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Full text of "Zur Erinnerung an Gustav Magnus. Nach einem am 14. December 1870 in der General-Versammlung der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, gehaltenen Vorträge"

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=:  lUSTAV   MAGNUS. 


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NACH  EINEM 

AM   11.  DECEMBER  1870 

IN   DER  GENERAL-VERSAMMLUNG 

)ER  DEUTSCHEN  CHEMISCHEN  GESELLSCHAFT 

zu  berlin 
(;i:haltenen  vortrage 


AUG.   WlLll.  HOFMAN  s 


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BERLIN, 

FERD.  DÜMMLER'S  VERLAGSBUCHUANDLUNG 

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1871. 


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ZUR  ERINNERUNG 


AN 


GUSTAV   MAGNUS 


NACH   EINEM 

AM   U.  DECEMBER  1870 

IN  DER  GENERAL -VERSAMMLUNG 

DER  DEUTSCHEN  CHEMISCHEN  GESELLSCHAFT 

ZU  BERLIN 

GEHALTENEN  VORTRAGE 


VON 


\\J(j.  WILFL  HOFMANN. 


MIl     l'iHTRAIT    UND   FACSIMILE. 


BERLIN, 

FERl)    DCMMLER'S  VERLAGSBUCHHANDLUNG 

HARRWITZ    UND    GOSSIIANN. 
187L 


Die  gewaltigen  Ereignisse  des  verflossenen  Sommers,  deren  Zeuge 
wir  gewesen  sind,  haben  der  Zeit  Flügel  geliehen,  Monate  sind 
ihrem  Inhalte  nach  zu  Jahren  geworden;  Alles,  was  sich  vor 
dem  deutschen  Kriege  begeben  hat,  scheint  uns  bereits  einer  ent- 
fernten Vergangenheit  anzugehören.  So  auch  der  Tod  des  Mannes, 
dem  dieser  Nachruf  gewidmet  ist,  obwohl  noch  kein  Jahr  verstrichen, 
seit  sich  das  Grab  über  ihm  geschlossen  hat.  Allein  wie  gross  die 
Zahl  und  Mannichfaltigkeit  der  Erlebnisse,  welche  wir  hinter  uns 
zurückgelassen,  wir  fühlen  den  herben  Verlust,  welchen  die  deutsche 
chemische  Gesellschaft  erlitten  hat,  heute  nicht  weniger  schmerzlich, 
wie  damals,  als  auf  die  erste  Tranerkunde  hin,  der  Vorstand  unseres 
Vereins  zusammentrat  und  den  Redner  mit  dem  Auftrage  betraute, 
das  Leben  und  zumal  die  umfassende  wissenschaftliche  Thätigkeit  des 
heimgegangenen  Freundes  den  Mitgliedern  der  Gesellschaft  an  ihrem 
Stiftungsfeste  in  nicht  allzueng  umrahmtem  Bilde  vorzufuhren. 

Indem  ich  am  heutigen  Abend  den  mir  gewordenen  Auftrag  er- 
fülle, kann  ich  nicht  umhin,  dem  Gefühle  des  Bedauerns  Ausdruck  zu 
geben,  dass  die  schone  Aufgabe,  die  hier  vorlag,  nicht  in  bessere 
Hände  gefallen  sei.  Mehr  als  einmal,  während  ich  das  Material  für 
ihre  Lösung  sammelte,  ist  mir  der  Gedanke  peinlich  nahe  getreten, 
wie  wenig  ich  dieser  Aufgabe  gewachsen  war.  Obwohl  seit  langer  Zeit 
in  vielfachen  Beziehungen  mit  Magnus,  bin- ich  doch  erst  in  den  letzten 
Jahren  so  glücklich  gewesen,  in  der  Vertrautheit  täglichen  Verkehrs  die 
ganze  Fülle  der  edlen  Eigenschaften  dieser  reich  angelegten  Natur  kennen 
zo  lernen.  Wie  viel  treffender  würde  das  Bild  des  Mannes  geworden 
sein,  wenn  die  Hand  eines  Jugendfreundes  den  Griffel  geführt  hätte! 
Auch  bin  ich  nicht  ohne  Sorge,  dass  es  mir  nur  sehr  unvollkommen 
gelungen  ist,  den  wissenschaftlichen  Leistungen  unseres  Vereins- 
genossen in  ihrem  ganzen   Umfange  gerecht  zu  werden.    Die  Jugend- 

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arbeiten  von  Magnus  gehören  allerdings  fast  alle  dem  Gebiete  der 
Chemie  an ,  aber  schon  frühzeitig  zieht  er  die  Physik  mit  in  den 
Kreis  der  Betrachtung,  um  sich  bald  fast  ausschliesslich  mit  phy- 
sikalischen Untersuchungen  der  verschiedensten  Art  zu  befassen. 
Wohl  bin  ich  nach  Kräften  bemüht  gewesen,  meinem  Freunde  auf 
den  vielverschlungenen  Pfaden  seines  grossen  Forschergebietes,  wenn 
auch  oft  nur  in  bescheidener  Entfernung,  zu  folgen.  Allein  wie  viel 
richtiger  würden  die  zahlreichen  von  Magnus  in  allen  Zweigen  der 
Physik  gesammelten  Erfahrungen  verzeichnet  worden  sein,  wie  ganz 
anders  hätte  der  Einfluss  dieser  Erfahrungen  auf  den  Fortschritt  der 
Wissenschaft  im  grossen  Ganzen  in  das  rechte  Licht  treten  müssen, 
wenn  die  Schilderung  von  einem  seiner  physikalischen  F^chgenossen 
übernommen  worden  wäre!  Wohl  kann  der  Verfasser  nicht  dankend 
genug  die  freundliche  Bereitwilligkeit  rühmen,  welche  bei  den  Vor- 
arbeiten zu  dieser  Skizze  seinem  lückenhaften  Wissen  und  seinem 
mangelnden  Verständniss  allerseits  zu  Hülfe  gekommen  ist,  und  dass 
so  Viele,  die  Magnus  im  Leben  näher  standen,  in  den  Kranz  der 
Erinnerung,  den  wir  ihm  flechten,  gerne  ein  Blatt  haben  einlegen 
wollen;  allein  er  giebt  sich  gleichwohl  der  Hoffnung  hin,  dass  sich 
recht  bald  eine  berufenere  Hand  finden  möge,  welche,  was  hier  nur 
lose  gefügt  und  kaum  mehr  als  andeutungsweise  geboten  werden 
konnte,  zu  einem  dauerhaften,  scharfumrissenen  Bilde  vereine. 

Die  Geschichte  eines  Gelehrten  ist  die  Geschichte  dessen,  was 
er  gelehrt  hat.  Nur  in  wenigen  Fällen  berichtet  sie  von  seltsam  ver- 
wickelten Lebensschicksalen,  von  gewaltigen  Begebnissen,  welche 
die  Phantasie  mächtig  bewegen.  Je  ernster  ein  Leben  dem  Dienste 
der  Wissenschaft  geweiht  war,  um  so  einfacher  hat  es  sich  auch  in 
seinem  äusseren  Verlaufe  gestaltet.  Auch  das  Leben  unseres  Freundes 
Magnus,  wie  zahlreich  immer  die  Fäden,  die  es  in  mannichfaltigster 
Weise  mit  Menschen  und  Dingen  verknüpfte,  ist  ein  solches  ruhig 
dahinfliessendes  Gelehrtenleben  gewesen.  Was  ich  daraus  aus  eigener 
Erfahrung  weiss,  was  mir  Andere  mitgetheilt  haben,  will  ich  in  wenigen 
Worten  zusammenfassen. 

Heinrich  Gustav  Magnus  wurde  am  2.  Mai  1802  in  Berlin 
geboren,  wo  sein  Vater,  Johann  Matthias,  gegen  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  ein  grosses  Handlungshaus  begründet  hatte.  Gustav 
war  der  vierte  von  sechs  Brüdern,  von  denen  der  älteste,  Martin, 
ihm  vor  kaum  Jahresfrist  vorangegangen  ist.  Es  war  dies  der  durch 
seinen  edlen  Wohlthätigkeitssinn  ausgezeichnete  Banquier  v.  Magnus, 
der  Vater  des  gegenwärtigen  Chefs  des  Hauses  sowie  auch  des  ehe- 
maligen preussischen  Gesandten  in  Mexico,  dessen  edle  Haltung  in  der 
Tragödie  von  Queretaro  noch  frisch  in  dem  Gedächtnisse  Aller 
lebt.  Der  einzige  Bruder,  welcher  Gustav  überlebt  hat,  ist  der 
Maler    Eduard    Magnus,    —    mögen    ihm,    der   Kunst    und    seinen 


Freanden  za  Frommen,  der  Jahre  noch  viele  geschenkt  sein!  Ihm 
danken  wir  es,  dass  diesem  Gedenkblatte  auch  der  künstlerische 
Schmack  nicht  fehle;  die  unvergleichliche  Bleistifizeichnung,  welche 
ich  Ihnen  reiche,  ist  von  seiner  Hand,  —  welche  andere  hätte  die 
Znge  des  geliebten  Bruders  treuer  wiedergegeben?  Dieses  wunderbar 
ähnliche  Portrait,  welches  unsern  Freund  im  glücklichsten  Augenblicke 
auffasst,  ist  eigens  für  die  Feier  dieses  Abends  gezeichnet  worden ;  eine 
photographische  Nachbildung*)  desselben  bittet  Professor  Eduard 
Magnus  die  Mitglieder  der  Gesellschaft  als  Erinnerung  an  den  Heim- 
gegangenen annehmen  zu  wollen. 

Dass  in  einer  Familie,  aas  der  solche  Männer  hervoigegiuigen 
sind,  die  reichen  Mittel,  welche  zur  Verfügung  standen,  mit  liebe- 
vollster Sorgfalt  für  die  körperliche  und  geistige  Entwicklung  der 
Kinder  verwendet  wurden,  versteht  sich  von  selbst.  Es  war  eine 
glückliche  Jagend,  welche  die  Knaben  in  dem  Magnus' sehen  Hause 
verlebten.  Der  Vater  gestattete  die  vollkommenste  Freiheit  der  Bewegung. 
war  aber  gleichwohl  schon  frühzeitig  der  Mann  scharfer  Beobachtung  und 
sorglicher  Pflege  individueller  Begabung  seiner  Kinder.  Gustav  hatte 
schon,  während  er  zunächst  im  elterlichen  Hause  und  dann  in  Pri- 
vatschulen  unterrichtet  wurde,  mehr  Neigung  und  Verständniss  für 
die  mälhematischen  und  naturwissenschattlichen,  als  für  die  sprach- 
lichen Lehrgegenstände  kund  gegeben;  und  dieselbe  Vorliebe  zeigte 
sich  auch,  als  er  mit  seinem  vierzehnten  Jahre  in  das  Werdcrsche^ 
Friedrichs- Gymnasium  eingetreten  war,  in  welchem  den  klassischen 
__S£rachen  vorwaltende  Beachtung  geschenkt  wurde.  Der  Vater  sah  sich 
desshalb  auch  schon  bald  nach  einer  anderen  Schule  für  den  Knaben  um, 
und  seine  Wahl  fiel  auf  das  damals  neuentstandene  Cauer'sche  Institut, 
welches  später  von  Berlin  nach  Charlottenburg  verlegt  wurde.  Die 
Wahl  dieses  Instituts  war  eine  glückliche,  insofern  dasselbe  der  Vorbe- 
reitung für  die  exacten  Wissenschaften,  für  welche  Gustav  das  leb- 
hafteste Interesse  bekundete,  ganz  besondere  Berücksichtigung  ange- 
deihen  Hess.  In  der  That  hatte  auch  der  neunzehnjährige  Jüngling, 
als  er  nach  mehrjährigem  Aufenthalt  in  dieser  Anstalt  sich  anschickte 
die  Universität  zu  beziehen,  bereits  ausgebreitete  Kenntnisse  in  der 
Mathematik  und  den  Naturwissenschaften  erworben ,  ohne  desshalb 
die  klassischen  Stadien  vernachlässigt  zu  haben.  Glücklich  wie  ihm 
die  äosseren  Verhältnisse  des  Lebens  lagen,  war  er  über  die  Wahl  des 
Berufes  nicht  lange  zweifelhaft.  Der  Chemie  und  Physik,  sowie  der 
Technologie,  die  ja  eigentlich  nichts  anderes  als  die  Verwerthung  che- 
mischer und  physikalischer  Erfahrungen  im  Dienste  des  Lebens  ist, 
sollte   fortan  die  ganze  Kraft  dieses  lebhaften  Geistes  gewidmet  »ein. 

Für   die  sorgftltigen    photographischen  Nachbildungen  sind  wir  Herrn  Carl 
ituntiier  zn  bestem  Danke  yerpflichtet. 


Um  diese  Studien  mit  ganzem  Eifer  aufnehmen  zu  können,  hatte 
Gustav  Magnus  nur  noch  der  allgemeinen  Wehrpflicht  zu  genügen. 
Zu  dem  Ende  trat  er  im  Jahre  1821  als  Freiwilliger  in  das  in  Berlin 
garnisonirende  Bataillon  der  Gardeschützen;  die  militärischen  Erfahrun- 
gen, welche  ihm  der  einjährige  Dienst  erwarb,  sollten  später,  wenn 
auch  nur  auf  kurze  Zeit,  eine  kaum  geahnte  Verwerthung  finden. 

Im  Jahre  1822  bezog  unser  junger  Freund  die  Universität  seiner 
Vaterstadt,  in  deren  Album  er  von  dem  zeitigen  Rector,  dem  Histo- 
riker Professor  Wilkens  am  2.  November  eingetragen  wurde.  Die 
Berliner  Hochschule  war  damals  kaum  aus  ihrer  Kindheit  getreten.  Ge- 
stiftet in  einer  Periode,  in  welcher  die  Fremdherrschaft  mit  fast  unerträg- 
lichem Drucke  auf  Deutschland  lastete,  und  die  besten  Kräfte  der  Nation 
ausschliesslich  der  Befreiung  des  Vaterlandes  gewidmet  waren,  hatte 
unsere  Universität  kaum  die  nöthige  Zeit  gehabt,  um  sich  zu  vollen- 
deter Blüthe  zu  entfalten.  Gleichwohl  waren  die  Naturwissenschaften 
bereits  durch  hervorragende  Männer  vertreten.  Was  zunächst  die 
Chemie  anlangt,  so  war  allerdings  Klaproth  damals  schon  vor  mehre- 
ren Jahren  gestorben,  allein  Hermbstädt,  der  neben  Klaproth 
schon  seit  Stiftung  der  Universität  den  chemischen  Studien  vorge- 
standen hatte,  war  noch  in  voller  Thätigkeit,  und  hielt  namentlich 
Vorlesungen  über  die  Anwendungen  der  Chemie  auf  Pharmacie,  Agri- 
cultur  und  verschiedene  Zweige  der  Industrie,  zumal  die  Färbekunst. 
Auch  hatte,  sehr  jung  noch  und  nach  kaum  vollendeten  Lehrjahren 
in  Berzeli  US 'scher  Schule,  Mitscher  lieh  als  ausserordentlicher 
Professor  bereits  seine  ruhmreiche  Laufbahn  an  hiesiger  Hoch- 
schule begonnen;  endlich  hatte  sich  Heinrich  Rose  fast  zu  der- 
selben Zeit,  als  Magnus  die  Universität  bezog,  als  Privatdocent  für 
analytische  Chemie  habilitirt.  Vertreter  der  Physik  waren  Paul  Er- 
man,  Ernst  Gottfried  Fischer  und  Karl  Daniel  Tourte,  die 
alle  bereits  seit  ihrer  Gründung  an  der  Universität  wirkten,  und  neben 
Vorlesungen  über  Experimentalphysik,  Vorträge  über  die  einzelnen 
Disciplinen  dieser  Wissenschaft  hielten.  Professor  der  Mineralogie  war 
Christian  Weiss,  ebenfalls  einer  der  bei  der  Stiftung  der  Universität 
Berufenen,  und  an  seiner  Seite  lehrte  bereits  als  ganz  junger  Do- 
cent  Gustav  Rose,  sein  dereinstiger  Nachfolger,  den  wir  heute 
glücklich  sind  als  einen  der  Vicepräsidenten  dieser  Gesellschaft  zu 
begrüssen.  Wird  schliesslich  noch  daran  erinnert,  dass  die  Zoo- 
logie in  den  Händen  Lichtenstein's  war  und  dass  Link  an  der 
Spitze  der  botanischen  Studien  stand,  so  wird  man  zugeben  müssen, 
.dass  die  hiesige  Hochschule,  was  glänzende  Vertretung  der  ver- 
schiedenen Gebiete  der  Naturforschung  anlangt,  ihren  filteren  Schwestern 
in  keiner  Weise  nachstand. 

Zu  so  glücklichen  Bedingungen  für  die  erfolgreiche  Pflege  der  Na- 
turwissenschaften gesellten  sich  aber  in  Berlin  noch  andere  Mittel  der 


Ausbildung,  welche  für  die  besondere  Anlage  unseres  Freundes  von 
grosser  Anziehung  sein  mussten,  andrerseits  aber  auch  auf  die  weitere 
Entwicklung  dieser  Anlage  nicht  ohne  Einfluss  bleiben  konnten.  Schon 
damals  war  Berlin  wesentlich  eine  gewerbtreibende  Stadt.  Es  waren 
zumal  die  tinctorialen  Industrien  mit  den  angrenzenden  Gewerben, 
welche  bereits  sehr  schwunghaft  betrieben  wurden;  aber  auch  viele 
andere  Zweige  der  Fabrikation,  deren  weitere  Ausbildung  seither 
Berlin  zur  ersten  industriellen  Stadt  unseres  Vaterlandes  gemacht  hat, 
waren  schon  in  ihren  ersten  Anfängen  vorhanden.  Es  vereinigte 
sich  daher  damals  für  denjenigen,  welcher  sich  dem  Studium  der 
Naturwissenschaften  in  ihren  Anwendungen  widmen  wollte,  in  Berlin 
eine  Summe  von  Anregungen,  wie  sie  keine  andere  deutsche  Univer- 
sität zu  bieten  vermochte. 

Für  Gustav  Magnus  lag  kein  Grund  vor,  seine  akademischen 
Studien  zu  übereilen,  und  so  sehen  wir  ihn  denn  während  der  nächsten 
fünf  Jahre  abwechselnd  chemische,  physikalische  und  mathematische 
Vorlesungen  besuchen.  Nebenbei  wird  fleissig  im  Universitätslabora- 
torium  gearbeitet  und  keine  Gelegenheit  versäumt,  Erfahrungen  auf 
dem  Gebiete  der  Technik  einzusammeln.  Selbst  die  Ferien  werden 
zu  mineralogischen  und  technologischen  Excursionen  benutzt. 

So  eifrige  Studien  konnten  nicht  lange  ohne  Früchte  bleiben. 
Schon  im  Jahre  1825  veröffentlicht  Magnus  seine  erste  Abhand- 
lung, eine  Arbeit  über  Pyrophore,  welche  er  unter  der  Leitung  von 
Mitscherlich  ausgeführt  hat;  zwei  Jahre  später  sind  weitere 
Versuche  fertig,  welche  für  die  Doctordissertation  benutzt  werden 
können.  Gegenstand  derselben  ist  das  Tellur,  welches,  obwohl 
schon  1782  von  Müller  v.  Reichenstein  aufgefunden,  und  später 
(1798)  von  Klaproth  näher  untersucht,  gleichwohl  wegen  seiner 
Seltenheit  noch  sehr  unvollkommen  bekannt  war.  Für  die  Unter- 
suchungen, welche  Magnus  ausgeführt  hat,  war  ihm  das  kostbare 
Material  mit  grosser  Liberalität  von  seinen  Freunden  Weiss  und 
Heinrich  Rose  zur  Verfügung  gestellt  worden.  Die  der  philo- 
sophischen Facultat  eingereichte  Inauguraldissertation  führt  den  Titel 
De  tellurio*).     Die  Promotion  erfolgte  am  14.  September  1827. 

Gustav  Magnus  hatte  schon  damals  die  Absicht,  sich  an  der 
Berliner  Hochschule  für  das  Fach  der  Technologie  zu  habilitiren, 
allein  er  wollte  sich  nicht  durch  Uebernahme  bestimmter  Pflichten 
binden,  ohne  zuvor  noch  behufs  seiner  weiteren  Ausbildung  an- 
dere Universitäten  besucht  zu  haben.  Der  Mittelpunkt  chemischer 
und  physikalischer  Forschung  war  noch  Paris.  Männer  wie  G  ay  - 
Lnssac,  Thenard,  Chevreul,  wie  Dulong,  Biot,  Ampere,  Sa- 


*)     De    tellurio.       Dissertatio     inauyuralit    t^uam    ainplittimi    philotophoruta 
ordini*   etc.    —  publtre  dffendft  aiiclor  Henricus  Guetavut  Maguut,  BemliueiuU. 


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vart,  standen  damals  auf  der  Sonnenhohe  ihres  Ruhmes;  Dumas,  ob- 
wohl sehr  jung  noch,"  hatte  bereits  seine  Schwingen  entfaltet.  Auch 
lenkten  die  Jünger  der  Naturwissenschaften  aus  allen  Ländern  mit  Vor- 
liebe ihre  Schritte  nach  der  Weltstadt  an  der  Seine,  die  ja  auch 
nach  so  vielen  anderen  Seiten  hin  grosse  Anziehung  übte.  Für  den 
jungen  Chemiker  gab  es  aber  in  jener  Zeit  noch  einen  andern  Schrein 
der  Wissenschaft,  dessen  Zauber  selbst  mächtiger  wirkte  als  die  Ver- 
lockungen der  französischen  Hauptstadt.  Der  gewaltige  Anstoss  zur 
Fortentwicklung  der  Chemie,  welchen  Berzelius  gegeben  hatte,  war 
bereits  aller  Orten  fühlbar  geworden,  und  schon  waren  seit  mehreren 
Jahren  strebsame  junge  Männer,  zumal  von  Deutschland,  nach  Stock- 
holm gezogen,  um  unter  den  Augen  des  grossen  schwedischen  Meisters 
die  Kunst  der  chemischen  Forschung  zu  üben.  Auch  Gustav  Magnus 
fühlte  sich  von  der  wissenschaftlichen  Bewegung,  die  von  Berzelius 
ausging,  mächtig  angezogen,  und  schon  im  Jahre  1828,  bald  nach 
Erlangung  der  philosophischen  Doctorwürde  sehen  wir  unsern  jungen 
Freund  dem  nordischen  Gelehrten  als  Schüler  zu  Füssen  sitzend. 
Wohl  war  es  nur  ein  kleiner  Schülerkreis,  der  sich  um  Berzelius 
zu  sammeln  pflegte,  aber  welche  Namen,  schon  für  Deutschland 
allein,  sind  aus  demselben  hervorgegangen,  Mitscherlich,  Wöhler, 
Heinrich  und  Gustav  Rose,  Chr.  Gmelin,  Magnus! 

Die  äusseren  Mittel,  welche  die  Stockholmer  Akademie  der  Wissen- 
schaften für  den  chemischen  Unterricht  bot,  waren  nichts  weniger 
als  reichlich  bemessen.  Wer  hätte  nicht  von  den  primitiven  Einrich- 
tungen des  Berzelius' sehen  Laboratoriums  gehört,  von  den  kleinen 
fast  dürftig  ausgestatteten  Räumen,  in  denen  der  berühmte  Schwede 
arbeitete,  und  von  den  einfachen  ökonomischen  Apparaten,  mit  denen 
er  seine  grossen  Erfolge  erzielte?  Aber  gerade  diese  Beschränkung 
der  äusseren  Verhältnisse  war  die  Quelle  der  innigen  Beziehungen, 
in  welche  Berzelius  zu  seinen  Schülern  treten  konnte,  und  die  sich 
weit  über  die  Zeit  des  persönlichen  Verkehrs  hinaus  erhalten  haben. 
Gustav  Magnus,  der  unter  Berzelius'  Leitung  die  schöne  Arbeit 
über  das  Verhalten  des  Ammoniaks  zum  Platinchlorür  ausführte,  ward 
das  Glück  zu  Theil,  dem  Meister  besonders  nahe  zu  treten.  Aus  diesem 
Verkehre  hat  sich  später,  wie  aus  den  Briefen  von  Berzelius  her- 
vorgeht, ein  warmes  Freundschaftsverhältniss  gestaltet,  dessen  Magnus 
stets  in  Ausdrücken  der  liebevollsten  Verehrung  gedachte.  Auch  hat 
er,  solange  er  lebte,  dem  theuren  Lehrer,  dessen  Büste  seinem  Ar- 
beitstische gegenüberstand,  ein  dankbares  Andenken  gewidmet. 

Wenn  Magnus  in  erster  Linie  dem  Zuge  nach  Norden  gefolgt 
war,  so  durfte  er  doch  auch  die  ausserordentlichen  Hülfsquellen,  welch- 
Paris  für  seine  Zwecke  bot,  nicht  ausser  Acht  lassen.  In  der  Thni 
begegnen  wir  ihm  denn  auch  schon  im  darauffolgenden  Jahre  (1829) 
in    der    französischen    Metropole.      Dort   werden    mit    Eifer    die    Vor- 


>ungen  von  Dulong,  Thenard  und  Gay-Lussac,  so- 
wie anderer  Gelehrten  besucht.  Mit  besonderer  Zuvorkommenheit 
wurde  Gustav  Magnus  von  Gay-Lussac  aufgenommen,  wie  mir 
l'rof.  Baff  mittheilt,  der  zu  jener  Zeit  Assistent  bei  Gay-Lussac 
war.  Wohl  mochte  der  grosse  franzosische  Forscher  in  dem  jungen 
Deutschen  schon  damals  den  artverwandten  Genius  erkannt  haben,  der 
später  seine  schönsten  Lorbeern  gerade  auf  dem  Gebiete  ernten  sollte, 
welches  er  selber  seit  Jahren  mit  Vorliebe  bebaut  hatte,  gewiss  aber 
ahnte  keiner  von  beiden,  dass  auch  später  einmal  eine  heftige  Fehde 
/wischen  ihnen  entbrennen  sollte! 

Nach  Berlin  zurückgekehrt,  widmet  sich  Magnus  von  Neuem 
seinen  experimentalen  Studien.  Es  sind  zumal  Arbeiten  auf  dem 
Gebiete  der  mineralogischen  Chemie,  die  ihn  beschäftigen.  Im  Jahre 
1831  endlich  erfolgt  die  schon  seit  längerer  Zeit  beabsichtigte  Habili- 
tation an  der  Berliner  Universität  für  das  Fach  zunächst  der  Techno- 
logie, später  auch  der  Physik;  und  nunmehr  beginnt  jene  unermüd- 
liche hingebende  Lehrthätigkeit,  welche  Magnus  zum  Frommen  einer 
unübersehbaren  Reibe  von  Schülern,  zum  Glänze  unserer  Hochschule, 
zu  seinem  eigenen  unvergänglichen  Ruhme,  während  eines  Zeitraums 
von  fast  vierzig  Jahren  geübt  hat. 

Die  Wahl  des  akademischen  Berufs,  selbst  im  günstigsten  Falle, 
bleibt  immer  mehr  oder  weniger  ein  Experiment.  Wie  sorgfältig 
immer  Einer  die  Vorbedingungen  des  Gelingens  erfüllt  zu  haben 
glaubt,  er  muss  stets  auf  ein  Fehlschlagen  seiner  Erwartungen  gefasst 
sein,  und  oft  vergehen  Jahre,  ehe  die  letzten  Zweifel  beseitigt  sind. 
Magnus  ist  auch  hier  wieder  vom  Glücke  begünstigt.  Schon  sein 
erstes  Auftreten  als  Docent  ist  vom  entschiedensten  Erfolge  begleitet. 
Aber  welche  Mühe,  welche  Sorgfalt  verwendet  er  auch  auf  die  Vor- 
bereitung seiner  Vorlesungen!  Welche  Anstrengungen  werden  ge- 
macht, um  die  nöthigen  Lehrmittel  zu  beschaffen!  Eine  technologische 
Sammlung  ist  nicht  vorhanden.  Mit  unermüdlicher  Ausdauer  werden 
Wandbilder  gefertigt,  Modelle  construirt,  Mineralien  und  Präparate 
erworben.  Kein  Opfer  an  Kraft,  Geld  und  Zeit  ist  ihm  zu  gross,  wenn 
es  gilt,  eine  Fabrikation  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  zur  Anschauung 
zu  bringen,  d.  h.  dem  Schüler  die  Materie,  wie  sie  die  Natur  uns 
bietet,  dann  in  allen  Zwischenstadien  der  technischen  Umbildung  und 
schliesslich  als  fertiges  Fabrikat  vorzuführen,  wie  es  im  Dienste  des 
Lebens  zur  Verwerthung  kommt. 

An  die  technologischen  Vorlesungen  reihen  sich  schon  nach 
kurzer  Frist  physikalische;  und  auch  für  sie  ist  Magnus  ganz  auf 
seine  eigenen  Hülfsquellen  angewiesen.  Maschinen,  Apparate,  Zeich- 
nungen, Alles  was  zur  Illustration  physikalischer  Vorlesungen  erforder- 
lich ist,  wird  von  ihm  aus  eigenen  Mitteln  erworben  und  so  der  Grund  zu 
dem  prachtvollen  physikalischen  Cabinette  gelegt,  welches  erst  später, 

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als  es  sich  durch  Zahl,  Auswahl  und  Vollendung  der  Instrumente  den 
schönsten  Sammlungen  der  Welt  an  die  Seite  stellen  konnte,  von  dem 
Staate  erworben  wird. 

In  diese  Zeit  fallen  erneute  Reisen  in  das  Ausland,  zumal  nach 
Frankreich  und  England,  welche  theils  die  Erweiterung  und  Vervoll- 
ständigung der  Lehrmittel,  theils  die  Anknüpfung  neuer  wissenschaft- 
licher Beziehungen  bezwecken.  Einige  dieser  Reisen  unternimmt 
Magnus  in  Gemeinschaft  mit  Friedrich  Wöhler,  welcher  bis  zum 
Anfange  der  dreissiger  Jahre  die  chemische  Professur  an  der  Berliner 
Gewerbeschule  bekleidete  und  mit  welchem  er  schon  frühzeitig  einen 
Freundschaftsbund  für's  Leben  geschlossen  hatte.  Die  Innigkeit  die- 
ses Verhältnisses  könnte  nicht  besser  bezeichnet  werden,  als  indem 
ich  die  Worte  anführe,  welche  Wöhler  dem  geschiedenen  Freunde 
nachruft  ? 

„Nicht  ohne  tiefe  Bewegung",  sagt  Wöhler  in  einem  Briefe  an 
den  Verfasser  dieser  Skizze,  „kann  ich  des  freundschaftlichen  Ver- 
hältnisses gedenken,  durch  das  wir,  Magnus  und  ich,  seit  45  Jahren 
auf  das  Innigste  und  Treueste,  verbunden  waren  und  das  in  dieser 
langen  Zeit  auch  nicht  durch  den  geringsten  Misston  getrübt  worden 
ist.  Er  war  mein  ältester,  vertrautester  und  treuester  Freund,  der 
namentlich  während  unseres  persönlichen  Zusammenlebens,  in  den 
Jahren  meines  Aufenthaltes  in  Berlin,  durch  seinen  klaren  Verstand, 
seine  Menschenkenntniss,  seine  weisen  Rathschläge  und  dadurch,  dass 
er  mich  in  die  anregenden  Kreise  seiner  liebenswürdigen  Familie, 
namentlich  seines  ältesten  Bruders,  des  Banquiers,  einführte  und  dort 
einheimisch  machte,  von  grossem  Einfluss  auf  meine  geistige  Ausbil- 
dung gewesen  ist." 

Die  Freundschaft,  welche  uns  Wöhler  in  so  beredten  Worten 
schildert,  wer  könnte  daran  zweifeln,  dass  sie  von  Magnus  mit 
gleicher  Aufrichtigkeit,  mit  gleicher  Herzlichkeit  erwiedert  wurde? 
Unter  den  mir  vorliegenden  Briefen  an  Wöhler  finde  ich  einen,  in 
welchem  Magnus  dieses  Verhältnisses  in  warmen  Worten  gedenkt: 
der  Brief  ist  nicht  nur  für  seine  Gesinnung,  sondern  auch  für  seine 
Ausdrucksweise  und  zumal  auch  für  seine  Handschrift  so  charakte- 
ristisch, dass  ich  mir  es  nicht  habe  versagen  wollen,  ein  Facsimile*) 
desselben  herstellen  zu  lassen,  welches  ich  die  Mitglieder  der  Gesell- 
schaft als  Andenken  anzunehmen  bitte. 

Hören  wir  also,  wie  Magnus  seinem  {""reunde  gegenüber  sich 
ausspricht : 

„Es  ist  merkwürdig  genug,  wir  leben  seit  37  Jahren  getrennt, 
haben    uns   in    diesem    mehr  als  ein   Menschenalter  umfassenden  Zeit- 


*)    Das  wohl(;reIungene  Facsimile   ist  in    dem   Köiiisl.   Photolithocrraphischpii   In- 
stitute   der    HHni.   Gebr.    Rurrliard    ausjjefillirt   worilen. 


11 


räum  doch  nur  selten  und  immer  nur  auf  kurze  Zeit  gesehn,  und 
doch  ist  es  mir  als  unterhielte  ich  mich  immer  noch  mit  dem  Wo  hier 
von  damals,  als  verständen  wir  uns  noch  gerade  so  wie  damals.  Es 
ist  das  eigentliclj  wunderbar  und  ich  habe  mir  oft  überlegt,  woher 
es  wohl  kommt.  Haben  wir  uns  beide  so  wenig  verändert,  oder 
haben  wir  uns  so  gleichartig  verändert,  oder  rührt  es  daher,  dass  wir 
die  Gedanken,  die  uns  eigentlich  bewegen,  nicht  austauschen,  unsere 
Unterhaltung  nur  auf  der  Oberfläche  bleibt?  Das  Letztere  möchte  ich 
nicht  annehmen!  Ich  glaube  es  hat  andere  Gründe!  Aber  wozu  so  viel 
analysiren?  Wir  wollen  froh  sein  dass  es  so  ist,  wie  es  ist,  und  uns 
um  das  Warum  nicht  viel  kümmern." 

Wir  sehen  aus  diesem  Briefe,  dass  der  persönliche  Verkehr  der 
beiden  Freunde  in  späteren  Jahren  ein  beschränkter  war;  allein  wenn 
sie  nur  noch  selten  zusammentrafen,  so  versenkten  sich  ihre  Ge- 
danken um  so  lieber  in  die  gemeinschaftlichen  Erinnerungen  ihrer 
Jugend.  Magnus  sprach  oft  und  gern  von  der  Zeit  seines  Zusammen- 
lebens mit  Wöhler,  zumal  von  den  grösseren  Reisen,  die  er  an  der 
Seite  des  Freundes  gemacht  hatte,  und  wie  frisch  sich  die  Erlebnisse 
jener  Zeit  auch  in  Wöhler's  Gedächtniss  erhalten  haben,  davon 
mögen  seine  eignen  Worte,  —  die  ich,  hoffentlich  ohne  dass  mir 
mein  verehrter  Freund  darob  zürne,  einem  seiner  Briefe  an  mich  ent- 
nehme, —  beredtes  Zeugniss  geben. 

„Mit  Vergnügen",  sagt  Wöhler  in  diesem  Briefe,  „werde  ich 
mich  stets  der  gemeinschaftlichen  Reise  erinnern,  welche  wir,  Magnus, 
sein  jüngerer  Bruder,  der  Arzt,  und  ich,  im  Jahre  1835  durch  Eng- 
land machten.  Auch  Heinrich  Rose  war  damals  drüben.  Wir 
besuchten  viele  technische  Etablissements  in  Worcester,  Birmingham, 
Manchester;  auch  nach  Liverpool  fuhren  wir,  und  zwar  auf  der  Eisen- 
bahn, der  ersten  die  unser  Erstaunen  erregte  und  die  noch  die  einzige 
in  England  war.  Faraday,  der  uns  auf  das  Liebenswürdigste  auf- 
nahm und  uns  persönlich  in  mehrere  Fabriken  führte,  hatte  uns  mit 
Empfehlungen  versehen.  Als  wir  ihn  zum  ersten  mal  in  dem  Labo- 
ratorium der  Royal  Institution  besuchten ,  kam  noch  das  Komische 
vor,  dass  er  mich  für  den  Sohn  des  ihm  als  Chemiker  bekannten 
W^öhler  hielt,  weil  ich  wegen  meiner  Dünnheit  noch  sehr  jung 
aussah.  In  London  besuchten  wir  auch  den  schwerhörenden  Prout, 
in  Manchester  den  alten  Dalton.  Magnus  blieb  damals  länger 
in  England,  als  es  mir  möglich  war;  ich  machte  daher  auch  die  Rück- 
reise allein  .  . . ." 

„Nicht  minder  interessante  Eindrücke  sind  mir  von  einer  Reise 
die  ich  schon  ein  Jahr  früher  mit  Magnus  durch  Frankreich  gemacht 
hatte,  und  namentlich  von  einem  mehrwöchentlichen  Aufenthalt 
in  Paris  geblieben.  Unser  Hauptzweck  war,  Fabrikationen  aller 
Art,   besonders    die    chemischen,    kennen    zu   lernen,    wobei  der  un- 


12 


vergessliche  Felo  uze,  daiUcals  noch  Assistent  von  Gay-Lussac, 
unser  treuer  Führer  war.  Ausserdem  machten  wir  die  Bekanntschaft 
aller  damaligen  Notabilitäten  der  Wissenschaft,  von  denen  wir  junge 
Bursche  mit  vieler  Artigkeit  behandelt  wurden,  wozu  freilich  auch 
der  Umstand  beitragen  mochte,  dass  ich  mit  den  beiden  Brongniarts 
sehr  befreundet  war,  von  der  dreimonatlichen  Reise  her,  die  ich  mit 
ihnen  urd  Berzelius  in  Schweden  und  Norwegen  gemacht  hatte. 
Lebhaft  erinnere  ich  mich  der  vielen  Gesellschaften  und  Diners,  zu 
denen  wir  geladen  wurden,  und  die  durch  die  berühmten  Namen  der 
Gäste  und  deren  geistvolle  Unterhaltung  uns  das  grösste  Interesse 
gewährten;  so  z.  B.  eines  glänzenden  Diners  bei  Thenard  in  Gesell- 
schaft von  Ampere,  Arago,  Chevreul,  Dumas  und  Pelouze, 
eines  anderen  bei  Dulong  mit  Lassaigne  u.  A.,  eines  zu  Chatillon 
bei  Gay-Lussac  mit  Arago  und  Thenard  ;  eines  bei  Alexander 
Brongniart  zu  Sevres,  ferner  bei  Ad.  Brongniart,  bei  Dumas, 
der  so  freundlich  war,  uns  eigenhändig  seine  neue  Methode  der  Dampf- 
dichtebestimmung zu  zeigen.  Auch  einer  Instituts -Sitzung  wohnten 
wir  bei;  wir  befanden  uns  unter  dem  zuhörenden  Publicum,  da  be- 
merkte uns  Gay-Lussac  und  lud  uns  ein  bei  den  Mitgliedern  Platz 
zu  nehmen  —  eine  kleine  Verlegenheit  für  uns,  da  wir  auf  zwei 
ziemlich  isolirt  stehenden  Stühlen  nun  der  Gegenstand  der  Aufmerk- 
samkeit des  Publicums  wurden." 

Wohl  durften  wir  bei  den  schönen  Erinnerungen,  welche  die 
beiden  Freunde  mit  aus  Frankreich  bringen,  einen  Augenblick  ver- 
weilen. Magnus  und  Wöhler  sind  nicht  die  einzigen  deutschen 
Naturforscher  gewesen ,  welche  sich  einer  so  herzlichen  Aufnahme 
seitens  ihrer  französischen  Collegen  erfreut  haben.  Von  den  zahl- 
reichen Jüngern  der  Wissenschaft,  die  auch  in  unserer  Zeit  alljährlich 
nach  Paris  gepilgert  sind,  wer  gedächte  nicht  mit  lebhaftem  Danke 
seines  Verkehrs  in  den  dortigen  Gelehrtenkreisen,  und  wer  hätte  es 
nicht  erfahren  ,  dass  gerade  die  hervorragendsten  Männer  es  sich  am 
meisten  angelegen  sein  Hessen,  ihm  den  Aufenthalt  in  der  fränkischen 
Hauptstadt  erfreulich,  weil  fruchtbringend,  zu  machen?  Wohl  dürfen 
wir  uns  dieses  gastlichen  Entgegenkommens  der  Physiker  und 
Chemiker  Frankreichs  in  einer  Stunde  erinnern,  in  welcher  der 
frevelhafte  Uebermuth  eines  verblendeten  Theiles  der  Franzosen  uns 
das  Schwert  in  die  Hand  gedrückt  hat  und  ein  furchtbarer  Krieg  die 
beiden  Nationen  auf  Jahrzehnte  zu  entfremden  droht.  Hoffen  wir, 
dass  die  Freundschaft  zwischen  den  französischen  und  deutschen  Natur- 
forschern den  Sturm  bestehe,  dass  der  goldene  Friede  die  gelockerten 
Bande  bald  von  Neuem  schürze  und  dass  es  die  Wissenschaft  sei, 
auf  deren  Boden  Deutschland  und  Frankreich  zuerst  sich  wieder- 
finden. 

Aeiinliche  grössere  Reisen,  wie  sie  uns  in  den  angeführten  brief- 


i;i 


liehen  Mittheilungen  so  anniuthig  von  Wohle r 's  Feder  skizzirt  worden, 
hat  Magnus  fast  regelmässig  in  den  langen  Somnierfericn  unter- 
nommen. Neben  wissenschaftlichen  Zwecken,  die  niemals  ganz  in 
den  Hintergrund  traten,  wurden  andere  Ziele  verfolgt.  Das  Auge 
unseres  Freunndes,  welches  für  alles  Schöne  geöffnet  war,  erfreute 
sich  mit  besonderer  Vorliebe  an  den  Wundern  der  Alpenwelt.  Dort 
war  es,  wo  er  stets  nach  längerer  Arbeit  Erholung  suchte.  Und 
solche  Erholung  war  ihm  nach  den  Anstrengungen,  die  er  sich  auf- 
erlegte, wohl  zu  gönnen.  Die  mit  jedem  Semester  erfolgreicher  sich 
gestaltende  akademische  Thätigkeit,  welche  ihm  bereits  im  Jahre  1834 
eine  ausserordentliche  Professur  an  der  Universität  erworben  hatte, 
wurde  eine  minder  ausgiebige  Arbeitskraft,  als  sie  Magnus  besass, 
vollkommen  in  Anspruch  genommen  haben;  er  findet  gleichwohl  noch 
Zeit  für  mannichfaltige  wissenschaftliche  Untersuchungen.  Die  mit 
C.  F.  Ammermüller  gemeinschaftlich  ausgeführten  Versuche  über 
eine  neue  Oxydationsstufe  des  Jods,  die  Untersuchungen  über  die 
Einwirkung  der  Schwefelsäure  auf  den  Alkohol,  die  Temperatur- 
bestimmungen in  dem  Bohrloche  von  Pitzpuhl,  die  Arbeit  über  die 
Blutgase,  auch  schon  mehrere  kleinere  physikalische  Abhandlungen 
fallen  in  jene  Zeit.  Seine  wissenschaftliche  Stellung  ist  bereits  in 
dem  Maasse  anerkannt,  dass  ihn  die  Berliner  Akademie  der  Wissen- 
schaften am  27.  Januar  18-40  zum  ordentlichen  Mitgliede  der  physi- 
kalisch-mathematischen Klasse  erwählt. 

Das  Jahr  1840  war  überhaupt  für  Gustav  Magnus  ein  Jahr  des 
Glücks.  Der  Frühling  desselben  bescheert  ihm  die  liebenswürdigste 
Lebensgefährtin.  Am  27.  Mai  knüpft  er  mit  Bertha  Humblot,  der 
Tochter  einer  der  französischen  Colonie  zu  Berlin  angehörenden  ehren- 
werthen  Familie,  das  Band  der  Ehe.  Zwei  einander  ergänzende 
Seelen  haben  sich  gefunden  und  aus  ihrem  Bunde  entfaltet  sich  jene 
köstliche  Häuslichkeit,  deren  duftiger  Zauber  Alt  und  Jung  in  gleichem 
Grade  fesselt.  Bald  wird  das  liebenswürdige  Paar  der  Mittelpunkt 
eines  bewegten  geselligen  Lebens,  dem  edle  Kräfte  aus  den  verschie- 
densten Kreisen  der  Gesellschaft  zuströmen,  und  welches  sich  mit 
jedem  Jahr,  zumal  auch  als  zwei  blühende  Töchter  und  ein  trefflicher 
Sohn  heranwachsen,  reicher  und  mannichfaltiger  gestaltet.  Wer  immer, 
dem  es  vergönnt  war  mit  diesem  gastlichen  Hause  zu  verkehren, 
erinnerte  sich  nicht  mit  lebhaftem  Interesse  jener  glänzenden  und 
doch  so  zwanglosen  Soireen,  in  denen  sich  eine  Menge  von  Elementen 
zusammenfand,  die  sonst  vielleicht  nur  selten  zu  einander  in  Beziehung 
traten,  in  denen  zumal  auch  fremde  Gelehrte,  die  sich  in  Berlin  auf- 
hielten, niemals  fehlten?  wer,  wenn  er  zu  den  näheren  Freunden 
dieser  edlen  Familie  zählte,  gedächte  nicht  mit  freudiger  Bewegung 
jener  anmuthigen  Vereinigungen  en  petit  camite  auf  der  Veranda, 
oder  jener  kostbaren  Sommerabende  in  dem  Garten  hinter  dem  Kupfer- 


14 


graben?  Der  Verfasser  dieser  Skizze  rechnet  es  zu  den  schönsten 
Gewinnsten  seines  Lebens,  dass  er,  obwohl  ein  Spätkommender,  noch 
in  diesem  Kreise  hat  heimisch  werden  dürfen  und  er  ist  glücklich, 
dass  ihm  die  Gunst  des  Geschickes  gestattet,  an  dieser  Stelle  dem 
Gefühle  seiner  Dankbarkeit  für  die  freundschaftliche  Aufnahme,  welche 
ihm,  wie  so  vielen  Anderen,  in  dem  gastlichen  Magnus'schen  Hause 
zu  Theil  ward,  einen  warmen  Ausdruck  leihen  zu  können. 

"Wir  haben  unsern  Freund  auf  die  Höhe  des  Lebens  begleitet, 
und  wir  erfreuen  uns  jetzt  der  schaffenden  Thätigkeit,  welche  ihm 
während  dreier  Jahrzehnte  auf  dieser  Höhe  vergönnt  ist.  Nach  allen 
Richtungen  wird  diese  Thätigkeit  geübt,  sei's  im  Dienste  der  Wissen- 
schaft, oder  als  Lehrer,  sei's  im  Verhältniss  zu  den  Seinigen,  oder 
im  Kreise  der  Freunde,  sei's  endlich  dem  grossen  Geraeinwesen 
gegenüber;  —  sein  Leben  ist  wie  ein  mächtiger  aber  ruhig  dahinfliessen- 
der  Strom,  an  dessen  Ufern  die  Menschen  gerne  siedeln,  der  auf  seinem 
Laufe   überall  erfrischt  und  befruchtet. 

Ich  versage  mir's  schon  jetzt  im  Einzelnen  der  grossen  Forschungen 
des  Mannes  zu  gedenken,  welche  diesem  langen  Zeitabschnitte  angehören ; 
werden  sie  doch  in  dem  Gesammtbilde  seiner  wissenschaftlichen  Leistun- 
gen, welches  ich  Ihnen  vorzuführen  gedenke,  eine  geeignetere  Stelle  finden. 
Nur  soviel  sei  hier  bemerkt,  dass  die  Mehrzahl  derselben  bereits  physika- 
lische Fragen  behandeln  und  dass  hier  gerade  seine  berühmtesten  Arbeiten 
zu  verzeichnen  sind,  so  die  Versuche  über  die  Ausdehnung  der  Gase, 
welche  in  den  Anfang  der  vierziger  Jahre  fallen,  so  die  spätere  Unter- 
suchung über  die  Abweichung  der  Geschosse,  so  endlich  die  zweite 
lange  Reihe  von  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Wärmelehre, 
denen  die  letzten  zehn  Jahre  seines  Lebens  gewidmet  sind. 

Inmitten  dieser  herrlichen  Erfolge  des  Naturforschers  tritt  die 
Aufgabe  des  akademischen  Lehrers  keinen  Augenblick  in  den  Hinter- 
grund, Zwar  hat  Magnus  zeitweise  noch  andere  Lehrämter  bekleidet; 
so  war  er  ganz  im  Anfang  seiner  Laufbahn  einige  Zeit  lang  an  Stelle 
seines  abwesenden  Freundes  Wöh  1er  an  der  hiesigen  Gewerbeschule 
als  Lehrer  der  Chemie  thätig,  so  hat  er  von  1832  —  40  an  der  ver- 
einigten Artillerie-  und  Ingenieurschule  Physik  und  von  1850 — 56 
an  dem  Gewerbeinstitut  chemische  Technologie  vorgetragen,  allein 
seine  besten  Kräfte  sind  stets  dem  Dienste  der  Universität  gewidmet 
gewesen.  Im  Jahre  1845  war  er  als  Ordinarius  in  die  philoso- 
sophische  Facultät  eingetreten.  Auf  seine  eigentliche  Lehrthätigkeit 
konnte  diese  veränderte  Stellung  nur  geringen  Einfluss  üben.  Die 
Sorgfalt,  welche  er  längst  der  philosophischen  Durchbildung  sowohl  als 
der  experimentalen  Ausstattung  eines  jeden  Vortrags  zu  widmen  pflegte, 
der  Eifer,  mit  dem  er  die  alljährliche  Erneuerung  seiner  Vorlesungen 
im  Geiste  der  fortschreitenden  Wissenschaft  anstrebte,  der  Beifall  end- 
lich, den  diese  Vorlesungen  in  immer  grösseren  Schulerkreisen  fanden, 


15 


hätte  nicht  leicht  eine  Steigerung  erfahren  können.  Wohl  aber  tritt 
das  Ordinariat  mit  neuen  Anforderungen  an  ihn  heran,  welchen  er 
alsbald  mit  gewohnter  Pflichttreue  gerecht  wird.  In  den  Berathungen 
der  FacuUät  verschafft  ihm  Leichtigkeit  im  Verkehr  mit  den  Menschen, 
und  vollendete  Geschäftskenntniss  schnell  eine  gewichtige  Stimme, 
welcher  man  gern  —  auch  in  Fragen,  die  weit  über  die  enge  Um- 
grenzung des  Faches  hinausgehn  —  Gehör  schenkt,  und  seine  Ansicht 
verschafft  sich  um  so  leichter  Eingang,  als  jedwedes  ehrgeizige  Streben 
nach  etwaiger  Führerschaft  dem  Manne  fern  liegt,  und  Niemand  die 
Lauterkeit  seiner  Absichten  bezweifelt.  Dreimal,  in  den  Jahren  47, 
58  und  63,  betraut  ihn  die  Facultät  mit  dem  Decanat  und  noch  im 
Sommer  1869  soll  er  zum  vierten  Male  durch  diese  Würde  ausge- 
zeichnet werden,  allein  im  Interesse  seiner  wissenschaftlichen  Arbeiten 
lehnt  er  die  Ehre  dankend  ab.  Schon  im  Jahre  1861  war  er  als 
Rector  Magnificus  aus  der  Wahlurne  des  Professoren-Collegiums  her- 
vorgegangen. 

Die  seltene  Vereinigung  glücklicher  Gaben,  welche  einen  so  viel- 
seitigen Eiiifluss  auf  die  Geschicke  unserer  Hochschule  ausübte,  kamen 
jeder  Arbeit  zu  Gute,  an  der  sich  Magnus  aus  Wahl  oder  Beruf  be- 
theiligte. Zu  dem  Stolze,  mit  welchem  die  Akademie  der  Wissen- 
schaften die  reichen  Ergebnisse  seiner  Forschungen  in  ihren  Monats- 
berichten und  Denkschriften  verzeichnet  hat,  gesellt  sich  die  Dankbarkeit 
für  langjährige  wichtige  Dienste,  welche  er  derselben  in  geschäftlicher 
Beziehung  geleistet,  und  zumal  für  die  Zeit  und  Kraft,  welche  er  als 
Vorsitzender  des  Finanzcomites  ihren  Angelegenheiten  hat  widmen 
wollen.  Es  war  Magnus,  der  nach  dem  Tode,  von  Alexander 
von  Humboldt  die  erste  Anregung  zu  der  schönen  Stiftung  gab, 
welche  den  Namen  des  grossen  Naturforschern  trägt,  und  wenn  heute 
die  Akademie  über  eine  ansehnliche  Summe  verfügt,  welche  für  die 
Förderung  der  Naturforschung  im  H  umbold  t'schen  Sinne  alljährlich 
verwendbar  ist,  so  gebührt  ihm  auch  hier  wieder  der  Ruhm,  dass  ein 
so  schöner  Erfolg  im  Wesentlichen  durch  seine  Hingebung  und  That- 
kraft  erzielt  worden  ist. 

Auch  der  Verein  für  die  Beförderung  des  Gewerbfleisses  in 
Preussen,  dem  er  während  einer  langen  Reihe  von  Jahren  als  Mitglied 
der  Section  für  Physik  und  Chemie  angehörte,  hat  vielfach  Gelegenheit 
gehabt,  seine  Dienstwilligkeit  und  Arbeitskraft  schätzen  zu  lernen. 
In  ähnlicher  Weise  ist  er  als  einer  der  Zwölfe  der  Gesellschaft  natur- 
forschender Freunde  viele  Jahre  hindurch  an  den  Arbeiten  dieses 
wissenschaftlichen  Vereins  betheiligt  gewesen. 

Wie  sehr  überhaupt  die  Thätigkeit  unseres  Freundes  nach  den  ver- 
schiedensten Richtungen  hin  ausgebeutet  worden  ist,  davon  Hessen 
sich  noch  viele  Beispiele  anführen.  Freilich  waren  ihm  auch  manche 
der   Missionen,    die    er  zu  orfnllpti   hatte,    f^anz  erwünscht,  da  sie   die 


16 


grossen  Zwecke,  welche  er  verfolgte,  forderten,  nicht  selten  für  Er- 
reichung derselben  unumgänglich  nöthig  waren ;  so  die  verschiedenen 
Sendungen  nach  London  und  Paris,  zu  den  Weltausstellungen  von 
51  und  62,  von  55  und  67,  bei  denen  allen  er  als  Mitglied  der 
Beurtheilungscommissionen  thätig  war;  so  zu  Ende  der  vierziger  Jahre 
die  Hinzuziehung  zu  den  chemischen  Berathungen  des  Landes-Oeko- 
nomie-Collegiums;  so  1869  die  Berufung  in  den  für  die  Reorganisation 
des  Gewerbeinstituts  ernannten  Studienrath;  so  1863  die  Ernennung 
zum  Mitgliede  des  Curatoriums  der  in  Berlin  begründeten  Bergaka- 
demie; so  endlich  1865  der  Auftrag,  Preussen  bei  der  in  Frank- 
furt a.  M.  tagenden  deutschen  Maass  -  und  Gewichts  -  Conferenz  zu 
vertreten.  Die  Berathungen  dieser  Conferenz  endeten  bekanntlich 
in  dem  Vorschlage,  das  metrische  System  in  Deutschland  einzuführen, 
und  es  hat  Magnus  die  Freude  erlebt  —  allerdings  erst  nachdem 
die  schneidige  Pflugschaar  von  1866  den  Boden  durchfurcht  hatte,  die 
Saat,  die  er  mit  hatte  aussäen  helfen,  zu  gedeihlichem  Wachsthume 
sich  entfalten  zu  sehen. 

