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ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER
ABTEILUNG
FÜR
SYSTEMATIK, GEOGRAPHIE UND BIOLOGIE
DER TIERE
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. DR. J. W. SPENGEL
IN GIESSEN
FÜNFUNDDREISSIGSTER BAND
MIT 20 TAFELN UND 109 ABBILDUNGEN UND 2 KARTEN IM TEXT
JENA
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1913
Alle Rechte, namentlich das der Übeisetzuug, vorbehalten.
%ö H-1
Inhalt.
Erstes Heft.
(Ausgegeben am 4. Juli 1913.)
Seite
Blunck, Hans, Beiti'äge zur Naturgeschichte des Dytiscus mai'ginalis L.
Mit 8 Abbildungen und 2 Karten im Text 1
Hendel, Feiedeich. Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt.). Mit
Tafel 1—2 55
Zweites Heft.
(Ausgegeben am 22. September 1913.)
Gebbig , Feitz , Über Tipuliden-Larven mit besonderer Berück-
sichtigung der ßespirationsorgane. Mit Tafel 3 — 4 und 19 Ab-
bildungen im Text 127
Reiciiexspergee, A., Zur Kenntnis von Myrmecophilen aus Abes-
sinien. I. Mit Tafel 5 — 6 und 15 Abbildungen im Text . . 185
KÜKENTHAL, W., Über die Alcyonarienfauna Californiens und ihre
tiergeographischen Beziehungen. Mit Tafel 7 — 8 und 36 Ab-
bildungen im Text 219
Drittes Heft.
(Ausgegeben am 31. Oktober 1913.)
TOLDT, K., jun., Über Hautzeichnung bei dichtbehaarten Säugetieren.
insbesondere bei Primaten. Mit Tafel 9 — 12 und 3 Abbildungen
im Text 271
Skejabin, K. I., Vogeltrematoden aus Russisch Turkestan. Mit
Tafel 13—14 , 351
MacCallum, G. A., Further notes on the genus Microcotyle. With
4 figures in the text 389
IV Inhalt.
Viertes Heft.
fAuserefireben am 14. November 1913.)
^ ^ Seite
Skrjabin, K. I., Zur Acanthocepbalen-Fauna Russisch Turkestans.
Mit Tafel 15—16 und 1 Abbildung im Text 403
Gerhardt, Ulrich, Copulation und Spermatophoren von Grylliden
und Locustiden. Mit Tafel 17 — 18 und 22 Abbildungen im
Text 415
Fünftes und sechstes Heft.
(Ausgegeben am 4. Dezember 1913.)
AuGüSTiN , "Willy , Die Formvariabilität der Beckenknochen bei
nord-atlantischeu Bartenwalen. Mit Tafel 19 — 20 533
Friese, H., II. Nachtrag zu „Bienen Afrikas" 581
Strand , Embrik , Über einige australische Spinnen des Sencken-
bergischen Museums 599
Painter, Theophil S., On the dimorphism of the males of Maevia
vittata, a Juraping Spider. With 1 Figure in the text . . . 625
Wester, D. H., Chemischer Beitrag zur Limulus-Frage .... 637
Wester, D. H., Schließt sich Peripatus capensis chemisch den
Anneliden oder den Arthropoden an ? 640
Nachdruck verboten.
Übersetzinigsrecht vorbehalten.
Beiträge
zur Naturgeschichte des Dytiscus marginalis L.
(Historisches,
Paläontologie, Systematik und Fannistik.l
Von
Haus Bluuck,
Assistent am Zoologischen Institut in Marburg-.
Mit 8 Abblldnngen and 2 Karten im Text.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 1
Historischer Überblick über die Behandlung des Dijti.scus in der
zoologischen Literatur 2
Literaturverzeichnis dazu . . 20
Paläontologische Funde 31
Systeraatisches 1)3
I. Die systematische Stellung der Dytisciden 33
II. Die Stellung des D/jUsrus unter den Dytisciden und die geo-
graphische Verbi'eitung der Gattung 36
III. Allgemeine Charaktere der Gattung Di/ti-scus 36
IV. Die eurojDäischen Vertreter der Gattung D>j(is'-u.<: L., ihre
Synonyma, Speciescharaktere und Faunistik 37
V. Literaturverzeichnis zu den systematischen Abschnitten . . 51
Einleitung.
Schon seit einig-er Zeit mit Studien über die Morphologie, Ent-
wicklung und Biologie von Dijt/sri(>i beschäftigt, war ich genötigt,
auch die Literatur eingehend zu berücksichtigen. Dabei interessierten
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. t
A
2 Hans Blunck,
iiiicli besonders die auf öcologische Verhältnisse bezüglichen An-
gaben, da sich meine Untersuchungen mehr nach dieser Richtung
bewegen sollten. Derartige Notizen finden sich aber in Schriften
verschiedenen Inhalts niedergelegt, so daß sich ein immer weiter-
gehendes Literaturstudium als notwendig erwies. So wurde ich
sehließlicli wohl so ziemlich mit allen einigermaßen bemerkenswerten
Artikeln über die hiei' interessierende Käfergattung bekannt. Ab-
gesehen davon, daß ein genaues, auf diese bezügliches Literatur-
studium wegen der im Maibui-ger Institut zu bearbeitenden Mono-
graphien einzelner Organsysteme wünschenswert erschien, dürfte
es für weitere Kreise auch insofern nicht ohne Interesse sein, als
sich mancherlei neue Gesichtspunkte dabei ergaben.
Dem rein historischen Abschnitt sind einige Kapitel syste-
matischen Inhalts angeschlossen, die ebenfalls ein Niederschlag des
Literaturstudiums sind, aber in verschiedener Hinsicht über die rein
referierende Darstellung hinausgreifen. Eine Zusammenstellung
dieser Sj^stematik des Bytiscus im weiteren Sinne (d. h. inkl. Faunistik
und Paläontologie) fehlte bislang und schien erwünscht. Neu sind
in diesem Teil einige Kennzeichnungen zur Bestimmung der Species,
die kartographischen Skizzen und mehrere Gesichtspunkte zum
Studium der Verwandtschaftsverhältnisse der Dytisciden.
Historischer Überblick über die Behaudluug des Dtjtiscus
in der zoologischen Literatur.
Wasserkäfer scheinen den Alten fremd geblieben zu sein und
finden auch bei Aristoteles keine Erwähnung. Ihr Bekanntwerden
fällt erst in den Ausgang des Mittelalters, als mit den übrigen
Zweigen der Naturwissenschaft auch die Insectenkunde einen Auf-
schwung nimmt. 1602 erscheint in Bologna das erste große Werk, das
ausschließlich der Entomologie gewidmet ist. Der Verfasser, Ulysses
Aldrovandi, verarbeitet darin ein reichhaltiges, zum großen Teil
auf eigenen Beobachtungen beruhendes Material und beschreibt
neben den damals bereits bekannten etwa 100 neue Insecten-Arten.
Unter diesen befinden sich auch die ersten Wasserkäfer. Zufällig
ist je ein Vertreter der drei heute unterschiedenen Hauptfamilien
herausgegi'ifi"en. Unverkennbar abgebildet vertritt der plumpe
Hydrous die Hydrophiliden (p. 449—450), ein kleiner Taumelkäfer
die Gyriniden, und die Dytisciden kommen in ihrem größten und
bekanntesten Vertreter, dem Dytiscus, zur Darstellung. Sein Ver-
Dytiscns mar^inalis L. 3
liältnis zur Literatur soll den Gegenstand dieses Abschnitts
bilden.
Ich lasse die originelle Beschreibung Alurovandi's als die älteste
A b h a n d 1 u n g ü b e r d e n G e 1 bra n d oder den „Scarahaeus arjiMticus
(d/KS". wie er hier getauft wird (p. 707), im Urtext folgen: ,.Tnueni
et aliud in horti publici ^) vasis aqueis, in quibus plantae aquaticae
consernantur, Insectum e Scarabaeorum genere, superiori ^) in eo
j)lui'iuiiun ditferens, quöd anteriores pedes haberet duplicis usus,
iiiniirum ad natandum, et gradiendum. Sagacissima enim natura
latissimos eos fecit in niedio, haud aliter, ac auium aquaticarum
pedes sunt, et ne latitudo (rotunda ac caua) ad ingressum non esset
inutilis. eosdem in extremo rursus fecit exiles, robustos tarnen et
hamatos, et eis unä cum duobus subsequentibus, qui contigui sunt
ac aeqiie longi, ea carentes latitudine, ad progrediendum uti posset.
Postremi pedes duplo sunt longiores, in extremo velut in pinnam
molliusculam desinunt. in medio ventris siti, longe ä primis, qui sunt
in pectore. Horum quoq; duplex usus est, ad natandum seu potiüs
ad natatum regendum tanquam pinna aliqua, aut cauda, et cum
inibat in dorsum (apricatur enim libenter, et apricantem ego cepi}
ad insiliendum. Salit enim cum in dorsum cubat, ijs sese ad saltum
a terra eleuans. Cum cubat in ventrem vel omnibus pedibus insistit,
hosce posteriores tanquam ad incessum inutiles per terram trahit.
Coleopteron est hoc Insectum vagina tectum durissima, ventre quoq;
durissimo, ac prope osseo. color eins ex atro ad castaneum nonnihil
vergit. Antennas ä lateribus capitis erigit adeo exiles, ut visum
pene fugiant. castanei coloris. In summa elegans animal est." ^)
Wer den Gelbrand kennt, wird ihn trotz der leider gerade bei
diesem Käfer fehlenden Abbildung in der Beschreibung wieder er-
kannt haben.
Seiner Grundlegung nach viel älter als ALDROvANüfs Schrift,
aber erst 1634 durch Thomas Moufet nach mehrfacher Umarbeitung
in einem unmöglichen Latein herausgegeben ist das von dem be-
kannten Zoologen Gesner begonnene ..Theatrum Insectorum". Auch
dieses befaßt sich wie das vorige Werk, dem es nach Aufbau und
wissenschaftlichem Wert ähnelt, mit den Wassei'käfern als den
1) Nämlich in dem von AldrOVAXDI in Bologna angelegten botani-
schen Garten.
2) D. i. Hydrops.
3) Die zitierten Sätze finden sich auch unverändert in den späteren
Auflagen: Frankfurt 1618, Frankfurt 1<)23. Bologna 1638.
1*
Hans Blunck,
„Scarabei aquatici'' (p. 164). Der Verfasser berichtet, daß die Tiere
im deutschen Volksmund „Wasser kafers", in England „Waterclocks"
hießen. Unter den reichen Illustrationen der Arbeit finden sich auch
die ersten Zeichnungen vom „Gelbrand" (Anhang), die unserem
Aufsatz in der Kopie als Fig. A beigegeben sind. In Text und Figur
wird beim „Hydrocantharus major Anglicus" besonders die Eigen-
schaft hervorgehoben, welche dem Käfer später seinen deutschen
Namen „Gelbrand" gab: „ . . . si limbum scapulis totoque corpore
ovali circumcurrentem leviter infuscaveris, . . . non est quod ampliüs
expetas ad illius
descriptione." Die
nächtlichen Luft-
reisen müssen schon
damals nicht unbe-
kannt gewesen sein,
denn es heißt: „Sub
elytris nigerrimis,
membranae latent
alae argentotinctae,
quibus noctu aquis
egressi , celeriter
con Volant per aerem,
quem interdiu per-
rarö (forte num-
quam) diverberant."
Über das Regi-
strieren solcher Zu-
fallsbeobachtungen
kommt das 17. Jahrhundert noch nicht hinaus. Schwierige Probleme,
wie die Metamorphose, bleiben in Dunkel gehüllt und werden erst
100 Jahre später gelöst.
Die Larve des Gelbrands war allerdings schon vor Aldeovandi
und MouFET lange bekannt, ohne daß man aber ihren Zusammen-
hang mit dem „Scarabaeus aquaticus" ahnte. Dytiscns dürfte nächst
Tenehrio der einzige Käfer sein, bei dem das Jugendstadium früher
beschrieben wurde als die Imago.^) Ich fand die älteste Larven-
Fig. A.
Alteste Abbildung eines Dytiscns. Kopie nach
MouFET, 1634.
1) Die zuweilen zu lesende Angabe, die älteste Larvenabbildung fände
sich bei MouFET, ist irrig.
Dytiscns marginalis L.
abbildnng-^) fs. Fig. B) in einer schon 1555 in Lyon erschienenen
Schrift, in der ein Wiliiklm Rüxdelet nnter dem vielversprechenden
Titel: ,.Universae acinatiliuni Historia cnm veris ipsorum Imaginibus*'
Fische, Würmer, Krnster n. a. behandelt.
Die Gelbrandlarve wird den Krebsen naheg-estellt nnd SfjuUla
fluriatilis getauft, „cum squillis marinis magna est fignrae affinitas"
(Buch II, p. 212). „Ea pedes ternos vtrunque habet. Cauda in duo
longa et tenuia veluti fila desinit: digitali est longitudine. Capite
est rotundo et compresso instar lentis leguminis. Cornicula quatuor
habet. . . tenni crusta integuntur." Die unvollständige Beschreibung
Fig. i'.
Fig. B. Älteste AljbiUluug einer Dytiscus-L&YYe. Kopie uach Eondelktiüs, 155;>.
Fig. C. Die durch Moufet von Roxdelet als „Forficula^^ übernommene und
verschlechterte Abbildung einer Dytiscus-LnYxe.
Fig. Dan b. Kopien zweier sich bei Moüfet (1634) findender Bilder von
DytiscHn-Lai-yen.
wird durch eine schlechte Figur immerhin soweit ergänzt, daß man
erkennt, welches Tier gemeint ist. Rondelet's Angaben sind von
Aldrovandi u. A. übernommen worden. So ist Foeer's Bericht
über die „Wassenniiheyme'''' in seiner Bearbeitung des GESNEß'schen
1) CüBA gibt 1536 in seinem „Hortus sanitatis" im Buch der Fische
Cap. XXXIX p. 85 die Beschreibung und Abbildung eines 6beinigen
Fischschädlings, den er Nastaros oder Hastarios nennt. Die undeutliche
Darstellung und die phantastische Figur lassen die Deutung auf eine
Jj/jUscHs-Liarve zu. Ich konnte jedoch feststellen, daß Cuba's Angaben
auf eine falsch verstandene Notiz in Plinius sec. Historia naturalis
über IX 15.,j zurückgeht, wo dieser von einem parasitären Kruster, viel-
leicht einem Copepoden, spricht. Die Figur des bbeiuigen Fisches ist
Cuba's Phantasie entsprungen.
Q Hans Bi.unck,
Fischbuchs (15*J8 i). 197) nur ein Auszug- aus dem genannten Werk
(s a. JoxsToN 1653 u. 1657). Mit jedem Neudruck entfernt sich
aber das Bild der „Squilla fluviatilis'' mehr von dem Oiiginal, so
daß man schließlich in dem Ungeheuer mit den keulenförmigen
Fühlern und dem kühn geschwungenen Scliwanzfaden eher einen
Skorpion als eine Dytiscus-ha,rve vermuten würde (s. Aldeovandi
1618 u. 1623). Da obendrein Text und Figur bei Aldeovandi ge-
trennt stehen (1602, p. 709 u. 764), kann es nicht wundernehmen,
daß MoLFET das Bild falsch deutet und zu den Libellenlarven als
„Wassereidechse" stellt (s. d. Kopie Fig. C), von denen er schreibt
(1634, p. 321) „Lacerta varij coloris est, et piscatorum gaudet intuitu:
circa rupes Britannicas non infrequens, ubi piscibus insidias parat."'
An anderer Stelle des „Insectentheaters" (p. 319—320) gibt Moufet
bessere, selbst entworfene Zeichnungen von Wasserkäferlarven oder
„Sqtiillac'^, aus denen die des Hydrous (p. 320, flg. 5a u. b), Cyldster
(fig. 1) und Byiiscm (flg. 2 u. 6) unschwer herauszuerkennen sind.
Die beiden I)ytiscus-B\\6.tv sind als Fig. Da u. b hier umstehend
in der Kopie wiederholt worden. So ergibt sich der kuriose Fall,
daß in demselben Buch ein Tier zweimal unter verschiedenem Namen
einander ganz unähnliche Bilder erhält! Von den Lebensgewohn-
heiten seiner ,.SquiUae^' entwirft Moufet ein sehr abenteuerliches
Bild. „Assultant illi protinus, ut Squillae pisces, in coitu, et ubi
licentia audacia crevit, implent faemellam. Hoc tempus speculatus
index morsu levi significat: illa ore compresso quidquid includit
exanimat, partemque socio tribuit: coeunt^) enim ore, cancrorum
more et locustarum." Für die Betrachtungsweise seiner Zeit ist die
Bemerkung charakteristisch : „Quem vero in medicina usum sortiuntur,
nequeo ex scriptoribus vel Empyricis ullis, quibus vel ignoti Squillae
vel despecti videntur, recensere.''
Die erste wissenschaftlich ernste Untersuchung der Dytiscus-
Larve führt Swammeedam aus (1669, 1752 deutsche Übersetzung von
Boeehave). Gute Kupferstiche begleiten den Text und ergänzen
glücklich eine bereits 1630 von Hoefnagel unter seinen Insectarum
volatilium icones gegebene, recht hübsche Abbildung der Larve.
Swammeedam entdeckt den Saugkanal der Mandibeln, schildert an-
schaulich die Nahrungsaufnahme und stellt fest (p. 326 in der Aus-
gabe von 1737): „Deese Wurm eet niet anders, als andere Water-
1) coire ist hier wohl in der ursprünglichen Bedeutung: zusammen-
gehen, sich zusammenlegen, zu nehmen.
Dytiscus marginalis L. 7
dieieii . . ." „Waarom het seer aardig- om te sieii is, als men hem
eeu Pierwurm ^) komt te geeven, die liy, hoe seer deselve sig 00k
krimpt, buygt, ende roert, dan 00k niet en verlaat, maar by suygt
die gerustelyk siyii bloet iiyt." üer Prozeß des Luftscliüpfens Avird
beschrieben, seiner Natur nach aber nocli nicht erkannt. A'on den
,.FIoßrienien''. d. h. den Styli, heißt es nämlich (p. 325): „Met deese
Start kan liy, als hy wil, aan de vlakte van het water hangen bly ven :
want als hy die buyten het water steekt, soo loopt het selve daar
runtsom af, (en soo blyft hy dan hangen aan de superficie van het
water)." Gelegentlich seiner Untersuchungen über die Metamorphose
der Insecten befaßt sich Swammerdam auch bereits mit der onto-
genetischen Stellung seines „Pfriem- of Moort-wurms"' (p. 68)
und vermutet in ihm treffend die Larve eines Wasserkäfers, ohne
daß ihm indessen die Aufzucht gelingt. „Uyt deese Wurm is het
te gelooven (p. 327), dat eyndelyk de Hydrocantharus vergroeyt,
wanneer hy namentlyk genoeg in het water gegeeten heeft, en dat
hy dan sijne verandering op het laut en in de aarde volvoert: dan
dit syn speculatien" (cf. 1752 p. 120, 136 und 1682, p. 154). Glück-
licher war 1721 Frisch,^) dem es gelang, die ////r/roHS-Larve zur
Verwandlung zu bringen. Er begeht, durch den eigentümlichen Bau
des Tieres entschuldigt, den Irrtum anzunehmen, „daß es seine 6 Füße
auf dem Rücken hat" (p. 26 ff.). Diese Angabe ist später von Lessek
(1738 p. 287), Sulzer (1761 p. 75) und Börner (1774 p. 476) auf die
Dytiscus-liSLYYe übernommen und spukt noch in einigen Arbeiten aus
dem Ausgang des 18. Jahrhunderts, obgleich sie schon 1742 von
Lyonet (Vol. 2, p. 54 — 57 Aum. — s. a. 1776 p. 145—150) widerlegt wurde.
Die Metamorphose des Dytiscus konnte^ auch Frisch (p. 33)
nicht verfolgen. Die Lösung dieses Problems blieb dem unermüd-
lichen RösEL (1749) vorbehalten. Nach jahrelangen vergeblichen
Bemühungen, „um nur gewis zu erfahren, ob der Wasser-Wurm mit
dem grosen linsen-förmigen Kopf unter diejenigen Insekten gehört,
die sich verwandeln", gelingt es ihm, aus den Eiei-n eines Gelbrands
eben diese „^^'ürmer" zu erziehen und in einem halb mit Wassei-,
halb mit Erde gefüllten Gefäß unter einem Grassoden zur Verwand-
lung zu bringen. In der ihm eigenen ansprechenden Form gibt
1) Regenwurm.
2) Es handelt sich um den bekannten Berliner Sprachforscher, der
sich auch in der Insectenkunde betätigte und auf dem Gebiete ihrer Biu-
logie so Bedeutendes leistete, daß man ihn getrost als einen Vorläufer
Rüsel's bezeichnen kann.
^ Hans Blunck,
RösEL eine ziemlich fehlerfreie Darstellung der gesamten Metamor-
phose der Larve und ihrer auffallendsten Eigenschaften. Ihre Raub-
tiernatur wird gebührend beleuchtet, der Atemvorgang richtig er-
kannt. „Es holet dieser Wurm durch das Ende des letzten Gliedes
seines Leibes Luft." Li der beigegebenen farbigen Kupfertafel sind
Larve, Puppe und Käfer nach dem Leben in einer seither auch nicht
annähernd erreichten Naturtreue wiedergegeben. So biologisch vor-
züglich, ist die Darstellung in morphologischen Details nicht ganz
fehlerfrei. In Text und Figur schreibt der Autor z. ß. der Larve
13 Körpersegmente zu, während am Objekt nur 12 sichtbar sind.
Rüsel's Abbildungen sind in der Folgezeit oft und schlecht, mit
alten und neuen Fehlern kopiert w^orden. Nur so ist es zu erklären,
daß die Larve mit den 13 Körperringen in die Arbeiten gewissen-
hafter Forscher wie Stuem (1834, tab. 186) übergehen und selbst in
Reittek's ganz moderner Fauna Germanica (1908, tab. 39 flg. 6 a)
noch Aufnahme finden konnte.^)
Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts tritt die Zoologie in das
Stadium der systematischen Forschung, und diese Periode hat auch
den hier in Betracht kommenden Schriften ihren Stempel aufgedrückt.
Die Einführung des Namens Bijtiscus erfolgte 1 735 durch
LiNNE in dem Entwurf zu seinem für unsere moderne Systematik
grundlegenden Systema naturae.
Die erste Ausgabe beschränkt sich auf die Festlegung von
Familien und Gattungen. Der hier zuerst gebrauchte und die Wasser-
käfer bezeichnende Gattungsname „Bijtiscus'-'' scheint aus dem
Griechischen entlehnt zu sein, in dem das Wort „öWtxo'g" alle zeit-
weilig oder dauernd das Wasser bewohnenden Tiere umfaßt."^) Die
Form Bijtiscus ist eine sprachlich nicht ganz korrekte Neubildung
Linne's. 1762 greift Geoffkoy (Vol. 1, p. 185) den alten Stamm
durch die Schreibweise „Byticus" (franz. „Dytique") wieder auf, und
seitdem laufen beide Bezeichnungen als scheinbar gleichberechtigt
in der Literatur nebeneinander her. Gelegentlich stellte ich die
Namen von 50 Autoren zusammen, die Bijticus statt Bijtiscus
schreiben. Rendschmidt (1837, p. 100) bildet gar ,.Biticus'' und
1) Es sei darauf hingewiesen, daß durch ßöSEL auch die Metamor-
phose zahlreicher anderer Insecten und unter den Wasserkäfern von
Cybisler, AciUus und Hydrophilus caraboideü aufgedeckt ist.
2) Vgl. Oliviee Vol. 3 No, 40 1795 p. 1 dvTr/.6g = gern unter-
tauchend, zum Tauchen geschickt. Bei Aeistoteles werden erwähnt
^ioa övTiY.d = Tiere, die geschickt untertauchen.
Dytiscus raargiualis L. g
einige Franzosen entsprechend „Ditique"' und ..Ditis([ne" ! Bkck-
MANN, 1780, p. 26() will das „s" als einen „Druckfehler-* verworfen
wissen. Sciimiedlf.ix (1786. p. 2891 möchte Ihjthcm von den Haft-
scheiben oder, ,disci"der Männchen ableiten. Leskk(1779, p.423), Ekicii-
soN (1832, p. 16—17), Glaskr (1857, p. 19) und Porta (1899, p. 59)
erklären die Bildung Dytiscus für etymologisch falsch und deshalb un-
haltbar. Ekichson ist später (1837) trotzdem zur Schreibweise y|////.sv7<.s-
übergegangen. Diese Unsicherheit hat naturgemäß zu Unzuträglich-
keiten geführt, die erfordern, Klarheit zu Schäften. ]\[aßgebend für
die Entscheidung nomenklatorischer Fragen sind die internationalen
Kegeln von 1905. Artikel 19 u. 25 bestimmen, daß sprachliche
^lißbildungen dann und nur dann Grund zur Änderung eines Namens
geben, wenn sie als Druckfehler aufzufassen sind. Das Prioritäts-
gesetz behält rückwirkende Kraft bis 1758, ausgehend von der
10. Ausgabe des Sj^stema naturae. In dieser Auflage und in allen
seinen anderen Schriften kennt Linne nur die Bezeichnung Dytiscus,
wie V. Harold (1880, p. 359) bereits einmal hei-vorhob. An einen
Druckfehler ist nicht zu denken. Der Käfer heißt mithin
Dytiscus. Die Schreibweise Dyticus ist als unrichtig
zu verw^erfen.
Bei LiNNE umfaßt die Gattung Dytiscus alle Wasserkäfer mit
Ausnahme der Taumler, für die 1735 der Name Gyrinus eingeführt
wird. 1762 trennte Geoffroy (Vol. 1, p. 180 — 181) die Palpicornier
als Genus Hydrophilus auf Grund ihrer schon von Linke erkannten
abweichenden Fühlerbildung ab. Übrigens hatte bereits Frisch
(1721, 2. Th., p. 33) darauf aufmerksam gemacht, daß ,.Gelbrand" und
,.Kolbenwasserkäfer" „ganz widerwärtiger Art" sind. Dj^tisciden
und Hydrophiliden haben aber noch auf Jahrzehnte hinaus eine ge-
meinsame Geschichte gehabt, sind bei biologischen Notizen durch-
einandergeworfen (s. z. B. Sülzer 1776, p. 58—60) und in der Syste-
matik einander nahegestellt worden (vgl. Baebut, 1780, 24. Gttg.
„Hydrophilus^^). Noch heute gilt Hydrous für vorwiegend carnivor
(s. Rengel's Literaturzusammenstellung und eigene ü ntersuchung 1901,
p. 173—182 u. 209—220), und die neueste Auflage von Schmeil's
Leiirbuch der Zoologie (1910, p. 374) bezeichnet die Hydrophiliden
als die „Verwandten"' der Dytisciden. Megu.sar (1902, p. 910) spricht
von den Hydrophiliden als der „nächst verwandten Gruppe
der Dytisciden". Ob diese Ausdrucksweise berechtigt ist, werden
wir im folgenden Kapitel zu untersuchen haben.
Länger noch als die Käfer sind ihre Larven für formverwandt
10 Hans Blunck, \
gehalten und untereinander verwechselt worden. Geoffroy (1764,
\). 181) beschreibt richtig die Eierkokons hei Hijdrophüus,'^) läßt aber
aus ihnen Di/tiscits-hsLYven hervorgehen, von denen er sagt „elles
approcheut infiniment de celle des hydrophiles" (p. 185). Degeer
(1774, IV, p. 369 u. 383) erklärt mehrfach: ,,Les larves des hydro-
philes et des dytiques sont ä-peu-pres de meme figure." Mit diesen
damals allgemein verbreiteten Anschauungen brechen 1804 Lancret
u. 3I1GER in einer bedeutsamen, uns leider nur im Auszug erhaltenen
Schrift. 2) Es wurden 9 Dytisciden- und 5 Hydrophilidenlarven ver-
gleichend morphologisch und physiologisch untersucht. Der Zweck
der Arbeit, die tiefgreifenden Ihiterschiede zwischen beiden Formen-
gruppen hervorzukehren, wird erreicht.
Das ursprüngliche Genus Dytisciis ist nach und nach in eine
große Zahl von Gattungen aufgeteilt worden, die man als Familie
„Dytiscidae-'' wieder zusammenfaßte. Von diesen wurden später die
Gyriniden und in neuerer Zeit auch die Halipliden als selbständige
Familien wieder abgetrennt. „Dytiscus''' ist als Gattungsname er-
halten geblieben und umfaßt eine Reihe einander sehr nahe stehen-
der großer Dytisciden. Thomson (1859, Vol. 1, p. 12) hat diese
Formengruppe noch weiter in die Gattungen Dytisciis und Macrodytes
spalten wollen auf Grund der Ausbildung der Oberlippe und der
Flügeldecken. Zum Genus Dytiscus zählt dann nur der „Breitrand",
I). latissimus L., während Macrodytes alle anderen Arten umfaßt.
1) Die eigentümliche Art der Eiablage des Kolbenwasserkäfers ist
durch Lyonet (1832) bekannt geworden. Es dürfte aber nicht bekannt sein,
daß die gesponnenen Kokons und das Ausschlüpfen der Larven schon fast
100 Jahre vorher beschrieben worden sind. Vgl. dazu de Muralto
Observatio LXXXI p. 198 — 199 16 84, wo man nach einer knappen
und korrekten Beschreibung dar Hi/divpliilu,s-Ijarve liest: „Squillae hae
molles ex ovulis s. termitibus oblongis proveniunt: postquam enim foemella
in aquas eos deposuit, in globum eosdem coacervat, et folliculo albido
rotundo (ad magnitudinem folliculi bombycini) circumdat, atque includit,
in quo tanquam Nyinphae in Vespeto, delitescunt: nullis tarnen cellulis
distinctae sunt, sed sibi contiguae adhaerescunt, donec mense Majo vermi-
culi cuticulam ovi tenuissimam, atque folliculum perfodientes, in aquas pro-
gi'ediantur. Ex qua verö materia folliculi hi constent, singularem cou-
siderationem meretur." Auch diese Stelle wird übrigens zuweilen als Be-
schreibung einer „larva Dytisci" zitiert!
2) Die „memoire" ist wahrscheinlich in Briefform der Societe zuge-
gangen und als solche nicht gedruckt worden. Jedenfalls finden sich in
der Literatur nirgends Hinweise auf das Original, sondern immer nur auf
den Auszug.
Dytiscus margiualiä L. \ \
KiESENWETTEK (1868, \). 117 Aiiiii.) uiul Kkaatz (1874, 1». -294 Aiim.)
haben gegen diese AnlTassnng Einspruch erhoben. Die neueren
Systematiker sind Thomson insofern gefolgt, als sie Macrodijtes als
Untergattung bestehen lassen.
Von den LixxK'sclien Dytiscns-kvi^w (p. 411 — 412) entfallen nur
3 auf die heutige Gattung, der als No. 4 aufgeführte B. laiissimus,
No. 5 : B. niarginalis und No. 9 : B. semistriatus. Bi/fiscus latissimus L.
ist der durch das Beiwort genügend gekennzeichnete und heute noch
gleiclibenannte ,.Breitrand", den schon Fkisch (1721, 2. Th., p. 33)
in Händen gehabt haben muß. Unter dem Namen Bytisciis niarfji-
nalis laufen bei Linxe mehrere erst später als solche erkannte
Arten, wie die mehrdeutige Diagnose: „B. niger , thorace elijtro-
rumque margine flavis," und die zitierten Synonyma erkennen lassen.
Unter anderem wiid auf Rösel verwiesen, dem, nach seinen schönen
Bildern zu urteilen, die verbreitetste und gemeinste Form zur
Untersuchung gedient hat. Dieser Art, unserem heutigen „Gelb-
rand", der gleichzeitig zum Typus der Untergattung Macrodijtes
wurde, ist der Name Bijtiscus marginalis Linne erhalten geblieben.
Bi/tiscus semisiriatns ist als Artbezeichnung fallen gelassen. Linxe
belegte mit diesem Namen die gefurchten Formen der $, die er als
selbständige Arten ansprach.
In der Folgezeit sind neben marginalis und latissimus noch 5
deutsche Arten der Gattung Bijtiscus bekannt geworden. Fkisch
(p. 35, tab. 7, fig. 4) unterscheidet neben dem „ßreitrand" einen
Bijtiscus, von dem er angibt, „Männlein und Weiblein sind am Bauch
gantz schwartz" (s. a. Leydig, 1891, p. 46). Göze (1777, p. 608
2. Anm. u. 621) zitiert diesen „halbgestreiften Frisch wasserkäfer".
LiXNE (1758, p. 412) und Fabricius (1775, p. 231, No. 5) stellen das
Tier zu ihrem semistriatus. Müllek (1776, p. 70, No. 666) trennt ihn
als selbständige Art B. semisiilcatus wieder ab, und ihm folgt Beeg-
STRÄssER (1778, p. 42 — 43), durch den neben dem bis dahin allein
beschriebenen Weibchen das Männchen als B. frischii bekannt wird.
Fabricius hat endlich 1781 (p. 292) den bis heute gebräuchlichen
Namen des „Schwarzbauch" Bijtiscus imnctidatus eingeführt. ') —
Bergstkässer entdeckt und tauft 1778 (p. 33) das Weibchen des
Bijtiscus dimidiatus oder des „Halbstrich", so genannt wegen der rela-
tiven Kürze der Elytrenfurchen. Die Männchen blieben Berg-
1) Vgl, aber den systeiuatischen Teil dieses Aufsatzes bei DijUsciis
nentiftiilcaliifil
12 Hans Blunck,
STRÄSSER noch fremd. Fabeicius (1801, p. 258) kennzeichnet und
benennt die nur in den Mittelmeeiländern häufige Form D. circum-
fle.ius. Gyllenhal, der schwedische Entomologe, beschreibt den ge-
legentlich auch in Deutschland angetroffenen DyUscus lapponicus
(1808, Vol. 1. p. 468, No. 3). Zuletzt lehrt Aheens (1810, Vol. 1, 6.
55. 7) als 7. und letzte deutsche Species den DyUscus drcumcindus
von dem ihm sehr ähnlichen marginalis untersclieiden.
Getrennt von der Auffindung und Unterscheidung der Arten
verlief die Erkennung der zusammengehörigen Geschlechter. Der
stark ausgeprägte Sexualdimorphismus und mehr noch der Dimorphis-
mus der Weibchen untereinander hat den Beobachtern viel Schwierig-
keiten gemacht und zu argen Irrtümern Veranlassung gegeben.
Es Avar für die älteren Systematiker ja sehr naheliegend, die
Furchen auf den Flügeldecken und die Haftscheiben an den Beinen
als Artcharaktere zu verwenden. So kennzeichnet Raius, der erste
und einzige, der vor Linne den Namen eines systematischen Ento-
mologen verdient, den einen seiner ..HydrocantJmrus nostras'^ durch
den Zusatz: „In anterioribus pedibus appendix quasi cochlearis, tan-
quam in annulis constans" (1710, p. 93).^) Bei dem zweiten „Hydro-
cantlmrus'-'' heißt es „elytris striatis seu canaliculatis". Dem Ver-
fasser ist bereits aufgefallen: „in omnibus cum praecedente con-
venit . . . praeter strias seu caniculas in dorso" (p. 94). Nicht viel
später stellt Frisch an Dytiscus Icdissimus fest, daß die „Kniescheiben"
tragenden Individuen männlichen Geschlechts waren (p. 33), und be-
merkt bei punäulaUis, daß die „zehen Falten" auf den Elytren nur
Weibchen zukommen (p. 35). Rösel (1749, p. 7) beobachtet die
Copula zwischen glatten und gefurchten Käfern und entdeckt in den
„breiten Ballen" an den Vorderfüßen Hilfsmittel der Männchen bei
der Begattung. Diese biologischen Argumente finden bei den Syste-
matikern nicht die verdiente Beachtung. Ijinne behält die von ihm
in der 1. Auflage seiner Fauna Suecica (1746, No. 567) aufgestellte
Art DyUscus elytris striis viginU dimidiaUs in ihrer zweiten Ausgabe
(1761, p. 215) und in der 10. ed. seines Systema Naturae (p. 412)
als DyUscus semistriatus bei. Auch Fabeicius, der zweite große
Systematiker und ein Schüler Linne's, führt in seinem Erstlings-
1) In diesem Abschnitt ist im Interesse der Übersichtlichkeit — der
Polymorphismus der Dytiscinen hat über 100 Autoren beschcäftigt ! —
niargiwdis in erster Linie berücksichtigt und auf die Verhältnisse bei seinen
Verwandten nur da eingegangen, wo sie in die Entwickhing des Problems
eingreifen.
Dytiscus marg-iualis L. 1^3
werk noch eine Art unter demselben Namen. ^) Inzwischen werden
abei- die Angaben der Biologen nachgeprüft und bestätigt. Geoffkoy
(1764, Vol. 1, p. 187) und Degeer (1774, p. 391—392} stellen über-
einstimmend fest, daß alle gefurchten Individuen Weibchen sind und
daß die Definition des D. margiualis nur auf das Männchen paßt.
FuESSLiN (1775, p. IS, No. 351b) kommt zu dem Ergebnis, ,.D. semi-
striatm (ist) unstreitig das Weibchen von dem vorhergehenden (d. i.
marginalis), indem ich sie fast immer miteinander gepaaret gefunden".
Bergsträsser stellt in richtiger Weise die Geschlechter von latissi-
mus, marginal is, punctidains und Acilius snlcatus zusammen. In seinen
späteren Werken läßt daraufhin auch Fabricius (1781, Vol. 1, p. 292;
1787, Vol. 1, p. 189; 1792) Dytiscus semistriatus als Art fallen und
kommt zu der Erkenntnis, daß bei allen Species „Dytiscorum scu-
teUatorum mares saepe tibiis anticis clypeatis, feminae elj'tris semi-
sulcatis aut totis striatis" (1801, Vol. 1, p. 257). Der Name senii-
striatiis ist bis in die neuere Zeit zur Unterscheidung der gefurchten
von der glatten juarghialis-^-Form. in Gebrauch geblieben, von ge-
legentlichen Rückfällen und Verwechselungen — Sulzer (1776, p. 60)
spricht die gefurchte Form des D. Icäissimus als c^, die glatte als
$ an — abgesehen, gewöhnte man sich aber seit Fabricius daran,
in den Elj'trenfurchen keine Art-, sondern Sexualcharaktere zu
sehen.
Die eben gewonnene Erkenntnis sollte noch einmal gefährdet
werden, als man Käfer auffand, die mit den (^(^ die glatten Flügel-
decken, mit den $$ das Fehlen der Haftscheiben gemeinsam hatten
und so zwischen beiden zu stehen schienen. Seltsamerweise hielt
man längere Zeit allgemein diese Zwischenformen für ^^. Damit
waren die ,.Kniescheiben" als sexuelle Privilegien gefallen (s. Rossius,
1790, p. 198—199) und wieder zu Artkennzeichen erhoben.-) Einzelne
Autoren (Doxxdorff, 1799, p. 726—727} hielten die patellenlosen
Exemplare auch für ,.selten vorkommende Spielarten" der (^^ oder
meinten, daß sie ihre Haftorgane ..defectu quodam natural!" ver-
loren hätten [Paylkull (1798, Vol. 1, p. 193)J. Müller, der Ent-
decker (s. Güze, 1775, p. 99 u. 1778, Vol. 2, p. 23 Anm.j dieser Rätsel-
formen ohne Haftscheiben, versichert dem bekannten Hamburger
1) 1775, p. 231, Zusatz: „An foeniina D. mnrginaUs?'-, s. aucli
Berkenhout, 1769, p. 109 D. seinistriatuü: „Is not this the feniale of
the last?" d. h, von l). marginalis.
2) A^gl. Brahm, 1791, i, p. 213 (u. Schwarz, 1793. p. 30-31). —
GÖZE, 17 75, p. !)9; 1781, p. 224 Anm. und 1777, p. 600.
14 Hans Blunck,
vStreittlieologen Göze, „dass selbige ihnen zur Zierde, und etwa zur
Bequemlichkeit, nicht aber, als unentbehrlich gegeben werden. . .
Daher ist es unstreitig, dass (da man keine Erfahrung hat, es auch
nicht zu vermuthen ist, dass sich die Tellerchen durch Zufälle ver-
löhren) Dytiscus marginales und semistriatus wahre Arten und nicht
nur verschiedenes Sexus sind" (s. a. 1776, p. 70). Forscher wie
Kossius (1790, p. 198—199), Brahm (1. c), Duftschmied (1804, Vol. 1,
p. 250), V. Paula Schränk (1798, p. 709) und Hummel (1822) ver-
breiten ähnliche Märchen. Licht kommt in die allgemeine Unklar-
heit (Schwarz, 1793, p. 30: „Ich finde mich ausser Stande, hierin zu
entscheiden") erst mit den Arbeiten Gyllenhal's. Der in allen
seinen Beobachtungen sehr zuverlässige nordische Naturforscher er-
kennt, daß die glatten Flügeldecken kein durchgreifender Sexual-
charakter der c^c^ sind, daß die „patellenlosen (J(^" der
Autoren vielmehr weibliches Geschlecht haben und daß
es Dijtiscus- kvien gibt, bei denen diese $$ neben den
furchentragenden vorkommen. Gyllenhal macht seine Ent-
deckung an Dytiscus lapponicus und D. marginalis. Er faßt die beiden
Weibchenformen als Varietäten auf und bezeichnet die glatten als
die seltneren mit „var. b" (1808, Vol. I, p. 467—468). Gleichzeitig
beschreibt Ahrens die glatten ?$ von D. circumcinctus (1810, p. 63),
Er bringt aber dadurch neue Verwirrung, daß er die ihm auch zu
Gesicht kommenden seltnen gefurchten $$ dieser Art als „zweifel-
hafte $$" zu D. marginalis stellt, von der landläufigen Ansicht ge-
leitet, daß einer Species nicht 2 Weibchenarten zukommen können.
Analoge Erwägungen mögen Kunze dann verleitet haben, Gyllenhal's
var. „b" von D. marginalis als selbständige Art D. conformis ab-
zutrennen und eine ganze Reihe von Charakteren zu konstruieren,
durch die sich ^,^ der Art von B. marginalis unterscheiden sollen
(1818, p. 58—60). Kunze's Vorgehen wairde das Zeichen, nun auch
die Varietäten der übrigen Arten als Species aufzufassen und mit
Namen zu belegen. Ahrens' zweifelhafte B. circumcinctus-^^ wurden
von Dejean zum B. circumscriptus (1821, 1. Ausg., p. 18), von Esch-
SCHOLTZ zum D. flavocinctus (s. Hummel, 1823, p. 17, No. 3) und von
Gyllenhal zum B. clubius (1827, Vol. 4, p. 372—373) erklärt. Die
var. „b" seines B. lapponicus taufte Gyllenhal B. septentrionalis
(p. 373). Zuletzt wurden die bei B. circumflexus neben den glatten
sehr selten vorkommenden gefurchten ?$ bekannt und von Serville
und BoisDuvAL u. Lacordaire unter den vielsagenden Namen B.
duhius (s. Dejean, 1. Ausg., p. 90, Aub^:, 1838, p. 111) und B. per-
Dytiscus niarginalis L. ||^
ple.nis flSBö, p. 3021 in den Rang: von Arten erhoben. Eine in Frank-
reich unter dem Namen Dyf/sms (■}n'in)idiirfus{Boi'?,i)\]VAh u.Lacohdairk
1835, \). 301) bekannte Art ist mit D. conformis Kunze identisch.
Die Autoritäten dieser Periode. Avie Sturm (1833. p. 1 — 26) und
AuBE (1836, p. 52—66 u. 1838, p. 106), können sich von der all-
gemeinen Verkennung des Sexualpolj^morphismus nicht frei machen.
Beide suchen und tinden für ihre problematischen D. conformif^-^^
Ai'tcharaktere, die sich indessen Aveder untereinander noch mit den
von Kunze aufgestellten in Einklang bringen lassen. Aube meint,
seine Auffassung über den Speciescharakter der von ihm unter-
schiedenen \2[\) Bijiiscus-Xr{%\{ nicht eher ändern zu können, als bis
auch für B. dimidiatus, D. latissimus und D. pundidahis glatte $9
gefunden sind (1836, p. 66). Kiebt ging so weit, die Dytiscinen
in die Gattungen Bijiiscus und Leiomtus zu spalten. Dißiscus sollte
die Arten mit gefurchten, Leionoius die mit glatten Weibchen um-
fassen (nach Schaum in: Zoologist, Vol. 5—6, 1847—1848, p. 1896).
Erst im Laufe der Jahre (s. Stephens, 1839. p. 77 und Zetter-
STEDT, 1837, p, 127), aber immerhin lange bevor Aube's Voraus-
setzung in Erfüllung ging (vgl. Vion, p. 74—76, 1882 Auffindung des
Dytiscus midinensis Fiori als der glatten Weibchenform des dimidiatus,
Kegimbart, 1905, p. 254—255), brach sich die von Gyllenhal ver-
tretene Anschauung Bahn. Gyllenhal hatte auch in seinen späteren
Werken an dem Charakter seines D. septentrionalis als Varietät des
D. lapponicus festgehalten (1827, Vol. 4, p. 373) und war dafür ein-
getreten, den D. duhius Gyllh. als gefurchte Varietät von D. cirmm-
cinctus Ahr. aufzufassen (1. c, p. 372—373). Das wesentliche Beweis-
moment Gyllenhal's, die ?? der neuen Arten würden von den ^(^
der Stammformen begattet (p. 373), wurde durch Erich son bestätigt
(1832, p. 30— 31j. Der um die Kenntnis der deutschen Fauna so
verdienstvolle Forscher berichtet auch von einer zwischen D. circum-
cinctus Ahr. $ und $ var. duhius Gyllh. durch Gyot aufgefundenen
Mittelform, ,.sulcis elytrorum punctisque obsolescentibus". Aur
Grund dieser Befunde schreibt er bereits in seiner Dissertation
„Genera Dj^ticorum*': „Equidem non possum, quin duas feminarum
formas eidem speciei esse censeam." Die Berechtigung der Auf-
fassung gewann bald an Wahrscheinlichkeit, weil man in anderen
Gattungen der Dytisciden, z.B. bei Jlydroporus us. Schaum, 1. c,
p. 1896j und Cyhister, auf ganz analoge Doppelformen der $$ stieß.
Als Darwin dann diese Verhältnisse zur Stütze der Lehre von der
sexuellen Zuchtwahl benutzte (s. a. 1871, p. 307) und die Aufmerk-
\{) Hans Bll'nck,
samkeit weiterer Kreise auf den Dytiscus lenkte,^) hatte sich die
seither nicht bestrittene Ansicht durchgesetzt, die Zwiegestalt der
weiblichen Flügeldecken des Dytiscus als einen Fall von sexuellem
Polymorphismus aufzufassen. Die Varietäten der $$ haben ihre
ehemaligen Artnamen zur Unterscheidung von den sogenannten
Stammformen beibehalten.
Bedeutende anatomische und physiologische Arbeiten sind aus
dem Zeitalter der systematischen Zoologie, w^o die anderen Diszi-
plinen unserer Wissenschaft selir stark in den Hintergrund traten,
auch in dem Gebiete der Entomologie fast gar nicht zu verzeichnen.
Erst als dank den Anregungen Cüviee's sich die Forschung von
der unfruchtbaren Specieszoologie abwandte, begann das Interesse
für vergleichende Insectenanatomie , Entwicklungsgeschichte und
Biologie stetig bis in die Neuzeit zu wachsen. In den coleopterologi-
schen Schriften hat Dytiscus aus naheliegenden Gründen immer eine
gewisse Eolle gespielt. Bei der Zusammenstellung des vorhandenen
Materials zeigt sich indessen, daß die Behandlung des Stoffes eine
höchst ungleichmäßige gewesen ist. Während das Studium der
Morphologie und der Geschlechtsorgane [vergl. die modernen fauni-
stisch-systematischen Werke, ferner die Arbeiten von Regimbaet,
ScHiÖDTE, DuEOUß (1825, Vol. 6, p. 150-206 u. 427—468), Stein
(1847), Verhoeff (1893, p. 113—170 u. 209— 260), Eschekich (1892,
p. 225—239 u. 1894, p. 620—641), Peytoueeau (1895), Bordas (1900)]
von verschiedenen Seiten in Angriff genommen wurde, während die
Kenntnis der Spermatogenese [Auerbach (1893, p. 185 — 203), Ballo-
wiTz (1895, p. 458—499), Schäfer (1907, p. 535—586), Henderson
(1907, p. 644-684)] und Oogenese [Korschelt (1886, p. 256—263
u. 1891, p. 1—154), Saint-Hilaire (1898), BruyxNe (1898, p. 181—300),
GiAEDiNA (1904, p. 114—173), Günthert (1910, p. 301—372)] zu
einem gewissen Abschluß gebracht wurde, lagen bis vor kurzem
über Muskulatur, Nervensystem [Imago: Brandt (1835), Cüviee
(1799—1805, Vol. 2, p. 337); Larve: Cüvier (1. c, p. 322); Histologie:
Pflücke (1896, p. 500—542), Tiraboschi (1899, p. 53—65 u. 143 bis
150)], Sinnesorgane [Geenacher (1879, Die Stemmata der Larve)],
Atmungsapparat [Dufoüe (1826, Vol. 8, p. 20 — 27), Krancher (1881)
und Poetiee (1909 u. 1911)], Corpus adiposum [Dufoue (p. 32)],
1) Vgl. BoiSDUVAL u. Lacordaiee, 1 8 35, p. 299. — Hebe, 18 38,
p. 143. — Schaum, 1. c. 1847. — Kiesenwettee, 1868, p. 118. ^ —
Peeudhomme, 1868 — 186 9. — Joseph, 18 7 0.
Dytiscus niarginalis L. j^y
Circulationssystem [Carus (1829) j, Darmkanal [Kamdohr (1809),
DuFOUR (1824. Vul. 8. p. 216), Bizzozero (1893), Boruas (1901, 2 pp.^
1906. 2 pp.\ Deegexer [Cijh/ste)', 1903)]: Larve (:\Iundbau) [.AIeinekt
(1779—1880), BuRGESs (1883, p. 223-228)] und Embryonalentwickluiig
[Deegener (1900, p. 113—168)] nur recht dürftige Angaben vor.
Diesem Mangel ist letzthin durch eine Anregung von Korschelt
Abhilfe geschatfen, der in IVIarburg eine Anzahl seiner Schüler mit
der Abfassung monographischer Arbeiten über die betreffenden
Organsj'steme betraut hat. Erschienen sind zurzeit: Euscher
(1910). Das Chitinskelet. A. Bauer (1910), Die Muskulatur, G. Hülste
(1910), Das Nervensystem, Rukgius (1911), Der Darmkanal, W. Alt
(1912), Das Respirationssystem, Demandt (1912), Die Geschlechts-
organe und Hochreuter (1912). Die Hautsinnesorgane, Günther
(19121, Die Augen, Oberle (1912), Das Blutgefäßsystem. Weitere
Arbeiten befinden sich zurzeit im Druck, so daß binnen kurzem
eine vollständige Monographiensammlung über den Dtjtiscus-Kör\)er
vorliegen dürfte. Das Studium der Embryonalentwicklung ist von
Korschelt selbst in Angriff genommen (vorläufige Ergebnisse publi-
ziert 1912).
Zum Gegenstand eingehenderer Studien sind früher bereits ver-
einzelte Gebiete der Physiologie geworden. Faivre (s. d. Arbeiten
1857—1875 u. vgl. auch Pompilian, 1900, p. 141—144) hat das Nerven-
system des Dytiscus monographisch, aber unvollständig bearbeitet. Ob
die Aufsätze auf genügende anatomische Vorkenntnisse gegründet
sind, lasse ich dahingestellt. Nagel (1894) lieferte in seiner glänzend
geschriebenen Preisschrift wichtige Beiträge zur Kenntnis der Phy-
siologie des chemischen Sinnes. Portier (1909 u. 1911) stellte
physiko-chemische Experimente über den Respirations- und Ver-
dauungsvorgang bei Imago und Larve an. Rungius (1911j schrieb
über die physiologische Bedeutung des Kaumagens und wies auf
eigentümliche Beziehungen zwischen der Rectalampulle und dem
Häutungsprozeß der Larve hin (1910). Plateau (1872) arbeitete
vergleichend physiologisch über den Einfluß schädigender Reagenzien
auf Wasserkäfer, vor allem über ihre \\'iderstandskralt gegen Salz-
lösungen, Kohlensäure und Sauerstoffmangel. Dierckx (1898, p. 15—19
u. 1899, p. 61—176) gab uns eine Monographie über die Pygidialdrüsen
und ihre Funktion bei Carabiden und Dytisciden. PlatexVU (1874) und
Blunck (1912) beschäftigten sich mit der Untersuchung des Prothoracal-
drüsensecrets. Lowke (1871, p. 267—271), Simmermacher (1884,
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 2
18 Hans Blunck,
p. 482—497, Dahl ^) (1885), Törne (1910) und Blunck (1912) er-
forscliten Bau und Wirkungsweise der Haftscheiben. Nagel (1896)
und Reeker (1897, p. 68—73) kamen zu interessanten, durch Portier
später (1909 u. 1911) weiter ausgebauten Entdeckungen beim Studium
des Speichels der Dytisciis-LhYYe.
Eine außerordentlich große Autorenzahl hat sich mit der Öcologie
des Dytiscus beschäftigt. Es liegt indessen im Wesen dieser Wissen-
schaft, die mehr als jede andere von Zufallsbeobachtungen abhängig
ist, daß die gelieferten Beiträge sich nur selten über den Wert von
Aphorismen erheben und in ihrer Zuverlässigkeit schwer zu prüfen
sind. Dazu kommt, daß in der Blütezeit der vergleichenden Anatomie
die Biologie lange ein Stiefkind unserer Wissenschaft gewesen ist.
Man mußte ihre Förderer in den Laienkreisen suchen. Da die
Hilfsmittel zum Studium der Geologie im Vergleich zur Anatomie
und Entwicklungsgeschichte im Laufe der Jahre sich nicht wesent-
lich geändert haben, besitzen die weiter zurückliegenden Beobachtungen
den gleichen absoluten Wert wie die neueren. Der Biologe hat die
ältere und moderne Literatur gleichmäßig zu berücksichtigen.
Die wertvollen Angaben über die Lebensgewohnheiten, die
geographische Verbreitung usw. des Gelbrands sind so zerstreut und
schwer zugänglich, daß sie zum großen Teil für uns verloren sind.
Viel brauchbares Material ist in Kirby u. Spence's Introduction to
Entomology (5. ed. 1828) niedergelegt und in den vorzüglichen Hand-
büchern Burmeister's (1832) und Lacordaiee's (1834 — 1838) wieder-
zufinden. Sharp (1880—1882, p. 179—1003) gab eine umfassende
monographische Bearbeitung der Dytisciden vom sj^stematisch-
geographischen Standpunkt aus und stellte vergleichend-statistische
Untersuchungen (1876) über die Atmung des Gelbrands an. Du
Bois-Retmond (1898, p. 378—381) analysierte die Atembewegungen.
1) Diese unter dem Titel „Die Fußdrüsen der Insekten" publizierte
Bearbeitung der Haftscheiben des Dytiscus- war mir leider zur Zeit der
Abfassung meines Aufsatzes „Beitrag zur Kenntnis der Morphologie und
Physiologie der Haftscheiben von Dijtiscus tnarginalis L." noch unbekannt.
Die Arbeit ist, wahrscheinlich wegen ihres ungewohnten Titels, auch allen
übrigen Bearbeitern des einschlägigen Gebietes fremd geblieben, obwohl
sie wegen ihrer recht guten Figuren alle Beachtung verdient. In der
Deutung der histologischen Verhältnisse steht Dahl allerdings allein da.
Er faßt die von mir als Palissadenepithel bezeichneten Zellen als Haft-
drüsen auf, die ihr Secret durch die Palissadenschicht in den Stiel des
Saugnapfes ergießen sollen. Wir halten demgegenüber daran fest, daß
der Saugnapf inkl. Stiel beim erwachsenen Käfer duchaus massiv ist.
Dytiscus marginalis L. jq
Wesenberg- Li NU (1910—1911) studierte die Respiratioiisveiliältnisse
des Käfers während des Aufenthalts unter dem Eise. Reeker (1890,
p. 105—112) maclite die Tonapparate der Dytisciden zum Gegenstand
einer größeren Abhandlung. Die mit dem Fluge des Käfers zu-
sammenhängenden Phänomene fanden in Isexschmid (1876, p, 121)
und Griffini (1896, p. 326—331) ihre Bearbeiter. Walter (1899)
und Wanke (1902, p. 340—343 und 1906, p. 310-311) beleuchteten
die Tätigkeit des Gelbrands als Brutschädling. Regimbart, unser
vorzüglichster Dytiscidenkenner, schilderte exakt und anschaulich
Begattung und Eiablage (1877, p. 263—274 und 1874, p. 201—206),
während Leydig (1891, p. 37—55) dem von Reiche entdeckten (1867,
1). III, IX u. X) Begattungszeichen eine besondere Abhandlung
widmete. Meinert (1901, p. 341 — 440) lieferte eine Monographie
der Dytisciden-Larven. Megusar (1907) hemitzte Dytiscus zu aus-
gedehnten Regenerationsarbeiten (s. a. Blunck, 1909). Darwin (1871),
Heer (1847 u. 1862, p. 1—90), Preudhomme (1868—1869, p. 107—111
und 1869—1870, p. 13—16), Joseph (1870), Kiesenwetter (1873,
p. 227—235), Camerano (1880, p. 531—539), Sahlberg (1880,
p. 166 — 167) und Simmermacher (1884, p. 497 — 504), Wesenberg-
LuND (1912, p. 74—80) versuchten sich an der biologischen und de-
szendenztheoretischen Deutung der Flügeldeckenfurchen, nicht ohne
sich teilweise in phantastische Spekulationen zu verlieren. Herr-
mann (1902, p. 11—13), Bade (1900, p. 428-430 und 1902, p. 3—6),
ülmer (1903, p. 71—73, 89—91 u. 105—106), Haupt (1905, p. 357—359
u. 1907), Reuss (1906, p. 261—267), Kuhnt (1908), Burgess Sopp
(1905 etc.) und Miall (1912) verööentlichten in den letzten Jahren
eine Anzahl zusammenfassender Aufsätze, die, auf Liebhaber- und
wirtschaftliche Interessen zugeschnitten, in erster Linie die Meta-
morphose behandeln. Letzthin gab A\'esenberg-Lunu (1912) die Er-
gebnisse seiner „biologischen Studien über Dytisciden" heraus. Diese
Arbeit muß als die vollständigste und umfassendste aller zur Zeit
vorliegenden Aufsätze über das einschlägige Gebiet bezeichnet
werden. Paarung, Eiablage, Lai'venleben, Verpuppung, Überwinterung,
Alter, Hydrostatik, Flug, Sprungbewegungen und Respiration bilden
die Hauptgegenstände der Darstellung. Eine Bearbeitung der ge-
samten Geologie des Dytiscus ist vom Verfasser dieses Aufsatzes in
Angritf genommen und erscheint in einer Reihe von Aufsätzen, z. T.
mit dem Untertitel: Beiträge zur Biologie von Dytiscus marginalis L.
Zurzeit liegen im Druck vor: Die Begattung (1912, p. 169—248). Die
Eiablage (1912, p. 157—179), Bau und Funktion der Haftscheiben (1912,
20 Hans Bi.unck,
p. 459—492). die Schreckdrüsen (1. Teil 1912, p. 493—508) und ein
kleinerer Aufsatz über das Eegenerationsvermögen der Larve (1909).
Weitere Kapitel befinden sich in Vorbereitung; das ganze Werk dürfte
Anfang 1914 abgeschlossen sein.
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l>ytiscns inara^iualis L. 3|
Paläontologische Fuude.
Die ältesten Käferfunde der Paläontolog-ie entstammen der Trias-
formatiou, während blattoidenähnliche Formen, die wir nach Hand-
LiRSCH (1908, p, 1274) als die Vorfahren der Coleopteren betrachten
dürfen, bis ins Paläozoikum und zu den ursprüngliclisten uns be-
kannten Insectenresten, den libellenähnlichen Paläodictyopteren
zurückreichen. Eine Einreihung der triasischen Käfer in rezente
Familien gelingt nicht. Es handelt sich, soweit erkennbar, durch-
weg um sehr primitive Formen, in die man mit gleichem Recht
einen Carabiden wie einen Schwimmkäfer, Tenebrioniden oder Chryso-
meliden hineindeuten kann. Die Sonderung in die beiden durch den
Bau der Hoden und Ovarien usw. heut so scharf geschiedenen Familien-
reihen der Adephagen und Polj'phageu scheint damals sich gerade
anzubahnen. Ausgeprägtere Typen, die auch der Lias noch fehlen,
finden sich erst im Malm, wo sich Carabiden, Hydrophiliden, Elateriden
und Buprestiden mit ziemlicher Sicherheit nachweisen lassen. Ob
einige als Dytisciden beschriebene Formen, wie Colymhetopsis arcuatus
Heer, wirklich in diese Familie zu rechnen sind, ist nach Hand-
LiRscH (1. c, p. 445) höchst zweifelhaft. Die 3,5 mm lange Flügel-
decke des „Dijtiscus'-' Westwood's (1854 in : Quart. Journ. geol. Soc.
London, Vol. 10, p. 382, 394, tab. 15, fig. 13) aus dem mittleren Purbeck
zu Dorset in England kann weder einem Dytiscus noch einem Hydro-
■pliüm zugeschrieben werden. Von einem dritten jurassischen Käfer-
rest, dem Dytiscus lentissimus Weyexbergh's (1874 in : Period. Zool.,
Vol. 1, p. 101), existiert weder eine Figur noch eine Beschreibung.
Auch aus der an Insectenresten armen Kreide paßt kein Fund-
stück auf einen Dytisciden, und erst das Tertiär bringt unter den
2000 bislang bekannt gewordenen Käferarten, die sich durch ihren
vorzüglichen Erhaltungszustand auszeichnen, 30 unverkennbare Ver-
treter der Familie, von denen sich die meisten zwanglos rezenten
Gattungen einreihen. Außer einem Pelobius, 2 Stück Hydroporus,
32
Hans Blunck,
2 Stück Laccopliilus, 2 Stück Cohjmhetes, einem Ihjhius, 3 Stück Agahus
und 3 Stück Cyhister finden sich 6 Exemplare des Genus Dytismis,
die sich auf Oligocän und Miocän verteilen. Es handelt sich zumeist
um Funde von Flügeldecken, unter denen sich neben einer größeren
Anzahl gefurchter (s. Fig. Eb, c u. d) ein glattes Stück (s. Fig. Ea)
befindet (Heer, 1862, p. 36). Durch stattliche Größe — die Elytren
messen 80 mm und mehr — und abweichende Verteilung der Furchen
unterscheiden sich die tertiären Species von den rezenten. Die von
Hebe (1847) und Heyden (1862) vorgenommene Aufstellung besonderer
Arten erscheint daher berechtigt. Geographisch entfallen die Funde
auf Deutschland, England und Frankreich und zwar auf Oeningen in
I
Fig. E. Glatte und gefurchte Flügeldecken von tertiären Dytiscinen aus dem
oberen Miocän Oeningens in Baden. Nach Hebe. 1847, tab. 1, fig. 6 und
1862, tab. 2, fig. 12—14.
Baden [Heee, 1847 1). oeningensis (Vol. 1, p. 26, tab. 1, fig. 7) und
B. lavateri (Vol. 1, p. 24, tab. 1, fig. 6)], Höhngau (D. avunculm
Heyden, 1862, Vol. 10, p. 81, tab. 10, fig. 39), Rheinlande (Goldfuss,
in: Verh. Leop. Carol. Akad., Vol. 7, p. 118, 1831), Wight (Woodwakd,
1877, p. 89) und Aix in der Provence (Seeres, Geognos. terr. tert,,
p. 221, 1829).
Aus dem Tertiär scheint uns außerdem ein ontogenetisches Ent-
wicklungsstadium der Dytisciden erhalten zu sein. Geemar (1837,
Fase. 19, tab. 1) gibt die Abbildung einer im oberen Olygocän des
Siebengebirges gefundenen „i)?//isci<s" -Larve. Das nur etwa 2 cm
messende Tier (s. Fig. F) ist gut konserviert und in allen Teilen einer
jungen Gelbrandlarve recht ähnlich. Vor allem deutet das lange Hinter-
bein auf eine schwimmende Lebensweise hin. Am Kopf treten die
Dytiscus niargiuiiliü L. ;^3
für Dijtiscits so cliaiakteiistiseheii zaiigenfürniioen Maiidibelii lieivor.
Abweichend von den i-ezenten Formen ist der Kopf Gestaltet, der
durch seine wenig abgeplattete Gestalt an den Carabidentypus er-
innert.
Das Quarttär liefert 40 Dytisciden. vornehmlich Vertreter der
Gattungen Hydroporus (13), Coelamhus (10) und Äfjahns (8), daneben
Bhautus, Cohjmhetes, AciliHS und 4 Stück
Dißfiscufi. von denen eine dem unteren Plei-
stocäu entstammende Form mit der rezenten
Species D. Idpimnicus Gyllenh. identisch
sein soll (Lommcki. 1894, Mus. Dziedusz.,
^'ol. 4. p. 57. tab. 5, fig-. 45). Interessant
ist. daß diese Art heute nur die skandi-
navischen Länder und die Westalpen be-
\\ohnt, während das Fossil zu Boryslaw in
(ializien freigelegt wurde. Der Vollständig- pj^, j^. Tertiäie Dyd^cideu-
keit halber sei hinzugefügt, daß die 3 rest- Larve ans dem Oligocäu des
,. , , .. r^ ^- • • nr 1 1 • Sieben fifebirofes. Nach Ger-
lichen quarternaren Dytisci in Moria bei jj^^ i837, Fase. 19 tab 1.
Bergamo, Italien (D. zersii Sordelli, 1882,
p. 233—235), im diluvialen Klinger Torf, Brandenburg (Schaff,
1892. p. 9) und in Crofthead in Schottland (Bell, 1888, p. 2) gefunden
wurden.
Systematisches.
I. Die systematische Stellung der Dytisciden.
\\'iederholt ist von selten der Autoren die Frage nach den Ver-
wandtschaftsbeziehungen der Dytisciden zu anderen
Familien in Angriff genommen. Die an den Aufenthalt im Wasser
gebundenen Coleopteren gliedern sich nach ihrer Zugehörigkeit zu
den Adephagen oder Polyphagen von vornherein in zwei streng von-
einander geschiedene Gruppen, von denen die eine die Dytisciden,
(TjTiniden. Halipliden. Pelobiiden und Amphizoiden umfaßt, während
die andere auf die Hydrophiliden beschränkt ist. Die Ähnlichkeit
im Habitus mancher Dytisciden mit Hydrophiliden ist eine durch
das beiden gerneinsame Wasserleben bedingte Konvergenzerscheinung.
Den Gelbrand als ,.nahen Verwandten*' des Kolbenwasserkäfers zu
bezeichnen, wie in populären Schriften und Schullehrbüchern zu lesen
ist, erscheint daher ebensowenig berechtigt wie ein Versuch, Carahna
und Blaps zusammenzustellen, denen auch die Ähnlichkeit der Lebens-
Zoül. .Jahrb. XX.W. Abt. f. Syst. 3
34 Hans Blunck.
weise manchen g-emeinsamen Charakterzug- aufgeprägt hat. Dytis-
ciden und Hydrophiliden stehen stammesgeschichtlich
so fern wie kaum zwei andere Käferfamilien. Dagegen
scheinen alle Adephagen des Wassers mit den D^^tisciden ziemlicli
eng zusammenzugehören und ohne große Spränge zu den land-
bewohnenden Familien derselben Gruppe überzuleiten. Wahrschein-
lich stammen die Dytisciden von niedrig stehenden Caraboiden des
Landes ab. Kolbe (1880, p. 258—280) meint, mit der umgekehrten
Entwicklung rechnen zu müssen. Die vergleichend anatomischen
Untersuchungen von Schaum (1868, p. 259), Mayee (1876, p. 147),
Shakp (1881, p. 967—972) und Verhoeff (1893, p. 156) weisen in-
dessen übereinstimmend die mehr ursprüngliche Organisation der
Landkäfer gegenüber den Schwimmkäfern nach und zwingen zu der
Annahme, daß bereits die Vorfahren der rezenten Käfer rein terricol
waren. Handlirsch (1908, p. 1273) legt, wie mir scheint mit Recht,
besonderes Gewicht darauf, daß alle wasserlebenden Imagines der
Coleopteren ausnahmslos die für die Landbewohner charakteristischen
oifenen Stigmen besitzen und sich ihre Atemluft stets an der Ober-
tläche des Wassers holen. Das gleiche gilt auch für die Mehrzahl
ihrer Larven, und die wenigen durch Kiemen atmenden Ausnahmen,
wie Gyrinus, PeloMus und Cnemidotus, haben diese zweifellos erst
sekundär und unabhängig voneinander erworben. Das Gegenargument,
daß zur Zeit des Auftretens der ersten Käfer die Bedingungen für
ein Landleben nicht erfüllt gewesen wären, findet in den geologischen
Forschungsergebnissen und in den paläontologischen Funden keine
Stütze. Zwar scheinen die Urinsecten des Paläozoikums eine amphi-
biotische Lebensweise geführt zu haben, ein Teil ihrer Nachkommen
ist indessen bereits im Perm dauernd aufs Land übergesiedelt, und
die blattoidenähnlichen Vorfahren der Käfer waren zweifellos echte
terricole Tiere. Wir dürften daher nicht fehlgehen, wenn wir mit
Schaum, Mayer, Needham u. von Williamson (1907, p. 482), Kuhnt
(1908, p. 134) und Handlirsch die W a s s e r k ä f e r für sekundäre
Amphibiotica erklären und annehmen, daß die Dytisciden
mit den kleinen Familien der Halipliden, Pelobiiden
und A m p h i z 0 i d e n aus einer gemeinsamen Wurzel im
Stamm der Caraboidea entspringen. Da die Amphizoiden
noch normale Gangbeine und ursprüngliche (blattoide) Larven be-
sitzen, dürfte diese Gruppe als das Bindeglied zAvischen der Dytis-
cidenreihe und niedrig stehenden Carabiden anzusprechen sein. Ob
die Gyriniden, wie Handlirsch meint, den eigentlichen Dytisciden
Dytiscus niarginalis L.
85
fcß
4}
>
er
o
3*
3(3 Hans Bll-nck,
näher stehen als die übrigen genannten Familien und sich von ihnen
erst später abgetrennt haben, muß vor der Hand wohl zweifelhaft
bleiben. Die äußerst aberrante Form der Augen, Fühler und Beine
und mit letzteren im Zusammenhang die auffallende Gestaltung der
sternalen Thoraxpartien entfernt die Taumelkäfer doch recht weit
von den echten Schwimmern.
IL Die Stellung des J)t/tiscus unter den Dytlscideu und die
geographische Verbreitung der Gattung.
Die Stellung der Gattung in der Familie sei hier kurz dahin
präzisiert, daß die Dytisciden in 5 Gattungsgruppen zerfallen,
unter denen Dytiscus den Haupttypus des Tribus Dytiscini darstellt.
Als seine nächsten Verwandten gelten Hydaticus, Graphoderes, Acilins
und Ctßister. Die 22 bekannt gewordenen Dytiscus- Aitei\ sind auf
die paläarktische und nearktische Region beschränkt (ßEiTTER, 1909,
p. 45), zeigen also eine weniger ausgedehnte Verbreitung als die
zweite große Dytiscinengattung Cybister. Die Gebiete, in denen
Dytiscus bislang nachgewiesen wurde, sind in der Karte A dunkel
gehalten und durch eine punktierte Linie begrenzt. Die amerikani-
schen Formen sind zum großen Teil mit denen der alten Welt nicht
identisch, aber mit ihnen sehr nahe verwandt (Crotch, 1873, p. 406
bis 408). Aus Ost-Amerika wurden 6 Arten bekannt, zu denen sich
noch 5 aus den übrigen Teilen des Kontinents gesellen (Robeets,
1905, p. 103—107). Die 8 europäischen Species, die zum Teil nach
Asien, Nord-Afrika und Amerika übergreifen sollen, kommen mit
einer Ausnahme (D. pisanus Lap. Gast., nach Ganglbauer [1892,
p. 515] im westlichen Mittelmeergebiet) sämtlich in Deutschland
vor. Sie seien an der Hand der ßestimmungstabellen Regimbaet's
(1877j, Ganglbauer's (I.e., p. 512-516) und Reitter's (1908, p. 232
bis 233) und auf Grund eigener Befunde näher charakterisiert.
III. Allgemeine Charaktere der Gattung Dt/tiscus,
Körper groß (24—44 mm\ langoval, flachgewölbt. Verhältnis
der Länge zur Breite und Höhe wie 6:3:2 (latissimus 6:4:2).
Oberseite bis auf den gelben Clypeus, einen rötlichen Stirnfleck und
den gelben Seitenrand des Halsschildes und der Flügeldecken grün,
braun oder schwarz. Unterseite nebst Extremitäten gelb bis braun,
nur bei puncttdatus zum großen Teil schwarz. 2. Fühlerglied kurz.
Halsschild ungerandet. Der von den Epipleuren überdeckte, doisal
Dytiscus margiiialis L. 37
umgeschlagene Seitenrand des 1. Sternits grob quergeriltelt. Stigmen
des 7. und 8. Tergits sehr groß, breit, querelliptisch. Thoracal-
extremitäten beim ^Männchen länger als beim Weibchen und kräftiger;
Fühler beim Männchen schlanker. Schienen und Tarsen aller drei
Beinpaare in beiden Geschlechtern am Außenrande mit langen
Sclnvinimhaaren. Hinterschienen und Tarsen beim Männchen auch
am Innenrande bewimpert. Hinterschenkel mit langen, klüftigen,
ungleich langen Endspornen. Hinterklauen klein, gleichlang. Aus
den drei ei'sten Tarsalgliedern der Vorderbeine gebildete Saug-
scheibe des ]\Iännchens kreisrund, am Kande dicht bewimpert, Unter-
seite mit zahlreichen, langgestielten kleinen Haftnäpfen besetzt.
Zwei größere Näpfe auf dem 1. Glied. Die B verbreiterten Tarsal-
glieder der Mittelbeine ebenfalls mit vielen, dichtgedrängt stehen-
den Näpfen auf der Unterseite besetzt. Flügeldecken beim Männchen
stets glatt, nur 3 feine weitpunktierte Längslinien auf der Fläche,
beim Weibchen außerdem mit 10 über die Mitte reichenden, tiefen,
parallelen Längsfurchen. Daneben bei den meisten Arten nnge-
furchte Weibchen. Männchen im Diii-clisclmitt etwas größer als die
\\'eibchen.
IV. Die europäischen Vertreter der Gattung Z>t/tfs<-Ks L., ihre
Synonyma, Speciescharaktere und Faunistik.
Subgen. Di/tiscus in spe.
Species JDf/tiscus latissiinus Linxe.
Di/tisi:i(s latis.sinnis Lixne, 1858, p. 411, O aiiipllssiDnis MtJLLEE, 1776,
p. 69, annslomo'X''ins Well. Jacquins, Miscell. , Vol. 2. p. 386,
tab. 23, fig. 3.
Sehr breit eiförmig. Scharfkantiger Seitenrand der Flügeldecken
stark verbreitert und flach abgesetzt. Oberseite schwarzgrün, Clypeus,
Mund. Fühler, Ränder des Halsschildes gelb. \\'inkliger Stirnfleck,
Vorderecken der Stirn und Fleck auf dem Schildchen rötlich. Flügel-
decken innerhalb des abgesetzten, dunklen, nur am Außenrand gelb
durchscheinenden Seitenrandes mit einem gelben Seitenstreifen und
vor der Spitze mit einer gelben Querbinde. Unterseite samt Beinen
rotgelb. Oberlippe kaum ausgerandet. Fortsätze der Hinterhüften
(s. Fig. H a) zugespitzt. Oberseite des Männchens glänzend, des ^^'eib-
chens matt und fein punktiert, am dichtesten in den Zwischenräumen
der Elytrenfurchen. Diese fast bis zum Hinterrand der p]lytren
38 Hans Blunck,
reicliend und im Grund gelb, der 8. Zwischenraum nach hinten ver-
kürzt oder unterbrochen (Fig-. Ga). Formel der Saugnäpfe an den
Haftscheiben der Männchen:
nach SiMMERMACHER (1884) ')
Vordertarsus 1. Glied 200 Stck.
2.
»
600
3.
»
700
Mittel tarsus 1.
??
750
2.
ji
750
3.
r
750
1500 X 2 = 3000
7500 Stück.-)
2250 X 2 = 4500
Länge 36—44 mm, Breite 25 — 26 mm.
Nord- und Mitteleuropa in großen Fischteichen, nach Sturm
(1834, p. 7) vorzüglich in Waldteichen. Im allgemeinen selten, da-
gegen bei Rosenberg in Westpreußen (Reitter, 1908, p. 232) ziem-
lich häufig (s. Karte B: ). ^)
Subgen. 3Iacroclytes Thoms.
Species Dfjtisctis lapponic^is Gyllh.
Di/tiseiis lapponkus Gyllh. 1827, Vol. 1, p. 468.
— ah disjiindus Cammerano 1880, p. 120.
Langoval. Oben dunkelbraun bis tiefolivgrün. Clypeus und
Mund gelb. Umkreis der Augen und winkliger Stirnfleck gelbrot.
Halsschild sehr breit gelb gesäumt, bei ah. disjunäus gelb mit 3
schwarzen Flecken auf der Scheibe. Schildchen, Rand der Elytren,
eine undeutliche Querbinde an der Spitze und etwa 20 feine, punk-
tierte, ziemlich deutliche Längslinien , die in Beziehung zu den
Furchen der Weibchen zu stehen scheinen, gelb. Unterseite und
Extremitäten gelb bis gelbbraun. Ein dreieckiger Fleck am Vorder-
1) Die Zabl der Haftnäpfe schwankt individuell nur wenig, differiert
aber bei den verschiedenen Species so stark, daß sie bei Bestimmung der
Art Dienste leisten kann.
2) Chatanay (1910, p. 451) gibt die Zahl auf etwa 5000 an, in
diesem Falle bestätigte aber meine Nachprüfung Simmermacher's Befund.
'6) Die Karte B gibt die Verbreitung der D/jtiscus- Arten in Europa
und Nachbargebieten an und ist an der Hand dei- mir zugänglichen fauni-
ßtischen Angaben aufgestellt worden. Die westlichen Verbreitungsgrenzen
sind noch ziemlich unsicher. Das gleiche gilt für das wenig durchforschte
Spanien.
Dytiscus niaiginalis L.
H9
raiid lies '2. und H. Sternits schwarz. Die anderen Seg'niente und
das .Metasternuni mehr oder minder schwarz gefleckt. Obei-lippe in
der Mitte ausgebuchtet. Coxalapophysen der Hinterbeine in nadel-
scharfe, innen konkave, nach hinten divergierende Spitzen ausgezogen.
a 1) c (l
lafisxitutis L. hiiipotiicns GYj.r.n. cu-cu)»flexnsFABR. drcuMcinrfiis \hB.
e f C h
marginaUs L. ;;isn;n(S Delapoutk-Uast. dimidiaUis Bvmg^xix. puiictnUitusFxv.n.
Fig. G. Elytreu gefurchter Weibchen der europäisclieu Dyiiscus-S\)ede^.
Die Furcheu sind schwarz gehalten. 2 : 1.
Hass Bi.tiNCK. Dytisciis inar^iualis L.
Karte B: Die geographische Verbreitung der europäischen Species von Dytiscus.
42
Hans Blunck.
Von der P^.inkerbuiio- bis zur Spitze so lang- wie an der Einkerbung
breit (s. Fig. Hb). Prothorax beim Männchen glatt, g-länzend, beim
Weibchen matt, dicht punktiert. Flügeldecken beim Männchen, ab-
gesehen von den Punkten der gelben Längslinien, glatt und nur im
hintersten Drittel grob weitläufig punktiert, beim Weibchen mit 10
bis ins letzte Diittel reichenden, gelbgrundigen, grobpunktierten
Furchen (Fig. Gb) und zahlreichen, sehr feinen, über die ganze
Fläche verteilten Punkten. Formel der Haftnäpfe an den Saug-
scheiben der Männchen fnacli eigener Zählung):
Vt. 1. Gl.
" 265 (220—250) i) X 2 -= 530 1
Mt.
00
90
120
300 (350)
250 (225)
230 (200)
780 (750—800) X 2 = 1560
2090
Länge 22—30 mm, Breite 12 — 16 mm.
latissinms L.
b c d
l(t])poiiicm Ctyllh. circnmpextis Fabb. cit-cnmcinctHsAnR.
. e f g h
marginalis L. ^^J.sajnisDELAFORTE-CAST. dimidiatns B-ergsir. ^;imcfK?a^ns Fabr.
Fig. H. Gestalt der Metacoxalapopbysen bei den europäischen Di/tisciis- krteii.
3:1.
1) Die in Klammern beigefügten Zahlen Itezeichnen die von Chatanay
(1910) gemachten Angaben.
Dytiscus niaisiiialis L. 43
$ vav, septentvionalis Gyllh. (1827, Vol. 4. \). 873).
Mit un^efurchten, aber matter als beim Männchen glänzenden
Flüg-eldecken. Halsscliild fein, weitläutig- luinktiert. Elytren gegen
die ^Spitze dichter punktiert als beim jAIännchen.
Nord-Europa, Nord-Deutschland (nach Bach. 1851, p. 99, im Len-
sahner Teich bei Eutin in großer Menge), Sibirien, W'estalpen |s.
Regimbart (1898, p. 318— 319)] (s. Karte B: -),
nach Deville (1904, p. 181—208) auch in Frankreich.
Species Df/tlscus circtnnflexas Fabr.
Dytiscus circumflexus Fabr. (1801, Vol. 1, p. 258); flavo-
scutellatus Latr. (1806, Vol. 1. p. 331); flammacAdatus Curtis (1825,
Vol. 1, p. 99); excrucians Steph. in: Zool. Journ.. Vol. 3.
Langoval, schmäler als die übrigen Arten. Oben braun bis
schön oÜA'grün. Clypeus und Mund gelb, die Vorderecken der Stirn
und ein winkliger Stirnfleck rötlich. Das relativ kleine Halsschild
allseitig mäßig breit gelb gerandet. Die Seiten der Flügeldecken
und ein verwaschener Querstreif an der Basis, sowie ein Fleck auf
dem Schildchen gelb. Unterseite und Extremitäten bleichgelb bis
gelbbraun. Die Mitte des Sternums schwarzbraun. Alle sternalen
Segmente schwarz gerandet, die vorderen Abdominalsternite zuweilen
jederseits an der Basis mit einer mehr oder minder ausgedehnten
schwarzen Querbinde. Oberlippe ausgebuchtet. Hintercoxalfortsätze
in sehr lange, nadelscharfe, am Innenrande konkave Spitzen aus-
gezogen. Diese von der Einkerbung bis zur Spitze länger als der
Fortsatz an der Einkerbung breit (Fig. Hc). 6 oben glänzend, Flügel-
decken gegen die Spitze zu weitläufig punktiert. ? ebenfalls glatt
aber weniger glänzend. Halsschild sehr fein und weitläufig punktiert.
Formel der Saugnäpfe an den Haftscheiben des Männchens
(nach eigenen Befunden; die von Simmermacher für die Vorder-
beine gegebenen Zahlen sind zu niedrig gegriffen):
Vt. 1. Gl. 70 (47) j
2. ,. 180 (120-130 480 (310—320) X 2 = 960
3. ,, 230 (ca. 140) ) ( 3.^.^0
Mt. 1. ,. 400 j
2. „ ca 350 1130 X 2 = 2260
3. „ ca. 380 J
Länge 26— 34 mm. Breite 15—17 mm.
44 Hans Blunck,
$ i-dr.dtiOins Serville (1830, 1. ed., p. 90j '); perjjlexus Lac.
BoisDuvAL et Lacordaire (1835, p. 302).
Matter als die glatte Form. Mit ziemlich kräftig und dicht
punktiertem Halsschild. Flüg-eldecken (Fig. Gc) in den beiden ersten
Dritteln gefurcht, zwischen den Furchen fein, hinten kräftig und
dicht punktiert. Die Furchen nehmen von der Mitte nach den Seiten
des Körpers zu an Länge ab, so daß die dem Rande zunächst
liegenden nur eben die .Alitte der Elytren erreichen. Suturalfurche
fast so lang wie die folgende.
Mitteleuropa, vorzüglich aber Mittelmeergebiet inkl. Nord-Afrika.
Nach Sopp im Norden breiter und dunkler als in Spanien, Algier etc.
Die gefurchte Form sehr selten, (nach Sopp im Norden häufiger (?)
(s. Karte B ).
1) Die als gültig geltenden Namen der gefurchten Weibchenvatietäten
von (■ircumchictus und circiunflcxus müßten bei strenger Befolgung unserer
modernen Nomenklaturregeln (1904 und 1905) eine Korrektur erfahren.
Die gefurchte Abart von (■ireimichidus geht beute unter dem von Gyllenhal
1827 in der Fauna Suecica, Vol. 4, p. 372— 373 aufgestellten Namen
D. (luhins. Der Käfer wurde indessen vor 1827 bereits zweimal benannt,
1821 von Dejean im Catalogue des coleoptere?, 1. Ausg., p. 18: D.
circxu/.scripins und 1823 bei HuMMEL in seinen Essais Entomologiques,
3. Teil, p. 17: D. flavorinctKs. Während der erste Name von keiner
Kennzeichnung begleitet ist — eine solche wurde erst 1835 von BoiS-
DUVAL u. Lacordaire (Faun, entomol. Paris, p. 300) nachgeliefert — und
daher gemäß Art. 25 der internationalen Regeln verworfen werden muß,
genügt die von EsCHHOLTZ aufgestellte und von Hummel in Begleitung
einer Kennzeichnung veröffentlichte Bezeichnung flavocinctus unseren
Nomenklaturgesetzen. Die gefurchte Varietät der Weibchen
von D y t i s c u s cir cum ei actus A H R. hätte also dem P r i o r i t ä t s -
gesetz entsprechend den Namen Dytiscus (Macrodt/tßs)
(■ ircuvi ciuclifs $ var. flavocinctus HuMMEL zu führen.
Für die entsprechende Varietät von D. circninßexiis sind die beiden
Benennungen dvhnis Serville (Faun., p. 90, 1830) und 'perplcxus Bois-
DUVAL et LaCOBDAIEE (Faun. Ent. Paris p. 305?, p. 1835) aufgestellt,
von denen der Name perplexus bislang vorgev!,^5en wurde, weil die Be-
zeichnung duhius für die gefurchte Varietät von circuDicinctus vergeben
war. Da der letzte Namen nach dem oben Gesagten zugunsten von
flarocinctus bei circunicbidus zu verwerfen wäre, würde die Benennung
dubins wieder frei und wäre als die ältere auf Grund des Artikels 25 der
internationalen Regeln bei D. cireuviflexus der Bezeichnung jierjdexus vor-
zuziehen. Die gefurchte Varietät der Weibchen von Dijtiscns
eircnmflcxu.s ¥ KBR. hätte also den N am e n Z>// / /\r; ?<.s' (.liocro-
d Utes) cir cum f lex US 5 vor. du h ins Seeville zu führen.
Dyti.-<cu.s uiargiiialis L. 45
Species Diftisctis clrvuntchH'tns Am;.
Dyt'iacus c i rc u ui cinri x s Ahrens (1810, Vol. 6. \). 67 1.
Stellt riirii))ifh\ri(s und nmrfjhmVis gleicli nahe. Sclilaiikei- als
marfjii/alis. i>liniii)er als circumflexus. Breiteste Stelle des Küri»eis
weiter nach liiuten gerückt als bei marginalis. Oben braun bis
olivsiriin. Auofen ringsum gelbrot wie auch ein winkelförmiger Stirn-
tieck. Halsschild schmal gelb gerandet. Öchildchen schwarz. Flügel-
decken mit gelbem Seitenrand und verwaschener Schrägbinde an
der Spitze. Unterseite fahlgelb. Die Suturen der Brust und der
ersten beiden Sternite schwarz. Extremitäten gelbbraun. Tergite
schwarz, nur im Bereich der Stigmen gelb. Oberlippe am Vorder-
rande ausgebuchtet. Fortsätze der Hinterhüften an der Innenseite
konkav, scharfspitzig, aber kürzer ausgezogen als bei circumflexus
(Fig. Hd). S glatt und glänzend. Elytren gegen die Spitze sehr
weitläufig punktiert. $ ebenfalls glatt, aber weniger glänzend.
Halsschild weitläufig ganz fein punktiert, ebenso, aber etwas gröber
und dichter die Flügeldecken nach der Spitze zu. Zuweilen ziem-
lich deutliche Furchenandeutungen. Formel der Saugnäpfe an den
Haftscheiben des Männchens (nach eigenen Befunden):
Vt. 1. Gl. 70 (47)
350 (ca. 305) X 2 = 700
2.
,. 120 (112)
3.
,. 160 (ca. 140)
Mt.
1.
,. 375 (ca. 300)
2.
„ 315 (ca. 300)
3.
,. 335 (ca. 240)
2750
1025 (ca. 840) X 2 = 2050
Länge 29 — 35^) — 37 mm. Breite 15 — 17 mm.
? v<n\ßnrochict'iis{¥.^QUiioijrz) Hummel (1823, Vol. 3. p. 17);
duhius Gyllekhal (1827, Vol. 4, p. 372 — 373); cirrumscriptus (Dejeax.
1821, p. 18) ; BoisDuvAL et Lacordaike (1835, p. 300).
Matter als die glatte Form. Halsschild ziemlich dicht fein
punktiert. Die ganze Elytre mit Ausnahme der weniger weit als
bei marginalis über die Mitte hinausreichenden Furchen dicht und
deutlich gepunktet. Die Suturalfurche kürzer als die folgenden;
die 8. und 9. Furche vereinigen sich nach ihrem Ende zu niclit
(Fig. Gd).
1) Die durch den Druck hervorgehobene Zalil liezeichuet das am
meisten auftretende Maß.
4ß Hans Bluxck,
Nord- und Mittel-Europa, Nordamerika. Nach Stierlein (1900,
I». 208) aucli in der Schweiz, nach Recümbart (1898, p. 318) in
.Mittelfranken. Die gefurchte Weibchenform viel seltner als die
oiatte (s. Karte B ).
Species Djjtl.sciis niarffinalis L.
Dtjtiscus marginalis Linke (1858, p. 411), Fabricius (1801,
Vol. 1, p. 258, Gyllenhal (1808, p. 466), Schönherr (1808, Vol. 2,
11. 3), Sturm (1834, Vol. 8, p. 9, tab. 185 und 186), Aube (1836—1838,
Vol. 5, p. 57 tab. 5, fig-. 3, 4. 1838, Vol. 6, p. 105, Schiödte (1840, p. 511),
Thomson (1860, Vol. 2, p. 41, Schaum u. Kiesenwetter (1868, Vol. 1,
p. 116), Sharp (1881, p. 641), Seidlitz (1886, p. 109); totomarginalis
Degeer (1774, Vol. 4, p. 391, tab. 16, fig. 1, 2); curtulus Motschulskt
(1859—1867, p. 101). ? semistriatus Linne (1758, p. 412).
Oval. Nach latissimus die plumpste Form. Oben schokoladen-
braun bis leuchtend olivgrün, sehr selten blaugrün (Blunck, 1909,
p. 337 — 345). Clypeus und Mund gelb. Vorderecken der Stirn und
ein winkliger Stirnfleck sowie oft die Längssutur des breit gelb
gerandeten Halsschildes rotgelb. Seitenrand der Flügeldecken und
ein verwaschener Schrägstreif an der Spitze gelb. Scheitelnaht und
Schildchen schwarz. Unterseite und Extremitäten gelbbraun, letztere
in ihren distalen Partien dunkler. Suturen der Brust und aller
Sternite, Hintercoxalfortsätze sowie ein medianer Fleck des Meta-
sternums braunschwarz. Tergite tiefbraun, nur im Bereich der Stigmen
gelb. Oberlippe vorn ausgebuchtet. Fortsätze der Hinterhüften kurz
zugespitzt, mit konvexem Innenrand (Fig. He). (^ glatt und glänzend.
Stirn, Scheitel und Halsschild äußerst fein und weitläufig punktiert,
die Elytren etwas gröber und stärker gepunktet, besonders an der
Spitze. Das $ mit vorn stärker eingezogenem Prothorax. Oben matt.
Stirn und Scheitel mäßig, Halsschild dicht und ziemlich kräftig
punktiert. Flügeldecken bis in das hintere Drittel gefurcht. Grund
der Furchen gelb, sehr grob punktiert. Die Rippen zwischen den
Furchen und das furchenfreie Drittel dicht und kräftig gepunktet
wie der Prothorax. Suturalfurche mindestens so lang wie die folgenden.
8. Zwischenraum zuweilen verkürzt, so daß die 8. und 9. Furche an
der Spitze anastomosieren. Alle Furchen verlaufen seichter in den
furchenfreien Abschnitt aus als bei den anderen Formen (Fig. G e) mit
Ausnahme von latissimus. Formel der Saugnäpfe an den Haftscheiben
des Männchens (nach eigenen Befunden):
Vt. 1. G
2.
8.
rl. 85
. 40
,, 65
Mt. 1.
2.
3.
. 800 (800)
, 250 (250)
, 250 (250)
Dytiseus iiiarginalis L. 47
140 (144) X2= 280
800 (880) X 2 - 1000
1880
Länge 25—34 — 36 mm. (^o im Durchschnitt 2 mm länger als
die $$. Breite 15 — 18 mm. Nach Boisduval u. Lacordaire (1835,
p. 801) und Cameeano (1880, p. 118) sind die $$ verhältnismäßig
breiter als die c^c^.
Lebendgewicht 1,4— •>— 2,6 g. [Pieron (1908—1909, p. 237 1
gibt 1,27 g als Mittelgewicht der c^c^ an.]
$ i'ftr. coHf'orniis Kunze 1818, p. 58—60, Gyllenhal 1827,
Vol. 4, p. 370, Stükm 1834, p. 23, tab. 188e, Aube 1836—1838, Vol. 5,
p. 59, tab. 7, fig. 3 {pcrplexus-^), 1838, Vol. 6, p. 106; circumductus
Serville 1880, p, 90, Boisduval et Lacordaire 1835, Vol. 1, p. 301.
Glänzender als die Stammform. Kopf, Halsschild und Flügel-
decken viel feiner und weitläufiger gepunktet als bei semistriatus,
aber kräftiger und dichter als beim 3^, Oberseite daher weniger
leuchtend als bei diesem. Flügeldecken glatt oder doch nur mit
ganz schwachen Furchenandeutungen.
Über den größten Teil der paläarktischen Region verbreitet
(s. die beigegebene Karte B: ; Süd-Italien ist in der
Karte als Verbreitungsgebiet mit einbegrifi'en, obgleich mir von dort
keine Fundbestätigung vorliegt, da der Käfer in Ober-Italien sehr
häufig und auch über Dalmatien verbreitet ist) und die häufigste
Form. Der gemeine „Gelbrand". Nach Sharp (1881, Vol. 2, p. 641)
auch in Nordamerika und Japan (1884, in: Trans, entomol. Soc,
London 1884, p. 439; s. auch Regimbart, 1899, p. 311). Die gefurchte
Form in England fast ausschließlich vorkommend, in Frankreich,
Belgien, West-Deutschland und Schweiz viel häutiger als die var.
conformis. In Nordost-Deutschland, Österreich und Italien halten
beide Weibchenformen einander die Wage; in Rußland, vorzüglich
im Süden, treten die gefurchten Exemplare gegenüber den glatten
ganz zurück. Also gradweise von Westen nach Osten fortschreitende
Evolutionssteigerung der glatten Form über die gefurchte und. in
umgekehrter Richtung rechnend, der gefurchten über die glatte.
48 Hans Bianck,
Species JJt/tisrHs jn'sdnns Delapüete-Castelnau.
Bytiscus pisanus Delaporte-Castelxau 1834 — 1835. p. 98,
AuBE 1836—1838, Vol. 5, p. 58, tab. 7. fig. 1. 2 (clnhius). 1838. Vol. 6^
p. 107, Shakp 1881. p. 640. Seidlitz 1886. p. 109; var. ibericus Rosen-
hauer 1856, p. 47.
Dem marginalis sehr ähnlich, ein wenig schlanker. Dieselbe
Färbung, aber am Vorderrand der ersten Sternite eine schwarz-
braune, seitlich verbreiterte, mehr oder weniger ausgeprägte Binde.
Spitze der Metacoxalapophysen stumpfer als bei marginalis. fast ge-
rundet (Fig. Hf). Prostern alfortsatz etwas länger und schlanker.
$ nicht ganz bis zum letzten Drittel gefurcht, die Suturalfurche
etwas kürzer als die folgende. Keine Furche mit der anschließenden
anastomosierend (Fig. Gfj. D. ibericus Rosenh. nach Regimbakt
(1877) nur eine Varietät des pisanus und sich von diesem nur durch
das fast vollständige Fehlen des gelben Vorder- und Hinterrandes
am Halsschild unterscheidend (Spanien und Portugal).
Formel der Saugnäpfe an den Haftscheiben des Männchens (nach
Chatanat, 1910, p. 452) die gleiche wie bei marginalis.
Länge 30 — 35 mm, Breite 15 — 16 mm.
$ var. Ungefurcht. Nach Regimbakt (1877) nur ein- oder zwei-
mal gefunden.
Westliches Mittelmeergebiet (s. Kaite B: ).
Species Di/tiseiis dintidiatus Bergste.
Dytiscus dimidiatus Bergsträsser 1778. p. 33, tab. 7, fig. 1.
Langoval und ziemlich schlank, größte Breite weit hinter der
Mitte, Flügeldecken an der Si)itze stark gerundet. Oben dunkel
olivgrün bis grünschwarz. Mund und Clypeus gelb. Vorderecken
der Stii-n und winkliger Stirnfleck rötlich, Seitenrand des Hals-
schildes und der Flügeldecken breit gelb gesäumt, Vorderrand des
Halsschildes und zuweilen auch undeutlich der Hinterrand sehr
schmal gelbrot eingefaßt. Verwaschene gelbe Querbinde an der Spitze
der Elytren. Schildchen schwarz. Tergite braun, hellbraune Be-
haarung. Unterseite und Extremitäten braungelb, dunkler als bei
den bisher besprochenen Formen. Die letzten Sternite und die Spitze
des Metasternums braunrot, Oberlippe vorn ausgebuchtet. Fortsätze
der Hinterhüften (Fig. Hg) an der Spitze stumpf und etwas mein-
gerundet als bei pisanus (s. Fig. Hf). ^ oben glänzend. Stirn.
Scheitel, Halsschild und Flügeldecken äußerst fein und weitläufig
Dytiscns luargiimlis L
49
punktiert, letztere gegen die Spitze zu dicliter und kräftiger. $
oben matter, stärker und dichter als das c^, aber bedeutend feiner
als semisfriatnfi punktiert. Flügeldecken bis kaum über die Mitte
gefurcht (Fig. Gg). Furchen sehr klar und scharf eingerissen, tief,
nicht anastomosierend, alle fast auf gleicher Höhe endigend, nur die
Suturalfurche stets um mehrere Millimeter kürzer. Halsschild voin
ein wenig stärker eingezogen als beim ^. Formel der Saugnäi)fe
an den Haftscheibeu des Männchens (nach eigenen Befunden):
Vt. 1.
Gl. 60
2.
„ 45
3.
,. 100
Mt. 1.
,. 260
2.
,. 230
8.
„ 260
205 X 2 = 410
750 X 2 = 1500
1910
Länge 32—37 — 39 mm. Breite 17 — 18 mm.
Lebendgewicht 2,3 — 2,5 — 3 g.
; rar. inutineiisis Fioei 1881, p. 276.
Eine ungefurchte Form des Weibchens, die bei Modena auf-
gefunden wurde.
Europa und Kleinasien (s. Karte B: ).
Species Dytiscus seiuisufcatus Müller.
Dytiscus semisulcatus Müller^) (1776, p. 70); lyundiilatus
Fabricius (1781, p. 292); Bergsträsser (1778, p. 42—43); frischii
1) Diese Species wird in allen neueren Literaturwerken als I)t/(isnis
jninctulatns Fabe. bezeichnet. F.VBRICIUS beschrieb und benannte den
Käfer 1781 (Spec. Ins., Teil 1, p. 292). Die Benennung semisulralns
durch Müller (Zool. Dan. Prod., p. 70) wurde indessen bereits 1776 ge-
geben und genügt den Anforderungen unserer internationalen Nomenklatur-
regeln für die Priorität. Die Notiz bei MÜLLER lautet nämlich : „No. 666.
D. seiinsulcatvs fuscus; supra niger — nicht infra niger , wie Berg-
STRÄSSER 1778 zitiert — , margine thoracis elytroruraque extimo flavo ;
sulcis viginti dimidiatis. FRISCH ins. 2. t. 7. f. 4. Praecedenti — d. i.
I). sonistriatus d. Verf. — nimis affinis est, ac in utroque tarnen pedes
primores absque patellis reperi." Die Charakterisierung „margine thoracis
. . . flavo" unterscheidet diese Species von marfiinalis und semisfriatxs,
bei denen es lautet: „marginibus thoracis omnibus ... flavis"'. Tat-
sächlich ist bei der in Rede stehenden Art ja nur der Außenra//(/ des
Pronotums gelb, während bei marginali.s das Halsschild allseitig einen
gelben Saum trägt. Läßt indessen dieser Charakterzug noch eine Ver-
Z.)ol. .Tahrl). XXXV. Abt. f. .Syst. *
50 Hans Blunck,
Schneider (1791—1794, p. 365); porcatiis Thunberg, Ins. Snec, Vol. 6,
p. 74 ($); punäaius Olivier (1795, Vol. 3, 40, p. 12, tab. 1, fig. 6);
stagnalis Geoffroy, Foürcroy (1785, Vol. 1. p. 66).
Verhältnismäßig sehr schlanker, hinter der Mitte kaum ver-
breiterter Käfer. Oben schwarzgrün, zuweilen auf den Elytren pech-
farben, besonders die Weibchen. Clypeus und Mund gelb. Ein un-
deutlicher winkliger Stirnfleck rötlich. Halsschild und Flügeldecken
breit gelb gesäumt, der erstere am Vorderrande, zuweilen auch am
Hinterrande sehr schmal rötlich. An der Spitze der Flügeldecken
eine verwaschene gelbe Querbinde. Schildchen schwarz, Unter-
seite pechbraun bis schwarz, die Extremitäten etwas heller,
mehr rotbraun, die Vorderbeine von der Tibia ab und die Fühler
braungelb. Hinterbeine verhältnismäßig schlank. Oberlippe vorn
ausgebuchtet. Fortsätze der Hinterhüften sehr stumpf, breit ab-
gerundet (Fig. Hh). S oben matt glänzend. Kopf und Halsschild
fein und zerstreut punktiert. Flügeldecken im vorderen Drittel
weitläufig und fein, nach der Spitze zu viel dichter und kräftiger
als bei allen anderen Arten gepunktet. Außer den normalen und
tiefer als bei den übrigen Species eingerissenen 3 Punktreihen oft
noch Andeutungen von Furchen, die denen der Weibchen zu ent-
sprechen scheinen. $ oben ziemlich matt, in allen Teilen viel dichter
punktiert als jede andere Art der Gattung. Punkte sehr fein.
Flügeldecken mit 10 durchweg ziemlich schmalen Furchen (Fig. G h),
die mehr oder weniger weit nach hinten im letzten Körperdrittel
auslaufen. Der 8. Zwischenraum verkürzt, von der Mitte ab sich
in Punkte auflösend, so daß die 7. und 8. Furche ineinanderfließen.
Die Suturalfurche kürzer als die folgenden, die 10. und letzte Furche
außen durch einen nur unscharfen Wall begrenzt. Formel der Saug-
näpfe an den Haftscheiben des Männchens (nach eigenen Befunden;
wecbslung des ^,pi(nctulatn,s^' mit (IhnhUatus Bergstr. zu, so wird die Be-
schreibung eindeutig durch den Hinweis auf Frisch. Frisch sagt (1721,
p. 35) von seinem tab. 7 fig. 4 abgebildeten Dijtiscus : „Männlein und Weib-
lein am Bauch gantz schwartz, da sonst die grösseren etwas gelb-braun
sind" und weiter; „zum andern geht der gelbe Saum nicht gantz um den
Rücken-Schild herum". Mit dieser Kennzeichnung kann tatsächlich nur
der kleinste unserer Dytiscinen gemeint sein. Müller's Angaben erfüllen
also die Bedingungen unserer Nomenklaturregeln (vgl. Art. 25 a und b),
und wenn wir an diesen festhalten wollen, sind wir gezwungen, die bis-
herige Species D. pundnktlns Fabr. nach ihm Dijliscus .sennsfilcnfiis Mltller
zu benennen.
3530
Dytiscus margiualis L. 5J
8immermachek"s für den Vordertarsus gegebene Zalilen sind um ein
Vielfaches zu niedrig gegriffen):
Vt. 1. Gl. 100 (115—150) mäßig große N.j
2. „ 325 (180) ) 685(ca.500)X2=1370
3. , 260(200) j '"^'^ ^'^"'"^ ^^- I
Mt.l. ., 380 (ca. 270) |
2. „ 335 (ca. 240j 1080 (ca. 750)X2=2160J
3. „ 365 (ca. 240) I
ah. maurm Schaufuss (1882, p. 173). Eine in Sachsen voi--
konimende Varietät mit ganz schwarzer Oberseite.
Länge 24—30,5—32 mm. Breite 12—14 mm. Lebend-
gewicht 1,2-1,35—1,6 g.
Europa und Kleinasien, nach Deville (1906, p. 62—63) sehr
selten auch in Algier, nach Balfour-Beowke, 1909 auch in England,
p. 220 (s. Karte B: ).
V. LiteratiirYerzeichnis zu den systematischen Abschnitten.^)
Bach, M., Käferfauna für Nord- und Mitteldeutschland mit besonderer
Rücksicht auf die preußischen Rheinlande, Vol. 1, Coblenz 1851.
BalfoüE-Bkowne, f., The aquatic Coleoptera of the Solway district, in :
Ann. Scottish nat. Hist., Vol. 18, 1909, p. 76—86, 145—152, 218
bis 226, 1909.
Bell, A., Post-glacial Insects, in: Entomologist, Vol. 21, p. 1 — 2,
1888.
BlunCK, H., Färbungsvariation bei Dytiscus marginalis L , in: Zool. Anz.,
Vol. 34, p. 337 — 345. (In dieser Arbeit ist durch einen Fehler des
Setzers wiederholt statt Preudhomme irrtümlich Peendhomme ge-
druckt.) 1909.
Camehano, L., Note intorno ai Ditiscini del Piemonte, in: Bull. Soc.
entomol. Ital., Ann. 12, Trim. 2, 1880.
Chatanay , J. , Sur le tarse des Dytiscides. Essai de Morphologie
comparee, in: Ann. Soc. entomol. France, Vol. 79, 1910, p. 395
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1) Hier vermißte AVerke suche man vorn im allgemeinen Literatur-
verzeichnis.
4*
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Nachdruck verboten.
Vbersetzungsreclit vorbe/talfoi .
Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt.).
Eine monograpliische Übersicht über die Arten.
Von
Friedrich Heudel (^Vien).
Mit Tafel 1-2.
Sämtliche Platijsto7na- Arien in unserem Sinne gehören nur der
paläarktischen Region an. Meigen gründete diese Gattung auf die
allbekannte Mnsca seminationis Fabricius und diagnostizierte sie in
Illigers Magazin, Vol. 2, p. 277 (1803). Da die IvLEix'sche Mol-
luskengattung Platystoma vom Jahre 1753 stammt, also vor dem
Beginne unserer Nomenklaturgeltung, das ist vor dem Jahre 1758,
beschrieben wurde, ist die RoNDANi'sche Umtaufe in Megaghssa über-
flüssig. Im übrigen hätten wir sogar in HesyquiUia Rob.-Desv. noch
einen älteren Namen, der vor Megaglossa zu Recht bestünde. Zum
Glück ist dies nicht nötig!
Seit Meigen wurden in der Gattung 82 Artnamen aufgestellt,
deren Aufzälilung und Deutung icli in den „Genera Insectorum"
1913 geben werde. Scheidet man davon die zu fremden Familien
gehörigen Arten und diejenigen Arten, die bis jetzt bereits zu
andeien Platystominen-Gattungen gestellt wurden, aus, wie z. B. die
Euprosopia-, Pterogenia-, Engistoneura-, Scholastes- und Feltaranfhimi-
Arten, so bleibt immer noch ein Stock von äthiopischen, orientali-
schen und paläarktischen Species übrig, der nicht homogen ist. Ich
56 Fkikdrich Hendel,
habe deshalb die afrikanischen Arten in die 2 Gattungen Lophoplaty-
stoma (Typus: acarüjerum Speisee) und Palpomyiella (Typus: asphaltina
Wieuemann), die orientalischen in die 2 Gattungen Valonia Walker
(Typus: cowz^??cato Walk.) \\w^ Euilnjplatystoma (Typus: n^ic^wm Walker)
gebracht, so daß das Genus Platystoma ganz im Sinne Meigen's nur
die gesamten paläarktischen Arten enthält. Es sind dies Arten m i t
nackter oder höchstens pubescenter Arista, sechs-
borstigem, nicht aufgeblasenem Schildchen, nicht
vorgequollenen Augen und mit einer Frontorbital-
borste.
Schiner zählt (1864) 7, Rondani (1869) 9, Pandelle (1902) 16,
Becker (1905) 28 Arten auf, wobei aber einige Synonj^nie mitgezählt
sind. Diese Arbeit gibt schon von 39 Arten Kenntnis. Mit der
Großzahl davon machte uns Loew bekannt und unterschied die Aa-ten
nach der Farbe der Tarsen, der relativen Länge der Schüppchen
und Abdominaltergite, der Farbe der Schwinger, der allgemeinen
Färbung und Tomentierung des Leibes und der Gliedmaßen und
nach der Flügelzeichnung, soweit dies Worte vermögen. Rondani
hatte weniger Glück, da er ohne Zweifel die $$ zweier bekannten
Arten neben den ^^ als neu beschrieb. So ist P. gemmationis das
$ des P. tegularium Lw. und P. vegetationis das $ von P. seminationis
Fab. Eine detaillierte und deshalb wertvolle Analysis von 4 Arten
gibt uns Pandelle, dessen Arbeit wohl zum Studium der Arten der
Acalyptraten von Bedeutung, in bezug auf systematische Verwandt-
schaft und Gattungsauffassung aber total verfehlt ist.
Als sehr brauchbar und konstant fand ich zur Unterscheidung
nahestehender Arten die Form, in welcher die graue Bestäubung
des Gesichtsrückens zum Mundrand herabzieht, das Verhältnis der
Breite der Stirne zur Länge und zur Breite eines Auges, die Inser-
tion der Fühlerwurzeln im Verhältnisse zum Auge, die Gestalt des
5. Sternits beim <^, die Farbe der Körperbehaarung, die Zahl der
Supraalarborsten und die Bedeckung des Schildchens; ferner die
Lage der Mündung und die Form der Radialis, die Form der ersten
Hinterrandzelle und deren Mündung, ob die weißen Flügelpunkte
einen Zentralfleck einschließen oder nicht und ob der Flügelhinter-
rand punktiert ist oder nicht.
•So werden P. luguh-e R,-Desv. und P. pleuronüeus m. sofort durch
den Besitz von 4 Supraalarborsten erkannt. Ein behaartes Schild-
chen kommt nur bei P. luguhre, pleuronäens, insularum, oculatum und
pavonis vor. Die letzten 2 haben „Pfauen- Augen" oben auf dem
Die Gattuug Platystnuia Mkiok.n (Dipt.). 57
Abdomen. Qnergebänderte Flügel ohne, jedwede weiße l^nnktierung
besitzt das scliöne P. chnßoioxum.
Eine ganz besondere Gestaltung zeigt das 5. Sieiiiit der ,S^ der
te(jularhnn-GY\\\)\)e mit 2 kegelförmigen A\'arzen. Der l'enis ist in
der Euhe spiralig aufgerollt und verborgen. Sein Ende besitzt eine
doppelte knopfartige Erweiterung, an deren Spitze zwei Spiialfäden
von bei den Arten wechselnder Länge entspringen (Fig. 37). Der
Ovipositor ist wie bei den Ortalididen im allgemeinen gebildet. Das
glänzende erste Glied ist dreieckig oder trapezförmig und von oben
her kompreß.
Die Flügelzeichnung ist eine so komplizierte, daß sie mit Worten
gar nicht und durch Zeichnung auch nur unvollkommen dargestellt
werden kann. Ich zog deshalb die Photographie vor und nahm die
Flügel im durchfallenden Lichte einer Grätzin- Gaslichtlampe mit
der Horizontal -Vertikal -Kamera von Zeiss auf. Im auffallenden
Liclite. namentlich bei dunklem Hintergrunde, geben die Flügel ein
anderes Bild. Die hyalinen Punkte erscheinen dann leuchtend
milchweiß,
Man findet die Fliegen sowohl auf Blättern niederer Pflanzen
und von Sträuchern, „Laushonig" leckend, wie auch auf Blüten, in
der Sonne, wie im Schatten. Sie sind in ihren Bewegungen sehr
langsam, scheinbar träge, bewegen langsam die Vorderbeine und die
ausgebreiteten Flügel und flüchten lieber auf die Unterseite der
Blätter, bevor sie abfliegen. Ihr Bauch ist blasig aufgetrieben,
namentlich, wie auch Pandelle erwähnt, beim (^ und fällt durch
weißliche oder gelbe Farbe auf. Sie lassen sich selbst mit der
Hand greifen und entleeren dann einen dicken brauneu Saft aus
dem Rüssel, der die toten Stücke häufig am Kopfe verschmiert.
Schiner beschreibt ihr Treiben um das Fortpflanzungsgeschäft sehr
drollig und hält sie für „die geilsten aller Dipteren''.
PI. luguhre fand Loew einmal „im Juni in Schaaren, den aus-
sickernden Saft von Sesia asüifonnis durchwühlter Pappelstämme
saugend; dass sich diese Art aucli von Koth nährt, lässt dei- Gestank,
welcher sich bei dem zufälligen Zerdrücken derselben verbreitet,
nicht wohl bezweifeln; auch Fl. seminationis soll derselben Nahrung
nachgehen''.
.Jedenfalls hängt die Trägheit der Platijstoma- Xn^^w mit ihrem
geringeren Flugvermögen zusammen, und dies scheint mir die Bildung
geographischer Kassen begünstigt zu haben.
Über die Metamorphose ist uns seit der mir unzugänglich ge-
58 Frikdrich Hendel.
bliebenen Arbeit von Peeris (in : Mem. Soc. Sc. Liege, Vol. 10, p. 274,
1885) nichts bekannt geworden. Die Larven wurden in der Erde
unter faulem Holze gefunden.
Was die geographische Verteilung der Arten anbelangt, fällt
auf, daß der weitaus größte Teil derselben, 22 von 38 Arten „öst-
liche*' Formen sind. Östlich des Kaspischen Sees: P. oculatiim,
pavonis,' murinum, snave, gilvipes, curvinerve. — Aus Süd-Rußland,
den Kaukasusländern und Kleinasien: P. gilvipes, obtusum, dathratmn,
elegans, chrysotoxum, strix, angustipenne, rufimanum, canum, lativentre,
aenescens, bispüosum, pundivenire, ruficeps, subfasciatum, nitidiventre. —
P. Useta und valachium sind östliche Formen, die schon aus der
walachischen in die ungarische Ebene eindringen. — Mediterrane
Formen sind: P. provinciale, arcuatum, bifasciatum, insularnm, var.
coiiicariim, subtile, bessii, dimidiatum, meridionale. — Mitteleuropäische
Formen, die aber auch alle mediterran sind, sind folgende: P. lugubre,
seminationis, plantationis, pubescens, tegularium, gemmationis. — Am
weitesten nördlich und westlich dringt P. seminationis vor, die einzige
Art Englands. Als nördlichste Grenze der Verbreitung von P. semi-
nationis und lugubre möchte ich nach den Fundortangaben der Kollegen
Oldenberg und Lichtwakdt den 53° n. Br. betrachten. Für die
erstere Art scheinen die Karpathen die Ostgrenze zu bilden. Merk-
würdigerweise wurde sie in Spanien noch nicht gefunden, während
sie in Italien häufig ist. Auffällig ist das nur auf Sardinien be-
schränkte Verbreitungsgebiet des P. insularum Rondani. Nord- Afrika
hat auch seine Platystoma- Art und kennzeichnet sich auch dadurch
wieder als zur paläarktischen Region gehörig.
Mein Studienmaterial stammte aus den öffentlichen Museen in
Berlin, Budapest uud Wien und aus den Sammlungen der hilfsbereiten
Kollegen Becker, Bezzi, Lichtwardt, Schnabl und Villeneuve
sowie aus meinen eigenen Funden,
Allen Gönnern und Helfern sei hiermit aufs Wärmste gedankt!
Sjniopsis der Arten.
Hinterleib am Hinterrande des 4. Tergites mit großen,
metallisch-blauen, pfauenaugenartigen Flecken. Schild be-
haart 27
— Hinterleib ohne Augenflecke, Schild meist nackt 1
1. Schild mindestens seitlich auf der Oberfläche behaart und
an der Spitze lot. Sind diese Merkmale weniger deutlich
Die Gattung: Platystonia Mkiokn (Dipt.). 59
erkennbar, so sind zugleich die Backen gut ^ .( eines Auges
hocli ') 2
— Scliild oben außer den 6 Borsten nackt und ganz scliwarz.
Backen liöchstens '4 eines Auges hoch 4
) Pleuren ganz und gar untonientiert und unpunktiert, nur
glänzend schwarz 19. P. pJeuronüens n. sp. (Fig. 16)
— Wenigstens die Mesopleuren liell tomentiert und schwarz
punktiert 3
Der ganze Schildhinterrand ist rot. Pteropleuren glänzend
schwarz, ohne Punktierung. 4 Supraalare
18. P. lugnhre Rob.-Desv. (Fig. 15)
— Höchstens die Schildspitze rot. Pteropleuren grau
tomentiert und schwarz punktiert. 3 Supraalare
20. P. insularum ßoNDANi (Fig. 17)
Schenkel oder Schienen ganz oder teilweise gelb bis gelbrot 28
— Schenkel und auch die Schienen ganz schwarz 5
Hinterleib oben glänzend schwarz und unpunktiert. Arista
kui'z, aber deutlich pubesziert 7. P. mtidiventre n. sp. (Fig. 7)
— Hinterleib mehr oder weniger dicht mit einem grauen
Tomentnetzwerke bedeckt. Arista nackt oder fast nackt 6
Füße ganz schwarz, höchstens die Fersen an den äußersten
Gelenken schmal rotbraun oder die Füße sind ventral bloß
rotschimmernd behaart; Schwingerkopf schwarzbraun 7
— Füße teilweise bis vorherrschend von gelbroter Grund-
farbe; Schwiugerkopf gelb oder dunkelbraun 14
Die Mündung der ersten Hinterrandzelle sehr stark ver-
schmälert, weit oberhalb der Flügelspitze gelegen. Gesicht
und Prälabrum gelb. Ebenso sind die hellen Flecke in der
Wurzelhälfte des Flügels lebhaft rotgelb
38. P. elegans n. sp. (Fig. 3f))
— Erste Hinterrandzelle jenseits der hinteren Querader
parallel oder nur mäßig verengt. Die Discoidalis mündet
an der Flügelspitze. Gesicht und Prälabrum .schwarz 8**)
1) Letzteres bezieht sich nur auf /'. /nsuiannii RONDANI.
2) Einen schwärzlichen, ziemlich glänzenden Hinterleib mit lebhaft
gelben . unregelmäßigen Linien und Flecken , rote Schultern und ein
Schildchen mit gelber ^Mittellinie und solchem Hinterrande, nebst schwarzen
Tastern besitzt 40. /'. strix PORTSCHIXSKY.
3) Durch verlängerte Tboraxschüppchen bei ganz schwarzen P'üßen
würde sich kennzeichnen das problematische 17. P. iltjioiotse BisCHOF.
(5Q Friedrich Hbndel,
8. c?: 5- Tergit erheblich kürzer als die 3 vorhergehenden zu-
sammengenommen. — ?: 3. Tergit sehr kurz, 4, lang und
länger als das 5. — Flügel stark vorherrschend und gleich-
mäßig dunkelbraun, mit kleinen weißen Punkten besetzt
8. P. lativenire Loew (Fig. 33)
— (J : 5. Tergit länger als die 3 vorhergehenden zusammen-
genommen. — $: 3. Tergit länger als das 4. 9
9. Die 4 hinteren Schenkel, besonders die mittleren, sind
posteroventral länger gelblich behaart. Subkostal-
zelle gelb, höchstens basal mit 1—2 kleinen braunen Flecken.
Die Tomentierung des Rückens und Abdomens ist sehr dicht
und ockergelb, nur von kleinen isolierten schwarzen Punkten
durchbrochen 10
— Schenkel kurz und schwarz behaart. Subkostalzelle
schwarzbraun, nur an der Spitze gelbrot. Tomentierung
grau bis gelbgrau, die schwarzen Punkte stehen dichter und
sind zu Längsstreifen zusammengeflossen 12
10. An den Füßen ist nur die Wurzel der Ferse rot. Marginal-
zelle hyalin mit einer Reihe zahlreicher kleiner dunkel-
brauner Punkte. S'- Letztes Glied der Vorderfüße außen
und innen ohne verlängerte Endborste. — $: 3. Tergit so
lang wie das 4. und 5. zusammengenommen
6. P. angustipenne Loew (Fig. 84)
— Die Ferse und auch noch das folgende oder die 2 folgenden
Fußglieder an der Wurzel breit rot, oft vorherrschend. —
^: Letztes Glied der Vorderfüße außen und innen mit je
einer verlängerten und verbreiterten Endborste versehen.
— $: 3. Tergit nur etwas länger als das 4. 11
11. Große Art, 9—10 mm lang. Flügel Fig. 6. Die weißen Punkt-
flecke fließen nicht ineinander und herrschen unterhalb der
Posticalis auch nicht vor 4. P. valacMae n. sp. (Fig. 6)
— Kleinere Art, 5,5—7 mm lang. Flügel Fig. 35. Die
weißen Punktflecke fließen vielfach ineinander und herrschen
unterhalb der Posticalis stark vor
5. P. rufimanum Loew (Fig. 35)
12. Flügel beiderseits einer weißen Querbinde über die hintere
Querader, welch erstere an dieser nicht in Flecke aufgelöst,
also ununterbrochen ist und erst oberhalb derselben aus
2—3 nebeneinander liegenden weißen Punkten gebildet wird,
l>ie Ciiittuiii,' l'hitystuina Mkiges (Dipt.). 61
— einfarbig dunkelbraun, niclit von weißen Punkten durch-
brochen
2. P. se»ünatifl)iis Fab. var. frauenfeldi Xüwicki (Fig. 4)
— Die weiße Querbinde über die hintere Querader wie
auch das unpunktierte Braüin beiderseits derselben sind
nicht oder nur unvollkommen ausgebildet 13
13. Das Fndglied der Vorderfüße des c^ (Fig. 37) hat innen
und außen je eine verlängerte und flachgedrückte Apical-
borste. Beim $ sind die Abdominaltergite 3 — 5 fast gleich-
mäßig dicht mit grauen Tomentpunkten bedeckt
3. P. seminationis Fab. var. biseta Loew (Fig. 5)
— Das Endglied der Vorderfüße des (^ hat höchstens außen
an der Spitze eine verlängerte und verbreiterte Borste.
Beim $ treten die grauen Tomentflecke am 3. und 4. Ab-
dominaltergite mehr nach Art von Schillerflecken auf und
sind am 3. vielfach kaum mehr sichtbar, so daß der Hinter-
leib dort wie glänzend schwarz erscheint
1. P. seminationis Fab. (Fig. 1—3)
14. Thoraxschüppchen nur wenig länger als das Flügelschüpp-
chen und höchstens doppelt so lang wie dieses; Schwinger-
kopf schwarzbraun 15
— Thoraxschüppchen die Flügelschüppchen mindestens um
die doppelte Länge derselben überragend, also mindestens
3 mal so lang wie diese; Schwingerkopf gelb 24
15. Epistom, das ist das untere, vorstehende Gesicht, ganz un-
bestäubt und glänzend schwarz, in der Längsmitte ohne
graue Spitze oder Linie 16
— Epistom am ganzen Mundrande grau bestäubt oder
wenigstens mit einem grauen Medianfleck oder einer solchen
Linie, die sich vom bestäubten Gesichtsrücken herabzieht 18
16. Backen nur '/jo— Vs ^i^^s Auges hoch. Thoraxrückeu und
Schild oben flach. Die dunkle Punktierung des erstereu
zeigt mehr oder weniger deutlich metallischen Glanz.
Flügelhinterrand nicht punktiert 17
— Backen ^^ eines Auges hoch. Thoraxrücken und Schild
gewölbt; ersterer mattschwarz punktiert und glanzlos.
Flügelhinterrand mit weißen Punkten
9. P. siibfasciatum Loew (Fig. 8)
ß2 Friedrich Hendel,
17. Epistom körnig- rauh, Prälabrum in der Mitte matt ziseliert.
Größere Art, 6—6,5 mm, blauschwarz. Rückentomentierung
und Punktierung deutlich erkennbar
24. P. plantationis Rond. (Fig. 21)
— Epistom und Prälabrum völlig glatt und glänzend.
Kleinere Art, 4 mm, erzgrün glänzend. Rückentomentierung
und -Punktierung verschwommen
25. P. aenescens Loew (Fig. 22}
18. Die Endabschnitte der 3. und 4. Längsader fast gerade
und parallel. Die Radialis mündet der hinteren Querader
gegenüber 19
— Die Endabschnitte der 3. und 4. Längsader sind ge-
bogen, namentlich die Cubitalis oberhalb der hinteren Quer-
ader. Radialis erheblich jenseits dieser Querader mündend 20
19. Die Discoidalis mündet oberhalb der Flügelspitze. LTnterster
Mundrand glänzend schwarz. Thoraxrücken vorherrschend
schwarz 22. P. arcuatum Loew (Fig. 19)
— Die Discoidalis mündet an der Flügelspitze. Unterster
Mundrand grau bestäubt 21, P. piibescens Loew (Fig. 18)
20. Fühler unterhalb der Augenmitte inseriert. Die graue Be-
stäubung des Gesichtsrückens reicht bis zum Mundrande
oder tritt mit einer stumpfdreieckigen Spitze auf das Epistom
herab 23
— Fühler der Augenmitte gegenüber. Die graue Bestäubung
des Gesichts setzt sich nur als Linie zum Mundrande fort 21
21. Randmal schwarz mit 2 gelben Punkten. 5. Abdominal-
tergit beim cJ l'/gmal, beim $ so lang wie das 4.
10. P. hezsii n. sp. (Fig. 9)
— Randmal ganz gelb oder nur an der Wurzel braun oder
mit 2 kleinen braunen Punkten. 5. Abdominaltergit beim
(^ viel länger als der halbe Hinterleib, beim $ gleich dem
halben vierten 22
22. <^: Letztes Glied der Vorderfüße innen und außen mit je
einer verlängerten und verbreiterten Endborste versehen. —
$: 3. Abdominaltergit kürzer als das 4. und 5. zusammen-
genommen 11
— (J: Letztes Glied der Vorderfüße ohne solche Borsten. —
$: 3. Abdominaltergit so lang wie das 4. und 5. zusammen-
genommen P. angustipenne Loew (Fig. 34)
23. Backen niedriger als ^/^ der Augenhöhe, Hinterkopf viel
Die Gattung- Platystcina Mkigkn «Dipt.). 63
wenio;er als die wageiechte Länge eines Auges hinter
demselben vortretend. Das Grau des Gesichtskieles erreicht
nur als stumpfe Spitze den Mundrand. Flügel blaßbrann
mit weißen Trojjfen und noch dunkler braunen Flecken.
Flügel 6.5 — 7,5 nun lang 11. F. suhtüe Loew (Fig. 10)
— Backen höher als ^/^ einer Augenhöhe; Hinterkojjf
mindestens um den wagerechten Durchmesser eines Auges
hinter demselben vortretend. Das Grau des Gesiclitsrückens
erreicht in voller Breite den Mundrand und trennt so die
glänzend schwarzen GesichtsHecken weit voneinander.
Flügel ohne dunkler braune Flecke
12. P. obtusum n. sp. (Fig. 11)
24. Backen über ^/g eines Auges hoch. Schildchenspitze meist
mit einem mattroten Fleck
20. P. insularum Rond. var. corticarum Rond. (Fig. 17)
— Backen nur V'^ eines Auges hoch. Schild ganz von
schwarzer Grundfarbe 25 ^)
25. Tasterspitzen hell rotbraun. Körper 8 — 11 mm lang. Das
matte Grau des Gesiclitsrückens zieht sich in breiter
stumpfei' Spitze zum Mundraud herab. Körpertoment gelb-
grau 13. P. tegularium Loew (Fig. 12j
— Tasterspitzen von schwärzlicher, höchstens dunkel rot-
brauner Grundfarbe, also abgesehen vom weißen Schimmer.
Körper 5 — 7,5 mm lang 26
26. Die mattgraue Bestäubung des Gesichtsrückens tritt nur
als Strich von gleicher Breite auf den glänzenden Mund-
rand herab. Rücken gelbgrau tomentiert. Die schwarzen
Punkte desselben fließen zu 4 breiten Längsstriemen zu-
sammen 14. P. gemmationis Rond. (Fig. 13)
— Die Bestäubung des Gesichtsrückens tritt mit breiter,
stumpfer Spitze auf das Epistom herab. Rücken rein asch-
grau bis bläulich-grau tomentiert. Die schwarzen Punkte
desselben isoliert 15. P. Ufasciatum Brülle (Fig. 14)
27. Fühlergruben unten ohne schwarze Flecke
33. P. oculatum Becker
— Fühlergruben unten mit je einem glänzend schwarzen
Fleck 32. P. pavonis n. sp. (Fig. 29)
1) Man vergleiche hier auch die Beschreibung des mir unbekaimt
gebliebenen /'. ]/rovincialc LoEW, No. 16.
(}4 Friedrich Hkndel,
28. Alle Schenkel rotgelb, höchstens mit braunen Längsstriemen
versehen ; Thoraxschüppchen nur wenig länger als die Flügel-
schüppchen 31
— Schenkel schwarz oder mindestens die 4 hinteren zum
größten Teile verdunkelt. Thoraxschüppchen (mit Ausnahme
von P. dimidiatum) stark verlängert 29
29. Gesicht und Prälabrum glänzend rotgelb. Abdomen mit
gelben Hinterrandsäumen der Tergite
39. P. clirysotoxum n. sp. (Fig. 32)
— Gesicht und Prälabrum vorherrschend schwarz, höchstens
teilweise rotbraun. Abdominaltergite nicht gelb gesäumt 30
30. Backen mindestens V3 eines Auges hoch. Prälabrum und
Gesicht mit Ausnahme zweier glänzend schwarzer Flecke
matt weißlich bestäubt 20. P insularum Rokd. (Fig. 17)
— Backen nur V? eines Auges hoch. Prälabrum und das
ganze Epistom glänzend schwarz
23. P. dimidiatum n. sp. (Fig. 20)
31. Körper so dicht hellgrau tomentiert oder bestäubt, daß er
vollkommen matt ist. Sehr hell gefärbte Arten 32
— Körper nie so dicht bestäubt, daß nicht die glänzende
dunkle Grundfarbe des Hinterleibes deutlich oder sogar
vorherrschend sichtbar würde 35
32. „Une bände transversale d'un noir luisant sons les antennes"
37. P. canum Portsch.
— Untergesicht nur mit 2 glänzend schwarzen Flecken
unten an den Fühlergruben 33
33. Stirn länger als breit. Vorderfüße schwarz, letztes Glied
gelb. Die 2 glänzend schwarzen Gesichtsflecke berühren
unten den Mundrand 36. P. Uspilosmn Poetsch. (Fig. 31)
— Stirn breiter als lang. Letztes Glied der Vorderfüße
nicht heller, sondern dunkler als der übrige Fuß. Die
2 sclnvarzen Gesichtsflecke erreichen unten den Mundrand
nicht 34
34. Backen V? eines Auges hoch; Körperbehaarung gelb
schimmernd 34. P. murinmn n. sp.
— Backen gut V4 eines Auges hoch; Körperbehaarung
schwarz 35. P. suave Loew (Fig. 30)
35. Thorax mit einer glänzend schwarzen Seitenstrieme von der
Schulter bis zur Flügelwurzel. Pleuren dicht bestäubt,
Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt.). 65
aber nicht schwarz punktiert, Stirn l'/oHial so lang wie
breit. Hinterleib dicht und fast zottig- beiiaart
31. P. pxnctiventre Poutsch. (Fig. 28)
— Thorax ohne solche Seitenstrienie, Pleuren schwarz
punktiert. Hinterleib nie zottig. Stirn so lang wie breit 3H
36. Gesicht ganz gelb, ohne schwarze Flecke unten an den
Fühlergruben 30. P. (jilvipes Loew (Fig. 27)
— Gesicht ganz glänzend schwarz oder wenigstens mit
2 solchen Flecken unten an den Fühlergruben 37
37. Hinterleib glänzend schwarzgrün, ohne weiße Toment-
punkte. Erste Hinterrandzelle völlig parallelrandig. Flügel
mit einer braunen Vorderrandstrieme, die dann über die
2 Queradern nach hinten biegt
26. P. rufi'pes Meigen (Fig. 23)
— Hinterleib weißgrau punktiert. Flügel ohne braune
Strieme. Erste Hinterrandzelle meist an der Mündung
verengt 38
38. Gesichtsrücken und Pleuren längs der Mesopleuralnaht
rotgelb. Erste Hinterrandzelle an der Mündung auffällig
aufwärts gebogen 29. P. curvinerve n. sp. (Fig. 26)
— Gesicht schwarz. Pleuren ohne Rotgelb. Erste Hinter-
randzelle gerade 39
39. Letztes Glied der dunklen Vorderfüße rotgelb. Die Flügel-
spitze ist der dunkelste Teil des Flügels
27. P meridiondle n. sp. (Fig. 24)
— Vorderfüße in der Endhälfte ganz dunkelbraun. Die
Flügelspitze ist der hellste Teil des ganzen Flügels
28. P. clathratum n. sp. (Fig. 25)
1. Platystoma seminatioriis Fabr. {^. $).
Fabricius, System. Entomol.. p. 786, 70 {Musra) (1775). — Spec. Ins.,
Vol. 2, p. 452, 90 {Miisca) (1781). — Mant. Ins., Vol. 2, p. 352,
109 (1787). — Entomol. Syst., Vol. 4, p. 355, 174 {Musca) (1794).
— System. Antliat., p. 329, 16 {Didija) (1805).
Gmelin, System. Nat., Edit. 13, P. 1, Vol. 5, p. 2857, 246 {Musca)
(1788).
Schrank, Fauna Boica, Vol. 3, p. 146, 2516 (Truproiea) (1803).
Latreille, Gen. Crust. et Ins., Vol. 4, p. 354 (Platystoma) (1809).
Meigen, Syst. Beschr., Vol. 5, p. 392, 2 (1826) (Plati/stoma).
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 5
66 Friedrich Hendel,
Robixeau-Desvoidy, Essay sur les Myodaires, p. 709, 2 {HesyquiUia)
(1830).
CuRTis, Brit. Entomo]., Vol. 11, PI. et p. 505 (1834) {Platystoma).
Macquart, Suit. ä Buffon, Vol. 2, p. 444, 3 (1835) {Plalijdoma).
LoEW, Dipterol. Beitr. 1, p. 35, 3 (1845) {Platystoma).
Walker, Ius. Brit., Vol. 2, p. 193, 1 (1853) {Platystoma).
SCHIXKR, Fauna Austriaca, Vol. 2, p. 83 (1864) {Platystoma).
EONDAKI, Dipt. Ital. Prodr., Vol. 7, Fase. 3, p. 36, 8 (1869) {Megaglosm).
Pandelle, Etud. sur les Museid., P. 3, p. 446, Caen (1902) {Platystoma).
Syn. fulriventre Schrank, Enumerat. Ins. Austr. Indig., p. 469, 953
{Musca) (1781). — Gmelin, Syst. Nat., Edit. 13, P. 1, Vol. 5,
p. 2862, 298 {Musca) (1788).
Syn. vegetationis Bondani, Dipt. Ital. Prodr., Vol. 7, Fase. 3, p. 36, 8
{Megaglossa), $ (1869).
Anm, : Platystoma transversa Meigen, in: Fabricius, Syst. Antl.,
p. 329, 16 (1805) und daraus in: Latreille, Gen. Crust. et Ins.. Vol. 4,
p. 355 (1809) ist nur ein Schreibfehler für P. senimationis F.
Die Grundfarbe des g-anzen Körpers samt seinen Anhängen
ist durchaus schwarz. Ein dunkles Eotbraun, das nie auffällt,
zeigen höchstens folgende Stellen: der Rand der Lunula über den
Fühlerwurzehi, das 2. Fühlerglied geg^en die Spitze hin und das
3. an der Basis, die Epistomseiten in der Auslaufrinne der Fühler-
gruben und noch seltner die Backengruben. Stets rotbraun sind
die äußersten Wurzeln aller 4 Fersen. Glänzend schwarz,
unb es täubt sind: das Prälabrum, das Epistom, die Schenkel
und Schienen, die Seitenränder der Abdominaltergite und der Hinter-
rand des 5., die Genitalien; die Punkte und schwarzen Stellen der
Hinterleibsterg-ite , während diejenige des Thoraxrückens und des
Schildchens mattschwarz sind. Die schwarzen Stellen und Punkte
der Pleuren sind oben matt, nach unten hin allmählich etwas
glänzend.
Die Farbe des Körpertom entes hat stets einen gelb-
lichen Ton, wechselt aber zwischen gelblich-grau bis stumpf ocker-
gelb. Das Toment des Kopfes ist gewöhnlich heller, mehr weißlich
und oft fast silbrig.
Die Behaarung des ganzen Körpers, auch der Stirn und der
Beine ist schwarz, nur wenige Haare an den Pteropleuren und an
der Unterseite der Hinterhüften sind gelblich.
Stirn so breit wie vom Scheitel bis zur Fühlerwurzel lang, un-
Die Gattung Platystoma Meigkn (Dipt.). (37
gefälir doppelt so breit wie ein Auge, zart bereift, ai» den Wujzeln
der Haare mit diclit stehenden mattschwarzen Punkten. Eine
Mittellängslinie, die sich oben am Ocellendreieck sj)altet. unpunktiert
bereift, weniger deutlich. Augenrand der Stirn und Wangen dichter,
weißschimmernd tonientiert, neben den Fühlerwurzeln am Auge ein
dunkel schilleiiider Doppelfleck. Die Fühler sind der Augenmitte
gegenüber inseriert.
Im Gesicht sind die Fühlergruben, mit Ausnahme des untersten
Teiles, sowie der ganze dazwischen liegende Längs rücken
matt bestäubt. Auf letzterem zieht sich die Bestäubung in einer
schlanken Spitze bis zum Mundrande herab.
Oberer Hinterkopf sclnvarz, schwach glänzend; auf der Halsstufe
des Hinterkopfes liegt eine breite, nach oben scharf abgegrenzte,
nach unten hin allmählich verwischte helle Keifbinde, die sich am
hinteren Augenrande auf die Backen herab fortsetzt und dort durch
seidenartigen Schimmer, sowie durch die Helligkeit besonders auf-
fällt. Die darunter liegende Grundfarbe ist hier rotgelb.
Fühler •' r, des Gesichtes lang. Arista wie nackt.
Prälabi'um am Ober- und Unterrande mit hell schimmernden
Tomentflecken versehen ; Taster am Spitzenrande weißlich schimmernd.
Die feine schwarze Punktierung des Thoraxrückens ist nicht
vollkommen gleichmäßig verteilt, sondern bildet durch größere Dichte
fast 2 — 4 breite Längsstriemen, die in der Mitte durch eine schmale,
deutlich hervortretende, wenig punktierte Linie getrennt werden.
Humeral- und Supraalargegend si)ärlicher punktiert.
Die Brustseiten sind auf den Meso- und den oberen Sterno-
pleuren dicht und gleichmäßig punktiert, so daß nur ein dünneres
Netzwerk des Toraentes dort übrig bleibt. Auf dem Schildchen ist
eine Mittelstrieme und der Hinterrand tonientiert, letzterer mit 6
schwarzen Punkten an den Borstenwurzeln versehen, der Eest der
Oberseite ist mattschwarz, undeutlich aus schwarzen Punkten zu-
sammengesetzt.
Stirn e, Rücken und Hinterleib sind kurz behaart, das Schild-
chen nackt.
Am Hinterleibe des c^ ist das 5. Tergit viel länger als das
halbe Abdomen und durchschnittlich 4 mal so lang wie die kui-zen
und gleichlangen Tergite 3 und 4 zusammengenommen.
Beim $ sind die Tergite 3 bis 5 beinahe gleichlang oder das
letzte etwas kürzer. Die Tomentierung des Hinterleibes ist beim
cJ dichter als beim $. Bei beiden ist das 5. Tergit am dichtesten
5*
ßj^ Friedrich Hendel,
toiiientiert und wie die Pleuren gleichmäßig schwarz punktiert,
gröber als die sehr fein punktierten vorderen Tergite. Beim $
herrscht mit Ausnahme des letztsichtbaren 5. Tergits die
glänzend schwarze Grundfarbe vor und tritt das zarte,
am 4. Tergit stark unterbrochene Tomentnetzwerk mehr nach Art
von Schillerflecken auf, während das 3. Tergit fast ganz glänzend
schwarz ist. Die breite Bauchhaut ist im Leben gelbweiß oder
wenigstens hellgelb, im Tode dunkler gelb. Das große präanale
Sternit des <^ ist gewölbt, am Hinterrande in der Mitte seicht aus-
geschweift und eingedrückt, überall unbestäubt. Parameren dunkel
rotbraun.
Von den tief mattschwarzen, in gewisser Richtung oben durch
zarten Reif bräunlich-gelb schimmernden Füßen sind die hintersten
auf der Unterseite goldigrot pubesziert. Beim (J zeigt das End-
glied der Vorderfüße außen an der Spitze meist eine verlängerte
und etwas verbreiterte Endborste.
Die Flügeladerung und -Zeichnung wird durch die Figg. 1 — 3,
Taf. 3 dargestellt. Die Grundfarbe ist ein ziemlich gleichmäßig
dunkles Sepiabraun, ohne intensiver braune Fleckung. Die Adern
sind schwarz, nur teilweise am Stigma und in der Umgebung der
Schulterquerader rotbraun. Die helle Punktierung ist weiß, nur an
der äußersten Wurzel etwas gelblich-braun. Die einzelnen Punkte
enthalten keinen dunkleren Zentralfleck. Die Zahl der Punkte
variiert nach der Größe, ist bei kleineren Tieren geringer, variiert
aber auch etwas bei gleichgroßen Stücken. — Fig. 1: Flügel 7 mm
lang, mit zahlreichen Punkten. Weder die aus weißen Punkten ge-
bildete Querbinde über die hintere Querader, noch die beiderseits
derselben gelegenen, braunen, wenig oder fast nicht weiß gefleckten
Flügelteile sind unterscheidbar. — Fig. 2 : Flügel 6 mm lang, weniger
zahlreich und relativ größer punktiert; er erscheint in der Spitzen-
hälfte schon mit 2 braunen, wenig gefleckten Querbinden versehen,
welche die aus weißen Punkten gebildete, über die hintere Quer-
ader laufende, beiderseits flankieren, — Fig. 3: Flügel 4,5 mm lang.
Quei'bandierung in der Spitzenhälfte noch mehr fortgeschritten,
namentlich ist die weiße Querbinde besser isoliert und sind die
weißen Flecke beiderseits der hinteren Querader schon zusammen-
geflossen. Diese Form bildet den Übergang zur var. frauenfeldi
NOWICKI.
Die Discoidalis mündet etwas unterhalb der Flügelspitze, welche
in die Mündung der ersten Hinterrandzelle hineinfällt. Der letzte
Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt.)- 69
Absclinitt der Cubitalis ist jenseits der kleinen Querader erheblich
aut'g-ebosen.
Die Tlioraxschiippchen überragen die Fliigelschü})i)chen meist
um ^ o bis höchstens '^l^ derselben. Der Schwingerstiel ist rostfarbig,
der Kopf schwarzbraun.
Körper und Flügel 4,5 — 7 mm lang.
Anm. Th. Becker's Zitat dieser Art im 4. Bande des Katal.
d. paläarkt. Dipt. p. 103 — Linne, Faun. Suec. 1H74 (1766) — ist
ein ganz irrtümliches, da ja die Art in Schweden gar nicht vor-
kommt. Es dürfte eine Verwechslung mit der Tetanocerine „Musca''-
nmhrarum Linke 1, c. p. 1864 (1761) stattgefunden haben. Der Autor
unserer Art ist Fabeicius.
Desgleichen entspricht es nicht der Wahrheit, wenn Scheank's
Musca fnlviventris (1781) als Synonym zu Meigen's Platystoma um-
hmnnn gestellt wird, denn unser Baier sagt ausdrücklich ,,pedes
atri" und erwähnt auch besonders vom Flügel die „fasciae duae
obscuriores in utrague aM^. Dadurch ist jeder Zweifel ausgeschlossen !
Die „gelbbauchige Fliege" stammt aus Wien, wo P. seminationis F.
häutig ist, P. luguhre R. D. aber nicht vorkommt und nur gegen die
ungarische Grenze hin angetroffen wird.
Daraus, daß Rondani sein Fiat, vegetationis von seminationis F.
nur durch die verschiedene Länge des 5. Abdominaltergits unter-
scheidet, geht mit Bestimmtheit hervor, daß ersteres nichts weiter
als das $ von letzterem ist.
Heimat. Im Westen ist unsere Art als einzige der Gattung
noch in England verbreitet. Sie kommt dann am Kontinente in
Holland, Frankreich, im ganzen festländischen Italien, Österreich-
Ungarn und Deutschland bis zum 53 ** n. Br. vor. Im Osten scheinen
die Karpathen die Grenze zu bilden, da ich keine typische Form
von jenseits derselben erhielt. In Podolien tritt P. frauenfeldi, in
der Walachei P. hiseta und valachiae, in Rußland P. angustipenne
und ntfimanum an ihre Stelle. In Spanien fehlt P. seminationis.
Wie weit sie in der Balkan-Halbinsel vorkommt, ist mir nicht be-
kannt. Ich kenne nur Stücke aus Belgrad und Semlin, also von der
Donau.
2. Platystoma sein hiat Ion is Fabr.
cai', frauenfeldi Noavicki {^, $).
NowiCKi, in: Verh. zool.-bot. Ges. "Wien, Vol. 17, p. '602^ tab. 11,
fig. 2 (1872).
70 Friedrich HENDEr.,
Gleicht bis auf folgende Unterschiede ganz dem typischen PL
seminaiionis L. und gilt auch sonst die dortige Beschreibung. Fl.
frauenfeldi Nov. ist durchschnittlich kleiner und vor allem durch
die Flügelzeichnung (Fig. 4) charakterisiert. Die hintere Querader
ist schmal braun gesäumt, und dieser Saum wird beiderseits
von einer ununterbrochenen, nicht aus Flecken zu-
sammengesetzten, gleich breiten Strieme von weißer
Farbe b e g 1 e i t e t , die von der Discoidalis bis zum Flügelhinterrand
reicht. In der Fortsetzung dieser 2 Striemen nach oben finden sich
in jeder Zelle 2-3 weiße Flecke eng nebeneinander, wodurch eine
einzige deutliche Querbinde von weißer Farbe den ganzen Flügel
durchzieht ; oben gleich hinter der Mündung der Subcosta beginnend,
in Flecke aufgelöst und schwach gebogen, unten über die gesäumte
hintere Querader ziehend und unaufgelöst, vollkommen. Diese weiße
durchlaufende Querbinde hebt sich um so deutlicher ab, als das
Braun des Flügels vor und hinter derselben in einem breiten Streifen
der weißen Punkte vollkommen entbehrt, also nicht durch-
brochen ist, so daß man auch sagen könnte: Spitzenhälfte des Flügels
mit 2 breiten, schwach gebogenen braunen Querbinden, die eine
schmälere weiße, über die hintere Querader laufende einschließen.
Fig. 4 stellt den Flügel vor. Der unterhalb der Radialismündung
fehlende weiße Querfleck kann auch vorhanden sein.
Weitere, geringe Unterschiede der galizischen Stücke scheinen
mir zu sein : Die Lunula, Facialien, das seitliche Epistom und die
Backengruben sind rotbraun. An den Füßen ist nicht nur die
Wurzel der Fersen, sondern auch noch die des folgenden
Fußgliedes rot. Die ganzen Beine zeigen nicht das tiefe Schwarz
des Fl. seminationis, sondern sind mehr pechschwarz, haben also
einen Stich ins Braune. Die Fühler kommen mir etwas länger vor.
Wie beim $ von Fl. se^ninationis ist auch hier der Hinterleib
des $ vorherrschend glänzend schwarz. Die bei dieser Art erwähnte
Spitze der Bestäubung des Gesichtsrückens, die sich auf das Epistom
herabzieht, ist hier noch schmäler und nur bei genauer Untersuchung
zu sehen. Auch hier sind die Schenkel ganz schwarz und die
4 hinteren posterior nicht länger behaart.
Ich habe obige Beschreibung nach den von Prof. Nowicki dem
Wiener Hofmuseum übermittelten, also typischen Exemplaren gemacht,
muß aber hierzu bemerken, daß ich sehr ähnliche Exemplare nebst
Übergängen in der Flügelzeichnung und Größe neben vollständig
typischen Stücken der Fl. seminationis L. aus der Wiener Gegend,
Die Gattimg Platystoma Meigen (Dipt.)- 71
aus Unoani und Oberitalien vor mir hatte und kh deshalb P.
fmnevfddi Now. nicht als selbständige Art ansehen kann.
Körper und Flüg-el 4,5 — 5 nini lang.
Heimat. Südost-Galizien, die angrenzende Bukowina und Podolien
(Ukrain).
3. Platijstoina seniinatioiu's Fabr. var, biseta Loew ((^, $).
LOEW, in: Ztscbr. Naturw., Vol. 32, p. 10, 9 (1868) und Beschreib
Europ. Dipt., Vol. 3, p. 283, 187 (1873).
Pandelle, Etud. sur les Museid., P. 3, p. 446, Caen (1902).
Noch geringere Unterschiede als die folgende, P. valachiae,
trennen diese Form von P. seminationis L, Sie macht einen noch
schwärzeren Totaleindruck, ist aber durchschnittlich größer
und stärke r. Die Schenkel wie überhaupt der ganze Körper sind
nur schwarz behaart. Das Endglied der V o r d e r f ü ß e
des S hat außer den Klauen außen und innen, gleich der
folgenden Art eine lange und verbreiterte Borste. An den schwarzen
Füßen ist meist nur die äußerste Wurzel der Fersen, selten auch
die des folgenden Gliedes rot. Der Hinterleib des $ erscheint nicht
wie bei P. seminationis L. am 3. Tergit fast einfarbig schwarz,
während die Tomentpunkte erst nach hinten sich allmählich ver-
dichten und ein Netzwerk bilden, sondern ist auf allen den Tergiten
3 — 5 fast gleichmäßig verteilt und dichter als bei P. seminationis L.
mit grauen Tomentpunkten und -querbalken besetzt.
Das Braun des Flügels (Fig. 5) ist sehr dunkel und gesättigt.
Die aus 3 — 4 weißen, nebeneinanderliegenden Tropfen gebildete,
nicht immer gleich gut erkennbare Querstrieme über die hintere
Querader, wird hier meist von schwach punktierten bis ganz un-
punktierten braunen Flügelbinden vor und hinter derselben begrenzt.
Bei P. seminationis F. s. str. tritt diese Querstriemung bei den größten
Stücken nie so deutlich hervor.
Die Füße sind entweder wie bei P. seminationis F. nur an der
äußersten Wurzel der Fersen rot oder auch noch an jenen des
folgenden oder mehreren der folgenden Glieder, nie aber in solcher
Ausdehnung wie bei P. valachiae.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß das ^ von P. hiseta Loew
durch die 2 verlängerten und verbreiterten Borsten des Tarsen-
endgliedes der Vorderbeine, das ? durch die dichtere und weniger
schillernde Tomentfleckung des Hinterleibes sowie durch die gleicii-
72 Friedrich Hendel,
mäßigere Verteilung derselben, namentlich auch am 3. Tergit, beide
Geschlechter durch etwas bedeutendere durchschnittliche Körper-
größe von P. seminationis L. verschieden sind.
Zahlreiches Material aus Ungarn, Krain und Nieder-Österreich
läßt sich aber nicht in diese Alternative zwängen. Entweder ist
beim ^ auch die innere Endborste des letzten Fußgliedes der Vorder-
beine verlängert und mehr oder weniger verdickt, wenn auch nicht
in gleichem Grade wie die äußere oder die Tomentierung des Hinter-
leibsrückens der großen $ ist am 3. Tergit auch nicht so dicht, daß
man ins Eeine kommen könnte. Es sind also Übergänge da, die
Zweifel können nicht überwunden werden ; P. Useta Loew ist derzeit
noch keine fertige Art.
Rein wird sie derzeit am besten durch die rumänischen Exemplare
repräsentiert. Nach Westen hin verwischen sich die Unterschiede.
Pandelle's Angabe über den Unterschied von P. seminationis F.,
daß bei diesem die Backen nur Ve? ^^i P- ^seta Lw. jedoch V4 der
Augenachse hoch sind, stimmt mit meinen Messungen nicht überein.
Körper 7 — 8 mm, Flügel 6 — 7 mm lang.
Heimat. Rumänien (leg. Montandon) ; Ungarn, Orsova. Stücke
aus dem westlichen Ungarn, aus dem östlichen Niederösterreich und
Krain sind nicht mehr typisch zu nennen, sondern bilden den Über-
gang zu seminationis Fabr.
4. Platystoma valachiae n, «/>. {^).
Ebenfalls dem P. seminationis F., noch mehr aber der vorher-
gehenden Art ähnlich, aber durch Folgendes unterscheidbar. Die
Art ist erheblich größer und robuster als erstere, aber auch noch
größer als die letztere und viel dichter bestäubt als beide.
Diese machen einen schwarzen Gesamteindruck, P. valachiae einen
mattgelbgrauen. Letzteres hat auch deutlich gelbrote Stellen:
die Lunula, die Facialien, den Mundrand und die Backen gruben.
Besonders letztere fallen sehr auf. Meist sind auch die Fühler rot,
immer wenigstens heller als bei P. seminationis F. und nur die
Hälfte des Gesichtes lang. Außer der Ferse ist auch das folgende
Fußglied mehr oder weniger breit, oft vorherrschend rot; ebenso
die Spitzen der Schenkelringe und vielfach auch die Wurzeln der
anderen Fußglieder.
Die Seitenränder der Tergite sind weniger breit glänzend
schwarz. Wie schon gesagt, herrscht das gelbgraue Toment ent-
schieden über die schwarze Grundfarbe vor. Die schwarzen Punkte
Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt.). 73
sind kleiner, mehr isolieit und fließen meist nicht zusammen. Die
Grundfarbe der Stirne und des Scheitels ist niclit schwarz, sondern
rot bis braun. Der in gleicher \\'eise wie bei P. seminationis F.
bestäubte (4esichtsrücken ist breiter. Die 4 hinteren Schenkel und
Hüften sind bei P. seminationis und hiseta posteroventral einfach und
kürzei- schAvarz behaart, hier aber mit deutlich längeren, hell-
gelben oder rötlichen Haaren bedeckt. Das Endglied der
Vorderfüße des ^ hat innen und außen an der Spitze wie bei
P. hiseta Loew eine lange und etwas verbreiterte Borste, deren
Si)itze rot ist.
Auch die Flügelzeichnung (Fig. 6) ist von P. seminationis und
hiseta verschieden und gleicht der von P. tegidarium Loew. Die
Grundfarbe ist ein helles Braun, das hinten noch mehr verwaschen
ist; in demselben liegen die weißen Tropfen und Punkte, die zahl-
reicher als bei den verglichenen Arten sind und außerdem noch
größere, unpunktierte dunkler braune Flecke. Letztere fehlen
seminationis und hiseta ganz ; der dunkle Grund ist bei diesen gleich-
mäßig tief braun und zeigt nur die weißen Tropfen in geringerer
Anzahl und relativ größer.
Körper 9 — 10 mm, Flügel 8 — 9 mm lang.
Heimat. Kleinasien, Brussa; Rumänien, Tultscha, Ungarn,
Stäjerlak.
5. P. rufimanuni Loew {^, $).
Loew, Beschreib. Europ. Dipt., Vol. 3, p. 284, 188 (1873).
Eine sehr charakteristische Art.
Die Unterschiede dieser Form von den typischen P seminationis
können folgendermaßen dargestellt werden: Die Bestäubung des
Rückens ist dichter und ausgesprochener ockergelb; die
schwarzen Punkte sind kleiner, stehen weniger dicht und fließen
daher nicht zu Linien zusammen. Am Hinterleibe des $ ist das
3. Tergit nur die Hälfte des 4. lang und sind auch die Tergite 3
und 4 mit Ausnahme der glänzend schwarzen Seitenränder mit einem
gelblichen Tomentnetzwerke versehen, das nur wenig schütterer als
am 5. ist. Das 3. Tergit ist etwas länger als das 4., aber kürzer
als das 4. und 5. zusammen.
Die Vorderfüße des ^ haben dieselben starken und verbreiterten
Endborsten wie bei P hiseta Loew. An den Füßen ist nicht nur
die Ferse sondern auch das nächste und manchmal auch das 3. Glied
74 Fhiedkich Hendel,
an der Wurzel rot. Die Behaarung' der 4 hinteren Schenkel ist
etwas verlängert und nicht schwarz, sondern schimmert gelblich-rot.
Flügel nach Fig. 35. Die W u rz e 1 h ä 1 f t e der Costa!- und
Basalzelle sowie die ganze Subcostalzelle ist fast
un gefleckt gelb. Die Costa, die Mediastina und Subcosta sind
lebhaft gelbrot. Die Spitzenhälfte des Flügels ist wie bei P. fraiien-
feJdi Now. gebändert; die Wurzel hälft e jedoch ist durch
das Zusammenfließen der großen weißen Punktflecke
ganz vorherrschend hyalin und zeigt die braune Farbe
nur als zerrissenes Netzwerk.
Alles übrige wie bei P. seminationis F.
Körper und Flügel 5,5—6 mm.
Heimat. Süd -Rußland (Nachitschevar) , leg. Dr. Schnabl.
Kaukasus (Loew). Ich sah ein typisches Exemplar Loew's, Elton-
See, leg. Beckee. Mann sammelte die Art in Syrien.
6. Platijstotna angustipenne Loew {(^, $).
Loew, Neue Beitr. zur Kenntn. d. Dipt., 2. Beitr. p. 21, 48 (1854).
„Plat. seminationis sehr ähnlich, aber durch verhältnismäßig
längere und schmälere Flügel sehr ausgezeichnet. Das Flügelgitter
ist feiner und nicht so dunkel; die Flügelwurzel und das
Rand mal gelblich, doch liegen auf demselben 2 dunkle Punkte;
in dem Zwischenräume hinter dem Randmale steht eine ziem-
lich zahlreiche Reihe kleiner dunkler Flecke; nur auf
der Flügelspitze selbst fließt das Schwarze zu größeren Flecken zu-
sammen; vor der hintersten Querader ist dies nirgends der Fall.
Die kleine Querader ist bis vollständig auf das 2. Drittel der
Discoidalzelle fortgerückt. Der letzte Abschnitt des Hinterleibes
ist ebenso wie bei P. seminationis verlängert. Die Bestäubung des
Körpers ist überall von einer braungraueren Farbe als bei jener.
Größe 3 lin.
Vaterland. Moskau."
Gleicht dem vorher beschriebenen P. rufimanum Loew außer-
ordentlich und ist durch Folgendes unterscheidbar. Dem (^ fehlen
die verlängerten und erweiterten Borsten am letzten Gliede der
Vorderfüße vollständig, wodurch es dem typischen P. seminationis
näher kommt. Beim $ ist das 3. Abdominaltergit so lang wie die
2 folgenden zusammengenommen, das 5. wieder kürzer als das 4.
Beide sind in ihrer Gänze dicht seidenartig gelbgrau bestäubt und
d
Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt.). 75
sehr fein schwarz punktiert. Das 3. Tergit ist an den Seiten glän-
zend schwarz und in der Mitte schütterer tomentiert und gröber
punktiert, aber immer noch derart, daß die schwarzen Punkte alle
isoliert bleiben.
Der Flügel nach Fig. 84 ähnelt dem von F. seminationis in
Fig. 1 oder 2 dargestellten, nur sind die Costal- und Basalzellen-
wurzel sowie die Subcostalzelle gelb und die begrenzenden Adern
lebhaft gelbrot, ferner die hintere Flügelhälfte durch Vermehrung
und teilweises Ineinanderfließen der weißen Punkte vorherrschend
hyalin und nicht braun. An den Füßen ist nur die Wurzel der
Fersen rot. — Bei einem c^ fällt nur die besondere Stärke der
Vorderschenkelborsten auf. Alles übrige wie bei P. nifimanum.
Körper 5,5 — 7 mm lang.
Heimat. Süd-Bußland (Nachitschevar) , leg. Dr. Schnabl.
Moskau (LoEw). Da die Type ein Unicum ist, lag sie mir nicht vor.
7, Plalijstonia nitidiventre n, sp. {^, ?).
Auch diese Art gehört wie Fl. seminationis F. zu den schwarz-
fäßigen und ist genannter sehr ähnlich, weshalb sie am besten ver-
gleichsweise mit dieser gemeinen Species beschrieben wird. Größe
wie bei PI fmuenfeldi Now., auch die Kopffärbung und -bestäubung,
namentlich die des Gesichtes. Die Arista ist deutlich, wenn
auch sehr kurz und zart behaart. Die Fühler sind nur
etwas kürzer als das Gesicht. Die Behaarung der Stirn, des Rückens
und namentlich des Hinterleibes ist auffällig länger als bei den
genannten Arten, besonders beim $.
Das wichtigste Merkmal liefert der Hinterleib. Er ist in beiden
Geschlechtern vollkommen un bestäubt und ganz glänzend
schwarz. Das verlängerte 5. Tergit des ^ ist nur IV^mal so
lang wie das 3. und 4. zusammen, letzteres etwas länger als das 3.
Füße wie bei PI. seminationis F., nur sind die Hinterfersen an
der Wurzel etwas breiter rot.
Das gleichmäßige dunkle Braun des Flügels (Fig. 7) wii'd nur
von kleinen weißen Punkten und in geringerer Zahl als bei
den verwandten Arten durchbrochen. Tropfen von der Größe wie
bei PJ. seminationis F. fehlen ganz. Ähnlich wie bei PL fmuenfeMi
No^v.. aber nicht auffällig, geht von vorn bis nach hinten über die
hintere Querader eine Querbinde, die aber hier durchwegs nur aus
weißen Punkten besteht, auch neben der hin teren Querader.
Auch die unpunktierten, einfach braunen Grenzräume vor und hinter
76 Friedrich Hendel,
dieser Piinktquerbinde sind hier vorhanden. Die erste Hinterrand-
zelle ist jenseits der hinteren Querader weit weniger zusammen-
gezogen als bei Fl. seminationis F. Alles Übrige wie bei dieser Art
beschrieben.
Körper und Flügel 5—5^3 mm lang.
Heimat. Kaukasus, Kusari, Mai.
8. Flatystoma Uvtiventre Loew {^, $).
LOEW, in: Berlin, entomol. Ztschr., Vol. 9, p. 241, 21 (1865).
Pedibus totis nigris, tegulis minutis, alis nigris, guttulis pellucidis
subaequaliter aspersis, abdomine latiusculo, ultimo segmento maris
praecedentibus tribus simul sumptis breviore, quarto foemine reliquis
singulis longiore. — Long. corp. 2^/4—8712 lin., Long. al. 3 bis
3^/12 lin.
„Diese leicht kenntliche Art hat in der Flügelzeichnung noch
die meiste Ähnlichkeit mit Fiat, seminationis, doch ist das Flügel-
gitter dichter und gleichmäßiger als bei dieser, so daß keine deut-
lichen Querbinden erscheinen und die ganzen Flügel viel schwärzer
aussehen. Die Ocellen haben ungefähr dieselbe Stellung wie bei
Fiat, tegularia, d. h. sie sind einander weniger genähert als bei den
meisten anderen Arten, Die Deckschüppchen sind erheblich kleiner
als bei Fiat, umhrarum. Der Bau des verhältnismäßig breiten
Hinterleibes ist für diese Art sehr charakteristisch; bei dem (J
ist der letzte Abschnitt desselben erheblich kürzer als die 3 vorher-
gehenden zusammen; die beiden ersten miteinander verwachsenen
Abschnitte des weiblichen Hinterleibes sind ziemlich kurz, der 3. Ab-
schnitt sehr kurz; der 4. zeichnet sich durch seine
Länge aus und übertrifft hierin den ebenfalls ziemlich
langen 5. Abschnitt."
„Vaterland. Kutais."'
Ich habe ein typisches (^ aus dem Berliner Museum vor mir,
es stammt aus Amaria in Kleinasien. Die 2 glänzend schwarzen
Flecke unten in den Fühlergruben sind in der Mitte miteinander
verbunden und bilden also ein glänzend schwarzes Querband, während
der Mundrand seitlich darunter gelbrot ist. Die graue Bestäubung
des oberen Gesichtes zieht in der Mitte nur als feine gerade
Linie zum Mundrande hinab. Arista sehr zart pubeszent. Lunula,
Wangen und Backengruben rotbraun.
Körpertomen t gelbgrau. Der Thoraxrücken zeigt 4 sehr deutliche
Die Gattung Platystonia Meigen (Dipt.). 77
Läiigsstriemeii. aus s^lnvarzen Punkten zusammengeflossen, die seit-
lichen sind an der Queinaht unterbrochen.
Das 5. Teroit des (^ ist nur wenig' länger als die Tergite
3 und 4 zusammengenommen. 5. Sternit wie bei P. seminationis F.
Nur die Behaarung an der Unterseite der Schenkelringe ist gelblich.
Bauchliaut gelb. Füße schwarz, kaum an der äußersten Fersen wurzel
rotbraun, üas letzte Fußgiied der breiten Vorderbeine zeigt außen
und innen ähnliche Borsten wie P. rufimanum, hiseta und valachiae.
Flügel nach Fig. 88. also dem von P. seminationis Fabr. wirklich
sehr ähnlich. Als Unterschied möchte ich anführen, daß die Anal-
zelle bei P. seminationis hyalin ist und nur einen braunen Punkt in
der Mitte enthält, während sie bei lativentre 3 solcher brauner
Punkte zeigt.
Schwingerkopf dunkelbraun. Thoraxschüppchen doppelt so
lang wie das des Flügels.
Körper und Flügel 8 mm lang.
9. PJaty Stoma sHbf'asciattnit Loew ((^. $).
LoEW, in: "Wien, entomol. Monatsschr., Vol, 6, p. 173, 68 (1862).
Ebenfalls dem P. seminationis F. bis auf die im Folgenden an-
gegebenen Unterschiede gleichend und dem P. bessii sehr nahe
stehend. Am leichtesten kenntlich ist diese Art durch
das in der ganzen unteren Hälfte unbestäubte, daher
glänzend schwarze Gesicht. Nur der obere Gesichtsteil unter
den Fühlergruben und oberhalb der Querfurche ist grau bereift;
aber selbst hier ist die Medianlinie des Gesichtslängsrückens viel-
fach glänzend schwarz. — Die Fühler stehen wie bei P. subtile
Loew beträchtlich unterhalb der Augenmitte, bei P. seminationis F.,
rufimanum Loew und hez^ii n. sp. der Augenmitte gegenüber.
Wangen, Backengruben, der seitliche Mundrand und das 2. Fühler-
glied sind rot. Stirne, Lunula und die übrigen Fühlerglieder sind
schwärzlich-rotbraun. Die Arista ist sehr zart und fein, aber doch
sichtbar pubesziert. Der untere Hinterkopf und die posteroventrale
Seite der 4 Hinterschenkel ist mit längeren gelblichen Haaren be-
setzt. Der Kopf ist stärker von vorne her zusammengedrückt, hinten
aber weniger gepolstert als bei P. seminationis F.
An den Füßen sind die Wurzeln der Vorderfersen, die ^Mittel-
ferse mit Ausnahme der Spitze und die ersten 2 Glieder der Hinter-
78 Friedrich Hendel,
füße rotgelb. Die Voiderfüße haben außen keine verlängerte End-
borste.
Das 5. Tergit des (^ ist nur IV^nial so lang wie das 4.
oder das gleichlange 3. Der Hinterleib ist dichter als bei P. semi-
nationis F. tonientiert. Der umgeschlagene Seitenrand, der bei dieser
Art glänzend schwarz ist, ist hier dicht grau tomentiert und schwarz
punktiert. Die Behaarung des Hinterleibsrückens schimmert stellen-
weise rot. Beim $ ist das 3. Tergit etwas länger als das 4. und
dieses unbedeutend länger als das 5. Die Tomentflecke des 4. und
auch des 3. Tergites sind weitaus intensiver und dichter als bei P.
seminationis.
P. subtile LoEw ist im (^-Geschlechte sehr leicht von unserer Art
zu unterscheiden. Das $ wird sich aber außer durch die Gesichts-
bestäubung durch die dunkleren Flecke auf dem hellbraunen Grund
des Flügels, die P. subfasciatum Loew fehlen, charakterisieren, sowie
durch die helleren Schwingerköpfe.
Die Flügelzeichnung und -aderung wird durch die Fig. 8 dar-
gestellt. Die weißen Tropfen des Gitters sind sehr klein,
stehen viel dichter als bei den verwandten, vorhergehenden Arten
und enthalten außerdem je ein kleines, dunkleres
Zentralpünktchen, was namentlich bei dem sehr ähnlichen
Flügel des P. bessü nicht der Fall ist. Die „2 fast ungegitterten
Querbinden" beiderseits der hinteren Querader sind ähnlich wie bei
den anderen Arten erkennbar. Die Grundfarbe des Flügels ist kein
sehr intensives, ziemlich gleichmäßiges Braun, ohne dunklere Flecke.
Schwinger und Schüppchen wie bei P. seminationis Fab.
Körper und Flügel 5—6 mm lang.
Heimat: Türkei (Loew); Kleinasien (Brussa). Typische Stücke
LoEw's, die mir vorlagen, stammten aus Varna am Schwarzen Meere,
das seinerzeit wohl türkisch war,
10. JPlatystonia he^^^ii n. sp, {<^, $).
Eine schwarze Art mit „kurzen" Schüppchen vom Habitus der
typischen P. seminationis F., aber mit roten Fersen, länger und gelb-
lich behaarten Hinterschenkeln und einem 5. Tergit des männlichen
Hinterleibes, das nur 172nial so lang ist wie das 3. und 4. zusammen-
genommen.
Die von P. seminationis F. gegebene Beschreibung gilt auch für
diese Art mit folgenden Einschränkungen. Lunula, Wangen und
Backengruben sind rot; die Stirne ist von rotbrauner Grundfarbe.
Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt). 79
Au den Füßen sind die Wnrzelhälfte der Vorderfersen und die
hinteren Fersen mit Ausnahme der Spitze gelbrot. — Der graue
Keif des Gesichtsrückens zielit sich nocli sclimäler als bei P. semi-
nationis und nur als Linie bis zum Mundrand herab.
Das 4. Abdominaltergit des $ ist etwas länger als das 3. oder 5.
Auch hier tritt die grauliche Tomentpunktierung am 3. Tergit $
schon sehr stark zurück und sind namentlich die Seiten der Tergite
3 und 4 ganz glänzend schwarz, wie beim $ von P. seminationis F.
Die Vorderfüße des ^ besitzen außen am Endglied keine
verlängerte Borste.
Flügel nach Fig. 9 gegittert und geädert, also der Fig. 1 von
P. scminuiionis F. außerordentlich ähnlich. Die weißen Punkte sind
klein, stehen dicht und enthalten keinen dunkleren Kern. Bemerkens-
wert erscheint mir, daß von den 2 weniger gegitterten braunen
Querbinden der hintere Teil der basalen, der durch die Discal- und
3, Hinterrandzelle läuft, am besten konserviert bleibt.
Schüppchen und Schwinger wie bei P. seminationis F.
Körper und Flügel 5—6 mm lang.
Anm. P. suhfasciatum Loew hat ein ganz glänzend schAvarzes
Untergesicht, Zentralkerne in den weißen Flügelpunkten und unter-
halb der Augenmitte inserierte Fühler.
P. subtile Loew hat hellbraunen Flügelgrund, der mit weißen
Punkten und größeren, dunkler braunen Flecken besetzt ist. Auch
bei ihm stehen die Fühler unterhalb der Augenmitte. Sein Schwinger-
kopf ist hellbraun.
P. valachiae ist größer und hat im allein bekannten männlichen
Geschlechte lange verbreiterte Endborsten am letzten Glied der
Vorderfüße, sowie ein sehr langes 5. Abdominaltergit. Seine Flügel-
zeichnung ist auch verschieden.
Das kleine P. ohtusiim n. sp. zeichnet sich durch den in der
Übersichtstabelle angegebenen Kopfbau aus.
P. latkentre Loew ist schon durch „pedibus totis nigris"
verschieden ; auch ist es größer und breiter und hat an der Mündung
der 1. Hinterrandzelle keinen weißen Punkt. Die weiße Punktierung
seiner Flügel ist kleiner und auch schütterer, seine Schüppchen sind
länger.
Heimat. Mittel-Italien, Macerata, Mai, Juni; Süd-Italien, Cala-
brien; entdeckt von Prof. Dr. M. Bezzi und deshalb ihm zu Einen
benannt.
gQ Friedrich Hendel,
11. Platy Stoma subtile Loew {^, $).
LoEW, in: Ztschr. ges. Naturw., Vol. 32, p. 10, 7 (1868) und Beschr.
Europ. Dipt., Vol. 3, p. 281, 185 (1873).
RONDANi, Dipt. Ital. Prodi-., Vol. 7, Fase. 3, p. 36, 9 {Megaglossa) (1869).
Diese Art gleicht im ganzen Aussehen und in der Größe dem
P. tegularium Loew, var. gemmationis Rond. so sehr, daß sie leicht
mit ihm verwechselt werden kann, wenn man nicht die viel
kürzeren Thoraxschüppchen in Betracht zi^it.
Die Unterschiede sind außerdem folgende. Die Bestäubung des
Gesichtsrückens zieht sich in stumpfer, dreieckiger Spitze zum
Mundrand herab. Arista wie nackt.
Das 5. Tergit des S ist so lang wie der halbe Hinterleib
und 2mal so lang wie die Tergite 3 und 4 zusammen-
genommen. Das präanale Sternit des ^ ist glatt und konvex,
hinten ausgebuchtet, ohne keglige Zapfen. Beim $ ist das
4. Tergit etwas länger als das 5. oder das 3. — Der Schwingerkopf
ist dunkelbraun.
Alles übrige wie bei P. tegularium {var. gemmationis Rond.), so
insbesondere die Taster, die Färbung der Füße, die Behaarung, die
Tomentierung des Hinterleibes, der Flügel.
Die Thoraxschüppchen sind nicht ganz doppelt so lang wie die
Flügelschüppchen, sondern deutlich kürzer.
Unter den schwarzen Arten mit „kurzen" Thoraxschüppchen
haben teilweise rote Füße: P. valachiae, suhfasciatum Loew und
iezMi n. sp. P. valachiae-^ hat aber 2 verlängerte Borsten
am Endglied der Vorderfüße und ein viel längeres 5. Tergit. Das
$ kenne ich nicht. Es wird sich aber durch die verschiedene Be-
stäubung des Gesichtsrückens und durch das Fehlen der dunkleren
braunen Flügelflecke unterscheiden lassen. P. suhfasciatum Loew
hat die ganze untere Gesichtshälfte unbestäubt und glänzend schwarz.
P. heszii zeigt am glänzend schwarzen Epistom nur einen grauen
Mittelstrich und gleichmäßig tief dunkelbraune Grundfarbe des
Flügels; die dunkler braunen Flecke außer den weißen Punkten
fehlen ihr vollständig. Ihr Hinterleib ist weitaus weniger dicht
tomentiert, namentlich beim $, während bei P. subtile Loew die
Tomentierung in beiden Geschlechtern gleich dicht ist. Das 5. Tergit
des ^ von hessii ist kürzer.
P. oUusiim n. sp., die dem P subtile am nächsten steht, unter-
Die Gattung Plat3'stonia Meigen (Dipt.) Qi
scheidet vor allem schon die viel g-eringere Größe. Man vergleiche
das über diese Art Gesagte zum besseren Verstcändnis.
P. (icmmationis Rond. hat auch zum Unterschiede einen gleich-
mäßig braunen, nicht dunkler gefleckten Flügelgrund.
Den Flügel von P. snhtiJe Loew stellt die Fig. 10 dar. Der
Grund ist hellbraun, im Stigma und an der Flügelwurzel gelbbraun.
Er wird von sehr zahlreichen, dicht stehenden weißen Punkten
durchbrochen, die Zentralkerne besitzen und zeigt außerdem größere,
dunkler braune Flecke — so 2 unter dem Stigma, einen um die
kleine Querader herum und einen darunter an der Posticalis. alles
Reste jener „weniger punktierten" braunen Querbinde vor der
hinteren Querader. Avährend die gleiche solche Querbinde jenseits
derselben auch durch 3—4 solcher isolierter dunkler Flecke, unter
der Mündung der Radialis gelegen, der ehemaligen Lage nach an-
gedeutet wird. — Flügeladern dunkelbraun, basal selbst rotgelb.
Die Thoraxschüppchen sind etwas länger und breiter als l)ei
P. seminationis F. und ca. 2 mal so lang wie die Flügelschüppchen.
Der Seh wingerkopf ist hellbraun.
Körper und Flügel 6 — 7 mm lang.
Heimat. Sicilien. Ich sah tj^pische Stücke aus dem Berliner
Museum, von Mann in Sicilien gesammelt.
A n m. LoEw's Beschreibung ließe eher auf P. hisularum Rond.
schließen und ist irreführend. In der Beinfärbung ist P. lugnhre
und P. subtile absolut nicht gleich. *
12. JPlatystotna ohtusmn n. sxp, ((^, $).
Dem P. suhtile Loew sehr ähnlich, aber viel kleiner und noch
durch Folgendes verschieden.
Die Stirne, die Lunula, die Fühler und das ganze Gesicht sind
schwarzbraun oder ganz schwarz. Bei P. subtile Loew ist die Stirne
rotbraun, die Lunula, die Fühler und der Mundrand rot.
Arista nackt. Das Epistom ist kürzer, tritt weniger vor und
ist in der ganzen Mitte, in der Breite des Gesichtsrückens, bis zum
Mundrande grau bestäubt. Die wichtigsten Unterschiede liegen in
den Kopfdimensionen, wie sie in der analytischen Tabelle angegeben
werden.
Eine Eigentümlichkeit von P. subtile ist bei den mir vorliegenden
Stücken die stärkere Wölbung der Vorderstirne oberhalb der Stirn-
spalte und die schon von Loew erwähnte längere und raschere Be-
haarung. Bei obtusum ist die Stirne ganz eben.
Zool. Jahrb. XXXV. .\bt. f. Syst. ^
^2 Friedrich Hendel,
Die Taster sind schwarz. Backengruben rotbraun. Körper-
toment gelbgrau. AVährend bei P. subtile Lw. die Thoraxpunktierung
zu deutlichen Längsstriemen zusammenfließt, bleiben die Punkte
hier isoliert. Dennoch zeigt der Rücken aber dunklere, oliven-
l)raune Längsstriemen, die durch einen heller grauen Medianzwischen-
raum getrennt werden.
Das 5. Tergit des (^ ist mehr als 3mal so lang wie
die sehr kurzen Tergite 3 und 4 zusammengenommen. Beim $ sind
die Tergite 3—5 ungefähr gleich lang. Die Tomentierung ist beim
cT dieselbe wie bei P. subtile Lw. Das 2. Tergit ist einfarbig grau,
die dahinter liegenden sind dicht und heller grau als der Thorax
tomentiert. Die durch die glänzend schwarze Farbe gebildete
Punktierung ist in der Mitte der Tergite dichter und fließt vielfach
zusammen. Am dichtesten ist der Seiten- und Hinterrand des
5. Tergites tomentiert. — Beim $ sind die Tergite 3 und 4 ganz
vorherrschend glänzend schwarz und nur undeutlich weißgrau punk-
tiert; das 5. Tergit dagegen ist dicht tomentiert und schwarz punk-
tiert. Die Behaarung des Abdomens schimmert gelblich-weiß, die
längeren Haare aller Schenkel rötlich-gelb.
Beine und Füße wie bei P subtile gefärbt.
Flügel nach Fig. 11 gezeichnet und geädert. Die Flügel wurzel
und die Subcostalzelle sind etwas gelblich fingiert. Das Braun des
Flügels ist wenig intensiv. Die weißen Punkte sind kernlos; sie
stehen wohl ziemlich dicht beisammen, sind aber nicht so klein wie
bei tegularium Loew. Die braune Querbinde vor der hinteren Quer-
ader ist bis zum Hinterrande des Flügels entwickelt und nur ganz
vorn etwas weiß punktiert. An der Spitze der 1. Hinterrandzelle
liegt ein weißer Punkt.
Schüppchen und Schwinger wie bei P. seminationis Fab.
Körper und Flügel 4,5 mm lang.
Heimat. Kaukasus, Araxestal (Reittee).
13. Platystoftia tegularium Loew {^, $).
Loew, in: Wien, entomol. Monatsschr., Vol. 3, p. 157, 2 (1859) und
in: Berlin, entomol. Ztschr., Vol. 6, p. 87, 81 (1862) pro parte.
Schinee, Fauna Austriaca, Vol. 2, p. 83 (1864).
Steobl, Dipt. von Steierm., 2. Nachtr., p. 189 (1909).
Von schwarzer Grundfarbe sind der Thorax, Schild, Hinter-
leib, Hüften, Schenkel und Schienen und der Hinterkopf.
Die Gattung Platystoma Meigkn (Dipt.). ^ij
Gelbiot sind die Lumila, die Facialieii. das Epistoni; hell
lotbraim oder rot die Wangen und Backengruben, die Fühler und
die Tasterspitzen. Glänzend schwarz, un bestäubt sind: je
ein Fleck unten an den Pli hl ergruben, teilweise das Prälabrum,
Schenkel und Schienen — nur die Vorderschenkel sind hinten zart
überreift und i)unktiert — , die Genitalien und die Punkte und
schwarzen Stellen des Hinterleibes, während die des Thorax und
des Schildes matt sind.
Die Farbe des Körper tomentes ist gelbgrau, am Kopfe
heller; es ist etwas dichter als bei P. seminationis F. Letzteres er-
scheint aus der Ferne schwarz, tegidarium schon mehr mäusefarben.
Die Behaarung ist gelblich und länger: am unteren
Hinterkopf, an den Pteropl euren, an der Brust, den 4 hinteren
Hüften und an der Unter- und Hinterseite der 4 breiteren Schenkel.
Die übrige Grundbehaarung des Körpers und der Stirne ist
kurz und schwarz; ebenso sind alle Borsten schwarz. Die
l'nterseite der Vorder- und Hinterschienen und -fuße ist goldigrot
pubesziert.
Stirne so breit und in gleicher Weise wie bei P. seminatmies F.
bestäubt und punktiert, aber von roter bis rotbrauer Grund-
farbe, die auf der Vorderstirne noch heller sein kann.
Gesichtsrücken und Fühlergruben rötlich bis schwarz, aber
dicht weißgrau bestäubt; die unteren Enden der letzteren glänzend
schwarz. M u n d r a n d rotgelb, in der Mitte mit einer breiten
und oft stumpfen Spitze der Bestäubung, die sich von
oben herabzieht.
Ocellen- und Scheitelplatten und oberer Rand des Cerebrales
rot bis rotbraun, erstere dicht bestäubt. Oberer und jmterer Hinter-
kopf sonst wie bei P. seminationis F. gefärbt und bereift.
Fühler '^/ß des Gesichtes lang, rot bis rotbraun, seltener stärker
verdunkelt. Arista sehr kurz und zart, aber doch sichtbar pubes-
ziert. — Prälabrum in der Mitte oft rot; oben und unten mit Toment-
rändern. Die roten Taster spitzen schimmern weiß.
Die Tomentierung und schwarze Punktierung des Thorax und
Schildes ist dieselbe wie bei P. seminationis F., doch kann man hier
auf dem Rücken vier breite Striemen erkennen, die durch dichtere
Punktierung gebildet werden. — Schild unbehaart.
Am Hinterleibe des ^ ist das 5. Tergit unbedeutend verlängert,
nur P ., — l^'oiii^l ^^ laui? '^'iG eines der beiden gleichlangen Tergite
8 oder 4. J5eim $ sind die Tergite 3 und 4 fast gleich lang, das
6*
g4 Friedrich Hendel,
5. etwas kürzer. Zum Unterschiede von P. seminationis F. sind hier
^ und $ am Hinterleibe ziemlich gleich dicht tomentiert und punk-
tiert, in der Art wie beim ^ der genannten Species. Die Seiten-
ränder der Tergite und der Hinterrand des 5. sind nur schmal
glänzend schwarz: die vorderen Tergite seitlich weniger tomentiert
als in der Mitte. Am Vorderrande der Tergite 3 und 4 zeigt sich
häufig ein kleines, nach hinten gerichtetes Tomentspitzchen. In
der Medianlinie des ganzen Abdomens schimmern die Härchen viel-
fach gelblich.
Das 5. Tergit des ^ ist hinten in der Mitte seicht aus-
gerandet und mit 2 kegelförmigen, nach vorne gerichteten
Zapfen versehen. Die Parameren sind hellrot.
Die roten Partien der Füße variieren etwas in der Ausdehnung.
Bei den dunkelsten Stücken sind an den 4 vorderen Füßen das 1.
und 2. Glied fast bis zur Mitte rot, der Rest schwarz. An den
hinteren Füßen ist nur die Spitze dieser lebhaft roten Glieder
schwarz. Bei den hellsten Exemplaren sind fast die ganzen Füße
hellrot — die hintersten immer am lichtesten, die mittleren dunkler
— , gegen das Ende zu allmählich mehr oder weniger verdunkelt.
Flügel nach Fig. 12. Der Grund ist hellbraun, dicht mit
kleinen weißen, kernlosen Punkten besät, und mit größeren, inten-
siver braunen Flecken in derselben Anordnung wie bei P. subtile
beschrieben, versehen. Die weißen Punkte bei subtile zeigen einen
kleinen, etwas dunkleren Zentralkern. Die äußerste Spitze der
1. Hinterrandzelle ist dunkelbraun und enthält keinen weißen Punkt;
bei subtile ist dies der Fall.
Das Thoraxschüppchen ist sehr lang und breit, gut dreimal so
lang wie das Flügelschüppchen. Schwinger ockergelb, nur die Basis
des Kopfes braun.
Körper 8—11 mm, Flügel 7 — 10 mm lang.
Heimat, Krain, Görz, Triest, Pola. Juni; Ungarn. Mehadia,
Juni; Steiermark, Lichten wald (Steobl).
14. P. geinniatioiiis Roxdani ((^, $j.
P. gemmaiionis EOKDANI, Dipt. Ital. Prodr., Vol. 7, Fase. 3, p. 35, 5; $
{Megaglossa) (1869).
Syn. : P. tegularmm EoxDAXi, Dipt. Ital. Prodr,, Vol. 7, Fase. 3, p. 34,
3; J {Megaglossa) (1869). — Pandelle, Etud. sur les Museid.,
P. 3, p. 445, Caen (1902),
Die Gattiiug Platystoma Meigen (Dipt.). g5
Diese Form unterscheidet sich von P. tegularium Loew durch
die geringere Größe, nur 5 — 7,5 mm Körperlänge, gegen
8 — 11 mm und durch die schwarzen Taster, deren Spitzen
nicht hellrot, sondern auch ganz dunkelbraun bis schwarz sind. Der
silberige Keif der Tasterspitzen ist allen Arten gemein.
Während sich die matte Bestäubung des Gesichtsriickens bei
P. ieyidarium Loew, in einer breiten und stumpfen, meist dreieckigen
Spitze auf den Mundrand herabzieht, bildet sie hier auf letzterem
nur einen weißgrauen Strich von gleicher Breite.
Bei den kleinen Stücken ist auch die Anzahl der weißen Flügel-
l)unkte (Fig. 13) eine geringere als bei P tegularium Loew, so zählt
man im Durchschnitt in der ersten Hinterrandzelle 15. in der zweiten
S) Punkte, gegen 20 und 16 bei P. tegularium. Doch gibt es mit
geringerer Körpergrößendifferenz auch Übergänge. Wichtiger ist
der Umstand, daß der Flügelgrund stets gleichmäßiger braun ge-
färbt ist und deshalb die dunkelbraunen Flecke, die bei P. tegu-
lorium Lw. beiderseits der hinteren Querader so stark hervortreten,
nicht sichtbar werden oder kaum auffallen.
Alles übrige wie bei der LoEw'schen Art beschrieben.
Vorkommen. Kärnten, Tarvis. Eaibl (Juli); Krain, Loitsch;
Istrien. Ossero (Juni); Triest (Mai); Ungarn. Agram, Budapest,
Kalocza: Rumänien. Ganz Italien: Pavia, Parma. Macerata; Ca-
labrien (Antonimina), Sicilien. Süd-P'rankreich, Hj-eres (März) ; Tarbes
(Hautes Pyrenees — Paxdelle); Marseüle.
Anm. P gemmationis Eoxd. ist nur das $ von P tegularium
KoND.. was aus der relativen Längeuangabe der Abdominaltergite
hervorgeht. Von P gemmationis heißt es: „Abdominis segmento
ultimo non aut vix lougiore praecedente*', was nur für ein? stimmt;
von P. tegularium: „Abdominis segmentum ultimum sat
longius praecedente", was nur beim ^ zutrifft. Die an-
gegebenen Färbungsunterschiede der Füße sind beim S und $
gleichmäßig anzutreffen. Weitere wesentliche Unterschiede werden
nicht angegeben.
Die „palpi fusei" des P. tegularium Rond. weisen darauf
hin, daß die vorige Art nicht gemeint ist. Auch ist mir unter dem
ganzen italienischen Materiale Prof. Bezzi's kein Stück der P tegu-
larium s. Str. vorgekommen. Die LoEw'sche Art ist wahrscheinlich
eine Mischart aus beiden, da der Autor in seiner Originalbeschreibung
italienische und französische Stücke erwähnt, von Schineh aber
auch die Form mit roten Tasterspitzen kannte, wofür ja auch seine
36 Friedrich Hrndel,
Größenangabe spricht. Obwohl nun der Name P. gemmationis Rond.
einem Irrtum das Entstehen verdankt, so kann er dennoch für unsere
Art angenommen werden.
15. Pfatystonia hifaseiatuin Beulle {^. $).
Beulle, Exped. de Moree, Vol. 3 (Insect.), p. 323, 713, tab. 47, fig. 12
(1832).
SCHINEE, Fauna Austr., Vol. 2, p. 84 (1864).
LOEW, in: Berlin, entomol. Ztschr., Vol. 6, p. 87, 81 (1832) sds P/ali/st.
tegularia? ^.
Diese Form ist von der vorigen nur durch geringe Unterschiede
getrennt. Die Größe ist dieselbe (Körper- und Flügellänge 5 — 7,5 mm).
Das Kolorit der Bestäubung ist aber nicht gelbgrau, sondern
rein aschgrau bis bläulich- grau. Die matt schwarzen
Punkte des Thoraxrückens stehen dichter, sind aber
vollkommen isoliert voneinander, nie zu Längsstriemen
geordnet, sondern gleichmäßig verteilt. Die Gesichtsbestäubung
tritt mit einer dreieckigen Spitze auf den Mundrand über.
Die von Brülle erwähnten 2 braunen, ungefleckten Flügel-
partien beiderseits der hinteren Querader (Fig. 14) nach Art von
Querbinden treten nicht immer gleich deutlich hervor, wenigstens
nicht schärfer als bei der vorigen Form, und sind vielfach undeut-
lich oder nicht erkennbar. Auch die Schwingerkeule ist wie bei
P. tegularium nur an der Basis braun, sonst rostgelb.
Vorkommen. Griechenland. Athen, Parnassos, Ta3'getos
(1100 m, Juni), Morea.
Bbulle's Originalbeschreibung lautet: „Nigra, cinereo dense
punctate aut variegata; capite supra antennisque obscure rufis;
halteribus fuscis, basi pallidis; pedibus nigris; tarsis basi plus
minusve fulvis; alis fuscis, albo dense maculatis, apice fusco-bifas-
ciatis. $. 7 mm."
„Noir, entierement piquete de gris; tete d'un roux tres fonce;
epistome noir, avec 2 traits blanchätres pres des yeux; antennes
rousses. Ecusson paraissant d'un gris-brun assez uniforme, sans
mouchetures. Alles d'un brun fonce, ornees de petites taches
blanches tres-nombreuses, plus rares sur le bout oü elles laissent
voir deux bandes transversales entieres de la couleur du fond.
Cuillerons transparens. Balaciers bruns, d'un jaune pAle ä la
base. Pattes d'un brun noir luissant; le premier article de tarses plus
Die Gattung Platystoina Meigkn (Dipt.). 87
Oll moins loux et iiieme le deuxieme aux i)attes de deniere, le reste
des tarses bnin, — Siir les tieurs au Mai. Morea."
Hierher gehört auch ohne Zweifel jenes (J, das Loew, 1. c,
in seinen ..Griechisclien Dipteren" als fraglich zu Plaf. tegularium
stellte. ..Es ist kleiner, als ich PL tcf/ularia sonst je gesehen habe
und die Flügelzeichnung ist merklich zusammenhängender auf der
Spitzeuhälfte mehr in Querbinden zusammentließend als bei dieser,
so daß sie sich derjenigen von Fl. seminationis Fabr. und noch mehr
der von Plai. snhfasciata Loew nähert, jedoch ohne daß die Quer-
binden auf dem letzten Teil des Flügels so deutlich hervortreten
wie bei dieser letzteren. Von PI. seminationis wie subfasciata unter-
scheidet sie sich durch die viel gi-ößeren Deckschüppchen auf das
Bestimmteste, von ersterer außerdem duich die viel geringere Länge
des letzten Abschnittes des männlichen Hinterleibes. Ich vermute
in ihr eine eigene, der PI. tegularia nahestehende Art, wage aber
auf nur ein Exemplar nicht dieselbe aufzustellen. — Die von Brülle
beschriebene Plat. Ufasciata scheint eine andere Art zu sein, worüber
die. welche seine Beschreibung vergleichen können, urteilen mögen." ^)
Heimat. Morea; Athen; Parnassos.
16. I*fatf/stonia provineiale Loew (i^).
Loew, in: Ztschr. ges. Naturw., Vol. 32, 10 (1868) und Beschreib.
Europ. Dipt., Vol. 3, p. 282, 186 (1873).
„Der Platystoma tegularia Lw. am nächsten stehend, von welcher
sie sich durch die unerheblich längeren, aber viel schmäleren Deck-
schüppchen und durch die fast doppelt so grosse Länge des vorletzten
Hinterleibsabschnittes unterscheidet, c^. Long. corp. S'Ve lin- — long,
al. SV', lin.
Der Plat. tegularia Lw. ausserordentlich ähnlich und schon wegen
der Grösse der Deckschüppchen nur mit dieser Art zu vergleichen.
Die Unterschiede sind folgende. Die Stirne ist schwärzer, im Ver-
hältnisse zu ihrer Länge etwas breiter, auch gröber punktiert. Die
untere Lamelle der Deckschüppchen ist vielleicht ebenso lang wie
bei Plat. tegularia, aber w^enig über halb so breit, mithin von einer
höchst ungewöhnlichen, fast zungenförmigen Gestalt. Der erste
Hinterleibsabschnitt ist massig lang, der zweite sehr kurz, der dritte
1) Die Schwingerfärbung der BRULLE'schen Art macht meine Inter-
pretation etwas gewagt, die sich vor allem auf die geographische Ver-
breitung der Art gründet.
^8 Friedrich Hendel,
mehr als doppelt so lang als der zweite und dem vierten an Länge
mindestens gleich. Die Zeichnung der Flügel zeigt keinen be-
stimmten Unterschied von derjenigen der Plat tegularia, nur ist der
Flügelanhang ungefleckt und etwas weisslich, während ich ihn bei
Plat. tegularia nie anders als grau gefleckt gesehen habe.
Vaterland. Die Provence.
Anm. Ich besitze leider nur ein einziges (^. Der vorletzte
Hinterleibsabschnitt desselben ist in der Mitte seines Hinterrandes
stark ausgebuchtet. Es ist dies ein so ungewöhnliches Merkmal,
dass ich geneigt bin, eine zufällige Missbildiing vorauszusetzen."
Ich habe die Type nicht gesehen, da nur ein Unikum da ist.
Heimat. Süd-Frankreich.
17. Phitt/stomci ilgünense Bischof ($).
Bischof, in: Ann. naturh. Hofraus. Wien, Vol. 20, p. 177 (1905),
,,9. Mai bei Ilgün (Kleinasien) — Länge 8 mm.
Diese der Fl tegulariae Lw. sehr nahe stehende Art unterscheidet
sich von derselben nur durch die ganz schwarzen Fühler und Beine,
hellere Bestäubung des Körpers, lichtere und weniger deutliche
Zeichnung der Flügel und durch die parallel gestellten apikalen
Schildchenborsten. — Obwohl mir nur 1 $ von dieser Art vorliegt,
sind die angegebenen Merkmale doch solche, die in diesen Gruppen
als konstante anzusehen sind. Ich glaube daher berechtigt zu sein,
diese Form als neue Art anzusprechen.
Alles übrige wie bei P. tegulariae Lw., weshalb ich auf die
genauere Beschreibung verzichten kann."
Mir ist keine Platystoma- Art mit verlängerten Thoraxschüppchen
und zugleich ganz schwarzen Füßen bekannt geworden. Die Angabe
über die Stellung der Schildchenborsten ist nichtssagend, da die-
selben bei allen Arten für sich eine Krümmung nach innen zeigen,
dabei aber bei einer und derselben Art bald mehr parallel zueinander
liegen, bald konvergieren und bei einzelnen Stücken auch mit den
Spitzen gekreuzt sein können. Nach einem einzigen Stück läßt sich
also darüber schon gar nichts sagen.
18. Platystoma luf/ubre Kob.-Desv. ((^, $).
Eobineau-Desvoidy, Essai sur les Myod., p. 709, 1 {Hesijquillia) (1830).
Syn. : F. umhraniin Meigen, Syst. Beschreib., Vol. 5, p. 391, 1 (Plat/j-
stoma) (1826). — Macquaet, Suit. ä Buffon, Vol. 2, p. 444, ' 1
{Platystoma) (1835), — Loew, Dipterol. Beitr. 1, p. 34, 1 (1845).
Die Gattiuig Platystoiiia Meigen (Dipt.). y9
— SCHINEE, Fauna Austr., Vol. 2, p. 84 {l'lali/sloiini) (18fi4).
RoXDANi, Dipt. Ital. Prodr., Vol. 7, Fase. 3, p. 3.5, 4 (Mri/fn/lossa)
(1869). — Panüellk, Etudes sur les Muse, P. 3, p, 445 (1902).
— CZERNY, in: Verh. zool.-bot. Ges. Wien, Vol. 59, p. 251 (1909).
Von gel blicli-i-ot braun er (t rund färbe .sind fast der
ganze Kopf, das Piälabruni, der Sclmlter- und Xotopleuralcallus, ein
breiter Hinterrand am Scliildchen, manchmal auch „die Partie vor der
Mesopleuralnalit und der obere Teil der Sternopleura, zuweilen alle
Tarsen, auch die Schienen, besonders die Mittelschienen und Partien
der Schenkel, sowie die Hüften (Czeeny, Span. Dipt. Vol 3 p. 251)."
