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NACH EINEM
AM 11. DECEMBER 1870
IN DER GENERAL-VERSAMMLUNG
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zu berlin
(;i:haltenen vortrage
AUG. WlLll. HOFMAN s
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BERLIN,
FERD. DÜMMLER'S VERLAGSBUCHUANDLUNG
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1871.
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ZUR ERINNERUNG
AN
GUSTAV MAGNUS
NACH EINEM
AM U. DECEMBER 1870
IN DER GENERAL -VERSAMMLUNG
DER DEUTSCHEN CHEMISCHEN GESELLSCHAFT
ZU BERLIN
GEHALTENEN VORTRAGE
VON
\\J(j. WILFL HOFMANN.
MIl l'iHTRAIT UND FACSIMILE.
BERLIN,
FERl) DCMMLER'S VERLAGSBUCHHANDLUNG
HARRWITZ UND GOSSIIANN.
187L
Die gewaltigen Ereignisse des verflossenen Sommers, deren Zeuge
wir gewesen sind, haben der Zeit Flügel geliehen, Monate sind
ihrem Inhalte nach zu Jahren geworden; Alles, was sich vor
dem deutschen Kriege begeben hat, scheint uns bereits einer ent-
fernten Vergangenheit anzugehören. So auch der Tod des Mannes,
dem dieser Nachruf gewidmet ist, obwohl noch kein Jahr verstrichen,
seit sich das Grab über ihm geschlossen hat. Allein wie gross die
Zahl und Mannichfaltigkeit der Erlebnisse, welche wir hinter uns
zurückgelassen, wir fühlen den herben Verlust, welchen die deutsche
chemische Gesellschaft erlitten hat, heute nicht weniger schmerzlich,
wie damals, als auf die erste Tranerkunde hin, der Vorstand unseres
Vereins zusammentrat und den Redner mit dem Auftrage betraute,
das Leben und zumal die umfassende wissenschaftliche Thätigkeit des
heimgegangenen Freundes den Mitgliedern der Gesellschaft an ihrem
Stiftungsfeste in nicht allzueng umrahmtem Bilde vorzufuhren.
Indem ich am heutigen Abend den mir gewordenen Auftrag er-
fülle, kann ich nicht umhin, dem Gefühle des Bedauerns Ausdruck zu
geben, dass die schone Aufgabe, die hier vorlag, nicht in bessere
Hände gefallen sei. Mehr als einmal, während ich das Material für
ihre Lösung sammelte, ist mir der Gedanke peinlich nahe getreten,
wie wenig ich dieser Aufgabe gewachsen war. Obwohl seit langer Zeit
in vielfachen Beziehungen mit Magnus, bin- ich doch erst in den letzten
Jahren so glücklich gewesen, in der Vertrautheit täglichen Verkehrs die
ganze Fülle der edlen Eigenschaften dieser reich angelegten Natur kennen
zo lernen. Wie viel treffender würde das Bild des Mannes geworden
sein, wenn die Hand eines Jugendfreundes den Griffel geführt hätte!
Auch bin ich nicht ohne Sorge, dass es mir nur sehr unvollkommen
gelungen ist, den wissenschaftlichen Leistungen unseres Vereins-
genossen in ihrem ganzen Umfange gerecht zu werden. Die Jugend-
1»
arbeiten von Magnus gehören allerdings fast alle dem Gebiete der
Chemie an , aber schon frühzeitig zieht er die Physik mit in den
Kreis der Betrachtung, um sich bald fast ausschliesslich mit phy-
sikalischen Untersuchungen der verschiedensten Art zu befassen.
Wohl bin ich nach Kräften bemüht gewesen, meinem Freunde auf
den vielverschlungenen Pfaden seines grossen Forschergebietes, wenn
auch oft nur in bescheidener Entfernung, zu folgen. Allein wie viel
richtiger würden die zahlreichen von Magnus in allen Zweigen der
Physik gesammelten Erfahrungen verzeichnet worden sein, wie ganz
anders hätte der Einfluss dieser Erfahrungen auf den Fortschritt der
Wissenschaft im grossen Ganzen in das rechte Licht treten müssen,
wenn die Schilderung von einem seiner physikalischen F^chgenossen
übernommen worden wäre! Wohl kann der Verfasser nicht dankend
genug die freundliche Bereitwilligkeit rühmen, welche bei den Vor-
arbeiten zu dieser Skizze seinem lückenhaften Wissen und seinem
mangelnden Verständniss allerseits zu Hülfe gekommen ist, und dass
so Viele, die Magnus im Leben näher standen, in den Kranz der
Erinnerung, den wir ihm flechten, gerne ein Blatt haben einlegen
wollen; allein er giebt sich gleichwohl der Hoffnung hin, dass sich
recht bald eine berufenere Hand finden möge, welche, was hier nur
lose gefügt und kaum mehr als andeutungsweise geboten werden
konnte, zu einem dauerhaften, scharfumrissenen Bilde vereine.
Die Geschichte eines Gelehrten ist die Geschichte dessen, was
er gelehrt hat. Nur in wenigen Fällen berichtet sie von seltsam ver-
wickelten Lebensschicksalen, von gewaltigen Begebnissen, welche
die Phantasie mächtig bewegen. Je ernster ein Leben dem Dienste
der Wissenschaft geweiht war, um so einfacher hat es sich auch in
seinem äusseren Verlaufe gestaltet. Auch das Leben unseres Freundes
Magnus, wie zahlreich immer die Fäden, die es in mannichfaltigster
Weise mit Menschen und Dingen verknüpfte, ist ein solches ruhig
dahinfliessendes Gelehrtenleben gewesen. Was ich daraus aus eigener
Erfahrung weiss, was mir Andere mitgetheilt haben, will ich in wenigen
Worten zusammenfassen.
Heinrich Gustav Magnus wurde am 2. Mai 1802 in Berlin
geboren, wo sein Vater, Johann Matthias, gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts ein grosses Handlungshaus begründet hatte. Gustav
war der vierte von sechs Brüdern, von denen der älteste, Martin,
ihm vor kaum Jahresfrist vorangegangen ist. Es war dies der durch
seinen edlen Wohlthätigkeitssinn ausgezeichnete Banquier v. Magnus,
der Vater des gegenwärtigen Chefs des Hauses sowie auch des ehe-
maligen preussischen Gesandten in Mexico, dessen edle Haltung in der
Tragödie von Queretaro noch frisch in dem Gedächtnisse Aller
lebt. Der einzige Bruder, welcher Gustav überlebt hat, ist der
Maler Eduard Magnus, — mögen ihm, der Kunst und seinen
Freanden za Frommen, der Jahre noch viele geschenkt sein! Ihm
danken wir es, dass diesem Gedenkblatte auch der künstlerische
Schmack nicht fehle; die unvergleichliche Bleistifizeichnung, welche
ich Ihnen reiche, ist von seiner Hand, — welche andere hätte die
Znge des geliebten Bruders treuer wiedergegeben? Dieses wunderbar
ähnliche Portrait, welches unsern Freund im glücklichsten Augenblicke
auffasst, ist eigens für die Feier dieses Abends gezeichnet worden ; eine
photographische Nachbildung*) desselben bittet Professor Eduard
Magnus die Mitglieder der Gesellschaft als Erinnerung an den Heim-
gegangenen annehmen zu wollen.
Dass in einer Familie, aas der solche Männer hervoigegiuigen
sind, die reichen Mittel, welche zur Verfügung standen, mit liebe-
vollster Sorgfalt für die körperliche und geistige Entwicklung der
Kinder verwendet wurden, versteht sich von selbst. Es war eine
glückliche Jagend, welche die Knaben in dem Magnus' sehen Hause
verlebten. Der Vater gestattete die vollkommenste Freiheit der Bewegung.
war aber gleichwohl schon frühzeitig der Mann scharfer Beobachtung und
sorglicher Pflege individueller Begabung seiner Kinder. Gustav hatte
schon, während er zunächst im elterlichen Hause und dann in Pri-
vatschulen unterrichtet wurde, mehr Neigung und Verständniss für
die mälhematischen und naturwissenschattlichen, als für die sprach-
lichen Lehrgegenstände kund gegeben; und dieselbe Vorliebe zeigte
sich auch, als er mit seinem vierzehnten Jahre in das Werdcrsche^
Friedrichs- Gymnasium eingetreten war, in welchem den klassischen
__S£rachen vorwaltende Beachtung geschenkt wurde. Der Vater sah sich
desshalb auch schon bald nach einer anderen Schule für den Knaben um,
und seine Wahl fiel auf das damals neuentstandene Cauer'sche Institut,
welches später von Berlin nach Charlottenburg verlegt wurde. Die
Wahl dieses Instituts war eine glückliche, insofern dasselbe der Vorbe-
reitung für die exacten Wissenschaften, für welche Gustav das leb-
hafteste Interesse bekundete, ganz besondere Berücksichtigung ange-
deihen Hess. In der That hatte auch der neunzehnjährige Jüngling,
als er nach mehrjährigem Aufenthalt in dieser Anstalt sich anschickte
die Universität zu beziehen, bereits ausgebreitete Kenntnisse in der
Mathematik und den Naturwissenschaften erworben , ohne desshalb
die klassischen Stadien vernachlässigt zu haben. Glücklich wie ihm
die äosseren Verhältnisse des Lebens lagen, war er über die Wahl des
Berufes nicht lange zweifelhaft. Der Chemie und Physik, sowie der
Technologie, die ja eigentlich nichts anderes als die Verwerthung che-
mischer und physikalischer Erfahrungen im Dienste des Lebens ist,
sollte fortan die ganze Kraft dieses lebhaften Geistes gewidmet »ein.
Für die sorgftltigen photographischen Nachbildungen sind wir Herrn Carl
ituntiier zn bestem Danke yerpflichtet.
Um diese Studien mit ganzem Eifer aufnehmen zu können, hatte
Gustav Magnus nur noch der allgemeinen Wehrpflicht zu genügen.
Zu dem Ende trat er im Jahre 1821 als Freiwilliger in das in Berlin
garnisonirende Bataillon der Gardeschützen; die militärischen Erfahrun-
gen, welche ihm der einjährige Dienst erwarb, sollten später, wenn
auch nur auf kurze Zeit, eine kaum geahnte Verwerthung finden.
Im Jahre 1822 bezog unser junger Freund die Universität seiner
Vaterstadt, in deren Album er von dem zeitigen Rector, dem Histo-
riker Professor Wilkens am 2. November eingetragen wurde. Die
Berliner Hochschule war damals kaum aus ihrer Kindheit getreten. Ge-
stiftet in einer Periode, in welcher die Fremdherrschaft mit fast unerträg-
lichem Drucke auf Deutschland lastete, und die besten Kräfte der Nation
ausschliesslich der Befreiung des Vaterlandes gewidmet waren, hatte
unsere Universität kaum die nöthige Zeit gehabt, um sich zu vollen-
deter Blüthe zu entfalten. Gleichwohl waren die Naturwissenschaften
bereits durch hervorragende Männer vertreten. Was zunächst die
Chemie anlangt, so war allerdings Klaproth damals schon vor mehre-
ren Jahren gestorben, allein Hermbstädt, der neben Klaproth
schon seit Stiftung der Universität den chemischen Studien vorge-
standen hatte, war noch in voller Thätigkeit, und hielt namentlich
Vorlesungen über die Anwendungen der Chemie auf Pharmacie, Agri-
cultur und verschiedene Zweige der Industrie, zumal die Färbekunst.
Auch hatte, sehr jung noch und nach kaum vollendeten Lehrjahren
in Berzeli US 'scher Schule, Mitscher lieh als ausserordentlicher
Professor bereits seine ruhmreiche Laufbahn an hiesiger Hoch-
schule begonnen; endlich hatte sich Heinrich Rose fast zu der-
selben Zeit, als Magnus die Universität bezog, als Privatdocent für
analytische Chemie habilitirt. Vertreter der Physik waren Paul Er-
man, Ernst Gottfried Fischer und Karl Daniel Tourte, die
alle bereits seit ihrer Gründung an der Universität wirkten, und neben
Vorlesungen über Experimentalphysik, Vorträge über die einzelnen
Disciplinen dieser Wissenschaft hielten. Professor der Mineralogie war
Christian Weiss, ebenfalls einer der bei der Stiftung der Universität
Berufenen, und an seiner Seite lehrte bereits als ganz junger Do-
cent Gustav Rose, sein dereinstiger Nachfolger, den wir heute
glücklich sind als einen der Vicepräsidenten dieser Gesellschaft zu
begrüssen. Wird schliesslich noch daran erinnert, dass die Zoo-
logie in den Händen Lichtenstein's war und dass Link an der
Spitze der botanischen Studien stand, so wird man zugeben müssen,
.dass die hiesige Hochschule, was glänzende Vertretung der ver-
schiedenen Gebiete der Naturforschung anlangt, ihren filteren Schwestern
in keiner Weise nachstand.
Zu so glücklichen Bedingungen für die erfolgreiche Pflege der Na-
turwissenschaften gesellten sich aber in Berlin noch andere Mittel der
Ausbildung, welche für die besondere Anlage unseres Freundes von
grosser Anziehung sein mussten, andrerseits aber auch auf die weitere
Entwicklung dieser Anlage nicht ohne Einfluss bleiben konnten. Schon
damals war Berlin wesentlich eine gewerbtreibende Stadt. Es waren
zumal die tinctorialen Industrien mit den angrenzenden Gewerben,
welche bereits sehr schwunghaft betrieben wurden; aber auch viele
andere Zweige der Fabrikation, deren weitere Ausbildung seither
Berlin zur ersten industriellen Stadt unseres Vaterlandes gemacht hat,
waren schon in ihren ersten Anfängen vorhanden. Es vereinigte
sich daher damals für denjenigen, welcher sich dem Studium der
Naturwissenschaften in ihren Anwendungen widmen wollte, in Berlin
eine Summe von Anregungen, wie sie keine andere deutsche Univer-
sität zu bieten vermochte.
Für Gustav Magnus lag kein Grund vor, seine akademischen
Studien zu übereilen, und so sehen wir ihn denn während der nächsten
fünf Jahre abwechselnd chemische, physikalische und mathematische
Vorlesungen besuchen. Nebenbei wird fleissig im Universitätslabora-
torium gearbeitet und keine Gelegenheit versäumt, Erfahrungen auf
dem Gebiete der Technik einzusammeln. Selbst die Ferien werden
zu mineralogischen und technologischen Excursionen benutzt.
So eifrige Studien konnten nicht lange ohne Früchte bleiben.
Schon im Jahre 1825 veröffentlicht Magnus seine erste Abhand-
lung, eine Arbeit über Pyrophore, welche er unter der Leitung von
Mitscherlich ausgeführt hat; zwei Jahre später sind weitere
Versuche fertig, welche für die Doctordissertation benutzt werden
können. Gegenstand derselben ist das Tellur, welches, obwohl
schon 1782 von Müller v. Reichenstein aufgefunden, und später
(1798) von Klaproth näher untersucht, gleichwohl wegen seiner
Seltenheit noch sehr unvollkommen bekannt war. Für die Unter-
suchungen, welche Magnus ausgeführt hat, war ihm das kostbare
Material mit grosser Liberalität von seinen Freunden Weiss und
Heinrich Rose zur Verfügung gestellt worden. Die der philo-
sophischen Facultat eingereichte Inauguraldissertation führt den Titel
De tellurio*). Die Promotion erfolgte am 14. September 1827.
Gustav Magnus hatte schon damals die Absicht, sich an der
Berliner Hochschule für das Fach der Technologie zu habilitiren,
allein er wollte sich nicht durch Uebernahme bestimmter Pflichten
binden, ohne zuvor noch behufs seiner weiteren Ausbildung an-
dere Universitäten besucht zu haben. Der Mittelpunkt chemischer
und physikalischer Forschung war noch Paris. Männer wie G ay -
Lnssac, Thenard, Chevreul, wie Dulong, Biot, Ampere, Sa-
*) De tellurio. Dissertatio inauyuralit t^uam ainplittimi philotophoruta
ordini* etc. — publtre dffendft aiiclor Henricus Guetavut Maguut, BemliueiuU.
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vart, standen damals auf der Sonnenhohe ihres Ruhmes; Dumas, ob-
wohl sehr jung noch," hatte bereits seine Schwingen entfaltet. Auch
lenkten die Jünger der Naturwissenschaften aus allen Ländern mit Vor-
liebe ihre Schritte nach der Weltstadt an der Seine, die ja auch
nach so vielen anderen Seiten hin grosse Anziehung übte. Für den
jungen Chemiker gab es aber in jener Zeit noch einen andern Schrein
der Wissenschaft, dessen Zauber selbst mächtiger wirkte als die Ver-
lockungen der französischen Hauptstadt. Der gewaltige Anstoss zur
Fortentwicklung der Chemie, welchen Berzelius gegeben hatte, war
bereits aller Orten fühlbar geworden, und schon waren seit mehreren
Jahren strebsame junge Männer, zumal von Deutschland, nach Stock-
holm gezogen, um unter den Augen des grossen schwedischen Meisters
die Kunst der chemischen Forschung zu üben. Auch Gustav Magnus
fühlte sich von der wissenschaftlichen Bewegung, die von Berzelius
ausging, mächtig angezogen, und schon im Jahre 1828, bald nach
Erlangung der philosophischen Doctorwürde sehen wir unsern jungen
Freund dem nordischen Gelehrten als Schüler zu Füssen sitzend.
Wohl war es nur ein kleiner Schülerkreis, der sich um Berzelius
zu sammeln pflegte, aber welche Namen, schon für Deutschland
allein, sind aus demselben hervorgegangen, Mitscherlich, Wöhler,
Heinrich und Gustav Rose, Chr. Gmelin, Magnus!
Die äusseren Mittel, welche die Stockholmer Akademie der Wissen-
schaften für den chemischen Unterricht bot, waren nichts weniger
als reichlich bemessen. Wer hätte nicht von den primitiven Einrich-
tungen des Berzelius' sehen Laboratoriums gehört, von den kleinen
fast dürftig ausgestatteten Räumen, in denen der berühmte Schwede
arbeitete, und von den einfachen ökonomischen Apparaten, mit denen
er seine grossen Erfolge erzielte? Aber gerade diese Beschränkung
der äusseren Verhältnisse war die Quelle der innigen Beziehungen,
in welche Berzelius zu seinen Schülern treten konnte, und die sich
weit über die Zeit des persönlichen Verkehrs hinaus erhalten haben.
Gustav Magnus, der unter Berzelius' Leitung die schöne Arbeit
über das Verhalten des Ammoniaks zum Platinchlorür ausführte, ward
das Glück zu Theil, dem Meister besonders nahe zu treten. Aus diesem
Verkehre hat sich später, wie aus den Briefen von Berzelius her-
vorgeht, ein warmes Freundschaftsverhältniss gestaltet, dessen Magnus
stets in Ausdrücken der liebevollsten Verehrung gedachte. Auch hat
er, solange er lebte, dem theuren Lehrer, dessen Büste seinem Ar-
beitstische gegenüberstand, ein dankbares Andenken gewidmet.
Wenn Magnus in erster Linie dem Zuge nach Norden gefolgt
war, so durfte er doch auch die ausserordentlichen Hülfsquellen, welch-
Paris für seine Zwecke bot, nicht ausser Acht lassen. In der Thni
begegnen wir ihm denn auch schon im darauffolgenden Jahre (1829)
in der französischen Metropole. Dort werden mit Eifer die Vor-
>ungen von Dulong, Thenard und Gay-Lussac, so-
wie anderer Gelehrten besucht. Mit besonderer Zuvorkommenheit
wurde Gustav Magnus von Gay-Lussac aufgenommen, wie mir
l'rof. Baff mittheilt, der zu jener Zeit Assistent bei Gay-Lussac
war. Wohl mochte der grosse franzosische Forscher in dem jungen
Deutschen schon damals den artverwandten Genius erkannt haben, der
später seine schönsten Lorbeern gerade auf dem Gebiete ernten sollte,
welches er selber seit Jahren mit Vorliebe bebaut hatte, gewiss aber
ahnte keiner von beiden, dass auch später einmal eine heftige Fehde
/wischen ihnen entbrennen sollte!
Nach Berlin zurückgekehrt, widmet sich Magnus von Neuem
seinen experimentalen Studien. Es sind zumal Arbeiten auf dem
Gebiete der mineralogischen Chemie, die ihn beschäftigen. Im Jahre
1831 endlich erfolgt die schon seit längerer Zeit beabsichtigte Habili-
tation an der Berliner Universität für das Fach zunächst der Techno-
logie, später auch der Physik; und nunmehr beginnt jene unermüd-
liche hingebende Lehrthätigkeit, welche Magnus zum Frommen einer
unübersehbaren Reibe von Schülern, zum Glänze unserer Hochschule,
zu seinem eigenen unvergänglichen Ruhme, während eines Zeitraums
von fast vierzig Jahren geübt hat.
Die Wahl des akademischen Berufs, selbst im günstigsten Falle,
bleibt immer mehr oder weniger ein Experiment. Wie sorgfältig
immer Einer die Vorbedingungen des Gelingens erfüllt zu haben
glaubt, er muss stets auf ein Fehlschlagen seiner Erwartungen gefasst
sein, und oft vergehen Jahre, ehe die letzten Zweifel beseitigt sind.
Magnus ist auch hier wieder vom Glücke begünstigt. Schon sein
erstes Auftreten als Docent ist vom entschiedensten Erfolge begleitet.
Aber welche Mühe, welche Sorgfalt verwendet er auch auf die Vor-
bereitung seiner Vorlesungen! Welche Anstrengungen werden ge-
macht, um die nöthigen Lehrmittel zu beschaffen! Eine technologische
Sammlung ist nicht vorhanden. Mit unermüdlicher Ausdauer werden
Wandbilder gefertigt, Modelle construirt, Mineralien und Präparate
erworben. Kein Opfer an Kraft, Geld und Zeit ist ihm zu gross, wenn
es gilt, eine Fabrikation in ihrem ganzen Verlaufe zur Anschauung
zu bringen, d. h. dem Schüler die Materie, wie sie die Natur uns
bietet, dann in allen Zwischenstadien der technischen Umbildung und
schliesslich als fertiges Fabrikat vorzuführen, wie es im Dienste des
Lebens zur Verwerthung kommt.
An die technologischen Vorlesungen reihen sich schon nach
kurzer Frist physikalische; und auch für sie ist Magnus ganz auf
seine eigenen Hülfsquellen angewiesen. Maschinen, Apparate, Zeich-
nungen, Alles was zur Illustration physikalischer Vorlesungen erforder-
lich ist, wird von ihm aus eigenen Mitteln erworben und so der Grund zu
dem prachtvollen physikalischen Cabinette gelegt, welches erst später,
2
10
als es sich durch Zahl, Auswahl und Vollendung der Instrumente den
schönsten Sammlungen der Welt an die Seite stellen konnte, von dem
Staate erworben wird.
In diese Zeit fallen erneute Reisen in das Ausland, zumal nach
Frankreich und England, welche theils die Erweiterung und Vervoll-
ständigung der Lehrmittel, theils die Anknüpfung neuer wissenschaft-
licher Beziehungen bezwecken. Einige dieser Reisen unternimmt
Magnus in Gemeinschaft mit Friedrich Wöhler, welcher bis zum
Anfange der dreissiger Jahre die chemische Professur an der Berliner
Gewerbeschule bekleidete und mit welchem er schon frühzeitig einen
Freundschaftsbund für's Leben geschlossen hatte. Die Innigkeit die-
ses Verhältnisses könnte nicht besser bezeichnet werden, als indem
ich die Worte anführe, welche Wöhler dem geschiedenen Freunde
nachruft ?
„Nicht ohne tiefe Bewegung", sagt Wöhler in einem Briefe an
den Verfasser dieser Skizze, „kann ich des freundschaftlichen Ver-
hältnisses gedenken, durch das wir, Magnus und ich, seit 45 Jahren
auf das Innigste und Treueste, verbunden waren und das in dieser
langen Zeit auch nicht durch den geringsten Misston getrübt worden
ist. Er war mein ältester, vertrautester und treuester Freund, der
namentlich während unseres persönlichen Zusammenlebens, in den
Jahren meines Aufenthaltes in Berlin, durch seinen klaren Verstand,
seine Menschenkenntniss, seine weisen Rathschläge und dadurch, dass
er mich in die anregenden Kreise seiner liebenswürdigen Familie,
namentlich seines ältesten Bruders, des Banquiers, einführte und dort
einheimisch machte, von grossem Einfluss auf meine geistige Ausbil-
dung gewesen ist."
Die Freundschaft, welche uns Wöhler in so beredten Worten
schildert, wer könnte daran zweifeln, dass sie von Magnus mit
gleicher Aufrichtigkeit, mit gleicher Herzlichkeit erwiedert wurde?
Unter den mir vorliegenden Briefen an Wöhler finde ich einen, in
welchem Magnus dieses Verhältnisses in warmen Worten gedenkt:
der Brief ist nicht nur für seine Gesinnung, sondern auch für seine
Ausdrucksweise und zumal auch für seine Handschrift so charakte-
ristisch, dass ich mir es nicht habe versagen wollen, ein Facsimile*)
desselben herstellen zu lassen, welches ich die Mitglieder der Gesell-
schaft als Andenken anzunehmen bitte.
Hören wir also, wie Magnus seinem {""reunde gegenüber sich
ausspricht :
„Es ist merkwürdig genug, wir leben seit 37 Jahren getrennt,
haben uns in diesem mehr als ein Menschenalter umfassenden Zeit-
*) Das wohl(;reIungene Facsimile ist in dem Köiiisl. Photolithocrraphischpii In-
stitute der HHni. Gebr. Rurrliard ausjjefillirt worilen.
11
räum doch nur selten und immer nur auf kurze Zeit gesehn, und
doch ist es mir als unterhielte ich mich immer noch mit dem Wo hier
von damals, als verständen wir uns noch gerade so wie damals. Es
ist das eigentliclj wunderbar und ich habe mir oft überlegt, woher
es wohl kommt. Haben wir uns beide so wenig verändert, oder
haben wir uns so gleichartig verändert, oder rührt es daher, dass wir
die Gedanken, die uns eigentlich bewegen, nicht austauschen, unsere
Unterhaltung nur auf der Oberfläche bleibt? Das Letztere möchte ich
nicht annehmen! Ich glaube es hat andere Gründe! Aber wozu so viel
analysiren? Wir wollen froh sein dass es so ist, wie es ist, und uns
um das Warum nicht viel kümmern."
Wir sehen aus diesem Briefe, dass der persönliche Verkehr der
beiden Freunde in späteren Jahren ein beschränkter war; allein wenn
sie nur noch selten zusammentrafen, so versenkten sich ihre Ge-
danken um so lieber in die gemeinschaftlichen Erinnerungen ihrer
Jugend. Magnus sprach oft und gern von der Zeit seines Zusammen-
lebens mit Wöhler, zumal von den grösseren Reisen, die er an der
Seite des Freundes gemacht hatte, und wie frisch sich die Erlebnisse
jener Zeit auch in Wöhler's Gedächtniss erhalten haben, davon
mögen seine eignen Worte, — die ich, hoffentlich ohne dass mir
mein verehrter Freund darob zürne, einem seiner Briefe an mich ent-
nehme, — beredtes Zeugniss geben.
„Mit Vergnügen", sagt Wöhler in diesem Briefe, „werde ich
mich stets der gemeinschaftlichen Reise erinnern, welche wir, Magnus,
sein jüngerer Bruder, der Arzt, und ich, im Jahre 1835 durch Eng-
land machten. Auch Heinrich Rose war damals drüben. Wir
besuchten viele technische Etablissements in Worcester, Birmingham,
Manchester; auch nach Liverpool fuhren wir, und zwar auf der Eisen-
bahn, der ersten die unser Erstaunen erregte und die noch die einzige
in England war. Faraday, der uns auf das Liebenswürdigste auf-
nahm und uns persönlich in mehrere Fabriken führte, hatte uns mit
Empfehlungen versehen. Als wir ihn zum ersten mal in dem Labo-
ratorium der Royal Institution besuchten , kam noch das Komische
vor, dass er mich für den Sohn des ihm als Chemiker bekannten
W^öhler hielt, weil ich wegen meiner Dünnheit noch sehr jung
aussah. In London besuchten wir auch den schwerhörenden Prout,
in Manchester den alten Dalton. Magnus blieb damals länger
in England, als es mir möglich war; ich machte daher auch die Rück-
reise allein . . . ."
„Nicht minder interessante Eindrücke sind mir von einer Reise
die ich schon ein Jahr früher mit Magnus durch Frankreich gemacht
hatte, und namentlich von einem mehrwöchentlichen Aufenthalt
in Paris geblieben. Unser Hauptzweck war, Fabrikationen aller
Art, besonders die chemischen, kennen zu lernen, wobei der un-
12
vergessliche Felo uze, daiUcals noch Assistent von Gay-Lussac,
unser treuer Führer war. Ausserdem machten wir die Bekanntschaft
aller damaligen Notabilitäten der Wissenschaft, von denen wir junge
Bursche mit vieler Artigkeit behandelt wurden, wozu freilich auch
der Umstand beitragen mochte, dass ich mit den beiden Brongniarts
sehr befreundet war, von der dreimonatlichen Reise her, die ich mit
ihnen urd Berzelius in Schweden und Norwegen gemacht hatte.
Lebhaft erinnere ich mich der vielen Gesellschaften und Diners, zu
denen wir geladen wurden, und die durch die berühmten Namen der
Gäste und deren geistvolle Unterhaltung uns das grösste Interesse
gewährten; so z. B. eines glänzenden Diners bei Thenard in Gesell-
schaft von Ampere, Arago, Chevreul, Dumas und Pelouze,
eines anderen bei Dulong mit Lassaigne u. A., eines zu Chatillon
bei Gay-Lussac mit Arago und Thenard ; eines bei Alexander
Brongniart zu Sevres, ferner bei Ad. Brongniart, bei Dumas,
der so freundlich war, uns eigenhändig seine neue Methode der Dampf-
dichtebestimmung zu zeigen. Auch einer Instituts -Sitzung wohnten
wir bei; wir befanden uns unter dem zuhörenden Publicum, da be-
merkte uns Gay-Lussac und lud uns ein bei den Mitgliedern Platz
zu nehmen — eine kleine Verlegenheit für uns, da wir auf zwei
ziemlich isolirt stehenden Stühlen nun der Gegenstand der Aufmerk-
samkeit des Publicums wurden."
Wohl durften wir bei den schönen Erinnerungen, welche die
beiden Freunde mit aus Frankreich bringen, einen Augenblick ver-
weilen. Magnus und Wöhler sind nicht die einzigen deutschen
Naturforscher gewesen , welche sich einer so herzlichen Aufnahme
seitens ihrer französischen Collegen erfreut haben. Von den zahl-
reichen Jüngern der Wissenschaft, die auch in unserer Zeit alljährlich
nach Paris gepilgert sind, wer gedächte nicht mit lebhaftem Danke
seines Verkehrs in den dortigen Gelehrtenkreisen, und wer hätte es
nicht erfahren , dass gerade die hervorragendsten Männer es sich am
meisten angelegen sein Hessen, ihm den Aufenthalt in der fränkischen
Hauptstadt erfreulich, weil fruchtbringend, zu machen? Wohl dürfen
wir uns dieses gastlichen Entgegenkommens der Physiker und
Chemiker Frankreichs in einer Stunde erinnern, in welcher der
frevelhafte Uebermuth eines verblendeten Theiles der Franzosen uns
das Schwert in die Hand gedrückt hat und ein furchtbarer Krieg die
beiden Nationen auf Jahrzehnte zu entfremden droht. Hoffen wir,
dass die Freundschaft zwischen den französischen und deutschen Natur-
forschern den Sturm bestehe, dass der goldene Friede die gelockerten
Bande bald von Neuem schürze und dass es die Wissenschaft sei,
auf deren Boden Deutschland und Frankreich zuerst sich wieder-
finden.
Aeiinliche grössere Reisen, wie sie uns in den angeführten brief-
i;i
liehen Mittheilungen so anniuthig von Wohle r 's Feder skizzirt worden,
hat Magnus fast regelmässig in den langen Somnierfericn unter-
nommen. Neben wissenschaftlichen Zwecken, die niemals ganz in
den Hintergrund traten, wurden andere Ziele verfolgt. Das Auge
unseres Freunndes, welches für alles Schöne geöffnet war, erfreute
sich mit besonderer Vorliebe an den Wundern der Alpenwelt. Dort
war es, wo er stets nach längerer Arbeit Erholung suchte. Und
solche Erholung war ihm nach den Anstrengungen, die er sich auf-
erlegte, wohl zu gönnen. Die mit jedem Semester erfolgreicher sich
gestaltende akademische Thätigkeit, welche ihm bereits im Jahre 1834
eine ausserordentliche Professur an der Universität erworben hatte,
wurde eine minder ausgiebige Arbeitskraft, als sie Magnus besass,
vollkommen in Anspruch genommen haben; er findet gleichwohl noch
Zeit für mannichfaltige wissenschaftliche Untersuchungen. Die mit
C. F. Ammermüller gemeinschaftlich ausgeführten Versuche über
eine neue Oxydationsstufe des Jods, die Untersuchungen über die
Einwirkung der Schwefelsäure auf den Alkohol, die Temperatur-
bestimmungen in dem Bohrloche von Pitzpuhl, die Arbeit über die
Blutgase, auch schon mehrere kleinere physikalische Abhandlungen
fallen in jene Zeit. Seine wissenschaftliche Stellung ist bereits in
dem Maasse anerkannt, dass ihn die Berliner Akademie der Wissen-
schaften am 27. Januar 18-40 zum ordentlichen Mitgliede der physi-
kalisch-mathematischen Klasse erwählt.
Das Jahr 1840 war überhaupt für Gustav Magnus ein Jahr des
Glücks. Der Frühling desselben bescheert ihm die liebenswürdigste
Lebensgefährtin. Am 27. Mai knüpft er mit Bertha Humblot, der
Tochter einer der französischen Colonie zu Berlin angehörenden ehren-
werthen Familie, das Band der Ehe. Zwei einander ergänzende
Seelen haben sich gefunden und aus ihrem Bunde entfaltet sich jene
köstliche Häuslichkeit, deren duftiger Zauber Alt und Jung in gleichem
Grade fesselt. Bald wird das liebenswürdige Paar der Mittelpunkt
eines bewegten geselligen Lebens, dem edle Kräfte aus den verschie-
densten Kreisen der Gesellschaft zuströmen, und welches sich mit
jedem Jahr, zumal auch als zwei blühende Töchter und ein trefflicher
Sohn heranwachsen, reicher und mannichfaltiger gestaltet. Wer immer,
dem es vergönnt war mit diesem gastlichen Hause zu verkehren,
erinnerte sich nicht mit lebhaftem Interesse jener glänzenden und
doch so zwanglosen Soireen, in denen sich eine Menge von Elementen
zusammenfand, die sonst vielleicht nur selten zu einander in Beziehung
traten, in denen zumal auch fremde Gelehrte, die sich in Berlin auf-
hielten, niemals fehlten? wer, wenn er zu den näheren Freunden
dieser edlen Familie zählte, gedächte nicht mit freudiger Bewegung
jener anmuthigen Vereinigungen en petit camite auf der Veranda,
oder jener kostbaren Sommerabende in dem Garten hinter dem Kupfer-
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graben? Der Verfasser dieser Skizze rechnet es zu den schönsten
Gewinnsten seines Lebens, dass er, obwohl ein Spätkommender, noch
in diesem Kreise hat heimisch werden dürfen und er ist glücklich,
dass ihm die Gunst des Geschickes gestattet, an dieser Stelle dem
Gefühle seiner Dankbarkeit für die freundschaftliche Aufnahme, welche
ihm, wie so vielen Anderen, in dem gastlichen Magnus'schen Hause
zu Theil ward, einen warmen Ausdruck leihen zu können.
"Wir haben unsern Freund auf die Höhe des Lebens begleitet,
und wir erfreuen uns jetzt der schaffenden Thätigkeit, welche ihm
während dreier Jahrzehnte auf dieser Höhe vergönnt ist. Nach allen
Richtungen wird diese Thätigkeit geübt, sei's im Dienste der Wissen-
schaft, oder als Lehrer, sei's im Verhältniss zu den Seinigen, oder
im Kreise der Freunde, sei's endlich dem grossen Geraeinwesen
gegenüber; — sein Leben ist wie ein mächtiger aber ruhig dahinfliessen-
der Strom, an dessen Ufern die Menschen gerne siedeln, der auf seinem
Laufe überall erfrischt und befruchtet.
Ich versage mir's schon jetzt im Einzelnen der grossen Forschungen
des Mannes zu gedenken, welche diesem langen Zeitabschnitte angehören ;
werden sie doch in dem Gesammtbilde seiner wissenschaftlichen Leistun-
gen, welches ich Ihnen vorzuführen gedenke, eine geeignetere Stelle finden.
Nur soviel sei hier bemerkt, dass die Mehrzahl derselben bereits physika-
lische Fragen behandeln und dass hier gerade seine berühmtesten Arbeiten
zu verzeichnen sind, so die Versuche über die Ausdehnung der Gase,
welche in den Anfang der vierziger Jahre fallen, so die spätere Unter-
suchung über die Abweichung der Geschosse, so endlich die zweite
lange Reihe von Forschungen auf dem Gebiete der Wärmelehre,
denen die letzten zehn Jahre seines Lebens gewidmet sind.
Inmitten dieser herrlichen Erfolge des Naturforschers tritt die
Aufgabe des akademischen Lehrers keinen Augenblick in den Hinter-
grund, Zwar hat Magnus zeitweise noch andere Lehrämter bekleidet;
so war er ganz im Anfang seiner Laufbahn einige Zeit lang an Stelle
seines abwesenden Freundes Wöh 1er an der hiesigen Gewerbeschule
als Lehrer der Chemie thätig, so hat er von 1832 — 40 an der ver-
einigten Artillerie- und Ingenieurschule Physik und von 1850 — 56
an dem Gewerbeinstitut chemische Technologie vorgetragen, allein
seine besten Kräfte sind stets dem Dienste der Universität gewidmet
gewesen. Im Jahre 1845 war er als Ordinarius in die philoso-
sophische Facultät eingetreten. Auf seine eigentliche Lehrthätigkeit
konnte diese veränderte Stellung nur geringen Einfluss üben. Die
Sorgfalt, welche er längst der philosophischen Durchbildung sowohl als
der experimentalen Ausstattung eines jeden Vortrags zu widmen pflegte,
der Eifer, mit dem er die alljährliche Erneuerung seiner Vorlesungen
im Geiste der fortschreitenden Wissenschaft anstrebte, der Beifall end-
lich, den diese Vorlesungen in immer grösseren Schulerkreisen fanden,
15
hätte nicht leicht eine Steigerung erfahren können. Wohl aber tritt
das Ordinariat mit neuen Anforderungen an ihn heran, welchen er
alsbald mit gewohnter Pflichttreue gerecht wird. In den Berathungen
der FacuUät verschafft ihm Leichtigkeit im Verkehr mit den Menschen,
und vollendete Geschäftskenntniss schnell eine gewichtige Stimme,
welcher man gern — auch in Fragen, die weit über die enge Um-
grenzung des Faches hinausgehn — Gehör schenkt, und seine Ansicht
verschafft sich um so leichter Eingang, als jedwedes ehrgeizige Streben
nach etwaiger Führerschaft dem Manne fern liegt, und Niemand die
Lauterkeit seiner Absichten bezweifelt. Dreimal, in den Jahren 47,
58 und 63, betraut ihn die Facultät mit dem Decanat und noch im
Sommer 1869 soll er zum vierten Male durch diese Würde ausge-
zeichnet werden, allein im Interesse seiner wissenschaftlichen Arbeiten
lehnt er die Ehre dankend ab. Schon im Jahre 1861 war er als
Rector Magnificus aus der Wahlurne des Professoren-Collegiums her-
vorgegangen.
Die seltene Vereinigung glücklicher Gaben, welche einen so viel-
seitigen Eiiifluss auf die Geschicke unserer Hochschule ausübte, kamen
jeder Arbeit zu Gute, an der sich Magnus aus Wahl oder Beruf be-
theiligte. Zu dem Stolze, mit welchem die Akademie der Wissen-
schaften die reichen Ergebnisse seiner Forschungen in ihren Monats-
berichten und Denkschriften verzeichnet hat, gesellt sich die Dankbarkeit
für langjährige wichtige Dienste, welche er derselben in geschäftlicher
Beziehung geleistet, und zumal für die Zeit und Kraft, welche er als
Vorsitzender des Finanzcomites ihren Angelegenheiten hat widmen
wollen. Es war Magnus, der nach dem Tode, von Alexander
von Humboldt die erste Anregung zu der schönen Stiftung gab,
welche den Namen des grossen Naturforschern trägt, und wenn heute
die Akademie über eine ansehnliche Summe verfügt, welche für die
Förderung der Naturforschung im H umbold t'schen Sinne alljährlich
verwendbar ist, so gebührt ihm auch hier wieder der Ruhm, dass ein
so schöner Erfolg im Wesentlichen durch seine Hingebung und That-
kraft erzielt worden ist.
Auch der Verein für die Beförderung des Gewerbfleisses in
Preussen, dem er während einer langen Reihe von Jahren als Mitglied
der Section für Physik und Chemie angehörte, hat vielfach Gelegenheit
gehabt, seine Dienstwilligkeit und Arbeitskraft schätzen zu lernen.
In ähnlicher Weise ist er als einer der Zwölfe der Gesellschaft natur-
forschender Freunde viele Jahre hindurch an den Arbeiten dieses
wissenschaftlichen Vereins betheiligt gewesen.
Wie sehr überhaupt die Thätigkeit unseres Freundes nach den ver-
schiedensten Richtungen hin ausgebeutet worden ist, davon Hessen
sich noch viele Beispiele anführen. Freilich waren ihm auch manche
der Missionen, die er zu orfnllpti hatte, f^anz erwünscht, da sie die
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grossen Zwecke, welche er verfolgte, forderten, nicht selten für Er-
reichung derselben unumgänglich nöthig waren ; so die verschiedenen
Sendungen nach London und Paris, zu den Weltausstellungen von
51 und 62, von 55 und 67, bei denen allen er als Mitglied der
Beurtheilungscommissionen thätig war; so zu Ende der vierziger Jahre
die Hinzuziehung zu den chemischen Berathungen des Landes-Oeko-
nomie-Collegiums; so 1869 die Berufung in den für die Reorganisation
des Gewerbeinstituts ernannten Studienrath; so 1863 die Ernennung
zum Mitgliede des Curatoriums der in Berlin begründeten Bergaka-
demie; so endlich 1865 der Auftrag, Preussen bei der in Frank-
furt a. M. tagenden deutschen Maass - und Gewichts - Conferenz zu
vertreten. Die Berathungen dieser Conferenz endeten bekanntlich
in dem Vorschlage, das metrische System in Deutschland einzuführen,
und es hat Magnus die Freude erlebt — allerdings erst nachdem
die schneidige Pflugschaar von 1866 den Boden durchfurcht hatte, die
Saat, die er mit hatte aussäen helfen, zu gedeihlichem Wachsthume
sich entfalten zu sehen.
Eine der letzten grösseren Aufgaben, vielleicht die letzte, an
der sich Magnus betheiligt hat, ist die Gründung der Gesellschaft
gewesen, deren Stiftungsfest wir heute zum dritten Male begehen.
