le Budget de 1884 et la Situation financi^e de la
France. 15. 5. ^.9
Leon ßequet, Repertoire du droit administratif. fasc. I et II. in-4^;
Paul Dupont. 1. 3. 70
Correspondance diplomatique de M. de Bismarck (1851 — 1859). 2 voL in
8". Plön. 15. 6. 71
Maurice Block, Annuaire de r^conomie politique et de la statistique,
40« ann^e. 1 vol. in-12. Guillaumin. 1. 11. 72
*Ferdinmid Bruneütre, Questions de morale sociale. I. La Recherche
de la Paternite. 15. 9. 73
*Maxime Du Camp, La Charit^ priy^e ^ Paris. — I^es Petites-Soeurs des
pauvres. 1. 4. — U. lies Dames du Calvaire. 15. 5. — III. Les Ho-
apitaliers de Saint Jean-de-Dieu. 1.7. — lY. L'Orphelinat des appren-
tis, Pabbä Roussel. 1. 8. 74
* Gabriel Charmes^ La France et le protectorat catholique en Orient.
15. 2. 75
* — , La Politique actuelle et la Situation de PEurope. 1. 10. 75a
*— , La Politique coloniale. 1. 11. 75b
*J, Clavd. La Pdche et la Pisciculture en France. I. Les Eauz douces.
1. 12. 76
*Benys Cochin, Les Falsificateurs et le Laboratoire municipal. 15. 6. 77
*Andrd Cochut, De TEnchärissement des marchandises et des Services.
1. 12. 78
Andrä Daniel, L'Ann^e politique 1882. 1 vol. in-18. Charpentier. 1.4. 79
George Deloison, Traitä des soci^t^ commerciales fran^aises et ^trang^res.
2 vol. in 8'». Alühonse Picard. 15. 1. 80
Ihtä Deschanel^ La Question du Tonkin. 1 vol. in-18. Berger^Levranli
1. 11. ^ 8i
* Arthur Desjardin, La guerre maritime et le droit de propri^ä. 1.9. 82
*Mm» la duchesse de Fitz -James, La Vigne Am^ricaine« Le Congr^ de
Montpellier. 1. 6. 83
* Alfred Fouiüee, La Solidaritä hnmaine et les Droits de Pindividn.
15. 8. 84
* Albert Gigot, La Dtoocratie autoritaire aux l^tats-Unis. 11 . La Vie po-
litique d'Andrä Jackson. 1. 10. 85
*Othenin d^Haussonville, La Vie et les Salaires k Paris. 15. 4. 86
*Charles Lavoüäe, Les chemins de fer et le Budget. 15. 2. ^7
"^ — Les chemins de fer et P^tat. Les Conventions. 15. 11. 87a
* — Le Commerce de Pextrgme Orient et la Question du Tonkin. 1.9. 88
*Jides Leberquier, Le Barreau et la Defense devant les tribunaux ^tran-
gers. 15. 11. 89
^A, Bailleux de Marisy, Moeors financi^res de la France. Les Banquiers
et les Banques. 15. 8. 90
H, Napias et A.-J. Martin, L^titude et les Piogr^ de Thygi^e en France
de 1878 & 1882. Massen. 15. 6. 91
318 R. Schmidt,
Alfred Picard, Les Chemins de fer fran^ais. !£!tude historique %\xt la
Constitution et le regime du röseau. A vol. in-8°. Rothschild. 15. 9. 92
Pigeonneau et A. de Foville, L' Administration de l'agriculture au con-
tröle-gänäral des finances (1785 — 1787), proc^ - verbaux et rapports,
1 vol. in 8«. Guillaumin. 1. 2. 93
*La Politique prussienne en Orient k la fin du sifecle demier. 1. 12. '94
*R. Radau, Les V§temens et les Habitations dans leurs rapports avec
Tatmosph^re. 15. 7. 95
Charles Rtchei, La Richesse et la Population. 1. 7. 96
Armand Riviere, La Politique coloniale et la Question du Tonkin. in-8°.
Ghio. 15. 10. 97
Edmond Scherer, La D^mocratie et la France. 1 vol. in -8®. Calmann
Lävy. 15. 11. 98
Herbert Spencer, Principes de sociologie, t. III. 1 vol. in -8^. Germer-
Baillifere. 15. 10. 99
*G. Valbert, La Belgique en 1883. 1. 12. 100
*F. Vidalin, Le cheval arabe en France. La Jnmenterie de Pompadour.
15. 3. 101
A. Vuitry, ^tudes sur le Regime financier de la France. 2 vol. in-8^.
Guillaumin. 1. 6. 102
* — Un Chapitre de I'histoire financiere de la France. — Les Abus du
credit et le D^ordre financier k la fin du r^gne de Louis XIV. I.
Les Abus du cr^it. 15. 12. 102a
VI. Knltnrgeschiclite.
Albert Babeau, La Vie rurale dans l'ancienne France. 1 vol. in -8®.
Didier. 15. 1. i03
Gustave Le Bon, La (Zivilisation des Arabes, ouvrage illustr^ de 10 chro-
molithographies, 4 cartes et ^66 gravures. 1 vol. in 8^. Firmin-
Didot. 15. 12. 104:
Honord Bonhomme, Grandes Dames et P^cheresses. 1 vol. in- 18. Cha-
ravay. 1. 3. 105
Jules Claretie, Un Enlfevement au XVIII« sifecle. 1 vol. in-18. Dentu.
15. 1. 106
*Jurien de la Gravüre, Le Commerce de TOrient sous les rbgnes d'Auguste
et de aaude. 15. 11. 107
De Lescure, Les Grandes ^pouses, ^tudes morales et portraits d^istoire
intime. 1 vol. in-8^; orn^ de douze. portraits. Firmin Didot. 15. 12. 108
C, Martha, SStud es morales sur l'antiqüit^. 1 vol. in-18. Hachette. 15.1. 109
"^Georges Picot^ Le Ddpot l^gal et nos coUections nationales. 1. 2. 110
*Edmond Plauchut, Monte-Carlo. 15. 1. 111
Emest Renan, Le ludalLsine comme race et comme religion. 1 vol. in-8.
Calmann Lävy. 15. 3. 112
*G. de Saporta, Un Essai de Synthese paläoethnique. 1. 5. 113
G. Valbei'ty Hommes et Choses du temps pr^ent. 1 vol. in-18. Hachette.
1. 1. 114
* — L'Affaire de Tisza-Ezlar. 1. 8. 114a
*J. ZeUer, Italic et Renaissance, politique, lettres, arts. 2 vol. in-18.