Normalerweise sind an den Beinen die Mittelschienen mit Ausnahme
einer breiten Spitze rotbraun, die Hinterschienen sehr dunkel rot-
braun und die Schenkel und Hüften pechschwarz, hier und da etwas
rotbraun durchschimmernd. An den Füßen sind die ersten 2 Glieder
rot. an der Spitze, wie auch die übrigen Glieder schwarz. An den
hintersten Füßen ist das Kot immer ausgedehnter als vorn. Die
Mitte des Metanotums ist rotbraun.
Es gibt aber auch wieder dunkle Stücke, bei denen der Kopf
stark verdunkelt, das Prälabrum seitlich schwarz ist und die Schultern
und das Schildchen kaum mehr eine Spur von Rotbraun zeigen.
Die Grundfarbe des übrigen Körpers ist pechschwarz; das
Körpertoment ist stets gelbgrau.
Die Haare am unteren Hinterkopf, an den Pteropleuren und
die längere und dichtere Behaarung posteroventral an den 4 hinteren
Schenkeln ist gelblich.
Die Stirne ist bis zu den Plihleru gemessen etwas länger als
breit, am Scheitel merklich verengt, Vj^msil so breit wie ein Auge,
rot bis rotbraun, matt weißlich überreift und ziemlich dicht und fein
punktiert. Der Augenrand an Stirne und Wangen ist schmal silber-
weiß eingefaßt und neben den Fühlerwurzeln durch einen samt-
schwärzlichen Fleck unterbrochen; darunter an den Wangen ein
längerer, aber w^eniger intensiv gefärbter. Oberhalb der Stirnmitte
und an den Scheitelplatten zieht sich der weißliche Reif der Quere
nach zur weißlichen Medianlinie hin einwärts, eine in der Mitte
unterbrochene Querstrieme bildend.
Das Gesicht ist in den Gruben dicht, auf dem Rücken bis zum
Mundrande hinab zarter weißlich bereift. Am unteren Ende der
Fühlergruben liegt je ein runder, glänzend schwarzer Fleck; beide
sind breit voneinander getrennt. Das Prälabrum zeigt oben und
unten weiße Tomentpunkte. Oberhalb der 2 oberen weißen Punkte
90 Friedrich Hendei-,
in der Mitte liegt ein scliwarzer Fleck in der Verbindungsliaut.
Fühler rotbraun, oft schwarzbraun, der Augenmitte gegenüber in-
seriert, etwas länger als das halbe Gesicht; das 2. Glied ist noch
am hellsten gefärbt. Arista fast nackt. Taster schwarzbraun, Spitze
derselben rotbraun, lebhaft weißschimmernd. Rüssel braun, Kinn rot.
Backen Ve eines Auges hoch. Wangen schmäler als das 3. Fühlerglied.
Oberer Hinterkopf mit Ausnahme des Cerebrales schwarz. Von
der Halsstufe an ist der Hinterkopf vorgequollen, rot bis rotbraun
und wie gewöhnlich auch beiderseits zum Augenrand hinab breit
weiß eingefaßt.
Der Thoraxrücken ist überall dicht tomentiert und fein matt-
schwarz punktiert. Außerdem bilden diese Punkte 4 breite matt-
schwarze Längsstriemen. Die 2 mittleren sind der ganzen Länge
nach breit voneinander getrennt, hinten erweitert, hinter der Quer-
naht, seltener an derselben unterbrochen und enden zweizipfelig
vor dem Schildchen. Die 2 seitlichen sind ganz vorn, dann vor und
hinter der Naht mit den mittleren verbunden und hinter der Naht
in 2 Striemen geteilt. In der Notopleuralnaht ist die Tomentierung
von den Schultern (inkl. derselben) bis zum Schildchen dichter als oben.
An den Seiten sind die Mesopleuren, der obere Teil der Sterno-
pleuren und Partien an den Grenznähten der übrigen Pleurenteile
tomentiert, die letzteren ohne Punkte. Die Mesopleuren und teil-
weise auch die Sternopleuren sind dicht schwarz punktiert. Sonst
sind die Thoraxseiten glänzend schwarz, so namentlich auch die
Scheibe der Pteropleura.
Das Schildchen ist an der Wurzel, am Hinterrande und in einer
Medianlinie tomentiert und oben auch etwas punktiert. Die Ober-
seite ist schwarz und gewöhnlich ein breiter Hinterrand rot.
Zu den wichtigsten Merkmalen dieser Art gehört,
daß sie 4 Supraalar borsten besitzt — also auch noch eine un-
mittelbar hinter der Quernaht und noch vor den Flügelwurzeln —
und die Oberseite des Schildchens deutlich behaart ist. Letzteres
Kennzeichen teilt unsere Art nur noch mit P. insularum Rond.,
ersteres kommt ihr und PI. pleuronitens n. sp. zu.
Am Hinterleibe sind das 1. Tergit und nur die schon um-
gebogenen Seiten der Tergite 2 — 4, nicht auch des 5. glänzend
schwarz. Das 2. Tergit ist sonst ganz gelbgrau. Die übrigen
Tergite zeigen am Vorderrande je 2 große, in der Mitte breit ge-
trennte Tomentflecke von unregelmäßiger Begrenzung, die den glänzend
schwarz bleibenden Hinterrand nicht eri-eichen, sich aber nach hinten
Die Gattung Platystoiua Meioen (Dipt.). 91
zu in Tonientpunkte auflösen. Die schwarze Punktierung dieser er-
wähnten großen Tomentflecke ist änßerst fein und fehlt stellenweise.
Außerdem sieht man im dazwischenliegenden .Medianstreifen des
ganzen Hinterleibsrückens eine aus Tomentpunkten und -fleckchen
gebildete Zeichnung, die im Gegensatze zu den Lateralflecken am
Hintei-rande der einzelnen Ringe am dichtesten ist und nach vorn
hin verschAvindet Der Eindruck, den die ganze Abdominal-
tomentierung macht, ist aber kein bleibender, sondern wechselt
schillerartig bei der Betrachtung von verschiedenen Seiten. Beim
(^ ist das 5. Tergit nur kurz, IVgnial so lang wie das 4. oder das
gleichlange H. Sein präanales Sternit ist flach konvex, schwarz und
glatt, hinten schwach eingedrückt und ausgerandet.
Beim $ nehmen die Tergite 3—5 nach hinten zu ein wenig an
Länge ab und ist die Medianlinie derselben vertieft, eingedrückt.
Bauchliaut lebhaft orangefarbig.
Den Flügel veranschaulicht die Fig. 15. An der A\'urzel und
in der Subkostalzelle ist der Grund gelblich fingiert, sonst von hell
braungrauer Farbe, aus der sich die großen, dunkel sepiabraunen
Flecke deutlich abheben. Verglichen mit dem ähnlichen Flügel von
P. tegularium Lw. sind diese Flecke größer und zahlreicher.
So ist der die kleine Quei-ader einschließende Fleck auffallend größer
und reicht ununterbrochen bis zur Kosta hinauf Andererseits
zeigen auch die 2. und 3. Hinterrandzelle, sowie die Spitze der
Discalzelle braune Flecke, die bei P. tegularium fehlen. An der
Mündung der 1. Hinterrandzelle liegt ein weißer Fleck. Die dichte,
weiße Punktierung ist kernlos.
Die Schüppchen sind weiß, breit, das thorakale ist doppelt so
lang wie das Flügelschüppchen. Schwinger ganz rotgelb.
Körper 6 — 10 mm, Flügel 5—10 mm lang.
Anm. Die Musca umbrarum Linke, System. Nat. Edit. X,
p. 599 (1758) wird heute allgemein als die bekannte Tetanocerine
gedeutet; ich habe auf sie seinerzeit das (yeims 3Ionochaetophora er-
richtet. Fabricius beschreibt im System. EutomoL, p. 784, 61 (1775)
eine gleichnamige Art und zitiert dabei auch Likne als Autor.
Diese Art dürfte aber dennoch nicht mit der LiNXE'schen überein-
stimmen, sondern wahrscheinlich eine andere Tetanocerine, nämlich
Trypdoptera imnctulata Scopoli (1763), sein. Doch nennt Loew diese
Interpretation durchaus unstatthaft. Die Merkmale „pedes pal-
lidi" und ,.abdomine nigro-, fasciato", die Fabricius (1775)
erwähnt, passen absolut nicht auf unsere vorstehende Platystoma-
92 Frikdrich Hendel,
Art. Es müssen daher die Zitate von Linjje und Fabricius
wegbleiben. Zum ersten Male beschreibt unsere Species Meigen
und nennt sie umbrarum Fabricius, was aus dem angeführten Grunde
nicht angeht. Aber auch PJcdijstoma umbrarum Meigen dürfen wir
die Fliege nun nicht nennen, da Meigen sie ja irrtümlich für die
FABEicius'sche Art hielt. Da nun Musca fuMventre Schrank, wie
ich in der Anmerkung bei PI. seminationis Fab. nachwies, eins ist
mit letztgenannter Art, so bleibt nur der Name Plat. lugubre Rob.-
Desv. (1830) übrig und zu Recht bestehen. Aus seiner Beschreibung
ist die Art zweifellos zu erkennen.
Heimat. Loew sagt von dieser Art: „Ganz Mitteleuropa, an
vielen Orten häufig." — Als Fundorte möchte ich nach meinen Er-
fahrungen angeben: Im Westen Frankreichs bis Paris im Norden;
Spanien; ganz Italien, nebst den Inseln Sizilien, Korsika; Österreich-
rngarn bis Dalmatien im Süden, auch in Galizien; Deutschland
ebenfalls bis zum 53 ^ n. Br., Podolien und Polen (Warschau). Klein-
asien, Brussa. Wie weit die Art nach Osten reicht, kann ich nicht
genauer sagen. Diese angegebene Verbreitung ist aber keineswegs
eine kontinuierliche, da sie innerhalb dieses Gebietes an vielen Orten
nicht beobachtet wurde. Aus den Alpen kenne ich sie aus Graz,
Bozen und Riva, Süd-Tirol. Aus England und Holland ist sie nicht
zitiert worden.
19. Platystonia i^leuronitens n, sp. ($).
Diese schöne Art ist die nächste Verwandte des PL lugubre
Rob.-Desv. Sie hat wie sie 4 Supraalarborsten — was sonst bei
keiner anderen Art vorkommt — und ein deutlich behaartes Schild-
chen, das auch an der Spitze einen roten Fleck hat. Sie unter-
scheidet sich aber sehr leicht durch die völlig un bestäubten
und lebhaft glänzend schwarzen Pleuren sowohl von
P. lugubre wie auch von P. insularum Rond.
Mit folgenden ergänzenden Bemerkungen gilt im übrigen die
von P. lugubre gegebene Beschreibung. Schulterbeule nur an der
Unterseite etwas rotbraun. Das Schildchen ist nicht am ganzen
Hinterrande rot, sondern nur in der Form eines Apikaifleckes. Die
Pleuren sind ganz glänzend, ohne jede Spur von Tomentresten. Das
Metanotum ist in der Mitte rotbraun. Die Beine sind wie bei den
normalen /w^ttir^-Stücken gefärbt. Die Mittelschienen sind nur in
der Wurzelhälfte rotbraun, die hinteren dort sehr dunkelbraun ge-
färbt. Das Prälabrum ist ganz rotgelb.
Die Gattuiiii: Platystoiua Mkiokn (üi|ir.). 93
Die Schenkelbehaarung- ist rot.
In der Vorderansicht ist der Kui)f und die Stirne etwas schmäler
als bei !i(i/ii/»r. Die 2 glänzend schwarzen Flecke des Gesichtes
lie^ien einander näher. — Die Fühler sind gemz hellrot ge-
färbt: desgleichen die Taster. Der obere Hinterkopf ist auch
neben dem Cerebrale rotbraun.
Flügel nach Fig. IG und. wie man sieht, nur dadurch von F.
luguhre verschieden, daß die Grundfarbe dunkler ist und mit den
intensivei-en Flecken, die bei luguhre hervortreten, mehr oder ganz
zusammentließt. Auch sind die weißen Punkte weniger zahlreich
Der weiße Fleck an der Mündung der ersten Hinterrandzelle fehlt
dem einzigen Exemplare. Wichtiger scheint mir zu sein, daß
der Flügelgrund oben fast bis zur kleinen Querader hin gelblich
tingiert ist.
Körper und Flügel 8 mm lang.
Heimat. Kleinasien, ohne nähere Angabe, 1 $.
20. I*latystoma insHlannu Roxdani ((^, $j.
RoxDAX'i, Dipterol. Ital. Prodr., Vol. 7, Fase. 3, p. 33, 1 ; ,^ {Megagloasa)
(1869).
rar. corticaru)» ßONDANi, ibid., p. 34, 2, ^ {Megaglossn) (1869).
Von s c h w a r z e r G r u n d f a r b e sind der Thorax samt Schild,
der Hinterleib, die Hüften und Schenkel und der obere Hinterkopf.
Gelbrot ist ein großer Teil des Kopfes: die Lunula, die
AN'angen. Backengruben und der untere Hinterkopf; die ganzen Füße
oder es sind die Spitzen der Fußglieder gebräunt, jene an der Spitze
überhaupt und die der vorderen Füße mehr als die anderen. Etwas
gesättigter rot gefärbt ist die Wurzelhälfte der Schienen. Manchmal
delint sich dieses Rot weiter gegen die braune bis schwarzbraune
Spitze hin aus. Auch die Schenkelringe sind rotbraun. Häufig,
doch nicht immer, ist an der Schildchenspitze ein roter Fleck
oder Punkt zu sehen. — Einen roten Schildchenrand zeigt P.
lugubre R. D. Dieses hat aber auch rote Schultern, 4 Supraalare
und glänzend schwarze, nicht punktierte Pteropleuren. — Glänzend
schwarz sind nur die Flecke unten an den Flügelgruben, die Mitte
des Metanotums und die untomentierten Stellen des Hinterleibes
und der Schenkel.
Körpertoment gelb grau und dicht.
Die Behaarung ist gelblich oder rötlich und länger am
94 Friedrich Hendel,
unteren Hinterkopf und den Backen, auf den Pleuren, der Brust,
den Hüften und posteroventral an den 4 hinteren Schenkeln. Schienen
und Füße sind ventral rotschimmernd pubesziert. Auch die kürzere
Behaarung- des Hinterleibsrückens schimmert größtenteils rot bis
gelblich. Die kurze Behaarung der Stirn, des Rückens und der
Seiten des Schilde henrückens ist schwarz. — Sonst zeigt
nur noch P. higtibre R. D. ein behaartes Scutellum.
Der Kopf bau ist von den anderen Arten durch Folgendes
verschieden und daher sehr charakteristisch. Von vorn ge-
sehen erscheint er sehr breit, er ist Vj^mdil so breit wie hoch —
sonst nur IV^mal so breit — und abgerundet rechteckig, weil die
roten Backen, die mindestens Va eines Auges hoch,
vielfach aber höhersind, auch n ach denSeiten wulstig
vorgequollen sind. Die Stirn ist fast so lang wie breit, nicht
ganz ^/gUial so breit wie ein Auge und wie bei seminationis F. be-
stäubt und punktiert. Sie ist bald heller, bald dunkler rotbraun.
Das Gesicht ist unter den Fühlern rot bis dunkelbraun oder schwärz-
lich und dicht bestäubt. Diese Bestäubung zieht sich auf dem
Rücken des Gesichtes in ivoller Breite desselben oder in einer sehr
stumpfen Spitze bis zum Mundrande herab. Auch d a s P r ä 1 a b r u m
ist ganz oder fast ganz tomentiert; es ist schwarz oder in
der Mitte mehr oder weniger rot. Fühler ^!^ des Gesichtes lang,
Arista nackt. Taster rot, an der Spitze braun, unten weißlich
behaart.
Die dichten mattschwarzen Punkte des Thoraxrückens fließen
in 4 breite, durch 3 linienartige gelbgrau tomentierte Zwischenräume
getrennte Längsstriemen zusammen. Die seitlichen sind an der
Quernaht unterbrochen ; alle übrigens teilweise fleckig unterbrochen.
Das Schildchen ist in der Längsmitte und am Hinterrand gelbgrau,
seitlich auf der Oberseite schwarz und deutlich, w^enn auch spärlich
behaart.
Hier und da ist die Schildspitze unter dem Tomente rot. Die
ganzen Pleuren sind gelbgrau tomentiert und ziemlich gleichmäßig
punktiert; die Pteropleuren fein, die Meso- und Sternopleuren gröber.
Die Tomentierung des Hinterleibes ist bei ^ und $ gegenüber
den schwarzen, gleichmäßig verteilten Punkten vorherrschend, auch
auf dem 3. Tergit; sie nimmt aber dennoch nach hinten an Dichte
zu. Die Punkte sind an den Seiten kleiner als in der Mitte. Beim
cJ ist das 5. Tergit nicht ganz so lang wie die Tergite 3 und 4
zusammen genommen. Beim $ ist das 4. Tergit ganz unbedeutend
Die Gattung Platystoiiia Meigkn (Diiit.). 95
länger als das 5. oder 4. allein betrachtet. Das Präanalsternit des
c^ kann ich nicht sehen.
Die Schenkel sind sehr zart graulich übeneift und schwarz
l>iniktiert.
Bloß durch das Fehlen des Kot auf den Schienen zeichnen sich
jene Exemplare aus. die Eondani als eigene Art, als P. coHkanim
beschrieb. Die Taster sind rot und vor der Spitze gebräunt. Alles
übrige stimmt mit den Merkmalen des P. insularum. Die Angabe
RoNDANi's : a b d 0 mi n i s s e g m e n t u m ultimum p r a e c e d e n t i
subaeque longum, non sat longius bezieht sich auf das $
und nicht, wie der Autor meint, auf das ^. Sie kann daher nicht
als Unterschied gelten. Ich möchte über die Artrechte dieser Species
noch keine abschließende Meinung aussprachen. Wichtig bleibt
immerhin, daß nur die Sardinischen Stücke rote Schienen aufweisen.
Wie RoNDANi erwähnt, sind die Flügel (Fig. 17) von hellerer
Grundfai'be als bei den anderen Arten. Der Grund ist hell bräun-
lich-grau, dicht mit weißen, kernlosen Punkten besät und zeigt
außerdem intensiver braune und größere Flecke wie P. tegularium,
suhiile und luguhre. Obwohl diese Flecke viel kleiner sind als bei
der letzten Art und der Flügel daher mehr dem von P. tegularium
und suhiile gleicht, ist die Lagerung derselben doch der von P.
luguhre am ähnlichsten , was besonders in der 3. Hinterrandzelle
auffällt. In dieser Zelle haben die 2 LoEw'schen Arten keine braunen
Flecke.
Schwinger und Schüppchen wie bei P. lugubre. Das Thorax-
schüppchen ist gut doppelt so lang wie das Flügelschüppchen.
Körper und Flügel 6—7 mm lang.
Heimat. Sardinien.
Die var. corticarum aus Italien: Parma (Roxdani), Cercleis
d'Amon; Tivoli, Rom; Frankreich, Montpellier, Kleinasien, Amasia.
21. FUitystoma ptibesceas Loew {^, $).
LOEAV, Dipterol. Beitr. 1, p. 36, 4 (1845).
MiK, in: Wien, entomol. Ztschr., Vol. 3, p. 204, 3 (1885).
Die kleinste der Arten.
Grundfarbe des ganzen Körpers und der Beine schwarz.
Rotbraun, meist sehr dunkel, sind die Stirnstrieme, Wangen.
Backengruben und die Seiten des Mundrandes. Lunula und Fühler
rötlich schwarzbraun. Gelbrot ist mindestens die Ferse der
96 Friedrich Hendel,
hintersten Füße, vielfach auch noch die Basis des folgenden Gliedes;
die anderen Füße schwarz. Glänzend schwarz und unbestäubt
sind das Prälabrum, die Schenkel und Schienen, der Hinterleib;
nicht aber das Epistom. Die Oberseite des Thorax-Rückens und
des Schildes zeigt trotz der Tomentierung einen sehr schwachen
Glanz in gewisser Beleuchtung und ist nicht völlig matt wie bei
Fl. seminaiionis.
Körpertoment grau, mit schwach gelblichem Tone, wenig
dicht, durch die Punktierung des Rückens stark zurückgedrängt.
Die Art macht daher einen schwärzlichen Gesamteindruck.
Die kurze Behaarung der Stirne und des Rückens sowie
alle Borsten sind schwarz. Gelblich oder rötlich-gelb sind
die Haare am unteren Hinterkopf, den Pteropleuren, der Brust und
den Hüften sowie die längere Behaarung an der Hinterseite der
4 hinteren Schenkel bei S und $, insbesondere aber auf der
Oberseite des Hinterleibes, was für die Art sehr charakte-
ristisch ist.
Die Kopfform ist von P. seminaUonis verschieden. Der Kopf
ist stärker von vorn her zusammengedrückt, das Gesicht ist
kurz, und die Fühler stehen daher unterhalb der
,Augenmitte, bei P seminatioms und frcmenfeJdi jedoch derselben
gegenüber. Die Stirnbreite sowie die Bestäubung und Punktierung
des Kopfes ist dieselbe wie bei P. seminatmnis, nicht so die des
Gesichts. Dasselbe ist nämlich samt dem Mund ran de ganz
matt bestäubt, und nur die Flecke am unteren Ende der Fühler-
gruben sind glänzend schwarz. Dieselben in der Medianlinie nur
durch eine schmale graue Linie getrennt, weshalb es aussieht, als
ob oberhalb der mattgrauen Linie am Mundrand eine glänzend
schwarze Querbinde liegt.
Fühler ^/^ des Gesichts lang. Arista wie nackt. Prälabrum
am Ober- und Unterrand, die schwarzen Taster an der Spitze weiß
tomentiert.
Die dichte und feine schwarze Punktierung des Thoraxrückens
ist so gruppiert, daß 4 dunklere Längsstriemen erkannt werden
können. Der Mittelzwischenraum derselben ist der breiteste. Pleuren
wie bei P. seminaUonis punktiert. Das nackte Schildchen ist an
der Basis und am Hinterrande grau tomentiert, in der Mitte der
Oberseite schwärzlich.
Hinterleib glänzend schwarz, an den Seiten und der breite
Hinterrand des 5. Tergits lebhaft glänzend. 2. Tergit tomentiert
Die Gattiiug: Platystonia Meigen (Dipt.)- <)7
und punktiert. Ein zartes Netzwerk von gelbgrauem Tomenti.* ist
sonst Ulli- in geringer Ausdehnung beim <^ auf der Mitte des 5. Ter-
gits sichtbar, oft sehr unscheinbar, beim $ meist ofanz felilend, so
daß bei diesem der mit gelblichen Häichen besetzte Hinterleib ganz
unbestäubt erscheint. Manche Stücke (^, $) zeigen an den am
stärksten glänzenden Stellen einen bläulichen oder violetten Metall-
schimmer. Das präanale Sternit des ^ hat am Hinterende einen
tiefen linienartigen Medianeindruck, der fast bis zur Längsmitte
nach vorn reicht. Das 5. Tergit des c^ ist nur etwas länger (V.mal
so lang) als die gleichlangen Tergite 3 und 4 zusammengenommen.
Beim $ nehmen die Tergite 3, 4 und 5 nach hinten zu etwas an
Länge ab.
Flügel nach Fig. 18. Von allen vorhergehenden Arten unter-
scheidet sich die Aderung. Der letzte Abschnitt der Cubitalis ist
jenseits der kleinen Querader nicht aufgebogen, sondern fast gerade.
Die erste Hinterrandzelle ist daher fast parallelraudig. Die Dis-
coidalis mündet an der Flügelspitze. Die kleine Querader steht
jenseits der Discalzellenmitte, aber nicht im letzten Drittel derselben.
Der Flügelgrund ist ziemlich gleichmäßig braun, nach hinten all-
mählich etwas heller. Die runden weißen Punkte sind klein, stehen
dicht und enthalten einen dunkleren Kern. Sie sind auch
auf dem Hinterrande des Flügels zu sehen. Über die hintere Quer-
ader läuft eine aus solchen weißen Punkten gebildete zweireihige
Querbinde, die beiderseits von einem wenig punktierten braunen
Räume begrenzt wird.
Schüppchen klein und kurz. Die Thoraxschüppchen überragen
die braungerandeten Flügelschüppchen nur wenig. Schwingerkopf
braunschwarz.
Körper 3 — 5 mm, Flügel 2.5—4 mm lang.
Heimat. In Ungarn häufig. Nieder-Österreich, Wiener Gegend.
Türkei (Schiner); Rumänien (Tultscha) ; Ober- Italien, Livorno. Insel
Rhodus (LoEw).
22. Platystonia arcuatnm Loew. {(^, $).
LoEW, Neue dipterol. Beitr. 4, p. 50, 48 (1856).
Wenig größer als P. puhescens Loew, deren Beschi'eibung mit
folgenden Unterschieden auch für diese Art gilt. Stirne und Fühler
schwarzbraun. Gelbrot sind die ersten 2 Glieder der Hinterfüße,
die an der Spitze auch gebräunt sein können, und die Wurzeln der
Zool. Jahrl). XXXV. Abt f. Syst. 7
98 Friedrich Hendel,
4 vorderen Fersen, die mittleren in ansgedehnterer Weise und
oft vorherrschend, die vordersten sclimäler. Das Epistom ist
glänzend schwarz und zeigt in der Mitte eine graue dreieckige
Spitze, mit welcher sich die Bestäubung des Gesichtsrückens zum
unbestäiibten Mundrande herabzieht.
Auch hier schimmert die Behaarung der Oberseite des Hinter-
leibes gelblich oder rötlich-gelb und stehen die Fühler unterhalb
der Augenmitte, wenn auch nicht so auffallend wie bei pubescens
LOEW.
Thoraxrücken noch dunkler als bei P. pubescens, die Punkte
sind mehr zu Längsstriemen zusammengeflossen. Auf den Sterno-
pleuren sehe ich bei den mir vorliegenden Stücken keine Punk-
tierung mehr.
Die Oberseite des Hinterleibes ist bei (^ und $ deutlich und
ziemlich gleichmäßig, wenn auch schütter mit gelbgrauen Toment-
pünktchen und kurzen Querstrichelchen besetzt, die nach vorn hin
allmählich spärlicher stehen und beim $ wenig kleiner sind als beim
c^. Metallschimmer am Hinterrande des Abdomens nicht sichtbar.
Das 5. Tergit des (^ ist 2V2nial so lang wie die Tergite 3 und 4
zusammengenommen. Das präanale Sternit des (^ scheint die gleiche
Bildung wie bei P. pubescens Loew zu besitzen.
Die hellschimmernde Behaarung an der Hinterseite der 4 hinteren
Schenkel ist kürzer, namentlich beim $ nicht verlängert.
Flügel nach Fig. 19, kurz und breit. Erste Hinterrandzelle
parallel und geradrandig. Die Discoidalis mündet oberhalb der
Flügelspitze, die etwas aufgebogene Radialis in der Verlänge-
rung der hinteren Querader. Die kleine Querader steht über dem
letzten Drittel der Discalzelle. Die Gitterung des Flügels ist der
von P. pubescens Loew sehr ähnlich, doch sind die weißen Punkte,
die auch einen kleinen Kernpunkt enthalten, relativ etwas kleiner.
An der Außenseite der hinteren Quer ad er entsteht durch
Zusammenfließen der weißen Flecke eine stets zusammen-
hängende weiße Qu er bin de bis zum Hinterrande des Flügels.
Schwinger, Schüppchen und Größe wie bei P. pubescens Loew
angegeben.
Heimat. Küstenland von Syrien und Palästina.
Die Gattung Platvstonia Meigen (Dipt.). t|ij
23. Phtti/stoituf (UmUJiattDH >/. sp. ($.)
Von ^M'ünlich metallisch schwarzer Farbe sind und
zwar gflänzend: die ganze untere Hälfte des Gesichtes, das Prä-
labrum. der untere Hinterkopf, die Schulterbeulen, die Pleuren
unterhalb der Sternopleuralnaht, das Metanotum und der Hinterleib.
Von gleicher Farbe, aber fein chagriniert und zart tomentiert sind
die Oberseite des Thoraxrückens und Schildchens und die oberen
Pleuren.
Das Tonient des Körpers ist weißlich-grau, auf dem Kopfe
heller.
Die kurze Behaarung des Hinterleibes ist durchaus weiß,
die längere unten an den Backen, an den Pteropleuren und i)ostero-
ventral an den 4 hinteren Schenkeln gelblich oder rötlich. Die
übrige Behaarung auf Stirne und Thorax ist kurz und schwarz.
Die Backen sind ^ '- eines Auges hoch, der Hinterkopf tritt aber
hinten fast um Augenlänge vor. Wangen linieuartig schmal. Fühler
unterhalb der Augenmitte inseriert. Stirne VsDial so lang wie breit
und * .5mal so breit wie ein Auge, wie die Fühler, Backengruben
und der seitliche Mundrand rotbraun. Stirne zart weißlich bereift,
am Augenrande lebhafter, grob dunkel punktiert. Vom Gesicht ist
nur die obere Hälfte graulich bereift, die ganze untere ist
glänzend schwarz,
Fühler nur etwas kürzer als das Gesicht. Arista wie nackt.
Oberer Hinterkopf graulich bereift; Halsstufe und hinterer Augen-
rand breit weiß eingefaßt. Prälabrum oben und unten mit weißen
Punkten.
Die Form des Eückens und des Schildchens ist dieselbe wie bei
P. aenescens Loew, Die Tomen tierung desselben ist gleichmäßig
schütter und läßt daher die metallisch grünschwarze Grundfarbe
dem Tone und Glänze nach noch hervortreten. Bei ersterem ge-
schieht dies namentlich durch die dicht und gleichmäßig verteilte
Punktierung. Letzteres ist am Hinterrande dichter, weißlich tomen-
tiert. Am dichtesten bestäubt sind die Pleuren oberhalb der Sterno-
pleuralnaht. Davon sind die Meso- und Pteropleuren gröber schwarz
punktiert.
Auf dem glänzend metallisch blau- oder grünschwarzen Hinter-
leibe stehen intensiv weißgefärbte Tomentpunkte in ziemlich gleicher
Verteilung; am ganzen 5. Tergit etwas dichter, am 3. und 4. fehlen
sie an den Seiten; das 4. Tergit ist dort unbestäubt und glänzend.
200 Friedrich Hendel,
das 3. dicht weiß bestäubt und fein schwarz punktiert. Der Größe
nach ist das 4. Tergit etwas länger als die Nachbartergite.
Hüften und Beine rotbraun (nicht gelb). Dunkelrotbraun (nicht
schwarzbraun) sind die goldig pubescierten Vorderschienen und
-fiiße, die 4 Hinterschenkel mit Ausnahme der Spitze und die End-
hälften der 4 Hinterfüße. Die 4 hinteren Schienen sind auch
größtenteils dunkelbraun. An den hintersten ist die Basis, an den
mittleren auch die Spitze heller.
Flügel nach Fig. 20. Sein Grund ist hellgraulich hyalin, am
g a n z e n Hi n t e r r a n d e b r e i t u n p u n k t i e r t. Die weißen Punkte
sind von mittlerer Größe und enthalten Kernflecke. Etwas inten-
siver braun sind die hinten abgekürzte Querbinde über die kleine
Querader und die 8 Flecken an der Flügelspitze, von denen die 2
inneren Reste einer Querbinde darstellen, Stigma gelblich. Aderung:
Radialis nicht wellig, sondern sanft aufgebogen, der gebrochenen
hinteren Querader ungefähr gegenüber mündend. Cubitalis gerade.
Discoidalis im letzten Abschnitt mit einer Neigung zum Aufwärts-
biegen, oberhalb der Flügelspitze mündend. Kleine Querader nur
jenseits der Flügelmitte situiert.
Thoraxschüppchen ca. lV2inal so lang wie das Flügelschüppchen,
beide weiß und ziemlich breit. Schwingerkopf braun.
Körper 4,5 mm, Flügel 4 mm lang.
Heimat. Insel Kreta, Antr. Jovis, Mt. Ida, leg. Bieö.
24. Flatystonia plantationis Rondani {^, $).
RONDANI, Dipterol. Ital. Prodr., Vol. 7, Pasc. 3, p. 35, 6 (Megaglossa)
(1869).
Eine sehr distinguierte, leicht kenntliche Art.
Die Grundfarbe des Leibes ist blau schwarz. Pech-
schwarz sind nur die Beine. Die dunklen Punkte und
Stellen des Thorax und Schildchens sind nicht ganz matt,
sondern zeigen einigen bläulichen Glanz. Der Hinterleib
glänzt deutlich und stellenweise sogar leicht metallisch. Rotbraun
sind : Lunula, Fühler, Wangen und Backengruben ; auch die Epistom- |
Seiten.
Die Farbe des Körpertom ents ist aschgrau. Der bläu-
liche Ton der ganzen Fliege wird dadurch nicht alteriert, da das
Toment sehr zart und schütter ist.
Die Behaarung ist überall kurz und schwarz. Gelblich bis
Die Gattuug Platystoma Meigen (Dipt.). 101
rötlich und länger behaart sind: der untere Hinterkopf, die Ptero-
plt-urt'ii. die Brust und Hüften und die 4 hinteren Schenkel postero-
ventral. Die untere Seite der Schienen und namentlich der Füße
ist güldigrot, dicht anliegend behaart.
Stirne schwärzlich-rotbraun, wie bei P. seminationis F. bestäubt,
aber deutlich länger als breit und nur 1 ^ ,, mal so breit wie
ein Auge. Die Backen sind nur '/^g eines Auges hoch,
also außerordentlich niedrig. Wangen linear. Das ganze Epistom
samt den glänzend schwarzen unteren Enden der Fühlergruben sind
unbestäiibt. Der Reif des oberen Gesichtes zieht sich also am
Gesichtskiel nicht nach abwärts, sondern ist unten gerade
abgeschnitten. Der Mundrand ist dort fein gerunzelt. Arista nackt.
Prälabrum und Taster schwarz, normal weiß tomentiert d. h. ersteres
am Ober- und Unterrande, letztere an der Spitze. Der untere Hinter-
kopf ist nur sehr schwach gepolstert, erheblich geringer als
bei P. seminationis F. und am hinteren Augenrande nur schmal weiß-
schimmernd eingefaßt. Fühler unterhalb der Augenmitte inseriert.
Thoraxrücken und Schildchen abgeflacht, beide ohne
tiefere Furche ineinander übergehend, in einer Ebene gelegen.
Die deutlich blauglänzende, nicht mattschwarze Punktierung des
ersteren ist sehr dicht und fein, ganz gleichmäßig verteilt und in
Längsreihen geordnet, aber nicht zu Längsstriemen zusammengeflossen.
Schild oben dunkel, ebenfalls bläulich glänzend, ziseliert, aber un-
punktiert; am Hinterrande tomentiert und mit größeren Punkten an
den 6 Borsten wurzeln. Die Pleuren glänzen durchaus, und nur die
Mesopleuren sind tomentiert und so stark punktiert, daß das
Tomentnetzwerk zerrissen ist und feine Längswellenlinien bildet.
Der vorherrschend glänzend blauschwarze Hinterleib ist bei S
und $ in der hinteren Hälfte gleichmäßig mit weißlichen Punkten
in mäßiger Dichte besetzt, die nach vornhin dann schütterer stehen.
Die Seiten der vorderen Tergite schimmern w^eiß und sind fein
dunkel punktiert. Dort ist auch die etwas längere Behaarung gelb-
lich und hell. Das 5. Tergit des ($ ist nicht ganz doppelt so lang
wie das 3. und 4. zusammengenommen. Das Präanalsternit des ^
ist schwach konvex, hinten sanft ausgerandet, oben chagriniert.
Beim $ ist das 4. Tergit nur sehr wenig länger als das 3. oder 5.
Die Bauch haut ist schwärzlich-braun.
Vorderfüße schwarz. ^Mittel- und Hinterferse, sowie das 2. Glied
der Hinterfüße gelbrot und höchstens nur an der äußersten Spitze
braun.
102 Friedrich Hrndel,
Flügel nach Fig. 21, also in der Anlage der Zeichnung und
Gitterung wie bei der vorigen Art, nur weitaus dunkler und schärfer
ausgeprägt. Die über die kleine Querader laufende braune Quer-
binde berührt die hintere Querader nicht und beginnt eigentlich
schon arn der Flügelwurzel zwischen Costa und Discoidalis, wo das
Grundbraun viel intensiver als im übrigen Flügel ist und nur durch
weiße Punkte durchbrochen wird. Der Flügelhinterrand ist breit
graulich hyalin und ungefleckt. Die weißen Punktflecke enthalten
einen Kernpunkt. Die erste Hinterrandzelle ist nicht parallelrandig,
da der letzte Abschnitt der Cubitalis gleich jenseits der kleinen
Querader etwas aufgebogen ist. Die Discoidalis mündet wenig
oberhalb der Flügelspitze.
Schüppchen weiß, breit. Das Thoraxschüppchen ist nur l^/.^mal
so lang wie das bräunlich gesäumte Flügelschüppchen. Schwiuger-
kopf schwarzbraun.
Körper 6 — 6,5 mm, Flügel 5 — 5,5 mm lang.
Heimat. Tirol, Bozen; Ungarn, Budapest (Eggee, Kertesz);
Mittel-Italien, Macerata (Bezzi); Ober-Italien, Parma (Rondani).
25. Platystonia aenescens Loew {^, $).
LOEW, in: Ztschr. ges. Naturw., Vol. 32, p. 10, 10 (1868) und Beschreib,
europ. Dipt., Vol. 3, p. 285, 189 (1873).
Von grünlich metallisch schwarzer Farbe sind und
zwar glänzend: das Gesicht, der untere Hinterkopf, das Prälabrum,
die Schult er beulen, ein Teil der Pleuren, das Metanotum und
der Hinterleib ; gleichfarbig, aber auf der Oberfläche fein chagriniert
und zart tomentiert sind die Oberseite des Thoraxrückens und des
Schildes, sowie die Mesopleuren.
Die Tom entfärbe ist weißlich-grau, auf dem Kopfe
heller.
Die Behaarung ist überall sehr kurz und meist schwarz.
Gelblich erscheinen die Haare der Pteropleuren ; jene am Hinterleibe
schimmern an der Spitze desselben dunkelrot.
Kopf von vorn her mehr zusammengedrückt. Backen hinten
wenig vorstehend, nicht gepolstert, niedrig, ungefähr Vs eines Auges
hoch. Wangen linear. Fühler unterhalb der Augenmitte inseriert.
Stirn länger als breit, Vj.^m&X so breit wie ein Auge, rotbraun,
dunkel, grob punktiert, zart weißlich bereift, am Augenrande wenig
dichter. Dagegen schimmern die Wangen, die Tasterspitzen und
Die Gattiiiii»' Platystoma Mkkjkn (Diiit.). \Q}\
die Fühlergruben unterhalb der Fühler weiß. Das übrige
Gesicht samt Länosrücken ist g-länzend und unbestäubt.
Fühler und Backeng-ruben dunkel rotbraun; 2. Fülilerglied oft
heller gefärbt. Die Fühler sind nur etwas kürzer als das Gesicht.
Arista nackt. Oberer Hinterkopf schwarz, zart graulich bereift.
Hinterer Augenrand und Halsstufe schmal weiß gesäumt. Prälabrum
am oberen und unteren Rande mit weißen Punkten. Rüssel und
Taster schwarz.
Der Tiioraxrücken und das oben abgeflachte, hinten fast
scharfrandige Schildchen sind durch keine tiefe Furche getrennt,
sondern gehen ineinander über. Die Tomentierung des Rückens
ist nur ganz vorn dichter und dunkel punktiert, sonst in ein stark
zerrissenes und sehr schütteres feines Netzwerk aufgelöst, das wenig
hervortritt und den halben Metallglanz des Grundes nicht verhindert.
Das Schild zeigt nur am Hinterrande Tomentflecke. Am deutlich-
sten ist noch das Tomentnetzwerk auf den Mesopleuren zu sehen,
aber auch schon in Längswellen zerrissen.
Der Hinterleib ist völlig glatt und glänzt stark. Die weißen
Tomentpunkte stehen sehr zerstreut, aber ziemlich gleichmäßig ver-
teilt und sind so klein und von so geringer Intensität, daß sie leicht
ganz übersehen werden können, was ja auch Loew getan hat. Beim
(J ist das 5. Tergit 4mal so lang wie die kurzen und ziemlich gleich-
langen Tergite 3 und 4 zusammengenommen. Beim $ ist das
4. Tergit P.jmal so lang w^ie das 5. und wenig länger als das 3.
Beine pechschwarz, die vordersten am dunkelsten. Die 4 hinteren
Füße sind rotgelb nnd nur an der Spitze gebräunt. Die 4 hinteren
Knie sind deutlich rotbraun.
Flügel wie Fig. 22 genetzt und geädert. Die ganz parallel
und geradrandige erste Hinterrandzelle mündet erheblich oberhalb
der Flügelspitze, die sanft aufgebogene Radialis der gebrochenen
und meist mit einem kurzen Aderrudimente versehenen hinteren
Querader gegenüber. Die braune Querbinde über die kleine Quer-
ader ist stark reduziert und durchbrochen. Die weißen, mit Kernen
versehenen Punktflecke sind relativ groß und herrschen ganz auf-
fällig vor. Der Flügelhinterrand ist unpunktiert.
Schüppchen klein, nicht rein weiß. Thoraxschüppchen nur
wenig länger als die der Flügel. Schwingerkopf dunkelbraun.
Körper 4 mm, Flügel etwas mehr als 3 mm lang.
Heimat. Süd-Rußland, Sarepta, Walachei, Braila. 24. Mai
]^04 Friedrich Hendel,
26. Fliitystoma ritfipe,^ Meigen {^, $).
Meigen, System. Beschr., Vol. 5, p. 393, 3 (1826).
LoEW, Dipt. Beitr. 1, p. 35, 2 (1845).
SCHINEE, Fauna Austr., Vol. 2, p. 84 (1864).
Syn.: P. i>rnthrri BiSCHOF, in: Ann. naturh. Hofmus. Wien, Vol. 20,
p. 177 (1905).
Glänzend metallisch blau schwarz, teilweise gTünlich
schimmernd sind dieselben Teile wie bei P. aenescens Loew an-
gegeben. Auch die Behaarung ist die gleiche.
Das Toment ist weißlich.
Die Unterschiede von P. aenescens sind folgende. Die Fühler
sind der Augenmitte gegenüber inseriert. Die Stirne ist bei P,
aenescens Lw. deutlich matt weißlich bereift und grob punktiert,
hier ohne deutlich unterscheidbare Bereifung und Punktierung, von
seidenartigem Glänze; nur eine Medianlinie und noch lebhafter
schimmernder Augenrand weiß.
Die Tomentierung des Thoraxrückens ist noch viel schütterer
als bei P. aenescens Lw., indem nur stellenweise Spuren derselben
wahrnehmbar sind. So ganz vorn 4 angedeutete Längsstriemen mit
dunkleren Punkten, die seitlichen derselben oberhalb der glänzenden
Schulterbeulen. Einzig die Mesopleuren zeigen sehr deutliche, aber
unterbrochene gelblich-weiße Tomentwellenlinien. Auch in der
Furche zwischen Rücken und Schild liegen einige solcher leuchtender
Tomentpunkte.
Der Hinterleib ist vollständig unbestäubt und unpunktiert,
mit lebhafterem grünlichen Metallschimmer als der Thorax. Das
5. Tergit des ^ ist IV^mal so lang wie die unter sich gleichlangen
Tergite 3 und 4 zusammengenommen. Beim $ ist das 4. Tergit
auffällig länger als das 3. oder das 5.
Beine gelbrot. Pechschwarz können sein die Vorderschienen
und Füße, die Wurzelhälfte der 4 hinteren Schenkel und zwar
ventral ausgedehnter als dorsal, dann die Hinterschienen dorsal,
mit Ausnahme der Wurzel und die Vorderschenkel vor der Spitze.
Es gibt jedoch auch Exemplare, bei welchen das Braun, das nie
scharfe Grenzen zeigt, stark zurücktritt und namentlich die Schenkel
ganz gelb sind.
Flügel nach Fig. 23, also dem von P. plantaUonis Rond. ähnlich.
Die braune, uudurchbrochene Quer bin de überzieht
Die Gattung Platystoraa Meiükn (Dipt.). 105
jed(tcli beide Qu er ad ein und ei-fiillt den ganzen Vorderrand
zwischen Costa und Discoidalis bis zur Flügelwurzel hin. Die
Spitze der ersten Hinterrandzelle ist weiß, bei F. pküitationis jedocli
braun. Wie bei den 3 vorliergehenden Arten ist die Radialis deut-
lich aufgebogen. Die Discoidalis mündet meiklich oberhalb der
Flügelspitze und zeigt dort ebenso wie die Cubitalis eine Neigung
zum Aufwärtsbiegen. Die erste Hinterrandzelle ist an der Spitze
nicht verengt, bei P. plantaUonis jedoch ein wenig. Die Queradern
sind einander mehr genähert, wodurch die genannte Zelle verkürzt
erscheint. Auch fällt auf. daß alle Längsadern dem Vorderrande
des Flügels genähert sind. Flügelhinterrand unpunktiert; die weißen
Punkte mit Kerntlecken.
Scliüiipchen und Schwinger wie bei P. aenescens Loew.
Körper 5,5 — 6,5 mm, Flügel 4 — 5 mm lang.
Heimat. Kleinasien. Bos-Tepe, 1600 m; Taurus; Rußland
(Pallas); Süd-Rußland, Charkow, Odessa (Fontan). Meigen erwähnt
kein Vaterland!
A n m. Platijstoma pentheri Bischof,
Bischof, in: Ann. naturh. Hofmus, Wien, Vol. 20, p. 177 (1905).
„17. Juli, Bos-Tepe, ca. 1600 m (Klein-Asien) — Länge 5 mm.
Schwarze Art. Kopf, Fühler, Rüssel und Taster schwarz. Thorax
und Schild blauschwarz, nicht glänzend. Apikale Schildchenborsteu
liarallel, nicht gekreuzt wie bei der nächstverwandten PI. pubescens
Lw. Hinterleib glänzend schwarz, Bauch am Grunde gelb. Beine
rostgelb, Vorderschienen und Tarsen, Mittelschenkel an der Basis,
Hinterschenkel mit Ausnahme der Spitze und Hinterschienen braun-
schwarz. Schüppchen klein, schmutzig weiß. Flügelzeichnung wie
bei P. puhescens Lw.
Diese Art, von der mir leider nur 1 $ vorliegt, unterscheidet
sich von P. puhescens Lw, durch die Färbung der Beine und des
Thorax, die Grösse, die Stellung der apikalen Schildchenborsten etc."
Eine Type findet sich ebensowenig wie von dem P. ilgünense
Bischof im Wiener Hofmuseum mehr vor, doch kann aus vor-
stehender Beschreibung P. rufipes Meigen unschwer erkannt werden,
27, PUttffstoma nierUJionale n. sjj. {(S)-
l'L .sfniinniionis BECKER, in: Ztschr. Hymenopt., 1907, p. 385.
Von schwarzer Grundfarbe sind: der Hinterkopf, der
Thorax samt Schild und der Hinterleib. Glänzend schwarz: das
JQg Friedrich Hendel,
Epistora, das Prälabrum, der untere Hinterkopf, die S cliult er-
beul en, die unteren Sternopleuren und der olivenfarbig und schwach
metallisch schimmernde Hinterleib.
Das Körpertoment ist weißgrau, mit einem schwachen Stich
ins Gelbliche.
Die sehr kurz geschorene Behaarung ist auf der Stirne und
dem Thoraxrücken schwarz, am Hinterleibe gelblich. Die längeren
Haare der Backen, der Pteropleuren und posteroventral an den
Hinterschenkeln sind gelblich. Sonst sind aber auch die Beine kurz
und dunkel behaart.
Die Backen treten weniger nach hinten vor als bei P. seminationis,
sind aber auch fast V4 ^i'^^s Auges hoch. Stirne so lang wie breit
(bis zu den Fühlerwurzeln gerechnet) und doppelt so breit wie ein
Auge; rotbraun, in der Mitte meist heller, lebhaft weißlich bereift,
gegen den Augenrand zu dichter, überall verhältnismäßig grob punk-
tiert. Fühler, Lunula, Cerebrale, Backengruben und Backen, sowie
die obere, weißbereifte Hälfte des Gesichtes und der seitliche Mund-
rand gelbrot. Die untere Gesicht shälfte, das ist das Epistom
und die untere Hälfte der Fühlergruben, sind glänzend schwarz
und unbestäubt. Oberer Hinterkopf zart graulich überreift. Hinterer
Augenrand und Halsstufe breit weißschimmernd eingefaßt. Prä-
labrum oben und unten weiß punktiert. Taster schwarz, mit w^iß-
schimmernder Spitze. Rüssel teilweise rot. Fühler % des Gesichtes
lang, der Augenmitte gegenüber. Arista wie nackt.
Thorax und Schild wie bei P. aenescens Loew geformt. Beide
sind oben aber matt und glanzlos und ersterer dicht tomentiert
und mit schwarzen, gleichmäßig verteilten Punkten dicht überstreut.
Außerdem sieht man aber unter der Punktierung deutlich 4 heller
graue und gei-ade Längsstreifen, die 2 mittleren eng beisammen, die
seitlichen an der Quernaht unterbrochen. Schild am Hinterrande
dichter und heller tomentiert, mit schwarzen Punkten an den Wurzeln
der Borsten. Meso-, Ptero- und der obere Rand der Sternopleuren
tomentiert und dicht schwarz punktiert, die ersteren gröber als die
anderen. Brust glänzend schwarz.
Der Hinterleib ist mit gleichmäßig verteilten und scharf sich
abhebenden weißlichen Tomentfleckchen ziemlich dicht besetzt. Die
Seitenränder der Tergite sind dichter tomentiert und erscheinen fein
schwarz punktiert. Das 5. Tergit des (^ ist doppelt so lang wie die
gleichlangen Tergite 3 und 4 zusammengenommen oder noch etwas
länger. Das präanale Sternit ist flach konvex, am Hinter-
Die Gattung I'latystuina Meigkn (Dipt.). 107
taiide deutlich ausgebuchtet, glänzend gelb rot. Hj'popyg schwarz.
Baue h haut dunkel g- r a u.
Hüften und Beine rotgelb. Schenkel und Schienen ventral mit
nnieg'elmäßig verteilten braunen Längsstriemen, die teilweise unter-
brochen sind. Vorderfüße mit Ausnahme des roten End-
gliedes dunkelbraun.
Flügel nacii Fig. 24. Der ganze Flügelhinterrand ist nicht
punktiert; die weißen Punkte enthalten deutliche Kerne. Über die
hintere Querader zieht eine aus weißen Punkten gebildete Quer-
hinde. beiderseits dunkelbraun flankiert. Der Flügel unterhalb der
Posticalis ist wie bei den 4 vorhergehenden Arten auffällig heller.
Charakteristisch für diese Art ist die sehr dunkle Flügelspitze.
Erste Hinterrandzelle parallel- und geradrandig, mit einem weißen
Fleck an der Spitze. Discoidalis sehr wenig oberhalb der Flügel-
spitze mündend, bei P. climidiatum und fjßvipes erheblich oberhalb
derselben. Bei letzterem liegen die Aveißen Punkte auch dem Flügel-
hinterrande an. Radialis, wie bei P. rußpes angegeben, am Ende
sanft aufgebogen.
Schüppchen weiß, mittelgroß. Die Thoraxschüppchen sind IVs
bis 1 \ 2 mal so lang wie die des Flügels. Schwinger gelb.
Körper 6,5 mm, Flügel 5 mm lang.
Heimat. Nord- Afrika, Marokko, Mogador; Tunis, Gafsa.
28. PUity Stoma clathratuni n, sp, ($j.
Dem F. meridionale n. sp. mit folgenden Unterschieden gleich.
Auf dem Cerebrale liegt zwischen dem breiten roten Scheitel-
rand und der weißbestänbten Halsstufe ein elliptischer, samt-
schwarzer Fleck. — Die Schulterbeulen sind nicht glänzend
schwarz, auch nicht unten, sondern grau bereift.
Die Beliaarung des Hinterleibsrückens ist heller; das 5. Tergit
ist sogar weißlich pubesziert.
Die Stirn ist etwas länger als breit, gut Pomal so breit wie
ein Auge. Backen ^:^ eines Auges hoch. Das ganze Gesicht ist
schwarz, auch der obere, weiß bereifte Teil. Fühler wenig kürzer
als das Gesicht und wenig unterhalb der Augenmitte sitzend.
3. Glied am Oberrande etwas verdunkelt.
Die Punktierung des Thorax ist etwas gröber. Während bei
P. meridionale die Sternopleuren nur oben graulich bereift und
punktiert, an der Brust selbst aber glänzend schwarz sind.
108 Fbiedrich Hendel,
sind sie hier vollständig matt bereift und ausgedehnter
punktiert.
Der Hinterleib ist nur wenig dichter mit weißen Tomentpunkten
besetzt. Das 4. Tergit des $ ist ca. 1^2111^1 so lang wie das 5. und
auch länger als das 3. 1. Glied des Ovipositors glänzend schwarz.
B a u c h h a u t gelb.
Hüften und Beine rotgelb. Vorderschenkel mit einigen braunen,
unregelmäßigen Flecken. Vorderschienen innen und außen mit
braunen Längsstriemen. Alle Füße, besonders aber die vordersten,
gegen das Ende hin gebräunt. Endglied der Vorderfüße
nicht heller gefärbt.
Flügel nach Fig. 25. Die weißen Punktflecke sind sehr groß
und haben den grauen Grund zu einem zarten Netzwerk zerrissen,
das namentlich in der Marginal- und Submarginalzelle stark zurück-
tritt. Dort ist der hellste Teil des Flügels. Sonst treten auch
einige intensiver braune, kleine Flecke hervor, so in der Marginal-
zelle, an der kleinen Querader und beiderseits der hinteren Quer-
ader. Erste Hinterrandzelle geradrandig, gegen die Mündung hin
merklich verengt. Die Discoidalis mündet deutlich oberhalb der
Flügelspitze, die gerade Radialis ziemlich weit jenseits der hinteren
Querader. Flügelhinterrand unpunktiert. Die weißen Punkte mit
teilweise schwachen Kernflecken.
Schüppchen und Schwinger wie bei der vorhergehenden Art.
Körper 5 mm, Flügel 4,5 mm lang.
Heimat. Süd-Rußland, Uralsk.
29. Platystonia eurvinerve n, sp, {^).
Gleich dem P. dathratum dem P. meridionale sehr ähnlich und
wie folgt unterschieden.
Die Thoraxseiten sind beiderseits der Mesopieuralnaht und
unten auf den Sternopleuren orangerot gefärbt, nicht von einfarbig
glänzend schwarzer Grundfarbe. Die Stirn ist viel heller, mehr
orangerot gefärbt, weniger dicht weißlich bereift und daher auch
minder deutlich punktiert. Das Gesicht ist ganz rotgelb und zeigt
nur unten an den Fühlergruben je einen großen, glänzend schwarzen
Fleck. Diese Flecke erreichen unten den Mundrand nicht vollkommen
und sind in der Mitte schmäler voneinander getrennt, als ihre eigene
Breite beträgt.
Die Stirn ist %mal so lang wie breit und ca. l^j^mal so breit
wie ein Auge. Die Fühler sitzen deutlich unterhalb der Augenmitte.
Die Ciattuny l'latystonia Meigen (Dipt.). l()i|
Das 3. (-Jlied derselben ist oben etwas gebräunt. Die Backen sind
etwas liölier als \^ eines Auges. Der untere Hinterkopf tritt nur
wenig vor, bedeutend Aveniger als bei ]\ chüln-ainm. Nicht nui' das
Cerebrale, sondern der ganze obere Hinterkopf bis zur Halsstufe ist
rot gefärbt. Taster an der Basis rot, sonst samtschwarz; Spitzen-
rand weiß schimmernd, auch etwas rötlich durchscheinend.
Auf dem Thorax sind die Schulterbeulen — die auch teilweise
rot sein können — unbestäubt und glänzend; desgleichen eine schmale
Linie von denselben bis zur Flügel wurzel, längs der Notopleuralnaht.
Die weißliche Bereifung des Thoraxrückens und Schildchens ist im
Vergleiche mit P. meridionale und dathraium dünn und schütter, so
daß der grünlich-schwarze, erzfarbige Grund sowohl durch den
Reif, als auch durch die Punktierung hindurch glänzt. Bei den
2 verglichenen Arten ist der Rücken samt den Punkten ganz matt
und glanzlos. — 2 Längsstriemen in der Mitte und die Längsseiten
des Thoraxrückens sind dichter weiß bereift und auch deutlicher
punktiert. In der Form gleicht der Thorax und das unpunktierte,
nackte Schildchen dem von P. aenescens Lw.
An den Brustseiten sind nur die Mesopleuren dicht weiß bereift
und gröber punktiert. Der Rest glänzt.
Die weißen Tomentpunkte des glänzenden Hinterleibes sind
kleiner und stehen meist weniger dicht als bei P. meridionale. Sie
sind isoliert und fließen nie zu Schnürchen zusammen. Auch sind
die Seiten des 5. Tergites in keiner Weise dichter tomen-
tiert; bei meridionale ist dies auffällig der Fall. Das 5. Tergit
des ^ ist nur IVoOial so lang wie eines der gleichlangen Tergite
3 oder 4 allein.
Die Behaarung ist überall sehr kurz geschoren. Sie ist auf
dem Rücken schwarz, auf dem Hinterleibe aber hellgefärbt, wenigstens
von hellerem Schimmer.
Hüften und Beine rotgelb. Vorderschienen innen und außen
mit braunem Längsstriemen. Vorderfüße dunkelbraun, letztes
Glied rot. Die Hinterschenkel, weniger ausgedehnt die mittleren
an der Wurzel ventral gebräunt.
Flügel nach Fig. 26, sehr vorherrschend hj-alin. Die weißen
Punkte sind so zahlreich und ausgedehnt, daß sie das lichte Gelb-
braun in ein zartes Gitter zerreißen, welches nur einige intensivere
Stellen zeigt. Adern meist gelb. Flügelhinterrand ungefleckt. Punkte
mit Zentralkernen. Sehr charakteristisch für diese Art ist das Auf-
biegen der Mündungen der 3. und 4. Längsader, weit oberhalb der
{\Q Friedrich Hendel,
Fliigelspitze. — Schüppchen weiß. Thoraxschüppchen IVoUial so
lang wie das des Flügels. Schwinger ockergelb.
Körper 5,5—6 mm, Flügel 4,5—5 mm lang.
Heimat. Turkmenien, Ober-Murgab. E. Reittek.
30. PUitystoimt gilvipes Loew {^, $).
LoEW, in: Ztschr. ges. Naturw., Vol. 32, p. 10 (1868) und Beschreib.
Europ. Dipt., Vol. 3, p. 286, 190 (1873).
Syn. : Plaiijsi. sororeidum Portschinsky, in: Hör. Soc. entomol. Eoss.,
Vol. il, p. 32, tab. 2, fig. 1 (1875). — Becker, in: Ann. Mus.
zool. Acad. St. Petersbourg, Vol. 12, p. 31, 44 (1907).
Kopf gelbrot. Stirne, weißlich bereift, am Aiigenrande lebhafter
und hier auch dunkler und gröber als in der Mitte punktiert. Eine
Medianlinie zart weiß. Das Gesicht ist nur in der oberen Hälfte
weiß bereift, unten glänzend, aber ohne glänzend schwarze
Flecke am unteren Ende der Fühlergruben. Stirne etwas länger
als breit, lV2nial so breit wie ein Auge.
Fühler % des Gesichtes lang, etwas unterhalb der Augenmitte
sitzend, rotgelb; Arista wie nackt. Wangen sehr schmal. Backen
Vö eines Auges hoch. Hinterkopf oben und unten gelbrot, an der
Halsstufe schwärzlich. Auf dieser mit einem breiten, am hinteren
Augenrande mit einem schmalen weißen Bande gesäumt. Unterer
Hinterkopf wenig vortretend. Prälabrum glänzend gelb, oben und
unten mit weißen Punkten, seitlich braun. Taster an der Spitze
rotgelb, weiß schimmernd, vor derselben breit schwarz. Rüssel rot.
Grundfarbe von Thorax, Schild und Hinterleib metallisch oliven-
grünschwarz. Ersterer ist oben schwächer, auf den Pleuren jedoch
dichter weißgrau tomentiert. Auf dem Rücken tritt die Grundfarbe
in zahlreichen und dichtstehenden Punkten so hervor, daß einiger
Glanz sichtbar wird. Dasselbe gilt vom Üachen Schildchen, nur
fehlt die Punktierung mit Ausnahme des heller tomentierten Hinter-
randes. Mesopleuren dicht weißlich tomentiert und scharf punktiert.
Auf den Ptero- und Sternopleuren ist das Toment schütterer und
die Punktierung spärlich.
Der Hinterleib glänzt ziemlich stark. Oben auf demselben bildet
das weißliche Toment beim $ zahlreiche und dichtstehende Punkte,
die nach vorn hin etwas schütterer stehen. Dasselbe gilt vom ^,
nur bilden die Punkte hier am 5. Tergit auch kurze, wurmförmig
gebogene Linien. In beiden Geschlechtern sind die umgeschlagenen
Die (iattiiiig riatystoiiiii Meigen (Dipt.). \\l
8eiteiirändei- dichter als die Mitte der Tergite tomentiert, so daLi
liier umgekehrt die dunkle Grundfarbe die Punktierung bildet, l^eim
(^ ist das 5. Tei-git mehr als 4mal so lang wie die kurzen Tergite
3 und 4 zusammengenommen. Beim $ ist das 4. Tergit längei' als
das o. und l^.mal so lang wie das 5. Präanales Sternit des <^ rot,
glatt, hinten herzförmig eingeschnitten. Bauchhaut und 1, Glied des
Ovii>ositors rotgelb.
Die Behaarung ist überall sehr kurz und schütter. Die Härchen
des Hinterleibes schimmern größtenteils gelblich. Die längeren
Haare an den 4 hinteren Schenkeln sind rötlich-gelb. Stirn und
Kücken sind schwarz behaart. Auf der Oberseite des Schildes sehe
ich außer den Borsten keine Haare.
Hüften und Beine rotgelb. Außenseite der Vorderschienen rot-
biaun. Die 4 hinteren Schenkel zeigen anteroventral einen braunen
Längsstreifen; doch fehlt derselbe oft gänzlich. Vorderfüße mit Aus-
nahme des gelben Endgliedes schwarzbraun.
Plügel nach Fig. 27, also einem blassen von P. seminationis
nach Fig. 2 ähnlich. Wie dort eine aus weißen Punkten gebildete
Querbinde über die hintere Querader, welche besonders wurzelwärts
durch eine ungefleckte braune Bogenbinde bis zum Hinterrande des
Flügels begrenzt wird. Der unter der Posticalis liegende Flügelteil
ist nicht so auffällig heller wie bei P. mericlionale. Die weißen
Punktflecke sind weniger stark genähert, haben aber Kernflecke
und sind bis an den Flügelhinterrand gerückt. Das Finde
der 1. Hinterrandzelle ist braun, kaum merklich verjüngt und zeigt
eine geringe Spui' einer Aufwärtsbiegung. Die Discoidalis mündet
erheblich oberhalb der Flügelspitze. Radialis gerade.
Schüppchen weiß. Die Thoraxschüppchen überragen die Flügel-
schüppchen etwas. Schwinger rostgelb.
Körper 4 — 5 mm, Flügel etwas kürzer.
Heimat. Chinesisch Turkestan, Gaschun-Gobi, Satschou, Juni-
Sei)tember. — Süd-Rußland, Sarepta. Ich konnte 2 typische Stücke
aus dem Berliner Museum vergleichen. — Armenien, Ararat (Pokt-
schinsky).
31. l*laty Stoma xmncUventre Portschinsky ($).
PoRTSCHiNSKY, in: Horae Soc. entomol. Ross., Vol. 11, p. 33, tab. 2,
fig. 5 (1875).
Eine sehr leicht kenntliche, auffällige Art.
Stirn fast 1^ o^ial so lang wie breit, parallelrandig, nur l\'ymal
112 Friedrich Hendel,
SO breit wie ein Aug-e, matt rotbraun, am Augenrande breit weißlich
bereift und nur dort deutlich fein punktiert. Eine hellere Median-
linie ist auch noch zu erkennen. Ocellenhöcker schw^arz; seitlich
davon ist die Scheitelkante rot. Lunnla, Fühler und Backengruben
leuchtend rot. Fühler ^^ des Gesichtes lang, unterhalb der Augen-
mitte sitzend. Arista sehr kurz und zart pubesziert. Gesicht bis
zum Mundrande glatt und glänzend schwarz, nur der obere Teil
der Fühlergruben ist weißlich bereift. Epistom wenig vorstehend.
Wangen linear. Backen Ve eines Auges hoch. Unterer Hinterkopf
mittelmäßig vortretend, glänzend schw^arz, mit der gewöhnlichen
weißen Binde über die Halsstufe an die Augenränder herab.
2 Backenborsten übereinander.
Prälabrum glänzend schwarz, mit kleinen weißen Tomentpunkten
versehen. Taster an der Wurzel und dem weiß schimmernden Spitzen-
rand rot, sonst schwarz.
Die Grundfarbe des Thorax und Hinterleibes ist ein glänzendes
Schwarz mit schw^achem, olivengrünlichem Metallschimmer. Das
Toment des Thorax ist weißlich gelbgrau. Es ist auf dem Rücken,
an den Seiten und auf den Pleuren oberhalb der Naht am dichtesten
und hellsten. Dazwischen zieht eine sich scharf ab-
hebende glänzend schwarze Längsbinde über die
Schultern und die Notople uralnaht zur Flügelwurzel.
Auf dem Mittelteile des Rückens sieht man 2 streifenförmige Längs-
binden aus graulichem Reife, die 3 dunkle Zwischenräume der Grund-
farbe freilassen. Diese sowie die feine und dichte, aber nicht sehr
aufdringliche Punktierung zeigen deutlich den metallisch grünlichen
Schimmer des Grundes. Dasselbe gilt vom Schilde, das oben nackt
und flach ist. Die Meso- und Pteropleuren sowie der obere Rand
der Sternopleuren sind außergewöhnlich dicht, seidenartig weißlich
graugelb tomentiert und fast unpunktiert, da nur die Haarwurzeln
als feinste Pünktchen sichtbar sind.
Der Hinterleib ist vollkommen glänzend glatt und unpunktiert.
Seine schwarze Behaarung ist auffällig dicht und lang und wird am
5. Tergit rotbraun und fast zottig. Bauchhaut rotgelb. Bei dem
mir vorliegenden $ ist das 4. Tergit gut lV2nial so lang wie das 5*1
oder das 3. allein betrachtet. Ovipositor mit dem Rücken gleich-
farbig.
Hüften und Beine orangerot. Vorderschienen innen und außen!
mit einem braunen Längs wisch. Vorderfüße ganz schwarzbraun. Die
Die Gattung Platystoina Meigkn (Dipt.). ] y^
4 hinteren Füße haben die äußersten ISpitzen der einzelnen Glieder
etwas verdunkelt.
Flügel nach Fig-. 28. Seine Zeichnung- erinnert durch den
dunklen Vorderrand,, dessen Braun sich dann über beide Queradern
zugleich herabsenkt. an den von P. mfipes Meigex. ^^'ährend aber
bei dieser die Flügelspitze wieder heller ist, bleibt sie hier auch
dunkelbraun. Der zusammenliäng:end braune Teil des Flügels wird
durch viel zahlreichere und kleinere weiße Punkte durchbrochen,
die auch zwischen den beiden Queradern den Flügel durchqueren.
Flügel im übrigen wie bei P. rufipes Meigen.
Schüi)pchen Aveiß, Thoraxschüppchen nur etwas länger als die
des Flügels.
Körper 7 mm. Flügel 6,5 mm.
Heimat. Kaukasus (Portschinsky); Sarepta, Süd-Rußland.
82. I*hitf/stoma j^fft'onis ii, sp. ($).
Gesamteindruck: graulich lederfarben, matt.
Kopf ockergelb. Stirne etwas intensiver, mehr bräunlich-gelb
gefärbt, matt bereift, am Augenrande breit w^eißlich und nur dort
deutlich punktiert. Eine Medianlinie ist auch w^eißlich tomentiert.
Gesicht in der oberen Hälfte weiß bereift, matt, am Epistom glänzend
und mit je einem großen, runden, glänzend schwarzbraunen Pleck
am unteren Ende der Fühlergruben. Stirne so lang wie breit, l^.^mal
so breit wie ein Auge.
Fühler % des Gesichtes lang, der Augenmitte gegenüber in-
seriert, rötlich-gelb, am oberen Rande des 3. Gliedes gebräunt. Arista
fein und zart, aber deutlich pubesziert. Wangen sehr schmal, Backen
I ^Iß—^^b eines Auges hoch. Hinterkopf matt weißlich bereift, am
hinteren Augenrande und auf der Halsstufe am dichtesten. Cere-
brale von hellerer Grundfarbe. Unterer Hinterkopf stark gepolstert,
am Augenrande mit 3 — 4 starken, schwarzen Borsten, nach unten
und vorn gebogen.
Prälabrum glänzend gelb, oben und an den Seiten mit einem
braunen Fleck. Taster rotgelb, an der Spitze weiß schimmernd, vor
derselben samtschwarz. Rüssel rot.
Der Thorax ist auf der Brust, dem Rücken, dem Schilde und
dem Metanotum von schwarzer, sonst von rötlich-ockergelber Grund-
farbe, überall aber sehr dicht und matt weißlich-grau tomentiert;
nur die ]\[itte des Metanotunis ist glänzend schwarz. Humeralcallus
und ( 'allus der Xotopleuralnaht ebenfalls von roter Grundfarbe. Der
Zool. .rahrb. XXXV. Abt. f. S.y.st. 8
W^ Frikdhich Hendel,
Rücken und das Schildclien sind hell asciigrau tomentiert und sehr
dicht und fein braun punktiert. Außerdem sieht man auf dem Rücken
3 weniger deutliche Querreihen von je 4 olivenbraunen Flecken,
eine Reihe vor der Naht, 2 vor dem Schildchen. Auch dieses zeigt
oben in der Spitzenhälfte einen großen olivenbraunen Fleck und an
den Borstenwurzeln schwärzliche Flecke. Die Pleuren sind dicht
weißlich tomentiert und nur die Mesopleura dicht mit Punkten der
roten Grundfarbe besetzt.
Die kurzen Stirnhaare sind schwarz. Thoraxrücken und die
Oberseite des Schildchens sind dicht und kurz schwärzlich
behaart, doch schimmern die Haarspitzen deutlich gelb. Die längeren
Haare am Hinterkopfe, die der Pleuren, postero ventral an den
4 hinteren Schenkeln und größtenteils auch die des Hinterleibes
sind gelbweiß. Die übrigen kurzen Haare am Abdomen und an den
Beinen schimmern wenigstens gelb oder rötlich.
Am Hinterleibe sind die Seiten- und Hinterränder der Tergite
2 und 3, sowie das 5. Tergit ockergelb; der Rest hat eine schwärz-
liche Grundfarbe. Überall wird dieselbe jedoch von dichtem Tomente
überdeckt. So erscheinen die ersten 3 Tergite sonst weißgrau, das
3. mit sepiabraunen Punkten bedeckt, die in der Mitte auch zu
2 unregelmäßigen Fleckchen zusammenfließen. Das 4. Tergit zeigt
am Hinterrande 2 runde, glänzende, konvexe Augen von metallisch
schwarzblauer Farbe, die zunächst von einem samtschwarzen und
dann von einem ockergelben Ring eingefaßt w^erden. Sonst ist das
4. Tergit mit matt schwarzbraunen Flecken verziert, die durch ein
ockergelbes Tomentnetz werk getrennt werden und glänzen nur die
untersten Randecken noch metallisch schwarzblau. Das 5. Tergit
ist gelblich tomentiert und spärlich braun punktiert. Der Länge
nach ist das 3. Tergit etwas kürzer als eines der ziemlich gleich-
langen 4. und 5.
1. Glied des Ovipositors schwarzbraun.
Hüften und Beine blaß ockergelb. Die Füße, namentlich die
vordersten, sind gegen die Spitze hin schwach gebräunt.
Flügel nach Fig. 29, also in der Zeichnung und Aderung dem
von P bispüosum, suave und ?nurinum ähnlich. Der Grund ist aber
etwas intensiver gefärbt als bei ersterer Art, die weißen Punkte
sind größer und weniger dicht und die braune, dunklere Fleckung
ist ausgedehnter und auffälliger. Die Zentralkerne der weißen
Punkte sind nur unvollkommen ausgebildet. Die Längsadern sind
etwas mehr gegen den P^lügelvorderrand zusammengedrängt. Die
Die Gattung Platysloiiia Meigkn (Dipt.). 115
sehr enge ^liindung- der 1. Hinterrandzelle liegt hoch oberhalb der
Fliigelspitze.
Schüppchen weiß: Thoraxscliüppchen gut ^'o^i^l länger als die
des Flügels.
Schwinger hellgelb.
Körper 5.5 — 6 mm lang. Flügel 5—5.5 mm.
Heimat. Transkaspien, Groß-Balchan.
33. Platijstotna oculutnin Becker ((^, $).
Beckek, iu : Ann. ^Fus. zool. Acad. St. Petersburg, Vol. 12, p. 30, 43
(1907).
Die Unterschiede von P. pavonis n. sp. sind folgende:
Der Kopf ist viel heller, weißlich-gelb, die Stirn nicht ledergelb,
sondern goldgelb, nicht punktiert, am Augenrande schmäler weiß
schimmernd. Das ganze Gesicht und das Prälabrum sind weiß
bereift, glanzlos. Die glänzend schwarzen Flecke unten an den
Fühlergruben fehlen. Den ganz gelben Tastern fehlt der schwarze
Fleck vor der Spitze.
Die Behaarung des Hinterleibes ist viel heller, mehr weißlich-
gelb, namentlich am 5. Tergit, das hier P/aiiial so lang wie das 4.
ist. Letzteres wiedei- ist fast doppelt so lang wie das kurze 3.
Der Flügel des mir vorliegenden Originalstückes ist leider so
defekt, daß ich ihn nicht photographieren kann. Er gleicht in der
Anlage der braunen Flecke und der weißen Punktierung dem von
P. bispiJosum, in der Nervatur aber dem von P pavonis. Die weißen
Punkte lassen in der vorderen Flügelhälfte nur dunkelbraune
(^uerpunkte und Querstriche frei und fließen sonst zusammen. Die
Mündung der ersten Hinterrandzelle ist wie bei P. pavonis dunkel-
braun. Die erste Basalzelle, der darüberliegende Teil der Sub-
marginalzelle und die Umgebung der beiden Queradern zeigen nicht
weißen, sondern gelben Flügelgrund. Schüppchen und Schwinger
wie bei P. pavonis angegeben.
„Durch hellgraue Bestäubung, hellrote Beine und 2 kreisrunde
glänzend schwarze Beulen auf dem 4. Hinterleibsringe ausgezeichnet;
hiedurch ist die Art sehr kenntlich; eine ähnliche, nahe verwandte
.Art besitze ich aus Transkaspien.
c^: Kopf blassgelb, Stirn hellrotgelb, matt, an den Orbiten sehr
schmal weiss bereift. Untergesicht ebenfalls weiss bereift, nicht
glänzend und ohne dunkle Flecken. Die breiten Taster sind hell-
8*
WQ Friedrich Hendel,
gelb, am Rande mit einigen kurzen schwarzen Börstchen. Rüssel
glänzend rot, ohne Flecken auf der Oberlippe. Fühler rotgelb, mit
brauner nackter oder mikroskopisch pubescenter Borste. Hinterkopf
hellgrau, matt; an den Backen steht eine Reihe von 3 starken
Borsten. Thorax von heller Grundfarbe, mit hellgrauer und brauner,
etwas unbestimmt gefleckter Bestäubung und fein punktiert; die
kurze Behaarung ist überwiegend schwarz, desgleichen die 6 Rand-
borsten am Schildchen, deren Wurzelpunkte sich als kreisförmige
grössere braune Flecken hervortun. Die Brustseiten sind ebenfalls
punktiert, die Behaarung ist hier jedoch ausnahmslos weiss. Hinter-
leib von schwarzer Grundfarbe aber außerordentlich hellgrau, fast
weiss bestäubt; die ersten 3 Ringe ^) sind sehr schmal; sie sind mit
kleineren braunen Flecken von verschiedener Grösse gezeichnet; der
4. Ring ist sehr lang, so lang wie die vorhergehenden 3 zusammen,
etwas konisch nach hinten verschmälert und mit 2 grossen glänzend
schwarzen Beulen oder Augen am Vorderrande und auf der Glitte
des Ringes, die auch noch auf den 3. Ring als matt schwarzbraune
Flecken hinübergreifen und noch auf dem 4. Ringe zu beiden Seiten
von grösseren dunklen Flecken umgeben sind; die ganze Fläche des
4. Ringes ist überdies noch mit wurmartig gekrümmten kleineren
braunen Flecken mehr oder weniger durchsetzt; die kurze Be-
haarung ist überwiegend hell. Bauchseite citronengelb, die ersten
3 Bauchringe mit schwarzen Mittelflecken, Die kräftigen Beine
sind blassgelb, Schenkel mit schwarzen und weissen, Schienen und
Tarsen mit ausschliesslich schwarzen feinen Haaren bedeckt; Tarsen-
endglieder schwach bräunlich. Die Flügel haben eine braune Grund-
farbe, die durch weissliche kreisförmige Flecken gitterartig durch-
brochen ist; auf der Vorderhälfte der Flügel ist das Gitter zu
einzelnen isoliert stehenden braunen Flecken zusammengeschmolzen;
immerhin macht sich an einzelnen Stellen bei geringerer Durch-
brechung der braunen Fläche eine fleckenartige Bräunung bemerk-
bar; so sieht man 6 solcher grösserer Flecken: über der Gabel der
2. und 3, Längsader, auf der kleinen und hinteren Querader, unter
dem Ende der 2. L.-Ader, an der Flügelspitze zwischen der 2. und
3, L,-Ader sowie auf der Mitte der 6, — 5 mm lang,
$. Im Ganzen dem ^ gleich; der 4. Hinterleibsring ist nicht
ganz so lang wie beim c^; auf dem 3. Ringe sieht man jedei'seits
1) Becker zählt das basale Doppelsegment als einen einzigen Ring,
was beim Vergleich mit meinen Beschreibungen zu berücksichtigen ist.
Die Gattung Platystoiua Meigen (Dipt.). 117
je 8 o;i-össei'e schwarze Flecken, von denen das 1. Paar über und
in Verbindung- mit der glänzenden Beule des 4. Ringes, die beiden
anderen mehr seitwärts oben und unten liegen. Die Legeröhre ist
in ihrem ersten Teil glänzend schwarz. Mit der Legerühre 7 mm
lang."
Heimat. Gaschun-Gobi im Chinesisch. Turkestan.
84. PI((tf/stoinn niiirinnin n. sp, {^, $).
Gleich den 2 ..Pfauenaugen-tragenden-' Arten sehr dicht, hell-
grau tumentiert, vielleicht die lichteste der Arten. Auch „Gemsleder-
gelblich'',
Kopf blaß ockergelb. Stirn etwas breiter als lang und auch
deutlich breiter als die doppelte Augenbreite, matt weißlich bereift,
am Augenrande lebhafter und dort auch dichter mit sehr kleinen
hellbraunen Pünktchen besetzt. Die Stirnaugen räuder biegen
auffällig weit unten am Gesicht und unter fast rech-
tem Winkel nach außen um. Das Gesicht ist ganz weiß be-
reift; nur ein sclnvarzer, dreieckiger Fleck jederseits unten an der
Fühlergrnbe und der seitliche Mundrand sind glänzend. Der Ge-
sichtsrücken ist besonders breit. Fühler rötlich-gelb, w^eit unterhalb
der Augenmitte sitzend. 3. Glied an der Wurzel der sehr kurz und
fein pubeszierten Arista manchmal etwas gebräunt.
Prälabrum ebenfalls ockergelb, weiß tomentiert, an den
Seiten schwarzbraun. Taster gelb, in der Mitte mit einem großen,
samtschwarzen, eiförmigen Fleck, der einen breiten weiß schimmern-
den Spitzenrandsaum freiläßt. Rüssel rotgelb. Wangen schmal.
Backen ^Z, eines Auges hoch. Unterer Hinterkopf deutlich
gepolstert, an den Backen mit 2 — 3 schwarzen Borsten übereinander.
Die Grundfarbe des Thorax ist rötlich-ockergelb, auch ein breiter
Schildrand und die Schulter- und Notopleuralbeulen. Die Zentral-
gegend des Schildes und die Oberseite des Rückens, sowie die Brust
und das Metanotum haben schwärzliche Grundfarbe. Überall ist
der Thorax aber von dichter, sehr hell gelbgrauer Bestäubung ganz
matt. Nur an der Unterseite der Schulterbeule sieht man einen
glänzend schwarzbraunen Längsfleck. Auf den Seiten und auf dem
Rücken wird das lichte Toment von dicht gestellten, aber von-
einander isolierten Punkten der Grundfarbe durchbrochen. Auf dem
Rücken sind sie matt olivenbraun und in Längsreihen geordnet, die
4 heller erscheinende, linienartige Zwischenräume in der Mitte frei-
llii, Friedrich Hendel,
lassen. Doch sind diese lichteren Striemen nicht immer gleich gut
erkennbar. Die Oberseite des Schildes ist nicht punktiert.
Der Hinterleib ist wie der Rücken von schwärzlicher Grund-
farbe. Die Hinter- und Seitenränder der Tergite 2—5 sind in nach
hinten zunehmender Breite rötlich-ockergelb gefärbt. Das 5. Tergit
ist vorherrschend oder beim $ ganz rotgelb. Die Tomentierung
ist dieselbe wie beim Thorax, also so dicht und vorherrschend, daß
nicht einmal hier die in den überall gleichmäßig dicht verteilten
und vielfach zu gekrümmten kurzen Linien zusammenfließenden
Punkten hervortretende Grundfarbe merklichen Glanz zeigt. Beim
^ ist das 5. Tergit länger als das 3. und 4. zusammengenommen.
Beim $ ist das 5. Tergit kürzer als das 3. oder 4. allein, die gleich-
lang sind.
Die Behaarung ist sehr kurz und fein; auf der Stirn und den
Mesopleuren schwarz, auf dem Rücken und dem Hinterleibe gelb
schimmernd.
Hüften und Beine blaßgelb. Alle Schenkel zeigen anterior, die
Vorderschienen vorn und hinten (innen und außen) schmale braune
Längsstriemen. Die Vorderfüße sind fast ganz, die übrigen gegen
das Ende hin braun.
Der Flügel, die Schüppchen und Schwinger wie bei P. suave
LoEw, Fig. 30. Die braunen Flecke sind aber auf ein Minimum
reduziert.
Körper 6,5 — 7 mm, Flügel 5,5 — 6 mm lang.
Heimat. Kaschgar, Ost-Turkestan.
35. FJaty Stoma suave Loew {^).
LoEW, Beschreib. Europ. Dipt., Vol. 3, p. 281, 184 (1873).
Ich hatte zuerst die vorhergehende Art für die LoEw'sche ge-
halten, bis mich die Type aus dem Berliner Museum folgende
Unterschiede lehrte. Das Gesicht ist hier nicht so kurz, die Fühler
stehen etwas höher, der Augenrandwinkel des Gesichtes
ist nicht 90^, sondern ca. 120" groß; die Backen sind
viel höher, gut ^4 eines Auges hoch. Der Mundrand unter-
halb der Fühlergruben ist breiter und zeigt unter den glänzend
schwarzen Flecken der letzteren braune, die den äußersten Mund-
rand jedoch auch nicht erreichen. Die Tasterspitzen sind schmäler
gelb gesäumt.
Der glänzend schwarzbraune Längsfleck auf der Unterseite der
Die Gattuncr Platystoina Meigen (Dipt.). 119
Schulterbeulen felilt. Die Behaarung des Tlioraxrückens und Hinter-
leibes ist etwas gröber und schwarz, nur die äußersten Haar-
si)itzen schinnnern gelb. Aus dem matt hellgrauen Thoraxrücken
treten 4 dunkelgraue Längsstriemen hervor; die seitliciien sind an
der Quernaht unterbrochen, die mittleren vorn verjüngt und hinten
abgekürzt.
Die Seitenränder der ersten 4 Tergite sind breit rötlich ocker-
farbig. Das 5. Tergit des ^ ist länger als bei der vorigen Art,
gut P.,nial so lang wie die Tergite 3 und 4 zusammen betrachtet.
Die dunklen Striemen der Schienen und Schenkel sind hier nur
angedeutet, die Füße auch heller.
Flügel nach Fig. 30, dem von P. bispilosnm Poetsch. äußerst
ähnlich. Der Grund ist aber etwas dunkler und die weiße Punktierung
zarter. Die Mündungen der 3. und 4. Längsader sind etwas
aufgebogen.
Schüppchen weiß. Thoraxschüppchen um die Hälfte länger als
die Flügelschüppchen. Schwinger ockergelb,
Körper 7,5 mm. Flügel 6.5 mm lang.
Heimat. Turkestan, Sarawschan-Tal (Fedschenko, Loew);
Derbent, Transkaspien.
36. Flatt/stoma Mspilosunt Portschinsky ($).
PORTSCHIXSKY, in: Horae Soc. entoniol. Ross., Vol. 11, p. 32, tab. 2,
fig. 2 (1875).
Dem Fl. suave Loew nahestehend und wie folgt unterschieden.
Kopf dunkler, bräunlich-gelb. Stirne nicht ganz 2mal so breit wie
ein Auge und länger als breit, gröber und dunkler punktiert.
Der Augenrandwinkel im Gesicht ist stumpfer. Die glänzend
schwarzen Flecke unten an den Fühlergruben liegen enger beisammen
und sind nur ihre eigene Breite voneinander entfernt; auch be-
rühren sie unten ganz den Älundrand. Bei P. suave Lw.
sind sie breiter voneinander getrennt und berühren unten den gelben
Mundrand nicht. Prälabrum glänzend schwarz, mit weißen
Tomentstreifen versehen. Backen nur wenig höher als V? einer
Augenhr)lie. Unterer Hinterkopf stärker als bei P. suave Lw. vor-
tretend und mit 4 — 5 stärkeren, übereinander stehenden Borsten
versehen.
Die Grundfarbe des ganzen Thorax und Schildchens ist schwarz ;
nur ein schmaler Streiten an der IMesopleuralnaht ist rot. Die
120 Frikdrich Hendel,
Tomentiermig ist aber auch hier überall sehr dicht und verleiht der
Fliege ein hell gelbgraues Aussehen; die Farbe des Tomentes neigt
aber mehr zum Grauen als zum Gelb, während bei P. sitave der
isabellfarbige Ton vorherrscht. Der glänzende Längsfleck an der
Unterseite des Humeralcallus fehlt. Die Punktierung des Rückens
ist dicht und fein, isoliert, dunkel olivengrau. 4 gleichfarbige Längs-
striemen sind nur angedeutet. Schild nackt, oben dunkler, un-
punktiert, am Rande heller bereift, mit dunklen Punkten an den
Wurzeln der Borsten.
Hinterleib mit Ausnahme der roten Spitze von schwarzer Grund-
farbe, wie der Thorax tomentiert und punktiert. Die Punktierung
ist am 4. und 5. Tergit aber gröber und fließt zu kurzen, ge-
krümmten Perlschnüren zusammen, die überall gleichmäßig verteilt
sind. Die Tergite 2 und 3 dagegen sind noch feiner als der Thorax-
rücken punktiert. Beim mir vorliegenden ^ ist das 4. Tergit lV2nial
so lang wie das 5. und auch länger als das 3. 1. Glied des Ovi-
positors schwarzbraun. Bauchhaut gelb.
Die kurze Behaarung der Stirne, des Rückens und Hinterleibes
ist schwarz.
Hüften und Beine hell rotgelb. Vorderschenkel etwas weißlich
bereift. Die 4 hinteren Schenkel sind posteroventral mit gelben,
längeren Haaren gewimpert, Vorderschienen vorn und hinten (außen
und innen) mit braunen Längsstriemen. Vorderfüße schwarzbraun,
Mittelfüße am Ende braun, doch ist bei beiden das letzte Fußglied
hell rotgelb.
Flügel nach Fig. 31, sehr blaßbraun mit sehr zahlreichen weißen
Punkten, die sehr dicht nebeneinander stehen und Zentralkerne auf-
weisen und mit einigen gesättigten braunen Flecken in ähnlicher
Gruppierung wie bei P. subtile, tegularitim und insularum. Adern
braun, gegen die Wurzel hin gelblich. Radialis gerade. Erste
Hinterrandzelle gegen die Mündung hin stark verengt. Dis-
coidalis ziemlich weit oberhalb der Flügelspitze mündend. Die
weißen Punkte sind dem Hinterrande des Flügels stark genähert,
wenn sie denselben auch nicht unmittelbar berühren.
Schüppchen weiß. Thoraxschüppchen ca, ^3 länger als die
oberen. Schwinger ganz ockergelb.
Körper etwas über 5 mm, Flügel 5 mm lang.
Heimat. Armenien, Ararat (Poktschinsky),
Die Gattung Platystonia Meigkn (Dipt.). 121
37. Pldtt/stoma ciftutm Portschinsky {^).
PoHTSCHlNSKY, in: Hör. Soc. entoiuol. Rose., Vol. 11, p. 31, tab. 2
fig. 4 (1875).
„Cana, fusco-pundata , pedibus totis flavis, alis cinereis, albo-
pumiaiis. ^ 2^3'" (5 cm). — Caucasus."
„D'un cendre assez clair. La tete cendree, le front d'uii fauve,
im peu brunätre, a cotes cendres et pointille de brun. Une bände
transversale d'un noir luisant se trouve sous les antennes. Les
aiitennes d'un jaune fauve avec la partie superieure du 3. article
avec une fache brune; le Vertex est orne de 6 soies par 3 de chaque
cöte. La tronipe fauve; les palpes d'un noir luisant ä reflet blanc
sur leurs extremites et jaunes ä leur base. Le tliorax est cendre
et parseme de nonibreux petits points un peu plus fonces. L'ecusson
cendre, avec les traces de 4 lignes longitud. et avec 4 points noirätres
sur son extremite. L'abdomen est cendre, parseme de points plus
fonces ; son 3. segment est tres court, le 4. de la longeur des 3 pre-
cedents; le ventre cendre. Les pieds sont eutierement d'un jaune
un peu fauve; les balanciers d'un blanc jaunätre, les alles enfumees,
parsemees de nombreuses taclies hyalines ; 4 ou 5 ou 6 autres rondes
de la meme couleur, le long du bord exterieur pres de la base de
laile. Une petite bände irreguliere le long du cöte gauche de la
2. nervure transversale; cette derniere eile meme un peu arquee."
Vielleicht identisch mit PI. suave Loew, auf das die Bein-
färbung und Flügelzeichnung passen würde.
38. Plattjstonia elegans n, S2J. ($j.
1 $ aus dem Kaukasus, Araxes-Tal, 19. Mai (Reitter).
Große prächtige, nicht zu verwechselnde Art.
Grundfarbe des Kopfes gelbrot, des Thorax, Abdomens und
der Beine schwarz; Schild rot, nur ein Mittelfleck oben an der Basis
schwarz.
Kopf breit. Stirne 2^i^m2L\ so breit wie ein Auge. Vorder-
stirne etwas stärker gewölbt. Wangen eingedrückt. Der Längs -
rücken des Gesichtes tritt etwas weiter als gewöhnlich vor
und ist scharf randig, bei den anderen Arten sonst abgerundet.
Die Fühlergruben sind dadurch tiefer und schärfer differenziert.
Das kurze Epistom springt plötzlich vor.
Stirnstrieme mattrot, mit einer Mittellängslinie und undeutlich
122 Friedrich Hendel,
umgrenzten großen Seitenflecken von weißlich schimmerndem Toment;
letztere dunkel punktiert. Wangen mit 2 weißen Schillerflecken.
Gesicht, Prälabrum und oberer Hinterkopf glänzend gelbrot. Ge-
sichtsrücken, Fühlergruben und unterer Hinterkopf heller gelb ge-
färbt, alle weißschimmernd bestäubt, besonders dicht der letztere.
Die obere, wagrechte Grenzlinie desselben auf der Halsstufe gegen
den roten oberen Hinterkopf zu ist schwarz. Backengruben seiden-
artig rotbraun. An den unteren Enden der Fühlergruben liegen
längliche, glänzend schwarze Flecke, die nach vorn gegen den Mund-
rand, den sie erreichen, konvergieren. Fühler % des Gesichtes lang,
wie die Taster hellrot. Arista nackt. Rüssel dunkelrot.
Thoraxrücken matt schwarz, mit wenigen gelbgrauen Toment-
flecken. 5 solcher, teilweise durch schwarze Punkte zerschnitten,
liegen zwischen den Schultern, 3 in der Quernaht nebeneinander,
3 — 4 kleinere in der Mitte dahinter. Schulterbeulen, Notopleural-
callus, die Mesopleuralnaht und der hinterste, weiß bestäubte Supra-
alarteil des Rückens sind rot, ebenso ein breiter Rand des Schild-
chens, das an der Spitze einen gelbgrauen Tomentpunkt trägt.
Pleuren, Metanotum, Hinterleib und Beine glänzend schwarz.
Mesopleura und die Füße in ihrer Gänze matt schwarz. Das 5. Tergit
($) trägt seitlich am Vorderrande einen großen, eiförmigen, weißen
Schillerfleck. 5. und 4. Tergit gleichlang, 3. kürzer als die Hälfte
eines derselben. Behaarung des ganzen Rumpfes und Kopfes kurz
und schwarz. Auch die Beine sind durchaus scliwarz behaart.
Der F'lügel (Fig. 36) ist gleichmäßig dunkelbraun, spärlich von
hellen Tropfenflecken durchsetzt, die in der Basalhälfte des Flügels
bis zur Posticalis herab leuchtend rötlich -gelb, sonst weiß sind.
Radialis sanft wellig. Erste Hinterrandzelle jenseits der hinteren
Querader stark zusammengezogen, die beträchtlich oberhalb der
Flügelspitze liegende Mündung derselben daher auffällig verengt.
Thoraxschüppchen sehr groß und breit, mehr als 3 mal so
lang wie das Flügelschüppchen; beide weiß, letzteres gelblich ge-
randet. Schwingerstiel gelb, Kopf braun.
Körper ohne Ovipositor und Flügel 11 mm.
39. Platystonia chrysotoxtini n, sj). (c^, ?).
Kopf samt Fühlern, Prälabrum und Tastern ganz hell rotgelb,
nur das untere Ende der Fühlergruben mit einer kurzen Strieme
daran als Fortsetzung nach unten hin zum Mundrande, sowie die
Halsstufe am oberen Hinterkopf schwarzbraun. Stirn breit, in der
Die Gattung Platystoma Meiokn (Dii)t.\ 12H
Mitte fast l'^nial so breit wie lan.u- und doppelt so breit wie ein
Auge. Sie ist samtartig gelbrot und um den schwarzen Ocellen-
liücker in verscliiedener Ausdelmung rot gefärbt. Lebhaft gelblicli-
weiß tomentiert sind eine Medianlinie, die sich an den Ocellen er-
weitert, dann der breite Augenrand bis auf die Wangen herab, der
in der Stirnmitte Querfortsätze nach innen zeigt und zarter die
Scheitelkante. Eine Punktierung fehlt.
Das ganze Gesicht und Prälabrum glänzen stark, ersteres ist
am liclitesten gefärbt, letzteres ohne weiße Tomentflecke. Der Ge-
sichtsrücken ist außen ziemlich kantig, nicht so abgerundet wie bei
den anderen Arten. Deshalb erscheinen auch die Fühlergruben
tiefer und schärfer abgesetzt. Die mehr roten P'ühler sind ca. die
Hälfte des Gesichts lang und an den Wurzeln etwas weiter als ge-
wöhnlich entfernt. Arista wie nackt. Backengruben mit matt bräun-
lichem Schimmer. Backen ^4 eines Auges hoch. Unterer Hinter-
kopf stark gepolstert, am Augenrande, wie auch auf der Halsstufe
der Quere nach ein breites, weiß schimmerndes Band. Oberhalb
der Halsstufe ist der Hinterkopf unbestäubt, rot. — Rüssel rot,
Taster heller, an der Spitze mit weißem Schimmer.
Thorax von glänzend pechschwarzer Grundfarbe, die längs der
Notopleuralnaht und auf den Pleuren und der Brust sichtbar wird.
Die ]\reso-, Pteropleuren und der obere Rand der Sternopleuren sind
dicht mit leuchtend goldig schimmerndem Toment bedeckt und
un punktiert. Schulterbeulen und Notopleuralcallus von roter
Grundfarbe. Der ganze Rücken ist mit dichtem, goldockerigem
Toment bedeckt, das nur oberhalb der Schultern weißlich erscheint.
Dasselbe wird von 4 tief schwarzen, matt ziselierten, aus lauter
zusammengeflossenen Punkten gebildeten Längsstriemen durchzogen,
wobei aber auch noch die bleibenden Zwischenräume zerstreut
schwarz punktiert sind, wie bei P. lugubre R.-D. Die 2 mittleren
Striemen bleiben in der Längsmitte vollständig voneinander getrennt,
verbreitern sich nach hinten zu aber fast auf das Doppelte, sind
hinter der Naht 1 — 2mal schmal unterbrochen und erreichen das
Schildchen mit den 2 Endspitzen nicht mehr. Die seitlichen Binden
sind hinter der Quernaht doppelt und sind vor und hinter der Naht
mit den inneren verbunden. Schildchen gelbrot und glänzend. Die
Wurzel und eine Längsstrieme, beiderseits welcher je ein dunkel-
brauner Fleck liegt, sind gelblich tomentiert.
Metanotum und Hinterleib glänzend blauschwarz. Die Hinter-
ränder der Tergite 2—4 sind ziemlich breit und auffällig rotgelb
X24 Fkiedrich Hendel,
o-esäumt. \\'ährend diese Säume sich streifenförmig- scharf abheben,
geht jener des 5. Tergits allmählich nach vorn in das Dunkel über.
In der Mitte der Tergite 2—5 befinden sich gelbe, fein schwarz
punktierte Tomentflecke von etwas wechselnder Größe. Jener des
5. ist am größten und hinten herzförmig eingebuchtet bis gespalten.
Bauchhaut und das konvexe, hinten in der Mitte ausgerandete
präanale Sternit des (^ orangefarbig. 1. Glied des Ovipositors und
Hypopyg glänzend schwai'z. Parameren des letzteren rot.
Die kurze Behaarung der Stirn, des Eückens und die außer-
ordentlich kurze und zarte des Hinterleibes ist schwarz; höchstens
schimmert die des letzteren rot. Die längeren Haare posteroventral
an den hinteren, namentlich aber mittleren Schenkeln sind rötlich-
gelb. Ebenso die zottige Behaarung der Pteropleuren.
Alle Hüften, die 4 hinteren Schenkel mit Ausnahme der Spitze
und die Hinterschienen mit Ausnahme beider Enden pechschwarz.
Der Rest der Beine orangefarbig. Die Fußglieder sind außen schwarz
behaart und beborstet.
Flügel nach Fig. 32 und von dem aller anderen Arten dadurch
verschieden, daß er nicht gegittert, sondern querbandiert ist. Diese
Querbänder sind rötlich-sepiabraun. In der oberen Wurzelhälfte
des Flügels ist der Grund lebhaft rotgelb, sonst glashell. Der
Hinterrand des Flügels zeigt zahlreiche feine Querrunzeln. Die
stark verengte erste Hinterraudzelle mündet oberhalb der Flügel-
spitze. Der letzte Abschnitt der Cubitalis ist jenseits der kleinen
Querader stark aufgebogen.
Die Schüppchen sind weiß und sehr groß. Das Thoraxschüppchen
ist fast Bmal so lang wie das Flügelschüppchen. Schwinger gelb.
Körper und Flügel 7 — 10 mm lang.
Heimat. Armenischer Kaukasus und armenischer Taurus.
40. JPlatystonia strix Poetschinsky ($).
PORTSCHINSKY, in: Horae Soc. entomol. Ross., Vol. 11, p. 30, tab. 2
fig. 3 (1875).
,,Nigra punctis lineisgue flavis variegata; tarsis posticis ventreque
flavis; alis fuscis, albo flavoque guttatis. $ Jong. 4^1.^"' (10 mm).^'
„Fort semblable ä la P. umbrarum. La face est d'un brun
rougeätre, le bord anterieur des yeux avec une fache de reflect
blanc et une autre semicirculaire noire, ä la hauteur du point de
rinsertion des antennes; une grande fache noire luisante se trouve
Die Gattung Platystonia Mhigen (Dipt.). 125
encore de chaque cöte sous les antennes. La partie posterieure de
la tete est d'un fauve rougeätre inferieurement et d'un blaue
soyeux sui)erieurement; ces deux couleurs sont divisees par uiie
ligiie de reflect noir. Le front est gris avec des taches et des points
noirätres et des lig'iies ceiidrees. Les antennes sont noiiätres avec
le deuxierae article brun. La trompe est grande et d'un noir
brunatre luisant. Les palpes noirs luisants avec des lefitHs blancs
ä leurs extremites. Le tliorax est noir avec plusiers lignes jaunes,
disposees irregulierement et pointillees de noir. Les epaules ferru-
gineuses obscures. L'ecusson est noir, ä ligne longitudinale et ä
boi-d posterieiir jaunes. L'abdomen est d'un noir assez luisant. ä
lignes et ä taches irregulieres d'un jaune vif; les 2. et 3. segments
presque d'egale longuenr. le 4. plus court.^) Le ventre jaune avec
une taclie presciue triangnlaire noire au milieu du 2. (3.) segment.
Les pieds sont noirs, avec les premier et deuxieme article des tarses
posterieures ainsi que la base du premier article des anterieures
d'un jaune fauve. Les balanciers jaunes. Les alles d'un brun noir-
ätre. avec le bord posterieur presque cendre, et avec des taches d'un
jaune fauve qui s'etendent jusqu'ä la premiere nervure transversale ;
le reste avec des taches hyalines."
,,Du Caucase; trouvee par Mr. J. Faust."
Erklärung der Abbilduns^en.
Tafel 1.
Fig. L PL seminationis Fab.
Fig. 2. PL seminationis Fab.
Fig.
3.
PL
seminationis Fab.
Fig.
4.
P.
franenfeldi Now.
Fig.
5.
P.
bisefa LoEW.
Fig.
6.
P.
ralachiae n. sp.
Fig.
7.
P.
nitidiventre n. sp.
Fig.
8.
P.
subfasciatum LoEW
Fig.
9.
P.
bexzii n. sp.
Fig.
10.
P.
subtile LoEW.
1) In meinem Sinne das 3. — 5. Tergit.
126 Friedrich Hendel, Die Gattung Platystoma Meigen (Dipt,).
Fig. 11. P. ohtusum n. i^p.
Fig. 12. P. tegularium LoEW.
Fig. 13. P. gemmaüoyiis Rond.
Fig. 14. P. hifasciatum Brülle.
Fig. 15. P. lugubre ß.-D.
Fig. 16. P. pleuronitens n. sp.
Fig. 17. P. insularum RoND.
Fig. 18. P. jnibescens Loew.
Fig. 19. P. arcuaium Loew.
Fig. 20. P. dhnidiatuvi n. sp.
Fig. 21. P. plantationis Rond.
Fig. 22. P. aenescens Loew.
Fig. 23. P. rußpes Meig.
Fig. 24. P. meridionale n. sp.
Fig. 25. P. clathratum n. s/j.
Fig. 26. P. eurvinerve n. sp.
Fig. 27. P. gilvipes LOEW.
Fig. 28. P. punctiventre Poetsch.
Tafel 2.
Fig. 29, P. pavonis n. sp.
Fig. 30. P. sitat'e Loew.
Fig. 31. P. bispüosiini PoRTSCH.
Fig. 32. P. clirysotoxiini n. sp.
Fig. 33. R lativentre Loew.
Fig. 34. P. angustipennc LoEW.
Fig. 35. P. rußmanum Loew.
Fig. 36. P. elegavs n. sp.
Fig. 37. Vorderfuß. (^ von P. valaehiae n. sp.
Fig. 38. Pennisende von P. seminationis F.
Fig. 39. Habitusbild des Gattungstypus ((^).
Fig. 40. Kopfprofil desselben.
G. Pätz'sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.
Zoolog. Jahrbücher, Bd. 36. Abt. f. Syst.
laf. 1.
J. B. Oberaetier, Jtünchen, repr.
Verlag von Chistav Fischer in Jena,
Zoolog. Jahrbücher. Bd. 36. Abt. f. Syst.
Taf. 2.
3^.
3ä.
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^(R^ * ' * **^?+YTni
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X^SJ^^^
Vi.
Hendel.
J. B. Obernetter, München, repr.
Verlag von Gustav Fischer in Jena,
Nachdrtick verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Über Tipuliden-Larven mit
besonderer Berücksichtigung der Respirationsorgane.
Von
Fritz Oerbig.
(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Greifswald.)
Mit Tafel 3-4 and 19 Abbildungen im Text.
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung
Literarischer Überblick.
Spezieller Teil.
A. Sammeln, Zucht, Technik.
B. Beschreibung einiger Tipulidenlarven mit besonderer Berück-
sichtigung der Atmungsorgane.
I. Tipula varipeunis Meig.
II. Ttjnila pahidosa Meig.
1. Larve im L Entwicklungsstadium.
2. Larve in späteren Stadien.
III. Tqnda (jifjantea Schenk.
IV. Tijjula lateralis Meig.
V. Tipula kortensis Meig.
VI. Cioiophora flavicornis Meig.
VII. Poerilnstola punHala Meig.
VIII. (htopliomjia pilipes Fabk.
IX. Li))ino))hila discicollis Meig.
X. Lininoplnla fuscipenni.'i Meig.
JCool. .Talirl.. XXXV. Alit. f. Syst. 9
128 Fkitz Gerbig,
C. Rückblick und Vergleich.
Stigma, Filzkammer, Tracheenlunge, Kiemen, Tracheenmuskel und
Funktion der Lunge.
D. Physiologische Versuche, Zusammenfassung.
Einleitung.
Die ersten Angaben über Tipulidenlarven fand ich bei Reaümur
(1750), der neben einer Beschreibung- der äußeren Form derselben
auch die Atemverhältnisse schildert. Er sagt hierüber: On trouve
deux trachees tres remarquables, une de chaque cote, qui tend en
ligne droite vers la tache ou le stigmate qui est du meme cote : eile
semble pourtant se terminer un peu avant que de l'avoir atteint;
mais oü eile paroit se terminer eile se divise en un tres grand
nombre de branches : qui toutes se dirigent vers la plaque circulaire
du stigmate, cette plaque est la base du cone forme par toutes ces
branches. Elles sont destinees ä recevoir l'air, et ä le porter ä la
grande trachee d'oü elles partent: je dis ä le porter, car j'ai con-
jecture, 11 y a longtemps, que c'etait leur seul usage, que Fair avoit
d'autres ouvertures, ou partie de ces ouvertures, etaient meme placees
ä son bout posterieur. La sont quatre taches circulaires, brunes
comme les stigmates, mais beaucoup plus petites. Ayant tenu sous
l'eau la partie posterieure du ver, j'ai vü sortir des bulles d'air de
ces quatre petites taches, et je n'en ai vü sortir aucune des grandes
taches ou stigmates.
Diese Ansicht Reaumdr's wurde schon damals bekämpft von
BoKNET (1771), v^elcher behauptet, daß die Insecten "inspirent et
expirent par les stigmates", und daß die Luftblasen, welche Reaumur
an den braunen Flecken austreten sah, beim Untertauchen der Larve
unter Wasser von außen haften geblieben waren.
DE Geee (1771) läßt die Frage, wie die Insecten atmen, offen.
Er kommt nur zu dem Schluß, daß, wenn die Insecten im allge-
meinen nicht die Luft so ein- und ausatmen wie die übrigen Tiere^
sie alle doch Luft zum Leben brauchen.
BoucHE (1835) und später Beling (1880) geben nur Beschrei-
bungen der äußeren Form von Tipulidenlarven, sie erwähnen nichts
von den Atemverhältnissen.
ViALLANEs (1880) hat die Herzverhältnisse einer Ctenophora-
Larve näher untersucht, und Mik (1882) hat die Larve von Tipula
rufina näher beschrieben, vor allem hat sich der letztere mit dem
Stigma befaßt. Er deutet die Pünktchen, die man auf der Oberfläche
Tipnlideii-Liuven. 129
des 8tij?nias sieht, als Tracheenniiindung-en. Ferner fand ich eine
Besclireibung des Tipiilidenstigmas bei de Meuerk (1895), der mit
Weijenbergh behauptet, daß das Stigma geschlossen sei und daß
die Luft durch die sogenannte Siebplatte in die Trachee gelange.
Diese Ansicht wird auch von MüciGENBUEG (1901), von Brown (1910)
und von M. Keilin (1912), dessen Arbeit erst kürzlich erschienen
ist. vertreten. Da über den Bau dieser Stigmen noch große Un-
klarheit herrscht, so habe ich mir die Untersuchung derselben zur
besonderen Aufgabe gemacht und bin zu wesentlich anderen Resul-
taten gelangt. Ferner habe ich die Anhäufung der Tracheen-
capillaren im letzten Segment der Larve, die Reaumur schon ge-
sehen hat, die aber später nur von Viallanes und Brown nochmals er-
wähnt sind, einer näheren Untersuchung unterzogen. Dogs nennt
bei yepa die Anhäufung der Tracheen im Thorax Tracheenlunge.
Ich werde mich im folgenden desselben Namens bedienen, da die
feinen Luftkanälchen auch hier die Funktion einer Lunge haben,
während die anatomischen Verhältnisse ganz anders sind als bei
Spezieller Teil.
Samnielu, Zucht, Teclmik.
Da die Tipulidenlarven zum großen Teil an den Rändern von
Gewässern im Schlamm, ferner zAvischen Algen, Moos usw. leben,
war es mit einigen Schwierigkeiten verknüpft, sie aufzufinden. Die
ersteren Larven, die im Schlamm vorkommen, erhielt ich, indem ich
mit Hilfe eines Netzes an der Stelle, an der ich die Larven ver-
mutete, eine größere Portion Schlamm entnahm und dann im Wasser
durchsiebte. Die feinen Schmutzteilchen wurden durch das Wasser
Aveggespült, während die größeren Larven zurückblieben. Durch
dieses Verfahren war es jedoch nicht möglich, die jüngeren Ent-
wicklungsstadien zu erhalten. Die Larven, die zwischen Algen und
-Miius vorkommen,- sind besonders deshalb schwer zu finden, weil sie
sich wenig von der Umgebung abheben. Die Schwierigkeiten des
Sanimelns von Material wurden durch eine Methode überwunden,
die mir Herr Geheimrat G. W. Müller empfahl. Die Algenmassen
und Moospolster wurden nicht mehr draußen abgesucht, sondern
mittels kleiner Beutel mit ins Institut genommen. Hier wurden
die Massen auf weitmaschigen Sieben, die über Glasgefäße gespannt
waren, ausgebreitet. Das Eintrocknen der obersten Pfianzenschicht
9*
1^0 Fritz Gerbig,
bedingte, daß die Larven nach unten wanderten, bis sie durch das
Drahtsieb in das Glasgefäß fielen, dessen Boden mit Wasser bedeckt
war. Oft dauerte es einige Tage, bis die ersten Larven durchfielen.
Mit Hilfe dieser Eintrocknungsmethode gelingt es zunächst, I^arveu
in großer Menge zu bekommen, auch dort, wo bei oberflächlicher
Betrachtung keine Larven vorhanden sind. Ferner erhielt ich auf
diese Weise auch jüngere Entwicklungsstadien, von Tipula lateralis
sogar das erste Stadium.
Um die Larven bestimmen zu können, habe ich sie alle züchten
müssen, da die bisherigen Bestimmungstabellen sehr unzuverlässig
sind.^) Beling gibt zwar eine größere Bestimmungstabelle für Tipu-
lidenlarven, bei der er auch die charakteristische Bewaffnung des
Hinterendes berücksichtigt; jedoch ist es nicht möglich, nach jener
Tabelle die Larven mit Sicherheit zu bestimmen. Am einfachsten
war die Zucht von Poecilostola punctata, Limnophila fuscipennis und
Tipula lateralis. Diese Larven hielt ich in Blechkästen, die ich zur
Hälfte mit Erde angefüllt hatte. Außerdem befand sich immer so
viel Wasser in dem Gefäß, daß die Erde zum größeren Teil daraus
hervorragte. Sehr einfach ließen sich auch die Larven von Tipula
gigantea monatelang hindurch halten. Ich züchtete dieselben in
einem Glasgefäß, dessen Boden mit Kieselsteinen und Wasser be-
deckt war. Zur Fütterung benutzte ich totes Kastanienlaub. Das
Wasser, daß die Steine nicht überragen darf, mußte von Zeit zu
Zeit erneuert werden.
Die Larven von Tipula varipennis hielt ich in einem hohen Glas-
zylinder, der zur Hälfte mit Moos angefüllt war und dessen oberes
Ende durch ein Drahtsieb verdeckt war. Die Larven, die in der
Natur in schnell fließenden Gebirgsbächen vorkommen, konnte ich
nur dadurch bis zur Verpuppung bringen, daß ich jeden Tag den
Glaszylinder mit frischem Leitungswasser ausspülte.
Die Larven von Limnopliila discicollis und Gnophomya pilipes ließen
sich in flachen Glasschalen, in denen das Wasser öfter erneuert werden
mußte, leicht züchten. Schwieriger war die Zucht von Tipula hortensis.
Von diesen habe ich die Imagines nur dadurch erhalten können, daß
1) So findet Bich z. B. in Brauer's „Süsswasserfauna", daß die
Larve von Tr'nnicra eine Länge bis zu 11 mm erreichen soll, während
bekanntlich die Imagines von Triniicra die Größe von Tipula gignidca
besitzen. Schon die Größenunterschiede der dort nebeneinander be-
schriebenen Larve und Imago machen es höchst unwahrscheinlich, daß
beide demselben Individuum angehören.
Tipuliden-Larven. i;}l
icli Larven erst zur Zeit der Verpiippuiig sammelte. Die Ctow-
p/iom-h'Aixen lassen sich in der Gefangenschaft leicht halten. Ich
habe sie monatelang in einem hohen Glaszylinder mit vermodertem
Birkenholz aufbewahrt. Im Frühjahr 1912 krochen einige weibliche
Iniagines aus, während im Herbst scheinbar keine Generation fliegt,
was bei den übi-igen untersuchten Tipulidenlarven allgemein der
Fall war.
Meine Untersuchungen stellte ich zunächst an lebenden Larven
an. die ich zu diesem Zwecke zwischen zwei Objektträger preßte.
Zum Herstellen von Schuittpräparaten wandte ich die allgemein be-
kannten Methoden an. Um die Lageverhältnisse der Tracheenlunge
genau zu studieren, fertigte ich mit dem Rasiermesser Handschnitte
an, die ich nach Auflösung des Paraffins wie Totalpräparate weiter
behandelte. Ich färbte diese mit ßoraxkarmin, und an diesen Präpa-
raten habe ich den Verlauf der Capillarenbündel von der Ausgangs-
stelle an der Inlzkammer bis zur Endigung der einzelnen Capillaren
am Integument genau verfolgen können. Sehr gute Tracheenlungen-
präparate erhielt ich auch dadurch, daß ich die unter physiologischer
Kochsalzlösung herauspräparierten Tracheenlungen 24 Stunden in
einer Lösung von Osmium säure in destilliertem Wasser 3 : 100 auf-
bewahrte. Sodann wässerte ich stark und färbte mit Alaunhäma-
toxylin. Die auf diese Weise vorbereiteten Objekte wurden in
Glycerin eingeschlossen. An diesen Totalpräparaten ließen sich die
Endigungen der feinen Capillaren noch feststellen, da sie mit Luft
gefüllt bleiben. Viele Schwierigkeiten bereitete mir die Untersuchung
der Stigmen, deren sprödes Mittelstück bei der Herstellung von
Schnittpräparaten oft riß. Ich präparierte das Stigma hauptsächlich
unter dem ]\[ikroskop mit aufgesetztem Umkehrprisma mit Hilfe der
Nadel, und gerade hierdurch ist es mir gelungen, über die Be-
schatfenheit des Stigmas, vor allem des Stigmenmittelstückes, einen
bestimmten und klaren Aufsciiluß zu geben.
Beschreibung einiger Tipulidenlarven.
I. Tipula varipennifi Meig.
Die von mir untersuchten Larven von Tipula varipennis stammten
aus Thüringen, wo sie zwischen Moos und unter Steinen in kleinen
schnell fließenden Gebirgsbächen vorkommen. Sie besitzen eine fast
zylindrische Form, sind dunkel gefärbt, undurchsichtig und erreichen
132 Fritz Gerbig,
eine Länge von 15 mm und eine Breite von 2 mm. Der Körper ist
deutlich segmentiert, und an jedem Segment befindet sich eine Reilie
einzelner Borsten, die zur Fortbewegung und zum Festhalten in
Moos dienen. Ferner ist die Oberfläche der Larvenhaut mit ver-
dickten chitinösen Fortsätzen besetzt, welche sichelförmig nach hinten
gebogen sind (vgl. Fig. A). Sie stehen in Reihen angeordnet und
bedingen die dunkle Farbe der Larve. Die Lücken zwischen den
Fortsätzen erscheinen als hellere Streifen oder Punkte. Zwischen
den Ansatzstellen der chitinösen Fortsätze finden wir direkt unter
der Oberfläche der Cuticula Gebilde, welche zunächst wie Röhren
S ch
Fig. A. Tiptila varipennis. Fig. B. Tipula varipennis.
Schnitt durch das Integument der Larve. Hiutereude der Larve unter Wasser.
1150:1. s. ch sichelförm. Chitinfortsätze. (Lupenvergrötierung.)
aussehen. Es handelt sich um Stelleu mit weniger dichtem Chitin.
Die sichelförmigen Fortsätze dürften eine ähnliche Rolle bei der Be-
wegung spielen wie die großen Borsten, nämlich, die Reibung der
Körperhaut an der Umgebung beim Fortkriechen zu erhöhen. Die
scheinbaren Lücken dürften die Beweglichkeit erhöhen, im be-
sonderen ein Niederlegen der sichelförmigen Fortsätze beim Yor-
wärtskriechen ermöglichen.
Sehr auffällig ist die für alle Tipulidenlarven charakteristische
Bewaffnung des Hinterendes. Das Abdomen ist abgestuzt und trägt
einen Stern 6 gleich langer Strahlen, von denen 4 dorsal und 2
ventral gelegen sind. Nebenstehende Fig. B stellt das Hinterende
einer Larve dar, die sich unter Wasser befindet, und Fig. C das-
Tipuliden-Larveu.
138
jenig^e einer an der Wasserober Hache hängenden Larve. Die beiden
ventralen Strahlen haben an der Innenseite dunkles, starkes Chitin,
während die Außenseite mit blasserem, biegsamerem Chitin bedeckt
ist. Jeder dieser Fortsätze trägt an seinem Rande je eine Reihe
Borsten, die eine eigentümliche Form besitzen. Die Fig. D stellt
eine solche Borste bei starker Vergrößerung dar, Sie ist tief in die
Kürpercuticula eingesenkt (Fig. De) und an ihrer Basis außerdem
noch wallartig von einem Fortsatz der Cuticula umgeben. Der ein-
Fig. C. Tipida varipennis.
Hiuterende au der Oberfläche des
Wassers hängend. 25 : 1.
sb typ. Sinuesborste.
Fig. D. Tipula varipennis.
a Obere Hälfte einer Borste
an einem Strahl des stern-
förmigen Abdomen. 380 : 1.
b im Querschnitt. 1150:1.
c Inserierung der Borsten.
1150:1.
gesenkte Teil ist braun und hebt sich ziemlich scharf von dem viel
bhissseren äußeren Teil ab. Die Borsten nehmen von der Basis nach
der Spitze der Strahlen hin an Länge zu. Zugleich ändern sie ihre
Form. Die an der Basis sind einfach, dann folgen zweiteilige, an
deren Stelle nahe der Spitze drei- oder vierteilige treten können
(Fig. Da). Alle Borsten zeigen eine tiügelartige Verbreiterung, die
nahe der Basis als kaum nachweisbarer Saum beginnt, nahe der
Spitze aber, wie Fig. D b im Querschnitt zeigt, eine ziemliche Größe
erreicht. Die dünnen Membranen lassen sich schwer feststellen ; im
vorliegenden Falle gelang es mir durch Färben der Schnitte in
134 Fbitz Gerbig,
Eisenhämatoxylin nach Heiuenhain. Auch Totalpräparate, die mit
Eisenhämatoxylin gefärbt waren, ließen, nachdem sie in Glj^cerin
übergeführt waren, die flügelartige Membran deutlich erkennen. Auf
die Bedeutung dieser eigentümlichen Borsten komme ich weiter
unten zurück.
Zwischen den eben erwähnten Borsten sitzen an den ventralen
Strahlen nahe der Spitze drei, die sich durch ihre Form und In-
serierung von den anderen abheben. Sie sind unverzweigt, liegen
nicht in der gleichen Ebene wie die anderen, sondern sind etwas
nach der Mitte der Oberfläche des Strahles gerückt. Sie gehen je
von der Mitte eines kreisrunden Feldes aus, das im Gegensatz zu
dem übrigen Chitin durchsichtig ist und das als eine Fortsetzung
des blasseren, biegsamen Chitins der Außenseite des Strahles in die
starrere Körperbedeckung der Innenfläche erscheint. Eine dieser
Borsten fällt schon bei oberflächlicher Betrachtung auf. Sie sitzt
an der Spitze der beiden ventralen Fortsätze und steht deutlich
außerhalb der Reihe der übrigen Borsten (vgl. P'ig. 1, Taf. 3). Im
Gegensatz zu den Borsten der Reihe ist sie sehr oberflächlich in-
seriert. Zu ihr führt ein umfangreicher und stark chitinisierter
Porenkanal, der frei in das Innere hineinragt. (Bei den Borsten
der Reihe gelingt es nicht oder nur unvollkommen, den Porenkanal
zu erkennen.) An die Borste tritt ein Nerv heran, so daß wir es
mit einer Sinnesborste zu tun haben, wie sie auch Brown schon
beschrieben hat.
Unter Wasser nehmen die Strahlen des abgestutzten Abdomens
die in Fig. B. angegebene Stellung ein. Wenn die Larve mit dem
Hinterende an die Oberfläche des Wassers kommt, so breiten sich
die Fortsätze aus. Die oben beschriebenen Borsten bilden eine fast
zusammenhängende Membran, welche fest an der Oberfläche haftet.
Form und Insertion der Borsten erklärt sich aus dieser Funktion.
Die außerhalb der Reihe stehenden, im besonderen die als Sinnes-
borste angesprochenen, unterrichten augenscheinlich des Tier darüber,
daß es sich der Oberfläche nähert. Vermöge ihrer abweichenden
Lage müssen sie früher mit der Oberfläche in Berührung kommen als
die Borsten der Reihe. Das Vorhandensein der Sinnesborste macht
es wahrscheinlich, daß das Tier aktiv bei der Ausbreitung des
Sternes beteiligt ist. Aber andrerseits erfolgt die Ausbreitung des
Sternes auch ohne jede Mitwirkung des Tieres lediglich durch die
besonderen Adhäsionsverhältnisse der Borsten, wie wir leicht fest-
stellen können, wenn wir ein totes Tier mit dem Stern an die Ober-
Tipuliden-Larven. 135
tläclie bringen. Es erfolgt dann ein Ausbreiten des Sternes und
ein Haften an der Oberfläclie genau wie bei den lebenden Tieren.
Wfenn die Larven unter A\'asser gehen, so nehmen die Fortsätze die
in Fig. ]^ abgebildete Stellung wieder ein und umschließen mit
Hilfe der behaarten Fortsätze eine große Luftblase. Diese hat wohl
aber weiter keine physiologische Bedeutung, da sie nach einiger
Zeit schon wieder abgegeben wird. Auch erfolgt die Mitnahme
einer Luftblase nicht regelmäßig.
Li der Mitte des sternförmigen Abdomens befinden sich vier
auffällige dunkle Punkte, die durch Verdickung und Färbung des
Chitins entstanden sind. Eeaumur betrachtete, wie oben schon er-
wähnt wurde, diese Punkte als Öffnungen, durch die die Luft aus
den Tracheen austritt. Bei näherer Untersuchung ergab sich, daß
diese dunklen Stellen Muskelansätze sind.
Die Kiemen. Auf der ventralen Seite der Larve sitzen links
und rechts vom After in dessen nächster Nachbarschaft je zwei
fleischige Anhänge. Ich betrachte diese Gebilde als Ausstülpungen
des Enddarmes, weshalb ich sie als Analschläuche bezeichne. Sie
sind tief gespalten, wodurch wir zweimal vier Schläuche erhalten,
was für diese Larve als besonderes L^nterscheidungsmerkmal dienen
mag, da alle anderen von mir untersuchten Larven nur vier oder
sechs solcher Schläuche besaßen. Die Schläuche sind von einer
Haupttrachee durchzogen, die zahlreiche sich wieder verzweigende
feine Äste aussendet. Die äußere Wand ist sehr dünn, wie auf
Schnitten leicht zu sehen ist. Die Schläuche können eingezogen
werden, wobei die dünne Wandung sich in vielen Falten ineinander
schiebt. Beling deutet diese Analschläuche als Nachschieber, wäh-
rend Hart (1892) behauptet: „the flesliy appendages assist the
aeration*'. Brown nennt sie „blood-gills" und beschreibt ausführlich
die Funktion derselben. Wir sehen das Blut in der Kieme auf der
einen Seite der Trachee eintreten, während es auf der anderen Seite
derselben in umgekehrter Richtung fließt. Es muß also eine Mem-
bran vorhanden sein, wie sie Brown beschrieben hat. Der starke
Blutstrom in den Schläuchen beweist, daß wir es mit Blutkiemen
zu tun haben. Andrerseits aber müssen wir auch einen direkten
Gasaustausch an der Oberfläche der Analschläuche zwischen der
Luft der hier befindlichen Tracheen und der im Wasser gelösten
Luft annehmen, weshalb die Schläuche auch Tracheenkiemen ge-
nannt werden können. Da also die Schläuche sowohl die Funktion
einer Blut- als auch die einer Tracheenkierae besitzen, so schlage ich
13() Fritz Gerbio,
die kurze Bezeichnung' „Kieme" vor. Sobald die Larven unter
Wasser gebracht wurden, streckten sie die Kiemen weit aus. Unter
dem Mikroskop ließ sich bei Larven, die zwischen zwei Objektträger
gepreßt waren, bei der Durchsichtigkeit der Kiemen die Bahn des
Blutstroms gut beobachten.
Das Stigma und die T räch een hinge bespreche ich beider
Larve von Tipiüa pcäudosa, da ich von dieser die einzelnen Ent-
wicklungsstadien bekommen habe.
IL Tipula 2)altulosa Meig.
Bei Tipula paludosa war es mir möglich, Larven aus Eiern zu
züchten, Mitte August legte ein Weibchen, das ich bei einer Ex-
kursion auf einer Wiese gefangen hatte, in einem Glase Eier ab.
Diese brachte ich dann in eine Glasschale, die mit einfacher Garten-
erde angefüllt war. Die Erde wurde des öfteren angefeuchtet, und
nach 14 Tagen krochen die ersten Larven aus. Ich brachte nun
in die Glasschale Graswurzeln und einiges Laub, und auf diese
Weise gelang es mir, auch die nächstfolgenden Stadien zu züchten.
Die ausgewachsene Larve erreicht eine Länge von ca. 30 mm und
eine Breite von 2^2 »nifi- Sie ist dunkel gefärbt, undurchsichtig,
und hat wie die vorige Larve zylindrische Form. Die Körper-
bedeckung ist ähnlich beschaffen wie bei Tipula varipennis. Auch
hier finden wir wieder chitinöse, sichelförmig nach hinten gebogene
Fortsätze, die auch in Reihen angeoi'dnet sind, aber nicht so dick
und groß ausgebildet sind wie dort. Auch sie dienen dazu, um bei
der Fortbewegung die Reibung gegen die umgebenden Erdmassen
zu erhöhen. Ferner dürften bei der Fortbewegung der Larve ein-
zelne längere Borsten eine Rolle spielen. Diese zeichnen sich durch
ihre Stärke aus, gehen je von einem runden und helleren Feld aus
und stehen oft in größerer Zahl zusammen, wodurch sogenannte
Kriechbüschel entstehen, die in jedem Segment regelmäßig wieder-
kehren.
Das abgestutzte hintere Körperende wird von sechs ziemlich
gleich langen Fortsätzen gebildet, die mit einer Reihe mäßig langer
Borsten besetzt sind. Die Borsten sind nicht so auffällig wie bei
Tipula varipennis und sitzen auch nicht auf dem äußeren Rande der
Fortsätze, sondern sind ein wenig nach innen gerückt (vgl, Fig. E).
An der Spitze der ventralen Fortsätze finden wir die bei der vorigen
Larve schon beschriebene Sinnesborste wieder. Auch an der Spitze
der beiden dorsalen Strahlen hebt sich eine Borste durch ihre Stärke
Tipuliden-Larven.
137
und liiserierung' hervor. Die Borsten sind unverzweigt und besitzen
aucii nicht den membranösen Saum, den wir bei Tipida varipemm
fanden, was wohl auf die Lebensweise dieser Laiven zurückzuführen
ist. Die Larven von Tipula paludosa leben in wenig feuchter Erde,
brauchen daher nicht die Borsten zum Ausbreiten des sternförmigen
Hinterendes an der Wassei'obertläche.
Mit der veränderten Lebensweise hängt auch zusammen, daß
wir bei dieser Larve die Kiemen durch zwei wulstförmige Fortsätze
ersetzt finden, die sich auf der ventralen Seite der Larve befinden
und als Nachschieber dienen. In der Mitte des sternfürniiofen Hinter-
Fig. E.
Tipiilapahidosa (nach d. 1. Häutung).
Hiuderende. 75 : 1.
Fig. F. Tipula paludosa.
I. Entwicklungsstadium. Hiuterende.
^ 75:1.
endes befinden sich die verhältnismäßig großen kreisrunden Stigmen,
in deren Nähe sich ähnlich wie bei der Larve von Tipula varipennis
viel" dunkle Punkte befinden, die denselben Zweck wie bei jener
Larve haben.
Larve im 1. Entwicklungsstadium. Die frisch ausge-
schlüpften Larven haben im ausgestreckten Zustande eine Länge
von 3 mm und eine Breite von 1 mm. Sehr charakteristisch ist das
abgestutzte hintere Körperende (Fig. F). Auf der ventralen Seite
befinden sich zwei kleine, stark gefärbte Fortsätze, die an ihrem
Außenrande einige Borsten tragen. Etwas oberhalb dieser beiden
Fortsätze sitzen zwei etwas größere, die ebenfalls stark dunkel
pigmentiert sind und auch an ihrem Rande mehrere lange, dunkle
Bürsten tragen. Dorsale Fortsätze sind nicht vorhanden, an ihrer
Stelle befinden sich 8 Borsten, die zu je zweien zusammen stehen
138
Fritz Gebbig,
und an der Basis sich in zwei resp. drei Zweige teilen (vgl. neben-
stehende Fig.).
Auf der Fläche des abgestutzten Abdomens befinden sich die
beiden Stigmen, welche nicht wie im späteren Stadium kreisrunde,
sondern ovale Form besitzen. Sie bestehen aus einem dunkleren
mittleren Teil und einem helleren, radiär gestreiften, äußeren Teil,
dem Stigmenring. Der mittlere Teil des Stigmas birgt den Stigmen-
spalt, der als einfacher Schlitz sich auf Totalpräparaten ohne
Schwierigkeit nachweisen ließ (vgl. Fig. 2 s^j., Taf. 3). Die dunkle
Farbe des Stigmenmittelstücks (vgl. Taf. 3 Fig. 2 sm) wird dadurch
bedingt, daß das Chitin hier dicker ist als in dem helleren Stigmen-
ring, Die radiären Streifen (Fig. 2 rf, Taf. 3) des letzteren sind
radiäre Falten, die dem Stigmenring eine größere Festigkeit ver-
leihen (vgl. Hagemann, p. 393 u. 396). Auf Längsschnitten durch
das Stigma erhalten wir das in Fig. 3, Taf. 3 wiedergegebene Bild.
am
Fig. G. Tipula paludosa. a Stigmen iu gewöhnlicher Stellung,
b Stigmen gegeneinander geneigt. (Figurenerklärung vgl. S. 182.)
Das Stigma ragt dabei über die Umgebung hinaus und ist auch
peripher vom Stigmenring verdickt, so daß wir zwei verdickte
Streifen haben, eine periphere und eine innere. Zwischen beiden
liegt die radiär gestreifte Stigmenmembran. Die äußere Körper-
cuticula setzt sich in die Stigmenmembran fort, so daß diese als
Hautduplikatur aufzufassen ist, wie es in Fig. G dargestellt ist.
Die innere Stigmenmembran ragt ein Stück in das Körperinnere vor
und setzt sich scharf gegen die eigentliche Trachee ab. Als Grenze
der eingestülpten Körperhaut und der wahren Trachee betrachte ich
den in Fig, 3, Taf. 3 und Textflg. G bei x angegebenen Ring und
bezeichne den vor diesem liegenden Teil als Stigmenvorraum (vgl.
Mammen), Die innere Stigmenmembran bildet nach dem Stigmen-
Tipuliden-Larveu. 139
räum zu chitinöse. wie Borsten aussehende Fortsätze (Fig-. 3 ch.
Tat'. 3), die untereinander anastomosieren. Die Verbindungen dei-
zum Teil sehr stark ausgebildeten Chitingebilde sind nicht so stark
dunkel gefärbt wie diese, wodurch sie leicht übersehen werden können.
Kine genauere Beschreibung ähnlicher Chitingebilde gebe ich si)äter
bei Besprechung der Filzkanimei'. Auf das Stigma folgt jederseits
ein Tracheenlängsstamm. der ein mäßig reich vei'zweigtes Tracheen-
system versendet. Weitere olfene Stigmen sind nicht vorhanden.
l>a sich das Tracheensystem, abgesehen von Stigma, Filzkammer und
Lunge, im weiteren Verlauf der Entwicklung der Larven nicht
wesentlich ändert, komme ich auf dasselbe nicht noch einmal zurück.
Tracheenlunge. Wie oben schon erwähnt setzt sich die
Trachee gegen den Stigmenvorraum scharf ab. Von der Haupt-
trachee gehen eine große Zahl feiner, sich verzweigender Capillaren
(ohne Spiralfaden) aus. Diese entspringen einzeln oder zu mehreren
vereint von der Trachee und umschließen, nachdem sie sich wieder-
holt verzweigt haben, einen Kern (Fig. 22, Taf. 4). Es war sehr
schwierig, den Kern auf Totalpräparaten nachzuweisen, da die feinen
Capillaren an dem sehr kleinen Objekt bei Alkoholbenutzung
ischrumpften. Mit Hilfe der früher beschriebenen Osmiumsäuremethode
fertigte ich zunächst ein Präparat der prall gefüllten Capillaren in
jlycerin an. Sodann ersetzte ich das Glycerin allmählich durch
iAlkohol, den ich auf den Objektträger links vom Deckgläschen
tropfen ließ, während ich das Glycerin durch Fließpapier auf der
anderen Seite des Deckglases wegsaugte. Auf diese Weise gelang
es mir, die Capillaren in ihrer Lage zu halten und sie dann zu
färben. Der Kern stellte sich jetzt als ein ovales Gebilde dar, das
i-lt'ichmäßig mit feinen Chromatinkörnern angefüllt war. Für ge-
\A-ühnlich lassen sich an den Capillaren auf Schnitten wie auch au
Totalpräparaten keine Kerne und kein Plasmaüberzug entdecken.
Kurz vor der ersten Häutung zeigen sie aber ein anderes Aussehen.
Die Capillaren, die, wie Fig. 3, Taf. 3 angibt, von der Haupttrachee
uisgehen und der Innern Körperwand angeheftet sind, sind ihrer
ranzen Länge nach von Plasma überzogen. Der oben schon er-
Aiihnte Kern, der immer an der Auflösungsstelle des Capillaren-
Dündels liegt, zeigt nur ein deutliches Kernkörperchen. Auf die
ri'unktion dieses Gebildes komme ich bei Besprechung älterer Stadien
zurück.
Verschluß der Stigmen im 1. Stadium. Um den Ver-
•ililuß der Stigmen zu beobachten, brachte ich die kleinen Larven
140 Fkitz Geuuig,
unter das Deckglas und setzte Wasser hinzu. Mit Hilfe des Mikro-
skops konnte ich feststellen, daß, sobald das Wasser die Larven er-
reichte, diese die beiden Stigmen einzogen. Bei der anatomischen
Untersuchung fand ich, daß an der Körperhaut zwischen den beiden
Stigmen ein paar starke Muskeln angreifen, die durch ihre Kontrak-
tion das Einziehen der Stigmen bedingen dürften. In diesem Zustande
sind die beiden Stigmen gegeneinander geneigt (vgl. nebenst. Fig. Gb),
und die äußere Körperhaut legt sich wie ein schützendes Dach
über sie.
Für das Einziehen der Stigmen kommt noch ein Muskel in Frage,
der, wie Fig. 3, Taf. 3 zeigt, einerseits an dem Integument und
andrerseits an der Trachee ansetzt, weshalb ich ihn Tracheen-
muskel nenne. Ich habe die Ansatzstelle des Muskels an die
Trachee näher untersucht, konnte aber keine besondere Aus-
bildung der Trachee an dieser Stelle feststellen. Ich fand auf
den verschiedenen Schnittserien immer den Tracheenmuskel an der-
selben Stelle, und zwar setzt sich die der Trachee aufliegende Hypo-
dermis ein Stück an dem Muskel fort. Dieser Muskel hat mit dem
Elinziehen der Stigmen nichts zu tun. Meine oben erwähnte An-
sicht, daß die Körpermuskulatur den Verschluß der Stigmen bedingt,
fand ich bestätigt an Frontalschnitten durch das Hinterende der
Larve. Ich erhielt dabei die schon erwähnte gegeneinandergeneigte
Stellung der Stigmen. Bei dem Zurückbringen dieser in die ge-
wöhnliche Lage dürfte der Blutdruck wohl die Hauptrolle spielen.
Die älteren Larven. Sechs Wochen nach der Eiablage
(4 Wochen nach der Geburt) häuteten sich die Laren zum ersten-
mal und nahmen dann schon die für ältere Larven charakteristi-
schen Merkmale an. An Stelle der anfänglich 4 vorhandenen dunkel
pigmentierten Fortsätze treten die typischen 6 Strahlen, die das
Körperende gleichmäßig einfassen. Vor allem erscheint die für die
ventralen Fortsätze so auffällige Sinnesborste.
Stigma. Die Stigmen sind nach der ersten Häutung im Ver-
gleich zu denen im 1. Stadium stark verändert. Sie haben kreis-
runde Form angenommen, und der dort so deutliche schlitzartige
Stigmenspalt ist scheinbar verschwunden. Sie bestehen aus einem
verdickten, undurchsichtigen mittleren Teil, der von einem helleren
Ring, dem sogenannten Stigmenring, umgeben ist, welcher eine
eigentümliche gittei-artige Zeichnung besitzt (Fig. 4, Taf. 3). Während
die Stigmen im ersten Entwicklungsstadium aus der Umgebung her-
vorragen, liegen sie jetzt in gleicher Ebene mit der umgebenden
Tipulideu-Larven. 141
Köipercuticula. Wenn die Larve mit dem Hinterende an der Ober-
Hache des "Wassers hängt, so ist das Stigma mit der atmosphäri-
schen Luft in direkter Berührung. Es entsteht also die Frage: wie
funktioniert das Stigma, besitzt es eine Öffnung, oder ist es ver-
schlossen y
Dp: Meijere sagt über das Stigma (1901, p. 24, 27): „Das Haar-
oder Balkensystem wird sehr kompliziert, so daß über der Öffnung
eine Siebplatte liegt. In deren Mitte lindet sich nun meist als Rest
des nächst vorigen Tracheensj'stems eine Stigmennarbe (Tipuliden;
Bilno, alle Stigmen mit Ausnahme des vorderen Paares)." Ebenda
\). 24: „In der Mitte des Stigmas kommt eine undurchbohrte Stelle
vor, welche hart, schwarz und brüchig ist." In einer späteren Arbeit
(1902. p. 624), wo er das Tüpfelstigma der Puppe mit dem I)ii)teren-
stigma vergleicht, schreibt er: „Auch bei diesen finden sich nicht
die gewöhnlichen offenen Stigmen der meisten Insecten, sondern eine
tüpfeltragende Stigmenplatte, ^^'enn wirkliche Öffnungen nachweis-
bar sein sollten, so sind es dann nur ganz sekundäre Lücken in der
("iiitinschiclit, welche das Tüpfelstigma überzieht." (de Meijere führt
den Namen „Tüpfelstigma'' bei dem Stigma der Puppe von Boli-
stophila cinerea ein. ..Alle Stigmen haben die Form kreisrunder
Scheibchen, welche einige in Kreisen angeordnete ovale Stellen auf-
weisen, durch welche der Gasaustausch von statten geht. Ob diese
Stellen wirkliche Öffnungen sind, oder ob sie noch mit einer wenn
auch äußerst dünnen Membran verschlossen sind, läßt sich wie in
vielen Fällen schwer mit Sicherheit sagen, ich möchte deshalb den
Namen Stigmentüpfel anwenden, wie ja von den Botanikern die
dünnen, bisweilen auch durchbohrten Stellen der Pflanzenmembranen
Tüpfel genannt wird.")
MiK (1882) beschreibt das Tipulidenstigma in folgender Weise:
..Die beiden Stigmenplatten sind kreisrund, ringförmig, etwas ge-
faltet, ockergelb und sind mit radiär gestellten, feinen schwarzen
Pünktchen (Tracheenmündungen) besetzt."
MÜGGENBURG (1901) Sagt Über das Stigma der Cißindrotoma-
Larve: „Die Stigmenplatte stellt eine nahezu kreisrunde chitinöse
Scheibe dar. Sie besteht aus einem dunkelbraunen, massiven Mittel-
stück und einer ockerfarbenen, siebartig durchlöcherten ring-
förmigen Partie, dem Siebteil. Durch die Luftlöcher des Siebteils
findet der Gasaustausch bei der Respiration statt."
Browx gibt eine ausführliche Beschreibung des Stigmas, die
ich im folgenden wörtlich wiedergebe: „Externally the spiracles
142 Fkitz Gerbig,
appear as broadlj- oval dark spots showing in surface view two
distinct regioiis :
1. A central area consisting of an iraperforate disc of cliitin
occupying about one half of the total diameter.
2. A surrounding margin formed of numerous rods of chitin
radiating from the central disc to the circumference of the spiracle,
and lying side by side so closely as to leave but very narrow slits
between them. These slits appear further to be crossed by nnmerous
transverse connections, giving the whole a lattice-like appearance.
Air enters between the radial bars. Seen in sections this marginal
lattice-work is formed of three sets of parts:
1. Passing in a radial direction from the margin of the spiracle
to the central disc, but at a lower level than the outer surface
(and hence not seen at all in surface view), is a series of hollow
chitinous radial bars, irregularly oval in section, some bifurcating
towards the centre, while others are joined with their neighbours
by connecting branches.
2. Arising from these are the series of Y-shapes upstanding
chitinous pillars, each of the radial bars bearing a complete series.
3. Supported by the upper ends of contignuous Y-pillars is a
second series of radial bars, slightly flat-topped but wedge-shaped
below. These being supported by branches of neighbouring Y-pillars
will necessarily alternate with the lower radial bars. Further,
these are the bars seen in surface view, the transverse connections
being the Y-pillars seen from above.
To complete the structure the Y-pillars are connected together
by very numerous and excessively fine chitinous threads, which
brauch and intercommunicate, the whole forming a close network.
This spiracle cover appears quite incapable of closing, and the
arrangement seems to be a complicated form of flltering apparatus,
piobably also preventing the entrance of water to the spiracles
when submerged."
M. Keilin (1912) hat die Arbeiten von de Meijeke und Brown
berücksichtigt und findet am Stigma der Larve von Trichocera
Memalis ähnliche Verhältnisse, wie sie von jenen Autoren auch ge-
schildert sind. Das Stigma, das dem von mir in Fig. 24, Taf 4
abgebildeten sehr ähnlich ist, besteht nach ihm aus einem verdickten
Stigmenmittelstück (= un bouchon cicatriciel), das durch Chitin-
streben (= des batonnets chitineux) mit der Tracheenwand ver-
bunden ist. Keilin nennt den von den Streben durchkreuzten Raum
Tipulidcii-Larven. ]43
..wahre Filzkanimer", während er das Stigmen mittelstück als un-
durc.hI)olirt betrachtet, was aus folgendem hervorgeht: „Le bouchon
cicatriciel est rhomulogue du tilament cicatriciel (Narbenstrang) de
i)E Meliere." Er gibt zwar eine Stigmenabbildung, in der ein Spalt
zu sehen ist. glaubt diesen aber auf technische Mängel zurück-
fnliren zu müssen. (Le bouchon paraitsouvent perfore suivant son axe;
je tends ä croire qu'il s'agit d'un accident de preparation.)
Die Autoren stimmen darin überein, daß der mittlere Teil des
Stigmas aus massivem, undurchbohrten Chitin besteht. Über den
Bau des Stigmenrings sind sie verschiedener Meinung,
Das Stigmen mittelstück. Meine Untersuchung über das
Stigma stellte ich zunächst an lebendem Material an. Ich brachte
die Larve zwischen zwei Objektträger und füllte den dazwischen
befindlichen Raum mit Wasser aus. Beim Zusammenpressen der
beiden Objektträger sah ich, wie aus dem Stigma Luftblasen aus-
traten, was mich zu der Annahme führte, daß hier eine wirkliche
Öffnung vorhanden ist. Dei' mittlere Teil des Stigmas erscheint auf
Totalpräparaten von außen betrachtet als eine schwarze, undurch-
sichtige Platte (Fig. 4 sm, Taf. 3). Auch mir war es zunächst nicht
möglich, an Totalpräparaten und auf Schnitten einen Stigmenspalt
nachzuweisen, da einmal, wie gesagt, das Chitin ganz undurchsichtig
ist und es ferner wegen der Sprödigkeit immer riß. Um das letztere
zu vermeiden, mußte das Chitin weicher gemacht werden. Ich
mazerierte zu diesem Zweck die Stigmen einige Tage mit Kalilauge,
und von den so behandelten Objekten ließen sich Schnitte herstellen,
auf denen die Chitinteile größtenteils im Zusammenhang geblieben
Avaren. Nach diesen Schnitten ist ein Stigmenspalt vorhanden,
dessen Ränder sich übereinanderlegen, wie es schematische Fig. T
S. 16() angibt. Ich habe dann auch auf Totalpräparaten die Ränder
der beiden Membranen feststellen können, nachdem ich die Stigmen
erst stark gebleicht und dann mit Bleu de Lyon gefärbt hatte.
Danach haben wir es mit einem das schwarze Mittelfeld des Stigmas
fast im ganzen Umfang durchziehenden schwach S-förmig gestalteten
Si)alt zu tun, dessen Ränder sich so übereinanderlegen, wie es
in Fig. 4, Taf. 3 angegeben wird. Meine Auffassung von dieser
Stigmeuöffnung fand eine unzweifelhafte Bestätigung, als es mir ge-
lang, durch den Stigmenspalt eine feine Glascapillare einzuschieben.
Hierdurch war es mir möglich, bei hoher Einstellung des Mikro-
skops erst die Kontur des oberen und dann bei tiefer Einstellung die
des untern Randes der Membran genau zu verfolgen. Nachdem ich
Zool. .laliili. XXXV. Al>t. f. S\st. 10
144 Fkitz Gerbig,
mir auf diese Weise von dem Verlauf des Stig-menspaltes eine
genaue Vorstellung hatte bilden können, durchtrennte ich den
Stigmenring- in der Kichtung des Stigmenspaltes. Sodann zog ich
die beiden Teile auseinander, wobei ich ein Bild erhielt, wie es in
Fig. 5, Taf. 3 dargestellt ist. Die beiden erst übereinanderliegenden
Membranen liegen nebeneinander, und es ließ sich leiclit feststellen,
daß die untere Membran (Fig. 5 um) die schwächere der beiden
Membranen ist, was für den Verschluß des Stigmas von gewisser
Bedeutung ist.
Die beiden sich übereinanderlegenden Membranen, die „eigent-
liche Stigmenmembran", bestehen wie beim 1. Stadium aus einer
Hautfalte oder aus zwei Membranen, die miteinander verschmolzen sind,
was sich leicht nachweisen ließ bei Larven, die sich frisch gehäutet
hatten. Es war hier zwischen den beiden Membranen noch Plasma
vorhanden, wodurch die Kontur der beiden Membranen sehr deutlich
war. Durch Verschwinden des Plasmas und durch Verdickung der
Membranen entsteht die Undurchsichtigkeit der schwarzen Platte des
Stigmenmittelstücks.
Der Stigmen ring. Wie oben schon erwähnt, sind die An-
sichten der Autoren über den Bau des Stigmenringes oder der „Sieb-
platte" geteilt. MÜGGENBUKG, Beown und Keilin halten sie für
siebartig durchlöchert, während sie von anderen (de Meijeee, Mik)
für geschlossen gehalten wird, indem die scheinbaren Löcher in
Wirklichkeit nur sehr dünne, durchsichtige Stellen einer Membran
sind (Tüpfelstigma de Meijeee). Ich schließe mich der Ansicht an,
daß eine dünne Membran vorhanden ist. Der Bau des Stigmenringes
ist so kompliziert, daß ein genaueres Eingehen auf seinen Aufbau
nötig erscheint, de Meijeee beschreibt ein Balkenwerk, welches
sich unterhalb der „Siebplatte" befindet und welches diese mit einer
zweiten unteren, inneren Membran verbindet. Nach Beown sind
die Stigmen so kompliziert gebaut, um bei der Atmung unter Wasser
keine Fremdkörper in das Stigma gelangen zu lassen. In dieser Be-
ziehung bin ich zu wesentlich anderen Resultaten gelangt.
Bei Betrachtung des Stigmenringes auf Totalpräparaten von
außen erhalten wir verschiedene Bilder, je nachdem das Mikroskop
hoch oder tief eingestellt ist. Bei hoher Einstellung erhalten wir
bei starker Vergrößerung das in Fig. 6, Taf. 3 wiedergegebene Bild,
Wir sehen paarweise angeordnete dunkle Punkte, die durch schwache,
aber deutliche Linien miteinander verbunden sind. Bei etwas tieferer
Einstellung des Mikroskops sehen wir (Fig. 7, Taf. 3), wie je zwei
Tipnliden-Larveii. 145
J 'unkte verschmelzen, wobei eine radiäre Anordnung deutlicher wird.
I}ei noch tieferer Einstellung- treten an Stelle der radiär ange-
ordneten Punkte breite radiäre Strahlen (Fig. 8, Tat". 3), die vorher
erwähnten (lunklen Punkte sind nur noch als wenig dunkler ge-
färbte Stellen sichtbar. Bei der Ansicht des Stigmas von innen er-
halten wir das Bild einer zusammenhängenden Membran mit undeut-
lichen, radiären, zum Teil miteinander verschmelzenden Strahlen.
Auf Schnitten, die radiär durch das Stigma geführt sind, erhielt ich
ein ähnliches Bild, wie es de Meijere p. 24 und Brown tab. 24
darstellen, d. h. schräg zur äußeren (= eigentlichen) Membran auf-
steigende Balken (= Stützrippen) (Fig. 10, Taf. 3). An der Zeich-
nung von DE Meijere fehlen jedoch die feinen chitinösen Ver-
bindungen zwischen den einzelnen Stützbalken, die „ültering hairs"
von Brown. Die Fig. 9, Taf. 3 stellt uns einen Schnitt senkrecht
zu den radiären Strahlen dar. Wir sehen daraus, daß die Stütz-
rippen sich am oberen Ende gabeln (wodurch die Anordnung zu
zwt^i Punkten auf Totalpräparaten entsteht) und von einer oberen
zusammenhängenden Membran überdeckt sind. An ihrem unteren
Ende bilden die Stützrippen Erweiterungen (die radiären Strahlen),
die durch chitinöse feine Rippen miteinander verbunden sind.
Zwischen den einzelneu Stützbalken sind auch auf diesen Schnitten
feine Chitinverbindungen als Linien zu erkennen. Kurz nach der
Häutung, nach der Neubildung dieser Chitinteile sind sie deutlicher
sichtbar. Es ist zwischen den Chitinw^andungen das Plasma noch
vorhanden, das die Farbe gut annimmt. Auch eine trennende Linie
zwischen den Stützrippen und der eigentlichen Stigmenmembran ließ
sich während der Häutung noch deutlich feststellen. Auf den ana-
tomischen Aufbau des Stigmenringes komme ich später nach Be-
sprechung der Filzkammer zurück.
Die Filzkammer. Auf das Stigma folgt direkt ein sehr
umfangreiches Gebilde, dessen Wände scheinbar mit dichten, großen,
verzweigten Borsten besetzt sind, die Filzkammer (so genannt von
DE Meijere — Enderlein nennt sie Luftkammer). Ein Stigmen-
vorhof ist nicht mehr vorhanden, de Meijere sagt darüber p. 24:
..Die geräumige Filzkammer ist hier an der Wand mit in Gruppen
zusammenstehenden, längeren und baumförmig verzweigten Chitin-
fäden bekleidet. Auf Schnitten zeigt sich dieser Filz öfters als eine
durchlöcherte Platte, welches Bild wohl Weijenbergh veranlaßte
zu schreiben, daß an der inneren Fläche der Stigmata eine fein
fibrilläre Bindegewebsplatte vorkommt, welche durchlöchert ist.
10*
146 Fritz Gerbiu,
Offenbar haben wir es hier durchaus nicht mit ,Bindegewebe'
zu tun."
Enderlein schreibt über die Chitingebilde der Filzkammer bei
der Larve von Gastrus eqiii: „Die Luftkammer ist durchzogen von
dünnen, parallelen Chitinleisten, die aus einer Verdickung der Chitin-
spiralen der Tracheen hervorgegangen sind, die Luftkammer ist eine
erweiterte Trachee. Die meist gelben bis bräunlich-gelben Chitin-
fäden gehen allmählich in die farblosen Chitinspiralen über und be-
sitzen dieselbe Lagerung und Form."
Brown schreibt darüber p. 128: „The laminated cuticle, mode-
rately thick, having the same characters as the extern al cuticle of
the body-wall. Frora this cuticle there arise large numbers of
chitinous hair-like outgrowths, projecting into the stigmatic Chamber
and forming a very dense lining to it. Each hair gives rise to side
branches which unite with those of neighbouring hairs, in rauch the
same way as was noticed in the hairs of the Y-pieces of the spiracle
Cover. This lining Covers the whole internal surface of the Chamber,
except where the bunches of tracheae arise, and seems to take the
place of the taenidia common to tracheae."
Bei den Larven im ersten Entwicklungsstadium ist noch keine
Filzkammer vorhanden. Die dort vorhandenen Chitingebilde des
Stigmenvorraums haben mit dem später auftretenden Filz nichts zu
tun, was aus dem Lageverhältnis der TracheenJunge hervorgeht.
Wie früher schon erwähnt, gehen bei den Larven im ersten Stadium,
die Tracheencapillaren von der Trachee aus, ohne daß Filz vor-
handen ist. In den älteren Entwicklungsstadien der Larven setzt
die Tracheenlunge an der Filzkammer an. Da die Tracheencapillaren
immer an derselben Stelle entstehen, im ersten Stadium an der
Ansatzstelle derselben aber kein Filz vorhanden ist, während in den
späteren Stadien an derselben Stelle solcher auftritt, so muß der
auftretende Filz als vollständige Neubildung betrachtet werden.
Die Chitingebilde der ausgewachsenen Larven stellen Chitin-
bäumchen dar, deren Äste jedoch nicht frei enden, sondern sich mit
denjenigen der benachbarten Bäumchen vereinigen (Fig. 11, Taf. 3).
Die große Zahl dieser Anastomosen sprechen gegen die Auffassung
Brown's, daß hier einzelne „hairs" vorhanden sind, die miteinander
verwachsen. Meiner Ansicht nach ist eine nachträgliche Ver-
wachsung dieser „hairs" (= Chitinleisten Enderlein) höchst un-
wahrscheinlich. Mir ist kein Fall bekannt, daß Borsten oder borsten-
artige Gebilde distal miteinander verschmelzen. Doppelt unwahr-
'I'ipulideu-Laiveii. 147
scheinlicli wird die Annahme einer hiolchen Verschmelzung, wenn es
sich niclit um einfache Fortsätze, sondern um reich verzAveig-te Ge-
bilde handelt, deren zahlreiche Äste immer miteinander verschmelzen.
Viel verständlicher erscheint es mir, wenn wir zwischen den Chitin-
bäumchen und den Anastomosen eine zusammenhängende Membran
annehmen, die nicht sichtbar ist, wie sie de Meijeke bei den Stigmen
von BoliMophUa cinerea auch annimmt.
Die sichtbaren Chitinteile, die Bäumchen und die Verzweigungen,
wären dann als Falten in dieser Membran aufzufassen. Ich konnte
jedoch auf Total- wie auch auf Schnittpräparaten nirgends eine
deutliche Membran zwischen den Chitinrippen entdecken, obwohl ich
die stärksten Chitinfärbmittel anwendete. Dagegen sprach folgende
Untersuchung dafür, daß wir es mit einfachen Chitinanastomosen
und nicht mit Teilen einer Membran zu tun haben. Ich fertigte
mir ein in Bleu de Lyon gefärbtes Präparat solcher Filzgebilde in
Glycerin an. Durch geringen Druck auf das Deckglas verschoben
sich die Chitingebilde, und abgerissene Chitinrippen schwammen fi-ei
in der Flüssigkeit einher. Ein Zusammenhang zwischen benach-
barten Rippen, Avie war ihn bei Existenz einer sehr feinen Membran
voraussetzen dürften, existierte nicht oder ließ sich nicht nachweisen.
Vielmehr legten sich die Rippen oft derart nebeneinander, wie es
nur Chitinstäbchen tun können, die keinerlei membranösen Saum be-
sitzen. Querschnitte durch die Chitinbäumchen stellten sich als
kreisrunde Ringe dar, die deutlich scharf konturiert sind und die
keinen Membranfortsatz erkennen lassen.
Wie oben erwähnt, erfolgt erst während des ersten Entwicklungs-
stadiums der Larve die Anlage und die Ausbildung des Filzes. Es
entstellt zunächst an der Stelle, an der später die Filzgebilde auf-
treten, anfangs eine kontinuierliche Plasmamasse, die sich, wie auf
Schnitten zu sehen ist, bergförmig von den Hypodermiszellen der
Filzkammer erheben. Die Fig. 16, Taf. 3 stellt uns einen Schnitt
durch die Plasmaanhäufung dar. Es hat hier schon eine Diiferen-
zierung des Plasmas stattgefunden, indem sich innerhalb der Plasma-
membran Löcher gebildet haben. Auf diese Weise entstehen Plasma-
schlingen, die nun Chitin ausscheiden. Das Plasma tritt dann zurück,
und die nun gelblich aussehenden Chitinteile sind die oben be-
sprochenen Filzgebilde. Die Fig. 13, Taf. 8 zeigt uns zwei einfache
Chitinbäumchen, im oberen Teil ist das Plasma nicht mehr vor-
handen, während es in der zweiten Anastomose und dem basalen
Teil noch nicht zurückgewichen ist.
148 Fritz Gekbig,
Ich fasse also den Filz auf als eine in verschiedenen Ebenen
kompliziert g-efaltete Membran, in denen die borstenähnlichen Gebilde
sich als Falten (= Stützrippen) darstellen. Die Membranen, welche
den Raum zwischen den Ästen ausfüllten, sind bereits kurz nach
dei' Anlage geschwunden.
Wie bei den Larven im ersten Entwicklungsstadium der
Tracheenmuskel im Bereich der Tracheenlunge an der Trachee an-
setzt, so findet sich ein solcher auch bei den älteren Larven an der-
selben Stelle (Fig. 30, Taf. 4). Der sehr stark ausgebildete Muskel,
den ich ebenfalls Tracheenmuskel nennen will, setzt an der Filz-
kammer an nnd endigt an der lateralen Körperwand. Die Ansatz-
stelle des Tracheenmuskels an der Filzkammer entbehrt der Filz-
gebilde. Ich habe in der Literatur keine Angaben über das Vor-
kommen von Muskeln bei Insecten, die direkt an Tracheen angreifen,
gefunden. Die Verschlußmuskeln der Stigmen sind nicht mit dem
Tracheenmuskel zu homologisieren, sondern jene gehören dem Stigma,
resp. ursprünglich der Körperoberfläche an (vgl. Mammen). Ich
komme auf die Funktion des Tracheenmuskels an späterer Stelle
noch zurück.
Nachdem wir den Bau der Filzkammer kennen gelernt haben,
wenden wir uns noch einmal zur Besprechung des Stigmas, im be-
sonderen zu der Frage, wie die Stützrippen zustande kommen. Wie
früher schon erwähnt, befinden sich auch hier zwischen den dicken
Stützbalken (Rippen) feine Chitinrippen ähnlich denjenigen, die die
einzelnen Chitinbäumchen untereinander verbinden, die aber hier viel
feiner und undeutlicher sind. Wie bei der Filzkammer haben wir
es auch hier mit Membranfaltungen zu tun. Ich habe die Neubildung
des Stigmas verfolgen können und fand, daß die Stützrippen ganz
homolog den Filzkammergebilden angelegt werden. Auch hier ent-
stehen an der Stelle, an der später die Stützrippen entstehen, eine
starke Anhäufung von Hypodermiszellen , die eine kontinuierliche
Plasmamembran bilden. Die Fig. 12, Taf. 3 stellt uns einen Schnitt
durch die Neubildung des Stigmas kurz vor der ersten Häutung der
Larve dar. Wir sehen, daß in der Membran schon einige Falten
sich stärker hervorheben, daß aber das ganze Gebilde noch ein zu-
sammenhängendes Ganzes darstellt. Die deutlich sichtbaren Falten
entsprechen den Stützrippen des Stigmas.
Das scheinbare Balken System ist nichts anderes als Rippen,
homolog denen der Filzkammer; während aber bei den letzteren
keine zusammenhängende Membran mehr vorhanden ist, glaube ich
Tipuliden-Larven. 149
sie bei dem Stigma zwischen den einzelnen Stützbalken noch fest-
gestellt zu haben. Auch die B esc half enlieit der feinen Chitinrippen
zwischen ihnen spricht sehr dafür, daß noch eine Membran vor-
handen ist. ^^'äl^rend die Anastomosen der Filzkammer scharf kon-
turiert und sehr deutlich sind, sind die der Stützbalken erst bei
starker Vergrößeruno; nachweisbar, wobei sie sich als sehr feine
nicht scharf umränderte Linien darstellen.
Nach i>E Heuere besteht das Stigma aus zwei Membranen,
die durch die Stützbalken miteinander verbunden sind. Nach Brown
ist überhaupt keine zusammenhängende Membran vorhanden, sondern
nur ein System von radienartig nach der Mitte des Stigmas zu ver-
laufenden Köhren, die durch die „Y-pillars" miteinander verbunden sind.
Ich bin bei meinen Untersuchungen zu folgender Auffassung
gelangt. Ich unterscheide die eigentliche Stigmenmembran von
den darunter befindlichen Stützgebilden. Die eigentliche Stigmen-
niembran besteht (vgl. S. 138 Fig. G) aus einer äußeren und
t'iner inneren Lamelle, von denen die letztere im Bereich des
Stigmenringes radiär gefaltet ist. Bei den Larven im 1. Enwick-
lungsstadium ist nur die eigentliche Stigmenmembran vorhanden.
Bei den Larven im späteren Entwicklungsstadium verbinden sich
mit der eigentlichen Stigmenmembran, und zwar in der Ebene der
radiären Falten radiär angeordnete Membranen (= Filzkammer-
membranen), die durch senkrechte Stützrippen verdickt werden. Die
senkrechten Rippen legen sich in Y-förmiger Gestalt den radiären
Falten der inneren Wand der eigentlichen Membran an. Am basalen
Teil sind die Stützrippen derart verbreitert, daß sie sich berühren
und eine zusammenhängende radiär gestreifte Membran bilden
(= untere Membran von de Meijere). Innerhalb dieser Mem-
branen finden sich feine Rippen (Brown „filtering hairs"), die
als Querfalten entstanden sind.
Die Tracheenlunge. Bei Betrachtung der lebenden Larve
fällt ein weißer Hof auf, der die Stigmen umgibt. Schon bei Lupen-
vergrüßerung sieht man, daß der Hof aus weißen Strahlen besteht,
die augenscheinlich lufthaltige Röhren sind. Bei näherer Unter-
suchung sieht mau, daß diese Schläuche von der Filzkammer aus-
gehen, die von ihnen wie ein dichter Pelz umgeben wird. Die
Schläuche sind zu Bündeln angeordnet, die in besonderen Löchern
der Filzkammer entspringen. In jedem dieser Löcher setzt je ein
Bündel an. Bei Tipula paludosa sind ca. 50 Bündel von je 20 Röhrchen,
also ca. 1000 solcher Luftkanälchen vorhanden, die alle im Bereich
;[50 Fritz Gerbig,
des letzten Segments von der Filzkammer ausgehen. Diese Lungen
sind bereits wiederholt erwähnt: Viallanes schreibt bei der Unter-
suchung des Herzschlauches einer Tipulidenlarve: „Im letzten Leibes-
ring ist das Herz durch feine Tracheenäste wie mit einer Art Gitter
geschlossen, welche das ganze Segment erfüllen und von einem
Längsstamme ausgehen, der dem letzten Segmente entspringt."
Beown schreibt hierüber: „At frequent intervals along the
length of the stigmatic Chambers bunches of clearwalled tubes,
without jspiral thread', and enclosed in a nucleated sheath, take
origin. These bundles radiate on all sides from the Chamber,
passing outwards and somewhat forwards, divide into smaller and
smaller bundles by the Separation of groups of tubes. A short
distance from the stigmatic cavity the nucleated sheath ceases.
after which large nuclei occur at rather rare intervals amongst the
tubes, and most frequently at points where the groups of tubes
separate from the main bündle. Nearing the bodywall of the
posterior segment the groups become separated entirely into in-
dividual tubes (without sheath), which in their turn brauch until,
becoming excessively fine threads, they become attached to the inner
surface of the body-wall, where they form an apparently web-like
covering. Entangled amongst these fine tubules, corpuscles of the
body-cavity fluid (,blood') occur in large numbers."
Den Aufbau der Capillaren habe ich bereits an früherer Stelle,
S. 139, erwähnt. Bei den Larven, die eine Häutung schon durch-
gemacht haben, gehen die Tracheencapillaren von der Filzkammer aus.
wo sie zu Bündeln vereint entspringen. In einer Entfernung von
ca. 0,66 mm von der Filzkammer löst sich das Hauptbündel in zwei
bis vier Einzelbündel auf. Diese zerlegen sich nach ihrem Ende
hin in die einzelnen Capillaren, die sich der Körperhaut anheften.
Die dem Herzen zugewandten Capillaren sind mit den Pericardial-
zellen eng verbunden und machen die rhythmischen Bewegungen
des Herzens mit, was sich an lebenden Larven leicht nachweisen
läßt. Durch die Anordnung der Capillaren zu Bündeln wird den-
selben eine größere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen den
Blutstrom geboten. Sie werden in ihrer Lage dadurch festgehalten,
daß, wie ich oben schon ausgeführt habe, die Enden der Capillaren
der Körperhaut angeheftet sind. Es entsteht hierdurch ein Gitter-
werk, durch das der Blutstrom hindurch muß (vgl. Fig. 30 Taf. 4).
Die Capillaren besitzen, wie Brown schon ausgeführt hat, keinen
Spiralfaden und lassen für gewöhnlich keinerlei protoplasmatischen
Tijtulideu- Larven. 151
Überzug erkennen. Das letztere ist für den Gasaustauscli von großer
Bedeutung. An der Ansatzstelle der Capillaren an die Filzkammer
ist das Capillarenbiindel von kleinen Hypodermiszellen umgeben.
Ich erhielt auf Querschnitten durch diese Gegend ein Bild, wie es
auch Brown tab. 25 dargestellt hat. nämlich den Capillai'enkomplex
eingehüllt in einen Eing von Hypodermiszellen (Fig. 14 Taf. 3).
Die Capillaren sind für gewöhnlich, wie auf diesen Querschnitten
zu sehen ist, fest aneinander gepreßt, wobei sie eckige Form an-
nehmen. Kurz vor der Häutung aber sind die Capillaren rund, und
jede einzelne ist von einer dicken Plasmaschicht umgeben (vgl. Fig. 15
Taf. 3). Kurz vor der Teilung des Hauptbündels in die Einzel-
bündel liegt ein besonders nach Alaunkarminfärbung sehr auffälliges
Gebilde, welches auf Total- und Schnitt präparaten ovale Gestalt
zeigt und von den einzelnen Capillaren umschlossen wird (vgl. Fig. 19
Taf. 4j. Auf Querschnitten durch das Gebilde zeigt es Zickzack-
form, indem es sich zum Teil zwischen die Capillaren drängt.
Bkown hat dieses Kerngebilde ebenfalls abgebildet. Er läßt
jedoch den einzelnen Capillarenbündeln mehrere solcher Kerne zu-
kommen. Ich habe bei meinen Präparaten feststellen können, daß
jedem Bündel nur ein solches Gebilde zukommt, und zwar liegt das-
selbe immer an der Stelle der ersten Auflösung der Capillaren. Auf
die Frage seiner Bedeutung komme ich weiter unten zurück.
Das Herz. Das Herz ist wie bei allen Insecten dorsal ge-
legen. Es bildet einen langen Schlauch, der von einem Pericard
umgeben ist und typische Flügelmuskeln zeigt. Viallanes schreibt
über das Tii)ulidenherz: ..Das Herz der Limnobidenlarven ist ein
langer kontraktiler, vorn und hinten offener Schlauch mit Kernen.
Die seitlichen Herzöffnungen fehlen der Larve noch vollständig."
Auch Brown gibt eine ausführliche Beschreibung des Herzschlauches,,
auch nach ihm sind die seitlichen Öffnungen des Herzschlauches ge-
schlossen. Auf Totalpräparaten sehen wir deutlich Einschnürungen,
wie sie sich bei anderen Insecten anstelle der Ostien finden. Ob
aber hier wirkliche Ostien vorhanden sind, durch die das Blut ein-
tritt, vermochte ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Eine be-
stimmte Antwort gestattet nur die Untersuchung des Blutstromes
am lebenden Tier. Für diese Untersuchung sind aber die meisten
Tipulidenlarven wenig geeignet, weil sie ziemlich undurchsichtig
sind. Wir können aber immerhin feststellen, daß sich vom vorderen
zum hinteren Körperende auf beiden Seiten des Köipers ein starker
Blutstrom bewegt, der am hinteren Körperende in das Herz eintritt.
152
Fritz Gerbig,
Anscheinend treten von dem Blutstrom keine Teile in die Ostien
ein. Günstiger für die Untersuchung des Blutstromes als die Larven
von Tipula-Arten ist die von Poecüostola, die ähnliche anatomische
Verhältnisse, vor allem Tracheenlungen, an gleicher Stelle aufweist.
Hier können wir mit Bestimmtheit erkennen, daß das Blut nur am
hinteren Körperende in das Herz eintritt. Danach halte ich es für
berechtigt, ähnliche Verhältnisse auch für die Ti^mla-h'dYYe anzu-
nehmen. Am hinteren Ende ist der Herzschlauch deutlich erweitert
und augenscheinlich offen, wie der eintretende Blutstrom beweist.
In der Umgebung des hinteren Endes findet sich eine Anhäufung
von Pericardialzellen, Muskelfasern und Tracheencapillaren, so daß
es nicht gelingt, sich eine klare Vorstellung von der Öffnung des
Herzens zu machen.
III. Tipiila ffiffantea Schenk.
Die Larven von Tipula gigantea sind in der Umgegend von
Greifswald selten. Ich fand sie in einem Mühlenbach, wo sie auf Stein-
Fi^. J. Tip. gigantea. Abgestutztes
Hiüterende. (LupenvergröUerung.)
Fig. H. Tip. gigantea.
Borsten an einem lateralen Strahle des Hinterendes. 380 : 1.
{gh verzweigte Borste.)
blocken unter dichtem Moos vorkamen. Den größten Teil der Larven
sandte mir Herr Geheimrat G. W. Müller aus Locarno, wo sie in
kleinen Bächen unter Steinen und unter abgestorbenem Laub der
Edelkastanie häufig vorkommen. Unter anderem Laub scheinen sie
Tipuliileu-riarven. 153
dort zu fehlen. Die dunkel gefärbten Larven erreichen eine Länge von
50 nini und eine Breite von 6 mm. Die Oberfläche der Larvenhaut
ist mit ähnlichen chitinösen Fortsätzen bedeckt wie bei Tipula vari-
pemiis, doch sind sie hier länger und dünner, wodurch sie mehr
borstenähnliche Gestalt annehmen. Sie sind in einfachen Querreihen
angeordnet, wir vermissen aber hier die scheinbaren Röhren, welche
wir bei TipnJa varipennis auf Schnitten in den Lücken zwischen
den einzelnen ßeihen fanden. Einen besonderen Umfang erreichen
diese Gebilde am hinteren Körperende, wo sie auch dichter stehen.
Das hintere Körperende ist abgestutzt und von ähnlicher
Beschaifenheit wie bei Tipula varipennis. Unterschiede finden sich
in folgenden Punkten. Die Borsten an den sternförmigen Strahlen sind
hier bedeutend kürzer, aber breiter. Sie sind unverzweigt und sind
von einem schmalen Membransaum umgeben. Die Borsten sind an
ihrer Basis stark verbreitert und verjüngen sich nach ihrer Spitze
allmählich (Fig. H). An der Spitze der ventralen Strahlen be-
finden sich wieder die Sinnesborsten, an deren Stelle wir an den
Enden der übrigen Strahlen eine kürzere Borste finden, die von
einem kreisrunden helleren Felde ausgeht und in zwei Teile ge-
spalten ist (vgl. Fig. H gh). Die charakteristischen Merkmale
des Sternes sind in nebenstehender Fig. J eingezeichnet. Am auf-
fallendsten sind danach außer den beiden großen Stigmen die unter-
halb derselben liegenden schwarz pigmentierten Muskelansatzstellen.
Auf der ventralen Seite der Larve befinden sich sechs Kiemen,
die sich durch ihre Größe und hellere Farbe von der Umgebung
abheben. Sie sind bei dieser Larve etwas dickwandiger, da sie
auch als Xachschieber benutzt werden. Ihre Funktion als Kieme
ließ sich auch hier an dem in ihnen zirkulierenden Blutstrome er-
kennen. Die Stigmen sind ähnlich gebaut wie diejenigen der vorigen
Larve. Jedoch ist hier der massive mittlere Teil des Stigmas nach
innen gewölbt. Der Aufbau der Tracheenlunge und der Filzkammer
stimmt im wesentlichen mit dem der Larve von Tipula paludosa
überein.
IV. TipiUfi lateralis Meig.
Die Larven von Tipula latet-alis kommen vor an den Rändern
von Gräben mit fließendem Wasser. Sie beflnden sich hauptsäch-
lich an der Grenze zwischen Wasser und Land, indem sie mit dem
Hinterende an der Wasseroberfläche hängen, während sie mit dem
vorderen Ende des Körpers im Schlamm wühlen. Außerdem kamen
154
Fritz Gerbig,
die Larven hm^g zwischen Pflanzen an der Oberfläche von Gewässern
vor. Ich erhielt die Larven hieraus in großer Zahl nach der früher
schon beschriebenen Eintrocknungsmethode. Die ausgewachsene
Larve erreicht eine Länge von 24 mm und eine Breite von 3 mm.
Auf der dorsalen Seite finden wir einen stark dunkel gefärbten
schmalen mittleren Streifen und zwei weniger dunkel gefärbte breitere
seitliche Längsstreifen, in welchen sich hellere Flecke befinden (Fig. 20,
31, Taf. 4). Außerdem sind diese drei Längsstreifen durch hellere
Querstreifen unterbrochen. Die ventrale Seite der Larve ist heller
gefärbt. Die Larve ist an ihrer Oberfläche mit den bei der vorigen
Larve besprochenen chitinösen Fortsätzen besetzt. Die Farbe dieser
Fortsätze bedingt in erster Linie die Färbung des Tieres, indem sie
in den helleren Partien hell, in den dunkleren Partien dunkel ge-
färbt sind. Hell erscheinen ferner kleine Flecke, in denen sie ganz
fehlen. Die chitinösen Fortsätze sind in Form und Anordung in der
Mehrzahl wie bei Tipula gigantea vorhanden. Stellenweise sind sie
außerordentlich verlängert, wodurch sie borstenähnliche Gestalt an-
nehmen. In jedem Segment finden wir auf der dorsalen Seite je
zwei Gruppen solcher verlängerten, dunkel gefärbten, chitinösen
Fortsätze, welche besen förmig zusammenstehen. Sie befinden sich
neben helleren Feldern, von deren Mitte drei starke Borsten aus
gehen (vgl. Fig. 20, Taf. 4). Unterhalb des dorsalen Büschels steht
eine kleinere büschelförmige Anhäufung solcher Fortsätze, in deren I
Nähe sich regelmäßig außer einer starken Borste eine kleinere zwei bis !
vierteilige befindet. Auch auf der ventialen Seite finden wir diese |
eigentümlichen zuletzt beschriebenen Gruppen von einfachen und ver- |
Fig. K. Tipula lateralis. Hinterende der
Larve. (Lupenvergrößerung ) sm Stignien-
raittelstück mit dunkel ovalem Fleck.
Fig. L. Tipula hortensis.
Hinterende der Larve.
25:1.
Tipuliden-Laiveii. ]^55
-/weio-ten Borsten neben einem Biiscliel chitinöser Fortsätze. Alle
erwähnten Borsten, zu denen noch einige andere kommen, stehen in
einer nicht iranz regelmäßig-en Qnerreihe in der vorderen Hälfte je-
des Seo-ments. Außer dieser Querreihe finden sich vereinzelte
Hoi'sten an den Seiten des Tieres.
Das abpfestutzte hintere Körperende ist ähnlich demjenig-en der
vorigen Larve (nel)enst. Fig. K). Die Borsten an den sternfürmig'en
Fortsätzen sind schlanker, länger, unverzweigt und weisen einen
schmalen Saum auf.
Sehr auffällig sind fiir diese Larve die verhältnismäßig großen
Kiemen, die hier aus vier gleich großen und zwei kleineren Schläuchen
bestehen. Die größere Kieme erreicht eine Länge von 2 mm. Sobald
sich die Larve unter Wasser befindet, spreizt sie die Kiemen auf-
fällig weit aus. Die sonstigen anatomischen Verhältnisse sind im
wesentlichen wie die der vorigen Larve. Nur das Stigma unter-
scheidet sich äußerlich von dem jener Larven dadurch, daß der
mittlere Teil nicht als eine einheitliche schwarze Platte erscheint,
sondern als helles Feld mit weniger umfangreichem mittleren
dunkleren Fleck von ovaler Form (vgl. Fig. K sm).
V. Tipiila Jiortensis Meig.
Ich fand die Larven von Tipida hortensis unter Moos an den
Holzauskleidungen eines Mühlenbachs. Sie erreichen eine Länge
von 18 mm und einen Durchmesser von 272 ii^ni- Die Körperfärbung
ist gelblich braun. An der Oberfläche der Larvenhaut finden wir
<lie frülier schon besprochenen chitinösen Fortsätze, die hier sehr
klein sind und durch ihre dichte, gleichmäßige Besetzung die ün-
durchsichtigkeit der Larve bedingen. Außerdem besitzt die Larve
segmental angeordnete, einzeln stehende Borsten, die weit voneinander
gerückt wie ein Kranz die Larve umgeben.
Das hintere Körperende ist abgestutzt und bildet einen Stern
von 6 gleichlangen Strahlen, von denen die beiden ventralen ganz
und die beiden lateralen zur Hälfte an ihrer Innenfläche dunkler
gefärbt sind (Fig. L). Von den beiden dorsalen Fortsätzen ist nur
die Basis etwas dunkler pigmentiert. Alle 6 Strahlen sind gleich-
mäßig von kurzen, unverzweigten Borsten eingerahmt, welche nicht
am Außenrande, sondern weit von diesem entfernt, auf der Innen-
fläche der Strahlen, stehen. An der Spitze der ventralen Fortsätze
befindet sich die bei Tipida paludosa besprochene Sinnesborste. Eine
ähnliche Borste befindet sich bei dieser Larve auch an den beiden
156 Fkitz Gerbig,
dorsalen Fortsätzen, Die hier stehende Borste ist ebenfalls an ihrer
Basis von verdicktem Chitin eingefaßt. Die Spitze der lateralen
Fortsätze ist ebenfalls mit einigen Borsten versehen, die sich durch
ihre Inserierung von den anderen unterscheiden. Innerhalb des ab-
gestutzten Hinterendes befinden sich die beiden kreisrunden Stigmen,
die hier durch ihre bedeutende Größe besonders auffallen. Sie be-
stehen, wie bei Tipula paludosa, aus einem schwarzen Mittelfeld, das
von einem punktierten Stigmenring umgeben ist. Unterhalb der
Stigmen befindet sich ein stark dunkel gefärbter Pigmentfleck,
Die Larve besitzt keine Kiemen. An ihrer Stelle befindet sich
eine wulstartige Verdickung, die auf ihrer Unterseite in vier kleine
Spitzen endigt. Der Bau der Stigmen, der Filzkammer und der
Tracheenlunge ist im wesentlichen wie bei Tipula paludosa. Jedoch
fiel mir bei dieser Larve die starke Ausbildung des Tracheen-
muskels auf.
VI. Ctenophora ßavicornis Meig.
Fundorte für Ctenophorenlarven sind in der Literatur ver-
schiedentlich genannt. Bouche (1834) fand die Larven von Cteno-
phora pecUnicornis und von Ct. Umamüata in Weidenholz, und Beling
(1884) gibt als Vorkommen dieser Larven ebenfalls alte Weiden-
bäume an. Ich habe des öfteren Weidenbaumstümpfe und solche
der Buche, Kiefer usw, abgesucht, aber ohne Erfolg. Ich fand die
ersten CtenopJiora-LsirYen auf einer Exkursion, die ich mit Herrn
Geheimrat Müllek unternahm. Wir fanden dieselben in altem,
etwas morschem Birkenholz und glaubten anfangs nach dem Habitus
es mit Cerambycidenlarven zu tun zu haben. Aber bei näherer Be-
trachtung erwiesen sie sich zu unserer nicht geringen Überraschung
als Tipulidenlarven. Ich fand die ersten Larven im Monat No-
vember, und Anfang März verpuppten sicli einige Larven, während
andere weiter lebten. Da im Herbst keine Generation fliegt, so
scheinen die Ctenophora-'LQ.YYen eine mehrjährige Entwicklung zu
haben. Ich fand, wie oben erwähnt, die Larven von Ct. flavicornis
hauptsächlich im morschen Birkenholz (nur einmal fand ich einige
Exemplare in einem Kirschbaum), und zwar kamen die jüngeren
Larven dicht unter der Rinde vor, während die älteren Larven sich
meist mitten in den Stamm eingefressen hatten. Die ausgewachsenen,
walzenförmigen Larven erreichen eine Länge von 40 mm und im
Durchmesser 6 mm. Sie unterscheiden sich von den bisher be-
schriebenen Larven schon durch ihre milchweiße Farbe, welche durch
Tipulideii-Larveu.
157
den die einzelnen Organe einbettenden Fettkörper bedingt wird. Die
Larvenhaut ist nicht mit den bei den früheren Larven bescliriebenen
sii'lielförinigen eliitinüsen Fortsätzen verseilen, sondern ist glatt, sehr
dünn , durchsichtig und nur mit einzelnen schwarzen längeren
Borsten besetzt.
Das hintere Körperende hat nicht die typische Form der bisher
beschriebenen Larven. Es ist abgeschrägt, und wir finden nur zwei
kleine Fortsätze, die auf der ventralen Seite sitzen. Die dorsalen
und lateralen Strahlen fehlen. An der Spitze der ventralen Fort-
sätze befindet sich je eine Sinnesborste (Fig. M), die sich durch ihre
schwarze Inserierung von dem hellen Untergrunde deutlich abhebt.
Außer dieser Sinnesborste befinden sich hier noch drei kleinere helle
und eine große schwarze Borste. Die beiden ventralen Fortsätze
dienen wohl dazu, die beiden Stigmen zu schützen. Bei Berührung
der Larve legte sich die ventrale Seite des abgestutzten Hinter-
endes mit ihren Spitzen über die Stigmenplatte, so daß von dieser
nichts zu sehen war. Auch auf Schnitten ließ sich feststellen, daß
der ventrale Rand die Stigmen überdeckte. Das Stigma hat eine
biaungelbe Farbe und ist nicht wie die bisher erwähnten Stigmen
kreisrund, sondern hat eine mehr ovale Gestalt. Der Stigmenring
ist ähnlich punktiert wie bei Tipula paludosa, das Stigmenmittelstück
erscheint bei äußerer Betrachtung als eine gleichmäßig dunkel ge-
färbte Platte. Wurde jedoch das Stigma von der dichten, undurch-
Fig. M. Ctcnophora flacicorais. Fig. N. Ctejiophora fiavicornis.
Abgeschrägtes hinteres Kürperende. Abdoraen in seitl. Ansicht (ausgestülpter
(Lupen Vergrößerung.) sbtyp.Sinnesborste. Enddarm punktiert). (Lupenvergröß.)
sichtigen Filzkammer abpräpariert, so erschien das Stigmenmittel-
stück als ein helles Feld, in dessen Mitte sich ein ovaler dunkler
Fleck befindet, der durch dunkler gefärbte Linien mit dem Stigmen-
258 Fritz Gerbig,
ring verbunden ist (vgl. Fig. M). Der Aufbau des Stigmas und der
hier sehr umfangreichen Filzkammer ist in der Hauptsache wie bei
Tipula pahidosa.
Die Tracheenlunge ist ebenfalls stark ausgebildet und schon
mit bloßem Auge als heller Hof, der die Stigmen umgibt, zu' er-
kennen. Die Capillaren wiesen eine deutliche Verzweigung auf und
-haben einen größeren Durchmesser als die früher schon beschriebenen
Tracheencapillaren. Ich konnte trotz der starken Ausbildung der
einzelnen Capillaren keinen Spiralfaden an denselben feststellen.
Der große von den Capillaren umgebene Kern hat eine lang ge-
streckte ovale Form und ist oft weit von der Basis der Capillaren
weggerückt.
Die CtenopJiora-lj-dYyen besitzen keine Kiemen. Zur Fortbewe-
gung benutzen sie den Enddarm, was ich leicht feststellen konnte,
wenn sich die Larve zwischen zwei übeieinanderliegenden Hölzern
bewegte. Sie stülpt dabei den Enddarm in ähnlicher Weise aus,
wie es von Käferlarven schon bekannt ist (vgl. G. W. Müllek, 1912).
Die Fig. N zeigt uns eine Larve in seitlicher Ansicht einmal mit
eingezogenem Enddarm und zweitens (punktiert) mit ausgestülptem
Enddarm.
Von Herrn Geheimrat Müller erhielt ich aus Thüringen den
von mir untersuchten äußerlich sehr ähnelnde Larven, welche dort
in einem Eschenstumpf vorkamen und die scheinbar einer anderen
Art angehören. Bei diesen Larven bestand das abgestutzte Hinter-
ende aus sechs Strahlen, von denen die beiden lateralen und dor-
salen sehr kurz waren. Leider konnte ich die Art nicht bestimmen,
"da die erhaltenen Larven in der Gefangenschaft zugrunde gingen.
VII. Poecilostola purittata Meig.
Die Larven von Poecilostola punctata kommen vor an den Ufern von
fließenden und stehenden Gewässern mit sandigem Grund, Sie be-
finden sich nicht wie die Larven von Tipula lateralis und Tipula
gigantea stets an der Grenze zwischen Land und Wasser, sondern
ich fand sie des öfteren weit über oder unter der Wassergrenze.
Die sehr lebhaften Larven unterscheiden sich schon äußerlich von
den bisher beschriebenen durch die glänzend rostbraune Farbe. Die
zylindrischen Larven erreichen eine Länge von 15 mm und einen
Durchmesser von ca. 1^2 '^"^^- Sie sind an ihrer Oberfläche mit
langen chitinösen Fortsätzen besetzt, die hier haarähnliche Form
annehmen und die ganze Oberfläche der Larve pelzartig erscheinen
Tipuliden-Larveu.
159
lassen. Außer diesem dichten Besatz finden sich in jedem Segment,
vor allem an der lateralen Seite, einzelne längere Borsten, die von
einem kreisrunden helleren Felde ausgehen und sich büschelförmig
verzweigen (Fig. 17, Taf. 3). Außerdem findet sich in jedem Seg-
ment auf der dorsalen und ventralen Seite eine große Drüse (Fig. 33,
Taf. 4), die schon bei Lupenvergrößerung sichtbar ist und die eine
sehr charakteristische Form besitzt.
Das abgestutzte hintere Körpei'ende (Fig. 0) wird hier gebildet
von vier ziemlich gleichgroßen (zwei ventralen, zwei lateralen) und
einem breiten kurzen dorsalen Fortsatz. Alle fünf sind hier auf-
Fig. 0. Poecilostola imnctata. Abgestutztes Hmterende. 40:1.
fällig lang behaart, und zwar sitzen hier die dünnen, einfachen und
unverzweigten Borsten an dem Außenrande jedes Fortsatzes. Die
stark dunkel gefärbte Insertion der Borsten setzt sich in eine nach
der Mitte des Sternes verlaufende dunkle Linie fort, von der ich
anfangs glaubte, sie sei der Porenkanal. Es ergab sich aber, daß
die dunklen Linien, die sich an der Spitze der Fortsätze ziemlich weit
verfolgen lassen, am deutlichsten an der Basis des dorsal gelegenen
Fortsatzes hervortreten, nur Verdickungen in der Cuticula sind. Die
vier gleichgroßen Fortsätze sind an ihrer Innenfläche dunkel ge-
färbt, und an der Spitze derselben finden wir je eine Sinnesborste,
jedoch sind hier diejenigen der ventralen Fortsätze nicht so auf-
fällig durch Form und Stellung unterschieden wie bei den vorigen
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Sv.st. H
160 Fritz Gerbig,
Larven. In der Mitte des sternförmii^en Fortsatzes befinden sich
außer den beiden Stigmen unterhalb derselben auch hier zwei braun
gefärbte Punkte. Auf der ventralen Seite der Larve sitzen vier
Kiemen, die hier nicht so stark hervortreten wie bei der Larve von
Tipiila lateralis.
Das Stigma ist von außen betrachtet ähnlich dem der Larve
von Tipula paludosa: man sieht ebenfalls ein schwarzes Mittelfeld,
das von einem helleren Ring umgeben ist. Das Stigmenmittelstück
ist verhältnismäßig groß, und der kleinere Stigmenring weist hier
einfache radiäre Streifen auf, die nicht wie bei Tipula paludosa von
Punkten durchsetzt sind. Im Bau unterscheidet sich das Stigma
wesentlich von dem jener Larve. Das schwarze Stigmenmittelfeld
besteht aus einem keilförmig nach dem Stigmenraum vorspringenden
Chitinblock, der Stigmenspalt durchsetzt diesen als schwach S-förmig
geschwungener Spalt (Fig. 24, Taf. 4). Auf Totalpräparaten konnte
ich einen Stigmenspalt nur bei jüngeren Larven feststellen, da bei
diesen die Verdickung des Stigmenraittelstücks noch nicht so stark
ist. Er zeigt hier ovale Gestalt, und die Ränder des Stigmenspalts
legen sich nicht übereinander. Bei älteren Larven ließ sich der
Stigmenspalt trotz des spröden Chitins auf Schnitten mit ziemlicher
Sicherheit feststellen ; er zeigt die in Fig. 24, Taf. 4 angegebene
gewundene Form. Soweit ich den Stigmenspalt auf den Präparaten
verfolgen konnte, hat derselbe in ganzer Länge gleiche Beschaffen-
heit. Die bei Tipula paludosa beschriebenen Stützrippen des Stigmen-
ringes (= Rippen der Filzkammergebilde) legen sich hier zum größten
Teil nicht wie dort gegen die eigentliche Stigmenmembran, sondern
gegen das verdickte Stigmenmittelstück, welches sie, auf Schnitten
gesehen, wie Pfeiler stützen (Fig. 24s^r, Taf. 4). Gegen die eigent-
liche Stigmenmembran legt sich nur eine einzige Stützrippe, ent-
sprechend vermissen wir auch die Auflösung der radiären Falten
in der eigentlichen Stigmenmembran in Punktreihen, wie wir sie
bei Tipula paludosa fanden. Alle diese ei'wähnten Stützgebilde sind
untereinander durch feine Chitinrippen verbunden, wie wir es ähn-
lich schon früher bei Besprechung des Stigmenringes obiger Larve
gefunden haben. Der Aufbau dieses Stigmas läßt sich von dem der
Larve von Tipida paludosa ableiten. Auch hier sind die Stützrii)pen
Faltungen einer zusammenhängenden Membran, welche durch Quer-
faltung die oben erwähnten feinen Chitinrippen liefert. Ob die
Membran im späteren Stadium erhalten bleibt, ließ sich nicht mit
Sicherheit feststellen, da, wie früher bereits ausgeführt, sich solche
Tipnliden-Larven. 161
dünnen Membranen nur äußerst scliwer oder gar niclit färben lassen.
Die Bildung- des Stigmas kommt so zustande, wie es die schematische
Fig. T S. 166 veranschaulicht.
Die Gebilde der Filzkammer sind hier nicht so kom})liziert wie
bei Tipula pahidosa. Sie entspringen in großer Zahl von der cuti-
cularen Wand und zwar vom Spii-alfaden, der sich trotz des Auf-
tretens des Filzes bis zum Stigma genau verfolgen ließ. Ich konnte
das letztere sowohl auf Total- wie auch auf Schnittpräparaten
(Fig. 29, Taf. 4) feststellen. Der Tracheenmuskel ist an ähnlicher
Stelle wie bei Tipula paludosa vorhanden, auch die Tracheenlunge
zeigt keine nennenswerten Unterschiede gegen jene Form.
VIII. Gnophomya pilipes Fabr. {Limnobia ßmhriota Meig,).
Die Larven von Gnophomya pilipes (Fig. 18, Taf. 3) kommen an
Rändern von fließenden und stehenden Gewässern mit schlammigem
Untergrund vor. Die dunkel gefärbten Larven erreichen eine Länge
von ca. 15 mm und eine Breite von 2 mm. Die Haut der Larve ist
von ähnlicher Beschaffenheit wie diejenige der Larven von Poecilostola
punctata. Auch hier finden wir die chitinösen Fortsätze von haar-
ähnlicher Beschaff'enheit, die jedoch hier auf der dorsalen Seite der
Larve länger sind als auf der ventralen. In jedem Segment finden
wir einzelne längere Borsten und ferner dorsal und ventral je eine
Drüse, die in Form im wesentlichen mit der der Larve von Poecilostola
punctata übereinstimmt.
Das abgestutzte hintere Körperende (Fig. P) ist hier dadurch
besonders charakterisiert, daß es fünf gleiciilange Strahlen trägt
(zwei ventrale, zwei laterale, ein dorsaler), die an ihrer Innenfläche
alle gleichmäßig dunkel gefärbt sind. Die Stiahlen tragen an ihrem
äußersten Rande je eine Reihe mäßig langer Borsten. Die Borsten-
reihe ist aber hier nicht fortlaufend von einem Strahl zum anderen,
sondern der Rand der Strahlen ist nur in der oberen Hälfte mit
Borsten besetzt. An der Spitze der ventralen Fortsätze befinden
sich je zwei Borsten und an der Spitze der lateralen Fortsätze je
eine Borste, die außerhalb der Reihe der übrigen Borsten stehen
und von einem hellen kreisrunden Feld ausgehen. Wir vermissen
aber die bei Tipula vanpennis besprochene Sinnesborste an den
ventralen Strahlen.
An der Basis der beiden lateralen Strahlen befinden sich die
beiden Stigmen, welche sowohl dem Aussehen wie auch dem Aufbau
11*
162
Fritz Gerbig,
nacli dem der Larve von Poecilostola punctata ähnlich sind. Auch hier
besteht der Stigmenring hauptsächlich nur aus radiären Stützrippen,
die zum größten Teil das verdickte Stigmenmittelstück stützen,
während einzelne schwächer ausgebildete Rippen sich im Bereich
des Stigmenringes an die eigentliche Stigmenmembran legen. Das
Stigmenmittelstück ist hier aber nicht so dick wie das der Larve
von Poecilostola punctata. Der Stigmenspalt kommt gerade so zustande,
wie ich es bei der vorigen Larve beschrieben habe (p. 160), jedoch
ist der Stigmenspalt hier nicht so stark gewunden (Fig. 28, Taf. 4).
Während die Filzkammer der Hauptsache nach mit der der
Larve von Tipiila paludosa übereinstimmt, zeigt die Tracheenlunge
interessante Unterschiede. Wir finden zwar hier auch viele Capil-
laren, die einen großen Kern umgeben, aber die Capillaren gehen
bei dieser Larve nicht zu Bündeln vereinigt von der Filzkammer
aus. Von dieser entspringen nur typische Tracheen, die sich nach
einer Länge von ca. 0,06 mm in die einzelnen Capillaren auflösen.
Fig. P. Gnophomya pilipes. Abgestutztes
Hinterende der Larve. 40 : 1.
Fig. Q. Linmophila discicoUis. Ein
Stück Körpercuticula. ch Chitinfort-
sätze, b Borsten.
Der oben erwähnte große Kern befindet sich stets an der Basis der
Capillaren (vgl. Fig. 21, Taf. 4). Außer den dünnen und langen
Tracheen, wie sie in Fig. 28, Taf. 4 wiedergegeben sind, gehen von
der Filzkammer auch umfangreichere Tracheen aus. Diese ver-
zweigen sich kurz nach der Ausgangsstelle in einzelne dünnere
Tracheen, die sich dann erst in die Capillaren auflösen. Der Kern
befindet sich an der Verzweigung der Tracheen und wird zum Teil
von diesen, zum Teil von den Capillaren umgeben. Die Enden der
feinen Capillaren sind an der Körperwand befestigt, wie sich durch
Betrachtung des lebenden Tieres leicht feststellen läßt.
Tipuliden-Larven.
163
Die Tracheenmuskeln sind gut ausgebildet und setzen näher
am Stigma an, als es bei den früher beschriebenen Larven der Fall
war. Die Larve besitzt keine Kiemen. An ihrer Stelle befindet sich
auf der ventralen Seite des Tieres eine wulstartige Verdickung, die
durch ihre helle Farbe auffällt. Bei Betrachtung der Larve sieht
man schon mit bloßem Auge an den Seiten unter der dunklen Larven-
haut je ein weiß aussehendes wurmartiges Gebilde, das sich aber
bei näherer Untersuchung nur als Fettkörper erwies.
IX. LinmophUd (Jiscicollis Meig.
Die Larven von Limnophüa discicollis (Fig. 34, Taf. 4) erhielt ich
aus Locarno, wo sie Herr Geheimrat Müller zwischen Pflanzen an der
Oberfläche von flie-
ßenden Gewässern
fand. Die hell ge-
färbten, ziemlich
durchsichtigen Lar-
ven erreichen eine
Länge von 16 mm
und einen Durch-
messer von 2 mm.
Sie sind walzen-
förmig, und die
Larvenhaut ist mit
auffällig langen
Borsten besetzt,
zwischen denen sich
wenig kürzere chi-
tinöse Fortsätze be-
finden (Fig. Q). Die
letzteren stehen
hier nicht so dicht
wie bei den bisher besprochenen Larven und unterscheiden sich auch
ilirem Aussehen nach von denen jener Larven. Sie setzen sich an
ihrer Basis als kurze, dunkle Linie iu die hellere Körpercuticula fort,
stehen zum Teil einzeln oder sind zu 2—4 miteinander auf einer
dunklen Basislinie vereinigt.
Das hintere Körperende (Fig. R) endigt in vier ungleichlangen
Fortsätzen, die auf ihrer Innenfläche schwarz pigmentiert sind. Die
Fig. ß. Limnophüa discicollis.
Abgestutztes Hinterende der Larve. 40:1.