Das warme Interesse, welches er von dem ersten Augenblicke an
unseren Bemühungen gewidmet hat. wie uns zu jeder Zeit und
zumal bei Feststellung unserer Statuten, sein bewährter Rath zur
Seite stand, wie er der Gesellschaft die Wege ebnete, indem er
ihr den Glanz seines Namens lieh, und dass er noch eine der letzten
Früchte seiner Forschung in unseren Archiven hat niederlegen
wollen — die Erinnerung daran ist noch frisch in unser Aller dank-
barem Gedächtniss.
Und dieselbe unermüdliche Werkthätigkeit, mit der sich der un-
vergleichliche Mann den Aufgaben des öffentlichen Lebens widmet,
bethätigt er auf das Bewundernswertheste auch in seinem ausgebrei-
teten Verkehr mit den einzelnen Menschen. Die Ergebnisse seiner
tief eingehenden Studien auf den verschiedensten Gebieten der Wissen-
schaft, seine umfassenden Kenntnisse in allen Zweigen der Industrie
und der Gewerbe, die reichen Schätze seiner vielseitigen Lebenserfah-
rung, ist er stets eifrig bemüht im Interesse seiner Mitmenschen
zu verwerthcn. Was Magnus gerade in dieser Beziehung denen,
die ihm näher und selbst solchen, die ihm ferner standen, gewesen
ist, es würde schwer sein, den richtigen Ausdruck dafür zu finden,
allein die Erinnerung daran ist in vielen dankbaren Herzen verzeichnet.
Ein unbegrenztes Wohlwollen war in der That der Hauptzug in dem
Charakter unseres geschiedenen Freundes, der sich auch alsbald in
seiner ganzen äusseren Erscheinung und zumal in seiner Gesichts-
bildung aussprach, Gustav Magnus war einer jener Menschen,
17
deren Antlitz den Glanz der Seele wiederstrahlt. Wer immer in diesef«
treue Auge geschaut hatte, der konnte nicht zweifeln, dass in der
Hrust des Mannes ein Herz voll Liebe für die Menschheit schlug.
Des Glückes, welches ihm schon als Knabe gelächelt hatte, das ihm
im Kreise seiner Familie blühte und später die Palme des Ruhmes
reichte, wie gerne hätte er die ganze Welt desselben theilhaftig ge-
macht!
Seinen schönsten Ausdruck findet dieses dienst- und opferwillige
Wohlwollen im Verkehr mit seinen Schülern. Für sie hat er immer
Zeit, zumal wenn es sich darum handelt, dem guten Willen zu Hülfe
zu kommen. Schon unmittelbar nach der Vorlesung steht er zu jed-
weder Erläuterung seinen Zuhörern zur Verfügung und selbst auf
dem Heimweg von der Universität nach dem Kupfergraben werden
nicht selten einem jugendlichen Begleiter Missverständnisse erklärt,
Zweifel beseitigt. In noch höherem Grade aber erfreuen sich diejenigen,
die unter seinen Auspicien die Kunst des Forschens üben , seiner nie
müde werdenden Theilnahme, seiner unerschöpflichen Rathschläge,
seiner wirksamsten Unterstützung; stundenlang bespricht er mit dem
Einzelnen das Wesen der zu lösenden Aufgabe, erörtert er die zu
Gebote stehende Literatur, — zu welchem Ende seine prachtvolle Biblio-
thek dem jungen Forscher mit vollendeter Liberalität jeder Zeit offen
steht — erklärt er die Methode des Versuches, hilft er ihm bei der
Znsammensetzung der Apparate; selbst der Sonntagmorgen ist ihm
nicht zu lieb, wenn es gilt die Arbeit eines seiner Laboranten zu
fordern. Wie vielen strebsamen jungen Geistern ist Magnus auf
diese Weise ein zuverlässiger Rathgeber, ein väterlicher Freund und
Führer gewesen! Und wie im Laufe der fröhlichen Studienjahre, so
in der ernsten Stunde des Examens. Der Verfasser dieser Skizze
hat vielen dieser Prüfungsacten seines Collegen beigewohnt, und er
ist sicher. Jeder wird ihm beipflichten, wenn er behauptet, dass es
schwer wäre, sich einen liebenswürdigeren Examinator vorzustellen.
Nicht dass er dem Candidaten etwas geschenkt hätte. Die Anforde-
rungen, welche er stellt, sind nicht gering, aber er besitzt die wun-
derbare Gabe schliesslich immer das Gebiet ausfindig zu machen, auf
welchem der Candidat wenigstens einigermaassen zu Hause ist. Dies
gelingt allerdings oft erst nach vielfältigem Umherfragen ; so viel aber
steht fest, wenn Magnus aus einem Candidaten nichts herausbringen
kann, so ist überhaupt nichts herauszubringen. Und weit über den
persönlichen Verkehr auf dej Hochschule, weit über das Examen hin-
aus erstreckt sich dieses theilnahmvolle Interesse für seine Schüler.
Wie vielen hat er auch nach Jahren noch eine hülfreiche Hand
geliehen, wie Viele verdanken seinen ausgebreiteten Beziehungen die
Grundlage oder die gedeihliche Entwickelung ihrer späteren Existenz!
Aber mit welcher Liebe hangen ihm dafür auch seine Schüler
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an, wie versäumen sie keine Gelegenheit, dem gefeierten Lehrer ihr
Vertrauen, ihre Zuneigung /u bezeugen! Und nicht nur im engeren
Schülerkreise ist. Magnus Gegenstand dieser Verehrung; dieselbe
Gesinnung wird ihm von den Studirenden im Allgemeinen entgegen-
gebracht. Wenige Universitätslehrer haben sich in höherem Maasse
einer wohlverdienten edlen Popularität erfreut als Magnus. Auch
hat sich dieselbe in mannichfaltiger "Weise bekundet. Nur ein Beispiel
soll hier Erwähnung finden. Während der politischen Wirren, welche
den stürmischen Märztagen folgten, hatten sich die Berliner Studenten
zu einer akademischen Legion vereinigt. Es war Magnus, den sie
mit der militärischen Organisation des Corps betrauten und den sie
alsdann zu ihrem Befehlshaber erwählten, bei welcher Gelegenheit ihm
die soldatischen Traditionen seines Freiwilligenjahres treiflich zu Statten
kamen.
Und dieselben liebenswürdigen Eigenschaften, welche ihm die
Herzen der Jugend in so hohem Maasse gewinnen, bethätigen sich,
unter welchen Bedingungen immer er mit den Menschen in Verkehr
tritt. In der grossen Gesellschaft bewegt er sich mit dem Bewusstsein
eines Mannes, dessen Ansicht mit Spannung gehört wird und von
dem man in schwierigen Fragen den Ausschlag erwartet; in jedem
seiner Worte, in jeder seiner Bewegungen giebt sich das feine Maass
des vollendeten Weltmannes zu erkennen, allein die Sicherheit seines
Auftretens verhindert nicht, dass sich in seinem ganzen Wesen wieder
eine gewinnende Bescheidenheit ausspricht, welche auch den Schüch-
ternsten mit Zuversicht erfüllt. Und die Herzensgüte, welche sich im
Kreise Gleichgestellter als wohlwollende Theilnahme kundgiebt, sie
nimmt dem Minderbegünstigten gegenüber die Form der edelsten
Wohlthätigkeit an, einer Wohlthätigkeit , für welche die reichen zur
Verfügung stehenden Mittel keine Grenze sind und von deren Umfang
Wenige eine Ahnung haben.
Dass ein Mann, dessen Interessen sich nach so mannichfaltigen
Richtungen erstreckten, und bei dem überdies die höchste Begabung
mit dem edelsten Charakter gesellt war, in persönlichem Verkehr zu
vielen berühmten Männern seiner Zeit gestanden haben müsse, wer
könnte daran zweifeln?
Um zunächst von den Fachgenossen zu sprechen, so waren
Physik und Chemie mit den angrenzenden Wissenschaften in Berlin
während der mittleren Decennien des Jahrhunderts neben Magnus
durch eine Reihe hervorragender Gelehrten vertreten; es brauchen
nur Namen wie Mitscherlich, Heinrich und Gustav Rose,
Dove, Ehrenberg, Poggendorff, Riess, Rani melsberg genannt
zu werden. Von diesen waren die beiden ersten noch Magnus'
Lehrer gewesen; in Mitscberlich's Laboratorium hatte er seine
erste Experimentaluntersuchung ausgeführt; bei Rose war dem Ver-
19
biiltnisse zwischen Lehrer und Schüler schnell ein inniger Freund-
sohaftsbund gefolgt; die freundschaftlichen und collegialischen Verhält-
nisse zu deu Anderen stammen thcilweise aus derselben, zumeist aber
aus einer späteren Zeit. Und neben den eigentlichen Fachgenossen,
wie gross war nicht, im Schoose der Akademie und der Universität die
Zahl der ausgezeichueten Gelehrten in allen Zweigen der Wissen-
schaft, welche er zu seinen Freunden zählen durfte? Wenn ich von
denTodten, Boeckh's, Leopold von Buch's, Dirichlet's, Link'»
Johannes MuUer's gedenke, wenn ich unter den Lebenden Mäniur
nenne, wie Bancroft, Curtius, Droysen, Gneist, Haupt,
Lepsius, Olshausen, Trendelenburg und von den Jüngeren
du Bois-Reymond und Kronecker, so ist mit diesen Namen die
Liste der ihm Befreundeten noch lange nicht erschöpft. Und wie in
Berlin, so in allen Theilen des Vaterlandes, so im Auslande. Der Freund-
schaft mit Wöhler ist bereits gedacht worden; in ähnlichen Verhält-
nissen stand Magnus zu Liebig, Bunsen, Henle, Wilhelm
Weber, Buff, Kopp, Kirchhoff, Helmholtz und vielen Anderen.
Unter seinen englischen Freunden ist zumal Faraday zu nennen, für
den er eine unbegrenzte Verehrung hegte und der ihn nicht minder
schätzte*), sowie Graham, mit dem er von Jugend auf vertraut ge-
wesen war, und endlich Tyndall, der längere Zeit unter seinen
Auspicien gearbeitet hatte, und Warren DeLaRue, mit dem er auf
allen Ausstellungen zusammengetroffen war; in Frankreich waren es
Dumas, Pelouze, Regnault und Kuhlmann, die ihm am nächsten
standen. Auch an den Ufern des Genfer Sees besass er in Auguste
de la Rive einen altbewährten Freund. Mit vielen von ihnen hat er
einen mehr oder minder lebhaften Briefverkehr gepflogen.
Es ist hier nur der Beziehungen gedacht worden, in denen \
Magnus zu den wissenschaftlichen Zeitgenossen gestanden hat, allein
seine Verbindungen, zumal in Berlin, erstreckten sich weit über die
Gelehrtenkreise hinaus. Keine Schicht der Gesellschaft, in welche j
ihn nicht die vielseitigen Interessen, denen er nachging, zu der einen |
oder anderen Zeit geführt hätte, und so sehen wir ihn denn in i
lebendigem Verkehr mit ausgezeichneten Männern aus allen Ständen,
mit Künstlern, wie Felix Mendelssohn, Rauch, Stüler, mit Ver-
tretern der Industrie und des Handels, wie Werner Siemens, I
Alexander und Paul Mendelssohn, Robert Warschauer, mit \
hohen Staatsbeamten, wie Bendemann, Herzog, Krug von ,
Nidda, Mac-Lean, Max und Richard v. Philipsborn und j
selbst mit Grosswürdenträgern des Reiches, wie Bitter, Lehnert. j
von Bernuth, Graf Eulenb urg, Camphausen, Delbrück.
Ich habe es versucht, Sie einen Blick in die vielbewegte Lebens-
•) The lift and Ittttri of Faraday, by Dr. Bence Jone*. 11. ü73.
20
thätigkeit unseres verewigten Freundes thun zu lassen. Wenn man be-
denkt, dass sich zu den unablässig fortgesetzten wissenschaftlichen Ar-
beiten, zu der unermüdlichen akademischen Wirksamkeit, zu den end-
losen Anforderungen, welche ihm der mannichfaltige Verkehr mit Men-
schen und Dingen auferlegte, auch noch die Pflichten gesellten, welche
er als Berather einer vielverzweigten Familie mit ebenso grosser Liebe
als Treue erfüllte, so kann es nicht befremden, dass die ihm näher
Stehenden staunten, wie es ihm immer gelang, solchen fast über-
mässigen Ansprüchen zu genügen, und dass seine Angehörigen oft
in ihn drangen, das Maass seiner Kraft nicht zu überschätzen. Was
ihm bei der Bewältigung so grosser Anstrengungen zu Statten kam,
war eine felsenfeste Gesundheit, deren er sich von Jugend auf erfreut
hatte, und die ihm auch bis in die späteren Lebensjahre treu geblieben
w^ar. Nur einmal im Jahre 1862 hatte sich bei Magnus ein hart-
näckiges Fussleiden eingestellt, welches auch das allgemeine Befinden
zu beeinflussen begann, und wegen seiner Dauer die Freunde einige
Zeit lang mit Besorgnissen erfüllte. Allein nach einigen Monaten
war es den Bemühungen der Aerzte gelungen, des localen Uebels
Herr zu werden und bald hatte die kräftige Natur des Mannes auch
die letzte Spur von Krankheit überwunden. Die alte Lust an der
Arbeit, die alte Arbeitskraft ist zurückgekehrt. Die während einiger
Zeit zurückgelegten Forschungen werden wieder aufgenommen, neue
werden begonnen und vollendet. Unerschöpflich sprudelt die Quelle,
jede gelöste Aufgabe ist der Ausgangspunkt einer neuen Reihe von
Aufgaben, deren Lösung alsbald mit fast jugendlicher Frische in
Angriff genommen wird. Die Jahre scheinen spurlos an Gustav
Magnus vorüberzuziehen. Niemand ahnt, dass dieses schöne Leben
gleichwohl unaufhaltsam mit raschen Schritten seinem Ziele entgegen-
eilt.
Der Herbst des Jahres 1869 führt Magnus auf einer seiner ge-
wöhnlichen Ferienreisen wieder nach England. In London trifft er
mit seinem alten Freunde Graham zusammen; wie wenig denken
die beiden Männer, dass ihnen kaum mehr als eine Spanne Zeit ver-
gönnt ist, dem einen nach Wochen, dem andern nach Monden be-
messen! Aber in London ist seines Bleibens nicht, die ewige Jagd
der unermesslichen Stadt ist ihm drückend ; dagegen erfreut er sich
wieder des heiteren Treibens in Exeter, wohin er fast widerstrebend
einigen Freunden zu dem Meeting der British Association gefolgt war,
und wo er Gelegenheit findet, alte Beziehungen aufzufrischen, neue
anzuknüpfen; allein er sehnt sich gleichwohl nach Ruhe, wie sie nur
der Anblick der Natur gewährt. Diese Ruhe findet er am Gestade des
Meeres auf der Insel Wight. Und nun sind ihm noch einige köstliche
Wochen beschieden, die er, an der Seite seiner Gattin, umgeben von
allen seinen Kindern, denen sich auch sein Schwiegersohn, Victor
21
von Magnus angeschlossen hat, Angesichts jener anmuthigcn Ufer-
landschaften wie sie nur die grüne Insel bietet, in traulicher Zuruck-
gezogeuheit verlebt.
Aber Reise und Aufenthalt in freier Luft haben ihm nicht mehr
die gewohnte Erfrischung gebracht. Kaum nach Berlin zurückge-
kehrt, fühlt sich Magnus durch ernstliche Störungen seiner Ge-
sundheit zum Oefteren im Arbeiten behindert. Gegen Weihnachten
haben sich diese Störungen in einer Weise vermehrt, um den
Seiuigen Besorgnisse einzuflössen. Um so glücklicher sind seine
Freunde, als sie ihn in den ersten Tagen dieses Jahres bei einer
Feier, welche die Glieder unserer Gesellschaft zu einem heiteren
Festmahl vereinigte, mit gewohnter Frische den Vorsitz nehmen
sehen. Allein es war ein letztes Aufleuchten dieses lebhaften
Geistes, wie die Flamme noch einmal aufschlägt, ehe sie erlischt.
Manche seiner Freunde haben ihn an jenem Abend zum letzten mal
gesehen. Was nun noch folgt, ist traurig zu berichten. Noch Monate
lang kämpft diese kräftige Natur gegen die andringende Krankheit.
Mit einer Pflichttreue, welche den heftigsten Schmerzen gebietet, fährt
Magnus fort, obwohl mit mehrfachen Unterbrechungen, seine physika-
lischen Vorlesungen zu halten. Am 25. Februar liest er zum letzten Male,
aber er nimmt von seinen Zuhörern nicht Abschied, denn er hegt noch
immer die Hoffnung, er werde im Stande sein, seine Vorlesungen wieder
aufzunehmen. Aber es sollte nicht sein. Während des Monats März hat er
sein Schmerzenslager kaum mehr verlassen, aber die Freiheit und Klarheit
des Geistes ist ihm bis zuletzt geblieben. Mit der ruhigen Fassung,
mit der heiteren Ergebung eines Philosophen sieht er sein Ende nahen.
Am 4. April endlich ist das Ziel der Laufbahn erreicht.
Am 8. April haben wir Gustav Magnus auf dem Friedhofe
der Dorotheenstadt zur Erde bestattet. Wer die ernsten Männer
kannte, welche in dichtgedrängtem Kreise das offene Grab umstanden,
der konnte nicht zweifeln, dass der Heimgegangene, den man zur
Ruhe bettete, in der Wissenschaft Grosses vollbracht hatte, wer aber
in die traurigblickenden Gesichter schaute und Augen, die wohl lange
nicht mehr feucht gewesen, sich mit Thränen füllen sah, der wusste
auch, dass der Todte neben dem Ruhme in der Wissenschaft noch
einen anderen höheren zurückliess, den Ruhm des hochherzigen Mannes,
in dem Viele einen unersetzlichen, unvergesslichen Freund verloren
hatten.
Gustav Magnus war am 2. Mai 1802 geboren. Wenige Wochen
noch und er wurde sein 688tes Jahr vollendet haben. Er war also
der Marke nicht mehr fern, über welche das Leben nur Weniger
hinausreicht. Wir dürfen nicht klagen.
22
Wohl schien diese kräftig angelegte Natur auf längere Dauer berech-
net zu sein, wohl durfte die Wissenschaft noch manche reiche Gabe von
ihm erwarten, und die Schüler, die Freunde, wohl waren sie zu der Hoff-
nungberechtigt, sie würden noch lange Jahre seiner Lehre, seiner Freund-
schaft sich erfreuen! Aber es weht uns doch auch wieder mit unendli-
chem Tröste an, wenn wir den Forscher, in dem Vollgenuss seiner Köf per-
und Geisteskräfte die Wissenschaft beherrschend, wenn wir den Lehter,
ehe der Strom der Begeisterung verrauscht ist, den Freund, ehe sein
Gefühl für uns am Froste des Alters erkaltet, in einem Worte, wenn
wir den ganzen Mann vom Schauplatze abtreten sehen. So, als
ganzer Mann, lebt Gustav Magnus in unserem Gedächtniss. Wir
wollen nicht klagen.
Aber wenn auch die Klage verstummt, so fühlen wir doch
unaussprechliche Trauer bei dem Gedanken, dass er heimgegangen
ist an dem Vorabende dieser grossen deutschen Zeit, und dass
es ihm , dessen Herz stets so warm für das Vaterland geschlagen,
nicht mehr vergönnt war die wunderbare Bewegung zu schauen,
welche unser Volk von Sieg zu Sieg geführt hat und — jeder Zweifel
ist jetzt geschwunden — den langgeträumten Traum eines grossen,
freien und einigen Deutschlands endlich zur Erfüllung bringen wird.
Wenn wir die zahlreichen Forschungen überblicken, durch welche
Gustav Magnus die Wissenschaft bereichert hat, so ist es zunächst
die ausserordentliche Verschiedenartigkeit der Fragen, denen seine
Studien zugelenkt waren, welche uns in Erstaunen setzt. Die Physiker
sind gewohnt, Magnus als einen der Ihrigen zu betrachten,
weil er sich während der letzten Decennien seines Lebens fast
ausschliesslich mit Physik beschäftigt hat und weil in der That der
Schwerpunkt seiner Leistungen auf dem Gebiete dieser Wissenschaft
liegt; wenn wir aber nur seine früheren Arbeiten in's Auge fassten
und selbst diejenigen, welche sich bis in die Mitte seiner Laufbahn
erstrecken, so würde man uns nicht bestreiten wollen, dass wir ihn
mit ähnlichem Rechte zu den Chemikern zählen. Wenn es nun schon
der Forscher nicht Viele sind, welche das Gebiet der Chemie und
Physik mit gleicher Sicherheit überschauen, so möchten wir Den-
jenigen noch seltener begegnen, welche wie Magnus nicht nur
diese beiden grossen wissenschaftlichen Gebiete nach den mannich-
faltrgstcn Richtungen durchmessen, sondern sich auch in den ver-
schiedensten Theilen derselben selbstständig arbeitend versucht haben.
Allerdings wird eine solche Vielseitigkeit nicht immer ohne Gefahr
geübt, und mehr als einmal sehen wir Magnus eine neuerschlossene
Fundgrube, lange ehe sie ersohöpfr, vielleicht in dem .\ugeiiM "•'•'"
•2A
rlassen, in dem das edle Gestein erst recht zu Tage tritt. Nie-
mals aber beeinträchtigt diese Freude an der Mannichfultigkeit den
Werth der Arbeit. Wie gross das Gebiet der Forschung, welches
beherrscht, wo immer wir ihm begegnen, erkennen wir ihn an
uei selben zähen Ausdauer, mit der er den Erscheinungen folgt,
an derselben unermüdlichen Gründlichkeit, die er für ihre Beob-
htuiig einsetzt, an derselben unbestechlichen Wahrheitsliebe, mit
wer er das Ergebniss seiner Beobachtungen beschreibt. Obwohl stets
die Erkenntniss der Erscheinungen in ihrem Zusammenhange an-
strebend, verschmäht er gleichwohl die vereinzelte Thatsache nicht,
die er am W'ege findet, wie unbedeutend sie erscheine, und wie wenig sie
iliti vielleicht dem besonderen Ziele, das er erreichen will, näher bringe;
er zweifelt nicht, dass der Augenblick naht, in welchem das gut Beob-
achtete für den Ausbau der Wissenschaft verwerthbar wird. Und ob
die Ermittelung eines Gesetzes oder die Feststellung der gering-
lugigen Thatsache gilt, stets bewundern wir die Sicherheit und Eleganz
der experimentalen Behandlung des Stoffes; in seiner versuchgeübten
Hand vervielfältigen sich die Erscheinungen, mehren sich die Mittel
zu ihrer Beobachtung, vereinfachen sich die Apparate zu ihrer Er-
kenntniss. So kommt es denn auch, dass seinen Arbeiten stets ein
lebhaftes Interesse beiwohnt, selbst wenn die Lösung der Aufgabe,
lim die es sich handelt, nicht vollkommen gelungen wäre, oder die
iffassungen, zu denen sie geführt hatten, unter dem Drucke späterer
U^tdeckungen verändert worden sind.
^^t' Die wissenschaftliche Thätigkeit Gustav Magnus' umfasst einen
Ziitraum von nicht weniger als 45 Jahren. Seine erste Abhandlung
erschien im Jahre 1825, seine letzte im Laufe des Jahres 1870 kurz
nach seinem Tode. Fast alle diese Abhandlungen sind in Poggen-
dorff's Annalen veröffentlicht, die Mehrzahl auch in den Monats-
richten, viele in den Denkschriften der Berliner Akademie der
issenschaften. Der grossartige literarische Nachweis*), welchen die
Royal Society im Augenblicke herausgiebt, der aber schon mit dem
•Tahre 186;"5 abschliesst, verzeichnet nicht weniger als 67 Abhandlungen
II Magnus. Erwägt man, dass auch nach diesem Zeitpunkt die
Thätigkeit des Forschers nicht einen Augenblick erlahmt ist, so er-
hellt, dass uns kaum mehr vergönnt ist, als die reiche Ausbeute
• lieser Arbeiten in dürftigsten Umrissen anzudeuten. Wir werden
vielleicht unserer Aufgabe am meisten gerecht werden, wenn wir,
von irgend welcher Ordnung der Zeitfolge nach absehend , die Unter-
(hungen ihrem Gegenstande nach in verschiedenen Abschnitten zu-
.-.ammenfassen. Wir Wollen zunächst unsere Aufmerksamkeit den
chemischen Forschungen zulenken — welche ja für uns ein besonderes
•) Rnynl Sr,rifi,, fntnlr,,,,!^ nf Scientific Papers 1800—1868.
24
Interesse haben, — um alsdann, zu den physikalischen übergehend, die
Arbeiten auf dem Gebiet der Mechanik, der Elektricität und schliess-
lich der "Wärmelehre gesondert zu betrachten.
Die Verschiedenartigkeit der von Magnus ausgeführten chemi-
schen Arbeiten bezeichnet alsbald die bereits gerühmte Vielseitigkeit des
Forschers. Neben zahlreichen Aufgaben der reinen Chemie, sowohl
der unorganischen wie der organischen, fesseln zumal die Anwendungen
der Wissenschaft seine Aufmerksamkeit. Mineralogisch -chemischen
Analysen folgt die Behandlung von Fragen aus der physiologischen,
der Agriculturchemie, der chemischen Technologie.
Die erste kleine Arbeit*), mit der Magnus, damals noch seinen
Studien in Berlin obliegend, hervortritt, gehört der unorganischen
Chemie an; sie betrifft die Bildung metallischer Pyrophore und giebt
alsbald zu einer Controverse Veranlassung. Schon desshalb und weil
sie sogleich die Eigenart des jungen Forschers ganz gut bezeichnet,
müssen wir einen Augenblick bei derselben verweilen.
Bei Versuchen aus Kobaltoxydul, mittelst Wasserstoffgas, metalli-
sches Kobalt zu erhalten, welche Magnus in M itsch erlich's Labo-
ratorium anstellt, zeigt es sich, dass das feinzertheilte Metallpulver mit
der Luft in Berührung gebracht zum Erglühen kommt. Bei einer "Wieder-
holung des Versuchs wird die Erscheinung nicht wieder beobachtet
und es ergiebt sich schliesslich, dass nur das unreine, thonerdehaltige
Kobaltoxydul ein pyrophorisches Metall liefert. Analoge Wahrneh-
mungen werden bei dem Nickeloxydul und dem Eisenoxyd gemacht.
Die Ursache dieses seltsamen Verhaltens ist nach Magnus diese,
dass die Beimengung der unschmelzbaren Thonerde das Zusammen-
sintern des feinzertheilten Metalles hindert. War diese Erklärung die
richtige, so mussten auch die aus reinen Oxyden dargestellten Metall-
pulver ihre Selbstentzündlichkeit behalten, wenn das Zusammensintern
auf andere Weise vermieden wurde. In der That findet er denn
auch, dass man nur die Reductionstemperatur möglichst niedrig zu
halten braucht, um auch aus reinen Oxyden kräftige Pyrophore zu
gewinnen, und er zeigt ferner, dass bei niedriger Temperatur darge-
stellte Metallpulver, welche sich bei dem Versuche als in hohem
Grade selbstentzündlich erweisen, beim stärkeren Erhitzen alsbald
alle pyrophorische Eigenschaften verlieren.
Die Auffassung, za welcher Magnus gelangt ist, wird in einem
einige Monate später erschienenen Aufsatze von Prof. F. Stromeyer**)
*) Ueber die Eigenschaft inetallisclier Pulver, sich bei der gewohulichen
Temperatur von selbst in der atmosphärischen Luft zu entzünden. Pogg.
Ann. III. 81. (1826.)
**) Stromeyer, Vorläufige Bemerkungen über metallisches Eisen und »eine
Oxyde. Pogg. Ann. VI. 471.
25
auf das Entschiedenste bestritten. Dieser behauptet, dass die Selbst-
entzundlichkeit des bei niedriger Temperatur mittelst Wasserstoffs
reducirteu Eist-ns lediglich einer Beimengung von Eisenoxydul zuzu-
schreiben sei , welches höchst pyrophorische Eigenschaften besitze.
Bei niedriger Temperatur werde das Eisenoxyd, dem jede pyro-
phorische Eigenschaft abgehe, theilweise zu Eisenoxydul reducirt,
während die Reduction zu Metall erst bei hoher Temperatur erfolge.
Gustav Magnus bleibt seinem Gegner die Antwort nicht lange
schuldig. In demselben Hefte der Annalen, welches den Aufsatz von
Strom eye r bringt, erscheint auch schon die Entgegnung*), in
welcher unzweifelhaft nachgewiesen wird, dass Eisenoxyd bei einer
zwischen dem Siedepunkt des Quecksilbers und dem Schmelzpunkt des
Zinks liegenden Temperatur im Wasserstoffstrom vollständig zu Metall
reducirt wird, dass das so gewonnene Metallpulver in hohem Grade pyro-
phorisch ist, und dass es diese pyrophorischen Eigenschaften bei der
Rtuhgluth einbüsst, ohne im Geringsten an Gewicht zu verlieren.
Auch die Versuche, die Magnus kurze Zeit darauf veröffentlicht,
geben V^eranlassung zu Erörterungen. Diesmal handelt es sich um
die Natur der tiefblauen Flüssigkeit, welche sich bildet, wenn man
Schwefel mit wasserfreier Schwefelsäure in Berührung bringt. Man
war zweifelhaft, ob dieselbe als eine eigenthümliche Oxydationsstufe
des Schwefels oder als eine Lösung von Schwefel in Schwefelsäure
zu betrachten sei. Magnus**) entscheidet sich für die letztere Auf-
fassung: er erinnert daran, dass Müller v. Reichenstein ein ganz
ähnliches Verhalten bei dem Tellur wahrgenommen habe, welches
sich mit prachtvoll rother Farbe, aber ohne Oxydation, in Vitriolöl
löst, und zeigt schliesslich auch bei dem Selen eine ähnliche Löslich-
keit im Vitriolöl, welches in diesem Falle eine schön grüne Farbe
annimmt. Durch Zusatz von Wasser werden Tellur und Selen un-
verändert niedergeschlagen; erst bei längerem Verweilen in der ver-
dünnten Säure werden sie unter Entbindung von schwefliger Säure
oxydirt. Einwendungen, welche Fischer***) gegen diese Ansicht vor-
bringt, werden von Magnusf) durch einen quantitativen Versuch,
welchen er mit Selen anstellt, beseitigt. Die in Lösung bleibende
Menge Selen beträgt weniger als 3^ des ausgefällten, ein Ergebniss, wel-
ches die Annahme, dass das Selen als Oxydul gelöst sei, ausschliesst.
*) Bestimmung der niedrigsten Temperatur, bei welcher das Eisenoxyd voll-
ständig durch Wasserstoffgas reducirt wird. Pogg. Ann. VI. 509. (1826.)
**) Uebir die Eigenschaft der Schwefelsäure, oxjrdirbare einfache Körper auf-
zulösen, ohne dieselben zu oxydiren. Pogg. Ann. X. 491. (1827.)
***) N. W. Fischer, Ob das Tellur metallisch iu concentrirter Schwefelsäure
gelöst enthalten sein könne. Pogg. Ann. XII. 153.
j) Bemerkung Über die Auflösung des Selens in Schwefelsäure. Pogg. Ann.
XIV. 328. (1828.)
3
26
Gelegentlich der Versuche über die Löslichkeit des Tellurs in
Schwefelsäure, und theilweise schon bei der Bearbeitung seiner
Inaugural - Dissertation hat sich Magnus auch mit dem braunen
Körper beschäftigt, welcher sich bei der elektrischen Zersetzung des
Wassers am negativen Pole ausscheidet, wenn die Elektrode aus
Tellur besteht. Nach den Versuchen von Ritter und Sir Humphry
Davy konnte man geneigt sein, diese braunen Wolken für ein Hydrur
des Tellurs zu haiton, welches weniger Wasserstoff enthält, als der
Tellurwasserstoff. Genaue Versuche überzeugen Magnus, dass hier
kein Hydrür, sondern elementares Tellur vorliege. Wahrscheinlich
sei indessen die Abscheidung des Tellurs Folge einer ephemeren
Bildung von Tellurwasserstoff, welcher sich schnell unter dem Einfluss
des von der Wasserzersetzung herrührenden Sauerstoffs zerlege; in
der That beobachte man am positiven Pole eine nur äusserst geringe
Sauerstoffentwicklung. Ganz ähnliche Erscheinungen werden bei dem
Schwefel und Selen wahrgenommen. Da indessen diese Körper schlechte
Leiter der Elektricität sind, so müssen sie, mit einem Platindraht
umwickelt, in die Flüssigkeit gebracht werden. Es entsteht im ersten
Falle ein gelber Niederschlag von Schwefel, im letzteren ein ziegel-
rother von Selen. Vorsuche, ein Tellurhydrür zu erhalten durch
Auflösen von Tellurkalium in Wasser, oder durch die Einwirkung der
Luft auf die Lösung desselben, misslangen. Das Teliurkalium verhält sich
in dieser Beziehung wie Schwefel- und Selenkalium. Dagegen sind
die festen Körper, welche bei der Auflösung von Arsen- und Phosphor-
kalium in Wasser zurückbleiben, wahre Hydrüre.
Durch die mehrfache Beschäftigung mit Verbindungen des Selens
wird Magnus veranlasst, eine einfache Methode aufzusuchen, dieses
Element aus dem Selenschwefel und zumal aus dem Bodensatze der
Bleikaramern zu gewinnen **). Ein Gemenge des Selenmaterials mit
etwa dem achtfachen Gewichte Braunstein wird in einer Glasretorte
erhitzt; der Schwefel verwandelt sich theilweise in Metallsulfid, theil-
weise wird er als schweflige Säure entfernt, das Selen sublimirt im
Halse der Retorte. Da man bei einem ersten Versuche den Reichthuni
des Materials nicht wohl kennen kann, so wird sich bei überschüssig
angewendetem Mangan hyperoxyd auch etwas selenige Säure bilden; man
leitet desshalb das entwickelte Gas durch Wasser, in welchem sich in
diesem Falle das Selen durch die schweflige Säure reducirt als ziegel-
rothes Pulver absetzt.
Eine der folgenreichsten Untersuchungen auf dem Gebiete der
unorganischen Chemie ist jedenfalls die schöne Arbeit über die Ein-
*) lieber einige W.asserstoffverbindunt^iMi. l*ogg. Ann. XVII. 521. (1829.)
**) lieber die Gewinnung des Selens auü Selenschwefel. Po gg. Ann. XX.
165. (IbSU.)
Wirkung des Ammoniaks auf das Platinchlorür*), welche Magnus, wie
bereits erwähnt wurde, schon einige Jahre früher in dem Laboratorium
von Berzelius ausgeführt hatte. Die Verbindungen des Platinchlorids
mit den Chloriden der Alkalimetalle waren damals schon untersucht;
Herzelius hatte namentlich das Kaliumplatindblorid für die Fest-
stellung des Atomgewichtes des Platins benutzt. Bei dem Versuche,
inaloge Verbindungen mit Platiuchlorür darzustellen, was ohne
Schwierigkeit gelang, fand Magnus, dass wenn man eine Auflösung
des Chlorürs in Chlorwasserstoffsäure mit einem üeberschuss von
Ammoniak versetzt, ein in schönen grünen Nadeln krystallisirendes
Salz niederfällt, welches weder in Wasser, noch in Alkohol, noch auch
in Salzsäure löslich ist. Dieses Salz, weit entfernt den früher beob-
achteten Doppelverbindungen analog zu sein, erweist sich bei der
Analyse als eine directe Verbindung des Platiuchlorürs mit den Ele-
menten des Ammoniaks, von der Zusammensetzung
PtClj, 2H3N.
Unter dem Einflüsse chemischer Agentien erleidet dieses Salz zahl-
reiche bemerkenswerthe Veränderungen, welche indessen von Magnus,
der inzwischen in andere Bahnen eingelenkt war, nicht weiter studirt
worden sind. In Folge dieser Veränderlichkeit ist es, wie bekannt,
der Ausgangspunkt einer Reihe der merkwürdigsten Untersuchungen
geworden, an denen sich viele Chemiker, namentlich aber Gros, Rei-
set, Peyrone und Gerhardt betheiligt haben. Noch neuerdings
ist die Geschichte der von diesen Chemikern aufgefundenen Körper,
welche man gewöhnlich unter dem gemeinsamen Titel: Platin-
basen zusammenfasst, von Odling") in einer meisterhaften Vorlesung
beleuchtet worden, welche derselbe in unserer englischen Schwester-
gesellschaft gehalten hat. Sämmtliche unter dem Namen der Gros-
-chen, Reiset'schen, Peyrone'schen Salze bekannten Verbindungen
-ind in der That Abkömmlinge des grünen Platinchlorür-Ammoniaks,
welches die dankbare Wissenschaft dem Entdecker zu Ehren mit dem
Namen des Mag tius' sehen Salzes bezeichnet hat.
In die Reihe der hier betrachteten Untersuchungen gehöW auch,
obwohl in etwas spätere Zeit fallend, die gemeinschaftliche Arbeit
von Magnus und C. F. Ammermüller***) über die Ueberjodsäure.
Die Ueberchlorsäure war damals schon bekannt, aber alle Bemühungen
die entsprechende Säure in der Jodreihe darzustellen, waren ohne
Erfolg geblieben. Ein glücklicher Versuch führt die vereint arbeitenden
*) Ueber einige neae Verbindungen des Platinchlorilrs. Pogg. Ann. XIV.
289. (1828.)
**) Odling, Ott tke ammonia Compounds of platmum. Chem. New-. XXI.
■269 u. 289.
•**) Ueber eine neue Verbindung de» Jodi mit Sauerstoff, die üeberjodeäure.
Pogg. Ann. XXVIU. 154. (1833.)
28
Freunde zur Entdeckung dieser Säure. Die ersten Andeutungen der]
Existenz der Ueberjodsäure werden bei der Bereitung des Natriuin-
jodats nach dem bekannten Lieb ig 'sehen Verfahren erhalten, und
auf diese hin begründen sie alsbald eine höchst elegante Darstellungs-
methode. Aus einer heissen Lösung von Natriumjodat, welche man
mit Aetznatron versetzt hat, scheidet sich beim Einleiten eines Chlor-
stroms ein schweres, weisses, krystallinisches Pulver ab, welches die
Entdecker als basisches Natriumperjodat
2Nal04,Na20-l-3H20
erkennen. Wäre noch ein Zweifel über die Natur des Salzes ge-
blieben, sie hätte durch die Analyse der Silbersalze beseitigt werden
müssen. Mit Silbernitrat gefällt, liefert die Lösung der Natrium Ver-
bindung einen grünlichen Niederschlag, der sich aus warmer Salpeter-
säure umkrystallisiren lässt. Beim Erkalten der Lösung schiessen stroh-
gelbe Krystalle an, welche mit Wasser in Berührung, sich in ein dunkel-
rothes Salz verwandeln. Die heisse concentrirte Losung setzt beim
Eindampfen orangegelbe Krystalle ab. Bei der Analyse zeigt es
sich, dass das letztgenannte orangegelbe Salz das neutrale Perjodat
ÄgI04
darstellt, während die gelbe und rothe Verbindung basische Salze von
der Zusammensetzung
2AgI04,Ag2 0 + H2 0 und 2Agl04, Agg O -f- Sllg O
sind, von denen das wasserreichere, rothe genau dem bereits genannten
Natriumsalze entspricht. In derselben Arbeit, an deren durchsichtiger
Klarheit der Leser noch heute sich erfreut, wird auch der merk-
würdigen Umbildung des neutralen Silberperjodats unter dem Einflüsse
des Wassers gedacht; mit Zurücklassung basischen Salzes nimmt
dieses die Säure im Zustande der Reinheit auf, deren Eigenschaften
beschrieben, und aus welcher die neutralen und basischen Salze des
Kaliums und Natriums dargestellt werden. Mit diesen Feststellungen
begnügen sich aber auch die Entdecker; weder Magnus noch
Ammermüller ist jemals wieder auf den Gegenstand zurückge-
kommen. Welche Aehrenlese sie späteren Chemikern, zumal unserem
verebten Herrn Präsidenten, hinterlassen haben, ist noch frisch in
der Erinnerung der Gesellschaft.
Viel später, in den fünfziger Jahren, ist Magnus noch einmal,
obwohl nur vorübergehend, auf das Gebiet der unorganischen Chemie
zurückgekehrt. In diese Zeit fallen seine Beobachtungen über die
verschiedenen Zustände des Schwefels*), welche hier nur kurz er-
•) Ueber rotlien und schwar/.en Schwefel. Po gg. Ann. XCII. .308. (1854.)
Ueber den braunen Schwefel von Radoboj in Ungarn. Pogg. Ann. XCII.
667. (1854.)
Ueber die allotropiscben Zustünde des SchwefeU. Pogg. Ann. XCIX. 145.
(Iöö6.)
2^<
wähnt zu werden brauchen, da viele der gesammelten Erfahrungen,
insofern sie nur anter gewissen Verhältnissen gelten, der Allgemein-
heit entbehren , auch manche Auffassungen durch spätere Beobach-
tungen verändert worden sind.
Den Arbeiten auf dem Gebiete der unorganischen Chemie
seh Hessen sich naturgemäss die chemisch-mineralogischen Unter-
suchungen an; sie gehören sämratlich der frühesten Periode an.
>chon im Jahre 182(i analysirt Magnus den Picrosmin*), ein
lieben Magneteisenstein und Bitterspath in der Grube Engelsburg bei
Pressnitz in Böhmen aufgefundenes Mineral, welches von Haidinger
als eine selbstständige Species erkannt worden war. Das Mineral
wird mittelst Flusssäure aufgeschlossen, ein Verfahren, welches erst
wenige Jahre zuvor von Berzelios zum ersten Male angewendet
worden war und daher auch in der Abhandlung nochmals ausführlich
besprochen wird. Die Analyse lässt den Picrosmin als ein wasser-
haltiges Magnesiumsilicat erkennen , dessen Zusammensetzung, in ein-
fachster Weise gefasst, sich durch die Formel
MgO,Si02,HaO
ausdrücken lässt.
Einige Jahre später folgt die Analyse des Brochantits**).
l'nter diesem Namen hatten Levy und Children ein bei Ekaterinen-
burg in Sibirien vorkommendes Kupfermineral beschrieben, in welchem
neben Kupfer Schwefelsäure als Hauptbestandtheil nachgewiesen wor-
den war. Ein bei Retzbanya in Siebenbürgen aufgefundenes Mineral,
welches neben Malachit und Kupferlasur auf einem mit Rothkupfererz
durchsetzten Bleiglanz vorkommt, ist nach Haidinger identisch mit
dem Brochantit. Magnus, der Gelegenheit hatte dasselbe zu analy-
siren, findet, dass es sich, wenn man von den zufalligen Bestand-
thcilen Zinn und Blei absieht, als ein wasserhaltiges basisches Kupfer-
Sulfat anffasisen lässt. welches nach der Formel
CaS04,3[CaO,H20]
zusammengesetzt ist.
Auch mit dem Vesuvian hat sich Magnus mehrfach beschäftigt.
Bei diesen Versuchen ***) macht er die bemerkenswerthe Beobachtung,
dass dieses Mineral nach dem Schmelzen ein wesentlich geringeres
•) Analyse des Picrosmins. Pogg. Ann. VI. 53. (1826.)
