ZUR
UDISCHEN MORAL
QUE1XENMASSJG DARCESTE
OR A.
ZUR
jtTDISCHEN MORAL
Das Verhalten von Juden
gegenuber Nichtjuden nach dem
jiidischen Religionsgesetze
QUELLENMASS1G DARGESTELLT
VON
DR A. L I E B E R M A N N
PHILO-VERLAG
BERLIN SW68, UNDENSTRASSE 16
Inhalt:
• Scito
Vorbemerkungen 5- — 11
I. Kapitel. Was lehrt die Thora iiber die Stellung des
Volkes Israel zu den iibrigen Volkern? . . . . 12—25
II. Kapitel. Was lehrt der Talmud iiber das Verhalten
der Juden gegeniiber den Nichtjuden 26 — 63
III. Kapitel. Was lehrt der Schulchan-Aruch iiber das
Verhalten der Juden gegeniiber den Nichtjuden . 64 — 82
IV. Kapitel. Irrtiimer und Falschungen 83 — 111
Anhang. Mehrere alte, denVerkehr der Juden mitAnders-
glaubigen regelnde Gesetze der Juden 112 — 128
Noten 129
RegUter ' 130-132
Abkiirzungen:
O. Ch. = Schulchan-Aruch I, Orach Chajjim,
J. D. = Schulchan-Aruch II, Joreh Deah,
Ch. M. = Schulchan-Aruch IV, Choschen ha-mischpat.
Vorbemerkungen.
Eines jener Mittel, deren sich die Antisemiten zwecks Er-
reichung ihrer bekannten Ziele gegenwartig mit besonderem Eifer be-
dienen, ist die Verunglimpfung des jiidisch-religiosen Schrifttums
dutch die Verdachtigung seines moralischen Standpunkts. In massen-
weise verbreiteten Flugschriften wird die Beschuldigung
gegen das Judentum erhoben, dafi seine Gesetze den
Betrug an Christen und deren Schadigung an Gut und Leben er-
lauben, ja sogar vorschreiben sollen. Zum Beweise hierfiir wird
in antisemitischen Schriften eine Reihe von Satzen aus jiidisch-
religiosen Werken, insbesondere aus Talmud und Schulchan
A r u c h mitgeteilt und in einer Form ,,iibersetzt" und kommentiert,
dafi der uneingeweihte Leser den Eindruck bekommen mufi, dafi die
jiidischen Rechts- und Sittengesetze jene ihnen von den Antisemiten
zur Last gelegten ungeheuerlichen Bestimmungen in Wirklichkeit ent-
halten.
In ruhigen Zeiten diirfte es geniigt haben, gegeniiber diesem
vollig unbegriindeten Angriff auf folgende Tatsachen in der Offent-
Hchkeit hinzuweisen. «
Es darf behauptet werden, dafi es keinen einzigen unter den
antisemitischen Flugblattmannern gibt, der sich mit dem jiidischen
Schrifttum ernstlich beschaftigt und auf Grund eigener Forschung
sich ein Urteil gebildet hatte. Vielmehr haben die Verfasser der be-
treffenden Schriften ihr Material einem Biichlein mit dem Titel
,,D erjudenspiegel" nachgeschrieben, welches vor einigen Jahr-
zehnten erschienen ist und auf dem Titelblatt einen ,,D r. J u s t u s"
als Verfasser nennt. Auch berufen sich die Antisemiten auf ein vor
Jahrzehnten von Professor R o h 1 i n g (Prag) verfafites Buch ,,Der
Talmudjude" und auf eine gutachtliche Oberpriifung der erst-
genannten Schrift durch Dozent Dr. Ecker (Minister, 1883).
Das sind die jiingsten Quellen, aus denen die Antisemiten ihre
Wissenschaft schopfen.
Die Gerichtsverhandlungen bezw. Prozefivorbereitungen, die das
Erscheinen der obengenannten Schriften im Gefolge hatte, haben aber
5
erwiesen, dafi deren Verfasser weder als unbefangene noch als
wissenschaftlich mafsgebende Sachverstandige angesprochen warden
konnen.
Um mit ,,D r. Justus" zu beginnen — ,,Dr. Justus" hiefi
eigentlich Aron Brimann. Es war ein rumanischer Jude, der zwei-
mal den Glauben gewechselt hat; zuerst ist er in Berlin zum Pro-
testantismus und spater, nachdem er auch diesen Glauben ab-
geschworen hat, in Heiligenstadt zum Katholizismus ubergetreten.
Ein Mann, der nach erfolgter Doppeltaufe vom Wiener Landgericht
am 6. Juli 1 885 wegen Urkundenfalschung zu Gefangnis und
Landesverweisung verurteilt worden ist.
Der zweite Gewahrsmann, R o h 1 i n g , war katholischer
Theologieprofessor. Sein religibser Fanatismus, der sich in den
heftigsten Ausfallen selbst gegen den — Protestantismus erging (vgl.
z. B. Seite 58 seiner i. J. 1875 erschienenen Schrift ,,Der Antichrist
und das Ende der Welt"), macht ihn zweifellos unfahig, dem Juden-
tum gerecht zu werden.
Wahrend beispielsweise der Innsbrucker katholische
Theologieprofessor Dr. Bickell - in einem den
Wiener Rohling - Prozefiakten beigegebenen Briefe1) darum
bittet, ihn nicht als Sachverstandigen im Rohling - Prozefi
zuzuziehen, und dies wie folgt begriindet: ,,Ich bin mit
Professor Rohling seit 20 Jahren eng befreundet und wiirde mich
voraussichtlich auf das entschiedenste... zu seinen
Ungunsten aussprechen miissen, was mir iiber-
aus peinlich sein wiirde, so wenig ich ihm
von Anfang an meine N i c h t lib er ei n s t i m mu n g
mit seiner a n t i s e m i t i s c h e n Agitation verhehlt
habe"; wahrend derselbe katholische Professor in dem genannten
Briefe liber eine von Rohling mit vielen sogenannten ,,Beweisen"
gestiitzte Beschuldigung der Juden wie folgt schreibt: ,,Was die
Hauptsache des Prozesses . . . betrifft, so habe ich mich schon . . .
bffentlich dahin ausgesprochen, dafi alle dafiir beigebrachten angeb-
lichen Beweisstellen der reinste, auf grober U n -
wissenheit beruhende Schwindel seien, da an den
betreffenden Stellen von ganz andern Dingen gehandelt werde":
verschmahen es die Antisemiten nicht, diesen selben Herrn Rohling
,,im Kampfe um die Wahrheit" als ihren Fiihrer und Schutzgeist
anzuerkennen !
Nun zu Dr. E c k e r. Dr. Ecker war Dozent an der Akademie
zu Munster. Wir zweifeln nicht an seiner ehrlichen Gesinnung; aber
er stand ganz unter dem Einflufi von Justus und Rohling. Dafi
er keine talmudischen Fachkenntnisse besaS, um sich ein eigenes Urtei!
bilden zu kb'nnen, bezeugt kein geringerer als der eben genannte
katholische Theologieprofessor Dr. Bickell, der in dem erwahnten
Briefe folgendes bemerkt: ,,Zwar macht sich heutzutage der Schwin-
del gelehrter Industrieritter . . . besonders breit; so hat kurzlich in
M ii n s t e r ein strebsamer Privatdozent . . . welcher
gar nichts vom Talmud versteht... sich als
Sachverstandiger aufgedrangt und sich dann . . . von einem b e -
kehrten Juden ein von talmudisch-rabbinischer Gelehrsamkeit
uberstromendes Buch schreiben lassen, welches er als sein eigenes
Werk veroffentlicht hat . . ." Es ist aber in Miinster von keinem
sonstigen Dozenten ein ahnliches Buch geschrieben worden als nur
von Dr. Ecker. (Das Buch ,,Der Judenspiegel" beleuchtet von
Dr. Ecker.) Und daS der ,,bekehrte Jude" nur Justus-Brimann
sein konne, wird wohl kaum jemand bezweifeln.
Das Verfahren der Antisemiten kann aber erst dann richtig
eingeschatzt werden, wenn man bedenkt, dafi Rohling und Justus
durch hervorragende christliche Gelehrte, zumeist
deutsche Universitatsprofessoren, die als Kenner des rabbinischen
Schrifttums Weltruf geniefien, schon vor Jahrzehnten als Stumper
und Falscher entlarvt worden sind2). Die Antisemiten
h at ten also, falls ihnen lediglich an der Ober-
prufung der talmudischen Rec h t s s a t z u n ge n ge-
legen hatte, die Moglichkeit gehabt, das
wissenschaftlich zuverlassige Material aus den
Werken hochstehender christlicher Personlich-
keiten von untadeliger Gesinnung sich zu
beschaffen. So hat beispielsweise der Leipziger Universitats-
professor Franz Delitzsch, Vater des Berliner Assyriologen
Professor Friedrich Delitzsch, Rohling in mehreren Broschiiren der
Unwissenheit uberfiihrt3). Ferner hat Professor August
W ii n s c h e (Dresden) , der einen betrachtlichen Teil der tal-
mudisch-midraschischen Bvicher ins Deutsche iibersetzt hat, zusammen
mit dem Universitatsprofessor Theodor Nb'ldeke (Strafiburg)
auf Verlangen des Wiener Landgerichts und von diesem
unter Eid genommen, ein Sachverstandigengutachten
uber die Rohlingschen Texte abgegeben, in welchem nicht
nur die Grundlosigkeit der Anklagen gegen den Talmud nachge-
wiesen, sondern auch die Falschungsmethode Rohlings gekenn-
zeichnet wird4). Der christliche Rechtsgelehrte Dr. Joseph
K o p p , ehemaliger Landtags- und Reichsratsabgeordneter in
Wien, hat ein ausfiihrliches Buch uber den hier angedeuteten
Prozefi geschrieben und mit Rohling griindlich abgerechnet0).
- Der Berliner Universitatsprofessor Hermann L. Strack,
unstreitig der grofite christliche Talmudkenner der Jetztzeit,
Verfasser einer ,,Einleitung in den Talmud"6), Herausgeber
und Kommentator mehrerer Mischnahtraktate, der einen grofien Teil
seines der Wissenschaft geweihten Lebens der Erforschung des Tal-
mud widmet, hat bereits mehrmals in Wort und Schrift, einigemal
auch als Sachverstandiger vor deutschen Gerichtshofen, die Beschul-
digungen der Justus-Rohling-Ecker und ihrer Nachbeter mit Ent-
riistung zuriickgewiesen.6a ) — Femer haben Professor E d u a r d
K 6 n i g (Bonn) ,6b ) Professor Paul F i e b i g7) und der christ-
liche Arzt Dr. Weigl8) (Miinchen) auf Grund vieljahriger
Forschung eine Reihe von Angriffen auf das jiidische Schrifttum als
grundlos abgewiesen. — Endlich hat, um auch eine der grofiten
judischen Autoritaten zu nennen, der Rektor des Berliner Rabbiner-
seminars, Professor David Hoffmann, in seinetn Werke iiber
den ,,Schulchan-Aruch und die Rabbinen iiber das Verhaltnis der
Juden zu den Anders glaubi gen" (2. Auflage, |1894, Berlin) die
Justus-Eckerschen Thesen aufs griindlichste behandelt.
Doch nicht nur diese Werke stehen den Antisemiten zur Ver-
fiigung, sondern auch die bereits erschienenen Obersetzungem
der Mischnah, des Talmud, des Maimonides und des Schulchan-
Anich selbst. 1st es doch nichts als ein Marchen, mit welchem man
gruselig machen mb'chte, wenn die Antisemiten behaupten, dafi die
Juden ihren Talmud usw. als G e h e i m 1 e h r e verborgen halten.
Der Berliner Universitatsprofessor der protestantischen Theologie
Strack nennt in seiner erwahnten ,,Einleitung in den Talmud"
( 1 900) z e h n Obersetzungen des Talmud in den verschiedensten
Kuitursprachen und bemerkt dabei : „. ..Oberhaupt gibt
es innerhalb des gesamten Judentums weder
eine Schrift noch eine miindliche Tradition,
welche kundigen Christen unzuganglich
ware. Weder s u c h e n die Juden vor den Christen etwas zu
verbergen, noch k b n n e n sie ihnen etwas verbergen. Fur die Rich-
tigkeit dieser Erklarung setze ich auch hier meine Ehre als Mann und
Gdehrter ein. Der Talmud, der Schulchan-Aruch und andere
jiidische Schriftwerke sind Geheimbiicher nur fur diejenigen — Juden
michl minder als Christen — , welche die zum Lesen erforderlichen
Vorkenntnisse sich nicht erworben haben. Und eine grobe Unwahr-
heit sprechen die aus, die dem christlichen deutschen Vplke vorreden,
dafi das Judentum ,,den Talmud angstlich mit alien nur erdenkbaren
Mittda geheimhalte, Bekanntwerden seines Inhalts furchte, ja dessea
Bekanntmachen seitens eanes Juden fur ein todeswiirdiges Ver-
brechen" erklare. Demgegeniiber geniigt es, einige Namen neuerer
jiidischer Talmudiibersetzer zu nennen: Pinner, Rabinowitsch, Ra-
witsch, Samter, Schwab, Straschun. Sie alle sind unangefochten
geblieben." — Soweit Prof. Strack. —
Die M i s c h n a h , der Grundstock des Talmud, ist bereits im
1 7. Jahrhundert von dem christlichen Gelehrten Surenhusius
ins Lateinische, alsdann, ebenfalls von einem gelehrten Christen,
J. J. R a b e , im 18. Jahrhundert ins Deutsche iibertragen worden.
Eine spatere Obersetzung veranstaltete J. M. Jost (Berlin
1832 — 34), und gegenwartig erscheint eine mit Kommentar ver-
sehene deutsche Mischnah-Obersetzung in Berlin (Verlag Itzkowski) ,
von welcher bereits 75 Lieferungen vorliegen.
Einzelne Teile des Talmud sind bereits ins Lateinische,
Deutsche und Franzosische iibersetzt worden, und seit 1 896 erscheint
eine grofiziigige, Urtext und deutsche Ob,rsetzung enthaltende Tal-
mudausgabe (von Lazarus Goldschmidt), die zum grofien
Teile fertiggestellt ist und in alien grofien Bibliotheken Deutschlands
ausliegt.
Deutsche Obersetzungen des Schulchan - Aruch gibt es
ebenfalls. Erwahnt sei besonders die von L e d e r e r (Frank-
furt a. Main).
Eine Schulchan - Aruch -Obersetzung ins
Deutsche ist auch von Dr. Johannes v. P a v 1 y begonnen und bis
§ 1 60 des I. Teiles fortgefiihrt worden. Dieses Werk, welches vom
Obersetzer dem damaligen Kronprinzen (spaterem Kaiser) Niko-
laus von Rufiland gewidmet ist und auch von Juden gefordert wurde,
ist von den Antisemiten in der 5. Auflage des Justusschen ,,Juden-
spiegels" briisk abgelehnt worden. v. Pavly hat namlich den Schul-
chan-Aruch r i c h t i g iibersetzt, und die Antisemiten zitieren lieber
aus dem ,,Talmud" und dem ,,Schulchan-Aruch" der Herren Roh-
ling, Justus und Ecker.
Lebten wir in ruhigen Zeiten, wir hatten uns mit diesen Fest-
stellungen begniigt.
Wir stehen jedoch mitten in einer politisch aufgewiihlten und
seelisch tieferregten Zeit, in welcher die Unzufriedenheit nach
Schuldigen spaht. Der edeldenkende Christ Dr. Kopp hat aber recht,
wenn er in seinem erwahnten Buche (Vorwort) sagt, dafi es etwa
dem Romer des heutigen Konigreichs Italien ,,sehr gleichgiltig sein
mag, wenn ein Historiker seine Vorfahren als einen Ausbund aller
erdenklichen Laster schildert", und dafi es der Christ ,,gleichmutig
hinnehmen" konne, wenn ,,ein nicht unbedeutender Schriftsteller des
19. Jahrhunderts der Welt beweisen will, dafi die christliche Re-
ligion urspriinglich auf dem Molochdienst beruhte", dagegen wenn ein
Volksstamm, namlich die Juden, ,,der unter uns (d. h. den christlichen
Vb'lkem) lebt, beschnldigt wird, dafi er durch seine Religion zu
jeglicher Missetat nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist",
und wenn diesbeziigliche ,,grauenhafte Fabeln mil einem
jeden Laien notwendig verbliiffenden Apparat scheinbarer
Gelehrsamkeit" aufgeboten werden — ,,in solchem Vorgehen e i n e
soziale Gefahr liege".
Darum halten wir es gegenwartig fiir unsere dringende Auf-
gabe, zu den gegen das judische Rechts- und Sittengesetz erhobenen
Beschuldigungen in einer sachlichen Darlegung Stellung zu nehmen.
Wohl wissen wir, dafi diese Aufgabe nicht leicht ist, denn zur
Widerlegung eines Irrtums und einer Falschung gehb'rt in der
Regel ein viel grb'fierer Apparat als zu deren kategorischer B e -
hauptung. Dieses ungiinstige Los, welches jeder Verteidi-
g u n g beschieden ist, soil uns indessen nicht abschrecken. Wir wollen
auf Grund der geistigen Quellen der jiidischen Religion emeut die
Frage klaren:
Was gebietet die jiidische Religion, das jiidische Rechts-
und Sittengesetz, das in Thora, Talmudund Schul-
chan-Aruch niedergelegt ist, in bezug auf das Ver-
halten der Juden zu Andersglaubigen, insbesondere zu
Christen?
Wir mb'chten es den Lesern ermbglichen, dafi sie sich auf Grund
der folgenden Darlegung beziiglich der Lehren des Judentums
iiber den fraglichen Gegenstand ein eigenes .Urteil bilden und die
Irrtiimer und Falschungen der antisemitischen Gewahrsmanner selbst
nachprufen kb'nnen. Denn wir miissen annehmen, dafi jene vor-
nehmen Personlichkeiten, welche sich gegenwartig den antisemitischen
Flugblattmannern angeschlossen haben, dies in dem guten Glauben
taten, dafi in den Flugblattern die Wahrheit stehe. Wir hoffen,
dafi eine wissenschaftliche Darlegung, welche zur Reinigung der
geistigen Atmosphare beitragt, auch dem allgemeinen Wohl und dem
Frieden dienen werde.
In der Gegenwart, wo die schwere Priifung, welche unserem
Vaterlande auferlegt ist, den Blick fiir die geistigen Erscheinungen
im Volkerleben scharfen mufi, wo nicht mehr der Glaube verblendet,
als ob ein von aller Welt Gehafiter auch unbedingt
hassenswert sein miisse; in einer Zeit, wo das Wort ,,Fremdling"
- eingedenk der Hunderttausende Deutschstammiger, die jetzt durch
einen gewaltsamen Grenzstrich in Ost und West entheimatet und
IO
deren unschuldige Kinder mil dem Ruf ,,Deutscher!" auf der Strafie
gehohnt warden — wir sagen: wo der Name ,,Fremdling" an ein
unverdientes Schicksal gemahnt; in einer solchen Epoche diirfte auch
endlich der Daseinskampf jenes Volksstammes gerechter gewiirdigt
werden, welcher vor 1 850 Jahren durch die imperialistische Lander-
gier Roms seines Staates Judaa beraubt, aus seiner Heimat in fremde
Fernen vertrieben, Jahrhunderte hindurch aus religiosem Eifer und
aus Rassenabneigung verfolgt und geachtet, verleumdet und ent-
rechtet, als ein gleichsam zu ewiger Kriegsgefangenschaft Verdammter
behandelt worden ist, und welcher heute in dem einen Teile danach
ringt, als treuer Mitarbeiter am Auf- und Weiterbau des Vater-
landes in die Umgebung, unter Wahrung des religiosen Bekennt-
nisses, einzugehen, in dem andern Teile aber sich zuriicksehnt nach
der von ihm unvergessenen Zionsheimat, um, in seiner Eigenart ge-
starkt, als wiirdiges Menschheitsglied in der Reihe der Nationen zu
stehen.
Verstand n i s mufii zu Verstandigung fiihren. Uns Juden aber
kann in diesem Kampfe nichts starker ermutigen als die Erkenntnis,
dafi die gegen unsere Religion unternommenen Angriffe jeglicher
Begrlindung entbehren.
H
I. Kapitel.
Was lehrt die Thora, d. i. die fiinf Bucher Moses, iiber
die Stellung des Volkes Israel zu den iibrigen Volkern?
Die Thora (fiinf Bucher Moses) ist die Grundlehre
der jUdischen Religion. Ihre r e 1 i g i 6 s e n
Grundsatze, auf denen sich auch die Rechts-
satzungen des Judentums aufbauen, sind die
Quelle aller spateren G es e t z g eb u n g e n der
Juden bis auf den heutigen Tag.
Schon das erste Blatt der Thora lehrt mit klarster Begriindung
die G 1 e i c hb er e ch t i gu n g aller Rassen und
Volker. Es heifit im I. Buch Mos., Kap. I, Vers 27: ,,Gott
schuf den Menschen nach seinem Bilde". Also: den Menschen
schuf Gott, nicht einen Israeliten, nicht diese oder jene Rasse. Das
erste Menschenpaar wird ausdriicklich zu
Ahnen des gesamten Menschengeschlechts
g e m a c h t.
Bereits der erste Mensch orientiert nach der Lehre der Thora
seinen moralischen Sinn fiir Gut und Bose an dem gottlichen Ver-
bot: ,,Du sollst nicht (. . . von dem Baume . . . essen) !" 9) -
Dieser moralische Sensus, welcher den hbchsten sittlichen Aufstieg
des Menschen begriindet, wird von der Thora bereits dem Adam,
dem alle spateren Menschentypen potentiell in sich bergenden e r s t e n
Menschen, d. h. alien Menschen zuerkannt.
1 . These : Die Religion der Thora lehrt dieGleichberechti-
gung aller Rassen auf Grund der Auf fassung, dafi alle
Menschen Gottes Geschopfe sind und infolge ihrer Gott-
ebenbildlichkeit allesamt zu sittlichem Leben
berufen wurden.
Die durch Religion begriindete Sittlichkeit ist nach der Thora
der Zweck und die Wiirde des Menschendaseins. Die Ver-
letzung der Sittlichkeit mindert darum die Berechtigung auf
das Dasein; vbllige Sittenlosigkeit macht die Schopfung des Men-
12
schen illusorisch. ,,U nddieErdewarverderbtvorGott"
(I.Buch Mos., Kap. 6, V. 11), darum beschlofi Gott, die Menschen
- durch eine Wasserflut — zu vernichten.
Worin bestand jenes Vergehen, wegen welcher Gott die Ver-
tilgung der Menschheit beschlossen hatte? - - ,,D i e Erde war
voll von Gewalttatigkeit" (I. Buch Mos., Kap. 6,
V. 11). Gewalttatigkeit hebt das Leben und die Wiirde des Lebens
auf. Sie ist die schwerste Siinde, weil sie Gottes grbfites Werk
zerstort ; sie ist : Gottfeindlichkeit. Im Gegensatz zu ihr steht das
Recht. Das Recht ist das erhaltende Prinzip
des gesellschaftlichen Lebens. Deshalb rettet Gott den
Noah, den einzigen Menschen, der inmitten der verderbten Welt
das Recht vertritt. Er ist nach dem Ausspruch der Thora ,,isch
zaddik" r= ,,d e r M a n n d e s R e c h t s" (I. Buch Mos., Kap. 6,
V. 9). Im Hinblick auf Noah, den Mann des Rechts, schliefit
Gott einen Bund mit der Erde und will der Gewalttatigkeit und
Rechtlosigkeit fortan durch das Gesetz begegnen: ,,W erdasBlut
eines Menschen vergiefit, dessen Blut soil durch
Menschen vergossen werde n." Die Bewahrung des
Rechts vor Vergewaltigung schiitzt die Menschheit vor Sintflut, vor
Uhtergang (s. I. Buch Mos., Kap. 9).
Der Beginn der Menschheitszivilisation wird also von der Thora
nicht mit dem Namen eines Israeliten verkniipft, sondern mit dem
Namen Noahs, des Vertreters des Rechtsprinzips, der
wiederum zum Urahn und zum Urtyp des gesamten, nach der Sint-
flut neuerstandenen Menschengeschlechts wird. Anstelle der ent-
arteten Adamskinder treten die hoherwertigen Noahs-
kinder (Noachiden) . (Vgl. S. 32 ff.)
2. These : Sittlichkeit ist der Zweck des Lebens ; ihre erste
Voraussetzung ist Rechtlichkeit. Unter der Bedingung der
Anerkennung des Rechtsprinzips und der Einfiihrung der
Rechtspflege wird der Menschheit in Noah von neuem
das Dasein geschenkt.
Noch eine zweite Auslese ist nach der Lehre der Thora inner-
halb der Menschheit erfolgt : Abraham sondert sich auf Gottes
Geheifi von seiner Umgebung ab (I. Buch Mos., Kap. 12, V. 1) ;
er erkennt in seinem Gotte ,,schofet kol haarez" den gerechten
Richter der ganzen Erde (Kap. 18, V. 25). Diese
Vorstellung von Gott als dem Horte der Ge-
rechtigkeit wird fur Abraham der Antrieb
zur Milde, G a s 1 1 i cji k e i t und Friedfertigkeit
gegen alle Menschen (Kap. 18, V. 23 ff.). Erst die
13
Gerechtigkeit gepaart mil Recht wird nach der
LehrederThora (I. Buch Mos., Kap. 18, V. 19) den an
Abraham verheifienen Segen uber alle Vblker
der Erde bringen.
3. These: Die vollendete soziale Formel fur das Ge-
sellschafts- und Volkerleben ist nach der Thora: ,,zedakah
u-mischpat" Recht gepaart mit Gerechtigkeit (I. Buch Mos.,
Kap. 18, V. 19).
Um diesen Segen fiir die kommende
Menschheit sicherzustellen, verharrt Abra-
ham in der Absonderung. Diese Absonderung bedeutet
keine Feindseligkeit, denn Abraham liebt alle Menschen — selbst
fur die Sunder in Sodom und Comorrha betet er — , bedeutet auch
keinen Rassendiinkel, denn Abraham sondert sich von seiner eigenen
Verwandtschaft, von seinem Vaterhause ab. Die Absonderung be-
zweckt die Wahrung der eigenen Geistesart.
4. These: Die Wahrung und Sicherstellung des Geistes der
Liebe und Gerechtigkeit fordert Absonderung und reine
Familientradition, um der Zukunft der Menschheit willen.
Aus dem H a u s e Abrahams ging das Geschlecht Jakobs,
das Volk Israel hervor, nach aufien als Nation unter Nationen, nach
innen durch eine Idee, das Vermachtnis Abrahams (s. oben) geeint
und bestimmt.
Die Stellung des Volkes Israel zur iibrigen
Menschheit wird in der Offenbarung Gottes am Berge Sinai wie
folgt beschrieben (II. Buch Mos., Kap. 19, V. 5—6): ,,S o i h r
horen werdet auf Meine Stimme und den
Bund mit Mir bewahren, so werdet ihr Mir
ein besonderes sein unter den Volkern, denn
Mir gehort die ganze Erde. Ihr sollt Mir ein
Reich von G o 1 1 g e w e i h t e n sein und ein heiliges
Volk." - Kein einziges auSeres Rassenmerkmal wird genannt, auf
Grund dessen die Berufung Israels durch Gott erfolgt ware, und kein
einziges der iibrigen Volker der Menschheit wird auch nur mit einem
Worte entwiirdigt. Vielmehr wurde die Berufung des Volkes Israel
durch das Merkmal der sittlichen Eignung begriindet, und
der Ausdruck ,,Kohanim" beweist, dafi die g e s a m t e Mensch-
heit von der Thora als das kiinftige Reich Gottes betrachtet wird.
Stand doch das ,,gemeine" Volk innerhalb der israelitischen Gemein-
schaft dem ,,Kohen" nicht etwa als minderwertig gegeniiber.
5. These: DieBerufung Israel? zumGottesvolk bedeutet keine
Bevorrechtung, sondem die priesterliche Pflicht, die
Sittlichkeit, die in dem Gottesglauben ihre tiefste Begriindung
hat, zu lehren und zu verwirklichen, auf dafi die Erde zu
einem Gottesreiche werde.
AIs Gottesvolk empfangt Israel die Sendung, an den hoffnungslos
entarteten kanaanitischen Volksstammen das gbttliche Strafgericht
zu vollziehen. Im Sinne der oben erwahnten Lehre
(2. These), dafi unverbesserlicher sittlicher Verfall das Daseinsrecht
des Menschen aufhebt (vgl. die Todesstrafe bei den grofiten Ver-
brechen in der Rechtsprechung aller Volker), wurden die Kanaaniter,
ahnlich wie einst das Sintflutgeschlecht und Sodom und Gomorrha,
dem Untergange geweiht. AIs die unheilvollen Verirrungen der
Kanaaniter werden in der Thora genannt: der Molochdienst mit dem
Menschenopfer, perverser Astartenkult und Bestialitat 10).
Der Krieg Israels gegen Kanaan war nach der Darstellung der
Thora kein Eroberungsfeldzug aus Machtliisternheit,
darum wird er in der Thora stets ,,Krieg Gottes" genannt. Die Liebe
Gottes hatte aber dieses Strafgericht lange hinausgeschoben, iiber
Generationen hinaus, um den Kanaanitem Zeit zur Besserung zu lassen.
Ausdriicklich heifit es I. Buch Mos., Kap. 15, V. 7, dafi Gott dem
Stammvater Abraham, als dieser in Kanaan weilte, das Land erst
fur spatere Zeit verheifien hat: ,,D e n n die Schuld des
E m o r i (d. i. der Kanaanite) ist noch nicht vol 1."
Das Volk Israel selbst hat jedoch nur als ein h e i 1 i g g e -
d a c h t e s , als ein Gottesvolk diese Sendung des Richters iiber
Kanaan erhalten. Fur den Fall, dafi es selbst jemals den Gottes-
bund verlassen und in den Spuren der entarteten sieben kanaanitischen
Volkerschaften wandeln sollte, wird ihm das gleicheSchick-
s a I angedroht, das iiber die Kanaaniter verhangt worden war.
Im HI. Buch Moses, Kap. 18, V. 24—29 wird das Volk
Israel verwarnt : ,",V'e runreinigt euch nicht durchall
dieses (die oben erwahnten Greueltaten) , denn durch
dieses alles haben sich die Volker verunreinigt,
die Ich vor euch.austreibe... auf dafi das Land nicht
auch euch ausspeie, wenn ihr es verunreinigt, wie es das Volk aus-
gespien hat, welches vor euch da war!" - Aus V. Buch Mos.,
Kap. 32, V. 46 — 47 vernehmen wir das Vermachtnis Moses an
das Volk Israel: „. . . Dafi ihr beobachtet und erfiillt alle Worte
der Thora ..., denn das ist euer Leben und um des-
willen werdet ihr verbleiben auf dem Boden, zu
dessen Eroberung ihr den Jordan iiberschreitet."
- V. Buch Mos., Kap. 28, V. 58 lautet: ,,Wenn du nicht
erfiillen wirst alles, was in dieser Thora g e -
i5
schriebenist..., so werdet ihr hinweggetilgt warden v o n d e m
Boden, wohin du ziehst, um e s zu erober n." Und
Josua, der das Land Kanaan eingenommen hat, sprach in seiner
Abschiedsrede an das Volk Israel: ,,So redet Gott: . . . Ich gab
die Emori und Perizi (die kanaanatischen Volker) in cure Hand . . .,
nicht durch d e i n Schwert und nicht durch d e i n e n Bogen . . .
und nun schafft die Gotter fort, die eure Ahnen
angebetet ha ben." (Buch Josua, Kap. 23 und 24). — Der
gleiche Gedanke wird dem Volke Israel von 'den Propheten un-
zahlige Male eingepragt.
Weltbeherrschungsplane blieben der Nation Israel fern, mufiten
ihr als Volk von Gottgeweihten fern bleiben. Denn der Priester
sollte — im Staate Israel selbst — keinen irdischen Besitz . haben
(sj V. Buch Mos., Kap. 1 8, V. 1 ) . G o 1 1 soil dereinst in der
Welt herrschen (Jesajah 11,9; Zecharjah 14, 9).
Gegen e i n e n Stamra ruft die Thora zum Ausrottungs-
kampf auf, gegen den Stamm Amalek. Den Grund erfahren wir
aus dem V. Buch Mos., Kap. 25, V. 17—19. Dort wird be-
richtet, dafi Amalek die aus Agypten ziehenden miiden und ent-
krafteten israelitischen Scharen meuchlings angegriffen hatte, ,,o h n e
Scheu vor Got t". Diese Verhohnung aller Menschlichkeit,
diese gottlasternde Grausamkeit erinnerte an die Verworfenheit des
Sintflutgeschlechts, auf deren Besserung nicht mehr zu rechnen war.
Amalek ist der Feind der Menschengesellschaft. ,,Gott kampft
gegen Amalek von Geschlecht zu Geschlecht." (II. Buch Mos.,
Kap. 17, V. 16.)
6. These: Die Eroberung Kanaans durch das Volk Israel
wird von der Thora als ein Strafgericht bezeichnet. Nur dem
Gottesvolke ist das ..heilige" Land zugedacht, nur dem
Volke, welches sich durch seinen religios-sittlichen Wandel
bewahrt; ihm steht es auch zu, den Kampf Gottes gegen
Amalek zu fuhren.
Nunmehr wurde der israelitische Staat auf den Grund-
festen des Rechts (vgl. Noah, These 2) aufgerichtet, um
in ihm das sittliche Ideal der sozialen Gerechtigkeit und
der Nachstenliebe, als Postulat des reinen Gottes-
glaubens (vgl. Abraham, These 3), zu verwirklichen.
Um den Bestand dieses Idealstaates gegen die Gefahr heid-
nischer Einfliisse zu schiitzen, bedurfte es einer gewissen Ab-
sonderung. Der Lebensplan Abrahams, des Stammvaters,
wiederholt sich in der Nationalverfassung Israels. Nach aufien
16
Liebe ausstrb'mend, nach innen abgeschlossen, wachend iiber der
Eigenart, der Tradition.
Der Staat Israel war alien gebffnet und bot alien Heimat, die
,,den Staub des Gb'tzendienstes" an der Schwelle des Landes von
ihren Fufien abgeschiittelt haben. KeineRasse wurde an
sichfiirminderwertigerklart (s. oben .These 1 ) , kein
Mensch wurde abgewiesen, sobald nur das Unerlafiliche, das Mensch-
liche, das Recht, von dem Eintretenden unangetastet blieb. Wer nur
zum Prinzip des Rechts sich bekannt hat, wurde schon hierdurch der
Gleichberechtigte mil den Israeliten. Es wurde nicht einmal voile
Bekehrung zur Staatsreligion Israels gefordert, sondern schon, wer
ein Noahskind (vgl. oben S. 13) war und mit seinem Bekenntnis
zum Recht und dem Richter der Welt (s. oben S. 1 3 — 14) am Staate
und an der Menschheit aufbauend zu wirken versprach, gait als voll-
berechtigter Staatsbiirger. Nur wer Gbttesgericht und Menschen-
recht leugnete, mufite ferngehalten werden: er war aus dem Sintflut-
geschlechte, welches keinen Bestand hatte und die Welt zu zersetzen
drohte (s. oben S. 13).
In der Mitte Israels ,und rings um sein
Land lebten die Heiden, verschieden an Kultur und Gesittung.
Je hbher ihie Sittenkultur, um so naher standen sie als Mitbiirger,
als Mitmenschen, sogar als willkommene Familiengenossen, also
Engstverbiindete, zum Gottesvolke Israel.
Die Fremdstammigen in der Mitte Israels waren zu einem
Teile Bekehrte, Gerim (= im Lande Israels Weilende, Ein-
zahl : Ger), und zu einem anderen Teile Gerim toschabim
(= im Lande Israels Ansassige, Einzahl: Gertoschab), die den
Fetischdienst und mit ihm die niedrigsten Formen der Sittenlosig-
keit und den Zustand der Rechtlosigkeit verlassen hatten, ohne indes
sich zur Religion Israels bekehrt zu haben.
Der Ger, der nicht nur das Recht anerkannt (vgl. Noah), son-
dern auch auf die Sittengesetze sich verpflichtet hatte (sinaitische
Weihe), war der Vollwertige. Dafi in seinen Adern fremdes Blut
kreiste, dafi sein Antlitz fremde Ziige aufwies, sollte und durfte
niemals zu einer Schranke werden, denn er war Mensch, Mensch in
dem Sinne, wie ihn der Schbpfer will: sittlich.
Darum wird in der Thora an etwa vierzig Stellen die
Mahnung an die Israeliten gerichtet, dafi sie den Ger, den Fremd-
blutigen.aberGleichges'innten.mitder grbfiten Riick-
sicht und mit -derselben Liebe wie den Nachsten aus dem
eigenen Stamme behandeln sollen. Nur einige Belegstellen seien
hier angefuhrt: IV. Buch Mos., Kap. 14, V. 16: ,,Einerlei
Lehre und einerlei Recht gelte fiir euch und
d e n G e r , der sich bei euch aufhalt"; IV. Buch
Mos., Kap. 24, V. 22: ,,Einerlei Rechtsgesetzesollen
bei euch gelten; der Ger sei dem Einheimischen
gleichgestellt". III. Buch Mos., Kap. 19, V. 34:
,,Gleich dem Einheimischen sei euch der Ger
(Fremdbiirtige) geachtet, und du sollst ihn lieben wie
dich selbst, denn Gerlm (Fremdlinge) wart ihr im
LandeAgypten". Und V. Buch Mos., Kap. 10, V. 17—19:
,,Denn (Ich) euer Gott . . . bin der Grofie, Allmachtige und Ehr-
furchtgebietende, der . . . das Recht der Waise und der Witwe
schiitzt und der den Ger (Fremdling) liebt, so d a £
er ihn mit Nahrung und Kleidung versorgt. Und
ihr sollt den Ger (Fremdlinsr) lieben, denn Gerlm wart
hr im Lande Agypten!"
Aus dem letzten Satze geht mit aller Klarheit hervor, da£ es sich
um vb'lkisch andersgeartete, rassefremde Menschen handelte. Die
Thora bewertet lediglich gemafi der sittlichen Kulturstufe. Das
Rassenblut ist Gottes Anteil, des Menschen Anteil ist die Gesinnung,
und in dieser allein kann Adel wie Unwiirde liegen.
7. These: ,,Denn ihr wart Fremdlinge im Lande Agypten"
- in der Art, wie man die Fremdbiirtigen behandelt, liegt das
Kennzeichen fiir die eigene1 Gesinnung.
Was Israel in seinem Gott verehrt hat, den liebevollen ,,Ver-
sorger des Fremdlings" (s. oben), das sollte es selber in seinem
nationalen Leben zu werden trachten : selbst fur den Ger
toschab, der sich nicht zur S t a a t s r e 1 i g i o n be-
kehrt hatte, sollte im Lande Israel gesorgt
werden. Attah mezuwweh lehachjotho = ,,Du bist gehalten,
ihm die Mittel zur Lebenserhaltung zu gewahren" — so formulierea
die spateren religionsgesetzlichen Quellen diese Pflicht11).
Im III. Buch Mos., Kap. 25, V. 6 bestimmt die Thora, dafi
der Feldertrag des Brachjahres, welcher als Gemeingut aller Israeliten
jedem Gliede der Nation unentgeltlich zur Verfiigung stand, a u c h
dem im Lande weilenden Ger toschab unent-
geltlich bereitgestellt werde. — In dem Gesetze von
den Zufluchtsstatten, welche im Lande Israel zum Schutze derjenigen
Personen bestimmt waren, die einen Menschen fahrlassig getotet
haben (siehe IV. Buch Mos., Kap. 25, V. 15), vergifit die
Thora nicht, den Ger toschab-Fr e'm d 1 i n g b e -
senders zu nennen, um ihm ein gleiches Recht
auf die Unterkunft in diesen Orten einzu-
raumen, wie dem Israelite n. Im israelitischen Staate
sollte auch der fremdstammige nichtbekehrte Burger vor Lynchjustiz
geschiitzt werden. -- Im V. Buch Mos., Kap. 24, V. 14 — 15 wird
geboten: Du sollst einem Mietling nicht den Lohn vorenthalten . . .
von deinen Briidern oder deinem Fremdling, derin
deinem Lande, in deinen S tad ten wohnt."
Es heifit uberhaupt wiederholt: ,,D e i n Fremdling", das will sagen:
er ist dein Schutzbefohlener. — Besonders ist die
Verordnung III. Buch Mos., Kap. 25, V. 47 zu beachten: Wenn
ein Ger toschab bei dir (d. h. im Lande Israel) z u
Vermogen kommt und dein Bruder (der Stammes-
bruder, der Israelit) neben ihm verarmt und sich als
Sklaven dem Ger toschab oder einem
Sprb'filing aus dem Geschlechte des Fremd-
lings verkauft... so soil ihm (dem israelitischen
Sklaven) Einlosung werden" . . . (Vers 50):
,,U nd manrechne mit dem Kaufherrn... genau
nach der Zahl der Dienstjahre (des Sklaven) ." Danach
war dem nicht voll bekehrten Beisassen im Lande Israel unbeschrankte
Erwerbsmoglichkeit eingeraumt, und fur den Fall, dafa der Israelit
neben dem Ger toschab-Fremdling verarmen und diesem als Sklaven
sich zu verkaufen gezwungen sein sollte, wird von der Thora die
streng rechtliche Auseinandersetzung mit dem Fremdling befohlen,
genau so wie sie einem israelitischen Kaufherm gegeniiber gefordert
wurde. Der israelitische Sklave sollte allerdings aus dem Sklaven-
dienste bei einem Fremdling erlb'st werden; die Einlosung mufste je-
doch auch in dem Falle erfolgen, wenn ein Verarmter sich an einen
Israeliten als Sklave verkauft hatte (Vers 25 — 27). Die Religion
Israels verpont jede Sklaverei aufs scharfste (s. ebendort V. 39
und 54). (Aus dieser Stelle leitet iibrigens das talmudische Gesetz
die Bestimmung ab, dafi die Obervorteilung eines
Heiden von Thorawegen verboten ist12).
8. These: Gemafi der Vorstellung Israels von Gott, dafi
Er den Fremdling, der keinen Anteil am Landesboden besafj,
versorge (V. Buch Mos., Kap. 10, V. 1 7 — 19), wurde dem
Volke Israel die Pflicht auferlegt, dem Ger toschab-Fremd-
ling — gleichsam im Auftrage Gottes — den Unterhalt zu
ermb'glichen.
Erinnert diese Ausdehnung der Liebespflicht auch auf die Frem-
den ganz an den Geist des Stammvaters Abraham (s. oben Seite 1 3),
der sich gerade durch diese milde Denkart von alien Volkern
ringsum vorteilhaft abhob, die ja in jedem Fremdling den ,,Barbar"
'9
erblickt und ihn als einen Feind behandelt haben; so wird auch die
Absonderung von bestimmten Volkern, welche von der Thora Israel
anbefohlen worden ist, erst im Riickblick auf Abraham richtig ge-
wiirdigt werden. Gerade der W esenszug der Lieblosig-
k e i t war es, was den Stammvater bei der Beriihrung mit seiner Um-
gebung, mit den Kanaanitern abgeschreckt hat ; es war der Charakter-
zug, der die Menschheit und die Gesellschaft zerkliiftete, den Menschen
vom Nebenmenschen trennte, — diesem G e i s t durfte kein Einlafi in
das Zelt des Ahnen gewahrt werden. Wer hart, grausam, lieblos
ist, schliefit im Grunde sich selbst aus, gibt sich als Feind des
Friedens, des Zusammenschlusses, der Zusammengehorigkeit zu er-
kennen. Sein Ausschlufi aus der Gemeinschaft Israels ist nichts als
der Ausdruck fiir den Gedanken, dafi die Lieblosigkeit aus der Men-
schengesellschaft verbannt werden miisse.
Man hbre nur, womit die Thora ihre Anordnungen betreffend
die Fernhaltung gewisser Stamme von der israelitischen Familien-
gemeinschaft begriindet; da ist von jenem Rassendiinkel, der in alien
Volkern des Altertums durch den Glauben an die Obermacht des
eigenen Stammesgottes grofagezogen wurde, da ist von der Selbstan-
betung, die keinem anderen Stamm ein Anrecht auf die Erde gbnnt,
nicht der leiseste Hauch zu spiiren. Von all den zahlreichen Volkern,
welche in der Umgebung Israels lebten, bezw. in dem 1 0. Kapitel
des I. Buches Moses aufgezahlt sind, verwehrt die Thora nur z w e i
Stammen den Eintritt in die jiidische Familiengemeinschaft: ,,Es
soil keiner aus den Stammen Ammon und
Moab in die G o 1 1 es g e mei n de kommen... Da-
rum, weil sie euch n i c h t en t ge gen g e b r a c h t
haben Brot und Wasser, unterwegs, ;als ihr
aus Agypten gezogen seid ... du hast sie
nicht in ihrem Wohl und ihrem Gliick zu for-
dernalledeineTage, aufewi g". (V. B. Mos. Kap. 23,
V. 4 — 7). Das war jedoch nicht etwa eine Vergeltungs-
mafinahme, denn es heifit im nachsten Verse: ,,Du sollst
den Edomaer nicht verabscheuen (d. h. nicht
ausschliefsen), denn er ist dein Verwandter" — dieser Ver-
wandte hat aber die Israeliten stets mit dem Schwerte
bekampft. Vielmehr wird das Verhalten Ammons und Moabs als
Beweis fiir deren Hartherzigkeit gegen Fremde uberhaupt er-
wahnt. Am hellsten jedoch strahlt die menschheitumfassende
Liebe der Thora in der darauffolgenden Verordnung
( Vers 8): ,,Du sollst den Agypter nicht ver-
abscheuen, denn du weiltest in seinem Lande
20
als ein Fremdling . . ." — Wo ware der Nationalgroll be-
greiflicher gewesen, als bei dem Volke Israel gegen die Agypter, gegen
diese tyrannische Macht, die die Hebraer Jahrhunderte hindurch ge-
knechtet und mit der Schmach niedrigster Sklavenschaft beladen, ja
schliefslich einen Vernichtungskampf gegen deren mannliche Neuge-
borenen verkiindet hat — und dennoch! der Befreiung aus Agypten
durch Gott wird allezeit bei Israel gedacht, die Thora macht die Er-
innerung an sie zu einem Feste (Passah), aber in der ganzen heiligen
Schrift und der spateren jiidischen Gesetzgebung ist von Rache gegen
die Agypter kein Wort zu finden. ,,Denn du weiltest in seinem
Lande als ein Fremdling!" Nicht wird der Unterdriickung durch die
Agypter gedacht, sondern jener Akt der Freundlichkeit aus uralter
Zeit, wo Pharao dem Stammvater Jakob und seiner Familie — aus
Riicksicht auf Joseph, den Retter Agyptens! — in einer agyptischen
Provinz gastliche Aufnahme gewahrt hatte, wird dankbar hervorge-
hoben und, trotz aller Harte, welche die Nachkommen dieses Stamm-
vaters zu erdulden hatten, als der Beweis fur die milde
D e n k a r t der Agypter angefiihrt. Dort, wo die Thora dem Volke
Israel die sozialen Pflichten gegen die Fremden mit
eindringlichen Worten ans Herz legt, spricht sie von dem agyptischen
Sklavenelend, urn durch diese Erinnerung die Israeliten milde zu
stimmen gegen alle Leidenden, damit es die Erlosung, welche es
selbst durch Gott erfahren hat, alien Bedriickten bringen mbchte,
dort jedoch, wo das Trennende betont werden mufs, dort, wo die
Absonderung von den Volkern geboten wird, schweigt die Thora von
der Mitleidlosigkeit der spateren Pharaonen und erinnert an die Wohl-
taten eines der friiheren Herrscher. 1st das nicht das herrlichste
Zeugnis fiir den Geist der Liebe und Dankbarkeit, welche in der
Thora wallet, und zerstreut das nicht endgultig den Verdacht, als
ob die von der Thora gegen einige wenige Stamme erlassenen Sonder-
bestimmungen dem Hasse der jiidischen Lehre gegen fremde Volker
entsprungen waren?