104 Fritz Gerbig,
beiden ventralen Fortsätze sind lang und tragen an ihrer Spitze je
eine stärkere Borste, die sich von den anderen sehr langen, am
Eande der Fortsätze stehenden Borsten durch ihre Form und Stellung
abhebt. Die früher erwähnte tj^pische Sinnesborste an der Spitze
der ventralen Fortsätze fehlt. Die beiden lateralen Fortsätze sind
bedeutend kürzer und sind an ihrem Eande ebenfalls mit sehr langen,
unverzweigten Borsten besetzt. Die dorsalen Fortsätze fehlen. An
ihrer Stelle grenzt sich das Hinterende etwa halbkreisförmig ab.
Der Rand dieses Halbkreises trägt in ähnlicher Weise lange Borsten
wie die ventralen und lateralen Strahlen. Die Inserierung dieser.
Borsten erinnert an die entsprechend stehenden Borsten der Larve
von Poecilostola punctata. Auch hier setzen sich die Borsten an
ihrer Basis in eine dunkle Linie fort.
Innerhalb des abgestutzten Abdomens liegen die beiden kreis-
runden Stigmen, zwischen denen sich ein auffällig großer, dunkel
pigmentierter Fleck befindet. Die Stigmen bestehen wie bei der Larve
von Poecilostola punctata aus einem stark verdickten Stigmeumittel-
stück und einem schmalen Stigmenring. Der letztere unterscheidet
sich aber von dem jener Larve dadurch, daß sich hier mehrere Stütz-
rippen gegen die eigentliche Membran legen, wodurch der Stigmen-
riug punktiert erscheint. Der Stigmenspalt ließ sich auf Schnitten
gut nachweisen, er hat die in Fig. 27, Taf. 4 angegebene Form.
Die Gebilde der Filzkammer zeigen einen ähnlichen einfachen
Bau wie bei den Poea7ostoZa-Larven und erstrecken sich weit in die
Trachee. Die Tracheenlunge ist stark ausgebildet, sie setzt direkt
an der Filzkammer an und unterscheidet sich im anatomischen
Aufbau nicht wesentlich von den bisher beschriebenen. Auch der
Tracheenmuskel ist an ähnlicher Stelle wie bei Tipula paludosa vor-
handen.
Auf der ventralen Seite des Abdomens der Larve befinden sich
vier lange Kiemen, die durch ihre zarte Beschaffenheit ausgezeichnet
sind. Wenn ich die Larve zur Beobachtung des Blutstroms unter
das Deckglas brachte, so rissen die Kiemen schon bei geringem
Druck auf das Deckglas ab. Die Kiemen erreichen trotz der Klein-
heit der Larve ungefähr dieselbe Länge wie die der Larve von
Tipula lateralis, nämlich auch ca. 2 mm.
X. Lnunophüa fuscipennls Meig.
Die Larven von Limnophila fuscipennis kommen vor an den
Eändern von stehenden Gewässern mit schlammigem Untergrund,
Tipulidea-Larveu.
165
und zwar befanden sie sich oft weit über oder unter der Wasser-
grenze. Sie erreichen eine Länge von 17 mm, und ihr Durchmesser
beträgt 2 mm. Sie älineln in Farbe und Kürperbedeckung der
Larve von Poecilostola lyundata. Sie besitzen ebenfalls eine rostbraune
Falbe, und an der Körperoberfläche finden wir die chitiuösen Fort-
sätze, die auch hier borstenähnliche Gestalt angenommen haben, wieder.
Ferner betinden sich, ebenso wie bei Poecilostola imndata, in jedem
Segment einzelne Borsten, welche stark verzweigt von einem gemein-
samen kreisrunden Felde ausgehen (Fig. 17,Taf.3). Die Borsten stehen
in einer Reihe angeordnet in dem vorderen Teil eines jeden Segments,
in denen sich außerdem dorsal und ventral je eine Drüse befindet,
die derjenigen der Larve von Poecilostola punctata ähnelt.
Das schmale hintere ivörperende
endigt abgestutzt in einen lang be-
haai'ten , in nebenstehender Fig. S
wiedergegebenen Stern. Die beiden
ventralen Strahlen sind sehr lang und
an ihrer Innenseite stark dunkel
pigmentiert. In der unteren Hälfte
der Fortsätze ist die dunkle Pigmeu-
tierung durch helle Querstreifen unter-
brochen. An der Spitze der Strahlen
tritt das dunkle Pigment vom Rande
zurück, Avodurch hier ein helles Feld
entsteht. Am Außenrande der Strahlen
befindet sich eine Reihe sehr langer
Borsten. Die früher erwähnte Sinnes-
borste feht. Die lateralen Strahlen
des Sternes sind rückgebildet. Wir
finden an ihrer Stelle ebenso wie an Stelle des dorsalen Fortsatzes
je eine Reihe langer Borsten, Die Inserierung der dorsal stehenden
Borsten setzt sich in eine deutlich sichtbare dunkle Linie fort, wie
wir sie schon bei Poecilostola punctata und Limnophila discicoUis ge-
funden haben.
Die Stigmen stimmen im Bau und dem Aussehen nach im wesent-
lichen mit denen der Larve von Poecilostola punctata überein. Die
Tracheenlunge zeigt jedoch wesentliche Unterschiede. Von der lang-
gestreckten Filzkammer gehen zum Teil Tracheen, zum Teil Capil-
larenbündel aus, die hier aber in so geringer Zahl vorhanden sind,
daß sie leicht übersehen werden können. Das Bündel löst sich un-
Fig'. S. Limnophila fiiscipennis.
Abgestutztes biut. Körpereude der
Larve. 40:1.
166
Fritz Gerbig,
mittelbar hinter der Aiisatzstelle der Capillaren an die Filzkammer
in eine große Zahl von sehr feinen Capillaren auf. Kurz vor der
Auflösung der letzteren liegt der bei den früheren Tracheenlungen
schon besprochene Kern, der zwar durch seine Größe ausgezeichnet
ist, aber besonders dadurch schwierig nachzuweisen ist, daß er sich
dicht an der Ansatzstelle der Capillaren an die Filzkammer befindet.
Auch scheint er hier nur locker mit den Capillaren verbunden zu
sein, denn oft löste er sich schon durch den Druck des Deckglases
ab. Auf der Unterseite der Larve befinden sich vier Kiemen.
Die Larve von Linmopküa fuscipennis zeichnet sich dadurch aus,
daß sie, wenn man sie berührt, das verletzte Körpersegment kugel-
förmig anschwellen läßt.
Rückblick und Yergleich.
Stigma. Die Larvenstigmen der Tipuliden, soweit mir diese
bekannt sind, zeigen bei Betrachtung von außen ungefähr gleiche
Form. Alle bestehen aus einem dunkleren Stigmenmittelstück, das
von einem helleren Stigmenring umgeben ist. Wie ich S. 149 schon
dm em
em am
Fig. T. Scheraatische Darstellung des Stigmas.
a von Tipula j)aludosa. b von Poecilostola
punctata. (Figurenerklärung vgl. S. 182.)
ausführte, müssen wir an dem Stigma die eigentliche Stigmenmem-
bran, die wieder aus einer äußeren und einer inneren Membran be-
steht, von den unter ihr liegenden Stützgebilden unterscheiden. Das
Stigmenmittelstück wird bei allen Larven allein von der eigentlichen
Stigmenmembran gebildet, und je nach der Ausbildung desselben
Tipuliden-Larven. 167
zerfallen die Stigmen scheinbar in zwei ganz verschiedene Grund-
typen.
Bei dem Stigma der L Form, das die T^arven der Gattung
Tipula und Ctenophora besitzen, besteht das Stigmenmittelstück aus
zwei nur wenig verdickten Membranen, die sich lippenartig über-
einander legen, so daß der Stigmenspalt unter einem sehr spitzen
A\'inkel zur Oberlläche des Stigmas verläuft (vgl. Fig. T a).
Bei dem Stigmenring der 1. Form legen sich die Stützrippen in der
Weise gegen die obere Membran, wie es nebenstehende schematische
Fig. T zeigt. Die Oberfläche des Stigmenringes erscheint dadurch
punktiert.
Das Stigma der 2. Form, das der Larven von Poecüostola
punctata, Gnophomya pilipes, LimnopMla discicollis und Ldmnophila fusci-
pennis besitzt ein mehr oder weniger stark verdicktes Stigmenmittel-
stück. was zur Folge hat, daß der Stigmenspalt fast senkrecht,
schwach S-förmig zur Oberfläche des Stigmas verläuft (Fig. Tb).
Der Stigmenring der 2. Form unterscheidet sich von dem der
1. dadurch, daß die Stützrippen sich zum größten Teil gegen das
Stigmenmittelstück legen. Die Rippen des Stigmenrings sind, wie
ich früher schon ausführte, als homolog den Filzkammergebilden
aufzufassen. Die Unterschiede in der Gestaltung des Stigmenrings
entsprechen annähernd den Unterschieden in der Beschaftenheit in
dem Filzgebilde. Wir können annehmen, daß die Stützgebilde
der Stigmen der 1. Form reich verzw^eigten und die der 2. Form
einfachen Filzgebilden entsprechen.
Ich halte das Stigma der 1. Form für den ursprünglichei'en
Typus trotz des komplizierteren Stigmenrings. Dafür würde sprechen,
daß wir bei jüngeren Stadien bei Poecüostola punctata noch Zustände
finden, die an die Stigmen der 1. Form erinnern.
Beim Stigma der 1. Form legen sich, wie oben schon ausgeführt,
die Stützfalten alle gegen die obere Stigmenmembran. Innerhalb
der Reihe der Larven mit dem Stigma der 2. Form läßt sich aber
schon ein Übergang zur 1. feststellen. Während sich bei LimnopMla
fuscipennis, bei der das Stigmenmittelstück am stärksten ausgebildet
ist. alle Stützrippen gegen das letztere legen, finden wir bei den
Larven von Gnophomya pilipes und Limn. discicollis insofern Unter-
schiede, als bei diesen sich einige Stützrippen gegen die eigentliche
Stigmenmembran legen , während noch die Mehrzahl derselben das
Stigmenmittelstück stützen.
Die Verschiedenartiükeit der Stigmen scheint mit den verschie-
168 Fritz Gerbig,
denen Atnuinofsbedingungen in engster Bezieliimg zu stehen. Je
naclidem das Stigma der 2. Form mehr oder weniger nach dem
planen Stigma (1. Form) hinneigt, scheinen die Larven mehr oder
weniger auf Luftatmung angewiesen zu sein (vgl. weiter unten).
Mit dieser Ansicht stehen die biologischen Beobachtungen im Ein-
klang, die ich beim Sammeln der Larven machte. Während ich
die Larven von Limnophila fuscipennis und Foecilostola 2ninctata, deren
Stigmenmittelstück stark verdickt ist, oft tief im Schlamm oder Sand
weit von der Oberfläche entfernt fand, kamen die Larven von Limn.
discicolUs, deren Stigmenmittelstück schwächer ausgebildet ist, zwischen
Pflanzen an der Oberfläche des Wassers und die Larven von Gnophomya
pilipes. die in bezug auf das Stigma der letzteren Larve sehr nahe
steht, in flachen Gewässern vor, wo sie in ständiger Verbindung
mit der Luft sein konnten.
Die Filzgebilde. Die Gebilde der Filzkammer sind nicht
einzelne Borsten, wie ich auf S.146 schon ausführte, sondern zusammen-
hängende Chitinrippen, die als Falten einer geschwundenen Membran
aufzufassen sind. Die Filzkammergebilde zeigen insofern bei den
einzelnen von mir beschriebenen Larven Unterschiede, als sie bei
denen mit planem Stigma komplizierter sind als bei jenen mit stark
verdicktem Stigmenmittelstück, was auch in der verschiedenen Be-
schaff'enheit des Stigmenringes zum Ausdruck kommt (vgl. oben).
Am einfachsten sind die Gebilde bei der Larve Limnophila fuscipennis,
wo sie als spangenartige Bögen einen gleichartigen Besatz tief in die
Trachee hinein bilden.
Ich betrachte die Filzkammer als erweiterte Trachee. Während
sich bei den Larven der Gattung Tipula und Ctenophora der Spiral-
faden nicht mehr nachweisen ließ, wobei ich die Frage ofl:en lasse,
ob er noch vorhanden ist oder fehlt, konnte ich bei der Larve von
Foecilostola punctata denselben sowohl auf Schnitten wie auch auf
Totalpräparaten deutlich bis zum Stigma feststellen. Die Trachee
reicht also bis zum eigentlichen Stigma.
Enderlein (1899) hat ähnliche Filzgebilde (auch miteinander
anastomosierende Chitinbäumchen) bei den Gastridenlarven näher
beschrieben. Er führt aus, daß man den Filz nicht als Filter der
Luft auffassen dürfe, da, wenn Fremdkörper in die feinen Gerüst-
komplikationen der Stigmen gelangen würden, die Wirkungsfähig-
keit des ganzen Apparats vernichtet wäre. Ferner weist Enderlein
die Deutung der Filzgebilde als Filter deshalb zurück, weil er nie
Fremdkörper zwischen den Chitinteilen hat feststellen können.
Tipuliden-Larven. 169
En'derleix sieht die Bedeutung der P'ilzgebilde d.arin, daß sie an
ilu-er Oberfläche Gase verdicliten, was er einer besonderen Eigen-
schaft des Chitins zusclireibt. Der Autor schreibt liierüber (p. 293):
,.Daß dies wirklich der Fall ist, erkennt man sehr leicht daran,
daß ein im Wasser untergetauchtes Insect. z. B, eine glatte Raupe,
ein Käfer, von einer ziemlich dicken Luftschicht umgeben ist. In
größerem Maßstabe ist dies bei behaarten Tieren der Fall, da sich
hier die Oberflächenvergrößerung durch die Haare mit geltend macht."
Die hier aufgestellte Regel gilt aber nicht für alle lusecten, bei-
spielsweise nicht für alle Wasserkäfer, sondern sie gilt hier nur für
solche Formen und für diejenigen Körperteile, die mit einem dichten
Hiiarfllz bekleidet sind. (Man vergleiche Rücken- und Bauchseite
vom Hydrophil US.) Das Anhaften der Luft hat mit der Eigenschaft
des Chitins nichts zu tun, sondern sie wird lediglich durch den
Haarbesatz (resp. Chitinfortsätze) festgehalten. Wenn Endeelein
die Deutung dei- P'ilzkammer als Filter von der Hand weist, weil
er nie Fremdkörper zwischen den Chitinteilen gefunden hat, so ist
damit immer noch nicht bewiesen, daß nie solche in die Filzkammer
hineingelangen, vor allem, wenn man die Schwierigkeiten bedenkt,
bei dem doch immerhin kleinen Objekt solche nachzuweisen, zumal
doch bei der Pi-äparation die zwischen den Chitinrippen locker
haftenden Fremdkörperchen meistens verloren gehen dürften. Meiner
Ansicht nach hat die Filzkammer erstens die Aufgabe, durch die
vielen spangenartigen chitinösen Verbindungen die Elastizität der
cuticularen Wand zu erhöhen. Dieses spielt insofern bei der weiter
unten zu besprechenden Atmung eine Rolle, als lediglich durch die
Elastizität der Filzkammer diese nach dem Erschlaifen des Tracheen-
nuiskels ihre ursprüngliche Form wieder einnehmen kann. Zweitens
dient die Filzkammer vermutlich dazu, Fremdkörper, die eventuell
durch den Stigmenspalt gelangen sollten, zurückzuhalten, um bei
der nächsten Häutung wieder samt der Filzkammer entfernt zu
werden. Meine letztere Ansicht über die Bedeutung des Filzes
findet eine Bestätigung darin, daß der Filz verschwindet, wenn
keine otfeuen Stigmen mehr vorhanden sind. Bei der Tipuliden-
puppe ist die Tracheenlunge im Abdomen anfänglich noch in starker
Ausbildung vorhanden, der Pilz fehlt aber, was scheinbar dadurch
bedingt ist, daß die abdominalen Puppenstigmen funktionslos ge-
worden sind und der Gasaustausch im vorderen Segment durch die
Pnppenhörnchen stattfindet.
Die Tracheenlungre. Li bezug auf den Bau und die Aus-
]^70 Fkitz Gerbig,
bildung der Tracheenlunge zeigen die Larven mit Ausnahme der
von Gnophomya pilipes und Limnophüa fuscipennis wenig bemerkens-
werte Unterschiede. Wir können dreierlei Formen unterscheiden:
1. Bei den meisten Larven gehen von der Filzkammer, abge-
sehen von den Tracheen, die benachbarte Organe, wie z. B. die
Kiemen, versorgen, nur Capillarenbündel (feine Eöhren ohne Spiral-
faden) aus.
2. Die Filzkammer der Larve von Gnophomya püipes entsendet
nur typische Tracheen, die sich in kurzer Entfernung von ihrem
Ursprung in einzelne Capillarenbündel auflösen.
3. Bei Limnophüa fuscipennis gehen von der Filzkammer in der
Hauptsache Tracheen aus, die, ohne sich in Capillarenbündel aufzulösen,
im Bereich des Abdomens endigen. Die Tracheenlunge ist rudi-
mentär, es sind nur wenige Capillarenbündel vorhanden, die direkt
von der Filzkammer ausgehen und die, wie ich S. 166 schon aus-
führte, nur äußerst schwer nachzuweisen sind.
Als die ursprünglichere Form der Tracheenlunge betrachte ich
diejenige, bei der von der Filzkammer nur typische Tracheen aus-
gingen, aus denen durch Auflösung die Capillarenbündel entstanden
sind. Allen Capillarenbündeln ist gemeinsam, daß an der Stelle der
Auflösung derselben in die einzelnen Capillaren ein besonders bei
Karminfärbung deutlicher Kern liegt. Brown hat die Capillaren-
bündel nebst Kern erwähnt, gibt aber keine Deutung dafür. Ich
habe bei anderen Insecten nach ähnlichen Organen gesucht und
fand bei Enderlein (p. 287) ein solches (ebenfalls einen von vielen
Capillaren umgebenen Kern) beschrieben und abgebildet (= Tracheen-
zellen, Enderlein). Da die Funktion dieser Tracheenzellen mit der
der Capillarenbündel bei den Tipulidenlarven übereinzustimmen schien,
versuchte ich Larven von Gastrus equi zu erhalten, um eventuell auch
anatomisch nach solchen Übereinstimmungen zu suchen. Leider war es
mir nicht möglich, diese Verhältnisse an Gastridenlarven zu studieren.
Ich fand dagegen den von Enderlein beschriebenen Tracheen-
zellen sehr ähnliche bei den Larven von Bibio sp., die in der Um-
gebung von Greifswald unter Laub oder zwischen Moospolstern öfter
vorkommen. Die Tracheenzellen (Fig. 23, Taf. 4) befinden sich bei
den Bibionidenlarven im Abdomen, wo sie in großer Zahl an die
Tracheenlängsstämme ansetzen. Zum Herstellen von Totalpräparaten
wandte ich die früher schon beschriebene Osmiumsäuremethode an.
Von der Haupttrachee gehen zusammengedrängt einzelne stärkere
Capillaren aus, die in einiger Entfernung sich in zahlreiche feinere
Tipuliden-Larven. 171
Capillareii zerteilen. Diese sind wirr ineinander verflocliten und
umgeben dicht verpackt einen Kern, so daß ein eiförmiges Gebilde
entsteht, in dessen Mitte der Kern liegt.
Ich fasse diese Tracheenzellen auf als homologe Gebilde der
Capillarenbündel nebst Kern, wie wir sie bei den Tipiilidenlarven
finden. Einen Übergang von den erstereu zu den letzteren scheinen
die Tracheenzellen von Cohboldia eJephantis zu bilden (Endeiilein,
p. 287. fig. 24. 25), die langgestreckt sind und im Querschnitt ähn-
liche Figuren (Fig. 14, Taf. 3) liefern, wie wir sie von den Capillaren-
bündeln her kenneu. ^^'ir können uns die Gebilde der Tipuliden-
larven aus denen der Larven von Bihio. Gastrus oder (Jobboldia
in der \\'eise herleiten, daß die Capillaren nicht in ganzer Länge
miteinander vereint bleiben, sondern sich hinter dem Kern in die
einzelnen Capillaren auflösen.
Der mehrfach schon erwähnte Kern ist der Kern der Zelle,
die die Capillaren aufbaut. Daß der Kern diese Bedeutung hat,
habe ich bei Beobachtung der Häutungsstadien mit ziemlicher Sicher-
heit feststellen können. Ich fand dabei, daß der Kern kurz vor der
Häutung stark an Umfang zugenommen hatte und daß er außerdem
von reichlichem Plasma umgeben w^ar. Die Fig. 32, Taf. 4 zeigt
uns von Tipida hortensis einmal den Kern (schraffiert) in gewöhn-
licher Größe und dann (punktiert) kurz vor der Häutung.
Endeeleix schreibt den Tracheenzellen folgende Funktion zu:
„Sie schwimmen in der umgebenden Blutflüssigkeit und bieten der
Luft eine große Berührungsfläche mit derselben dar und damit dem
Tiere die Möglichkeit, den Sauerstoff" der Luft in ausgiebigster Art
und Weise aufzunehmen und zu verwerten."
Bei den Bibionidenlarven dürfte die Funktion der Tracheen-
zellen ähnlicher Art sein. Hier werden die im Abdomen befindlichen
Tracheenzellen von einem starken Blutstrom umspült, und das auf
diese Weise arteriell geW'ordene Blut wird durch das Herz den
vorderen Segmenten der Larve zugeführt. Ganz ähnliche Verhält-
nisse sind bei den Tipulidenlarven vorhanden. Auch hier befinden
sich die Capillarenbündel in einem starken Blutstrom, der ebenfalls,
nachdem er die Capillaren passiert hat, im Abdomen in das Herz
eintritt, um es im vorderen Segment zu verlassen.
Es leuchtet ohne weiteres ein, daß durch eine Auflösung der
bei Gastrus und IVihio dicht verpackten Capillaren die Verhältnisse
für die Atmung günstiger werden.
Erwähnen möchte ich noch, daß die Tracheenlunge auch im
2^72 Fritz Gerbig,
Puppenstadium der Tipuliden noch vorhanden ist. Sie befindet sich
im Abdomen der Puppe, bleibt aber nur einige Zeit erhalten. Die
Rückbildung- der Capillaren tritt schon nach einigen Tagen ein.
Die ganze Puppenruhe dauert meist ca. 12 Tage; aber nach 5 Tagen
waren die Capillaren schon zum größten Teil geschwunden, und
nach 9 Tagen waren von der Tracheenlunge nur noch die Ansatz-
stellen an der Trachee zu sehen.
Über ßlutcirculation vgl. S. 151.
Die Kiemen. Die Kiemen sind bei den einzelnen Larven-
formen in Zahl und Ausbildung stark verschieden. Keine Kiemen
besitzen die Larven von Tipula paludosa, Tipula hortensis, Ctenophora
flavicornis und Gnophomya püipes. Bei den anderen Larven sind die
Kiemen in der Zahl 4, 6 oder 8 vorhanden. Die Larven von Poecilostola
punctata, Limnophila fuscipennis und Limn. discicollis besitzen je
4 solcher Analschläuche. Während aber die der beiden ersteren
wenig ausgebildet sind, erreichen sie bei Limn. discicollis eine be-
trächtliche Länge. Die Larve von Tipula lateralis besitzt im
1. Entwicklungsstadium 4 Kiemen, und zwar sitzen links und rechts
vom After je zwei einzelne Schläuche. Im späteren Stadium sind
6 Kiemen vorhanden, die dadurch entstanden sind, daß von den an-
fänglichen 4 Kiemen zwei tief gespalten sind, und zwar je eine links
und rechts vom After. Eine solche sechszählige Kieme finden wir
auch bei der Larve von Tipula gigantea. Wenn alle 4 Kiemen tief
gespalten sind, so entsteht die achtzählige Kieme, die bei Tipula
varipennis vorhanden ist. Am auffälligsten erschienen mir die Ver-
hältnisse bei Gnophotnya pilipes. die, obwohl sie im Wasser zu atmen
vermag, keine solchen Organe besitzt. Wir finden auf der ventralen
Seite anstelle der Blutkiemen nur eine wulstartige Verdickung, die
an ähnlicher Stelle auch noch bei den Larven von Tipula paludosa,
Tipida hortensis und Ctenophora flavicornis vorhanden sind und die
meiner xlnsicht nach als Rudimente der Kiemen aufzufassen sind.
Tracheen muskeln und Funktion der Tracheenlunge.
Nachdem wir den anatomischen Bau der für die Respiration in Be-
tracht kommenden Organe kennen gelernt haben, wenden wir uns
zu der Frage, wie die Funktion der Tracheenlunge zu denken ist.
Die Fig. 30, Taf, 4 stellt uns einen Schnitt durch die linke Hälfte
des Abdomens der Larve von Tipula lateralis dar; links von der
Filzkammer setzen die paarigen Tracheenmuskeln an, während am
Integument rechts vom Stigma die Körpermuskulatur zu sehen ist.
Wie ich schon S. 140 ausführte, ist der Traclieenmuskel schon
TipiiliiU'ii-Laiveii. 173
im 1. Entwicklungsstadiuni der Larve vorhanden und bleibt in starker
Ausbildung auch während der älteren Kntwicklungsstadien erhalten.
Wir haben also hier die interessante Tatsache, daß Muskeln
direkt auf Tracheen einwirken. Schon Gkaheu (1873) beschreibt am
Femur der Grille eine Einrichtung, bei der neben den sogenannten
Respirationsmuskeln, deren Kontraktion nur mittelbar nämlich duicli
Volumenverringerung der gesamten Leibeshöhle auf die Tracheen
einwirkt, es einen Muskel gibt, der auf die Trachea besonders ein-
wirken soll. Dieser Muskel, den Gkaber Tracheenmuskel nennt,
seV/A aber nicht direkt an die Trachee an, sondern an einer Susjjen-
soriummembran, in der sich die Trachee befindet. Meiner Ansicht
nach kann die Einwirkung dieses Muskels auf die Trachee nur von
untergeoi'dneter Bedeutung sein, denn durch Kontraktion des Muskels
würde die Trachee nur zur Seite gezogen und nicht in ihrei' Form
verändert.
Daß wir Tracheenmuskeln bei den Tipulidenlarven haben,
scheint durch das Voihandensein der Tracheenlunge bedingt. Wie
aus der Fig. 30. Tat. 4 leicht ersichtlich ist, wird bei Kontraktion
des oder der Tracheenmuskeln eine Volumenveränderung der Filz-
kamnier hervorgerufen, wobei ich die Frage offen lassen muß, ob
mit der Kontraktion eine Volumenvergrößerung oder -Verkleinerung
der Filzkammer erfolgt. Die durch die Tracheenmuskeln bedingte
Volumenveränderung wirkt auch auf das Stigma ein, das infolge
der verschiedenen Druckverhältnisse entweder geöffnet oder ge-
schlossen wird. Bei einer Volumen Verkleinerung der Filzkammer
legen sich die Ränder des Stigmenspalts fest aneinander, das Stigma
ist geschlossen, die in der Filzkammer befindliche Luft wird in die
Capillaren und das übrige Tracheensystem gepreßt. Tritt nun eine
Volumenveiiirößerung ein, so übt die Filzkammer eine saugende
A\'iikung auf die Umgebung aus. Die Luft wird aus den Capillaren
zurückströmen, und durch den Überdruck von außen wird das Stigma
geöffnet, so daß der Gasaustausch stattfinden kann. Wenn nun
wieder eine Volumen Verkleinerung eintritt, so wird das Stigma ge-
sclilossen. und die sauerstotfreiche Luft wird in das Capillarensystem
gepreßt usw. Wir sehen also, daß durch die Tätigkeit des Tracheen-
muskels der Gasau;>tauscli geregelt werden kann, was für die
Tracheenlunge von großer Bedeutung ist. Leider ist es nicht mög-
lich, den Vorgang in allen Einzelheiten zu übersehen. Form und
Elastizität der Filzkammer und des Tracheensystems sind Faktoren,
die sich nicht genügend feststellen lassen.
174 Fritz Gerbig,
Physiologische Versuche.
Wir haben oben gesehen, daß alle Tipuliden- Larven offene
Stigmen besitzen, also alle Luftatmer sind oder sein können. Ferner
linden wir bei ilmen zum Teil Kiemen, die auf eine Atmung im
Wasser schließen lassen. In bezug auf Tracheenlunge und Kieme
zeigen sie zum Teil große Unterschiede, und ich will nun an der
Hand von einigen Experimenten untersuchen, in welchem Verhältnis
die verschiedene Ausbildung dieser Organe zur Atmung und Lebens-
weise der Larven steht. Ich teile die Larven in drei Gruppen ein:
I. Larven nur mit Tracheenlungen {Tip. paliidosa, Tip. hortensis,
Ctenophora flavicornis, Gnophomya pilipes).
IL Larven mit Tracheenlungen und mit Kiemen {Tip. varipennis,
Tip. gigantea, Tip. lateralis, Poecilostola punctata, Limn. discicoUis).
III. Larven mit rudimentären Tracheenlungen, aber mit aus-
gebildeten Kiemen {Limnophila fuscipennis).
1. Versuch: 2 ältere Larven von Ctenophora flavicornis, 2 Tip. hortensis
(älteres Stadium), 2 Tip. paluclosa (älteres Stadium), 2 Tip. paludosa
(I. Entwicklungsstadium) und 4 Larven von Gnophomya pilipes (älteres
Stadium) wurden in ein Gefäß mit Wasser gebracht und durch über-
gestülpte Drahtgaze daran verhindert, an die Oberfläche zu kommen.
Das Wasser wurde stark durchlüftet. Nach 24 Stunden lebten sämt-
liche Larven noch. Nach 48 Stunden waren die von Ctenophora flav.,
Tip. hortensis und Tip. paludosa (älteres Stadium) tot, während die anderen
Larven noch lebten. Genauer ließ sich der Zeitpunkt des Absterbens
der ersteren Larven nicht feststellen, da die Bewegungen bereits
längere Zeit vor dem Tode aufhören, bewegungslose und scheinbar
tote Larven aber event. wieder erwachen, wenn sie an die Luft ge-
bracht werden. In diesem Falle trat eine Rückkehr zum Leben
nicht ein. Die Larven von Gnophomya pilipes und Tip. paludosa
(I. Stadium) lebten noch nach 8 Tagen, als ich den Versuch abbrach.
2. Versuch : 7 Larven von Tip. gigantea, 6 von Tip. lateralis, 4 von
Poecilostola punctata, 4 von Limn. fusc. und 2 von Limn. discic. brachte
ich ebenfalls in ein Gefäß mit stark durchlüftetem Wasser. Sämtliche
Larven, die auch hier nicht an die Oberfläche gelangen konnten,
lebten nach 3 Wochen noch, worauf ich den Versuch abbrach.
3. Versuch: 4 Larven von Tip. gigantea, je 3 von Tip. varipennis
und Tip. lateralis, 5 Limn. /"wsc.-Larven und 4 Poecilostola punct.-'h2iVN%n
wurden in ein Gefäß mit gewöhnlicliem Leitungswasser gebracht.
Nach 24 Stunden lebten alle Larven noch, nach 36 Stunden waren
Tipuliden-Larven. 175
die Larven Tip. vanpennis und 1 Tip. lateralis tot, während die
beiden anderen Larven der letzteren Art erst innerhalb der nächsten
12 Stunden starben. Die übrigen Larven lebten noch sämtlich.
Nach 3 Tagen befanden sich die Larven von Tip. giyaniea tot auf
dem Boden des Gefäßes. Die Limn. fi(scipennis-LsiY\en starben nach
4 Tagen, während die Foecilostola-'La.YYen noch nach 10 Tagen lebten,
worauf ich den Versuch abbrach. "
Die Versuche beweisen eine auffällige Verschiedenheit in der
Fähigkeit, den Sauerstoff dem umgebenden Wasser zu entnehmen.
Die mit Kiemen versehenen Larven vermögen alle dauernd in durch-
lüftetem "Wasser zu leben, die ohne Kiemen gehen nach längerer
oder kürzerer Zeit zugrunde. Eine Ausnahme von der letzteren;
Regel macht das I. Stadium von Tip. paludosa, die, obwohl sie keine
Kiemen besitzt, es dauernd in durchlüftetem Wasser aushält. Die
Tatsache dürfte kaum überraschen, da wir auch sonst bei jugend-
lichen Larven, auch wenn diese keine spezifischen Kiemen besitzen,
die Fähigkeit finden, in Wasser zu leben (vgl. Hagemann, p. 381),
Li abgekochtem Wasser, das ich nach dem Verfahren von
Deibel (p. 135) sauerstoffrei machte, starben die Larven aller
3 Gruppen innerhalb eines Tages. In Schwefelwasserstoff vermochten
Larven von Ctenophora 3 Stunden zu leben, sie waren hernach scheinbar ,
tot, bewegten sich trotz Antastens nicht, erholten sich aber trotz-
dem, nachdem sie einige Zeit an der Luft gelegen hatten, wieder,
während einige Cerambj'cidenlarven, die ich zum Vergleich gleich-
zeitig mit eingesetzt hatte, schon nach einigen Minuten tot waren.
Beim nächsten Versuch benutzte ich Wasserstoff, den ich von unten
in einen Glasballon leitete. Dieser hatte einen doppelt durchbolirten
Korken, so daß das Gas durch das eine Loch eingeleitet wurde und
durch das andere mittels einer Glaskapillare ausströmen konnte.
Das ausströmende Gas zündete ich an und stellte so lest, daß in:
dem Glasballon fortwährend reiner Wasserstoff vorhanden war. Die
Larven von Tip. fjiffantea waren in dem Wasserstoff nach 3 Stunden
scheinbar tot, erholten sich aber wieder, nachdem sie an die Luft
gebracht wurden.
Die Ausbildung der Tracheenlunge ist ohne Einfluß auf die
Aufnahme von gelöstem Sauerstoff, wie auch kaum anders zu er-
warten war. Sicher spielt neben der Kiemenatmung die Stigmen-
atmung die Hauptrolle, was ich einmal durch die biologischen Be-
obachtungen in der Natur und ferner durch die unten beschriebenen Ver-
suche feststellen konnte. Auch bei den Larven von Limn. fuscipennis,
Zool. .lahrl.. XXXV. Abt. f. Syst. 12
176 Fhitz Gerbig,
bei der wir mit Rücksicht auf die Lebensweise vielleicht annehmen
könnten, daß die Stigmenatmung keine oder nur eine untergeordnete
Rolle spielt, sehen wir, daß sie in der Gefangenschaft häufig in
typischer Weise mit dem Hinterende an der Oberfläche des Wassers
hängen.
Ca. 100 Larven von Tip. gigantea wurden in ein großes zur
Hälfte mit AVasser angefülltes Aquarium gebracht. In dem Gefäß
befand sich ferner eine Sandschicht, die in Form einer schiefen
Ebene vom Boden des Aquariums bis zur Wasseroberfläche reichte.
Nach einigen Minuten bewegten sich die Larven auf dem Grunde
des Gefäßes nach dem einfallenden Lichte zu, um dann erst die
schiefe Ebene emporzukriechen. Nach einer halben Stunde hatten
die ersten Larven ihre Wanderung beendet, und nach 2 Stunden
hingen alle Larven mit dem Abdomen an der Wasseroberfläche.
Der Versuch macht es wahrscheinlich, daß die Larven bei ihren
Wanderungen sowohl vom Licht wie auch von der Schwerkraft beein-
flußt werden.
Nach der Lebensweise könnte man annehmen, daß einzelne Formen,
wie z. B. Tip. gigantea und Tip. varipetmis, die unter Laub und Moos
leben, sich nur nachdem Licht orientieren, daß aber bei andern Formen,
die im Schlamm leben, wie z. B. bei den Larven von Tip. lateralis,
von Poecilostola punctata etc., ein solches Lichtempfinden nicht genügt.
Um mir über diesen Punkt Klarheit zu verschaifen, habe ich folgende
Versuche angestellt. Einige Larven von Tip. gigantea und Tip. lateralis
wurden in einen hohen Glaszylinder, der mit Moos angefüllt war
und außerdem abgestandenes Wasser enthielt, gebracht. Durch ein
übergestülptes Blechgefäß wurde der Glaszylinder bis auf einen
unteren schmalen Ring vollständig verdunkelt. Die Larven sammelten
sich anfangs an der Lichtgrenze, wanderten dann aber nach der
Oberfläche des Glaszylinders. Auch in vollständig verdunkelten
Gefäßen sammelten sich die Larven unter ähnlichen Verhältnissen
stets an der Oberfläche des Wassers an. Aus diesen Versuchen
geht hervor, daß die Larven bei Atemnot sich zunächst dem Lichte
zuwenden. Daß sie aber immer der Wasseroberfläche zustreben,
wenn die Lichtwirkung ausgeschaltet ist, läßt darauf schließen, daß
die Larven irgendwelche Organe (statische Organe) besitzen, die es
ihnen ermöglichen, den Weg nach oben zu finden. Ich habe die
Larven auf solche Organe hin untersucht, es war mir aber bisher
nicht möglich, solche nachzuweisen.
Tipuliden-Larven. 177
Zusammenfassung.
So gering aucli die Zahl der untersuchten Formen verglichen
mit der ungeheuren Artenzalil der Tipuliden ist, so will ich doch
versuchen, sie der Übersicht halber in eine Tabelle einzureihen, die
ich auf Grund der verschiedenen Ausbildung der abdominalen stern-
förmigen Strahlen und der Zahl der Kiemen aufstelle.
1. Das Hinterende besteht aus 6 ziemlich gleich langen Strahlen,
von denen die beiden ventralen je eine typische Sinnes-
borste tragen 2
Es besteht aus 5 Strahlen 3
Es besteht aus 4 Strahlen 4
Es besteht aus 2 Strahlen 5
2. Larven mit 6 Kiemen Tipula gigantea
Tipula lateralis
Larven mit 8 Kiemen Tipula varipennis
Larven ohne Kiemen Tipula paludosa
Tipula hortensis
3. Alle 5 Strahlen gleich lang, Larve ohne Kiemen und ohne
typische Sinnesborste Gnophomya pilipes
4. a) alle 4 Strahlen gl eich lang, die ventralen besitzen je
eine typische Sinnesborste, auf der dorsalen Seite befindet
sich als Rudiment eines 5. Fortsatzes ein Haarbüschel,
Larve mit 4 Kiemen Poecilostola punctata
b) 2 Strahlen lang, 2 kurz (keine typische Sinnesborste),
Larve mit 4 Kiemen Limnophila discicollis
5. Die 2 Strahlen wenig hervortretend (mit typischer Sinnes-
borste) Ctenophora flavicornis
Die 2 Strahlen stark verlängert (ohne typische Sinnesborste)
Limnophila fuscipennis
Das Stigma der Tipuliden-Larven, dessen Mittelstück bisher von
allen Autoren als eine undurchlässige Platte beschrieben ist, zeigt
einen wohl ausgebildeten Stigmenspalt, der im I. Entwicklungs-
stadium als einfacher Schlitz vorhanden ist und der auch in den
späteren Stadien mehr oder weniger modifiziert noch in Funktion
bleibt. Der Stigmenring ist nicht, wie bisher meist behauptet
wurde, durchlöchert, sondern er wird von einer zusammenhängenden
Membran gebildet, an die sich von unten Rippen legen, die Gebilden
12*
178 Fritz Gebbig,
der Filzkamraer entsprechen. Die letzteren sind nicht Borsten,
sondern Chitinrippen, die durch Faltung von Membranen entstanden
sind. Die Membranen zwischen den Rippen sind (stets?) ge-
schwunden. Die Filzkammer ist eine erweiterte Trachee ; die Trachee
reicht also bis zum Stigma. Ein Stigmenvorraum ist nur im I. Ent-
wicklungsstadium vorhanden. An die Trachee resp. Filzkammer
setzen Tracheenmuskeln an, die für die Funktion der Tracheenlunge
eine Rolle spielen. Die Capillarenbündel der Tracheenlunge sind
als homologe Gebilde der Tracheenzellen, wie wir sie bei Gastriden
und Bibioniden-Larven gefunden haben, aufzufassen. Bei sehr vielen
Tipuliden-Larven finden sich Kiemen, die es ihnen ermöglichen, in
sauerstoffreichem Wasser zu leben.
Zum Schlüsse sei es mir vergönnt, meinem hochverehrten Lehrer
Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. G. W. MtJLLER meinen
herzlichsten Dank für die vielen Ratschläge und Unterstützung bei
Abfassung der Arbeit auszusprechen. Dank schulde ich ferner dem
Assistenten Herrn Dr. W. Baunacke für die mannigfach gegebenen
Anregungen.
Tipuliden-Larven. j7y
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Tipuliden-Larven. 181
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J|;82 Fhitz Gerbig,
Erklärung der Abbildungen.
a. m äußere Lamelle der eigentlichen o. r oberer Rand des Stigraenspalts
Stigmenmembran pm Plasmamembran
c Körpercuticula r. f radiäre Falten
cap Capillare sh typische Sinnesborste
ch Capillarenbündel sm Stigmenmittelstück
ch Filzkammergebilde sp Stigmenspalt
etn eigentliche Stigraenmembran sr Stigmenring
f, r feine Chitinrippen zwischen den st Stigma
Stützrippen str Stützrippen
fw Filzkammerwand stv Stigmenvorraum
hy Hypodermiszelle ir Trachee
i. m innere Lamelle der eigentlichen trm Tracheenmuskel
Stigmenmembran um untere Stigraenmembran
k Kieme u. r unterer Rand des Stigmenspalts
km Körpermuskulatur x Grenze zwischen Stigmenvorraum
n Kern und Trachee
Alle Figuren sind mit dem AsBE'schen Zeichenapparat gezeichnet.
Tafel 3,
Fig. 1. Tipula varipennis. Ventraler Fortsatz des hinteren Körper-
endes der Larve. 25 : 1.
Fig. 2. Tipula paludosa (L Entwicklungsstadium). Stigma (total).
575:1.
Fig. 3. T. paludosa (I. Entwicklungsstadium). Schnitt durch das
Stigma und die Tracheenlunge. 575 : 1.
Fig. 4. Tipula lateralis (ältere Larve). Stigma (total). Der Rand
des Stigmenspalts der oberen Membran ist ausgezogen, der der unteren
Membran ist punktiert. 115:1.
Tipuliden-Larven. 183
Fig. 5. T. lateralis. Stigma durchtrennt, so daß die Ränder des
Stigraeuepalts voneinander entfernt sind. 115: 1.
Fig. 6. T. lafcralis. Stigmenring bei hoher Einstellung. 700 : 1,
Fig. 7. Tipula lateralis. Stigmenring bei mittlerer Einstellung.
.700: 1.
Fig. 8. 7. lateralis. Stigmenring bei tiefer Einstellung. 700 : 1.
Fig. 9. Ctenophora flarkornis. Schnitt durch den Stigmenring senk*
recht zu den radiären Falten. 700 : 1.
Fig. 10. C. flavicarnis. Schnitt durch den Stigmenring in der
Richtung der radiären Falten. 700:1.
Fig. 11. Gnophomya pilipes. Schnitt durch die Pilzkammergebilde.
1150:1.
Fig. 12. Tipula paludosa. I. Stadium kurz vor der Häutung.
Schnitt durch die Anlage des Stigmas, st^ altes Stigma, tr^ alte Trachee.
1150:1.
Fig. 13. T. paludosa. I. Stadium kurz vor der Häutung. Schnitt
durch neu angelegte Filzgebilde. 1150: 1.
Fig. 14. T. paludosa. Querschnitt durch ein Capillarenbündel in
der Nähe der Ansatzstelle an der Filzkammer. 1150:1.
Fig. 15. T. paludosa. Querschnitt durch ein Capillarenbündel in
der Nähe der Auflösung in die einzelnen Capillaren. 1150:1.
Fig. 16. T. paludosa. I. Stadium kurz vor der Häutung. Schnitt
durch neu angelegte Filzgebilde. / Höcker in der Plasmamembran.
ps Plasmaschlingen. 1150:1.
Fig. 17. Poecilostola piindata. Eine reichverzweigte Borste der
Körperbedeckung. 400:1.
Fig. 18. Gnophomya pilipes. Die 3 letzten Segmente in seitlicher
Aneicht (Lupenvergrößerung).
Tafel 4.
Fig. 19. Tipula paludosa. Längsschnitt durch ein Capillarenbündel.
780: 1.
Fig. 20. Tipula lateralis. Dorsalansicht eines Segments der Larve.
Fig. 21. Gnophomya pilipes. Capillarenbündel (nach einem mit
Osmiumsäure konservierten Präparat). 400 : 1.
Fig. 22. Tipula paludosa. I. Stadium. Tracheenlungencapillare mit
Kern (nach einem Osmiumsäurepräparat). 1150: 1.
Fig. 23. Bibio sp. Tracheenzelle (nach einem mit Osmiumsäure be-
handelten Präparat). 400: 1.
Fig. 24. Poecilostoia punctata. Längsschnitt durch das Stigma.
210: 1.
Fig.
400 : 1.
25.
Fig.
Fig.
Fig.
26.
27.
28.
Fig.
29.
184 Fhitz Gebbig, Tipuliden-Larven.
Liynnophila fuscipennis. Stigma (total) in seitlicher Ansicht.
L. fuscipennis. Querschnitt durch das Stigma. 400 : 1.
L. disdcollis. Längsschnitt durch das Stigma. 400 : 1.
Gnophomya pilijjes. Längsschnitt durch das Stigma, 115 : 1.
Poecilostola punctata. Längsschnitt durch die Filzkammer.
Die Chitinspiralen {sp) der Trachee sind ausgezogen, während die Filzgehilde
sbhwächer gezeichnet sind. 575 : 1.
Fig. 30. Tipiila lateralis. Längsschnitt durch die linke Hälfte des
Abdomens der Larve. 75 : 1.
Fig. 3 L T. lateralis. Die 3 letzten Segmente der Larve in dorsaler
Ansicht (Lupenvergrößerung).
Fig. 32. T. horlensis. Längsschnitt durch den Kern der Capillaren
in gewöhnlichem Zustand (Wj schraffiert) und kurz vor der Häutung
(Wg punktiert).
Fig. 33. Poecilostola punctata. Drüse (total). 210 : 1.
Fig. 34. L. disdcollis. Larve (total) in Dorsalansicht (Lupen-
vergrößerung).
Zooloff.Jahrbii,-}in-Bd,.35AU.f Sifs(.
Taf.3.
von GustavFisclienn Jena
IrthAiL'^TlAPmfo leifi:w
Zoolotj. Jahrbüchn- Bd. 35 Abi. f Sysl.
Taf.lh,
Verlag von GuslafBscWmJesa
Ijöi AnstvIj^Tmke leifj^ig
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Zur Kenntnis von Myrmecophilen aus Abessinien.
I.
Von
Dr. A. ßeichensperger.
(Aus dem Zoolog, u. vergl.-anatom. Institut der Universität Bonn.)
Mit Tafel 5-6 nnd 15 Abbildangen im Text.
Im Laufe des verflossenen Jahres (1912) erhielt ich von meinem
eifrigen Korrespondenten Herrn Keistensen, Kopenhagen, sehr reich-
haltiges Material an Ameisen und Ameisengästen aus Abessinien.
Der gi'ößte Teil desselben wurde während seines damaligen Aufent-
haltes bei der Stadt Harrar und in deren weiterer Umgebung ge-
sammelt. Es ist besonders dankenswert, daß bei der überwiegenden
Mehrzahl der Myrmecophilen außer genauen Daten auch stets die
Wirte beigegeben waren, deren Bestimmung Herr Dr. Santschi
(Kairouan) in liebenswürdiger Weise kontrollierte und übernahm.
Beiden genannten Herren sei auch an dieser Stelle nochmals für
ihre Bemühungen Dank gesagt.
Die Ausbeute Kristensen's zeigt wiederum klar, welche viel-
seitige biologische und systematische Ernte noch des Myrmecophilen-
Forschers harrt. Wenngleich Abessinien wie besonders das benach-
barte Eritrea bereits durch Raffeay's, Andreini's und Escheeich's
Reisen bezüglich der Ameisengäste verhältnismäßig gut durchforscht
ist, so befanden sich doch unter dem mir vorliegenden Material eine
ganze Anzahl neuer Formen, die im Folgenden beschrieben werden
sollen. — Abgesehen von biologisch interessanten gehäusetragenden
136 -^- Reichenspergeb,
Lepidopteren-Larven, einer unbekannten Ameisengrille u. a. erwiesen
sich allein unter den 9 mir zugesandten Arten der Paussiden-Familie
nicht weniger denn 6 als neu. Dadurch steigt die Zahl der An-
gehörigen der Gattung Patissus in engerem Sinne auf 185; aus
Abessinien und Eritrea sind nunmehr 27 Paussiden bekannt, von
denen 22 sich auf dieses Gebiet beschränken dürften. Leider weist
unsere Kenntnis der Paussidenwirte noch sehr große Lücken auf.
Dieselbe ist unentbehrlich, wenn wir das Verhältnis der Abhängig-
keit von Gast zu Wirt und seine interessanten Folgeerscheinungen
näher ergründen wollen. Insbesondere wäre es unter Umständen
entwicklungsgeschichtlich von Bedeutung zu erfahren, welche Wirte
eine weitverbreitete Paussus-Art an den Gegenpolen ihrer Verbreitung
besitzt oder welche Wirte nächstverwandten Paussus - Arten zu-
kommen. Vielleicht ergäbe sich dann eine nähere Erklärung für
die fast unbegrenzte Mannigfaltigkeit der Gestalt des Paussiden-
fühlers sowie eine befriedigende Auskunft über die ßoUe, welche
den Wirten etwa bei dessen Ausbildung zustand und wohl noch
zusteht. Bei weitem die Mehrzahl der bisher bekannt gewordenen
Wirte gehört der Myrmicinen-Gattung Pheidole an; auch die abes-
sinischen Arten von Pheidole beherbergen nach Kkistensen's Funden
vielfach Paussiden, ferner finden sich solche aber nicht selten bei
einer kleinen Camponotine, Acantholepis, die auch zahlreiche Gäste
aus anderen Gruppen besitzt. —
Herrn P, E. Wasmann bin ich für die photographische Auf-
nahme der Typen neuer Arten (Taf. 5) sowie für bereitwilligst zur
Verfügung gestelltes Vergleichsmaterial seiner Sammlung, Herrn
Prof. R. Gestkö für den Vergleich zweier eingesandter Arten mit
Stücken des Museo Civico in Genua sowie für sonstige Auskunft zu
lebhaftem Dank verpflichtet.
L Paiissidae.
1. Arthropterus pallidus Raffe ay.
Die Gattung Arthropterus, deren Mitglieder einerseits in Australien
(über 50 Arten), andrerseits in Afrika (4 Arten) sich finden, gehört
größtenteils dem extremen Trutztypus an. Da sie sich seltener in
den Ameisennestern selbst als vielmehr in deren näherer Umgebung
auflialten dürften , ist es nicht erstaunlich, daß bisher nur von
2 australischen Arten bestimmte Angaben über den Wirt vorliegen.
Zur Kenntnis von Myrmecophilen aus Abessinien. 187
Von den afrikanischen Arten, die übrigens im allgemeinen Habitus
derart von den australischen abweichen, daß die Aufstellung- zum
wenigsten einer neuen Untergattung berechtigt wäre, fehlten Wirts-
angaben ganz. — Meine Exemplare von A. 1)01110.118 wurden in
Nestern von Mefisor harharns L., imnctatna Foe. (2 Stück) und von
AcantJiohpis capensis Mayr, canescens Em. gefunden. Dire Daoua
und Abuker, März und Mai. — Ob beide, verschiedenen
Unterfaniilien angehörende Ameisen gesetzmäßige Wirte
sind, erscheint mir zweifelhaft, wenngleich Gäste des allgemeinen
Trutztyps aus naheliegenden Ursachen weit häufiger mehr- oder
vielwirtig sind als Gäste mit Symphilen-Charakter.
2. Paussiis 2^>'0€erus Gerst.
Von dieser, gleichfalls dem Trutztypus angehörenden großen
Art sammelte Herr Kristensen 2 Exemplare ohne Wirtsameise in
der Umgegend von Harrar; Gebel Hakim (2000 m), unter Steinen, Mai.
3. PaKssus Ixvistenseni n. sp.
(Fig. 4, Taf. 5; Fig. 4, Taf. 6.)
Castanens, subnitidus, pundatus, piliferus. Antennae validae,
(üiictdo primo suhquadrato, disperse punctato. Clava oblonga, latitudine
duplo longior , lenticularis, lateribns anticis posUcisque fere paraUelis,
perspicue marginatis; supra regidariter perparum convexa, infra in
medio inflata, ubique regidariter dense punctata, pilis minutissimis
vestita; dente hasali hrevi valido.
Frons antice truncata, margine paidlo elevato, fere plana, parte
anteriore polita, posteriore grosse punctata, pilifera. Ocidis valde pro-
minentihus. Prothorax irregulariter punctcdus, simplex (non hipartitus),
antice rottindatus, postice rectus, in medio paullo coartatus et linea
transversim impressa, linea longitudinali tnedia brevissima. Elijtra
elongata, thorace duplo latiora, sicid pygidium dense punctata, punctis
breve piliferis. Pedes validi non dilatati aut compressi.
Long. 9,5 — 10, lat. 3,5. mm.
P. Jiristenseni, zu der großen Gruppe mit linsenförmiger Fühler-
keule ohne Stirnhorn oder Stirnpore gehörend, nähert sich in der
Form der Fühler und allgemeinem Habitus dem P. abessinicus Raffe.
Er unterscheidet sich deutlich von ihm dadurch, daß auf der Fühler-
keule keine Furchen wahrnehmbar sind, ferner ist der Kopf flacher,
nach vorn sehr wenig abfallend, gerade abgeschnitten mit etwas
Jgg A. Reichensperger,
aufgebogenem Rande und Ecken. Der vordere Teil des Thorax ist
flacher, oben kaum gerundet und ohne vollständigen seichten Längs-
eindruck, vielmehr nur mit einer unmittelbar vor dem Hinterende
beginnenden, ganz kurzen, scharf eingerissenen Längslinie, welche
die Querfurche schneidet und sich auf dem hinteren Prothöraxteil
kurz fortsetzt. Dieser ist fast ebenso breit wie der vordere Teil
und nur sehr wenig kürzer. In der Thoraxmitte ist die Punktierung
und Behaarung spärlich, diese Stelle ist glänzender als die Um-
gebung. Flügeldecken parallel, wenig gewölbt, rauh punktiert und
am Seitenrande deutlicher behaart. Der Hinterrand der Decken ist
stumpfkantig abgestutzt und läßt einen Teil des Pygidiums unbe-
deckt. — Von dem plumperen P, laevifrons Westw. ist die Art
durch Form und Skulptur von Fühlerkeule, Thorax u. a. leicht zu
unterscheiden.
Abessinien: Harrar. Gebel Hakim (2000 m), Dire Daoua, eine
Anzahl von Exemplaren ; unter Steinen, ohne Wirtsameise, März— Mai.
Ich widme die Art ihrem Entdecker.
4. Paiissus glohieeps n, sp.
(Fig. 5a, b, Taf 5; Fig. 5, Taf. 6.)
Fuscocastaneus , subnitidus. Antennae compadae, articuJo primo
lato glohoso, antice paullo marginato; clava vix longior quam lata,
antice et apice marginata, postice haut marginata, basi dente brevi valido,
paullo recurvato; supra convexa, infra in medio valde inflata; supra
nitida, punctis nonnullis piliferis, apice semilunariter opaco, densissime
subtiliter punctato. Caput valde globosum, inflatum, antice rectum, fronte
concava nitida; Vertex valde inflatus densissime pilosus (Textfig. A). —
Prothorax subinteger, capitis latitudine simplex, antice lateribus rotundatis
dense pilosis, postice rectis; in medio transversim impressus, minus
pilosus, subnitidus. Elytra arcuata, parallela, thorace vix latiora, dense
punctata, pilifera. $$; Pygidium valde prominens, dense punctatum,
piliferum; ^^: pygidium elytris obtectum. — Pedes perbreves, validi,
incrassati.
$; Long. 8,5 — 9, lat. 3 mm. cJ; long. 5,5, tat. 2 mm.
P. globiceps gehört gleichfalls zu der Gruppe mit linsenförmiger
Fühlerkeule ohne Stirnhorn, nimmt in ihr jedoch durch die fast
ganz parallele Gestalt und die auffallende Form des Kopfes eine
besondere Stellung ein. — Die Fühlerkeule ist kurz gedrungen
(Fig. 5, Taf. 6), außen nicht gerandet und ohne merkliche Furchen ;
Zur Kenntnis von Myrmecophilen aus Abessiuien. 139
sie glänzt ziemlich stark mit Ausnahme der Spitze, die halbmond-
förmig sehr dicht und fein punktiert und dadurch matt ist. — Der
Kopf ist hochgewölbt, wie aufgetrieben, oben und seitlich sehr dicht
und fein abstehend goldgelb behaart; die Stirn fällt nach vorn steil
konkav ab, der abfallende Teil ist hochglänzend, mit geradem, etwas
gekieltem Vorderrand und schwach aufgebogenen Ecken. Der
Thorax ist breit, der hintere Teil wenig gegen den vorderen ab-
gehoben und verengt, der seinerseits dem Kopf an Breite ungefähr
gleichkommt ; die obere Fläche ziemlich eben, sehr spärlich zerstreut
])anktiert, glänzend; die Seiten nebst der vorderen Rundung sind
dicht kurz goldgelb behaart.
Die Flügeldecken sind von den Schulterecken seitlich nach
unten einwärts gebogen, und ihr Rand ist nach hinten geschweift;
überall eingestochen punktiert, mit oben ganz kurzer, seitlich zum
Rande zu jedoch länger werdender Behaarung. Das Pygidium tritt
beim $ vor, ist gleichmäßig punktiert und in der Mitte kurz, seit-
lich und am Rande etwas länger behaart.
Harrar, Gebel Hakim, März und Juni ; mehrere Exemplare, teils
ohne Ameisen unter Steinen, teils bei AcantJiolepis capensis Matr,
canescens Em. im Nest.
Während P. h-istenseni gleich den anderen Angehörigen seiner
Gruppe einen reinen Trutztypus aufweist, ist bei gloUceps ein ent-
schiedener Fortschritt auf den Symphilen-
Charakter hin gegeben, der sich be-
sonders durch die dichte, wenn auch
noch kurze Behaarung zeigt; eine ähn-
lich stark ausgebildete kommt bei den
übrigen bekannten Mitgliedern der Gruppe
nicht vor. Auch die parallele gewölbte
Gestalt nähert sich derjenigen der ^. . „ , , . ,. .
noiier dmerenzierten Paussiden. Die von der Seite gesehen.
Bildung der Beine deutet noch auf den
Trutztypus hin, da ihnen eine weitgehende Verbreiterung eigen
ist, im Verhältnis stärker als beispielsweise bei P. procerus. Aller-
dings treffen wir eine solche Verbreiterung ja auch häufig als Schutz-
anpassung bei den höchststehenden Symphilen der Gruppe mit ge-
teiltem Halsschild.
Bemerkenswert ist bei gloUceps der auffallende Größenunterschied
der Geschlechter, da im allgemeinen (^ und $ bei den Paussiden
kaum verschieden erscheinen.
J90 ^- Reichensperger,
5. Paussus laetiis Gerst.
Diese Art, welche bereits von Raffray in Höhe von etwa 2000 m
häufig gefunden wurde, ist u. a. von Dr. Andreini ebenfalls mehrfach
und zwar bei Acaniholepis capensis canescens unter Steinen gesammelt
worden. Auch meine zahlreichen Exemplare stammen nur von dieser
Wirtsameise her, so daß die Art zweifellos gesetzmäßig bei Acaniho-
lepis lebt. In der Färbung der Flügeldecken zeigen sich sehr geringe
Variationen, insofern die rötlich-braunen Randpartien bald etwas
schmäler, bald breiter sein können. Bei PaussomorpJius schwankt
nach Gesteo (1909) die Ausdehnung der dunklen Flügeldecken-
zeichnung viel erheblicher.
Harrar, Gebel Hakim, Bisa Timo (ca. 1300 m). März bis Juni.
6. Paussus eapreoJus n. sj).
(Fig. 3, Taf. 5; Fig. 7, Taf. 6.)
Bufopiceus, elytris nigris; subopacus, tkorace nitido. Antennae dense
pimctatae et granulosae, articulo primo cylindrico; clava perlonga, septies
longior articulo primo, paullo recurva, angtista, apicem versus paiülo
angustata; dente hasali hrevi, acuto; extus tuhercidis sex versus apicem
minorihus. — Caput antice paullo depressum, antice bilobatum, vertice)
utrinque supra oculos foveola parva cicatricosa. Thorace hipartito, capiU;
duplo longiore; parte antica hrevi, paullo latiore capite, acute angulata,)
trisinuata; sulca inter partem anteriorem late aureopenicillata ; parte-,
posteriore patdlo angustiore, profunde nitidissime impressa; laterihm:
excavationis acute elevatis; hasi rede truncata. Elytra levissime coriacea
pilis subalbidis dispersis. Margines laterales elytrorum sicut margo
pygidii setis longis rufescentibus ornati. Pedes stibnitidi, vix pilosi,
solorum posteriorum femora tibiaeque valde compressa et dilatata, pilis
subalbidis marginata.
Long. 5, lat. 2 mm.
P. capreolus steht dem P. latreillei Westw. und P. tigrinus Gestro
einerseits nahe, andrerseits leitet es von diesen über zu P. cerambyx
Wasm. Mit den ersteren zeigt er einige Übereinstimmung in Färbung
und allgemeinem Habitus, unterscheidet sich aber durch die stärker
gebogene, viel dünnere und im Verhältnis etwas weniger lange
Fühlerkeule von ihnen. Deren Ober- und Unterseite ist wie das
1. Fühlerglied lederartig rauh punktiert, fast geperlt. Die Keule
hat etwa ^/g der Gesamtlänge von Kopf nebst Thorax, sie ist messer-
Zur Kenntnis von Mynnecuiiliilen uns Abessinieu. 191
aitij? flach zusanimeiioedrückt — viel flacher als bei laircillei —
und iiiniint zur Si)itze g^anz allmählich an Breite ab. Am Hiiiter-
rauile nur äußerst geringe Spuren einer Furchenbil-dung mit 6 un-
merklichen Giübchen oben und (> kleinen Wärzchen unten, die zur
Spitze hin an (-irüße abnehmen und wenige, aber deutliche Bürstchen
tragen. An der Keulen basis ein kräftiger Zahn. — Der Kopf ist
vorn kurz eingeschnitten und bildet zwei nach innen abgerundete,
nach außen mehr stumpfwinkelige, vorn glänzende Lappen. Zum
Scheitel sanft ansteigend, sehr dicht fein punktiert, matt. Jeder-
seits beflndet sich dicht oberhalb der Augen eine seichte Furche
und an deren Hinterende eine schwärzliche kleine Pore. Thorax
sehr wenig länger als breit; der vordere Teil ist quer kiellörmig,
nach hinten stark, nach vorn schwächer abfallend, zerstreut be-
borstet, mit einer mittleren und jederseits einer seitlichen Furche.
Die Basis des Vorderteils reicht weniger weit nach hinten als bei
r. cemmhjx und ist stumpfer. Die sehr breite Querfurche zwischen
beiden Thoraxteilen zeigt dichtes, goldgelbes Haartoment. Der ab-
schüssige Teil zur Thoraxgrube hin ist hochglänzend, oben nahe dem
Hinterrande sind 2 rundliche Erhebungen. Die Seitenränder der Aus-
buchtung des hinteren Thoraxteiles sind schmal erhaben mit gerundet
vorgezogenen Vorderecken. — Farbe der Flügeldecken schwarz mit
zerstreut regelmäßiger weißer Beborstung. Der Seitenrand trägt
sehr starke lange, nach hinten gekrümmte goldgelbe Borsten (fehlen
bei P. ceramhyx). Das Pj'gidium besitzt lange, dichte Trichom-
büschel an seinem Hinterrande (fehlen bei P. JaireilJei). Schenkel
und Tibien der Hinterbeine stark verbreitert und zusammengedrückt. —
Ein näherer Vergleich mit P tigrinus, Gestro 1901, der, ebenfalls
aus Abessinien stammend, von Raffray seinerzeit als Jatreülei
(Senegal), bestimmt worden war, ließ sich leidei- wegen der knappen
Diagnose Gestro's nicht durchführen. P capreolus weicht insofern
noch weiter von tif/rinus ab, als bei letzterem bereits „clava anten-
narnm minus incurva, excavatione exteriori paidlo Jatiore^^ ist als bei
lafmllfi.
Diese Art steht zweifellos auf einer sehr hohen Stufe echten
' Gastverhältnisses zu ihren Wirten, da außer den Beinen kein Körper-
;teil ohne Exsudatorgan oder Trichome ist.
1 Harrai', Dire Daoua, März, bei Pheidole rotimdata For. ilgi Für.
U Stück.
Zool. Jahrb. XXXV. Al.t. f. Svst. 13
j^92 ■^- Reiciiknsi'ekgek,
7. JPaussits anxius n. sjt.
(Fig. 1, Taf. 5; Fig. ß, Taf. ö.j
Fnscopiceus, clytris ohscurioribiis, opactis, totus hrcve et disperse
albido setosus. Antennarum articulo primo qjlindrico, suhrohindato ;
clava lata naviculari; margine antico rotimdato paullo ohtuse serrato,
quattnor fovris impressis: margine posfiro supra quitique sulcis trans-
versis, obsoletis et ohscuris; infra sexcostata, margine costarum penidllato;
antennarum clava basi tridentata. Caput thoracis fere latitudine, antice
hilobatum, carinatum, haud depresswn; in vertice foveis duabus fere
triangularibus. Thorax bipartitus, partibus inter se longitudine et lati-
tudine fere aequalibus; parte anteriore lateribus angulatis subdentatis,
in medio sulco brevi ; parte postica antice profunde excavata et trisulcata.
Elytra lata, subquadrata, margine posteriore serie setarum aurearum
longarum. Pedes breves, posteriores magis, medii et anteriores minus
dilatati et compressi.
Long. 4,7—5 mm, lat. 2 mm.
P. anxius weist sich durcli den borstenbesetzten Hinterrand der
tiefgefurchten, kahnförmigen Fülilerkeule als zur denticulatus-Gn\])[)e
geliörend aus. Im gesamten Habitus sowie in Kopf- und Thorax-
bildung ver-niittelt die Art einen Übergang zu P. aureof/mbriatiis
Wasm.; jedoch ist die Gestalt etwas weniger vierschrötig, die Fühler-
keule im Verhältnis um ein Geringes kleinei'. Die am oberen wie
am unteren Hinterrande ganzrandige Keule ähnelt am meisten
der des P. excavatus Westw.; sie trägt jedoch unten 6 zur Spitze
hin an Größe abneiimende Borstenpinsel; in der Höhlung sind 6 deut-
liche Furchen vorhanden, 5 sehr schwach angedeutete etwas schwärz-
liche befinden sich auf der Oberfläche nahe dem Hinterrande. Vorder-
rand zusammengedrückt, mit 4 deutlichen Grübchen. Die Scheitel-
bildung ist der von aureofhnbriatus ähnlich, aber weniger erhaben,
mit 2 deutliclien Poren. Krstes Füblerglied. Kopf und Thorax sind
fein lederartig gerunzelt, punktiert, matt. Der vordere Thoraxteil
ist kielförmig mit 3 seichten Furchen, von oben gesehen an den
Seiten zahnförmig vorsi)ringend, wenig breiter und küi'zer als der
Kopf. Seiten des hinteren Thoraxteils kräftig, ziemlich weit nach
vorn reichend, so daß die Grube fast rechteckig scharf hervortritt;
Trichome nur an deren Hand schwach entwickelt. — Die Flügel-
decken sind schwarz, dicht fein punktiert, matt, mit weißen kurzen
Borsten belegt; die Decken fallen über das nicht vorstehende Pygidium
ziemlich steil nach hinten ab und tragen auf den abfallenden Par-
Znr Kenntnis von Myrmecophilen aus Abessinien. 193
tieii sowie am llinteiTande spärliche, lange, goldgelbe Bürsten, welche
zu 3—5 zu einem Pinsel vereinigt sind.
Harrar. Bisa Timo. Mai. 2 mal in Nestern von Pheidole caffra
Em. abyssinica For, je 1 Exemi)lai'.
8, Patisstfs niodestffs n. sp.
(Fig. 2, Tat". 5: Fig. 8, Taf. 6.)
Castaneus, paullo nitidus, suUiliter pundatus, parvus et angustns.
Auiennarum articulo primo sid)quadrato, clava capite vix maior, orhi-
adaris, ridde compressa, foUiformis, prope basin paidlo incisa, rotundata,
deme et subtiliter punctata; postice usque ad teHiam latitudinis partem
heiter excavata, margine inferiore vulde porrecto, sulcis sex obsoletis
transversis, setulis minimis albidis ornato; margine superiore perpaidlo
crenulato, puncfis qninque nigris. — Capid thoracis latitudine, antice
paidlo carinatinn et incisuni, vetiice supra oados idrimque breviter cornuto,
cornibus inter se carina tdrimque incisa connexis. Thorax bipartitus,
latitudine paullo longior, lateribus parallelis; pars anterior posteriore
paidlo brevior: pars anterior lateribus subrotundatis, in medio obsolete
impressa, posterior lateribus rectis, angidis anticis obtusis, paidlo elevatis
breviter aureo-penicilJatis ; pars anterior magis, posterior minus dense
subtditer punctatae. — Elytra oblonga lateribus impressis, margine
laterali praeter basin setis aiireis longis reflexis ornato; prope apicem
ehjtrorum Serie hrevi setarum depressarum. In pijgidio series setarum
perlongarum alhidarmn , qiiarum basis aurea. Pedes valde dilatati et
compressi.
Long, vix 4 mm, lat. 1\^ mm.
P. modestus, der Gruppe mit blattförmiger Fühlerkeule angehörend,
steht dem P. kohli Wasm. einerseits, dem P. bicornis Was.m. anderer-
seits nahe. Von bitubercidatus Kolbe unterscheidet er sich ohne
weiteres durch die gänzlich plattgedrückte Fühlerkeule, deren seichte
Eint'urchung außerdem nicht winklig, sondern ganz gerundet vor-
gezogen ist. In der Art der Furchenbildung ist eine große Ähnlich-
keit mit kohli gegeben, jedoch sind keine Basalecken oder Spitzen
an der Keule vorhanden, wie bei jenem, vielmehr ist dieselbe überall
gerundet, im ganzen fast kreisförmig. Von bicornis endlich unter-
scheidet sich modestus in der Form der Fühlerkeule, Skulptur des
Kopfes, Verhältnis der Thoraxteile zueinander, Art der Behaarung
und allgemeiner Färbung.
Auf dem Kopf erhebt sich oberhalb der Augen jederseits ein
13*
2^94 A.. Eeichensperger,
kleines Hörnclien. das mit einer deutlichen ländlichen Grube ver-
sehen ist. Die Hörnchen sind quer über den Scheitel in doppelter
Weise miteinander verbunden: nach vorn zu durch eine stumpf-
winklig in der Scheitelmitte gebrochene schwache Leiste ; nach hinten
durch einen sanft gerundeten glänzenden dunkelbraunen Kiel (Fig. 8
Taf. 6). So entsteht zwischen den Hörnchen ein an der Spitze stumpf-
winkliges Dreieck mit etwas konkaver Basis. Der Kopf ist kürzer
als breit. Die Thoraxteile sind unter sich ungefähr gleich an Länge
wie an Breite, zusammen 1^/4 mal so lang wie der Kopf. — Elytren
etwas gewölbt, zugerundet, das Pygidium zum Teil freilassend, fein
punktiert. Die hinteren -/g des Seitenrandes sind mit kurzen starken,
fast anliegenden goldgelben Borsten versehen, eine halbkreisförmige
Reihe ebensolcher Borsten befindet sich jederseits oben auf den
Elytren nahe dem Hinterrande. Am Rande des Pygidiums sehr
lange stark entwickelte Trichome.
Harrar, Juli. Wirtsameise fehlt.
9. Hylotoi'us caroJi n. sp.
(Fig. 6, Taf. 5.)
Ferrugineus, pedibus flavis, parallelus, cylindncus, subopants. Caput
magnuni , semiglobosum , dense et regulariter imndatnm : from sulco
unico in medio frontis furcato duobus ramis furcae divergentihus, apice
cicatricosis. Ocidi parvi, anguste reniformes. Antennarmn artirido
primo perparvo, subquadrato ; clava multo majori, ovali, acuminato, apice
penicillato, intus prope marginem inferioreyn carinata. Frans idrimque
ad recipiendas antennas vdlde excavatus. Thorax pundatus, antice
capitis latitudine, postice constrictus; parte anteriori maiori, sulco tenui
transverso; parte posteriori antice forte bisimtata, in medio- siüco trans-
versa forti, basi recta. — Elijtra basi constricta, dorso medio plana, tota
levissime coriacea. Pedes breves, femoribus tibiisque ynaxime dilatatis et
compressis.
Long. 5 — 5,5 mm, lat. 2 mm.
H. caroli schließt sich eng an den H. blanchardi Raffe, an, mit
dem er im allgemeinen Aussehen und in der Färbung ziemlich über-
einstimmt. Er unterscheidet sich von ihm jedoch entschieden durch
ganz andere Skulptur, schwächeren Glanz, Form von Kopf und
Thorax und Verlauf der Porenrinnen auf dem Vorderkopf. Gleich
P. blanchardi besitzt caroli zwei Stirnporen ; während die von diesen
auf den Vorderrand des Kopfes zu führenden Rinnen jedoch bei
Zur Kenntnis von Myrniecophilen ans Abessinien. 195
hlanchardi nur selir wenig konvergieren und kurz darauf endigen,
oline zusammenzulaufen (Raffr, 1887, tab. 16, fig. 27), treffen sie
bei varoli bald zusammen und gehen in eine gemeinsame schwärz-
liche, deutliehe Rinne über, welche sich bis an den Vorderrand des
("lypeus erstreckt. — Der Kopf ist von oben gesehen vorn ge-
rundeter, glänzend, schwach punktiert und zerstreut kurz behaart;
seine hintere Hälfte ist dicht grob punktiert, wie der vordere kragen-
förmige Teil des Prothorax. Quer über diesen verläuft eine breite
seichte Furche und von ihrer Mitte aus eine flache Einsenkung
zum hinteren Teil des Thorax. — Dieser ist feiner punktiert, mit
V(irn zwei bogigen Einsenkungen und einer engeren, etwas tieferen
rundlaufenden Quereinschnürung hinter der Mitte; seine Basis ver-
läuft geradlinig. Der vordere Thoraxteil ist weder viel
länger noch viel breiter als der hintere. Flügeldecken
sehr fein lederartig gerunzelt und punktiert, nur scheinbar schwarz
gefärbt; in der Tat sind sie heller oder dunkler braungelblich; die
schwarze Farbe wird dadurch verursacht, daß der dunkle Körper
und die zusammengelegten stark schwärzlichen Flügel durchscheinen.
— Die Beine sind sehr stark verbreitert, flach und kurz und können
in seichte Ausbuchtungen von Kopf und Körper angelegt werden.
Harrar. Gebel Hakim, Bisa Timo, März bis Juli. Eine Reihe
von Stücken aus Nestern der Pheidole megacephala Fab., hin und
wieder auch bei Pheidole rotimdata Mayr, ilgi Foe. — Ich widme
die Art meinem Vater, der an meinen Bestrebungen stets regsten
Anteil nahm, zum 70. Geburtstage.
Die Kopfdrüsen von Hylotorus.
H. caroh ist die fünfte Art dieser interessanten Gattung, die
man wohl als eine parasitische Degeneration des Paussus-Typus an-
sehen muß. Ihre Mitglieder sind bisher auf Afrika beschränkt:
Süd-Afrika 2 Arten, .Sierra Leone 1 Art, Abessinien 2 Arten. Der
Schutztyp ist aufs höchste entwickelt, da sämtliche Extremitäten
nebst den Mundteilen durch Lage und Bau geborgen sind. Mit an-
gezogenen Gliedmaßen ähnelt unser Tier einer kleinen, für Ameisen-
kiefer unangreifbaren Walze. — Gleichwohl ist der Symphilen-
charakter noch durch die Stirnporen gekennzeichnet. Die Fühler
haben gar keine secretorische Funktion mehr, sind aber ebenso wie
die Schenkel und Tibien der Beine überreich mit großen und
kleineren Sinnesorganen ausgestattet. Auch der feine Haarpinsel
196 ^- Reichensperger,
an der Fühlerspitze besteht aus Sinnesborsten, welche mit einem
mehrfach verzweigten Fühlerläng-snerven in Zusammenhang- stehen.
Die Struktur der Stirnporen habe ich auf Frontal- und Tan-
gentialschnitten durch den Kopf näher untersucht, um Klarheit über
ihre Funktion zu erhalten. Nach den Befunden ist es gewiß, daß
sie der Secretion dienen, und gemäß ihrer kräftigen Entwicklung
dürfte ihnen eine bedeutsame Rolle für das Tier zufallen.
Die äußere Porenöffnung ist von einer verdickten Chitinschicht
wallförmig umgeben, etwas verengt und von länglich-ovaler Form.
Sie bildet den Ausgang einer tiefen becherförmigen Einsenkung;
dieselbe verbreitert sich zunächst etwas, wird dann schmäler und
geht, wieder breiter w^erdend, in ein Bodenstück über. Die Wände
des Bechers werden bis unmittelbar hinter der Verengung von
soliden Chitinlamellen gebildet; dann aber wird das Chitin etwas
dünner und ist von zahlreichen größeren und kleineren, selten regel-
mäßig stehenden Poren durchbrochen. Dieselben liegen meist ziem-
lich dicht beieinander und sind schwach wallförmig umrandet. Auf
diese Art kommt ein umfangreiches Sieb, ein Cribellum, zustande. —
In dichten Lagen befinden sich rings um die Außenwände des
Bechers große Drüsenzellen, von w^elchen jede einzelne einen sich
langsamer oder schneller verengenden Ausführgang zu dem Cribellum
hinsendet, wo er sich an eine Pore anschließt. Der Eindruck eines
Pseudacinus tritt bei Hylotorus viel weniger deutlich zutage, als das
bei den Stirndrüsen von Paussus ciicullatus nach Wasmann 1903 der
Fall ist.
Die Drüsenzellen sind von oval-birnförmiger Gestalt; ihr Plasma-
inhalt ist feinkörnig, wenig vacuolisiert ; die fast stets rundlichen
Kerne sind mittelgroß und liegen dem inneren
Ende der Zellen genähert; sie zeigen mehrere
deutliche Kernkörperchen. In den meisten Zellen
ließen sich trotz einfacher Alkoholkonservieruug
des Materials die Drüsenbläschen sehr gut wahr-
Fig. B. Etwas schräger nehmen ; sie sind im allgemeinen länglich ge-
von^HyMorns] ^Schra^ Streckt, mit deutlichem Kanal in der Mitte, wie
fiert: Gehirn: punktiert: er an dem Querschnitt Fig. 3, Taf. 6 zutage
Zellen mn die beclfer- tritt. — Die Länge der Zellen nebst Ausführ-
förmigeuEinsenkungen. gang kann bis 0,26 mm betragen, bei einer
größten Breite von 0,04 mm. Nach außen zu
wird der ganze umfangreiche Drüsenkomplex von einer einfachen
bis doppelten Lage der chitinbildenden Epithelzellen begrenzt,
Zur Kenntnis von Myrmecopliilen aus Abessinien. 197
welclie am Cribellum sehr reduziert erscheinen; nach innen reichen
die Drüsen bis an das Gehirn, um das sie sich vorn und oben
schwach kapselfürmig gewölbt legen. Die gesamte Tiefe der becher-
förmi<reii Gruben beträgt etwa bis 0,32 mm, ihre größte Breite
0.11 mm. Sie sind, wie oben erwähnt, paarig vorhanden und
konvergieren etwas in ihrem Verlauf nach innen zu. Auf den
Schnitten zeigten sich meist im Lumen der Becher noch Secret-
ansammlungen in ziemlicher Menge von fadiger, feinkörniger Struktur
(Fig. 5 Taf. 6).
Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir in den Elementen des
Drüsenkoniplexes modifizierte einzellige Hautdrüsen vor uns haben,
welche ins Innere des Kopfes verlagert sind. Andere vereinzelte
Diüsen. wie sie bei P. cucidlatns vorkommen, waren im Kopf von
Hi/lotonts nicht zu finden. Auch fehlt hier ein bei jenem vorhandener
Kranz von Sinnesborsten um den Poi-enausgang; nur ganz zerstreute
Sinneshaare wurden angetroffen. Hieraus scheint mir ebenfalls
hervorzugehen, daß der Trutzcharakter den Sj-mphilencharakter
zurückdrängt, wenngleich die Entwicklung der Stirnporendrüsen
selbst keinerlei regressive Merkmale erkennen läßt. Leider ist noch
unbekannt, wie sich die Wirte dem Hylotorus gegenüber verhalten
und ob dessen Nahrung im wesentlichen aus Ameisenbrut besteht,
was ich nach Untersuchung eines Mageninhalts faßt vermuten möchte.
IL Clavigeridae.
1. Clarif/erocles (tbesslniciis Raffe. (1877).
In mehreren Stücken aus Nestern von Acmitholepis capensis
Mayk, cauescens Em. Bisa Timo bei Harrar, April und Mai. Von
Escherich 1906 bei Acantholepis simplex Foe. gesammelt.
2. Clat'if/erodes raffrayi Wasm. (1912).
In einem Exemplar mit den vorigen zusammen bei der gleichen
Wirtsameise. Bisa Timo. Mai.
3. Articeroffe.s sjjriacHS (Saulc. 1865).
Mehrere Stücke dieses sehr kleinen Clavigeriden stammen eben-
falls aus einem Nest von Acantholepis cap. can. Harrar, Juni. Die
Art hat einen verhältnismäßig weiten Verbreitungsbezirk: Syrien,
Mesopotamien, Bukhara. Karatak und Abessinien. wo sie bereits von
198 ^- Reichenspergeh,
Raffeay aufgefunden wurde. Saulcy gibt sie (1874) für Syrien an
als: „Parasite d"une petite fourmi, qui vit sous les pierres"; wahr-
scheinlich handelte es sich um eine Lasius- Art. Dagegen dürften
Raffkay's abessinische Exemplare bei AcantJwlepis gefunden sein,
wenngleich ihre Etikette den Vermerk „Lasius'' trägt (Wasmann,
Krit. Verz., 1894), da Acantholepis cap. und Lasius niger gewisse
Ähnlichkeit besitzen und erstere in einem Teil von Abessinien in
etwa die Stelle zu vertreten scheint, die bei uns L. niger einnimmt.
III. Cossj phodidae.
1. CossiJX>ho(}€S raffrcuji (Gestro 1874).
Die zahlreichen Exemplare dieses durch die Größe der Augen
und durch die Deutlichkeit der Flügeldeckenrippen ausgezeichneten
Cossyphodes stammen alle aus Nestern von Acantholepis capensis
canescens. Es scheint demnach, daß die Art an diesen einen Wirt
gebunden ist, sehr im Gegensatz zu der folgenden. Gestro gibt in
seiner Diagnose an: ,.2jrothorace in medio haud carinato^^. Manche
meiner Stücke zeigen ganz schwache Spuren einer Kielung vorn
und hinten am Prothorax, stimmen im übrigen jedoch vollkommen
mit Gestro's Beschreibung überein. Ein Wirt wird bei Gestro
nicht genannt.
Bisa Timo, Dire Daoua, März bis Juni.
1,9 — 2,5 mm.
2. Cossypliodinus beccaril (Gestro).
Diese Art wurde von Gestro als Cossyphodes beccarii beschrieben,
ist aber nach Bildung der Fühler und Mundteile fraglos ein echter
Cossyphodinus (Wasm., No. 99). Das Tier repräsentiert den reinsten
Schutz- und Trutztyp und dürfte für weitaus die Mehrzahl der
Ameisen-Arten absolut unangreifbar sein. Es ist daher Avenig er-
staunlich, daß es mir mit mehreren Wirten zuging, die sogar zu
verschiedenen Unterfamilien gehören.
Harrar und Dire Daoua, März bis Juni. Bei Camponotus macu-
latiis Fabr. i, sp. mehrfach; bei Acantholepis cap. can. in einigen
Stücken; bei Monotnoriimi afrum Andr. einmal; bei Messor barharus
punctatus am häufigsten.
Die Größe der Art schwankt bedeutend, eine Eigentümlichkeit,
die sie mit der indischen C. indicus Wasm. teilt: 2.5 — 3,7 mm.
Zur Keuutiiis vuu Mvrniecophilen aus Abessinieu. 199
IV. Mtidulidae.
yitidoxH'cten n, (/. Nitidulinorum.
Sulci antenmu'ii recti, panllo convergeutes, lati. Lahr um pro-
funde incisum. Mandihulae apice bifido. Palpi labiales füiformes.
Tarsi anteriores maxime, medii mediocriter, posteriores haud dilatati.
Tihiae anteriores marfiine exteriore suhtiliier serrata. Ihorads hasis
haud >nar(jinata. ()asi)i eli/trorum scntellique obtegens. Prosterntim
in medio carinatum. Ebjtra ahdomen pygidio excepto ohtegentia.
Xitidopecten besitzt viele Ähnlichkeit mit äer Gattuno- Nitidida,
vornehmlich in der allgemeinen Körperform und Behaarung, in der
Bildung des Kopfes, der Mundteile und der Fühler. Wie bei dieser
ist das 1. Fühlerglied nach außen verdickt, und das letzte Glied der
rundlichen dreigliedrigen Keule zeigt etwa in der Mitte eine plötzliche
deutliche Verengung. — Ganz abweichend ist jedoch die Bildung
der Oberlippe, welche tief und ziemlich eng eingeschnitten etwa an
die von Epuraea erinnert. P'erner ist das Prosternum in der Mitte
rundlich längsgekielt und setzt sich zwischen den Coxen der Vorder-
beine in einen sehr kurzen, wenig verbreiterten, gerade abgeschnittenen
flachen Fortsatz fort, der bis vorn auf das Mesosternum reicht. —
Sämtliche Tibien sind etwas von oben nach unten zusammengepießt,
zum Ende hin verbreitert; die vorderen sind zweikantig, die mitt-
leren und hinteren dreikantig, mit zwei nach außen gerichteten
Kanten. Der Außenrand der Vordertibien ist sehr fein regelmäßig
gezähnelt; die Außenkanten der Mittel- und Hintertibien sind stark
beboistet. der Schlußrand ist mit zahlreichen kleineren Dornen und
nach innen mit einem langen Enddorn bewehrt. Der Thorax ist
am hinteren Ende ganz ungerandet und überdeckt die Basis der
Elytien und des Schildchens, das nur schmal, stumpfwinklig zuge-
rundet sichtbar wird. Das Pygidium wird von den Flügeldecken
nicht überdeckt. Der Rand des Thorax und der Elytren ist eng
lind lang beborstet.
Nitidopeeten comes n* sp.
(Fig. 7, Taf. 5.)
Tot US piceus, opacus, pedihus antennisque luteohrunneis. Corpus
ohlongum suhdepressum, Labrum profunde incisum utrimque peniciUatum.
Caput magnum, grosse punctatmn, oculis prominentibus. Thorax trans-
vrrsus, lateribus rotundatus, vix marginatus, angidis anterioribus et
posterioribus obtuse rotundatis. Thorax ehßraque grosse punctata,
200 A. ReICHENSP ERGER.
piibescentia cmrea vestita, latenhus dense anreosetosa. Elytra anguste
marginata, postice rotundata. Abdoniinis segmenta idtima margine per-
longe anreosetosa. Apex libiarum anteriorum inarmatus, mediarum
jwsteriorumque spinis minoribus 16 — 20 et spina singula forti armatus
(Textfig. C). Tarsonini anteriorum articuli 1 — 3 valde düatati, dense
pilosi, hreves, articidus 4 minimus.
$; Long. (i,5, lat. 3,2 mm. ^: Long. 5,2, lat. 2,0 mm.
Fig. C. Fig-. D.
Linkes Hinterbein von Nitidopeden comes. Labrnm von N. comes.
Die auffällige, goldrote, ziemlich lange Pubescenz, welche nicht
nur auf der ganzen Oberseite vorhanden ist, sondern auch unterseits
sowie an den Extremitäten bald kürzer, bald länger sich vorfindet,
sowie die überaus starke, gleichfalls goldrote Beborstung der Ränder
von Thorax, Elytren, Pj^gidium und der Außenkanten der Mittel-
und Hintertibien geben der Art ein besonderes Gepräge. Es scheint
mir keinem Zweifel zu unterliegen, daß die Behaarung im Dienste
der Symphilie steht, zumal sich an einzelnen Stellen Randtrichome
mit genau ebensolchen Verletzungen vorfanden, wie sie an den
Tiichombüscheln der Lomechusen und Atemeies durch allzu stürmi-
sches Belecken und Zerren seitens der Wirtsameisen verursacht
werden. Die Ähnlichkeit der Rand- und Pygidialtrichome mit den-
jenigen mancher Paussiden ist geradezu verblüffend. — Der Auf-
enthalt und die Lebensweise einer ganzen Anzahl von Nitidulineu
bringt diese in vielfache Berührung mit Ameisen, und die bei uns
heimische Amphotis marginata ist als gesetzmäßig myrmecophil zu
betrachten. Bei ihr ist die Behaarung des Körpers jedoch recht
spärlich, und sie steht auch durch Fühlerbildung, Ausbildung der
Flügeldecken, welche das gesamte Abdomen bedecken, u. a. m. unserer
Gattung ferner. Dagegen weisen die meisten Vertreter der Gattung
Nitidtda außer sonstigen oben erwähnten Übereinstimmungen mit
JSiiditopecten eine Beborstung auf, welche, wenn auch im allgemeinen
weit schwächer ausgebildet, doch in den Grundzügen derjenigen
unseres Tieres entspricht. Wir können uns letzteres unschwer als
myrmecophile Anpassungsforra aus ersterer hervorgegangen denken,
zumal die Nitudulinen zumeist bereits in ihrer Gestalt und in den
Zur Keuntuis von Myrniecoiibileu aus Abe.ssiuien. 201
"neckuiie-seiniiclituuo^en für Fühler und Beine einen allg-enieinen
Scliurztypus aufweisen, der ihnen den Ameisen gegenüber nur vor-
teilhaft sein kann.
Abessinien. Dire Daoua. März. Beide Gesclilechter im Nest von
ÄciDit/iolt'pis capensis canescens.
Myriiiecopliile (iehüuseraupeii.
Es ist bereits seit längerem bekannt, daß eine ziemliche Anzahl
von Raupen, meist den Lj'caeniden und Tineiden zugehörig, mit
Ameisen oder Termiten in ein näheres Lebensverhältnis treten
können. Jedoch handelte es sich bisher, soweit Beobachtungen oder
Schlüsse ein Urteil zulassen, stets um Raupen, die durch Abgabe
von Secreten sich ihren Wirten angenehm erweisen, die also be-
stimmte Exsudatorgane besitzen und auf Grund dessen von Ameisen
oder Termiten außerhalb der Bauten aufgesucht, beleckt und ge-
schützt oder gar in den Bauten selbst gehalten werden. Solche
Raupen stehen also mit ihren Wirten im Verhältnis der Symphilie
oder der Trophobiose; sie bedürfen beim Verkehr mit den Wirten
keines besonderen Schutzes für ihren Körper, da diese ihnen freund-
lich gesinnt etwa als Leibwache dienen. — Im Laufe des ver-
gangenen Jahres erhielt ich nun einerseits aus Abessinien von
G. Kristensen, andererseits aus Süd- Afrika von Dr. Brauns ge-
sammelte, höchst eigenartige Gehäuse aus verschiedenen Baustoffen
und von verschiedener Form, welche alle in Ameisennestern gefunden
worden waren. Beim Öffnen der Gehäuse stellte sich heraus, daß
die Insassen Larven waren, und zwar, wie sich bei näherer Unter-
suchung ergab, Schmetterliugsraupen. Daß diese Larven weder
Symphilen noch Trophobionten sein konnten, ergab sich aus dem
Vorhandensein eines festen Gehäuses von selbst; dieselben zeigten
sich nach Baustoff und Form wohl geeignet, ihren Insassen vollen
Schutz gegen die Ameisen zu gewähren. Es blieben nur zwei Mög-
lichkeiten für das Verhältnis von Raupe zu Wirt offen: dasselbe
war entweder ein direkt feindliches oder ein mehr indifferentes.
Aus dem Folgenden wird sich ergeben, daß wir eine Raupenart als
Synechtren im wahrsten Sinne bezeichnen dürfen, während für die
anderen sich das Verhältnis nicht so einwandfrei feststellen läßt.
a) Die Gehäuse.
Sowohl aus Abessinien wie aus Südafrika (Pt. Elizabeth) lagen
je zwei ganz verschiedene Arten von Gehäusen vor. Die einen
202 "^- Rkichensperge«,
waren kleiner, aus einer äußeren Lage ganz regelmäßig kreisförmiger
sciiwarzer oder mehr bräunlicher Plättchen bestehend, welche durch
eine innere Schicht feiner Gespinstfäden zusammengehalten wurden.
Bei dieser Art zeigte sich in der Form und Bauweise zwischen den
abessinischen und südafrikanischen Stücken kaum ein Unterschied,
und wir können sie gemeinsam beschreiben; letztere waren im allge-
meinen etwas kleiner.
Die Form ist die eines mehr oder weniger gestreckten Recht-
ecks mit starker Abrundung der kurzen Seiten (Fig. 9, Taf. 5 und
Fig. 11, Taf. 6). Ober- und Unterfläche sind ganz gleich, nach der
Mitte zu schwach gewölbt, nach dem Rande zu platter, so daß das
ganze Gehäuse fast flach und sehr dünn ist. Die Plättchen liegen
in geordneten Reihen, sich gegenseitig regelmäßig schuppeniörmig
deckend. In der Mitte von Ober- und Unterfläche sehr klein, meist
heller gefärbt, nehmen sie nach dem Rande zu stetig an Größe zu
und sind an den abgerundeten Seiten bei weiten am umfangreichsten.
Hier befindet sich vorne und hinten je eine Öffnung, welche die
ganze Rundung einnimmt, normalerweise aber hermetisch verschlossen
ist. Durch die Führung der inneren Gespinstfäden, welche teils
parallel der Rundung, teils schärfer angezogen von den höchsten
Punkten der Rundung ins Innere und zu den Langseiten verlaufen,
wird nämlich eine Federung bewirkt, welche die sehr dünnen Ränder
der Oberfläche und Unterfläche gegeneinander gepreßt hält. Schneidet
man eine Langseite auf, so rollen sich die gerundeten Ränder ein.
— Die eingehendere Untersuchung der Deckplättchen ergab die
merkwürdige Tatsache, daß dieselben aus Chitin bestehen
und daß die Raupe das Baumaterial vom Körper ihrer
Wirte nimmt! Vorzugsweise entstammt das Material den Hinter-
leibsringen der Ameisen, und die Plättchen werden mittels der Kiefer
ausgeschnitten und durch Gespinst befestigt. Zuweilen erkennt
man an denselben die Stelle, an welcher der Ausschnitt begonnen
wurde, als etwas weniger regulär gerundet oder als minimalen Vor-
sprung. Die Struktur des Chitins, die Verteilung der Poren und
Börstchen, die man in gleicher Anordnung und Ausbildung wie am
Hinterleib der Ameise noch an den Gehäuseplatten mikroskopisch
sichtbar machen kann, beseitigen jeden Zweifel über die Identität
des Materials. — Daß die Hauptnahrung — wahrscheinlich gar die
einzige — der Raupen aus Ameisen besteht, kann uns nach dem
Gesagten nicht wundern. Der in stark verdünnter Kalilauge be-
handelte Raupenkörper zeigt den Darmtractus von Anfang bis zu
Zur Kemituis von Myrmeropliileu ans Abessinien. 203
Ende vollj^eitfropft mit Cliitinteilen von Ameisen: ganze ]\randibeln
und vollständise Kühlergeißeln, welche ihre Zug-ehörigkeit zur Wirts-
ameise noch erkennen lassen, Beinstücke, Fragmente von Thorax
und Abdomen werden sichtbar. — Die Wirtsanieise ist in Abessinien
fast stets Acautholepis capensis ca)wsrens; nur in einem Falle war
Flirldolc megacephala als Wirt mitgesandt. Umgekehrt kommt für
Süd- Afrika in erster Linie PheUJole capensis Mayk in Betracht,
während die Gehäuse dort nur vereinzelt bei Acantholepis capensis
i. sp. Mayr gefunden werden (briefl. Mitteilung Nr. 17 von Dr. Brauns
an Wasmann 25. 4. 1898). Die Färbung der Gehäuse läßt meist ohne
weiteres die Bestimmung der ^^'irtsameise zu; die bei den schwärz-
lichen Acantholepis gefundenen sind schwarz, abgesehen von einer in
der Regel vorhandenen helleren Mittelpartie; die bei den braunen
PJieidole vorkommenden sind entsprechend heller oder dunkler braun.
Die helle Mittelpartie, welche die kleinsten Plättchen umfaßt, ist
der zuerst gebaute Teil des Gehäuses. Die jungen Räupchen werden
noch nicht imstande sein, das zähe bereits festgewordene Ameisen-
chitin zu bearbeiten, und benutzen daher Teile von Puppen oder von
noch nicht ausgefärbten weichen Tieren zu ihrem Bau.
Das kleinste abessinische Gehäuse maß 4,8 mm in der Länge
zu 1,6 mm Breite; das grfißte hatte 10 mm X 3 mm bei 1,2 mm
Dicke: die zu letzterem Gehäuse gehörige Raupe war etwa 7 mm
lang. Die süd-afrikanischen Gehäuse maßen von 5,4 X 1;5 bis
7 ■: 2,2 mm.
Ob diese mj-rmecophagen Raupen sich an gesunde Ameisen
wagen, läßt sich schwer beurteilen; jedoch halte ich es für möglich.
Dafür spricht der unverletzte Zustand ganzer Fühlergeißeln, die
bald nach dem Tode der Ameisen spröde und brüchig werden, im
Vorderdarm der Raupen. Vorzugsvveise werden sich dieselben aller-
dings von Puppen und Brut sowie von kranken Ameisen nähren;
im Abfallnest sind sie, wie die folgenden, nach Dr. Brauns' und
Kristensen's Mitteilungen, gleichfalls zu finden. Soweit sich aus
der Untersuchung der Chitingehäuse und ihrer Insassen sagen läßt
— die süd-afrikanischen Stücke wai'en trocken präpariert und daher
die Untersuchung der Raupen sehr erschwert — dürfte es sich,
trotz der weiten Entfernung zwischen den Fundorten, um dieselbe
Raupen-Art handeln. Sollte sich später eine Verschiedenheit er-
geben, so wäre den markanten Beispielen für Konvergenz-Erschei-
nungen, wie sie die Myrmecophilen häufig bieten, ein weiteres hinzu-
zufügen.
204 ^- Reichensperger,
Aus Port Elizabeth lagen mir von Dr. Brauns ferner drei Sand-
gehäuse von erheblicher Größe vor, welche Raupen bzw. eine Puppe
bargen. Ihre Gestalt erinnert an die eben beschriebenen, ist aber
im ganzen mehr elliptisch und unregelmäßiger, nach einer Seite
etwas schmaler. Der Baustoff besteht aus Quarzkörnchen, die längeren
Seiten sind geschlossen, vorn und hinten wird die Rundung wieder
von je einer breiten Spaltöffnung eingenommen, welche in gleicher
Art selbstschließend ist. Das kleinste Gehäuse maß 2,4 cm > 1 cm,
das größte (Puppe) 3,1 X lj2 cm bei 3 mm Dicke. Die leere Puppen-
hülle aus letzterem hatte 1,5 cm Länge. Die Wirtsameise ist Phei-
clole capensis Mayr.^)
Endlich gingen mir in großer Zahl eigenartige Sandgehäuse aus
Abessinien zu, deren kleinstes 0,5 >( 0?^ cm, deren größtes 1,7X0,9 cm
maß. Die Form derselben ist besonders in jüngeren Stadien breit-
gerundet oval; später nehmen sie meist an Länge mehr zu als an
Breite. Dagegen bleibt ihre Dicke fast bis zur Verpuppung der
bewohnenden Raupen annähernd gleich gering, nämlich nur ^/g— ^/4 mm.
Dieses ganz flache Gehäuse (Fig. 8, Taf. 5; Fig. 9, Taf. 6) wird aus
zwei gleichen dünnen Teilen gebildet, welche nur in der Mitte der
etwas längeren Seiten an gegenüberliegenden Stellen eingeschnitten
und nur hier miteinander fest verbunden, im übrigen
aber ganz frei sind. Gleichwohl liegen die freien Ränder der
Blätter durch bestimmte Anordnung der inneren Gespinstfäden, die
sich zum großen Teil in Bögen zu den Einschnitten hinziehen,
einander so fest federnd an, daß es schwer ist, mit einem feinen
Skalpell das obere Blatt vom unteren zu heben. Läßt man los, so
tritt selbsttätiges Schließen ein. Für die recht flache Raupe hat
die Behausung große Vorteile, vor allem ist die schwerere Beweg-
lichkeit, die den meisten Gehäuseträgern anhaftet, vermieden.
Überall am Rande, nach vorn wie nach hinten, kann der Kopf vor-
gestreckt werden, da das Tier sich innerhalb des Gehäuses voll-
ständig umdrehen kann. Die Oberfläche der Wohnung besteht aus
feinsten Erd- und Sandpartikelchen, die der Umgebung entnommen
sind, das Gehäuse also unscheinbar machen. Dazu ist das Ganze
sehr leicht und kann ziemlich rasch fortgezogen werden, wovon ich
mich ebenso überzeugte wie von der großen Lebenszähigkeit der
Tiere. — Herr G. Kristensen sandte mir auf Bitte gegen Mitte
1) Nach einer mir während des Druckes dieser Arbeit zugegangenen
Mitteilung von Dr. Brauns kommen diese südafrikanischen Quarzgehäuse-
ßaupen häufiger in Abfallhaufen fern von Ameisen vor.
Zur Kenntnis von Mviniecophilen aus Abessinien. 205
Juni 1912 einige '20 lebende Exemplare vun Harrai' und zwar in
einer Streicliliolzscliachtel ; 18 überstanden den 3wöchig:en Transport
gut. und diese lioffte ich teils zur Verpuppung und zum Aussclilüi)fen
zu bringen. Da mir die eigentliche \\'irtsameise, Acantholepis capensis
(■(üiesceus, unzugänglich war, brachte ich die Tiere zu Lasius nigery
Lasius flavus und Myrmka laevinodis in Lübbock- und JANET-Nester,
hielt auch mehrere isoliert im Gipsnest. Letzteren gelang es zu
entweichen, obwohl das Nest keine Lücke aufwies, welche einer
Mijrmica oder einem LasiMS-Arbeiter gestattet hätte zu entkommen.
Einen der Flüchtlinge fand ich am 16. August im Innern eines
lange nicht geütfneten, dicht schließenden Bücherschrankes an einem
Buchrücken aufwärts kletternd wieder, ein Beweis, wie vorzüglich
die dünnen geschmeidigen Gehäuse sich zur Bewegung durch sehr
enge Spalten und Gänge eignen. — Die kleinen Kolonien von L.
flavus und Myrmica besaßen keine Brut; die eingesetzten Raupen
wurden gänzlich ignoriert und bewegten sich noch mehrere Wochen
herum, dann gingen sie vielleicht aus Nahrungsmangel zugrunde.
Die Bewegungen gehen ziemlich rasch vor sich; sichtbar werden
außer dem Kopf meist 2 Brustringe und die Vorderhälfte des 3.
Bei plötzlicher Berührung oder Belichtung erfolgt ein blitzschnelles
Zurückziehen, ähnlich wie bei unseren C/?//>-«-Larven. Von 6 Raupen,
die ich am 18. Juli zu Lasius niger (ca. 50 Arbeiter, zahlreiche
Larven und Puppen) setzte, leben 2 noch heute, 26./1. 1913; die
Raupen liegen ruhig, anscheinend ausgewachsen, im Gehäuse jedoch
ohne sich zu verpuppen, obwohl sie im warmen Zimmer gehalten
wurden. Das stetige allmähliche Verschwinden von Las^^s-Larven
ließ keinen Zweifel, daß dieselben von den Raupen verzehrt wurden;
der Darminhalt in Abessinien konservierter Tiere zeigte ebenfalls
Reste von Larvenhäuten, mehr aber kleine Bruchstücke der Cliitin-
bekleidung ausgewachsener Ameisen oder Puppen, ferner oftmals die
fast unversehrten Hartteile von Milben, Erd- und Sandpartikel u. dgl.
— Diese Raupen dürften sich meist im Abfallnest aufhalten und wohl
eher den nur gelegentlich schädlichen, im allgemeinen indifferenten
Einmietern zuzuzählen sein als den eigentlichen Synechthren. Nach
zahlreichen Funden sind sie fraglos gesetzmäßig myrmecophil.
b) Die Raupen.
Da die Aufzucht der Raupen mir bisher nicht gelungen ist, war
es bei der geringen Kenntnis vornehmlich der exotischen Micro-
lepidopteren-Larven und deren Systematik nicht leicht, zu einem
206
A. Reichenspbrger,
Urteil über die Zugehörigkeit der Raupen zu kommen. Der Ver-
gleich mit bekannten Formen ließ lediglich den Schluß zu, daß die
abessinischen und süd-afrikanischen Chitingehäuseträger wahrschein-
lich den Psychiden, die abessinischen Sandgehäuseraupen wohl den
Tineiden zuzurechnen seien und letztere vielleicht den Adelinen
nahestehen dürften, obwohl sie sich in manchen Punkten höher
organisiert zeigen. Bezüglich der süd-afrikanischen Sandgehäuse-
raupen gewährte das geringe trockene Material keine genaue Unter-
suchung. Ich gehe auf den Bau der Raupen etwas näher ein, da
er manche Eigentümlichkeiten zeigt, welche teils aus der Lebens-
weise ihre Erklärung finden,
1. Chitin gehäuseraupen. Ihre Länge beträgt bis reichlich
7 mm bei einer größten Breite von 1,7 mm. Der Körper ist im
allgemeinen drehrundlich, in der Mitte von oben nach unten etwas
Fig. E.
Fig. F.
Fig. E. Kopfkapsel der Chitingehäuseraupe (Abessinieu). Beschreibung im
Text. Vergr.
Fig. F. Kopfkapsel der Saudgehäuseraupe (Abessinien\ Vergr.
zusammengepreßt. Der Kopf und die beiden ersten Thoraxsegmente
sind stark chitinisiert, schwarz gefärbt, das 3. Segment ist in der
vorderen größeren Hälfte weißlich, weichhäutig und ermöglicht ein
rascheres Einziehen der ersten Segmente; die hintere Hälfte ist
chitinisiert, schwärzlich. Der ganze übrige Körper ist weiß. — Die
Kopfkapsel (Textfig. E) zeigt in ihrem vorderen Teile sehr starke
und kräftige, nach hinten zu gar keine ausgebildete Beborstung,
jedoch einige Rudimente von solcher nebst Hautsinnesorganen. Das
Epistom ist gradseitig, ein gleichschenkliges Dreieck bildend und
weit nach hinten reichend. Der Postclypeus trägt die 4 Clypeal-
borsten; das Labrum ist vorn tief eingeschnitten, herzförmig und
Zur Keuutuis vou Myrmecophilen aus Abessinien,
207
trägt 10 starre fast gerade Dolchborsten auf der Oberseite. 4 kräftige
rhitiiizähne und zahlreiclie feinere zerstreute Zälinchen auf der
Unterseite. Die Kopf kapsei besitzt lateral vorn 6 Ocellen, zwischen
denen 3 Ocellarborsten stehen. Die Antennen sind 4gliedrig (3gliedrig),
höchst aufiällig kurz und gedrungen; die Entwicklung ihrer Dolch-
borsten ist sehr stark und vor allem die Ausbildung der Borste des
vorletzten Gliedes sehr kräftig (Textfig. Ha).
Den Antennen unmittelbar benachbart liegen die ausgesprochen
liandförmigen, özähnigen Mandibeln. Sie erinnern unwillkürlich an
die Kiefer gewisser Ameisen. Nahe der Basis besitzen sie 2 kräftige
Fiar. G.
Fig. H.
Fig. G. a ^^landibel der Chitingfehänseraupe, b der Saudgehäuseraupe (Abes-
sinieu). Winkel Obj. 5a, Ok. 2.
Fig. H. a Auteune der Chitin-, b der Sandgehäuseraupe (Abessiuien); eben-
falls gleiche Vergr. Winkel Obj. 5a, Ok. 2.
Borsten iTextlig. G). Die Mandibelform zeigt eine hohe Speziali-
sierung und feinere Ausarbeitung des ursprünglichen Psj'chiden-
Charakters, die eine Erklärung der Kunstfertigkeit des Tieres auf
der einen Seite, der räuberischen Lebensweise auf der anderen Seite
nahelegt. Das Mentum nebst Spinnkegel und gut ausgebildeten
Labialpalpen zeigt keine Besonderheiten. Die Maxillarpalpen haben
in der Ausbildung des 3. und 4. Gliedes mehr Ähnlichkeit mit den
Tineiden als mit den Ps3'chiden. Die verwachsenen Lobi interni +
externi tragen 3 größere und 1 kleinere Dolchborste, das 4. Taster-
Zool. .lahrli. XXXV. Abt. f. Syst. 14
208 ■^- Eeichenspergbr,
glied ist sehr klein, trägt auf der Spitze ein feines Haar: das
3. Glied besitzt 5 kleine Dolchborsten; sämtliche Glieder sowie die
verwachsenen Lobi zeigen je 1 großes Hautsinnesorgan. Stipes und
1. Glied besitzen nach der Innenseite je 1 lange Borste.
Der Kopf ist zum größten Teil in das 1. Thoracalsegment zu-
rückziehbar, eine Eigenschaft, die den Psj^chiden allgemein zukommt
und die eine Erklärung für die mangelnde Beborstung des hinteren
Teils der Kopfkapsel gibt. Das Beinpaar des 3. Segments ist das
längste, das des 2. etwas, das des 1. viel kürzer und gedrungener.
Die Beborstung zeigt keine Besonderheiten, ist aber sehr kräftig;
außerdem trägt das Femur innen eine große Zahl stachelartiger Chitin-
zähnchen (Textfig. Ja). Die Krallen sind scharf, glatt, etwas gebogen.
Bei der Untersuchung der systematisch wichtigen Sclerit-
anordnung auf den Abdominalsegmenten ergab sich eine Schwierig-
keit daraus, daß die charakteristische Beborstung, selbst die primäre,
zum größten Teil bei sämtlichen Gehäuseraupen höchst rudimentär
war oder ganz fehlte. Nur seitlich finden sich unterhalb der Stigmen
oder zwischen diesen und den Suprastigmalia längere Härchen.
Dieser Wegfall läßt sich wohl daraus erklären, daß jede, w^enn auch
schwache Beborstung der Ober- und Unterseite eine Hemmung für
Bewegungen des Tieres im Gehäuse bilden würde; vor allem wäre
ein vollständiges Umdrehen im Innern, wie es die abessinischen
Sandgehäuseraupen nach meinen Beobachtungen ausführen können, mit
großer Schwierigkeit verbunden, zumal die Gehäuse sehr flach sind.
Daß den Chitingehäuseträgern ebenfalls die Möglichkeit des
Sich Wendens innerhalb der Wohnung gegeben ist, läßt sich aus
dem Vorhandensein der beiden Öffnungen und daraus schließen, daß
an beiden Seiten gleichmäßig weitergebaut wird. In den engen
Gängen eines Ameisenbaues ist diese Fähigkeit, sich innerhalb des
Gehäuses drehen und den Rückweg antreten zu können , ohne das
ganze Gehäuse umkehren zu müssen, von großer Bedeutung. —
Die Anordnung der Sclerite ist am klarsten bei Tieren zu er-
kennen, welche nach vorhergegangener langsamer Härtung in steigen-
dem Alkohol längere Zeit in einer flüssigen Mischung von Xylol-
Paraffin belassen, dann kurz mit Xylol abgewaschen und getrocknet
wurden.
Das 1. Abdominalsegment zeigt ein großes Dorsalsclerit und
jederseits ein Suprastigmale; beim 2. Segment zerfällt das Dorsal-
sclerit in einen vorderen und hinteren Transversalteil; vom 3. Seg-
Zur Kenntuis von Myrmecophilen aus Abessinien.
209
ment an zerfällt das hintere Sclerit in zwei seitliche Teile, eine An-
ordnung, die bis zum 7. Segment einschließlieh bleibt. Das 8. Segment
besitzt gleich dem 2. ein vorderes und ein einheitliches hinteres
Sclerit, das 9. und 10. Analsegment nur je ein einheitliches größeres
Sclerit. — Die Ventralseite zeigt auf dem 1. Segment vier, dann
weiterhin fünf an Umfang wechselnde Ventralsclerite sowie jeder-
seits ein Infrastigmale. Das 3.-6. Segment sowie das letzte be-
sitzen deutliche, wenn auch wenig vorspringende Hakenkranzfüße
(Textfig. Ka). Die Zahl der Haken ist zwischen 16 und 22 wech-
Fig. J.
Fig. J. Linkes Vorderbein: a der Chitingehäuse-, b der Sandgehäuseraupe
(Abessinien). Winkel, Obj. ;-ia, Ok. 2.
Fig. K. Hakenkranzfüße : a der Chitingehäuse-, b der Sandgehäuseraupe von
Port Elizabeth. Winkel, Obj. 3a, Ok. 2.
selnd, Füße des gleichen Segments können einerseits 17, andrerseits
19 oder 20 Haken besitzen. Die Kränze sind meist rundlich kreis-
förmig.
2. Sandgehäuseraupen (Abessinien). Die größeren
Exemplare hatten eine Länge von etwa 1 cm bei 1,3 — 1,5 mm Breite.
Im äußeren Aussehen erinnern sie an ^f/e?rt-Raupen , da die Seg-
mente des Hinterleibes seitlich vorspringen und voneinander durch
deutliche Furchen getrennt sind. Die Farbe ist bräunlich-weiß,
jedoch kommen auch ganz weiße Stück vor. Die Thoracalsegmente
sind dorsal schwärzlich, stark chitinisiert, jedoch bleibt an jedem
Segment ein vorderer schmaler etwas halbmondförmiger Teil weiß-
lich und weicher; er ist auf dem 1. Segment klein, auf dem 3. reicht
er zuweilen über die Hälfte.
14*
210 -^- Reichensperger,
Die Kopfkapsel (Textfig. F) ist wie bei der vorher beschriebenen
Form hinten ganz otfen. Das Epistom ist hier kürzer, seine Seiten
sind geschwungen, und seine Borsten stehen anders zueinander; die
sonstige Beborstung des Kopfes ist ähnlich wie bei der Chitingehäuse-
raupe geschildert wurde; die einzelnen Borsten sind verhältnismäßig
schwächer, jedoch greift die Beborstung weiter auf den Hinterkopf
über. Mit Sicherheit waren nur 3 Ocellen mit ihren 3 Ocellarborsten
aufzufinden; diese geringe Ocellenzahl hängt wohl mit der Lebens-
weise im Dunkeln zusammen, wie ja auch bei Tineola sogar ein
vollständiger Schwund der Ocellen festgestellt werden konnte. Das
Labrum ist vorn sanft ausgeschweift, viel weicher als bei der
vorigen Form und zeigt die gewöhnlich vorkommenden Borsten in
typischer Zahl und Stellung, Die 4 vordersten Mittelborsten scheinen
ganz besonders als Sinneswerkzeuge ausgebildet, da sie feine Doppel-
spitzen haben. Die Antennen (Textfig. Hb) sind langgliedrig, mit
2 sehr kräftigen Dolchborsten und langen gewöhnlichen Borsten auf
dem 2. Gliede, das seitlich ein großes Sinnesorgan trägt. Die Man-
dibeln sind breit und kräftig, etwa löifelförmig, mit einer stark
chitinisierten scharfen Spitze und schwächerem Seitenzahn (Textfig. Gb).
Die Maxillarpalpen stimmen in ihren Teilen fast vollständig mit
denen der Chitingehäuseraupen überein, sind aber weniger ge-
drungen. An den Beinen, welche im Verhältnis zur Größe des Tieres
schwächer sind, ist die Beborstung gleichgestellt, aber schwächer
entwickelt, die Stacheln des Femurs fehlen, die Krallen sind weniger
kräftig.
Von den Scleriten des Abdomens tragen nur einige der Stig-
malia sowie die ersten Dorsalia deutliche primäre Börstchen. Alle
Abdominalsegmente besitzen bis zum vorletzten dorsal 4 ganze,
ziemlich gleichartige Sclerite, d. h. ein Supradorsale anterius, ein
Supradorsale posterius sowie rechts und links je ein rundlich ovales
Suprastigmale. Vorletztes und letztes Segment besitzen nur je ein
Supradorsale. — Auf der Unterseite tragen die ersten beiden Seg-
mente je ein Mittelsclerit; 3.-6. Segment besitzen breitgezogene,
sehr wenig vortretende Hakenkranzfüße und nur geringe Sclerit-
spuren. Das 7. Segment trägt zwei kleinere, die folgenden je ein
großes Mittelsclerit. Die Kranzfüße besitzen 41—45 Haken, die
kaum kenntlichen Nachschieber tragen eine einfache Reihe von 22
bis 28 Haken.
Die Süd-afrikanischen Sandgehäuseraupen zeigen, so-
weit sich erkennen ließ, große Ähnlichkeiten mit den vorgenannten,
Znr Keimtuis von Myrraecophilen ans Abessinieu. 211
vornehnilicli in Bildiiiiy der Miindteile. Die Mandibeln sind von
gleicher Fürni, jedoch stumpfer und ohne deutlichen Seitenzahn;
ebenso sind Epistom und Labrum ähnlich gestaltet, jedoch sind
beiderseits je 6 große Ocellen vorhanden. Die primäre Beborstung
ist stärker und deutlich, die Scleritanordnung war nicht mehr kennt-
lich. Die Gestalt der Kranzfüße und Nachschieber sowie die Zahl
der Haken erwies sich als übereinstimmend. Auf alle Fälle ist eine
sehr nahe Verwandtschaft zwischen der abessinischen und der süd-
afrikanischen Form vorhanden.
Sämtliche Raupen verpuppen sich, soweit ein Urteil möglich,
ohne weitere Gespinstbildung nach einer letzten Häutung innerhalb
ihres Gehäuses.
Eine neue niyrmecopliile Eiichariuide.
(Farn. Chdlddidae.)
Psiloffaster fraiidulentus u. sp,
Totus cyaneus, antennis nigris, articulo secundo fulgido ; femora in
medio lote cyaneoviridea, apice eorum, Uhiarum tarsarumque art. 1 — 3
fulvis. art. 4 et 5 ohscurioribus. Caput, pro- et mesothorax grosse
punctata: axillae, scutellum dorsellumque maxime coriacea; metathorax
et pediceUium densnis sichtiUter punctata. Alae translucidae, vitreae,
breviter pilosae.
<^, ?: 2,7—3 mm.
Dem P. cupreus Blanch. nach Fühlerbildung und Körperbau
anscheinend nahe verwandt, unterscheidet sich fraudiüentus von
ersterem durch die gei-ingere Größe und andere Färbung des Körpers
der Flügel und Beine.
Die Fühler sind llgliedrig, scheinbar lOgliedrig, da das 2. Geißel-
glied sehr klein und mit dem 3. eng verbunden ist. Beim $ bilden
die beiden letzten Fühlerglieder eine Art von Keule. Das 3. Geißel-
glied ist ziemlich lang und gestreckt, die folgenden werden ganz
allmählich etwas kürzer, sind jedoch alle unter sich fast gleich. Das
letzte Glied des ^ fast keulenförmig, an der Spitze gerundet. Die
ganze Geißel ist seitlich etwas zusammengedrückt. Fühlerfarbe
schwarz, dicht weißlich behaart, das 2. Glied (Pedicellus) etwas
grünblau schimmernd. Schenkel in der Mitte breit blaugrün, Beine
sonst gelbbraun, letzte Tarsenglieder dunkler. Alle Beine schlank,
Schenkel kaum verdickt. Je 5 Tarsenglieder, deren 1. das längste,
212 A. Reichenspergeh,
das 2. etwa ^/^ von 1.. 3. und 4. noch kleiner werdend, das 5. wenig
kürzer wie das 1. — Augen halbkuglig vorspringend ; Kopf von vorn
dreieckig mit einer sehr flachen Einsenkung vom Clypeus zur Mittei-
ocelle. — Clypeus und Einsenkung fast glatt, kaum punktiert, der
übrige Kopf tief eingestochen rauh punktiert. Über dem Scheitel
von den Seitenocellen zum Augenrand verläuft eine deutliche feine
Furche. Oberlippe 4spitzig, jede Spitze mit starrer Sinnesborste.
Mandibeln sichelförmig, unsymmetrisch (Textfig. L). Fühler etwa in
der Mitte der Einsenkung erhöht eingelenkt.
Fig. M.
Fig. L. Kopf vou P. fraudulentus vou vorn. o^.
Fig. M. Mäunchen uud Hinterleib des Weibchens vou P. fraudulentus, bei
gleicher Vergr. Winkel, G., Ok. 2.
Prothorax wenig gewölbt, etwas zusammengedrückt, Mesothoi-ax
hochgewölbt, jederseits eine Kuppe bildend, nach hinten steil ab-
fallend und auf dem abfallenden Teil stark längsrunzlig. Scutellum
aufgetrieben, sehr tief und grob eingestochen punktiert. Hinterleibs-
stiel feiner punktiert, lang und dünn, beim $ etwas länger als beim (^.
Abdomen seitlich stark zusammengedrückt, hochgewölbt, glatt und
glänzend, mit sehr zerstreuter spärlicher Punktierung.
Harrar, Mai, $, (^; Puppen beider Geschlechter; eine ältere
Larve.
Mit seinem Wirt, Pheidole megacepliala Fab., steht unser Tier
in ebenso engem Zusammenhang wie in Nordamerika die Gattung
Orasema Ashmead mit Pheidole hingi Andee suhsp. instabüis Em.
und anderen Pheidole- Arten. Auch die Entwicklung scheint nach
Zur Kenntnis vou Myruiecophileu aus Abessiuien. 213
dem mir vorliegenden ^laterial in ganz ähnlicher Weise zu verlaufen.
P. fraHdxloitHs ist ein Brutparasit von PJiciilole, aber seine Larven
sind nicht, wie man erwarten sollte, Ento- sondern Ectoparasiten.
Das einzige mittlere Larvenstadium, das ich erhielt, saß an einer
vor der Verpui)pung stehenden P/ieidole -hRwe in der Prosternal-
region fest. Die Larve hatte einen eingeschrumpften Körper. Die
Fsllof/i(ster-ha.rye wies übereinstimmend mit den Orasema-hRYven
jederseits' auf den Segmenten je 2 Knötchen auf, die den Eindruck
von Exsudatknospen machen. Für solche möchte ich nämlich die
Knoten in Anspruch nehmen, obwohl mir eine Schnittserie wegen
schlechter Konservierung keine Sicherheit über ihren Bau gewähren
konnte (vgl. ^^'HEELER, 1907, fig. 19, tab. 2). Derartige eigentüm-
liche Knotenbildungen zeigen sich auch an den Puppen von Psüo-
gaster und zwar am stärksten bei den jüngeren Stadien (Taf. 6
Fig. 12). Der Hinterleib ist mit einer Anzahl wallförmiger Er-
hebungen umgürtet, die seitlich und oben in der Mittellinie Ver-
dickungen aufweisen. Ferner liegen drei kuglige stark vortretende
KiK'itchen zwischen Metathorax und Abdomen über dem Pedicellus;
endlich besitzt die Vorderseite des Kopfes oben mehrere kuglige
Voisprünge. An älteren Puppen treten alle Gebilde mit Ausnahme
der drei mittleren weniger scharf hervor. Mag man diese Knoten
nun vorläufig als eine Art von Exsudatknospen ansprechen oder
nicht, sicher ist. daß die Psi?o^as/er-Larven wie die Puppen ihren
Wirten höchst angenehm sind; sie werden von ihnen gepflegt und
beleckt und wie mir Herr Kristensen ferner schrieb, stürzen sich
bei Eiöffnung eines Nestes die Pheidole zunächst auf die Puppen und
Larven von Psilogaster und suchen sie in die untei-eu sicheren Nest-
gänge zu transportieren; erst dann bekümmern sie sich um ihre
eigene Brut und suchen diese zu retten. — Der Einfluß des Para-
siten auf die Ameisen ist natürlich ein höchst verderblicher. Die
von den Psilogasier-lj?iY\^\\ befallenen Entwicklungsstadien werden
durch Entziehung der Körpersäfte gehemmt und geschwächt, ohne
jedoch getötet zu werden. Sie sind befähigt, sich zwar noch zu
verpuppen, bleiben dann aber in der Entwicklung stehen. Ein
Exemplar einer so verkrüppelten Puppe eines P/?e/rfo/e-Arbeiters lag
mir vor. Dieselbe ist ganz zusammengeschrumpft, die Extremitäten,
besonders die Fühler, haben ein runzeliges Aussehen, der Thorax-
teil ist dünn und schmal, Kopf und Mundteile sind verkümmert.
\\'heeler belegte derartige Wesen mit dem bezeichnenden Namen
Plitisergates (bzw. Phtisogyne und Phtisaner). Sie haben keine
214 A. Reichensperger,
Kraft mehr zur vollen Entwicklung-, kommen also nicht über den
Puppenstand liinaus; sie liegen unverändert einige Zeit im Nest
und werden dann von den Arbeitern zum Abfall gebracht oder auf-
gezehrt.
Die Übereinstimmung der Lebensweise räumlich so weit von-
einander getrennter verschiedener Gattungen wie Orasema und Fsüo-
(jaster zeigt wiederum deutlich das Bestehen ganz bestimmter Ent-
wicklungsrichtungen. Leider genügen unsere bisherigen Kenntnisse
der biologischen Eigentümlichkeiten der interessanten Gruppe der
Euchariniden noch in keiner Weise zu einer Schlußfolgerung über
die bestimmenden Ursachen dieser Entwicklung; ebenso bedarf es
weiterer Beobachtungen und vor allem der Feststellung histologischer
Einzelheiten, um zu einer sicheren Erklärung des merkwürdigen ein-
seitigen Freundschaftsverhältnisses der Ameisen zu ihren Parasiten
zu gelangen.
3If/i'mecophila meneliki n. .y/>. {Gryllodea.)
Tota brunnea vel fuscohrunnea , pedibus et cercis ochraceis, caput
dorsumque setis aureis hrevissimis vestitum. Antennae 65 — 80 articulis
compositae, corporis longitudinem aequantes vel paidlo superantes. Oculi
parvi. Mandihula 4dentata ; maxillarum primarum lobus internus deute
longo perspieue arcuato biacuminato armatus. Tibiae anteriores et mediae
apice infra spina unica, supra seta crassiore instrudae ; tibiae posteriores
spinis septenis magnis, quarum primae inter se aequales.
Während M. meneliU sich in allen anderen Kennzeichen als der
Gattung Myrmecophila s. st. zugehörig erweist, zeigt sie eines, welches
SiLVESTRi's Gattung MyrmecopMlina (1912) zukommt, nämlich den
Besitz nur eines Dornes am unteren Ende der Vorder- und Mittel-
schienen, während die übrigen Myrmecophila- Arten dort stets 2 Dornen
aufweisen. Die Mitte des Dornes trägt ein Haar. Ein Metasternal-
anhang, wie er sich bei Myrmecophilina ochracea vorfindet, fehlt bei
unseren Tieren, ebenso die auffallend starke Beborstung des c^.
Die Farbe ist bei kleineren Exemplaren dunkler, bei größeren
meist heller braun. Über die ganze Eückenlänge zieht sich in der
Mitte, am Vorderrande des Thorax beginnend, eine feine helle Linie.
Das Pronotum ist so lang wie Meso- und Metanotum zusammen;
letztere beiden und das 1. Abdominalsegment sind unter sich gleich-
lang. Der Legestachel ragt beim Weibchen weit vor; die unteren
Lamina sind am Ende krallenförmig, mit schwachgebogener Spitze:
die oberen Lamina sind seitlich fein ^ezähnelt.
Zur Kenntnis von Myiniecophilen ans Abessinien.
215
Die Alleen sind klein, ab^^erundet quadratisch, mit 20. in Reihen
ziemlich dicht aneinanderliegenden großen Facetten (Textfig. P). In
der unteren Außenecke zeigen sich bei stärkerer Vergrößerung durch
sehr feine Umrisse leicht angedeutet die Rudimente einer größeren
Anzahl von Facetten. Die Hinterbeine (Textfig. N) sind Verhältnis-
^m^
Fig. 0.
Fig. N. Linkes Hinterbein von Myrniecoph. mene-
liki. Winkel, Obj. G., Ok. 4. 36 : 1.
Fig. 0. Maxillen und Taster von M. menellki.
Fig. P. Auge von M. meneliki.
mäßig schlank, die Schenkel knapp halb so lang
wie der Körper, die Tibien fast gleichbreit, mit
7 Dornen hinter der ersten Hälfte. Von diesen
sind die 3 ersten unter sich gleichlang, ein
Fig. N. gutes Kennzeichen der Art, da bei allen bisher
bekannten Formen stets der 1. Dorn kleiner
als der 2. ist oder nur in einem Falle den 2. an Länge übertrifft. Der
4. Dorn (an der Außenseite stehend) ist weitaus der längste, der
folgende erreicht ^!^ von dessen Länge, während die letzten etwa
den ersten gleichkommen. Das L Tarsalglied besitzt einen kleinen
Dorn in der Mitte der ersten Hälfte und einen zweiten solchen ein
wenig vor der Mitte der zweiten Hälfte; am unteren Ende folgen
ein längerer und ein wenig kürzerer Dorn.
Die Länge des $ beträgt 2,5 — 4,2 mm ohne Legescheide, letztere
kann bis 1 mm lang werden; die Breite kann 1 — 1,6 mm erreichen.
0*: 8 — 3,5 mm lang.
Abessinien: Harrar, Dire Daoua, Bisa Timo. In zwei Kolonien
von AcAintholepis capensis canescens 7 $$, 1 c^, 2 ältere Larven. Bei
Camponoius mactdatus F. i. sp. 5 große $$. Bei Hieidole megace-
phala i. sp. 3 (^^. 1 $, mehrere Larven. Bei Camponotus riifoglaucus
216 A- Reichensperger,
Jeed., st. flavomarginatus Maye 2 $$. — Die bei AcantJwlepis ge-
fundenen Exemplare sind sämtlich, obwohl meist vollständig aus-
gebildet, kleiner als die aus den Cam^Mnotus-N estein; die Pheidole-
Stücke halten etwa die Mitte zwischen beiden, nur ein (^ war be-
sonders groß.
Bonn, 12. März 1913.
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Singular abnormalities due to parasitism in: Bull. Amer. Mus. nat.
Hist., Vol. 23.
Zur Kenutuis von Myrmecophilen aus Abessinieu. 217
Erklärunar der AbMlduusren.
Tafel 5.
Fig. 1. Panssiis anxius n. sp. 9:1.
Fig. 2. P. modestus n. sp. 9:1.
Fig. 3. P. capreolus n. sp. 9:1.
Fig. 4. P. kristenseni n. sp. 5:1.
Fig. 5. P. glohiceps n. sp. 5:1. a Männchen, b Weibchen.
Fig. 6. Hylolonis caroli n. sp. 9:1.
Fig. 7. Nitidopecten comes n. (j. n. sp. 6:1. $ (Thorax etwas
verschoben).
Fig. 8. Sandgehäuse mit "Wirtsameise (Abessinien). 4.5:1.
Fig. 9, Chitingehäuse nebst zugehöriger Raupe (Abessinien). 4,5 : 1.
Tafel 6.
Fig. 1. Exsudatorgan des Kopfes von II//lotoriis caroli. a. 0 äußere
Öffnung. C/- Cribellum." !)/• Drüsenzellen. G Gehirn. WiNKEL Obj. 5a,
Ok. 2. Zeichenapparat nach Abbe, Objekttischhöhe.
Fig. 2. Alündungsporen des Cribellum von oben, mit Secretresten.
P Pore. Winkel Obj. 7a, Ok. 4.
Fig. 3. Einzelne Drüsenzelle aus dem Kopf von HjjJotorns , quer.
A' Kern. Daneben Drüsenbläschen und -kanälchen. WiNKEL Obj. 7a,
Ok. 4.
Fig. 4. Fühlerkeule von Paussus kristenseni in der Aufsicht.
Fig. 5. Dsgl. von P. globiceps.
Fig. 6. Dsgl. von P. anxius.
Fig. 7. Dsgl. von P. capreolus.
218 A. REiCHENsrERGEB, Zur Kenntnis von Myrmecophileu aus Abessinien.
Fig. 8. Dsgl. von P. modcstus nebst Kopf. Fig. 4—8 bei gleicher
Vergrößerung.
Fig. 9. Sandgehäuse aus Abessinien in natürlicher Größe; a u. b mit
Raupen, c Puppe.
Fig. 10. Sandgebäuse von Port Elizabeth. 1:1.
Fig. 11. Chitingehäuse aus Abessinien mit hervorkommender Raupe.
1:1. Daneben Wirtsameise.
Fig. 12. Jüngere Puppe von Psilogaster fraudulentus. ca. 17:1.
Zoolog. Jahrbücher Bd. 35 Abt. f. Sijst.
Taf. 5.
E. Wasmann phot.
Reichensperger.
6h
J. B. Obernetter, München, reprod.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Zoobq. Jahrbücher Hii. 35.Aht. f.Sifst.
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(■ustav i-'istiifi
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Nachdruck verboten.
Ubersetzungsrecht vorbehalten.
Über die Aloyonarienfaiina Californiens und ihre
tiergeographischen Beziehungen.
Von
Prof. \V. Kükeutlial, Breslau.
Mit Tafel 7—8 and 36 Abbildnngen im Text.
Eine der interessantesten Fragen mariner Tiergeographie ist
die nach dem Grade der Verwandtschaft zwischen der Litoralfaima
Ost- und West-Amerikas. Bei der Lektüre einer vor wenigen Jahren
erschienenen Arbeit von Nütting ^) über californische Alcj'onarien
erschien es mir sehr auffällig, daß diese Alc3'onarienfauna ebenso eng
verwandt sein soll mit der ost-amerikanischen wie der südlichen und
der westlichen pazifischen Region. Nicht weniger als 8 Arten
werden von Nutting aufgeführt, die gleichzeitig bei Californien wie
an den atlantischen Küsten Amerikas vorkommen sollen. Ein glück-
licher Zufall fügte es, daß ich in den Stand gesetzt wurde, Nuttixg's
Arbeit wenigstens zum Teil nachzuprüfen, wobei ich zu einem ganz
anderen Resultate gekommen bin wie dieser Autor.
Nach Beendigung meiner Tätigkeit als Austauschprofessor an
der Harvard-Universität reiste ich im Februar 1912 nach Californien
und hielt mich an der Biologischen Station von La Jolla bei San
Diego ein paar Wochen auf. Zwar erwies sich meine Hott'nuug, von
hier aus Bootfahrten unternehmen zu können, um in den Besitz
1) Cll. C. NuTTlNG, Alcyonaria of the Californian coast, iu : Proc.
U. S. nation. Mus., Vol. 35, 1909.
220 ^^' Kükenthal,
frischen Alcj'oiiarienmaterials zu gelangen, als trügerisch, da die
Station noch nicht ganz fertig ist und vor allem Landungsbrücke
und Boote noch fehlen. Dem Entgegenkommen des Direktors der
Station, Herrn Prof. W. Ritter, habe ich es aber doch zu verdanken,
daß ich an der viertägigen Fahrt eines für zoologische Zwecke ein-
gerichteten Motorbootes teilnehmen konnte. Die Fahrt ging von
San Diego aus und erstreckte sich südwestwärts in die Umgebung
der Coronado-Inseln. Der Zweck dieser Fahrt war zwar das Sammeln
von Plankton, doch konnten am letzten Tage auch in meinem Inter-
esse einige Schleppnetzzüge gemacht werden, die, w^nn sie auch
nur teilweise gelangen, doch von überraschendem Erfolge begleitet
waren. Im Süden von der südlichsten Coronado-Insel erbeuteten wir
in einer Tiefe von 15 — 17 Faden zusammen mit zahlreichen Spatan-
giden eine ganze Anzahl Exemplare von Stylatula elongata Veee,,
die im Leben eine schokoladenbraune Färbung aufwiesen. Ein
zweites ergiebiges Feld war eine flache Bank in ca. 40 Faden Tiefe,
die zwischen Point Loma, einem vorspringenden Punkte des Fest-
landes, und der nördlichen Coronado-Insel liegt. Hier wuchs massen-
haft ein Telesto, der sich als zu einer neuen, recht interessanten Art
zugehörig erwies. Sehr lohnend war ein dritter Fangplatz, den ich
mir selbst auf Grund des Studiums der Seekarte ausgewählt hatte.
Es zieht sich nämlich von den Tiefen des oiFenen Ozeans her eine
schmale tiefe Rinne gegen das Festland zu. Hier erbeuteten wir
in 180 Faden Tiefe große Massen einer herrlichen Priranoide, die
für die californische Küste neu war. Sie erwies sich bei genauerer
Untersuchung als identisch mit der bei Japan gefundenen Stenella
döderleini Stud.
Wenn sich auch beim Konservieren dieser Formen neue Schwierig-
keiten erhoben, da kein Alkohol an Bord war, so glückte es- mir
doch durch Formolverwendung einige Proben der erbeuteten Stücke
mit nach der Station zu bringen. Nach diesen unvollkommenen
Stichproben zu urteilen, muß eine sj^stematische Durchforschung
dieses Küstenstriches eine ungemein lohnende Aufgabe sein. Meine
Kenntnisse der californischen Alcyonarien konnte ich glücklicher-
weise recht ergiebig ergänzen durch das Studium einer in der bio-
logischen Station aufbewahrten, von Prof. Nutting bestimmten
Sammlung, und ich möchte nicht unterlassen, Herrn Prof. Ritter
meinen verbindlichsten Dank abzustatten für die Erlaubnis, diese
Stücke einer kritischen Durchsicht unterziehen zu dürfen.
Die einzige zusammenfassende Arbeit über die californischen
Alcyonarienfauna Californiens.
221
Alcyonarieii ist, wie scliun erwähnt, die von Cli. C. Nutting (1909).
Er stellt eine Liste von 38 Alcyonaiien auf, darunter 4 Alcj'onaceen,
21 Pennatulaceen und 13 (-Jorgonaceen. In der mir zugänglichen
Sammlung- der Biologischen Station fand sich ein Teil der von
Nutting bestimmten Formen vor und diente mir zur Grundlage
einer Revision. Bei aller Anerkennung des Verdienstes Nutting's,
zum ersten Male eine solche Zusammenstellung gegeben zu haben,
kann ich mich doch mit der Mehrzahl seiner Bestimmungen nicht
einverstanden erklären. Zwar habe ich nicht für alle Arten Ver-
gleichsmaterial zur Hand gehabt, aber ich glaube, daß meine Aus-
führungen zur Genüge dartun werden, daß die tiergeographischen
Schlüsse Nutting's auf einer mehr als unsicheren systematischen
Basis beruhen. Zunächst will ich eine Liste der Formen geben, die
ich untersuchen konnte, und zwar soll die linke Reihe die Be-
stimmungen Nutting's, die rechte Reihe meine eigenen enthalten :
Nach Nutting:
Teksto rigida We. et Stud.
Sipnpodnnn armatinn We. et Stud.
AnÜiomashis ritteri NuTT.
PennnhtJn actdeata Dan.
PlilosarcHs quairaiir/idaris Moeoff
Halisceptriim qjstiferum. NuTT.
Slylatida elongata (Gabb.)
Acanthoptilutn album NuTT.
AcanfltoplUiim nnnulahim NuTT.
Balticina paciftca NuTT.
Balticma frnmnrchira (Saes)
Halipleri.s conlorla NuTT.
!^tach]jptiluni quadridpu/aliuii NuTT.
Fanicidina armata Veee.
Slacln/piihmi svperbin» Stud.
Renilla anietlnptina Veer.
L'aUgorgia fterfosa We. et Stud. ■
Psamutogorijia arbiiscula Veek.
Nach Kükenthal:
Telesto californica n. sp.
Clavularia paciflca >i. sp.
Anthomastus ritteri NUTT.
Pennatida phosphorea L. rar. cali-
fornica n. V.
Lcioptilum qnadrangulnre MoBOFF
Virgularia hromlegi KÖLL.
Siylatula elongata Veee.
AcaniJioptilnrn albiini NuTT.
Ac-mthoptilum annulaium NuTT.
Favonaria californica MOROFF
Pavonaria ivillemoeni (Küll.)
Pavonaria sp. juv.
Pavonaria ap. juv.
Funiciilina parken n. sp.
StacJiyptihim snperbiim Stud.
RpiiiUa an/efligsttiia Vere.
Caligorgia kinoshitae n. ap.
Euplexaura marki n. sp.
Telesto nnttingi n. sp.
Stcnella doederleini "\Ve. et Stud.
Von den 20 Arten, welche ich untersuchen konnte, sind 2 für
die Fauna Californiens neu, fehlen also in Nutting's Liste, während
von den anderen nur 7 mit Nutting's Bestimmungen übereinstimmen.
Diese Zusammenstellung zeigt also, daß nach meiner Auffassung
die größere Hälfte der NuTTiNG'schen Arten falsch bestimmt ist.
222 W. KÜKENTIIAL,
Natürlich kann ich das zunächst nur für die von mir nachunter-
suchten Arten behaupten. Doch eröffnet sich die unerfreuliche Per-
spektive, daß annähernd der gleiche Prozentsatz sich auch bei dem
von mir nicht nachuntersuchten Reste vorfinden wird. Bei einigen
seiner Benennungen hat Nutting übrigens selbst die Unsicherheit
der Bestimmung erkannt und ein Fragezeichen vor den Namen ge-
setzt. Er hätte aber alsdann derartige Formen keinesfalls zu tier-
geographischen Schlüssen verwenden dürfen. Bei kritischer Be-
trachtung von Nutting's Liste komme ich also zu dem Schlüsse,
daß der größere Teil der aufgeführten Arten nicht
richtig bestimmt ist. Vor allem hat Nutting einen verhängnis-
vollen Fehler damit begangen, daß er eine Anzahl seiner californi-
schen Formen mit schon bekannten Arten aus anderen Meeres-
gebieten fälschlich identifiziert hat.
Unter diesen Umständen ist es wohl selbstverständlich, daß
auch die tiergeographischen Schlüsse Nutting's unhaltbar sind.
Zwar ist er vorsichtig genug, das ihm vorliegende Material als
kaum genügend zu bezeichnen, um Verallgemeinerungen zu ver-
tragen. Es ist aber doch sehr wahrscheinlich, daß über kurz oder
lang die NuTTiNG'schen Angaben zu weittragenderen Schlüssen be-
nutzt werden. Deshalb nöchte ich mit ganz besonderem Nachdruck
der behaupteten Verwandtschaft der Alcyonarienfauna des Stillen
und des Atlantischen Ozeans entgegentreten. Nutting hat in seiner
Fundortsliste drei Rubriken aufgestellt : die Ostküste der Vereinigten
Staaten, Westindien und den östlichen Atlantischen Ozean. Es sollen
nach ihm nicht weniger als 8 Arten gleichzeitig an der californi-
schen Küste wie im Atlantischen Ozean vorkommen, und diese 8 Arten
verteilen sich so, daß 4 an der Ostküste der Vereinigten Staaten,
5 in Westindien und 2 im östlichen Atlantischen Ozean gefunden
worden sind. Es sind das folgende 8 Arten :
Telesto rigida Wr. et Stud.
Siprrpodium armatuni Wr. et Stud.
Pennahda aculcata Dan.
Acantlioptilum pourtalcsii Küll.
Balticina fmmarchica (Sars)
Funicidina armata Verr.
Anihopühim cjrandiflornm. Verr.
Leptogorgia purpurea (Fall.)
Von diesen 8 Arten sind sicher falsch bestimmt: TeJesfo rigida,
Sympodium armatum, Fennatula amleafa, Balticina fmmarchica und
Alcyonarienfauna Californiens. 223
Funkidina armata. Sehr zweifelhaft erscheint mir die Bestimmung
von AcanthoptÜHm poKrtalesii , die von Nutting selbst mit Frage-
zeichen versehen worden ist. Auch fehlte dem erwachsenen Exem-
plare, das NuTTiNfv vorlag, die Fundortsetikette. Ferner hege ich
großes Mißtrauen gegen die Bestimmung von Leptogorgia purpurea,
und nur Anihoptilum mag richtig bestimmt sein, da von dieser
Gattung bis jetzt nur eine sichere Art bekannt ist. Diese Art ist
aber eine nahezu kosmopolitische Tiefseeform, die nicht nur im
Atlantischen, sondern auch im Pazifischen und ludischen Ozean von
sehr verschiedenen Fundstellen her bekannt ist. Es ist daher eine
Verwertung dieser Form zum Nachweis einer Verwandtschaft der
californischen Alc5'onarienfauna mit der des Atlantischen Ozeans
ganz unstatthaft. In vollstem Gegen satze zu Nutting
komme ich also zu dem Resultate, daß identische Arten
in der californischen und atlantischen litoralen Al-
cyonarienfauna fehlen. Somit ist es mit der behaupteten Ver-
wandtschaft der ost- und west-amerikanischen Alcyonarienfauna
nichts I Wenigstens darf dafür die Identität von Arten nicht ins
Treffen geführt werden.
Bevor ich zu dem Resultat meiner eigenen Untersuchungen über-
gehe, möchte ich aber doch hier auf die Notwendigkeit exakteren
Arbeitens hinweisen. In neuerer Zeit sind wir mit sj'stematischen
Arbeiten über Alcyonarien geradezu überhäuft worden, und die Zahl
der neubeschriebenen Arten und dementsprechend auch Gattungen
und Familien ist in geradezu beängstigender Weise gestiegen, ohne
daß indessen gleichzeitig eine Vertiefung unserer Kenntnisse von
dieser interessanten Tiergruppe erzielt worden wäre. — Es liegt
darin eine gewisse Gefahr, denn die Mehrzahl dieser Arbeiten ent-
hält nur oberflächliche, unvollständige und daher ungenügende Art-
beschreibungen. Auf die bereits vorhandene Literatur wird nicht
oder nur in ganz unzureichender ^^'eise Rücksicht genommen. Wer
eine giündliche Revision irgendeiner Gruppe vorgenommen hat,
weiß, wie die angeblich neuen F'ormen zusammenschmelzen. Ich er-
innere nur an die nordische Gattung EunepUhija, deren Revision
ergab, daß die zahlreichen neuen Arten, Gattungen und selbst Familien,
welche Danielssen u. Koren und nach ihnen andere Autoren auf-
gestellt haben, in einigen wenigen Arten einer einzigen Gattung Platz
haben. Erst kürzlich konnte ich nachweisen, daß die 28 angeblichen
Arten und 7 Varietäten der Gattung Sanophijtum auf 5 sichere
Arten und eine Varietät zusammenschrumpfen, und so steht es auch
Zool. Jahrb. XXXV. Al.t. f. Svst. 15
224 ^V- Kükenthal,
mit vielen anderen Gattungen und Familien der AJcyonarien. Schaut
man dagegen die Arbeiten mancher neuerer besonders englischer
und amerikanischer Autoren an, so könnte einen tiefe Mutlosigkeit
beschleichen. Irgendwelche Versuche, Ordnung in das immer mehr
zunehmende Chaos zu bringen, werden nicht gemacht. Neue Arten
werden aufgestellt, die längst schon beschrieben sind. Andere Arten
werden in unrichtige Gattungen, sogar Familien gestellt, und vor
allem sind es die ganz verhängnisvollen falschen Identifizierungen
mit schon beschriebenen Arten von anderen oft weltweit davon
entfernten Fundorten, welche spätere Bearbeiter zur Verzweiflung
treiben. Die eigentlich ganz selbstverständliche Forderung, von der
zu beschreibenden Form eine ausführlich gehaltene Darstellung mit
ein paar zuverlässigen Abbildungen zu geben, wird völlig übersehen,
und spätere Forscher sind nicht in der Lage auf Grund dieser Be-
schreibungen allein die Art mit Sicherheit festzustellen. Dem Be-
arbeiter der Alcyonarien im „Tierreich" wird nichts anderes übrig
bleiben, als diese nach Hunderten zählenden unvollständig be-
schriebenen, meist nicht abgebildeten Arten in den Rubriken Spec
ine. sedis aufzuzählen, ohne sie weiter zu berücksichtigen. Man
könnte hier einwenden, daß bei der späteren Revision einer solchen
Gruppe die Originalstücke einer erneuten Untersuchung unterzogen
werden könnten. Das ist aber in vielen Fällen gar nicht möglich.
Mir war es z. B. nicht möglich, die Originalstücke der Alcyonarien-
ausbeute des „Investigator", deren Bestimmung mir in zahlreichen
Fällen ernste Bedenken einflößt, zur Nachuntersuchung zu erhalten.
Wenn ich in vorliegendem Falle glücklicher war, so ist das nur
einem zufälligen Zusammentreifen günstiger Umstände zu verdanken.
Bereits in der älteren Literatur wimmelt es von ungenügenden
Beschreibungen; man denke z. B. nur an die zahlreichen Arten,
welche Verrill aufgestellt und ohne Abbildungen zu geben, mit
Diagnosen von ein paar Zeilen versehen hat, oder an die teilweise
ganz unheilvolle klassiflkatorische Tätigkeit J. E. Grat's. Diese
Beispiele sollten den neueren Alcyonarienforschern als Warnung
dienen. Aber immer wieder tauchen neue Bearbeitungen von Reise-
ausbeuten auf, deren Hauptziel die Aufstellung einer möglichst
großen Zahl oberflächlich beschriebener neuer Arten und Gat-
tungen zu sein scheint, anstatt daß man versucht, in einzelnen
Gruppen etwas Ordnung zu schafien. Wissenschaftlicher Wert
kommt derartigen Arbeiten überhaupt kaum zu, im Gegenteil bilden
sie einen entmutigenden Ballast für spätere Bearbeiter, und für
Alcyonarienfauna Californiens.
225
tiergeographische Forschungen sind sie überliaupt nicht zu ge-
brauchen.
.Mir sind diese Arbeiten um so unbegreiflicher, als aus älterer
wie neuerer Zeit glänzende Beispiele sorgfältiger und tiefgrabender
Alcyonariensysteniatik vorliegen, wie z. B. die Arbeit E. v. Maren-
zellee's über SarcopJnjtxm und verwandte Gattungen oder die Be-
arbeitung eines Teiles der Siboga-Alcyonarien durch Veesluys.
Ich will nun versuchen, eine neue Liste der californischen
Alcyonaiien aufzustellen, in die ich vorläufig die nicht allzu un-
sicheren Arten Nutting's mit aufnehmen will. Diese Liste ist von
der Xuttixg's in mehrfacher Hinsicht verschieden. Erstens haben
eine ganze Anzahl Arten aus Nutting's Liste andere Bestimmungen
erhalten, zweitens sind einige von ihm ausgelassene Arten aus der
fiüheren Literatur hinzugefügt worden, drittens habe ich ein paar
für Californien neue Arten selbst gefunden {Telesto nuttingi n. sp.
und Stcnella doederleim We, et StuD.), und endlich habe ich die
ganz zweifelhaften Arten aus Nutting's Liste weggelassen.
Dieser Liste habe ich die Tiefenangaben beigefügt, sowie etwaige
andere Fundorte. In der Reihenfolge der Gattungen bin ich des
bequemeren Vergleiches wegen Nutting gefolgt.
Telesto californiea n. sp.
Telesto amlngna NuTT.
Telesto nuttingi n. sp.
Clavidaria pacißca n. sp.
Atithomastus ritteri NuTT.
Peiinatula phosphorca L. var. caii-
foruica n. v.
Leioptiliim gurneyl (Gray)
Leioptihim quadrangulare (Moeofe)
Leioptilum simiosiim (Geay)
Leioptihim verrilli Pfeffee
Virgularia reinwardti Herkl.
Virgidaria graciUs (Gabb)
Virgidaria hroinleyi Küll.
Stylntula elongata Verr.
? Stylatula äff. darivini KÖLL.
Stghttida gracilis Verr.
(ob identisch mit V. gracdis Gabb ?)
Acanthopliluni alhuin NuTT. 40 — 71
Aranthoptilion scalpellifolium
MOROEF 30—140
Tiefe in
Faden
Andere Fundorte
31 — 50
524
48
110—495
216—680
29—594
?
Puget Sund, Vancouver-Ins.
31—120
?
Panama, Magalhaens-Straße
?
Mazatlan
?
Indischer Ozean, Japan?
36
394—609
Japan
10—54
Panama
?
Brasilien
?
15*
226
W. Kükenthal,
Andere Fundorte
Acanthoptihwi annulatum Nutt.
Pavonaria califonnca MoROFF
Pavonaria icillemoesi (Köll.)
Pavonaria sp. juv.
Ftoiicnlina j)arkeri n. sp.
SlarhyptilnDi stiperhnm Stud.
AntlioptiJmn grandiflonwi Verk.
Umhellula 3 sp.
Distichopiiluvi gracüe Verr.
Renilla amethystina Verr.
SteneUa doederlcini "Wr. et Stud.
CaUgorgia kinoshitae n. sp.
Plumarella longispina Kinosh.
Muricella complanata Wr. et Stud
Eumuricea pusilla Nutt.
Psammogorgia 3 sp. NuTT.
Enplexaura markt n. sp.
Leptogorgia 3 sp. Nutt.
Stenogorgia kofoidi Nutt.
Tiefe in
Faden
243—1083
31— ?291
Japan
334—769
26 — 524 Panama
500 Atlantischer, Stiller, In-
discher Ozean
995—1573 Nord- Atlantischer , Stiller,
Indischer Ozean
flachesLitor.
180 Japan, Timor, Panama
120—1350
191 Japan
285 Japan
97
Tiefsee
35—339
Litoral
60—74
Auf Grund dieser neuen Liste läßt sich feststellen, daß die
Mehrzahl der californischen Arten bis jetzt nur in dieser Kegion
gefunden worden ist; 5 Arten kommen auch südlich von Californien
bis Panama vor, eine an der nördlichen Küste West-Amerikas und
5 Arten bei Japan.
Im westlichen Stillen Ozean kommen, wenn wii- die 5 japani-
schen Arten dazu rechnen, im ganzen 7 Arten vor, von denen 2
annähernd kosmopolitische Tiefseeformen sind und auch im
Atlantischen Ozean gefunden wurden. Von einer Form (Sttjlatula äff',
darwini) sind als Fundorte brasilische Küste und Californien an-
gegeben, doch ist die Fundortsangabe „Californien" nicht ganz
sicher und daher die Art mit einem Fragezeichen versehen. Jeden-
falls erhellt aus dieser Zusammenstellung eines mit voller Sicherheit,
daß die Verwandtschaft der californischen Alcyonarien, nach der An-
zahl der identischen Arten zu urteilen, am größten ist mit denen
des Stillen Ozeans, insbesondei'e Japans und der Küste südlich von
Californien. Dagegen ist keine Art identisch mit atlantischen
Formen, ausgenommen zwei kosmopolitische Tiefseeformen, während
eine dritte wegen sehr zweifelhafter Fundortsangabe nicht in Be-
AlcYonarieufauiia Californieus. 227
tracht kommen kann. Ganz ant'fälli^ erscheint es mir, daß keine
einzige Art auch in W'estindien vorkommt.
Nun würde aber eine solche tiergeographische Untersuchung
selir unvollkommen sein, wenn nur die Zahl der identischen Arten
zugrunde gelegt würde. Es können zwei Faunen einander äußerst
ähnlich sein, ohne daß auch nur eine einzige Art beiden zugleich
eigen ist. Das ist dann der Fall, wenn die Gattungen in großer
Zahl übereinstimmen.
Sehen wir uns daraufhin die Fauna Kaliforniens an, so müssen
wir zunächst die kosmopolitischen oder doch nahezu kosmopoliti-
schen Tief seegattun gen aus unserer Betrachtung ausscheiden. Es
sind dies die Gattungen CJavularia, Antkomastus, Funiculina, Antho-
ptihim, Unibellida, Distichoptüum, Stenella und Caligorgia.
Die übrigen Gattungen wollen wir auf ihre Verwertbarkeit für
Aufstellung verwandtschaftlicher Beziehungen von Einzelfaunen
pi'üfen.
Da ist zuerst die Gattung TeJesto, die Verwertung finden könnte.
Nun ist TeJesto aber eine in fast allen tropischen und subtropi-
schen Meeresgebieten heimische Gattung des Litorals, kann also für
unsere Aufgabe nicht in Betracht kommen.
Die Gattung Fennatida ist sehr weit verbreitet, und auch die
Art Pennatula pJiospJwrea L. ist eine nahezu kosmopolitische Form
mit mehreren Varietäten.
Leioptihtm ist mit seinen 5 Arten anscheinend auf die West-
küste Amerikas beschränkt.
Kosmopolitisch ist die Gattung Virgularia, wenn auch die ein-
zelnen Arten beschränktere Verbreitungsgebiete haben. Anders ver-
liält sich das mit Stylatula, die auf den Atlantischen Ozean und die
Küste Californiens beschränkt ist. Von Stylatula antiUarum Köll.
wird, allerdings mit einem Fragezeichen versehen, Westindien als
Fundort angegeben.
Ebenso hat die Gattung Acanthoptüum eine begrenzte Ver-
breitung, indem 3 Arten in Californien, 2 auf den Floridarifl'en vor-
kommen.
Die Gattung Pavonaria ist nahezu kosmopolitisch. Die Verbrei-
tung von lienilla ist längs der amerikanischen Küsten erfolgt, auf
welche die Gattung beschränkt ist. Da Californien nur eine Art
besitzt, ist die Wanderung w^ohl von der amerikanischen Westküste
her erfolgt, welche mehrere Arten aufzuweisen hat. Eine Besiede-
lung der pacifischen Küste Amerikas durch einen ehemaligen,
228 W. Kükenthal,
Zentralaraerika durchschneidenden Wasserweg ist für Renilla nicht
notwendig- anzunehmen, da die Gattung auch an den südamerikani-
schen Ost- und Westküsten bis zur Magalhaens-Straße vorkommt und
um die Südspitze Südamerikas herumgewandert sein kann.
Von den Gorgoniden ist die Gattung Psanimogorgia, deren
Stellung und Wert mir allerdings noch sehr zweifelhaft erscheint,
vorwiegend west-amerikanisch, und einige Arten sind auch im west-
lichen Pacifischen Ozean gefunden worden. Eine fälschlich zu dieser
Gattung gerechnete Art, die ich als Euplexaura marli n. sp. auf-
geführt habe, ist der erste west-amerikanische Vertreter dieser rein
indopacifischen Gattung. Die Gattungen Leptogorgia und Stenogorgia
sind sowohl indopacifisch wie atlantisch.
Das Resultat dieser Zusammenstellung ist recht mager. Es
gibt zwei Litoralgattungen, die auf die ost- und die west-amerikani-
sche Küste beschränkt sind, Renilla und Acmitlwptüum. Californisch
und atlantisch ist auch die Gattung Stylatula, während Leioptüum
anscheinend ganz auf die west-amerikanische Küste beschränkt ist.
Die überwiegende Mehrzahl der californischen Gattungen ist
pacifisch oder indopacifisch; so kommen, um ein Beispiel heraus-
zugreifen, von den californischen Gattungen die meisten auch in
Japan vor^). Die Beziehungen der californischen Gattungen sind
also am engsten mit Japan, dann mit dem west-pacifischen Gebiete
und schließlich sind auch Beziehungen zu der ost-amerikanischen
Fauna nachweisbar. Diese dokumentieren sich aber nur in deren
gleichzeitigem Vorhandensein von Vertretern zweier Gattungen,
während die Arten selbst verschieden sind. Daraus kann man
schließen, daß, wenn eine direkte Verbindung des tropischen Atlanti-
schen und des Stillen Ozeans bestanden hat, diese Verbindung jeden-
falls bereits zu einer Zeit verschwunden ist, die genügt hat, um
neue Arten herauszubilden.
Diese tiergeographischen Schlüsse, die zum Teil auf dem
gleichen Materiale basiert sind, das auch Nutting vorlag, sind von
1) Während der Fertigstellung dieser Studie erschien eine neue Be-
arbeitung einer Reiseausbeute von NUTTING, in welcher nach einer in
Japan gemachten Kollektion 102 Arten Alcyonarien, darunter 40 neue,
beschrieben werden. Unter den aufgezählten Arten befanden sich eine
ganze Anzahl californische , so daß die Verwandtschaftsbeziehungen der
beiden Faunen noch engere werden würden. Ich ziehe es indessen vor,
die neue NüTTiNG'sche Arbeit nicht für tiergeographische Schlüsse zu
verwenden, bevor nicht die Bestimmungen noch einmal revidiert sind.
Alcyonarienfauna Californiens. 229
denen dieses Autors sehr verschieden und geeignet, meine ein-
gangs geäußerten Bedenken über die Verwertung oberflächlicher
systematisclier Arbeiten zu tiergeographischen Studien zu bekräftigen.
Ich gehe nun zu dem zweiten Teile meiner Arbeit über, in welchem
ich die einzelnen Arten einer eingehenderen Besprechung unterziehen
will. In diesem systematischen Teile habe ich des Vergleiches wegen
dieselbe Reihenfolge innegehalten wie Nuttixg. Ferner erschien
es mir notwendig, eine Anzahl von Abbildungen mitzugeben. Zwar
sind auch der Arbeit Nutting's eine Anzahl von Lichtdrucktafeln
beigegeben, die Abbildungen sind indessen in so kleinem Maßstabe
gehalten und so undeutlich, daß ihr Wert ein sehr problemati-
scher ist.
Gattung Telesto Lam,
Nutting's Liste beginnt mit der Gattung Telesto, von der er zwei
Arten, Telesto rigida Wr. et Stüd. und Telesto amhigna n. sp., aufführt.
Es ist mir nicht klar geworden, auf Grund welcher Merkmale
NuTTiNG die ihm vorliegenden Formen mit Telesto rigida Wk.
et Stud. identifiziert. Nur der äußere Aufbau zeigt einige Ähn-
lichkeit.
"Wie schon eingangs erwähnt, glückte es mir, zwischen dem
Festland und der nördlichen Coronado-Insel zahlreiche Exemplare
einer Telesto zu erbeuten, die sich als identisch erwiesen mit Stücken
der Biolugischen Station in la Jolla, die von Nutting als Telesto
rigida bestimmt waren.
Es liegt zweifellos eine neue Art Telesto vor, die ich Telesto
californira n. sp. nenne und in folgendem beschreiben will.
Telesto ealifornica n. sp.
(Taf. 7 Fig. 1 u. 2.)
nee Telfslo rigida "\Vr. et StüD., NüTTING, 1909, Alcyonaria of tbe
Californian coast, p. 685.
Fundort. Süd-Californien, 40 Faden.
Beschreibung. Die zahlreichen mir vorliegenden Stücke sind
fast sämtlich zerbrochen, doch läßt sich über den Aufbau folgendes
feststellen.
Von sich wenig verzweigenden wurzeiförmigen Stolonen erhebt
sich senkrecht ein Hauptpolyp, der bis 55 mm Höhe erreichen kann
und durchweg den gleichen Durchmesser von 2 mm besitzt. Von
230
W. Kükenthal,
diesem Hauptpolypen entspringen in ziemlich gleichmäßigen Ab-
ständen Seitenpolypen, und zwar entweder nur auf einer Seite oder
auf beiden. Meist stehen die Seitenpolypen beiden Seiten alter-
nierend zueinander, doch kommt es auch vor, daß sie in gleicher
Höhe entspringen. Die Seitenpolypen gehen in rechtem Winkel oder
doch wenigstens einem rechten angenäherten Winkel vom Haupt-
polypen ab und können die Länge des Hauptpolypen erreichen. Sie
geben wieder kürzeren Polypen dritter Ordnung den Ursprung, die
ebenfalls meist alternierend zu beiden Seiten des Polypen zweiter
Ordnung stehen. Die gesamte Verzweigung liegt ausgesprochen in
einer Ebene.
Sehr charakteristisch sind die scharf ausgeprägten Längsfurchen,
die bei sämtlichen Exemplaren vorkommen. Diese Längsfurchen
sind schmal und tief und gehen bis zur Basis hinab.
Fig. A. Telesto californica n. sp.
Tentakel- und Polypenkelchspicula. 71 : 1.
Fig. B. Telesto californica n. sp.
Untere Rinde. 71:1.
Die Anthocodien sind sehr dicht mit Spicula besetzt, die in un-
deutlichen spitz nach oben konvergierenden Doppelreihen stehen
und teilweise miteinander verschmolzen sind. Diese Spicula sind
breite Spindeln von 0,2 mm Länge und 0,05 mm Breite, die mit
flachen, oft abgerundeten weitstehenden Dornen besetzt sind. Ver-
einzelt kommen auch Vierlinge vor. Die Tentakel enthalten schlanke
und kleine Spindeln, die mit sehr breit aufsitzenden kräftigen Dornen
versehen sind. Tiefer am Stamm werden die Spicula plumper und
verlieren etwas die Spindelform, auch ihre Warzen sind plump
und unregelmäßig. Vielfach sind die Spicula miteinander ver-
schmolzen.
Die Farbe ist gelblich-weiß.
Ein Vergleich mit der Beschreibung, welche Wright u. Studer
Alcyonarienfauna Californiens. 231
von iliier Tdcsio rigida ^eben. zeigt ohne weiteres, daß vorliegende
Art unmöglich zu ihr gehören kann. Gemeinsam ist beiden nur die
Art der Verzweigung, dagegen ist schon darin ein tiefgreifender
Unterschied vorhanden, als Telesto rigida völlig glatte Wände be-
sitzt, vorliegende Ait dagegen äußerst scharf ausgeprägt durch die
ganze Länge verlaufende Längsfurchen. Total verschieden ist auch
die Gestalt der Spicula. total verschieden auch die Färbung, die bei
rigida mit „Orangerot" angegeben wird.
Die von Xutting aufgestellte Art Telesto amhigua habe ich nicht
nachuntersuchen können. Es scheint sich in der Tat um eine neue
Art zu handeln.
In dem Material der Biologischen Station in la Jolla fand ich
nach eine dritte Telesto-Xri, die von Nutting nicht erwähnt wird.
Sie stellt ebenfalls eine neue Art dar, die ich Telesto mitiingi
nennen will.
Telesto nuttingl n, s}}»
(Taf. 7 Fig. 3.)
Fundort. Süd-Californien. China point, 48 Faden, 7./L 1908.
8 Exemplare.
Beschreibung. Die Länge des größten Exemplars beträgt
75 mm. Die Basalanheftung fehlt allen 3 Stücken. Der Axial-
polyp ist in seinem unteren Teile leicht gekrümmt, weiter oben ge-
streckt und trägt kurze seitliche Polypen ohne jede weitere Ver-
zweigung. Li seinem oberen Teile hat der Axialpolyp einen Durch-
messer von 2,2 mm, unten ist er etwas schmäler und mißt etwa
1,8 mm. Die seitlichen Polypen gehen etwa im Winkel von 45 Grad
vom Hauptpolypen ab, werden bis 6 mm lang und entspringen in
annähernd gleichweiten Abständen von allen Seiten des Haupt-
polypen, mitunter in ungefähr der gleichen Höhe. Unter dem Apex
sind sie beträchtlich kleiner. Längsfurchen sind deutlich ausgebildet
und ziehen als schmale Rinnen sowohl die Anthocodien wie den
Stamm herab.
Die Spicula der Anthocodien stehen sehr dicht in spitz nach
oben konvergierender nahezu longitudinaler Anordnung. Sie stellen
sehr breite abgeplattete Spindeln dar von durchschnittlich 0,18 mm
Länge und 0,06 mm Breite, die mit sehr großen krenelierten Warzen
dicht besetzt sind. In den Tentakeln werden diese Spindeln kleiner,
schlanker, und die Dornen werden spitzer und stehen weiter aus-
232 • " W. Kükenthal,
einander. In der unteren Rinde liegen teilweise miteinander ver-
schmolzene Platten von 0,13 mm Länge und 0,03 mm Breite mit großen
Warzen, die oft eine besondere Größe erlangen und die Form der
Spicula ganz unregelmäßig gestalten können.
Fig. C. Telesto nuttingi n. sp. , Fig. D. Telesto nuttingi n. sp.
Polypenspicula. 71 : 1. Rindenspiciila. 71 : 1.
Die Wandung der Axialpolypen ist relativ dünn, weit ins Innere
springen acht Leisten hinein, die allem Anschein nach Hornsubstanz
enthalten.
Die Farbe der Kolonie ist orangegelb bis hellgelb; zum Teil
ist die Kolonie von Spongien, Hydroiden und Bryozoen über-
wachsen.
Am nächsten dürfte diese Art den kürzlich beschriebenen japa-
nischen Formen T. tubulosa Kinoshita und T. sagaminea Kinoshita
stehen, wenigstens was den Aufbau der Kolonie, insbesondere das
Fehlen von Polypen dritter und weiterer Ordnungen anbetrifft. Da-
gegen ist die Gestalt der Spicula insbesondere der Anthocodien eine
so eigenartige, daß eine weitere Anknüpfung nicht gefunden werden
kann und diese Form einer neuen x4.rt zugerechnet werden muß.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich einen kurzen Überblick über
die bis jetzt beschriebenen Arten der Gattung Telesto und ihrer
Fundorte geben. Laackmann führt in seiner dankenswerten Eevision
10 sichere Arten von Telesto an, hat aber dabei übersehen, daß
Verrill (1870, p. 372) in ungewohnter Ausführlichkeit eine 11. Art,
Telesto africana, beschrieben hat, die ebenfalls als gute Art anzu-
sehen ist. Dazu kommen 3 von Kinoshita (1909) aufgestellte neue
Arten sowie Nütting's Telesto amUgua und die beiden hier be-
schriebenen neuen Arten, so daß die Artenzahl der Gattung auf 17
steigt.
Es soll nun in Folgendem der Versuch gemacht werden, diese
Arten zu gruppieren und zu ihrer leichteren Bestimmung einen
Schlüssel zu geben. Bereits Laackmann hat diesen Versuch unter-
Alcyoiiarieiifauua Californieus. 233
nommen (1908. p. 72), docli kann ich mich damit nicht in allen
Punkten befreunden. Bei der Aufstellung meines Schlüssels ging
ich von dem Grundsatze aus, solche Merkmale in den Vordergrund
zu stellen, welche auch ohne mikroskopische Untersuchung wahr-
genommen werden können. Niciit in den Schlüssel aufgenommen
wurde 1. ambigua Nutt., weil in der Beschreibung einiger wich-
tiger Merkmale, z. B. des Vorkommens oder Fehlens von Längs-
furclien, nicht gedaciit wird und mir zur Nachuntersuchung kein
Material vorlag. Auch T. rosea Kinoshita mußte vorläufig aus-
gelassen werden, da die Beschreibung keine Angabe enthält, ob die
Längsfurchen schmal oder breit sind, und eine Abbildung der
Kolonie fehlt.
I. Axialpolyp mit Lateralpolypen, die keine weiteren Polypen ab-
gehen lassen.
A. Längsfurchen des Stammes breit und flach
1. nur im oberen Teile vorhanden T. tubulosa
2. bis zur Basis ziehend T. sar/amina
B. Längsfurchen schmal und tief T. nuitingi.
IL Axialpolyp mit Lateralpolypen, die weitere Polypen abgehen
lassen
A. Lateralpolypen die Länge des Axialpolypen erreichend
1. Längsfurchen fehlend T. rigida
2. Längsfurchen bis zur Basis ziehend T. californica
B. Lateralpolypen viel kleiner als der Axialpolyp
1. Längsfurchen schmal und tief, bis zur Basis herab-
reichend
a) Vei'zweigung allseitig T. arhorea
b) Die Polypen zweiter Ordnung sind in einer Ebene ge-
legen
a) mit dicken kurzen verästelten Spicula T. fniticulosa
ß) mit schlanken, spindelförmigen Spicula
T. africana Verb.
2. Längsfurchen breit und seicht, bis zur Basis herab-
reichend
a) Die dazwischen liegenden Längsrippen mit scharfen
Kämmen
a) Pinnulae mit je 1 Spiculum T. rubra
ß) Pinnulae ohne Spicula T. trichostemma
b) keine scharf hervortretende Längsrippen
a) Stammwand dick mit starken Hornleisten
234
W. Kükenthal,
aa) Spiculaskelet im oberen Stammteil verschmolzen
T. riisei
bb) Spiculaskelet im oberen Stammteil nicht ver-
schmolzen, locker angeordnet T. rupkola
ß) Stammwand, dünn, mit schwachen Hornleisten
T. proUfera
3. Län^sfurchen nur an den äußersten Spitzen vorhanden
Lateralpolypen locker gestellt T. smithii
Lateralpolypen sehr dicht angeordnet T. muUiflora Laackm.
Auch die geographische Verbreitung der Gattung Telesio ist
einer Revision bedürftig.
Zunächst will ich die Fundorte der einzelnen Arten angeben.
1. T, iubulosa Kinoshita
2. T. sagamina Kinoshita
3. T. rosea Kinoshita
4. T. nuttmgi Kükth.
5. T. rigida Wr. et Stud.
6. T. fial/iformca Kükth.
7. T. arborea We. et Stud.
8. T. fruticnlosa Dana
9. T. africana Verrill
10. T. rubra Hickson
11. T. irichostemma (Dana)
Japan 70 Faden
Japan 60 Faden
Japan
Süd-Californien 48 Faden
Azoren (Wr. u. Studer) 1675 Faden
Azoren (Studer) 1000—3075 m
Süd-Californien 40 Faden
Arafurasee (Wr. u. Stud.) 49 Faden
Maldiven (Hickson) 23 — 25 Faden
Zanzibar (Thoms. u. Hender-
SON) 5 — 10 Faden
Andamanen (Thoms. u. Hen-
derson) 45 — 270Faden
Amboina (Laackmann)
Sydney (Laackmann)
Australien (Thomson u.
Mackinnon) Station 42.
Südcarolina (Dana)
Stone Inlet (Verrill)
Südcarolina (Laackmann)
Sherbro Insel, West- Afrika
Maldiven (Hickson) 23—25 Faden
Ceylon (Thomson u. Hen-
derson)
Andamanen (Thomson u.
Hendekson) 45 — 270Faden
Rutland Ins. (ThOMSON u.
Henderson) 35 Faden
Fidschi-Inseln (Dana)
Torres-Straße (Wr. u. Stud.) 5—20 m
Siam(THOMSONU.HENDERSON)
Alcyonarienfauna Califoruiens.
235
13. 7. rupicohi (F. MÜLL.)
Maldiven (HiCKSON) 45 m
Aru-Inseln (Kükf:nthal) Flaches Wasser
Australien (TnOMSON u.
MacKinnon)
12. T. r//.s^f t (DuCH. et Mich.) St. Thomas (Dum. u. Mich.)
Portorico(HAKGiTT U.Rogers)
Antillen (LaacKMANN)
Tortugas (Laackmann)
St. Thomas (Laackmann) Flaches Litor.
St. Jan (Laackmann) Flaches Litor.
Rio de Janeiro (F. MÜLL.)
Bahia (Wr. u. Stud.)
Küsten Brasiliens (LaaCK-
manx)
Kingston (Laackmanx) Flaches Litor.
? Blanche Bay, Xeul)ritannien
(HlCKSOX u. HiLES)
? Zanzibar (Thomson u. Hen-
dekson)
? Singapore (Shann) 5 — 10 Faden
Golf von Siam (v. Koch)
Sumatra (Laackmann)
Singapore (Laackmann)
Manila (Laackmann)
Sydney (Gray)
Port Molle, Arafurasee (RiD-
ley)
Formosakanal (Laackmann)
Port Jackson (Laackmann)
T, »dilti flora Laackmann Bass-Straße (Laackmann)
Sharksbai, Südwest- Australien 3 — 124 m
(Kükenthal)
T. aitthigua Nutting Californien (NüTTING) 524 Faden
14. T. pwlifern v. KoCH
15. T. smiihi Gray
16.
r
Aus vorstehender Fundortszusammenstellung ergibt sich, daß
die Gattung Telcsto eine viel weitere Verbreitung- hat, als man ihr
früher zusclirieb. Sie findet sicli in fast allen den tropischen und
subtropischen Meeresgebieten,
Im Atlantischen Ozean kommen folgende Arten vor :
an der amerikanischen Ostküste
T. fruticulosa (Dana)
T. rüsei (DüCh. et Mich.)
T. rupkola (F. Müll.)
an der afrikanischen Westküste
T. üfrimna Verr.
236
W. KÜKENTHAL,
in der Tiefsee bei den Azoren
T. rigida Wr. et Stud.
Im Stillen Ozean finden sich folgende Arten :
bei Japan
T. iubulosa Kinosh.
T. sagamina KiNOSH.
T. rosea Kinosh.
in hinterindiscben Gewässern
T. prolifera v. Koch
in indischen und australischen Gewässern
T. arborea Wr, et Stüd.
T. smithi Grat
T. multiflora Laackm,
T. trichosteiumn (Dann)
T. rubra HiCKS.
an der Küste Californiens
T. ambigiia NuTT.
T. californica Kükth.
T. nuttingi Kükth.
Die geographische Verbreitung der Gattung Telesto.
Alcyoliarienfauna Californieus. 237
Von den einzelnen Arten liat die weiteste Verbreitung T. arborea,
von der afrikanischen Ostküste bis nach Australien.
T. rupicola soll außer an der Ostküste Zenti-al- und Südamerikas,
auch bei Ost- Afrika, Singapure und Neubritannien vorkommen, doch
hege ich nach den gegebenen Beschreibungen ernste Zweifel an der
Richtigkeit der Bestimmungen. Vielmehr glaube ich, daß das Ver-
breitungsgebiet jeder Art ein relativ eng begrenztes ist.
Fast sämtliche Arten gehören dem Litoral an, manche sogar,
wie T. riisei und T. rupicola^ dem Flachwasser. In der Tiefsee sind
nur folgende Arten gefunden worden: T. amhigna von Californien
in 524 Faden Tiefe und T. rigida von den Azoren in 1000—3075 m
Tiefe.
Nebenstehende Karte (S. 236) soll die Verteilung der Arten
erläutern. Die Zahlen beziehen sich auf die Nummer der Arten in
der Fundortsliste.
Gatt. Clavularla Q. et G. em. KtJKENTHAL.
Unter dem Namen Sympodium armaium Wk. et Stud. führt Nütting
eine Form auf, deren Nachuntersuchung mir ergab, daß es sich nicht
um ein Sympodium, sondern um eine Clavularia handelt. Nach meiner
Auffassung sind die beiden Gattungen Sympodium und Clavidaria
dadurch scharf voneinander unterschieden, daß die erstere völlig in
eine Basalmembran zurückziehbare Polypen besitzt, während Clavu-
laria sich dadurch auszeichnet, daß der obere Teil der Polypen sich
in den unteren, nicht retractilen, kelchartigen zurückziehen kann.
Das ist nun auch bei vorliegender Form der Fall, und auch die
übrigen Merkmale der Gattung treffen bei ihr zu. Als Gattungs-
diagnose für Clavularia hatte ich (1906, p. 15) folgende gegeben:
„Cornulariiden, deren Polypen durch Stolonen oder Stolonenplatten,
die membranös verbreitert sein können, verbunden sind. Die Sto-
lonen enthalten mehrere netzförmig verbundene Kanäle. Spicula
vorhanden, von Spindelform. Der Polypenkörper ist in einen oberen,
retractilen, dünnwandigen Teil und einen iinteien, nicht retractilen,
dickwandigen Teil („Kelch") gesondert, Polypen und Basis ohne
Hornscheide."
Clavularia pacifica n, sp,
1909. nee Sy»)]/odiu7u armaium Wr. et Stud., Nutting, Alcyon. Calif.
coast., p. 6b6.
238
W. Kükenthal,
Fundort. China Point, 50 Faden. Drei Bruchstücke. Nutting
führt weitere Fundorte an: Süd - Californien mit 110—495 Faden
Tiefe.
Beschreibung-. Es liegen mir 3 Bruchstücke vor, die fast
völlig von einem Kieselschwamm überwachsen sind. Wie die Text-
fig. E zeigt, sind die Polypen durch Stolonen miteinander verbunden.
Die Länge eines solchen Polypen beträgt etwa 5 mm, wovon auf
den retractilen Teil 2,5 mm, auf den Kelch 2,5 mm kommen. Doch
gibt es auch kleinere Polypen. Der retractile Polypenteil ist mit
8 tiefen Längsfurchen versehen, zwischen denen 8 Wülste mit
scharfen Kanten vorspringen. In der Kelchpartie sind die Wülste
viel weniger deutlich. Die Tentakel sind stark eingekrümmt und
in die Mundöffnung eingeschlagen.
Fig. E.
Fiff. F.
Fis:. G.
Fig. E. Clavularia imcifica n. sp. 1^1^ : 1.
Fig. F. Clavularia pacifica n. sj). Spicula des oberen Polypenteiles.
Fig. G. Clavularia imcifica n. sp. Kelchspicula. 152 : 1.
Die Bewehrung der Polypenköpfchen ist eine sehr kräftige und
regelmäßig angeordnete. Es sind 8 Doppelreihen von Spicula vor-
handen, welche an der Basis nahezu horizontal angeordnet sind,
höher hinauf sich immer steiler erheben. Diese Spicula sind Spindeln
von 0,25 — 0,3 mm, die meist etwas gebogen und an einem Ende
keulenförmig verdickt sind. Sie sind mit starken spitzzulaufenden
Dornen versehen, die an dem keulenförmigen Ende schräg nach oben
Alcyonarieufauna Califoruieus. 231)
verlaufen. In den Tentakeln liegen ebenfalls zahlreiche Spicula,
flache, bedornte Spindeln von ca. 0,18 mm Länge. Die Spicula des
Kelches sind 0,22 mm lange Spindeln mit sehr hohen, aber abge-
rundeten Dornen. Keulen fanden sich hier nicht vor. Auch die
Basis enthält ganz ähnliche Spiculaformen wie die Kelche, nur ein
wenig kleiner.
Farbe hellgelblich.
Diese Form erinnert etwas an die Clavidaria ehurnea Kükth.
von Ja])an, wenn deren Polypen auch sehr viel größer sind. Ins-
besondere sind die Spicula des retractilen Polypenteiles einander
sehr ähnlich, von gleicher Größe und auch in der Umbildung zu
Keulen einander gleich. Diese Umbildung der Polypenspicula zu
Keulen ist übrigens auch bereits angedeutet bei Clavidaria cliuni
KÜKTH. ' Sowohl bei Cl. ehurnea als auch bei Cl. chuni sind aber
Kelch- und Basisspicula durchaus verschieden, sowohl untereinander
als auch mit denen vorliegender Form, so daß schon dieses Merkmal
allein genügt, die neue Art zu präzisieren.
Mit Sympodnim armatum We. et Stud. hat vorliegende Art nur
eine äußerliche Ähnlichkeit gemein. Zwar scheint mir kein ZAveifel
obzuwalten, daß Sympodium armatum zur Gattung Clavidaria in dem
von mir umgrenzten Umfange zu ziehen ist, eine Identität beider
Arten kann aber schon deshalb nicht in Frage kommen, weil die
Spicula von S. armatum doppelt bis dreimal so groß wie die von
Cl. pacifica sind.
Aiiihoniastiis rltteri Nutting.
Unter diesem Namen beschreibt Nutting einen Antliomastus, der
in seinem Aufbau den japanischen Formen A. muscarioides Kükth.,
A. granulosus Kükth. und der indischen Art A. agaricoides Thoms.
et Henderson sehr ähnlich ist. Jedenfalls gehört die californische
Art zu der gleichen Gruppe mit den oben genannten, die sich durch
ein stark gewölbtes Polypodium auszeichnen.
Ich habe mich aus Mangel an Material darauf beschränken
müssen, einige mikroskopische Präparate von Spicula aus ver-
schiedenen Regionen anzufertigen, um die von Nutting gegebene
Beschreibung zu ergänzen. Betrachten wir zunächst die Spicula
der Polypenwand, so sehen wir zahllose kleine rotgefärbte zackige
Kugeln und Doppelkugeln von ca. 0,05 mm Durchmesser. Diese
Formen gehen über in gleichgroße Spindeln mit 2 regelmäßigein
Gürteln sehr großer gezackter Warzen. Die gleichen Spiculaformen
Zool. .Tahrli. XXXV. Al.t. f. Svst. 16
240
W. Kükenthal,
fanden sich in den Tentakeln wieder, hier treten aber außerdem^
wenn auch vereinzelter, längere, fast glatte Stäbe auf, bis 0,24 mm
messend, die nur an den Enden etwas gezackt sein können. Die
Tentakel sind jederseits mit 11 Pinnülae besetzt.
Fig. H.
Fig. K.
Fig. J.
Fig. L.
Fig. H. Anthomastus ritteri. Spicula der Polypenwand. 152:1.
Fig. J. Anthomastus ritteri. Tentakelspicnla. 152:1.
Fig. K. Anthomastus 7-itteri. Spicula der Scheibe. 35:1.
Fig. L. Anthomastus ritteri. Spicula der Stielbasis. 152 : 1.
Die Oberfläche der Scheibe ist mit farblosen Spicula erfüllt, die
typische Sternform haben, aber nicht gefärbt sind ; tiefer im Innern
treten zahlreiche Nadelformen auf, die meist senkrecht zur Ober-
fläche stehen und auch in die Wand der sehr dicht stehenden Zooide
hineintreten und über ihre Mündung hinausragen. Diese Nadel-
formen sind bis 0,3 mm lang und fast stets völlig glatt, Ihre Enden
laufen nicht spitz zu, sind quer abgestutzt. Meist ist eine schwache
leistenförmige Verdickung vorhanden, die in der ganzen Länge der
Nadel, dabei aber etwas schräg verläuft. In der Stielrinde finden
sich ausschließlich jene kleinen sternförmigen Gebilde vor, die ziem-
lich weit voneinander angeordnet sind. Wir haben hier eine Form
vor uns, die zweifellos als besondere Art anzusprechen ist.
Alcyonarienfanna Califomiens. 241
An den 3 Exemplaren, welche ich in La Jolla betrachten
konnte, fiel mir auf, daß selbst die kleinste Kolonie von nur 20 mm
Scheibendurchmesser einigte Poh'pen von annähernd der gleichen
Grüße aufzuweisen hatte wie die beiden größeren Kolonien.
PetinatuJa p/iospJiorea rat: californica n, v,
(Taf. 7 Fig. 4 u. 5.)
Unter dem Namen Fennaiula acnJeata Dan. beschreibt Nutting
eine Pennatiüa, die vom Dampfer Albatross an verschiedenen Stellen
der californischen Küste in zahlreichen Exemplaren erbeutet worden
ist. Die Beschreibung, w^elche Nutting gibt, ist so allgemein ge-
halten, daß sie auch auf viele andere Arten der Gattung Pennahüa
paßt, insbesondere geschieht der für die P. aculeata so charakteri-
stischen Differenzierung der dorsalen Kielzooide in große und kleine
gar keine Erwähnung. Da in Nutting's Verzeichnis der californischen
Seefedern nur diese eine Art der Gattung Fennaiula aufgeführt wird,
so sind jedenfalls die 10 Exemplare dazu zu rechnen, welche ich in
der Sammlung der Biologischen Station in La Jolla auffand, mit der
Fundortsetikette ,,Stat. 4407. St. Albatross, Californian Coast". Diese
Exemplare tragen aber die von Nutting's Hand herrührende Be-
zeichnung ,,P. phosphorea L." Woher diese Verschiedenheit in der
Bezeichnung rührt, vermag ich nicht zu erklären; es liegt mir hier
nur daran festzustellen, daß die an der californischen Küste vor-
kommende Art der Gattung Pennahüa keinesfalls zu P. aculeata
gehört, sondern zum Formenkreis der P. phosphorea, und zwar stellt
sie eine Varietät letzterer Art dar, die mit der von Broch und mir
seinerzeit beschriebenen P. phosphorea var. antarctica in vielen Punkten
übereinstimmt. Da indessen auch einige Abweichungen vorhanden
sind, will ich die Form als Varietät californica bezeichnen. Der
Name P. aculeata muß also aus dem Verzeichnisse californischer See-
federn schwinden und durch P. phosphorea L. var. californica ersetzt
werden — falls nicht Nutting durch eine erneute und genaue Be-
schreibung den Nachweis erbringt, daß in der Tat auch P. aculeata
in Californien vorkommt. Im letzteren, mir sehr unwahrscheinlichen
Falle wären alsdann 2 Arten von Pennatula in das Verzeichnis cali-
fornischer Seefedern aufzunehmen.
Ich wende mich nunmehr der Beschreibung der mir vorliegen-
den Varietät californica zu. Leider konnten nur 2 Kolonien den
folgenden Messungen zugrunde gelegt werden.
16*
242 W. Kükenthal,
Kolonie I Kolonie II
Kolonielänge in mm 86 81
(Länge in ^1^ der Kolonielänge 53 50
^^^^^*\ Breite in "/o der Kolonielänge 17 24
( Länge in % der Kolonielänge 47 50
\ Breite in 7o der Kolonielänge 2,3 3,7
Zahl der Blätter links/rechts 16/17 16/15
Zahl der Polypen an den größeren Blättern 7 — 8 8
Dorsale Zooidreihen beiderseits des sterilen
Kielfeldes 6—8 7—8
Breite des sterilen Kielfeldes in mm 0,8 1
Verhältnis von Stiel zu Kiel 1 : 1,2 1:1
Vergleichen wir diese Zahlen mit den bei den anderen Varie-
täten von Pennatula pJiosphorea, wie sie in der Arbeit von Broch
und mir (1911, p. 375 f.) niedergelegt worden sind, so ergibt sich ein
enger Anschluß dieser Form an die Varietät antardica. Wie bei
dieser sind die Blätter schmal, und ihre Zahl ist nicht groß. Die
Polypen erreichen bei beiden eine ansehnliche Größe, und die Zahl
der an einem Blatte stehenden ist gering. Auch das Verhältnis von
Stiellänge zu Federlänge ist bei beiden annähernd das gleiche,
ebenso die Färbung, ein dunkles Rot. Nur die Zahl der Zooidreihen
am dorsalen Kielfeld ist bei antardica mit 2 — 6 Reihen jederseits
kleiner als bei der vorliegenden Form, wo sie 6 — 8 beträgt. Mit
der von Moeoff beschriebenen Varietät longispinosa hat sie nichts
zu tun, vielmehr schließt sie sich eng an antardica an. Wie letztere
so ist auch f. caUfornica eine Tiefseeform. Interessant wäre es zu
erfahren, ob die Pennatula pJiospJiorea, welche Studer (1894) von der
Westküste Zentralamerikas (0" 19' n. Br., 90"^ 34' ö. L.) aus 331 Faden
Tiefe anführt, ebenfalls sich an die Formen antarctica und caUfornica
anschließt, was mir durchaus wahrscheinlich ist.
Jedenfalls ist das Vorkommen der P. phosphorea L. an der cali-
fornischen Küste von besonderem tiergeographischem Interesse, denn
der Verbreitungsbezirk der Art wird damit stark erweitert, so daß
man die P. phosphorea nahezu als kosmopolitische Art ansprechen
kann, Folgende Fundorte sind anzuführen: Nordeuropäische Küsten
bis Trondhjem und Schottland, Island, französische Küsten, Mittel-
meer, Westküste Marokkos, Japan, Californien, Westküste Zentral-
amerikas, Antarktis (Bouvet-Insel), und wenn man nach dem Vor-
gange von Balss auch die Pennatula indica Thomson et Hendeeson
Alcyonarienfanna Californiens. 243
zum P\irmenkreis der Ponudnla phosplwrea zielit, würde aucli noch
der Indische Ozean zu dem Verbreitungsbezirk der Art treten. So-
wohl die Formen typka wie die anderen besciiriebenen Formen:
laricgata, rnhclla, Candida und lonrjispinosa kommen im tieferen Litoral
vor, die Formen aniarciica sowie die /'. californica dagegen sind
Tiefseebewohner, und das gleiche ist der Fall mit der nicht genauer
beschriebenen Form Studer's von der Westküste Zentralamerikas.
Leioptüuni quadranf/iihire (Moroff).
1902. Ptilosarciis quadraiKjnlaris MoROFF, in: Zool. Jahrb., Vol. 17,
Syst., p. 385.
NuTTiNG hat dieser von Moroff aufgestellten Art eine dankbar
zu begrüßende eingehende Untersuchung auch in anatomischer Hin-
sicht angedeihen lassen. In der Bearbeitung der Pennatulaceen der
deutschen Tiefseeexpedition (1911, p. 386) haben Broch und ich
darauf hingewiesen, daß die Gattung Ptüosarcus in die GRAY'sche
Gattung Leioptilum einzubeziehen sei. Die californische Art muß
daher Leioptilum quadrangidare (Moroff) heißen.
Virf/ularia hrornleyi Köll.
1909. Halisceptrum ci/stiferum Nütting., Ale. Calif. Coast, p. 698.
Von dieser Form gibt Nütting (1909, p. 698) selbst an. daß
bei ihr die Unterscheidung zwischen Pinnae und sessilen Polypen
schwierig ist und daß man die Blätter als Gruppen zusammen-
hängender sessiler Polypen auffassen könnte. In diesem Falle würde
nach ihm die vorliegende Art zu einer anderen Familie, wahrschein-
lich den Virr/tdariidae, zu rechnen sein. Nun hat inzwischen Balss
(1910) ganz richtig erkannt, daß die Gattung Halisceptrum keine
Existenzberechtigung hat und mit Virgtüaria vereinigt werden muß,
und Bküch und ich sind diesem Vorgehen gefolgt. Der einzige
Unterschied zwischen Halisceptrum und Virgidaria würde darin be-
stehen, daß bei ersterer Gattung dorsale Zooide vorkommen, bei
letzterer nicht. In der Tat finden sich aber alle Übergänge, so daß
die bisher beschriebenen Halisceptrum- Arten zu Virgularia zu stellen
sind und die Gattung Hcdisceptrum endgültig eingezogen werden muß.
Was nun die vorliegende Art anbetrifft, so ist die Beschreibung,
welche Nütting von ihr gibt, nicht ganz zutreffend. So schreibt
er: ..Zooids do not seem to be present in this species"'. Ein Blick
auf das mir vorliegende Exemplar zeigt mir aber, daß am Kiele
244 ^- KÜKENTHÄL,
sehr deutliche Zooide zwischen den Blättern sitzen. Dorsale
Zooide fehlen indessen g-änzlich, und selbst wenn die Gattung
Haliscepfrum noch zu Recht bestünde, könnte vorliegende Form aus
obigem Grunde nicht zu ihr gehören. Nutting legt bei der Auf-
stellung seiner neuen Art viel Gewicht auf das Vorhandensein einer
Endblase. Diese kommt aber auch anderen Arten der Gattung
Virgularia zu. Für die Artbestimmung der vorliegenden Form
kommen folgende Merkmale in Betracht. Die Zooide sitzen am
Kiele zwischen den Blättern, die Polypenkelche sind glatt, die
Polypenträger sind sehr niedrig, und die Polypenkelche sind deutlich
voneinander getrennt, die Zahl der Polypen eines Blattes ist niedrig
und beträgt 4 — 5.
Die Art hat sehr große Ähnlichkeit mit der Virgularia hromleyi
KöLL., von der sie sich eigentlich nur dadurch unterscheidet, daß
ihr die nadeiförmigen Spicula fehlen, von denen Külliker (1880,
p. 9) berichtet.
Freilich gibt Külliker selbst an, daß diese Spicula sehr spär-
lich sind, und Bruch und ich haben (1911, p. 342) eine Art als
F. äff. hromleyi beschrieben, der diese nadeiförmigen Spicula fehlen,
die sonst aber durchaus der F. hromleyi gleicht. Nutting hat bei
seiner Form keine Spicula gefunden, und auch ich habe nach nadei-
förmigen- Spicula vergeblich gesucht, während die kleinen ovalen
Spicula im Stielinnereu natürlich vorhanden sind.
Da erfahrungsgemäß solche Spicula in ihrem Auftreten inner-
halb einer Art sehr variabel sein können, kann diese kleine Ditferenz
ignoriert und die Form zu Virgularia hromleyi Köll. gezogen werden.
Stjßlatula elongata Verr.
Gabb (1863, p. 167) hatte unter dem Namen Virgularia elongata
eine neue Form aus Californien beschrieben. Im darauffolgenden
Jahre stellt Verrill (1864, p. 30) seine neue Gattung Stylatula auf
und beschreibt als neue Art Stylatula elongata, führt aber gleichzeitig
als Synonym Virgularia elongata Gabb auf. Gray (1870, p. 18) folgt
Verrill ohne weitere Begründung, und erst Kölliker (1872, p. 216)
scheidet Virgularia elongata Gabb als noch weiterer Untersuchung
bedürftig aus der Gattung Stylatula wieder aus und trennt sie
damit von der Art, Stylatula elongata Verrill.
In NuTTiNG's Verzeichnis wird die Form wieder als Stylatula
elongata (Gabb) aufgeführt, und Nutting schreibt dazu: „Verrill
regards this species of Gabb's as identical with his own Stylatula
Alcyonarieufauna Californiens. 245
elangata; tlie prioritj-, liowever. belong-s to tlie species iiamed by
Gabh." Das wäre nur dann der Fall, wenn Veekill mit
seiner Identifizierun«; recht gehabt hätte. Nun aber hat sich
KöLLiKEK, was NuTTixG überselieu hat, gegen die Identifizierung
ausgesprochen, besonders weil Gabb's Art ungenügend beschrieben
worden ist, und daher müssen wir, Kölliker's Vorgange folgend,
die Art Stylatida elongata Vekrill wenigstens so lange nennen, bis
die Identität mit Gabb's Art sichergestellt ist.
StyJatuJa elouf/atci Verrill.
1864. SV. e., Veeeill, in: Bull. Mus. comp. Zoo!., No. 3, p. 30.
1868. St. e., Verrill, in: Traus. Connecticut Acad., Vol. 1, p. 384.
1870. Sf. e., Gray, in: Catalogue of Sea-Pens, p. 19.
1872. St. e., KÖLLIKER, Monographie, p. 224.
1886. St. ritigei. Pfeffer, in: Neue Pennatuliden des Hamburg. Mus.,
p. 59.
I!i09. St. e., NuTTiNG, in: Alcyon. Calif. coast., p. 699.
1863. '?an Virqidaria elongata Gabb, in: Proc. California Acad. nat. Sc,
Vol. 2, p. 166.
1911. .s7. e., Kükenthal u. Broch, Pennatulacea, p. 317.
Fundort. Südlich der südlichen Coronado-Insel, in 15 — 17 Faden
Tiefe. Zahlreiche Bruchstücke.
Beschreibung. Die frisch erbeuteten Kolonien, die leider
sämtlich zerbrochen waren, hatten eine kräftige schokoladenbraune
Farbe, während die Poh'pen selbst hell waren. Von Nutting wird
angegeben, daß die Färbung im Leben hell graubraun ist mit weißen
Polypen und lachsroter Stielblase. Über die Farbe der letzteren
kann ich nichts aussagen, da bei allen meinen Exemplaren der Stiel
abgebrochen war. Die Organisation entspricht im wesentlichen den
vorhandenen Beschreibungen, soll aber in der Arbeit eines meiner
Schüler eingehend studiert werden. Spicula sind natürlich vor-
handen, nicht nur die großen Strahlen der Platten, sondern auch
kleinere Nadeln und im Innern der Endblase ovale Spicula, so daß
die Bemerkung von Nutting: ..There are no spicules etc." nicht
zutrittt.
"? AcanthoptUinn f/racile (Gabb).
Unter diesem Namen beschreibt Nqtting eine Form, die Gabb
(1863, p. 167) als Virgidaria gmcilis diiifgesteWt hatte. Verrill (1864)
246 W. Kükenthal,
hatte diese Art, allerdings unter Vorbehalt, zu seiner Gattung
Siylatida gestellt. Nütting bringt sie zu AcantJwptUum.
Da mir Material zur Nachuntersuchung nicht vorlag, kann ich
mich nicht weiter über diese Art äußern, doch führt sie Nütting
selbst mit einem Fragezeichen an, weshalb ich mich berechtigt
glaube, diese Form als unsicher bestimmt anzusehen.
? AcantJioptilufn j)ourtaJesii Köll.