*♦) Analyse des Brochantits. Pogg. Ann. XIV. 141. (1828.)
•**) üebcr eine aufTallende Venninderung des specifischen Gewichtes, die der
Vesüvian durch das Schmelzen erleidet. Pogg. Ann. XX. 477. (1880.)
30
Volumgewicht zeigt, als es vor dem Schmelzen besass. Das Vol.-
Gew. des Vesiivians vor dem Schmelzen schwankt zwischen 8,35 und
3,45. Nach dem Schmelzen zeigt der Vesuvian von Egg das Vol.-
Gew. 2,95; das Vol. -Gew. eines schönen sibirischen Vesuvians sank
durch das Schmelzen auf 2,956. Beide Minerale büssen dabei ihr
krystallinisches Gefüge ein. Magnus lässt es dahingestellt sein, ob die
Verminderung des Vol.-Gew. von einer Veränderung in der Lagerung
der Molecule oder von einer Atomwaiiderung im Molecule hervorgerufen
wird. Indessen kann auch durch das Schmelzen eine Veränderung in der
Zusammensetzung des Minerals stattgefunden haben, wenigstens wird bei
dem Vesuvian vom Wiluiflusse eine kleine Verringerung des absoluten
Gewichtes beobachtet; auch spricht für diese Annahme die Beobach-
tung von V. K ob eil, nach welcher das durch Säuren nicht zersetz-
bare Mineral durch Schmelzen in diesen Agentien löslich wird. Eine
ähnliche Verminderung des Volumgewichtes, wie sie der Vesuvian
durch die Hitze erleidet, beobachtet Magnus auch beim Schmelzen
des Granats, dessen Vol.-Gew. von 3,9 auf 3,05 sank. Da aber
gleichzeitig die rothbraune Farbe einer grünen Platz gemacht hatte,
so liess sich der Versuch nicht als entscheidend betrachten, insofern
das Mineral seine Zusammensetzung geändert haben konnte.
Bald darauf angestellte Untersuchungen betreflFen die Zusammen-
setzung des Vesuvians*). Die untereinander wohlübereinstimmenden
Analysen des Minerals von vier verschiedenen Fundorten, vom Vesuv,
von Slatoust, aus dem Banat und von Egg führen zu der Formel
3(R"0,Si02)-l-R"'203,3Si03,
welche der allgemeine Ausdruck für die Zusammensetzung des Granats
ist. Auf ältere Analysen hin hatte in der That Berzelius bereits
angenommen, dass Granat und Vesuvian identisch seien und Magnus
muss dieser Ansicht beipflichten, zumal er bei weiteren Versuchen**)
auch solche Granate beim Schmelzen ein geringeres Volumgewicht
annehmen sieht, welche, soweit dies der Beobachtung zugänglich ist,
durch die Einwirkung der Wärme ihre Zusammensetzung nicht ändern.
So zeigt der unter dem Namen Grossular bekannte grüne Granat
vom Wiluiflusse, welcher beim Schmelzen sowohl sein absolutes Ge-
wicht, als auch seine Farbe beibehält, eine Volumgewichtsvermin-
derung von 3,63 auf 2,95 und nicht nur wird im Allgemeinen eine
Volumgewichtsverminderung beobachtet, sondern Granat und Vesuvian,
welche im natürlichen Zustande wesentlich verschiedene Volumgewichto
zeigen, besitzen im geschmolzenen Zustande genau dasselbe Voluni-
♦) Ueber die chemische Zusammensetzung des Vesuvians. Po gg. Ann. XXI.
66. (1881.)
**) Ueber eine auffallende Veränderung des specifischen Gewichtes beim Granat
und IdentitHt dossclbi'ii mit (Iphi Vcsuvinn. P o p g. Ann. XXII. 391. (1831.)
31
gewicht, näiulich 2,59. Erwagt man ferner, dass beide Mineralien
geschmolzen nicht von einander zu unterscheiden sind, dass sie die-
selbe Härte, dieselbe Farbe, dieselbe Zersetzbarkeit durch Säuren
zeigen, so schien die Identität des Vesuvians und Granats, im ge-
schmolzenen Zustande wenigstens, fast ausser Zweifel gestellt. Mit
der ihm eigenen Vorsicht spricht sich Magnus gleichwohl nur
zurückhaltend für die Identität beider Mineralien aus und er giebt
seinen Zweifeln in der Bemerkung Ausdruck, dass die Beobachtungs-
ergebnisse denn doch nicht hinreichend mit den berechneten Werthen
der Granatformel übereinstimmen. In der That hat er denn auch
durch viel spätere Versuche*) gezeigt, dass eine grosse Anzahl
von Vesuvianen bei einer jedenfalls Ober dem Schmelzpunkte des
Silbers liegenden Temperatur einige Procente Wasser verliert, eine
Eigenschaft, welche den Granaten abgeht. Vesuvian und Granat
haben also keineswegs dieselbe Zusammensetzung, eine Thatsache,
welche auch durch anderweitige Untersuchungen festgestellt erscheint,
nach denen in dem ersteren Mineral das Verhältniss des Monoxjd-
silicats, dem Sesquioxydsilicate gegenüber, vielleicht ein wechseln-
des, jedenfalls aber höheres ist, als der Granatmischung entspricht.
Die Zeit, in welcher die Forscherlust unseres Freundes am
lebhaftesten glühte , fällt zusammen mit der mächtigen Entwick-
lungsperiode der organischen Chemie in Deutschland, zumal mit der
Blüihe der Lieb ig' sehen Schule. Es wäre seltsam gewesen, wenn
eine so gewaltige Bewegung Magnus unberührt gelassen hätte. In
der That sehen wir ihn denn auch schon im Jahre 1833 mit Ar-
beiten auf dem Gebiete der organischen Chemie emsig be-
schäftigt. Gegenstand seiner Untersuchung ist die Frage des Tages,
welche ja auch noch auf Jahre hin das Interesse der Chemiker fesseln
><illt>'. Was ist die Constitution des Alkohols and die des Aethers
und welches Verhältniss waltet ob zwischen diesen beiden Körpern?
Zwei entgegengesetzte Theorien streiten um den Vorrang, die Aetherin-
theorie von Dumas und die Aethyltheorie von Liebig, von denen
letztere, obwohl erst viele Jahre später und auch nur in sehr wesent-
lich neuer Fassung, den Sieg davontragen sollte. Da nach beiden
Ansichten die Aetherbildung auf dem Austreten des Wassers aus dem
Alkohol beruht — eine Auffassung, die ja auch noch die heutige ist —
und da man damals so gut wie jetzt, nur in anderer Weise, die
Weinschwefelsäure eine Rolle in der Aetherbildung spielen Hess, so
schien es Magnus von Wichtigkeit, das Verhalten des Alkohols zur
*) Ueber die Menge des Wuaen, welche der Vesuvian enthält. Pogg. Ann.
XCVI. 347. (1855.)
32
wasserfreien Schwefelsäure zu Studiren. Seine Versuche*) erschliessen
ihm alsbald eine ganz neue Reihe von Körpern. Indem er eine ab-
soluten Alkohol enthaltende offene Röhre in ein Gefäss mit wasser-
freier Schwefelsäure stellt, dessen Mündung mit einem Glasstöpsel
geschlossen ist, sieht er, ohne dass Entwicklung von schwefliger
Säure wahrgenommen wird , in dem Alkohol weisse seideglänzende
Krystalle sich bilden, die schon bei 80" schmelzen und so gierig
Wasser anziehen, dass es nur mit Schwierigkeit gelingt, sie in einem
für die Untersuchung geeigneten Zustande zu erhalten. Die Analyse
zeigt, dass diese Krystalle, welche Magnus Carbylsulfat nennt,
und für die später die Bezeichnung wasserfreie Aethionsäure
vorgeschlagen worden ist, die Zusammensetzung
C2H4S20e = C,H4,2S03
besitzen, mithin als eine Verbindung von 1 Mol. ölbildendem Gas
und 2 Mol, wasserfreier Schwefelsäure aufgefasst werden können und
er weist auch alsbald die Identität derselben mit der von Regnault
bei der Einwirkung der wasserfreien Schwefelsäure auf das ölbildende
Gas gewonnenen Verbindung nach, für welche man bislang eine andere
Zusammensetzung angenommen hatte. Die Krystalle von Carbylsulfat
lösen sich mit grosser Leichtigkeit im Wasser, allein beim Verdampfen
der Lösung werden sie nicht wieder erhalten. Durch Aufnahme eines
Mol. Wasser haben sie sich in Aethionsäurehydrat verwandelt:
C2H4 SgOg + Hg O = CgHg S2O7.
Die Säure selbst lässt sich ihrer ausserordentlichen Veränderlichkeit
wegen nicht untersuchen ; die gegebene Formel musste daher aus der
Analyse der Salze abgeleitet werden. Die Zusammensetzung der-
selben wird durch die allgemeine Formel
CgH.MgSgOy -f-nHgO
ausgedrückt; sie sind in Wasser löslich, ihre wässrige Lösung wird
durch Alkohol gefällt.
Ist die Lösung des Aethionsäurehydrats zum Sieden erhitzt
worden, so enthält die .Flüssigkeit nunmehr, neben freier Schwefel-
säure, eine neue höchst merkwürdige Säure, welche Magnus mit dem
Namen Isaethion säure bezeichnet; sie hat sich unter Anziehung
der Elerhente eines weiteren Wassermoleculs und unter Abspaltung eines
Moleculs Schwefelsäurehydrat gebildet:
C2 He S2 O7 -t- Hg O = H2 SO4 -h Ca Hß SO4.
Diese Säure, welche man auch erhält, wenn Carbylsulfatkrystalle
schnell in Wasser gelöst werden, so dass sich die Flüssigkeit stark
*) Ueber die Weinsclnvefelsilure . ihren Einfluss auf die Aetherbildung und
über zwei neue Säuren ähnlicher Zusammensetzung. Po gg. Ann. XXVII. 367.
(1833.)
Ueber das Carbylsulfat und die Aethionsäure. Po gg. Aun. XL VII. 609.
.(1839.)
33
erwSrmr. ist, wie ein Blick auf die Formel lehrt, mit der Wein-
schwefelsäiire isomer. Magnus hat sie zumal in ihrem ßariumsalze
studirt. welches man leicht erhält, wenn die siedende Losung der
Aethionsäure mit Rariamcarbonat gesättigt wird; es krysfallisirt in
schonen wasserfreien Tafeln von der Formel
BaCCjHsSOJa
lind unterscheidet sich von dem isomeren Sulfovinate sowohl durch
seine grosse Beständigkeit, als auch durch seine Löslichkeit in Alkohol.
(Gegenwärtig können wir kaum an die von Magnus entdeckte Isae-
thionsäure denken, ohne uns einer schönen Synthese zu erinnern,
welche allerdings einer viel späteren Zeit vorbehalten war, der Syn-
these nämlich des krystallinischen Bestandtheiles der Galle, des Tanrins,
welche Strecker durch Abspaltung eines Wassermoleculs aus dem
Molecule des isaethion sauren Ammoniums bewerkstelligt hat.
Die Versuche über das Carbylsulfat gaben Magnus mehrfach
Gelegenheit sich mit dem ölbildenden Gase zu befassen. Er findet,
dass man dasselbe reichlicher, reiner und bequemer als nach dem
gewöhnlichen Verfahren erhält, wenn man Schwefelsäure mit etwa
^ Gewichtstheil Alkohol in einem Ballon erhitzt und alsdann durch
eine Trichterröhre langsam Alkohol nachströmen lässt.
Sehr interessante Versuche*), welche er, allerdings erst viel
später, über das Verhalten des ölbildenden Gases unter dem Einflüsse
der Wärme angestellt hat, scheinen zunächst aus dem Bedürfnisse
hervorgegangen zu sein, für den Zweck seiner Vorlesungen eine
klarere Anschauung von der Theerbildung zu gewinnen. Indem er
mit der grössten Sorgfalt gereinigtes Ölbildendes Gas durch eine roth-
glühende Röhre streichen lä.sst, beobachtet er unter allen Umständen
•'ine reichliche Theerbildung. Die Umwandlung des ölbildenden Gases
in Theer beginnt erst bei einer Temperatur, welche jedenfalls über
.SfiO*^ liegt; sie hört auf, wenn die Hitze bis zur Weissgluth gesteigert
wird , bei welcher Temperatur das ölbildende Gas unter Abspaltung
reiner Kohle sich in das doppelte Volum Wasserstoff verwandelt.
Bei der Schwierigkeit, eine ganz gleichmässige Rothgluth zu er-
halten, schwanken begreiflich die Mengen des auftretenden Tbeers;
auch hat er nicht immer dieselbe Zusammensetzung. Bei seiner Bil-
dung verschwinden im Durchschnitt 10 Volumprocente Gas; das rück-
ständige Gas besteht nunmehr vorzugsweise aus Grabengas und Wasser-
stoflF. Es lag nicht in der Absicht dieser Versuche, die einzelnen
Bestandtheile des aas dem ölbildenden Gase gewonnenen Theers genauer
zu präcisiren. Die Operation hätte zu diesem Ende in viel grösserem
Maasssiabe ausgeführt werden müssen. Einige Pauscbanalysen zeigen
*) üeber die Entstehung von Tbeer aus ölbildendem Gase. Po gg. Aon.
XC. 1. (1853.)
u
aber, dass er nahezu die Zusammensetzung des Naphtalins besitzt,
und in einzelnen Fällen konnte das Naphtalin in der That aus dem
Oele abgeschieden werden. Die Bildung dos Naphtalins aus dem öl-
bildenden Gase Hesse sich durch die Gleichung
8C2H4 = Cj^Hg -+• 6 CH^
darstellen, allein es versteht sich von selbst, dass diese Gleichung
nicht mehr, als eine Phase des complicirten Processes wiedergiebt.
Neben dem Naphtalin werden mannichfaltige andere Producfe gebildet,
wie schon aus dem gleichzeitigen Auftreten von Wasserstoff erhellt.
Die rwähnten Versuche geben aber jedenfalls nicht unwichtige Auf-
schlüsse über die Theerbildung bei der Leuchtgasfabrikation, insofern
sie zeigen, dass nur ein Theil des Theers direct aus der Steinkohle
stammt, während eine nicht unbeträchtliche Menge desselben erst durch
die Einwirkung der Wärme auf das bereits entwickelte ölbildende
Gas entsteht. Aus Grubengas konnte unter ähnlichen Bedingungen
kein Theer erhalten werden.
Magnus hat sich auch, obwohl nur ganz vorübergehend, mit dem
Ozokerit*), dem bekannten fossilen Wachse aus der Moldau, be-
schäftigt. Bei der Untersuchung, welche er auf Wunsch A lex an der
von Humboldt's austeilt, erkennt er denselben als ein Gemenge
zweier durch Alkohol trennbaren Substanzen, welches bei 82'^ schmilzt
und aus 85,75 p.C. Kohlenstoff und 15,15 p. C. Wasserstoff besteht.
Sein lebhaftes Interesse für die organische Chemie hat Magnus
auch durch die Construction eines eigentbümlichen Gasofens**) für die
Verbrennung kohlenstofi haltiger Substanzen bethätigt, welcher zu der
Zeit, als man in Deutschland zuerst anfing das Leuchtgas als Brenn-
material zu benutzen, sehr wesentliche Dienste geleistet hat.
Auch die physiologische Chemie ist durch Magnus wesent-
lich bereichert worden. Seine Arbeit über die Blutgase***) ist in mehr
als einer Beziehung bahnbrechend gewesen. Um den Einfluss dieser
Untersuchung auf den Fortschritt der Wissenschaft bemessen zu
können, müssen wir uns in die Zeit zurückversetzen, in welcher die-
selbe ausgeführt wurde, und in die Auffassung der Frage, um deren
Lösung es sich handelt, welche Magnus vorfand.
Die verschiedenen F'orschungen über das Wesen des Respira-
tionsprocesses hatten zu abweichenden Ergebnissen geführt; es waren
*) Sur In suhstance connue sous le nom de cire fossile de Moldavte {Ozokent)
(Extrait de lettre a M. de Humboldt). Ann. Chim. Phys, LV. 2J7. (1884);
auch als Nachschrift zu einer Abhandlung von E. Kraus, über den Scheererit von
Utznach. Pogg. Ann. XLIIT. 147. (1838).
**) Gasapparat für organische Analysen. J. Pr. Chem. LX. 32. (1853).
***) lieber die im Blut enthaltenen Gase, SauerstofiF, Stickstoff und Kohlensäure.
Pagg. Ann. XL. 588. (1837.)
85
zumal zwei Ansichten, welche einander gegenüberstanden. Die eine
Ansicht lässt die Bildung der Kohlensäure in der Lunge erfolgen.
Der mit dem venösen Blute in der Lunge zusammentreffende Sauer-
stoff verbrennt alsbald einen Theil des Kohlenstoffs des Blutes und
wird als Kohlensäure wieder ausgeathmet. Nach der andern Ansicht
wird der Sauerstoff der eingeathmeten Luft von dem Blute absor-
birt, die Koblensäurebildung findet im Kreislaufe des Blutes statt,
das venöse Blut tritt bereits kohlensäurebeladen in die Lunge,
und die fertig gebildete Kohlensäure wird einfach durch die Be-
rührung mit der frisch eingeathmeten Luft ausgetrieben. In ein-
fachster Form gefasst besteht der Unterschied beider Ansichten darin,
dass nach der ersten der eingeathmefe Sauerstoff alsbald aus der
Lunge wieder als Kohlensäure austritt, während er nach der zweiten
erst im Blute durch den Organismus geführt wird, ehe er in Kohlen-
säure verwandelt in die Atmosphäre zurückkehrt.
Für die erste Auffassung schien die Erfahrung zu sprechen, dass
es nicht gelungen war, die Gegenwart von freier Kohlensäure in dem
venösen Blute nachzuweisen. In der That hatten Gmelin, Mitscher-
lich und Tiedeman n, als sie Blut in die Barometerleere treten Hessen,
niemals eine Entwicklung von Kohlensäure wahrgenommen. Erst als
sie mit Essigsäure versetztes Blut zu ihren Versuchen anwendeten,
beobachteten sie das Entweichen von Kohlensäure, welche sie der in
dem Blute angenommenen Gegenwart von Natriumcarbonat zuschrieben.
Dagegen Hessen sich für die zweite Ansicht Erfahrungen von Stevens
und Hoffmann geltend machen, welche gefunden hatten, dass sich
aus venösem Blut durch Schütteln mit Wasserstoffgas Kohlensäure
entbindet, und ebenso Versuche von Johan nes Müller , nach denen
Frösche in einer Atmosphäre von Wasserstoff Kohlensäure ausathmen.
So lagen die Dinge, als Magnus die Untersuchung aufnahm.
Er beginnt damit zu constatiren, dass ein Strom von Wasserstoffga.«,
welchen man durcli venöses Blut leitet, in der That Kohlensäure aus-
treibt. Zu dem Ende ist es nur nöthig durch Schütteln mit Glas-
stückchen das Blut vom Fibrin zu befreien und alsdann zwischen dem
das Blut enthaltenden Gefässe und der Entbindungsröhre ein leere-s
ZwischengefSss einzuschalten, welches den entstehenden Schaum- auf-
nimmt. Lässt man den durchgeleiteten Wasserstoffstrom in Kalkwasser
treten, so wirc eine reichliche Menge von Calciumcarbonat gefällt. Men-
schenblut und Pferdeblut zeigen genau dasselbe Verhalten. Bei den
ersten nach diesem Verfahren angestellten Versuchen war das Blut auf
seinem Wege aus der Ader in das Sammelgefäss, wenn auch nur
wenige Augenblicke, mit der Luft in Berührung gewesen. Um dem et-
waigen Einwand, dass auf diese Weise Luft absorbirt werden konnte, zu
begegnen, wurde bei weiteren Versuchen eine Röhre in die Jugularis
eines Pferdes eingesetzt und das Blut direct aus der Ader unter
36
Quecksilber aufgesammelt. Das Ergebniss des Versuchs ward nicht
geändert.
Aehniich wie durch Wasserstoff, wird auch durch einen Strom
VOM Stickstoff Kohlensäure aus dem venösen Blute- ausgetrieben. Bei
Anwendung des Schaumgefässes gelingt es nunmehr auch durch starkes
Auspumpen mit der Luftpumpe das Vorhandensein der Kohlensäure
in dem Blute nachzuweisen. Weniger befriedigend fallen die Ver-
suche aus, die Quantität der Kohlensäure in dem Blute zu bestimmen.
Magnus sucht für diesen Zweck den von Liebig bereits eingeführten
Kaliapparat zu verwerthen. Die durch Wasserstoff ausgetriebene
Kohlensäure wurde durch ein Chlorcalciumrohr getrocknet und schliess-
lich in Kalilauge aufgesammelt und gewogen. Es gelang nicht den
ganzen Kohlensäuregehalt auf diese Weise zu ermitteln, da die letzten
Antheile durch den Wasserstoff nur äusserst langsam entfernt werden,
so dass das Blut gewöhnlich schon anfing in Fäulniss überzugehen,
ehe der Versuch vollendet war. Immerhin glaubt Magnus aus den
Ergebnissen seiner Versuche den Schluss ziehen zu können, dass das
venöse Blut wenigstens ^ seines Volums an Kohlensäure enthält.
Durch Einleiten von Sauerstoff oder atmosphärischer Luft werden
ganz ähnliche Resultate erhalten. Magnus glaubt, dass diese Ver-
suche zu dem Schlüsse berechtigen, dass die Kohlensäure nicht erst
in den Lungen gebildet werde, sondern dass sie einem während des
Kreislaufs des Blutes sich vollendenden Oxydationsprocesse ihre Ent-
stehung verdankt. Um aber die Frage zu einem befriedigenden Ab-
schlüsse zu bringen , musste immer noch nachgewiesen werden , dass
das arterielle Blut Sauerstoff enthalte, da man ja noch einwenden konnte,
die durch Wasserstoff oder Stickstoff aus dem Blute ausgetriebene
Kohlensäure stamme von einem in demselben enthaltenen Bicarbonat. In
der That hatte H. Rose gezeigt, dass das Natriumbicarbonat selbst bei
gewöhnlicher Temperatur im luftleeren Räume Kohlensäure verliert, und
Magnus hatte sich durch besondere Versuche überzeugt, dass auch
ein Strom Wasserstoff Kohlensäure aus dem Bicarbonat austreibt.
Während Magnus mit diesen Versuchen beschäftigt ist, werden
ähnliche Untersuchungen auch von andrer Seite in Angriff genommen.
Hier sind namentlich die Arbeiten von Theodor Ludwig Bischoff
zu nennen. Derselbe hatte zunächst die Erfahrungen von Stevens und
Hoff mann über die Expulsion der Kohlensäure aus dem venösen
Blute mittelst Wasserstoff und Stickstoff, dann die Versuche von J.
Müller über das Athmen der Frösche in Wasserstoff bestätigt; dann
war es ihm ebenfalls gelungen, Kohlensäure, obwohl in sehr ge-
ringer Menge, mit Hülfe der Luftpumpe aus dem Blute zu erhalten.
Bisch off hat auch das arterielle Blut auf einen Gehalt an Kohlen-
säure untersucht, glaubte jedoch aus seinen Versuchen schliessen zu
müssen, dass das arterielle Blut keine Kohlensäure enthalte.
37
Audi dit-.-«t jci<iii'it' Erfaliruiig koniiU' al» t*iu gewichtiger Ein-
\Yaud gegen die Ansieht, dass sich die Kohlensäure während des
Kreislaufs des Blutes bilde, geltend gemacht werden. Denn wenn
die Kohlensäure aus dein venösen Blute durch die Luft verdrängt
wurde, so konnte nach den Gesetzen der Absorption niemals alle
Kohlensäure auf diese Weise entfernt werden. Es musste also auch
in dem arteriellen Blute Kohlensäure vorhanden sein.
Um diesen Zweifeln zu begegnen, bestrebt sich Magnus, neue
und bessere Untersuchurigsmethoden aufzufinden. Er ermittelt zu-
nächst, weshalb alle früheren Forscher so grosse Schwierigkeiten
fanden, mittelst der Luftpumpe Kohlensäure aus dem Blute zu erhalten.
Er zeigt, dass die Schwierigkeit zunächst in der meist unzureichen-
den Verdünnung der Luft beruhe, indem die Kohlensäure erst anfängt
in bemerkbarer Menge aus dem Blute zu entweichen, wenn die Spann-
kraft der über dem Blute befindlichen Gase auf 25""° gesunken ist,
dann aber in dem Umstände, dass man häufig coagulirtes Blut an-
wendete, welches seine Kohlensäure ungleich schwieriger abgiebt als
das von seinem Faserstoff getrennte flüssige Blut, endlich aber darin,
dass der Raum über dem Blut immer verhältnissmässig ausserordent-
lich klein war und sich deshalb schnell so weit mit Kohlensäure füllte,
dass der Druck derselben das Entweichen einer neuen Quaritität
dieser Gasart hinderte. Die richtige Erkenntniss dieser Yerhältnisse
gestattet denn auch alsbald die Construction eines Apparates, mittelst
dessen sich die Blutgase ohne Schwierigkeit in hinreichender Menge
für die Untersuchung erhalten lassen. Dieser Apparat, welcher, ob-
wohl uns jetzt ungleich vollkommenere Vorrichtungen zu Gebote
stehen, auch heute noch unser Interesse beansprucht, besteht wesent-
lich aus einem birnförmigen Gefässe, welches oben und unten mit
einem offenen Ansätze versehen ist. Die untere Mündung steht in einer
kleinen Quecksilberwanne, das obere Ende trägt eine eiserne Fassung,
welche mit einem Hahn versehen ist. Wird diese Fassung bei geöff-
netem Hahn mit der Luftpumpe in Verbindung gesetzt, so kann durch
das Spiel derselben die Birne leicht bis zum Hahn mit Quecksilber
gefüllt werden. Nach Abschluss des Hahns wird eine mit Queck-
silber gefüllte gleichfalls durch einen Hahn gesciilossene Glasröhre
auf die Metallfassung der Birne aufgeschraubt. Nach Oeffnung beider
Hähne wird das Quecksilber in Birne und Röhre durch den Druck
der Atmosphäre schwebend erhalten. Nunmehr wird der Apparat
mit der Quecksilberwanne unter den Recipienten der Luftpumpe
gebracht und zwar in der Art, dass sich sein oberer Theil
ausserhalb desselben befindet, die beiden Hähne also zugänglich
bleiben. Werden diese beiden Hähne geöffnet nnd die Luft über dem
Spiegel der Quecksilberwanne entfernt, so sinkt das Quecksilber in
dem Apparat und alle Luft, welche derselbe noch enthält, sammelt sich
38
nach mehrfachem Auspumpen in der abschraubbaren Röhre. Diese
wird, nachdem die Hähne geschlossen worden sind, abgenommen,
vollkommen mit Quecksilber gefüllt und wieder aufgesetzt. Der voU-
(«tilndig gefüllte Apparat ist jelzt zur Aufnahme des Blutes bereit. Zu
dem Ende wird der Rcicipient der Luftpumpe entfernt, und der Apparat
in die grosse Quecksilberwanne transferirt. Das Blut ist bereits
in gläsernen Flaschen über Quecksilber aufgesammelt worden und
zwar aus der Ju^^uluris eines Pferdes, wenn venöses, aus der Carotis,
wenn arterielles Blut zum Versuche vorwendet werden soll. Aus
diesen Klaschen, in denen durch Schütteln die Abscheidung des Fibrins
bewerkstelligt worden ist, tritt das Blut anmittelbar in den oberen
Tlifil der Mirric! des Apparates, welcher alsbald in derselben Weise
wie früiier unter den Recipienten der Luftpumpe gebracht wird. Beim
AuHpun)pen entsteht ein Vacuum über dem Blute, in welchem, wenn
das Spiel dor Pumpe andauert, die Blutgase sich sammeln; werden
nunmehr di»i Hähne geöffnet, so fällt das Quecksilber aus der Röhre
in die Birno und die Blutgase verbreiten sich in der Röhre. Man
braucht nunmehr nur noch langsam Luft in den Recipienten treten
KU lassen, bis die Oberfläche des Blutes an dem unteren Hahne
allgelangt ist, um die ganze Menge der entwickelten Gase in der
Röhre zu vereinigen, welche nach dem Schluss der Hähne abge-
Hchraubt wird. Man hat auf diese Weise einen Vorrath an Gas ge-
HJiinnieU, dessen oudionietrische Analyse nach den gewöhnlichen
Methoden keine weitere Schwierigkeit bietet.
Die «ahlreichen Versuche, welche Magnus mit so erhaltenen Blut-
gMen angestellt hat, xeigen, dass sowohl das venöse, als auch das
Arterielle Blut Kohlensäure, Sauerstoff" und Stickstoff enthält, aller-
dings in wesentlich verschiedenen Verhältnissen, denn während der
Saucrstotl' im venösen Blut höchstens ein Viertel, oft nur ein Fünftel
des in ihn» enthaltenen Kohlensäurovolums beträgt, ist das Sauerstoft-
volun» im arteriellen Blute nie weniger als ein Drittheil und steigt oft
bis »ur Hälfte der beobachteten Kohlensäure.
Diese Resultate bestätigen in jeder Beziehung die Auffassung des
Resipirutionsprocesses. lu welcher Magnus bereits durch seine früheren
Versuche geführt worden war. Er bedauert , dass sich selbst beim
!«tftrk8ten Auspumpen niemals der ganse Gasgehalt des Blutes austreiben
H«9», und ihm «uf diese Weise die Gelegenheit entging, einen weiteren
g;«»wiehtig\>n Beleg filr seine Ansicht lu gewinneo. Wäre es möglich ge-
>N'1^»en die ganie Menge der in dem venösen und arteriellen Blate ent-
iMÜtenen Qms m erhalten, so hätte, da ja nach den zur er lässigsten
Vertttdian die Menge der beim Athmen aosgebaucbten Kohlensäure
(bei Pflanttofireesera) nahezu gleich ist der Quantität des aafgenom-
MM«aa Saneratoft, ea sich bei der Vergleichung gleicher Tolome der
aas v^ndaeva and artmelli^iu Blute entwickelten Gase heraassiellen
3v)
mfissen, dass sicL ut-i .^aucrstuü- uuu rvKuini-'rturegc-ljalt b»'iiJ<.-r zu d<-ui-
8«lbeo Vulume ergäozcn.
Etwa siebeu Jahre später bat Magnus eine nicht eben erfrifu-
liebe V'eranlassang gehabt, auf diese Untersuchungen zurückzukommen,
in sofern seine Versuche über die Blutgase von Gay-Lussac*) einer
nichts weniger ab wohlwollenden Kritik unterworfen wurden. In
diest-r Kritik, welche jedoch keine neuen Versuche bringt, wird der
- Ergebnis» jener Arbeit aufgestellten Theorie über den Vorgang
i>eim Äthanen jede sichere experimentale Grundlage abge»proebep,
uod sogar behauptet, dass man aus den angestellten VersodieD gerade
da« Gegentheil folgern könne. Magna« bleibt seioem Gegner die
Antwort nicht l»nge schuldig. In einer am 17. Juni 1^^ der Ber-
liner Akademie der WiMenschaften mitgetheilten sehr maaMrolleo
Entgegnung**) zeigt er, daas die ganze Reclmong Gaj-Lnatae's
aaf irrigen Voraussetzungen beruht, and da«s die ron dem firanzon*
»eben Fordeber vorgebrachten Einwände die ron ihm gezc^enen
ScUfisM in keinerlei Weiae begntricht%{«t. SfÜer bat ihm dicte
Dtseoaaion Veranlaawing gegeben, noeb einige wdtere Venndie Sber
die angeregte Frage anzustellen nnd namentücb die Lfiriirhkwt des
Saaentafii im Blote zu besdouBen**^ Da« GeaammtefgebnJM arioer
Untcnaebangea iber die Be8|nration ist in einer am 9. Aognst 1S46
bei CekgeiAeit seiner EinfBbmag; als Orfinarins in die |rfriloso^biscfae
Facakät g^aheiien lafrinisrlifa Bede «mammeaf rf assf f).
Magnas bat die Lebre waa &ea Blatgssra and der B4rfle, die
sie bei der Afhmaag spielea, soweit gelordert, wie es die daawJigeo
HiUmuttel criaabCen. Die adtdrm so sehr trerrolOumunKt«> Medbo-
dea der Gaaaaahrae, die cnieale Prnfimg des Gesetzes der Absorption
der Gase doscb tropfbare FBss^^keäea, üe rethemerUa Mittel sar
nlöolidbes HenteOaBg aaagedebato- Yaeaa, aad die dardi Se fÜtf-
kiaiscbeo Labocatoriea aeboleae ir*rht^ Gdeaeabeä za dtnioAtn
^ctaackea, — diese UmatiHide vcnaat babea zabiraebe aeae For-
iber die BIwtgMr rcnabart, wekbe saaml darcb die Ar-
roa Lotbsr Mejer, Ladwig aad SCMer Scbikr, Pni-
gcr a. A. m ararsirr Zcä ailcrdiay sa Ergebaossea aa
die «OB der AnaicbC, dm mdi Msgaas
Ukift. IIS. Vther 4m.
^ Dt Te*pirmti«m«. r^ugnmmmm fa» mt IvHtmrm gmUtemm mmmtrCm ptm-
40
Nach der hcatigen A ■ff'BMiiiig der PhjaMdogen viid die KoMe«
siure des Mates so got wie SBMschlirsslirh tob dcas Plssma drMcl
b^ bcheibcigt; oboeboo das Flasaa aBraKsrti reagirt, sdieüit se
^kicfawoh) großen Tbells Ton demadben absortnxt xn sein, and fir
sie hätte sich atoo die AbsoipCimislheone, wridMr liagnas holdste,
bestätigt. Der Saaentoff des Notes dagegeo wird nadi den g^eo-
wiitig herrschenden Ansichten ron den Blntkörperchen in önar
lockeren chenischea Terbindoi^ festgehalten, die, wie das Xatnam-
bicarbonat xa flne» Bestände &st des vottea amosphärisdiea Drockes
bedarf eine Natnreinrichfng, deren Zwecknässg^eit exnlenchtet, da,
wenn der Saaenttrf^gehalt des Bfaites dem Dalton-Henrj'schen
AbaoffplinHgesetse folgte, ^Gaj-Lnssae and Hamboldt ridlcicfat in
,Ld>aisge£üir gerathen wären, als der eine das BanMoeter aaf 12, der
«andere aaf 14 ZoQ sinken sah.**) In Besag aitf doi Saaerstoff , den
Magnas d>aifiüls als vom Blate absoibirt annahm , hat also die
PiijsioiogM »eoe nnd widitige Thatsadwa enülieh. Einem Gegen-
stand von so inimffnrdrntiirhiT Yowiddang gegmaber hätte es in
der That eines seiner Etgröndong ansschliesslicli gewidmeten Forseher-
lebras bcdadOt, am an nach alka Bichtaagea so ench5|rfien. bnmer-
hin aber bleibe die Aibcift fibo- die Blatgase eines der schönsten
Denkmale, die nch Magnas in der Wissenschaft gesetzt hat. Uebcr
Aem Interesse an Detai&agen ist nnsere Zdt rielleicfat za sehr gene^
die Grösse des SArittes m nirterschährcn, durch welchoi er saerst aaf
diesem Felde Bahn Wach, and n Tcrgtascn, dass zwei Jahrzehnte
hindaidi das was er gelasden hatte, das Beste and ümCusend^te Uleb.
was man nber den Aflnnnngspiocess
Aach den Anwendangen der Cheaüe aaf die Landwirthschaft ist
Magaas nieht frond geUEdien. Er hat sich allodings nar vovlber-
gehrad snt der Agricaltarchemie beachäftigt, alletn die Cnter-
sachangen, weldie tbeUweiae von ihm Teranlafirt, theilweise too ihm
selber aasgdnhrt worden sind, haben g^dchwckhl wesestfich aar Aaf>
klärnng einiger Fragen bc^eiragen, widche zweifeifaafi gebKeben
waren. Jeden£üls aber sind diese Aiheäen wiederom Zenge des
rasthmen Eifers, mit weichem der lebhafte GeiM aaaeres Freandcs die
niMiBwbaflli<lnii Bew^ongen seäno- Zdt verfolgte nnd sich an Aesen
Bewcgangen m bethei^en strdMe.
Die erste Anr^nng zam Stndiam agricaltarehemischer ProUesse
verdankt Magnas den grosssrtigen Forschangen Liebig's aaf diesem
Gebiete, welche einen mächt^en Eiadracfc aaf ihn gemacht hatten.
•) L«tkar Mcjer. die Garn «m
«1. (ISi7.)
Es war in Fol»e div<<.j- K::.i5r,u-k<. v:;i<> >ii.;. M.-ii;!. us im I^ufe der
rierxiger Jährt bt-^iiuin^ru ius> . xi? ci.ti-iuij'cht r Btraiher an den Ar-
beiten des Pk^eassischen Landes -Oeitouoinie-CoUegiuiDS Theil zu neh-
mea, «elclw« damals anter der Präsidentschaft von t. Beckedorf stand,
und in veldiem zumal auch der Lande«5konomieratb Koppe der
cheaiiscken Behandlung landwirthschaAlicher Fragen mit Nachdruck
das Wort redete.
Bald nach seinem Eintritte veranlasst denn auch das Landes-
Oekonomie-CoUegium eine grössere Reihe ron Untersuchungen zur
Beantwortung der Frage: In welchem Ilaasse müssen gewisse unor-
ganische Bestandtheile im Boden rorhandm sein, damit bestimmte
Pflanzen auf demselben gedeihen? Diese auf breitester Grundlage
begonnene Untersuchung ist leider Fragment geblieben und gerade
aus diesem Grande auch minder fruchtbringend gewesen, als die im
grossen Styl«? concipirte Arbeit wohl hätte erwarten lassen. Ueber
die Disposition der Untersuchung, sowie über die nach Ablauf ron
drei Jahren erhaltenen Resultate hat Magnus im Auftrage des Lan-
des-Oekonomie-GslIegiums Bericht erstattet.*)
.^Wenn durcii chemische Analysen ermittelt wäre", sagt Magnus
in diesem Bericht, .wie viel jede Pflanze von den einzelnen anorgani-
schen Stoffen für ihre Entwicklung bedarf, so würde man dadurch
leicht berrciinen können, wieviel von diesen Stoffen der Boden her-
geben moss für eine volle Erndte von einer bestimmten Pflanze;
alK-in es ist offenbar, dass diese Quantitäten für die Vegetation nicht
gcT,r:i:(n, und dass der Boden die Stoffe in grösserer Menge besitzen
muss, als sie von der Pflanze aufgenommen werden. Dies wird er-
forderlich sein, seihst wenn sie sich in solchen Verbindungen im
Boden befinden, in denen sie von der Pflanze leicht aufgesogen wer-
den können, noch mehr aber, wenn die Verbindungen, in denen sie
vorkommen, erst durch atmosphärische Einflüsse zersetzt und verän-
dert werden müssen, um aufnehmbar zu werden, oder w^nn ein Theil
dt-r^tlbeu sich in solchen Verbindungen befindet, dass er gar nicht
zur Kiiiährung der Pflanze dienen kann. Es bleibt daher, selbst wenn
man genau weiss, wie viel von jedem unorganischen Stoffe eine Pflanze
enthält, für den Landwirth die Frage noch immer unbeantwortet, in
welchen Verhältnissen diese Stoffe im Boden vorhanden sein müssen,
und es erscheint die Beantwortung derselben um so wichtiger, als
man in neuerer Zeit so weit gegangen ist, die gedeihliche Entwicklung
der Pflanzen, abgesehen von den klimatischen Verhältnissen, als allein
abhängig von dem Vorhandensein einer genügenden Menge jener Be-
*) Bericht Ober Versnche, brlreffend die EischSpfnug des Bodens, welche da^
Köni^ich Preussische Lande^OekoDomie-Collegiam Temnlasst bat. Annal. d. Lai»l>«.
XIV. 2; u. J. Pr. Cbem. XL VIII. 447. (1849).
4
42
standtheile zu erkläre», und die ganze Wirksamkeit des Düngers als au8_
schliesslich auf der Zuführung unorganischer Stoffe beruhend anzusehen.
Der geeignetste Weg, um zum Ziele zu gelangen, schien zu sein,
den Boden zu untersuchen, sodann ein und dieselbe Frucht so lange
hinter einander ohne Dünger auf demselben zu bauen, bis sie keinen
Ertrag mehr liefert, und hiernach den Boden wieder zu untersuchen."
Magnus unterschätzt die Schwierigkeiten nicht, welche sich einer
solchen Untersuchung in den Weg stellen , und welche zumal in der Un-
möglichkeit liegen, den Boden von so gleichmässiger Beschaffenheit zu
erhalten, dass man aus der Zerlegung einer einzelnen Stelle auf die
Zusammensetzung der ganzen Fläche schliessen könnte. Dann aber
ist es auch die Unsicherheit, bis zu welcher Tiefe man die Acker-
krume zu rechnen habe, und endlich ganz wesentlich die Unvollkom-
menheit der analytischen Methoden, welche einer solchen Untersuchung
hindernd im Wege stehen.
Diesen Schwierigkeiten sucht das Landes -Oekonomie-CoUegiuni
dadurch zu begegnen, dass es die zur Analyse bestimmten Proben
von möglichst vielen Stellen des Versuchsfeldes nehmön und sorgfäl-
tigst mischen lässt, um eine Durchschnittsprobe des Bodens «u erhal-
ten. Ausserdem hofft man der Unsicherheit durch eine recht grosse
Zahl von Versuchen zu steuern. Zu dem Ende wird die Untersuchung
gleichzeitig unter den Aujpicien der ausgezeichnetesten Landwirthe an
nicht weniger als vierzehn Orten in den verschiedenen Provinzen des
Reichs aufgenommen und die Analyse des Bodens eines jeden Ver-
suchsfeldes von drei unabhängig von einander arbeitenden Chemikern
ausgeführt. Für diese umfangreiche Arbeit ist es gelungen , die Mit-
wirkung von einundzwanzig namhaften jungen Chemikern zu gewinnen,
welche theilweise auch mit der Analyse der auf den Versuchsfeldern
gebauten Pflanzen betraut werden. Um die bereits hinlänglich um-
fangreichen Versuche nicht über die Grenzen des Erreichbaren aus-
zudehnen, beschränkt man sich zunächst darauf, die Erschöpfung
des Bodens durch den Anbau zweier Pflanzen, nämlich Raps und
Erbsen, herbeizuführen, welche bekanntlich in hohem Grade erschöpfend
wirken. Die V^ersuchsfelder waren möglichst gleichartig behandelt
worden, alle hatten das Jahr zuvor nur eine gewöhnliche Düngung
mit Rindermist erhalten und schliesslich eine Kartoffelernte getragen.