Didier. 15. 7. 115
VII. Theorie nnd Geschichte der Künste.
Annuaire illustr^ des beaux-arts, publik sous la direction de F.-G, Dumas,
1 vol. in-8^ L. Baschet. 1. 10. 116
*F, Brünettere, Revue littäraire. — La Crittque d'art au XVII« si^cle,
d'apr^ une publication räcente. 1. 7. 117
Syst Verl, sämtl. in der R. ä. d, M. enth, Art, 319
•
W, Bode, Studien zur Gescliichie der holländischen Malerei. 1 vol. in-
8°. Braunschweig» Vieweg. 15. 5. 118
*Gaston Boissier, Uno Nonvelle histoire de Tart antique. 15. 2. 119
* Henri Blaze de Bury, La Question mnsicale en Italie, d'aprte un livre
r^cent. 15. 8. 120
Le vicomU H, Belaborde, La Qravnre en Italie avant Marc-Antoine
, (1452—1505). 1 vol. in-4». Librairie de Tart. 1. 7. 121
Etienne Desforges, Notice historique sar le ch&teau de Saint-Qermain-en-
Laye, suivie d*un Guide du musee. 1 vol. gr. in-8^ avec dessins et
planches. Henry Lebon. Versailles. 15. 7. 122
*A, Geffroy, .L'jßcole fran9ai8e de Rome. Ses Premito Travaux I. L'An-
tiquitä classique. 1. 6. — Ses premiers travaux. II. Moyen-
Age. 1. 7. 123
"^Gustave Gruyer, Le Palais de Schifanoia k Ferrare. 1. 8. 124
^ Henry Houssaye^ Benvenuto Cellini et Jean de Bologne. 15. 1. 125
* — Le Salon de 1883. 1. 6. 125a
*F. de Lagenevais, Bevue musicale. — Bichard Wagner et son Parsifal;
Verdi et Jago. — L*Op^ra-Comique. — L'Opöra-Populaire. — L'Aca-
demie nationale de musique. 1. 3. — Henry VIII li TOp^ra; La
Symphonie et le Th^tre; M. Saint -SaSns. 1. 4. — Th^tre de
l'OpIra-Comique, M. L^ Delibes et Lakm^, F^icien David et la Perle
du Brasil, Bizet et Carmen, Les D^uts de M^^« Nävada. 15. 7. —
Däbuts k rOp^ra et k POp^ra-Comique. — Reprise de Roland k Ron-
cevaux au Th^tre Lyrique Populaire. — Un Livre de Zooplastique
musicale. 1. 11. i26
(Euvres de A, de Langperier, tome L 1 vol. in-8^ avec 11 planches.
,Leroux. 1. 11. 127
* Emile Michel, Fr^d^ric U et les Arts k la cour de Prusse. 15. 4. 128
J, Moifrier, L^Art au Caucase. 1 vol. in-4®. Odessa, Rousseau. 1. 10. 129
*M. le marquis de Nadaillac, L'Art pr^istorique en Amärique. 1. 11. 130
^Gustave Oüendorff, L'ßxposition nationale de 1883. 15. 11. 131
Gabriel Pre'vost, Le Nu, le Vötement, la Parure. 1 vol. in-18. Marpon
et Flammarion. 15. 11. 132
*Eughfie'Melchior de VogOä, Aux Portraits du si^le. 15. 5. 133
VIII. Litteraturgescliichte.
*Th. Benizon, lies nouveaux romanciers am^ricains. I. W. D. Howells.
1. 2. H. Henry James. 1. 5. 134
* Henri Blaze de Bttry, Le Po^te Arvers k propos du roi s'amuse.
1. 2. 135
*— j^tudes et Souvenirs. Fr^äric Chopin. 15. 10. 136
*Bourdeau, Pontes et Humoristes de TAllemagne. Joseph-Victor von
Scheffel. 15. 8. 137
Augtisie Bourgoin, Valentin Conrart et son Temps. 1 vol. in- 8**.
Hachette. 15. 6. 138
*P Brunetiere, iStudes sur le XVIII« sibcle. Les Romanciers. I. Alain
Ren^ le Sage. 15. 5. — Les Bomanders. H. Pierre Carlet, de Cham-
blain, de Idarivaux. 15. 12. 139
* — Bevue littäraire. — Le demier roman de M. Alphonse Daudet. 15. 2.
-— Les Commencemens d'nn grand pobte, d*aprbs un livre r^nt.
1. 5. — Bivarol, d'apr^s un livre r^cent. 1. 5. — üne nouvelle
histoire de la litt^rature anglaise. 1. 8. — La Fureur de Pln^it.
1. 10. — Les Bomans de Pierre Loti. 1. 11. Une Figure de con-
ventionnel, d*aprte an livre rdcent. 1. 12. 140
•*- Le Boman naturaliste. 1 vol. in-18. Calmann Lävy. 1. 2. 141
m R. Schmult,
«
* — Classioraes et Romantiquesi k roccasion d'un livre r^nt. 15. 1. 142
Maxime Vu Camp, Souvenirs littärairea. tome ü. 1 vol in -8^.
Hachette. 15. 8. 143
L, de Viel Castel, Essai sur le th^tre espagnol. 2 vol. in- 18. Ohar-
Sentier. 1. 1. 144
^eröme, Po^es de Gresset, avec une notice. 1 vol. in-8®. Qnantin.
15. 5. 145
SeUvaiare Farina, Les Cent Yeuz de Tamoar, traduction de Läon Dieu.
1 vol. in-18. Plön. 15. 10. 146
P, Fatigere, iScrits inädita de Saint-Simon. t V et VI. 2 vol. in - 8<».
Hachette. 1. 12. 147
J, de la Fontaine, Les Grands iScrivains de la France, t. I. 1 vol. in-8^.
Hachette. 1. 6, 148
Les Grands iScrivains de la France. Moli^re. t. VH!. 1 vol. in -8°.
Hachette. 1. 12. 149
D'Arhois de JubainvOle, Introduction k Vätude de la litt^rature celtique.
1 vol. in-8» Thorin. 1. 6. 150
Adolphe JuUient La Com^die k la cour. 1 vol. in-4°. Firmin Didot. 15. 4. 151
G. Larroumet, Marivaux, sa vie et ses OBuvres. 1 vol. in-8^. Hachette.
1. 2. 152
♦Les Livres d'lfitrennes. 15. 12. 153
*€histave Merlet, La Critique litt^raire sous le premier empire. GeofiProy,
, Hoffman, Dussault, Feletz. 1. 10. 154
*EmUe Monie'gui, Esquisses litt^raires. George Eliot. I. L*Ame et le
Talent. 1. 3. — U. Les (Euvres et la Doctrine morale. 15. 3. 155
— Essais sur la littärature auglaise. 1 vol. in-18. Hachette. 1. 3. 155a
Paul Oursel, Les Essais de lord Macaulay, etude critique. 1 vol. in-8^.
Hachette. 15. 1. ^ 156
Luden Perey et Gaston Maugras, Les Demi^res Annees de M°ie d'l^pinay.
1 voL in-8«. Calmann Lävy. 15. 6. 157
Maximes de la Rochefoucauld, premier texte imprimd k la Haye en 1664,
publik par A, Pauly. 1 vol. in-8*'. D. Morgand. 15. 8. 158
James de Rothschild, Les Continuateurs de Loret, lettres en vers. t. U.
1 vol. in-8«. (1666-1667). D. Morgand. 15. 3. 159
Rouxel, L'Amie des Hommes, par le marquis de Mirabeau, avec une in-
troduction et une notice biographique. 1 vol. in-8^ Guillaumin. 1. 5. 160
George Saintsbury, A Short History of French Litterature. 1 vol. in-18.
,H. Frowde. Londres. 1. 1. 161
*Edouard Schürt, Les L%endes de TAlsace. Promenades et Souvenirs.
15. 12. 162
Andre Theuriet, Le Journal de Tristan. Impressions et Souvenirs. 1 voJ.
in-18. Gharpentier. 1. 11. 163
Leon VdUe'e, Bibliographie des bibliographies. 1 vol. in-8®. Terquem.
1. 5. 164
IX. Klassische PUlolo^e und Arehäologie.
*Gaston Boissier, Promenades archäologiques. Le Maison de Gampagne
d'Horace. 15. 6. 165
* — La L^ende d'^n^e, d'apr^s de r^cens travaux. 15. 9. 165a
Guiäaume Breton, Essai sur la po^ie philosophique en Gräce. 1 voL in-8^.
Hachette. 166
Maxime CoUignan, Mythologie figuree de la Greoe. 1 vol. in-8®. Qnan-
tin. 1. 11. 167
Maurice Croiset, Essai sur la vie et les oeuvres de Luden. 1 voL in-18.