Ein Exemplar ohne Fundortsangabe sowie ein sehr jugendliches
Exemplar eines ÄcaniJioptilum von San Diego wird von Nütting,
allerdings wiederum mit einem Fragezeichen, zu Ä. po^irtalesn Köll.,
einer Form von Florida, gestellt. Eine Begründung wird nicht ge-
geben und nur erwähnt, daß bei dem größeren Exemplare die
Spicula des Stammes nicht biskuitförmig, sondern vom gewöhnlichen
spindelförmigen Typus waren.
Es ist mir ganz unmöglich, diese Bestimmung als nur einiger-
maßen gesichert anzuerkennen. Bei der großen tiergeographischen
Bedeutung, welche eine Identität dieser pacifischen Litoralform mit
der atlantischen, auf Koralleuriften lebenden Art haben würde, muß
ein exakter Nachweis gefordert werden. Der liegt nicht vor, und
daher ist die Bestimmung zu ignorieren.
ActinthoptiluiH albuni Nutt.
Die Beschreibung, welche Nütting von dieser neuen Art gibt,
läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die sehr schlanke Kolonie
hat einen Stiel, der etwas mehr als ein Drittel der Gesamtlänge
mißt. Die Endblase ist nur schwach ausgebildet. An den regel-
mäßig gebogenen Blättern sitzen je 4 — 5 anscheinend nicht retractile
Polypen, deren Kelche klein und weich sind und am Rande 8 schwach
ausgebildete Lappen zeigen. Der distale Kelch jedes Blattes zieht
sich in eine unter dem ausgebreiteten Polypen befindliche Spitze
aus. Es finden sich Zooide nur zwischen den Blättern in kurzen
Reihen von je drei. Die Spicula sind farblos und spärlich in den
Kelchwänden; größere spindelförmige Spicula finden sich in einer
Gruppe unter jedem Blattansatz, kleinere Formen kommen an der
Oberfläche von Stiel und Kiel vor. Farbe weiß, mit rotem Fleck
an der Anschwellung oberhalb der Endblase.
Diese Beschreibung möchte ich etwas ergänzen durch die Ab-
bildung der Spiculaformen, die eine größere systematische Wichtig-
Alcyonarienfauna Californiens.
247
keit haben, als Nutting annimmt. Ich zweifle im übrigen nicht
daran, daß Nutting recht hat, wenn er diese Form als eine neue
Art von Acanthoptüum auffaßt.
Fig. M.
Fig. N.
Fig. 0.
Fig. M.
Fig. N.
Fig. 0.
Fig. P.
Fig. Q.
Fig. R.
Fig. S.
Fig. E.
Fig. P.
o
Fig. Q.
^0
Fig. S.
Acanthoptüum album Nutt. Blattspiciüa. 71:1.
Acanthoptilum album. Tentakelspiciila. 71 : 1.
Acanthoptüum album. Stielspicula. 71 : 1.
Acanthoptüum scalpellifolium. Polypen- und Tentakelspicula. 152:1.
Acanthop)tüum scalpellifolium. Kielrinde. 152: 1.
Acanthoptüum scalpellifol'mm. Stielrinde. 152 : 1.
Acanthoptüum scalpellifolium. Spicula der Endblase. 152 : 1.
248
W. Kükenthal,
Accuithoi^tilum scalpeUlfolmni Moeoff,
Diese von Nutting irrtüralicli unter dem Namen Ä. scälpelliforme
MoK. aufg-eführte Art habe ich im Originalexemplar vor mir gehabt
und kann Moeoff's Darstellung bestätigen. Da Moeoff keine Ab-
bildung der Spicula gegeben hat, will ich das Versäumte nachholen.
In der Polypenwand liegen in Gruppen angehäuft schlanke drei-
flügelige Nadeln von ca. 0,36 mm Länge, außerdem kommen kürzere
abgeplattete, in der Mitte eingeschnürte Spicula von 0.12 — 0,18 mm
Länge vor, die sich auch in der Tentakelachse finden ; die Kielrinde
ist dicht erfüllt mit kleinen ovalen Spicula von nur ca. 0,03 mm
Längsdurchmesser. In der Stielrinde werden diese Spicula länger,
stabförmiger und bis 0,18 mm lang, sie stehen hier in Büscheln
angeordnet.
Dicht erfüllt mit sehr kleinen rundlichen bis ovalen Kalk-
körperchen ist die Endblase. Diese Kalkkörperchen sind in kleinen
Gruppen aneinandergelagert.
Acajithoj)tUuni annuJatiini Nutt.
Als Acanthoptilum annulatum hat Nutting eine neue Art auf-
gestellt. Ich Iiabe selbst ein Exemplar dieser Form in Händen ge-
habt, und Nutting's und meine ergänzenden Beobachtungen zu-
sammenfassend, sind folgende
Unterschiede gegenüber A. scal-
pellifoUum hervorzuheben : das
Verhältnis von Stiel zu Kiel ist
bei A. scalpelUfolium nach Nut-
ting 1 : 3, während Moeoff 1 : 5
angibt, bei A. annulatum 1 : 1,3
(nach Nutting), 1 : 3 bei dem mir
vorliegenden Exemplare. Die
Blätter sind bei beiden Arten
gleichbreit an der Basis, aber
kürzer bei J-. scalpellifolium nach
Nutting. An dem mir vor-
liegenden Exemplare erreichten
Fig. T.
Acanthoptilum anmi-
latum. Polypenspicula.
152 : 1.
Acanihoptilmn dagegen die Blätter kaum 3 mm
annulafum. Stiel- Länge, waren also eher kleiner
spicula. 152:1.
als bei A. scalpellifolium. Auf
jedem Blatte sitzen 6 Polypenkelche gegenüber 7—8 Polypenkelchen
Alcyouarienfanna Califoruiens. 249
bei ^-1. scalpellifolium. Doch ist liier zu bemerken, daß das p]xemplar
von letzterer Art, welches Nutting vorlag, über 6mal so groß war
wie das von A. anmdatnm. Die Polj'penkelche sind mit 8 kurzen
Zähnen versehen bei .1. mundation. die aber bei dem mir vorliegen-
den Kxemplare kaum wahrnehmbar waren. Auffällig verschieden
sind dagegen die Polypenspicula. die bei Ä. amiulatum kürzer,
breiter und weniger zugespitzt erscheinen als bei A. scalpellifolium.
Danach erscheint es mir wahrscheinlich, daß A. anmdatum von A.
scalpellifolium artlich verschieden ist.
Pavotiarla californica Moroff.
(Taf. 8 Fig. 6 u. 7.)
== B(dti('ina pacifim (Nutting).
Diese von Nutting als Balticina pacifica beschriebene Form habe
ich an dem Bruchstücke eines jugendlichen Exemplars nach unter-
suchen können. Würde ich auf die Untersuchung dieses Bruch-
stückes hin die Art zu bestimmen haben, so würde ich nicht daran
denken, sie auf Grund der NuxTiNG'schen Beschreibung zu dessen
Art zu stellen. Nun habe ich aber bereits in La Jolla bei flüchtiger
Durchmusterung alle Übergänge von meiner Form zu den typischen
Exemplaren Nutting's feststellen können und zweifle nicht daran,
daß auch das mir vorliegende Bruchstück zur gleichen Art gehört.
Während Nutting angibt, daß bei seinen erwachsenen Exemplaren
die Polypen bis zu 5 auf jedem Blatte sitzen, ist bei vorliegender
Form von Blättern überhaupt keine Rede, sondern die Polypen sitzen
in schräger Anordnung in stark gegeneinander verschobenen Paaren
vollkommen voneinander isoliert an dem Kiele. Das ist aber ein
Hauptmerkmal der Gattung Halipteris, wodurch diese sich von
Pavonaria unterscheidet. Wir haben also hier den Fall vor uns,
daß eine im erwachsenen Zustande fraglos zu Pavonaria zu zählende
Form in jugendlichem Zustande eine Halipteris ist. Das beweist,
daß Broch und ich recht hatten, als wir uns (1911, p. 306) zu -einer
Vereinigung der beiden Gattungen entschlossen, für die wir den
älteren Namen Pavonaria beibehielten.
Nur die ventrale Seite des Kieles ist von den Polypen bedeckt
die dorsale Seite ist dagegen vollkommen frei. Eine regelmäßige
Anordnung der Polypen in schrägen Linien ist nicht zu bemerken.
Während bei erwachsenen Formen nach Nutting 2 — 5 eng aneinander
gepreßte Polypen in jeder Reihe stehen, sind hier viel weniger
250
W. Kükenthal,
Polypen vorhanden, die in einer Weise angeordnet sind, wie sie
Fig. 6, Taf. 8 wiedergibt. Nutting gibt als die Entfernung einer
Polypenreihe von der benachbarten, auf der dorsolateralen Seite ge-
messen, 5—8 mm an, bei vorliegendem kleinem Exemplare stehen
sie viel enger.
Fig. V. Pavonaria californica. Kelch-
uud Kielspicula. 26:1.
Fig. W. Pavonaria californica n. sp.
[Balticina pacifica Nutt.). Tentakel-
spicula. 26:1.
Die Form hat die für die Gattung Pavonaria charakteristischen
zweizipfeligen Kelche. Diese Kelche sind dorsoventral abgeflacht
und bis etwa 4 mm lang und oben 2 mm breit. Das sind ungefähr
die gleichen Maße, die Nutting für seine erwachsenen Exemplare
angibt. Es folgt daraus, daß die Polypen nicht mehr an Größe wachsen,
wenn auch die Kolonie noch beträchtlich zunimmt. Damit stimmt
überein, daß sclion bei der vorliegenden jungen Kolonie reife Ge-
schlechtsprodukte und zwar Eier in dem vom Kelch geschützten
unteren Polypenteil enthalten sind. Aus dem Kelche heraus hebt
sich ,der obere Polypenteil, der die auffällig stark entwickelten
Tentakel trägt. \¥enn der Vergleich gestattet ist, so sieht ein Polyp
dieser Form ungefähr so aus wie eine Sepia, Der obere Polypen-
teil kann so lang werden wie der Kelch, ist aber an seiner Basis
bedeutend schmäler als dieser. Die Bewehrung ist folgende. Der
Kelch ist mit langen schmalen dreiflügeligen Nadeln bewehrt, die
sich an den beiden vorspringenden Kelchspitzen in steil nach oben
konvergierende Züge anordnen. Die Nadeln sind bis 0,7 mm lang.
Alcyonarieufaiuia ("alifoniieiis. 251
Der obere Polypenteil scheint mir teilweise retractil zu sein, an
seiner Basis fehlen Spicula so gut wie vülliy. nur an den Seiten der
Polypen vermöo'en sich die Tentakelspicula ein Stück weit die
Polypenwand hinunter zu ziehen. Nutting berichtet von einigen
wenigen transversalen Spiculareiiien in der Polypenwand. An
meinem Objekt war davon nur hier und da etwas wahrnehmbar,
besonders an der lateralen und der adaxialen Seite. Sehr stark mit
Spicula bewehrt sind die Tentakel. Die äußere Tentakelachse ist dicht
gepanzert mit schräg nach oben konvergierenden Spicula von breiter
dreifliigeliger Stabform und etwa 0,24—0,30 mm Länge. Aber auch
in den Pinnulae. die jederseits zu ca. 20 am Tentakel sitzen,
sind Spicula in deren Längsrichtung vorhanden, kleine dreiüügelige
Stäbchen von 0.06 bis 0,12 mm Länge. In der Kielrinde liegen
schlanke dreitlügelige Nadeln von ca. 0,24 mm durchschnittlicher
Länge. Die Angabe Nütting's, daß die Spicula anscheinend auf die
Polypen und Kelche beschränkt sind, ist also nicht zutreffend.
Was die Zooide anbetrifft, so gibt Nutting an, daß sie zwischen
den Polypenreihen in Gruppen von 15—20 stehen und hier eine
Tendenz zur Anordnung in 2 oder 3 Reihen zeigen, daß aber außer-
dem auf der dorsalen Kielseite auch einige zerstreute Zooide vor-
kommen. Die Zooide sind nicht durch Spicula geschützt und stellen
einfache rundliche Kr»rner dar.
Solche Bildungen habe ich an den bezeichneten Stellen auch bei
meinem Exemplar gefunden, hier waren es aber die angehäuften,
durch die Körperwand schimmernden Geschlechtsprodukte. Jedenfalls
sind an dem mir vorliegenden Bruchstück eines jugendlichen Exemplars
die Zooide noch nicht ausgebildet.
Als Farbe gibt Nutting schokoladebraun für Polypen und Kelche,
gelbbraun für die Stielanschwellüng und dunkel rotbraun für die
End blase an.
Es ist nunmehr die Frage zu erörtern, ob die vorliegende Form
eine neue Art darstellt, wie Nutting annimmt. Der Vergleich mit
dem Originalexemplar von Pavonaria californica ]\[oroff ergab mir,
daß die NuTTiNG'schen Formen zu dieser Art gehören.
Wie Mdroff bereits angibt, sind beide zu einem P^xemplai* ge-
hörigen Stücke stark maceriert ; das rechtfertigt aber nicht, daß Mukoff
in seiner Beschi-eibung einmal (p. 394) schreibt: ,,Polypen grau, sehr
schwach, 3 — 5 an der Zahl, ohne Kalknadeln" und w^enige Zeilen
darauf: „Die Wand der Polypenkelche ist ganz dicht mit solchen
Nadeln besetzt." So konnte es kommen, daß Nutting (p. 705) schreibt:
252 ^^'- Kükenthal,
„Paiwiaria californica Moeoff is described as having polyps without
spicules." MoROFF meinte jedenfalls mit seinem Ausdruck „Polypen"
nur dessen obersten Teil, insbesondere die Tentakel. Nuu hat mir
aber die Nachuntersuchung erg-eben, daß an dem Originalstück dieser
obere Polypenteil entweder völlig maceriert ist oder überhaupt fehlt.
Es läßt sich also keinesfalls daraus der Schluß ziehen, daß die
Tentakelspicula fehlen.
Vergleicht man diese Form mit der von Nutting aufgestellten
Bdlticina pacifica n. sp., so schrumpfen die artlichen Unterschiede
sehr stark susammen. Die Anordnung der Polypen scheint die
gleiche zu sein, auch die Polypenkelche sind mit ihren beiden ab-
axialen Zähnen einander sehr ähnlich. Daß die Polypenkelche bei
Moroff's Exemplaren etwas kleiner sind als bei Nutting's, kann
auf Schrumpfung des schlecht konservierten Stückes beruhen.
Nun hat ganz neuerdings Nutting (1912, p. 40) die ßalticina
californica von Japan aufgeführt und bei seinen Exemplaren eben-
falls keine Tentakelspicula gefunden. Er schreibt aber selbst: ,,this
species may be the same as the last" (i. e. Balücina pacifica Nutt.).
Nun bestehen zwei Erklärungsmöglichkeiten des Fehlens von
Tentakelspicula bei einer Art, einmal die große Variabilität im
Vorkommen dieser Spicula und zweitens der mangelhafte Erhal-
tungszustand. Dazu gehört auch die Konservierung mit Formol oder
Glycerin.
Formol vermag, besonders wenn es nicht gewechselt wird, durch
teilweise Oxydierung im Körper zu Ameisensäure zu werden, die die
Kalkspicula auflöst. Auch Glycerin löst die Spicula auf. Auf ein
so unsicheres Merkmal hin möchte ich also nicht die Aufstellung
zweier verschiedener Arten befürworten, sondern ziehe Nutting's
Art in Moeoff's Pavonaria californica ein.
Favonavia ivlllenioesi (Köll.).
1880. Mieroptüum willcmocsl KÖllikee, in: Rep. sc. Res. Challenger,
p. 27.
1902. Pavonaria dofleini Moroff, in: Zool. Jahrb., Vol. 17, Syst.,
p. 390.
1873. Verrillia blakei Stearns, in: Proc. California Acad. Sc, p. 147.
1874. Halipteris blakei Verrill, p. 68.
1909. BaUicina finmarckica Nutting, Alcyon. Californ., p. 705.
1909. Pavonaria finmarckica Balss, in: Zool. Anz., Vol. 34, p. 426.
1910. Baltciina ivillemoesi Balss, Japan. Pennatul., p. 51.
Alcyonarienfauna Californiens. 253
Von der von Californien stainuienden Pamnaria dofleini Moroff
liegen mir die beiden Oriofinalstücke aus dem Münchener Museum
vor. Mellon auf den ersten Blick war es unverkennbar, daß die
beiden Stücke zu Pavonaria, iciUcmoesi Küll. gehören. Ich habe von
letzterer P'orm Stücke zum Vergleich vorliegen, die Balss seinerzeit
als Balikina finmarchica (Sars) beschrieben hat. um sie später (1910,
p. 51) als zu P. iviUemoesi Köll. gehörig zu erkennen. Die vor-
handenen Unterschiede sind ganz ähnliche wie die zwischen
Pavonaria californica und P. pacifica und beruhen auch hier auf
sehr schlechtem Erhaltungszustände der MoROFF'schen Typen. Schon
die weiße Farbe der noch vorhandenen Spicula der Polypenkelche
deutet auf starke Veränderungen hin, und es nimmt daher kein
Wunder, daß die Tentakelspicula auch bei diesen Stücken fehlen.
Alle anderen Merkmale stimmen mit P. ivülemoesi überein, so daß
P. dofleini als Synonym zu ihr gestellt werden muß.
Es ist ganz interessant zu sehen, daß Nütting (1909, p. 705)
in denselben Irrtum verfallen ist wie nach ihm Balss und eine
Anzahl californischer Exemplare als Balticina finmarchica beschrieben
hat. Wie Balss selbst bereits kurze Zeit darauf richtig erkannt
hat, handelt es sich aber um P. iviUemoesi, und wenn man Xutting's
Beschreibung liest, so kommt man zu dem Schlüsse, daß auch dessen
Exemplare zu B. iviUemoesi gehören. Auch die von Nütting (1912,
p. 38) von Japan als Bcdticina finmarchica beschriebenen Formen ge-
hören zu letzterer Art.
Ferner ist Nütting (p. 706) der Meinung, daß auch die als
Verrillia blakei von Steaens beschriebenen Form, die Vekrill
später als zu Halipteris gehörig erkannte, zu Pavonaria zu stellen
ist und wahrscheinlich zu den von ihm als Pavonaria finmarchica be-
stimmten Formen.
Balss (1910, p. 50) dagegen vermutet, daß Verrillia bMei zu
B. iviUemoesi Köll. zu rechnen ist. Beide Autoren dürften recht
haben, da alle diese Arten meiner Ansicht nach identisch sind. Es
ergibt sich also, daß Pavonaria iviUemoesi (Köll.) identisch ist mit
Verrillia hlahei Stearns, Pavonaria dofleini Moroff, Balticina finmar-
chica Balss und Balticina finmarchica Nütting.
Ich kann also bis jetzt nur 2 sichere californische Arten von
Pavonaria, nämlich P. iviUemoesi (Köll.) und P. californica (Moroff),
feststellen, außerdem ist die von Nütting als Acanthoptilum qnadri-
dentatum beschriebene P'orm das Jugendstadium einer noch unbe-
254 W. Kükenthal,
stimmbaren Pavonaria- Art. und auch Halipteris contorta dürfte eine
jugendliche Form von Pavonaria sein.
Pavonaria sp. juv.
= IMipieris contorta Nutting.
Die von Nutting als Halipteris contorta n. sp. beschriebene
Form ist meiner Auffassung nach die Jugendform einer Pavonaria.
Doch ist es mir auf Grund der sehr kurzen Beschreibung und der beiden
mehr als dürftigen Abbildungen nicht möglich, die Artzugehörigkeit
festzustellen. Das zugrunde liegende Exemplar w?iv nur 7,5 cm lang
und allem Anscheine nach stark lädiert, jedenfalls zusammenge-
krümmt. Da der Kelch vier Zähne aufweist, so gehört die Form,
obwohl ihr Tentakelspicula fehlen sollen, möglicherweise mit
Nütting's Stachijptilum quadridentaium n. sp. zu ein und derselben
Art, die allerdings weder zur Gattung Halipteris noch zur Gattung
Stachyptilum, sondern zur Gattung Pavonaria zu rechnen ist.
JPavonaria sp, juv.
(Taf. 8 Fig. 8.)
= Stachyptilum quadridentaium NuTT.
Die von Nutting als Stachyptilum quadridentaium n. sp. auf-
geführte Form konnte ich nachuntersuchen und stelle zunächst
fest, daß sie mit Stachyptilum nicht das geringste zu tun hat, sondern
zu Pavonaria gehört, von der sie anscheinend das Jugendstadium einer
Art darstellt. Es ist mir nicht recht klar geworden, wie Nutting
auf den Gedanken kommen konnte, die Form zur Gattung Stachyptilum
zu stellen, mit der sie auch nicht ein einziges Merkmal gemein hat.
Das größere Exemplar ist 290 mm lang, wovon 72 mm auf den
Stiel kommen; das kleinere hat 182 mm Länge bei 55 mm Stiel-
länge. Nutting gibt 200 mm Gesamtlänge bei 68 mm Stiellänge an.
Es scheint danach ein ziemlich konstantes Verhältnis zwischen der
Länge des Stieles und des Kieles zu bestehen, das zwischen 1 : 2 und
1 : 3 schwankt. Der Stiel ist sehr schlank und schwillt nur an
seinem unteren Ende zu einer schlanken Keule an, die im Quer-
schnitt abgerundet vierkantig erscheint. Die Polypen sind auf der
ventralen Seite des sehr schlanken Kieles angeordnet und lassen die
dorsale völlig frei. Eine regelmäßige Anordnung der Polypen ist
schwer wahrzunehmen. Ein paar größere Polj'pen stehen ungefähr
Alcyonarienfauua Californiens.
255
paarig: zu beiden Seiten, aber selten in gleicher Höhe entspringend.
Zwischen ihnen sitzen ein oder zwei kleinere Polypen, die aber stets
etwas höher am Kiele abgehen. So sehe ich es bei der kleineren
Form, bei der größeren ist diese Anordnung durch mehrfache Dre-
hungen des Polypars um die Längsachse stark verwischt. Die Polypen
sitzen in deutlich ausgeprägten Kelchen, wie sie für die Gattung
Pavonana charakteristisch sind, nur treten zu den beiden äußeren
vorspringenden Zähnen zwei etwas kleinere, nach innen davon ge-
legene. Die Kelche verbreitern sich nach oben zu ziemlich stark
und sind in dorsoventraler Kichtung abgeplattet. Ihre Länge be-
trägt bis 3 mm. Der obere Polypenteil, das Köpfchen, erhebt sich
aus dem Kelche mit schmaler Basis und erreicht insgesamt eine
Höhe von ca. 2 mm. Die Tentakel sind sehr stark entwickelt, und
die Außenseite ihrer Achse ist mächtig gepanzert. Mitunter ist das
Köpfchen stark zum Kelch geneigt, zurückziehbar ist es nur in ge-
ringem Maße.
Die Zooide sind jedenfalls sehr schwer auffindbar; mir ist es
nicht geglückt, sie mit Sicherheit aufzufinden. Nutting beschreibt
laterale Zooide zwischen den Polypen und meist etwas größere
auf der ventralen Kielfiäche.
Die Spicula der Polypenkelche sind schlanke dreiflüglige Nadeln
von 0,9 mm Länge, die den Kelch auf der abaxialen Seite vollkommen
einpanzern bis auf einen schmalen nackten Medianstreifen. Diese
Spicula sind annähernd longitudinal angeordnet, in den Kelchspitzen
konvergieren sie etwas. Seitlich und adaxial fehlen dem Kelche
Spicula. Sehr stark mit Spicula bewehrt ist das Polypenköpfchen.
Es sind das die gleichen stabförmigen dreiflügligen Spicula, welche
Fig. X.
Fiff. Y.
Fisr. z.
Fig. X. Pavonaria sp. {Stachyptilum quadridentatum Nltt.i. Pölypen-
^llicula. 26 : 1.
Fig. Y. Pavonaria sp. Teutakelspicula. 26:1.
Fig. Z. Pavonaria sp. [Stach yjitilum quadridentafmH'S\:Tr.). Kielspicula. 26:1.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst 17
256 • ^^- KOkenthal,
die Außenwand der Teutakelachse umpanzern. Diese Spicula stellen
dichter wie bei P. pacifica und sind 0,65 mm lang-, 0,15 mm breit. In
den Pinnulae sind sie 0,3 mm lang.
Auch in der Kielliaut kommen kleine, sehr regelmäßig- in der
Längsrichtung angeordnete dreiflüglige Stäbchen von 0,2 mm Länge
vor, und ähnliche Spicula sind auch in der Stielhaut vorhanden.
Auch im Stielinnern dieser Form fanden sich kleine ovale Spicula
von 0,04 mm Länge in zerstreuter Unordnung vor.
Farbe in Alkohol gelblich, doch schimmert das braun violette
Schlundrohr etw^as durch die Polypenwand hindurch.
Es entsteht nun die Frage, wozu diese Form zu zählen ist. Daß
■wir hier eine typische Pavonaria vor uns haben, ist klar und braucht
nicht weiter nachgewiesen zu werden. Auch scheint es mir sehr
wahrscheinlich, daß wir hier Jugendformen vor uns haben: das
schließe ich erstens aus der für Pavonaria geringen Größe der
Kolonien, zweitens aus der geringen Zahl der Polypen in einer
transversalen Reihe, drittens aus dem Halipteri s-St?idmm, in welchem
sich die Polypen einer Reihe befinden, indem diese noch völlig
voneinander isoliert -sind, und viertens aus den noch fast völlig
fehlenden Zooiden, die sich erst später anzulegen scheinen, wie das
auch bei anderen Pennatulidenformen der Fall ist. Es ist mir aber
nicht möglich, zu entscheiden, welcher Art diese Jugendformen zu-
gehören mögen oder ob sie vielleicht einer neuen Art zuzurechnen
sind. Hier kann nur ein reiches Material entscheiden, wie es mir
nicht zur Verfügung steht. In der von mir aufgestellten Liste er-
scheint die Art unter der Bezeichnung Pavonaria sp. juv.
Funiculina j^arkeri n. sp.
= Funiculina armata Veer., Nutt.
Die von Nutting unter diesem Namen beschriebene Form ge-
hört nicht zu dieser von Veeeill aufgestellten Art. Ohne das
Original gesehen zu haben, zweifelten Bruch und ich (1911, p. 253)
bereits an der Richtigkeit der Bestimmung, und diese Zweifel
wurden vollkommen bestätigt, als ich die Nachuntersuchung eines
kleinen Stückchens von einem von Nutting bestimmten Exemplare
vornehmen konnte. Aber auch unsere Vermutung, daß möglicher-
weise F. quadrangularis für diese Form in Betracht kommen könnte,
hat sich nicht bestätigt, vielmehr liegt hier eine neue Form vor, die
ich meinem Freunde G. H. Parker von der Harvarduniversität zu
Ehren Funiculina parkeri nennen will.
Alcyonaiieufauna Califoruiens.
257
Sie wild durch lolgeiide Merkmale charakterisiert. Das Ver-
hältnis von Stiel zu Kiel ist ca. 1 : 5. Die Achse ist im Querschnitt
austjesprochen viereckig-. Die Kndblase ist wenig- deutlich und der
oberste Teil der Kohmie eing-eroUt und zugespitzt. Die Polj^pen
stehen ziemlich unre;^elmäßig am Kiele, entspringen in nahezu rechtem
Winkel und werden bis 8 mm lang. In ausgestrecktem Zustande
sind sie sehr schlank, sie können sich aber erheblich kontrahieren
und schwellen dann dementsi)rechend an. Die Tentakel sind bis
3 mm lang und jederseits mit etwa 16 fingerförmigen Pinnulae be-
setzt. Neben diesen großen Polypen finden sich auch noch kleinere,
sowie dazwischen eingestreute Zooide, von schlanker Walzenform
Fig. A^ Funiculina parkeri n. .y).
Polypeu und Zooide. 6 : 1.
Fig. B*. Funiculina parkeri
n. sp. Polypenspicula. 26:1.
und ca. 1 mm Höhe, an denen die Tentakel nur als w'arzenförmige
Fortsätze angedeutet sind. Während der untere Teil des Polypen-
kelches nahezu völlig spiculafrei ist, treten im oberen, etwas aus-
einanderweichenden Teile 8 Längsstreifen von Spicula auf, die in
8 weit vorragenden spitz dreieckigen Kelchzähnen enden. Ein trans-
versaler Ring von Spicula unterhalb der Kelchzähne ist nicht vor-
handen.
Die Form der Kelchspicula ist die sehr schlanker geradliniger
Stäbe, die dreiflüglig sind. Diese bis 0,7 mm langen Stäbe sind an
beiden Enden etwas zugespitzt, und ihre Endflächen sind abgerundet.
Tentakelspicula sind spärlich und kommen als dreiflüglige Spicula
17*
258 ^^- Kükenthal,
von 0,12 mm Länge nur im unteren Teile der Tentakel vor. Die
Spicula des Kieles sind nach Nutting in dichter Längsanordnung
verteilt, meine Präparate dagegen zeigten nur spärliche Kielspicula
von ähnlicher Form wie die Kelchspicula.
Über die Spicula des Stieles gibt Nutting an, daß sie sehr ver-
einzelt vorkommen oder fehlen.
Farbe der Polj'pen dunkelbraun, des Stieles und Kieles heller.
Im unteren Teile der Polj'pen liegen Eier, teilweise von der Größe
des Polypendurchmessers.
Fundort Süd-Californien in 334—638 Faden.
Vergleichen wir die vorliegende Form mit den beiden anderen
Arten der Gattung, F. qiiadrangularis und F. armata, so ergeben
sich folgende Unterschiede. Das Verhältnis der Länge des Stieles
zum Kiel beträgt bei F. quadrangularis 1 : 12 bis 1 : 16, bei F. -parheri
1 : 5, bei F. armata 1 : 2. Dieses Verhältnis scheint innerhalb der
einzelnen Arten recht konstant zu sein, wie die von Broch und mir
ausgeführten Messungen an 88 Exemplaren von F. quadrangularis
ergeben haben. Wir dürfen es daher als gutes Artmerkmal betrachten.
Bei F. armata, ist die Kolonie starr und oben nicht eingerollt, bei den
beiden anderen Arten weniger starr und oben eingerollt. Ferner ist die
Größe der Polypen verschieden. F. quadrangularis hat Polypen von
2 — 3 mm Länge, F. armata solche bis 5,5 mm und F. parJceri solche
bis 8 mm Länge. Die Bewehrung der Polypen mit dreiflügligen
Nadeln ist bei allen drei Arten verschieden. Bei F. quadrangularis
verlaufen im unteren Teil des Polj^penkelches strahlenförmig an-
geordnete Bündel, die kreuz und quer gerichtet sind, während sie
im oberen Teil in Längsreihen zusammentreten und schließlich in
8 Zähnchen auslaufen. Außerdem findet sich unter den 8 Zähnchen
ein breiter und dichter Ring transversal angeordneter Spicula. Bei
F. armata findet sich folgende Bewehrung. Die Spicula der unteren
Polypenregion sind ebenfalls in strahlenförmig auslaufende Bündel
angeordnet, die meist transversal verlaufen; die sehr langen Kelch-
zäline sind dicht mit langen schlanken Nadeln erfüllt; diese Kelch-
zähne weichen stark auseinander, so daß der Kelch oben sehr breit
wird. Ein Gürtel transversaler Spicula unter den Kelchzähnchen
findet sich auch bei F. armata vor. Bei F. parheri fehlen dem unteren
Polypenteile Spicula meist völlig. Im oberen Teile ordnen sie sich
zu 8 schmalen Leisten an, die in die 8 großen Kelchzähne hinein
ziehen. Ein Gürtel transversaler Spicula fehlt. Auch die Gestalt
der Kelchspicula ist verschieden, bei F. quadrangidaris sind sie relativ
Alcyonarienfauna Californieus. 259
am breitesten, während F. 'parken die schlanksten Spicula auf-
zuweisen hat. In der dorsalen Kielhaut liegen bei F. quadnmgularis
eigentümliche breite dreitliiglige Spicula, mit deutlichen Einschnü-
rungen in der Mitte. Solche Formen kommen bei F. armata und
wahrscheinlich auch bei F. iKirkcn nicht vor. Auch die breiten
Platten der Stielrinde sind nur F. quadmngidans eigentümlich.
Diese Merkmale genügen vollkommen zur scharfen Trennung der
3 Arten.
Stachyx)tihini superhuni Stud.
(Taf. 8 Fig. 9.)
Von dieser von Nutting als Stachyptilum superbum Stud. bestimmten
Art liegt mir eines seiner Exemplare vor. Ferner habe ich vor
mir ein Exemplar von Japan, das Balss als StachypUlum superhum
aufführt (1910, p. 36). Aus der Vergleichung der beiden Formen
ergibt sich, daß sie unmöglich zu einer Art gehören können, sondern
zu zwei ganz verschiedenen Arten gerechnet werden müssen. Ja
es erschien mir früher durchaus nicht sicher, ob nicht das Studer-
sche St sttperbum eine noch andere, dritte Art darstellt. Diese be-
dauerliche Konfusion ist wohl dadurch zu erklären, daß die Be-
schreibung, welche Studer von der Art gibt (1894, p. 56), recht
unvollkommen ist und daß auch Abbildungen fehlen. Die Form,
welche Broch und ich vor uns gehabt haben und die ausführlich
von uns beschrieben worden ist (1911, p. 261), stammt aus Japan
und steht der BALSs'schen Form sehr nahe, so daß wir beide zur
gleichen Art rechnen können. Schon damals fielen uns Differenzen
in den Beschreibungen von Stcder, Nutting und Balss auf, und
wir haben unsere Form nur fide Balss zur STUDER'schen Art St.
superbum gezogen.
Nachdem mir nun Vergleichsmaterial zur Verfügung steht, kann
ich diese Frage w^enigstens zum Teil entscheiden.
Zunächst will ich eine Beschreibung des Exemplares von Cali-
fornien geben, welches Nutting als Stachyptilum superbum be-
stimmt hat.
Die nicht ganz vollständige Kolonie ist 250 mm lang, wovon
92 mm auf den Stiel kommen. Das Verhältnis von Stiel zu Kiel ist
also 1:1,7. Das Exemplar, welches Nutting seiner Beschreibung
zugrunde gelegt hat, weist ein Verhältnis des Stieles zum Kiele von
annähernd 1 : 1,2 auf, während bei Studer das Verhältnis wie 1 :2.3
angegeben wird.
260
W. Kükenthal,
Die Endblase ist klein, aber deutlich entwickelt und steht zum
Stiel in einem rechten Winkel. 30 — 50 mm oberhalb der Endblase
findet sich eine spindelförmige Anschwellung-, die einen Durchmesser
von 2,2 mm erreicht. Der Stiel ist nur etwa 1,2 mm dick und ober-
halb der spindelförmigen Anschwellung annähernd von der gleichen
Dicke. Der Kiel ist nur w^enig dicker als der Stiel und trägt
26 schräge Polypenreihen. Der Vergleich der Kolonie mit einer lang-
gestreckten Kornähre, den Studer macht, ist sehr zutreffend. Die
Polypen stehen nahezu rings um den Kiel herum. Erst bei ge-
nauerem Zusehen entdeckt man ein schmales dorsales Kielfeld,
welches im oberen Teil des Polypars frei sichtbar wird. Eine schmale,
^ aber tiefe zooidfreie Furche
läuft in der Mitte des Kiel-
feldes entlang, während zu
beiden Seiten Zooide in
einer Längsreihe stehen, zu
der sich dann und wann
noch einige in einer 2. un-
regelmäßigen Längsreihe
stehende Zooide gesellen
können. Die Polypen stehen
in dichter Anordnung, so
daß die distalen Enden der unteren die Ansatz-
stellen der darauf folgenden überdecken. Die
Polypenkelche stehen in sehr spitzem Winkel
am Kiele und sind unten ca. 3,5 mm, oben 5 — 6 mm
lang und stehen in schräg von der dorsalen
Mittellinie distalwärts nach der ventralen zu
ziehenden Reihen von meist je 4. Ihre adaxiale
Wandung ist größtenteils mit der Kielrinde ver-
schmolzen. Diese Polypenkelche sind schlank,
und ihr Rand setzt sich in 8 Zähne fort, die von
den nahezu longitudinal verlaufenden Polypenspicula gebildet werden.
Meist sind 2 oder 3 dieser Zähne besonders lang ausgebildet. Der
oberste Teil des Polypenkelches mit den Zähnen weicht nicht oder
nur unerheblich auseinander. An der Basis der Polypenkelche und
zwischen ihnen sind Gruppen zahlreicher Zooide eingelagert.
Die Spicula der Polypenkelche sind lange schlanke dreiflüglige
Nadeln bis 1,3 mm Länge. Die Tentakel enthalten in ihrei- Achse
breite, an beiden Enden stark verdickte Spicula von 0,25 mm Länge.
Fig-. D^ Stachyptilum
sM^^erfcHm. Tentakelspicula.
71:1.
Fig. C^ Stachyptilum
superbum. Polypen-
spicula. 26 : 1.
Alcyonarienfauna Califoniiens. 261
Auch die Zooide. welche kleine konische Erhebungen darstellen, sind
von einem Kranze kleiner lonpfitudinaler Spicula umgeben. Studer
gibt dies von seiner Koi-ni auch an. während Ntttixc; nichts davon
erwähnt. Auch die Kielhaut entliält longitudinal gelagerte drei-
fliiglige Nadeln, die nur der dorsalen Furche zu fehlen scheinen.
Dem Stiele dagegen fehlen Spicula völlig und nur in der End-
blase treten kleine ovale Köri)erchen auf.
Farbe des Polypen blaugrau, des Stieles graugelb. '
Vergleichen wir mit obiger Beschreibung die kurzen Angaben
Nüttixg's und Stüdb;r's, so erhellt ohne weiteres die völlige Identität
der californischen Form mit Studer's Stach yptiliou superhum. Nuttixg's
Bestimmung besteht also diesmal zu Recht. Dagegen ist das nicht
der Fall mit der Form, welche Balss in seiner ausfühi'lichen Arbeit
über japanische Pennatulideu als Stach yjAil um superhum aufführt.
Diese Form, mit welcher auch das von Broch und mir (1911, p. 261)
unter dem gleichen Namen beschriebene Exemplar von Japan identisch
ist, gehört zu einer ganz anderen Art. Da Balss in seiner im
Zoologischen Anzeiger (1909, p. 427) verölfentlichten vorläufigen Mit-
teilung die Art unter dem Namen Stachyptilum dofleini n. sp. auf-
führt, so brauchen wir um einen Namen für diese neue Form nicht
verlegen zu sein. Da sowohl Balss wie Broch und ich bereits eine aus-
führliche Beschreibung der Art gegeben haben, so mag es hier ge-
nügen, die Hauptunterschiede gegenüber St. superhum anzuführen.
Die Kolonie ist kompakter, der Stiel dicker und der Kiel sogar
sehr viel dicker und vou schwammiger Konsistenz. Das dorsale
Kielfeld ist breit, auch ein ventrales schmales Kielfeld ist vor-
handen. Die Pol3-pen stehen in schrägen Reihen von je 4 — 6. Die
Pol^'penkelche sind kurz und breit und nicht so stark gezähnt wie
bei St. superhum. Die Zooide sitzen in mehreren dichten Längs-
reihen auf dem dorsalen Kielfelde, sind sehr flach und von einem
fächerföimig ausgebreiteten Spiculakranze umgeben. Die Kelch-
spicula wie die Tentakelspicula sind nur halb so lang wie bei St.
superhum. Die Stielrinde enthält zahlreiche Spicula, während sie bei
St. superhum spiculafrei ist.
Es dürfte angebracht sein, die kurzen Diagnosen der beiden
vordem vereinigten Arten zu geben.
StachyptUuin suijerhurn Stud.
]8'.»4. St, s., Studer, in: Bull. Mus. comp. Zool., Vol. 25, p. 56.
1909. St. .<?., NUTTING, in: Proc. U. 8. natiou. Mus., Vol. 85, p. 708.
262 W. Kükenthal,
1910, nee St. s., Balss, Japan. P«nn., p. 36.
1911. nee Sf. .s., Kükenthal u. Broch, Pennat., p. 261.
Die Kolonie ist sehr schlank und von der Form einer lang-
gestreckten Kornähre. Das Verhältnis von Stiel zu Kiel ist 1 : 1,2
ih 1 : 2,3. Die schmalen, oben nicht verbreiterten Polypen stehen
am schlanken, nicht schwammigen Kiel in schrägen Reihen von
meist je 4, nahezu rings um den Kiel herum diesem eng angeschmiegt,
so daß die adaxiale Kielwand größtenteils mit der Kielrinde ver-
schmolzen ist, und lassen nur ein schmales dorsales Kielfeld frei,
in dessen Mitte eine tiefe schmale Furche verläuft. Die Polypen-
kelche sind unten ca. 3,5 mm, oben 5—6 mm lang und weisen sehr
lange Zähne auf, von denen 2 oder 3 besonders weit vorragen. Die
Zooide stehen in je einer Längsreihe zu beiden Seiten der dorsalen
Kielfurche sowie in Gruppen um die Basis der Polypenkelche herum.
Sie stellen konische Erhebungen dar, die von einem Kranze longi-
tudinaler Spicula umgeben sind. Die Kelchspicula sind schlanke
dreiflüglige Nadeln, die bis 1,3 mm lang sind. In der Tentakelachse
findet sich ein Längszug stabförmiger, abgeflachter, an den Enden
stark verbreiterter Spicula von 0,25 mm Länge, auch die Kielrinde
enthält dreiflüglige Nadeln, die Stielrinde ist dagegen spiculafrei,
und nur in der Stielblase kommen kleine ovale bis rundliche Kalk-
körperchen vor. Farbe braunviolett bis blaugrau, des Kieles und des
Stieles weiß bis hell gelbbraun.
Fundort: Westküste Zentralamerikas und Californiens in 210
Faden Tiefe, sowie in 26—524 Faden Tiefe.
Htachyptiluni dofleini Balss em. Kükth.
1909. St. d., Balss, in: Zool. Anz., Vol. 34, p. 427.
1910. nee St. superbnm, Balss, Jap. Pennat., p. 36.
1910. St. (L, Beoch, in: Zool. Anz., Vol. 36, p. 64.
1911. nee St. superbum, Kükenthal u. Beoch, Pennat., p. 261.
„Die Colonie ist langgestreckt, keulenförmig mit schwammigem
verbreitetem Kiel. Das Verhältnis von Stiel zu Kiel ist 1 : 1,6. Die
ziemlich breiten Polypen stehen in schrägen Eeihen zu 4 — 6 am
Kiel und lassen ein ventrales und ein dorsales Kielfeld frei. Die
Polypenkelche sind am Rande mit Zähnen versehen, von denen die
beiden lateralen am größten sind. Die Zooide stehen in mehreren
Längsreihen zu beiden Seiten des breiten dorsalen Kielfeldes, nur
einen schmalen medianen Streifen freilassen, und finden sich auch
Alcyonarienfauua Californiens. 263
venti'iil und lateral am Kiele in dichter Anordnung. Auf ihrer
Unterseite breiten sich fächerförmig angeordnete Spiculagruppen
aus. Die Kelchspicula sind ca. 0,5 mm lange dreillüglige Nadeln.
In der Tentakelachse linden sich flache, an den Enden nicht ver-
breiterte dreillüglige Spicula von 0,12 mm Länge; die Kielrinde
enthält dreiflüglige Nadeln und in der Stielrinde kommen abgeplattet
stabförmige Spicula von 0,10 mm Länge vor. Farbe in Alkohol
gelblichweiß.
Verbreitung: Japan, Litoral bis 150 m Tiefe."
Außer diesen beiden Arten ist bis jetzt nur eine dritte bekannt.
St. madeari Küll., die vom (Jhallenger westlich von Neuguinea in
129 Faden Tiefe erbeutet worden ist. Sie steht dem St. dofleini
näher als dem St. superhum, unterscheidet sich aber besonders durch
den breiten Kiel, Zooide mit tentakelähnlicher Bildung, eigentüm-
liche Papillen am oberen Stielende und sehr kurze und eigenartig
gestaltete Tentakelspicula.
Nicht zu Stachijptilum gehören St. maciilatmn Thoms. et Henders.,
identisch mit St. fiiscum Thoms. et Hendees. sowie St. quadridentatum
NuTTiNCi (siehe Kükenthal u. Beoch, Pennatul., p. 261).
Anthoptiluni grandifloruni (Veeeill).
NuTTiNG (p. 710) macht zwar nur einige w^enige Angaben über
die ihm vorliegenden Exemplare, doch geht daraus mit Sicherheit
hervor, daß diese Formen zur Gattung Anthoptiliim gehören, und da
nach Beoch's und meiner Ansicht (1911, p. 253) nur eine Art, näm-
lich A. grandiflorum (Veeeill) Köll, existiert, so dürfen "wir wohl
NuTTiNG zustimmen, wenn er seine Exemplare dazu rechnet. Material
zur Nachuntersuchung lag mir nicht vor.
Uinbellula inagnf/iora Köll., Umhelfnla hujcleyl Köll.
und VinbeUula Joma Nutt.
Diese drei von Nutting aufgeführten UmhelMa- Arten habe ich
nicht nachuntersuchen können, ich halte aber die Zweifel an der
Richtigkeit der Bestimmung aufrecht, die Beoch und ich (1911,
p. 292) bereits geäußert haben.
HetiiUa aniethif.stind Verb.
Diese sehr häufige Form habe auch ich in lebendem Zustande
gehalten und untersucht.
264 W. Kükenthal,
Sie ist identisch mit der von Pfeffer als Benüla köUiJceri
bezeichneten Form. In der Arbeit von Broch und mir über die
Pennatulaceen der deutschen Tiefsee-Expedition ist letztere Form
irrtümlicherweise auch zu Benüla reniformis gestellt worden; es muß
aus der Diagnose dieser Art daher die Angabe verschwinden, daß
ihre Verbreitung sich auch auf die Westküste Amerikas bis S. Diego
erstrecke.
Wir kommen nunmehr zur Unterordnung der Gorgoniden, von
denen Nutting 13 Arten auffuhrt. Auch hier will ich mich auf die
Formen beschränken, die ich selbst nachuntersuchen konnte.
CfiJif/of'f/Hf kinoshitae n. «p.
(Taf. 8, Fig. 10.)
= Caligorgia sertosa Nutting.
Schon von vornherein erschien mir die Bestimmung Nutting's
zweifelhaft, weil Wright u. Studer angeben, daß das Original-
exemplar ihrer Art stets 4 Pol3q)en in einem Wirtel aufzuweisen
hat, während Nutting schreibt, daß sie in der Zahl von 3 — 6,
meistens 4 vereinigt sind. Ich halte es daher für zweckmäßig, zu-
nächst eine erneute Beschreibung der Form zu geben. Die Ver-
zweigung ist tiederförmig, die in einer Ebene liegenden Zweige
gehen von dem winklig eingeknickten Hauptstamm alternierend von
den Winkeln aus ab. Bei einigen Zweigen kommen Seitenzweige
vor. Die Achse zeigt einen goldigen Schimmer, die Eindenschicht
ist dünn. Die Polypen stehen in Wirtein zu je 3 — 6, wie Nutting
angibt. An dem mir zur Untersuchung vorliegenden Zweige sind
es fast durchweg 5 oder 6, seltner 4. Die Polypen sind in den
proximal gelegenen \^'irteln etwas kleiner als in den distal gelegenen.
Es kommen ca. 5 Wirtel auf 1 cm Astlänge. Da die Polypen
etwas weniger als 2 mm lang sind, wird zwisclien je 2 Wirtein der
Stamm ein kurzes Stück sichtbar.
Die Polypen sind adaxial stark eingebogen, so daß ihre Mündung
nach der Achse zu gerichtet ist. Die Scleriten sind ansehnliche
Schuppen, die abaxial in 4 deutlichen Längsreihen zu je 7 — 8 stehen.
Die unteren Polypenschuppen sind von annähernd trapezförmiger
Gestalt, auf der Innenseite mit zahlreichen kleinen Warzen besetzt,
während auf der Außenseite radiäre Leisten verlaufen, die kainm-
artig vorspringen können. Besonders ausgeprägt ist das bei den
obersten Polypenschuppen der Fall. Der Durchmesser dieser Schuppen
Alcyonarienfauna Californiens.
265
beträgt 0.30 mm bis 0.5 mm. Die Decivschuppen sind 0.65 mm hocii
und von annälieiiid dieieckig-er Form. Das obere Ende ist schmal,
mit starken Läno'sleisten versehen und endet abg-estumpft. Die
beiden adaxialen Deckschuppen sind viel kleiner. Die Scleriten der
Astrinde sind dicke, oft spindelförmige Körper bis 0,42 mm Länge,
die äußerst dicht mit kräftigen Dornen besetzt sind.
Fig. E^ Callijorißa kinoshitae n. sp.
Polypen- und Deckschuppe.
Fig. F*. Caligorgia kinoshitae
n. sjh Rindenspicula.
Farbe im Alkohol gelb weiß; Fundort: Californien in 120 bis
1350 Faden Tiefe.
Vergleichen wir nunmehr diese Form mit Weight u. Studer's
C. sertosa, so erhellt ohne weiteres die artliche Verschiedenheit.
C. sertosa hat folgende Unterschiede aufzuweisen. Die Polypen
stehen stets in Wirtein zu 4, und die Wirtel sind durch weite
Zwischenräume voneinander getrennt. Die Pol3^penschuppen sind
sehr viel kleiner und viel schwächer skulpturiert. Die Deckschuppen
sind ebenfalls kaum halb so groß und tragen nur einen kurzen, von
einem medianen Kiel gestützten Fortsatz. Die Spicula der Rinde
sind gebogene oder ovale Platten mit gezähnten Rändern, die mit
denen der benachbarten Platten ineinandergreifen. Fundort: Kei-
Inseln in 140 Faden Tiefe.
Wir haben also in Xütting's Form eine andere Art zu sehen,
und es fragt sich, welche Art dafür in Betracht kommt. Am näch-
sten steht die Form wohl der Caligorgia ramosa Kükth. u. Gokg. von
Japan, besonders in der Gestalt der Scleriten, doch sind einige Unter-
sciiiede vorhanden, welche eine Vereinigung nicht gestatten. So ist
der Aufbau der Kolonie etwas anders, indem bei C. ramosa die
Seitenäste viel größer werden als der Hauptstamm, von dem sie
ausgehen. Ferner enthalten die Polj'penwirtel nur 3, seltner 4 Po-
lypen, und die Zahl der Polypenschuppen in einer abaxialen Reihe
beträgt 9 — 10. Die Farbe ist rötlich-braun.
266 W. Kükenthal,
Auch mit den anderen, in japanischen Gewässern verbreiteten
Arten hat vorliegende Form nichts zu tun und stellt somit eine
eigne neue Art dar, die ich nach dem verdienten japanischen Alcyo-
n arienforscher Kinoshita benennen will.
Stenella doederleini Stud.
Von dieser prachtvollen Form, die bis dahin von der californi-
schen Küste nicht bekannt war, habe ich eine ganze Anzahl großer
Exemplare erbeutet. Der Fundort liegt in einer tiefen Einne, welche
sich zwischen der nördlichen Coronado-Insel und Point Loma nach
der Küste zu erstreckt. Die Tiefe betrug 180 Faden. Die Kolonien
waren dicht besetzt mit Ophiuren, Krebsen, Anneliden und anderen
Bewohnern. Die frischen Exemplare zeigten eine schneeweiße Farbe
der Polypen.
Ein Vergleich mit japanischen Exemplaren der gleichen Art
ergab die völlige Identität mit anliegender Form. Stenella doeder-
leini ist bis jetzt gefunden worden bei Japan, im Malayischen
Archipel, der Westküste von Zentralamerika und nunmehr auch an
der californischen Küste. Es ist eine echte Tiefseeform.
Euplexauva niarkl ti, sp.
(Taf. 8 Fig. 11.)
= ? Psammogorgia arbuscnla NuTT.
Unter letzterem Namen, den er allerdings mit einem Frage-
zeichen versieht, beschreibt Nutting eine Form, die meiner Meinung
nach nicht dazu gehören kann. Zwar ist die Beschreibung Verrill's
sehr unvollständig, aber schon die Verzweigung ist so total ver-
schieden von der von Nuttikg's Form, daß man letztere nicht dazu
stellen kann. Eigentlich stimmt nur das Merkmal der roten Farbe
für beide Formen überein.
Es erscheint mir daher angebracht, zuerst Nutting's Beschreibung
zu ergänzen und dann zu versuchen, die Form unterzubringen.
Die Verzweigung erfolgt etwa fächerförmig von einer ver-
breiterten Basis aus. Die Hauptäste können sich noch wiederholt
teilen. Alle Zweige haben die gleiche Dicke und sind im Quer-
schnitt rund. Die Polypen stehen in Entfernungen von etwa 2 mm
und sind in ausgestrecktem Zustande etwa 2 mm hoch, 1 mm breit.
Das umgebende Cönenchym erhebt sich in der Polypenwand in 8
sehr kurzen Lappen, die einen Kelch andeuten, der sich bei der voll-
kommenen Einbeziehung der Polypen in die Rinde über die Öifnung
Alcyonarienfauna Californieus.
267
sclilägt. Die Polypenbewelirung ist ziemlich schwach, und im
mittleren Teile des Polypen fehlen Spicula gänzlich. Über den
8 Kelchlai)pen befindet sich ein transversaler Spicularing. Die
Spicula sind schlanke Spindeln von ca. 0,12 mm Länge, die mit weit-
stehenden, großen abgerundeten Dornen besetzt sind. Diese Spicula
stehen in 8 Gruppen zusammen. Ein zweiter, in ähnlicher Weise
unterbrochener King transversaler Spicula von gleicher Gestalt,
Fig. G'. EujAexaura tuarki n. sp.
Polyp. 13:1.
Fig. H'. Euplexaura marki n. sp.
Polypeuspicula. 152:1.
Fig. J'. Euplexaura marki n. sp.
Biadeuspicula. 152 : 1.
Fig. K*. Euplexaura marki
n. sp. Spicula der tieferen
Rinde. 152 : 1.
findet sich etwas unterhalb der Tentakelinsertionen. Auf ihm er-
heben sich 8 Doppelreihen konvergierender Spicula von gleicher
Spindelform. Jede Doppelreihe geht in die Tentakelachse hinein.
Während die Spicula des Polj'penkörpers rot gefärbt sind, enthalten
die Tentakel durchsichtige, spindelförmige Spicula von ähnlicher, nur
kleinerer Gestalt. In der oberen Astrinde liegen bis 0,18 mm große
268 ^^^- Kükenthal,
Spicula, deren Grundform eine dicke Spindel ist. Auf dieser mit-
unter gebogenen Spindel sitzen zwei oder mehr Gürtel sehr großer,
gezackter Warzen. Durch die besonders starke Entwicklung dieser
Warzengürtel können die Rindenspicula einen ovalen Umriß er-
halten. Gelegentlich findet man auch die beiden Hälften der Spindel
durch einen glatten mittleren Schaft getrennt, so daß man in diesem
Falle von Doppelspindeln reden kann. Im übrigen schwankt die
Größe dieser Rindenspicula sehr erheblich; es gibt solche von nur
0,05 mm Länge. Die in der tieferen Rindenschicht eingelagerten
Spicula haben eine ähnliche Form, nur sind die Warzen mehr abge-
rundet. AWe diese Rindenspicula sind rot gefärbt, so daß die kräftig
hellrote Farbe der Kolonie von der Färbung der Spicula herrührt.
Fundort: Süd-Californien von 35—339 Faden Tiefe.
Wenn mir auch von Psammogorgia arhuscula Veee. kein Ver-
gleichsmaterial zur Verfügung steht, so ergibt doch ein auch nur
flüchtiger Vergleich der Beschreibungen Veeeill's und Nutting's,
daß hier zwei ganz verschiedene Arten vorliegen. Nutting's Art ge-
hört nach meiner Meinung in die Gattung Euplexaura Veke., wie sie
von mir emendiert worden ist (1909, p. 6).
Dieser Gattung habe ich folgende Diagnose gegeben: „Kolonien
in einer Ebene verzweigt, Polypen fast stets ohne gesonderte Kelche
direkt in das dicke Cönenchym zurückziehbar. Polypen stets mit
konvergierenden Reihen von Spindeln bewehrt, unter denen horizontal
angeordnete liegen. Die Rinde enthält an der Oberfläche dicke,
m^ist ovale Spindeln und Doppelspindeln, die dicht mit großen
Warzen besetzt sind, darunter liegen kleinere, schlankere Spindeln
mit regelmäßigen Dornengürteln. Achse fast stets etwas verkalkt
und wenig biegsam. Die Färbung sämtlicher Arten schwankt zwischen
weiß, gelblich und hellbraun. Verbreitungsbezirk Ostasien, von
Japan bis Singapore und Westaustralien, nur der Typus stammt
vom Kap der Guten Hoffnung."
Sämtliche Merkmale vorliegender Form passen ausgezeichnet zu
obiger Gattungsdiagnose, so daß gar kein Zweifel darüber obwalten
kann, daß sie zur Gattung Euplexaura gehört. Nur bezüglich der
Färbung und der Verbreitung muß die Gattungsdiagnose etwas er-
weitert werden, denn die vorliegende Form ist die erste rot gefärbte
Art und ferner die erste Art der Gattung von der Westküste
Amerikas.
Da gar keine Rede davon sein kann, daß Nutting's Form mit
der von Veeeill, wenn auch nur sehr kümmerlich, als Echinogorgia
Alcyonarienfauiia Californiens. 269
(später PsdmnuKjorijia) arbuscula beschriebenen Art etwas zu tun hat,
sondern eine neue Art der Gattung Euplexaura darstellt, so ist es
nötig, ihr einen besonderen Xanien zu geben. Ich nenne sie Euple-
xania marki n. sp. nach meinem verehrten Kollegen E. L. Maek
von der Harvard-Universität.
Eine genauere Untersuchung der mir sehr zweifelhaften Gattung
Psammogorfjia vermag ich leider nicht selbst anzustellen, da es mir
an Material fehlt. Daher kann ich mich auch nicht über die von
NuTTiNG aufgestellten neuen Arten Psammogorgia simplex, Ps. torreyi
und Ps. spauldingi äußern, man wird es aber wohl verstehen, daß
ich sie mit großem Mißtrauen ansehe.
Schließlich hat dann Nutting noch eine Anzahl zur Familie
der Gorgoniden gehörige Arten aufgeführt, und zwar ? Leptogorgia
florae Xeür.. Leptogorgia purpurea (Pall.), ? Leptogorgia cariji Vere.
und Stenogorgia kofoidi Nutt. Zwei Arten der Gattung Leptogorgia
hat NüTTJNG selbst mit Fragezeichen versehen. Wer die völlig un-
genügenden Beschreibungen fast aller bisher aufgestellten Arten der
Gattung Leptogorgia kennt, wird es für richtiger halten, nur dann
eine Identifizierung zu versuchen, wenn gleichzeitig das Originalstück
vorliegt. Das ist aber bei Nuttixg nicht der Fall gewesen, und es
erscheint mir daher geboten, seine Bestimmungen als gänzlich un-
sicher nicht für tiergeographische Schlüsse in Betracht zu ziehen.
Wenn auch die Eevision der californischen Alcyonarien aus
Mangel an Material nur eine lückenhafte sein konnte, so hat sich
doch meiner ^leinung nach mit voller Sicherheit ergeben, daß die
auf die Bestimmungen Nutting's aufgebauten tiergeographischen
Schlüsse unhaltbar sind.
270 W. Kükenthal. Alcyonarieiifauiia Californiens.
Erklärung der Abbilduugen.
Tafel 7.
Fig. 1 u. 2. Telesto californica n. sp. 2:1.
Fig. 3. Telesto nidtingi n. s}). 2:1.
Fig. 4 u. 5. Pennatula phosphorea L. rar. californica n. v., von der
ventralen und der dorsalen Seite. 2:1.
Tafel 8.
Fig. 6 u. 7. Pavonaria californica Moroff = Baltkina jyacifica Nutt.,
von der ventralen und der dorsalen Seite. 2:1.
Fig. 8. Pavonaria sp. juv. = Stachyptilum quadridentatum Nutt.
2 : 1.
Fig. 9. Stadiypülum superhum Stud. 2:1.
Fig. 10. Caligorgia kinoshitae n. sp. 2:1.
Fig. 11. Euplexaura marki n. sp. 7:2.
(t. Pätz'sche Bucbdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S
Zooloy. Jnlifhücher Bd. 35 Aht, f. Syst.
Taf. 7.
Kükenthal.
J. B. Obernetter, München, reprod.
Verlag von Gustav Fischer in Jena,
Zooloiß. Jnlifhiicher Bd. 35 Abt. f. Stist.
Taf. H.
Küketitluil.
J. B. Ubernetter, München, reprod.
Verlag von Gustav Fischer in Jena,
Ä'aclulruclc verboten,
l'bersetztoiq.irccht vorhehalten .
Über Hautzeichnung bei dichtbehaarten Säugetieren,
insbesondere bei Primaten,
nebst Bemerkungen über die Oberflächenprofilieriing
der S ä u g e t i e r h a u t.
Von
K. Toldt juu. (Wien).
Mit Tafel 9-12 nnd 3 Abbildungen im Text.
Die vorliegende Publikation war ursprünglich als Anhang zu
einer in Abschluß befindlichen Abhandlung über die äußere Körperform
eines Elefantenfötus bestimmt, welche voraussichtlich demnächst in
den Dehkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien
erscheinen wird. In dieser Arbeit werden u. a. einzelne Integument-
verhältnisse dieses Tieres eingehender bzw. vergleichend erörtert, wie
besonders die Hautfärbung und das topographisch verschieden zeit-
liche Erscheinen der ersten Behaarung. Letzteres wurde beim Menschen
bei'eits von Escheicht und seither von verschiedenen anderen Autoren
verfolgt, bei Säugetieren besonders von mir (b) beim Fuchs, dann von
Chaine beim Kaninchen, von Schwalbe (d) bei einzelnen Alfen und
von mir (dj bei den Hauskatzen. Dabei hat es sich bereits ergeben,
daß das erste Haarkleid bei den Individuen der einzelnen Arten, im
Gegensatz zu den mehr variablen Verhältnissen beim Haarkleidwechsel,
bilateral symmetrisch und in topographisch ganz charakteristischer,
bei den verschiedenen Species aber in sehr mannigfacher Weise auf-
tritt. Inwieweit diese Vorgänge für die Kenntnis vom Säugetier-
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 18
272 K. ToLDT jnn.,
iiiteg-umeiit von allgemeiner Bedeutung sind, wird sich erst nach
der Untersuchung eines größeren Vergleichsmaterials zeigen. Bei
der Katze im speziellen sind sie hinsichtlich der Fellzeichnung und
beim Elefanten für die Kenntnis seiner Behaarung im allgemeinen
von großem Interesse. Im Bericht über den Fötus des letzteren
konnte ich noch einiges Einschlägige über Procavia-{Hyrax-)F'6ten
beifügen.
Bezüglich der Hautfärbung der behaarten Säugetiere eigab sich
aber im Laufe der Beai'beitung eine ganze Eeihe von Beobachtungen,
deren Verött'entlichung im Rahmen der genannten Abhandlung zu weit
geführt hätte; ich mußte mich daher zu einer separaten Publikation
entschließen. Auch dieses Manuskiipt war bereits mehrmals nahezu
abgeschlossen; durch unerwarteten Materialzuwachs wurden jedoch
wiederholt Einschaltungen und Umstellungen erforderlich. Dabei ist
hier in verschiedener Hinsicht gewi.ssermaßen nur die Grundlage
für weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand gegeben, und
namentlich die hier wohl zum erstenmal genauer behandelte
Zeichnung der Affenhaut bedarf noch umfassender Studien
an reichhaltigem Material. Da die Beschaifung eines solchen nicht
leicht ist und vielfach vom Zufall abhängt, halte ich die Veröffent-
lichung meiner Beobachtungen im jetzigen Zeitpunkt für angezeigt,
besonders auch, um die Fachkollegen, welchen gelegentlich frisches
Material zu Gebote steht, auf diese Verhältnisse aufmerksam zu
machen.^)
Zunächst muß ich die verschiedenen hier in Betracht kommenden
Umstände, durch welche eine Färbung bzw. Zeichnung der Säugetier-
liaut zustande kommen kann, kurz darlegen.
Eine Verfärbung der Haut kann einerseits, wie besonders von
haararmen Säugetieren bekannt ist, durch Pigmente in der Epidermis
oder im Corium bzw. in beiden gleichzeitig hervorgerufen werden,
1) Man sollte auch die Präparatoren und besonders die Saraniel-
reisenden auf diese Verhältnisse aufmerksam machen. So könnte auf einer
Expedition wie z. B. jener von E. Geauer in den belgischen Kongostaat
(1909 — 1911), bei welcher 120 Primaten erbeutet wurden, eine Reihe
einschlägiger wichtiger Fragen am besten und ohne besondere Schwierig-
keit gelöst werden. Ich selbst wurde auf die Hautzeichnung der Affen
aufmerksam, als im Präparatorium des k. k. naturhist. Hofmuseums in
Wien das frisch abgezogene Fell eines Maeaci/s iiiuiis-, welchen Herr
A. Weidholz von einer Heise nach Tunis lebend mitgebracht und der
k. k. Menagerie in Schönbrunn gespendet hatte, zum Stopfen vorbereitet
wurde (Mitte Oktober 1912).
Hautzeicliiiuni;- bei dicblbeliaarteu Säugetieren. 273
andieiseits. bei reieliliclier Beliaaniiio-. auch durch die in der Haut
steckenden Teile eng beisaninienliegender Haaie. insbesondere duich
deren Zwiebel. Sind diese Haarteile in ihrer Mehrzahl unpigmentiert,
so erscheint die Haut (ii)ak, sind sie pigmentieit. mehr oder weniger
dunkel; in beiden Fällen kann man bei genauerem Zusehen eine ent-
sprechende Punktierung bzw. Strichelung wahrnehmen. Auffallender
ist naturgemäß die pigmentierte Verfärbung [fleckweise Epidermis-
färbung. Schwalbe (b)J. und wir werden uns auch hauptsächlich mit
dieser zu befassen haben. Die Haut selbst kann dabei mehr oder weniger
pigmentiert oder ganz pigmentlos sein. Das Haarpigment ist im
Grunde genommen Epidermis])igment (s. besonders Schwalbe); auf
solche Beziehungen kommt es im Nachstehenden jedoch weniger an.
Dagegen sei hier die durch Haare bedingte indirekte Färbung
der Haut von der direkten Pigmentierung derselben schärfer
auseinandergehalten. Die bisher nur wenig beachtete indirekte
Pigmentierung kommt bei Häuten vor, Avelche nicht sehr dick sind,
und zwar vornehmlich dann, wenn die Haare noch nicht ausgewachsen
sind: denn die ausgebildeten pigmentierten Haare sind an ihrer
Basis meist selbst licht und verursachen daher keine dunkle
Färbung der Haut mehr. Diese Färbungsart, welche besonders an
der Innenseite der Haut deutlich zum Ausdrucke gelangt, findet sich
demnach hauptsächlich als vorübergehende Erscheinung bei älteren
Embryonen bzw. Pfoten und jungen Tieren mit noch nicht vollständig
ausgebildetem Haarkleid und bei erwachsenen zarthäutigen Tieren,
wenn sie im Haarwechsel begriffen sind. Im ei'steren Falle rufen
Komplexe von vornehmlich dunklen und von vorherrschend lichten
Haaren, welche durchschnittlich auf gleicher Entwicklungsstufe
stehen, eine Zeichnung hervor. Über eine solche habe ich z. B.
kürzlich von den Hauskatzen berichtet (d). Dabei handelt es sich
um mehr oder weniger große, mitunter aber auch nur um ganz ge-
ringe quantitative Unterschiede in der Pigmentierung der Haare.
In Fig. 1 (Taf. 9) ist z. B. ein Hautstück vom Hinterkopf einer
jungen Hauskatze von der Innenseite dargestellt. Man erkennt
deutlich drei verschiedene Farbenabstufungen: einen dunklen Fleck
in lichter Umgebung und im ersteren drei noch dunklere Längs-
streifen; an der lichten Stelle ist die Haut weiß behaart, am dunklen
Fleck schwärzlich und in den Streifen (Überrest der A\'ildzeichnung)
noch etwas intensiver. Im zweiten Falle befinden sich an den
hellen Hautstellen ausgewachsene, an den dunklen noch im Wachs-
tum begritfene Haare. Solche Verhältnisse hat z. B. Schwalbe (a)
18*
274 ^- TOLDT JUU.,
bei im Haarwechsel befindlichen Exemplaren des Hermelins vor-
gefunden. Während es sich hier um verschiedenfarbige,
weiße und braune Haare handelt, werde ich an einem Maul-
wurf zeigen, daß eine solche indirekte Hautzeichnung auch bei an-
nähernd gleichfarbiger Behaarung auftreten kann. — Bei
dickerer Beschaffenheit der Haut können diese Verhältnisse sichtbar
gemacht werden, indem man die Haut aufhellt.
Zu bemerken ist ferner, daß an der Innenfläche auch von relativ
dicken Häuten bei gezeichnetem Felle eine scheinbare, mehr
oder weniger diffuse H a u t z e i c h n u n g hervorgerufen werden kann,
indem die Behaarung das durchfallende Licht an den dunklen Fell-
stellen weniger durchläßt als an den lichten.
Die indirekte Hautzeichnung hat sich bereits bei den Embryonen
der Hauskatzen als wichtig erwiesen, da sich durch sie die Wild-
zeichnung oft auch in Fällen, in welchen von derselben sonst nichts
mehr zu erkennen ist, nachweisen läßt (Toldt). Die direkte Haut-
zeichnung bei dichter Behaarung erscheint, wie hier weiter aus-
geführt werden soll, besonders bei den Primaten von Interesse.
Für diese verschiedenen Verhältnisse findet sich nachstehend
eine Anzahl von Beispielen; gleichzeitig wurden gelegentlich Be-
merkungen über einzelne andere Eigenschaften des Säugetier-
integuments eingeschaltet, so insbesondere über die Profilier ung
der Hautoberfläche und über die Fellfärbung. Da es bei
derartigen Studien angezeigt ist, die Verhältnisse zunächst bei den
wildlebenden Säugetieren in unvoreingenommener Weise zu unter-
suchen (vgl. auch meine Studien über die Haarformen), habe ich
mich vorläufig auf solche beschränkt. Innerhalb der Primaten
wurden jedoch die „b 1 a u e n G e b u r t s f 1 e c k e" , sowie die gelegent-
lich vorkommende lichte oder dunkle (vermutliche) Epidermis-
fleckung beim Menschen einer vergleichenden Besprechung
unterzogen, denn die Hautzeichnungen der Affen sind für diese in
der Literatur vielfach erörterten Verhältnisse naturgemäß von be-
sonderer Wichtigkeit. — Der Inhalt dieser Arbeit gliedert sich
folgendermaßen :
1. Indirekte Hautzeichnung bei Rehföten.
2. Indirekte Hautzeichnung bei einer im Haar-
wechsel begriffenen Maulwurfshaut.
3. Direkte Hautfärbung und durch die durch-
brechenden Haare bedingte Profilierun g der Haut-
oberfläche bei Brüllaffenföten. Im Anschluß: Allgemeine
Hautzeicbining bei dichtbehaarten Säugetieren. 275
Benierkuiii!en über die Piofilienino' dei' Säu^etierliaut. — Über die
ßescliuppuiig- der JSciiwaiizhaut von Beutelrattentüten.
4. Überblick über die Färbunj^s- bzw. Zeichnungs-
arten der embryonalen und jug'end liehen Säug'eti er-
baut. Scheinbare Färbung- bzw. Zeichnung der Haut-
innenfläche.
5. D i r e k t e H a u t f ä r b u n g b z w. - z e 1 c h n u n g b e i dichter
Behaarung, insbesondere bei Primaten. Hautzeichnung
bei einem (? erwachsenen) Magot und bei einem Kapuzineraffen
(Coriumpignientierung-). — Literaturbesprechung. — Hautfärbung
bei einem $ Katta (Epidermispigmentierung). — Über die Implanta-
tionsrichlung der Haare am Schwänze der Säugetiere. — Allgemeine
Betrachtungen über die direkten Hautpigmentierungen, insbesondere
in ihrem Verhältnis zur Behaarung (enthält auch Bemerkungen über
die Haut eines zweiten $ Katta und in einer Fußnote über die
Färbung der medianen ßückenlinie am Felle verschiedener Säuge-
tiere).
6. Weitere Beobachtungen über die Hautfärbung
bzw. -Zeichnung bei Primaten und Vergleich mit ähn.-
lichen Verhältnissen beim Menschen. Hautzeichnung bei
einem zweiten (?, juv.) Magot sowie bei einem Hulman (Epidermis-
pigmentierung). — Über die blauen Geburtsflecke beim Menschen. —
Über partiellen Albinismus und dunkle Epidermisfleckung beim
Menschen. — Epidermiszeichnung bei drei (iS, 2?$) Varis und bei
einem AMes ater Cuv. — Vergleich zwischen Haut- und Fellzeich-
nung; im besonderen über die Fellfärbung in der Kreuz-Steißgegend,
über die Färbung der Körperober- und -Unterseite, über die Färbung
der Behaarung der Ohrmuschel, der Schwanzspitze, der Extremitäten
und einiger Drüsengebiete bei verschiedenen Säugetieren. — Allge-
meine Betrachtungen über Haut- und Fellzeichnung.
T.Zusammenfassung über die Haut zeich nun gen
der Primaten.
8. N a c h t r a g z u r H a u t z e i c h n u n g d e r P r i m a t e n. Cerco-
pithecus callitrichus Geoffr. (Corium- und Epidermispigmentierung)
und ein dritter (S, juv.) Magot.
Anhang. Bemerkungen über die Leithaare (enthält in einer
Fußnote auch einiges über das Integument und über eine rudimentäre
Schwanzbildung bei Dachsföten). — Nachträgliche Bemerkung zu
meiner Arbeit „Beiträge zur Kenntnis der Behaarung der Säuge-
tiere*'.
276 K. ToLDT jun.
An dieser Stelle erlaube ich mir allen, die mich bei diesen
Untersuchung-en insbesondere durch Überlassung von Material in
liebenswiirdig-ster A\^eise unterstützt haben, nochmals den verbind-
lichsten Dank auszusprechen und zwar den p. t. Herren F. Hoch-
STP^TTER (Wien), L. v. Lorenz-Liburnau (Wien), L. Nick (Frank-
furt a.M.), J. ScHAFFER (Graz), S. V. Schumacher (Wien), G. Schwalbe
(Straßburg), 0. zur Strassen (Frankfurt a. M.), J. Tandler (Wien)
und F. Weidenreich (Straßburg).
1. Indirekte Hautzeichuung bei Rehföten.
Ein einfaches Beispiel einer auf indirekter Pigmentie-
rung beruhenden Hautzeichnung bei in gleichmäßiger
Entwicklung b e g r i f f e n e r Behaarung bietet die Haut eines
ca. 25 cm langen Rehfötus, welche ich dank der Freundlichkeit des
Herrn Prof. J. Tandler untersuchen konnte. Sie ist noch so kurz
behaart, daß sie zwischen den Haarspitzen deutlich sichtbar ist.
An der Außenseite zeigt sie in taubengrauer Grundfarbe weißliche
Flecke, welche der bekannten Fleckung der Rehkitze entsprechen.
Die Zeichnung dieser fötalen Haut wird nicht durch eine direkte Haut-
pigmentierung hervorgerufen ; denn sowohl die lichten als die dunklen
Stellen enthalten in gleicher Weise ganz locker zerstreutes, grob-
fleckiges Epidermispigment (und zwar vornehmlich in den äußeren
Haarwurzelscheiden), welches auf die Hautfärbung keinen w^esent-
lichen Einfluß hat. Die Zeichnung kommt vielmehr dadurch zu-
stande, daß im Bereich der Grundfärbung vorherrschend dunkle
Haare, in jenem der Flecke bis auf einzelne zerstreut liegende
dunkle, weiße Haare in Entwicklung begriften sind, und zwar auf
entsprechend gleichen Entwicklungsstufen (Taf. 9 Fig. 2). Bei dem
zweiten Fötus aus demselben Uterus ist die Haut nicht mehr so
deutlich sichtbar, da die Haarspitzen schon etwas länger sind; in-
folgedessen ist auch die äußerliche Färbung etwas anders, mehr
lebhaft (weißlich-gelbe Flecke in dunkler grauem, durch die Haar-
spitzen schwärzlich schraffiert erscheinendem Grundton). ^) An der
Hautinnenfläche ist die Zeichnung in diesen Fällen undeutlicher, da
die bereits lange Zeit in Formol liegende Haut relativ stark ist.
1) Über das Verhältnis der in Entwicklung begriffenen Behaarung
zur Färbung der Hautoberfläche hat kürzlich Schwalbe (d) besonders bei
Embryonen von Macaciis cynoiiioJgns berichtet.
Hautzeichuuiig bei dichtbehaarten Säugetiereu. 277
•1. Indirekt»' Hautzeichiniiii:: hei einer im Haarwechsel hegriffeuen
3Ianlwnrfshant.
Als ein Beispiel für eine auf indirekter Pi gm entierung
b e r u li e n d e n H a u t z e i c li n II 11 g bei einem im Haarwechsel
begriffenen Tier sei die getrocknete Haut eines einheimischen
Maulwurfs angeführt, welche ich der Liebenswürdigkeit des Herrn
Prof. J. ScHAFFEK veidaiike. Sie zeigt an der Innenfläche in grau-
gelber Grundfarbe eine Anzahl unregelmäßiger, zum Teil sehr aus-
gedehnter und durchbrochener schwärzlicher Flecke^) (Taf. 9 Fig. 3),
während das Fell durchwegs eine glänzend schwärzlich-graue Färbung
l)esitzt.-) Der Fellgrund ist jedoch an den an der Innenseite
dunklen Stellen dichter und dunkler. Bei der genauen Untersuchung
stellte sich heraus, daß der Färbungsunterschied an der Hautinnen-
Häche nicht auf einer direkten Pigmentierung der an sich lichten
Haut beruht, sondern durch die an den einzelnen Fellstellen ver-
schiedengradige Pigmentierung der durchschimmernden Zwiebeln der
durchgehends normal gestalteten Haare verursacht wird. An den
lichthäutigen Stellen finden sich nämlich durchweg ausgebildete
Haare, deren Basalteil nur spärlicii pigmentiert ist. An den schwarz-
häutigen Stelleu sind dagegen zwischen ausgebildeten Haaren viele
starke, offenbar einen Haarkleid Wechsel einleitende Haare erst bis
etwa zur halben Länge des hier noch dunklen Schaftes entwickelt;
sie reichen daher noch nicht an die Felloberfläche und haben noch
eine stark pigmentierte Zwiebel. Hier ist also nur der verschiedene
Entwicklungszustand der an sich gleichfarbigen Haare die Ursache
der Zeichnung der Hautinnenfläche. An dieser kann man bereits
bei schwacher Lupenvergrößerung die lichten bzw. pigmentierten
Zwiebeln als feine Strichelchen wahrnehmen. Ferner erkennt man
stellenweise ganz kleine Flecke, welche durch eine kleine Anzahl
pigmentierter Zwiebeln von noch im Wachstum betindlichen Haaren
gebildet werden. An Schnitten durch die allerdings nicht gut kon-
servierte Haut konnte ich in dieser selbst nirgends Pigment nachweisen.
1) Herrn Prof. ScHArFER waren unter 45 Maulwürfen, welche zu
verschiedenen Jahreszeiten getötet wurden, nur zwei an der Hautinneuseite
mit schwarzen Flecken versehene Exemplare aufgefallen. "Wie mir Herr
Prof. S. V. SCHüMACHEK mitteilte, hat auch er derartige Maulwurfsfelle
bereits mehrmals beobachtet.
2) Der Farbenton des Felles spricht dafür, daß es wahrscheinlich von
einem jugendlichen Individuum stammt.
278 K. ToLDT Jim.,
Wie angedeutet, handelt es sich hier oifenbar um den Beginn
eines allgemeinen Haarkleidwechsels, welcher in topographisch ziem-
lich regelloser Weise erfolgt und hier erst an einzelnen Stellen ein-
gesetzt hat, um allmählich die ganze Hautfläche zu ergreifen. Näheres
läßt sich hierüber nicht sagen, da die Zeit des Todes des Maulwurfs
unbekannt ist. — Einschlägiges bei einer „Reitmaus*' wurde bereits
von Heusinger (b) kurz erwähnt und abgebildet. Den Gerbern ist
das Vorkommen von offenbar gleichartigen dunklen Hautverfärbungen,
den „Kränzchen", bei im Haarwechsel befindlichen Tieren (Bisam,
Kanin, Hasen) bekannt (Cubaeus, P., Das Ganze der Kürschnerei,
Wien, Pest, Leipzig).
3. Direkte Hautfärbuiig und durch die durchbrechenden Haare
bedingte Profilierung der Hautoberfläche bei Brüllsiff'euföten.
Eine direkte Hautfärbung im Zusammenhang mit einer eigen-
artigen Profiliernng der Hautoberfläche findet sich an der Hautober-
fläche von Brüllaffenföten; dank dem Entgegenkommen des Herrn
Prof. F. HocHSTETTER kouute ich zwei verschiedenen Alters unter-
suchen [Alouata (Mycetes) senieulus L. und sp.].
Bereits der jüngere Fötus {A. senimlus L., Prov. St. Catha-
rina, Brasilien; Sch.-St.-Länge über den Rücken gemessen 132 mm,
Schwanzlänge 145 mm) fällt durch seine dunkel blaugraue Färbung
auf, welche am Bauche etwas lichter ist.^) Mund- und Nasenschleim-
haut und Genitale lichtgrau. Die Palma und Planta sowie die
Nägel, die Zunge und der Nabel heben sich durch ihre weiße Fär-
bung von der dunklen Umgebung auffallend ab, desgleichen die
Unterseite des Schwanzes in ihrem apikalen Drittel (48 mm). An
letzterer Stelle ist die Haut bei den Brüllaffen und Verwandten be-
kanntlich haarlos und weist ein ganz ähnliches Hautleistenornament
auf wie an den Hand- und Fußflächen; beim vorliegenden Fötus
sind die Hautleisten makroskopisch nicht wahrnehmbar und auch
bei stärkerer Vergrößerung nur in ganz verschwommener Weise.
Außerdem finden sich hier allenthalben ziemlich oberflächlich und
locker verteilte intensiv dunkle Pigmentkörnchen.
Am Rumpf und an den proximalen Teilen der Extremitäten
1) Bei einem von Adachi untersuchten erwachsenen Exemplar
eines Mycetes senieulus war die Epidermis ziemlich stark pigmentiert und
im allgemeinen dunkelbraun gefärbt. Die Pigmentkörnchen (der Epidermis)
waren dunkel und die Bpidermisfarbe im Vergleich zur Pigraentmeuge.
verhältnismäßig schwarz.
Ilautzeicliiiuiig bei dichtbehaarten Säugetieren. 279
sind die Haarspitzen, soweit solche durch{?ebrochen, nocli ganz kurz,
und die Hautubertiäche ist im Zusaninienliang mit der Behaarung
eigenartig: profiliert. Bei schwachei- Vergrößerung und genauer
rntersuchung zeigt es sich nämlich, daß die Oberfläche von ziem-
lich nahe beisammenliegenden longitudinalen Wülsten ^) verschiedener
Stärke bedeckt ist (Taf. 9 Fig. 4), welche sich in ihrem proximalen
Teil allmählich erheben, nach hinten etwas ansteigen und hier mehr
oder weniger geradlinig abgestuft enden. Zunächst fallen ziemlich
gleichmäßig verteilte stärkere Wülste auf, von welchen einzelne in
größeren Abständen wiederum etwas kräftiger erscheinen; zwischen
all diesen Wülsten liegen kleinere von verschiedener Größe. Viel-
fach ist ein größerer Wulst jederseits von einem kleineren begleitet,
entsprechend einer Anordnung der Haare in Dreiergruppen. Wäh-
rend die \Milste opak-weißlich sind, erscheint die Haut in den
schmalen Zwischenräumen ziemlich stark pigmentiert. Das Pigment
befindet sich im Rete Malpighi, und zwar ziemlich gleichmäßig ver-
teilt. Die Wülste werden jedoch, wie wir noch sehen werden, von
den darüberliegenden Epidermislagen gebildet, und das Pigment des
unter ihnen liegenden Teiles der MALPiGHi'schen Schicht ist durch
die Wülste hindurch von außen nicht sichtbar (Fig. 6) ; diese stechen
daher von der dunklen Umgebung deutlich ab. Da die größeren
Wülste mehr oder weniger in Querreihen liegen, erscheint die Haut-
oberfläche annähernd queireihig abgestuft. Da sich ferner das Pig-
ment besonders reichlich hinter den Wülsten bzw. am Beginn der
folgenden Wulstreihe zeigt — es erstreckt sich auch mehr oder
weniger weit an der Oberfläche der Haarbälge in die Tiefe — ,
kommt gleichzeitig eine Art Querstreifung zustande. Im Detail er-
scheint somit die Färbung der Hautoberfläche infolge der Wülste
einerseits licht längsgestrichelt, während die Pigmentierung andrer-
seits hauptsächlich eine unregelmäßige Querstrichelung hervorruft;
zu letzterer tragen übrigens auch die Abstufungen der Wülste bei.
Die Haarspitzen sind noch relativ spärlich; sie verlaufen einzeln,
oberflächlich und entsprechend schräg ansteigend in den stärkeren
Wülsten, aus welchen sie infolge ihrer dunklen Pigmentierung durch-
schimmern, und treten am Rande der Abstufung des Wnlstes aus
der Haut hervor. Dire Spitze ist meistens noch etwas umgebogen.
Vielfach sieht man in den Wülsten auch Haare, welche noch nicht
l) "Wohl zu unterscheiden von dem Wulst der Haarbälge (s. z. B.
Stöhr).
280 K. TOLDT JUU.,
durchg-ebroclien sind. Die Haarzwiebeln sind mehr oder wenig-er
stark pig-mentiert, beeinflussen die Hautfärbnng im Verhältnis zum
Hautpig-ment jedoch nur unwesentlich.
Beim ä\ t er en Älouata-Fölns (sp., Provenienz?, Scheitel-Steißlänge
176 mm, Schwanzlänge nur 144 mm) ist die Hautfärbung- im allge-
meinen etwas dunkler (mehr schwärzlich) und im Detail einheitlicher
als beim jüngeren (Taf. 9 Fig. 5); durch die starken llaarspitzen,
welche nun durchschnittlich 2—4 mm lang und mehr oder weniger
braunschwarz sind, erhält sie ein leicht schwarz schraffiertes Aus-
sehen. Am Hinterkopf und an den Schultern sind die Haare be-
sonders lang. Das Epidermispigment verhält sich ähnlich wie
beim jüngeren Fötus, ist aber mächtiger entwickelt. Auch die
Unterseite der Füße und des Schwanzendes (relativ lang, 60 mm)
sind etwas dunkler, aber noch immer so licht, daß sie von der Um-
gebung deutlich kontrastieren. Das Hautleistenornament ist auch
jetzt mit freiem Auge noch nicht erkennbar; bei stärkeier Ver-
größerung erscheint es aber bereits deutlich durch abwechselnd
lichte und etwas schmälere dunkle Streifen ausgeprägt. Die ober-
flächlich zerstreuten Pigmentkörnchen sind hier in gleicher Weise
vorhanden wie beim jüngeren Fötus. — Die Innenseite der abge-
zogenen Haut ist bei beiden Föten weißlichgrau und infolge der
durchschimmernden Haarzwiebeln locker braunsclnvarz punktiert.
Die Hautprofilierung am Rumpfe hat sich ziemlich verändert
und ist im ganzen etwas zurückgegangen \) (Taf. 9, Fig. 5). Die
nun relativ weit auseinander stehenden stärkei'en Haarspitzen treten
nicht mehr aus einem eigentlichen Wulst hervor, sondern sind nur
mehr in dem zur Hautoberfläche stumpfen Winkel auf eine kurze
Strecke von einem zarten epidermalen Überzug begleitet; die Haut
in der Umgebung dieser Haare ist flach und eher etwas vertieft.
Nur zahlreiche, allenthalben zerstreute junge Haare kommen noch
aus einem entsprechend zarten, etwas erhabenen Wulst hervor,
welcher licht ist; sonst ist die Hautoberfläche gleichmäßig dunkel.
Außer diesen zarten, die Profilierung der Haut nicht wesentlich
beeinflussenden Wülsten finden sich stellenweise auch einzelne mehr
oder minder regelmäßig gestaltete schuppenförmige Erhebungen mit
zumeist nach hinten konvexem oder zugespitztem Rande. Bei ge-
nauem Zusehen kann man häufig bemerken, daß diesem entlang, mehr
1) Die Tjnterschiede in der Hautprofilierung beider Föten dürften
wohl zweifellos in dem verschiedenen Entwicklungsgrad derselben gelegen
und nicht etwa spezifischer Natur sein.
llinuzeirhmniy bei (liclirt)eliaarteii Säni^etiiMeii. 281
oder wenio-er lialhkieisförmiof g-ebogeii bzw. geknickt, oberflächlich
in der Epidermis ein SclKiftstück eines zailen Haares verläuft. Diese
scluippenfürmige Erhebung entsi)richt somit gewissermaßen einem in
der Hautebene gebogen vollaufenden, jedoch relativ langem Wulst.
Die Sjiit/e ist meistens noch nicht durchgebrochen; mitunter ist sie
jedoch auch hiei- bereits auf eine größere oder kleinere Strecke frei
und dann ott noch entsprechend gebogen. Auch haften ihr manch-
mal noch Gewebereste an.
Schnittpräparate von der Haut des Hinterrückens beider Föten
zeigen, daß die Wülste rein epidermaler Natur und speziell eine
DiÖ'erenzierung der Hornschicht sind (Taf. 9 Fig. 6, vom jüngeren
Fötus). In ihnen sieht man sehr häufig eine mehr oder weniger
große Höhlung von rundlicher bis langovaler Gestalt, welche sich
oft eine Strecke weit in einen Haarbalg hinein verfolgen läßt.^) In
diesen Höhlungen finden sich Faserzüge, welche ein unregelmäßiges,
lockeres Netzwerk von mehr oder minder rundlichen Maschen bilden ;
in diesen kann man vielfach dunkle Körperchen wahrnehmen, welche
offenbar Bruchteile eineg Haarschaftes darstellen, während das faserige
Gewebe der Umhüllung desselben entspricht. Denn mitunter sieht man
deutlich größere Schaftstücke, welche mehr oder weniger gebogen
veilaufen; auch tritt oft der Haarschaft direkt aus einem Balge in
eine solche Höhlung ein. Wir haben es hier, insbesondere in Über-
einstimmung mit den eben erwähnten schui)penartigen Erhebungen an
der Hautoberfläche des älteren Fötus, offenbar mit einer besonders
starken Einrollung der Haarspitzen in der Epidermis vor dem Durch-
bräche zu tun. Bis zu einem gewissen Grade wurde ähnliches gelegent-
lich beim Menschen und bei manchen Haustieren (Ziege, Schaf und ins-
besondere beim Schwein, s. z. ß. Eschricht, Simon, Reissner) und mit
einiger Regelmäßigkeit beim dreizehigen Faultiei' u. a. (Welcker)
beobachtet (s. weiter unten). Bei den Föten von Alouata — abgesehen
vom Menschen meines Wissens des ersten Primaten, von welchem bis-
her derartige Bildungen bekannt sind — scheint eine solche EiuruUung
gleichfalls regelmäßig vorzukommen -) und zwar vermutlich bei jedem
1) Diese Höhlungen haben mit den Spalt- bzw. Lückenbildungeu,
welche Mauki:r (a bzw. c) in Haaranlagen von Maulwurfs- bzw. Igel-
embryonen beubaciitet hat, abgesehen von ihrer Form und Lage, auch des-
wegen uiclits gemein , da sie frühzeitigere Erscheinungen darstellen und,
Wenn sich der Haarschaft bildet, bereits verschwunden sind.
2) Bei drei verschieden großen Föten von Alowiln t^eiiicuhts L. des
Senckenbergischen Museums (Frankfurt a. M.), welche ich dank der Liebeus-
282 K. TOLDT jlUl.,
Haar. Denn jedem kommt während des Durchbriiches ein Wulst zu, und
auch bei den bereits in geradem Verlaufe durch die Haut heraustretenden
stärkeren Haaren sieht man vielfach im spitzen Winkel, welchen sie
zur Hautoberfläche bilden, in der Epidermis eine Höhlung; das Haar
hat sich aber aus dieser bereits befreit und grade gestreckt. Aller-
dings kann gelegentlich auch die Höhlung eines anderen Haares an
dieser Stelle angeschnitten sein. Daß beim älteren Embryo die hier
relativ spärlichen Haarbogen mehr flächenhaft ausgebreitet sind, dürfte
darin begründet sein, daß das Durchdringen durch die nun stärkere
Epidermis noch schwieriger ist und ihnen, da die großen Haare
keine Wülste mehr besitzen, an der Hautoberfläche mehr Platz zur
Verfügung steht. Beim jüngeren Fötus kann man übrigens auch be-
obachten, daß die hier ziemlich eng beisammenliegenden Wülste mit-
unter etwas nach einer »Seite geneigt sind. Das mehr oder weniger
vollständige Fehlen der Wülste und der zugehörigen Höhlungen in
der Epidermis bei den kräftigen Haaren des älteren Fötus zeigt,
daß der Wulst samt seiner Höhlung eine vorübergehende Erscheinung
ist, welche bald nach erfolgtem Durchbruch des Haares verschwindet.
Da ursprünglich jedem Haare ein Wulst zukommt, ist es wohl wahr-
scheinlich, daß er durch das Eindringen des Haares in die Epidermis
zustande kommt und keine selbständige Bildung darstellt. Die Ur-
sache derselben ist wohl in einer besonders intensiven Verhornung
der Epidermis zu suchen, welche das Durchbrechen des Haares er-
schwert. Die im vorliegenden Falle gleichzeitig vorhandene starke
Pigmentierung der infolge davon allenfalls derberen Haut kann es
nicht sein, da das Pigment, welches nur in den untersten Lagen
der Epidermis bzw. in der äußeren Wandung des Balges liegt, der
Haarspitze nicht in den Weg tritt.
Bei Embryonen von Hylohates syndactjßus, welche allerdings erst
auf vorgeschrittener Entwicklungsstufe eine starke Epidermis-
pigmentierung aufweisen [s. Schwalbe (d)], konnte ich an noch
lichten Hautstücken von zwei verschieden großen, mit kurzen Haar-
spitzen versehenen Embryonen, welche ich dank der Freundlichkeit
Würdigkeit der Herren Prof. 0. ZUR Strassen und Dr. L. Nick be-
sichtigen konnte, läßt die äußerliche Inspektion darauf schließen, daß hier
die gleichen Verhältnisse bestehen. Schwalbe hatte in seinen Arbeiten
über den Haarstrich der Primaten keine ^/c^^a/a-Embryonen zur Verfügung,
und bei den zahlreichen anderen daselbst besprochenen Embryonen wird
von solchen Verhältnissen nichts erwähnt.
Hautzeicbmnig bei dichtbehaarten Säugetieren. 283
der Hen-en Proff. Gelieimrat G. ScHWAiiBE und F. Weidenreich
unteisiicheu konnte, keine derartige Profilieinng- feststellen.
Die Vorgänge bei einem solchen Haardurclibrucli Aveiden von
den Autoren folgendermaßen geschildert ; ich halte mich dabei be-
sonders an Bonnet. Wenn der Durchbruch behindert ist und die
jungen Haare im Balge nicht mehr Platz finden, treiben sie zunächst
die Epidermis zu einer kleinen Erhöhung auf, indem sie sich unter
derselben schlingenförmig oder spiralig abbiegen; dabei kann der
absteigende Schenkel des Haares wiederum im Haarbalge zu liegen
kommen und zwar mehrfach um den aufsteigenden Schenkel torquiert,
etwa wie die Schnur einer Peitsche, l^eim weitei'en Fortschreiten
der Haarentwicklung werden die der nachmaligen Hornschicht bzw.
Epitrichialschicht entspi'echenden Lagen der Epidermis abgehoben
und die Spitze des Haares allmählich aus dem Balge herausgezogen.
(Die von Bonnet selbst beschriebenen Ditferenzierungen in der Pferde-
haut sind dagegen Spiralwindungen und Spindelbildungen des Schaftes,
welche im Haarbalge unterhalb der Talgdrüsenregion entstehen.)
Bezüglich der Verhältnisse bei den Aloiiafa-Föten sei, vornehm-
lich gegenüber jenen beim Faultiere, hervorgehoben, daß hier in der
Entwicklung des ersten Haarkleides deutliche, durch das Vordringen
der einzelnen Haarspitzen bedingte Epidermiserhebungen auftreten,
durch welche vorübergehend eine mehr oder weniger regelmäßige
Prolilierung der Hautobertläche verursacht wird. Die einzelnen Er-
hebungen steigen entsprechend der ursprünglichen \\'achstums-
richtuug des Haares caudal etwas an und können mitunter auch
eine schuppenartige Form annehmen. Die Haarbogen liegen bei den
von mir untersuchten p]ntwicklungsstadien mitten im Stratum cor-
neum, welches keine Demarkationsgrenze aufweist, und nicht in Ein-
buchtungen an der Unterfläche eines eigenen, äußerlich glatten Epi-
trichiums. Die Haare verdicken sich unterhalb des Spitzenteiles
nicht plötzlich in auffallender Weise.
Im Anschluß hieran sei einiges über die Profilierung der
Säugetier haut im allgemeinen bemerkt. Die Profilierung
der Hautoberfläche bei den Alouata-Föten hat mit der, welche ich
seinerzeit beim Fuchs beschrieben habe, nichts gemein. Während
nämlich jene eine frühzeitige, bald vorübergehende Erscheinung in
der Embryonalentwicklung ist, tritt diese erst zur Zeit der Geburt
allmählich auf und ist beim Erwachsenen stellenweise sehr kräftig
ausgebildet. Bei der Profilierung der Fuchshaut ist die Epidermis
284 K. ToLDT Jim.,
nicht verdickt, sondern überzieht das gefaltete Corium stets gleich-
mäßig'. Weiter unterscheidet sie sich besonders dadurch, daß die
einzelnen Erhebungen viel größer (breiter, mit querkonvexem Hinter-
rand) sind und sich auf ganze Gruppen von mehr oder weniger aus-
gebildeten Haaren erstrecken, welche hier aus der Tiefe der Ab-
stufungen hervortreten. Endlich entstehen die Wülste der Alouata-
Föten sichtlich durch das Hervorbrechen der einzelnen Haare; die
Profilierung der ausgebildeten Fuchshaut steht mit demselben jedoch
nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Ursprünglich (aj hatte ich
letzteres angenommen, indem ich die schuppenartige Erhebung von
dem Ringwulst ableitete, welcher bei den Fiichsföten die Austiitts-
stellen der Leithaare umgibt und vornehmlich an der oberen Seite
der Haarbasis deutlich entwickelt ist. Davon bin ich jedoch bereits
abgekommen, als ich erkannte (b), daß beim Erwachsenen die Pro-
filierung gerade bei den Leithaaren unterbrochen ist. Ferner ist
der Ringwulst anfangs eine rein epidermale Erhebung, welcher sich
erst später (beim Neugeborenen) auch das Corium anschließt. Weiter-
iiin wird die Epidermisverdickung immer unauffälliger, und die ganze
Erhebung gleicht sich mit dem weiteren Wachstum der Haut all-
mählich mehr oder weniger aus. Die allgemeine Hautprofilierung
gelangt dagegen erst zu dieser Zeit zur Ausbildung. Auch ist es
unwahrscheinlich, daß der einem einzelnen Haar angepaßte Wall
sich späterhin auf mehrere Haarbündel erstrecken soll. Die schuppen-
förmigen Erhebungen der Fuchshaut erscheinen vielmehr als Bil-
dungen, welche im innigsten Zusammenhange mit der Gruppierung
der Haare in den Strukturverhältnissen des Coriums gelegen sind.
Bei vielen anderen Säugetieren entsprechen sie offenbar „den sich
kreuzenden Linien geringster Spannung in der Säugetierhaut", durch
die die Lage der einzelnen Haargruppen anatomisch bestimmt ist
und „welche unter der Lupe das Bild einer feinen Schuppung vor-
täuschen können" [Friedenthal (a)]. Beim Fuchs und anderen
Säugetieren (z. B. auch bei Affen) sind jedoch tatsächlich — an den
einzelnen Körperstellen in verschiedener Ausbildung — deutliche,
zum Teil mit der Nadel abtastbare Erhebungen vorhanden , welche
entsprechend der Inplantationsrichtung der aus der Tiefe der Ab-
stufungen hervortretenden Haargruppen ansteigen.
Die Wülste bei den Alouaia-Föitw stellen gewissermaßen die
nach außen gelegenene Epidermiswandung eines durch den schlingen-
förmigen Verlauf des Haarschaftes komplizierteren Haarkanals dar,
wie er z. B. beim Durchbruch des menschlichen Wollhaares in der
Hiiutzeicliiniiii,^ bei (li(litl)el)!\artei) Säiiyetiereii. 285
Epiilermis aultiitt (vgl. Stihik); die hierbei eiv.eugte Eiliebuiig- ist
jedoch ganz unbedeutend und baUl veigänglich, und der Kanal
verhiuft geradlinig in scliräger Richtung durch die Epidermis.
Stärker erscheinen die Längswülste bereits bei jenen Haaren der
Ziegen-, Schaf- und besonders der Schweineembryonen, welche die
Haut, wie es scheint, ohne Schlingenbildung durchbrechen (vgl.
namentlich Rkissnee). Eine ähnliche, aber gedrungenere, kürzere
Bildung stellen die vorhin genannten Wälle um die Austrittsstellen
der Leithaare des Fuchses in ihren ersten Stadien dar. Solche Er-
hebungen scheinen ziemlich verbreitet zu sein, so z. B. in der Ent-
wicklung der stärksten Haare beim Dachs (Tat". 9 Fig. 7j, der Igel-
stacheln u. a. Besonders mächtig sind sie nach Keissner bei
Coeloi/enys paca. Ahnliche Verhältnisse kommen bekanntlich ins-
besondere auch bei den Spürhaaren vieler Säugetiere vor [z. B. beim
^Maulwurf. ]\Iaueer (a)]. Die Form solcher Erhebungen hängt zum
Teil auch mit der Richtung des einzelnen Haares zusammen; so
habe ich z. B. an den Oberlippenspürhaaren von Didelphys-Yöttw
beobachtet, das der Wall bei steil implantierten Haaren ziemlich
gleichmäßig rund, bei schräg gerichteten Haaren, deren Richtungs-
zuge entsprechend, an der Oberseite derselben mehr gestreckt, an
der Unterseite gedrungen ist. Diese Verhältnisse sind in den ein-
zelnen Fällen nicht immer gleichartig und bedürfen jeweils einer
besonderen Untersuchung. So ist z. B. die Epideimiserhebung bei
den Leithaaren der Dachsföten von jener beim Fuchs bei-eits äußer-
lich dadurch verschieden, daß sie vornehmlich an der Hinterseite
der Haarbasis entwickelt ist: auch besitzt sie eine andere innere
Beschalfenheit (Vortreibung der Epitrichialschicht?). — Vgl. auch
Pjnkus (a), FßiEDEXTHAL (a, IV, p. 22) u. a. — Alle diese Diife-
renzierungen haben gemein, daß sie beim Durchbruch des Haares
durch die Haut entstehen. Während sich dieser in den letztgenannten
Fällen relativ leicht vollzieht, allenfalls unter geringer Abbiegung
der Spitze (z. B. auch beim Igelstachel), hat er bei den Haaren mit
sich einrollender Spitze besondere Schwierigkeiten zu überwinden;
dabei kommt es wohl auch auf die Größe des Wachstumsdruckes
der einzelnen Haare an. Der Grad dieser Schwierigkeit kommt
dann bei der embryonalen, noch leicht formbaren Epidermis in ent-
sprechender Weise zum Ausdruck.
Eine mit diesen Bildungen nicht direkt vergleichbare, ganz
minimale Profilierung der Hautoberdäche stellen die Epidermis-
verdickungen dar, welche das erste Entwicklungsstadium der ein-
286 K. Tor>DT Jim.,
zelnen Haare (z. ß. von verschiedener Größe beim Maulwurf, Maueee)
oder ganzer Haarkomplexe bilden [vgl. besonders die Katzenembryonen,
ToLDT (d)]. Bei den Anlagen der Einzelhaare entsprechen die
obersten Schichten der Epidermis topographisch allerdings in einem
gewissen Sinne jenen der oberflächlichen Schichten der Haarwälle.
Wie es sich immer mehr zeigt, ist die allgemeine Oberflächen-
beschaffenheit der Haut sowohl bei den verschiedenen Säugetieren
als auch in einzelnen Fällen im Verlaufe der Ontogenie eine sehr
verschiedenartige. Diese vielfach mit der Behaarung in Beziehung
stehenden und zum Teil sehr komplizierten Verhältnisse sind jedoch
insbesondere hinsichtlich der dichtbehaarten Haut noch relativ
wenig bekannt. Dabei erscheinen manche in Hinblick auf das Ver-
halten der Haare zu den Schuppen bzw. auf die Frage von der
Abstammung der Säugetiere von beschuppten Vorfahren von be-
sonderem Interesse. Da es gegenwärtig unmöglich ist, einen voll-
kommenen Überblick über diese Verhältnisse zu geben und deren
Bedeutung richtig zu beurteilen, sehe ich von den allgemein be-
kannten Furchen-, Leisten-, Buckel- und Schuppenbildungen, wie sie
in größerer oder kleinerer Ausdehnung insbesondere bei der haar-
armen bzw. -losen Haut vorkommen, ferner von den Haarscheiben
[PiNKus (a)], den Sinushaarpolstern [s. Schwalbe (c)] etc. ab und be-
schränke mich zur allgemeinen Orientierung auf eine provisorische
Zusammenstellung einiger von diesem Gesichtspunkte aus bisher
weniger beachteter Formen.
Auf früher Entwicklungsstufe: kleine, scheibenförmige
oder zarte, streifen bildende Epidermisverdickungen
als erstes Stadium in der Entwicklung der einzelnen Haare (bei
den Säugetieren im allgemeinen) bzw. ganzer Haarkomplexe (Katze),
sowie der Milchdrüsen [Schwein, Eichhörnchen (Beesslau) etc.],
ferner gewisse andere hypertheliale Bildungen am Bauche etc.
Auf vorgeschrittener Entwicklungsstufe : Epidermis-
e r h e b u n g e n von länglicher Form an dei' Austrittsstelle
einzelner Haare, welche mit dem Durchbruche der letzteren durch
die Haut im Zusammenhang stehen (Haarkanal, Längswülste).
Besonders deutlich und mitunter von schuppenartiger Form sind sie,
wenn sich das Haar bei behindertem Durchbruch in der Epidermis
einrollt (Schwein, Brüllaffe u. a.). Hier schließen sich die mehr
oder weniger rundlichen Erhebungen an, welche anfangs
(Fötus) rein epidermaler Natur sind, später aber allmählich vom
Corium eingenommen werden: Hautwall um die Austrittsstelien der
Hautzeicbnuug bei dichtbehaarten Säugetieren. 287
Leitliaare von ]'>(lpes vulpes L. und in melir oder wenio^er ver-
schiedener Art bei starken Haaren, so insbesondere bei den Spür-
liaaren vieler anderer Tiere.
Schuppenförm ig-e, durch das C o r i u m bedingte
Profi Her ung- der Hautobeifläclie, welche mit der Lage und
Iniplantierung der einzelnen Haargruppen in Zusammenhang steht;
P^piderniis nicht verstärkt. Bei Embryonen von lihinoceros javanicus
Cuv. (DE Mkijkrk), von Ereihizon dorsatus Cuv.^j (Lo\ve&) und auf
der Stirne von Embryonen von Macacus cynomölgus [Schwalbe (d)].
Um die Zeit der G-eburt sich allmählich entwickelnd und beim Er-
wachsenen andauernd : bei Vulpes vulpes L. In ähnlicher, mehr oder
weniger deutlicher Ausbildung anscheinend bei vielen anderen
Säugetieren, besonders bei solchen mit dichter Behaarung bzw.
kräftigen Haargebilden [s. Toldt (a)]. Nach Eiger ist die ganze Haut
von Cercolahes prehensilis und C. villosus mit kleinen Schuppen bedeckt,
welche als gleichmäßige papilläre Erhebungen des Integuments zu
betrachten sind.-)
Im Anschluß hieran seien die
Färbungsverhältnisse an der Schwanzhaut von
D i clelphys -Föten
kurz erörtert, deren Schwanz in der basalen Hälfte schwarzgrau, in
der apicalen licht ist. Bei den mir vorliegenden Föten, vermutlich
von D. aurita Wieb. (Prov. St. Katharina Brasilien; Schnauzen-
spitze— Steißlänge 122 mm, Schwanzlänge 72 mm), ist die dunkle
Hautpartie äußerlich lichtgrau mit durch ziemlich locker stehende,
braunschwarze Haare bedingten longitudinalen Schraften. Diese an
sich und an den einzelnen Sclnvanzstellen verschieden langen Haare
sind etwas vor der Mitte der Schwanzlänge ca. 1 mm lang. Bei
Lupenvergrößerung erkennt man, daß die Haut auch im dunklen
Teile ursprünglich (bei jüngeren Exemplaren) ganz licht ist. In
1) Nach LoWEG entsprechen den an der Oberseite dieses Embryo
vorhandenen „Feldern" an der Unterseite „Warzen"'. Beim Erwachsenen
sind beide „bis auf eine kleine Hauterhöhung am Ursprünge der Stacheln
und Borsten" verschwunden.
2) Hier sei noch erwähnt, daß BORTOLOTTI bei Embryonen von der
weißen Ratte, vom Maulwurf u. a. Hautfalten beschrieben hat, die nach
Kc'blER (b) ein 8chrunipfungsprodukt infolge der Konservierung darstellen.
Den gleichen Eindruck machen die Hautfalten in der Abbildung , welche
FuRLüTTl von einem beinahe haarlosen Maulwurf gibt.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Svst. 19
288 K. TOLDT JUU.,
dieser lichten Färbung- treten jedoch bald kleine queroblonge, im
Rete Malpighi fein grau pigmentierte Felder auf, welche rings um
die Schwanzoberfläche ziemlich eng und alternierend verteilt sind.
Diese Felder, welche gegen die zarter behaarte Ventralseite des
Schwanzes zu allmählich pigmentärmer werden, sind die in Ent-
wicklung begriifenen Schwanzschuppen; die stärkeren Haare treten
durchwegs unter dem apicalen Rand derselben hervor, einzelne
kürzere Haarspitzen mehr aus der Mitte der Zwischenhaut. Das
ganze Bild, welches in bezug auf die Pigmentverteilung mit jenem
der Haut der Brüllaffenföten in einem gewissen Gegensatz steht,
erinnert einigermaßen an die Abbildung eines Hautstückes des
Schwanzes von Myrmecoplmga juhata bei Webee (tab. 2 fig. 18),
doch sind die Schuppenfelder bei den Didelphys-Föten weniger auf-
fallend.
An dem fast weiß erscheinenden apicalen Teil der Schwanzhaut
sind sowohl die Haare als auch die Schuppenfelder ganz licht. Von
Interesse ist der ungefähr in der Hälfte der Schwanzlänge befind-
liche Übergang zwischen beiden Färbungen, welcher relativ scharf
umgrenzt ist. Bei genauerem Zusehen erkennt man jedoch, daß die
Haare ziemlich plötzlich und etwas früher licht zu werden beginnen
als die Schüppchen, deren Pigmentierung allmählicher nachläßt und
um ein paar Schuppenringe weiter apical reicht. — Die Innenfläche
der abgezogenen Haut ist an sich weiß; im basalen Teile des Schwanzes
verursachen die vielfach in Dreiergruppen und in mehreren Längs-
streifen angeordneten Haare durch ihre stark pigmentierten Zwiebeln
eine dunkelgraue Melier ung, während sie in der apicalen Hälfte fast
ganz durchsichtig sind.
Über die beschuppte Haut am Schwänze verschiedener Säuge-
tiere siehe außer Weber auch Reh, Römer (a) u. A.
4. Überblick über die Färbungs- bzw. Zeichnimgsarten
der embryonalen und jugendlichen Säugetierhaut. Scheinbare
Färbung bzw. Zeichnung der Hautinnenfläche.
In meinen verschiedenen Abhandlungen über das Integument
der Säugetiere gelangte eine Reihe von Färbungs- bzw. Zeichnungs-
arten der embryonalen oder jugendlichen Haut zur Sprache, welche
auf verschiedene Weise zustande kommen. Soweit sie sich bei der
äußerlichen Betrachtung darstellen, lassen sich im allgemeinen etwa
folgende Verhältnisse unterscheiden.
Hantzeichuuii": bei tliclitbeliaarten Säugetieren. 289
lii relativ 1 r ii li e n P^ m b r y o n a 1 s t a d i e ii kann durcli Haut-
verdickungen. welche vielfacli mit der Haarentwicklung in Zusammen-
hang- stehen, gegenüber der allgemeinen Färbung besonders an
der Außenfläche der (konservierten) Haut ein etwas intensiver opaker
Farbenton zustande kommen: Haaranlagen, die Spürhaarfelder und
bei Katzen und Schweinen die spätei" vielfach dunkel behaarten Haut-
stellen, Milchdrüsenanlagen etc.
Direkte Pigmentierung. Diese Färbung betriift gleich-
falls die Außenfläche der Haut und wird fast ausschließlich durch
Pigment verursacht, welches sich in verschiedenster Weise in der
Haut selbst vorfindet: hierher bekanntlich die älteren Entwicklungs-
stadien haararmer Tiere (Elephant, Cetaceen, Sirenen u. a.).
Indirekte Pigmentierung. Die Haut selbst ist nicht
oder nur unwesentlich pigmentiert, dagegen die Mehrzahl der Haare
relativ stark. Wenn diese erst im Durchbruche begrifl:en bzw. noch
ganz kurz sind und in größerer Anzahl dicht beisammenliegen,
erzeugen sie durch das Durchschimmern ihrer Zwiebeln außen und
besonders auch innen an der Haut einen fein dichtpunktierten bzw.
tlitfusen dunklen Farbenton ; wenn an manchen Hautstellen die Haare
unpigmentiert sind, erscheinen jene licht, und durch den Gegensatz
zwischen solchen lichten und dunklen Stellen kommt eine Haut-
zeichnung zustand: Reh- bzw. ältere Katzenföten. — Wenn die Be-
haarung bereits länger und dicht ist, die Haare aber noch nicht aus-
gewachsen sind, ist die indirekte Färbung der Haut nur an ihrer
Innenseite zu sehen: reife Föten und Junge der Katzen. Außen
kann sie auch dann noch ersichtlich gemacht werden, wenn man
die Haare kurz scheert. Diese Färbung ist mitunter sehr schwach
und nur an durchsichtig gemachten Hautstücken konstatierbar
(Streifenzeichnung bei jungen Hauskatzen). — An der Innenfläche
dickerer Häute kann in dieser Weise eine mehr oder weniger lockere
dunkle Punktierung zustande kommen, indem hier nur die Zwiebeln
der größeren, am tiefsten implantierten Haare sichtbar sind : Älouata-
Föten. — Die Bälge unpigmentierter Haare rufen in allen diesen
Fällen einen opakeren Ton hervor.
Wenn die Haare ausgewachsen sind, ist von dieser Zeichnungsart
meistens nichts mehr zu sehen, da auch die dunklen Haare im
basalen Teile in der Regel unpigmentiert sind und die Haut auch
gleichzeitig ziemlicii dick ist. — Eine indirekte Färbung der Haut-
innenfläche kann jedoch auch bei erwachsenen Tieren vorkommen,
wenn sie sich im Haarwechsel befinden (vgl. den Maulwurf).
290 -K. TOLDT jUU,,
Direkte und indirekte Pigmen tierung sind mitunter
gleichzeitig vorhanden, wobei bald die erstere {Alouata-Föten), bald
die letztere (Rehföten) für die äußerliche Hautfärbung ausschlag-
gebend ist. Bei mir vorliegenden Föten von Procavia oiveni Thos.
trägt sowohl das Pigment der Haut als auch das der Haarspitzen
zur Färbung merklich bei.
Bei V 0 r g e s c h r i 1 1 e n e r L ä n g e n e n t w i c k 1 u n g d e r H a a r e
beeinflussen auch ihre aus der Haut hervorragenden Teile die
Färbung der Außenseite der Haut, und zwar in dem Maße, als sie
die Haut mehr oder weniger verdecken [s. auch Schwalbe (d) über
Embryonen von Macacus cynomolgus]. Diese Verhältnisse gelten zum
Teil bekanntlich auch für die Außenfläche der Haut verschiedener
haararmer erwachsener Tiere, bzw. für haararme Hautstellen, wobei
jeweils auch der Grad der Durchscheinbark eit bzw. die Dicke der
Haut eine gewisse Rolle spielt.
Bei dichter Behaarung wird die Außenfläche der Haut
naturgemäß von jener verdeckt und dann tritt ausschließlich die
eigentliche Fellfärbung in Erscheinung.
Bei Fellen mit bereits längerer Behaarung kann eine schein-
bar e d u n k 1 e F ä r b u n g a n d e r I n n e n s e i t e d e r H a u t dadurch
hervorgerufen werden, daß die frei aus der' Haut hervortretende
dunkle Behaarung und zwar vornehmlich ihr proximaler Teil durch
die Haut durchscheint bzw. das Licht in stärkerem Maße abhält.
Das kann man besonders erkennen, wenn man bei Betrachtung der
Haut im durchfallenden Licht die Haare einer dunklen Fellpartie
an einer Stelle auseinanderlegt, so daß die äußere Hautfläche frei-
liegt. Dabei wird diese scheinbar dunkle Stelle lichter (durch-
scheinend). Dieser Umstand kann bis zu einem gewissen Grade
auch zur Hautinnenfärbung bei Tieren mit noch in Entwicklung
begriffenen dunklen Haaren beitragen (z. B. bei der vorhin erwähnten
Maulwurfshaut). Die scheinbare Zeichnung kann aber auch dann
an der Innenfläche der frisch abgezogenen Haut deutlich sichtbar
sein, wenn alle Haare ausgewachsen und auch die dunklen im
untersten Abschnitte licht sind, was, wie vorhin angedeutet, häufig
der Fall ist. Dabei erscheint die Zeichnung, z. B. ein Fleck, ent-
sprechend der schrägen Stellung der Schäfte, gegenüber der Lage
der Zwiebeln mehr oder weniger weit caudal verschoben. Solche
Verhältnisse habe ich z. B. bei einem Panther und bei einem Serval
beobachtet; nach längerem Liegen in Alkohol verschwand die
Hantzeichnniiü: bei dichtbehaarten Säugetieren. 291
scheinbare Zeidmiuio- allmälilicli, weil die Haut durch die Härtung,
bzw. Schrumpfung-, undurchsiclitiger wurde. Bei einem Tiger mit
ausgewachsenen Haaren, dessen dunkle Haare an der Basis zumeist
gleichfalls licht waren, war von der Hautinnenzeichnung bereits
beim Abziehen nichts zu sehen, olfenbar, da die Haut an sich zu
dick war. Überhaupt hat die verschiedene Dicke der Haut natur-
gemäß auf den allgemeinen Farbenton ihrer Innenfläche einen ge-
wissen Einfluß. Ein Beispiel hierfür bietet der w^eiter unten zu be-
sprechende Katta.
5. Direkte H.*iutlarbuiig bzw. -zeiclininig bei dicliter Behaarung,
iiisbesoudere bei Primaten.
Nicht uninteressant ist es, bei dichthaarigen Säugetieren — ich
iiabe hier nur die wildlebenden im Auge — die Fellfärbung mit der
Färbung der Haut zu vergleichen, insofern letztere mehr oder
weniger direkt pigmentiert ist. Beide können in bezug auf ihre
Intensität in einem gewissen Grade übereinstimmen, wie z. B. beim
Klippschliefer, dessen Fell an der Unterseite lichter ist als an der Ober-
seite; bei 2 Föten von Procavia oiveni Thos. des Wiener Hofmuseums
(coli. Dr. A. Klaptocz) verhält sich die Hautfärbung ebenso (au der
Oberseite reichlicheres Corium- und Epidermispigment, letzteres be-
sonders in den äußei-en AVurzelscheiden). Vielfach besteht hierin jedoch
keine merkliche Übereinstimmung, wie zunächst in den zahlreichen
Fällen, in welchen eine Fellzeichnung vorhanden ist, die Hautfärbung
aber melir oder weniger einheitlich erscheint (z. B. auch bei manchen
Aflen, Adachi). Es kann aber auch eine deutliche Hautzeichnung vor-
handen sein, welche mit der Fellzeichnung nicht zusammenfällt und
äußerlich am Felle fast nicht zum Ausdruck kommt. Ein schönes Bei-
spiel hierfür fand ich bei einem Mitte Oktober 1912 in der k. k. Menagerie
zu Schönbrunn eingegangenen, erwachsenen $Magot von 53 cm
Scheitel-Steißlänge, Macacns (Inuus) inuus L. (coli. A. Weidholz,
Tunis, Sommer 1912j.^J Sein ziemlich langhaariges Fell ist an der
Oberseite mehr oder wenige)- gleichmäßig gelbbraun und durch
schwarze Haarspitzen unregelmäßig gesprenkelt, an der relativ dünn
behaarten Unterseite weißlich-grau. Dagegen zeigte die frisch ab-
gezogene Haut, unabhängig von der Fellfärbung, sowohl von außen
1) Vgl. auch die Besprechung von 2 weitereu Exemplaren dieser Art
in den Absclinitten 6 und 8.
292 K. TOLDT juu.,
als von innen eine deutliche, ziemlich symmetrische Zeichnung- (Taf. 10.
Fig. 10). Der größere Teil der Haut ist mehr oder weniger gleich-
mäßig dunkel, scliwarzgrau. Außer dieser Hauptfärbung finden sich
nun folgende gut wahrnehmbare lichte (weißliche) Stellen. Am
Nacken ein etwas unregelmäßiges breites Querband, welches beider-
seits an die Kehle hinabzieht. Nach hinten zu ist es jederseits
submedian in nicht streng symmetrischer Weise durch einen mehr
oder weniger isolierten Fleck mit je einem longitudinalen Streifen
verbunden, welcher bis in die Lendengegend nach hinten reicht.
Diese beiderseitigen submedianen Längsbänder, durch welche die
Medianlinie des Rückens deutlich als ein dunkler Streif abgegrenzt
erscheint, ziehen nach annähernd rechtwinkeliger Abknickung vorne
mit einer kleinen Unterbrechung seitlich bis in die Achselfalte ^) und
hinten quer über die Weichen bis an den Bauch herab; an diesem
vereinigen sich die beiderseitigen Streifen zu einem relativ großen
Feld. An der Brust findet sich dagegen nur jederseits knapp neben
der Mittellinie ein rundlicher Fleck; links ist er etwas größer als
rechts, und beide erscheinen gewissermaßen jederseits vom Achsel-
weiß abgetrennt. Zu einer direkten Vereinigung dieser beiden Flecke
in der Mittellinie scheint es nicht gekommen zu sein; das ließ sich
nicht mehr sicher feststellen, da hier gerade der Schnitt durchgeführt
wurde. Jedenfalls lagen sie sehr nahe beisammen. In der Kreuz-
gegend findet sich noch — gewissermaßen in der longitudinalen Ver-
längerung der Streifen — jederseits von der Mittellinie in nicht
ganz symmetrischer Lage ein unregelmäßiger Fleck und an der
Innenseite der Oberschenkel ein größeres Gebiet, welches in natura
mit dem Bauchweiß zusammenhängt. Die Symmetrie dieser Zeich-
nung ist besonders am Rücken, an der Brust, an den Weichen und
an der Innenseite der Oberarme und -schenke! auffallend, etwas
unregelmäßiger bzw. zum Teil unterbrochen am Nacken, an der
Schulter und in der Kreuzgegend. Die Konturen der Bänder bzw.
Flecke sind nicht ganzrandig, sondern mehr oder weniger ungleich-
mäßig wellig oder zackig.
Die Haare sind bei diesem Magot im Gegensatze zu dem vorhin
genannten Maulwurfsfell zumeist ausgewachsen, auch an den dunklen
Hautstellen, und in ihrem Basalteile kaum pigmentiert. Sowohl
1) Hierzu gehört noch der durch den Schnitt abgetrennte Fleck,
welcher auf der Abbildung am Vorder rand des ausgebreiteten Ober arm -
feiles zu sehen ist.
Hal^tzei^•hmul^• liei diclitbelmarten Säugetieren. 293
außen als innen machen die dunklen Stellen den Eindruck, daß die
keinerlei pathulogische Zustände aufweisende Haut hier selbst
pigmentiert ist. und im durchfallenden Licht mach Auseinander-
teiluuff der Haare) erscheint diese nicht wie die Maulwurfshaut mehr
oder weniger einheitlich licht, sondern an den dunklen Stellen dunkel
engmaschig genetzt, ganz ähnlich wie die Haut des jungen Brüll-
aftenembryos. Ich konnte diese Maguthaut nicht näher untersuchen,
jedoch scheint es mir nach der äußeren Erscheinung sicher ^), daß
ihre Färbung wie in dem gleich zu besprechenden weiteren Fall,
auf einer bestimmten, später noch zu besprechenden Pigmentierung
des ( 'oriums beruht. Die makroskopisch netzförmige Anordnung der-
selben wird durch die Implantation der Haarbündel hervorgerufen.
Die lichten (unpigmentierten) Hautstellen sind im durchfallenden
Lichte weiiilich durchscheinend.
Einen anderen hierher gehörigen Fall fand ich bei einem jungen
Kapuzineraffen von 38 cm Sch.-St.-Länge {Cehus libidinosus
Srix, s, Schönbrunn). Die Art der Hautfärbung ist allem Anschein
nach mit der des Magots ganz übereinstimmend. Wie ich mich beim
Kajjuzineralfen überzeugte, ist die Epidermis an den dunklen Haut-
stellen nicht merklich pigmentiert, dagegen enthält das Corium in
seinen tieferen Lagen zahlreiche große, verzweigte Pigmentzellen.
Das Fell ist auch hier im ganzen ziemlich einfarbig (gelblich-braun),
wogegen die Haut außen und innen eine deutliche Zeichnung auf-
weist (Taf. 11 Fig. 12). Diese ist gleichfalls ziemlich symmetrisch,
jedoch nicht in dem Maße wie beim Magot, und das Grauschwarz
erscheint im Verhältnis zum Weiß -) etwas weniger umfangreich.
Auch die Farbenverteilung ist eine andere, zeigt aber mit jener
beim ]\Iagot in mancher Hinsicht gemeinsame Grundzüge. Im Gegen-
satz zu diesem ist das mediane Rückengebiet in größerem oder ge-
ringerem Umfange weiß. Am Nacken bildet dieses Weiß ein relativ
breites und beiderseits ziemlich gradlinig begrenztes Längsband, in
welches vorn ein vom Kopfschwai'z kommender, medianer dunkler
Zipfel eindringt. Hinter der Schulter wird die Begrenzung des
weißen Bandes unregelmäßig; zunächst wird es vom Schwarz bis auf
einen schmalen Streifen eingeengt, bald aber wieder breiter; in der
1) Bei den 2 später zu besprechenden Exemplaren dieser Art konnte
ich das auch histologisch feststellen.
2) An der Hautinnenseite schimmern an den lichten Stellen einzelne
pigmentierte Haarzwiebeln durch , beeinflussen jedoch die Gresamtfärbung
nicht wesentlich.
294 K. ToLDT jun.,
Lendengegend buchtet es sich beiderseits unregelmäßig aus, wobei
vom Schwarz jederseits einige annähernd symmetrisch gelagerte
Flecke abgetrennt erscheinen. Gegen die Schwanzwurzel zu wird
das weiße Band wieder regelmäßiger und endet an ihr, da sie bis
auf einen schmalen medianen Ventralstreifen schwarz ist; gegen den
Beginn des zweiten Schwanzviertels hört das Schwarz wieder allmäh-
lich auf, indem es in unregelmäßige Flecke zerfällt, welche dorsal
etwas weiter apical reichen als ventral Weiter spitzenwärts tritt
dorsal eine nicht sehr reiche Epiderraispigmentierung auf. An der
Schulter hängt das weiße Rückenband beiderseits durch ein bis zwei
schmale Querverbindungen mit dem Weiß der Unterseite zusammen.
Diese ist nämlich sowohl an den Extremitäten als auch am Rumpfe
— an letzterem als ein kontinuierliches, vorn verbreitertes Längs-
band — in wesentlich größerem Umfange weiß als beim Magot.
Gemein haben die Zeichnungen beider Affen somit die dunkle
Färbung des größten Teiles der Flanken und der Außenseite des
proximalen Teiles der Extremitäten sowie die lichte Färbung der
Unterseite der letzteren und zum Teil auch der des Rumpfes sowie
bis zu einem gewissen Grade auch das Weiß des Gebietes quer über
die Schulter zur Achsel herab. Abweichend ist, daß beim Magot
das dorsale Weiß, wenn man beide submediane Streifen als ein
breites Band zusammenfaßt, von einem schwarzen medianen Längs-
streifen getrennt wird; außerdem endet es in seiner Längsrichtung
bereits in der Lendengegend und tritt hier, beiderseits nach unten
abschwenkend, mit dem Weiß des Hinterbauches in Verbindung.
Beim Magot ist weiter der Nacken bis an die Kehle herab fast
durchaus weiß, wogegen die Unterseite des Rumpfes — abgesehen
von ihrer hinteren Partie und von zwei asymmetrischen weißen
Flecken an der Brust — dunkel ist. Von den distalen Teilen der
Extremitäten habe ich nur die des Cebus untersucht; diese sind hier
zum großen Teile mit rötlichen Haaren bedeckt. Die Coriumpigmen-
tation zerfällt an der Vorderseite der Unterarme in große Flecke
oder hört ganz auf, an der der Unterschenkel wird sie sehr schmal.
Mit dem Gebiet der roten Haare fällt das Hautweiß nur teilweise
zusammen.
Der zumeist unregelmäßig wellige Verlauf der Grenzlinien
zwischen beiden Färbungen, während dessen mitunter gewissermaßen
Flecke zur Abschnürung gelangen, weist darauf hin, daß diese
durch das Coriumpigment bedingte Zeichnung keine streng kon-
stante ist. Dazu kommt noch, daß innerhalb der einzelnen Farben-
Hantzeiilimuig; bei dichtbehaarten Säugetieren. 295
gebiete manchmal geringe Verschiedenheiten in der Intensität der
Pignientierung auftreten; so finden sicli in den dunkeln Stellen be-
sonders gegen den Rand zu häufig Flecke von etwas lichterem
Tone. Andrerseits ist eine gewisse Symmetrie der Zeichnung nicht
zu verkennen, und manche Asymmetrien lassen sich gewissermaßen
theoretisch ausgleichen, z. B. wenn ein auf der einen Seite kon-
tinuierlich dunkles Gebiet, auf der anderen durch entsprechend an-
geordnete Flecke markiert erscheint. Im ganzen gewinnt man den
Eindruck, als hätten die lichten und dunklen Bereiche gewissermaßen
miteinander um ihren Bestand gerungen. Eine solche Empfindung
hat man bekanntlich oft auch beim Felle, so z. B. an den Streck-
seiten der Füße von Viilpes vulpes L., woselbst die braune Grund-
farbe in verschiedenstem Grade mit Weiß und Schwarz vermischt
sein kann [Tolijt (b)]. Als vorherrschender Richtungszug der Zeich-
nung erscheint an den einzelnen Körperteilen der longitudinale. —
In beiden Fällen war die Zeichnung sowohl an der frisch ab-
gezogenen Haut \) als auch nach längerem Liegen in Alkohol außen
und innen deutlich sichtbar. Bei solchen Betrachtungen muß man
aber auch genau darauf achten, inwieweit die außen anliegende
(feuchte) Behaarung die Hautfärbung beeinflußt (scheinbare Haut-
färbung), ob keine Fäulniserscheinungen vorhanden sind etc.
Diese Verhältnisse habe ich unter 3 Primaten, die ich darauf-
hin untersuchen konnte -), bei zweien vorgefunden ; auf den dritten
werde ich später zu sprechen kommen.
L i t e r a t u r b e s p r e c h u n g. Die Färbung der Haut von dicht-
behaarten, wildlebenden Säugetieren wurde, wie bereits bemerkt,
bisher relativ wenig beachtet, und mehrfach dürfte die allgemeine
Färbung nur nach ihrer Beschaffenheit an einzelnen Körperstellen
beurteilt worden sein. Doch wurden speziell bei den Affen öfters
auch Unterschiede in der Hautfärbung hervorgehoben, so z. B. daß
die Haut an einzelneu Körperstellen dunkler ist als an anderen oder
daß sie stellenweise gefleckt ist [vgl. u. A. Hilgendokf u. Paulicki,
Hartmann (b), Selenka und besonders Adachi]. Vielfach wurde die
Haut von mehr oder weniger zahlreichen Körperstelleu histologisch
1) Nach einer Mitteilung des Präparators Herrn R. Iemler ist die
Zeichnung an der Innenseite unmittelbar nach dem Abziehen nicht deut-
lich zu sehen, sondern erst, wenn diese bereits einige Zeit der Luft aus-
gesetzt war.
2) Siehe ferner die Abschnitte 6 und 8.
296 K, TOLDT juu.,
untersucht und dann hauptsächlich angeführt, daß einzahle Stellen
in dieser oder jener Weise stärker pigmentiert sind als andere. Als
ein spezielles Beispiel aus älterer Zeit sei die Angabe Leydig's
erwähnt, daß bei Cercopithecus sabaeus das Pigment am Handteller
im Rete Malpighi liegt, während an der behaarten Brust die Epi-
dermis pigmentlos, die Lederhaut aber in ihrer oberen Portion mit
einer fortlaufenden Zone von verästigten braunen Pigmentfiguren
versehen ist. Auch hebt Leydig hervor, daß beim Eisbären und
Schimmel, trotzdem fast alle Haare pigmentlos sind, die Oberhaut
intensiv braun pigmentiert ist.
Von besonderer Wichtigkeit aber ist die 1903 aus dem Institute
des Herrn Geheimrat G. Schwalbe hervorgegangene eingehende Ab-
handlung von Adachi über das Hautpigment beim Menschen und
bei den Aifen. Aus dieser sei folgendes angeführt. Adachi hat
20 verschiedene Affen- bzw. Halbaffenarten in 27 Exemplaren unter-
sucht und zwar hauptsächlich die feinere Beschaffenheit und Ver-
teilung des Pigments in der Haut von den verschiedensten Körper-
stellen. Bezüglich der Coriumpigmentierung kommen hier nur ge-
wisse große tiefgelegene spindel- bis sternförmige Pigmentzellen in
Betracht (vgl. die eben zitierte Angabe von Leydig, ferner bezüglich
des Menschen Bälz, Grimm), welche von den kleinen, oberflächlich
gelagerten Coriumpigmentzellen wohl zu unterscheiden sind. Die
Behaarung hat Adachi nicht eingehender behandelt. Die allgemeine
Hautiärbung wurde stets auch erwähnt; die Unterschiede der
Färbung der Affenhaut im allgemeinen beruhen nicht nur auf der
Pigmentmenge, sondern auch auf der Farbe der Pigmentkörnchen,
dagegen die Unterschiede nach den Körperteilen eines Individuums
hauptsächlich nur auf der Pigmentmenge. Die Pigmentierung ist
ähnlich wie beim Menschen an der dorsalen Seite des Rumpfes und
an der Streckseite der Extremitäten im allgemeinen reichlicher als
an der entgegengesetzten Seite; vielfach ist die Dorsalseite des
Schwanzes besonders stark pigmentiert. Weiter sind bei den Affen
im allgemeinen die Extremitäten stärker pigmentiert als der Rumpf,
die Außenseite der Extremitäten stärker als die Innenseite und zwar
die des Unterarmes und Unterschenkels reichlicher als die des Ober-
armes bzw. -Schenkels. Die Grenzen der verschiedenen Färbungs-
zonen werden jedoch nicht eingehender geschildert und von einer
eigentlichen Zeichnung nur ein heller Ring in dunkler Umgebung
(Epidermis- oder Coriumpigmentierung) am Anus einzelner Arten
[Semnopithecus, Cercopithecus, Macacus rhesus und M. cijnomolgus) er-
Hantzeicliuuiiof l)ei dichtbehaarten Säugetieren. 297
wähnt sowie eine leine mattweiße Fleckung an der im übrigen
blauen Brusthaut (Coriumi)igmentierung) von Chrijsothrix sciurea und
an einzehien Stellen beim Oi-ang; ähnliches findet sich auch in der
Gesichtshaut von Cipwecphalus. Von einem Cehns inonaclms wird z. B.
angeführt, daß die infolge von Epidermispigment dunkelbraune Haut
am Rücken und Nacken einen noch etwas bläulichen Ton hat,
welcher von großen Pigmentzellen im Corium herrührt. Vermutlich
dürfte die Coriumpigmentierung aber auch hier eine Zeichnung
zeigen, ähnlicli etwa wie bei dem von mir beschriebenen Cehus libi-
dinosus. Epidermis- und Ooriumpigment können in verschiedenstem
Mengenverhältnis auftreten, bald fehlt das eine, während das andere
reichlich ist, oder es sind beide in spärlicher oder in reichlicher
Menge vorhanden. Vielfach, jedoch nicht allgemein, besteht die um-
gekehrte Proportionalität. Hier sei besonders die Angabe erwähnt,
daß am Schwänze mancher Aifen die Menge der Pigmentzellen des
Coriums im Gegensatz zum Epithelpigment von der Wurzel nach der
Spitze zu abnimmt und an der ventralen Seite relativ größer ist
als an der dorsalen. Das gleiche gilt für die Finger und Zehen.
Bezüglich des Geschlechts und Alters besteht nach Adachi trotz
etwaiger Verschiedenheit in der Färbung des Haarkleides kaum ein
nennenswerter Unterschied in der Hautpigmentierung. Bei den
jungen Affen tritt das Pigment an den bei den Erwachsenen stärker
pigmentierten Stellen zuerst auf. Die Verschiedenheiten der Pigmen-
tierung sind bei den Individuen einer Art. einer Gattung, häufig
auch einer Familie sehr gering. Bezüglich der systematischen
Stellung der Aft'engattungen besteht aber keine Gesetzmäßigkeit.
Vom Haarkleid wird erwähnt, daß es nur geringen Einfluß auf die
unterliegende Haut hat und als Beispiel angeführt, daß Hapale
jacchus und H. rosalia einen beträchtlichen Haarfärbungsunterschied
zeigen, während ihre Hautfärbung ganz dieselbe ist.
Trotz des relativ großen Materials — darunter befindet sich,
wie erwähnt, auch ein Cebus monachus — hat Adachi also keine so
ausgesprochene Zeichnung der gesamten Haut vorgefunden wie in
den vorhin besprochenen Fällen, und während eine gleiche Färbung
der Haut gegenüber der mannigfaltigen Färbung des Felles ge-
legentlich hervorgehoben wurde, wii'd kein entgegengesetztes Ver-
halten betont. Vermutlich wurde die Haut nicht immer im ganzen
von innen und außen genau untersucht; das scheint bisher über-
haujit kaum geschehen zu sein.
298 K. ToLDT jun.,
Nun sei noch der dritte Primat besprochen, welchen ich zu-
nächst untersuchen konnte, ein weiblicher noch im Zahnwechsel be-
griffener Katta, Leniur catta von 33 cm Scheitel-Steißlänge. Die
frisch abgezogene Haut zeigte an der Innenseite eine bläulich diffuse
Färbung, welche an der Eumpfhaut entlang der Rückenmitte relativ
dunkel war und nacli den beiden Seiten hin allmählich lichter wurde.
Die Flanken zeichneten sich durch eine besonders lichte, grünlich-
blaue Färbung aus, welche sich beiderseits, nach oben und unten
mehr oder weniger scharf abgegrenzt, als ein ziemlich deutlicher
Längsstreif abhob. Die Bauchhaut erschien wieder intensiver, himmel-
blau und zeigte unregelmäßige dunklere Flecke. Auch die Schwanz-
haut, deren Haarkleid bei diesem Halbaffen bekanntlich deutlich ab-
wechselnd weiß und schwarz geringelt ist, zeigte in weißlicher Grund-
färbung in ziemlich gleichmäßigen Abständen vier schmale blaue
Längsstreifen von etwas verschiedener Intensität, welche an den
den dunklen Fellringen entsprechenden Strecken etwas dunkler er-
schienen.
Während diese Zeichnung an der frisch abgezogenen Haut eine
ziemlich symmetrische war, traten nach kaum einstündigem Liegen
in Alkohol an verschiedenen Stellen der Haut unregelmäßige dunkle
Flecke von verschiedener Größe und Intensität auf. Bei näherer
Untersuchung ergab sich, daß die Epidermis der ganzen Haut ziem-
lich gleichmäßig dicht und grob pigmentiert ist; dabei erstreckt sich
das Pigment ein Stück weit in die Taschen der einzelnen Haar-
bündel. Das Corium ist dagegen frei von großen Pigmentzellen.
Bei durchfallendem Licht und auseinandergeteilten Haaren ist die
Haut allenthalben ziemlich gleichmäßig durchsclieinend und fein
dicht punktiert. Die Färbungsunterschiede an der Innenfläche der
Haut hängen hauptsächlich von deren verschiedener Dicke, speziell der
des Coriums bzw. des anhaftenden Bindegewebes, ab, sei es daß es sich
hierbei um natürliche Dickenschwankungen handelt oder um solche,
welche auf ungleichmäßigem Abziehen der Haut beruhen. Wo die
ßindegewebslage dünn ist, schimmert die Epidermispigmentierung
ziemlich deutlich durch, je dicker sie ist, desto geringer die Durch-
scheinbarkeit. Damit hängt offenbar auch das Erscheinen der un-
regelmäßigen Fleckung nach der Alkoholkonservierung zusammen :
das ungleichmäßig dicke Bindegewebe schrumpft in verschiedenem
Grade zusammen, wobei seine Durchscheinbarkeit entsprechend ver-
ändert wird. So bleibt auch die Haut, wenn sie beim Einlegen in
Alkohol der Innenfläche nach zusammengefaltet wurde, entlang des
Hautzeichmniü: bei dichtbeliaarten Säugetieren. 299
Bii<2:es i'elativ liclit, weil hier die Konservieruiio:sflü8sig:keit nicht g-ut
eindringen kann. Wenn dunkle Haarbälge bzw. -zwiebeln durch-
schininiern. kann dann die Hant auch dunkler erscheinen, da durch
ihre Schrumpfung- die Haarbälge bzw. Gruppen von solchen näher
aneinander zu lieg-en kommen. Auch die freien Schaftteile der
Haare können bei diesen Verhältnissen, ähnlich wie bei den vorhin
erwähnten dunkel gefleckten großen Katzenarten, durch Abhaltung-
des Lichtes eine Rolle spielen. Die blauen Linien am Schwänze
z. B., welche den Kanten der Schwanz Wirbelsäule entlang gelegen
waren und eine relativ dünne Bindegewebslage besitzen, erscheinen
an den dunklen Fellringen noch dunkler, weil die Haut außen mit
schwarzen Haaren bedeckt ist (scheinbare Hautfärbnng). Auch die
verschiedene Dichte der Behaarung kann hierbei naturgemäß von
EinÜuß sein. Läßt man die (kurzgeschorene) Haut eintrocknen, so
wird sie im ganzen dunkel, und die Färbungsunterschiede sind kaum
mehr zu erkennen. — An der getrockneten Haut der Säugetiere
bzw. an der von gestopften Exemplaren kann man außen nnter der
Behaarung auch öfters dunkle Stellen wahrnehmen, welche zum
Teil sicherlich von Hautpigment herrühren. Für das Studium
der Zeichnung sind sie jedoch infolge der verschiedensten Ver-
änderungen der Haut während des Eintrocknens, während der
Präparation (Verziehen u. dgl), während des langen Liegens etc.
nicht geeignet.
Hier will ich noch ein paar Worte über die Implan tierung
d e r H a a r e a m S c h w a n z e d e r S ä u g e t i e r e einschalten, welche
offenbar im Zusammenhang mit der hülsenförmigen Form, in welcher
die Haut der rundlichen bis vierkantigen Schwanzwirbelsäule auf-
liegt, vielfach eine eigenartige ist und einer näheren Beachtung
wert wäre. Ich habe bereits in meiner Arbeit über das Haarkleid
des Fuchses (b) ausgeführt, daß bei den Föten und Neugeborenen
desselben die Haare rings um den Schwanz vier Di- bzw. Konvergenz-
linien bilden (vgl. auch die Abbildung). Schwalbe hat am Schwänze von
Primaten-Embr3-onen — abgesehen von besonderen Diff"erenzierungen,
wie den „Schwanzkreuzen" etc. — einfachere Verhältnisse vorgefunden,
insofern nur einzelne Di- und Konvergenzlinien dorsal bzw. ventral
vorhanden sind. Beim erwachsenen Katta werden solche Linien am
(kurzgeschorenen) Schwanz durch echte Haarbündel gebildet, und zwar
wird jeder der vier vorhin erwähnten breiten (lichten) Sti-eifen,
welche in natura der oberen, unteren und den beiden seitlichen
300 K. ToLDT jun,
zum Teil etwas vertieften Flächen der Schwanzwirbelsäule aufliegen,
von dicht und einigermaßen regelmäßig nebeneinanderliegenden
Bündeln eingenommen, welche in der Mitte des Feldes longitudinal,
an den Seiten aber nach hinten seitwärts verlaufen (Divergenzlinien).
Die vier (dunklen) Zwischenstreifen, welche den (seitlichen) Kanten
der Schwanzwirbelsäule aufliegen, sind im medianen Teil strecken-
weise, hauptsächlich im Bereiche der schwarzen Fellringe, fast
haarlos und nur mit einzelnen, longitudinal gerichteten Bündeln
versehen; an den Seiten tragen sie aber in Fortsetzung der Be-
haarung der breiten Felder Haarbündel, welche jederseits gegen die
Mitte des dunklen Feldes nach hinten konvergieren (Konvergenz-
linien). Streckenweise, im Gebiet der lichten Fellringe, finden sich
auch im medianen Teile der dunklen Streifen mehrere vornehmlich
longitudinal verlaufende Haarbündel. Die Haare selbst sind gegen
ihre Zwiebel zu vielfach unregelmäßig gewellt oder umgebogen,
insbesondere einzelne vorhandene sehr kräftige Haare. Der Umstand,
daß im Präparat die Haut flach ausgebreitet wurde, bewirkt natur-
gemäß, daß die verschiedene schräge Richtung der Bündel an der
Außenseite der Haut dem natürlichen Zustande gegenüber etwas
auffälliger, in der Tiefe der Haut dagegen geringer wird. Dem
Wesen nach werden diese Verhältnisse aber, wie ich mich an einer
Schablone überzeugte, nicht geändert. Erwähnt sei noch, daß an
den lichten Fellringen in den breiten Streifen die meisten Haare
licht, einzelne jedoch dunkel sind. An den dunklen Fellringen sind
die meisten Haare dunkel. Die Bündel an den Seiten der schmalen
Streifen enthalten auch in den lichten Fellringen relativ zahlreiche
dunkle Haare. Inwieweit diese Verhältnisse an den einzelnen
Schwanzteilen verschieden sind (Schwanzkreuze etc.), habe ich nicht
untersucht. Am Schwänze des (erwachsenen) Cehus sind die Ver-
hältnisse einfacher und ähnlich wie nach Schwalbe's Beschreibung
bei den Embryonen von Macacus cynomolgus. Die hier wiederum
zu Bündeln angeordneten Haarstümpfe verlaufen dorsal direkt nach
hinten, seitlich neigen sie sich aber etwas schräg nach außen, und
unten nach innen, so daß in der medianen Ventrallinie eine Kon-
vergenzlinie zustande kommt. Die verschiedene Zahl von Di- und
Konvergenzlinien am Schwänze hängt also nicht etwa mit der
weiteren Ausbildung der Behaarung zusammen, sondern ist spezifischer
Natur, wie sich der Haarstrich im allgemeinen im Laufe der Ent-
wicklung nicht wesentlich ändert (über die Ringelzeichnung an
der Schwanzbehaarung der Säugetiere s. Grossee).
Hautzeicbiiniiij bei (lichtbehaaiten Säugetieren. 301
Die Verhältnisse an der Innenseite der Haut von Lenmr raita
stellen also keine eigentliche, auf einer bestimmten, scharf abge-
grenzten Verteilung von Pigment beruhende Zeichnung dar. Natür-
lich erscheint sie nur insofern, als die ziemlich gleichmäßige Epi-
dermisi)igmentierung innen an der möglichst unversehrten, frisch
abgezogenen Haut je nach der verschiedenen Dicke derselben und
nach der Verschiedenheit der Behaarung mehr oder weniger durch-
schimmert und so z. B. am Rumpf eine Längsbänderung und am
Schwanz eine Längsstreifung verursacht. Von der durch Corium-
pigment bedingten eigentlichen Hautzeichnung bei Inims und Cebus
unterscheidet sie sich sofort dadurch, daß die Färbung an der
Innenseite mehr ditfus erscheint und vorherrschend einen bläulichen
Ton in verschiedenen, nicht sehr scharf abgegrenzten Nuancen zeigt,
ähnlich wie ihn das Coi'iumpigment in gewisser Dichte und Intensität
durch die Epidermis hindurchschimmernd an der Außenfläche der
Haut erzeugen kann (z. B. haararme Stellen am Gesicht verschiedener
Alten). Bei Inuus und Cehus tritt letzteres so dicht und intensiv
auf, daß die dunklen Stellen schwarz erscheinen und sowohl innen
als außen deutlich und in scharfer Abgrenzung zum Ausdruck
kommen. Beim Katta erzeugt das Epidermispigment außen an der
Haut, allenthalben ziemlich gleichmäßig, eine bräunliche und dicht
dunkel grobpunktierte Färbung (vgl. hierzu a. Adachi),
Inwieweit diese Verhältnisse innerhalb der einzelnen Arten
konstant sind, in welcher Verbreitung und in welchen Formen sie
etwa auch bei anderen dichtbehaarten Säugergruppen vorkommen,
sei vorläufig dahingestellt. Hier möchte ich nur bemerken, daß bei
einem zweiten, gleichfalls ^Exemplar von Lemiir catta,
welches ich untersuchen konnte, die Verhältnisse ganz mit jenen
des beschriebenen übereinstimmten. Die Untersuchungen Adachi's
über die allgemeine Pigmentierung der Affenhaut spricht gleichfalls
für eine gewisse Konstanz (s. a. die Abschnitte 6 und 8).
Beachtenswert erscheinen in den beiden Fällen mit Corium-
zeichnung die stellenweise deutlich ausgeprägten longitudinalen
Streifenbildungen (bes. am Bücken). Am Säugetierfell stellen sie
bekanntlich eine ursprüngliche Zeichnungsform dar und kommen am
Haarkleid der Affen nur selten vor. Der allgemeine longitudinale
Rieht ungszug der Färbung, z. B. an den Extremitäten findet sich
auch am P'elle der Affen weit verbreitet und ist bezüglich der Haut-
pigmentierung bereits aus der Abhandlung Adachi's zu entnehmen.
302 K. TOLDT jUll..
Daß das Coriumpigment gerade bei Affen so mächtig auftreten kann,
ist bemerkenswert, da die dermale Pigmentation bei Vögeln und
Säugetieren inkl. des Menschen gegenüber den Verhältnissen bei
den niederen Wirbeltieren im allgemeinen nur eine sehr geringfügige
ist [VVeiueneeich bzw. Schwalbe (b)]. Interessant wäre es ferner,
wenn die direkte Hautzeichnung, so wie die Fellzeichnung, bei den
wildlebenden Tieren im allgemeinen eine größere Konstanz und
Symmetrie zeigte als bei den domestizierten. Sie dürfte dann wohl
auch für die Systematik verwertbar sein. Bei haararmen Säugern
findet sich eine spezifische Hautzeichnung bekanntlich öfter, z. B. bei
manchen Cetaceen.
In bezug auf das Vorhandensein von Haarpigment,
Epidermispigment im engeren Sinne und Coriumpig-
ment (große Zellen) finden sich bei den drei von mir zunächst
untersuchten Primaten folgende Verhältnisse. Epidermispigment
allenthalben ziemlich gleichmäßig verteilt, verschiedenfarbige Behaa-
rung, Corium pigmentfrei (Katta; s. bes. die Ober- und Unterseite
des Rumpfes und den weiß und schwarz geringelten Schwanz).
Epidermis und Corium pigmentfrei, Behaarung gelbbraun oder: Epi-
dermis pigmentfrei, Corium dicht mit Pigmentzellen durchsetzt, Haar-
färbung wie an den Stellen mit pigmentlosem Corium (Hautzeichnung
bei Cebus und vermutlich auch bei Inuus). Ebenso können die Pig-
mentverhältnisse in der Haut bei verschiedener Färbung der Be-
haarung dieselben sein (z. B. beim Übergang von der braunen zur
rötlichen Behaarung vom Unterarm des Cehus)\ ferner kann die
Haut bei weißer (unpigmentierter) Behaarung im Corium pigmentiert
sein oder nicht (am ziemlich schütter behaarten Bauche des Innus).
Aus diesen Beispielen geht besonders hervor, daß das Vorhanden-
sein von Epidermis- bzw. Coriumpigment von der Haarfärbung ganz
unabhängig ist. Im übrigen sei hinsichtlich der Beziehungen zwischen
den verschiedenen Hautpigmentationen speziell beim Menschen und
bei den Affen namentlich auf die Ausführungen Schwalbe's (b) und
im allgemeinen auf die jüngst erschienene Abhandlung von Weiuen-
EEiCH verwiesen. Hier möchte ich nur folgendes bemerken. Adachi
hat die Primaten nach den verschiedenen Arten der Hautpigmentie-
rung (exkl. der Haarfärbung) in vier Gruppen eingeteilt, welche,
wie er hervorhebt, mit der systematischen Einteilung der Affen
nicht übereinstimmen. Schwalbe hat diese Gruppierung modifiziert,
namentlich indem er auch die Behaarung einbezog. Demnach sind
der Hauptsache nach folgende vier Gruppen zu unterscheiden. 1. Epi-
HautzeiclinuDf? bei dichtbeliaarten Säugetieren. 303
dermis luid Coiium sehr pignieiitaini, das \\'esentliclie ist die Haar-
fäibuiig'. 2. Starke Pigiuentieriing der Haare und der Epidermis,
rorium pigmentarm. 8. Haare und Coiium pigmentreicli. Ei)idermis
selir piginentarm. 4. Haare, Ei»idermis und Corium pig-mentreich.
Da nunmehr Fälle bekannt sind, in welchen eine deutliche Haut-
zeichnung- vorhanden ist, wobei gleichzeitig zwei auffallend ver-
schiedene Pigmentationsgrade in mehr oder weniger gleich großer
Ausdehnung bei ein und demselben Individuum vertreten sind, er-
sciieint diese Einteilung nicht mehr ausreichend; denn unser Celms
bzw. Liuus wäre den dunklen Hautstellen nach zur Gruppe 3, den
lichten Stellen nach dagegen zu Gruppe 1 zu stellen. Zudem
können auch Verschiedenheiten in der Fellfärbung bei ein und dem-
selben Individuum eine zutreftende Einreihung unmöglich machen.
So gehört der Katta nach der Beschaffenheit des größeren Teils
seines Integuments zu Gruppe 2, während die lichtbehaarte Bauch-
haut und die weißen Fellringe des Schwanzes eine neue Gruppe:
Epidermis pigmentiert, Haare und Corium pigmentarm, darstellen
würden; das Gleiche gilt für die lichthäutigen und weißbehaarten
Stellen am Bauche von Inuus: Haare, Epidermis und Corium pig-
nientarm. In bezug auf kleinere Körperteile hat Adachi selbst ge-
wisse Verschiedenheiten verzeichnet, und bei einzelnen Arten hat
die Einreihung bereits ihm einige Schwierigkeit bereitet.
]\Ian müßte bei einer solchen Übersicht etwa noch besondere
Untergruppen aufstellen, je nachdem die angeführten Pigmentie-
rungsverhältnisse für die ganze Hautfläche gelten oder ob sie auf
größeren Gebieten irgendwelche merkliche Verschiedenheiten auf-
weisen. Dabei dürfte es sich allerdings zumeist nur um verschiedene
Quantitätsgrade der an sich gleichen Pigmentierungsarten handeln;
auf solche haben Breül und speziell auch Adachi und Schwalbe
mehrfach hingewiesen. So stellt z. B. das Fehlen des Coriunipig-
ments, soweit es sich auf die ganze Hautfläche bezieht, ein Cha-
rakteristikum in der Ai)ACHi-ScHWALBE'schen Einteilung dar. Dieses
negative Merkmal trifft auch für die lichten Stellen der bezeichneten
Häute zu, doch ist bei diesen Tieren, wie die dunklen Stellen zeigen, die
Möglichkeit des Auftretens von Coriumpigmentzellen gegeben. Gleich-
wohl sind die Verschiedenheiten in den vorliegenden Fällen so auf-
fallend und weitgehend, daß sie bei einer derartigen Einteilung be-
rücksichtigt werden müßten. Eine solche würde sich also, sollte sie
allen Möglichkeiten Rechnung tragen, ziemlich kompliziert gestalten.
Das ist keineswegs überraschend. Denn, wie ich in meinen letzten
Zool. Jahrb. X.XXV. Abt. f. Syst. 20
304 K. ToLDT Jim.,
Arbeiten wiederholt gelegentlich betont habe, können sich einzelne
Eigenschaften des Säugetierinteguments gegeneinander außerordent-
lich verschieden verhalten [so z. B. auch hinsichtlich der Behaarung
der Mittellinie des Rückens, vgl. u. a. Toldt (b), p. 219 ^), auf welche
neuerdings Weidenreich hingewiesen hat], und häufig ist trotz zahl-
reicher Übereinstimmungen in den Beziehungen eine Verallgemeine-
rung derselben undurchführbar. Als nahestehende Beispiele seien
erwähnt, daß Bloch zwischen der Haarquantität und der Hautfarbe
bei den Menschen eine Korrelation und Adachi zwischen der (klein-
zelligen) Corium- und der Epidermispigmentierung eine Proportio-
nalität annehmen. Erstere Annahme wurde jedoch von Schwalbe
widerlegt und letztere als fraglich hingestellt (vgl. a. Joedan, Ta-
NAKA u. A.). Daß die von Schwalbe für die Menschen angenommene
Korrelation zwischen Haar- und Haut-(Epidermis-jfaibe für die Aifen
nicht verallgemeinert werden kann, ergibt sich aus vorstehendem
(vgl. insbes. die Verhältnisse beim Katta). Bei diesen können viel-
mehr sowohl das Pigment der Haare als auch jenes der Epidermis
im engeren Sinn sowie die großen Coriumpigmentzellen ganz unab-
hängig voneinander auftreten. Bezüglich der Hautpigmente triift es,
wie Adachi hervorgehoben hat, allerdings vielfach zu, daß bei stark
pigmentierter Epidermis das Corium arm an (großen) Pigmentzellen
ist und umgekehrt.
Diese Betrachtungen lassen es wünschenswert erscheinen, daß
man künftighin bei dichtbehaarten (zunächst wildlebenden) Säuge-
tieren mehr als bisher die Färbung der gesamten Haut beachten
und mit der Fellfärbung vergleichen sollte; allerdings scheint bei
der ersteren, abgesehen von den Afl'en, eine deutliche direkte Zeich-
nung nicht häufig vorzukommen.
Auf andere Umstände, welche eine Hautzeichnung bedingen
können, wie Hautgefäße bzw. -nerven, Fremdkörpereinschlüsse (vgl.
1) Hier sei nachträglich noch auf einige Säugetiere hingewiesen, bei
welchen am Felle in der mittleren Rückenpartie ein deutlicher lichter,
schmaler Medianstreif beginnt, der — jenem von Tamandua ieiradactijla L.
entgegengesetzt — nach hinten zieht und sich allmählich stark verbreiternd
(Kreuz-Steißgegend) mehr oder weniger weit zwischen die Schenkel hinab-
reicht: Aniidorcas euchore Foester (Haare dieses Streifens besonders
lang und relativ zart), CephcdopJnis silvicidior Afzel, Indris brcvicauddiiis
(jEGEFE. und Lemur varins GeOFFR. (Fellgrund größtenteils dunkel).
Möglicherweise, aber keineswegs wahrscheinlich, ist bei diesen Tieren die
Haut hier relativ stark pigmentiert.
Hantzeiclimin^ bei dichtbehaarten Sängetieren. 305
Jai'ha) u. (liil., aehe icli hier nicht ein; nur daran möclite ich speziell
erinnern, daß an der Hautinnenseite auch lokale Anhäuf ung'en von
relativ stark entwickelten Hautdrüsen, welche das Aussehen der
Haut sonst nur unAvesentlich verändern, eine deutlich umgrenzte
Verfärbung hervoirufen können (vgl. z, B. die Violdrüse beim Fuchs,
die Rückendrüse von Procavia, JSotorydes etc.).
(). Weitere Booba('htiiiij?en über die Hauttärbiins: bzw. -zeiehnung
bei Priiiiateii imd Vergleich mit ähnlicheu Verhältnissen beim
3Ienschen.
Nachdem ich das Manuskiipt nahezu abgeschlossen hatte, konnte
ich noch zwei weitere interessante Affenhäute beobachten, die
wiederum eine auffallend SA'mmetrische. von der hier ebenfalls ziem-
lich einheitlichen Fellfärbung unabhängige Zeichnung aufweisen.
Die eine stammt von einem noch nicht ausgewachsenen
$ Magot (in Schönbrunn am 13.1. 1913 eingegangen, Sch.-St.-
Länge 40 cm) von derselben Herkunft wie das vorhin besprochene,
gleichfalls $, aber erwachsene Exemplar und zeigt interessanter-
weise in den Hauptzügen die gleiche Zeichnung (Taf. 10, Fig. 11)
wie dieses. Das Schwarz erscheint aber ausgebreiteter; so ist ins-
besondere der dunkle Streif entlang der Rückenmitte relativ breit,
und die beiderseitigen lichten Bänder sind entsprechend schmäler.
Ferner ist die Verbindung der letzteren mit dem Achselweiß und
in geringerem Grade auch mit dem Schenkelfaltenweiß eine unvoll-
kommenere; so erscheint sie besonders an der Schulter nur durch
entsjtrechend angeordnete Flecke markiert. Andrerseits steht das
([uere lichte Nackenband mit dem Achselweiß in kontinuierlichem
Zusammenhang. An ersterem fällt noch auf. daß sich ähnlich wie
beim Cehus median in dasselbe vom dunkeln Hinterhaupt aus ein
lelativ langer, aber schmaler schwärzlicher Streif hineinerstreckt;
ein solcher dringt auch von hinten median in das Nackenband ein,
und der Abstand zwischen den Enden beider beträgt nur ca. 2 cm.
Hier ist also auch am Nacken der dunkle Medianstreif zum großen
Teil erhalten und dementsprechend das Weiß median beinahe voll-
ständig abgeteilt. P^ndlich ist noch hervorzuheben, daß die Grenz-
linien zwischen beiden Färbungen noch etwas unregelmäßiger
(zackiger) sind als beim erw'achsenen Magot, was besonders an den
hier schmäleren lichten Seitenstreifen auffällt und vielleicht mit
dem Flächenwachstum der Haut in Verbindung zu bringen ist. Die
20*
306 K. TOLDT juu.,
Grundform der Zeicliiiuiig- ist jedoch bei beiden Individuen auffallend
übereinstimmend. Ich will auf Grund dieser zwei Fälle noch keine be-
stimmten Schlüsse ziehen. Da jedoch auch Adachi bezüglich der allge-
meinen Pigmentierung der Aifenhaut keine besonderen individuellen
unterschiede gefunden hat und die Färbung haararmer Hautstellen
(Gesicht, Scrotum) vielfach in der Sj'stematik zur Anwendung gelangt.
ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Hautzeichnung bei den einzelnen
Affenarten in den Grundzügen konstant ist, eine ziemlich große (vgl.
meine weiteren Ausführungen). Inwieweit die bemerkten Unter-
schiede mit dem verschiedeneu Alter zusammenhängen, in welcher
Hinsicht sowie auch bezüglich des Geschlechtes Adachi's Unter-
suchungen gleichfalls keine wesentlichen Verschiedenheiten ergaben,
läßt sich auf Grund dieses Materials noch weniger entscheiden.
Hervorgehoben sei nur, daß die lichten Hautstellen beim alten Magot
eine relativ größere Ausbreitung besitzen als beim jungen ; bei dieser
Art würde demnach der Umfang des Weiß im Laufe des Haut-
wachstums zunehmen, die des Schwarz dagegen nicht (s. auch Ab-
schnitt 8).
Bei diesem Individuum konnte ich auch ein Stück Haut genauer
untersuchen ; wie ich bereits beim ausgewachsenen Magot vermutete,
beruht die dunkle Färbung bei dieser Art tatsächlich auf dicht an-
geordnetem großzelligem Coriumpigment.
Der zweite neue Fall betrifft einen $ nahezu erwachsenen, aber
noch im Zahnwechsel begriffenen Hui man {Semnopithecus entellus
DüFR., Schönbrunn 15./1. 1913, Sch.-St.-Länge 43 cm), welcher in
der Epidermis stellenweise pigmentiert ist. Diese Haut (Taf 12,
Fig. 14) ist besonders interessant, da sie außer am Kopf und damit
im Zusammenhang an der Kehle und au den Vorderextremitäten, dann
an den Weichen und mit diesen zusammenhängend an den Hinter-
extremitäten nur noch in der Kreuz-Steißgegend und damit in Ver-
bindung am Schwänze und in der Schamgegend deutlich pigmentiert
ist. Diese Gebiete erscheinen durchaus dunkel, aber etwas wenige]'
intensiv als in den genannten Fällen mit Coriumpigment. Auch ist
die Zeichnung einfacher, da sich die Pigmentierung in gleichmäßiger
Weise auf relativ große Gebiete erstreckt und die Grenzlinien mehr
ganzrandig verlaufen. Bis zu einem gewissen Grade ergeben sich
bereits aus den Mitteilungen Adachi's für einzelne Primaten ähn-
liche Verhältnisse.
Beim Hulman ist also am Eücken nur die Kreuzgegend dunkel
gefärbt, welche dem Hauptsitz der gelegentlich beim Menschen, be-
Hautzeichimiif,' bei dichtbehaarten Säugetieren. 307
sonders bei Kindern dunkelfarbiger Rassen, vorkommenden, in der
anthroi)ologischen und medizinischen Literatur viel erörterten blauen
(4eburtsflecke (^longolen- oder Kreuzflecke) entspricht. Dieses
jticrmentierte Gebiet stellt beim Hulnian ein isoliertes symmetrisches,
am vordei-en Rande gleichmäßig schwach eingesenktes langgestrecktes
Ov^al (120 mm lang, 75 mm breit) dar, dessen Längsachse in die Mittel-
linie des Rumpfes fällt. Die Länge des pigmentierten Kreuz-Steiß-
bereiches beträgt 80 mm. Der dahinter folgende Teil ist beinahe
haarlos und umfaßt die Schwanzbasis, den Anus, das Genitale und
die Gesäßschwielen; unterhalb dieser endigt die dunkle Färbung.
Für die Symmetrie dieses pigmentierten Gebietes ist es besonders
bezeichnend, daß sich in ihm seitlich vor jeder Gesäßschwiele eine
lichte Stelle befindet, welche, auf beiden Seiten in gleicher Weise,
nach außen zu nur durch einen schmalen dunklen Streif abgegrenzt
wird. Die dunkle Färbung erscheint in Übereinstimmung mit den
pigmentierten Hautgebieten an anderen Körperteilen außen an dei"
Haut schwärzlichgrau, innen diffus bläulich und ist besonders außen
scharf umgrenzt.
Diese mit den übrigens in Form und Lage sehr variablen Ge-
burtsflecken des Menschen (Textfig. A) topographisch zusammen-
fallende Zeichnung bei einem Affen ist um so bemerkenswerter, als
Adachi bei seinem relativ großen Material entgegen seiner anfäng-
lich gehegten Hoffnung zum Resultate kam, daß die Kreuzhaut bei
den Affen nicht zu den stark pigmentierten Hautstellen gehört. Im
vorliegenden Falle handelt es sich allerdings um Epidermispigment,
welches beim Menschen bekanntlich die allgemeine Hautfärbung be-
dingt. Das Coriumpigment hat an dieser keinen Anteil [s. ins-
besondere Schwalbe (bj] ; dagegen tritt es mitunter fleckweise,
namentlich als die angedeuteten Geburtsflecke auf, und zwar finden sich
hier die großen relativ tief gelagerten Pigmentzellen, welche bei
manchen Affen an den verschiedensten Körperstellen vorkommen,
beim Menschen aber sonst nicht (Adachi). Der Befund beim Hulman
zeigt also nur im allgemeinen, daß auch bei den Affen in der Kreuz-
gegend ein isolierter pigmentierter Fleck vorkommen kann. Da bei
diesen (Cehus und Iniiits) aber auch die großen Coriumpigmentzellen
an verschiedenen Körperstellen Fleckenbildungen hervorrufen können
und beim Inuus (sowie bei Cercopithecus, Adachi) auch die Kreuz-
gegend, allerdings nicht in isolierter Form, in dieser Weise stark
pigmentiert ist, erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß sich auch
Affen finden werden, welche einen durch Coriumpigment gebildeten
308 K. ToLDT Jim.,
mehr oder weniger isolierten Kreuzfleck aufweisen. Übrig-ens sind
die Geburtsflecke beim Menschen keineswegs auf die Kreuzgegend
beschränkt, sondern kommen bekanntlich mitunter auch an anderen
Körperstellen vor. So finden sie sich namentlich in der Gluteal-
gegend, und diese ist bei manchen Affen (z. B. bei Cynocepkalus) be-
sonders reich an großen Coriumpigmentzellen (Adachi). Bezüglich
des vorliegenden, allerdings auf Epidermispigment beruhenden Falles
sei gegenüber den Geburtsflecken des Menschen hervorgehoben, daß
sich dieser Fleck hier unter dichter (normaler) Behaarung vorfindet.
Diese zeigt beim Hulman in der Kreuzgegend in bezug auf die
Färbung keine Besonderheit. Wie ich aber später noch ausführen
werde, sticht diese Körperstelle bei einer Anzahl von Säugetieren
durch eine besonders lichte Behaarung von der Umgebung auffallend
ab, während eine scharf umgrenzte dunkle Behaarung dieser Stelle
bei wildlebenden Säugetieren kaum vorzukommen scheint. Vielleicht
ist im ersteren Falle die Haut pigmentiert? (Vgl. den weiter unten
erwähnten Erklärungsversuch Weidenkeich's bezüglich der Bedeu-
tung der Geburtsflecke.) Selbstverständlich kann der Hulman wegen
dieses Fleckes mit dem Menschen in keine nähere verwandtschaft-
liche Beziehung gebracht werden, zumal aus den Untersuchungen
Adachi's hervorgeht, daß die verschiedenen Formen der Hautpigmen-
tierung mit der systematischen Gruppierung der Affen in keinem
Zusammenhang stehen und es sich hier überdies um verschiedene
Pigmentierungen handelt.
Im allgemeinen sei über die blauen Geburtsflecke
des Menschen folgendes bemerkt (vgl. besonders die Zusammen-
stellungen von Adachi, Lehmann-Nitsche, tek Kate und Schohl). Die
Flecke kommen beiden Geschlechtern zu und treten zumeist um die
Geburtszeit oder etwas später auf, werden zunächst noch etwas inten-
siver und verschwinden meistens im Laufe der Kindheit allmählich ;
dieses Schwinden scheint vom Zentrum eines jeden Fleckes auszugehen
(Trebitsch). Sie wurden auch bereits bei Föten (z. B. von 4 — 5 Mon.)
angeführt und in einer Reihe von Fällen bei Erwachseneu kon-
statiert. Die Flecke treten einzeln oder zu mehreren in verschie-
denster Größe und Form auf (Textfig. A), verändern das Niveau
der allgemeinen Hautoberfläche nicht und erscheinen in den ver-
schiedensten Nuancen von blau bis schwarz, wobei die Intensität
innerhalb eines Fleckes selbst wechselnd sein kann. Bei einzelnen
Kassen scheint im Zusammenhang mit der allgemeinen Hautfärbung ein
Hautzeichuuiii!' l)ei dichtbehaarten Säugetieren.
309
bestimmter Ton voiherrsclieiid zu sein. Auch die Lage der Flecke ist
sehr wechselnd und vielfach asymmetrisch. Ihr Hauptsitz sind die
Kreuz- und Steißgegend sowie die Gesäßbacken. Vielfach kommen
sie auch am Rücken, an den Schultern, in einzelnen Fällen am Ober-
arm bzw. -Schenkel, im Gesicht, am Handgelenk und an Brust und
Bauch vor. Nach Auachi finden sie sich an den Extremitäten meist
an der Außenseite ; bezüglich der ünterextremitäten wäre jedoch zu
bemerken, daß die Fleckung am Gesäß vornehmlich an der Hinter-
seite gelegen ist und sich von hier aus mehr oder weniger weit an
der Beugeseite der Oberschenkel nach abwärts erstrecken kann.
Am Kumpf ist die Dorsalseite weitaus die bevorzugte.
^*
Einige Beispiele für das ver.schiedenartige Auftreten der blauen Geburtsflecke
beim Menschen.
a Japanisches Kind (n. Grimm); b 10 Monate altes und c 3 jähriges Chinesenkind
(n. Matignon); d Japanisches Kind (n. Grimm): e 12 jähriger Knabe, Mischrasse
von Grönland-Eskimos und Dänen (n. Trebitsch).
Die blauen Geburtsflecke kommen u. a. besonders bei den Kindern
der Japaner vor und fehlen hier selten. Sie waren bei diesem
A'olke den Ärzten schon seit langem (vor mindestens 150 -Tahren)
bekannt, und Balz (a), welcher sich zuerst eingehender mit dieser
310 ^- l'OLDT JUII.,
Erscheinung befaßte (1885) und bereits als Ursache Coriumpigment-
zellen feststellte, hielt die Fleckung für eine Eigentümlichkeit der
Mongolen (Mongolenfleck). Vorher und zwar schon seit dem Beginn
des vorigen Jahrhunderts waren die Flecke auch bei den Grönland-
Eskimos bekannt; im Laufe der Zeit wurden sie bei verschiedenen
anderen dunkel- und mittelfarbigen Rassen der alten und neuen
Welt mehr oder weniger häufig, und zwar vielfach besonders inner-
halb einzelner Familien, angetroffen, so daß sich die Kenntnis ihres
Vorkommens zunächst besonders auf die Mongoloiden und später
auf fast alle dunkel- und mittelfarbigen Kassen erweiterte. In-
zwischen erklärte Adachi in einer vorläufigen Mitteilung (1902) auf
Grund seiner histologischen Befunde, daß die in der Kreuzhaut vor-
kommenden großen, tiefliegenden Pigmentzellen, welche von der
oberflächlich gelagerten, kleinzelligen Coriumpigmentierung der
übrigen menschlichen Haut auseinanderzuhalten sind (s. auch Grimm)
und bei manchen Affen an den verschiedensten Hautstellen vor-
kommen, keine Eigentümlichkeit bestimmter Rassen seien, sondern
eine gewöhnliche Erscheinung des späteren Entwicklungsstadiums
des Menschen; so finden sich solche Zellen gelegentlich auch bei
Kindern (und Erwachsenen) der hellfarbigen Rassen, wenn auch in
geringerem Maße als bei dunkelfarbigen. Der Unterschied sei also
nur ein quantitativer. Vermutlich hätten die Vorfahren des Menschen
eine solche Haut getragen, wie wir sie heute bei manchen Affen
treffen. Die Vermutung, daß die Flecke den Überrest einer vormals
weiter über die Körperhaut verbreiteten Pigmentation darstellen, wurde
übrigens bereits von anderer Seite ausgesprochen, so von Bloch (a),
welcher sie von einer ursprünglich über die ganze Körperhaut aus-
gedehnten Pigmentation ableitet. In einer Erwiderung auf Adachi
betonte Bälz (b), daß nicht das Vorhandensein der genannten Zellen
an sich, sondern die makroskopische Erscheinung des Fleckes das
charakteristische sei. Dieser könne allerdings nicht mehr als ein
Merkmal der Mongolen bzw. der Mongoloiden betrachtet werden,
wohl aber als „das feinste Reagens für die Unterscheidung der
weißen Rasse von allen anderen Rassen". Wenn bei einem Kind
einer hellfarbigen Rasse ein solcher Fleck vorkommt, so sei dies
das sicherste Merkmal einer Beimischung dunkleren Blutes (z. B,
in Brasilien). Adachi und Füjisawa fanden bald darauf bei einem
mitteleuropäischen Kinde, in dessen Aszendenz sich kein dunkelfarbiger
Einschlag nachweisen ließ, deutliche Flecke (s. auch Feer u. A.).
^Veiterhin wurde dieser Fleck ziemlich allgemein als eine rudi-
Hantzeii'limiiiy bei dichtbeliaaiten Säugetieren. HU
mentäre bzw. in Rückbildune" bep-rittene Ersclieinuno- im Sinne
Akachi's anf«?etaßt, weiclie in verschiedener Intensität und Frequenz
bei allen Menschenrassen nachzuweisen ist, s. z, B. Lehmann-Nitsche,
TEN Kate. Schohl u. A. Ersterer Autor glaubt, daß die Annahme
einer rudimentären Bildung wohl für das Auftreten der Flecke am
plausibelsten ist, jedoch sei ihr Verschwinden in einem bestimmten
Lebensalter g-anz rätselhaft. Aber gerade die Vergänglichkeit ist
oft das Schicksal rudinientäi-er Gebilde. Bezüglich der Geburts-
tiecke muß man annehmen , daß die Pigmentbildung meistens in
einer gewissen Lebensperiode aufhört (warum?); das Verschwinden
der Flecke ist dann wohl so zu erklären, daß sich die vorhandene
Pigmentmenge zunächst im Laufe des weiteren Flächen- und Dicken-
wachstums der Haut im Corium mehr und mehr verteilt, und weiterhin,
daß die nun einzeln zersti'euten Pigmentteile allmählich zugrunde
gehen.
In neuerer Zeit hat sich Trebitsch der Anschauung von Bälz
genähert. besondei'S da nach einem Vortrag von B. Sperck in der
Wiener Anthropologischen Gesellschaft unter acht mit diesem Merk-
mal versehenen Kindern bei allen ein ungarischer Einschlag wahr-
scheinlich war. Der Ausschluß einer Vermischung lasse sich über-
haupt wohl selten zweifellos feststellen. Die Entscheidung stellte
Tkebitsch der Zukunft anlieim. Auch P. Bartels sowie A. B. Meter
u. A. neigen zur Anschauung, daß es sich hier doch um ein rassen-
diagnostisches Merkmal handelt.
Meinerseits glaube ich mit folgender Erwägung eine vermittelnde
Stellung einnehmen zu können. Der vorhandenen verbreitungs-
statistischen Literatur nach ist die Möglichkeit des Auftretens von
Geburtstiecken wohl bei jeder Menschenrasse gegeben. Vom ver-
gleichend morphologischen Standpunkte aus erscheint es daher,
wenn man zunächst einen monophyletischen Ursprung des Menschen-
geschlechtes annimmt, ganz natürlich, daß eine mehr oder weniger
starke Coriumpigmentierung bzw. eine Färbung der Haut in der
Kreuzgegeud bei jedem Menschen, unabhängig von seiner Rassen-
zugeiiöi'igkeit bzw. von Beimischung, als Überrest einer bei den
Vorfahren vorhanden gewesenen Hautzeichnung auftreten könnte.
Aus der Literatur geht andererseits auch zweifellos hervor, daß die
Geburtsflecke bei manchen Rassen relativ häufig, bei anderen auf-
fallend selten vorkommen. Die Pigmentierung hat sich also im
Laufe der Rassenausbildung bei gewissen Rassen relativ gut erhalten,
wählend .sie bei anderen fast ganz geschwunden ist. Es erscheint
312 K. ToLDT Jim.,
weiter der Statistik nach zweifellos, daß durch eine zeitweilige Ver-
misclmng einer geburtsfleckenarmen Kasse mit einer solchen, bei welcher
eine Fleckenbildung häufig vorkommt, nun auch bei den betreffenden
Nachkommen der ersteren Rasse die von vornhei-ein gegebene Anlage
mehr als vordem zur Ausbildung angeregt werden kann. — Bei
Annahme einer polj'phyletischen Abstammung könnte man sich vor-
stellen, daß der eine oder andere Stamm von vornherein gezeichnet
war, ein anderer vielleicht nicht. Das erscheint jedoch unwahr-
scheinlich, besonders da nach Adachi die Hautpigmentierung bei
den Affen selbst innerhalb eines Genus sehr übereinstimmend ist.
Ferner scheint mir die Variabilität des Vorkommens der Flecke
auch bei den einzelnen dunkelfarbigen Rassen dagegen zu sprechen.
Eine Coriumzeichnung dürfte also bei allen Stämmen, wenn auch in
verschiedenem Grade, vorhanden gewesen sein.
Ich bin somit der Ansicht, daß die Geburtsflecke bei Rassen,
bei welchen sie selten angetroffen werden, einerseits spontan als
eine rudimentäre Erscheinung im Sinne Adachi's auftreten können,
so namentlich in Fällen, in welchen eine Beimischung dunkleren
Blutes unwahrscheinlich erscheint, andrerseits aber, und zwar wohl
weitaus in der Mehrzahl der Fälle, infolge eines Einschlages von
Seite einer Rasse, bei der die Flecke häufig vorkommen.
Schließlich sei noch die Frage, warum sich die Geburtsflecke
hauptsächlich in der Gesäßgegend vorfinden, kurz erörtert. Darüber
sowie über die Ursache derselben im allgemeinen wurden schon
seit jeher die verschiedensten Vermutungen geäußert, und auch im
Volke sind die mannigfaltigsten, zum Teil mj^thischen Erklärungen
im Umlaufe (vgl. darüber die vorhin genannten Zusammenstellungen).
Adachi wagt diesbezüglich unter dem Hinweis darauf, daß die
Affen in der Kreuz-Steiß-Glutealgegend meist nicht besonders reich-
lich Pigmentzellen tragen, keine spekulative Erklärung. In seiner
vorläufigen Mitteilung ließ er speziell die Fragen offen, ob unsere
Vorfahren die Pigmentzellen besonders in dieser Gegend besessen
haben oder ob unsere Kinder diese im Zusammenhange mit dem
entwicklungs- oder stammesgeschichtlichen Zurückbleiben der cau-
dalen Gegend und Umgebung hauptsächlich hier tragen. Da sich
aus den vorliegenden Untersuchungen ergeben hat, daß die Zeichnungs-
muster der Haut und speziell auch die des Coriums bei den Affen
in verschiedener, aber bei den einzelnen Arten in ziemlich charakte-
ristischer Weise auftreten, halte ich die Annahme für bei-echtigt,
daß bei den Vorfahren des Menschen die Kreuz-Steiß-Glutealgegend
Ilautzeicbuuug bei (liehthehaarteii Säugetieren. 313
der Hauptsitz der dunkeln Zeichnung- war und daß sich das Pig-
ment daher iiauptsächlich hier eihält. Da nacii unseren heutigen
Kenntnissen die Kreuzgegend beim Menschen nicht viel häufiger
l)igmentiert ist als die Steiß- und Glutealgegend. möchte ich speziell
auf letztere hinweisen, da sie bei manchen Affen {Cynocephalus) im
Corium sehr pigmenthaltig ist; von Interesse ist es, daß diese Stelle
dann auch wie beim ^lenschen mehr oder weniger nackt sein kann.
Auch daß die Scliwanzgegend in den Hauptsitz der Geburtsflecke
fällt, ist beachtenswert, da bei den Affen speziell die Schwanzwurzel
sehr häufig, wenn auch oft nur in der Epidermis, stark pigmentiert
ist. In zweiter Linie treten die Flecke beim Menschen besonders
im übrigen Teile der Rückenseite des Rumpfes auf, doch will ich
mich über die weitere Ausdehnung der Hautzeichnung unserer Vor-
fahren ebensowenig äußern wie Adachi.
Ich glaube also, daß für die Lage der Geburtsflecke des Menschen
in erster Linie die spezifische Zeichnung der Vorfahren in Betracht
kommt [vgl. auch Schwalbe (b) über die Vererbung der allgemeinen
Hautfäibung des Menschen]. Ob für das häufige Vorkommen der
Hautpigmente in diesen Gegenden beim Menschen und zum Teil
auch bei den Affen noch eine besondere Ursache mit im Spiele ist,
sei dahingestellt. Gegen die von verschiedenen Autoren vorgebrachten
Erklärungsversuche, welche zum Teil auf abnormalen bzw. patho-
logischen Zuständen der Kreuzgegend fußen, scheint mir besonders
der eben angedeutete Umstand zu sprechen, daß die Flecke nament-
lich auch in der Glutealgegend auftreten. Ich beschränke mich
darauf, den neuesten Erklärungsversuch, welcher sich in der mehr-
fach erwähnten Abhandlung Weidenreich's vorfindet, anzuführen.
Nach diesem Autor bietet das Pigment dem Rückenmark einen Licht-
und ^^'ärnleschutz, dessen es in der Kreuzbeingegend, die bekannt-
lich auch eine Prädilektionsstelle für Hypertrichose ist, besonders
bedarf, da die Bogen der einzelnen Kreuzwirbel erst nach der Ge-
burt miteinander verschmelzen und der Hiatus canalis sacralis
dauernd erhalten bleibt (über die Haarfärbung bei den Säugetieren
an dieser Stelle s. weiter unten).
Nun möchte ich kurz die verschiedene Verteilung des
Epidermispigmentes bei den Affen mit dem gelegent-
lich bei Individuen der dunkelfarbigen Menschen-
rassen zu beobachtenden partiellen Albinismus ver-
gleichen, welcher wohl zweifellos mit den Pigmentierungsverhält-
3U
K. TOLDT JUU.
nissen der Epidermis in Zusammenhang steht. Die Epidermis-
pig-mentierung des Menschen ist in ihrer makroskopischen Ersclieinung
bekanntlich mehr oder weniger kontinuierlich, wenn auch au ge-
wissen Stellen von verschiedener Stärke (vgl. etwa die Verhältnisse
bei dem später zu erwähnenden Ateles). Mikroskopisch erscheint sie
jedoch vielfach fleckig (s. besonders Bkeul). Beim partiellen
Albinismus treten bereits makroskopisch deutliche Fleckenbildungen
in verschiedenster Form und Lage auf.
Ich will aus der Litei-atur nur zwei Beispiele herausgreifen und
zwar zunächst den von Frasetto (u. a. von Levi) beobachteten Fall
Fig. B. Beatrice Anderson im 15. Lebensjahr Fig. C. Rücken der weißen Negerin
(n. Feasetto). Ammanua (u. Frädäric).
bei einem etwas über 15 Jahre alten Mädchen, Beatrice
Anderson (Textfig. B), dessen Vater ein Neger, dessen Mutter eine
Mulattin war. Soweit sich das Mädchen untersuchen ließ, fanden
sich an der vorherrschend dunklen Haut lichte Gebiete in zum Teil
großer Flächenausdehnung, so besonders ein breites Band quer über
die Brust und ein merkwürdig symmetrisches Gebiet an der Stirne,
welches an der Glabella schmal beginnend unter birnförmiger Ver-
breiterung nach aufwärts unter die Kopfbehaarung bis zum Obelion
zieht. Im Bereiche der Kopfbehaarung, welche an dieser Stelle
weiß ist, hatte die Haut einen rosa Ton. Auch die Oberarme sind
auf größere Strecken licht und in den übrigen Partien mit unregel-
Hautzeicbnuiig bei «Hohtbehaarten Säugetieien. 315
mäßigen liditeii Flecken verscliiedener (jrüße verseilen. In den
lichten Gebieten finden sich stellenweise einzelne dunkle Flecke,
so auch zwei im lichten Stirnoebiet innerhalb der Behaarung, an
welchen Stellen gleichzeitig die Haare dunkel sind. — Die Fleckung
stammt von der väterlichen Seite; von den Geschwistern waren
sechs gleichfalls gefleckt, sieben normal dunkel.
Der zweite Fall betrifft eine von Fri^deric besprochene an-
geblich 24jährige Negerin, namens Ammanua, deren Eltern
beide der Negerrasse angehörten und dunkelfarbig waren. Ammanua
war vorherrschend lichthäutig wie ein blonder Europäer, jedoch
fanden sich am Rücken (Textfig. C) zahlreiche groß erbsen- bis
bohnengroße dunkle Flecke mit unregelmäßig sternförmigen Kon-
turen. In geringerer Zahl waren sie auch an den Streckseiten der
Ober- und Unterarme und an der Brust zu sehen. Sie hatte von
einem normal pigmentierten Neger ein Kind mit dunkler Haut wie
andere gleichaltrige Negerkinder.
Eine Fleckung in der Haut von Affen wui-de, wie bereits fiiiher
angedeutet, schon mehrfach beschrieben; sie kann sowohl auf eine
quantitativ verschiedene Verteilung von Corium- als auch von Epi-
dermispigmentierung zurückzufiihien sein. Auf ersterer beruhen z. B.
die hellen Flecke in dunkler Grundfarbe an der Brust von Chrysoihrix
sciurea oder im Gesichte von Cynocephahis und an manchen Stellen beim
Orang (Adachi). auf letztere die asymmetrisch veileilten dunkeln
Flecke im Gesichte eines weiblichen Schimpanse, welche Hilgexdorf
u. Paulicki beobachtet haben. Außer im Gesicht fanden sie sich bei
diesem nur noch vereinzelt an den Extremitäten vor, und die Autoren
heben ihre asj-mmetrische Lage hervor. In anderen Phallen wii'd nur
von Fleckung im allgemeinen gesprochen ohne Angabe, worauf sie
beruht [z. B. bei Hartmann (b) von manchen Exemplaren des Schim-
panse, bei Selenka von den Orangs]. Nebenbei sei bemerkt, daß
lichte Pünktchen auch durch pigmentarme Haarbälge in dunkler
Umgebung hervorgerufen werden können (z. B. in der Glutealgegend
des CijnocepJmlüs, Aijachi).') Einen schönen Fall von Fleckung,
welcher sich mit den Verhältnissen bei der Ammanua ganz gut ver-
gleichen ließe, fand ich bei einem später noch zu erwähnenden weib-
lichen Lemur varius (Taf. 12, Fig. 15). Die Rückenhaut dieses Halb-
affen ist licht, aber mit ziemlich regelmäßig zerstreuten erbsen- bis
1) Wie vorhin erwähnt, ist auch die Pignientieruug der einzelnen
Haarkeime als eine fleckweise Epiderniisfärbung aufzufassen [Schwalbe (b)j.
316 K. ToLDT jun ,
bohneiigroßen dunklen Fleckchen versehen, welche durcli Epidermis-
pigment bedingt werden. Die Epidermis der Bauchhaut ist bei
diesem Individuum im großen und ganzen gleichmäßig pigmentiert,
doch finden sich auch hier noch einzelne Flecke, welche sich durch
eine stärkere Pigmentierung abheben. Andi'erseits kommt in der
Bauchhaut auch noch eine Anzahl erbsengroßer lichter Flecke vor,
welche ganz pigmentfrei sind und ungefähr der Grundfärbung der
nur schwach pigmentierten ßückenhaut entsprechen. Hervorgehoben
sei. daß diese lediglich auf einem verschiedenen Grad bzw. auf dem
Fehlen von Epidermispigmentierung beruhenden Fleckenbildungen
sich unter drei Varis nur bei diesem einen vorfanden und somit wie
beim Menschen als eine Variation erscheinen. Bekanntlich ist bei
diesem Lemur auch die Fellfärbung sehr variabel.
Bezüglich der Hautfärbung der Anderson findet sich unter
meinem Material kein Beispiel, welches hinsichtlich der lokalen Ver-
teilung der pigmentierten und unpigmentierten Hautstellen direkt
vergleichbar wäre. Morphologisch ist jedoch auch diese aus den
Verhältnissen bei verschiedenen Aifenarten ohne weiteres verständ-
lich. Kleinere lichte Flecke an Stellen mit pigmentierter Epidermis
haben wir besonders in der Bauchhaut des erwähnten Varis vor uns,
während die Rückenhaut desselben ein ausgedehntes lichtes, klein
dunkelfleckiges Gebiet darstellt. Größere lichte Bereiche ohne
nennenswerte Fleckung finden sich bei verschiedenen Affen, so z. B.
beim Hulman und den -beiden anderen Varis. Diese Gebiete sind
aber mehr abgeschlossen und ziemlich symmetrisch gelagert und,
was auch für viele kleine dunkle und lichte Flecke des genannten
Varis gilt, zumeist mehr gleichmäßig, d. h. nicht so zackig begrenzt
wie vielfach bei den angeführten Beispielen vom Menschen. Diese
nur teilweise vorhandenen Unterschiede hängen wohl mit einer
größeren Variabilität dieser Verhältnisse bei letzterem zusammen.
PJine solche scheint besonders auch bei den anthropomorphen Affen
vorzukommen (vgl. z. B. den oben erwähnten Schimpansen). Für die
grundsätzliche Übereinstimmung der verschiedenen Formen der
Epidermispigmentverteilung beim Menschen und bei den einzelnen
Affen kommen diese Unterschiede jedoch nicht in Betracht.
Das gelegentliche Vorkommen von gewissen dunklen Flecken
in der an sich pigmentierten Haut beim Menschen [vgl.
z. B. die Bemerkung Schwalbe's (b) über die Blandass-Stämme] läßt sich
gleichfalls mit den Verhältnissen beim genannten Vari vergleichen,
Hrtutzeichmiii;^ bei dichtbt'liaarten Säugetieren. 317
besonders mit den Hautstellen, an welchen in dunklem Grunde noch
dunklere Flecke vorhanden sind.
Auf eine Erörterung- über die Ursachen des partiellen Albinismus
und ähnlicher Erscheinungen beim Menschen kann ich mich hier
nicht einlassen.
Die genaue Beachtung der Hautzeichnung der Affen zeigt also
besonders deutlich, daß sich die verschiedenen Hautpigmentationen
des Menschen — wenigstens im allgemeinen — ohne Schwierigkeit
mit jenen der Affen in Verbindung bringen lassen.
In letzter Zeit konnte ich, wie bereits angedeutet, noch die
Häute von drei erwachsenen Varis, Lemur varnis Geoffr. (,^, $$,
Sch.-St.-Länge ca. 58 cm), untersuchen, welche zu Beginn des laufenden
Jahres aus dei' k. k. ^lenagerie zu Schönbrunn einliefen. Die typische
Form dieses Halbaffen hat bekanntlich ein schwarz und weiß ge-
zeichnetes, ziemlich dichtes Fell. Wie man sich nach Auseinanderlegen
der Behaarung leicht überzeugen kann, sind die Haare nicht an allen
weißen Fellstellen durchaus weiß, sondern im basalen Teil oft
schwärzlich. Ganz weiße Fellstellen fand ich, bei allen Exemplaren
übereinstimmend, nur jederseits unterhalb dei- Ohrmuschel bis an die
Kehle hinab, in der Steißgegend und mit dieser zusammenhängend
beiderseits eine Strecke weit an der Hinterseite des proximalen
Teils der Oberschenkel; weiter distal wurden die Haare in ihrem
Basalteile dunkel. Die Epidermis zeigt stellenweise eine bald mehr
bald weniger starke Pigmentierung, welche im Gegensatz zu den
Verhältnissen beim Hulman meistens nicht scharf abgegrenzt ist.
Auch sind die licht erscheinenden Hautpartien, wie die mikrosko-
pische Untersuchung zeigt, in der Regel noch etwas pigmentiert.
Die Haarfärbung ist an die Hautfärbung nicht gebunden, doch
kommen die dunklen Haare vornehmlich an stärker pigmentierten
Hautstellen vor.
Die allgemeine, makroskopisch Avahrzunelimende Hautpigmentie-
rung erschien im frischen Zustande an der Hautaußenfläche rötlich-
braun bis schwarz und war (an der Innenfläche) in bezug auf ihre In-
tensität bei allen drei Individuen wiederum ganz symmetrisch und in
ihren Grundzügen gleichartig verteilt. Ihre Ausdehnung ist jedoch bei
allen eine etwas verschiedene, und zwar nimmt sie, wie es scheint, mit
zunehmendem Alter des Individuums an Umfang zu. Soweit es sich
nach der Beschaffenheit des Dauergebisses beurteilen läßt, war das
eine Weibchen mit noch durchaus scharfen Zähnen das jüngste.
318 ■ K. TOLDT juii.,
Bei diesem erstreckte sich die Piomentierung nur auf den Vorder-
kopf. auf die Hiiiterbauclig-egend und von dieser ausgehend auf die
Vorderseite der hinteren Extremitäten; ferner war noch die ganze
Schwanzhaut dunkel. Beim Männchen mit etwas abgenutzten Zähnen
war die ganze Bauchfläche — besonders in ihrem medianen Abschnitt —
und vorn mit dieser zusammenhängend auch der proximale hintere
Teil der Vorderextremitäten und — in etwas geringerem Maße —
die ganze Schulter- und Nackenpartie deutlich pigmentiert; letztere
stand außerdem in ununterbrochener Verbindung mit der starken
Pigmentierung der Kopfhaut. Beim ältesten Individuum mit stark
abgenutztem Gebiß, dem zweiten Weibchen, waren außerdem noch
alle Extremitäten in ihrem ganzen Umfange pigmentiert, jedoch
proximal außen relativ schwach. In den Grundzügen war die Zeichnung
somit bei allen drei Individuen dieselbe, jedoch in bezug auf die
Ausdehnung der dunklen Partien ziemlich variabel. Aus dem vorläufig
allerdings ziemlich geringen Material scheint hervorzugehen, daß die
Pigmentierung bei dieser Art mit zunehmendem Alter des Indivi-
duums umfangreicher wird. Dafür würde auch sprechen, daß das
älteste Exemplar, wie weiter unten noch ausgeführt werden wird,
außer der genannten Zeichnung auch noch eine dunkle Fleckung
aufweist. Diese Verhältnisse würden dann zu jenen der Corium-
zeichnung bei den zwei verschieden alten Magots im Gegensatz stehen.
Der Vergleich mit der Epidermiszeichnung des Hulmans (und
einzelner von Adachi beschriebener Arten) deutet darauf hin, daß
die Epidermiszeichnung überhaupt nicht sehr charakteristisch sein
dürfte. Die Hulman-Zeichnung zeigt nämlich einige Ähnlichkeit
und bildet in gewisser Hinsicht eine Übergangsform zwischen der
Zeichnung des jungen $Varis und jener der beiden anderen. Denn
einerseits ist die Pigmentierung der Unterseite des Rumpfes, wie
beim jüngsten Vari, auf den hinteren Teil des Bauches beschränkt,
während die Pigmentierung der Kopfhaut wie bei den beiden
anderen mit der der Vorderextremitäten zusammenhängt. Gleich-
wohl sind die Unterschiede zwischen beiden Arten noch ziemlich
beträchtlich und wohl typisch; doch ist es keineswegs ausge-
schlossen, daß auch diese durch weitere Variationen abgeschwächt
werden können. Zunächst ist bei unserem Hulman-Exemplar. bei
dem die Zeichnung an sich 'schärfer ausgeprägt ist, die Kehle stark
pigmentiert, der Nacken und Rücken dagegen licht. Bei den drei
Varis ist die Kehle relativ licht und bei den beiden älteren der Nacken
und der Vorderrücken dunkel. Beim Hulman ist ferner die Bauch-
Hautzeiclimuiü: bei dichtbehaarten Säugetieren. 319
geg-eml in ncx-h gering^ereni umfang dunkel als beim jüngeren $VarJ,
wogegen bei jenem die Kreuz-Inguinalgegend pigmentiert ist.
Die Haut des stärker i)igmentierten alten 9 Varis (Taf. 12 Fig. 15)
zeigt, wie bereits angedeutet, außer der typischen Yari-Zeichnung
auch noch eine Fleckung. und zwar eine dunkle und eine lichte.