Schon gleich die Ergebnisse, welche die dreifachen Analysen der
vierzehn Bodenarten liefern, entsprechen kaum den Erwartungen,
welche man gehegt hatte. Bei der Vergleichung der Analysen, welche von
verschiedenen Experimentatoren mit derselben Bodenart angestellt wur-
den , vermisst man alsbald die erhoffte Uebereinstimmung. . Magnus
erkennt, dass seine Besorgniss, es m(>ge sich der Boden nicht hinreichend
gleichartig beschaffen lassen, und es könnten die analytischen Mofhoden
der nöthigen Schärfe ermangeln, nur zu begründet waren, und er gesteht
43
mit der Offenheit, welche er in keiner seiner Arbeiten verlfiugnet, es
gehe aus diesen Untersuchungen mit Bestimmtheit hervor, dass man
bisher den Analysen der Ackererden eine viel grössere Bedeutung
beigelegt habe, als sie in der That verdienen. Die Abweichungen in
den anahtischen Resultaten sind allerdings nicht sehr erheblich,
betragen in der That gewöhnlich kaum mehr als Bruchtheile eines
Procents, allein wenn man die Masse des Bodens in Rechnung
nimmt, auf welche sich die Analysen beziehen, so erkennt man, dass
was in der Analyse als eine geringe Differenz erscheint, in der Natur
einer kolossalen Gewichtsmenge entsprechen kann. Magnus erörtert
dieses Verhältniss an einem instructiven Beispiele. Gerade die Sub-
stanzen, die in dem Boden sich nur spärlich vorfinden, wie Phosphor-
siiure, Schwefel u. s. w., sind in manchen Pflanzen in ganz erheblicher
Menge vorhanden. Nach Erfahrungen, welche im Laufe der Untersuchung
gewonnen worden waren, wird einem Morgen Land durch eine Raps-
ernte, Körner und Stroh zusammengenommen, 13 Pfund Phosphorsäure
entzogen. Lafst man eine Mächtigkeit der Ackerkrume von 9 Zoll gelten,
80 wiegt, wenn das Vol. Gew. der Ackererde zu 1,5 gesetzt wird,
die für den Anbau verwerthbar angenommene trockne Bodenfläche
eines Morgens 1,944,000 Pfd. Es werden also dem Boden durch
13 X 100
eine Rapsernte v^iÄl^rifi "^ 0,00066 p. C. Phosphorsäure entzogen.
Vergleicht man nun die von zwei Beobachtern ausgeführten ßeslimmungen
der Phosphorsäure in demselben Boden, so zeigt es sich, dass sie sehr
häufig schon in der ersten Decimale nicht mehr übereinstimmen, und
man sieht also, dass man hundert Jahre lang Raps auf dem Acker
ernten könnte, ohne dass sich dies mit Sicherheit durch die chemische
Analyse nachweisen Hesse.
Was die im Laufe der Untersuchung ausgeführten Aschenanalysen
anlangt, so zeigt sich der Gebalt an Asche sowohl, als auch die Zu-
sammensetzung derselben sehr verschieden, wenn die ascheliefernden
Pflanzen auf verschiedenem Boden gewachsen waren. Magnus ist
geneigt, einen Theil dieser Verschiedenheit auf Rechnung der Unzu-
länglichkeit der Methode der Aschenanalyse zu setzen, deren Vervoll-
kommnung man damals noch nicht die nöthige Aufmerksamkeit ge-
schenkt hatte. Ein anderer Grund für dieselben möchte darin zu suchen
sein, dass es schwer ist, die Körner, besonders aber das Stroh von
dem anhaftenden Erdreiche vollständig zu befreien, zumal wenn dieses
thonhaltig ist.
Da jedoch die Analysen hier in sehr grosser Menge vorliegen, so
wird Magnus auf gewisse Ansichten über das Vorkommen der mi-
neralischen Besfandtheile in den Pflanzen geführt, die er allerdings
noch nicht für vollkommen begründet erachtet, die jedoch immerhin,
wie er glaubt, Beachtung verdienen. Es scheint nämlich die Quan-
4*
44
tität der Asche in den Körnern viel constanter zu sein, als in dem
Stroh, und ebenso zeigt sich auch die Zusammensetzung der Asche
der Körner viel gleichförmiger, als die der Asche des Strohs. Nament-
lich stellt sich dies heraus, wenn man die Quantitäten der Plios-
phorsäure und des Chlors in den Aschen, einerseits des Strohs und
andrerseits der Körner, unter sich vergleicht. Bei den Rapskörnern
erreicht z. B. der Chlorgehalt in keiner Analyse auch nur 1 p. C,
während derselbe im Rapsstroh zwischen 23,8 und 3 p. C. schwankt.
Aber nicht nur liegen die Extreme einander viel näher, sondern auch
das Schwanken von einer Analyse zur andern ist bei den Körnern weit
geringer, als bei dem Stroh, sowohl für Raps, als für Erbsen. Dies
Ergebniss ist übrigens wohl verständlich, denn es ist mindestens wahr-
scheinlicb, dass die Wurzeln der Pflanze von den ihnen im Boden
dargebotenen Salzen eine grössere Menge aufnehmen, wenn ihnen
diese reichlicher dargeboten werden, als wenn dies nicht der Fall
ist. Deshalb aber werden die einzelnen Organe der Pflanze doch nur
so viel von diesen Salzen wirklich assimiliren, als sie für ihre Ent-
wickelung bedürfen; die grössere Menge der Asche in dorn Stroh würde
nach dieser Betrachtung von den noch nicht verarbeiteten Säften her-
rühren, welche sich in dem Pflanzenkörper bewegen.
Eine vollständige Gleichheit in der Zusammensetzung der Aschen
ist man übrigens nach den vorliegenden Analysen auch für die Körner
nicht bereclitigt anzunehmen. Wenn eine Verschiedenheit derselben
je nach dem Boden, auf dem sie, so wie nach den verschiedenen
Jahren, in denen sie cultivirt wurden, stattfindet, so würde eine solche
ganz analog mit den entsprechenden Erscheinungen sein, welche man
auf anderen Gebieten der organischen Natur beobachtet. Denn auch
bei den Thieren finden wir die Fleisch- und Fettmasse im Verhältniss
zu den Knochen verschieden, und weshalb solhe nicht ebenso auch
bei den Pflanzen die Ausbildung gewisser Organe vorzugsweise statt-
finden, je nach der Nahrung, welche dieselben vorfinden. Dass ein-
zelne organische Bestandf heile sich nach Verschiedenheit des Bodens
und der Jahre verschieden ausbilden, ist bekannt, und es braucht nur
an den verschiedenen Gehalt an Oel im Raps erinnert zu werden.
Magnus hält es desshalb für sehr wahrscheinlich, dass auch die Mine-
ralbestand theile von den Pflanzen in verschiedener Quantität auf-
genommen werden.
Die von dem Landes- Oekonomie-Collegium veranlasste Unter-
suchung ist, wie bereits bemerkt, unvollendet geblieben, sei es weil
man nicht gleich Resultate gewonnen hatte, welche den aufgewendeten
Mitteln entsprachen, sei es weil .«ich die dem Umfange der Unter-
suchung entsprechenden wissenschaftlichen Kräfte auf die Dauer nicht
vereinigen Hessen. Magnus selbst hat sich indessen noch längere
Zeit mit der Frage beschäftigt, wie aici. aus eigenen Versuchen ergiebt,
40
welche er etwa ein Jahr nach seiner Berichterstattung veröffentlicht
hat.*)
Ausgangspunkt dieser Versuche ist die Ansicht, dass keineswegs
sämmtliche in dem Boden und selbst in der Asche der Pflanzen auf-
gefundenen Bestandtheile für die Entwickelung der Pflanze nothwendig
sind, und, dies zugegeben, die daran sich anknüpfende Frage, welche
Bestandtheile unbedingt erforderlich sind. Die Beantwortung dieser
Frage wird von Magnus in der Art angestrebt, dass er ähnlich wie
dies fast um dieselbe Zeit von dem Fürsten zu Salm-Horstmar
geschehen war, Pflanzen in einem Boden von bekannter Zusammen-
setzung vegetiren lässt, in welchem einzelne von den in allen Pflanzen
vorkommenden Substanzen gänzlich fehlen. E^ wurden mehrere
Reihen von Versuchen angestellt. Zunächst Versuche in ausgeglühter
Zuckerkohle, welche durch die Analyse als vollkommen frei von allen
Mineralsubstanzen erkannt worden war. Aus dieser wurde der Boden
für acht Vegetationsversuche mit Gerste in der Art bereitet, dass für
den ersten Versuch reine Kohle, für den zweiten Kohle mit 15 p. C.
einer Mischung von den Carbonaten des Calciums, Mangans und Mag-
nesiums, Eisenoxyd, Calciumsulfat, Calciumphosphat, Natrium- und
Kaliumchlorid und Kaliumsilicat in Anwendung kam. Für die folgen-
den Versuche wurde die Kohle mit einem ähnlichen Sal/gemische
versetzt, in der Weise, dass im dritten das Kaliumsilicat, im vierten
das Natriumchlorid, im fünften das Calciumphosphat, im sechsten das
Calciumsulfat, im siebenten das Mangancarbonat, im achten das Ka-
liumchlorid und -Silicat wegblieben, also beziehungsweise Kieselsäure,
Natron, Phosphorsäure, Schwefelsäure, Eisen und Kali fehlten.
Diese erste Versuchsreihe lieferte nur wenig befriedigende Ergebnisse,
da die Pflanzen offenbar in Folge des Ueberraaasses an löslichen
Salzen, welche ihnen geboten worden waren, zu keiner eigentlichen
Entwickelung gelangen konnten. Selbst als die Versuche wiederholt
wurden, nachdem die grössere Menge der löslichen Salze durch Aus-
waschen entfernt worden war, wollten die Pflanzen zu einem erfreu-
lichen Gedeihen nicht gelangen. Schon wesentlich befriedigendere
Resultate wurden erzielt, als die Gerste theiis in reinem Feldspath,
theils in solchem vegetirte, den man mit verminderten Quantitäten der
bezeichneten Salzgemenge vermischt hatte. Magnus fasst die Ergeb-
nisse der Untersuchung folgendermaassen zusammen. 1) Ohne die Ge-
genwart von mineralischen Stoffen erreicht die Gerste nur eine Höhe von
etwa 5 Zoll und stirbt dann ab; 2) bei Gegenwart einer sehr geringen
Menge von mineralischen Stoffen findet eine vi»llständige Entwickelung
statt; 3) ist eine etwas grössere Menge davon vorhanden, so entwickelt
•) üeber die Emähruiig der Pflanzen. Annal. d. Landw. XVIII. 1 : u. J. Pr.
Chem. L. 6.5. (1850).
46
sich die Pflanze kümmerlich oder gar nicht; 4) in reinem Feldspath er-
langt die Gerste eine vollständige Ausbildung und bringt Samen her-
vor; 5) je nachdem der P^eldspath als gröberes oder feineres Pulver
angewendet wird, ist der Verlauf der Vegetation verschieden.
Weiter theilt Magnus lehrreiche Versuche über die Frage mit, ob
animalische oder vegetabilische Abfälle, welche dem Boden zugeführt
werden , um seine Ertragsfähigkeit zu erhöhen, nur durch die in ihnen
enthaltenen Mineralbestandtheile wirken, oder ob auch ihre organischen
Bestandtheile eine wesentliche Rolle dabei spielen. Zu dem Ende wur-
den drei vergleichende Versuche ausgeführt; bei dem einen vegetirte
die Gerste in gewöhnlicher Gartenerde, bei dem zweiten in derselben
Gartenerde, nachdem dieselbe zuvor durch Glühen in einem SauerstofF-
strome von jeder Spur organischer Materie befreit worden war, bei
dem dritten wieder in derselben Gartenerde, welche man aber im vorher-
gehenden Jahre gut gedüngt hatte. In allen drei Versuchen erfolgte
die Entwicklung der Gerstenpflanze bis zur Bildung körnertragender
Aehren , allein während zwischen den Ergebnissen des ersten und
zweiten Versuchs kaum ein Unterschied wahrzunehmen war, hatte
sich die Pflanze in dem gedüngten Boden ungleich üppiger und blatt-
reicher entfaltet.
Schliesslich wird noch ein sehr schöner Vegetationsversuch in ge-
sperrter Atmosphäre beschrieben. Die Gerste vegetirte in drei her-
metisch schliessenden Glasglocken, in welche indessen durch geeignete
Vorrichtungen Luft und Wasser eingeführt werden konnten. Der Boden
in der ersten Glocke war gewöhnliche ungedüngte Gartenerde, die
zweite Glocke enthielt dieselbe, aber in Sauerstoff geglühte Garten-
erde, in der dritten endlich befand sich neben der geglühten Garten-
erde, aber getrennt davon in einem besonderen Gefässe, eine Quan-
tität gedüngter Gartenerde. Innerhalb der ersten vierzehn Tage war
kein Unterschied in der Entwickelung der Pflanzen wahrzunehmen.
Von dieser Zeit aber zeichneten sich die unter der ersten Glocke vor
denjenigen unter den beiden anderen, bei welchen die Gartenerde
fehlte, sehr auffallend aus. Nach etwa drei Wochen war die Vegeta-
tion in den beiden letzteren beendet, die Pflanzen hatten eine Höhe
zwischen 7 und 11 Zoll, einzelne sogar bis 17 Zoll erreicht und das
dritte oder vierte Blatt entwickelt, wurden aber zuletzt weiss und
welk. Dagegen fuhren die unter der dritten Glocke befindlichen
Pflanzen, welche ihnen, wie gesagt, um diese Zeit nur wenig voraus
waren, fort, sich zu entwickeln. Nach etwa acht Wochen fingen feie
an, Aehren anzusetzen , deren Körnerzahl zwischen zwei und acht
schwankte; sie hatten dabei eine Höhe von 24 bis 28 Zoll erreicht,
so dass sie sich in ihrer Glocke bedeutend krümmen mussten; auch
hatten sie mehrere Schösslinge getrieben. Ueberhaupt gelangten sie
zu einem viel kräftigeren Ansehen, als die in derselben Erde gezogenen
■17
Pflanzen, welche sich unbedeckt entwickelt hatten, während die unter
den Glocken ohne Gartenerde erhaltenen weit hinter jenen zurückge-
blieben waren. Nur die Körner hatten sich nicht aasgebildet, sondern
waren sämmtlich taub.
Es geht aus diesen Versuchen hervor, dass der Dünger eine
Wirkung ausübt, auch wenn er gar nicht mit dem Boden in Berührung
ist. Er wirkt daher nicht allein, indem er dem Boden gewisse mine-
ralische Stofte zufuhrt, sondern seine organischen Bestandtheile tragen
auch, und zwar nicht unwesentlich, zur Beförderung der Vegetation bei.
Die hier beschriebenen Versuche scheinen die letzten gewesen zu
»ein, welche Magnus auf dem Gebiete der Agriculturchemie ange-
stellt hat. Es war gerade um diese Zeit (1852), dass er in ganz neue
Bahnen einlenkte, auf denen, wie bei der Arbeit über die Abweichung
der Geschosse und der Construction des Polytrops, seine ganze Ar-
beitskraft in Anspruch genommen wurde.
Noch haben wir, um das Bild der chemischen Thätigkeit unseres
Freundes zu vervollständigen, einiger chemisch-technologischer
Arbeiten desselben zu gedenken. Wenn man sich erinnert, dass Magnus
beinahe vierzig Jahre lang Technologie vorgetragen hat, so könnte es
auf den ersten Blick auffallend erscheinen, dass sich seine Untersuchun-
gen so selten eigentlich technologischen Aufgaben zulenken. Bei näherer
Erwägung aber verschwindet das Befremdliche dieser Abneigung gegen
das rein technische, sie erscheint vielmehr als die natürliche Folge
der wahrhaft wissenschaftlichen Auffassungen, denen er auch in seinen
technologischen Vorlesungen niemals untreu ward. Eine industrielle
Operation, wie grossartig immer die mit ihrer Hülfe erzielten Er-
gebnisse, hat für Magnus kein Interesse, wenn ihr nicht ein
fassbares, wissenschaftliches Princip zu Grunde liegt. "Wenn er tech-
nologische Versuche anstellt, so ist es in der Regel nur das Princip,
welches illustrirt werden soll.
So sehen wir ihn denn z.B. den merkwürdigen, von Peregrine
Phillips d.J., einem Essigfabrikanten in Bristol, gemachten Vorschlag,
ein Gemenge von schwefliger Säure und Sauerstoff durch Berührung
mit Platin direct in Schwefelsäure überzuführen, alsbald mit Eifer
einer experimentalen Prüfung unterziehen*). Seine Versuche bestätigen
die Beobachtung Phillips', deren wissenschaftlicher Werth durch den
Umstand, dass sie bis jetzt practisch nicht verwerthbar gewesen ist,
nicht verringert wird. Magnus stellt den Versuch so an, dass er
Platinschwamm in einer gekrümmten Röhre erhitzt, in welche man das
Gemenge von schwefliger SSure und Sauerstoff hat eintreten lassen.
*) Ueber die Fabrikation der englischen SchwefeU&nre ohne Salpeter. Pogg.
Ann. XXIV. 610. (1832).
48
Auch der schöne Vorlesungversnch , in welchem ein Genienge von
SauorstofiF und schwefliger Säure, beide im trockenen Zustande,
durch eine schwachglühende, Platinschwamm enthaltende Röhre ge-
leitet wird, ist in dieser Form zuerst von Magnus ausgeführt worden.
Dass sich Magnus übrigens auch gelegentlich mit grossem Eifer
rein practischen Fragen widmen konnte, erhellt zur Genüge aus seiner
unermüdlichen Betheiligung an den Arbeiten der sogenannten Patina-
Commission, welche sich auf Veranlassung des hiesigen Vereins zur
Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen unter dem Vorsitze von Dr.
L. Kunheim seit einigen Jahren mit der Aufgabe beschäftigt, unsere
Broncemonumente gegen den zerstörenden Einfluss der Witterung zu
schützen.
Magnus, von dem der Vorschlag zur Bildung dieser Commission
ursprünglich ausgegangen war, hat selbst nicht lange vor seinem Tode
ein kurzes Referat*) über die Wirksamkeit derselben veröffentlicht.
Wir können nicht besser thun, als seine eigenen Worte an dieser Stelle
folgen zu lassen.
„In fast allen grossen Städten, besonders in solchen, wo Kohle als
Brennmaterial dient, hat man die Erfahrung gemacht, dass auf öffent-
lichen Plätzen aufgestellte Broncen, statt sich mit einer Patina zu be-
kleiden, ein schmutziges, dunkles, dem des Gusseisens ähnliches Ansehn
erhalten. Der Wunsch, diesem Uebelstande zu begegnen, hat zur
Anstellung einer Reihe vergleichender Versuche Veranlassung gegeben,
um womöglich eine Abhülfe zu finden.
Zunächst hat man die Frage zu beantworten gesucht, ob eine
bestimmte Zusammensetzung der Bronce die Annahme einer schönen
Patina bedinge. Zu dem Ende sind von zehn, durch besonders schöne
Patina ausgezeichneten Broncen, die sich an verschiedenen Orten be-
finden, kleine Proben entnommen und analysirt worden. Jede dieser
Proben wurde getheilt und zwei verschiedenen, anerkannten Chemikern
zur Analyse übergeben. Die Ergebnisse derselben sind in den Ver-
handlungen des Vereins für das Jahr 1864 veröff"entlicht.**) Sie haben
gezeigt, dass die untersuchten Broncen von sehr verschiedener Zu-
sammensetzung sind. Der Kupfergehalt schwankt in ihnen von 77
bis zu 94 Proc. Die Menge des Zinns steigt in einer derselben bis
zu 9 Proc, in andern beträgt sie nur 4 Proc. und einzelne enthalten
nicht mehr als 0,8 Proc. Zinn; dagegen bis zu 19 Proc. Zink. Eben-
so schwanken die andern zufälligen Beimischungen, wie Blei, Eisen,
•) Ueber die Erlangung einer schönen Patina auf Broncen in grossen Städten.
Pogg. Ann. CXXXVI. 480. (1869).
•*) lieber den Einfiuss der Zusatnmcnsetzung der Bronzen auf die Erlangnng
einer schönen grünen Patina. Von G. Magnus. Verh. d. Ver. z. Betbrd. d. Ge-
werbfleisses i. Preussen. 1864. 27.
49
Nickel. Bei der verschiedensten Zusammensetzung besitzen diese
Broncen sämmtlich eine sehr schöne, grüne Patina. Es wäre möglich,
dass die Zusammensetzung einen Einfluss auf die Zeit übt, innerhalb
welcher die Broncen, unter übrigens gleichen Umständen, sich mit
der Patina bekleiden; dass aber bei der verschiedensten Zusammen-
setzung die Annahme der Patina erfolgen kann, darüber lassen die
erwähnten Analysen keinen Zweifel.
Um andere Einflüsse bei der Annahme der Patina kennen zu
lernen, wurde eine Anzahl von Büsten aus Bronce an einer Stelle in
der Stadt aufgestellt, wo besonders ungünstige Exhalationen statt-
finden, und wo verschiedene, ganz in der Nähe befindliche Bronce-
Stataen, ohne eine Spur von Patina anzusetzen, das oben erwähnte
unangenehme, schwarze Aeussere angenommen haben.
Durch die Beobachtung, dass an mehreren öffentlichen Denkmälern
die dem Publicum zugänglichen Stellen , welche vielfach mit den
Händen befasst werden, eine, wenn auch nicht grüne, doch sonst
sehr schöne Patina angenommen haben , während alle übrigen Stel-
len schwarz und unansehnlich sind, kam die mit der Untersuchung
beauftragte Commission auf die Vermuthung, dass möglicher Weise
das Fett die Bildung einer Patina veranlassen könne. Es wurde
deshalb eine der aufgestellten Büsten jeden Tag, mit Ausnahme der
Regentage, mit Wasser abgespritzt, um sie rein zu erhalten, und
ausserdem jeden Monat einmal mit Knochenöl in der Weise behan-
delt, dass das mit einem Pinsel aufgebrachte Oel sogleich mittelst
wollener Lappen wieder abgerieben wurde. Eine zweite Büste wurde
ebenfalls täglich mit Wasser gereinigt, erhielt aber kein Oel. Bei einer
dritten, ebenfalls täglich mit Wasser gereinigten, wurde die Behandlung
mit Oel nur zweimal des Jahres vorgenommen. Die vierte blieb zum
Vergleich ungereinigt und überhaupt ganz unberührt.
Die erste und die zuletzt genannte Büste sind seit 1864 aufgestellt
und auf die angegebene Weise behandelt worden, die dritte und vierte
seit Anfang 18*>6. Es hat sich an ihnen die erwähnte Voraussicht von
der Wirkung des Fetts auf das unzweifelhafteste bestätigt.
Die monatlich mit Oel behandelte hat eine dunkelgrüne Patina
angenommen, die von allen Kunstverständigen für sehr .schön erklärt
wird. Die nur zweimal im Jahr mit Oel abgeriebene hat ein
weniger günstiges Ansehen, und die nur mit Wasser gereinigte hat
nichts von der schönen Beschaffenheit, welche die Broncen durch An-
setzen der Patina erhalten. Die gar nicht gereinigte ist ganz unan-
sehnlich, stumpf und schwarz.
Man kann hiernach als sicher ansehen, dass wenn man eine
öffentlich aufgestellte Bronce monatlich, nachdem sie gereinigt worden,
mit Oel abreibt, sie eine schöne Patina annehmen wird.
In wie weit dieses Abreiben, das bei grösseren Monumenten so
50
häufig schwer auszuführen ist, sich wird beschränken lassen, darüber
sollen fortgesetzte Versuche entscheiden, die durch die Büste, welche
nur zwei Mal jährlich mit Oel behandelt wird, bereits eingeleitet sind.
Ausserdem hat der Verein noch zwei neue, durch ch«?mische Mittel
künstlich patinirte Rroncen aufstellen lassen, um zu erfahren, wie
diese sich bei ähnlicher Behandlung bewähren.
In welcher Weise das Oel bei Bildung der Patina wirkt, ist nicht mit
Sicherheit anzugeben. So viel haben die Versuche gezeigt, dass jeder
Ueberschuss an Oel zu vermeiden ist, und dass man das aufgebrachte
sogleich mit einem Lappen so weit als möglich wieder entfernen muss.
Bleibt überschüssiges Oel zurück, so setzt sich darin Staub fest und
die Bronce erhält ein schlechtes Aussehen. Dass die zurückbleibende
geringe Menge von Oel eine chemische Verbindung mit der Oxyd-
schicht der Bronce eingehe ist nicht anzunehmen, besonders da sich
Knochenöl so gut wie Olivenöl bei diesen Versuchen bewährt hat.
Wahrscheinlich wirkt die dünne Schicht des Oels nur dadurch, dass
sie das Anhaften von Feuchtigkeit hindert, durch die sich leicht Staub
befestigt, der Gase und Dämpfe absorbirt, und in dem häufig Vege-
tationen sich bilden. Allein in welcher Weise es auch wirken mag,
soviel haben die erwähnten Versuche ergeben, dass das Fett wesent-
lich die Bildung der Patina befördert.
Voraussichtlich wird es sich auch noch in anderer Beziehung be-
währen. Man hat nämlich die wenig erfreuliche Beobachtung gemacht,
dass mit einer schönen Patina bedeckte Broncen an den Stellen, wo
sich Wasserläufo auf ihnen bilden, eine weisse, undurchsichtige, kreide-
artige Oberfläche annehmen, die im Laufe der Zeit mehr und mehr
durch dass Wasser fortgespült wird. Eine richtige Behandlung mit
Oel wird ohne Zweifel gegen die Bildung dieser kreideartigen Stellen
schützen, doch können darüber nur lang fortgesetzte Versuche ent-
scheiden.
Jedenfalls berechtigt die Anwendung des Oels zu der Hoffnung,
dass man auch fortan in grösseren Städten wird schön patinirte öf-
fentliche Broncedenkmäler erlangen können. Sie werden da, wo
Kohle das ausschliessliche Brennmaterial bildet, nicht hellgrün, sondern
dunkel, vielleicht sogar schwarz erscheinen, allein sie werden die
übrigen schönen Eigenschaften der Patina, die eigenthutnlich durch-
scheinende Beschaffenheit der Oberfläche, besitzen."
Ich habe mich bestrebt, Ihnen die zahlreichen Forschungen vor-
zuführen, weiche wir Gustav Magnus auf den verschiedenen Ge-
bieten der Chemie verdanken, in kurzgedrängter Fassung, aber doch
eingehend genug, um, so hoffe ich wenigstens, den Ansprüchen dieser
chemischen Versammlung zu genügen. Ich könnte hier abbrechen
und es der Sorge eines Andern überlassen, in ähnlicher Weise über
die physikalischen Forschungen zu berichten. Allein ich fühle,
das Bild meines Freundes, welches aus so einseitiger Schilderung Ihrem
Gedächtnisse sich einprägen konnte, würde seines edelsten Schmuckes
entbehren, wenn ich es nicht wenigstens versuchte, auch die physika-
lischen Arbeiten, wenn auch nur ihren Hauptzügen nach, in den
Rahmen hineinzudrängen. Gehören ja doch seine schönsten und
wichtigsten Errungenschaften dem Gebiete der Physik an und sind
überdiess fast alle diese Forschungen gerade auch für den Chemiker
von der höchsten Bedeutung. Wohl ist es keine leichte Aufgabe, die hier
vorliegt, wenn man bedenkt, nach wie vielen Richtungen hin Magnus,
wie auf dem Gebiete der Chemie, so der Physik, thätig gewesen ist, da
er nacheinander über Molecularerscheinungen, in verschiedenen Zweigen
der Mechanik, in dem Magnetismus, in der Elektricität und sogar in
der Optik gearbeitet hat, ehe sich seine Kraft fast ausschliesslich
der Wärmelehre znlenkte, in der er das Höchste geleistet hat.
Die ersten physikalischen, oder ich sollte eigentlich sagen, che-
misch-physikalischen Beobachtungen — denn sie betreffen Erscheinun-
gen, denen Chemiker und Physiker ein gleiches Interesse schenken —
hat Magnus schon im Jahre 1828 angestellt*). Sie knüpfen sich an
die Wahrnehmung Döbereiner's, welche damals grosses Aufsehen
erregte, dass sich in einem gesprungenen Cylinder, der mit Wasser-
stoff gefüllt ist, der Spiegel der Sperrflüssigkeit langsam Ober das
Niveau des Wassers in der Wanne emporhebt. Man hatte geglaubt,
das Entweichen des Wasserstoffs durch den Sprung als eine Capillar-
erscheinung auffassen zu müssen. Magnus zeigt, dass die Capillarität
nichts mit der Erscheinung zu thun habe und spricht die bestimmte
Ansicht aus, dass das Entweichen des Wasserstoffs vielmehr einem
Verdunstungsprocesse zu vergleichen sei, welche Auffassung er durch
Versuche zu beweisen sucht. Aber hiermit hat auch die Frage das
lnteres.se für ihn verloren und mit Erstaunen sehen wir, wie er den
Fuss von der Schwelle einer grossen Entdeckung zurückzieht. Wie
konnte er es unterlassen, so fragen wir heute, das rückständige Gas
in dem Cylinder zu untersuchen, dessen Prüfung ihm alsbald den
Schlüssel der Erscheinung in die Hand gegeben hätte? Aber die Ent-
deckungen, wie die Früchte, bedürfen der Zeit zu ihrer Reife, und
erst fast eine Dekade später war es Thomas Graham vergönnt,
*) Ueber einige Erscheinangen der Capillarit&t. Pogg. Ann. X. 153. (1827).
52
den Schleier von jenen wunderbaren Phänomenen hinwegzuziehen,
welche sich in dem Dö be rein er'schen Versuche in ihrer einfach-
sten Form der Forschung bieten.
Magnus selbst ist später nur ganz vorübergehend noch einmal
auf verwandte Fragen zurückgekommen. Von der Vorstellung aus-
gehend, dafs verschiedenartige Stoffe, je nach der Feinheit ihrer klein-
sten Theilchen, eine ungleiche Fähigkeit besitzen könnten, durch sehr
dünne Oeffnungen zu dringen, dass z. B. Oeffnungen, welche Wasser-
stoffgas noch leicht durchlassen, für Sauerstoffgas undurchdringlich
sein möchten, beschäftigt er sich mit der Verdunstung des Wassers
aus Capillarröhren im schwefelsäuretrocknen Vacuum*). Er vergleicht
die Verdunstung des Wassers aus engeren und weiteren Röhren, in-
dem er es für möglich hält, dass die Wassermolecule aus den weiteren
Röhren leichter entweichen, als aus den engeren. Der Versuch zeigt in-
dessen gerade das Gegentheil, zweifelsohne weil enge Röhren dem
Verdunstungsprocesse eine verhältnifsmäfsig gröfsere Oberfläche bieten.
Die eben genannten beiden kleinen Aufsätze sind die ältesten
physikalischen Studien unseres Freundes. Es würde sich aber nicht
empfehlen, auch für die Betrachtung seiner grösseren physikalischen
Arbeiten die Ordnung der Zeitfolge beizubehalten. Die Schilderung
wird an Durchsichtigkeit gewinnen, wenn wir, wie bei dem Rück-
blick auf seine chemischen Leistungen, die gleichartigen Unter-
suchungen zusammenfassen, obwohl sie hier zum Oefteren erst nach Jah-
ren wieder aufgenommen und wiedererst nach Jahren vollendet werden.
Werfen wir zunächst einen Blick auf seine Thätigkeit in dem
Gebiete der Mechanik.
Die Fortschritte der Hydrodynamik hatte Magnus schon früh-
zeitig, jedenfalls schon während seines ersten Aufenthaltes in Paris
(1829), wo er zu Felix Savart in nähere Beziehung getreten war,
mit dem lebhaftesten Interesse verfolgt. Seine eigenen Arbeiten**) in
diesem Felde gehören indessen erst einer viel späteren Zeit an.
Zweck dieser Arbeiten ist die Klärung der noch immer mangel-
haften theoretischen Anschauungen über die Bewegungserscheinungin
der Flüssigkeiten. Zunächst sind es die Apparate, welche Magnus
mit der ihm für die Lösung solcher Aufgaben eigenthümlichen Be-
gabung, vereinfacht. Diese verbesserten Hülfsmittel, mit deren
Besitz die Anstellung hydraulischer Versuche wesentlich erleichtert
wird, gestatten ihm alsbald, eine grosse Reihe neuer und interessanter
Erscheinungen zu beobachten, welche das dem Theoretiker zur Ver-
*) Ueber die Verdunstung von Flüssigkeiten aus Haarröhrchen. Pogg. Ann.
XXVI. 463 (1832).
**) Ueber die Bewegung der Flüssigkeiten. Pogg. Ann. LXXX. 1. (1860).
Heber die Form des flüssigen Strahls. Berl. Der. 1856, 117.
Hydraulische Untersuchungen. Pogg. Ann. XCV. 1. (1866); CVI. 1. (1859).
fügiiiig stehende Erfahrungsmaterial, zumal nach der schon von Savart
angebahnten Richtung hin, in niannichfultiger Weise erweitern.
Eine grosse Anzahl der von Magnus ausgeführten Versuche be-
trifft die bekannte, auffallende Erscheinung, dass der flüssige Strahl,
wenn er sich durch andere flüssige Mittel, ob tropfbar, ob gasförmig,
bewegt, diese Mittel in seine Bewegung mit hineinzieht.
Der Strahl, indem er die vor ihm liegende Masse stösst und in
Bewegung setzt, dabei aber selbst von seiner Bewegung verliert, breitet
ich, während seines Fortschreitens mehr und mehr aus, weil bei ver-
miii-it'ter Geschwindigkeit die bewegte Masse zunimmt. Durch einen
^•■gthenen Querschnitt desselben muss also mehr Wasser fliessen, als
'US dem nachfolgenden unmittelbar zuströmen kann; es entsteht in ge-
rn Sinne ein verdünnter Raum und der nach aussen gerichtete
'. der Flüssigkeit vermindert sich im Strahle während seiner Be-
wegung; ein Ueberdruck von Aussen nach Innen macht sich geltend,
welcher das seitlich gelegene Wasser in den Strahl hineintreibt.
Mit Hülfe dieser einfachen Vorstellung erklärt Magnus in be-
ledigender Weise eine Reihe hierhergehöriger Vorgänge, nachdem
r sich vorher durch zahlreiche und vielfach abgeänderte Versuche
Uerzeugt hatte, dass sich der flüssige Strahl bei der Bewegung durch
Flüssigkeiten in der That unter allen Umständen nach vorne ausbreitet.
Auch das Plätschern des Wassers und die Wassertrommel, welche
[)äter beziehung-weise von Tyndall und von Baff in eingehender
A eise studirt worden sind, hat Magnus im Laufe dieser ünter-
-iichungen in den Kreis der Betrachtung gezogen. Die wichtigste
Verwerthung hat der von ihm aufgestellte Satz jedoch in einer anderen
Reihe von Untersuchungen gefunden, in sofern er mit seiner Hülfe
die Abweichung der Wurfgeschosse aus ihrer Bahn erklärt hat.
In der zweiten Abhandlung theilt Magnus seine Erfahrungen
über die Wirkung mit, welche zwei flüssige Strahlen auf einander
ausüben, und bespricht bei dieser Gelegenheit mannichfaltige. oft sehr
•igenthümliche Gebilde, welche .das Wasser zweier aufeinander-
-tossender Strahlen hervorbringen kann. Auch hier ist es wieder die
I>eseitigung experimentaler Schwierigkeiten, welche er mit gewohntem
Erfolge anstrebt. Es handelt sich darum, zwei Strahlen von genau
gleicher Geschwindigkeit zu erhalten. Zu dem Ende wird der Wasser-
fhälter mit einem weiten Ansatzrohre versehen, welches sich möglichst
ahe beim Austritt in zwei etwas engere Schläuche von gleicher
Länge verzweigt. Letztere tragen Messingfassungen, in welche Mund-
stücke von verlangter Beschaffenheit eingeschraubt werden.
Auf das Verhalten zusammenstossender Strahlen sucht nun
Magnus die Gestaltungen zurückzuführen, welche der aasfliessende
Strahl je nach der Form der Ausflussöffnung annimmt. Die ausge-
dehnten Versuchsreihen, die er im Sinne dieser Auffassungen ang»--
54
stellt und auf das Genaueste beschrieben hat, sind ein bleibender
Erwerb der Wissenschaft, wenn auch die von ihm gegebene Erklärung
der beobachteten Erscheinungen nicht von allen Physikern mit gleichem
Beifall aufgenommen worden ist.
In seiner letzten hydraulischen Arbeit beschäftigt sich Magnus
mit den eigenthümlichen Anschwellungen, welche an Flussigkeitsstrah-
len , wenn sie aus kreisrunder Oeffnung austreten, in Folge von Er-
schütterungen und selbst schon unter dem Einflüsse lang anhaltender
Töne zum Vorschein kommen. Savart, welcher diese Erscheinungen
zuerst einer eingehenden Prüfung unterwarf, hat dieselben von einerdurch
die Erschütterung beschleunigten Auflösung des zusammenhängenden
Theils des Strahls in Tropfen abhängig zu machen gesucht. Zu der-
selben Erklärung führen auch die Versuche von Magnus. Eine grosse
Schwierigkeit bietet bei derartigen Untersuchungen die scharfe Beob-
achtung des Strahls in seinen Einzelheiten. Keines der bereits ange-
wendeten Hülfsmittel, welche nach einander mit grosser Sorgfalt ge-
prüft werden, führt ihn zu befriedigenden Ergebnissen. Ein glück-
licher Griff räumt alle Hindernisse aus dem Wege. In einer um ihre
Axe drehbaren Scheibe ist in der Richtung des Radius ein einziger
Querschnitt von nicht mehr als 1 '°"' Breite angebracht. Diese Scheibe
stellt Magnus in geringer Entfernung von dem zu beobachtenden
Strahl auf und lässt sie mit solcher Geschwindigkeit rotiren, dass
er, durch die Spalte blickend, den Strahl fortwährend zu sehen glaubt,
obwohl das Licht immer nur nach Vollendung je einer Umdrehung
ins Auge gelangen kann. Findet die Beobachtung statt, während
sich die Spalte von unten nach oben, d. h. also der Richtung des senk-
recht niederfliessenden Strahls entgegen bewegt, so erscheinen die be-
trachteten Wassermassen scharf und unverzerrt in ihrer augenblick-
lichen Gestalt. Als Mittel, während längerer Zeit einen schwachen Ton
zu erhalten, d. h. in regelmässiger Folge eine Reihe von leichten Er-
schütterungen zu bewirken, dient ihm bei diesen Versuchen der
bekannte Neef'sche Hammer, der mit dem Behälter, aus dem das
Wasser ausfliesst, in Verbindung stehend, den Strahl selbst in eine
kaum merkbar zitternde Bewegung versetzt.
Mit den hydraulischen Arbeiten, welche, da sie dem Chemiker
ferner liegen, hier nur flüchtig skizzirt werden konnten, in enger
Beziehung steht die zu Anfang der fünfziger Jahre von Magnus
ausgeführte Untersuchung über die Abweichung der Geschosse,
welche sich ebensosehr durch die Eleganz der Versuche, als durch
den Scharfsinn der an die Versuche anknüpfenden theoretischen Er-
örterungen auszeichnet. Diese grosse Arbeit erschien zuerst in den
Denkschriften der Berliner Akademie und dann in Poggendorff 's
ÜÜ
Annaleu*). Bei dem grossen Interesse, welches die allgemeine Ein-
ihrung gezogener Geschütze der behandelten Frage zuwendete, waren
ie Extraabdrücke, welche von der in den Denkschriften veröffent-
chten Abhandlung in den Handel gekommen waren, schnell vergriffen,
lind Magnus hat daher später noch eine besondere vermehrte und
verbesserte Ausgabe veranstaltet**).
Versuchen wir, wenn auch nur in dürftigstem Umrisse, ein Bild
dieser wichtigen Forschung zu gewinnen.
Bewegte Luft erfährt bekanntlich durch jeden Widerstand, der
:ih ihrer Richtung entgegenstellt, eine Verdichtung, also auch eine
vermehrte Spannung, die dann ihrerseits wieder Druck und Bewegung
erzeugen kann; so der Luftstrom, welcher auf das Segel oder auf den
Flügel der Windmühle auftrift't.
Ein solcher Widerstand wird auch durch eine ruhende Luftmasse
veranlasst, wenn sie einem Luftstrome, d. h. einer bewegten Luftmasse,
gegenübersteht. Ruhende sowohl als bewegte Luft nehmen bei diesem
Zusammentreffen eine grössere Dichtigkeit an und können auf solche
Weise Quelle der Bewegung, sowohl für umgebende Luftmasseu, als
auch für starre, in diese Luftmassen eingetauchte Körper werden.
Umgekehrt vermindert sich die Dichtigkeit gespannter Luft, so-
bald sie in Bewegung gesetzt wird, und gleichzeitig verringert sich
auch der Druck, den sie ringsum auf ihre Umgebung ausübt.
Handelt es sich um das Studium der Beziehungen zwischen einem
:arren Körper und der auf ihn einwirkenden Luft, so braucht kaum
..emerkt zu werden, dass die Erscheinungen ganz dieselben bleiben,
ob der Luftstrom an dem Körper vorüberziehe oder ob der Körper
«ich mit gleicher Geschwindigkeit durch die Luft bewege.
In beiden Fällen wird stets eine dünne, den starren Körper um-
[)ülende Lufthülle an seiner scheinbaren oder wirklichen Bewegung
i heil nehmen, und es ist einleuchtend, dafs diejenigen Lufttheile, welche
der Körper vor sich herschiebt, sich verdichten und daher gegen ihn
drücken müssen, während diejenigen, welche er mit sich zieht, seit-
wärts und rückwärts einen verdünnten Raum lassen, mithin eine Ver-
minderung des allgemeinen Luftdrucks nach diesen Richtungen be-
dingen werden.
Diese Grundsätze, obwohl wesentlich in dem Boden der Erfahrung
wurzelnd, lassen sich gleichwohl nur schwierig zur unmittelbaren An-
schauung bringen; sind sie ja selbst der Rechnung bis jetzt nur unvoll-
kommen zugänglich gewesen. Indem Magnus das Studium dieser
Fragen aufnimmt, zeigt sich alsbald wieder sein wunderbares Talent
für die Bewältigung experiment-aler Schwierigkeiten ; ein von ihm con-
*) üeber die Abweichung der Geschosse. Berl. Abb. (Phvs.). 1852. 1. Pogjf.
Ann. LXXXVIII. 1. (1863).
**) Ferd. DUmmler's VerUgsbachhsndlung. Berlin. 1860.
5G
struirter, höchst sinnreicher Apparat erlaubt auch dem auf dem Ge-
biete der Mechanik nur wenig Bewanderten die eben angefülirten Grund-
wahrheiten im Versuche zu bethätigen. Und was hier für die Theorie
(Mworben ist, bleibt begreiflich nicht lange ohne practische Verwerthung.
Magnus knüpft an seine Versuche die in hohem Grade scharfsinnige
Erklärung der von den Artilleristen längst festgestellten Abweichung
der Rundgeschosse aus ihrer Flugbahn.
Bei den kugelförmigen Geschossen fällt erfahrungsgemäss der
Schwerpunkt selten mit dem geometrischen Mittelpunkt zusammen.
Die Folge ist, dass sie, sei es schon im Rohr durch die Triebkraft
der Pulvergase, sei es während ihres Fluges durch den Druck der
Luft, eine rotirende Bewegung um ihren wirklichen Schwerpunkt an-
nehmen, eine rotirende Bewegung, welche die fortschreitende begleitet,
und deren Axe die Flugbahn winkelrecht durchkreuzt.