Eine  der  letzten  grösseren  Aufgaben,  vielleicht  die  letzte,  an 
der  sich  Magnus  betheiligt  hat,  ist  die  Gründung  der  Gesellschaft 
gewesen,  deren  Stiftungsfest  wir  heute  zum  dritten  Male  begehen. 
Das  warme  Interesse,  welches  er  von  dem  ersten  Augenblicke  an 
unseren  Bemühungen  gewidmet  hat.  wie  uns  zu  jeder  Zeit  und 
zumal  bei  Feststellung  unserer  Statuten,  sein  bewährter  Rath  zur 
Seite  stand,  wie  er  der  Gesellschaft  die  Wege  ebnete,  indem  er 
ihr  den  Glanz  seines  Namens  lieh,  und  dass  er  noch  eine  der  letzten 
Früchte  seiner  Forschung  in  unseren  Archiven  hat  niederlegen 
wollen  —  die  Erinnerung  daran  ist  noch  frisch  in  unser  Aller  dank- 
barem Gedächtniss. 

Und  dieselbe  unermüdliche  Werkthätigkeit,  mit  der  sich  der  un- 
vergleichliche Mann  den  Aufgaben  des  öffentlichen  Lebens  widmet, 
bethätigt  er  auf  das  Bewundernswertheste  auch  in  seinem  ausgebrei- 
teten Verkehr  mit  den  einzelnen  Menschen.  Die  Ergebnisse  seiner 
tief  eingehenden  Studien  auf  den  verschiedensten  Gebieten  der  Wissen- 
schaft, seine  umfassenden  Kenntnisse  in  allen  Zweigen  der  Industrie 
und  der  Gewerbe,  die  reichen  Schätze  seiner  vielseitigen  Lebenserfah- 
rung, ist  er  stets  eifrig  bemüht  im  Interesse  seiner  Mitmenschen 
zu  verwerthcn.  Was  Magnus  gerade  in  dieser  Beziehung  denen, 
die  ihm  näher  und  selbst  solchen,  die  ihm  ferner  standen,  gewesen 
ist,  es  würde  schwer  sein,  den  richtigen  Ausdruck  dafür  zu  finden, 
allein  die  Erinnerung  daran  ist  in  vielen  dankbaren  Herzen  verzeichnet. 
Ein  unbegrenztes  Wohlwollen  war  in  der  That  der  Hauptzug  in  dem 
Charakter  unseres  geschiedenen  Freundes,  der  sich  auch  alsbald  in 
seiner  ganzen  äusseren  Erscheinung  und  zumal  in  seiner  Gesichts- 
bildung   aussprach,      Gustav    Magnus    war    einer  jener   Menschen, 


17 


deren  Antlitz  den  Glanz  der  Seele  wiederstrahlt.  Wer  immer  in  diesef« 
treue  Auge  geschaut  hatte,  der  konnte  nicht  zweifeln,  dass  in  der 
Hrust  des  Mannes  ein  Herz  voll  Liebe  für  die  Menschheit  schlug. 
Des  Glückes,  welches  ihm  schon  als  Knabe  gelächelt  hatte,  das  ihm 
im  Kreise  seiner  Familie  blühte  und  später  die  Palme  des  Ruhmes 
reichte,  wie  gerne  hätte  er  die  ganze  Welt  desselben  theilhaftig  ge- 
macht! 

Seinen  schönsten  Ausdruck  findet  dieses  dienst-  und  opferwillige 
Wohlwollen  im  Verkehr  mit  seinen  Schülern.  Für  sie  hat  er  immer 
Zeit,  zumal  wenn  es  sich  darum  handelt,  dem  guten  Willen  zu  Hülfe 
zu  kommen.  Schon  unmittelbar  nach  der  Vorlesung  steht  er  zu  jed- 
weder Erläuterung  seinen  Zuhörern  zur  Verfügung  und  selbst  auf 
dem  Heimweg  von  der  Universität  nach  dem  Kupfergraben  werden 
nicht  selten  einem  jugendlichen  Begleiter  Missverständnisse  erklärt, 
Zweifel  beseitigt.  In  noch  höherem  Grade  aber  erfreuen  sich  diejenigen, 
die  unter  seinen  Auspicien  die  Kunst  des  Forschens  üben ,  seiner  nie 
müde  werdenden  Theilnahme,  seiner  unerschöpflichen  Rathschläge, 
seiner  wirksamsten  Unterstützung;  stundenlang  bespricht  er  mit  dem 
Einzelnen  das  Wesen  der  zu  lösenden  Aufgabe,  erörtert  er  die  zu 
Gebote  stehende  Literatur,  —  zu  welchem  Ende  seine  prachtvolle  Biblio- 
thek dem  jungen  Forscher  mit  vollendeter  Liberalität  jeder  Zeit  offen 
steht  —  erklärt  er  die  Methode  des  Versuches,  hilft  er  ihm  bei  der 
Znsammensetzung  der  Apparate;  selbst  der  Sonntagmorgen  ist  ihm 
nicht  zu  lieb,  wenn  es  gilt  die  Arbeit  eines  seiner  Laboranten  zu 
fordern.  Wie  vielen  strebsamen  jungen  Geistern  ist  Magnus  auf 
diese  Weise  ein  zuverlässiger  Rathgeber,  ein  väterlicher  Freund  und 
Führer  gewesen!  Und  wie  im  Laufe  der  fröhlichen  Studienjahre,  so 
in  der  ernsten  Stunde  des  Examens.  Der  Verfasser  dieser  Skizze 
hat  vielen  dieser  Prüfungsacten  seines  Collegen  beigewohnt,  und  er 
ist  sicher.  Jeder  wird  ihm  beipflichten,  wenn  er  behauptet,  dass  es 
schwer  wäre,  sich  einen  liebenswürdigeren  Examinator  vorzustellen. 
Nicht  dass  er  dem  Candidaten  etwas  geschenkt  hätte.  Die  Anforde- 
rungen, welche  er  stellt,  sind  nicht  gering,  aber  er  besitzt  die  wun- 
derbare Gabe  schliesslich  immer  das  Gebiet  ausfindig  zu  machen,  auf 
welchem  der  Candidat  wenigstens  einigermaassen  zu  Hause  ist.  Dies 
gelingt  allerdings  oft  erst  nach  vielfältigem  Umherfragen ;  so  viel  aber 
steht  fest,  wenn  Magnus  aus  einem  Candidaten  nichts  herausbringen 
kann,  so  ist  überhaupt  nichts  herauszubringen.  Und  weit  über  den 
persönlichen  Verkehr  auf  dej  Hochschule,  weit  über  das  Examen  hin- 
aus erstreckt  sich  dieses  theilnahmvolle  Interesse  für  seine  Schüler. 
Wie  vielen  hat  er  auch  nach  Jahren  noch  eine  hülfreiche  Hand 
geliehen,  wie  Viele  verdanken  seinen  ausgebreiteten  Beziehungen  die 
Grundlage  oder  die  gedeihliche  Entwickelung  ihrer  späteren  Existenz! 

Aber   mit   welcher   Liebe   hangen    ihm    dafür   auch    seine   Schüler 


18 


an,  wie  versäumen  sie  keine  Gelegenheit,  dem  gefeierten  Lehrer  ihr 
Vertrauen,  ihre  Zuneigung  /u  bezeugen!  Und  nicht  nur  im  engeren 
Schülerkreise  ist.  Magnus  Gegenstand  dieser  Verehrung;  dieselbe 
Gesinnung  wird  ihm  von  den  Studirenden  im  Allgemeinen  entgegen- 
gebracht. Wenige  Universitätslehrer  haben  sich  in  höherem  Maasse 
einer  wohlverdienten  edlen  Popularität  erfreut  als  Magnus.  Auch 
hat  sich  dieselbe  in  mannichfaltiger  "Weise  bekundet.  Nur  ein  Beispiel 
soll  hier  Erwähnung  finden.  Während  der  politischen  Wirren,  welche 
den  stürmischen  Märztagen  folgten,  hatten  sich  die  Berliner  Studenten 
zu  einer  akademischen  Legion  vereinigt.  Es  war  Magnus,  den  sie 
mit  der  militärischen  Organisation  des  Corps  betrauten  und  den  sie 
alsdann  zu  ihrem  Befehlshaber  erwählten,  bei  welcher  Gelegenheit  ihm 
die  soldatischen  Traditionen  seines  Freiwilligenjahres  treiflich  zu  Statten 
kamen. 

Und  dieselben  liebenswürdigen  Eigenschaften,  welche  ihm  die 
Herzen  der  Jugend  in  so  hohem  Maasse  gewinnen,  bethätigen  sich, 
unter  welchen  Bedingungen  immer  er  mit  den  Menschen  in  Verkehr 
tritt.  In  der  grossen  Gesellschaft  bewegt  er  sich  mit  dem  Bewusstsein 
eines  Mannes,  dessen  Ansicht  mit  Spannung  gehört  wird  und  von 
dem  man  in  schwierigen  Fragen  den  Ausschlag  erwartet;  in  jedem 
seiner  Worte,  in  jeder  seiner  Bewegungen  giebt  sich  das  feine  Maass 
des  vollendeten  Weltmannes  zu  erkennen,  allein  die  Sicherheit  seines 
Auftretens  verhindert  nicht,  dass  sich  in  seinem  ganzen  Wesen  wieder 
eine  gewinnende  Bescheidenheit  ausspricht,  welche  auch  den  Schüch- 
ternsten mit  Zuversicht  erfüllt.  Und  die  Herzensgüte,  welche  sich  im 
Kreise  Gleichgestellter  als  wohlwollende  Theilnahme  kundgiebt,  sie 
nimmt  dem  Minderbegünstigten  gegenüber  die  Form  der  edelsten 
Wohlthätigkeit  an,  einer  Wohlthätigkeit ,  für  welche  die  reichen  zur 
Verfügung  stehenden  Mittel  keine  Grenze  sind  und  von  deren  Umfang 
Wenige  eine  Ahnung  haben. 

Dass  ein  Mann,  dessen  Interessen  sich  nach  so  mannichfaltigen 
Richtungen  erstreckten,  und  bei  dem  überdies  die  höchste  Begabung 
mit  dem  edelsten  Charakter  gesellt  war,  in  persönlichem  Verkehr  zu 
vielen  berühmten  Männern  seiner  Zeit  gestanden  haben  müsse,  wer 
könnte    daran  zweifeln? 

Um  zunächst  von  den  Fachgenossen  zu  sprechen,  so  waren 
Physik  und  Chemie  mit  den  angrenzenden  Wissenschaften  in  Berlin 
während  der  mittleren  Decennien  des  Jahrhunderts  neben  Magnus 
durch  eine  Reihe  hervorragender  Gelehrten  vertreten;  es  brauchen 
nur  Namen  wie  Mitscherlich,  Heinrich  und  Gustav  Rose, 
Dove,  Ehrenberg,  Poggendorff,  Riess,  Rani melsberg  genannt 
zu  werden.  Von  diesen  waren  die  beiden  ersten  noch  Magnus' 
Lehrer  gewesen;  in  Mitscberlich's  Laboratorium  hatte  er  seine 
erste  Experimentaluntersuchung  ausgeführt;    bei  Rose  war  dem  Ver- 


19 

biiltnisse  zwischen  Lehrer  und  Schüler  schnell  ein  inniger  Freund- 
sohaftsbund  gefolgt;  die  freundschaftlichen  und  collegialischen  Verhält- 
nisse zu  deu  Anderen  stammen  thcilweise  aus  derselben,  zumeist  aber 
aus  einer  späteren  Zeit.  Und  neben  den  eigentlichen  Fachgenossen, 
wie  gross  war  nicht,  im  Schoose  der  Akademie  und  der  Universität  die 
Zahl  der  ausgezeichueten  Gelehrten  in  allen  Zweigen  der  Wissen- 
schaft, welche  er  zu  seinen  Freunden  zählen  durfte?  Wenn  ich  von 
denTodten,  Boeckh's,  Leopold  von  Buch's,  Dirichlet's,  Link'» 
Johannes  MuUer's  gedenke,  wenn  ich  unter  den  Lebenden  Mäniur 
nenne,  wie  Bancroft,  Curtius,  Droysen,  Gneist,  Haupt, 
Lepsius,  Olshausen,  Trendelenburg  und  von  den  Jüngeren 
du  Bois-Reymond  und  Kronecker,  so  ist  mit  diesen  Namen  die 
Liste  der  ihm  Befreundeten  noch  lange  nicht  erschöpft.  Und  wie  in 
Berlin,  so  in  allen  Theilen  des  Vaterlandes,  so  im  Auslande.  Der  Freund- 
schaft mit  Wöhler  ist  bereits  gedacht  worden;  in  ähnlichen  Verhält- 
nissen stand  Magnus  zu  Liebig,  Bunsen,  Henle,  Wilhelm 
Weber,  Buff,  Kopp,  Kirchhoff,  Helmholtz  und  vielen  Anderen. 
Unter  seinen  englischen  Freunden  ist  zumal  Faraday  zu  nennen,  für 
den  er  eine  unbegrenzte  Verehrung  hegte  und  der  ihn  nicht  minder 
schätzte*),  sowie  Graham,  mit  dem  er  von  Jugend  auf  vertraut  ge- 
wesen war,  und  endlich  Tyndall,  der  längere  Zeit  unter  seinen 
Auspicien  gearbeitet  hatte,  und  Warren  DeLaRue,  mit  dem  er  auf 
allen  Ausstellungen  zusammengetroffen  war;  in  Frankreich  waren  es 
Dumas,  Pelouze,  Regnault  und  Kuhlmann,  die  ihm  am  nächsten 
standen.  Auch  an  den  Ufern  des  Genfer  Sees  besass  er  in  Auguste 
de  la  Rive  einen  altbewährten  Freund.  Mit  vielen  von  ihnen  hat  er 
einen  mehr  oder  minder  lebhaften  Briefverkehr  gepflogen. 

Es    ist    hier    nur    der    Beziehungen    gedacht    worden,    in    denen  \ 
Magnus  zu  den  wissenschaftlichen  Zeitgenossen  gestanden  hat,  allein 
seine  Verbindungen,   zumal  in  Berlin,   erstreckten   sich   weit  über  die 
Gelehrtenkreise    hinaus.     Keine   Schicht   der  Gesellschaft,    in   welche    j 
ihn  nicht  die  vielseitigen  Interessen,  denen  er  nachging,  zu  der  einen     | 
oder  anderen    Zeit    geführt    hätte,    und    so    sehen    wir    ihn    denn    in     i 
lebendigem  Verkehr  mit  ausgezeichneten  Männern  aus  allen  Ständen, 
mit  Künstlern,  wie  Felix  Mendelssohn,  Rauch,  Stüler,  mit  Ver- 
tretern   der   Industrie    und    des   Handels,     wie    Werner    Siemens,     I 
Alexander  und  Paul  Mendelssohn,  Robert  Warschauer,  mit     \ 
hohen     Staatsbeamten,     wie    Bendemann,    Herzog,    Krug    von      , 
Nidda,    Mac-Lean,    Max    und    Richard    v.   Philipsborn    und      j 
selbst  mit  Grosswürdenträgern    des  Reiches,    wie  Bitter,    Lehnert.      j 
von  Bernuth,  Graf  Eulenb  urg,  Camphausen,  Delbrück. 

Ich  habe  es  versucht,  Sie  einen  Blick  in  die  vielbewegte  Lebens- 


•)    The  lift  and  Ittttri  of  Faraday,  by  Dr.  Bence  Jone*.      11.      ü73. 


20 


thätigkeit  unseres  verewigten  Freundes  thun  zu  lassen.  Wenn  man  be- 
denkt, dass  sich  zu  den  unablässig  fortgesetzten  wissenschaftlichen  Ar- 
beiten, zu  der  unermüdlichen  akademischen  Wirksamkeit,  zu  den  end- 
losen Anforderungen,  welche  ihm  der  mannichfaltige  Verkehr  mit  Men- 
schen und  Dingen  auferlegte,  auch  noch  die  Pflichten  gesellten,  welche 
er  als  Berather  einer  vielverzweigten  Familie  mit  ebenso  grosser  Liebe 
als  Treue  erfüllte,  so  kann  es  nicht  befremden,  dass  die  ihm  näher 
Stehenden  staunten,  wie  es  ihm  immer  gelang,  solchen  fast  über- 
mässigen Ansprüchen  zu  genügen,  und  dass  seine  Angehörigen  oft 
in  ihn  drangen,  das  Maass  seiner  Kraft  nicht  zu  überschätzen.  Was 
ihm  bei  der  Bewältigung  so  grosser  Anstrengungen  zu  Statten  kam, 
war  eine  felsenfeste  Gesundheit,  deren  er  sich  von  Jugend  auf  erfreut 
hatte,  und  die  ihm  auch  bis  in  die  späteren  Lebensjahre  treu  geblieben 
w^ar.  Nur  einmal  im  Jahre  1862  hatte  sich  bei  Magnus  ein  hart- 
näckiges Fussleiden  eingestellt,  welches  auch  das  allgemeine  Befinden 
zu  beeinflussen  begann,  und  wegen  seiner  Dauer  die  Freunde  einige 
Zeit  lang  mit  Besorgnissen  erfüllte.  Allein  nach  einigen  Monaten 
war  es  den  Bemühungen  der  Aerzte  gelungen,  des  localen  Uebels 
Herr  zu  werden  und  bald  hatte  die  kräftige  Natur  des  Mannes  auch 
die  letzte  Spur  von  Krankheit  überwunden.  Die  alte  Lust  an  der 
Arbeit,  die  alte  Arbeitskraft  ist  zurückgekehrt.  Die  während  einiger 
Zeit  zurückgelegten  Forschungen  werden  wieder  aufgenommen,  neue 
werden  begonnen  und  vollendet.  Unerschöpflich  sprudelt  die  Quelle, 
jede  gelöste  Aufgabe  ist  der  Ausgangspunkt  einer  neuen  Reihe  von 
Aufgaben,  deren  Lösung  alsbald  mit  fast  jugendlicher  Frische  in 
Angriff  genommen  wird.  Die  Jahre  scheinen  spurlos  an  Gustav 
Magnus  vorüberzuziehen.  Niemand  ahnt,  dass  dieses  schöne  Leben 
gleichwohl  unaufhaltsam  mit  raschen  Schritten  seinem  Ziele  entgegen- 
eilt. 

Der  Herbst  des  Jahres  1869  führt  Magnus  auf  einer  seiner  ge- 
wöhnlichen Ferienreisen  wieder  nach  England.  In  London  trifft  er 
mit  seinem  alten  Freunde  Graham  zusammen;  wie  wenig  denken 
die  beiden  Männer,  dass  ihnen  kaum  mehr  als  eine  Spanne  Zeit  ver- 
gönnt ist,  dem  einen  nach  Wochen,  dem  andern  nach  Monden  be- 
messen! Aber  in  London  ist  seines  Bleibens  nicht,  die  ewige  Jagd 
der  unermesslichen  Stadt  ist  ihm  drückend ;  dagegen  erfreut  er  sich 
wieder  des  heiteren  Treibens  in  Exeter,  wohin  er  fast  widerstrebend 
einigen  Freunden  zu  dem  Meeting  der  British  Association  gefolgt  war, 
und  wo  er  Gelegenheit  findet,  alte  Beziehungen  aufzufrischen,  neue 
anzuknüpfen;  allein  er  sehnt  sich  gleichwohl  nach  Ruhe,  wie  sie  nur 
der  Anblick  der  Natur  gewährt.  Diese  Ruhe  findet  er  am  Gestade  des 
Meeres  auf  der  Insel  Wight.  Und  nun  sind  ihm  noch  einige  köstliche 
Wochen  beschieden,  die  er,  an  der  Seite  seiner  Gattin,  umgeben  von 
allen   seinen  Kindern,   denen   sich  auch  sein  Schwiegersohn,   Victor 


21 


von  Magnus  angeschlossen  hat,  Angesichts  jener  anmuthigcn  Ufer- 
landschaften wie  sie  nur  die  grüne  Insel  bietet,  in  traulicher  Zuruck- 
gezogeuheit   verlebt. 

Aber  Reise  und  Aufenthalt  in  freier  Luft  haben  ihm  nicht  mehr 
die  gewohnte  Erfrischung  gebracht.  Kaum  nach  Berlin  zurückge- 
kehrt, fühlt  sich  Magnus  durch  ernstliche  Störungen  seiner  Ge- 
sundheit zum  Oefteren  im  Arbeiten  behindert.  Gegen  Weihnachten 
haben  sich  diese  Störungen  in  einer  Weise  vermehrt,  um  den 
Seiuigen  Besorgnisse  einzuflössen.  Um  so  glücklicher  sind  seine 
Freunde,  als  sie  ihn  in  den  ersten  Tagen  dieses  Jahres  bei  einer 
Feier,  welche  die  Glieder  unserer  Gesellschaft  zu  einem  heiteren 
Festmahl  vereinigte,  mit  gewohnter  Frische  den  Vorsitz  nehmen 
sehen.  Allein  es  war  ein  letztes  Aufleuchten  dieses  lebhaften 
Geistes,  wie  die  Flamme  noch  einmal  aufschlägt,  ehe  sie  erlischt. 
Manche  seiner  Freunde  haben  ihn  an  jenem  Abend  zum  letzten  mal 
gesehen.  Was  nun  noch  folgt,  ist  traurig  zu  berichten.  Noch  Monate 
lang  kämpft  diese  kräftige  Natur  gegen  die  andringende  Krankheit. 
Mit  einer  Pflichttreue,  welche  den  heftigsten  Schmerzen  gebietet,  fährt 
Magnus  fort,  obwohl  mit  mehrfachen  Unterbrechungen,  seine  physika- 
lischen Vorlesungen  zu  halten.  Am  25.  Februar  liest  er  zum  letzten  Male, 
aber  er  nimmt  von  seinen  Zuhörern  nicht  Abschied,  denn  er  hegt  noch 
immer  die  Hoffnung,  er  werde  im  Stande  sein,  seine  Vorlesungen  wieder 
aufzunehmen.  Aber  es  sollte  nicht  sein.  Während  des  Monats  März  hat  er 
sein  Schmerzenslager  kaum  mehr  verlassen,  aber  die  Freiheit  und  Klarheit 
des  Geistes  ist  ihm  bis  zuletzt  geblieben.  Mit  der  ruhigen  Fassung, 
mit  der  heiteren  Ergebung  eines  Philosophen  sieht  er  sein  Ende  nahen. 
Am  4.  April  endlich  ist  das  Ziel  der  Laufbahn  erreicht. 

Am  8.  April  haben  wir  Gustav  Magnus  auf  dem  Friedhofe 
der  Dorotheenstadt  zur  Erde  bestattet.  Wer  die  ernsten  Männer 
kannte,  welche  in  dichtgedrängtem  Kreise  das  offene  Grab  umstanden, 
der  konnte  nicht  zweifeln,  dass  der  Heimgegangene,  den  man  zur 
Ruhe  bettete,  in  der  Wissenschaft  Grosses  vollbracht  hatte,  wer  aber 
in  die  traurigblickenden  Gesichter  schaute  und  Augen,  die  wohl  lange 
nicht  mehr  feucht  gewesen,  sich  mit  Thränen  füllen  sah,  der  wusste 
auch,  dass  der  Todte  neben  dem  Ruhme  in  der  Wissenschaft  noch 
einen  anderen  höheren  zurückliess,  den  Ruhm  des  hochherzigen  Mannes, 
in  dem  Viele  einen  unersetzlichen,  unvergesslichen  Freund  verloren 
hatten. 


Gustav  Magnus  war  am  2.  Mai  1802  geboren.  Wenige  Wochen 
noch  und  er  wurde  sein  688tes  Jahr  vollendet  haben.  Er  war  also 
der  Marke  nicht  mehr  fern,  über  welche  das  Leben  nur  Weniger 
hinausreicht.     Wir  dürfen  nicht  klagen. 


22 


Wohl  schien  diese  kräftig  angelegte  Natur  auf  längere  Dauer  berech- 
net zu  sein,  wohl  durfte  die  Wissenschaft  noch  manche  reiche  Gabe  von 
ihm  erwarten,  und  die  Schüler,  die  Freunde,  wohl  waren  sie  zu  der  Hoff- 
nungberechtigt, sie  würden  noch  lange  Jahre  seiner  Lehre,  seiner  Freund- 
schaft sich  erfreuen!  Aber  es  weht  uns  doch  auch  wieder  mit  unendli- 
chem Tröste  an,  wenn  wir  den  Forscher,  in  dem  Vollgenuss  seiner  Köf per- 
und  Geisteskräfte  die  Wissenschaft  beherrschend,  wenn  wir  den  Lehter, 
ehe  der  Strom  der  Begeisterung  verrauscht  ist,  den  Freund,  ehe  sein 
Gefühl  für  uns  am  Froste  des  Alters  erkaltet,  in  einem  Worte,  wenn 
wir  den  ganzen  Mann  vom  Schauplatze  abtreten  sehen.  So,  als 
ganzer  Mann,  lebt  Gustav  Magnus  in  unserem  Gedächtniss.  Wir 
wollen  nicht  klagen. 

Aber  wenn  auch  die  Klage  verstummt,  so  fühlen  wir  doch 
unaussprechliche  Trauer  bei  dem  Gedanken,  dass  er  heimgegangen 
ist  an  dem  Vorabende  dieser  grossen  deutschen  Zeit,  und  dass 
es  ihm ,  dessen  Herz  stets  so  warm  für  das  Vaterland  geschlagen, 
nicht  mehr  vergönnt  war  die  wunderbare  Bewegung  zu  schauen, 
welche  unser  Volk  von  Sieg  zu  Sieg  geführt  hat  und  —  jeder  Zweifel 
ist  jetzt  geschwunden  —  den  langgeträumten  Traum  eines  grossen, 
freien  und  einigen  Deutschlands  endlich  zur  Erfüllung  bringen  wird. 


Wenn  wir  die  zahlreichen  Forschungen  überblicken,  durch  welche 
Gustav  Magnus  die  Wissenschaft  bereichert  hat,  so  ist  es  zunächst 
die  ausserordentliche  Verschiedenartigkeit  der  Fragen,  denen  seine 
Studien  zugelenkt  waren,  welche  uns  in  Erstaunen  setzt.  Die  Physiker 
sind  gewohnt,  Magnus  als  einen  der  Ihrigen  zu  betrachten, 
weil  er  sich  während  der  letzten  Decennien  seines  Lebens  fast 
ausschliesslich  mit  Physik  beschäftigt  hat  und  weil  in  der  That  der 
Schwerpunkt  seiner  Leistungen  auf  dem  Gebiete  dieser  Wissenschaft 
liegt;  wenn  wir  aber  nur  seine  früheren  Arbeiten  in's  Auge  fassten 
und  selbst  diejenigen,  welche  sich  bis  in  die  Mitte  seiner  Laufbahn 
erstrecken,  so  würde  man  uns  nicht  bestreiten  wollen,  dass  wir  ihn 
mit  ähnlichem  Rechte  zu  den  Chemikern  zählen.  Wenn  es  nun  schon 
der  Forscher  nicht  Viele  sind,  welche  das  Gebiet  der  Chemie  und 
Physik  mit  gleicher  Sicherheit  überschauen,  so  möchten  wir  Den- 
jenigen noch  seltener  begegnen,  welche  wie  Magnus  nicht  nur 
diese  beiden  grossen  wissenschaftlichen  Gebiete  nach  den  mannich- 
faltrgstcn  Richtungen  durchmessen,  sondern  sich  auch  in  den  ver- 
schiedensten Theilen  derselben  selbstständig  arbeitend  versucht  haben. 
Allerdings  wird  eine  solche  Vielseitigkeit  nicht  immer  ohne  Gefahr 
geübt,  und  mehr  als  einmal  sehen  wir  Magnus  eine  neuerschlossene 
Fundgrube,    lange    ehe    sie    ersohöpfr,    vielleicht    in    dem    .\ugeiiM "•'•'" 


•2A 


rlassen,   in   dem    das   edle   Gestein   erst  recht   zu   Tage   tritt.    Nie- 
mals aber   beeinträchtigt   diese  Freude    an    der  Mannichfultigkeit   den 
Werth   der    Arbeit.      Wie   gross    das   Gebiet   der   Forschung,   welches 
beherrscht,   wo   immer   wir   ihm    begegnen,    erkennen   wir   ihn   an 
uei selben    zähen    Ausdauer,     mit    der    er    den    Erscheinungen    folgt, 
an    derselben    unermüdlichen    Gründlichkeit,    die    er    für    ihre   Beob- 
htuiig   einsetzt,    an    derselben    unbestechlichen    Wahrheitsliebe,    mit 
wer  er  das  Ergebniss  seiner  Beobachtungen  beschreibt.    Obwohl  stets 
die   Erkenntniss    der    Erscheinungen    in    ihrem    Zusammenhange    an- 
strebend,   verschmäht   er  gleichwohl   die    vereinzelte  Thatsache   nicht, 
die  er  am  W'ege  findet,  wie  unbedeutend  sie  erscheine,  und  wie  wenig  sie 
iliti  vielleicht  dem  besonderen  Ziele,  das  er  erreichen  will,  näher  bringe; 
er  zweifelt  nicht,  dass  der  Augenblick  naht,  in  welchem  das  gut  Beob- 
achtete für  den  Ausbau  der  Wissenschaft  verwerthbar  wird.     Und  ob 
die  Ermittelung  eines  Gesetzes   oder  die  Feststellung  der  gering- 
lugigen  Thatsache  gilt,  stets  bewundern  wir  die  Sicherheit  und  Eleganz 
der  experimentalen  Behandlung  des  Stoffes;  in  seiner  versuchgeübten 
Hand    vervielfältigen  sich  die  Erscheinungen,    mehren   sich    die  Mittel 
zu   ihrer  Beobachtung,   vereinfachen   sich   die   Apparate   zu   ihrer   Er- 
kenntniss.    So  kommt  es  denn  auch,   dass  seinen  Arbeiten   stets   ein 
lebhaftes    Interesse   beiwohnt,    selbst    wenn  die  Lösung    der  Aufgabe, 
lim  die  es  sich  handelt,   nicht   vollkommen    gelungen   wäre,    oder   die 
iffassungen,  zu  denen  sie  geführt  hatten,  unter  dem  Drucke  späterer 
U^tdeckungen  verändert  worden  sind. 

^^t'     Die  wissenschaftliche  Thätigkeit  Gustav  Magnus'  umfasst  einen 
Ziitraum  von  nicht  weniger  als  45  Jahren.     Seine  erste  Abhandlung 
erschien  im  Jahre  1825,  seine  letzte  im  Laufe  des  Jahres    1870  kurz 
nach  seinem  Tode.     Fast  alle  diese  Abhandlungen  sind  in  Poggen- 
dorff's  Annalen    veröffentlicht,    die   Mehrzahl    auch   in    den  Monats- 
richten,   viele    in    den    Denkschriften    der    Berliner    Akademie    der 
issenschaften.     Der  grossartige  literarische  Nachweis*),  welchen  die 
Royal  Society   im  Augenblicke  herausgiebt,    der  aber  schon    mit  dem 
•Tahre  186;"5  abschliesst,  verzeichnet  nicht  weniger  als  67  Abhandlungen 
II  Magnus.     Erwägt   man,   dass  auch   nach   diesem  Zeitpunkt  die 
Thätigkeit  des  Forschers    nicht  einen  Augenblick   erlahmt  ist,   so   er- 
hellt,   dass   uns   kaum    mehr   vergönnt   ist,    als    die    reiche    Ausbeute 
•  lieser  Arbeiten    in    dürftigsten   Umrissen    anzudeuten.      Wir    werden 
vielleicht    unserer   Aufgabe    am    meisten   gerecht    werden,    wenn   wir, 
von  irgend  welcher  Ordnung  der  Zeitfolge  nach  absehend ,  die  Unter- 
(hungen  ihrem  Gegenstande  nach  in  verschiedenen  Abschnitten  zu- 
.-.ammenfassen.       Wir    Wollen    zunächst    unsere    Aufmerksamkeit    den 
chemischen  Forschungen  zulenken  —  welche  ja  für  uns  ein  besonderes 


•)  Rnynl  Sr,rifi,,   fntnlr,,,,!^  nf  Scientific  Papers   1800—1868. 


24 


Interesse  haben,  —  um  alsdann,  zu  den  physikalischen  übergehend,  die 
Arbeiten  auf  dem  Gebiet  der  Mechanik,  der  Elektricität  und  schliess- 
lich der  "Wärmelehre  gesondert  zu  betrachten. 


Die  Verschiedenartigkeit  der  von  Magnus  ausgeführten  chemi- 
schen Arbeiten  bezeichnet  alsbald  die  bereits  gerühmte  Vielseitigkeit  des 
Forschers.  Neben  zahlreichen  Aufgaben  der  reinen  Chemie,  sowohl 
der  unorganischen  wie  der  organischen,  fesseln  zumal  die  Anwendungen 
der  Wissenschaft  seine  Aufmerksamkeit.  Mineralogisch -chemischen 
Analysen  folgt  die  Behandlung  von  Fragen  aus  der  physiologischen, 
der  Agriculturchemie,  der  chemischen  Technologie. 

Die  erste  kleine  Arbeit*),  mit  der  Magnus,  damals  noch  seinen 
Studien  in  Berlin  obliegend,  hervortritt,  gehört  der  unorganischen 
Chemie  an;  sie  betrifft  die  Bildung  metallischer  Pyrophore  und  giebt 
alsbald  zu  einer  Controverse  Veranlassung.  Schon  desshalb  und  weil 
sie  sogleich  die  Eigenart  des  jungen  Forschers  ganz  gut  bezeichnet, 
müssen  wir  einen  Augenblick  bei  derselben  verweilen. 

Bei  Versuchen  aus  Kobaltoxydul,  mittelst  Wasserstoffgas,  metalli- 
sches Kobalt  zu  erhalten,  welche  Magnus  in  M  itsch  erlich's  Labo- 
ratorium anstellt,  zeigt  es  sich,  dass  das  feinzertheilte  Metallpulver  mit 
der  Luft  in  Berührung  gebracht  zum  Erglühen  kommt.  Bei  einer  "Wieder- 
holung des  Versuchs  wird  die  Erscheinung  nicht  wieder  beobachtet 
und  es  ergiebt  sich  schliesslich,  dass  nur  das  unreine,  thonerdehaltige 
Kobaltoxydul  ein  pyrophorisches  Metall  liefert.  Analoge  Wahrneh- 
mungen werden  bei  dem  Nickeloxydul  und  dem  Eisenoxyd  gemacht. 
Die  Ursache  dieses  seltsamen  Verhaltens  ist  nach  Magnus  diese, 
dass  die  Beimengung  der  unschmelzbaren  Thonerde  das  Zusammen- 
sintern des  feinzertheilten  Metalles  hindert.  War  diese  Erklärung  die 
richtige,  so  mussten  auch  die  aus  reinen  Oxyden  dargestellten  Metall- 
pulver ihre  Selbstentzündlichkeit  behalten,  wenn  das  Zusammensintern 
auf  andere  Weise  vermieden  wurde.  In  der  That  findet  er  denn 
auch,  dass  man  nur  die  Reductionstemperatur  möglichst  niedrig  zu 
halten  braucht,  um  auch  aus  reinen  Oxyden  kräftige  Pyrophore  zu 
gewinnen,  und  er  zeigt  ferner,  dass  bei  niedriger  Temperatur  darge- 
stellte Metallpulver,  welche  sich  bei  dem  Versuche  als  in  hohem 
Grade  selbstentzündlich  erweisen,  beim  stärkeren  Erhitzen  alsbald 
alle  pyrophorische  Eigenschaften  verlieren. 

Die  Auffassung,  za  welcher  Magnus  gelangt  ist,  wird  in  einem 
einige  Monate  später  erschienenen  Aufsatze  von  Prof.  F.  Stromeyer**) 


*)  Ueber  die  Eigenschaft  inetallisclier  Pulver,  sich  bei  der  gewohulichen 
Temperatur  von  selbst  in  der  atmosphärischen  Luft  zu  entzünden.  Pogg. 
Ann.  III.  81.  (1826.) 

**)  Stromeyer,  Vorläufige  Bemerkungen  über  metallisches  Eisen  und  »eine 
Oxyde.     Pogg.  Ann.   VI.   471. 


25 


auf  das  Entschiedenste  bestritten.  Dieser  behauptet,  dass  die  Selbst- 
entzundlichkeit  des  bei  niedriger  Temperatur  mittelst  Wasserstoffs 
reducirteu  Eist-ns  lediglich  einer  Beimengung  von  Eisenoxydul  zuzu- 
schreiben sei ,  welches  höchst  pyrophorische  Eigenschaften  besitze. 
Bei  niedriger  Temperatur  werde  das  Eisenoxyd,  dem  jede  pyro- 
phorische  Eigenschaft  abgehe,  theilweise  zu  Eisenoxydul  reducirt, 
während  die  Reduction  zu  Metall  erst  bei  hoher  Temperatur  erfolge. 
Gustav  Magnus  bleibt  seinem  Gegner  die  Antwort  nicht  lange 
schuldig.  In  demselben  Hefte  der  Annalen,  welches  den  Aufsatz  von 
Strom  eye  r  bringt,  erscheint  auch  schon  die  Entgegnung*),  in 
welcher  unzweifelhaft  nachgewiesen  wird,  dass  Eisenoxyd  bei  einer 
zwischen  dem  Siedepunkt  des  Quecksilbers  und  dem  Schmelzpunkt  des 
Zinks  liegenden  Temperatur  im  Wasserstoffstrom  vollständig  zu  Metall 
reducirt  wird,  dass  das  so  gewonnene  Metallpulver  in  hohem  Grade  pyro- 
phorisch  ist,  und  dass  es  diese  pyrophorischen  Eigenschaften  bei  der 
Rtuhgluth  einbüsst,  ohne  im  Geringsten  an  Gewicht  zu  verlieren. 

Auch  die  Versuche,  die  Magnus  kurze  Zeit  darauf  veröffentlicht, 
geben  V^eranlassung  zu  Erörterungen.  Diesmal  handelt  es  sich  um 
die  Natur  der  tiefblauen  Flüssigkeit,  welche  sich  bildet,  wenn  man 
Schwefel  mit  wasserfreier  Schwefelsäure  in  Berührung  bringt.  Man 
war  zweifelhaft,  ob  dieselbe  als  eine  eigenthümliche  Oxydationsstufe 
des  Schwefels  oder  als  eine  Lösung  von  Schwefel  in  Schwefelsäure 
zu  betrachten  sei.  Magnus**)  entscheidet  sich  für  die  letztere  Auf- 
fassung: er  erinnert  daran,  dass  Müller  v.  Reichenstein  ein  ganz 
ähnliches  Verhalten  bei  dem  Tellur  wahrgenommen  habe,  welches 
sich  mit  prachtvoll  rother  Farbe,  aber  ohne  Oxydation,  in  Vitriolöl 
löst,  und  zeigt  schliesslich  auch  bei  dem  Selen  eine  ähnliche  Löslich- 
keit im  Vitriolöl,  welches  in  diesem  Falle  eine  schön  grüne  Farbe 
annimmt.  Durch  Zusatz  von  Wasser  werden  Tellur  und  Selen  un- 
verändert niedergeschlagen;  erst  bei  längerem  Verweilen  in  der  ver- 
dünnten Säure  werden  sie  unter  Entbindung  von  schwefliger  Säure 
oxydirt.  Einwendungen,  welche  Fischer***)  gegen  diese  Ansicht  vor- 
bringt, werden  von  Magnusf)  durch  einen  quantitativen  Versuch, 
welchen  er  mit  Selen  anstellt,  beseitigt.  Die  in  Lösung  bleibende 
Menge  Selen  beträgt  weniger  als  3^  des  ausgefällten,  ein  Ergebniss,  wel- 
ches die  Annahme,  dass  das  Selen  als  Oxydul  gelöst  sei,  ausschliesst. 

*)  Bestimmung  der  niedrigsten  Temperatur,    bei  welcher   das  Eisenoxyd   voll- 
ständig durch  Wasserstoffgas  reducirt  wird.      Pogg.   Ann.  VI.   509.   (1826.) 

**)    Uebir  die  Eigenschaft  der  Schwefelsäure,    oxjrdirbare  einfache  Körper  auf- 
zulösen, ohne  dieselben  zu  oxydiren.      Pogg.  Ann.   X.  491.  (1827.) 

***)  N.   W.   Fischer,   Ob  das  Tellur  metallisch  iu    concentrirter  Schwefelsäure 
gelöst  enthalten   sein  könne.      Pogg.   Ann.  XII.    153. 

j)  Bemerkung  Über  die  Auflösung  des  Selens  in  Schwefelsäure.     Pogg.  Ann. 
XIV.   328.   (1828.) 

3 


26 


Gelegentlich  der  Versuche  über  die  Löslichkeit  des  Tellurs  in 
Schwefelsäure,  und  theilweise  schon  bei  der  Bearbeitung  seiner 
Inaugural  -  Dissertation  hat  sich  Magnus  auch  mit  dem  braunen 
Körper  beschäftigt,  welcher  sich  bei  der  elektrischen  Zersetzung  des 
Wassers  am  negativen  Pole  ausscheidet,  wenn  die  Elektrode  aus 
Tellur  besteht.  Nach  den  Versuchen  von  Ritter  und  Sir  Humphry 
Davy  konnte  man  geneigt  sein,  diese  braunen  Wolken  für  ein  Hydrur 
des  Tellurs  zu  haiton,  welches  weniger  Wasserstoff  enthält,  als  der 
Tellurwasserstoff.  Genaue  Versuche  überzeugen  Magnus,  dass  hier 
kein  Hydrür,  sondern  elementares  Tellur  vorliege.  Wahrscheinlich 
sei  indessen  die  Abscheidung  des  Tellurs  Folge  einer  ephemeren 
Bildung  von  Tellurwasserstoff,  welcher  sich  schnell  unter  dem  Einfluss 
des  von  der  Wasserzersetzung  herrührenden  Sauerstoffs  zerlege;  in 
der  That  beobachte  man  am  positiven  Pole  eine  nur  äusserst  geringe 
Sauerstoffentwicklung.  Ganz  ähnliche  Erscheinungen  werden  bei  dem 
Schwefel  und  Selen  wahrgenommen.  Da  indessen  diese  Körper  schlechte 
Leiter  der  Elektricität  sind,  so  müssen  sie,  mit  einem  Platindraht 
umwickelt,  in  die  Flüssigkeit  gebracht  werden.  Es  entsteht  im  ersten 
Falle  ein  gelber  Niederschlag  von  Schwefel,  im  letzteren  ein  ziegel- 
rother  von  Selen.  Vorsuche,  ein  Tellurhydrür  zu  erhalten  durch 
Auflösen  von  Tellurkalium  in  Wasser,  oder  durch  die  Einwirkung  der 
Luft  auf  die  Lösung  desselben,  misslangen.  Das  Teliurkalium  verhält  sich 
in  dieser  Beziehung  wie  Schwefel-  und  Selenkalium.  Dagegen  sind 
die  festen  Körper,  welche  bei  der  Auflösung  von  Arsen-  und  Phosphor- 
kalium in  Wasser  zurückbleiben,  wahre  Hydrüre. 

Durch  die  mehrfache  Beschäftigung  mit  Verbindungen  des  Selens 
wird  Magnus  veranlasst,  eine  einfache  Methode  aufzusuchen,  dieses 
Element  aus  dem  Selenschwefel  und  zumal  aus  dem  Bodensatze  der 
Bleikaramern  zu  gewinnen  **).  Ein  Gemenge  des  Selenmaterials  mit 
etwa  dem  achtfachen  Gewichte  Braunstein  wird  in  einer  Glasretorte 
erhitzt;  der  Schwefel  verwandelt  sich  theilweise  in  Metallsulfid,  theil- 
weise wird  er  als  schweflige  Säure  entfernt,  das  Selen  sublimirt  im 
Halse  der  Retorte.  Da  man  bei  einem  ersten  Versuche  den  Reichthuni 
des  Materials  nicht  wohl  kennen  kann,  so  wird  sich  bei  überschüssig 
angewendetem  Mangan hyperoxyd  auch  etwas  selenige  Säure  bilden;  man 
leitet  desshalb  das  entwickelte  Gas  durch  Wasser,  in  welchem  sich  in 
diesem  Falle  das  Selen  durch  die  schweflige  Säure  reducirt  als  ziegel- 
rothes  Pulver  absetzt. 

Eine  der  folgenreichsten  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der 
unorganischen  Chemie   ist  jedenfalls    die  schöne  Arbeit   über  die  Ein- 

*)  lieber  einige  W.asserstoffverbindunt^iMi.     l*ogg.  Ann.  XVII.   521.   (1829.) 
**)  lieber    die   Gewinnung    des    Selens    auü    Selenschwefel.       Po  gg.   Ann.   XX. 
165.  (IbSU.) 


Wirkung  des  Ammoniaks  auf  das  Platinchlorür*),  welche  Magnus,  wie 
bereits  erwähnt  wurde,  schon  einige  Jahre  früher  in  dem  Laboratorium 
von  Berzelius  ausgeführt  hatte.  Die  Verbindungen  des  Platinchlorids 
mit  den  Chloriden  der  Alkalimetalle  waren  damals  schon  untersucht; 
Herzelius  hatte  namentlich  das  Kaliumplatindblorid  für  die  Fest- 
stellung des  Atomgewichtes  des  Platins  benutzt.  Bei  dem  Versuche, 
inaloge  Verbindungen  mit  Platiuchlorür  darzustellen,  was  ohne 
Schwierigkeit  gelang,  fand  Magnus,  dass  wenn  man  eine  Auflösung 
des  Chlorürs  in  Chlorwasserstoffsäure  mit  einem  üeberschuss  von 
Ammoniak  versetzt,  ein  in  schönen  grünen  Nadeln  krystallisirendes 
Salz  niederfällt,  welches  weder  in  Wasser,  noch  in  Alkohol,  noch  auch 
in  Salzsäure  löslich  ist.  Dieses  Salz,  weit  entfernt  den  früher  beob- 
achteten Doppelverbindungen  analog  zu  sein,  erweist  sich  bei  der 
Analyse  als  eine  directe  Verbindung  des  Platiuchlorürs  mit  den  Ele- 
menten des  Ammoniaks,  von  der  Zusammensetzung 

PtClj,  2H3N. 
Unter  dem  Einflüsse  chemischer  Agentien  erleidet  dieses  Salz  zahl- 
reiche bemerkenswerthe  Veränderungen,  welche  indessen  von  Magnus, 
der  inzwischen  in  andere  Bahnen  eingelenkt  war,  nicht  weiter  studirt 
worden  sind.  In  Folge  dieser  Veränderlichkeit  ist  es,  wie  bekannt, 
der  Ausgangspunkt  einer  Reihe  der  merkwürdigsten  Untersuchungen 
geworden,  an  denen  sich  viele  Chemiker,  namentlich  aber  Gros,  Rei- 
set, Peyrone  und  Gerhardt  betheiligt  haben.  Noch  neuerdings 
ist  die  Geschichte  der  von  diesen  Chemikern  aufgefundenen  Körper, 
welche  man  gewöhnlich  unter  dem  gemeinsamen  Titel:  Platin- 
basen zusammenfasst,  von  Odling")  in  einer  meisterhaften  Vorlesung 
beleuchtet  worden,  welche  derselbe  in  unserer  englischen  Schwester- 
gesellschaft gehalten  hat.  Sämmtliche  unter  dem  Namen  der  Gros- 
-chen,  Reiset'schen,  Peyrone'schen  Salze  bekannten  Verbindungen 
-ind  in  der  That  Abkömmlinge  des  grünen  Platinchlorür-Ammoniaks, 
welches  die  dankbare  Wissenschaft  dem  Entdecker  zu  Ehren  mit  dem 
Namen    des  Mag tius' sehen  Salzes  bezeichnet  hat. 

In  die  Reihe  der  hier  betrachteten  Untersuchungen  gehöW  auch, 
obwohl  in  etwas  spätere  Zeit  fallend,  die  gemeinschaftliche  Arbeit 
von  Magnus  und  C.  F.  Ammermüller***)  über  die  Ueberjodsäure. 
Die  Ueberchlorsäure  war  damals  schon  bekannt,  aber  alle  Bemühungen 
die  entsprechende  Säure  in  der  Jodreihe  darzustellen,  waren  ohne 
Erfolg  geblieben.    Ein  glücklicher  Versuch  führt  die  vereint  arbeitenden 

*)  Ueber  einige  neae  Verbindungen  des  Platinchlorilrs.  Pogg.  Ann.  XIV. 
289.  (1828.) 

**)  Odling,  Ott  tke  ammonia  Compounds  of  platmum.  Chem.  New-.  XXI. 
■269   u.   289. 

•**)    Ueber  eine  neue  Verbindung   de»  Jodi   mit  Sauerstoff,    die  üeberjodeäure. 
Pogg.  Ann.  XXVIU.    154.   (1833.) 


28 


Freunde  zur  Entdeckung  dieser  Säure.  Die  ersten  Andeutungen  der] 
Existenz  der  Ueberjodsäure  werden  bei  der  Bereitung  des  Natriuin- 
jodats  nach  dem  bekannten  Lieb  ig 'sehen  Verfahren  erhalten,  und 
auf  diese  hin  begründen  sie  alsbald  eine  höchst  elegante  Darstellungs- 
methode. Aus  einer  heissen  Lösung  von  Natriumjodat,  welche  man 
mit  Aetznatron  versetzt  hat,  scheidet  sich  beim  Einleiten  eines  Chlor- 
stroms ein  schweres,  weisses,  krystallinisches  Pulver  ab,  welches  die 
Entdecker  als  basisches  Natriumperjodat 

2Nal04,Na20-l-3H20 
erkennen.  Wäre  noch  ein  Zweifel  über  die  Natur  des  Salzes  ge- 
blieben, sie  hätte  durch  die  Analyse  der  Silbersalze  beseitigt  werden 
müssen.  Mit  Silbernitrat  gefällt,  liefert  die  Lösung  der  Natrium  Ver- 
bindung einen  grünlichen  Niederschlag,  der  sich  aus  warmer  Salpeter- 
säure umkrystallisiren  lässt.  Beim  Erkalten  der  Lösung  schiessen  stroh- 
gelbe Krystalle  an,  welche  mit  Wasser  in  Berührung,  sich  in  ein  dunkel- 
rothes  Salz  verwandeln.  Die  heisse  concentrirte  Losung  setzt  beim 
Eindampfen  orangegelbe  Krystalle  ab.  Bei  der  Analyse  zeigt  es 
sich,  dass  das  letztgenannte  orangegelbe  Salz  das  neutrale  Perjodat 

ÄgI04 

darstellt,  während  die  gelbe  und  rothe  Verbindung  basische  Salze  von 
der  Zusammensetzung 

2AgI04,Ag2  0  +  H2  0  und  2Agl04,  Agg O -f- Sllg O 
sind,  von  denen  das  wasserreichere,  rothe  genau  dem  bereits  genannten 
Natriumsalze  entspricht.  In  derselben  Arbeit,  an  deren  durchsichtiger 
Klarheit  der  Leser  noch  heute  sich  erfreut,  wird  auch  der  merk- 
würdigen Umbildung  des  neutralen  Silberperjodats  unter  dem  Einflüsse 
des  Wassers  gedacht;  mit  Zurücklassung  basischen  Salzes  nimmt 
dieses  die  Säure  im  Zustande  der  Reinheit  auf,  deren  Eigenschaften 
beschrieben,  und  aus  welcher  die  neutralen  und  basischen  Salze  des 
Kaliums  und  Natriums  dargestellt  werden.  Mit  diesen  Feststellungen 
begnügen  sich  aber  auch  die  Entdecker;  weder  Magnus  noch 
Ammermüller  ist  jemals  wieder  auf  den  Gegenstand  zurückge- 
kommen. Welche  Aehrenlese  sie  späteren  Chemikern,  zumal  unserem 
verebten  Herrn  Präsidenten,  hinterlassen  haben,  ist  noch  frisch  in 
der  Erinnerung  der  Gesellschaft. 

Viel  später,  in  den  fünfziger  Jahren,  ist  Magnus  noch  einmal, 
obwohl  nur  vorübergehend,  auf  das  Gebiet  der  unorganischen  Chemie 
zurückgekehrt.  In  diese  Zeit  fallen  seine  Beobachtungen  über  die 
verschiedenen   Zustände   des    Schwefels*),    welche   hier   nur   kurz   er- 

•)  Ueber  rotlien  und  schwar/.en  Schwefel.     Po  gg.  Ann.  XCII.   .308.   (1854.) 
Ueber   den  braunen  Schwefel  von   Radoboj    in  Ungarn.     Pogg.  Ann.  XCII. 

667.   (1854.) 
Ueber  die  allotropiscben  Zustünde   des  SchwefeU.     Pogg.  Ann.  XCIX.    145. 
(Iöö6.) 


2^< 


wähnt  zu  werden  brauchen,  da  viele  der  gesammelten  Erfahrungen, 
insofern  sie  nur  anter  gewissen  Verhältnissen  gelten,  der  Allgemein- 
heit entbehren ,  auch  manche  Auffassungen  durch  spätere  Beobach- 
tungen verändert  worden  sind. 


Den  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  unorganischen  Chemie 
seh  Hessen  sich  naturgemäss  die  chemisch-mineralogischen  Unter- 
suchungen an;  sie  gehören  sämratlich  der  frühesten  Periode  an. 
>chon  im  Jahre  182(i  analysirt  Magnus  den  Picrosmin*),  ein 
lieben  Magneteisenstein  und  Bitterspath  in  der  Grube  Engelsburg  bei 
Pressnitz  in  Böhmen  aufgefundenes  Mineral,  welches  von  Haidinger 
als  eine  selbstständige  Species  erkannt  worden  war.  Das  Mineral 
wird  mittelst  Flusssäure  aufgeschlossen,  ein  Verfahren,  welches  erst 
wenige  Jahre  zuvor  von  Berzelios  zum  ersten  Male  angewendet 
worden  war  und  daher  auch  in  der  Abhandlung  nochmals  ausführlich 
besprochen  wird.  Die  Analyse  lässt  den  Picrosmin  als  ein  wasser- 
haltiges Magnesiumsilicat  erkennen ,  dessen  Zusammensetzung,  in  ein- 
fachster Weise  gefasst,  sich  durch  die  Formel 

MgO,Si02,HaO 
ausdrücken  lässt. 

Einige  Jahre  später  folgt  die  Analyse  des  Brochantits**). 
l'nter  diesem  Namen  hatten  Levy  und  Children  ein  bei  Ekaterinen- 
burg  in  Sibirien  vorkommendes  Kupfermineral  beschrieben,  in  welchem 
neben  Kupfer  Schwefelsäure  als  Hauptbestandtheil  nachgewiesen  wor- 
den war.  Ein  bei  Retzbanya  in  Siebenbürgen  aufgefundenes  Mineral, 
welches  neben  Malachit  und  Kupferlasur  auf  einem  mit  Rothkupfererz 
durchsetzten  Bleiglanz  vorkommt,  ist  nach  Haidinger  identisch  mit 
dem  Brochantit.  Magnus,  der  Gelegenheit  hatte  dasselbe  zu  analy- 
siren,  findet,  dass  es  sich,  wenn  man  von  den  zufalligen  Bestand- 
thcilen  Zinn  und  Blei  absieht,  als  ein  wasserhaltiges  basisches  Kupfer- 
Sulfat  anffasisen  lässt.  welches  nach  der  Formel 

CaS04,3[CaO,H20] 
zusammengesetzt  ist. 