Beide Arten von Flecken sind nur erbsen- bis bohnengroß, die dunklen
durchschnittlich etwas grüßer als die lichten. Sie sind zumeist ganz-
randig begrenzt, mitunter aber auch unregelmäßig zackig. Die
dunklen Flecke waren an der Innenseite der frisch abgezogenen
Haut besonders deutlich am relativ lichten Rücken zu sehen; hier
finden sie sich vom Nacken bis in die Glutealgegend allenthalben
zerstreut, jedoch im medianen Teil, und zwar besonders in der kau-
dalen Rückenhälfte, auffallend spärlich. Ein relativ großer querge-
streckter (aus zweien verschmolzener?) Fleck befindet sich an der
linken Schulterpartie. Dunkle Flecke sind jedoch auch in stark
pigmentierten Teilen, so namentlich proximal am Oberarm und Ober-
schenkel, infolge ihrer intensiveren Färbung zu erkennen. Die
lichten Flecke sind ganz pigmentlos und fallen hauptsächlich in
stark pigmentierten Gebieten auf, so in der haararmen Submental-
region, dann besonders am Bauch und am proximalen Teil der Ex-
tremitäten. Sie kommen auch in dem schwach pigmentierten Teil
der Rückenhaut vor, kontrastieren hier aber naturgemäß nicht
stark. Mitunter kommen dunkle und lichte Flecke knapp neben-
einander vor. Beide Arten von Flecken sowie die allgemeine Pig-
mentierung stellen, wie vorhin bemerkt, nur einen verschiedenen
Quantitätsgrad bzw. den Mangel von Epidermispigmentierung dar,
wobei sich die ersteren auch infolge ihres lokal eng begrenzten Umfangs
von der Umgebung besonders scharf abheben. Die verschiedene Pig-
mentierung ist an der Außenseite der Haut auch noch nach der
Alkoholkonservierung zu erkennen, jedoch wegen der Dichte der
Behaarung in ihrer Gesamtheit schwer zu überblicken. Die Haut-
fleckung steht mit der Fellfärbung gleichfalls in keinem Zusammen-
hang.
Hier sei nochmals darauf hingewiesen, daß das Individuum mit
der gefleckten Haut älter w^ar als die beiden anderen einfach pig-
mentierten Exemplare, von w^elchen das eine gleichfalls ein Weibchen
war. Ob die Fleckung mit dem hohen Alter zusammenhängt oder
nur eine rein individuelle Verschiedenheit darstellt, muß vorläufig
dahingestellt bleiben. Da auch die allgemeine Pigmentierung bei
den drei vorliegenden Varis entsprechend dem vorgeschrittenen Alter
Zool. .lahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 21
820 K. ToLDT jnn.,
eine ausoedeliutere ist, könnte die Fleckung- immerhin darauf zurück-
zuführen sein, — Diese Verliältnisse sind wiederum ein Beweis
dafür, daß die verschiedenen Hautpigmentationen mit der des Haar-
kleides in keinem bestimmten Verhältnis stehen.
Schließlich konnte ich auch die Haut eines noch nicht
ausgewachsenen ^ Ateles ater Cuv. (25. 2. 1913, Sch.-St-
Läng-e 36 cm) untersuchen. Diese Art stand auch Adachi in einem
(^ Exemplar zur Verfügung, und meine Befunde decken sich mit seinen
Angaben. Die Epidermis war allenthalben pigmentiert, besonders
stark am Bauch und an den Extremitäten. An letzteren war die
Außenseite der Haut fast schwarz, am Bauche rötlich schwarz und
am lichtesten am Rücken, besonders in seinem hinteren Teil.
Das untersuchte Material zeigt bereits, daß die Haut-
pigmente bei den Primaten vielfach in einer Ver-
teilung auftreten, wie sie auch bei der Fellfärbung
dieser Sau getieror du ungen im allgemeinen anzutreffen
ist. So decken sich z. B. die lichten Längsstreifen der im übrigen
coriumpigmentierten Rumpfhaut des Magot ungefähr mit dem Haut-
gebiet, welches beim Colobus ahyssinicus caudatus Thos. beiderseits
die weiße Rumpfmähne trägt. Das weiße Band quer über die
Nackenhaut des Magots hat ein Analogon am Felle der roten Varietät
des Lemur varius. Der dunkle Streifen entlang der Rückenmitte
am Felle von Nijdicebiis tardigrachis könnte allenfalls mit dem ent-
sprechenden, aber breiteren dunklen Hautstreifen des Inuus verglichen
werden. Bezüglich der Epidermispigmentierung wäre — abgesehen
davon, daß die Fellfärbung bei vielen Atfen ziemlich einfarbig ist,
was der einheitlichen Pigmentierung der Kattahaut entspricht, und
daß die Außenseite der Extremitäten sehr oft auch am Felle mehr
oder weniger dunkler ist als die Innenseite — z. B. die dunklere
Fellfärbung am Bauche bei Propithecus verreauxi coguereli Grand.
und Hylohates pileatus Gray anzuführen, welche mit der Epidermis
pigmentierung der beiden älteren Varis zusammenfällt (s. auch
weiter unten).
Vielfach finden sich jedoch auch, so besonders in bezug auf den
letzteren Fall, die entgegengesetzten Verhältnisse. Die Extremitäten
sind mitunter auch außen auffallend licht behaart, z. B. bei Indris
brevicaudatus Geoffr., Midas oedipus L. und Cercopithecus pyrrhonotus
Hemp. et Ehrenb.
Ferner sei die dem epidermis pigmentierten Kreuz-
Hautzeichuung- bei dichtbehaarten Säugetieren. 321
fleck der H u 1 in a ii li a u t in b e z n {2: auf den F a r b e n 1 0 n
mitunterentg-ei^engesetzteZeiclinung des Felles dieser
Kürpergegend hervorgehoben; dabei steht diese Zeichnung in
den nachgenannten Fällen in keiner direkten Beziehung zu einer
allgemeinen Kürpei'zeichnung (Streifung oder Fleckung): Indris
brevicaudatus Geoffr., Nasalis larvatus Wurmb., Semnopithecus cephalo-
pterus ZiMJi, und S. nemaeus L. (s. z. B. auch Allen). Bei diesen
Arten ist die Kreuz-Steißgegend durch eine auffallend hellere (bei
S. nemaeus gleichzeitig auch bedeutend kürzere) Behaarung von der
Umgebung mehr oder weniger scharf abgesetzt und geht vielfacli
auch auf den Schwanz über.') — Ähnliche Verhältnisse kommen
auch bei manchen Wiederkäuern vor. Der sogenannte (lichthaarige)
..Spiegel" beschränkt sich bei unseren Rehen und Hirschen vor-
nehmlich auf den Hinterrand des proximalen Teiles der Oberschenkel
und reicht nur bis zur Schwanzwurzel hinauf. Bei anderen Hirschen
{Cerviis canadensis Erxl. und C. mardl Ogilby) sowie bei Ovis
canadensis Shaw und bei Gasella soemmeringi Rüpp. erstreckt er sich
aber noch ein gutes Stück weit nach vorn (Steiß-Kreuzgegend) und
hat hier einen bilateral-symmetrischen, mehr oder weniger kreis-
bogenförmigen Umriß. Beim Cohus ellipsiprymnus Smith ist diese
ganze Gegend dunkel wie die Umgebung, aber durch einen weißen,
kreisförmigen Streifen abgegrenzt. Interessant ist, daß sich, wenn
diese Stelle dui'chaus licht ist, in ihr mitunter der mediane dunkle
Rückenstreif erhalten hat, so z. B. bei Cervus maral und Ovis cana-
densis (über den Rückenstreif s. S. 304). Bei Aepyceros tnelampus Licht.
ist wie auch bei anderen Antilopen nur die Partie unterhalb des
Schwanzes licht; bei der genannten Art reicht die lichte Färbung
aber relativ weit seitlich auf die Schenkel ; dabei zieht durch dieses
lichte Gebiet beiderseits ein deutlicher schwarzer Streif von oben
nach unten. — Ein breites weißes Band quer über die Kreuzgegend
findet sich ferner bei PJioca fasciata (Allen).
Ein ausgesprochener Fall, in w^elchem die Behaarung der Kreuz-
Steißgegend in größerem Umfange durch eine dunkle Färbung von
der Umgebung absticht, ist mir bei den Affen und auch bei anderen
wildlebenden Säugetieren gegen w^ärtig nicht bekannt. Einen schwarzen
Kreuzfleck in Fortsetzung der Dorsallinie gibt jedoch Allen von
1) Die von Adachi angeführte schmale ringförmige Hautzeichnung
lingd um den Anus bei einzelnen Arten von Senrfiojiltl/rrKs, Ccrcopithecuft
und MacacHü hängt mit diesen Verhältnissen wohl nicht zusammen.
21*
322 K. ToLDT jun..
einem Propithecus diadema an, weiter erwähnt er eine dunkle bzw.
lichte Färbung der Schwanzwurzel bei Lemur collaris und DidelpJnjs
bzw. bei einem Lemur varius. — In solchen Fällen wäre die Unter-
suchung der Haut sehr am Platze, doch dürften sich nach den all-
gemeinen hier erörterten Verhältnissen auch diesbezüglicli keine
konstanten Beziehungen zwischen der Färbung der Haut und jener
des Felles ergeben.
Eine deutlich ausgeprägte (d. h. nicht nur ganz oberflächliche
diftuse) Fleckung, welche der Epidermisfleckung beim älteren Vari
vergleichbar wäre, ist mir bei keinem Aflfenfell bekannt (vgl. die
weiße Sprenkelung bei manchen GaleopitJiecus-'ExemT[)\?iYei[i).
Adachi führt an, daß wie beim Menschen so auch
bei den Affen die Haut am Rücken im allgemeinen
stärker pigmentiert ist als am Bauch. Zu dieser Schluß-
folgerung gelangte er, obgleich er selbst bereits bei einzelnen Arten
Abweichungen angetroffen hatte. So erwähnt Adachi z. B., daß das
Coriumpigment bei Chrysothrix sciurea dorsal am Rumpfe beinahe
fehlt, ventral aber reichlich vorhanden ist, ferner, daß es bei einem
Cynocephalus porcarius, bei Cercopithecus caUitrichus und C. mona am
Bauche bedeutend reichlicher ist als am Rücken; das gilt auch für
den Orang, doch verhält sich hier das Epidermispigment umgekehrt.
In anderen Fällen {Mycetes seniculus und Semnopithecus maurus) ließ
sich bezüglich einer bestimmten Verteilung des Epidermispigments
am Rumpfe kein regelmäßiger Unterschied feststellen. Bei den vor-
liegenden Häuten, welche ich durchweg im ganzen untersuchte,
finden sich bezüglich der genannten Verallgemeinerung, mit Aus-
nahme der einheitlich gefärbten Katta-Haut, bei allen anderen be-
trächtliche Abweichungen bzw. der direkte Gegensatz. So ist bei
den drei Varis der Rücken größtenteils licht, der Bauch dagegen
ganz oder wenigstens im hinteren Teile in der Epidermis pigmentiert.
Die Hulman-Haut zeigt dorsal nur den Kreuzfleck, während die
Unterseite am Hals und an der Brust sowie an den Weichen dunkel
ist. Beim Ateles ater ist die Bauchhaut deutlich stärker pigmentiert
als die Rückenhaut. Beim Inuus mit Coriumpigment sind die lichten
Gebiete am Rücken bedeutend stärker vertreten als am Bauch. Beim
Cebiis sind sie ziemlich gleich verteilt. Daraus ergibt sich wohl
schon hinlänglich, daß die ADACHi'sche Verallgemeinerung nicht zu
hoch veranschlagt werden darf.
Bezüglich der Fellfärbung sei die.sbezüglich bemerkt, daß es
jedenfalls auffallend ist, daß eine große Zahl von Säugetieren an der
Hautzeichuuug bei dichtbehaarten Säugetieren. 323
Oberseite eine dunklere Fellfärbung besitzt als an der Unterseite.
Jedoch gibt es viele aus den verschiedensten Ordnungen, welche
mehr oder weniger einheitlich gefärbt sind [vgl. z. B. Schwalbe's (b)
Zusammenstellung hinsichtlich der Affen], und auch der direkte Gegen-
satz lindet sich nicht so außerordentlich selten, wie man vielfach an-
zunehmen scheint. Als Beispiele hierfür werden meistens nur ein
paar Arten angeführt, wie besonders der Hamster, der Iltis, der
Dachs und das Stinktier. Eine ganz flüchtige Umschau in der Lite-
ratur (s. z. B. Pagenstecher) und in den Sammlungen des Wiener Hof-
museums ergab, daß außerdem noch nachgenannte Säugetiere an der
Bauchseite dunkler sind als am Rücken. Der Unterschied ist bald
mehr, bald weniger auffallend, doch habe ich nur deutlich ausgeprägte
Felle aufgenommen. Bei einzelnen wenigen Arten gilt es allerdings
nur für bestimmte Individuen (z. B. für alte Männchen). Bei manchen
anzuführenden Tieren ist die Oberseite mehrfarbig (gezeichnet), dann
überwiegt hier aber die lichte Färbung. In einzelnen Fällen dürfte
die dunkle Bauchfärbung mehr durch die Wollhaare als durch die
hier relativ spärlichen Deckhaare hervorgerufen werden (so vermut-
lich bei Vulpes melanofjaster). Beispiele: Bradijims tridactylus L.,
Tauroiragus oryx (jigas Heugl. und Strepsiceros strepsiceros Fall., so-
wie bei manchen anderen Antilopen, Cerviis maral Ogilby und bei
anderen Hirschen, Camelus bactrianus L., Tapirus indicus Cuv., Sciurus
melanogaster Thos., Felis leo L. (Bauchmähne), Lycaon pictus Temm.,
Icticyon venaticus Sund. (= melanogaster Gkay), Futorius sannaticus
Fall., Vulpes vulpes melanogaster Bon., Galera barbara L., Giilo luscus
L., Zorilla frenata Sund., Mellivora ratel Spakem., Äihiriis fulgens
Cuv., Lemur variiis ruber E. Geoffk., Fropithecus verreauxi coquereli
Grand., Midas midas L., Alouata seniculus L. (Behaarung relativ spär-
lich), Fapio anubis doqiiera Fuch. et Schimp., Hylobates pileatus Gray
(dunkle Bauchbehaarung relativ kurz!), Gorilla beringei Matschie
(altes, an der Bauchseite teilweise nur spärlich behaartes <^). Hierher
könnte man etwa auch jene Individuen des Langschnabeligels
(Zaglossus) zählen, bei welchen das Stachelkleid am Rücken die Be-
haarung überwiegt ; da die Stacheln im unversehrten Zustande licht
sind, kontrastiert die Oberseite mit der dunkelbraun bis schwärzlich
behaarten Unterseite. Diese Zusammenstellung ließe sich zunächst
durch nahe Verwandte einzelner genannter Arten ergänzen; auch
sonst ist sie gewiß lückenhaft. Daher will ich mich auf keine
weiteren Betraclitungen einlassen und nur hervorgehoben haben, daß
man die ziemlich häufige Gleichfarbigkeit der Behaarung der Ober-
324 K. ToLDT Jim.,
und Unterseite der Säugetiere bzw. die allerdings seltene dunklere
Färbung der letzteren bei Erörterungen über eventuelle besondei'e
Ursachen der tatsächlich weit verbreiteten Erscheinung der dunkleren
Rückenfärbung nicht zu sehr in den Hintergrund stellen darf. Nach
allem dürfte es nicht leicht fallen, für die vielen Abweichungen
jeweils eine besondere Erklärung zu finden. Daß die Kreuz-Steiß-
gegend mitunter auffallend lichthaarig ist, wurde bereits mehrfach
erwähnt (S. 304 u. 321).
Adachi hat weiter gefunden, daß der beim Menschen zu den
am stärksten pigmentierten Körperteilen gehörige Nacken bei den
Affen sehr pigmentarm ist. Das gilt auch für einige vorliegende
Häute und in einzelnen Fällen auch für die Behaarung (s. oben).
Bei der Haut des alten Varis fällt er, wie ja auch bei vielen Affen-
fellen, in ein relativ dunkles Gebiet. Bei der Cebus-'H.a.ut, bei der
die am Felle vieler Säugetiere scharf abgesetzt dunkle Mittellinie
des Rückens licht ist, ist es nicht uninteressant, daß sich die Pig-
mentierung im lichten Nackenfleck in Form eines medianen zipfel-
förmig von vorn eindringenden Fortsatzes mit einer gewissen Zähig-
keit zu behaupten trachtet; das Gleiche gilt vom jungen Magot, bei
dem auch von hinten ein solcher Fortsatz in das lichte Querband
des Nackens eindringt; bei dieser Art ist auch die übrige mediane
Rückenpartie dunkel (vgl. auch Abschnitt 8).
Der Befund Adachi's, daß die Extremitäten und der Schwanz
bei den Affen im allgemeinen stark pigmentiert sind, trifft auch bei
unserem Material zu, und zwar sind erstere vorzugsweise außen
(Cebus) und letzterer dorsal {Cebus, Schwanzwurzel) dunkel. Die
Pigmentierung kann sich aber auch mehr oder weniger auf den
ganzen Umfang der Extremitäten und des Schwanzes (bei einem
Vari und beim Hulman) erstrecken, oder bei den ersteren nur auf
die Innenseite (bei 2 Varis); einen letzteren Fall hat Adachi nicht
beobachtet. Besonders zu bemerken ist, daß die Flanken in unseren
Fällen mit Coriumpigment stets pigmentiert waren. Bei allen vor-
liegenden Häuten war der Kopf mehr oder weniger dunkel; nach
Adachi kann er auch licht sein.
Nach dem von mir untersuchten Material scheint das Epidermis-
pigment an der Dorsalseite des Rumpfes mehr in der vorderen (Vari,
Ateles), an der Ventralseite mehr an der hinteren Rumpfhälfte
(jüngerer $ Vari) aufzutreten. Bezüglich des Coriumpigments läßt
sich in dieser Hinsicht höchstens sagen, daß die vordere Rumpf-
partie dorsal relativ pigmentarm ist.
Hautzeichnung bei dichtbehaarten Säugetieren. 325
Diese Betrachtungen zeigen also einei'seits, daß die Hautpig-
nientierungen bei einzelnen Affenarten vielfach in ähnlicher lokaler
Verteilung auftreten können wie die dunkle P'ellzeichnung im all-
gemeinen, andrerseits daß solche Gebiete aber auch scharf umgrenzt
lichthäutig bzw. -haarig sein können. Gewisse Hautpartien
zeigen also sowohl hinsichtlich der Hautpi gm entierung
als auch von dieser unabhängig namentlich bezüglich
der Fellfärbung vielfach die Neigung, von der Um-
gebung zu kontrastieren. Dabei muß es sich nicht
immer ausschließlich um einen lichteren oder nur um
einen dunkleren F a r b e n t o n handeln, vielmehr können
manche derartige Haut- bzw. Fellgebiete bald dunkel
bald licht sein. Ich möchte diesbezüglich, ohne mich damit ein-
gehender zu befassen, nur noch auf ein paar Beispiele am Haar-
kleide der Säugetiere im allgemeinen hinweisen, welche frei endigende
Körperteile betreffen. Unter diesen Beispielen finden sich allerdings
einige Fälle, in welchen ein solches Abzeichen dem Charakter der
allgemeinen Fellfärbung nach nicht überraschend erscheint.
Bekanntlich ist die Hinter fläche der Ohrmuschel oft
ganz oder nur an der Spitze relativ dunkel behaart nnd kontrastiert
dann mitunter scharf von der Umgebung, z. B. bei Aüuroims melano-
leucus A. M. Edw., dann bei Lepus europaeus Fall., Vulpes vulpes h.,
Lynx lijnx L. (auch schwarzes Ohrbüschel) und schwarz gesäumt bei
Ohipia johnstoni Sclat. Sie kann jedoch auch durchaus oder an
den Rändern weiß kontrastieren, z. B. bei Procyon lotor L., bei
Lenmr caüa L. und L. varius Geoffr. , ferner weiß gesäumt bei
31eles taxus Bodd. und bei Aüurus fiilgens Cuv. Interessanterweise
findet sich bei manchen Katzen außen an der schwarz behaarten
Ohrmuschel gegen die Spitze zu ein weißlicher Fleck, z. B. Felis
tifjris L., F. pardalis L. und F. viverrina Benx.
Ein weiteres Beispiel ist die mitunter mit besonders starken
und langen Haaren besetzte Schwanzspitze, deren Behaarung
bekanntermaßen oft abgesetzt dunkel ist (bei Lynx lynx L., Felis
catus (ferus) L., F. leo L. und anderen Katzen, bei Urocyon cinereo-
argcntatus Müll., Putorius ermineus L. , bei den Giraten und beim
Okapi etc.). In manchen Fällen ist sie jedoch weiß, z. B. beim
Birkfuchs, bei Lycaon pidus Temm., Connochoetes gnu Zimm., Lemur
caüa L. und manchen Colohus-Xi'iew. Mitunter finden sich au der
Schwanzspitze weiße und schwarze Haare gleichzeitig vor (z. B. bei
326 K. ToLDT ]un.,
vielen Exemplaren unseres einheimischen Fuchses, bei manchen
Schakalen, Gazellen etc.).
Besonders auffallend ist mitunter bekanntlich auch die Fell-
färbung an den distalen Teilen der Extremitäten; so
sind diese z. B. ganz oder teilweise dunkel bei Macropus irma Joukd.
(vordere Extremität), Putorius nigripes Aud. Bachm. (auch schwarze
Schwanzspitze), Buhalis lichtensfeini Pet., Lemur varius Geoffe. und
bei vielen Exemplaren unseres Fuchses, dagegen licht bei manchen
TragelapJms- Arten, bei Benntieren, bei Midas midas L. und Hißohates
lar L. (vgl. auch die anderen Säugetiere mit der Speciesbezeichnung
nigh- bzw. albipes). Beim Okapi befindet sich oberhalb an die dunklen
Klauen anschließend ein weißer Ring, welcher proximal von einem
dunklen begrenzt wird; bei Taurotragus oryx gigas Hgl. ist diese
Gegend schwarz, und dorsal in diesem Ring findet sich ein weißer
Halbring. Ähnlich sind bei Glis meloni Thos. die Füße an der
Dorsalseite proximal dunkel, distal hell. Annähernd das umgekehrte
Verhältnis liegt bei Lemur varius Geoffe. und Semnopithecus nemaeush.
vor. Derartige Abzeichen stehen mitunter jedoch sichtlich mit einer
entsprechenden Färbung der ganzen Extremitäten bzw. des ganzen
Körpers im Einklang. So sind z. B. bei manchen Steinböcken die Extremi-
täten mehr oder weniger longitudinal dunkel oder beimanchen Antilopen
licht gezeichnet; bezüglich der Übereinstimmung der Fußzeichnung
mit der allgemeinen Körperzeichnung vgl. besonders das Okapi. —
Über derartige Verhältnisse bei Haussäugern s. z. B. Daewin.
In manchen Fällen hängt eine abweichende Färbung der Be-
haarung sichtlich mit besonderen Verhältnissen der Haut zusammen.
Eine solche findet sich bekanntlich vielfach an gewissen Haut-
drüsen. So sind die Haare an der Rückendrüse der Procaviiden
bald dunkel, bald licht, an den Fußdrüsen verschiedener Hirscharten
weiß, an der Violdrüse von gewissen Caniden in ihrem apicalen
Teile schwarz. An der Rückendrüse von Notorijäes typhlops Stelg.
zeigt die hier relativ kurze Behaarung keinen wesentlichen Färbungs-
unterschied. In solchen Fällen ist die Behaarung oft auch hinsicht-
lich der Haarmenge, der Haarformen etc. eine besondere. All dies
steht offenbar mit der eigenartigen Beschaffenheit der Haut an
solchen Stellen im Zusammenhang. Im Bereiche der Violdrüse des
Fuchses sind z. B. gewisse Behaarungsverhältnisse sogar schon bei
Embryonen und Neugeborenen, bei welchen die Drüse selbst noch
nicht deutlich differenziert ist, von jenen der Umgebung w^esentlich
verschieden [Toldt (b)]. Von einer abweichenden Haarfärbung ist
Hautzeichuung bei dichtbehaarteu Säugetieren. 327
(lag-eg-en noch nichts wahrznnehmen; sie ist eben nur von unter-
i>eordneter Bedeutung.
Abgesehen von besonderen Verhältnissen, wie z. B. bei den
Drüsen, muß man sicli bei solchen Betraclitungen stets auch vor
Augen halten, daß es mehr oder weniger zahlreiche Arten gibt,
welche keine solchen Färbungsdifferenzierungen aufweisen. Weiter
kann man sicherlich nicht annehmen, daß den meisten derartigen
Abzeichen eine besondere Ursache zugrunde liegen muß. Das könnte
ebensogut auch in solchen Fällen gelten, die relativ weit verbreitet
sind, t/berhaupt ist die lokale Verteilung der verschiedenen Zeich-
nungen des Felles sowie der Haut bei den Säugetieren so mannig-
fach, daß wohl nur in ganz wenigen Fällen eine konstante Gesetz-
mäßigkeit zu konstatieren sein dürfte. Da auch zwischen den ein-
zelneu Zeichnungsarten keinerlei konstante Beziehungen bestehen,
glaube ich , daß die spezifische Eigenart der Zeichnung gegenüber
den zum Teil gewiß berechtigten, oft jedoch sicherlich zu weit
gellenden Versuchen, diese auf bestimmte innere oder äußere Ein-
flüsse zurückzuführen, doch zunächst in den Vordergrund zu stellen
ist. Letztere können, besonders bezüglich der allgemeinen Färbung,
in manchen Fällen mehr oder weniger wirksam sein, in anderen
aber nicht (vgl. z. B. die Wüsten- und Polarfärbung). Eine außer-
ordentlich weitgehende Gesetzmäßigkeit findet sich bei den wild-
lebenden Säugetieren bekanntlich in bezug auf die bilaterale Sym-
metrie der Zeichnung, doch dürfte diese in Zusammenhang mit dem
entsprechenden Bau des Säugetierkörpers überhaupt, vor allem in
der allgemeinen Organisation des Hautsystems selbst, gelegen sein.
Die genauere Kenntnis der hier berührten Verhältnisse erscheint
für die allgemeine Beurteilung der Färbung bzw. der Zeichnung des
Säugetierinteguments von großem Interesse. Doch ist zunächst noch
eine Reihe wichtiger Fragen zu entscheiden, w'as nur an der Hand
eines entsprechend großen Materials möglich ist. Hinsichtlich der
Hauti)igmentierung im besonderen wäre z. B. zu ermitteln, ob be-
züglich der lokalen Verteilung der Pigmentierung in den ver-
schiedensten Altersstufen der Individuen der einzelnen Arten eine be-
stimmte Gesetzmäßigkeit besteht und wieweit sich darin zwischen
verschiedenen Arten Beziehungen vorfinden.
Bei derartigen Betrachtungen scheint es angezeigt zu sein, vor-
läufig folgende Punkte auseinander zu halten. Zunächst wären, wie
wiederholt erwähnt, die Verhältnisse bei den erwachsenen Individuen
328 K. ToLDT jun.,
in bezug- auf ihr spezifisches und individuelles Verhalten sowie hin-
sichtlich des Geschlechts an einem großen Material festzustellen.
A\'eiter wäre zu untersuchen, in welchei' lokaler Verteilung-
die Pigmentierung in der Ontog-enie verschiedener Arten bzw. Indi-
viduen zuerst auftritt und wie sie sich im weiteren Entwicklung-s-
verlaufe verhält. Bekanntlich erscheint das Hautpigment gegen-
über dem Haarpigment im allgemeinen relativ spät. Beim Menschen
ist es um die Geburt mehr oder weniger deutlich nachw^eisbar (vgl.
Adachi), Die Haut mancher Affen ist dagegen bereits viel früher
mehr oder weniger pigmentiert, so z. B. bei einem Orangfötus von
115 mm Sch.-St.-Länge [Schwalbe (d)], bei einem Gorillafötus von
185 mm Sch.-St.-L. (Denikee), bei den gleich zu erwähnenden Föten
von Hylohates syndadylus sowie bei den vorhin besprochenen Alouata-
Föten. Mit Ausnahme des Gorillafötus, handelt es sich erwiesener-
maßen um Epidermispigment, doch dürfte das zweifellos auch für
diesen zutreffen. Es fragt sich nun, ob die Hautpigmentierungen
von ihrem Erscheinen an die spezifische Verteilung erkennen lassen
oder ob sich diese erst allmählich und in typischer Weise differenziert.
Zum ersteren sei bemerkt, daß nach Adachi das Pigment bei den
jungen Affen zuerst an den Stellen auftritt, welche später stärker
pigmentiert sind. Daß die Pigmentierung mit zunehmender Körper-
entwicklung zunächst stärker wird, ist bekannt [z. B. bei Semno-
pithecus, Kohlbeugge; im Gesicht des Schimpanses, Haetmann (b)].
Der zweite Fall trifft bezüglich der allgemeinen Pigmentierung z. B. bei
den Embryonen von Hylohates syndadylus zu, bei welchen die Epi-
dermispigmentierung (stets ?) am Kopfe beginnt und sich von da aus
weiter auf den Vorderkörper und schließlich auf den ganzen Körper
erstreckt [bei 3 Embryonen von 108, 163 und 215 mm Sch.-St.-Länge,
Schwalbe (d)]. Ist die Pigmentbildung nur eine lokal beschränkte
(eine Zeichnung), könnte sie dann weiterhin entweder während des
ganzen Verlaufes des Hautwachstums mit diesem gleichen Schritt
halten oder früher oder später nachlassen bzw. ganz aufhören. In
letzterem Falle würden die von vornherein pigmentfrei gebliebenen
(lichten) Hautstellen an Umfang zunehmen. In dieser Weise könnten
eventuell die Unterschiede in der Coriumzeichnung des jungen und
alten Magotweibchens erklärt werden (vgl. auch Abschnitt 8). In
dieser Hinsicht wäre jedoch auch zu erwägen, ob die Pigmentbildung
(mitunter) anfangs nicht allenthalben ziemlich gleichmäßig einsetzt,
im weiteren Verlaufe des Hautwachstums aber stellenweise gegen-
über der Umgebung nachläßt, so daß dann erst sekundär die lichten
Hautzeiclnmug bei dicbtheliaaiteu Säugetieren. 329
Stellen entstellen würden. Ein ähnlicher Vorgang- scheint bis zu
einem gewissen ("irade beim Verschwinden der dunklen Gebnrtsflecke
des Menschen stattzufinden. (Vgl. auch die Verhältnisse bei Walen;
der ^^'eißwal ist beispielsweise im vorgeschritteneren P^mbryon all eben
dunkel und wird ei"st in dem 4. — 5. Lebensjahre licht. Kükexthal.)
Als drittel- Punkt wäi-e zu beachten, inwieweit bei einzelnen
Arten oder im allgemeinen bestimmte Alterserscheinungen vorkommen.
Ist z. ß. die dem fortschreitenden Alter entsprechende Größenzunahme
der dunklen Stellen bei den 3 Varis als eine direkte Fortsetzung
der Pigmentausbreitung von Jugend auf zu betrachten, oder gibt es
bei dieser Art etwa doch von einem gewissen Zeitpunkte an eine
spezifisch begrenzte Zeichnung, welche sich erst in vorgeschrittenem
Alter der Individuen bei fortwährender Erneuerung der Epidermis
durch Ausbreitung der dunklen Stellen oder durch das Erscheinen
von dunklen und lichten Flecken verändert? Nach dem Auftreten
des partiellen Albinismus beim Menschen wäre die Fleckung schon
von Jugend an vorhanden.
Daran würde sich die Frage schließen, wie sich derartige Ver-
hältnisse gegenübei' solchen des Felles verhalten, ob also z. B. hin-
sichtlich der Topographie des ersten Auftretens der Haare und des
Hautpigmentes oder bezüglich des Verhaltens der Haut- und Fell-
zeichnung im Verlaufe des Hautwachstums Ähnlichkeiten oder Be-
ziehungen bestehen. Beide Verhältnisse sind beim Säugetierfell
ziemlich wechselnd ; doch bedarf, wie eingangs erwähnt, insbesondere
das erste Erscheinen der Haare noch eingehender vergleichender
Untersuchungen.
Welche von beiden Hautpigmentationen die ursprüngliche ist.
sei hier nicht erörtert; bei den Säugetieren ist im allgemeinen
das Epidermispigment das vorherrschende (s. besonders Weiden-
KEicu), zu welchem ja auch noch das Haarpigment zu zählen ist.
Ob bzw. was für einen Zweck die Hautzeichnungen haben, will ich
vorläufig gleichfalls nicht erörtern; doch sei gegenüber der Ober-
flächenfärbung des Felles besonders darauf hingewiesen, daß sie nach
außen (größtenteils) von der Behaarung verdeckt, also nicht sichtbar
ist. Das hat sie bis zu einem gewissen Grade mit dem Fellgrunde
gemein, welcher bekanntlich häufig anders gefärbt ist als die Fell-
oberfläche. Bei den untersuchten Atfen besteht zwischen ihm
und der Hautzeichnung keine Beziehung. Im Anschluß daran sei
erinnert, daß die Hautfärbungen, namentlich soweit sie im Bereiche
der Behaarung liegen, zumeist weniger lebhaft sind als die des
330 K. ToLDT jun..
Felles, indem sie nur in den verschiedensten Nuancen von licht- und
dunkelgrau bis schwarz, manchmal mit einem rötlich-braunen Stich
vorkommen. Je nach der Tiefenlage in der Haut erscheinen sie bei
schütterer Behaarung, wie mehrfach bemerkt, nach außen hin in den
vei'schiedensten Abstufungen von blau und grün. Daran würden
sich die größtenteils nackten Hautpartien des Gesichts, des Scrotums
und der Gesäßgegend reihen, welche mitunter bekanntermaßen sehr
lebhaft, z. B. auch gi-ellrot erscheinen können.
Hier will ich ntu* noch folgendes bemerken. Schavalbe (bi ver-
mutet, daß die Menschen von dunkelhäutigen bzw. dunkelbehaarten
Vorfahren abzuleiten wären. Bezüglich des Haai'kleides der Säuge-
tiere neige ich auf Grund meiner verschiedenen Haarstudien der An-
sicht zu. daß — wenigstens in vielen Fällen — das dunkle bzw.
niitteldunkle das typische ist und daß aus diesem durch das Auf-
treten lichter Haarbereiche die Zeichnung hervorgeht; das kann so
weit führen, daß die lichte Färbung vielfach als die Grundfärbung
erscheint oder die ausschließliche ist. Dafür scheint zu sprechen,
daß die stärkeren Haarformen, welche ich als die ursprünglichen
betrachte, im Verhältnis zu den übrigen Körperhaaren vielfach relativ
stark pigmentiert sind und zuerst auftreten. Auch sind bereits
Fälle bekannt, in welchen sich die embiyonale Epidermis an den
später dunklen Fellstellen als Einleitung zur Entwickltmg der Be-
haarung früher differenziert als an den nachher lichten Fellstellen
z. B. bei der Katze . Toldt ( d)]. Weiter spricht dafür die Eück-
bildung der Pigmentierung. wie sie in den verschiedenen Graden
des Albinismus. insbesondere infolge der Domestikation, zum Ausdrucke
kommt und welche eine Degenerationserscheinung darstellt ; bekannt-
lich sind pigmentierte Gewebe und Individuen äußeren bzw. patho-
logischen Einflüssen gegenüber widerstandsfähiger als die unpigmen-
tierten. Auch gibt es Tiere, deren erstes Haarkleid dunkler ist als
die späteren \L. B. Vidpes vidpes L.. Monachus cdbiventer Bodd.). Jedoch
trifft in dieser Hinsicht häufig gerade das Gegenteil zu. z. B. bei anderen
Seehunden, bei Colohus caudcdus. Jlyrmecophafja tetmdadyla L.. beim TTild-
schwein. Tapir u. v. a. Vergleiche auch das Auftreten der Flecke, z. B.
nur in der Jugend bei verschiedenen Hirschen, beim Löwen und Puma und
ihr Fehlen im ersten Haarkleid bei dem im erwachsenen Zustand
gefleckten Gepard und Jaguar iPagz^stechee I ; beim Cervus barbarus
kehrt die Fleckung alljährlich im Sommerkleid wieder i Sokoloavsky).
Desgleichen stellt die (dunkle) Einfarbigkeit des Haarkleides bei
domestizierten Tieren sregenüber ihren Stammformen bekanntlich einen
Hautzeichnting bei dichtbehaarten Säugetieren. 33
vorgeschritteneren Zustand dar (sekundäre, mitunter gleichzeitig in
bezug auf die Färbungsintensität gesteigerte Einfarbigkeit?'), und
unter den wildlebenden Säugetieren sind gerade die höchststehen-
den (Z.B. verschiedene Anthropoide) vielfach einheitlich dunkel: das
trittt aber auch bis zu einem gewissen Grade bei tiefstehenden zu.
Ferner gibt es Fälle, in welchen gerade die kräftigsten Haare,
welche sicherlich frühzeitig entstehen. lichter sind als die anderen.
Es können somit auch diese Verhältnisse nicht ohne weiteres ver-
allgemeinert werden.
7. Zusammenfassung über die Hautzeicliuuugeu der Primaten.
Kurz zusammengefaßt stellen sich die hier besprochenen Ver-
hältnisse des Primateninteguments folgendermaßen dar. Hierbei
wurden nur makroskopische Erscheinungen beachtet, welche durch
stärkere Pigmentationen (im Corium speziell dm-ch die besonderen,
von Grimm und Adachi beschriebeneu großen Pigmentzelleu i hervor-
gerufen werden. Locker verteiltes Pigment, welches die Hautfärbung
nicht merklich beeinflußt, wurde nicht berücksichtigt, ebensowenig
gewisse kleinere, oft stark pigmentierte Körperstellen, wie der
Warzenhof. Teile des äußeren Genitales usw. Über solche Verhält-
nisse vgl. insbes. Adachi.
Da das Material noch relativ gering ist. können bezüglich
mancher Fragen vorläufig nur Vermutungen geäußert werden; es
ist daher noch eine Eeihe weiterer Beobachtungen erforderlich.
Untersucht wurden 10 Häute von 4 Affen- und 2 Halbaffen-
arten.\) Alle zeigten eine makroskopisch sichtbare Pigmentation
bzw. Hautzeichnung, und zwar eine Coriumzeichnung: Jlacaais imius
($ ad. und $ juv.i und Cebus Jibidinosus (q juv.i. eine annähernd
einheitliche Epidermispigmentation: Ateles ater (^i und Lemur catia
($, $) und eine Epidermiszeichnung: Semnopithecus entellus ($) und
Lemur varius (<^, o $t. Bis auf Ateles ater sind es alles Arten, welche
unter den von Adachi untersuchten Primaten nicht vertreten sind.
Nach den Angaben Adachi's zu schließen, dürfte, soweit sein
Material reicht, eine Coriumzeichnung auch noch bei verschiedenen
Arten folgender Genera vorhanden sein: CynocephaJus. Cercopithecu.s.
1) S. auch noch den Nachtrag (Abschnitt 8i bezüghch der neu hio-
zukommenden Art Cercojiitlicats C'il/itricluis GeOPFK. (q, ad.) und eines
dritten (q . juv.) Magot und im Anschluß die 3 Orangs und einen H«jloltates
agilis.
832 ^- TOLDT Jim.,
Chnjsothrix und in geringerer Ausdehnung- bei Anthropopühecus und
Simia (nur wenige lichte Stellen). Bei den letzten zwei sowie bei
einem ^Cehus monachus ist gleichzeitig fast die ganze Epidermis
pigmeutreich. Eine vorherrschende Epidermispigmentierung fand
Adachi außer bei den von mir erwähnten Gattungen besonders auch
bei Vertretern der Genera Hylobates und Mycetes. Bei den von
Adachi untersuchten Hapale rosalia und H. jacchtts und bei Lemur
mongos und L. ruhriventer war die Epidermis und das Corium sehr
pigmentarm (vgl. dagegen die von mir angeführten Lemuren mit
zum Teil reichlichem Epidermispigment).
1. Bei den Primaten kommt außer der Fellzeichnung oft auch
eine mehr oder weniger ausgedehnte deutliche Hautzeichnung vor,
welche äußerlich zumeist nur in ganz geringem Ausmaße sichtbar
ist, da sie größtenteils von der Behaarung verdeckt wird. Bisher
wurde sie in der Regel nicht in ihrem vollen Umfang erkannt; so
kann man auch aus den eingehenden Untersuchungen von Adachi
darüber oft keine richtige Vorstellung erlangen. Die Hautzeichnung
wird durch stellenweise besonders starkes Auftreten von Epidermis-
oder von Coriumpigment hervorgerufen. Alle drei Zeichnungsarten
können ganz unabhängig voneinander vorkommen, d. h. Haar-, Epi-
dermis- und Coriumpigmentierung stehen bezüglich ihres Auftretens
bzw. ihrer Intensität zueinander in keinem konstanten Verhältnis;
desgleichen ist die Haarmenge von diesen unabhängig. Ein Fall,
in welchem an einer Haut Epidermis- und Coriumpigment gleich-
zeitig deutliche Zeichnungen hervorrufen würden, findet sich unter
dem vorliegenden Material nicht, doch dürfte dies nach den Aus-
führungen Adachi's z. B. beim Orang zutreffen (s. den Nachtrag),
2. Wie die Zeichnung des Felles so ist auch die der Haut bald
mehr bald weniger scharf ausgeprägt. Das richtet sich naturgemäß
nach dem Pigmentierungsgrad (Quantität und Hitensität) der ein-
zelnen Hautgebiete; wenn unpigmentierte Hautstellen mehr oder
weniger unmittelbar an solche mit starker Pigmentierung grenzen,
ist die Zeichnung besonders deutlich. Am besten ist sie in der
Regel an der Innenfläche der frisch abgezogenen Haut zu über-
blicken. Die pigmentierten Stellen erscheinen sowohl an der äußeren
als auch an der Innenfläche, je nachdem das Pigment mehr oder
weniger reichlich ist und je nach der Tiefe seiner Lage in der Haut
in allen Nuancen von schwarz, grau, blau bzw. grün. Die Epidermis-
pigmentierung ruft an der Hautaußenfläche mitunter einen rötlich-
braunschwarzen Ton hervor. Die Coriumzeichnung bleibt an der
Hantzeichmuig: bei dicblbehaarteu Säugetieren. 333
Huutiiiiieiiliäclu' luuli luicli längerem Liegen in Alkohol sichtbar,
während die Epidermiszeiehnung dabei bald undeutlich' wird.
3. In den drei vorliegenden Fällen von Coriumpigmentierung
ist die Zeichnung sowohl an der Außen- als auch an der Innenseite
der Haut deutlich wahrzunehmen. Diese, durch die besonders von
Adachi genauer präzisierten dichtniaschig angeordneten großen Pig-
nientzellen hervorgerufene Pignientation zeigt unregelmäßige Grenz-
linien und neigt besonders zu Fleckenbildungen. Eine solche Zeich-
nung habe ich bisher nur bei je einer alt- und neuweltlichen Affen-
art angetroffen, und zwar sind das, wie vorläufig hervorgehoben sei,
Tiere mit relativ einfarbigem Haarkleid. Eine einheitliche, sich
über die ganze Haut erstreckende Coriumpigmentierung findet sich
unter dem vorliegenden Material nicht.
4. Die bald scharf bald weniger deutlich ausgeprägte, dicht
grobpunktiert erscheinende Epidermispigmentation ist naturgemäß
an der äußeren Hautfläche deutlicher sichtbar als an der inneren
und tritt in der Regel mehr gleichmäßig und nicht so mannigfaltig
gemustert wie die Coriumzeichnung auf. So kommt auch eine an-
nähernd einheitliche Epidermispigmentierung der ganzen Hautfläche
vor, Avobei das Fell einfarbig oder gezeichnet sein kann. Wenn
eine Epidermiszeichnung vorhanden ist — eine solche wurde
bereits bei Primaten mit einfarbigem und mit gezeichnetem Haar-
kleid, und zwar von diesem unabhängig, angetroffen — sind die
Grenzlinien ziemlich gleichmäßig (nicht stark wellig oder zackig).
In einem Fall wurde neben dieser allgemeinen Zeichnung auch eine
dunkle und helle Epidermisfleckung konstatiert. Die Epidermis-
pigmentation bzw. -Zeichnung kommt bei Affen und Halbaffen vor und
scheint besonders bei den letzteren die vorherrschende (ausschließ-
liche?) zu sein; eine Coriumzeichnung habe ich bei diesen bis jetzt
nicht angetroffen, jedoch fehlen die Pigmentzellen nicht ganz (Adachi).
5. Die Hautzeichuungen treten wie die Fellzeichnung meistens
in auffallend symmetrischer Form auf und scheinen gleichfalls für
die einzelnen Gattungen (Arten?) im großen und ganzen charak-
teristisch zu sein; ob das so weit zutrifft, daß sie auch für syste-
matische Zwecke verwendbar sind, kann erst durch weitere Unter-
suchungen festgestellt werden. (Bei den Walen z. B. variiert die
Hautfarbe innerhalb einiger Species stark, Kükenthal.) Im Detail
wurden besonders bei einer im allgemeinen nicht scharf ausge-
sprochenen Epidermiszeichnung einer Halbaffenart bereits ziemlich
weitgehende individuelle Unterschiede konstatiert; ob dieselben rein
384 K. TOLDT jUll..
individueller Natur sind oder mit dem Geschlecht oder Alter in Zu-
sammenhanjf stehen, ist noch fraglich.
Vorläufig- muß man sich mit der Zusammenstellung der einzelnen
Befunde begnügen. Der genannte Fall von Variabilität bezieht sich
auf den auch der Fellfärbung nach sehr veränderlichen Lemur varms;
bei drei untersuchten Exemplaren mit gleichfarbiger Behaarung
war die Ausdehnung der dunklen Epidermisstellen verschieden groß,
und bei dem am meisten pigmentierten (ältesten) Individuum kamen
auch noch die allenthalben zerstreuten kleinen Flecke hinzu. Das
Geschlecht steht damit nicht in Zusammenhang, wohl aber könnten
es Altersunterschiede sein (Fortschreiten der Pigmentierung mit zu-
nehmendem Alter). Bei zwei $Kattas war die ganze Haut in gleicher
Weise durch Epidermispigment mehr oder weniger einheitlich ge-
färbt. Bei einem jungen und bei einem ausgewachsenen Magot-
weibchen war die auf Coriumpigment beruhende Zeichnung in ihren
Hauptzügen übereinstimmend, doch war — in einem gewissen Gegen-
satz zu den epidermispigmentierten Varis — die Ausdehnung der
lichten Partien beim Jungen verhältnismäßig geringer als beim Er-
wachsenen. Belativ variabel scheinen die Hautzeichnungen bei
manchen Anthropoiden und zum Teil auch beim Menschen zu sein,
indem sie hier als mehr oder weniger unregelmäßige Flecken auf-
treten können (Coriumpigmentflecke beim Orang, Adachi, Epidermis-
pigmentflecke beim Schimpanse, Hilgendorf u. Paulicki, Geburts-
flecke und partieller Albinismus beim Menschen). Nach Adachi's
Untersuchungen sind in der feineren Pigmentverteilung innerhalb
der einzelnen Arten keine besonderen Unterschiede zu beobachten.
6. Die Hautzeichnungen treten im allgemeinen in Mustern auf,
wie sie in ähnlicher Weise auch an Affenfellen vorzufinden sind.
Vielfach fallen jedoch auch (vgl. besonders die Coriumzeichnung)
longitudinale Streifenbildungen auf; das ist insofern von Interesse,
als diese für das Säugetierfell ziemlich ursprüngliche Zeichnungs-
form am Haarkleide der Affen verhältnismäßig selten anzutreffen ist.
Eine ausgesprochene Fleckung, welche mit der Haut des alten ? Varis
zu vergleichen wäre, ist mir von keinem Primatenfelle bekannt.
7. Wie die Fellfärbung bzw. -Zeichnung beim Vergleiche der
verschiedenen Säugetierarten im allgemeinen keine absolut kon-
stanten Verhältnisse erkennen läßt und gewisse Körperstellen durch
ihre bald extrem dunkle, bald lichte Färbung von der übrigen Be-
haarung kontrastieren können, zeigt auch die Epidermis- und Corium-
zeichnung bereits bei den wenigen bisher untersuchten Affenarten
Hautzeiclinuiig- bei iliditbehaarten Säugetieren. 335
in ihrer Verteiluns: in beziig auf die einzelnen Körperstellen keine
strenge Gesetzniiißiukeit. 80 stellt auch die stärkere Pigmentation
gewisser Kürperstellen, besonders die der Dorsalfläche des Rumpfes, bei
den Aifen nur ein mehr oder weniger weit verbreitetes Vorkommnis fdie
„Hegel des Vurkonniiens" 1 dar. welches keineswegs kurzweg veiall-
geineinert werden kann, da vielfach auffallende Abweichungen bzw.
Gegensätze vorkommen. Man darf daher in solchen Fällen die allge-
meinen ( )rganisationsverhältnisse und den speziflschen Charakter des
Integuments gegenüber äußeren Einflüssen etc. nicht zu sehr in den
Hintergrund stellen [vgl. auch Schwalbe (b) bezüglich des Menschen].
In manchen Fällen, z. B. bei den Brustwarzen, Geschlechtsteilen,
Gesäßschwielen. Hautdrüsen etc., werden jedoch jedenfalls auch ver-
schiedene andere Faktoren für die besondere Färbung mitbestimmend
sein. Relativ konstant erscheint die dunkle Färbung — bei Epi-
dermispigmentierung zumeist im ganzen Umfange, bei Corium-
pigmentierung oft nur teilweise — am Gesicht und Kopf, an den
Extremitäten (besonders an der Außenseite) und (dorsal) am Schwänze.
Heivorzuheben ist. daß bei allen im Corium pigmentierten Exem-
plaren, welche ich untersuchen konnte, die Flanken größtenteils stark
gefärbt sind.
8, Die blauen Geburtsflecke des Menschen erscheinen als eine
rudimentäre Coriumzeichnung (Adachi, Lehmann-Nitsche u. A.). Hir
vornehmlich auf die Gesäßgegend, aber in verschiedenster Form und
Lage beschränktes Vorkommen kann nun zunächst wohl so gedeutet
werden, daß die dunkle Hautfärbung der für den Menschen anzu-
nehmenden ursprünglichen charakteristischen Hautzeichnung haupt-
sächlich hier ihren Sitz hatte. So sind auch verschiedene Aöen in
dieser Gegend (Gesäßschwielen, SchwanzAvurzel) besonders stark
pigmentiert. Allerdings handelt es sich hier oft um Epidermis-
pigment. wie z. B. beim Hulman. Bezüglich des Vorkommens des
Kreuzrieckens bei den verschiedenen Menschenrassen erscheint es
morphologisch ganz natürlich, daß eine mehr oder weniger starke
Coriumi)igmentierung in dieser Gegend bei einzelnen Individuen einer
jeden Rasse als Überrest der ursprüglich vorhanden gewesenen Haut-
zeichnung auftreten kann. Diese hat sich der Verbreitungsstatistik
zufolge jedoch bei gewissen Rassen in Gestalt der Flecke relativ
zäher erhalten als bei anderen, und die gelegentlich auch bei diesen
vorkommenden Fälle sind sicherlich vielfach auf eine Vermischung mit
einer Rasse zurückzuführen, bei welcher der Fleck häufig vorkommt.
Die selten zu beobachtenden Fälle von partiellem Hautalbinis-
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. .Syst. 22
336 K. TOLDT JUB.,
mus oder von dunkler Fleckung der Haut beim Menschen können
im allgemeinen wohl ohne weiteres mit der bei den Affen in ver-
schiedener Weise vorkommenden Epidermiszeichnung in Verbindung
gebracht werden. Im speziellen stehen aber die Hautpigraentierungen
mit der systematischen Gruppierung der Primaten in keinem Zu-
sammenhang (Adachi).
9. Wie bereits hinsichtlich einer ganzen Reihe von Eigenschaften
des Säugetierinteguments festgestellt ist [Haarformen, Haarfärbung
etc., vgl. ToLDT (d)], so muß auch hier neuerdings hervorgehoben
werden, daß vielfach gewisse Zustände sehr weit verbreitet sein
können, dabei aber infolge von vorkommenden beachtenswerten
Abweichungen bzw. Gegensätzen nicht kurzweg verallgemeinert
werden dürfen. Das gilt hier besonders in bezug auf die Haut-
pigmentationen im Verhältnis zur Färbung des Haarkleides und hin-
sichtlich des häufigen Vorkommens von Pigmenten an bestimmten
Körperstellen. Das Säugetierintegument hat sich eben trotz seiner
großen Anpassungsfähigkeit an die Umgebung etc. in seinen ein-
zelnen Bestandteilen die spezifische Eigenart vielfach in hohem
Grade erhalten: dabei kommt sein bilateral-symmetrischer Bau sehr
oft und in verschiedenster Weise deutlich zum Ausdruck. Zur Be-
urteilung verschiedener allgemeiner Fragen, so hinsichtlich des Ver-
gleiches der ontogenetischen Entwicklung der Haut- und Fell-
zeichnungen, bezüglich phylogenetischer Betrachtungen etc., bedarf
HS noch der Feststellung zahlreicher tatsächlicher Verhältnisse.
8. Nachtrag zur Hautzeichiiung der Primaten.
Nach Abschluß des Manuskripts hatte ich noch Gelegenheit, die
Haut eines CercopitJwcus callitricJms Geoffr. {^, ad., 12,/3. 1913,
Sch.-St.-Länge 46 cm) zu untersuchen, einer Art, die auch Adachi
zur Verfügung stand. Das Haarkleid dieses Affen ist bekanntlich
verhältnismäßig lebhaft gefärbt (s. bes. die weiße Körperunterseite).
Auch die Haut weist eine deutliche, relativ einfache Coriumzeichnung
auf, bezüglich deren Details auf die Abbildung verwiesen sei (Taf. 11
Fig. 13). Sie ist wiederum auffallend symmetrisch und gegenüber jener
sowohl des Inuus als auch des Cehus wesentlich verschieden und wohl
charakteristisch. Besonders auffallend ist das im Bereiche des vor-
deren und hinteren Rückenabschnitts breite lichte Gebiet, welches
in der Rückenmitte von der beiderseits vom Bauch an den Flanken
heraufziehenden Pigmentation eingeengt wird; diese reicht hier be-
deutend weiter nach oben als die lichte Fellfärbung der Unterseite.
Hautzeichmiiig bei dichtbehaarten Sängetiereu. 337
Der lichte Streif an den Hintei'extreniitäten veijüngt sich distal
alhnählich und hört ungefähr in der Kniegeg-end auf. Die vor-
stehende Zusammenfassung- wäre nun dahin zu ergänzen, daß die Kopf-
haut bei diesem Exemplar licht und die Bauchhaut stark pigmen-
tiert ist (vgl. a. Adachi). Abgesehen davon, daß die Hautpigmen-
tierung in der Mitte der Flanken weit dorsal greift, wäre die Zeich-
nung ungefähr mit der Fellfärbung von MeUivoni raiel Sparrm.
vergleichbar. Da das B'ell bei diesem Affen relativ lebhaft gefärbt
ist. kann man nicht sagen, daß die Hautzeichnung bei den Primaten
gewissermaßen eine lebhaftere Fellfärbung ersetzt. Besonders hervor-
zuheben ist, daß die Epidermis des Schwanzes im ganzen Umfange
desselben stark pigmenthaltig ist (s. a. Adachi)^); das kommt auch
an der Innen- und Außenfläche der Haut deutlich zum Ausdruck.
Wir haben hier also einen Fall vor uns. in welchem bei einem In-
dividuum sowohl die Corium- als auch die Epidermispigmentierung
stellenweise so reichlich ist, daß sich beide an der makroskopischen
Hautzeichnung beteiligen. Der Hauptsache nach sind sie jedoch so
verteilt, daß sie die Haut an gesonderten Stellen dunkel färben. Dabei
erscheint die Coriumzeichnung sowohl bezüglich der Flächenausdehnung
als auch ihrer Verteilung am Körper nach als die wesentlichere.
Die Ablösung beider Pigmentationen an der Schwanzwurzel erfolgt
nicht ganz unvermittelt, da das Epidermispigment bereits in der
Steißgegend allmählich auftritt, wo sich noch ziemlich viele Corium-
pigmentzellen vorfinden; andrerseits traf ich solche vereinzelt noch
an der Dorsalseite des zweiten Schwanzviertels; ventral habe ich
hier keine gesehen. Nach Adachi sind sie bei dieser Art an der ven-
tralen Schwanzseite reichlicher als an der dorsalen. Diese Verhältnisse
sind jedoch im Hinblick auf die starke Epidermispigmentierung der
Schwanzhaut für die makroskopische Zeichnung nicht von Belang.
Da Adachi ein Exemplar (?) dieser Species untersucht hat, er-
gibt sich die Möglichkeit, einen Vergleich zwischen seinen Be-
funden und der Zeichnung der Haut im ganzen vorzunehmen. Ob-
wohl es sich hier nur um eine einfache Zeichnung handelt (vgl, da-
gegen die viel kompliziertere bei Inuus und Cebusl), zeigt es sich
dabei doch deutlich, daß man nach den im übrigen sehr eingehenden
Ausführungen Adachi's über die Affenhaut von der Hautzeichnung
selbst keine rechte Vorstellung erlangen kann. So erfährt man bei
dieser Art wohl über die Pigmentierung zahlreicher Körperstellen
1) In ganz geringem Maße war dies auch bei unserem Cfhus der Fall.
22*
338 K. ToLDT jmi.,
eingehende Details, wie z. B. auch, daß die Nackenhaut äußerst
wenig-, die Rückenhaut ziemlich viele und die Kreuzhaut noch viel
reichlicher Coriumpigmentzellen enthält, sowie daß die Haut der
ventralen Rumpfseite die der dorsalen an Pig-mentzellen bedeutend
übertrifft. Einen Überblick über die Pigmentverteilung- im ganzen,
wie sie an unserer Abbildung zu sehen ist, erhält man aber nicht
(vgl. bes. die Verhältnisse entlang des Rückens sowie die Ausläufer
der lichten Partie gegen die Extremitäten zu). Dabei dürfte die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen sein, daß in dem einen oder anderen
Falle etwa von einem eigentlich lichten Gebiet gerade ein Haut-
stttckchen aus einem nebensächlichen, pigmentierten Teil untersucht
wurde oder umgekehrt (vgl. bes. den Inuus und Cebusl). Ferner hat
Adachi hauptsächlich die mikroskopischen Verhältnisse verglichen,
deren feinere Verschiedenheiten in bezug auf die Pigmentmenge
makroskopisch oft nicht deutlich zum Ausdruck kommen, wie dies
ja bis zu einem gewissen Grad auch hinsichtlich des Haarkleides
gilt.^) Im großen und ganzen scheinen die Verhältnisse beim
AüACHi'schen Exemplar mit denen des vorliegenden übereinzu-
stimmen. Direkt abweichend ist, daß beim ersteren die Kopfhaut
massenhaft Pigmentzellen enthält. Ferner fehlt bei unserem In-
dividuum die starke Pigmentierung in dem eigentlichen Kreuz-
bereich; sie setzt aber weiter caudal, allerdings nicht sehr reich-
lich, ein. Die Umgebung des Afters, in welcher Adachi speziell
bei einem ^ Cercopithecus mona eine ringförmige Zeichnung („Dieses...
eigentümliche Bild lokalisierter Färbung") beschreibt, ist bei unserem
Individuum an der in Alkohol konservierten Haut licht.
Außer am Schwänze hat Adachi Epidermispigment auch an ver-
schiedenen anderen Stellen, an der Stirn, der Ohrmuschel usw. sowie
an den Extremitäten konstatiert und zwar in mehr oder weniger
spärlicher Weise. Bei meinem Exemplar fand ich es in einem
Probestück vom Oberarm in geringem Maße, und zwar hauptsäch-
lich in den Taschen der Haarfollikel; an einem Hautstück vom
Oberschenkel konnte ich keines nachweisen. Für die makrosko-
pischen Verhältnisse kommen diese relativ geringen Pigmentmengen
nicht in Betracht.
Endlich langte aus der kais. Menagerie in Schönbrunn noch
1) Beim Vergleich der Beobachtungen von zwei verschiedenen Autoren
kann noch hinzukommen, daß die Bestimmung, die bei den oft aus Tier-
gärten ohne genaue Angabe der Herkunft einlaufenden , vielfach jungen
Affen sehr schwierig ist, nicht immer konform sein mag.
Hautzeiohiiani,^ bei dichtbehaartcu Säugetieren. 339
ein dritter (S, juv.) Magot ein (3. April 1913), welcher wie die
beiden anderen von Herrn A. Weidholz auf einer Reise in Tunis
erbeutet wurde und ungefähr gleich groß war (43 cm Sch.-St.-Länge)
wie das junge \\'eibchen. Die Hautzeichnung war in ihren Grund-
zügen wieder ganz ähnlich wie bei den zwei anderen, so daß es
nun sehr wahrscheinlich erscheint, daß das Charakteristische dieser
Zeiclinung — die lichten Submedianstreifen am Rücken mit ihren
Ausläufern gegen die Extremitäten zu — mit geringfügigen Unter-
schieden in der Breitenausdehnung der Streifen bei dieser Art stets
voihanden sein dürfte. Diese sind hier relativ gleich breit wie
beim erwachsenen Weibchen, mit welchem das vorliegende Exemplar
überhaupt die geringere Ausdeimung der Pigmentierung gegenüber
dem jungen Weibchen gemein hat. Die Ausbreitung der Pigmen-
tierung dürfte daher (bei dieser Art) mit dem Körperwachstum in
keinem konstanten Verhältnis stehen. Auch das Geschlecht scheint
mit dieser Verschiedenheit nicht in Verbindung zu sein. Gemein
haben die beiden jungen Exemplare die mediane Durchbrechung der
lichten Nackenpartie, welche beim Männchen noch ausgedehnter ist,
indem der Hückenstreif hier ziemlich kontinuierlich und relativ breit
ist. Die Kontinuität ist jedoch auch hier keine vollständige, da der
ganze Streif eigentlich aus relativ kleinen dunklen Flecken besteht
und im Innern von einem ziemlich symmetrischen Reihenpaar kleiner
lichter Stelleu durchsetzt ist. Diese Reihen setzen sich auch eine
Strecke weit caudal in das Schulterschwarz fort und endigen hier
entsprechend den gleichen Fortsätzen beim jungen Weibchen mit je
einem größeren longitudinalen lichten Fleck. Als eine Abweichung
gegenüber beiden anderen Exemplaren ist hervorzuheben, daß der
dunkle mediane Rückeustreif in der hinteren Lendenpartie auf eine
ziemlich breite Strecke durchbrochen ist, indem die beiden lichten,
jederseits zu den Weichen hinabziehenden Transversalstreifen dorsal
miteinander vereinigt sind. Die Kontinuität des dunklen Median-
streifens ist jedoch noch durch einen medianen rundlichen dunklen Fleck
in diesem Bereich sowie durch eine mediane Ausladung der caudal
anschließenden dunklen Partie markiert. Wie nicht anders zu er-
warten, ergab der mikroskopische Befund auch hier, daß die Pig-
mentierung auf großzelligem Coriumpigment beruht.
Durch diesen neuen Fall hat die Möglichkeit, daß speziell die
Coriumzeichnung bei einzelnen Aßengruppen im großen und ganzen
eine charakteristische ist, an Wahrscheinlichkeit sehr gewonnen.
Wie sich das bei nahe verwandten Arten verhält, muß sich erst
340 K. TOLDT jl\U.,
zeigen. Nach den bereits konstatierten allerdings nur geringfügigen
Abweichungen innerhalb einer Art erscheint jedoch eine weitgehende
Spezifizierung dieser Zeichnungen nicht wahrscheinlich (vgl. andrer-
seits die systematischen Merkmale bezüglich der Färbung der haar-
armen Gesichts- und Scrotalhaut bei manchen Affen).
Während des Druckes dieser Abhandlung konnte ich noch die
frischen Häute von 3 jungen, verschieden großen Orang-Utans
von gleicher Herkunft (in der kais. Menagerie zu Schönbrunn aus
Singapur eingelangt) untersuchen. Hier sei nur erwähnt, daß wiederum
alle 3 Individuen in gleicher Weise eine spezifische Coriumzeichnung
aufwiesen: das Corium war bis auf je einen longitudinalen lichten
Streifen seitlich von der medianen Partie des Bauches, ferner bis
auf ein lichtes Gebiet an Kehle und Brust, welches sich streifen-
förmig auf die Innenseite der Oberarme fortsetzt, sowie bis auf zwei
nebeneinander gelagerte lichte Flecke an den Weichen, von welchen
sich jeder an die Innenseite des entsprechenden Oberschenkels er-
streckt, stark pigmentiert (schwärzlich). Das Charakteristische an
dieser Zeichnung ist besonders die stark ventrale Lage der lichten
ßumpfstreifen (vgl. den Magot). Daß die Achsel- und Weichengegend
hell ist, scheint besonders in bezug auf die Coriumzeichnung häufig
vorzukommen. Die individuellen Unterschiede in der Ausdehnung der
lichten Gebiete waren nur gering. Wie bereits Adachi vom Orang
hervorgehoben hat, so war auch bei unseren Exemplaren die Epidermis
trotz der starken Coriumpigmentation allenthalben mehr oder weniger
pigmentiert. Vgl. ferner Selenka's Diagnose der Orang- Rassen.
Die frisch abgezogene Haut eines kürzlich eingetroffenen Hylo-
bates agilis E. Geoffr. et Fr. Cuv. zeigte keine deutlichen Zeich-
nungen; sie war licht und in der Epidermis mehr oder weniger
schwach pigmentiert.
Anhang:.
Zum Schlüsse möchte ich ganz kurz auf eine Bemerkung über
die Leithaare eingehen, welche sich in einer kürzlich erschienenen
Besprechung über die Technik der Untersuchung des Haarkleides
und der Haare der Säugetiere von Friedenthal (d) findet (p. 446 Fuß-
note) und folgendermaßen lautet: „Eine ausführliche Ablehnung der
ToLDT'schen Leithaartheorie dürfte sich erübrigen, da Tüldt unter
dem Namen Leithaar ganz heterogene Haarelemente zusammenfaßt
Hautzeicbunns- bei (lichtl)ehaarten Säugetieren. 341
und selbst Tieren mit einheitlichem Fellhaar, wie den Hapaliden,
den Besitz von Leithaaren zuschreibt. Eine Haarkategorie Leit-
haare gibt es nicht, wohl abei- Reste eines Borstenhaarkleides bei
vielen Säugerordnungen, besonders deutlich bei Embryonen sicht-
bar {Galacjo, Fledermaus)."' Da hierdurch die Annahme erweckt
werden könnte, daß meine gesamten diesbezüglichen Ausführungen
in Frage zu stellen wären, sei zunächst hervorgehoben, daß meine
Untersuchungsergebnisse nur zum geringsten Teil eine Theorie,
sondern in erster Linie tatsächliche Befunde darstellen. So ist es,
wie man sich leicht überzeugen kann, eine Tatsache, daß bei
einer Reihe von Säugetierfellen gleichzeitig neben den Grannen-
uiid ^^'ollhaaren eine relativ spärliche Haarsorte vorkommt, welche
sich von diesen in verschiedener Hinsicht, so namentlich durch
eine besondere Stärke, deutlich unterscheidet. Letztere Eigen-
schaft äußert sich oft bereits in der frühen Entwicklung des Haar-
kleides, indem die Anlagen dieser Haare frühzeitig entstehen und
sich weiterhin durch besondere Mächtigkeit (s. auch die S. 285
ei'wähnten Hauterhebungen) auszeichnen. Solche besonders auf-
fallende Haaranlagen wurden in der Literatur schon mehrfach er-
wähnt, so z. ß. von Maueer (a) bei dem mit deutlichen Leithaaren
vei'sehenen Maulwurf. Fkiedenthal hat derartige Anlagen in einem
Werke, welches einige Monate früher als meine der Hauptsache
nach bereits vorher abgeschlossene Fuchshaararbeit erschienen ist,
bei einem Galago- und einem Fledermausembr3'o abgebildet und als
Reste eines Borstenhaarkleides bezeichnet. Das kommt auf das
gleiche hinaus; so habe auch ich diese Haare ursprünglich „Borsten-
haare" genannt, aber später aus praktischen Gründen die Be-
zeichnung „Leithaare" vorgezogen. Weiter ging Friedenthal darauf
nicht ein, so insbesondere auch nicht auf die Endform dieser Haare
und deren Beziehung zu den anderen Haarformen diesei- Tiere. Eine
weitere Tatsache ist, daß man bei Beachtung dieser Verhältnisse
auch bei zahlreichen anderen Säugetieren eine derartige Differen-
zierung der Haarformen in weniger deutlicher Weise erkennen kann.
Da ferner bei den meisten übrigen Arten Andeutungen einer solchen
vorhanden sind ^), habe ich aus diesen konkreten Befunden den sehr
1) Ich habe es seinerzeit als wahrscheinlich hingestellt, daß die Leit-
haare in Fällen, in welchen sie bei erwachsenen Tieren nicht deutlich
ditferenziert sind, mitunter vielleicht während der Entwicklung mehr
hervortreten. Hierfür habe ich inzwischen ein schönes Beispiel bei drei
Föten von Males taxus BODD. gefunden (Scheitel- Steißlänge 87 bis
342 K. TOLDT juii.,
naheliegenden Schluß gezogen, daß das Dreihaarformensj^stem als der
Griindtypus für die Zusammensetzung der haarformenreichen Haar-
kleider der Säugetiere betrachtet werden kann (p. 223). Diese Er-
wägung, sowie einige andere an die beobachteten Tatsachen an-
knüpfende Ausführungen sind allerdings theoretischer Natur und
stellen persönliche Ansichten dar, wie sie sich naturgemäß in den
meisten wissenschaftlichen Abhandlungen vorfinden und deren An-
nahme bzw. Ablehnung jedermann nach seinem Gutdünken freisteht.
Bezüglich der Hapaliden sei bemerkt, daß sie allerdings ein
ziemlich gleichförmiges Haarkleid besitzen; doch kann man, wie ich
mich neuerdings überzeugte, bei einiger Übung in diesen Unter-
suchungen unter den im allgemeinen gewellten Haaren dieser Tiere
auch einzelne etwas stärkere, längei'e und beinahe gerade Haare er-
kennen. Wenn diese Unterschiede auch nicht auffallend sind, so ist
dieser Befund in bezug auf die vergleichende Betrachtung immerhin
bemerkenswert. Daß ich diesen Fall keineswegs als einen tj^pischen
betrachtet habe, geht aus meinen einleitenden Worten über die Affen-
haare wohl genügend hervor.
Daß ich unter den Leithaaren nicht eine bestimmte Haarsorte
verstehe, welche allen bei den Säugetieren vorkommenden Haarformen
108 mm), deren Mutter am 12. Februar 1912 getötet wux-de. Obwohl
sich das Vorhandensein von Leithaaren am ausgebildeten Fell dieses
Tieres nur durch geringe Anzeichen dokumentiert, finden sich bei den
Föten, ähnlich wie bei jenen des Fuchses, in relativ großen Abstünden
zwischen mittelstarken und zarten Haaranlagen solche mit stärker ent-
wickelter Spitze und deutlich hervortretender Epidermiserhebung verteilt
(Taf. 9 Fig. 7). Letztere liegt im spitzen Winkel, welchen das Haar zur
Hautoberfläche bildet, und bedarf noch einer genaueren "Untersuchung (s.
auch S. 285), — Nebenbei sei bezüglich der 3 Dachsföten bemerkt, daß
2 normal entwickelt sind (absolute Scheitel-Steißlänge ca. 108 mm),
während der 3. bedeutend kleiner ist (87 mm). Gleichzeitig hat letzterer
einen nur 6 mm langen stumpf-kegelförmigen Schwanzstummel, während
die beiden anderen einen normal ausgebildeten 25 mm langen Schwanz
besitzen. Wenngleich es sich hier offenbar nur um einen mißbildeten
Fötus handelt — die Körper- und Schwanzlänge steht zu jenen der beiden
anderen in zu großem Mißverhältnis — , so ist der rudimentäre Schwanz
doch wegen einer gewissen Ähnlichkeit mit dem eines Bärenembryos nicht
uninteressant, da beide Tiere verwandtschaftlich einander nicht fern stehen.
Daß bei multiparen Säugetieren die Embryonen aus einem und demselben
Uterus eine verschiedene Größe haben können, ist bekannt; über die Ur-
sache hiervon sind kürzlich zwei Abhandlungen erschienen (CaradONNA
und Kreidl-A. u. Neumann).
HantzeicbuuuE;: bei dichtbebaarteu Säugetieieu. 343
geg-enüberzustellen ist, sondern Haare, die siel» von den übrig'en
Haarformen eines bestimmten Felles unterscheiden, ist aus meinen
Ausführungen wohl ebenso hinlänglich ersichtlich wie der Umstand,
daß es dem Begritt" ,.Leithaar'' keineswegs widerspricht, daß diese
Haarsorte, ähnlich wie die „ytammhaare*', „Seitenhaare"' u. dgl., in
den diversen Fellen je nach der allgemeinen Beschaifenheit derselben
spezifisch verschieden geformt sein kann. Die Haarformenkonstella-
tion bei den einzelnen Fellen erfordert eben gegenüber den ver-
schiedenen, bei den Säugetieren überhaupt vorkommenden Haar-
formen eine gesonderte Betrachtung und hätte auch in der von
Fkiedenthal gegebenen Übersicht über die Säugetierhaare besser
hervorgehoben werden sollen. Allerdings wurde sie bisher über-
haupt wenig beachtet und nur in einzelnen Fällen, vornehmlich bei
Haussäugetieren, mehr oder weniger eingehend behandelt. Wenn
diesen Verhältnissen außer ihrem tatsächlichen Bestände auch keine
weitere allgemeine Bedeutung zukommen sollte, w'as jedoch keines-
wegs der Fall zu sein scheint [vgl. Pinkus (b)], so war es im Inter-
esse der Vervollständigung unserer Kenntnis von der Säugetier-
behaarung sicherlich an der Zeit, einmal auch einen umfassenderen
P^inblick in die Mannigfaltigkeit der äußeren Form der Haare im
allgemeinen sowie über die Haarformenkonstellation in den Fellen
verschiedener wildlebender Säugetiere zu erlangen. Daß diese Ver-
hältnisse nicht unwichtig sind, beweist übrigens auch eine ungefähr
gleichzeitig erschienene Publikation Feiedenthal's über die Be-
haarung der Menschenrassen und Menschenaffen ; auch waren sie mir
bereits für diagnostische Zwecke sehr wertvoll.
Bei dieser Gelegenheit sei zu p. 74 meiner Abhandlung „Bei-
träge zur Kenntnis der Behaarung der Säugetiere" nachgetragen,
daß, wie ich inzwischen gesehen habe, die im Haaratlas von Lambert
u. Balthazard (Paris 1910) erwähnten eigenartigen Haken-
bildungen des Oberhäutchens an gewissen Stellen
von Lemuren haaren bereits de Meijere in seiner bekannten
Arbeit über die Anordnung der Haare (p. 403) kurz besprochen hat.
Wien. Ende April 1913.
344 TOLDT JUII.
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von Mus decumauus etc., in: Jena. Ztschr. Naturw., Vol. 30, p. 604
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— , b) — , III. Die Anordnung der Haare bei Thryonomys (Aulacodus)
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Stühk , Ph. , Entwicklungsgeschichte des menschlichen Wollhaares, in:
Anat. Hefte, Vol. 23, p. 1—66, 1903.
1) Auf diese erst kürzlich erschienene Arbeit, welche ich hier nicht
mehr benutzen konnte, sei speziell verwiesen, da sie eine ausführliche
Übersicht über die neueste Literatur der blauen Geburtsflecke enthält, in
welcher namentlich auch die Publikationen von praktisch-medizinischer Seite
berücksichtigt sind (vgl. besonders die daselbst zitierten Arbeiten von
Apekt, KatO, Pükak, t\^ATErE etc.). Für die Beschaffung eines Exem-
plars der SCHOHL'schen Arbeit bin ich Herrn Prof. F. BiRKNER (München)
zu bestem Dank verpflichtet.
348
K. TOLDT JUU.,
Tanaka, J., Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Hautpigmentierung,
in: Wien. klin. Wochenschr., Jg. 24, p. 479—483, 1911.
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mongolique. These, Paris 1911. (War mir nicht zugänglich.)
TOLDT, K. jun., a) Schuppenförmige Profilierung der Hautoberfläche von
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— , b) Studien über das Haarkleid von Vulpes vulpes L., nebst Be-
merkungen über die Violdrüse und den HÄCKEL-MAUEER'schen Bären-
embryo mit Stachelanlagen , in : Ann. uaturhist. Hofmus. Wien,
Vol. 22, p. 197—269, 1907—1908.
— , c) Über eine beachtenswerte Haarsorte und über das Haarformensystem
der Säugetiere, ibid., Vol. 24, p. 195—268, 1910.
— , d) Beiträge zur Kenntnis der Behaarung der Säugetiere , in : Zool.
Jahrb., Vol. 33, Syst., 1912, p. 9—86.
TßEBlTSCH, ß.. Die blauen Geburtsflecke bei den Eskimos in West-
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Weber, M., Beiträge zur Anatomie und Entwicklung des Genus Manis,
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Welckee , H. , Über die Entwicklung und den Bau der Haut und der
Haare bei Bradypus etc., in: Abb. naturf. Ges. Halle, Vol. 9, p. 1 7
bis 72, 1866.
Erklärung der Abbilduugen.
Sämtliche Zeichnungen wurden vom akademischen Zeichner Herrn
B. Keilitz angefertigt.
Tafel 9.
Fig. 1. Indirekte Hautpigmeutierung bei Ausbildung des ersten
Haarkleides. Innenseite eines in Alkohol konservierten Hautstückes vom
Hinterkopf einer ca. 5 Tage alten Hauskatze. Behaarung noch im Wachs-
tum begriffen , weiß, mit schwärzlichem Fleck medial von der rechten
Ohrmuschelbasis (diese am Bilde links angedeutet). An der Innenseite
der Haut ist in lichtem Grunde der hier hauptsächlich durch pigmentierte
Haarzwiebeln bedingte dunkle Fleck sichtbar und in ihm drei noch dunklere
longitudinale Streifen, ad S. 273. 1:1.
HautzeicbuuLg bei dichtbehaarteu Säugetieren. 349
Fig. 2. Imlirekte Hautpigmeiitiening bei der Entwicklung des ersten
Haarkleides. Aufgehelltes Hautstück seitlich vom Hinterrückeu eines Fötus
von Ctijireoliis rii/iirohis L. (8ch. -St. -Länge ca. 2ö cm). Das kreisrunde
Gebiet und darunter die Hälfte eines solchen , welches verhältnismäßig
wenig dunkle, aber reichlich unpigmentierte Haarzwiebeln enthält, entspricht
einem bzw. der Hälfte eines au der (undurchsichtigen) Hautaußenseite
weißlich erscheinenden Flecks (lichte fötale Haut- bzw. jugendliche Fell-
fleckung). Das in (lieser Haut sehr spärliche, in ziemlich großen Ab-
ständen zerstreute grobfleckige Epiderraispigment ist bei dieser Vergröße-
rung nicht erkennbar, ad S. 276. 6:1.
Fig. 3. Indirekte Hautpigmentierung bei einer im Haarwechsel be-
griffenen , dünnen Haut. Innenseite der getrockneten Haut von einer
Taljiii ciirojHirii L. An den lichten Stellen sind hauptsächlich ausgebildete
Haare des alten Haarkleides vorhanden, an den dunklen im Wachstum be-
findliche neue, ad S, 277. 1:1.
Fig. 4. Außenseite eines Hautstückes vom Hinterrücken eines Fötus
von Aloii'ita {M;/relfs) .seiiiailiis L. (132 mm Seh. St. -Länge). Epidermis
pigmentiert und profiliert. Die Profilierung wird durch ziemlich regel-
mäßig verteilte größere und kleinere , von vorn nach hinten ansteigende
Läugswülste hervorgerufen, welche ein noch eingerolltes oder bereits durch-
gebrochenes Haar enthalten, ad S. 279. ca. 40 : 1.
Fig. 5. Außenseite eines Hautstückes aus derselben Gegend von
einem größeren Alouata .s/;. -Fötus (176 mm Seh. -St. -Länge). Die stärkeren
Haare bereits relativ lang, ohne AVulst ; die zarteren zum Teil eben durch-
gebrochen mit geradem AVulst, zum Teil noch in der hier mehr oder weniger
echuppenförmig vorgetriebenen Epidermis eingerollt, ad S. 280. 18:1.
Fig. 6. Senkrechter Schnitt durch die ßückenhaut des Fötus von
Fig. 4 in der Richtung der (epidermalen) Wülste. Drei solche getroffen.
In den Anschnitten der Höhlungen, in welchen die Haare eingerollt waren,
vielfach noch größere oder kleinere Haarbruchstücke, ad S. 281. ca. 200: 1.
Fig. 7. Fötus von Meles taxtis BoDi). (Sch.-St.-Länge 108 mm).
Trotzdem die Leithaare beim erwachsenen Dachs nicht auffallend deutlich
differenziert sind , sind sie fast an der ganzen Hautoberfläche des Fötus
gegenüber den anderen jungen Haaren besonders an der deutlichen, halb-
kreisförmigen Epidermiserhebung am Hiuterrande ihrer Austrittsstelle er-
kenni)ar (in der Abbildung als stärkerer Punkt dargestellt), ad S. 341. 1:1.
Fig. 8. Aufgehelltes Hautstück von der Flanke des Cchiis Ubidinosus
Spix. Dichtes netzförmig angeordnetes Coriumpigment. 5 gestutzte Haare,
ad S. 296 u. a. 0. ca. 30: 1.
Fig. 9. Aufgehelltes Hautstück seitlich vom Rücken des Atelcs alcr
CüV. Ziemlich dichte grobpunktiert erscheinende Epidermispigmentierung.
P)älge der Haare durchschimmernd, ad S. 296 u. a. 0. ca. 30: 1.
ad Figg. 8 u. 9. Nach derartigen Präparaten kann man sich rasch
orientieren , ob bei einem Affen die dunkle Hautfärbung im wesentlichen
durch Corium- oder Epidermispigment hervorgerufen wird. Abbildungen
von entsprechenden Schnittpräparaten siehe besonders bei AdaCHI.
350 K. ToLDT juu., HaiUzeichnuiig bei dichtbehaarten Säiigetiereu.
Tafel 10—12.
Ausgebreitete Affenhäute in frischem oder noch nicht lange in Alkohol
gelegenem Zustand zur Demonstration der durch direkte Pigmentierung
bedingten makroskopischen Hautzeichnung. Fig. 14 wurde hauptsächlich
nach den Verhältnissen an der Außenseite der Haut (nach Auseinander-
legung der nicht sehr dichten Behaarung) aufgenommen, die Figg. 10 — 13
und 15 nach denen an der Innenseite. Fig. 10 stellt eine Skizze nach
dem Original in ^/g der natürlichen Größe dar ; die übrigen Abbildungen
wurden möglichst genau nach der Natur gezeichnet und erscheinen durch-
wegs in ^/^ der natürlichen Größe. Zur rascheren Orientierung wurde
die durch Coriumpigment verursachte dunkle Färbung fein netzförmig, die
auf Epidermispigment beruhende punktiert angedeutet.
Fig. 10. Magot, Macacus {luuus) imms Lt., $, ad. Coriumpigment
(s. S. 291).
Fig. 11. Dieselbe Art, §, juv. Coriumpigment. Am Kopf ist
beiderseits die Ohrmuschelbasis durch einen kleinen Ring angedeutet. In
der Regio perinealis von oben nach unten : Basis des Schwanzstummels
(kleiner Ring), Anus, Genitale, Gesäßschwielen (s. S. 305).
Fig. 12. Cebvs lihidinosKs Spix. c5, juv. Coriumpigment (s. S. 23).
Fig. 13. Cercopiihcrns calUirichus Geoffe. S > ^-d. Coriumpigment,
jedoch am Schwänze von der Wurzel an Epidermispigment. Am Kopf
vorn die Spalten für die Augen und hinten jederseits die Ohrmuschelbasis
(s. S. 336).
Fig. 14. Hui man, Se)Jinopitliecus e)itellus DvFB.., $, ad. Von der
Außenseite aufgenommen. Epidermispigment. In der Perinealgegend von
oben nach unten: Schwanzbasis, Anus, Genitale, Gesäßschwielen (s. S. 306).
Fig. 15. Vari, Levno- rariKs Geoffe., $> ^^' Epidermispigment.
Am Kopf vorn die Spalten für die Augen , hinten jederseits die Ohr-
muschelbasis (s. S. 317 — 319).
Zoohg. Jahrhüclitr Bd. 35 Abt. f. Si/si.
Taf. .9.
Toldt,
Zoohg. Jcüfrbüelier Bd. 3'i Abt. f. Syst.
Taf. 10
Fig. 10. Macacus.(Inuus) inuus L., J, ad. 1:6.
Fig. 11. Maeacus (Inuus) inuus, L., +, juT. 1 : 4,
GBsto'BMWVj^
Zoolog. Jahrbiicher Bd. 35 Abt. f. Syst.
Taf. 11.
Fig. 12. Cebns libiUinosus Spix, J, jiiv. 1
Fig. 13. Cereopithecus callitrichus, Ueoffr., (/, ad. 1 : 4.
Verlag von GnstaT Fischer ü,j^„
Zoolog. Jahrbücher Bd. .55 Abt. f Syst.
Taf. 12
^■^^
'*^.
Fig. 14. Semnopithecus entellus Dufr., .J, ad. 1 : 4.
^^ V
Fig. 15. T emui \ uiii'. (Ttoffr., '+, ad. 1:4.
Verla,' von Gustaf Jüä;;^;^^^^
Nachdruck verboten.
Vbersetzwujsrecht vorbehalten.
Vogeltrematoden ans Russisch Turkestan.
Von
K. I. Skrjabin, Veteiinärarzt.
(Aus dem Zoologischen Museum der Universität Königsberg i. Pr.)
Hit Tafel 13-14.
Inhalt.
Einleitung.
Systematische Bearbeitung.
A. Fam. Lepodermatidae Odhxer.
Subfam. Prosthogoniminae LUHE.
I. Gen. Prosthogonimus Luhe.
1. Prosthogonimus putschkowskii Skejabin.
2. Pr. cuneaius RuD.
3. Pr. ovaius Ruu.
B. Fam. Psilosiomidae Odhner.
a) Subfam. Oi'chipedinae n. subfam.
II. Gen. Orchipedum M. Ben.
4. Orchipedum iurkestaniciini n. sj/.
b) Subfam. Psilostominae Luhe.
III. Gen. Psilochasmus Luhe.
5. Psilochasmus longidrratus n. .'<p.
C. Fam. Echinosiomidae Dietz.
IV. Gen. Echinostoma RuD.
6. Echinostoma revoluhnn Froel.
7. E. chloropodis Zed.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 23
352 K. I. Skrjabin,
8. E. anceps MoL.
9. E. exechmatuni Solowiow.
10. E. mesoiestms Solowiow.
V. Gren. Hypoderaetwi Dietz.
11. Hijpoderaeum conoideu»/ Bloch.
VI. Gen. Paryphosiomimi Dietz.
12. Paryphostomiim radkduiii Duj.
VII. Gen. Patagifer DiETZ.
13. Patagifer hibolus RuD.
D. Fam. Harmostomidae Odhnee.
VIII. Gen. Urogonimus Mont.
14. Urogonimus turanicus Solowiow.
15. U. macrostomus Rud.
E. Fam. Dicrocoeliidae Odhnee.
IX. Gen. Dicrocoelium DüJ.
16. Dicrocoeliwn skrjahini Solowiow.
X. Gen. Lyperosomum Looss.
17. Lyperosormim corrigia M. Ben.
18. L. filiforme n. sp.
F. Fam. Opisthorchiidae LUHE.
XL Gen. Opisihorchis Blanch.
19. Ojnsfhorchis geminus Looss var. kirgfmcnsis n. var,
20. 0. longissimus v. Linstow.
XII. Gen. Notaulus n. g.
21. Notatdus asiaticus n. sp.
G. Fam. Cyclocoelidae Kossack.
XIII. Gen. Cyclocoelum Beandes.
22. Cyclocoelum mutabile Zed.
23. C. microstomtim Ceepl.
24. C. prohlematicwn Stossich.
25. C. tringae Stossich.
26. C. ovopunctatum Stossich.
27. C. Orientale n. sp.
XIV. Gen. Tracheophilus Skejabin.
28. Tracheophilus sisowi Skejabin.
H. Fam. Notocotylidae Luhe.
XV. Gen. Catatropis Odhnee.
29. Catatropis verrucosa Feoel.
J. Fam. Ilolostomidae Beandes.
XVI. Gen. Holostomum Eudolphi.
30. Holostomum sphaerida Lies.
Vogeltreniatoden ans I\n«isisoh Turkestaii. 353
Kiiileitiins;.
Seit den Reisen des bekannten rnssischen Natniforscliers
Fedschenko in Tnrkestan (18()S— IMTl) ist die Helniintlienfanna
des Gebietes von niemandem nntersucht worden. Die gesamte Lite-
ratur über dieses Thema beschränkte sich bis vor kurzem auf die
Arbeiten v. Linstoav's (12) '), der die Trematoden, Nematoden und
Acanthocephalen der FEDscHENKo'schen Sammlung untersuchte, und
Krabbe's, dem die Cestoden zur Bearbeitung übergeben worden
waren. Dazu kommen noch die Einzelarbeiten von Fedschenko
über Filaria medinensis, GnatJiostoma hispidum Fedsch. u. a. m.
Während meiner Tätigkeit als Veterinärarzt in Russisch Tnr-
kestan (Aulie-Ata im Syr-Darja-Gebiet) habe ich mich nebenbei mit
dem Sammeln von Helminthen beschäftigt und in größerer Menge
Vogelparasiten zusammengebracht. Da ich mich unter Verhältnissen
befand, die einer wissenschaftlichen Bearbeitung des Materials
äußerst ungünstig waren, sandte ich in der ersten Zeit die Hel-
minthen meiner Sammlung an Herrn Prof. Cholodkowsky (St. Peters-
burg) und Herrn Dr. Solowjow (Warschau) zur Bestimmung. Beide
fanden in dem übersandten Material eine Reihe neuer Arten, und
in der kürzlich erschienenen Arbeit Solowiow's (26) werden daraus
7 neue Arten und eine neue Gattung beschrieben. Mit dieser Arbeit
nimmt die wissenschaftliche Verwertung des von mir gesammelten
^Materials ihren Anfang, wobei die SoLowiow'sche Veröffentlichung
die 2.5jährige Pause seit den letzten Arbeiten über Turkestaner
Helminthen unterbricht.
Dank dem Interesse, das der Chef der Veterinärverwaltung des
Ministeriums des Innern. Mag. J. A. Katschixski, sowie die Glieder
des Veterinär-Bacteriologischen Laboratoriums mit S. N. Pawluschkow
an der Spitze der wissenschaftlichen Verwertung meiner Sammlungen
entgegenbrachten, erhielt ich die Möglichkeit, das von mir zusammen-
gebrachte Material unter Anleitung bekannter westeuropäischer
lielminthologischer Autoritäten selbst zu bearbeiten. Die Unter-
suchungen begann ich im Zoologischen Museum der Königsberger
Universität. Unter der liebenswürdigen Leitung und Mitwirkung
von Herrn Geheimrat Prof. Dr. M. Bkaun und Herrn Prof. Dr. M. Luhe
nahm ich zuerst die Trematoden der turkestaner Vögel vor und
übergebe hiermit die Resultate der Öffentlichkeit.
1) Die Zahlen beziehen sich auf das Literaturverzeichnis am Ende.
23*
354 ^- I- Skrjabin,
Allen denen, die mir das Zustandekommen meiner Studienreise
ermöglichten und mich bei der wissenschaftlichen Bearbeitun;^ des
Materials unterstützten, möchte ich hier meinen aufrichtigsten Dank
entgegenbringen.
Systematische Bearbeitung.
A. Fam. Lepodennatidae Odhner.
Subfam. Frosthogoniminae Luhe.
Vertreter dieser Unterfamilie waren bisher aus Turkestan nicht
bekannt. Die von mir gefundenen 3 Arten gehören alle der Gattung
Prosthogonimus Luhe an und sind von mir schon in russischer
Sprache (31) behandelt worden.
]. Prostliogonimus jtut^chUou'sUii Skejabin.
In der Bursa Fabricii einer am 3. (16.) Juli 1911 in der Um-
gebung von Aulie-Ata erlegten Platalea leucorodia fand ich 8 Exem-
plare einer Trematodenart, die sich als neue Angehörige der Gattung
Prostliogonimus Luhe (= Prymnoprion Looss) erwiesen. Die Gattung
enthielt bisher 5 Arten, von denen 4 in Europa und 1 in Asien (Pr.
japonicus M. Ben.) vorkommen. Vorliegende neue Art, die 6. der
Gattung, erlaube ich mir zu Ehren des Herrn Prof. S. E. Pütsch-
KowsKi (Jurjew-Dorpat), dem ich die erste Einführung in die Methoden
der Färbetechnik bei Parasiten verdanke, Prosthogonimus piitsch-
koivsMi zu nennen.
Die Art zeigt folgende charakteristische Eigentümlichkeiten.
Der Körper ist flach, im Umriß birnförmig, von grauer Färbung,
mit dunkler Zeichnung im verbreiterten hinteren Teil des Körpers.
Länge bis 7,3 mm, Breite 4,85 mm. Sie gehört demgemäß zu den
größten der Gattung und steht nur hinter Pr. pellucidus Likst,
zurück. Bei einigen Stücken ist der vordere Körperteil vom hinteren
durch eine unbedeutende Einschnürung getrennt. Der ganze Körper
ist mit Stacheln besetzt, die nach hinten gerichtet sind und leicht
abfallen; am dichtesten sind sie in der vorderen Körperhälfte. Die
Länge der einzelnen abgefallenen Stacheln beträgt 0,0203 — 0,0332 mm.
während nach Braun die Stachellänge bei Pr. ovatus (R.) 0,015 mm
und bei Pr. cuneatus (K.) aus der Bursa Fabricii der Saatkrähe
{Corvus frugilegus L.) nach meinen Messungen 0,0145 mm beträgt.
Vogeltrematoden aus Russisch Turkestan. 355
Die Saupnäpfe sind selir stark entwickelt. Der Bauclisaugnapf,
der eine tonneiiförmige Gestalt aufweist mit etwas eingeboo^enem
Hinterrand, erreicht eine Länge von 0,765 — 0,8 mm und eine Breite
von 0.680 mm. Im Lumen des Mundsaugnapfes fanden sich bei
einigen Exemplaren verschluckte Eier. Der Bauchsaugnapf, dessen
Zentrum gerade an der Grenze zwischen erstem und zweitem Körper-
drittel liegt, hat eine Größe von 1,105 — 1,241 mm; die Art wird
also auch in der Größe der Saugnäpfc nur von Pr. pellucidus Linst.
übertroffen.
Der Pharynx liegt dem Mundsaugnapfe unmittelbar an und ist
mit seinem konvexen Vorderrand in den eingebuchteten Hinterrand
des Mundsaugnapfes eingefügt. Die Länge beträgt 0,272 mm.
Auf den Pharynx folgt der 0,374 mm lange Ösophagus, der sich
unter einem ungefähren Winkel von 70" in die beiden Darmschenkel
gabelt. Diese, bei einigen Exemplaren mit einer bräunlichen Masse
gefüllt, umschließen einen dreieckigen Raum, in dem der Bauchsaug-
napf, der Keimstock, die beiden Hoden und die Schlingen des Uterus
liegen. Die blinden Enden der Darmschenkel reichen über die Hinter-
ränder der Hoden hinaus, erreichen jedoch das Hinterende des
Körpers nicht.
Die Hoden sind von rundlich - ovaler Gestalt und liegen im
mittleren Drittel des Körpers, wobei die Linien, die ihre Zentra mit
dem Zentrum des Bauchsaugnapfes verbinden, die Seiten eines gleich-
seitigen Dreiecks bilden (die entsprechenden Linien bilden bei Pr.
cuneatus R. nicht die Seiten eines gleichseitigen, sondern eines
gleichschenkligen Dreiecks). Die Ränder der Hoden sind vollständig
glatt, ohne Andeutung einer Ausnagung; die Länge der Hoden mißt
nach der großen Achse 1,071 — 1,360 mm. Die äußeren Seitenränder
der Hoden werden ein wenig von den Innenrändern der Darm-
schenkel bedeckt.
Die Vasa deferentia ziehen von den Hoden nach vorn, ver-
laufen dorsal vom Bauchsaugnapf und münden nicht weit vom Vorder-
rande des Bauchsaugnapfes in die Bursa cirri, welche außerordent-
lich lang und schmal ist und mit ihrem Grunde fast den Vorder-
rand des Bauchsaugnapfes erreicht; die Länge beträgt 2,125 mm.
Im Gegensatz zu den verwandten Arten besitzt sie keine starken
Windungen, nur an der Grenze mit dem Pharjmx macht sie eine
starke Biegung.
Die Genitalöfltnung liegt unmittelbar am Mundsaugnapfe auf der
linken Seite des Körpers.
356 K. I. Skrjabin,
Der median geleg-ene Keimstock ist traubenförmig-, besteht aus
10 — 13 Lappen und liegt unmittelbar hinter dem Bauchsaugnapf,
mit seinem Vorderrande dessen Hinterrand berührend.
Die Dotterstöcke beginnen im Niveau oder etwas über dem
Vorderrand des Bauchsaugnapfes und enden etwas hinter dem Hinter-
rande der Hoden. Ihre Länge beträgt 2,55 mm. Charakteristisch
ist, daß die Dotterstöcke in einzelne Trauben gesondert sind, 4 — 7
an jeder Seite, wobei die einzelnen Trauben jederseits miteinander
durch Ausführungsgänge vereinigt sind. Diese Gänge sammeln sich
endlich in zwei Hauptkanäle, die sich am Hinterrande des Keim-
stockes in der Mittellinie des Körpers vereinigen und hier enden.
Durch die traubige Anordnung der Dotterstöcke nähert sich die Art
Pr. pellucidus (Linst.), die allein von den Gattungsangehörigen diese
Eigentümlichkeit besitzt.
Das Receptaculum seminis ist von regelmäßiger rundlicher Form
und liegt unmittelbar hinter dem Keimstock.
Der Uterus füllt mit seinen Windungen den ganzen hinteren
Körperteil aus, wobei die Schlingen jedoch die Hoden fast gar nicht
bedecken. Sein Anfangsteil besteht aus einem Gewirr sich kreuzen-
der und verflechtender Schlingen. Im weiteren Verlauf konzentrieren
sich die Schlingen im Körpermittelteile (zwischen den Hoden), und
indem sie sich allmählich entwii'ren, gehen sie zur linken Körper-
seite auf den Cirrus zu. Nach Umgehung des Cirrus von links
mündet der Uterus neben der männlichen Genitalötfnung.
Charakteristisch ist, daß die Uterusschlingen nicht über den
Keimstock und den Bauchsaugnapf nach vorn hinausgehen, wie
dies bei Pr. ovatus der Fall ist; andererseits ist das Gewinde der
Uterusschliugen niemals so dicht wie bei Pr. cimeatus, bei der sie
den Körper so stark erfüllen, daß von den Verhältnissen im hinteren
Körperteile nichts zu erkennen ist.
Die bräunlich-gelben Eier sind 0.0261 mm lang, 0,0145 mm breit.
Bevor ich zu einem Vergleich meiner neuen Art mit den übrigen
Vertretern der Gattung Prosthogonimus Luhe übergehe, muß ich be-
merken, daß von mir die Art Pr. ranis M. Brn. absichtlich über-
gangen wird, da sie in neuerer Zeit in einer besonderen Gattung
derselben Unterfamilie — Schistogonimus Luhe — untergebracht
worden ist. Außerdem erwähne ich nicht die von Looss unter dem
Namen Prymnoprion anceps (aus Machetes ptignax) und PrijmnoprioN
ovatus (aus Passer domestims) beschriebenen Arten, die nach den
Untersuchungen von M. Braun mit Prosthogonimus cuneatus E. iden-
Vogeltreinatoden aus Russisch Turkestaii. 357
tisch sind. Es bleibt mir also nur übri»-, meine Art mit den iin-
zweifelliaften Vertretern der Gattung, mit Prostho<jonimus ovatus (R.),
Pr. cimeatus (R.), Pr. anaiimis äIarkow, Pr. pellucidus (Linst.) und
Pr. japonicus M. Brn. zu vergleichen.
Von Prosthogonimus ovatus (R.) unterscheidet sich unsere Art
durch die Lage des Keimstockes, der bei Pr. ovatus dorsal vom
Bauchsaugnapf liegt, und dadurch, daß die Utenisschlingen vor dem
Bauchsauunapf und dem Keimstock keine Windungen bilden.
Von Pr. anatinus Maekow unterscheidet sich die Art durch die
Lage der Dotterstöcke, die bei Pr. anatinus hinter dem Hinterrande
des Bauchsaugnapfes, bei Pr. imtschlcovsUi dagegen im Niveau oder
sogar etwas über dem Vorderrand des Bauchsaugnapfes beginnen.
Von Pr. pellucidus Linst, und Pr. japonicus 31. Ben. unterscheidet
sich die neue Art durch die gegenseitigen Größenverhältnisse des
Mund- und Bauchsaugnapfes: bei den ersten beiden Arten sind die
Saugnäpfe entweder von gleicher Größe (Pr. japonicus), oder der
Bauchsaugnapf ist nur etwas größer als der Mundsaugnapf, während
der Gegensatz zwischen beiden bei Pr. putschJcovsJcii sehr stark aus-
geprägt ist. Außerdem unterscheidet sich unsere Art von den beiden
genannten durch die Lage der Dotterstöcke, die Art der Uterus-
windungen u. a. m.
Am nächsten steht unsere Art Pr. cimeatus (R.): bei beiden
liegt der Keimstock hinter dem Bauchsaugnapf, füllen die Uterus-
windungen den hinteren Körperteil aus und befindet sich das Vorder-
ende der Dotterstöcke am Vorderrande des Bauchsaugnapfes. Trotz
alledem unterscheidet sich die neue Art durch eine Reihe wesent-
licher i\Ierkmale von Pr. cimeatus R. und zwar durch folgende:
1. Die Körperlänge und -breite ist bei Pr. putschJcovsMi bedeutend
größer als bei Pr. cuneatus R.
2. Die Cuticulastacheln sind bei der beschriebenen Art größer
als bei Pr. cuneatus R.
3. Der Durchmesser der beiden Saugnäpfe ist bei unserer Art
gleichfalls bedeutend größer als bei Pr. cuneatus R.
4. Pr. putschliOvsläi unterscheidet sich scharf durch die gerade
und lange Bursa cirri, die mit ihrem Ende den Bauchsaugnapf er-
reicht, während bei P-, cimeatus die Bursa viel kürzer und stark
gewunden ist.
5. Die traubenförmige , für Pr. putschkovskü charakteristische
Anordnung der Dotterstöcke untersclieidet die Art gleichfalls von
Pr. cuneatus, bei dem die Trauben nicht deutlich gesondert sind.
358 K. I. Skrjabin,
6. Pr. putschl-ovshn besitzt kein so dichtes Gewirr von üterns-
schlingen wie Pr. cuneatus R.
Alle diese Merkmale genügen vollständig zur Begründung der
neuen Art.
Anschließend gebe ich eine Bestimmungstabelle aller 6 Arten
der Gattung Prosthogonimus Luhe, indem ich die von Luhe in seiner
Bearbeitung der Trematoden in Beauer's „Süßwasserfauna Deutsch-
lands" (p. 112) gegebene Tabelle etwas umändere.
A. Bauchsaugnapf bedeutend größer als der Mundsaugnapf.
I. Die Dotterstöcke beginnen vor oder im Niveau des Bauch-
saugnapfes.
a) Die Uterusschlingen bilden im hinteren Teil des Körpers
eine rosettenförmige Figur, Keimstock dorsal vom Bauch-
saugnapf. Pr. ovatus (Rud.).
b) Die Uterusschlingen füllen den hinteren Körperteil
ganz aus, der Keimstock hinter dem Bauchsaugnapf.
1. Dotterstöcke in einzelnen Trauben angeordnet. Bursa
cirri gerade und erreicht fast den Bauchsaugnapf.
Pr. putschkovsJcii Skejabin.
2. Dotterstöcke nicht traubenförmig angeordnet. Bursa
cirri stark gekrümmt und erreicht nur die Darm-
gabelung. Pr. cuneatus (Rud.).
II. Die Dotterstöcke beginnen hinter dem Hinterrande des
Bauchsaugnapfes. Pr. anatinus Markow.
B. Bauchsaugnapf nur etwas größer als der Mundsaugnapf oder
von gleicher Größe.
I. Dotterstöcke beginnen am Hinterrande des Bauchsaug-
napfes, Körper bestachelt. Pr. pellucidus (Linst.).
IL Dotterstöcke beginnen in der Mitte zwischen Bauchsaug-
napf und Hoden, Körper unbestachelt.
Pr. japonicus M. Ben.
Eine eingehendere Übersicht der Merkmale bei den Prostho-
gonimus-Arten gebe ich in nachfolgender tabellarischer Zusammen-
stellung, s. S. 360—361.
2. JProsthof/oniinus cuneatus Rudolphi.
Diese Art findet sich in meiner Sammlung von folgenden Wirten:
a) In der Bursa Fabricii einer am 3.11. (a. St.) 1911 erlegten
Arclea cinerea fand ich ein einziges Exemplar einer anscheinend zu
Pr. cuneatus gehörenden Art, die sich von der typischen Form durch
Vugeltreniatoilen aus Russisch Turkestau. 359
die Grüßenverhältnisse der Saug:näpfe unterscliied (der Mundsaug--
napf meines Exemplars maß 0,714 mm, der Bauclisaugnapf 1 mm
in der Länge, während die Masse bei Pr. cuneatus 0,3 — 0,4 resp.
0,6 — 0,8 mm betragen). In den übrigen Merkmalen stimmte das
Exemplar dagegen völlig mit dem Typus von cuneatus überein. Der
Wirt ist für die Art neu.
b) In der Bursa Fabricii von Corvus frngilegus, erlegt am 27./6.
(a. St.) 1908, 4 Exemplare des typischen Pr. cuneatus R.
c) In der Bui'sa Fabricii des Haushuhns (GaUus domesticus) fand
ich 10 Trematoden, von denen 6 Exemplare zur obengenannten Art,
die übrigen zu Pr. ovatus gehörten.
3. Prosthoffonitmis ovatiis Rud.
In meiner Sammlung von folgenden Funden vertreten:
a) In der Bursa Fabricii des Haushuhns (s. o.).
b) In einem Hühnerei fand ich einmal 5 lebende Exemplare,
die sich durch äußerst energische Bewegungen auszeichneten. Ich
habe seinerzeit darüber berichtet (in: Nachrichtsblatt des öffent-
lichen Veterinärwesens [Westnik obschtschestwennoi Weterinarii]
1911, Nr. 5) (28).
B. Fam. Psilostomidae Odhner.
a) Subfam. Orchipedinae n. subfam.
Im Jahre 1901 untersuchte Braun einen Parasiten aus den
Tracheen von Oidemia fusca {Anas fusca), der schon 44 Jahre unter
dem Namen „Monostomum flavum^^ im Wiener Museum gelegen hatte,
und begründete darauf eine neue Art und Gattung Orchipednm
M. Ben. Seitdem ist in der Literatur nichts mehr über die inter-
essante Art veröffentlicht worden. Bei der Sektion einer erlegten
Platalea leucorodia, desselben Exemplars, in dem ich den Prostho-
gonimus putschliovskü gefunden habe, fiel mir beim Durchmustern der
Trachea eine Trematode in die Hände, die sich als typischer Ver-
treter der Gattung Orchipedum M. Brn. erwies. Eine nähere Unter-
suchung zeigte, daß nicht Orchipednm tracheicola M. Brx. vorlag,
sondern eine neue Art, die ich Orchipednm tnrJcestanictim nennen
möchte.
Als Braun die Gattung Orchipednm aufstellte, wies er auf die
Ähnlichkeit der weiblichen Genitalorgane mit den Verhältnissen bei
360
K. I. Skrjabin,
Tabellarische A r t e n ü b e r s i c li t der
Die Maße sind in
Name
Pr. ovatus
Pr. pellucidus
Pr. anntinus
Untersuche!'
EUPOLPHI
V. LiNSTOW
Markow
Jahr
1803
1873
1902
Körperlänge
3—6
9
2,4—2,8
Körperbreite
1-2
4-5
1,1-2
Bestachelung
vorhanden
nur im Mittelteil
vorhanden
Stachellänge
0,015
9
y
Länge d.Mundsaugn .
0,167-0,208
0,766-0,833
Bauchsaugnapf
2V2inal grötier als
der Muudsaugnapf
Breite „ „
0,146-0,167
0.666—0,733
—
Länge d. Bauchsgn.
0,396
] 0,833—1,3
—
Breite „ „
0,3.'^4— 0,447
—
Pharynxlänge
* 0 1—0 16
0,2—0,23
■?
Pharynxbreite
0,26-0,3
2
Ösophaguslänge
0,25—0,4
0,4-0.5
?
Form und Grötie des
schmal, reicht bis zur
schmal, reicht über
gewunden, reicht
Cirrusbeutels
Darmgabelung
die Darmgabelung
über die Darmgabe-
lung
Form und Lage des
viel- und tiefgelappt,
vielgelappt, hinter
3 — 41appig, hinter
Keimstockes
dorsal vom Banch-
saugnapf
dem Bauchsaugnapf
dem Bauchsaugnapf
Vordergrenze der
vor dem Bauchsaug-
am Hinterrande des
im Niveau des
Dotterstöcke
napf
Bauchsaugnapfes
Keimstockes
Hintergreuze der
in der Höhe der
etwas hinter den
reicht über den
Dotterstöcke
Hodenmitte
Hoden
Hinterrand der
Hoden hinaus
Eilänge
0,0221-0,0224
0,0273-0,029
V
Eibreite
0,013
0,011—0,013
h
Wirt und befallenes
Corvus cornix, C. fru-
Gallus domesticus
Anas bosdias do-
Organ
gilegus, Pica caudata,
im Ösophagus und
rn estica im Bursa
Anas dypeata, A. gla-
Eileiter
Fabricii
cialis, Fiilica atra,
Larus canus, Sturnus
vulgaris, Galt, doniets.
in Bursa Fabricii
Verbreitung
Europa, Asien, Afrika
Europa (Deutsch-
Europäisches Ruß-
land)
land
Psilostomum Looss 1899 imd den Echinostomiden hin, ohne jedoch
etwas Näheres über die Familienzugehörigkeit der Gattung auszu-
sagen. Unterdessen sind die Echinostomiden von Dietz zum Eange
einer besonderen Familie erhoben und auf Psilostomum Looss von
Luhe die Unterfamilie Psüostominae begründet worden. Obwohl die
Gattung Orchipedum eine gewisse Verwandtschaft mit Psilostomum
zeigt, so sprechen doch eine Reihe Merkmale gegen die Überführung
Vosreltrematodeu aus Russisch Turkestaii.
361
Gattung FrosthogoiiisniK s Luhe.
Millimetein aiiß-eg-eben
Fr. jciponicua
7')-. cHticntus
Pr. j)utschkowskii
31. Braun
IvLllOLl'lU
K. Skrjabin
1911
1809
1913
5
Ö.2
7,3
1,6
1,7
4,85
fehlt
vorhanden
vorhanden
'?
0.014;')
0.0203—0,0332
o>
0,3—0,4
0.765—0,8
0,6—0,7
0,680
0,666—0,733
0.666- 0,H33
1
(
0.6-0,8
1,105—1,241
1 0,177-0.2
kurz
0,2
0,272
0,2—0,4
0,37
laus: und stark ge-
lang, gekrümmt
lang, fast gerade, erreicht
krümmt
beinahe denBauchsaugnapf
schwach gelappt, hinter
viel-
und tiefgelappt, hinter dem
10— 131appig, hinter dem
dem Bauchsauguapf
Bauchsaugnapf
Bäuchsaugnapf
etwas hinter dem
auf
der Höhe des Vorderrandes
wie bei Pr. cuneaius
Bauchsaugnapf
des Bauchsaugnapfes
hinter dem Hinterrande
in
der Höhe des Hodenhinter-
etwas hinter dem Hinter-
der Hoden
randes
rande des Hodens
0,024
0,0228-0,0273
0,0261
0,012
0,013-0,016
0,0145
Gallns domesiicus
Corvus frugilegxis, corone, cornix,
Platalea leucorodia in der
im Ei
Grus cinerea. Cygmis musicus,
Ardea cinerea, Fulica atra, Anas
clangula, Fringilla coclebs, Mache-
Bursa Fabricii
ten
puqnax, Passer domesticus.
Garritlns glandarins, Pavo cri-
stat
US, Gallns dornest, im Ei und
Bursa Fabricii und im Darm v
Otis tarda
Japan (Jeddo)
Europa, Asien, Afrika
Russisch Turkestan
(AuUe-Ata)
in die Unterfamilie der Psilostominae, und ich halte es daher für
das beste, für OrcMpedum eine neue TJnterfamilie, OrcMpedinae, zu be-
gründen, die dann zusammen mit den Fsüostominae in die ÜDHNER'sche
Familie der Psilostomidac gehören würde. Zwar hat Odhnek die
Familie bisher nur dem Namen nach erwähnt, ohne eine Diagnose
zu geben, aber jedenfalls ist in Bälde eine Begründung derselben
von dem Verfasser zu erwarten.
362 ^- I- Skrjabin,
Die beiden Vertreter der Gattung Orchipedum unterscheiden
sich von den nächststehenden Trematodenarten durch folgende Merk-
male :
1. durch den Besitz einer großen Hodenzahl; 2. durch die Ab-
wesenheit einer Bursa cirri ; 3. durch eine akzessorische Dotterstocks-
reihe jederseits; 4. durch die biologische Eigentümlichkeit, in den
Tracheen der Vögel zu parasitieren.
Diese Merkmale scheinen mir weit über den Rang von Gattungs-
merkmalen hinauszugehen und darauf hinzuweisen, daß Orchipedum
in eine besondere ünterfamilie — Orchipedinae — gehört, die fol-
gendermaßen zu diagnostizieren wäre.
Distomiden von mittlerer Größe und platter Gestalt, mit stark
entwickeltem Bauchsaugnapf und etwas schwächerem Mundsaugnapf.
Haut unbestachelt. Vorderteil des Körpers vom hinteren durch eine
geringe Einschnürung getrennt. Genitalorgane im hinteren Körper-
teil. Dotterstöcke nach dem Echinostomidentj^pus gebaut, es finden
sich jedoch neben der Hauptreihe jederseits eine Längsreihe von
einzelnen traubenförmigen Dotterstocksfollikeln, die medial und dorsal
von der Hauptreihe verlaufen. Die Hoden sind in sehr großer Zahl
vorhanden und liegen im Mittelfeld des hinteren Körperteils. Keim-
stock einzählig, hinter dem Bauchsaugnapf gelegen. Bui'sa cirri
fehlt. Genitalöifnung unmittelbar hinter dem Pharynx. Uterus
schwach entwickelt, nur im Vorderteil des Körpers. Eier wenig
zahlreich, von bedeutender Größe. Parasitieren in den Tracheen
von Wasservögeln.
4. Oi'cJiipeduin tur/iestanicuin n. sp.
Der Parasit ist flach, der Körper vorn verbreitert, nach hinten
allmählich verjüngt und am Hinterende abgestumpft. In der Höhe
des Hinterrandes des Baiichsaugnapfes findet sich eine seichte Ein-
schnürung, die den Körper in einen kleineren vorderen und größeren
hinteren Abschnitt teilt. Im vorderen liegen die beiden Saugnäpfe
und fast der ganze Uterus sowie ein Teil der Dotterstöcke, im
hinteren die übrigen Genitalorgane. Das Längenverhältnis des
vorderen Teils zum hinteren ist gleich 1 : 3. Die Gesamtlänge des
Körpers beträgt 12 mm, die größte Breite in der ßegion des Hinter-
randes des Bauchsaugnapfes 3 mm. Die Haut ist glatt, unbestachelt.
Wegen der Kürze des vorderen Körperabschnittes sind die Saug-
näpfe einander sehr genähert und werden voneinander nur durch
den Pharynx getrennt. Der querovale Mundsaugnapf ist ein wenig
Vogeltreuiatoden aus Russisch Turkestan. 363
ventrahväits verlagert und 1.02 mm lang, 1,4-15 mm breit ; der Baucli-
saiignapf ist außeroi-dentlicli stark entwickelt, von fast regelmäßig
runder Gestalt, mit einem Durchmesser von 2,125 mm.
An den Mundsaugnapf schließt sich unmittelbar der längliche
Pharynx an, der 0.598 mm lang und 0,51 mm breit ist.
Die Darmschenkel beginnen am Pharynx (ein Ösophagus fehlt)
und ziehen sich wellenförmig zu beiden Seiten des Körpers hin, um
kurz vor dem Körperende blind zu endigen. Der Außenrand der
Darmschenkel liegt unmittelbar dem Inneniande der Hauptdotter-
stockreihe an.
Die Genitalorgane liegen im hinteren Körperteil und bestehen
aus einem Keimstock von querovaler Form, der 0,5 mm mißt und
unmittelbar hinter dem Bauchsaugnapf in der linken Körperseite
liegt, sowie aus zahlreichen kleinen Hoden von runder oder viel-
eckiger Gestalt, die das Mittelfeld des Körperhinterteiles einnehmen.
Seitlich wird das Hodenkonglomerat von den Darmschenkeln be-
grenzt, nach vorn durch den Hinterrand des Bauchsaugnapfes, nach
hinten erreicht es die blinden Darmschenkelenden. Die Hoden liegen
außerordentlich dicht, so daß einige durch den seitlichen Druck eine
vieleckige Gestalt angenommen haben und mosaikartig angeordnet
sind. Sie sind fast alle von gleicher Größe und zwar bedeutend
kleiner als der Keimstock. Der ganze Körper des Parasiten ist von
den Follikelmassen der Dotterstöcke eingesäumt, die zwischen dem
Körperrande und dem Außenrande der Darmschenkel liegen, und nur
seitlich vom Mundsaugnapf fehlen die Dotterstöcke, da sie erst in
der Höhe des Pharynx beginnen. Am Körperhinterende fließen die
Dotterstöcke der beiden Seiten miteinander zusammen. Außer dieser
Hauptreihe finden sich noch zerstreute Gruppen von Dotterstock-
follikeln, die sich dorsal von den Hoden im Körpermittelfelde be-
finden. Mit ihrem Außenrande berühren diese akzessorischen Dotter-
stöcke den Innenrand der Darmschenkel, die hinteren verschmelzen
mit der Hauptdotterstockreihe. Der IJtei-us befindet sich dorsal vom
Bauchsaugnapf, besteht nur aus wenigen Windungen, die wenige
reife Eier enthalten und mündet unmittelbar hinter dem Pharynx.
Die dunkelbraunen Eier messen 0,087 mm in der Länge und
0,0493 mm in der Breite. Ein Girrusbeutel fehlt.
Die übrigen Bauverhältnisse konnte ich leider an dem einzigen
Exemplare nicht erkennen, die angegebenen Merkmale genügen je-
doch, um die vorliegende Ait als neuen Vertreter der Gattung
364 K. I. Skrjabin,
Orchipedum M. Brn. zu begründen. Die Hauptiintersclieidungspiinkte
von 0. tracheicola M. Brn. bestehen im Folgenden:
1. Unsere Art ist bedeutend größer und übertrifft 0. tracheicola
sowohl an Länge wie Breite.
2. Die Saugnäpfe sind doppelt so groß wie bei 0. tracJieicola.
3. Der durch eine Einschnürung abgetrennte Vorderteil des
Körpers ist bei 0. turkesianiciim bedeutend kürzer als bei 0. tracheicola.
4. Durch die vorstehende Eigentümlichkeit werden bei unserer
Art die Saugnäpfe einander sehr genähert.
5. Die Hoden sind bei unserer Art mosaikartig angeordnet und
durch die gegenseitige Abplattung vieleckig, während sie bei 0.
tracheicola zerstreut liegen und stets von runder Form sind.
6. Während bei 0. tracheicola im vorderen Körperteile Dotter-
stöcke fehlen, gehen sie bei unserer Art bis zum Pharynx.
7. Während bei 0. tracheicola der Uterus sich auch vor dem
Bauchsaugnapf, im Zwischenraum zwischen den beiden Saugnäpfeu,
findet, ist bei unserer Art der Uterus auf den Baum dorsal vom
Bauchsaugnapf beschränkt, was mit der starken Näherung der Saug-
näpfe zusammenhängt.
8. Die Körpereinschnürung ist bei 0. tracheicola deutlicher aus-
geprägt als bei unserer Art.
9. Die Eier sind bei unserer Art bei gleicher Breite länger.
In Form einer Bestimmungstabelle lassen sich die Unterschiede
zwischen den beiden Arten folgendermaßen zusammenfassen:
I. Dotterstöcke beginnen hinter dem Bauchsaugnapf und liegen
nur im hinteren Körperteil. Bauch- und Mundsaugnapf ein-
ander nicht stark genähert 0. tracheicola M. Brn,
IL Dotterstöcke beginnen neben dem Pharynx und sind nicht
nur im hinteren, sondern auch im vorderen Körperteil ge-
legen. Bauch- und Mundsaugnapf stark genähert
0. ttirJcestanicum u. sp.
Auf S. 365 sind die Artmerkmale der beiden Species tabellarisch
einander gegenübergestellt.
b) Unterfam. Psilostominae Luhe.
Bisher waren Vertreter dieser Unterfamilie aus Russisch Tur-
kestan nicht bekannt. In meiner helminthologischen Sammlung be-
findet sich eine hierher gehörige Art, die ich in einigen Dutzenden
im Darm einer am 1, März (a. St.) 1910 in der Umgebung von Aulie*
Voyeltrematoden ans Russisch Turkestaii. 365
L)ie MaBe sind in ]\rillinietein angegeben.
Name
OrcliipcdKnt traclicicold
OrcMpeduin furkcstaNiciini
Unters lieber
M. Bk.un 1!)01
K. I. Skrjabin 1913
Wirt
Oidet)tia fuHra
riatalea lencorodia
< iriran
Traoheen
Tracheen
Lokalität
Wien
ßuss. Turkestan (Aulie-Ata)
Liiiifi^e
7
12
Breite
1.6
8
Mnndsaiisiii^pi^läiiüe
Mnii(lsan<,niapfbreite
Ü.4-0,48
1.02
1,445
Bauchsausjuaiif
ü,73
2,125
r'liaryiixliine;e
0,24
0,598
Pharynxbreite
0,28
0,.öl
Beide Sauguäpfe
weit getrennt
stark genähert
Hodeu
ruud und zerstreut
einander anliegend, vieleckig
Dotterstücke
nur im hinteren
sowohl im hinteren wie im vorderen
Körperteil
Körperteil
Uterus
dorsal und vor dem
Bauchsaugnapf
nur dorsal vom Bauchsaugnapf
KürpereinschnüruLg
deutlich ausgeprägt
undeutlich ausgeprägt
Eilänge
0,062
0,087
Eibreite
0,05
0,0493
A n m. Die Ma
grüCer angegeben al
arbeitetes Exemplar
sse der Saugnäpfe sind bei Orclilpedum tiirkefitanicum etwas
s in Wirklichkeit, da mein einziges, zu einem Präparat ver-
durch den Druck des Deckglases flachgedrückt ist.
Ata (Syr-Darja-Gebiet) erlegten Fuligida nijroJi L. sammelte. Die
Art steht dem von Braun näher untersuchten Psilostomtan oxyurum
(Crepl.) (jetzt Psüochasmus oxyurus) sehr nahe, unterscheidet sich
jedoch durch mehrere Merkmale, die sie zu einer neuen, nachstehend
beschriebenen Species stempeln, die ich wegen der auffallend langen
Bui'sa cirri Psüochasmus longicirratiis nennen möchte,
5. JPsilochasintis lonfficivratus n. sp.
Der Körperform nach unterscheidet sich die neue Art sehr
wenig von Ps. oxyurus; zu bemerken wäre höchstens, daß die Ein-
schnürung zwischen vorderem und hinterem Körperteil nicht so stark
ausgeprägt ist. Die Körperlänge (3,74—5 mm) ist etwas geringer
als bei der CREPLiN'schen Art (6,5 — 7,3 mm). Die Körperbreite er-
reicht an der breitesten Stelle, in der Höhe des vorderen Hodens,
1,0—1,5 mm, nahe am Vorderende jedoch nur 0,68 mm. Der Baucli-
saugnapf ist etwas mehr nach hinten gerückt als bei Ps. oxyurus.
Der kuglige Mundsaugnapf mißt im Quer- und Längsdurch-
messer 0.34 mm. Ein Präpharynx ist deutlich sichtbar, die Länge
beträgt 0,068 mm. Auf ihn folgt der birnförmige Pharynx von
366 K. I. Skrjabin,
0,255 mm Länge und 0,204 mm Breite. Besonders interessant ist das
Verhalten des Ösophag'us : er beg-innt wie gewöhnlich am Pharynx und
reicht bis zum Vorderrand des Bauchsaugnapfes, wobei er deutlich
in zwei Abschnitte zerfällt: in den oberen, außerordentlich muskulösen
Vorderteil, der eine Art zweiten hinteren Pharynx bildet hinter dem
erst der eigentliche Ösophagus beginnt, der sich wie gewöhnlich in die
Darmschenkel gabelt. Der Darmkanal trennt durch seine Schenkel
das von den Genitaldrüsen eingenommene Mittelfeld von den Dotter-
stöcken und endet in der Höhe der letzten Dotterstocksfollikel, ohne
in den zugespitzten hinteren Körperteil überzutreten.
Der Bauchsaugnapf ist dorsoventral sehr vertieft, mit einem
starken Sphincter versehen, Durchmesser 0,64 mm, und unterscheidet
sich nicht wesentlich von den Verhältnissen bei Psüochasmus oxyurus
(Crepl.). Gewöhnlich legt er sich bei der Anfertigung eines Prä-
parats seitlich über und ist dann nur im Profil zu sehen ; es gelang
jedoch, einige Exemplare so zu präparieren, daß sie den Saugnapf
en face zeigen. Von solch einem Exemplar rührt auch die Zeichnung
her (vgl. Fig. 4).
Die hintereinander angeordneten Hoden liegen hinter dem Keim-
stock; sie sind von unregelmäßiger Form, mit lappigen Rändern und
ungefähr so breit wie lang. Bei einigen Exemplaren sind die Hoden
fast ganzrandig, wir haben hier also eine bei dem Polymorphismus
der männlichen Genitaldrüsen untei- den Trematoden nicht seltene
Erscheinung vor uns. Bei Ps. oxyurus (Crepl.) sind die Hoden be-
deutend mehr in die Länge gestreckt und nach Angaben in der
Literatur immer tief gelappt.
Die Bursa cirri ist außerordentlich lang und erreicht den Hinter-
rand des Keimstockes. Die Gesamtlänge beträgt 1,292—1,302 mm,
die Breite im hinteren Teile 0,288 mm, während für Ps. oxyurus die
entsprechenden Maße 0,48 und 0,11 mm sind. Die Bursa ist also
bei der turkestaner Art 272^31 so lang wie bei der europäischen.
Der kuglige Keimstock mißt im Durchmesser 0,17 mm. Neben
ihm liegt die Schalendrüse. Der Uterus enthält nur eine beschränkte
Zahl von Eiern (5 — 26). Die männliche und weibliche Genital-
öffnung liegen etwas vor dem Bauchsaugnapf, in der Höhe der Darm-
gabelung. Die Dotterstöcke haben die für die Gattung typische
Gestalt. Die Eier sind außerordentlich groß und haben eine Länge
von 0,116—0,1238 mm und eine Breite von 0,0725—0,087 mm. Nach
den Messungen Braun's sind die Maße bei der europäischen Art
folgende: Länge 0,082—0,1 mm, Breite 0,06—0,069 mm.
Vo2:eltremato(leu aus Russisch Turkestan.
367
Bei einigen Exemplaren unserer Art lenkt das außerordentlich
deutlich ausgeprägte Netz des Wassergefäßsystems im vorderen
Körperabschnitt die Aufmerksamkeit auf sich: außer den kleinen,
miteinander anastomosierenden Nebenästen sind zwei laterale Haupt-
stämme zu bemerken, die der Dorsalseite genähert verlaufen (vgl.
Fig. 6).
Zur Veranschaulichung der Unterschiede gebe ich nachstehend
eine tabellarische Gegenüberstellung der Merkmale beider Arten.
I
Die Maße sind in Millimetern angegeben.
Naine
Psilochasmiis oxyurus
Ps. longicirratus
Uutersucher
Crepi.in
K. Skrjabin
Jahr
1825
1913
Wirt
Tadorna tadorna L., Ny-
roka marila L., N. f'nli-
(jula L., N. clangida L.,
N. hyemalis L., Oidemia
niyra L.
Fuligula nyroka
Organ
Darm
Darm
Verbreitung
Europa
Russisch Turkestan
Länge
6.5—7,8
3,74—5,0
Breite
1,0-1.8
1,0-1,5
Muudsaugiiapf -
0,44
0,34
Bauchsauguapf
0,64
0,64
Pharynx
0,135
0,255 : 0.204
Prapharynx
9
0,068
Bursa cirri, Länge
0,48
1,292-1,302
Bursa cirri. Breite
0,11
0.238
Keimstock
0,16
0,17
Hoden
länglich, stark gelappt
so lang wie breit, schwach
gelappt
Ei länge
0,082—0,11
0,116-0,1238
Eibreite
0,06-0,069
0,0725-0,087
Durch das Auffinden dieser neuen Art kommt ein neues Unter-
scheidungsmerkmal zwischen den Gattungen Psilostomum und Psilo-
chasmiis hinzu. Während bei Psilostomum ein Ösophagus fehlt, ist
dieses Organ bei Psilochasmiis longicirratus nicht nur anwesend,
sondern von komplizierterem Bau als bei den meisten Trematoden,
da es mit einem stark muskulösen, verbreiterten Vorderteil versehen
ist. Ks ist anzunehmen, daß auch die zweite Art der Gattung,
Psilochasmiis oxyurus (Creplin), einen Ösophagus besitzt, da Braun
angibt, daß die Darmgabelung dicht vor dem Bauchsaugnapf liegt.
Die betreffenden Verhältnisse sind in seiner Figur nicht eingezeichnet.
Durch diese Feststellung wird auch die von Luhe (18, p. -ol) für
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 24
368 K. I. Skrjabin,
die Psilostominae gegebene Diagnose in einem Pnnkte korrektur-
bedürftig, denn es kann nicht mehr heißen: „Ösophagus kurz oder
fehlend", da, Psilochasmus longicirratus einen ziemlich langen Öso-
phagus besitzt.
C. Fam. Echinostomidae Dietz.
In meiner Sammlung fanden sich aus dieser Familie 8 Arten,
die zu den Gattungen Echinostoma Rud., Hypoderaeum Dietz, Parij-
phostomtim Dietz, Patagifer Dietz gehören. 2 von ihnen würden von
SoLOwiow als neue Arten beschrieben, die übrigen sind mit schon
beschriebenen identisch, wenn auch neu für die Helminthenfauna
Russisch Turkestans.
6. Echinostoma revoluturn (Feoel.).
Von mir je einmal im Darm der Hausente {Anas hoschas dorne-
stica) und des Haushuhnes {ßallus domesticus) gefunden.
7. Echinostonia chloropodls (Zed.).
Von mir einmal am 20. April (a. St.) 1911 im Darm von Galli-
nula cMoroptis am Kul-Kainar-See in 5 Exemplaren gefunden.
8. EcJiinostoma anceps (Molin).
Einmal in 2 Exemplaren im Darm einer am 20. April (a. St.)
1911 an demselben See erlegten FuUca atra gefunden.
9. Echinostoma eocechinatum Solowiow.
Gefunden im Darm von Phdlacrocorax carho L. (s. Solowiow).
10. Ecliinostonia mesotestitns Solowiow.
Im Darm von Corviis frugilegus L. (Solowiow).
11. Hffpoderaeum conoideuni (Bloch).
Einmal im Jahre 1909 im Darm von Anas hoschas L.
12. Pavjjphostominn radiatuni (Duj.).
Einmal zahlreich im Darm eines im April 1911 am Oberlauf
des Talaß-Flusses erlegten Kormorans {Phalacrocorax carho L.) ge-
funden.
I
Vogeltreniatudeu aus Russisch Turkestau. 369
13. P(ttiUfif'('i' hilohus (Rud.).
Diesen Vertreter der außeieuropäischen Helminthenfaima fand
ich im Darm einer am 3. .liili 1911 (a. St.) am Kul-Kainar-See er-
legten Flaialea leucorodia L.
D. Farn. Harmostomidae Odhner.
In meiner Sammlung- fanden sich 2 Vertreter dieser Familie, zur
Gattung Urogonimus Moxx. gehörig.
14. Vro(fonmlHS tui'anicus Soloaviow.
In der Bursa Fabricii von Totanus glareola L. (Solowiow, 26).
15. TJrotjoniiHus macrostomiis Rüd.
Ebenfalls in der Bursa Fabricii von Totanus glareola L. gefunden.
Der Fund ist dadurch bemerkenswert, daß damit ein neuer Wirt
hinzukommt und daß auch das befallene Organ neu ist, da man die
Art bisher nur im Enddarm und der Cloake gefunden hatte.
E. Farn. Dicrocoeliidae Odhner,
Aus dieser Familie besitze ich in meiner Sammlung 3 Arten,
von denen 2 zur Gattung Lyperosonium Looss und 1 zur Gattung
Dicrocoelium Duj. gehören.
16. Dici'ocoellufn skrjahitn Solowiow.
Ich gebe in dieser Arbeit eine Total abbil düng dieser von
SoLowiow (27) nach Exemplaren meiner Sammlung aus den Gallen-
gängen von Corvus corone beschriebenen Art. Ich fand sie späterhin
nucli in den Gallengängen von Corvus friigüegus.
17. Lypet'osonuim corrlf/la M. Brn.
Diese Art ist schon von Solowiow als von mir im Darm von
Caccabis chukar gefunden erwähnt.
18. Lijperosotnuni filiforme )i. sp.
Diese neue Art fand ich in den Gallengängen eines am 20. April
(a. St.) 1911 bei Aulie-Ata erlegten Circus cinereus.
Der Parasit ist von zarter, fadenförmiger Gestalt, 4,25 — 4,5 mm
lang und 0,17—0,221 mm breit. Einzelne Exemplare erreichten eine
24*
370 K. I. Skrjabin,
Läng-e von 6.8 mm. Die größte Breite befindet sich etwas hinter
dem Keimstock, ungefähr in der Körpermitte.
Der kuglige Mundsaugnapf mißt im Durchmesser 0,221 mm.
Hinter ihm verengt sich der Körper des Parasiten etwas und bildet
eine Art Hals. 0,731 mm vom Körpervorderende entfernt befindet
sich der Bauchsaugnapf, der etwas größer als der Mundsaugnapf ist
(0,255 mm im Durchmesser); da der Durchmesser die Körperbreite
übersteigt, reicht der Bauchsaugnapf seitlich etwas über den Körper
hinaus. Hinter dem Mundsaugnapf folgt der sehr kleine Pharynx,
dessen Länge 0,051 — 0,084 mm beträgt, und der Ösophagus von
0.17 mm Länge. Der Darm reicht bis aus Körperhinterende; seine
Gabelung befindet sich zwischen den beiden Saugnäpfen.
Die Hoden liegen zwischen dem Bauchsaugnapf und dem Keim-
stock und zwar der eine hinter dem anderen, wobei sie voneinander
nur durch eine einzelne schmale Uterusschlinge getrennt werden.
Sie sind ganzrandig, von länglich ovaler Form, und die 0,1 mm
messende Längsachse fällt mit der Längsachse des Körpers zu-
sammen. Der hintere Hoden ist etwas größer als der vordere und
vom Keimstock ebenfalls durch eine Uteruswindung getrennt. Der
Keimstock ist größer als die Hoden, fast rund und im Durchmesser
0,17 mm messend. Die Genitalöffnungen befinden sich unmittelbar
hinter der Darmgabelung, die männliche etwas hinter der weib-
lichen. Die Bursa cirri ist 0,34 mm lang, birnenförmig, ihr Hinter-
ende dorsal vom Bauchsaugnapf gelegen. Die Dotterstöcke beginnen
unmittelbar hinter dem Keimstock, wobei eine gewisse Asymmetrie
zu vermerken ist: der rechte liegt etwas tiefer als der linke. Sie
bestehen aus einer beschränkten Zahl großer rundlicher und viel-
eckiger Follikel. Stellenweise berühren sich die Follikel der beiden
Seiten in der Mittellinie des Körpers und verdrängen an dieser
Stelle die Uterusschlingen ventral. Die Länge der Dotterstöcke be-
trägt 0,5945 mm. Der ganze hintere Teil des Körpers ist von den
Uteruswindungen eingenommen, besonders dicht im hinteren Drittel
des Körpers hinter den Dotterstöcken, wo sie in mehreren Schichten
übereinander liegen. Im Gebiete der Dotterstöcke werden die Win-
dungen weniger dicht, und nach vorn von den Genitaldrüsen bildet
der Uterus einen leicht gekrümmten, mit einer Eeihe Eier gefüllten
Gang. Die Eier besitzen eine sehr dicke Schale; Länge 0,0493 bis
0,05 mm. Breite 0,0232 mm.
In der Literatur finden wir 9 Lyperosomum- Arten aufgezählt;
meine Art würde somit die 10. sein. Außerdem hat v. Linstow ein
Vogeltrematudeii ans Russisch Turkestaii. 371
Lyperosomum squamafum 1906 aus dem Ösophagus von Dissum epi-
scopus (Ceylon) besclii-ieben, das sowolil nach Beschreibung und
Zeiclinung nicht in die Gattung Lyperosomum gehört. Im nachfolgen-
den vergleielie ich meine Art mit den 9 beschriebenen Arten.
Durch seine ganzrandigen Hoden und ebensolchen Keimstock
unterscheidet sich L. filiforme von L. rudectum M. Brn., bei welchem
die Genitaldrüsen gelappt sind, sowie von L. plesiostoimim Lixstow,
welches zwar ganzrandige Hoden, aber einen gelappten Keimstock
besitzt.
Von einer ganzen Eeihe von Arten [L. longicauda Rud., L. lohatum
Raiell.. L. porrectiim M. Brn., L. corrijgia M. Brn., L. salebrosum
M, Ben. und L. olssoni Raill.) unterscheidet sich die neue Art außer
durch eine Reihe einzelner Merkmale dadurch, daß bei ihr der Keim-
stock größer ist als die Hoden, während bei den vorstehend genannten
Arten das umgekehrte der Fall ist.
Nur mit L. strigosum Looss ist unsere Art näher verwandt;
bei beiden ist der Keimstock größer als die Hoden, beide sind sie
von fadenförmiger Gestalt, bei beiden sind die Dotterstöcke fast
gleich angeordnet usw. Die Unterscheidungsmerkmale bestehen in
folgendem :
1. L. strigosum ist etwas kürzer und doppelt so breit wie
unsere Art.
2. Der Bauchsaugnapf liegt bei L. strigosum an der Grenze des
ersten und zweiten Körperviertels, bei L. ßiforme des ersten und
zweiten Fünftels.
3. Die Ränder des Bauchsaugnapfes treten bei L. strigosum im
Gegensatz zu L. ßiforme nicht über die Körperseiten vor.
4. Der Pharj'nx ist bei L. filiforme doppelt so groß wie bei
L. strigosum.
5. Die Dotterstöcke können bei L. strigosum anscheinend nicht
in der Mittellinie des Körpers zusammentreten, wie es bei L. fdi-
forme der Fall ist.
6. Die Hoden sind bei L. strigosum queroval und sind mehr
den Seiten des Körpers genähert, worin die Art an Dicrocoelium er-
innert, während bei L. ßiforme die Hoden längsoval sind und hinter-
einander in der Mittellinie des Körpers liegen.
7. Die Bursa cirri zieht sich bei L. ßiforme im Verhältnis zum
Bauchsaugnapf weiter nach hinten als bei L. strigosum.
8. Die Eier sind bei L. ßiforme größer (0,0493—0,0522 : 0,0232)
als bei L. strigosum (0,042:0.025).
372
K. I. Skrjabin,
Tabellarische Übe isicb#'
Die Mali«' sind \
Name
L. longicaiida
L. lobatnm
L. porrectit)»
L. corrigia
L. oUsofii
rnttTsucher
EiDoi,rni
Raitj.et
M. Bhaux
M. Braun
Raili.kt
Jahr
1HÜ9
1900
1899
1901
11K)(J
Lüiiü:!'
8—11
7.5-9.5
17
10-13
2.25
Hr.-it.-
V
0,38-0,4
0.2-0.6
1
ü.:)2ö
Muutlsautfnapf
0,396—0,417
0,156
0,114
0,260-0,312
0 l().s_o,i;^
Bauchsauguapf
0,75-0.8
0,135:0.156
0.155
0,312
0,315-0.39
Pharynx
0.177-0,187:0,23
0,07
0,07
0.125
0.075
Hoden
Keimstock klein.
0.24
0,312:0,18
0,42 : 0,31
0,255~0,2«5
Keimstock
als die Hoden
0,1
kleiner als die
Hoden
0.312
0.145
Iloilenform
ellipt
iscli und ganzrandig
Keinistockform
rni
d und ganzraudig
Dotterstöcke
am Hinterrande
etwas hinter dem
hinter der
asymmetrisch in
am Ilinterrainid
beginnen
des vorderen
Hodens
Keim stock
Schalendrüse
der Höhe des
Keimstocks
des Keiiustutkri
Länee d. Dotter-
4
?
2—2,5
5
reichen bis zur
stücke
Kürpermitte
Eilänge
0,0228
0,041—0,045
0,037-0,041
0.032
U.036
Eibreite
0,019
0,0228—0,0273
0,028
0,0228
0.0198-0,021«
Wirt
Corvus corone,
Accipiter nisus
Sanrophaga
Tetrao tetrix,
Cypselns apug
Co}-vus cornix
saurojjJiaga
Caccabis chukar
Organ
Leber
Leber
Darm
Darm
Leber
Verbreitung
Europa,
Turkestan
Europa
Neuguinea
Europa,
Turkestan
Europa
9. Ein biolog'ischer Unterschied liegt darin, daß L. filiforme ein
Raubvogelparasit ist, während L. strigosum beim Bienenfresser {Merops
apiaster) schmarotzt.
B e s t i m m u n g s t a b e 11 e der Lyperosom u ««-Arte n.
A. Genitaldrüsen ganzrandig
I. Keim stock kleiner als die Hoden
a) Beide Hoden hinter dem Bauchsaugnapf
1. Dotterstöcke beginnen am Hinterrande des vorderen
Hodens L. longicauda Run.
2. Dotterstöcke beginnen etwas hinter dem Keimstock
a) Hoden im vorderen Körperdrittel, unweit des
Bauchsaugnapfes L. lobatum Raill.
ß) Hoden in die Körpermitte gerückt, weit vom
Bauchsaugnapf L. porrecUim M. Bkn.
Voifeltrenmtütli'ii iiu.s Hussi«, li Tiirkotaii
der [ji/pcrosom it m • A r t •• n.
Millimetern Hiijjresrelitii.
L ttilfl»t>su>n
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K. Skkjabin
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0.221
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0.U34
0,02
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0.042
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0.O5-0.W93
0,02.-12
('ircus linrrnts
Ifimiura
V
Turkestan
Leber
AiU'Vpteu
Leber
Turkestau
rpinropHS
()s..idia;rus
( eylun
3. Dotterstöcke beginnen unmittelbar am Keimstock
a) Hoden voneinander durch einen Zwischenraum
getrennt L. rnrrit/ia M. Hhn,
ß) Hoden liegen eiiiainltr ;in. überdecken sich zu-
weilen L. olssoni Raill.
b) Vorderer Hoden dorsal vcun Hauchsaugnapt
L. SdlrlirnSKDI M. HhX.
11. Keimstock größer als die Httdcn
a) Hoden längsoval
b) Hoden queroval
B. Genitaldriisen gtdappt
C. Hoden ganzrandifr, KeimstO(;k gdai'i't
L. fdi formt u. sp.
L. siriijoaum L«)i)ss.
/,. ruihrtnm M. Hhn.
/,. pUsiostomum Linst.
374
K. I. Skrjabin,
F. Fani. Opisthorchiidae Luhe.
In meiner Sammlung- befinden sich 3 Vertreter dieser Familie,
von denen 2 zur Gattung Opisthorchis Blanch. gehören, während
] Art Vertreter einer neuen Gattung — Notaulus — ist.
19. Ojyisthorchis longisshmis Linst.
Typische Exemplare dieser Art fand ich in den Gallengängen
zweier in der Umgebung von Aulie-Ata erlegten Ardea stellaris.
20. Opisthorchis geminus Looss var, Uvrghisensis ^i. imi\
Von mir in den Gallengängen von Oircus aeruginosus gefunden.
Trotz der großen Übereinstimmung mit der Beschreibung von Looss,
der seine Art in derselben Wirtsart fand, halte ich es doch für not-
wendig, eine neue geographische Easse auf meinen Fund zu be-
gründen, da 1. meine Exemplare kleiner als die ägyptischen sind,
die Saugnäpfe dagegen ein höheres Ausmaß aufweisen, 2. der Öso-
phagus bei meiner Form länger ist und, worauf ich besonderes Ge-
wicht lege, die Eigröße die von Looss gegebenen Maße beträchtlich
übertrifft. Aus nachfolgender Tabelle gehen die Unterschiede deut-
lich hervor:
Die Maße sind in Millimetern angegeben.
Name
Opisthorchis geminus
0. geminus
var. kirghisensis
Untersucher
Looss
K. Skrjabin
Jahr
1899
1913
Körperlänge
7—12,5
6,29-6,63
Körperbreite
1,3-2
1,8
Mnndsangnapfläuge
0,17
0,238-0,255
Mundsaugnapf breite
0,17
0,806-0,34
Ösophaguslänge
0,25
0,323
Baucbsauguapf
wie Mundsaugnapf
wie Mundsaugnapf
Eilänge
0,021—0,027
0,0319
Eibreite
0,01— ,0013
0,0174
Wirt
Circus aeruginosus, Milvus
parasiticus, Anas boschas
Circus aeruginosus
Organ
„ Leber
Leber
Verbreitung
Ägypten
Russisch Turkestan
Anm. Es ist möglich, daß die von v. Linstow beschriebene
turkestaner Art Distoma choledochum, aus den Gallengängen von
Anas sp., mit meiner Varietät identisch ist, da Lyperosonmni geminus
Vogeltrematoden aus Russisch Turkestan. 375
von Looss ebenfalls bei Anas {boschas) gefunden worden ist. Sicherheit
läßt sicli hier leider nicht mehr gewinnen, da die v. LiNSTOw'sche
Beschreibung- völlig ungenügend ist und die Type verloren scheint.
JVotauItis n. r/.
In den Gallengängen von Aquila imperialis und Circiis cinereus,
erlegt in der Umgebung von Anlie-Ata im Sommer 1911, fand ich
eine Anzahl zur Familie der Opisthorchiidae gehöriger Trematoden,
die sich nicht nur als zu einer neuen Art, sondern auch zu einer
neuen Gattung — Notaulus — gehörig erwiesen, die ich im Folgenden
charakterisieren will.
Außerordentlich lange, flache Distomiden, mit stark verschmäler-
tem Yorderende und in der Mitte verbreitertem Körper, der sich
nach hinten schwach verjüngt. Im hinteren Teil des Körpers die
nach dem Opisthorchis-Typws gebauten Genitalorgane. Der lappige
Keimstock liegt vor den Hoden und wird vom vorderen Hoden durch
das massige Receptacnlum seminis getrennt. Die Hoden liegen un-
mittelbar hintereinander, sind lappig, mit tief eingeschnittenen
Rändern und nehmen fast die ganze Breite des Körpers ein, indem
sie die Darmschenkel an den Körperrand drängen. Der Excretions-
kanal ist vom Hoden dorsal verdrängt und endet am Körperhinterende.
Die Dotterstöcke sind nach dem OvistJiorchis-Ty ^us gebaut und nicht
nach dem Amphimenis-Ty])us. Der Uterus ist sehr stark entwickelt, mit
den kleinen Eiern gefüllt. Der Porus genitalis liegt unmittelbar
vor dem Bauchsaugnapf. Eine Bursa cirri fehlt. Haut unbestachelt.
Sangnäpfe sehr schwach entwickelt, Pharjnix und Ösophagus vor-
handen. Der Darm reicht bis zum Körperhinterende. Parasiten der
Gallengänge von Raubvögeln.
Typus: Notaidus asiaticus n. sp.
Wie aus der obenstehenden Diagnose zu entnehmen ist, gehört
die neue Gattung in die nächste Verwandtschaft von Opisthorchis
Blanch. 1895. Es wäre vielleicht früher möglich gewesen, durch
Erweiterung des Gattungsbegriffes unsere neue Art bei Opisthorchis
unterzubringen, nachdem aber Bakker durch Abtrennung eines Teiles
der Arten in die Gattung Amphimerus mit der Einengung des
Gattungsbegriffes begonnen hat, halte ich es für unzweckmäßig,
wieder mit einer Erweiterung vorzutreten, umsomehr, als meine Art
sich durch zwei Merkmale scharf von den typischen Opisthordns-
Arten unterscheidet. Während bei der BLANCiiARD'schen Gattung
die Hoden nicht die ganze Körperbreite einnehmen, schräg hinter-
376 K. I. Skrjabin,
einander ]iej?en und Raum für den S-förmig gekrümmten, zwischen j
ihnen hinziehenden Excretionskanal lassen, liegen bei der Gattung j
Notaiüiis die Hoden unmittelbar hintereinander, füllen fast die ganze i
Körperbreite aus und verdrängen den Excretionskanal dorsal, der
nicht gekrümmt, sondern gerade nach hinten zieht. Bei der ver-
wandten Gattung Clonorchis Looss, bei der ebenfalls der Excretions-
kanal durch die hier stark verästelten Hoden verdrängt ist, liegt
dieser ventral.
Die Gattung Noiaulus verhält sich der systematischen Spann-
weite nach zur Gattung OpistJiorcMs wie die Gattung Lyperosomum
zur Gattung Dicrocoelium, und wenn man die Existenz dieser beiden
Gattungen als begründet ansieht, so muß man dasselbe auch für
unsere Gattung gelten lassen, bei der als Trennungsmerkmal außer
der Lage der Hoden noch der andere Verlauf des Excretionskanals
hinzukommt.
Bevor ich im Nachstehenden eine Bestimmungstabelle aller bis-
her bekannten Gattungen der Opisthorchiidae gebe, bin ich genötigt,
noch eine weitere neue Gattung auf eine schon bekannte Art auf-
zustellen. Im Jahre 1908 wies Luhe (17) bei der Aufteilung der
Gattung Metorchis darauf hin, daß MetorcMs coinplexus St. et Hass.
zusammen mit M. conjunctus Cobb. wahrscheinlich eine neue Gattung
bilde, ohne auf die Frage näher einzugehen. Als ich bei der Klar-
stellung der verwandtschaftlichen Verhältnisse des von mir be-
schriebenen Metorchis pingumicola (1913, 29) ^) alle bisher bekannten
Arten der Gattung durcharbeitete, erkannte ich ebenfalls, daß M.
complezus aus der Gattung entfernt werden muß, was ich in Nach- i
folgendem durch Aufstellung der Gattung Parametorchis n. g. tue.
Parainetorchis n, g.
Distomiden von mittlerer Größe und flacher Gestalt, mit zu-
gespitztem Vorder- und abgerundetem Hinterende. Haut bestachelt.
Saugnäpfe von gleicher Größe und schwach entwickelt, Bauchsaug-
napf an der Grenze zwischen erstem und zweitem Körperviertel. j
Pharynx und ein kleiner Ösophagus vorhanden, Darm erreicht das j
Körperhinterende. Hoden liegen im dritten Körperviertel, sind lappig |
und liegen hintereinander. Zwischen ihnen zieht der S-förmig ge- }
1) Diese Art ist, wie ich nachträglich bemerken möchte, von Prof.
Dr. KNUTH-Berlin gefunden und dem hiesigen Zoologischen Museum über-
sandt worden.
Vogeltrematodeu aus Russisch Turkestau. 377
krümmte Excretionskanal nacli liinten und öffnet sich am Hinter-
ende. Der Uterus ist rosettenförmig' um den Bauclisaugiiapf ge-
lagert und findet sich nur in der vorderen Körperhälfte. Nach vorn,
wo sie zusammentreten, und lateral vom Uterus befinden sich die
DutterstöL'ke, die aus der vorderen Körperliälfte nicht herausgehen.
Keimstock lappig, vor den Hoden gelegen. Lateral von ihm das
ziemlich große Receptaculum seminis. Parasiten der Gallengänge
von Säugetieren.
Typus und einzige Art: Parametorchis complexus St, et Hass,
aus der Leber der Hauskatze, Nordamerika.
Ob Meiorchis conjunctus Cobb. auch in eine neue Gattung zu
stellen ist, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist die Art
nicht zu Parametorchis zu stellen.
\^on allen übrigen Gattungen der Familie unterscheidet sich
die neue Gattung durch folgende Merkmale:
1. durch die stark nach vorn verlagerten Hoden, von denen der
vordere sich in der Mitte der Körperlänge befindet;
2. die Dotterstöcke liegen nur in der vorderen Körperhälfte,
ähnlich wie bei Holornetra, nur sind sie hier auch lateral vom Uterus
vorhanden, während sie bei Holometra nur vor dem Uterus liegen;
3. durch Gestalt und Lage des Uterus, der rosettenförmig um
den Bauchsaugnapf gelagert ist und sich nur in der vorderen Körper-
hälfte findet.
Gattungstabelle der Opisthorchiidae.
(Verändert nach Bakker 1911.)
1. Dotterstöcke nur in der vorderen Körperhälfte
A. Uterus in der vorderen Körperhälfte, zwischen den Dotter-
stöcken Parametorchis n. g.
B, Uterus vorwiegend in der hinteren Körperhälfte, hinter
den Dotterstöcken Holometra Looss
IL Dotterstöcke im Mittelteil des Körpers
A. Dotterstöcke erreichen mit dem Vorderende den Bauch-
saugnapf
1. Excretionskanal mündet auf der Bauchseite
a) ventral von den Hoden Meiorchis Looss
b) hinter den Hoden Pseudamphistomum Luhe
2. Excretionskanal verläuft S-förmig zwischen den Hoden
und mündet am Körperhinterende Cyclorchis Luhe
378 ^- ^- Skrjabin,
B. Dotterstöcke erreiclien mit dem Vorderende nicht den
Bauchsaugnapf
1. Dotterstöcke durch einen Zwischenraum in der Höhe des
Keimstockes jederseits in zwei Abschnitte mit eigenen
Ausführungsgängen geteilt Ämphimerus Barker
2. Dotterstücke nicht in zwei Abschnitte geteilt
a) Hoden stark verästelt Clonorchis Looss
b) Hoden gelappt
a) Excretionskanal verläuft zwischen den schräg ge-
stellten Hoden Opisthorchis Blanch
ß) Excretionskanal verläuft dorsal von den unmittel-
bar hintereinander gelegenen Hoden
Notaulus n. y.
21. Notuuhts asiaticHS iu sx>,
(Taf. U Fig. 8—13.)
Die Art ist langgestreckt, abgeflacht, lebend von graugrüner
Färbung mit dunkler Zeichnung im Mittelfelde. Die Gesamtlänge
beträgt 13,6—14 mm, der Körper ist im vorderen Teile bis zum
Bauchsaugnapf sehr schmal (0,21—0,34 mm breit), verbreitert sich
nach hinten allmählich, um in der Körpermitte die größte Breite
(1,09 mm) zu erreichen, und wird nach hinten wieder schmäler
(1,04—1,06 mm). Haut unbestachelt. Saugnäpfe sehr schwach ent-
wickelt: Mundsaugnapf 0,085 mm lang und 0,136—0,165 mm breit,
Bauchsaugnapf im Durchmesser 0,17 mm, vom Vorderende 1,955— 2,7 mm
entfernt. Der runde Pharynx folgt dem Mundsaugnapf unmittelbar,
er ist 0,119—0,136 mm lang und 0,102-0,127 mm breit. Die
Länge des Ösophagus schwankt von 0,119—0,217 mm, am häufigsten
ist er 0,17 mm lang. Die Darmschenkel ziehen längs den Körper-
rändern und lassen seitlich nur ein schmales Feld frei, in dem die
Dotterstöcke liegen. Sie erreichen das Körperende.
Die Hoden zeichnen sich durch einen außerordentlichen Poly-
morphismus aus, wie aus Fig. 9, 10, 11 zu ersehen ist, wo die
Extreme und die Mittelform abgebildet sind. Bei einigen Exemplaren
ist die für Opisthorchis im weiteren Sinne charakteristische Vier-
teilung des vorderen Hodens und Fünfteilung des hinteren Hodens
erhalten. Diese Form (Fig. 11) wird durch Übergänge (Fig. 10, 9)
mit Formen verbunden, bei denen der vordere Hoden 8- und der
hintere lOlappig ist, bei denen also die höhere Zahl durch Teilung
t
Vogeltreniatoden aus Russisch Turkestan. 379
der Lappen entstanden ist. Die Tieflappigkeit bildet einen Unter-
schied gegenüber Opisthorchis. Die Hoden liegen hintereinander,
nehmen die ganze Körperbreite ein und befinden sich im hinteren
Körperabschnitt. Der Keimstock ist stets gelappt, meistens älappig
und liegt vor den Hoden, vom vorderen durch das ReceptHculum
seminis getrennt. Letzteres ist sehr groß, von birn- oder kolben-
förmiger Gestalt und drängt sich mit seinem zugespitzten Ende
zwischen die Lappen des Keimstocks. Der Uterus ist stark ent-
wickelt, erstreckt sich vom Keimstock bis zum Bauchnapf auf einer
Strecke von 8,25—11 mm und wird seitlich von dem Darm begrenzt.
Nach hinten sind die Uterusschlingen sehr verwickelt, an der vorderen
Grenze der Dotterstöcke nimmt der Uterus die Gestalt eines in
einzelnen Windungen nach vorn ziehenden Kanals an und mündet
nahe am Vorderrande des Bauchsaugnapfes neben der männlichen
Genitalöifnung. Die Dotterstöcke beginnen 2,465—2,89 mm hinter
dem Bauchsaugnapf, ziehen wie gewöhnlich zwischen Darm und
Körperrand dahin und enden in der Höhe des Keimstockes. Sie
bestehen aus ca. 7 — 9 einzelnen Trauben jederseits, die durch den
gemeinsamen Sammelgang miteinander verbunden sind. Die End-
stämme der Ausführungskanäle gehen nicht vom Hinterende der
letzten Dotterstockstraube ab, sondern seitlich aus der Mitte. Die
kleinen Eier messen 0,0261—0,029 : 0.0145 mm.
Der Excretionskanal liegt in der Mittellinie des Körpers, dorsal
von den Hoden und öffnet sich am äußersten Hinterende des Köi-pers.
Wirt: Circus cinereus, Aquila imperialis. Ich fand die Parasiten
nicht allein in den Endteilen der Gallengänge, sondern sie kamen
in allen Teilen der Leber vor. Eine Anzahl der Parasiten schimmerte
als dunkle Punkte durch die äußere Hülle der Leber durch (Fig. 8).
G. Fam. Cyclocoeliidae Kossack.
In meiner Sammlung fanden sich 7 Arten dieser Familie, von
denen 6 zur Gattung Cydocoelmn Brandes und eine zur Gattung
Tracheophilus Skrjabin gehörten.
22. Qjclocoelum niutabile (Zeder).
Ich fand nur 1 Exemplar in der Leibeshöhle einer am 20. April
(a. St.) 1911 beim Kul-Kainar-See erlegten Gallinula chloropus L.
380 K. I. Skrjabin.
23. Cyclocoeliini niicfostoumm (Ceepl.),
Ebenfalls nur 1 Exemplar aus der Bauchhöhle von Fulica atra L..
von demselben Fundort und gleichem Datum.
24. Cyclocoeliini probleniaticuni Stossich.
6 Exemplare wurden von mir im Sommer 1911 am Kul-Kainar-
See in der Bauchhöhle von Totemus glareola gefunden. Bisher war
die Art nur von Totanus glottis Bechst. und T. calidris Bechst, be-
kannt.
25. Cj/clocoeliini trlnf/ae Stossich.
2 Exemplare aus der Bauchhöhle von Totamis ochropus L. in der
Umg-ebung- von Aulie-Ata.
26. Cyclocoeliini ovopunctcituni Stossich.
1 Exemplar aus der Bauchhöhle von Totanus fuscus L., Aulie-
Ata, 1911.
27. Cyclocoeluni Orientale n, S2).
3 Exemplare aus der Bauchhöhle von Totanus glareolus aus der
Umgebung von Aulie-Ata, Sommer 1911, erwiesen sich als neue Art,
die ich unter dem Namen Cyclocoelum Orientale im nachfolgenden be-
schreiben möchte.
Der Körper ist von Hacher, zungenförmiger Gestalt, mit fast
parallelen Bändern, nach vorn zugespitzt und nach hinten ohne
weitere Verschmälerung abgerundet. Die Farbe der lebenden
Exemplare ist hellbraun. Die Länge beträgt 14 mm , die Breite
3,5 — 4 mm. An den in TO^/^igen Alkohol konservierten Exemplaren
lassen sich mit unbewaffnetem Auge im hinteren Teile des Körpers
3 rundliche Vorwölbungen erkennen, die die Lage der Genitaldrüsen
anzeigen.
Die Mundöffnung liegt subterrainal, der Pharynx ist von ovaler
Form , 0,442 mm lang , 0,34 mm breit, der Ösophagus ist sehr kurz
und durch das Vordrängen des gefüllten Darmes S-förmig gekrümmt.
Der Darm ist sehr massig und bildet einen geschlossenen Darm-
bogen, dessen Außenränder glatt, dessen Innenränder dagegen außer-
ordentlich unregelmäßig gewellt sind und mit ihren Vorsprüngen
etwas an die Blindsäcke bei Typhlocoelum St. und Trackeophilus
Skrjabin erinnern.
Vogeltrematodoii uns Russisch Tnrkestau. 381
Die Dotterstücke bestellen aus ziemlich «roßeii Follikeln, die im
Niveau der Darmgabelung- beginnen , den Raum zwischen Körper-
außenrand und Darmaußenrand ausfüllen, ohne unter und über den
Darm hinüberzutreten, und enden am Hinterende des Körpers seit-
lich von der Excretionsblase , ohne sich miteinander zu vereinigen.
Die Ausführungsgänge gehen im hinteren Teile des Körpers in der
Höhe des hinteren Hodens ab und vereinigen sich zwischen diesem
und dem Keimstock. Die Hoden sind voneinander durch einen be-
trächtlichen Zwischenraum getrennt, der durch die üteruswindungen
ausgefüllt ist. Der hintere Hoden liegt unmittelbar dem Darm-
bogen an, ist von unregelmäßig dreieckiger Gestalt. 0,6 mm lang und
1,19 mm breit. Der vordere Hoden liegt dem Innenrande des Darmes
an, ist von ([uerovaler Form, 0,935 mm breit und 0.85 mm lang.
Der Keimstock ist kleiner als die Hoden, rund, 0,5 mm im Durch-
messer, vom hinteren Hoden durch den Dottergang, vom vorderen
durch Uterusschlingen getrennt. Der Uterus ist sehr tj^pisch und
besteht aus regelmäßig abw^echselnden, zur Längsachse des Körpers
senkrecht stehenden Schlingen, die mit ihren Endteilen teils nach
vorn, häufiger dagegen nach hinten gekrümmt sind. Er liegt ganz
in dem Räume innerhalb des Darmbogens und tritt nirgends über
den Innenrand des Darmes hinaus. Die Uterusölfnung liegt am
Hiuterrande des Pharynx, neben der männlichen. Die Eier sind sehr
groß, 0,1479—0,1508 mm lang und 0,0783—0,0812 mm breit. Die
Bursa cirri ist klein, gekrümmt und tritt nicht über den Darm
hinaus.
Die Excretionsblase ist länglich-oval und liegt hinter dem
Darmbogen.
Von Cijclocoelum mutahüe Zed. und C. microstomum Crepl. unter-
scheidet sich unsere Art durch die schwächer entwickelten Dotter-
stöcke, die bei den genannten Arten über den Außenrand des Darmes
nach innen treten, weiter durch den kleineren und schwächeren
Pharj'nx, durch die Eigröße usw.
Von Cydocoelum proUematkum Stossich unterscheidet sich die
Art durch den stärker entwickelten Uterus, abgesehen von der ganz
anderen Körpergestalt, den Eimaßen u. a.
Von Cijclocoelum tringae Stossich unterscheidet sie sich durch
bedeutendere Körpergröße und durch den Uterus, der bei C. iringae
ziemlich schwach entwickelt ist und bei der die Enden der Uterus-
schlingen alle deutlich nach hinten gerichtet sind.
Von Cijclocoelum Onisilianum Stoss. trennt unsere Art der auf-
382 K. I. Skrjabin,
fallend kurze Ösophagus und die Lage der Hoden, die bei C. brasi-
lianum unmittelbar einander anliegen.
Von Cyclocoelum ovopimctatum Stossich unterscheidet sich unsere
Art durch den schwächeren, nicht so muskulösen Körper, der bei
C. ovopunctatum fast gar nicht nach vorn verschmälert ist, außerdem
durch die Eimaße u. a.
Von Cyclocoelum exile Stossich unterscheidet sich unsere Art
durch die bedeutendere Körpergröße, durch die Form des Uterus
und die größeren Eimaße.
Von dem einzigen, bisher aus Turkestan beschriebenen Ver-
treter der Gattung Cyclocoelum. C. nigropunctatum Linst., den
Stossich wegen der ungenügenden Beschreibung und weil die Type
verloren gegangen ist, als Species inquirenda ansieht, unterscheidet
sich unsere Art durch die Größe, durch die größere Eilänge bei
gleicher Breite und durch die Lage der Hoden, die bei C. nigro-
punctatum einander unmittelbar anliegen.
Von Cyclocoelum fasciatum Stossich, bei dem die Hoden einander
gleichfalls anliegen, unterscheidet sich unsere Art durch deren
Getrenntsein.
Von Cyclocoelum vicarium Aensdorff unterscheidet sich unsere
Art durch den kürzeren Ösophagus, die größeren Hoden, die sich
weiter nach vorn erstreckenden Dotterstöcke und die bedeutend
größeren Eier.
Endlich wäre noch zu bemerken, daß unsere Art durch die
Vorsprünge am Innenrande des Darmbogens sich von allen bisher
bekannten Arten der Gattung unterscheidet.
28. Tracheoiihiliis sisoiri Skejabin.
Von mir einmal in Anas hoschas L. gefunden (Skejabin, 1913, 30).
H. Fani. Notocotylidae Luhe.
In meiner Sammlung findet sich aus dieser Familie nur eine
zur Gattung Catatropis Odhnee gehörige Art.
29. Catatropis verrucosa Feoel.
Ich fand die Art im Blinddarm einer am 2. März (a. St.) 1910
Kul-Kainar-See erlegten Wildgans {Anser anser L.) in 4 Exemplaren.
Vogeltrematoden aus Kussisch Turkestan.
383
.7. FaiTi. Holostomidae Brandes.
30. JIofostoiHKni sp/iaerrda Diesing.
Im April 1910 von mir im Darm von Corvus corone und Corviis
fnigilegns gefunden.
Unter Hinzuziehung weiterer 11 von v. Linstow aus Turkestan
angeführten Arten, von denen ein Teil wegen der ungenügenden
Besclireibung wohl für immer undeutbar bleiben wird, sind somit
aus Russisch Turkestan 41 Arten von Vogeltrematoden bekannt,
zweifellos nur ein geringer Bruchteil der dortigen Trematodenfauna.
Den Beschluß mag folgende Tabelle der bisher aus Turkestan
bekannten Vogeltrematoden, nach Wirten geordnet, bilden.
Wirt
Parasit
Organ
Steganopodes
Phalacrocorax carbo L.
Ciconiiformes
Platalea leucorodia L.
Ardea cinerea L.
Botaurus stellar is L.
NycHcorax nycticorax L
Auseriformes
Anser anser L.
Anas boschas L.
Anas boschas domestica L,
Anas sp.
Fuligtda nyroca L.
Mergiis sp.
Ralliformes
Gallinnla chloropus L.
Fulica atra L.
Paryphostomum radiatum Düj.
Echinostoma exechinatnm Solowiow
Prosfliogonimus putschkowskii Skrjabin
Orchipedum turkcstanicum n. sp.
Patayifer bilobus Rüd.
ProHthoyonimus c^ineatus Rud.
Opisthorchis lonißssimxis Linst.
Disiom. capsulare Dies. (?)
Clinostomum heterostomum Rud.
Catatropis verrucosa Froel.
Hypoderaeum conoidemn Bloch.
Tracheophilus sisowi Skrjabin
Echinostoma rcvolutum Froel.
Distoma choledochion Linst. (= Opisthorchis
geminus Looss?)
Psilochasnms longicirratus n. sp.
Tetracotyle sp.
Echinostoma chloropodis Zed.
Cyclocoebim mutabile Zed,
Echinostoma anceps Molin
Cyclocoelum microsiomum Crepl.
Zool. Jahrb. XXXV. .\bt. f. Syst.
Darm
Darm
Bursa Fabricii
»Trachea
Darm
Bursa Fabricii
Leber
Unterhautgewebe
Darm
Blinddarm
Darm
Trachea
Darm
Leber
Darm
Unterhautgewebe
Darm
Bauchhöhle
Darm
Bauchhöhle
25
384
K. I. Skrjabin,
1
No.
Wirt
Parasit
Organ
Charadriiformes
14.
Totanus ochropus L.
Cyclocoelum tringae Stoss.
Bauclihöhle
15.
Totanns fuscus L.
Cyclocoelum ovopunctatiim Stoss.
Bauchhöhle
16.
Totmius glareola L.
Urogonimus turaniais Solowiow
Bursa Fabricii
Urogonimus macrostomus Rüd.
Bursa Fabricii
Cyclocoelum probleniaticum Stoss.
Bauchhöhle
Cyclocoelum Orientale n. sp.
Bauchhöhle
Galliformes
17.
Gallus domesticus L.
Echinostoma revolutuni Froel.
Darm
Prosthogonhnus ovatus Rud.
|Ei und Bursa
Prosthogonimus cuneatus Rud.
1 Fabricii
18.
Caccabis cJmkar
Lyperosonium corrigia M. Brn.
Darm
19.
Perdix graeca
Lyi^erosomum plesiostomum Linst.
Darm
Distomum sulcatum Linst.
Darm
Passeriforines
20.
Cor VHS corone L.
Dicrocoelium skrjabini Solowiow.
Leber
Holostomiim sphaerula Dies.
Darm
21.
Corvus frugilegus L.
Dicrocoelium skrjabini Solowiow
Leber
Prosthogonimus cuneatus Rud.
Bursa Fabricii
Echinostoma mesotestius Solowiow
Darm
Holostomum sphaerula Dies.
Darm
22.
Corvus cornix L.
Distomum macrourum Rüd. (= Lyperosomum
longicauda Rud.?)
Leber
Distomum nigrum Linst.
Darm
Distomum globocaudatiim Crepl.
Darm
23.
Pica caudata
Accipitres
Distomum macrourum Rud. (= Lyperosomum
longicauda R.?)
Leber
24.
Aquila imperialis
Notaulus asiaticus n. g. n. sj}-
Leber
25.
Circus aeruginosus L.
Opisthorchis gemimus var. kirghisensis n. var.
Leber
26.
Circus cinereus
Notaulus asiaticus n. g. n. sp.
Leber
27.
Astur palumbarius
Holostomum falconum Belling
Darm
28.
Ähatza,(?)
Cyclocoelum nigropunctatum Linst.
Bauchhöhle
Vogeltrematoden ans Russisch Turkestan. 385
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Vogeltrematoden aus Russisch Turkestan.
387
Erklärimg der Abbildungen.
Bs Bauchsaugnapf
Cb Bursa cirri
D Darm
Dg Dottergang
Dst Dotterstöcke
Ex Excretionskanal
H Hoden
K Keimstock
Ms Mundsaugnapf
0 Ösophagus
Ph Pharynx
Rs ßeceptaculum seminis
LI Uterus
Tafel 13.
Fig. 1. Prosihogonimus putschkowskii Skrjabin aus der Bursa
Fabricii von Platalea leucorodia L. 18: l.
Fig. 2. Orchipedum turkestanicum 7i. sp. aus den Tracheen von
Platalea leucorodia L. 12: 1.
Fig. 3. Orchipedum turkestanicum n. sp., ein Teil des Körpers,
stärker vergrößert. 54 : 1.
Fig. 4. Psilochasmus longicirratus n. sp. aus dem Darm von Fuligula
nyroka L. 48 : 1.
Fig. 5. Bauchsaugnapf derselben Art. 48 : 1.
Fig. 6. Excretionssystem derselben Art (vorderer Abschnitt). 59:1.
Fig. 7. Opisthorchis geminus rar. kirgliisensis n. var. aus den Gallen-
gängen von Circus aeruginosus. 23 : 1.
Tafel 14.
Fig. 8. Leber von Aquila imjyerialis mit Notaulus asiaticus n. sp.
1 : 1.
Fig. 9. Notaulus asiaticus n. sp. aus der Leber von Aquila im-
perialis. 23: 1, Daneben die Art in natürlicher Größe.
388 K. I, Skrjabin, Vogeltrematoden aus Russisch Turkestan.
Fig. 10 u. 11. Hinterende derselben Art zur Veranschaulichung des
Hodenpolymorphismus. 20 : 1.
Fig. 12. Eine einzelne Dotterstockstraube derselben Art. 90 : 1.
Fig. 13. Querschnitt durch das Hinterende derselben Art mit dem
dorsal gelegenen Excretionskanal.
Fig. 14. Dicrocoeliiim shrjabini SOLOWIOW aus der Leber von
Corvus corone.
Fig. 15. Lyperosomum filiforme n. sp. aus der Leber von Circus
dnereus.
Fig. 16. Oyclocoelum Orientale n. sp. aus der Bauchhöhle von Totanus
glareolus L.
yachdrnck verboten,
übersetzungsrecht vorbehalten.
Further notes on the genus Microcotyle.
By
G. A. MacCallum, M. D., New York.
With 4 fignres in the text.
As stated in a previous paper in this Journal (Vol. 34, 1913,
Syst., p. 223), one is impressed in study ing- the Microcotylidae with
the lack of variety in the arrangement and form of the internal
Organs so that the differentiation of species is dependent largely
upon outward differences, Of these the number, form and structure
of the caudal suckers and the peculiar armature of spines which
often occurs about the genital opening are perhaps the most con-
stant and characteristic features, although of course there are many
other things which must be taken into consideration in deciding this
point. In the table which follows and which is a continuation of
that given in the previous paper, it is attempted to give these data
as accurately as possible, and it is hoped that this basis for Classi-
fication will be adopted by helminthologists in the case of this
genus to avoid confusion.
4 new species are added to the genus as the result of the study of
the parasites of the gills of marine fishes obtained partly from the
New York Aquarium, partly in the laboratoiy of the U. S. Fish
Commission at Woods Hole and partly in the fish markets of New
390 G. A. MacUallum,
York. In the course of these studies it has seemed pretty well ar-
ranged by Nature that the parasites of the gills of fish are placed
there according to families — for instance the Microcotylidae are
seldom or never fouiid on the same fish as the Octocot3'lidae or
Acanthocotylidae. At least it is my experience that in such a fa-
mily of fish as the Salmonidae the parasites on the gills will almost
invariably be found to be Octocotylidae and so on.
Microcoti/le macrotn 'a.
In the previous paper mentioned, a description of this form
was given which, owing to insufficient material, was uncertain or
incomplete in places. Since that time study of new material has
made it possible to confirm or complete some of these observations.
The description of the mouth, its suckers, and of the peculiar Posi-
tion of the small pharynx-like structure on the dorsal surface of the
dig-estive canal is all correct, There is a rather twisted or tortuous
canal penetrating the pharj-nx but it seems that there is also a
freer and unguarded opening from the mouth directly into the
digestive tract.
The intestinal coeca are extraordinarily widely raniified through
the body, their diverticula opening on both sides of the main line of
the Channel and extending outwardly quite to the skin. Among
these diverticula and in very close contact with them lie the other organs.
There is hardly any lining to be made out even with high powers.
The epithelial cells must be extremely thin and flat for they can
nowhere be clearly discerned.
The parenchyma throughout except in the ventral part of the
caudal disc is composed of large polygonal cells with relatively
minute nuclei. In the caudal disc the parenchyma is largely re-
placed by muscle and what cells are present fill elongated Spaces
among these fibres.
The genitalia are precisely as described before but with the
new material it was possible to trace in serial sections the con-
tinuity of the vitelline ducts with the two vaginal tubes which join
as they approach the vaginal orifice and pass through a thick
muscular mass to open on the dorsal surface.
In two reconstructions of the genitalia from these new serial
sections the duct figured at K in fig. D and designated as possi-
bly the Canalis genito-intestinalis could be traced out precisely as
Further notes ou the geuus Microcotyle. 391
it is sliown there and could be sl)0\vn to end blindly in the paren-
chyma and not in the intestine. It seenis to contain spermatozoa
and nuist therefore be put down definitely at the Receptaculum
seniinis. Otheiwise tlie feniale genitalia pioved to have been correctly
described and sketched in that paper.
Tlie only other point of inteiest is that the W-sliaped arrange-
ment of cliitionus rods about tlie cirrus opening is found to be a
kind of chitinous skeleton for the miiscular cirrus itself, The stouter
anterior parts of tliese rods pierce the muscular sac obliquely and
come iuto immediate connection with the inner protrusible tube.
Outside they run quite far back and disappear near the Vas deferens.
They are not so clearly outlined as it seemed from the previous
material but give oif twigs and branches as various places.
Microcotyle ijogoniae n. sp,
The worm occurs on the gills of the common sea drum, Pogonias
cromis, sometimes in such great nurabers as to menace the life of
the host.
The body is elongated with a large sucker disc which consti-
tutes about one-third of the total length and wiiich at its upper
end is sharply marked off by indentations which give it almost the
form of an arrow head, There are about one hundred and eight
suckers which reach their greatest size at about the middle of the
disc starting above with two small ones and again decreasing in
size toward the caudal termination (Fig. Aa). ^)
The chitinous skeleton is quite delicate and has the arrange-
ment shown in Fig. Ae. The suckers at the mouth are large and
armed at their margins by a row of minute spicules. Their cavity
is crossed by a partition separating it into two loculi the inner
and larger of which is deeply indented at its median border (Fig. Ac).
Immediately posterior to these in the mid line is the peculiarly
shaped pharynx which has a narrow anterior part and a more
bulbous portion (Fig. Ad). A short way beliind this the eso-
phagus divides into the two lateral coeca which run far back into
the caudal disc.
Directly behind the bifurcation of the intestine lies the genital
pore which is unarmed and small in proportion to the size of the
1) Explanatiou of Abbreviations see pag. 402.
392
G. A. MacCallum,
Fig. A. a Microcotyle pogoniae n. sp. b Detail of genital orgaiis. c Mouth
sucker. d Pbarynx. e Chitinous skeleton of a caudal sucker.
Further notes on the genus Microcotyle. 393
worm. It lies about 0.4 mm behiiid the oral suckers. Behind it at
a distance of about 0,65 mm on the dorsal surface is the sac-like
orilice of the vagina which is also unarmed. From this there runs
backward a tortuous tube which alter forming' an enlarj^ement
opens into two lateral vaginal canals which eventually become the
lateral vitelline ducts. Posteriorly these begin to be filled with
j-olk material and enlarge until they reach the point at which
they unite.
The ovary (Figs Aa and b) is mach longer and narrower and more
convoluted than in most of the other species studied. It form first
an irregulär Square across the middle of the worm and crossing to
the left side coils irregularly backward toward the left where the eggs
are most fuUy developed and the oviduct takes its origin. This
duct proceeds backward to receive the common vitelline duct but
gives oif on the way a canal which runs to the left. The ter-
mination of this canal could not be made out and it is not
shown in the drawing but it doubtless represents the seminal
reservoir. Having received the vitelline duct the oviduct passes
through the radiate shell gland into the bulbous uterus wlüch
then runs straight forward to the genital opening. The vitellaria
are voluminous and extend from opposite the vaginal opening to
the sucker disc. occupying both sides of the body. The festes, about
75 in number, extend nearly to the sucker disc, occupying the whole
of the middle of the body from the termination of the uterus back-
ward. The Vas deferens is large and tortuous and is usually filled
with spermatozoa. It passes forward to open at the genital pore
without the formation of any definite cirrus.
The eggs are yellow and fusiform with one rather rounded end.
This is the posterior end and is not provided wäth a chitinous fila-
ment while the anterior end is pointed and exten ded into a very
long tangled lilament.
Measurements are as follows:
Length of worm: 12 to 13 mm.
Width : 1,25 mm.
Length and form of caudal disc: 4,5 mm triangulär.
Average: 108 suckers.
Diam. of suckers : 0,2 X 0,15.
Testes: 75 in number.
Size: 0,10 to 0,15.
394 G. A. MacCallum,
(Measurements continued)
Ova: 0,12 X 0,5 to 0,15 X 0,06.
Diam. across head: 0,45.
Cloacal aperture: 0,04 X 0,10.
Diam. of vaginal opening: 0,04 X 0,01.
Microcotyle caranr/ls n. sp.
There were found on the gills of a yellow crevalle, Caranx
crysos (Mitchill), 5 exaraples of a Microcotyle wliicli differs very
markedly from other species.
The worm is small, measuring only 4,4 mm by 0,8. The ante-
rior end is expauded laterally and provided with a sucker at each
angle of this expansion. The mouth opens directly into the com-
paratively small pharynx from which the short esophagus runs
backward to divide into the lateral intestinal coeca which riin dor-
sally toward the posterior extremity. A short distance behind the bifur-
cation is the cirrus sac which is pear shaped with a curious arrangement
of spicules as shown in Fig. Ba and Fig. Bf. Two small clumps of
hooklets are separate from the main group which lie in front of the
muscular bulb of the cirrus. The Vas deferens can be plainly seen
entering the posterior end of this bulb.
Behind this lies the female genital orifice which is also
armed with spicules. The posterior end of the body forms the
sucker disc which is hastate in form, one side being continued for-
ward so as to make it asymmetrical. At the point there are on
each side eleven small suckers with a chitinous skleleton formed as
show in Fig. Bd. At the extreme tip there are two strong hooks
and between them, apparently to stiffen them, are two straight
spines which extend almost as far posteriorly as the hooks, the
whole being enclosed in a membrane (Fig. Be). On the right side
of the body occupying the asymmetrical forward extension of the
caudal disc there is a row of twenty-six much larger suckers which
diminish in size as they near the body. These are of a quite different
structure from any observed in other forms of 3Iicrocotyle as shown
in Fig. Bc. The chitinous skeleton is so asymmetrical in form as
to give the sucker almost the appearance of some gamopetalous
flower.
The ovary lies across the middle of the body as an irregulär
U-shaped structure placed with the convex side toward the head
Further uotes ou tlie genus Microcotyle.
395
(Fig. Bb). The oviduct arises at its left end and passes backward
tovvard the extremity of tlie iiterus. On its waj^ it is first joined
Fiff. B. a Microcotyle carangis n. sp. b Detail of internal genital ^^ß^l\
c and^d Chitinoiis skeleton of acaudal sucker. e Caudal spmes. f Cirrus sac.
by the canal from a seminal reservoir whidi lies close to the end
of the ovary and between it and the first row of testes. It next
received the duct from the vitelline glands and then passes into
396 ^- A. MacCallüm,
the ootyp which is surrounded by the shell ^land. From this point
tlie tube passes forward along the right inner margin of the vitel-
laria to the genital pore. The vitelline ducts, which unite as usual
to enter the oviduct by the common tube described, again unite
anteriorly to form the vagina which opens dorsally a short distance
behind the genital pore. The vitellarium is very voluminous occupying
the major part of the body on both sides. The eggs are yellow and
fusiform with a chitinous filament at each end, the anterior being
much larger than the posterior and very delicate and tangled near
its end.
There are 60 testicles situated near the caudal end of the body
from which the large tortuous Vas deferens runs forward to the
muscular cirrus already described. The water vascular system is
very distinct being composed of large ducts wliich proceed to the
end of the disc receiving branches on their way from the surroanding
tissues.
Measurements :
Length : 4,4 mm.
Width: 0,8 mm.
Ova: 0,11 X0,03 mm.
Length and width of disc: 0,9 X 0j5 '<^^ base.
Suckers : 48 in number — larger ones 0,05 X 0,07 ; smaller
0,04 X 0,03.
Width of head: 0,47 mm.
Testes: 60 in number 0,07 mm.
Hooks at tip of disc: 0,029 mm long X 0,002 mm wide.
Spines at tip: 0,15 X OjOl mm.
Oral suckers: 0,04 mm.
Hooklets around g. p.: 0,05 mm long.
Habitat: Gills of yellow Crevalle {Caranx crysos).
Location: Woods Hole, Mass. U. S. A.
Mlcrocotyle angelichtliys n. sp.
A worm closely related to others to be described but differing
in one or two important particulars is found on the gills of the
Angel fish, Holacanthus ciliaris, in numbers varying from a few to
many thousands or enough to cause the death of its host.
It is small measuring 4,3 X 0,3 mm with a caudal sucker disc
about 1 mm long armed with forty to sixty suckers (Fig. C a). The
Fiirther notes on the genus Microcotyle.
397
Mi*'!-
''.*
-vd
I
terminal inouth is flanked bj' suckers which liave a central partition.
The Pharynx is large but ratlier delicate in structure opening into
a sliort esopliaf^us whicli divides in front of the genital pore. The
genital pore itself is situated
verj' near the anterior end of ^—^-'^s
the body. It opens into a
rounded sac thickly armed witli \[! ^^ "A^fjp
spicules especiallj' closelj' set
round the aperture. There are f*^ '^' ^'Vvo
two smaller «rroups of spicules ^
placed laterally behind and the
sac is surrounded by radiating
muscle fibers (Fig. Cb). The
Uterus and Vas deferens open
into this sac, the latter through
a delicate bulbous structure which
appears to extend forward beyond sg ■
the end of the Uterus. The
vaginal orifice lies behind and
in the mid-dorsal line.
One important respect in
which this worm differs from
the other Microcotylidae, is the
fact that while in almost all of
the others the ovary is placed
across the middle of the body
in the form of a long convoluted
tube, in this case it is a more
or less globular mass like that \ '^V*-, ^-
of the distomes placed on the
riglit side just anterior to the
testes. On the riglit side above
this may be plainly seeu the
seminal reservoir and also its
duct joining the oviduct. The
Shell gland is in the usual a
Position behind or beside the tail
of the Y-shaped vitelline reservoir. The oviduct is apparently given
oflF the ovary toward the middle of the worm and receives the duct
from the spermatheca and vitelline reservoir before entering the
5W
Fig. C.
a Microcotyle ange-
Uchthys n. sp.
b Genital pore.
c Chitinons skeleton
of a caudal sucker.
398 Cr. A. MacCallum,
beginniiig- of tlie uterus. The uterus, siirrounded here by a niaiitle
of Shell giand cells, makes its way upward toward the genital pore
along the inside of the right vitellarium. The vitellaria are very
plentiful and extend from nearly opposite the orifice of the vagina
down each side caudad to alniost the sucker disc.
The testes are relatively large but few in number, tliere being
only about 18 or 20. The Vas deferens passes anteriorly on the
left side. No eggs are seen in any of the specimens mounted so
that at this writing no measurements of them can be given.
The suckers have the usual chitinous reinforcement, a drawing
of which is given in Fig. C c.
The rest of the measurements etc. are given at the end of this
description.
Measurements :
Length: 4,4 mm. Width: 0,3 mm.
Width of head: 0,12 mm.
Size of oral suckers: 0,5 mm.
Sucker disc: 1 mm long, 0,4 mm wide.
V. 0.: Armed situated short distance posterior to g. p.
and dorsal.
Number of suckers: 59 — 0,03 X 0,02.
Number of Testes: 20 — 0,06.
Habitat: Gills of Holacanthus angelichthys.
Locality: Aquarium, New York.
Microcotijle arcJiosargi n. sp.
This form is to be found on the gills of the marine Sheep's
head, Archosargus probatocephalus, and is so delicate as to be almost
invisible when alive and in situ. It measures 8 by 0,8 mm and is
much elongated, becoming very slender just in front of the asymme-
trical spreading caudal disc (Fig. Da).
The mouth is terminal and supplied with the usual lateral
suckers which are provided with a marginal membrane and sub-
divided by a distinct partition. The delicate pharynx passes into a
Short esophagus which gives rise as usual to two intestinal rami.
The common genital pore is surrounded by spicules which are
arranged as shown in the figure (Fig. De). Almost immediately
behind this on the dorsal surface lies the opening of the vagina,
also surrounded by an armature of spicules.
Further uotes ou the genus Microcotyle.
399
C»(ij)
Fig. D.
Ol. Jahrb. XWV. Aiit- f c»*
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst.
400 ^- '^- MacCallum,
Th ovary (Fig. D b), in tlie form of a long bent tube lies across
the body at about its middle, giving off tlie ovidnct at its left end.
This passes backward receiving the duct from the clubshaped seminal
reservoir and then the conjoined canal from the vitelline glands
until it reaches the shell gland which in this case extends dorsally
before the uteriis changes its cour^e toward the genital pore,
The eggs, of which 3 were to be seen in one specimen are rela-
tively large, have a very long tangled fllament at each end, in which
respect they differ from those of some closely related forms.
The festes are large and number from 20 to 35. The Vas de-
ferens is tortuous and ends in the cloaca without any evident mns-
cular cirrus, The caudal disc bears about one hundred and six
suckers in a simple row along its margin. These are all alike and
there are no hooklets or spines. Their chitinous skeleton is not
especially characteristic and is sbown in Fig. Dd.
Measurements :
Length : 8 X 0,8 mm.
, Sucker disc: 1,5 mm lang.
Suckers: 106.
Width of head: 0,21 mm.
Diam. of disc suckers: 0,08X0,04 mm.
Diam. of oral suckers : 0,1 X 0,07 mm.
Ova: 0,17X0,07 mm.
Testes: 25 to 35 — 0,09X0,07 mm.
Genital pore, armed: 0,1X0,08.
Vaginal opening: 0,03.
Locality: New York Fish Market.
Further notes ou the genns Mircocotyle.
401
.Name
M. paijoiniic
M. curcuKjix
M. (irchosari/i
M. aw/eliclithys
Authur
G.A.MacCallum
G.A.MacCallum
G.A.MacCallum
G.A. MacCallum
Lenii'fh
12 to IH nun
4.4 mm
8,0 mm
4,4 mm
Breadtli
1,25 mm
O.S mm
0,8 mm
0,3 mm
Diam. month
Sut'ker
0,2XÜ.13 mm
0,04 mm
0,1X0,07 mm
bilocular
0,05 mm
hilucular
o
Leiigth and
Form
4.5 X 2.5 mm
Triangulär
0,9 X 0,6
Hastate
1,5 mm long
Triangulär
1,0X0,4 mm
Wide
'S
'TS
5
Number of
Suckers
108
48
106
58
Diameter of
Suckers
0,2X0,15 mm
0,05X0,07 mm
0,04 X 0,03 mm
0,08X0,04 mm
0,03 X 0,02 mm
Testes
75 mm
0,1X0,15 mm
60 mm
0,07 mm
25 to 30 mm
0,09 X 0,07 mm
26 mm
0,06 mm
Vagiual Aper-
ture
Median dorsal
0.04 X 0,0 i
No armatnre
Median dorsal
no armature
0,03
Median dorsal
Median dorsal
no armature
Cloacal Aper-
ture
0,04 X 0,1
No armature
Separate orifices
Armed-spicules
Cirrus anterior
0,1 X 0,08
Conical spines
and hooklets
Round sac with
spicules, two se-
parate smaljer
groupsof spicules
Eggs
Yellow Fusiforni
0.12X0,05
to 0,15X0,06
0.11X0,03
Yellow Fusiform
Filaments both
ends
0,17X0,07
Fnsiform and
with tilaments
None Seen
Host
Pogonias cromh
Caranx crysos
Ärdiosari/HS
probatocephnlns
Holacanthm
angelichthys
26*
402
G. A. MacCällum, Further notes on the genus Microcotyle.
Explanation of Abbreviations.
M mouth
M. S mouth sucker
Ph pharynx
Oes esophagus
i intestine
G. P genital pore
M. G. P male genital pore
F. G. P feniale genital pore
Ov ovarium
Ov. d oviduct
Vit. r vitelline reservoir
Vit. ä vitelline duct
Oot ootype
S. G shell gland
Ut Uterus
Ova egg
Vit vitellaria
t testes
C. d caudal disc
S. C caudal disc sucker
V. d Vas deferens
Va vagina
V. 0 vaginal opejping
S. r seminal reservoir
(t. Pätz'sche Buebdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.
Nachdruck verboten.
Ubersetzmigsrecht vorbehallen.
Zur Acanthocephalen-Faima Russisch Turkestaus.
a) Acanthocephalen der Sumpf- und Wasservögel.
Von
K. I. Skrjabin, Veteiinärarzt.
(Aus dem Zoologischen Museum der Universität Königsberg i. Pr.)
Mit Tafel 15-16 nnd 1 Abbildung im Text.
In vorliegender Arbeit mache ich den Versuch, die von mir
während eines mehrjährigen Aufenthalts in Russisch Turkestan
(Aulie-Ata, Syr-Darja-Gebiet) gesammelten Acanthocephalen zu
bearbeiten, und zwar beginne ich mit dem aus Sumpf- und Wasser-
vögeln stammenden Material, um später die Arten aus Raubvögeln
folgen zu lassen.
Unsere Kenntnisse der Acanthocephalenfauna Turkestans sind
bisher sehr dürftig, v. Linstow hat in der Bearbeitung der Fed-
scHENKo'schen Reiseausbeute folgende Arten angegeben: Echino-
rhynchus gigas Goeze aus Sus scrofa fera, Ech. plicatus Linst, aus
Emheriza caniceps, Turdus merida, Saxicöla oenantkc, Petraea cyanea
und endlich E. acanthotrias Linst, aus Ästur palumbarius. Diebeiden
letzten Arten werden, wie es leider mit den v. LiNSTow'schen Arten
häufig der Fall ist, wohl für immer undeutbar bleiben, da die Be-
schreibungen ungenügend und die Typen verloren sind. Aus meiner
Ausbeute sind bereits von Solowiow (7) zwei neue Acantho-
cephalen beschrieben worden und zwar Centrorhynckus leguminosus
aus Corvus fnujilegns und CentrorInjncJms hipartiius aus Cormis corone.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 27
404 K. I. Skrjabin,
Die naclistehend erwähnten und beschriebenen Arten stammen
aus folgenden Sumpf- und Wasservögeln: Attas hoschas domestica,
Anas hoschas, Fidigida rufina, Vanellus cristatus, Ardea cinerea.
1. Genus. Polijniorphiis Luhe.
In seiner Bearbeitung der Acanthocephalen in der „Süsswasser-
fauna Deutschlands" (6) hat Luhe die Sammelgruppe der alten
Autoren, Echinorhynchus polymorplms, in die 2 Gattungen Pohjmorphus
Luhe und FüicoUis Luhe zerlegt, wobei in der 1. Gattung nur Poly-
morphus minutus (Goeze) als sichere Art verblieb. Mir ist es mög-
lich, 2 weitere Arten bekannt zu geben.
1. Fohpnorplius minutus (Goeze).
In einigen Exemplaren im Darm von Anas hoschas domestica L.
2. Poltjrnof'phus niaf/niis )i. sjy.
Ich fand die Art im Darm einiger Exemplare von Fidigida
rufina (L.) und zwar stets in einer größeren Anzahl, von 200 bis
300 Stück. Sie hielten sich mit Ausnahme des Duodenums im ganzen
Darmtmctus auf. Während Pohjmorphus minutus bei seinem Wirt
in der Darmwandung so starke Veränderungen hervorruft, daß man
die Anheftungsstellen als Knötchen sogar an der Serosa erkennen
kann, war bei unserer Art, trotz der bedeutenderen Größe, nichts
ähnliches zu bemerken. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß
die Muskelschichten im Darm von Fuligida rufina bedeutend stärker
entwickelt sind als bei Anas hoschas.
Die Parasiten waren im lebenden Zustande auffallend orange-
gelb gefärbt, während der ßüssel bleicher erschien.
Der vordere Abschnitt (Rüssel und Hals) des langgestreckten,
im Querschnitt runden Körpers ist nach vorn verjüngt, geht ziemlich
unvermittelt in den mittleren, breitesten Körperabschnitt über, der
seinerseits durch eine scharf ausgeprägte Einschnürung von dem
hinteren schmalen und abgerundeten Körperabschnitt abgesetzt ist.
Bei einigen Exemplaren ist das Schwanzende durch eine nochmalige
Einschnürung ausgezeichnet.
Das Männchen, obwohl, wie bei den Acanthocephalen die Regel,
kleiner als das Weibchen, erreicht trotzdem 6 — 11 mm Länge, das
Weibchen dagegen wird 13 — 16 mm lang. Die Breite des Männ-
chens an der breitesten Körperstelle beträgt 1,5 — 1,8 mm, die des
Weibchens 2,5 — 3 mm.
Zur Acantliocoplialen-Fauna Russisch Turkestans. 405
Der Rüssel ist wie bei P. minutus in der Mehrzahl der Fälle
mit 16 Längsreihen von Haken besetzt, deren Form und Lage sich
niclit von den Verhältnissen bei P. minutus unterscheidet. In jeder
Läng-sreihe linden sich 7—9 Einzelhaken. Die Zahl der Haken-
längsreihen ist auch bei dieser Art gewissen Schwankungen unter-
worfen, wie es von Luhe zuerst bei AccmtJwcephalus ranae (Schrank)
nachgewiesen wurde. So fand ich bei einigen Exemplaren 14 Reihen,
bei anderen 18 (vgl. die Tabelle).
Exemplar No. 1 No. 2 No. 3 No. 4 No. 5 No. 6 No. 7 No. 8
Längsreihen 16 16 16 18 16 16 16 14
Zahl der Haken in
jeder Längsreihe 87887797
Die Haken sind von zweierlei Gestalt und Größe; die vorderen
4 Reihen bestehen aus größeren Haken mit ziemlich langem rück-
laufendem Wurzelast, der länger als der freie Teil ist. Die Maße
schwanken: der Wurzelteil ist 0,0555—0,0666 mm lang und 0,0128 mm
breit, das freie zurückgekrümmte Ende 0,0518—0,0592 mm lang und
0,0111 mm an der Basis breit. Die 4 hinteren Querreihen bestehen
aus kleineren Haken mit kaum sichtbarem Wurzelteil. Die kleinsten
Häkchen befinden sich in der letzten Reihe, wo ihre Länge 0,037 mm
beträgt. Durch die Haken unterscheidet sich unsere Art von Foly-
morphus minutus, bei dem der Wurzelteil der vorderen Haken dem
freien Teil entweder gleich oder sogar kürzer als dieser ist.
Die Gesamtlänge des Rüssels beträgt im Mittel 0,6 mm, die
Breite 0,4 mm. Die Rüsselscheide inseriert an dem hinteren Rande
des Rüssels und ist 1,615 mm lang, 0,17 mm breit.
Der vordere Teil des Körpers ist fein bestachelt.
Die Hoden, die schräg hintereinander unmittelbar hinter der
Rüsselscheide liegen, sowie der Kittdrüsen apparat unterscheiden sich
in nichts von den Verhältnissen bei Polijmorphus minutus.
Die Eier sind spindelförmig, kleiner als bei P. minutus, mit
3 Hüllen versehen, deren mittlere wie dort sich nach den Polen zu
verschmälert. Länge des Eies 0,07 — 0,077 mm , Breite 0,015 bis
0,0185 mm.
Bei einigen Exemplaren ist das Lacunarsystem deutlich zu er-
kennen (Fig. 4), das aus einem Netzwerk miteinander anastomo-
sierender Gefäße besteht, die in die 2 latei-al und symmetrisch ge-
legenen Hauptstämme einmünden.
27*
406 K. I. Skrjabin,
Beim Vergleich unserer Art mit P. minutiis finden wir folgende
Unterschiede :
1. Unsere Art ist bedeutend größer als P. minutus, wobei der
Sexualdimorphismus schwächer ausgeprägt ist.