Es ist bekannt, dass ein rotirender Körper die ihn umgebende
Lufthülle bis zu einer gewissen nicht ganz unbeträchtlichen Entfernung
hin mit in den Kreis seiner Bewegung hineinzieht. Jedermann denkt
dabei an den mehr oder weniger starken Luftzug, den er in der
Nähe des Schwungrades einer Dampfmaschine empfunden hat. So
dreht sich denn auch mit dem um seine Schwerpunktsaxe rotirenden Rund-
geschosse eine Lufthülle. Diese Lufthülle muss aber, in Ueberein-
stimmung mit den oben gegebenen Erörterungen, da wo die fort-
schreitende Kugel gegen die Atmosphäre andringt, verdichtet, an der
gegenüberliegenden Seite aber verdünnt werden. Es wird also auf der
zuerst betrachteten Seite ein Ueberdruck entstehen, welcher stetig
fortwirkend der Kugel eine Bewegung seitlich zur Fluglinie ein-
flösst. Die Richtung dieser Ablenkung wird von dem Winkel ab-
hängig sein, welchen die Rotationsaxe des Geschosses mit der Ebene
seiner Flugbahn, d. h. der durch die Fluglinie gelegten senkrechten
Ebene, bildet. Hat sich die Rotationsaxe winkelrecht zur Ebene der
Flugbahn gestellt, so wird die Kugel zwar in dieser Ebene beharren,
wohl aber die Fluglinie verändern; bei jeder andern Lage der Axe
muss sie auch aus der Ebene der Flugbahn heraustreten.
Bei Kugelgeschossen, welche aus gezogenen Geschützrohren ent-
sendet werden, kann diese Art der Abweichung nicht statlündm.
Durch den Einfluss der Züge wird die Kugel eine Drehung annehmen,
deren Axe der Cylinderaxe des Geschützes paiallel ist, welche also
winkelrecht zur Richtung der Wurfbewegung statttindet. Nach dem
Gesetze der Trägheit bleibt die Lage der Rotationsaxe dem Geschosse,
auch nachdem es den Lauf verlassen hat, und so lange die Kugel
verhindert ist, sich um eine die Flugbahn durchschneidende Rotations-
axe zu drehen, sind auch die Bedingungen für die Abweichung nicht
länger gegeben.
Wiederum anders gestalten sich die Erscheinungen, wenn statt
57
der Kugeln längliche, zumal cyliDdrische Geschosse mit conischer Zu-
spitzung nach vorne aus gezogenen Geschützen abgefeuert werden.
Bei diesen gewahrt man wieder eine, allerdings nur unbedeutende
Abweichung, welche das Charakteristische zeigt, dass sie stets nach
derselben Richtung stattfindet, nämlich nach der Rechten des Be-
schauerä, welcher hinter dem Geschütze steht und über den Lauf
desselben hinblickt.
Die Züge, wie sie die heutige Artillerie in die Geschütze ein-
schneidet, sind immer in demselben Sinne gewunden, nämlich so,
dass wenn ein Beobachter hinter dem Geschütz dies ansieht und
die Richtung verfolgt, in welcher ein Punkt sich in dem Zuge von
ihm fortbewegt, dieser in dem obern Theile des Rohrs von links nach
rechts und in dem unteren von rechts nach links oder, um es kürzer
auszudrücken, wie der Zeiger einer Uhr geht. In demselben Sinne
erhalten begreiflich die Geschosse, welche diesen Zügen folgen müssen,
eine Drehung um ihre Längenaxe. Magnus bezweifelt nicht, dass,
wenn ein Langgeseboss aus einem Geschützrohre geschleudert würde,
in welchem die Windungen der Züge im entgegengesetzten Sinne, also
umgekehrt wie der Zeiger der Uhr, liefen, die Seitenabweichung des
Geschosses zur Linken des Beobachters eintreten müsste.
Für die Richtigkeit dieser Vorstellung spricht eine Reihe schöner
Versuche, durch welche Magnus die wirklichen Vorgänge veran-
schaulicht , und an welche anknüpfend er seine Auffassung mit
allgemein anerkannten Sätzen der Mechanik in Einklang bringt.
Zuerst macht er darauf aufmerksam, dass die Längenaxe des Ge-
schosses, um welche dasselbe rotirt, nicht genau eine Tangente der
Flugbahn sein oder wenigstens nicht bleiben kann. Diese Abweichung
der Rotationsaxe von der Tangente müsste eigentlich, so könnte man
denken, eine immer grössere werden, denn die Trägheit strebt die ur-
sprüngliche Richtung dieser Axe unverändert zu erhalten, während das
Geschoss von dem Augenblick an, in dem es den Lauf verlässt, der Ein-
wirkung der Schwere Folge leistet. Es ist gleichwohl nachgewiesen,
dass diese Abweichung der Rotationsaxe von der tangentialen Rich-
tung zur Flugbahn nur sehr unbedeutend ist und es muss demnach eine
Ursache vorhanden sein, durch welche die Spitze des Geschosses eine
nach und nach eintretende Senkung erfährt.
Magnus findet diese Ursache in dem Widerstände der Luft,
durch welche das Geschoss, sobald seine Axe aus der ursprünglichen
tangentialen Richtung zur Flugbahn heraustritt, getroflfen wird. Die
Wirkung dieses Druckes strebt, das fliegende Geschoss um den
Schwerpunkt seiner Rotationsaxe zu drehen, und zwar so, dass das
vordere Ende sich hebt. Aber diese Hebung wird nur eine äusserst
geringe sein, auch folgt derselben unmittelbar eine Ablenkung nach
rechts und Senkung der Spitze, indem der Luftdruck auf das rotirende
6
58
Geschoss gerade so wirkt, wie etwa ein seitlicher Stoss auf den um
eine senkrechte Axe rotirenden Kreisel. Denn wie die Rotationsaxe
des Kreisels, durch den Stoss aus der Verticalen abgelenkt, nunmehr
in eine langsame , im Sinne der rotirenden Kreiselmasse erfolgende
Drehung um eine Kegeloberfläche ^eräth, so wird auch die Axe des
rechts rotirenden Geschosses unter dem Einflüsse des Luftdruckes,
welcher seine Spitze hebt, eine äusserst langsame, conische Bewegung
gewinnen, welche eine Ablenkung der Spitze nach rechts und eine
gleichzeitige Senkung bedingt. y,In Folge hiervon", sagt Magnus,
„nimmt das Geschoss eine gegen die Richtung des Widerstandes der
Luft schräge Lage an, und dadurch wird dasselbe bei seinem ferneren
Fortschreiten nach der Seite hinübergedrückt, nach welcher die Spitze
gewendet ist, indem der Widerstand der Luft gegen dasselbe wie
gegen eine schiefe Ebene wirkt und so die Abweichung hervorbringt.
Dadurch hat es den Anschein, als ob der Druck der Luft gegen den
hinteren Theil des Geschosses grösser als gegen den vorderen sei,
während er in der That gegen den vorderen Theil grösser als gegen
den hinter dem Schwerpunkte liegenden ist."
Am Schlüsse seiner meisterhaften Untersuchung macht Magnus
noch darauf aufmerksam, dass die Abweichung der Langgeschosse,
die während des Flugs um ihre Längenaxe rotiren , sehr wesentlich
von ihrer Gestalt und ihrer Lage gegen den Luftwiderstand abhängig
ist. Wie die Abweichung eintreten wird, lässt sich jedoch bis jetzt
nur auf dem Wege der Erfahrung bestimmen. So wünschenswerth
für die Wurfgeschosse eine möglichst kleine Abweichung erscheine,
so sei doch die Wahl einer Gestalt des Geschosses, bei welcher keine
Abweichung stattfindet, wenn auch theoretisch denkbar, gleichwohl für
die Praxis nicht in aller Strenge durchzuführen und desshalb nicht
einmal empfehlenswerth.
Magnus ist später noch einmal auf diesen Gegenstand zurück-
gekommen, indem er eingehend eine, gelegentlich der vorerwähnten
Untersuchungen ersonnene, Vorrichtung beschreibt*), welche in hohem
Grade geeignet ist, die mannichfaltigen, von dem Beharrungsvermögen
rotirender Körper abhängigen, oft höchst überraschenden Erscheinun-
gen zur Anschauung zu bringen. Es ist dies der unter dem Namen
Polytrop längst bekannt gewordene Apparat, welcher bereits in
viele physikalische Lehrbücher übergegangen ist und in keinem
physikalischen Cabinette mehr fehlen dürfte.
Betrachten wir zunächst die Forschungen auf dem Gebiete des
Magnetismus und der Elek trici tat.
*) Verbesserte Constructioii eiues Appariites zur KrlUtiterung verscliieiJener F.r-
sclieinungen bei rotircmleu Körpern. Pogg. Ann. XCI. 295. (1854).
59
Den rein magnetischen Erscheinungen hat Magnus nur vor-
übergehend Seine Aufmerksamkeit geschenkt. Die hier zu nennende
Arbeit über den EinBuss des Ankers beim Magneten*) fällt in eine
Zeit, in der das Gebiet des Magnetii<mus durch die Entdeckung des
Elektromagnetismus bereits ungemein erweitert, aber doch nur erst
den Hauptzügen nach erforscht war; es bandelte sich daher hier auch
nicht um die Eröffnung neuer Bahnen, sondern um den Ausbau des
bereitd erschlossenen Feldes. In der That ist das Hauptergebniss
dieser Arbeit, nämlich, dass die Entfaltung des Magnetismus in Eisen-
und Stahlstaben Zeit bedürfe, im Sinne der gegenwärtigen Auffassung
des Magnetismus, in so hohem Grade naturnothwendig, dass dem
heutigen Leser die mitgetheilten Versuche mehr zur Selbstbelehrung
über bereits verständliche, als zur Erklärung noch unverständlicher
Erscheinungen unternommen zu sein scheinen.
Weit eingehender hat sich unser Freund mit der Elektricitäts-
lehre beschäftigt. Auf diesem Felde tritt er sogleich mit einer Arbeit
von grosser Wichtigkeit für die Theorie hervor. Seine ersten Ver-
suche betreffen eine von Sturgeon beobachtete, aber unerklärt ge-
lassene Erscheinung**). Sturgeon hatte gefunden, dass, wenn man
statt eines massiven Eisencylinders ein Bündel von Eisendrähten in die
primäre Rolle eines Inductionsapparates einschiebt, die Wirkung des
letzteren beim Oeffnen der Kette wesentlich erhöht wird.
Indem Magnus diese Erfahrung zu erklären versucht, weist er
zunächst durch die Beobachtung der Wirkung von Elektromagneten
auf eine entfernte Magnetnadel nach, dass die erhöhte inducirende
Kraft der Drahtbündel nicht von einem verstärkten Elektromagnetis-
mus begleitet ist.
Ein glücklicher V^ersuch liefert ihm alsdann den Schlüssel der
Erscheinung. Das in die Inductionsrolle eingeschobene Drahtbündel
wird mit einer geschlossenen cylindrischen Mefallhülle umgeben«
augenblicklich erlischt die Fähigkeit des Drahtbündels, die Intensität
der Induction zu verstärken, um alsbald in ihrer ganzen Grösse wie-
der zum Vorschein zu kommen, wenn die Metallhülle ihrer Länge
nach aufgeschlitzt wird. Damit aus diesem Versuche die kräftigere
Wirkung des Eisendrathbündels erhelle, erinnert Magnus an die
Erklärung, welche Faraday von der Thatsache gegeben hat, dass das
Aufrollen des Leiters zu einem Gewinde die Stromwirkung beim
Oeffnen vermehrt.
n»>- <^in Gewinde durchlaufende elektrische Strom erzeugt im
') Lfbf.'T die Wirkung des Ankers auf Eleldromagnete nnd Suhhnagnete.
Pogg. Ann. XXXVIII. 407 (1886).
**) Ueber die Wirkung von BUndeln aus Eisendraht beim Oeffnen der gaivani
sehen Kette. Pogg. Ann. XLVIII. 95. (1839).
5*
60
Augenblick seines Verschwindens in der Masse des Gewindes einen
gleichgerichteten Strom dem eine um so grössere elektromotorische
Kraft zu Grunde liegt, je rascher die Unterbrechung erfolgt^
daher der sogenannte Extrastrom heftige Muskelzuckungen bewirkt und
sogar einen Funken durch die Luft zu senden vermag.
Umgiebt das Gewinde einen geschlossenen Leiter, so wird bei
der Unterbrechung des Stromes auch in diesem Leiter eine elektro-
motorische Kraft entwickelt, welche einen dem ursprünglichen Strome
gleichgerichteten Strom veranlasst. In Folge dieser gleichen Richtung
aber muss dieser neue Strom während seines Anschwellens, weil er
dem verschwindenden Strome des Gewindes einen entgegensetzten
Strom inducirt, die Steigerung der elektromotorischen Kraft im Augen-
blicke des Oeffnens der Kette mehr oder weniger stören.
Ist der in das Gewinde eingeschobene, geschlossene Leiter ein
eiserner Cylinder, so wird derselbe ausser der gedachten Störung,
welche er, wie jeder andere geschlossene Leiter, in der Steigerung
der elektromotorischen Kraft beim Oeffnen der Kette verursacht, noch
eine andere Wirkung ausüben, welche durch den Umstand bedingt ist,
dass sich der eiserne Cylinder durch den in dem Gewinde circuliren-
den Strom in einen Magneten verwandelt hat.
Da sich der Magnetismus des Eisenkerns als ein elektrischer Strom
auffassen lässt, welcher dieselbe Richtung hat, wie der ihn hervor-
bringende, ursprüngliche Strom des Gewindes, so wird im Augenblicke
des Oeffnens der Kette, der im Eisen verschwindende Magnetismus
auch gerade so wirken, wie der im Gewinde verschwindende elektri-
sche Strom. Beide, in demselben Sinne ausgeübte Wirkungen unter-
stützen sich und bedingen mithin die Entwickelung einer grösseren
elektromotorischen Kraft beim Unterbrechen des Hauptstromes.
Es leuchtet ein, dass von den beiden im entgegengesetzten Sinne
auftretenden Wirkungen, welche der Eisencylinder, einmal als ge-
schlossener Leiter, dann aber als Magnet auf die Entfaltung der elek-
tromotorischen Kraft beim Oeffnen der Kette ausübt, nur die Differenz
zur Geltung kommen kann.
Gelänge es, einen Elektromagneten zu erzeugen, der nicht auch
gleichzeitig ein geschlossener Leiter wäre, so würde die ganze ver-
stärkende Wirkung des verschwindenden Magnetismus, der bei der
Stromunterbrechung auftretenden elektromotorischen Kraft zu Gute
kommen können.
Ein solcher Fall aber ist, nach der Auffassung von Magnus,
eingetreten, wenn wir statt eines massiven Eisencylinders ein aus
dünnen Eisendrähten gebildetes Bündel in das Gewinde einschieben,
durch welches der ursprüngliche Strom sich bewegt. Ein solches
Drahtbündel ist kein geschlossener Leiter mehr und die ungünstige
61
Indactionswirkung, welche die Steigerung der elektromotorigohen Kraft
bei der Unterbrechung des Strome» stören würde, fällt wog.
Magnus führt noch als weiteren Beweis für die Richtigkeit
der schönen Erklärung, welche er von der von Sturgeon beob-
achteten Erscheinung gegeben hat, die Thatsache an, dass auch mit
einem hohlen Eisencylinder die gesteigerte Wirkung der Draht-
bündel erzielt wird, wenn man nur Sorge getragen hat. die Wand
des Cylinders der Lange nach aufzuschlitzen.
Eine andere schone Arbeit von Magnus betrifft die thermo-elek-
trischen Ströme*), und zwar diejenige Art von Thermoströmen, welche
in nur aus einem einzigen Metalle bestehenden geschlossenen Leitern
hervorgerufen werden können.
Er zeigt zunächst, dass dergleichen Ströme, bei vollkommener
Gleichartigkeit des leitenden Metalles in seinen chemischen sowohl
als physikalischen Eigenschaften, nicht entstehen, dass aber schon Ver-
schiedenheiten in der Härte zur Hervorbringung von Strömen hin-
reichen.
Erhitzt man z. B. einen Draht, der dadurch hart geworden ist,
dass er mehrere Male durch ein Zieheisen gezogen wurde, an einer Stelle
so stark, dass er weich wird, und erwärmt alsdann die Stelle, wo der
Uebergang vom harten zum weichen Theile stattfindet, auf 100*^, so
erhält man einen Strom.
Auf diese Erfahrungen hin construirt Magnus eine Art elektri-
scher Säule aus einem Metalle, mit deren Hülfe die Erscheinung in
Vorlesungen höchst elegant und überzeugend zur Anschauung gebracht
werden kann.
Zu dem Ende werden an einem harten Messingdrahte mehrere
Stellen, alle von gleicher Länge, etwa 0",15, durch Glühen weich
gemacht, indem man zwischen ihnen immer Stellen von derselben
Länge hart lässt. Alsdann wird der Draht um einen Holzrahmen
gewunden, der aus zwei sich kreuzenden Brettchen besteht, und zwar
so, dass die Theile des Drahtes, wo harte und weiche Stellen anein-
ander stossen, in die Mitte der kurzen Seiten des oblongen Rahmens
fallen.
Eine solche Säule von Messingdraht ist wirksam genug, um
durch Erwärmung einiger Paare in der einen Seite , die Nadel eines
empfindlichen Galvanometers zo einem starken Ausschlag zu bringen.
Magnus macht noch darauf aufmerksam, dass sich die hier be-
schriebenen Ströme wesentlich von denjenigen unterscheiden, welche
dadurch entstehen, dass zwei Stücke desselben Metalles, von welchen
das eine wärmer ist als das |ndere, mit einander in Berührung kommen.
•) üeber Ihermo-elektrwche Ströme. Pogg. Ann. LXXXIII. 469. (1850).
Ö2
Solche Ströme fand er bei allen Metallen, die er in Draht- oder Stab-
form benutzen konnte. Bei der Berührung von kaltem mit warmem
Quecksilber blieben sie aus.
Für einen Naturforscher, dessen Auge die verschiedensten Ge-
biete der Physik und Chemie mit gleicher Sicherheit überschaute, lag
es nahe, auch die elektrochemischen Erscheinungen mit in den Kreis
der Untersuchung zu ziehen. In der That verdanken wir denn auch
Magnus mehrere Arbeiten, welche zur Erweiterung unserer Kenntniss
dieser Erscheinungen wesentlich beigetragen haben*).
Faraday hatte noch der alten Vorstellung gehuldigt, dass das
Salz eines Alkalis oder einer alkalischen Erde mit einer SauerstoflF-
säure durch die Kraft des elektrischen Stromes in Base (Metalloxyd)
und Säure zerlegt werde. Dagegen hatte Dan i eil später gezeigt, dass
der Strom, auf eine solche Salzlösung einwirkend, neben der Base
Wasserstoff und neben der Säure Sauerstoff ausscheidet, dass man
also, um jene ältere Annahme beibehalten zu können, sie mit der
weiteren Annahme verbinden müsse, der Strom besitze der Salzlösung
gegenüber eine zweifache zersetzende Kraft, welche sich einmal auf
das Salz, dann aber auf das Wasser erstrecke. Weitere gemeinschaft-
lich mit Miller ausgeführte Untersuchungen führten ihn schliesslich
zu der Ansicht, jener scheinbare Widerspruch könne leicht durch die
Vorstellung gehoben werden, dass die Elektrolyse der Alkalisalze ge-
rade so erfolge, wie die der Salze schwerer Metalle, dass nämlich der
Strom zunächst eine Spaltung in Metall und eine sauerstoflFreiche
Atomgruppe (das Säureradical) bewerkstellige, und dass erst in zweiter
Instanz das Metall durch Wasserzersetzung und unter Wasserstoff-
entwickelung sich in Metalloxyd verwandle, die sauerstoffreiche Atom-
gruppe aber in Sauerstoff und eine sauerstoffärmere Gruppe zerfalle,
welche mit den Elementen des Wassers sich verbindend die Säure
erzeuge.
In einem Kreise chemischer Fachgenossen , wie er in dieser Ge-
sellschaft vereinigt ist, brauche ich nicht die Schönheit und Einfach-
heit dieser Hypothese hervorzuheben, sehen wir doch mit ihrer Annahme
alsbald die letzte Schranke fallen, welche man zwischen den Salzen
der Wasserstoff- und Sauerstoffsäuren noch vertheidigen könnte.
Prüfung dieser Hypothese ist nun zunächst Gegenstand einer
Reihe eingehender Versuche, angestellt mit einer Umsicht in der An-
lage und einer Sorgfalt in der Ausführung, wie sie eben nur Magnus
eigen sind. Allein, wie bewundernswerth immer die Versuche,
wie ergiebig die Ernte des Thatsächlichen, mit welcher sie die Wissen-
*) Elektrolytische Untersuchungen. Pogg. Ann. CIL 1. (1857).
Ueber directe und indirecte Zersetzungen durch den galvanischen Strom. Pogg.
Ann. CIV. 553. (1858).
63
Schaft bereichern, ich handelte gewifs nicht in dem Sinne unseres ge-
schiedenen Freundes, dem die Wahrheit über Alles ging, wollt' ich
verschweigen, dass die Schlüsse, welche er aus seinen Versuchen
ziehen za müssen glaubte, im Augenblicke nicht mehr getheilt werden.
Darf doch neben solcher Fülle des Lichtes auch der leichte Schatten
nicht fehlen!
Im Laufe seiner elektrolytischen Versuche beobachtet Magnus in
der That manche Erscheinungen, welche sich, auf den ersten Blick
wenigstens, mit der Auffassung der beiden englischen Physiker nicht
vereinigen lassen; allein wir würden die Hypothese derselben durch
seine V^ersucbe nur dann für entkräftet halten dürfen, wenn es ihm
gelungen wäre, eine befriedigendere Erklärung der wahrgenommenen
Erscheinungen an ihre Stelle zu setzen.
So hat sich Magnus durch sehr genaue Versuche überzeugt, dass
bei der Zersetzung des Natriurasulfats in getrennten Compartimenten
der Zersetzungszelle am negativen Pole allerdings äquivalente Mengen
Natriumhydrat und Wasserstoff ausgeschieden werden, dass aber am
positiven Pole mehr Sauerstoff auftritt, als im Sinne der Daniell-
Mi 11 er 'sehen Hypothese der frei gewordenen Schwefelsäure entsprechen
würde, und er ist geneigt, in diesem Versuche einen entscheidenden
Beweis gegen die Richtigkeit derselben zu erblicken. Allein diese
Hypothese wirft ein so überraschendes Licht auf die elektrolytischen
Vorgänge und gewährt eine so weitgehende Bestätigung des elektroly-
tischen Gesetzes, dass man auf eine vereinzelte Ausnahme, wie sie in
dem gedachten Versuche wahrgenommen wird, sich eines so werth-
vollen Hülfsmittels für das Verständniss der Erscheinungen nicht wird
begeben wollen, ehe man alle Mittel erschöpft hat um, was sich in
dem besonderen Falle als abweichend darstellt, mit dem in allen anderen
Fällen Beobachteten in Uebereinstimmung zu bringen.
Die Bedenken gegen die Dan iell - Mil le r'sche Hypothese, welche
Magnus aus seinen Versuchen erwuchsen, stützten sich, wie hier nur
flüchtig angedeutet zu werden braucht, auf die damals sehr allgemein
verbreitete Meinung, dass der Strom in wässrigen Gemischen inner-
halb gewisser Grenzen nur ganz bestimmte Verbindungen elektroly-
sire, dass z. B. in einer Kupferlosung, selbst bei Gegenwart über-
schüssiger Säure, durch Ströme von verhältnissmässig geringer Stärke
nur das Kupfersalz und nicht die Säure zersetzt werde.
In Folge dieser Auffassung übersah Magnus bei seinen Versuchen
über die Elektrolyse des Natriumsulfats den Einfluss der am positiven
Pole auftretenden Säure. Gegenwärtig weiss man, dass die Elektrici-
tät bei ihrer Bewegung durch zusammengesetzte Flüssigkeiten keinen
der darin befindlichen Elektrolyten verschmäht; wenn man daher er-
wägt, dass das Schwefelsäurehydrat als Elektrolyt, sobald es frei ge-
worden, der Einwirkung des Stromes nicht entgehen kann, so ver-
64
steht man alsbald , waram am negativen Pole mehr Natriumhydraf,
als der am positiven Pole auftretenden Säuremenge entspricht, in
Freiheit gesetzt werden muss, und die aus dieser Beobachtung her-
vorgehenden Bedenken gegen die Hypothese der englischen Physiker
sind ohne Schwierigkeit gehoben.
Es ist kaum zu bezweifeln, dass sich auch Magnus den Ansich-
ten, die hier als die jetzt geltenden bezeichnet worden sind, in späteren
Jahren nicht verschlossen hat, zumal nachdem Buff*) die bezeich-
neten Verhältnisse in so überzeugender Weise dargelegt hatte. Er
ist aber auf diese Untersuchungen nicht mehr zurückgekommen, und
so trifft es sich, dass er zuweilen noch als Gewährsmann für Auffassun-
gen genannt wird, welche keine Bedeutung mehr haben. Eine Revision
des theoretischen Theiles dieser Arbeiten wäre um so wünschenswerther
gewesen, als die thatsächlichen Wahrnehmungen, welche er bei seinen
elektrolytischen Untersuchungen und zumal bei seinen Versuchen über
die Elektrolyse mehrfach zusammengesetzter Verbindungen machte, die
wesentliche Grundlage unserer Kfnntniss dieser Erscheinungen bilden.
Der von Magnus auf diesem Felde ermitteltenThatsachen ist eine
überaus grosse Anzahl, von denen hier Beispiels halber nur einige
angeführt werden sollen.
So findet er, dass neutrales schwefelsaures Eisenoxyd unter der
Einwirkung des Stromes unmittelbar oder mittelbar in Oxydulsalz,
das sich am negativen Pole ausscheidet, und in Sauerstoff und Schwefel-
säure zerfällt, welche am positiven Pole auftreten.
Lösungen von Kupferchlorür und Kupferchlorid , durch welche
man gleichzeitig den Strom leitet, werden so zerlegt, dass sich in
ersterer noch einmal so viel Kupfer ausscheidet, als in letzterer.
Ganz ähnliche Erscheinungen beobachtet man bei der Elektrolyse
einer wässrigen Lösung von Zinnchlorür und Zinnchlorid. Für die-
selbe Menge Sauerstoff, welche im Voltameter auftritt, wird aus dem
Chlorür gerade doppelt so viel Zinn niedergeschlagen, als aus dem Chlorid.
Reine Jodsäure wird so zerlegt, dass für je 5 Mol. Sauerstoff,
welche sich am positiven Pole entwickeln, 2 Mol. Jod am negativen
Pole erscheinen.
Die Ueberjodsäure zerfällt bei der Elektrolyse zunächst in Jod-
säure und Sauerstoff, denn im Anfange des Versuches beobachtet man
nichts anderes, als eine Entwickelung von Sauerstoff.
Ausser den bereits genannten elektrischen Arbeiten liegen von
Magnus noch einige Beobachtungen über Inductionsströme vor, welche
nur flüchtig erwähnt zu werden brauchen.
*) Buff, Elektrolytische Stadien. Ann. Cheni. riiarm. CV. 146.
Ueber dio Elektrolyse höherer Verbindungsstufen. Ann. Cheni. Pharm.
CX. 257.
65
Gegen Ende der fünfziger Jahre hatte sich da« allgemeine Interesse
der Physiker den Gei ssler'schen Röhren zugewendet. Auch Magnus
hat die schönen Erscheinungen, welche diese Röhren bieten, mit Auf-
merksamkeit verfolgt and der Berliner Akademie einige seiner Beob-
achtungen mitgetheilt*). Bekanntlich hüllt sich beim Uebergang des
Inductionsstroms durch die Luft vorzugsweise die negative Elektrode
in blaues Licht. Besonders schön und deutlich zeigt sich die Er-
scheinung, wenn der Unterbrechungsstrom in einer Gei ssler'schen
Röhre überspringt, welche stark verdünnte atmosphärische Lafi ent-
hält. Häufig beobachtet man indessen das blane Licht auch an beiden
Uebergangisstellen , woraus man auf ein Alterniren des Inductions-
stromes geschlossen hat, ohne dass man sich gleichwohl von der Ur-
sache dieses Verhaltens in allen Fällen eine deutliche Vorstellung
machen konnte. Bei dem Versuche, diese noch immer räthselhafte
Erscheinung zu erklären, hat Magnus wenigstens die Bedingungen
näher festgestellt, unter denen sie beobachtet wird, indem er es schliess-
lich als erwiesen ansieht, dass die zwischen den Elektroden durch ein
Gasvolum dringenden Inductionsströme innerhalb gewisser Grenzen
des Widerstandes einfach sind. Werden diese Grenzen, welche sich
mit der Intensität des Stromes ändern, nach der einen oder andern
Seite überschritten, so werden die Inductionsströme alternirend.
Bei Aasfubrung dieser Untersuchungen kommt Magnus auf
den Gedanken, eine Flässigkeitssäule, in ähnlicher Weise wie Neeff
dieselbe bereits früher zur Regulirnng von Widerständen benutzt
hatte, nunmehr als wirkliches Widerstandsmaass zu verwerthen**). Der
Apparat, den er zu diesem Ende construirt hat. und den erRheostat
für Flüssigkeiten nennt, besteht aus einer nicht ganz .3"" weiten
cylindrischen Glasröhre von etwa 1 " Länge, welche mit Wasser oder
einer andern Flüssigkeit gefüllt ist. An beiden Enden derselben
dringen Platindrähte von etwa 1 "" Dicke ein, von denen der eine
lang genug ist. um sich in die Röhre einschieben zu lassen bis er den
andern berührt. Der jedesmalige Abstand der beiden Drahtenden bei
einem Versuche kann mittelst des Kathetometers oder einer geeig-
neten Theilung auf dem Apparate selbst gemessen werden. Magnus
hat seinen Rheostaten, nachdem er ihn mit andern Widerstandsmaassen
verglichen hatte, zur Bestimmung des Leitungswiderstandes verschie-
dener Flüssigkeiten, wie des reinen Wassers, benutzt. Die Methode
zeichpf^' »i''>> <i>!'-pIi i|)re Einfachheit aus, ist aber mit ver'i''^ii' <1''n»ti
•) Ueber die VeränderuiiRen im Indnctionsstrom bei Anwendung verschiedener
WidersUnde. Po gg. Ann. CXIV. -299. (1861).
**) Ueber metallische und flfiAsige Widerstftnde. durch welche Induetionntröme
alternirend werden. Monat«h«'ri''b'" l*'^' »T».
66
Fehlerquellen behaftet, so dass sie keine allgemeine Anwendung ge-
funden hat.
Es wäre gewiss seifsam, wenn Magnus, dessen Arbeiten sich
nach so vielen Seiten hin verzweigen, nicht auch selbstthätig forschend
in das grosse Gebiet der Lichterscheinungen eingedrungen wäre,
zumal er alljährlich die Optik mit besondererVorliebe in seinen Vorle-
sungen vorzutragen pflegte. Und in der That finden wir denn unter
seinen zahlreichen Arbeiten auch eine optische*). Sie betrifft die
Frage, ob die Fortpflanzung des Lichtes sich auf Oscillationen der Luft-
theile zurückführen lasse. Mittelst eines geschickt combinirten Appa-
rates zeigt Magnus, dass sich die Lichtbeugungserscheinungen in der
Torricelli 'sehen Leere genau ebenso wie im lufterfüllten Räume
vollenden. Wenn sich nun auch nicht leugnen lässt, dass diese Fiage
zu der Zeit, als der angeführte Versuch angestellt ward, durch Beob-
achtung der New ton 'sehen Farbenringe im luftleeren Räume bereits
eine Entscheidung gefunden hatte, so war doch die Beantwortung der-
selben auf dem von ihm eingeschlagenen Wege bisher nicht versucht
worden. Immerhin aber bleibt es interessant, die vielseitige Forscher-
lust unseres Freundes auch nach dieser Richtung hin bethätigt zu sehen.
Wir haben Gustav Magnus nunmehr noch auf ein Gebiet von
Erscheinungen zu folgen, auf dem er mit Vorliebe thätig gewesen ist
und auf dem er sich bei Physikern sowohl als Chemikern den dauer-
haftesten und glänzendsten Ruhm erworben hat. Ich spreche von dem
Gebiete der Wärmeerscheinungen.
Mit der Wärmelehre hat sich Magnus während nahezu seiner
ganzen wissenschaftlichen Wirksamkeit beschäftigt. Seine erste hierher
gehörige Abhandlung, über das Maximumthermometer und die Wärme-
messungen in dem Bohrloche von Rüdersdorf, geht bis zum Jahre 1831
zurück; die letzte Arbeit, die er noch eben vor seinem Tode vollenden
konnte, ist die Untersuchung über die Veränderung der Wärmestrah-
lung durch Rauhheit der Oberfläche, welche erst vor einigen Monaten
in Poggendorff's Annalen erschienen ist.
Im Anfange der dreissiger Jahre interessirte man sich lebhaft
für die bekannte Wahrnehmung, dass in den Schachten der Bergwerke
mit wachsender Tiefe die Temperatur eine höhere wird. Gegen die
Richtigkeit dieser Beobachtung waren Bedenken erhoben worden. Einige
*) Ueber Diffraction des Lichtes im leeren Räume. Po gg. Ann. l.,XXl. 408.
(1847).
67
hatten sogar den tellurischen Ursprung dieser Temperaturerhöhung ge-
h-ugnet, sie vielmehr aus verschiedenen zufälligen Ursachen abzuleiten
gesucht. Eis kam also darauf an, Temperaturerhöhung bei wachsender
Tiefe anter Verhältnissen zu beobachten, welche alle diese Zufällig-
keiten ausschlössen. Hierzu boten die artesischen Brunnen gute Ge-
legenheit, und schon Paul Erman hatte die Temperaturerhöhung in
einem Bohrloche beobachtet, welches die Königl. Oberberghauptmann-
schaft in den Kalkbergen von Rüdersdorf hatte niederbringen lassen.
Die Beobachtungen Erman's waren mit höchst einfachen Mitteln an-
gestellt worden ; er hatte sich nämlich begnügt, ein sehr träges Ther-
mometer in das Bohrloch einzusenken und es dann so schnell als mög-
lich wieder eraporzuwinden Dieser Umstand hat Magnus veranlasst,
<He Untersuchug wieder aufzunehmen, und zwar in demselben Bohr-
loche von Rüdersdorf, in welchem schon Erman gearbeitet hatte.
Das Geothermometer*), so nennt Magnus das von ihm in
Anwendung gebrachte Instrument, ist eine besondere Form des schon
früher bekannten Quecksilber- Ausflussthermometers. Wie bei diesem
ist auch bei jenem das obere Ende offen und zu einer feinen Oeffnung
ausgezogen, welche zur Erleichterung des Ausflusses seitwärts umge-
bogen ist. Die Theilung des Instrumentes ist auf diejenige irgend
eines sehr genauen Thermometers reducirt, so dass bei massigen
Temperaturen die Anzeigen beider Instrumente übereinstimmen. Ueber
eine gewisse Temperatur hinaus, die im Voraus festgestellt ist, hat
aber das Quecksilber in der Röhre des Geothermometers keinen Platz.
Ein Theil davon fliesst aus. Wieviel dies beträgt, erkennt man bei
wieder eingetretener niedriger Temperatur aus der Differenz des Queck-
silberstandes im Normalthermometer und im Geothermometer , sol-ald
beide Instrumente genau dieselbe Temperatur angenommen haben.
Eine Quecksilbersäule von der Länge dieser Differenz zo der Länge
der flüssigen Säule im Geothermometer von der Ausmündung an hin-
zugerechnet und nach dem Verhältnisse der Theilung des Instrumentes
in Wärmegrade reducirt, giebt an, um wie viel sich das Maximum
über diejenige Temperatur erhoben hatte, bei welcher die Quecksilber-
säule gerade bis zur Mündung des Rohres gelangt war. Vor Beginn
eines neuen Versuches rauss die Röhre wieder mit Quecksilber gefüllt
werden. Um diese Operation in bequemer Weise bewerkstelligen zu
können, ist um die Oeffnung der Röhre ein kleines Gefäss von Glas
angeschmolzen, welches eine geringe Menge Quecksilber enthält, so
dass die zur Seite gebogene Spitze, so lange sich das Instrument in
*) Beschieibung eines Maximamthermometers und einiger damit angestellter
Versuche in einem Bohrloch zu KUdersdorf. Pogg. Ann. XXI!. 136. (1831).
Veränderte Construction des Geothermometers und Temperaturbestimmuugen in
dem Bohrloche zu Pitzpnhl. Pogg. Ann. XL. 135». (1837).
68
senkrechter Stellung befindet, über dem Spiegel des Metalles bleibt, bei
geneigter Stellung aber in die Flüssigkeit eintaucht.
Mittelst dieses Instrumentes hat Magnus die Temperaturzunahme
zunächst in dem 655 Fuss tiefen Kohrloche von Riidersdorf und später
in einem Bohrloche von Pitzpuhl, welches aber nur eine Tiefe von
457 Fass besass, gemessen. In beiden Fällen stieg die Temperatur
regelmässig mit der wachsenden Tiefe. In der zweiten Versuchs-
reihe betrug die Temperaturzunahnie ungefähr 1" R. für je 100 Fuss.
Er man hatte aus seinen Rüdersdorfer Versuchen geschlossen, dass die
Temperaturerhöhung um 1*^ R. schon bei einer Zunahme der Tiefe um
90 Fuss erfolge.
Die Vorliebe, mit welcher unser Freund die Erscheinungen stu-
dirte, denen wir auf dem Grenzgebiete .zwischen Physik und Chemie
begegnen, mussten seine Aufmerksamkeit schon frühzeitig dem Processe
des Siedens, überhaupt der Dampf bildung, zulenken. In der That hat
er denn auch diesen Erscheinungen in dem Zeiträume zwischen 1836
und 1861 nicht weniger als vier grossere Aufsätze gewidmet*).
Wer diese schönen Arbeiten mit Aufmerksamkeit gelesen hat,
der muss die Ueberzeugung gewonnen haben, dass der Verfasser der-
selben zur Begründung unserer gegenwärtigen Anschauungen über
den Siedeprocess sehr wesentlich beigetragen hat, wenn es auch nicht
immer möglich ist, bei einer Erscheinung, um deren Aufklärung so viele
ausgezeichnete Forscher wie — nach "Watt, — Gay-Lussac, Faraday,
Rudberg, Regnault und Andere, häufig gleichzeitig oder doch fast
gleichzeitig bemüht gewesen sind, den besonderen Antheil eines Jeden
unzweifelhaft festzustellen.
Man war früher sehr allgemein der Ansicht, dass die während
des Siedens so häufig eintretenden Temperaturschwankungen, insbe-
sondere das intermittirende, zeitweilig von heftigem Aufstossen be-
gleitete Sieden zumal von der Beschaffenheit der Gefässwände abhän-
gig sei; auch schien diese Annahme durch die bekannte Erfahrung
gerechtfertigt, dass in den meisten Fällen das Stossen vollkommen
beseitigt wird, wenn man kleine Stücke Platindraht und selbst aus-
geglühte und wieder erkaltete Holzkohle vor Beginn des Siedens in
die Flüssigkeit geworfen hat.
*) lieber das Sieden von Gemengen zweier Flüssigkeiten und über das Stossen
solcher Gemenge. Po gg. Ann. XXX VIII. 481. (1836).
Ueber die Kraft, welche zur Erzeugung von Dämpfen erforderlich ist. Po gg.
Ann. LXI. 248. (1844).
Ueber die Spannkraft von Dämpfen zweier Flüssigkeiten. Pogg. Ann. XClIl.
679. (1854).
Ueber die Temperatur der aus kochenden Salzlösungen und gemischten Flüssig-
keiten entweichenden DBmpfe. Pogg. Ann. CXII. 408. (1861).
Daas zur Hervorbringnng von Dampfblaseu auch die Cohäsion
der Wassertheile aufgehoben werden müsse, ist zwar schon früher aus-
gesprochen worden, Magnus ist jedoch wohl der erste gewesen, der
die ganze Bedeutung dieses Widerstandes hervorgehoben und bestimmt
darauf hingewiesen hat, dass in Folge desselben die flüssigen Theil-
chen, wenn sie sich im Innern der Masse in Dampf verwandeln sollen,
stets eine höhere Temperatur annehmen müssen, als die ist, welche dem
Spannungsmaximum des Dampfes unter dem herrschenden Drucke ent-
spricht; es ist dies ja eben der Grund, wesshalb wir jelzt b«M der Siede-
punktsbeslimmung das Gefäss des Thermometers nicht in die siedende
Flüssigkeit senken, sondern nur in den von der Flüssigkeit bereits ge-
trennten Dampf einhüllen.
Möglich, dass es gerade diese Erörterungen von Magnus ge-
wesen sind, welche Don ny *) zu den merkwürdigen, bald darauf ver-
öffentlichten Versuchen angeregt haben, in denen der Nachweis ge-
liefert wird, dass die Widerstandskraft des Wassers gegen die Ver-
dampfung, d. h. die Cohäsion der Wassertheilchen bei gänzlicher Ab-
wesenheit von Luft, ausserordentlich gross ist, und eigentlich nur da
mit Leichtigkeit überwunden wird, wo es einem leeren oder mit Gas
erfüllten Räume angrenzt, also z. B. au der Oberfläche des Wassers.
Ganz luftfreies Wasser konnte bei gewöhnlichem Luftdruck unter
günstigen Umständen bis zu 135'^ C. erhitzt werden, ehe es zu sieden
begann. Durch die kleinste Luftblase wurde freilieb dieser Wider-
stand aufgehoben. Auch konnte man sicher sein, wenn das über den
gewöhnlichen Siedepunkt erhitzte Wasser plötzlich zum Sieden kam,
die Gegenwart einer Luftblase sich immer nachweisen Hess. In der
That beruht die alltäglich erprobte Fähigkeit des Platins das Sieden
der Flüssigkeiten zu erleichtern, lediglich auf der Hartnäckigkeit, mit
welcher dieses Metall die Luft auf seiner Oberfläche verdichtet. Durch
lange fortgesetztes Kochen mit Wasser geht dem Platin, mit der von
der Oberfläche allmählich sich abtrennenden Luft , diese Eigenschaft
vollkommen verloren.
In Salzlösungen ist die Anziehung, welche die flüssigen Theile
gegen einander, und also auch gegen die gebildeten Dämpfe äussern,
grösser als in reinem Wasser, daher auch die Temperatur höher sein
muss, bei welcher die Dämpfe sich losreissen können oder, was
dasselbe sagen will, die Flüssigkeit siedet.
So begreift man die bemerkenswerthe Erscheinung, dass bei lUU"
gesättigter Wasserdampf, welchen man in Salzwasser von lOO** ein-
führt, zum Theil niedergeschlagen wird und die Temperatur der Flüs-
•'';•'• erhöhen muss, bevor die Dampf blasen mit derselben höheren
*) Donnjr, lieber die CohiUion der Flüssigkeiten und deren Adhärenz an Starren
Kürp— V \ •■■ ' \V!I. 5Ü-2.