9. These: Die strenge Absonderung von den anderen
Stammen bezweckt die Reinerhaltung des eigenen religiosen
Volksgeistes. Fiir die Auslese ist der Gesichtspunkt des
sittlichen Verhaltens mafsgebend. Der Ausschlufi aus der
,,Gottesgemeinschaft" sollte nur diejenigen Volker treffen,
welche asozial waren und dem von der Thora angestrebten
Volkerfrieden hinder lie h zu werden drohten. Selbst gegen
diese asozialen Stamme Ammon und Moab wird jedoch nicht
etwa zum Hasse aufgerufen, sondern nur eine Art neutrales
Verhalten geboten. (Ober Amalek s. oben Seite 16.)
21
Es kann nach dem Gesagten nicht bezweifelt werden, dafi die
Thora in jenen vereinzelten Fallen, wo sie eine Satzung als nur dem
israelitischen Landsgenossen gegeniiber verbindlich bezeichnet, sich
nicht von Beweggriinden der Geringschatzung oder gar der Lieb-
losigkeit gegen die Heiden hat leiten lassen. Ein solches Motiv
wiirde dem obersten Grundsatz ihrer Verfassung, wonach a 1 1 e
Vb'lker Gottes ,,Handewerk" sind, widersprechen. Vielmehr ergibt
sich der Ausschlufi der Heiden (eigentlich: Auslander) in den ge-
nannten Ausnahmefallen aus dem Wesen der betreffenden Be-
stimmungen. Diese Ausnahmebestimmungen sind : Das
Zinsgesetz, das Gesetz betreffend den Schuldenerlafs
sowie das Fundgesetz.
Das Zinsgesetz (V. Buch Mos., Kap. 23, V. 20—21) lautet:
,,Du sollst nicht nehmen13) von deinem Bruder
Z i n s an Geld oder Zins an Speise, iiberhaupt Zins an irgend einer
Sache, die verzinst werden kann. Von dem Auslander
magst du Zins nehme n." — Die Verordnung betreffend
den Schuldenerlafi (V. Buch Mos., Kap. 15, V. 1—4): ,,Am
Schlusse von je sieben Jahren sollst du Erlafi halten ... eserlasse
jeglicher Schuldherr sein Darlehn, das er seinem
Nachsten geliehen ; er soil nicht drangen seinen Nach-
sten und seinen Bruder . . . Den Fremden magst
d u (zur Bezahlung) drangen . . .", und endlich das Gesetz
betreffend Fundsachen (V. Buch Mos., Kap. 22, V. 3) : So
sollst du auch tun (namlich in schiitzende Verwahrung
nehmen undwiederbringen) . . . mit allem, was d e i n
Bruder verloren hat, das ihm abhanden gekommen und du
es findest."
Hier handelt es sich um e t h i s c he Forderungen, beim Zins-
und Schuldenerlafigesetz sogar um aufiergewb'hnliche Verzicht-
leistungen. Solche Verzichtleistungen konnten dem Israeliten
naturgemafi nur im Wirtschaftsverkehr mit dem Nationsgenossen auf-
erlegt werden, der seinerseits zu gleichem Verhalten verpflichtet worden
war. Fur eine solche ethische Rechtsbeziehung wie sie das Verbot
des Zinsnehmens und der Beitreibung der Schulden nach dem Erlafi-
jahr darstellt, fehlte den Auslandern gegeniiber die unumganglichste
Voraussetzung : die Gegenseitigkeit der Verpflichtung. Die
heidnischen Nationen rings um das Land Israel haben von Aus-
landern, so auch von den Israeliten Zinsen genommen, und die Ein-
richtung des Schuldenerlasses kannten sie iiberhaupt nicht. Der
altisraelitische Staat, als Agrarstaat, ware unfehlbar zum Sklaven der
umwohnenden Handel treibenden Volker14) geworden, wenn er ans
22
Ausland grundsatzlich zinslose Darlehen hatte gewahren miissen. Eine
Rechtskiirzung des Fremden kann ' eine solche Verordnung,
die ihrem Grundwesen nach keine Rechtsforderung, sondem eine mit
Opfern verbundene Liebespflicht darstellt, nicht bedeuten. Wurde
ja dock auch dem Israeliten nicht untersagt, seinerseits dem Aus-
lander Zinsen zu z a h 1 e n.
Ahnlich verhalt es sich beziiglich des Fundgesetzes. Die Thora
schreibt vor: 1 ) Gefundenes an sich zu nehmen und 2) Gefundenes
personlich zu betreuen. Bis zu dieser ethischen Pflicht der Fiirsorge
an fremdem Gut hat sich aber ein Gesetzbuch des Altertums und
vielleicht auch der Gegenwart noch nicht emporgehoben. Die heid-
nischen Volker der biblischen Zeit haben den Fremden und Aus-
landern den Fund nicht wiedergegeben.. Ja, ein Blick in die Rechts-
geschichte vermag dariiber zu belehren, dafi selbst die Aneignung
eines Fundes noch in hoherem Kulturstande nicht als ein Raub ge-
golten hat. Der christliche Rechtsgelehrte Dr.Kopp bemerkt in seinem
Buche ,,Zur Judenfrage", 2. Auflage, S. 75 : ,,Das Strandrecht wurde
aber von sehr christlichen Deutschen, ... bis weit viber das Mittelalter
hinaus, geiibt . . ." Man kann es also begreifen, dafs die Thora von
dem Volke Israel nicht ein besonderes Entgegenkommen zugunsten
derjenigen heidnischen Volker forderte, welche ihrerseits ein solches
Entgegenkommen nicht geiibt haben.
1 0. These : Die in der Thora sich findenden Ausnahmebe-
stimmungen beziiglich der Heiden bezw. Auslander enthalten
und beabsichtigen keineRechtsschmalerung und keinenEingriff in
den Besitz der Fremden. Sie sind mangels einer Gegenseitig-
keit der Rechtsbindungen vbllig berechtigt. Oberdies beweist
mittelbar die Kennzeichnung dieser vereinzelten
„ Fremden gesetze" als Ausnahmefalle, dafi die iibrigen
Rechtssatzungen Israels allgemeingiiltig sind und die Thora
das Recht als solches bei alien Menschen sichergestellt
wissen will (s. oben Seite 13).
Zeigt sich in den gesetzlichen Verordnungen
der Thora betreffend die Versorgung des Ger toschab-
Fremden und insbesondere in der Forderung der volligen
rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung des zur
religios-sittlichen Welt- und Lebensanschauung des ..Gottesstaates"
bekehrten Fremden (Ger) die Menschenfreundlichkeit in reinster Aus-
pragung, und geht aus den einzelnen Ausnahmebestimmungen beziig-
lich der Auslander hervor, dafi die Gesetzgebung der Thora den
Besitz und das Recht der Heiden (Auslander) in keinem Falle an-
tasten lafit (die KriegsgesetJse gehoren nicht hierher) : so bezeugen
23
auch die Erzahlungen der Bibel, dafi die Israeliten gegenuber
den Heiden trotz des grofien kulturellen Abstandes im Verkehrsleben
sich riicksichtsvoll verhielten. J o s u a begnadigt (wahrend des gefahr-
vollen Feldzuges gegen Kanaan!) die Gibeoniten, die ihn schmah-
lich betrogen hatten (Buch Josua, Kap. 9). - - Konig David
duldete nicht nur die Jebussiten, eine Kolonie aus dem Reste eines
altkanaanitischen Volkes (s. oben Seite 15 f.), inmitten seines Reichs,
sondern bat sie in aller Form um Abtretung eines fur den Bau des
grofien Heiligtums sich eignenden Gelandes, gegen voile Entschadi-
gung, was deutlich bestatigt, dafi der Konig der Israeliten eine
Zwangsenteignung bei einem Heiden selbst zum Zwecke der Er-
richtung eines Tempels nicht vornehmen wollte (II. Buch Samuel,
Kap. 24) . — KonigSalomo betet gelegentlich der Einweihung
des Jerusalemischen Tempels ' auch fiir die heidnischen Auslander
(I. Buch Konige, Kap. 8, V. 4 1 ) . — J e s a j a h, der Prophet Israels,
nennt das Gotteshaus Israels ein ,,Bethaus fiir alle Volker" (Jesajah,
Kap. 56, V. 7). - - Der Prophet El is a, der sich durch den
wundertatigen Beistand Gottes der feindlichen Aramaer bemachtigt
hatte, gibt, seinem Diener auf dessen Frage, ob er die Feinde (deren
Fiihrer) toten diirfe, die Antwort: ,,Du sollst sie nicht erschlagen;
hast du sie etwa gefangen gemacht mit deinem Schwert und deinem
Bogen, dafi du sie erschlagen wirst! Seize ihnen Brot und
Wasser vor, dafi sie essen und trinken und
dann zu ihrem Herrn zuriickkehren" (II. Buch
Konige, Kap. 6) . So hat man im Lande Israel die heidnischen Kriegs-
gefangenenbehandelt! — Der Prophetjeremijah ruft den nach
der Zerstorung Jerusalems in die Verbannung ziehenden Israeliten die
Mahnung Gottes nach: ,,Fb'rdert das Wohl der Ortschaft, wohin ich
euch verbanne" (Buch Jeremija, Kap. 29, V. 7). — Und Ruth,
die ehemalige Heidin, die fremder Geburt war, noch dazu aus
dem Stamme Moab (s. oben Seite 20), erlangt nach dem Berichte
der israelitischen Bibel durch ihre edle Gesinnung die vielleicht hochste
Wiirde in Israel: sie wird die Ahnin des Konigs David (Buch Ruth,
Kap. 4, V. 13 — 22) und damit die Ahnmutter des
M e s s i a s. — Das Zeitalter des Messias bedeutet aber fiir das
Volk Israel, fiir das Judentum, die Zeit, wo ,,Gotteserkenntnis die
Erde erfiillt und kein Unrecht auf Erden geschieht" (Jesajah, Kap. 1 1 ,
V. 9 und Kap. 65, V. 22), wo der Segen, den Gott dem Abraham
fiir alle Volker verheifit, zur Wirklichkeit geworden. Diese Zeit wird
durch die Bekehrung der Moabstochter, der Tochter des einst lieb-
los handelnden Stammes, zu dem Gotte der Liebe und der Gerechtig-
keit, dem Gotte Abrahams (s. oben Seite 13 f.) herbeigefiihrt.
24
Zusarmnenfassung. Die Thora kiindet die Lehre von dem
einzigen Gott, der alle Menschen erschaffen hat. Nach der
Thora sind alle Menschenindividuen zu sittlichem Wandel be-
rufen. Die Sittlichkeit ist das Lebensziel auch der menschlichen
Gesellschaft. Der Grundpfeiler der gesellschaftlichen Ver-
fassung ist das Recht, ihre Vollendung: Gerechtigkeit und
Nachstenliebe. Die Verleugnung des Rechts fiihrt zur Zer-
storung der Menschheit, bedeutet zugleich Ablehnung der Lehre
von der Gotteinzigkeit und ist dem Gotzendienste gleich. Die
Merkmale des rohen Heidentums sind: Leugnung Gottes als
silt lie her Macht (Gotzendienst), Leugnung des Rechts (gewalt-
taliges Blutvergiefien) und Unzucht. Das Geschlecht der
Gewalttatigen sollte durch die Sintflut vernichtet, Noah als
Verkorperer des Rechts gerettet und die Nachkommen Abrahams
(ein Abkommling Noahs) des Vertreters der Gerechtigkeit und
Liebe, als Bekenner Gottes in Absonderung erhalten werden
(Gottesvolk). Dem Reiche des Gottesvolkes (Gottesreich,
Israel) sollte das Heidentum fernbleiben. Zur Erlangung der
rechtKchen Gleichstellung mil dem Gottesvolke bedarf es nur
der Anerkennung Gottes und des Rechtsprinzips, und dement-
sprechend Abwendung vom Gotzendienst, vom Blutvergiefien und
von der Unzucht. Wer das Rechtsprinzip ablehnt, ist im
Gottesreiche nicht gleichberechtigt, hat keine Berechtigung. Die
Menschheit schreitet sittlich aufwarts dem Zustande der all-
gemeinen Gotteserkenntnis und gesellschaftlichen Eintracht ent-
gegen (messi anise hes Zeitalter) , der alien Volkern als der-
einstige gemeinsame ideale Kulturerfullung verheiEen ist.
II. Kapitel.
Was lehrt der Talmud iiber das Verhalten der
Juden zu den Nichtjuden ?
Zwecks eindringender Wiirdigung des Standpunktes, welchen
der Talmud in unserer Frage einnimmt, mogen einige Bemerkungen
vorausgeschickt warden iiber die Stellung der Talmudautoren zum
Thoragesetz, iiber die Form des Talmud und iiber die geschicht-
lichen und kulturellen Zeitverhaltnisse, unter denen der Talmud ent-
standen ist.
Der Talmud — im weiteren Sinne, das ist der alteste Teil des
nachbiblischen jiidisch-religiosen Schrifttums — wurde nicht un-
mittelbar von seinen Autoren in der Form niedergeschrieben, wie er
uns heute vorliegt. Vielmehr entstand der Talmud in der Weise,
dafi die jiidisch - religiosen Oberlieferungen : Gesetze, Schriftaus-
legungen und der Gedankenaustausch der Gelehrten, die Jahrhunderte
hindurch gedachtnismafiig, unter Zuhilfenahme kurzer Aufzeich-
nungen gepflegt worden sind, in einer spateren Zeit niedergeschrieben
wurden. Es sind im Talmud verschiedenartige religiose Ober-
lieferungsstoffe ineinander gearbeitet. Den altesten Teil dieses
Schrifttums bilden die Erlauterungen, welche dem geoffenbarten Bibel-
worte urspriinglich beigegeben wurden; sie sind zumeist in dem
sogenannten Halachah-Midrasch (= Schriftauslegung be-
treffend die Normen fiir den Lebenswandel) enthalten. Einen
anderen Teil des Talmud bilden die lange vor Entstehung des Christen-
tums von hervorragenden Schriftgelehrten begonnenen und in den
ersten zwei Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung fortgefiihrten,
gegen Ende des 2. Jahrhunderts niedergeschriebenen Gesetzes-
sammlungen (vornehmlich die Mischnah- Lehrsatze) , und
der dritte Bestandteil ist die Diskussion der Gelehrten iiber die
einzelnen Gesetze (G e m a r a oder Talmud = Begriindung der
Lehre). Wahrend die altesten Oberlieferungen zunachst, solange der
israelitische Staat bestanden hat, auf dessen Boden gepflegt wurden,
entstanden nach dem Zusammenbruch Judaas auch in B a b y -
26
1 o n i e n , wohin die meisten gelehrten Juden ausgewandert sind,
Thora-Hochschulen, in denen die Verhandlungen iiber altiiber-
nommene Lehrsatze und neuaufgeworfene Fragen etwa 4 Jahrhunderte
hindurch fortgesetzt wurden. Es entstanden darum zwei verschiedene
T a 1 m u d e : 1 . der Jerusalemische Talmud, der Nieder-
schlag des in Jerusalem oder besser: in Palastina betriebenen reli-
giosen Studiums, der im 3. Jahrhundert der christlichen Zeit-
rechnung, und 2. der Babylonische Ta 1 m u d — die Ver-
handlungen der babylonischen Akademien — , der um die Mitte des
5. Jahrhunderts niedergeschrieben wurde.
Die Darstellungsform des Talmud ist zumeist die der
lebendigen Verhandlung, in welche gelegentlich Erzahlungen, Gleich-
nisse und kurze Weisheitsspriiche eingestreut sind.
Es mutet wie eine Karikatur an, wenn Justus-Brimann in seiner
Schilderung sagt, es sei im Talmud ,,kein einziges Gesetz und keine
Erklarung, iiber die nicht Meinungsverschiedenheiten und heftige
Streitereien entstanden waren" . . . ,,sagt z. B. der eine: weifi, so sagt
der andere: schwarz . . ." usw. Dasselbe konnte man aber auch
von den Protokollen etwa der Reichstagsverhandlungen sagen, in
denen vielleicht auch kein einziges Gesetz zu finden ist, iiber welches
nicht Meinungsverschiedenheiten zutage traten. Nur eines vergafi
Justus-Brimann hinzuzufiigen, was aber fur unsere Frage von ent-
scheidender Bedeutung ist, namlich die aus der Entstehungs- und Dar-
stellungsart des Talmud sich ergebende notwendige Folgerung,
dafi dieses Werk in seiner vorliegenden Form
nicht ein Gesetzbuch, nicht eine Gesetzessammlung nach
Muster unseres Biirgerlichen oder Strafgesetzbuches ist. So wenig
als die Reichstagsprotokolle ein Gesetzbuch sind. Dieses darf
Justus-Brimann jedoch nicht enthiillen, weil er damit den Be-
schuldigungen gegen den Talmud wichtige Stiitzen entziehen wiirde.
Da der Talmud die Zusammenfassung des im Laufe vieler
Jahrhunderte (bis zum 5. nachchristlichen Jahrhundert) an-
gewachsenen religiosen Wissensstoffes und nicht nur uralte, vom
Sinai uberkommene, feststehende Gesetze, sondern auch von spateren,
mit Namen genannten Gelehrten, herriihrende Ansichten darbietet, so
sind die verschiedenen Lehrsatze und Auslegungen hinsichtlich ihrer
Geltungskraft verschiedenwertig. Als wissenschaftliche
T h e o r i e sind sie uns alle wertvoll ; sie ermbglichen einen Einblick
in den Gedankengang der Talmudautoren und in die Anschauungen
ihrer Zeit. Gesetzeskraft jedoch erlangt eine Lehre nur
dadurch, dafi sie durch die Zustimmung der Zeitgenossen bzw.
deren Mehrheit, oder der spateren Geschlechter als in ihrer letzten
27
Folgerung dem Geiste der Thora entsprechend beglaublgt wird.
D i e O b e re i n s t i m m un g m i t d e n G ru n d s a t zen der
Thora bildet die innereLegitimationeines jeden
Talmudgesetzes, auf ihr beruht dessen verpflich-
tende Kraft. Fast auf jedem Blatte des Talmud stehen Lehr-
satze aus verschiedenen Jahrhunderten nebeneinander ; sie werden
durch die aufgeworfene Frage zu einer — gleichsam horizon-
t a 1 e n — Einheit gruppiert. Neben dieser durch das Thema be-
wirkten Zusammentragung verwandter Stoffe gibt es aber einen
vertikalen Zusammenhang : die riickwarts fortgesetzte Tradition
bis zum Sinai, bis zum Thorawort. Es gibt keine einzige Abhandlung
in dem mehrere tausend Seiten umfassenden Talmud, welche nicht
von einem Thoragesetze ausgeht, und fast auf jeder §eite findet sick
die Frage : „ A us welchem Thoraverse wird dieses
(Gesetz) a b gel ei te t ?", oder die Beweisformel : ,,Denn es
heifit in der Thora".
Es wurde diesbeziiglich schon in der Thora gesagt (V. Buch
Moses, Kap. 4, V. 2): ,,I h r s o 1 1 1 nichts hinzufiigen zu
dem, was icheuch gebiete, undsolltnichts davon
w e g 1 a s s e n". Ferner im V. Buch Moses, Kap. 1 3, V. il : ,,Alles.
das, worauf ich euch verpflichte, sollt ihr beobachten, um es zu er-
fiillen ;dusollst nichts dazu hinzutun und nichts
davon weglassen". Und der Talmud selbst sagt in Ankniipfung
an den letzten Vers des III. Buches Mosesv der da lautet : ,,D i e s
sind die Gebote, welche G o 1 1 dem Mose fur die Kinder
Israels erteilt hat" - das folgende: ,,Dies sind die Gebote - - von
da (von der Zeit Moses) ab darf (selbst) ein Prophet nichts Neues
(keinen neuartigen religiosen Grundsatz) verkiinden" (Talmud-
Traktat Sabbath, Blatt 1 04, Seite 2, Trakt. Megillah, Bl. 2, S. 2 und
in anderem Zusammenhange im Tr. Joma, Bl. 80, S. 1 und Temurah»
Bl. 15, S. 1).
Das eigene Schaffen derTalmudautoren be-
stand darum nicht in dem ,,Ersinnen von Gesetzen aus eigenem
Herzen", sondern in der Losung der durch das rastlos flutende
Leben immerwahrend neu emporgeworfenen Fragen auf Grund
des Thoragesetze s. Hierbei blieb allerdings fur die sub-
jektive Lebensauffassung der Talmud-Lehrer oft noch ein weiterer
Spielraum ubrig.
1 1 . These : Es besteht ein ununterbrochener innerer gei-
stiger Zusammenhang, eine geistige Kontinuitat zwischen den
Grundsatzen der Thora einerseits und den Gesetzen des Tal-
mud andererseits. Sie konnen einander nicht widersprechen,
28
jene bilden das Regulativ fiir diese. So hat denn der
Talmud auch beziiglich unserer Frage iiber
das V er h alien von Juden zu Andersglaubi-
gen keinen neuen Grundsatz neben den in
der Thora ausdriicklich oder andeutungs-
weise enthaltenen Lehren aufgestellt und
aufstellen konnen.
Die geschichtlichen und kulturellen Wandlungen inmitten
derjenigen Volker, welche das Land Israel bzw. die spateren
jiidischen Siedlungen umgaben, boten jedoch den Schriftgelehrten des
Talmud Gelegenheit, zu den veranderten Verhaltnissen ihrerseits
Stellung zu nehmen. Es waren vornehmlich zwei geschicht-
liche Erscheinungen, mit denen sich das Judentum im Zeit-
alter des Talmud auseinandersetzen mufite. Eine p o 1 i t i s c h e :
der Zusammenbruch des jiidischen Staates, und eine g e i s t i g e :
namlich die religibsen Umwalzungen innerhalb der Menschheit.
Was den Untergang des Judaischen Staates
anlangt, go hatte dieser zunachst nur die Ausschaltung, eigentlich
Suspendierung derjenigen Thoravorschriften zur Folge, welche den
Bestand eines israelitischen Staatswesens mit nationalem Landbesitz zur
Voraussetzung haben. Zum Beispiel gewisse Verordnungen betreffend
die Bodenbewirtschaftung und die damit zusammenhangenden
Wlirtschaftsgebiete, die politischen und manche strafrechtlichen
Befugnisse des Obersten Gerichshofes in Jerusalem, den Tempel-
dienst mit dem grofsten Teile der Priester- und Levitengesetze u. a.
Da diese Gesetze bis zur Wiederaufrichtung des Staates der
immer noch als ,,Gottesstaat" gedacht ist — mir v e r t a g t wurden,
so sind sie auch in den spater entstandenen Teilen des Talmud genau
so griindlich erortert, als waren sie zurzeit in Kraft gewesen.
Palastina hielten die Romer besetzt und der romische Statt-
halter hob den jiidischen Hauptgerichtshof in Jerusalem auf. Es gab
keine ,,Fremden" mehr fiir den Staat Israel, weil es kein Land
Israel mehr gab. Wahrend die jiidische Gemeinschaft in Palastina
infolge der Aufstande, welche sie in der Hoffnung auf Wieder-
befreiung ihres Vaterlandes mit todverachtendem Mute immer von
neuem unternahm, zusehends geschwacht wurde, begann in Baby-
lonien, wohin viele gelehrte Juden (wie einst in Nebukadnezars
Zeiten) ausgewandert waren, neues geistiges Leben emporzubliihen.
Nunmehr wurde d i e Frage zeitgemafs :wie stellt sich das
Judentum, welches trotz Versprengtheit seiner
Bekenner auf die Gesetze der Thora weiterhin
verpflichtet und durch sie geeint blieb, zu dem
2Q
Rechtsgesetze derjenigen Staaten, in denen die
Juden leben ?
Diese Frage hatte auch vornehmlich eine religiose Seite, da das
jiidische Recht, welches in dem biblischen Recht wurzelt, aufs
innigste mit den r e 1 i g i 6 s e n Anschauungen der Thora verkniipft
ist. In Babylonien herrschte aber in jener Zeit noch heidnischer
Kultus und heidnischer Geist (Feuerkultus, Magiertum). Das
auch in politischer Hinsicht veranderte Verhaltnis der
Juden zur Landesregierung veranlaSte den
damaligen geistigen Fiihrer der babylonischen
Juden, Mar Samuel (geb. i. J. 165), eine Lehre
geltendzumachen,diefurdieJudeninihrerZer-
streuung von der grofiten Wichtigkeit werden
s o 1 1 1 e. Die alten parthischen Herrscher hatten sich nicht in die
inneren Angelegenheiten der Juden gemischt, als aber die Sassaniden
zur Regierung gelangten, anderte sich die Sachlage. Ardeschir (der
neue Herrscher) verordnete neue Gesetze und alle Angelegenheiten
der Juden sollten fortan unmittelbar dem Landesherrn untergeordnet
sein. ,,M ar Samuel, der von der Cberzeugung
durchdrungen war, d a fs es eines jeden Burgers
unabweisbare Pflicht sei, die St a a t s ge s e t ze
heilig zu halten und dies aufierdem schon in
einer alten Mischnah a u s ge s p r o c h en fand,
glaubte dieser Lehre, deren strikte Befolgung
den Juden n u r zum Heile gereichen miifite, auch
allgemeine Anerkennung verschaffen zu miissen.
Er stellte daher den Grundsatz auf: dafi das Gesetz der Regierung
giiltiges Gesetz sei (,,dina di malchutha dina" Talmud Tr. Baba
Kama, Bl. 113, S. 2) ; d i e s e L e h r e , von alien Gesetzeslehrem
als halachisch (religionsgesetzlich) giiltig anerkannt, 1 i e 6 s e i t
jener Zeit den Juden die Befolgung der Landes-
gesetze nicht als Zwangsgebot, sondern als eine
religiose Pflicht erscheinen. Samuel hielt es zugleich fiir
nb'tig, obwohl den Juden ihre eigene Z i v i 1 gerichtsbarkeit von den
Sassaniden gelassen worden war (die peinliche Gerichtsbarkeit wurde
von den Juden Babyloniens nie ausgeiibt, vgl. TalmudTr. Sanhedrin,
Bl. 31, S. 2), das persische Recht zu beriicksichtigen und manche
jiidische rechtliche Bestimmungen nach demselben zu modifizieren,
was namentlich in den Fallen geschah, wo es als notwendige Kon-
sequenz des aufgestellten Grundsatzes sich ergab (Talmud-Tr. Baba
mezia, Bl. 108, S. il, Baba bathra 55, 1)" .Man sieht
Juden und Perser, wenigstens zur Zeit Samuels, friedlich und in
3o
freundschaftlichem Verkehr miteinander leben". (Siehe D. Hoff-
mann, Mar Samuel, Leipzig i1873, S. 41 — 42.)
Diese neue Lehre stand durchaus im Einklang mil den Grund-
satzen der Thora. Sie erhielt ihre innere Berechtigung durch die
geistigen Wandlungen, welche sich allenthalben vollzogen hatten.
Infolge der kulturellen Ve r a n d e r u n gen der
Umwelt, durch den Fortschritt der Gesittung
bei den Heiden konnte die Anwendung der-
jenigen Bestimmungen der Thora, wllche sich
noch auf das rohe Heidentum bezogen, also auf
Zeiten und Volker, die das Recht noch nicht a n -
erka-nnt oder erst einseitig, zuungunsten der
Fremden, gepflegt hatten, immer mehr zuriick-
treten hinter der Anwendung derjenigen Ge-
setze, welche von Anfang an fiir das Verhaltnis
zu den Volkern m i t hb'herer Gesittung gegeben
w a r e n. Das Talmudgesetz, welches nur vom Geiste der
Thora getragen wird, hat bei Anwendung der Thora-
bestimmungen iiber das Verhaltnis zu den Andersglaubigen nur
jederzeit zu priifen, welche der Thorabestimmungen jeweilig auf die
verschiedenen Volker aufGrund der bei ihnenwahr-
genommenen Veredlung des sittlichen Empfin-
dens anzuwenden ist und welche nicht. (S. oben S. 16 und 20.)
Wie innig sich der Talmud bei seinen diesbeziiglichen Ent-
scheidungen an das Thoragesetz halt, geht aus einer Stelle hervor, wo
nicht etwa nur theoretisch iiber die Frage der Bewertung der zeit-
genbssischen Volker verhandelt wird, sondern wo ein z u r E n t -
scheidung vorgelegter wirklicher Rechtsfall er-
ortert wird. Im Traktat Berachoth, Blatt 28, Seite 1, wird berichtet:
,,Juda, ein Bekehrter aus dem Stamme Ammon (dessen ,,Eintritt in
die Gottesgemeinde" durch die Thora verboten wurde, siehe oben
Seite 20), trat vor die jiidischen Weisen hin mit der Frage: ,,Darf ich
in die Gottesgemeinde eintreten?" — Rabbi Josua, antwortete ihm:
,,Es ist dir erlaubt." Da warf R. Gamaliel ein: ,,Wieso? Steht denn
nicht in der Thora geschrieben, daS ein Ammoniter nicht in die Ge-
meinde Gottes kommen darf!" — -, worauf R. Josua erwidert:
,,W ohnen etwa die Stamme Ammon und Moab noch
auf ihren friiheren Wohnsitzen! Langst schon
uberzogSanherib (derKonigderAssyrer) diese
Lander mit Krieg und mischte die Volker durch-
ei nan der. Wervonihnen(von diesen Volkern)
ietzt zu uns kommt, stammt (aller Wahrscheinlichkeit
3l
nach) aus den Mehrheitsvblkern (die nicht verboten
wurden, und in welchen Ammon und Moab aufgegangen
waren) ."
Diese Auseinandersetzung bestatigt, dafi die Thora und
darum auch der Talmud alle in der Thora nicht ausdriicklich
und aus einem besonderen Grande ausnahmsweise als minder-
wertig bezeichneten Vblker fiir wiirdig gehalten hat, Mitglieder des
Gottesvolkes zu werden. Das war eben fast die gesamte Menschheit
(s. oben S. 1 4 ff.) . Aber ein weiteres Moment ist wichtig. Die Thora
und der Talmud hegen die Anschauung, dafi der in Oberzahl vor-
handene gesittete Teil der Menschheit die noch ruckstandige Minder-
heit allmahlich zu sich emporheben werde. Die obige Entscheidung
des R. Josua — der, wie nebenbei bemerkt werden soil, als eine der
grbfiten Autoritaten seiner Zeit (Ende des I. Jahrhunderts} gait und
zum Oberhaupte der hbchsten gelehrten Kbrperschaft vorgeschlagen
wurde — betraf aber ein Gesetz, welches in die vb'lkische
Tradition der Juden tief eingreifen mufste, ein
Ehegesetz, denn das bedeutete der ,,Eintritt in die Gottes-
gemeinde". Gleich der Thora achtet also auch der Talmud in dem
Menschen, in j e d e m Menschen, das Menschentum, das Edel-
menschliche. Die Entscheidung des R. Josua wurde Gesetz in
Israel.
Im Traktat Cholin, Blatt 13, S. 2, lehrt aber der Talmud: ,,Die
Nichtjuden im Auslande (d. h. aufierhalb des Landes
Palastina) sind keine G 6 t zen d i e n er". Das will besagen,
dafi die in der Thora gegen die Fetischanbeter erlassenen Be-
stimmungen nunmehr auf die zeitgenbssischen Vb'lker keine An-
wendung finden diirfen.
12. These: Gemafi einer, im ersten christlichen Jahr-
hundert gefallten Entscheidung im Talmud, die in der Thora
wurzelt und welche bis auf den heutigen Tag bei den Juden
giiltig ist, gelten dem Judentum seit etwa 2 Ms tausend Jahren
(seit Sanherib) die Vb'lker im allgemeinen nicht mehr ak
minderwertig in dem von der Thora (in Beziehung auf
manche rohen Heidenstamme) gepragten (oben Seite 1 3 u. 15
dargelegten) Sinne.
Indes liefi es der Talmud bei diesem negativen Satze nicht be-
wenden. Die Klassifizierung der Volker in religions gesetzlich
giiltiger Formulierung mufite — um der Kontinuitat und der Be-
glaubigung willen — an die bereits von der Thora auf gestellte /
Staffelung ankniipfen. Die Thora unterscheidet, wie oben besprochen
wurde, die Typen: ,,Adams Kinder" (Kain, Sindflutgeschlecht) und
32
,,Noahs Kinder". Nach der Thora war Noah der Welterhalter, da
er das Rechtsprinzip vertrat. Danach ist jedes Volk als
solches, welches, im Glauben an ein hoheres
Wesen, das Recht als G es e 1 1 s c h a f t s f o r m aner-
kennt und iibt, zu denjenigen zu zahlen, die die
Weltordnung aufbauen und aufrechterhalten.
Der Talmud hat nun, um den Wert und die Wiirde der zeit-
genossischen Vblker nach den von der Thora aufgestellten Kultur-
kategorien zu bestimmen, die Nichtjuden der nachbiblischen Zeit
(schon in den letzten Jahrhunderten v o r Entstehung des Christen-
tums !) als zur Klasse Noahs gehorig erklart und f iir sie den
besonderen Namen ,,b'ne Noach" (N o a c h i d e n) bestimmt.
Der Talmud hat das Wesen des Noachidentums — soweit
es sich um Religion und Sitte handelt — genauer beschrieben. Im
Talmud-Traktat Sanhedrin, Blatt 56, Seite 1 , wird gelehrt, dafi Gott
folgende 7 Gebote an den ersten Menschen erlassen hat: 1 . Verbot des
Gotzendienstes, sowie 2. der Blutschande, 3. des Mordes, 4. der
Gotteslasterung, 5. des Raubes, sowie 6. das Verbot, ein von einem
1 e b e n d e n Tier abgeschnittenes Glied zu geniefien und 7. Gebot
einer ordentlichen Rechtspflege. Diese Gebote sind es, deren Obung
der Talmud bei den Vb'lkern seines Zeitalters im allgemeinen voraus-
setzt. Betrachtet man sie naher, so erkennt man in ihnen nicht
etwa nur einen Ausschnitt aus dem spater, erst nach dem Zeitalter
Noahs gegebenen Religionsgesetz Israels, sondem in gewissem Sinne
dessen — auf einen engeren Pflichtenkreis beschranktes — Analogon.
Was aber hier betont werden mufi, ist dieses, dafi der Talmud diese
sieben Gebote als die Gottesoffenbamng an die Vb'lker wertet und
sie an den Thoravers im I. Buch Moses, Kapitel 11^ Vers 16, an-
kniipft, wo es heifit : ,,U nd Gott, der E w i g e , befahl dem
Adam..." — Es ist hier vollig belanglos, wie der eine oder der
andere Bibelleser der Gegenwart diesen Vers auffafit; ausschlag-
gebend und charakteristisch fiir die Denkweise des Talmud ist die
Tatsache, dafi er den fiir die Noachiden verbind-
lichen und von ihnen beobachteten Sieben-
geboten die hochste Wiirde zuspricht, den Cha-
rakter der Gottesoffenbarung, dieselbe Wiirdig-
keit, die den am Sinai fiir Israel geoffenbarten
Zehngeboten eignet.
Wer kann angesichts solcher Zeugnisse noch bei der falschen
Meinung beharren, als ob die anderen Volker, die Noachiden, der
jiidischen Religion als minderwertig gelten, die Noachiden, die nach
der Lehre des Talmud ebenfalls einer Gottesoffenbarung, die die sitt-
5
33
lichen Bedingungen cles Gemeinschaftslebens und das Verhaltnis zu
Gott verkiindet, gewiirdigt wurden!
Man braucht ja aber nur die Siebengebote der Noachiden und
die Zehngebote der Israeliten miteinander zu vergleichen, und man
wird sofort erkennen, dafi in den Siebengeboten ,,alle Seiten des
kiinftigen jiidischen Gesetzes . . . vereinigt waren"15). Es ist uns
unfafibar, wie man gegeniiber dieser, das ganze talmudische
Gesetz beherrschenden Anschauung, die iibrigens zu-
gleich die Richtlinie fiir die ganze talmudische Auslegung der Bibel
ist, davon sprechen kann, dafs das Talmudische Gesetz oder das
rabbinische Judentum gegen die Volker (und nun gar gegen die
Vblker der Gegenwart!) Verachtung hegt. Das widerspricht schroff
der Auffassung der Thora. Noachidentum bedeutet doch gerade Ab-
kehr von dem Heidentum! Um alle Zweifel in dieser Hinsicht zu
beheben, stellen wir einige Talmudzitate iiber diese Frage hierher.
Im Traktat Sanhedrin Bl. 56, S. 2, wird erzahlt: ,,Bei Marah (ein
Ort, welchen die Israeliten kurz nach ihrem Auszuge aus
A g y p t e n beriihrten) haben die Kinder Israels zehn Thoragebote
geiibt, und zwar diesieben, die schon den Noachiden
geboten wurden und drei neue, welche ihnen in Marah erteilt
wurden". Danach gelten dem Talmud die vorsinaitischen
Geschlechter, also selbst die Stammvater der Juden und sogar Moses
(bis zum Empfang des Gesetzes am Sinai) als Noachiden. Eben-
dort Bl. 59, S. 2, wird der Stammvater Abraham den
Noachiden z u g e z ah 1 116). Im Traktat Abodah zarah
Bl. 3, S. 1 , lehrt der beriihmte Rabbi Meir, dafi ,,e i n Nicht-
jude, der sich mit der Thora (d. h. mit seiner
Thora, den sieben Noachidischen Geboten) b e -
faSt, dem i s r ael i t i s c h en H ohen p r i es t er gleich-
w e r t i g" s e i. Ferner lehrt R. Meir (Talmud-Tr. Baba kama,
Bl. 38, S. 1 ) : ,,Woraus geht hervor, dafi selbst ein H e i d e , der
sich mit der Thora (der Noachidischen) befafit, einem Hohenpriester
gleich zu achten sei? Weil es heifit (III. Buch Mos., Kap. 18):
..Bewahrt Meine Satzungen und Rechte, die der Mensch ube, dafi
er durch sie lebe" — nicht wurde (von der Thora) gesagt: Priester,
Leviten, Israeliten, sondern: der Mensch". — Ferner ist im
Buch S i f r a (eine der altesten Schriftauslegungen) im HI. Buch
Mos., Kap. 18 zu lesen: ,,Es wird (in der Thora) nicht gesagt:
Dies ist die Lehre fur Priester, fiir Leviten, fiir Israeliten — ,
sondern: ,,Dies ist die Lehre fiir den Menschen".
,,Desgleichen steht geschrieben (Jesajah Kap. 26, 2) : ,,Tut auf die
Pforten, da6 ejnziehe das gerechte Volk, das Treue
34
bewahrt" — dafi Priester, Leviten und Israeliten einziehen
sollen, wird nicht gesagt, sondern: das gerechte Volk." —
(Psalm 118): ,,Dies ist die Pforte Gottes, Gerechte treten
da e i n" — nicht von Priestern, Leviten und Israeliten ist die
Rede, sondern von Gerechten". Und der Talmud lehrt: ,Jeder,
der dem Gotzendienst entsagt, ist als Jude (a Is
Gottesbekenner) zu betrachten" (Traktat Megillah,
Bl. 13, S. 1).
Diese Auffassung stimmt genau iiberein mit jenem Grundgedanken
der jiidischen Religion, welcher bereits oben im Zusammenhange mit
der Weihe des Volkes Israel am Sinai behandelt wurde und dessen Er-
fassung fiir die Wiirdigung der jiidisch-religibsen Ideenwelt unbedingt
erforderlich ist. Weder" der Talmud noch irgendeine spatere Gesetz-
gebung der Juden weicht von dem Standpunkte ab, date alle Volker,
als Geschb'pfe Gottes, dazu berufen sind, sich sittlich zu vervoll-
kommnen und eine Menschheitsordnung auf Erden aufzurichten,
welche, als das Reich Gottes gelten kb'nne, d. h., welche von Gottes-
erkenntnis durchwaltet, durch Gerechtigkeitssinn erhoht und durch
Friedensliebe dauernd aufrechterhalten wird (s. oben These 3).
Das ist das Grundmotiv des Gebetes, mit welchem der tagliche
Gottesdienst der Juden morgens und abends, am Werktag, am
Sabbath und am Feste abschliefit, des Alenu-Gebetes,
welches aus der Zeit der Mischnah stammt und etwa 1 900 Jahre alt
ist. Alle Volker der Erde, auch die zurzeit noch
u n ge s i 1 1 e t e n , erscheinen in diesemGebete als
die kiinftigen Verehrer Gottes, des Schbpfers
des Himmels und der Erde. Eben weil das Juden-
tum an den Gott glaubt, der alle Menschen nicht
nur liebt, sondern der sie zu Gottebenbildlich-
keit erschaffen hat ; eben darum, weil das Juden-
tum in den dereinst sich erfiillenden Segen fried-
licher Ordnung und Z u s a m m e n ar b e i t die ge-
samte Menschheit einbezieht — , sind ihm alle
Rassen und Volker wertvoll und halt es jede
geistige Strbmung, welche sich auf dieser a u f -
w ar t s ge r i cht et en L i n i e bewegt, fiir dieMittel
zur Erreichung der von Gott gesetzten Mensch-
heit s z i e 1 e.
Das jiidische Volk selbst stellt sich aber nicht u b e r diese
Volker, sondern mitten in ihre Reihe. Ja, das jiidische Volk selbst
darf sich nach der Mahnung seiner Religion nur dann jenen Ge-
meinschaften zurechnen, welche die Verwirklichung der grofien
3*
35
Menschheitshoffnung herbeizufiihren geeignet sind, wenn es sich auch
selbst als Segenbringer unter den Nationen bewahrt. Wenn
es in der T h o r a unzahlige Male heifit, dafi das Volk Israel
nur so lange bei Gott als etwas Wertvolles gilt, als es selbst
sich wertvoll erweist; so wandelt der Talmud genau in
denselben Gedankengangen, andemfalls ware er nicht biblisch, nicht
jiidisch. Der Talmud ordnete an (Trakt, Megillah, Bl. 30 — 3 1 ) ,
dafi an dem zur Erinnerung an die Zerstorung Jerusalems eingesetzten
Trauertage der Gemeinde im offentlichen Gottesdienste jene Thora-
kapitel vorgelesen werden sollen, in welchen dem Volke Israel fur
den Fall, da6 es nicht in den Wegen Gottes wandeln sollte, das
nationale Ungliick vorausgesagt wurde. Damit will der Talmud zum
Ausdruck bringen,*dafi das Volk Israel an dem grofien Trauertage
sich selbst prufe und Einkehr halte (S. Raschi-Kommentar zur be-
ziiglichen Talmudstelle) .
1 2. These : Die 7 Gebote, welche fiir die Noachiden gelten,
haben die Wiirde einer Gottesoffenbarung an die Volker, sie
bedeuten Recht und Gesittung, durch welche die Volker zu
Erhaltern der Menschheit werden. Diese Auffassung lafit
eine innige Beziehung zwischen dem Judentum einerseits und
dem in der ganzen gesitteten Menschheit bestehenden Kultur-
zustand andererseits erkennen, eine Beziehung,
welche F e i n d s el i gke i t und Verachtung
gegen die Noachiden (das sind schon die nicht-
jiidischen Volker des vorchristlichen Mischnah-Zei takers)
seitens der Juden absolut ausschlieEt.
Allein es gibt schon nach dem Talmud eine Auslese aus der
Gruppe der Noachiden. In der Mechiltha zum II. Buch Mos., Ab-
schnitt 1 7, Kap. 22 (deutsche Obersetzung von Winter und
Wiinsche, Leipzig, 1909) und danach im Traktat Gerim, Kap. Ill
(wiederholt in Midrasch Rabbah zum IV. Buch Mos., Abschn. 8),
wird gelehrt : ,,Beliebt sind die Fremdlinge (bei
Gott); das Gleiche ist der Fall bei den vier Gruppen, welche
einstimmend sprechen (vor . . . Gott) : ,,D em E w i g e n (G o 1 1)
gehore i c h". Denn es heifit (Jesajah Kap. 44, V. 5) : ,,Dieser
spricht: ,,Dem Ewigen (Gott) gehore ich, und dieser ruft beim
Namen Jakobs" - dasi sind die Fremdlinge der Gerechtigkedt;
.,,Und dieser schreibt mit seiner Hand: ,,Dem Ewigen (Gott)", das
sind die BuEfertigen, ,,Und mit dem Namen Israel nennt er sich"
-das sind die Gottesfiirchtige n". — Bereits vor Ent-
stehung des Christentums benannten die jiidischen Gesetzeslehrer die-
36
jenigen Heiden, welche sich zwar nicht voll zum Judentum bekehrt
und sich darum nicht mit den Juden verschmolzen haben, j e d o c h
das Gbtzenwesen fahren liefien, den Gott Israels (den
Weltschbpfer und Weltrichter) verehrt und einige jiidische Riten
beobachtet haben: Gottesverehrer (hebraisch: Jir'e schamajim,
griechisch: theosebais)17). -- Die Bezeichnung ..Gottesverehrer" gilt
fiir den Talmud als ein Ehrenname, ihre Anwendung selbst auf nicht-
bekehrte, jedoch sittlich veredelte, das Gbtzentum verleugnende
Menschen ist ein zuverlassiges Zeugnis dafiir, wie hoch der Talmud
die Kulturmenschen schatzt, auch wenn sie fremden Religions-
gemeinschaften angehbren, und wie fern es ihm liegt, solche als
Ketzer, als Minderwertige und Minderberechtigte zu betrachten.
Diese von den Talmudautoren gepragte Bezeichnung: ,,Gottes-
v e r e h r e r" gilt im Geiste des Talmud fiir das Christentum, welches
die heiligen Schriften Israels als kanonische Biicher anerkannt hat.
Dafi eine Religion wie die der Israeliten, die von ihren Be-
kennem das M a r t y r i u m fiir die Bekraftigung ihrer umfassendsten
religibsen Verpflichtungen fordert, Schutzmafinahmen gegen alle das
religiose Leben beeintrachtigenden Einfliisse getroffen hat, wird
keinen befremden, der das seelische Moment der Religion uberhaupt
und im besonderen der jiidischen Religion einigermafien kennt.
Die Absonderung, welche die erste entscheidende Tat des
Stammvaters Abraham war, (s. oben Seite 14), blieb fiir alle folgen-
den Zeiten Vorbild und Richtschnur. Sie bekam in jenen Zeitlauften
noch erhbhte Bedeutung, wo die Juden infolge politischer Wandlungen
in die Mitte verschiedenartiger heidnischer Vblker versprengt wurden.
Keiner, der mit dem Geist des religibsen Lebens der Menschen auch
nur ein wenig vertraut ist, wird in der Absonderung an sich
Hafi und Obelwollen gegen Anders glaubige erblicken. I m m e r
und uberall ist eine gewisse Absonderung
die notwendige Be gl ei t er s c h e i nu n g der kon-
fessionellen Or ganisation. Fiir jede religiose Ge-
meinschaft hat der Bekenntnisfremde eine andere Stellung
wie der zu der Konfession Gehbrige. Ein Katholik wird es
ablehnen, seinem sterbenden Verwandten die Absolution durch einen
protestantischen Pfarrer erteilen zu lassen, und ein Protestant wird
seine Kinder nicht einem katholischen Geistlichen zwecks Konfir-
mation zufiihren. Wir fragen nun, liegt etwa darin eine persbnliche
Verachtung gegen die andersglaubigen Kirchenvertreter ? Sollten etwa
solche Bestimmungen der bestehenden christlichen Kirchen, die ein
gegenseitiges Ausschliefien der Andersglaubigen bezwecken, der Aus-
flufi des Hasses und der Verachtung sein? Sollte sich eine solch
3?
strenge Absonderungsmafiregel nicht dennoch mil der Achtung vor
den Mitgliedem und geistlichen Fiihrem der anderen Kirche ganz
gut vereinigen konnen? Eine viel grofiere Scheu als gegeniiber den
Angehorigen einer fremden christlichen Kirche, wird sich naturge-
mafi vor Nichtchristen, etwa vor Polytheisten zeigen in den
Fallen, wo die Vollziehung von Kulthandlungen in Betracht kommt.