2. Das Verhältnis des freien Hakenteils zum Basalteil ist bei
unserer Art umgekehrt wie bei P minutus.
3. Die Größe der Häkchen ist bei P magnus geringer als bei
P. minutus.
4. Die Eier sind bei unserer Art bei fast gleicher Breite be-
deutend kleiner als die von P. minutus.
3. Polyniovplius corynoides n. sp.
Im Darm einer am 12./4. 1911 erlegten Anas hoschas L. fand
ich in der Nähe der Einmündungsstelle des Blinddarms dichtgedrängt
nebeneinander sitzend ca. 200 Exemplare dieser Art, die in situ
außerordentlich an einen Holostomiden erinnert (Fig. 3), Mit ihrem
an einem langen Halse sitzenden Rüssel saßen die Parasiten tief in
der Darm wand fest, so daß beim Versuch, sie abzutrennen, der
Rüssel fast stets abriß. Es ist bemerkenswert, daß die Parasiten
nicht allein mit ihrem Rüssel in der Darmwand saßen, sondern es
war außerdem der ganze vordere aufgetriebene, mit Stacheln be-
waffnete Körperteil in die Darmwandung eingesenkt, so daß bei der
Entfernung des Schmarotzers die Darmwand mit zahlreichen Ver-
tiefungen von recht beträchtlichem Durchmesser versehen war.
Ihrem Habitus nach — durch den ventral gekrümmten Körper
und den unter einem bestimmten Winkel vom Körper abgehenden
Rüssel (Fig. 7j — erinnerten die Exemplare sehr an Vertreter der
Gattung Corynosoma Luhe (unser Artname soll auf die Ähnlichkeit
hinweisen), durch den Bau des Rüssels und der Haken, durch die
Abwesenheit von Stacheln auf dem hinteren Körperabschnitt (Fig. 6)
und in erster Linie durch den Bau der Eier zeigte sich jedoch die
Art zur Gattung Polymorphus gehörig, in der sie eine besondere
Stellung einnehmen muß. Der Kittdrüsenapparat, der bei Corynosoma
und Polymorphus verschieden gebaut ist, läßt hier im Stich, da er
bei unserer Art sehr stark variiert. Vielleicht wird die Art einmal
bei der weiteren Ausgestaltung der Acanthocephalensystematik in
einer eigenen Gattung, zwischen Polymorphus und Corynosoma, unter-
gebracht werden, augenblicklich fehlen hierfür die nötigen Grund-
lasfen.
Zur Acanthocephalen-Fauna Russisch Turkestans. 407
Am Körper des Parasiten unterscheiden wir den langen Halsteil
mit dem Küssel (Fig. 6) und den stark aufgetriebenen Vorderteil,
der voui liinteren durch eiue sclnvache Einschnürung getrennt ist.
Männchen wie Weibchen unterscheiden sich nicht durch verschiedene
(^niße, wie bei anderen l^oljjniorp/ms-Xrte'n. Die Länge beträgt bei
Exemplaren mit eingezogenem Rüssel 1,2 — 2,0 mm, bei dem einzigen
vorhandenen Exemplar mit ausgestrecktem Rüssel 3 mm. Die Breite
schwankt von 0,4—0,7 mm. Die Einstülpung des Rüssels geht häufig
vom Basalteil des Halses aus, so daß die Rüsselspitze aus der Ver-
tiefung hervorschaut (Fig. 7j.
Der Rüssel ist mit 10 Hakenlängsreihen versehen, in denen je
10—12 Haken von zweierlei Gestalt sitzen, die vorderen größer mit
rücklaufendem Wurzelast (Maße des freien Teiles 0,052-0,055 mm,
des Wurzelteiles 0,058—0,06 mm), die hinteren kleiner, mit einem
kleinen Wurzelteil (Ausmaße des freien Teiles 0,04 mm, des Wurzel-
teiles von 0,02 — 0,03 mm). Durch die Form der Haken steht also
Folijmorpkus corynoides ziemlich nahe dem P. magnus. Die Rüssel-
scheide inseriert am hinteren Teil des Rüssels.
Die unregelmäßig oval gestalteten Hoden liegen nicht wie bei
F. nünutus und magnus hinter der Rüsselscheide, sondern lateral
von ihr und zwar schräg hintereinander, wobei der vordere bei allen
untersuchten Exemplaren kleiner als der hintere war.
Der Kittdrüsenapparat variiert, wie ich schon oben bemerkte,
bei den einzelnen Exemplaren in hohem Maße und leitet von dem
schlauchförmigen Typus der Gattung Polymorphus Luhe zu dem
birnförmigen der Gattung Corynosoma Luhe über. Bei einigen
Stücken waren die Drüsen der Längsachse des Körpers gleich-
gerichtet, wie es für Polymorphus typisch ist, bei anderen dagegen
bogenförmig gekrümmt. Bei einigen Männchen war die sogenannte
Bursa als muskulöses, glockenförmiges Gebilde am Hinterende des
Körpers vorgestülpt (Fig. 6).
Die Eilänge beträgt 0,0888-0,0962 mm, die Breite 0,0148 mm.
Die Eier besitzen wie bei den übrigen Arten 3 Hüllen (Fig. 11),
wobei sie sich von den Eiern der Arten P. minutus und P. magnus
durch schwächere Verschmälerung der Polfortsätze unterschieden.
Die Art steht also auch nach dem Bau der Eier zwischen Polymorphus
und Corynosoma.
Zur größeren Anschaulichkeit gebe ich im nachstehenden eine
tabellarische Übersicht aller 3 Arten der Gattung Polymorphus.
408
K. I. Skrjabin,
Die Maße sind in Millimetern angegeben.
Name
P. minidus
P. maynus
P corynoides
Untersucher
GOEZE
Skrjabin
Skrjabin
Jahr
1782
1913
1913
Wirt
Oidemia fusca, Gallinula
chloropus, Nyroca fuHr/ula,
N. ferina, Anas boschas,
A. b. dorn., Brenta bernicla,
Cytjnus c. domesticus, Anas
Nyroca marila , Rallus
aquaficus, Squatarola squa-
tarola, ? Lariis fuscus
FtiUgula rufina
Anas boschas
Lauge des Männchen
3
6—11
1 1,2—2—3
Länge des Weibchen
10
13—16
Hakeulängsreiheu
16
14—16-18
10
Hakenquerreihen
7-10
7—9
10—12
Endteil der vorderen
0,075
0,0518—0,059
0,052-0,055
Haken
Wurzelteil derselben
0,065
0,0555-0,0666
0,058-0,06
Haken
Eilänge
0,091—0,11
0,056—0.077
0,089—0,096
Eibreite
0,0182-0,019
0,015-0,0185
0,0148
Verbreitung
Europa, Turkestan
Russisch
Purkestau
Fig. A.
4. Polyniorphiis S2).
2 Larvenformen einer anscheinend
ur Gattung- Polymorphus gehörigen
Art fand ich im Dünndarm eines
Vanellus cristatus L. Da geschlechts-
reife Individuen fehlen, kann ich
über die Artzugehörigkeit leider
nichts aussagen. Bei den beiden
Exemplaren war der Rüssel nur un-
vollständig aus der Rüsselscheide
vorgestülpt (s. Fig. A). Er ist sehr
schmal, mit 15—16 Hakenlängs-
reihen versehen, von denen jede
9 — 10 Haken enthält. In der Form
und Größe (Endteil der vorderen
Haken 0,04—0,059 mm lang, Wurzel-
teil derselben 0,055—0,06 mm) er-
innerte die Art sehr an Polymorphus
magnus n. sp.
Zur Acanthocephalen-Fatina Russisch Tnrkestans. 409
IL Gen. Caitror/iijnc/ui.s Luhe.
Diese Gattung war bislier nur aus Raubvögeln (Luhe) und aus
Rabenvögeln (Solowiow) bekannt. Bei näherer Untersuchung erwies
es sich indessen, daß die von mir im Darm von Vanellus cristatus
gefundenen Exemplare einer Acanthocephalenart zur Gattung Cen-
trorhynclms gehören und mit der Art identisch sind, die de Marval
in seiner Monographie (1) als Echinor/iynchus lancea Westeumb be-
schreibt. Bisher war diese Art noch nicht in einer modernen Gattung
untergebracht worden, sondern stand in der Sammelgattung Ecliino-
rJnjnchus. Obwohl Westrumb in seiner Originalbeschreibung selbst
angibt, daß seine Art mit Echinorhynchns vanelli Gmelin 1791
identisch ist, können wir diesen letzteren Namen nicht für E. lancea
eintreten lassen, da wir nicht wissen, ob die von Westrumb ange-
gebene Synonj'mie auch wirklich richtig ist.
5. Centroi'hyneliiis lancea (Westrumb) 1821.
Nach der Literatur kommt die Art außer in Vanellus cristatus
L. , in der ich sie einmal fand, auch in Vanellus capella Schaeff.,
Charadrius pluvialis L., Pavoncella pugnax L., Himantopus himatopus
L., H. plinii Ger., Eudromias morinelli L., Aegialiies cantianus Lath.,
Oedicnemus oedicnemus Temm., Cuctilus canorus L. vor.
Der Körper ist von spindelförmiger, schlanker Gestalt, gekrümmt,
nach vorn und hinten verjüngt und an den Enden abgerundet
(Fig. 9). Die Länge des einzigen männlichen Exemplars beträgt
6,3 mm, die Weibchen sind dagegen bedeutend größer und messen
12 — 20 mm. Der Rüssel trägt 30 Hakenlängsreihen mit 11 — 14
Haken in jeder Reihe. De Marval gibt die Zahl der „crochets" in
der Längsreihe zu 7—8 an, da er die hinteren kleineren Haken im
Gegensatz zu den „crochets" als „aiguillons" bezeichnet, die nach
ihm auch in der Zahl von 7 — 8 vorkommen sollen, womit die für
unsere Ait gültige Zahl gegeben ist.
In ihren Hauptmerkmalen stimmen meine Exemplare vollständig
mit der Beschreibung de Marval's überein, so daß ich im nach-
stehenden mich auf die Erwähnung dessen beschränke, was von
anderen Autoren noch nicht erwähnt worden ist.
In der Literatur finden sich nicht Angaben über die Insertion
der Rüsselscheide. Die Untersuchung ergab, daß diese nicht am
Rüsselende, sondern in der Mitte des Rüssels inseriert, daß also die
Art zur Gattung Centrorhynchus gehört. Ein weiteres, bisher unbe-
410 K. I. Skrjabin,
kanntes Merkmal liegt in der Form des Wurzelteils der Haken.
In den vorderen Reihen besitzen die Haken einen kräftigen rück-
laufenden Wurzelast, weiter nach hinten jedoch werden die Haken
immer kleiner, und der Wurzelteil nimmt ebenfalls an Größe ab,
wobei er auch seine P'orm verändert: indem der Hakenteil von der
Mitte des Wurzelteils abgeht, erhalten wir einen unteren rücklaufenden
und einen oberen aufsteigenden Wurzelast, die letzten Reihen da-
gegen besitzen nur einen aufsteigenden Wurzelast. Diese Eigentüm-
lichkeit ist bisher nur von einigen Acanthocephalenarten bekannt
(FomphorhyncJms Mont. und Echinorhijnchus plagicephalus Weste.).
De Makval hat bei seinen Untersuchungen diese Verhältnisse nicht
bemerkt, da er angibt, daß seine „aiguillons" „sans racines" wären
(p. 297).
Die Eier sind nach meinen Messungen 0,0444—0,0518 mm lang
und 0,0185 — 0,0222 mm, von 3 konzentrischen Hüllen umgeben und
entsprechen in ihrer Form und ihrer geringen Größe vollständig
den Verhältnissen bei der Gattung Centrorhijnchus Luhe.
In folgenden Merkmalen weicht die Art von der Gattungs-
diagnose ab:
1. die Hoden liegen fast in der Mitte der Körperlänge;
2. die Kittdrüsen sind dementsprechend nicht so langgestreckt
wie bei der typischen Art.
Ich betrachte diese Abweichungen jedoch nur als Arteigenheiten,
denen keine generische Bedeutung zukommt.
III. Gen, Gigantorhifnchus Hamann 1895.
Diese Gattung, ursprünglich von Hamann für die 3 Arten
Echinorhynchus taenioides Diesing, E. spira Dies., E. echinocUscus
Dies, aufgestellt, wurde späterhin durch das Einbeziehen einer
weiteren Zahl von Formen erweitert, zu denen sogar EcJdnorhynchus
gigas Goeze gehörte (v. Linstow, 1897). Bis heute ist jedoch von
niemand eine Revision der unter GigantorJnjnchus aufgeführten Formen
versucht worden, ebenso wie es uns noch an einer genauen Gattungs-
diagnose fehlt. Luhe hat in einer Arbeit (5) als Type der Gattung
EchinorJiynchus echinocUscus Dies, festgesetzt und uns gleichzeitig eine
Revision der Gattung in Aussicht gestellt, wobei er bemerkt, daß
die Zugehörigkeit von E. spira Dies, und E. taenioides Dies, zu
Gigantorhynchus zweifelhaft sei. In seiner neuesten xlrbeit (6) stellt
Luhe den Echinorhijnchus moniliformis Bremser in die Gattung und
Zur Acantbocephalen-Fauna Russisch Turkestaus. 411
weist auf einige ^[erkinale liin, die die Art mit anderen Giganto-
rliyncliiden gemeinsam liat, und zwar auf die Anwesenheit von
8 Kittdrüsen, auf die wurstförmigen, im hinteren Körperabschnitt
gelegenen Hoden, wozu noch die von Hamann angegebenen Merk-
male kommen: ventrale Lage des Hirnganglions, Bau der Rüssel-
scheide und endlich die deutliche Kingelung des Körpers, die sich
jedoch nur auf die Oberfläche beschränkt und nicht die inneren
Organe berührt. Wenn wir diese Merkmale in ihrer Gesamtheit in
Betracht ziehen, so müssen wir zu dem Schluß kommen, daß die
Mehrzahl der zu Gujaniorhynchus gezogenen Arten aus dieser Gattung
zu entfernen sind und daß augenblicklich nur 2 Arten nachbleiben:
Giga)itorJ/i/}icJii(s echinodiscus Dies, und G. moniliformis Brems. Ob
noch andere Arten in die Gattung gehören, wird die Revision zeigen,
die wir wohl bald von Luhe erwarten dürfen.
6. Gif/antorhi/HcJiiis envpodius n. sp.
Ich besitze von dieser neuen, nach allen Merkmalen zur Gattung
Gigantorhijnchus gehörenden Axt nur 1 Exemplar, und zwar 1 Männchen,
aus dem Darm von Anlea cinerea L.
Die Länge des Exemplars beträgt ca. 30 mm, die Breite 1,3 mm.
Das Vorderende ist etwas verjüngt, das vorderste Ende ungeringelt
(Fig. 14). Der Rüssel ist leider nicht ganz ausgestülpt, glücklicher-
w^eise sieht aber das Rüsselende hervor, und man kann erkennen,
daß in der vorderen Hakenreihe die für G. echinodiscus charakte-
ristischen mächtig entwickelten Haken fehlen. Durch den vorderen
durchsichtigen, mit feinen Stacheln besetzten Körperabschnitt
schimmert der tiefer liegende Teil des Rüssels nach außen und
erlaubt die 14 Hakenlängsreihen zu erkennen.
In jeder Reihe sitzen nicht weniger als 5 — 6 Haken, es ist
jedoch nicht möglich, ihre genaue Zahl festzustellen, da die hintersten
durch mächtige Muskelmassen verdeckt werden. Alle zur Beobachtung
kommenden Haken sind von gleicher Größe und Form, mit einem
stark entwickelten rücklaufenden Wurzelteil, der größer ist als der
freie, schwach entwickelte Teil. Die Ausmaße des freien Hakenteiles
betragen 0.022 mm, die des Wurzelteiles 0.032 mm. Die Lage des
Hirnganglions entspricht ganz den Verhältnissen bei Gigantorlujnclms.
Die Hoden sind von länglich-ovalei-, unregelmäßiger Gestalt und
liegen im hinteren Körperdrittel in der Medianlinie unmittelbar
hintereinander. Durch die Lage seiner Hoden unterscheidet sich
unsere Art von G. moniliformis, bei dem die Hoden voneinander
412 K. I. Skrjabin,
durch einen beträchtlichen Zwischenraum getrennt sind. Bei G.
eckinodiscus dagfegen, von dem ich Dank der Liebenswürdigkeit des
Herrn Prof. Luhe einige Präparate vergleichen konnte, schiebt sich
das vordere Ende des hinteren Hodens vor das hintere Ende des
vorderen, wie schon Luhe in seiner Beschreibung der Art bemerkt (6).
Die 8 Kittdrüsen unserer Art haben bohnenförmige Gestalt und
unterscheiden sich dadurch von G. echmodiscus, bei dem die Drüsen
eine rundlich-ovale Form haben.
Leider kann ich wegen des Fehlens eines Weibchens nichts über
die Eier sagen, auch kann ich auf Grund des geringen Materials
nichts w^eiter zu der kurzen Beschreibung hinzufügen, ich glaube
aber, daß die angeführten Merkmale genügen werden, um die Art-
rechte und die Gattungszugehörigkeit meiner Form zu begründen.
Die Aufzählung und Beschreibung der obenstehenden 6 Arten
erschöpft mein Material an turkestanischen Acanthocephalen aus
Wasser- und Sumpfvögeln. Leider sind die Exemplare aus Mergus
merganser , Totanus glareola und FuligtUa nyroca während des
schwierigen Transports meiner Sammlung aus Aulie-Ata nach
Petersburg zugrunde gegangen.
Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheimrat
Prof. Dr. Braun für das fortwährende Interesse an meinen Arbeiten
und liebenswürdige Unterstützung sowie Herrn Prof. Dr. Luhe für
weitgehende Mitteilungen aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen
meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Ganz besonders verbunden
bin ich Herrn Dr. Dampf für die freundlichst besorgte Übersetzung
des russischen Manuskripts.
Königsberg i. Pr., April 1913.
Zur Acanthocephalen-Fauna Russisch Turkestans. 413
Literaturverzeichnis.
1. DE MaevaIj , Monographie des acanthocephales d'oiseaux, in: Rev.
Suisse Zool., Vol. 13, 1905, Geneve.
2. Hamann, 0., Die Nemathelminthen. Beiträge zur Kenntnis ihrer
Entwicklung, ihres Baues und ihrer Lebensgeschichte, Hft. 1,
1891; Hft. 2, 1895, Jena.
3. Kaiser, Johannes, Die Acanthocephalen und ihre Entwicklung, in:
Biblioth. zool., Hft. 7, 1891 — 1893.
4. V. LiNSTOW, Nematoden, Trematoden und Acanthocephalen, ge-
sammelt von Prof. Fedtschenko in Turkestan, in: Arch. Naturg.,
Jg. 1883, Bd. 1.
5. LUHE, M., Geschichte und Ergebnisse der Echinorhynchen-Forschung
bis auf Westrumb (1821), in: Zool. Ann., 1904.
6. — , Acanthocephalen, in: Die Süßwasserfauna Deutschlands, hrsgeg.
von Bkaüer, Hft. 16, Jena 1911.
7. SOLOWIOW. P. , Vers parasitaires des oiseaux du Turkestan (avec
15 fig. dans le texte), in: Ann. Mus. zool. Acad. Sc. St. Peters-
bourg, Vol. 17, 1912 (Russisch).
8. AVestrumb, De helminthis acanthocephalis, Hannoverae 1821.
414 K. I. Skrjabin, Zur Acanthoceplialen-Fauna Kussisch Turkestans.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel 15.
Fig. 1. Polymorphus magnus n. sp. im Darm von FuUgula riifma L.
in situ. 1:1.
Fig. 2. Ccntrorhyndms lancea "Weste, im Darm von Vanellus
cristaius L, in situ. 1:1.
Fig. 3. Polymorplnis corynoides n. sp. im Darm von Anas boschas L.
in situ. 1:1.
Fig. 4. Polymorphus magmis n. sp., Lacunensystem des Weibchens.
18 : 1.
Fig. 5. Polymor])Jms magnus ». sp., Rüssel eines Weibchens mit
18 Hakenlängsreihen. 120:1.
Fig. 6. Polymorplms corynoides n. sp., Habitusbild des Männchens.
79 : 1.
Tafel 16.
Fig. 7. Pobpnorphus corynoides n. sp., ßüssel eines nicht geschlechts-
reifen Exemplars aus Anas boschas. 175 : 1.
Fig. 8. Centrorhynchus lancea Westr., Ptüssel eines Männchens aus
Vauellus crisiatus. 175 : 1.
Fig. 9. Centrorhynchus lancea Westr., Habitusbild eines Männchens
aus Vanelhis cristaius. 23 : 1.
Fig. 10. Polymorphus m.agnus n. sp.. Ei. 995 : 1.
Fig. 11. Polymorphus corynoides n. sp., Ei. 995:1.
Fig. 12. Coitrorhynchus lancea Westr., Ei. 995 : 1.
Fig. 13. Gigantorhynchus empodius w. sp. aus Ardea cinerea, Yorder-
ende des Männchens. 135 : 1.
Fig. 14. Gigantorhynchus emjwdius n. sp. aus Ardea cinerea, Habitus-
bild des Männchens. 9:1.
Zooloii. JahrhüAer Bd. 3j AbtX Syst
Tat: 13.
P Weise liih.,Jena
iJahrbüAer Bd.35 AbLf. Syst
Skriafem
Verlag'»" '^'"'""''ä*"ta Jena.
i» Weise. Iit>i., Jena.
Zoolog. JaÄrbücher Bd.3B. Abt f. Syst.
Taf.15.
G Burdach del.
Skrjabr
Verlag von Gustav Fischer in Jena .
J>.'Weise..Lxth.,Jenob.
Zoolog. Jahrbücher Bd.3S Abtf. Syst.
Taf.W.
Skrjai:
FMtise..lMh-,Jtna.
Nachdnick verboten.
Z^bersetzungsrecht vorbehalten.
Copulation und Spermatophoren von Grylliden und
Locustiden.
I.
Von
Prof. Dr. ririch Gerhardt, Breslau.
Mit Tafel 17—18 nnd 22 Abbildungen im Text.
Es kann wolil kaum zweifelhaft sein, daß die beiden Orthopteren-
familien der Locustiden nnd Grylliden eine so große Menge
morphologischer Übereinstimmungen aufweisen, daß man sie als zwei
sehr nah miteinander verwandte Formkreise ansehen muß. Die
Lage des Stridulationsorgans, der Hörorgane und endlich die von
Brunner (10) so eingehend studierte Übereinstimmung des Abdo-
minalendes in beiden Geschlechtern stellt beide Familien sogar so
nah zueinander, daß es des unterscheidenden Merkmales, der 3- oder
4-gliedrigen Tarsen, bedarf, um mit Sicherheit eine Form, be-
sonders eine ungeÜügelte, als Gryllide oder Locustide zu erkennen.
Brunner (13) weist darauf hin, daß für die Locustidenfamilie der
Stenopehnatidae eine ganze Anzahl von Autoren eine Zugehörigkeit
zu den Grylliden beansprucht habe.
Nun zeigen, worauf gleichfalls Brunner (13) hinweist, Grylliden-
und Locustidenformen große Konvergenzäiinlichkeiten, so daß grabende
Formen, wie Grijllotalpa, ihr Analogon auch unter den Locustiden
finden können (Stenopelmatus).
Übereinstimmungen sind also in Menge da, nur fragt es sich,
416 Ulrich Gerhardt,
ob wir die Locustiden oder die Gry lüden als die primitiveren, phylo-
genetisch älteren Formen zu betrachten haben. Brunner sieht die
Grylliden als sekundär veränderte Locustidenabkömmlinge an. „Der
erste Gryllode ist unzweifelhaft aus einem Locustiden entstanden,
aber die Stenopelmatiden stammen nicht von diesem Grylloden ab,
sondern sind — wenn man sich so ausdrücken darf — ein zweiter
Versuch der Locustodeen in der Richtung der Gryllodeen." Neben
dieser Auffassung können noch zwei andere als möglich geäußert
werden. Einmal könnte man auch umgekehrt die Grylliden als von
den Locustiden abgeleitete Formen betrachten. Dagegen spricht
aber die reduzierte Tarsenzahl der Grylliden, die wohl zweifellos
einen sekundär erworbenen Charakter darstellt. Außerdem aber
kann eine dritte Auffassung dahin geäußert werden, daß Grylliden
wie Locustiden von einer gemeinsamen Vorfahrenfamilie abstammten,
die eine Vereinigung der Charaktere von Grylliden und Locustiden
darstellte. Die Grylliden stellen im allgemeinen sicher keinen
höheren Entwicklungsgrad des Locustidenstammes dar, sondern, im
Gegenteil, sind die Locustiden in ihren entwickeisten Formen sicher-
lich zu einer weit höheren Stufe der Diffeienzierung gelangt.
In diesen Zeilen soll nun der Versuch gemacht werden, die phyle-
tische Bedeutung und Entwicklung eines biologischen Vor-
ganges bei Grylliden und Locustiden zu verfolgen, eines Vor-
ganges, der gerade bei diesen beiden Insectenfamilien eine große
Einheitlichkeit des Verlaufes trotz mannigfacher Abweichungen im
einzelnen angenommen hat, des ßegattungsvorganges.
Die erste Anregung zu meinen Studien in dieser Richtung gab
mir ein Aufenthalt in Rovigno im Jahre lyOO, bei dem ich zum
ersten Male in großer Anzahl Weibchen von Fhaneroptera quadri-
punctata und außerdem noch ein Weibchen von Dedicus albifrons
mit Spermatophoren fand. Im Jahre 1906 hielt ich mich zur
Ausführung biologischer Orthopterenstudien während der Monate
September und Oktober in Bosnien und der Herzegowina auf, und
dieser Expedition verdanke ich mein erstes konserviertes Mateiial
an Locustidensperraatophoren, und zwar von der Phaneropteride
Tylopsis lüiifolia. Die Reise wurde ausgeführt mit Hilfe eines Reise-
stipendiums aus der Gräfin BosE-Stifiung in Höhe von 15U0 Mark,
das ich von dem Kuratorium dieser Stiftung in Berlin gütigst zu-
erteilt bekam. Es ist mir ein Bedürfnis, dem Kuratorium der Gräfin
BosE-Stiftung, insbesondere Herrn Geheimrat Prof. Dr. Oscae
HertwiGj der mein Gesuch in liebenswürdigster Weise unterstützt
Copulation \ind Spermatophoren von Gryllideu und Locustiden. 417
hat, an dieser Stelle meinen ehrerbietigsten, tiefstgefühlten Dank
auszusprechen. Die mir zur Verfügung gestellte Summe hat mir
nicht nur ermöulicht. diese Heise zu machen, sondern mir auch später
Ferienbeobachtungen innerhalb des Deutschen Reiches in den darauf-
folgenden Jahren, ferner die Anschaffung von Zuchtkästen usw.
gestattet. •
Vielleicht Avird es nicht unzweckmäßig sein, an diesem Ort
Einiges vorauszuschicken über die Erfahrungen, die ich über die
Methode biologischer Beobachtung an Insecten gewonnen habe. Ich
stand früher auf dem Standpunkt, daß ausschließlich die Beob-
achtung des Tieres im Freien anzuwenden sei und einwandfrei
zum Ziele führe. Bei biologischen Studien an Kreuzspinnen ^) war
es mir auf diese Weise gelungen, die Mehrzahl der Fi-agen, die ich
mir gestellt hatte, zu beantworten. So habe ich fiiiher mich auch
bemüht, alle Studien an Locustiden im Fielen anzustellen, und die
ersten Beobachtungen von Begattungen fanden auch wirklich im
Freien statt. Seit dem letzten Sommer aber verwende ich fast aus-
schließlich gefangene Tiere zu meinen Studien, und zwar vor allem
deshalb, weil einmal die Vorgänge bei der Begattung selbst im
Käfig oder Terrarium sich nicht anders als im Freien abspielen und
weil zweitens eine beträchtliche Zeitverschwendung vermieden wird.
Außerdem kann man in der Gefangenschaft die Bedingungen der
Außenwelt mannigfach modifizieren und hat so das Zustandekommen
der zu beobachtenden Vorgänge wenigstens einigermaßen in der Ge-
walt, während man im Freien von einer Menge von Zufälligkeiten
abhängig ist. Wenn so praktisch die Beobachtung gefangener Tiere
rascher zum Ziele führt und häufig auch genaueres Zusehen erlaubt,
so gewährt doch das Beobachten im Freien zweifellos, gerade weil
es schwieriger ist, eine größere persönliche Befriedigung nach er-
reichtem Erfolge, außerdem gewährt es in manchen Dingen doch
einen richtigeren Einblick als die Studien an« Gefangenen. Somit
erscheinen als Ergänzung der au Gefangenen gewonnenen Befunde
Beobachtungen im Freien doch wünschenswert.
Die Begattung der Locustiden und Grylliden weist in zwei
Hauptpunkten eine prinzipielle Übereinstimmung auf: das Männchen
befindet sich bei beiden während der Copulation unter dem \\'eib-
chen, und bei dieser wird eine post coitum äußerlich sichtbare
Spermatophore dem Weibchen in die ventral von der Legröhren-
1) In: Züol. Jahrb., Vol. 31, Syst., 1911, p. 643.
4,18 Ulrich Gerhardt,
Wurzel gelegene Begattungsöffnung eingebracht. Dieser Begattungs-
modus weicht, wie später zu erörtern sein wird, nicht nur von dem
anderer Orthopteren, sondern auch von dem anderer Insecten im i.
allgemeinen ab; er stellt in der Vereinigung der beiden erwähnten \
Charaktere einen Vorgang dar, der eine biologische Sonderstellung
einnimmt.
Wenn somit die Begattung beider Familien einen in sich ab-
geschlossenen einheitlichen Typus darstellt, so ist sie im einzelnen
doch einer Menge von Variationen fähig, die wir denn auch bei den
verhältnismäßig wenigen bis jetzt daraufhin untersuchten Formen
in reichem Maße verwirklicht finden.
Insbesondere ist ein Typus der Gryllidencopulation von einem
solchen der Locustidenbegattung zu unterscheiden, der mit der Aus-
stattung des männlichen Hinterleibsendes mit Haftorganen bei den
meisten Locustiden zusammenhängt. Ferner ist die Form der
Spermatophore bei Grylliden immer ganz anders als bei Locu-
stiden. — Es war nun mein Bestreben, einerseits verschiedene Ab-
wandlungen dieser beiden Typen zu untersuchen und ganz besonders
durch das Studium von „Übergangsformen" — es handelte sich liier
um gryllidenähnliche Locustiden aus der Familie der Stenopelmatidae
— festzustellen, ob die beiden nach recht verschiedenen Richtungen
entwickelten Modi der Begattung der Grylliden und Locustiden
durch Zwischenstufen entweder voneinander abgeleitet oder doch
auf eine gemeinsame Ausgangsform zurückgeführt werden könnten.
Wenn ich es wage, das Wenige, was ich bisher an Resultaten
erreicht habe, bereits zu veröffentlichen, so soll das mit dem Hinweis
geschehen, daß ich mir der Unvollkommenheit meiner Befunde wohl
bewußt bin, daß ich aber doch glaube, zu einem gewissen vorläufigen
Abschluß gekommen zu sein.
Die Pause, die im Winter in der Beobachtung fast alles ein-
heimischen Insectenmaterials eintreten muß, hat auch dieses Jahr eine
Unterbrechung meiner Studien notwendig gemacht, die ich daher
erst in den Sommermonaten, nach Fertigstellung dieser Abhandlung,
wieder werde aufnehmen können.^) Doch verdanke ich gerade den
Monaten des letzten Winters Beobachtungen an gefangenen exoti-
schen Formen, deren Studium zum vorläufigen Abschluß dieser Be-
obachtungen notwendig war.
1) Die Beobachtungen an Grißlotalpa und Gnjllus dorne slicu.s wurden
erst im Frühjahr 1913 angestellt.
Copulation und Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden. 419
Die Literatur über unseren Gegenstand wiid im einzelnen
am besten bei der Besprechung der Befunde der einzelnen be-
obachteten Grylliden- und Locustidengruppen (Subfamilien und
Gattungen) zu erwähnen sein. Hier seien nur einige allgemeine Be-
merkungen vorausgeschickt.
Zunächst muß ich erwähnen, daß ich, als ich bereits diese
Studie abgeschlossen hatte und ans Schreiben ging, durch Herrn
Dr. Dampf in Königsberg die Mitteilung bekam, daß Herr Dr. B. Th.
BoLDYEEv in Moskau über das gleiche Thema arbeite. Ich habe mich
mit BoLDYHEV daraufhin in Verbindung gesetzt und erfahren, daß
er zum Teil die gleichen Objekte untersucht hat wie ich, ins-
besondere hat auch er die Copulation der Stenopelniatide Biestram-
mena untersucht. Auf diese von den meinen unabhängigen Studien
werde ich weiter unten einzugehen haben. In der deutschen
Literatur findet sich wenig über unseren Gegenstand, mehr in der
französischen, w^ohl auf Anregung der FABiiE'schen Schilderung der
Copulation von Decticus (16). Besser als die der Locustiden ist die
Copulation der allerdings sehr viel leichter zu beobachtenden Grillen
bekannt geworden.
BeobachtungsmateriaL
Begattungen wurden beobachtet von den Grylliden Lio-
gryllus campestris L.. Gryllus domesticus L., Nemobius sylvestris Fab.
und Gryllotalpa vulgaris L. ; von folgenden Locustiden: Decticidae:
Decticus verrucivorus L., Platycleis roeseli Hagenh., PI. grisea Fab.;
Phancropteridae: Phaneroptera falcata. Leptophyes punctatissima
Bosc : Stenopelynatidae: Diasirammena maromata de Haan.
Außerdem wurden, ohne daß die Copulation beobachtet werden
konnte. Sperma top hören vorgefunden und konserviert an Weib-
chen von Decticidae: Decticus alhifrons Fab., Thamnothrison cine-
reus L.. Locustidae: Locusta viridissima L., Phancropteridae:
Tylopsis liliifolia Fab.
Spermatophoreu wurden konserviert in Forraol ö^Iq, Alkohol 70"/o
und CARNOT'scher Flüssigkeit.
1. Copulation und Spermatophoreu von Oryllideu.
a) Echte Grylliden.
Die Copulation der Grylliden, und zwar der beiden der Be-
obachtung zugänglichsten Arten, der Haus- und Feldgrille, Liogryllus
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst,
28
420 Ulrich Gekhardt,
campestris L, und GryUus domestieus L., ist durch Frisch (19) und
durch RösEL von Rosenhof (80) in seinen „Tnsektenbehistigungen"
in den zunächst in die Augen fallenden Punkten bereits vortrefflich
geschildert worden. Außerdem hat Lespes (26) die Begattung von
Liogryllus campestris so eingehend beobachtet und analj^siert, daß
eigentlich für diese Species nur noch einige Ergänzungen zu geben
sind. Auch bei Fischer (18), Graber (20, 21) und Tümpel (33)
sind die Copulationsgewohnheiten der Feldgrille geschildert worden.
Neuerdings hat Baumgaetner (2) ') in seiner Arbeit über die
Copulation der Grylliden ander amerikanischen Feldgrille ^)
die LESPEs'schen Angaben nachgeprüft und erweitert, außerdem die
Copulation von Gryllus domestieus L. und Nemobius fasciatus be-
obachtet. Auf seine Befunde wird noch wiederholt näher einzu-
gehen sein.
Ich konnte an einem Feldgrillenpärchen, das ich im Sommer
1912 im Zoologischen Institut zu Breslau in meinem Arbeitszimmer
hielt, innerhalb weniger Wochen 48 Copulationen selbst beobachten
und außerdem noch häufig Spermatophoren in der Vulva des Weib-
chens vorfinden. Bedeutend weniger Begattungen konnte ich bei
Gryllus domestieus L. studieren. — Bei Nemobius sylvestris Fab.,
der kleinen unter Laub lebenden Waldgrille, habe ich nur 2 Copula-
tionen beobachtet, für die auf Sträuchern lebende Gattung Oecanthus
und zwar für eine amerikanische Art, liegen Beobachtungen von
Hankock (22) vor.
Betrachten wir zunächst den Copulationsmodus von Liogryllus
campestris. Ein Grillenpärchen, das einmal aneinander gewöhnt ist,
lebt in einer Art von Ehe, und es finden fast täglich wohl minde-
stens 2 Copulationen statt, aber auch 3 — 4. Das von mir in Ge-
fangenschaft gehaltene Paar wurde am 10. Juni 1912 in ein Ter-
rarium gesetzt, am nächsten Tage wurde durch Herrn Präparator
Pohl der erste Coitus beobachtet, ein zweiter am 12. Juni. Vom
13. ab habe ich dann fast täglich Begattungen gesehen. Außerhalb
der eigentlichen Zeiten der Copulationstätigkeit der Tiere braucht
man sie nicht zu beobachten, da jede Begattung durch Zirpen des
Männchens eingeleitet wird. Sehr häufig, aber durchaus nicht immer,
1) Die BAUMGARTNER'sche Arbeit, die in vielen Punkten dieselben
Ergänzungen der LESPES'scheu Beobachtungen an Liogryllus campestris
bietet wie meine Befunde, kam erst in meine Hände, als dieser Passus
über die GrylliJen schon geschrieben war.
2) Der lateinische Name der Art wird leider nicht angegeben.
Copulation und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 421
setzt sicli das i\rännchen vor das Loci), in dem das Weibchen weilt,
den Kopf ins Innere der Röhre gewandt, und zirpt lebhaft. Doch
kann diese Einleitung zur Ikgattung auch vom Bau entfernt vor
sich gehen. Hier sei die Bemerkung eingeschaltet, daß auch im
Freien an einem Loch, vor dem ein Männchen zirpt, regelmäßig ein
Weibchen sitzt, so daß Rösel's Annahme, die Männchen bewohnten
ihre eigenen Löcher, nicht zuzutretfen scheint. Auf diese Tatsache,
die ihm von früher her geläufig war, machte mich Herr Pohl auf-
merksam.
^^'enn das Weibchen nicht begattungsgeneigt ist, zirpt das Männ-
chen oft stundenlang. Bei einem aneinander gewöhnten Pärchen ist
aber das Zirpen vor der Begattung meist nur von kurzer Dauer.
W^enn das Weibchen sich dem Männchen nähert, stellt sich dieses,
worüber Lespes sein Erstaunen beim ersten Anblick äußert, mit dem
Hinterleibsende nach dem Kopf des Weibchens und beginnt mit
einem ganz eigenartigen, veränderten Modus des Zirpens, den
Fischer (18) bereits gehört und als „cantus mitior" bezeichnet
hat. Dies Zirpen, das höchste geschlechtliche Erregung und Be-
gattungsbereitschaft des Männchens ausdrückt, ist schwer zu be-
schreiben; zwischen scharfen, zwitschernden Zirptönen hört man ein
ununterbrochenes Schnurren, wie das einer ßepetieruhr, die zum
Schlagen ausholt. Während diese Geräusche hervorgebracht werden,
wobei die El3'tren wie beim gewöhnlichen Zirpen hochgehalten, aber
in etwas anderer Weise gegeneinander gerieben werden, führt das
Männchen ruckweise eigentümliche Stoßbewegungen mit dem ganzen
Körper nach rückwärts aus. Dabei nähert es seine Hinterleibsspitze
mehr und mehr dem Kopfe des Weibchens. Schließlich geht dieses
einen Schritt vor und beginnt den Rücken des Männches zu belecken
und zu benagen. Das Männchen schiebt sich nun weiter nach rück-
wärts, streckt dabei seinen Hinterleib auffallend in die Länge, legt
die Elj'tren flach an und führt mit dem weit in den Nacken ge-
legten Kopf krampfhafte Drehbewegungen nach rechts und links aus.
Diese Bewegungen beschreibt Rösel bei der Hausgrille: „Das durch
den Gesang herbeygelockte Weiblein gibt dem Männlein seine
Gegenwart durch seine lange Fühlhörner zu erkennen. Dieses tucket
sich hierauf nieder und bewillkommt jenes mit einem gestreckten
und sich von einer Seite zur anden drehenden Kopf. Das Weib-
chen besteiget hierauf, wie bei den Heuschrecken zu geschehen
pfleget, ihren angenehmen Sänger, und alsdann wird die Paarung,
in etlichen Minuten, ohne Gesang und ohne merkliche Bewegung
28*
422 Ulrich Gerhardt,
vollbracht." Lespes schildert die Auslösung der Begattuugsstellung*
beim Männchen durch das Nagen des Weibchens auf dessen Rücken,
jedoch nicht diese Kopfbewegungen.
Herr Kollege Zimmer und ich haben häufig an unseren Ge-
fangenen festgestellt, daß beim Männchen, sowie es zu der zweiten
Art des Zirpens übergegangen ist, durch eine leichte Berührung der
Dorsalfläche seines Abdomens jedesmal der besprochene Komplex von
Bewegungen ausgelöst werden konnte, der sonst durch das Weibchen
hervorgerufen wird, das auf dem Rücken herumnagt. Dieses Beißen
und Lecken der weiblichen Tiere auf dem Rücken des Männchens
spielt nicht nur bei Gr^-lliden, sondern auch bei Locustiden eine
große Rolle, es braucht aber nicht als Einleitung zur Begattung
ausgeübt zu werden, obgleich das der viel häufigere Fall ist. Übrigens
genügt auch das zufällige Hinweglaufen eines Weibchens über
ein sexuell erregtes Männchen, um alsbald die Begattungsbewegungen
hervorzurufen.
Baumgartner (2) betont, daß das Benagen durch das Weibchen
(the caressing by the female) nicht notwendig der Begattung voran-
gehen muß, sondern daß das Weibchen sich oft während des ganzen
Aktes kaum beim Fressen stören lasse. Ich sah einmal ein Weib-
chen während der ganzen Copulation eine vertrocknete Erbse im
Maul halten. Wenn aber Baumgartner sah, daß in solchen Fällen
das Weibchen dem Männchen nur eben erlaubte, unter seinen Leib zu
kriechen, so muß ich sagen, daß ich solch große Passivität des
Weibchens bei der europäischen Feldgrille nie beobachtet habe.
Vielmehr sah ich immer, daß wenn das Männchen sich streckt und
nach rückwärts gleitet, das Weibchen einen Schritt aktiv vorgeht.
Das Männchen schiebt sich nun vollends unter das Weibchen, das
also nicht, wie Tümpel (33) und auch Graber (20) angibt, eine rein
passive Rolle dabei spielte. Nun streckt sich der männliche Hinter-
leib noch bedeutend mehr, und seine dorsal aufgebogene Spitze greift
an die weibliche Geschlechtsötfnung, die an der Ventralfläche der
Legröhren Wurzel zwischen 8. und 9. Segment liegt.
Das was nun zunächst bei der Beobachtung der Begattung
auffällt und von allen Beobachtern auch beschrieben worden ist, ist
das Austreten einer Spermatop höre aus der männlichen Ge-
schlechtsölfnung.
RösEL (30) schreibt von der Hausgrille: „Indem sie (die Be-
gattung) aber vor sich gehet, so kann man sehen, daß dem Weiblein
an dem Legstachel, gegen dem Leib zu, von dem Männlein ein
Copiilalidii und Sporiiiatophoren von Gry lüden uud Locustiden. 423
Tröpflein, so einem liellen und kleinen Sandkörnlein gleichet, an-
gehängt werde, welches jenes, nach geraumer Zeit, endlich in den Leib
hineinziehet'' und von der Feldgrille: „...so gehet die Paarung
auf eben die Weise wie bey den Hausgrillen vor sich ; das Tropf lein
aber, so dem Weiblein von dem Männlein angehänget wird, und
welches, ob es gleich einem Hirschkorn gleichet, doch viel kleiner
ist, traget dasselbe einige Stunden mit sich herum, ehe es solches
in den Leib ziehet."
Man sieht bei der Beobachtung der Copulation zunächst, daß
das Männchen seine Hinterleibsspitze mit gewissermaßen suchenden
Bewegungen heftig nach oben gegen die des Weibchens drückt.
Dabei können die beiden fadenförmigen Cerci nicht die Rolle irgend-
welches Greiforganes spielen; dieses wird vielmehr dargestellt durch
den in der Ruhe in der Hinterleibsspitze verborgenen, hier chitinös
entwickelten „Penis", der als nach oben greifendes, hakiges Gebilde
nach außen vorgestreckt wird und der gleichzeitig den Behälter für
die Spermatopliore bis zu deren Abgabe bildet.
Dieser „Penis" bewerkstelligt die Fixierung des männlichen am
weiblichen Hinterleib dadurch, daß er in die Vulva eingreift mit
einem ihm eigentümlichen Organe, das von Brunner (10) für Locu-
stiden und Grylliden als Titillator bezeichnet worden ist. Außer-
ordentlich genau hat Lespes (26) die Bewaffnung des männlichen
Hinterleibes und das Funktionieren dieser Chitinausstattung während
der Bildung und Abgabe der Spermatophore untersucht. Ihm ist
auch die Abbildung entnommen (Fig. B), die die Ausgestaltung des
männlichen Hinterleibes und die Lage der Spermatophore in einem
besonderen Teil des chitinösen Apparates darstellt. Fig. A zeigt uns
die Spermatophore (c) in einer eigentümlichen löffeiförmigen Kavität
des Penis liegen, die von einem ventralen Stück und 2 seitlichen
Klappen ((/) begrenzt wird. Darüber ist der Titillator {h) sichtbar,
noch weiter dorsal der After (a), von dem seitlich die abgeschnittene
Basis eines Cercus liegt. Alles was ventral vom Anus, als ausge-
stülpte Umgebung der Geschlechtsöffnung, sichtbar ist, wird als
„Penis" bezeichnet, obwohl die Anwendung dieser Vokabel auf
dieses Organ bei Locustiden sowohl wie bei Grylliden nicht korrekt
erscheint. Der ganze ausgestülpte Organkomplex dient nur zum alier-
kleinsten Teil und nicht einmal bei allen Formen zum Eindringen
in die Vulva. Der größere bleibt sichtbar und birgt in seinem Innern
den Teil der Spermatophore, der nach der Begattung außen am
Weibchen zu sehen bleibt.
424
Ulrich Gergardt,
Man sieht nun bei dem weiteren Verlauf der Begattung, daß
das Männchen den Titillator, also den am meisten dorsal gelegenen
Teil des Begattungsapparats, mit einer Bewegung von hinten nach
vorn, gleichzeitig auch nach oben, auf die Lespes bereits aufmerk-
sam macht, caudal und dorsal von der dadurch nach unten gezogenen
Subgenitalplatte des Weibchens, in die Vulva einhakt. Dabei werden
die Drehbewegungen mit dem Kopf fortgesetzt, das Weibchen ver-
hält sich vollkommen ruhig, nur drückt es seinen Hinterleib während
des ganzen Vorganges stark ventralwärts, wodurch dem Männchen
seine Tätigkeit offenbar wesentlich erleichtert wird. Wenn der
Titillator eingeführt worden ist, hören die heftigen Bewegungen des
Fig-. A.
Fisf. A. Hinterleibsende von Liogryllus campestris c/' , etwas komprimiert
(nach Lespes). a After, h Titillator. c Spermatopliore. d Seitliche Peuisklappen.
Fig. B. Penis der Feldgrille mit Spermatophore (nach Lesp6s). k. g. g Ductus
ejaculatorius. l. m. n Spermatophore. a, b — e Chitiuöse Teile. H Titillator.
Männchens auf. Aus dem in der Fig. A mit c bezeichneten Teil
seines Genitalapparats tritt ein etwa birnförraig gestalteter Körper
hervor, der mit einem dünnen, feinen Stiel in die Vulva hineinragt
und am Weibchen hängen bleibt. Dieser Körper wird freigegeben
durch seitliches Auseinanderweichen der chitinösen Klappen c. Nach
dem Erscheinen der Spermatophore löst sich alsbald der dorsale Teil
des „Penis" aus der Vulva, und die Begattung ist beendet. Nun
kann es vorkommen, daß das Weibchen noch eine Zeitlang auf dem
Männchen sitzen bleibt, ohne daß beide Tiere sich rühren.^) Ge-
wöhnlich steigt aber das Weibchen bald vom Männchen herab. Das
1) Auch von BaüMGAETNEE bei der amerikanischen Form beobachtet.
Copnlation und Sperraatophoren von Grylliden und Locustiden. 425
Männchen folgt nun meist nocli eine ganze Zeitlang dem Weibchen
auf Schritt und Tritt, und die in ihm noch nachklingende sexuelle
Erregung gibt sich in erst kurzen, später länger werdenden Pausen
durch ganz eigentümliche, schüttelnde Fühlerbewegungen zu erkennen,
die jedesmal nur wenige Sekunden dauern. Während der Zeit dieser
Nachwirkung der Copulation habe ich nie ein Männchen stridalieren
hören, dagegen war erneutes Zirpen immer das Zeichen der Bereit-
schaft zu einer weiteren Begattung.
Bevor wir Gestalt und Schicksale der Spermatophore näher
betrachten, soll noch auf das eingegangen werden, was sich während
der Begattung dem Auge des Beobachters entzieht. Lespes gibt
uns auch hierüber außerordentlich genaue Darstellungen. Es lassen
sich nämlich diese Vorgänge dadurch erschließen, daß man die Ab-
gabe der Spermatophoren auch am allein gehaltenen Männchen be-
obachten kann. Auch ohne die Anwesenheit von Weibchen pro-
duzieren die männlichen Feldgrillen fortgesetzt Spermatophoren, die
gelegentlich nach außen abgesetzt werden. Graber weist auf diesen
Vorgang hin mit den Worten: ,.Den Teleologen zum Trotze sei es
ausdrücklich gesagt, daß nach unseren vieljährigen Beobachtungen
die Grillenmännchen, in Abwesenheit ihnen zusagender Weibchen,
viele dieser kostbaren Samenpackete ungenutzt zur Erde fallen
lassen. Wir sagen ungenutzt, weil hier noch kein Fall constatiert
ist, daß samenbedürftige Weibchen, wie bei den Erdasseln, sie auf-
suchen und — horribili dictu — sich selbst in die Scheide stecken."
Diesen Vorgang — den der Abgabe der Spermatophore nach
außen — , kann man nun künstlich dann beschleunigen, wenn das
Männchen eine Spermatophore zur Begattung bereitgestellt hat.
Lespes weist darauf hin, daß die Grillenmännchen oft schon kurze
Zeit (10 Minuten, die von mir beobachteten Intervalle währten im
allgemeinen viel länger, bis eine Stunde) in eigentümlicher Weise
mit dem Hinterleibe pressende Bewegungen ausführen, die er mit
Defäkationsbewegungen vergleicht. Dabei wird jedesmal eine Sperma-
tophore in den lötf eiförmigen Behälter gelegt, der den ventralen Teil
des Penis bildet und dicht dorsal von der männlichen Subgenital-
platte hervortritt. Baumgartner (2) hat diese Bewegungen bei der
amerikanischen Feldgrille nicht gesehen, ich kann Lesp^^s' Be-
obachtung nur bestätigen. Wenn man nun einem Männchen, das
diese Bewegungen bereits ausgeführt hat, den Hinterleib von beiden
Seiten leicht komprimiert, so kann man dadurch das Austreten der
Spermatophore bewirken. Einmal gelang es mir, bei einem Mann-
426 Ulrich Gerhardt,
eben, das in dem oben erwähnten Stadium war, in dem die leiseste
Berülirung' der Dorsalfläche des Abdomens die Streckung des Hinter-
leibes und die eigentümlichen, sonst bei der Begattung ausgeführten
Drehbewegungen des Kopfes auslöst, den Austritt der Spermatophore
aus der Hinterleibsspitze unter dem SEiBERT'schen binokularen Mikro-
skop zu verfolgen.
Es wird nötig sein, auf die Bildung und auf das Zurechtlegen
der Spermatophore in den männlichen Ausführungswegen sowie auf
die Gestalt der Spermatophore etwas genauer einzugehen. Lespes
legt die Form des von den deutschen x\utoren als „Penis" be-
zeichneten Organs, also die unmittelbare Umgebung der Geschlechts-
öffnung, eingehend dar. In der Hauptsache unterscheidet er (und
zwar auch bei Gnjllus domesticus) zwei Partien der männlichen
Genitalbewatfuung, eine dorsale und eine ventrale. In dem ventralen
Anteil, der aus einer hohlen gekrümmten Platte und einem hornigen
„Stilet" besteht, mündet der Ductus ejaculatorius des Vas deferens,
nachdem er in einem Bogen diese Platte umzogen hat (Fig. By). Der
dorsale Teil besteht aus 6 chitinösen Teilen, die sich um einen
medialen, dreiteiligen Haken gruppieren, der bei der Copulation in
die Vulva eingeführt wird. Mit anderen Worten: der dorsale An-
teil stellt einen Fixierungsapparat für das männliche Hinterleibs-
ende, der ventrale den Formungs- und Leitungsapparat für die
Spermatophore dar.^) Lespes erörtert die Beziehung der einzelnen
Teile der Genitalbewaffnung zur Segmentierung des Hinterleibes
nach der von Lacaze-Duthiers gegebenen Terminologie. Das Haupt-
ergebnis ist, daß der dorsale Bogen des 9. Hinterleibssegments
(ennato-tergite) zwei Epimeriten und zwei durch seitliche Bogen dar-
gestellte Episterniten trägt. Die beiden Hörn haken (crochets) stellen
einen Sternorabditen und einen Tergorabditen dar; bei Gnjllus cam-
pestris existiert, im Gegensatz zu Gr. domesticus, nur der letzt-
genannte. Alle diese Teile setzen den dorsalen Teil („la partie
superieure") des Copulationsapparats zusammen. Der ventrale Teil
wird aus einem Stilet und der „Lame productive de la sperma-
tophore" gebildet. Beide Teile gehören zusammen und bilden den
Sterniten. In dieser Ventralpartie, zwischen 8. und 9. Sterniten,
mündet der Ductus ejaculatorius.
1) Baumgartnee kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, das er so
ausdrückt: The so called armature of the male crickets consists of a mold
for forming the spermatophore and an apparatus to transfer the same to the
female.
Copalation nnd Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 427
Eis wird zweckmäßig sein, die Copulationsorgane der Grillen
auch noch an der Hand der vun Bkunner v. Wattenw^yl (10) ge-
gegebenen Deutungen und Figuren zu betrachten.
Bei allen Orthopteren ist beim Männchen das 8. Segment noch
normal gestaltet, während es beim Weibchen bereits Veränderungen
aufweist, und ti-ägt noch Stigmen. Wie Lespes richtig angibt, ist
das 9. Segment dasjenige, an dem die charaktei'istischen Sexual-
merkmale angebracht sind. Bei beiden Geschlechtern ist die Dorsal platte
normal gebildet, beim Männchen bildet die Sternalplatte die Lamina
subgenitali.s. die ,,in der Sternalhaut den Penis einschließt". Dieser
,,Penis ist nichts als die weiche, häutige Umgebung der Genital-
ölfnung. Er ist in unserem Falle zu der die Spermatophore formen-
den Lamelle mit allem Zubehör, seitlichen Klappen usw., geworden,
während der von Lksp]>s als Tei'git aufgefaßte dorsale Anteil das
Gebilde darstellt, das, in einfacherer Form auch bei den meisten
männlichen Locustiden vorhanden, den Namen Titillator trägt
und gerade bei Grylliden einen außerordentlich komplizierten Bau
aufweist. Brunner, der dem Gebilde den Namen gegeben hat, be-
tont ausdrücklich, daß es außer allem Zusammenhang mit dem eigent-
lichen Körperskelet steht. Es ist daher auch nicht irgendwelchen
konstanten Teilen eines Segments zu homologisieren. Während bei
den Locustiden, die ihn besitzen, der Titillator relativ einfach ge-
baut ist, ist er bei den Grj^lliden mit besonderen, von Art zu Art
sehr verschiedenen Fortsätzen etc. versehen, so daß er als Artcharakter
verwertbar ist (Fig. C).
Das 9. Segment trägt keine Stigmen. Das 10. umschließt den
After, der von 3 Klappen umgeben ist, von denen die dorsale sich
als Lamina supraanalis verlängert; die beiden ventralen (Sternal-
platte) tragen die Cerci (Stigmata?), die bei den Grylliden, im Gegen-
satz zu der überwiegenden Mehrzahl der Locustiden, nicht zu Hilfs-
organen bei der Begattung umgewandelt sind, sondern ungegliederte,
lange, mit Tasthaaren besetzte Anhänge darstellen und wohl auch
in erster Linie als Sinnesorgane fungieren.
Die für uns wichtigsten Organe, die im 9. Segment gelegen
sind, würden also der Penis und der Titillator sein, der in die dor-
sale Haut des Penis, weiter kopfwärts eingepflanzt ist. Die Be-
sonderheit des „Penis" der Grillen liegt hauptsächlich darin, daß er
auf seiner Dorsalfläche konkav ist, und diese Aushöhlung ist es,
die der Spermatophore zum Aufbewahrungsort dient, bis sie nach
außen entleert wird, und in die hinein die Spermatophore durch die
428
Ulrich Gerhardt,
bereits erwähnten Preßbewegungen des Männchens gebracht wird. Wie
die schematischen Darstellungen Lespes' (Fig. B u. G) deutlich zeigen,
mündet der Ductus ejaculatorius ventral in das caudale Ende des
Hohlraumes ein. Also werden sowohl das Sperma selbst wie auch
die den Körper der Spermatophoi-e formenden Secrete in der Rich-
tung von hinten nach vorn in die dorsale Penisrinne ergossen, und
hier empfängt die Spermatophore ihre definitive Gestalt. Die Penis-
rinne ist in ihrem caudalen Teile sehr stark erweitert, und in ihm
wird der bläschenförmige, nach der Begattung äußerlich am Weibchen
sichtbare Teil der Spermatophore geformt, während in dem schmäleren
Teil der Rinne, der schließlich in einer Dorsalfurche des Titillators
endet, der feine Stiel, der in die Vulva hineinreicht, und außerdem
noch Teile der Spermatophore gebildet werden, die ins Innere des
weiblichen Körpers eingesenkt werden.
Ir
Fig. C.
Fiff. D.
Fig. C. Schema der Genitalsegmente a von Gryllus campestris und b von Gryllus
domesticus (nach Brunner), a Anus, c Cerci. Is Lamiua subgenitalis. /^ Penis.
t Titillator.
Fig. D. Genitalorgane des Männchens von Gryllus campestris d^ (nach
Fischer), a Hoden. & Vas deferens. c — e 3 Gruppen akzessorischer Drüsen.
f Ductus ejaculatorius.
Baumgaetner (2) weist mit Recht auf die Schwierigkeiten hin,
die sich der Vorstellung entgegensetzen, die wir uns von den tat-
sächlichen Vorgängen bei der Bildung der Spermatophore in die
Penisrinne machen können. In diese Rinne mündet der gemeinsame
Copulatioii und Spermatophoreii von Grylliden und Locustiden. 429
Aiisführung:sgang der Hoden, paariger tubiilöser Drüsen und der
sogenannten Prostatadrüsen, die alle auf der Fischer entnommenen
Fig. D sichtbar sind. Nun ist kein Zweifel, daß die Hüllen, die
den eigentlichen Kern, der im Innern der Spermatophore liegt, um-
geben, Produkte dieser akzessorischen Drüsen sein müssen. Die
Frage ist nach Baumgartner: wie kann in der Penisrinne das
Sperma festgehalten werden, während das Drüsensecret es umgibt
und dann hart wird? Lkspes gibt an, eine halbfertige, sehr dünn-
wandige Spermatophore in der Rinne gefunden zu haben, Baum-
GAKTNER ist dics uicht gelungen, vielmehr fand er immer nur fertige
Spermatophoren vor, und auch ich habe nie eine auf dem Wege zur
Vervollständigung gesehen. Lespes nahm eine getrennte Ent-
stehung zweier Teile der Spermatophore an , die erst in der Penis-
rinne vereinigt wurden. Baumgartner nimmt dagegen an, daß in
die zunächst sehr enge Rinne, diese völlig ausfüllend, Sperma er-
gossen wird und den Hohlraum völlig ausfüllt, daß dann in 2 weiteren
Phasen die umhüllende und später erhärtende Masse, die das Sperma
völlig umschließt, secerniert wird. Er meint, daß diese Vorgänge
sich verhältnismäßig rasch abspielten. Jedenfalls hat diese Auf-
fassung größte Wahrscheinlichkeit für sich.
Wir wollen nun das Produkt des Copulationsaktes, die Sperma-
tophore selbst, etwas genauer betrachten. Zum erstenmal ist die
Spermatophore der Feldgrille von Frisch (19) bereits klar be-
schrieben worden.
Von der Spermatophore der 3 Arten Liogryllus campestris, Gryllus
domesticits und Nenwhius sylvestris gibt Lkspes (26, 27) gute Ab-
bildungen. Baumgartner von der amerikanischen Feldgrille und
Fi^. E.
Spermatophoren amerikanischer Grylliden fnach Baümgartner).
1 — 3 GrylluH, 4 Xemobius.
430 Ulrich Gerhakdt,
von Nemobius fasciatus (Fig-. E), außerdem zeigen Fig. 1—3, Tai". 18 noch
Photogramme von Spermatophoren der drei Species. Sie beweisen,
daß die Spermatophore verschiedener Grylliden im wesentlichen
völlig übereinstimmend g-ebaut ist. Boldyeev (8) fand bei Gr. deser-
tus den gleichen Bau der Spermatophore, die von GryUotalpa wird
später zu besprechen sein.
Lespes unterscheidet an der Grillenspermatophore 3 Teile, die
er als „vesicule", „lamelle" und „fllet" bezeichnet. Die Ampulle
(a), die bei den 3 Species in ihrer Form etwas verschieden gebildet
ist, stellt den bei der Feld- und Hausgrille etwa eiförmigen, bei der
Waldgrille kugligen eigentlichen Behälter für das Sperma dar.
Die Ampulle der Spermatophore der F'eld grille zeigt in ihrem
Innern einen engen, gleichfalls eiförmigen, bei frischen Exemplaren
dicht mit Sperma gefüllten Binnenrauni, der von einer 3., halb durch-
sichtigen Wand umschlossen wird. Das Verhältnis von Lumen und
äußerer Wand der Spermatophore gibt gut die Fig. F von Lespes,
noch besser die von Baumgartnek wdeder, außerdem geht es aus
Fig. 1, Taf. 18 hervor. Das Ganze ist, was Lespes nicht angibt,
noch von einer dünnen, farblosen, durchsichtigen Haut überzogen,
die Baumgartner ebenfalls bemerkt hat, das freie Ende der Ampulle
trägt eine weißliche Papille (E'ig. F). Bei einer Vergleichung der
BAUMGARTNER'schen Photogramme mit meinen Präparaten ergibt sich
eine fast völlige Übei-einstimmung zwischen den Spermatophoren der
europäischen und der amerikanischen Feldgrille.
Von der Ampulle aus erstreckt sich ein feiner axialer Faden (d)
durch einen zentralen röhrenförmigen Hohlraum der Lamelle^)
hindurch, die eine dorsoventral abgeplattete, mit für die Species kon-
stant geformten geschweiften Ecken versehene membranöse Bildung
darstellt (e, c, f). Der Endteil des Fadens (d) ist verschieden lang.
So lang wie auf der LESPEs'schen Abbildung habe ich ihn nur sehr
selten angetroifen. Übrigens weist auch Lespes auf die verschiedene
Länge des Fadens hin, er gibt an, bei leeren, vom Weibchen aus-
gestoßenen Spermatophoren ihn nicht mehr in dem Kohr ge-
funden zu haben, dies kann ich aber ebensowenig wie Baumgartner
bestätigen.
Mir schien der Faden selbst gleichfalls hohl zu sein. Bei
Spermatophoren, die gleich nach der Begattung dem Weibchen ent-
1) Diese Lamelle ist als „Häutchen" schon von Frisch (19) im Jahre
1730 beschrieben worden.
Copiilation \ind Sperraatophoreu von Grylliden und Locustideu.
431
nommen wurden und. in 5"„ P'ormol gelegt, unter dem SEiBERT'schen
binokularen Mikroskop betrachtet worden, quoll aus der Spitze des
Fadens in dicken Wolken Sperma hervor. Wenigstens hatte ich
den Eindruck, daß es sich um diesen Vor-
gang handle; es ist mir sehr unwalirschein-
lich, daß aus der zentralen Tube der Lamelle
das Sperma nur außen an dem Faden entlang
geflossen wäre, dann hätte es sich wohl zweifel-
los bereits an der Basis des Endfadens in
Wolken im Formol verteilen müssen.
Zu dem gleichen Resultat, daß der Faden
hohl sei. kommt Baumgartner, der dieses Aus-
treten des Spermas in physiologischer Koch-
salzlösung beobachtete.
LESPi:s gibt braun als die Farbe der
Ampulle der Spermatophore an, wähi-end La-
melle und Endt'aden farblos und durchsichtig
sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß
zwar die ]Mehi-zahl der Spermatophoren braune
Ampullen hat, doch waren die Spermatophoren,
die bei Begattungen produziert wurden, die
einer anderen rasch nachfolgten, regelmäßig
sehr viel heller, gelb bis fast völlig weiß.')
Somit scheint es, daß im „Penis" während der
Aufbewahrung der Spermatophore die Bräu-
nung erst eintritt. Die Spermatophore. die Fis:. F Spermatophore von
, . ^ . . , m 11 LwgryllHSca))ipt-sfns[na.m
beim ersten Coitus jedes Tages abgegeben LESPi:^s). a Ampulle, b
wurde, war regelmäßig ganz ausgesprochen dereu Spitzeukappe e. c-/
... . r \ Lamelle, d Lndfaden.
braun, immer weiß ist, wie Lespes an-
gibt, die kleine Papille (b), die dem stumpfen Ende der Ampulle
aufsitzt.
Wenn nun die Spermatophore in der Rinne des Penis liegt, so
ist der Faden oralwärts. die Ampulle caudalwärts gerichtet, und
w^enn der Titillator. der von den männlichen Teilen am meisten
oral gelegen ist. von unten in die Vulva eingehakt wird, wobei er
stark nach vorn umgebogen wird, so bilden Penisrinne und Titillator
1) In einem Falle von zwei aufeinander folgenden Paarungen binnen
einer ^/^ Stunde hat auch B.\umgartxkk eine fast weiße Spermatophore
bei der amerikanischen Art beobachtet.
432 Ulrich Gerhardt,
einen zusammenhängenden Hohlraum. „Le crochet de l'armure
genitale etant introduit dans la vulve, les deux insectes sont
solidement unis. C'est ä ce moment que commence l'emission du
spermatophore; l'extremite de la lamelle d'oii sort le ölet glisse dans
une Sorte de rainure creusee en arriere du crochet, par un mouve-
ment analogue ä celui que produisent les chirurgiens quand ils
conduisent un bistouri sur une sonde cannelee; puis, par un mouve-
meut rapide d'arriere en avant, la lamelle est introduite, les deux
palettes qui maintienuent la vesicule s'ecartent, et celle-ci reste
fixee par la lamelle qui seule a penetre dans le vagin." Dieser
Schilderung Lespes' ist nichts hinzuzufügen. Somit ist der feine
Stiel, an dem die Spermatophore in der Vulva hängt, die Ver-
bindung zwischen Ampulle und Lamelle.
Die Spermatophoren der Feldgrille verbleiben nun einige Zeit
in der Vulva des Weibchens, und währenddessen wird das Sperma
aus der Ampulle durch Lamelle und Faden in das Receptaculum
seminis geleitet. Bei dem außerordentlich häufigen Vollzug der Be-
gattung ist es kein Wunder, daß das Receptaculum der Weibchen
zu einer fast erbsengroßen, prall gefüllten Kugel anschwillt. Man
hat sich wohl den inneren Vorgang bei der Entleerung der Sperma-
tophore ähnlich vorzustellen wie den beim Einlegen in Formol be-
obachteten, daß das Produkt der Drüsen des Receptaculum ein
Hervorquellen des Spermas bewirkt, ähnlich wie dies auch das
Formol tut.
Ist das Sperma annähernd vollständig entleert — einiges davon
bleibt wohl immer in der Ampulle zurück ^) — , so hat das Verbleiben
der Spermatophore in der Vulva nicht nur keinen Zweck mehr für
den Organismus, sondern es ist im Gegenteil für den Vollzug weiterer
Begattungen wie auch für eine etwaige Eiablage geradezu hinder-
lich. Somit muß die leere Spermatophore irgendwie aus der Vulva
entfernt werden, und das kann auf recht verschiedene Weise ge-
schehen. Betrachten wir zunächst die Angaben in der Literatur
über diesen Punkt. Rösel gibt an, das „Tröpflein", das dem Weib-
chen vom Männchen angehängt wird, werde von jenem „in den Leib
gezogen". Das ist schlechterdings unrichtig. Lespes, der ausführ-
lichste Berichterstatter, gibt für LiogryVus campestris nur ein spon-
tanes Herausfallen der Spermatophore aus der Vulva an. „La
femelle transporte pendant quelques heures le petit appareil partie
1) Baumgartner bestreitet allerdings diese Annahme.
Copulation und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 433
dans le vagin (la lamelle), partie au deliors (la vesicule); il m'a
semble qu'elle ne fait aucun effort pour s'en debarrasser, et qu'il
tombe toiit seul." Einmal sah LKsrfts ein Weibchen, das mittags 1 Uhr
mit einer Sperniatophore gefangen war, diese erst ungefähr abends
um 7 Uhr bei einer neuen Begattung beim Besteigen des Männ-
chens verlieren. — Auch FiscnEK(18) kennt nur das Herausfallen
der Spermatophore nach der Entleerung.
Ganz anders lautet eine Angabe von Tümpel (33), die ich wegen
ihrer Wichtigkeit wörtlich wiedergebe. Nach kurzer Schilderung
der Begattung und der Spermatophore heißt es: „Und jetzt unter-
nimmt das Weibchen etwas sehr sonderbares. Es krümmt sich nach
hinten, wobei es häufig auf den Rücken fällt, und nimmt den Sperma-
tophor, . . . nachdem der Same in die weibliche Gesclilechtsöffnung
eingedrungen ist, mit den Kiefern oder den Vorderbeinen von der
Hinterleibsspitze und frißt ihn auf."
Graber (20) beschreibt außer dem spontanen Ausfallen der
Spermatophore bei LiogrijUus campestris noch 1. Abreißen mit den
Mund teilen und Fallenlassen der Spermatophore, 2. Abreißen mit
den Tarsen der Vorderfüße, 3. in einem Falle, Auffressen der
Spei'matophore.
Da nun, wie wir später sehen w^erden, das Fressen der Spermato-
phore durch die Weibchen bei den Locustiden allgemein ver-
breitet ist, so wäre das Vorkommen dieses Freßinstinktes bei den
Grylliden von besonderer Bedeutung. Für Liogryllus campestris wird,
also, wie wir sahen, von der einen Seite das Herausfallen, von der
anderen das Fiessen der Spermatophore als regelmäßiges Vorkommnis
angegeben. Lespes beobachtete bei Nemohius sylvestris ein Heraus-
fallen der Spermatophore nach kurzer Zeit; ich kann diese Angabe
nur bestätigen. Boldyrev fand das Gleiche bei Grijllus desertus.
Sehr interessant ist aber, was dieser Autor über das Auftreten eines
dem „Freßinstinkt" mindestens verwandten Triebes bei Gr. dotne-
sticus angibt: während hier unter normalen Umständen das Weib-
chen die Spermatophore nach 1 — P/4 Stunden durch Zusammen-
drücken des Hinterleibes entleert, kommt es vor, daß es bei plötz-
lichem Schreck (grelle Belichtung u. dgl.) die noch gefüllte Ampulle
der Spermatophore abbeißt und entweder fallen läßt oder aber
auffrißt.
Ich hatte nun bei meinem gefangenen Pärchen mit seinen außer-
ordentlich häufigen Begattungen genügend Gelegenheit, die Frage,
ob die weibliche FeldgrillQ die Spermatophoren einigermaßen regel-
434 Ulrich Gerhardt,
mäßig- fresse, genauer naclizuprüfen, und icli bin dabei zu mich über-
rasclienden Ergebnissen gekommen. In der ersten Zeit der Ge-
fangenschaft sah ich ganz regelmäßig das Weibchen die Spermato-
phore auffressen. Dabei muß sich das Tier naturgemäß stark ventral
krümmen, bis es mit den Freßwerkzeugen die Vulva erreicht. Das
ist wegen der Dicke des Hinterleibes nicht leicht, während Locu-
stidenweibchen meist ohne irgendwelche Anstrengung die gleiche
Prozedur ausführen. Meist fällt das Weibchen dabei auf eine Seite,
nicht aber auf den Rücken. Sehr häufig mißlingen diese Versuche,
und dann tritt eine längere Pause ein. nach deren Ablauf das
Gleiche wieder vorgenommen wird, bis es schließlich gelingt, die
Ampulle der Spermatophore mit den Kiefern zu packen. Nun wird
die ganze Spermatophore (inkl. Lamelle) hervorgezogen, die Ampulle
mit hörbarem Knacken zerbissen und aufgefressen. Das ist wenig-
stens die Regel, einmal schien mir aber, so wie es Boldyeev für
die Hausgrille beschreibt, das Weibchen nur die leere Ampulle ab-
zubeißen und zu fressen. Gerade in diesem Falle war der Vorgang
wegen ungünstiger Stellung des Tieres nicht genau zu beobachten.
Die kürzeste beobachtete Zeit zwischen Begattung und Abfressen der
Spermatophore waren 7, die längste 112 Minuten. Als Mittelwert
wui'den 62 Minuten ausgerechnet. Auffallend war die Erscheinung,
daß das Männchen, das nach der Begattung in der geschilderten
Weise als Zeichen nachklingender Erregung die Fühler schüttelte,
in dieser Zeit nicht vom Weibchen wich . es überallliin verfolgte
und es an dem E'ressen der Spermatophore deutlich zu hindern
suchte, öfters mit Erfolg, so daß sich das Weibchen schließlich in
einen Winkel des Behälters zurückziehen und einen unbewachten
Moment benutzen mußte, um sich der leeren Spermatophore zu ent-
ledigen. War diese gefressen, so kümmerte sich das Männchen nicht
mehr um das Weibchen, bis es schließlich durch Zirpen seine wieder
aufgetretene Begattungslust anzeigte.
Diese Dinge spielten sich in der ersten Zeit, in der ich meine
Gefangenen hielt, mit solcher Regelmäßigkeit ab, daß ich sie für die
allein heri-schende Regel hielt. Am 27, Juni (die Tiere waren seit
dem 10. Juni in Gefangenschaft) wurde zum ersten Mal ein wesent-
lich anderes Verhalten beobachtet. Es trat das ein, was Lespes in
einem Falle beobachtet hatte: das Weibchen trug bei der Einleitung
einer Begattung noch die leere Spermatophore vom (nicht be-
obachteten) vorangegangenen Coitus in der Vulva. Dieses Verhalten
wurde später noch in 7 Fällen beobachtet, und dabei fiel entweder,
Copulatiou und Spermatophoieii von (TiyUiden und Locustiden. 435
•wie in dem LKsrfes'scheu Falle, die Spermatophore beim Aufsteigen
des W'( ibcliens auf das Männchen heraus, oder aber sie wurde erst
bei dessen Versuchen, seinen Titillator in die Vulva einzubringen,
mechanisch entfeint. In solchen Fällen blieb sie denn gelegentlich
am Männchen, einmal auch an der Legröhre des Weibchens hängen,
während sie gewöhnlich auf den Boden fällt. Sie ist dann völlig
unverletzt, der Endfaden nicht immer, wie LESPfis meint, abgerissen,
die Ampulle enthält nur noch sehr wenig Sperma. Eine noch ge-
füllte und eine durchsichtige leere Spermatophore läßt sich übrigens
schon makroskopisch leicht unterscheiden.
Am 29./6. wurde wieder zweimal das Fressen der Spermatophore
beobachtet, von da ab nicht mehr. Möglicherweise hängt diese auf-
fallende Änderung im Verhalten des Tieres damit zusammen, daß
die zunehmende Fülle des Abdomens das Krümmen des Körpers
mehr und mehr erschwerten. Jedenfalls wurde jetzt regelmäßig die
Spermatophore bis zum nächsten Coitus mit herumgetragen oder
beim Herumlaufen verloren.
Von besonderem Interesse war nun, daß Baumgartneii ein ähn-
liches unregelmäßiges Verhalten des Weibchens bei der amerika-
nischen Feldgrille beobachtet hat:
,.The female carries the vesicle very frequently until slie is
about to mate again. If this comes soon after a previous copulation,
she will remove the vesicle. She does this with her niouth parts,
bending the abdomen ventrallj?^, she may place herseif partly on her
back and holding the abdomen against the ground force her mouth
parts back so as to reach the ampulla of the spermatophore. If
the abdomen is too much distended by eggs, she frequently rubs it
off by dragging the abdomen on the ground. The longer a sper-
matophore has been carried by a female the easier it is removed.
In only one instance did I see a female mount upon a male with the
sperm bearer still in place. After a good many efforts the male
succeeded in pushing the old spermatophore partially out of the way
and placing a new one. The female then carried both, the old one
apparently hanging on by one hook."
Nicht gesehen habe ich das Scheuern des Weibchens mit dem
Hinterleibe zur Elntfernung der Spermatophore. Im übrigen scheinen
sich die Feldgrille Europas und die Amerikas untereinander ähnlich
in der Ausbildung des „Freßinstinktes" zu erhalten, der bei ihnen
stärker als bei der Gruppe Gryllus desertus-domesticus und zumal
bei Nemobius entwickelt ist.
Zool. Jalirb. XXXV. Al.t. f. Syst. 29
436 Ulrich Gerhardt,
Zu erwähnen ist hier, daß auch männliche Grillen ihre
Spermatophoren, die sie ausgestoßen haben, wenn kein Weibchen
zur Begattung vorhanden ist, gelegentlich auffressen. Die Produktion
überaus zahlreicher Spermatophoren durch ein Männchen während
der Zeit seiner sexuellen Reife bedingt es, daß auch isolierte
Männchen die Spermatophoren nach außen absetzen, wie Fischer,
Lespes, GßABER und Baum GÄRTNER schon angeben. Von dem Fressen
der Spermatophore durch das Männchen spricht Tümpel. Das
Männchen meines Paares kam bei der großen Begattungslust seines
"Weibchens kaum in die Lage, Spermatophoren außerhalb des Coitus
auszustoßen, dagegen wurde bei anderen gefangenen Männchen der-
gleichen beobachtet; ich stehe aber nicht an, das ganze Verfahren
bei Liogryllus mit Baumgautner für nicht normal zu halten; für
NemoUus sylvestris bin ich dagegen über diesen Punkt im Zweifel.
Insbesondere scheint der Instinkt des Männchens, Spermatophoren
zu fressen, bei der Waldgrille ausgebildeter zu sein als bei der
Feldgrille.
Von besonderem Interesse scheint mir die bei Liogryllus cam-
pestris (und wohl auch bei anderen Grylliden) sich findende Häufig-
keit der Begattungen. Es ist eine früher oft geäußerte Mei-
nung, bei lusecten sei durchweg die einmalige Begattung das allein
Normale. Im Jahre 1838 schrieb Lacordaire (25) den Satz: „Les in-
sectes femelies ne s'accouplent qu'une seule fois dans le cours de leur
vie, quelle que soit la duree de celle-ci, du moins nous ne connais-
sons aucun exemple du contraire. Mais il est certain que cela n'est
pas une regle constante pour le sexe oppose." Und 1912 steht
Blunck (5) noch auf dem gleichen Standpunkt, den er ausgehend von
seinen Studien an Dytiscus marginalis gewinnt. Nun ist durchaus
nicht zu bestreiten, daß für die Mehrzahl der Insecten einmalige
Begattung beider Geschlechter das häufigste ist, und wir werden
unter den Locustiden typische Beispiele für dieses Verhalten antreffen.
Gibt es doch sogar Schmetterlinge ^), bei denen Teile des Penis nach
der Copulation in derBursa copulatrix des Weibchens zurückbleiben, so
daß hier für das Männchen eine zweite Begattung absolut unmög-
lich gemacht wird. Aber gerade bei der Feldgrille hat sich, viel-
leicht unter dem Einfluß des mindestens zeitweise monogamen Zu-
sammenlebens zweier Tiere, die häufige Ausübung der Begattung
1) Beobachtung von Petersen; mündliche Mitteilung von Herrn
Kollegen Dampf.
Copulatiou und Spermatoplioreii von Grylliden und Locustiden. 437
der Individuen eines Paares ausgebildet. Ich bin mir dabei bewußt,
daß ich meine Beobachtunjjeu an Gefangenen gemacht liabe und
daß vielleicht im Freien Abänderungen des Verhaltens vorkommen
mögen. Aber schon die außeroi'dentlich große Pi-oduktivität der
Müiuichen an Spei'matophoren. die doch unmöglich nur zum Ent-
leeren ins Freie bestimmt sein können, spricht für die hier für das
Männchen notwendige sehr häufige Begattung. Und andrerseits
sind auch die Weibchen lange Zeit hindurch begattungslustig, was
sie nicht hindert, zwischendurch schon Eier zu legen. Bei Feld-
und Waldgrille sah ich Weibchen zwischen zwei Copulationen eifrig
mit der Eiablage beschäftigt.
Die Tatsache, daß ein Grillenweibchen sich öfters begatten
läßt, ist schon Rosel bekannt; auch Lesp^is ist, wie kaum zu er-
wähnen nötig, Zeuge vieler Begattungen eines Paares gewesen.
Ferner verdanken wir Geaber (20) sehr genaue Angaben über die
Anzahl der Begattungen gefangener Feldgrillen, Tümpel (33) gibt an,
ein Weibchen begatte sich sogar 10 — 12 mal. Diese Zahl ist viel
zu niedrig gegritfen. Wenn aber Baumgahtner meint, Lespes habe
das Intervall zwischen zwei Begattungen der Feldgrille mit etwa
einer Stunde zu lang angegeben, so scheint hier ein Unterschied
im Verhalten der europäischen und der amerikanischen Feldgrille
gegeben, denn bei meinen genau protokollierten Beobachtungen lag
mindestens ungefähr eine, oft mehrere Stunden zwischen zwei Be-
gattungen.
Mein Feldgrillenpaar, das vor meinen Augen 48 Copulationen
ausführte, hat sich nachgewiesenermaßen in der Zeit vom 11. Juni
bis zum 26. Juli 1912 76mal gepaart, was aus der Zahl der be-
obachteten Spermatophoren hervorging; dabei ist wohl sicher, daß
auch noch außerhalb der Beobachtungszeiten Copulationen statt-
gefunden haben. Der Gegenstand erscheint mir wichtig genug, um
meine Beobachtungen in Form einer Tabelle im einzelnen hier an-
zugeben.
Diese Tabelle zeigt einmal, daß — abgesehen von einem Sonn-
tage, der für die Beobachtungen nicht in Betracht kommt, weil ich
an ihm nicht nach meinen Gefangenen gesehen habe — an einigen
Tagen keine Begattung in der Beobachtungszeit stattfand, daß
andererseits wieder Perioden größerer Geschlechtstätigkeit mit drei-
bis viermaligei' Begattung am Tage auftraten. Ferner scheint von
Interesse die Tatsache, daß die Eiablage sowohl in begattungslose
wie auch in begattungsreiche Zeiten fallen kann und daß die Be-
29"
438
Ulkich Gerhardt,
gattuii^stätigkeit der Eltern noch eine ganze Weile fortgesetzt wird,
wenn bereits die Jungen aus den ersten Gelegen ausgeschlüpft sind.
Daraus erklärt sich, daß man im Freien in einer Gegend Grillen-
larven sehr verschiedener Entwicklungsstufen gleichzeitig vorfindet.
1912
Monat
Tag
Coitus
Bemerkungen
1912
Monat
Tag
Coitus
Bemerkungen
Juni
11.
1
Juli
4.
keine Begattung
12.
1
5.
—
n
13.
1
6.
1
14.
1
7.
1
15.
2
8.
2
16.
1
9.
2
17.
1
10.
3
18.
keinC.
11.
4
19.
2
12.
2
20.
2
13.
3
21.
2
14.
2
lunge ausgeschl.
22.
keiuC.
9 sehr dick
15.
2
23.
keine ßeobacht.
16.
2
24.
2
17.
2
vom 15. an
25.
26.
27.
2
3
3
Eiablage
18.
19.
20.
4
3
zwischen den
> Copulationeu
vergebliche
28.
3
21.
1
Versuche
29.
3
Eiablage
22.
2
.
30.
2
77
23.
2
Juli
1.
1
24.
1
2.
3
25.
—
vergebl. Versuch
3.
—
keine Begattung
26.
1
Sa.
36
Sa.
40
Sa. Sa. : 76 Beafattung'en.
Die Lebensweise gerade der Feldgrille in tieferen Erdlöchern
erleichtert das monogame Zusammenleben eines Paares bedeutend.
Dies wird außerdem noch dadurch gewählleistet, daß das Männchen
alle Nebenbuhler zu vertreiben sucht, wobei häufig Kämpfe statt-
finden, die meist für einen Partner tödlich enden, zuweilen auch für
beide mit Verletzungen verbunden sind.
Bedeutend weniger leicht zu beobachten als die der Feldgrille
ist die Begattung der Hausgrille, weil hier die Weibchen be-
deutend weniger geneigt zur Paarung sind als die Feldgrillenweib-
chen. Daher zirpen hier die Männchen oft stundenlang vergeblich
vor dem Weibchen. Es ist mir erst spät gelungen, Beobachtungs-
material von Grijllus domesticus zu bekommen, da in Breslau diese
Art völlig ausgestorben zu sein scheint. Auch aus Wien und
Berlin konnte ich aus früher ergiebigen Quellen keine Heimchen
r()]inl;ition und Speiniatophoreu von Gryllideu und Locnstiden. 439
mehr bekoninien. da die alten Fundorte (das alte Vog-elliaus des
Berliner Zoologisclieu Gartens und ein altes Wiener Vorstadthaus)
nach Umbau oder Renovation von den Heim-
chen gemieden wurden. Schließlich konnte
ich mir aus Quedlinburg eine Sendung
beschalfen, und die Tiere schritten, da sie
gut untei-gebracht werden konnten, schon am
ersten Tage der Gefangenschaft 7a\y Fort-
pflanzung.
RösEL (17) war wohl der erste Beobachter
der Begattung der Hausgrille; Lespes konnte
den Vorgang selbst nicht sehen, fand aber ^ig. G. Penis mit Sper-
\\'eibchen mit Spermatophoren vor und bildet matophore von Gryllns
, , , , j. .. T 1 .. o domesficus (nach Lespäs).
eine solche ab. ebenso die mannlichen äußeren Erkläruus? Avie Fig. B.
Geschlechtsorgane (Fig. G), von denen auch
Brunner (10) eine schematische Abbildung gibt (Fig. Cb).
Baumgartner konnte wiederholt die Copulation der Hausgrille
beobachten, gibt an, sie sei viel schwerer zu beobachten als die der
Feldgrille, und erklärt die Unterschiede in der Begattungsweise
beider Arten für ganz unwesentlich, ebenso wie schon Rösel beide
für völlig gleich erklärt hatte.
Ich möchte hier kurz auf die immerhin vorhandenen Unter-
schiede gegenüber der Copulation von Liognjllus campestris hin-
weisen. Bei der Hausgrille leben nicht einzelne Paare in einer Art
von Monogamie zusammen. Das Verhalten des Männchens bei dem
Vorspiel zur Begattung ist sehr ähnlicii dem der Feldgrille. Nur
ist das Zirpen einer viel stärkeren Modulation fähig, das eigentüm-
liche Schnurren mit den Flügelzacken findet sich auch hier. Weniger
ausgeprägt, aber vorhanden sind die stoßenden Bewegungen des
]\lännchens nach hinten, die auch von leichten seitlichen Schwan-
kungen begleitet sind. Der männliche Hinterleib wird ebenso wie bei
Liognjllus stark in die Länge gestreckt, so daß er schließlich die
langen Flügelgräten überragt. Die Spermatophorenspitze und die
haltenden Klappen ragen im Zustand der Begattungsbereitschaft
weiter aus der Subgeuitalplatte hervor.
Das ^^'eibchen benagt auch hier die männliche Hinterleibsspitze.
Wenn es sich zum Besteigen des Männchens anschickt, schiebt sich
dieses nach hinten, der Titillator hakt hinter und über der weiblichen
Subgeuitalplatte ein, und nun sitzen, im Gegensatz zu einem Feld-
grillenpärchen, beide Partner bis über eine Minute lang fast ganz
440 Ulrich Gerhardt,
regung-slos. Dabei sind sie eng- verbunden, und zwischen ihren
beiden Hinterleibsspitzen sieht man die Spermatophore innerhalb
des Halteapparats, der zum männlichen „Penis" gehört. Rösel's
Schilderung, daß die Paarung bei dieser Art ohne Bewegung — ab-
gesehen von stai'ken Atembewegungen — vollzogen werde, besteht
also vollkommen zu recht. Insbesondere fehlen die Dreh- und Hebe-
bewegungeu des männlichen Kopfes. Hat dieser Zustand etwa
IV2 Minuten gedauert, so drückt das Männchen seine Hinterleibs-
spitze nach oben und vorn, der Titillator löst sich aus der Vulva,
die beiden Penisklappen öffnen sich, und die Spermatophore fällt mit
ihrer Ampulle etwas herab und hängt wie bei der Feldgrille an
ihrem Stiel in der Vulva.
Die Spermatophore selbst (Fig. H, Taf, 18 Fig. 2) ist der der
Feldgrille sehr ähnlich, besonders nicht soviel größer als diese,
wie man es aus Lespes' Abbildungen vermuten könnte. Relativ
ist sie bedeutend größer als die der Feldgrille, absolut nur sehr
wenig. Sie ist leuchtend weiß in frischem Zustande, gelbbraun, wie
bei Liogryllus habe ich nicht gesehen. Charakteristisch für sie ist
außerdem eine undurchsichtige weiße Kappe, die der sonst durch-
sichtigen Ampulle an deren freiem Ende aufsitzt. Der Faden ist
ähnlich wie bei Liogryllus gestaltet, die Lamelle besitzt größere,
dreieckige, seitliche Fortsätze.
Ein Auffressen der Spermatophore durch das Weibchen habe
ich nicht gesehen. Boldtkev's Beobachtungen über diesen Punkt
an Gr. domesticus und desertus wurden bereits (S. 433) erwähnt. In
abnormen Fällen wird danach auch bei der Hausgrille zuweilen
die Spermatophore durch Abbeißen aus der Vulva entfernt. Das
Männchen kümmert sich auch hier nach der Begattung noch eine
Zeit lang um das Weibchen, streichelt es mit den Fühlern und stößt
es mit dem Kopf. Dabei klopft das Männchen oft laut hörbar mit
den Sprungbeinen auf.
Von anderen europäischen Grylliden habe ich nur noch NemoUus
sylvestris in mehreren Paaren im Sommer 1912 in Gamburg a. Tauber
in Gefangenschaft gehalten, öfters Männchen mit reifen und frisch
befruchtete Weibchen mit anhängenden Spermatophoren getroffen,
aber nur 2mal, und zwar bei einem Pärchen, am 15. und 16. Sep-
tember den Copulationsvorgang beobachten können. Der Grund für
die auch von Baumgaetnee betonte Schwierigkeit der Beobachtung
der Copulation bei dieser Gattung ist der, daß die Tiere zur Be-
gattungszeit an Örtlichkeiteu leben, an denen sich viele dürre
Copulation und Spennatophoren von Grjiliden und Locustiden.
441
Blätter linden, hauptsächlich an Waldrändern und an Berghängen, die
mit Obstbäumen beiiflanzt .sind, und daß sich die Begattung unter dem
Laube abspielt. Auch meine Gefangenen, von denen die Männchen
oft stundenlang zirpten, verkrochen sich vor der Copulation immer
unter die in den Käfig gelegten Blätter, Schließlich setzte ich ein
Pärchen in ein Glasgefäß, dessen Bodeu ich nur mit einer flaclien
Mooslage bedeckte, ohne daß irgendwelche Blätter mit hineingegeben
wurden. Nun konnte die Copulation beobachtet werden. Sie selbst
}<f
Ym. J.
Fig. H. Spennatopliore von Grylhis domesiicus
(nach Lespes). a Ampulle, b deren Klappe, d End-
faden, c, e, f Lamelle.
Fio-. J. Penis mit Spermatophore von Nemohius
sylvestris (nach Lespös). a, d, e, c, h chitiuöse Be-
standteile (Titillator). g, i Ductus ejaculatoris mit
Drüsen, ml Spermatophore.
und die sie begleitenden Vorgänge bieten eine ganze Reihe von Ab-
weichung von dem, was bei der Feldgrille zu beobachten ist. Für
die amerikanische Art NemoUus fasciahis gibt Baumgärtner an, daß
auch bei ihr die Begattung schwer zu sehen sei, im übrigen aber
sehr ähnlich wie bei der Feldgrille verlaufe, bis auf größere Akti-
vität des Männchens und Passivität des Weibchens. Da die Sperma-
tophore dieser Art von der unserer einheimischen nach einer Photo-
graphie, die Baumgaetner gibt, kaum abweicht, so muß es sehr
überraschen, daß die sehr auffallenden biologischen Besonderheiten,
die N. sylvestris auszeichnen , bei N. fasciatus zu fehlen scheinen.
In morphologischer Beziehung ist der Hinterleib des Männchens von
iV. sylvestris, wie Lespi^^s (26) (der keine Copulation bei dieser Species
442 Ulrich Gerhardt,
beobachten konnte) ausführlich erörtert und abbildet, anders ge-
formt als bei den bisher besprochenen Arten. Der „Penis" ist ver-
hältnismäßig sehr lang, das Analsegment sehr kurz, so daß das
Männchen den Penis und die in dessen Kinne liegende Spermato-
phore (Fig. J) völlig entblößen kann. Das geschieht denn auch bereits
während des Zirpens. Lespes sagt: „Quand un Spermatophore a
ete produit, et qu'il a pris place entre ces palettes [die hornigen
seitlichen Platten, die die Spermatophoren halten], il ne peut etre
couvert par la plaque dorsale (ennato-tergite) qui est assez peu
developpee, de sorte qu'on le voit sous forme d'une papille ronde ä
l'extremite de l'abdomen". Fig. 1, Taf. 17 zeigt die äußeren Genitalien
eines konservierten Männchens unserer Art in ein- und ausgestülptem
Zustand.
Wenn ein Männchen begattungsbereit ist, so ist dies bei der
Waldgrille sehr viel leichter äußerlich zu erkennen als bei der Feld-
grille. Denn die gesamte Ampulle der Spermatophore ragt dann
frei nach hinten über sein Hinterleibsende hinweg. Es ist ein
seltsamer Anblick, an dem schwarzen Hinterleib des Tieres aus dem
lang hervorgestreckten rotbräunlichen Penis die rein weiße, kuglige
Ampulle hervorleuchten zu sehen. Ich hatte, im Freien und in Gefangen-
schaft, bereits öfters Männchen in diesem Zustande gesehen, einmal
deckte ich ein unter Laub verkrochenes gefangenes Pärchen auf,
als das Männchen zirpte. Dieses trug eine Spermatophore an der
Hinterleibsspitze. Ich ließ die Tiere in Ruhe in ihrem Versteck
und sah nach ungefähr ^4 Stunde wieder nach ihnen. Nun war die
Spermatophore beim Männchen verschwunden, dafür saß sie in der
Vulva des Weibchens.
Am nächsten Tage sah ich das Männchen eines anderen Paares,
des erwähnten, dem ich kein Laub in den Behälter gegeben hatte,
mit einer Spermatophore. Es zirpte heftig, und es waren, wie ich
bei dieser Art schon oft beobachtet hatte, die langen regelmäßigen
Töne von Zeit zu Zeit von stoßenden Bewegungen des Körpers be-
gleitet, ähnlich, wie sie das Männchen von Liogrißlus campestris bei
der Annäherung des Weibchens als Einleitung zur Begattung aus-
führt. Als solche sind sie aber bei NemoUus nicht aufzufassen, sie
werden auch ausgeführt, wenn das Weibchen noch weit entfernt ist.
Der die Spermatophore tragende Penis ist weit vorgestreckt, und
jene wird hier, im Gegensatz zur Feldgrille, zwar auch von zwei
hornigen Platten gehalten, aber nicht an ihrer Ampulle, sondern an
dem darauf folgenden Abschnitt, der von dem Achsenfaden durch-
Copulatioii und Sperinatoi)horen von Grylliden und Locnstiilen. 445
zogenen L a m e 1 1 e. Dadurcli wird ein anderer Verlauf der Begattung'
als bei Liognßlus campestris bedingt,
Ist das Weibchen schlietilicli zur Begattung bei'eit, so nähert
es sich von liinten dem ^lännchen bis auf etwa 2—8 cm. Nun fängt
dieses an, die Art seines Zirpens zu ändern: es bringt nur noch ganz
leise, zarte Töne hervor und streckt sich dabei bedeutend in die
Länge, so daß sein Rücken bei gesenkter Hinterleibsspitze ganz flach
wird. Die Flügeldecken werden gesenkt und liegen schließlich dem
Körper dicht an. Das Weibchen geht nun vorwärts und besteigt
das regungslos sitzende Männchen. Sind die Hinterleibsspitzen in der
richtigen Lage übereinander, so hebt das Männchen die seinige,
drückt mit einer einzigen, rapiden Bewegung von unten hinten nach
oben vorn mit seinem Titillator dem Weibchen den Spermatophoren-
stiel in die Vulva und springt mit einem Satz unter dem Weibchen
weg, etwa 2—3 cm weit nach vorn. Hier bleibt es ruhig sitzen.
Das Weibchen trägt nach diesem kaum eine Sekunde währenden
Vorgange die Spermatophore in ganz der gleiclieu Weise wie das
Weibchen der Feldgrille. Nun folgt ein höchst eigentümliches Nach-
spiel der Begattung, für das ich bei keinem anderen Grylliden oder
Locustiden ein Änalogon kenne: das \\^eibchen steigt, etwa \'^ Minute
nach der Copulation, abermals dem Männchen auf den Rücken, bis
es mit dem Kopf über dessen Flügeldecken angekommen ist, die es
heftig zu benagen und zu belecken beginnt. Dadurch werden beim
Männchen Reflexbewegungen ausgelöst, ähnlich wie sie bei dem
Feldgrillenmännchen vor der Begattung im Erregungsstadium durch
die gleiche Berührung hervorgerufen werden. Doch sind sie hier,
bei Xf'mobms. viel heftiger, das Männchen stößt seinen Körper
rhythmisch iieftig nach hinten, doch nur soweit, daß er nicht an
die Spermatophore rührt, die das Weibchen trägt. Dieser Vorgang
dauert fast 4 Minuten, also ungleich viel länger als die Begattung
selbst. Dann steigt das Weibchen vom Männchen, und die Ge-
schlechter kümmern sich zunächst nicht mehr umeinander. Ich
betone besonders, daß die Begattung selbst und das eben geschilderte
Nachspiel in den beiden von mir beobachteten Fällen völlig gleich
verliefen, so daß es sich zweifellos um normale Dinge handelt. Ich
konnte später bei meinem Pärchen nie wieder eine Copulation be-
obachten. Erwähnt sei noch, daß zwischen den beiden Begattungen,
am 15./9. nachmittags, eine Eiablage in Moos stattfand, mit dem
der Boden des Behälters bedeckt war.
Ich habe nach der Beobachtung meiner Gefangenen Grund zu
444 Ulrich Gerhardt,
der Annahme, daß bei Nemobius zwar wiederholt Begattungen statt-
finden, aber bei weitem nicht so viele wie bei Liogryllus. Ich sah
oft Männchen, auch im Freien, mit weit vorgestrecktem Penis, aus
dem keine Spermatop höre hervorsah. Mein gefangenes Männchen
zirpte in diesem Zustande immer besonders heftig, aber das Weib-
chen kümmerte sich nicht darum. Nun endete die Erregung des
Männchens immer auf eine sehr seltsame Weise so, daß dieses aus
seiner Genitalöifnung unter heftigen Preßbewegungen ein durch-
sichtiges, dünnes, glasiges, etwa 1 mm langes Gebilde nach außen
entleerte, das dem Stiel einer Spermatophore glich, und daß es dieses
Gebilde dann sofort auffraß, nachdem es sich rasch umgedreht hatte.
Dieser Vorgang wurde in der Zeit nach dem
16. September häufig beobachtet, aber weder ein
Coitus noch das Vorhandensein einer Spermato-
phore beim Männchen, Erst am Vormittag des
2. Oktobers trug dieses wiederum die weithin sicht-
bare Ampulle einer solchen am Hinterleibsende
herum, und ich erwartete bestimmt eine Copu-
lation. Aber das Weibchen kümmerte sich nicht
um das sehr erregte Männchen, das schließlich,
kurz vor 12 Uhr mittags, die normale Spermato-
phore ebenso herausdrückte wie sonst die stiel-
Fig. K. artigen Gebilde und sich auch anschickte, sie zu
^NeSiuf^'lijlvestris fressen. Daran wurde es aber durch mich ge-
(nach Lesp4:s). a Am- hindert, da ich die wohlerhaltene Spermatophore
P"^''d Eudfad^r'"'' in Formol konservierte, die in Fig. 3, Taf. 18.
dargestellt ist.
Soweit meine Beobachtungen reichen, konnte ich nichts von
einem Instinkt der Weibchen, die Spermatophore zu fressen, fest-
stellen. In einem Falle fand ich die Spermatophore, die kurz vorher
ein Weibchen getragen hatte, an der Wand des (jlasbehälters an-
geklebt, in mehreren anderen Fällen war sie nach kurzer Zeit (wie
dies auch Lespes angibt) verschwunden, ohne daß ich die Art ihrer
Beseitigung hätte beobachten konricn.
Die Spermatophore (Fig. K) selbst besitzt eine kuglige, in
frischem Zustand leuchtend weiße, glasige, wie Lespes angibt, sehr
zerbrechliche Ampulle, die relativ viel größer ist als die der Feld-
grillen-Spermatophore. Die Lamelle ist außerordentlich schmal und fast
ohne seitliche Fortsätze, so daß die in der Vulva steckende Partie
zum größten Teil aus dem Achsen faden besteht. Die sehr ähnlich
I
Copulation und Spermatophoren von Gryllideii und Locustiden. 445
gestaltete Spermatopliore von NcmohiKS fasciains zeigt die Baum-
GARTNEK eiitiiomiiieiie Fig. E 4.
In der Literatur linde ich Angaben über die Copulation einer
Angehörigen der auch in Europa veitretenen Gattung Oecanthus, der
B 1 ü t e n g r i 1 1 e , die eine locustidenähnliche Lebensweise auf
Sträuchern führt. Nach Fabre's Mitteilungen spielt sich bei der süd-
europäischen Art OccaufJiuft pcllncens Scop. das Sexualleben in den
Abendstunden nacli Eintritt der Dunkelheit ab. Es ist mii- nicht
bekannt, daß von irgendeinem Beobachter bisher die Begattung
dieser Species beobachtet worden wäre. Wohl aber ist dies der
Fall bei der amerikanischen Form, Oecanthus fasciatus Fisch.,
deren Lebensweise durch Hankock (22) geschildert worden ist.
Auch bei dieser Grille ist, obwohl die Fundamentalvorgänge
auch hier durchaus mit den bei der Feldgrille als Paradigma be-
schriebenen übereinstimmen, in vielen Einzelheiten wiederum ein ganz
besonderer Typus ausgebildet. Hankock schildert die hier in Be-
tracht kommenden Vorgänge folgendermaßen: das Männchen zirpt,
und das herzugekommene Weibchen besteigt den Rücken des Männ-
chens, das die Flügel hochgestellt hat. Zwischen den Flügeln des
Männchens sitzt ein drüsiges Organ, das einen Saft absondert,
den das Weibchen begierig aufleckt. Diese Tätigkeit veranlaßt das
Männchen, die Flügel noch höher zu heben, und nachdem sich dieser
Vorgang einige Male wiederholt hat, besteigt das Weibchen aber-
mals das Männchen, und es erfolgt die Begattung, bei der in einem
nur wenige Sekunden dauernden Akte die Spermatophore übertragen
wird. Nach der Copulation reinigt das Weibchen mit den Mund-
teilen die Legeröhre.
Aus dieser Schilderung geht hervor, daß das Belecken des Meta-
thorax und vielleicht der Basis der Abdomens des Männchens durch
das Weibchen hier im lebhaften Gegensatz zu Nemobius sylvestris
vor der Copulation stattfindet, hier offenbar als ein Reizmittel,
wohl für beide Geschlechter. Ganz besonders interessant ist die
von Hankock konstatierte Tatsache, daß auf der Rückenfläche des
Männchens die Secretion eines Saftes stattfindet, der vom Weibchen
aufgeleckt wird. Der eigentümliche Vorgang des Beleckens oder
Benagens der Dorsalfläche des männlichen Hinterleibes und auch
der Flügeldecken wird uns bei der Besprechung der Locustiden-
begattung noch mehrfach zu beschäftigen liaben.
Fraglich erscheint es, ob die „Reinigung der Legeröhre" mit
den Mundteilen beim Weibchen etwas zu tun hat mit dem „Freß-
446 Ulrich Gerhardt,
Instinkt", von dem wiederholt die Rede war. Die kurzen Angaben
von Hankock über die offenbar sehr interessanten Begattungsg-ewohn-
heiten von Oecanthus verdienen es, erweitert und ergänzt zu werden,
insbesondere wären Beobachtungen an Oecanthus pelluceus dringend
erwünscht.
b) GrijUotalpa vulgaris h.
Über die Begattung von Gryllotalpa liegen einige ältere, sehr
allgemeine, kurze Angaben vor, nach denen sich dieser Vorgang im
Juni oder Juli nachts über der Erde abspielen soll. Genaue An-
gaben hat Baumgartner (2) im Jahre 1911 gemacht, die ich wört-
lich wiedergebe, weil nach ihnen die Copulation und die Spermato-
pliore von Gryllotalpa von allem abweichen würde, was bisher von
den Grylliden bekannt ist.
„The courting is somewhat similar to that in Gryllus. The
male calls the $ with loud, long chirps. As she approaches tlie
chirps become short and much softer. He then frequently turns
the abdomen towards her. As the pair get ready to copulate the
Position assumed is quite different from that of any other animals of
which I know. They turn posterior end to posterior end, and ventral
side to ventral side, so that the cloacal openings ai'e just opposite
each other. The ? Stands erect with her abdomen slightly raised,
while the c^ lies on his back. The abdomens are tightly held together
by hooks. . . . The sperm were carried to the $ by a spermato-
phore. The time it takes for the transfer is not over a minute;
but the pair kept their relative position, the abdomens simply
touching each other, for more then 10 minutes. After disturbance
the (^ followed the $ and again assumed tliis relative position, but
no further transfer of a spermatophore occurred."
„As the vesicle was being transferred, or just after it had been
put in place, there was an outflow of some transparent fluid on
either side of the vesicle. This soon hardened. It is this part of
the apparatus that the $ was chewing. The spermatophore was found
to consist of an oval ampulla which contained the sperm in the
cavity at the center. At one end of the ampulla there is a pro-
jection by which the apparatus is held in the vagina, and through
which the sperma are carried into the spermatotheca. On either
side of this projection is an irregularly shaped mass formed by
the above-mentioned outflowing fluid during the transfer. The 2 sides
are unlike, as part of one side was puUed and eaten away by the
Coimlatiuii und Speruiatophoren von Grylliden und Locustideu. 447
$, and tlie otlier side was ])ressed out of sliai)e by some falling sand
before it liad timc to harde.n."
All diesen beiden Seitenteilen frißt das Weibchen unmittelbar
nach der Rejifattuiig, wie das der l^ocustide Diesirammena. Aber dabei
tritt etwas Ähnliciies ein, wie ich es bei den Männchen von lAogryllus
mmpcstris öfters sah, wenn das Weibchen die Spermatophore kurz
nach der Begattung- fressen wollte: es wird vom Männchen daran
gehindert, im Falle der Feldgi'ille durch Stoßen mit dem Kopfe,
bei Gryllofalpa aber nach Baumgaktnek dadurch, daß das Männchen
sich, wie oben beschrieben, wieder in die Begattungsstellung be-
gibt. Dann hört jedesmal das Weibchen sofort auf zu fressen.
Baltmgartxer schließt daraus, „tliat the long lying in the position of
copulation was to prevent the female from chewing at the spermato-
phore too soon and thus preventing the proper injection of the
sperm"'. Nach der Trennung der Geschlechter trägt das Weibchen
die Spermatophore noch etwa V2 Stunde herum, ohne an ihr zu
fressen, dann verliert es sie.
Danach würde die Stellung gänzlich von der aller bisher be-
sprochenen Grillen abweichen, da kein Besteigen des Männchens
durch das Weibchen stattfände. Ferner würde die Spermatophore
außer ihrer Ampulle und dem Stiel noch besondere Secretmassen
und eine Hüllsubstanz aufweisen, die die Freßlust des Weibchens
besonders anregt und die uns bei allen Locustiden wieder be-
gegnen wird.
Ich war nun am 10./5. 1913 zum 1., am 31./5. zum 2. Male')
Zeuge der Copulation zweier von mir in Gefangenschaft gehaltener
Maulwurfsgrillenpärchen, und da ich Baumgaktner's Schilderung,
allerdings erst kurz vorher, kennen gelernt hatte, mußte ich in
höchstem Maße erstaunt sein, daß sich der Vorgang ganz anders
abspielte, als sich nach der Schilderung dieses Autors erwarten ließ:
Das Männchen zirpt, wie Baumgartnee es schildert, laut und,
je mehr sich seine Erregung steigert, desto länger hintereinander,
wenn es mit dem Weibchen in dessen unterirdischem Gang in Be-
rührung kommt. Dabei dreht sich das Männchen, oft mit erstaun-
licher Schnelligkeit, so herum, daß es dem Weibchen sein Hinter-
ende zukehrt, und nun spielen beim Männchen die Cerci eine Rolle
als Tast- und Vermittlungsoi-gane zwischen den beiden Tieren, wie
1) Anm. während der Korrektur: Später noch bei 2 anderen
Pärchen.
448 Ulrich Gerhardt,
sie sonst bei Insecten und auch bei der weiblichen Gryllotdlpa
die Fühler spielen. Das Zirpen des männlichen Tieres g^eschieht
ganz wie bei anderen Grillen; das Weibchen zirpt niemals aus ge-
schlechtlicher Erregung-, sondern dann, wenn es plötzlich mit dem
Männchen im Gang zusammentrifft. Das Geräusch, das es dann
hören läßt, ist kurz, rauh und schrill. Auch bei der männlichen
Maulwurfsgrille ist das Zirpen von rhythmischen Stößen des ganzen
Körpers nach vorn und hinten begleitet, und zwar erfolgen sie vor
jedesmaligem Flügelheben.
Sehr häufig verlaufen die Anstrengungen des Männchens er-
folglos. Ist das Weibchen begattungsbereit, so läuft es in seiner
Röhre rasch bis dicht hinter das Männchen, nachdem es sich längere
Zeit hindurch hat locken lassen. Das Männchen zeigt nun immer
stärker werdende Zeichen der Erregung, zirpt lauter, der Hinterleib
streckt sich und wird gegen den Boden gepreßt, und die langen
Flügelgräten werden nach rechts und links von der Dorsalfläche des
Abdomens weggebogen. Nun steigt das vorher ruhig dasitzende
Weibchen plötzlich ziemlich rasch von hinten her auf den Rücken des
Männchens, und es erfolgt die Begattung in der gleichen
Stellung wie bei den eigentlichen Grillen auch. Im
übrigen weist sie eine Reihe von Besonderheiten auf, die sich be-
sonders in größerer Aktivität des Weibchens, dann aber auch in
der bei der Körpergröße des Tieres besonders gut zu beobachtenden
Abgabe der Spei-matophore äußert. Der Bau der Spermatophore
selbst weicht endlich ganz von dem der eigentlichen Grillen ab.
Der Ort der beobachteten Begattung war einmal eine unter-
irdische Röhre vor dem Bau des Weibchens, das 2. Mal die Stelle
unmittelbar vor der Mündung einer solchen. Nach allem, was auch
an frustranen Begattnngsversuchen beobachtet werden konnte, scheint
die unterirdische Begattung die Regel darzustellen. Die Glasgefäße,
in denen die Tiere gehalten wurden, standen auf einem Tisch in
meinem Zimmer, das abends beleuchtet war. Diese künstliche Be-
leuchtung stört die Tiere nicht im mindesten in ihrem Treiben, und
während des Coitus kann man das Paar sogar grell mit einer elek-
trischen Taschenlampe beleuchten. In den beiden beobachteten
Fällen fand die Begattung dicht an der Glaswand des Behälters
statt, in 2 anderen Fällen entzog sie sich der Beobachtung, da sie
tief in der Erde stattgefunden hatte und ihr Vollzug nur an der
dem Weibchen angehefteten Spermatophore erkannt werden konnte.
Ist das Weibchen auf der Dorsalfläche des Männchens soweit
Copulation iiud Spermatophoren von Grylliden niid Locustirten. 449
nach vorn «•erückt, daß die Hinterleibsspitzen übereinander liegen,
so streckt das Männchen aus der seinen den weißlich-gelben, mit
einem chitinigen. an k erförmigen Titillator und zwei seitlichen Dornen
versehenen „Penis" hervor, der im Verhältnis zur Große des Tieres
sehr voluminös (ca. 4 mm lang, 8 mm breit) und fast rechtwinklig
nach oben gebogen ist. Der Titillator wird, ganz wie bei Grylhis,
in die Vulva des Weibchens eingehakt, und die Vereinigung der
Geschlechter ist nun während 8 Minuten sehr innig. Bas Einbringen
des Titillators macht manchmal Schwierigkeiten, und an ihm scheitert
dann die Begattung, so daß die Tiere sich unverrichteter Dinge
wieder trennen (2mal beobachtet). Während der Copulation führt
nicht nur das Männchen mit dem Hinterleibe und dem Titillator
heftige, fast rhythmische Bewegungen aus, sondern auch das Weib-
chen ist sehr unruhig und stößt wiederholt seine Hinterfüße heftig
an den Flanken des Männchens auf und nieder, so daß das Bild zu-
stande kommt, als ob ein Reiter sein Pferd spornt. Die Grabfüße
des Männchens sind während des Aktes fest auf den Boden ge-
stemmt, seine Cerci und Fühler in lebhafter Bewegung. Das Weib-
chen luht völlig auf dem Männchen, seine PiXtremitäten sind sämt-
lich vom Boden abgehoben, die Grabtüße fest auf Kopf und Thorax
des jMännchens gepreßt. Naht sich die Begattung ihrem Ende, so
schwillt der Penis stärker und streckt sich. Aus seinem dorsalen
Ende tritt die lebhaft weiße, für das große Tier ziemlich kleine,
etwa hanfkorngroße ungestielte Sperraato p höre aus, und alsbald
löst sich der Titillator aus der Vulva. Die Spermatophore wird nun
völlig frei, das Männchen tritt sofort nach vorn unter dem Weibchen
hinweg, und dieses sinkt schwer auf den Boden. Bei beiden be-
obachteten Paaren verlief der Coitus vollkommen gleich, so daß
zweifellos normale Verhältnisse vorliegen.
Einen Diang des Weibchens, die Spermatophore zu fressen,
konnte ich nicht feststellen, obwohl in einem Falle das Tier bis
20 Minuten post coituni beobachtet werden konnte. Dann zog es
sich in seinen Gang zurück, und als es, V2 Stunde post coitum,
wieder erschien, war die Spermatophore verschwunden. Ich zweifle
nicht daran, daß heftige Preßbewegungen, die von den VentriUpartien
des 7. und 8. Hinterleibssegments in kurzen Pausen ausgeführt
werden, zur Ausstoßung der Spermatophore führen.^) Von der eigen-
1) Anm, während der Korrektur: Diese Vermutung wurde
später durch Beol)achtung in 2 Fällen bestätigt, und zwar erfolgt die
Ausstoßung der Spermatophore ca. 20 jMinuten nach der Begattung.
450 Ulrich Gerhardt,
tümlichen Stellung, die nach Baumgartner's Schilderung- die Tiere
während und nach der Begattung annahmen, konnte ich nichts be-
merken. Wohl aber spielte in der ersten halben Stunde nach der
Copulation das Männchen mit Fühlern und Palpen lebhaft am Kopfe
des ihm gegenüberstehenden Weibchens herum, das in ähnlicher
Weise dieses Spiel erwiderte.
Die Spermatophore von GryJlotalpa vulgaris ist äußerlich
sehr einfacli, innerlich aber sehr kompliziert konstruiert und weicht
in jeder Beziehung von der der eigentlichen Grillen ab. Ich möchte
aber gleich bemerken, daß ich von den paarigen schleimigen Massen,
die Baümgartner an der Spermatophore beschreibt, nichts bemerken
konnte. In zwei Fällen wurden Weibchen unmittelbar nach der Be-
gattung mit der anhaftenden Spermatophore in ÜARNOT'sche Flüssig-
keit gebracht. Beide Male fiel beim sehr rasch erfolgenden Ab-
sterben des Tieres die Spermatophore aus der Vulva heraus. Bei
dem ersten Weibchen klaffte nach dem Herausfallen der Spermato-
phore die Vulva, und in ihr sah man einige weißliche Schleimflocken.
Ich zog, was davon vorhanden war, mit der Pinzette heraus und
konnte feststellen, daß es sich um ungeformten Schleim handelt, der
entweder ein Secret der Vagina oder der männlichen akzessorischen
Geschlechtsdrüsen ist und der zur Befestigung der Spermatophore
in der Vagina dienen könnte. Im zweiten Falle war von diesem
Schleim bedeutend weniger vorhanden,
Ein dünner, scharf abgesetzter Spermatophorenstiel, wie ihn die
eigentlichen Grillen besitzen, fehlt hier vollständig, und schon in der
natürlichen Lage der Spermatophore in der Vulva des Weibchens
fällt es besonders auf, daß die quere Spalte dorsal von der Sub-
genitalplatte der ganzen Breite nach von der Spermatophore aus-
gefüllt wird. Von dieser ist von außen nur ein Teil, etwa die Hälfte,
zu sehen, und dieser nach außen vorragende Abschnitt unterscheidet
sich von dem in der Vulva befestigten durch andere Beschaffenheit
seiner Wandung. Während nämlich der sichtbare Teil undurch-
sichtig weiß, etwa chagriniert, aussieht, ist der innen befindliche
bläulich durchsichtig und läßt den das weiße Sperma enthaltenden
Binnenraum erkennen Dieses Verhalten war besonders an der einen
Spermatophore sehr deutlich ausgeprägt, an der anderen weniger.
Betrachtet man die frische Spermatophore unter dem binokularen
Mikroskop, so sieht mau kaum Einzelheiten, die erst nach Auf-
hellung in Xylol u. dgl. sichtbar werden. Nun zeigt sich, daß zwar
das ganze Gebilde von einer einheitlichen, festen, glatten Außenhaut
Copulation uud Spermatoplioren von Grylliden und Locustiden. 451
Überzogen ist. daß es aber in seinem Innern einen kompliziert ge-
bauten Spermabehälter mit sehr hoch differenzierten Leitungswegen
enthält (Fijr. 4, Taf. 18 u. Fig. 4 a u. b, Taf. 17). Die dorsale Kante
der Spermatophore ist konvex, stai-k gewölbt. Die ventrale endet
am caudalen, freien Ende mit einer stumpfen Ecke, oral trägt sie
paarige seitliche Fortsätze zur Befestigung in der Vulva. An der
Außeuhülle ist die im Innern gelegene kuglige Ampulle, der
eigentliche Spermabehälter, durch ein System von strahlenförmig
angeordneten Fasern befestigt, die alle in einer Einsenkung der
Ampullenkugel zusammenlaufen und die in die dorsale gewölbte
Wand der Hülle ausstrahlen. An dem entgegengesetzten Pol der
Kugel liegt die Mündung des Spermaganges, der die Spermatozoen
aus der Ampulle in das Receptaculum seminis des Weibchens zu leiten
hat. Er durchsetzt die doppelte Membran der Ampulle, biegt nach
der caudalen Ecke der Außenhülle um, macht dort eine spitze
Schlinge, dreht um und zieht mit einem dünnen aufsteigenden
Schenkel an dem absteigenden vorbei längs der ventralen Kante
zur oialen Ecke der Außenhülle. Der absteigende Schenkel
weist eine Anschwellung auf, die sich am anschaulichsten als eine
magenförmige Erweiterung bezeichnen läßt. Den genauen Ver-
lauf der Schlinge und diese magenartige Erweiterung zeigt sehr
deutlich Fig. 4 a, Taf. 17. Der aufsteigende Schenkel zieht als feiner
Kanal zur Mündung, die auf einer Papille der festen Außenhaut
gelegen ist. Betrachtet man die Spermatophore von der Kante aus,
die zwischen den beiden Ecken hinzieht und der innen der Aus-
führungskanal folgt, wie es auf Fig. 4b, Taf. 17 dargestellt ist, so erkennt
man einmal deutlich, wie der aufsteigende Schenkel des Kanales an
dem absteigenden vorüberzieht; dann aber sieht man auch den
Befestigungsapparat, der rechts und links von der Mündungs-
papille des Kanales liegt und der aus zwei hellen, quer gestellten
Lamellen besteht, die in der natürlichen Lage der Spermatophore
in die Vulva eingesenkt sind.
Während wir bei den eigentlichen Grillen also den Leitungs-
weg, der das Sperma aus der Ampulle der Spermatophore in das
Receptaculum des Weibchens führen soll, als eine direkte Ver-
längerung der Ampullen antrelfen, die von dem Befestigungs-
apparat in der Vulva, der Lamelle, umgeben ist, haben wir bei
Gryllotalpa eine total verschiedene Anordnung des Ganzen. Hier ist
Ampulle plus Leitungsweg in die gemeinsame feste Außenhaut der
Spermatophore eingeschlossen, und dieser Leitungsweg mit seiner
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 30
452 Ulkich Gerhardt,
komplizierten Schlängelung weicht im einzelnen gänzlich von dem
der Grillenspermatophore ab.
Ich darf nicht unterlassen, auf die Verschiedenheiten hinzuweisen,
die sich zwischen Bafmgartner's Beobachtungen an der nord-
amerikanischen Maulwurfsgrille und den meinen an Gryllotalpa
vidgaris angestellten in so vielen Beziehungen ergeben. Erneute,
ausgedehntere Beobachtungen an der amerikanischen Species scheinen
mir höchst erwünscht, besonders wäre auch die zentralamerikanische
Gattung Scapteriscus in den Kreis der Beobachtung zu ziehen.
Über die Begattung der Tridactyliden, die ja nach manchen
Autoren als nicht mit Sicherheit zu den Gryllotalpiden gehöj'ig, viel-
mehr vielleicht als grabend gewordene Acridier zu betrachten sind,
liegen, soweit mir ersichtlich, keine Beobachtungen vor. Die Copu-
lation der wohl zweifellos mit den Gryllotalpen verwandten, in
Pflanzenstengeln lebenden Cylindrodes- Arten wird nur mit großen
Schwierigkeiten zu beobachten sein; bisher ist sie unbekannt.
Somit stimmt die Begattu.ngsstellung der legeröhrenlosen
Gryllotalpa mit der der ein solches Organ tragenden Grillen überein.
Der Bau der Spermatophore ist jedoch gänzlich von dem bei Gryllus
und Nemohius beschriebenen verschieden. Ebenso scheint deren
Herstellung von der bei den Grillen beschriebenen abzuweichen.
Die Spermatophore scheint, soweit ich aus dem Beobachteten und
aus dem Bau des Penis zu schließen vermag, erst während der Be-
gattung selbst gebildet zu werden.
Die Begattung erfolgt viel seltener als. bei Gryllus: das
Männchen eines Paares, das bereits 4 Wochen in Gefangenschaft
lebt, hat einem Weibchen an zwei Abenden hintereinander (9. und
10. Mai) Spermatophoren angeheftet, ein anderes übte die Begattung
2mal an einem Tage, morgens ^j.^lO und abends lO'/i Uhr aus, und
zwar an 2 Weibchen, Bei dem ersten Paare wurde nie wieder eine
Begattung beobachtet, wohl aber frustrane Bemühungen dazu.
c) Zusammenfassendes über die Copulation
der Grylliden.
Versuchen wir, das, was wir über die Copulation der Grylliden
bisher erfahren haben, kurz noch einmal zusammenzufassen, so
haben wir zunächst einige, überall gleiche, fundamentale Vorgänge
festzustellen. Überall überträgt das Männchen mit Hilfe seines
Titillators eine bereits vorher vollkommen fertiggestellte Sperma-
tophore in die Vulva des über ihm sitzenden Weibchens. Die Sperma-
I
I
Copnlation und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 453
topliore bestellt aus eiiiei- das Sperma enthaltenden „Ampulle", aus
der dieses durch ein fadenförmiges, dünnes Rohr in das Receptaculum
des Weibchens geleitet wird. Die Ampulle ragt an einem dünnen
Stiel nach der Begattung aus der Vulva hervor, in der Vagina ist
sie befestigt durch die den Endfaden umgebende, mit verschieden
entwickelten Fortsätzen ausgestattete „Lamelle" der Spermatophore.
Für GnjllotaJpa tritft diese Schilderung nur in dem Punkte zu,
daß auch hier das ^lännchen dem auf ihm sitzenden Weibchen eine
Spermatophore überträgt. Der Bau dieser Spermatophore, die wahr-
scheinlich erst während der Copulation fertiggestellt wird, ist voll-
kommen abweichend.
Bei OecantJms, Liognßlus und Gryllus nagt oder leckt das Weibchen
vor der Copulation auf der Doi-saltläche des Männchens herum, bei
Oecanthus nach Hankock durch ein Secret dazu angelockt. Bei
Nemobius sylvestris findet ein derartiges Belecken des Männchens
als Nachspiel der Begattung statt.
Wenn die in die Vulva eingebrachte Spermatophore ihren Inhalt
in das Receptaculum seminis entleert hat, so fällt sie in den meisten
Fällen aus der Geschlechtsöttnung des Weibchens heraus; doch ist
bei dem Weibchen von LiognjUus campestris. der amerikanischen Feld-
grille und, in geringerem Maße, auch bei Gnjllus domesticiis ein In-
stinkt entwickelt, sich der Spermatophore durch Auffressen zu ent-
ledigen, der sich aber nicht regelmäßig äußert.
Variabel ist, je nach der Species, die Copulationsdauer. Die
Stellung des Männchens ist während der Begattung so, daß das Ab-
domen gestreckt und etwas aufwäits gebogen ist. Vorher wird, zum
Unterschieben unter das aufsteigende Weibchen, der Hinterleib flach
auf den Boden gepreßt. Der Gattung Liogryllus scheinen die während,
der Begattung ausgeführten Kopfbewegungen des Männchens eigen-
tümlich zu sein, während bei Gryllotalpa sich beide Geschlechter
intra copulam sehr unruhig verhalten. — Schließlich sei noch darauf
hingewiesen, daß die bisherigen Beobachtungen nur an wenigen
Arten angestellt sind und daß bei weiteren Untersuchungen viel-
leicht noch viele interessante Einzelheiten zutage gefördert werden
könnten. Doch ist bei allen Formen mit Legeröhre eine prinzipielle
Übereinstimmung in den Hauptvoigängen zu erwarten.
Nicht ganz einig sind sich die Autoren in der Beantwortung
der Frage, ob die hier geschilderten Vorgänge als echte Begat-
tung aufzufassen seien. Wir wollen die P^rörterung dieser nicht
ganz leicht zu beantwortenden Frage an den Schluß dieser Ab-
30*
454 Ulrich Gerhardt,
haudluiig verschieben und dort im Verein mit der Bewertung der
Begattung der Locustiden besprechen.
2. Copulation und Spermatophoreii Yon Locustiden.
Historisches. Rösel v. Rosenhof (30) hat bei Decticus
verrucivorus und vielleicht auch bei Locusta viridissima den Coitus
selbst beobaclitet und geschildert. Aber seltsamerweise beschränkt
sich der sonst so vorzügliche Beobachter eigentlich nur auf eine
Schilderung der Stellung der Geschlechter, des Besteigens des
Männchens durch das Weibchen, während er den wesentlichsten
Vorgang bei der Copulation, die Übertragung einer Sper-
matop höre, nicht zu kennen scheint.
Große Verwirrung hat in der Literatur die Arbeit von v, Siebold
(32) vom Jahre 1845 „Über die Spermatozoiden der Locustinen" an-
gerichtet. Darin werden als „Spermatophoren" Gebilde bezeichnet,
die als Zusammenfügungen zahlreicher Spermatozoen im Recep-
taculum semin is des Weibchens gefunden wurden. Diese Bil-
dungen sind keine Spermatophoren, wie sie bei der Copulation über-
tragen werden und wie wir sie noch genugsam kennen lernen werden.
Da sie aber von Siebold, allerdings mit Vorbehalt, für solche erklärt
wurden, ist diese Deutung in der deutschen Literatur bis in die neueste
Zeit weitergeschleppt worden. So finden wir in dem Abschnitt über
Spermatophoren bei Koeschelt u. Heider (21) noch die SiEBOLo'schen
„Spermatophoren" der Locustiden den eigentlichen Spermatophoren
der Grylliden parallel gestellt, während schon längst die außerordent-
lich voluminösen Spermatophoren, die bei der Locustidencopulation
produziert werden, beschrieben waren. Wohl als erster hat in
Deutschland Fischer (18) eine Locustidenspermatophore und ihre
Produktion beim Coitus (bei Ephippigera Vitium) beschrieben.
In Spanien hat Bolivar (9) 1888 den Coitus von Locusta viri-
dissima geschildert und abgebildet, und er beschreibt auch die Aus-
stoßung der Spermatophore, von der er, wie auch Fischer, annimmt,
daß sie nach ihrer Entleerung aus der Vulva falle.
Eine außerordentlich anschauliche Schilderung der Copulation
und der Spermatophore von Decticus alUfrons gibt Fabre (16) (1896),
und hier wird zum erstenmal der ganze Komplex der Vorgänge, die
sich bei diesem sehr eigenartigen Begattungsakte abspielen, lückenlos
geschildert. Insbesondere wird das wohl bei allen Locustiden regel-
mäßig ausgeübte Auffressen der Spermatophore, oder doch
wenigstens eines Teiles von ihr, beschrieben. Außer von Decticus wurden
Copulation und Sperniatophoren von Grylliden und Locustiden. 455
noch von Fhancroptcm und Ephippigem Spermatoplioi-en beschrieben,
in einer Übersetzung des FABRE'schen Artikels im „Kosmos" wird auch
über die Beoattung- von Locusta mridissima kurz berichtet (17).
Die FABRE'sche Arbeit bedeutet einen Wendepunkt in der Ge-
schichte unseres Gegenstandes, Über Begattung- und Spermatophore
von Locusta mridissima bringt Tümpel (33) Angaben (in der zweiten
Auflage seines Buches auch eine ganz kurze Bemerkung über die
Copuhition von LcptopJiycs pundatissima). Vossklek (30) berichtet
über Spermatophoren von Platystolus und Eugastcr (Ephippigeriden).
Dann folgen die ausgezeichneten Studien von Berenguier (3, 4) über
die Copulation von Isophya und einigen anderen ungeÜügelten
Phaneropteriden sowie über die Ephippigera terrestris Yersin. Hier
■werden zum ersten ]\rale vergleichende Beobachtungen über die
Varianten des Copulationsmodus zweier sich verschieden verhaltender
Gruppen angestellt, und es wird nach einer ursächlichen Erklärung
dieser Verschiedenheiten gesucht. Im Jahre 1913 ist von Boldy-
RKv (7) eine Schilderung von Coitus und Spermatophore von Tachy-
cines asynamorus Adel., ^= Diestrammena marniorata de Haan, sowie
eine kurze zusammenfassende vorläufige Mitteilung über Spermato-
phoren von Locustiden und Grylliden erschienen.^) Ich möchte hier
noch einmal betonen, daß Boldyrev und ich unabhängig voneinander
begonnen haben, das gleiche Thema, zum Teil sogar am gleichen
Material, zu bearbeiten, und da wir beide unsere Untersuchung
weiter ausdehnen wollen, ist zu erholten, daß bald ein vollständigerer
Überblick über das uns beschäftigende Thema wird gegeben werden
können, als ihn zu geben mir jetzt möglich ist.
Ich habe den vollständigen Begattungsvorgang (mit Vor- und
Nachspiel) beobachten können bei Gliedern der Familien der Decti-
ciden. Phaneropteriden und Steno pelmatiden. Trotz
vieler Übereinstimmungen in den Hauptpunkten zeigt sich doch,
daß unter den Locustiden viel größere Differenzen im Verhalten der
einzelnen Gruppen bestehen als unter den Grylliden, so daß es sich
empfehlen wird, die einzelnen Familien in ihrem Verhalten getrennt
zu besprechen. Es soll dann auch bei jeder Familie noch genauer
auf das in der Literatur vorliegende Beobachtungsmaterial ein-
gegangen werden, über das oben nur ein summarischer historischer
1) Anm. während der Korrektur: BoLDYREv's ausführliche
Arbeit über diesen Gegenstand, die \vährend des Druckes dieser Ab-
handlung erschienen ist, wird von mir in einer zweiten Mitteilung berück-
sichtigt werden.
456 Ulrich Gerhardt,
Überblick gegeben worden ist. Ich beginne, weil sich so die Dar-
stellung am leichtesten an den ersten Teil dieser Abhandlung an-
fügt, mit den gewissermaßen „grillenähnlichsten" aller beobachteten
Locustiden, den Stenopelmatiden.
Fam. Stenopelmatidae.
Material: Diestrammena marmorata de Haan = Tachycines
asynamorus Adel.
In neuerer Zeit ist häufig in europäischen Gärtnereien in
Deutschland die japanische flügellose Höhlenheuschrecke Diestram-
mena marmorata aufgetreten und auch verschiedentlich beschrieben
worden. Die Spermatophoren dieser Art beschreibt Wünn (36),
deutet sie aber falsch, da er einen Teil von ihr für die ausgestülpte
weibliche Genitalöfifnung hält.
In Chicago wurde die gleiche Species von Baumgaetner (2)
bei der Copulation beobachtet, aber auch von diesem Autoi* sind
die dabei auftretenden Erscheinungen nicht ganz richtig gedeutet.
Ich erfuhr durch die Güte des Herrn Dr. Ramme, Assistenten
am Zoologischen Museum in Berlin, eine Adresse in Naumburg,
von wo ich mir die exotische interessante Form im Oktober 1912
kommen ließ. Bis Weihnachten beobachtete ich drei Copulationen;
Spermatophoren an den Weibchen nach verpaßter Copulation bekam
ich durch falsche Versuchsanordnung mehr zu sehen, als mir lieb war.
Im Januar 1913 kam ich durch Vermittlung des Herrn Kollegen
Dampf mit Boldyeev in Korrespondenz und erhielt sofort nach
deren Erseheinen seine Arbeiten über Locustidencopulation zugesandt.
BoLDYREv hatte die von ihm (7) und Adelung (1) beschriebene,
in Warmhäusern in Petersburg und Moskau aufgetretene Heu-
schrecke Taclnjcines asynamorus Adel, auf Copulation und Spermato-
phoren genau beobachtet und mir gegenüber den Verdacht geäußert,
daß diese Art mit der oft beschriebenen Diestrammena westeuropäi-
scher Warmhäuser identisch sein könnte. Bei einer Vergleichung
des aus Naumburg stammenden mit dem russischen Material
konnte Boldtrkv diese Vermutung bestätigen, so daß sich heraus-
stellte, daß wir beide unbewußt das gleiche Objekt bearbeitet hatten.
Es ist fast selbstverständlich, daß unsere Beobachtungen sich in
der Hauptsache decken, immerhin glaube ich einiges zu Boldyrev's
Schilderungen hinzufügen zu können, während in anderen Punkten
er zweifellos mehr gesehen hat als ich.
Diestrammena marmorata ist ein Höhlenorganismus, der im all-
Copnlation und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 457
gemeinen liclitsclieu ist. Insbesondere spielt sich die Begattung fast
nur bei Eintritt der Dunkelheit ab, so daß man künstliche Beleuch-
tung anwenden muß, um Genaueres zu sehen. Um die Copulation
sicher nicht zu vei'passen, halte ich bei allen in Gefangenschaft ge-
haltenen Locustiden die Geschlechter ständig isoliert bis auf die
Zeiten, in denen ich sie während meiner Anwesenheit zusammensetze.
Befolgt man diese Gewohnlieit nicht streng, so hat man alle Aus-
sicht, nicht zum Ziele zu kommen. Wenn einmal durch ein Versehen,
gegen meine Absicht, Weibchen zu den Männchen geraten waren,
fand ich sie später fast immer schon mit den Rudimenten einer
Spermatopliore in der Vulva vor. Allerdings muß man viel Zeit
unnütz opfern, aber wenn man die Geduld nicht verliert und immer
wieder die Geschlechter trennt und wieder zusammensetzt, so kommt
man schließlich doch zum Ziele, wenn nicht besondere Dinge mit-
spielen, auf die noch einzugehen sein wird. Dabei ist natürlich eine
möglichst große Individuenzahl beiderlei Geschlechts zu verw^enden,
obwohl manchmal an einem einzelnen Pärchen einer Art glückt, was
man an einem großen Material einer anderen Art vergeblich anstrebt.
Im allgemeinen verfuhr ich früher bei Diestrammena so, daß ich
bereits bei Tageslicht, etw^a mittags, die Geschlechter zusammen-
setzte. Dann pflegte sich nichts zu ereignen bis zur Dämmerung,
mit deren Tieferwerden die Männchen herumzulaufen und die Weib-
chen zu suchen beginnen. Einmal, nach Htägiger Trennung der Ge-
schlechter, fanden bei dieser Anordnung aber schon 2 Begattungen
bei Tage statt, was ich nur noch an den Spermatophorenresten er-
kennen konnte, so daß ich jetzt die Geschlechter erst abends zu-
sammensetze und bei den Tieren bleibe, bis es dunkel geworden ist.
Dann werden sie für die Nacht wieder getrennt. Größeren Ge-
schlechtstrieb, als wenn sie täglich mit den Weibchen zusammen-
kommen, zeigen die Männchen bei längeren Trennungszeiten.
Nach monatelangen sehr geringen Erfolgen bei Diestrammena —
die Tiere gingen trotz reichlicher Aufnahme von Nahrung rasch
ein — habe ich endlich im März dieses Jahres eine neue Sendung
außerordentlich lebenskräftiger Geschlechtstiere aus Naumburg
bekommen, bei denen man Abend für Abend die Copulation durch
Zusammenlassen der vorher getrennten Geschlechter fast mit der
Sicherheit eines Experiments herbeiführen kann.
Bei dem Aufsuchen der Geschlechter fällt bei der völligen
Flügellosigkeit unserer Art jede Verständigung durch Zirpen weg.
Die Männchen sind daher, da sie nicht die Weibchen anlocken
458 Ulrich Gerhardt,
können, darauf angewiesen, diese aktiv aufzusuchen, wobei die sehr
langen Fühler eine große Rolle spielen. Deshalb laufen die Männchen
emsig umher, und wenn sie einem Weibchen begegnen, das ihre
Begattungslust anregt (^das ist durchaus nicht bei jedem Weibchen
der Fall), so beginnt ein eigentümliches Schwingen des ganzen männ-
lichen Körpers von vorn nach hinten in rhythmischen Stößen, von
denen ich aber nicht, wie Boldyrev, meine, daß sie als Stöße auf
das Weibchen hin aufzufassen sind. Wenigstens zunächst nicht.
Ich habe beobachtet, daß ein Männchen durch ein Weibchen zu
diesem Tanz angeregt wurde, das Weibchen war aber begattungs-
unlustig und entfernte sich. Nun tanzte das Männchen ruhig weiter
auf dem Platze, an dem vorher das Weibchen gesessen hatte. —
Wenn das Männchen sich von der Seite oder von hinten her einem
Weibchen nähert und diese Bewegungen ausführt, so läuft das
Weibchen meist weg, jedenfalls kommt es zu keiner Begattung,
wenn nicht das Weibchen, wie es bei starkem Begattungstriebe der
Fall ist, sich herumdreht und auf das Männchen zugeht. Oft sitzt
das begattungswillige tVeibchen ganz ruhig, mit etwas erhobenem
Vorderleib, und läßt das Männchen ruhig an sich herankommen.
Dieses schwingt, mit seinem Kopf dem des Weibchens gegenüber,
heftig nach vor- und rückwärts und macht nun eine plötzliche
Kehrtwendung. Das ganze Verhalten erinnert dabei außerordentlich
an das Benehmen der Feldgrillenmännchen, kurz vor dem Aufsteigen
des Weibchens. Die heftigen Stöße werden weiter ausgeführt, aber
nun geht das Männchen dabei rückwärts und schiebt sich sehr ge-
schickt mit seinem Hinterleib zwischen den Beinen des Weibchens
hindurch nach hinten. Das Weibchen erhebt sich und geht etwas
vorwärts und beleckt den Rücken des Männchens, das sich unter
ihm in aller Ruhe arrangiert.
Um das, was nun folgt, zu verstehen, müssen wir einen Blick
auf die Gestalt des Hinterleibes unseres Tieres werfen. Wie bei
den Grylliden finden wir bei den Stenopelmatiden, im Gegensatz zu
anderen Locustiden, undifferenzierte, weiche, mit Haaren besetzte,
fadenförmige Cerci (Raife) am 10. (Anal-) Segment, die, ebenso-
wenig wie bei den Grillen, als Greiforgane bei der Begattung in
Betracht kommen können. Auch die dreieckige, etwa kahnförmige
Subgenitalplatte ist ebenfalls, wie bei Grylliden, ohne Fortsätze
(Styli) und auch ohne mediane Einkerbung. Somit weist, äußerlich
betrachtet, die gesamte männliche Hinterleibsspitze keinerlei Haft-
organe auf. Übt man auf den Hinterleib einen leichten Druck von
I
Copnlation und Spermatophoren von Orylliden und Locustiden. 459
beiden Seiten ans, so tritt ein weißlicher, weicher, mit mannigfachen
Anhängen versehener, in der Hauptsache aber zylindrischer Körper
hervor, der auf seinem freien Ende die männliche Geschlechtsöffnung
trägt und der als „Penis"' bezeichnet wird, obwohl er nicht die
Funktion eines solchen (Eindringen in die Vagina) auszuüben hat.
Betrachten wir den ausgestülpten Organkomplex, wie ihn Fig. 2,
Taf. 17 darstellt, etwas genauer, so sehen wir am meisten dorsal
die Afteröffnung, die zwischen den Wurzeln der beiden Cerci
gelegen ist. An die ventrale Begrenzung des Anus schließt sich
die Dorsalfläche des Penis an, die konkav ist und einen hier nur
sehr gering entwickelten „Titillator" trägt, ein Organ, das dem
gleichnamigen der Grillen völlig homolog ist. Es stellt eine in der
Hauptsache gleichschenklig dreieckige chitinöse Platte dar. die mit
der Spitze caudalwärts gerichtet ist und dort zwei seitliche, gebogene
Fortsätze trägt. Die hellbräunliche Oberfläche dieser Platte ist mit
oralwärts gerichteten kurzen, feinen Dornen besetzt. Die Geschlechts-
öftnung selbst ist von faltiger, bräunlicher Haut umgeben, die
dorsal eine Art leicht verhornter Klappe darstellt. Seitlich von ihr
liegen zwei Paare von weichen, weißen, hakenförmig gekrümmten
Fortsätzen, ein dorsales und ein ventrales, die beide einem gemein-
samen Basalstück aufsitzen. Das dorsale Paar ist zangenartig nach
innen gekrümmt, während das ventrale Paar nur mit der Basis
median gerichtet, mit den Spitzen dagegen nach außen gebogen ist.
Beide sind mit feinen, nur mit Hilfe von stärkerer Vergrößerung
wahrnehmbaren Härchen besetzt. Das ganze Penisgebilde wird
zwischen After und Genitalplatte hervorgestülpt.
Wenn nun ein Männchen unter ein Weibchen gelaugt ist, so
stülpt es diesen Apparat aus und sitzt ganz still. Dabei betastet
das Weibchen immer noch mit den Tastern und benagt und
beleckt mit den Mundteilen den Rücken des männlichen Tieres,
dessen Hinterleib ein ganzes Stück w^eit unterhalb des weiblichen
liegt, so daß sich die beiden Hinterleibsspitzen nicht berühren. So-
mit haben die eben beschriebenen Anhänge des Penis, wenigstens
bei dem ersten Akte des Begattungsvorganges, sicher nicht die Funk-
tion von Haftorganen. Wir können annehmen, daß der Titillator,
den wir bei den Grillen eine so bedeutende Rolle spielen sahen, hier
ein fast rudimentäres Organ darstellt.
Ohne daß nun das Männchen irgendwie mit dem Hinterleibe
preßte oder die beiden übereinander sitzenden Tiere sich bewegten^
erfolgt jetzt der Austritt der außerordentlich voluminösen Sper-
460 Ulrich Gerhardt,
inatophore aus der Geschlechtsöffnun^ des Männchens. Es tritt
in 2—3 Sekunden (Boldyeevj ein glänzendes unpaares, etwa kug-
liges, weißes Gebilde aus, dem zwei seitlich und ventral von ihm
gelegene, gleichfalls weiße, zunächst ziemlich durchsichtige, bald
aber erhärtende und dabei undurchsichtiger werdende Kugeln nach-
folgen. Diese Kugeln quellen als Secretmassen aus der Genitalöifnung
hervor, während das Mittelstück mehr in toto herausgeschoben wird.
Jeder der drei Bestandteile hat etwa 2 mm im Durchmesser. Der
unpaare Teil, der beim Austritt der Spermatophore vorangeht, ist
deren eigentlicher Spermabehälter, die Ampulle („Flacon" Bol-
DYREv's), mit dem in die Vulva einzubringenden Stiel. Nun kommt
der zweite Teil des Begattungsvorganges, die Einbringung der
Spermatophore in die Vulva. Sie ist das Werk weniger
Augenblicke. Das bisher still sitzende Männchen macht plötzlich
eine heftige Bewegung des Hinterleibes nach hinten und oben, wobei
es rasch mit den Füßen ein Stück nach hinten kriecht. Darauf
folgt eine ebenso rasche Bewegung des Abdomens von hinten und
unten nach vorn und oben, ein heftiges Andrücken der Spermato-
phore gegen die Vulva des Weibchens, und unter normalen Um-
ständen ist jene nun so zwischen Legeröhrenwurzel und Subgenital-
platte des Weibchens befestigt, daß der eingeführte Stiel mit dem
Spermabehälter am meisten dorsal sitzt und die beiden paarigen
Kugeln unter und etwas vor ihm gelegen sind. Ist diese Bewegung
erfolgreich ausgeführt, so folgt eine Ruhepause, in der beide Ge-
schlechter still sitzen und in der die lateralen Kugeln der Spermato-
phore deutlich größer werden und eine Umhüllung mit einer glasig-
durchsichtigen Substanz empfangen. Es müssen also während dieses
dritten Teiles der Begattung die Drüsen des Männchens, die diese
Secretmassen liefern, noch arbeiten. Die Tatsache, daß die Spermato-
phore nicht in der Form den männlichen Körper verläßt, in der sie
bei der Trennung der Geschlechter am Weibchen hängen bleibt,
scheint Boldyeev entgangen zu sein. Zweifellos irrig ist es, wenn
Baümgartnee (2) angibt, die Ampulle werde zunächst vom Männchen
allein ausgestoßen und dem Weibchen in der Vulva befestigt, erst
dann erfolge die Ausscheidung der beiden kugligen Seitenkörper.
„The female mounts on the back of the male, when he hooks an
almost spherical ampulla füll of sperm into her vagina. During the
latter act a viscid fluid flows out on either side and forms two
somewhat irregulär roundish masses larger than the original ampulla,
which now lies between the two."'
Copnlation und Spermatophoien von Grylliden und Locustiden.
461
I
Wählend der Ausbildung der Spermatoplioie verhalten sich
beide Tiere vollkommen ruhi^. Das Weibclien steht hoch auf den
Hinterbeinen aufoferichtet , der männliche Hinterleib ist in einem
Winkel von etwa 30—40" über die Horizontale o^ehoben. Ist da-
gegen die Ausbildung der seitlichen Si)ermatopliorenkugeln vollendet,
so zerrt das Männchen einigemale heftig, ruckweise, nach vorn. Da
die Spermatophore einerseits bereits fest in der Vulva eingepflanzt
ist, andrerseits durch den ..Penis" des ^Männchens mit seinem oben
beschriebenen Hakenapparat noch festgehalten wird, so wird durch
diese Bewegung^en der Hinter-
leib des Weibchens nach vorn
und gleichzeitig nach unten ge-
zogen. Dadurch kommt das
Weibchen in eine gekrümmte
Stellung, und zugleich wird sein
Kopf, der vorher über dem Pro-
thorax oder dem Kopf des Männ-
chens — je nach dessen Größe —
sich befand, auf den Metathorax
an der Grenze des Abdomens
gezogen (Fig. (5, Taf. 17).
Und nun beginnt, am Schluß
des ganzen Aktes, das Weibchen
in der Gegend des 1. Hinterleibs-
ringes des Männchens auf dessen
Rückenfläche wiederum eifrig zu
lecken und zu nagen, und diese
Tätigkeit wird erst eingestellt,
wenn es dem Männchen gelungen
ist, sich von seiner Spermato-
phore ganz zu befreien, die dann als dreiteiliges, leuclitend bläulich-
weißes Gebilde am Weibchen hängen bleibt (Fig. L), während das
Männchen unter dem Weibchen fort ein Stück nach vorn geht.
Manchmal, aber selten, ist es auch das Weibchen, das die Lösung
der Copula herbeiführt.
Nicht immer gelingt unter den durch die Gefangenschaft oder
vielmehr durch die Beobachtung durch den Menschen bedingten Um-
ständen das Einbringen der Spermatophore. In 2 Fällen machte
ich Licht, ehe das Männchen in richtiger Stellung unter dem
Weibchen saß, und und im 1. Falle mißlang die Einbringung der
Fig. L.
Weibchen von Diestrammena marmorata
(nach BoLDYREv). a Ampulle, b Schleim-
kugel (Hülle).
462 Ulrich Gerhardt,
trotzdem ausgetretenen Spermatophore vollständig. Sie wurde, ehe
sie von der äußersten, durclisichtig-en Hülle der lateralen Kugeln
überzogen war, ausgestoßen und von mir in CARNOT'schem Gemisch
konserviert. Sie zeigte als Zeichen ihrer Unfertigkeit im konser-
vierten Zustande einen viel gelblicheren Ton ihrer seitlichen Kugeln
als andere ebenso behandelte Spermatophoren der gleichen Species.
In dem 2. Falle gelang die Einbringung nur unvollständig. Die
Spermatophore wurde indessen völlig fertiggestellt, aber bei der
Lösung der Geschlechter nach der Copulation blieb sie am Männchen
haften, das sie dann verlor. Auch diese Spermatophore wurde kon-
serviert. Es ist mir nicht gelungen, wie das bei anderen Locustiden
mit Leichtigkeit geht, Weibchen mit anhaftenden Spermatophoren
zu konservieren: bei den Bewegungen des Tieres in Formol oder
ÜAENOY'scher Flüssigkeit fiel die Spermatophore aus der Vulva
heraus.
Ganz besonders hinweisen möchte ich darauf, daß auch bei dieser
Species ein Vorgang sich wiederfindet, den wir bei den Grillen in
verschiedener, aber immer vorhandener Beziehung zur Begattung
kennen gelernt haben : das Belecken der männlichen Rückenfiäche
durch das Weibchen und zwar hier vor und am Ende der Begattung.
Ich habe bei Diestrammena häufig die Beobachtung gemacht, daß
Männchen, die auf der Suche nach Weibchen waren, auf der Rücken-
fläche, an der Hinterkante des 1. Abdominalsegments, eine kleine,
zirkumskripte, lebhaft glänzende Stelle hatten, so als ob sie mit einer
zähen Flüssigkeit betropft wären. Bei der herrschenden Dämme-
rung war das Glänzen dieser Stellen besonders auffallend. Bei fort-
geschrittenerer Dunkelheit, wenn ich die Körperumrisse der Tiere
nicht mehr erkennen konnte, habe ich oft aus der Anwesenheit
dieser Flecke darauf geschlossen, daß ihr Träger ein Männchen sei,
und wenn ich Licht machte, erwies sich die Vermutung jedesmal
als richtig. Somit produziert oifenhar das Männchen, ähnlich wie
bei Oecanthus fasciatus unter den Grillen, auf einer bestimmten Stelle
seiner Rückenhaut ein Secret, das vom Weibchen, in diesem Falle
erst am Anfang und dann auch einmal gegen das Ende der Begattung,
noch während dieser selbst, abgeleckt wird. Sehr gut ist diese Stelle
auch sichtbar während der letzten Häutung männlicher Tiere, bei
der der Hinterleib besonders gedehnt wird.
Die Dauer des gesamten Begattungsvorganges, von dem Unter-
kriechen des Männchens unter das AVeibchen bis zur Trennung der
beiden Tiere, betrug durchschnittlich nicht ganz 3 bis über 4 Minuten.
Copulation und Spermatophoren von Grylliden und Locnstiden.
463
BohDYKEv gibt die Zeit von der Einbringung der Spermatophore
bis zur Trennung auf P/., Minuten an, nach der Mehrzahl meiner
Fälle etwas zu kurz.
Nach sehr kurzer Zeit (nach Boldyrev 1 Sekunde bis 2 Minuten,
durchschnittlicli wohl etwa nach 15—30 Sekunden) beginnt das
Weibchen sich etwas aufzurichten, den Kopf einzukrümmen und
eine der beiden seitlichen Kugeln der Spermatophore mit den Freß-
werkzeugen zu ergreifen. Die zähe Substanz, die besonders die
s^mwwOTwraw"'*^
Fig. K.
Fig. K. Weil)chen von Diestrnmmena marmorata,
die Spermatophore fressend (nach Boldyrev).
Fig. L. Schema des Baues der Spermatophore
von IHcstrammoia marmorata. d Binnenraum der
Ampulle, c, b, a deren Häute, f, (j ihre Verarike-
rungsvorrichtungen. P Schleimkugeln der Hülle.
e ihre Verbindung mit der Ampulle. Ovd Legeröhre.
Is Subgenitalplatte. s, s Abdoniinalsegmente (nach
Boldyrev).
äußerste Partie dieser Kugeln bildet, zieht sich zu einem klaren
glasigen, klebrigen Faden oder Bande aus, der sich über die Ventral-
flache des Tieres hinzieht (s. die Boldyrev entnommene Fig. K).
Allmählich werden erst die beiden seitlichen Teile völlig aufgefressen
dann das bis zuletzt aufgesparte Mittelstück, das nach Verlauf von
durchschnittlich 1— P/o Stunden (Boldyrev) auch vertilgt ist, und
zwar benötigt die Beseitigung dieses Stückes nach demselben Autor
6 — 15 Minuten.
Am ersten Abend, an dem ich meine mittags zusammengelassenen
Gefangenen inspizierte, fand ich vier Weibchen gleichzeitig mit dem
464 Ulrich Gerhardt,
Fressen ihrer Spermatophoren beschäftigt. Es dürfte wohl kaum
eine Locustidenspecies geben, bei der der Instinkt der Weibehen,
die in die Vulva eingefügte Spermatophore zu fressen, nicht aus-
gebildet wäre, wenn auch nicht immer, wie es aber meist geschieht,
das ganze große Gebilde verzehrt wird. Es ist auffallend, daß
erst Fabre auf diesen so merkwürdigen und interessanten Vorgang
aufmerksam geworden ist. Um seine Bedeutung und seinen Verlauf
zu verstehen, müssen wir uns den Bau der Spermatophore
genauer ansehen, wobei gleich bemerkt werden soll, daß die von
biestrammena in manchen Beziehungen einen Sondertypus unter den
Locustiden darstellt. Immerhin ist sie eine ganz ausgeprägte
Locustidenspermatophore, die uns die Unterschiede denen der Grillen
gegenüber deutlich zeigt. Gerade die Spermatophore unserer Species
ist durch Boldyrev eingehend studiert, beschrieben und abgebildet
worden, und die beigefügte, schematische Figur (Fig. L) ist diesem
Autor entnommen. Fig. 3, Taf. 17 zeigt eine in Carnoy konservierte,
in Xylol aufgehellte Spermatophore. Zunächst sei erwähnt, daß das
Verhältnis des mittleren, unpaaren Teiles der Spermatophore zu den
beiden seitlichen Kugeln nicht immer das Gleiche ist. Diese beiden
Kugeln stellen, wie bei allen Locustidenspermatophoren,
den größten Volumenanteil dar, sind massiv, enthalten kein
Sperma und kommunizieren auch nicht, Avie Fabre seiner Zeit bei
DecUciis annehmen zu müssen glaubte, mit dem den Samen ent-
haltenden Teile, der in diesem Falle unpaaren medialen und mit
einem Stiele in die Vulva eingepflanzten Partie der Spermatophore.
Boldyrev schreibt: „Der vordere paarige Teil der Spermatophore
(Fig. L) enthält keinen Samen und besteht aus dickem durchsichtigem
Schleim, an den Seiten und von unten ist jede Kugel mit matt-
weißem, nicht klebrigen, lockeren Häutchen bedeckt, deren Zweck —
vom Ankleben und vorzeitigem Abreißen der zentralen, klebrigen,
schleimigen Masse dieses Teiles zu schützen." Ich habe bei sehr
genauem Zusehen den Eindruck gewinnen müssen, daß die mehr
dorsal gelegenen durchsichtigen Partien der Kugeln erst zuletzt, nach
der Befestigung der Spermatophore in der Vulva, ausgeschieden
werden, als eine von außen den festeren weißlichen Kern umfließende
Hülle. Das geht besonders aus dem erwähnten Fall hervor, in dem
ein Männchen eine nicht fertiggestellte Spermatophore fallen ließ.
Hier fehlte die durchsichtige dorsale Hülle beiderseits vollkommen.
Über die Bedeutung beider Komponenten der Seitenkugeln möchte
ich keine bestimmte Vermutung äußern. In CARNOY'scher Flüssig-
Copnlivtion und Spermatophoren von Gr3lli(len und Locustiden. 465
keit konserviert wird die glasige Hülle der Kugeln undurchsichtig
weiß, in Formol (4%) quillt sie außerordentlich stark, während die
weißen, undurchsichtigen Ventralhälften ziemlich unverändert bleiben.
Der wichtigste Teil der Spermatophore ist der unpaare mittlere.
Die Tatsache, daß er unpaar ist, ist unter den Locustiden für
Diestrammena, soweit bis jetzt bekannt, charakteristisch und möglicher-
weise von weiter reichender theoretischer Bedeutung. Boldyeev
unterscheidet an ihm drei Teile: „Der unpaarige, durchsichtige Teil
der Spermatophore besteht aus: 1. einem dem Legestachel unter der
Geschlechtsöffnuiig hinter der Lamina subgenitalis {h) fest angefügten
dicken, knorpligen , Häutchen' («), 2. aus einem noch mehr kon-
sistenten, dickhäutigen (c) durchsichtigen ,Flacon' mit retorten-
förmigem Raum (d), den Samen enthaltend, dabei ist der .Hals' des
,Flacon* ig) mit dem Anhängsel , Anker' (f) fest in die Geschlechts-
ötfnung geschoben (am Ende des ,Ha]ses' befindet sich die Aus-
führungsötfnung des ..retortenförmigen Raumes''), 3) aus einer Schicht
durchsichtiger Flüssigkeit [b), die sich zwischen dem .Flacun' und
dem ,Häutchen' befindet."
Es sind nun einige Worte über die Bedeutung der einzelnen
Teile einer so gebauten Spermatophore zu sagen. Es ist ohne
weiteres klar, und Boldyeev betont dies auch, daß nur der eigent-
lich spermahaltige Teil, den er als „P^'lacon" bezeichnet [Vosseler (35)
gebraucht dafür den im Deutschen jedenfalls besseren Ausdruck
„Samenbehälter"' j, mit dem oben als „Ampulle"' bezeichneten Teil
der Grillenspermatophore verglichen Averden kann. Während der
Zeit, in der die beiden Lateralpartien vom Weibchen gefressen
werden, verhält sich der unpaare Teil genau wie die Grillen-
spermatophore, und selbst in der Anwesenheit von lamellenartigen
Befestigungsvorrichtungen am Stiel des Samenbehälters finden sich
Analoga zu dem Verhalten bei Grylliden. Das eigentliche Charakte-
ristikum der Locustidenspermatophore ist nun die „Hüllsubstanz",
große Secretmassen, die meist, nicht immer, sehr charakteristische
äußere Formen aufweisen und die nicht mit dem oder den Samen-
behältern kommunizieren.
Boldyeev schreibt diesen Lateralpartien Schutzfunktion
für den Sj)ermabehälter während des Aktes ihres Verzehrtwerdens
zu. Er hat an Biestrammena eine Erfahrung gemacht, die auch mir,
bei einer Phaneropteride, Leptophyes pundatissima, begegnet ist: Bei
Spermatophoren von sehr weicher schleimiger Beschafienheit, wie es
bei diesen beiden Arten der Fall ist, kann die äußere „Freßsubstanz"
466 Ulrich Gerhardt,
irgendwo häiig-en bleiben und in toto abreißen, so daß nur der
Samenbeliälter übrig bleibt. In solchen Fällen frißt das Weibchen
diesen sofort auf. Das ist aber meines Erachtens ein als patho-
logisch zu betrachtender Fall, der wohl nur bei gefangenen Tieren
vorkommen dürfte. Gewiß „schützt" die Lateralmasse den Samen-
behälter vor dem Gefressenwerden, bis das Sperma, wie Boldtrev
zweifellos richtig vermutet, durch eine Art von Diffiisionsvorgang,
nicht durch Einsaugen ^), in das Receptaculum gelangt ist. Aber
dieser Schutz ist nur nötig, weil unter normalen Verhältnissen
dem Freßbedürfnis, dem schon bei Grillen angedeuteten Instinkt der
weiblichen Tiere, durch die Ausscheidung der Secretmassen der
Männchen entgegengekommen wird. Bei Liogryllus sehen wir aber,
daß ein „Freßinstinkt" sehr wohl ohne „Schutzsubstanz" bestehen
kann, ohne Gefahr für das Sperma. Es ist eine immer wieder selt-
sam berührende Tatsache, die Fabre seinerzeit schon in höchstes
Erstaunen versetzt hat, daß die ganze, so eigenartig und gewisser-
maßen kunstvoll gebaute Spermatophore nur dazu da ist, um ge-
fressen zu werden. Wir werden auf die Schwierigkeiten einer
kausalen Erklärung dieser Beziehungen zwischen Freßinstinkt und
Spermatophorenbau bei der Besprechung sich abweichend verhaltender
Gruppen noch genauer eingehen müssen. Hier sei nur noch ein
zweiter Punkt erwähnt, den Boldyeev anführt. Er sagt : „Das sofortige
und immer notwendige Verzehren der Spermatophore vom Weibchen
wird durch die Notwendigkeit hervorgerufen, das Hindernis, welches
die in den meisten Fällen nach mehreren Stunden eintretende Eiab-
lage stört, zu beseitigen." Dagegen läßt sich sagen, daß dieses Hinder-
nis, wie bei den meisten Grillen, durch Herausfallen genau so gut
beseitigt werden könnte und daß also die Beseitigung der die Ei-
ablage hindernden Spermatophore nicht den Freßinstinkt unbedingt
voraussetzen muß. Erwähnen möchte ich auch noch, daß bei meinen
Dies^rammma-Weibchen erst nach einer Anzahl von Copulationeix
die Eiablage erfolg'te, so daß die Spermatophore praktisch durch-
aus kein Hindernis der Eiablage zu sein braucht. Eigentümlich ist
es, daß der bei der Feldgrille gewissermaßen nur angedeutete Freß-
instinkt bei so primitiven Locustiden wie Biestrammena zum ununter-
drückbaren Triebe geworden ist, der er bei allen Laubheuschrecken,
allerdings mit Modifikationen, bleibt.
1) Vgl. das über den Austritt des Samens aus der Grillenspermatophore
Gesagte (S. 431).
Copulation und Spernmtoiilioren von Giylliden uiiil Locustideu. 467
Gerade voji den Beubachtungen dieser äußerlich in mancher
Beziehung- grilleniihnlichen F'oi'm hatte ich mir am ersten ver-
sprochen, biologische ('bei-gangsmomente zwischen Grylliden und
Locustiden zu linden. Prüfen wir iiiei\ wieweit diese Hoffnung
gerechtfertigt war.
I. Übereinstinnnungspunkte mit Grylliden ergeben sich
in folgendem. GrilleniiliiiJich ist in moi-phologischer Beziehung
die Bildung der Cerci und der Subgenitalplatte des Männchens, nicht
aber die des „Penis" und des Titillators. In biologischer Be-
ziehung erinnert an Grillen: 1. das Tanzen der Männchen vor den
Weibchen, das dem Begattungsvorspiel von Liogrijllus campestris sehr
nahe kommt: 2. die Stellung des Männchens während der Begattung
mit gestrecktem, dorsal etwas konkavem Körper; 3. die rasche Aus-
scheidung des Zentralteiles (und dann des Kernes der Lateralteile)
der Spei'matophore ohne Befestigung des Männchens am Weibchen;
4. die Einbringung der bereits sichtbaren Spermatophore in die
Vulva des Weibchens. Alle diese Punkte unterscheiden Bicstrammena
von allen anderen bisher beobachteten Locustiden, nur der letzte
Punkt findet sich nach Bekexguier auch bei Isophya.
IL Unterschiede gegenüber den Grillen sind: 1. die Be-
schaffenheit der Spermatophore. die, trotz einiger unserer
Art eigentümlichen Besonderheiten, eine typische Locustidensperma-
tophore mit Samenbehälter und „Freßsubstanz" darstellt; 2. die
starke Ausprägung des Freßinstinktes beim Weibchen.
III. Mit anderen Locustiden gemeinsam sind Biestrammena
die beiden letztgenannten Punkte. Eine Besonderheit unserer Art ist
dagegen der im paare Samenbehälter der Spermatophore, der
sich bei anderen Locustiden nicht findet.
BoLDYREv gibt wiederholte Begattung für beide Geschlechter
an; ich kann diese Angabe nur bestätigen, ohne das Maximum der
Begattung.szahl eines Individuums für die Geschlechter angeben zu
können. Die Frage, ob ein- oder mehrmalige Begattung bei Locu-
stiden die Eegel ist. wird uns noch beschäftigen müssen.
Alle nun zu besprechenden weiteren Gruppen der Locustiden
unterscheiden sich von der eben beschriebenen Art dadurch, daß
bei ihnen paarige Samenbehälter in der Spermatophore vor-
kommen, die wohl Fabke zuerst an Bedkus festgestellt hat. Neben
diesem Moment ist es in rein morphologisclier Beziehung noch
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. l^yst. 31
468 Ulrich Gerhardt,
die Beschaffenheit der männlichen Hinterleibsspitze, die bei allen
Locustiden den Stenopelmatiden gegenüber Unterschiede aufweist,
und zwar liegen diese Unterschiede hauptsächlich in der Differen-
zierung der Cerci zu einem Haftorgan bei der Begattung und in
der Ausgestaltung der meist mit besonderen Styli versehenen
männlichen Subgenitalplatte zu einem gleichfalls bei der Ver-
einigung der Geschlechter beteiligten Hilfsorgane. Dadurch wird
die Aufgabe der Befestigung des Männchens mit seiner Hinter-
leibsspitze von unten her an der Legeröhrenbasis des Weibchens
auf immer an der Körperoberfläche befindliche chitinöse Hart-
gebilde übertragen. Der zwischen Subgenitalplatte und Analsegment
verborgene weichhäutige „Penis" behält die Funktion der Ein-
bringung des Spermatophorenstieles in die Vulva, jedoch geht dieser
Prozeß in anderer Weise vor sich als bei Diestrammena. Ein Titil-
lator ist vorhanden, bei Gampsocleis hat Brunnee (10) sogar deren
zwei hintereinander gelegene beschrieben; ihre Funktion bei der
Begattung läßt sich nicht ganz genau feststellen, da sich die Tätig-
keit dieser Teile im Innern des weiblichen Körpers abspielt, doch
handelt es sich sicher, wie bei den Grillen, um ein Einhaken dieser
Organe hinter der Subgenitalplatte des Weibchens. — Somit finden
wir bei den uns nun beschäftigenden Locustiden wesentlich andere
morphologische Vorbedingungen für den Vollzug der Begattung als
bei Diestrammena, wenigstens beim Männchen, während die Genital-
partie der Weibchen, wie übrigens auch bei den Grillen, überein-
stimmend gebaut ist.
Es soll nun das Verhalten der einzelnen bis jetzt daraufhin
beobachteten Formen bei der Copulation besprochen werden.
Fam. Phaneropteridae.
AVenn ich mit dieser Gruppe beginne, so geschieht dies deshalb,
weil zu ihnen eine von mir genauer beobachtete Species gehört, die
im Bau ihrer Spermatophore in mancher Beziehung das primitivste
Verhalten aufweist, das mir bis jetzt unter allen Locustiden vorge-
kommen ist und das, soweit mir bekannt, eine Eigenart dieser
Gattung bilden dürfte. Andere Gewohnheiten teilt Leptoplujes mit
anderen ungeflügelten Phaneropteriden, die sich in der Biologie ihrer
Begattung alle wesentlich unterscheiden von der geflügelten Gattung
Fhaneroptera. Beide Formenkreise sollen daher getrennt besprochen
werden.
Copulatioii und Spermatophoreu vou Gryllideii uiul Locustiden. 469
U n S" e. f 1 ü g e 1 1 e F o r ni e ii.
1. Lcptoplnjes pnnctatissima Bosc. Beobaclitet: 14 Begattungen.
Leptophyes piotctatissima ist neben Diestrammena marmorata eine in
der Gefano-enschaft sich besonders leicht begattende Locustiden-
form. Bei dieser Species kann man, nac-h meinen Pirtahiungen, so-
wohl bei Weibchen wie bei Männchen, etwa H Begattungen auf das
Individuum als Durchschnitt rechnen. Ich fand die Tiere, und
zwar die Männchen häutiger als die Weibchen, auf Brombeerhecken
eines nach Süden und Osten otfenen Bei'ghanges bei Garn bürg an
der Tauber im nihdlichen Baden, was ungefähr der nöidlichen
Grenze des regelmäßigen Vorkommens der Art entsprechen dürfte.
Bei Tage sitzen die Tiere, wie die ungeflügelten Phaneropteriden
auch sonst, platt mit ausgestreckten Beinen auf den Brombeerblättern
und sonnen sich. Sie lassen sich leicht fangen und in der Gefangen-
schaft ebenso leicht mit Salat, Brombeeren und deren Blättern er-
nähien. Das Männchen ist mit seinen schuppenförmig verkürzten
Elytren nur imstande, einen ganz schwachen klappenden Ton hervor-
zubringen, der nur auf etwa 25 cm hörbar ist. Die Weibchen sitzen
bei Tage meist still, die Männchen, die, sonst isoliert gehalten, nur
zeitweise zu ihnen gebracht werden, sind zu jeder Tageszeit be-
gattungslustig, im Freien wahrscheinlich gegen Abend, zu welcher
Zeit sie am regsten sind. Hat nun ein zirpendes Männchen ein
Weibchen gefunden, das seine Begattungslust anregt, so setzt es
sich, in kurzen Intervallen je einen Ziii)ton hören lassend, vor
dieses hin und krümmt den Eücken stark konvex, macht also eine
Art ,.Katzenbuckel-'. Dabei werden die Flügeldecken zunächst ge-
hoben. Ist das ^^'eibchen zur Begattung geneigt, so geht es vor,
hebt sich etwas auf den Füßen und beginnt den Hinterleib des
Männchens zu benagen und zu belecken, hier also vor der Be-
gattung. Ein derartiges Verhalten des Weibchens braucht nicht
unbedingt zur Begattung zu führen, obwohl dies meistens der Fall
ist. Manchmal besinnt sich das Weibchen eines anderen und geht
weiter. Das Männchen aber versucht, sowie das Weibchen über
ihm vorrückt und seinen Rücken benagt, seinen Hinterleib nach
hinten unter den des Weibchens zu schieben, und wenn dieses ruhig
sitzen bleibt, drängt das Männchen, immer mit gekrümmtem Rücken,
seine Cerci unter die Subgenitalplatte des Weibchens, das ruhig
sitzen bleibt. Eine kurze Schilderung Tümpel's (29) in der Auflage
seines \A'erkes von 1908 schildert die Vorgänge vor und nach der
Copulation unserer Art nicht gerade glücklich: „Vor der Begattung
31*
470 Ulrich Gerhardt,
laufen beide Geschlechter auf den Vorderbeinen, wobei durch Gerade-
stellen der Hinterbeine der Hinterleib hoch gerichtet wird. Bei der
Begattung selbst sitzt das Weibchen auf dem Männchen, krümmt
seine Hinterleibsspitze nach nnten, welche von dem Männchen mit
den Ralfen festgehalten wird." Ich habe ein solches aktives Herab-
biegen des Weibchens nie beobachtet.
Es wird zweckmäßig sein, hier eine kurze Betrachtung der
männlichen Begattungswerkzeuge einzuschalten. Das Analsegment
trägt 2 Cerci (Fig. M), die hier, wie das ja für alle Locustiden
mit Ausnahme der Stenopelmatiden und der tropischen Grj^llacriden
charakteristisch ist, hakenförmige, harte, chitinöse Haftorgane bilden,
die beide zusammen eine Art von Zange darstellen. In unserem
Falle handelt es sich um an der Basis fast gerade und dicke, an
_78 f ^O Flg. M. Hiiiterleibsende des
/ 7 >">-l • Mäiincliens von Leptophyes puncta-
TTvicy?? / / / /y^L -'''*'' fissima. ß Cerci. y Lamiaa siib-
I .'^^/j( / / y^^S^ genitalis (^nach Fischer).
l^Cz^'-f ,_J:rf^Z,d^S^^ F^^- ^'- Hinterleibsende des
-p,. 1^ 3 "' Frl^^^x^ ^"on Männchens von Locusta viridissima.
^^' ' tziL_A, /\"^' Die Zahlen bezeichnen die Abdominal-
8 "^ Q w\ Segmente, sfg Stigma, an Anus, cl
V 2^'' Cerci. sti Styli. jm Penis mit
p-g. j^ Titillator {vi) (nach Tümpel).
der Spitze stark nach innen gekrümmte, mit makroskopisch nicht
wahrnehmbaren, feinen Härchen besetzte Haken. Ventral von den
Basen der Cerci liegt die Afteröffnung und abermals ventral von
dieser, in der Ruhe völlig nach innen eingezogen, die männliche
Geschlechtsötfnung, deren häutige [Tmrandung im Zustande der
Tätigkeit als „Penis" vorgestülpt werden kann, den Namen hier
auch etwas eher verdient als bei Grylliden und bei Biestrammena.
Von unten (der Ventralseite) her wird die Geschlechtsöffnung um-
schlossen von der Subgenitalplatte, die hier eine dorsal nur wenig
konkave, verhältnismäßig sehr große, vorn breite, nach hinten zu
verschmälerte Platte darstellt, die mit zwei stumpfen Fortsätzen
endet, die aber, wie bei allen europäischen Phaneropteriden, keine
Stj^li tragen (s. die Tümpel entnommene Fig. N).
Wenn nun das Männchen seinen gekrümmten Hinterleib unter
den des Weibchens geschoben hat, so tastet es sich mit seinem
Cerci an der Ventralfläche des weiblichen Hinterleibes entlang, bis
diese in zwei Vertiefungen rechts und links von der Legeröhren-
wurzel, an der Ventralfläche der weiblichen Subgenitalplatte, mit
Copulation nnil Spemiatophoren von Grylliden und Locustiden. 471
einem plützliclieii kleinen Kuck einen Halt tinden. Es kommt nicht
ganz selten voi-. daß selbst nach dieser Befestig-ung des Männchens,
die schon ziemlich innig ist, das Weibchen sich noch losmacht und
weiter geht. Das Normale aber ist, daß es nun zur Ausübung der
Begattung kommt, die immer in drei wohl unterscheidbaren Ab-
schnitten verläuft.
Auch nach seiner Anklammerung an das Weibchen ist das
Männchen stark gekrümmt, so daß seine ganze DorsalHäche stark
konvex ist. Je nach der Unterlage, ob an einem Zweige, am Draht-
gitter des Käfigs oder auf der Fläche eines Blattes, schwankt der
Grad dieser Krümmung indes nicht unwesentlich. Das Weibchen
fährt, seit es auf das iMännchen gestiegen ist, fort, mit seinen
]\[undteilen erst dessen Rücken, dann die Flügeldecken zu be-
aibeiten. Dieses Benagen dauert während der ganzen ersten Phase
der Begattung an, wird dann aber abgebrochen. Dieser erste Ab-
schnitt besteht darin, daß das Männchen seinen gelblichen, von
schleimhautähnlicher Haut überzogenen „Penis-' hervorstreckt, ein
Gebilde, das von einem Paar seitlicher Wärzchen besetzt ist und
ein ziemlich beträchtliches Volumen besitzt, dem Penis von Bi-
est ramme na aber an Ditferenzierungshöhe nicht gleichkommt. Der
Penis legt sich nun eng an die Vulva des Weibchens an, und es ist
kaum zweifelhaft, daß sein die Geschlechtsöfthung tragender Endteil
in die Vulva hineinragt. Ein Titillator ist bei den Phaneropteriden
nicht entwickelt. Der Zustand, in dem der Penis ausgestülpt bleibt,
dauert durchschnittlich etwa eine Minute. Dann wird, ganz plötz-
lich, der Penis eingezogen, und die Subgenitalplatte des Männchens
legt sich mit ihrem Ausschnitt so dicht an die ventrale Kante der
Legeröhrenbasis an, daß es unmöglich ist, zwischen beiden hindurch-
zusehen. Was sich während dieser zweiten Phase der Copulation
ereignet, darüber können nur Vermutungen ausgesprochen werden.
Sie stellt jedenfalls die Zeit der innigsten Vereinigung der beiden
Geschlechter dar, und ich nehme an, daß der Penis in die Vulva
eingedrungen ist und dort den Spermatophorenstiel und die beiden
Samenbehälter austreten läßt. Wenn nämlich diese Phase, nach
etwa 2 Minuten, vorüber ist, so hebt sich die Subgenitalplatte des
Männchens von der Legeröhre des Weibchens wieder ab, und,
während der Penis eingezogen bleibt, tritt nun die „Hüllsubstanz"
der Spermatophore als zähe, halbdurchsichtige, bläulich-weiße Masse
in den nun freiwerdenden Raum hervor. Während der ganzen dritten
Phase der Copulation übt das Männchen nun sehr energische, rhyth-
472 Ulkich Gerhardt,
mische pumpende Bewe^uiig-en mit dem Hinteiieibe aus. und bei
jeder solchen Preßbewegung- ki-ümnit sich der Köi-per des Tieres
ventral ein. Die Spermatophore wird nun größer bei jeder der-
artigen Bewegung und ragt schließlich seitlich rechts und links über
die Subgenitalplatte des Männchens hervor. Dieser Vorgang des
völligen Austritts der Spermatophore dauert 2 bis ca. 5 Minuten,
wie überhaupt die Dauer des Begattungsvorganges bei unserer
Species nicht immer gleich ist. Die Durchschnittsdauer beträgt
6V2 Minuten, doch konnten auch normale Begattungen von nur
3 — 4 Minuten Dauer beobachtet werden, andererseits solche von
8—9 Minuten (s. Fig. 7, Taf. 17).
Bei der Lösung der beiden Partner nach der Begattung ist
bald das Männchen, bald, und das ist häufiger der Fall, das Weibchen
mehr aktiv beteiligt. Ist sie erfolgt, so hängt die Spermatophore
als trüber, zäher, halbkugliger Tropfen an der Vulva des Weibchens.
Man kann nicht sagen, daß die Spermatophore mit einem äußerlich
sichtbai-en Stiel in der Vulva befestigt sei. Vielmehr legt sich die
zähe Substanz von der Caudalfläche der nunmehr etwas abgehobenen
Subgenitalplatte ab um die ganze Umgebnng der Vulva, beiderseits
die Basis der Legeröhre umgreifend. Taf. 18 Fig. 5 zeigt ein
Photogramm eines unmittelbar nach der Copulation in Formol kon-
servierten Weibchens, das die Spermatophore trägt. Sie zeigt
keinerlei äußere Gliederung in Lappen oder dergleichen, Avährend
alle anderen mir bekannten Locustidenspermatophoren eine paarige
Ausbildung der „Freßsubstanz" aufweisen. Diese ist hier nur als
ein zäher, klebriger, leicht an irgendwelchen Gegenständen (Blättern,
Sand) hängen bleibender Flüssigkeitstropfen ausgebildet, der be-
strebt ist, Kugelgestalt anzunehmen. Der Durchmesser dieses
Teiles der Spermatophore schwankt zwischen 3 und 5 mm. Die
Tiere begatten sich mehrfach, und an einem Tage produzierten
2 Männchen, die sich auch tags vorher begattet hatten, auf-
fallend kleine Spermatophoren, deren Auspressen aber die Maximal-
zeit von ca. 5 Minuten in Anspruch nahm. Wenn die Spermato-
phore nach der Trennung beider Tiere soeben frei geworden ist,
sieht man manchmal auf ihr, besonders wenn sie sehr groß ist,
während einiger Minuten noch eine mediane Furche, die durch die
männliche Subgenitalplatte eingedrückt w^orden ist, aber bald wieder
verstreicht. In Alkohol konserviert, schrumpft die Spermatophoren-
substanz außerordentlich stark, wohl auf Vio ihres früheren Volumens,
zusammen, und nun erscheint das Ganze einigermaßen paarig, weil
Copulation nud Spenuatoplioren von Giyllideii und Locnstiden. 473
sich die gesclinnnpfto. sclileimipfo Substanz eng an die beiden
paarigen Sanicnbcliiilter als dünne Hülle anlegt.
Die Samenanipullen von Lepiophyes pnnctatissma sind sehr klein
und in gefülltem Zustande durch die sie umgebende zähe Gallert-
substanz als weißliclu' I'unktc zu erkennen. Auch sie weisen in
ihrer Art eine außeroideiitlich einfache Struktui' auf. Ein gemein-
samer Stiel . der die Ausluliiuiigsgänge beider Behälter umschließt,
ragt in die Vulva hinein, und durch ihn, der zunächst ganz von der
Schleimsubstanz umhüllt ist, wird die Befestigung der Spermatophore
hauptsächlich bewirkt.
Ich sehe in dieser Spermatophore nicht nur den einfachsten
Typus der Spermatophore mit paariger Ampulle, sondern die in
bezug auf die Hüllsubstanz primitivst gebaute Locustidenspermato-
phore überhaupt. Eine noch größere Einfachheit des Baues könnte
nur bei unpaarem Samenbehälter verwirklicht gedacht werden, Avenn
überhaupt beide Bestandteile der Locustidenspermatophore, Samen-
behälter und ..Freßsubstanz", anwesend sein sollen.
Das Auffressen der Spermatophore geschieht ähnlich wie bei
Diestramniena , doch zieht das Weibchen den Schleim nie als Band
dabei aus. Im allgemeinen beginnt das Fressen etwa ^/o — ^/4 Stunden
nach der Begattung, also viel s^mter als bei Diesframmena; nach
einer weiteren ^1^ — 1 Stunde ist der ganze Schleimkörper gefressen,
und nun werden ungefähr in 4 Minuten die Samenbehälter mit dem
Stiel verzehrt. Darauf wird sehr ausführlich die vom zähen Schleim
noch immer klebrige Legeröhrenwurzel auf beiden Seiten mit den
Mundteilen gereinigt, und dann ist äußerlich dem Weibchen nichts
mehr anzusehen.
Durchschnittlich copulierte jedes Weibchen dreimal; ich ver-
mag nicht anzugeben, wie weit diese Zahl den außerordentlich
schwer zu beobachtenden Vorgängen in der Freiheit entspricht.
Als Hauptcharakteristika des Begattungsmodus von Leptophyes
piindatissima möchte ich die Stellung (Männchen, stark ventral ge-
krümmt unter dem Weibchen sitzend), drei deutlich unterscheidbare
Phasen des eigentlichen Copulationsaktes und die sehr einfach ge-
staltete Spermatophore bezeichnen.
Andere u n g e f 1 ü g e 1 1 e P h a n e r o p t e r i d e n.
"Während ich bisher nur Leptophyes punctatissima als Vertreter
der Odenturen beobachten konnte, hat Berenguier (3) außerordent-
lich wichtige und exakte Studien an Isophya pyrenaea var. nemau-
ensis, Ber. angestellt, auf die wir insbesondere deshalb genauer
474 Ulrich Gerhardt,
eingehen müssen, weil sich überraschenderweise zwischen den Be-
funden an LeptopJiyes und Isophya schwerwiegende Unterschiede im
Bau der Spermatophore gezeigt haben, ein Ergebnis, auf das man
bei der nahen Verwandtschaft beider Genera nicht gefallt sein konnte.
Fig. 0. Copulationsstellung von Isoj^hya (nach Bekenguier).
Die Einleitung zur Begattung schildert Beeenguier so, daß das
Männchen sich mit den Fühlern längere Zeit mit dem Weibchen
betastet, sich dann herumdreht und unter das Weibchen gleitet.
Dieses steigt dabei auf seinen Rücken, und das Männchen ergreift
wie bei Lepfophyes die Basis der Legeröhre oder genauer zwei i^us-
buchtungen an der nun klaffenden weiblichen Subgenitalplatte mit
seinen Cerci. Das Weibchen benagt auch hier die Elytren des
Männchens während des Anfanges der Begattung. Nun aber kommt
es zu wesentlichen Abweichungen : ..Sitot les deux insectes ainsi en
contact, une vesicule blanche de quelques millimetres de diametre
surgit des organes du (^ et grossit tres rapidement; au bout d'une
ä deux minutes les insectes se separent, la $ emportant le spermato-
phore que le (^ vient de lui fixer ä la base de l'oviscapte." Hier
geht also die Begattung zunächst sehr viel schneller vor sich als bei
Lepfophyes, außerdem weicht aber vor allem die Spermatophore selbst
in ihrem Bau vollständig von der jener Species ab. Fig. 0 und P
sind der Arbeit von Beeenguier entnommen und zeigen das Weibchen
mit der außerordentlich umfangreichen Spermatophore, die der Autor
folgendermaßen beschreibt: „Diese Spermatophore, die die Consistenz
und Farbe gekochten Eiweißes hat, wird durch eine Vereinigung
von vier zu Paaren angeordneten Blasen gebildet, deren oberes Paar
weiter voneinander entfernt und halb so groß wie die unteren ist,
die einen Durchmesser von 6 mm haben. Sie ist an der Basis der Lege-
Copnlation und Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden.
475
Fig'. P. Isopliya pyrenaea var. Jiemauensis,
Weibchen mit Sperniatophore unmittelbar nach
der Begattung- (nach BfiRENGUiER).
i-ölire mit Hilfe eines breiten Stieles angeheftet, dessen eines Ende (seine
Wurzel) sich in die ki.itfeiide Spalte der Siibgenitalplatte einsenkt";
es wird nunmehr die Bedeutung- dieses Stieles als Durchgangsweges
der Si)ernuit()zoen erörtert und dann die besonders bemerkens-
werte ^[ethode der Einbringung der Spermatophore beschrieben:
„In dem Augenblick, in dem die Spermatophore aus den männ-
lichen Genitalien austritt, wobei sie zwischen der Legeröhre des
Weibchens und der Sub-
genitalplatte des Männchens
eingeklemmt ist. hängt sie
sofort fest mit Hilfe ihres
Stieles, der sich in die
weiblichen Organe zwischen
Legeröhre und Subgenital-
platte einfügt; dann, in dem
]\Iaße, wie sie mehr hervor-
tritt, legt sie sich immer
mehr an die Basis der Lege-
röhre in der Richtung von
vorn nach hinten an. Die
beiden größeren Lappen
richten sich zuerst auf, es folgen die beiden kleineren und dann der
Stiel zuletzt. Auf diese Art Avird eine Umdrehung der Spermato-
phore bewerkstelligt im Vergleich zu ihrer Stellung beim ersten
Austritt, so daß ihre obere Fläche zur unteren wird.*'
Daraus folgt zweierlei : erstens ist hier nicht die Rede von der
Ausstülpung des ..Penis". Die Vereinigung der beiden Tiere scheint
lockerer zu sein als bei LeptopJujes, wo mindestens ein Einpressen
der männlichen in die weibliche Genitalöffnung stattfindet: zweitens
ist der Pi-ozeß der Einbringung und Umdrehung der hier deutlich
geformten, von der bei Leptophijes gänzlich abweichend gebauten
Spermatophore eher mit dem bei Diesimmmena beobachteten Vor-
gang zu vergleichen. Allerdings ist bei IsopJiya wegen der viel
höheren Dilferenzierung der Organe an der Hinterleibsspitze der ganze
Vorgang komplizierter geworden als dort, wo er sich in der denkbar
primitivsten Form abspielt.
Noch eines sehr wesentlichen Unterschiedes im Verhalten von
Leptophys und Isopitija muß hier gedacht werden : niemals gelang es
Bekenüuier bereits einmal copulierte Tiere zu einer zweiten Be-
gattung zu bringen, und zwar galt dies für beide Geschlechter.
476 Uleich Gerhardt,
,.^ ou J ne s'accoiiplent qu'uiie seule fois: je n'ai jamais pn obtenir
aucun resultat en mettant en presence, meme durant plusieurs jours.
soit: ^ vierge et $ dejä fecondee; soit ^ s'etant deja accouple et
$ vierg-e; les iiisectes meines paraissaient se fuir l'un Tautre." Daß
Leptophyes gerade wegen der leichten Wiederholung- der Begattung
ein so günstiges Beobachtung-sobjekt darstellt, wurde hervorg-ehoben,
und dieser Unterschied in dem Verhalten der beiden Gattungen
scheint mir nicht minder bemerkenswert als der im Bau der Sper-
matophoren.
* Das Fressen der Spermatophore beginnt nach Berenguiee wenig-e
Minuten nach der Copulation; allmählich werden die beiden größeren
Lappen stückweise aufgezehrt, zuletzt, 3 — 4 Stunden post coitum,
werden Ampullen und Stiel gefressen.
Berenguiee teilt noch mit, daß bei Barhitisfes herenguieriN kl. May
die Begattung ganz genau wie bei Isophija verläuft, ebenso soll
Orphania denticauda Chaei». den gleichen Copulationsmodus befolgen
(4). Beeengüiee nimmt daraufhin an, daß alle Phaueropteriden
in gleicher Weise copulieren. Für die ungeflügelten Formen Europas
(Odonturen) ist nun die Stellung (der Weibchen auf dem Männ-
chen sitzend) wohl überall gleich, aber die Spermatophore von
Leptophyes fällt ganz aus dem Eahmen des Gewohnten heraus.
Aber auch die Übereinstimmung in der Begattungsstellung
wird sofort durchbrochen, wenn wir die geflügelten Formen
berücksichtigen.
Geflügelte Phaueropteriden.
Phaneroptera falcata Scop. Beobachtet: 8 Copulationen an Ge-
fangenen. Außerdem Spermatophoren von Tylopsis lüüfolia Fab.
konserviert.
Über die Spermatophoren von Phaneroptera faleata finden wir
bei Fabre eine später zu besprechende Angabe, außerdem hat
Boldyeev (8) Spermatophoren von Tylopsis thymifoUa Petagna ge-
sehen, aber vorläufig noch nicht näher beschrieben. Über den höchst
eigentümlichen, einen Fall für sich darstellenden Begattungs-
modus dieser Art finde ich keine Angaben in der Literatur.
Mein Material von Ph. falcata stammte größtenteils von dem
gleichen Berghang bei Gamburg, an dem ich Leptophyes imnctatissima
gefangen hatte, und beide Tiere kommen dort ungefähr auf den
gleichen Örtlichkeiten vor, wenn auch Phaneroptera Brombeerhecken
nicht so ausschließlich bevorzugt wie Leptophyes. Von der süd-
Copiihitiou uml Sperinatoplioreu von Gnllideii und Locustiden. 477
europäischen Art PluDicroptcra quadripundata Bh. fand ich im Sep-
tember 1900 in einer Macchia bei Rovigno wohl 50 und mehr
"Weibchen, die sämtlich mit dem Fressen von Spermatoplioren be-
schäftigt waren. Außerdem habe ich im September und Oktober
1906 bei Mostar und Ragfusa Weibchen der nahe verwandten
Art Tylopsis liliifolia Fab. mit anhaftenden Spermatophoren konser-
viert. Wir werden später sehen, weshalb man pei-ade bei diesen
Formen häufig mit Spermatophoren versehene ^^'eibchen im F'reien
antretten kann.
Die Begattuno- selbst im Fielen zu beobachten, ist mir, wie bei den
südlichen Arten, nicht gelungen. Bei PA. fulcaia habe ich es wegen
der nicht sehr großen mir zur Verfügung stehenden Anzahl der
immerhin nicht häufigen Tiere gar nicht erst vei'sucht, sondern nur
an Gefangenen Beobachtungen gemacht, die von gutem Erfolge be-
gleitet waren. Dabei machte ich die Erfahrung, daß die Tiere ziem-
lich leicht am Leben zu halten sind und sich rein vegetabilisch
ernähren. Salat, besonders aber unreife Brombeeren, fressen sie
mit Vorliebe, und die überaus reichliche Defäkation entspricht dieser
reichlichen Nahrungsaufnahme. Dabei kann man häufig beobachten,
was Behenguiee an Isophya sah, daß die Tiere den am After hängen-
den Kot durch einen Hieb mit einem Sprungbein weit hinweg-
schleudern. Die Weibchen, die träger und friedfertiger sind als die
]\rännchen, vertragen sich im allgemeinen gut. Die Männchen haben
dagegen die Gewohnheit, einander die P'lügelspitzen abzufressen, und
die Sterblichkeit war unter ihnen — weshalb, weiß ich nicht —
größer als bei den Weibchen. Die sehr unruhigen Männchen lassen,
wenn zu mehreren beisammen, fast fortwährend ihr leises, kratzen-
des Zirpen hören, _ ^^ _ ^ w, und nur selten werden, bei großer feind-
licher Erregung, lautere, rhythmische, aber gleichfalls klanglose Zirp-
töne hervorgebracht.
Man tut gut daran, die Imagines früh (etwa Mitte August) zu
fangen oder auch Nymphen im Käfig sich häuten zu lassen und sie
später zu copuliei-en, da ich ebensowenig, wie dies Bekenguier (3)
bei IsopJuja gelang, eine zweimalige Begattung bei Fhaneroptem fest-
stellen konnte. Die Männchen, die nach der Begattung kenntlich
gemacht worden waren, starben nach wenigen Tagen, und die Weib-
chen wurden nicht wieder befruchtet. Ich betone, daß ich etwa
20 Weibchen gleichzeitig im Käfig hielt. Aus der Tatsache der ein-
maligen oder doch nicht häufigen Begattung erklärt sich auch die
478 Ulrich Gerhardt,
geringe Zahl meiner Beobachtungen, 8, bei relativ reichlichem
Material.
Ob das Zirpen der Männchen, das, wie erwähnt, fast fortwährend
ertönt, eine anreizende Wirkung auf das AVeibchen ausübt, vermag
icli nicht anzugeben; es war jedenfalls nichts davon zu bemerken,
daß die Weibchen hier — wie dies anderswo deutlich zu beobachten
ist — eine aktive Rolle bei der Einleitung der Copulation spielten.
Vielmehr suchen die Männchen höchst lebhaft die Weibchen auf und
zeigen durch starkes Herabsenken des Hinterleibes bei leicht-
gehobenen Flügeln ihre Erregung an. Außer bei Diestmmmena
(vielleicht allen Stenopelmatiden) scheinen alle Locustiden die Krüm-
mung des Hinterleibes bei geschlechtlicher Erregung auszuüben;
diese Stellung erklärt sich daraus, daß sie dem sonst durch die
Flügel des Männchens verhinderten Weibchen das Aufsteigen auf
dessen Rücken erleichtert. Daß sie bei stummelüügligen Formen
{Leptophijes, Thamnothrison usw.) beibehalten worden ist, ist nicht
weiter zu verwundern, obwohl hier das Heben der zu Zirpschuppen
verkümmerten Flügeldecken keinen rechten Zweck mehr hat.
Nach dem Verhalten der stummelflügligen Arten, das mir aus
Beeenguiee's Schilderung bekannt war, ferner nach eigenen Be-
obachtungen an Decticiden hatte ich nun erwartet, daß auch bei
Phaneroptera, obwohl mir durch die Länge der Flügel eine gewisse
Schwierigkeit gegeben schien, das Weibchen auf den gekrümmten
Rücken des die Flügel hebenden Männchens steigen werde. Zu
meinem Erstaunen war dies niemals der Fall, sondern in allen be-
obachteten Fällen wurde vielmehr die Copulation auf eine ganz andere
Weise eingeleitet: das erregte Männchen läuft in der beschriebenen
Stellung mit abwärts gekrümmtem Abdomen sehr rasch umher und
versucht, an die Seite des Weibchens, das seine Paarungslust erregt,
zu gelangen. Hat das Weibchen keine Neigung zur Begattung, so
entfernt es sich, wobei es oft vom Männchen verfolgt wird. Ist es
aber paarungslustig, so duldet es rein passiv die Annäherung des
Männchens. Beide Tiere laufen nebeneinandei- her, das Männchen
überholt das Weibchen und beginnt jetzt plötzlich mit erhobenen
Flügeln und tiefgesenktem Hinterleibe rückwärts zu gehen, wobei
es von der Seite her seine Cerci unter die Vulva des Weibchens
zu schieben sucht. Sobald dies gelingt, ergreift das Männchen mit
seinen langen, gekrümmten Cerci (Fig. Q), die er dorsalwärts hebt,
die Stellen rechts und links der Legeröhrenwurzel, caudal von der
Subgenitalplatte des Weibchens. Nun steht also das Männchen seit-
Copulation und Spermatophoreu von Giyllideii und Locnstiden. 479
wärts neben dem Weibchen, die Köpfe sind nacli derselben Seite ge-
richtet, nnd bis auf den seitwärts unter das Weibchen geschobenen
Hinterleib des Männchens sind die beiden Körper parallel gestellt.
Sowie aber die Cerci die weibliclie Subgenitalplatte erfaßt liaben,
krümmt sich das .Alännchen noch viel stärker ventral ein, und
schließlich kriecht es unter dem Weibchen nach hinten (Taf. 17
Fig. 8a) mit seinem Kopf durch, den es caudal von der weiblichen
Legeröhre wieder erhebt. Dabei geht das Weibchen ganz langsam
vorwärts, oder es sitzt, obwohl seltener, wohl auch ganz still. Das
]\rännclien kommt, sobald es vom Boden frei geworden ist, wieder
so zu liegen, daß die Längsachse seines Körpers in der Verlängerung
der des weiblichen liegt. Die langen Hinterbeine des Männchens
beriiliren noch den Boden, sein Kopf ragt frei nach aufwärts in
die Luft.
Fig. Q. Äußere mäiinlicbe Genitalien von Phaneroptera falcata, a dorsale,
/; ventrale Ansicht. « After, ,^ Cerci, / Subgenitalplatte (nach Fischer).
Betrachten wir. was inzwischen an der Stelle der Vereinigung
beider Tiere vor sich geht: die Cerci des Männchens halten
an der weiblichen Subgenitalplatte die Legeröhrenwurzel fest
umklammert; zwischen ihnen und der sich hebenden männlichen
Subgenitalplatte tritt der gelbliche, halb durchsichtige Schleimhaut-
wulst hervor, der als Penis bezeichnet wird und der, obwohl relativ
größer, dem von Lepiophyes ähnelt. Auch hier beginnt also der erste
Teil der Begattung mit dem Ausstülpen und Andrücken (oder Ein-
drücken?) des Penis. Er dauert etwa eine Minute, und man kann
beobachten, wie die ausgestülpte Schleimhaut des ^Männchens sich
nach \blauf dieser Zeit alsbald wieder zurückzieht und aus der
Genitalöifnung selbst zwei kreideweiße, etwa IV2 — 2 mm im Durch-
messer haltende Kugeln, die Samenbehälter, sichtbar w^erden.