70
Temperatur aus der Salzlösung wieder aufsteigen können. Nach
Herstellung eines Gleichgewichtszustandes der Flüssigkeitstemperatur,
welche sich in Folge des nun eintretenden Verdampfens nicht höher
steigern lässt, wird also fortwährend ein Theil des einströmenden
Dampfes, indem er sich wieder in flüssiges Wasser verwandelt,
dazu vorwendet , durch seine freiwerdende Wärme den Ueberrest
des Dampfes auf eine höhere Temperatur zu bringen, und es ist
einleuchtend, dass die aufsteigenden Dampf blasen, da ein Theil des
Dampfes als Wasser niedergeschlagen wird, unter dem Luftdrucke
nicht mehr gesättigt sein können.
Zur Erkenntniss dieser höchst merkwürdigen Thatsachen war
Magnus durch eineReihe von selbstständigen Versuchen geführt worden,
ohne dass er geahnt hätte, dass ähnliche Beobachtungen auch bereits von
Gay-Lussac und Faraday gemacht worden waren. Auch ist das
Verdienst, diese Erscheinungen aufgeklärt zu haben, viele Jahre hindurch
fast ausschliesslich unserm Fj-eunde zugeschrieben worden, bis er selber
auf den Antheil aufmerksam gemacht hat, welcher seinen Vorgängern
gebührt*).
E* ist lange Zeit unbekannt geblieben, dass die Dämpfe, welche
unter dem Luftdruck aus kochenden Salzlösungen unmittelbar aufstei-
gen, eine höhere Temperatur besitzen, als die dem Spannungsmaximum
bei dem herrschenden Luftdruck entsprechende, d. h. also als lOO'*. —
Man glaubte vielmehr fast allgemein, dass die aus wässrigen Salz-
lösungen entwickelten Dämpfe in allen Fällen dieselbe Tempe-
ratur annehmen, mit welcher der Dampf unter gleichem Drucke
aus reinem siedenden Wasser entweicht. Die früheren Beobachter
hatten unbeachtet gelassen, dass die von dem Dampf über dem sie-
denden Wasser umhüllte Thermometerkugel, wenn ihre Temperatur
niedriger ist, als die der siedenden Flüssigkeit, auf ihrer Oberfläche
Wasser verdichtet, und in Folge dessen nur die Temperatur der von
ihrer Oberfläche verdampfenden, aber stets wieder erneuerten Flüssig-
keit anzeigen kann. Der hieraus hervorgehende Irrthum lässt sich
nur dadurch vermeiden, dass man das Thermometer vor dem Einsetzen
noch trocken weit über die Siedetemperatur der Salzlösung erhitzt.
Die zalilreichen bei der Anstellung dieses Versuchs eintretenden
Schwierigkeiten hat Magnus durch die Construction eines ihm eigen-
thümlichen Apparates beseitigt.
Endlich fand Magnus, dass die Spannkraft der Dämpfe einer
Mischung zweier sich gegenseitig auflösender Flüssigkeiten stets ge-
ringer ist, als die Summe der Spannkräfte ihrer Bestandtheile bei
derselben Temperatur, und dass diese Spannkraft abhängig ist von
dem Verhältniss, in welchem beide Flüssigkeiten in der Mischung vor-
♦) Po gg. Ann. CXII. 411.
71
handen sind. So vermindert sicli z. B. die Spannkraft des Aethers in
der Haronieterleere, sobald man eine damit mischbare Flüssigkeit, wif
Alkohol, zuführt.
Anders verhalten sich die Dämpfe von Flüssigkeitsgemengen, wie
Wasser und Terpentinöl, deren Bestandtheile ganz getrennte Schichten
bilden. Bei diesen ist die Spannkraft des Dampfgemenges gleich
der Summe der Spannkräfte der Gemengtheile, ganz so wie es da.s
Dalton'sche 'Gesetz verlangt. Wenn die flüchtigere Flüssigkeit die
unterste Schicht bildet, so zeigt sich die Temperatur des Dampfge-
uienges immer etwas niedriger, als die Siedetemperatur der flüchti-
geren Flüssigkeit.
Wenn schon die Versuche über den Siedeprocess das Interesse der
Chemiker ebensosehr wie der Physiker beanspruchen, so gilt dies in
fast noch höherem Grade von den Arbeiten über die Ausdehnung
der Luft und die Spannkraft des Wasserdampfes. Die Ergeb-
nisse dieser Untersuchungen gehören jedenfalls zu den schönsten
Erfolgen unseres verewigten Freundes, und würden allein hingereicht
haben, ihm für alle Zeiten einen ehrenvollen Platz unter den Natur-
forschern dieses Jahrhunderts zu sichern. In keiner seiner anderen
Arbeiten zeigt sich die Eigenart seiner Forschung, sein unermüdlicher
Fleiss und seine unbeirrbare deutsche Gewissenhaftigkeit in glänzen-
derem Lichte, als gerade in diesen Experimentaluntersuchuugen und zu-
mal in seinen Studien über die Ausdehnung der Gase. Auch kann
das hohe Verdienst, welches sich Magnus um die Feststellung der
Ausdehnungs- und Spannungsconstanten erworben hat, nicht entfernt
durch den Umstand beeinträchtigt werden, dass ähnliche und aller-
dings ausgedehntere Untersuchungen fast unmittelbar nach dem Be-
kanntwerden seiner Resultate von Regnaul t verötfentlicht wurden.
Brachten doch diese Untersuchungen fast durchgeheuds Bestätigung der
Magnus' sehen Zahlen und sah sich doch Regnault in einigen Fällen,
in denen Uebereinstimmung gefehlt hatte, später veranlasst, seine
ersten Angaben zu berichtigen.
Die Wissenschaft hat sich in der Tliat Glück zu wünschen, dass
gerade durch die nahezu gleichzeitigen und von einander völlig un-
abhängigen Arbeiten zweier so bewährter Forscher, die Kenntniss
einer Reihe der unentbehrlichsten Grundlagen physikalischer und
chemischer Untersuchungen nunmehr wohl als über jeden Zweifel er-
hoben betrachtet werden darf.
Um die Magnus'sche Arbeit über die Ausdehnung der Luft
ihrem ganzen Umfange nach würdigen zu können, müssen wir uns in
die Zeit zurückversetzen, welche diesen Versuchen unmittelbar voraas-
72
Vor dem Jahre 1837 war man der Ansicht, dass keine Constante
der Physik mit grösserer Sicherheit bestimmt sei, als der von Gay-
Lussac ermittelte Ausdehnungscoefficient der Luft. Denn abgesehen
von dem grossen Zutrauen, welches allen Zahlenangaben die&es berühm-
ten Forschers mit Recht geschenkt wurde , schien aus den nahezu
gleichzeitigen Messungen Dalton's fast dieselbe Zahl hervorzugehen,
und zum üeberfluss war dieselbe auch von Dulong und Petit gele-
gentlich ihrer klassischen Arbeit über die Ausdehnung der Gase in
höheren Temperaturen als richtig bezeichnet worden.
Als daher im Jahre 1837 Rudberg*) eine neue Arbeit über die
Ausdehnung der Luft veröffentlichte, welche eine von der Gay-
Lussac'schen abweichende Zahl brachte, so fand diese Angabe nur
bei den Wenigsten eine günstige Aufnahme, zumal auch die Versuche,
auf welche Rudberg seine Angabe stützte, nicht eben umfangreich
waren, und ihre Fortsetzung und Erweiterung in Folge seines frühen
Todes unterblieb.
Indessen die Richtigkeit einer, wenn auch vorher allgemein an-
erkannten Constanten, war gleichwohl durch Beobachtungen eines
geachteten Forschers zweifelhaft geworden. Neue Untersuchungen
waren dringend geboten, Magnus unterzog sich dieser höchst wich-
tigen, aber auch höchst mühevollen Arbeit**), denn es handelte sich be-
greiflich nicht darum, zu den bereits vorhandenen Angaben noch neue
hinzuzufügen, sondern es musste vor Allem der Werth sämmtlicher
früherer Angaben einer sorgfälligen Prüfung unterworfen werden.
Diese Prüfung führte denn auch alsbald zu einem ganz über-
raschenden Ergebniss, insofern die einerseits von Gay-Lussac,
andererseits von Dal ton gegebenen Zahlenwerthe, deren nahe Ueber-
einstimmung man seltsamer Weise angenommen hatte, in Wahrheit
weit auseinander liegen. Nach Gay- Lussac beträgt die Ausdehnung
von 1000 Volumen Luft durch Erwärmung von 0*^ auf 100", wenn
der Druck unverändert bleibt, 375 Volume. Dal ton fand, dass
1000 Volume Luft von 55" F = 120,78 C, bis zum Siedepunkte des
Wassers, also um ein Teraperaturintervall von 100 — 12,78 = 87'', 22
erwärmt, um 325 Volume zunehmen. Hiernach berechnet sich die
Ausdehnung, welche 1000 Volume Luft beim Erwärmen um einen Tem-
peraturunterschied von 100'^ erleiden, auf 372,6 Volume. Es ist nämlich
" «k ^ '"" = "''"
Da nun, sagte man, Gay-Lussac 375 Volume gefunden hat, so dient
die eine dieser Zahlen der Richtigkeit der anderen zur Bestätigung. Diese
*) Rudberg, üeber die Ausdehnung der trockenen Luft zwischen 0" und
100» C. Po gg. Ann. XLI. 271 u. XLIV, 119.
♦*) Ueber die Ausdehnung der Gase durch die Wärme. Pogg. Ann. LIV 601
und LV. 1. (1841).
73
anmittelbare Vergleichung beider Zahlenresultate ist jedoch vollkommen
irrig, weil beide Zahlen, wenn auch für denselben Temperaturun-
terschied geltend, sich gleichwohl auf Luftvolume von ganz ver-
schiedener Ausgangstemperatur beziehen. Die Bedeutung dieser Ver-
schiedenheit wird vielleicht am deutlichsten hervortreten, wenn wir
dem Aasdtthnungscoefficiemen der Luft die Form eines gemeinen
Bruches geben. Setzt man zu dem Ende die Gay-Lussac'sche Zahl
0,00375 gleich y^, so will das heissen, dass 267 Volume Luft bei
O** gemessen und auf t^ erwärmt, sich in 267 -h < Volume verwan-
dein. Mit gleichem Rechte aber sagen wir auch : 267 ■+- 1 Volume
Luft bei t'^ gemessen und auf T^ erwärmt, verwandeln sich in
267 H- T Volume. Es berechnet sich hiernach der Ausdehnungs-
coefficient für jede bestimmte Anfangstemperatur t nach Gay-Lussac
auf 1
267 ■+■ t.
Nach den Versuchen von Dalton ist der Ausdehnungscoefficient für
r= 12,78 C:
0,003726 = -^.
Folglich, wenn man von dem Volum bei 0^ ausgehen will:
1 _ 1
268,40 — 12,78 ~ 255,62'
Rudberg fand, auf das Volum bei 0^ bezogen, den Ausdehnungs-
coefficienten :
2-Ä;3 =«•'»'«*«•
Die Dalton 'sehe und die Rudberg'sche Zahl entfernen sich
also von der Gay- Lussac'schen im entgegengesetzten Sinne, und
zwar die erstere sogar noch weit mehr als die letztere.
Gay-Lussac hatte bekanntlich die Volumvergrösserung der
Luft durch Erwärmung unmittelbar gemessen, indem er eine Quantität
trockner Luft in einem Glasbebälter von Thermometerform mittelst
eines Quecksilberfadens abschloss. Durch Erwärmung der Luft wurde
dieser Faden vorwärts geschoben, bei der Abkühlung zog er sich
wieder zurück. Der Behälter war calibrirt und so konnte das Ver-
hältniss der durch die Wärme bewirkten Volumveränderungen direct
gemessen werden.
Nach demselben Verfahren hat Magnus mehr als 30 Versuche
ausgeführt. Sie lieferten im Mittelwerthe die Zahl 0,00369, zeigten
jedoch untereinander keine grosse Uebereinstimmung, denn die Fehler-
grenzen schwankten zwischen 0,003598 und 0,003877 ; er überzeugte
sich in der That, dass es unmöglich war, mittelst des Quecksilber-
pfropfs die innere trockene von der äusseren feuchten Luft auf die
Dauer absolut abzuschliessen.
6
74
Unverkennbare Vorzuge, dieser Methode gegenüber, bot die nach
Rudberg genannte, bei welcher nicht eigentlich die Ausdehnung der
Luft gemessen wird, sondern ihre bei constant bleibendem Volum mit
der Temperatur sich ändernde Spannkraft, von der dann wieder, so
weit das Mariotte'sche Gesetz Geltung hat, die Ausdehnung durch
Erwärmung und unter constant bleibender^ Drucke abhängig ist.
Hier fiel also jede Volummessung weg und die von volumetrischen
Messungen unzertrennlichen Fehler waren beseitigt. Es genügte für
die Untersuchung eine massige Luftmenge, deren Temperaturänderung
sich eben deshalb mit grösserer Leichtigkeit gleichförmig bewerkstelligen
Hess. Eine Verunreinigung der in dem Behälter des Luftthermometers
einmal eingeschlossenen und wohlgetrockneten Luft war während der
Dauer einer Versuchsreihe nicht zu befürchten, ja nahezu unmöglich.
In der That bedurfte es nur einer sehr sorgfältigen Beobachtung der
Temperatur zu Anfang und zu Ende des Versuchs, sowie genauer
Messung der Quecksilberdrucksäule, welcher die eingeschlossene Luft-
menge ausgesetzt werden musste, um während der Dauer des Ver-
suchs ihr Volum unverändert zu erhalten. Die schliesslich nothwendige
Correction wegen Ausdehnung des Glasbehälters konnte auf das Haupt-
resultat nur geringen Einfluss üben.
Auf diesem Wege hat Magnus aus dem Mittel mehrerer fast
übereinstimmender Versuche die Volumerweiterung trockener Luft
zwischen dem Schmelzpunkte des Eises und dem Siedepunkte des
Wassers unter 28 Zoll Druck, im Verhältnisse von 1 zu 1,3665 be-
stimmt. Da innerhalb dieser Grenzen das Quecksilberlhermometer
mit dem Luftthermometer gleichen Schritt hält, so kann man auch
sagen, der Ausdfehnungscoefficient der Luft für je P^ des Quecksilber-
thermometers beträgt zwischen diesen Grenzen:
0,003665 = ^^5
des Volums bei 0".
Dafür ist, wie bekannt, gegenwärtig fast allgemein die Zahl
2^ = 0,003663
angenommen worden.
Der Ausdehnungscoefficient des Wasserstoffs, auf dieselbe Weise
bestimmt, wurde um ein Weniges geringer, der der Kohlensäure schon
merklich grösser, endlich der des schwefligsauren Gases beträchtlich
grösser gefunden.
Unter den etwas später bekannt gewordenen von Regnaul t ge-
fundenen Zahlen ergab sich, was die Luft anlangt, eine absolute
üebereinstimmung. Für Wasserstoffgas fand zwarRegnault Anfangs
eine etwas grössere Zahl und für kohlensaures und schwefligsaures
75
Gas geringere Abweichungen von der Ausdehnung der Luft als
Magnus. Die betreffenden Angaben hat er jedoch später durch
andere ersetzt, welche den von Magnus mitgetheilten sehr nahe
kommen.
Einige dieser Arbeit sich anschliessende Versuche, obwohl einer
viel späteren Zeit angehörig, mögen anhangsweise hier noch kurz
erwähnt werden.
Schon öfter ist die Frage aufgeworfen worden, in wie weit
die Verdichtung der Gase an der Oberfläche des Glases einen Einfluss
auf die Verschiedenheit der beobaichteten Ansdehnungscoefficienten
haben könnte. Auch Magnus hat sich mit dieser Frage beschäftigt.
Seine Untersuchungen über diesen Gegenstand , von denen er nur ge-
legentlich einige Mittheilungen gemacht hat*), sind jedoch unvollendet
geblieben.
Aus der veröffentlichten Notiz ist als bemerkenswerth hervorzu-
heben . dass der Ausdehnungscoefficient der schwefligen Säure durch
die Attraction des Glases zwar nicht unerheblich, jedoch auch nicht
so beträchtlich vergrössert erscheint, um aus diesem Umstände allein
den Unterschied zwischen den für dieses Gas und für die Luft gefun-
denen Zahlen zu erklären.
Mit Hülfe des Luftthermometers hat Magnus auch die Aus-
dehnung der Luft mit der des Quecksilbers in Glasgefässen bei
höheren Temperaturen bis nahe zum Siedepunkte des Queck-
silbers verglichen**). Er gelangte sehr nahe zu denselben Zahlen,
welche auch Dulong und Petit gefunden hatten; nach diesen Beob-
achtern bleiben die durch die absolute Ausdehnung der Luft, welche als
gleichförmig vorausgesetzt wird, gemessenen Temperaturen hinter den
Anzeigen des Quecksilberthermoraeters, schon über 100*^ hinaus, merk-
lich zurück, so dass der Unterschied bei 150° des Quecksilberthermo-
meters schon mehr als 1'^ C. und bei 200^* beinahe schon 3*^ aus-
macht. Zu diesem überraschenden Resultate hätten Dulong und
Petit unmöglich gelangen können, wenn sie die Ausdehnung der
Luft nach dem Gay -Lussac'schen AusdehnungscoefBcienten be-
rechnet hätten.
Dessen bedurfte es aber auch nicht bei ihren Versuchen, weil sie
den Gang des Quecksilberthermometers mit dem des Luftthermometers
nicht nur bei höheren Temperaturen, sondern auch zwischen 0** und 100®
verglichen hatten. Bei der Berechnung ihrer Resultate konnte daher
•) Ueber die VerdichtBng der G««e ad der Oberfläche glatter Körpej. Po gg.
Ann. LXXXIX. 604. (1858).
**) Ueber die Ausdehnung der Loft bei höheren Temperataren. Po gg. Ann.
LVn. 177. (1842.)
6-
76
sehr wohl die Vohimveränderung zwischen O*^ und 100^ den Veränderun-
gen, welche bei höheren Temperaturen eintraten, zu Grunde gelegt sein,
ohne dass der Ausdehnungscoefficient selbst in Anwendung gekommen
war. Es ist zu bedauern , dass die Originalgrundlagen der Versuche
von Dulong und Petit nicht mitgetheilt worden sind und überhaupt
nicht mehr vorhanden zu sein scheinen, sonst wurde sich der richtige
Ausdehnungscoefficient der Luft wohl heute noch aus ihren Beob-
achtungen ableiten lassen.
Uebrigens giebt Magnus selbst seine Freude darüber zu erkennen,
dass durch seine Arbeit die Zahlen von Dulong und Petit bestätigt
werden; man sehe, sagt er, dass diese Physiker genauer und zuver-
lässiger gearbeitet haben, als man aus ihrer eigenen Angabe, dass sie
den Ausdehnungscoefficienten zwischen 0*^ und 100*^ eben so gross als
Gay-Lussac gefunden haben, zu schliessen sich berechtigt glaubte.
Gleichzeitig mit Magnus hatte auch Regnault über denselben
Gegenstand gearbeitet, war aber zu wesentlich abweichenden Resul-
taten gekommen. Denn während nach Magnus, gleich wie nach
Dulong und Petit, die scheinbare Ausdehnung des Quecksilbers
in Glasgefässen , also auch in den Thermometern, von 100° aufwärts
verhältnissmässig stets bedeutender ist als die absolute Ausdehnung
der Luft, und bei .330° des Quecksilberthermometers schon zwischen
9 und 10° ausmacht, hat Regnault gefunden, dass in Glasbehältern
Luft und Quecksilber in ihrer Ausdehnung bis zur Temperatur von
200° gleichen Schritt halten, dass bei 250° das Quecksilber der Luft
nur um 0°,3 und selbst bei 350° nur um 3°, 3 vorauseilt.
Darauf hin hat Magnus seine Versuche mit der peinlichsten
Sorgfalt wiederholt, und besonders auch darauf Rücksicht genommen,
dass die gewählten Thermometer, Luftthermometer und Quecksilber-
thermometer, von derselben Glassorte gefertigt waren (weil Regnault
diesen Umstand als wesentlich wichtig hervorgehoben hatte), ohne gleich-
wohl andere Resultate als vorher erhalten zu können.
Es wäre gewiss im Interesse der Wissenschaft, wenn auch
Regnault sich entschliessen könnte, seinerseits der Quelle jener
Verschiedenheiten nachzuspüren. Denn so lange diese Verhältniss-
ungeklärt bleiben, sind die in neuerer Zeit üblich gewordenen Reduc-
tionen der Angaben des Quecksilberthermometers auf das Luftthermo-
raeter ziemlich werthlos, Messungen aber, die mit dem Luftthermo-
meter direct ausgeführt worden sind, gestatten keine Vergleichung
mit den Angaben des Quecksilberthermometers.
Im engsten Zusammenhange mit den Versuchen über die mit
der Erwärmung zunehmende Spannkraft der Luft stehen die Unter-
suchungen über die Spannkraft der Wasserdämpfe*). Ein Luftthermo-
*) Veraucha Über die Spannkräfte des Wasserdampfs. Po gg. Ann. LXl. 2*25.(1844.)
77
meter derselben Art, wie das bei jenen verwendete, diente Magnus,
um die Temperatur der gespannten Dämpfe zu messen. Auch ge-
brauchte er dieselbe Heizvorricb*ung, um eine beliebige constant
bleibende Temperatur hervorzubringen. Dieselbe bestand aus einem
Kasten von Eisenblech, welchen drei andere Kasten von ähnlicher
Beschaffenheit in der Weise umgaben , dass zwischen je zwei Blech-
wänden eine Luftschicht von ^ Zoll blieb. Die Kasten hingen in
einander, um jeden metallischen Zusammenhang in den unteren Theilen
zu vermeiden. Nur der äusserste Kasten wurde mittelst einer Ar-
gand 'sehen Spirituslampe erwärmt. Die Wärme drang in Folge
dieser Anordnung freilich nur sehr langsam in den inneren Raum,
erzeugte aber dafür in diesem Räume eine, je nach der Stärke
der Flamme verschiedene, sehr gleichförmig sich erhaltende Tem-
peratur.
In demselben Räume mit dem Gefässe des Luftthermometers
befand sich ein luftleerer mit reinem luftfreien Wasser gefüllter
Glasbehälter, in welchem die Dämpfe erzeugt wurden, deren Spann-
kraft nach Aussen sich fortpflanzend, durch den Gegendruck einer
Quecksilbersäule gemessen wurden. Die Höhe der letzteren, welche
von dem Eindruck der Wärme des Heizapparates genügend entfernt
war, konnte gleich der drückenden Quecksilbersäule des Luftthermo-
meters mittelst eines Kathetometers abgelesen werden.
Die grosse Sorgfalt, welche Magnus anf die Herstellung und
wiederholte Prüfung seines Apparates verwendete, wurde durch den
Gewinn einer Zahlenreihe von seltener Genauigkeit und Verlässlich-
keit belohnt. Leider ist die Reihe nicht sehr ausgedehnt und er-
streckt sich nur auf die Temperaturen zwischen — G bis -t- 104°.
In den mitgetheilten Originalzahlen zeigen sich die Fehlergrenzen,
namentlich bei den Beobachtungen über 20° hinaus, allerdings nicht
ganz gering, und Magnus hebt mit der ihm eigenen Offenheit hervor,
dass er grössere üebereinstimmung nicht zu erreichen vermochte. Auf
die nach den Mittelwerthen berechneten Spannkräfte war dies indessen
ohne Einfluss, wie man am deutlichsten daraus erkennt, dass die nicht
lange nachher von Regnault gegebenen und aus viel umfangreicheren
Messungen abgeleiteten Spannkräfte mit den in der Magnus'schen
Tabelle enthaltenen fast identisch sind.
Eine andere Reihe thermischer Untersuchungen, mit denen sich
Magnus seit dem Jahre 1861 wiederholt beschäftigt hat, betrifft die
Verbreitungsweise der Wärme in Gasen, sowohl durch Leitung wie
durch Strahlung. Die erste Veranlassung zu dieser Untersuchung
gab ihm, wie er selbst sagt, die interessante Beobachtung von Grove*),
*) Grove, on ithe efect of $urroimdMg mtdia on Voltaic ignition. Pbil.
M«g. [3] XXXV. 114.
78
dass ein von Wasserstoff umgebener Platindraht beim Durchgange
des galvanischen Stromes weniger stark erglüht, als wenn er in
atmosphärische Luft oder eine andere Gasart eingehüllt ist. Poggen-
dorff *) hatte die Ansicht ausgesprochen, dass diese Erscheinung auf
denselben Gesetzen beruhe, welche Dulong und Petit für das Er-
kalten eines auf gewöhnliche Weise erhitzten Körpers festgestellt
haben und später hatte Clausius**) die Uebereinstimmung zwischen
den von Dulong und Petit gegebenen Zahlen und den Resultaten
Grove's nachgewiesen. Magnus seinerseits vermuthete, dass eine
besondere Leitungsfähigkeit des Wasserstoffs für die Wärme mit im
Spiele sein könne.
Dass die Gase einen gewissen Grad der Leitfähigkeit in dem
Sinne wie feste und flüssige Körper besitzen müssen , lässt sich nicht
in Abrede stellen, denn sie vermögen den Oberflächen der Körper,
je nachdem diese eine höhere oder niedere Temperatur als sie selbst
besitzen, entweder Wärme zu entnehmen oder abzugeben; ferner weiss
man, dass wärmere und kältere Gasmassen, zusammen gemengt, ihre
Temperatur wechselseitig ausgleichen. — Wenn demnach die Gase
die Wärme leiten, so ist es auch denkbar, dass verschiedene Gase
dieses Vermögen in ungleichem Grade besitzen. Um diese Frage
experimental zu prüfen, bedient sich Magnus***) eines Apparates von
folgender Einrichtung. Auf ein cylindrisches senkrecht gestelltes Gefäss
aus sehr dünnem Glase von 56°"" Weite und 160""" Höhe, ist ein zweites
offenes Glasgefäss von demselben Durchmesser, aber nur etwa 100°"°
Höhe, aufgeschmolzen, in der Art, dass beide Behälter nur durch eine
einzige dünne Glaswand getrennt sind. Der die untere Mündung des
cylindrischen Gefässes schliessende Kork ist von zwei mit Hähnen
versehenen Glasröhren durchsetzt, durch welche man das Gefäss mit
Luft oder anderen Gasen unter beliebigem Drucke füllen, oder auch
wieder entleeren kann. Seitlich ist das cylindrische Gefäss etwa 50""
unterhalb der dünnen Glaswand mit einem Tubulus versehen, durch
welchen ein Thermometer eingeschoben und in horizontaler Lage un-
veränderlich befestigt ist.
In das aufgeschmolzene Gefäss wird siedendes W^asser gebracht
und während der Dauer eines Versuches durch Einführung von
Wasserdampf im Sieden erhalten. Um mittlerweile dem umgebenden
Räume eine möglichst constante Temperatur zu sichern, ist der Appa-
rat in einem Becherglas befestigt und dieses wieder mit einem ähnlichen
weiteren umgeben, welches bis zur Höhe des siedenden Wassers
mit Wasser von constanter Temperatur gefüllt ist.
*) Pogg. Ann. LXXI. 197. Note.
♦*) Clausius, Ueber die von Grove beobachtete Abhängigkeit des galvani-
schen Glühens von der Natur des umgebenden Gases. Pogg. Ann. LXXXVH. 505.
♦*♦) Ueber die Verbreitung der Wärme in den Gasen. Pogg. Ann. CXII. 467. (1861.)
79
Durch die Art der Aufstellong ist eine Ausbreitung der Wärme
durch Strömung im Innern des Cylinders wesentlich verhindert. Um
auch den Einfluss einer directen Bestrahlung des Thermometers abzu-
halten, befindet sich zwischen demselben und der heissen Decke ein
Schirm aus dünnem versilberten Kupferblech. Ganz kann auf diese
Weise die Einwirkung der Strahlung allerdings nicht ausgeschlossen
werden, weil die Strahlen der heissen Glasflilche auf die Wände des
Becherglases fallen und von diesen wieder auf das Thermometer
reflectirt werden.
Hieraus erklärt es sich denn, dass das Thermometer, selbst in
dem von Luft fast ganz entleerten Räume, eine wesentlich höhere
Temperatur zeigen konnte, als die der Umgebung and zwar unter den
Verhältnissen, unter denen Magnus arbeitete, eine Temperatur von
ungefähr 23'' C. , während das Wasser in dem äusseren Becherglase
eine constante Temperatur von lö** besass.
Beim Zutritt von Luft verminderte sich diese Temperatarerhöhung
und zwar mehr und mehr bei zunehmendem Drucke, so dass also
augenscheinlich die Wärmestrahlen, ähnlich wie in starren and flus-
sigen Körpern, so auch beim Durchgang durch Gase theilweise ab-
Borbirt werden. Eine Bewegung der Wärme durch Leitung, wenn sie
vorhanden war, blieb unter der mächtigeren Wirksamkeit der Strah-
lung verdeckt.
In ähnlicher Weise verhielt sich eine grössere Anzahl von Gasen,
welche Magnus untersucht hat. Nur das quantitative Verhältniss
blieb nicht gleich. So zeigte es sich, dass wenn man die Temperatur-
erhöbung, welche durch den leeren Raum hindurch stattfindet, gleich
100° setzt, die Temperaturerhöhung durch Luft 82, Kohlenoxyd 81,
Grubengas 80, Ölbildendes Gas 77, Cyan 75, Kohlensäure 70, Am-
moniak 69, schweflige Säure 66 beträgt, sämmtliche Gase unter dem-
selben Druck, nämlich dem Druck einer Atmosphäre beobachtet.
Eine sehr merkwürdige Ausnahme in dieser Beziehung bildete unter
den Gasen einzig und allein das Wasserstoffgas, indem sein Zutritt
in das cylindrische Gefäss den Durchgang der Wärme auffallend
mehr förderte als selbst der leere Raum, und zwar zunehmend mehr
bei erhöhter Dichtigkeit, so dass unter dem Atmosphärendruck das
Thermometer bis zu 28" stieg, während es im leeren Raum nur 23"
angenommen hatte. Die Temperaturerhöhung durch den leeren Raum
wieder = 100 gesetzt, ist durch den Wasserstoff eine Temperatur-
erhöhung von 111 erfolgt.
Da diese Erhöhung unmöglich von einer vermehrten Strahlung
abhängig sein konnte, so glaubt Magnus, dass durch diesen Versuch
eine derjenigen der Metalle ähnliche Leitfähigkeit des Wasserstoffs
für die Wärme erwiesen sei.
80
Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, wie viel des
Verführerischen die Annahme einer Wärmeleitungsfähigkeit des Wasser-
stoffs für den Chemiker besitzt, zumal in der gegenwärtigen Zeit, in
welcher der Begeisterung für die metallische Natur dieses Elementes
aus Graham 's merkwürdigen Versuchen über das Palladium-Hydro-
genium neue Nahrung zugeflossen ist. Gleichwohl darf es nicht un-
erwähnt bleiben, dass obschon die von Magnus wahrgenommenen
Thatsachen niemals in Zweifel gezogen worden sind, — dies würde ja
bei einem so umsichtigen und gewissenhaften Beobachter vollkommen
unzulässig sein — sich dennoch Stimmen erhoben haben, welche
die aus den Versuchen gezogene Schlussfolgerung beanstanden. So
wird es Manchem schwer, Angesichts der äussersten Langsamkeit,
mit welcher die Wärme z. B. im Wasser von Oben nach Unten vor-
schreitet, es für wahrscheinlich zu halten, dass eine so feine Materie
wie WasserstofFgas ein guter Leiter der Wärme in dem gewöhnlichen
Sinne des Wortes sein könne, und man hat die Frage aufgeworfen,
ob hier nicht vielmehr ein Dift'usionseffect zwischen Körpertheilen von
zwar gleichartiger chemischer Natur, aber verschiedener durch die
ungleiche Erwärmung bedingter specifischer Elasticität im Spiele sei.
Die erwähnten Versuche geben Magnus Veranlassung zu einem
näheren Studium des Verhaltens gasförmiger Körper zu den Wärme-
strahlen, worüber zu jener Zeit (1861) nur einige wenige Beobach-
tungen von Franz vorlagen, welche sich überdies auf den Durch-
gang der von glühenden Körpern ausgehenden Strahlen beschränkten.
Für Magnus hatte aber, mit Beziehung auf die eben betrachtete Arbeit,
zunächst gerade das Verhalten der sogenannten dunkeln (d. h. der
von nicht leuchtenden Körpern ausgesendeten) Strahlen das meiste
Interesse.
Der Untersuchungsapparat, dessen er sich vorzugsweise bedient,
besteht wieder, gerade wie bei den Versuchen über Leitungsfähigkeit
der Gase, aus einem cylindrischen Gefässe von Glas, dem ein zur
Aufnahme des heissen Wassers bestimmtes anderes, offenes Glasgefäss
aufgeschmolzen ist. Der unten offene Glascylinder ist seinerseits
wieder luftdicht auf einem weiteren Glasbehälter befestigt, welcher
die thermo-elektrische Säule enthält, und dessen unterer abgeschliffener
Rand auf dem Teller der Luftpumpe luftdicht aufsitzt. Das die
Thermosäule enthaltende Gefäss ist mit einem weiteren gleichfalls
auf dem Teller der Luftpumpe aufsitzenden Cylinder umgeben, der
mit Wasser von constanter Temperatur gefüllt ist, so dass die Säule
gegen äussere Temperatureinflüsse möglichst geschützt ist. Mittelst
der Luftpumpe und eines seitlich an dem Glascylinder angebrachten
Tubulus können nach einander verschiedene Gase unter beliebigem
Druck eingelassen und auf ihr Verhalten zu den von der erhitzten
Glasdecke ausgehenden Wärmestrahlen untersucht werden. Senkrecht
81
anter dieser beiss gehaltenen sehr dünnen Glaswand ist die Thermo-
säale aufgestellt, und auf diese Weise der störende Einfluss einer Ver-
breitung der Wärme durch Strömung möglichst vermieden. Auch
ist zwischen der Wärmequelle und der bestrahlten Fläche der Säule
jedes diathermane Diaphragma, wie etwa eine Glas- oder Steinsalz-
platte, welches den unmittelbaren and unveränderten Eindruck der
Wärmestrahlen auf die Säule hätte beeinträchtigen können, ausge-
schlossen. Der Abstand zwischen beiden beträgt ungefähr 300"".
Die Wirkungen auf ein Galvanometer mit astatischer Nadel wurden
nach der zuerst von Melloni empfohlenen Methode, welche bekannt-
lich die Grade des Theilkreises unter einander vergleichbar macht,
gemessen. Das Galvanometer war mit grosser Präcision gearbeitet und
so empfindlich, dass die unter den gegebenen Verhältnissen erhaltenen
Ausschläge eine genügende Vergleichbarkeit besassen.
Auf diese Weise fand Magnus, dass die Wärmemenge, welche
in dem bis zu S"" Druck verdünnten Räume von der Fläche der
Thermosäule aufgenommen wurde, sich beim Zutritte trockener
Luft merklich, und unter gewöhnlichem Luftdrucke um mehr als
1 1 Procent verminderte. Sauerstoff verhielt sich wie Luft. Eine
Anzahl anderer Gase, die antersucht wurden, zeigten sfimmtlich ein
grösseres Absorptionsvermögen für die dunklen Wärmestrahlen. Setzt
man die Summe der durch den leeren Raum auf die Thermosäule
fallenden Strahlen = 100, so gehen nach diesen Versuchen durch
Luft und Sauerstoff 89, Wasserstoff 86, Kohlensäure 80, Kohlen-
oxyd 79, Stickstoffoxydul 74, Grubengas und Cyangas 72, Ölbildendes
Gas 46, Ammoniakgas 38. Der Unterschied zwischen Luft und
Wasserstoffgas ist also gering, beträchtlicher schon der Unterschied
zwischen Luft auf der einen, und Kohlensäure und Kohlenoxydgas auf
der anderen Seite. Stickstoffoxydul, Grubengas und Cyangas halten
schon mehr als ein Viertheil der Wärmefluth zurück; Ölbildendes Gas
sogar mehr als die Hälfte, Ammoniak endlich fast zwei Drittheile.
Atmosphärische Luft, die bei 16*^ mit Wasserdampf gesättigt ist,
übt nach Magnus keinen merklich grösseren Einfluss auf die Durch-
strahlung, al- trockne Luft, Dass ein solcher Einfluss, führt er an,
hervortreten werde, sobald ein Theil der Dämpfe sich als Nebel aus-
scheide, sei sehr wahrscheinlich.
Um Vergleichungsweise auch den Einfluss einer W^ärmequelle von
höherer Temperatur zu studiren, sendet er nunmehr die Strahlen
einer Gasflamme mit doppeltem Luftzuge gegen eine auf beiden Seiten
durch Glasplatten luftdicht verschlossene Röhre von l" Länge und
35"" Weite, in welche die verschiedenen Gase unter beliebigem Druck
eingelassen werden konnten Die Messungen mit dem Galvanometer
wurden wie in der eben betrachteten Versuchsreihe ausgeführt. Ihre
Ergebnisse stimmen qualitativ mit denen der früheren überein, doch
82
zeigen die Gase für die Strahlen der Flamme im Aligemeinen eine
grössere Diathermansie als für die von nicht glühenden Körpern aus-
gehenden oder von solchen reflectirten Strahlen. Der bei 16° in der
Luft vorhandene Wasserdampf äussert auch in diesem Falle keinen
bemerkenswerthen Einfluss.
Das zu diesen Versuchen verwendete Glasrohr ist innen mit
einem schwarzen üeberzuge bekleidet. Wird dieser weggelassen, so
liefern die Wärmestrahlen, welche erst nach wiederholten Reflexionen
an der Röhrenwand auf die Thermosäule fallen, einen sehr bedeu-
tenden Beitrag zu der Gesammtwirkung. Das Verhältniss der Mengen
durchgestrahlter Wärme nähert sich aber jetzt (d. h. nach Entfernung
des schwarzen Ueberzugs im Rohr), wenigstens bei dem grössten
Theile der Gase, dem früher für die dunklen Strahlen beobachteten.
Später*) hat Magnus das Vermögen der Gase, die Strahlen des
siedenden Wassers durchzulassen, auch noch mittelst eines Glasrohres
von 1" Länge geprüft, das senkrecht über dem conischen Reflector
einer Thermosäule aufgestellt, und auf dessen oberem Ende das Siede-
gefäss ähnlich wie bei dem früher in Anwendung gebrachten Apparate
aufgeschmolzen war. Diese Abänderung der früheren Einrichtung
hatte hauptsächlich den Zweck, die Absorption der trocknen und der
mit Wasserdampf gesättigten Luft nochmals auf's Sorgfältigste zu ver-
gleichen. Wenn indessen der freie Zutritt der Strahlen zu der Säule
nicht durch eine Steinsalzplatte gehindert war, so ergab sich jetzt,
gerade so wie früher, nur ein geringer Unterschied, der stets weniger
als 1 Procent betrug.
Fast gleichzeitig mit Magnus hat auch Tyndall Versuche über
die Absorption und Strahlung der Wärme durch Gase und Dämpfe
veröffentlicht**). Die Ergebnisse derselben, obgleich nach einer ganz
verschiedenen Methode erhalten, stimmen dennoch für fast alle
Gase mit den von Magnus aufgefundenen Werthen so nahe überein,
als es sich bei derartigen Messungen , die wohl geeignet sind , quan-
titative Verschiedenheiten festzustellen, aber noch nicht als Rechnungs-
grundlagen gelten wollen, irgendwie erwarten lässt.
Tyndall zeigt wie Magnus, dass von der Strahlenmenge,
welche den leeren Raum durchdringt, von Luft, Sauerstoff, Stickstoff
nur wenig zurückgehalten wird, dass andere Gase mehr und wieder
andere, wie z. B. das ölbildende Gas, sehr grosse Mengen ver-
schlucken.
Nur in Beziehung auf das Verhalten des Wasserdarapfes gehen
*) Ueber die Diathermansie trockner und feuchter Luft. Po gg. Ann. CXVIII.
557. (1863.)
**) Tyndall, lieber die Absorption und Strahlung der Wärme durch Gase
und Dämpfe, und über den physikalischen Zusammenhang von Strahlung, Absorp-
tion und Leitung. Po gg. Ann. CXIII. 1. und CXVI. 1 u. 289.
83
beide Beobachter weit auseinander, denn während Magnus gefunden
hatte, dafs die Luftfeuchtigkeit den Charakter der Luft, nach dieser
Seite hin, nur wenig ändert, giebt Tyndall an, dass die nicht getrock-
nete atmosphärische Luft an einem bestimmten Tage eine 15 mal so
grosse Absorption als die getrocknete gezeigt habe*). In noch auf-
fallenderer Weise bestätigt Tyndall diesen merkwürdigen Einfluss
des Wasserdampfs in einem Briefe an Sir John Herschel, in
welchem er anführt, dass er an einem bezeichneten Tage die Ab-
sorptionskraft des Wasserdampfes in der Luft 40 mal so gross als
diejenige der trocknen Luft beobachtet habe**). Später, in einer
grösseren Abhandlung **•) giebt er an, dass sie sogar das 60 fache und
mehr betragen könne.
Solche Oberraschende Beobachtungen verfehlten nicht, grosses
Aufsehen zu erregen. Auch waren Tyndall sowohl als Andere als-
bald bemüht, dieselben für die Aufklärung meteorologischer Erschei-
nungen mehrfach zu verwerthen. Andrerseits musste sich Magnus
aufgefordert fühlen , die Ursachen zu ergründen , welche so ganz "ab-
weichende Ergebnisse bedingen konnten, und so entspann sich zwischen
beiden Physikern eine sehr interessante Controverse, an der sich auf
Tyndall's Seite auch Andere, wie Wildf) und Franklandff), be-
theiligt haben. Gustav Magnus hat leider den Austrag der-
selben nicht erlebt, sind doch auch heute noch die Meinungen der
Naturforscher in dieser Angelegenheit getheilt geblieben. Aber wenn
es ihm nicht vergönnt gewesen ist, die Streitfrage zu einer end-
gültigen Entscheidung zu führen, so haben doch seine zum Zweck
ihrer Lösung unternommenen Untersuchungen die Wissenschaft so-
wohl durch Feststellung unvollkommen ermittelter Thatsachen als
auch durch den Erwerb neuer Erfahrungen wesentlich bereichert. Die
Freunde des Verewigten freuen sich dieser Untersuchungen über-
dies, weil aus ihnen wieder die eigenthümlichen Charaktere seiner
Forscherweise, welche allen seinen Beobachtungen einen so hohen
Werth verleiht , in besonders glänzendem Lichte hervortreten, so die
unerbittliche Strenge in der Beurtheilung der eignen Arbeit, während
die Leistungen Anderer die rücksichtsvollste Anerkennung finden, so
die Unerschöpflichkeit seiner Hülfsquellen bei Ueberwindung experi-
mentaler Schwierigkeiten, so endlich die ausdauernde Geduld, welche
vor keinem Opfer an Zeit und Kraft zurückschreckt, wo es sich um
Ergründung der Wahrheit handelt.
*) Pogg. Ann. CXIII. 40.
••) Pogg. Ann. CXIV. 632.
***) Pogg. Ann. CXVI. 1.
•f) Wild, l'eber die Absorption der strahlenden Wärme durch trockene und
durch feuchte Luft. Pogg. Ann. CXXIX. 57.
tt) Frnnklfind, Ueber die phTsikalische Ursache der Eiszeit. Pogg. Ann.