Hachette. 1« 2. 168
Syst. Verz. sitmll. in der R. d. d. 7n, enth. Art. 321
*^. Geffroy, üoe föte arch^ologique ä Rome. 15. 1. 169
* Jules Girard, L'Alexandrinisme, a roccasion d'un livre räcent. 1. 11. 170
"^ Henry ffoussaye, L'Ostracisme a Athenes. 15. 2. 171
Barthelemy Saint- Hilaire, Histoire des animaux, d'Aristote. 3 vol. in-8**.
Hachette. 1. 9. 172
X. Neuere Philologie.
Abrege du Dictionnaire de VAcademie fran9ai8e. 1 vol. in-8^ Firmin
Didot. 15. 6. 17 S
XL Geographie and Reisebeschreibnngen.
Atlas gen^ral. 1 vol. in-8^ J. Perthes, Haar et Steinert. 15. 8. 174
Lucien Biart, Le Roi des prairies, illustrations de F. Lix. 1 vol. in-8*^.
Hennuyer. 15. 12. 175
Cartes de la frontiere nord-eat de la France, par un ancien eleve de
TEcole polytechnique. Dumaine. 15. 3. 176
Gabriel Charmes, La Tunesie et la Tripolitaine. 1 vol. in- 18. Calmann
Lävy. 15. 4. 177
Jules Chevrier, Chälon-sur-Saone. 1 vol. in-4**. Quantin. 1. 3. 178
Mme Lee Chüde, Un Hiver au Caire. 1 vol. in-18. Calmann Ldvy. 1. 3. 179
Emest Haeckel, Lettres d'un voyageur dans l'Inde. Traduction de M.
Ch. Letoumeau. 1 vol. in-8^ Reinwald. 15. 7. 180
V^e d*ffaussonville, A travers les ßtats-Unis. 1 vol. in-18. Calmann
L^vy. 1. 2. 181
Victor Hugo, L' Archipel de la Manche. 1 vol. in-18. Calmann Ldvy.
15. 10. 182
*Italie et Levant, Notes d'un marin. 15. 9. 18S
Charles Jeannest^ Quatre Ann^es au Congo. 1 vol. in-18, Charpentier.
1. 8. 184
Loriet, La Syrie d'aujourd'hui (1875—1880), ouvrage contenant 364 gra-
vures, une carte de la Palestine et huit autres cartes. 1 vol. in-4^.
Hachette. 15. 12. 185
^Frani^ois Lenormani, A travers FApulie et la Lucanie. — Not«s de
voyage. — I. La Capitanate, Termoli, Foggia, Siponto, Manfredonia,
Lucera. 1. 3. — H. L'intörieur de la Pouille. Melfi et Venosa. 15. 3.
JII. La Basilicate. Acerenza, Pietragalla et Potenza. 1. 4. In Buch-
form erschienen bei A. L^vy. 2 vol. in-8^ 1. 9. 186
E. Marifi de la Mesle'e, L'Australie nouvelle. 1 vol. in-18 avec gravures.
Plön. 15. 7. 187
Max O'Rell, John Bull et son Ile. 1 vol. in-18. Calm. Levy. 15. 9. 188
QuatreUes, ün Parisien dans les Antilles. 1 vol. in-18. Plön. 1. 11. 189
Ch. Robot et Ch. LaUemand, Voyage de la Vega, traduit du suädois.
1 vol. in-8^. Hachette. 15. 4. 190
Arthur Rhone, Coup d'oeil sur Tetat du Caire ancien et moderne, illu-
strations de Paul Chardin, C. Mauss, J. Bourgoin. 1 vol. in -8®.
E. Leroux. 1. 4. 191
Abel Clarin de la Rive, Histoire gändrale de la Tunisie. 1 vol. in-18.
Challemel. 15. 7. 192
Denis de Rivoyre, Obock, Mascate, ßouchirei ßassorah. 1 vol. in-18f
avec gravures. Plön. 1. 8. 193
*Antoine de Saporta, Les Autores Boreales, d'apr^s les räcens travaux de
Mme Nordenskiold et Lenström. 1. 10. 194
* V^^ de Caix de Saint- Aymour, La Bosnie ou l'Herz^govine, aprfes Poccu-
pation austrohongroise. Notes de voyage. — I. La Bosnie. De Brod
Zschr. f. nfrz. Spr. u. Litt. VI2 21
322 R. Schmidt
a Serajewo. 1. 1. — II. Serajewo. La question agraire en Bosnie.
15. 1. — III. L'Herz^govine. Conclusion politique. L^Autriche
slave. 1. 2. 195
— , LeaPays sud-slaves de TAustro-Hongrie. 1 vol. iii-18. Plön. 1. 10. 195a
G. Valberi, L'Exp^dition du lieutenant Schwatka dans lea rägions arcti-
ques. 1. 6. 196
*—, Madagascar et les Missionnaires anglais. 1. 7. 196a
Le baron Z. de Vaitx, La Palestine, ouvrage illustrd par MM. Chardin
et Maui«. 1 vol. in-8^ Ernest Leroux. 1. 10. 197
XII. Natnrwissenscilaften (nnd Medizin).
Louis Fignier, Les Nouvelles Conquetes de la science. 1«^* partie. 1 vol.
gr. in-8°. Librairie illustr^e. 1. 10. 198
* Eugene Foumiet% La Botanique des Chinois. 15. 10. 199
Sir John Lübhock, Fourmis, Abeilles et Guepes. 2 vol. in-8® avec figurea
et planches. Germer-Bailli^re. 1. 8. 200
Ernest NaviUe, La Physique moderne. 1 vol. in -8. Germer- Bailliere.
L 5. 201
XIII. Technik.
*J. Berirand, Des Prog^ de la Mecaniqne. Marcel Deprez. 15. 10. 202
Louis Figuier, L'Ann^ seien tifique et industrielle. 1 vol. in-18^
Hachette. 1. 3. 20S
*F. Fouque\ La Beproduction artificielle des min^raux et des roches.
l. 1. 204
Henri de ParvUle, Gauseries scientifiques. Ann^ XIX — XXII. 4 vol.
in-18. Rothschild. 15. 9. 205
*R, Radau, Les Progr^s de la mirographie atmosp^rique. 15. 5. 206
XIV. Pädagogik.
*E. Caro, Souvenirs d*un enseignement k la Sorbonne. 15. 12. 207
E. Egger, La Tradition et les B^formes dans Tenseignement universitaire.
1 vol. in-8». Masson. 1. 6. 208
J. M, Guardia, L'^tat enseignant et Pj^cole libre. 1 vol. in-18. G. Pe-
done-Lauriel. 15. 2. 209
*Paiä Janel, L'fSducation des Femmes. 1. 9. 210
*G, Falber i, L*Internat et la Vie de College en France et en Anglet«rre.
1. 4. 211
B« Belletristische Utteratnr.