Auch  mit  dem  Vesuvian  hat  sich  Magnus  mehrfach  beschäftigt. 
Bei  diesen  Versuchen  ***)  macht  er  die  bemerkenswerthe  Beobachtung, 
dass    dieses   Mineral    nach   dem   Schmelzen    ein   wesentlich   geringeres 


•)  Analyse  des  Picrosmins.      Pogg.  Ann.  VI.   53.  (1826.) 
*♦)  Analyse  des  Brochantits.     Pogg.  Ann.  XIV.   141.  (1828.) 
•**)  üebcr   eine   aufTallende  Venninderung    des   specifischen  Gewichtes,    die    der 
Vesüvian   durch  das  Schmelzen   erleidet.      Pogg.  Ann.  XX.   477.  (1880.) 


30 


Volumgewicht  zeigt,  als  es  vor  dem  Schmelzen  besass.  Das  Vol.- 
Gew.  des  Vesiivians  vor  dem  Schmelzen  schwankt  zwischen  8,35  und 
3,45.  Nach  dem  Schmelzen  zeigt  der  Vesuvian  von  Egg  das  Vol.- 
Gew.  2,95;  das  Vol. -Gew.  eines  schönen  sibirischen  Vesuvians  sank 
durch  das  Schmelzen  auf  2,956.  Beide  Minerale  büssen  dabei  ihr 
krystallinisches  Gefüge  ein.  Magnus  lässt  es  dahingestellt  sein,  ob  die 
Verminderung  des  Vol.-Gew.  von  einer  Veränderung  in  der  Lagerung 
der  Molecule  oder  von  einer  Atomwaiiderung  im  Molecule  hervorgerufen 
wird.  Indessen  kann  auch  durch  das  Schmelzen  eine  Veränderung  in  der 
Zusammensetzung  des  Minerals  stattgefunden  haben,  wenigstens  wird  bei 
dem  Vesuvian  vom  Wiluiflusse  eine  kleine  Verringerung  des  absoluten 
Gewichtes  beobachtet;  auch  spricht  für  diese  Annahme  die  Beobach- 
tung von  V.  K  ob  eil,  nach  welcher  das  durch  Säuren  nicht  zersetz- 
bare Mineral  durch  Schmelzen  in  diesen  Agentien  löslich  wird.  Eine 
ähnliche  Verminderung  des  Volumgewichtes,  wie  sie  der  Vesuvian 
durch  die  Hitze  erleidet,  beobachtet  Magnus  auch  beim  Schmelzen 
des  Granats,  dessen  Vol.-Gew.  von  3,9  auf  3,05  sank.  Da  aber 
gleichzeitig  die  rothbraune  Farbe  einer  grünen  Platz  gemacht  hatte, 
so  liess  sich  der  Versuch  nicht  als  entscheidend  betrachten,  insofern 
das  Mineral  seine  Zusammensetzung  geändert  haben   konnte. 

Bald  darauf  angestellte  Untersuchungen  betreflFen  die  Zusammen- 
setzung des  Vesuvians*).  Die  untereinander  wohlübereinstimmenden 
Analysen  des  Minerals  von  vier  verschiedenen  Fundorten,  vom  Vesuv, 
von  Slatoust,  aus  dem  Banat  und  von  Egg  führen  zu  der  Formel 

3(R"0,Si02)-l-R"'203,3Si03, 
welche  der  allgemeine  Ausdruck  für  die  Zusammensetzung  des  Granats 
ist.  Auf  ältere  Analysen  hin  hatte  in  der  That  Berzelius  bereits 
angenommen,  dass  Granat  und  Vesuvian  identisch  seien  und  Magnus 
muss  dieser  Ansicht  beipflichten,  zumal  er  bei  weiteren  Versuchen**) 
auch  solche  Granate  beim  Schmelzen  ein  geringeres  Volumgewicht 
annehmen  sieht,  welche,  soweit  dies  der  Beobachtung  zugänglich  ist, 
durch  die  Einwirkung  der  Wärme  ihre  Zusammensetzung  nicht  ändern. 
So  zeigt  der  unter  dem  Namen  Grossular  bekannte  grüne  Granat 
vom  Wiluiflusse,  welcher  beim  Schmelzen  sowohl  sein  absolutes  Ge- 
wicht, als  auch  seine  Farbe  beibehält,  eine  Volumgewichtsvermin- 
derung von  3,63  auf  2,95  und  nicht  nur  wird  im  Allgemeinen  eine 
Volumgewichtsverminderung  beobachtet,  sondern  Granat  und  Vesuvian, 
welche  im  natürlichen  Zustande  wesentlich  verschiedene  Volumgewichto 
zeigen,    besitzen    im   geschmolzenen  Zustande  genau  dasselbe  Voluni- 


♦)  Ueber  die  chemische  Zusammensetzung   des  Vesuvians.     Po  gg.  Ann.    XXI. 
66.  (1881.) 

**)  Ueber  eine  auffallende  Veränderung  des  specifischen  Gewichtes  beim  Granat 
und   IdentitHt   dossclbi'ii    mit    (Iphi    Vcsuvinn.      P  o  p  g.   Ann.   XXII.    391.   (1831.) 


31 


gewicht,  näiulich  2,59.  Erwagt  man  ferner,  dass  beide  Mineralien 
geschmolzen  nicht  von  einander  zu  unterscheiden  sind,  dass  sie  die- 
selbe Härte,  dieselbe  Farbe,  dieselbe  Zersetzbarkeit  durch  Säuren 
zeigen,  so  schien  die  Identität  des  Vesuvians  und  Granats,  im  ge- 
schmolzenen Zustande  wenigstens,  fast  ausser  Zweifel  gestellt.  Mit 
der  ihm  eigenen  Vorsicht  spricht  sich  Magnus  gleichwohl  nur 
zurückhaltend  für  die  Identität  beider  Mineralien  aus  und  er  giebt 
seinen  Zweifeln  in  der  Bemerkung  Ausdruck,  dass  die  Beobachtungs- 
ergebnisse denn  doch  nicht  hinreichend  mit  den  berechneten  Werthen 
der  Granatformel  übereinstimmen.  In  der  That  hat  er  denn  auch 
durch  viel  spätere  Versuche*)  gezeigt,  dass  eine  grosse  Anzahl 
von  Vesuvianen  bei  einer  jedenfalls  Ober  dem  Schmelzpunkte  des 
Silbers  liegenden  Temperatur  einige  Procente  Wasser  verliert,  eine 
Eigenschaft,  welche  den  Granaten  abgeht.  Vesuvian  und  Granat 
haben  also  keineswegs  dieselbe  Zusammensetzung,  eine  Thatsache, 
welche  auch  durch  anderweitige  Untersuchungen  festgestellt  erscheint, 
nach  denen  in  dem  ersteren  Mineral  das  Verhältniss  des  Monoxjd- 
silicats,  dem  Sesquioxydsilicate  gegenüber,  vielleicht  ein  wechseln- 
des, jedenfalls  aber  höheres  ist,  als  der  Granatmischung  entspricht. 


Die  Zeit,  in  welcher  die  Forscherlust  unseres  Freundes  am 
lebhaftesten  glühte ,  fällt  zusammen  mit  der  mächtigen  Entwick- 
lungsperiode der  organischen  Chemie  in  Deutschland,  zumal  mit  der 
Blüihe  der  Lieb  ig' sehen  Schule.  Es  wäre  seltsam  gewesen,  wenn 
eine  so  gewaltige  Bewegung  Magnus  unberührt  gelassen  hätte.  In 
der  That  sehen  wir  ihn  denn  auch  schon  im  Jahre  1833  mit  Ar- 
beiten auf  dem  Gebiete  der  organischen  Chemie  emsig  be- 
schäftigt. Gegenstand  seiner  Untersuchung  ist  die  Frage  des  Tages, 
welche  ja  auch  noch  auf  Jahre  hin  das  Interesse  der  Chemiker  fesseln 
><illt>'.  Was  ist  die  Constitution  des  Alkohols  and  die  des  Aethers 
und  welches  Verhältniss  waltet  ob  zwischen  diesen  beiden  Körpern? 
Zwei  entgegengesetzte  Theorien  streiten  um  den  Vorrang,  die  Aetherin- 
theorie  von  Dumas  und  die  Aethyltheorie  von  Liebig,  von  denen 
letztere,  obwohl  erst  viele  Jahre  später  und  auch  nur  in  sehr  wesent- 
lich neuer  Fassung,  den  Sieg  davontragen  sollte.  Da  nach  beiden 
Ansichten  die  Aetherbildung  auf  dem  Austreten  des  Wassers  aus  dem 
Alkohol  beruht  —  eine  Auffassung,  die  ja  auch  noch  die  heutige  ist  — 
und  da  man  damals  so  gut  wie  jetzt,  nur  in  anderer  Weise,  die 
Weinschwefelsäure  eine  Rolle  in  der  Aetherbildung  spielen  Hess,  so 
schien  es  Magnus  von  Wichtigkeit,   das  Verhalten  des  Alkohols  zur 

*)  Ueber  die  Menge  des  Wuaen,  welche  der  Vesuvian  enthält.  Pogg.  Ann. 
XCVI.  347.  (1855.) 


32 

wasserfreien  Schwefelsäure  zu  Studiren.  Seine  Versuche*)  erschliessen 
ihm  alsbald  eine  ganz  neue  Reihe  von  Körpern.  Indem  er  eine  ab- 
soluten Alkohol  enthaltende  offene  Röhre  in  ein  Gefäss  mit  wasser- 
freier Schwefelsäure  stellt,  dessen  Mündung  mit  einem  Glasstöpsel 
geschlossen  ist,  sieht  er,  ohne  dass  Entwicklung  von  schwefliger 
Säure  wahrgenommen  wird ,  in  dem  Alkohol  weisse  seideglänzende 
Krystalle  sich  bilden,  die  schon  bei  80"  schmelzen  und  so  gierig 
Wasser  anziehen,  dass  es  nur  mit  Schwierigkeit  gelingt,  sie  in  einem 
für  die  Untersuchung  geeigneten  Zustande  zu  erhalten.  Die  Analyse 
zeigt,  dass  diese  Krystalle,  welche  Magnus  Carbylsulfat  nennt, 
und  für  die  später  die  Bezeichnung  wasserfreie  Aethionsäure 
vorgeschlagen  worden  ist,  die  Zusammensetzung 
C2H4S20e  =  C,H4,2S03 
besitzen,  mithin  als  eine  Verbindung  von  1  Mol.  ölbildendem  Gas 
und  2  Mol,  wasserfreier  Schwefelsäure  aufgefasst  werden  können  und 
er  weist  auch  alsbald  die  Identität  derselben  mit  der  von  Regnault 
bei  der  Einwirkung  der  wasserfreien  Schwefelsäure  auf  das  ölbildende 
Gas  gewonnenen  Verbindung  nach,  für  welche  man  bislang  eine  andere 
Zusammensetzung  angenommen  hatte.  Die  Krystalle  von  Carbylsulfat 
lösen  sich  mit  grosser  Leichtigkeit  im  Wasser,  allein  beim  Verdampfen 
der  Lösung  werden  sie  nicht  wieder  erhalten.  Durch  Aufnahme  eines 
Mol.  Wasser  haben  sie  sich  in  Aethionsäurehydrat  verwandelt: 
C2H4  SgOg  +  Hg  O  =  CgHg  S2O7. 

Die  Säure  selbst  lässt  sich  ihrer  ausserordentlichen  Veränderlichkeit 
wegen  nicht  untersuchen ;  die  gegebene  Formel  musste  daher  aus  der 
Analyse  der  Salze  abgeleitet  werden.  Die  Zusammensetzung  der- 
selben wird  durch  die  allgemeine  Formel 

CgH.MgSgOy  -f-nHgO 
ausgedrückt;   sie  sind   in  Wasser  löslich,   ihre  wässrige  Lösung   wird 
durch  Alkohol  gefällt. 

Ist  die  Lösung  des  Aethionsäurehydrats  zum  Sieden  erhitzt 
worden,  so  enthält  die  .Flüssigkeit  nunmehr,  neben  freier  Schwefel- 
säure, eine  neue  höchst  merkwürdige  Säure,  welche  Magnus  mit  dem 
Namen  Isaethion  säure  bezeichnet;  sie  hat  sich  unter  Anziehung 
der  Elerhente  eines  weiteren  Wassermoleculs  und  unter  Abspaltung  eines 
Moleculs  Schwefelsäurehydrat  gebildet: 

C2  He  S2  O7 -t- Hg  O  =  H2  SO4 -h  Ca  Hß  SO4. 

Diese  Säure,  welche  man  auch  erhält,  wenn  Carbylsulfatkrystalle 
schnell  in  Wasser   gelöst  werden,   so   dass  sich    die  Flüssigkeit   stark 


*)  Ueber  die  Weinsclnvefelsilure .  ihren  Einfluss  auf  die  Aetherbildung  und 
über  zwei  neue  Säuren  ähnlicher  Zusammensetzung.  Po  gg.  Ann.  XXVII.  367. 
(1833.) 

Ueber  das  Carbylsulfat  und  die  Aethionsäure.  Po  gg.  Aun.  XL VII.  609. 
.(1839.) 


33 


erwSrmr.  ist,  wie  ein  Blick  auf  die  Formel  lehrt,  mit  der  Wein- 
schwefelsäiire  isomer.  Magnus  hat  sie  zumal  in  ihrem  ßariumsalze 
studirt.  welches  man  leicht  erhält,  wenn  die  siedende  Losung  der 
Aethionsäure  mit  Rariamcarbonat  gesättigt  wird;  es  krysfallisirt  in 
schonen  wasserfreien  Tafeln  von  der  Formel 

BaCCjHsSOJa 
lind  unterscheidet  sich  von  dem  isomeren  Sulfovinate  sowohl  durch 
seine  grosse  Beständigkeit,  als  auch  durch  seine  Löslichkeit  in  Alkohol. 
(Gegenwärtig  können  wir  kaum  an  die  von  Magnus  entdeckte  Isae- 
thionsäure  denken,  ohne  uns  einer  schönen  Synthese  zu  erinnern, 
welche  allerdings  einer  viel  späteren  Zeit  vorbehalten  war,  der  Syn- 
these nämlich  des  krystallinischen  Bestandtheiles  der  Galle,  des  Tanrins, 
welche  Strecker  durch  Abspaltung  eines  Wassermoleculs  aus  dem 
Molecule  des  isaethion sauren  Ammoniums  bewerkstelligt  hat. 

Die  Versuche  über  das  Carbylsulfat  gaben  Magnus  mehrfach 
Gelegenheit  sich  mit  dem  ölbildenden  Gase  zu  befassen.  Er  findet, 
dass  man  dasselbe  reichlicher,  reiner  und  bequemer  als  nach  dem 
gewöhnlichen  Verfahren  erhält,  wenn  man  Schwefelsäure  mit  etwa 
^  Gewichtstheil  Alkohol  in  einem  Ballon  erhitzt  und  alsdann  durch 
eine  Trichterröhre  langsam  Alkohol  nachströmen  lässt. 

Sehr  interessante  Versuche*),  welche  er,  allerdings  erst  viel 
später,  über  das  Verhalten  des  ölbildenden  Gases  unter  dem  Einflüsse 
der  Wärme  angestellt  hat,  scheinen  zunächst  aus  dem  Bedürfnisse 
hervorgegangen  zu  sein,  für  den  Zweck  seiner  Vorlesungen  eine 
klarere  Anschauung  von  der  Theerbildung  zu  gewinnen.  Indem  er 
mit  der  grössten  Sorgfalt  gereinigtes  Ölbildendes  Gas  durch  eine  roth- 
glühende Röhre  streichen  lä.sst,  beobachtet  er  unter  allen  Umständen 
•'ine  reichliche  Theerbildung.  Die  Umwandlung  des  ölbildenden  Gases 
in  Theer  beginnt  erst  bei  einer  Temperatur,  welche  jedenfalls  über 
.SfiO*^  liegt;  sie  hört  auf,  wenn  die  Hitze  bis  zur  Weissgluth  gesteigert 
wird ,  bei  welcher  Temperatur  das  ölbildende  Gas  unter  Abspaltung 
reiner  Kohle  sich  in  das  doppelte  Volum  Wasserstoff  verwandelt. 
Bei  der  Schwierigkeit,  eine  ganz  gleichmässige  Rothgluth  zu  er- 
halten, schwanken  begreiflich  die  Mengen  des  auftretenden  Tbeers; 
auch  hat  er  nicht  immer  dieselbe  Zusammensetzung.  Bei  seiner  Bil- 
dung verschwinden  im  Durchschnitt  10  Volumprocente  Gas;  das  rück- 
ständige Gas  besteht  nunmehr  vorzugsweise  aus  Grabengas  und  Wasser- 
stoflF.  Es  lag  nicht  in  der  Absicht  dieser  Versuche,  die  einzelnen 
Bestandtheile  des  aas  dem  ölbildenden  Gase  gewonnenen  Theers  genauer 
zu  präcisiren.  Die  Operation  hätte  zu  diesem  Ende  in  viel  grösserem 
Maasssiabe  ausgeführt  werden  müssen.     Einige  Pauscbanalysen  zeigen 

*)  üeber  die  Entstehung  von  Tbeer  aus  ölbildendem  Gase.  Po  gg.  Aon. 
XC.   1.  (1853.) 


u 


aber,  dass  er  nahezu  die  Zusammensetzung  des  Naphtalins  besitzt, 
und  in  einzelnen  Fällen  konnte  das  Naphtalin  in  der  That  aus  dem 
Oele  abgeschieden  werden.  Die  Bildung  dos  Naphtalins  aus  dem  öl- 
bildenden Gase  Hesse  sich  durch  die  Gleichung 

8C2H4  =  Cj^Hg  -+•  6  CH^ 
darstellen,  allein  es  versteht  sich  von  selbst,  dass  diese  Gleichung 
nicht  mehr,  als  eine  Phase  des  complicirten  Processes  wiedergiebt. 
Neben  dem  Naphtalin  werden  mannichfaltige  andere  Producfe  gebildet, 
wie  schon  aus  dem  gleichzeitigen  Auftreten  von  Wasserstoff  erhellt. 
Die  rwähnten  Versuche  geben  aber  jedenfalls  nicht  unwichtige  Auf- 
schlüsse über  die  Theerbildung  bei  der  Leuchtgasfabrikation,  insofern 
sie  zeigen,  dass  nur  ein  Theil  des  Theers  direct  aus  der  Steinkohle 
stammt,  während  eine  nicht  unbeträchtliche  Menge  desselben  erst  durch 
die  Einwirkung  der  Wärme  auf  das  bereits  entwickelte  ölbildende 
Gas  entsteht.  Aus  Grubengas  konnte  unter  ähnlichen  Bedingungen 
kein  Theer  erhalten  werden. 

Magnus  hat  sich  auch,  obwohl  nur  ganz  vorübergehend,  mit  dem 
Ozokerit*),  dem  bekannten  fossilen  Wachse  aus  der  Moldau,  be- 
schäftigt. Bei  der  Untersuchung,  welche  er  auf  Wunsch  A  lex  an  der 
von  Humboldt's  austeilt,  erkennt  er  denselben  als  ein  Gemenge 
zweier  durch  Alkohol  trennbaren  Substanzen,  welches  bei  82'^  schmilzt 
und  aus  85,75  p.C.  Kohlenstoff  und  15,15  p.  C.  Wasserstoff  besteht. 

Sein  lebhaftes  Interesse  für  die  organische  Chemie  hat  Magnus 
auch  durch  die  Construction  eines  eigentbümlichen  Gasofens**)  für  die 
Verbrennung  kohlenstofi haltiger  Substanzen  bethätigt,  welcher  zu  der 
Zeit,  als  man  in  Deutschland  zuerst  anfing  das  Leuchtgas  als  Brenn- 
material zu  benutzen,  sehr  wesentliche  Dienste  geleistet  hat. 


Auch  die  physiologische  Chemie  ist  durch  Magnus  wesent- 
lich bereichert  worden.  Seine  Arbeit  über  die  Blutgase***)  ist  in  mehr 
als  einer  Beziehung  bahnbrechend  gewesen.  Um  den  Einfluss  dieser 
Untersuchung  auf  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  bemessen  zu 
können,  müssen  wir  uns  in  die  Zeit  zurückversetzen,  in  welcher  die- 
selbe ausgeführt  wurde,  und  in  die  Auffassung  der  Frage,  um  deren 
Lösung  es  sich  handelt,  welche  Magnus  vorfand. 

Die  verschiedenen  F'orschungen  über  das  Wesen  des  Respira- 
tionsprocesses  hatten  zu  abweichenden  Ergebnissen  geführt;  es  waren 

*)  Sur  In  suhstance  connue  sous  le  nom  de  cire  fossile  de  Moldavte  {Ozokent) 
(Extrait  de  lettre  a  M.  de  Humboldt).  Ann.  Chim.  Phys,  LV.  2J7.  (1884); 
auch  als  Nachschrift  zu  einer  Abhandlung  von  E.  Kraus,  über  den  Scheererit  von 
Utznach.      Pogg.   Ann.   XLIIT.    147.   (1838). 

**)  Gasapparat  für  organische  Analysen.     J.  Pr.  Chem.  LX.   32.   (1853). 
***)  lieber  die  im  Blut  enthaltenen   Gase,  SauerstofiF,  Stickstoff  und  Kohlensäure. 
Pagg.  Ann.  XL.  588.    (1837.) 


85 


zumal  zwei  Ansichten,  welche  einander  gegenüberstanden.  Die  eine 
Ansicht  lässt  die  Bildung  der  Kohlensäure  in  der  Lunge  erfolgen. 
Der  mit  dem  venösen  Blute  in  der  Lunge  zusammentreffende  Sauer- 
stoff verbrennt  alsbald  einen  Theil  des  Kohlenstoffs  des  Blutes  und 
wird  als  Kohlensäure  wieder  ausgeathmet.  Nach  der  andern  Ansicht 
wird  der  Sauerstoff  der  eingeathmeten  Luft  von  dem  Blute  absor- 
birt,  die  Koblensäurebildung  findet  im  Kreislaufe  des  Blutes  statt, 
das  venöse  Blut  tritt  bereits  kohlensäurebeladen  in  die  Lunge, 
und  die  fertig  gebildete  Kohlensäure  wird  einfach  durch  die  Be- 
rührung mit  der  frisch  eingeathmeten  Luft  ausgetrieben.  In  ein- 
fachster Form  gefasst  besteht  der  Unterschied  beider  Ansichten  darin, 
dass  nach  der  ersten  der  eingeathmefe  Sauerstoff  alsbald  aus  der 
Lunge  wieder  als  Kohlensäure  austritt,  während  er  nach  der  zweiten 
erst  im  Blute  durch  den  Organismus  geführt  wird,  ehe  er  in  Kohlen- 
säure verwandelt  in  die  Atmosphäre  zurückkehrt. 

Für  die  erste  Auffassung  schien  die  Erfahrung  zu  sprechen,  dass 
es  nicht  gelungen  war,  die  Gegenwart  von  freier  Kohlensäure  in  dem 
venösen  Blute  nachzuweisen.  In  der  That  hatten  Gmelin,  Mitscher- 
lich  und  Tiedeman  n,  als  sie  Blut  in  die  Barometerleere  treten  Hessen, 
niemals  eine  Entwicklung  von  Kohlensäure  wahrgenommen.  Erst  als 
sie  mit  Essigsäure  versetztes  Blut  zu  ihren  Versuchen  anwendeten, 
beobachteten  sie  das  Entweichen  von  Kohlensäure,  welche  sie  der  in 
dem  Blute  angenommenen  Gegenwart  von  Natriumcarbonat  zuschrieben. 
Dagegen  Hessen  sich  für  die  zweite  Ansicht  Erfahrungen  von  Stevens 
und  Hoffmann  geltend  machen,  welche  gefunden  hatten,  dass  sich 
aus  venösem  Blut  durch  Schütteln  mit  Wasserstoffgas  Kohlensäure 
entbindet,  und  ebenso  Versuche  von  Johan  nes  Müller ,  nach  denen 
Frösche  in  einer  Atmosphäre  von  Wasserstoff  Kohlensäure  ausathmen. 

So  lagen  die  Dinge,  als  Magnus  die  Untersuchung  aufnahm. 
Er  beginnt  damit  zu  constatiren,  dass  ein  Strom  von  Wasserstoffga.«, 
welchen  man  durcli  venöses  Blut  leitet,  in  der  That  Kohlensäure  aus- 
treibt. Zu  dem  Ende  ist  es  nur  nöthig  durch  Schütteln  mit  Glas- 
stückchen das  Blut  vom  Fibrin  zu  befreien  und  alsdann  zwischen  dem 
das  Blut  enthaltenden  Gefässe  und  der  Entbindungsröhre  ein  leere-s 
ZwischengefSss  einzuschalten,  welches  den  entstehenden  Schaum- auf- 
nimmt. Lässt  man  den  durchgeleiteten  Wasserstoffstrom  in  Kalkwasser 
treten,  so  wirc  eine  reichliche  Menge  von  Calciumcarbonat  gefällt.  Men- 
schenblut und  Pferdeblut  zeigen  genau  dasselbe  Verhalten.  Bei  den 
ersten  nach  diesem  Verfahren  angestellten  Versuchen  war  das  Blut  auf 
seinem  Wege  aus  der  Ader  in  das  Sammelgefäss,  wenn  auch  nur 
wenige  Augenblicke,  mit  der  Luft  in  Berührung  gewesen.  Um  dem  et- 
waigen Einwand,  dass  auf  diese  Weise  Luft  absorbirt  werden  konnte,  zu 
begegnen,  wurde  bei  weiteren  Versuchen  eine  Röhre  in  die  Jugularis 
eines   Pferdes    eingesetzt    und    das   Blut    direct    aus   der  Ader    unter 


36 


Quecksilber  aufgesammelt.     Das    Ergebniss   des  Versuchs   ward    nicht 
geändert. 

Aehniich  wie  durch  Wasserstoff,  wird  auch  durch  einen  Strom 
VOM  Stickstoff  Kohlensäure  aus  dem  venösen  Blute- ausgetrieben.  Bei 
Anwendung  des  Schaumgefässes  gelingt  es  nunmehr  auch  durch  starkes 
Auspumpen  mit  der  Luftpumpe  das  Vorhandensein  der  Kohlensäure 
in  dem  Blute  nachzuweisen.  Weniger  befriedigend  fallen  die  Ver- 
suche aus,  die  Quantität  der  Kohlensäure  in  dem  Blute  zu  bestimmen. 
Magnus  sucht  für  diesen  Zweck  den  von  Liebig  bereits  eingeführten 
Kaliapparat  zu  verwerthen.  Die  durch  Wasserstoff  ausgetriebene 
Kohlensäure  wurde  durch  ein  Chlorcalciumrohr  getrocknet  und  schliess- 
lich in  Kalilauge  aufgesammelt  und  gewogen.  Es  gelang  nicht  den 
ganzen  Kohlensäuregehalt  auf  diese  Weise  zu  ermitteln,  da  die  letzten 
Antheile  durch  den  Wasserstoff  nur  äusserst  langsam  entfernt  werden, 
so  dass  das  Blut  gewöhnlich  schon  anfing  in  Fäulniss  überzugehen, 
ehe  der  Versuch  vollendet  war.  Immerhin  glaubt  Magnus  aus  den 
Ergebnissen  seiner  Versuche  den  Schluss  ziehen  zu  können,  dass  das 
venöse  Blut  wenigstens  ^  seines  Volums  an  Kohlensäure  enthält. 
Durch  Einleiten  von  Sauerstoff  oder  atmosphärischer  Luft  werden 
ganz  ähnliche  Resultate  erhalten.  Magnus  glaubt,  dass  diese  Ver- 
suche zu  dem  Schlüsse  berechtigen,  dass  die  Kohlensäure  nicht  erst 
in  den  Lungen  gebildet  werde,  sondern  dass  sie  einem  während  des 
Kreislaufs  des  Blutes  sich  vollendenden  Oxydationsprocesse  ihre  Ent- 
stehung verdankt.  Um  aber  die  Frage  zu  einem  befriedigenden  Ab- 
schlüsse zu  bringen ,  musste  immer  noch  nachgewiesen  werden ,  dass 
das  arterielle  Blut  Sauerstoff  enthalte,  da  man  ja  noch  einwenden  konnte, 
die  durch  Wasserstoff  oder  Stickstoff  aus  dem  Blute  ausgetriebene 
Kohlensäure  stamme  von  einem  in  demselben  enthaltenen  Bicarbonat.  In 
der  That  hatte  H.  Rose  gezeigt,  dass  das  Natriumbicarbonat  selbst  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  im  luftleeren  Räume  Kohlensäure  verliert,  und 
Magnus  hatte  sich  durch  besondere  Versuche  überzeugt,  dass  auch 
ein    Strom    Wasserstoff  Kohlensäure  aus  dem  Bicarbonat  austreibt. 

Während  Magnus  mit  diesen  Versuchen  beschäftigt  ist,  werden 
ähnliche  Untersuchungen  auch  von  andrer  Seite  in  Angriff  genommen. 
Hier  sind  namentlich  die  Arbeiten  von  Theodor  Ludwig  Bischoff 
zu  nennen.  Derselbe  hatte  zunächst  die  Erfahrungen  von  Stevens  und 
Hoff  mann  über  die  Expulsion  der  Kohlensäure  aus  dem  venösen 
Blute  mittelst  Wasserstoff  und  Stickstoff,  dann  die  Versuche  von  J. 
Müller  über  das  Athmen  der  Frösche  in  Wasserstoff  bestätigt;  dann 
war  es  ihm  ebenfalls  gelungen,  Kohlensäure,  obwohl  in  sehr  ge- 
ringer Menge,  mit  Hülfe  der  Luftpumpe  aus  dem  Blute  zu  erhalten. 
Bisch  off  hat  auch  das  arterielle  Blut  auf  einen  Gehalt  an  Kohlen- 
säure untersucht,  glaubte  jedoch  aus  seinen  Versuchen  schliessen  zu 
müssen,  dass  das  arterielle  Blut  keine  Kohlensäure  enthalte. 


37 


Audi  dit-.-«t  jci<iii'it'  Erfaliruiig  koniiU'  al»  t*iu  gewichtiger  Ein- 
\Yaud  gegen  die  Ansieht,  dass  sich  die  Kohlensäure  während  des 
Kreislaufs  des  Blutes  bilde,  geltend  gemacht  werden.  Denn  wenn 
die  Kohlensäure  aus  dein  venösen  Blute  durch  die  Luft  verdrängt 
wurde,  so  konnte  nach  den  Gesetzen  der  Absorption  niemals  alle 
Kohlensäure  auf  diese  Weise  entfernt  werden.  Es  musste  also  auch 
in  dem  arteriellen  Blute  Kohlensäure  vorhanden  sein. 

Um  diesen  Zweifeln  zu  begegnen,  bestrebt  sich  Magnus,  neue 
und  bessere  Untersuchurigsmethoden  aufzufinden.  Er  ermittelt  zu- 
nächst, weshalb  alle  früheren  Forscher  so  grosse  Schwierigkeiten 
fanden,  mittelst  der  Luftpumpe  Kohlensäure  aus  dem  Blute  zu  erhalten. 
Er  zeigt,  dass  die  Schwierigkeit  zunächst  in  der  meist  unzureichen- 
den Verdünnung  der  Luft  beruhe,  indem  die  Kohlensäure  erst  anfängt 
in  bemerkbarer  Menge  aus  dem  Blute  zu  entweichen,  wenn  die  Spann- 
kraft der  über  dem  Blute  befindlichen  Gase  auf  25""°  gesunken  ist, 
dann  aber  in  dem  Umstände,  dass  man  häufig  coagulirtes  Blut  an- 
wendete, welches  seine  Kohlensäure  ungleich  schwieriger  abgiebt  als 
das  von  seinem  Faserstoff  getrennte  flüssige  Blut,  endlich  aber  darin, 
dass  der  Raum  über  dem  Blut  immer  verhältnissmässig  ausserordent- 
lich klein  war  und  sich  deshalb  schnell  so  weit  mit  Kohlensäure  füllte, 
dass  der  Druck  derselben  das  Entweichen  einer  neuen  Quaritität 
dieser  Gasart  hinderte.  Die  richtige  Erkenntniss  dieser  Yerhältnisse 
gestattet  denn  auch  alsbald  die  Construction  eines  Apparates,  mittelst 
dessen  sich  die  Blutgase  ohne  Schwierigkeit  in  hinreichender  Menge 
für  die  Untersuchung  erhalten  lassen.  Dieser  Apparat,  welcher,  ob- 
wohl uns  jetzt  ungleich  vollkommenere  Vorrichtungen  zu  Gebote 
stehen,  auch  heute  noch  unser  Interesse  beansprucht,  besteht  wesent- 
lich aus  einem  birnförmigen  Gefässe,  welches  oben  und  unten  mit 
einem  offenen  Ansätze  versehen  ist.  Die  untere  Mündung  steht  in  einer 
kleinen  Quecksilberwanne,  das  obere  Ende  trägt  eine  eiserne  Fassung, 
welche  mit  einem  Hahn  versehen  ist.  Wird  diese  Fassung  bei  geöff- 
netem Hahn  mit  der  Luftpumpe  in  Verbindung  gesetzt,  so  kann  durch 
das  Spiel  derselben  die  Birne  leicht  bis  zum  Hahn  mit  Quecksilber 
gefüllt  werden.  Nach  Abschluss  des  Hahns  wird  eine  mit  Queck- 
silber gefüllte  gleichfalls  durch  einen  Hahn  gesciilossene  Glasröhre 
auf  die  Metallfassung  der  Birne  aufgeschraubt.  Nach  Oeffnung  beider 
Hähne  wird  das  Quecksilber  in  Birne  und  Röhre  durch  den  Druck 
der  Atmosphäre  schwebend  erhalten.  Nunmehr  wird  der  Apparat 
mit  der  Quecksilberwanne  unter  den  Recipienten  der  Luftpumpe 
gebracht  und  zwar  in  der  Art,  dass  sich  sein  oberer  Theil 
ausserhalb  desselben  befindet,  die  beiden  Hähne  also  zugänglich 
bleiben.  Werden  diese  beiden  Hähne  geöffnet  nnd  die  Luft  über  dem 
Spiegel  der  Quecksilberwanne  entfernt,  so  sinkt  das  Quecksilber  in 
dem  Apparat  und  alle  Luft,  welche  derselbe  noch  enthält,  sammelt  sich 


38 


nach  mehrfachem  Auspumpen  in  der  abschraubbaren  Röhre.  Diese 
wird,  nachdem  die  Hähne  geschlossen  worden  sind,  abgenommen, 
vollkommen  mit  Quecksilber  gefüllt  und  wieder  aufgesetzt.  Der  voU- 
(«tilndig  gefüllte  Apparat  ist  jelzt  zur  Aufnahme  des  Blutes  bereit.  Zu 
dem  Ende  wird  der  Rcicipient  der  Luftpumpe  entfernt,  und  der  Apparat 
in  die  grosse  Quecksilberwanne  transferirt.  Das  Blut  ist  bereits 
in  gläsernen  Flaschen  über  Quecksilber  aufgesammelt  worden  und 
zwar  aus  der  Ju^^uluris  eines  Pferdes,  wenn  venöses,  aus  der  Carotis, 
wenn  arterielles  Blut  zum  Versuche  vorwendet  werden  soll.  Aus 
diesen  Klaschen,  in  denen  durch  Schütteln  die  Abscheidung  des  Fibrins 
bewerkstelligt  worden  ist,  tritt  das  Blut  anmittelbar  in  den  oberen 
Tlifil  der  Mirric!  des  Apparates,  welcher  alsbald  in  derselben  Weise 
wie  früiier  unter  den  Recipienten  der  Luftpumpe  gebracht  wird.  Beim 
AuHpun)pen  entsteht  ein  Vacuum  über  dem  Blute,  in  welchem,  wenn 
das  Spiel  dor  Pumpe  andauert,  die  Blutgase  sich  sammeln;  werden 
nunmehr  di»i  Hähne  geöffnet,  so  fällt  das  Quecksilber  aus  der  Röhre 
in  die  Birno  und  die  Blutgase  verbreiten  sich  in  der  Röhre.  Man 
braucht  nunmehr  nur  noch  langsam  Luft  in  den  Recipienten  treten 
KU  lassen,  bis  die  Oberfläche  des  Blutes  an  dem  unteren  Hahne 
allgelangt  ist,  um  die  ganze  Menge  der  entwickelten  Gase  in  der 
Röhre  zu  vereinigen,  welche  nach  dem  Schluss  der  Hähne  abge- 
Hchraubt  wird.  Man  hat  auf  diese  Weise  einen  Vorrath  an  Gas  ge- 
HJiinnieU,  dessen  oudionietrische  Analyse  nach  den  gewöhnlichen 
Methoden  keine  weitere  Schwierigkeit  bietet. 

Die  «ahlreichen  Versuche,  welche  Magnus  mit  so  erhaltenen  Blut- 
gMen  angestellt  hat,  xeigen,  dass  sowohl  das  venöse,  als  auch  das 
Arterielle  Blut  Kohlensäure,  Sauerstoff"  und  Stickstoff  enthält,  aller- 
dings in  wesentlich  verschiedenen  Verhältnissen,  denn  während  der 
Saucrstotl'  im  venösen  Blut  höchstens  ein  Viertel,  oft  nur  ein  Fünftel 
des  in  ihn»  enthaltenen  Kohlensäurovolums  beträgt,  ist  das  Sauerstoft- 
volun»  im  arteriellen  Blute  nie  weniger  als  ein  Drittheil  und  steigt  oft 
bis  »ur  Hälfte  der  beobachteten  Kohlensäure. 

Diese  Resultate  bestätigen  in  jeder  Beziehung  die  Auffassung  des 
Resipirutionsprocesses.  lu  welcher  Magnus  bereits  durch  seine  früheren 
Versuche  geführt  worden  war.  Er  bedauert ,  dass  sich  selbst  beim 
!«tftrk8ten  Auspumpen  niemals  der  ganse  Gasgehalt  des  Blutes  austreiben 
H«9»,  und  ihm  «uf  diese  Weise  die  Gelegenheit  entging,  einen  weiteren 
g;«»wiehtig\>n  Beleg  filr  seine  Ansicht  lu  gewinneo.  Wäre  es  möglich  ge- 
>N'1^»en  die  ganie  Menge  der  in  dem  venösen  und  arteriellen  Blate  ent- 
iMÜtenen  Qms  m  erhalten,  so  hätte,  da  ja  nach  den  zur  er  lässigsten 
Vertttdian  die  Menge  der  beim  Athmen  aosgebaucbten  Kohlensäure 
(bei  Pflanttofireesera)  nahezu  gleich  ist  der  Quantität  des  aafgenom- 
MM«aa  Saneratoft,  ea  sich  bei  der  Vergleichung  gleicher  Tolome  der 
aas  v^ndaeva    and    artmelli^iu   Blute  entwickelten  Gase    heraassiellen 


3v) 


mfissen,  dass  sicL  ut-i  .^aucrstuü-  uuu  rvKuini-'rturegc-ljalt  b»'iiJ<.-r  zu  d<-ui- 
8«lbeo  Vulume  ergäozcn. 

Etwa  siebeu  Jahre  später  bat  Magnus  eine  nicht  eben  erfrifu- 
liebe  V'eranlassang  gehabt,  auf  diese  Untersuchungen  zurückzukommen, 
in  sofern  seine  Versuche  über  die  Blutgase  von  Gay-Lussac*)  einer 
nichts  weniger  ab  wohlwollenden  Kritik  unterworfen  wurden.  In 
diest-r  Kritik,   welche  jedoch  keine   neuen  Versuche  bringt,   wird   der 

-  Ergebnis»  jener  Arbeit  aufgestellten  Theorie  über  den  Vorgang 
i>eim  Äthanen  jede  sichere  experimentale  Grundlage  abge»proebep, 
uod  sogar  behauptet,  dass  man  aus  den  angestellten  VersodieD  gerade 
da«  Gegentheil  folgern  könne.  Magna«  bleibt  seioem  Gegner  die 
Antwort  nicht  l»nge  schuldig.  In  einer  am  17.  Juni  1^^  der  Ber- 
liner Akademie  der  WiMenschaften  mitgetheilten  sehr  maaMrolleo 
Entgegnung**)  zeigt  er,  daas  die  ganze  Reclmong  Gaj-Lnatae's 
aaf  irrigen  Voraussetzungen  beruht,  and  da«s  die  ron  dem  firanzon* 
»eben  Fordeber  vorgebrachten  Einwände  die  ron  ihm  gezc^enen 
ScUfisM  in  keinerlei  Weiae  begntricht%{«t.  SfÜer  bat  ihm  dicte 
Dtseoaaion  Veranlaawing  gegeben,  noeb  einige  wdtere  Venndie  Sber 
die  angeregte  Frage  anzustellen  nnd  namentücb  die  Lfiriirhkwt  des 
Saaentafii  im  Blote  zu  besdouBen**^  Da«  GeaammtefgebnJM  arioer 
Untcnaebangea  iber  die  Be8|nration  ist  in  einer  am  9.  Aognst  1S46 
bei  CekgeiAeit  seiner  EinfBbmag;  als  Orfinarins  in  die  |rfriloso^biscfae 
Facakät  g^aheiien  lafrinisrlifa  Bede  «mammeaf rf assf f). 

Magnas  bat  die  Lebre  waa  &ea  Blatgssra  and  der  B4rfle,  die 
sie  bei  der  Afhmaag  spielea,  soweit  gelordert,  wie  es  die  daawJigeo 
HiUmuttel  criaabCen.  Die  adtdrm  so  sehr  trerrolOumunKt«>  Medbo- 
dea  der  Gaaaaahrae,  die  cnieale  Prnfimg  des  Gesetzes  der  Absorption 
der  Gase  doscb  tropfbare  FBss^^keäea,  üe  rethemerUa  Mittel  sar 
nlöolidbes  HenteOaBg  aaagedebato-  Yaeaa,   aad  die  dardi  Se  fÜtf- 

kiaiscbeo  Labocatoriea  aeboleae  ir*rht^  Gdeaeabeä  za  dtnioAtn 
^ctaackea,  —  diese  UmatiHide  vcnaat  babea  zabiraebe  aeae  For- 
iber  die  BIwtgMr  rcnabart,  wekbe  saaml  darcb  die  Ar- 
roa  Lotbsr  Mejer,  Ladwig  aad  SCMer  Scbikr,  Pni- 
gcr  a.  A.  m  ararsirr  Zcä  ailcrdiay  sa  Ergebaossea  aa 

die    «OB    der  AnaicbC,  dm  mdi  Msgaas 


Ukift.  IIS.    Vther  4m. 
^    Dt  Te*pirmti«m«.     r^ugnmmmm  fa»  mt  IvHtmrm  gmUtemm  mmmtrCm  ptm- 


40 


Nach  der  hcatigen  A  ■ff'BMiiiig  der  PhjaMdogen  viid  die  KoMe« 
siure  des  Mates  so  got  wie  SBMschlirsslirh  tob  dcas  Plssma  drMcl 
b^  bcheibcigt;  oboeboo  das  Flasaa  aBraKsrti  reagirt,  sdieüit  se 
^kicfawoh)  großen  Tbells  Ton  demadben  absortnxt  xn  sein,  and  fir 
sie  hätte  sich  atoo  die  AbsoipCimislheone,  wridMr  liagnas  holdste, 
bestätigt.  Der  Saaentoff  des  Notes  dagegeo  wird  nadi  den  g^eo- 
wiitig  herrschenden  Ansichten  ron  den  Blntkörperchen  in  önar 
lockeren  chenischea  Terbindoi^  festgehalten,  die,  wie  das  Xatnam- 
bicarbonat  xa  flne»  Bestände  &st  des  vottea  amosphärisdiea  Drockes 
bedarf  eine  Natnreinrichfng,  deren  Zwecknässg^eit  exnlenchtet,  da, 
wenn  der  Saaenttrf^gehalt  des  Bfaites  dem  Dalton-Henrj'schen 
AbaoffplinHgesetse  folgte,  ^Gaj-Lnssae  and  Hamboldt  ridlcicfat  in 
,Ld>aisge£üir  gerathen  wären,  als  der  eine  das  BanMoeter  aaf  12,  der 
«andere  aaf  14  ZoQ  sinken  sah.**)  In  Besag  aitf  doi  Saaerstoff ,  den 
Magnas  d>aifiüls  als  vom  Blate  absoibirt  annahm ,  hat  also  die 
PiijsioiogM  »eoe  nnd  widitige  Thatsadwa  enülieh.  Einem  Gegen- 
stand von  so  inimffnrdrntiirhiT  Yowiddang  gegmaber  hätte  es  in 
der  That  eines  seiner  Etgröndong  ansschliesslicli  gewidmeten  Forseher- 
lebras  bcdadOt,  am  an  nach  alka  Bichtaagea  so  ench5|rfien.  bnmer- 
hin  aber  bleibe  die  Aibcift  fibo-  die  Blatgase  eines  der  schönsten 
Denkmale,  die  nch  Magnas  in  der  Wissenschaft  gesetzt  hat.  Uebcr 
Aem  Interesse  an  Detai&agen  ist  nnsere  Zdt  rielleicfat  za  sehr  gene^ 
die  Grösse  des  SArittes  m  nirterschährcn,  durch  welchoi  er  saerst  aaf 
diesem  Felde  Bahn  Wach,  and  n  Tcrgtascn,  dass  zwei  Jahrzehnte 
hindaidi  das  was  er  gelasden  hatte,  das  Beste  and  ümCusend^te  Uleb. 
was  man  nber  den  Aflnnnngspiocess 


Aach  den  Anwendangen  der  Cheaüe  aaf  die  Landwirthschaft  ist 
Magaas  nieht  frond  geUEdien.  Er  hat  sich  allodings  nar  vovlber- 
gehrad  snt  der  Agricaltarchemie  beachäftigt,  alletn  die  Cnter- 
sachangen,  weldie  tbeUweiae  von  ihm  Teranlafirt,  theilweise  too  ihm 
selber  aasgdnhrt  worden  sind,  haben  g^dchwckhl  wesestfich  aar  Aaf> 
klärnng  einiger  Fragen  bc^eiragen,  widche  zweifeifaafi  gebKeben 
waren.  Jeden£üls  aber  sind  diese  Aiheäen  wiederom  Zenge  des 
rasthmen  Eifers,  mit  weichem  der  lebhafte  GeiM  aaaeres  Freandcs  die 
niMiBwbaflli<lnii  Bew^ongen  seäno-  Zdt  verfolgte  nnd  sich  an  Aesen 
Bewcgangen  m  bethei^en  strdMe. 

Die  erste  Anr^nng  zam  Stndiam  agricaltarehemischer  ProUesse 
verdankt  Magnas  den  grosssrtigen  Forschangen  Liebig's  aaf  diesem 
Gebiete,    welche  einen   mächt^en  Eiadracfc   aaf  ihn  gemacht  hatten. 


•)  L«tkar  Mcjer.    die  Garn  «m 
«1.  (ISi7.) 


Es  war  in  Fol»e  div<<.j-  K::.i5r,u-k<.  v:;i<>  >ii.;.  M.-ii;!.  us  im  I^ufe  der 
rierxiger  Jährt  bt-^iiuin^ru  ius> .  xi?  ci.ti-iuij'cht  r  Btraiher  an  den  Ar- 
beiten des  Pk^eassischen  Landes -Oeitouoinie-CoUegiuiDS  Theil  zu  neh- 
mea,  «elclw« damals  anter  der  Präsidentschaft  von  t.  Beckedorf  stand, 
und  in  veldiem  zumal  auch  der  Lande«5konomieratb  Koppe  der 
cheaiiscken  Behandlung  landwirthschaAlicher  Fragen  mit  Nachdruck 
das  Wort  redete. 

Bald  nach  seinem  Eintritte  veranlasst  denn  auch  das  Landes- 
Oekonomie-CoUegium  eine  grössere  Reihe  ron  Untersuchungen  zur 
Beantwortung  der  Frage:  In  welchem  Ilaasse  müssen  gewisse  unor- 
ganische Bestandtheile  im  Boden  rorhandm  sein,  damit  bestimmte 
Pflanzen  auf  demselben  gedeihen?  Diese  auf  breitester  Grundlage 
begonnene  Untersuchung  ist  leider  Fragment  geblieben  und  gerade 
aus  diesem  Grande  auch  minder  fruchtbringend  gewesen,  als  die  im 
grossen  Styl«?  concipirte  Arbeit  wohl  hätte  erwarten  lassen.  Ueber 
die  Disposition  der  Untersuchung,  sowie  über  die  nach  Ablauf  ron 
drei  Jahren  erhaltenen  Resultate  hat  Magnus  im  Auftrage  des  Lan- 
des-Oekonomie-GslIegiums  Bericht  erstattet.*) 

.^Wenn  durcii  chemische  Analysen  ermittelt  wäre",  sagt  Magnus 
in  diesem  Bericht,  .wie  viel  jede  Pflanze  von  den  einzelnen  anorgani- 
schen Stoffen  für  ihre  Entwicklung  bedarf,  so  würde  man  dadurch 
leicht  berrciinen  können,  wieviel  von  diesen  Stoffen  der  Boden  her- 
geben moss  für  eine  volle  Erndte  von  einer  bestimmten  Pflanze; 
alK-in  es  ist  offenbar,  dass  diese  Quantitäten  für  die  Vegetation  nicht 
gcT,r:i:(n,  und  dass  der  Boden  die  Stoffe  in  grösserer  Menge  besitzen 
muss,  als  sie  von  der  Pflanze  aufgenommen  werden.  Dies  wird  er- 
forderlich sein,  seihst  wenn  sie  sich  in  solchen  Verbindungen  im 
Boden  befinden,  in  denen  sie  von  der  Pflanze  leicht  aufgesogen  wer- 
den können,  noch  mehr  aber,  wenn  die  Verbindungen,  in  denen  sie 
vorkommen,  erst  durch  atmosphärische  Einflüsse  zersetzt  und  verän- 
dert werden  müssen,  um  aufnehmbar  zu  werden,  oder  w^nn  ein  Theil 
dt-r^tlbeu  sich  in  solchen  Verbindungen  befindet,  dass  er  gar  nicht 
zur  Kiiiährung  der  Pflanze  dienen  kann.  Es  bleibt  daher,  selbst  wenn 
man  genau  weiss,  wie  viel  von  jedem  unorganischen  Stoffe  eine  Pflanze 
enthält,  für  den  Landwirth  die  Frage  noch  immer  unbeantwortet,  in 
welchen  Verhältnissen  diese  Stoffe  im  Boden  vorhanden  sein  müssen, 
und  es  erscheint  die  Beantwortung  derselben  um  so  wichtiger,  als 
man  in  neuerer  Zeit  so  weit  gegangen  ist,  die  gedeihliche  Entwicklung 
der  Pflanzen,  abgesehen  von  den  klimatischen  Verhältnissen,  als  allein 
abhängig  von  dem  Vorhandensein  einer  genügenden  Menge  jener  Be- 


*)  Bericht  Ober  Versnche,  brlreffend  die  EischSpfnug  des  Bodens,  welche  da^ 
Köni^ich  Preussische  Lande^OekoDomie-Collegiam  Temnlasst  bat.  Annal.  d.  Lai»l>«. 
XIV.  2;  u.  J.  Pr.  Cbem.  XL VIII.  447.  (1849). 

4 


42 


standtheile  zu  erkläre»,  und  die  ganze  Wirksamkeit  des  Düngers  als  au8_ 
schliesslich  auf  der  Zuführung  unorganischer  Stoffe  beruhend  anzusehen. 

Der  geeignetste  Weg,  um  zum  Ziele  zu  gelangen,  schien  zu  sein, 
den  Boden  zu  untersuchen,  sodann  ein  und  dieselbe  Frucht  so  lange 
hinter  einander  ohne  Dünger  auf  demselben  zu  bauen,  bis  sie  keinen 
Ertrag  mehr  liefert,   und  hiernach  den  Boden  wieder  zu  untersuchen." 

Magnus  unterschätzt  die  Schwierigkeiten  nicht,  welche  sich  einer 
solchen  Untersuchung  in  den  Weg  stellen ,  und  welche  zumal  in  der  Un- 
möglichkeit liegen,  den  Boden  von  so  gleichmässiger  Beschaffenheit  zu 
erhalten,  dass  man  aus  der  Zerlegung  einer  einzelnen  Stelle  auf  die 
Zusammensetzung  der  ganzen  Fläche  schliessen  könnte.  Dann  aber 
ist  es  auch  die  Unsicherheit,  bis  zu  welcher  Tiefe  man  die  Acker- 
krume zu  rechnen  habe,  und  endlich  ganz  wesentlich  die  Unvollkom- 
menheit  der  analytischen  Methoden,  welche  einer  solchen  Untersuchung 
hindernd  im   Wege  stehen. 

Diesen  Schwierigkeiten  sucht  das  Landes -Oekonomie-CoUegiuni 
dadurch  zu  begegnen,  dass  es  die  zur  Analyse  bestimmten  Proben 
von  möglichst  vielen  Stellen  des  Versuchsfeldes  nehmön  und  sorgfäl- 
tigst mischen  lässt,  um  eine  Durchschnittsprobe  des  Bodens  «u  erhal- 
ten. Ausserdem  hofft  man  der  Unsicherheit  durch  eine  recht  grosse 
Zahl  von  Versuchen  zu  steuern.  Zu  dem  Ende  wird  die  Untersuchung 
gleichzeitig  unter  den  Aujpicien  der  ausgezeichnetesten  Landwirthe  an 
nicht  weniger  als  vierzehn  Orten  in  den  verschiedenen  Provinzen  des 
Reichs  aufgenommen  und  die  Analyse  des  Bodens  eines  jeden  Ver- 
suchsfeldes von  drei  unabhängig  von  einander  arbeitenden  Chemikern 
ausgeführt.  Für  diese  umfangreiche  Arbeit  ist  es  gelungen ,  die  Mit- 
wirkung von  einundzwanzig  namhaften  jungen  Chemikern  zu  gewinnen, 
welche  theilweise  auch  mit  der  Analyse  der  auf  den  Versuchsfeldern 
gebauten  Pflanzen  betraut  werden.  Um  die  bereits  hinlänglich  um- 
fangreichen Versuche  nicht  über  die  Grenzen  des  Erreichbaren  aus- 
zudehnen,  beschränkt  man  sich  zunächst  darauf,  die  Erschöpfung 
des  Bodens  durch  den  Anbau  zweier  Pflanzen,  nämlich  Raps  und 
Erbsen,  herbeizuführen,  welche  bekanntlich  in  hohem  Grade  erschöpfend 
wirken.  Die  V^ersuchsfelder  waren  möglichst  gleichartig  behandelt 
worden,  alle  hatten  das  Jahr  zuvor  nur  eine  gewöhnliche  Düngung 
mit  Rindermist   erhalten  und   schliesslich  eine  Kartoffelernte  getragen. 