Wenn dies geschehen ist, zieht sich der „Penis" völlig ein, das
Männchen legt, ähnlich wie das von Lepiophyes, den Ausschnitt seiner
Subgl;nitalplatte an die Ventralkante der Legeröhre des Weibchens,
und nun geschieht etwas sehr I]igentümliches: das Weibchen tut
einen kurzen Schritt oder Sprung nach vorn, und das Männchen zieht
seine Cerci, die oral von den eben erschienenen Samenbehältern der
480 Ulrich Gerhardt,
Spermatopliore liegen, während sie mit ihren Spitzen fest eingehakt
bleiben, über die Ampullen weg nach hinten. Bei der gebogenen
Form der Cerci ist diese Bewegung leicht möglich. Die Cerci sind
also jetzt extrem stark ventral abgeknickt, so daß der weitere Teil
der Spermatophore dorsal von ihnen austreten muß. Gleichzeitig
mit dem Zurückstreifen der Cerci über die Samenampullen und mit
dem Anlegen der Subgenitalplatte führt das Männchen eine heftige,
kurze Bewegung mit seinem ganzen Körper aus, den es noch stärker
als bisher ventral einkrümmt, so daß es mit seinen Mund-
teilen und Vorderbeinen die Leger Öhren spitze des
Weibchen ergreifen kann (Taf. 17 Fig. 8b). Nun tritt die
Hauptmasse der Spermatophore dorsal von den Cerci, also in der
gegenwärtigen Situation am meisten nach unten, aus in Gestalt
zweier halbdurchsichtiger, trübglasiger, beulenartiger Körper. Während
unter einigen heftigen Kontraktionen des Hinterleibes das Männchen
die Spermatophore herauspreßt, streckt sich sein Abdomen mehr und
mehr gerade, die Mundteile und Füße lassen die Legeröhre des
Weibchens los, und schließlicli, in der Endstellung (Taf. 17 Fig. 8c),
bildet der männliche Hinterleib fast die gerade Verlängerung des
leicht erhobenen weiblichen. Die Sprungbeine des Männchens sind
auf den Boden gestemmt, sonst schwebt das ganze Tier, nur durch
die Spermatophore und durch die Cerci am Weibchen festgehalten,
frei in der Luft. Die ganze Begattung dauert durchschnittlich
7 Minuten (4 — 9' beobachtet), und sie wird dadurch beendet, daß das
Männchen nach einer Ruhepause, wählend der, soweit ich sehe, die
Spermatophore sich nicht mehr vergrößert, seine Geschlechtsöffnung
von der Spermatophore herabzieht, wobei ein hornartiger, glasiger,
spitzer medianer und unpaarer Fortsatz der Gallertsubstanz der
Spermatophore sichtbar wird, der bisher noch im männlichen Körper
verborgen w^ar. Man kann sagen, daß das Männchen, w^enn es erst
die Cerci über die Ampullen der Spermatophore hinweggehebelt hat,
seine weit klaffende Hinterleibsspitze über die Spermatophore fort-
streift. Alles in allem können wir bei diesem Begattungsmodus
wieder drei Phasen unterscheiden: 1. Das seitliche Anklammern des
Männchens und seine purzelbaumartige Bewegung, durch die es
hinter das Weibchen zu hängen kommt; 2. die Ausstülpung des
Penis und den Austritt der Ampullen; 8. das Zurückstreifen der
Cerci und den Austritt des Hauptanteiles der Spermatophore,
Trennung der Tiere.
Die seltsame Stellung der copulierten Tiere hat, soweit bis jetzt
Copiilation niid Siierniatopburen von Giylliden uud Lociistideii. 481
bekannt, mir in der Copulatidii bei der Gattung Ephippigera einen
wenio-stciis cinip^erniaßen vergleiclibaren Parallelvorg-ang-, den
Behencuieh (4) scliildert. \\'ir werden bei dieser Gattun«- noch auf
die etwaige Ursache der Umdrehung, des „Mouvenient de bascule"
Bkkenguiek's, beim Männchen zurückkommen, vorläufig soll nur
festgestellt werden, daß die seitliche Annäherung des Männchens an
das Weibchen und das Zugreifen mit den Cerci in dieser Stellung
bisher nur bei Phaneroptera bekannt ist; dieser Vorgang kann wohl
nur mit der ganz ungewülinlii-hen Länge der Flügel bei unserer
Gattung zusammenhängen, die einem Aufsteigen des Weibchens auf
den Rücken des Männchens mit dessen nachheriger Umdrehung um
fast 270" hinderlich wären. Und diese Notwendigkeit eines seitlichen
Herankommens des Männchens bedingt wohl zweifellos wiederum
eine bedeutende Aktivität des ^Männchens. Damit geht Hand in
Hand eine völlige Passivität des Weibchens bei dem Beginn der
Begattung, wie ich sie bei keinem anderen Locustidenw'eibchen ge-
sehen habe.
Das Produkt dieses Begattungsvorganges, die S p e r m a t o p h o r e,
ist wesentlich fester in seiner Konsistenz als bei Biestrammena und
Lcpiophijes. Sie besteht aus zwei kugligen Ampullen mit mäßig
dicken Wandungen, aus denen zwei feine Ausführungsgänge durch
einen kegelförmigen, in der Vulva befestigten Stiel das Sperma in
das Receptaculum seminis passieren lassen. Der Stiel ist außer-
ordentlich fest in die Vulva eingelassen, er drängt die Subgenital-
platte ziemlich weit von ihr ab. Außer den Binnenräumen der
Behälter besitzt die Spermatophore. soweit ich sehen kann, weiter
keine Hohlräume, und ihr größerer Teil wird von der massiven
schleimigen Substanz gebildet, deren Form und Lage zu den Be-
hältein Taf 18 Fig. 5a zeigt. Fig. 5b, Taf 18 zeigt die von der
Hüllsubstanz entblößten Ampullen. Eine aus Mostar stammende
Spermatophore von Tylopsis liUifolia Fab., einer nahe verwandten
Art. die Taf 17 Fig. 4 darstellt, besitzt eine kompliziertere Struktur
des Spermatophorenstieles, da hier oral von den eigentlichen Ampullen
noch zwei blasige, dünnwandige Hohlräume liegen, die nicht mit
denen der Ampullen zu kommunizieren scheinen.
Die großen Hauptlappen der Spermatophore von Phaneroptera
beistehen aus einem trüberen, sich jederseits der Ampulle an-
schließenden zentralen und einer durchsichtigeren äußeren Substanz,
die in 2 ventral und oral gelegenen stumpfen Höckern vorspringt..
Zwischen beiden liegt eine seichte Rinne, die caudal verstreicht. Hier
482 Ulbich Gerhardt,
setzt sich der erwähnte lioi-nartige Zipfel caudalwärts fort, der sich
unmittelbar ventral von der Legeröhre ca. 4 mm weit erstreckt.
Das Ganze ist zäh, fest, elastisch. Nach der Härtung- in Formol
oder Alkohol bricht leicht die Hauptmasse der Spermatophore von den
Ampullen ab, so daß diese mit dem Stiel allein in der Vulva ver-
bleiben.
Fabre (16) äußert die Meinung, daß bei Fhaneroptera das Weib-
chen im Gegensatz zu anderen Heuschrecken (nur bei Ephippigera
vermutet er das gleiche Verhalten) sich der Spermatophore nicht
durch Fressen entledige, sondern daß der vertrocknete Körper nach
über 48 Stunden herausfalle.
Diese Beobachtung ist richtig, und man kann manchmal
PAaweroj^fcra-Weibchen noch am 3. Tage nach der Begattung mit
einer vertrockneten Spermatophore in der Vulva herumkriechen
seilen, deren Ampullen schwärzlich-braun gefärbt sind, während die
Reste der Hauptmasse eine trübe, formlose, sehr verkleinerte Masse
darstellen. Trotzdem ist der Freßinstinkt entgegen Fabre's An-
nahme auch bei Phaneroptera stark entwickelt, und die südeuropäische
geflügelte Phaneropteride Tylopsis liUifolia findet man, wie erwähnt,
häufig im Freien mit dem Fressen der Spermatophore beschäftigt vor.
Hier spielt sich die Sache so ab, daß das Weibchen, oft in laugen
Intervallen, während mindestens 24 Stunden immer wieder Stücke
von der Spermatophore losbeißt und auffrißt, aber die Ampullen bis
zum spontanen Herausfallen in der Vulva läßt, es liegt also hier eine
starke Modifikation des Verhaltens anderer Locustiden vor. Taf. 18
Fig. 5 C zeigt ein konserviertes Weibchen mit einer ca. 48 Stunden
herumgetragenen Spermatophore. Das Ausfallen des Spermatophoren-
restes selbst habe ich nicht beobachtet.
Somit zeigt uns Phaneroptera falcata in dem Verlauf der Be-
gattung, insbesondere in den dabei eingenommenen seltsamen
Stellungen der Geschlechter, in der Art des Austiittes der Sperma-
tophore, in deren Gestaltung und endlich in dem Verhalten des
Weibchens der eingebrachten Spermatophore gegenüber in allen
Stücken Gegensätze zu den Odonturen, den stummelflügligen F'ormen.
Dabei ist das Verhalten von Phaneroptera so, daß man sich kaum
wird entschließen können, es für das ursprünglichere dem der anderen
gegenüber zu halten, obwohl deren Flugunfähigkeit ein sekundär
erworbenes Merkmal ist. Es ist nach den bisherigen Beobachtungen
an dieser Subfamilie auch schlechterdings nicht möglich, sich ein Bild von
einem gemeinsamen Begattungstypus zumachen, von dem die einzelnen
Copulatiou und Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden. 483
beschriebenen Formen abzuleiten wären. Vielleicht haben wir in
der Begattung: von Lepiopliyes einen in relativ unveränderter Form
erhaltenen primitiven Vorgang: zu erblicken. Weitere Beobachtungen
an möglichst vielen Species der artenreichen Gruppe der Phanero-
pteriden würden vielleicht Aufschlüsse geben können über die Wand-
lungen, die der Copulationsvorgang in dieser Subfamilie durch-
gemacht hat.
Subfam. Fjihippigendae.
Eigene Beobachtungen kann ich nicht anführen, doch liegt eine
vortrelfliche Schilderung des Begattungsvorganges von Ephippigera
terrestris Yersin durch Berengüiee (4) vor.
Die bekannteste hierhergehörige europäische Art, Ephippigera
Vitium Serv., wurde bereits von Fischer (18) bei der Begattung
beobachtet, und er ist wohl der Erste, der eine Locustidensperma-
tophore beschreibt: „Equidem . . . id adiungam, bis mihi contigisse,
ut Ephippigeram Vitium in cavea inclusam inter coitum observarem,
in quo perinde ut in Gr^ilodeis femina super marem sedet. Post
copulam ad orificiura genitale ferainae (h. e. ad basin ovipositoris)
materiam lacteam, Magnitudine pisum adaequantem, subpellucidara,
albumini similem animadverti . . . modo sjinmetrico elegantissime
constructum, ad cuius basin utrinque bulla magis hyalina cum nucleo
croceo vel aurantiaco . . . conspicienda erat. Primo intuitu fere
credi potuisset, inter coitum vehementem partes quosdam oi'ganorum
sexualium feminae esse evulsas, nisi huius dissectio nie docuisset,
hoc non ita se habere nee adesse Organa, quibus hie humor secerne-
tur, et nisi posta observavissem, haue materiam excerni feminaeque,
ut fit in Gryllodeis, affigi quasi tantum involucrum materiae sperma-
ticae, quae a femina sensim introrsum excipitur dum volucrura
ex parte exsiccatum et pessum erat." Ferner gibt dieser Autor an,
daß beide Geschlechter in kurzen Zwischenräumen häufig koha-
bitieren.
Fabre hat die Begattung der gleichen Art nicht beobachten
können, dagegen schildert er ausführlich das Verhalten des mit der
Spermatophore beladenen AVeibchens. Er beschreibt zunächst die
Spermatophore als außerordentlich groß, den Hinterleib des Tieres
an Breite übertreffend, mit unregelmäßig höckeriger Obertiäche, wie
die einer großkörnigen Maulbeere. Er vergleicht das Ganze mit
einem Packet Schneckeneier. P^ine seichte Medianfurche teilt die
Spermatophore in zwei symmetrische Hälften von je 7 — 8 Kugeln.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 32
484 Ulrich Gerhardt,
Audi Fabre schildert die von Fischer bereits betonte orangerote
Färbung der eigentlichen Samenbehälter, einen Befund, der sich
auch bei der Phaneropteride Ttßopsis UUifolia findet. Ein breiter
glasiger Stiel befestigt das Ganze in der Vulva.
Nun verhält sich Ephippigera Vitium nach unserem Gewährsmann
in der Behandlung der Spermatophore so, wie wir es von Phanero-
ptera falcata kennen gelernt haben: sie frißt von Zeit zu Zeit
Stückchen von der Spermatophorenrinde ab, trägt aber die größere
Masse der Spermatophore 2 Tage lang mit sich herum, bis sie von
selbst aus der Vulva herausfällt.
Beeenguiee (4) schildert die Begattung von Ephippigera terrestris
Yees. folgendermaßen: „Das Männchen gleitet nach rückwärts unter
das Weibchen, das, möglichst hoch auf seinen Beinen aufgerichtet,
ihm ein Stück weit auf den Rücken steigt, wobei der Hinterleib des
Männchens vollständig zurückgebogen ist, so daß die Ventralfläche
nach oben sieht (recourbe, la face ventrale en haut). Die Cerci
ergreifen heftig (brusquement) die Subgenitalplatte des Weibchens
und haken ihre Seitendornen in die beiden Gruben an deren Basis
ein. Nun klafft die weibliche Subgenitalplatte, während die des
Männchens sich an die ventrale Legeröhrenkante anlegt, und der
Penisapparat („les titillateurs") in den Spalt hinter der weiblichen
Subgenitalplatte eindringt. All dies geht außerordentlich rasch
vor sich. Wenn sich das Männchen so befestigt hat, läßt das Weib-
chen das Pronotum des Männchens los, das es vorher benagt hatte,
und tut einen Sprung nach vorn. Das Männchen überschlägt sich
infolgedessen, und während seine Genitalorgane am Weibchen in der
bisherigen Lage befestigt bleiben, wird es auf den Rücken geworfen,
und sein Kopf ist nun nach rückwärts gerichtet und befindet sich
unterhalb der Legescheide des Weibchens. An diese klammert es
sich nun mit den Vorderbeinen an, während die hinteren weist aus-
gestreckt werden. Nun contrahiert sich fast unmittelbar darauf der
Hinterleib des Männchens gewaltsam und die Spermatophore er-
scheint. Der Penis läßt los, um sie austreten zu lassen, und in
wenigen Sekunden ist sie befestigt. Dann trennt sich durch eine
heftige Bewegung das Weibchen vom Männchen, das auf dem Rücken
liegen bleibt, bald aber wieder zirpt."
Beeenguiee geht nun auf den Unterschied zwischen dieser
Copulationsstellung und der von ihm bei Isophya und Barhitistes be-
schriebenen näher ein. Er sagt, daß bei Isophya die Verbindung
zwischen den Geschlechtern lockerer ist, daß dort die Cerci nur wenig
Copulation und Spermatophoren von Gryllideii und Locustiden. 485
fest an der weibliclien Snb^enitalplatte angreifen und dann die
Spermatophoie austritt. Bei Ephippifjcra dagfegen greifen die Cerci
mit ihren Haken fester in eine korrespondierende Vertiefung der
weibliclien Subgenitalplatte ein, die Siib<;eiiitalplatte des Männchens
legt sicli mit ihrem Aussclinitt an die untere Legescheidenkante
des Weibchens, und der Penis wird eingeführt.
Diese Unterscheidung gilt nicht für Ephippigcra und Leptophyes;
bei dieser Phaneropteride sahen wir, daß eine Einfühlung des Penis
und das Anlegen der Subgenitalplatte des Männchens statthatte,
ohne daß ein „mouvement de bascule" des Männchens dadurch not-
wendig würde. Es ist wohl hauptsächlich die Form der männ-
lichen Subgenitalplatte, die es Leptophyes eilaubt, das lange, rinnen-
förmige Organ an die ventrale Legeröhrenkante anzulegen, ohne die
Stellung dabei zu ändern. Da ich die Copulation von Isophya, Bar-
bitistes und Orphania nicht vom Augenschein her kenne, vermag ich
voiläufig nach Bekenguier's Darstellung nur einen primitiven Be-
ofattungsmodus darin zu erkennen, daß hier die Spermatophore ohne
Immissio penis (des „Titillateurs") in die Vulva eingebracht wird,
ähnlich wie bei Biestrammena.
An einer anderen Stelle (3) sucht Beeenguiee den Grund für
den Unterschied in der Copulationsstellung von Isophya und Ephip-
pigera in der verschiedenen Länge der Legeröhre. „La posture
du (^ diirant Taccouplement {hki\ Isophya) est necessitee par la forme
recourbee et la diinension relativement courte de l'oviscapte; s'il prenait
Tattitude adoptee par les ^ de ÄnonconoUis ^) etc., qui renverses
sur le dos se cramponnent des quatres membres anterieurs et des
mandibules ä la pointe de l'oviscapte de leur $, dont la longueur
est proportionnee ä celle de leur corps, et leur pennet de mettre
en contact, sans eifort, Torifice des organes genitaux, le c^ de VIso-
phya ne pourrait arriver k faire aboucher son extiemite abdominale
avec Celle de la ?, la longueur de Toviscapte de celle-ci n'atteignant
pas meme la moitie de la longueur du corps du ^.'^
Das klingt zunächst gewiß überzeugend, und auch ich würde
kein Bedenken tragen, mich dieser Auffassung anzuschließen, wenn
ich — die Copulation von Phaneroptera nicht gesehen hätte.
Wenn auch der Beginn der Copulation bei Ephippigcra und
Fhaneroptera verschieden ist (der Grund dürfte die Flügellosigkeit
1) Ich finde eine Gattung dieses Namens weder bei Brunner (12) noch
bei Fischer (18).
32*
486 Ulrich Gerhardt,
bei Epilippigera, die außergewöhnliche Flügellänge bei Phaneroptera
sein) — , so vollzieht sich doch, wie aus Berenguier's Schilderung
klar hervorgeht, das sich Überschlagen (mouvement de culbut, de
bascule) in beiden Fällen prinzipiell sehr ähnlich, und vor allem
ist die End Situation, in der das Männchen, mit Freß Werk-
zeugen und Beinen an die Legeröhre geklammert, hängt, ceteribus
paribus in beiden Fällen sogar gleich. Und doch hat EpMppigera,
wie ja Berenguiee betont, eine sehr lange, Plumeroptera eine sehr
kurze Legeröhre. Die relative Länge dieses Organes kann also
nicht der ausschlaggebende Grund für die Umdrehung des Männ-
chens sein.
Bei Phaneroptera läßt es sich leicht verfolgen, daß in der
Stellung vor dem Anklammern des Männchens an der Legeröhre die
männliche Genitalöffnung dem Gau dal pol des Weibchens, dann
aber, wenn die Ampullen der Spermatophore erschienen, die Cerci
über diese zurückgestreift worden sind und das Männchen sich an
der Legeröhre hält, dem Oral pol des Weibchens zugekehrt ist.
Bei EpMppigera scheint dieser Gegensatz vor und nach der Um-
drehung nicht zu bestehen, auch ist ja hier die Anfangsstellung der
männlichen äußeren Geschlechtsorgane offenbar deren Endstellung
bei Phaneroptera schon einigermaßen ähnlich.
Ich bin auf die Begattungsstellung von Ephippigera deshalb
ausführlich eingegangen, weil, soviel ich weiß, die Beobachtungen
von Berenguiee und mir an Ephippigera und Phaneroptera die ein-
zigen sind, die eine solche plötzliche Umdrehung des Männchens er-
geben. Es handelt sich hier um die extreme Ausbildung eines Vor-
ganges, der auch schon bei anderen Familien (Decticiden,
Locustiden) angebahnt ist.
Die Spermatophore von Ephippigera terrestris beschrei bt
Beeenguiee anders als Fabee die von E. vitium. „Le spermatophore
etait d'une forme presque spherique, partagee par de legers sillons
en quatre lobes, les superieurs deux fois moins volumineux que Jes
inferieurs, d'une couleur blanc nacre, qui tourne rapidement en jaune
d'ivoire; son pedicule etait visiblement enforce sons la plaque geni-
tale de la $, qui au bout de quelques heures avait tout devore."
Die Schilderung der Spermatophore erinnert mehr an die von
Fischer für E. vitium gegebene; in dem Fehlen des Freßinstinktes
bei E. Vitium nach Fabre scheint eine wesentliche und inter-
essante Abweichung von E. terrestris zu bestehen, die sich in nichts
Copulatioii und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 487
von der Melirzahl der Locustidenweibchen in dieser Hinsicht unter-
scheidet.
VossELER (35) scliildert die Spermatophoren zweier nord-
afrikanisclien F.phippio:eriden. Eugaster giiyoni Serv. und Platystohis
p<ichy(jaäer Bk., von denen er auch Abbildungen gibt, die ich hier
reproduziere (Fig. ß). Seine Darstellung, in der leider über den
Modus der Regattunß- niclits angegeben ist, zitiere ich hier wörtlich:
„Obwohl nach Form und Grösse ziemlich verschieden, ist der
Bau der Spermatophoren dieser beiden Locustiden doch nach einem
einheitlichen Princip in symmetrischer Anlage entstanden.
B
"■■|
Ö
Fiff. R. Fig. S.
Fig. R. Sperniatophore von Eugaster. d Ansführnngsgane:. von Schleim (.s)
umgeben, y Außenhaut, sp Binnenraum der Ampulle, n Hüllsiibstanz (nach
Vosselek).
Fig. S. Spermatophore von Platystohis. C Seiteuansicht, A, B von oben
nach unten gosehen. Ag Gallertmasse, die Ampullen umschließend, Cd Aus-
führungsgänge, .s/j Ampulle, a Hülle, k Kittmasse (nach Vosseler).
Der wesentlichste Teil, die Samenkapsel, besteht bei Eugaster,
wo die Verhältnisse einfach liegen, aus einem Paar flaschenförmiger
Körper mit langem Hals, dem Ausführungsgang {d). welcher gei-ade
verläuft. Eine glashelle, aber sehr consistente gallertähnliche
Masse {g) umgiebt diese Samenbehälter {sp) und ist von einer zäh-
schleimigen, besonders nach den Ausführungsgängen zu dichter auf-
gelagerten Substanz (s) eingeschlossen. Hinter diesen mit einander
verkitteten weissen Samenbehältern liegt ein ebenfalls paariger,
durch seitliche Verschmelzung zweier Kugeln entstandener Gallert-
körper, der ziemlich durchsichtig und weich ist (a). Nach der Be-
gattung steckt das voi'dere Stück der Spermatophore fest in den
weiblichen Genitalien, der Körper der Samenbehälter aber und die
Gallertkugeln bleiben äusserlich sichtbar längere Zeit hängen und
werden oft erst nach 1 — 2 Stunden vom Weibchen weggebissen und
gefressen.
In der Gefangenschaft wurde ein und dasselbe Weibchen 3 — 4 mal,
von verschiedenen Männchen, begattet, welche jeden Act mit einem
488 Ulrich Gerhardt,
eharakteristischen Gezirpe einleiteten. Mehr als zwei Begattungen
führte ein Männchen in einem Tag nicht aus, setzte dieselben aber
von Anfang August bis Ende October fort.
Von Plafystolus erhielt ich nur eine Spermatophore (Fig. S), an einem
frisch gefangenen Weibchen. Dieselbe fällt durch ihren gewaltigen
Umfang sofort auf. Obwohl der Producent kleiner als der männ-
liche Eugaster ist, erreicht die Breite und Länge der Samenkapsel
mehr als das Doppelte von der des Eugaster. Die Samenbehälter
bilden kleine Retorten, welche von einer festen, dicken Gallertmasse
(flg. 3 A ^) umschlossen, in lange feine Ausführungskanäle sich fort-
setzen (fig. 3 C d). Denkt man sich das ganze Gebilde in situ am
weiblichen Genitalapparat befestigt, so haftet es bei K an der Wurzel
der Legescheide vermittels einer besondern Kittmasse, in der die
Form der Legescheide eingedrückt ist; die Samenbehälter bleiben
aussen, an sie schliesst sich nach hinten wie bei Eugaster wieder
weiche hyaline Gallerte an (a), deren Umrisse nicht mehr bestimmt
werden konnten, da die Tiägerin bereits mit dem Verzehren be-
gonnen hatte. Bis hierher war morphologisch die Übereinstimmung
zwischen den beiden Arten von Spermatophoren unverkennbar. Der
Ausführungsgang allein ändert dieselbe, da er bei Platystolus nicht
gerade verläuft, sondern im Anfang sich medianwärts und bei der
angegebenen Lage gleichzeitig nach unten biegt, um in einem
weiten Spiralbogen wieder aufzusteigen. Dieser Theil des Aus-
führungsganges ist sehr dünn, wie der Samenbehälter liegt er in
einer festen, aber weniger harten Gallerte, die in der abgebildeten
Weise die vom Ausführungskanal ausgeführte Figur mitmacht und
ebenfalls durch eine Rinne in der äussern Curvatur und deutliche
Spaltung am Ende die bilaterale Anlage verräth. Der ganze Bogen
kommt bei der Begattung ins Linere der weiblichen Genitalien zu
liegen, seine Form und Grösse hängt mit der Beschaffenheit derselben
zusammen und trägt neben der erwähnten Kittmasse zu einem recht
vollständigen Festsitzen des Apparats bei. Die für Eugaster an-
geführte schleimige, den Ausführungsgang begleitende Gallerte fehlt."
VossELEE betont dann den bisher einzig dastehenden Bau der
Spermatophore von Platystolus, deren Ausführungsgänge von denen
anderer Ephippigeriden-Spermatophoren erheblich abweichen. Er dis-
kutiert sodann die FABRE'sche Meinung, daß jede Spermatophore 4
kommunizierende Hohlräume enthalte, und hält für möglich, daß das
Sperma durch einen Druck des hinteren (größeren) Kugelpaares in
das Receptaculum entleert werden könnte, falls dies nicht durch die
Copulation und Spennatophoren von Grylliden und Locustiden. 489
Ei^enbeweguiigen der Spermatozoen geschähe. Wie es Boldykev für
Biestramme na zuerst annahm, geschieht das Ausfließen des Sperraas
aber siclierlich durcli eine Art von Diffusion s Vorgang, den die
ira Receptaculum des Weibchens vorhandene Flüssigkeit hervorruft.
„Audi bei diesen 2 Allen von Locustiden fällt der Umfang der
Spermatophore im Verhältniss zu den Ausmaassen der Männchen auf,
bei beiden auch wird nach der Übertragung des Samens die gallert-
artige Umhüllung, später die ganze entleerte Samenpatrone vom
Weibchen verzehrt."
Von Interesse ist die häufige Copulation von Eugaster, der darin
die übrigen Locustiden, soweit bekannt, zu übertretfen scheint.
Fani. Decticidae.
Eigene Beobachtungen: Dedicus verrucivorus L. 2 Copula-
tionen im Freien.
Flatycleis roeseli Hagenb. 1 Copulation im Freien, 3 in Gefangen-
schaft.
PL (jrisea Fabe. 1 Copulation in Gefangenschaft.
Außerdem Spermatophoren von Dedicus alUfrons Fabr. und
Thamnothrizon cinereus L. beobachtet, von der zweiten Art konserviert.
In der Literatur spielt gerade die Begattung eines Dedicus. des
südeuropäischen D. alUfrons, deshalb eine große Rolle, weil Fabre
(16, 17) seine Untersuchungen an diesem Objekt ausgeführt und den
Copulationsvorgang sowie dessen Nachspiel, das Verzehren der Sperma-
tophore durch das Weibchen, eingehend geschildert hat. Schon
RüsEL (30) hat eine allerdings recht unvollständige Beschreibung der
Begattung des gemeinen Warzen beißers, D. verrucivorus, gegeben.
Neuerdings hat Boldykev (8) an D. alUfrons, Flatycleis roeseli und
Olynthoscelis pontica Retow. Beobachtungen über Copulation und
Spermatophoren angestellt, doch liegen noch keine ausführlichen
Mitteilungen hierüber vor.^) Betrachten wir zunächst das Verhalten
der Gattung Dedicus.
Hier ist zuerst zu bemerken, daß bei den Decticiden das Stri-
dulieren der Männchen zweifellos, nach allem, was man im Freien
beobachten kann (hiervon geben die Beobachtungen an Gefangenen
nur ein unvollständiges Bild) eine maßgebende Rolle beim Zusammen-
1) Anra. während der Korrektur: Während des Druckes dieser
Arbeit erschienen.
490 Ulrich Gerhaedt,
findeu der Geschlechter spielt. Das gilt für Dedicus wie für Platy-
cleis. Nun hat Fabre die Meinung ausgesprochen, daß das Zirpen
kein eigentliches Zeichen geschlechtlicher Erregung des Männchens
sein könne, weil dies auch nach der (bei Decticus, wie es scheint,
nur einmaligen) Begattung bis an sein Lebensende fortzirpt. Es
muß nun das Zirpen des Männchens, das sich noch nicht begattet
hat („le male vierge" des Franzosen) und reif zur Begattung ist,
auf die Weibchen anders wirken als das eines bereits verbrauchten
Männchens, auf das kein Weibchen mehr reagiert. Ich schließe das
aus folgender Beobachtung. Im Sommer 1911 zirpte auf einer von
Dedicus verrucivorus reich bevölkerten dürren Halde bei Höken-
dorf in Pommern ein Warzenbeißermännchen, das nur ein, und zwar
ein verstümmeltes Sprungbein hatte, und auf weite Entfernungen,
10—20 m weit im Umkreise, strebten verschiedene Weibchen auf
dieses Männchen zu, bestiegen es, drängten sich gegenseitig von
seinem Rücken, ohne daß eine Begattung gelang. Am nächsten
Tage fand an der gleichen Stelle dasselbe Spiel statt. Am 3. Tage
hatte das Männchen gar kein Sprungbein mehr, aber es zirpte noch;
am nächsten Tage war es verschwunden. Ich sah niemals eine Be-
gattung mit diesem Männchen zustande kommen. Der Fall zeigt,
daß ein Männchen im richtigen Stadium, das aber verhindert ist,
die Begattung auszuführen, auf die Weibchen eine außerordentlich
große Anziehung ausübt.
In einem 2. Falle hörte ich an der gleichen Örtlichkeit in ziem-
lich weiter Entfernung ein Männchen zirpen. Ein Weibchen lief,
mindestens 15 m von der Stelle des Zirpens entfernt, auf diesen
Ort zu. Dabei ereignet es sich gewöhnlich, daß das Weibchen seit-
wärts am Männchen vorbeispringt, dann umkehrt, wieder nui- in
der ungefähren Schallrichtung zurückgeht und so das Männchen
mehr und mehr einengt. Das war auch hier der Fall. Sobald das
Weibchen aber beim Männchen angelangt war, stieg dies von einer
Brombeerranke, an der es zirpte, herab, setzte sich vor dem Weibchen
in Begattungsstellung hin, und die Copulation fand alsbald statt.
Die passive Rolle, die das Männchen dabei spielt, schildert
schon RösEL sehr anschaulich:
„Wann nun dieser Gesang eines frechen Heuschreckenmännleins
ein ebenfalls brünstiges Weiblein herbeigelocket, so nähert sich dieses
zu jenem nach und nach von hinten her und giebet ihm durch das
Hin- und Herschlagen der Fühlhörner seine Gegenwart zu erkennen.
So bald nun das Männchen seiner Ankunft inne wird, hört es auf zu
Copnlation und Spermatophoren von Grylliden und Locnstiden. 491
singen, schlaget seine harten und langen Fühlhörner zurück, und
untersuchet, was dasjenige seye, so sich ihme genähert und ob es sich
eines Feindes oder Freundes zu verseilen habe. Im letztern Falle
bewillkomnit es die gewünschte Gattin mit etlichen sanft zwitzern-
den Tönen, seine langen und stachligen Springfüße aber weis es so
geschickt bey Seite zu bringen, daß sie durch selbige im geringsten
nicht gehindert wird, ihm näher zu kommen. Diese lasset nun das
]\Iännlein auch nicht länger warten, und da sie sich ebenfalls zu
paaren suchet: so steiget sie auf selbiges hinauf und bleibet sodann
stille sizen ; jenes ergreiftet das Weiblein mit seiner Zange, nahe am
Leib, bey dem Legestachel, und halt es so lange vest, bis alles das-
jenige geschehen ist, was zur Paarung erfordert wird; dieses aber
ist so wohl bey allen Heuschrecken, als auch bey den Grillen die Art
ihrer Befruchtung."
Während Rösel, wie aus diesen Worten hervorgeht, den eigent-
lichen Vollzug der Begattung nur sehr kurz abtut und die ein-
leitenden Vorgänge genau schildert, scheint Fabre gerade diese nicht
gesehen zu haben. Immerhin sind auch hierbei einige Punkte einer
besonderen Besprechung wert: die für die bisher besprochenen männ-
lichen Locustiden (außer Biest mmnicna) charakteristische Begattungs-
stellung mit tief abwärts gebogenem Hinterleib und gehobenen
Flügeln wird auch von dem Decticus-Mmnchen eingenommen, und
zwar werden die Flügel fast bis zur Senki-echten gehoben, während
der Hinterleib bei tiefgesenktem Kopf bis etwas unterhalb der
Horizontalen herabgedrückt wird. Diese Stellung gestattet es dem
Weibchen, bei einfachem Vorwärtsgehen seinen Hinterleib in die
zur Begattung nötige Stellung zu dem des Männchens zu bringen,
ohne daß dessen lange Flügel dabei irgendwie hinderlich sind. Das
Weibchen nagt auch hier auf dem Rücken des Männchens herum,
was Fabee einmal auch als Vorspiel der Begattung, ohne daß es
zu einer solchen kam, beobachtet hat.
Dabei kommt das Weibchen, wenn es weiter vorwärts geht, mit
seinem Kopf in den dreieckigen Raum zu stehen, den die Oberflügel
des Männchens zwischen sich fassen. Je mehr das Weibchen vor-
wärts rückt, desto mehr krümmt sich das ]\[ännchen zusammen, und
so steht es schließlich mit seinem Kopfgipfel und der Stirn auf
dem Boden, seine Flügel stehen schräg auf- und vorwärts. Sein
Hinterleib hat gleich nach dem Aufsteigen des Weibchens dessen
Subgenitalplatte mit den Cerci zu umfassen gesucht, die bei allen
Decticiden stärker, aber kürzer sind als bei den Phaneropteriden
492 Ulrich Gerhardt,
und an ihrer Innenseite einen Zalin tragen. Sobald die Cerci
gefaßt haben, wird auch hier der „Penis" ausgestülpt, aber er
bleibt nicht immer außen sichtbar, sondern wird rhythmisch in
einzelnen Stößen langsam hervorgedrückt und dann jedesmal
wieder eingezogen. Von einem Eindringen in die Vulva ist noch
nichts zu sehen. So kommt die Situation zustande, die Fabee
bei der Beobachtung seiner Gefangenen angetroifen hat: „Le
male est dans une position fort insolite. Couche ä terre sur le
flanc ou sur le dos, il releve le bout du ventre agite de spasmes.
La femelle, guindee aussi haut que le permettent ses echasses, etreint
le male, pattes de-ci, pattes de-lä, oviscapte redresse: Les extremites
des deux abdomens convulsivement s'accointent par saccades et par
simple juxtaposition, autant que je peux en juger".
Fabre hat zweifellos recht, daß es sich auf diesem Stadium nur
um eine Aneinanderlagerung der beiden Hinterleibsenden handle;
auch später kommt es, nach mehreren Beobachtungen von mir, sicher
zu keiner eigentlichen Einführung des „Penis", aber doch zu einem
Vorgang, der einer solchen sehr nahe kommt. Wenn das Auspr'essen
und Einziehen der häutigen Umgebung der Geschlechtsölfnung (des
„Penis") eine längere Weile, 10—20 Minuten, angedauert hat, so
erfolgt abermals eine solche Ausstülpung, der aber keine Re-
traktion folgt, und nun legt sich der Penis zwischen Subgenital-
platte und Legeröhrenwurzel fest an. Die ausgestülpte Schleim-
hautmasse schwillt, unter starken Kontraktionen des männlichen
Hinterleibes, mehr und mehr an, und wenn sie sich endlich zurück-
zieht, treten, leuchtend weiß, die Ampullen der Spermatophore hier
zwischen den Cerci und der locker an die ventrale Legeröhre an-
gelegten, mit ihren Styli sie umgreifenden männlichen Subgenital-
platte hervor. In dem einen der beiden von mir beobachteten Copu-
lationsfälle ging das Weibchen schon kurz vor dem Erscheinen der
Ampullen einen Schritt vor, so daß das Männchen völlig auf den
Rücken geworfen wurde. Vorher hatte es mit seinen Vorderbeinen
die Legeröhre locker umfaßt, und auch in der Endstellung hingen
diese noch an ihr. Doch war von einem eigentlichen Anklammern
an die Legescheide, wie es für Ephippigera beschrieben wird, keine
Rede. Im zweiten Falle wurde das Männchen erst nach dem Aus-
tritt der Samenbehälter auf den Rücken geworfen. Nach dem Er-
scheinen der Ampullen folgt eine etwa 1 Minute dauernde Ruhepause,
dann tritt unter erneuten Kontraktionen des männlichen Hinterleibes
die Hauptmasse der großen, weißen Spermatophore aus ihm hervor.
Copnlation und Sperraatophoreu von Grylliden und Locnstiden. 493
die scliließlich diucli das vorwärts geliende "W'eibclien aktiv dem
Männchen vollends aus der weit klaffenden Hinterleibsspitze hervor-
gezogen wird.
Fahre schildert diesen Vorp:anj>' der „Geburt" der Spermato-
phore folgendermaßen: „Un quart d'heure environ se passe dans ces
preliminaires; puis on voit sourdre du ventre du male quelque chose
d'enorme. de monstrueux, hors de proportion avec l'animal. Par sa
couleur d'un blanc d'opale, cela ressemble ä deux baies de guie
accolees. La femelle immediatement se retire, portant appendue,
sous son oviscapte, l'etrange machine."
Auch ich habe, als ich bei Vecticus, zum erstenmal in meinem
Leben, eine Locustidencopulation sah, den Eindruck gehabt, daß liier
unter ungewöhnlichen Anstrengungen von dem Männchen eine
verhältnismäßig riesige Leistung vollbracht werde. Später habe
ich mit Erstaunen gesehen, daß bei Diestrammena eine relativ min-
destens ebenso große Spermatophore ohne Mühe und Preßbewegungen
hervorgebracht wird, die allerdings nicht von so fester Konsistenz
ist wie die der Decticiden.
Die Spermatophore selbst ist leuchtend weiß und undurch-
sichtig. Fabre hat sie beschrieben und abgebildet, außerdem hat
€r — soweit mir bekannt, zum ersten Male füi- eine Locustide —
den Akt des Verzehrens der Spermatophore durch das Weibchen
eingehend geschildert.
In einem Falle sah Fabre (was mir nicht begegnete) eine
Spermatophore, die der von ihm bei EpMppigera vitium beschriebenen
glich und ,.wie ein Packet Eier von Helix aspersa'"'' aussah. In
3 anderen Fällen aber bestand sie (und ich habe dieses Verhalten bei
JDecticus vermcivorus wie auch bei D. alUfrons immer angetroffen)
„aus vier eng miteinander verbundenen Blasen, zwei dorsalen, un-
mittelbar unter der Legeröhre, von einem matten Weiß und der
Größe eines Pfefferkornes; darunter sitzen zwei von einem opale-
scierenden Weiß und der Größe einer Erbse. Diese vier Erhaben-
heiten müssen gewiß untereinander communicieren und eine gemein-
same Tasche darstellen. p]in kurzer Stiel aus hyaliner Substanz,
ähnlich einer glasigen Gallerte, bildet die Basis des Apparats und
ist in den Genitalvorhof des Weibchens eingesenkt".
Die von Fabre ausgesprochene Idee, daß wahrscheinlich alle
vier Bestandteile der Spermatophore untereinander im Zusammen-
hang stünden, ist, wie aus der Präparation von konsei-vierten Sper-
matophoren anderer Locustiden mit Bestimmtheit hervorgeht, nicht
494 Ulrich Gerhardt,
richtig. Vielmehr hat Dedicus wie alle anderen bisher bekannten
Locustiden in seiner Spermatophore einen den Samen enthaltenden
Teil, die hier wie überall außer bei Diestrammena paarigen Ampullen
und die in unserem Falle äußerst dichte und feste Hülle oder Schutz-
substanz (BoLDYREv), deren große Festigkeit wohl die lange Be-
gattungsdauer bei Decticiden begründet.
Zu erwähnen ist, daß die eigentlichen Ampullen der Decticiden-
spermatophoren nicht völlig identisch sind mit dem kleineren Kugel-
paar, das Fabre beschreibt. Auf diesen Unterschied wird man erst
in vollem Maße aufmerksam, wenn man den Akt des Verzehrens der
Spermatophore durch das Weibchen und das, was dabei allmählich
von der Spermatophore abgetragen wird, verfolgt.
Fabee, dieser glänzende Schilderer der Vorgänge im Insecten-
leben, beschreibt mit gewohnter Anschaulichkeit, wie sich das
Weibchen, das sich vom Männchen getrennt hat, auf seinen Hinter-
beinen aufrichtet, sich ringförmig zusammenkrümmt und mit seinen
Kiefern die Spermatophore ergreift, um zuerst ganz vorsichtig
Stückchen von deren Rinde abzubeißen und zu fressen, ohne die
tieferen Schichten zu berühren. Das geht etwa 20 Minuten so fort,
dann aber ergreift das Tier die ganze Spermatophore und zerrt und
reißt an ihr, bis nur der Stiel, der „tampon de gelee", in der Vulva
sitzen bleibt. Im Verlaufe von ungefähr 3 Stunden ist die ganze
Masse zerkaut und gefressen.
Ich kenne mit Sicherheit keine andere Locustidenform, die die
Hauptmasse der Spermatophore auf einmal abreißt wie Dedicus.
Nahe verwandte Arten verhalten sich jedenfalls hierin anders, doch
scheint bei Flatydeis grisea etwas Ähnliches vorzukommen.
Das, was nun nach diesem Abreißen des größten Teiles der
Spermatophore in der Vulva zurückbleibt, beschreibt Fabre als „la
base, le pedicule de l'appareil, base dont la partie la plus visible
consiste en deux mamelons cristallins de la grosseur d'un grain de
poivre."
Diese beiden „mamelons cristallins" sind nun die Ampullen,
die eigentlichen Samenbehälter, die in den 3 Stunden, während deren
die übrige Masse verzehrt wurde, hinreichend Zeit hatten, ihren
Inhalt in das Receptaculum des Weibchens zu entleeren. Die selt-
same Stellung, die zum Ausfressen dieses letzten Spermatophoren-
restes nötig ist (die ich selbst nicht beobachtet habe), schildert
Fabre folgendermaßen: „Pour se debarasser de cette espece de
tampon, le Dectique prend une curieuse attitude. L'oviscapte est ä.
Oopulation und Spermatophoren von Grylliden niul Locustiden. 495
deini iinplante eu terie, verticalenieiit; ce sera le principal bäton
d'appui. Les echasses, rapprochant les tibias des cuisses, elevent la
bete autant que possible et forment trepied avec le sabre. Les
qiiatre pattes anterieures s'etablisseiit solidement sur le sol. Alors
l'insecte se recourbe eii dessous en anneau complet et vient, du bout
des niandibules, travailler l'entree genitale.
11 debourre petit ä petit le Vestibüle obstriie. Sont extirpes
d'abord les deux nodales hyalins; puis viennent, d'auties, debris
formes d'une substance semblable ä uue gelee transparente et demi-
solide. Toutes ces ruines sont gravement avalees jusqivaux moindres
miettes. Rien ne doit se peidre. Enfin l'oviscapte est lave, nettoye,
lisse du bout des palpes. Tout est remis en ordre, rien ne reste de
l'encombrant fardeau."'
Sehr ähnlich wie bei Deciicus verläuft die Begattung bei
2 Arten der Gattung Plaij/cleis, bei denen ich sie beobachten konnte.
Am 2. September 1911 sah ich auf einer Wiese bei Hökendorf in
Pommern, dicht neben dem erwähnten Standort von Deciicus verru-
civorus, ein Weibchen von Platyclds roeseli. das ganz langsam sich
einem in einer P'ntferuung von V2 — % ^ zirpenden Männchen der
gleichen Art näherte. Das Weibchen saß dann lange Zeit still, bis
das Männchen, wie dies bei dieser Art üblich, nach einiger Zeit
den Halm, an dem es saß, verließ, um einen anderen Ort des
Zirpens aufzusuchen. Dabei entfernte es sich vom Weibchen. So-
bald das Männchen sich nun in ]^ewegung setzte, folgte ihm das
Weibchen und erreichte es, als es wieder still saß. Nun setzte sich
das Männchen sofort in Begattungsstellung, senkte also den Hinter-
leib stark gekrümmt nach unten und hob seine verkürzten Flügel-
decken. Das Weibeben kam das erstemal, als es ihm auf den Rücken
stieg, nicht sofort in die richtige Stellung, darauf ging das ^Männchen
einige Schritte weiter, und nun gelang die Begattung alsbald, Sie
spielt sich fast ganz in der für Deciicus beschriebenen Form ab,
nur sitzen die Tiere meist im Grase an irgendeinem Zweige oder
Halm, seltener auf dem Boden.
Auffallend ist die außerordentlich lange Dauer der Begattung
bei dieser Species, Bei der ersten Beobachtung wurde sie nicht genau
bestimmt, doch betrug sie sicher über ^'., Stunde. In zwei später in
Breslau an Gefangenen beobachteten Fällen dauerte eine Begattung
von 10 h 22 bis 11 h 07, also 45 Minuten, die andere von 9 h 56
bis 10 h 46, also 50 Minuten, während bei Deciicus die Begattungs-
dauer höchstens 15 — 20 Minuten beträgt. Was der Grund zu dieser
496 Ulkich Gerhardt,
langen Aiisdehnung- des Copulationsvorganges ist, vermag ich nicht
anzugeben, zumal die Spermatophore (Taf. 18 Fig. 7) im Verhältnis
nicht größer ist als die von Decticus. Abgesehen von diesem Unter-
schied in der Zeitdauer verläuft alles ziemlich genau so wie bei
Decticus auch. Die Stellung ist, besonders wenn die Begattung, wie
das bei Gefangenen vorkam, im Grase dicht über dem Boden statt-
fand, im wesentlichen ebenso, nur geben die verkürzten Flügeldecken
bei beiden Geschlechtern (doch kommen auch macroptere Exem-
plare vor) ein etwas anderes Gesamtbild (Taf. 17 Fig. 9). Auch
hier krümmt sich das Männchen so stark, daß sein Kopf fast in ent-
gegengesetzter Richtung steht wie der des Weibchens. Das Ergreifen
der Legeröhren Wurzel mit den Cerci, das Aus- und Einstülpen des
„Penis" geschieht gerade so wie bei Decticus. Auch das Anlegen des
Penis an die Vulva und der Austritt der Spermatophore erfolgt in der
gleichen Weise, so daß erst die Ampullen dorsal von der zurückgestreiften
Penishaut sichtbar w^erden, daß dann eine Ruhepause eintritt und
zuletzt die Hauptmasse der Spermatophore auf einmal vom Weibchen
dem Männchen aus der Hinterleibsspitze gezogen wird. In zwei Fällen
begann, sowie der größere Teil der Spermatophore hervorgequollen war,
das Weibchen vorwärts zu gehen. Dabei wurde das auf den Rücken
gedrehte Männchen ein Stück weit mitgeschleift, bis es schließlich
buchstäblich von der am Weibchen hängenbleibenden Spermatophore
herunterglitt und mit weit geöffneter Hinterleibsspitze liegen blieb.
In den beiden anderen Fällen geschah die Lösung so wäe bei Decticus
beschrieben.
Erwähnen möchte ich hier gleich, daß bei der geflügelten Art
Platycleis grisea die Begattungsstellung genau wie bei Decticus ist.
In dem einen von mir bis zu Ende beobachteten Falle — es handelte
sich um gefangene Tiere; vor Jahren habe ich in Gamburg 2mal
den Beginn der Begattung bis zum Festhalten des Männchens im
Freien beobachtet — erfolgte auch der Austritt der Spermatophore,
so wie in den beiden ersten Fällen bei Platycleis roeseli, d. h. das
Weibchen zog das auf den Rücken geworfene Männchen bis zur
Lösung der Tiere mit sich fort. Die Dauer der Begattung betrug
20 Minuten (von 9 h 34 bis 9 h 54 a. m.). Die Ampullen der Spermato-
phore dieser Species nach Ablösung der Hüllsubstanz zeigt Fig. 8,
Taf. 18.
Bei beiden Platycleis- Arten war bei der Begattung eine ventrale
Abknickung der weiblichen Legeröhre zu sehen, die das Männchen
locker mit seinen Vorderextremitäten umfaßt und an die es seine
Copulation und Spermatophoreii von Gryllicleii und Locustiden. 497
Subo:enitali)latte fest anlegt, so daß deren Styli beiderseits die Lege-
scheide uiiifassen. Soweit mir erinnerlich — ich habe damals auf
diesen Punkt nicht genügend geachtet — , war diese Abknickung
bei üedkus weniger auffallend.
Die Sperm atop hören, die von Platycleis roeseli produziert
werden, sind denen von Decticus sehr ähnlich gebaut. Charakteristisch
für sie scheint mir ein kui'zer, unpaarer, medianer Zipfel, der zuletzt
aus der Geschleclitsölfnung des Männchens hervortritt und, wenn-
gleich in viel kleinerem Maßstabe, etwas an den hornförmigen Fort-
satz der Spermatophore von Phaneroptera erinnert. Bei der einzigen
mir bekannten Spermatophore von Fl. grisea fehlt dieser Fortsatz,
und die Paarigkeit der ganzen Spermatophore ist deutlicher an den
die Ampullen bergenden kleineren Lappen als an den beiden großen
erkennbar. Die Spermatophore von PI. roeseli hat etwa 4 — 5 mm
Durchmesser. Sehr ähnlich der von PI. grisea ist die des gleichfalls
zu den Decticiden gehörigen Thamnoihrizon cinereus L. Bei dieser
in allen Wäldern und Hecken äußerst gemeinen Art habe ich die
Begattung nie gesehen, und die einzige Spermatophore, die ich er-
halten habe, wurde durch ein Versehen gewonnen, irrtümlich war
über Nacht ein Weibchen in den Käfig, der die Männchen enthielt,
gesetzt woiden, und der Irrtum wurde erst bemerkt, als das Weibchen
am anderen Morgen bereits die erst ganz wenig angefressene
Spermatophore trug, die Fig. 9, Taf. 18 darstellt.
Der Bau der Spermatophore ist bei Platycleis grisea und Thamno-
tlirizon cinereus dadurch etwas verschleiert, daß hier die feste äußere
Substanz die beiden Samenbehälter so dicht und gleichmäßig umhüllt,
daß von ihnen an der unverletzten Spermatophore wenig zu sehen
und um deren Stiel herum zwischen Legeröhre und Subgenitalplatte
alles verklebt ist. Diese Secretmassen. die den Spermatophorenstiel
umkleiden, können erst sehr spät ergossen werden, da die Ampullen
bei ihrem Austritt noch sehr gut zu sehen sind.
An einer in Formol konservierten Spermatophore von Platycleis
roeseli, deren Form sehr gut erhalten ist (Taf. 18 Fig. 7), ist da-
gegen die „Schutzsubstanz," ähnlich wie bei Phaneroptera, ventral
von den Ampullen (an der dem Weibchen angehängten Spermato-
phore gerechnet) angeordnet, so daß diese deutlich sichtbar sind.
Der Rest der Spermatophore ist nur undeutlich 41appig, vielmehr
sind eigentlich 3 Lappen, 2 orale, paarige und 1 caudaler, unpaarer,
vorhanden, der allerdings in frischem Zustande eine seichte Längs-
furclie aufwies und der in den erwähnten, auf der Abbildung deutlich
498 Ulrich Gerhardt,
sichtbaren Zipfel endet. Im Prinzip ist diese Spermatophore also
der von Fhaneropiera fdlcata ziemlich ähnlich gebaut, und es ist
vielleicht anzunehmen, daß die Verwischung des paarigen Baues bei
Fl. grisea und bei Thamnothrison sekundärer Natur sind. Bei Decticus
ist die Vierlappigkeit anscheinend als die Regel zu betrachten.
BoLDYREv (8) geht in dem russischen Text ^) seiner vorläufigen
Mitteilung über die Spermatophoren von Locustiden und Grylliden
kurz auf die Decticiden-Spermatophore ein. Er sagt, das Verständnis
des Baues der Spermatophore werde hier erschwert durch die An-
wesenheit zweier ovaler sackartiger Anhängsel mit durchsichtigen
elastischen Wänden, für deren Bedeutung er später versuchen will
eine Erklärung zu geben.
Ich möchte dazu folgendes bemerken, es scheint sich um ähn-
liche ovale Gebilde zu handeln, wie ich sie oben (S. 481) für die
Spermatophore von Tylopsis liliifolia beschrieben und abgebildet habe.
Bei Flatycleis grisea wurde das Weibchen unmittelbar nach der
Copulation mit der anhängenden Spermatophore in 4^0 Formol ge-
worfen, eine Methode, die sich sonst gut bewährt hat. In diesem
Falle aber löste sich durch die starken Zappelbewegungen, die das
Tier in der Agonie mit seinen Sprungbeinen in dem etwas zu weiten
Glasgefäße ausführte, die äußere, homogene „Schutzsubstanz" von
den Ampullen der Spermatophore ab, die mit dem Stiel in der Vulva
verblieben. Die Untersuchung des abgebrochenen Stückes zeigte
nun eine homogene Beschaifenheit, so daß hier nur Ampullen und
„Hüll- oder Schutzsubstanz" vorhanden sind. Die Hüllsubstanz bildet
etwa eine auf der konvexen Oberfläche leicht median gefurchte Halb-
kugel, die nach ihrem Abreißen innen hohl ist. Sowohl die Reste
von Schleim, die um die Ampullen herum an der Legeröhrenwurzel
sitzen geblieben sind, wie auch der Rand der Hohlkugel an der Ab-
reißstelle zeigen deutlich, wie hier die Hüllsubstanz noch etwas um
die Ampullen herumgegriffen hat. Von besonderen akzessorischen
Behältern bemerke ich in diesem Falle nichts.
Bei PI. roeseli ist das, was von außen als die Ampullen impo-
niert, insofern nicht ganz mit diesen identisch, als sie eine doppelte
Hülle haben, von der die äußere Schicht eher vom Weibchen ge-
fressen wird als die innere. Das Weibchen verfährt hier beim Freß-
akt insofern anders als Decticus, als es die Hüllsubstanz nicht auf
1) Die Übersetzung verdanke ich der Güte des Herrn stud. agr.
Gerog V. Ursyn Niemcewicz.
Copulatiou und Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden. 499
einmal abreißt. Es frißt vielmehr ganz allmählich kleine Brocken
davon auf, so wie es Dedirus nur im Anfang tut. Die ganze Freß-
prozedur erstreckt sich über eine größere Anzahl (bis zu 6) Stunden.
Wenn die ersten kugligen Körper, die als „Ampullen" bezeichnet
waren, an die Reihe kommen , die an der frischen Spermatophore
intensiv weiß sind, so wird. Avenn deren Rinde abgebissen wird, ein
glasiger, bräunlicher, biniförmiger Körper im Innern der Kugel frei-
gelegt; von ihm wird die ihn umgebende Hülle zuletzt in einem
größeren Klumpen abgerissen, und nun stecken in der Vulva nur
noch die beiden, Fabre's ,.mamelons cristallins" entsprechenden
eigentlichen Ampullen.
Bei Thamnothrizon cinereus, dessen SphermatophorenhüUe sich der
von Plafycleis grisea sehr ähnlich verhält, findet man öfters Weibchen
im Freien, denen noch die hellen, wie es scheint, ganz spröde und
trocken gewordenen kleinen Ampullen in der Vulva sitzen. Die
wenigen konservierten Spermatophoren, die ich von Decticiden bisher
besitze, sollen in toto als Demonstrationsobjekte aufgehoben werden ;
Untersuchungen an aufgehellten Präparaten, die ich nur in diesem
Sommer zu beschaffen hoffe, aber auch ein genaues Studium des
Fressens der Spermatophore, bei dem diese, wenigstens bei Platydeis
roeseli, schichtenweise abgetragen wird, endlich Schnittpräparate, er-
geben vielleicht noch weitere Resultate. Ich habe meine konser-
vierten Spermatophoren unter dem SEiBERx'schen binokularen Mikro-
skop zu präparieren gesucht, und ich habe außer den Hüllkörperu
der Ami)ullen bei den von mir beobachteten Formen keine akzesso-
rischen Hohlräume, wie sie bei Tylopsis vorkommen, gefunden.
Fabke nimmt für Decticus alMfrons nur eine einmalige Begattung
an. und ich sah auch bei D. verrucivorus keine zweimalige. Doch
muß ich von vornherein betonen, daß meine Beobachtungen in dieser
Beziehung, da im Freien angestellt, keine bindende Bedeutung haben.
Die Begattung der Tiere fand an dem von mir beobachteten Fundort
immer etwa um 9 Uhr morgens statt, und nach ungefähr 11 Uhr war
kaum ein Ziri)en der Männchen mehr zu höien. Da jedes Männchen
seinen bestimmten Standort hatte, an dem es jeden Morgen zirpte,
waren die bei der großen Variabilität der Art leicht zu unter-
scheidenden Individuen bequem täglich zu kontrollieren. Immerhin
aber muß die Möglichkeit von Begattungen vor Beginn meiner Be-
obachtungsperiode zugegeben und können einwandfreie Beobach-
tungen über die uns beschäftigende Frage nur an Gefangenen ge-
macht werden. Wenn aber Fabke meint, das Männchen könne
Zool. Jaljrb. XXXV. Abt. f. Sy.st. 33
500 Ulrich Gerhardt,
sich wegen der Größe der von ihm g-elieferten Sperniatophore nur
einmal begatten, so ist das kein zwingendes Argument, da andere
Arten, die ebenso große Spermatophoren abscheiden, sich wiederholt
begatten (Diestrammena, Ephippigeriden).
Bei Platijdeis roeselii erlebte ich an Gefangenen, daß ein Männ-
chen sich am 2. Tage nach einer Begattung mit einem anderen
Weibchen paarte, ferner wurde für ein Weibchen festgestellt, daß
es sich an 2 ziemlich weit auseinanderliegenden Terminen (7. Juli
und 15. August) mit verschiedenen Männchen paaite. Jedenfalls
bedürfen die bisherigen Befunde an der Gattung Decticus noch einer
Nachprüfung auf die Begattungszahl beider Geschlechter hin, die
an Gefangenen ausgeführt werden müßte.
Alles in allem zeichnen sich die Decticiden, soweit bisher be-
kannt, durch folgende gemeinsame Merkmale aus. Das Männchen
zirpt und wartet auf das Weibchen, das aktiv die Begattung ein-
leitet. Das Männchen wird vom Weibchen bestiegen, krümmt sich
aber so stark ventral ein, daß eine wesentlich andere Stellung zu-
stande kommt als bei Diestrammena und den Grillen; der Kopf des
Männchens ist dem des Weibchens fast diametral entgegengesetzt
gerichtet. Der Austritt der sehr dichten, mehr oder weniger 4 lappigen
Sperniatophore mit 2 Ampullen erfolgt nach langer Preßarbeit des
Männchens. Das Weibchen braucht lange Zeit zum Fressen der
Spermatophore. — Im einzelnen sind von Art zu Art verschiedene
Besonderheiten zu konstatieren.
Subfam. Locustidae.
Trotz angestrengtester Beobachtungen (allerdings immer im
Freien) ist es mir zwar gelungen, Begattungsversuche von Locusta
viridisswia L. zu sehen, nie aber sah ich eine Begattung zustande
kommen. Auch diesen wesentlichen Mangel in meinen Beobachtungen
hoffe ich im kommenden Sommer — diesmal an Gefangenen — zu
beseitigen.
Von konservierten Spermatophoren dieser Art besitze ich 2 Stück.
Die eine ist frisch und unverletzt, ihre Trägerin verließ eben das
Männchen nach der Begattung. Die 2. war bereits bei der Konser-
vierung stark angefressen, und ich habe sie dazu benutzt, die bei
dieser Art sehr kleinen Ampullen frei zu präparieren.
In der Literatur finden sich etwas widersprechende Angaben
über den Begattungsmodus von Locusta viridissima. Rösel gibt an,
die Copulation erfolge ebenso wie bei Decticus, also durch Besteigen
Copulation und Spermatophoren von GiyUiilen und Locustiden.
501
des 3Iäniicheiis durch das Weibchen. Im Geg:ensatz hierzu stehen
Angaben von Bolivar (9) und Tümpel (33). Bolivar gibt die
hier reproduzierte Abbiklung (F"ig. T)
des Coitus von Locasta viridissima,
der in einer Stelhmg vor sich geht,
wie wir sie als Endstellung bei DecH-
cus, schließlich, in niodirtzierter Form,
auch hei PlianeropfiTd und t'p/üppifjcni
kennen gelernt haben. Wie die Tiere
in diese Stellung gekommen sind, wird
nicht angegeben. Das Männchen hält
nach diesem Autor das Weibchen mit
den Cerci lest, und die Infraanal-
platten beider Tiere berühren einander
Die Schleimhaut an diesen Platten
wird durch das Secret der akzes-
sorischen Drüsen fencht. Unter fort-
währenden Bewegungen des Männ-
chens wird die Spermatophore ge-
bildet. Sie ist nicht, wie die der
Grillen, bereits im Abdomen des
Männchens voi'gebildet, sondern sie
gestaltet sich erst außerhalb seines
Körpers. Zuerst tritt eine eiweiß-
artige Substanz hervor, die in be-
trächtlicher Menge ausfließt und zu
beiden Seiten der Legeröhi-e des
Weibchens 2 voluminöse Kugeln bildet; sie werden übertroffen von
2 größeren Kugeln , die sich dann bilden nnd die erst durch-
sichtig sind, dann aber undurchsichtig weiß werden, wie Bolivar
meint, weil das Sperma erst zuletzt in sie hineintritt. Darauf
löst sich das Weibchen vom Männchen und trägt die Spermato-
phore fort, wie sie von mehreren Locustiden bekannt sind. Diese
wird so lange herum getragen, bis der Same in das Receptaculum
seminis gelangt ist, dann fällt die unnütz gewordene Hülle ab. Von
einem Fressen der Spermatophore durch das Weibchen weiß Bolivar
niclits zu berichten.
Fabre (17) schi-eibt nur ganz kurz, bei einem isolierten Locu-
stidenpärchen finde die Begattung und Bildung der Spermatophore
ebenso statt wie hei Dedicus.
33*
Fig. T. Copulationsstellung' von
LocHsta vir'ulissima (nach Bomvar)
502 Ulkich Gerhardt,
Eingehender beschreibt Tümpkl die Einleitung- zur Begattung
dieser Species: „B^i <ier . . . Begattung- sitzt das Weibchen auf einem
senkrechten Zweige parallel mit dem Männchen mit dem Kopf nach
oben, das Männchen auf einem anderen, ganz benachbarten Zweig,
diesem ebenfalls parallel, aber mit dem Kopfe nach unten, und zwar
sitzen beide so, daß ihre Unterseiten einander zugewendet, die
Rückenseiten aber abgewendet sind; dabei haben Männchen und
Weibchen eine solche Stellung eingenommen, daß die Hinterleibs-
spitze des Weibchens dicht an der des Männchens ist. Dieses er-
greift nun unter Krümmung des Hinterleibes mit den Anhängseln
am Hinterleib das Weibchen an der Hinterleibsspitze, und jetzt tritt
das Sperma aus der Geschlechtsöffnung des Männchens aus; die
Samenflüssigkeit schwillt zu einer eigentümlichen Kapsel, dem so-
genannten Spermatophor, an." In der Schilderung der Bildung der
Spermatophore und ihres Verhaltens lehnt sich Tümpel vollständig
an BoLivAE an. >Er fährt fort: ,,Es findet also bei der Begattung
von LocHsta viricUssima kein Besteigen des anderen Geschlechts durch
das eine statt." Tümpel erwähnt dann noch, bei Ephippigeriden
„solle" die Begattung abweichend von der eben beschriebenen ver-
laufen, nämlich so, daß das Weibchen auf dem Männchen sitze.
Berenguier (4) hat durch einen unglücklichen Zufall die Be-
gattung eines ^on ihm eigens zu deren Beobachtung großgezogenen
Pärchens von Locusta viridissima verpaßt und fand erst nach ihr das
Weibchen mit Spermatophore vor. Diese schildert er wie folgt:
„Die an der Legeröhrenbasis befestigte Spermatophore mit sehr
kurzem Stiel (racine) ist wie bei Isophya aus vier Lappen zusammen-
gesetzt, von denen die beiden oberen halb so groß sind wie die
unteren; sie sind nur wenig voneinander unterschieden und kaum
durch eine sehr seichte Vertiefung angedeutet. Die Farbe des
Ganzen ist ein Elfenbeinweiß mit Perlmutterglanz (un blanc d'ivoir
nacre), sein Durchmesser beträgt etwa 10 mm."
Die in Fig. 10 a, Taf. 18 dargestellte Spermatophore wurde in
Formol konserviert und zeigt in ihrem jetzigen, recht guten Er-
haltungszustande die von Berenguier betonte undeutliche Einteilung
ihrer Oberfläche in Lappen. Betrachtet man die Spermatophore von
hinten und oben, so sieht man die Ampullen durch die außen vor-
gelagerte Masse hindurchschimmern. Fig. 10 b, Taf. 18 zeigt eine
zweite Spermatophore, die schon angefressen war, als das sie tragende
Weibchen konserviert wurde, und von der später die Außenschichten bis
zu den Ampullen völlig abgetragen wurden. Man sieht, daß bei
Topulation unil Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden. 503
dieser selii' ^noßeii, auch otfeiiljar ans sehr dichter Substanz bestellen-
den Spermatophore die ei{?entlichen JSanienbehälter auffallend klein
sind. Beim Fressen der Hüllsubstanz hält das Weibchen den Hinter-
leib eigentümlich gegen den Thorax rechtwinklig ventral abgeknickt.
Die Farbe der frischen Spermatophure ist weiß und, wie Bkkexguier
es schildert, mit einem gewissen perlmutterartigen Glanz. Doch
waren an der Basis der Spermatophore auf ihrer unteren (und
vorderen Seite) intensiv gelbe Flecke von der Farbe des frischen
Eidotters. Die bereits vom Weibchen mit den Mundteilen bearbeitete
Spermatophore hatte eine etwas andere Farbe, die etwa als ein
stumpfes blaßrötliches oder bräunliches Gelb oder eine helle Fleisch-
farbe bezeichnet werden kann.
Zu den Schilderungen der Begattung von Locusta viridissima ist
noch einiges zu bemerken. Ich habe öfters Versuche der Männchen
gesehen, in der von Tümpel geschilderten Weise von unten her
aktiv mit den Cerci die Genitalöttnung des Weibchens zu ergreifen.
Richtig beschreibt auch Tümpel die vom Locusta-'SlämwAien wie von
allen männlichen Locustiden außer den Stenopelmatiden (wenigstens
außer Biestrammena) eingenommene Stellung, die die höchste ge-
schlechtliche Erregung ausdrückt: stärkste Krümmung der Hinter-
leibsspitze in ventralei- Kichtung.
Es muß natürlich sehr auffallen, wenn, wie es auch für Pha-
neroptem falcata beschrieben wurde, ein Locustidenmännchen sich
nicht von seinem A\'eibchen besteigen läßt, sondern es aktiv ergreift,
von der Seite her wie Phaneroptera oder von unten her wie Locusta.
Berenguiee schreibt, er sei besonders gespannt gewesen auf die
Begattungsweise von L. viridissima wegen der langen Flügel. Wir
sahen, daß auch bei Phaneroptera dieses gleiche Moment wahrschein-
lich ausschlaggebend ist für das Zustandekommen des abnormen
Begattungstypus. Vielleicht liegen die Dinge für Locusta ähnlich.
Ganz besonders interessant muß es sein, festzustellen, wie sich die
kurzflügligen Arten bei der Begattung verhalten. Hierfür ist
L. cantans ein günstiges Objekt, und ich hoffe, im kommenden
Sommer an den beiden in Schlesien vorkommenden Locustidenarten,
L. viridissima und L. cantans, weiteres Vergleichsmaterial zu gewinnen.
V.4XGEL (30j gibt nur kurz an, daß bei Onconotus servillei Fisch.
das Weibchen bei der Begattung auf dem ^Männchen sitze.
Die von Bolivar gegebene Schilderung der Spermato-
phorenbildung von L. viridissima verdient noch eine Be-
sprechung. Wenn sie so vor sich geht, wie dieser Autor sie schil-
504 Ulrich Gerhardt,
dert, so würden sich wesentliche Abweichungen finden gegenüber dem
Verhalten fast aller bisher beschriebenen Locustidengruppen. Es
würde die ganze Spermatophore nicht auf einmal aus der männ-
lichen Geschlechtsötfnung hervorgedrückt, gewissermaßen ,,geboren",
sondern sie würde als flüssige, erst später erhärtende Secretmasse
ausgeschieden, also ähnlich wie bei Leptophyes oder auch wie die
glasige Hülle der Seitenkugelu bei Diestrammena. Mir scheint dieser
Punkt noch einiger Aufklärung zu bedürfen. Die Ampullen
werden wohl bei allen Locustiden in fertiger Form aus dem männ-
lichen Körper bei der Begattung ausgestoßen.
Eigentümlich ist es, daß Bolivar und Tümpel (der auf Bolivar's
Beobachtungen fußt) nichts von dem Fressen der Spermatophore
durch das Weibchen zu berichten wissen, sondern nur von einem
spontanen Abfallen der entleerten Spermatophore reden. Wie
eigentlich von vornherein zu erwarten, frißt das Locusta-W eihchen
genau so gut wie die andere Locustidenspecies die Spermatophore; die
in Taf. 18 Fig. 10b dargestellte Spermatophore, die nur wenig ange-
fressen war, und ein von mir auf einem Kleefeld bei Gamburg ge-
fundenes Weibchen, das nur noch den letzten Rest der sonst verzehrten
Spermatophore in der Vulva trug, bewiesen mir dies zur Genüge.
Es sind nur wenige Locustidenfamilien und aus ihnen nur die
Vertreter weniger Gattungen und Arten, über deren Begattungs-
modus und Spermatophorenbildung ich berichten konnte, und von
diesen wenigen habe ich die wenigsten selbst beobachten können.
Ganz unbekannt ist, soweit mir ersichtlich, aus europäischen Fa-
milien bisher das Verhalten der Callimeniden, Meconemiden, Cono-
cephaliden, Heterodiden und Sagiden. Von ihnen sind die Cono-
cephaliden und Meconemiden in Deutschland leicht zugänglich,
ich selbst hoffe, in diesem Jahre Beobachtungen an Meconema varium
anstellen zu können, bei dem ich wegen des Baues der Cerci nicht
erstaunt sein würde, ein ähnliches Verhalten wie bei Fhaneroptera
anzutreffen. Wünschenswert erscheinen mir auch noch, wegen des
sehr verschiedenen Verhaltens einzelner Gattungen, genauere Unter-
suchungen an Phaneropteriden.
Ergebnisse der Beobachtungen an Locustiden.
Mit Ausnahme der Stenopelmatide Diestrammena inarmorata, bei
denen das Männchen nach Grillenart schwingende Bewegungen in der
Copulation und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 505
Längsiiclitung- des Körpers vor dem Weibchen ausführt, zeigen alle
bisher daraufhin beobachteten Locustidenmännchen ihre Bereitschaft
zur Reg-attiinf*- durch tiefes Abwärtski'ümnien der Hinterleibsspitze
und dui'ch Heben der Flüg-el oder iiirer Rudimente an. Wohl alle
zirpfähigen Formen stridulieren aus geschlechtlicher Erregung, und
bei den Decticiden, aucli bei Locusfa, dient dieses Zirpen zum Haupt-
mittel der Verständigung zwisciien den Geschleclitern. W^eniger als
Anlockungsmittel für das Weibchen kommt es in Betracht bei
Phaucroptem. Die Begattung wird bei der großen Mehrzahl der
Locustiden so eingeleitet, daß das Weibchen dem Männchen auf den
Rücken steigt, das seinerseits mit dem Hinterleibsende nach hinten
greift und dabei gleichzeitig nach rückwärts unter das Weibchen
rutscht. Oft leckt oder nagt vor oder bei der Copulation das Weibchen
dem Männchen auf dem Rücken herum, bei kurzflügligen Arten auch
auf den Elytren. bei Diestrammena auf einer bestimmten, glänzenden,
medialen Stelle am Hinterrande des 2. Abdominalringes. Bisher ist
nur von Locusta viridissima und Phaneroptera falcata ein abweichender
Modus der Vereinigung des Geschlechts bekannt. Hier ergreift das
j\rännclien aktiv mit den Cerci die Subgenitalplatte des sich passiv
verhaltenden Weibchens, bei Locusta nach Tümpel (33) von einem
benachbarten Stengel, Zweige etc. aus so, daß es von der Ventral-
seite des Weibchens her zufaßt, bei Phaneroptera von der Seite her,
während beide Tiere parallel und gleichgerichtet nebeneinander
stehen. Diese Modi sind wohl zweifellos als sekundäre Modifikationen,
wahrscheinlich wegen der langen Flügel, aufzufassen.
Bei Diestrammena sitzt wie bei den Grj^Uiden das Männchen
während der ganzen Begattungsdauer unter dem Weibchen, ebenso
bei den ungeflügelten Phaneropteriden, und die Köpfe beider Tiere
bleiben gleichgerichtet. Bei Decticiden (Decticus, Platijdeis) wird die
ventrale Krümmung des Männchens während der Begattung so stark,
daß es die Legeröhre des Weibchens mit den Beinen ergreifen kann
nnd nach rückwärts sieht; bei Ephippigera und Phaneroptera findet
während der Begattung eine plötzliche Umdrehung des Männchens
statt, bei der es, während das Weibchen einen Sprung nach vorn
macht, nach hinten geworfen wird und sich mit Kiefern und Vorder-
beinen an der Legeröhre fest anklammert. Bei Locusta endlich ver-
einigen sich, nach den Literaturangaben, beide Partner bereits in einer
Stellung, bei der die Köpfe beider entgegengesetzt gerichtet, die
Ventralflächen einander zugekehrt sind, also einer Stellung, die der
Eiidstellung der letztbesprochenen P'ormen einigermaßen ähnelt.
506 Ulrich Gerhardt,
Die AustreibuiigderSpermatophore aus der männlichen
Genitalölfnung erfolgt verschieden lange^ Zeit nach dem Beginn der
Copulation, bei Diestranimena nach wenigen Sekunden, bei Isophya
und EpMppigera nach Berenguier's Angaben ebenfalls sehr rasch,
bei Leptophyes und Bmneroptera etwa nach einer Minute, bei Decti-
ciden nach 15—45 Minuten. Dabei ist die Spermatophore von
Biestmmmena nicht minder umfangreich und kaum weniger kom-
pliziert gebaut als bei den Decticiden. Bei diesen erfordert das
Zustandebringen der Spermatophore lange dauernde energische Kon-
traktionen des Hinterleibes; bei Diestranimena ist äußerlich von
solchen pressenden Bewegungen nichts wahrzunehmen, die dagegen
bei Leptophyes mit großer Intensität ausgeführt werden.
Die Spermatophore wird bei Diestrammena und — nach Beren-
GuiEE — auch bei Isophya vom Männchen aus der Genitalöffnung
hervorgedrückt und dem Weibchen dann ohne Immission eines
männlichen Organ es in die Vulva gepreßt. D^bei ht Diestram-
mena nicht mit den Cerci am Weibchen befestigt, dagegen Isophya,
wie auch alle übrigen Locustiden, soweit sie nicht den Stenopel-
matiden oder Gryllacriden ^) angehören. Bei Leptophyes, Phaneroptera,
Ephippigera und den beobachteten Decticiden findet eine Immissio
penis statt, oder doch mindestens ein festes Hineindrücken des als
Penis bezeichneten Organes in die Vulva des Weibchens. Bei den
mit Titi Ilator versehenen Formen dient er als Haftorgan, nicht
aber hoX Diestrammena, wo er rudimentär ist. Wenn nun der „Penis"
aus den weiblichen Organen zurückgezogen wird, während die Cerci
außen befestigt bleiben, so streift er sich über den freiwerdenden,
in der Vulva verbleibenden Stiel der Spermatophore mit den Ampullen
oder Samenbehältern hinüber.
Jede Locustidenspermatophore besteht aus dem eben erwähnten
Basalteil, der das Sperma enthält und in das weibliche Eeceptaculum
leitet, und aus einer diesen umhüllenden „Schutzsubstanz"
(BoLDYEEv), die auch als „Fr eß Substanz" bezeichnet werden
kann, weil sie fast ausnahmslos (Fabre's mit denen Berenguier's
in Widerspruch stehende Beobachtungen m\ Ephippigera) vom Weibchen
nach der Begattung aufgefressen wird.
1) Auch bei diesen erlaubt der Bau der Cerci kein Ergreifen der
weiblichen Subgenitalplatte. Von besonderem Interesse wären Nachrichten
über die Copulation der legeröhrenlosen Gattungen Schixodadyhis und
Comicus.
Copulatioii und Spermatophoren von Gryllideu und Locustiden. 507
Uli paar ist der Sanienbehälter bei Dicstmmmena^). Sonst ist
er paarig-, und der Sperniatoi)liorenstiel enthält auch zwei getrennte
Ausführungsgänge. Bk^sige hohle Bildungen neben den Ampullen
mit durchsichtiger Wand sah Boldyhev bei Decticiden, ich bei Tylopsis
liliifolia.
Die Spermatophoren hülle ist ein formloser, schleimiger,
zäher Tropfen bei Leptoplnjes punctatissima, wo sie den primitivsten
Ausbildungsgi-ad zeigt. Bei Diestmmmemi besteht sie aus 2 weichen
Schleimkugeln mit ventral-medialem, weißem Kern und dorsal-lateraler
glasiger Hülle. Bei Phancropfcra und Tylopsis stellt sie eine halb-
durchsichtige, aber feste, charakteristisch geformte Masse dar, die
sich bei Phaneroptera in einen caudalen, langen, spitzen Fortsatz aus-
zieht. Bei Isophya, Ephippigera, Dectkus, Flaiydcis und Lociista ist
die Spermatophore ein in der Hauptsache vieiiappiges Gebilde,
dessen kleinere Lappen zwar die Ampullen umschließen, aber nicht
identisch mit ihnen sind.
Der Grad der Fertigstellung der Spermatophore bei ihrer Be-
festigung in der Vulva des Weibchens ist nicht überall gleich. Bei
Diestrammena wird die Ampulle samt Stiel sowie der Kern der seit-
lichen Kugeln vom Männchen ausgetrieben, sodann, wenn diese bereits
in der Vulva befestigt sind, die glasige Außenhülle der Seitenteile
ausgeschieden. Bei Leptopliyes wird die halbflüssige Hüllsubstanz
gleichfalls erst nach dem Einbringen der Ampullen vom Männchen
unter starken Bewegungen ausgepreßt. Nach Bolivar's Angaben
soll bei Lociista viridissima die Spermatophore gleichfalls erst außer-
halb des männlichen Körpers hergestellt werden. Bei Isophya und
Ephippigem (Berenguier) tritt sie als fertiges Gebilde aus der
männlichen Genitalöffnung aus, ebenso wird sie bei den Decticiden
in langer Arbeit des Männchens noch in dessen Körper fertiggestellt
und am Ende der lange dauernden (Jopulation in kurzer Zeit „ge-
boren". Für Phaneropiera falcata möchte ich es nicht mit Sicherheit
entscheiden, ob die Spermatophore noch nach dem Sichtbarwerden
ihrer Hauptmasse etwa noch eine unbedeutende Vergrößerung er-
fährt. Bemerken konnte ich nichts davon, halte aber bei dem ver-
hältnismäßig langen Zusammenbleiben der Geschlechter, wenn die
Spermatophore bereits bis auf ihren Taudalfortsatz ausgetreten ist,
nach meinen später gemachten Erfahrungen an Diestrammena immer-
hin für möglich.
1) An Troglophilus caricola, einer europäischen Stenopelmatide, ge-
denke ich diesen Sommer Beobachtungen anzustellen.
508
Ulrich Gerhardt.
Nach der Begattung- fressen die Locustidenvveibcheii, mit Aus-
iialime von Fhaneropiera falcata und, nach Fabee, von EpUppigera
Vitium (nicht aber, nach Bekenguiee, von E. terrestris) die ganze
Spermatophore auf. Dabei wird zunächst die kein Sperma ent-
haltende Hüllsubstanz entweder auf einmal (Decticus) oder in Stücken
C ^ '
Ci^:
Fig. U.
Männlicher Geuitalapparat von Ej^hipjngera vitium (nach Fischer).
a Hoden, h Vas deferens. c erste, d zweite Gruppe akzessorischer Drüsen, e Daim.
/' Supraanalklappe. g Cerci. h Titillator. i Subgenitalplatte. k Styli.
(Diestrammena, ungeflügelte Phaneropteriden, PJatydeis roeseli, Ephippi-
gera terrestris) abgerissen, so daß schließlich nur der Spermatophoren-
stiel mit der oder den Ampullen in der Vulva bleibt. Es ist fest-
zustellen, daß die Ampullen von der Außensubstanz durch eine prä-
formierte, aber bei den einzelnen Species verschieden scharf aus-
Copulatiuu und eSperiiiatoiiboreu vou Gryllideii und Jjocustideu. 509
gepräg-te Riiptiirzone abo^egieiizt sind, was sicli leicht bei ihrer Frei-
leguiig durch das fressende Weibchen sehen läßt, die unter normalen
Umständen für jede Art immer gleich verläuft.') Zwischen dem
Verzehren der Außensubstanz und der Ani{)ullen kann eine längere
Pause liegen (manclie Decticiden). P/iamropfera falcata (und wahr-
scheinlich auch Tylopsis) frißt tagelang kleine Brocken von der Sper-
matophorenh ül 1 e ab nnd vertilgt diese auch zum größten Teile,
rührt aber die A m pullen nicht an, die dann schließlich von selbst
herausfallen.
Die Spermatophore besteht in frischem Zustande aus einem be-
stimmten Quantum Sperma, aus einer dieses umschließenden, ein-
oder mehrschichtigen Hülle, die die, wie wir sahen, in den meisten
Fällen paarige Ampulle darstellt. Dazu kommt noch die Aveißliche,
halbflüssige bis recht feste Konsistenz aufweisende „ Schutz -
Substanz", die keine Hohlräume enthält. Fragen wir nun, von
welchen Organen im männlichen Abdomen diese drei Bestandteile
geliefert Averden, so ist ohne weiteres klar, daß das Sperma selbst
den Hoden entstammt. Alles übrige wii'd von den reichlich ent-
wickelten akzessorischen Drüsen geliefert, die z. B. bei geschlechts-
reifen Diesframmena-Mäiimchen den größten Teil des Hinterleibsinnern
einnehmen. Fig. U zeigt uns eine Fischer entnommene Abbildung
der männlichen Genitalorgane von EpMppigera. Außer den Hoden (a)
sehen wir noch zwei paarige Drüsenkomplexe (c u. d). Die großen,
aus dicken Schläuchen zusammengesetzten oralen Drüsen (c) liefern,
wie man bei einem Anstechen ihrer Ausführungsgänge leicht sehen
kann, das Secret, das die Hüllsubstanz der Spermatophore bildet.
Es ist wahrscheinlich, wenn auch noch nicht mit Bestimmtheit zu
behaupten, daß die distal gelegenen Drüsen (d) das Secret abgeben,
das die Ampulle selbst liefert. Wie aber im einzelnen die Ausbildung
der oft sehr scharf ausgeprägten Form der Spermatophore, ihrer
Lappen, Kugeln etc. zustande kommt, darüber lassen sich vorläufig
nur Vermutungen aufstellen, von denen die bei weitem wahr-
scheinlichste die ist, daß in dem am weitesten peripher gelegenen
Teil des männlichen Geschlechtsapparats, der als ,.Penis" bezeichnet
wird, die Fertigstellung der Spermatophore bis zu der Form statt-
findet, in der sie den männlichen Körper bei der Begattung verläßt.
1) In 2 Fällen rissen AVeibchen von Dirslrannnrua bei plötzlichem
Erschrecken (grelle Belichtung) die ganze Spermatophore, mit Ampulle
und Stiel, aus der Vulva und warfen sie fort.
510
Ulrich Gerhardt,
Daß diese Form mit der der definitiven Spermatophore, wie sie nach
der Trennung der Geschlechter am Weibchen hängen bleibt, nicht
übereinzustimmen braucht, daß vielmehr während des Endabschnittes
der Begattung die Spermatophore durch weitere Secretion von Schleim
noch vergrößert werden kann, wurde erwähnt.
Hier wäre noch die Frage zu streifen, ob sich die Locustiden
ein oder mehrere Male im Leben begatten, und zwar würde diese
Frage für jedes der beiden Geschlechter aufzuwerfen sein; dazu ist
zu bemerken, daß in allen bekannten Fällen, in denen das Männchen
imstande ist, sich öfter zu begatten, auch das Weibchen dazu geneigt
ist. Bis jetzt liegen, soweit mir bekannt, folgende Beobachtungen vor:
Familie
Art
Begattung
wie oft
Gewährsmann
Stenopelmatiden
Diestrammena marmorata
oft
BoLDYREv, Ger-
hardt
Fhaneropterideu
Isophya pyrenaea var.
nemauensis
Imal
Bärenguier
Lcjitojihjji's j)i()i(i(ifl!<fiini(i
8— 4mal
Gerhardt
Fluiiwropt.era f'akdfd
Imaiy
Gerhardt
Decticiden
Decticus albifrons, 1).
verrucivorus
Imal:'
Fabke, Gerhardt
Flatycleis roeseli
iimal
Gerhardt
Ephippigeriden
EKf/aster (jnyoni
oft
Vosseler
Eijhipphjeya
öfters
Fischer
Locustiden
Locusta viridissima
einige Male
Tümpel
Man sieht, daß die Befunde an verschiedenen Arten wenig über-
einstimmen. Mit der größten Bestimmtheit gibt Berenguier für
Isophya die Unmöglichkeit an, bereits gepaarte Tiere noch einmal
zur Copulation zu bringen. Bei Leptoplujes dagegen, die als nahe
Verwandte gilt, paart sich jedes Weibchen 3 — 4raal, vielleicht auch
öfter. Bei PJianeroptera falcata wiederum sah ich nie zweimalige
Copulation. Für Decticus gibt Fabre, allerdings nicht aus absolut
zwingenden Gründen, an, das Männchen könne sich nur einmal be-
gatten. Weder er noch ich sahen wiederholte Copulation , dagegen
copulierte ein Männchen und ein Weibchen von Flatycleis roeseli bei
mir in Gefangenschaft mit je 2 Partnern.
Vosseler's Beobachtungen an Gefangenen von Eugaster guyoni
und die Fischer's an EpJiippigera Vitium lassen keinen Zweifel
daran zu, daß bei diesen Arten häufigere, bei Eugaster sogar ganz
ungewöhnlich häufige Begattung vorkommt, so daß man an die bei
Copulation iiiid ^pennatophoreu von (irylliden und Lociistiileii. 511
Grillen lieiTschenden Gewohnheiten erinnert wird. (Täglich 2 Be-
gattnngen eines Männchens vom Angnst bis Oktober!) Für Locusta
viridissima scheinen die bisherigen Angaben nicht ausreichend zu
sein; Bf:RENGuiEK nimmt auch für diese Species nur eine einmalige
Begattung an.
Somit verhalten sich die Locustiden in der Zahl der Begattungen,
deren sowohl Männchen wie "Weibchen fähig sind, recht verschieden,
nach allem aber kann man nicht sagen, daß die LACORDAiEE'sche
Regel (25), jedes Insectenweibchen und, in der großen Mehrzahl der
normalen Fälle, auch jedes Insectenmännchen paare sich nur einmal
in seinem Leben, für die Locustiden in größerem Umfange zutreffe.
Sicher ist dies wohl nur bei der von Berenguiek beobachteten Iso-
phya pyrenaea der Fall, während sonst alle Übergänge bis zu dem
Verhalten von Eugasfer, das dem der Feldgrillen nahe kommt, be-
stehen.
Auf ein die Begattung begleitendes Nebenmoment, das ich auch
schon bei den Gi'illen als interessant betonen zu können glaubte,
möchte ich hier bei den Locustiden gleichfalls hinweisen: auf das
Belecken der Dor.<«alfläche der ersten Hinterleibsringe des Männchens
durch das ^^^eibchen vor oder während der Begattung. Bei Stenopel-
matiden, ungeflügelten Phaneropteriden, Decticiden kommt diese
Prozedur vor, nicht aber wird sie ausgeübt bei den Formen, bei
denen keine Besteigung des Männchens durch das Weibchen statt-
findet, also Phaneroptera faJcaia und wahrscheinlich nicht bei Locusta
viridissima. Es ist auch wohl sicher anzunehmen, daß das Ablecken
irgendeiner das Weibchen reizenden Substanz vom Rücken des Männ-
chens in engem Zusammenhange steht mit dem aktiven Aufsteigen
des Weibchens auf das ^lännchen. Braucht dies nicht stattzufinden,
so ist das Belecken und Benagen des Männchens durch das Weibchen
für das Zustandekommen der nötigen Begattungsstellung wertlos und
übelflüssig. Ein Belecken des Männchens nach der Begattung,
wie bei Nemohius unter den Grillen, sah ich kein Locustidenweibchen
ausführen.
3. Tergleichende Betrachtuiigen.
Wenn wir zum Schluß die Begattung der Grylliden mit der der
Locustiden vergleichen, so ergeben sich zweifellos eine Reihe von
übereinstimmenden Momenten: die Stellung bei der Begattung —
das Männchen unter dem Weibchen — , die unter den Insecten
ziemlich ungewöhnlich ist, finden wir bei beiden Familien. Modi-
512 ULRICH Gerhardt,
fikationen dieser Stellung- kommen bei einigen Locustiden (Phanero-
ptera, Ephippigerä) vor.
Bei anderen Orthopteren finden wir, soweit mir bekannt,
niemals eine Beo-attungsstelliing, bei der das Weibchen mit ihm in
gleicher Eichtung über dem Männchen sitzt. Überhaupt kommen
derartige Stellungen außer bei den Flöhen und bei Boreus hiemalis^)
wohl nur noch bei solchen Insecten vor, bei denen flügellose Weibchen
von geflügelten Männchen getragen werden (Hymenopteren, Dipteren,
außerdem bei Ephemeriden, wo die Copulation gleichfalls im Fluge vor
sich geht). Allerdings ist bei den Forficuliden wenigstens ein
entfernter Anklang an das Verhalten der Grylliden und Locustiden
insofern festzustellen, als hier die ventral von der Zange gelegene
Geschlechtsöftnung des Weibchens es notwendig macht, daß das
Männchen auch von der Ventralseite her seine Geschlechtsöffnung der
des Weibchens nähert. Die Begattung der Forficuliden geht so
vor sich, daß das Männchen rückwärts auf das Hinterende des
Weibchens zugeht, die Ventralseite seines Abdomens durch eine
Drehung um die Längsachse von 180" Dorsalwärts kehrt und nun
seine Zange, die nicht als eigentliches Haftorgan dient, ventral
unter die des Weibchens schiebt, bis die Geschlechtsöffnungen ein-
ander berühren.-) Bei den Blattid en stehen beide Tiere in normaler
Stellung auf ihren Füßen, die Köpfe voneinander abgewandt, mit
den Hinterleibsspitzen verbunden. Über die Copulation der
Phasmiden finde ich bei de Saussuee (31) die Angabe, daß das
Männchen auf dem Rücken des Weibchens sitze, dabei mit seinem
Kopfe nur bis zu dessen Elytren reiche und seine Abdomen halb-
kreisförmig krümmen müsse, um die Vulva des Weibchens mit seinem
Hinterleibsende zu erreichen. Bei den Acridiern steigt das
Männchen auf den Kücken des Weibchens, aber nicht in der Mittel-
linie, sondern etwas seitlich, so daß das viel kleinere Männchen auf
einem Sprungbeine des Weibchens sitzt. Es senkt die Spitze seines
Abdomens tief nach abwärts und dringt nun von unten und seitlich
von außen mit seinem Penis in die Geschlechtsöftnung des Weibchens
ein. Die Begattung dauert dann sehr lange, und man findet der-
artige vereinigte Paare vieler Tettix- und Stenohothrus- Arten etc. außer-
ordentlich häufig. Ich habe das Ende der Copulation nie gesehen
und vermag nichts darüber zu sagen, ob sie mit der Abgabe einer
1) Mitteilung von Herrn Kollegen Dampf.
2) cf. Paehler (28).
Copuhuiou und Spermatophoren von Grylliden und Locnstiden. 513
Sperniato])liore durch das i\räiHiclien endet, doch scheint dies nach
den Bemeikungen über diesen Gegenstand in der Literatur^) nicht
der Fall zu sein. Ähnlich wie bei den Acridiern, ist die Stell ung-
bei der Begattung; bei den Mantiden, ihr Verlauf aber wesentlich
anders. A\'ir verdanken Pkziukam (29) eine Schilderung dieses Vor-
ganges. Ich habe in Rovigno öfter iliawf^s- Pärchen in copula gesehen,
aber nicht die Trennung der Geschlechter abgewai'tet. Nach Pkzibham
endet die Begattung mit dem Anheften einer nachher äußerlich am
Weibchen sichtbaren S p e r m a t o p h o r e , so daß hier also zum ersten-
mal ein gewisser Anknüpfungspunkt in dieser Hinsicht an Locustiden
und Gi'vlliden gegeben wäre. Über diese Speiniatophore wird später
zu reden sein, hier interessiert uns zunächst die Stellung der
Tiere. Das Männchen muß, wie aus der von Peytoueeau be-
reits beschriebenen Lage des Copulationsorgans hervorgeht, immer
von rechts auf das Weibchen steigen und von dieser Seite her
seinen Penis einführen. (Bei den Acridiern scheint die Copulation
beliebig von rechts oder links her ausführbar zu sein.) Auch bei
3Ianiis betindet sich, wie bei den Acridiern, das Männchen über
dem Weibchen.
Somit stellt das Besteigen der Männchen durch die Weibchen
durchaus nicht, wie Rüsel meint und wie es auch Taschenberg
übernommen hat, einen bei allen Heuschrecken üblichen Modus der
Begattung dar, vielmehr ist es unter allen Orthopteren nur den
Locustiden und Grylliden eigentümlich, und wir vermögen kaum
anzugeben, wie diese Besonderheit zuerst erworben werden konnte.
Es wird dabei die Frage aufzuwerfen sein, ob wir annehmen müssen,
daß uisprünglich das Männchen aktiv unter das Weibchen kroch
oder das Weibchen aktiv auf das Männchen stieg. Zur Be-
antwortung dieser Frage — die sich, wie ich gleich vorwegnehmen
möchte, nur vermutungsweise geben läßt — müssen wir das Ver-
halten der Formen betrachten, die wir für verhältnismäßig primitiv
halten können. Nach der Beschaffenheit des Hinterleibsendes mit
den nicht modifizierten, denen anderer Orthopteren gleichenden
Cerci der Männchen werden dies die Grylliden und unter den
Locustiden die Stenopelmat iden und Gryllacriden -) sein,
wenn auch innerhalb dieser Gruppen in anderer Beziehung weit-
gehende Differenzierungen aufgetreten sind. Die Erwerbung des
1) cf. TÜMPEL (33).
2) Über die Copulation der Gryllacriden existieren keine mir be-
kannten Literaturantjaben.
514 Ulrich Gerhardt,
Grabvermögens bei Ang-eliörigen aller dreier Gruppen, die Flügel-
und — wenigstens bei europäischen Arten — Augenlosigkeit mancher
Stenopelmatiden sind natürlich sekundär erworbene Kennzeichen.
Nun finden wir in der Einleitung zur Begattung und der Stellung
bei ihr ungefähr den gleichen Modus bei Liogryllus und Diesfram-
mena befolgt. Das Männchen versucht sich durch stoßende, schiebende
Bewegungen nach hinten unter das Weibchen zu schieben. Dabei
secerniert es (bei Bicstranimena und Oecanthus) auf seiner Eücken-
fläche ein Secret, das das Weibchen veranlaßt, es aufzulecken, was ein
Vorwärtsgehen und ein Aufsteigen auf das Männchen bedingt. Dieses
Lecken oder Nagen und Betasten mit den Mundteilen löst nun wieder
beim Männchen eine Reihe von Reflexvorgängen aus, deren erster
ein weiteres Nachhintenkriechen ist und die schließlich mit dem
Einbringen einer Spermatophore in die weibliche Geschlechtsöffnung
enden. Gerade die Lage dieser Vulva ventral von der Legeröhre
macht jede Annäherung der männlichen Geschlechtsteile von oben
her unmöglich, wenigstens in der Medianlinie. Und wie bei Forficula
die Zange, so dürfte bei Grillen und Laubheuschrecken wohl die
Legeröhre die mechanische Ursache sein, weshalb die Begattung
von untenher erfolgen muß. Dadurch ist dem Männchen, ganz all-
gemein, sein Platz angewiesen. Es gibt nun aber Formen ohne
Legeröhre, bei Locustiden (manche Grjilacriden) und bei Grylliden
(Tridadylus, Gryllotdlpä). Hier könnten stärkere Modifikationen der
normalen Begattungsstellung eintreten, und nach Baumgartner ist
dies ja auch bei der amerikanischen Grijllotalpa der Fall.
Von besonderem Interesse scheint es mir daher zu sein, daß bei
der europäischen Maulwurfsgrille zweifellos die normale Be-
gattungsstellung der Grylliden innegehalten wird. Bei dieser Art
ist eine größere Aktivität des Weibchens, begleitet von einer ent-
sprechenden Passivität des Männchens, vorhanden als bei Liogryllus
und bei Biestrmnmena. Auf die mangelnden Nachrichten über die
Begattung von Tridactylus und auf die fragliche phyletische Stellung
dieser Gattung wurde bereits oben (S. 452) hingewiesen.
Von Interesse scheint mir ferner, daß die Körperhaltung des
Männchens bei Grylliden und bei Biestrammena während des Be-
ginnes der Begattung übereinstimmt, da bei beiden der Körper ge-
streckt, sogar manchmal etwas mit der Hinterleibsspitze dorsal auf-
gekrümmt gehalten wird. Das ist bei den mit zu Greifhaken modi-
fizierten Cerci versehenen Locustiden nicht der Fall; sondern sie
nehmen die oben mehrfach erwähnte Stellung mit tief abwärts ge-
Copulation und Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden. 515
krümmter Hinterleibsspitze ein. Dies sclieint zunächst ein unwesent-
licher Unterschied zu sein, dessen Betonung kaum g-erechtfertigt
wäre. Aber doch meine ich, daß er im Zusammenhang steht mit
der mehr und mehr aktiven Rolle, die das Weibchen bei der
Einleitung der Begattung übernimmt. Während bei den primitiven
Formen das Männclien mit dem Hinterleib sucht und tastet, senkt
es iiin bei den differenzierteren, hebt die Flügel oder deren Rudi-
mente und verhält sich abwartend, bis das Weibchen auf seinen
Rücken zu steigen beginnt. Auch hier finden wir das Nagen und
Lecken des Weibchens auf dem Rücken des Männchens. Nun können
aber weitere Modifikationen eintreten, die wohl in erster Linie durch
eine extreme Flügellänge bedingt werden, besonders bei einer
Lebensweise auf Bäumen. Es können die Männchen wiederum aktiv
mit ihren Cerci die Weibchen ergreifen, aber diese sekundär er-
worbene Aktivität der Männchen nimmt ganz andere Formen an als
bei Grillen und Stenopelmatiden. Endlich kann zwar die Begattung
auf „normale" Weise, d. h. durch Aufsteigen des Weibchens auf das
Männchen, eingeleitet werden, aber eine andere Schlußstellung zur
Austreibung der Spermatophore notwendig sein. Diese Ursachen, die
zu dem bei Fhaneroptera und Ephipingera geschilderten Herumwerfen
des Männchens und zu seinem Anklammern an die Legeröhre des
Weibchens führen, sind nicht genau abzuschätzen; bei Fhaneroptera
spielt zweifellos die Form der Spermatophore im Verhältnis zu der
der männlichen äußeren Genitaloi'gane eine bestimmende Rolle dabei.
Es wurde darauf hingewiesen, daß Anbahnungen dieser seltsamen
Stellungen sich bereits bei Decticiden finden.
Wir können sagen, daß die höher differenzierten Locustiden-
formen mit umgewandelten männlichen Cerci verschiedene Modifika-
tionen einer Begattungsstellung einnehmen, die etwa auf die von
Liognßhis und Diestrammena zurückführbar erscheint, bei denen das
Männchen primär eine aktive Rolle bei der Begattung spielt.
Ganz kurz möchte ich hier auch auf die Beziehung des
Zirpens der Männchen zur Begattung eingehen. Die
meisten Stenopelmatiden zirpen nicht, weil ihnen die Elytren mangeln;
befremdender ist der Mangel an Zirporganen bei der wohlgefiügelten
Gattung Meconema. Sonst zirpen alle Locustiden^) und, mit Aus-
nahme der flügellosen Formen, auch fast alle Grylliden. Es wäre
1) Bei den Ephippigeriden auch die AVeibchen, aber nicht aus sexueller
Erregung.
Zool. Jahrb. XXXV. AM. f. S.yst. 34
516 Ulrich Gerhardt,
nun niclit richtig, wenn man sagen wollte, daß überall da, wo das
Männchen besonders befähigt zum Zirpen ist, es eine rein passive
Kelle bei der Begattung spielte. Wohl aber ist das Stridulieren zu-
nächst ein Mittel, das Weibchen in eine gewisse Nähe des Männ-
chens zu bringen, in der dieses die Begattung einleiten kann. So
finden wir es bei mehreren Grillenarten, auch bei Locusta unter den
Locustiden. In anderen Fällen sucht das Männchen zirpend nach
Weibchen umher, und wenn es eins findet, setzt es sich vor dessen
Kopf, betastet es mit den Fühlern, dreht ihm dann die Hinterleibs-
spitze zu und wartet, weiter zirpend, bis das Weibchen ihm auf den
Rücken steigt. So ist es z. B. bei Leptophyes. Bei Decticiden
schießlich verhält sich das Männchen fast ganz passiv, es zirpt nur
auf einem Fleck und wartet dabei nicht nur auf etwa heran-
kommende Weibchen, sondern läßt sich, ruhig sitzend, nachher von
einem solchen besteigen. Bei Phaneropfera falcata sucht dagegen
das Männchen, fortwährend zirpend, das Weibchen auf und ergreift
es aktiv; also auch hier finden wir Gegensätze, aber auch ver-
mittelnde Befunde zwischen ihnen. Von Interesse würde es sein,
etwas über die Annäherungsweise der stummen Meconema- kvi^w zu
erfahren. Wo die Zirporgaue fehlen, sind es in erster Linie die
Fühler, die die gegenseitige Wahrnehmung der Geschlechter ver-
mitteln. Sie spielen aber auch bei zirpenden Formen, wenn die
Tiere einander nahe genug gekommen sind, eine bedeutende ßolle
bei den Präliminarien zur Begattung, bei Gryllotalpa außerdem di«
Cerci, die hier als Abdominalfühler bezeichnet werden können.
Neben der eigenartigen Begattungsstellung stimmen Grylliden
und Locustiden darin ganz allgemein überein, daß bei ihnen das
Männchen denn Weibchen eine Spermatop höre in der Vulva be-
festigt. Diese Befestigung erfolgt immer durch einen kürzeren oder
längeren Spermatophorenstiel, der hohl ist und das Sperma aus
dem (oder den) Samenbehälter der Spermatophore in das ßecep-
taculum seminis des Weibchens leitet. Der Samenbehälter ist bei
eigentlichen Grillen nie, aber bei allen Locustiden immer von einer
massiven Hülle, dem Secret akzessorischer Drüsen, umgeben, nach
Baumgartner auch bei der amerikanischen Gryllotalpa.
Fragen wir uns zunächst wieder, ob bei anderen Orthopteren^)
die Abgabe einer Spermatophore durch das Männchen bekannt ist,
1) Über Insectenspermatophoreu im allgemeinen s. BlunCK (5) und
Cholodkowsky (14).
Copnlation und Sperniatophüreu von Gryllideu und Locustiden. 517
SO müssen wir hier noclinials auf Przibkam's (26) Beobachtungen an
Ma)dis zurückkoninien. Die ^Stellung bei der Begattung wurde
bereits besprochen. Über ihre Beendigung sagt Pezibram: „Die
Begattung selbst dauert 2 ".^ Stunden. Wenn das Männchen das
Weibchen verläßt, so bemerkt man eine dem Körperende des Weib-
chens eingefügte Kapsel, ähnlich wie die für Medikamente verwen-
deten Gelatinekapseln aussehend. Kurz nachher wird diese Kapsel
unter krampfartigen Bewegungen ausgestoßen, Sie ist ihres Inhaltes,
der Spermatozoen, . . . entleert, der in die Begattungstasche des Weib-
chens eingesaugt worden ist. Die Kapsel ist ursprünglich nicht als
solche im Männchen vorhanden, sondern wird erst beim Ausstoßen
des Samens gebildet und erfordert eben jene 2^2 Stunden, die die
Begattung währt, zur Bildung."
Eine Abbildung der Spermatophore. die Pezibram beifügt, ist
durch ungenügende Rejjroduktion leider in ihren Kinzelheiten nicht
erkennbar. — Aus der angeführten Schilderung geht mehreres für
uns Wichtige hervor, vor allem die Tatsache, daß eine Spermato-
phore gebildet wird, die, wie bei Locustiden und Grylliden, nach
dem Coitus sichtbar an der w^eiblichen Geschlechtsöffnung hängt.
Nach der Abbildung, die Pezibram gibt, handelt es sich um einen
gestielten, ovalen Körper. Von einer besonderen Hüllsubstanz
scheint nichts vorhanden, so daß also wohl der Charakter der Sper-
matophore von Mantis ungefähr dem einer vereinfachten Grillen-
spermatophore, vielleicht einigermaßen der von GnjUoialpa, entspräche.
Ich selbst verfüge nicht über Material von iltfa«/is-Spermatophoren,
kann daher nur mit Vorbehalt diese Schlüsse aus den PEziBRAM'schen
Angaben ziehen. — Wichtig ist weiter für uns. daß das Mantis-
Weibchen die Spermatophore aktiv ausstößt, wie dies Boldyrev auch
für Gryllus domesticus angibt. Von einem „Freßin stinkt" des
Weibchens ist also nichts vorhanden.
Bei Blattiden, Forficuliden, Acridiern und Phas-
miden sind keine Spermatophoren beschrieben worden.
Somit wüiden nur bei Mantiden, Grylliden und Locustiden, so-
weit bisher bekannt, Spermatophoren, die vom Weibchen äußerlich
sichtbar getragen werden, vorkommen. Daß in der deutschen Literatur
bis in die neueste Zeit hinein für die Grylliden und Locustiden zwei
ganz verschiedene Typen von Spermatophoren angenommen worden
sind, daran trägt die allerdings mit größtem Vorbehalt gegebene
Darstellung v. Siebold's (32) die Schuld, die mit ihren Abbildungen
in andere Werke (Fischer, Koeschelt u. Heidee) übergegangen ist.
34*
518 Ulbich Gerhabdt,
^^'ällrend die von LespJis beschriebenen Grillenspermatophoren
alsbald in die Literatur übergegangen sind, sind unter dem Ein-
fluß der SiEBOLD'schen Auffassung die Beobachtungen Fischer's,
Bolivar's, Fabee's und Beeenguier's in Deutschland wenig bekannt
geworden. So schreiben Koeschelt u. Heider (24) (Allg. Teil, p. 435):
„Das bekannteste Beispiel hierfür bieten die Heuschrecken, bei denen
schon V. Siebold die Spermatophoren als birnförmige oder flaschen-
förmige Körper von ungefähr Stecknadelkopfgröße (1—2 mm Durch-
messer) beschrieb. Etwas complicierter sind die Spermatophoren
bei den Grillen gebaut, was wohl mit ihrer besseren Unterbringung
in der Vagina zusammenhängt."
Mit der Untersuchung der v. SiEBOLü'schen „Spermatophoren" im
Receptaculum von Locustiden haben sich insbesondere russische
Autoren [Cholodkowsky (14, 15), Büldtrev (7, 8)] beschäftigt, und
zur Unterscheidung von den eigentlichen, uns hier allein interessieren-
den echten Spermatophoren hat Cholodkowsky ihnen den von Boldyeev
übernommenen Namen „Spermatodosen" gegeben. Boldyeev
äußert sich zusammenfassend über sie: „die Spermatodosen (Siebold's
Spermatophoren) bilden sich (bei der Gattung Decticus) schon im
Receptaculum seminis des Weibchens, und die Bildung jeder einzelnen
Spermatodose ist als Resultat einer jeden Begattung anzusehen".
Mit dieser letzten Deutung würde die von Fahre behauptete, von
mir für wahrscheinlich gehaltene einmalige Begattung von Decticus
nicht in Einklang stehen. Solange nicht mehrmalige Begattung bei
Decticus beobachtet und der Nachweis einer der Begattungszahl ent-
sprechenden Anzahl von Spermatodosen im Receptaculum erbracht
worden ist, halte ich diese BoLDYEEv'sche Deutung daher für be-
stätigungsbedürftig.
Es kann kein Zweifel sein, daß die Grillen- und Locustiden-
spermatophoren vergleichbar sind und daß, wie dies Boldyrev
bereits betont hat, die Locustidenspermatophoren ein Plus an Substanz
haben (Hüll-, Schutz-, Freßsubstanz) , das den Grillen fehlt.
Boldyrev rubriziert beide Arten von Spermatophoren mit vollem
Recht unter den Begritf der echten Spermatophoren nach der
Definition von Cholodkowsky, die ungefähr mit der von Kor-
schelt u. Heider übereinstimmt. Während nun Boldyrev die
Grillenspermatophoren als „einfache e c h t e S p e r m a t o p h o r e n"
bezeichnet, nennt er die Locustiden „zusammengesetzte echte
Spermatophoren". Dieser klaren und übersichtlichen Einteilung
kann man sich gewiß nur anschließen. Die von Baumgartneb be-
Copiilation und Spermatophoren von Grylliden und Locustiden. 519
schriebeiie Sperniatopliore von Grißlotalpa müßte nach dieser Ein-
teilung zweifellos zu der der Locustiden gestellt werden.
Vielleicht wäre es zweckmäßig-, die bisher besprochenen Spermato-
phoren — bei voller Aufrechterhaltung der Boi-DTREv'schen Ein-
teilung — auch noch von einem anderen Gesichtspunkt aus zu
sondern. Wenn man der Beschaffenheit des eigentlich samenent-
haltenden Teiles, also dessen, was bei den Grillen als „einfache
Spermatophore*' imponiert, den Hauptwert beimißt, so kann man
2 Gruppen unterscheiden: Spermatophoren mit un paar er und
mit paariger A m p u 1 1 e.
Eine un paare Ampulle besitzen die Spermatophoren von
Mantis *), der Grillen im engeren Sinne, die von Gryllotalpa und von
Diesirammena. Paarig ist sie in den Spermatophoren aller übrigen
hier angeführten Locustiden. Diese paarig angelegten Spermato-
phoren sind sämtlich mit einer vom Weibchen zu verzehrenden Hülle
umgeben, von den unpaar angelegten die der amerikanischen Gryllo-
talpa (nach Baumgaktxer) und Diestrammena. Somit läßt sich
folgende Einteilung aufstellen:
TJnpaare Ampulle
Paarige Ampullen
Mantis
Liogryllus
Gryllus
Nemobiits
Oecanthus
0 rijUo lalpa vn Igari.s
Gryllotalpa sp. ? (nach Baum-
gartnee)
Dlestramtnena
Phaneropteriden
Decticiden
Locustiden
Epliippigeriden
Einfache
Spermatophore
Zusammen-
gesetzte
Spermatophore
Daraus geht klar die Mittelstellung hervor, die (nach Baum-
GARTNER) die Spermatophore der amerikanischen Gnjllotdlpa und
schließlich auch die von Diestrammena einniiYimt.
Hier ist auch noch auf die besondere Differenzierung hinzu-
weisen, die der Stiel der Grillenspermatophore erfahren hat. Die
Ausbildung des langen, wohl sicher bis ins Receptaculum des
Weibchens reichenden Endfadens und seine Umhüllung mit der sehr
kompliziert gebauten Lamelle stellt eine Besonderheit gegenüber dem
1) Soweit mir aus Pkzibram's Schilderung und Abbildung ersichtlich.
520 Ulrich Gerhardt.
bei Locustiden im allgemeinen weniger differenzierten Spermato-
phorenstiel dar, der mir bei Biestrammena noch am ersten Anklänge
an das Vorhandensein einer Art von „Lamelle" zu bieten scheint.
Diese höhere Entwicklungsstufe der „Lamelle" bei der Grillen-
spermatophore hängt zusammen mit deren eigentümlicher Bildungs-
weise in der auch als „Spermatophorentasche" [Cholodkowsky (16)]
bezeichneten dorsalen Penisrinne, während bei den Locustiden die
Ampullen innerhalb des Lumens des männlichen Genitaltractus
gebildet werden. Daß bei Gryllotalpa, die gleichfalls keine deutliche
„Spermatophorentasche" besitzt, eine besonders geringe Ausbildung
des Spermatophorenstieles existiert, muß hier gleichfalls nochmals
betont werden.
Ganz besonders schwierig ist nun die Frage zu beantworten,
wie wir uns die primitivste Spermatophore, von der die nach ver-
schiedenen Richtungen differenzierten, heute existierenden Formen ab-
leitbar wären, vorzustellen haben und ob dies eine „einfache" oder
„zusammengesetzte" Spermatophore im BoLDTEEv'schen Sinne ge-
wesen ist. Eine klare Antwort läßt sich meines Erachtens nach
den heute bekannten Befunden noch nicht geben, ganz abgesehen
von den subjektiven Momenten, die bei einer derartigen Beurteilung
mitspielen müssen. Ich möchte hier nur folgendes sagen. Die
primitivsten Locustiden formen haben, wie die Grillen s. str. und
Gryllotalpa^ unpaare Spermatophoren. Wir werden kaum irre gehen,
wenn wir die paarige Ampulle von der unpaaren ableiten. Somit
würden die höher differenzierten Locustidenformen in diesem
Punkte aus der Betrachtung zunächst ausscheiden und die Frage
dahin zu stellen sein, ob wir uns diese erste unpaare Spermatophore
als hüllenlos vorstellen müssen. Zunächst liegt es ja nahe, die
Spermatophore, wie wir sie bei den Grillen finden, als primitiver zu
betrachten. Aber ich glaube, daß eine Antwort in diesem Sinne
doch verfrüht wäre. Denn es kann ebensogut ein primitiverer Zu-
stand gegenüber dem eben angeführten sein, wenn eine eigentliche
Samenkapsel von einer ungeformten, aus akzessorischen männlichen
Drüsen stammenden Secretmasse bedeckt ist. Ein solcher Fall
scheint ja auch nach Baumgartner's Schilderung bei Gryllotalpa un-
gefähr verwirklicht zu sein. Mit anderen Worten: es läßt sich
ebensogut vorstellen, daß die trockene, nicht mit schleimigen Secreten
bedeckte Ampulle der eigentlichen Grillen und der Gryllotalpa vulgaris
eine sekundäre Modifikation darstellt.
Es könnte z, B. die Schleimabsonderung um die eigentliche
Copulation und Spermatophoren von Grylliden und Locnstiden. 521
Speniiatoplioie herum urspriinglicli zu deren innigerer Befestigung-
an der weiblichen Genitalötfnung gedient haben, wovon bei Gnjllo-
talpa vulgaris Andeutungen vorlianden zu sein scheinen, wälirend bei
den eigentliclien (irillen ein besonderer Befestigungsmeclianismus in
der innerlialb der Vagina belegenen Lamelle gegeben wäre, die ein
solches Secret überdüssig machen könnte. Die Annahme dei- Mög-
lichkeit, daß die Spei-matophore aller Locustiden eine Weiter-
bildung des bei (irijllotalpa voiliegenden Stadiums darstelle, setzt
nicht voraus, daß auch Grißlotalpa eine phylogenetische Vorläuferin
der Locustiden zu sein braucht.
Untrennbar von dem Vorhandensein akzessorischer Secretmassen
an der Spermatophore scheint der Instinkt der weiblichen Tiere zu
sein, derartige Secrete zu fressen. Nun kommt dieser Freßinstinkt
in eingeschränkter (oder, wenn man will, angedeuteter) Form, wie
wir sahen, auch bei einigen Grillen arten, bei lAogryllus sogar in
ziemlich auffallender Weise vor. Gerade diese Tatsache läßt
wiederum zwei Deutungsmöglichkeiten zu, die mit der oben für die
Auffassung des Baues der Grillenspermatophore angegebenen
parallel gehen: die Grillenweibchen können ebensogut den Freß-
instinkt fast oder ganz verloren haben, wie sie ihn niemals be-
sessen haben und nun erst beginnen können, ihn auszubilden. Daß
auch Locustidenweibchen eine Einschränkung des Freßinstinktes er-
fahren können, zeigte PAflwero^/era und, nacliFABRE, Ephippigera Vitium.
Somit kann man sich von dem Zustandekommen der jetzt
existierenden, in ihren ausgebildeten Typen weit voneinander ent-
fernten beiden Spermatophorenfoi-men zweierlei Vorstellungen machen :
entweder war das Ursprüngliche eine der jetzigen Grillenspermato-
phore entsprechende, im Männchen präformierte feste Kapsel ohne
Hülle, und diese Hülle wäre überall da, wo sie vorkommt, erst
sekundär ihr zugefügt worden. Dann hätte sich auch der Instinkt,
die Spermatophore zu fressen, im wesentlichen erst sekundär ent-
wickelt. Oder aber die ursprünglichste P'orm wäre eine halbfeste
Spermatophore, von einer unregelmäßigen Schleimschicht bedeckt,
die die Freßlust des Weibchens i-eizte und die, der Steigerung
dieses Instinktes entsprechend, mein- und mein- ausgebildet wurde.
Von der Hand zu weisen scheint mir keine dieser beiden Auf-
fassungen, und gerade deswegen halte ich ein definitives Urteil für
verfi'üht. Vielleicht weisen die Befunde an 3Iantis und Grißlotalpa
darauf hin, daß Spermatophorenhülle und Freßinstinkt sekundäre
Erwerbungfen sind.
522 Ulrich Gerhardt,
Über diesen Freßinstinkt ist hier noch einiges zu sagen.
Es ist ohne weiteres klar, daß eine Spermatophore, die in der Vulva
des Weibchens steckt, nach der Entleerung ihres Inhaltes ins Re-
ceptaculum seminis nicht nur an ihrem Ort keinen Zweck mehr
hat, sondern sogar zu einem regelrechten Hindernis entweder für
die Befruchtung oder für die Ablage der Eier werden kann, für
die Befruchtung, wenn ihr Stiel den AusfühYgang des ßeceptaculuras
verstopft, für die Eiablage, wenn er den Zugang zur Legescheide
vom Eileiter her verlegt. Wieweit beides der Fall ist, ist nicht
immer leicht genau anzugeben, jedenfalls wird praktisch die Sper-
matophore immer von der Eiablage irgendwie entfernt. Sehr häufig
erfolgt diese erst lange nach einer Befruchtung. So habe ich zur
Zeit eine Anzahl von Diestrammena-W eihchen, die sich schon öfters
begattet haben, auch bei jedem neuen Zusammenlassen Männchen
annahmen, aber seit ca. 4 Wochen noch keine Eier gelegt haben.
Eine andere Zucht legte im Oktober vorigen Jahres kurz nach der
Begattung Eier, und Boldyrev nimmt sogar als die Regel an, daß
ein Weibchen wenige Stunden nach der Befruchtung zu legen an-
fängt. Bei Grillen finden Eiablagen zwischen Begattungen statt.
In allen diesen Fällen kann man annehmen, daß die hindernde Sper-
matophore deshalb vorher entfernt wird. Phmieroptera-W eihcYien
tragen den Spermatophorenstiel über 48 h herum, bei Mantis, Ne-
mobius, Leptopktjes, Diestrammena etc. vergeht nur kurze Zeit bis zu
dessen Entfernung. Es sind hier also wieder mancherlei Unter-
schiede vorhanden.
Muß nun die leere Spermatophore irgendwie entfernt werden,
so wäre wohl zweifellos ein Auspressen, Abstreifen oder dergl. durch
das Weibchen das einfachste, und wir treifen ja in der Tat dieses
Verfahren bei Mantiden und manchen Grylliden als einzigen Modus
an. Das Abnehmen der leeren Hülse mit den Mundteilen mit darauf-
folgendem Fallenlassen finden wir zuweilen bei Gryllus domesticus
(Boldyrev). Von ihm bis zum Zerbeißen und Verschlucken der
leeren Ampulle ist nur ein Schritt, und so könnten wir uns das Zu-
standekommen des „Freßinstinktes" vorstellen. Nur muß in dem
zuletzt geschilderten Falle dieser Instinkt so reguliert sein, daß er
erst dann einsetzt, wenn die Aufnahme des Spermas ins Receptaculum
vollzogen ist. Daß dies bei Liogryllus campestris häufig unter ganz
normalen Umständen der Fall ist, haben wir oben (S. 434) gesehen.,
Bisher war von einfachen Sperraatophoren die Rede. Boldyrev
faßt nun die Bedeutung der Hülle so auf, daß sie da ist, um die
Copulation nnd Sperraatophoren von Grylliden und Locustiden. 523
Ampulle zunächst bis nach erfolgter Samenentleerung ins Recepta-
culuni vor dem Gefressenwerden zu schützen, da, wo jener Instinkt
entwickelt ist. Das ist zweifellos eine plausible und logische Er-
klärung. Doch möchte ich im Anschluß an die vor kurzem be-
sprochene doi)pelte Erkläruiigsmöglichkeit der morphologischen
Ausbildung der Spermatophore dazu bemerken, daß mir auch die
Annahme möglich erscheint, daß erst die Abscheidung klebriger
Secrete durch das Männchen mit der eigentlichen Spermatophore
zusammen den Freßinstinkt des Weibchens hervorgerufen haben
kann. Dann würde er bei den Grillen mit der Differenzierung der
Spermatophore nach einer den Locustiden entgegengesetzten Richtung,
mit der Zunahme der Festigkeit und Trockenheit ihrer Wand und
der Entwicklung zu dem glasigen, spröden Körper, als den wir sie
kennen, der Instinkt der Weibchen, an ihr herumzuknabbern und zu
nagen, verloren gegangen sein. Daß bei den Locustiden heut-
zutage die SpermatophorenhüUe praktisch einen Schutz für die
Ampulle darstellt, ist in keiner WeiSe zu bestreiten.
Nach Abschluß dieser Arbeit erschien ein Artikel von Cholod-
KowsKY (15) über Spermatodosen bei Locustiden, in dem
er seine schon früher in russischen Zeitschriften publizierten Auf-
fassungen zusammenfaßt. Er bezeichnet, wie bereits im Text dieser
Abhandlung erwähnt, die von Siebold als Spermatophoren be-
zeichneten Gebilde in dem Receptaculum seminis mancher Locustiden-
weibchen als Spermatodosen, und fadenförmige Zusammen-
jochungen von Spermatozoen am gleichen Ort als „Spermato-
de s m e n*' ; Cholodkowsky weist auf Boldykev's Untersuchungen über
Locustiden und Grylliden hin. Auch er faßt die Grillenspermato-
phore als echte Spermatophore auf.
Nun aber kommt ein Passus, der zum Widerspruch heraus-
fordert: ..Es kommen aber bei den Locustiden auch andere Gebilde
vor, die vielfach unberechtigterweise „Spermatophoren" genannt
werden. Zu solchen gehört der große schleimige Klumpen, der bei
der Begattung an die Legeröhre angehängt seitlich von 2 festen
bernsteingelben Kügelchen scheinbar getragen und nach der erfolgten
Begattung vom Weibchen verzehrt wird. Dieser aus dem Secrete
der großen männlichen Anhangsdrüsen sich bildende Klumpen dient
nicht zum Übeitragen des Samens, wohl aber zur temporären Ver-
stopfung der weiblichen Geschlechtsöffnung (damit der Samen nicht
herausfließt, ehe er die Samentasche erreicht hat) oder zu anderen
Zwecken."
524 UiiRiCH Gerhardt,
Dag^e^en ist zu sagen: 1. Der „Klumpen" (der nur in seltenen
Fällen diesen Namen verdient, vielmehr meist ein sehr ausgeprägtes,
für die Species konstantes äußeres Eelief zeigt) bildet mit der eigent-
lichen Spermatophore (dem „Flacon" Boldyeev's, unseren „Samen-
behältern" oder „Ampullen") ein einheitliches Ganze. 2. Wenn die
Schleimhülle nicht vorhanden wäre, so könnte dennoch kein Sperma
aus den Ampullen nach außen abfließen, da deren Holilraum nur
eine Öffnung, nach dem Receptaculum des Weibchens hin, besitzt.
3. Nicht der „Schleimklumpen", sondern gerade die eigentliche
Spermatophore verstopft mit ihrem Stiel die Vulva. 4. Nicht nur
die Schleimmasse, sondern auch Ampullen und Stiel werden (mit
seltener Ausnahme) vom Weibchen gefressen. 5. In der Literatur
(Fabee, Beeenguier, Vosselee) wird, soweit ich sehe, von keinem
Autor nur die umhüllende Schleimsubstanz als „Spermatophore" be-
zeichnet, sondern sie plus Ampulle und Stiel. Im gleichen Sinne
spricht Boldyeev, dessen Auffassung Cholodkowsky anführt, von
„zusammengesetzten Spermatophore n" bei Locustiden. Es
wurde (S. 518) betont, daß diese Bezeichnung durchaus glücklich sei.
Diese BoLDYREv'sche Auffassung der Locustiden-Spermatophore
als einer echten, aber aus 2 Teilen zusammengesetzten Spermato-
phore ^leibt vollkommen zu recht bestehen, wie ja auch Cholod-
kowsky betont, daß er Boldyeev's Auffassung von der „Schutzsubstanz"
teile. Will man also Cholodkowsky's Vorschlag annehmen, solche
zum Schutze des Samens oder zur Verstopfung der weiblichen Ge-
schlechtsöffnung dienenden Gebilde Spermatop hragmen zu
nennen, so kann dies nach dem oben gesagten nur mit der Ein-
schränkung geschehen, daß Spermatophragma plus „eigentlicher
Spermatophore" (Ampulle) die zusammengesetzte Locustiden-Sperma-
tophore bilden und integrierende Teile eines einheitlichen Gebildes
darstellen.
Wegen der engen organischen Verbindung des „Spermatophragmas"
mit der samenführenden Ampulle des gesamten Apparats, die eine
Zeitlang vor dem Freßinstinkt des Weibchens geschützt werden
muß, scheint mir eine Vergleichung mit dem Scheidenpfropf vieler
Nager, der flüssiges Sperma vor dem Abfließen aus der Vagina zu
bewahren hat, trotz zweifellos vorhandener Analogien im einzelnen
schwer durchführbar.
Schließlich wird noch die Frage zu erörtern sein, ob wir
die in dieser Abhandlung besprochenen Vorgänge bei Grylliden
und Locustiden als eine eigentliche Begattung aufzufassen
Copulatiuu luid «perniatoplioren von Gryllideu und Locustiden. 525
haben. Zu ihrer Beantwortuno: wird es zuerst nötig: sein, uns
über den Begriff der Beg'attuuo; klar zu werden. Keine Be-
gattung: ündet statt bei allen Tieren mit Befruchtung der Eier
außerhalb des weiblichen Körpers, auch wenn dabei eine enge körper-
liche Vereinigung der beiden Geschlechtstiere außerhalb der Genital-
region, wie in der Umklammerung der Frösche, eingegangen wird.
Ebensowenig können wir von einer Begattung reden, wenn das
Männchen Sperniatuphoren ins Freie absetzt und diese vom Weibchen
aktiv aufgenommen werden, wie es für die Chilopoden und die meisten
Urodelen bekannt ist. Dagegen wird es schwer sein, sicher zu
definieren, ob wir in den Fällen von einer w^ahren Begattung reden
dürfen, in denen sich z. B. Feuersalamander auf dem Lande ausnahms-
weise so befruchten, daß die Spermatophore direkt aus der Kloake
des Männchens in die ihr unmittelbar genäherte des Weibchens
übertragen wird. Wir haben ähnliche Vorgänge bei manchen uns
hier beschäftigenden Formen, und daher ist es nötig, zu betonen,
daß hier ein Übergangstypus vorliegt, den mau aber im allgemeinen
als Begattung bezeichnen wird. P'reilich. um eine Begattung mit
Immissio penis handelt es sich hier nicht, aber dieser Vorgang
kann unmöglich das Kriterium der eigentlichen Begattung sein.
Sonst wäre der Begattungsakt der großen Mehrzahl der Vögel
keine Copulation im engeren Sinne.
Eine eigentliche Immissio penis kommt nun zwar bei Mantiden
vor, bei Grylliden und Locustiden aber nur in einem modifizierten
Sinne. In den einfachsten Fällen (Diestrammena) wird unter der
Einwirkung der Berührung des Weibchens eine Spermatophore aus
der männlichen Geschlechtsöffnung ausgeschieden, ohne daß eine
unmittelbare Berührung mit den weiblichen Genitalien zunächst
stattfände. Dann aber preßt das Männchen die noch in seiner
eigenen Geschlechtsöffnung steckende Spermatophore in die Vulva
des Weibchens ein, so daß also hier in der Tat ein ähnlicher Vor-
gang stattfindet, wie er nach Kammeker's Beobachtungen gelegent-
lich bei SaJamandra vorkommt. Etwas anders liegt der Fall bei
den eigentlichen Grillen. Hier wird die zu übertragende Spermato-
phore außerhalb des Paarungsaktes fertiggestellt und in dem
..Penis" des Männchens, der hier so w'enig w'ie bei Dienirammena
seinen Namen verdient, bereitgehalten. Bei der Paarung wird ein
chitinöser Fixierungsapparat, der Titillator, in die Vulva des
Weibchens eingehakt, so daß hier die Vereinigung der Genital-
öffnungen beider Tiere inniger wird als bei Diestrammena. Bei höher
526 Ulrich Gerhardt,
spezialisierten Locustidenformen endlich wird die Genitalöffnung des
Männchens selbst, die in ausgestülptem Zustande auf dem Gipfel
des „Penis" liegt, bis an oder in die Mündung der Vagina vor-
geschoben; der Titillator, wo vorhanden, behält dabei die gleiche
Funktion wie bei den Grillen. Sehr ähnlich wie die meisten
Locustiden verhält sich auch Gryllotalpa, deren Penis auch im Bau
beträchtliche Ähnlichkeit mit dem Locustidenpenis aufweist. Unter
den Locustiden scheint Isopkya (nach Berenguier) ein primitiveres
Verhalten zu zeigen als die übrigen höheren Gattungen. Bei diesen
Begattungsakten spielen weder bei Biesirammena noch bei Gryllus,
Gryllotalpa etc., dagegen bei allen höheren Locustiden die Anhangs-
gebilde des Hinterleibes, Cerci und Styli, eine Rolle als Haftorgane.
Somit können wir dann von einer echten Begattung bei allen bisher
daraufhin studierten Locustiden und Grylliden sprechen, wenn wir
darunter eine direkte Übertragung des Samens, in diesem Fall in
Gestalt der Spermatophore, aus der männlichen in die weibliche
Geschlechtsöffnung verstehen. Wenn war eine unmittelbare Berührung
beider Geschlechtsöff'nungen postulieren, so müßte bei Biesirammena
allerdings eine eigentliche Begattung in Abrede gestellt werden.
So finden wir, wenn wir unsere Ergebnisse zum Schluß noch
einmal überblicken, im allgemeinen einen Typus der Copulation
bei Grylliden und Locustiden ausgebildet, der sich unter einheit-
lichen Gesichtspunkten betrachten läßt. Das Gemeinsame liegt in
der Einbringung einer Spermatophore in die Vulva des Weibchens
dnrch das unter ihm befindliche Männchen. Die Stellung des Männ-
chens läßt sich von einem bei allen Grillen und bei den primitivsten
Locustiden vorkommenden Modus zurückführen. Die Spermato-
phore weist drei nach verschiedenen Richtungen entwickelte Modi-
fikationen auf, die sich aber von einer gemeinsamen Ausgangsform ab-
leiten lassen. Die heutigen Grylliden, Gryllotalpiden und Locustiden
haben sich nach so verschiedenen Richtungen entwickelt, daß ihre höher
entwickelten Formen beider Reihen auch in ihrer Copulationsform und
der Beschaffenheit ihrer Spermatophoren nicht direkt aufeinander
zurückgeführt werden können. Vielleicht stehen der gemeinsamen
hypothetischen Ausgangsform in dieser Beziehung unter den Locusti-
den die Stenopelmatiden nahe, die wenigstens bei der einzigen bis-
her beobachteten Form einen besonders primitiven Begattungsmodus
und Bau der Spermatophore aufweisen, die allerdings bereits eine
Copulation und Spermatophoreu von Grylliden und Locustiden. 527
echte Locustiden-Spermatophore darstellt. Inimerliin scheint der Ver-
such, nach „Übergangsfornien"' zwischen den wohlfixierten Copulations-
vorgängen der extrem entwickelten Grylliden- und Locustidenformen
nicht g-anz aussichtslos zu sein. Weitere Untersuchungen an Tridac-
Ujlus, CyUndrodes, an Stenopehnatiden und Gryllacriden dürften hier
vor allem angezeigt sein. Von der ausführlichen Publikation
BoLDYREv's ist viel für unseren Gegenstand förderliches zu erwarten;
in diesem Sommer habe ich Beobachtungen an der Stenopelmatide
Troc/lophilus, an Meconema, Locusta und sonst an möglichst vielen mir
erreichbaren Locustiden vor; von diesen bedarf insbesondere die
Gruppe der l'haneropteriden genauer Beobachtungen möglichst vieler
Arten. Ich hoffe, in einer zweiter Abhandlung Ergänzungen zu
dem hier niedergelegten Material und vielleicht auch neue Beiträge
zu einer Deutung der Befunde geben zu können.
Breslau, Ende April 1913.
Nach Ergänzung: 7. Juni 1913.
528 Ulrich Gerhahdt,
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p. 83.
Copulation und Spermatophoren vou Gryllideu uud Locustiden. 531
Erklärung der Abbildungen.
Die Figg. 1 — 5 wurden mit dem SElBERT'schen Präpariermikroskop
von Frl. Helene Limpeicht gezeichnet, Fig. 2 und 4 alsdann auf die
Hälfte verkleinert, die Figg. 6 — 8 nach an Ort und Stelle entworfenen
Skizzen des Verfassers von Herrn L. Pohl gezeichnet. Die Photogramme
wurden von Herrn Priv.-Doz, Dr. Pax und von Herrn stud. W. Oelze
angefertigt.
Tafel 17.
Fig. 1. Hinterleibsende von A^etnobhis sylvestris L. ^, Dorsalansicht,
a) „Penis" eingezogen, b) ausgestülpt.
Fig. 2. Ausgestülpter „Penis" von Diestrammena marmoraia de Haan.
Supraanalklappe, Titillator, hakenförmige Fortsätze sichtbar.
Fig. 3. Spermatophore von Diestrammena martnarata, konserviert in
C ARNO Y 'scher Flüssigkeit.
Fig. 4. Spermatophore von Gryllotalpa vulgaris, a) Seitliche An-
sicht, b) von der Kante gesehen.
Fig. 5. Spermatophore von Ti/lopsis liliifolia, konserviert in Alkohol,
aufgehellt in Xylol (bereits vom Weibchen angefressen).
Fig. 6 — 9. Schematische Darstellung der Begattungsstellung, Weib-
chen schwarz, Männchen rot. Spermatophore punktiert.
Fig. 6. Diestrammena niarmorata.
Fig. 7. Leptopliyes punctatissima.
Fig. 8. Phaneroptrra falcata. a) Das ]\Iännchen hat sich festgehakt
und hängt am Weibchen, b) es hat sich an der Legeröhre des Weibchens
angeklammert, c) Endstellung, die Spermatophore fast vollständig aus-
getreten.
Fig. 9. Plaiyeleis roeseli.
532 U. Gerhardt, Copulation u. Spermatophoren von Grylliden u. Locustiden.
Tafel 18.
Fig. 1 — 3. Mikrophotogramme von Grillen-Spermatophoren bei gleicher
Vergrößerung.
Fig. 1. Liogrylhis campestris.
Fig. 2. Gryllus domesiicus.
Fig. 3. Nemohius sylvestris.
Fig. 4. Spermatophore von Gryllotalpa vulgaris, schwächer ver-
größert.
Fig. 5. Weibchen von Phaneroptera falcata mit Spermatophoren.
a) Frische Spermatophore, b) Sperraatophorenhülle entfernt, Ampullen
sichtbar, c) Spermatophore ca. 48 Stunden nach der Begattung.
Fig. 6. AVeibchen von Leptophyes punctalissima mit frischer Spermato-
phore.
Fig. 7. Weibchen von Plaiycleis grisea , nur die Ampullen der
Spermatophore in der Vulva.
Fig. 8. Caudalansicht der Hinterleibsspitze mit Spermatophore von
Platydeis roeseli. Die Ampullen und die beiden großen Lappen der Hülle
sichtbar.
Fig. 9. Weibchen von Thamnoihrizon cinereus mit Spermatophore.
Fig. 10. Weibchen von Locusta viridissima. a) Mit frischer Spermato-
phore, b) nur mit den Ampullen.
(Fig. 5 — 10. Photogramme in Formol konservierter Objekte.)
G. Pätz'sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.
ZooloqJahrbücher Bd.35Abt fSyst.
TaC 17.
Verlag von ßuSt.'fBcWi„j^,
Zoolog. Jahrbücher Bd. 35 Abt. f. Syst.
Taf. IS.
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Pax, Oelze pbot.
Gerhardt.
Verlag von «Uta» Fischer in Je
Xachdniek rerbvUu.
Vb^rielsunQsrfcht vorbehalten.
Die Formvariabilität der Beckeuknochen bei
nord-atlantischeu Bartenwalen.
Von
^Villy Ausjustiu.
Mit Tafel 19—20.
In den älteren Werken über Cetaoeen sind die Beschreibungen
der rudimentären Beckenknochen nur spärlich, weil nur wenig
Exemplare überhaupt zur l'ntei-suchung- gelangten und weil die
Beckenknochen, die nur aus zwei zu beiden Seiten des Anus liegenden
Knochenspangen bestellen, leicht überselien wurden, da sie ohne
knöcherne Verbindung mit der "Wirbelsäule zwischen den Muskel-
massen liegen. Soweit es mir möglich war. habe ich die Werke aus
der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts durchgesehen, um festzustellen,
wer die Beckenknochen zum erstenmal gefunden und beschrieben hat.
In den Werken von Linxk ilTtki» und Ono Fabricius (^1780. der
besonders viel Gelegenheit hatte. Wale anatomisch zu untei-suchen,
sowie bei dem Grafen Lackpede (1804"* war über das Becken der
Wale nichts zu linden. Jedoch läßt sich aus der Übersetzung des
Hr^TEK'schen Buches „Observations on the structure and oeconomy
of Whales" (^in: Phil. Trans. Roy. Soc. London 1787 Vol. 77^ von
Gottlob Schneider ersehen, daß einer der Ersten, wenn nicht der
Ei-ste, der die Beckenknochen fand, der Holländer Peter Camper
gewesen ist. Schneider zitiert Camper — und es handelt sich wahr-
scheinlich um das Werk von 1777. das ich leider nicht erhalten
konnte — daß ..bey allen Walltischarten nur die Hinterbeine fehlen,
Zool. .I.^hrl>. XWV. Abt. f. Syst. 3Ö
534 Wir.LY Augustin,
die Schambeine seyen aber bey allen Geschlechtern sehr kenntbar".
HüNTER (1787), der sie bei der Beschreibung- der weiblichen Genitalien
nicht erwähnt, schien nicht gewillt gewesen zu sein, sie als Scham-
beine anzusehen, sondern betrachtete sie nur als Befestigungsmittel
für die Schenkel des Zeugegliedes. Beim weiblichen Wale fand
Seignette und beim weiblichen Braun fisch Tyson die rudimentären
Beckenknochen. Zu der Angabe Merk's (1789): „die Wale haben
alle ein Becken" schreibt Schneidee: „Aus den angeführten Zeug-
nissen erhellt, daß hier höchstens nur ein Schambein zur Befestigung
des Gliedes und der Mutter vorhanden sey. Und dies alles wollte
H. Meek wahrscheinlich auch nur unter dem Namen Becken ver-
standen wissen." Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts blieb es
auch nur bei Beschreibungen der Beckenknochen. Der erste Forscher,
der das rudimentäre Becken richtig abbildete, ist ohne Zweifel
RuDOLPHi in der Abhandlung: „Einige anatomische Bemerkungen
über Balaena rostrata (B. borealis Less.)" 1822. Wohl hatte Albees
schon 1818 in „Icones ad illustrandam Anatomen comparatam" der
Abbildung des Walskeletes unter der Wirbelsäule vor den Schwanz-
wirbeln einen unpaaren Knochen beigefügt, den er als Beckenknochen
anspricht. „Os singulum libere pendens in parte sceleti inferiori et
posteriori os pubis mihi videtur esse, quod in Delphino Phocaena e
duobus constituitur ossibus discretis semilunaribus." Dieser Knochen
war RuuoLPHi „ein Räthsel", und er war geneigt, ihn für ein schlecht
abgebildetes Zungenbein zu halten. Die Figur, die sich bei
Rudolph: findet, stellt den rechten Beckenknochen in natürlicher
Größe dar, in der Mitte knöchern, an beiden Enden knorplig und
zum Teil von der Beinhaut umschlossen. Anders als Rudolphi und
ähnlich wie Albees beschrieb Cuviee in den „Ossemens fossiles"
1823 das Becken. Wenn er auch zugibt, daß bei dem Delphin das
Becken aus 2 getrennten länglichen Knochen besteht, die an
beiden Seiten des Anus liegen und die er nach den Muskeln, die
an ihnen befestigt sind, für die Ischia hält, so weicht seine Be-
schreibung des Beckens von Balaena und vom „rorqual du Cap" be-
deutend ab. Beim Rorqual soll der Beckenknochen die Form eines
Kreuzes haben, dessen Enden fast gradlinig sind. Bei der großen
Balaena ist es aus 3 Stücken zusammengesetzt, von denen das mittlere
kreuzförmig ist und an den Körper des Os hyoideum des Menschen
erinnert, und 2 schloßenartigen Anhängen, die mit den Enden des
vorher beschriebenen articulieren. Rudolphi ist der Meinung, daß
Delalande, auf den Cuvier sich beruft, durch Suggestionsfrageu an
Beckenknochen bei uord-atlantischen Bartenwalen. 535
Sklaven lierauso^efunden zu haben glaubte, daß es sich um ßecken-
knochen handelte. So falsch wie die Abbildungen bei älbers und
CuviER, so dunkel sind die Beschreibungen bei Rosenthal u. Horn-
scHüCH (18:^5). nach denen vom ersten Processus spinosus inferior
2 lange Fortsätze zum After divergieiend in die Höhe gehen sollen.
Ebentalls fehlerhaft ist die anatomische Darstellung des Beckens
durch Paeder u. u'Alton (1827), die einen querlaufenden, platten,
unpaai'en Knochen gefunden haben wollen, der die beiden fast
zylindrischen Beckenknochen miteinander verbinden soll. Und
Mayer (1835) beschreibt vielleicht nach demselben Skelet eine aus
2 platten Knochenstücken bestehende Querverbindung der beiden
zylindrischen, parallel liegenden Beckenknochen. Dagegen gaben
DuBAR und VAX DER LiNDEN (1828) und RuDOLPHi (1829) genaue
Beschreibungen und Abbildungen von Walbecken. Doch bin ich
auch der Meinung von 0. Abel (Anm. zur „Morphologie der Hüft-
beini'udimente der Cetaceen" Wien 1907), daß bei Rudolphi in der
Abbildung Vorder- und Hinterende vertauscht, der Knochen nicht
von außen, sondern von oben gezeichnet ist. Rüdolphi's Schluß-
folgeiung, daß, wenn bei 2 Walen, Balaena rostrata = horealis Less.
und Balaena longimana, die er untersuchte, und vielleicht bei einem
3. von Durah und van der Linden beschriebenen, das rudimentäre
Becken der W^ale aus 2 Knochen zu jeder Seite der Genitalregion
bestände, dies bei allen Walen der Fall sein dürfte, hat sich in der
Folgezeit bestätigt. Vervollständigt wurden die Beschreibungen des
Beckens durch die Entdeckung weiterer zur Beckenregion gehöriger
Teile. So fand nach W. H. Flower „Observations upon a Finwhale
(Physalus antiquorum Gray) recently stranded in Pevensey Bay"
(in: Proc. zool. Soc. London (1865) Reinhardt, daß neben den ge-
wöhnlich(Ui länglichen Knochen beim Gröiilandwal ein 2. mehr rund-
licher Knorpel vorhanden ist, der durch ligamentöse Fasern an dem
1. befestigt ist. Etwas später haben Esciikicht u. Reinhardt in ihrer
Abhandlung ,.0n the Greenland Rhigt Whale'' (1861) bekannt gegeben,
daß in einigen, wenn auch nicht allen F^xemplaren dieser Art ein
3. Stück an dem distalen Ende des 2. hängt. Diese beiden Teile
wurden als die Übei-reste der hinteren Extremitäten, des Femui's, das
zum Teil verknöchert aufgefunden wurde, und der Tibia, die nur
knorplig vorkam, gedeutet, obgleich Eschricht zunächst dazu ge-
neigt hatte, besonders solange nur ein Paar der Anhänge bekannt
war, sie als den Beutelknochen der Marsupialia ähnliche Knochen
anzusehen. In dieser Arbeit beschreibt Flower das Femurrudiment
35*
536 Willy Augustin,
des Finwals als ein deutliches „nodule of cartilage" von leicht ge-
drückter, unreg-elmäßiger ovaler Form, das, in eine fibrinöse Kapsel
eingehüllt, mit Fibrillen außen am Hauptknochen in der Mitte auf-
gehängt ist. Das Femurrudiment von Megaptera hoops entdeckte
EscHKiCHT, bei Balaenoptera horealis ist es bis heute nicht gefunden
w^orden. Weiter verglichen die Forscher die ßeckenrudimente mit
dem vollentwickelten Becken der Wirbeltiere und versuchten, sie
mit dessen Hauptknochen zu identifizieren. Ich verweise hier gleich
auf die Abhandlung von 0. Abel „Die Morphologie der Hüftbein-
rudimente der Cetaceen" (Wien 1907), die die wesentlichsten An-
schauungen unserer größten Cetologen enthält. W. Rapp als Erster
sah die Knochen mit Rücksicht auf das Verhalten des Corpus caver-
nosum als Ossa ischii an. Escheicht u. Reinhardt deuteten beim
Grönlandwal den hinteren längsten Teil als Ischium, den vorderen
kürzeren als Pubis, den äußeren als Hium. Da sie aber nur ein
Ossifikationszentrum vorfanden, sprachen sie den Knochen als Ischium
an. Dieser Auffassung waren auch die hervorragendsten Forscher,
wie HuxLEY, Steuthers, Leche, Flowee, Malm, Reynolds, Weber,
Geevais, van Beneden und Yves Delage. 0. Abel hat nun seinen
Deutungsversuchen nicht embryologische, sondern paläozoologische
Untersuchungen zugrunde gelegt und kommt zu folgendem Resultat:
beim Finwal ist der vordere Abschnitt als Hium, der hintere als
Ischium, der seitliche als Pubis aufzufassen, dasselbe gilt auch vom
Buckel- und Seihwal. Es ist Ansichtssache, welcher der beiden
Richtungen man sich anschließen will, ich stehe auf dem Standpunkt,
solange man nicht ein weiteres Ossifikationszentrum nachweisen
kann, den Knochen als einheitliche Anlage anzusehen und ihn mit
dem Ischium zu homologisieren.
In den Werken unserer großen Walforscher ist bereits auf die
Variabilität in der Form der Beckenknochen hingewiesen worden.
Doch sind die Maße, die von ihnen angegeben wurden, sehr spär-
lich und beziehen sich gewöhnlich nur auf die Länge und größte
Breite. Von Steuthers liegen nähere Angaben über das Grönwal-
becken vor und eine Tabelle, die 2 Finwalbecken vergleicht. Herr
Geheimrat Prof. Dr. Beaun stellte mir liebenswürdigerweise eine An-
zahl von Walbecken, die er auf Island und den Fa^röern gesammelt
hat, zur Verfügung und veranlaßte auch die Übersendung weiteren
Materials aus Berlin und Hamburg. Für die Anregung zu vor-
liegender Arbeit sowie für die Unterstützung bei meinen Unter-
suchungen wie für die Erlaubnis, seine reichhaltige Privatbibliothek
Beckeukuüchen bei nonl-atlantischen Bartenwalen. 537
heiHitzen zu diirfen. spreche ioli Herrn Gelieimrat Prof. Dr. Braun
nieiiieii eioebensten Dank aus. Auch Herrn Prof. Dr. Lühk sowie
Herrn Dr. Hentschei. in Hamburg, der mir Besclireibungen und
l)hoto2:rai)hisclie Abbilduns^en der am Skelet montierten Walbecken
des Hambur<?er Natui-historischen Museums übersandte, möchte ich
an dieser Stelle für ihre Hilfe danken. Die zahlreichen Photographien
stellte mein ?'reund Kugen Nickel in Königsberg her, dem ich eben-
falls meinen Dank hiermit abstatte.
Bevor ich zu den Beschreibungen der Becken übergehe — ich
untersuchte die 4 Arten Fin-, Buckel-. Blau- und Seihwal — möchte
ich zunächst die Art der Messungen in den Tabellen erklären. Die
Maße AB, AC, BC, in den Tabellen als Außenmaße bezeichnet,
geben die Länge der Knochen (AB) und die Lage des seitlichen
Vorsprunges an. Die Breitenmaße wurden an folgenden Stellen ge-
nommen. Von der Spitze des Vorsprunges mißt man die Breite und
teilt das proximale Ende in 3, das distale Ende in 2 Teile. Diese
Punkte sind in der Tabelle mit %, Vs, Vorsprung, Va bezeichnet.
Die Dicke der Knochen wird an denselben Stellen gemessen wie die
Breite. Die Maße der Konkavitäten der Ränder und Ober- und
Unterflächen sind stets die größten. Wo durch besondere Umstände
andere Meßweisen empfehlenswerter erschienen, ist dies in der Be-
schreibung vermerkt.
Das Becken von Balnenoptet'a j^hf/salus h.
{B. niusculus auct.) Finwal.
An Material standen mir zur Verfügung 3 Becken (1 c?, 2 $$)
aus dem Königsberger Museum, 1 ganzes und V2 Becken aus dem
Berliner Museum, ersteres von einem jungen Tier, letzteres besonders
interessant geformt, ferner l ganzes und V2 Becken aus dem Ham-
burger Naturhistorischen Museum.
Interessante Mitteilungen über das Becken vom Finwal liegen
vor: von Flower in „Notes of the skeletons of Whales etc." (in:
Proc. zool. Soc. London 1864) und „Upon a Finwhale, recently
stranded in Pevensey Bay" (ibid., 1865), von Yves Delage in
,.Histoire du Balaenoptera musculus, echoue sur la plage de Langrune"
(in: Arch. Zool. exper. (2), Vol. 3, 1885), von Van Benedkn u.
Gervais in „Osteographie des Cetaces vivants et fossiles" (Paris
1880), von Strüthers in „On the rudimentary hind-limb of a Great
Finwhale (B. musculus)" (in: Journ. Anat. Physiol., Vol. 27, 1893)
538 Willy Augustin,
und von 0. Abel in „Morphologie der Hüftbeinrudimente der Ceta-
ceen" (Wien 1907).
Die Beckenknochen liegen ohne feste Verbindung mit der Wirbel-
säule zwischen den ]\Iiiskelmassen in der Anusregiou. Das längere
Ende weist nach vorn, das kürzere nach hinten, der Vorsprung nach
außen. Verbunden sind beide Knochen durch ein starkes Ligament,
das Ligamentum interischiadicum, an dem die männlichen und weib-
lichen Genitalorgane zum Teil befestigt sind. Für den Begattungs-
akt werden die Knochen mit Hilfe der Körpermuskulatur, besonders
durch den hinteren Schwanzmuskel, der ebenfalls am Becken an-
sitzt, dem großen Druckmuskel, der an 4 Stellen mit dem Becken-
knochen in Verbindung tritt, und durch eine Eeihe von Muskeln,
die am Vorderende oder Femur befestigt sind, in ihrer Lage ge-
halten. Über die Muskulatur der Beckenregion liegen genaue Be-
schreibungen von VvES Delage und Struthees vor.
Aus dem Werke von Struthees möchte ich hier anführen, was
der Forscher über den Unterschied der männlichen und weiblichen
Finwalbecken schreibt. ..These diiferences are more marked than
in the human subject. In the female the pelvic bone ist shorter.
more beut, broader at the angle, and, above all, thinner at and
towards the hinder end, than in the male. The shortness is
partly owing to the greater bend. The greater bend of the bone
in the female is probably related to the diiferences in the external
Organs, or passages. The reason for the exceeding breadth of the
bone at the angle in the female is not evident, unless it be the
greather thickness in the male, and that the genital muscular mass
goes farther forward on the bone in the female." Diese von
Struthees angegebenen Unterschiede können nach meinen Unter-
suchungen nicht als feststehend angesehen werden. Die 3 Becken
des Königsberger Museums, deren Geschlecht sicher ist, weichen
davon ab. Das männliche Becken zeigt die von Steuthers be-
schriebene Form, auch ist das eine weibliche Becken bedeutend
platter ausgebildet als das männliche. Jedoch ist es nicht kürzer
und nicht stärker gebogen als dieses, sondern das Vorderende zeigt
fast gerade nach vorn. Was die Länge anbetrifft, so kann es mög-
lich sein, daß das Männchen ein nicht völlig ausgewachsenes Tier
gewesen ist. Ganz abweichend von der STEUTHEEs'schen Angabe
verhält sich das 2. weibliche Becken. Der Knochen ist am Hinter-
ende nicht abgeplattet, sondern stark entwickelt mit rundlichem
Beckenknocheu bei nord-atlan tischen Barten walen. 539
Querschnitt. Kr übertiiÖ't den männlichen Beckenknochen in der
Län^e um ungefähr 80 mm.
Becken No. 1 (Fig. 1).
(^ aus dem Königsberger Museum.)
Das rechte Becken ist um 10 mm kürzei- als das linke, zeigt
dagegen in der Kegion des seitlichen Vorsprunges eine um 17 mm
größere Breite. Die spiralige Drehung des Vorderendes, die links
stärker auftritt, bewirkt, daß die Breitenmaße des rechten Beckens
die des linken bis um 18 mm (//g des Vorderendes) übertreöen, während
folglich die Dickenmaße beim linken Becken bis um 18,5 mm (Vs des
Vorderendes) größer sind.
Das rechte Becken.
Die Oberfläche des Knochens ist in der Mitte konvex, derart
daß die Fläche nach dem Innenrand und der Spitze des seitlichen
Vorsprunges abfällt. Dieser verschmälert sich rasch bis zu einer
Breite von 31 mm in seiner Mitte und 26 mm an seinem Ende, das
etwas abgeschrägt einige kleine Unebenheiten aufweist. Auf der
Unterseite des Vorsprungs zeigt sich eine starke Verdickung, die
nach hinten zu abgerundet, nach vorn etwas konkav in eine spitze
Erhebung endigt. Die Dicke beträgt hier 33 mm. Mit dem Innen-
rande bildet diese Erhebung in der Mitte des Knochens auf der
Unterseite eine konkave Vertiefung. Nach dem vorderen äußeren
Rand ist der Knochen zu einer scharfen Kante abgeschrägt, der
hintere äußere Rand zieht in konkavem Bogen bis fast zur Mitte
des Hinterendes. Eine wulstartige Erhebung, die den äußeren Rand
begleitet, bewirkt, daß er im Gegensatz zu dem scharfen Vorder-
rande abgerundet erscheint. Weiter nach hinten zu geht der äußere
Rand etwas nach oben, der ihm gegenüberliegende schärfere Innen-
rand nach unten, bis sich beide in dem unregelmäßigen Hinterende
treffen, das zahlreiche kleine Höcker und eine auf der Oberfläche
nach dem Innenrande zu liegende Grube aufweist. Das äußerste
Ende ist abgestumpft, indem der Innenrand zuerst langsam, dann
schneller zum äußeren hinteren umbiegt. Das Vorderende zeigt, wie
schon erwähnt, die für den Finwal t^'pische Drehung. Vom Vor-
sprung geht der scharfe, äußere vordere Rand nach einem Knick,
an dem sich auf der Oberfläche eine wulstartige Erhebung vorfindet,
schräg; nach vorn. Etwa 90 mm von der Biegung entstellt auf der
540 Willy Augustin,
Oberfläche eine dachartige Erhebun;?, die man als eine Fortsetzung
des äußeren Vorderrandes auffassen kann, während sich der erste
in der nach außen liegenden Fläche verliert. (Die Begriffe Breite
und Dicke sind hier schwer auseinanderzuhalten. Steuthers meint,
daß, da die Dicke nach vorn die Breite zu übertreffen beginnt, man
eigentlich beide Begriffe vertauschen müßte. Ich habe aber die alte
Orientierung beibehalten.) Der erst gerundete, neu entstandene Rand
wird schnell schärfer und geht in leicht S-förmiger Biegung bis zum
äußersten Ende, wo ihn der ebenso gebogene Innenrand trifft. Durch
die spiralige Drehung entsteht eine konvexe Innen- und eine mit
mehreren Gruben versehene, von denen eine in der Mitte besonders
stark ausgeprägt ist, konkave Außenfläche. Das äußerste Ende ist
halbkreisförmig abgerundet und ist am dorsal gelegenen Rande 3 mm,
am ventralen 7 mm, am Vorderrande 9 mm dick. Der Innenrand
ist konkav gebogen mit Ausnahme der beiden Enden des Knochens.
Das linke Becken.
Die äußere Form dieser Hälfte ist besonders in der Vorsprungs-
region von der der anderen verschieden. Während rechts die Be-
grenzung nach außen geradlinig ist, ist der Vorsprung hier zuge-
spitzt, die äußerste Spitze etwas nach hinten umgebogen. Die kon-
kave Begrenzung der Verdickung auf der ünterfläche ist hier nicht
so deutlich ausgeprägt. Am Vorderrande des Vorsprungs ist ein
scharfer Einschnitt vorhanden, den ich als einen Überrest des von
Steuthers (1881) erwähnten und von ihm als Foramen obturatorium
gedeuteten anzusehen geneigt bin. Die spiralige Drehung des Vorder-
endes ist stärker als rechts, so daß die Breite bei ^3 des Vorder-
endes um 18 mm geringer ist. Auch das Hinterende ist schmaler,
da der hintere Außenrand und der Innenrand eine nach oben bzw.
nach unten laufende Richtung nehmen. Auch bei dieser Hälfte geht
der vordere Außenrand in der konkaven Außenfläche des Vorder-
endes verloren, und es entsteht aus einer firstartigen Erhebung der
Oberfläche eine neue Kante, die aber nicht so scharf ausgeprägt ist
wie beim rechten Knochen. In diesem weiter nach vorn zu immer
schärfer werdenden Rande bemerkt man einige Einschnitte. Die
konkave Außenfäche weist auch einige Gruben auf, von denen zwei
ganz durchlöchert sind, während bei denen der rechten Hälfte das
Licht nur durchscheint. Das vorderste Ende ist hier etwas mehr
nach außen umgebogen, so daß der Verlauf des sonst konkaven
Innenrandes sich in diesem Teile von dem der rechten Hälfte unter-
Beckenknochen bei uortl-atlaiiti.schen Barteinvaleii. 541
scheidet. Die Oberfläche des Knochens ist in der Mitte konvex, fällt
aber nach dem Yürsprung- zu nicht so schnell ab wie rechts,
Becken No. 2 (Fig. 2).
($ aus dem Königsberger Museum.)
Es besitzt eine ähnliche Form Avie das von 0. Abel abgebildete
aus dem k. k. Naturhisturischen Hofmuseum in Wien. Das Ge-
schlecht des Tieres ist dort als unbekannt bezeichnet, doch dürfte
man kaum fehlgehen, es als ein Weibchen zu betrachten, da bei
den Männchen der seitliche Vorsprung stets stark ausgebildet etwas
hinter der Mitte des Knochens liegt. Das Vorderende, das auf der
rechten Seite gerade nach vorn gerichtet ist, verbreitert sich auf
der Hälfte nach beiden Seiten bis zu einer Breite von 53 mm; der
Innenrand erhält dadurch einen kleinen Vorsprung, so daß von einer
Konkavität des Bandes hier nicht die Rede sein kann, zumal auch
nach dem Hinterende zu der Verlauf des Innenrandes unregelmäßig
wellenförmig ist. Die Verbreiterung des Vorderendes, ebenfalls auf
58 mm, findet auch auf der linken Seite statt, doch wölbt sich hier
nur der Außenrand stark aus. So erscheint mit der spatelartigen
Verbreiteiung des vordersten Endes der Innenrand schwach konkav
gebogen. Von dem fast ebenen Vorsprungsgebiet entsteht auf dem
Vorderende eine dachartige Erhebung, die kurz vor der angegebenen
breitesten Stelle ihre stärkste Ausbildung erreicht. Die Dicke der
Knochen beträgt je 29 mm. Während an dieser Stelle beim linken
Knochen die innere Abschrägung ganz eben, die äußere nur ein
wenig eingesenkt ist, zeigt sich beim rechten innen eine schwache,
außen eine stärkere, muldenförmige Vertiefung. Der bei beiden
Hälften in der Vorsprungsregion scharfe Innenrand wird nach vorn
zu rundlicher, biegt auf der rechten Hälfte vorn kurz nach außen
um, während er auf der linken nach innen eine rundliche Vor-
wölbung besitzt, so daß hier die Breiten links 55 mm, rechts 38 mm
um 17 mm differieren. Der rechte Knochen endigt vorn in einer
stumpfen Spitze, der linke in einem mehrmals eingebuchteten Rande.
Das Vorderende ist auf beiden Seiten etwas nach unten gebogen, so
daß die Unterfläche konkav ist. Der linke Außenrand ist ver-
hältnismäßig scliarf und zieht gerade bis zur breitesten Stelle des
Vorderendes nach hinten, biegt hier um und geht dann in den wellen-
förmig gebogenen Vorderi-and des seitlichen Vorsprunges über. Auf
der rechten Seite nimmt man zunächst vorn einen stumpfen, dann
542 Willy Augustin,
einen zackigen mit der Spitze nach hinten gerichteten Vorsprung
wahr. Von da ab zieht der Außenrand zuerst konvex, dann konkav
nach der Spitze des Vorsprunges hin. Die seitlichen Vorsprünge
sind ihrer Form und Lage nach untereinander verschieden. Der
rechte mehr gedrungen, besitzt am Vorderrande einen Einschnitt wie
den beim vorigen Becken erwähnten. Seine rundliche Spitze ist
nach außen gerichtet. Am Hinterrande, der konkav zum Hinterende
verläuft, zeigt sich ein kleiner abgerundeter Vorsprung. Der Vor-
sprung auf der linken Seite ist schmaler, seine gleichmäßig abge-
stumpfte Spitze überragt nach hinten das bei diesem Knochen stark
rückgebildete Hinterende. Dieses ist auf der i'echten Seite etwas
nach außen umgebogen, links schräg nach innen hinten gerichtet.
Die Dicke .variiert um 6 mm (rechts 3,5, links 9,5). Da hier das
Hinterende so stark reduziert ist, habe ich die Breite des Vorder-
endes an drei Stellen gemessen und diese in der Tabelle mit ^Z^,
^/a, Vi bezeichnet.
Becken No. 3 (Fig. 3).
($ aus dem Königsberger Museum.)
Die Form dieses Beckens ist ganz verschieden von dem eben
beschriebenen weiblichen Becken und dem zuerst besprochenen
männlichen wesentlich ähnlicher. Der stark ausgebildete Vorsprung
liegt mehr nach der Mitte des Knochens zu, der nicht wie beim
anderen weiblichen Becken so abgeplattet erscheint.
Das rechte Becken.
Das schräg nach innen weisende, rundliche Hinterende ist auf
seiner zweiten Hälfte ein wenig nach hinten umgebogen. Die Ober-
fläche ist rundlich konvex und zeigt auf der zweiten Hälfte 3 tiefe,
unregelmäßige Gruben. Am äußersten Ende ist eine schräg nach
hinten oben liegende Fläche wahrzunehmen. Der konkave, rundliche
Außenrand verbreitert sich nach hinten zu, so daß eine Außenfläche
am Knochen entsteht, die in der Struktur ebenfalls zahlreiche Un-
regelmäßigkeiten aufweist. Dasselbe gilt vom Innenrand, der in
der Vorsprungsregion schwach konkav gebogen und sanft gerundet,
nach hinten breiter wird und eine ausgesprochene Innenfläche bildet,
die in der Mitte am breitesten ist und weiter nach hinten, wo die
vorher erwähnten Gruben auf der Oberfläche liegen, schmaler wird
und nach oben und unten unregelmäßig begrenzt ist. Die Unter-
Bockenknuchen bei nord-atlautisclien Barteinvaleu. 543
fläche des Hinterendes ist um änßeifften Knde nach oben abgeschrägt
von unregelmäßiger Struktui-. Nach dem Vorsprunge zu ist die
Fläche am Außenrande stark abgerundet. Am Innenrande ist der
Knoclien verdickt. Es zeigen sich Gruben und eine unregelmäßige,
längliche Kinsenkung auf dieser Seite der Unterfläche. Allmählich
wird die Fläche ebener, bis sie in der Vorsprungsregion eine hori-
zontale Lage einnimmt. Der hier nach unten verdickte Vorsprung,
die Wölbung des Hinterendes und das nach unten gebogene Vorder-
ende lassen diese Partie des Knochens konkav erscheinen. Die Ver-
dickung des Vorsprunges auf der Unterfläche ist nach der Spitze zu
abgerundet und dort am breitesten. Sie zieht pai-allel dem Hinten-
Außenrande nach innen und verschmälert sich. Nach vorn ist sie
abgeschrägt, nach hinten fällt sie steil ab mit einer Einsenkung, die
am Außenrande am tiefsten ist. Die Verdickung ist 50 mm lang
und mißt an der breitesten Stelle. 20 mm von der Spitze, 33 mm.
Die Oberfläche der Vorsprungsregion ist eben, nach dem lunenrande,
der nur hier deutlich ei'kennbar ist, abgerundet. Die Spitze des
Vorsprungs ist etwas nach unten gebogen, wobei der Vorderrand
tiefer zu liegen kommt als der Hinterrand. Die äußere Begrenzung
ist rundlich, nach dem Hinterrande weniger schwach als nach dem
Vorderrande umgebogen. Am Vorderrande, kurz bevor die Fläche
nach dem Vorsprung abfällt, liegt der Einschnitt, der beim Finwal-
becken bereits erwähnt wurde. Die Drehung des Vorderendes tritt
bei diesem Becken gleich hinter der Vorsprungsregion ein. Der
Innenrand des soeben genannten Teiles des Knochens verbreitert sich
und geht in eine leicht konkave Fläche über, die schräg nach innen
unten sieht. An der Grenze des Vorderendes und des Vorsprunges
bildet sich innen ein neuer, scharfer Innenrand aus, der stark nach
oben und etwas nach innen gebogen ist. Von hier fällt die Ober-
fläche sehr schräg nach dem sanft gerundeten, fast gerade gestreckten
Vorderrande ab. Auf der Hälfte des Vorderendes senkt sich der Innen-
rand wieder, biegt etwas nach außen um und zieht in gerader Linie
nach der Spitze des Knochens. Kr verliert allmählich an Schärfe
und geht in kurzem Bogen in die lundliche Fläche über, die den
Knochen vorn begrenzt. Der sich ebenfalls verbreiternde Außen-
rand verläuft dem Innenrande nahezu i)arallel, senkt sich mehr nach
unten, so daß die Richtung der Oberfläche dieselbe bleibt, wie in
der ersten Hälfte des Vorderendes. Nach der Spitze zu wird der
Außenrand wieder schärfer mit unregelmäßigen Vorsprüngen. Die
Oberfläche ist ein wenig eingesenkt mit einer Wölbung am Innen-
544 Willy Augüstin,
rande. Die Unterfläche des Vorderendes zerfällt in 2 Teile. Der
eine ist die Fortsetzun;^ der Fläche der Vorsprungsregion, ist rund-
lich und verschmälert sich nach vorn zu. Der andere Teil entsteht
durch die oben erwähnte Verbreiterung des Innenrandes, ist schräg
von oben innen nach unten außen gerichtet und längs der Mitte
wenig eingesenkt. Im letzten Drittel des Vorderendes, wo der
Außenrand schärfer wird und der Innenrand sich verbreitert, nimmt
die Unterfläche eine mehr horizontale Lage an und erhält in der
Mitte eine Vorwölbung, die nach beiden Seiten sanft abgerundet ist.
Der Vorderrand des Knochens geht in kurzem Bogen in den Innen-,
in längerem Bogen in den Außenrand über. Die Struktur des
Knochens am Vorsprung und den beiden äußersten Enden ist sehr
unregelmäßig.
Das linke Becken.
Das Hinterende ist in Ober- und Unterseite dem rechten sehr
ähnlich, etwas mehr abgeschrägt nach dem Innenrande zu. Es ist
hinten spitzer begrenzt und besitzt keine Endfläche wie das rechte.
Die Oberfläche weist ebenfalls große, unregelmäßige Gruben auf,
zwischen denen gratartige, scharfe Erhebungen liegen. Auch hier
kann man von einer Innenfläche reden, deren Begrenzung mit der
Unterfläche schärfer als auf der rechten Seite ist. In der Vor-
sprungsregion ist die Oberfläche eben, nach dem Innenrande schräg,
nach dem Hinterrande steiler abgerundet als rechts. Die Spitze des
Vorsprunges, die nicht so breit ist wie die rechte, ist ebenfalls nach
unten gesenkt, aber nach hinten umgebogen. An der Biegungslinie
liegt am Vorderrande eine kantige Erhebung und 20 mm davon nach
der Mitte des Knochens zu ein dem Einschnitt auf der rechten Seite
entsprechendes Loch, das nach vorn unten durch den Knochen geht.
In der Verdickung des Vorsprunges auf der Unterseite, die sich
allmählich aus der Unterfläche erhebt und nicht so unregelmäßig
gestaltet ist wie rechts, liegt eine über erbsengroße Vertiefung. Die
Unterfläche zeigt eine Konkavität, in der sich nach dem Vorderrande
zu eine tiefe Grube befindet, die Mündungsstelle der eben erwähnten
Durchlöcherung des Knochens, neben der eine zweite unregelmäßige
Vertiefung wahrzunehmen ist. Neben der Konkavität nach innen
zu liegt eine schwach gewölbte Erhebung, die nach dem Innenrande
abgeschrägt ist und nach der Unterfläche des Vorderendes hin-
zieht. Das Vorderende ist dem rechten ähnlich gestaltet. Der neue
Innenrand entsteht mehr vom Eande weg als rechts, ist unregel-
Beckenknocheu bei nord-atlautischen Barteuwalen. 545
iiiäßi^, aber niclit so scliaif begrenzt wie der rechte. Die Innen-
Unterfläche ist melir ausoehölilt, die Oben- Außenfläche liegt steiler
als auf der rechten Seite. Die Wölbung der Unterfläche des vordersten
Endes, das ebenso wie rechts etwas gedreht ist, ist hier stärker,
die Abschrägung nach außen unregelmäßiger, Außen- und Innen-
rand nicht so scharf und verbieitert wie beim rechten Becken. Die
vorderste Begrenzung ist mehr abgerundet als auf der rechten
Seite. Die Dicke beträgt hiei* 17 mm gegen 13 auf der anderen
Hälfte.
Becken No. 4.
(^Aus dem Naturhistorischen Museum zu Hamburg.)
Das linke Becken.
Das Vorderende erreicht eine größte Breite von 47 mm in etwa
60 mm Entfernung vom Endpunkte. Sein Innenrand ist gleichmäßig
konvex, später leicht konkav. Diese Konkavität setzt sich gleich-
mäßig fort bis fast zum Hinterende des ganzen Knochens. Die
Schärfe der Kante dieses Innenrandes nimmt kurz vor der Vor-
sprungsregion ab, ist aber im ganzen sehr gleichmäßig. Dagegen
verstreicht der sehr scharfe Außenrand in der Außen-Unterfläche des
Vorsprungs. Der nach vorn gerichtete schmale Rand des Vorder-
endes ist nicht scharf, sondern gerundet. Dort dicht am A^'orderende
hat der Knochen ein Dicken maximuni, das sich als Endanschwellung
eines flach gewölbten Rückens, der längs der Oberseite zieht, dar-
stellt. Die Unterseite zumal des vordersten Endes ist eben. Jener
Rücken der Oberseite liegt vorn mehr am Innenrande, hinten zieht
er mehr nach außen und geht in den Vorderrand des Vorsprunges
über. Da der Vorsprung fast senkrecht, nur etwas nach außen ge-
neigt, zur Ebene des Vorderendes steht, so liegt jener Rücken mit
der Vordei'kante des Vorsprungs fast in einer Ebene, während, wie
gesagt, die Außenkante des Vorderendes auf die stark gewölbte
Außen-Unterfläche der Vorsprungsregion zuläuft. Am Vorsprung
prägt sich zwischen seine beiden Kanten und dem Innenrande, die
alle 3 etwas erhaben sind (nach oben), ein flach eingesenktes drei-
eckiges Feld aus. Der Vorderrand des Vorsprunges ist stark konkav,
und sein äußerstes Ende erscheint etwas nach vorn überhängend.
Es prägt sich ein ziemlich selbständiger, wulstartiger Oberrand von
33 mm Länge aus. Der Hinterrand ist schwächer konkav. Die
Außenfläche des Vorsprunges ist da, wo sie in die ebene Unterfläche
546 Willy Augustin,
des Vorder- und Hinterendes übergeht, ebenfalls ziemlich eben, da-
gegen im oberen Teile des Vorsprunges sehr stark gewölbt.
Das rechte Becken.
Das Vorderende erreicht seine größte Breite erst hinter seiner
Mitte mit 45 mm. Diese Angabe ist aber von geringer Bedeutung,
da die scharfe Außenkante (wie auch links) nicht ganz intakt ist.
Die übrigen Verhältnisse des Vorderendes sind ähnlich wie links,
der Verlauf des Rückens ist aber insofern anders, als er hier mehr
auf die Außenseite (vielleicht besser Unterseite) des Vorsprunges
übergeht, wo er in der stärksten Wölbung dieser Seite endet, während
die eigentliche Kante des Vorsprunges etwas innen (oberhalb) von
diesem Ende des Rückens, einigermaßen parallel dazu verläuft. Dies
scheint damit zusammenzuhängen, daß der Vorsprung hier noch
stärker nach oben und innen gekrümmt ist (gegen die Ebene des
Vorderendes gedreht ist) als links. Das Überhängen des Vorsprungs
nach vorn ist geringer als auf der linken Seite. Der Verlauf der
Außenkanten des Vorder- und Hinterendes in die Fläche des Vor-
sprungsgebietes ist hier weniger undeutlich als links. Man kann
hier mehr von einer Unterfläche und Außenfläche der Vorsprungs-
region sprechen, die durch einen starken konvexen Streifen, der die
Fortsetzung der genannten Außenränder darstellt, getrennt werden.
Das Hinterende des rechten Beckens ist etwas schmaler und dicker
als das des linken. Das rechte Becken ersciieint etwas stärker als
das linke.
Becken No. 5.
{^ junges Tier aus dem Berliner Museum.)
Die beiden Seiten zeigen das Bild junger Knochen mit großen
Knorpelkappen an den Enden, die die Messungen der Länge und
der Breite der Vorsprungsregion nicht unbedingt genau vornehmen
ließen. Die Variabilität der Knochen ist sehr gering; die Länge
differiert nur um 2 mm, die Breite der Vorsprungsregion nur um
1,5 mm. Die äußere Form ist die dem Finwal eigentümliche. Die
Ränder sind konkav gebogen, die Oberfläche leicht gewölbt. Der
Innenrand geht am Vorderende in einen ventralen über, so daß der
Querschnitt durch das Vorderende ein Dreieck zeigt, dessen Grund-
linie in der Oberfläche des Knochens, dessen Spitze ventral nach
innen liegt. Die Unterfläche ist in der Vorsprungsregion konkav.
Beckenknocheu bei iKud-atlaiitischen Bartenwalen. 547
Außer diesen 5 ganzen Becken liatte ich nocli 2 luilbe zugesandt
erhalten, deren Beschreibung ich hier folgen lassen will.
Eine besonders starke Abweichung von der charakteristischen
Form des Finwalbeckens zeigt das halbe Becken aus dem Berliner
Museum (Fig. 4), Es ist zu bedauern, daß nur die eine Hälfte vor-
handen ist. denn es wäre von großem Interesse gewesen, diesen eigen-
tümlichen Knochen mit seinem Gegenstück zu vergleichen.
Der Knochen besteht aus einem breiten Mittelstück, von dem
aus das im Verhältnis zur Länge dünne und schmale Vorderende
stark nach unten und innen gebogen verläuft. Auch das Hinterende
weist am Schluß eine Biegung und zwar nach oben auf. Der Vor-
sprung hat nicht die sonst vorkommende dreieckige Form, sondern
zeigt neben der äußeren Spitze nach vorn zu gelegen eine weitere
Ecke, an die sich der konkave äußere Vorderrand anschließt. Die
ebene Oberfläche des Vorsprunges, die eine ganz flache F^insenkung
erkennen läßt, fällt nach innen schräg ab, so daß ein scharfer Innen-
rand gebildet wird. Dieser bleibt nach dem distalen Ende zu er-
halten, verliert sich aber nach dem proximalen Ende zu, das in seiner
1. Hälfte eine stark konvexe Oberfläche und eine ein wenig rund-
liche Unterfläche besitzt. In dem weiteren Verlauf nimmt das Vorder-
ende eine andere Richtung noch mehr, nach innen zu an. An der
Übergangsstelle ist außen eine scharfe Leiste zu erkennen, die all-
mählich in einen mehr dorsalen Rand übergeht. Der innere Rand
ist mehr lundlich. Auf der Oberfläche bildet sich eine längliche
Höhlung aus. Vorn ist der Knochen durch eine schräg nach unten
abfallende, ellipsenförmige Fläche begrenzt. Auf der Unterseite des
Vorderendes bemerkt man eine leistenartige Erhebung, einen ven-
tralen Rand, in der Vorsprungsregion ist die Unterfläche konkav
und zeigt nach der Spitze des Vorsprunges zu eine leichte P^rhebung.
Die Unterseite des Hinterendes ist eben. Das Hinterende weist
einen scharfen inneren Rand auf, der in der 2. Hälfte rundlicher
und etwas konkav gebogen wird. Der äußere Rand geht vom Vor-
sprung leicht gebogen nach hinten. Die nach außen leicht gewölbte,
nach innen schi-äg abfallende Oberfläche zeigt 3 tiefe Gruben. Ganz
am Ende ist der Knochen nach oben gebogen und endet in einen
rundlichen Knopf.
Ein zweites halbes Becken erhielt ich aus Hamburg. Es zeigt
das typische Bild des Finwalbeckens. Der Innenrand ist konkav und
548 Wir.LY AUGÜSTIN,
verliert sich nach vorn zu in die durch eine spiralige Drehung des
Vorderendes schräg nach innen gerichtete Oberfläche. In der Region
des Vorsprunges ist die Oberfläche ziemlich eben und zeigt ein
lockeres Gewebe. Sie fällt schräg nach dem Innenrande zu ab und
geht nach hinten allmählich in den dachartigen Rücken des Hinter-
endes über. Dieser schrägt sich schnell nach dem Außenrande, lang-
samer nach dem Innenrande zu ab. Der Innenrand macht einen
kleinen Bogen nach innen unten, so daß auch hier von einer Drehung
des Hinterendes gesprochen werden kann. Das äußerste Ende ist
schräg abgerundet und mit einer Knorpel kappe versehen. Die größte
Breite beträgt 36 mm, die größte Dicke 29 mm, beides auf der Hälfte
gemessen. Der seitliche Vorsprung ist verdickt und leicht nach
unten gebogen. Schräg vorn unten ist durch eine Kapsel das rudi-
mentäre Femur mit dem Becken verbunden (Glycerinpräparat). Der
Vorderrand bildet mit der Ansatzstelle des Femurs eine rillenförmige
Vertiefung. Die Dicke des Vorsprunges beträgt 49 mm, die Breite
46 mm, etwa 20 mm vom Endpunkte gemessen. Der kurze konkave
Vorderrand geht bald in die schräg nach unten weisende als Unter-
seite aufzufassende Fläche über. Dafür entsteht auf der Oberfläche
ein neuer Rand, der gerade nach vorn zieht und mit dem nach unten
gedrehten Innenrande in einem abgestumpften Vorderende zusammen-
triift. Nach innen unten ist das Vorderende verbreitert. Die Unter-
seite zeigt eine dachartige Erhebung, die Oberfläche eine leichte
Wölbung. Die Unterfläche der Vorsprungsregion ist konkav; sie
geht allmählich in die mehr oder minder stark abgerundeten Ränder
des Knochens über.
Das Becken von Balaetioptera slbhaldi (Blauwal).
Über das Becken dieser Art finden wir in der Literatur
keinerlei Aufzeichnungen, weder haben es van Beneden u. Ger-
vais in ihrer Osteographie erwähnt, noch hat es 0. Abel in der
Morphologie der Hüftbeinrudimente zu seinen Untersuchungen heran-
gezogen.
Im Vergleich mit dem Finwalbecken ist es der äußeren Form
nach ebenso gebaut. Der Innenrand der Knochen ist konkav ge-
bogen, der seitliche Vorsprung liegt ebenfalls etwas hinter der Mitte
der Knochen. Doch ist der seitliche Fortsatz im Verhältnis zur
Länge von Vorder- und Hinterende wesentlich stärker ausgebildet.
"Während beim Finwal Vorder- und .Hinterende mehr oder weniger
Beckenknocheu bei nord-atlantisclien ßartenwalen. 549
nach unten i^ebo<?en sind, sicli also eine deutliche Konkavität der
Untertläche feststellen läßt, sind hier die Knochen ziemlich eben mit
einer Ausnahme, wo das Vorderende auf einer Seite des Beckens
stark nach unten umgebogen ist. Auch sind die Knochen wesent-
lich gleichmäßiger geformt, sie weisen nicht so viele Unregelmäßig-
keiten auf wie die des Finwals.
Über den Unterschied des männlichen und weiblichen Beckens
kann ich nichts berichten, da mir aus dem Königsberger Museum
nur zwei weibliche Becken, aus dem Hamburger naturhistorischen
Museum das Becken eines Tieres, dessen Geschlecht unbekannt ist,
zur Verfügung stand.
Becken No. 1 (Fig. 5).
($ aus dem Köuigsberger Museum.)
Die Knochen besitzen ein etwas längeres Vorder- als Hinter-
ende, der seitliche Vorsprung ist sehr stark ausgebildet. Die Innen-
ränder sind gleichmäßig konkav gebogen. Die Konkavität erreicht
bei der rechten Hälfte 101 mm vom Vorderende ihr größtes Maß
mit 24 mm. bei der linken 95 mm vom Vorderende mit 27 mm. Die
Hinterränder sind ebenfalls konkav, und zwar der rechte 21 mm,
der linke 22,5 mm tief. Die Vorderränder sind am Vorsprung und
am vorderen Ende konvex, dazwischen ein wenig konkav gebogen.
Bei beiden Knochen weist der Vorsprung auf der Unterseite eine
knopfartige Verdickung auf, die etwa 25 mm vom Ende gemessen,
rechts 28 mm, links 31 mm stark ist. Durch diese Erheb img ge-
winnt der Knochen in seinem Mittelteil eine geringe Konkavität,
die aber nach vorn zu sofort wieder verschwindet, da das Vorder-
ende ein wenig nach oben gebogen und nach beiden Seiten zu ab-
gerundet ist. Die Krümmung des Hinterendes nach oben ist kaum
wahrzunehmen, und so zeigt der Knochen auf der Oberfläche nur
am Vorderende eine flache Einsenkung. Der Knochen endigt sowohl
vorn als auch hinten in zwei abgerundeten, in der Aufsicht ellipsenförmig
erscheinenden P'lächen. Die Struktur der Knochen ist solide, mit
Ausnahme an den Rändern und besonders der Mitte des Innenrandes,
Avo sie lockerer erscheint. Die Forraverschiedenheiten sind auf-
fallend gering, variieren sie doch in Länge, Breite und Dicke um
höchstens 2 mm.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst.
36
550 Willy Augustin,
Das rechte Becken.
Die Länge des rechten Knochens ist um 2 mm geringer als die
des linken. Am vordersten Ende beträgt die Breite 34 mm und
nimmt dann nach hinten allmählich zu und erreicht am Vorsprung
eine Größe von 127 mm, 1 mm kleiner als auf der linken Seite. Das
Vorderende, etwas nach oben gebogen, ist auf der Oberfläche ein
wenig, auf der Unterseite stärker abgerundet. Auf der Oberfläche
erkennt man in der Mitte eine flache, längliche Einsenkung, die
sich nach der Vorsprungsregion allmählich verliert. Hier fällt der
Knochen nach dem Innenrande zu ab, ebenso nach dem Ende des
Vorsprunges zu; so entsteht ein kleiner Buckel ungefähr in der
Mitte der Vorsprungsregion. Dieser Vorsprung ist am Ende stumpf
abgerundet und weist am Vorderrande eine kleine, auf der Unter-
seite, wie schon erwähnt, eine starke Erhöhung auf. Das Ende hat
ellipsenartige Form mit unregelmäßigen Höckern und Gruben und
ist etwas nach unten gerichtet. Das Hinterende ist oben wie unten
schwach gerundet, hat auf der Hälfte eine Breite von 43 mm, die
genau mit der der linken Hälfte übereinstimmt. Die Endfläche
zeigt ebenso wie die des Vorderendes und des seitlichen Vorsprunges
kleine Höcker und Gruben. Sonst ist von Unregelmäßigkeiten am
Knochen nichts zu bemerken, mit Ausnahme einiger Rillen auf der
Unterseite.
Das linke Becken.
Wie man aus der Abbildung ersehen kann, ist die äußere Form
der des rechten Knochens vollkommen ähnlich. Das vorderste Ende
ist um 4 mm schmaler, bei -/.^ des Vorderendes ist die Breite um
2 mm größer, bei Vs wieder um 1 mm kleiner, um beim Vorsprung
die der rechten Hälfte wieder um 1 ram zu übertreffen. Der Vor-
sprung zeigt dasselbe Verhalten, die Dickenmaße sind bereits an-
gegeben. Breite und Dicke des Hinterendes sind auf das Milli-
meter genau dieselben wie bei dem rechten Knochen. Während
man aber bei diesem Rillen auf der Unterseite wahrnehmen kann,
finden sich hier solche auf der Oberseite.
(
Beckenknocheu bei nord-atlantischen Bartenwalen. 551
Becken No. 2 (Fig. 6 ii. 7).
($ aus dem Künigsberger Museum.)
DasrechteBecken.
Das Hinterende ist leicht abgerundet und zeigt einen ellipsen-
förmigen Querschnitt. Der Außenrand, der in kurzem Bogen sofort
in den seitlichen Vursprung übergeht, weist ebenfalls eine rundliche
Kante auf. Das Hinterende nimmt in seinem Verlauf nach vorn an
Breite zu, ist aber immer breiter als das Vorderende in den ent-
sprechenden Abschnitten. Die Oberfläche des Hinterendes ist leicht
gewölbt, ebenso die Unterfläche, doch nach dem Vorsprung zu nimmt
der Knochen eine ganz ebene Oberfläche an, die dui'ch das knopf-
artig verdickte Ende des Vorsprunges nach außen hin unterbrochen
wird. Die Wölbung der Unterseite ändert sich nach vorn zu eben-
falls, indem der Knochen nach dem Innenrand zu stärker abfällt
und so eine scharfe Kante bildet. In seiner ganzen Ausdehnung ist
dieser Innenrand von hinten nach vorn gleichmäßig konkav ge-
bogen, zeigt, wie gesagt, vorn und hinten eine sanfte Rundung, in
der Vorsprungsregion aber eine scharfe Kante. Ganz nach dem
Vorderende zu ist er ein wenig nach unten gebogen. Dei" Vorder-
außenrand des Knochens ist nicht so gleichmäßig gebogen wie die
andern Ränder, sondern zeigt in seiner Mitte einen Knick, von dem
aus er fast gerade nach dem Vorderende und dem seitlichen Vor-
sprung verläuft. Nach dem Ende des Vorsprunges zu verlieren sich
die Ränder allmählich und verbreitern sich zu einem starken Knopf,
der unregelmäßig geformt mit seinem Ende nach hinten oben und
etwas nach außen zeigt. Auf der Unterseite des Vorsprunges kann
man eine leichte Wölbung wahrnehmen, die auch zur Verstärkung
des Endes beiträgt. Die Form des Vorsprunges ist fast dieselbe in
der linken Hälfte, nur weist der Kopf nicht eine so starke Aus-
bildung auf.
Das linke Becken.
Auch bei diesem Knochen sind der Innenrand und der Hinten-
außenrand gleichmäßig konkav gebogen. Letzterer zeigt eine sanfte
Rundung. Beim ersteren ist die Rundung am Vordei'- und Hinter-
ende nicht so deutlich wie beim rechten Knochen, auch die Kante
nicht so scharf in dem mittleren Teil des Randes. Das hinterste
Ende ist etwas stärker abgerundet, das Vorderende etwas schmaler
•66*
552 Willy Augustjn,
als rechts. Es ist nach unten umgebogen, hat eine gewölbte Ober-
und eine fast ebene Unterfläche. In der Vorsprungsregion ist die
Unterseite ebenfalls eben, zeigt nur einen schmalen Rücken, wo sie
dachartig nach dem Innenrande zu abzufallen beginnt. Das Ende
des seitlichen Vorsprunges ist dem auf der rechten Seite beschriebenen
ähnlich gebaut. Was die Struktur beider Knochen betrifft, so ist
sie mit Ausnahme an dem erwähnten Innenrande, wo sie etwas
lockerer ist. solide zu nennen.
Becken No. 3.
(Aus dem Naturhistorischen Museum zu Hamburg.)
Das linke Becken.
Das unregelmäßige, in seiner Struktur lockere vorderste Ende
verbreitert sich allmählich, bis es auf 45 mm vom Endpunkte eine
Breite von 53 mm erreicht. An dieser Stelle ist am Innenrande
eine ausgesprochene, fast eckige Vorragung, die besonders von der
Unterseite gesehen sehr deutlich wird. Dagegen ist der Außenrand
gleichmäßig gebogen. An der Unterseite ist der Knochen in dieser
Breite konkav. Es sind nämlich die letzten 45 mm gegen den
Hauptteil des Beckens etwas nach unten gebogen. Zugleich ist das
vorderste Ende gegen den Hauptteil des Vorderendes in dem Sinne
gedreht, daß es mit seiner Unterfläche nicht rein nach unten, sondern
etwas nach innen sieht. Von der erwähnten Stelle verschmälert
sich der Knochen von oben gesehen allmählich bis ungefähr 120 mm
vom Vorderende, wo er eine Breite von 35 mm besitzt. Danach ver-
breitert er sich wieder bis zur Stelle des Vorsprunges und zwar
anfangs langsamer, dann schneller, so daß die beiden Ränder (innen
und außen) konkav und zwar am stärksten in kurzer Entfernung
vor dem Vorsprung gebogen sind. Der Innenrand ist viel weniger
gebogen als der Außenrand, auf dem größten Teil seiner Länge fast
gerade. Etwa 25 mm von dem Fußpunkt eines von dem Gipfel des
Vorsprunges auf den Innenrand gefällten Lotes hat dieser eine
schwache Vorwölbung. Die Dicke des Knochens nimmt (von 45 mm
vom Vorderendpunkte aus an) nach hinten allmählich zu bis zur
Stelle der geringsten Breite, wo die Dicke 27 mm beträgt. Von
dort nimmt sie zunächst ab, dann aber in der äußeren Hälfte, wo
der Knochen in den Vorsprung übergeht, wieder zu, während sie an
der inneren Hälfte bis zu der Stelle, wo der erwähnte kleine Innen-
Beckeuknochen bei iioid-atlantiscbeu Barteuwalen. 553
randvorspriinof sitzt, fortdauernd abnimmt. IVrit der Dickenabnahme
geht eine allniälilic lie Zusehärfiin«;- des Innenrandes Hand in Hand.
Dieser Rand ist ursprünglich (45 mm vom Endpunkte aus an) ge-
rundet, senkt sich bis zur schmälsten Stelle hin etwas nach unten
und steigt dann wieder unter allmählicher kantenartiger Verschär-
fung an. Der Außenrand ist dagegen am schärfsten in der 45 mm-
Region und bleibt dann bis zum Gipfel des Vorsprunges hin gleich-
mäßig gerundet. Dabei scheint er von außen gesehen etwas nach
oben gewölbt, hauptsächlich infolge der Drehung des Vorderendes.
In der Region des Vorsprunges ist die Unterseite eben, die Ober-
seite erscheint in der inneren Hälfte flach ausgehöhlt. Das liegt
teils an der erwähnten Verdünnung der inneren Hälfte des Knochens,
teils daran, daß von hier an das Hinterende sich aufwärts biegt.
Die flache Mulde an dieser Stelle wird am Anfang des Hinterendes
noch auffälliger dadurch, daß Innen- und Anßenrand hier etwas
erhaben sind. Auf der unteren Seite tritt gerade das Umgekehrte
ein. Die erste Hälfte des Hinterendes ist in der Mitte etwas vor-
gewölbt und an den Seiten eingesenkt. Ungefähr bis zur j\Iitte des
Hinterendes ist der Innenrand noch hauptsächlich in der Fortsetzung
des Innenrandes des Vorderendes gelegen und wie dieser nur sehr
wenig gekrümmt. Er nimmt aber an Schärfe wieder ab und ist im
Beginn des letzten Drittels des Hinterendes, wo eine gleich zu
erwähnende Kante an der Unterinnenseite beginnt, ziemlich ver-
laufen. Er scheint infolge der neuen Kantenbildung an dieser Stelle
etwas nach der Oberseite hinzuziehen. Der Außenrand der vorderen
Hälfte des hinteren Teiles ist dagegen stark konkav, zuerst mehr,
dann weniger. Er läßt sich auch bis zum Endpunkt des Knochens
verfolgen und ist gerundet. Diese Rundung ist gering in der Mitte
der Vorderhälfte des Hinterendes, nimmt dann zu, weil der Knochen
sich verdickt, und schließlich wieder ab bis zur Spitze. Etwas
hinter der Mitte des Hinterendes hat der Knochen einen fast kreis-
förmigen Querschnitt von ca. 25 mm Durchmesser. Von dieser Stelle
biegt sich das schmale Hinterende stärker nach oben und innen.
Infolgedessen sind hier Ober- und besonders Innenseite konkav,
Unter- und besonders Außenseite konvex. Gleich danach beginnt an
der Grenze der Innenseite mit der Unterseite jene schon erwähnte
Kante mit ihrem ziemlich deutlichen Vorsprung. Diese Kante ver-
streicht nach dem Ende zu allmählich wieder. Sie ist sozusagen
das beherrschende Element vom Bau des letzten Endes. Das aller-
554 Willy Aügustin,
äußerste, ein paar Millimeter lang-e, unreg-elmäßige Ende des Knochens
ist etwas hakenförmig nach oben gebogen.
Das rechte Becken.
Das vorderste Ende hat einen 10 mm breiten, warzigen Vor-
sprung. Die breiteste Stelle liegt gegen 30 mm vom Endpunkt ent-
fernt. Die Breite am Innenhöcker ist etwa 44 mm. Der rechten
Hälfte ähnlich sind die Drehung des Vorderendes, die hier schwächere
Konkavität der Unterseite, die Verschmälerung nach hinten (Minimum
bei 150 mm 37 mm), der Kanten- und Flächenverlauf. Die Innen-
kante des Vorderendes senkt sich jedoch nicht wie links zunächst
nach unten, sondern ist von innen gesehen bis zur Vorsprungsregion
hin ziemlich gleichmäßig konkav. Der Innenrandvorsprung, hier
mehr ungleichmäßige Vorwölbung, liegt etwa 55 mm von dem Fuß-
punkt des Lotes von der Spitze des Vorsprunges auf den Innenrand.
Er hebt sich stärker als links heraus. Da sich ebenso der Vor-
sprung, von dem die Innenunterkante des hintersten P^ndes beginnt,
stärker hervorwölbt, so ist der Innenrand zwischen diesen beiden
Vorsprüngen stärker konkav als links. Weil auch die Kante stärker
als links entwickelt ist, so erscheint dies letzte Ende breiter als
dort. Das Hinterende ist etwa 30 mm kürzer als das linke. Die
Dicke des Knochens ist im allgemeinen beim rechten Becken geringer
als an den entsprechenden Stellen des linken.
Das Becken von Balaenoptera horealis (Seihwal) (Fig. 9 — 20).
Die Aufzeichnungen über das Seihwalbecken sind sehr spärlich.
Außer den Abbildungen bei Rüdolphi, die in der Einleitung erwähnt
wurden, und Steijthees (1893) sind weitere mir nicht bekannt.
Jedoch ist im Königsberger Museum eine größere Anzahl vorhanden,
so daß ich mit dem aus dem Berliner Institut die Beschreibung von
13 Becken geben kann.
Bei dem Becken läßt sich sofort der Unterschied von Männchen
und Weibchen erkennen. Das männliche Becken ist im Gegensatz
zum weiblichen durchweg rundlicher. Während bei dem weiblichen
der seitliche Vorsprung deutlich erkennbar ist, da die Knochen
platter geformt sind, macht er sich beim Männchen nur durch eine
Verdickung bemerkbar, die fast in der Mitte des leicht gebogenen
Knochens liegt. Im Gegensatze zum Fin- und Blauwalbecken ist
der Vorsprung hier bedeutend mehr rückgebildet. Zur Orientierung
\
Beckenknocheu bei nord-atlantischen Bartenwalen. 555
des Vorder- und Hintei-eiides dient ein kleiner Einschnitt, der kurz
vor dem Vorsprunf? im Vorderende liegt und der dem Einschnitt
beim Finwalbecken entspricht. Wo dieser nicht deutlich zu erkennen
ist, ist die richtiofe Orientioi-uno: äußerst schwlerij^, da bei der großen
Formverschiedenheit irgendwelche andere Merkmale nicht in Be-
tracht kommen. Gewöhnlich ist aber das Vorderende ein wenig
abgeplattet. Beim Weibchen ist das Hinterende stets breiter als
das Vorderende, das sich nach vorn zu verjüngt.
Becken von Männchen.
Becken No. 1.
Der Innenrand der Knochen ist konkav. Durch die spatelfürmige
Verbreiterung des vordersten Endes nimmt die Konkavität nach vorn
zu. Der Außenrand ist von hinten bis zum Vorspi'unge leicht
konvex, wird dann aber ebenfalls durch die Verbreiterung des
Vorderendes konkav. Außerdem sind Vorder- und Hinterende nach
unten gebogen, w^obei der Außenrand tiefer zu liegen kommt als der
Innenrand. Durch diese Drehung werden die Begriffe Breite und
Dicke undeutlich; ich habe die Breite von innen oben nach außen
unten, die Dicke senkrecht dazu gemessen. Vor der Vorsprungs-
region nach außen liegt deutlich erkennbar der erwähnte Einschnitt.
Die Form des Vorsprunges ist stark verschieden, beim rechten
Knochen mehr kantig, nach außen steil abfallend, beim linken mehr
wulstfürmig, nach außen hin abgerundet. Kurz vor und hinter dem
Vorsprung weisen die Enden der Knochen die kleinsten Breiten auf.