CXXIII. 418.
84 _
Wir würden die Grenzen , welche natnrgemäss dieser Skizze ge-
steckt sind, überschreiten, wollten wir die Controverse zwischen dem
deutschen und englischen Physiker in allen ihren einzelnen Phasen ver-
folgen. Wer eine klare Einsicht in dieselbe gewinnen will, der musa
die Abhandlungen Beider studiren , um die von ihnen angewendeten
Methoden vergleichen zu können. Einige der von Magnus gesammel-
ten Erfahrungen mögen gleichwohl hier eine Stelle finden, wäre es
auch nur, um die Sorgfalt zu bezeichnen, welche er der Klärung der
Verhältnisse gewidmet hat.
Bei einem grossen Theil seiner Versuche hatte Tyndall zur
Aufnahme der Gase ein Messingrohr benutzt, welches innen polirt
war und an beiden Enden durch Steinsalzplatten luftdicht geschlossen
werden konnte. Als Magnus*) in ähnlicher Weise experimentirte,
fand auch er, dass die mit Wasser gesättigte Luft in beträchtlicher
Menge mehr Wärmestrahleu aufzusaugen schien, als die trockne Luft.
Aber er bemerkte zugleich, dass die Salzplatten, nur kurze Zeit mit
der feuchten Luft in Berührung, sich mit einer dünnen Schicht Wasser
überzogen. Da nun das Wasser, wie man weiss, die Wärmestrahlen,
insbesondere die dunklen Arten sehr begierig verschluckt, so konnte
allein schon von diesem Umstände die Abweichung in den Beobach-
tungen herstammen.
Bei späteren Versuchen hat Tyndall statt des Messingrohrs
auch eine Glasröhre benutzt. Dieselbe diente, um sowohl mit, als auch
ohne Anwendung von Schlussplatten die Absorptionsfähigkeit der
trocknen und feuchten Luft für die Wärme zu vergleichen. In dem
letzteren Falle strömte die Luft, während die Einwirkung der Wärme-
quelle auf das Galvanometer beobachtet wurde, an dem einen Ende
des Rohres ein und wurde am anderen offenen Ende soweit als möglich
mittelst einer Luftpumpe wieder ausgesogen. Auch bei dieser Anord-
nung des Versuches wird nach Tyndall eine starke wärmeabsor-
birende Kraft des Wasserdampfs beobachtet.
Allein auch diese Methode des Versuches ist, wie Magnus
experimental nachgewiesen hat, nicht ohne Fehlerquellen. Die
eingeblasene Luft entweicht nicht ausschliesslich auf dem ihr
durch die Arbeit der Luftpumpe vorgezeichneteu Wege; ein mehr
oder weniger grosser Theil dringt unmittelbar aus den offnen Enden
der Röhre hervor und gelangt bis zur Fläche der Säule. Ist es
trockne Luft, so verdunstet dadurch von dem auf den Löthstellen der
Thermosäule verdichteten hygroskopischen Wasser, ist es feuchte Luft,
so vermehrt sich der Feuchtigkeitsniederschlag. Im ersten Falle giebt
*) Ueber den Durcbgang der Wärmestrahlen durch feuchte Luft und über die
hygroskopischen Eigenschaften des Steinsalzes. Pogg. Ann. CXIV. 635. (1861).
Ueber die Diathermansie trockner und feuchter Luft. Pogg. Ann. CXVIII. 575.
(1868.)
bü
sich dies durch Erniedrigung, im zweiten durch Erhöhung der Tem-
peratur zu erkennen. Diese Einwirkungen können so stark werden,
dass sie sich ohne jede Mitwirkung einer andern Wärmequelle wahr-
nehmen lassen. Zu dem Ende ist es nur nötbig, den Luftstrom
gegen den conischen Reflector der Säule zu richten. Sie treten auch
dann hervor, wenn die Löthstellen mit dünnen Scheiben beliebiger
anderer Körper bedeckt werden. Die Stärke des Eindrucks ist nicht
immer gleich; Magnus hat aber keinen Körper gefunden, dessen
Oberfläche nicht durch einen darauf gerichteten Luftstrom, der die-
selbe Temperatur hatte, wäre abgekühlt oder erwärmt worden, je
nachdem die Luft trocken oder mit Feuchtigkeit gesättigt war*).
In Folge des Feuchtigkeitsniederschlags auf der Oberfläche po-
lirter Metalle und des Glases wird ihr Reflexionsvermögen für die
Wärmestrahlen vermindert. So begreift es sich, dass die W^ärme-
strahlung durch ein Rohr mit polirter Innenwandfläche alsbald ab-
nehmen rauss, wenn ein feuchter Luftstrom durch dasselbe geleitet
wird, selbst dann, wenn kein Niederschlag in Form von Nebeln ent-
steht. Auf die thermo-elektrische Säule wirkt diese verminderte Strahlung
begreiflich gerade so, als ob das Absorptionsvermögen der Luft ver-
stärkt worden sei. Um diese Fehlerquelle bei der Vergleichung des
Wärmeabsorptionsvermögens trockner und feuchter Luft auf einen
möglichst kleinen Werth zurückzuführen, ist es nothwendig, die Innen-
wand des Rohrs stark zu schwärzen oder mit Sammet auszukleiden**).
Magnus spricht wiederholt seine Üeberzeugung aus, dass bei Wahr-
nehmung dieser Vorsichtsmaassregel Andere gleich ihm selber finden
würden, dass die Luft, wenn sie Wasserdämpfe enthält, nur un-
bedeutend weniger Wärmestrahlen durchlasse, als im trocknen Zu-
stande.
Seine Untersuchungen über die Eigenschaft der festen Körper,
Dämpfe aus dem Gaszustand auf ihren Oberflächen niederschlagen
zu können, hat Magnus auch auf Alkohol, Aether und andere Dämpfe
ausgedehnt. Er glaubte als eine allgemeine Erfahrung aussprechen
zu können : dass die verschiedenartigsten Dämpfe an den Wänden
fester Körper in hinreichender Menge verdichtet werden, um, sobald
Niederschläge durch Zuströmen begünstigt werden, wahrnehmbare
Feraperaturveränderungen hervorzubringen.
Eine Schicht verdichteten Wasserdampfes findet sich zu jeder Zeit
auf der Oberfläche aller festen Körper. Je nach dem Feuchtigkeits-
•) Ueber die Verdichtung von D&mpfen an der Oberfläche fester Körper. Po gg.
Ann. CXXl. 174. (1864.)
Ueber den Einfluss der Condensation bei Veranchen Ober Diatberroansie. Pogg.
Ann. CXXI. 186. (1864.)
*•) Ueber den Einflus« der Vaporhision bei Versuchen über ^Absorption der
Wärme. Pogg. Ann. CXXX. 207. (.1867.)
86
zustande der Atmosphäre wird dieselbe stärker oder schwächer. Die
Gewalt der Anziehung ist übrigens so mächtig, dass Magnus ihren
Effect sowohl bei polirten als auch bei kienrussgeschwärzten Me-
tallplatten selbst dann beobachten konnte, wenn ihre Temperatur,
wie die der Luft, von welcher sie umhüllt waren, mehr als 20'' über
dem Thaupunkte lag*). Eine ausführlichere Untersuchung dieser Er-
scheinung, welche Magnus mit dem Worte Vaporhäsion bezeich-
nete, war von ihm beabsichtigt worden.
Das Absorptions- und Ausstrahlungsvermögen der Körper für die
Wärme stehen bekanntlich bei gleicher Temperatur immer in dem-
selben Verhältnisse zu einander, in der Art, dass eine Körperfläche,
die n mal so stark als eine andere absorbirt , auch n mal so stark
ausstrahlt. Wenn daher die feuchte Luft Wärme in bedeutendem
Maasse besser absorbirt als die trockne Luft, so muss erstere auch
in demselben Maasse besser ausstrahlen.
Auf dieses Princip gründet sich ein Versuch, den Frankland **)
angestellt hat, um Aufschlüsse über das Wärme-Absorptionsvermögen
trockner und feuchter Luft zu gewinnen. Ein kleiner Holzkohleofen
ist vor einer Thermosäule mit der Vorsicht aufgestellt, dass die
Strahlung des Ofens und der glühenden Kohle den Reflector der
Säule nicht erreichen kann, die Ablenkung des Galvanometers also
lediglich durch die Wärmeausstrahlung der aus der glühenden Kohle
sich erhebenden Gase bedingt ist. Nachdem diese Ablenkung sorg-
fältig durch die Strahlung einer constanten Wärmequelle auf der
andern Seite der Säule neutralisirt worden ist, lässt man einen Dampf-
strom durch ein lothrecht den Ofen durchsetzendes Eisenrohr auf-
steigen. Augenblicklich weicht das Galvanometer viel stärker ab,
als vor der Compensation. Bei Unterbrechung des Dampfstromes
kehrt die Nadel sogleich auf den Nullpunkt der Scala zurück. Wird
alsdann, statt des Dampfes ein Luftstrom durch das Rohr getrieben,
so erfolgt entweder gar keine Ablenkung, oder eine schwache in ent-
gegengesetzter Richtung. Die Hitze des Ofens verhindert die Con-
densation des Dampfes.
Frankland betrachtet es nach dem Ergebnisse dieses Versuches
als erwiesen, dass die feuchte Luft die Wärme besser ausstrahle, als
die trockne und schliesst, dass ihr aus demselben Grunde auch ein
höheres Wärmeabsorptionsvermögen eigen sein müsse, wie dies von
Tyndall behauptet wird.
Allein wenn auch gewiss die Richtigkeit des Principes allgemeine
Anerkennung findet, welches hier für die Lösung der Streitfrage an-
gesprochen wird, so sind doch gegen die Ausführung des Versuchs
•) Po gg. Ann. CXXX. 218.
♦♦) Loc. eil. p. 88.
87
gewichtige Bedenken erhoben worden. Sollte in der Tbat ein Strom
von Wasserdampf und ein Luftstrom, welche nach einander durch die
glühende Kohle streichen, ohne Einfluss auf die Temperatur der aus
dem Ofen aufsteigenden Feuergase bleiben? Wenn aber ein solcher
Einfluss stattfand, war es nicht wahrscheinlich, dass Wasserdanipf und
Luft eine ungleiche Temperaturreränderung hervorbringen wurden?
Endlich war die Disposition des Versuches so getroffen, dass keine
Spur des durch den Ofen streichenden Dampfes aus den ihn umhül-
lenden Feuergasen austreten und mit der Luft sich mischend Nebel
bilden konnte?
Magnus*), welcher alsbald diese Methode des Experimentirens
aufnimmt, kommt in der That zu gerade dem entgegengesetzten Re-
sultate wie Frankland. Für seine Versuche construirt er einen Apparat,
der ihm gestattet, rasch hintereinander trockne und Feuchtigkeit ent-
haltende Luft durch ein glühendes Rohr und dann an dem conischen
Reflector der Thermosäule vorüberstreichen zu lassen, so jedoch, dass
auf diesen ausser den Wärmesfrahlen des Gases gleichzeitig keine
andere Wärmequelle einwirken konnte. Ein in dem Luftstrom hän-
gendes emp6ndliche8 Thermometer erlaubt die Temperatur desselben
zu beobachten. Da die Menge der aufsteigenden Lnft im Verhältniss
zu den Dimensionen der glühenden Röhre eine massige ist, so hat man
es vollkommen in der Hand , jede Nebelbildung zu vermeiden. Die
Wirksamkeit der Strahlung, ob trockne oder feuchte Luft aufstieg, war
eine wenn auch wahrnehmbare doch äusserst geringe, bei feuchter Lnft
etwas grössere, als bei trockner Luft. Zog dagegen ein Strom trockner
und zu derselben Temperatur erhitzter Kohlensäure oder auch ein Strom
Leuchtgas an der Säule vorüber, so ergab sich ein vielmal stärkerer
Ausschlag der Galvanometernadel. Ward endlich das Wasser in dem
Kolben, durch welchen die Luft strich, um sich mit Feuchtigkeit
zu sättigen, so stark erhitzt, dass sich in der ausströmenden Luft
Nebel zeigten, so beobachtete man an dem Galvanometer einen 20
bis 30 mal stärkeren Ausschlag, als er von trockner Luft erzeugt
ward.
Also auch die Methode der Strahlung führt Magnus wieder
zu dem Schlüsse, der sich aus allen seinen früheren Versuchen ergeben
hatte, nämlich, dass feuchte Luft nicht mehr Wärme verschluckt, als
trockne.
Der Verfasser dieser Skizze hat seinen Freund den zuletzt be-
schriebenen Versuch zum Oefteren ausführen sehen, und er muss ge-
stehen. dass er selbst bei sorgfaltigster Prüfung, keine andere Inter-
pretation der Erscheinung, als die von Magnus gegebene, bat finden
*i Ueber den Einfluss der Absorption der Wttrine auf die Bildung des Thaus.
Pogg. Ann. CXXVII. 613. (1866.)
88
können. Er ist begreiflich weit davon entfernt seiner Beurtheilung
einer Frage, die dem Kreise seiner Studien so ferne liegt, irgend
welchen Werth beizulegen; er darf indessen nicht unerwähnt lassen,
dass auch berühmte Physiker, wie Dove, Riess, Poggendorff.
du Bois - Rey raond und Quincke*) diesen merkwürdigen Versuch
gesehen haben und dass von keinem derselben eine andere Inter-
pretation der Erscheinung gegeben worden ist.
üebrigens, sagt Magnus, hätte es dieses Versuches gar nicht
bedurft. ^Ein sehr bekanntes Phänomen, das auf der Ausstrahlung
der Wärme beruht, liefert einen schlagenderen Beweis für die geringe
Absorptionsfähigkeit des Wasserdampfs, als alle Versuche in den Labo-
ratorien. Wäre der Wasserdampf in der That ein so guter Absor-
bent der Wärme, wie Tyndall behauptet, so würde es niemals
thauen können. Denn der für den Thau unerlässliche Wasserdampf
würde gleichsam eine Decke über der Oberfläche der Erde bilden
und ihre Ausstrahlung verhindern. Aber gerade da, wo die Atmo-
sphäre besonders wasserreich ist, in den Tropen, bildet sich der Thau
vorzugsweise, und jene Gegenden würden, wie bekannt, aller Frucht-
barkeit entbehren, wenn den Pflanzen nicht durch den Thau Feuch»
tigkeit zugeführt würde."
„Die Folgerungen, welche Frankland für die Eiszeit und
Tyndall für gewisse klimatische Erscheinungen, aus der grossen
Absorptionsfähigkeit des Wasserdampfs herleiten, bleiben unver-
ändert, wenn man statt des wirklichen Dampfes den nebeiförmigen
setzt, denn dieser ist es, der zur Erhaltung des schönen Grüns der
brittischen Inseln beiträgt, indem er sowohl die brennenden Strahlen
der Sonne mässigt, als grosse Kälten, die nur bei klarem Himmel
und starker Ausstrahlung auftreten, verhindert."**)
Während Magnus sich mit dem Verhalten der Gase zur Wärme-
strahlung beschäftigte, musste sich ihm häufig Gelegenheit bieten, seine
Aufmerksamkeit auch nach verschiedenen anderen Richtungen diesem
Theile der Wärmelehre zuzulenken. Viele der von ihm angestellten
Versuche sind wohl ursprünglich zumal für die Ausbildung seiner
Vorlesungen unternommen worden, allein wie dies bei dem ernsten
Arbeiten unseres Freundes so häufig zu geschehen pflegte, Unter-
suchungen, welche zunächst der eigenen Belehrung gewidmet sind,
werden sehr bald zur Quelle der Belehrung auch Anderer, und
liefern schliesslich werthvolle Beiträge für den Ausbau der Wissen-
schaft.
Da die Leuchtkraft schwach leuchtender Flammen durch darin
*) Pogg. Ann. CXXVII. 620.
*•) Pogg- Aun. CXXVII. 628.
89
verbreitete, glühend gewordne feste Theilchen in erstaanlicher Weise
vermehrt wird, während doch die Temperatur der Flamme durch das
Einbringen fremdartiger Substanzen, die am Verbrennangsprocesse sich
nicht betheiligen, jedenfalls vermindert werden muss, so war es von
Interesse zu erfahren, wie sich das Ausstrahlungsvermögen der nicht
leuchtenden zur leuchtend gewordenen Flamme verhält.
Es ergab sich, dass die Wärmemenge, die von der nicht leuch-
tenden Flamme eines Bunsen' sehen Brenners ausgestrahlt wird, sich
etwa um ein Drittel vermehrt, sobald man etwas Natron in dieselbe
einbringt. Der Versuch wurde in der Art angestellt, dass man stets
eine bestimmte Stelle der Natronfiamme mit derselben Stelle der
nicht leuchtenden Flamme verglich, jedoch so, dass das Natron,
welches in die Flamme gebracht wurde, nicht gegen die Thermo-
säule, die zur Beobachtung diente, strahlen konnte.
Eine glühende Platiuplatte an der untersuchten Stelle der Flamme
veranlasste eine weitere Vermehrung der Ausstrahlung und eine noch
viel grössere Verstärkung trat ein, wenn die Platte zuvor mit Natrium-
carbonat überzogen worden war. Endlich zeigte sich eine abermalige
Steigerung der Ausstrahlung, als die Flamme mit Natrondämpfen da-
durch erfüllt wurde, dafs Natron auf einem Platinstreifen von einer
tieferen Stelle in die Flamme eingebracht wurde, so jedoch, dass es
nicht unmittelbar gegen die Säule strahlen konnte.
Es folgt hieraus, dass glühende Gase nicht nur viel weniger
Wärme ausstrahlen, als feste und flüssige Körper bei derselben Tem-
peratur, sondern auch, dass erstere von den Strahlen der letzteren nur
wenig zu absorbiren vermögen.
Dieses Verhalten des glühenden Natrons im flüssigen und dampf-
förmigen Zustande, sagt Magnus, bestätigt in überraschender Weise
die von Kirchhoff aufgestellte Ansicht, dass die Sonne aus einem
glühenden Kerne bestehe, der von einer durchsichtigen Atmosphäre
von etwas niederer Temperatur umgeben sei*). Aehnllch wie Natrium-
salze verhielten sich Lithium- und Strontiumsalze.
Die Wärmespectra der leuchtenden und nichtleuchtenden Flamme
hat Magnus, ungeachtet der grossen Verschiedenheit ihrer Licht-
stärke, in ihrer ganzen Ausdehnung gleich gefunden.**)
Das ungleiche Ausstrahlungsvermögen eines und desselben Kör-
pers, je nachdem seine Oberfläche glatt und polirt ist, oder rauh
und aufgerissen, ist seit Mellon i wiederholt untersucht worden, und
man glaubte im Allgemeinen, dass die vermehrte Ausstrahlung rauher
Flächen auf einer Abnahme der Dichtigkeit beruhe, welche sie er-
fahren. Magnus hat die Kenntniss dieser Erscheinungen durch inter-
•) Notiz über die Beschaffenheit der Sonne. Pogg. Ann. CXXI. 510. (1864.)
**) Pogg. Ann. CXXIV. 491. Vergl. Note 8. 90.
7
90
essante Erfahrungen erweitert. Er hat nämlich gefunden, dass Platin,
in der Flamme eines Bunsen' sehen Brenners erhitzt, nahe doppelt
so viel Wärme ausstrahlt, wenn es mit Platinschwamm bedeckt ist,
als im glatten Zustande*). Bei dieser Zunahme der Ausstrahlungs-
fähigkeit des Platins durch Platinirung auf der einen Seite hatte sich
die Lichtstärke der rauhen Seite im Vergleich zu derjenigen der glatt
gebliebenen Seite augenscheinlich vermindert.
Das Verhältniss der Ausstrahlung der glatten zur platinirten
Seite erschien wesentlich unverändert, als zwischen Wärmequelle und
Säule diathermane Platten verschiedener Art, wie: Steinsalz, Kalk-
spath, Bergkrystall, Rauchtopas, Agat, Spiegelglas, Flintglas, dunkel-
grünes Glas, sämmtlich 6 bis 7""" dick, eingeschaltet wurden; Platten
von rothem, orangegelbem, gelbem, grünem, blauem, violettem Glas,
sowie von farblosem Glas, glatt und rauh, alle von etwa 2"'" Dicke,
verhielten sich in ähnlicher Weise.
Auch Schwefelkohlenstoff und Jod in Schwefelkohlenstoff gelöst,
zwischen dünnen Steinsalzplatten, in einer Schicht von 10°"" ange-
wendet, absorbirten die Wärme beider Quellen in gleichem Ver-
hältniss.
Alaunplatten dagegen hielten fast den ganzen Ueberschuss der
von dem platinirten Platin ausgehenden Strahlen zurück.
Wenn die von der glatten, sowie von der mit Platinschwamm
überkleideten Fläche einer glühenden Platinplatte ausgehenden Wärme-
strahlen mittelst eines Steinsalzprisma's zerlegt wurden, so zeigte sich
ihre Brechbarkeit von der Art, dass das Maximum der Wärme-
anhäufung in beiden Fällen fast an dieselbe Stelle und zwar jenseits
des Roths des gleichzeitig gebildeten Lichtspectrums fiel. Im üebrigen
besassen beide Wärmespectra, soweit die prismatischen Untersuchungen
mittelst der Thermosäule reichten, eine gleiche Ausdehnung.
Die von einer glatten Platinplatte, gleichwie von andern Metall-
platten, wenn sie stark erhitzt sind, ausgesendeten Wärmestrahlen
sind zum grossen Theile polarisirt. War aber die Platiiifläche zuvor
platinirt, und die gebildete Schwammhülle hinlänglich dick, so ver-
mochte Magnus nicht eine Spur polarisirter W^ärmestrahlen zu ent-
decken. Er vermuthet, dass die widersprechende Beobachtung von
de la Provostaye und P. Desains darauf beruhe, dass ihr Platin
nicht stark genug platinirt war**).
Die beiden genannten Physiker führen auch an , dass sie von
einer Platinplatte, deren Temperatur unter der Glühhitze lag, polari-
sirte Wärme erbalten haben, Magnus erschienen jedoch ihre Beob-
*) lieber die Verschiedenheit der Wärme, welche rauhe und glatte Ober-
flächen ausstrahlen. Po gg. Ann. CXXIV. 476. (1865.)
♦♦) TTebpr die Polaricntion der ausgestrahlten Wärme und ihren Durchgang
durch parallele Platten. Pogg. Ann. CXXVIl. 600. (1666.)
91
achtangen nicht ganz entscheidend*), zumal für die Beantwortung der
Frage, ob auch Wärme, die von glatten Flächen niederer Temperatur
(etwa von lOO*^) ausgestrahlt wird, polarisirt sei.
Da die Polarisirung durch doppelt brechende Platten oder durch
Säulen aus dünnen Glimmerplatten für die Untersuchung der dunklen
Wärmestrahlen, welche von allen diesen Stoffen vollständig absorbirt
werden, nicht anwendbar ist, so sehen wir Magnus seine Zuflucht
zur Polarisirung durch Reflexion nehmen. Zu dem Ende construirt
er sich einen besonderen Apparat, der im Wesentlichen folgende Ein-
richtung hat. Ein Spiegel von schwarzem Glas ist zunächst um eine
horizontale, durch seine Mitte und nach der Richtung der einfallen-
den Strahlen gehende Axe (a) drehbar. Um dieselbe Axe dreht sich
ein Arm, an welchem eine Thermosäule in der Art befestigt ist, dass
die Verlängerung ihrer Cylinder- Axe, welche gleichzeitig die ihres
conischen Reflectors ist, durch den Mittelpunkt des Spiegels geht. Der
Spiegel und mit ihm die Thermosäule drehen sich aber auch noch um
eine andere, die horizontale rechtwinklich durchschneidende Axe. Er
lässt sich also in jeder Winkelneigung zu der Verticalebene gleich-
wie zu der Horizontalebne einstellen. Welche Stellung man ihm aber
auch geben mag, die an der Drehung um die Horizontalaxe theil-
oebmende Thermosäule kann stets so gerichtet werden, dass horizon-
tale auf den Spiegel einfallende Strahlen durch Reflexion in den coni-
schen Reflector der Säule gelangen müssen.
Als Wärmequelle dient ein Gefäss aus Weissblech , das durch
eingeleitete Dämpfe auf lOO'* erhalten werden kann. Dasselbe steht
in gleicher Höhe mit dem Spiegel und ist um eine horizontale Axe
drehbar, deren Verlängerung mit der Drehaxe (a) des Spiegels zusammen-
fällt. Seine vordere gegen den Spiegel strahlende Fläche ist um 35°
gegen den Horizont geneigt. Durch Schirme mit kreisrunden Oeff-
nungen, deren Mittelpunkte in die Axe fallen, ist möglichst, obwohl
immer nur unvollständig, dafür gesorgt, nur parallele Strahlen auf
den Spiegel gelangen zu lassen.
Mit Hülfe dieses Apparats hat es nun keine Schwierigkeit, der
ausstrahlenden und der Spiegelfläche eine solche gegenseitige Lage
zu geben, dass die Normale der ersteren mit der Reflexionsebne der
letzteren gleichlaufend ist oder auch dass beide rechtwinklig zu
einander stehen.
War die bei lOO** ausgestrahlte Wärme nicht polarisirt, so masste
die von dem Spiegel reflectirte und zu der Thermosäule gelangende
Wärme, von fremdartigen störenden Einflüssen natürlich abgesehen,
in beiden Fällen gleich sein.
*) üeber die Polarisation der Wärme von 100" und die iieweguog b«i d*-r
Wärmeleitung. Po gg. Ann. CXXXIV. 49. (1868.)
92
War aber ein Theil der ausgestrahlten Wärme bereits polarisirt
und stand dessen Polarisationsebene wie bei den glühenden Platin-
platten senkrecht gegen die Ebene, welche durch den ausgesandten
Strahl und seine Normale auf der Ausstrahlungsfläche gebildet wird, so
musste dieser Antheil bei der Ankunft an der Spiegelfläche im Falle
der zuerst angenommenen Lage derselben zur wärmenden Fläche
vollständig absorbirt, im zweiten Falle (des rechtwinklichen Standes
beider Flächen) vollständig reflectirt werden.
Die Versuche zeigten nun in der That einen auffallenden Unter-
schied in der Einwirkung auf das Galvanometer, je nachdem die eine
oder andere Stellung des Spiegels zur Wärmequelle in Anwendung
kam. Ein nicht unbeträchtlicher Theil der Strahlen, welche von dem
bis zu 100'^ erwärmten verzinnten Blech ausgingen, waren folglich
polarisirt. Magnus berechnet denselben zu 27 bis 28 Procent der
Wärmemenge, welche von der verzinnten bis zu 100*^ erwärmten
Blechplatte ausgestrahlt wurde. Dieser Berechnung legt er die
Annahme zu Grunde, dass der Spiegel in jeder der beiden gegen-
seitigen Stellungen , die er einnahm, nur polarisirte Wärme reflectirt
habe, dass folglich die gesammte ausgestrahlte Wärme der Summe
der in beiden Stellungen reflectirten Mengen, und die Differenz dieser
Mengen dem bereits beim Austritte aus der Blechplatte polarisirten
Antheile proportional sei.
Auf dieser Blechplatte konnten auch andere Platten and Scheiben
befestigt werden, deren Ausstrahlungsvermögen sich dann in ähnlicher
Weise untersuchen liess. So fand Magnus, dass der polarisirte An-
theil der ausgestrahlten Wärme bei polirtem Kupfer 22,4 Procent,
bei polirtem Aluminium 28,5 Procent, bei polirtem schwarzem Glase
12,4 Procent betrug. Durchsichtiges Glas verhielt sich ähnlich. Selbst
mattgeschliffene Glasplatten polarisirten noch 5 bis (3 Procent. Als
aber die wärmende Fläche mit schwarzem Tuch überzogen wurde,
war an der Ausgangsstelle der Strahlen keine Polarisation mehr zu
erkennen, d. h. die Ablenkungen der Nadel in beiden Stellungen
des Spiegels waren gleich gross. Es ist bemerkenswerth, dass auch
die glatten Oberflüchen flüssiger Körper, wie Quecksilber, Rüböl,
Colophonium, weisses Wachs, Glycerin, Paraffin, bis zu 100° er-
wärmt, polarisirte Wärme ausstrahlten.
Magnus zieht aus seinen Beobachtungen die Folgerung, dass alle
Stoffe, feste wie flüssige, bei glatter Oberfläche Wärme aussenden,
deren Strahlen, wenn sie mit der Austrittsfläche einen Winkel bilden,
nahezu entsprechend dem Polarisationswinkel des Glases, zum Theil
polarisirt sind.
Wir haben unsern Freund auf seiner, fast ein halbes Jahrhund«'rt
umspannenden, ruhmvollen wissenschaftlichen Laufbahn begleitet. Seine
93
Versuche haben nicht an Frische, seine Beobachtungen nicht an
Sicherheit, seine Schlüsse nicht an Schärfe verloren. Wir nahen
gleichwohl eilenden Fusses dem Ziele. Es bleibt in der That nur
noch über die schöne Reihe von Untersuchungen zu berichten, denen
sein letztes Lebensjahr gewidmet war.
Während sich Magnus mit den Versuchen über die Polarisation der
Wärme von 1(K)" beschäftigte, erhielt er durch die Güte seines Freun-
des, des Oberberghauptmanns Krag von Nidda einige vollkommen
klare und durchsichtige Krystalle des in Stassfurt vorkommenden Chlor-
kaliums, welchem die Mineralogen den Namen Sylvin gegeben haben.
Wenn man sich der merkwürdigen Eigenschaften des dem öhlor-
kalium so nahe stehenden Steinsalzes erinnert, welches sich bekannt-
lich vor allen Körpern durch seine grosse Fähigkeit auszeichnet,
Wärmestrahlen aller Art durchzulassen, so begreift man, mit welchem
Eifer sich Magnus alsbald anschickte, das Verhalten des Sylvins
rur strahlenden Wärme zu studiren. Für die Mitglieder der chemi-
schen Gesellschaft hat diese Arbeit ein ganz besonderes Interesse, da
wir uns Alle freudig des Vortrages erinnern, welchen uns Magnus
in der Sitzung vom 8. Jani 1868 über diesen Gegenstand ge-
halten hat*).
Seine Versuche zeigen, dass sich der Sylvin der strahlenden
Wärme gegenüber ganz ähnlich verhält wie das Steinsalz, and zwar
besitzt das bei Stassfurt gefundene Mineral genau dieselbe Diather-
mansie, wie das Steinsalz von demselben Fundorte.
Fortgesetzte Forschungen lehrten indessen, dass diese Gleichheit
des Verhaltens doch nur mit Einschränkung anzunehmen sei **). Zu-
nächst beweist Magnus, dass die Fähigkeit des Steinsalzes, den
Wärmestrahlen aller Art den Durchgang in gleichem Verhältniss zu
gestatten, nicht ganz so allgemein richtig ist, als bisher angenommen
wurde. Klares Steinsalz bis auf IbO^ erhitzt, strahlte Wärme in nicht
unbeträchtlicher Menge aus, weniger als Sylvin bei gleicher Dicke
der Platte (3*"), aber mehr als polirtes Silber.
Die vom Steinsalz ausgesendeten Strahlen wurden von klaren,
zwischen Wärmequelle und Thermosäule aufgestellten Steinsalzplatten
mit grosser Begierde aufgesogen und zwar in steigendem Verhältnisse
bei zunehmender Dicke der absorbirenden Platte. Doch selbst schon
bei 1"" Dicke derselben wurde fast die Hälfte der Wärme zurück-
•) Ueber die DUthermansie de» Svlvins. Berichte Jahrg. I. 129; Po gg.
Ann. CXXXIV. 802. (1868.)
*•) l'eber Emission und Absorption der bei niederen Temperaturen ausge-
strahlten Wärme. Pogg. Ann. CXXXVIII. 333. (1869.) Cnd ansfllhrlicher: Ueber
Emission, Absorption und Reflexion der bei niederer Temperatur ausgestrahlten
Wirmearten. Pogg. Ann. CXXXIX. 431. (1870.)
94
gehalten, welche nach Entfernung der Platte die Thermosäule er-
reichen konnte.
Sylvin zeigte fast dasselbe Absorptionsvermögen für die Wärme-
Strahlen des Steinsalzes. Vollkommen klare und durchsichtige Fluss-
spathplatten von 2,8 bis 10°"" Dicke gestatteten dagegen nur 8,3 Pro-
cent den Durchgang. Durchsichtige Platten von Chlor- und Brom-
silber verhielten sich ähnlich wie Sylvin.
Die Wärmestrahlen des erhitzten Sylvins wurden von Steinsalz
und Flussspath in grösserer Menge als vom Sylvin selbst durchge-
lassen. Letzterer hielt bei 3°"° Dicke etwa die Hälfte, mehr aber bei
grösserer Dicke zurück.
Dicke Flussspathplatten hielten fast alle Wärme zurück, die von
erhitztem Flussspath ausstrahlte. Steinsalz und insbesondere Sylvin
Hessen, ziemlich unabhängig von der Dicke der Platten, bis zu
90 Procent davon durch.
Die Strahlen, welche reines, bis zu 150*' erhitzes Steinsalz aus-
sendet, besitzen sämmtlich gleiche Brechbarkeit. Das Steinsalz ist
monothermisch, wie sein glühender Dampf monochromatisch ist. Der
Sylvin verhält sich zwar ähnlich dem Steinsalze, ist aber nicht in
gleichem Grade monothermisch.
Wenn es möglich wäre, sagt Magnus, von der bei 150*^ aus-
gestrahlten Wärme ein Spectrum zu entwerfen, so würde, wenn Stein-
salz der ausstrahlende Körper wäre, dieses Spectrum nur eine Bande
enthalten. Wäre Sylvin zur Ausstrahlung benutzt, so würde das
Spectrum ausgedehnter sein, aber doch nur einen kleinen Theil von
dem einnehmen, welches die vom Kienruss ausgestrahlte Wärme
liefern würde.
Seltsam genug, wie die ersten Arbeiten von Gustav Magnus, so
haben auch seine letzten zu einer Controverse geführt.
Als die Beobachtungen über das Ausstrahlungs- und Absorptions-
Vermögen des Steinsalzes zuerst nur in einer kurzen Notiz*) bekannt
wurden, versuchte Knoblauch**) dieselbe zu widerlegen und den
Satz festzuhalten: dass chemisch reines und klares Steinsalz bei der
gewöhnlichen Temperatur allen Wärmestrahlen den Durchgang in
gleichem Verhältnisse gestatte und dass in dieser Eigenschaft der
Sylvin ihm am nächsten stehe.
Magnus hat noch kurz vor seinem Tode Kenntniss von Knob-
lauch's Aufsatz erhalten; zu einer eigentlichen Beantwortung des-
selben hat er nicht mehr Zeit gefunden, allein in einer Note, welche der
im Märzhefte des laufenden Jahrgangs von Poggendorf f's Annalen
*) Po gg. Ann. CXXXVIII. 333.
"**) Knoblauch, lieber den Durchgang der strahlenden Wärme durch Stein
Balz und Sylvin. Po gg. Ann. CXXXIX. 160.
95
raitgetheilten vollständigen Arbeit vorgedruckt ist, glaubt er auf den
Inhalt der Abhandlung als Antwort auf Knoblauch'» Bemerkungen
hinweisen zu dürfen.
In dieser Abhandlung, welche die Ergebnisse der Untersuchungen
von Magnus vollständig mittheilt, zeigt es sich dann allerdings,
dass der oben erwähnte Satz im Wesentlichen nicht von ihm an-
gegriffen worden war. Im Grunde hatte sich Magnus auch
schon in der kurzen Anzeige seiner Arbeiten über diesen Punkt aus-
gesprochen, indem er sagte: „Die grosse Diathermansie des Stein-
salzes beruht nicht auf einem geringen Absorptionsvermögen desselben
für die verschiedenen Wärmearten, sondern darauf, dass es nur eine
einzige Wärmeart ausstrahlt und folglich auch nur diese eine absor-
birt, und dass fast alle andern Körper bei der Temperatur von 150°
Wärme aussenden, die nur einen kleinen Theil oder gar keine von
den Strahlen enthält, welche das Steinsalz aussendet.*^
In Folge ihrer Einfachheit oder doch beschränkten Zusammen-
setzung bieten die Wärmestrahlen des Steinsalzes, Sylvins und Fluss-
spaths, auch was ihre Reflexion anlangt, ein interessantes Verhalten.
Von einer polirten Silberplatte wurden sie ungefähr in demselben
Verhältnisse, wie die von andern erwärmten Körpern ausgehenden
Strahlen reflectirt. Unter dem Einfallswinkel von 45'' betrug der An-
theil der reflectirten Strahlen etwa 86 bis 93 Procent. Unter dem-
selben Winkel reflectirten Glasplatten 9 bis 11 Procent. Dagegen re-
flectiren Flussspathplatten von der Wärme des Steinsalzes 24,2, von
der des Sylvins 18,1, von der des Flussspaths nur 10,9 Procent. Die
Reflexion, der Steinsalz- und Sylvinwärme von Steinsalz und Sylvin
zeigte sich, wie zu erwarten war, nur gering, doch bei dem ersteren
(8 Procent) etwas beträchtlicher als bei dem letzteren (6 Procent).
Von der Wärme des Flussspaths (immer unter 45" Einfallswinkel)
reflectirte Steinsalz 10, Sylvin aber nur 4 Procent.
Die letzten Versuche, mit denen sich Magnus beschäftigt hat,
betreffen die Veränderung der Wärmestrahlung durch Rauheit der
Oberfläche; sie schliessen sich den vier Jahre früher*) ausgeführ-
ten Untersuchungen an, welche die Verschiedenheit der von rauhen und
glatten Oberflächen ausgestrahlten Wärme zum Gegenstande hatten **).
Ausgangspunkt dieser V^ersuche ist die zuerst von dem Schotten
Leslie aufgestellte, auch von Melloni und Anderen vertheidigte An-
sicht, dass die veränderte Ausstrahlung nur auf einer Aenderung der
Dichtigkeit der Oberflächenschicht beruhe, eine Ansicht, der Magnus
selber früher gehuldigt hatte. Eine erneute Betrachtung dieser Frage
•) Vergl. S. 90.
•*) üeber die Veränderung der Wärmestrahlang durch Rauheit der Oberfläche.
Pogg. Ann. CXL. 337. (1870.)
96
hatte indessen Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung in ihm auf-
steigen lassen, und seinen Ueberlieferungen bis zum Ende getreu, unter-
nimmt er alsbald eine Reihe von Versuchen, um entweder diese Zweifel
zu beseitigen oder eine richtigere Erklärung zu finden.
Bei diesen Versuchen wurden statt des Kupfers und anderer leicht
oxydirbarer Metalle Platinplatten angewendet, bei denen auch andere
Veränderungen der Oberfläche, wie sie beim Silber z. B. durch kleine
Mengen von Schwefelwasserstoff entstehen, nicht zu befürchten waren.
Magnus beschreibt die Ergebnisse dieser Versuche in folgenden Worten:
„Eine Platinplatte, die durch Auswalzen möglichst hart gemacht
worden, strahlte, nachdem sie stark ausgeglüht war, eben so viel
Wärme aus, als zuvor. Die Härte konnte hiernach die Ausstrahlung
nicht bedingen.
Eine andere Platinplatte war unter sehr starkem Druck zwischen
zwei Walzen durchgegangen, von denen die eine fein gravirt war, so
dass die Platte nach dem Walzen auf ihrer einen Seite kleine Er-
höhungen zeigte, während die andere glatt war. Die erstere strahlte
unbedeutend mehr als die andere aus. Nachdem aber die Platte stark
geglüht worden, war auch dieser Unterschied nicht mehr bemerkbar.
Es geht daraus hervor, dass bei sonst gleicher Beschaffenheit der
Oberfläche Unebenheiten und selbst regelmässig wechselnde Erhöhun-
gen und Vertiefungen vorhanden sein können, ohne dass dadurch eine
Vermehrung der Ausstrahlung entsteht.
Wurde dagegen eine ebene Platinplatte, welche mittelst der Glas-
bläserlampe ausgeglüht und ganz weich war, mit feinem Schmirgel-
papier rauh gemacht, so steigerte sich ihre Ausstrahlung auf das Doppelte.
Um einen solchen Vergleich anstellen zu können, geschah die
Erwärmung der ausstrahlenden Platte mittelst eines kleinen Apparates
aus Messing, der durch Dämpfe auf 100° C. erhalten wurde. Er be-
stand aus einem horizontal liegenden Cylinder von 50°"° innerm Durch-
messer und eben so viel Länge, dessen eine Basis von der zu unter-
suchenden Platte gebildet wurde. Um diese leicht mit einer andern
vertauschen zu können, war der Cylinder mit einem breiten Rande
versehen, gegen den die Platte durch einen Messingring mittelst dreier
Schrauben angedrückt wurde. Zur Dichtung dienten dazwischen ge-
legte Ringe aus starkem Papier, die vollkommen dampfdicht schlössen.
Um sicher zu sein , dass bei Behandlung der Platte nicht irgend
eine fremde Substanz auf derselben zurückgeblieben sei, z. B. Spuren
von dem Leim des Schmirgelpapiers, obgleich dasselbe ganz trocken
angewendet worden war, wurden die Platten, bevor man sie in dem
Apparat befestigte, eine Zeit lang in concentrirter Salpetersäure er-
hitzt, sodann mit destillirtem Wasser so lange abgespült, bis alle
Säure entfernt war, und darauf getrocknet, ohne sie mit einem Tuch
oder einem anderen Gegenstande zu berühren.
97
Man kann sich schwer vorstellen, dass durch die leichte Behand-
lung mit Schmirgelpapier die Dichtigkeit der Oberfläche sich in solchem
Maasse geändert haben sollte, da$s die Ausstrahlung sich verdoppelte.
Wurde eine Platinplatte mit einer dünnen Schicht von Platin-
schwamm überzogen, indem Platinsalmiak in dünner Schicht darauf
gebracht and sie dann stark erhitzt wurde, so zeigte sie etwa die
siebenfache Ausstrahlung von derjenigen, welche man vor dem Auf-
bringen des Platinschw^arames beobachtet hatte.
Der Platinschwamm ist lockerer als die Platte, auf der er be-
befestigt ist, allein jedes einzelne Theilchen desselben ist ohne Zweifel
eben so hart wie ein Theilchen der ausgeglühten Platte. Die Wirkung
des Schwammes beruht daher, wie es scheint, nur darauf, dass er
mehr Spitzen und Ecken darbietet. Es ist dies um so wahrscheinlicher,
als die Ausstrahlung einer solchen, mit Schwamm überzogenen Platte
abnimmt, wenn sie öfters und anhaltend geglüht wird. Möglich, dass
bei jedem neuen Erhitzen etwas von dem Schwamm sich ablöst, aber
jedenfalls runden sich die äafsersten Spitzen und Ecken zugleich ab.
Härter können sie nicht werden."