Mufi dieses denn aber notwendig gleichbedeutend sein mit Hals und
Verachtung oder gar Vernichtungssucht ! Kann man nicht Buddha,
Sokrates und Tagore personlich verehren, ja fur Menschheitserloser
selbst halten und dennoch in religioser Hinsicht eine g e i s t i g e
D i s t a n z zwischen ihnen und sich selbst aufrechterhalten und
diesen geistigen Abstand auch in sichtbaren Formen sich aufiern
lassen, z. B. in dem Verbote der Eheschliefiung mit dem Anders-
glaubigen, in der Trennung der Gotteshauser und der Friedhofe, in
der Verschiedenheit der religib'sen Abzeichen und Symbole, in der
Femhaltung von kirchlichen Amtern usf. ?
Dieses Recht auf Absonderung nimmt jede religiose Organi-
sation fur sich in Anspruch, sie ist die notwendige und berechtigte
Begleiterscheinung der religiosen Uberzeugung iiberhaupt. Gott
sprach zu Abraham: ,,Ziehe hinweg!" — wer eine religiose Ober-
zeugung hat, wandelt in gewissem Sinne ,,fur sich". Das Recht
solcher Absonderung steht also ohne jeden Zweifel auch dem Juden-
tum zu, ja ist ihm seit Abrahams Zeiten (etwa 3^2 Jahrtausende)
Daseinsnotwendigkeit. Diese Absonderung wurde aber — und dies
ist keinen Augenblick zu iibersehen — nicht nur gegen Aufien-
stehende, sondern auch gegen Zugehorige zum jiidischen Volke selbst,
die das Religionsgesetz verwerfen, oft genug geiibt. Diese Ab-
schliefiung des Judentums tritt besonders stark in Erscheinung durch
die Besonderheit der Ausdrucksformen der jiidischen Religion.
Das Judentum betrachtet die gesamten Erscheinungeri der Natur
und des Menschendaseins unter dem Gesichtswinkel der Religion
und durchwirkt alle Aufierungen des individuellen wie des gesell-
schaftlichen Lebens: Gottesdienst und Berufsarbeit, Rechtswesen und
Volkswirtschaft, ja selbst Ernahrung und1 Kleidung mit Formen
und Symbolen, in welchen sich die religiosen Ideen spiegeln.
Im Lande Israel (dem alten Palastina) wurde nicht nur t h e o r e -
tisch gelehrt, dafj Gott die Erde erschaffen hat, dafi darum
der nationale Boden Gott gehore und Ihm verbleibe, die Geschlechter
aber, die da kommen und gehen, nur die Nutzniefiung von dieser
Erde haben, sondern dieser Gedanke wurde g e 1 e b t, in eine sicht-
bare Form, in eine Wirklichkeitstat umgesetzt, die die
Landwirtschaft sinnfallig beeinflufite: in jedem 7. Jahre sollte
38
- nach dem Gebote der Thora, III. Buch Mos., Kap. 25, V. 1—10
— der gesamte Ackerboden unbebaut bleiben, es sollte ein Sabbath-
jahr fiir die Erde sein, ahnlich wie der 7. Tag der Woche ein
Sabbathtag fiir den Menschen. Und in jedem 50. Jahr soil jeder
inzwischen etwa verauBerte Bodenanteil wieder an seinen urspriing-
iichen Besitzer zuriickfallen. Das waren Formen, die dem
Lande Israel i m Vergleiche zu den JMach-
barlandern ein besonderes Geprage gaben und eine
Absonderung insich schlossen. — Ein anderes Bei-
spiel. Die Thora hat nicht nur theoretisch gelehrt, dafi
Raub und Gewalttatigkeit aus der Menschengesellschaft verbannt
werden miissen, sondern sie hat diese Lehre durch eine g r e i f -
bare Lebensform vor Augen und damit vor die Seele zu
riicken gesucht. Namlich mitten in den Abschnitt iiber die R e c h t s -
grundsatze, II. Buch Mos., Kap. 22, ist ein Gebot, welches
die Nahrung des Menschen betrifft, ein sogenanntes Speisege-
s e t z hineingefiigt. Unmittelbar hinter die Verordnungen : ,,Einen
Fremdling sollst du nicht in seinem Rechte kurzen und nicht be-
drangen, Witwen und Waisen sollt ihr nicht bedriicken . . . Wenn
du dem Armen in Meinem Volke Geld leihst, so sollst du ihn nicht
driicken; nehmt keine Zinsen von ihm . . . Wenn du die Um-
hiillung deines Nachsten pfandest, so bringe sie ihm bis zum Abend
zuriick . . . denn worin soil er liegen . . . Einen Richter sollst du
nicht lastern . . ." — unmittelbar hinter diese Verordnungen hat die
Thora das Gesetz gestellt: ,,U nd ihr sollt mir geheiligtc
Menschen sein und sollt Fleisch (d. h. ein
Tier), welches auf dem Felde zerrissen
w u r d e (terefah) , nicht essen . . ." (Kap. 22, V. 30) . —
Gemeint ist hier das Tier aus der Herde, welches durch einbrechen-
des Raubwild zerrissen, also das Opfer der G e w a 1 1 wurde. Was
auch der Grund dieses Verbotes, welches sich iibrigens auch auf ein
Tier erstreckt, das in irgendeiner Weise eine lebensgefahrliche Ver-
letzung erlitten hat, sein mbge, hier, mitten unter den R e c h t s -
satzungen vergegenwartigt es zugleich den Gedanken, dafi der
Israelit an einem Opfer der Gewalttatigkeit sich nicht laben darf.
Auch das Leben des einen Menschen soil sich nicht auf Kosten eines
anderen Menschendaseins und Menschengliicks, welches durch Ge-
walt zerstbrt wird, aufbauen. Die Macht mufi sich auf
das Recht stiitzen, nicht auf die Gewalt.
Die Thora und ganz genau so auch der Talmud ubersetzen
gleichsam die Satzungen des Rechts und die Forderungen der Ethik,
aber auch die Grundlehren iiber Gott und Heiligkeit in lebendige
F o r m e n , lassen in solchen symbolischen Handlungen das Leben
selbst ,,vorbilden", vorgestalten.
Durch solche Formen erhielt wiederum die Lebenshaltung des
einzelnen Juden ein eigentiimliches Geprage, dem selbstverstandlich
nicht die geringste bb'swillige, aggressive Tendenz gegen Bekenner
fremder Religionen zugrunde liegt, welches aber die religiose Ge-
schlossenheit des Judentums nach aufien hin merklich in Erschei-
nung treten lafst. Jeder Christ, der mit bibeltreuen Juden verkehrt,
weifi es, wie sehr das Verhalten gegeniiber diesen religiosen ,,Formen"
den gesellschaftlichen Verkehr der Juden selbst untereinander,
sogar im engsten Familienkreise, beeinflufst.
Im Geiste jener Thoragesetze, welche den Israeliten davor war-
nen, an den Gotzenfestmahlen der; Heiden teilzunehmen, weil sie
dadurch zur Aufnahme heidnischer Anschauungen und Lebens-
formen verleitet werden konnten (II. Buch Mos., Kap. 34, V. 15
bis 16), hat der Talmud, den Erfordemissen der Zeit entsprechend,
weitere Mafinahmen getroffen, die darauf ausgehen, die Juden auch
von der Forderung des Heidentums zuriickzuhalten. Im Talmud-
Traktat Abodah zarah, welcher vom Gotzendienste handelt, wird auf
Blatt 2, Seite 1 (Mischnah, altester Teil des Talmud) gelehrt, dafi
man mit Gotzendienern um die Zeit ihrer religiosen, der Verherrlichung
ihrer Gotter gewidmeten Festtage keine Geschafte machen und ihnen
um diese Zeit auch keine sonstigen Vermb'gensgewinne verschaffen
solle, und zwar aus dem Grunde, weil der Heide in dem Gewinne eine
Huld desjenigen Gotzen erblicken wiirde, dessen Fest gerade ge-
feiert werden sollte und ihm — durch Veranlassung des Juden in
seinem Aberglauben bestarkt — noch eine besondere Verehrung be-
zeigen wurde. (Es werden an der erwahnten Talmud- [Mischnah-]
Stelle auch einzelne Heidenfeste mit Namen angefuhrt, z. B. Calen-
dae, Saturnalia u. a., woraus zu ersehen ist, dafi es sich tatsachlich
um den altheidnischen griechisch-romischen Gotterkultus handelt.)
Vbllig unwissenschaftlich, unsachlich und darum unhaltbar sind
somit diejenigen Angriffe auf die jiidische^ Moral, welche sich auf
die Absonderungs- und Kampfmafinahmen des
Talmud gegeniiber dem p o 1 y t h e i s t i s che n Hei-
dentum, dem rohen Fe t i s c h d i e n s t und der mit
ihm verbundenen Unziichtigkeit stiitzen. Ganze
lange Bogen fiillen Justus und Dr. Ecker, alteren Gewahrsmannem
folgend, mit Anklagen dieser Art; z. B. dafi der Talmud verbiete,
in unmittelbarer Nahe von Gotzenbildern bestimmte Gebete zu
sprechen (s. .Judenspiegel", ,,Gesetz" 3), dafa eine jiidische Priester-
familie, sobald eines ihrer Mitglieder zum Heidentum abgefallen ist,
40
als entweiht gilt (,,Gesetz" 5), dafi der Jude iiber duftendes Gewiirz,
welches zum heidnischen Kultus verwendet wurde, nicht die ubliche
Benediktion fur den Genufi spreche (,,Gesetz" 8), dafi der Jude
keine beim Gotzenkultus in Verwendung gekommene Gegenstande
gebrauchen (,,Gesetz" 58, 59, ahnlich 61, 62) und den Gotzen-
kultus in keiner Weise fbrdem diirfe (63, 64, 70, 72, 76, 83).
Gewifi, derTalmud hat es als he i 1 i g e A u f g a b e
betrachtet, den Gotzendienst zu bekampfen,
freilich nicht mit dem Schwerte, sondem dadurch, dafi er zwischen
dem Judentum und dem Polytheismus eine Scheidemauer aufzurichten
sich bestrebt hat. Das sollte man aber dem Talmud als V e r -
d i e n s t und nicht als ein Vergehen gegen die menschliche Moral
anrechnen. Polytheismus gilt eben dem Talmud selbst als die Ver-
kbrperung der Unmoral. Hat denn nicht auch das junge Christen-
tum in den erst en Jahrhunderten seines Bestehens mit ganz ahnlichen
Mitteln gegen das Heidentum angekampft wie der Talmud? Der
grofie christliche Religionsforscher, Universitatsprofessor Adolf
v. Harnack (Berlin) schreibt iiber diesen Punkt in seinem Werke
,,Die Mission und die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei
Jahrhunderten" (Leipzig, 1902): ,,Krieg gegen den Polytheismus
fiihrte die alte Kirche, indem sie die ,,Damonen" bekampfte und indem
sie gegen die offentliche Unsittlichkeit zu Felde zog, die mit dem
Polytheismus zusammenhing. Aber sie hat sich mit diesem Kampf
nicht begniigt. Die ,,stummen Gotzen" wurden direkt angegriffen,
waren sie doch noch eine Macht . . .Unsscheintheutedie
Polemik gegen die Goiter des Olymp, gegen die
agy p t i s chen Kr o ko d i le und Katzen, gegen die
geschn i t z ten , gegossenen und gemeifielten
Gotzenbilder billig und iiberflussig gewesen
zu sein . . . allein iiberflussig war sie gewifi
nicht... In alien Provinzen und in alien Stadten . . .
gab es Haus- und Familiengotzen." Femer schildert Harnack:
,,Die Pflicht, sich von aller Befleckung mit dem Polytheismus
rein zu erhalten gait (der alien Kirche) als die oberste
ChristenpfHcht, die alien anderen voranging. Sie gait als die
negative Seite der Bekenntnispf licht, und es ist mit
,,derSiinde desGolzendiensles" in den christ-
lichen Gemeinden strenger genommen worden
als mit irgend einer anderen Siinde . . ." ,,In jener
Zeit scheint aber nur erst die Frage nach dem Gotzenopfer-
fleisch-Essen bez. ob man an den Mahlzeiten der Unglaubigen
teilnehmen konne, brennend geworden zu sein . . ." ,,Im Gegensatz
41
zu diesen Lauen verbietet Tertullian nicht nurdie A n -
fertigung von Bildern und Statuen, sondern
a u c h die Anfertigung aller Dinge, die auch nur
mittelbar zum G 6 t z e-n dienst gebraucht w e r -
d e n . . ." ,,Mogen immerhin dieselben Waren . . . Weihrauch
und die iibrigen auslandischen Waren, die zu Gotzenopfern ge-
horen . . . auch uns Christen zur Ausstattung bei Begrabnissen
dienen, du stehst aber ganz sicher als Beforderer des
Gotzendienstes da, wenn Aufziige, Gottesdienste und Opfer
Jfiir die Idole . . . veranstaltet werden." (Aus Tertullian.) . . .
,,A lie Redensarten sind zu verdammen, in denen
Gotternamen vorkommen . . ." ,,Aber dafi man den
groben und eigentlichen Gotzendienst bis zuletzt bekampfte, bedeutete
etwas, bedeutete viel. Oas Christentum hat hier nicht
p a k t i e r t." — So weit Harnack. Nun, auch der Talmud hat
nicht paktiert, konnte nicht paktieren, da er in der Thora, die den
Monotheismus und die Heiligkeit Gottes kiindet, wurzelte. Und damit
wagt man heute den Talmud zu verunglimpfen ! (Ober die Stellung
des Talmud zum Christentum siehe weiterhin.)
Unverstandlich geradezu ist es, wenn die Anklager Justus und
Ecker (,Judenspiegel", ,,Gesetz" 1 ) es dem Talmud veriibeln, dafi
er dem Juden den Rat erteilt, keinen jiidischen Betmantel dem Heiden
zu verkaufen, da der Heide in solcher Kleidung sich dem ahnungslosen
Juden unterwegs zugesellen und den Juden totschlagen konnte. Was
die Talmudanklager veranlafit, die Heiden der talmudischen Zeit,
die nun einmal des Todschlags wirklich verdachtig waren, als Un-
schuldsengel hinzustellen, bliebe sicherlich ein Ratsel, wenn nicht die
,,kleine" Unterstellung von ihnen vorgenommen worden ware, dafi
sie fiir Heiden ,,C hristen" seize n. Nun wird's klar.
(Siehe dariiber naheres S. 55 u. 83.)
Ganz unberechtigt sind auch alle die unhistorischen und ge-
hassigen Folgerungen, welche die Anklager an die vom Talmud
gegen die Ketzer erlassenen Bestimmungen kniipfen. Zunachst
ist festzustellen, dafi das Judentum und demgema'S der Talmud
die Bekenner eines fremden Glaubens nicht fiir
Ketzer halt. Der Begriff Ketzer gilt nur fiir Abgefallene
von dem eigenen Glaube n18) . Damit erledigt sich
eigentlich das ganze breite Kapitel, welches die gegen das Judentum
gerichteten Schmahschriften iiber die Ketzergesetze des Talmud
zusammengetragen haben. Das konnte fiiglich als eine innerjiidische
Angelegenheit auBer Betracht bleiben.
42
Indessen soil auch dieser Punkt hier geklart warden. Gegen
die Ketzer ist manch hartes Wort gefallen, was aber eher der Aus-
druck des Schmerzes als der des Hasses war. Wahrend aber die
Verwiinschungen und die Schreckensgerichte, Verdammung und
Vermogenskonfiskation, mil welchen die Verordnungen anderer
Religionsgemeinschaften die Ketzer bedacht haben, diese ihre Be-
stimmungen auch auf Andersglaubige ausdehnen und zu den Ketzern
auch die Juden zahlen, haben die Talmudlehrer bei ihren Ausnahme-
oder Strafbestimmungen (Bannformeln usw.) nur an die abgefallenen
Juden, niemals aber an Andersglaubige, also nicht an die
Heidenchristen gedacht. Das jiidische R e I i -
gionsgesetz halt auch den Heiden wegen seines
a n d e r s g e a r t e t e n Glaubens nicht fiir einen
Ketzer (s. Talmud-Traktat Chollin Bl. 13), und es ist — schonend
ausgedriickt — unrichtig, wenn die Justus-Ecker usw. den ,,Ketzer"
des Talmud mit dem Christen gleichsetzen. ( Vgl. Hoffmann,
a.a.O., S. 206 und s. oben Seite 33 ff.). Ober die sogenannten Ketzer-
gerichte des Talmud wird man sich indessen nicht so sehr entsetzen,
wenn man erfahrt, da6 die Ketzer zu einem Teile auch zugleich zu
Verratern an ihrem Volke wurden. ,,Kein Volk" - so
heifit es bei Kopp, Seite 92 — ,,war noch in schwererer Bedrangnis als
die Juden nach der Zerstorung Jerusalems. Von einem grausamen, hab-
gierigen, sittlich entarteten Feinde (die Romer) wurde ihr Staat zer-
stb'rt, ihr Volkstum und ihre Religion verachtet. Auf die Abhaltung
von Lehrvortragen war verscharfte Todesstrafe gesetzt, der beriihmte
Mischnah-Sammler R. Akiba wurde, nur weil er sich diesem Verbote
nicht fiigte, durch Zerfleischung mit eisernen Kammen qualvoll hinge-
richtet . . . Zu solcher Zeit drohte aber dem Judentum der
schlimmste Feind im Inner n. Romlinge, Zaghafte, die
an der Zukunft des Judentums verzweifelten, sagten sich von der
Thora los . . . Da hielten es die jiidischen Religionslehrer, wie es
in jeder Kirche gehalten wird. Der Apostat . . . und die
schlimmste Bliite solcher Zeiten, der Denun-
ziant, der die V o 1 k s gen o s s en an den Feind ver-
r i e t — diese Art sollte erbarmungslos vernichtet werden. Wie kann
R o h 1 i n g sich dariiber entsetzen?" So schreibt Kopp, der Christ. —
Und nun scheuen sich die G e w a h r s m a n n e r der
Antisemiten nicht, einige der Verdammungs-
u r t e i 1 e der Talmudlehrer gegen die Ketzer und Verrater sowie die
Verordnungen, die solche abgefallenen Juden von religios-kultuellen
Handlungen femzuhalten bestrebt sind, in einer Art zu verwerten, dafi
es den Anschein erweckt, als ob diese Gesetze sich auf
Andersglaubige undhauptsachlich auf Christen,
beziehen wiirden.
Und der Herr Dr. Dinter, der ebenfalls mil einem Flugblatt gegen
den Talmud und das Judentum zu Felde zieht, fiihrt einige Be-
stimmungen des Schulchan-Aruch gegen ..Verrater" an und stellt die
Sache so dar, als ob auch diejenigen, die die ,,Wahrheit" iiber den
Talmud enthullen, zu der Klasse der vom jiidischen Gesetz ver-
dammten Verrater gehoren, und meint, dafi inn selbst (Dinter) das
Ketzergericht bedrohe. Herr Dr. Dinter hat in der Tat verraten —
dafi er den Talmud und den Schulchan-Aruch nicht versteht und
sich durch Rohling-Justus-Ecker hat irrefiihren lassen.
Der Christ Dr. Kopp, der sich mit dieser Frage aufs ein-
gehendste beschaftigt hat, fafit sein Urteil (a. a. O., S. 60) dahin
zusammen, es sei fiir die Methode Rohlings (und dasselbe gilt auch
fur Justus-Ecker und die spateren Abschreiber) typisch : ,,W o
i m m e r (im Talmud) , wie in alien Religionsvor-
vorschriften a 1 1 e r Ko n f es s i o n en , vonSiindern,
Frevlern, Gottvergessenen usw. gesprochen
wird, wenn auch von Christen weder nach dem
W ortlaute noch nach dem Zusammenhange die
Redeist, ub er s e t z t e r d ies e W o r te e i n f a c h mit
..Christen", und der Beweis ist fertig!" —
Wie sich das Verhaltnis zwischen Juden und Heiden im Zeit-
alter der Mischnah und des Talmud im wirklichen Leben des All-
tags gestaltet hat, beweist eine Stelle in dem Talmud-Traktat Abodah
zarah, wo (Blatt 64, S. 2 und Blatt 65, S. 1 ) von zwei namhaften
Schriftgelehrten mitgeteilt wird, da6 sie an heidnischen F e s t -
tagen Heiden Geschenke geschickt haben (auch
die Namen der Beschenkten sind genannt). Dber diese, nach
dem Augenschein gegen das jiidische Religionsgesetz verstoSende
Handlungsweise von anderen Gelehrten zur Rede gestellt, erklarten
die Talmudisten : „ I c h weifi von ihm (diesem Nicht-
juden), dafi er die Gotzen nicht anbete t."
Das ist eine Stelle, welche uns den Geist des Talmud nahezu-
bringen vermag. Sie beweist, dafi Handelsbeziehifngen zu den Hei-
den, wobei diese Gewinn hatten, etwas Selbstverstandliches waren,
dafi femer namhafte jiidische Sckriftgelehrte, die gleichsam den Geist
des Judentums verkorperten, in so naher personlicher - Beziehung zu
Heiden standen, dafi sie diese an den heidnischen Festen mit Ge-
schenken erfreuten. Endlich aber das viel wichtigere: dafi das Ver-
bot, den Gotzendienern um die Zeit ihrer Feiertage (n u r um diese
Zeit) einen Gewinn zu verschaffen, nicht im entferntesten
44
a us personlichem Obelwollen gegen die Heiden
entsprang, sondera lediglich aus der Besorgnis, den Aber-
glauben des Heidentums, den Fetischkultus an s i c h zu fordern.
Davon, dafi dem Heiden der Gewinn uberhaupt nicht gegonnt
wiirde, ist schlechterdings keine Rede; aber die Zuwendungen sollten
moglicherweise zu Zeiten und unter Umstanden erfolgen, daS dabei
die voraussichtliche Forderung des Gotterglaubens durch den Juden
selbst vermieden werde. Sobald aber eine solche unerwiinschte Folge
nicht unmittelbar zu befiirchten stand, haben selbst vorbildliche jiidische
Schriftgelehrte es sich nicht nehmen lassen, den ihnen bekannten Heiden
an deren Feiertagen Aufmerksamkeiten zu erweisen.
Wir haben aber noch deutlichere Oberlieferungen beziiglich der
wohlwollenden, von jeder Unduldsamkeit freien Gesinnung der
Talmudautoren gegenuber den Heiden. Mar Samuel, der bereits
oben erwahnte geistige Fiihrer der Juden (2. Jahrhundert n. Chr. !),
lehrte: ,,Vor dem Richterthrone des Welten-
schopfers besteht kein Unterschied zwischen
Juden, und Heiden, da ja unter den letzteren sich
ebenfalls edle und tugendhafte Menschen
fin den." (Talmud Jer., Traktat Rosch ha-schanah I, 2.) •
Ferner: ,,Man hiite sich, in Gegenwart eines zum Judentum Be-
kehrten Verachtung' und Geringschatzung gegen Heiden kundzu-
geben; denn ist auch bei ihm (dem Bekehrten) der urspriingliche
Glaube durch seine spateren Oberzeugungen verdrangt worden, so
mufi dennoch jede Unduldsamkeit umsomehr sein Herz verwunden,
als er am meisten fuhlt, wie diejenigen, welche, den in ihrer
zartesten Jugend eingesogenen Lehren und Anschauungen treu,
ihrem Irr- und Aberglauben anhangen, mit Unrecht verachtet und
verfolgt werden" (Talmud-Tr. Sanhedrin Bl. 94, S. 1 . Siehe auch
Tr. Jebamoth 121, 2; Abodah zarah 23, 2).
Jenes Talmud- (Mischnah-)Gesetz, wonach man dem Heiden um
die Zeit seiner Gotterfeste keinen Gewinn verschaffen solle, in Verbin-
dung mit jener Erzahlung, dafi hervorragende jiidische Schriftgelehrte
jener alien Zeit einzelnen heidnischen Mannern dennoch Geschenke
an ihren Festen gewidmet und dieses Verhalten also begriindet haben:
,,Ich weifi, dafi dieser Heide die Gotzen nicht anbetet" - dies
trifft das Wesen einerseits der jiidischen Auffassung iiber die
Pflicht der Absonderung gegen das Heidentum und
andererseits der Anschauung von derstetigenEntwicklung
der Heiden zu einer hbheren Gesittung. Die
einzelnen Heiden, gegenuber welchen die oben genannten
Schriftgelehrten die Schranke der Absonderung hinsichtlich der Ge-
45
schenke nicht mehr aufrecht erhielten, bildeten eben schon die Vor-
laufer der spater immer allgemeiner werdenden hoheren Kultur, sie
bahnten den Weg zum Noachidentum, zur Gottesverehrung.
In diesem Zusammenhange mufi auch noch einer weiteren Form
der Abschliefiimg gedacht werden, welche auch schon innerhalb der
jiidischen Bekennerschaft selbst gelegentlich in Erscheinung tritt. Wer
selbst als Jude in seinem Lebenswandel eine religiose Form absicht-
lich aus Geringschatzung gegen die Religion oder auch, um die
religios lebenden Juden damit herauszufordem, preisgibt, der ver-
liert nach jiidischer Religionsvorschrift die Berechtigung, die im
eigenen Leben vernachlassigten Pflichtgebiete nach aufien den iibrigen
Glaubensgenossen gegeniiber verantwortlich zu vertre-
t e n. Die Beglaubigung stiitzt sich auf die personliche Anerkennung
und praktische Betatigung der betreffenden Religionsgebote. Das
Gefiihl der Verantwortung setzt das Gefiihl der Verpflichtung, zu-
gleich aber auch die Kenntnis der Einzelheiten der betreffenden
religiosen Vorschrift voraus. Halt man sich diese Entwicklung vor
Augen, so wird man auch die innersten Motive der Abschliefsung
der ,,Gottgeweihten", wie sie schon die Thora gefordert und der Tal-
mud weiter ausgebaut hatte, begreifen. Es wird als selbstverstandlich
crscheinen, wenn das talmudische Gesetz die Abschliefsung gegen
Andersglaubige hinsichtlich des rituell-kultuellen
Gebiets nicht minder streng wie gegeniiber eigenen
Glaubensgenossen fordert.
Damit werden alle jene B es chu 1 d i g u n g e n
der Antisemiten hinfallig, welche der Aus-
schlie&ung von An d er s gl aub i ge n auf dem Ge-
biete der Rel i g i o n s ii b u n g durch das Juden-
tum die hafilichsten Beweggriinde unterstellen.
Justus, der Antisemitenfuhrer schreibt (.Judenspiegel", ,,Gesetz" 2) :
,,Alles, was der Jude rituell zum Gottesdienste notig hat, darf kein
Christ verfertigen, weil . . . die Christen nicht als Menschen
betrachtet werden." Dieses Gesetz existiert nicht,
und die Begriindung ist erdichtet. Vielmehr darf
— wie schon Prof. Hoffmann in seinem Buche19) ausfuhrt — die
ganze Synagoge samt dem Allerheiligsten von Christen gebaut,
die Gebetbiicher diirfen von Christen gedruckt, der Fest-
straufi (am Hiittenfest) von Christen gekauft, der Gebetmantel von
Christen angefertigt werden usw. Nur das Anfertigen der Schau-
faden sollen die Israeliten selbst besorgen. Der Grund wird aber
im Talmud angegeben, Traktat Menachoth, Blatt 42, Seite 1 :
weil es heifit (IV. Buch Mos., Kap. 15, V. 38) : Rede zu
46
den Kindern Israels, daS s i e sich Schaufaden machen". —
Auch das Anfertigen der Tephillin (sog. Gebetriemen) soil von
glaubigen Israeliten vorgenommen werden, weil dabei jene weihevolle
Stimmung gefordert wird, die aus dem Gedanken an den heiligen
Zweck dieser Ritualien entspringt (,,lischmah"). Wie boshaft die
Justussche Darstelluag ist, wird erst deutlich, wenn man erfahrt, dafi
selbst minderjahrige J u d e n , die mit der Bestimmung der Ritualien
noch nicht geniigend vertraut sein kb'nnen, von der Anfertigung der
Schaufaden oder Tephillin ausgeschlossen werden, und dafi die
Kommentare des Talmud die Frage aufwerfen, ob nicht selbst die
jiidischen Frauen das Herstellen derjenigen Ritualien, die
nur die Manner gebrauchen, diesen uberlassen sollen. (Der Ver-
fasser des Schulchan-Aruch kommt zu dem Ergebnis, dafi Frauen die
genannten Ritualien wohl herstellen diirfen.) Erst wenn man diesen
Sachverhalt kennt, wei6 man das Vorgehen der Justus und seiner Ge-
sinnungsgenossen richtig einzuschatzen, die dem jiidischen Religions-
gesetz eine Form zu geben wissen, welche jeden Uneingeweihten
emporen muS.
13. These: Genau so wie die Thora bei der Minder-
bewertung bestimmter heidnischer Stamme und bei ihrer Aus-
nahmestellung nicht die konkreten Personen der Heiden,
sondern das rohe Heiden t u m als solches treffen will, zielt
auch das talmudische Gesetz, das sich ja aus dem Thoragesetz
ableitet, bei seinen Bestimmungen lediglich auf die A b d a m -
mung des rohheidnischen Geisteszustandes
ab, nicht aber auf die persb'nliche Schadigung der Heiden,
der Fremden.
Von solchem Streben zeugt die uns im Talmud aufbewahrte
Sentenz der beriihmten Berurja (Traktat Berachoth, Bl. 1 0, Seite 1 ) ,
Gattin des Schriftgelehrten R. Meir: ,,Es heifie in den Psalmen
(Kap. 104), die Siinden sollen vertilgt werden und nicht die
S iin d e r."
So wenig nun dieAbsonderungs mafinahmen aus Hafi ent-
sprungen sind oder irgendwelche Rechtsverletzungen in sich schlossen,
so wenig waren auch die im Talmud enthaltenen Ausnahme-
bestimmungen gegen die Heiden von der Absicht eingegeben,
die Andersglaubigen zu schadigen und ihr Recht zu kiirzen.
Diese Ausnahmebestimmungen sind der weitere Ausbau der in
der Thora enthaltenen und oben (Seite 22 f.) behandelten Fremden-
gesetze. Zu den dort erwahnten 1) Zins-, 2) SchuldenerlaS- und
3) Fundgesetzen treten im Talmud noch die folgenden hinzu:
4) Verbot von Schenkungen an Heiden, 5) die Bestimmung, wonach
47
die dem Glaubensgenossen gegeniiber bestehende Pflicht, bei Ober-
teuerung den iibersteigenden Betrag dem Kaufer zuriickzuerstatten,
dem Heiden gegeniiber nicht innegehalten zu werden braucht, 6) die
Erlaubnis, dasjenige, was der Heide an den Juden aus Irrtum gut-
willig verkauft, oder worauf der Heide aus Vergefilichkeit verzichtet
hat, behalten zu diirfen und 7) die Verordnung, dafi der durch
den Ochsen eines Juden an dem Ochsen eines Heiden durch Stofi-
verletzungen angerichtete Schaden dem heidnischen Besitzer nicht er-
«etzt zu werden brauche.
Es wird jeder Leser zunachst das Gefiihl haben, dafi die*
empfindliche Ausnahmegesetze sind, besonders die unter 6) und 7)
erwahnten Bestimmungen klingen nach dem ersten Eindruck so, als
ware in der Tat dem Juden nach dem Talmud einfach die Be-
reicherung auf Kosten der Heiden und deren Vermogensschadigung
ohne weiteres erlaubt. Weniger uberrascht diirften allerdings die
Juristen sein, denen der Geist der alten Gesetzgebungen bekannt ist
und die sofort erkennen werden, dafi es sich um Rechtsbegriffe
handelt, welche zwar zum Teil dem neuzeitlichen Rechtsbewufitsein
nach nicht mehr zu den strittigen Grenzfragen gehoren, welche aber
in friiheren Zeiten bei alien Vblkern als solche g a 1 1 e n. Der Jurist
wird sofort merken, dafi hier dem Juden kein Freibrief erteilt wird,
den Gbtzendiener zu betriigen, zu berauben, zu bestehlen, zu ver-
letzen oder auch nur beim Heiden durch ein Haustier Sach- oder
Personenbeschadigungen veranlassen zu diirfen. Von all diesen
Dingen, die die antisemitischen Gewahrsmanner dem Talmud an-
dichten mochten, ist hier nicht die Rede. Halt man sich gegen-
wartig, dafi es keine einzige Stelle im Talmud gibt,
welche Diebstahl, Betrug und Beliigen gegen-
iiber einem Heiden erlaubt, geschweige denn
g u t h e i E t , unfl beachtet man Talmudstellen wie die folgenden :
,,Wer einem Nichtjuden etwas raubt, mufi es ihm zuriickgeben"
(Baba kama, Tosifta, Kap. 10, Abs. 15), ferner ,,Raub an
einem Heiden ist verboten" — ,,man mufi genau
rechnen mit dem (heidnischen) Kaufer" (eines
jiidischen Sklaven, dafi man ihm nicht unrecht tue; vgl. oben S. 19,
siehe Talmud-Traktat Baba kama Blatt 113, S. 2), ein Verbot,
aus welchem der Schulchan-Aruch I, § 637, im Kommentar, das
Verbot fur den Juden herleitet, am Hiittenfeste eine Laubhiitte auf
der Strafie aufzustellen, weil die Nichtjuden auf ihren Anteil an der
StraSe nicht verzichten wiirden und man somit einen Raub an ihnen
beginge ; — oder : ,,M an darf keinen Menschen t a u -
schen, auch nicht einen Heiden" (Talmud-Traktat
48
Cholin, Blatt 94, S. 1 ) oder: Talmud-Traktat Atxxkh zarah, Bl. 6,
S. 2, wo gelehrt wird, dafi man einem Nichtjuden, der ein von dem
Korper eines lebenden Tieres abgeschnittenes Stuck Fleisch aus sitt-
Hchen Griinden nicht essen wiirde, solches Fleisch nicht reichen
diirfe, weil das Thoraverbot, dafi man einen anderen nicht zu einer
religionswidrigen Tat veranlassen diirfe (III. Buch Mos., Kap. 19,
V. 14, nach der iiberlieferten Auffassung), auch gegeniiber dem
Nichtjuden gilt, d. h. dafi man auch einen Nichtjuden nicht ver-
anlassen darf, ein noachidisches Gebot zu ubertreten; oder Talmud-
Traktat Makkoth, Bl. 24, S. 1 , wo der Talmud mit Bezug auf den
Vers in Psalm 1 5 : ,,Wer sein Geld nicht auf Zinsen ausleiht"
(im Namen des Rabbi Jochanan) sagt, das sei derjenige, der so
wahrhaftig ist, dafi er ,,selbst dem Heiden nicht Zin-
sen abnimmt" — : dann wird man keinen Augenblick daran
zweifeln konnen, dafi auch den Fremdengesetzen des Talmud nichts
zugrunde liegen konne, was das sittliche Empfinden zu verletzen
vermag. Wenn es selbst in heutiger Zeit das Rechtsempfinden nicht
stort, dafi der Auslander hinsichtlich gewisser Berechtigungen un-
gunstiger als der Inlander gestellt ist (wir erinnem nur an dais Wahl-
recht), weil vorausgesetzt wird, dafi jede Staatsverfassung die Zu-
gehorigen zur eigenen nationalen Gemeinschaft in besonderen Schutz
nimmt: so wird es uns verstandlich, wenn die talmudische Gesetz-
gebung den Auslandem jene Anspriiche versagt hat, die d a m a 1 s
unter den Volkern allgemein den Fremden verweigert worden sind.
Wir brauchen uns hierbei nicht erst auf die von dem christlichen
Rechtsgelehrten Dr. Kopp mit Bezug auf das Fundgesetz geaufierte
Vermutung zu stiitzen : ,,Die asiatischen Heiden, unter denen die
Juden lebten, diirften kaum so feinsinnig gewesen sein (das Behalten
gefundener Sachen als Unrecht anzusehen), und die Romer, welche
eroberte Reiche, unterjochte Volker als willkommenes Objekt der
Ausbeutung betrachteten, werden gegen die gehafiten Juden nicht
anders vorgegangen sein", wir wollen uns nicht auf eine solche Aufie-
rung stiitzen, obgleich die so kategorisch ausgesprochene Vermutung
eines mit der Geschichte des Rechtswesens wohlvertrauten Mannes
gewifi nicht zu iibersehen ware. Sondern: der palastinische (jerusa-
lemische) Talmud, der auf dem Bpden Palastinas entstanden ist und
bereits Anfang des 3. Jahrhunderts abgeschlossen wurde, bemerkt
zu dem oben unter Nr. 7) angefiihrten Fremdengesetz betreffend die
Straffreiheit des Juden in dem Falle, wenn sein Ochse den Ochsen
eines Heiden beschadigt hatte, dafi dieses Gesetz nach
dem Rechtsgebahren der Volker (im Texte:
kedinehem) erlassen worden sei. Nun konnte man die Be-
49
griindung des Talmud, dafi dieses Fremdengesetz gemaS dem Rechts-
verfahren der Volker erlassen wurde, als Vergeltungsmafiregel gegen
die heidnischen Gerichte deuten. Auf Retorsion ist aber uberhaupt
kein jiidisches Religionsgesetz gegrundet. Vielmehr verhalt es sich
so, dafi nach der damals allgemein iiblichen Rechtsprechung gewisse
Ausnahmen gegen die F r e m d e n bestanden haben, und das waren
gerade die Falle, die oben als talmudische Fremdengesetze erwahnt
sind, hinsichtlich welcher die heidnischen Volker die Fremden un-
giinstiger stellten. Es ware von seiten der Juden ein das eigene
Wirtschaftsleben schadigendes Entgegenkommen gewesen, falls sie
den Heiden in den genannten Rechtsstreitfallen ebenso milde be-
handelt hatten wie den eigenen Glaubensbruder.
Priifen wir nunmehr die einzelnen Fremdengesetze. Die Be-
stimmungen unter 1), 2), 3) sind bereits im I. Kapitel besprochen
worden (s. oben S. 22 ff.).
4) Verbot von Schenkungen an Gotzendiener. Dieser Erlafi ist
nach dem, was oben (S. 44 f.) gesagt wurde, nicht zu beanstanden.
Ober die Milderung dieses Verbotes siehe auch an anderer Stelle.
5) Die Bestimmung, dafi die Riickerstattung des durch Ober-
teuerung des Kaufers entstandenen ubermafiigen Gewinnes dem
Heiden gegeniiber keine Pflicht sei. Wir wollen hier dem christ-
lichen Juristen Dr. K o p p das Wort geben, der sich, soweit der
Talmud in Frage kommt, auf die erwahnten christlichen Sach-
verstandigen Prof. N 6 1 d e k e und W ii n s c h e stiitzt: ,,Was den
(besprochenen) Rechtssatz selbst betrifft, so unterscheidet die jiidische
Rechtslehre zwischen Obervorteilung in der Qualitat, dann in! der
Quantitat (Mafi und Gewicht) und endlich im Preise. D i e
beiden ersteren sind (im jiidischen Gesetz), wie oben
gezeigt wurde, ausnahmslos verboten, wenn aber
die e c h t e Ware in der richtigen Qualitat gegeben wird, so
kann noch immer der Preis zu hoch — oder auch zu niedrig sein.
d. h, der Kaufer wird uberhalten oder der Verkaufer g e -
driickt. Das strenge Recht kann daran keinen
Anstofi nehmen, die Billigkeit fordert aber Beriicksichtigung.
es lafit daher auf ein ziemlich ausgebildetes Rechtssystem schliefien,
wenn der Talmud in (Traktat) Baba bathra 50 b auch fur solche
Falle Vorsorge trifft . . . Der Jurist erkennt hier sofort die im
modernen Rechte . . . vorkommende Regelung des Verkehrs durch
Bestimmungen iiber die sogenannte laesio enormis. Das jiidische
Recht geht aber in der Beriicksichtigung der Billigkeit viel weiter als
das romische und das osterreichische" . . . ,,Aus der Tosaphot zu
DO
(Talmud-Traktat) Baba Mezia 61 a geht nun allerdings hervor, dafi
nach jiidischem Rechte diese Rechtswohltat (der Billigkeit der Riick-
erstattung des zu hohen Profits) nur dem Juden und nicht auch dem
Fremden zustand. Diese Entscheidung . . . ist aber
theoretisch vollkommen in Ordnung. (!) Solche
Rech ts wo hi t a t en setzen G e g en s e i t i gk e i t vor-
a u s , in keinem mir bekannten Staatsgesetze findet sich aber eine die
Billigkeit zum Abbruche des strengen Rechtes in gleicher Ausdehnung
beriicksichtigende Bestimmung. Fand nun der Jude, der den Heiden
bei einem heidnischen Gerichte verklagte, keinen Schutz nach
mosaischem Rechte, so konnte doch das jiidische G e -
richt den Heiden nicht billiger behandeln — hier
tritt die formale Reziprozitat in ihr voiles Recht". (So schreibt
K o p p , im erwahnten Buch, Seite 74 und 75.)
6) Die Erlaubnis, dasjenige, was der Gotzendiener an den Juden
aus Irrtum (,,tauth") gutwillig verkauft hat, oder worauf der Gotzen-
diener aus Vergefilichkeit verzichtet hat, behalten zu diirfen. Das
erscheint nach dem heutigen Rechtsbewufitsein als ein Unrecht. Will
man aber das Talmudgesetz aus sich selbst verstehen, dann mufi man
denn doch danach fragen, welche Rechtsanschauung einer solchen
Bestimmung zugrunde liegen mag. Um so mehr, als es, wie oben
S. 48 gezeigt wurde, nach dem Talmud verboten ist, selbst einen
Heiden zu tauschen1 und irrezufiihren. Es kann nicht zweifelhaft
setn, dafi in alter Zeit das blofie passive Verhalten in dem Falle,
wenn ein anderer bei seiner Berechnung sich selbst geirrt hatte, anders
beurteilt wurde, als eine direkte Vermogenskurzung, wie etwa Be-
schadigung, Diebstahl u. dgl. Der Verlust, der in solcher, eigentlich
selbstverschuldeten Weise, durch ein Cbersehen, entstanden ist, wurde
von den Alten ungefahr wie ein ,,verlorener Gegenstand" betrachtet.
Verlieren ist ja auch nichts anderes, als etwas vibersehen ; der verlorene
Gegenstand e n t g e h t dem Besitzer. Wer denjenigen, der sich zu
seinen Ungunsten in der Rechnung geirrt hat, auf den Irrtum auf-
merksam macht, bringt gewissermafien ein verlorenes Gut, einen Fund,
dem Eigentiimer zuriick. Ober die Rechtsbegriffe beziiglich des
Fundes wurde schon oben gehandelt. Es kommt aber hier auf nichts
anderes an, als auf die Frage, ob der Talmud durch das genannte
Fremdengesetz ein Gebot habe erlassen wollen, die Heiden zu
schadigen. Diese Frage mufi aber verneint werden. Wie sich die
Talmudautoren im praktischen Leben verhalten haben, und wie die
spateren Gesetzeslehrer iiber diese Rechtsfrage urteilen, davon soil
spater die Rede sein. Man moge nur dariiber nachdenken, ob nicht
dieselben Worte, welche der christliche Jurist Dr. Kopp (im 1 9. Jahr-
4* ,
5i
hundert!) beziiglich des Wiederbringens gefundener Gegenstande
geschrieben hat ( s. oben S. 23), da 6 die Erfahrung des
taglichen Lebens lehre, dafi es schon eines f e i -
neren Re c h t s ge f ii h 1 s bedarf, urn das Behalten
gefundener Sachen als Unrecht anzusehen — man
moge dariiber nachdenken, ob diese Worte nicht auch auf die Be-
richtigung einer zuungunsten des a n d e r e n irrtiimlich aufgestellten
Rechnung in vielen Fallen Anwendung finden diirfte. Die U n t e r -
scheidung, die Abstufung, welche auch heute unzahlige
Menschen im gegebenen Falle zwischen der tatsachlichen Entwendung
eines Groschens in einem, fremden Laden und zwischen dem Behalten
eines Groschens, den der Verkaufer ,,zu viel herausgegeben" hat,
machen wiirden, diese Unterscheidung darf bei der Beurteilung der
vorliegenden Frage nicht iibersehen wer^en. Das Gewissen des
Menschen wird e r z o g e n , entwickelt, gescharft. Diese Erziehung
geschieht mittels der Befestigung von Vorstellungen iiber Gut und
Bose, Recht und Unrecht, Mein und Dein usw. Darum wird selbst
das empfindlichste Gewissen nur in denjenigen Fallen reagieren, wenn
der Betreffende die Vorstellung hat, wenn er g 1 a u b t , dafi er
auch wirklich Unrecht getan hat. Der Krieger, der den feindlichen
Soldaten tbtet, hat das Bewufitsein, sich darait ein Verdienst zu ei-
werben, er wird als ein Held und Retteri gefeiert. Sein Gewissen
reagiert auf diese Tat in entgegengesetzter Weise als beim reuigen
Verbrecher. Ohne Beriicksichtigung der R e c h t s -
vorstellung einer Zeit lafit sich ein aus ihr ge-
borener Rechtssatz nicht sachlich beurteilen. So hat der
Talmud entsprechend der damals bei den iibrigen V 6 1 -
kern bestehenden Rechtsanschauung, wonach der ,,Irr-
tum", der einem verlorenen Gegenstande gleich ist, dem Fremden
nicht zuriickerstattet zu werden brauche, auch seinerseits ein ahn-
liches Gesetz erlassen. Es war dies in jener Zeit eine Regelung auf
Gegenseitigkeit und gait als harmlos, genau wie das Fundgesetz.
Eine solche Regelung verliert aber nach der
Grundanschauung des Judentums selbst jede B e -
rechtigung in Zeiten und an Orten, wo nach dem
allgemeinen Rechtsgefuhl der ,,I r r t u m" (ebenso
wie der Fund) zuriickerstattet werden mufi (s.
S. 74 f. 76) . Rohling und Justus machten aber aus diesem Gesetz das
Monstrum : Die Juden diirfen die Christen (!) betriigen (!).
Aus dem ,, Fremden", der hier fur den Talmud ausdriicklich nicht
einmal den hoherkultivierten Heiden bedeutet, machen sie einen
Christen und aus dem ,,Irrtum", der e i n s t als ,,Verlorenes" gait,
52
machen sie: Betriigen. (..Betrugen" heifit nicht ,,tauth", sondera
,,rama".)