Schon  gleich  die  Ergebnisse,  welche  die  dreifachen  Analysen  der 
vierzehn  Bodenarten  liefern,  entsprechen  kaum  den  Erwartungen, 
welche  man  gehegt  hatte.  Bei  der  Vergleichung  der  Analysen,  welche  von 
verschiedenen  Experimentatoren  mit  derselben  Bodenart  angestellt  wur- 
den ,  vermisst  man  alsbald  die  erhoffte  Uebereinstimmung.  .  Magnus 
erkennt,  dass  seine  Besorgniss,  es  m(>ge  sich  der  Boden  nicht  hinreichend 
gleichartig  beschaffen  lassen,  und  es  könnten  die  analytischen  Mofhoden 
der  nöthigen  Schärfe  ermangeln,  nur  zu  begründet  waren,  und  er  gesteht 


43 


mit  der  Offenheit,  welche  er  in  keiner  seiner  Arbeiten  verlfiugnet,  es 
gehe  aus  diesen  Untersuchungen  mit  Bestimmtheit  hervor,  dass  man 
bisher  den  Analysen  der  Ackererden  eine  viel  grössere  Bedeutung 
beigelegt  habe,  als  sie  in  der  That  verdienen.  Die  Abweichungen  in 
den  anahtischen  Resultaten  sind  allerdings  nicht  sehr  erheblich, 
betragen  in  der  That  gewöhnlich  kaum  mehr  als  Bruchtheile  eines 
Procents,  allein  wenn  man  die  Masse  des  Bodens  in  Rechnung 
nimmt,  auf  welche  sich  die  Analysen  beziehen,  so  erkennt  man,  dass 
was  in  der  Analyse  als  eine  geringe  Differenz  erscheint,  in  der  Natur 
einer  kolossalen  Gewichtsmenge  entsprechen  kann.  Magnus  erörtert 
dieses  Verhältniss  an  einem  instructiven  Beispiele.  Gerade  die  Sub- 
stanzen, die  in  dem  Boden  sich  nur  spärlich  vorfinden,  wie  Phosphor- 
siiure,  Schwefel  u.  s.  w.,  sind  in  manchen  Pflanzen  in  ganz  erheblicher 
Menge  vorhanden.  Nach  Erfahrungen,  welche  im  Laufe  der  Untersuchung 
gewonnen  worden  waren,  wird  einem  Morgen  Land  durch  eine  Raps- 
ernte, Körner  und  Stroh  zusammengenommen,  13  Pfund  Phosphorsäure 
entzogen.  Lafst  man  eine  Mächtigkeit  der  Ackerkrume  von  9  Zoll  gelten, 
80  wiegt,  wenn  das  Vol.  Gew.  der  Ackererde  zu  1,5  gesetzt  wird, 
die  für  den  Anbau  verwerthbar  angenommene  trockne  Bodenfläche 
eines   Morgens    1,944,000   Pfd.       Es   werden   also    dem   Boden    durch 

13  X  100 
eine  Rapsernte    v^iÄl^rifi     "^  0,00066  p.  C.  Phosphorsäure    entzogen. 

Vergleicht  man  nun  die  von  zwei  Beobachtern  ausgeführten ßeslimmungen 
der  Phosphorsäure  in  demselben  Boden,  so  zeigt  es  sich,  dass  sie  sehr 
häufig  schon  in  der  ersten  Decimale  nicht  mehr  übereinstimmen,  und 
man  sieht  also,  dass  man  hundert  Jahre  lang  Raps  auf  dem  Acker 
ernten  könnte,  ohne  dass  sich  dies  mit  Sicherheit  durch  die  chemische 
Analyse  nachweisen  Hesse. 

Was  die  im  Laufe  der  Untersuchung  ausgeführten  Aschenanalysen 
anlangt,  so  zeigt  sich  der  Gebalt  an  Asche  sowohl,  als  auch  die  Zu- 
sammensetzung derselben  sehr  verschieden,  wenn  die  ascheliefernden 
Pflanzen  auf  verschiedenem  Boden  gewachsen  waren.  Magnus  ist 
geneigt,  einen  Theil  dieser  Verschiedenheit  auf  Rechnung  der  Unzu- 
länglichkeit der  Methode  der  Aschenanalyse  zu  setzen,  deren  Vervoll- 
kommnung man  damals  noch  nicht  die  nöthige  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt hatte.  Ein  anderer  Grund  für  dieselben  möchte  darin  zu  suchen 
sein,  dass  es  schwer  ist,  die  Körner,  besonders  aber  das  Stroh  von 
dem  anhaftenden  Erdreiche  vollständig  zu  befreien,  zumal  wenn  dieses 
thonhaltig   ist. 

Da  jedoch  die  Analysen  hier  in  sehr  grosser  Menge  vorliegen,  so 
wird  Magnus  auf  gewisse  Ansichten  über  das  Vorkommen  der  mi- 
neralischen Besfandtheile  in  den  Pflanzen  geführt,  die  er  allerdings 
noch  nicht  für  vollkommen  begründet  erachtet,  die  jedoch  immerhin, 
wie  er  glaubt,   Beachtung   verdienen.      Es  scheint   nämlich  die  Quan- 

4* 


44 


tität  der  Asche  in  den  Körnern  viel  constanter  zu  sein,  als  in  dem 
Stroh,  und  ebenso  zeigt  sich  auch  die  Zusammensetzung  der  Asche 
der  Körner  viel  gleichförmiger,  als  die  der  Asche  des  Strohs.  Nament- 
lich stellt  sich  dies  heraus,  wenn  man  die  Quantitäten  der  Plios- 
phorsäure  und  des  Chlors  in  den  Aschen,  einerseits  des  Strohs  und 
andrerseits  der  Körner,  unter  sich  vergleicht.  Bei  den  Rapskörnern 
erreicht  z.  B.  der  Chlorgehalt  in  keiner  Analyse  auch  nur  1  p.  C, 
während  derselbe  im  Rapsstroh  zwischen  23,8  und  3  p.  C.  schwankt. 
Aber  nicht  nur  liegen  die  Extreme  einander  viel  näher,  sondern  auch 
das  Schwanken  von  einer  Analyse  zur  andern  ist  bei  den  Körnern  weit 
geringer,  als  bei  dem  Stroh,  sowohl  für  Raps,  als  für  Erbsen.  Dies 
Ergebniss  ist  übrigens  wohl  verständlich,  denn  es  ist  mindestens  wahr- 
scheinlicb,  dass  die  Wurzeln  der  Pflanze  von  den  ihnen  im  Boden 
dargebotenen  Salzen  eine  grössere  Menge  aufnehmen,  wenn  ihnen 
diese  reichlicher  dargeboten  werden,  als  wenn  dies  nicht  der  Fall 
ist.  Deshalb  aber  werden  die  einzelnen  Organe  der  Pflanze  doch  nur 
so  viel  von  diesen  Salzen  wirklich  assimiliren,  als  sie  für  ihre  Ent- 
wickelung  bedürfen;  die  grössere  Menge  der  Asche  in  dorn  Stroh  würde 
nach  dieser  Betrachtung  von  den  noch  nicht  verarbeiteten  Säften  her- 
rühren, welche  sich  in  dem  Pflanzenkörper  bewegen. 

Eine  vollständige  Gleichheit  in  der  Zusammensetzung  der  Aschen 
ist  man  übrigens  nach  den  vorliegenden  Analysen  auch  für  die  Körner 
nicht  bereclitigt  anzunehmen.  Wenn  eine  Verschiedenheit  derselben 
je  nach  dem  Boden,  auf  dem  sie,  so  wie  nach  den  verschiedenen 
Jahren,  in  denen  sie  cultivirt  wurden,  stattfindet,  so  würde  eine  solche 
ganz  analog  mit  den  entsprechenden  Erscheinungen  sein,  welche  man 
auf  anderen  Gebieten  der  organischen  Natur  beobachtet.  Denn  auch 
bei  den  Thieren  finden  wir  die  Fleisch-  und  Fettmasse  im  Verhältniss 
zu  den  Knochen  verschieden,  und  weshalb  solhe  nicht  ebenso  auch 
bei  den  Pflanzen  die  Ausbildung  gewisser  Organe  vorzugsweise  statt- 
finden, je  nach  der  Nahrung,  welche  dieselben  vorfinden.  Dass  ein- 
zelne organische  Bestandf heile  sich  nach  Verschiedenheit  des  Bodens 
und  der  Jahre  verschieden  ausbilden,  ist  bekannt,  und  es  braucht  nur 
an  den  verschiedenen  Gehalt  an  Oel  im  Raps  erinnert  zu  werden. 
Magnus  hält  es  desshalb  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  die  Mine- 
ralbestand theile  von  den  Pflanzen  in  verschiedener  Quantität  auf- 
genommen  werden. 

Die  von  dem  Landes- Oekonomie-Collegium  veranlasste  Unter- 
suchung ist,  wie  bereits  bemerkt,  unvollendet  geblieben,  sei  es  weil 
man  nicht  gleich  Resultate  gewonnen  hatte,  welche  den  aufgewendeten 
Mitteln  entsprachen,  sei  es  weil  .«ich  die  dem  Umfange  der  Unter- 
suchung entsprechenden  wissenschaftlichen  Kräfte  auf  die  Dauer  nicht 
vereinigen  Hessen.  Magnus  selbst  hat  sich  indessen  noch  längere 
Zeit  mit  der  Frage  beschäftigt,   wie  aici.  aus  eigenen  Versuchen  ergiebt, 


40 


welche   er  etwa   ein   Jahr   nach   seiner  Berichterstattung  veröffentlicht 
hat.*) 

Ausgangspunkt  dieser  Versuche  ist  die  Ansicht,  dass  keineswegs 
sämmtliche  in  dem  Boden  und  selbst  in  der  Asche  der  Pflanzen  auf- 
gefundenen Bestandtheile  für  die  Entwickelung  der  Pflanze  nothwendig 
sind,  und,  dies  zugegeben,  die  daran  sich  anknüpfende  Frage,  welche 
Bestandtheile  unbedingt  erforderlich  sind.  Die  Beantwortung  dieser 
Frage  wird  von  Magnus  in  der  Art  angestrebt,  dass  er  ähnlich  wie 
dies  fast  um  dieselbe  Zeit  von  dem  Fürsten  zu  Salm-Horstmar 
geschehen  war,  Pflanzen  in  einem  Boden  von  bekannter  Zusammen- 
setzung vegetiren  lässt,  in  welchem  einzelne  von  den  in  allen  Pflanzen 
vorkommenden  Substanzen  gänzlich  fehlen.  E^  wurden  mehrere 
Reihen  von  Versuchen  angestellt.  Zunächst  Versuche  in  ausgeglühter 
Zuckerkohle,  welche  durch  die  Analyse  als  vollkommen  frei  von  allen 
Mineralsubstanzen  erkannt  worden  war.  Aus  dieser  wurde  der  Boden 
für  acht  Vegetationsversuche  mit  Gerste  in  der  Art  bereitet,  dass  für 
den  ersten  Versuch  reine  Kohle,  für  den  zweiten  Kohle  mit  15  p.  C. 
einer  Mischung  von  den  Carbonaten  des  Calciums,  Mangans  und  Mag- 
nesiums, Eisenoxyd,  Calciumsulfat,  Calciumphosphat,  Natrium-  und 
Kaliumchlorid  und  Kaliumsilicat  in  Anwendung  kam.  Für  die  folgen- 
den Versuche  wurde  die  Kohle  mit  einem  ähnlichen  Sal/gemische 
versetzt,  in  der  Weise,  dass  im  dritten  das  Kaliumsilicat,  im  vierten 
das  Natriumchlorid,  im  fünften  das  Calciumphosphat,  im  sechsten  das 
Calciumsulfat,  im  siebenten  das  Mangancarbonat,  im  achten  das  Ka- 
liumchlorid und  -Silicat  wegblieben,  also  beziehungsweise  Kieselsäure, 
Natron,  Phosphorsäure,  Schwefelsäure,  Eisen  und  Kali  fehlten. 
Diese  erste  Versuchsreihe  lieferte  nur  wenig  befriedigende  Ergebnisse, 
da  die  Pflanzen  offenbar  in  Folge  des  Ueberraaasses  an  löslichen 
Salzen,  welche  ihnen  geboten  worden  waren,  zu  keiner  eigentlichen 
Entwickelung  gelangen  konnten.  Selbst  als  die  Versuche  wiederholt 
wurden,  nachdem  die  grössere  Menge  der  löslichen  Salze  durch  Aus- 
waschen entfernt  worden  war,  wollten  die  Pflanzen  zu  einem  erfreu- 
lichen Gedeihen  nicht  gelangen.  Schon  wesentlich  befriedigendere 
Resultate  wurden  erzielt,  als  die  Gerste  theiis  in  reinem  Feldspath, 
theils  in  solchem  vegetirte,  den  man  mit  verminderten  Quantitäten  der 
bezeichneten  Salzgemenge  vermischt  hatte.  Magnus  fasst  die  Ergeb- 
nisse der  Untersuchung  folgendermaassen  zusammen.  1)  Ohne  die  Ge- 
genwart von  mineralischen  Stoffen  erreicht  die  Gerste  nur  eine  Höhe  von 
etwa  5  Zoll  und  stirbt  dann  ab;  2)  bei  Gegenwart  einer  sehr  geringen 
Menge  von  mineralischen  Stoffen  findet  eine  vi»llständige  Entwickelung 
statt;  3)  ist  eine  etwas  grössere  Menge  davon  vorhanden,  so  entwickelt 


•)     üeber  die  Emähruiig  der  Pflanzen.     Annal.   d.  Landw.  XVIII.    1  :  u.  J.   Pr. 
Chem.  L.  6.5.  (1850). 


46 


sich  die  Pflanze  kümmerlich  oder  gar  nicht;  4)  in  reinem  Feldspath  er- 
langt die  Gerste  eine  vollständige  Ausbildung  und  bringt  Samen  her- 
vor; 5)  je  nachdem  der  P^eldspath  als  gröberes  oder  feineres  Pulver 
angewendet  wird,  ist  der  Verlauf  der  Vegetation  verschieden. 

Weiter  theilt  Magnus  lehrreiche  Versuche  über  die  Frage  mit,  ob 
animalische  oder  vegetabilische  Abfälle,  welche  dem  Boden  zugeführt 
werden ,  um  seine  Ertragsfähigkeit  zu  erhöhen,  nur  durch  die  in  ihnen 
enthaltenen  Mineralbestandtheile  wirken,  oder  ob  auch  ihre  organischen 
Bestandtheile  eine  wesentliche  Rolle  dabei  spielen.  Zu  dem  Ende  wur- 
den drei  vergleichende  Versuche  ausgeführt;  bei  dem  einen  vegetirte 
die  Gerste  in  gewöhnlicher  Gartenerde,  bei  dem  zweiten  in  derselben 
Gartenerde,  nachdem  dieselbe  zuvor  durch  Glühen  in  einem  SauerstofF- 
strome  von  jeder  Spur  organischer  Materie  befreit  worden  war,  bei 
dem  dritten  wieder  in  derselben  Gartenerde,  welche  man  aber  im  vorher- 
gehenden Jahre  gut  gedüngt  hatte.  In  allen  drei  Versuchen  erfolgte 
die  Entwicklung  der  Gerstenpflanze  bis  zur  Bildung  körnertragender 
Aehren ,  allein  während  zwischen  den  Ergebnissen  des  ersten  und 
zweiten  Versuchs  kaum  ein  Unterschied  wahrzunehmen  war,  hatte 
sich  die  Pflanze  in  dem  gedüngten  Boden  ungleich  üppiger  und  blatt- 
reicher entfaltet. 

Schliesslich  wird  noch  ein  sehr  schöner  Vegetationsversuch  in  ge- 
sperrter Atmosphäre  beschrieben.  Die  Gerste  vegetirte  in  drei  her- 
metisch schliessenden  Glasglocken,  in  welche  indessen  durch  geeignete 
Vorrichtungen  Luft  und  Wasser  eingeführt  werden  konnten.  Der  Boden 
in  der  ersten  Glocke  war  gewöhnliche  ungedüngte  Gartenerde,  die 
zweite  Glocke  enthielt  dieselbe,  aber  in  Sauerstoff  geglühte  Garten- 
erde, in  der  dritten  endlich  befand  sich  neben  der  geglühten  Garten- 
erde, aber  getrennt  davon  in  einem  besonderen  Gefässe,  eine  Quan- 
tität gedüngter  Gartenerde.  Innerhalb  der  ersten  vierzehn  Tage  war 
kein  Unterschied  in  der  Entwickelung  der  Pflanzen  wahrzunehmen. 
Von  dieser  Zeit  aber  zeichneten  sich  die  unter  der  ersten  Glocke  vor 
denjenigen  unter  den  beiden  anderen,  bei  welchen  die  Gartenerde 
fehlte,  sehr  auffallend  aus.  Nach  etwa  drei  Wochen  war  die  Vegeta- 
tion in  den  beiden  letzteren  beendet,  die  Pflanzen  hatten  eine  Höhe 
zwischen  7  und  11  Zoll,  einzelne  sogar  bis  17  Zoll  erreicht  und  das 
dritte  oder  vierte  Blatt  entwickelt,  wurden  aber  zuletzt  weiss  und 
welk.  Dagegen  fuhren  die  unter  der  dritten  Glocke  befindlichen 
Pflanzen,  welche  ihnen,  wie  gesagt,  um  diese  Zeit  nur  wenig  voraus 
waren,  fort,  sich  zu  entwickeln.  Nach  etwa  acht  Wochen  fingen  feie 
an,  Aehren  anzusetzen ,  deren  Körnerzahl  zwischen  zwei  und  acht 
schwankte;  sie  hatten  dabei  eine  Höhe  von  24  bis  28  Zoll  erreicht, 
so  dass  sie  sich  in  ihrer  Glocke  bedeutend  krümmen  mussten;  auch 
hatten  sie  mehrere  Schösslinge  getrieben.  Ueberhaupt  gelangten  sie 
zu  einem  viel  kräftigeren  Ansehen,  als  die  in  derselben  Erde  gezogenen 


■17 


Pflanzen,  welche  sich  unbedeckt  entwickelt  hatten,  während  die  unter 
den  Glocken  ohne  Gartenerde  erhaltenen  weit  hinter  jenen  zurückge- 
blieben waren.  Nur  die  Körner  hatten  sich  nicht  aasgebildet,  sondern 
waren  sämmtlich  taub. 

Es  geht  aus  diesen  Versuchen  hervor,  dass  der  Dünger  eine 
Wirkung  ausübt,  auch  wenn  er  gar  nicht  mit  dem  Boden  in  Berührung 
ist.  Er  wirkt  daher  nicht  allein,  indem  er  dem  Boden  gewisse  mine- 
ralische Stofte  zufuhrt,  sondern  seine  organischen  Bestandtheile  tragen 
auch,  und  zwar  nicht  unwesentlich,  zur  Beförderung  der  Vegetation  bei. 

Die  hier  beschriebenen  Versuche  scheinen  die  letzten  gewesen  zu 
»ein,  welche  Magnus  auf  dem  Gebiete  der  Agriculturchemie  ange- 
stellt hat.  Es  war  gerade  um  diese  Zeit  (1852),  dass  er  in  ganz  neue 
Bahnen  einlenkte,  auf  denen,  wie  bei  der  Arbeit  über  die  Abweichung 
der  Geschosse  und  der  Construction  des  Polytrops,  seine  ganze  Ar- 
beitskraft in  Anspruch  genommen  wurde. 

Noch  haben  wir,  um  das  Bild  der  chemischen  Thätigkeit  unseres 
Freundes  zu  vervollständigen,  einiger  chemisch-technologischer 
Arbeiten  desselben  zu  gedenken.  Wenn  man  sich  erinnert,  dass  Magnus 
beinahe  vierzig  Jahre  lang  Technologie  vorgetragen  hat,  so  könnte  es 
auf  den  ersten  Blick  auffallend  erscheinen,  dass  sich  seine  Untersuchun- 
gen so  selten  eigentlich  technologischen  Aufgaben  zulenken.  Bei  näherer 
Erwägung  aber  verschwindet  das  Befremdliche  dieser  Abneigung  gegen 
das  rein  technische,  sie  erscheint  vielmehr  als  die  natürliche  Folge 
der  wahrhaft  wissenschaftlichen  Auffassungen,  denen  er  auch  in  seinen 
technologischen  Vorlesungen  niemals  untreu  ward.  Eine  industrielle 
Operation,  wie  grossartig  immer  die  mit  ihrer  Hülfe  erzielten  Er- 
gebnisse, hat  für  Magnus  kein  Interesse,  wenn  ihr  nicht  ein 
fassbares,  wissenschaftliches  Princip  zu  Grunde  liegt.  "Wenn  er  tech- 
nologische Versuche  anstellt,  so  ist  es  in  der  Regel  nur  das  Princip, 
welches  illustrirt  werden  soll. 

So  sehen  wir  ihn  denn  z.B.  den  merkwürdigen,  von  Peregrine 
Phillips  d.J.,  einem  Essigfabrikanten  in  Bristol,  gemachten  Vorschlag, 
ein  Gemenge  von  schwefliger  Säure  und  Sauerstoff  durch  Berührung 
mit  Platin  direct  in  Schwefelsäure  überzuführen,  alsbald  mit  Eifer 
einer  experimentalen  Prüfung  unterziehen*).  Seine  Versuche  bestätigen 
die  Beobachtung  Phillips',  deren  wissenschaftlicher  Werth  durch  den 
Umstand,  dass  sie  bis  jetzt  practisch  nicht  verwerthbar  gewesen  ist, 
nicht  verringert  wird.  Magnus  stellt  den  Versuch  so  an,  dass  er 
Platinschwamm  in  einer  gekrümmten  Röhre  erhitzt,  in  welche  man  das 
Gemenge  von  schwefliger  SSure  und  Sauerstoff  hat  eintreten    lassen. 


*)  Ueber  die  Fabrikation  der  englischen  SchwefeU&nre  ohne  Salpeter.      Pogg. 
Ann.  XXIV.  610.  (1832). 


48 


Auch  der  schöne  Vorlesungversnch ,  in  welchem  ein  Genienge  von 
SauorstofiF  und  schwefliger  Säure,  beide  im  trockenen  Zustande, 
durch  eine  schwachglühende,  Platinschwamm  enthaltende  Röhre  ge- 
leitet wird,  ist  in  dieser  Form  zuerst  von  Magnus  ausgeführt  worden. 

Dass  sich  Magnus  übrigens  auch  gelegentlich  mit  grossem  Eifer 
rein  practischen  Fragen  widmen  konnte,  erhellt  zur  Genüge  aus  seiner 
unermüdlichen  Betheiligung  an  den  Arbeiten  der  sogenannten  Patina- 
Commission,  welche  sich  auf  Veranlassung  des  hiesigen  Vereins  zur 
Beförderung  des  Gewerbfleisses  in  Preussen  unter  dem  Vorsitze  von  Dr. 
L.  Kunheim  seit  einigen  Jahren  mit  der  Aufgabe  beschäftigt,  unsere 
Broncemonumente  gegen  den  zerstörenden  Einfluss  der  Witterung  zu 
schützen. 

Magnus,  von  dem  der  Vorschlag  zur  Bildung  dieser  Commission 
ursprünglich  ausgegangen  war,  hat  selbst  nicht  lange  vor  seinem  Tode 
ein  kurzes  Referat*)  über  die  Wirksamkeit  derselben  veröffentlicht. 
Wir  können  nicht  besser  thun,  als  seine  eigenen  Worte  an  dieser  Stelle 
folgen  zu  lassen. 

„In  fast  allen  grossen  Städten,  besonders  in  solchen,  wo  Kohle  als 
Brennmaterial  dient,  hat  man  die  Erfahrung  gemacht,  dass  auf  öffent- 
lichen Plätzen  aufgestellte  Broncen,  statt  sich  mit  einer  Patina  zu  be- 
kleiden, ein  schmutziges,  dunkles,  dem  des  Gusseisens  ähnliches  Ansehn 
erhalten.  Der  Wunsch,  diesem  Uebelstande  zu  begegnen,  hat  zur 
Anstellung  einer  Reihe  vergleichender  Versuche  Veranlassung  gegeben, 
um  womöglich  eine  Abhülfe  zu  finden. 

Zunächst  hat  man  die  Frage  zu  beantworten  gesucht,  ob  eine 
bestimmte  Zusammensetzung  der  Bronce  die  Annahme  einer  schönen 
Patina  bedinge.  Zu  dem  Ende  sind  von  zehn,  durch  besonders  schöne 
Patina  ausgezeichneten  Broncen,  die  sich  an  verschiedenen  Orten  be- 
finden, kleine  Proben  entnommen  und  analysirt  worden.  Jede  dieser 
Proben  wurde  getheilt  und  zwei  verschiedenen,  anerkannten  Chemikern 
zur  Analyse  übergeben.  Die  Ergebnisse  derselben  sind  in  den  Ver- 
handlungen des  Vereins  für  das  Jahr  1864  veröff"entlicht.**)  Sie  haben 
gezeigt,  dass  die  untersuchten  Broncen  von  sehr  verschiedener  Zu- 
sammensetzung sind.  Der  Kupfergehalt  schwankt  in  ihnen  von  77 
bis  zu  94  Proc.  Die  Menge  des  Zinns  steigt  in  einer  derselben  bis 
zu  9  Proc,  in  andern  beträgt  sie  nur  4  Proc.  und  einzelne  enthalten 
nicht  mehr  als  0,8  Proc.  Zinn;  dagegen  bis  zu  19  Proc.  Zink.  Eben- 
so schwanken  die  andern    zufälligen  Beimischungen,   wie  Blei,   Eisen, 


•)  Ueber  die  Erlangung  einer  schönen   Patina  auf  Broncen  in  grossen  Städten. 
Pogg.  Ann.  CXXXVI.  480.  (1869). 

•*)  lieber  den  Einfiuss  der  Zusatnmcnsetzung  der  Bronzen  auf  die  Erlangnng 
einer  schönen  grünen  Patina.  Von  G.  Magnus.  Verh.  d.  Ver.  z.  Betbrd.  d.  Ge- 
werbfleisses i.  Preussen.      1864.   27. 


49 


Nickel.  Bei  der  verschiedensten  Zusammensetzung  besitzen  diese 
Broncen  sämmtlich  eine  sehr  schöne,  grüne  Patina.  Es  wäre  möglich, 
dass  die  Zusammensetzung  einen  Einfluss  auf  die  Zeit  übt,  innerhalb 
welcher  die  Broncen,  unter  übrigens  gleichen  Umständen,  sich  mit 
der  Patina  bekleiden;  dass  aber  bei  der  verschiedensten  Zusammen- 
setzung die  Annahme  der  Patina  erfolgen  kann,  darüber  lassen  die 
erwähnten   Analysen  keinen  Zweifel. 

Um  andere  Einflüsse  bei  der  Annahme  der  Patina  kennen  zu 
lernen,  wurde  eine  Anzahl  von  Büsten  aus  Bronce  an  einer  Stelle  in 
der  Stadt  aufgestellt,  wo  besonders  ungünstige  Exhalationen  statt- 
finden, und  wo  verschiedene,  ganz  in  der  Nähe  befindliche  Bronce- 
Stataen,  ohne  eine  Spur  von  Patina  anzusetzen,  das  oben  erwähnte 
unangenehme,  schwarze  Aeussere  angenommen  haben. 

Durch  die  Beobachtung,  dass  an  mehreren  öffentlichen  Denkmälern 
die  dem  Publicum  zugänglichen  Stellen ,  welche  vielfach  mit  den 
Händen  befasst  werden,  eine,  wenn  auch  nicht  grüne,  doch  sonst 
sehr  schöne  Patina  angenommen  haben ,  während  alle  übrigen  Stel- 
len schwarz  und  unansehnlich  sind,  kam  die  mit  der  Untersuchung 
beauftragte  Commission  auf  die  Vermuthung,  dass  möglicher  Weise 
das  Fett  die  Bildung  einer  Patina  veranlassen  könne.  Es  wurde 
deshalb  eine  der  aufgestellten  Büsten  jeden  Tag,  mit  Ausnahme  der 
Regentage,  mit  Wasser  abgespritzt,  um  sie  rein  zu  erhalten,  und 
ausserdem  jeden  Monat  einmal  mit  Knochenöl  in  der  Weise  behan- 
delt, dass  das  mit  einem  Pinsel  aufgebrachte  Oel  sogleich  mittelst 
wollener  Lappen  wieder  abgerieben  wurde.  Eine  zweite  Büste  wurde 
ebenfalls  täglich  mit  Wasser  gereinigt,  erhielt  aber  kein  Oel.  Bei  einer 
dritten,  ebenfalls  täglich  mit  Wasser  gereinigten,  wurde  die  Behandlung 
mit  Oel  nur  zweimal  des  Jahres  vorgenommen.  Die  vierte  blieb  zum 
Vergleich   ungereinigt  und   überhaupt  ganz  unberührt. 

Die  erste  und  die  zuletzt  genannte  Büste  sind  seit  1864  aufgestellt 
und  auf  die  angegebene  Weise  behandelt  worden,  die  dritte  und  vierte 
seit  Anfang  18*>6.  Es  hat  sich  an  ihnen  die  erwähnte  Voraussicht  von 
der  Wirkung  des  Fetts  auf  das  unzweifelhafteste  bestätigt. 

Die  monatlich  mit  Oel  behandelte  hat  eine  dunkelgrüne  Patina 
angenommen,  die  von  allen  Kunstverständigen  für  sehr  .schön  erklärt 
wird.  Die  nur  zweimal  im  Jahr  mit  Oel  abgeriebene  hat  ein 
weniger  günstiges  Ansehen,  und  die  nur  mit  Wasser  gereinigte  hat 
nichts  von  der  schönen  Beschaffenheit,  welche  die  Broncen  durch  An- 
setzen der  Patina  erhalten.  Die  gar  nicht  gereinigte  ist  ganz  unan- 
sehnlich, stumpf  und  schwarz. 

Man  kann  hiernach  als  sicher  ansehen,  dass  wenn  man  eine 
öffentlich  aufgestellte  Bronce  monatlich,  nachdem  sie  gereinigt  worden, 
mit  Oel  abreibt,  sie  eine  schöne  Patina  annehmen  wird. 

In  wie  weit   dieses  Abreiben,    das  bei  grösseren  Monumenten  so 


50 


häufig  schwer  auszuführen  ist,  sich  wird  beschränken  lassen,  darüber 
sollen  fortgesetzte  Versuche  entscheiden,  die  durch  die  Büste,  welche 
nur  zwei  Mal  jährlich  mit  Oel  behandelt  wird,  bereits  eingeleitet  sind. 
Ausserdem  hat  der  Verein  noch  zwei  neue,  durch  ch«?mische  Mittel 
künstlich  patinirte  Rroncen  aufstellen  lassen,  um  zu  erfahren,  wie 
diese  sich  bei  ähnlicher  Behandlung  bewähren. 

In  welcher  Weise  das  Oel  bei  Bildung  der  Patina  wirkt,  ist  nicht  mit 
Sicherheit  anzugeben.  So  viel  haben  die  Versuche  gezeigt,  dass  jeder 
Ueberschuss  an  Oel  zu  vermeiden  ist,  und  dass  man  das  aufgebrachte 
sogleich  mit  einem  Lappen  so  weit  als  möglich  wieder  entfernen  muss. 
Bleibt  überschüssiges  Oel  zurück,  so  setzt  sich  darin  Staub  fest  und 
die  Bronce  erhält  ein  schlechtes  Aussehen.  Dass  die  zurückbleibende 
geringe  Menge  von  Oel  eine  chemische  Verbindung  mit  der  Oxyd- 
schicht der  Bronce  eingehe  ist  nicht  anzunehmen,  besonders  da  sich 
Knochenöl  so  gut  wie  Olivenöl  bei  diesen  Versuchen  bewährt  hat. 
Wahrscheinlich  wirkt  die  dünne  Schicht  des  Oels  nur  dadurch,  dass 
sie  das  Anhaften  von  Feuchtigkeit  hindert,  durch  die  sich  leicht  Staub 
befestigt,  der  Gase  und  Dämpfe  absorbirt,  und  in  dem  häufig  Vege- 
tationen sich  bilden.  Allein  in  welcher  Weise  es  auch  wirken  mag, 
soviel  haben  die  erwähnten  Versuche  ergeben,  dass  das  Fett  wesent- 
lich die  Bildung  der  Patina  befördert. 

Voraussichtlich  wird  es  sich  auch  noch  in  anderer  Beziehung  be- 
währen. Man  hat  nämlich  die  wenig  erfreuliche  Beobachtung  gemacht, 
dass  mit  einer  schönen  Patina  bedeckte  Broncen  an  den  Stellen,  wo 
sich  Wasserläufo  auf  ihnen  bilden,  eine  weisse,  undurchsichtige,  kreide- 
artige Oberfläche  annehmen,  die  im  Laufe  der  Zeit  mehr  und  mehr 
durch  dass  Wasser  fortgespült  wird.  Eine  richtige  Behandlung  mit 
Oel  wird  ohne  Zweifel  gegen  die  Bildung  dieser  kreideartigen  Stellen 
schützen,  doch  können  darüber  nur  lang  fortgesetzte  Versuche  ent- 
scheiden. 

Jedenfalls  berechtigt  die  Anwendung  des  Oels  zu  der  Hoffnung, 
dass  man  auch  fortan  in  grösseren  Städten  wird  schön  patinirte  öf- 
fentliche Broncedenkmäler  erlangen  können.  Sie  werden  da,  wo 
Kohle  das  ausschliessliche  Brennmaterial  bildet,  nicht  hellgrün,  sondern 
dunkel,  vielleicht  sogar  schwarz  erscheinen,  allein  sie  werden  die 
übrigen  schönen  Eigenschaften  der  Patina,  die  eigenthutnlich  durch- 
scheinende Beschaffenheit  der  Oberfläche,  besitzen." 


Ich  habe  mich  bestrebt,  Ihnen  die  zahlreichen  Forschungen  vor- 
zuführen, weiche  wir  Gustav  Magnus  auf  den  verschiedenen  Ge- 
bieten der  Chemie  verdanken,  in  kurzgedrängter  Fassung,  aber  doch 
eingehend  genug,  um,  so  hoffe  ich  wenigstens,  den  Ansprüchen  dieser 
chemischen  Versammlung  zu  genügen.  Ich  könnte  hier  abbrechen 
und  es  der  Sorge  eines  Andern  überlassen,  in  ähnlicher  Weise  über 
die  physikalischen  Forschungen  zu  berichten.  Allein  ich  fühle, 
das  Bild  meines  Freundes,  welches  aus  so  einseitiger  Schilderung  Ihrem 
Gedächtnisse  sich  einprägen  konnte,  würde  seines  edelsten  Schmuckes 
entbehren,  wenn  ich  es  nicht  wenigstens  versuchte,  auch  die  physika- 
lischen Arbeiten,  wenn  auch  nur  ihren  Hauptzügen  nach,  in  den 
Rahmen  hineinzudrängen.  Gehören  ja  doch  seine  schönsten  und 
wichtigsten  Errungenschaften  dem  Gebiete  der  Physik  an  und  sind 
überdiess  fast  alle  diese  Forschungen  gerade  auch  für  den  Chemiker 
von  der  höchsten  Bedeutung.  Wohl  ist  es  keine  leichte  Aufgabe,  die  hier 
vorliegt,  wenn  man  bedenkt,  nach  wie  vielen  Richtungen  hin  Magnus, 
wie  auf  dem  Gebiete  der  Chemie,  so  der  Physik,  thätig  gewesen  ist,  da 
er  nacheinander  über  Molecularerscheinungen,  in  verschiedenen  Zweigen 
der  Mechanik,  in  dem  Magnetismus,  in  der  Elektricität  und  sogar  in 
der  Optik  gearbeitet  hat,  ehe  sich  seine  Kraft  fast  ausschliesslich 
der  Wärmelehre  znlenkte,  in  der  er  das  Höchste  geleistet  hat. 

Die  ersten  physikalischen,  oder  ich  sollte  eigentlich  sagen,  che- 
misch-physikalischen Beobachtungen  —  denn  sie  betreffen  Erscheinun- 
gen, denen  Chemiker  und  Physiker  ein  gleiches  Interesse  schenken  — 
hat  Magnus  schon  im  Jahre  1828  angestellt*).  Sie  knüpfen  sich  an 
die  Wahrnehmung  Döbereiner's,  welche  damals  grosses  Aufsehen 
erregte,  dass  sich  in  einem  gesprungenen  Cylinder,  der  mit  Wasser- 
stoff gefüllt  ist,  der  Spiegel  der  Sperrflüssigkeit  langsam  Ober  das 
Niveau  des  Wassers  in  der  Wanne  emporhebt.  Man  hatte  geglaubt, 
das  Entweichen  des  Wasserstoffs  durch  den  Sprung  als  eine  Capillar- 
erscheinung  auffassen  zu  müssen.  Magnus  zeigt,  dass  die  Capillarität 
nichts  mit  der  Erscheinung  zu  thun  habe  und  spricht  die  bestimmte 
Ansicht  aus,  dass  das  Entweichen  des  Wasserstoffs  vielmehr  einem 
Verdunstungsprocesse  zu  vergleichen  sei,  welche  Auffassung  er  durch 
Versuche  zu  beweisen  sucht.  Aber  hiermit  hat  auch  die  Frage  das 
lnteres.se  für  ihn  verloren  und  mit  Erstaunen  sehen  wir,  wie  er  den 
Fuss  von  der  Schwelle  einer  grossen  Entdeckung  zurückzieht.  Wie 
konnte  er  es  unterlassen,  so  fragen  wir  heute,  das  rückständige  Gas 
in  dem  Cylinder  zu  untersuchen,  dessen  Prüfung  ihm  alsbald  den 
Schlüssel  der  Erscheinung  in  die  Hand  gegeben  hätte?  Aber  die  Ent- 
deckungen, wie  die  Früchte,  bedürfen  der  Zeit  zu  ihrer  Reife,  und 
erst  fast    eine  Dekade   später  war  es   Thomas  Graham    vergönnt, 


*)  Ueber  einige  Erscheinangen  der  Capillarit&t.     Pogg.  Ann.  X.   153.  (1827). 


52 


den  Schleier  von  jenen  wunderbaren  Phänomenen  hinwegzuziehen, 
welche  sich  in  dem  Dö  be  rein  er'schen  Versuche  in  ihrer  einfach- 
sten Form  der  Forschung  bieten. 

Magnus  selbst  ist  später  nur  ganz  vorübergehend  noch  einmal 
auf  verwandte  Fragen  zurückgekommen.  Von  der  Vorstellung  aus- 
gehend, dafs  verschiedenartige  Stoffe,  je  nach  der  Feinheit  ihrer  klein- 
sten Theilchen,  eine  ungleiche  Fähigkeit  besitzen  könnten,  durch  sehr 
dünne  Oeffnungen  zu  dringen,  dass  z.  B.  Oeffnungen,  welche  Wasser- 
stoffgas noch  leicht  durchlassen,  für  Sauerstoffgas  undurchdringlich 
sein  möchten,  beschäftigt  er  sich  mit  der  Verdunstung  des  Wassers 
aus  Capillarröhren  im  schwefelsäuretrocknen  Vacuum*).  Er  vergleicht 
die  Verdunstung  des  Wassers  aus  engeren  und  weiteren  Röhren,  in- 
dem er  es  für  möglich  hält,  dass  die  Wassermolecule  aus  den  weiteren 
Röhren  leichter  entweichen,  als  aus  den  engeren.  Der  Versuch  zeigt  in- 
dessen gerade  das  Gegentheil,  zweifelsohne  weil  enge  Röhren  dem 
Verdunstungsprocesse  eine  verhältnifsmäfsig  gröfsere  Oberfläche  bieten. 

Die  eben  genannten  beiden  kleinen  Aufsätze  sind  die  ältesten 
physikalischen  Studien  unseres  Freundes.  Es  würde  sich  aber  nicht 
empfehlen,  auch  für  die  Betrachtung  seiner  grösseren  physikalischen 
Arbeiten  die  Ordnung  der  Zeitfolge  beizubehalten.  Die  Schilderung 
wird  an  Durchsichtigkeit  gewinnen,  wenn  wir,  wie  bei  dem  Rück- 
blick auf  seine  chemischen  Leistungen,  die  gleichartigen  Unter- 
suchungen zusammenfassen,  obwohl  sie  hier  zum  Oefteren  erst  nach  Jah- 
ren wieder  aufgenommen  und  wiedererst  nach  Jahren  vollendet  werden. 

Werfen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  seine  Thätigkeit  in  dem 
Gebiete  der  Mechanik. 

Die  Fortschritte  der  Hydrodynamik  hatte  Magnus  schon  früh- 
zeitig, jedenfalls  schon  während  seines  ersten  Aufenthaltes  in  Paris 
(1829),  wo  er  zu  Felix  Savart  in  nähere  Beziehung  getreten  war, 
mit  dem  lebhaftesten  Interesse  verfolgt.  Seine  eigenen  Arbeiten**)  in 
diesem  Felde  gehören  indessen  erst  einer  viel  späteren  Zeit  an. 

Zweck  dieser  Arbeiten  ist  die  Klärung  der  noch  immer  mangel- 
haften theoretischen  Anschauungen  über  die  Bewegungserscheinungin 
der  Flüssigkeiten.  Zunächst  sind  es  die  Apparate,  welche  Magnus 
mit  der  ihm  für  die  Lösung  solcher  Aufgaben  eigenthümlichen  Be- 
gabung, vereinfacht.  Diese  verbesserten  Hülfsmittel,  mit  deren 
Besitz  die  Anstellung  hydraulischer  Versuche  wesentlich  erleichtert 
wird,  gestatten  ihm  alsbald,  eine  grosse  Reihe  neuer  und  interessanter 
Erscheinungen  zu  beobachten,    welche   das  dem  Theoretiker  zur  Ver- 


*)  Ueber  die  Verdunstung  von  Flüssigkeiten    aus  Haarröhrchen.      Pogg.  Ann. 
XXVI.  463  (1832). 

**)  Ueber    die    Bewegung    der  Flüssigkeiten.       Pogg.  Ann.    LXXX.   1.  (1860). 
Heber  die  Form  des  flüssigen  Strahls.     Berl.  Der.   1856,   117. 

Hydraulische  Untersuchungen.     Pogg.  Ann.  XCV.   1.  (1866);  CVI.    1.   (1859). 


fügiiiig  stehende  Erfahrungsmaterial,  zumal  nach  der  schon  von  Savart 
angebahnten  Richtung  hin,  in  niannichfultiger  Weise  erweitern. 

Eine  grosse  Anzahl  der  von  Magnus  ausgeführten  Versuche  be- 
trifft die  bekannte,  auffallende  Erscheinung,  dass  der  flüssige  Strahl, 
wenn  er  sich  durch  andere  flüssige  Mittel,  ob  tropfbar,  ob  gasförmig, 
bewegt,  diese  Mittel  in  seine  Bewegung  mit  hineinzieht. 

Der  Strahl,    indem  er   die  vor  ihm  liegende  Masse  stösst  und  in 
Bewegung  setzt,  dabei  aber  selbst  von  seiner  Bewegung  verliert,  breitet 
ich,  während  seines  Fortschreitens  mehr  und  mehr  aus,  weil  bei  ver- 
miii-it'ter  Geschwindigkeit  die  bewegte  Masse   zunimmt.     Durch  einen 
^•■gthenen  Querschnitt  desselben   muss  also  mehr  Wasser  fliessen,  als 
'US  dem  nachfolgenden  unmittelbar  zuströmen  kann;  es  entsteht  in  ge- 
rn Sinne  ein    verdünnter  Raum    und    der    nach    aussen  gerichtete 
'.   der  Flüssigkeit  vermindert  sich  im  Strahle  während  seiner  Be- 
wegung; ein  Ueberdruck  von  Aussen  nach  Innen  macht  sich  geltend, 
welcher  das  seitlich  gelegene  Wasser  in  den  Strahl  hineintreibt. 

Mit    Hülfe  dieser  einfachen   Vorstellung   erklärt    Magnus    in    be- 
ledigender Weise   eine   Reihe    hierhergehöriger   Vorgänge,    nachdem 
r   sich    vorher   durch    zahlreiche    und    vielfach   abgeänderte    Versuche 
Uerzeugt  hatte,  dass  sich  der  flüssige  Strahl  bei  der  Bewegung  durch 
Flüssigkeiten  in  der  That  unter  allen  Umständen  nach  vorne  ausbreitet. 
Auch    das   Plätschern    des  Wassers    und    die  Wassertrommel,    welche 
[)äter   beziehung-weise   von   Tyndall    und   von  Baff  in  eingehender 
A  eise    studirt    worden    sind,    hat    Magnus    im    Laufe   dieser   ünter- 
-iichungen    in    den    Kreis    der   Betrachtung   gezogen.       Die  wichtigste 
Verwerthung  hat  der  von  ihm  aufgestellte  Satz  jedoch  in  einer  anderen 
Reihe  von  Untersuchungen   gefunden,    in    sofern    er   mit   seiner  Hülfe 
die  Abweichung  der  Wurfgeschosse  aus  ihrer  Bahn  erklärt   hat. 

In  der  zweiten  Abhandlung  theilt  Magnus  seine  Erfahrungen 
über  die  Wirkung  mit,  welche  zwei  flüssige  Strahlen  auf  einander 
ausüben,  und  bespricht  bei  dieser  Gelegenheit  mannichfaltige.  oft  sehr 
•igenthümliche  Gebilde,  welche  .das  Wasser  zweier  aufeinander- 
-tossender  Strahlen  hervorbringen  kann.  Auch  hier  ist  es  wieder  die 
I>eseitigung  experimentaler  Schwierigkeiten,  welche  er  mit  gewohntem 
Erfolge  anstrebt.  Es  handelt  sich  darum,  zwei  Strahlen  von  genau 
gleicher  Geschwindigkeit  zu  erhalten.  Zu  dem  Ende  wird  der  Wasser- 
fhälter  mit  einem  weiten  Ansatzrohre  versehen,  welches  sich  möglichst 
ahe  beim  Austritt  in  zwei  etwas  engere  Schläuche  von  gleicher 
Länge  verzweigt.  Letztere  tragen  Messingfassungen,  in  welche  Mund- 
stücke von   verlangter  Beschaffenheit  eingeschraubt  werden. 

Auf  das  Verhalten  zusammenstossender  Strahlen  sucht  nun 
Magnus  die  Gestaltungen  zurückzuführen,  welche  der  aasfliessende 
Strahl  je  nach  der  Form  der  Ausflussöffnung  annimmt.  Die  ausge- 
dehnten Versuchsreihen,    die    er    im   Sinne    dieser  Auffassungen   ang»-- 


54 


stellt  und  auf  das  Genaueste  beschrieben  hat,  sind  ein  bleibender 
Erwerb  der  Wissenschaft,  wenn  auch  die  von  ihm  gegebene  Erklärung 
der  beobachteten  Erscheinungen  nicht  von  allen  Physikern  mit  gleichem 
Beifall  aufgenommen  worden  ist. 

In  seiner  letzten  hydraulischen  Arbeit  beschäftigt  sich  Magnus 
mit  den  eigenthümlichen  Anschwellungen,  welche  an  Flussigkeitsstrah- 
len ,  wenn  sie  aus  kreisrunder  Oeffnung  austreten,  in  Folge  von  Er- 
schütterungen und  selbst  schon  unter  dem  Einflüsse  lang  anhaltender 
Töne  zum  Vorschein  kommen.  Savart,  welcher  diese  Erscheinungen 
zuerst  einer  eingehenden  Prüfung  unterwarf,  hat  dieselben  von  einerdurch 
die  Erschütterung  beschleunigten  Auflösung  des  zusammenhängenden 
Theils  des  Strahls  in  Tropfen  abhängig  zu  machen  gesucht.  Zu  der- 
selben Erklärung  führen  auch  die  Versuche  von  Magnus.  Eine  grosse 
Schwierigkeit  bietet  bei  derartigen  Untersuchungen  die  scharfe  Beob- 
achtung des  Strahls  in  seinen  Einzelheiten.  Keines  der  bereits  ange- 
wendeten Hülfsmittel,  welche  nach  einander  mit  grosser  Sorgfalt  ge- 
prüft werden,  führt  ihn  zu  befriedigenden  Ergebnissen.  Ein  glück- 
licher Griff  räumt  alle  Hindernisse  aus  dem  Wege.  In  einer  um  ihre 
Axe  drehbaren  Scheibe  ist  in  der  Richtung  des  Radius  ein  einziger 
Querschnitt  von  nicht  mehr  als  1  '°"'  Breite  angebracht.  Diese  Scheibe 
stellt  Magnus  in  geringer  Entfernung  von  dem  zu  beobachtenden 
Strahl  auf  und  lässt  sie  mit  solcher  Geschwindigkeit  rotiren,  dass 
er,  durch  die  Spalte  blickend,  den  Strahl  fortwährend  zu  sehen  glaubt, 
obwohl  das  Licht  immer  nur  nach  Vollendung  je  einer  Umdrehung 
ins  Auge  gelangen  kann.  Findet  die  Beobachtung  statt,  während 
sich  die  Spalte  von  unten  nach  oben,  d.  h.  also  der  Richtung  des  senk- 
recht niederfliessenden  Strahls  entgegen  bewegt,  so  erscheinen  die  be- 
trachteten Wassermassen  scharf  und  unverzerrt  in  ihrer  augenblick- 
lichen Gestalt.  Als  Mittel,  während  längerer  Zeit  einen  schwachen  Ton 
zu  erhalten,  d.  h.  in  regelmässiger  Folge  eine  Reihe  von  leichten  Er- 
schütterungen zu  bewirken,  dient  ihm  bei  diesen  Versuchen  der 
bekannte  Neef'sche  Hammer,  der  mit  dem  Behälter,  aus  dem  das 
Wasser  ausfliesst,  in  Verbindung  stehend,  den  Strahl  selbst  in  eine 
kaum  merkbar  zitternde  Bewegung  versetzt. 

Mit  den  hydraulischen  Arbeiten,  welche,  da  sie  dem  Chemiker 
ferner  liegen,  hier  nur  flüchtig  skizzirt  werden  konnten,  in  enger 
Beziehung  steht  die  zu  Anfang  der  fünfziger  Jahre  von  Magnus 
ausgeführte  Untersuchung  über  die  Abweichung  der  Geschosse, 
welche  sich  ebensosehr  durch  die  Eleganz  der  Versuche,  als  durch 
den  Scharfsinn  der  an  die  Versuche  anknüpfenden  theoretischen  Er- 
örterungen auszeichnet.  Diese  grosse  Arbeit  erschien  zuerst  in  den 
Denkschriften   der   Berliner  Akademie  und   dann  in  Poggendorff 's 


ÜÜ 

Annaleu*).     Bei  dem  grossen  Interesse,    welches  die  allgemeine  Ein- 

ihrung  gezogener  Geschütze  der  behandelten  Frage  zuwendete,  waren 

ie  Extraabdrücke,    welche    von    der   in   den    Denkschriften    veröffent- 

chten  Abhandlung  in  den  Handel  gekommen  waren,  schnell  vergriffen, 

lind  Magnus   hat   daher   später   noch   eine  besondere   vermehrte  und 

verbesserte  Ausgabe   veranstaltet**). 

Versuchen  wir,  wenn  auch  nur  in  dürftigstem  Umrisse,  ein  Bild 
dieser  wichtigen  Forschung  zu  gewinnen. 

Bewegte   Luft    erfährt    bekanntlich    durch  jeden    Widerstand,    der 

:ih   ihrer  Richtung  entgegenstellt,    eine  Verdichtung,    also  auch  eine 

vermehrte  Spannung,  die  dann  ihrerseits  wieder  Druck  und  Bewegung 

erzeugen  kann;  so  der  Luftstrom,  welcher  auf  das  Segel  oder  auf  den 

Flügel  der  Windmühle  auftrift't. 

Ein  solcher  Widerstand  wird  auch  durch  eine  ruhende  Luftmasse 
veranlasst,  wenn  sie  einem  Luftstrome,  d.  h.  einer  bewegten  Luftmasse, 
gegenübersteht.  Ruhende  sowohl  als  bewegte  Luft  nehmen  bei  diesem 
Zusammentreffen  eine  grössere  Dichtigkeit  an  und  können  auf  solche 
Weise  Quelle  der  Bewegung,  sowohl  für  umgebende  Luftmasseu,  als 
auch  für  starre,  in  diese  Luftmassen  eingetauchte  Körper  werden. 

Umgekehrt  vermindert  sich  die  Dichtigkeit  gespannter  Luft,  so- 
bald sie  in  Bewegung  gesetzt  wird,  und  gleichzeitig  verringert  sich 
auch  der  Druck,  den  sie  ringsum  auf  ihre  Umgebung  ausübt. 

Handelt  es  sich  um  das  Studium  der  Beziehungen  zwischen  einem 

:arren  Körper  und  der  auf  ihn  einwirkenden  Luft,    so  braucht  kaum 

..emerkt   zu   werden,    dass  die  Erscheinungen  ganz  dieselben  bleiben, 

ob   der  Luftstrom  an   dem    Körper    vorüberziehe  oder   ob  der  Körper 

«ich  mit  gleicher  Geschwindigkeit  durch  die  Luft  bewege. 

In  beiden  Fällen  wird  stets  eine  dünne,  den  starren  Körper  um- 
[)ülende  Lufthülle  an  seiner  scheinbaren  oder  wirklichen  Bewegung 
i  heil  nehmen,  und  es  ist  einleuchtend,  dafs  diejenigen  Lufttheile,  welche 
der  Körper  vor  sich  herschiebt,  sich  verdichten  und  daher  gegen  ihn 
drücken  müssen,  während  diejenigen,  welche  er  mit  sich  zieht,  seit- 
wärts und  rückwärts  einen  verdünnten  Raum  lassen,  mithin  eine  Ver- 
minderung des  allgemeinen  Luftdrucks  nach  diesen  Richtungen  be- 
dingen werden. 

Diese  Grundsätze,  obwohl  wesentlich  in  dem  Boden  der  Erfahrung 
wurzelnd,  lassen  sich  gleichwohl  nur  schwierig  zur  unmittelbaren  An- 
schauung bringen;  sind  sie  ja  selbst  der  Rechnung  bis  jetzt  nur  unvoll- 
kommen zugänglich  gewesen.  Indem  Magnus  das  Studium  dieser 
Fragen  aufnimmt,  zeigt  sich  alsbald  wieder  sein  wunderbares  Talent 
für  die  Bewältigung  experiment-aler  Schwierigkeiten ;  ein  von  ihm  con- 


*)  üeber  die  Abweichung  der  Geschosse.     Berl.  Abb.  (Phvs.).    1852.  1.     Pogjf. 
Ann.   LXXXVIII.    1.  (1863). 

**)  Ferd.   DUmmler's  VerUgsbachhsndlung.     Berlin.   1860. 


5G 


struirter,  höchst  sinnreicher  Apparat  erlaubt  auch  dem  auf  dem  Ge- 
biete der  Mechanik  nur  wenig  Bewanderten  die  eben  angefülirten  Grund- 
wahrheiten im  Versuche  zu  bethätigen.  Und  was  hier  für  die  Theorie 
(Mworben  ist,  bleibt  begreiflich  nicht  lange  ohne  practische  Verwerthung. 
Magnus  knüpft  an  seine  Versuche  die  in  hohem  Grade  scharfsinnige 
Erklärung  der  von  den  Artilleristen  längst  festgestellten  Abweichung 
der  Rundgeschosse  aus  ihrer  Flugbahn. 