I. Romane nnd Novellen.
*7%. Bentzon, T§te folle. Premifere partie. 1. 6. Die Fortsetzung in
R. d. d. M. 15. 6.; 1. 7.; 15. 7. In Buchform erschienen bei Cal-
mann L^vy. 1 voL in-18. 15. 9. 212
— , Le Meui'ü« de Bruno Gralli. 1 vol. in-18. Calmann L^vy. 15. 4. 212a
^George CabU, Jean Roquelin. — R^t de la Louisiane. 1. 11. 21S
* Victor CherbuHez, La ierme du Choquard, troisi^me partie. 1. 1. Die
Fortsetzung in R. d. d. M. 15. 1. und 1. 2. In Buchform 4 vol. in-
18. Hachette. 15. 4. 214
Paul ColUn, Les Heures paisibles. 1 vol. in-18. Hachette. 15. 10. 215
* Albert Delpii, Le Crime de Bemardin. 1. 8. 216
*— , Nissa. 15. 12. 216a
Albert Dupuit, Panline Tardivan. 1 vol. in-18. Charpentier. 1. 7. 217
Syst. Vd9*z. samt/., in der R. d. d. m. eiith, Art. 323
6'Äör/^^ ^(rfwi^nrf, La Bücheronne. 1 vol. in-18. Calmann Ldvy. \h.l. 218
''^Ferdinand Fahre, Le Roi Ramire. Premiere partie. 1. 9. Die Fort-
setzung in R. d. d. M. 15. 9. und 1. 10. 219
*Octave FeuiUet, La Veuve. Premiere partie 1. 12.; derniere partie
15. 12. 220
Gerald, La Fante de Germaine. 1 vol. in-18. Calmann L^vy. 15. 11. 221
Mme Henry Gre'vüle, Perdue, il Instrations de Frdd^ric R^gamey. 1 vol.
in-8'>. Plön et Nourrit. 15. 12. 222
Ludovic Haie'vy, Criquette. 1 vol. in-18. Calmann Lävy. 1. 4. 223
— , Deux mariages. 1 vol. in-18. Calmann Levy. 15. 8. 223 a
Arthur Kennard, Helene. 2 vol. in-18. London. Bentley. 1. 9. 224
* Pierre Loti, Mon Frfere Yves, premifere partie. 1. 8. Die Fortsetzung
in R. d. d. M. 15. 8.; 1. 9.; 1^ 9. 225
Marc Monnier, ün Ddtraqu^. l vol. in-18. Calmann L^vy. 15. 2. 226
* — , La petite Angela, nouvelle tir^e d*un roman de Salvatore Farina.
15. 4. 226 a
Okoma, roman japanais, illustr^ par Felix Regamey, 1 vol. in-4°. Plön.
1. 2. 227
*Ouida, Les Fresques, traduction de Hephell. Premiere partie 15. 6. —
dernifere partie. 1. 7. ' 228
George de Peyrebrune, Jean Bernard. 1 vol. in-18. Plön. 1. 4. 229
— ,'Victoire'la Rouge. 1 vol. in-18. Plön. 1. 11. 229a
Alexandre Piedagnel, Hier. 1 vol. in-8^ Claude Motteroz. 1. 4. 230
^ Henry Babusson, Madame de Givre. Premifere partie. 1. 10. Die Fort-
setzung in R. d. d. M. 15. 10. und 1. 11. 231
Jean Rolland, La Fille aux oies. — Mon Grand-Pfere Vauthret. 1 vol.
in-18. Ollendorf. 1. 2. 232
*Rouslane, Le Juif de Sofievka. Premiere partie 1. 5.; dernifere partie
15. 5. 233
Saj^don et E. de Najac, Divor9on8. 1 vol. in-18. Calm. L^vy. 15.11. 234
Jules Simon, L'Affaire Nayl. 1 vol. in-18. Calmann Levy. 1. 9. 235
E. Texier et C. Le Senne^ Mademoiselle de Bagnols. 1 vol. in-18. Cal-
mann Levy. 15. 1. 236
*Miss Thackeray, La Campanule. 1. 3. 277
*Andrd Theuriet, Michel Vemeuil. Premifere partie. 15. 2. Die Fort-
setzung in R. d. d. M. 1. 3.; 15. 3.; 1. 4.; 15. 4. In Buchform er-
schienen bei Ollendorff. 1 vol. in-18. 15. 5. 238
— , Raymonde. 1 vol. in 32. Petite bibl. Charpentier. 15. 10. 238a
*— . Bigarreau. 15. 11. 238b
Xavier Thiriat^ Journal dun solitaire. 1 vol. in-18. Alphonse Picard.
1. 5. 239
Fran^ois Vilars, Un Homme heureux. 1 vol. in-18. Hetzel. 15. 6. 240
Emile Zola, Au Bonheur des dames. 1 vol. in-18. Charpentier. 15.3. 241
IL Epische Dichtangen.
(Euvres de Frangois Coppe'e, PoÄies, 1864—1872. Eaux-fortes de M. E.
Boilvin. 1 vol. in-4^. A. Lemerre. 1. 1. 242
*Andrd Lemoyne, Poesie. Le Songe du Grand Veneur. 15. 3. 243
* Jacques Normand, Podsie. 1. 5. 244
Fernand de Loubens. Poesies de jeunesse (1870 k 1880). 1 vol. in-18.
A. Sauton. 15. 5. 245
Le marquis de Pimopan, Le Coffret de perles^'noires. 1 vol. in-8®. Rou-
veyre et Blond. 1. 7. ' 246
Po^ies d Adolphe Rolland. 1 vol. in-18. Lemerre. 1. 12. 247
21*
324 R. Schmidt,
III. Lyrische Dichtangen.
Jules Lemaiire, Petites Orientales. 1 vol. in-18. Lemerre. 15. 5. 248
IV. Dramatische Litteratnr.
^ Louis Ganderax, Kevue dramatique. — Vaudeville: Pädora, de M. Sardou.
— Od^on: Ambra, de M. Grangeneuve. — Le Mariage de Racine de
MM. G. Livet et Vautrey. — Le Drame de la rue de la Paix. 1. 1.
— Gymnase, Monsieur le Ministre. — Ambigu - Comique, la Glu. —
Oddon, le Nom. 15. 2. — Comödie-Fran9ai8e, Les Effront^s, de M.
fimile Augier. 15. 3. — Th^ätre du Gymnase, Le Pfere de Martial,
de M. Albert Delpit. 1. 5. — La Mise en Scbne. 15. 5. — Vaude-
ville, La Vie facile; Comddie-Frangaise, Toujours; Corneille et Riche-
lieu. 15. 6. — Com^die - Fran^aise, M^i^ du Vigean, de W^^ Simone
Arnaud. 15. 7. — Le Conservatoire de d^clamation. 15. 8. — Odeon,
le Bei Armand, l'Exil d'Ovide. 15. 9. — Comedie-Fran9aise, Les
Maucroix, de M. Albert Delpit. — Od^on, La Familie d'Armelles de
M. Jean MarraA. — Palais-Royal, Ma Camarade, de MM. H. Mailhac
et Ph. Gille. 15. 10. — Tbeätre du Gymnase, La Petite Marquise.
15. 11. — Od»^on, Severe Torelli, de Fran^ois Coppee. — Com^die-
Fran9aise, Reprise de Bertrand et Raten. 15. 12. 2^9
Felix He'mon^ Th^ätre choisi de Rotrou, avec une introduction et des no-
tices. 1 vol. in-18. Laplace et Sanchez. 15. 1. 250
*A. Mezieres, Le Th^ätre espagnol, d'aprfes un livre räcent. 15. 4. 251
L. de Ronchaud, Pommes dramatiques. 1 vol. in -12. Alpb. Lemerre.
15. 11. 252
ۥ Briefsammlungen, Memoiren, Biograpliieii.
*A, Bardoux, Pauline de Montmorin, comtesse de Beaumont. — I. Sa
Familie, ses premiferes Amities. 15. 5. — II. Le Ministere du comte
de Montmorin pendant la r^volution. 15. 7. — III. La Comtesse de
Beaumont et sa Familie pendant la terreur. 15. 8. — IV. M»»« de
Stael et Joubert. 15. 9. — La comtesse de Beaumont et Chateau-
, briand. 15. 11. 253
E. de Barthelemy, Les Correspondans de la marquise de Balleroy. 2 vol.
in-8. Hachette. 15. 9. 254
*Michel Breal^ La Jeunesse d'un Enthousiaste. — Charles Benoit Hase.
15. 3. 255
Le duc des Cars, Memoires de la duchesse de Tourzel. 2 vol. in-8®.