Das zuletzterwahnte (7.) Fremdengesetz, welches bestimmt, dafi,
wenn der Ochse eines Israeliten den Ochsen eines Gotzendieners
stofit, der Besitzer des Ochsen dem Heiden den Schaden
nicht zu ersetzen brauche, findet sich in der Mischnah (dem
altesten Teile des Talmud), Traktat Baba kama, Bl. 37,
S. 2. Sie kniipft an das Thoragesetz, II. B. Mos., Kap. 21,
V. 35 an, welches lautet: ,,Und wenn jemandes Ochse den
Ochsen des Nachsten stofit, und er (der Ochse) stirbt, so soil
man den lebenden Ochsen verkaufen und den Erlos teilen, und auch
den toten (Ochsen) sollen sie (der Besitzer und der Geschadigte)
teilen". Diese Talmudstelle ist deshalb von besonderem Interesse, weil
dort erzahlt wird (ebendort Bl. 38, S. 1 ) , dafi ,,einst die ubel-
wollende (romische) Regierung zwei Beamte mil dem Auftrage zu
den israelitischen Weisen (Mischnah- und Talmudautoren) geschickt
hatte, die Lehre Israels zu priifen", dafi darauf die Beamten ihren
Auftrag ausgefiihrt und beim Abschiede zu den Weisen gesagt haben :
,,Wir haben cure ganze Thora als recht befunden, mit Ausnahme
des einen Gesetzes, dafi ihr lehrt, wenn ein Ochse eines Israeliten
den eines Heiden stb'fit, so braucht der Schaden nicht ersetzt zu
werden; stofit aber der Ochse eines Heiden den eines Juden, so
miisse der Heide in jedem Falle den ganzen Schaden bezahlen; dies
finden wir ungerecht, wollen es aber der Regierung nicht anzeigen".
Mit Recht erinnem die spateren rabbinischen Autoritaten daran, diese
Erzahlung sei ein Beweis dafur, dafi die alien Talmudautoren das
judische Gesetz wahrheitsgemafi, ohne Anderung, vorgetragen haben,
obgleich zu befiirchten war, dais sie we^n dieser harten Bestimmung
gegen die Heiden Verfolgungen zu erleiden haben wiirden.
Aber die Talmudautoren selbst diskutieren diesen Fall, sie selbst
finden die Ankniipfung des genannten Lehrsatzes an den Vers:
,,Wenn jemandes Ochse den Ochsen des Nachsten stb'fit . . ." merk-
wiirdig. Sie meinen, dafi, wenn hier unter dem Worte der ,,Nachste"
im Thoraverse etwa nur der Israelit zu verstehen ware, das Gesetz
iiberhaupt nur unter Israeliten gelten sollte und mansolltedann
auchden Heidennichtverpflichten, in gleichem Falle
dem Israeliten den Schaden zu ersetzen — sollte aber mit der Be-
zeichnung ,,sein Nachster" nicht blofi der Israelit zu verstehen sein
(sondern die Mitmenschen iiberhaupt), dann mufite der Israelit auch
dem Heiden den Schaden ersetzen. So opponieren bereits die
Talmudautoren selbst gegen die primar sich ergebende Auffassung
der Mischnah, obgleich es sich hier um das Verhalten gegeniiber
53
H e i d e n handelt. Und was antwortet der Talmud > Er erklart,
die Mischnah habe hier jedenfalls an Nichtjuden gedacht,
die selbst die s ieb e n N o a ch i d en - Geb o te nicht
h a 1 1 e n , d. h. die selbst die elementarsten Rechtsforderungen nicht
anerkennen (s. oben Seite 15).
Wenn aber der Talmud meint, dafi solchen Heiden gegeniiber,
die noch nicht einmal die sieben Noachidischen Gebote (s. oben S. 33)
achten, eine besondere Bestimmung erforderlich sei, weil jene Heiden
damit jede Rechtsverbindlichkeit leugnen, weil im Grunde genommen
sie es sind, die das Eigentumsrecht nicht anerkennen und damit eine
Gefahr fur die Menschengesellschaft bilden, so
zeugt gerade ein solches Fremdengesetz von dem strengen Rechts-
empfinden der Talmutautoren. Diese talmudische Anschauung bedarf
nicht erst unserer Verteidigung ; sie ist der Ausflufi des sittlichen
Idealismus, fiir den die Erde den Menschen unter der Bedingung einer
gesetzlichen Ordnung anvertraut ist (s. die Thesen im I. Kapitel).
Nach jiidischer Anschauung sind die unter der noachidischen Stufe
stehenden Menschen oder Stamme Feinde nicht nur Israels, sondem
selbstverstandlich Feinde auch der Noachiden, also aller auch
nur halbwegs gesitteten Volker (s. Seite 1 3 f.). Dies ist der Sinn jener
talmudischen Ausspriiche, welche von einer Minderberechtigung der
Nicht noachiden reden. Ist doch nach der Anschauung der
Thora und des Talmud auch das Land Palastina dem
Volke Israel nur unter der ausdriicklichen Bedin-
gung von Gott geschenkt worden, dafi dieses Volk in den
Wegen der Thora wandeln und nicht unter die Stufe der Noachiden
hinabsinken werde (s. Seite 15). So ist es auch aufzufassen,
wenn im Talmud die Rede^jendung vorkommt, dafi diejenigen, d i e
unterderStufederNoachiden stehen, den Namen Adam
nicht verdienen, d. h. keine Vollmenschen seien; oder, wenn an einer
Talmudstelle gesagt wird, dafi man von Rechts wegen nicht ver-
pflichtet sei, einen Gotzendiener, der dem Ertrinken nahe Jst, zu
erretten. (Zu dem letzteren Talmudausspruch sei gleich hier Stellung
genommen. Was der Talmud mit jenem Satze hat in Wirklichkeit
sagen wollen, wird deutlich, wenn man ihn g a n z zu Ende liest.
Dort wird namlich zusammen mit dem Gotzen-
diener auch der jiidische Kleinvieh-Hirt genannt
und das scharfe Urteil auch auf diesen ausgedehnt. Der jiidische
Hirt (in Palastina), der fremde Felder gebrandschatzt hat, vor
dessen Raubereien man sich nur schwer zu schiitzen vermochte, gait
als der Typ des riicksichtslosen Ordnungsstbrers, dersichankein
Gesetz kehrte, sondern das Vermogen der anderen fiir Frei-
54
beute hielt20). Die Auflehnung gegen eine solche, nur auf Pliinde-
rungen ausgehende Bande enthalt wahrlich nichts Belastendes fur
unsere Talmudautoren. Wenn aber der Talmud mit solchen jiidischen
Kleinvieh-Hirten in e i n e m Atemzuge die Gb'tzendiener nennt, so
ist es klar, dafi er in diesem Zusammenhange an Gotzendiener als an
die Gesetz- und Rechtverachtenden gedacht hat.
Der Henr Dr. Justus brauchte sich also iiber den Talmud nicht
so sehr zu entriisten. Allein, es war ihm hier Gelegenheit geboten,
durch eine ,,kleine" Variation die allgemeine Entrustung gegen
den Talmud und die Juden zu erwecken, und da kam es ihm
eben auf diese ,,kleine Variation" nicht an. Justus und nach ihm die
anderen antisemitischen Flugblattgelehrten setzen namlich fiir Gotzen-
diener : Christen, lassen den jiidischen Kleinvieh-
h i r t e n fort und formulieren die Anklage zurecht : Christen
zu toten ist jiidisches Gebot ! — Prof. Hoffmann fiihrt
(a. a. O., S. 54) einen Satz aus John Stuart Mill ,,Grund-
ziige der politischen Okonomie" an, wo es heifst, dafi man, ,,vom
moralischen Standpunkte abgesehen, nur dann jemanden, den
man ertrinken sieht, retten sollte, wenn er mehr produziert als kon-
sumiert, wenn aber seine Produktion weniger als seine Konsumtion
ist, man ihn ruhig ertrinken lassen mufite" — und bemerkt dazu: ,,So
materialistisch ist das talmudische Recht nicht. Es lehrt nur,
dafi man nach strengem Rechte Gotzendiener und Kleinvieh-
hirten, die Gott lastern und der menschlichen Gesell-
schaft feindlich gegeniiberstehen, nicht vom Tode
erretten diirfe. Dafi man dies aber mipne darche schalom (aus ethi-
schen Griinden) doch tun miisse, dies lehrt schon ein Schlufi de
minore ad ma jus . . .").
Wenn darum die Judenfeinde Rohling und Justus-Brimann die
Sache so darstellen, als ob der Talmud die Christen nicht fiir Voll-
menschen halt, das Vermogen der Andersglaubigen, ja sogar der
Christen ( !) fiir das Eigentum der Juden erklart, so ist das
eine Vergewaltigung der Wahrheit. Wohl hat
beispielsweise der Kirchenvater Thomas von Aquino
im 1 3. Jahrhundert geschrieben (opera XVI, Seite 292) :
„ Quia licet, ut jura dicunt Judaei merito culpae
suae sint vel essent .perpetuae servituti addicti, et sic eorum
res terrarum domini possint accipere tamquam suas . . ." (,,Es
sind nach dem Ausspruch des Rechts die Juden durch ihre eigene
Schuld der ewigen Sklaverei verfallen, und ihre Herren sind daher
berechtigt, die Guter derselben als ihr Eigentum zu nehmen". Es
folgen dann einige mildernde Bestimmungen.) — Es ist jedoch noch
55
keinem vemiinftigen Juden eingefallen, die Rechtsbegriffe des Christen-
tums als solchen unter Hinweis auf diesen unmifiverstandlichen Aus-
*pruch des St. Thomas von Aquino zu beurteilen. Vielmehr schreibt
der jiidische Gelehrte Prof. Hoffmann (a. a. O. S. 70) : ,,Wir
wollen Thomas von Aquino nicht tadeln, dafi er die Juden zur
Sklaverei verdammt und deren Giiter als Eigentum ihrer Herren er-
klart. Er lehrt eben nach den Anschauungen seiner Zeit, und es
ware ungerecht, einen Kirchenlehrer des Mittelalters nach dem Mafi-
stabe der neueren Rechtslehre beurteilen zu wollen".
Was aber haben nicht alles die Rohling-Justus-Ecker (im
19. Jahrhundert) in das jiidische Gesetz hmeininterpretiert ! — Im
Talmud-Tr. Baba bathra Bl. 54, S. 2 wird der Rechtsfall erb'rtert,
dafi ein Jude von einem Nichtjuden ein Grundstiick gekauft und
diesem nichtjiidischen Verkaufer den Kaufpreis bezahlt
hat; nach dem nichtjiidischen Gesetz (so nimmt dort der Talmud
an) hat der Nichtjude durch den Empfang des Kaufpreises das
Eigentumsrecht am Grundstiick verloren. Hin-
gegen hat der Jude, gemafi s e i n e m Rechtsgesetz, mit der blofien
Obergabe des Kaufbetrages an den Verkaufer, das Grundstiick n o c h
nicht als Eigentum erworben. Das jiidische Gesetz macht
namlich die Inbesitznahme eines gekauften Gegenstandes von der
Ausfertigung einer Kaufsurkunde abhangig, ahnlich wie
heute die ,,Auflassungserklarung" verlangt wird. Wem
gehort also das Grundstiick in der Zwischenzeit, wo der
nichtjiidische Verkaufer gemafi s e i n e m Gesetze nicht mehr
— der jiidische Kaufer aber noch nicht das Grundstiick
besitzt? Sind in dem behandelten Falle beide Parteien jiidisch,
wird die Schwierigkeit dadurch vermieden, dafi mit der Ober-
gabe des Kaufbriefes auf der einen Seite das Besitzrecht auf-
gegeben und gleichzeitig auf der andem Seite es erworben
wird. Wenn aber der Verkaufer Nichtjude ist, dann bleibt das
Grundstiick in der Zwischenzeit tatsachlich — herrenlos.
Herrenloses Gut darf sich aber nach Talmudischem Recht jeder
aneignen, ,,es gleicht der Wiiste". Der Talmud macht hier auf
eine eigentiimliche Folge des erwahnten Rechtsfalles aufmerksam, ent-
weder blofi zwecks theoretischer Erwagung, wie das in den tal—
mudischen Diskussionen so oft geschieht, oder auch um vor solchen
Folgen zu warnen. Hierzu bemerkt der christliche Rechtsgelehrte
Dr. Kopp (a. a. O. S. 78) : ,,Nun liebten es eben die jiidischen
Rechtslehrer, wie die aller Volker, Rechtssatze, die sich aus ihrem
Systeme ergaben, in die knappe Form einer Rechtsparb'mie, d. h.
eines juridischen Sprichwortes zu kleiden". Kopp bringt dann Bei-
56
spiele aus dem romischen und deutschen Rechtssprachgebrauch bei
und fahrt fort: ,,So bildet denn der Talmud an der zitierten Stelle
aus dem dort behandelten Falle ebenfalls eine Paromie, welche
lautet: ,,Die Giiter des Nichtjuden sind gleich der Wuste (natiirlich
in dem oben erwahnten Rechtsfalle) , d. h. gleich dem herrenlosen
Gute. Das steht aber im Talmud, bei Maimonides und im Schulchan-
Aruch nicht fiir sich allein, sondem als kurze Zusammen-
fassung des oben erzahlten und erlauterten
Rechtsfalle s" (bei Kopp gesperrt gedruckt) .
Was machen denn nun die Rohling, Justus und — unbewufit —
die durch sie Irregefiihrten aus dieser harmlosen Stelle? Sie
schreiben : der Talmud und der Schulchan-Aruch erklaren, dafi das
Gut der Christen (!) herrenloses Gut sei und der
Jude es sich aneignen diirfe. So sieht die Justussche Wahrhaftigkeit aus,
mit welcher man gegen die ,,Morallosigkeit" des Talmud zu Felde
zieht. Dabei scheinen die Talmudanklager ganz iibersehen zu haben,
dafi ja doch der obige Rechtsfall so liegt, dafi der nichtjiidische
Verkaufer das Kaufgeld fiir sein Grundstiick
bereits empfangen hat, und die ,,Herrenlosigkeit des
Grundstiicks" doch nur dem Juden zum Schaden gereichen kann.
Der Jude also k a u f t und b e z a h 1 1 ehrlich das Grundstiick, und
nun soil fiir den Juden das Gut des Christen herrenlos sein! Tut
nichts — der Talmud wird verbrannt. Und nun hallt es in den
Gauen Deutschlands wider: das Gut der Christen ist nach jiidischem
Gesetz herrenlos, jeder Jude darf es sich aneignen ! Dann bringen die
Justus-Rohling diese Paromie von der ,,Herrenlosigkeit der Giiter"
mit jenen in haggadischen (predigtartigen) Ausspriichen vorkommen-
den Wendungen des Talmud, wonach den u n t e r der noachidischen
Stufe stehenden Volkern, also den rohen, kein Gesetz und Recht
achtenden Heiden ein Besitzrecht an der Erde nicht zuerkannt werden
sollte, in Verb in dung, schmuggeln dann fiir die rohen Heiden die
Christen hinein und stellen auf solche Weise mit ausgesprochener Ge-
schdcklichkeit das oben erwahnte Marchenvon der ,,H e r r e n -
losigkeit der Christengiiter" her. Dieser Kunst-
griff, der schon in einem alteren antisemitischen Werke prangt,
erschien selbst dem sonst judenfeindlichen christlichen Gelehrten
Johannes Wiilfer (17. Jahrhundert) bedenklich. Dieser
widerlegt in seinem Werke ,,Theriaca Judaica ad examen
revocata" (Niimberg 1681), S. 86 f. die von Christianus
G e r s o n gegen den Talmud (bezw. Schulchan-Aruch) er-
hobene Beschuldigung, die da lautet: ,,Der Talmud schreibt in Bava
Bathra Fol. 54: Aller Christen und Hey den Giiter sind Preis
(preisgegeben) , wie der Sand am Meer, und wer sie bekommt,
der mag sie behalten" und schreibt zum Schlufi: ,,Quod igitur
secundum quid dictum erat, id bonus Gerson
simpliciter dictum accepit, agniturus procul dubio,
humani se quid passum". (S. Hoffmann a. a. O.
S. 45 f.) — Und das nennen die Flugblattantisemiten einen ,,Kampf
fiir Wahrheit und Sittlichkeit!"
Dafi die oben besprochenen Fremdengesetze im Verkehr mit den
gesitteteren Schichten der Heidenvolker niemals zur Ausfiihrung ge-
langten, verbiirgt uns der oben erwahnte Satz: ,,Ich weiB von ihm,
dafi er die G 6 t z e n nicht anbetet", in welchem es sich sogar um
f r e i w i 1 1 i g e Zuwendungen handelt.
In bezug auf das praktische Verhalten der Juden der alten (tal-
mudischen) Zeit zu den Heiden erfahren wir aus dem Jerusalemischen
Talmud kennzeichnende Falle. Im Anschlufi an das Frem-
dengesetz betreffend Wiederbringen eines Fundes
wird im Traktat Baba mezia, Abschnitt II, erzahlt, dafi dem Simon
ben Schetach, der ein Flachsgeschaft betrieben hat und selbst die
Flachsbiindel zu tragen pflegte, seine Schiller bei einem Sarazenen
ein Lasttier kauften, und als sie am Halse des Tieres (nachdem sie
das Tier schon zu ihrem Meister gebracht hatten) eine Perle hangen
sahen (die der Sarazene jedenfalls vergessen hatte), zu Simon
ben Schetach also sprachen: ,Jetzt, Rabbi, hat es mit deinen Placke-
reien ein Ende. Siehe, wir kauften einen Esel und fanden dieses
Geschmeide", worauf jedoch der Rabbi fragte: ,,Wei6 der (friihere)
Eigentiimer davon?" und auf die verneinende Antwort der Schuler
diesen befahl: ,,Tragt den Schatz sofort zuriick!" — Wozu diese
Erzahlung, im Talmud, wenn es bei Juden und noch dazu bei einem
so frommen, die Religionsgesetze gewissenhaft erfiillenden Mann, wie
Simon ben Schetach, als Verdienst oder auch nur als erlaubt ge-
golten hatte, den von einem Heiden, einem Sarazenen, in der
Zeit um ungefahr 100 vor Christi Geburt (denn
Simon ben Schetach lebte in jener vorchristlichen, heidnischen Welt),
verlorenen Gegenstand zu behalten! Und wie erklart es sich, dafi der
Talmud zu dieser Erzahlung die Bemerkung hinzufiigt: ,,Wohl ist es
nach dem Gesetze gestattet, das von einem Heiden Verlorene
zu behalten; allein Simon ben Schetach war kein Barbar (d. h. kein
Mensch, der in solchem Falle auf dem Buchstaben des Gesetzes
bestehen wiirde). Des Heiden Ausruf: ,,Gepriesen sei der Gott der
Juden!" war ihm teuerer als alle Schatze der Welt." — Ist es nicht
offensichtlich, dafi der Talmud solchem Verhalten lobend zustimmi,
geht dies nicht aus dem ganzen Tone der Verhandlung mit einer
58
gegen jede Tiiftelei gesicherten Deutlichkeit hervor. 1st es moglich,
so zu schreiben und solche Lehren den Geschlechtern zu iibermitteln,
wenn man nicht im Herzen davon iiberzeugt ist, dafi dies das rechte
Verhalten sei und fiir den Verkehr mil den Heiden richtunggebend
sein miisse!
Aber der Talmud erzahlt dort noch mehrere ahnliche
F a 1 1 e aus dem Leben der Juden. ,,Abba Osija aus der Stadt
Turja war ein Wascher. Einst fand er am Flufi (wo er wusch)
ein Geschmeide, welches eine heidnische Frau verloren hatte. Er
brachte es ihr zuriick. Da sagte die Matrone: ,,Was brauche ich
das? Ich habe von dergleichen Sachen noch schonere!" Der Rabbi
Osija aber sprach: ,,Die Thora befiehlt uns, das Gefundene zu-
riickzugeben."
Im Midrasch Jalkut (aus Tanna debe Elijahu), einem religiosen
Lehr- und Erbauungsbuch, welches mit Erzahlungen aus dem Leben
der Talmudautoren geschmiickt ist, wird (Bd. I, 504) berichtet:
,,Ein Jude betrog einen Nichtjuden beim Verkauf von Datteln, indem
er ihm in der Dunkelheit falsch mafi. Von dem Erlose kaufte er
einen Krug Ol und stellte ihn an den Ort, wo die verkauften Datteln
waren. Der Krug aber barst, und das Ol rann heraus, worauf der
Talmud weise ausrief: ,,Gott sei gepriesen, gepriesen sei Er, bei dem
kein Ansehen der Person gilt, denn Raub an einem Nichtjuden ist
Raub!" So in einem jiidischen Erbauungsbuch aus altester Zeit.
Und Dr. Kopp, dem diese Stelle ebenfalls bekannt war, fiigt selbst
hinzu (a. a. O. S. 69) : ,,Dieser Satz kehrt an verschiedenen Stellen
beider Talmude wieder." Ist ein solcher Ausruf eines hervorragenden
Gesetzeslehrers zum Preise Gottes denkbar, wenn die Juden in der
Vorstellungssphare gelebt hatten, dafi man dem Heiden Unrecht zu-
fiigen diirfe oder gar von Religionswegen zufiigen solle? Setzt das
nicht rechtliches Denken, Treue und Wahrhaftigkeit voraus, setzt das
nicht vor allem dieses voraus, daft Gott keinen Gefallen daran hatte,
wenn man den Heiden schadigen wiirde! Wie hatte denn der hoch-
geachtete jiidische Gesetzeslehrer es sonst wagen diirfen, das Bersten
des Olkruges geradezu zu einem gb'ttlichen Strafurteil zu stempeln?
Als ethische Pflicht wird auch im Talmud (Tr. Gittin, Bl. 61,
S. 1) gefordert: ,,Man ernahre die Armen der Heiden gleich den
Armen Israels, besuche die Kranken der Heiden gleich den Kranken
Israels, begrabe die Toten der Heiden gleich den Toten Israels,
weil das die Art der Friedfertigkeit ist." — Im Jerusalemischen
Talmud .(Gittin V, 9) wird dieses Gesetz noch naher ausgefuhrt:
,,In einer Stadt, in welcher Heiden und Israeliten zusammenwohnen,
werden israelitische und heidnische Armenvorsteher ernannt und sie
59
heben Beitrage ein von Heiden und Israeliten und man emahrt die
heidnischen Armen wie die israelitischen usf. und versorgt die
Braute der Heiden, wie die der Israeliten, weil dies die Art der
Friedfertigkeit ist." —
14. These: Fiir den Talmud gelten, entsprechend den
Thorabestimmungen, die zeitgenb'ssischen Volker im allgemeinen
nicht mehr als rohe Heiden. Theoretisch be-
handelt der Talmud auch jene Gesetze, welche
gegeniiber Volkem mit primitiver Rechtspflege gelten. I n
der Praxis jedoch verlieren diese Fremdengesetze gemafs
1 der Anschaung des Judentums von der stetigen sittiichen Ent-
wicklung der Menschheit allmahlich ihre Rechtsanwendung.
Seit dem 3. Jahrhundert biirgert sich in der Praxis der Juden
immer entschiedener die Rechtsnorm ein: Dina die malchutha
dina = das Gesetz der Regierung ist das Gesetz.
Nun hatte sich — so konnte man meinen — mit der E n t -
stehung des Christentums eine sofortige durchgreifende
Wandlung hinsichtlich der Gesetze gegen Andersglaubige im Tal-
mud vollziehen und sich durch besondere Erlasse deutlich aufiem
miissen. Jedoch stellt sich nur vollig ungeschultes und ungeschicht-
liches Denken die Entwicklung in der Weise vor, als ware in einem
bestimmten Zeitpunkte die Menschheit oder auch nur der Orient
plotzlich christlich geworden. Beachtet man namlich, dafi in
alter Zeit vielfach die Herrscher offiziell das Christentum fur
ihren Staat ubernommen haben, wahrend die Bevb'lkerung nur erst all-
mahlich mit den neuen Lehren vertraut und mit den neuen sittiichen
Anschauungen erfullt wurde, so wird man es einsehen, dafi man
von einer christlichen Welt und von einer christlichen Kultur z u r
Zeit des Talmud im allgemeinen noch nicht sprechen konnte.
Die geistige und sittliche Entwicklung der Menschheit vollzieht
sich n i e m a 1 s in plotzlichen, Volker und Individuen einheitlich er-
greifenden Wendungen. In aufierordentlich langsamem Schritt erfolgt
die Erneuerung der Nationen und Volkerverbande. Darum
ware es vollig unhistorisch, das talmudische Zeitalter
unter der Formel anzuschauen: hie Juden — hie Christen.
Es darf auch nicht iibersehen werden, dafi die Juden nach
dem Zerfall ihres Staates (i. J. 70) in fremde Lander hinaus-
wanderten, wo .das Christentum entweder noch gar nicht bekannt
war oder sich jedenfalls noch nicht befestigt hatte. So vor allem nach
Babylonien und in andere Lander Kleinasiens. Die nahere Umgebung
der Talmudautoren bildeten in friiheren Jahrhunderten Perser, Syrier,
Griechen, spater die Romer, in Babylonien die Partner. Das waren
60
aber keine Christen. Vor den Augen der Mischnah-Autoren, die in
den letzten Jahrhunderten v o r Christi Geburt und in den ersten
christlichen Jahrhunderten lebten, also in derjenigen Zeit, wo fast der
gesamte lehrsatzmafiige Textteil des Talmud verfafit wurde, stand
den Schriftgelehrten bei dem Gedanken an Andersglaubige in vor-
derster Reihe das Bild der R 6 m e r. ,,Z erstreut, geknechtet,
derWillkiirpreisgegeben, standen die Juden zur Zeit der
Entstehung des Talmud unter der Herrschaft von Gb'tzendienern,
deren Gottesdienst ihnen ein Greuel war, und deren sittlicher Wandel
ihnen Verachtung einflofite". (So schildert die Lage der Christ
Dr. Kopp a. a. O., S. 140.)
Wir wollen iiber diesen Punkt auch noch den oben genannten
protestantischen Theologen Professor S t r a c k hb'ren. In seinem
Werke ,,Einleitung in den Talmud" (2. Auflage, 1894) schreibt er
(auf Seite 47) : ,,So ist denn imbabylonischenExil das
Schri f t gelehr tentum entstanden und hat . . .
schoninEsra...einehoheStufederAusbildung
e r 1 a n g t". Das babylonische Exil, von welchem Strack hier
spricht, dauerte von 586 — 5 1 6 vor Christi Geburt;
der von Strack genannte Esra wirkte umdieMittedesS. Jahr-
hunderts vor Christi Geburt ! — Ferner heifit es dort im
Strackschen Buche in einer Anmerkung: ,,Nach jvidischer Tradition
wirkte seit Esra ... in Jerusalem ein Kollegium von 120 Mannern,
dessen Tatigkeit teils im Abschlufi der heiligen Literatur, teils, und
das hauptsachlich, in Durchfiihrung und Erhaltung des Gesetzes und
gesetzlichen Lebens bestanden hat. Die Annahme ... ist wohl
wesentlich aus (Buch) Nehemia 8 — 10 herausgesponnen ; doch nb'tigt
die spatere Entwicklung anzunehmen, dafi zur Erfullung der ange-
gebenen Zwecke irgendwie organisierte Krafte in
der Zeit zwischen Esra und Jesu Christo tatig
gewesen sind". — Worin die Tatigkeit dieser jiidischen Ge-
lehrten bestand, ist auf derselben Seite bei Strack zu lesen: ,,Das ge-
schriebene . . . Gesetz (d. i. die Thora) war (mindestens) seit der
Zeit Esras . . . abgeschlossen: nichts konnte hin-
zugefiigt oder getilgt oder sonst geandert wer-
d e n. Doch die immer neuen Verhaltnisse des Lebens erheischten
immer neue Bestimmungen. Solche Satzungen, Regeln . . .
wurden . . . nach Mafigabe der obwaltenden Umstande gegeben".
Also ist nach dem Zeugnis von Strack, der sich iibrigens auch
auf den christlichen Theologen Prof. A. K u e n e n beruft, ein Teil
der Gesetzgebung der jiidischen Schriftgelehrten bereits in der Zeit
zwischen Esra und der Entstehung des Christentums, d. h. in den
61
4 — 5 Jahrhunderten vor Christi Geburt geschaffen
worden.
Demnach ist es ganz unkritisch, wenn man beliebige
Ausspriiche des Talmud iiber Andersglaubige auf die
Christen bezieht. Aber auch solche Ausspriiche, die sich in spater
entstandenen Teilen des Talmud finden, diirfen nicht ohne Priifung
wahllos auf Andersglaubige iiberhaupt, also auch auf die
Christen, bezogen werden. Diejenigen Christen, welche in der Nahe
der Juden lebten, das waren die Juden-Christen, die von Juden ab-
stammten und von ihrem vaterlichen Glauben abgefallen waren.
Diese galten dem Talmud als Ketzer. (S. dariiber oben S. 42.)
15. These: Der Talmud kennt nur die Judenchristen,
diese sind fiir ihn Ketzer, und wenn der Talmud sich gegen
diese unfreundlich zeigt, so beweist dies nicht das mindeste
fur das Verhaltnis zu d e m Christentum, welches mil dem
Heidentum den Kampf aufgenommen und siegreich durch-
gefiihrt hat. Das Christentum als Weltreli-
g i o n , als jene geistige Macht, wie sie sich in hervorragenden
Persbnlichkeiten, insbesondere in den europaischen Denkern
der letzten Jahrhunderte darstellt, istdemTalmudnoch
ganzlich unbekannt. Bei der geistigen Struktur der
jiidischen Religion, die von dem Glauben an Gott als dem
Schb'pfer aller Menschen ausgeht und in den Glauben an die
Menschheit miindet, die in jedem sittlichen Fortschritt der
Menschen die weitere Auswirkung des Gbttlichen auf Erden
begriifit, konnte das fortschreitend sich veredelnde Rechtsge-
fiihl der Volker wie der Einzelnen, die durch das Christen-
tum gefb'rdert wurde, fiir den Juden nur die Verpflichtung
und den Ansporn enthalten, dieser Entwicklung der also fort-
geschrittenen Andersglaubigen gerecht zu werden. Der Jude
wiirde seine eigene Religion entwiirdigen, wenn er in ihrem
Namen einem gesitteten Menschen oder Volke gegeniiber sich
zu einer Rechtsverletzung befugt halten sollte. Das ist es, was
der Talmud unter ,,Entweihung des gbttlichen Namens'*
versteht.
Wenn die Antisemiten auch dieses edelste, zur Selbstverleugnung
und Selbstaufopferung anspornende Motiv, um der Ehre seines Gottes
willen auch die harteste Priifung zu bestehen, — wenn sie auch dieses
Motiv durch ihre Verdachtigung zu erniedrigen versuchen, so erinnem
wir an die Worte in dem Evangelium 1 . Petri 2, 12: ,,Fiihrt einen
guten Wandel unter den Heiden, auf dafi die von euch Obelredenden,
als von Obeltatern, cure guten Werke sehen und Gott
62
preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird";
— ferner im Evangelium Matthai 5, 16: ,,Lafit euer Licht leuchten
vor den Leuten, dafi sie cure guten Werke sehen und euern Vater
im Himmel preise n." — Wir erinnem auch an einen Satz
in dem Werke des christlichen Heiligen Thomas von Aquino
(opera XVI, 292), der da lautet: ,,Da man jedoch auch mil denen,
die aufierhalb der Kirche stehen, anstandig umgehen
miisse, damit der Name des Herrnnicht entweiht
we r de . . ."
Dieser Begriff der Heiligung bezw. Entweihung des gottlichen
Namens stammt aus dem Judentum. 1st nach altheidnischer Vor-
stellung der Waffensieg ein Zeichen fiir die Oberlegenheit des
Nationalgottes.so ist nach jiidischer Auffasung die erobemde
Macht des Geistes und der Sittlichkeit eine Aus-
wirkung des Gottes der Gesamtmenschheit. Der
Jude, der gegen die oben entwickelten Gesetze
seiner Religion, dieja doch den sittlichen For -
derungen der kultivierten G e gen w a r t s v 6 Iker
entsprechen, sich vergeht^ tragt zu einer f a 1 -
schen Beurteilung des Judentums bei. Aber
auch diejenigen Nichtjuden, die die Vergehen
einzelner Juden alien Juden zur Last legen
raochten, ja sogar die Religion der Juden
darob ver un gl i mp f e n , mogen ihrer Religions-
gebote gedenken, des Wortes des Thomas
von Aquino, dafi man ,,auch mit denen, die
au&erhalb der Kirche stehen, anstandig um-
gehen miisse, damit derName des Herrnnicht
entweiht werde — ".
63
III. Kapitel.
Was lehrt der Schulchan-Aruch iiber das Ver-
halten der Juden zu den Nichtjuden?
Die gebrauchliche Zusammenstellung ,,Talmud und Schulchan-
Aruch" 1st geeignet, in dem Laien die Vorstellung zu erwecken, als
sei der Schulchan-Aruch ein dem Talmud ebenburtiges Werk, etwa
ein kanonisches (,,kirchlich genehmigtes") Buch. Ein solches Ge-
setzbuch hat aber das Judentum, von der Thora abgesehen, uber-
haupt nicht (s. oben S. 28) . Der Schulchan-Aruch des R. Joseph
K a r o ist vielmehr eine der vielen Gesetzessammlungen, \yelche
von jiidischen Gelehrten des Mittelalters und der Neuzeit angelegt
worden sind. Diese Sammlungen unterscheiden sich dadurch vom
Talmud, dafi sie nicht gelehrte Erbrterungen, sondem eine nach
Themen geordnete Zusammenstellung der aus dem Talmud wie den
spateren Schriften ausgezogenen religions gesetzlichen Bestimmungen
darbieten.
Das erste grbfiere Werk dieser Art ist die Mischneh Thora
(,,Wiederholung der Thora") des als Philosoph und Naturwissen-
schafder beruhmten Moses Maimonides (12. Jahrhundert) .
Eine volkstumlichere systematische Darstellung des Gesetzesstoffes
stammt von Jakob ben Ascher (geb. 1283). Er teilte seine Samm-
lung (genannt Turim = Reihenfolge) in 4 Abteilungen ein: |1 ) Kul-
tus, 2) Ritualien, 3) Ehegesetze, 4) Recht. Zu diesen Turim schrie-
ben Joseph Karo und Moses Isserles Kommentare. Karo
(geb. 1488) entschloS sich zu einer selbstandigen Bearbeitung des
Stoffes. Er behielt die Vierteilung der obengenannten Turim bei:
Abteilung I Orach chajjim (= Weg des Lebens), II. Joreh deah
(= Weisung der .Erkenntnis) , III. Eben haezer (= Hort der
Hiilfe) und IV. Choschen hamischpat (= Schild des
Rechts). Die Abteilungen sind in Kapitel, diese in Abschnitte
(Paragraphen) und weiter in Absatze gegliedert. Dieses Werk be-
nannte Karo ,,Schulchan-Aruch" (= angerichteter Tisch),
64
weil es dem Lernenden den geistigen Nahrungsstoff in geordneter
Form darbietet.
Der Schulchan-Aruch ist weder ini Auftrage
irgendeiner offiziellen jiidischen Korperschaft
angefertigt, noch durch eine solche approbiert
(amtlichgenehmigt) worden; das Judentum besitzt seit
der Aufhebung seines obersten Gerichtshofs, vor etwa 1900 Jahren,
iiberhaupt keine einheitliche Hauptinstanz, und nur seine Gerichte
und eine Art politische Vertretung fiir einen Teil der Juden bestanden
noch einige Jahrhunderte nach dem Untergang Judaas. Die feier-
liche Ernennung (Ordination) der religiosen geistlichen Fiihrer, die
zugleich Richter waren, ist bei den Juden mangels einer geistlichen
Zentralbehorde bereits im 4. Jahrhundert eingestellt worden.
So tragt der Schulchan-Aruch einen vollig privaten
Charakter. Seine Ausbreitung unter den Juden verdankt er der
leicht fafilichen systematischen Darstellung und ubersichtlichen Gliede-
rung des Stoffes. Durch diese Form wird es auch dem nicht vor-
gebildeten Fachgelehrten bis zu einem gewissen Grade ermoglicht,
einzelne Vorschriften nachzulesen und im Zusammenhange
mitdemGanzenzu verstehen. Die Autoritat des Werkes ist aber
wie bei jedem andern religionsgesetzlichen Buche der Juden keine
unbedingte. Nur was sich als dem Geiste der Thora gemafi er-
weist, gilt als beglaubigt, und bei jeder wichtigeren Frage wird aus-
nahmslos auch heute noch auf Maimonides, auf den Talmud und
schliefilich auf die Thora zuriickgegriffen. Darum kann von
einer absoluten Verbindlichkeit des Schulchan-
Aruch garkeine Redesein ; verbindlich in ihm ist nur das-
jenige, was schon friiher durch allgemeine Bestimmungen der Rabbinen
als giiltig festgestellt war, oder was sich allmahlich eine solche Zu-
stimmung erwirbt (s. oben S. 29).
Diese Tatsache wird schon bestatigt durch die aufiere Gestalt
des Schulchan-Aruch-Textes. Der Schulchan-Aruch ist,
von den friihesten Ausgaben abgesehen, seit Jahrhunderten
niemals fiir sich allein gedruckt worden, sondern
stets mit den den einzelnen Satzen angefiigten, oft sogar mitten hinein-
gestreuten Erganzungen und Anmerkungen des
R. Moses Isserles. Dieser Gelehrte, ein jiingerer Zeit-
genosse Karos, hatte, wie oben mitgeteilt, ebenfalls die gemeinsame
Vorlage, namlich die Turim, kommentiert, hat jedoch iiber unzahlige
Vorschriften eine andere Auffassung als Joseph
Karo. Nun hat man, um nicht zwei nebeneinander laufende und
einander oft zuwiderlaufende Sammlungen bestehen zu lassen, die
5
65
zwei Werke — Karo und Isserles — ineinander gearbeitet, dergestalt,
dafi der Beitrag des alteren Bearbeiters (Karo) als Haupttext er-
scheint, die Zusatze bezw. die zu Hunderten zahlenden Wider-
spriiche des' jiingeren (Isserles) aber als ,,Hagah" (= ,,An-
merkung") oder (mit einem Wortspiel auf den Haupttitel: ,,An-
gerichteter Tisch") als ,,Mappah" = ,,Tischdecke", zum Ausdruck
der Zusammengehorigkeit, bezeichnet. Und nun schreibt Isserles, der
nur um wenige Jahrzehnte jiingere Mitverfasser des Schulchan-Aruch,
selber in der Vorrede zu seinen Beitragen, d a 6 er verhiiten
wolle, dafi diejenigen, die den Schulchan-Aruch
studieren oder als Gesetzbuch gebrauchen
wollen, die samtlichen Gesetze Karos ,,als von
Moses auf Befehl Gottes n i e d e r ges c hr i eb e n be-
tr a ch t en".
Zum eigentlichen Schulchan-Aruch gehbren aber auch nock
andere Kommentare, die teils auf die alteren Quellen, insbesondere
auf den Talmud verweisen, ohne deren Kenntnis der Geist des Ge-
setzes nicht erfafit und keine religionsgesetzliche Entscheidung ge-
troffen werden kann — , teils eine genauere Erlauterung, oft auch
eine Entscheidung zugunsten Karos bezw. Isserles enthalten. Erst
dieser gesamte Apparat der zwei Texte (Karo
und Isserles) samt den wichtigsten Kommen-
taren ,,B e e r haggolah" und ,,Magen Abraham"
u. a. m. bietet das mafigebliche religionsgesetz-
liche Quellenbuch, den Schulchan-Aruch in
weiterem Sinne.
Wie falsch es ware, den Schulchan-Aruch Joseph Karos als
endgultig abgeschlossenes Religionsgesetzbuch zu betrachten, geht
auch daraus hervor, dafi beispielsweise ganze Partien des Ab-
schnitts 210 des II. Teiles auf Grund einer erst um die Mitte des
19. Jahrhunderts von einem jiidischen Gelehrten verfafiten Schrift
ganzlich revidiert werden mufi. Obrigens hat Justus selbst ,,in einem
unbewachten Augenblicke" die Tatsache richtig dargestellt; er
schreibt (4. Aufl. S. 29) : ,,D ie Kommentare haben auch
zu kr i t i s i er e n , wo sie G e gen b e wei s e 1 i e f e r n . . .
Ein Jude, der, ohne aus der Kritik hergenommene Griinde . . . den
Schulchan-Aruch nicht befolgt . . . wird verdammt". Also : erst die-
jenigen Gesetze des Schulchan-Aruch haben nach dem Urteil selbst
des Hauptgewahrsmannes der Antisemiten Giiltigkeit, welche der
Kritik standhalten. Ganz recht ! Von dieser Kritik
werden aber in einem bestimmten Sinne gerade
diejenigen Gesetze betroffen, welche sich auf
66
Andersglaubige beziehen. Denn je starker die Kultur
die Menschheit durchdringt, um so mehr miissen die aus der Thora
stammenden Fremdengesetze g e m a £ den Bestimmungen
der Thora ihre praktische Gultigkeit einbiifien, u n d u m so
mehr werden die Kommentare Gelegenheit
haben, auf dieseVeranderung hinzuweisen.
Nunmehr ist es d urch s i ch t i g , weshalb die
wissenschaftlichen Gewahrsmanner der Antise-
miten ihrem Leserkreise immer wieder mil auf-
dr in gl ich- geraus ch vollem Nachdruck ver-
sichern, d a 6 der S chu 1 cha n - Ar u c h bis auf den
heutigenTag,,dasgiiltigeGesetzbuch"derJuden
s e i. Auf diese Weise gelingt es namlich, Vorschriften der jiidischen
Religionsgesetzbiicher, welche ganz andere als christlich gesittete
Kulturzustande vor Augen haben, als gegend'ie Christen
gerichtet erscheinen zu lassen, zumal da die Kommentare, die
dazu bestimmt sind, die Gesetze zu erlautem und auf das gegen-
wartige Leben einzustellen uridso jedes Mifiverstandnis
zu verhiiten, von den antisemitischen Gewahrs-
manner n einfach totgeschwiegen werden!
Dafi der Karosche Schulchan-Aruch dort, wo er von Anders-
glaubigen spricht, durchaus nicht iiberall die Christen gemeint haben
k o n n t e , erkennt schon jeder Laie daran, dafi der Schulchan-Aruch
wiederholt ausdriicklich von Fetischdienst und sonstigen Formen des
Gotzenkultus redet, die es heute in gesitteten Landem uberhaupt
nicht gibt. Dafi der Schulchan-Aruch solche auf die Gotzenanbeter
der alten Zeit sich beziehende Bestimmungen mitaufgenommen hat,
geschieht aus dem Grunde, um in seiner Gesetzessammlung die Kon-
tinuitat, die Zusammenhange und Wandlungen der Zeiten hervor-
zuheben und auch deshalb, weil die Juden iiberallhin verstreut sind
und auch jetzt noch, mehrere Jahrhunderte nach Abfassung des
Schulchan-Aruch, zu einem Teile in Landern leben, wo der Mono-
theismus noch nicht herrschend ist, wohin weder das Christentum
noch der Islam bisher zu dringen vermochte. Und wer vermag es
heute vorauszusagen, wohin die Juden noch iiberall versprengt werden
konnen !
Hier einige Beispiele, zum Belege dafiir, dafi der Schulchan-
Aruch wiederholt vom tatsachlichen Gotzendienst handelt: Ab-
teilung I, ,,Kapitel iiber die Schaufaden" (vgl. IV. B. Mos., Kap. 1 7),
§ 11, Abs. 8, heifit es : ,,W ird mit einem Tiere Ab-
gotterei getrieben, so ist dessen Wolle zu Schaufaden un-
verwendbar ; wird mit Flachs, welcher noch wurzelt, Abgotterei
5*
67
getrieben, so ist er zu Schaufaden wohl verwendbar." —
Sch. Ar. I, § 224, 1 : ,,Wer eine M e r k u r - (Hermes-) Statue
erblickt, preise Gott, der Langmut zeigt" (gegeniiber dem
Gotzendienst; nach Talmud-Traktat Sanhedrin Bl. 70, S. I,
wo zu entnehmen, dafi diese Statue lange Zeit hindurch
als Gotzenbild verehrt wurde). — Sch.-Ar. Abt. I, Kapitel iiber den
Pflanzenstraufi am Hiittenfeste, § 649, Absatz 3: „. . . stammen die
Pflanzen aus einer Ascheta (ein als heilig verehrter Baum) , so diirfen
sie nicht gebraucht werden". — Sch.-Ar. V, Abt. II, Kapitel iiber
rituelle Schlachtung der Tiere, § 4, Abs. 1 — 7: ,,Wenn jemand die
Schlachtung in gotzendienerischer Absicht (um dem Gotzen ein
Opfer darzubringen) vollzieht, so darf das betreffende Tier nicht
(vom Juden) verwendet werden . . . wenn jemand Himmels- und
Erdkorpern, Bergen, Hiigeln, der Sonne, dem Monde, den Sternen,
Meeren und Fliissen zu Ehren eine Schlachtung vornimmt, so ist diese
ungiiltig (das Tier zum Essen verboten) . Wenn Mohammedaner dem
Israeliten nicht anders ein Tier zu schlachten erlauben, als nur wenn
er (der Israelit) die ,,Kibla" dabei vornimmt (die Hinwendung nach
dem vom Islam verehrten Orte Mekka), so ist das nicht mil der
Schlachtung zur (gotzendienerischen) Ehrung eines Berges zu ver-
gleichen . . ." — In den §§ 139, 141, 142, |145. 146, 155 und 156
ist die Rede von gbtzendienerisch verehrten Hainen, Bergen, Hausem,
Steinen, Tieren, Vogelbildern, Drachen, Himmelskorpem, Merkur
(Hermes), sogar von dem Gotzen Peor, der von dem alten Stamm
Moab verehrt wurde und an dessen Kultus, wie vermutet wird, ein
Rest in der Nahe von Jerusalem noch erinnert hat. Und § 1 79 handelt
von Totenbeschworern, Magiern und Schlangenbandigern (vgl. Hoff-
mann, a. a. O. S. 1 40) . Diese Gesetze sind aus dem Talmud, viel-
fach aus dessen altesten Teilen, in den Schulchan-Aruch ubemommen
worden, ohne Riicksicht darauf, ob und wo dieser Gotzendienst
aoch getrieben werde.
Um einen klaren Einblick in die Methode zu gewahren, wie
der Verfasser des Schulchan-Aruch auf entschwundene heidnische
Zeiten zuriickgegriffen, der fast gleichzeitig entstandene erganzende
Kommentar aber auf die veranderten Kulturverhalt-
n i s s e verweist, um eine andere Entscheidung zu fallen,
fuhren wir die Bemerkung des Isserles zu einer der oben erwahnten
Vorschriften an. Der Verfasser des Schulchan-Aruch schreibt
I § 224, 1, dafi man die obige Benediktion beim Anblick der
Merkur-Statue spreche, Isserles aber fiigt hinzu: ,,Aber heut-
zutage ist es nicht notig, eine solche Benediktion zu sprechen,
da wir doch solche Statuen ... immerfort sehen",
68
d. h. (wie die Kommentare erklaren) von Kindheit auf an ihrea
Anblick gewohnt sind und die Gefahr religioser Beeinflussung
nicht bestehe.
Diese Tatsache, dafi im Schulchan-Aruch eine reiche Anzahl von
Vorschriften, die ausschliefilich auf den r o h e •
Fetischdienst passen, ohne besondere Einschrankung hin-
sichtlich der Gegenwart sich findet, haben die ,,wissenschaftlichen"
Gewahrsmanner der Antisemiten verschwiegen. Und andererseits
fiihren sie Ausnahmebestimmungen, die sich gegen unkuldvierte
Stamme richten, ohne die einschrankenden Bemer-
kungen der Kommentare zu erwahnen, an, welche
ungefahr ebenso lauten wie bei der Vorschrift betreffend die Merkur-
statue: ,,A berheutzutage ist das nicht mehr giilti g".
Waren aber auch jene kultuellen Bestimmungen, die den Fetisch-
dienst voraussetzen, dem Schulchan-Aruch nicht einverleibt worden,
so wufiten wir dennoch selber aus der ganzen Verfassung
der jiidischen Religion, die wir bereits oben gekennzeichnet haben,
die Folgerung zu ziehen, dafi mit dem Fortschritt von Kultur und
Gesittung die Anwendung der alien Fremdengesetze, die gegen die
Heiden erlassen worden sind, selbstverstandlich schon im Geiste der
Thora nicht einmal auf Noachiden, geschweige auf die Christen be-
zogen werden diirften.