Bei  den  kugelförmigen  Geschossen  fällt  erfahrungsgemäss  der 
Schwerpunkt  selten  mit  dem  geometrischen  Mittelpunkt  zusammen. 
Die  Folge  ist,  dass  sie,  sei  es  schon  im  Rohr  durch  die  Triebkraft 
der  Pulvergase,  sei  es  während  ihres  Fluges  durch  den  Druck  der 
Luft,  eine  rotirende  Bewegung  um  ihren  wirklichen  Schwerpunkt  an- 
nehmen, eine  rotirende  Bewegung,  welche  die  fortschreitende  begleitet, 
und  deren  Axe  die  Flugbahn   winkelrecht  durchkreuzt. 

Es  ist  bekannt,  dass  ein  rotirender  Körper  die  ihn  umgebende 
Lufthülle  bis  zu  einer  gewissen  nicht  ganz  unbeträchtlichen  Entfernung 
hin  mit  in  den  Kreis  seiner  Bewegung  hineinzieht.  Jedermann  denkt 
dabei  an  den  mehr  oder  weniger  starken  Luftzug,  den  er  in  der 
Nähe  des  Schwungrades  einer  Dampfmaschine  empfunden  hat.  So 
dreht  sich  denn  auch  mit  dem  um  seine  Schwerpunktsaxe  rotirenden  Rund- 
geschosse eine  Lufthülle.  Diese  Lufthülle  muss  aber,  in  Ueberein- 
stimmung  mit  den  oben  gegebenen  Erörterungen,  da  wo  die  fort- 
schreitende Kugel  gegen  die  Atmosphäre  andringt,  verdichtet,  an  der 
gegenüberliegenden  Seite  aber  verdünnt  werden.  Es  wird  also  auf  der 
zuerst  betrachteten  Seite  ein  Ueberdruck  entstehen,  welcher  stetig 
fortwirkend  der  Kugel  eine  Bewegung  seitlich  zur  Fluglinie  ein- 
flösst.  Die  Richtung  dieser  Ablenkung  wird  von  dem  Winkel  ab- 
hängig sein,  welchen  die  Rotationsaxe  des  Geschosses  mit  der  Ebene 
seiner  Flugbahn,  d.  h.  der  durch  die  Fluglinie  gelegten  senkrechten 
Ebene,  bildet.  Hat  sich  die  Rotationsaxe  winkelrecht  zur  Ebene  der 
Flugbahn  gestellt,  so  wird  die  Kugel  zwar  in  dieser  Ebene  beharren, 
wohl  aber  die  Fluglinie  verändern;  bei  jeder  andern  Lage  der  Axe 
muss  sie  auch  aus  der  Ebene  der  Flugbahn  heraustreten. 

Bei  Kugelgeschossen,  welche  aus  gezogenen  Geschützrohren  ent- 
sendet werden,  kann  diese  Art  der  Abweichung  nicht  statlündm. 
Durch  den  Einfluss  der  Züge  wird  die  Kugel  eine  Drehung  annehmen, 
deren  Axe  der  Cylinderaxe  des  Geschützes  paiallel  ist,  welche  also 
winkelrecht  zur  Richtung  der  Wurfbewegung  statttindet.  Nach  dem 
Gesetze  der  Trägheit  bleibt  die  Lage  der  Rotationsaxe  dem  Geschosse, 
auch  nachdem  es  den  Lauf  verlassen  hat,  und  so  lange  die  Kugel 
verhindert  ist,  sich  um  eine  die  Flugbahn  durchschneidende  Rotations- 
axe zu  drehen,  sind  auch  die  Bedingungen  für  die  Abweichung  nicht 
länger  gegeben. 

Wiederum    anders   gestalten   sich   die  Erscheinungen,    wenn  statt 


57 


der  Kugeln  längliche,  zumal  cyliDdrische  Geschosse  mit  conischer  Zu- 
spitzung nach  vorne  aus  gezogenen  Geschützen  abgefeuert  werden. 

Bei  diesen  gewahrt  man  wieder  eine,  allerdings  nur  unbedeutende 
Abweichung,  welche  das  Charakteristische  zeigt,  dass  sie  stets  nach 
derselben  Richtung  stattfindet,  nämlich  nach  der  Rechten  des  Be- 
schauerä,  welcher  hinter  dem  Geschütze  steht  und  über  den  Lauf 
desselben  hinblickt. 

Die  Züge,  wie  sie  die  heutige  Artillerie  in  die  Geschütze  ein- 
schneidet, sind  immer  in  demselben  Sinne  gewunden,  nämlich  so, 
dass  wenn  ein  Beobachter  hinter  dem  Geschütz  dies  ansieht  und 
die  Richtung  verfolgt,  in  welcher  ein  Punkt  sich  in  dem  Zuge  von 
ihm  fortbewegt,  dieser  in  dem  obern  Theile  des  Rohrs  von  links  nach 
rechts  und  in  dem  unteren  von  rechts  nach  links  oder,  um  es  kürzer 
auszudrücken,  wie  der  Zeiger  einer  Uhr  geht.  In  demselben  Sinne 
erhalten  begreiflich  die  Geschosse,  welche  diesen  Zügen  folgen  müssen, 
eine  Drehung  um  ihre  Längenaxe.  Magnus  bezweifelt  nicht,  dass, 
wenn  ein  Langgeseboss  aus  einem  Geschützrohre  geschleudert  würde, 
in  welchem  die  Windungen  der  Züge  im  entgegengesetzten  Sinne,  also 
umgekehrt  wie  der  Zeiger  der  Uhr,  liefen,  die  Seitenabweichung  des 
Geschosses  zur  Linken  des  Beobachters  eintreten  müsste. 

Für  die  Richtigkeit  dieser  Vorstellung  spricht  eine  Reihe  schöner 
Versuche,  durch  welche  Magnus  die  wirklichen  Vorgänge  veran- 
schaulicht ,  und  an  welche  anknüpfend  er  seine  Auffassung  mit 
allgemein  anerkannten  Sätzen  der  Mechanik  in  Einklang  bringt. 
Zuerst  macht  er  darauf  aufmerksam,  dass  die  Längenaxe  des  Ge- 
schosses, um  welche  dasselbe  rotirt,  nicht  genau  eine  Tangente  der 
Flugbahn  sein  oder  wenigstens  nicht  bleiben  kann.  Diese  Abweichung 
der  Rotationsaxe  von  der  Tangente  müsste  eigentlich,  so  könnte  man 
denken,  eine  immer  grössere  werden,  denn  die  Trägheit  strebt  die  ur- 
sprüngliche Richtung  dieser  Axe  unverändert  zu  erhalten,  während  das 
Geschoss  von  dem  Augenblick  an,  in  dem  es  den  Lauf  verlässt,  der  Ein- 
wirkung der  Schwere  Folge  leistet.  Es  ist  gleichwohl  nachgewiesen, 
dass  diese  Abweichung  der  Rotationsaxe  von  der  tangentialen  Rich- 
tung zur  Flugbahn  nur  sehr  unbedeutend  ist  und  es  muss  demnach  eine 
Ursache  vorhanden  sein,  durch  welche  die  Spitze  des  Geschosses  eine 
nach  und  nach  eintretende  Senkung  erfährt. 

Magnus  findet  diese  Ursache  in  dem  Widerstände  der  Luft, 
durch  welche  das  Geschoss,  sobald  seine  Axe  aus  der  ursprünglichen 
tangentialen  Richtung  zur  Flugbahn  heraustritt,  getroflfen  wird.  Die 
Wirkung  dieses  Druckes  strebt,  das  fliegende  Geschoss  um  den 
Schwerpunkt  seiner  Rotationsaxe  zu  drehen,  und  zwar  so,  dass  das 
vordere  Ende  sich  hebt.  Aber  diese  Hebung  wird  nur  eine  äusserst 
geringe  sein,  auch  folgt  derselben  unmittelbar  eine  Ablenkung  nach 
rechts  und  Senkung  der  Spitze,  indem  der  Luftdruck  auf  das  rotirende 

6 


58 


Geschoss  gerade  so  wirkt,  wie  etwa  ein  seitlicher  Stoss  auf  den  um 
eine  senkrechte  Axe  rotirenden  Kreisel.  Denn  wie  die  Rotationsaxe 
des  Kreisels,  durch  den  Stoss  aus  der  Verticalen  abgelenkt,  nunmehr 
in  eine  langsame ,  im  Sinne  der  rotirenden  Kreiselmasse  erfolgende 
Drehung  um  eine  Kegeloberfläche  ^eräth,  so  wird  auch  die  Axe  des 
rechts  rotirenden  Geschosses  unter  dem  Einflüsse  des  Luftdruckes, 
welcher  seine  Spitze  hebt,  eine  äusserst  langsame,  conische  Bewegung 
gewinnen,  welche  eine  Ablenkung  der  Spitze  nach  rechts  und  eine 
gleichzeitige  Senkung  bedingt.  y,In  Folge  hiervon",  sagt  Magnus, 
„nimmt  das  Geschoss  eine  gegen  die  Richtung  des  Widerstandes  der 
Luft  schräge  Lage  an,  und  dadurch  wird  dasselbe  bei  seinem  ferneren 
Fortschreiten  nach  der  Seite  hinübergedrückt,  nach  welcher  die  Spitze 
gewendet  ist,  indem  der  Widerstand  der  Luft  gegen  dasselbe  wie 
gegen  eine  schiefe  Ebene  wirkt  und  so  die  Abweichung  hervorbringt. 
Dadurch  hat  es  den  Anschein,  als  ob  der  Druck  der  Luft  gegen  den 
hinteren  Theil  des  Geschosses  grösser  als  gegen  den  vorderen  sei, 
während  er  in  der  That  gegen  den  vorderen  Theil  grösser  als  gegen 
den  hinter  dem  Schwerpunkte  liegenden  ist." 

Am  Schlüsse  seiner  meisterhaften  Untersuchung  macht  Magnus 
noch  darauf  aufmerksam,  dass  die  Abweichung  der  Langgeschosse, 
die  während  des  Flugs  um  ihre  Längenaxe  rotiren ,  sehr  wesentlich 
von  ihrer  Gestalt  und  ihrer  Lage  gegen  den  Luftwiderstand  abhängig 
ist.  Wie  die  Abweichung  eintreten  wird,  lässt  sich  jedoch  bis  jetzt 
nur  auf  dem  Wege  der  Erfahrung  bestimmen.  So  wünschenswerth 
für  die  Wurfgeschosse  eine  möglichst  kleine  Abweichung  erscheine, 
so  sei  doch  die  Wahl  einer  Gestalt  des  Geschosses,  bei  welcher  keine 
Abweichung  stattfindet,  wenn  auch  theoretisch  denkbar,  gleichwohl  für 
die  Praxis  nicht  in  aller  Strenge  durchzuführen  und  desshalb  nicht 
einmal  empfehlenswerth. 

Magnus  ist  später  noch  einmal  auf  diesen  Gegenstand  zurück- 
gekommen, indem  er  eingehend  eine,  gelegentlich  der  vorerwähnten 
Untersuchungen  ersonnene,  Vorrichtung  beschreibt*),  welche  in  hohem 
Grade  geeignet  ist,  die  mannichfaltigen,  von  dem  Beharrungsvermögen 
rotirender  Körper  abhängigen,  oft  höchst  überraschenden  Erscheinun- 
gen zur  Anschauung  zu  bringen.  Es  ist  dies  der  unter  dem  Namen 
Polytrop  längst  bekannt  gewordene  Apparat,  welcher  bereits  in 
viele  physikalische  Lehrbücher  übergegangen  ist  und  in  keinem 
physikalischen  Cabinette  mehr  fehlen  dürfte. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Forschungen  auf  dem  Gebiete  des 
Magnetismus  und  der  Elek  trici  tat. 


*)  Verbesserte  Constructioii  eiues  Appariites  zur  KrlUtiterung   verscliieiJener  F.r- 
sclieinungen  bei  rotircmleu  Körpern.      Pogg.  Ann.    XCI.   295.  (1854). 


59 


Den  rein  magnetischen  Erscheinungen  hat  Magnus  nur  vor- 
übergehend Seine  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Die  hier  zu  nennende 
Arbeit  über  den  EinBuss  des  Ankers  beim  Magneten*)  fällt  in  eine 
Zeit,  in  der  das  Gebiet  des  Magnetii<mus  durch  die  Entdeckung  des 
Elektromagnetismus  bereits  ungemein  erweitert,  aber  doch  nur  erst 
den  Hauptzügen  nach  erforscht  war;  es  bandelte  sich  daher  hier  auch 
nicht  um  die  Eröffnung  neuer  Bahnen,  sondern  um  den  Ausbau  des 
bereitd  erschlossenen  Feldes.  In  der  That  ist  das  Hauptergebniss 
dieser  Arbeit,  nämlich,  dass  die  Entfaltung  des  Magnetismus  in  Eisen- 
und  Stahlstaben  Zeit  bedürfe,  im  Sinne  der  gegenwärtigen  Auffassung 
des  Magnetismus,  in  so  hohem  Grade  naturnothwendig,  dass  dem 
heutigen  Leser  die  mitgetheilten  Versuche  mehr  zur  Selbstbelehrung 
über  bereits  verständliche,  als  zur  Erklärung  noch  unverständlicher 
Erscheinungen  unternommen  zu  sein  scheinen. 

Weit  eingehender  hat  sich  unser  Freund  mit  der  Elektricitäts- 
lehre  beschäftigt.  Auf  diesem  Felde  tritt  er  sogleich  mit  einer  Arbeit 
von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Theorie  hervor.  Seine  ersten  Ver- 
suche betreffen  eine  von  Sturgeon  beobachtete,  aber  unerklärt  ge- 
lassene Erscheinung**).  Sturgeon  hatte  gefunden,  dass,  wenn  man 
statt  eines  massiven  Eisencylinders  ein  Bündel  von  Eisendrähten  in  die 
primäre  Rolle  eines  Inductionsapparates  einschiebt,  die  Wirkung  des 
letzteren  beim  Oeffnen  der  Kette   wesentlich  erhöht  wird. 

Indem  Magnus  diese  Erfahrung  zu  erklären  versucht,  weist  er 
zunächst  durch  die  Beobachtung  der  Wirkung  von  Elektromagneten 
auf  eine  entfernte  Magnetnadel  nach,  dass  die  erhöhte  inducirende 
Kraft  der  Drahtbündel  nicht  von  einem  verstärkten  Elektromagnetis- 
mus begleitet  ist. 

Ein  glücklicher  V^ersuch  liefert  ihm  alsdann  den  Schlüssel  der 
Erscheinung.  Das  in  die  Inductionsrolle  eingeschobene  Drahtbündel 
wird  mit  einer  geschlossenen  cylindrischen  Mefallhülle  umgeben« 
augenblicklich  erlischt  die  Fähigkeit  des  Drahtbündels,  die  Intensität 
der  Induction  zu  verstärken,  um  alsbald  in  ihrer  ganzen  Grösse  wie- 
der zum  Vorschein  zu  kommen,  wenn  die  Metallhülle  ihrer  Länge 
nach  aufgeschlitzt  wird.  Damit  aus  diesem  Versuche  die  kräftigere 
Wirkung  des  Eisendrathbündels  erhelle,  erinnert  Magnus  an  die 
Erklärung,  welche  Faraday  von  der  Thatsache  gegeben  hat,  dass  das 
Aufrollen  des  Leiters  zu  einem  Gewinde  die  Stromwirkung  beim 
Oeffnen  vermehrt. 

n»>-    <^in    Gewinde    durchlaufende    elektrische    Strom    erzeugt    im 

')  Lfbf.'T  die  Wirkung  des  Ankers  auf  Eleldromagnete  nnd  Suhhnagnete. 
Pogg.  Ann.  XXXVIII.  407  (1886). 

**)  Ueber  die  Wirkung  von  BUndeln  aus  Eisendraht    beim  Oeffnen   der  gaivani 
sehen  Kette.     Pogg.  Ann.  XLVIII.   95.  (1839). 

5* 


60 


Augenblick  seines  Verschwindens  in  der  Masse  des  Gewindes  einen 
gleichgerichteten  Strom  dem  eine  um  so  grössere  elektromotorische 
Kraft  zu  Grunde  liegt,  je  rascher  die  Unterbrechung  erfolgt^ 
daher  der  sogenannte  Extrastrom  heftige  Muskelzuckungen  bewirkt  und 
sogar  einen  Funken  durch  die  Luft  zu  senden  vermag. 

Umgiebt  das  Gewinde  einen  geschlossenen  Leiter,  so  wird  bei 
der  Unterbrechung  des  Stromes  auch  in  diesem  Leiter  eine  elektro- 
motorische Kraft  entwickelt,  welche  einen  dem  ursprünglichen  Strome 
gleichgerichteten  Strom  veranlasst.  In  Folge  dieser  gleichen  Richtung 
aber  muss  dieser  neue  Strom  während  seines  Anschwellens,  weil  er 
dem  verschwindenden  Strome  des  Gewindes  einen  entgegensetzten 
Strom  inducirt,  die  Steigerung  der  elektromotorischen  Kraft  im  Augen- 
blicke des  Oeffnens  der  Kette  mehr  oder  weniger  stören. 

Ist  der  in  das  Gewinde  eingeschobene,  geschlossene  Leiter  ein 
eiserner  Cylinder,  so  wird  derselbe  ausser  der  gedachten  Störung, 
welche  er,  wie  jeder  andere  geschlossene  Leiter,  in  der  Steigerung 
der  elektromotorischen  Kraft  beim  Oeffnen  der  Kette  verursacht,  noch 
eine  andere  Wirkung  ausüben,  welche  durch  den  Umstand  bedingt  ist, 
dass  sich  der  eiserne  Cylinder  durch  den  in  dem  Gewinde  circuliren- 
den  Strom  in  einen  Magneten  verwandelt  hat. 

Da  sich  der  Magnetismus  des  Eisenkerns  als  ein  elektrischer  Strom 
auffassen  lässt,  welcher  dieselbe  Richtung  hat,  wie  der  ihn  hervor- 
bringende, ursprüngliche  Strom  des  Gewindes,  so  wird  im  Augenblicke 
des  Oeffnens  der  Kette,  der  im  Eisen  verschwindende  Magnetismus 
auch  gerade  so  wirken,  wie  der  im  Gewinde  verschwindende  elektri- 
sche Strom.  Beide,  in  demselben  Sinne  ausgeübte  Wirkungen  unter- 
stützen sich  und  bedingen  mithin  die  Entwickelung  einer  grösseren 
elektromotorischen  Kraft  beim  Unterbrechen  des  Hauptstromes. 

Es  leuchtet  ein,  dass  von  den  beiden  im  entgegengesetzten  Sinne 
auftretenden  Wirkungen,  welche  der  Eisencylinder,  einmal  als  ge- 
schlossener Leiter,  dann  aber  als  Magnet  auf  die  Entfaltung  der  elek- 
tromotorischen Kraft  beim  Oeffnen  der  Kette  ausübt,  nur  die  Differenz 
zur  Geltung  kommen  kann. 

Gelänge  es,  einen  Elektromagneten  zu  erzeugen,  der  nicht  auch 
gleichzeitig  ein  geschlossener  Leiter  wäre,  so  würde  die  ganze  ver- 
stärkende Wirkung  des  verschwindenden  Magnetismus,  der  bei  der 
Stromunterbrechung  auftretenden  elektromotorischen  Kraft  zu  Gute 
kommen  können. 

Ein  solcher  Fall  aber  ist,  nach  der  Auffassung  von  Magnus, 
eingetreten,  wenn  wir  statt  eines  massiven  Eisencylinders  ein  aus 
dünnen  Eisendrähten  gebildetes  Bündel  in  das  Gewinde  einschieben, 
durch  welches  der  ursprüngliche  Strom  sich  bewegt.  Ein  solches 
Drahtbündel    ist    kein    geschlossener   Leiter   mehr   und  die  ungünstige 


61 


Indactionswirkung,  welche  die  Steigerung  der  elektromotorigohen  Kraft 
bei  der  Unterbrechung  des  Strome»  stören  würde,  fällt  wog. 

Magnus  führt  noch  als  weiteren  Beweis  für  die  Richtigkeit 
der  schönen  Erklärung,  welche  er  von  der  von  Sturgeon  beob- 
achteten Erscheinung  gegeben  hat,  die  Thatsache  an,  dass  auch  mit 
einem  hohlen  Eisencylinder  die  gesteigerte  Wirkung  der  Draht- 
bündel erzielt  wird,  wenn  man  nur  Sorge  getragen  hat.  die  Wand 
des  Cylinders  der  Lange  nach  aufzuschlitzen. 

Eine  andere  schone  Arbeit  von  Magnus  betrifft  die  thermo-elek- 
trischen  Ströme*),  und  zwar  diejenige  Art  von  Thermoströmen,  welche 
in  nur  aus  einem  einzigen  Metalle  bestehenden  geschlossenen  Leitern 
hervorgerufen  werden   können. 

Er  zeigt  zunächst,  dass  dergleichen  Ströme,  bei  vollkommener 
Gleichartigkeit  des  leitenden  Metalles  in  seinen  chemischen  sowohl 
als  physikalischen  Eigenschaften,  nicht  entstehen,  dass  aber  schon  Ver- 
schiedenheiten in  der  Härte  zur  Hervorbringung  von  Strömen  hin- 
reichen. 

Erhitzt  man  z.  B.  einen  Draht,  der  dadurch  hart  geworden  ist, 
dass  er  mehrere  Male  durch  ein  Zieheisen  gezogen  wurde,  an  einer  Stelle 
so  stark,  dass  er  weich  wird,  und  erwärmt  alsdann  die  Stelle,  wo  der 
Uebergang  vom  harten  zum  weichen  Theile  stattfindet,  auf  100*^,  so 
erhält  man  einen  Strom. 

Auf  diese  Erfahrungen  hin  construirt  Magnus  eine  Art  elektri- 
scher Säule  aus  einem  Metalle,  mit  deren  Hülfe  die  Erscheinung  in 
Vorlesungen  höchst  elegant  und  überzeugend  zur  Anschauung  gebracht 
werden  kann. 

Zu  dem  Ende  werden  an  einem  harten  Messingdrahte  mehrere 
Stellen,  alle  von  gleicher  Länge,  etwa  0",15,  durch  Glühen  weich 
gemacht,  indem  man  zwischen  ihnen  immer  Stellen  von  derselben 
Länge  hart  lässt.  Alsdann  wird  der  Draht  um  einen  Holzrahmen 
gewunden,  der  aus  zwei  sich  kreuzenden  Brettchen  besteht,  und  zwar 
so,  dass  die  Theile  des  Drahtes,  wo  harte  und  weiche  Stellen  anein- 
ander stossen,  in  die  Mitte  der  kurzen  Seiten  des  oblongen  Rahmens 
fallen. 

Eine  solche  Säule  von  Messingdraht  ist  wirksam  genug,  um 
durch  Erwärmung  einiger  Paare  in  der  einen  Seite ,  die  Nadel  eines 
empfindlichen  Galvanometers  zo  einem  starken  Ausschlag  zu  bringen. 

Magnus  macht  noch  darauf  aufmerksam,  dass  sich  die  hier  be- 
schriebenen Ströme  wesentlich  von  denjenigen  unterscheiden,  welche 
dadurch  entstehen,  dass  zwei  Stücke  desselben  Metalles,  von  welchen 
das  eine  wärmer  ist  als  das  |ndere,  mit  einander  in  Berührung  kommen. 

•)  üeber  Ihermo-elektrwche  Ströme.     Pogg.  Ann.  LXXXIII.   469.   (1850). 


Ö2 


Solche  Ströme  fand  er  bei  allen  Metallen,  die  er  in  Draht-  oder  Stab- 
form benutzen  konnte.  Bei  der  Berührung  von  kaltem  mit  warmem 
Quecksilber  blieben  sie  aus. 

Für  einen  Naturforscher,  dessen  Auge  die  verschiedensten  Ge- 
biete der  Physik  und  Chemie  mit  gleicher  Sicherheit  überschaute,  lag 
es  nahe,  auch  die  elektrochemischen  Erscheinungen  mit  in  den  Kreis 
der  Untersuchung  zu  ziehen.  In  der  That  verdanken  wir  denn  auch 
Magnus  mehrere  Arbeiten,  welche  zur  Erweiterung  unserer  Kenntniss 
dieser  Erscheinungen  wesentlich  beigetragen  haben*). 

Faraday  hatte  noch  der  alten  Vorstellung  gehuldigt,  dass  das 
Salz  eines  Alkalis  oder  einer  alkalischen  Erde  mit  einer  SauerstoflF- 
säure  durch  die  Kraft  des  elektrischen  Stromes  in  Base  (Metalloxyd) 
und  Säure  zerlegt  werde.  Dagegen  hatte  Dan i eil  später  gezeigt,  dass 
der  Strom,  auf  eine  solche  Salzlösung  einwirkend,  neben  der  Base 
Wasserstoff  und  neben  der  Säure  Sauerstoff  ausscheidet,  dass  man 
also,  um  jene  ältere  Annahme  beibehalten  zu  können,  sie  mit  der 
weiteren  Annahme  verbinden  müsse,  der  Strom  besitze  der  Salzlösung 
gegenüber  eine  zweifache  zersetzende  Kraft,  welche  sich  einmal  auf 
das  Salz,  dann  aber  auf  das  Wasser  erstrecke.  Weitere  gemeinschaft- 
lich mit  Miller  ausgeführte  Untersuchungen  führten  ihn  schliesslich 
zu  der  Ansicht,  jener  scheinbare  Widerspruch  könne  leicht  durch  die 
Vorstellung  gehoben  werden,  dass  die  Elektrolyse  der  Alkalisalze  ge- 
rade so  erfolge,  wie  die  der  Salze  schwerer  Metalle,  dass  nämlich  der 
Strom  zunächst  eine  Spaltung  in  Metall  und  eine  sauerstoflFreiche 
Atomgruppe  (das  Säureradical)  bewerkstellige,  und  dass  erst  in  zweiter 
Instanz  das  Metall  durch  Wasserzersetzung  und  unter  Wasserstoff- 
entwickelung sich  in  Metalloxyd  verwandle,  die  sauerstoffreiche  Atom- 
gruppe aber  in  Sauerstoff  und  eine  sauerstoffärmere  Gruppe  zerfalle, 
welche  mit  den  Elementen  des  Wassers  sich  verbindend  die  Säure 
erzeuge. 

In  einem  Kreise  chemischer  Fachgenossen ,  wie  er  in  dieser  Ge- 
sellschaft vereinigt  ist,  brauche  ich  nicht  die  Schönheit  und  Einfach- 
heit dieser  Hypothese  hervorzuheben,  sehen  wir  doch  mit  ihrer  Annahme 
alsbald  die  letzte  Schranke  fallen,  welche  man  zwischen  den  Salzen 
der  Wasserstoff-  und  Sauerstoffsäuren  noch  vertheidigen  könnte. 

Prüfung  dieser  Hypothese  ist  nun  zunächst  Gegenstand  einer 
Reihe  eingehender  Versuche,  angestellt  mit  einer  Umsicht  in  der  An- 
lage und  einer  Sorgfalt  in  der  Ausführung,  wie  sie  eben  nur  Magnus 
eigen  sind.  Allein,  wie  bewundernswerth  immer  die  Versuche, 
wie  ergiebig  die  Ernte  des  Thatsächlichen,  mit  welcher  sie  die  Wissen- 


*)  Elektrolytische  Untersuchungen.     Pogg.  Ann.  CIL   1.  (1857). 
Ueber   directe  und   indirecte   Zersetzungen    durch    den  galvanischen    Strom.    Pogg. 
Ann.  CIV.  553.   (1858). 


63 


Schaft  bereichern,  ich  handelte  gewifs  nicht  in  dem  Sinne  unseres  ge- 
schiedenen Freundes,  dem  die  Wahrheit  über  Alles  ging,  wollt'  ich 
verschweigen,  dass  die  Schlüsse,  welche  er  aus  seinen  Versuchen 
ziehen  za  müssen  glaubte,  im  Augenblicke  nicht  mehr  getheilt  werden. 
Darf  doch  neben  solcher  Fülle  des  Lichtes  auch  der  leichte  Schatten 
nicht  fehlen! 

Im  Laufe  seiner  elektrolytischen  Versuche  beobachtet  Magnus  in 
der  That  manche  Erscheinungen,  welche  sich,  auf  den  ersten  Blick 
wenigstens,  mit  der  Auffassung  der  beiden  englischen  Physiker  nicht 
vereinigen  lassen;  allein  wir  würden  die  Hypothese  derselben  durch 
seine  V^ersucbe  nur  dann  für  entkräftet  halten  dürfen,  wenn  es  ihm 
gelungen  wäre,  eine  befriedigendere  Erklärung  der  wahrgenommenen 
Erscheinungen  an  ihre  Stelle  zu  setzen. 

So  hat  sich  Magnus  durch  sehr  genaue  Versuche  überzeugt,  dass 
bei  der  Zersetzung  des  Natriurasulfats  in  getrennten  Compartimenten 
der  Zersetzungszelle  am  negativen  Pole  allerdings  äquivalente  Mengen 
Natriumhydrat  und  Wasserstoff  ausgeschieden  werden,  dass  aber  am 
positiven  Pole  mehr  Sauerstoff  auftritt,  als  im  Sinne  der  Daniell- 
Mi  11  er 'sehen  Hypothese  der  frei  gewordenen  Schwefelsäure  entsprechen 
würde,  und  er  ist  geneigt,  in  diesem  Versuche  einen  entscheidenden 
Beweis  gegen  die  Richtigkeit  derselben  zu  erblicken.  Allein  diese 
Hypothese  wirft  ein  so  überraschendes  Licht  auf  die  elektrolytischen 
Vorgänge  und  gewährt  eine  so  weitgehende  Bestätigung  des  elektroly- 
tischen Gesetzes,  dass  man  auf  eine  vereinzelte  Ausnahme,  wie  sie  in 
dem  gedachten  Versuche  wahrgenommen  wird,  sich  eines  so  werth- 
vollen  Hülfsmittels  für  das  Verständniss  der  Erscheinungen  nicht  wird 
begeben  wollen,  ehe  man  alle  Mittel  erschöpft  hat  um,  was  sich  in 
dem  besonderen  Falle  als  abweichend  darstellt,  mit  dem  in  allen  anderen 
Fällen  Beobachteten  in  Uebereinstimmung  zu  bringen. 

Die  Bedenken  gegen  die  Dan  iell  -  Mil  le  r'sche  Hypothese,  welche 
Magnus  aus  seinen  Versuchen  erwuchsen,  stützten  sich,  wie  hier  nur 
flüchtig  angedeutet  zu  werden  braucht,  auf  die  damals  sehr  allgemein 
verbreitete  Meinung,  dass  der  Strom  in  wässrigen  Gemischen  inner- 
halb gewisser  Grenzen  nur  ganz  bestimmte  Verbindungen  elektroly- 
sire,  dass  z.  B.  in  einer  Kupferlosung,  selbst  bei  Gegenwart  über- 
schüssiger Säure,  durch  Ströme  von  verhältnissmässig  geringer  Stärke 
nur  das  Kupfersalz  und  nicht  die  Säure  zersetzt  werde. 

In  Folge  dieser  Auffassung  übersah  Magnus  bei  seinen  Versuchen 
über  die  Elektrolyse  des  Natriumsulfats  den  Einfluss  der  am  positiven 
Pole  auftretenden  Säure.  Gegenwärtig  weiss  man,  dass  die  Elektrici- 
tät  bei  ihrer  Bewegung  durch  zusammengesetzte  Flüssigkeiten  keinen 
der  darin  befindlichen  Elektrolyten  verschmäht;  wenn  man  daher  er- 
wägt, dass  das  Schwefelsäurehydrat  als  Elektrolyt,  sobald  es  frei  ge- 
worden,  der  Einwirkung  des  Stromes   nicht   entgehen  kann,   so   ver- 


64 


steht  man  alsbald ,  waram  am  negativen  Pole  mehr  Natriumhydraf, 
als  der  am  positiven  Pole  auftretenden  Säuremenge  entspricht,  in 
Freiheit  gesetzt  werden  muss,  und  die  aus  dieser  Beobachtung  her- 
vorgehenden Bedenken  gegen  die  Hypothese  der  englischen  Physiker 
sind  ohne  Schwierigkeit  gehoben. 

Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  sich  auch  Magnus  den  Ansich- 
ten, die  hier  als  die  jetzt  geltenden  bezeichnet  worden  sind,  in  späteren 
Jahren  nicht  verschlossen  hat,  zumal  nachdem  Buff*)  die  bezeich- 
neten Verhältnisse  in  so  überzeugender  Weise  dargelegt  hatte.  Er 
ist  aber  auf  diese  Untersuchungen  nicht  mehr  zurückgekommen,  und 
so  trifft  es  sich,  dass  er  zuweilen  noch  als  Gewährsmann  für  Auffassun- 
gen genannt  wird,  welche  keine  Bedeutung  mehr  haben.  Eine  Revision 
des  theoretischen  Theiles  dieser  Arbeiten  wäre  um  so  wünschenswerther 
gewesen,  als  die  thatsächlichen  Wahrnehmungen,  welche  er  bei  seinen 
elektrolytischen  Untersuchungen  und  zumal  bei  seinen  Versuchen  über 
die  Elektrolyse  mehrfach  zusammengesetzter  Verbindungen  machte,  die 
wesentliche  Grundlage  unserer  Kfnntniss  dieser  Erscheinungen  bilden. 

Der  von  Magnus  auf  diesem  Felde  ermitteltenThatsachen  ist  eine 
überaus  grosse  Anzahl,  von  denen  hier  Beispiels  halber  nur  einige 
angeführt  werden  sollen. 

So  findet  er,  dass  neutrales  schwefelsaures  Eisenoxyd  unter  der 
Einwirkung  des  Stromes  unmittelbar  oder  mittelbar  in  Oxydulsalz, 
das  sich  am  negativen  Pole  ausscheidet,  und  in  Sauerstoff  und  Schwefel- 
säure zerfällt,  welche  am  positiven  Pole  auftreten. 

Lösungen  von  Kupferchlorür  und  Kupferchlorid ,  durch  welche 
man  gleichzeitig  den  Strom  leitet,  werden  so  zerlegt,  dass  sich  in 
ersterer  noch  einmal  so  viel  Kupfer  ausscheidet,  als  in  letzterer. 

Ganz  ähnliche  Erscheinungen  beobachtet  man  bei  der  Elektrolyse 
einer  wässrigen  Lösung  von  Zinnchlorür  und  Zinnchlorid.  Für  die- 
selbe Menge  Sauerstoff,  welche  im  Voltameter  auftritt,  wird  aus  dem 
Chlorür  gerade  doppelt  so  viel  Zinn  niedergeschlagen,  als  aus  dem  Chlorid. 

Reine  Jodsäure  wird  so  zerlegt,  dass  für  je  5  Mol.  Sauerstoff, 
welche  sich  am  positiven  Pole  entwickeln,  2  Mol.  Jod  am  negativen 
Pole  erscheinen. 

Die  Ueberjodsäure  zerfällt  bei  der  Elektrolyse  zunächst  in  Jod- 
säure und  Sauerstoff,  denn  im  Anfange  des  Versuches  beobachtet  man 
nichts  anderes,  als  eine  Entwickelung  von  Sauerstoff. 

Ausser  den  bereits  genannten  elektrischen  Arbeiten  liegen  von 
Magnus  noch  einige  Beobachtungen  über  Inductionsströme  vor,  welche 
nur  flüchtig  erwähnt  zu  werden  brauchen. 


*)  Buff,  Elektrolytische  Stadien.     Ann.  Cheni.   riiarm.   CV.   146. 

Ueber  dio  Elektrolyse  höherer  Verbindungsstufen.     Ann.  Cheni.  Pharm. 
CX.  257. 


65 


Gegen  Ende  der  fünfziger  Jahre  hatte  sich  da«  allgemeine  Interesse 
der  Physiker  den  Gei  ssler'schen  Röhren  zugewendet.  Auch  Magnus 
hat  die  schönen  Erscheinungen,  welche  diese  Röhren  bieten,  mit  Auf- 
merksamkeit verfolgt  and  der  Berliner  Akademie  einige  seiner  Beob- 
achtungen mitgetheilt*).  Bekanntlich  hüllt  sich  beim  Uebergang  des 
Inductionsstroms  durch  die  Luft  vorzugsweise  die  negative  Elektrode 
in  blaues  Licht.  Besonders  schön  und  deutlich  zeigt  sich  die  Er- 
scheinung, wenn  der  Unterbrechungsstrom  in  einer  Gei  ssler'schen 
Röhre  überspringt,  welche  stark  verdünnte  atmosphärische  Lafi  ent- 
hält. Häufig  beobachtet  man  indessen  das  blane  Licht  auch  an  beiden 
Uebergangisstellen ,  woraus  man  auf  ein  Alterniren  des  Inductions- 
stromes  geschlossen  hat,  ohne  dass  man  sich  gleichwohl  von  der  Ur- 
sache dieses  Verhaltens  in  allen  Fällen  eine  deutliche  Vorstellung 
machen  konnte.  Bei  dem  Versuche,  diese  noch  immer  räthselhafte 
Erscheinung  zu  erklären,  hat  Magnus  wenigstens  die  Bedingungen 
näher  festgestellt,  unter  denen  sie  beobachtet  wird,  indem  er  es  schliess- 
lich als  erwiesen  ansieht,  dass  die  zwischen  den  Elektroden  durch  ein 
Gasvolum  dringenden  Inductionsströme  innerhalb  gewisser  Grenzen 
des  Widerstandes  einfach  sind.  Werden  diese  Grenzen,  welche  sich 
mit  der  Intensität  des  Stromes  ändern,  nach  der  einen  oder  andern 
Seite  überschritten,  so  werden  die  Inductionsströme  alternirend. 

Bei  Aasfubrung  dieser  Untersuchungen  kommt  Magnus  auf 
den  Gedanken,  eine  Flässigkeitssäule,  in  ähnlicher  Weise  wie  Neeff 
dieselbe  bereits  früher  zur  Regulirnng  von  Widerständen  benutzt 
hatte,  nunmehr  als  wirkliches  Widerstandsmaass  zu  verwerthen**).  Der 
Apparat,  den  er  zu  diesem  Ende  construirt  hat.  und  den  erRheostat 
für  Flüssigkeiten  nennt,  besteht  aus  einer  nicht  ganz  .3""  weiten 
cylindrischen  Glasröhre  von  etwa  1  "  Länge,  welche  mit  Wasser  oder 
einer  andern  Flüssigkeit  gefüllt  ist.  An  beiden  Enden  derselben 
dringen  Platindrähte  von  etwa  1  ""  Dicke  ein,  von  denen  der  eine 
lang  genug  ist.  um  sich  in  die  Röhre  einschieben  zu  lassen  bis  er  den 
andern  berührt.  Der  jedesmalige  Abstand  der  beiden  Drahtenden  bei 
einem  Versuche  kann  mittelst  des  Kathetometers  oder  einer  geeig- 
neten Theilung  auf  dem  Apparate  selbst  gemessen  werden.  Magnus 
hat  seinen  Rheostaten,  nachdem  er  ihn  mit  andern  Widerstandsmaassen 
verglichen  hatte,  zur  Bestimmung  des  Leitungswiderstandes  verschie- 
dener Flüssigkeiten,  wie  des  reinen  Wassers,  benutzt.  Die  Methode 
zeichpf^'    »i''>>   <i>!'-pIi   i|)re  Einfachheit  aus,    ist    aber    mit  ver'i''^ii' <1''n»ti 


•)  Ueber   die    VeränderuiiRen    im  Indnctionsstrom  bei  Anwendung  verschiedener 
WidersUnde.     Po  gg.  Ann.  CXIV.   -299.  (1861). 

**)  Ueber   metallische  und  flfiAsige  Widerstftnde.    durch  welche  Induetionntröme 
alternirend  werden.      Monat«h«'ri''b'"    l*'^'     »T». 


66 


Fehlerquellen  behaftet,    so   dass  sie  keine  allgemeine  Anwendung  ge- 
funden hat. 


Es  wäre  gewiss  seifsam,  wenn  Magnus,  dessen  Arbeiten  sich 
nach  so  vielen  Seiten  hin  verzweigen,  nicht  auch  selbstthätig  forschend 
in  das  grosse  Gebiet  der  Lichterscheinungen  eingedrungen  wäre, 
zumal  er  alljährlich  die  Optik  mit  besondererVorliebe  in  seinen  Vorle- 
sungen vorzutragen  pflegte.  Und  in  der  That  finden  wir  denn  unter 
seinen  zahlreichen  Arbeiten  auch  eine  optische*).  Sie  betrifft  die 
Frage,  ob  die  Fortpflanzung  des  Lichtes  sich  auf  Oscillationen  der  Luft- 
theile  zurückführen  lasse.  Mittelst  eines  geschickt  combinirten  Appa- 
rates zeigt  Magnus,  dass  sich  die  Lichtbeugungserscheinungen  in  der 
Torricelli 'sehen  Leere  genau  ebenso  wie  im  lufterfüllten  Räume 
vollenden.  Wenn  sich  nun  auch  nicht  leugnen  lässt,  dass  diese  Fiage 
zu  der  Zeit,  als  der  angeführte  Versuch  angestellt  ward,  durch  Beob- 
achtung der  New  ton 'sehen  Farbenringe  im  luftleeren  Räume  bereits 
eine  Entscheidung  gefunden  hatte,  so  war  doch  die  Beantwortung  der- 
selben auf  dem  von  ihm  eingeschlagenen  Wege  bisher  nicht  versucht 
worden.  Immerhin  aber  bleibt  es  interessant,  die  vielseitige  Forscher- 
lust unseres  Freundes  auch  nach  dieser  Richtung  hin  bethätigt  zu  sehen. 


Wir  haben  Gustav  Magnus  nunmehr  noch  auf  ein  Gebiet  von 
Erscheinungen  zu  folgen,  auf  dem  er  mit  Vorliebe  thätig  gewesen  ist 
und  auf  dem  er  sich  bei  Physikern  sowohl  als  Chemikern  den  dauer- 
haftesten und  glänzendsten  Ruhm  erworben  hat.  Ich  spreche  von  dem 
Gebiete  der  Wärmeerscheinungen. 

Mit  der  Wärmelehre  hat  sich  Magnus  während  nahezu  seiner 
ganzen  wissenschaftlichen  Wirksamkeit  beschäftigt.  Seine  erste  hierher 
gehörige  Abhandlung,  über  das  Maximumthermometer  und  die  Wärme- 
messungen in  dem  Bohrloche  von  Rüdersdorf,  geht  bis  zum  Jahre  1831 
zurück;  die  letzte  Arbeit,  die  er  noch  eben  vor  seinem  Tode  vollenden 
konnte,  ist  die  Untersuchung  über  die  Veränderung  der  Wärmestrah- 
lung durch  Rauhheit  der  Oberfläche,  welche  erst  vor  einigen  Monaten 
in  Poggendorff's  Annalen  erschienen  ist. 

Im  Anfange  der  dreissiger  Jahre  interessirte  man  sich  lebhaft 
für  die  bekannte  Wahrnehmung,  dass  in  den  Schachten  der  Bergwerke 
mit  wachsender  Tiefe  die  Temperatur  eine  höhere  wird.  Gegen  die 
Richtigkeit  dieser  Beobachtung  waren  Bedenken  erhoben  worden.  Einige 


*)  Ueber  Diffraction  des  Lichtes    im   leeren  Räume.     Po  gg.  Ann.   l.,XXl.  408. 
(1847). 


67 


hatten  sogar  den  tellurischen  Ursprung  dieser  Temperaturerhöhung  ge- 
h-ugnet,  sie  vielmehr  aus  verschiedenen  zufälligen  Ursachen  abzuleiten 
gesucht.  Eis  kam  also  darauf  an,  Temperaturerhöhung  bei  wachsender 
Tiefe  anter  Verhältnissen  zu  beobachten,  welche  alle  diese  Zufällig- 
keiten ausschlössen.  Hierzu  boten  die  artesischen  Brunnen  gute  Ge- 
legenheit, und  schon  Paul  Erman  hatte  die  Temperaturerhöhung  in 
einem  Bohrloche  beobachtet,  welches  die  Königl.  Oberberghauptmann- 
schaft in  den  Kalkbergen  von  Rüdersdorf  hatte  niederbringen  lassen. 
Die  Beobachtungen  Erman's  waren  mit  höchst  einfachen  Mitteln  an- 
gestellt worden ;  er  hatte  sich  nämlich  begnügt,  ein  sehr  träges  Ther- 
mometer in  das  Bohrloch  einzusenken  und  es  dann  so  schnell  als  mög- 
lich wieder  eraporzuwinden  Dieser  Umstand  hat  Magnus  veranlasst, 
<He  Untersuchug  wieder  aufzunehmen,  und  zwar  in  demselben  Bohr- 
loche von  Rüdersdorf,  in  welchem  schon  Erman  gearbeitet  hatte. 

Das  Geothermometer*),  so  nennt  Magnus  das  von  ihm  in 
Anwendung  gebrachte  Instrument,  ist  eine  besondere  Form  des  schon 
früher  bekannten  Quecksilber- Ausflussthermometers.  Wie  bei  diesem 
ist  auch  bei  jenem  das  obere  Ende  offen  und  zu  einer  feinen  Oeffnung 
ausgezogen,  welche  zur  Erleichterung  des  Ausflusses  seitwärts  umge- 
bogen ist.  Die  Theilung  des  Instrumentes  ist  auf  diejenige  irgend 
eines  sehr  genauen  Thermometers  reducirt,  so  dass  bei  massigen 
Temperaturen  die  Anzeigen  beider  Instrumente  übereinstimmen.  Ueber 
eine  gewisse  Temperatur  hinaus,  die  im  Voraus  festgestellt  ist,  hat 
aber  das  Quecksilber  in  der  Röhre  des  Geothermometers  keinen  Platz. 
Ein  Theil  davon  fliesst  aus.  Wieviel  dies  beträgt,  erkennt  man  bei 
wieder  eingetretener  niedriger  Temperatur  aus  der  Differenz  des  Queck- 
silberstandes im  Normalthermometer  und  im  Geothermometer ,  sol-ald 
beide  Instrumente  genau  dieselbe  Temperatur  angenommen  haben. 
Eine  Quecksilbersäule  von  der  Länge  dieser  Differenz  zo  der  Länge 
der  flüssigen  Säule  im  Geothermometer  von  der  Ausmündung  an  hin- 
zugerechnet und  nach  dem  Verhältnisse  der  Theilung  des  Instrumentes 
in  Wärmegrade  reducirt,  giebt  an,  um  wie  viel  sich  das  Maximum 
über  diejenige  Temperatur  erhoben  hatte,  bei  welcher  die  Quecksilber- 
säule gerade  bis  zur  Mündung  des  Rohres  gelangt  war.  Vor  Beginn 
eines  neuen  Versuches  rauss  die  Röhre  wieder  mit  Quecksilber  gefüllt 
werden.  Um  diese  Operation  in  bequemer  Weise  bewerkstelligen  zu 
können,  ist  um  die  Oeffnung  der  Röhre  ein  kleines  Gefäss  von  Glas 
angeschmolzen,  welches  eine  geringe  Menge  Quecksilber  enthält,  so 
dass  die  zur  Seite  gebogene  Spitze,  so    lange   sich   das  Instrument  in 


*)  Beschieibung  eines  Maximamthermometers  und  einiger  damit  angestellter 
Versuche  in  einem   Bohrloch  zu   KUdersdorf.      Pogg.   Ann.  XXI!.    136.  (1831). 

Veränderte  Construction  des  Geothermometers  und  Temperaturbestimmuugen  in 
dem  Bohrloche  zu  Pitzpnhl.      Pogg.   Ann.   XL.    135».   (1837). 


68 


senkrechter  Stellung  befindet,  über  dem  Spiegel  des  Metalles  bleibt,  bei 
geneigter  Stellung  aber  in    die  Flüssigkeit   eintaucht. 

Mittelst  dieses  Instrumentes  hat  Magnus  die  Temperaturzunahme 
zunächst  in  dem  655  Fuss  tiefen  Kohrloche  von  Riidersdorf  und  später 
in  einem  Bohrloche  von  Pitzpuhl,  welches  aber  nur  eine  Tiefe  von 
457  Fass  besass,  gemessen.  In  beiden  Fällen  stieg  die  Temperatur 
regelmässig  mit  der  wachsenden  Tiefe.  In  der  zweiten  Versuchs- 
reihe betrug  die  Temperaturzunahnie  ungefähr  1"  R.  für  je  100  Fuss. 
Er  man  hatte  aus  seinen  Rüdersdorfer  Versuchen  geschlossen,  dass  die 
Temperaturerhöhung  um  1*^  R.  schon  bei  einer  Zunahme  der  Tiefe  um 
90  Fuss  erfolge. 

Die  Vorliebe,  mit  welcher  unser  Freund  die  Erscheinungen  stu- 
dirte,  denen  wir  auf  dem  Grenzgebiete  .zwischen  Physik  und  Chemie 
begegnen,  mussten  seine  Aufmerksamkeit  schon  frühzeitig  dem  Processe 
des  Siedens,  überhaupt  der  Dampf  bildung,  zulenken.  In  der  That  hat 
er  denn  auch  diesen  Erscheinungen  in  dem  Zeiträume  zwischen  1836 
und   1861  nicht  weniger  als  vier  grossere  Aufsätze  gewidmet*). 

Wer  diese  schönen  Arbeiten  mit  Aufmerksamkeit  gelesen  hat, 
der  muss  die  Ueberzeugung  gewonnen  haben,  dass  der  Verfasser  der- 
selben zur  Begründung  unserer  gegenwärtigen  Anschauungen  über 
den  Siedeprocess  sehr  wesentlich  beigetragen  hat,  wenn  es  auch  nicht 
immer  möglich  ist,  bei  einer  Erscheinung,  um  deren  Aufklärung  so  viele 
ausgezeichnete  Forscher  wie  —  nach  "Watt, —  Gay-Lussac,  Faraday, 
Rudberg,  Regnault  und  Andere,  häufig  gleichzeitig  oder  doch  fast 
gleichzeitig  bemüht  gewesen  sind,  den  besonderen  Antheil  eines  Jeden 
unzweifelhaft  festzustellen. 

Man  war  früher  sehr  allgemein  der  Ansicht,  dass  die  während 
des  Siedens  so  häufig  eintretenden  Temperaturschwankungen,  insbe- 
sondere das  intermittirende,  zeitweilig  von  heftigem  Aufstossen  be- 
gleitete Sieden  zumal  von  der  Beschaffenheit  der  Gefässwände  abhän- 
gig sei;  auch  schien  diese  Annahme  durch  die  bekannte  Erfahrung 
gerechtfertigt,  dass  in  den  meisten  Fällen  das  Stossen  vollkommen 
beseitigt  wird,  wenn  man  kleine  Stücke  Platindraht  und  selbst  aus- 
geglühte und  wieder  erkaltete  Holzkohle  vor  Beginn  des  Siedens  in 
die  Flüssigkeit  geworfen  hat. 


*)  lieber  das  Sieden  von  Gemengen  zweier  Flüssigkeiten  und  über  das  Stossen 
solcher  Gemenge.     Po  gg.  Ann.  XXX  VIII.  481.  (1836). 

Ueber  die  Kraft,  welche  zur  Erzeugung  von  Dämpfen  erforderlich  ist.  Po  gg. 
Ann.  LXI.  248.    (1844). 

Ueber  die  Spannkraft  von  Dämpfen  zweier  Flüssigkeiten.  Pogg.  Ann.  XClIl. 
679.  (1854). 

Ueber  die  Temperatur  der  aus  kochenden  Salzlösungen  und  gemischten  Flüssig- 
keiten entweichenden  DBmpfe.     Pogg.  Ann.  CXII.   408.  (1861). 


Daas  zur  Hervorbringnng  von  Dampfblaseu  auch  die  Cohäsion 
der  Wassertheile  aufgehoben  werden  müsse,  ist  zwar  schon  früher  aus- 
gesprochen worden,  Magnus  ist  jedoch  wohl  der  erste  gewesen,  der 
die  ganze  Bedeutung  dieses  Widerstandes  hervorgehoben  und  bestimmt 
darauf  hingewiesen  hat,  dass  in  Folge  desselben  die  flüssigen  Theil- 
chen,  wenn  sie  sich  im  Innern  der  Masse  in  Dampf  verwandeln  sollen, 
stets  eine  höhere  Temperatur  annehmen  müssen,  als  die  ist,  welche  dem 
Spannungsmaximum  des  Dampfes  unter  dem  herrschenden  Drucke  ent- 
spricht; es  ist  dies  ja  eben  der  Grund,  wesshalb  wir  jelzt  b«M  der  Siede- 
punktsbeslimmung  das  Gefäss  des  Thermometers  nicht  in  die  siedende 
Flüssigkeit  senken,  sondern  nur  in  den  von  der  Flüssigkeit  bereits  ge- 
trennten Dampf  einhüllen. 

Möglich,  dass  es  gerade  diese  Erörterungen  von  Magnus  ge- 
wesen sind,  welche  Don  ny  *)  zu  den  merkwürdigen,  bald  darauf  ver- 
öffentlichten Versuchen  angeregt  haben,  in  denen  der  Nachweis  ge- 
liefert wird,  dass  die  Widerstandskraft  des  Wassers  gegen  die  Ver- 
dampfung, d.  h.  die  Cohäsion  der  Wassertheilchen  bei  gänzlicher  Ab- 
wesenheit von  Luft,  ausserordentlich  gross  ist,  und  eigentlich  nur  da 
mit  Leichtigkeit  überwunden  wird,  wo  es  einem  leeren  oder  mit  Gas 
erfüllten  Räume  angrenzt,  also  z.  B.  au  der  Oberfläche  des  Wassers. 
Ganz  luftfreies  Wasser  konnte  bei  gewöhnlichem  Luftdruck  unter 
günstigen  Umständen  bis  zu  135'^  C.  erhitzt  werden,  ehe  es  zu  sieden 
begann.  Durch  die  kleinste  Luftblase  wurde  freilieb  dieser  Wider- 
stand aufgehoben.  Auch  konnte  man  sicher  sein,  wenn  das  über  den 
gewöhnlichen  Siedepunkt  erhitzte  Wasser  plötzlich  zum  Sieden  kam, 
die  Gegenwart  einer  Luftblase  sich  immer  nachweisen  Hess.  In  der 
That  beruht  die  alltäglich  erprobte  Fähigkeit  des  Platins  das  Sieden 
der  Flüssigkeiten  zu  erleichtern,  lediglich  auf  der  Hartnäckigkeit,  mit 
welcher  dieses  Metall  die  Luft  auf  seiner  Oberfläche  verdichtet.  Durch 
lange  fortgesetztes  Kochen  mit  Wasser  geht  dem  Platin,  mit  der  von 
der  Oberfläche  allmählich  sich  abtrennenden  Luft ,  diese  Eigenschaft 
vollkommen  verloren. 

In  Salzlösungen  ist  die  Anziehung,  welche  die  flüssigen  Theile 
gegen  einander,  und  also  auch  gegen  die  gebildeten  Dämpfe  äussern, 
grösser  als  in  reinem  Wasser,  daher  auch  die  Temperatur  höher  sein 
muss,  bei  welcher  die  Dämpfe  sich  losreissen  können  oder,  was 
dasselbe  sagen  will,  die  Flüssigkeit  siedet. 