Plön. 15. 5. 256
Memoires de /. de Chastenet, seigneur de Puysigur, Les Guerres du rbgne
de Louis XIII et de la minorit^ de Louis XIV, publica par Ph. Ta-
mizey de Larroque. 2 vol. in-12. Societö bibliogr. 1. 10. 257
AugusUis Craven, Le Prince Albert, extraits de l'ouvrage de sir Theo-
dore Martin. 2 vol. in-8°. Plön. 15. 3. 258
George Duruy, Le Cardinal Carlo Carafa. 1 vol. in-8'^. Hachette. 14. 8. 259
H. Pare, Un Fonctionnaire d'autrefois, P.-F. Lafaurie. 1 vol. in -8°.
Plön. 1. 3. 260
*Hector de In Ferriere, Isabelle de LimeuiL 1. 12. 261
Victor Foumel, Pigures d'hier et d'aujourd*hui. 1 vol. in-18. Calmann
Lävy. 1. 11. 262
Henry Jouin, Antoine Coysevox, sa vie et son oeuvre. 1 vol. in-18.
Didier. 1. 5. 263
Syst. Verz. sämtL in der R. d. d. m- enth. Art. 325
Charles Henry, Correapondance inedite de Turgot et de Condorcet, avec
des notcs et une introduction. 1 vol. in-8**. Charavay. 1. 4. 264:
"^Charles Lavollee, Richard Cobden. 15. 7. 265
Mömoires du prince de Mettei^nich. t. VI et VII. 2 vol. in -8°. Plön.
1. 5. ^ . 2^^
J. P. Marat, filoge de Montesquieu, publik avec une mtroduction par
M. Arthur de Br^znzt. 1 vol. in-B**. Libourne, Malleville. 15. 5. 262
Paul de Baynal, Les Correspondans de Joubert (1785—1822.) Lettres
inedites. 1 vol. in-18. Calmann Lövy. 1. 6. ^^o
Correspondance de M. de Remusat, publice par Paul de Re'musat. 1 vol.
iü-8^. Calmann Lövy. 15. IL . ^^f
Ernest Renan, Souvenirs d'enfance et de jeunesse. 1 vol. in-8 . tal-
mann L^vy. 1. 5. ^ , T '
Correspondance de George Sand. t. IV. 1 vol. in-18. Calmann Levy.
15. 9.
M^moir^ du marquis de Sourches. tome II. 1 vol. in-8*». Hachette.
15 8. ^
GiUes de la Tourette, Theophraste Renaudot, d'aprfes des documens in^-
dits. 1 vol. in-8^ Plön. 1. 12. x. tr m VJ\
"^Eugene-Melchior de Vogüe, Ivan Serguievitch Tourguenef. 15. 10. J74
*— , ün Sectaire Russe. 1. 1. , tr n Sf
H. WaUon, Öloges acadämiques. 2 vol. in-18. Hachette. 15. 2. 27b
Systematisches Verzeichnis
sämtUcher im VI. Bande dieser Zeitsclirift l)enrteilten, bezw.
besprochenen oder doch erwähnten Werke und Schriften. '^)
Die Seitenzahlen mit beigesetztem * beziehen sich auf den Abhandlungen-
teil^ alle übrigen auf den kritischen Teil.
I. Allgemeines.
— Verzeichnis der während des letzten Halbjahres (vom 1. November 1883
bis 30. April 1884) auf dem Gebiete der französischen Philologie er-
schienenen wichtigeren Bücher und Schritten, p. 108. 1
— Novitäten-Verzeichnis, p. 189 und p. 255. 2
— Systematisches Verzeichnis sämtlicher in der 'Revue des deux Mondes\
Jahrgang 1883, enthaltener Artikel, p. 314. 3
Joliet, Pseudonymes du jour. Paris 1884. p. 46. 4
Körting, C, Encyklopädie und Methodologie der romanischen Philologie
mit besonderer Berücksichtigung des Französischen. Erster Teil.
Erstes Buch: Erörterung der Vorbegriife. Zweites Buch: Einleitung
in das Studium der romanischen Philologie, p. 1, 253, 296, 297. 5
Diez, Friedr., Kleinere Arbeiten und Rezensionen. Herausg. v. Breymann.
München. 1883. p. 89, 96 und 244. 6
— , Briefe von L, Dieffenbach, W. Wackernagel, K. Weigand, A. v. Keller,
A. Mussafia und A. Ebert. p. 97. 7
Körthigy G. und Koschwitz, E., Französische Studien. I— III. p. 95. 8
Norreriberg, P. Dr., Allgemeine Litteraturgeschichte in 3 Bänden. Münster.
1884. p. 262. 9
Stern, A,, Geschichte der' neueren Litteratur. 5 Bde. Leipzig. 1883.
p. 114. 10
^) Die näheren Angaben (Erscheinungsort und -jähr u. dgl.) über
die in der Litterarischen Chronik, Zeitschriften- und Programmschau be-
sprochenen Werke finden sich auf den betr. Seiten.
SysL Verz. sämil. in dieser Zschr. beurteilten Werke eic, 327
Grucker, Em., Histoire des doctrines littäraires et esthdtiques eo AUe-
ma^ne. Paris. 1883. p. 292. ti
Kolmacevsky, Das Tbierepos im Occident und bei den Slaven. Kezau.
1882. p. 98. 12
BiograpliisolLe Notizen nnd Nekrologe,
Boucherie, Anatole, Nekrolog, p. 26. 13
Caneüo, Angela, Nekrolog, p. 96. 14
Stengel, E., Erinnerungsworte an Friedr. Diez. Nebst mebreren Anlagen
u. e. Anhang: Briefe von F. Diez an L. Diefenbach und andere.
Marburg. 1883. p. 97, 293 und 296. 15
Deschanel, P., La seconde moitiä de la vie de Madame d*£!pinay d'aprei^
MM. Lucien Percy et Gaston Maugras, p, 169. 17
Percy, Z. et Mattgras, G., Demi^res annäes de M*»« d'ßpinay. p. 169. 18
Ferry, G., Les dernibres ann^es d' Alexandre Dumas, p. 169« 19
Clareiie, J., M. Ludovic Halövy. p. 169. 20
ffipveau, Nekrolog, p. 26. 21
Manrenholtz, R., Dr. H. Schweitzer und das Molibre-Museum. p. 173. 22
Witte, K,, Nekrolog, p. 26. 23
Brunetib^e , Die Sprachforschung der Gegenwart. Mit Bezug auf die
französ. Litteratur im Mittelalter. Mit Genehmigung des Verf. über-
setzt von liaur. Heidelberg. 1883. p. 283. 24
Flechtner, Herrn,, Die Sprache des Alexanderfragments des Alberich von
Besan9on. Breslau. 1882. p. 96, 169 u. 170. 25
Boesiger^ A., Geschichte und Sprache einer Waldenser Kolonie in Würtem-
berg. Greifswald. p. 97 und 295. 26
Merlet, G., Etudes sur la chanson de Roland, Joinville, Montaigne,
Pascal, Bossuet etc. p. 170. 27
Merlin Cocai, Le Opere Maccheroniche. Mantova. 1882 u. 1883. 2 Bde.
p. 99. 28
Prato, StanisL, L'orma del leone. Bacconto Orientale considerato nella
tradizione populäre, p. 27. 29
Egger, Emile, La tradition et les räformes dans l'enseignement univer-
sitaire; souvenirs et conseils. Paris, p. 169. 30
Koehler, Nouvelles observations sur le latin dans Venseignement du
fran^ais. Progr. der Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meissen.
1882. p. 99. 31
— Verhandlungen der III. Direktoren- Versammlung in Hannover, p. 92. 32
Danker, 0., Die Bealgymnasien bezw. Realschulen I. 0. und das Studium
der neueren Sprachen. Mit einem Vorwort an alle früheren Schüler
der Realschulen I. 0. und Realgymnasien und eine Besprechung der
Schrift des Prof. Dr. Körting in Münster: Gedanken und Bemerkungen
über das Stadium der neueren Sprache auf den deutschen Hoch-
schulen unter Berücksichtigung der darüber erschienenen Beuiieilungen.