Nach hinten zu werden sie wieder breiter, erreichen aber nicht die
Breite des vordersten Endes. Der Innenrand biegt hinten allmählich
um, der Außenrand dagegen zeigt hinten eine scharfe p]cke. Beim
rechten Knochen ist das Hinterende geradlinig begrenzt, beim linken
ist ein zackiger Vorsprung vorhanden. Die Oberflächen der Knochen
sind hinten weniger, vorn mehr gerundet, die Unterflächen mit Aus-
nahme der Vorsprungsregion abgeplattet. Im allgemeinen gilt beim
männlichen Becken, daß das Vorderende ein gleichmäßig glattes,
das Hinterende dagegen ein unregelmäßiges, Erhebungen und Ver-
tiefungen zeigendes Aussehen haben.
556 WlI.LY ArGUSTIN,
Becken No. 2.
Wie bei dem zuerst beschriebenen Becken ist das Vorderende
abgeplattet, das Hinterende mehr rundlich am äußersten Ende nach
innen unten umgebogen mit unregelmäßiger Struktur. Der konkave
Innenrand biegt am Vorderende nach außen um, so daß das vorderste
Ende etwas zugespitzt nach außen unten zeigt. Der Einschnitt vor
dem Vorsprung ist beim linken Knochen deutlich zu erkennen. Die
Breiten des Vorsprunges stimmen mit den Maßen des ersten Beckens
fast vollkommen überein, links 25,5 (25,5), rechts 32 (32,5) mm. Der
Vorsprung ist knopfartig verdickt, unregelmäßig nach außen ab-
fallend und zeigt beim linken Beckenknochen vorn eine kleine Ein-
schnürung. Ober- und Unterseite zeigen dasselbe Bild wie beim
Becken No. 1. Besonders stark auffallend ist der Längenunterschied
von 28 mm (links 245, rechts 217 mm).
Becken No. 3.
Der Innenrand ist nur am Vorderende schwach konkav, am
Hinterende ist er geradlinig, bildet vor dem äußersten Ende eine
Ecke und geht in den stumpfen, rundlichen Hinterrand über. Der
Außenrand ist beim Hinterende ein wenig konkav, beim Vorderende
ein wenig konvex. Er verliert sich hier in dem platten Vorderende,
das nach innen oben in eine Spitze ausläuft. Aus der schwach ge-
bogenen Unterfläche bildet sich ungefähr auf der Hälfte des Vorder-
endes ein neuer Außenrand aus, der dann das verbreiterte Vorder-
ende begrenzt. Der Vorsprung ist beim linken Knochen kaum noch
zu erkennen, beim rechten nur durch eine kleine Ecke, die vielleicht
von dem oben erwähnten Einschnitt gebildet wird. Jedenfalls bietet
der Knochen durch den abweichenden Verlauf der Innen- und Außen-
ränder, sowie durch den fast vollständigen Wegfall des Vorsprunges
ein vollkommen anderes Bild.
Becken No. 4.
Der Innenrand ist beim rechten Knochen in der Mitte und einem
Teil des Vorderendes schwach gekrümmt, bildet dann einen Knick
und geht geradlinig nach vorn, wo er mit dem Vorderrande beinahe
einen rechten Winkel bildet. Beim linken Knochen ist das Hinter-
ende innen geradlinig begrenzt. In der Vorsprungsregion macht
sich eine kleine Konkavität bemerkbar. Das Vorderende hat dann
wieder einen geraden Innenrand. Dieser geht allmählich in die fast
Beckenknochen bei nord-atlantischen Bartenwalen. 557
kreisförmige Beoreiizung des Vorderendes über. Der Aiißenraud ist
rechts gleiclimäßig gebogen, nach dem Hinterende zu mehr gerade.
Links ist der Knochen am Vorder- und Hinterende geradlinig be-
grenzt mit einer schwaclien Krümmung am Vorsprung. Die Kon-
kavität der Unterfläche, die bei den vorher beschriebenen Knochen
vorhanden war, ist hier beim linken Knochen fast vollständig ver-
schwunden, beim rechten am Vorderende noch zu erkennen. Es ist
dies dadurch zu erklären, daß das Hinteiende ein wenig nach oben
gebogen ist, die Knochen also, wenn man bei dem rundlichen Quer-
schnitt des Hinterendes von einer Oberfläche sprechen darf, eine
konkave obere Fläche besitzen. Das Hinterende besitzt viele un-
regelmäßige Erhebungen, ist am rechten Knochen mehr rundlich,
beim linken spitzer begrenzt. Den Vorsprung bildet links eine
flache Kuppe mit der Fläche nach oben, die mit dem Innenrand eine
rillenartige Vertiefung bildet, nach vorn durch den Einschnitt be-
grenzt. Eechts ist der Vorsprung weniger deutlich ohne ausge-
sprochene Oberfläche. Der Einschnitt ist fast verschwunden. Doch
kommt die äußere Form der Knochen durch den gebogenen Innen-
rand der gewöhnlichen Form des Beckens beim männlichen Seihwal
noch ziemlich nahe.
Becken No. 5.
Die Knochen unterscheiden sich von den anderen von mir unter-
suchten besonders durch das massige, wesentlich stärker ausgebildete
Hinterende. Das im Vergleich mit diesem schwache Vorderende
hat eine dem Becken No. 2 und Xo. 3 sehr ähnliche Form. Es ist
auf dei' Unterseite eben, oben ein wenig gewölbt. Der Außenrand
vom Vorsprung ab verläuft in der Oberfläche, dafür entsteht ein
neuer, der in einem Bogen nach dem vordersten, nach innen weisen-
den Ende verläuft. Auch sind diese Knochen wie No. 2 und No. 3
langgestreckt; der Innenrand ist nur am Vorderende konkav. Der
Vorsprung ist nicht sehr deutlich ausgebildet, links etwas breiter
als rechts. Das Hinterende zeigt eine von allen anderen Becken
abweichende Form. Vom Vorsprung verläuft nach hinten dachfirst-
artig eine Erhebung, die beim rechten Knochen ziemlich in der
Mitte liegt, nach beiden Seitenrändern gleichmäßig abfällt und nach
hinten zu allmählich verschwindet. Auf der linken Seite entsteht
diese Erhebung zuerst in der 2. Hälfte des Hinterendes und ist
schärfer ausgeprägt. Sie liegt weiter nach außen zu, fällt steil nach
dem Außenrande und schräg nach dem Innenrande zu ab. Auch
558 Willy Aügustin,
verschwindet sie dann niclit wie auf der rectiten Hälfte, sondern
bleibt deutlich zu erkennen bis zum hintersten Ende, wo sie all-
mählich mehr nach der Mitte des Knochens hinzieht. Die Unter-
fläche ist bei beiden Hinterenden eben, so daß der Querschnitt des
Hinterendes rechts die Form eines gleichschenkligen, links die eines
rechtwinkligen Dreiecks hat. Was die Länge der Knochen betrifft,
so sind sie mit rechts 289 mm, links 270 mm die längsten, die ich
beim Männchen gefunden habe.
Becken No. 6.
Das Hinterende ist lang gestreckt von rundlichem Querschnitt.
Auf beiden Seiten läuft es in eine Spitze aus und zeigt eine un-
regelmäßige Struktur. Auf der linken Hälfte bildet sich wie bei
der des Beckens No. 5 eine dachflrstartige Kante, aber wesentlich
schwächer als dort aus. Das äußerste Ende ist hier nach unten
umgebogen, die Unterseite schräg vom tiefer liegenden Außenrande
nach dem Innenrande aufsteigend. Auf der Unterseite des rechten
Knochens bildet sich von der Vorsprungsregion an zunächst eine
schwach rillenartige Vertiefung mit einer nach außen zu liegen
kommenden kantigen Erhebung aus. Diese wird nach hinten zu
mehr in die Mitte verlagert und rundlicher, so daß hier im Gegen-
satz zur linken Hälfte eine ebene Unterseite nicht besteht. Der
Vorsprung ist deutlich ausgebildet, der Einschnitt auf der rechten
Seite gut erkennbar. Das außenliegende Ende des Vorsprunges ist
etwas nach unten gebogen und hat auf der linken Seite nach unten
eine kantige Erhebung. Wesentlich verschieden von allen vorher
beschriebenen sind die Vorderenden ausgebildet. Sie sind ähnlich
wie beim Finwalbecken spiralig gedreht und zwar derart, daß der
Innenrand, nach oben und etwas nach außen, der Außenrand nach
unten innen zu liegen kommt. Die Knochen endigen in eine spitze
Form oben und zeigen von der Seite gesehen dieselbe Verbreiterung
wie die anderen Knochen. Während ich bei Knochen mit schräg
liegendem Vorderende die Breite von oben außen nach unten innen
gemessen habe, bin ich bei diesem Becken davon abgewichen, da
das Vorderende fast um 90*^ gedreht ist. Der Knochen hat also
z. B. (links ^j.^ gemessen) eine Breite von nur 11 mm, dagegen eine
Dicke von 29 mm.
Beckenkuochen bei nord-atlantischen Bartenwalen, 559
Becken von Weibchen.
Becken No. 7.
Die Knochen sind innen konkav gebogen. Doch erstreckt sich
die Rundling nur auf die Vorsprungsregion und die 1. Hälfte des
Hinterendes. Das Vorderende zielit gerade nach vorn innen. Auf
der Hälfte des Hinterendes bildet der Innenrand einen konvexen
Bogen und geht dann gerade nach hinten, wo er den Hinterrand in einer
scharfen Ecke trifift. Der Außenrand verläuft am Hinterende leicht
konkav, bildet dann auf beiden Beckenhälften einen Vorsprung, zieht
schräg nach hinten innen und geht in die rundliche Begrenzung des
Hinterendes über. Am Vorderende läuft der Außenrand dem Innen-
rande parallel und biegt auf der linken Hälfte langsam nach der
Spitze des Knochens um, schweift auf der rechten Seite aber kurz
vorher noch einmal nach außen ab. Ober- und Unterfläche sind
sehr unregelmäßig gestaltet. Die Oberfläche ist in der Vorsprungs-
region rechts ziemlich eben und nach außen abgeschrägt. Auf der
linken Seite ist sie leicht gerundet. Mehr nach dem Voiderende zu
wird der Knochen platter, und zwar liegt der Innenrand höher als
der Außenrand. Auf der rechten Hälfte tritt die Senkung des
Außenrandes erst auf der 2. Hälfte des Vorderendes vom Vorsprung
aus gerechnet auf. An der Stelle, wo die oben erwähnte Aus-
schweifung des Außenrandes liegt, bildet sich eine flache Grube.
Die Oberflächen der Hinterenden sind in der 1. Hälfte ziemlich gleich
gerundet, dann fällt bei dem rechten Knochen die Fläche nach
außen ab und bildet hier mit dem vorspringenden Außenrand eine
längliche Einsenkung, in der eine fast erbsengroße Grube liegt.
Auf der Unken Seite bleibt die Richtung der Oberseite horizontal
und zeigt auf der dem dortigen Vorsprunge des Außenrandes gegen-
überliegenden Seite eine flache Einsenkung. Am äußersten Ende
ist der rechte Knochen etwas breiter als der linke. Auch die Unter-
flächen bieten verschiedene Bilder. Vom Vorsprung zieht ein rund-
licher Rücken auf der nach außen liegenden Seite nach dem Hinter-
ende, auf der linken Seite stärker entwickelt als auf der rechten.
Ihn begleitet auf der Innenseite eine längliche, flache Rille. Nach
außen schrägt sich der Rücken links allmählich ab, rechts fällt er
steil ab. Weiter nach hinten ist die Unterseite abgerundet, die
äußersten Enden etwas nach unten umgebogen. Die Unterfläche
des linken Vorderendes steigt gleichmäßig schräg von außen nach
560 Willy Augustik,
innen an und geht weiter nach vorn in eine horizontale Lage über.
Auf der rechten Seite entsteht auf der Hälfte des Vorderendes eine
kantige Erhebung, so daß die Fläche hier schräger als links zu
liegen kommt. Der Übergang in die horizontale Lage geht hier
rascher von statten, so daß eine deutliche Grenze zu erkennen bleibt.
Becken No. 8.
Auch bei diesem Becken sind die Innenränder konkav gebogen
vom vordersten Ende bis zur zweiten Hälfte des Hinterendes. Ähnlich
wie bei dem vorher beschriebenen Becken biegt der Innenrand dort
nach hinten um und geht allmählich in die fast halbkreisförmigen
hinteren Begrenzungen der Knochen über. Die Außenränder sind
vorn ein wenig konvex, hinten ein wenig konkav. Die Vorsprünge
sind sehr deutlich ausgebildet und endigen rechts gerade abge-
schnitten, links in einen rundlichen Knopf. Auf der linken Seite ist
die von Struthers beim Finwal als Foramen obturatorium gedeutete
Öffnung vorhanden, während sich auf der rechten Seite nicht einmal
eine Spur davon vorfindet. Die fast ebene Oberfläche des Vorsprunges
wird beim Hinterende gleichmäßig gewölbt und liegt horizontal. Am
Vorderende ist die Oberfläche zunächst eben, rechts ein wenig ein-
gesenkt. Dann tritt eine Drehung des Vorderendes ein, so daß die
Oberfläche schräg nach außen zu liegen kommt. Der Innenrand geht
in eine Innenfläche über. Ihre kantige Begrenzung mit der Ober-
fläche zieht bis zum vordersten Ende, das wie das Hinterende halb-
kreisförmig begrenzt und etwas schmaler als dieses ist. Die Unter-
flächen weisen am Hinterende und in der Vorsprungsregion ein den
Oberflächen ähnliches Bild auf, bei den Vorderendeu jedoch sind sie
stark gewölbt, auf der linken Seite nach innen abgeplattet.
Becken No. 9.
Das vorliegende Becken ist ähnlich wie das No. 7 gebaut. Der
Innenrand ist konkav gebogen, geht auch nach hinten zu in einen
leicht konvexen Bogen über. Beim rechten Knochen ist kurz vor
dem Ende ein kleiner Vorsprung bemerkbar, dem auf der linken
Seite eine breitgedrückte Fläche entspricht. Der Außenrand ist am
Hinterende konkav gebogen, zeigt auch den oben erwähnten Vor-
sprung und läuft dann schräg nach innen in die rundliche hintere
Begrenzung des Knochens. Der Außenrand des Vorderendes ist
wellenförmig geformt und geht links in langem, rechts in kurzem
Bogen zur vordersten Spitze. Die seitlichen Vorsprünge sind sehr
Beekeukuocheu bei iiurd-iitlantiseheu Baitenwalen. 561
unregelmäßig- und verscliiedeii gel)ildet. Auf der rechten Seite kann
man drei Krliel)nn*;en erkennen, von denen eine länglich runde oben,
die beiden anderen durch einen kleinen Einschnitt getrennten nach
außen liegen. Tiinks zeigt sich eine runde, abgeplattete Fläche
schräg außen, darunter ein tiefer Einschnitt und eine scharfe Kante.
Bei der Oberfläche wechselt Form und Richtung sehr oft. Am Hinter-
ende in der (legend des Yorsprunges am Außenrande ist sie eben,
nach außen links allmäiilich, rechts steil abfallend, wobei sich hier
eine einen stumpfen Winkel bildende Kante ausprägt. Dann er-
scheint sie horizontal gelegen links rundlicher als rechts. Am Vor-
sprung macht sich auf beiden Seiten eine kleine Einsenkung be-
merkbar, darauf senkt sie sich schräg nach innen, nach außen ist
sie abgerundet. Hier bildet sich rechts ein wulstförmiger Rücken
aus, der erst kurz vor dem vordersten Ende verschwindet, wobei
ungefähr auf der Hälfte eine flache Einsenkung entsteht. Links
ist dieser Rücken nicht so stark erhaben, auch die Einsenkung ist
nicht so stark ausgeprägt. Bevor der Knochen am vordersten Ende
platter wird, liegt eine schräg nach innen abfallende Fläche, die mit
der weiteren Oberfläche stumpfwinklige Kanten bildet. Die Unter-
flächen sind weit regelmäßiger gebaut, beim Hinterende, dem Vor-
sprung und dem ersten Drittel des Vorderendes von außen unten
nach innen oben gelagert. Dann gehen die Flächen durch eine
Drehung in eine horizontale Lage über, wobei auf beiden Seiten in
der Drehungsachse eine rechts stärker als links ausgebildete Wölbung
entsteht. Ln vordersten Ende kann man unregelmäßige Gruben auf
beiden Unterflächen erkennen.
Becken No. 10.
Der Bau dieses Beckens ist von den anderen weiblichen Becken
in seinem Hinterende sehr abweichend. Der konkave Innenrand
biegt auf Vs vom Vorsprung gerechnet nach hinten um, um in fast
gerader Linie weiter zu verlaufen. Der Außenrand ist fast gerade
gestreckt und bildet nur mit dem Voi-sprung eine geringe Konkavität.
Nach dem Ende zu biegt der rechts tiefer liegende Rand nach außen
um, wodurch besonders in der linken Hälfte ein starker Vorsprung
entsteht, den man hier als das nach außen umgebogene Ende des
Knochens auffassen kann. Der Innenrand biegt links allmählich in
den Hinterrand um, der seinerseits in flachem Bogen den oben er-
wähnten V^orsprung erreicht. Auf der rechten Seite bildet der Innen-
rand mit der hintersten geradlinigen Begrenzung fast einen rechten
562 Willy Augüstin,
Winkel; der Verlauf des Außeurandes von hier bis zum Vorsprung
ist ebenfalls gerade. Beide Enden sind nach außen umgebogen, wo-
bei die Biegungsstelle rechts deutlicher als links markiert ist. Die
Struktur des Hinterendes ist besonders beim rechten Knochen im
Gegensatz zu den anderen untersuchten sehr locker, so daß die Ober-
fläche zahlreiche Vertiefungen und Erhebungen aufweist. Die linke
Hälfte ist verhältnismäßig eben mit einem kleinen Rücken in der
Nähe des Vorsprunges, die rechte durchweg etwas konkav sanft nach
dem Außenrand umgebogen. Auf beiden Seiten sind die Flächen
etwas schräg nach innen gerichtet. Die seitlichen Vorsprünge sind
sehr stark ausgebildet mit großen, in der Form verschiedenen Er-
hebungen auf der Oberfläche. Links steigt die Oberfläche vom
Hinterende her allmählich an, bildet einen kreisförmigen Hügel mit
einer pfannenartigen Einsenkung, die vielleicht der Überrest einer
Acetabularregion ist. Nach außen geht die Erhöhung in die knopf-
artig abgerundete Begrenzung des Vorsprunges über, nach vorn fällt
sie steil ab. Auf der rechten Seite kann man zwei Erhebungen er-
kennen, eine nach oben gerichtete flach eingesenkte, die stärker als
die links hervortritt, und eine nach außen gerichtete abgerundete,
die beide durch eine Mulde getrennt sind. Die Innenränder der
Vorderenden sind konkav, die Außenränder konvex gebogen, wobei
die letzteren kurz vor dem äußersten Ende noch eine kleine Kon-
kavität aufweisen. Die Spitzen sind nach innen umgebogen und
stumpf begrenzt. Die Oberflächen, von denen die rechte zum Teil
noch die lockere Struktur des Hinterendes besitzt, zeigen auf der
ersten Hälfte eine flache Einsenkung und gehen nach innen und
außen in sanfter Rundung in die Ränder über. Sie sind weiter nach
vorn, wo der Außenrand konkav ist, etwas eingesenkt, was durch
die Höherlagerung des vordersten Randes hervorgerufen wird. Die
Unterflächen sind beim Vorderende nur an der Spitze eben, dann
bis fast zum Ende des Knochens auf beiden Hälften leicht gewölbt
mit Ausnahme der Vorsprungsregion, wo rechts eine flache Grube
mit einer nach außen sich anschließenden kleinen Erhebung vorhanden
ist, während links die Fläche gleichmäßig bis zur Spitze des Vor-
sprunges ansteigt. Am hintersten Ende, wo die Knochen nach unten
umgebogen sind, liegen zwei Gruben. Auf der linken Seite liegt die
Einsenkung mehr nach dem Innenrande zu, ist tiefer ausgehöhlt als
rechts und durch einen kleinen Wulst in zwei ungleiche Teile ge-
trennt. Rechts zeigt sich eine flache Einsenkung mehr nach außen
hinten, die daneben liegende Fläche steigt schräg zum lunenrande an.
Beckenknocben bei iiord-atlantischen Bartenwalen. 563
Becken No, 11.
Die Innenränder sind konivav gebogen, von einem Ende bis
zum anderen, so daß im Gegensatz zu allen anderen Becken die
Riclitungsänderung am Hinterende nicht eintritt. Auch die vorderste
Begrenzung des Vorderendes weicht von den vorher beschriebenen
ab, Sie sind vorn stumpf abgeschnitten wie am Hinterende, jedoch
deutet die Form einer am linken Knochen befindlichen Knorpel-
kappe auf die sonst gewöhnliche spitze Endigung hin. Der Außen-
rand am Vorderende ist fast geradlinig, links ein wenig konkav^
rechts ein wenig konvex. Am Vorderende macht sich eine kleine
Drehung bemerkbar, die Oberfläche fällt von innen nach außen
schräg ab. Die Knochen sind hier dicker als weiter nach dem Vor-
sprung zu, der linke breiter als der rechte. Die Oberfläche ist auf
der linken Seite durchweg platter als auf der rechten, wo sie mehr
rundlicher erscheint. Es bildet sich nämlich auf der rechten Hälfte
in der Vorsprungsregion ein rundlicher Sattel aus, der in der Mitte
des Knochens verläuft und am Hinterende ein wenig nach außen
verlagert ist. Auf der linken Seite ist ebenfalls eine Erhöhung vor-
lianden. Sie ist aber kantiger geformt, liegt fast an der Spitze des
Vorsprungs und geht dann in den Außenrand des Hinterendes über.
Von dem Rande aus ist die Oberfläche ein wenig rundlich und fällt
dann allmählich nach dem Innenrande zu ab, während auf der
rechten Seite eine rundliche Fläche schräg nach innen, eine andere
steiler nach außen gerichtet ist. Die Unterflächen zeigen in der
Vorspruiigsregion eine längliche, flache Einsenkung. gebildet von
dem Innenrande und einer Verdickung des Vorsprunges nach unten,
die auf der rechten Seite gleichmäßig rundlich, auf der linken Seite
stärker, spitz und mit zwei unregelmäßigen Einsenkungen versehen
entwickelt ist. Die Unterflächen des Hinterendes sind eben, schräg
von innen unten nach außen oben gerichtet. Beim Vorderende sind
die Unterflächen bis zur Hälfte eben, dann wölben sie sich vor. wo-
durch die oben erwähnte Verdickung des vordersten Endes entsteht.
Becken No. 12.
In der äußei'en Form ähnelt dieses Becken dem No. 9, doch ist
es durchweg schmaler als jenes. Untereinander weisen beide
Knochen große Formverschiedenheiten auf, wie ich sie bei den
anderen nicht gefunden habe. Der Inneniand des rechten Knochens
ist vorn zunächst konvex, wird dann konkav, zieht weiter gerad-
564 Willy Augüstin,
linig bis zum Vorspriing-, von wo aus er in langem konkavem Bogen
bis zum Hinterende gelit. Hier verläuft er wieder konvex und
macht dann durch das nach innen gebogene hintere Ende noch einen
kleinen konkaven Bogen. Auf der linken Seite ist der Innenrand
zunächst vorn fast geradlinig mit geringer Wellenform und verliert
sich dann in einer Erhöhung der Unterfläche. In der zweiten Hälfte
des Vorderendes bildet sich aus der Oberfläche ein neuer Innenrand,
der geradlinig bis zur Einbuchtung in der Vorsprungsregion ver-
läuft. Am Hinterende geht er geradlinig bis zur nach hinten ge-
richteten Spitze mit einer geringen Konvexität, die auf der Hälfte
seines Verlaufes liegt. Auch die Form der Außenränder ist auf
beiden Seiten verschieden. Am vordersten Ende ist er rechts wie
links konkav. Dann zieht er links zuerst in schwachem konvexem
Bogen, dann in leichter Wellenform bis in die breite seitliche Be-
grenzung des Vorspi'unges. Eechts ist zunächst eine starke kon-
vexe Ausbuchtung zu erkennen, in deren Verlauf der Eand etwas
nach oben gebogen ist, weiter ist er geradlinig bis zur äußeren
Fläche des Vorsprunges, die um 9 mm schmaler als die linke ist.
Am Hinterende verläuft der Außenrand zunächst konkav, dann
konvex, wobei die Konvexität rechts größer ist, -da die Spitze nach
innen gebogen ist. Eigentümlich große Verschiedenheiten weisen
Ober- und Uuterflächen auf. Eechts ist der Vorsprung nach oben
rundlich verdickt, so daß die Oberfläche ausgehöhlt erscheint. Nach
dem Hinterende fällt sie nach außen schräg ab, während am Innen-
rande sich eine wulstförmige Erhebung bildet, die nach hinten zu
allmählich nach der Mitte zu verlagert und undeutlicher wird. Die
äußere Abschrägung bleibt bis zur hintersten Spitze bestehen. Auf
der linken Seite ist die Vorsprungsregion eben, ein wenig nach
innen abfallend. Die Oberfläche bleibt horizontal bis zur Hälfte des
Hinterendes, wo sie rundlicher wird und nach außen steiler als
rechts abfällt. Der Eücken geht allmählich ganz nach innen ein
wenig konvex gebogen bis in die Spitze des Knochens, Auf der
rechten Seite ist durch das nach oben gelagerte Ende die ent-
sprechende Partie konkav. Die Oberfläche des Vorderendes ist
rechts zunächst eben, dann bildet sich etwas nach dem Außenrande
zu ein Eücken aus, der nach vorn zu deutlicher und kantiger wird.
Nach außen ist die Fläche gewölbt, nach innen steiler abfallend
und leicht eingesenkt. Dieses Bild weist der Knochen bis kurz vor
dem Ende auf, wo die Erhöhung verschwindet und der Knochen
gleichmäßig von innen nach außen unten abgeschrägt ist. Links
Beckenkiiocheu bei uord-atlantischen Bartenwalen. 565
ist die Obertläche des Vorderendes am Vorspruiif^e etwas schräg
von außen nach innen unten gelagert, von lockerer Struktur mit
«iner geringen Einsenkung. Nach vorn zu erscheint auch eine
Wölbung, doch nicht so hoch und kantig ausgebildet wie auf der
rechten Seite. Gerade umgekehrt wie dort ist die nach innen
liegende Fläche schräg gewölbt und die äußere konkav eingesenkt.
Die äußerste, innen liegende Spitze ist verdickt, gleichfalls die Ecke
außen, so daß die OberÜäche hier etwas konkav ist. Die Form der
Unterfläche weicht links ebenfalls von der rechts ab. Der rechte
Knochen ist unten eben mit weicher Rundung nach innen zu. In
der dem Vorsprung zu liegenden Hälfte findet sich eine flache Ein-
.'^enkung, die bis in das erste Drittel des Vorderendes zieht, in der
Vorsprungsregion etwas undeutlicher ausgebildet ist. Neben der
Einsenkung im Vorderende erscheint ein kleiner Sattel, der weiter
nach vorn zu verschwindet. Hier, wo Innen- und Außenrand nach
unten gesenkt sind, weist der Knochen eine starke Aushöhlung auf,
die bis zum vordersten, wieder nach oben gebogenen Ende bestehen
bleibt. Diese muldenförmige Vertiefung findet sich auch auf der
rechten Seite. Wie oben erwähnt, geht der Inuenrand in die Unter-
fläche über. Er bildet hier eine schwache Erhebung, die schräg
von innen bis in eine starke, spitze Erhebung, des Vorsprunges zieht.
Von dem Gipfel dieser Verdickung fällt der Knochen schräg etwas ein-
gesenkt nach innen ab, nach außen steil bildet er die außen liegende
Fläche des Vorsprunges. Auf dem Hinterende bildet sich nach dem
Innenrande zu eine firstartige Vorwölbung aus, die nach innen ab-
geschrägt, nach außen ungleichmäßig gerundet ist.
Becken No. 13.
(Aus dem Berliner Zoolog. Museum.)
Der seitliche Vorsprung liegt fast in der Mitte des Knochens.
Das Hinterende ist gerade nach hinten gerichtet und hat einen
mehr rundlichen Querschnitt als das Vorderende. Es ist beim
rechten Knochen zugespitzt, während der linke ein stumpfes Ende
zeigt. Der Innenrand ist am Vorderende und der Vorsprungsregion
konkav gebogen und zieht dann am Hinterende wellenförmig gerade
nach hinten. Der Außenrand ist am Vurderende konvex mit einer
Einbuchtung, wo er in den seitlichen Vorsprung übergeht. Am
Hinterende verläuft er konkav, links stärker eingebuchtet als rechts.
Kurz vor dem Vorsprung ist der öfters erwähnte Einschnitt wahr-
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 37
566 Willy Augüstin,
zunehmen. Das Vorderende ist platt gedrückt und weist eine leicht
spiralige Drehung auf, wobei der Innenrand leicht nach oben, der
Außenrand leicht nach unten gewunden ist. Der linke Knochen ist
etwas kürzer als der rechte, seine Konkavität am Innenrande um
4 mm größer. An dem seitlichen Vorsprung des rechten Knochens
kann man eine kleine Grube wahrnehmen, während die entsprechende
Partie des linken Knochens vollkommen eben ist. Das Hinterende
ist leicht nach unten, das Vorderende etwas nach oben gebogen.
Von allen von mir untersuchten Knochen ist bei diesem das Vorder-
ende am stärksten nach innen umgebogen. Die Länge des Hinter-
endes am linken Knochen ist um 36,5 mm kleiner als die des Vorder-
endes, während derselbe Unterschied auf der rechten Seite nur
10 mm beträgt.
Das Becken von Megaptera booj^s (Buckelwal) (Fig. 8).
Über das Becken vom Buckelwal liegen Abbildungen und Be-
schreibungen bei EuDOLPHi, der ihn unter dem Namen Balaena longi-
mana abhandelte, von Escheicht und Steuthers vor, deren Ab-
bildungen in 0. Abel's Morphologie der Hüftbeinrudimente wieder-
gegeben sind. In der Osteographie von van Beneden u. Gervais ist
nur eine ganz kurze Beschreibung vorhanden.
Zur Untersuchung gelangten 2 ganze Becken, eines aus dem
Königsberger Museum, ein zweites aus dem Hamburger Natur-
historischen Museum und ein halbes Becken aus demselben.
Becken No. 1.
($ aus dem Köuigsberger Museum.)
Im Gegensatz zu den Becken von Fin- und Blauwal, ähnlich
wie beim Seihwal, ist beim Buckelwal der seitliche Vorsprung nicht
so stark ausgebildet. Der konkave Innenrand ist am Hinterende,
der Vorsprungsregion und einem Drittel des Vorderendes sehr scharf
ausgebildet. Weiter nach vorn zu wird er rundlicher und verliert
sich in eine seitliche Innenfläche des verdickten, etwas nach oben
gebogenen Vorderendes. Dieses ist äußerst unregelmäßig begrenzt,
die Endfläche ist, wenn man überhaupt von einer Fläche sprechen
darf, schräg nach oben gerichtet. Der Außenrand des Vorderendes
ist ein wenig konkav gebogen, rechts etwas stärker als links. Der
Beckenknochen bei iiord-atlantiscben Bartenwaleii. 567
Yorsprniip: ist außen fast lialbkreisförmiji: begrenzt, auf der linken
Seite außen etwas eingediiickt. Der Außenrand des Hinterendes
ist auf beiden Seiten geradlinija^. Das Hinterende ist wesentlich
breiter als das Vorderende und hinten durch eine unregelmäßige,
ein wenig vorgewölbte Endtläche begrenzt, an der auf der rechten
Seite ein großer, hinten abgerundeter Endknorpel sitzt. Außer dem
Längenunterscliied weisen beide Knochen große Formverschieden-
heiten im Bau des Vorsprunges und der Ober- und Unterflächen auf.
Wenn man die Vorsprünge von oben betrachtet, so macht der rechte
einen wesentlich stärkeren Eindruck; jedoch ist der Dickenunter-
schied nur 5 mm, rechts 34 mm, links 29 mm. Das liegt daran, daß
der Innenrand und mit ihm der innen liegende Teil der Vorsprungs-
region links nach oben gebogen ist, während auf der rechten Seite
die entsprechende Partie fast in der Höhe des Hinterendes zu liegen
kommt. Es liegt die in der Struktur sehr lockere Verdickung des
Vorsprunges nur auf der Oberseite des Knochens. Die Konkavität
ist daher hier oben größer, auf der anderen Hälfte auf der unteren
Seite. Links ist der Vorsprung nach außen in eine schräge und,
wie oben bei der Beschreibung des Außenrandes schon erwähnt, in
der Richtung von vorn nach hinten eingedrückten Fläche begrenzt.
Auf der rechten Seite ist die Fläche steiler gelagert, rundlicher be-
grenzt und mit einer Vertiefung, die besonders lockeres Gewebe
besitzt, versehen. Das Hinterende des linken Knochens ist hinten
etwas nach unten gebogen, erscheint also auf der Oberseite konvex.
Rechts ist der hinterste Rand ein wenig höher gelagert, so daß der
Knochen eine kleine Konkavität auf der Oberfläche aufweist. Nach
außen ist sie am hintersten Ende etwas abgeschrägt, nach dem
Innenrande zu eben. Ungefähr auf der 2. Hälfte des Hinterendes
nach dem Vorsprung zu steigt die Oberfläche am Außenrande an
bis zum stumpfen Gipfel des Vorsprunges. Gleichzeitig ist der Innen-
rand ein w'enig nach oben gebogen, so daß in der Mitte des Knochens
eine flache, längliche Einsenkung entsteht. Diese Vertiefung bleibt
l)is fast zum voi'dersten Ende bestehen, ist in der Vorsprungsregion
zunächst undeutlich, wird aber nach vorn zu wieder stärker ausge-
prägt durch die Vorwölbung der Oberfläche am Außenrande entlang
und erreicht auf der Hälfte des Vorderendes ilire größte Tiefe durch
die Verdickung des Innenrandes. Am vordersten Ende geht die
Einsenkung verloren , der Knochen erhält eine konvexe Oberfläche.
Durch die ganz anders gestaltete Form des Voi'sprunges ist die Ober-
fläche der linken Seite von der der rechten ganz verschieden. Das
568 Willy Augustin,
oben leicht gewölbte Hintereude ist am letzten Ende sowohl nach
innen als auch nach außen abgeschrägt, weiter nach dem Vorsprung
zu auf der nach dem Innenrande zu liegenden Hälfte eben, nach
dem Außenrande zu ganz abgerundet. Die Verdickung des Außen-
randes tritt auf dieser Seite nicht ein, so fällt auch hier die flache
Einsenkung der Oberfläche fort. Der Vorsprung ist, wie schon an-
gegeben, nicht so stark nach oben verdickt wie der rechte, jedoch
entsteht dadurch, daß der Innenrand stärker nach oben gebogen ist,
eine flache Vertiefung in der Vorsprungsregion, die nach vorn zu den-
selben Verlauf nimmt wie die der rechten Seite, nur ist sie nicht so
tief ausgebildet wie dort. Da das Vorderende beider Seiten etwas
gedreht ist, weisen die Oberflächen des letzten Endes ein wenig
nach außen, links mehr als rechts. Die Unterfläche des Vorderendes
erscheint auf beiden Seiten gerundet, auf der rechten Seite nach
außen stärker als links. Dort entsteht auf der Hälfte des Vorder-
endes eine kleine, gratartige Erhebung, durch die eine längliche Ver-
tiefung am Anßenrande der Unterfläche hervorgerufen wird. Dadurch,
daß der Innenrand auf der linken Seite höher liegt und die Ver-
dickung des Vorsprunges zum Teil auf der Unterseite statthat,
schrägt sich diese nach innen zu stärker ab als rechts. Auf beiden
Seiten ist die Unterfläche konkav. Nach dem Hinterende zu bleibt
die Abschrägung nach innen links bis zum Ende, rechts bis kurz davor
bestehen. Die rechte Unterfläche erscheint dadurch ebener als die
linke. Zu bemerken wäre noch, daß das Femurrudiment besonders
auf der rechten Seite groß und stark verknöchert vorhanden ist.
Becken No. 2.
(Aus dem Hamburger Museum.)
, Das linke Becken.
Das Vorderende ist im Prinzip gerade abgeschnitten, der Quer-
schnitt kreisförmig, sein Durchmesser 15 mm. Weiter nach hinten
wird der Knochen von oben her zusammengedrückt, flach, dagegen
nach den Seiten ausgedehnt. 50 mm vom Vorderende hat er ein
Maximum der Breite von 23 mm. Von hier bis zur Mitte des Vorder-
endes bleibt der Knochen etwa gleich breit. Von jenem 50mm-Punkte
aus ist die Kontur des Innenrandes bis hart zum Ende des ganzen
Knochens gleichmäßig konkav. Der Außenrand ist konvex, besonders
stark etwa 50 mm vor dem Vorsprung, der hier sehr schwach ist.
Beckenknocheu bei iionl-atlantischeu ßartenwalen. 569
Die Dicke des Knochens nimmt ab von vorn bis ungefähr -/s der
Länge des Vorderendes, Da ist nicht nur, wie erwälint, eine Ver-
tlachung-, sondern an der oberen Seite auch eine flach rinnen-
förniige Kinsenkung des Knochens bemerkbar. Der Innenrand nimmt
etwa 50 mm vom Voi-derende aus an Sciiärfe zu. dann wieder etwas
ab und in der Kegion des Vorsprunges wieder zu. Der Außenrand
ist gleichmäßig gerundet. Ungefähr 35 mm vor dem Vorsprung ist
eine liiigelige Vorwölbung in der äußeren Hälfte der Unterseite, eine
Art Vorsprung, nach unten vorhanden. Infolgedessen erscheint das
Vorsprungsgebiet von außen gesehen als in 2 Höcker aufgelöst, von
denen der eine (der eben erwähnte) unten und etwas weiter vorn,
der andere weiter hinten und mehr oben liegt. In der Region des
Vorsprunges ist die obere Fläche eben, die untere schwach konkav.
Das Hinterende ist flach und hat außen einen ziemlich scharfen
Rand. In ungefähr ^ ^ seiner Länge vom Vorsprung aus gerechnet,
bildet aber der Innenrand eine Vorwölbung, so daß die im ganzen
abnehmende Breite von der Mitte des Hinterendes bis zu diesem
Punkte gleich (etwa 40 mm) bleibt. Hinter diesem Vorsprung nehmen
Innen- und Außenrand an Schärfe ab. In der Region dieses Vor-
sprunges ist der Knochen auch ganz schwach nach oben gewölbt.
Der starke Hinterabbruch ist 38 mm breit, 12 mm dick.
Das rechte Becken.
Der vordere Querschnitt ist nicht ganz kreisrund, sondern etwa
20 mm breit und 15 mm hoch. Das Breitenmaximum in ungefähr
50 mm Entfernung vom Vorderende beträgt 25 mm. Die Verhält-
nisse des Innen- und Außenrandes sind wie links, die rinnenartige
Einsenkung der Oberfläche des Vorderendes schwächer als links.
Dasselbe trifft für das Hinterende zu, doch findet hinter dem Höcker
in ^l^ der Länge des Hinterendes, wo die Breite 40 mm beträgt,
noch einmal eine Verbreiterung auf 44 mm statt. In der Vorsprungs-
region ist das linke Becken stärker als das rechte, sonst sind
Stärkenunterschiede außer den zahlenmäßig angegebenen nicht zu
bemerken.
In dem halben Becken aus dem Hamburger Naturhistorischen
Museum handelt es sich um ein Glycerinpräparat, das, da die Bein-
haut noch vorhanden ist, nicht ein so genaues Bild der Knochen
wie bei Trockenpräparaten gibt. Das Becken — es ist das rechte
— ist wie die vorher beschriebenen leicht gebogen mit einem seit-
570 Willy Augustin,
liehen gedrungenen Fortsatz. Das Hinterende ist keulenartig ver-
dickt und besitzt ein starkes knorpliges Ende. Die Unterseite ist
fast eben mit leichten rillenförinigen Einsenkungen, die aber viel-
leicht im Knochen nicht vorhanden sind, sondern die sich nur als
Falten der Beinhaut abheben. Von der Vorsprungsregion zieht sich
auf der Oberseite ein dachartiger Rücken nach dem Innenrande des
Hinterendes hinüber. Während, der Innenrand vom Vorderende bis
zu dieser Verdickung, wenn auch abgerundet, deutlich zu erkennen
ist, so verschwindet er hier ganz und gar, und der Knochen erreicht
hier, die Beinhaut eingerechnet, seine größte Dicke von 35 mm.
Vom Innenrand ist der Knochen nach dem Außenrande des Hinter-
endes zu abgeschrägt, der hier etwas nach außen vorspringt. Hier
liegt die größte Breite des Hinterendes 49 mm. Wie das hinterste
Ende beschaifen ist, läßt sich des eingetrockneten Endknorpels wegen
nicht genau feststellen, doch scheinen irgendwelche größere Ab-
weichungen nicht vorzukommen. In der Region des Vorsprunges
erscheint durch die Verdickung des Hinterendes und durch eine
Biegung des Knochens nach oben auf der Oberseite eine flache Kon-
kavität. Von dem konkaven Innenrande steigt der Knochen bis zum
knopfartig verdickten Ende des seitlichen Vorsprunges an. Die
Fläche des Endes zeigt schräg nach oben und ist fast kreisrund.
Nach vorn unten besitzt der Knochen eine zweite ebenfalls rund-
liche Fläche, deren Gewebe sehr locker erscheint. Von dem Vor-
sprunge zieht der vordere Außenrand stark konkav gebogen nach
vorn. Das Vorderende zeigt ungefähr auf der Hälfte eine Verjüngung
bis auf 23 mm. Wie so manche Beckenknochen weist auch der vor-
liegende eine leicht spiralige Drehung des Vorderendes auf, und
zwar ist der Innenrand nach oben gedreht worden. Auch das Vorder-
ende besitzt eine Erhebung auf der schräg nach außen zeigenden
Oberfläche von einer Dicke von 22 mm. Ganz vorn ist der Knochen
abgerundet und mit einer starken Knorpelkappe versehen. Zu be-
merken wäre noch, daß wegen der Beinhaut sämtliche Maße zu groß
erscheinen.
In vorliegender Arbeit, die die Variabilität der Beckenknochen
bei 4 Arten nord-atlantischer Bartenwale deutlich erkennen läßt,
habe ich mit den eingehenden Beschreibungen dieser Skeletteile, die
in der Anatomie der Cetaceen stark vernachlässigt worden sind,
eine Vervollständigung unserer Kenntnisse geben wollen.
Beckenknoclien bei nonl-atlantiscbcn Bartenwalen.
571
Ein Versucli, die Arcliitektur der iSponpriosa in den Knoclien
nach den auf ihn wirkenden Kräften zu erklären, ließ leider den
gewünschten Erfolg vermivssen. Angeregt durch eine Anzahl von
Röntgenaufnahmen, die Dr. Otto Walckhoff von dem Femur des
Menschen und der Anthropomorphen herstellte, photographierte ich
einige Beckenknochen mit Röntgenstrahlen und erhielt Bilder, die
die charakteristischen Trajektorien in der Spongiosa zeigten. Es ist
dies um so interessanter, als es sich hier um Knochen handelt, die
nur von Muskeln beansprucht werden. In der Hauptsache kommen
für die Strukturverhältnisse die Muskeln in Betracht, die das Becken
dauernd beanspruchen. Da ist in erster Linie der Schwanzmuskel
zu nennen, der an ziemlich mehr als die hinterste Hälfte des Körpers
vom Beckenknochen befestigt ist und sowohl die äußere Kante als
auch beide Flächen bis zur durchschneidenden Furche bedeckt, sich
also den äußersten Anheftungspunkten der großen Genitalmuskel-
masse nähert. Bei den Kontraktionen dieses Muskels werden die
Beckenknochen nach hinten gezogen. In entgegengesetzter, proxi-
maler Richtung wirkt der Rumpfmuskel, der am vordersten Ende
des Knochens und zum Teil an den rudimentären Femur und Tibia
ansitzt. Diese Zngwirkung ist in den Aufnahmen deutlich zu er-
kennen. Wie nun die weiteren Muskeln, die in anderer Richtung
nach innen und außen oder schräge den Knochen beanspruchen,
wirken, wird sich nur feststellen lassen, wenn man ein Präparat der
gesamten Beckenregion zur Verfügung hat. Bei der Form Verschieden-
heit der Knochen liegt es klar auf der Hand, daß die Ansatzstellen
der Muskeln und die Größe der Angriffsflächen ebenfalls variieren.
Ich kann also nur mitteilen, daß die Beckenknochen als geeignetes
Material angesehen werden können, den Aufbau der Spongiosa an
Knochen zu untersuchen, die nur durch Muskeln beansprucht werden.
Balaenoptera physalus (Finwal).
Becken No. 1.
Außenmaße
Breite
Dicke
R. L.
i;. T..
R. L.
'13
14,5 12.5
39 40
A B
420 430
'/.
43 25
14 32,5
A C
31.Ö 319
Vorspr.
118 101
11 13
B C
192 182
'/.
37 26
16 28
572
Willy Augustin,
Konkavität
der Ränder
innen l vorn hinten
R. L.
29 33
R.
41
L.
43
R. L.
39 39
der Flächen
oben unten
R. L.
R.
22
L.
27
Becken No. 2.
AuUenmaße
Breite
Dicke
R. L.
R. L.
R. L.
'/4
44,5 48
17 16
A B
444 437
V2
45 40
29 29
A C
435 451
V4
57 46,5
15 18
B C
132 113
Vorspr.
139,5 123,5
15 20
%
12 13
3,5 9,5
Konkavität
innen
der Ränder
vorn
hinten
der F
oben
lachen
unten
R. L.
30 40
R L.
40 21 i
R. L.
31 37
R. L.
R. L.
9 35
Becken No. 3.
Außenmaße
Breite
Dicke
R. L.
R. L.
R. L.
'k
42 40
20,5 23
A B
499 517
V3
43 39,5
38 40
A C
362 381
Vorspr.
134 130
22,5 19
B C
228 236
V2
38 49
33 29
Konkavität
der Ränder
R.
38
L.
51
R.
64
L.
31
hinten
R.
41
L.
36
der Flächen
oben unten
R.
25
L.
26
R.
Beckenknochen bei iiord-atlantischen Bartenwalen.
573
Becken N o. 4.
AußenmaOe
Breite
Dicke
R. L.
j;. L.
R. L.
2'
40 45
12 10
A B
321 308
V.
37 31
18 15
A C
245 237
Vorspr.
105 101
21 20
B C
149 148
'I2
36 44
18 17
Konkavität
der Ränder
innen vorn ! hinten
der Flächen
oben unten
R.
29
L.
25
R.
50
L.
52
K.
26
L.
18
R.
32
L.
26
R.
Becken No. 5.
Anßenmaße
Breite
Dicke
R. L.
R. L.
R. L.
'k
25 25
25 25.5
A B
224 222
1
3
29 29,5
20 20
A C
180 176
Vorspr.
87,5 89
19.5 18,5
B C
116 120
1
,2
31 27,5
18 16
Konkavität
der Ränder
innen vorn hinten
der Flächen
oben i unten
R. L. R.
15,5 14 ; 24
L.
21
R. L.
10.5 13
K.
R.
574
Willy Aügustin,
Va Becken (Berlin).
Außenmaße
Breite
Dicke
E.
R.
R.
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19
14
A B
374
Vb
28
19
A C
343
Vorspr.
108
13
B C
160
V2
23
9
I
Konkavität
der Ränder
der Flächen
innen
vorn
hinten
oben ! unten
R.
R.
R.
R.
R.
82,5
—
33
—
62
Becken (Hamburg).
Außenmaße
Breite
Dicke
L.
L.
L.
%
19
45,5
A B
429
V3
35
23
A C
291
Vorspr.
119
24
B C
229
V2
36
29
Balaenoptera sihhaldi (Blauwal).
Becken No. 1.
Außenmaße
Breite
Dicke
R. L.
R. L.
E. L.
-u
34,5 36,5
15 16,5
A B
225 227
Vs
55 54
15 13
A C
203 196
Vorspr.
127 128
15,5 16
B C
154 152
V2
43 43
15 15
Beckenkuocheu bei uord-atlantischen Bartenwalen.
Konkavität
tler Ränder
liinten
R.
22
L.
28
R.
17
L.
12
R.
20
L.
24
der Fliicheu
il)en unten
R.
R. L
Becken N o. 2.
Außenmaße
Rrt'ite
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R. L.
R. L.
R.
L.
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36 25
17
17
A B
386 395
1
51 44
13
16
A C
263 298
Vorspr.
155 161
13
18
B C
259 255
,2
56 54
14
16
Konkavität
der Ränder
innen i vorn hinten
R.
38
L.
50
R.
31
L.
27
R.
35
L.
41
der Flächen
oben unten
R.
R. L.
— 29
Becken No. 3.
Außenmaße
Breite
Dicke
R. L.
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R. L.
39 36
R. L.
24 26
A B
431 457
'A
48 48
16 21
A C
852 350
Vorspr.
104 111
13 23
B 0
184 211
V2
31 39
20 22
Konkavität
der Ränder
innen vorn hinten
R. L.
49 49
R. L.
18 23
R.
L.
11
der Flächen
eben unten
R. L.
36 36
R.
14
575
576
Willy Augustin,
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Beckeuknooüeu bei iiord-atlantischen Barteiiwalen.
577
Megapi ern hoops (Buckelwal).
Becken No. 1,
A
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Dicke
R.
L.
R.
L.
R. L.
A B
338
331
■/3
21
23
14 14,5
A C
216
232
%
38,5
42
8 9
B C
192
170
Vorspr.
82
86
8,5 8
V2
58,5
63
9 12
Konkavität
der Räuder
innen vorn hinten
der Flächen
oben unten
R. L. R. L. R.
44 49 20 12 —
R. L. R. L.
— —19 18
Becken No. 2.
Außenmaße
Breite
Dicke
R.
L.
R. L.
R. L.
%
24 21
12 11
A B
351
343
Vs
30 28
13 10
A C
268
268
Vorspr.
56 52
16 17
B C
189
179
'/.
3(5 38
10 11
Konkavität
innen
der Ränder
vorn
hinten
der Flächen
oben unten
R. L.
93 104
R. L.
R. L.
5 —
R. L.
21? 15?
R. L.
9? 10?
578
Willy Augustin,
V2 Becken (Hamburg).
Außenmaße
Breite
Dicke
R.
R.
R.
'k
27
20
A B
265
%
24
15
A C
147
Vorspr.
64
20
B C
152
V2
44
35
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of the Greenland Right-Whale (Balaena mysticetus), ibid.. Vol. 15,
1881.
— , On some points in the anatomy of a Megaptera longimana, ibid.,
Vol. 22, 1887—1888.
— , On the rudimentary hind-limb of a Great Fin-Whale (Balaenoptera
musculus) in comparison with those of the Humpback- Whale and
the Greenland Right-Whale, ibid., Vol. 27, London 1893.
Walckhoff, Otto, in : Studien über Entwicklungsgeschichte der Tiere.
Herausgegeben von Selenka, Heft 9.
Weber, M., Die Säugetiere, Jena 1904.
580 Willy Augüstin, BeckeiikuocheD bei nord-atlantischen Bartenwalen.
Erklärung der Abbildungen.
/)0
Fig. 1.
: 1.
/lO
Fig. 2.
: 1.
/lO
Fig. 3.
: 1.
sale
Fig. 4.
Ansicht.
ca.
Fig. 5.
Va : 1-
'U--
Fig. 6.
: 1.
Fig. 7.
Fig. 8.
ca.
Fig. 9-
Fig. 15
ca.
% •• 1.
Tafel 19.
Balaenoptera physahis (Finwal). (J. Ventrale Ansicht, ca.
Balaenoptera j^hysalus (Finwal). $. Ventrale Ansicht, ca.
Balaenoptera j^hysalus (Finwal). ^. Ventrale Ansicht, ca.
Balaenoptera physalus (Finwal). $. Rechtes Becken. Dor-
ca. 75:1-
Balaenoptera sihhaldi (Blauwal). $. Ventrale Ansicht.
Tafel 20.
Balaenoptera sibhaldi (Blauwal). $. Dorsale Ansicht, ca.
Das Becken Fig. 6 von innen gesehen.
Megaptera boops (Buckelwal). Dorsale Ansicht, ca. ^/g : 1
-14. Balaenoptera borealis (Seihwal). ^. Dorsale Ansicht
— 20. Balaenop)tera borealis (Seihwal). $. Dorsale Ansicht.
Zoolog. Jahrbücher Bd. 35 Abt. f. Syst.
Taf. 19
Verlag von <?««<»'' ^cher ,„ Jena.
J. B. Obernetter, München, reprod.
Zoolog. Jahrbücher Bd. 36 Abt. f. Syst.
Taf. 20
Verlag von GnMav n„^^^, .^^ ^^^^
J. B. Obernetter, München, reprod.
Nachdruck verboten.
Ubersetzungsrecht vorbehalten.
IL Nachtrag zu „Bienen Afrikas".
Von
Dr. H. Friese, Schwerin i. M.
Indem ich auf die Einleitung des I. Nachtrages^) zu meinen
„Bienen Afrikas" verweise, möchte ich heute noch auf eine Er-
scheinung aufmerksam machen, die nirgends so auffallend hervor-
tritt wie bei den süd-afrikanisclien Bieuenarten. Ich meine das spär-
liche Auftreten der Individuen in besagter Gegend und die geringe
Zahl von Exemplaren, die uns Bearbeitern vorgelegt worden. Diese
geringe Anzahl von Bienen erschwert die systematische Anordnung
um so mehr, als auch der große Dimorphismus der Geschlechter
weiter hindernd eingreift. Ferner tritt infolge der langen Trocken-
zeit dort oft eine solche Dürre ein, daß die Bienen nicht ausschlüpfen
und so 2 — 3 und mehr Jahre als Imagines den eintretenden Regen
erwarten, bevor sie auskriechen können und Blumennahrung finden.
Hierdurch hat sich eine eigentümliche Art der Trockenstarre
ausgebildet, infolgedessen die Tierchen ohne Schaden zu nehmen
jahrelang als Imagines in ihren Zellen (Kokons) auf die feuchte Jahres-
zeit warten können. Diese Fähigkeit ist übrigens auch in Europa
insofern vorbereitet, als ein kleiner Bruchteil der Zelleninsassen
auch bis zu 2 Jahren überliegt und so besonders bei Katastrophen
die Erhaltung der Art sicherstellt.
t) Man vi^l. Zool. Jahrb., Vol. 30, Syst., 1911, p, 651 — 670 u.
671—678, sowie Arch. Naturg., 1912, p. 181—189.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 38
582 H. Friese,
[Trachusa- und Osmia aurulenta-^^ester bei Goseck und Naum-
burg.)
Prosopis braimsi var, nif/ricans n, var. ^.
^. Abdomen bis auf den Basalrand von Segment 1 schwarz.
S mehrfach von Smithfield in Kapland, Kannemeyee leg. Kap-
Museum.
Prosopis junodi Feiese. ^.
1911. Fr. j. Feiese, $, in: Arch. Naturg., p. 131.
^ wie $, aber Gesicht in größerer Ausdehnung gelb und zwar
der Mittelstreifen derart verbreitert, daß nur die schwarzen Seiten-
ränder des Clypeus bestehen bleiben, Segment 1 — 2 zeigen am End-
rande jederseits eine ziemlich breite und lange Haarfransenbinde
(NB. die auch beim $ vorhanden sind, wie mir 2 frisch gefangene
Exemplare beweisen), Segmentränder 2 — 6 sehr breit häutig gelb-
braun. L. 8 mm, Br. 2 mm.
1 S von Natal, 2 $$ vom Kap-Museum (Lightfoot).
Süd- Afrika. <
Prosopis lineaticeps n, sp, $.
Der Pr. aterrima Feiese nahestehend, aber Gesicht schwarz,
nur an der inneren Orbita eine feine gelbliche Handlinie; Collare
wulstig, ganz schwarz.
$. Schwarz, nur Calli humeral. und Segment 1 — 2 jederseits
weiß gefranst, wie Pr. aterrima, aber Gesicht doppelt so lang wie
am Ende breit (bei Pr. aterrima ca. IV.2 so lang wie breit), oben
fein längsrunzlig mit undeutlichen Punkten und matt, Clypeus feiner
und zerstreut punktiert, vor dem Ende mit eingedrückter Grube,
innerer Augenrand mit feiner gelblicher Längslinie. Antenne braun,
unten hellbraun, Schaft schwarz. Thorax grob punktiert, ganz
sciiwarz, Area grob verworren gerunzelt, hintere Thoraxwand schwach
weißlich behaart. Abdomen schwarz, punktiert, Segment 1 etwas
gröber, 1 — 2 am Endrande jederseits mit weißen PYansenbinden.
Ventralseite mehr oder weniger braun gefärbt. Beine schwarzbraun,
ohne gelbliche Flecken, Calcar gelblich, Flügel getrübt, Adern und
Tegulae braun, Tegulae vorn mit gelbem Fleck. L. 67« mm, Br.
IV2 ni»i-
IL Nachtrag zu „Bienen Afrikas". 583
$ vom Kaplaiid, Wartmann leg.
Süd-Afrika.
JProsojns fonf/ufa n, sj). ^.
Wie Pr. atriceps Friese, aber Antennenschaft schwarz, einfach,
Mandibel und Labrum weiß.
ö^. Schwarz. Kopf und Tliorax punktiert, fast matt, Gesicht
gelb weiß, stark verjüngt, doppelt so lang wie am Ende breit, Gelb-
färbung am inneren Augenrand bis zur Ocellenhöhe hinaufsteigend.
Antenne defekt. Schaft schwarz, Geißelglied 1—2 rotgelb (8—12
fehlend). Collare weißfilzig, Area sehr grob gerunzelt und dadurch
stark gegen die Umgebung hervortretend. Abdomen undeutlich
skulpturiert, matt, Segment 1 mit einzelnen sehr feinen Punkten;
Ventralsegmente ebenso. Beine schwarz, Knie, alle Tarsen und
Tibia I gelbw^eiß, Calcar weißlich. Flügel hyalin, Adern und Tegulae
schwarzbraun. L. 4^2 nriiTi- Bi'- 1 nim.
1 (^ von Bulawayo, Rhodesia, am 28. September 1912, G. Arnold
leg. — Rhodesia-Museum.
Süd- Afrika.
JProsojns leucolippa ii. sp, ^.
Wie Pr. longida Friese, aber der schwarze Antennenschaft vorn
weißgelb, Antenne auffallend dick und gekerbt erscheinend, Callihum,
und Tegula w^eißgelb.
cJ. Schwarz, Kopf und Thorax fast runzlig punktiert, matt,
Gesicht gelbweiß, auch zwischen den Antennen weit nach oben
reichend, jMandibel, Labrum und Antennenschaft vorn gelbweiß.
Antenne rot, nur der Schaft hinten schwarzbraun, Antennenglieder
stark gerundet, daher die Antenne gekeibt erscheinend. Cullare
dicht weißfilzig, Tegulaehälfte hinten weiß. Abdomen matt, Segment
1—2 deutlich und ziemlich grob punktiert, 3 — 7 äußerst fein
skulpturiert. Ventralsegmente äußerst fein skulpturiert matt. Beine
seil warzbraun, Tibien und Tarsen gelb weiß, Tibia mitten mehr oder
weniger schwarz geringelt, Flügel hyalin, Adern und Tegulae schwarz-
braun, Tegulae vorn größtenteils weiß. L. 4'/2 nim, Br. 1 mm.
1 cJ von Grootfontein, Deutsch Südwest-Afrika, Volkmann leg.
Prosopis al/lceni n, sp. (J.
Der Pr. atriceps Friese, ^ täuschend ähnlich, aber Kopf, Thorax
und Segment 1 — 2 grob punktiert, Antennenschaft einfach.
38*
584 H- Friese,
<^. Schwarz, fein und spärlich weiß behaart, Gesicht bis über
die Antennenbasis gelbweiß, deutlich und grob punktiert, Antenne
sehr lang, braun, erreichen das Scutellum, Schaft einfach und schwarz,
Geißel unten heller braun. Kopf und Thorax grob runzlig punktiert,
etwas glänzend, CoUare schwarz, aber dicht weiß behaart; Area grob
längsrunzlig, aber kaum gegen die Umgebung abstechend, Segment
1 — 2 grob und dicht, fast runzlig punktiert, etwas glänzend, mit
feiner Fransenbinde auf den Endrändern, 3 — 6 äußerst fein und
kaum auffallend skulpturiert. Ventralsegmente fast glatt, glänzend.
Beine schwarz, mit gelben Knien und Tarsen, Tibia I ganz gelblich.
Flügel hyalin, Adern und Tegulae schwarzbraun, Tegulae vorn mit
gelbem Fleck. L. 47., mm, Br. 1 mm.
2 c^(^ von Bulawayo (Khodesia), am 28. September 1912,
G. Arnold leg.
Rhodesia-Museum. Süd-Afrika.
Trosopis arnoldi n. sp, ^.
Wie Pr. alfkeni Friese, aber Mandibel, Labrum, Antenne und
Beine rot, Gesicht nur bis zur Antennenbasis gelb.
(^. Schwarz, spärlich weißfilzig behaart, Kopf und Thorax grob-
runzlig punktiert, Kopf und Collare dicht weißfilzig behaart, Gesicht
gelb, aber nur bis zur Antennenbasis hinauf, Stirnschildchen gelb,
die Gelbfärbung zapfenartig zwischen die Antennen reichend, Man-
dibeln und Labrum rot; Antenne rot, Schaft gebogen und vorn gelb;
Area grob gerunzelt und scharf erhaben gerandet, kahl, aber die
Umgebung weißlich behaart. Segment 1—2 sehr grob und spärlich
punktiert, Endrand weiß gefranst, 3—7 äußerst fein skulpturiert,
fein weißhaarig. Ventralsegmente fein skulpturiert, glänzend und
braun. Beine rot, Tibienbasis und Tarsenglied 1 der Beine II und
III weißgelb. Flügel hyalin, Adern und Tegulae schwarzbraun,
Tegulae vorn mit kleinem gelbem Fleck. L. 6 mm, Br. IV4 mm.
2 c^c? vonBulawayo, Rhodesia, am 28.September 19 1 2, G. Arkold leg.
Süd-Afrika.
JSfoinioides {Cellaria) arnoldi n. sp, ?.
Wie Nowiioides pulcJieUus Schenck (Europa), aber etwas größer,
schwarz, mit gelben Binden und kurz gestielter Cubitalzelle 2.
$. Schwarz, kaum noch gelblich behaart, Kopf und Thorax sehr
dicht und äußerst fein gerunzelt wie bei pulchellus: Clypeus vor-
stehend, sonst kurz, rundlich und gelb mit 2 runden, schwarzen
II. Nachtrag zu „Bienen Afrikas". 585
Punkten. Mandibelende und Labrum rötlich, ein Fleck seitlich vom
Clypeus gelb; Antenne schwarzbraun, unten rötlich, Schaft vorn
gelb (= \'., der Antennenlänge), innere Orbita beim oberen Drittel
eingebuchtet. Collare und Clalli hura. gelb, eine Binde bildend, Area
einfach und wie der Thorax skulpturiert. Abdomen äußer.^t fein runzlig
punktiert, ganz matt, Segment 1 auf der Scheibe mit länglich vier-
eckigem gelbem Fleck, jederseits daneben mit rundlichem gelbem
Fleck, 2 — 5 mit gelber Basalbinde. die auf 2 und 3 mehr oder wenigei-
unterbrochen ist, (3 rötlich, kahl (ohne Furche). Ventralsegmente
braun, etwas gefranst. Beine gelb, Coxa, Trochanter und Femur bis
auf die Spitze schwarz. Tibien mehr oder weniger schwarzbraun ge-
tleckt oder geringelt, Scopa kräftig und weiß. Flügel hyalin, Adern
gelblich, Tegulae gelb. L. 4 mm, ßr. 1 mm.
6 $$ von Bulawayo, Rhodesia, am 26. Dezember 1912, G. Aenold leg.
(Rhodesia Museum).
Süd-Afrika.
CelJaria n, suhgen.
Körperbau genau wie bei 2iomioides, sowohl in Form und Farbe,
nur Grundfarbe schwarz und die Zeichnungen scharf gelb. Cubital-
zelle 2 oben deutlich gestielt, der Stiel nimmt ^'4 — Vs ^^^ Zellenhöhe
ein und ist bei allen Exemplaren gleich gebildet. L. 4 mm. Br. 1 mm.
(J unbekannt.
Nur 1 Art bekannt, Süd-Afrika.
JPoecilomefitta n, f/en. (Nur $.)
Poecilomelitta ist eine fast unbehaarte Bienengattung, die lebhaft
an die kleinen südamerikanischen Arten von Camptopoeum erinnert,
aber 8 Cubitalzellen aufweist und kurze Mundteile wie Andrena hat
und so den stark gelb gezeichneten Arten vom Subgenus Epimeihea
(Panurgmus) nahe steht.
$. Körper ziemlich breit, besonders das Abdomen, welches viel
breiter als der Thorax ist. Flügel kurz, erreichen kaum das 5. Seg-
ment, Radialzelle langgestreckt, abgestutzt mit deutlichem Anhang,
Ende also vom Flügelrande entfernt liegend, mit 3 Cubitalzellen, die
erste so groß wie die 2. und 3.. die 2. am kleinsten. 2. Tubitalquerader
nach außen ausgebogen, Discoidalqueradern münden etwas vor der
1. und 2. Cubitalquerader (beide Arten stimmen darin nicht genau
überein).
586 H. Friese,
Mundteile kurz, einfach '), Zunge kurz, dreieckig, Labialpalpen
nicht sichtbar, Maxillarpalpen ßgliedrig-, sehr dünn, alle Glieder fast
gleichlang, Maxille kurz, breit und lappenförmig. Antenne wie bei
Caniptopoeum kurz mit langem Schaft, Scopa sehr dünn und spärlich,
Tibia und Metatarsus einfach, nicht verbreitert; Segment 6 mit breiter,
dreieckiger, kahler Analplatte wie bei Andrena. L. ö'/a— 7 mm,
Br. d, Abdom. fast 2 mm.
Südwest- Afrika.
Foecilomelitta fiavida n. sp, $.
Wie Camptopoeiim flaviventre Friese von Argentina, aber Vorder-
flügel mit 3 Cubitalzellen und kurzen Mundteilen {Andrena).
$. Gelb, bis gelblich, Kopf und Thorax sehr dicht, fast runzlig
punktiert, matt, Kopf viel breiter als lang (ca. 172—1^/4), Gesicht
gewölbt, Clypeus ca. 2mal so breit wie lang, vorn ausgerandet, in
der gewölbten Ausrandung sitzt das rotgelbe Labrum, Mandibel rot-
gelb. Schwarz sind nur: der hintere Kopfrand, 2 breite zackige
Streifen von diesem über das seitliche Ocell zur Antennenbasis, ferner
2 längliche, vertiefte, viereckige Flecken zwischen diesen zackigen
Streifen und dem inneren Augenrand. Antenne rotgelb, oben braun,
Schaft vorn breit gelb und ^3 der Antennenlänge ausmachend.
Mesonotura schwarzbraun mit 4 gelben Längsstreifen, Scutellum gelb,
mitten mit dreieckigem, schwarzem Fleck, ebenso die Basalzone der
Area schwarz und grob gerunzelt. Abdomen mit schwarzbraunen
Flecken. Abdomen sehr dicht und fein runzlig punktiert, matt, nur
seitlich und dem Ende zu lang behaart, Segmente an der Basis mehr
oder weniger schwarzbraun, auf Segment 1 mit 3 rundlichen Flecken,
5 — 6 lang rotgelb befranst, 6 mit großer, kahler, dreieckiger Anal-
platte. Ventralsegmente zerstreut punktiert, glänzend, mit mehr oder
weniger großen braunen Flecken, schwach rotgelb gefranst. Beine
gelb, Coxa, Trochanter und Femurbasis dunkelbraun, Femur II nach
unten scharf gekantet, Scopa dünn, weißlich. Flügel hyalin, Rand
kaum getrübt, Adern und Tegulae gelblich. L. ß'/o— 7 mm, Br. des
Abdom. fast 2 mm.
2 5$ von Grootfontein, Deutsch Südwest- Afrika; Volkmann leg.
1) Soweit bei den getrockneten und stark defekten Exemplaren noch
erkennbar.
II. Nachtraif zu „liieueii Afrikas". 587
Poeciloitu'Jittd /'alif/inos<( n. sj). ?.
In Form und Grüße wie F. jlaridn, aber ohne gelbe Zeichnungen,
einfarbig- sclnvarzbraun.
$. Sclnvarzbraun bis braun, schwach weißlich behaart, Kopf
und Thorax spärlich punktiert, glänzend, Kopf breiter als lang (IV4)?
Olypeus spärlich und gröber punktiert, in der Ausrandung vorn
sitzt das Labruni. welches vorn breiter als hinten ist, sonst aber
gerundet viereckig ist. Antenne fast hellbraun; Area fein punktiert,
fast runzlig, nicht abstechend gegen die Umgebung. Abdomen fein
punktiert, glänzend. Segmente mit breiten, fast glatten, häutigen
P^ndrändern. Segment 5 lang rotgelb behaart, Analplatte (G) breit,
dreieckig und kahl. Ventralsegmente ebenfalls fein punktiert, 4 — 5
lang gelbbraun behaart. Beine schwarzbraun, gelblich behaart, Scopa
dünn und gelblich, Metatarsus sehr schmal, nur -/g der Tibienbreite
erreichend, nach oben in dornartigen Haarschopf ausgezogen. Flügel
hyalin. Adern und Tegulae gelblich. L. 6^ o — 7 mm, Br. d. Abdom.
fast 2 mm.
2 $$ von Grootfontein, Deutsch Südwest-Afrika, Volkmann leg.
Melitta riifipes a. sp. ^.
Der M. scliultzei Fkiese von Süd-Afrika ähnlich (auch der M.
melanura Xyl. von Nord-Europa), aber Abdomen mit Segmentbinden,
Wangen deutlich und mit rotgelben Tarsen wie Tibien 111.
^. Schwarz, gelbbraun behaart. Kopf punktiert, stellenweise
gerunzelt, etwas glänzend, Olypeus grüber punktiert, mit glatter
Endhälfte, AVangen deutlich, glatt, glänzend, \;., so lang wie die
Mandibelbasis breit, Mandibelendhälfte rotbraun. Antenne schwarz,
unten rotgelb, 2. Geißelglied viel kürzer als 3.. 3. und folgende fast
2mal so lang wie breit. Thorax sehr fein gerunzelt, matt mit ein-
zelnen flachen Punkten, Area fast glatt, glänzend. Abdomen fein
netzartig gerunzelt, Segment 1—2 mit haartragenden Punkten, 1—2
gelbbraun. 3-6 kurz schwarz behaart, 2—6 mit gelben Fransen,
Endhälfte von 6 rot, rotgelb behaart, 7 schmal und am Ende aus-
geschnitten. Ventralsegmente fein quergerunzelt, glänzend, mit ein-
zelnen haartragenden Punkten und braunen häutigen Endrändern,
6 rotgelb mit seitlich stark erhabenen Rändern. Beine schwarz.
Tarsen mehr oder weniger rotgelb, Tibien III rotgelb, Metatarsus
an der oberen Kante schwarzbraun behaart. Flügel getrübt mit
588 ^- Friese,
duDklem Rande, Adern und Tegulae gelbbraun. L. 9—10 mm, Br.
3^4 mm.
1 (^ von Cradock im Kapland, Wartmann leg.
Süd- Afrika.
Melitta longicornis tu sp. S, $.
Der M. dimidiata var. hungarica Mocr. sehr ähnlich, aber Wangen
deutlich, $ mit rotgelben Tarsen und Tibien III, ^ mit fast quadrati-
schen Wangen, sehr langen Antennen, deren Glieder viel länger als
breit sind.
$. Schwarz, dicht gelbbraun behaart, Kopf und Thorax grob
runzlig punktiert, die einzelnen Unebenheiten äußerst fein quer-
gerunzelt, ganz matt ; Clypeus glatt, glänzend, einzeln grob punktiert,
Gesicht lang gelblich behaart, Wangen glatt, glänzend, ca. Va so
lang wie breit, Antenne schwarz, unten braun (bei diesem $ ver-
krüppelt und nur 7gliederig). Mesouotum dicht und fast rotgelb be-
haart, Behaarung auf der Scheibe mit vielen schwarzen Haaren ver-
mischt ; Area gerunzelt, matt. Abdomen flach runzlig punktiert, fast
matt, Segmente 1 — 3 dicht und ziemlich lang gelblich behaart, 4 — 6
kurz schwarz behaart, 1 — 4 am Rande mit dichten helleren Fransen-
binden, 5—6 schwarz behaart; Unterseite weiß behaart, besonders
die Brust sehr lang behaart. Ventralsegmente grob runzlig punktiert,
sehr lang und dicht weiß gefranst, 5—6 gelblich behaart. Beine
braun, Tarsen rotgelb, Tibien rotgelb mit rotgelber Scopa, Penicillus
schwarz. Flügel getrübt, Adern und Tegulae braun. L. 14 — 15 mm,
Br. 4V2 mm-
Hierher gehört offenbar auch die von mir zu Melitta dimidiata
gestellte Varietät capensis (Bienen Afrikas, p. 183) mit roten Seg-
menten (1 — 3) von Kl.-Namaland und von Willowmore. Die Frage
läßt sich aber erst nach Bekanntwerden des Männchens endgültig
entscheiden.
(^ wie $, aber mehr weißlich behaart, Antenne sehr lang, er-
reicht fast das Thoraxende, Geißelglied 2 viel kürzer als 3, drittes
und folgende fast doppelt so lang wie breit; Ventralsegment 6
schwarzbraun behaart. Beine schwarz, bis schwarzbraun, weißlich
behaart, Tibia III und alle Tarsen innen rotgelb behaart, Calcar
rotgelb. Flügel hyalin, bis auf die Flügel und Beinfärbung also gut
mit dem ? übereinstimmend. L. 12—13 mm, Br. 4V2 mm-
1 $ von Natal, 1 ^ von Henkries (Buschmannland).
Süd-Afrika.
II. Nachtraa: zn „Bienen Afrikas". 589
Es ist fraglicli, ob die beiden folgenden Arten wirklich zur
Gattung Bhiuochaeiula gehören. Ich stelle sie nur infolge des gleichen
Flügelgeäders wie des Habitus vorläufig hierhei-.
liJiiHOchaetnla (?) armatipcs n. sjt. ,^.
In Form und Habitus der Melitta schulizei Friese und M. rufipes
Friese von Süd- Afrika ähnlich, aber Flügel mit nur 2 Cubitalzellen,
deren 2. beide Discoidalqueradern aufnimmt; Beine paradox bewehrt.
(^. Schwarz, schwach gelblich-weiß behaart. Kopf und Thorax
nicht dicht punktiert, nur stellenweise runzlig punktiert, Kopf vorn
und seitlich lang und dicht schneeweiß behaart, Antenne schwarz,
unten sehr ausgedehnt gelb; Kopf breiter als lang, \\'angen linear;
Scutellum ganz einzeln punktiert, Area mit längsgerunzelter Basis.
Abdomen tlach runzlig i)unktiert, Kunzein wieder äußerst fein quer-
gerunzelt, Segment 1 — 6 lang abstehend behaart, dem Rande zu
dichter behaart, 7 dreieckig zugespitzt mit glatter, gewölbter Scheibe,
am Ende mit braunem Haarbüschel. Ventralsegmente glänzend, ge-
franst, aber uneben, mitten kielartig erhaben, daneben jederseits
flach eingedrückt, 7. dornartig verlängert und von oben als schwarzer
Dorn sichtbar. Beine schwarz, alle Tarsen und Tibia I vorne rot-
gelb, Beine I einfach, II mit stark verdicktem Femur und Tibia,
Calcar als schwarzer, stumpfer Dorn abstehend, Tarsenglied 1 breiter
und länger als die Tibia, lappenartig nach innen verbreitert und
hier in scharfer Kante umgebogen, Tarsenglied 2—5 winzig klein;
Beine III mit breitem, verdicktem Femur, das unten gekantet und
borstig behaart ist, Tibia dünn, infolge tiefer Ausrandung vor dem
Ende plötzlich und stark verbreitert, hakenartig vorstehend, am
Ende wieder normal, beide Calcaria weiß, Metatarsus verbreitert,
blasig aufgetrieben, unten kantig und durch rotgelbe Farbe auffallend.
Flügel fast hyalin. Adern und Tegulae braun. L. 10 mm, Br. 3 mm.
1 (^ von Kl.-Namaland.
Süd-Afrika.
Kann das cJ zu Tlh. plumipes Friese sein!
lihittochaetuJa capeusis n. sp. ,^.
Der llh. armatipes Friese sehr ähnlich, aber Tarsen II normal,
Tilia III anders geformt, Tarsen braun.
(^. Schwarz, ganz wie Rh. armaticeps gebildet, aber Kopf kurz
grau behaart, Segment 1—6 weißlich behaart, aber 4—6 dem Knd-
rande zu braun behaart, 7. jederseits am Ende gelbbraun bebüschelt.
Ventralsegmente schwach behaart. 7. gerundet, kahl, aber am Rande
590 H. Friese,
lang gelbbraun gefranst. Beine schwarz bis schwarzbraun, Beine I
und 11 einfach mit braunen Tarsen, III mit stark verdickten Schenkeln
und stark nach innen verbreiterten, fast quadratischen Tibien, die
so breit wie lang sind, Calcaria weißlich, Metatarsus braun, beulig
aufgetrieben, unten behaart. Flügel getrübt, mit dunklerem Rande,
Adern und Tegulae gelbbraun. L. 10 mm, Br. 3 mm.
1 cJ von Kapstadt, Kapland.
Süd-Afrika.
(Kann das ^ zu BJi. lativentris sein!)
Anthophora gigantea n. sp. $.
Die größte süd-afrikanische Anthophora- X\% auch fast so groß
wie A. hispanica F. von Süd-Europa und der A. hirtiventris Friese
von Kl.-Namaqualand nahe stehend.
$. Schwarz, dicht und lang gelbbraun behaart, Kopf und Thorax
grob runzlig punktiert, Kopf oft braun bis schwarzbraun behaart, oft
aber auch rein gelbbraun behaart, Clypeus stark vorgewölbt, meist
mit rotbrauner Scheibe, etwas zurückgezogen, kurz vor dem End-
rand aufgebogen, der Endrand schräg abgestutzt; Mandibel rot-
braun, Labrum grobhöckerig gerunzelt. Antenne schwarz, nur der
Schaft mit rotbraunen Rändern, 2. Geißelglied = 3 -|- 4 + 5. Thorax
sehr dicht behaart, in frischen Exemplaren mit fast rostroten Haaren.
Abdomen punktiert, glänzend, Segment 1 lang gelbbraun behaart, 2 — 4
nur am Endrand lang und anliegend gelbbraun behaart, sonst sehr
fein und kurz gelblich befilzt, 5 dicht rostrot bebürstet, 6 braun
behaart, mit schmaler parallele]-, kahler Analplatte. Ventralsegmente
rotbraun, schwarz gefranst, seitlich mit gelblichen Fransen. Beine
schwarzbraun, schwarz beliaart, Tibia II außen gelblich behaart,
Scopa stark entwickelt und gelbbraun, auf Metatarsus mit schwarz-
brauner Endhälfte und ebenso gefärbtem Penicillus, Calcar schwarz.
Flügel getrübt, mit gebräuntem Endrand, Adern und Tegulae schwarz.
L. 19 mm, Br. 7^2 mm.
Einige $$ von Jackais Water in Buschmansland (Lightfoot),
im Kap-Museum.
Kann sehr wohl das $ zu A. hirtiventris Friese von Kl.-Namaqua-
land sein,
Osniaia namaquaensls n, sjJ. ^.
Wie 0. similis, aber kleiner, Abdomen hellbandiert, aber ohne
rotgelbe Behaarung am Ende.
II. Nachtrag? zu „Bienen Afrikas". 59]
?. Sclnvarz. weißlicli beliaart, Kopf und Thorax oben dicht
gelbbraun behaart; Kopf und Thorax dicht runzlif,^ punktiert, matt,
Clypeusmit gkitteni, glänzendem Mittelfeld und kicnulieitcMn Vorder-
rand, der auch lang rotgelb behaart ist, Mandibel braun; Antenne
sehr kurz, kaum von Kopflänge, plattgedrückt und vom 4. Geißel-
glied stark verbreitert. Thorax fast vei-wonen geiunzelt, ganz
matt; Area glatt, glänzend. Abdomen fein, fast runzlig punktiert,
schwach glänzend, Segmentränder breit braun gefärbt und gelblicli
gefranst, die Fransen beim Exemplar undeutlich erhalten, 6 kahl,
Scopa dünn rotgelb, nur auf der Endhälfte der Segmente deut-
lich. Beine sclnvarz, Tarsen 2—5 rotgelb, Calcar rotgelb, weißlich
behaart. Flügel getrübt, mit dunklem Kande, Adern braun, Tegulae
rotgelb. Tegulae einzeln punktiert, glänzend. L. 9 mm, Br. 2^1^ mm.
1 $ von Xamaqua (Buschmannland).
Kapland.
Süd- Afrika.
Osniia atroriifa n. sp. $.
Durch die überall schwarzbraune Behaarung auffallend.
$. Schwarz, überall schwarzbraun behaart, Kopf punktiert, aber
ungleicli dicht, matt, Gesicht fast runzlig punktiert, lang schwarz-
braun behaart, Olj'peus gewölbt, dicht runzlig punktiert, mit kahlem,
aufgeworfenem Vorderrand, der mitten eingedrückt ist und hier
jederseits einen Büschel roter Haare trägt; Mandibelmitte rot, sonst
Szähnig; Antenne schwarzbraun, sehr kurz und plattgedrückt, Glieder
breiter als lang, nur 1. Geißelglied und Endglied länger als breit.
Thorax dicht runzlig punktiert, matt, Area sehr fein gerunzelt.
Abdomen grob punktiert, mit rotbraunen Endrändern, die schwarz-
braune Fransen tragen, 6. kurz rotgelb behaart. Scopa rotgelb,
kräftig. Beine schwarz, schwarzbraun behaart, Calcar rot. Tarsen
rotbraun, rotgelb behaart. Flügel stark getrübt, mit dunklem Rande,
Adern braun, Tegulae schwarzbraun, einzeln und fein punktiert,
glänzend. L. ll';.^ mm, Br. 4','.,— 5 mm.
1 $ von Kapstadt, Wartmanx leg.
Süd-Afrika.
Osniia pUiventvis 11. sp, ^.
Durch die kurzen Antennen, das 4zähnige Segment 7 und durch
die lange gelbe Behaarung vom Ventralsegment 3—4 auffallend.
^. Schwarz, blaßgelb behaart (wohl abgeflogene Behaarung),
sonst gelbbraun, Kopf dicht punktiert, viel breiter als lang, Clypeus
592 H. Frikse,
dicht gerunzelt, matt. Antenne kurz, nur so lang wie die Kopf-
breite, plattgedrückt, Glieder quadratisch, nur 2. und letztes Glied
etwas länger. Thorax dicht runzlig punktiert, ganz matt; Area fast
glatt, glänzend, die Umgebung mit flachen, großen Punkten und
glänzend. Abdomen punktiert, glänzend, lang aber dünn behaart,
mit braunen Segmenträndern, 6 mit halbkreisrundem Ende, jeder-
seits gezahnt, 7 mit 4 platten, breiten, stumpfen Zähnen. Ventral-
segmente runzlig punktiert, glänzend, 1 — 2 ziemlich kahl, nur 2. am
Ende gelblich gefranst, 3—4 lang, seidenartig gelb und anliegend
behaart, 5 konkav, ziemlich kahl, 6 konkav, glatt, kahl und braun.
Flügel stark getrübt, Adern und Tegulae braun, Tegulae punktiert,
glänzend. L 13 Vo mm, Br. 4 mm.
1 ^ vom Kapland, Waetmann leg.
Süd- Afrika.
Kann das <^ zu 0. atrorufa Fr. sein.
Mef/achile {Clialicodonia) tnusmilus n, sp, $.
Wie Chalicodoma pyrenaica Lep. (Europa), aber Abdomen fast
einfarbig lang grau behaart, Analsegment 2teilig und Sternit 6 mit
erhabenem, glattem, halbkreisförmigem Rand vor dem Ende.
$. Schwarz, lang grau behaart, Kopf und Thorax mehr grau-
braun behaart, Nebengesicht aber schneeweiß behaart, Kopf und
Thorax dicht runzlig punktiert, fast matt, Clypeus vorgezogen, ge-
rundet und schwach krenuliert, Mandibel stumpf 2zähnig; Antenne
schwarz , 1. Geißelglied fast = 2 -|- 3. Area sehr fein gerunzelt,
matt. Abdomen lang und weißlich grau behaart, Segment 4—5 am
ßande mit längeren, abstehenden, roten Borsten, 6 jederseits ge-
buchtet, mitten vorgezogen, mit 2teiligem Ende; Scopa dünn, rot-
gelb, Ventralsegmente sehr grob punktiert, Analsegment mit glattem,
halbkreisförmigem Rande vor dem Ende, der Endteil verlängert,
2spitzig. Beine schwarz, Tarsen rot, rotgelb behaart, Calcar rot,
Tibienende der Beine III auch rot. Flügel stark getrübt, Adern
schwarzbraun, Tegulae rotgelb. L. 13 mm, Br. 4^2 i^^i.
2 $$ von Grootfontein, Volkmann leg. und von Ookiep (Kl.-Nama-
land) im September fliegend.
Süd- Afrika.
Meyaehile (Cfialicodonia) nitirina n. sp. ?.
Genau wie Megachile musculus Feiese (Süd-Afrika), aber Beine
schwarz, letztes Tergit wie Sternit unbewehrt, ganzrandig.
II. Nachtrag zu „Bienen Afrikas". 593
?. Scliwarz. mäusegrau und einfarbig beliaart, Kopf und Thorax
dicht runzlig punktiert, matt, Mandibel scharf Szähnig, Clypeusrand
gerundet, vorgezogen und krenuliert, Gesiclit einfarbig weißlich be-
haart; Area fein gerunzelt. Abdomen einfarbig grau behaart, nur
auf Segment 4—5 am Kiulrande auch einzelne schwarze Borsten,
6 einfach, normal, Scopa dicht und lang rutgelb, Sternit 6 (Ventral-
segment) grob punktiert. Beine schwarz, nur Klauenglied rot, Calcar
gelbbraun. Flügel gebräunt, Adern schwarzbraun, Tegulae rotgtilb.
L. 13 mm, Br. 5 mm.
1 $ von Ookiep (Kl.-Namaland) im September fliegend.
Süd-Afrika.
31ef/achile speriosa n, sp. $.
Wie Meg. torrida Sm. (von Gambia), aber Flügel einfarbig braun,
Thorax hinten und Abdomenbasis weißlich behaart, Beine schwarz.
$. Schwarz, Kopf oben schwarzbraun, unten wie der ganze
Thorax spärlich weiß behaart, Kopf und Thorax dicht runzlig
punktiert, aber glänzend, Clypeus und Stirnschildchen gröber ge-
runzelt, Clypeus etwas verlängert, dann abgestutzt, mit goldgelb
behaartem Endrand, Mandibel .stumjjf, 4zähnig; Hinterhauptsrand
höckerig gerunzelt; Area sehr fein gei'unzelt, matt. Abdomen punk-
tiert, mit schmalen braunen Endrändern der Segmente, Segment 1
■weißfilzig, auf der Scheibe meist abgerieben, 2 jederseits weiß be-
haart, mitten wie 3-5 rot gefranst, 6 dicht rotgelb befilzt, Scopa
rotgelb, auf Segment 2 gelb, auf Segment 1 weiß. Beine schwarz-
braun, fast unbehaart, Tarsen rotgelb behaart, Calcar rotgelb. Flügel
braun, mit bläulichem Schimmer, Adern schwarzbraun, Tegulae
braun, dicht punktiert. L. 10 mm, Br. 374 nim.
8 ?$ von Madibira (Deutsch Ost- Afrika), Haefliger leg., 2 ??
von Togo (West- Afrika).
Afrika.
Anthidiuni fulvoinlosum Cam. $.
1905. Plesioanthidium f. CamerON, c^, in: Trans. S.-Afr. phil. Soc, Vol.
15, p. 256.
1909. A. f. Friese, ^, Bienen Afrikas, p. 415.
$ wie <J, aber Gesicht schwarz, Mandibel wie beim ^ mit nur
einem Mittelzahn; Antenne schwarzbraun, 2. Geißelglied =3 + 4.
Mesonotum und Scutellum dicht gerunzelt, matt. Abdomen dicht
runzlig punktiert, matt, Segment 5 — (3 fast rotgelb behaart, Scopa
594 -H- Friese,
gelblich, auf Seg-ment 6 rotg-elb. Beine schwarz bis schwarzbraun,
Tibienende und alle Tarsen rotbraun. L. 14 mm, Br. 6 mm.
Mehrere (^^ und $$ von Ookiep in Klein-Namaland (N.-W.) im
September 1890 im Kap-Museum.
Kapland.
Anthidiuni bruneipes n, sp, $.
Wie A. fulvopüosum, aber Beine und Mandibel rot, Abdomen
kurz und weißlich behaart.
$. Schwarz, überall kurz und dicht weißlich behaart, nur
Scheitel und Thoraxscheibe kurz gelbbraun behaart; Mandibel rot,
Mittelzahn kaum angedeutet, Clypeus einzeln und grob punktiert,
stark glänzend; Antenne schwarzbraun, 2. Geißelglied viel kürzer
als 3+4; Mesonotum und Scutellum dicht runzlig punktiert, matt.
Abdomen undeutlich punktiert, glänzend, die Segmentränder breit
gelbbraun, sonst kurz weiß behaart. Ventralsegmente glänzend, mit
gelblich-braunen Rändern, die als Binden durch die rotgelbe Scopa
durchscheinen. Beine rotgelb, nur ein Basalfleck an allen Tibien
schwarzbraun. Flügel gebräunt, Adern schwarzbraun, Tegulae gelb-
braun. L. 9—12 mm, Br. 4—5 mm.
1 $ von Klein-Namaland im Oktober und ein sehr kleines $ von
Cradock (Wartmann leg.).
Süd-Afrika.
Anthidiuni cariniventre Feiese. (^.
1904. Meqachile cariniventris Friese, $, in: Ztschr. Hymenopt., Vol. 4,
p. 334.
1909. M. e. Friese, $, Bienen Afrikas, p. 354.
S wie $, aber Clypeusgegend weiß behaart, Thoraxscheibe grau
behaart; Antenne erreicht fast das Scutellum; Segment 6 breit,
mitten gerundet, seitlich gebuchtet und hier mit je 2 Seitenzähnchen,
7. dreizähnig, die beiden seitlichen Zähne groß, breit und nach innen
gekrümmt, der mittlere Zahn nur klein, liöckerartig. Ventralsegmente
konkav, rotbraun, querwulstig und spärlich dunkel behaart. Beine
einfach, Beine I ohne besondere Bildung. L. 12—13 mm, Br. 4 mm.
c^, $ von Rikatla (Junod), $ von Giftsberg, Rhynsdorp im
September 1911 fliegend und ^, $ von Ookiep in Klein-Namaland
(N.-W.); 1 $ im Kap-Museum.
Diese von mir früher nach 1 $ als Megachile beschriebene Art,
gehört nach Bekanntwerden des ^ unzweifelhaft zu Anthidium und
II. Nachtrag zu „Bienen Afrikas". 595
hat hier wohl eine besondere Gruppe zu bilden. Am besten würde
sie sich wohl dem Ant/iidium nivcocindum Gehst, anreihen lassen.
Das Flüf,^elp:eäder (die beiden Discoidalqueradern münden hinter der
1. und 2. Cubital(iuerader) stimmt ebenfalls mit den meisten Antlü-
dium-Xxi^w überein.
Anthldium trachusi forme n. sp. $.
Ein schwarzes Anthidium, das der Trachusa serratnlae Pz. (Europa)
täuschend ähnlich sieht, aber an dem 2dornio-en Clypeusrand, »elb-
brauner Scopamitte und an der :\Iündung der 2. Discoidalquerader
außerhalb der 2. Cubitalzelle gut zu unterscheiden ist.
?. Schwarz, gelbbraun behaart, unten mehr weißlich behaart,
Kopf und Thorax dicht runzlig punktiert, matt; Clypeusmitte glatt,
vor dem Endrande eingedrückt, ausgerandet und mit 2 spitzen
Dornen bewehrt. Abdomen mehr oder weniger lang gelblich behaart,
grob punktiert, dem Ende zu grob gerunzelt, Scopa gelblich, Scheibe
gelbbraun. Beine schwarz, gelblich behaart, Tarsen innen rotgelb,
besonders beim Metatarsus intensiv rot behaart, Calcar rotgelb.
Flügel gebräunt, Adern und Tegulae braun. L. 10 mm, Br. 4 mm.
1 $ von Ookiep (Klein-Namaland) im September fliegend.
Süd-Afrika.
Anthidium lunipes n, sp. ?.
Ein ganz schwarzes Anthidium mit spärlicher, weißer Behaarung,
dessen Tarsen außen dicht wollig und schneeweiß, unten schwarz-
braun behaart sind.
$. Schwarz, sparsam weiß behaart, eigentlich nur unten und
seitlich mit Behaarung. Kopf und Thorax dicht runzlig punktiert,
matt; Clypeus gerade abgestutzt, scharf krenuliert (mit 6 Zähnen)
und am Rande mit 6 langen, abstehenden, dicken, weißen Borsten be-
setzt; Mandibel sehr scharf 4zähnig. Scutellum wohl vorragend,
aber unbewehrt, seitlich etwas eckig. Abdomen deutlich punktiert,
glänzend, Segment 1—5 mit blassem, glattem Endrande, Scopa dicht
und weiß. Beine schwai-z, spärlich weiß behaart, Calcar weißgelb,
Tarsen außen, lang und dicht wollig schneeweiß befilzt, unten dicht
schwarzbraun behaart. Flügel gebräunt, scheckig, Adern und Tegulae
schwarz, Tegulae glatt, glänzend mit aufgeworfenem, häutigem Rande.
L. 7 mm, Br. 3',._j mm.
596 H. Friese,
1 $ von Marienhof (Ukerewe-Insel) , Deutsch Ost- Afrika; Con-
rads leg-.
Gehört zur Verwandtschaft des Anthidiiim volkmanni.
Anthidiuin concolor n. sj). ^.
Wie A. volkmanni, aber Analsegment bewehrt, Tibia I und II
vorn gelb.
^. Schwarz, ohne gelbe Zeichnungen, spärlich weißlich behaart,
Kopf und Thorax ziemlich fein punktiert, g-länzend, Gesicht lang
weiß behaart; Mandibelende rot; Antenne braun, stark verlängert,
erreicht das Thoraxende, 2. Geißelglied viel länger als 3. (l^o mal)-
Scutellum vorragend, seitlich aber gerundet. Abdomen punktiert,
stark glänzend, da stellenweise größere, glatte Zwischenräume vor-
handen, Segmentränder schmal braunhäutig, 6. Segment jederseits
scliarf gezähnt, mitten breit abgestutzt mit aufgebogenem Rande,
7. tief ausgerandet, jederseits mit nach innen gekrümmtem Zahn,
mitten in der Ausrandung schwach gehöckert. Ventralsegmente weiß
behaart, 2. mit gelbhäutigem Rande, 3.-6. konkav, lang und dicht
gelbbraun gefranst. Beine schwarz, Tibia I und II vorn breit gelb,
weißlich behaart, Tarsen II stark verlängert, so daß Tarsenglied 1
von Tibienlänge ist, Tarsenglied 2—5 zusammen so lang wie das 1.,
alle Tarsen vom 2. Gliede ab rotbraun. Flügel getrübt, Adern und
Tegulae schwarzbraun. L. 7 mm, Br. 3 mm.
1 c^ von Ookiep (Kl.-Namaland) im September gefangen.
Süd- Afrika.
AntJiidium j^iHv^ntre n. sj). 3-
Wie A. hraunsi Feiese von Willowmore, aber Segment 3 — 6
am Seitenrande zahnartig vorspringend, das 7. dreizähnig, Ventral-
segmente 3—5 lang weiß behaart.
3. Schwarz, weißgelb gefleckt, spärlich weiß behaart, Kopf und
Thorax dicht runzlig punktiert, etwas glänzend, Clypeus und ein Fleck
auf der unteren Hälfte des Nebengesichts gelbweiß, Clypeusrand
schwach krenuliert, schwarzbraun, Mandibel gelb, mit 4 schwarz-
braunen Zähnen; Antenne sehr kurz, rotbraun, unten gelbbraun,
stark deprimiert, Schaft und Glied 1 schwarz, Schaft am Ende vorn
mit gelbem Fleck, 1. Geißelglied sehr groß, so lang wie das 2. und
quadratisch, 3. und folgende viel breiter als lang, Hinterhauptsrand
jederseits mit kleinem, gelbem Fleck. Thorax schwarz, Mesonotum
vorn am Rande jederseits mit länglich viereckigem Fleck, Scutellum
II. Naclitrag- zu „Bienen Afrikas". 597
gerundet, weiii": vorragend, am Hintenande mit 2 länglicli gelben
Flecken, Sciitellumlai)i)en gelb gefleckt; Area äußerst fein gerunzelt,
ganz matt. Abdomen grob j)unktiert, Zwischenräume der Punkte
glatt und glänzend, Segment 1 jederseits gelb gefleckt, 2—8 mit
gelber Randbinde, die seitlich und mitten verbreitert ist, 4 — 5 gelb
bis auf einen schwarzbraunen Fleck jederseits der Mitte, 6—7 ganz
gelb. 3 — 6 am Seitenrande zahnartig vorspringend, 7.dreizähnig, ähnlich
wie bei A. afrum Lep. (vgl. Fkiese, Bienen Europas, Vol. 4 p. 159, fig.)
die Seitenzähne gerundet, der mittlere Zahn stumpf und eckig.
Yentralsegmente braun, mit häutigen blassen Endrändern, 3—5 lang
weißhaarig. Beine rotgelb. Tibien und Metatarsus außen mehr oder
weniger gelb, lang weiß behaart. Flügel gebräunt, scheckig, Adern
schwarz, Tegulae rotgelb, vorn mit gelbem Fleck. L. 7 mm, Br.
1 (^ von Kapland.
Süd-Afrika.
Coelioxys maculata it. sp, $.
Der C. furcata Friese von Afrika nahestehend, aber größer,
Segment 1 — 5 mit großen weißhaarigen Seitenflecken und ganz blau-
schwarze Vorderflügel.
$. Schwarz, stellenweise lang schneeweiß behaart, Kopf und
Thorax ziemlich grob punktiert, Gesicht lang weiß behaart; Clypeus
vorgewölbt, lang weiß behaart, Haare des Endrandes dicht und weit
vorstehend, Clypeusmitte glatt und glänzend; Antenne dick, schwarz,
2. Geißelglied fast kürzer als 3, Endglied abgeplattet. Mesonotum
uneben, beulig. vorn mit erhabener Mittellinie, am Vorderrand schwach
weißlich behaart und jederseits an den Tegulae mit dicht weiß-
haarigem Fleck; Scutellum grobhöckerig gerunzelt, nach hinten scharf
dreieckig vorspringend, mit etwas aufgebogenem Endrand. Seiten-
dorne stark gekilimmt und schwarz behaart; Area matt. Abdomen
spärlich, aber grob punktiert, mit größeren glatten Flächen zwischen
den Punkten, Segment 1—5 jederseits am Rande mit großem, weiß-
haarigem Fleck, 6. schmal und langgestreckt wie bei C. furcata, mit
abgerundetem Ende. Ventralsegmente ebenso punktiert, aber schmal
weiß gefranst, 6. schmal wie das obere Analsegment, aber schwach
zugespitzt. Beine schwarz, weiß behaart, Calcar scharf gebogen.
Flügel schwarzbraun mit bläulichem Schimmel-, Hinterflügel wasser-
hell, Adern und Tegulae schwarz. L. 20 mm, Br. 6 mm.
1 $ von Shilouvane (X.-Transvaali im Januar, Junod leg.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 39
598 H. Friese, II. Nachtrag zu „Bienen Afrikas".
Neben C. scioensis Grib. ist C. maculata die größte CoeUoxys-
Art in Afrika und gibt der größten Coelioxys- Art der Erde, der C.
ducalis Sm. (L. 23 mm) von Java und Sumatra nur wenig nach.
Coelioxys cJierenensis n, sj)* ?, c^.
Der C. lativentris Friese (= Gruppe decipiens Spin.) nahestehend,
aber Abdomen mit seitlichen Flecken, Segment 2—5 jederseits mit
2 weißen Haarflecken.
$. Schwarz, stellenweise mit weißen Filzflecken, Kopf und
Thorax dicht und grob höckerig gerunzelt, matt, Gesicht weißfilzig
behaart; Antenne dick, schwarz, unten rotbraun. Mesonotum ganz
matt, kahl, nur am Vorderrande jederseits mit rundlichem weißem
Filzfleck, jederseits hinter den Tegulae und vor dem Scutellum mit
einem Filzfleck; Scutellum mitten in kurzen Dorn verlängert, Seiten-
dorne stumpf; Mesopleuren weißfilzig, hintere Thoraxwand weißlich
behaart, Area matt. Abdomen grob und dicht punktiert, schwach
glänzend, Segment 1 jederseits mit großem weißem Filzfleck, 2 — 5
jederseits mit 2 weißen Filzflecken, 5. feiner punktiert mit braun
behaartem Endrand, 6. breit, mit niedergedrückter Scheibe, die sehr
fein skulpturiert, braun und matt ist, nach hinten gekielt und hier
dreieckig verlängert und zugespitzt ist, der Eand überall abstehend
borstig behaart, an den Seiten ragt ein langer, gelblicher Haarpinsel
nach hinten vor. Ventralsegmente ebenso punktiert, aber fein weiß
gefranst, 5 — 6 braun, 6. breit scharf gerandet, der Rand abstehend
dicht braun und borstig behaart und am Ende mit feiner ausge-
zogener Spitze. Beine schwarz, weiß befilzt, Calcar braun. Flügel
schwarzbraun, mit violettem Schimmer, Vorderflügel mit heller Basis,
Hinterflügel ganz hyalin, Adern schwarzbraun, Tegulae schwarz mit
weißfilziger Vorderhälfte. L. 13 — 15 mm, Br. 3-4 mm. ^ wie $,
aber Segment 6 grob höckerig gerunzelt, mit 6 Enddornen, 2 an der
Basis und seitlich abstehend, 4 am Ende, wovon die beiden oberen
breit und am Ende in 3 — 4 Zacken enden, die beiden unteren aber
dünn und spitz sind. L. 13 mm, Br. 3^2 nim.
4 5$ und 2 ^(^ von Oberen in Abessinien; 1 sehr großes 2
aus dem Sudan.
Nordost- Afrika.
Nachdruck verboten.
Ubersclzungsrecht vorbehalten.
Über einige australische Spinnen des
Senckenbergischen Museums.
Von
Embrik Strand
(Berlin).
Das Senckenbergisclie Museum in Frankfurt a. M. hat von Herrn
V. Leonhakdi eine kleine Spiiinenkollektioii aus Zentral-Australien
erhalten, die von besonderem Interesse ist, weil die Spinnenfauna
des zentralen Australiens bisher fast j^änzlich unbekannt war. —
Einige weitere neuholländisclie, mir gleichzeitig von der Direktion
des Senckenbergischen Museums zur Bearbeitung gefälligst anver-
traute Spinnen werden mit behandelt.
Fam. Aviculariidae.
Gen, Selenocosniia Auss.
Selenocosniia stirUngl Hogg 1901.
1 $ von: Hermannsburg am oberen Finke River, südlicli der
Macdonald Ranges in Süd-Australien 17./9. 1910 (v. Leonhardi).
Die Art dürfte identisch sein mit 'Selenocosmia stirlingi Hogg
1901, ob diese aber von S. crassipes L. K, wirklich verscliieden ist,
scheint mir nicht ganz unfraglich zu sein. Hogg gibt als Unter-
scheidungsmerkmal die Färbung der Beine an. indem bei crassipes die
proximalen Glieder unten schwarz sein sollen, bei stirlingi aber oben
und unten gleichfarbig, heller. Da die so häufig vorkommende
dunklere Färbung der Unterseite der Spinnen bei älteren, abge-
6Q0 Emürik Strand,
liebenen Exemplaren in der Tat mehr oder weniger verloren ge-
gangen sein kann, was man sowohl bei Lj^cosiden wie Vogelspinnen
beobachten kann, so dürfte genanntes. Merkmal keine große Bedeu-
tung haben. Das Hogg selbst seine spätere Sei. stirlingi früher (z. B.
bei der Bearbeitung der Spinnen der HoEN-Expedition) für identisch
mit Sei. crassipes L. K. gehalten hatte, geht aus seinen eigenen An-
gaben hervor, und die von Baldwin Spencee in : Hörn, Exped. Zentr.
Austr., Zool. (Vol. 2), p, 412—415, t. 28 gegebene Darstellung des
Stridulationsorganes von „PMogius (Pkrictus) crassipes L. K." (offenbar
nach Hogg's Bestimmung) paßt ganz auf vorliegende Form, die
gleichzeitig mit Hogg's späterer Beschreibung seiner S. stirlingi über-
einstimmt. Während Hogg 1901 letztere Art als etwa über fast
ganz Australien verbreitet angibt, die nach seiner Meinung echte
crassipes L. K. dagegen offenbar nicht kennt, wäre nach Rainbow
1911 eben umgekehrt crassipes die weit verbreitete Art, Avährend er
anscheinend stirlingi nur nach Hogg's Angaben in seinen Katalog
aufführt. Daß Rainbow dieselbe Art für crassipes gehalten hat, die
Hogg stirlingi nennt, dürfte somit wahrscheinlich sein, — Ein weiterer
von Hogg zur Unterscheidung genannter „Arten" verwendeter Unter-
schied, nämlich die vordere Augenreihe bei stirlingi gerade, bei
crassipes gekrümmt, scheint mir auch wenig in Betracht kommen
zu können, wenigstens ist Koch's Darstellung in diesem Punkt nicht
ganz klar, indem er schreibt: „die M.A. der vorderen Reihe rund,
nicht größer als die S.A., mit diesen in gleicher Linie
stehend" [hier Sperrdruck!], eine Angabe, die wohl am wahr-
scheinlichsten als in „gerader Linie stehend" aufgefaßt werden kann,
seine Abbildung dagegen stellt genannte Augenreihe als deutlich
procurva dar. — Erwähnt mag hier auch werden, daß die Weise, in
welcher Hogg nach seiner Bestimmungstabelle (p. 245 in: Proc. zool.
Soc. London 1901) die australischen Selenocosmia- Arten unterscheiden
will, in betreff der Sei. strenua Th. verfehlt ist, indem er darüber
angibt: „Front row of eyes so far procurved, that a line touching
the lower points of the middle pair passes above the side-eyes (sec.
Thoe.)", während Thoeell's Angabe in der Tat lautet: linea recta
oculos medios anticos subter tangens laterales anticos potius supra
quam sub centro secat" [hier Sperrdruck!].
An Abweichungen von der Originalbeschreibung von Sei. stirlingi
sei erwähnt, daß die Mandibeln länger als von Hogg angegeben sind;
statt 6V2 mm sind sie hier 9 mm lang, und Hogg's Angabe wird daher
wahrscheinlich durch Schreib- oder Druckfehler entstanden sein.
Australische Spinnen des Senckenbergischeu Museums. 601
Als Sei. stalkeri hat Hocui 1907 eine Art beschrieben, die sich
von stirlingi u. a. dadurch unterscheiden soll, daß „posterior sigilla
situated in the anterior two thirds of it" (d. h. Sternuni), was sich
auch von der vorliegenden Form sagen läßt, indem die Sigilla ganz
kurz hinter der Mitte sich befinden: ferner ist die vordere Augen-
reihe gerade etc. — Sei. suhculpinn Strand ist nur im männlichen
Geschlecht beschrieben (das Zitat dieser Art in Rainbow's Katalog
der australischen Spinnen |in: Rec. Austral. Mus., Vol. 9, No. 2 (1911)]
ist nicht richtig; es muß heißen: Jahresh. Ver. vaterl. Nat. Württem-
berg 1907, statt Zeitschr. Naturw.).
Aus Zentral-Australien (v. Leonhardi) (Xo. 39) liegen 3 mit
obigem $ gut übereinstimmende $$ vor sowie ein etwas größeres
Exemplar, dessen Cephalothorax 20,5 mm lang ist und die übrigen
Dimensionen entsprechend groß. Der Kopfleil dieses Exemplares
scheint mir ein wenig stärker der Länge nach gewölbt, sonst finde
ich keine nennenswerte Unterschiede und halte auch dieses Stück für
stirlimji. In einem weiteren Glas von derselben Lokalität und dem-
selben Sammler (Xo. 23 n. 24) sind mehrere Exemplare, auch ganz
junge, enthalten; das größte Exemplar hat 22mm langen Cephalo-
thorax.
Gen. Cltenistonia Hogg,
Chenistonia (Dekana) atrn it. sjj.
1 (J aus Zentral-Australien (v. Leonhaedi). 1 unreifes Exemplar
im selben Glas ist vielleicht conspecifisch.
Das Tier würde Mk. Hoüg vielleicht zu seiner Gattung Dehma
stellen; die Tibia und Metatarsus des I. Paares sind nämlich fast
genau wie bei DeMna diversicolor Hogg, und die Rückengrube ist
ganz schwach, fast unmerklich procurva gebogen, dagegen sind die
hinteren Sternalsigillen , wenn auch nicht marginal, so doch ent-
schieden weiter von der Mittellinie als von dem Rande entfernt.
Die Palpenorgane enden in eine feine gekrümmte Spina wie bei
Dekana. Das Endglied der Mamillen ist ein wenig länger als das
1. oder das 2. Glied (aber nicht länger als beide zusammen). — So-
weit ich nach den Beschreibungen urteilen kann, unterscheiden diese
beiden Gattungen sich so wenig, daß es, vorläufig wenigstens, so
lange nicht mehr Arten bekannt sind, besser ist sie zu vereinigen
oder höchstens DeJcana als Untergattung gelten lassen.
Färbung. Cephalothorax schwarz, auf dem Brustteile mit
602 Embrik Strand,
rötlichein Anflug, überall, aber am dichtesten auf dem Kopfteile mit
feiner, weißer, anliegender, seidenartig schimmernder Behaarung, die
übrigens wahrscheinlich leicht abgerieben wird. Mandibeln schwarz
und mit ebensolcher borstiger Behaarung sowie spärlich mit feiner
weißer Grundbehaarung; am Ende innen scheinen einige kurze und
wenig kräftige Stacheln vorhanden zu sein. Sternum, Mundteile und
Extremitäten braunschwarz. Abdomen schwarz, oben mit graulich
schimmernder Behaarung; die Lungendeckel rötlich. Spinn warzen
bräunlich.
Der Fortsatz derTibial weicht von demjenigen der DeJcana
diversicolor Hogg dadurch ab (cf. Proc. zool. Soc. London 1902,
p. 139, fig. 27), daß der Fortsatz fast senkrecht absteht, der Stachel
ist dagegen subparallel zum Gliede gerichtet und bildet also mit
dem Fortsatz fast einen rechten Winkel, und seine Spitze bleibt weit
hinter derjenigen des Gliedes. Der Metastarsus hat dieselbe Form
wie bei genannter kri, jedoch erscheint die ventrale Seite zwischen
der Basis und der dicksten Stelle desselben stärker konkav. — An
den Palpenorganen weicht ab, daß der Bulbus in Seitenansicht mehr
wie eine von oben und unten etwas flachgedrückte Kugel erscheint,
die nur durch einen ganz kurzen schmalen Stiel mit dem Glied ver-
bunden ist.
In Flüssigkeit gesehen in Aufsicht weicht die Au gen Stellung
von derjenigen der DeJcana diversicolor (cf. fig. cit. !) dadurch ab, daß
die hinteren M.A. von den vorderen M,A. um ihren längsten Durch-
messer entfernt sind und die hinteren M.A. mehr langgestreckt
erscheinen.
Dimensionen. Körperlänge 24mm. Cephalothorax 10,5mm
lang, mit Mandibeln 14 mm lang, 8 ram breit. Mandibeln 6 mm lang.
Beine: L Femur 7,5, Patella + Tibia 10, Metat. + Tarsus 9 mm;
IL bzw. 7, 8,5, 8 mm; IIL bzw. 5,5, 6,5, 8 mm; IV. bzw. 8, 10, 10,5 mm.
Also: L 26,5, IL 23,5, IIL 20, IV. 28,5mm oder: IV, I, II, IIL
Patellarglied der Palpen 3,5, Tibial- -j- Tarsalglied 5,5 mm.
Gen. Atrax 0. Cbr.
Atrax rohiistus 0. P. Cbr. 1877.
1 (fragmentarisches!) $ von Queensland (A. Koch ded.).
Die vorderen M.A. unter sich um ihren Durchmesser entfernt,
im Durchmesser kleiner als die S.A. Stacheln an den beiden hinteren
Patellen sind nicht mehr zu erkennen, wohl aber mögen sie abge-
Australische Spiuueu des Senckeubery:i.scheu Museums. (503
rieben sein. Tibien I sclieinon unbestaclielt zu sein. — Cejdialo-
thorax und Extieniitäten rotbraun, Abdomen oben schwärzlicl» mit
violettlichem Schimmer, sonst g-raulicli-braun an den iSeiten, braun
unten. Auch die At'terki'alle der Tarsen ist g'ezähnt. allerdinj^s nur
mit 2 — 3 kleinen Krallen an der Basis, die Zahl dei- Zähne der
obei-en Krallen ist etwa 10. Unten am Ende der Tibia II ist jeden-
falls bloß 1 Stachel vorhanden.
Nach den Auseinandersetzungen von Hogü in: i'roc. zool. Soc.
London 1901 p. 272 — 74 über die beiden Arten Atrax modesta Sim,
und rohustus 0. Cur. würde vorliegendes Tier etwa intermediär
zwischen den beiden sein, jedoch rohustus am nächsten stehen; damit
auch aus geograi)hischen Gründen zu vereinigen.
1 weiteres Exemplar ($) mit derselben Lokalitäts- und Geber-
angabe stimmt in der Bewehrung mit Ä. rohusttts, so daß ich an
der Zugehörigkeit zu dieser Art nicht zweifeln möchte, trotzdem die
vorderen M.A. nicht um mehr als ihren Durchmesser unter sich
entfernt sind.
Fam. Uloboridae.
Gen. Dlnopis McLeat.
Dinopis sj).
1 obendrein beschädigter Cephalothorax mit 4 von den Beinen
liegt vor aus Zentral-Australien (v. Leonhaedi).
Fam. Didynidae.
Gen. Ani(mrobu(s C. L. K.
Amaurobius austriiliensla n. sj),
1 $ aus Zentral-Australien (v. Leonhaedi, G.).
Färbung. Cephalothorax schwarz, auf dem Kopfteile metallisch
schimmernd, am Seitenrande des Brustteiles gerötet. Mandibeln
schwarz und etwas schimmernd. Sternum und Coxen dunkel rot-
braun mit bläulichem Schimmer. Lippenteil und Maxillen ebenso ge-
färbt mit schmalem weißlichem Vorderrande bzw. Spitze des Innen-
randes. Beine schwarz und schwarz behaart, an den Femoren stark
bläulich glänzend, die Patellen größtenteils rot, an den Beinen III
und IV sind die folgenden Glieder teilweise gerötet. Palpen schwarz
ßQ4 Embrik Strand,
mit rotem Patellarglied. Abdomen hell graubraun, oben mit An-
deutung einer feinen Mittellängslinie und an der hinteren Abdachung
mit einigen hellen, mitten winklig gebrochenen kurzen Querlinien.
Bauch und die untere Hälfte der Seiten dunkler (die Eückenseite
ist offenbar abgerieben und daher wahrscheinlich unnatürlich hell
[cf. folgende Art!]).
Die E p i gy n e bildet eine grauliche und in ebensolcher Umgebung
gelegene, kleine, wenig tiefe, reichlich so breite wie lange, abge-
rundete Grube, deren Hinderrand leistenförmig erscheint und an
beiden Enden hinten Andeutung je eines kleinen, nach hinten und
innen gerichteten Zahnes zeigt, der aber undeutlicher als bei einigen
verwandten Arten ist. In Flüssigkeit zeigt die Epigyne große Ähnlich-
keit mit derjenigen von Ämaurobius (Badumna) ornatus L. K. (cf.
Arachn. Australiens tab. 26, fig. 2), insofern als eine procurva ge-
krümmte, an beiden Enden in einen runden Fleck endende, feine,
schwarze Querlinie vorhanden ist, die aber nicht so stark procurva
gebogen, wie in der genannten Figur angedeutet ist. Hinter dieser,
subparallel dazu, ist eine weitere procurva gebogene Querlinie, die
aber nicht wie an der erwähnten Figur mit der vorderen Linie zu-
sammenhängt. Die am Hinterrande angedeuteten Zähnchen erscheinen
stumpfer als an fig. cit. Das ganze Feld ist heller als die Umgebung
und halbkreisförmig (bei ornatus kreisförmig).
Vordere Au gen reihe gerade, die Augen etwa gleich groß,
die M.A. unter sich um ihren Eadius, von den S.A. und vom Clypeus-
rande um ihren Durchmesser entfernt. Hintere Augenreihe procurva;
die M.A. von den S.A. weiter als unter sich entfernt und mit den
vorderen M.A. ein Trapez bildend, das hinten ein wenig breiter
als vorn und etwa so lang wie hinten breit ist.
Dimensionen. Körperlänge 15 mm. Cephal. 6 mm lang. Ab-
domen 10 mm lang, 7 mm breit. Patella -|- Tibia I 6, IV 5 mm lang.
Am oberen Falzrande sind 4 Zähne, von denen die beiden distalen
die kleinsten sind, am unteren Rande 2.
Ämaurobius (ob australiensis? [Nom. ad int.: exsiccatus m.]).
Von derselben Lokalität und demselben Sammler [Zentral- Austra-
lien (v. Leonhakdi)] liegen 3 Exemplare, die leider eingetrocknet ge-
wesen sind, von einer Amaurobius-Fovm vor, die der vorigen jeden-
falls sehr nahe steht, hauptsächlich jedoch dadurch abweicht, daß
das Abdomen schwarz erscheint, ein Unterschied, der sich vielleicht
dadurch erklärt, daß es hier das Haarkleid gut erhalten hat, während
Austialisclie Spinnen des Senekenbeif^ischen Musenms. ß05
es bei der oben bescliriebeiien P'orm abcreiieben war. Der Ceplialo-
thorax ist auch am Seitenraiide nicht rot, die hellen Querlinieii
des Abdomens treten beim einen Exemplare als an den Enden zu-
sammenhängend auf, während sie bei den beiden anderen überhaupt
nicht mehr erkennbar sind. — Wegen des vertrocknet gewesenen Zu-
standes der Exemplare ist die Eiiigyne nicht mehr genau zu erkennen,
scheint aber von der oben beschriebenen kaum wesentlich abzu-
weichen, wenn sie auch schwarz ist. Das eine der 8 Exemplare ist
kleiner und macht einen etwas anderen Eindruck, was sich aber
dadurch erklären dürfte, daß es schon die Eier abgelegt hatte,
während die anderen Exemplare gi-avid zu sein scheinen. — Sollte
es sich hier um eine andere Art oder Varietät handeln (event. als
Varietät von Amcmrohius außtraliensis m.), so würde ich den Namen
exsiccatus m. in Vorschlag bringen.
Farn. Drassodidae.
Gen. Lainpoud Th.
Lanipona scutata n. sp,
1 $ Zentral- Australien (v. Leonhardi).
Färbung. Cephalothorax schwarz mit rötlich-violettlichem
Anfluge längs der Mitte und feiner weißer Pubescenz. Mandibeln
rötlich-schwarz. Sternum, Maxillen und Lippenteil dunkel rötlich-
braun. Alle Coxen und Trochanteren rot, die Femoren I — II schwarz,
Patellen I — II rot, aber schwärzlich angeflogen, die Femoren und
Patellen III — IV hellrot, die übrigen Glieder orangegelb. Petiolus,
Rücken- und Epigasterscutum des Abdomens rot, sonst ist das Abdomen
oben schwarz mit folgenden hellgraulichen Zeichnungen: die das
Scutum seitlich begrenzenden Kücken partien. eine schmale hintere
Einfassung des Scutums, zwischen diesem und der Rückenmitte ein
graulicher, hinten in 3 feine Äste endender Längsstrich, jederseits
der Mitte ein dreieckiger, sich am Rande des Rückens als ein
schmaler Streifen nach vorn verlängernder Fleck, über den Spinn-
warzen ein großer, rundlicher, reichlich so breiter wie langer Fleck.
Bauch graulich, bräunlich angeflogen, am Hinterende angeschwärzt.
Abdomen durch einen Petiolus. der so lang wie die Breite
der hinteren Femoren ist und daher von oben gesehen in auffallender
Weise hervortritt, mit Cephalothorax verbunden, an beiden Enden
quergeschnitten, die größte Breite hinter der Glitte, von da nach
606 Embrik Strand,
vorn allmählich und ziemlich stark verschmälert, nach hinten weniger,
das Hinterende also breiter und stumpfer erscheinend. Das Abdomen
erscheint sonst stark flachgedrückt und wird im vorderen Drittel
seiner Länge von einem glänzenden, gewölbten Scutum bedeckt, das
1.5 mm breit ist und hinten abgerundet endet. Unten erscheint das
ganze Ei)igaster und die Lungendeckel verhornt, und zwar werden
letztere von dem Genitalfeld durch zwei weißliche, gerade, hinten
leicht gebogene, nach hinten leicht divergierende Linie begrenzt.
DieEpigyne erscheint in Flüssigkeit als ein schwärzliches, länglich-
rundes, unbestimmt begrenztes Feld, das sich durch einen hellen
Strich mit dem Hinterrande verbindet. Trocken angesehen erscheint
dieser Strich als ein schmales, eine kleine grubenförmige Einsenkuug
teilendes Längsseptum.
St ern u m kräftig und dicht krenuliert-punktiert, jedoch schwach
glänzend.
Hintere Augenreihe gerade; die M.A. von dem für die Drassodiden
charakteristischen T^^pus: schief gestellt, länglich, hellglänzend; sie
sind unter sich etwa um ihren kürzeren Eadius, von den kleineren
Seitenaugen kaum so weit entfernt. Die 4 vorderen Augen bilden
ein Trapez: eine die M.A. unten und die S.A oben tangierende Linie
würde gerade sein; die M.A ein wenig größer, unter sich kaum um
ihren Radius, von den S.A. linienschmal getrennt.
Die Mamillen sind alle ganz kurz und zwar etwa gleich lang
Größe. Körperlänge 15 mm. Cephalothorax 6 mm lang und
reichlich halb so breit. Abdomen ohne Petiolus 7,5 mm lang und
3,8 mm breit. Patella + Tibia 1 4,2, IV 4,6 mm.
Wegen der abweichenden hinteren Augenreihe, der Abdominal-
scuta und der Mamillen dürfte die Aufstellung einer besonderen
Untergattung für diese Art berechtigt sein (event. Lamponina m.).
Fam. Zodariidae.
Gen. Storena Walck.
Stören a rastellata n. sp,
1 $ subad. aus Zentral-Australien (v. Leonhaedi).
Färbung, Cephalothorax ganz hell kastanienbraun mit
schmalem schwarzem ßand, schwarzen Clypeusecken und eben-
solchen, linienschmalen Ringen um die Augen. Mandibeln wie
Cephalothorax.
Australische Spinnen des Senckenbcrgischen Musenms. (JOT
Stenuini. Maxilleii, Lipjjeiiteil und Exti'emitäten lieller, bräiiii-
licli-yelb mit. oliventarbigem AnHiig-. — Abdümeii oben schwarz mit
violettlicheni Anflii;?; der Rücken vorn mit einer hellen, schmutzio:-
weißlichen lialbmondförmioen Querbinde, welche sich über seine
ganze Breite erstreckt, von der ]\Iitte des Rückens bis zu den
Spinnwarzen eine gleichbreite helle Binde und zwischen dieser und
der vorderen Rückenbinde finden sich jederseits zwei parallele,
schräg nach unten und hinten sich hinziehende helle Rinden, von
denen die vordere die längste ist und in der Mittellängslinie des
Rückens nahe der vordersten Binde anfängt, während die hintere
der beiden Schrägbinden oben abgekürzt ist und somit nur an den
Seiten vorhanden ist. Bauch und untere Hälfte der Seiten etwas
heller als der Rücken und zeichnungslos. Mamillen bräunlich- gelb.
[Der Brustteil der Type ist stark eingedrückt, was offensicht-
lich durch Druck (Beschädigung) verursacht ist.] Hintere Augen-
reihe so staik procurva, daß eine die S.A. hinten tangierende Gerade
die ]\r.A. bei weitem nicht berühren würde; letztere unter sich um
ihren Durchmesser (in Flüssigkeit gesehen) entfernt, von den S.A.
erheblich weiter entfernt und mit den größeren vorderen M.A. ein
Viereck bildend, das länger als breit und vorn ein wenig breiter
als hinten ist. Die mittlere Augenreihe (hint. S.A. + vord. M.A.)
recurva; die vorderen M.A sind die größten aller Augen, unter
sich kaum um ihren Radius, von den S.A. weiter entfernt. Die
beiderreihigen S.A. sind unter sich reichlich um ihren Radius
entfernt.
Clypeus vertikal, mit einigen abstehenden Borstenhaaren be-
wachsen. Die beiden hinteren Bein paare mit zahlreichen kurzen
abstehenden braunen Stacheln besetzt, die beiden vorderen Paare
sowohl spärlicher als weniger kräftig bestachelt.
Das Tarsalglied der Palpen des noch unreifen Exemplars ist
verdickt, jedoch ziemlich scharf zugespitzt, unten ist es abgeflacht,
und von oben gesehen erscheint es dreieckig. Mandibeln dicht und
kräftig, aber kurz behaart, am Ende etwa rastellumartig erscheinend.
Körp erlange des unreifen Exemplares 10 mm. Cephalothorax
4 mm lang, Abdomen 5.5 mm lang. 3.8 mm breit. Beine: 1 Fem. 3,
Pat. + Tib. 3,2, Metat. + Tars. 4 mm; IV bzw. 3.2. 3,5, 5 mm.
Also: I 10,2; IV 11.7 mm.
ßQ8 Embrik Strand,
Farn. Theridiidae.
Gen. Lntrodectus Walck.
Latrodectns hcisselti Th.
2 ?$ von Zentral-Australien (v. Leonhardi, S. G.)
Gen. JfepMla Leach.
jS'ej)hila i7tiperatrix L. K.
3 ^ aus Zentral-Australien (v. Leonhardi).
J^ephila sp,
2 unreife und schlecht erhaltene Exemplare von: Australia
mer., Hermannsburg-, Finke River (v. Leonhardi ded.).
Gen. Ai^giope Aud.
Argiope pvotensa L. K.
2 $$ aus Zentral-Australien (v. Leonhardi).
Gen. Aranea L.
Araiiea heroine (L. K.).
Aus Queensland (A. Koch dedit 1872) liegen 3 $$ vor. — Die
länglich-viereckige, weißliche, mitten dunkle, schildförmige Zeich-
nung des Bauches wird von L. Koch nicht erwähnt.
Aranea producta L. K.
5 reife $$ von Zentral-Australien (v. Leonhardi) mit der
weiteren Bezeichnung: „25 Parameterbra".
Daß eine Revision der australischen Aranea aus der producta-
Gruppe ein Bedürfnis wäre, zeigen auch diese Exemplare; scharfe,
stichhaltige Unterschiede zwischen den $$ von producta, biapicata
und thyridota sind in der Literatur noch nicht vorhanden, und da
auch die Epigynen von apicata und thyridota nicht beschrieben sind,
müssen diese Arten als zweifelhaft bezeichnet werden. Ob meine
Australische Spinueu des Senckeubergischeu Museums. (309
iiacli einem Exemi)hir aufcestellte Aranea hiapicaiifcra Strd. [in:
Jahrb. nass. Ver. Natiirk. (Wiesbaden), Jg. 60 (1907), p. 202—205]
eine .mite Art ist, scheint mir jetzt auch fraglich zu sein, indem die
damals zur Ti-ennung beider Formen benutzten IMeikmale nach vor-
liegendem Material wenigstens zum Teil nicht stichhaltig sind. —
Bei allen Exemplaren sind 2 Apicalhücker des Abdomens vorhanden
und ein dritter angedeutet. Der Rauch zeigt 2 helle Querbinden,
von denen die hintere in 2 Fällen bei weitem die breiteste ist und
wodurch eine Zeichnung gebildet wird, welche die größte Ähnlich-
keit mit deijenigen von thyridota hat. Bei einem jungen Exemplar
von 10 mm Länge bildet die Bauchmitte ein zusammenhängendes,
auch mitten helles Feld.
Aus Zentral-Australien (v. Leoxhardi) liegt ein unreifes (^ vor;
es hat etwa die Größe der AV'eibchen : Körpei-länge 21 mm, Cephalo-
thorax 8 mm lang, Patella -}- Tibia I 11 mm, und weicht auch
sonst, von den Palpen abgesehen, nicht wesentlich ab; Cephalothorax
und Grundfarbe der Extremitäten dunkelbraun.
In demselben Material ist auch ein ^ ad. vorhanden, das ohne
Zweifel mit obigen $$ specifisch zusammengehört, aber von Thorell's
wie von L. Koch's Beschreibung dadurch abweicht, daß der Cephalo-
thorax ein wenig kürzer als Patella -j- Tibia IV ist.
Gen. Gasteracantha Sund.
Gaster acantha riiinax Th. vdv, leonharclil n, var.
Aus Zentral-Australien (v. Leoxharui) liegt eine Gasteracantha
vor, die von der in Australien so weit verbreiteten G. minax Th.
nicht specifisch verschieden sein kann, wohl aber einer besonderen
Varietät angehört. — Die Zeichnung des Abdominalrückens ist wie
bei der von Keyseeling unter dem Namen G. flavomaculata ab-
gebildeten Form, von der Beschreibung der ,.flavomacidata'' ebenso
wie von der Originalbeschreibung weicht aber vorliegende Form durch
den roten Cephalothorax und die roten Mandibeln sowie die rötlich
braungelben Beine, die nur am Ende der hinteren Tibien und Meta-
tarsen je einen schwarzen King tragen, ab. — Die von L. Koch,
Arachniden Australiens, p. 15, gemachten Bemerkungen über G.
minax treffen auf dieses Exemplar zu, die Beschreibung ]). JO — 11
1. c. aber, ebenso wie die Originalbeschreibung, nur teilweise. Körper-
länge 6,5 mm (nicht unreif!). — Die neue Form möge den Namen
des Gebers tragen.
61Q Embkik Strand,
Fam. Cluhionidae.
Gen. Isopeda L. K.
Isox>eda hmnanis L. K.
2 ?? von: „Queensland, per A. Koch 1872."
Isoi^eda consjtersula n, sp.
1 $ mit derselben Bezeichnung wie bei voriger Art.
Stellt jedenfalls Isopeda conspersa L. K. nahe, aber die Epigyne zeigt
keine Mittellängsfurche, und ihre beiden Einsenkungen vor dem leicht
erhöhten Hinterrande sind getrennt und divergieren sogar leicht nach
vorn, der Hinterrand ist mitten nicht eingebuchtet (eingeschnitten),
sondern ganz gerade, und in der vorderen Hälfte der Epigynengrube
ist beiderseits am Rande je eine kleine Einsenkung erkennbar. Alle
3 Einsenkungen sowie die Hinterranderhöhung lassen sich nur deutlich
erkennen, wenn die Epigyne trocken ist.
Die vordere Augenreihe ganz schwach procurva, die M.A. von
den hinteren M.A. reichlich um ihren Durchmesser entfernt (in
Flüssigkeit gesehen). Das Feld der M.A. ist hinten breiter als vorn
und als lang.
Die Mandibeln sind so lang wie die vorderen Patellen (2,3 mm).
Cephalothorax 8,3, Abdomen 15 mm lang. Beine: I Femur 9, Patella
-f- Tibia 12, Met. -\~ Tarsus 11 mm, also im ganzen 32 mm lang. Das
IV. Paar bzw. 8,9 und 9 mm.
Tibia III, aber nicht IV^ oben mit 1 Stachel.
Isopeda herculeana n. sp,
1 $ von Queensland (Geschenk von A. Koch 1872).
Ganz ausgeschlossen wäre es nicht, daß es dieselbe Art ist, die
HoGG 1902 (in : Proc. zool. Soc. London, p. 453) als Isopeda aurea L. K.
beschreibt, ob aber die betreffende Art wirklich diejenige L. Koch's
ist, bleibt fraglich (auch Hogg scheint sich seiner Sache nicht sicher
zu sein), und zur sicheren Identifizierung genügen die beiden Be-
schreibungen nicht. Über die Epigyne sagt nämlich auch Hogg
kein Wort.
Färbung. Cephalothorax dunkel rotbraun, Kopffurchen
breit schwarz, längs der Mitte des Kopfteils 2 schwarze, sich
hinten in der Mittelritze vereinigende Linien, Clypeus und Seiten
Australische Spinnen des Senckenbeigisclien Museums. (JH
des Kopfteiles schwarz mit hellrotem Rand. Maiidibeln tiefschwarz,
bläulich glänzend. Klaue schwarz, nur die äuLlerste Spitze rot.
Maxillen und Lippenteil schwarz mit rotgelber iSpitze, Sternum
und Coxen rot, letztere an den Seiten dunkler. Reine braun, mehr
oder weniger staik gerötet und hellrot erscheinend, wo etwas ab-
gerieben. Wegen der fleckenartigen hellen Grundbehaaiung der
Fenioren erscheinen diese etwas gescheckt, insbesondere unten vorn,
und die breit abstehende Scopula der Endglieder erscheint ebenso
wie die ganze abstehende Behaarung der Extremitäten rotbräunlich-
gelb. Die ganzen ^landibeln mit ebensolcher oder noch lebhafter
feuerroter abstehender Behaarung. — Das Abdomen ist oben dunkel
graulich mit gelblichem Schimmer und Andeutung eines bis hinter
die Mitte reichenden dunkleren breiten Herzstreifens. Unten und an
den Seiten ist das Abdomen heller, seine Behaarung ist aber offenbar
überall wenig gut erhalten, und deutliche Zeichnungen sind nirgends
vorhanden; hinten bzw. längs der Spalte ist eine schmale schwarze
Querbinde angedeutet. — DieEpigj'ue zeigt ein weißes Mittelfeld,
ringsum umgeben von einem roten Ring; es ist hinten ([uergeschnitten,
länger als breit, vorn leicht verschmälert, vorn mitten durch eine
nach hinten gerichtete zungenförmige Verlängerung des roten Ringes
tief ausgerandet; letzterer besteht vorn und an den Seiten aus einer
dunkleren inneren und helleren äußeren Hälfte, während hinten die
hellere Hälfte des Ringes innen gelegen ist. Trocken gesehen er-
scheint die Epigyne wie in Flüssigkeit gefärbt; die helle Partie, d. h.
der Grund der Grube, ist ziemlich flach, glatt und glänzend, zeigt
jedoch vorn mitten eine Andeutung eines Längskieles, in der Glitte ist
eine seichte Quereinsenkung, die nach hinten dreieckig verlängert
und daselbst von einem Querwulst begrenzt wird, der jederseits
der Mitte eine kleine seichte Schrägeinsenkung oder Grube zeigt.
Der die Grube umgebende breite Rand ist flach, glatt und stark
glänzend sowie bis kurz vor seinem Ende horizontal, fällt dann aber
nach hinten steil ab und ist daselbst etwas schmäler und innen
leicht ausgerandet. Das ganze erscheint trocken H mm breit und
reichlich so lang.
A u g e n s t e 1 1 u n g (trocken gesehen). Vordere Augenreihe pro-
curva, doch wiirde eine die M.A. unten tangierende Gerade die S.A.
unterhalb der Mitte schneiden; die M.A. ein wenig kleiner, unter
sich um ihren Radius, von den S.A. um leichlich so weit, vom
Clypeusrande um ihren Durchnies.ser entfernt. Hintere Augenieihe
gerade; die M.A. kleiner und unter sich um unbedeutend weniger
(312 Embrik Strand,
als von den S.A. entfernt; letztere ebenso wie die der vorderen Reihe
auf starken Hügeln sitzend. Die vorderen M.A. von den hinteren
reichlich um ihren Durchmesser entfernt. Das Feld der M.A. vorn
erheblich schmäler als hinten und nicht g-anz so lang- wie hinten breit.
K ö r p e r 1 ä n g e 49 mm. Cephalothorax 18,5 mm lang und 17,5 mm
breit. Mandibeln = Patellen I = 10 mm. Beine: I Femur 20, Patella
+ Tibia 28, Metat. + Tars. 27 mm; II bzw. 22, 32 und 29 mm;
III bzw. 16, 21 und 18 mm; IV bzw. 17, 21,5, 21,5 mm. Also: I 75,
II 83, III 55, IV 60 mm oder: II, I, IV, III.
Isopeda iiiola it. sj). cum var. carinatula n, vor.
2 ?? von: Zentral-Australien, Inola (v. Leonhardi, S. G.). Mit
No. 41 bezeichnet, ebendaher weitere Exemplare, die No. 24 bzw. 40
tragen.
Die Epigyue ist von dem gewöhnlichen Isopeda-Tyinis. Die
Grube erscheint trocken gesehen 1,9 mm lang und 1,3 mm breit, vorn
gleichmäßig gerundet ohne irgendwelche Einbuchtung, hinten quer-
geschnitten, aber mit gerundeten Ecken, somit etwa breit ellipsen-
förmig erscheinend ; die Eandfurche der Grube ist ziemlich tief und
scharf markiert, im Grunde ist sie abgeflacht und matt, zeigt aber
in der Mitte eine Quereinsenkung und vor dieser einen scharfen
Mittellängskiel, während der Querwulst, wodurch die Grube hinten
mitten geschlossen wird, eine mittlere, subtrianguläre Einsenkung
zeigt, worin ein kleines Höckerchen eingeschlossen ist und deren
Vorderrand ebenfalls höcker- oder besser querleistenförmig erscheint.
Die Seitenrandfurchen der Epigyne setzen sich bis zur Genitalspalte
fort, ohne von dem hinteren Querwulst unterbrochen zu werden. In
Flüssigkeit erscheint die Grube hell, vorn und an den Seiten schmal,
hinten breit schwarz umrandet, vorn mit einer schmalen braunen
Mittellängsbinde. [Beschreibung nach der Type und dem einzigen
Exemplar der Varietät]
Körperlänge 26 mm. Cephalothorax 12 mm lang und ebenso breit.
Mandibeln nicht ganz so lang wie die Patellen (bzw. 5.5 und 6 mml
Beine: I Femur 13, Patella -f-Tibia 16, Metat. + Tarsus 14,5 mm;
II bzw. 13,5, 18, 15,5 mm; III bzw. 11,5, 13,5, 11,5 mm; IV bzw. 12,
14, 14 mm. Also: I 43,5, II 47, III 36,5, IV 40 mm oder: II, I. IV, IIL
Vordere Augenreihe gerade oder fast unmerklich procurva; die
M.A. jedenfalls nicht größer als die S.A., unter sich und von diesen
um ihren Radius, vom Clypeusrande etwa um denselben entfernt.
Hintere Augenreihe schwach recurva; die M.A. bei weitem die
Australische Spinnen des Senckenbergischen Museums. (513
kleinsten aller Augen, von den auf starken Hügeln sitzenden S.A.
ein wenig weiter als unter sich entfernt. Das Feld der M.A. ist so
lang wie hinten breit und vorn wenig schmäler als hinten. Die
vorderen M.A. sind um ihren Durchmesser von den hinteren entfernt.
Die Tibien III— IV mit je einem Stachel in der Endhälfte der
Rückenseite.
Mandibeln vorn nicht unbehaart.
Durch Hogg's Bestimmungstabelle 1902 kann man auf /. ardrossana
HoGG kommen, diese hat jedocli nach der Tabelle 2 Dorsalstacheln
an der Tibia III, einen an Tibia IV; im Text wird allerdings hinzu-
gefügt, daß dies nur am Beine der einen Seite der Fall war, während
dasjenige der anderen Seite von solchen Stacheln auch keine Spur
zeigte! Der in dieser Beziehung anscheinend vorhandene Unterschied
zwischen beiden Formen dürfte somit wenig Bedeutung haben. — Die
weitere Kennzeichnung genannter Art enthält nun über die Epigyne
gar nichts und ist insofern ungenügend, gibt aber Merkmale an, z. B.
„Mandibles dark red-brown", die auf vorliegende Art nicht passen. Sie
mit I. ardrossana zu identifizieren dürfte unter diesen Umständen sich
erübrigen. — L. Ivoch's Bestimmungstabelle führt auf I. pessleri Th.,
unsere Form weicht aber ab durch schwarze Mandibeln und Sternum,
Scopula dunkelgrau, bedeutendere Größe; über die Epigyne der
/. pessleri ist von L. Koch leider nichts angegeben und von Thorell
nur Ungenügendes.
Eine Reihe weiterer Exemplare mit derselben Fundort- und
Sammlerbezeichnung, jedoch mit der No. 24 bzw. 40, stimmen mit
dem beschriebeneu und mit dem zweiten der obigen Exemplare No. 41
sonst recht genau überein, aber die Epigynengrube ist mehr vier-
eckig, ein deutlicher Längskiel ist vorn nicht vorhanden (nur in der
vorderen Randgrube ist eine mittlere Längserhöhung erkennbar), und
die beschriebenen Höcker am Hinterrande der Grube sind gar nicht
oder kaum erkennbar angedeutet. In Flüssigkeit erscheint der
Vorderrand der Grube mitten ganz leicht eingebuchtet, und eine
dunkle Längsbinde ist gar nicht oder höchst undeutlich erkennbar.
Diese Form betrachte ich als die Haui)tform.
HoGG gibt aus Zentral-Australien auf Grund der Ausbeute der
HoKN-Expedition Isopeda dolosa L. K. und /. pessleri Th. Vorliegende
Form ist jedenfalls von dolosa verschieden und, wie oben nachgewiesen,
auch wow' pessleri: in betretf letzterer Art äußert Hogg selbst Zweifel
an der Richtigkeit seiner Bestimmung, indem er es sogar als „pro-
bable" bezeichnet, daß die von ihm als pessleri bestimmten Exemplare
Züol. Jahrb. XXXV. Al.t. f. Syst. 40
Q]^^ Embkik Strand,
in der Tat einer anderen Art angehören. — Es bleibt nichts anders
übrig als für vorliegende Form einen neuen Artnamen in Vorschlag
bringen, wobei die letztens besprochene Form, weil am zahlreichsten
vertreten, als die f. 'principalis gelten möge (7. inola m.), während
für die zuerst beschriebene, nur in der Epigyne nennenswert ab-
weichende Form der Name var. carinatula m. eintreten möge.
IsopecJa immlffrans n, s^)»
1 $ mit folgender Angabe: „Durch Herrn Prof. Lucae er-
halten Okt. 1875, vorgefunden auf einer von Australien gekommenen
Kuhhaut."
Das Tierchen weicht von den typischen Isopeda ab durch den
Typus der Epigyne und ist sonst schon durch die Zeichnung ganz
charakteristisch.
Die Epigyne erscheint trocken als ein großes (4 mm breites und
3 mm langes), erhöhtes, gewölbtes, schwarzes Chitinfeld, das an den
Seiten dicht behaart ist und zwei sehr tiefe, etwa lochförmige, bohnen-
förmige, nach vorn ganz leicht divergierende, unter sich etwa um
ihren Durchmesser entfernte Gruben, die an der Epigyne eine etwa
brillenähnliche Figur hervorbringen, vom Hinterrande deutlich ent-
fernt sind und von der Behaarung der Seiten des Genitalfeldes,
wenn nicht abgerieben, teilweise stark verdeckt werden. Der
Zwischenraum der Gruben ist ziemlich abgeflacht und wird durch
eine schmale rote, sich vorn plötzlich erweiternde Längsbinde, die
wenigstens hinten einen schwachen Längskiel bildet, in zwei geteilt.
Die hintere Hälfte des zwischen diesem Kiel und den Augen ge-
legenen Feldes wird vorn durch eine schmale seichte Quereinsenkung
abgetrennt. In Flüssigkeit erscheint die Epigyne schwarz, mit der
genannten roten Längsbinde ziemlich deutlich hervortretend.
Färbung. — Cephalothorax d unkel rotbraun mit breiter
rotgelber Hinterrand- und ebensolcher Seitenrandbinde, und so ist
auch der Yorderrand des Clypeus, wenn auch ganz schmal, gefärbt.
Mandibeln schwarz, an der Spitze rot. Lippenteil und Mandibeln
schwarz, an der Spitze schmal gerötet. Beine rotbräunlich bis blut-
rot, stellenweise dunkler: Femoren mit schwarzem Subapicalring und
undeutlichen schwärzlichen Längsstrichen an der Oberseite, Tibien,
insbesondere I— 11, an der Basis unten mit schwarzem Fleck, die
Endglieder dunkel scopuliert. Sternum hellrot, Coxen dunkler. —
Abdomen graubräunlich-gelb mit brauner Rückenlängsbinde, die
vorn um 3 mm breit ist, hinter der Mitte aber fadenförmig fein ist,
Australische Spinnen des Senckenbergischen Museums. 615
daselbst wie aucli vor der Mitte allerdings sich mehrfach knoten- oder
fleckförmig erweiternd. Der Rücken ist übrigens mit feiner branner,
undentliche Fleckenzeichnnngen, die znm Teil C^nerbinden andeuten,
bildender Behaarung bewachsen; diese tritt an den Seiten nach
unten zu als feine Punktierung auf und fehlt an den Seitenpartien
des Bauches ganz, während die Mitte desselben durch eine dunkel-
braune, scharf markierte, kurz hinter der Spalte etwa 4 mm breite,
nach hinten sich allmählich verschmälernde und kurz vor den Spinn-
warzen abgerundet endende Längsbinde eingenommen wiid, die bei
frischen Exemplaren vielleicht rein schwarz ist.
Vordere Au gen reihe ganz schwach procurva; die M.A. ein
wenig kleiner, unter sich und vom Cl3'peusrande um ihren Durch-
messer, von den S.A. nur unbedeutend weniger entfernt. Hintere
Angenreihe ganz leicht procurva; die M.A. die kleinsten aller Augen,
unter sich und von den S.A. gleichweit entfernt. Das Feld der M.A.
ist hinten reichlich so breit wie lang und breiter als vorn. Die
vorderen M.A. sind von den hinteren um ihren Durchmesser entfernt.
Tibien III— IV scheinen keine Dorsalstacheln zu haben.
Körperlänge 29mm. Cephalothorax 11 mm lang und breit.
Abdomen 16 mm lang, 13 mm breit.
Beine: I. Fem. 10, Fat. + Tib. 13,5, Met. -f Tars. 13,5 mm;
IV bzw. 8, 11 und 10 mm. Also: I 37; IV 29 mm.
Isoiyeda sp.
Ein unreifes und eingetrocknetes $ von Yarloop, West-Australien
(Pfarrer Pfitznee, G.).
Gen. Olios Walck. und Iso2)eda L. K.
Olios (und Isopeda?) 2 spp., darunter wahrscheinlich Olios punc-
tatm L. K.
4 unreife ?$ von Zentral-Australien (v. Leonhardi) lassen sich
mit Sicherheit nicht bestimmen. Cephalothorax und Extremitäten
sind rötlich-braungelb, Abdomen etwas mehr gelblich, hinter der
Spalte ist ein tiefschwarzes halbmondförmiges Querfeld. Das Sternum
ist bei einem Exemplar schwarz, bei dem anderen rötlich. Alle
Krallenfaszikel sind schwarz, ebenso mehr oder weniger das End-
glied der Palpen. Die Metatarsen bei der Form mit hellem Sternum
am P^nde schwärzlich. Körperlänge ca. 13 mm. Die Unterseite der
Femoren ist bei der Form mit hellem Sternum mit weißen Flecken
40*
616 Embrik Strand,
versehen, bei der anderen Form sind die Tibien unten an der Basis
schwarz.
Die Form mit hellem Sternum wird wohl Olios punctafus L. K.
sein; allerdings stimmen die von L. Koch, Arachniden Australiens
p. 721, als für unentwickelte Tiere charakteristisch angegebenen
Merkmale nicht, und schwarze Zeichnungen am Sternum sind nicht
vorhanden. Charakteristisch für diese Form ist, daß der Bauch
hinter der schwarzen Querbinde blutrot, im einen Falle ganz intensiv
blutrot ist (L. Koch schreibt „orangegelb", was auch stimmen kann).
Auch bei der Form mit schwarzem Sternum scheinen die Femoren
unten, allerdings ganz undeutlich, hell gefleckt zu sein. — Erinnert
an Fediana regina L. K., ein schwarzer Fleck vor den Spinnwarzen
ist jedoch nicht vorhanden usw. — Jedenfalls dürfte aber diese Form
weder ein Olios noch eine Pediana, sondern eine Isopeda sein.
Gen. Pediana Sim.
jPediana ref/ina (L. K.) {vaf\ ?).
Ein reifes (^ und ein unreifes $ von Zentral- Australien (v. Leon-
HAEDi leg.). Man könnte diese Art leicht für eine Isopeda halten.
Aber durch die Bestimmungstabelle der australischen Isopeda-Männ-
chen, die Hogg 1902 gab, kommt man dazu, daß diese Form eine
neue Art sein muß. Wenn man unter „A" versucht, trotzdem das
Sternum dunkelbraun, aber doch nicht „jet-black" ist, kommt man
auf p)ßssleri Th. oder tieM Hogg, beide weichen aber durch die dorsale
Bestachelung der Tibien III und IV ab, indem diese hier je 1, 1
Dorsalstachehi tragen. Die Gruppe „B" kommt auch nicht in Be-
tracht u. a., weil die vorderen M.A. unter sich ein wenig weiter als
von den S.A. entfernt sind, die Tibien III — IV mit Dorsalstacheln
versehen sind nsw.
Die Körperlänge des eingetrocknet gewesenen Exemplars ist
ca. 16 mm. Cephalothorax 8 mm lang, 7,2 mm breit. Beine: I Femur
12,5, Patella + Tibia 14, Met. + Tarsus 14,5 mm ; II bzw. 12,5, 14,
14 mm; III bzw. 8,5, 10,5, 9,5mm; IV bzw. 11, 12, 13,5 mm. Also:
I 41; II 40,5; III 28,5; IV 36,5 mm oder: I, II, IV, III.
Palpen etwa 10 mm lang. Mandibeln ein wenig kürzer als
die Patellen I (bzw. 3,5 und 4 mm). Tibia I 10 mm, also länger
als Cephalothorax.
Die Palpenorgane sind von dem gewöhnlichen Isopeda-Tjpus ;
verglichen mit z.B. denjenigen \on I. leishnianni B.OGG (cf. in: Proc
Australische Si)innen des Senckenbergischen Museums. Gl 7
zool.Soc. London, 1902. \)A'M, fi^.C) weichen sie durch folp:endes ab (also
von unten p:esehen): Der Fortsatz des Tibialgliedes ersclieint an der
Basis weniger verdickt, in seiner o:anzen Länge nur ganz schwacli,
fast unmerklicli. gekrümmt und also keinen Haken bildend; das
Tarsalglied bildet gegenüber der Spitze des Tibialfortsatzes eine
deutlichere Ecke, die Sjjiralplatte am Ende des Bulbus erscheint
weiter nach außen gerückt, die Spitze des Tarsalgliedes ist ein
wenig spitzer, von der Innenseite des Tibialgliedes entsi)ringt ein
subbasaler, langer kräftiger Stachel. Von unten und ein wenig von
vorn erscheint der Tibialfortsatz mitten leicht zusammengeschnürt,
in der Endhälfte etwas lanzettförmig. Das Tarsalglied erscheint
oben dunkel mit einem helleren ]\Iedianqnerwisch.
Cephalothorax und Extremitäten dunkelbraun, ersterer am
Rande sowie auf dem Kopfteile schwarz, aber mit einigen helleren
Strahlenstreifen. Mandibeln dunkelrötlich-braun. Sternum dunkel-
braun ; ]\Iaxillen und Lippenteil schwarz, aber am Ende gerötet. Beine
dunkelbraun, Femoren basalwärts ein wenig heller, unten sind sie
fein weiß gefleckt und quergebändert, was allerdings nur an den
beiden Vorderpaaren einigermaßen deutlich ist. Die Palpen er-
scheinen noch ein wenig dunkler als die Beine. Abdomen oben
an der Rückenseite, so weit noch wegen der offenbar früher erfolgten
Eintrocknung des Exemplars erkennbar ist. schwärzlich , an den
Seiten und unten dagegen graulich, mit einer tiefschwarzen halb-
mondförmigen Querbinde hinter der Spalte und einer ähnlichen, aber
kleinen Binde vor den Mamillen.
Vordere Augen reihe gerade, die Augen gleichgroß oder die
M.A. ganz wenig kleiner, letztere unter sich um reichlich ihren
Radius, von den S.A. nur halb so weit wie unter sich entfernt.
Hintere Augenreihe ganz schwach procurva, die M.A. kleiner und
fast so \veit unter sich wie von den S.A. entfernt. Das Feld der M.A.
ist reichlich so lang wie hinten breit, vorn schmäler als hinten.
Weicht von Pediana regina (L. K.) nach Thorell's Beschreibung,
Ragni Austro-Malesi, Vol 3, p. 300—304 zu urteilen, durch folgendes
ab : (in der Diagnose dieser Art, 1. c, p. 300, ist in der 3. Zeile von
oben ein Druckfehler vorhanden: es muß heißen lateralibus anticis
statt posticis), eine dunkle Längsbinde an der Unterseite der vor-
deren Femoren ist nicht vorhanden, die hinteren Tibien haben 2
Dorsalstacheln, Cephalothorax ist erheblich kürzer als Patella -{-
Tibia IV, eine Zeichnung auf dem Rücken des Abdomen ist nicht
erkennbar, was aber durch das Eintrocknen desselben entstanden
ßl8 Embrik Strand,
sein kann. — Sollten diese Abweichungen einer zu benennenden
neuen Form angehören, so würde ich den Namen var. (?) isopedina m.
vorschlagen.
Fam. Lycosidae.
Gen. Tcirentula Sund.
Tarentula hieolor (Hogg).
1 $ Zentral-Australien (v. Leonhaedi).
Körperlänge 21 mm. Cephalothorax 11,5 mm lang, 7 — 8 mm breit.
Ich möchte nicht bezweifeln, daß vorliegende Art mit der von
unbekannter genauerer Lokalität stammenden „Lycosa'-' hieolor Hogg
1905 identisch ist, die Epigyne weicht jedoch dadurch ab, daß die
beiden Gruben schmäler sind und stark nach vorn divergieren; daß
die Hinterspitze des Mittellängsseptums höckerartig hervortritt, läßt
sich zur Not auch an Hogg's Figur (in: Proc. zool. Soc. London, 1905,
p. 581, flg. b) erkennen. Abdomen und Femoren sind tiefschwarz,
das helle Feld des Abdominalrückens bedeckt denselben fast ganz.
Tarentula leonhardii n. sp,
2 $$ aus Zentral-Australien (v. Leonhaedi).
Die Epigyne bildet eine ganz kleine, seichte, rötlich gefärbte,
hinten quergeschnittene, fast halbkreisförmige, jedoch vorn mitten
leicht zugespitzte Grube, die undeutlich umrandet ist, mitten eine ganz
schwache Erhöhung zeigt und vorn, vom Vorderrande ausgehend, eine
Andeutung eines verkürzten Längsseptums hat, während die Hinter-
seite des Hinterrandes 2 nahe beisammen gelegene, ganz kleine und
undeutliche Zähnchen erkennen läßt. Am deutlichsten in Flüssigkeit
treten 2 schwarze, kurz hinter der Mitte gelegene Seitenrandflecke
auf, die sich teilweise in die Grube hinein erstrecken ; der Eand dieser
erscheint vorn nicht schwarz und ist daher daselbst wenig deutlich.
Körper länge 17 mm. Cephal. 8,5 mm lang, 6 mm breit.
Beine: I Femur 6, Patella + Tibia 6,5, Metat. + Tarsus
6,5 mm; II = I; III bzw. 5,8, 6,2, 8 mm; IV bzw. 7, 8,5, 10 mm.
Also: I = II 19; III 20; IV 25,5 mm oder IV, III, I = IL
Mandibeln erheblich länger als die Patellen I (bzw. 4 und
3 mm). Am unteren Falsrande sind 2, am oberen 3 Zähne vorhanden,
von denen der mittlere der größte ist.
Cephalothorax und Extremitäten braungelb, letztere ein-
farbig, jedoch an Metatarsen und Tarsen ein wenig dunkler, die
AuHtralisclie Spinnen des Senckenbergischen Museums. C}]^)
äußerste Spitze der Metatarsen und Tarsen mehr oder wenigei- deut-
lich tiefsclnvarz. Der Cephalothorax hat eine durcli weite Beliaai'un^
gebildete, ca. 1 mm breite Seitenrandbinde, die sich auch auf dem
Clypeus fortsetzt, und auch eine hellere Mittellängsbinde läßt sich
erkennen; diese ist auf dem Kopfteile jederseits rundlich erweitert
und daselbst bis 2.3 mm breit, unmittelbar vor der Mittelritze zu-
sammengeschnürt, um letztere ein wenig erweitert, auf der hinteren
Abdachung randwärts stark erweitert und mit der weißbehaarten
Seitenrandbinde des Cephalothorax zusammengeflossen. Augen in
tiefschwaizen Hingen, die nicht zusammengeflossen sind. Mandibeln
dunkel rotbraun mit gelblich-weißer Grundbehaarung, die jedoch in
den Endhälften fehlt (ob immer?), sowie mit dunkleren abstehenden
Haaren überall spärlich bewachsen. Maxillen braun. Lippenteil
schwarz mit hellerer Spitze. Sternum schwarz, am Hinterrande etwas
heller. Coxen hell wie die Beine.
Abdomen hell graugelblich: oben ist es leider bei beiden
Exemplaren beschädigt, scheint jedoch mit kleinen rotbräuulichen
Punkten und Strichen gezeichnet gewesen, welche in der hinteren
Hälfte wenigstens Querbinden gebildet haben. Die Spinnwarzen
sind ein wenig dunkler als der Bauch; dieser trägt ein tiefschwarzes,
scharf markiertes, vorn quergeschnittenes oder leicht ausgerandetes,
hinten verschmälertes und abgerundetes, schildförmiges Feld, das
höchstens nur die Mitte der Spalte und bei weitem nicht die Spinn-
warzen erreicht, auch nicht so breit wie der Bauch ist.
Vordere Augen reihe ist kürzer als die zweite, ganz leicht
procurva, die M.A. erheblich größer als die S.A., unter sich ein wenig
deutlicher als von diesen getrennt.
Beine. Tibien I— 11 ohne Dorsalstacheln, III— R' mit 1, 1
solchen. Pabellen I — II nur vorn mit 1, III— IV vorn und hinten
je 1 Stachel.
Tai^entula {(iistralicoJa n. sjt.
1 $ Zentral-Australien (v. Leonhakdi).
Die Epig3'ne erscheint in Flüssigkeit als ein etwa halbkreis-
förmiges, hinten quergeschnittenes, braungelbes Feld, das an den Seiten
deutlich, vorn undeutlich schmal schwarz begrenzt ist und in der
vorderen Hälfte ein schmales Längsseptum zeigt, das sich i)lötzlich er-
weitert und die ganze hintere Hälfte des Feldes (der Grube) ausfüllt.
Trocken gesehen erscheint die Epigyne gestrichelt, punktiert und
matt, die dunh das vorn vorhandene .schmale Längsseptum getrenntiMi
620 Embrik Strand,
Gruben sind ziemlich tief; die Seitenränder des Feldes erscheinen
gerade und nach hinten leicht divergierend, der Hinterrand schwach
erhöht und ziemlich scharf. Die Breite der Epigyne ist geringer als
die der beiden unteren Spinnwarzen zusammen. Die Epigyne ähnelt
der von Tarent. serrata L. Ken., ist aber weniger langgestreckt etc. —
Cephalothorax 8 mm lang, 6,2 mm breit, reichlich so lang wie Patella
4- Tibia IV.
Cephalothorax schwarzbraun mit hellrötlicher, weiß behaarter,
ganzrandiger, scharf markierter Rückenlängsbinde, die vorn das
ganze Augenfeld ausfüllt und in dieser Breite sich bis kurz vor der
Mittelritze erstreckt, dann ganz schwach allmählich nach hinten sich
verschmälert; an den Seiten ist randwärts feine weißliche Behaarung
erkennbar, die aber keine Binde bildet. Clypeus weißlich behaart.
Mandibeln schwarz und schwarz behaart, in der Basalhälfte vorn
orangegelb behaart. Lippenteil und Maxillen schwarz mit hellem
Vorderrand. Sternum schwarz. Coxen schwarz mit bräunlichem
Anflug, sonst sind die Extremitäten hell olivenfarbig bräunlich-gelb,
einfarbig, nur an der Spitze dunkler behaart. — Abdomen hell
graubräunlich, in der basalen Hälfte des Rückens mit einer tief-
schwarzen, pfeilspitzähnlichen Figur, deren vorderer, dreieckiger, vorn
scharf zugespitzter, hinten quergeschnittener Teil reichlich 2 mm
lang und (hinten) kaum 2 mm breit ist, während der hintere Teil,
der „Pfeil", als ein nur 1,2 mm langer Längsstrich erscheint. An
der vorderen Abdachung des Abdomens, von oben zur Not erkennbar,
ist eine schwarze Querbinde. Der Bauch mit einer tiefschwarzen
schildförmigen Figur, welche vorn der ganzen Spalte anliegt und
also die ganze Bauchbreite einnimmt, nach hinten sich aber plötzlich
abgerundet dreieckig verschmälert, ohne die Spinn warzen zu erreichen.
Der Epigaster ist hellgefärbt wie das Abdomen sonst, jedoch um die
Epigyne schmal dunkler. Spinnwarzen hellbraun, nicht dunkel umringt.
Vordere Au gen reihe kaum kürzer als die zweite, ganz schwach
procurva (unten gerade, oben procurva, die Zentren procurva); die
M.A. größer, unter sich und von den S.A. gleich weit entfernt.
Die Patellen I— II nur vorn bestachelt, III — IV vorn und
hinten. Tibien I— II ohne, III— IV mit (1, 1) Dorsalstacheln.
Tarentula laeta (L. K.) vtif, prott'uda n. va/r.
1 $ Zentral-Australien (v. Leonhardi).
Körperlänge 16 mm. Cephalothorax 8,5 mm lang, 6 mm breit,
fast so lang wie Patella -\- Tibia IV (8 mm).
Australische Spinnou des Senckeuberffischen Mnseums. 621
DieEpig-yne weiclit, trocken gesehen, von der Abbildun«? der-
jeniofen der Tarcudda Jacta L. Koch (Aracliniden Australiens, tab. 82,
fig. la) nur dadurch ab. daß das Querseptum ein wenig kürzer und
deutlicher iirocurva ist und daß der Seitenrand der (4rube gegen den
^^'inkel zwischen Längs- und Querseptum sich höckerartig nach
innen verbreitert; diese Höcker sind jedoch nicht isoliert, wie es bei
der offenbar etwas ähnlichen Tay. immansiieia Sim. 1909 der Fall zu
sein scheint. Das Querseptum ist matt und gestrichelt, Längsseptum
und Rand glatt und glänzend.
Die vordere Au gen reihe ist zwar wenig, aber doch unver-
kennbar procurva gebogen (eine die ]\I.A. unten tangierende Gerade
würde jedoch die S.A. eher unter als in dem Zentrum schneiden);
die M.A. sind unter sich ein wenig weiter als von den S.A. entfernt,
die um kaum ihren Radius abstehen. Die ]\r.A. sind von den Augen
II. Reihe jedenfalls nicht um mehr als ihren Radius entfernt.
Färbung. Die helle Seitenrandbinde des Cephalothorax ist
hinten nicht breiter als vorn. Maxillen. Lippenteil. Sternum und
Coxen schwarz mit ebensolcher Behaarung, die Coxen etwas bräun-
lich angeflogen. Weiße Haarflecke neben dem dunklen Herzstreifen
sind nicht vorhanden. Das schwarze Feld der Bauchseite bedeckt
auch den ganzen Epigaster. vom Bauche aber nur das vordere Drittel
und ist hinten gerade und breit quergeschnitten. Spinnwarzen braun,
dunkler als der Bauch.
Wahrscheinlich ist diese Form von Tar. laeta nur als Varietät
abzutrennen.
Tarentula laetct (L. K.) var, ciirticej)s ii. rar.
1 $ Zentral-Australien (v. Leonhaedi, G,).
Körperlänge 18 mm. Länge des Cephalothorax 10 mm. Beine I :
Fem. 7,5, Fat. + Tib. 9,5, Met. + Tars. 9,5 mm = 26 mm.
Von der Beschreibung von Tar. laeta (L. Ken.) abweichend durch
ein wenig bedeutendere Größe, das Sternum ist tiefschwarz und ebenso
behaart, der Epigaster ist größtenteils schwarz, an den Lungendeckeln
sind bloß schwarze Haare eingemischt, schwarze Zeichnungen an den
Schenkeln sind höchst undeutlich vorhanden, der Cephalothorax ist
nicht länger als Patella + Tibia IV. — Von der Originalfigur der
Epigyne ist abweichend, daß das Mittellängsseptum vorn nicht so
stark, hinten aber stärker verschmälert und die ganze Epigyne mehr
langgestreckt erscheint: das Querseptum ist nur etwa halb so lang
wie das Längssejttum sowie deutlich jtrocurva gebogen, bzw. an
622 Embrik Strand,
beiden Enden etwas eingekrümmt. Die größte Breite der Genital-
grnbe ist kurz hinter der Mitte derselben, von wo sie nach vorn sich
allmählich verschmälert, bis sie am Vorderende nur etwa halb so
breit wie an der breitesten Stelle ist. Die Epigyne erinnert sehr an
die von T. immansueta Sim. 1909, aber das Längsseptum ist mitten
deutlich verbreitet, die bei immansueta vorhandenen Höcker vor dem
Querseptum fehlen etc.
Wird wohl nur eine Lokalform von T. laeta sein.
Tarentula Ulla n. sjy.
4 $$ ad., 1 $ subad., 1 (^ aus Zentral-Australien (v. Leonhardi).
Färb u n g. Cephalothorax dunkelbraun mit schwarzen Strahlen-
streifen und weißbehaarten, 1,2 mm breiten, scharf markierten, rings-
um verlaufenden Randbinden oder, richtiger gesagt. Randbinde so-
wie mit ebenfalls hellerer, weiß behaarter Mittellängsbinde, die
am Ende der Mittelritze nur 0,7 mm breit ist, sich dann nach hinten
wie nach vorn allmählich verbreitert, auf der Mitte des Kopfteiles
eine Breite von 2,5 mm erreicht, um sich dann plötzlich zu ver-
schmälern und als eine Linie sich zwischen den Augen II und I bis
zum Clypeus verlängern. Mandibeln schwarz, vorn in den basalen
zwei Dritteln der Länge derselben gelblich-weiß behaart. Lippenteil
und Maxillen schwarz mit hellerem Vorderrand, Sternum und Coxen
schwarz. Beine braungelb; die Femoren unten am hellsten, oben
und an den Seiten haben sie Andeutung einiger dunklerer Flecke.
Scopula schwarz, Endglied der Palpen größtenteils schwarz er-
scheinend wegen der so gefärbten Behaarung.
Abdomen braun, heller und dunkler punktiert, oben der ganzen
Länge nach mit einem helleren, schmutzig-gelblichen Längswisch, in
welchem vorn eine schwarze Längsbinde gelegen ist, die bei einer
Breite von etwa 1,5 mm sich bis zur Rückenmitte erstreckt und
jederseits zwei kleine Zähne bildet: weiter nach hinten wird sie,
mehr oder weniger deutlich, bis gegen die Spinn warzen fortgesetzt.
Die untere Hälfte der Seiten und der Bauch graugelblich; letzterer
wird jedoch größtenteils von einem tiefschwarzen Feld eingenommen,
das sich von der Spalte bis zum Anfang des hinteren Drittels des
Bauches erstreckt und hinten mehr oder weniger gerundet ist. Epi-
gaster hell.
Die Epigyne bildet eine kleine, hellrote, seichte, fast doppelt so
breite wie lange, entfernt quer-ellipsenförmige Grube (der Rand ist
vorn stärker, hinten ganz schwach gebogen, an den Seiten fast
Austialisrlie Spiniitn des Senckenbergischen Museums. (523
gleieliiniißig- o^ekiiininit). die von einem schmalen Läng-sseptum ge-
teilt wild und vorn am tSeitenrande jederseits einen tiefschwarzen
Fleck einschließt, (ibrigens etwas variierend; das Septiim bisweilen
fast nicht erkennbar.
Vordere Au gen reihe gerade, kürzer als die zweite, die Mittel-
augen viel größer als die Seitenaugen, unter sich und von diesen
gleich weit entfernt.
Patellen I— II vorn mit je einem ganz kleinen Stachel,
III— IV jederseits bestachelt. Tibien I— II ohne, III— IV mit Dorsal-
stacheln.
An beiden Falzrändern 3 Zähne, von denen der distale der
kleinste ist.
Körperlänge 20 mm, Cephalothorax 9,5 mm lang, 7 mm
breit. Abdomen ll.ö mm lang und 7 mm breit. Beine: I Femur 6,ö;
Patella -f Tibia 6,5; Metat. -f Tarsus 7 mm; IV bzw. 7, 8.5, 11 mm.
Also: I 20, IV 26,5 mm.
Das (J ist gefärbt und gezeichnet wie das $, jedoch tritt die
Dorsalbinde des Abdomens stärker hervor. Die Größe ist geringer:
Körperlänge 11 mm, Cephalothorax 7 mm lang, 5 mm breit. Beine:
I Femui- 5, Patella -\- Tibia 7, Metat. -{- Tarsus 7,2 mm ; IV bzw.
5,5, 6,5, 10 mm. Also: I 19.2, IV 22 mm. — Patellarglied der Palpen
so lang wie das Tibialglied, beide zusammen so lang wie das Tarsal-
glied. Tibialglied gänzlich unbewehrt. Tarsalglied im Profil von
außen gesehen nur unbedeutend breiter als das Tibialglied er-
scheinend , unten mitten zeigt es einen ganz kleinen rundlichen
Höcker, und zwischen diesem und der Basis sieht man einen läng-
lichen, niedrigen, schwarzen, carinaähnlichen, wenig hervortretenden
Fortsatz. Am Ende des Gliedes unten spärliche abstehende Behaarung.
Fam. Oxyopidae.
Gen. Oji'f/opes Latr.
Oxyopes lUuffo n. sp,
1 $ von Zentral-Australien (v. Leonhardi).
Größe. Cephalothorax 4 mm lang, 3 mm breit. Abdomen 6 bis
7 mm lang. Beine: I Femur 4,5, Pat. + Tibia 5,3. Metat. -f Tarsus
5,2 mm; II bzw. 4,2; 5; 5,2 mm: III bzw. 3.2; 3,7: 4 mm; IV. bzw.
4; 4,8; 5,3 mm. Also: I 15, II 14,4. 111 10.9. IV 14.1 mm oder:
I. IL IV. III.
624 Embbik Stband, Australische Spinnen des Senckenbergischen Museums.
Die Epigyne erscheint in Flüssigkeit als ein schwarzer, mitten
bräunlicher, subtrapezförmiger, hinten und mitten vorn quergeschnitte-
ner, an den Enden des Vorderrandes abgerundeter Fleck, dessen Seiten
nach hinten konvergieren und mitten leicht eingebuchtet sind; die
Breite vorn ist also größer als hinten, und sie ist auch reichlich so
groß wie die Länge des Fleckes oder etwa gleich der Breite der
Patellen I. — Trocken gesehen erscheint das Genitalfeld glatt,
glänzend, im vorderen breiten Teil mit zwei runden, tiefen, unter
sich um ihren Durchmesser entfernten, den Seiten-, aber nicht den
Vorderrand erreichenden Gruben; der Hinterrand ist mitten leicht
eingebuchtet, und von da erstreckt sich nach vorn bis zur Mitte eine
ganz seichte Längseinsenkung.
Die Art dürfte mit Oxyopes gratus L. K. nahe verwandt sein,
jedenfalls erinnert sowohl die Habitusfigur wie die Figur der Epigyne
in „Arachniden Australiens" stark an unsere Art. Daß aber die
beiden nicht identisch sind, geht u. a. aus dem Unterschiede in den
Epigynen hervor, indem bei unserer Art nichts vorhanden ist, was der
Vorderhälfte des Genitalfeldes von 0. gratus, wie dies in „Ar. Austr."
tab. 88 flg. 3a abgebildet ist, entsprechen könnte. Ferner in Färbung
und Größe usw. abweichend.
Färbung. Cephalothorax und Extremitäten erscheinen nun
hell bräunlich-gelb, sind aber oifenbar etwas abgerieben, so daß
eventuelle Zeichnungen vielleicht verloren gegangen sind. Augen-
feld schwarz gefärbt, ist aber weiß behaart gewesen. Zwei dunkle
Clypeuslinien sind wahrscheinlich vorhanden gewesen. Lippenteil
dunkel, Maxillen und Sternum gelblich. An der Unterseite der
Femoren ist ein dunkler Längsstrich angedeutet. Die Rückenfläche
des Abdomens wird größtenteils von einer lanzettförmigen, hell-
braunen, schmal und undeutlich hellgi-aulich umrandeten Längsbinde
eingenommen, die einen dunklen Mittellängsstrich einschließt und
jederseits von einer schmalen tiefschwarzen Randbinde begrenzt wird.
An den Seiten eine helle obere und eine schwarze untere Binde.
Der Bauch führt eine braune Mittellängsbinde, die jederseits von
einer schmäleren weißlichen Binde begrenzt wird. — Stacheln hell
mit schwärzlicher Basis, wodurch die Extremitäten schwarz punktiert
erscheinen.
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
On the dimorphism of the males of Maevia vittata,
a Jumping Spider.
By
Theophilus S. Paiuter, Ph. D.,
Yale University, New Haven, Conn., U. S. A.
Witb 1 Fignre in the tezi
The Jumping Spider, Maevia vittata, is the only species of
Araneiiia which exhibits a distinct dimorphism in the males.') As
is well known to Arachnulogists, the males of this species are of
two types, one variety being gray much like the female, and the
other variety being pitch-black witli three tufts of hairs on the
anterior part of the cephalothorax; see Fig. A5 and AI. Tlie first
type I have called the "gray variety" and the second, the "tufted
variety''. Although it is stated by tlie Peckhams that the gray
males never have tufts, in books upon spiders, it is often said that
the two types merge into one another.
The Author has recently completed a study of the spermato-
genesis of the two tj'pes of males (article in publication), and
several points of diflference were found between them, particularly.
1) The Peckhams (1889a) raention one other species of Allidae,
Zygohallus hctlini, in which the males fall into two classes. One class
consists of very large males while the second class is made up of small
individuals. From their description , I judge that the males are
otherwise alike.
ß26 Theophilus S. Painter,
with regard to the presence of a pair of small chromosomes in the
gray males, and the absence of this bodies in these tufted males. On
this cytological basis. an attempt was made to explain the dimorphism.
If intermediate forms exist. however, as stated by Emerton,
"Common Spiders", p. 60, then the explanation would have to be
modified.
The present study was made in order to determine the exact nature
of the dimorphism and the particulars in which the so called "Inter-
mediate forms" differ from the typical males of botli types. Two
other points were investigated. First, the ratio of the females to
males, in nature, and the ratio of the gray to tufted males. Second,
observations have been made on the dancing of the two types, it
being stated by the Peckhams (1889a) that the two varieties of
males behave difi'erently in this regard.
As far as I can determine, Maevia vittata was first discribed by
Hentz, in 1845, under the name of Ättus vittatus, the gray male,
and Athis 7iiger, the tufted male. He assigns them, thus, to diiferent
species. C. Koch, in his work entitled, "Die Arachniden", describes
the gray male as Plexippus undaüis, and the tufted male as Maevia
penicillata. He assigns the two species to different genera.
The Peckhams (1889b), were the first to assign the two forms
to the same species, Astia vittata. They remark that we have here
males, "presenting two distinct varieties; the first has the thoracic
part of the cephalothorax light brown, . . .; the second variety
{niger), has the cephalothorax black, . . ." etc. Farther on, "Inter-
mediate between these two varieties, is one which is nearly as dark
as niger with pale legs but wäthout cephalic tufts. ... As this is
an extremely common species, we have compared large numbers of
them but have never found the tufts present in the first variety,
which most resembles the female." "Attidae of North America",
p. 70.
The dimorphic males have been described by many other authors,
Emertün (1891), Simon (1903), etc.
My material has all been collected in a plot of woods near
New Haven, by the usual method of sweeping the grass and low
bushes with a net. An area, of perhaps two acres, was swept
repeatedly, in this way, during the late afternoon. This is the
best time for collecting, as far as the experience of the Author
goes. Altogether, 156 specimens have been obtained, of which
Maevia vittata. 627
82 were females and 74 males. Of tlie iimles. 40 weie i.f tlie f,nay
variety and 34 were tiifted. Two veiT dark, so called, "Inteniiediate
males" were obtained. The nuiles were studied while alive and
after preservation.
In tlie tbllowino- study, it seenis desirable to give a general
description, witli drawings, of a typical tiitted male and a typical
gray male, and tlien to point out the variations found in the two
types. P'or minute characteristics of the species, etc., the reader
is referred to the Peckhams's "Revision of tlie Attidae of North
America".
Tufted Male.
The typical tufted male (Fig. AI), has a budy whicli is an
intense black in color. Tiie legs are a light transparent yellow and
they do not sliow any dark pigmentation, except just a trifle on the
ventral surface of the coxa and at the tip end. The palps, seen
from the front, are pitch-black, but on the inner surface, the
pigmentation is less intense and we may even lind yellow hairs
next to the mandibles. This lighter color never, or very rarely,
shows from the front with the appendages in their normal position.
The most striking characteristic of the tufted male, however. is the
presence of three tufts of hairs, which sit on the cephalothorax,
just on a line with the anterior edge of the posterior eyes (Fig. AI).
It shüuld be pointed out here, that normally, these tuft soft hairs do
not show from above because of the intense black of the anterior
part of the cephalothorax. In the drawings, I have not put in the
pigment of this region, in order that the character of the tufts
might be more easily seen. In Fig. A 1, the position of the tufts
may be clearly made out; they project from the body at an
angle of, perhaps, 45".
To the casual observer, the tufted males are quite black, but
if one is examined under a strong light, a definite pattern will be
made out both on the cephalothorax and on the abdomen. This
pattern becomes more apparent in alcoholic specimens (Fig. A 1).
Gray Male.
The gray males (Fig. A5) are similar to the tufted males in
size and shape. They are, as the name iniplies, of a general gray
color, with a fairly definite pattern on the cephalothorax and
abdomen, made up of spots which vary from a dark red to a deep
628
Theophilus S. Painter,
brown Ol- black. The legs are a pale opaque white ; oii the ventral
surface there are characteristic bands of pigmeiit (Fig AlO) seen
from above, the leg has a mottled appearance because of patches ot
picment which lie'at the base of the hairs (Fig. A9). The palps,
Fig. A.
Maevia vittata. (529
Seen from tlie front, are a briglit oi'anp^e color; on tlie inner side,
next to tlie niandibles, tliere may be sniall patclies of pigment, as
shown in Fig. A8.
As will be seen by tlie above description, tlie typical tufted
male diifers from tlie typical gray male in tlie following cliaraete-
ristics; body color, color and pigmentatiun of tlie legs, color of palps
and in tlie possession of three tufts of hairs on tlie ceplialothorax.
A glance at Fig. AI and A5 will make it clear tliat tlie pattenis
on the ceplialothorax and abdomen are essentially similar. In
studying the variations foiind in 54 specimens, the above order of
discussion will be followed.
Body Color.
Tufted Males. The males of this type show a good deal of
Variation in the intensity of the body color. The black always
predoniinates but in some of the specimens, which have been exa-
mined alive, the patteru on the abdomen was almost as conspicuous
as in the typical gray male.
Gray Males. In the gray males there is a tremendous amount
of Variation in the general body color. It varies from a very light
gray, through a brown to a black, which is almost as inteiise as
that of the typical tufted male. In the case of the two ''Inter-
mediate males", the abdomens were quite black except for a few
lighter spots lying on the edge of the dorsal side.
Color of Legs.
Tufted Males. The typical appearance of the leg of the
tufted male, is shown in Fig. All. The general color is a light
lemon yellow and no pignient is seen except on the coxa and at
the tip end of the tarsus, as pointed out above. No variations from
this was found in any of the 34 tufted males examined.
Gray Males. The typical leg of the gray male, in dorsal and
ventral view, is shown in Fig. A9 and AlO. The general color
is a pale white and on the ventral side, especially of the femur,
there are very definite and characteristic bands of pigment. The
degree of pigmentation is subject to some Variation in the individual
cases but in none of the 40 gray males. examined was the pigment
ever absent. The legs of the very dark gray males were heavily
pigmented.
Zool. Jahrb. XXXV. Abt. f. Syst. 41
630 Theophilüs S. Painter,
P a 1 p s.
Tufted Males. The color of the palps, seen from the front,
is an intense black in all of tlie cases examin ed. On the inner side,
particularly at the base of the joints of the appendage, yellow hairs
maj^ be present. In one case, a trifle of this lighter color was seen
from the front.
Gray Males. The palps of the gray males are a bright orange
coior. This was found to be invariably true, even for the very dark
males. On the inner side there is a small amount of pigment on
the basal joints (Fig. A8).
Tufts of Hairs.
Tufted Males. The tufts of hairs, so characteristic for the
males of this class, show some Variation in the degree of develop-
ment, but the position of these tufts is flxed and subject to slight
or no variations. The degree of development of the individual tufts
of hairs varied, though in most cases all three tufts were fully
developed. Fig. AI shows a typical case, and Fig. A2, A3 and A4
show variations in this condition. It should be mentioned here that
in sweeping and in handling the specimens, the tufts of hairs are
apt to be rubbed off. In making an examination of all the spe-
cimens, a strong arc-light was used as the source of Illumination
and then by means of a fairly high power lens on the microscope
and tilting the specimen, I was able to see the sockets where the
hairs normally sit. In cases where the hairs had been rubbed oif,
it was possible to still see the sockets and usually. the broken stubs
of the hairs. In no case of the 34 males examined, were the tufts
entirely absent.
Gray Males. Out of the 40 males studied, not one of them
showed any indication of the tufts of hairs such as are charac-
teristic of the tufted males. The verj^ dark males were like the
typical gray males in this regard.
General Pilosity of Cephalothorax,
The general pilosity of all the specimens was carefully noted
in Order to determine if the tufted males exhibited this character
to any marked degree. Altogether, 74 males and 82 females were
examined with regard to this point. A good deal of Variation was
found in individual specimens, but the tufted males, except for the
Miieviii vittatn. ß3|
three tufts of liairs, aie normal in this respect. In most of the
cases, the fine hairs on the ccpluUothorax of the tufted males were
black while the same hairs were white on tlie gray male, but many
exceptions were noted.
P a 1 1 e r n s.
As pointed out above, the patterns on the abdoniens of the two
types of males is essentially the same. Much Variation was noted
for both the tufted (Fig. A2, A3 and A4) and gray males. It is
a well known fact that the patterns on the abdoniens of spidei'S
normally vary within wide limits. so that the variations noted for
Maevia vittafa are not significant.
It is evident from the above description. that the body colors
of the two tj^pes of males are not distinct and that, in this cha-
racter, the two varieties merge into one another, althoiigh typi-
cally, the two are very diiferent.
In the color and pigmentation of the legs. the tufted and gray
males are very diiferent and I have found no form wliich bridged
the gap. The coloration of the palps forms another character which
wonld separate the two types. But it is the presence of the tufts
of hairs in the tufted male and their absence in the gray male
which forms the most striking and absolute distinction.
It is evident, then, that the tufted males and the gray males
of Maevia vittata form two varieties which are distinct in the three
characteristics given above and that there are no intermediate forms
which would bridge the gap between the two. The so called "Inter-
mediate Males" are nothing more than verj' dark gray males.
Practically nothing definite is known about the ratio of the
males to females, in nature, in the species Maevia vittata, nor of the
ratio of the two varieties of males to each other. The Pkckha_ms
(1909j are the only authors who mention the subject. On p. 453,
they say: "In Wisconsin, the males (both forms) mature about the
middle of June, the females a little later. For this month, they
are common, there being about one female for three males, but
towards the middle of July their number diminishes."
In my study on the spermatogenesis of this species, I have
given certain cytological evidence which would lead us to suppose
that the total number of males would be equal to the total number
41*
632 Theophilüs S. Painter,
of females. Furthermore, that the tufted males would be equally
as numerous as the gray males.
During the past season {Maevia matures the latter part of May,
here at New Haven), I have collected 156 specimens from the same
area of land, and, that the theoretical expectations are fulfilled, is
shown below.
Females 82
Tufted Males 34
Gray Males 40
Ratio of males to females ; 82 : 74 , which closely approximates
the theoretical, 1:1.
Ratio of tufted males to gray males; 34:40, which also is close
to the theoretical, 1 : 1.
Although the Peckhams State that the Maevia vittata is a very
common form, the Author has found that they are very erratic
in their distribution. It has often been noted, that, while specimens
may be caught in one section of woods, they will be entirely absent
from another tract of land, near by, which presents, as far as one
is able to judge, just the same conditions for life.
Dancing of the Tufted and Gray Males.
Observations were made on the dancing habits of the two
varieties of males while the Author was making matings, in order
to test certain conclusions arrived at in the cytological study. I
have had in the laboratory 9 gray males and 7 tufted specimens.
These have been put with females, from time to time, and their
behavior carefully noted.
The dancing of the male Jumping Spiders has been thoroughly
described by the Peckhams (1889a and 1890). I quote from the
former paper: "A description of the two males is unnecessary, since
they are well represented in tab. 11. The two forms grade into
each other, excepting that the three tufts of hairs are only found
on the fuliy developed niger form. The vittata form, which is quite
like the female, when he approaches her, raises his first legs either so
as to point them forward or upward, keeping the palpi stiffly out-
stretched, while the tip of the abdomen is beut to the ground. This
Position he commonly takes when three or four inches away. While
he letains this attitude, he keeps curving and waving his legs in
Macvia vittata. 6;-^3
a Gurions manner. Frequently, he raises only one of the legs of
tlie first pair. runninj? all the while from side to side. As he draws
nearer to the female he lowers his body to the ground, and, droppiug
his legs also, places the two anterior pairs so that the tips touch
in front, the proximal joints being turned almosf at i-ight angles to
the body (tig. 26). Xow he glides in a semicircle betöre the female,
sometimes advancing, sometimes receding, until at last she accepts
his addresses. The uigcr form, evidently a later development, is
mach the more lively of the two, and vvherever the two varieties
were seen to compete for the same female, the black one was
successful. He is bolder in his manners, and we have never seen
him assume the prone position, as the red form did, when close to
the female. He always held one or both of the first legs high in
the air, waving them wildly to and fro, or, when the female became
excited, he stood perfectly motionless before her, sometimes for a
whole minute, seemiug to fascinate her by the power of his glance.''
p. 33—34, Sexual Select. in Spiders (1889).
I have given this description of the Peckhams in füll because
it is the best account of the dancing which we have in the literature.
My own observations on the tufted males are in entire accord with
the Peckhams' account, except, that among my specimens, I did not
notice that the tufted males were more aggressive in their attentions
to the females than were the gray males. With regard to the dancing
of the gray males, the behavior of the nine specimens, which I have
had under constant Observation for two weeks, is so ditferent from
the account given by the Peckhams that I cannot help but think
that some mistake has been made by them in recording their
observations. In all of my specimens, the prone position is the
first to be assumed by the male when he recognizes the female.
Then comes the raising of the front legs and the dancing, as
described above. The only exception to this were cases where the
female got quite close to the male before he recognized her. Then,
the prone position was not assumed, but the anterior pair of legs
were raised in the air and the dance proceeded as described.
The present study has made it clear that the twi» types of
males are distinct as regards three characters and the method of
their love dance. The very interesting question arises, what has
been the origin of the tufted form since it is evidently, as the
Peckhams have pointed out. a later development than the gray
634 Theophimts S. Painter,
males. ^) There are two possible interpretations, the one being that
the tiifted male has arisen through sexual selection, the Interpretation
taken by the Peckhams, and the other is that this later form has
arisen as a mutation.
It seems worth while to bring- up the subject here, as there are
certain observations which, it seems to me, totally eliminates the
origin of the tufted males by sexual selection. It has often been
observed in the laboratory, both by Professor Peteunkevitch and
by myself, that the females do not seem to show any preference
for the tufted males and the same female has been observed to
copulate with a tufted and a gray male within a period of five
minutes. Futhermore, the species is very widely distributed throughout
the United States. The Peckhams (1909), remark: "This is a very
common species. Mr. Banks has found it in Colorado, Mr. Emerton
in Massachusetts and Connecticut, and we have it from Georgia,
Missouri, Wisconsin, Nebraska and Kansas" (p. 453).
It seems that if sexual selection were at work here, that it has
had sufficient time to make the gray males very rare. As has been
shown, they are equally as numerous as the tufted males. It might
be mentioned here that the tufts do not seem to play any part in
the mating of this variety with the females, Two of my matings
have been made with tufted males, one of which had lost all three
tufts, and the other specimen only had the right one left.
The other alternative, that this later form has arisen through
a sudden discontinuous Variation, seems the more satisfactory. The
Author has suggested the cause of this dimorphism from a cyto-
logical study. It was found that the gray males carried a pair of
small chromosomes, called "ctetosomes" because of their behavior,
while the tufted males lacked these bodies. Furthermore, from a
comparative study with species of twelve other families of spiders,
it seemed probable that these ctetosomes were to be derived from
a Y-chromosome, the primitive Arachnida having the XY condition
in the male sex and the XX condition in the female. It was sug-
gested that when the Y-chromosome became associated with the X
or accessory chromosome, a condition we seem to have at the present
1) The reason for this, is, that among Jumping spiders, generally,
the males are very much like the females before the latter have becorae
mature. That the gray males of Maevia vittata are like the immature
females, has been known for a long time and it would show that the
former was an older type than the tufted male.
Maevia vittata. 635
time in the gray male , tliat tlie males, whicli as a result of this
association, lacked the Y-element, became the tufted males. From
my study, it seeras that this is really the condition of the tufted
male.
It is a pleasure to express my thanks to Prof. Petrunkevitch
for the courtesy of his laboratory. in which the present work was
carried on.
Submitted for i>nblication,
July, 1913.
ß36 Theophilüs S. Painter, Maevia vittata.
Bibliography.
Emeeton, J. H., 1891, New England Attidae, in: Trans. Connecticut
Acad. Sc, Vol. 7.
— , 1902, Common Spiders.
Hentz, N. M., 1845, Descriptions and figures of the Araneids of the
United States, in : Journ. Boston Soc. nat. Hist., Vol. 5.
Koch, C, 1846, Die Arachniden, Vol. 13, p. 123.
— , 1848, ibid., Vol. 14, p. 69.
Peckhams, G. W. and E. G., 1889a, Observations on sexual selection in
Spiders of the family Attidae, in: Occ. Papers nat. Hist. Soc.
Wisconsin, Vol. 1.
— , 1889b, Attidae of North America, in: Trans. Wisconsin Acad. Sc,
Vol. 7.
— , 1890, Additional observations on sexual selection in Spiders of the
family Attidae, in: Occ. Papers nat. Hist. Soc. Wisconsin, Vol. 1.
— , 1909, Revision of the Attidae of North America, in: Trans. Wisconsin
Acad. Sc, Vol. 16.
Simon, E., 1903, Histoire naturelle des Araignees.
Nachdruck verboten.
Übersetz niigsreclit vorbehalten.
Chemischer Beitrag zur Limulus-Frage.
Von
D. H. Wester.
Als ich mich vor einigen Jahren mit Untersuchungen über
Chitin beschäftigte und besonders über dessen Verbreitung und
Lokalisation im Tierreiche nachforschte, legte ich besonderen Wert
darauf, einige Übergangsformen zu prüfen sowie solche, deren
Stellung im gangbaren System unsicher ist, doch konnte icli die
gewünschten Tiere damals nicht erhalten.
Zu den Tieren, welche mich in dieser Hinsicht an erster Stelle
interessierten, gehörte Limuhis. Bekanntlich wurde Limidus bis vor
einigen Jahren zu deu Crustaceen gei-echnet, während er jetzt auf
Grund einiger morphologischer und anatomischer Kennzeichen von
mehreren Zoologen zu den Arachnoideen gezählt wird. Die Sache
ist allmählich zu einer L??m^/«s-,, Frage" herangewachsen. — Nun
geht aus meinen früheren Untersuchungen (in : Zool. Jahrb., Vol. 28, Syst.,
1910, p. 531—568 und in: Arch. Pharm., 1909, p. 282—307) hervor, daß
im Darmkanal der Arachnoideen kein oder nur wenig Chitin vor-
kommt, während bei den untersuchten Crustaceen gewöhnlich der
ganze Darm mit einer Chitinintima bekleidet war. Es interessierte
mich daher, die LiwwZus-,. Frage'' in diesem Sinne chemisch zu be-
trachten. Denn den chemischen Kennzeichen muß ja zweifelsohne
in gewissen Fällen ebenso großer A\'ert beigelegt werden wie den
morphologischen und anatomischen, und es ist nur bedauerlich, daß
besonders die Zoologen dieser Methode bisher so wenig Beachtung
geschenkt haben.
638 D. H. Wester,
Gelegenheit, die Lücke der L?mM?ws-Untersucliuiig in meiner
Arbeit auszufüllen, wurde mir von Prof. Dr. J. F. van Bemmelen in
Groningen (Holland) geboten, indem er mir sein kostbares Material
liebenswürdigst zur Verfügung stellte.
Von einem großen L?;/MtZMS-Exemplar wurde ein schmales
Streifchen des Darmkanals in der ganzen Länge des dorsalen Teils
herauspräpariert und auf Chitin geprüft. Die nachfolgende Unter-
suchungsmethode wurde früher (in: Zool. Jahrb., Vol. 28, Syst., 1910,
p. 536; in: Arch. Pharm., 1909, p. 295) ausführlich beschrieben, weshalb
ich mich darauf beschränke, hier mitzuteilen, daß kleine Chitin-
präparate in zugeschmolzenen Glasröhrchen mit 60'%igeY Kalilauge
10—20 Min. auf ± 160" C erhitzt werden. Die meisten Tiersubstanzen
werden dabei gelöst, Chitin bleibt intakt, ist aber in Chitosan über-
geführt worden, welches sich nach Auswaschen mit Alkohol und
Wasser auf Zusatz von ^/g^/oiger lodiodkaliumlösung und l%iger
Schwefelsäure prachtvoll violett färbt. Es ist in 3%iger Salzsäure
und Essigsäure leicht löslich und wird auf Zusatz von etwas Schwefel-
säure als schwefelsaures Chitosan ausgefällt, welches bei gleichzeitigem
Vorhandensein von verdünnter lodlösung sich violett färbt.
Es ergab sich, daß der Lf»nt??is-Darmkanal im Vordarra (Öso-
phagus und Magen) und einem sehr kleinen Stück Enddarm bei
der analen Oifnung mit Chitin bekleidet war, daß dieses aber im
langen Mitteldarm gänzlich fehlt.
Um für den Schluß, welcher hieraus gezogen werden kann,
mehr Belege zu liefern, wurde noch der Darmkanal folgender
Crustaceen und Arachnoideen auf Chitin untersucht ^) :
Crustacea.
Astacus fluviatilis: wie früher, d. h. der ganze Darmkanal ist
mit einer Chitinintima bekleidet.
Hyas aranea: der ganze Darmkanal ist mit Chitin bekleidet.
Eupagurus hernhardus: Ösophagus, Magen und Enddarm ent-
halten Chitin; ob auch der Darmteil gleich hinter dem Magen
chitinhaltig ist, habe ich bei einmaliger Prüfung nicht sicher fest-
stellen können.
Carcinus maenas: kleines Exemplar; der Darmkanal ist in seiner
ganzen Länge mit Chitin ausgekleidet.
1) Auch an dieser Stelle sage ich Herrn Dr. Ph. VAN Hakkeveld
im Haag (Holland) vielen Dank für das mir verschaffte Material.
Chemischer Beitrag zur Limuhis-Frage. 639
Ar.icliiioidea.
Bei einer ziemlich großen Spinne (die Art war mir nicht be-
kannt) konnte im Darmkanal kein Chitin aufgefunden werden.
Tegcnaria domestka: im Darmkaual konnte kein Ciiitin nach-
gewiesen w^erden.
Andere Crustaceen und Araclinoideen habe ich nicht erhalten
können. Es wurde aber überdies bei meinen schon erwähnten
früheren Untersuchungen im Darmkanal der 2 untersuchten Arthro-
gastres {Scorpio und Biithus) kein Chitin aufgefunden, wohl aber im
Ösophagus und Magen von 2 Sphaerogastres (Mijyalc avicularia und
Epeira diadema).
Aus allen diesen Tatsachen glaube ich folgendes schließen
zu dürfen:
Da der Darmkanal von Limulm im Ösophagus und Magen mit
einer Chitinhaut bekleidet ist, steht Limulus den Arach-
noideen — speziell den Sphaerogastres — nahe.
Beiläufig kann ich hier noch mitteilen, daß in einem kleinen
Teil des L//»H/HS-Hautskelets keine kohlensauren Salze und nur
eine Spur Calcium aufgefunden werden konnten, was vielleicht für
die Klassifikation von Limulus auch von Interesse sein mag.
Nachdruck verboten,
jjbersetzungsrecht vorbehalten.
Schließt sich Peripatus capensis chemisch den
Anneliden oder den Arthropoden an?
Von
D. H. Wester.
Obengenannte Tierart weist eine merkwürdige Mischung morpho-
logischer und anatomischer Eigenschaften von Arthropoden und Anne-
liden auf. Die Beantwortung der in der Überschrift gestellten Frage
kommt, im Anschluß an meine früheren Chitinuntersuchungen, darauf
hinaus, festzustellen, ob die „Cuticula" von Peripatus Chitin enthält
oder nicht. Denn es konnte dabei (s, Zool. Jahrb., Vol. 28, Syst.,
1910, p. 531—568) in der Hautbekleidung aller untersuchten Arthro-
poden Chitin nachgewiesen worden, nicht aber in einer der unter-
suchten Anneliden {Aphrodite aculeata L., Lepidonotus squamatus L.,
Arenicola piscatorum Lmk., Pectinaria auricoma, Lumbricus terrestris,
Lumbricus rupestris, Echiurus pallasii und Hirudo medicindlis).
Prof. Dr. J. F. van Bemmelen in Groningen (Holland) überließ
mir für diese kleine Untersuchung eine der Extremitäten mit einem
Teil des Hautskelets von einem Pm^^ot^ws-Exemplar. In dem kleinen
Präparat konnte, in oben beschriebener Weise, mit großer Sicher-
heit Chitin nachgewiesen werden, obschon die Chitinhaut hier sehr
dünn ist. Im violett gefärbten Chitosanpräparat treten Einzelheiten
wie Papillen, Krallen usw. sogar besonders scharf hervor.
Schluß. Da die Haut von Peripatus capensis an der äußeren
Seite aus einer dünnen Chitinschicht besteht, schließt sich diese
Tierart in der Hinsicht näher den Arthropoden als den
Anneliden (Vermes) an.
Peripatns capensis. 641
Für die neueren Anscliauungen über die Stellung von Limulus
und Peripatus im Tiersysteni werden durch diese kleine Untersuchung
chemische Belege geliefert, welche damit in vollem Einklang stehen,
und schon dadurch beanspruciit die Chemie als Hilfsmittel zur Klassi-
fikation (was, soviel ich weiß, für die Zoologie neu ist) ein gewisses
Interesse.
Da ich gerne andere Tierarten, deren Stellung im System un-
sicher ist oder war, wie auch Eischalen von Invertebraten (be-
sonders von Mollusken, Echinodermen und Würmern) auf das Voi'-
handensein von Chitin zu untersuchen wünsche, möchte ich hier an
die Freigebigkeit von Lesern appellieren, welche solches Material
zu verschenken haben.
den Haag (Holland), April 1912.
G. Pätz'sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.
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