So  begreift  man  die  bemerkenswerthe  Erscheinung,  dass  bei  lUU" 
gesättigter  Wasserdampf,  welchen  man  in  Salzwasser  von  lOO**  ein- 
führt, zum  Theil  niedergeschlagen  wird  und  die  Temperatur  der  Flüs- 
•'';•'•    erhöhen    muss,   bevor  die  Dampf  blasen   mit  derselben  höheren 


*)  Donnjr,  lieber  die  CohiUion  der  Flüssigkeiten  und  deren  Adhärenz  an  Starren 
Kürp—       V \ •■■     '  \V!I.    5Ü-2. 


70 


Temperatur  aus  der  Salzlösung  wieder  aufsteigen  können.  Nach 
Herstellung  eines  Gleichgewichtszustandes  der  Flüssigkeitstemperatur, 
welche  sich  in  Folge  des  nun  eintretenden  Verdampfens  nicht  höher 
steigern  lässt,  wird  also  fortwährend  ein  Theil  des  einströmenden 
Dampfes,  indem  er  sich  wieder  in  flüssiges  Wasser  verwandelt, 
dazu  vorwendet ,  durch  seine  freiwerdende  Wärme  den  Ueberrest 
des  Dampfes  auf  eine  höhere  Temperatur  zu  bringen,  und  es  ist 
einleuchtend,  dass  die  aufsteigenden  Dampf  blasen,  da  ein  Theil  des 
Dampfes  als  Wasser  niedergeschlagen  wird,  unter  dem  Luftdrucke 
nicht  mehr  gesättigt  sein   können. 

Zur  Erkenntniss  dieser  höchst  merkwürdigen  Thatsachen  war 
Magnus  durch  eineReihe  von  selbstständigen  Versuchen  geführt  worden, 
ohne  dass  er  geahnt  hätte,  dass  ähnliche  Beobachtungen  auch  bereits  von 
Gay-Lussac  und  Faraday  gemacht  worden  waren.  Auch  ist  das 
Verdienst,  diese  Erscheinungen  aufgeklärt  zu  haben,  viele  Jahre  hindurch 
fast  ausschliesslich  unserm  Fj-eunde  zugeschrieben  worden,  bis  er  selber 
auf  den  Antheil  aufmerksam  gemacht  hat,  welcher  seinen  Vorgängern 
gebührt*). 

E*  ist  lange  Zeit  unbekannt  geblieben,  dass  die  Dämpfe,  welche 
unter  dem  Luftdruck  aus  kochenden  Salzlösungen  unmittelbar  aufstei- 
gen, eine  höhere  Temperatur  besitzen,  als  die  dem  Spannungsmaximum 
bei  dem  herrschenden  Luftdruck  entsprechende,  d.  h.  also  als  lOO'*.  — 
Man  glaubte  vielmehr  fast  allgemein,  dass  die  aus  wässrigen  Salz- 
lösungen entwickelten  Dämpfe  in  allen  Fällen  dieselbe  Tempe- 
ratur annehmen,  mit  welcher  der  Dampf  unter  gleichem  Drucke 
aus  reinem  siedenden  Wasser  entweicht.  Die  früheren  Beobachter 
hatten  unbeachtet  gelassen,  dass  die  von  dem  Dampf  über  dem  sie- 
denden Wasser  umhüllte  Thermometerkugel,  wenn  ihre  Temperatur 
niedriger  ist,  als  die  der  siedenden  Flüssigkeit,  auf  ihrer  Oberfläche 
Wasser  verdichtet,  und  in  Folge  dessen  nur  die  Temperatur  der  von 
ihrer  Oberfläche  verdampfenden,  aber  stets  wieder  erneuerten  Flüssig- 
keit anzeigen  kann.  Der  hieraus  hervorgehende  Irrthum  lässt  sich 
nur  dadurch  vermeiden,  dass  man  das  Thermometer  vor  dem  Einsetzen 
noch  trocken  weit  über  die  Siedetemperatur  der  Salzlösung  erhitzt. 
Die  zalilreichen  bei  der  Anstellung  dieses  Versuchs  eintretenden 
Schwierigkeiten  hat  Magnus  durch  die  Construction  eines  ihm  eigen- 
thümlichen   Apparates  beseitigt. 

Endlich  fand  Magnus,  dass  die  Spannkraft  der  Dämpfe  einer 
Mischung  zweier  sich  gegenseitig  auflösender  Flüssigkeiten  stets  ge- 
ringer ist,  als  die  Summe  der  Spannkräfte  ihrer  Bestandtheile  bei 
derselben  Temperatur,  und  dass  diese  Spannkraft  abhängig  ist  von 
dem  Verhältniss,  in  welchem  beide  Flüssigkeiten  in  der  Mischung  vor- 


♦)  Po  gg.  Ann.  CXII.  411. 


71 

handen  sind.  So  vermindert  sicli  z.  B.  die  Spannkraft  des  Aethers  in 
der  Haronieterleere,  sobald  man  eine  damit  mischbare  Flüssigkeit,  wif 
Alkohol,  zuführt. 

Anders  verhalten  sich  die  Dämpfe  von  Flüssigkeitsgemengen,  wie 
Wasser  und  Terpentinöl,  deren  Bestandtheile  ganz  getrennte  Schichten 
bilden.  Bei  diesen  ist  die  Spannkraft  des  Dampfgemenges  gleich 
der  Summe  der  Spannkräfte  der  Gemengtheile,  ganz  so  wie  es  da.s 
Dalton'sche 'Gesetz  verlangt.  Wenn  die  flüchtigere  Flüssigkeit  die 
unterste  Schicht  bildet,  so  zeigt  sich  die  Temperatur  des  Dampfge- 
uienges  immer  etwas  niedriger,  als  die  Siedetemperatur  der  flüchti- 
geren Flüssigkeit. 

Wenn  schon  die  Versuche  über  den  Siedeprocess  das  Interesse  der 
Chemiker  ebensosehr  wie  der  Physiker  beanspruchen,  so  gilt  dies  in 
fast  noch  höherem  Grade  von  den  Arbeiten  über  die  Ausdehnung 
der  Luft  und  die  Spannkraft  des  Wasserdampfes.  Die  Ergeb- 
nisse dieser  Untersuchungen  gehören  jedenfalls  zu  den  schönsten 
Erfolgen  unseres  verewigten  Freundes,  und  würden  allein  hingereicht 
haben,  ihm  für  alle  Zeiten  einen  ehrenvollen  Platz  unter  den  Natur- 
forschern dieses  Jahrhunderts  zu  sichern.  In  keiner  seiner  anderen 
Arbeiten  zeigt  sich  die  Eigenart  seiner  Forschung,  sein  unermüdlicher 
Fleiss  und  seine  unbeirrbare  deutsche  Gewissenhaftigkeit  in  glänzen- 
derem Lichte,  als  gerade  in  diesen  Experimentaluntersuchuugen  und  zu- 
mal in  seinen  Studien  über  die  Ausdehnung  der  Gase.  Auch  kann 
das  hohe  Verdienst,  welches  sich  Magnus  um  die  Feststellung  der 
Ausdehnungs-  und  Spannungsconstanten  erworben  hat,  nicht  entfernt 
durch  den  Umstand  beeinträchtigt  werden,  dass  ähnliche  und  aller- 
dings ausgedehntere  Untersuchungen  fast  unmittelbar  nach  dem  Be- 
kanntwerden seiner  Resultate  von  Regnaul t  verötfentlicht  wurden. 
Brachten  doch  diese  Untersuchungen  fast  durchgeheuds  Bestätigung  der 
Magnus' sehen  Zahlen  und  sah  sich  doch  Regnault  in  einigen  Fällen, 
in  denen  Uebereinstimmung  gefehlt  hatte,  später  veranlasst,  seine 
ersten  Angaben  zu  berichtigen. 

Die  Wissenschaft  hat  sich  in  der  Tliat  Glück  zu  wünschen,  dass 
gerade  durch  die  nahezu  gleichzeitigen  und  von  einander  völlig  un- 
abhängigen Arbeiten  zweier  so  bewährter  Forscher,  die  Kenntniss 
einer  Reihe  der  unentbehrlichsten  Grundlagen  physikalischer  und 
chemischer  Untersuchungen  nunmehr  wohl  als  über  jeden  Zweifel  er- 
hoben betrachtet  werden  darf. 

Um  die  Magnus'sche  Arbeit  über  die  Ausdehnung  der  Luft 
ihrem  ganzen  Umfange  nach  würdigen  zu  können,  müssen  wir  uns  in 
die  Zeit  zurückversetzen,  welche  diesen  Versuchen  unmittelbar  voraas- 


72 


Vor  dem  Jahre  1837  war  man  der  Ansicht,  dass  keine  Constante 
der  Physik  mit  grösserer  Sicherheit  bestimmt  sei,  als  der  von  Gay- 
Lussac  ermittelte  Ausdehnungscoefficient  der  Luft.  Denn  abgesehen 
von  dem  grossen  Zutrauen,  welches  allen  Zahlenangaben  die&es  berühm- 
ten Forschers  mit  Recht  geschenkt  wurde ,  schien  aus  den  nahezu 
gleichzeitigen  Messungen  Dalton's  fast  dieselbe  Zahl  hervorzugehen, 
und  zum  üeberfluss  war  dieselbe  auch  von  Dulong  und  Petit  gele- 
gentlich ihrer  klassischen  Arbeit  über  die  Ausdehnung  der  Gase  in 
höheren  Temperaturen  als  richtig  bezeichnet  worden. 

Als  daher  im  Jahre  1837  Rudberg*)  eine  neue  Arbeit  über  die 
Ausdehnung  der  Luft  veröffentlichte,  welche  eine  von  der  Gay- 
Lussac'schen  abweichende  Zahl  brachte,  so  fand  diese  Angabe  nur 
bei  den  Wenigsten  eine  günstige  Aufnahme,  zumal  auch  die  Versuche, 
auf  welche  Rudberg  seine  Angabe  stützte,  nicht  eben  umfangreich 
waren,  und  ihre  Fortsetzung  und  Erweiterung  in  Folge  seines  frühen 
Todes   unterblieb. 

Indessen  die  Richtigkeit  einer,  wenn  auch  vorher  allgemein  an- 
erkannten Constanten,  war  gleichwohl  durch  Beobachtungen  eines 
geachteten  Forschers  zweifelhaft  geworden.  Neue  Untersuchungen 
waren  dringend  geboten,  Magnus  unterzog  sich  dieser  höchst  wich- 
tigen, aber  auch  höchst  mühevollen  Arbeit**),  denn  es  handelte  sich  be- 
greiflich nicht  darum,  zu  den  bereits  vorhandenen  Angaben  noch  neue 
hinzuzufügen,  sondern  es  musste  vor  Allem  der  Werth  sämmtlicher 
früherer  Angaben  einer  sorgfälligen  Prüfung  unterworfen  werden. 

Diese  Prüfung  führte  denn  auch  alsbald  zu  einem  ganz  über- 
raschenden Ergebniss,  insofern  die  einerseits  von  Gay-Lussac, 
andererseits  von  Dal  ton  gegebenen  Zahlenwerthe,  deren  nahe  Ueber- 
einstimmung  man  seltsamer  Weise  angenommen  hatte,  in  Wahrheit 
weit  auseinander  liegen.  Nach  Gay- Lussac  beträgt  die  Ausdehnung 
von  1000  Volumen  Luft  durch  Erwärmung  von  0*^  auf  100",  wenn 
der  Druck  unverändert  bleibt,  375  Volume.  Dal  ton  fand,  dass 
1000  Volume  Luft  von  55"  F  =  120,78  C,  bis  zum  Siedepunkte  des 
Wassers,  also  um  ein  Teraperaturintervall  von  100 — 12,78  =  87'', 22 
erwärmt,  um  325  Volume  zunehmen.  Hiernach  berechnet  sich  die 
Ausdehnung,  welche  1000  Volume  Luft  beim  Erwärmen  um  einen  Tem- 
peraturunterschied von  100'^  erleiden,  auf  372,6  Volume.    Es  ist  nämlich 

"  «k  ^  '""  =  "''" 

Da  nun,  sagte  man,  Gay-Lussac  375  Volume  gefunden  hat,  so  dient 
die  eine  dieser  Zahlen  der  Richtigkeit  der  anderen  zur  Bestätigung.  Diese 


*)    Rudberg,    üeber   die    Ausdehnung   der   trockenen    Luft   zwischen    0"    und 
100»  C.     Po  gg.  Ann.  XLI.  271   u.  XLIV,    119. 

♦*)  Ueber  die  Ausdehnung  der  Gase   durch   die   Wärme.      Pogg.   Ann.   LIV   601 
und  LV.   1.  (1841). 


73 


anmittelbare  Vergleichung  beider  Zahlenresultate  ist  jedoch  vollkommen 
irrig,  weil  beide  Zahlen,  wenn  auch  für  denselben  Temperaturun- 
terschied geltend,  sich  gleichwohl  auf  Luftvolume  von  ganz  ver- 
schiedener Ausgangstemperatur  beziehen.  Die  Bedeutung  dieser  Ver- 
schiedenheit wird  vielleicht  am  deutlichsten  hervortreten,  wenn  wir 
dem  Aasdtthnungscoefficiemen  der  Luft  die  Form  eines  gemeinen 
Bruches  geben.  Setzt  man  zu  dem  Ende  die  Gay-Lussac'sche  Zahl 
0,00375  gleich  y^,  so  will  das  heissen,  dass  267  Volume  Luft  bei 
O**  gemessen  und  auf  t^  erwärmt,  sich  in  267 -h  <  Volume  verwan- 
dein. Mit  gleichem  Rechte  aber  sagen  wir  auch :  267  ■+- 1  Volume 
Luft  bei  t'^  gemessen  und  auf  T^  erwärmt,  verwandeln  sich  in 
267  H-  T  Volume.  Es  berechnet  sich  hiernach  der  Ausdehnungs- 
coefficient  für  jede  bestimmte  Anfangstemperatur  t  nach  Gay-Lussac 
auf  1 

267  ■+■  t. 
Nach  den  Versuchen  von  Dalton  ist  der  Ausdehnungscoefficient  für 
r=  12,78  C: 

0,003726  =  -^. 

Folglich,  wenn  man  von  dem  Volum  bei  0^  ausgehen  will: 

1 _       1 

268,40  —  12,78  ~  255,62' 
Rudberg  fand,  auf  das  Volum  bei  0^  bezogen,  den  Ausdehnungs- 
coefficienten : 

2-Ä;3 =«•'»'«*«• 

Die  Dalton 'sehe  und  die  Rudberg'sche  Zahl  entfernen  sich 
also  von  der  Gay- Lussac'schen  im  entgegengesetzten  Sinne,  und 
zwar  die  erstere  sogar  noch  weit  mehr  als  die  letztere. 

Gay-Lussac  hatte  bekanntlich  die  Volumvergrösserung  der 
Luft  durch  Erwärmung  unmittelbar  gemessen,  indem  er  eine  Quantität 
trockner  Luft  in  einem  Glasbebälter  von  Thermometerform  mittelst 
eines  Quecksilberfadens  abschloss.  Durch  Erwärmung  der  Luft  wurde 
dieser  Faden  vorwärts  geschoben,  bei  der  Abkühlung  zog  er  sich 
wieder  zurück.  Der  Behälter  war  calibrirt  und  so  konnte  das  Ver- 
hältniss  der  durch  die  Wärme  bewirkten  Volumveränderungen  direct 
gemessen  werden. 

Nach  demselben  Verfahren  hat  Magnus  mehr  als  30  Versuche 
ausgeführt.  Sie  lieferten  im  Mittelwerthe  die  Zahl  0,00369,  zeigten 
jedoch  untereinander  keine  grosse  Uebereinstimmung,  denn  die  Fehler- 
grenzen schwankten  zwischen  0,003598  und  0,003877 ;  er  überzeugte 
sich  in  der  That,  dass  es  unmöglich  war,  mittelst  des  Quecksilber- 
pfropfs die  innere  trockene  von  der  äusseren  feuchten  Luft  auf  die 
Dauer  absolut  abzuschliessen. 

6 


74 


Unverkennbare  Vorzuge,  dieser  Methode  gegenüber,  bot  die  nach 
Rudberg  genannte,  bei  welcher  nicht  eigentlich  die  Ausdehnung  der 
Luft  gemessen  wird,  sondern  ihre  bei  constant  bleibendem  Volum  mit 
der  Temperatur  sich  ändernde  Spannkraft,  von  der  dann  wieder,  so 
weit  das  Mariotte'sche  Gesetz  Geltung  hat,  die  Ausdehnung  durch 
Erwärmung  und  unter  constant  bleibender^  Drucke  abhängig  ist. 

Hier  fiel  also  jede  Volummessung  weg  und  die  von  volumetrischen 
Messungen  unzertrennlichen  Fehler  waren  beseitigt.  Es  genügte  für 
die  Untersuchung  eine  massige  Luftmenge,  deren  Temperaturänderung 
sich  eben  deshalb  mit  grösserer  Leichtigkeit  gleichförmig  bewerkstelligen 
Hess.  Eine  Verunreinigung  der  in  dem  Behälter  des  Luftthermometers 
einmal  eingeschlossenen  und  wohlgetrockneten  Luft  war  während  der 
Dauer  einer  Versuchsreihe  nicht  zu  befürchten,  ja  nahezu  unmöglich. 
In  der  That  bedurfte  es  nur  einer  sehr  sorgfältigen  Beobachtung  der 
Temperatur  zu  Anfang  und  zu  Ende  des  Versuchs,  sowie  genauer 
Messung  der  Quecksilberdrucksäule,  welcher  die  eingeschlossene  Luft- 
menge ausgesetzt  werden  musste,  um  während  der  Dauer  des  Ver- 
suchs ihr  Volum  unverändert  zu  erhalten.  Die  schliesslich  nothwendige 
Correction  wegen  Ausdehnung  des  Glasbehälters  konnte  auf  das  Haupt- 
resultat nur  geringen  Einfluss  üben. 

Auf  diesem  Wege  hat  Magnus  aus  dem  Mittel  mehrerer  fast 
übereinstimmender  Versuche  die  Volumerweiterung  trockener  Luft 
zwischen  dem  Schmelzpunkte  des  Eises  und  dem  Siedepunkte  des 
Wassers  unter  28  Zoll  Druck,  im  Verhältnisse  von  1  zu  1,3665  be- 
stimmt. Da  innerhalb  dieser  Grenzen  das  Quecksilberlhermometer 
mit  dem  Luftthermometer  gleichen  Schritt  hält,  so  kann  man  auch 
sagen,  der  Ausdfehnungscoefficient  der  Luft  für  je  P^  des  Quecksilber- 
thermometers beträgt  zwischen  diesen  Grenzen: 

0,003665  =  ^^5 

des  Volums  bei  0". 

Dafür  ist,  wie  bekannt,  gegenwärtig  fast  allgemein  die  Zahl 

2^  =  0,003663 

angenommen  worden. 

Der  Ausdehnungscoefficient  des  Wasserstoffs,  auf  dieselbe  Weise 
bestimmt,  wurde  um  ein  Weniges  geringer,  der  der  Kohlensäure  schon 
merklich  grösser,  endlich  der  des  schwefligsauren  Gases  beträchtlich 
grösser  gefunden. 

Unter  den  etwas  später  bekannt  gewordenen  von  Regnaul  t  ge- 
fundenen Zahlen  ergab  sich,  was  die  Luft  anlangt,  eine  absolute 
üebereinstimmung.  Für  Wasserstoffgas  fand  zwarRegnault  Anfangs 
eine   etwas   grössere  Zahl    und    für   kohlensaures    und    schwefligsaures 


75 


Gas  geringere  Abweichungen  von  der  Ausdehnung  der  Luft  als 
Magnus.  Die  betreffenden  Angaben  hat  er  jedoch  später  durch 
andere  ersetzt,  welche  den  von  Magnus  mitgetheilten  sehr  nahe 
kommen. 

Einige  dieser  Arbeit  sich  anschliessende  Versuche,  obwohl  einer 
viel  späteren  Zeit  angehörig,  mögen  anhangsweise  hier  noch  kurz 
erwähnt  werden. 

Schon  öfter  ist  die  Frage  aufgeworfen  worden,  in  wie  weit 
die  Verdichtung  der  Gase  an  der  Oberfläche  des  Glases  einen  Einfluss 
auf  die  Verschiedenheit  der  beobaichteten  Ansdehnungscoefficienten 
haben  könnte.  Auch  Magnus  hat  sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt. 
Seine  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand ,  von  denen  er  nur  ge- 
legentlich einige  Mittheilungen  gemacht  hat*),  sind  jedoch  unvollendet 
geblieben. 

Aus  der  veröffentlichten  Notiz  ist  als  bemerkenswerth  hervorzu- 
heben .  dass  der  Ausdehnungscoefficient  der  schwefligen  Säure  durch 
die  Attraction  des  Glases  zwar  nicht  unerheblich,  jedoch  auch  nicht 
so  beträchtlich  vergrössert  erscheint,  um  aus  diesem  Umstände  allein 
den  Unterschied  zwischen  den  für  dieses  Gas  und  für  die  Luft  gefun- 
denen Zahlen  zu  erklären. 

Mit  Hülfe  des  Luftthermometers  hat  Magnus  auch  die  Aus- 
dehnung der  Luft  mit  der  des  Quecksilbers  in  Glasgefässen  bei 
höheren  Temperaturen  bis  nahe  zum  Siedepunkte  des  Queck- 
silbers verglichen**).  Er  gelangte  sehr  nahe  zu  denselben  Zahlen, 
welche  auch  Dulong  und  Petit  gefunden  hatten;  nach  diesen  Beob- 
achtern bleiben  die  durch  die  absolute  Ausdehnung  der  Luft,  welche  als 
gleichförmig  vorausgesetzt  wird,  gemessenen  Temperaturen  hinter  den 
Anzeigen  des  Quecksilberthermoraeters,  schon  über  100*^  hinaus,  merk- 
lich zurück,  so  dass  der  Unterschied  bei  150°  des  Quecksilberthermo- 
meters schon  mehr  als  1'^  C.  und  bei  200^*  beinahe  schon  3*^  aus- 
macht. Zu  diesem  überraschenden  Resultate  hätten  Dulong  und 
Petit  unmöglich  gelangen  können,  wenn  sie  die  Ausdehnung  der 
Luft  nach  dem  Gay -Lussac'schen  AusdehnungscoefBcienten  be- 
rechnet hätten. 

Dessen  bedurfte  es  aber  auch  nicht  bei  ihren  Versuchen,  weil  sie 
den  Gang  des  Quecksilberthermometers  mit  dem  des  Luftthermometers 
nicht  nur  bei  höheren  Temperaturen,  sondern  auch  zwischen  0**  und  100® 
verglichen  hatten.     Bei  der  Berechnung  ihrer  Resultate   konnte  daher 


•)  Ueber  die  VerdichtBng  der  G««e  ad  der  Oberfläche  glatter  Körpej.  Po  gg. 
Ann.  LXXXIX.   604.  (1858). 

**)  Ueber  die  Ausdehnung  der  Loft  bei  höheren  Temperataren.  Po  gg.  Ann. 
LVn.    177.  (1842.) 

6- 


76 


sehr  wohl  die  Vohimveränderung  zwischen  O*^  und  100^  den  Veränderun- 
gen, welche  bei  höheren  Temperaturen  eintraten,  zu  Grunde  gelegt  sein, 
ohne  dass  der  Ausdehnungscoefficient  selbst  in  Anwendung  gekommen 
war.  Es  ist  zu  bedauern ,  dass  die  Originalgrundlagen  der  Versuche 
von  Dulong  und  Petit  nicht  mitgetheilt  worden  sind  und  überhaupt 
nicht  mehr  vorhanden  zu  sein  scheinen,  sonst  wurde  sich  der  richtige 
Ausdehnungscoefficient  der  Luft  wohl  heute  noch  aus  ihren  Beob- 
achtungen ableiten  lassen. 

Uebrigens  giebt  Magnus  selbst  seine  Freude  darüber  zu  erkennen, 
dass  durch  seine  Arbeit  die  Zahlen  von  Dulong  und  Petit  bestätigt 
werden;  man  sehe,  sagt  er,  dass  diese  Physiker  genauer  und  zuver- 
lässiger gearbeitet  haben,  als  man  aus  ihrer  eigenen  Angabe,  dass  sie 
den  Ausdehnungscoefficienten  zwischen  0*^  und  100*^  eben  so  gross  als 
Gay-Lussac  gefunden  haben,  zu  schliessen  sich  berechtigt  glaubte. 

Gleichzeitig  mit  Magnus  hatte  auch  Regnault  über  denselben 
Gegenstand  gearbeitet,  war  aber  zu  wesentlich  abweichenden  Resul- 
taten gekommen.  Denn  während  nach  Magnus,  gleich  wie  nach 
Dulong  und  Petit,  die  scheinbare  Ausdehnung  des  Quecksilbers 
in  Glasgefässen ,  also  auch  in  den  Thermometern,  von  100°  aufwärts 
verhältnissmässig  stets  bedeutender  ist  als  die  absolute  Ausdehnung 
der  Luft,  und  bei  .330°  des  Quecksilberthermometers  schon  zwischen 
9  und  10°  ausmacht,  hat  Regnault  gefunden,  dass  in  Glasbehältern 
Luft  und  Quecksilber  in  ihrer  Ausdehnung  bis  zur  Temperatur  von 
200°  gleichen  Schritt  halten,  dass  bei  250°  das  Quecksilber  der  Luft 
nur  um  0°,3  und  selbst  bei  350°   nur  um  3°, 3  vorauseilt. 

Darauf  hin  hat  Magnus  seine  Versuche  mit  der  peinlichsten 
Sorgfalt  wiederholt,  und  besonders  auch  darauf  Rücksicht  genommen, 
dass  die  gewählten  Thermometer,  Luftthermometer  und  Quecksilber- 
thermometer, von  derselben  Glassorte  gefertigt  waren  (weil  Regnault 
diesen  Umstand  als  wesentlich  wichtig  hervorgehoben  hatte),  ohne  gleich- 
wohl andere  Resultate  als  vorher  erhalten  zu  können. 

Es  wäre  gewiss  im  Interesse  der  Wissenschaft,  wenn  auch 
Regnault  sich  entschliessen  könnte,  seinerseits  der  Quelle  jener 
Verschiedenheiten  nachzuspüren.  Denn  so  lange  diese  Verhältniss- 
ungeklärt bleiben,  sind  die  in  neuerer  Zeit  üblich  gewordenen  Reduc- 
tionen  der  Angaben  des  Quecksilberthermometers  auf  das  Luftthermo- 
raeter  ziemlich  werthlos,  Messungen  aber,  die  mit  dem  Luftthermo- 
meter  direct  ausgeführt  worden  sind,  gestatten  keine  Vergleichung 
mit  den  Angaben  des  Quecksilberthermometers. 

Im  engsten  Zusammenhange  mit  den  Versuchen  über  die  mit 
der  Erwärmung  zunehmende  Spannkraft  der  Luft  stehen  die  Unter- 
suchungen über  die  Spannkraft  der  Wasserdämpfe*).    Ein  Luftthermo- 


*)  Veraucha  Über  die  Spannkräfte  des  Wasserdampfs.   Po  gg.  Ann.  LXl.  2*25.(1844.) 


77 


meter  derselben  Art,  wie  das  bei  jenen  verwendete,  diente  Magnus, 
um  die  Temperatur  der  gespannten  Dämpfe  zu  messen.  Auch  ge- 
brauchte er  dieselbe  Heizvorricb*ung,  um  eine  beliebige  constant 
bleibende  Temperatur  hervorzubringen.  Dieselbe  bestand  aus  einem 
Kasten  von  Eisenblech,  welchen  drei  andere  Kasten  von  ähnlicher 
Beschaffenheit  in  der  Weise  umgaben ,  dass  zwischen  je  zwei  Blech- 
wänden eine  Luftschicht  von  ^  Zoll  blieb.  Die  Kasten  hingen  in 
einander,  um  jeden  metallischen  Zusammenhang  in  den  unteren  Theilen 
zu  vermeiden.  Nur  der  äusserste  Kasten  wurde  mittelst  einer  Ar- 
gand 'sehen  Spirituslampe  erwärmt.  Die  Wärme  drang  in  Folge 
dieser  Anordnung  freilich  nur  sehr  langsam  in  den  inneren  Raum, 
erzeugte  aber  dafür  in  diesem  Räume  eine,  je  nach  der  Stärke 
der  Flamme  verschiedene,  sehr  gleichförmig  sich  erhaltende  Tem- 
peratur. 

In  demselben  Räume  mit  dem  Gefässe  des  Luftthermometers 
befand  sich  ein  luftleerer  mit  reinem  luftfreien  Wasser  gefüllter 
Glasbehälter,  in  welchem  die  Dämpfe  erzeugt  wurden,  deren  Spann- 
kraft nach  Aussen  sich  fortpflanzend,  durch  den  Gegendruck  einer 
Quecksilbersäule  gemessen  wurden.  Die  Höhe  der  letzteren,  welche 
von  dem  Eindruck  der  Wärme  des  Heizapparates  genügend  entfernt 
war,  konnte  gleich  der  drückenden  Quecksilbersäule  des  Luftthermo- 
meters mittelst  eines  Kathetometers  abgelesen  werden. 

Die  grosse  Sorgfalt,  welche  Magnus  anf  die  Herstellung  und 
wiederholte  Prüfung  seines  Apparates  verwendete,  wurde  durch  den 
Gewinn  einer  Zahlenreihe  von  seltener  Genauigkeit  und  Verlässlich- 
keit  belohnt.  Leider  ist  die  Reihe  nicht  sehr  ausgedehnt  und  er- 
streckt sich  nur  auf  die  Temperaturen  zwischen  —  G  bis  -t-  104°. 

In  den  mitgetheilten  Originalzahlen  zeigen  sich  die  Fehlergrenzen, 
namentlich  bei  den  Beobachtungen  über  20°  hinaus,  allerdings  nicht 
ganz  gering,  und  Magnus  hebt  mit  der  ihm  eigenen  Offenheit  hervor, 
dass  er  grössere  üebereinstimmung  nicht  zu  erreichen  vermochte.  Auf 
die  nach  den  Mittelwerthen  berechneten  Spannkräfte  war  dies  indessen 
ohne  Einfluss,  wie  man  am  deutlichsten  daraus  erkennt,  dass  die  nicht 
lange  nachher  von  Regnault  gegebenen  und  aus  viel  umfangreicheren 
Messungen  abgeleiteten  Spannkräfte  mit  den  in  der  Magnus'schen 
Tabelle  enthaltenen  fast  identisch  sind. 

Eine  andere  Reihe  thermischer  Untersuchungen,  mit  denen  sich 
Magnus  seit  dem  Jahre  1861  wiederholt  beschäftigt  hat,  betrifft  die 
Verbreitungsweise  der  Wärme  in  Gasen,  sowohl  durch  Leitung  wie 
durch  Strahlung.  Die  erste  Veranlassung  zu  dieser  Untersuchung 
gab  ihm,  wie  er  selbst  sagt,  die  interessante  Beobachtung  von  Grove*), 


*)  Grove,    on  ithe    efect    of  $urroimdMg   mtdia    on    Voltaic    ignition.       Pbil. 
M«g.   [3]  XXXV.    114. 


78 


dass  ein  von  Wasserstoff  umgebener  Platindraht  beim  Durchgange 
des  galvanischen  Stromes  weniger  stark  erglüht,  als  wenn  er  in 
atmosphärische  Luft  oder  eine  andere  Gasart  eingehüllt  ist.  Poggen- 
dorff  *)  hatte  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  diese  Erscheinung  auf 
denselben  Gesetzen  beruhe,  welche  Dulong  und  Petit  für  das  Er- 
kalten eines  auf  gewöhnliche  Weise  erhitzten  Körpers  festgestellt 
haben  und  später  hatte  Clausius**)  die  Uebereinstimmung  zwischen 
den  von  Dulong  und  Petit  gegebenen  Zahlen  und  den  Resultaten 
Grove's  nachgewiesen.  Magnus  seinerseits  vermuthete,  dass  eine 
besondere  Leitungsfähigkeit  des  Wasserstoffs  für  die  Wärme  mit  im 
Spiele  sein  könne. 

Dass  die  Gase  einen  gewissen  Grad  der  Leitfähigkeit  in  dem 
Sinne  wie  feste  und  flüssige  Körper  besitzen  müssen ,  lässt  sich  nicht 
in  Abrede  stellen,  denn  sie  vermögen  den  Oberflächen  der  Körper, 
je  nachdem  diese  eine  höhere  oder  niedere  Temperatur  als  sie  selbst 
besitzen,  entweder  Wärme  zu  entnehmen  oder  abzugeben;  ferner  weiss 
man,  dass  wärmere  und  kältere  Gasmassen,  zusammen  gemengt,  ihre 
Temperatur  wechselseitig  ausgleichen.  —  Wenn  demnach  die  Gase 
die  Wärme  leiten,  so  ist  es  auch  denkbar,  dass  verschiedene  Gase 
dieses  Vermögen  in  ungleichem  Grade  besitzen.  Um  diese  Frage 
experimental  zu  prüfen,  bedient  sich  Magnus***)  eines  Apparates  von 
folgender  Einrichtung.  Auf  ein  cylindrisches  senkrecht  gestelltes  Gefäss 
aus  sehr  dünnem  Glase  von  56°""  Weite  und  160"""  Höhe,  ist  ein  zweites 
offenes  Glasgefäss  von  demselben  Durchmesser,  aber  nur  etwa  100°"° 
Höhe,  aufgeschmolzen,  in  der  Art,  dass  beide  Behälter  nur  durch  eine 
einzige  dünne  Glaswand  getrennt  sind.  Der  die  untere  Mündung  des 
cylindrischen  Gefässes  schliessende  Kork  ist  von  zwei  mit  Hähnen 
versehenen  Glasröhren  durchsetzt,  durch  welche  man  das  Gefäss  mit 
Luft  oder  anderen  Gasen  unter  beliebigem  Drucke  füllen,  oder  auch 
wieder  entleeren  kann.  Seitlich  ist  das  cylindrische  Gefäss  etwa  50"" 
unterhalb  der  dünnen  Glaswand  mit  einem  Tubulus  versehen,  durch 
welchen  ein  Thermometer  eingeschoben  und  in  horizontaler  Lage  un- 
veränderlich befestigt  ist. 

In  das  aufgeschmolzene  Gefäss  wird  siedendes  W^asser  gebracht 
und  während  der  Dauer  eines  Versuches  durch  Einführung  von 
Wasserdampf  im  Sieden  erhalten.  Um  mittlerweile  dem  umgebenden 
Räume  eine  möglichst  constante  Temperatur  zu  sichern,  ist  der  Appa- 
rat in  einem  Becherglas  befestigt  und  dieses  wieder  mit  einem  ähnlichen 
weiteren  umgeben,  welches  bis  zur  Höhe  des  siedenden  Wassers 
mit  Wasser  von  constanter  Temperatur  gefüllt  ist. 


*)  Pogg.  Ann.  LXXI.   197.    Note. 

♦*)  Clausius,    Ueber   die    von  Grove   beobachtete  Abhängigkeit  des  galvani- 
schen Glühens  von  der  Natur  des  umgebenden  Gases.     Pogg.  Ann.  LXXXVH.   505. 
♦*♦)  Ueber  die  Verbreitung  der  Wärme  in  den  Gasen.  Pogg.  Ann.  CXII.  467.  (1861.) 


79 


Durch  die  Art  der  Aufstellong  ist  eine  Ausbreitung  der  Wärme 
durch  Strömung  im  Innern  des  Cylinders  wesentlich  verhindert.  Um 
auch  den  Einfluss  einer  directen  Bestrahlung  des  Thermometers  abzu- 
halten, befindet  sich  zwischen  demselben  und  der  heissen  Decke  ein 
Schirm  aus  dünnem  versilberten  Kupferblech.  Ganz  kann  auf  diese 
Weise  die  Einwirkung  der  Strahlung  allerdings  nicht  ausgeschlossen 
werden,  weil  die  Strahlen  der  heissen  Glasflilche  auf  die  Wände  des 
Becherglases  fallen  und  von  diesen  wieder  auf  das  Thermometer 
reflectirt  werden. 

Hieraus  erklärt  es  sich  denn,  dass  das  Thermometer,  selbst  in 
dem  von  Luft  fast  ganz  entleerten  Räume,  eine  wesentlich  höhere 
Temperatur  zeigen  konnte,  als  die  der  Umgebung  and  zwar  unter  den 
Verhältnissen,  unter  denen  Magnus  arbeitete,  eine  Temperatur  von 
ungefähr  23''  C. ,  während  das  Wasser  in  dem  äusseren  Becherglase 
eine  constante  Temperatur  von  lö**  besass. 

Beim  Zutritt  von  Luft  verminderte  sich  diese  Temperatarerhöhung 
und  zwar  mehr  und  mehr  bei  zunehmendem  Drucke,  so  dass  also 
augenscheinlich  die  Wärmestrahlen,  ähnlich  wie  in  starren  and  flus- 
sigen Körpern,  so  auch  beim  Durchgang  durch  Gase  theilweise  ab- 
Borbirt  werden.  Eine  Bewegung  der  Wärme  durch  Leitung,  wenn  sie 
vorhanden  war,  blieb  unter  der  mächtigeren  Wirksamkeit  der  Strah- 
lung verdeckt. 

In  ähnlicher  Weise  verhielt  sich  eine  grössere  Anzahl  von  Gasen, 
welche  Magnus  untersucht  hat.  Nur  das  quantitative  Verhältniss 
blieb  nicht  gleich.  So  zeigte  es  sich,  dass  wenn  man  die  Temperatur- 
erhöbung,  welche  durch  den  leeren  Raum  hindurch  stattfindet,  gleich 
100°  setzt,  die  Temperaturerhöhung  durch  Luft  82,  Kohlenoxyd  81, 
Grubengas  80,  Ölbildendes  Gas  77,  Cyan  75,  Kohlensäure  70,  Am- 
moniak 69,  schweflige  Säure  66  beträgt,  sämmtliche  Gase  unter  dem- 
selben Druck,  nämlich  dem  Druck  einer  Atmosphäre  beobachtet. 
Eine  sehr  merkwürdige  Ausnahme  in  dieser  Beziehung  bildete  unter 
den  Gasen  einzig  und  allein  das  Wasserstoffgas,  indem  sein  Zutritt 
in  das  cylindrische  Gefäss  den  Durchgang  der  Wärme  auffallend 
mehr  förderte  als  selbst  der  leere  Raum,  und  zwar  zunehmend  mehr 
bei  erhöhter  Dichtigkeit,  so  dass  unter  dem  Atmosphärendruck  das 
Thermometer  bis  zu  28"  stieg,  während  es  im  leeren  Raum  nur  23" 
angenommen  hatte.  Die  Temperaturerhöhung  durch  den  leeren  Raum 
wieder  =  100  gesetzt,  ist  durch  den  Wasserstoff  eine  Temperatur- 
erhöhung von   111  erfolgt. 

Da  diese  Erhöhung  unmöglich  von  einer  vermehrten  Strahlung 
abhängig  sein  konnte,  so  glaubt  Magnus,  dass  durch  diesen  Versuch 
eine  derjenigen  der  Metalle  ähnliche  Leitfähigkeit  des  Wasserstoffs 
für  die  Wärme  erwiesen  sei. 


80 


Es  braucht  kaum  darauf  hingewiesen  zu  werden,  wie  viel  des 
Verführerischen  die  Annahme  einer  Wärmeleitungsfähigkeit  des  Wasser- 
stoffs für  den  Chemiker  besitzt,  zumal  in  der  gegenwärtigen  Zeit,  in 
welcher  der  Begeisterung  für  die  metallische  Natur  dieses  Elementes 
aus  Graham 's  merkwürdigen  Versuchen  über  das  Palladium-Hydro- 
genium  neue  Nahrung  zugeflossen  ist.  Gleichwohl  darf  es  nicht  un- 
erwähnt bleiben,  dass  obschon  die  von  Magnus  wahrgenommenen 
Thatsachen  niemals  in  Zweifel  gezogen  worden  sind,  —  dies  würde  ja 
bei  einem  so  umsichtigen  und  gewissenhaften  Beobachter  vollkommen 
unzulässig  sein  —  sich  dennoch  Stimmen  erhoben  haben,  welche 
die  aus  den  Versuchen  gezogene  Schlussfolgerung  beanstanden.  So 
wird  es  Manchem  schwer,  Angesichts  der  äussersten  Langsamkeit, 
mit  welcher  die  Wärme  z.  B.  im  Wasser  von  Oben  nach  Unten  vor- 
schreitet, es  für  wahrscheinlich  zu  halten,  dass  eine  so  feine  Materie 
wie  WasserstofFgas  ein  guter  Leiter  der  Wärme  in  dem  gewöhnlichen 
Sinne  des  Wortes  sein  könne,  und  man  hat  die  Frage  aufgeworfen, 
ob  hier  nicht  vielmehr  ein  Dift'usionseffect  zwischen  Körpertheilen  von 
zwar  gleichartiger  chemischer  Natur,  aber  verschiedener  durch  die 
ungleiche  Erwärmung   bedingter   specifischer  Elasticität   im  Spiele  sei. 

Die  erwähnten  Versuche  geben  Magnus  Veranlassung  zu  einem 
näheren  Studium  des  Verhaltens  gasförmiger  Körper  zu  den  Wärme- 
strahlen, worüber  zu  jener  Zeit  (1861)  nur  einige  wenige  Beobach- 
tungen von  Franz  vorlagen,  welche  sich  überdies  auf  den  Durch- 
gang der  von  glühenden  Körpern  ausgehenden  Strahlen  beschränkten. 
Für  Magnus  hatte  aber,  mit  Beziehung  auf  die  eben  betrachtete  Arbeit, 
zunächst  gerade  das  Verhalten  der  sogenannten  dunkeln  (d.  h.  der 
von  nicht  leuchtenden  Körpern  ausgesendeten)  Strahlen  das  meiste 
Interesse. 

Der  Untersuchungsapparat,  dessen  er  sich  vorzugsweise  bedient, 
besteht  wieder,  gerade  wie  bei  den  Versuchen  über  Leitungsfähigkeit 
der  Gase,  aus  einem  cylindrischen  Gefässe  von  Glas,  dem  ein  zur 
Aufnahme  des  heissen  Wassers  bestimmtes  anderes,  offenes  Glasgefäss 
aufgeschmolzen  ist.  Der  unten  offene  Glascylinder  ist  seinerseits 
wieder  luftdicht  auf  einem  weiteren  Glasbehälter  befestigt,  welcher 
die  thermo-elektrische  Säule  enthält,  und  dessen  unterer  abgeschliffener 
Rand  auf  dem  Teller  der  Luftpumpe  luftdicht  aufsitzt.  Das  die 
Thermosäule  enthaltende  Gefäss  ist  mit  einem  weiteren  gleichfalls 
auf  dem  Teller  der  Luftpumpe  aufsitzenden  Cylinder  umgeben,  der 
mit  Wasser  von  constanter  Temperatur  gefüllt  ist,  so  dass  die  Säule 
gegen  äussere  Temperatureinflüsse  möglichst  geschützt  ist.  Mittelst 
der  Luftpumpe  und  eines  seitlich  an  dem  Glascylinder  angebrachten 
Tubulus  können  nach  einander  verschiedene  Gase  unter  beliebigem 
Druck  eingelassen  und  auf  ihr  Verhalten  zu  den  von  der  erhitzten 
Glasdecke  ausgehenden  Wärmestrahlen  untersucht  werden.    Senkrecht 


81 


anter  dieser  beiss  gehaltenen  sehr  dünnen  Glaswand  ist  die  Thermo- 
säale  aufgestellt,  und  auf  diese  Weise  der  störende  Einfluss  einer  Ver- 
breitung der  Wärme  durch  Strömung  möglichst  vermieden.  Auch 
ist  zwischen  der  Wärmequelle  und  der  bestrahlten  Fläche  der  Säule 
jedes  diathermane  Diaphragma,  wie  etwa  eine  Glas-  oder  Steinsalz- 
platte, welches  den  unmittelbaren  and  unveränderten  Eindruck  der 
Wärmestrahlen  auf  die  Säule  hätte  beeinträchtigen  können,  ausge- 
schlossen.    Der  Abstand  zwischen  beiden  beträgt  ungefähr  300"". 

Die  Wirkungen  auf  ein  Galvanometer  mit  astatischer  Nadel  wurden 
nach  der  zuerst  von  Melloni  empfohlenen  Methode,  welche  bekannt- 
lich die  Grade  des  Theilkreises  unter  einander  vergleichbar  macht, 
gemessen.  Das  Galvanometer  war  mit  grosser  Präcision  gearbeitet  und 
so  empfindlich,  dass  die  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  erhaltenen 
Ausschläge  eine  genügende  Vergleichbarkeit  besassen. 

Auf  diese  Weise  fand  Magnus,  dass  die  Wärmemenge,  welche 
in  dem  bis  zu  S""  Druck  verdünnten  Räume  von  der  Fläche  der 
Thermosäule  aufgenommen  wurde,  sich  beim  Zutritte  trockener 
Luft  merklich,  und  unter  gewöhnlichem  Luftdrucke  um  mehr  als 
1 1  Procent  verminderte.  Sauerstoff  verhielt  sich  wie  Luft.  Eine 
Anzahl  anderer  Gase,  die  antersucht  wurden,  zeigten  sfimmtlich  ein 
grösseres  Absorptionsvermögen  für  die  dunklen  Wärmestrahlen.  Setzt 
man  die  Summe  der  durch  den  leeren  Raum  auf  die  Thermosäule 
fallenden  Strahlen  =  100,  so  gehen  nach  diesen  Versuchen  durch 
Luft  und  Sauerstoff  89,  Wasserstoff  86,  Kohlensäure  80,  Kohlen- 
oxyd 79,  Stickstoffoxydul  74,  Grubengas  und  Cyangas  72,  Ölbildendes 
Gas  46,  Ammoniakgas  38.  Der  Unterschied  zwischen  Luft  und 
Wasserstoffgas  ist  also  gering,  beträchtlicher  schon  der  Unterschied 
zwischen  Luft  auf  der  einen,  und  Kohlensäure  und  Kohlenoxydgas  auf 
der  anderen  Seite.  Stickstoffoxydul,  Grubengas  und  Cyangas  halten 
schon  mehr  als  ein  Viertheil  der  Wärmefluth  zurück;  Ölbildendes  Gas 
sogar  mehr  als  die  Hälfte,  Ammoniak  endlich  fast  zwei  Drittheile. 

Atmosphärische  Luft,  die  bei  16*^  mit  Wasserdampf  gesättigt  ist, 
übt  nach  Magnus  keinen  merklich  grösseren  Einfluss  auf  die  Durch- 
strahlung, al-  trockne  Luft,  Dass  ein  solcher  Einfluss,  führt  er  an, 
hervortreten  werde,  sobald  ein  Theil  der  Dämpfe  sich  als  Nebel  aus- 
scheide,  sei  sehr  wahrscheinlich. 

Um  Vergleichungsweise  auch  den  Einfluss  einer  W^ärmequelle  von 
höherer  Temperatur  zu  studiren,  sendet  er  nunmehr  die  Strahlen 
einer  Gasflamme  mit  doppeltem  Luftzuge  gegen  eine  auf  beiden  Seiten 
durch  Glasplatten  luftdicht  verschlossene  Röhre  von  l"  Länge  und 
35""  Weite,  in  welche  die  verschiedenen  Gase  unter  beliebigem  Druck 
eingelassen  werden  konnten  Die  Messungen  mit  dem  Galvanometer 
wurden  wie  in  der  eben  betrachteten  Versuchsreihe  ausgeführt.  Ihre 
Ergebnisse   stimmen  qualitativ   mit  denen  der  früheren  überein,   doch 


82 


zeigen  die  Gase  für  die  Strahlen  der  Flamme  im  Aligemeinen  eine 
grössere  Diathermansie  als  für  die  von  nicht  glühenden  Körpern  aus- 
gehenden oder  von  solchen  reflectirten  Strahlen.  Der  bei  16°  in  der 
Luft  vorhandene  Wasserdampf  äussert  auch  in  diesem  Falle  keinen 
bemerkenswerthen  Einfluss. 

Das  zu  diesen  Versuchen  verwendete  Glasrohr  ist  innen  mit 
einem  schwarzen  üeberzuge  bekleidet.  Wird  dieser  weggelassen,  so 
liefern  die  Wärmestrahlen,  welche  erst  nach  wiederholten  Reflexionen 
an  der  Röhrenwand  auf  die  Thermosäule  fallen,  einen  sehr  bedeu- 
tenden Beitrag  zu  der  Gesammtwirkung.  Das  Verhältniss  der  Mengen 
durchgestrahlter  Wärme  nähert  sich  aber  jetzt  (d.  h.  nach  Entfernung 
des  schwarzen  Ueberzugs  im  Rohr),  wenigstens  bei  dem  grössten 
Theile  der  Gase,  dem  früher  für  die  dunklen  Strahlen  beobachteten. 

Später*)  hat  Magnus  das  Vermögen  der  Gase,  die  Strahlen  des 
siedenden  Wassers  durchzulassen,  auch  noch  mittelst  eines  Glasrohres 
von  1"  Länge  geprüft,  das  senkrecht  über  dem  conischen  Reflector 
einer  Thermosäule  aufgestellt,  und  auf  dessen  oberem  Ende  das  Siede- 
gefäss  ähnlich  wie  bei  dem  früher  in  Anwendung  gebrachten  Apparate 
aufgeschmolzen  war.  Diese  Abänderung  der  früheren  Einrichtung 
hatte  hauptsächlich  den  Zweck,  die  Absorption  der  trocknen  und  der 
mit  Wasserdampf  gesättigten  Luft  nochmals  auf's  Sorgfältigste  zu  ver- 
gleichen. Wenn  indessen  der  freie  Zutritt  der  Strahlen  zu  der  Säule 
nicht  durch  eine  Steinsalzplatte  gehindert  war,  so  ergab  sich  jetzt, 
gerade  so  wie  früher,  nur  ein  geringer  Unterschied,  der  stets  weniger 
als  1  Procent  betrug. 

Fast  gleichzeitig  mit  Magnus  hat  auch  Tyndall  Versuche  über 
die  Absorption  und  Strahlung  der  Wärme  durch  Gase  und  Dämpfe 
veröffentlicht**).  Die  Ergebnisse  derselben,  obgleich  nach  einer  ganz 
verschiedenen  Methode  erhalten,  stimmen  dennoch  für  fast  alle 
Gase  mit  den  von  Magnus  aufgefundenen  Werthen  so  nahe  überein, 
als  es  sich  bei  derartigen  Messungen ,  die  wohl  geeignet  sind ,  quan- 
titative Verschiedenheiten  festzustellen,  aber  noch  nicht  als  Rechnungs- 
grundlagen gelten  wollen,  irgendwie  erwarten  lässt. 

Tyndall  zeigt  wie  Magnus,  dass  von  der  Strahlenmenge, 
welche  den  leeren  Raum  durchdringt,  von  Luft,  Sauerstoff,  Stickstoff 
nur  wenig  zurückgehalten  wird,  dass  andere  Gase  mehr  und  wieder 
andere,  wie  z.  B.  das  ölbildende  Gas,  sehr  grosse  Mengen  ver- 
schlucken. 

Nur  in  Beziehung  auf  das  Verhalten   des  Wasserdarapfes   gehen 

*)  Ueber  die  Diathermansie  trockner  und  feuchter  Luft.  Po  gg.  Ann.  CXVIII. 
557.  (1863.) 

**)  Tyndall,  lieber  die  Absorption  und  Strahlung  der  Wärme  durch  Gase 
und  Dämpfe,  und  über  den  physikalischen  Zusammenhang  von  Strahlung,  Absorp- 
tion und   Leitung.     Po  gg.  Ann.   CXIII.   1.  und  CXVI.   1  u.  289. 


83 


beide  Beobachter  weit  auseinander,  denn  während  Magnus  gefunden 
hatte,  dafs  die  Luftfeuchtigkeit  den  Charakter  der  Luft,  nach  dieser 
Seite  hin,  nur  wenig  ändert,  giebt  Tyndall  an,  dass  die  nicht  getrock- 
nete atmosphärische  Luft  an  einem  bestimmten  Tage  eine  15 mal  so 
grosse  Absorption  als  die  getrocknete  gezeigt  habe*).  In  noch  auf- 
fallenderer Weise  bestätigt  Tyndall  diesen  merkwürdigen  Einfluss 
des  Wasserdampfs  in  einem  Briefe  an  Sir  John  Herschel,  in 
welchem  er  anführt,  dass  er  an  einem  bezeichneten  Tage  die  Ab- 
sorptionskraft des  Wasserdampfes  in  der  Luft  40  mal  so  gross  als 
diejenige  der  trocknen  Luft  beobachtet  habe**).  Später,  in  einer 
grösseren  Abhandlung **•)  giebt  er  an,  dass  sie  sogar  das  60 fache  und 
mehr  betragen  könne. 

Solche  Oberraschende  Beobachtungen  verfehlten  nicht,  grosses 
Aufsehen  zu  erregen.  Auch  waren  Tyndall  sowohl  als  Andere  als- 
bald bemüht,  dieselben  für  die  Aufklärung  meteorologischer  Erschei- 
nungen mehrfach  zu  verwerthen.  Andrerseits  musste  sich  Magnus 
aufgefordert  fühlen ,  die  Ursachen  zu  ergründen ,  welche  so  ganz  "ab- 
weichende Ergebnisse  bedingen  konnten,  und  so  entspann  sich  zwischen 
beiden  Physikern  eine  sehr  interessante  Controverse,  an  der  sich  auf 
Tyndall's  Seite  auch  Andere,  wie  Wildf)  und  Franklandff),  be- 
theiligt haben.  Gustav  Magnus  hat  leider  den  Austrag  der- 
selben nicht  erlebt,  sind  doch  auch  heute  noch  die  Meinungen  der 
Naturforscher  in  dieser  Angelegenheit  getheilt  geblieben.  Aber  wenn 
es  ihm  nicht  vergönnt  gewesen  ist,  die  Streitfrage  zu  einer  end- 
gültigen Entscheidung  zu  führen,  so  haben  doch  seine  zum  Zweck 
ihrer  Lösung  unternommenen  Untersuchungen  die  Wissenschaft  so- 
wohl durch  Feststellung  unvollkommen  ermittelter  Thatsachen  als 
auch  durch  den  Erwerb  neuer  Erfahrungen  wesentlich  bereichert.  Die 
Freunde  des  Verewigten  freuen  sich  dieser  Untersuchungen  über- 
dies, weil  aus  ihnen  wieder  die  eigenthümlichen  Charaktere  seiner 
Forscherweise,  welche  allen  seinen  Beobachtungen  einen  so  hohen 
Werth  verleiht ,  in  besonders  glänzendem  Lichte  hervortreten,  so  die 
unerbittliche  Strenge  in  der  Beurtheilung  der  eignen  Arbeit,  während 
die  Leistungen  Anderer  die  rücksichtsvollste  Anerkennung  finden,  so 
die  Unerschöpflichkeit  seiner  Hülfsquellen  bei  Ueberwindung  experi- 
mentaler  Schwierigkeiten,  so  endlich  die  ausdauernde  Geduld,  welche 
vor  keinem  Opfer  an  Zeit  und  Kraft  zurückschreckt,  wo  es  sich  um 
Ergründung  der  Wahrheit  handelt. 