Man braucht ja blofi Gesetzesparagraphen wie den folgenden
(Schulchan-Aruch, IV, § 249, 2, Haupttext) zu lesen: ,,E i n e m
Gotzendiener, der nicht Ger toschab ist (d. h. der
dem rohen Heidentum noch nicht entsagt hat) darf man nicht Ge-
schenke machen, aufier wenn es ein Bekannter ist, oder wenn es die
Riicksichten auf das friedliche Zusammenleben fordern". Das ist
eines der oben genannten Fremdengesetze (s. S. 50). Hier ist die
Fassung deutlich :einNichtjude, der noch nicht auf
derStufedesGertoschab (= des Noachiden) steht.
Das Gesetz wird aber (ebendort) aufier Kraft gestellt, sobald man
den Betreffenden kennt, d. h. die personlichen Beziehungen es ge-
statten (s. oben S. 44), oder wenn das friedliche Zusammenleben
durch solch freundschaftliches Verhalten gefbrdert werden konnte, denn
dies letztere (darche schalom) ist selbst ein Zeichen und ein Ziel der
wahren Kultur.
Zwischen der Entstehungszeit des Talmud und der Abfassungs-
zeit des Schulchan-Aruch liegen die Jahrhunderte, im Laufe welcher
sich das Christentum ausgebreitet und befestigt hat. Darum haben
sich die jiidischen Gesetzeslehrer in den spateren Jahrhun-
d e r t e n deutlich iiber ihre Auffassung vom Christentum und ihre
Stellung zu den Christen geaufiert.
Prof. Hoffmann fafit die beziiglichen Entscheidungea
der grofien Autoritaten friiherer Jahrhunderte wie folgt zusammen
(a. a. O. S. 1 45 ff.) : „. . . Zum Glauben an die Einheit Gottes wird
der Nichtjude nicht verpflichtet . . . Somit ist nach der jiidischen
Lehre der Glauben an die Einheit Gottes ein Gebot, zu dem n u r die
Israeliten speziell von Gott verpflichtet wurden. Wohl halten wir
unsern Glauben fiir die absolute Wahrheit; allein die jiidische Tra-
dition sagt, der Nichtjude, der diese Wahrheit nicht anerkennt,
begeht keineSiinde, denn er hat nicht, wie der Israel it, von seinen
Vatern diese Wahrheit als T r a d i t i o n empfangen. Den Nichtjuden
ist aber blofi die ganzliche Verleugnung des Weltschopfers, die An-
nahme zweier oder mehrerer gleicher und voneinander getrennter gott-
licher Prinzipien, die Verehrung der GeschopTe anstatt des Schopfers,
wie Menschendienst, Gestimdienst usw. untersagt, und dies ist das
Verbot des Gotzendienstes, welches die jiidische Tradition unter den
sieben Noachidischen Geboten aufzahlt. Nun wird von den allermeisten
Rabbinen die christliche Gottesverehrung zwar als ,,Schittuf" (Bei-
gesellung irgendeines andern Wesens in gbttlicher Verehrung), aber
nicht als die Abodah zarah bezeichnet, welche auch fiir die Noachiden
verboten wurde. Es gilt den jiidischen Religionscodices als Axiom,
dafi die Christen Gott, den Schopfer des Himmels und der Erde,
verehren, dafi ihr Gottesbegriff nur ,,Schittuf" (Beigesellung) sei und
nicht dem des israelitischen Glaubens entspreche. Daher erklarten
die Tosaphoth (Sanhedrin 63b, Megillah 28a und Bechoroth 2b),
R. A s c h e r (zu Sanhedrin, Abschn. 7) , R. I s a a k (zitiert von
'R. Jerucham XVII, 5, l159c) und R. Mose Is series im
Sch.-Ar. O. Ch. 156, dafi es dem Juden gestattet sei, sich von einem
Christen einen christlichen Eid schworen zu lassen . . . Den Juden
ist, wie gesagt, der Glaube an die Einheit Gottes streng geboten, und
dessen Verleugnung gilt fur ihn als Todsunde, wie Gotzendienst. Wenn
also ein geborener Jude sich zu einem Glauben bekennt oder einen
Kultus iibt, der mit der Lehre von der absoluten Einheit Gottes im
Widerspruch ist, so wird dies ihm, demjuden, als Abgotterei,
als Gotzendienst angerechnet ... subjektiv fiir den Juden
ist es Abodah zarah, nicht aber objektiv (fur den
Nichtjuden)." —
Nach dem ehemen Grundsatze der Thora, der sich in dem Bilde
von dem Bunde Gottes mit Noah spiegelt, dafi Rechts- und Ver-
antwortungsgefuhl die Grundlage eines hoherwertigen Lebens sind,
miissen die Bekenner des Christentums, das eine hohere Stufe als
70
die der Noachiden darstellt, notwendigerweise in bezug auf das
rechtliche Verhallnis als vollig gleichberechtigt mil den Be-
kennem des Judentums erachtet werden. Nach dem alien, aber
fiir das Judentum ewig giiltigen jiidisch-religibsen Rechtsbegriffe, der
oben dargelegt worden ist, wachsl aber die Rechts verpflich-
t u n g gegen die umwohnenden Menschen und Vblker um so mehr,
je mehr Sittlichkeit in deren Bekenntnis und in deren Rechtsprechung
enthalten ist. Und darumerklarenwir f e i e r 1 i c h : Es
ist ein Ab er g 1 a u b e , d a 6 die jiidische Religion
die Christen mit jenen alien Gblzendienern auf
die gleiche Slufe geslelll halle, von denen schon
der Talmud vor 1 800 Jahren erklarl hal, d a 6 sie
aus den damaligen Kullurlandern geschwunden
w a r e n — , d a 6 der Talmud oder der Schulchan-
Aruch oder irgendein sonsliges ernsl zu n eh men -
des jiidisches Geselzbuch die Chrislen auf eine
niedrigere Slufestellt als die Noachiden, als
welche dem Judenlum schon alle gesilleten
Volker gallen, die vor 2000 Jahren leblen, — ein
Aberglaube, weil ja doch Chrislenlum ohne
Goll, ohne Silllichkeil und ohne Rechlsord-
nungundenkbarisl, dieseZiige abernachjiidisch-
r el i g i 6 s e r A u f f a s s u n g gerade die wesenhaflen
Merkmale der Gesillung bilden, und weil doch
das dem Judenlum bis auf den heuligen Tag
heilige Buch, aus welchem alle Rechlsgrund-
salze der jiidischen Religion slammen, die
Thora, auch dem Chrislenlum unler dem Namen
,,A lies Teslamenl" als heilig gill — ein Aberglaube
endlich, weil die kultivierten chrisllichen Vblker den u n I r u g -
lichen Beweis fiir ihr Rechlsempfinden mil einer Tal gegeben
haben, die der Jude am allerwenigslen iibersehen kann, weil er sie an
sich selbst erfuhr, einer Tal, die fiir das Judenlum die schbnsle
Auswirkung der Gesitlung ist, namlich mit der — rechtlichen
Gleichstellung der Juden.
Wxifite ein auf einer fernen Insel wohnender jiidischer Religions-
gelehrter nichls vom Chrislenlum, wiirde er nie gehorl haben von
einem Kanl und einem Lessing, einem Herder und einem Humboldl,
einem Delilzsch und einem Foersler — um nur einige wenige Namen
zu nennen — , hatte er nur dieses eine vemommen, die europaische
Kullur stelle die Forderung der Gleichberechligung aller Staatsbiirger
auf; er wiirde diese ihm vollig unbekannlen europaischen
71
Volker im Geiste der jiidischen Religion
mindestens ads Noachiden bezeichnen m ii s s e n , deren Schadi-
gxing, Hintergehung, Obervorteilung thorawidrig, judentums-
wichtig ist. Das alles ist das unumstoBliche E r -
gebnis der oben dargelegten Thesen der jiidi-
s c h e n Religion. Er wiirde nicht etwa blofi aus Dankbarkeit
so urteilen, aus Dankbarkeit etwa fur die rechtliche Gleichstellung
der Juden, sondern weil nach urjiidischer und e w i g -
jiidischer religioser Oberzeugung das Gewahren
der Gleichberechtigung an Fremde, gleichviel ob diese
Fremden Juden oder Neger sind, der zuver-
lassigste Mafistab fur den Grad der Gesittung
ist. Gerade dieses ist es dochi, was wir Juden
anunsererThorabegeistertruhmen.dafisievor-
schreibt, die Fremden gr un d s a t zl i c h den Ein-
heimischenrechtlichgleichzustellen. Und das
Judentum sollte in Wirklichkeit an den gesitte-
ten Volkern der Gegenwart das gleiche Ver-
fahren, namlich d a £ sie die Juden zu Einhei-
mischen machen, von Re 1 i g i o n s w e gen nicht zu
achten brauchen? Das ist ein W ahngedanke. Die
Juden selbst mil ihrem Rechtsgenufi in den Kul-
turlandern, sind die lebendigen Zeugen des ver-
edelten Rechtsbewufitseins der heutigen Kultur-
v 6 1 ker !
Rohling und Justus-Brimann wufiten schon recht gut, wozu
sie ihrer Gemeinde vor allem dieses Dogma einhammern miiSten, dafe
a 1 1 e Paragraphen des Schulchan-Aruch (also auch diejenigen, welche
offenkundig Gotzendiener betreffen) , sich auf die Christen
b e z i e h e n. Dieser Punkt mufite verschleiert und, wie im nachsten
Kapitel nachgewiesen werden soil, auch sonst noch manches Kunst-
'stiick mit dem Text vorgenommen werden, dann war der Plan gegen
das Judentum geniigend gestiitzt.
Die jii.dischen Gesetzeslehrer haben aber
ihre hohe Meinung vom Christentum, nicht erst
nach erfolgter rechtlicher Gleichstellung sich
g e b i 1 d e t , sondern schon zu einer Zeit, wo sie selbst noch geachtet
und geknechtet waren, wo sie selbst noch in finstere Ghetti gesperrt,
mit einem besonderen Leibzoll bedacht und mit einem schmutzigen
Abzeichen am Kleide gebrandmarkt wurden. Unsere gelehrten Vor-
fahren haben die Mafinahmen einzelner christlicher Machthaber und
Stadtvogte nicht mit dem Christen t u m verwechselt und haben die
72
Untaten, welche e i n z e 1 n e Christen an ihnen veriibt haben, nicht
alien Christen zur Last gelegt.
Wir fuhren in den folgenden Zeilen einige, meistens in religions-
gesetzlichen Abhandlungen vorkommende Aufierungen der hervor-
ragendsten Autoritaten der Juden des friihen Mittelalters bis zur Neu-
zeit iiber die Andersglaubigen an.
Der TannadebeElijahu (10. Jahrhundert) lehrt: ,,Zum
Zeugen rufe ich an Himmel und Erde! Ob es ein Israelit oder
ein Anbeter der Gestirne, ein Mann oder ein Weib, ein Sklave oder
eine Sklavin ist; — fiir alle gilt: ,Je nach der Tat, die sie vollbringen,
ruht auch der heilige Geist auf ihnen" (Rabba, Abschnitt IX).
Femer: „ . . . Deshalb sagfen unsere Weisen: Der Mensch halte sich
fern vom Raube, sei es beim Israeliten, sei es beim Nichtisraeliten . . .
weil, wer einen Nichtisraeliten bestiehlt, gleich dem ist, der einen
Israeliten bestiehlt; wer einem Nichtisraeliten einen Eid leistet, gleich
dem ist, der einem Israeliten einen Eid leistet; wer einem Nicht-
israeliten etwas ableugnet, gleich dem ist, der einem Israeliten
etwas ableugnet; wer das Blut eines Nichtisraeliten vergiefat, gleich
dem ist, der das Blut eines Israeliten vergiefit (Rabba Kap. XXVIII).
R. Moses aus Coucy (Ende des 1 2. Jahrhunderts) be-
lehrt uns: ,,Diejenigen, die liigenhaft sind gegen Andersglaubige . . .
gehoren zu der Klasse derjenigen, die den Namen Gottes entweihen,
weil sie Schuld sind, dafs man von den Juden sagt, sie waren ohne
Gesetz" ... — ,,Man darf in Handel und Wandel keinen Menschen,
ohne • Unterschied, betriigen oder mil Worten tauschen." (Sefer miz-
woth haggadol.)
R. Ascher ben Jechiel (13. Jahrhundert) setzte in sein
Testament u. a. die Worte hinein: ,,Bleibe dankbar jedem, der dir
zu deinem Brote verholfen; sei aufrichtig und wahr gegen jedermann,
auch gegen Nichtjuden; griifie jeden zuerst ohne Unterschied des
Glaubens".
R. IsaakAboab (13. Jahrhundert) : ,,Es gibt Menschen,
welche ihre Nebenmenschen tauschen, indem sie ihnen vorreden, dafi
sie ihnen einen Gefallen getan hatten, wahrend dieses gar nicht ge-
schehen ist; in solcher Beziehung sagen unsere Rabbinen: Man darf
auf keine Weise die Menschen tauschen, selbst die Heiden nicht"
,, . . . Jede Art von Tauschung wird dem Gotzendienste gleich-
geachtet" (Menorath hammaor Kap. II und HI).
R. Bechaib. Ascher (13. Jahrhundert) ,,Gerechtigkeit,
Gerechtigkeit sollst du anstreben! dieses Gebot aus V. Buch
Mos. 1 6, 20 gilt in gleicher Weise gegeniiber Juden und Nichtjuden"
(Kommentar, Abschnitt Behar, Ausg. 1870, S. 17).
R. JechielbenJekuthielausRom (13. Jahrhundert)
sagt in seinem ..Sittenbuche" u. a.: ,,Seid demiitig und bescheiden!
. . . Die Demut erfordert Unrecht leiden ohne Wiedervergeltung,
den Zorn bandigen und mit dem Nachsten in Frieden leben. Solches
Verhalten mufi auch gegen Nichtjuden betatigt werden" . . . ,,Seid
ehrlich selbst mit Worten, wie unsere Weisen sagen: euer Ja sei ja,
euer Nein sei nein. Solltet ihr aber meinen, ihr waret Ehrlichkeit nur
den Juden schuldig, weil er sich gegen euch briiderlich betragt, so
haben gegen solche Meinung bereits unsere Lehrer mit der Mahnung
vorgesorgt: Es ist verboten, Nichtjuden zu betriigen. Baut ein Nicht-
jude auf euer Wort und Handeln, so miifit ihr auch ehrlich und treu
gegen ihn sein".
Rabbi Menachem ben Salomo Me'iri, der im
1 3. Jahrhundert in Frankreich wirkte, in einer schweren Leidenszeit
der franzosischen Juden, schreibt zu der Talmudstelle Traktat Baba
kama Blatt 1 1 3, Seite 2 : „ . . . Wer jedoch zu den Volkern gehort,
welche Gesetz und Recht iiben und in irgendeiner Weise die Gott-
heit verehren, mag auch ihr Glaube von unserem Glauben verschieden
sein, steht nicht unter dieser Regel (der Fremdengesetze des Talmud) .
Solche sind vielmehr in jeder Hinsicht, sowohl in bezug auf ver-
lorene Sachen, als auch in bezug auf ,,Irrtum" und in alien anderen
Dingen vollstandig wie ein Israelit zu behandeln, ohne irgendwelchen
Unterschied (S. Hoffmann, a. a. O. S. 6 mit hebraischem Original
aus Schitta Mekubbezeth) .
In dem Sittenbuche ,,Orchoth Zaddikim", Kapitel 8, ist zu lesen:
,,Sei mildherzig gegen deine nicht jiidischen Dienstboten, erschwere
ihnen die Arbeit nicht, behandle sie nicht geringschatzig durch ver-
achtliche Worte oder Schlage" — Kapitel 9 : ,,W enn du siehst,
dafidieMenschennichtsind.wiesieseinsollten,
so freue dich nicht dariiber, sondern es tue dir
leid.d'ennselbstfiirdeinenFeindsollstdubeten,
dafi er Gott dienen mbg e". (Winter und Wiinsche, Jiidische
Literatur III, 640.)
Im Kleinen SeferChassidim (15. Jahrhundert) , S. 1 2a,
heifit es: ,,Wenn du irgend eine Sache von einem Nichtjuden auf
Treu und Glauben erhalten hast, und er es vergifit; oder wenn er dir
irgend etwas verkauft, jedoch vergessen hat, dafiir die Bezahlung
zu nehmen: so unterlasse nicht, ihn daran zu erinnern und ihn zu be-
zahlen. Obe gegen ihn uberhaupt keinerlei Trug und Tauschung".
74
R. BezalelAschkenasi (15. Jahrhundert) bemerkt zu
Talmud Traktat Baba kama Bl. 113 das folgende: ,Jede Zolldefrau-
dation ist verboten . . . Gehort der Klager (gemeint ist ein Zoll-
wachter, der einen Juden wegen Hinterziehung verklagt) aber einem
Volke an, in dem Gesetz und Recht gehandhabt wird, und mag
dieses Volk auch aus Gbtzendienem bestehen, dann . . . ,,mufi das
Recht den Berg durchbohren" (mufi nach strengstem Recht geurteilt
werden), mag es auch fur den Juden nicht giinstig sein" . . . ,,Wer
einem Volke angehbrt, in welchem Gesetz und Recht gehandhabt
werden und der wahre Gott angebetet wird, mag sein Glaube
auch von unserm Glauben verschieden sein,
ist in jeder Hinsicht dem Juden gleichzu-
achten, und es darf kein Unterschied gemacht
werden zwischen diesem und einem Juden,
mag es sich um das Zuriickerstatten einer gefun-
denenSache (s. oben S. 47 f.) oder um irgendetwas
anderes handel n." (Siehe Winter und Wiinsche, Jiidische
Uteratur II, S. 503.)
R. SalomoAl'ami (15. Jahrhundert): ,,Wenn du ver-
kaufst oder kaufst, so ubervorteile niemanden! Dein Wort entweihe
nicht und deiner Lippen Ausspruch andere nicht ab! So einer jedoch
mit dem Betrug an einem Nichtjuden es leichter nimmt, der ist ein
Lii genredner ; man rechne ihn zu den Obeltatem, die Gott ein
Greuel sind". (Sittenlehre, Leipzig 1854, S. 11).
R. Abraham Halevi Horwitz (16. Jahrhundert) er-
mahnt in seinem Sittenbuche: ,,Befleifiigt euch der Redlichkeit in euerm
geschaftlichen Verkehr, denn die erste Frage, die Gott an die Seele
des Menschen richtet, wenn sie vor seinem Throne erscheint, ist:
warst du allezeit redlich in deinem Handel und Wandel! . . . Habt
ihr eine Schuld einzufordern, dann treibt sie nicht mit Strenge ein
weder von Juden noch von Nichtjuden" ....... Ihr sollt euch
nicht blo6 hiiten, euch an fremdem Eigentume zu vergreifen, ihr miifit
euch auch vor Gesinnungsdiebstahl hiiten, d. h. ihr diirft den
N eben mens chen , auch wenn er einem fremden
Glauben angehbrt, iiber cure Gesinnung nicht
t a u s ch en."
David de Pomis, beruhmter jiidischer Arzt und Gelehrter
(geb. 1525) aufiert sich in einer in Venedig 1588 gedruckten Schrift
wie folgt: „ . . Mit Ausnahme der Zeremonien und Traditionen
beobachten sie (Juden und Christen) dieselben Gesetze . . . denn
welcher von den Kirchenvatern schreibt wohl vor, dafi man Gott nicht
von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieben soil ... all dieses
und vieles ahnliche gilt bei Juden und Christen als ewig gultige
Satzung. Selbst ein Blinder mufi daher erkennen, d a 6 religiose
Verschiedenheiten ganz und gar nicht Juden und
Christen zu Verbrechen gegen einander fiihren
k 6 n n en."
R. Elieser Askari (16. Jahrhundert) : ,,Man darf die
Menschen nicht tauschen, auch den Nichtjuden nicht; nicht einmal,
wenn es sich nur urn Worte handelt". (Sefer Charedim, Kap. 5.)
Manasse ben Israel, geb. 1 604, in seiner Schrift ,,Er-
klamng an die Republik Englands". „ . . . Unserm Gesetze zufolge
gilt es als eine weit grofiere Siinde, einen Fremden zu berauben oder
zu betriigen, als seinen eigenen Glaubensbruder, weil der Jude ver-
pflichtet ist, jedem Menschen seine Liebe zu zeigen, denn ihm wurde
das Gebot, weder den Edomaer noch den Agypter zu verabscheuen . . .
Werden nichtsdestoweniger einige gefunden, welche diesem Gesetze
zuwiderhandeln, so tun sie das nicht als Juden, sondern als abscheu-
Kche Kreaturen, wie man ja unter alien Nationen schandliche Leute
und Wucherer antrifft."
R. Moses Ribkes (erste Halfte des 1 7. Jahrhunderts) er-
klart: ,,Unsere Weisen haben nur von den Gotzendienern, die in jener
Zeit existierten, gesprochen . . . Diejenigen Volker jedoch, unter deren
Schutz wir Israeliten wohnen, glauben nicht nur. . . . (an die Welt-
schopfung), sondern noch viele andere Glaubensartikel, und ihre Ab-
sicht ist stets auf den Schopfer des Himmels und der Erde gerichtet
- wie dies schon diejenigen jiidischen Gesetzeslehrer geschrieben
haben, die von Isserles zitiert werden — und wir miissen daher stets
auf deren Wohlsein bedacht sein" (zu Choschen Mischpat,
§ 425, 5). — Ferner: ,,Da es bei Maimonides und im Schulchan-
Aruch heifit: ,,Man gibt dem Akum keine verlorene Sache zuriick,
weil man dadurch die Sunder unterstiitzt" (s. oben S. 47), so ist
daraus zu schliefien, dafi dies nur von den gotzendiene-
rischen Volkern gilt, aber nicht von den Volkern
derjetztzeit, die an den Weltschopfer glauben,
und deren Rechtsgesetze gebieten, eine verlorene Sache zuriickzu-
geben" (zu Schulchan-Aruch Choschen-Mischpat, § 266, Abs. 1 ) .
Hier ist also nicht nur etwa eine persbnliche gute Meinung von
den Christen ausgesprochen, sondern die religionsgesetz-
licheVerpflichtung des Juden festgestellt.
R. Jai'rChajjimBacharach (17. Jahrhundert) aufiert
sicr> wie folgt: Die Nichtjuden der Gegenwart sind in keiner Beziehung
Gbtzendiener, nachdem sie ja an den Schopfer des Himmels und der
76
Erde glauben" (Chawwoth Jair, gedruckt in Frankfurt a. M. 1 699,
Seite 5b).
R. Moses Chages (geboren 1670) fiihrt aus: ,,Wenn
uns Gott befohlen hat - - V. Buch Mos., Kap. 23, V. 8 — 9 — die
Agypter, die uns knechteten und unsere Kinder im Wasser ertrankten,
und die Edomiter, die uns mit dem Schwerte verfolgten und uns zu
vertilgen strebten, nicht zu verabscheuen, weil wir einmal Gastfreund-
schaft in ihrem Hause genossen, um wievielmehr miissen wir den
Vb'Ikern und Fiirsten dankbar sein, in deren Landern wir wohnen.
Wir miissen treue Untertanen sein und das Wohl und das Heil unserer
Wohltater stets fordern." (Ele ha-mizwoth, § 564.)
R. Joseph Jabez (17. Jahrhundert) schreibt: ,,Die heu-
tigen Volker glauben an die Weltschb'pfung, an die Erzvater . . .
Gepriesen sei Gott, der uns nach der Zerstorung des (jerusalemischen)
Tempels diese Hilfe gebracht hat, denn ohne diese wiirden wir -
Gott behiite, im Glauben wankend geworden sein, wenn noch
der Gotzendienst wie in friiheren Zeiten in. der
W e 1 1 w a r e ". (Maamar ha-achduth, Kap. 3, s. Hoffmann, S. 15.)
R. Jacob Emden (geb. 1698) hat eine grofsere gelehrte
Abhandlung liber Judentum und Christentum unter Beriicksichtigung
der neutestamentlichen Schriften verfafit. Er beruft sich auf
Matthaus, Kap. 5, um zu zeigen, dafi weder Jesus noch die Apostel
beabsichtigt hatten, die Thora bei den Juden zu vernichten. Denn
im Evangelium Matthaii heifit es: ,,Wahnet nicht, dafi ich kam, das
Gesetz aufzulosen, sondern nur, um es zu erfullen. Ich sage euch,
wenn auch Himmel und Erde vergehen werden, so wird doch nicht
e i n Buchstabe, noch e i n Piinktchen vom Gesetze aufgelost, sondern
alles mufi erfiillt werden. Darum, wer auch nur eines von den klein-
sten Geboten aufloset, wird der Kleinste heifien im Himmelreich".
Dasselbe ist zu lesen in Lucas, Kap. 16. — Und Emden fahrt also
fort: ,,Fiir die Heiden sollte das Christentum gestiftet werden . . .
mit den Verboten der Abgotterei, Unzucht . . . Der Stifter des
Christentums hat der Welt eine doppelte Wohltat erwiesen; von der
einen Seite hat er, wie bereits erwahnt, mit aller Kraft die Lehre
Mosis befestigt und deren ewige Verbindlichkeit nachdriicklichst be-
tont; andererseits hat er den Heiden eine grofie Wohltat erwiesen,
dafi er die Abgotterei von ihnen entfernte, sie zu
den Siebengeboten verpflichtete und dazu ihnen eine
Morallehre gab . . . Wiirden dies einige von den
christlichen Gelehrten begreifen . . . die glauben, dafi es
ihre Schuldigkeit sei, das Gesetz bei den Israeliten
aufzulosen . . .wahrlich sie wiirden nicht derartiges . . . untemehmen,
77
was den Verfassern des Neuen Testaments nie in den Sinn gekommea
ist . . . Diese verkehrten Gelehrten haben grofien Hafi gegen die
Kinder Israels angefacht, anstatt dafi sie den Herzen der Volksmassem
Liebe fiir die ihrem Gotte treu anhangenden Israeliten einflo&en sollten,
wie ja ihnen von ihren Lehrern vorgeschrieben ist, dafi sie sogar ihre
Feinde lieben, um wievielmehr uns . . . Nichtsdestoweniger wollen
wir stets Gott preisen . . . wir befleifiigen uns zu beten ... fiir das
Wohl der Gesamtmenschheit, besonders fiir das Wohl der Volker,
in deren Mitte wir wohnen, weil ihr Wohl auch unser Wohl ist (nach
dem Vers im Propheten Jeremiah, Kap. 29)" (Sendschreiben zum
Seder Olam, Hamburg, 1757). — Derselbe Gelehrte schrieb femer
(Metheg lechamor, S. 1 7 b) : „ . . . Ich habe schon oft nachgewiesen,
wie oft die Weisen unter den Christen die Israeliten in der Erfullung
ihres Gesetzes unterstiitzt haben. Auch Maimonides schreibt (Jad
ha-chasaka, Kapitel Hilchoth Melachim), dafi das Christentum und
der Mohammedanismus den Weg fiir die kiinftige Erlosung angebahnt
haben." ,,Der Israelit war nicht verpflichtet, dem H e i d e n die von
ihm verlorene Sache zuriickzugeben, weil der Heide ajuch dem Israe-
liten dessen Verlust nicht zuriickgab. Siehe oben Seite 47). Dies
alles gilt aber nur von jenen Volkern, die weder den Weltschopfer noch
die Thora kannten, also gar keine Gemeinsamkeit mit uns hatten. Da-
gegen ist es langst bekannt, dafi die jetzigen Volker, welche an die
Grundlehren der Thora glauben, von uns nicht als Nochrim (Landes-
bezw. Religionsfremde) bezeichnet werden konnen" . . . ,,Wenn uns
schon in bezug auf die friiheren Volker, die Gott gar nicht kannten,
die Tauschung der Menschen im allgemeinen verboten wurde, um
wievielmehr mufi es uns fern sein, die jetzigen Volker, welche Gott und
seine Lehren kennen, zu iibervorteilen, zu betriigen . . ." (Lechem
Schomajim zum Traktat Aboth, 3. Teil, S. 34 — 35, ge-
druckt 1 758 — 62. Siehe auch Hoffmann, Schulchan - Aruch,
S. 23—31).
R. Eleasar Fleckeles (18. Jahrhundert) spricht sich
ausfiihrlich iiber das Verhalten von Juden zu Nichtjuden aus und
schreibt in der Vorrede zu seinen Gutachten ,,Teschubah meahawah" :
„ . . . Unsere talmudischen Lehrer haben uns befohlen und einge-
scharft, der Nation, unter deren Schutz wir leben, stets dankbar zu
sein, niemandem Unrecht zu tun, selbst denen nicht, welche sich noch
zum krassen Heidentum bekennen, geschweige denn der Konfession, in
deren Mitte wir leben und in unserer Zeit." — „ . . . Wenn nun dieses
Verbot (der Irreleitung der Nebenmenschen) selbst wirklichen Heiden
gegeniiber gilt, wieviel mehr den h e u t i g e n Nichtjuden gegeniiber,
fiir welche doch auch in jeder anderen Hinsicht der Rechtsgrundsatz
78
mafegebend ist, dafi sie nicht als Heiden gelten" . . . ,,Wer kann dann
so toricht, so herz- und sinnlos sein, die Nationen, unter deren Schutz
wir . . . leben, zu schmahen und zu verhbhnen? Dies kann nur
ein elender Mensch und religionsverachtender Jude tun" . . . ,,Indessen
geziemt es auch fiir jene Betorten, welche sich zum scheufilichsten
Gotzendienste bekennen, zu Gott zu beten, dafi er sie begnadige, da-
mit sie von dem Irrwege zuriickkehren."
R. Jonathan Eibeschiitz (18. Jahrhundert) lehrt :
,,Von solchen (Gotzendienem) nur sprachen die alien Propheten, denn
die damaligen Heiden verleugneten Gott und sprachen zum Holze:
,,du bist mein Vater" (Vers aus dem Propheten Jeremijah Kap. 2) .
Dagegen gilt von einem Nichtjuden, der an Gott und seine Vorsehung
glaubt, der talmudische Ausspruch: ,,Selbst ein Nichtjude, der sich
mil der Thora beschaftigt, ist dem Hohenpriester gleichzuachten"
(Jaaroth-dewasch, Karlsruhe 1779-83, T. I, 3).
R. IsaakLampronti (18. Jahrhundert) , Verfasser einer
grofien talmudischen Enzyklopadie, eines wissenschaftlichen Nach-
schlagebuchs (gleich einem Lexikon), schickt dem Artikel Goj ,,Nicht-
jude" eine Abhandlung voraus, mit dem wissenschaftlichen Nach-
weise, dais die im Talmud iiber ,,Nichtjuden" vorkommenden
Lehrsatze sich unmoglich auf die Christen beziehen konnen (Pachad
Jizchack, gedruckt in Venedig 1750).
R. MoseKonitz (18. Jahrhundert) entscheidet in seinem
Werke Sefer ha-ojen (Wien 1 796) Kap. 1 5, Abs. 53: ,,Die Volker,
unter denen wir jetzt leben . . . sind vollkommen den Israeliten gleich
zu achten, so dafi alle die Gebote: ,,Liebe deinen Nachsten wie dich
selbst" — ,,Du sollst nicht morden" - ,,Du sollst nicht rauben"
,,Lege deinem Bruder keine Wucherzinsen auf" und andere — ihnen
gegeniiber ebenso zu beobachten sind wie gegeniiber unseren Glaubens-
genossen."
Anhlich aufiern sich R. Elia Pinechas ben Meir (im
Buch Sepher ha-berith, II. Teil, Kap. 13), R. Israel Lipp-
schiitz (im Tif'ereth Israel, Kommentar zu Mischnah- (Talmud-)
Traktat Baba kama, Abschnitt 4, Abs. 3), R. Jacob Zebi
Mecklenburg (Verfasser des bedeutenden Werkes ,,Die Schrift
und die Oberlieferung") im AnschluE an das Gebetbuch.
So ist die geistige Sphare beschaffen, aus welcher der Schulchan-
Aruch im weiteren Sinne wie uberhaupt die jiidischen Religions-
gesetzbiicher ihre Lehren geschopft haben. Einer der beruhmtesten
Rabbiner der neuen Zeit, Samson Raphael Hirsch, hat
in seinem Werke ,,Choreb" (erschien zuerst im Jahre 1837),
79
welches heute als m a 6 geb end es jiidisches Reli-
giensgesetzbuch gilt, wie folgt geschrieben : § 609 :
,,Es ist fiir Jissroel religiose, nicht minder als alle ubrigen
heilige, von Gott geordnete Pflicht: in jedem Lande, wo es weile,
nicht nur alle die Pflichten zu erfullen, die des Landes Gesetze aus-
driicklich fordern, sondern uberhaupt mit Gesinnung, Wort und Tat
Alles zu tun, was dem Lande nur zum Heile gereichen kann . . .
gerecht und freudig an Vermogen, an Kraft und Einsicht alles zu
spenden, was das Ganze zum Wohle aller von dem einzelnen fordert,
und selbst das Leben hinzugeben, wenn zur Verteidigung das Vater-
land seine Sohne ruft. — Aber zu dieser aufaern Gesetzmafeigkeit mufi
auch noch die innere kommen: mit Herz und Gesinnung treu zu sein
dem Lande, treu dem Fiirsten, mit Liebe und Stolz zu hangen an des
Landes Ehre, eifrig zu streben, wo und wie du kannst, auf dafi die
Anstalten des Landes bliihen. ... fiir Wahrheit, fiir Recht, fiir Frieden
tatig zu sein und fur Gemeinsinn in jedem einzelnen. Lasse nicht
von deiner Pflicht, die Gott von dir fordert; Treue gegen Furst und
Land und Heilesforderung, wo und wie du kannst." —
Was aber die jiidischen Religionsbiicher der N e u z e i t
lehren, miifste doch eigentlich den antisemitischen Flugblatt-
mannem bekannt sein. Denn es geschah doch wohl
auf Betreiben der Antisemiten, d a 6 die ,, Neue
Preufiische Zeitung" am 30. September 1892
(Nr. 458) verlangt hatte, d a 6 ,,eine umfassende
amtliche Untersuchung" der Religionslehre der
Juden veranstaltet werde und dais das preuSische Kultus-
ministerium eine eingehende Untersuchung von 551 jii-
dischen Lehrbiichern auch wirklich veranlafit
hat. Die Flugblattverfasser hatten doch eigentlich, wenn sie sich
wegen des Inhalts der jiidischen Religionsbiicher beunruhigt fiihlten,
Gelegenheit gehabt zu erfahren, da6 bei der erwahnten a m 1 1 i c h
geleiteten Untersuchung in keinem einzigen der
untersuchten jiidischen Lehrbiicher irgend
etwas gefunden worden ist, was gegen die
sittlichen Anschauungen der Gegenwart ver-
s 1 6 6 1 (s. Reichsanzeiger vom 28. September 1 893) . —
Die berufenen Vertreter des Judentums haben seit dem Beginne
des 19. Jahrhunderts zu wiederholten Malen bffentlich erklart, dafi
die Religion des Judentums ihren Bekennern strengstens befiehlt, die
christlichen Mitbiirger als B r ii d e r zu betrachten und demgemafi
letzteren gegeniiber sich nichts zu erlauben, was dem Juden gegeniiber
verboten ist. Dies erklarte das auf Vorschlag Napoleons im Jahre
80
1806 zusammenberufene ,,Grofie Synedrium", ferner der Deutsch-
Israelitische Gemeindebund im Jahre 1889 (,,Grundsatze der
jiidischen Sittenlehre") und samtliche Rabbiner Deutschlands
(im Jahre 1 884) . — (Siehe auch Hoffmann, Gutachten, dem
Kgl. Landgerichte zu Leipzig erstattet, 1910).
Selbstverstandlich blieben die Absonderungsmafinah-
m e n , soweit sie das rituell-kultuelle Gebiet der Religionsiibung be-
treffen, in Kraft. Wir haben bereits oben im II. Kapitel (S. 37) diesen
Punkt ausfuhrlich erortert ; es ist hier also nicht notig, diese Mafinahme
noch einmal zu begriinden. Der Schulchan-Aruch hat sie ubernommen
und war gewifi auch berechtigt, sie dort, wo es notig erschien, noch
ausfuhrlicher zu behandeln. In welcher Weise Justus-Brimann diese
an sich berechtigten Verordnungen mifideutet und fiir seine Zwecke
ausgeschlachtet hat, soil in Kapitel IV gezeigt werden.
Ganz im Geiste des Talmud ordnet der Schulchan-Aruch an,
II, 335 : ,,Man besuche fleifiig die Kranken . . . auch nicht jiidischen
Kranken mache man Besuch." (Krankenbesuch gilt nach Mischnah-
Traktat Peah, Abschnitt I, als eine der wichtigsten Forderungen der
Menschlichkeit.) — 'Ebendort § 367, 1 : ,,Man begrabe die Toten
der Nichtjuden, troste ihre Trauernden und wandle so die Wege des
Friedens". - - Ebendort § 25 1 , 1 : ,,Man darf armen Nichtjuden
nicht verwehren, die Nachlese, die vergessenen Garben und die an den
Ecken der Felder stehengelassene Frucht aufzulesen". (Diese Ab-
gaben sollte man urspriinglich den Armen im Lande Israel zu-
wenden.) — Ebendort I § 694, 3: ,,Wo es Gebrauch ist, am
Purimfeste auch an arme Nichtjuden Geschenke zu verteilen, da soil
der Gebrauch befolgt werden". — Ja, die Riicksicht auf die Mensch-
lichkeit hat auch die Liturgie des Passahfestes beeinflufit: Wahrend
man an alien Tagen der Wallfahrtfeste und des Makkabaerfestes
(Chanukkah) den ganzen Hallel-Lobgesang (Psalmen) spricht, wird
an den spateren Tagen des Passahfestes dieses Gebet durch Weg-
lassungen gekiirzt, um dadurch zum Ausdruck zu
bringen, d a 6 der Festesjubel beschrankt werden
musse mit Riicksicht darauf, daft dieAgypter um
diese Zeit, an welche das Festerinnert, im Meere
ertranken ... ,,Und es ist, als sprache Gott : Meine Geschopfe
versanken im Meer, und ihr wollt mir Loblieder singen?" (Sch.-
Aruch I § 496, Ture sahab.) —
1 6. These : Der Schulchan-Aruch hat nebst vielen n u r
auf altheidnische Verhaltnisse passenden
k u 1 1 u e 1 1 e n Vorschriften auch alte, auf kulturell niedrig
6
81
stehende Zustande berechnete Fremdengesetze a u s d e m
Talmud aufgenommen, die teils schon im Haupttext selbst
oder aber in dem Kommentare als den Wirklichkeitsverhalt-
nissen nicht mehr entsprechend bezeichnet und darum aufier
Kraft gesetzt werden. Die Bestimmung dina
d i mal chu tha dina (= d as S t a a t s ges e t z gi 1 1
als Gesetz) hat der Schulchan-Aruch u n
angetastet gelassen. ( Ausfiihrliches hieriiber
s. S. 123ff.)
IV. Kapitel.
Irrtumer und Falschungen.
Die „ A k u m " -Legend e.
Fiir das Unheil, welches eine grundlose Beschuldigung zeitigt, bleibt
die Frage gleichgxiltig, ob der Urheber der Anklage aus Irrtum oder
aus Absicht handelt. Nur fiir die Beurteilung des Verleumders selbst be-
deutet dies einen wesentlichen Unterschied: Irrtum ist eben menschlich.
Wir wiirden darum selbst einen Rohling freisprechen, wenn er bei
seinem e r s t e n offentlichen Auftreten nur die eine Behauptung auf-
gestellt hatte, dafi der Schulchan-Aruch bei der NennUng von Anders-
glaubigen anscheinend die Christen gemeint habe. So ~f a 1 s c h
diese Behauptung an sich ist, damals, als Rohling zum erstenmal sie
aussprach, mufite sie noch nicht eine bewufite Falschung sein,
denn in der Tat gibt es eine Reihe von Schulchan-Aruch-Ausgaben,
in welchen sich durchweg als einheitliche Bezeichnung
fiir alle Nichtjuden das Wort ,,A k u m" findet. ,,Akum"
bedeutet aber als ein hebraisches Kurzwort (ahnlich wie die HAPAG
— Hamburg- Amerika-Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft) das folgende:
A (o) b de Kochabim U-Masaloth = Steme und Pla-
netenanbeter, d. h. also Gotzendiener. Da nun in v i e 1 e n
Schulchan-Aruch- (und auch Talmud-) Ausgaben durchweg
cfieser Ausdruck (Akum) fiir die Bezeichnung von Nicht-
juden zu finden ist, so war dem uneingeweihten Schulchan-
Aruch-Leser zweifellos Veranlassung gegeben, mit Bestimmtheit an-
zunehmen, dafi der Schulchan-Aruch auch die Christen als Akum
(Gotzendiener) bezeichnet, zumal, da unbeschadet der Tatsache, dafi
viele Vorschriften des Schulchan-Aruch sich offenbar auf
He id en beziehen (s. Seite 67), es jedenfalls eine Stelle gab,
wo nur ein Christ gemeint sein konnte, auch dort aber die Be-
zeichnung ,,Akum" gebraucht wird. Geschieht das aber an e i n e r
Stelle, so durfte zu Rohlings Zeiten noch vcrmutet werden, da& auch
andere Vorschriften, in welchen die Bezeichnung Akum vorkonunt,
6*
83
sich auf die Christen beziehen. Diese eine Stelle, wo der Tatbestand
gesichert erschien, ist Schulchan-Aruch I, § 111 3, Abs. 8: ,,Wenn
einer (ein Jude) die Tefillah (eines der Hauptgebete) spricht, und
es kommt ein ,,A k u m" ihm entgegen, der ein Kreuz in der
Handtragt, und er (der Jude) an einer Gebetstelle halt, wo man
sich verneigen mufi, so soil er sich nicht vemeigen." — Was den
I n h a 1 1 dieser Vorschrift an sich betrifft, so wird man — wie bereits
christliche Beurteiler es ausgesprochen haben — ,,billigerweise den
jiidischen Gesetzgebern die Vorschrift nicht verargen konnen, dafi
der Jude den Schein vermeiden solle, dafi er dem Kruzifixe religiose
Verehrung erweise". Allein, dafi ,,Akum" auch einen Christen
bedeuten konne, ware hiernach erwiesen, denn hier ist die Rede von
einem ,,A k u m, der ein Kreuz tragt". Ein Kreuz tragt aber nur
ein Christ, also ist ,,Akum" = Christ.
In der Tat scheint hier ein unumstofilicher Beweis fur die
Rohlingsche These vorhanden zu sein. So war denn bei der Vor-
bereitung des Rohlingschen Prozesses in Wien die Aufmerksamkeit
der Offentlichkeit ganz besonders auf diesen Punkt gelenkt. Man
begann die Stelle im Schulchan-Aruch eifriger zu priifen, man verglich
verschiedene Ausgaben miteinander und kam endlich auf den Ge-
danken, auch hierbei, wie es ja heute bei jeder textkritischen Unter-
suchung Gepflogenheit ist, nach den altesten Druckeh
zu forschen, weil diesen altesten Auflagen in der Regel noch
die korrigierten Handschriften der Verfasser oder deren zuver-
lassige Abschriften als Vorlage dienten. Hierbei entdeckte der Dozent
(jetzige Rektor) des Berliner Rabbiner-Seminars, Herr Professor
Dr. Hoffmann, dafi indenzweiimBesitzederSeminar-
Bibliothek befindlichen altesten Schulchan-
Aruch-Ausgaben, von denen die eine in Venedig
im Jahre 15 76 und die andere in Krakau im Jahre
1 594 gedruckt worden ist, an der fraglichen Stelle (S c h. -
A r u c h II 1 1 3, 8) nicht das Wort ,,Akum", sondern ,,Goj"
(= Nichtjude) steht!! Auf Grund weiterer Nachforschungen
wurde festgestellt, dafi in den in der Pariser Bibliothek
aufbewahrten 6 alien Handschriften von dem grofien Werke
des Maimonides kein einziges Mai das Wort ,,Akum" vor-
kommt! Inzwischen aber hat man noch Exemplare von weiteren
Ausgaben des Schulchan-Aruch gefunden : die erste A u s -
gabe, Venedig 1565, femer Ausgabe Krakau 1604. In
alien diesen S c h ul c h a n-Ar u c h -A u s g a b en findet
sich nirgends das Wort ,,A k u m". Zunachst ist damit
der so ,,durchaus sichere Beweis" aus I 1 1 3, 8 (,,der Akum rnit dem
84
Kreuz") sicher erledigt. Dort wird eben der Fall behandelt, dafi ein
betender Jude einem ,,N i c h t j u d e n", der ein Kreuz t r a g t,
begegnet, d. i. eben der Christ. Dieseristabervondem
Verfasser des S c hu 1 cha n - Ar u c h selbst nicht
,,A kum" genannt worden, wie das die ersten Ausgaben
beweisen. Die christlichen Sachverstandigen haben
denn auch in ihrem Gutachten dem Gerichte erklart: ,,W i r haben
an keiner Stelle der Ausgabe des Schulchan-
Aruch Krakau 1594, wo wir nachgeschlagen,
Akum gefunden, positiv korinen wir behaupten,
d a fi A k u m i n ke i n e r de r z ah 1 r e i c h en S t e 1 1 e n aus
demWerke vorkommt, welche unsere Vorlage
gibt" (s. Kopp a. a. O., S. 55 ff.).
Jedoch nicht nur dieses wurde entdeckt, dafi in den alten Aus-
gaben weder an der kritischen Stelle I, 113, 8 noch
s o n s t die Bezeichnung ,,Akum" gebraucht wird, sondern es zeigte
sich auch, dafi die alten Schulchan-Aruch-Ausgaben verschie-
dene B e z e i c h n u n g e n fur Nichtjuden hatten, urn
eben die Christen von den Hetden, den G 6 t z en-
die n e r n , zu unterscheiden, weil ja doch, wie oben
(S. 67 f.) ausgefuhrt wurde, tatsachlich einige Schulchan-Aruch-
Vorschriften sich auf Gotzendiener, einige aber auf Christen beziehen.
Wo der S ch u Ic han- Ar uch von Go t zend i enern
spricht, da nennt er sie deutlich ,,gotzen-
dienende Nichtjuden" (Obed abodah zarah, obed elillm
oder obed abodath elillm) . Wenn er aber Christen und
Mohammedaner meint, wird dieser Ausdruck
n i e m a 1 s gebraucht, sondern die Bezeichnung
,,d i e V 6 1 k e r" oder ,,d i e F r e m d g 1 a u b i g e n" (Goi,
Mehrzahl: Gojim, Nochrlm, Amemim).
Maimonides, Beth Joseph und Schulchan-Aruch haben, wie die
ersten Ausgaben beweisen, streng unterschieden zwischen Gbtzen-
dienern und Christen, und die von Rohling, Justus, Ecker
und ihren glaubigen Nachbetern hundertfach wiederholte
Gleichsetzung ,,Akurn" = Christen ist eine Legende
von folgenschwerster Art.