Kassel. 1883. p. 14 und 296. 33
328 A. Aschenberg
II. Fraiizösisclie Grammatik.
a. Scliriften über Lantlehre.
D'auiniann, Moritz Dr., Die Sprachlaute im allgemeinen und die Laute
des Engl.» Französ. und Deutschen im besonderen. Mit 10 in den Text
gedruckten Holzschnitten. 1. Hälfte. Leipzig. 1884. p. 124. 34
* Böhmer, Ed., Gemeinsame Transskription für Französisch und Englisch,
p. 1. 35
Niemer, Hugo, Die orthographischen Reformversuche der französ. Phone-
tiker des XIX. Jahrhund. Diss. Greifswald. p. 26. 36
Westenhoeffer, Die Regeln der franz. Aussprache. 2. A. Mülhausen i. E.
1882. p. 84. 37
Wuljf, Fr,, Nagra ord om Aksent i allmänbet och om den moderna
Franska aksentueringen i synnerhet. Foredrag vid det Nordiska
Filologmcedet i Kristiania. 1881. In Fortaadlinger paa det nordiske
Filologmoede in Kristiania d. 10.— 13. Aug. 1881; udgivne af Gustav
Storm. Kristiania. 1883. p. 29. 38
Marx, Anion, Hilfsbüchlein für die Aussprache der lateinischen Vokale
in positionslangen Silben. Mit e. Vorw. von Franz Bücheier. Wissen-
schaftl. Begründung der Quantitätsbezeichnung in den latein. Schul-
büchern von Herm. Perthes. Berlin. 1884. p. 97. 3!)
Jäger, JuL, Die Quantität der betonten Vokale im Neufranzösischen.
Heilbronn. 1883. (Franz. Stud. Bd. IV. H. 2.) p. 249. 40
^Harih, H., Die Qualität der reinen Vokale im Neufranzösischen, p. 11. 41
Lange, Aug., Der vokalische Lautstand in der französ. Sprache des
16. Jahrh. nach den Zeugnissen der alten Grammatiker und den
Grundsätzen der neuen Phonetik dargestellt. Elbing. 1883. p. 292
und 296. 42
Edsirötn , A. E,, Studier öfver uppkomsten och utveiklingen af fore-
franskans E-ljod i betonad stafvelse. I. Akademisk Afhandlung.
Upsala. 1883. Diss. p. 100. 43
Hormng, Ad,, Zur Geschichte des lateinischen c vor e und i im Roma-
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Masherg, J., Französische Grammatik für sechsklassige Schalen. Stuttgart
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Sprache. Im Anschl. an die Schulgr. von Dr. C. Piötz. H. I, 5, neu-
bearb. Aufl. p. 251. 94
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. icile in einem Bd. Vollst, umgearb. nach der neuesten deutschen
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vermehrt. 100. Aufl. Braunschweig. 1883. p. 257 und 292. 107
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Macrohe, A7nhi\, La Flore pornographique. Glossaire de l'ecole natu-
raliste extrait des oeuvres de M. Em. Zola et de ses disciples. p. 46. 119
Rigaud, Luden, Dictionnaire d'argot moderne. Paris. 1881. p. 44. 120
— , Dictionnaire du Jargon parisien. p. 44. i 121
— , Dictionnaire des Lieux communs de la conversation, du style epistolaire,
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funfebre etc. Paris. 1881. p. 44. 122
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nebst einem Vocabulaire systematique. 4. A. Berlin. 1882. p. 98. 127
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revue et augmeniee par Dr. M. C. Wahl. Tome l^^, Dessau. 1884.
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avec les n^ologismes, les gallicismes, les proverbes, les synonymes et
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Peschier, Causeries parisiennes. 16. Aufl. 1881. p. 269. 130
Klöpper, Klem., Französische Synonymik für höhere Schulen und Studie-
rende zum Gebr. bei d. Anfertigung von Exerzitien und freien Ar-
beiten. Leipzig. 1881. p. 86 und 98. 1S4:
Koldervey , Fr,, Synonymik für Schulen. 2. Aufl. Wolfenbüttel. 1881.
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Meiirer, Karl, Französische Synonymik. Für die oberen Klassen höherer
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Schoßtensack, H. Aug., Beitrag zu einer wissenschaftl. Grundlage für
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Michel, Fr., l^tudes de philologie comparee sur l'argot et sur les idomes
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Darmesteter, A., De la creation actuelle de mots nouveaux dans la
langue fran9aise. Paris. 1877. p. 39. 137
Darmesteter, Traite de la formation des mots composäs dans la langue
fran9ai8e. Paris. 1875. p. 39 und 167. 138
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fran9aise au mögen äge, accompagn^e d'une bibliographie detaillee.
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Syst. Verz. sämil. in dieser Zschr. beurteiltest Werke etc. 333
P, G., La Mgende de Saint Rolland, p. 95. 145
Rochs, Über den Veilchen -Roman u. d. Wanderung der Euriant-Sage.
Inauffural-Diss. Halle. 1882. p. 97. 140
Gaste, A., NoSls et Vaudevirs du manuscrit de Jehan Por^e. Etüde
critique et historique. Caen. p. 97. 147
BijvancK, M. G. C, Dr., Specimen d'un essai critique sur les ceuvres de
Fr. Villon. Le petit testaraent. Leiden. 1882. p. 89, 172 und 299. 148
b) Znr Litteratnrgeschiclite des 16. Jahrliimderts.
Beränek , Victor, Martin Opiz in seinem Verhältnis zu Scaliger und
Ronsard. Progr. d. k. k. Staats-Realschule auf der Landstrasse zu
Wien. p. 165. 149
Scaliger, Poetices libri Septem, p. 165. 150
Ronsard, Abregd de Tart poetique. p. 165. 151
— , La Franciade. p. 165. 152
Re'autne, ätude historique et litt, sur Agrippa d'Aubigne. Paris. 1883.
p. 169 und 171. 153
Talbot, Rabelais et Montaigne. Extraits relatifs a l'^dueation. Paris.
p. 100. 154
de Feiice , Paul, Lambert Daneau, de Beaugancy-sur-Loire, pasteur et
professeur en theologie (1530 — 1595). La vie, ses ouvrages, ses
lettres inädites. Paris. 1882. p. 171. 155
c) Zur LitteratnrgescMclite des 17. Jahrlmnderts.
Lotheissen, Geschichte der franz. Litt, im XVIL Jahrh. III. Bd. Wien.
1880. p. 90 vgl. p. 294. 156
— , Bd. IV. Wien, 1884. p. 35, 90 und 294. 157
Frank, J., Studien über die Satyre M^nippee. p. 113. 158
ZveHna, F., Ultimatum in Sachen der Satyre Me'nipp^e. p. 101. 159
Bourgoin, A.^ Conrart et son temps. Paris. 1883. p. 169, 171 u. 295. 160
Merkt, Gust., Etudes litt, sur le thäätre de Corneille, de Racine et de
Moli^re. Paris. 1 Vol. p. 170. 161
Lemaitre, /., Quomodo Cornelius noster Aristotelis Poeticam sit inter-
pretatus. p. 170. 162
Moreau, E., Corneille et Richelieu, p. 169. 163
Körting, H., Über zwei religiöse Paraphrasen Pierre Corneille's : L'Imitation
de J^sus-Christ und die Louange de la Sainte - Vierge. E. Beitr. z.