*)    Pogg.  Ann.  CXIII.   40. 
••)   Pogg.  Ann.  CXIV.   632. 
***)   Pogg.  Ann.  CXVI.   1. 
•f)  Wild,    l'eber  die  Absorption  der   strahlenden  Wärme    durch    trockene  und 
durch  feuchte  Luft.     Pogg.  Ann.  CXXIX.  57. 

tt)    Frnnklfind,    Ueber   die    phTsikalische  Ursache    der   Eiszeit.     Pogg.  Ann. 
CXXIII.   418. 


84     _ 

Wir  würden  die  Grenzen ,  welche  natnrgemäss  dieser  Skizze  ge- 
steckt sind,  überschreiten,  wollten  wir  die  Controverse  zwischen  dem 
deutschen  und  englischen  Physiker  in  allen  ihren  einzelnen  Phasen  ver- 
folgen. Wer  eine  klare  Einsicht  in  dieselbe  gewinnen  will,  der  musa 
die  Abhandlungen  Beider  studiren ,  um  die  von  ihnen  angewendeten 
Methoden  vergleichen  zu  können.  Einige  der  von  Magnus  gesammel- 
ten Erfahrungen  mögen  gleichwohl  hier  eine  Stelle  finden,  wäre  es 
auch  nur,  um  die  Sorgfalt  zu  bezeichnen,  welche  er  der  Klärung  der 
Verhältnisse  gewidmet  hat. 

Bei  einem  grossen  Theil  seiner  Versuche  hatte  Tyndall  zur 
Aufnahme  der  Gase  ein  Messingrohr  benutzt,  welches  innen  polirt 
war  und  an  beiden  Enden  durch  Steinsalzplatten  luftdicht  geschlossen 
werden  konnte.  Als  Magnus*)  in  ähnlicher  Weise  experimentirte, 
fand  auch  er,  dass  die  mit  Wasser  gesättigte  Luft  in  beträchtlicher 
Menge  mehr  Wärmestrahleu  aufzusaugen  schien,  als  die  trockne  Luft. 
Aber  er  bemerkte  zugleich,  dass  die  Salzplatten,  nur  kurze  Zeit  mit 
der  feuchten  Luft  in  Berührung,  sich  mit  einer  dünnen  Schicht  Wasser 
überzogen.  Da  nun  das  Wasser,  wie  man  weiss,  die  Wärmestrahlen, 
insbesondere  die  dunklen  Arten  sehr  begierig  verschluckt,  so  konnte 
allein  schon  von  diesem  Umstände  die  Abweichung  in  den  Beobach- 
tungen herstammen. 

Bei  späteren  Versuchen  hat  Tyndall  statt  des  Messingrohrs 
auch  eine  Glasröhre  benutzt.  Dieselbe  diente,  um  sowohl  mit,  als  auch 
ohne  Anwendung  von  Schlussplatten  die  Absorptionsfähigkeit  der 
trocknen  und  feuchten  Luft  für  die  Wärme  zu  vergleichen.  In  dem 
letzteren  Falle  strömte  die  Luft,  während  die  Einwirkung  der  Wärme- 
quelle auf  das  Galvanometer  beobachtet  wurde,  an  dem  einen  Ende 
des  Rohres  ein  und  wurde  am  anderen  offenen  Ende  soweit  als  möglich 
mittelst  einer  Luftpumpe  wieder  ausgesogen.  Auch  bei  dieser  Anord- 
nung des  Versuches  wird  nach  Tyndall  eine  starke  wärmeabsor- 
birende  Kraft  des  Wasserdampfs  beobachtet. 

Allein  auch  diese  Methode  des  Versuches  ist,  wie  Magnus 
experimental  nachgewiesen  hat,  nicht  ohne  Fehlerquellen.  Die 
eingeblasene  Luft  entweicht  nicht  ausschliesslich  auf  dem  ihr 
durch  die  Arbeit  der  Luftpumpe  vorgezeichneteu  Wege;  ein  mehr 
oder  weniger  grosser  Theil  dringt  unmittelbar  aus  den  offnen  Enden 
der  Röhre  hervor  und  gelangt  bis  zur  Fläche  der  Säule.  Ist  es 
trockne  Luft,  so  verdunstet  dadurch  von  dem  auf  den  Löthstellen  der 
Thermosäule  verdichteten  hygroskopischen  Wasser,  ist  es  feuchte  Luft, 
so  vermehrt  sich  der  Feuchtigkeitsniederschlag.    Im  ersten  Falle  giebt 


*)  Ueber  den  Durcbgang  der  Wärmestrahlen  durch  feuchte  Luft  und  über  die 
hygroskopischen  Eigenschaften  des  Steinsalzes.  Pogg.  Ann.  CXIV.  635.  (1861). 
Ueber  die  Diathermansie  trockner  und  feuchter  Luft.  Pogg.  Ann.  CXVIII.  575. 
(1868.) 


bü 


sich  dies  durch  Erniedrigung,  im  zweiten  durch  Erhöhung  der  Tem- 
peratur zu  erkennen.  Diese  Einwirkungen  können  so  stark  werden, 
dass  sie  sich  ohne  jede  Mitwirkung  einer  andern  Wärmequelle  wahr- 
nehmen lassen.  Zu  dem  Ende  ist  es  nur  nötbig,  den  Luftstrom 
gegen  den  conischen  Reflector  der  Säule  zu  richten.  Sie  treten  auch 
dann  hervor,  wenn  die  Löthstellen  mit  dünnen  Scheiben  beliebiger 
anderer  Körper  bedeckt  werden.  Die  Stärke  des  Eindrucks  ist  nicht 
immer  gleich;  Magnus  hat  aber  keinen  Körper  gefunden,  dessen 
Oberfläche  nicht  durch  einen  darauf  gerichteten  Luftstrom,  der  die- 
selbe Temperatur  hatte,  wäre  abgekühlt  oder  erwärmt  worden,  je 
nachdem  die  Luft  trocken  oder  mit  Feuchtigkeit  gesättigt  war*). 

In  Folge  des  Feuchtigkeitsniederschlags  auf  der  Oberfläche  po- 
lirter  Metalle  und  des  Glases  wird  ihr  Reflexionsvermögen  für  die 
Wärmestrahlen  vermindert.  So  begreift  es  sich,  dass  die  W^ärme- 
strahlung  durch  ein  Rohr  mit  polirter  Innenwandfläche  alsbald  ab- 
nehmen rauss,  wenn  ein  feuchter  Luftstrom  durch  dasselbe  geleitet 
wird,  selbst  dann,  wenn  kein  Niederschlag  in  Form  von  Nebeln  ent- 
steht. Auf  die  thermo-elektrische  Säule  wirkt  diese  verminderte  Strahlung 
begreiflich  gerade  so,  als  ob  das  Absorptionsvermögen  der  Luft  ver- 
stärkt worden  sei.  Um  diese  Fehlerquelle  bei  der  Vergleichung  des 
Wärmeabsorptionsvermögens  trockner  und  feuchter  Luft  auf  einen 
möglichst  kleinen  Werth  zurückzuführen,  ist  es  nothwendig,  die  Innen- 
wand des  Rohrs  stark  zu  schwärzen  oder  mit  Sammet  auszukleiden**). 
Magnus  spricht  wiederholt  seine  Üeberzeugung  aus,  dass  bei  Wahr- 
nehmung dieser  Vorsichtsmaassregel  Andere  gleich  ihm  selber  finden 
würden,  dass  die  Luft,  wenn  sie  Wasserdämpfe  enthält,  nur  un- 
bedeutend weniger  Wärmestrahlen  durchlasse,  als  im  trocknen  Zu- 
stande. 

Seine  Untersuchungen  über  die  Eigenschaft  der  festen  Körper, 
Dämpfe  aus  dem  Gaszustand  auf  ihren  Oberflächen  niederschlagen 
zu  können,  hat  Magnus  auch  auf  Alkohol,  Aether  und  andere  Dämpfe 
ausgedehnt.  Er  glaubte  als  eine  allgemeine  Erfahrung  aussprechen 
zu  können :  dass  die  verschiedenartigsten  Dämpfe  an  den  Wänden 
fester  Körper  in  hinreichender  Menge  verdichtet  werden,  um,  sobald 
Niederschläge  durch  Zuströmen  begünstigt  werden,  wahrnehmbare 
Feraperaturveränderungen  hervorzubringen. 

Eine  Schicht  verdichteten  Wasserdampfes  findet  sich  zu  jeder  Zeit 
auf  der  Oberfläche   aller   festen  Körper.     Je  nach  dem  Feuchtigkeits- 


•)  Ueber  die  Verdichtung  von  D&mpfen  an  der  Oberfläche  fester  Körper.  Po  gg. 
Ann.  CXXl.   174.     (1864.) 

Ueber  den  Einfluss  der  Condensation  bei  Veranchen  Ober  Diatberroansie.  Pogg. 
Ann.  CXXI.    186.     (1864.) 

*•)  Ueber  den  Einflus«  der  Vaporhision  bei  Versuchen  über  ^Absorption  der 
Wärme.      Pogg.   Ann.   CXXX.   207.   (.1867.) 


86 


zustande  der  Atmosphäre  wird  dieselbe  stärker  oder  schwächer.  Die 
Gewalt  der  Anziehung  ist  übrigens  so  mächtig,  dass  Magnus  ihren 
Effect  sowohl  bei  polirten  als  auch  bei  kienrussgeschwärzten  Me- 
tallplatten selbst  dann  beobachten  konnte,  wenn  ihre  Temperatur, 
wie  die  der  Luft,  von  welcher  sie  umhüllt  waren,  mehr  als  20''  über 
dem  Thaupunkte  lag*).  Eine  ausführlichere  Untersuchung  dieser  Er- 
scheinung, welche  Magnus  mit  dem  Worte  Vaporhäsion  bezeich- 
nete, war  von  ihm  beabsichtigt  worden. 

Das  Absorptions-  und  Ausstrahlungsvermögen  der  Körper  für  die 
Wärme  stehen  bekanntlich  bei  gleicher  Temperatur  immer  in  dem- 
selben Verhältnisse  zu  einander,  in  der  Art,  dass  eine  Körperfläche, 
die  n  mal  so  stark  als  eine  andere  absorbirt ,  auch  n  mal  so  stark 
ausstrahlt.  Wenn  daher  die  feuchte  Luft  Wärme  in  bedeutendem 
Maasse  besser  absorbirt  als  die  trockne  Luft,  so  muss  erstere  auch 
in  demselben  Maasse  besser  ausstrahlen. 

Auf  dieses  Princip  gründet  sich  ein  Versuch,  den  Frankland  **) 
angestellt  hat,  um  Aufschlüsse  über  das  Wärme-Absorptionsvermögen 
trockner  und  feuchter  Luft  zu  gewinnen.  Ein  kleiner  Holzkohleofen 
ist  vor  einer  Thermosäule  mit  der  Vorsicht  aufgestellt,  dass  die 
Strahlung  des  Ofens  und  der  glühenden  Kohle  den  Reflector  der 
Säule  nicht  erreichen  kann,  die  Ablenkung  des  Galvanometers  also 
lediglich  durch  die  Wärmeausstrahlung  der  aus  der  glühenden  Kohle 
sich  erhebenden  Gase  bedingt  ist.  Nachdem  diese  Ablenkung  sorg- 
fältig durch  die  Strahlung  einer  constanten  Wärmequelle  auf  der 
andern  Seite  der  Säule  neutralisirt  worden  ist,  lässt  man  einen  Dampf- 
strom durch  ein  lothrecht  den  Ofen  durchsetzendes  Eisenrohr  auf- 
steigen. Augenblicklich  weicht  das  Galvanometer  viel  stärker  ab, 
als  vor  der  Compensation.  Bei  Unterbrechung  des  Dampfstromes 
kehrt  die  Nadel  sogleich  auf  den  Nullpunkt  der  Scala  zurück.  Wird 
alsdann,  statt  des  Dampfes  ein  Luftstrom  durch  das  Rohr  getrieben, 
so  erfolgt  entweder  gar  keine  Ablenkung,  oder  eine  schwache  in  ent- 
gegengesetzter Richtung.  Die  Hitze  des  Ofens  verhindert  die  Con- 
densation  des  Dampfes. 

Frankland  betrachtet  es  nach  dem  Ergebnisse  dieses  Versuches 
als  erwiesen,  dass  die  feuchte  Luft  die  Wärme  besser  ausstrahle,  als 
die  trockne  und  schliesst,  dass  ihr  aus  demselben  Grunde  auch  ein 
höheres  Wärmeabsorptionsvermögen  eigen  sein  müsse,  wie  dies  von 
Tyndall  behauptet  wird. 

Allein  wenn  auch  gewiss  die  Richtigkeit  des  Principes  allgemeine 
Anerkennung  findet,  welches  hier  für  die  Lösung  der  Streitfrage  an- 
gesprochen  wird,    so  sind  doch  gegen   die   Ausführung  des   Versuchs 


•)  Po  gg.  Ann.  CXXX.  218. 
♦♦)  Loc.   eil.   p.   88. 


87 

gewichtige  Bedenken  erhoben  worden.  Sollte  in  der  Tbat  ein  Strom 
von  Wasserdampf  und  ein  Luftstrom,  welche  nach  einander  durch  die 
glühende  Kohle  streichen,  ohne  Einfluss  auf  die  Temperatur  der  aus 
dem  Ofen  aufsteigenden  Feuergase  bleiben?  Wenn  aber  ein  solcher 
Einfluss  stattfand,  war  es  nicht  wahrscheinlich,  dass  Wasserdanipf  und 
Luft  eine  ungleiche  Temperaturreränderung  hervorbringen  wurden? 
Endlich  war  die  Disposition  des  Versuches  so  getroffen,  dass  keine 
Spur  des  durch  den  Ofen  streichenden  Dampfes  aus  den  ihn  umhül- 
lenden Feuergasen  austreten  und  mit  der  Luft  sich  mischend  Nebel 
bilden  konnte? 

Magnus*),  welcher  alsbald  diese  Methode  des  Experimentirens 
aufnimmt,  kommt  in  der  That  zu  gerade  dem  entgegengesetzten  Re- 
sultate wie  Frankland.  Für  seine  Versuche  construirt  er  einen  Apparat, 
der  ihm  gestattet,  rasch  hintereinander  trockne  und  Feuchtigkeit  ent- 
haltende Luft  durch  ein  glühendes  Rohr  und  dann  an  dem  conischen 
Reflector  der  Thermosäule  vorüberstreichen  zu  lassen,  so  jedoch,  dass 
auf  diesen  ausser  den  Wärmesfrahlen  des  Gases  gleichzeitig  keine 
andere  Wärmequelle  einwirken  konnte.  Ein  in  dem  Luftstrom  hän- 
gendes emp6ndliche8  Thermometer  erlaubt  die  Temperatur  desselben 
zu  beobachten.  Da  die  Menge  der  aufsteigenden  Lnft  im  Verhältniss 
zu  den  Dimensionen  der  glühenden  Röhre  eine  massige  ist,  so  hat  man 
es  vollkommen  in  der  Hand ,  jede  Nebelbildung  zu  vermeiden.  Die 
Wirksamkeit  der  Strahlung,  ob  trockne  oder  feuchte  Luft  aufstieg,  war 
eine  wenn  auch  wahrnehmbare  doch  äusserst  geringe,  bei  feuchter  Lnft 
etwas  grössere,  als  bei  trockner  Luft.  Zog  dagegen  ein  Strom  trockner 
und  zu  derselben  Temperatur  erhitzter  Kohlensäure  oder  auch  ein  Strom 
Leuchtgas  an  der  Säule  vorüber,  so  ergab  sich  ein  vielmal  stärkerer 
Ausschlag  der  Galvanometernadel.  Ward  endlich  das  Wasser  in  dem 
Kolben,  durch  welchen  die  Luft  strich,  um  sich  mit  Feuchtigkeit 
zu  sättigen,  so  stark  erhitzt,  dass  sich  in  der  ausströmenden  Luft 
Nebel  zeigten,  so  beobachtete  man  an  dem  Galvanometer  einen  20 
bis  30  mal  stärkeren  Ausschlag,  als  er  von  trockner  Luft  erzeugt 
ward. 

Also  auch  die  Methode  der  Strahlung  führt  Magnus  wieder 
zu  dem  Schlüsse,  der  sich  aus  allen  seinen  früheren  Versuchen  ergeben 
hatte,  nämlich,  dass  feuchte  Luft  nicht  mehr  Wärme  verschluckt,  als 
trockne. 

Der  Verfasser  dieser  Skizze  hat  seinen  Freund  den  zuletzt  be- 
schriebenen Versuch  zum  Oefteren  ausführen  sehen,  und  er  muss  ge- 
stehen.  dass  er  selbst  bei  sorgfaltigster  Prüfung,  keine  andere  Inter- 
pretation der  Erscheinung,  als  die  von  Magnus  gegebene,  bat  finden 


*i  Ueber  den  Einfluss  der  Absorption  der  Wttrine  auf  die  Bildung  des  Thaus. 
Pogg.  Ann.  CXXVII.   613.  (1866.) 


88 


können.  Er  ist  begreiflich  weit  davon  entfernt  seiner  Beurtheilung 
einer  Frage,  die  dem  Kreise  seiner  Studien  so  ferne  liegt,  irgend 
welchen  Werth  beizulegen;  er  darf  indessen  nicht  unerwähnt  lassen, 
dass  auch  berühmte  Physiker,  wie  Dove,  Riess,  Poggendorff. 
du  Bois  -  Rey raond  und  Quincke*)  diesen  merkwürdigen  Versuch 
gesehen  haben  und  dass  von  keinem  derselben  eine  andere  Inter- 
pretation der  Erscheinung  gegeben  worden  ist. 

üebrigens,  sagt  Magnus,  hätte  es  dieses  Versuches  gar  nicht 
bedurft.  ^Ein  sehr  bekanntes  Phänomen,  das  auf  der  Ausstrahlung 
der  Wärme  beruht,  liefert  einen  schlagenderen  Beweis  für  die  geringe 
Absorptionsfähigkeit  des  Wasserdampfs,  als  alle  Versuche  in  den  Labo- 
ratorien. Wäre  der  Wasserdampf  in  der  That  ein  so  guter  Absor- 
bent  der  Wärme,  wie  Tyndall  behauptet,  so  würde  es  niemals 
thauen  können.  Denn  der  für  den  Thau  unerlässliche  Wasserdampf 
würde  gleichsam  eine  Decke  über  der  Oberfläche  der  Erde  bilden 
und  ihre  Ausstrahlung  verhindern.  Aber  gerade  da,  wo  die  Atmo- 
sphäre besonders  wasserreich  ist,  in  den  Tropen,  bildet  sich  der  Thau 
vorzugsweise,  und  jene  Gegenden  würden,  wie  bekannt,  aller  Frucht- 
barkeit entbehren,  wenn  den  Pflanzen  nicht  durch  den  Thau  Feuch» 
tigkeit  zugeführt  würde." 

„Die  Folgerungen,  welche  Frankland  für  die  Eiszeit  und 
Tyndall  für  gewisse  klimatische  Erscheinungen,  aus  der  grossen 
Absorptionsfähigkeit  des  Wasserdampfs  herleiten,  bleiben  unver- 
ändert, wenn  man  statt  des  wirklichen  Dampfes  den  nebeiförmigen 
setzt,  denn  dieser  ist  es,  der  zur  Erhaltung  des  schönen  Grüns  der 
brittischen  Inseln  beiträgt,  indem  er  sowohl  die  brennenden  Strahlen 
der  Sonne  mässigt,  als  grosse  Kälten,  die  nur  bei  klarem  Himmel 
und  starker  Ausstrahlung  auftreten,  verhindert."**) 

Während  Magnus  sich  mit  dem  Verhalten  der  Gase  zur  Wärme- 
strahlung beschäftigte,  musste  sich  ihm  häufig  Gelegenheit  bieten,  seine 
Aufmerksamkeit  auch  nach  verschiedenen  anderen  Richtungen  diesem 
Theile  der  Wärmelehre  zuzulenken.  Viele  der  von  ihm  angestellten 
Versuche  sind  wohl  ursprünglich  zumal  für  die  Ausbildung  seiner 
Vorlesungen  unternommen  worden,  allein  wie  dies  bei  dem  ernsten 
Arbeiten  unseres  Freundes  so  häufig  zu  geschehen  pflegte,  Unter- 
suchungen, welche  zunächst  der  eigenen  Belehrung  gewidmet  sind, 
werden  sehr  bald  zur  Quelle  der  Belehrung  auch  Anderer,  und 
liefern  schliesslich  werthvolle  Beiträge  für  den  Ausbau  der  Wissen- 
schaft. 

Da  die   Leuchtkraft   schwach   leuchtender  Flammen   durch   darin 


*)  Pogg.  Ann.  CXXVII.  620. 
*•)  Pogg-  Aun.  CXXVII.   628. 


89 


verbreitete,  glühend  gewordne  feste  Theilchen  in  erstaanlicher  Weise 
vermehrt  wird,  während  doch  die  Temperatur  der  Flamme  durch  das 
Einbringen  fremdartiger  Substanzen,  die  am  Verbrennangsprocesse  sich 
nicht  betheiligen,  jedenfalls  vermindert  werden  muss,  so  war  es  von 
Interesse  zu  erfahren,  wie  sich  das  Ausstrahlungsvermögen  der  nicht 
leuchtenden  zur  leuchtend  gewordenen  Flamme  verhält. 

Es  ergab  sich,  dass  die  Wärmemenge,  die  von  der  nicht  leuch- 
tenden Flamme  eines  Bunsen' sehen  Brenners  ausgestrahlt  wird,  sich 
etwa  um  ein  Drittel  vermehrt,  sobald  man  etwas  Natron  in  dieselbe 
einbringt.  Der  Versuch  wurde  in  der  Art  angestellt,  dass  man  stets 
eine  bestimmte  Stelle  der  Natronfiamme  mit  derselben  Stelle  der 
nicht  leuchtenden  Flamme  verglich,  jedoch  so,  dass  das  Natron, 
welches  in  die  Flamme  gebracht  wurde,  nicht  gegen  die  Thermo- 
säule,  die  zur  Beobachtung  diente,  strahlen  konnte. 

Eine  glühende  Platiuplatte  an  der  untersuchten  Stelle  der  Flamme 
veranlasste  eine  weitere  Vermehrung  der  Ausstrahlung  und  eine  noch 
viel  grössere  Verstärkung  trat  ein,  wenn  die  Platte  zuvor  mit  Natrium- 
carbonat  überzogen  worden  war.  Endlich  zeigte  sich  eine  abermalige 
Steigerung  der  Ausstrahlung,  als  die  Flamme  mit  Natrondämpfen  da- 
durch erfüllt  wurde,  dafs  Natron  auf  einem  Platinstreifen  von  einer 
tieferen  Stelle  in  die  Flamme  eingebracht  wurde,  so  jedoch,  dass  es 
nicht  unmittelbar  gegen  die  Säule  strahlen  konnte. 

Es  folgt  hieraus,  dass  glühende  Gase  nicht  nur  viel  weniger 
Wärme  ausstrahlen,  als  feste  und  flüssige  Körper  bei  derselben  Tem- 
peratur, sondern  auch,  dass  erstere  von  den  Strahlen  der  letzteren  nur 
wenig  zu  absorbiren  vermögen. 

Dieses  Verhalten  des  glühenden  Natrons  im  flüssigen  und  dampf- 
förmigen Zustande,  sagt  Magnus,  bestätigt  in  überraschender  Weise 
die  von  Kirchhoff  aufgestellte  Ansicht,  dass  die  Sonne  aus  einem 
glühenden  Kerne  bestehe,  der  von  einer  durchsichtigen  Atmosphäre 
von  etwas  niederer  Temperatur  umgeben  sei*).  Aehnllch  wie  Natrium- 
salze verhielten  sich  Lithium-   und  Strontiumsalze. 

Die  Wärmespectra  der  leuchtenden  und  nichtleuchtenden  Flamme 
hat  Magnus,  ungeachtet  der  grossen  Verschiedenheit  ihrer  Licht- 
stärke, in  ihrer  ganzen   Ausdehnung  gleich  gefunden.**) 

Das  ungleiche  Ausstrahlungsvermögen  eines  und  desselben  Kör- 
pers, je  nachdem  seine  Oberfläche  glatt  und  polirt  ist,  oder  rauh 
und  aufgerissen,  ist  seit  Mellon  i  wiederholt  untersucht  worden,  und 
man  glaubte  im  Allgemeinen,  dass  die  vermehrte  Ausstrahlung  rauher 
Flächen  auf  einer  Abnahme  der  Dichtigkeit  beruhe,  welche  sie  er- 
fahren.    Magnus  hat  die  Kenntniss  dieser  Erscheinungen  durch  inter- 


•)  Notiz  über  die  Beschaffenheit  der  Sonne.    Pogg.  Ann.  CXXI.  510.     (1864.) 
**)  Pogg.  Ann.  CXXIV.  491.     Vergl.  Note  8.  90. 

7 


90 


essante  Erfahrungen  erweitert.  Er  hat  nämlich  gefunden,  dass  Platin, 
in  der  Flamme  eines  Bunsen' sehen  Brenners  erhitzt,  nahe  doppelt 
so  viel  Wärme  ausstrahlt,  wenn  es  mit  Platinschwamm  bedeckt  ist, 
als  im  glatten  Zustande*).  Bei  dieser  Zunahme  der  Ausstrahlungs- 
fähigkeit des  Platins  durch  Platinirung  auf  der  einen  Seite  hatte  sich 
die  Lichtstärke  der  rauhen  Seite  im  Vergleich  zu  derjenigen  der  glatt 
gebliebenen  Seite  augenscheinlich  vermindert. 

Das  Verhältniss  der  Ausstrahlung  der  glatten  zur  platinirten 
Seite  erschien  wesentlich  unverändert,  als  zwischen  Wärmequelle  und 
Säule  diathermane  Platten  verschiedener  Art,  wie:  Steinsalz,  Kalk- 
spath,  Bergkrystall,  Rauchtopas,  Agat,  Spiegelglas,  Flintglas,  dunkel- 
grünes Glas,  sämmtlich  6  bis  7"""  dick,  eingeschaltet  wurden;  Platten 
von  rothem,  orangegelbem,  gelbem,  grünem,  blauem,  violettem  Glas, 
sowie  von  farblosem  Glas,  glatt  und  rauh,  alle  von  etwa  2"'"  Dicke, 
verhielten  sich  in  ähnlicher  Weise. 

Auch  Schwefelkohlenstoff  und  Jod  in  Schwefelkohlenstoff  gelöst, 
zwischen  dünnen  Steinsalzplatten,  in  einer  Schicht  von  10°""  ange- 
wendet, absorbirten  die  Wärme  beider  Quellen  in  gleichem  Ver- 
hältniss. 

Alaunplatten  dagegen  hielten  fast  den  ganzen  Ueberschuss  der 
von  dem  platinirten  Platin  ausgehenden  Strahlen  zurück. 

Wenn  die  von  der  glatten,  sowie  von  der  mit  Platinschwamm 
überkleideten  Fläche  einer  glühenden  Platinplatte  ausgehenden  Wärme- 
strahlen mittelst  eines  Steinsalzprisma's  zerlegt  wurden,  so  zeigte  sich 
ihre  Brechbarkeit  von  der  Art,  dass  das  Maximum  der  Wärme- 
anhäufung in  beiden  Fällen  fast  an  dieselbe  Stelle  und  zwar  jenseits 
des  Roths  des  gleichzeitig  gebildeten  Lichtspectrums  fiel.  Im  üebrigen 
besassen  beide  Wärmespectra,  soweit  die  prismatischen  Untersuchungen 
mittelst  der  Thermosäule  reichten,  eine  gleiche  Ausdehnung. 

Die  von  einer  glatten  Platinplatte,  gleichwie  von  andern  Metall- 
platten, wenn  sie  stark  erhitzt  sind,  ausgesendeten  Wärmestrahlen 
sind  zum  grossen  Theile  polarisirt.  War  aber  die  Platiiifläche  zuvor 
platinirt,  und  die  gebildete  Schwammhülle  hinlänglich  dick,  so  ver- 
mochte Magnus  nicht  eine  Spur  polarisirter  W^ärmestrahlen  zu  ent- 
decken. Er  vermuthet,  dass  die  widersprechende  Beobachtung  von 
de  la  Provostaye  und  P.  Desains  darauf  beruhe,  dass  ihr  Platin 
nicht  stark  genug  platinirt  war**). 

Die  beiden  genannten  Physiker  führen  auch  an ,  dass  sie  von 
einer  Platinplatte,  deren  Temperatur  unter  der  Glühhitze  lag,  polari- 
sirte  Wärme  erbalten   haben,     Magnus  erschienen  jedoch  ihre  Beob- 


*)    lieber   die   Verschiedenheit    der   Wärme,    welche    rauhe    und    glatte   Ober- 
flächen ausstrahlen.     Po  gg.  Ann.  CXXIV.  476.  (1865.) 

♦♦)    TTebpr    die    Polaricntion    der    ausgestrahlten    Wärme    und    ihren    Durchgang 
durch   parallele  Platten.      Pogg.   Ann.   CXXVIl.   600.   (1666.) 


91 


achtangen  nicht  ganz  entscheidend*),  zumal  für  die  Beantwortung  der 
Frage,  ob  auch  Wärme,  die  von  glatten  Flächen  niederer  Temperatur 
(etwa  von  lOO*^)  ausgestrahlt  wird,  polarisirt  sei. 

Da  die  Polarisirung  durch  doppelt  brechende  Platten  oder  durch 
Säulen  aus  dünnen  Glimmerplatten  für  die  Untersuchung  der  dunklen 
Wärmestrahlen,  welche  von  allen  diesen  Stoffen  vollständig  absorbirt 
werden,  nicht  anwendbar  ist,  so  sehen  wir  Magnus  seine  Zuflucht 
zur  Polarisirung  durch  Reflexion  nehmen.  Zu  dem  Ende  construirt 
er  sich  einen  besonderen  Apparat,  der  im  Wesentlichen  folgende  Ein- 
richtung hat.  Ein  Spiegel  von  schwarzem  Glas  ist  zunächst  um  eine 
horizontale,  durch  seine  Mitte  und  nach  der  Richtung  der  einfallen- 
den Strahlen  gehende  Axe  (a)  drehbar.  Um  dieselbe  Axe  dreht  sich 
ein  Arm,  an  welchem  eine  Thermosäule  in  der  Art  befestigt  ist,  dass 
die  Verlängerung  ihrer  Cylinder-  Axe,  welche  gleichzeitig  die  ihres 
conischen  Reflectors  ist,  durch  den  Mittelpunkt  des  Spiegels  geht.  Der 
Spiegel  und  mit  ihm  die  Thermosäule  drehen  sich  aber  auch  noch  um 
eine  andere,  die  horizontale  rechtwinklich  durchschneidende  Axe.  Er 
lässt  sich  also  in  jeder  Winkelneigung  zu  der  Verticalebene  gleich- 
wie zu  der  Horizontalebne  einstellen.  Welche  Stellung  man  ihm  aber 
auch  geben  mag,  die  an  der  Drehung  um  die  Horizontalaxe  theil- 
oebmende  Thermosäule  kann  stets  so  gerichtet  werden,  dass  horizon- 
tale auf  den  Spiegel  einfallende  Strahlen  durch  Reflexion  in  den  coni- 
schen Reflector  der  Säule  gelangen  müssen. 

Als  Wärmequelle  dient  ein  Gefäss  aus  Weissblech ,  das  durch 
eingeleitete  Dämpfe  auf  lOO'*  erhalten  werden  kann.  Dasselbe  steht 
in  gleicher  Höhe  mit  dem  Spiegel  und  ist  um  eine  horizontale  Axe 
drehbar,  deren  Verlängerung  mit  der  Drehaxe  (a)  des  Spiegels  zusammen- 
fällt. Seine  vordere  gegen  den  Spiegel  strahlende  Fläche  ist  um  35° 
gegen  den  Horizont  geneigt.  Durch  Schirme  mit  kreisrunden  Oeff- 
nungen,  deren  Mittelpunkte  in  die  Axe  fallen,  ist  möglichst,  obwohl 
immer  nur  unvollständig,  dafür  gesorgt,  nur  parallele  Strahlen  auf 
den  Spiegel  gelangen  zu  lassen. 

Mit  Hülfe  dieses  Apparats  hat  es  nun  keine  Schwierigkeit,  der 
ausstrahlenden  und  der  Spiegelfläche  eine  solche  gegenseitige  Lage 
zu  geben,  dass  die  Normale  der  ersteren  mit  der  Reflexionsebne  der 
letzteren  gleichlaufend  ist  oder  auch  dass  beide  rechtwinklig  zu 
einander  stehen. 

War  die  bei  lOO**  ausgestrahlte  Wärme  nicht  polarisirt,  so  masste 
die  von  dem  Spiegel  reflectirte  und  zu  der  Thermosäule  gelangende 
Wärme,  von  fremdartigen  störenden  Einflüssen  natürlich  abgesehen, 
in  beiden  Fällen  gleich  sein. 


*)    üeber  die  Polarisation    der  Wärme    von    100"    und   die   iieweguog    b«i    d*-r 
Wärmeleitung.     Po  gg.  Ann.  CXXXIV.   49.   (1868.) 


92 


War  aber  ein  Theil  der  ausgestrahlten  Wärme  bereits  polarisirt 
und  stand  dessen  Polarisationsebene  wie  bei  den  glühenden  Platin- 
platten senkrecht  gegen  die  Ebene,  welche  durch  den  ausgesandten 
Strahl  und  seine  Normale  auf  der  Ausstrahlungsfläche  gebildet  wird,  so 
musste  dieser  Antheil  bei  der  Ankunft  an  der  Spiegelfläche  im  Falle 
der  zuerst  angenommenen  Lage  derselben  zur  wärmenden  Fläche 
vollständig  absorbirt,  im  zweiten  Falle  (des  rechtwinklichen  Standes 
beider  Flächen)  vollständig  reflectirt  werden. 

Die  Versuche  zeigten  nun  in  der  That  einen  auffallenden  Unter- 
schied in  der  Einwirkung  auf  das  Galvanometer,  je  nachdem  die  eine 
oder  andere  Stellung  des  Spiegels  zur  Wärmequelle  in  Anwendung 
kam.  Ein  nicht  unbeträchtlicher  Theil  der  Strahlen,  welche  von  dem 
bis  zu  100'^  erwärmten  verzinnten  Blech  ausgingen,  waren  folglich 
polarisirt.  Magnus  berechnet  denselben  zu  27  bis  28  Procent  der 
Wärmemenge,  welche  von  der  verzinnten  bis  zu  100*^  erwärmten 
Blechplatte  ausgestrahlt  wurde.  Dieser  Berechnung  legt  er  die 
Annahme  zu  Grunde,  dass  der  Spiegel  in  jeder  der  beiden  gegen- 
seitigen Stellungen ,  die  er  einnahm,  nur  polarisirte  Wärme  reflectirt 
habe,  dass  folglich  die  gesammte  ausgestrahlte  Wärme  der  Summe 
der  in  beiden  Stellungen  reflectirten  Mengen,  und  die  Differenz  dieser 
Mengen  dem  bereits  beim  Austritte  aus  der  Blechplatte  polarisirten 
Antheile  proportional  sei. 

Auf  dieser  Blechplatte  konnten  auch  andere  Platten  and  Scheiben 
befestigt  werden,  deren  Ausstrahlungsvermögen  sich  dann  in  ähnlicher 
Weise  untersuchen  liess.  So  fand  Magnus,  dass  der  polarisirte  An- 
theil der  ausgestrahlten  Wärme  bei  polirtem  Kupfer  22,4  Procent, 
bei  polirtem  Aluminium  28,5  Procent,  bei  polirtem  schwarzem  Glase 
12,4  Procent  betrug.  Durchsichtiges  Glas  verhielt  sich  ähnlich.  Selbst 
mattgeschliffene  Glasplatten  polarisirten  noch  5  bis  (3  Procent.  Als 
aber  die  wärmende  Fläche  mit  schwarzem  Tuch  überzogen  wurde, 
war  an  der  Ausgangsstelle  der  Strahlen  keine  Polarisation  mehr  zu 
erkennen,  d.  h.  die  Ablenkungen  der  Nadel  in  beiden  Stellungen 
des  Spiegels  waren  gleich  gross.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  auch 
die  glatten  Oberflüchen  flüssiger  Körper,  wie  Quecksilber,  Rüböl, 
Colophonium,  weisses  Wachs,  Glycerin,  Paraffin,  bis  zu  100°  er- 
wärmt, polarisirte  Wärme  ausstrahlten. 

Magnus  zieht  aus  seinen  Beobachtungen  die  Folgerung,  dass  alle 
Stoffe,  feste  wie  flüssige,  bei  glatter  Oberfläche  Wärme  aussenden, 
deren  Strahlen,  wenn  sie  mit  der  Austrittsfläche  einen  Winkel  bilden, 
nahezu  entsprechend  dem  Polarisationswinkel  des  Glases,  zum  Theil 
polarisirt  sind. 

Wir  haben  unsern  Freund  auf  seiner,  fast  ein  halbes  Jahrhund«'rt 
umspannenden,  ruhmvollen  wissenschaftlichen  Laufbahn  begleitet.  Seine 


93 

Versuche  haben  nicht  an  Frische,  seine  Beobachtungen  nicht  an 
Sicherheit,  seine  Schlüsse  nicht  an  Schärfe  verloren.  Wir  nahen 
gleichwohl  eilenden  Fusses  dem  Ziele.  Es  bleibt  in  der  That  nur 
noch  über  die  schöne  Reihe  von  Untersuchungen  zu  berichten,  denen 
sein  letztes  Lebensjahr  gewidmet  war. 

Während  sich  Magnus  mit  den  Versuchen  über  die  Polarisation  der 
Wärme  von  1(K)"  beschäftigte,  erhielt  er  durch  die  Güte  seines  Freun- 
des, des  Oberberghauptmanns  Krag  von  Nidda  einige  vollkommen 
klare  und  durchsichtige  Krystalle  des  in  Stassfurt  vorkommenden  Chlor- 
kaliums,  welchem  die  Mineralogen  den  Namen  Sylvin  gegeben  haben. 
Wenn  man  sich  der  merkwürdigen  Eigenschaften  des  dem  öhlor- 
kalium  so  nahe  stehenden  Steinsalzes  erinnert,  welches  sich  bekannt- 
lich vor  allen  Körpern  durch  seine  grosse  Fähigkeit  auszeichnet, 
Wärmestrahlen  aller  Art  durchzulassen,  so  begreift  man,  mit  welchem 
Eifer  sich  Magnus  alsbald  anschickte,  das  Verhalten  des  Sylvins 
rur  strahlenden  Wärme  zu  studiren.  Für  die  Mitglieder  der  chemi- 
schen Gesellschaft  hat  diese  Arbeit  ein  ganz  besonderes  Interesse,  da 
wir  uns  Alle  freudig  des  Vortrages  erinnern,  welchen  uns  Magnus 
in  der  Sitzung  vom  8.  Jani  1868  über  diesen  Gegenstand  ge- 
halten hat*). 

Seine  Versuche  zeigen,  dass  sich  der  Sylvin  der  strahlenden 
Wärme  gegenüber  ganz  ähnlich  verhält  wie  das  Steinsalz,  and  zwar 
besitzt  das  bei  Stassfurt  gefundene  Mineral  genau  dieselbe  Diather- 
mansie,  wie  das  Steinsalz  von  demselben  Fundorte. 

Fortgesetzte  Forschungen  lehrten  indessen,  dass  diese  Gleichheit 
des  Verhaltens  doch  nur  mit  Einschränkung  anzunehmen  sei  **).  Zu- 
nächst beweist  Magnus,  dass  die  Fähigkeit  des  Steinsalzes,  den 
Wärmestrahlen  aller  Art  den  Durchgang  in  gleichem  Verhältniss  zu 
gestatten,  nicht  ganz  so  allgemein  richtig  ist,  als  bisher  angenommen 
wurde.  Klares  Steinsalz  bis  auf  IbO^  erhitzt,  strahlte  Wärme  in  nicht 
unbeträchtlicher  Menge  aus,  weniger  als  Sylvin  bei  gleicher  Dicke 
der  Platte  (3*"),  aber  mehr  als  polirtes  Silber. 

Die  vom  Steinsalz  ausgesendeten  Strahlen  wurden  von  klaren, 
zwischen  Wärmequelle  und  Thermosäule  aufgestellten  Steinsalzplatten 
mit  grosser  Begierde  aufgesogen  und  zwar  in  steigendem  Verhältnisse 
bei  zunehmender  Dicke  der  absorbirenden  Platte.  Doch  selbst  schon 
bei    1""  Dicke   derselben    wurde   fast   die    Hälfte   der  Wärme   zurück- 


•)    Ueber    die    DUthermansie    de»  Svlvins.     Berichte    Jahrg.  I.    129;    Po  gg. 
Ann.  CXXXIV.   802.     (1868.) 

*•)  l'eber  Emission  und  Absorption  der  bei  niederen  Temperaturen  ausge- 
strahlten Wärme.  Pogg.  Ann.  CXXXVIII.  333.  (1869.)  Cnd  ansfllhrlicher:  Ueber 
Emission,  Absorption  und  Reflexion  der  bei  niederer  Temperatur  ausgestrahlten 
Wirmearten.     Pogg.  Ann.  CXXXIX.  431.  (1870.) 


94 


gehalten,  welche  nach  Entfernung  der  Platte  die  Thermosäule  er- 
reichen konnte. 

Sylvin  zeigte  fast  dasselbe  Absorptionsvermögen  für  die  Wärme- 
Strahlen  des  Steinsalzes.  Vollkommen  klare  und  durchsichtige  Fluss- 
spathplatten  von  2,8  bis  10°""  Dicke  gestatteten  dagegen  nur  8,3  Pro- 
cent den  Durchgang.  Durchsichtige  Platten  von  Chlor-  und  Brom- 
silber verhielten  sich  ähnlich  wie  Sylvin. 

Die  Wärmestrahlen  des  erhitzten  Sylvins  wurden  von  Steinsalz 
und  Flussspath  in  grösserer  Menge  als  vom  Sylvin  selbst  durchge- 
lassen. Letzterer  hielt  bei  3°"°  Dicke  etwa  die  Hälfte,  mehr  aber  bei 
grösserer  Dicke  zurück. 

Dicke  Flussspathplatten  hielten  fast  alle  Wärme  zurück,  die  von 
erhitztem  Flussspath  ausstrahlte.  Steinsalz  und  insbesondere  Sylvin 
Hessen,  ziemlich  unabhängig  von  der  Dicke  der  Platten,  bis  zu 
90  Procent  davon  durch. 

Die  Strahlen,  welche  reines,  bis  zu  150*'  erhitzes  Steinsalz  aus- 
sendet, besitzen  sämmtlich  gleiche  Brechbarkeit.  Das  Steinsalz  ist 
monothermisch,  wie  sein  glühender  Dampf  monochromatisch  ist.  Der 
Sylvin  verhält  sich  zwar  ähnlich  dem  Steinsalze,  ist  aber  nicht  in 
gleichem  Grade  monothermisch. 

Wenn  es  möglich  wäre,  sagt  Magnus,  von  der  bei  150*^  aus- 
gestrahlten Wärme  ein  Spectrum  zu  entwerfen,  so  würde,  wenn  Stein- 
salz der  ausstrahlende  Körper  wäre,  dieses  Spectrum  nur  eine  Bande 
enthalten.  Wäre  Sylvin  zur  Ausstrahlung  benutzt,  so  würde  das 
Spectrum  ausgedehnter  sein,  aber  doch  nur  einen  kleinen  Theil  von 
dem  einnehmen,  welches  die  vom  Kienruss  ausgestrahlte  Wärme 
liefern  würde. 

Seltsam  genug,  wie  die  ersten  Arbeiten  von  Gustav  Magnus,  so 
haben  auch   seine  letzten  zu  einer  Controverse  geführt. 

Als  die  Beobachtungen  über  das  Ausstrahlungs-  und  Absorptions- 
Vermögen  des  Steinsalzes  zuerst  nur  in  einer  kurzen  Notiz*)  bekannt 
wurden,  versuchte  Knoblauch**)  dieselbe  zu  widerlegen  und  den 
Satz  festzuhalten:  dass  chemisch  reines  und  klares  Steinsalz  bei  der 
gewöhnlichen  Temperatur  allen  Wärmestrahlen  den  Durchgang  in 
gleichem  Verhältnisse  gestatte  und  dass  in  dieser  Eigenschaft  der 
Sylvin  ihm  am  nächsten  stehe. 

Magnus  hat  noch  kurz  vor  seinem  Tode  Kenntniss  von  Knob- 
lauch's  Aufsatz  erhalten;  zu  einer  eigentlichen  Beantwortung  des- 
selben hat  er  nicht  mehr  Zeit  gefunden,  allein  in  einer  Note,  welche  der 
im  Märzhefte  des  laufenden  Jahrgangs  von  Poggendorf f's  Annalen 


*)    Po  gg.  Ann.  CXXXVIII.  333. 

"**)     Knoblauch,    lieber  den  Durchgang  der  strahlenden  Wärme  durch  Stein 
Balz  und   Sylvin.      Po  gg.  Ann.   CXXXIX.    160. 


95 


raitgetheilten  vollständigen  Arbeit  vorgedruckt  ist,  glaubt  er  auf  den 
Inhalt  der  Abhandlung  als  Antwort  auf  Knoblauch'»  Bemerkungen 
hinweisen  zu  dürfen. 

In  dieser  Abhandlung,  welche  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen 
von  Magnus  vollständig  mittheilt,  zeigt  es  sich  dann  allerdings, 
dass  der  oben  erwähnte  Satz  im  Wesentlichen  nicht  von  ihm  an- 
gegriffen worden  war.  Im  Grunde  hatte  sich  Magnus  auch 
schon  in  der  kurzen  Anzeige  seiner  Arbeiten  über  diesen  Punkt  aus- 
gesprochen, indem  er  sagte:  „Die  grosse  Diathermansie  des  Stein- 
salzes beruht  nicht  auf  einem  geringen  Absorptionsvermögen  desselben 
für  die  verschiedenen  Wärmearten,  sondern  darauf,  dass  es  nur  eine 
einzige  Wärmeart  ausstrahlt  und  folglich  auch  nur  diese  eine  absor- 
birt,  und  dass  fast  alle  andern  Körper  bei  der  Temperatur  von  150° 
Wärme  aussenden,  die  nur  einen  kleinen  Theil  oder  gar  keine  von 
den  Strahlen  enthält,  welche  das  Steinsalz  aussendet.*^ 

In  Folge  ihrer  Einfachheit  oder  doch  beschränkten  Zusammen- 
setzung bieten  die  Wärmestrahlen  des  Steinsalzes,  Sylvins  und  Fluss- 
spaths,  auch  was  ihre  Reflexion  anlangt,  ein  interessantes  Verhalten. 
Von  einer  polirten  Silberplatte  wurden  sie  ungefähr  in  demselben 
Verhältnisse,  wie  die  von  andern  erwärmten  Körpern  ausgehenden 
Strahlen  reflectirt.  Unter  dem  Einfallswinkel  von  45''  betrug  der  An- 
theil  der  reflectirten  Strahlen  etwa  86  bis  93  Procent.  Unter  dem- 
selben Winkel  reflectirten  Glasplatten  9  bis  11  Procent.  Dagegen  re- 
flectiren  Flussspathplatten  von  der  Wärme  des  Steinsalzes  24,2,  von 
der  des  Sylvins  18,1,  von  der  des  Flussspaths  nur  10,9  Procent.  Die 
Reflexion,  der  Steinsalz-  und  Sylvinwärme  von  Steinsalz  und  Sylvin 
zeigte  sich,  wie  zu  erwarten  war,  nur  gering,  doch  bei  dem  ersteren 
(8  Procent)  etwas  beträchtlicher  als  bei  dem  letzteren  (6  Procent). 
Von  der  Wärme  des  Flussspaths  (immer  unter  45"  Einfallswinkel) 
reflectirte  Steinsalz   10,  Sylvin  aber  nur  4  Procent. 

Die  letzten  Versuche,  mit  denen  sich  Magnus  beschäftigt  hat, 
betreffen  die  Veränderung  der  Wärmestrahlung  durch  Rauheit  der 
Oberfläche;  sie  schliessen  sich  den  vier  Jahre  früher*)  ausgeführ- 
ten Untersuchungen  an,  welche  die  Verschiedenheit  der  von  rauhen  und 
glatten  Oberflächen  ausgestrahlten  Wärme  zum  Gegenstande  hatten  **). 
Ausgangspunkt  dieser  V^ersuche  ist  die  zuerst  von  dem  Schotten 
Leslie  aufgestellte,  auch  von  Melloni  und  Anderen  vertheidigte  An- 
sicht, dass  die  veränderte  Ausstrahlung  nur  auf  einer  Aenderung  der 
Dichtigkeit  der  Oberflächenschicht  beruhe,  eine  Ansicht,  der  Magnus 
selber  früher  gehuldigt  hatte.     Eine  erneute  Betrachtung  dieser  Frage 


•)  Vergl.  S.  90. 
•*)  üeber    die  Veränderung  der  Wärmestrahlang   durch  Rauheit   der  Oberfläche. 
Pogg.  Ann.  CXL.  337.  (1870.) 


96 


hatte  indessen  Zweifel  an  der  Richtigkeit  dieser  Erklärung  in  ihm  auf- 
steigen lassen,  und  seinen  Ueberlieferungen  bis  zum  Ende  getreu,  unter- 
nimmt er  alsbald  eine  Reihe  von  Versuchen,  um  entweder  diese  Zweifel 
zu  beseitigen  oder  eine  richtigere  Erklärung  zu  finden. 

Bei  diesen  Versuchen  wurden  statt  des  Kupfers  und  anderer  leicht 
oxydirbarer  Metalle  Platinplatten  angewendet,  bei  denen  auch  andere 
Veränderungen  der  Oberfläche,  wie  sie  beim  Silber  z.  B.  durch  kleine 
Mengen  von  Schwefelwasserstoff  entstehen,  nicht  zu  befürchten  waren. 
Magnus  beschreibt  die  Ergebnisse  dieser  Versuche  in  folgenden  Worten: 

„Eine  Platinplatte,  die  durch  Auswalzen  möglichst  hart  gemacht 
worden,  strahlte,  nachdem  sie  stark  ausgeglüht  war,  eben  so  viel 
Wärme  aus,  als  zuvor.  Die  Härte  konnte  hiernach  die  Ausstrahlung 
nicht  bedingen. 

Eine  andere  Platinplatte  war  unter  sehr  starkem  Druck  zwischen 
zwei  Walzen  durchgegangen,  von  denen  die  eine  fein  gravirt  war,  so 
dass  die  Platte  nach  dem  Walzen  auf  ihrer  einen  Seite  kleine  Er- 
höhungen zeigte,  während  die  andere  glatt  war.  Die  erstere  strahlte 
unbedeutend  mehr  als  die  andere  aus.  Nachdem  aber  die  Platte  stark 
geglüht  worden,  war  auch  dieser  Unterschied  nicht  mehr  bemerkbar. 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  bei  sonst  gleicher  Beschaffenheit  der 
Oberfläche  Unebenheiten  und  selbst  regelmässig  wechselnde  Erhöhun- 
gen und  Vertiefungen  vorhanden  sein  können,  ohne  dass  dadurch  eine 
Vermehrung  der  Ausstrahlung  entsteht. 

Wurde  dagegen  eine  ebene  Platinplatte,  welche  mittelst  der  Glas- 
bläserlampe ausgeglüht  und  ganz  weich  war,  mit  feinem  Schmirgel- 
papier rauh  gemacht,  so  steigerte  sich  ihre  Ausstrahlung  auf  das  Doppelte. 

Um  einen  solchen  Vergleich  anstellen  zu  können,  geschah  die 
Erwärmung  der  ausstrahlenden  Platte  mittelst  eines  kleinen  Apparates 
aus  Messing,  der  durch  Dämpfe  auf  100°  C.  erhalten  wurde.  Er  be- 
stand aus  einem  horizontal  liegenden  Cylinder  von  50°"°  innerm  Durch- 
messer und  eben  so  viel  Länge,  dessen  eine  Basis  von  der  zu  unter- 
suchenden Platte  gebildet  wurde.  Um  diese  leicht  mit  einer  andern 
vertauschen  zu  können,  war  der  Cylinder  mit  einem  breiten  Rande 
versehen,  gegen  den  die  Platte  durch  einen  Messingring  mittelst  dreier 
Schrauben  angedrückt  wurde.  Zur  Dichtung  dienten  dazwischen  ge- 
legte Ringe  aus  starkem  Papier,  die  vollkommen  dampfdicht  schlössen. 

Um  sicher  zu  sein ,  dass  bei  Behandlung  der  Platte  nicht  irgend 
eine  fremde  Substanz  auf  derselben  zurückgeblieben  sei,  z.  B.  Spuren 
von  dem  Leim  des  Schmirgelpapiers,  obgleich  dasselbe  ganz  trocken 
angewendet  worden  war,  wurden  die  Platten,  bevor  man  sie  in  dem 
Apparat  befestigte,  eine  Zeit  lang  in  concentrirter  Salpetersäure  er- 
hitzt, sodann  mit  destillirtem  Wasser  so  lange  abgespült,  bis  alle 
Säure  entfernt  war,  und  darauf  getrocknet,  ohne  sie  mit  einem  Tuch 
oder  einem  anderen  Gegenstande  zu  berühren. 


97 


Man  kann  sich  schwer  vorstellen,  dass  durch  die  leichte  Behand- 
lung mit  Schmirgelpapier  die  Dichtigkeit  der  Oberfläche  sich  in  solchem 
Maasse  geändert  haben  sollte,  da$s  die  Ausstrahlung  sich  verdoppelte. 

Wurde  eine  Platinplatte  mit  einer  dünnen  Schicht  von  Platin- 
schwamm überzogen,  indem  Platinsalmiak  in  dünner  Schicht  darauf 
gebracht  and  sie  dann  stark  erhitzt  wurde,  so  zeigte  sie  etwa  die 
siebenfache  Ausstrahlung  von  derjenigen,  welche  man  vor  dem  Auf- 
bringen des  Platinschw^arames  beobachtet   hatte. 

Der  Platinschwamm  ist  lockerer  als  die  Platte,  auf  der  er  be- 
befestigt ist,  allein  jedes  einzelne  Theilchen  desselben  ist  ohne  Zweifel 
eben  so  hart  wie  ein  Theilchen  der  ausgeglühten  Platte.  Die  Wirkung 
des  Schwammes  beruht  daher,  wie  es  scheint,  nur  darauf,  dass  er 
mehr  Spitzen  und  Ecken  darbietet.  Es  ist  dies  um  so  wahrscheinlicher, 
als  die  Ausstrahlung  einer  solchen,  mit  Schwamm  überzogenen  Platte 
abnimmt,  wenn  sie  öfters  und  anhaltend  geglüht  wird.  Möglich,  dass 
bei  jedem  neuen  Erhitzen  etwas  von  dem  Schwamm  sich  ablöst,  aber 
jedenfalls  runden  sich  die  äafsersten  Spitzen  und  Ecken  zugleich  ab. 
Härter  können  sie  nicht  werden." 