Woher kam aber das Wort ,,Akum" plotzlich in alle spateren
Schulchan-Aruch- (wie auch Talmud-) Ausgaben hinein? Haben
rielleicht die spateren Juden die Christen zu Akum, zu Heiden,
stempeln wollen? Gliicklicherweise ist auch diese Frage auf-
geklart worden. Auf dem Titelblatt der Schulchan - Aruch-
85
Ausgabe, Venedig 1594 (Teil IV), heifit es in italienischem Texte:
,,Con licentia de S uperi o r i", zu deutsch: Mit Ge-
nehmigung der Inquisition. Nicht die Juden waren
es, die das Wort ,,Akum" in die jvidischen Religionsbiicher hinein-
getragen haben, sondem die katholische Index-Kongre-
gallon, von der nunmehr bekannt ist, dafi sie im Jahre 1 590 in
ihrem Canon purificationis verfiigt hat, dafi uberall, wo in jiidischen
Biichem etwas von Nichtjuden geschrieben ist, mil Riicksicht darauf,
dafi dieses etwas Unfreundliches sein konnte, man anstatt der
bisherigen hebraischen Ausdriicke fiir Nicht-
juden (s. oben) iiberall das W o r t ,,A k u m" s e t z e, damit
man alle diese Stellen auf Gbtzendiener beziehe und nicht auf
Christen. (Naheres iiber den Canon purificationis ist zu
finden in Steinschneider, Hebraische Bibliographie,> Band V,
Seite 72 und 1 30) . Hatte nun die Zensur nur fiir die
Bezeichnung Obed elillm (d. i. eben der Gotzenanbeter)
,,Akum" gesetzt, so ware noch keine Verwirrung entstanden. Die
Zensoren waren aber vielfach ebenso tiichtige Talmudkenner wie
Rohling und seine Jiinger, sie haben auch fiir ,,Goj", welches den
Christen bedeutet ,,Akum" gesetzt. Hierdurch entstand die wunder-
liche Zusammenstellung ,,wenn ein Akum mil einem Kreuze kommt",
welches urspriinglich lautete: ,,wenn ein ,,Goi" (Nichtjude, Christ)
mil dem Kreuze kommt". Diese Verwirrung kann im Hinblick auf
ihre Folgen nicht anders denn eine ungliickselige genannt werden.
Sind etwa nun unter solchen Umstanden die Rohling, Justus,
Ecker nicht unschuldig, da doch einmal in vielen Ausgaben durch-
gangig der Name ,,Akum" gebraucht wird? Nein, sie konnen nicht
freigesprochen werden. Soil es auch heute noch als einfacher, un-
schuldiger Irrtum beurteilt werden konnen, wenn 3^/2 Jahrzehnte
nach Aufdeckung des Tatbestandes noch immer die
,,Akum"-Legende aufrecht erhalten wird? Die Laienkreise freilich
haben keine Gelegenheit, die Wahrheit nachzupriifen, aber die
,,wissenschaftlichen" Gewahrsmanner der Antisemiten, die sich als
Wahrheitskampfer bezeichnen, sie miifiten wohl die Ergebnisse
fruherer Prozesse kennen, und die Unwissenheit in d i e s e n Dingen
kann sie nicht entschuldigen. Die Rohling-Justus-Ecker und ihr
Gefolge schweigen aber von diesen Tatsachen, ja sie gaben dem
Worte ,,Akum" eine Bedeutung, die haarstraubend obgleich doch
auch lacherlich ist. Sie erklaren, Akum sei gleich: Anbeter Kristi
Und Mariae ! ! (Siehe auch Professor S t r a c k , Mischnah, Traktat
Abodah zarah.)
86
Einzelbeispiele.
Die Legendenbildung ist in der Atmosphare der antisemitischeii
Bewegung immer recht fruchtbar gewesen und ist nicht auf das im
vorigen Absatz geschilderte ,,Akum"-Marchen beschrankt geblieben.
Els wurde nach der Gesinnung der Juden geforscht, und der Eid der
Juden, seine verschiedenen Formeln und die Bestimmungen, die das
judische Recht hieriiber enthalt, wurden vor Gericht gezogen. An
sich ist das nicht unberechtigt. In der kultivierten Menschengesell-
schaft ist jeder einzelne wie jede Gemeinschaft der Offentlichkeit gegen-
iiber fiir Worte und Taten, durch welche das friedliche Zusammen-
leben gefordert bezw. gestort werden kann, verantwortlich. Das
Judentum fordert solche Verantwortung besonders streng, denn nach
seiner Lehre sind Recht und Wahrhaftigkeit der Anfang aller Ge-
sittung (s. oben S. 14) und ..griindet sich die Weltordnung auf
drei Dinge: Wahrheit, Recht und Frieden" (Talmud, Mischnah.
Spriiche der Vater, Kap. 1 ) . Also hatten wir nichts gegen eine
Durchforschung der jiidischen Gesetze betreffend den Eid einzu-
wenden. Wir wurden uns nur freuen, wenn alle Gebote des
jiidischen Rechts von Juden wie von Nichtjuden g r ii n d 1 i c h
erforscht werden sollten. Wogegen wir uns jedoch wenden
miissen, ist dieses: dafi man die jiidischen Religionsgesetze eben nicht
erforscht, sondern sie nur von antisemitischer Seite - - verdachtigt,
verunglimpft. Man denke nur daran, welche Miihe und welchen
Scharfsinn man heute darauf verwendet, um ein jedes Wort eines
griechischen oder romischen Schriftstellers genau zu ergriinden und
seinen Ursprung und Begriffsumfang festzustellen, um sich in den
Inhalt und den Geist der alien Texte vertiefen und ihren wahren
Sinn erfassen zu konnen. Man denke auch daran, wie genau beim
Gericht jedes Wort eines Dokuments gepriift wird, von dessen Inhalt
vielleicht nur eine ganz milde Geldstrafe fiir den Angeklagten abhangig
ist. Die ,,w i s sens cha f 1 1 i chen" Gewahrsmanner der
Antisemiten halten es aber nicht einmal fiir
notig, diejenigen Satze aus dem jiidischen Reli -
gionsgesetzbuch bezw. jiidischen Gebetbuch
genau zu priifen und treu w i e d e r z u geb e n , auf
welchen sie ein ganzes Gebaude von Beschul-
digungen gegen das Judentum aufrichten, son-
dern lassen in der Obersetzung ganze Wendua-
gen kiihnen Muts fort — Wendungen, in welchen der
ganze Sinn der betreffenden Gesetze bezw. Spriiche liegt !
s?
Dieses Schicksal 1st auch einer Gebetsformel zuteil geworden, mit
welcher die Feier des jiidischen Versohnungstages eingeleitet und
wdche nach ihren Anfangsworten ,,Kol nidre" (d. h. ,,Alle Ge-
liibde") genannt wird. Es betrifft das Gebiet des Eides.
Das jiidische Religionsgesetz halt den Eid fur heilig und ver-
bindlich. Es heifit II. B. Mos., Kap. 20, V. 7 und 13: ,,Du sollst
den Namen des Ewigen, deines Gottes, nicht zum Falschen aus-
sprechen". — ,,Du sollst nicht falsches Zeugnis gegen deinen
Nachsten aussagen." — II. B. Mos., Kap. 23, V. 1 : ,,VerbreJte
kem falsches Geriicht". — V. 7: ,,Von einem falschen Ausspruch
halte dich fern". - - III. B. Mos., Kap. 5, V. 4: ,,Wenn jemand
schwort . . . und verletzt den Eid ... so bringe er Gott ein Schuld-
opfer dar wegen der Siinde, die er begangen". — III. B. Mos.,
Kap. 1 9, V. 1 1 :„.... Und sollt nicht leugnen und nicht beliigen
einer den andern und sollt nicht bei meinem Namen falsch schwiiren" ;
ferner im T a 1 m u d, Trakt. Schebuoth, Bl. 38 und 39 : Bei dem ge-
richtlichen Eid ... da sagt man zu ihm (dem zu Vereidigenden) :
,,Wisse» dafi die ganze Welt erbebte zu der Zeit, als Gott auf dem
Sinai gesprochen hat: ,,Du sollst den Namen des Ewigen, deines
"Gottes, nicht zum Falschen aussprechen" ; bei alien iibrigen Siinden
gibt es (eher) eine Suhne . . . und Nachsicht . . . (als bei dieser) ,
denn es heifit im Propheten Zecharjah, Kap. 5 : ,,Ich (Gott) lasse ihn
(den Fluch) ausziehen, dafi er in das Haus des Diebes komme und
in das Haus dessen, der bei Meinem Namen falsch
schwort ..." — der • Dieb, das ist, wer die Menschen
t a u s c h t . . ." — ,,Und man spricht zu ihm (dem Zeugen) :
,,Wisse, dafi wir dich nicht nach dem, was du (dabei) im Sinne
haben konntest, beschworen, sondern nach dem Wissen Gottes
und nach dem Wissen des Gerichtshofs". — Ebendort Bl. 29, S. 2 :
,,Wenn man auf die Vereidigung durch einen andern ,,Amen" spricht,
so ist das ebensoviel, als wenn man selbst die Schwurformel spricht".
— Auf Bl. 36, S. jl , weist der Talmud darauf hin, dafi die israelitische
Bibe! im 2. Buch Chronik, Kap. 36, V. 12 — 1 3 an dem judaischen
Konig Zidkijah tadelt, was ,,mififiel in den Augen Gottes", dafi er
namlich dem Konig Nebukadnezar (dem Heiden), ,,der ihn bei
Gott hat schworen lassen", die Treue gebrochen hat. — Im Sinne
dieser Talmudstelle verordnet Maimonides im Kapitel iiber die
Schwurformeln, Abschnitt 2, Absatz 1 : ,,Es ist gleich, ob man eine
von diesen (vorher genannten vier) Schwurformeln selbst ausspricht
oder ob man durch andere durch Eid verpflichtet wird und darauf
irAmen" spricht; auch wenfl einNichtjude oder ein
Minder jahriger einen beschwort und man darauf
88
,,Amen" sagt, so ist das verpfKchtungskraftig", ebendort Abschnitt 1 2,
Absatz 2: ,,Diese Siinde (des falschen Eides) ist eine der aller-
schwersten".
Im Schulchan-Aruch warden diese Bestimmungen
wiederholt bezw. erganzt. II, § 237, Abs. 1 : Ein Eid ist auch in dem
Falle verbindlich, wenn man den Namen Gottes dabei nicht ausdriick-
lich nennt und nur spricht: ,,Ich schwore, daft ich das tun (bezw. nicht
tun) werde"; auch ist es einerlei, in welcher Sprache man schwort und
ob man das Wort ..schworen" oder irgendeinen andern Ausdruck
von ahnlicher Bedeutung gebraucht. — § 239, Abs. 2: ,,Der Hand-
schlag gilt, wo er der Sitte gemafi eine Formel der Beteuerung ist,
als ein Schwur". — § 237, Abs. 2: „ wird einer beschworen . . . und
er spricht ,,Amen" oder sonst ein Wort, aus welchem zu entnehmen
ist, dafi er die Beschworung annimmt, z. B. er sagt ,,ja" ... so ist
das, als wenn man selbst einen Schwur ausspricht ; auch wenn
ein Nichtjude einen beschwort". — IV, § 87: ,,Der
Eid ist in jeder Sprache, die der Schworende versteht, giiltig . . ."
,,Ja, er (der Meiaeidige) bringt gbttliche Strafe iiber ganz Israel,
dessen Glieder gegenseitig fiir einander moralisch verantwortlich
sind . . . Wer leichterdings einen Eid auf sich nimmt, der sollte gar
nicht vereidigt werden." — §§92 und 99: ,,Einen, der hinsichtlich
des Eides verdachtig ist, soil der Gerichtshof auch in dem Falle nicht
vereidigen, wenn die Gegenpartei, welcher die mangelhafte Zuver-
lassigkeit des Betreffenden bekannt ist, sich ausdriicklich bereit erklart,
den Eid anzuerkennen . . . Erst wenn der Verdachtige erwiesener-
mafien aufrichtige Bufie getan, erlangt er wiederum Glaubwiirdigkeit."
Ebenso halt 'das jiidische Gesetz alle Gelobnisse, V e r -
sprechungen und dergl. fiir streng verbindlich; jedocrr macht
es einen Unterschied zwischen einem Eide, den man zur B e -
kraftigung einer Wahrheit oder einer Bekundung
iiber eine geschehene Tat ablegt (z. B. Zeugeneid) ,
sowie aller durch andere, z. B. den Gerichtshof,
erfolgenden Vereidigung einerseits — und einer Be-
teuerungsf ormel, welche man bei einer freiwillig sich selbst
auferlegten, also gleichsam nur Gott gegeniiber iiber-
nommenen Verpflichtung ausspricht, um hierdurch dem Vorsatze
grofieren Nachdruck zu verleihen; z. B. wenn jemand aus Anlafi
eines in das Lebensschicksal tief eingreifenden Ereignisses sich
selbst zu einer religiosen Handlung, etwa zu einer wohltatigen
Stiftung, zu einem Verzicht und dergl. verpflichtet. Es konnen
namlich oft Falle eintreten, dafi irgendein gliickliches Erlebnis
bezw. die Bedrohung des Daseins und des Gliickes dem bewegten
Herzen begeisterte Geliibde und iiberstromende Versprechungen
entlocken, iiber deren Umfang der Gelobende im
Augenblicke der Ge f ii h Is a u f w al 1 un g sich nicht
klar ist. Wenn sich nun spater die Unmoglichkeit der Erfiillung
erweist, so ist man gleichsam in seinem eigenen Geliibde verstrickt.
Das Geliibde, der Schwur usw. sind h e i 1 ig — die ErfuHung
aber u n m 6 g 1 i c h. Das jiidische Religionsgesetz hat zu-
nachst zur Verhiitung solcher Konflikte davor gewamt, sich
-an Gelobungen zu gewohnen. Im Anschlufi an das biblische
Buch Koheleth, Kap. 5, V. 4, ermahnt der Talmud, Tr. Nedarim
Bl. 20, S. 1 : ,,Nimmer gewohne dich an Geliibde, denn dadurch
wirst du dazu gelangen, Schwiire zu brechen", und in demselben
Traktat Bl. 22, S. 1, lehrt ein Talmudautor: ,,Wer ein Geliibde tut,
ist, als wenn er einen Altar aufierhalb Jerusalems errichtete (d. h. er
ist verurteilenswert) ". — Jedoch auch fiir bereits geleistete
Geliibde, Schwiire usw. der hier besprochenen Art
hat das jiidische Religionsgesetz eine Bestimmung erlassen.
Streng genommen ist auch die freiwillig sich selbsl
auferlegte Bindung unauflosbar. Jedoch wird angenommen,
dafi, wenn der Gelobende in dem Augenblicke seines Ver-
sprechens auf die Unmoglichkeit der Ausfiihrung aufmerksam
gemacht worden ware, er sein Geliibde unterlassen oder jedenfalls
entsprechend eingeschrankt hatte. Man darf also annehmen, dafi
jedem freiwilligen Geliibde bestimmte Be-
dingungen s t i 1 Is ch we i g en d zugrunde liegen,
die, auch wenn man sie nicht ausgesprochen hat, clennoch,
gleichsam im Unterbewufitsein, an die Verpflichtung gekniipft
wurden. Z. B. liegt einer jeden freiwilligen Verpflichtung zu einer
kiinftigen Leistung die Bedingung zugrunde, dafi man zu der Zeit,
wo man sie auszufiihren hatte, noch am Leben sei. Darum erlaubt
das jiidische Religionsgesetz, dafi solche freiwillige Selbst-
verpflichtungen, Geliitde usw., hinsichtlich welcher die
Bedingung der Erfiillungsmoglichkeit nicht d e u 1 1 i c h ausgesprochen
worden ist, die aber dennoch uneinlosbar sind, aufgehoben werden.
Um einen Mifibrauch zu verhiiten, darf die Losung einer solchen
Bindung nur durch einen jiidischen Thoragelehrten, der mit den be-
treffenden religionsgesetzlichen Vorschriften vertraut ist, oder durch ein
dreigliedriges Laienkollegium erfolgen. — Am Versohnungstage, an
welchem der Jude durch reuevolles Bekennen sich innerlich erneuern
und bei Gott Siihne fiir alle Vergehungen erlangen soil, will er auch
derartiger, moglicherweise freiwillig sich aufzuerlegender Bindungen,
wie Geliibde, Schwiire usw., gedenken, welche er zu erfiillen in Zu-
90
kunft keine Moglichkeit haben konnte, um fur deren Nicht-
emlosung, selbst in dem Falle, dafi er nur aus Obereilung und in Un-
kenntnis nicht vorauszusehender Hemranisse das Versprechen getan,
Gott um Vergebung anflehen.
Die christlichen Sachverstandigen Professoren
Noldeke und Wiinsche aufiem sich wie folgt: ,,Vor allem ist aber zu
betonen, dafi es sich hier nicht darum handelt, geleistete Eide
fiir unverbindlichzu erklaren, sondern nur solche Ver-
pflichtungen, welche einer Gott gegenviber auf sich genommen
hat. Die Rechte Dritter werden von dieser Aufhebung nicht beriihrt".
Dazu Kopp: ,,Diese Auffassung ist aufier Zweifel. So heifit es im
Talmud-Traktat Joma, Bl. 85, S. 2: ,,Obertretungen des Menschen
gegen Gott siihnt der Versbhnungstag, aber Siinde eines Menschen
gegen den anclern siihnt der Versohnungstag nicht". Umstandlicher
sagt dies Maimonides, Kapitel iiber Bufie II, 9: ,,Die Bufie und der
Versohnungstag siihnen nur Obertretungen des Menschen gegen Gott,
z. B. wenn einer etwas Verbotenes gegessen hat und dergleichen, aber
bei Obertretungen eines Menschen gegen einen
a n d e r n , wenn z. B. einer den andern verletzt oder verflucht
oder beraubt und dergleichen, da wird ihm nicht eher ver-
ziehen, als bis er seinem Nachsten das, was er ihm schuldig
ist, gibt und ihn zufriedenstellt ... Er mufs auSerdem . . .
von ihm (dem Verletzten) erbitten, dafi er ihm verzeihe . . ."
Ganz dasselbe sagt der Schulchan-Aruch Abt. I, § 606, 1 ,
und II, § 211, 4. Letztere Stelle, welche lautet: ,,Das alles ist
aber nur gesagt in bezug auf einen Schwur oder ein Ge-
labde, so er sich selbst geschworen und sich selbst gelobt
hat, wird er aber von einem andern zu einem Schwur ver-
anlafit, so hilft ihm diese Aufhebung gar nichts" ist in
alien Gebetbiichern dem ,,Kol Nidre" beigedruckt."11) - - Paul
F i e b i g , Licentiat der Theologie, bemerkt in seiner Schrift ,,Das
Judentum von Jesus bis zur Gegen wart", Tubingen 1916, zum Kol
Nidre-Gebet: ,,Dieses Stiick: . . . betrifft namlich die Auflosung von
«Verpflichtungen gegen die eigene Person . . . und entstammt einer
grofien religiosen Angstlichkeit, die sich davor fiirchtet, in Sachen des
religibsen Geliibdewesens . . . irgendetwas zu versehen . . . Man hat
die Juden wegen dieses Stiickes vielfach angegriffen. Jedoch mit Un-
recht. Gemeint sind nur Gelvibde rein personlicher Art
und zwar solche, die ,,aus Unbesonnenheit mit-
tels eines Irrtums oder Affekts getan werden
(Heidenheim, Machsor Bd. 6, Rodelheim S. 29),
nicht solche, die mit Besonnenheit getan werden
91
oder zu denen man gerichtlich angehalten wird.
Solche lassen sich nicht auflosen." (So Fiebig.)
Wie verfahren aber die Rohling, Justus, Ecker, ja wie verfahren
auch heute noch, im Jahre 1 920, nachdem auch andere christliche
Sachverstandige Erklarungen im obigen Sinne abgegeben haben22), wie
verfahrt heute noch Herr Dr. Dinter? Er druckt in seinem Flugblatt
den Kol Nidre-Satz im Original ab, was unzweifelhaft auf den Leser
Eindruck macht, ubersetzt auch alles, alles bis auf eine W e n -
dung, von welcher wir bereits oben sagten, dafi der Sinn des Ganzen
in ihm liege, so dafi das Original zu der Obersetzung sich verhalt
wie Sein zu Nichtsein. Namlich das Wort ,,Auf sich selbst" bezw.
,,auf uns selbst" = ,,al nafschatana" (althebraisch: al nafschotenu) .
Dieses wichtigste Wort, durch dessen Weg-
lassung das Kol Nidre-Gebet zu einer Aufforde-
rung zum Meineide und dadurch zu einer B 1 as -
phemie, zu einer Schandung der jiidischen Re-
ligion wird, dieses wichtigste Wort haben die
Antisemiten, hat selbst noch Herr Dr. Dinter,
der offenbar kein HebVaisch versteht, einfach
u n t e r — 1 assen mitzuiibersetzen.
Wir stellen nunmehr die Texte einander gegeniiber.
Wortliche Obersetzung:
(Kol Nidre.) ,,Alle Ge-
liibde und Entsagungen und
Schwiire ... durch die
wir uns selbst (al naf-
schatana) etwas geliibde-,
schwur- (usw. ) m a 6 i g
auferlegt, entzogen
(usw.) haben werden:
von diesem Versohnungstag bis
zu dem, der kommt ... sie alle
bereuen wir, sie sollen aufgelost,
ungiiltig . . . sein . . ."
Dieses Beispiel zeigt uns, dafi man erst aus einem verstiim-
m e 1 1 e n Text eine Anklage gegen das jiidisch-religiose Schrift-
tum herzuleiten vermag!
Dafi der uneingeweihte Leser durch die ,,freie" Obersetzung des
Kol Nidre-Gebetes geneigt gemacht wird, auch andere, auf den Eid
der Juden sich beziehende Anschuldigungen glaubig hinzunehmen, 1st
wohlverstandlich, und damit rechneten eben die Rohling-Justus.
Wiedergabe in den anti-
semitischen Flugblattern :
,,Alle Geliibde, Entsagungen
. . . auch alle Schwiire, so wir
gelobt, geschworen . . . haben
werden — von diesem Versoh-
nungstage bis zum Versohnungs-
tage, der kommt . . . bereuen wir
hiermit allesamt, sie alle seien
aufgelost, ungiiltig ..."
92
Wir mochten darum wenigstens einzelne hierher gehorige Beschuldi-
gungen erortern.
Unbekiimmert um die auch von seiten christlicher Fachmanner
erfolgte Widerlegung, wird von den Antisemiten noch immer beson-
ders eifrig aus Schulchan-Aruch, Teil II ein Satz angefiihrt, um
daraus eine Anklage gegen das Judentum herzuleiten. Der betreffende
Satz (§ 239, 1 Anmerkung) besagt, dafi, wenn ein Jude einen Nicht-
juden bestiehlt und man ihm (dem Juden) in Gegenwart anderer
Juden einen Eid auferlegt, und diese wissen, dafi er falsch schworen
wiirde, so sollen sie ihn notigen, dafi er sich mit dem Nichtjuden
vergleiche und nicht falsch schwore, selbst wenn er diesen Eid er-
zwungenenveise leisten wiirde, weil mit diesem seinem Eide eine
Entweihung des gottlichen Namens verbunden ware. Jedoch wenn
er unter Zwang steht, und keine Entweihung des gottlichen Namens
dabei ist, dann erklare er den Schwur in seinem Herzen fur
ungiiltig, da er unter einem Zwange steht, ,,w ie oben unter
§ 232 bestimmt ist". Was steht nun im § 232?
Dort ist im Absatz 15 zu lesen: ,,Wenn einer den andem
vergewaltigt und ihm allerlei Pein zufugt,
bis er schwort, ihm so und soviel Geld zu zahlen, so ist dieser
Schwur oder das Geliibde oder dieser Bann nichtig". — Dafi dieser
Satz berechtigt ist und nicht die geringste Moralwidrigkeit enthalt,
wird von den christlichen Professoren Noldeke. und Wiinsche und
dem Juristen Kopp bestatigt. Die beiden ersteren schreiben zu § 232:
,,Dies ist ein R e c h t s s a t z ; ein durch Drohungen und Peinigungen
erzwungener Schwur ist doch wohl auch nach modernem
Recht nichtig?" Dazu Kopp: ,,Ohne Zweifel, und der, welcher
ihn bedroht oder gepeinigt hat, wird nach dem Deutschen Straf-
gesetzbuch als Erpresser, unter Umstanden sogar wie ein Rauber be-
handelt . . . werden, auch glaube ich, dafi selbst der strengste Moralist
nicht verlangen wird, dafi ein solcher Eid gehalten werde". —
Da an dieser Stelle, § 232, der Ausdruck ,,Zwang", wie er im juri-
dischen Teil des Schulchan-Aruch gebraucht wird, als eine schwere
Bedrohung definiert ist, so ist es selbstverstandlich, daf^ auch im
§ 239, den wir behandeln, wo auf § 232 deutlichve'rwie-
s e n wird, unter ,,Zwang" ebenfalls die Bedrohung des Lebens ge-
meint ist. Es handelt sich also auch im § 239, den wir oben ange-
fiihrt haben, um einen Foltereid, den sogenannten Reinigungseid.
Die Kommentare zum Schulchan-Aruch, Sifthe kohen und Bajith
chadasch bemerken auscfriicklich, dafs es sich um einen Fall handelt,
in welchem ein Dieb zum Tode verurteilt werden soil. Der „ Reini-
gungseid", so heifit es hieriiber bei Kopp, ,,ist eine barbarische Ein-
93
richtung, welche meines Wissens in alien modemen Strafprozefi-
gesetzen beseitigt ist . . ., der Reinigungseid war ein geradezu
unmenschlicher Gewissenszwang."23)
Die Gewahrsmanner der Antisemiten geben mit ihrer Ober-
setzungskunst die fragliche Stelle mit den Worten wieder: „ . . wen n
erabergezwungenwird (zuschworen) . . .sosoll
er im Herzen den Schwur fiir ungliltig erklaren".
Das erweckt den Anschein, als ob es sich darum handelte, dafi der
Jude nach der Bestimmung des Schulchan-Aruch einen von d e m
Gericht ihm auferlegten Eid falsch ablegen und hinterher
im Herzen fiir ungiiltig erklaren diirfte. Und Rohling scheut sich
nicht zu schreiben: Halt also die christliche Obrigkeit den Talmud-
juden zum Eide an, dann diirfe der Jude falsch schworen! (Man
beachte die Gegeniiberstellung : christliche Obrigkeit - — Talmud-
jude!) Aber die Obersetzung ist — bei denjenigen anti-
semitischen Flugblattmannern, die den Originaltext des
Schulchan-Aruch nicht verstehen, selbstverstandlich unbewufite
— Irrefuhrung. Denn es handelt sich nicht darum, dafi das
Gericht ordnungsmafiig den Juden zum Eide a n h a 1 1 , sondem
darum, dafi dem Juden der Reinigungseid unter A n -
drohung der Hinrichtung auferlegt werden solle. So
fiigen die Professoren Noldeke und Wiinsche mit Recht hinzu : ,,D i e
regulare Abnahmeeines Eides durch die Obrig-
keit ist kein Zwang im jiidiscli-rechtlichen Sinn
und bei einem regularen Eide ist dem Juden keine
reservatio mentalis gestattet". Dazu der christliche
Jurist Kopp: ,,Dieser bestimmte Ausspruch der Sachverstandigen
griindet sich auf die Beurteilung der einschlagigen Satze in i h r e m
Zusammenhange . . . Herr Rohling freilich hat immer ein
leichtes Spiel . . . der Zusammenhang der Stellen und
der sich daraus ergebende Sinn ficht ihn
n i c h t a n !"
Zum Kapitel iiber ,,Irrtum", Schulchan-Aruch IV, § 348, 2,
Anmerkung, s. oben S. 51 — 53.
Ober die auch noch von Dr. Dinter aufrecht erhaltene Bean-
standung der Vorschrift betreffend den von einem Akum verlorenen
Gegenstand (Schulchan-Aruch IV, § 266, 1 : ,,Den verlorenen
Gegenstand des Akum darf man behalten . . . und wenn man ihn zu-
ruckgibt, um den Namen Gottes zu heiligen, damit man die Israeliten
lobe und erkenne, dafi sie treue Menschen *ind, so ist das lobens-
wert . . .") ist bereits das Notige ausgefiihrt worden. Es kann sich
hier nur um solche Andersglaubige handeln, deren Rechtssatzungen
94
nicht auf der Hohe der Gesittung tehen. Wo nach dem Zeitbewufitsein
das Behalten der von den Fremden verlorenen Gegenstande als Unrecht
gilt, da ergibt sich ganz von selbst die Pflicht der Rikkgabe. Das ist
hier der Sinn der ,,Heiligung des gottlichen Namens". Dort, wo nach
bestehenden staatlichen Fremden gesetzen dem Landfremden das Ver-
lorene nicht zuriickgegeben zu werden braucht, ward es auch nicht
auffallen, wenn ein Jude dem Fremden den Fund nicht wiederbringt.
Herr Dr. Dinter hat bedauerlicherweise vergessen, den Nach-
satz des von ihm angezogenen Schulchan-Aruch-Paragraphen mit zu
erwahnen, trotzdem dieser noch im (Karoschen) Haupttext steht,
namlich den Satz : ,,A uf alleFalleaberverwahrt man
ihre (derAku m) .verlorenenGegenstande genau wie
diejenigen, die Israeliten gehoren, mit Riicksicht auf die Forderungen
des friedlichen Zusammenlebens." Dieser Satz findet sich schon im Tur,
der altera Vorlage des Karoschen Werkes (s. oben S. 64) , B e e r h a-
g o I a h weist aber auf den alten Jerusalemischen Talmud als Quelle
hin (s. oben S. 49). Das beweist deutlich, daB hier das alte
Gesetz ubemommen ist, welches unkultivierte Zustande voraussetzt.
Der Tur hat hier deutlich aflsgesprochen, dafi man die von dem
Akum verlorenen Geratschaften aufzubewahren habe ,,zur Vorsicht
wegen der Diebe". Der Jude soil also aus Menschlichkeitsgriinden
die von dem Akum verlorenen Gegenstande, trotzdem er nicht ver-
pftichtet ist, sie dem Akum selbst zuriickbringen, jedenfalls a u f b e -
wahren, damit sie nicht gestohlen werden und der
Akum sie sich abholen konne. Beer hagolah sagt, dafi sich das
Fremdengesetz betr. die gefundenen Gegenstande auf die neu-
tigen Nicht jud en nicht beziehe, ,,die an den
Schopfer der Welt glauben, und bei denen es
Gesetz ist, das Verlorene zuriickzugeben." — Was bleibt da noch
von der Anklage iibrig? (S. auch S. 126.)
Ober das famose ..herrenloseGutder Christen" gibt
die Ausfuhnmg Seite 56 ff. Aufschlufi.
Dieses ,,herrenlose Gut" wird auch noch in den neuesten anti-
semitischen Flugschriften weidlich ausgebeutet. So wird da aus Schul-
chan-Aruch IV, § 156, 5, Anmerkung, folgendes angefiihrt: ,,Hat
ein Jude an einem Akum einen guten Kunden, so gibt es Orte, wo
man richtet, dafi es andem verboten sei, ihm Konkurrenz zu bieten
und mit diesem Akum Geschafte zu machen; und es gibt Orte, wo
man nicht (so) richtet, und manche erlauben einem andern Juden,
zu diesem Akum zu gehen, ihm zu leihen, mit ihm Geschafte zu
machen, ihn zu betruge» und ihm (sein Geld) a b -
zunehmen, denn das Geld des Akum ist wie
95
herrenloses Gut, und Jeder, der zuerst kommt,
nimmt es in Besitz". — Zunachst: das betreffende Wort
heifit dort nicht ,,ihn zu betriigen" und ,,ihm sein Geld abzunehmen",
sondem (w'leschachude leh uleapuke mineh) ,,ihn sich geneigt zu
stimmen und i h n (den Akum) ihm (dem Juden) zu entziehen",
und der ganze Passus bedeutet ,,ihn (den Kunden) durch Geschenke
an sich zu ziehen und von dem andern wegzubringen". Es handelt
sich urn die Frage, ob ein Jude (B) dem andern Juden (A) Ge-
schaftskonkurrenz bieten diirfe. Es wird hier.unter den verschieden-
artigen Fallen auch der folgende behandelt, dafi wenn der Jude B.
von einem nichtjiidischen Geschaftskunden Benefizien erhalt, der
Jude A. (dem der Jude B. Konkurrenz macht), auf diese Benefizien
seitens des nichtjiidischen Kunden keine Prioritatsanspriiche geltend
machen konne, und zwar aus dem Grunde, weil der Jude gegeniiber
einem Nichtjuden erst durch tatsachliche Inbesitznahme (occupatio)
ein Eigentumsrecht erwirbt, die genannten Benefizien demnach, die
der Nichtjude bereits aus seinem Besitze fortgegeben hat, solange sie
nicht von irgendeinem Juden durch occupatio erworben wurden,
,,freies", d. h. auch dem Juden B. gesetzlich zugangliches Gut
bedeutet. Els ist also hier dem Jude,n B. infolge der eigenartigen
Rechtsgestaltung hinsichtlich des ,,herrenlosen Gutes" (s. das aus-
fiihrliche hieriiber oben S. 56 ff.) gestattet, dem Juden A. Konkurrenz
zu bieten. Vgl. Hoffmann, a. a. O.)
Justus und seine Gefolgschaft beanstanden die Stelle Schulchan-
Aruch IV, § 1 83, 4, wo von dem Falle gesprochen wird, dafi ein
Jude dem andern half, einen ,,Goi" in Mafi, Gewicht und Zahl zu
betriigen. Da hier entschieden wird, dafi die beiden Betriiger den
Gewinn teilen, so wird daraus geschlossen, dafi der Schulchan-Aruch
erlaube, den ,,Goi" in Ma6 und Gewicht zu betriigen. Hieriiber
aufiert sich Hoffmann, a. a. O. S. 1 70 f. : ,,Nun wird dies doch im
Choschen mischpat selbst (231,1 und 19) so gar
einem Gotzendiener gegeniiber als eines der
schwersten Verbrechen hingestellt ! Ja noch mehr,
es findet sich ein Beispiel, wo das Gericht zwischen zwei iiber einen
Diebstahl oder R a u b Streitenden - - vom ,,Goi" ist dort gar
keine Rede, es kann ein Diebstahl bei einem Juden sein — ent-
scheidet, ohne des armen Bestohlenen oder Beraubten Erwahnung zu
tun. In Choschen hamischpat 1 76, 12 wird mit diirren Worten
gesagt : ,,Wenn ein Teilhaber eines Geschafts gestohlen oder
g e r a u b t hat, mufi er den Gewinn mit seinem Sozius teilen ; ist ihm
dagegen dadurch Schaden entstanden, so mufi er allein ihn tragen."
Wie? Die beiden Kompagnons teilen sich in Diebstahl oder
R a u b ? ! Und nicht gerade beim ,,Goi", es ist vielmehr ganz
einerlei, wer der Beraubte oder der Bestohlene ist?! — Beweist diese
Stelle nicht tatsachlich bis zur Evidenz, dafi, wenn im Schulchan-
Aruch zwischen zwei Streitenden entschieden wird, ein Dritter,
dernicht klagt und nicht gegenwartig ist, bei der
Rechtsprechung nicht in Betracht kommt? Das
Gericht hat eben nur zwischen den beiden Prozessierenden zu ent-
scheiden. Es ist danach klar, dafi, solange der Beraubte
« i c h nicht meldet, das Gericht auch nur zwischen
den beiden Dieben, die auf den Raub Anspruch
machten, zu entscheidenhatte. — Wer also entscheiden
will, ob der Schulchan-Aruch einem ,,Goi" Unrecht tut, der mufi
zuerst wissen, wie derselbe Schulchan-Aruch in dem-
selben Falle einem J u d e n gegeniiber entscheiden wiirde. la
alien . . . angefiihrten Fallen wiirde die Entscheidung genau ebenso
lauten, wenn ein J u d e der Betrogene ware ; denn solange der Be-
trogene nicht klagt, wird vom Gericht auf ihn keine Riicksicht ge-
nommen, mag er Jude oder Christ sein." Soweit Hoffmann.
Auch aus Schulchari-Aruch IV, 28, 3 wurde eine Anklage her-
geleitet. Dort heifit es: ,,Wenn ein Nichtjude an einen Juden eine
Forderung hat, und es ist ein Jude da, der fur den Nichtjuden gegen
den Juden als Zeuge eine Bekundung zu machen wiifite und es ist kein
anderer Zeuge da als er, und der Nichtjude fordert ihn auf, dafi er
fur ihn als Zeuge bekunde, so ist er an einem Orte, wo es Gesetz
der Nichtjuden ist, auf die Aussage e i n e s Zeugen zu Geldzahlung
zu verurteilen, verboten, fur ihn Zeugnis abzulegen." — Die An-
klage gegen den Schulchan-Aruch verschweigt, ,,dafi hier eine sittlich
hochstehende Rechtsanschauung zugrunde liegt." In der Bibel wird
folgende, fiir das jiidische Rechtswesen grundlegende Vorschrift
erteilt: ,,N i c h t darf auftreten ein Zeuge als Einzi-
ger gegen jemanden in bezug auf irgendein Ver -
brechen oder Vergehen, das er begangen hat;
nur auf dieAussagevon (w enigstens) zwei oder
drei Zeugen soil die Rechtssache festgestellt
wer den." (V. B. Mos., Kap. 19, V. 15.) Wenn die Abgabe
einer Zeugenaussage rechtliche Wirkung haben kann, also
wenn mindestens zwei Zeugen vorhanden sind, dann besteht nach der
jiidischen Gerichtsbarkeit Zeugniszwang, d. h. die Pflicht,
ror Gericht zu erscheinen. Wo aber die Zeugnisabgabe r e c h t -
iich ohne Folge bleiben mufi, also wenn nur e i n Zeuge vor-
handen ist, da soil sie vor dem jiidischen Gericht unterbleiben,
es sei denn, dafi es sich um die Befreiung des Verklagtem
7
97
von einer Zahlung handelt; derm dafiir geniigt ein Zeuge. —
So: ,,Wenn ein Jude einem Nichtjuden eine Schuld abfordert,
und dieser leugnet und ruft einen andern Juden als Zeugen an, so
darf der Jude vor ein nichtjiidisches Gericht gehen, nm dem Nichtjuden
beizustehen, da ja auch nach jiidischem Recht e i n Zeuge geniigt,
um den Geforderten von der Zahlung zu b e f r e i e n. Um so mehr
diirfen zwei Zeugen zugunsten des Nichtjuden beim nicht jiidischen
Gericht Zeugnis ablegen, da ja auch das jiidische Gericht den
Israeliten auf die Aussage zweier Zeugen hin fur schuldig erklart
hatte" (Schulchan-Aruch, Choschen Mischpat 28, 4; Meirat Enajim
daselbst und Isserles das. s. auch S. 127). Man ersieht daraus, wie
hier nur Oberflachlichkeit im Bunde mit eingewurzeltem Mifitrauen
dazu fiihren konnte, den Schulchan Aruch beim deutschen
V o 1 k e verachtlich zu machen, bei dem uberhaupt keine Rechts-
pflicht besteht, ohne Auffordeurng des Gerichts in irgendeiner Sache
Zeugnis abzulegen.
Zur Kennzeichnung der Justusschen Methode seien noch weitere
Bechuldigungen angefuhrt.
Orach chajjim, Kap. 2 1 7, wird in mehreren Paragraphen ge-
lehrt, iiber welche wohlriechenden Gewiirze man die Benediktion nicht
sprechen soil, und zwar iiber Gewiirze, die nicht zum Riechen, son-
dern zur Entfernung eines schlechten Geruches bestimmt sind, z. B.
bei Leichen oder einem Abort (§ 2), iiber Raucherwerk, das be-
stimmt ist, die Kleider durchzurauchern (§ 3), Gewiirz, das am
Halse einer . . . Frau als Schmuck hangt, weil man dann beim Riechen
zu Unsittlichkeiten kommen konnte (§ 4), Gewiirz von Go tz en-
die n s t , woran man nicht riechen darf (§ 5) . — Welcher Liigner
ist fahig," — so schreibt Prof. Hoffmann S. Ill — ,,diese
Gesetze zu christenfeindlichen zu stempeln ? Justus
hat es fertig gebracht, und zwar durch folgendes famose
Taschenspieler - Kunststikkchen : Die Worte ,,Gewiirze von
Gotzendienst" verwandelt er in ,,Gewiirz, das in einer
christlichen Kirche gewesen ist". (,,Dafi fur diese
Vorschrift dicht daneben als Quelle die alte Mischnah in
Berachoth 5 1 b angegeben wird, welche doch von christlichen Kirchen
noch nichts wufite — ist der geringste Verstofi des Liigners.")
„. . . Darauf werden aus den vier umgemodelten Paragraphen
die . . . Gegenstande : ,,Gewiirz von einem Abort . . . und Gewiirz
von einer christlichen Kirche" als verboten herausgehoben und z u -
sammengestellt, dann wird eine gemeinsame Begriindung
hinzugelogen : ,,weil das Gewiirz durch den Abort . . . und die
Kircheverunreinigtworden is t", schliefilich werden die
98
Worte: ,,K ircheverunreinigt" gesperrt gedruckt und — das
Kunststiick ist fertig."
Im Schulchan-Aruch II, § 1 1 7, 1 heifit es: ,,Mit einer (Efi-)ware,
welche von der Thora (zum Essen) verboten wurde, darf man keinen
Handel treiben . . . Sind dagegen einem Jager Wild oder Vogel
oder Fische, die (zum Essen) verboten sind, zufallig ... ins Netz
gegangen, so darf er sie verkaufen. Dasselbe gilt fiir den Fall, dafi
ein Tier als Nebelah oder Terefah (durch Fehlschlachtung oder Ver-
letzung zum Essen) verboten wurde. Ebenso ist es erlaubt, diese
verbotenen Dinge fiir eine Schuld von Nichtjuden einzukassieren, weil
dies (nicht als ein gewinnbrin gender Handel, sondern) als ein Retten
(des Eigentums) aus deren Hand betrachtet werden kann." — Dazu
entscheidet R. Aron ben Ascher in seinem Werke Orchot Chajjim,
dafi man nur dann eine Schuld von einem Nichtjuden in (zum Essen
fur den Juden) verbotenen Tieren bezahlt nehmen kbnne, wenn es
mit Bestimmtheit als eine ,,Rettung" betrachtet werden
kann, d. h. wenn der Schuldner unzuverlassig ist.
Justus hat diese Bestimmung zu folgendem ,,Gesetz"
umgedichtet: ,,Der Jude darf nicht handeln mit unreinen
Sachen (z. B. Schweinen, Dingen aus einer christ-
lichen Kirche usw ) , aber einem Christen das a b z u -
nehmen (d. h. nicht kaufen, sondern als Bezahlung einer e r -
"dichteten (!) Schuld annehmen) ist erlaubt, weil es immer
eine gute Sache ist, dem Christen etwas zu en t-
r e i fi e n". — Es ist uberflussig, die Gesinnung, die sich in dieser
,,Bearbeitung" des Schulchan-Aruch offenbart, naher zu kennzeichnen.
SelbstHerrDr. Eckerkannnichtumhin.zudieser
Stelle in Justus' Buch folgendes hinzuzufiigen:
„. ..indes die direkte Nebeneinanderstellung
von ,,S c h w e i n e n" und ,,D i n g e n a u s e i n e r (c h-r i s 1 1.)
Kirch e"stellt die Sache etwas (!) scharfdar. In
der zweiten Klammer ist der Ausdruck ,,erdichtete
Schuld" zu tadel n". - - So urteilt schon Dr. Ecker. - - Nun
ja, ,,etwas" scharf ist immerhin auch ihm zuweilen der Herr Justus.
Als Schulchan-Aruchgesetz fiihrt Justus das folgende an: ,,Es ist
ein gutes Werk, dafi jeder Jude, so viel er kann, sich be-
fleifiige, die christliche Kirche oder was zu ihr gehbrt oder was
fiir sie getan wird, zu verbrennen und zugrunde zu rich-
t e n". — Prof. Hoffmann (a. a. O. S. 1 20 f ) bemerkt dazu,
dafi nunmehr zu der teuflischen Luge vom ,,rituellen M o r d e" die
ihr ebenbiirtige Verleumdung von der ,,rituellen Brandstiftung"
sich hinzugesellt. — Die Bestimmung im Schulchan-Aruch, welche
7*
99
Justus als Quelle dieses ,,Gesetzes" angegeben hat, lautet aber in
Wirklichkeit (II, § 146, 14 — 15): ,,Es ist jedem, der Gotzen-
b i 1 d e r findet, geboten, dafi er sie fortschaffe und vemichte". —
Nun, wir wollen auch hier lieber dem Judengegner Ecker
selbst das Wort geben; er schreibt: ,,D ie urspriing-
lichausder hi. Schrift stammende, vom Schulchan-
Aruchnur noch genauer bestimmte-V'orschrift
beziehtsich zunachst auf eigentliche Gb'tzenbilder ( !)
Altare u. dgl." — Leider fiigte Dr. Ecker zu diesem, bis auf das
Wbrtchen ,,zunachst", korrekten Urteil noch einen Satz hinzu, durch
den er sich zum Verbiindeten Justus' macht. Er fahrt namlich fort:
,,Wir haben nichts dagegen einzuwenden, wenn nach Analogic der
iibrigen Gesetze Justus dieselbe auch auf die christlichen
K i r c h e n ausdehnt". — Es Jst nur bedauerlich, wenn Dr. Ecker
gegen eine solche Falschung nichts einzuwenden hat. Da kann es
nicht mehr viel niitzen, wenn er (Ecker) weiterhin sagt: ,,Indes,
wenn im ,Judenspiegel" nur von christlichen Kirchen die Rede ist,
wird das biblisch-talmudische Gebot doch in einer Weise z u g e -
spitzt (!), wie man es kaum gutheifien kan n". Els
wird aber auch kaum gutgeheifien werden konnen, wenn Ecker trotz-
dem den angefiihrten Satz mit den Worten abschliefit: ,,U n r i c h t i g
ist indes das ,,Gesetz" nicht". — Also doch, — nicht! Jedoch
mochten wir Dr. Ecker entschuldigen. Er wufste nicht, dafi nach
dem Gesetze des Schulchan-Aruch der Jude selbst heidnische
Gotzenbilder nur dann vernichten soil, wenn er sie gefunden hat (wie
es ja ausdriicklich in dem oben angefiihrten Gesetz lautet), und sie
sein Eigentum geworden sind. Fremdes Eigentum
zerstb'ren wird nie und nimmer gestattet, selbst wenn es ein H e i d e n-
tempel ist (die Kriegsbestimmungen fur die E r -
oberung Kanaans, s. oben S. 15, gehoren iiber-
haupt nicht hierher, wie aus der ausdriicklichen Erklarung
des Schulchan-Aruch- Verfassers Karo (im Beth Joseph) und dem
Kommentar Ture Sahab, Nr. |1 2, ersichtlich) ; vollends gilt dies
von einer christlichen Kirche, in welcher nach der ausdriicklichen
Erklarung des Isserles, Schulchan-Aruch I, § 1 56, der Schb'pfer
der Welt angebetet wird. ,,E i n e christliche Kirche zu
zerstoren, ist nach dem Schulchan-Aruch nicht
nurnichtgestattet.sonderngeradezustrengver-
b o t e n." (H o f f m a n n , Schulchan-Aruch, S. 121).
Der ,Judenspiegel" zitiert (,, Gesetz" 3) : ,,Sind zehn Juden
an einem Orte beisammen und sprechen das Kadisch-Gebet, so kann
auch einer, der nicht zu ihnen gehort, dabei antworten, vorausgesetzt,
100
dafi sie nicht trenne Kot oder Akum (Christ) ." Christ und
Kot sind alsogleichbedeutend. — Das jiidische Re-
ligionsgesetz verbietet an einem unreinen Orte Andacht zu halten.