Corneille-Forschung. Oppeln. 1883. p. 99 und 299. 164
Mahrenholtz, R., Molifere's Leben und Werke. Vom Standpunkte der
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von H. Körting und E. Koschwitz. p. 90 und 91. 165
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bronn. 1883. p. 92, 171, 248 und 297. 166
Dumotistier, Leon, Molifere auteur et com^dien. La vie et ses ceuvres.
Paris. 1883. p. 264. 167
Ät/wft^rr, C, Deutschlands Urteil über Moliöre. Oppeln. 1881. p. 171. 168
Lader, H. A., Carlo Goldoni in seinem Verhältnis zu Meliere. Diss.
Oppeln. (= Zschr. f. nfr. Sprache und Litt. V^) p. 99. 169
Scola, Joh., Corneille's Le Menteur und Goldoni's II Bugiardo in ihrem
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Klette, J., William Wycherley's Leben und dramat. Werke mit beson-
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Münster. 1883. p. 99 und 295. 172
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Borgeaud, Charles, J.-J. Rousseau's Religionsphilosophie. Jena. Diss.
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p. 169. 211
Poulain, De la part de la Champagne dans la formation et le ddvelop-
pement de la langue et de la littdrature fran9aise. p. 25. 212
Tl. Ausgaben (mit und ohne Kommentar) einzelner
Sehrifteteller nnd Schriftwerlie in alphabetisclier
Ordnung.
Barthelemy, Voyage du jeune Anacharsis en Grfece. II, Legislation de
Lycurgue. — Sur la nature et sur Tobjet de la tragedie. Mit Anm.
z. Schulgebr. hg. v. 0. Schulze, p. 275. 213
du Bellay, Joachim^ Lettres publikes pour la premifere fois d'apres les
originaux, avec un Portrait in^dit et un autographe. Paris. 1883.
(p. p. P. de Nalhac.) p. 171. 214
Beleze, L'histoire naturelle, p. 251. 215
Bouchet, Guülaume, sieur de Brocouri, Les Seräes avec notice et index,
p. p. C. F. Roybet (Ch. Royer et Em. Courbet). Paris. 1873—1883.
6 vol. p. 170. 216
de Bourhon, Armand, Prince de Conti, Traitd de la Com^die et des
Spectacles. (K. Vollmöller: Sammlung franz. Neudr.) p. 249. 217
M"^ Campan, Becits historiques (aus M^moires sur la vie priv^ de
Marie-Antoinette). 1859. p. 278. 218
Ceard, Henry^ Soir^es de Mddan. p. 47. 219
Chateaubriand, F. de, Itindraire de Paris k Jerusalem. In zwei Teilen.
In Auszügen mit Anm. zum Schulgebr. hg. von Otto Richter. II. Teil.
Yoyage de Bhodes, de Jaffa, de Bethldem, de la Mer Morte et de
Järusalem. p. 272. 220
— Jeunesse de Chateaubriand. Aus m^moires d'outre-tombe. In Aus-
zügen mit Anm. z. Schulgebr. von Emil Grube, p. 274. 221
Corneille, Le Cid, Nouv. ^d. rev. et ann. par P. Carel. 1882. p. 155. 222
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Syst. Verz, sämü. m dieser Zeiischriß heurieüien Weiche etc. 337
La Roche foucauldy (Euvres complbtes. Notiv. 4d. avec des notices sur la
vie de la Rochefoucauld et aur ses divers ouvrages, un choix de vari-
antes, des notes, uue table analytique des matieres et un lexique
(p. p. A. Chassanf?.) Tome premier. Lcs mämoires. — Portraits. —
Apolofpes de Marsülac. Paris 1883. p. 170. 209
— , Räflexions on Seutences et Maximes. Traductions en langues ^trang^res.
(Granges de Surg^re.) Paris 1883. p. 170. 250
De Lescure ^ les innres illustres, Stades morales et portraits d'histoire
intime Ouvrage om^ de 12 grav. sur bois d'aprbs les documents origi-
naux. Paris 1882. p. 293. 25t
De Maistre, Xavier. Exp^ition noctume atitonr de ma chambre. Mit
Erl. u. Wörterb. von a Th. Lion. p. 84. " 252
— , Prascovie ou la jeune Sibärienne. Mit Anm. herausgeg. v. Ad. Lun-
dehn. Berlin 1884. p. 253 und p. 282. 253
— , Voyage autotir de ma chambre. Mit Erläut. u. Wörterb. von C. Th.
Lion. p. 84. 254
de MaupassarU, Guy, la Femme de Paul. p. 47. 255
— , Une Vie. p. 47. 256
Melesvüle et Hestienne, lä fierline de T^migr^ (Th. fr. p. p. Velhagen
et Elasing.) p. 245. 257
— y Meißle et Boirie, Le bourgmestre de Sardam. (Th. fr. p. p. Yelhagen
et Klasing.) p. 245. 258
— , et DuveyrÜTy Michel Perrin. (1«»^« S^rie, 5« Livraisou. Th. fran9. ?• P*
Yelhagen et Klasing.) p. 245. 259
Mifnard, Louis Aug., Le Livre abominable de 1665, ddconvert et publik.
Paris 1883. 5 voll. p. 37 und p. 297. 260
Meunier, Les Baisers tristes, p. 47. 261
Michaudj Histoire des croisades. In zwei Teilen. 1. Ausg. mit Anm. z.
Schulgebr. Herausgeg. v. E. Paetsch. II. Teil. Troisi^me croisade.
Mit ^ner Obersichtskarte, p. 272. 292
— , Moeurs et coutumes des croisades. Für d. Schule erkl. v. Fr. Hummel.
p. 279. 263
— , Siäge d'Antioche et Prise de Jerusalem (aus Hist. des croisades). Mit
drei eingedruckten Karten für d. Schulgebr. erkl. von Fr. Hummel.
p. 279. 264
Mignet, Hist. de la Revolution fran9aise depuis 1789 jnsqu'en 1814.
Herausgeg. u. m. sprachl., sachl. u. geschichtl. Anm. versehen von Ad.
KoreU. 1814. Leipzig 1882. p. 251, 252. 265
MoUtre, (Euvres compl^tes collationn^ sur les textes originaux et commen-
t^. Deuxi^me äd. soigneusement revue et consid^rablemeDt augmentäe.
Paris 1881. pag. 98, 297 und 300. 266
— , L'Avare, nouvelle äd. revue et annot^ par E. Friese. 1884 (Thäätre
fr. p. p. Yelhagen et Klasing). p. 155. 267
- 2« äd. 1860. p. 278. 268
Le bourgeois Gentilhomme. (Th^tre. fr. p. p. Yelhagen et Klasing.)
p. 245. 269
Les Fächeux. p. 93. 210
Les Femmes savantes. Nonv.^ rev. et ann. par F. Fischer etc. 1884.
(Th^tre fr. p. p. Yelhagen et Klasing. Bielefeld et Leipzic.)
p. 155. 271
Le Misanthrope. 2« dd. 1880. p. 278-^295. 272
Les Pr^enses ridicules. Kouv. A, & Tusage des ^coles, ann. par G.
Scheffler etc. 1884. p. 155. 273
— , (Th. fr. p. p. Yelhagen et Klasing.) p. 245. 274
Les Pr^euees ridicules. p. 93. ^75
^schr. f. nfn. Spr. o. Litt. VI*. 22
338 H. Aschenberg
Moliere, l^ Tartufe, erkl. von H. Fritsche. p. 94, 250 und 297. 276
Montesquieu, Gonsiddrations sur les causes de la Grandeur des Romains
et de leur däcadence. (Ob. I — XV.) Für d. Schule erkl. v. B. Leng-
nick, p. 279. 279
— , — , Mit Anmerk. herausgeg. M. Schaunsland. p. 282. 278
Motin, Pierre^ (Euvres in^ites, publikes avec une notice et des notes»
p. Faul d'Estr^e. Paiis 1883. p. 171. 279
d'Ouville, sietir, Ölite des contes p. p. F. Brunet. 2 vol. p. 160. 280
Pascal, Lettres provinciales. p. 93. 281
— , Pensdes, p. 93. 282
Racine, Athalie. 3« äd. 1883. p. 278. 283
Retz, Cardinal de, (Euvres. Nouv. ^d. T. VII. (R. Chantelauze. Les gr.