Magnus  ist  der  Ansicht,  dass  die  Vermehrung  der  Ausstrahlung 
bei  rauher  Oberfläche  wesentlich  von  der  Brechung  abhängt,  welche 
die  Wärme  bei  ihrem  Austritt  aus  der  Oberfläche  des  strahlenden 
Körpers  erleidet.  Er  erläutert  diesen  Einfluss  für  die  verschiedenen 
Gestalten  der  Oberfläche  und  kommt  dabei  zu  folgendem  Schluss:  ^Je 
grösser  der  Brechungsexponent  der  Wärme  zwischen  der  ausstrahlen- 
den Substanz  und  der  Luft  ist,  um  so  geringer  ist  die  Ausstrahlung 
aus  der  ebenen  Oberfläche;  in  diesem  Falle  nimmt  die  Menge  der 
nach  Innen  reflectirten  Wärme  zu.  Ohne  Zweifel  haben  die  Metalle 
einen  sehr  grossen  Brechungsexponenten.  Desshalb  reflectiren  sie  die  von 
Aussen  kommenden  Strahlen  und  lassen  nur  wenig  davon  eindringen, 
und  desshalb  reflectiren  sie  auch  die  aus  dem  Innern  kommenden  nach 
Innen  und  lassen  nur  wenig  davon  austreten.  Grössere  Unebenheiten 
der  ausstrahlenden  Fläche  haben  nur  unbedeutende  Aenderungen  der 
Ausstrahlung  zur  Folge.  Eine  solche  tritt  nur  ein,  wenn  die  Krüm- 
mungsradien sehr  klein  sind  und  sich  sehr  stark  ändern,  und  wenn 
die  ausstrahlende  Substanz  wenig  diatherman  ist.  Im  Allgemeinen 
kann  zwar  die  Rauhigkeit  der  Oberfläche  sowohl  eine  Steigerung  als 
eine  Verminderung  der 'Ausstrahlung  bewirken,  aber  wenn  die  Un- 
ebenheiten sehr  fein  und  sehr  tief  sind,  so  tritt  bei  wenig  diather- 
manen  Substanzen,  wie  den  Metallen,  fast  stets  eine  Steigerung  ein.  Ist 
ein  sehr  feines  Pulver  derselben  Substanz  auf  der  ausstrahlenden 
Fläche  befindlich,  so  steigert  sich  die  Ausstrahlung  bedeutend;  nicht 
nur  bei  wenig  diathermanen  Körpern,  wie  den  Metallen,  sondern  auch 
bei  stark  diathermanen,  z.  B.  beim  Steinsalz. ** 

Die    hier    angefahrten    Resultate     wurden     von    Magnus     am 


98 


11.  October  1869  in  der  Sitzung  der  physikalisch  -  mathematischen 
Klasse  der  hiesigen  Akademie  der  "Wissenschaften  verlesen  *).  Es  war 
die  letzte  Arbeit,  welche  er  der  Akademie  vorgetragen  hat. 

Mitte  November  theilte  er  das  für  die  Abhandlungen  der  Aka- 
demie bestimmte  Manuscript  dieser  Arbeit  seinem  Freunde  Kro- 
necker mit,  um  mit  ihm  die  mathematische  Entwicklung  seiner  An- 
sicht, zumal  aber  gewisse  Consequenzen  zu  besprechen,  welche  sich 
aus  den  Fresnel'schen  Intensitätsformeln  ziehen  lassen.  An  diese 
Besprechungen  knüpften  sich  mehrfache  mündliche  und  schriftliche  Er- 
örterungen zwischen  den  beiden  Gelehrten,  in  Folge  deren  Magnus, 
dessen  Gewissenhaftigkeit  sich  nie  verläugnete,  den  Entschluss  fasste, 
von  der  Veröffentlichung  des  Aufsatzes  vorläufig  abzusehen,  um  über  die 
in  demselben  behandelte  Frage  weitere  Versuche  anzustellen.  Allein 
es  war  ihm  nicht  vergönnt,  die  Untersuchung  wieder  aufzunehmen, 
und  so  hat  er  denn,  als  er  sein  Ende  nahen  fühlte,  den  Wunsch  aus- 
gesprochen, es  möge  die  Abhandlung,  deren  Umarbeitung  ihm  versagt 
sei,  in  ihrer  ursprünglichen  Fassung  veröffentlicht  werden.  Dieser 
Wunsch  ist  von  seinem  langjährigen  Freunde  Poggendorff  treulich 
erfüllt  worden;  die  Abhandlung  ist  bald  nach  seinem  Tode  im  Julihefte 
der  Annalen  der  Physik  erschienen;  eine  die  Abhandlung  begleitende 
Note  giebt  uns  von  den  eigenthümlichen  Umständen  Kenntniss,  unter 
denen  die  letzte  Arbeit  von  Gustav  Magnus  zur  Veröffentlichung 
gelangt  ist. 


Die  Auszuge,  welche  ich  aus  den  Abhandlungen  unseres  Freundes 
gegeben  habe,  fragmentarisch  und  ungleichartig  wie  sie  sind,  dürften 
hinreichen,  um  das  Wesen  und  den  Umfang  seiner  Forschung  zu  be- 
zeichnen. Das  vorwaltende  Moment  in  allen  diesen  Arbeiten  ist,  wie 
man  sieht,  das  Experiment;  der  Speculation  wird  nur  dann  ein  Recht 
zugestanden,  wenn  sie  in  dem  sichern  Boden  des  Versuches  wurzelt. 
Ueber  den  Werth  der  experimentalen  Methode  hat  sich  Magnus  selber 
in  seiner  Rectoratsrede**)  ausgesprochen,  in  welcher  er  die  Natur- 
wissenschaft gegen  die,  seltsam  genug,  von  zwei  ganz  entgegenge- 
setzten Seiten  ausgehenden  Angriffe  vertheidigt. 

„Zwar  ist  die  Erkenntniss  der  Wahrheit»  sagt  Magnus,  das  Ziel 
einer  jeden  Wissenschaft,  die  Naturforschung  aber  erfreut  sich  des 
Vorzuges,  mehr  als  alle  anderen  Disciplinen  geeignet  zu  sein,  das 
Streben  nach  dieser  Erkenntniss  zu  üben  und  zu  befestigen,  lu  dieser 
Beziehung  bewährt  sie  sich  als  vortreffliches  Bildungsmittel.  Selbst 
die  Mathematik  steht  ihr  hierin  nach." 


•)  Monatsbericht  f.    1869.  713. 
**)  Festrede  auf  der  UniversitUt  zu  Berlin  am    3.  August   1862. 


99 


Und  nftchdem  er  eines  Näheren  aasgefabrt  hat,  wie  die  mathe- 
matische Behandlung  einer  Frage  nach  streng  vorgeschriebenen  Formen 
erfolgt,  während  sich  für  die  naturwissenschaftliche  Forschung  keine 
Regel  aufstellen  lässt,  sondern  jeder  Fall  einer  besonderen  Beurthei- 
ludg  bedarf,  damit  der  Forschende  gegen  Irrthumer  sicher  gestellt 
sei,  sagt  er  weiter: 

„Hier  tritt  das  Experiment  in  seine  Bedeutung.  Dies  ist  bestimmt 
jene  Sicherheit  zu  gewähren.  Es  ist  der  Prüfstein  für  den  aufgestell- 
ten Gedanken.  Es  ist  die  Frage,  die  gestellt  wird,  um  zu  erfahren, 
ob  derselbe  auf  der  Wahrheit  beruhte  oder  nicht.  Nach  unserer  An- 
sicht heisst  experimentiren  nichts  anderes  als  der  Wahrheit  seine 
Kräfte  widmen : 

rero  impendere  vires.* 

Bei  einer  so  bestimmt  ausgesprochenen  Vorliebe  für  das  Experi- 
ment, und  wenn  man  erwägt,  nach  wie  vielen  Richtungen  Magnus 
diese  Vorliebe  bethätigt  hat,  wird  es  nicht  befremden,  dass  er  sich 
mit  literarischen  Arbeiten  kaum  beschäftigt  hat.  Grössere  Werke,  wie 
Monographieen  odi-r  Lehrbücher  liegen  nicht  vor,  jedoch  hat  er  gele- 
gentlich, aber  gleichwohl  äusserst  selten,  kleinere  Beiträge  zu  einigen 
nicht  asÄthliesslich  wissenschaftlichen  Zeitschriften  geliefert.  Für  die 
Ausführung  grösserer  literarischer  Arbeiten  gebrach  es  ihm  in  der 
That  an  der  nöthigen  Müsse;  die  Zeit,  welche  ihm,  nachdem  er  den 
zahlreichen  Anforderungen  seiner  Stellung  gerecht  geworden  war,  die 
Beschäftigung  mit  experimentalen  Studien  übrig  Hess,  war  unverkürzt 
dem  Unterrichte  gewidmet. 

In  einer  Versammlung,  welche  so  viele  von  Magnus'  Schülern 
zu  Gliedern  zählt,  könnte  es  überflüssig  erscheinen,  seiner  Lehrthätig- 
keit  eine  Lobrede  halten  zu  wollen.  Allein  diese  Blätter  der  Er- 
innerung sollen  auch  denen,  die  nach  uns  kommen,  ein  Bild  des 
Mannes  geben,  und  ich  würde  mich  daher  einer  unverzeihlichen  Unter- 
lassung schuldig  machen,  wollte  ich  nicht  schliesslich  auch  bei  dieser 
Seite  seiner  Wirksamkeit,  welche  nicht  nur  seinen  zahlreichen  Schülern 
zu  Statten  gekommen  ist,  sondern  auch  einen  bleibenden  Einfluss 
auf  die  Wissenschaft  geübt  hat,  einen  Augenblick  verweilen. 

Hören  wir  zunächst,  wie  er  selber  die  Stellung  des  Lehrers  an 
deutscher  Hochschule  auffasst.  Im  Laufe  einer  am  Spätabend  seines 
Lebens  gehaltenen  Festrede  hat  er  Gelegenheit,  die  Verhältnisse  des 
nflFentlichen  Unterrichts  in  England  und  Deutschland  mit  einander  zu 
vergleichen.     Er  sagt: 

„Allein,  wenn  Unterschiede  in  Charakter,  in  Brauch  und  Sitte, 
in  Thun  und  Denken  zwischen  Engländern  und  Deutschen  vorhandett 
sind ,  so  treten  sie  wohl  kaum  auf  irgend  einem  andern  Gebiete  so 
bedeutungsvoll  hervor,  als  auf  dem  des  öffentlichen  Unterrichts. 

Der  Engländer   —    und  wie  der  Einzelne   so  die  Nation    —  ver- 


_J.00_ 

folgt  sein  Ziel  stets  unverrückten  Auges.  Ist  es  doch  gerade  dieses 
zähe  Beharren  auf  dem  einmal  eingeschlagenen  Wege,  welches  die 
Nation  so  gross  gemacht  hat.  Allein  dieser  Zug  in  dem  englischen 
Charakter  bedingt  auch,  dass  die  Jugend  jenes  Landes  darauf  hinge- 
wiesen ist,  schnell  zu  lernen  und  das  Erlernte  unmittelbar  für  das 
Leben  zu  verwerthen. 

"Wie  ganz  anders  unsere  jungen  deutschen  Akademiker,  diejenigen 
zumal  —  und  sie  bilden  ja  noch  immer  den  Kern  unserer  Studiren- 
den  —  welche  eine  reife  Vorbildung  mit  auf  die  Hochschule  bringen, 
eine  Vorbildung,  welche  ihren  Geist  nach  allen  Richtungen  entwickelt 
hat.  Bei  ihnen  ist  eine  höhere,  mehr  ideale  Auffassung  der  Dinge 
vorwaltend.  Und  diesem  Umstände  verdankt  der  deutsche  Universitäts- 
lehrer die  bevorzugte  Stellung,  deren  er  sich  erfreut;  dass  seine  Zu- 
hörer von  dem  Bestreben  erfüllt  sind,  nicht  nur  das  Lehrobject  sich 
anzueignen,  sondern  dasselbe  auch  zu  durchdringen.  Solche  Schüler 
vermag  der  Lehrer  bis  an  die  ■  äussersten  Grenzen  der  Wissenschaft 
zu  führen,  in  ihnen  vermag  er  die  Begeisterung  für  den  weiteren  Ausbau 
dieser  Wissenschaft  zu  wecken.  Wie  reich  und  mannichfaltig  die 
Früchte  dieser  Bestrebungen  sich  theilweise  §chon  während  ihres 
Aufenthaltes  auf  der  Universität  gestalten,  dafür  liefern  die  Doctor- 
Dissertationen  ein  erfreuliches  Beispiel. 

Ein  deutscher  Lehrer,  der  selbst  von  heiligem  Feuer  für  seine 
Wissenschaft  durchglüht  ist,  nur  vor  solchen  Zuhörern  wird  er  sich 
genügen." 

Kein  Wunder,  dass  Auffassungen,  wie  sie  sich  in  diesen  Worten 
spiegeln  und  wie  sie  Magnus  auf  seiner  ganzen  Laufbahn  geleitet 
haben,  bei  den  Studirenden  ein  lebhaftes  Echo  finden,  und  zu  dem 
schönen  Verhältnisse  zwischen  Schulern  und  Lehrer  führen  mussten. 
welches  ich  in  einem  früheren  Abschnitte  dieser  Skizze  zu  schildern 
versucht  habe. 

Die  akademische  Thätigkeit  Gustav  Magnus'  hat  sich  in  drei 
verschiedenen  Formen  geltend  gemacht,  in  Vorlesungen,  in  Colloquien 
und  in  Anleitungen  zur  experimentalen  Forschung.  Seine  Hauptvor- 
lesungen waren,  wie  bereits  erwähnt  worden  ist,  Physik  und  Techno- 
logie. In  den  ersten  Semestern  nach  seiner  Habilitation,  von  Sommer 
1832  bis  Sommer  1833,  hat  er  nur  Technologie  gelesen;  seine  erste 
Vorlesung  über  Physik  fällt  in  das  Wintersemester  1833 — 34.  und  von 
diesem  Zeitpunkte  an  bis  zu  seinem  Tode  wechselte  ohne  Unterbre- 
chung der  Sommervortrag  über  Technologie  mit  der  physikalischen 
Wintervorlesung;  im  Sommersemester  1869  hat  er  die  Technologie  zum 
neununddreissigsten  Male  vorgetragen;  die  Wintervorlesung  1869 — 70, 
die  er  nicht  mehr  vollenden  sollte,  ist  die  siebenunddreissigste  über 
Physik  gewesen.  Neben  diesen  beiden  grossen  Collegien  hat  er  noch 
vorübergehend  (im  Sommer  44  und  45)   öffentliche  Vorträge  über  die 


101 


Theorie  des  Galvanismus  gehalten.  Der  Cyclus  seiner  berühmten 
physikalischen  CoUoquien  beginnt  im  Jahre  1843;  anfangs  (1843  bis 
45)  hält  er  dieselben  nur  im  Sommer,  aber  vom  Jahre  1846  an  folgen 
sie  sich  allsemesterlich  bis  zu  seinem  Tode.  Die  Experimentalubungen 
datiren  vom  Anbeginn  seiner  akademischen  Laufbahn,  allein  da 
es  Magnus  erst  in  späteren  Jahren  gelingt,  ein  öffentliches  Labora- 
torium zu  erhalten,  so  tragen  dieselben  doch  auch  mehr  einen  privaten 
Charakter,  indem  er  sich  darauf  beschränken  muss,  jungen  Männern, 
welche  er  in  den  Vorlesungen  als  besonders  strebsam  und  befähigt 
erkannt  hat,  sein  Privatlaboratorium  zu  öffnen.  Erst  im  Sommer  18(33 
bewilligt  die  Regierung  einen  Fond  für  die  Begründung  und  eine 
jährliche  Dotation  für  die  Erhaltung  eines  physikalischen  Laboratoriums, 
welches  Magnus  in  dem  von  ihm  bewohnten  Hause  7  Kupfergraben 
einrichtet.  Von  diesem  Zeitpunkte  nehmen  die  Experimentalübnngen 
mit  der  Oeffentlichkeit  eine  regel massigere  Ausbildung  und  einen  grösse- 
ren L'mfang  an. 

Was  nun  zuerst  die  Vorlesungen  anlangt,  so  erinnert  sich  Jeder, 
der  Magnus  hat  reden  hören,  in  wie  hohem  Grade  ihm  die  Gabe 
der  Mittheilung  verliehen  war;  sein  ernst-gediegener  Vortrag  zeichnete 
sich  durch  eine  lichtvolle  Klarheit  aus,  welche  den  schwierigsten  Auf- 
gaben der  Darstellung  gewachsen  war.  Von  der  eleganten,  an  eng- 
lische Ausdrucksformen  erinnernden  Bildung  kurzer  Sätze,  welche  im 
Flusse  der  Rede  ihm  eigen  war,  erhält  man  kaum  ein  deutliches 
Bild  aus  der  Abfassung  seiner  Abhandlungen,  in  denen  er  mehr  voll- 
endete Präcision  und  Deutlichkeit,  als  Grazie  der  Darstellung  anstiebte. 
Seine  Sprache  war  gewählt  nicht  gesucht,  völlig  frei  von  allem  An- 
satz zum  Schwülstigen,  jedes  seiner  Worte  gehörte  zur  Sache;  Nie- 
mand hasste  mehr  als  er  die  Phrase,  und  jedwedes  Haschen  nach  Effect 
war  dieser  einfachen  Natur  ganz  und  gar  zuwider.  Und  derselbe 
edle  Styl,  der  seinen  Vortrag  kennzeichnet,  tritt  uns  aus  der  experi- 
mentalen  Ausstattung  seiner  Vorlesungen  entgegen.  Ein  enthusiasti- 
scher Freund  des  Versuchs,  versagt  er  es  sich  nicht,  die  Aufmerksam- 
keit seines  Zuhörers  durch  die  gediegene  Pracht  der  Erscheinungen 
zu  fesseln,  welche  er  ihm  vorführt  Seine  Instrumente,  seine  Apparate, 
alle  Hülfsmittel,  deren  er  sich  bedient,  stehen  auf  der  Höhe  der  Zeit 
und  sind  stets  das  Beste,  was  für  Kraft  und  Geld  zu  haben  ist;  und 
von  der  ausdauernden  Sorgfalt,  mit  welcher  alle  für  das  Gelingen 
eines  Versuches  erforderlichen  Bedingungen  studirt  werden,  mit  welcher 
der  Versuch  ^durchprobirt"  wird  bis  er  ^geht**,  —  seine  Assistenten 
wissen  davon  zu  erzählen.  Aber  wie  überall,  so  hat  er  auch  hier 
wieder  das  feine  Maass  gefunden;  der  schönste  Versuch  ist  ihm  immer 
nur  Mittel  zum  Zweck  und  niemals  überwuchert  das  Experiment  die 
Wahrheit,  welche  mit  seiner  Hülfe  zur  Anschauung  kommen  soll.  Mit 
bewundernswürdiger   Selbstverläugnung    wird   der   reizendste   Apparat, 


102 


der  eben  mit  grossen  Kosten  und  noch  grösserem  Zeitaufwande  fertig 
geworden  ist,  zur  Seite  geschoben,  so  bald  sich  die  Erscheinung,  um 
deren  Veranschaulichung  es  sich  handelt,  mit  einfacheren  Mitteln  her- 
vorrufen lässt. 

Wenn  man  sich  der  ganz  besonderen  Begabung  erinnert,  welche 
Magnus  für  die  Construction  von  Apparaten  besass,  und  der  Sicher- 
heit, mit  der  er  experimentale  Schwierigkeiten  beherrschte,  wie  sie  uns 
aus  jeder  seiner  Arbeiten  entgegentreten,  und  dass  dieses  Talent  mit 
Vorliebe  und  unter  den  glücklichsten  äusseren  Bedingungen,  während 
einer  so  langen  Reihe  von  Jahren  im  Interesse  seiner  Vorlesungen 
geübt  ward,  so  ist  es  in  der  That  zu  bedauern,  dass  er  so  wenige 
der  auf  diesem  Felde  gesammelten  Erfahrungen  veröffentlicht  hat. 
Hoffentlich  hat  sich  die  Tradition  derselben  bei  seinen  zahlreichen 
Schülern  erhalten.  Einige  wenige  seiner  reizenden  Versuche  und  seiner 
trefflichen  Apparate  sind  indess  bereits  allgemeiner  bekannt  geworden. 
So  mag  hier,  was  Vorlesungsversuche  angeht,  an  die  schöne  Beobach- 
tung erinnert  werden,  dass  sich  die  an  den  Polen  eines  Magneten 
haftende  Eisenfeile  entzünden  lässt.  Der  Feuerregen,  welchen  der 
brennende  Eisenbart,  beim  Schwingen  des  Magneten  in  der  Luft,  ent- 
sendet, fehlt  in  keiner  chemischen  Vorlesung  mehr,  so  dass  wir 
Magnus  schon  beim  Eintritt  in  unsere  Wissenschaft  gleich  auf  der 
Schwelle  begegnen.  Von  seinen  Instrumenten  verdient  hier,  neben 
den  schon  in  den  Auszügen  aus  seinen  Arbeiten  genannten,  noch  be- 
sonders des  schönen  Compressionsapparates  gedacht  zu  werden,  wel- 
cher besser  als  jeder  andere  geeignet  ist,  in  Vorlesungen  die  Volumver- 
änderung der  Gase  bei  verändertem  Druck  zu  zeigen.  Die  Gase  sind 
in  graduirten  Röhren  über  Quecksilber  abgesperrt,  und  Wanne  mit 
Röhren  befindet  sich  in  einem  grossen,  starken,  verschliessbaren  Glas- 
cylinder,  in  welchen  man  mittelst  einer  Druckpumpe  Wasser  einpum- 
pen kann.  Ein  Luftmanoraeter  giebt  den  Druck  an,  während  wir  die 
Volumveränderung  der  Gase  an  den  in  den  Glasröhren  aufsteigenden 
Quecksilbersäulen  direct  beobachten.  Der  Apparat  dürfte  wohl  in 
keinem  physikalischen  Cabinette  mehr  fehlen. 

Die  reiche  Erfahrung  in  der  Herstellung  chemischer  und  physikali- 
scher Apparate,  in  der  Einrichtung  gewerblicher  Anlagen,  überhaupt 
in  der  Lösung  aller  constructiven  Aufgaben,  welche  Magnus  gesam- 
melt hatte,  ist  auch  vielen  Anderen  zu  Gute  gekommen.  In  einer 
Unzahl  von  Fällen  ist  sein  Rath  eingeholt  worden,  welchen  der 
uneigennützige  Mann  stets  mit  der  grössten  Bereitwilligkeit  ertheilte. 
Wie  oft  hat  der  Verfasser  dieser  Skizze  werthvolle  Fingerzeige  von 
seinem  Freunde  erhalten!  Während  die  Dispositionen  für  die  neuen 
Laboratorien  in  Bonn  und  Berlin  getroflfen  wurden,  wie  oft  ist  in 
zweifelhaften  Fällen  seine  Stimme  entscheidend  gewesen!  Und 
wenn    es   sich    um    die    Beschaffung    von    Apparaten    handelte,   in    wie 


103 


vielen  Fällen  hat  aach  hier  wieder  die  erprobte  Sachkenntuiss  von 
Magnus  den  Auäscblag  gegeben!  Der  werthvoUe  Hülfe,  welchen 
er  dem  Verfasser  noch  vor  Kurzem  erst  bei  der  Konstraction  eines 
einfachen  für  gasometrische  Zwecke  bestimmten  Kathetometers  geleistet 
bat,  muss  hier  noch  mit  besonderem  Danke  gedacht  werden. 

Die  grosse  Sorgfalt,  mit  welcher  Magnus  der  experimentalen, 
überhaupt  der  illustrativen  Ausstattung  seiner  Vorlesungen  oblag,  zeigt 
deutlich,  wie  wenig  im  naturwissenschaftlichen  Unterricht  der  münd- 
liche Vortrag  ihm  ausreichend  erschien.  Von  dieser  Auffassung  ge- 
leitet, war  er  schon  frühzeitig  bedacht  gewesen,  den  Nutzen  seiner 
technologischen  Vorlesungen  für  die  Zuhörer  dadurch  zu  erhöhen,  dass 
er  ihnen  Gelegenheit  verschaffte,  gewerbliche  Anlagen  und  industrielle 
Werkstätten  zu  besuchen.  Zu  dem  Ende  pflegte  er  mit  ihnen  regel- 
mässige, technologische  Ausflüge,  theils  in  Berlin,  theils  in  der  Umge- 
gend zu  unternehmen.  Sehr  bescheiden  in  ihren  Anfängen,  hatten 
diese  Excursionen,  als  seine  Beziehungen  zu  den  Fabrikanten  sich  er- 
weiterten, zumal  aber  als  er  die  grosse  Mehrzahl  der  Berliner  Indu- 
striellen seine  Schüler  nennen  durfte,  allmählich  eine  Ausdehnung  und 
Bedeutung  gewonnen,  welche  diesem  Systeme  des  technologischen 
Unterrichtes  einen  weit  über  die  Grenzen  Deutschlands  hinausgehen- 
den Ruf  verschafften.  Wie  sehr  aber  auch  Magnus,  ganz  abgesehen 
von  äusseren  Hülfsmitteln,  welche  ihm  glückliche  Verbältnisse  boten, 
der  Mann  war,  einen  so  seltsam  aus  den  heterogensten  Bestandtheilen 
zusammengesetzten  Complex  des  Wissens,  wie  die  Technologie,  geistig 
zu  bewältigen  und  zu  einem  wissenschaftlichen  Ganzen  zu  verschmelzen, 
dies  muss  Jedem  einleuchten,  der  seine  umfangreichen  Forschungen 
auch  nur  flüchtig  überblickt  hat.  Wenige  Vorlesungen  dürften  bei 
den  Zuhörern  einen  tieferen  Eindruck  hinterlassen  haben,  als 
die  von  Magnus.  Viele  seiner  älteren  Schüler,  die  jetzt  grosse 
Stellungen  in  der  Wissenschaft  und  der  Praxis  einnehmen  —  and 
ich  darf  hier  Namen  nennen,  wie  die  meiner  Freunde  W.  Sie- 
mens und  F.  V^arren trapp  —  sprechen  noch  heute,  nach  so  vielen 
Jahren,  mit  dem  lebhaftesten  Danke  von  den  vielseitigen  Anregungen 
für's  Leben,  welche  sie  aus  diesen  V^orlesungen   mitgenommen  haben. 

Die  technologischen  Excursionen  und  der  lebhafte  Verkehr  zwischen 
Liehrer  und  Schülern,  welcher  sich  aus  ihnen  entfaltete,  waren  es, 
welche  in  Magnus  zuerst  den  Wunsch  rege  machten,  auch  seine 
physikalischen  Zuhörer,  oder  wenigstens  einen  Theil  derselben,  in  ein 
engeres  Verhält niss  an  sich  heranzuziehen.  Das  Jahr  1843  brachte 
diesem  langgehegten  Wunsche  Erfüllung.  Im  Sommer  des  genannten 
Jahres  hatte  sich  um  Magnus  ein  Kreis  ausgezeichneter  junger  Männer 
geschaart,  wie  sie  sich  bei  grosser  Verschiedenheit  der  speciellen  Studien 
gleichwohl  in  dem  Streben  nach  einer  vollendeten  physikalischen 
Durchbildung  geeinigt ,    nicht   leicht  auf  einer  Hochschule  wieder  za- 


V 


104 


sammenfinden  durften.  Diesen  schlug  Magnus  eine  wöchentliche 
Zusamnaenkunft  in  seinem  Hause  vor,  um  physikalische  Fragen  im 
Allgemeinen,  besonders  aber  alle  neuen  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Physik  zu  besprechen,  daher  der  Name  physikalische  Colloquien, 


Avelchen  diese  Zusammenkünfte  alsbald  annahmen.  ID^FVerfasser  dieser 
Skizze,  dem  die  Magnus 'sehen  Zuhörerlisten  vorliegen,  kann  es  sich 
nicht  versagen,  die  Namen  der  zehn  Theilnehmer  anzuführen,  welche 
sich  an  dem  dritten  Dienstage  des  Aprils  genannten  Jahres  unter 
Magnus'  Aegide  zu  dem  ersten  dieser  Colloquien  versammelten.  Ich 
finde  die  Namen  von  Bärensprung,  Wilhelm  Beets,  Emil  du 
Bois-Reymond,  Ernst  Brücke,  Rudolf  Clausius,  H.  Eich- 
horn, Fabian  von  Feilitzsch,  Wilhelm  Heintz,  Gustav 
Karsten,  Vettin.  Nicht  weniger  als  acht  von  den  zehn  nehmen  im 
Augenblick  hervorragende  Stellungen  an  deutschen  Universitäten  oder 
höheren  ünterrichtsanstalten  ein! 

Diese  unter  so  glücklichen  Vorbedeutungen  begonnenen  physika- 
lischen Abende  erwiesen  sich  alsbald  von  dem  allergrössten  Nutzen  für 
sämmtliche  Betheiligte.  Dem  Verfasser  dieser  Skizze  ist  es  nicht  ver- 
gönnt gewesen,  den  Colloquien  beizuwohnen,  aber  er  hat  sehr  oft  Ge- 
legenheit gehabt,  mit  Chemikern  und  Physikern  zu  verkehren,  welche 
sich  in  freudiger  Dankbarkeit  der  Theilnahme  an  diesen  Vereinigungen 
erinnern.  Viele  versichern,  dass  sie  dem  freundschaftlichen  Verkehre 
mit  Magnus  in  den  Colloquien  die  ersten  tieferen  Einblicke  in  die 
Aufgabe  des  physikalischen  Studiums  verdanken,  und  dass  sie  in  ihnen 
die  fruchtbringendsten  Anregungen  für  die  Wissenschaft  erhalten  haben. 
Wie  sehr  dieser  colloquiale  Verkehr  einem  wahren  Bedürfnisse  entsprach, 
ergiebt  sich  recht  deutlich  aus  dem  Umstände ,  dass  schon  bald  nach 
Eröffnung  desselben  die  schönen  durch  ihn  erzielten  Erfolge  bei  einigen 
der  früheren  Theilnehmer  den  Gedanken  weckten,  zu  einem  ähnlichen 
wissenschaftlichen  Vereine  auf  breiterer  Grundlage  zusammenzutreten. 
So  entstand  im  Jahre  1845  die  Berliner  Physikalische  Gesell- 
schaft, deren  fünfundzwanzigjähriges  Bestehen  im  Anfange  diese.^ 
Jahres  in  so  heiterer  Weise  gefeiert  worden  ist.  Den  physikalischen 
Colloquien  hat  die  Gründung  dieser  Gesellschaft,  welche  umfang- 
reichere Aufgaben  verfolgt,  keinen  Abbruch  gethan,  denn  nach  wie 
vor  finden  wir  eine  sich  stets  gleichbleibende  rege  Betheiligung.  Die 
mir  vorliegende  Liste  der  Theilnehmer,  welche  mit  den  März  1843 
beginnt  und  bis  zum  Februar  1870,  also  fast  bis  zum  Tode  Magnus  . 
reicht ,  mithin  einen  Zeitraum  von  siebenundzwanzig  Jahren  umfasst, 
enthält  nicht  weniger  als  268  verschiedene  Einzeichnungen,  und  wenn 
wir  in  diesem  Verzeichnisse,  neben  denen  der  bereits  genannten  ersten 
Theilnehmer  an  dem  Colloquium,  die  Namen  von  Männern  finden  wi. 
Baeyer,  Clebsch,  Kirch  ho  ff,  Knoblauch,  Kundt,Paalzov 
Quincke,    vom  Ra'th,  R.  Schneider,  R.  Weber,   Wiedemanu, 


105 


Wüllner  und  so  vieler  Anderer,  so  erhellt  aus  dieser  glänzenden  Liste 
zur  Genüge,  welchen  Einfluss  die  Lehrthätigkeit  unseres  Freundes 
auf  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  geübt  hat.  Für  Magnus  sind 
übrigens  diese  Colloquien  eine  Quelle  der  reinsten  Freude  gewesen.  Er 
fühlte  sich  wohlthuend  berührt  von  dem  erfrischenden  Hauche,  welcher 
ihn  aas  dem  Verkehr  mit  strebsamen  jungen  Männern  anwehte; 
aber  auch  der  wissenschaftliche  Gewinn,  den  ihm  seine  physikalischen 
Abende  brachten,  darf  nicht  gering  angeschlagen  werden.  Im  Anfange 
des  Semesters  wurden  die  Rollen  vertheilt;  ein  jedes  der  Mitglieder 
übernahm  es,  über  einen  Theil  der  neuen  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  der  Physik  ein  Referat  zu  liefern,  in  welchem  sich  die  neuen 
Erfahrungen  an  das  bereits  Bekannte  anlehnten.  Für  diesen  Zweck 
besorgte  Magnus  mit  grosser  Sorgfalt  die  nöthige  Literatur,  und 
da  der  ganze  Charakter  der  Vereinigungen  Unwissenheit  und  ün- 
fleiss  ausschloss,  so  war  mit  einiger  Sicherheit  darauf  zu  rechnen, 
dass,  nach  mehrwöchentlicher  Vorbereitung',  in  der  zum  Vortrage 
anberaumten  Sitzung  eine  werthvoUe  Arbeit  zum  Vorschein  kam. 
An  den  Vortrag  reihte  sich  alsdann  eine  vollkommen  ungezwungene, 
belebte  Discussion,  an  der  sich  auch  die  Schüchternsten  oft  und  gern 
betheiligten.  Magnus  pflegte  zu  sagen,  dass  er  aus  den  Colloquien  min- 
destens eben  so  viel  lerne,  wie  seine  jungen  Freunde.  Daher  denn 
sein  nie  müde  werdendes  Interesse  an  diesen  physikalischen  Vereini- 
gungen. Am  Dienstag  Abend  war  er  für  jeden  NichtcoUoquenten 
vollkommen  unzugänglich;  ich  glaube  nicht,  dass  er  im  Laufe  eines 
Vierteljahrhunderts  das  CoUoquium  mehr  als  ein  halbes  Dutzend  mal 
ausgesetzt  hat. 

Dass  Magnus  neben  seinen  experimentalen  Stadien,  neben  seinen 
unausgesetzten  Vorlesungen  und  Colloquien  auch  noch  gleichzeitig  eine 
grossartige  Wirksamkeit  als  Leiter  eines  chemischen  und  physikalischen 
Laboratoriums  ausüben  konnte,  bezeugt  auf's  neue  die  unerschöpfliche 
Arbeitskraft  des  Mannes,  aber  auch  die  stramme  Oekonomie,  mit 
welcher  er  seine  Zeit  einzutheilen  wusste.  Zwar  war  es  kein  aus- 
gedehntes Laboratorium,  dem  er  vorstand,  zwar  waren  es  niemals 
Viele,  die  gleichzeitig  unter  seiner  Führung  arbeiteten,  aber  nichtsdesto- 
weniger häuften  sich  eigenthümliche  Schwierigkeiten,  unter  denen  er 
diese  Aufgabe  zu  lösen  hatte.  Wie  in  allen  andern,  so  war  er  auch 
in  dieser  Phase  seiner  akademischen  Laufbahn  fast  ausschliesslich  auf 
eigene  Mittel  angewiesen.  Die  ihm  zur  Verfügung  stehenden  Räume 
waren  verhältnissmässig  beschränkt,  und  da  sie  für  die  Zwecke,  denen 
sie  dienen  mussten,  nicht  ursprünglich  bestimmt  gewesen,  auch  in  an- 
derer Beziehung  ganz  unzureichend.  Bedenkt  man  ferner,  dass  die 
meisten  seiner  Laboranten  mit  Experimentaluntersuchungen  beschäf- 
tigt waren,  bei  deren  Ausführung  sie  jeden  Augenblick  in  der  Er- 
fahrung   des    Lehrers    Rath    und    Hülfe    zu    suchten    hatten,    end- 

9 


106 

lieh,  dass  die  Fragen,  deren  Losung  sie  anstrebten,  wiederum,  wie 
Magnus'  eigene  Forschungen,  den  verschiedensten  Gebieten  der 
Chemie  und  Physik  angehörten,  so  sind  wir  erstaunt,  wie  der 
vielbeschäftigte  Mann  auch  diesen  Anforderungen  nach  allen  Rich- 
tungen Genüge  leistete.  Die  Zahl  der  aus  seinem  Laboratorium  her- 
vorgegangenen Originalabhandlungen  beläuft  sich  auf  nicht  weniger 
als  77 ,  von  denen  29  der  früheren  Periode  angehören,  in  welcher 
er  kaum  mehr  als  zwei  oder  drei  Schüler  gleichzeitig  aufzuneh- 
men im  Stande  war;  während  48  in  den  letzten  sieben  Jahren  ent- 
standen sind ,  seit  sich  die  äusseren  ihm  zu  Gebote  stehenden  Mittel 
durch  die  Begründung  des  physikalischen  Laboratoriums  wesentlich 
erweitert  hatten*). 

Unter  diesen  letzteren  möge  es  genügen,  auf  die  schönen  kry- 
stallographisch- optischen  Forschungen  von  Groth,  auf  die  zahlreichen 
und  wichtigen  akustischen  Arbeiten  von  Kundt  und  von  Warburg,  auf 
die  verschiedenen  chemischen  Abhandlungen  von  Schultz-Sellack 
hinzuweisen.  Von  den  aus  früherer  Zeit  stammenden  Untersuchungen 
finden  wir  werthvolle  chemische  Arbeiten  von  Beetz  über  Kobaltver- 
bindungen, von  Rüdorf  über  Gefrieren  und  über  Kältemischungen,  von 
R.  Schneider  über  Wismuth Verbindungen  und  über  das  Atomge- 
wicht des  Wismuths ,  von  Unger  über  das  Xanthin,  von  Vögel i 
über  die  Phosphorsäure -Aether,  von  R.  Weber  über  Aluminium  Ver- 
bindungen und  Wärmeentwicklung  bei  Molecularveränderungen,  end- 
lich die  wichtigen  Versuche  von  Wiedemann  über  den  Harnstoff, 
welche  bekanntlich  zur  Entdeckung  des  Biurets  geführt  haben.  Auch 
verschiedene  ausgezeichnete  physikalische  Untersuchungen,  so  die  von 
Tyndall  über  Diamagnetismus  und  über  die  Polarität  des  Wismuths, 
so  die  von  Wüllner  über  die  Spannung  der  Dämpfe  aus  Salzlösun- 
gen, gehören  dieser  früheren  Periode  an.  Unter  den  Arbeiten  der  frühe- 
sten Zeit  begegnen  wir  auch  einer  Untersuchung  des  berühmten  Natur- 
forschers, welchem  die  ehrenvolle  Aufgabe  zu  Theil  geworden  ist, 
uns  Gustav  Magnus  an  der  hiesigen  Hochschule  zu  ersetzen.  Die 
ersten  Untersuchungen  von  Hermann  Helm  hol  tz,  die  Versuche  über 
Fäulniss,  sind  in  dem  Laboratorium  seines  Vorgängers  ausgeführt 
worden. 

Wenn  wir  die  grossartige  akademische  Wirksamkeit  des  Mannes 
überblicken,  wie  sie  uns  aus  den  gegebenen  Andeutungen,  obwohl  immer 
nur  sehr  unvollkommen  entgegentritt,  so  werden  wir  uns  stets  erinnern, 

*)  Die  Herren  Professoren  R.  Weber  und  A.  Kundt,  beide  früher  während  meh- 
rerer Jahre  Assistenten  bei  Magnus,  haben  die  Güte  gehabt,  Verzeichnisse  anf- 
zusl eilen,  ersteter  von  den  der  früheren  Periode  angehörenden,  letzterer  von  den  im 
physiicalischen  Laboratorium  ausgeführten  Arbeiten.  Diese  Verzeichnisse,  für  welche 
ich  den  genannten  Herren  zu  bestem  Danke  verpflichtet  bin,  sind  am  Schlüsse  an- 
tjefUgt. 


107 


wie  vielen  Dank  ihm  unsere  Universität  schuldet.  Die  Berliner  Hoch- 
schule hat  sich  des  seltenen  Glückes  erfreut,  dass  in  ihrem  Schoosse 
zwei  Kork'phäen  der  Wissenschaft  wie  Magnus  und  Dove,  wäh- 
rend eines  mehr  als  ein  Menschenalter  umfassenden  Zeitraumes,  an 
der  Spitze  der  physikalischen  Studien  gestanden  haben,  während  gleich- 
zeitig in  den  angrenzenden  Wissenschaften  nicht  minder  hervorragende 
Gelehrte  wirkten,  wie  Mitscherlich,  Heinrich  und  Gustav  Rose 
auf  deui  Felde  der  Chemie,  wie  Dirichlet,  Jacobi  und  später 
Kummer,  Weierstrass  und  Kronecker  auf  mathematischem  Ge- 
biete. Kein  Wunder,  dass  sich  unter  den  Auspicien  von  Magnus 
und  Dove,  denen  solche  Kräfte  gesellt  waren,  in  Berlin  schon  seit 
Decennien  eine  blühende  Pflanzschule  der  Physik  entfaltet  hat,  deren 
Jünger  bereits  über  alle  Theile  Europas  verbreitet  sind. 


Dass  einem  Leben,  welches  seine  höchste  Befriedigung  im  Dienste 
der  Wissenschaft  fand,  der  Dank  der  Wissenschaft  nicht  vorenthalten 
blieb,  braucht  kaum  gesagt  zu  werden.  Die  Akademien  und  gelehrten 
Gesellschaften  Deutschlands  sowohl  als  des  Auslands  wetteiferten, 
Magnus  unter  ihre  Ehrenmitglieder  aufzunehmen.  Am  30.  April 
1863  wurde  er  zum  auswärtigen  Mitgliede  der  Boyal  Society,  am 
13.  Juni  1864  zum  Correspondenten  der  französischen  Akademie  der 
Wissenschaften  erwählt.  Auch  Ehrenbezeugungen  anderer  Art  haben 
ihm  nicht  gefehlt;  mit  Titeln  und  Orden  ist  er  reichlich  bedacht  wor- 
den. Deutsche  Fürsten,  die  als  Jünglinge  seine  Schüler  waren,  ha- 
l)en  sich  als  Männer  geehrt,  indem  sie  ihn  mit  Auszeichnungen  über- 
häuften. In  Erz  und  Marmor  sind  seine  Züge  verewigt  worden. 
Schon  prangt  sein  Bildniss  neben  denen  Liebig 's,  Bunsen's, 
Dove's  in  der  Festhalle  des  neuen  rheinischen  Polytechnicums,  wel- 
ches an  der  westlichen  Marke  unseres  Vaterlandes  noch  in  diesen 
Tagen  erst  vollendet  worden  ist,  und  ehe  viele  Monate  vergehen,  wer- 
den wir  seine  Marmorbüste  in  der  Aula  der  Hochschule  aufstellen, 
der  er  so  viele  Jahre  hindurch  seine  besten  Kräfte  gewidmet  hat. 


Werfen  wir  noch  einen  Abschiedsblick  auf  das  schöne  Leben, 
dessen  Bild  sich  vor  unsern  Augen  entrollt  hati  Angesichts  der  grossen 
Erfolge,  welche  die  Arbeiten  des  Gelehrten  krönten,  theilen  wir  Alle 

8' 


108 


die  frohe  Ueberzeugung,  dass  der  Name  Gustav  Magnus  unter  denen 
der  hervorragenden  Forscher  unseres  Jahrhunderts  in  dem  Buche 
der  Geschichte  für  alle  Zeiten  verzeichnet  ist.  Aber  wenn  wir  mit 
gerechtem  Stolze  auf  die  glänzende  wissenschaftliche  Laufbahn  unseres 
heimgegangenen  Vereinsgenossen  zurückschauen,  so  wollen  wir  uns 
doch  stets  auch  des  bescheideneren,  aber  wahrlich  nicht  minder  be- 
neidenswerthen  Ruhmes  erinnern ,  welchen  ihm  die  Tugenden  des 
Mannes  in  so  reichem  Maasse  erwarben,  dass  sein  Andenken  wie 
ein  theures  Kleinod  von  Schülern  und  Freunden  in  dankbarem  Herzen 
bewahrt  wird. 


Wissenschaftliche  Untersuchungen   aus  Magnus'  Privat- 
Laboratorium. 

"^  Beetz,    Ceber   UmwandluDg  von   Talg   in   Stearin.       Pogg.  Ann.    LIX.   111. 
(1843). 
üeber  Kobaltverbindungen.     Pogg.  Ann.  LXI.   472.  (1844). 
Brnnner,  Pichte  des  Eises.      Pogg.  Ann.  LXIV.   113.  (1845). 

Ueber  Cohäsion  der  Flüssigkeiten.     Pogg.  Ann.  LXX.  481.  (1847). 
Eichhorn,    Ueber    das  Fett    der   KartoflFel.        Pogg.    Ann.     LXXXVII.     227. 

(1852). 
Helmholtz,   Ueber  Fäulniss.     J.  Pr.  Chem.  XXXI.  420.  (1844). 
Hensser,     KrvstallocTaphische    Untersuchung    der    Salze    der    Citronensäure. 
Pogg.  "Ann.  LXXXVIII.    121.  (1853). 
Dispersion  der  optischen  Axen  in  monoklinometrischen  Kristallen.     Pogg. 
Ann.  XCI.   497.  (1854). 
Hochstetter,  üeber  Bleiweissbildung.     J.  Pr.  Chem.  XXVI,  338.   (1842). 

Ueber   verschiedene  Erscheinungen    bei    der  Darstellung  des  Znckers.       J. 
Pr.  Chem.  XXIX.   1.    (1843). 
RUdorf,    Ueber    das    Gefrieren    von    Salzlösungen.       Pogg.    Ann.    CXIV.    63. 
(1861).     Pogg.  Ann.  CXVI.  55.  (1862). 
Ueber  Kältemischungen  aus  Schnee    und  Salzen.       Pogg.    Ann.    CXXII. 
337.  (1864). 
R.  Schneider,  Aeqiiivalent  des  Wismuths.     Pogg,  Ann.  LXXXII.  303.  (1851). 
Ueber  Wismutho.xydul.     Pogg.  Ann.   LXXXVIII.  45.  (1853). 
Ueber  Kupferwismnthglanz.      Pogg.  Ann.   XC.    166.   (1853). 
Ueber  Schwefelwismuth.      Pogg.  Ann.  XCI.   404.   (1854). 
Tyndall,  Diamagnetismus.     Pogg.  Ann.  LXXXIII,   384.  (1851). 

Polarität  des  Wismuths.     Pogg.  Ann.  LXXXVII.   189.    (1852). 
Unger,    Ueber  Xanthin.       Pogg.    Ann,    LXII.    158.    (1844)    n.    LXV.    222. 

(1845). 
Vögeli,    Verbindungen  von  Phosphorsänre  und  Aether.       Pogg-  Ann.  LXXV. 

282.  (1848). 
R.  Weber,   üeber  Jodaluminjpm.     Pogg.  Ann.  GL  465.    (1857), 

üeber  Brom-  und  Chloraluminium.     Pogg.  Ann.  CHI.  259.  (1857). 
Ueber  Wärmeentwicklung    bei   Molecnlarveränderungen    des  Schwefels   und 

des  Qnecksilberjodids.     Pogg.  Ann.   C.   127.  (1857). 
Ueber  Verbindungen    des  Chloraluminiums    mit  Chlorschwefel    und  Chlor- 
selen.    Pogg.  Ann.  CIV.   421.  (1858), 
Wiedemann,  Ueber  Harnstoff.     Pogg.  Ann.  LXXIV.   67.   (1848). 
NVüllner,    Ueber    die  Spannung  der  Dämpfe  aus  Salzlösungen.       Pogg.  Ann. 
CHI.  529.  (1858)   und  Pogg.  Ann.  CV.  86.  (1858). 


110 


Wissenschaftliche  Untersuchungeu  aus  dem  physikalischen 
Laboratorium. 

Avenarius,    die  Thermoelektricität   ihrem  Ursprung  nach  als  identisch  mit  der 

Contactelektricität  betrachtet.     Pogg.  Ann.  CXIX.  406  u.  637.  (1863). 

Buliginsky,    Untersuchungen    über    die    Capillarität   einiger   Salzlösungen   bei 

verschiedenen  Concentrationen.     Pogg.  Ann.  CXXXIV.  440.  (1868.) 
Deite,    Qua   vi  sit  temperatura   in  luminis  polarisati  planitie  liquoribita  rotatu. 

Dissertatio.      Vratislaviae.      (1864). 
V.  Eccher,    Ueber   die    Benutzung    des   Eisenchlorids  zu  galvanischen  Säulen. 

Pogg.  Ann.  CXXIX.  93.  (1866). 
Feussner,    Absorption   des  Lichtes   bei  veränderter  Temperatur.       Berlin.  Mo- 

natsb.   1865.   144. 
Glan,   Ueber    die   absoluten   Phasenänderungen    dnrch   Reflexion,    Dissertation. 
Jan.   1870. 
Ueber  die  Absorption  des  Lichtes.     Pogg.  Ann.  CXIXXXL     59.    (1870). 
Groth,    Beiträge   zur   Kenntniss    der    Überchlorsauren    und    übermangansauren 
Salze.     Pogg.  Ann.  CXXXIIL   193.  (1868). 
Krystallographisch-optische  Untersuchungen.     Pogg.  Ann.  CXXXV.  647. 

(1868). 
Isodimorphie  der  arsenigen  und  antimonigen  Säure.    Pogg.  Ann.  CXXXVII. 

414.   (1869).  « 

Ueber  Krystallform  und  Circularpolarisation  und  über  den  Zusammenhang 
beider  beim  Quarz  und   Überjodsauren  Natron.     Pogg.  Ann.   CXXXVIL 
433.   (1869). 
Ueber  den    krystallisirten  Kainit   von  Stassfurt.      Pogg.  Ann.  CXXXVII. 

442.  (1869). 
Ueber  das  schwefeis.  Amarin.    Ann.   Chem.  Pharm.    CLIl,   122.   1869. 
Ueber  die  Isomorphie  der  Verbindungen  des  Quecksilbers   mit    2  At.  Chlor, 

Brom,  Jod,  Cyan.      Berichte  der  Deutsch.  Chem.  Ges.    1869,   574. 

Ueber  den  Topas  einiger  Zinnerzlagerstätten.    Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geolog. 

Ges.   1870,  381. 

•  Ueber   die   Beziehung   zwischen  Krystallform  und  chemischer  Constitution 

bei  einigen  organischen  Verbindungen.    Pogg.  Ann.  CXLI.  31.  (1870). 

Kiessling,  Ueber  die  Schallinterferenz  der  Stimmgabel.     Pogg.  Ann.  CXXX. 

177.  (1867). 
Kundt,  Ueber  Depolarisation.     Pogg.  Ann.  CXXIII.   385.  (1864). 

Doppelbrechung   des  Lichtes  in  tönenden  Stäben.      Pogg.  Ann.  CXXIII. 

541.   (1864). 
Besondere  Art  der  Bewegung  elastischer  Körper  auf  tönenden  Röhren  und 

Stäben.     Pogg.  Ann.  CXXVI.   513.«>(1865). 
Neue  Art  akustischer  Staubfiguren.      Pogg.  Ann.  CXXVII.  497.   (1866). 
Erzeugung  von  Klangfiguren  in  Orgelpfeifen  und  Wirkung  tönender  Luft- 
säulen auf  Flammen.     Pogg.  Ann.  CXXVIH.   337.  (1866). 
Beobachtung    der    Schwingungsform    tönender    Platten    durch  Spiegelung. 

Pogg.  Ann.  CXXVin.   610.  (1866). 
Erzeugung    von  Tönen   durch  Flammen,       Pogg.    Ann.    CXXVIII.    614. 

(1866). 
Ueber  die  Schallgeschwindigkeit  der  Luft  in  Röhren.    Pogg.  Ann.  CXXXV. 

337.  (1868). 
Ueber    die   Erzeugung   stehender  Schwingungen    und  Klangfiguren    in  ela- 
stischen und  tropfbaren  Flüssigkeiten  durch  feste  tönende  Platten.    Berlin. 
Monatsb.   1868.   125. 
^LJndig,  Ueber  die  Abänderung  der  elektromotorischen  Kraft  durch  die  Wärme. 
Pogg.  Ann.   CXXIII.   (1864). 


111 


Ludtge,  Ueb«r  den  Eioflass   mechanischer  Veränderungen  auf  die  magnetische 

Drehungsf&higkeit  einiger   SubsUnzen.       Po  gg.   Ann.   CXXXVH.    271. 

(1869). 
Ueber    die    Ausbreitang    der    Flüssigkeiten    auf   einander.        Po  gg.  Ann. 

CXXXVII.  362.   (1869). 
Ueber   die    Spannung    flüssiger   Lamellen.       Po  gg.    Ann.    CXXXIX.    620. 

(1870). 
Overbeck,     Ueber    die    sogenannte    Magnetisiruugsconstante.       Pogg.    Ann. 

CXXXV.   74.  (1868). 
Schnltz-Sellack,   Ueber  die  sauren  und  Ubersanren  Salze  der  Schtrefelstture. 

Pogg.  Ann.   CXXXIII.    137.   (1868). 
Ueber   den    Durchgang    der    Elektricität    durch    verdünnte    Luft.      Pogg. 

Ann.  CXXXV,  249.     (1868.) 
Ueber     den     Erstarrungspunkt    der    Bestandtheile    flüssiger    Mischungen. 

Pogg.  Ann.  CXXXVII.   247.  (1869). 
Ueber  den  Gefrierpunkt  des  Wassers    aus   wässerigen  Gasauflösungen  und 

die  Regelation.     Pogg.  Ann.   CXXXVII.   252.   (1869). 
Diathermansie    einer  Reihe   von  Stoffen  für  Wärme  geringer  Brechbarkeit. 

Pogg.  Ann.  CXXXIX.    IS.'.  (1870). 
Ueber  die  Moditicationen  des  Schwefelsäureanhvdrids.  Pogg.  Ann.  CXXXIX. 

480.    (1870). 
Ueber  die  Farbe  des  Jods.     Pogg.  Ann.  CXL.   334.  (1870). 
Ueber  die  Wärmewirkung   an    der  Grenzfläche    von  Elektrolyten.     Pogg. 

Ami.  CXLI.     (1870.) 
Villari,    Ueber   die  Aenderang   des   magnetischen  Momentes,    welche  der  Zug 

und   das  Hindurchleiten  eines   galvanischen  Stromes  in  einem  Stab  von 

Stahl  oder  Eisen  erzeugt.     Pogg.  Ann.  CXXVI.   513.  (1865). 
Warburg,     Ueber    den    Kinfluss  der  Temperatur   auf  die  Elektrolyse.      Pogg. 

Ann.  CXXXV.    114.   (1868). 
Ueber  tönende  Systeme.     Pogg.  Ann.  CXXXVI.  89.  (1869). 
Bestimmung  der  Schallgeschwindigkeit  in  weichen  Körpern.     Pogg.  Ann. 

CXXXVI.   285.  (1869). 
Ueber  Erwärmung  fester  Körper  durch  das  Tönen.  Pogg.  Ann.  CXXXVII. 

632.   (1869). 
Ueber   die  Dämpfung   der  Töne    fester  Körper   durch    innere  Widerstände. 

Pogg.  Ann.   CXXXIX.  89.  (1870). 
Ueber    den    Einfluss    tönender    Schwingungen    auf    den    Magnetismus    des 

Eisens.     Pogg.  Anu.   CXXXIX.  499.  (1870.) 
Ueber  den  Ausfluss  des  Quecksilbers  aus  gläsemeu  Capillarröhien.     Pogg. 

Ann.  CXXXX.   367.   (1870). 


A.  W.  Schade'ä  Buchdruckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stollacbreiberstr  47. 


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QD  Hofbiann,  August  Wilhelm  von 
22  Zur  Erinnerung  an  Gustav 
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