Magnus ist der Ansicht, dass die Vermehrung der Ausstrahlung
bei rauher Oberfläche wesentlich von der Brechung abhängt, welche
die Wärme bei ihrem Austritt aus der Oberfläche des strahlenden
Körpers erleidet. Er erläutert diesen Einfluss für die verschiedenen
Gestalten der Oberfläche und kommt dabei zu folgendem Schluss: ^Je
grösser der Brechungsexponent der Wärme zwischen der ausstrahlen-
den Substanz und der Luft ist, um so geringer ist die Ausstrahlung
aus der ebenen Oberfläche; in diesem Falle nimmt die Menge der
nach Innen reflectirten Wärme zu. Ohne Zweifel haben die Metalle
einen sehr grossen Brechungsexponenten. Desshalb reflectiren sie die von
Aussen kommenden Strahlen und lassen nur wenig davon eindringen,
und desshalb reflectiren sie auch die aus dem Innern kommenden nach
Innen und lassen nur wenig davon austreten. Grössere Unebenheiten
der ausstrahlenden Fläche haben nur unbedeutende Aenderungen der
Ausstrahlung zur Folge. Eine solche tritt nur ein, wenn die Krüm-
mungsradien sehr klein sind und sich sehr stark ändern, und wenn
die ausstrahlende Substanz wenig diatherman ist. Im Allgemeinen
kann zwar die Rauhigkeit der Oberfläche sowohl eine Steigerung als
eine Verminderung der 'Ausstrahlung bewirken, aber wenn die Un-
ebenheiten sehr fein und sehr tief sind, so tritt bei wenig diather-
manen Substanzen, wie den Metallen, fast stets eine Steigerung ein. Ist
ein sehr feines Pulver derselben Substanz auf der ausstrahlenden
Fläche befindlich, so steigert sich die Ausstrahlung bedeutend; nicht
nur bei wenig diathermanen Körpern, wie den Metallen, sondern auch
bei stark diathermanen, z. B. beim Steinsalz. **
Die hier angefahrten Resultate wurden von Magnus am
98
11. October 1869 in der Sitzung der physikalisch - mathematischen
Klasse der hiesigen Akademie der "Wissenschaften verlesen *). Es war
die letzte Arbeit, welche er der Akademie vorgetragen hat.
Mitte November theilte er das für die Abhandlungen der Aka-
demie bestimmte Manuscript dieser Arbeit seinem Freunde Kro-
necker mit, um mit ihm die mathematische Entwicklung seiner An-
sicht, zumal aber gewisse Consequenzen zu besprechen, welche sich
aus den Fresnel'schen Intensitätsformeln ziehen lassen. An diese
Besprechungen knüpften sich mehrfache mündliche und schriftliche Er-
örterungen zwischen den beiden Gelehrten, in Folge deren Magnus,
dessen Gewissenhaftigkeit sich nie verläugnete, den Entschluss fasste,
von der Veröffentlichung des Aufsatzes vorläufig abzusehen, um über die
in demselben behandelte Frage weitere Versuche anzustellen. Allein
es war ihm nicht vergönnt, die Untersuchung wieder aufzunehmen,
und so hat er denn, als er sein Ende nahen fühlte, den Wunsch aus-
gesprochen, es möge die Abhandlung, deren Umarbeitung ihm versagt
sei, in ihrer ursprünglichen Fassung veröffentlicht werden. Dieser
Wunsch ist von seinem langjährigen Freunde Poggendorff treulich
erfüllt worden; die Abhandlung ist bald nach seinem Tode im Julihefte
der Annalen der Physik erschienen; eine die Abhandlung begleitende
Note giebt uns von den eigenthümlichen Umständen Kenntniss, unter
denen die letzte Arbeit von Gustav Magnus zur Veröffentlichung
gelangt ist.
Die Auszuge, welche ich aus den Abhandlungen unseres Freundes
gegeben habe, fragmentarisch und ungleichartig wie sie sind, dürften
hinreichen, um das Wesen und den Umfang seiner Forschung zu be-
zeichnen. Das vorwaltende Moment in allen diesen Arbeiten ist, wie
man sieht, das Experiment; der Speculation wird nur dann ein Recht
zugestanden, wenn sie in dem sichern Boden des Versuches wurzelt.
Ueber den Werth der experimentalen Methode hat sich Magnus selber
in seiner Rectoratsrede**) ausgesprochen, in welcher er die Natur-
wissenschaft gegen die, seltsam genug, von zwei ganz entgegenge-
setzten Seiten ausgehenden Angriffe vertheidigt.
„Zwar ist die Erkenntniss der Wahrheit» sagt Magnus, das Ziel
einer jeden Wissenschaft, die Naturforschung aber erfreut sich des
Vorzuges, mehr als alle anderen Disciplinen geeignet zu sein, das
Streben nach dieser Erkenntniss zu üben und zu befestigen, lu dieser
Beziehung bewährt sie sich als vortreffliches Bildungsmittel. Selbst
die Mathematik steht ihr hierin nach."
•) Monatsbericht f. 1869. 713.
**) Festrede auf der UniversitUt zu Berlin am 3. August 1862.
99
Und nftchdem er eines Näheren aasgefabrt hat, wie die mathe-
matische Behandlung einer Frage nach streng vorgeschriebenen Formen
erfolgt, während sich für die naturwissenschaftliche Forschung keine
Regel aufstellen lässt, sondern jeder Fall einer besonderen Beurthei-
ludg bedarf, damit der Forschende gegen Irrthumer sicher gestellt
sei, sagt er weiter:
„Hier tritt das Experiment in seine Bedeutung. Dies ist bestimmt
jene Sicherheit zu gewähren. Es ist der Prüfstein für den aufgestell-
ten Gedanken. Es ist die Frage, die gestellt wird, um zu erfahren,
ob derselbe auf der Wahrheit beruhte oder nicht. Nach unserer An-
sicht heisst experimentiren nichts anderes als der Wahrheit seine
Kräfte widmen :
rero impendere vires.*
Bei einer so bestimmt ausgesprochenen Vorliebe für das Experi-
ment, und wenn man erwägt, nach wie vielen Richtungen Magnus
diese Vorliebe bethätigt hat, wird es nicht befremden, dass er sich
mit literarischen Arbeiten kaum beschäftigt hat. Grössere Werke, wie
Monographieen odi-r Lehrbücher liegen nicht vor, jedoch hat er gele-
gentlich, aber gleichwohl äusserst selten, kleinere Beiträge zu einigen
nicht asÄthliesslich wissenschaftlichen Zeitschriften geliefert. Für die
Ausführung grösserer literarischer Arbeiten gebrach es ihm in der
That an der nöthigen Müsse; die Zeit, welche ihm, nachdem er den
zahlreichen Anforderungen seiner Stellung gerecht geworden war, die
Beschäftigung mit experimentalen Studien übrig Hess, war unverkürzt
dem Unterrichte gewidmet.
In einer Versammlung, welche so viele von Magnus' Schülern
zu Gliedern zählt, könnte es überflüssig erscheinen, seiner Lehrthätig-
keit eine Lobrede halten zu wollen. Allein diese Blätter der Er-
innerung sollen auch denen, die nach uns kommen, ein Bild des
Mannes geben, und ich würde mich daher einer unverzeihlichen Unter-
lassung schuldig machen, wollte ich nicht schliesslich auch bei dieser
Seite seiner Wirksamkeit, welche nicht nur seinen zahlreichen Schülern
zu Statten gekommen ist, sondern auch einen bleibenden Einfluss
auf die Wissenschaft geübt hat, einen Augenblick verweilen.
Hören wir zunächst, wie er selber die Stellung des Lehrers an
deutscher Hochschule auffasst. Im Laufe einer am Spätabend seines
Lebens gehaltenen Festrede hat er Gelegenheit, die Verhältnisse des
nflFentlichen Unterrichts in England und Deutschland mit einander zu
vergleichen. Er sagt:
„Allein, wenn Unterschiede in Charakter, in Brauch und Sitte,
in Thun und Denken zwischen Engländern und Deutschen vorhandett
sind , so treten sie wohl kaum auf irgend einem andern Gebiete so
bedeutungsvoll hervor, als auf dem des öffentlichen Unterrichts.
Der Engländer — und wie der Einzelne so die Nation — ver-
_J.00_
folgt sein Ziel stets unverrückten Auges. Ist es doch gerade dieses
zähe Beharren auf dem einmal eingeschlagenen Wege, welches die
Nation so gross gemacht hat. Allein dieser Zug in dem englischen
Charakter bedingt auch, dass die Jugend jenes Landes darauf hinge-
wiesen ist, schnell zu lernen und das Erlernte unmittelbar für das
Leben zu verwerthen.
"Wie ganz anders unsere jungen deutschen Akademiker, diejenigen
zumal — und sie bilden ja noch immer den Kern unserer Studiren-
den — welche eine reife Vorbildung mit auf die Hochschule bringen,
eine Vorbildung, welche ihren Geist nach allen Richtungen entwickelt
hat. Bei ihnen ist eine höhere, mehr ideale Auffassung der Dinge
vorwaltend. Und diesem Umstände verdankt der deutsche Universitäts-
lehrer die bevorzugte Stellung, deren er sich erfreut; dass seine Zu-
hörer von dem Bestreben erfüllt sind, nicht nur das Lehrobject sich
anzueignen, sondern dasselbe auch zu durchdringen. Solche Schüler
vermag der Lehrer bis an die ■ äussersten Grenzen der Wissenschaft
zu führen, in ihnen vermag er die Begeisterung für den weiteren Ausbau
dieser Wissenschaft zu wecken. Wie reich und mannichfaltig die
Früchte dieser Bestrebungen sich theilweise §chon während ihres
Aufenthaltes auf der Universität gestalten, dafür liefern die Doctor-
Dissertationen ein erfreuliches Beispiel.
Ein deutscher Lehrer, der selbst von heiligem Feuer für seine
Wissenschaft durchglüht ist, nur vor solchen Zuhörern wird er sich
genügen."
Kein Wunder, dass Auffassungen, wie sie sich in diesen Worten
spiegeln und wie sie Magnus auf seiner ganzen Laufbahn geleitet
haben, bei den Studirenden ein lebhaftes Echo finden, und zu dem
schönen Verhältnisse zwischen Schulern und Lehrer führen mussten.
welches ich in einem früheren Abschnitte dieser Skizze zu schildern
versucht habe.
Die akademische Thätigkeit Gustav Magnus' hat sich in drei
verschiedenen Formen geltend gemacht, in Vorlesungen, in Colloquien
und in Anleitungen zur experimentalen Forschung. Seine Hauptvor-
lesungen waren, wie bereits erwähnt worden ist, Physik und Techno-
logie. In den ersten Semestern nach seiner Habilitation, von Sommer
1832 bis Sommer 1833, hat er nur Technologie gelesen; seine erste
Vorlesung über Physik fällt in das Wintersemester 1833 — 34. und von
diesem Zeitpunkte an bis zu seinem Tode wechselte ohne Unterbre-
chung der Sommervortrag über Technologie mit der physikalischen
Wintervorlesung; im Sommersemester 1869 hat er die Technologie zum
neununddreissigsten Male vorgetragen; die Wintervorlesung 1869 — 70,
die er nicht mehr vollenden sollte, ist die siebenunddreissigste über
Physik gewesen. Neben diesen beiden grossen Collegien hat er noch
vorübergehend (im Sommer 44 und 45) öffentliche Vorträge über die
101
Theorie des Galvanismus gehalten. Der Cyclus seiner berühmten
physikalischen CoUoquien beginnt im Jahre 1843; anfangs (1843 bis
45) hält er dieselben nur im Sommer, aber vom Jahre 1846 an folgen
sie sich allsemesterlich bis zu seinem Tode. Die Experimentalubungen
datiren vom Anbeginn seiner akademischen Laufbahn, allein da
es Magnus erst in späteren Jahren gelingt, ein öffentliches Labora-
torium zu erhalten, so tragen dieselben doch auch mehr einen privaten
Charakter, indem er sich darauf beschränken muss, jungen Männern,
welche er in den Vorlesungen als besonders strebsam und befähigt
erkannt hat, sein Privatlaboratorium zu öffnen. Erst im Sommer 18(33
bewilligt die Regierung einen Fond für die Begründung und eine
jährliche Dotation für die Erhaltung eines physikalischen Laboratoriums,
welches Magnus in dem von ihm bewohnten Hause 7 Kupfergraben
einrichtet. Von diesem Zeitpunkte nehmen die Experimentalübnngen
mit der Oeffentlichkeit eine regel massigere Ausbildung und einen grösse-
ren L'mfang an.
Was nun zuerst die Vorlesungen anlangt, so erinnert sich Jeder,
der Magnus hat reden hören, in wie hohem Grade ihm die Gabe
der Mittheilung verliehen war; sein ernst-gediegener Vortrag zeichnete
sich durch eine lichtvolle Klarheit aus, welche den schwierigsten Auf-
gaben der Darstellung gewachsen war. Von der eleganten, an eng-
lische Ausdrucksformen erinnernden Bildung kurzer Sätze, welche im
Flusse der Rede ihm eigen war, erhält man kaum ein deutliches
Bild aus der Abfassung seiner Abhandlungen, in denen er mehr voll-
endete Präcision und Deutlichkeit, als Grazie der Darstellung anstiebte.
Seine Sprache war gewählt nicht gesucht, völlig frei von allem An-
satz zum Schwülstigen, jedes seiner Worte gehörte zur Sache; Nie-
mand hasste mehr als er die Phrase, und jedwedes Haschen nach Effect
war dieser einfachen Natur ganz und gar zuwider. Und derselbe
edle Styl, der seinen Vortrag kennzeichnet, tritt uns aus der experi-
mentalen Ausstattung seiner Vorlesungen entgegen. Ein enthusiasti-
scher Freund des Versuchs, versagt er es sich nicht, die Aufmerksam-
keit seines Zuhörers durch die gediegene Pracht der Erscheinungen
zu fesseln, welche er ihm vorführt Seine Instrumente, seine Apparate,
alle Hülfsmittel, deren er sich bedient, stehen auf der Höhe der Zeit
und sind stets das Beste, was für Kraft und Geld zu haben ist; und
von der ausdauernden Sorgfalt, mit welcher alle für das Gelingen
eines Versuches erforderlichen Bedingungen studirt werden, mit welcher
der Versuch ^durchprobirt" wird bis er ^geht**, — seine Assistenten
wissen davon zu erzählen. Aber wie überall, so hat er auch hier
wieder das feine Maass gefunden; der schönste Versuch ist ihm immer
nur Mittel zum Zweck und niemals überwuchert das Experiment die
Wahrheit, welche mit seiner Hülfe zur Anschauung kommen soll. Mit
bewundernswürdiger Selbstverläugnung wird der reizendste Apparat,
102
der eben mit grossen Kosten und noch grösserem Zeitaufwande fertig
geworden ist, zur Seite geschoben, so bald sich die Erscheinung, um
deren Veranschaulichung es sich handelt, mit einfacheren Mitteln her-
vorrufen lässt.
Wenn man sich der ganz besonderen Begabung erinnert, welche
Magnus für die Construction von Apparaten besass, und der Sicher-
heit, mit der er experimentale Schwierigkeiten beherrschte, wie sie uns
aus jeder seiner Arbeiten entgegentreten, und dass dieses Talent mit
Vorliebe und unter den glücklichsten äusseren Bedingungen, während
einer so langen Reihe von Jahren im Interesse seiner Vorlesungen
geübt ward, so ist es in der That zu bedauern, dass er so wenige
der auf diesem Felde gesammelten Erfahrungen veröffentlicht hat.
Hoffentlich hat sich die Tradition derselben bei seinen zahlreichen
Schülern erhalten. Einige wenige seiner reizenden Versuche und seiner
trefflichen Apparate sind indess bereits allgemeiner bekannt geworden.
So mag hier, was Vorlesungsversuche angeht, an die schöne Beobach-
tung erinnert werden, dass sich die an den Polen eines Magneten
haftende Eisenfeile entzünden lässt. Der Feuerregen, welchen der
brennende Eisenbart, beim Schwingen des Magneten in der Luft, ent-
sendet, fehlt in keiner chemischen Vorlesung mehr, so dass wir
Magnus schon beim Eintritt in unsere Wissenschaft gleich auf der
Schwelle begegnen. Von seinen Instrumenten verdient hier, neben
den schon in den Auszügen aus seinen Arbeiten genannten, noch be-
sonders des schönen Compressionsapparates gedacht zu werden, wel-
cher besser als jeder andere geeignet ist, in Vorlesungen die Volumver-
änderung der Gase bei verändertem Druck zu zeigen. Die Gase sind
in graduirten Röhren über Quecksilber abgesperrt, und Wanne mit
Röhren befindet sich in einem grossen, starken, verschliessbaren Glas-
cylinder, in welchen man mittelst einer Druckpumpe Wasser einpum-
pen kann. Ein Luftmanoraeter giebt den Druck an, während wir die
Volumveränderung der Gase an den in den Glasröhren aufsteigenden
Quecksilbersäulen direct beobachten. Der Apparat dürfte wohl in
keinem physikalischen Cabinette mehr fehlen.
Die reiche Erfahrung in der Herstellung chemischer und physikali-
scher Apparate, in der Einrichtung gewerblicher Anlagen, überhaupt
in der Lösung aller constructiven Aufgaben, welche Magnus gesam-
melt hatte, ist auch vielen Anderen zu Gute gekommen. In einer
Unzahl von Fällen ist sein Rath eingeholt worden, welchen der
uneigennützige Mann stets mit der grössten Bereitwilligkeit ertheilte.
Wie oft hat der Verfasser dieser Skizze werthvolle Fingerzeige von
seinem Freunde erhalten! Während die Dispositionen für die neuen
Laboratorien in Bonn und Berlin getroflfen wurden, wie oft ist in
zweifelhaften Fällen seine Stimme entscheidend gewesen! Und
wenn es sich um die Beschaffung von Apparaten handelte, in wie
103
vielen Fällen hat aach hier wieder die erprobte Sachkenntuiss von
Magnus den Auäscblag gegeben! Der werthvoUe Hülfe, welchen
er dem Verfasser noch vor Kurzem erst bei der Konstraction eines
einfachen für gasometrische Zwecke bestimmten Kathetometers geleistet
bat, muss hier noch mit besonderem Danke gedacht werden.
Die grosse Sorgfalt, mit welcher Magnus der experimentalen,
überhaupt der illustrativen Ausstattung seiner Vorlesungen oblag, zeigt
deutlich, wie wenig im naturwissenschaftlichen Unterricht der münd-
liche Vortrag ihm ausreichend erschien. Von dieser Auffassung ge-
leitet, war er schon frühzeitig bedacht gewesen, den Nutzen seiner
technologischen Vorlesungen für die Zuhörer dadurch zu erhöhen, dass
er ihnen Gelegenheit verschaffte, gewerbliche Anlagen und industrielle
Werkstätten zu besuchen. Zu dem Ende pflegte er mit ihnen regel-
mässige, technologische Ausflüge, theils in Berlin, theils in der Umge-
gend zu unternehmen. Sehr bescheiden in ihren Anfängen, hatten
diese Excursionen, als seine Beziehungen zu den Fabrikanten sich er-
weiterten, zumal aber als er die grosse Mehrzahl der Berliner Indu-
striellen seine Schüler nennen durfte, allmählich eine Ausdehnung und
Bedeutung gewonnen, welche diesem Systeme des technologischen
Unterrichtes einen weit über die Grenzen Deutschlands hinausgehen-
den Ruf verschafften. Wie sehr aber auch Magnus, ganz abgesehen
von äusseren Hülfsmitteln, welche ihm glückliche Verbältnisse boten,
der Mann war, einen so seltsam aus den heterogensten Bestandtheilen
zusammengesetzten Complex des Wissens, wie die Technologie, geistig
zu bewältigen und zu einem wissenschaftlichen Ganzen zu verschmelzen,
dies muss Jedem einleuchten, der seine umfangreichen Forschungen
auch nur flüchtig überblickt hat. Wenige Vorlesungen dürften bei
den Zuhörern einen tieferen Eindruck hinterlassen haben, als
die von Magnus. Viele seiner älteren Schüler, die jetzt grosse
Stellungen in der Wissenschaft und der Praxis einnehmen — and
ich darf hier Namen nennen, wie die meiner Freunde W. Sie-
mens und F. V^arren trapp — sprechen noch heute, nach so vielen
Jahren, mit dem lebhaftesten Danke von den vielseitigen Anregungen
für's Leben, welche sie aus diesen V^orlesungen mitgenommen haben.
Die technologischen Excursionen und der lebhafte Verkehr zwischen
Liehrer und Schülern, welcher sich aus ihnen entfaltete, waren es,
welche in Magnus zuerst den Wunsch rege machten, auch seine
physikalischen Zuhörer, oder wenigstens einen Theil derselben, in ein
engeres Verhält niss an sich heranzuziehen. Das Jahr 1843 brachte
diesem langgehegten Wunsche Erfüllung. Im Sommer des genannten
Jahres hatte sich um Magnus ein Kreis ausgezeichneter junger Männer
geschaart, wie sie sich bei grosser Verschiedenheit der speciellen Studien
gleichwohl in dem Streben nach einer vollendeten physikalischen
Durchbildung geeinigt , nicht leicht auf einer Hochschule wieder za-
V
104
sammenfinden durften. Diesen schlug Magnus eine wöchentliche
Zusamnaenkunft in seinem Hause vor, um physikalische Fragen im
Allgemeinen, besonders aber alle neuen Arbeiten auf dem Gebiete der
Physik zu besprechen, daher der Name physikalische Colloquien,
Avelchen diese Zusammenkünfte alsbald annahmen. ID^FVerfasser dieser
Skizze, dem die Magnus 'sehen Zuhörerlisten vorliegen, kann es sich
nicht versagen, die Namen der zehn Theilnehmer anzuführen, welche
sich an dem dritten Dienstage des Aprils genannten Jahres unter
Magnus' Aegide zu dem ersten dieser Colloquien versammelten. Ich
finde die Namen von Bärensprung, Wilhelm Beets, Emil du
Bois-Reymond, Ernst Brücke, Rudolf Clausius, H. Eich-
horn, Fabian von Feilitzsch, Wilhelm Heintz, Gustav
Karsten, Vettin. Nicht weniger als acht von den zehn nehmen im
Augenblick hervorragende Stellungen an deutschen Universitäten oder
höheren ünterrichtsanstalten ein!
Diese unter so glücklichen Vorbedeutungen begonnenen physika-
lischen Abende erwiesen sich alsbald von dem allergrössten Nutzen für
sämmtliche Betheiligte. Dem Verfasser dieser Skizze ist es nicht ver-
gönnt gewesen, den Colloquien beizuwohnen, aber er hat sehr oft Ge-
legenheit gehabt, mit Chemikern und Physikern zu verkehren, welche
sich in freudiger Dankbarkeit der Theilnahme an diesen Vereinigungen
erinnern. Viele versichern, dass sie dem freundschaftlichen Verkehre
mit Magnus in den Colloquien die ersten tieferen Einblicke in die
Aufgabe des physikalischen Studiums verdanken, und dass sie in ihnen
die fruchtbringendsten Anregungen für die Wissenschaft erhalten haben.
Wie sehr dieser colloquiale Verkehr einem wahren Bedürfnisse entsprach,
ergiebt sich recht deutlich aus dem Umstände , dass schon bald nach
Eröffnung desselben die schönen durch ihn erzielten Erfolge bei einigen
der früheren Theilnehmer den Gedanken weckten, zu einem ähnlichen
wissenschaftlichen Vereine auf breiterer Grundlage zusammenzutreten.
So entstand im Jahre 1845 die Berliner Physikalische Gesell-
schaft, deren fünfundzwanzigjähriges Bestehen im Anfange diese.^
Jahres in so heiterer Weise gefeiert worden ist. Den physikalischen
Colloquien hat die Gründung dieser Gesellschaft, welche umfang-
reichere Aufgaben verfolgt, keinen Abbruch gethan, denn nach wie
vor finden wir eine sich stets gleichbleibende rege Betheiligung. Die
mir vorliegende Liste der Theilnehmer, welche mit den März 1843
beginnt und bis zum Februar 1870, also fast bis zum Tode Magnus .
reicht , mithin einen Zeitraum von siebenundzwanzig Jahren umfasst,
enthält nicht weniger als 268 verschiedene Einzeichnungen, und wenn
wir in diesem Verzeichnisse, neben denen der bereits genannten ersten
Theilnehmer an dem Colloquium, die Namen von Männern finden wi.
Baeyer, Clebsch, Kirch ho ff, Knoblauch, Kundt,Paalzov
Quincke, vom Ra'th, R. Schneider, R. Weber, Wiedemanu,
105
Wüllner und so vieler Anderer, so erhellt aus dieser glänzenden Liste
zur Genüge, welchen Einfluss die Lehrthätigkeit unseres Freundes
auf den Fortschritt der Wissenschaft geübt hat. Für Magnus sind
übrigens diese Colloquien eine Quelle der reinsten Freude gewesen. Er
fühlte sich wohlthuend berührt von dem erfrischenden Hauche, welcher
ihn aas dem Verkehr mit strebsamen jungen Männern anwehte;
aber auch der wissenschaftliche Gewinn, den ihm seine physikalischen
Abende brachten, darf nicht gering angeschlagen werden. Im Anfange
des Semesters wurden die Rollen vertheilt; ein jedes der Mitglieder
übernahm es, über einen Theil der neuen Erscheinungen auf dem
Gebiete der Physik ein Referat zu liefern, in welchem sich die neuen
Erfahrungen an das bereits Bekannte anlehnten. Für diesen Zweck
besorgte Magnus mit grosser Sorgfalt die nöthige Literatur, und
da der ganze Charakter der Vereinigungen Unwissenheit und ün-
fleiss ausschloss, so war mit einiger Sicherheit darauf zu rechnen,
dass, nach mehrwöchentlicher Vorbereitung', in der zum Vortrage
anberaumten Sitzung eine werthvoUe Arbeit zum Vorschein kam.
An den Vortrag reihte sich alsdann eine vollkommen ungezwungene,
belebte Discussion, an der sich auch die Schüchternsten oft und gern
betheiligten. Magnus pflegte zu sagen, dass er aus den Colloquien min-
destens eben so viel lerne, wie seine jungen Freunde. Daher denn
sein nie müde werdendes Interesse an diesen physikalischen Vereini-
gungen. Am Dienstag Abend war er für jeden NichtcoUoquenten
vollkommen unzugänglich; ich glaube nicht, dass er im Laufe eines
Vierteljahrhunderts das CoUoquium mehr als ein halbes Dutzend mal
ausgesetzt hat.
Dass Magnus neben seinen experimentalen Stadien, neben seinen
unausgesetzten Vorlesungen und Colloquien auch noch gleichzeitig eine
grossartige Wirksamkeit als Leiter eines chemischen und physikalischen
Laboratoriums ausüben konnte, bezeugt auf's neue die unerschöpfliche
Arbeitskraft des Mannes, aber auch die stramme Oekonomie, mit
welcher er seine Zeit einzutheilen wusste. Zwar war es kein aus-
gedehntes Laboratorium, dem er vorstand, zwar waren es niemals
Viele, die gleichzeitig unter seiner Führung arbeiteten, aber nichtsdesto-
weniger häuften sich eigenthümliche Schwierigkeiten, unter denen er
diese Aufgabe zu lösen hatte. Wie in allen andern, so war er auch
in dieser Phase seiner akademischen Laufbahn fast ausschliesslich auf
eigene Mittel angewiesen. Die ihm zur Verfügung stehenden Räume
waren verhältnissmässig beschränkt, und da sie für die Zwecke, denen
sie dienen mussten, nicht ursprünglich bestimmt gewesen, auch in an-
derer Beziehung ganz unzureichend. Bedenkt man ferner, dass die
meisten seiner Laboranten mit Experimentaluntersuchungen beschäf-
tigt waren, bei deren Ausführung sie jeden Augenblick in der Er-
fahrung des Lehrers Rath und Hülfe zu suchten hatten, end-
9
106
lieh, dass die Fragen, deren Losung sie anstrebten, wiederum, wie
Magnus' eigene Forschungen, den verschiedensten Gebieten der
Chemie und Physik angehörten, so sind wir erstaunt, wie der
vielbeschäftigte Mann auch diesen Anforderungen nach allen Rich-
tungen Genüge leistete. Die Zahl der aus seinem Laboratorium her-
vorgegangenen Originalabhandlungen beläuft sich auf nicht weniger
als 77 , von denen 29 der früheren Periode angehören, in welcher
er kaum mehr als zwei oder drei Schüler gleichzeitig aufzuneh-
men im Stande war; während 48 in den letzten sieben Jahren ent-
standen sind , seit sich die äusseren ihm zu Gebote stehenden Mittel
durch die Begründung des physikalischen Laboratoriums wesentlich
erweitert hatten*).
Unter diesen letzteren möge es genügen, auf die schönen kry-
stallographisch- optischen Forschungen von Groth, auf die zahlreichen
und wichtigen akustischen Arbeiten von Kundt und von Warburg, auf
die verschiedenen chemischen Abhandlungen von Schultz-Sellack
hinzuweisen. Von den aus früherer Zeit stammenden Untersuchungen
finden wir werthvolle chemische Arbeiten von Beetz über Kobaltver-
bindungen, von Rüdorf über Gefrieren und über Kältemischungen, von
R. Schneider über Wismuth Verbindungen und über das Atomge-
wicht des Wismuths , von Unger über das Xanthin, von Vögel i
über die Phosphorsäure -Aether, von R. Weber über Aluminium Ver-
bindungen und Wärmeentwicklung bei Molecularveränderungen, end-
lich die wichtigen Versuche von Wiedemann über den Harnstoff,
welche bekanntlich zur Entdeckung des Biurets geführt haben. Auch
verschiedene ausgezeichnete physikalische Untersuchungen, so die von
Tyndall über Diamagnetismus und über die Polarität des Wismuths,
so die von Wüllner über die Spannung der Dämpfe aus Salzlösun-
gen, gehören dieser früheren Periode an. Unter den Arbeiten der frühe-
sten Zeit begegnen wir auch einer Untersuchung des berühmten Natur-
forschers, welchem die ehrenvolle Aufgabe zu Theil geworden ist,
uns Gustav Magnus an der hiesigen Hochschule zu ersetzen. Die
ersten Untersuchungen von Hermann Helm hol tz, die Versuche über
Fäulniss, sind in dem Laboratorium seines Vorgängers ausgeführt
worden.
Wenn wir die grossartige akademische Wirksamkeit des Mannes
überblicken, wie sie uns aus den gegebenen Andeutungen, obwohl immer
nur sehr unvollkommen entgegentritt, so werden wir uns stets erinnern,
*) Die Herren Professoren R. Weber und A. Kundt, beide früher während meh-
rerer Jahre Assistenten bei Magnus, haben die Güte gehabt, Verzeichnisse anf-
zusl eilen, ersteter von den der früheren Periode angehörenden, letzterer von den im
physiicalischen Laboratorium ausgeführten Arbeiten. Diese Verzeichnisse, für welche
ich den genannten Herren zu bestem Danke verpflichtet bin, sind am Schlüsse an-
tjefUgt.
107
wie vielen Dank ihm unsere Universität schuldet. Die Berliner Hoch-
schule hat sich des seltenen Glückes erfreut, dass in ihrem Schoosse
zwei Kork'phäen der Wissenschaft wie Magnus und Dove, wäh-
rend eines mehr als ein Menschenalter umfassenden Zeitraumes, an
der Spitze der physikalischen Studien gestanden haben, während gleich-
zeitig in den angrenzenden Wissenschaften nicht minder hervorragende
Gelehrte wirkten, wie Mitscherlich, Heinrich und Gustav Rose
auf deui Felde der Chemie, wie Dirichlet, Jacobi und später
Kummer, Weierstrass und Kronecker auf mathematischem Ge-
biete. Kein Wunder, dass sich unter den Auspicien von Magnus
und Dove, denen solche Kräfte gesellt waren, in Berlin schon seit
Decennien eine blühende Pflanzschule der Physik entfaltet hat, deren
Jünger bereits über alle Theile Europas verbreitet sind.
Dass einem Leben, welches seine höchste Befriedigung im Dienste
der Wissenschaft fand, der Dank der Wissenschaft nicht vorenthalten
blieb, braucht kaum gesagt zu werden. Die Akademien und gelehrten
Gesellschaften Deutschlands sowohl als des Auslands wetteiferten,
Magnus unter ihre Ehrenmitglieder aufzunehmen. Am 30. April
1863 wurde er zum auswärtigen Mitgliede der Boyal Society, am
13. Juni 1864 zum Correspondenten der französischen Akademie der
Wissenschaften erwählt. Auch Ehrenbezeugungen anderer Art haben
ihm nicht gefehlt; mit Titeln und Orden ist er reichlich bedacht wor-
den. Deutsche Fürsten, die als Jünglinge seine Schüler waren, ha-
l)en sich als Männer geehrt, indem sie ihn mit Auszeichnungen über-
häuften. In Erz und Marmor sind seine Züge verewigt worden.
Schon prangt sein Bildniss neben denen Liebig 's, Bunsen's,
Dove's in der Festhalle des neuen rheinischen Polytechnicums, wel-
ches an der westlichen Marke unseres Vaterlandes noch in diesen
Tagen erst vollendet worden ist, und ehe viele Monate vergehen, wer-
den wir seine Marmorbüste in der Aula der Hochschule aufstellen,
der er so viele Jahre hindurch seine besten Kräfte gewidmet hat.
Werfen wir noch einen Abschiedsblick auf das schöne Leben,
dessen Bild sich vor unsern Augen entrollt hati Angesichts der grossen
Erfolge, welche die Arbeiten des Gelehrten krönten, theilen wir Alle
8'
108
die frohe Ueberzeugung, dass der Name Gustav Magnus unter denen
der hervorragenden Forscher unseres Jahrhunderts in dem Buche
der Geschichte für alle Zeiten verzeichnet ist. Aber wenn wir mit
gerechtem Stolze auf die glänzende wissenschaftliche Laufbahn unseres
heimgegangenen Vereinsgenossen zurückschauen, so wollen wir uns
doch stets auch des bescheideneren, aber wahrlich nicht minder be-
neidenswerthen Ruhmes erinnern , welchen ihm die Tugenden des
Mannes in so reichem Maasse erwarben, dass sein Andenken wie
ein theures Kleinod von Schülern und Freunden in dankbarem Herzen
bewahrt wird.
Wissenschaftliche Untersuchungen aus Magnus' Privat-
Laboratorium.
"^ Beetz, Ceber UmwandluDg von Talg in Stearin. Pogg. Ann. LIX. 111.
(1843).
üeber Kobaltverbindungen. Pogg. Ann. LXI. 472. (1844).
Brnnner, Pichte des Eises. Pogg. Ann. LXIV. 113. (1845).
Ueber Cohäsion der Flüssigkeiten. Pogg. Ann. LXX. 481. (1847).
Eichhorn, Ueber das Fett der KartoflFel. Pogg. Ann. LXXXVII. 227.
(1852).
Helmholtz, Ueber Fäulniss. J. Pr. Chem. XXXI. 420. (1844).
Hensser, KrvstallocTaphische Untersuchung der Salze der Citronensäure.
Pogg. "Ann. LXXXVIII. 121. (1853).
Dispersion der optischen Axen in monoklinometrischen Kristallen. Pogg.
Ann. XCI. 497. (1854).
Hochstetter, üeber Bleiweissbildung. J. Pr. Chem. XXVI, 338. (1842).
Ueber verschiedene Erscheinungen bei der Darstellung des Znckers. J.
Pr. Chem. XXIX. 1. (1843).
RUdorf, Ueber das Gefrieren von Salzlösungen. Pogg. Ann. CXIV. 63.
(1861). Pogg. Ann. CXVI. 55. (1862).
Ueber Kältemischungen aus Schnee und Salzen. Pogg. Ann. CXXII.
337. (1864).
R. Schneider, Aeqiiivalent des Wismuths. Pogg, Ann. LXXXII. 303. (1851).
Ueber Wismutho.xydul. Pogg. Ann. LXXXVIII. 45. (1853).
Ueber Kupferwismnthglanz. Pogg. Ann. XC. 166. (1853).
Ueber Schwefelwismuth. Pogg. Ann. XCI. 404. (1854).
Tyndall, Diamagnetismus. Pogg. Ann. LXXXIII, 384. (1851).
Polarität des Wismuths. Pogg. Ann. LXXXVII. 189. (1852).
Unger, Ueber Xanthin. Pogg. Ann, LXII. 158. (1844) n. LXV. 222.
(1845).
Vögeli, Verbindungen von Phosphorsänre und Aether. Pogg- Ann. LXXV.
282. (1848).
R. Weber, üeber Jodaluminjpm. Pogg. Ann. GL 465. (1857),
üeber Brom- und Chloraluminium. Pogg. Ann. CHI. 259. (1857).
Ueber Wärmeentwicklung bei Molecnlarveränderungen des Schwefels und
des Qnecksilberjodids. Pogg. Ann. C. 127. (1857).
Ueber Verbindungen des Chloraluminiums mit Chlorschwefel und Chlor-
selen. Pogg. Ann. CIV. 421. (1858),
Wiedemann, Ueber Harnstoff. Pogg. Ann. LXXIV. 67. (1848).
NVüllner, Ueber die Spannung der Dämpfe aus Salzlösungen. Pogg. Ann.
CHI. 529. (1858) und Pogg. Ann. CV. 86. (1858).
110
Wissenschaftliche Untersuchungeu aus dem physikalischen
Laboratorium.
Avenarius, die Thermoelektricität ihrem Ursprung nach als identisch mit der
Contactelektricität betrachtet. Pogg. Ann. CXIX. 406 u. 637. (1863).
Buliginsky, Untersuchungen über die Capillarität einiger Salzlösungen bei
verschiedenen Concentrationen. Pogg. Ann. CXXXIV. 440. (1868.)
Deite, Qua vi sit temperatura in luminis polarisati planitie liquoribita rotatu.
Dissertatio. Vratislaviae. (1864).
V. Eccher, Ueber die Benutzung des Eisenchlorids zu galvanischen Säulen.
Pogg. Ann. CXXIX. 93. (1866).
Feussner, Absorption des Lichtes bei veränderter Temperatur. Berlin. Mo-
natsb. 1865. 144.
Glan, Ueber die absoluten Phasenänderungen dnrch Reflexion, Dissertation.
Jan. 1870.
Ueber die Absorption des Lichtes. Pogg. Ann. CXIXXXL 59. (1870).
Groth, Beiträge zur Kenntniss der Überchlorsauren und übermangansauren
Salze. Pogg. Ann. CXXXIIL 193. (1868).
Krystallographisch-optische Untersuchungen. Pogg. Ann. CXXXV. 647.
(1868).
Isodimorphie der arsenigen und antimonigen Säure. Pogg. Ann. CXXXVII.
414. (1869). «
Ueber Krystallform und Circularpolarisation und über den Zusammenhang
beider beim Quarz und Überjodsauren Natron. Pogg. Ann. CXXXVIL
433. (1869).
Ueber den krystallisirten Kainit von Stassfurt. Pogg. Ann. CXXXVII.
442. (1869).
Ueber das schwefeis. Amarin. Ann. Chem. Pharm. CLIl, 122. 1869.
Ueber die Isomorphie der Verbindungen des Quecksilbers mit 2 At. Chlor,
Brom, Jod, Cyan. Berichte der Deutsch. Chem. Ges. 1869, 574.
Ueber den Topas einiger Zinnerzlagerstätten. Zeitschr. d. Deutsch. Geolog.
Ges. 1870, 381.
• Ueber die Beziehung zwischen Krystallform und chemischer Constitution
bei einigen organischen Verbindungen. Pogg. Ann. CXLI. 31. (1870).
Kiessling, Ueber die Schallinterferenz der Stimmgabel. Pogg. Ann. CXXX.
177. (1867).
Kundt, Ueber Depolarisation. Pogg. Ann. CXXIII. 385. (1864).
Doppelbrechung des Lichtes in tönenden Stäben. Pogg. Ann. CXXIII.
541. (1864).
Besondere Art der Bewegung elastischer Körper auf tönenden Röhren und
Stäben. Pogg. Ann. CXXVI. 513.«>(1865).
Neue Art akustischer Staubfiguren. Pogg. Ann. CXXVII. 497. (1866).
Erzeugung von Klangfiguren in Orgelpfeifen und Wirkung tönender Luft-
säulen auf Flammen. Pogg. Ann. CXXVIH. 337. (1866).
Beobachtung der Schwingungsform tönender Platten durch Spiegelung.
Pogg. Ann. CXXVin. 610. (1866).
Erzeugung von Tönen durch Flammen, Pogg. Ann. CXXVIII. 614.
(1866).
Ueber die Schallgeschwindigkeit der Luft in Röhren. Pogg. Ann. CXXXV.
337. (1868).
Ueber die Erzeugung stehender Schwingungen und Klangfiguren in ela-
stischen und tropfbaren Flüssigkeiten durch feste tönende Platten. Berlin.
Monatsb. 1868. 125.
^LJndig, Ueber die Abänderung der elektromotorischen Kraft durch die Wärme.
Pogg. Ann. CXXIII. (1864).
111
Ludtge, Ueb«r den Eioflass mechanischer Veränderungen auf die magnetische
Drehungsf&higkeit einiger SubsUnzen. Po gg. Ann. CXXXVH. 271.
(1869).
Ueber die Ausbreitang der Flüssigkeiten auf einander. Po gg. Ann.
CXXXVII. 362. (1869).
Ueber die Spannung flüssiger Lamellen. Po gg. Ann. CXXXIX. 620.
(1870).
Overbeck, Ueber die sogenannte Magnetisiruugsconstante. Pogg. Ann.
CXXXV. 74. (1868).
Schnltz-Sellack, Ueber die sauren und Ubersanren Salze der Schtrefelstture.
Pogg. Ann. CXXXIII. 137. (1868).
Ueber den Durchgang der Elektricität durch verdünnte Luft. Pogg.
Ann. CXXXV, 249. (1868.)
Ueber den Erstarrungspunkt der Bestandtheile flüssiger Mischungen.
Pogg. Ann. CXXXVII. 247. (1869).
Ueber den Gefrierpunkt des Wassers aus wässerigen Gasauflösungen und
die Regelation. Pogg. Ann. CXXXVII. 252. (1869).
Diathermansie einer Reihe von Stoffen für Wärme geringer Brechbarkeit.
Pogg. Ann. CXXXIX. IS.'. (1870).
Ueber die Moditicationen des Schwefelsäureanhvdrids. Pogg. Ann. CXXXIX.
480. (1870).
Ueber die Farbe des Jods. Pogg. Ann. CXL. 334. (1870).
Ueber die Wärmewirkung an der Grenzfläche von Elektrolyten. Pogg.
Ami. CXLI. (1870.)
Villari, Ueber die Aenderang des magnetischen Momentes, welche der Zug
und das Hindurchleiten eines galvanischen Stromes in einem Stab von
Stahl oder Eisen erzeugt. Pogg. Ann. CXXVI. 513. (1865).
Warburg, Ueber den Kinfluss der Temperatur auf die Elektrolyse. Pogg.
Ann. CXXXV. 114. (1868).
Ueber tönende Systeme. Pogg. Ann. CXXXVI. 89. (1869).
Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in weichen Körpern. Pogg. Ann.
CXXXVI. 285. (1869).
Ueber Erwärmung fester Körper durch das Tönen. Pogg. Ann. CXXXVII.
632. (1869).
Ueber die Dämpfung der Töne fester Körper durch innere Widerstände.
Pogg. Ann. CXXXIX. 89. (1870).
Ueber den Einfluss tönender Schwingungen auf den Magnetismus des
Eisens. Pogg. Anu. CXXXIX. 499. (1870.)
Ueber den Ausfluss des Quecksilbers aus gläsemeu Capillarröhien. Pogg.
Ann. CXXXX. 367. (1870).
A. W. Schade'ä Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stollacbreiberstr 47.
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QD Hofbiann, August Wilhelm von
22 Zur Erinnerung an Gustav
M3^6 Magnus
f^&AScL
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