Als ,,unrein" in symbolischem Sinne, d. h. als entweihend, gilt dem
jiidischen Religionsgesetz auch ein Gotzenbild, und darum
konnen sich nach dem Schulchan-Aruch betende Gruppen nur dann
zu einer Gemeinschaft vereinigen, wenn weder Unreines noch
Entweihendes (Fetischbilder) sich zwischen ihnen be-
findet. — Trotzdem der Hauptkommentar des Schulchan-Aruch
ausdriicklich erklart, dafi nicht die Anwesenheit von
Heiden personen, sondern die von Gotzenbildern als das
Entweihende gilt, scheut sich Justus nicht, eine doppelte Unterstellung
vorzunehmen : fur Gotzenbild setzt er Gotzen d i e n e r (Akum)
und fiir Gbtzendiener : Christen. In Wahrheit verbietet das jiidische
Religionsgesetz weder die Abhaltung gottesdienstlicher Andacht in
unmittelbarer Nahe von Nichtjuden noch die Anwesenheit von Nicht-
juden, selbst von Heiden, in der Synagoge. Religiose Juden beten
beispielsweise wahrend der Eisenbahnfahrt in nachster Nahe der
Christen, auch pflegen die jiidischen Religionsgemeinden zu alien
gottesdienstlichen Veranstaltungen, welche auch Andersglaubige mit-
zufeiern Anlafi nehmen konnten, z. B. vaterlandische Feste, Gedenk-
feiern usf., insbesondere auch zur Einweihung von Synagogen, die
christlichen Mitbiirger einzuladen, und es ist alter jiidischer
Brauch, dem christlichen Landesfiirsten bei feierlichen Empfangen
mil dem heiligsten Gegenstande des jiidischen Kultus, der T h o r a -
r o 1 1 e , entgegenzuziehen.
Im ,,Gesetz" 5 will der .Judenspiegel" seine Leser glauben
machen, dafi der Schulchan-Aruch Christentum und U n -
z u c h t als gleichbedeutend hinstelle. Nun war gerade hierin der
Talmud (und ebenso der Schulchan-Aruch) der Verbiindete
der christlichen Lehre, dafi er Gotzendienst und Unzucht fiir
engverwandte Erscheinungen hielt (s. H a r n a c k , oben S. 4 1 ) und
beide gleicherweise bekampfte. Fiir die Gleichstellung von
Christentum und Unzucht gibt es in Talmud und Schulchan-
Aruch absolut keinen Anhaltspunkt.
Im Schulchan-Aruch, I § 306, wird die (nur von wenigen
Gesetzeslehrem unterstiitzte) Ansicht erwahnt: ,,Es ist erlaubt, im
Lande Israel (selbst) am Sabbath von einem Heiden (Akum) ein
Haus zu kaufen. . ,"23) Dazu gibt der Zusatztext die Begriindung:
,,Z ur Forderung der Besiedlung Palastina s". Die
Ursprungsstelle dieser Bestimmung findet sich im Talmud (Tr.
Gittin, Bl. 8), und stammt aus der Zeit, wo die Juden von ihrer
101
heimatlichen Scholle nach und nach verdrangt wurden. Das Bestreben,
vom verlorenen heimatlichen Boden moglichst viel k a u f 1 i c h (und
nicht etwa mit Gewalt) zuriickzuerwerben, diirfte in gegenwartiger
Zeit Verstandnis finden. — Wie zitiert nun Dr. Justus im ,,Juden-
spiegel"? Er schreibt im ,,Gesetz" 5: ,,Am Sabbath ist es dem
Juden streng verboten zu kaufen oder zu verkaufen; wohl aber ist
es erlaubt, von einem Akum (Christen) in Palastina ein Haus zu
kaufen, .... damit man in Palastina einen Akum (Christen) weniger
und einen Juden mehr habe, damit ein Mensch (Jude) mehr, ein
Akum (Christ gleich Kot) oder Tier weniger in Palastina sei!"
Eine These des ,,Judenspiegels" (,,Gesetz" 15) lautet, der
Jude sei verpflichtet, Tiere (Hunde) nicht aber christliche Menschen
am Leben zu erhalten. Es handelt sich um das jiidische Religions-
gesetz (Sch.-A. I, 306 f.) .welches dem Juden das Kochen von
Speisen am Sabbath (von Krankheitsf alien abgesehen) unter-
sagt, an Feiertagen hingegen unter stark einschran-
kenden Bedingungen erlaubt. Um den Feiertag nach Mbg-
lichkeit von Arbeiten zu entlasten, gilt als Regel: was zur Ver-
pflegung der zum Hausstande des Juden gehbren-
denPersonen nochfiir den Feiertag selbst be-
notigt wird, darf zubereitet und gekocht werden. Fur einen
j u d i s c h e n Cast diirfen allerdings auch Speisen z u g e 1 e g t
werden (wird doch dadurch der e i g e n e Hausstand des jiidischen
Gastes entsprechend von Arbeiten entlastet), nicht aber fiir einen
nichtjiidischen Gast. Nun betrachten Talmud und Schulchan-Aruch
(wie ja schon die Thora auch; s. das Sabbathgesetz in den Zehn-
geboten, II. Buch Mos., Kap. 20) die Haustiere als zum
Haushalt gehorige Wesen, deren Versorgung als
religiose Pflicht gilt. (Nach einer alten jiidischen Ober-
lieferung, Talmud-Traktat Berachoth, Bl. 40, S. 1 , soil man an
jedem Morgen die Haustiere z u e r s t fiittern, ehe man selbst das
Friihstiick einnimmt, weil die Haustiere zumeist hilflos sind.) Der
Hund aber gilt dem Talmud wegen seiner Treue als das vornehmste
Haustier und wird darum im jiidischen Schrifttum haufig als Bei-
spiel gewahlt, wenn von den Pflichten gegeniiber den
T i e r e n die Rede ist. — Man kann es nicht anders denn als eine
Spekulation auf die Uneingeweihtheit der christlichen Leser bezeich-
ner., wenn der ,,Judenspiegel" aus diesen Zusammenhangen heraus-
tiiftelt, dafi nach dem jiidischen Religionsgesetz der Hund (,,Hund"
in dem heute vielfach angewandten verachtlichen Sinn !)
hb'her stehe als der christliche Mensch und dafi der Jude eher ein
Tier als christliche Menschen am Leben zu erhalten verpflichtet sei.
IO2
Justus verschweigt, dafi keinjiidisches Religionsgesetz
demjuden untersagt, von denjenigen Speisen, welche am
Feiertage bereits gekocht werden oder nicht g e k o c h t
zu werden brauchen, am Feiertage einem Nichtjuden abzugeben; er
unterdriickt den Satz des Schulchan-Aruch I, § 325, 1, wo ausdriick-
lich bemerkt wird, dafi der Jude am Sabbath wohleinen Nicht-
juden einladen konne (weil die Speisen fur den Sabbath laut
Vorschrift bereits am Vortage gekocht werden) , ferner die dort
gegebene Begrundung: „. . . denn seine (des Nichtjuden)
Versorgung liegt dir ob, da man die Nicht-
juden mil Lebensmitteln zu versorgen hat" — und
hat anscheinend keine Kenntnis davon, dafi am jiidischen Feiertag im
Haushalt des Juden fiir die zum Hausstand zahlenden
nichtjiidischen Personen (Hausgehilfen, Geschafts-
gehilfen, Erzieher usw.), ohne irgendwelche Sondermafinahmen mit-
gekocht werden darf, ja mufi!
,,Gesetz" 91 des Eckerschen .Judenspiegels" ermoglicht einen
Einblick in die Arbeitsmethode Dr. Eckers. Der Schulchan-Aruch
bestimmt, dafi man beim Ableben eines Juden gewisse T r a u e r -
gebrauche beobachten soil, z. B. Zerreifsen eines Kleides (vgl.
I. Buch Mos., Kap. 37, V. 34, wo erzahlt wird, dafi der Stamm-
vater Jakob bei der Nachricht von dem Tode seines Sohnes Joseph
,,seine Gewander zerreifit"). Ferner wird die Ansicht erwahnt, dafi
man auch beim Tode von Kindem, wenn diese schon das sechste
Lebensjahr iiberschritten hatten, Trauerfeiem veranstalten konne.
,,Beim Ableben eines Akum" — so heifit es weiter — ,,b r a u c h t
man sich wegen der Trauerfeierlichkeit und der
Leichenbegleitung nicht zu bemiihen". (Sch.-A. II, 344, 8) .
Das wird verstandlich, wenn man beachtet, dafi gewisse Trauer-
gebrauche mit r e 1 i g i 6 s e n Anschauungen zusammenhangen.
Dafi der Leichnam eines Nichtjuden jedoch vernachlassigt werden,
dafi man sich mit ihm nicht befassen, ihn unbestattet lassen diirfe,
davon ist keine Rede (s. weiterhin). Darum bemerkt der Kommen-
tar ausdriicklich, dafi die obenerwahnte Sonderbestimmung beziiglich
des Akum sich nicht beziehe auf dasjenige, was fur ,,das Tragen
der Bahre und fiir das Begrabnis eines Akum n o t -
w e n d i g ist". Oberdiesverweist der Kommentar
auf § 367. Im § 367 zitiert derselbe Kommentar im Nam en
des Verfassers des Schulchan-Aruch: ,,M a n i s t
auch verpf li chtet , dem Nichtjuden das letzte
Geleit zu geben, wenn dadurch der Friede gefordert wird
oder wenn es ein frommer Nichtjude war, da es als ein fester Lehrsatz
io3
gilt, dafi ein frommer Nichtjude Anteil an der
ewigen Seligkeit ha t." — Was haben Justus und Ecker aus
dieser humanen Lehre gemacht? Justus behauptet (,,Gesetz" 91):
«Ist ein Jude gegenwartig, wenn ein anderer Jude stirbt, so soil er . . .
als Zeichen der Trauer ein Stiickchen sich von seiner Kleidung
reifien ... 1st er zugegen beim Tode eines Juden, der Akum (Christ)
geworden ist, so ist dieses Zeichen verboten.weil derjude
iiber einensolchen Fall sichfreuen soil. Ferner
ist es dem Juden verboten (!), einem Akum (Christen)
die letzte Ehre zu erweisen, z. B. seine Leiche
z u Grabe zu geleiten oder eine Trauerrede zu
halt en . . ." - — Dazu erganzt Dr. Ecker: ,,Da£ der Jude ,,sich
freuen soil", wenn ein Akum stirbt, ist nach friiher Gesagtem ganz
natiirlich. Der Kommentar Beer hagolah bemerkt noch dazu, es sei
dies eine Freude, die kein Geld kostet". — So Dr. Ecker.
Hierzu ist zunachst zu sagen: der Schulchan-Aruch lehrt
(I, 490, 4), dafi der Jude sich nicht einmal iiber den Tod seiner
grimmigsten Feinde und Verfolger wie es die alten Agypter waren,
freuen durfe. (Vgl. d. bibl. Weisheitsspriiche, Kap. 24, V. 17— :18:
,,Wenn dein Feind fallt, freue dich nicht, und wenn er strauchelt,
frohlocke nicht dein Herz"). — Wichtig ist aber noch, dafi die
vollig aus der Luft gegriffene Erganzung Eckers, der
Schulchan-Aruch lehre, es sei dies (die Freude am Tode eines
Akum) ,,eine Freude, die kein Geld kostet" — wie
Prof. Hoffmann es enthiillt — die Vermutung nahelegt, dafi Ecker
hier von einem anderen hat den Text ,,geliefert erhalten" und sich
,,dupieren lassen". Namlich an einer anderen Stelle desselben
Kapitels im Schulchan-Aruch heifit es, da6 man beim Tode eines
Kindes a r m e r Leute auch in dem Falle eine Trauerfeier ver-
anstalten soil, wenn es junger als sechs Jahre war (s. oben), ,,denn
- so lautet die Begriindung — ,,dies ist ihre Freude" ,(d. h. die
Kinder sind das einzige Gliick armer Eltern), da sie doch kein
Vermogen besitzen, um sich (auch) eine andere Freude zu ver-
schaffen". — Aus diesen Worten hat Ecker seine Weisheit ge-
schopft: ,,es sei dies eine Freude, die kein Geld kostet". — Es
liegt auf der Hand (so schreibt Hoffmann), dafi, wer die Quellen
nachzulesen versteht, unmoglich so entsetzliche Albern-
heiten drucken lassen kann.
Schulchan-Aruch lehrt :
IV, § 1 — 2: ..Heutzutage
aind jiidische Gerichtskollegien
nur zustandig fiir die (Z i v i 1 -)
104
,,J u d e n s p i e g e 1" zitiert
(..Gesetz" 19):
,Jedes Bethdin (Ober-
rabbineramt) darf auch heutzu-
tage Todesstrafe verhangen,
wenn es dieses fur notig erachtet,
auch wenn fur die Sache kein
klarer Beweis vorliegt . . ."
(Anmerkung:) ,,Doch in
diesem Falle, wo die Ober-
rabbiner den Tod eines Men-
schen fur notig erachten, diirfen
sie auch jetzt noch die Todee-
strafe verhangen".
Rechtsfalle . . . Alle Gerichts-
kollegien . . . diirfen jedoch, wenn
sie sehen, da&dasjudische
Volk die Schranken
(des Rechts und der
Moral) niederreifit
durch Obertretung der
Religionsgesetze, so-
wohl Todes- als auch Geld- und
sonstige Strafen verhangen, selbst
wenn die Formalitaten der Be-
weisaufnahme nicht abgeschlossen
sind". Kommentare: „. . . Wenn
es die Not'der Stunde
f o r d e r t" . . . ,,U n d e r -
sichtKch ist, d a 6 die
Sache auf Wahrheit
b e r u h t" . . . ,,Bei Todes-
urteilen mufi man darauf be-
dacht sein, nur mil Zustimmung
der Gemeinde-Altesten . . . und
mit ruhiger Oberlegung zu ver-
fahren".
Es ist zunachst nicht recht verstandlich, zu welchem Zwecke der
.Judenspiegel" diese rein innerjiidische Angelegenheit, ein von
Juden fiir Juden bestimmtes Gesetz, in seine Sammlung
aufgenommen hat. Allein, man kommt auf den Gedanken, dafi das von
ihm zurechtgemachte ,,Gesetz" in dem christlichen Leser die
Meinung hervorrufen soil, als sei das Oberrabbineramt so etwas
wie die ,,Schwarze Hand", die vom Schulchan-Aruch ermachtigt
wird, beliebig — am Ende gar auch iiber Christen, ,,wenn es dieses
fiir notig erachtet" — den Tod zu verhangen. Man vergleiche nur
aufmerksam die beiden obigen Texte miteinander.
Die antisemitischen Flugblatter schreiben : ,,D e r Talmud
unddieRabbinerlehren:DenRechtschaffensten
derNichtjuden bringe um dasLebe n". (Als Quelle
wird angegeben Talmut-Traktat Abodah zarah [= Gotzendienst] »
Blatt 26, Tos.). Welche Bewandtnis hat es mit dieser ,,Lehre des
Judentums"? — Ein Talmudgelehrter wirft (laut Talmud Jer.,
Tr. Kidduschin) die Frage auf, woher wohl die alten Agypter bei
der Verfolgung der eben aus der Sklavenschaft befreiten und aus dem
Lande eilenden Israliten die Kriegsrosse, von denen die Bibel erzahlt,
105
hergenommen haben mochten. Heifit es dock in der biblischen Er-
zahlung, dafi wahrend des iiber Agypten niedergegangenen Hagel-
wetters das Vieh zugrunde ging. Der betreffende Talmudist gibt die
Erklarung, dafi doch nicht alles Vieh umgekommen sei. Die Bibel
berichtet namlich, dafs diejenigen Agypter, die sich durch die vor-
herige gottliche Ankiindigung des kommenden Hagelschlags wamen
liefien, ihr Vieh vom Felde heimgetrieben haben. Da gab es also
noch geniigend Kriegsrosse, um die Israeliten verfolgen zu konnen. — —
An diesen Gedankengang wird die Folgerung gekniipft, dais selbst
die besseren Elemente unter den Heiden nicht viel wert seien, da ja
selbst diejenigen Agypter, die das Wamungswort Gottes beachteten,
sich nicht gescheut hatten, die durch Gottes Wamung geretteten Tiere
fur den schandlichen Zweck der Verfolgung der aus der Sklavea-
schaft fliehenden, wehrlosen Israeliten bereitzustellem. Also — so
meint der Tamudist — moge auch die Besten unter den Heiden
(sinngemafi gesprochen:) — der Teufel holen. Ja, er hat sich noch
scharfer ausgedriickt, er sprach sogar von Tolling. Jedoch bemerken
schon die Tosaphoth (einer der mafigebendsten Kommentare aus dem
1 2. Jahrhundert) , dafl der Schriftgelehrte nur gemeint haben konne,
es brauche wahrend einer Kriegfiihrung mit den
Heiden auch auf die Besten unter ihnen keine Riicksicht ge-
nommen zu werden. Sollte nun diese Erklarung auch nichts anderes
als eine nachtragliche ,,Rettung" jenes Schriftgelehrten bezwecken,
so bewiese sie doch immerhin, dafi die iibrigen Schriftgelehrten die
besprochene Aufierung eben nicht in ihrer scharfen Fassung gelten
lassen wollten.
In dem alten Schriftauslegungsbuch Midrasch Bemidbar rabbah,
welches iibrigens niemals als Gesetzbuch bei den Juden gait, wird (im
Kap. 2 1 ) Bezug genommen auf die biblische Erzahlung (IV. Buch
Mos., Kap. 25), wonach Gott dem Hohepriestersohn Pinehas, der
einen LJnzucht treibenden Israeliten samt der mit ihm be-
troffenen Midjanitin im Eifer erschlug, die anerkennenden Worte
zurief : ,,Ich gebe ihm meinen Bund des Friedens . . . dafiir, dafi er
geeifert hat fiir seinen Gott und gesiihnt hat die Kinder Israels",
und es wird gefragt: ,,Hat derm Pinehas ein Opfer dargebracht, so
dafi es heifien dtirfe, er habe ,,die Kinder Israels g e s ii h n t". —
Antwort: ,,Du ersiehst hieraus, dafi wer das Blut der Frevler
(jiidischen Frevler) vergiefst, so anzusehen ist, als wiirde er ein
Opfer dargebracht haben". So der Schriftausleger. Man ver-
gegenwartige sich: der Hohepriestersohn ereifert sich iiber eine
emporende Untat eines seiner Stammesbriider, eines
Israeliten, die geeignet war, das Volk Israel in das Verderben
106
des sittlichen Verfalls zu stiirzen (vgl. die Kommentare) , und er
vollzieht an ihm, dem israelitischen Verbrecher, und an dem
unziichtigen midjanitischen Weibe i m E i f e r (so nennt es die
Bibel selbst) ein Strafgericht, die Thora nennt dies eine Siihne (eine
rettende Tat) fur Israel, ein Schriftausleger bemerkt dazu, da6 ein
solches (an einem Juden vollzogenes) Strafgericht so viel gelte
als ein Opfer — und nun kommen die antisemitischen Flugblatt-
verfasser und schreiben unter ungenierter Berufung auf
diese Stelle das folgende : ,,D e r Ta Imud und die R a b -
biner lehren: Wer d a s B 1 u t d e r N i c h t j u d e n v e r -
g i e 6 t , bringtGott ein Opfer da r". Ein mutiges
Stiick, fiirwahr.
Ober die in antisemitischen Flugblattern enthaltene Stelle, wo es
heifit, das jiidische Religionsgesetz schreibe vor, dafi ,,wenn ein Nicht-
jude in eine Grube fallt, man ihn nicht herausziehe", s. oben
Seite 54.
Viel Larm entstand neuerdings urn den Ausspruch des Talmud
(Tr. Pesachim, Bl. 1 1 3, S. 1 ) , der da lautet: ,,W ennduinden
Krieg ziehst, so ziehe nicht vornean, sondern
ziehe zuletztaus, aufdaSdu zuerstheimkehres t".
- Dieser Spruch kommt freilich denjenigen gelegen, die gem von der
Driickebergerei der Juden sprechen, denn er hort sich so an, als wiirde
er von Religions wegen den Juden empfehlen, sich in den Landern,
wo sie wohnen, ihrer vaterlandischen Pflicht moglichst zu entziehen.
Der Ausspruch des Talmud gibt jedoch — wie der Talmud an der
betreffenden Stelle deutlich sagt — ein im ehemaligen jiidi-
schen Staate, und zwar in Jerusalem verbreitetes Sprich-
wort wieder, welches anjiidischeSoldatenimjudischen
Staate gerichtet war. Wer in den Geschichtsbiichern blattert, wird
erfahren, welche bewundernswerte Tapferkeit, ja von den romischen
Heeren selbst angestaunte Heldenhaftigkeit die Juden bei der Ver-
teidigung ihres Landes, insbesondere der Hauptstadt Jerusalem, be-
wiesen haben. Der erwahnte Volksspruch kann darum nichts anderes
sein, als eine — aus nicht mehr bekannten Anlassen entstandene —
harmlose Redensart, da sie eine Zeit voraussetzt, wo die Juden i m
eigenen Staate lebten und im Kriegsfalle nur auf die
eigene Kraft angewiesen waren.
Noch ein zweites Sprichwort, welches der Talmud an derselben
Stelle aus alter Zeit zitiert, die Redewendung: ,,B e f a s s e dich
mit demjenigen, dem die Stunde lachelt" fuhren
neuere antisemitische Schriften gern an, und zwar in einem Tone, als
ob der Talmud damit die gefahrlichste Skrupellosigkeit hatte
107
anempfehlen wollen. Der Satz bedeutet nichts anderes als eine harm-
lose Lebensregel, wie wenn man heute jemandem den Rat erteilt, bei
geschaftlichen Unternehmungen mb'glichst mit einem Finanzinstitut
in Verbindung zu treten, welches ,,gliicklich arbeitet", d. h. leistungs-
fahig ist. Da6 das jiidische Schrifttum die selbstsuchtige und
bedenkenlose Verbruderung mit jedem beliebigen ,,Gliicksvogel", oder
brutalen Emporkommling verabscheut, geht aus zahlreichen Bibel- und
Talmudausspriichen hervor. Einige Stellen mb'gen hier vorgefuhrt
werden. Der Psalmdichter wamt (Ps. 37) : ,,Beneide nicht die Obel-
tater (d. h. auch wenn sie Erfolg haben) ; denn wie das Gras, so
werden sie dahinwelken". — Der Talmud (Mischnah, Spriiche der
Va'ter, Kap. I) lehrt: ,,Habe mit dem schlechten (gesetzlosen)
Menschen k e i n e Gemeinschaft". Ferner meint der Talmud (Baba
kama, Bl. 92, S. 2) : . . . ,,W as sich mit Unreinem ver-
b i n d e t , i s t (selbst) unrei n." — Im Traktat Sukkah, Bl. 56,
S. 2, lehrt ein Autor: ,,Wehe dem Bbsewicht — wehe seinem
Nachbar". Und in Aboth die R. Nathan, Kap. VI, steht die
Mahnung: ,,Wer sich blofi mit Ubeltatern verbindet, den ereilt
schon das gleiche Strafgericht (wie jene) , selbst wenn er ihre (bbsen)
Taten nicht nachgeahmt hatte".
Auch iiber einen ,,O sterwunsch der Juden" und ein
,,G ebet am Hamanfeste" suchten jiingst von Antisemiten in
Umlauf gesetzte Handzettel das deutsche Volk ,,aufzuklaren". AU
..Osterwunsch" wird bezeichnet das in der alten Pessachhagadah ent-
haltene Stiick: ..Giefie aus deinen Grimm iiber die Vblker, die dich
nicht kennen und iiber die Reiche, die deinen Namen nicht anrufen.
Denn sie haben Jakob verschlungen und seine Wohnstatte haben sie
verwiistet". — Das ist aber kein Osterwunsch, sondern ein Not-
schrei wegen der Pogromopfer, welcher gerade um die Osterzeit, wo
die wahnwitzige Blutbeschuldigung aufzutauchen pflegte, oft genug
durch das mittelalterliche (und, leider, auch durch das ,,neuzeitliche")
Europa zitterte, das ist ein Aufschrei, der sich zuerst der Brust des
Psalmdichters entrang (Psalm 79, V. 6 — 7) und nicht, wie
die antisemitischen Flugschriften unterstellen, auf Christen,
sondern auf unchristliche Menschen bezogen wird, auf
Menschen und Volker, die ,,den Namen Gottes nicht
kennen" und ,,den Namen Gottes nicht anrufen"
(s. Kommentar zur Hagadah, Maafie Haschem, Venedig 1583).
Am 15. Dezember 1914 fiihrte der Berliner christliche
Universitatsprofessor Friedrich Delitzsch in einem offent-
lichen Vortrage iiber ,,P salmworte fur die Gegenwart"
(Deutsche Reden in schwerer Zeit, Nr. 1 3, Carl Heymanns Verlag,
108
Berlin) u. a. folgendes aus: „. ..Und mit Grausenhoren
wir, d a 6 die fiihrendea k i r c h 1 i c he n Z e i t u n g e n
(hier folgt der Name eines deutschfeindlichen Staates) verkiin-
d e n , es fiihre einen heiligen Krieg. Einen
heiligen Krieg gegen dasVolk Luthers, indem es
eine Meute von Heiden und G b t z en d i e n er n und
Teufelsanbetern gegen uns loslaftt. 1st das
nicht gottlos? Das Wort des Psalraisten: M ufi
ich DeineHasser, oGott, nicht hassen undvor
denen, die wider dich erstehen, mich grauen? Mit
aufierstem Hasse hasse ich sie" — sollte dieses Wort
nicht Jesus selbst in diesem Falle zu dem seinen gemacht haben?
Und des weiteren sprach Professor Delitzsch in heiligem Zorn iiber
die Begriinder des ,,L iigenbureaus, das Tag fur Tag
imraer neue Liigen, nichts als Liigen (iiber Deutsch-
land) ausspeit und mit ihnen alle Lander durch-
seucht, also dafi wir (namlich das deutsche Volk) w i e
schon der Psalmist klagt ,,Schimpf und Schande
geworden sinc\ unseren Nachbarn" und unter An-
fiihrung des Psalmwortes : ,,D a erwachte der Allherr und
schlugseineFeinde . . . ewigeSchmach ihnen be-
r e i t e n d", brach der Redner in den Ruf aus : ,,G erechter
Gott, tue einGleiches unseren Fein den" - so
zittert es aus unsern Herzen — aber wir unterdriicken
dieses Stofigebet und folgen den Makkabaern"
Keiner aber konnte den christlichen Professor, der solches sprach,
besser verstehen als diejenigen, gegen die seit Jahrhunderten, seit
Hamans Zeiten, die wiiste Losung ausgegeben wird: ,,Kommt,
wir wollen sie ausrotten aus der Reihe der
Volker" (Psalm 83, V. 4 — 5; s. den erwahnten Vortrag,
S. 11 — 12), und die angesichts der an ihnen begangenen Untaten
sich das letzte Recht des Unterdriickten und Vergewaltigten wahren
mochten : Zuflucht zu suchen beiGott, demAll-
herrn, dem Horte des Rechts und der Gerech-
tigkei t !
Nein, das ist kein ,,O sterwunsc h", wie es antisemitischer
Geschmack bezeichnet. Die Juden haben aber einen Neujahrs-
w u n s c h. In dem Hauptgebete des jiidischen Neujahrsfestes heifit
es: ,,Lege, o Gott, die Ehrfurcht vor Di'r auf alle
Deine Geschopfe . . . auf dafi alle Kreaturen
Dich fiirchten und allesamt zu Einem Bunde
werden, um mit ganzem Herzen Deinen Willen
109
z u t u n . . . auf dafi das Unrecht verstummt und alle Bosheit wie
eine Rauchwolke verschwindet"
Die hier angefiihrten Beispiele konnten noch erheblich vermehrt
warden. Es moge jedoch hier zusammenfassend gesagt werden:
kaumeinemeinzigensamtlicher von Justus im
Namen des Talmud und Schulchan-Aruch an g e-
f ii h r t e n ,,G esetze" (100 an der Zahl) hat selbst
Dr. Ecker, der Beschiitzer Justus', vorbehaltlos z u -
gesti-mmL Schon Dr. Ecker hat eine Reihe jener von
Justus sogenannten ,,Gesetze" mit mehr oder minder energischen
Ausdriicken abgelehnt. So heifit es zu ,,Gesetz" 17: ,,Die
Obersetzung des Justus lafit sichnichtrechtfertige n". —
Zu 2 1 : ,,Mit dem Ausdruck . . . hat Justus vielleicht z u v i e 1 g e -
sag t". — Zu 22 : ,,Die . . . Worte . . . sind zu streiche n".
Zu 24: ,,Im .Judenspiegel" ist der Ausdruck . . . wohl
etwas stark". — Zu 26: .Justus hat die beiden verschiedenen
Texte in geschickter ( !) Weise miteinander verwebt. Es ist i n -
k o r r e k t aber nicht unredlich. — . . . Dieser kleine I r r t u m des
Justus". — Zu 28 : ,,Das ist ein spitzerZusatz des Justus". —
Zu 38: ,,Das Gesetz im .Judenspiegel" ist insofern u n g e n a u" . . .
— Zu 43: ,,Im . . . .Judenspiegel" scheint uns die Unter-
s t e 1 1 u n g des Justus ... nicht hinreichend moti-
v i e r t". — Zu 55 : ,,Indes die direkte Zusammenstellung . . . stellt
die Sache etwas scharf dar". — Zu 65: ,,So hatte Justus wieder
korrekter gehandelt, wenn er... geschrieben
hatte ..." - Zu 66: ,,Wenn er (Justus) aber . . . ubersetzt
und dazu noch durch Sperrdruck hervorhebt ..< sosagter
mehr als im Texte lieg t". — Zu 73 : .Justus hat hier den
scheinbar wichtigen Zusatz des Schulchan-Aruch weg-
g e 1 a ss en". . . .
Ja, noch scharf ere Urteile finden sich stellenweise schon bei
Dr. ,Ecker, z. B. zu ..Gesetz" 2 : ,,D er (vonjustus) alsBe-
griindung angefiihrte Satz stehtim Schulchan-
Aruch gar nicht, im Talmud aber in anderem Z u -
sammenhange. Die Begriindung des Justus ist
also willkiirlic h." — Zu 9 : ..Beide Wbrter sind (bei Justus)
noch dazu durch Sperrdruck hervorgehoben, so miifate der Uneinge-
weihte den Schlufi ziehen, daS im Gesetze selbst die christliche
K i r c h e offen und deutlich als G 6 t z e n h a u s bezeichnet werde ;
und hierin wird vielleicht mancher gerade die Scharfe des Gesetzes
suchen, was der Wahrheit nicht entsprich t". —
Zu 25 : ,,Das Gesetz bei Justus ist im-ersten Teile u n r i c h t i g". —
IIO
Zu 30 : ,,Der von Justus angegebene Grund ist nicht zu
billigen". — Zu 31: ,,D i e Worte des Justus . . .
stehen nicht im Schulcha n".
Die Professoren Delitzsch, Nbldeke und W ii n s c h e ,
sowie der Jurist Dr. K o p p haben sich jedoch der Wahrheit energi-
scher angenommen. I h r e Urteile iiber R o h 1 i n g lauten u. a.
(Delitzsch) : ,,Entstellte Obersetzungen", ,,Entstellte Texte", ,,Ent-
stellungen durch Verschweigen", ,,Falsche Deutungen"; (Noldeke
und Wiinsche) : ,,Von Christen und Christentum ist hier nirgends die
Rede", ,,absolut falsch", ,,hier ist allerdings gar nichts dem Rohling
schen Zitate Ahnliches", ,,von dem, was Rohling dariiber zitiert,
enthalt diese Stelle nicht einmal eine Spur", ,,Entstellung der Wahr-
heit". — (Kopp:) ,,Nackte Falschung" (Seite 60), ,,Seine Unred-
lichkeit" (71), ,,in gewohnter Weise verstiimmelt", ,,Zitate falscht"
(S. 81), ,,korrumpiert wiedergegeben" (S. 83). ,,Der Leser hat
auch an einer Reihe flagranter Beispiele, die nicht naher zu charak-
terisierende Kampfmethode des Herrn Rohling kennen gelemt — er
kann sich jetzt ein Urteil bilden" (Seite 63).
Es sei hier schliefilich noch festgestellt, d a 6
die imjahre 1919 veranstaltete Neuauflage des
Justusschen,Judenspiegels"vonden von seiten
der be r ii h m t e s t e n christlichen Fachmanner
sowie des Nestors der jiidischen Talmudgelehr-
ten. Prof. Hoffmann, gegen die Rohling-
J us t u s - E c k e r s c h e n Thesen langst verbffent-
1 i c h t e n W i der 1 e g u n gen keine Kenntnis genom-
men und sie — mit ganz verschwindenden Aus-
nahmen — unbeachtet gelassen hat!
Ill
Anhang.
Mehrerealte.denVerkehrderJuden mitAnders-
glaubigen regelnde Gesetze der Juden.
(Aus Prof. Hoffmann ,,Der Schulchan-Anich" usw.)
Aus Kap. 1 . AllgemeineGrundsatze.
Gott stets vor Augen haben, ist ein oberster Grundsatz der
Thora; selbst im verborgenen Wandel und auf der nachtlichen
Lagerstatte beachte man, dafs Gott gegenwartig ist.1)
Alles, was man tut, geschehe zu Ehren Gottes. Der Mensch
uberlege jeden Schritt und jede Tat; wenn er durch dieselbe zum
Dienste seines Schopfers gelangt, dann tue er sie, wo nicht, soil er
«e unterlassen.2)
Ein Nicht jude, der die sieben Noachidischen Gebote3) an-
genommen hat, der heifit ein Ger-Toschab (ein Fremdling, der
in einem jiidischen Staate als Beisasse aufgenommen wurde.4) Gegen
diesen mufste man im gewbhnlichen Verkehr und im Erweisen der
Liebesdienste ganz so wie mit einem Israeliten verfahren, derm wir
waren verpflichtet, ihn zu ernahren, wie geschrieben steht: ,,Dem
Fremdling in Deinen Toren sollst Du es geben!5)" Eines
solchen Nichtjuden Irrtum darf man nicht aus-
nutzen; auch die verlorene Sache m u 6 man ihm
zuriickgeben. Schatze ihn nicht gering, sondern ehre ihn mehr
als einen Juden, der sich nicht mit der Thora beschaftigt! 6)
Nur gegen Gott begangene Siinden werden am Ver-
sohnungstage vergeben; dagegen finden Siinden, welche man gegen
die Menschen veriibt, am Versohnungstage keine Siihne, wenn
l) Isserles im Orach Chajjim 1 , 1 .
*) Karo. Orach Chajjim 231.
a) Die 7 Gebote, vgl. oben S. 33.
*) Karo, Jore Dea 124, 2.
') Maimonides H. Melachim 10, 12.
8) R. Juda b. Samuel, Sepher Chassidim 358.
112
man nicht den Verletzten befriedigt hat. 7) ,,Es sei aber niemand so
tbricht, in seinem Herzen zu sprechen, Raub sei nur dann ein so
schweres Vergehen, dafi, wer ihn nicht zuriickgibt, weder durch
Bufie noch durch Opfer Siihne findet, wenn der Raub an einem
Israeliten begangen wurde ; dem ist nicht so, sondern auch die
Beraubung eines Nichtjuden ist von der Thora verboten
worden ... Ja, esisteine schwerere Siinde, einen
Nichtjuden zu berauben, als einen Juden. Wer
daher eine solche Siinde begangen, soil sie von sich entfernen, denn
er wird nicht rein, bevor er sie abgeworfen, wie man einen Stein aus
der Hand wirft." 8)
Aus Kap. .2. Achtung der Wiirde aller Menschen.
Wer einen nichtjiidischen Weisen sieht, spreche :
,,Gepriesen seiest Du, Ewiger, unser Gott, Konig der Welt, der Du
von Deiner Weisheit dem Sterblichen gespendet hast." 9)
Wer einen nichtjiidischen Konig sieht, spreche: ,,Gepriesen
seiest Du, Ewiger, unser Gott, Konig der Welt, der Du von Deiner
Ehre einem Sterblichen verliehen hast." 10) Sieht man hohe konigliche
Beamte, so spreche man diesen Segenswunsch ohne Erwahnung des
Gottesnamens und Seines Konigtums.11)
Auch nicht jiidischen Greisen mufi man Hochachtung
bezeugen und ihnen die Hand zur Unterstiitzung reichen. 12)
Wer einen Leichenzug sieht, mufi aufstehen und jedem, auch
einem nichtjiidischen Toten mindestens vier Ellen weit
das Geleite geben. Wiewohl man bei einem abtriinnigen Juden nicht
hinter der Bahre hergehen m u fa , so mufi dies beim Nichtjuden ge-
schehen, weil der fromme Nichtjude mehr zu achten ist, als der ab-
triinnige Jude. 13)
Es ist verboten, einen menschlichen Leichnam, sei es der
eines Juden oder eines Nichtjuden, ebenso auch dessen
Totenkleider zu irgendwelchem Nutzen zu gebrauchen.14) ,,Dies ist
urn so mehr verboten bei den j e t z i g e n Nichtjuden, welche
7) Orach Chajjim 606, vgl. Mischnah Joma 85.
8) R. Bechai b. Ascher im Kad ha-Kemach ed. Warschau S. 1 7.
•) O. Ch. 224, 7.
") O. Ch. 224, 8.
u) O. Ch. 224 im Magen Abraham.
") J. D. 244, 7.
") Karo, Bet Joseph im J. D. 367.
") Jore Dea 349, 1.
t
n3
Religion und Gesetz achten, an den Weltschopfer, die Vorsehung, Be-
lohnung und Bestrafung und andere wichtige Dogmen glauben. 15) . . .
Dennoch aber mag es geniigen, dafi ganz Israel die Christen fur Nicht-
Gotzendiener halt. Darum miifite ihr Leben kostbar
sein in unseren Augen, selbst wenn wir iiber s i e herrschten
und sie u n s untertanig waren in unserem Lande, und wie viel
mehr ist es in diesen Landern, wo wir unter ihrem Schatten uns
bergen, unsere Pflicht, mit unserer ganzen Kraft sie zu schiitzen, sie
vom Tode zu erretten und vor jedem Schaden und Nachteil zu be-
wahren; auch der Schutz ihres Eigentums mufi unsere Sorge sein . . .
Dies alles ist selbstverstandlich . . . Steht es doch fest, dafi die
Frommen aller Volker Anteil an der ewigen Seligkeit haben." 16)
Aus Kap. 3. Proselyte n.
Wenn jemand kommt, um zum Judentum iiberzutreten, sage
man zu ihm: ,,Was bewegt Dich, Jude zu werden, weifit Du
denn nicht, dafi Israel zur Zeit gestofsen, zertreten und gemartert ist?"
Wenn er sagt: ,,Wohl weifi ich dies, und ich stehe nicht an, mich
mit ihnen zu verbinden", so nehme man ihn auf und m a c h e i h n
bekannt mit den Grundlehren der Religion, d. i.
die Einheit Gottes und das Verbot des G 6 tzeri-
d i e n s t es. 1T)
Man schildere alien aufzunehmenden Proselyten die Schwere
des .Joches" der Thora und die Miihe, welche deren Ausiibung
dem gemeinen Volke macht, damit sie ihren Vorsatz aufgeben.
Geben s\e ihren Vorsatz aber dennoch nicht auf, so dafi man sieht,
sie bekehren sich aus Liebe, so kann man sie aufnehmen. 18)
Ein nicht jiidischer Knabe kann von seinem Vater zum Juden-
tum iibergefuhrt werden. Hat er keinen Vater und kommt von selbst
oder von seiner Mutter gebracht, um zum Judentum iiberzutreten,
so darf das jiidische G e r i c h t ihn zum Proselyten machen. 19) Els
ist jedoch nicht gestattet, ihn g e g e n seinen Willen zum Juden zu
machen, selbst wenn die Juden die Macht dazu haben. 20)
15) VgL ,,Mor u-Keziah" 324 und ..Schellath Jaabez" II Mr. 1 33.
16) R. Jakob Emden in Responsen ,,Scheilath Jaabez" I, Nr. 41,
S. 70 b ff. Das Gutachten ist an einen jiidischen Medizincr gerichtet.
Die Sammlung ist gedruckt zu Altona 1 739.
»7) Jore Dea 268,2.
18) Jore Dea 268, 12.
19) Jore Dea 268, 7.
20) Jore Dea 268 im Sifte Koken 16.
Dem Proselyten ist es streng verboten, seinen Vater, wenn
er auch ein ,,Goi" ist, zu schlagen, zu verfluchen, oder zu be-
schimpfen. 21)
Ein Proselyt kann nach dem gb'ttlichen Thoragesetze seinen
Vater, der kein Jude ist, n i c h t beerben. Indessen haben die
Rabbinen angeordnet, dafs er erbe, damit er nicht wieder abtriinnig
werde. Allein, da doch der Nichtjude nicht verpflichtet ist, diese An-
ordnung der Rabbinen zu respektieren, so hat der ,,Goi" das Recht,
seinen Sohn, der Proselyt geworden, zugunsten seiner anderen Sohne
zu enterben. 22)
Aus Kap. 4. Apostate n.
Wurde ein nichtjiidischer Knabe von seinem Vater oder von
einem jiidischen Gerichte zum jiidischen Proselyten gemacht, so kann
er, groEjahrig geworden, dagegen Protest erheben und zu seiner
friiheren Religion zuriickkehren. Er wird dann nicht a 1 s
A p o s t a t betrachtet. 23)
Wiewohl man zur Zeit des Tempels von einem Apostaten keine
Opfer annahm, so darf man jetzt dennoch Weihegeschenke fur
die Synagoge oder Spenden fiir Arme von ihm annehmen. 24)
Wenn ein Apostat Geld gibt, um eine Thorarolle in seinem
Namen schreiben zu lassen, so darf man seinen Willen ausfuhren. 25)
Ein Proselyt, der wieder abtriinnig geworden, ist als
j u d i s c h e r Apostat zu betrachten. 26) Er mufi daher in Geld-
angelegenheiten, in Zueignungen und Verpflichtungen wie ein Jude
behandelt werden. Existiert jedoch ein Gesetz der Regierung, dafi
ein solcher wie ein Nichtjude erwerben und zueignen konne, so ist das
Gesetz der Regierung mafigebend. 27)
Nach dem Rechte der Thora beerbt der Apostat seine jiidischen
Verwandten. Findet es jedoch das Gericht fiir tunlich, ihm die Erb-
schaft zu entziehen, so mag es danach verfiigen. 28)
Gerat ein Jude in Gefangenschaft, so mufi das' Gericht dafiir
sorgen, dafi dessen Vermogen von einem ehrlichen und zuver-
21) Jore Dea 241, 9.
22) Choschen ha-Mischpat 283, 1.
") Jore Dea 268, 7.
24) Jore Dea 254 im Sifte Kohen 5, Namens des ,,Mabit".
25) Or. Ch. 154 im Magen Abraham 18, Namens des S. Chassidim.
26) Jore Dea 268, Ende.
27) Karo im ,,Bet Joseph" und Isserles im Darke Mosche Jore Dea 268,
Ende.
28) Choschen ha-Mischpat 283, 2.
8*
lassigen Manne verwaltet wird. Auch wenn sich eine gefangene
Frau g e t a u f t und mit einem Christen verheiratet hat, soil fiir die
Verwaltung ihres Vermogens so gesorgt werden, wie wenn sie sich
nicht getauft harte. 29)
Aus Kap. 5. Nicht jiidische Sklaven.
Einen gekauften nicht jiidischen Sklaven darf man zwar nach
dem Rechte der Thora (Lev. 25, 46) schwer arbeiten lassen;
jedoch ist es eine Eigenschaft der Frommen und
Weisen, barmherzig zu sein. Man soil daher seinem
Sklaven kein schweres Joch auflegen, ihn nicht bedrangen; man gebe
ihm zu essen und zu trinken von alien Speisen und Getranken; man
beschimpfe ihn nicht durch Taten und nicht durch Worte; man schreie
nicht viel und ziime nicht gegen ihn, sondern rede mit ihm gelassen und
hore seine Gegenrede an.30) Grausamkeit und Frechheit finden sich
nur bei Gotzendienern, aber Israel, die Nachkommen Abrahams, denen
Gott die Wohltat der Thora zustromen lieE und gerechte Satzungen
und Rechte gegeben hat, sie sind barmherzig gegen a 1 1 e. Ebenso
heifit es von den Eigenschaften Gottes, denen wir nachzuahmen ver-
pflichtet sind: ,,Seine Barmherzigkeit erstreckt sich iiber alle Seine
Geschopfe." 31)
Wer einem nichtjiidischen Sklaven ein Glied verletzt, z. B. ein
Auge, oder ihm auch nur einen Zahn ausschlagt, der mufi
zur Strafe ihn unentgeltlich frei entlassen. 32)
Wenn ein nichtjudischer Sklave seinem Herrn entflieht und
nach Palastina kommt, so darf man ihn (nach der Vorschrift in
Deut. 23, 16) nicht seinem Herrn ausliefern. Man sagt vielmehr
seinem Herrn, er soil ihm einen Freiheitsbrief schreiben; dafiir gebe
der Knecht ihm einen Schuldschein, dafi er, sobald er zu Vermogen
gekommen, ihm das entsprechende Losegeld zahlen werde. Will
jedoch der Herr ihn nicht freilassen, so erklare das Gericht geradezu
die Knechtscha'ft des Sklaven fur aufgehoben. 33)
Aus Kap. 6. WahrhaftigkeitundTreue.
Wenn jemand von einem andern beschworen wird, etwas
zu tun oder nicht zu tun, und er darauf ,,Amen" oder sonst ein Wort
M) Choschen Ka-Mischpat 285, 10.
*>) Jore Dea 267, 17.
31) Maimonkles H. Abadim 9, 8.
3Z) Jore Dea 267, 27.
33) Jore Dea 267, 85.
erwidert hat, woraus die Annahme des Schwurs zu verstehen ist, so
ist dies ein verbindlicher Eid, gerade so, wie wenn er selbst ge-
schworen hatte, magauchderBeschworendeeinNicht-
j u de s ein. 34)
Man darf nicht ,,den Sinn der Menschen durch Worte stehlen"35)
(sie tauschen), dafi man zeige, man tue Jemandem einen Gefallen,
wahrend man in Wahrheit nichts tut; z. B. darf man nicht Jemanden
dringend zum Essen auffordem, wenn man weifi, dafi er nicht
essen wird. 36)
Der Jude darf nicht sagen, er sei ein Christ, selbst um sich da-
durch das Leben zu retten. 37)
Man darf dem Nichtjuden nicht ,,Trefah" (dem Juden
Verbotenes) fur ..Koscher" verkaufen, 38) weil dies als Tauschung
betrachtet wird, was selbst dem Heiden gegeniiber verboten ist. 39)
Wenn ein Konig oder Fiirst den Juden (fiir jiidische Arme)
Geld schickt, mufi man damit nach dem Willen des Herrschers
verfahren. 40) In keinem Falle darf das Geld anders verwendet und
dann vorgegeben werden, da6 nach dem Willen des Fiirsten geschehen
sei, weil man keinen Menschen tauschen darf. 41)
Wer im Handel und Wandel sein Wort bricht, gehort zu
den Treulosen, an denen die Weisen kein Wohlgefallen haben. 42)
Wenn Juden und Nichtjuden miteinander verabredet haben, sich gegen-
seitig Hilfe zu leisten, und die Letzteren halten ihr Wort, so miissen
die Ersteren auch dem Nichtjuden, selbst gegen Juden bei-
stehen. Ebenso wenn ein Jude einen Nichtjuden unschuldigerweise
umbringen will, so mufi ein anderer Jude, der dies sieht, sich mit dem
Nichtjuden verbinden. 43)
34 ) Jore Dea 237, 2.