^criv. de la France.) Paris 1882. p. 170. 284:
RotroUf Thäätre choisi, nouvelle ^d. p. p. F^lix Hdmon, avec une introd.
et des notices, illustr^e de quatre gravures coloriäes. p. 170. 285
Rousseau, J.-J., Fragments in^dits. Recherches biogr. et litt. Paris
1882. (Alb. Jansen.) p. 171. 286
de Saini-Pierre, Bernh,, Paul et Virginie. p. 93. 287
Sand, George, La mare au diable, erkl. v. Sachs. (Weidmann, Samml.)
p. 91. 288
Frank y Jos., Satyre Mdnipp^e. Kritisch revidierter Text mit Einl. und
erkl. Anm. Oppeln 1884. p. 261. 289
Sedaine, Le Philosophe sans le savoir. Erkl. v. M. Gisi. p. 94. 290
de Se'gur, le comte, Histoire ancienne. 28 Geschichtsbilder mit Anm. z.
Schulgebrauch herausgegeb. v. 0. Schaumann. (Prosat. fr. p. p. Vel-
hagen et Klasing.) p. 270. 291
— , Histoire de Napoldon et de la grande armäe pendant Pannde 1812.
Mit e. Einl. u. erkl. Anm. nebst e. Karte. Herausgeg. v. C. Th. Lion.
I. Teil. Buch I— IV. 1884. p. 284. 292
—, — , Ausg. mit Anmerk. zum Schulgebr. Herausgeg. v. 0. Schmager.
Teil n. Buch VHI u. XI, mit einer Uebersichtskarte. p. 272. 293
Souveslre, Emile, Au coin du feu. Fünf Erzählungen daraus mit Anm.
u. e. Wörterbuch. Herausgeg. v. K. Kaiser. Berlin 1884. p. 284,
und p. 93. 294
— , ün Philosophe sous les toits. p. 93. 295
Theuriei, Andrd, Le livre de la payse. Nouvelles podsies. Paris, p. 100.
296
Thierry , Äugusiin, Recits historiques (aus Recits des temps merovingiens).
1859. p. 278. 297
Vaugela^, Remarques sur la langue fran9ai8e. Nouv. äd. p. p. A. Ghassang,
Versailles et Paris 1880, 2 Bde. p. 100. 298
Ferne, Jules, Ginq semaines en ballon. In Auszügen z. Schulgebrauch.
Herausgeg. v. W. Begemann. (Prosat. fr. p. p. Velhagen et Klasing.)
p. 270. 299
— , Le Tour du Monde en quatre-vingts jours, bearbeitet von K. Bandow.
(Prosat. fr. p. p. Velhagen et Klasing.) p. 270. 300
— , Voyage au centre de la Terre. In Ausz. mit Anm. z. Schulgebr.
Herausgeg. von G. Opitz. (Prosat. fr. p. p. Velhagen et Klasing.)
p. 271. 301
Voltaire, Histoire de Gharles XII. Texte complet, revu avec soin, suivi
de notes. Br§me 1884. p. 282. 302
— , Za'ire, erklärt von E. v. Sallwürk. (Weidmännische Samml.)
p. 91. 303
Zola, Assommoir. p. 46. 304
—, Au Bonheur des Damea. p. 46. 305
/
Syst. Verz. sömU, in dieser Zschr, beurteüUn Werke etc. 339
Zola, Poirfioaille. p. 46. 306
— , Nana. p. 46. 307
Vn. Sammelwerke. Chrestomathien und Antholegien. — Lesehneher.
Fcdrsier, WendeUn, Altfranzdsische Bibliothek. Heilbronn. 1879 bis
1883. 5 Bde. p. 170. 308
Dickmann, Otto, Franz. und engl. Schalbibliothek, fl. I — VIII. Leipzig.
1883. p. 248. 309
V. KeMa\ AddSb., Bomvart, Altfranz. Sagen, p. 96. 310
Foure, M^ PauUne, La France lyriqne. Album des meilleores po^ies
lyriques des auteurs frau9aiB. 4« ^d. enti^rement refondue et aug-
mentde par Otto Kampe. Gütersloh. 1882. p. 87. 311
Bartsch, K,, Alte französische Volkslieder übersetzt. Heidelberg. 1882.
p. 27. 312
Rouand, E., Recueil de chansons populaires. L Paris, p. 37 nnd
p. 293 und 298. 213
Kampe, Otto, Frankreichs schönste Einderlieder und Jugendgedichte.
Gütersloh. 1882. p. 87. 31i
Westenhceffer, Jean, Le Fablier de nos enfants. Recneil de fables ä
Tnsage des ecoles snp^rieares. Mulhoose. p. 253. 315
TVershoven, F. J., La France. Historische nnd geographische Charakter^
bilder für die französ. Lektüre der höh. Lehrans&Iten. Cöthen. 1882.
p. 87. 316
Wittstockt L*antiqait^ littäraire. Fxtraits des classiques grecs et latins
tradnits en francais. Jena 1881. p. 249. 317
Benecke, Alb. u. d'tiargues, Friedr., Franz. Lesebuch, Anfangs- u. Mittel-
stufe. 2. verb. Aufl. mit den durch die 7. Aufl. des Dict. de TAcad.
fr. (1878) bedingten Änderungen. Potsdam 1881. p. 253. 318
Bretschneider, H., La France. Premier livre de lecture k Pusage des äcoles
secondaires, accompagn^ d'nn choix de th^mes en textes suivis. Alten-
burg. 1882. p. 91 nnd p. 250. 319
Klotzsch, Th. B. A., Methodisch bearbeitetes französisches Lesebuch für
höhere Ünterrichts-Anstalten. Berlin. 1881. p. 134. 320
Meura', Karl, Französisches Lesebuch. I. T. Für Quarta u. Untertertia
der Gymnasien u. s. w. Mit Wörterb. Leipzig. 1883. p 293. 321
t\ OrelU, Conr., Französische Chrestomathie. Erster Teil. Nach d. 5.
Aufl. nen bearbeitet von A. Rank. Zürich. 1882. p. 87. 322
Weiss, M., Becueil de morceaux choisis de prose et de vers, extraits
des meilleurs äcrivains fran9ai8 pour la jeunesse. Breslau. 1883.
p. 253. 323
Wingerath, E., Choix de lectures fran9aiBes k Pusage des 6^oles secon-
daires. H. partie: classes moyennes. Köln. 1883. p. 91 und
p. 250. 32^
Wiemann, A., Französische Chrestomathie. Gotha. 1882. p. 251. 325
YIU. Französische Dialekte.
Görlich, E., Die südwestl. Dialekte der langue d*oil, Poitou, Aunis, Saintonge
u. Angonmois. Heilbronn. 1882. (Franz. Stud. IH. 2.) p. 99. 326
Fertiault, Chansons de noces de la Hante-Bourgogne. p. 97. * 327
de la Borderie, Arthur, Archiyes du bibliophile breton. Notices etDocu-
ments pour seryir & lliistoire litt^raire et bibliog^phiqne de la Bre-
tagne, n. Rennes. 1882. p. 171. 328
Bohmdahl, Axel, Glossaire du patois du Val de Loire (Manche) suivi de
remarques grammaticales. Linkoeping. 1882. p. 95. 329
22*