M) Choschen ha-Mischpat 228, 6.
3e) S. oben S. 00.
37) Jore Dea 157, 2.
M) Isserles in Jore Dea 117, 1 ; Karo, Choschen ha-Mischpat 228, 6.
39) Jore Dea 117 im Ture Sahab 4 im Namen des Tur. Wenn
man von einem Nichtjuden ein Gerat zum Pfande hat, darf man das-
selbe ohne Erlaubnis des Eigentiimers nicht benutzen, weil dies eine
Tauschung ware, Bajit Chadasch zu Jore Dea 120, der dies aus
Maharil, H. Pessach beweist.
«°) Isserles in Jore Dea 254, 1.
") Jore Dea 254 im Sifte Kohen 3.
*z) Choschen ha-Mischpat 204, 7.
*3) R. Jehuda b. Samuel im Sepher Chassidim 1018.
Aus Kap. 7. Mildtatigkeit gegen Andersglaubige.
Man darf armen Nichtjuden nicht verwehren, die Nachlese,
die vergessenen Garben und die an den Ecken der Felder stehen
gelassene Frucht aufzulesen. 44)
Einen Juden, der vorsatzlich ein Gebot des Gesetzes iibertritt,
ist man, wenn er nicht umkehren will, nicht verpflichtet, zu
ernahren oder durch Darlehen zu unterstiitzen. 45) Dagegen m u 6
man nichtjiidische Arme mil den jiidischen Armen 46) ernahren, weil
der Jude die Wege des Friedens wandeln soil, 4 ' ) denn so steht ge-
schrieben: ,,Gut ist der Ewige alien, und Seine Barmherzigkeit waltet
iiber alien Seinen Geschbpfen"; ferner heifit es: ,,Der Thora Wege
sind liebevolle Wege, und alle ihre Pfade — Frieden." 48)
Wo es Gebrauch ist, am Purimfeste, auch an arme Nichtjuden
Geschenke zu verteilen, soil der Gebrauch befolgt werden. 49)
Einige von den Weisen pflegten Geld in Tiicher einzubinden
und es hinter ihren Riicken zu hangen, damit die Armen kommen
und es nehmen, so dafs der Geber nicht wufite, wem er gab, und dem
Armen die Schande erspart blieb. 50)
Wo es Gebrauch ist, dafs der Nichtjude, der zur Messe-
zeit verkauft, spricht: ,,Noch einen Pfennig fur Gott!", darf man
von ihm kaufen, weil es ja moglich ist, dafi man das Geld an n i c h t -
jiidischeArme verteilen wird. ol) Um so mehr ist es gestattet,
nichtjiidischen Bettlem ganz ohne weiteres die Gabe zu
reichen, ohne dabei zu sagen, man gebe dies im Namen u n s e r e s
lebendigen Gottes. 52)
Aus Kap. 8. Liebesdienste und Barmherzigkeit.
Man besuche die Kranken der Nichtjuden, .weil man die Wege
des Friedens wandeln soil. 53)
•*) Jore Dea 151, 13.
*5) Jore Dea 151, 1.
*6) Die Worte ,,mit den jiidischen Armen" stehen, wie der Perischah zum
Choschen ha-Mischpat 249, 2 erklart, deshalb, um zu lehren, dafi
selbst wenn jiidische Arme da sind, man nicht sagen sollte: ,,Wenn
ich die armen Nichtjuden ernahren wiirde, so miiSte ich dies den
jiidischen Armen entziehen."
47) Isserles in Jore Dea 251, I.
*8) Maimonides H. Melachim 10, 12.
«•) Orach Chaim 694, 3.
M) Jore Dea 249, 9.
81) Isserles in Jore Dea 140. 4.
52) Jore Dea 149, im Ture Sahab 5, Namen$ des Derischah.
») Jore Dea 335, 9.
118
Man begrabe die Toten der Nichtjuden, trbste ihre Trauernden
und wandle so die Friedenswege. 54)
Wer sich der Armen erbarmt, dessen erbarmt sich Gott. 55)
Daher moge jeder das Flehen des Armen erhbren, sowie er wiinscht,
dafi Gott sein Flehen erhbre. Er bedenke, dafi er selbst oder seine
Kinder auch einmal in die Lage kommen konnten, die Barmherzigkeit
Anderer anzurufen. Wenn jemand, gegen andere barmherzig ist, so
wird man sich auch seiner erbarmen. 56) Wenn der Mensch
ni ch t b a r mher zi g is t , s o handelterwie einTier,
das sich ebenfalls nicht kiimmert und kein Mitleid hat beim Schmerz
des andern. a ' )
Wenn jemand frech oder grausam ist, die Menschen
hafit und ihnen keine Liebesdienste erweist, so soil man sich nicht
mit ihm verschwagern, weil man ihn im Verdacht halten musse, dafi
er ein Nachkomme der grausamen Gibeoniten ist,58) denn es heifit
im Talmud: An drei Zeichen ist der Israelit zu erkennen, er ist scham-
haft, barmherzig und m i 1 d t a t i g.59)
An den letzten Tagen des Pefiachfestes betet man nicht
den ganzen Lobgesang,60) weil die Agypter damals im Meere er-
tranken und es geschrieben steht: ,,Wenn Dein Feind fallt, freue
Dich nicht!",61) und Gott spricht: ,,Meiner Hande Geschopfe ver-
sanken ins Meer, und Ihr wolltet mir Loblieder singen?! 62)
Aus Kap. 9. Freundschaftlicher Verkehr mit
Nichtjuden.
Wenn ein Nichtjude etwas fur die Synagoge spendet, mufi man
es annehmen, G3) weil man auch im Heiligtum von den Heiden Opfer
angenommen hatte. G4)
Es ist ein sittliches Gebot, jedem Menschen, auch einem Nicht-
juden, der sich mit einer Arbeit beschaftigt, zuzurufen: ,,Mogest du
M) Jore Dea 367, 1.
M) Jore Dea 247, 3.
56 ) Isserles zu Jore Dea 247, 3.
57) R. Jehuda b. Samuel in Sepher Chassidim 87.
M) Eben ha-Eser, 2, 2. Die Gibeoniten sind bei den Israeliten Tempel-
sklaven gewesen; vgl. 2. Sam. 21, 4 f f.
59) Eben ha-Eser 2, im Bet-Schemuel 5.
") Orach Chajjim 490, 4.
81) Karo im Bet Joseph Orach Chajjim 490.
62) Orach Chajjim 490 im Ture Sahab 3.
«) Isserles in Jore Dea 254, 2.
6I) Jore Dea 254 in Sifte Kohen 4.
"9
in deiner Arbeit Gliick haben!" 65) Oberhaupt soil der Fromme,
wie R. Jochanan b. Sakkai, jedem Menschen, auch dera Heiden, mit
dem Friedensgrufie zuvorkommen. 66)
Man darf einen Nichtjuden auch am Sabbat einladen, 67) denn
seine Ernahrung liegt dir ob, da man die Nichtjuden ernahren soil.68)
Wo es gilt, die Friedenswege zu wahren, darf man dem Nicht-
juden sogar am Sabbat Speisen mitgeben oder durch einen anderen
Nichtjuden ins Haus senden. 69)
Aus Kap. 10. Riicksichten gegen Nichtjuden.
Ein Jude darf von Nichtjuden nicht offentlich Almosen
nehmen, 70) weil dadurch der Name Gottes entweiht wiirde. 71) Els
ist uberhaupt eine fromme Eigenschaft, kein Geschenk zu nehmen,72)
und der Thora-Gelehrte, der nichts arbeitet und sick
von Almosen ernahrt, entweiht den Namem
Gottes.73)
Wenn ein Israelit einen Leuchter oder sonst etwas der Synagoge
gespendet hat, darf man ihn verkaufen und zu einer andern heiligen
Sache verwenden; wenn da gegen ein Nicht jude etwas spendet,
so darf es (aus Riicksicht gegen den Spender) unter keiner Bedingung
verkauft werden. 74)
Es ist von Rechtswegen erlaubt, eine Synagoge durch nicht-
jiidische Arbeiter am Sabbat bauen zu lassen; doch soil man dies
nicht tun, weil dadurch der Name Gottes entweiht wiirde, da die
Nichtjuden an i h r e m Festtage keine offentlichen Arbeiten verrichtea
lassen. 7B)
Aus Kap. 11. Diebstahl und Hehlerei.
Es ist von der Thora verboten, selbst die geringste Kleinig-
keit zu stehlen. Man darf nicht einmal zum Spafi oder mit der
Absicht es spater zuriickzugeben, etwas stehlen. Wer auch nur de«
88 ) Orach Chajjim 347 im Magen Abraham 4.
M) Talmud Berachot 1 7 a.
OT) Orach Chajjim 325, 1.
•») Das. im Mag. Ab. 1 . — S. oben S. 00.
M) Orach Chajjim 325, 2.
70) Jore Dea 254, 1.
71 ) Karo im Bet Joseph Jore Dea 254, und Beer ha-Golah z. St.
71) Choschen ha-Mischpat 249, 5.
73) Isserles iq Jore Dea 246. 21.
») Jore Dea 259, 3.
7B) Orach Chajjim 244 im Magen Abraham 8.
I2O
Wert eine Peruta (Vs Pfennig) stiehlt, iibertritt das Verbot: ,,Ihr
sollet nicht stehlen !" und ist verpflichtet zu bezahlen. Es isteiner-
lei, ob man das Geld eines Israeliten, oder Geld
von ,,Go jim" stiehlt. 76)
Der Arbeiter, der im Felde eines J u d e n arbeitet, darf von
den Friichten des Feldes essen;77) dagegen darf derjenige, der
im Felde des Nichtjuden oder des H e i 1 i g t u m s 78) arbeitet,
nichts von den Friichten essen. 79)
Es ist verboten, von dem Dieb die gestohlene Sache zu kaufen,
und zwar ist dies eine schwere Siinde, denn man unter-
stiitzt damit die Sunder und veranlafit sie zu anderen Diebstahlen,
da sie nicht stehlen wiirden, falls sie keinen Kaufer fanden.80) Ebenso
darf man dem Dieb nicht irgendwelchen Vorschub leisten. 81)
Wenn der Besitzer die gestohlene Sache bereits aufgegeben hat,
so erwirbt sie der Kaufer als Eigentum, weil Besitzaufgabe mit
Besitzveranderung stattgefunden hat. 82) Jetzt aber ist es Gebrauch,
dafi der Kaufer jede gestohlene Sache trotz der Besitzauf-
gabe und der Besitzveranderung zuriickgibt, weil das
staatliche Gesetz dies gebietet. Wo es Gebrauch ist,
auch die Zinsen zu bezahlen, mufi dies geschehen. 83)
Aus Kap. 12. Raub und Vorenthaltung.
Es ist verboten, auch nur das Geringste zu rauben oder zu
vorenthalten, sowohl von Israeliten als von Nicht-
juden.84)
Was heifit Raub? Das Gut, das man dem Menschen mit
Gewalt entreifit, wenn man z. B. Gerate gegen den Willen des
Besitzers aus dessen Haus tragt, dessen Sklaven oder dessen Vieh
mit Gewalt arbeiten lafit u. dgl. 85)
w) Choschen ha-Mischpat 348, 1— ;2.
77) Ch. M. 337. 1.
78) Der Nichtjude wird hier mit dem Heiligtum zusammengestellt, wa*
noch sonst z. B. Ch. Mischpat 301, 1 , vorkommt. Dies kann Dr.
Ecker entschadigen, der sich verletzt fiihlt, dafi der Scb-A. einmal
..Schweine und Akum" in ein und demselben Paragraphen nennt.
re) Ch. M. 337 im Sifhe Kohen 1.
<«>) Ch. M. 356, 1.
81) Isserles zu Ch. M. 356, 1.
8Z) Ch. M. 356, 3.
M) Isserles zu Ch. M. 356'. 7.
M) Ch, M. 359, 1.
M) Ck M. 359, 7.
121
Was heifit Vorenthaltung? Das Zurikkhalten eines fremden
Gutes, das man vom Besitzer gutwillig erhalten; z. B. falls man von
jemandem ein Darlehen oder Arbeitslohn zu erhalten hat und jener
gewalttatig und hart ist und die Bezahlung verweigert. 86)
Der Nichtjude beerbt seinen Vater nach dem Gesetze der
Thora. 8T) - - Man fragte den Gaon MarRabZadok: ,,Was
haben \vir denn dem ,,Goi" zu gebieten? Haben wir denn dem
,,Goi" Recht zu sprechen (dafi er seinen Vater beerbe?)" Darauf
antwortete der Gaon: ,,Der Talmud mufs uns diesen Rechtssatz
lehren. Wenn namlich ein ,,Goi" ein Darlehen oder Depositum bei
einem Juden hat und der ,,Goi" stirbt, so mufi nach der Lehre des
Talmud, dafi der ,,Goi" seinen Vater beerbt, der Jude das Darlehen
oder Depositum dem Sohne zuriickerstatten. Ferner \venn ein ,,Goi"
Grundstiicke hinterlafit und ein Jude dieselben okkupiert, so waren,
wenn der Sohn den Vater nicht beerben wiirde, die Grundstiicke nach
dem Tode des Besitzers herrenlos geworden und der okkupierende
Jude ware der rechtmaSige Eigenthiimer. Da aber der Talmud lehrt,
dafi der Sohn den Vater beerbt, so veriibt der Jude damit einen
Raub". Alle Gelehrten der Metibta (Hochschule) haben dann diese
Erklarung des Gaon acceptirt. 88)
Man darf keine Laubhiitte auf der Strafie (welche Gemein-
gut aller Ortsbewohner ist) aufstellen, weil die Nichtjuden
auf ihren Anteil (an der Strafse) nicht verzichten und man somit einen
Raub begeht. Ist dies dennoch geschehen, so soil man in der Laub-
hiitte nicht den Segensspruch sagen, 89) denn wer iiber etwas Ge-
raubtes den Segen spricht, begeht eine Gotteslasterung. 90)
Hat man etwas von den vier Arten, die zum Feststraufi
des Hiittenfestes gehoren, unrechtmafiig erworben, so darf der Fest-
straufi nicht gebraucht werden,91) einerlei ob man es einem
Juden oder Nichtjuden geraubt. 92) Ebenso sind
Zizith (Schaufaden) unbrauchbar, wenn sie geraubt sind. 93)
M) Ch. M. 359, 8.
87) Ck M. 283, 1.
88 ) Responsen der Gaonen, Chemdah genusah Nr. 52; Schaare Zedek
p. 48 b ; sehr oft von den alien Decisoren citiert. Vgl. auch Beer ha-
Golah zu Ch. M. 388, 12.
89) Orach Chajjim 637, im Mag. Abr. 3.
"») Baba Kama 94a und Karo, Beth Joseph O. Ch. 196.
91) Orach Chajjim 649, 1 .
92) Orach Chajjim 649 im Mag. Abr.
M) Orach Chajjim 11,6.
122
Aus Kap. 13. Steuer-Contravention.
Wer die Steuer hinterzieht, ubertritt das Verbot: ,,Du sollst
nicht rauben !", denn er raubt den Anteil des Konigs; e i n e r 1 e i o b
es ein jiidischer oder nichtjiidischer Konig is t.94)
Man darf nicht durch Verkleidung in eine nichtjiidische Tracht
den Judenzoli defraudieren. 95)
Selbst wenn der Konig befiehlt, dafi der
JudemehrZolloderSteuernzahle,alsderNicht-
jude, darf man die Abgaben dennoch nicht
h i n t er z i ehen. 96)
Grundstiicke der Waisen diirfen vom Gerichte erst nach
vorheriger offentlicher Ausrufung verkauft werden; jedoch, um die
Gebiihren des Konigs zu entrichten, darf man sofort ohne Aus-
rufung verkaufen, weil dies als d r i n g e n d betrachtet wird. 97)
Aus Kap. 14. Dinadi-MalchutaDina.
(Gesetz der Regierung ist Gesetz.)
Einige behaupten, der Grundsatz ,,Dina de-Malchuta Dina"
gelte nur bei Steuern und Ab'gaben, die vom Grund und Boden
abhangen, weil da der Konig befehlen kann, es diirfe niemand in
seinem Lande wohnen, der diese Abgaben nicht entrichtet; bei an-
deren Dingen aber gelte dieser Grundsatz nicht. Andere dagegen
entscheiden, dafi in alien Dingen der Grundsatz ,,Dina de-
Malchuta Dina" anzuwenden ist. Die letztere Ansicht ist
die mafigebende. 98)
Wenn ein Nicht jude einem Juden durch Gewalt ein Feld
raubt und ein anderer Jude kauft es von dem Nichtjuden, so ist
er verpflichtet, dasselbe dem fruheren Besitzer zuriickzugeben. 99)
Dies gilt aber nur von einem Rauber, dem der Jude nicht nach Recht
untertanig ist ; wenn aber ein F u r s t oder Konig gegen einen
seiner Untertanen ziirnt und ihm sein Haus wegnimmt, so ist ,,DJna
de-Malchuta Dina", und der Kaufer braucht dera friihern Besitzer
nichts zu erstatten. 10°)
Ein Richter, der mit Erlaubnis des Konigs fungiert, ist
mehr als ein anderer Richter, so dafi, wenn sein Gerichtsbote beim
M) Ghoschen ha-Mischpat 369, 6.
95) Isserles zu Jore Dea 157. 2.
M) Isserles zu Choschen ha-Micshpat 369, 6.
»7) Eben ha-Eser 104, 3.
") Isserles zu Ch. M. 369, 8.
*) Ch. M. 236, 8.
10°) Isserles zu Choschen ha-Mischpat 236, 9.
123
Verkauf des Grundstiickes eines andem sich geirrt, der Akt dennock
giiltig ist. 101) ,,Dies ist etwas Selbstverstandliches, da doch Jeder
weifi, dafi Dina de-Malchuta Dina." 102)
Wenn ein Schiff ins Meer versinkt, sind zwar nach dem
Rechte der Thora die gestrandeten Giiter als herrenlos zu betrachten
und somit Eigenthum des Finders, wenn jedoch der Konig befiehlt,
dafi dieselben den Eigentiimern zuriickgegeben werden, so ist der
Jude, der solche von einem - nichtjiidischen Finder gekauft, wegen
Dina de-Malchuta Dina auch religionsgesetzlich verpflichtet, dieselben
den Eigentiimem zuriickzuerstatten. 103)
Wer von einem jiidischen Rauber etwas kauft, braucht dies
dem (jiidischen) Eigentumer nicht zuriickzugeben, weil letzterer
es gewifi schon auf gegeben hat ; denn da derselbe den j ii d i s c h e n
Rauber bei dem jiidischen Gericht verklagen mufi und das
jiidische Gericht nur auf Grund bestimmter Zeugenaussagen
verurteilen kann, so hat der Eigentumer gewohnlich keine Hoffnung,
seine Sache wiederzuerlangen. Wer aber von einem n i c h t j ii d i -
s c h e n Rauber etwas kauft, mufi es dem Eigentumer zuriickgeben ;
denn mit diesem geht man zum nicht jiidischen Gerichte,
welches nach Wahrscheinlichkeitsbeweisen verurteilt. Der Eigentumer
gibt deshalb die Sache nicht auf.104) Jetzt aber mufi man
wegen Dina di-Malchuta Dina in jedem Falle
zuriickgeb en.105)
In Betreff der Rechtsdokumente (Schetarot) ist das Ge-
setz der Regierung mafigebend. So ist z. B. ein durch einen Notar
ohne den Richter angefertigtes Dokument auch giltig, falls dies das
Regierungsgesetz bestimmt. 106)
Wenn der Konig angeordnet hat, in welcher Miinze man
zu bezahlen hat, so gilt das Gesetz des Konigs, und alle diesbeziig-
lichen Bestimmungen des jiidischen Gesetzes sind aufier Geltung. 107)
Aus Kap. 14. B e t r u g.
Els ist verboten, die Menschen im Kauf und Verkauf zu
betriigen oder ,,ihre Gedanken zu stehlen". Ist z. B. eiii Fehler an der
101) Isserles zu Eben ha-Eser 104, 6.
lot) Eben ha-Eser 1 04 im Chelkat Mechokek 1 3.
103) Isserles zu Choschen ha-Mischpat 259, 7.
1M) Choschen ha-Mischpat 368, 1 ; vgl. Meirat Enajim das.
196 ) Isserles zu Choschen ha-Mischpat 368, 1 und 356, 7.
loe) Isserles zu Choschea ha-Mischpat 69, 1. Vgl. das, noch viele andere
derartige Gesetze,
i*7) Isserles zu Choschen ha-Mischpat 74, 7 und Sifte Kohen das.
124
Ware, so mufi man dies dem Kaufer mitteilen, 108) einerlei,
ob dieser ein Jude oder ein Nichtjude ist. 109)
Wer falsch mifit oder wiegt seinem Nachsten, selbst einem
,,Goi", der Gotzen dient,110) der iibertritt das Verbot
(Lev. 19,35): ,,Ihr sollet kein Unrecht tun im Langenmafi, im
Gewicht und im Hohlmafi". 1X1) Onaah (einen zu hohen Preis
fordem) ist zwar beim Heiden nicht verboten worden, weil dies
nicht als Raub gilt, da doch Jeder sieht, was er kauft; allein betreffs
des Mafies verlafit sich der Kaufer auf den Verkaufer, dafi er ihm
richtig messen wird, und dieses Vertrauen darf nicht getauscht
werden. 112)
Es ist verboten, beim Messen von Fliissigkeiten Schaum zu
machen, die Gewichte in Salz zu vergraben und dgl. Wo es Ge-
brauch ist, mufi man auch ein Uebergewicht geben. Esistferner
verboten, die Preise, besonders von Lebens-
mitteln, in die Ho he zu treiben. 113)
Das Gericht ist verpflichtet, Aufseher anzustellen, welche
in den Verkaufsladen; umhergehen und, wenn sie bei Jemandem ein
falsches Mafi, falsches Gewicht oder eine schlechte Wage Hnden,
das Recht haben, ihn zu schlagen oder in Geldstrafe zu nehmen, ganz
wie es das Gericht fur gut befindet. 114)
Aus Kap. 16. iinsnehmen, GlUcksspiel.
Ein Wucherer ist unfahig, vor Gericht Zeug-
nis a b z u I e gen.115) Will derselbe die Fahigkeit zur Zeugen-
schaft wieder erlangen, so mufi er seine Schuldscheine von selbst
zerreifien und vollstandig von seinem bosen Wandel umkehren,
*o dafi er nicht einmal von einem Nichtjuden Zinsen
nehmen will.118)
Der gewerbsmafiige Spieler ist unfahig zur Zeugenschaft, 11T)
wenn er auch nur mit Nichtjuden und stets ehrlich
1M) Ck M. 228, 6.
10°) Beer ha-gola daselbst Namens des Maimonides.
uo) So in alien alien unzensierten Ansgaben (le-goj obed elilim).
m) Choschen ha-Mischpat 231, 1.
m) Ch. M. 231 im Melrath Enajim 1.
"3) CL M. 231. 6; 11; 14; 20; 21.
"«) Ch, M. 231, 2.
^) Ch. M 34, 10; 29.
ue) Ebendort, s. auch Isserfes.
U7) Ch. M. 34, 16.
125
s p i e 1 1 , well er sich nicht mit demjenigen beschaftigt, was der Welt
Nutzen bringt. 118)
Aus Kap. 17. Korruption.
Man darf niemanden, auch keinen Nichtjuden, veran-
lassen, etwas zu tun, was ihm verboten ist, und wer dies dennoch
tut, ubertritt das Verbot: ,,Vor einen Blinden sollst Du keinen An-
stofi legen." 19) Wenn man sieht, dafi ein N i c h t j u d e eine Siinde
begehen will, so mufi man, wombglich, ihm dies verwehren; hat doch
Gott den Propheten Jonah nach Niniweh geschickt, urn die Heiden
zur Umkehr zu bewegen!120)
Man darf keinem Nichtjuden ein Glied von einem lebenden
Tiere zum Essen reichen, weil ihm dies verboten ist. 121)
Wer einen Richter besticht, ubertritt das Verbot: ,,Vor einen
Blinden sollst Du keinen Anstofs legen"122) einerlei obes
ein jiidischer oder ein n i c h t j ii d i s ch e r Richter
ist. 123)
Wer einen Blinden straucheln macht, d. h. einen Menschen,
Juden oder Nichtjuden, zu einer Siinde bringt, der soil in den Bann
getan werden. 124)
Aus Kap. 18. Personen- und Sachbeschadigung.
Schaden werden nur bezahlt, wenn sie durch vollgiltige
Zeugen bewiesen werden konnen. Ebensf braucht, wenn der Ochs
eines Nichtjuden den Ochsen eines Juden gestofien hat, der Nicht-
jude nur dann zu bezahlen, wenn die Tatsache durch vollgiltige
Zeugen konstatiert ist.125) (S. oben S. 53).
Aus Kap. 19. Schutz des Eigentums von Nichtjuden.
Wenn ein Jude einen Nichtjuden beraubt hat und dem
Befehl des jiidischen Gerichts, den Raub zuriickzuerstatten, keine
Folge leisten will, so gehen die jiidischen Richter vor das nicht-
j ii d i s c h e Gericht und bezeugen, dafi jener Rauber schuldig sei,
118) Beer ha-Golah das., Namens Rabbi J. Karo in Keseph Mischne.
119) Orach Chajjim 347 im Mag. Abraham 4.
12°) Sepher Chassidim 1124.
1SI) Jore Dea 62 im Sifte Kohen 3.
122) Ch. M. 9, 1
m) Responsen des Chatam Sopher, Teil VI. 14; -citirt Pitche Teschubah
zu Ch, M. 9, 1.
1M) Jore Dea 334, 43, Nr. 1 7.
m) Ch. M. 408, 1. Melrat Enajim 1
126
dem Nichtjuden sein Gut zu ersetzen. Doch mufs jenes nichtjUdische
Gericht ein unbestechliches sein, bei dem auch das Zeugnis von
Juden Glauben findet. 12(i) Denn ist das Gericht bestechlich oder
gilt bei ihm das Zeugnis eines Juden nichts, wozu sollen die Rabbinen
zwecklos ihre Ehre vergeben und als Zeugen auftreten, da doch der
Rauber gewifi durch Bestechung sich Recht verschaffen wird.
Bei einem unbestechlichen Gerichte dagegen ist es eine Ehre fur
die Rabbinen aufzutreten und zu sagen: ,Jener Rauber ist bei uns
schuldig befunden worden, doch haben wir nicht die Macht, den
Bedriickten zu retten." 127)
Wenn Jemand in einer uralten Mauer einen Schatz findet,
der bereits mit Rost uberzogen ist, so gehort er dem Finder, denn es
ist anzunehmen, dafs die uralten Heiden ihn hier vergraben haben;128)
sieht man aber ein, dafi der Schatz erst jiingst vergraben wurde,
oder bestehen auch nur Zweifel dariiber, so darf man den Schatz
nicht beriihren, denn vielleicht hat ihn Jemand hingelegt, der ihn
spater holen wird. 129) Dies gilt selbst da, wo mit Sicherheit ange-
nommen werden kann, dafi der Schatz einem Nichtjuden
gehort. 13°)
An jedem Orte mufi man die Gerate der Nichtjuden vor
Dieben beschiitzen. 131)
Wenn ein Jude einem Nichtjuden eine Schuld abfordert
und dieser leugnet und ruft einen anderen Juden als Zeugen an, so
darf der Jude vor ein nichtjiidisches Gericht gehen, um dem Nicht-
juden beizustehen,132) da ja auch nach jiidischem Rechte e i n Zeuge
geniigt, um den Geforderten von der Zahlung zu befreien. Um so
mehr diirfen z w e i Zeugen zu Gunsten des Nichtjuden beim
nichtjiidischen Gerichte Zeugnis ablegen, da ja auch das
jiidische Gericht den Israeliten auf die Aussage zweier Zeugen hin
fur schuldig erklart hatte. ,,Namentlich, ist es da, wo die Zeugen
vereidigt werden, P f 1 i c h t , die Wahrheit nicht zu verschweigen,
1Z6) Ch. M. 26, 2 im Meirat Enajim und Beer ha-GoIah Namens des
R. Joseph Karo im Bet Joseph das., Namens des Gaons R. Schema.
1Z7) Chatam Sopher zu Ch. M. Nr. 3.
128 ) Der Talmud B. mez. 25b sagt: ,,Er stammt wahrscheinlich von den
aliens Emoraern her, die ihre Schatze vergruben, als die Israeliten in Palastina
cindrangen.
129) Ch. M. 260, 1.
13°) Nethibot ha-Mischpat das., der die differierende Ansicht des R. Sab-
batai Kohen widerlegt.
131) Ch. M. 266, 1. Man darf dem Vieh eines Nichtjuden nicht schad-
liches Wasser reichen (Tosefta Terumot 7, 14).
»*) Ch. M. 28, 4.
127
selbst wenn der Jude, der Geforderte ist; denn sollen etwa die
Zeugen siindigen, damit jener Sunder einen Profit habe? Wer er-
laubt es denn, eine Schuld abzuleugnen, wenn auch der Glaubiger
ein Nichtjude ist? Sagt dock die Thora: ,,Er rechne ehrlich
mit dem nichtjiidischen Kaufer eines jiidischen Sklaven !" ; und
dies gait zu einer Zeit, da w i r die Gewalt in Handen hatten, um
wie viel mehr heutzutage! In dem Falle, wo der Nichtjude die
Schuld fordert, ist die Ableugnung ein Raub, eine Vorent-
haltung, eine schwere Entweihung des gottlichen Namens!133)
133) Nethibot ha-Mischpath das.
Wer den obigen Darlegungen mit Aufmerksamkeit gefolgt ist,
wird auch erkennen, wie unbegrundet die Verquickung des
A n t i s em i t i s m u s mit den R a s s e n t h e o r i en eines
Gobineau, Chamberlain u. a. ist. Denn, mag man zu jenen
Rassentheorien sich stellen wie man will, aus den obigen quellen-
maHigen Nachweisen ergibt sich jedenfalls soviel, dafi die Rasse, die
solche Manner wie die Verfasser des Tahnud und Schulchan-Aruch
hervorgebracht hat — ganz abgesehen von den Propheten und
Psalmisten — nicht nur keine ethisch minderwertige sein kann,
sondem ,,in sich machtige ideale Krafte zu einer s i 1 1 -
lichen Weltordnung historisch erzeugt und betatigt hat wie
sic in keinem Volke bisher verwirklicht ist."
128
Noten.
1) Siehe Dr. K o p p : Zur Judenf rage nach den Akten des Prozesses
Rohling-Bloch. 2. Auflage. Leipzig (Klinkhardt). 1886. — 2) S. die nachsten
Anmerkungen. — 3) Prof. Franz D e 1 i t z s c h : Schachmatt den Blutliignem
Rohling und Justus. Erlangen. 1 883. — Was Aug. Rohling beschworen hat und
beschworen will. Leipzig. 1 883. — * — 8) S. Anmerkung 1 . — *) Prof. Her-
mann L. S t r a c k , Einleitung in den Talmud. Mehrere Auflagen. Leipzig
(Hinrichs). — 6a) Strack: Die Juden, diirfen sie Verbrecher von Religions-
wegen genannt werden? Berlin. 1 893. — Der Blutaberglaube in der MenschheiL
Miinchen. — 6b> Prof. Eduard Konig: Das antisemitische Hauptdogma.
Bonn 1914. — Das Obergutachten im Gotteslasterungsprozefi Fritsch. Dresden.
1918. — 7) Fiebig: Das Judentum von Jesus bis zur Gegenwart. Tubingen
(Mohr). 1916. — 8) Dr. Wei gl: Das Judentum. Berlin (Guttentag). 1911.
-e) I. Buch Mos., KaP. 2, V. 16—17. — 10) S. III. Buch Mos., Kap. 18 u. 19.
- ") Aus III. Buch Mos., Kap. 25, V. 35 (s. Hoffmann, Leviticus z. SteDe
und S. R. Hirsch, Kommentar zum II. Buch Mos., Kap. 12, V. 45). —
1S) Baba kama, Bl. 1 1 3, S. 2. — 13) S. dazu S. R. H i r s c h , Bibelkommentar.
— ") In der hebraischen Bibelsprache wird bezeichnenderweise fiir ,,Handler"
der Ausdruck ..Kanaaniter" gebraucht; so Jesajah 23,8; Spriiche Salomos 31,24;
Hiob 40, 30. — 1B) S. Hirsch, Bibelkommentar z. St. — 16) Dr. Joseph
Wohlgemuth: Das jvidische Religionsgesetz . in jiidischer Beleuchtung.
Heft II, S. 103 f. — 17) Prof. H. Graetz: Die jiidischen Proselyten im
Romerreiche unter den Kaisern Domitian, Nerva, Trajan und Hadrian. Breslau.
1884. — ">) S. Hoffmann, Der Schulchan-Aruch, S. 66, 193 ff. —
19) Ebendort, S. 1 1 0. — 2°) Vgl. z. B. Traktat Derech Erez. — 21) S. K o p p ,
a. a. O., S. 119 f. — M) Ebendort, S. 121 f. — ») S dariiber Epstein:
Aruch ha-schulchan, z. angefiihrten Stelle.
I2Q
Register.
Abgefallene, s. Ketzcr.
Abraham, Stammvater. 13, 19,20,29, 37.
— Abrahamskinder. 33.
Absonderung (Israels). 13, 21, 37, 46.
Adam. 12, 33, 54.
— Adamssohne. 33.
Vollmensch. 54.
Agypter. 20, 77.
Akura, Ursprung. 85.
— sind nicht Christen. 88 ff.
Alenu-Gebet. 35.
Amalek. 16.
Amemin. 85.
Ammon, Stamm. 20.
Apostaten 115.
Auserwahlung (Israels). 14.
Ausnahmegesetze s. Fremdengesetze. 22,
47, 66.
Babylonien, Juden in. 26, 29.
Babylonischer Talmud. 26.
Barmherzigkeit gegen Nichtjuden. 118.
Beer ha-golah (Kommentar z. Schul-
chan-Aruch) 66.
Bekehrte, s. Proselyten. 114.
Betrug an Nichtjuden. 128,
Beigesellung (eines Wesens zu Gott). 70.
Bickell, Prof. 6, 7.
Blutvergiessen. 13.
Brachjahr (Ertrag auch fur Nichtjuden).
18.
Choschen ha-mischpat (das jiidische
Recht im Schulchan-Aruch). 64.
Christentum, Verbreitung des. 60.
— im Urteil der Rabbiner. 69— 72 f.
— seinKampf gegen das Heidentum. 41.
Christliche Giiter, ob herrenlos. 56.
David, Konig, Verhalten gegen Heiden.
24.
Delitzsch, Prof. Franz. 7, 111.
- Prof. Friedrich. 108.
Diebstahl bei Nichtjuden. 48, 96, 120.
Dina di malchutha dina (Gesetz der
Regierung ist Gesetz). 30, 82, 123.
Dinter, Dr. 44, 92, 94, 95.
Eben ha-ezer (FJierecht Teil III des
Schulchan-Aruch. 64.
Ecker, Dr. 6, 7 u. 6.
Edomaer. 20.
Eid der Juden. 87 ff.
Elisa, Prophet, sein Verhalten gegen
Heiden. 24.
Entweihung des gottlichen Namens.
62 u. 6.
Esra, der Schriftgelehrte. 61,.
Falschungen des Textes und des In-
halts jiidischer Religionsgesetze. 40,
42, 46 52, 54, 56, 83 f.
Feinde, keine Freude an deren Unter-
gang. 74, 78, 81.
Feldecke s. Peah. 81 .
Fetischanbetung. 17, 32, 40, 41.
Fiebig, Prof. 8, 91.
Formen, religiose. 38.
Fortschritt der Gesittung. 25, 35.
Fremde im Lande Israel. 17.
Fremdengesetze der Thora. 22 ff.
— des Talmud. 47 ff,,
Freundliches Verhalten gegeniiber
Nichtjuden. 118-120.
Friedensliebe. 20, 69, 81, 95, 118, 120.
Fromme aller Vblker ewiger Seligkeit
teilhaft. 114.
i3o
Gcbete fiir Nichtjuden. 24, 78, 79.
Gegenseitigkeit der Rechtsbindungen.
22, 51.
..Geheimlehre" der Juden. 8.
Geliibde. 89.
Gemara 26.
Ger. 17, 18.
Gcr toschab. 17, 18, 19.
Gerechtigkeit, Grundlage des gesell-
schaftlichen Lebens. 13, 14.
- gegeniiber Nichtjuden. 116ff.
Gerichtshofe, jiidische (Befugnisse).
30, 104.
Gerson, Christianus 57.
Geseilschaft, menichliche. 12,13,16,54.
Gesetze, des Talmud. 27, 28.
— des Schulchan-Aruch. 65, 66.
Geschenke an Nichtjuden. 44,69,118.
Gesittung. 12 f, 35, 45 u. 6,
Gewalttatigkeit. 13, 39.
Goj. 85.
Goldschmidt, Lazaius. 9,
Gottesdienst im Beisein von Nichtjuden.
100.
..Gottesfiirchtige", Bezeichnung fiir
Nichtjuden. 36 f.
Gottesoffenbarung an Israel. 14.
— an die Volker. 33.
Gotzendienst (s. auch Heidentum und
Polytheismus). 15, 25, 32, 40, 67, 70.
Graetz, Prof. 129.
Grundsatze der jiidischenSittenlehre- 81.
Gutachten (amtliche) Hoffmann. 81.
— Noldeke-Wiinsche. 7 u. 6.
Hagah, Erganzung zu Karo. 66.
Halachah. 26.
Hamansgebet. 108.
Harnack. Prof. v. 41.
Hehlerei. 120.
Heidentum s. auch Gotzendienst und
Polytheismus.
- Feste des. 40.
Heiligung des Gottesnament. 62.
..Herrenlosigkeit derChristengiiter". 56 f.
Hirsch, Samson Raphael. 79, 129.
Hoffmann, Prof. 8 u. 6.
Irrtum des Nichtjuden. 48 f, 74 f.
Islam. 78.
Isserles, Moses (Erganzung zum Schul-
chan-Aruch). 64, 65 f, 68.
Jeremijah, Prophet. 24.
Jerusalemischer Talmud. 27.
Jesajah, Prophet. 24.
Joreh Deah (II. Teil des Schulchan-
Aruch). 64.
Jost, J. M. 9.
Josua. 16, 24.
Judaa, das Land. 11, 29.
Judenspiegel, der. 5 u. 6.
Justus, Dr. 5 u 6.
Karo, Joseph (Verfasser d. Schulchan-
Aruch). 64 u. 6.
Ketzer (s. a. Abgefallene, Apostaten).
42 f.
Klassifizierung der Volker. 32.
Kleinviehhirten, jiidische. 54.
Kol nidrei (Gebet). 87-92.
Konig, Prof. 8.
Kopp, Dr. 7 u. 6.
Konige, nicht jiidische. 113, 123.
Krieg gegen Kanaan. 15.
— gegen Amalek. 16.
Kriegsdienst. 80, 107.
Laesio enormis. 50.
Lebensrettung beim Nichtjuden. 114,117.
Lederer, Ph. 9.
Legitimation der Religionsgesetze 27 f,
65 f.
Liebe gegeniiber Fremden. 17f.
Liebesdienste an Nichtjuden. 81, 118.
Magen Abraham (Kommentar z. Schul-
chan-Aruch). 66 u. 6.
Maimonides, Moses. 64, 78, 88.
Mappah, s. Haggab. und Isserles. 66.
Marty ium. 37.
Menschen, alle gleichberechtigt. 12.
Midrasch. 26.
Mischnah. 26.
Moab. Stamm. 20.
Nachstenliebe. 17f, 79.
Nationalgott. 20, 63.
Neues Testament. 62, 77.
Nichtjuden, im Urteil der jiid. Gesetz-
biicher (s auch Christen, Heiden,
Islam), 14f, 32, 36, 45, 72 f.
Noah. 13.
Noachiden, Noachkinder. 32 f, 46, 69.
Noachidische Gebote. 32 ff,
NSldeke, Prof. 7 u. 6.
ObedElilun, Name f iir Gotzendiener. 85.
Orach Chajjim (I. Teil des Schulchan-
Aruch). 64.
..Osterwunsch der Juden". 108.
Palastina, Nichtjuden in. 17.
Palastinischer Talmud. 27.
Pavly, Johannes v 9.
Peah (Getreide an der Feldecke), auch
fur Nichtjuden stehen zu lassen. 81.
Polytheismus 15, 17, 41.
Proselyten. 114.
Rabbiner, Erklarung der. 81.
Rabe, J. J. 9.
Rache. 21.
Rama s. Tauth. 53.
Raub an Nichtjuden. 48, 121.
Recht und Gerechtigkeit. 13, 16, 25,
31, 33, 36, 39, 73.
Rechtsgebahren der Volker in alter Zeit.
49.
Redlichkeit gegeniiber Nichtjuden. 116.
Romer, die. 40, 61.
Riicksichten gegen Nichtjuden. 120.
Ruth, Ahnmutter des Messias. 24.
Salomo, Konig, betet fiir d. Heiden 24.
Samuel, Mar, geistiger Fiihrer d. Juden.
30.
Schadigung der Nichtjuden. 121, 126,
Schittuf s. Beigesellung.
Schriftgelehrtentum. 61.
Schulchan-Aruch (seine Abfassung und
Autoritat). 64 ff.
Schuldenerlassgesetz, s. Fremdengesetze.
Siebengebote der Noachiden. 33.
Sittlichkeit 12, 14, 15, 16, 18, 21, 25, 75.
Sklaven, nichtjiidische. 74, 116.
Soziale Pflichten gegen Nichtjuden. 18,
59, 81, 112f.
Staatsgesetz, s. Dina.
Steuerhinterziehung verboten. 123.
Strack, Prof. 8 u. 6.
— Surenhusius. 9.
Talmud, allgemein. 26.
— urteile iiber Nichtjuden. 32, 36, 45,
Talmudjude, der. 5.
Tauschung des Nichtjuden verboten.
48, 124 u. 6.
Tauth — Irrtum des Nichtjuden. 51.
Thomas, v. Aquino. 55, 63.
Todesstrafe, Verhangung durch jiid.
Gerichtshof. 30, 104f.
Totung von Nichtjuden verboten. 73,
79, 114, 117.
Tradition. 17, 70.
Treue gegen Nichtjuden. 74ff, 116.
Ubervorteilung. 48, 50, 124.
Obertritt zum Judentum. 20, 31, 114.
Untersuchung der jiid. Gesetze. 53, 80.
Unzucht. 15, 25, 40, 101.
Verbindung mit anderen zum Schutze
von Nichtjuden. 97f, 117, 126f.
— ,,mit dem, dem das Gliick lachelt".
107.
Verrater. 43 f.
Versorgung der Nichtjuden. 18f, 59, 81,
120.
Wahrhaftigkeit gegen Nichtjuden. 48,
73 ff, 116.
Wohlgemuth, Dr. 129.
Wucher. 22, 49, 76, 125.
Wiilfer, Johannes. 57.
Wiinsche, Prof. 7 u. 6.
Zeugnis fur Nichtjuden. 97, 127.
Zinsnehmen s. Wucher.
132
Noten.
*) Siehe Dr. Kopp: Zur Judenfrage nach den Akten des Prozesses
Rohling-Bloch. 2. Auflage. Leipzig (Klinkhardt). 1886. — 2) S. die nachsten
Anmerkungen. — 3) Prof. Franz Delitzsch: Schachmatt den Biutliignem
Rohling und Justus. Erlangen. 1883. — Was Aug. Rohling beschworen hat und
beschwbren will. Leipzig. 1 883. — * — B) S. Anmerkung 1 . — ') Prof. Her-
mann L. S t r a c k , Einleitung in den Talmud. Mehrere Auflagen. Leipzig
(Hinrichs). — 6a) Strack: Die Juden, diirfen sie Verbrecher von Religions-
wegen genannt werden? Berlin. 1893. — Der Blutaberglaube in der Menschheit.
Miinchen. • • 6b> Prof. Eduard Konig: Das antisemitische Hauptdogma.
Bonn 1914. — Das Obergutachten im Gotteslasterungsprozefi Fritsch. Dresden.
1918. — 7) Fiebig: Das Judentum von Jesus bis zur Gegenwart. Tubingen
(Mohr). 1916. — 8) Dr. Weigh Das Judentum. Berlin (Guttentag). 1911.
-9) I. Buch Mos., KaP. 2, V. 16—17. — 10) S. III. Buch Mos., KaP. 18 u. 19.
- ") Aus III. Buch Mos., Kap. 25, V. 35 (s. Hoffmann. Leviticus z. Stelle
und S. R. Hirsch, Kommentar zum II. Buch Mos., Kap. 12, V. 45). -
12) Baba kama, BI..1 13, S. 2. — 13) S. dazu S. R. Hirsch, Bibelkommentar.
— 14) In der hebraischen Bibelsprache wird bezeichnenderweise fiir ..Handler"
der Ausdruck ..Kanaaniter" gebraucht; so Jesajah 23,8; Spriiche Salomes 31,24;
Hiob 40, 30. — 15) S. Hirsch, Bibelkommentar z. St. — 16) Dr. Joseph
W o h 1 g e m u t h : Das jiidische Religionsgesetz in jiidischer Beleuchtung.
Heft II, S. 103 f. — «) Prof. H. Graetz: Die jiidischen Proselyten im
Romerreiche unter den Kaisern Domitian, Nerva, Trajan und Hadrian. Breslau.
1884. — 18) S. Hoffmann, Der Schulchan-Aruch, S. 66, 193 ff. -
19) Ebendort, S. 110. — M) Vgl. z. B. Traktat Derech Erez. — 21) S. Kopp.
a. a. O., S. 119 f. — 22) Ebendort, S. 121 f. — 28) S daruber Epstein:
Aruch ha-schulchan, z. angcfiihrten Stelle.
I2Q
Register.
Abgefallene, s. Ketzer.
Abraham, Stammvater. 13, 19,20,29,37.
— Abrahamskinder. 33.
Absonderung (Israels). 13, 24, 37, 46.
Adam. 12, 33, 54.
— Adamssohne. 33.
Vollmensch. 54.
Agypter. 20, 77.
Akum, Ursprung. 85.
— sind nicht Christen. 88 ff.
Alenu-Gebet. 35.
Amalek. 16.
Amemin. 85.
Ammon, Stamm. 20.
Apostaten 115.
Auserwahlung (Israels). 14.
Ausnahmegesetze s. Fremdengesetze. 22,
47, 66.
Babylonien, Juden in. 26, 29.
Babylonischer Talmud. 26.
Barmherzigkeit gegen Nichtjuden. 118.
Beer ha-golah (Kommentar z. Schul-
chan-Aruch) 66.
Bekehrte, s. Proselyten. 114.
Betrug an Nichtjuden. 128.
Beigesellung (eines Wesens zu Gott). 70.
Bickell, Prof. 6, 7.
Biutvergiessen. 13.
Brachjahr (Ertrag auch fiir Nichtjuden).
18.
Choschen ha-mischpat (das jiidische
Recht im Schulchan-Aruch). 64.
Christentum, Verbreitung des. 60.
- im Urteil der Rabbiner. 69— 72 f.
— seinKampf gegen das Heiden turn. 41.
Christliche Giiter, ob herrenlos. 56.
David, Kbnig, Verhalten gegen Heiden.
24.
Delitzsch, Prof. Franz. 7, 111.
- Prof. Friedrich. 108.
Diebstahl bei Nichtjuden. 48, 96, 120.
Dina di malchutha dina (Gesetz der
Regierung ist Gesetz). 30, 82, 123.
Dinter, Dr. 44, 92, 94, 95.
Eben ha-ezer (Eherecht Teil III des
Schulchan-Aruch. 64.
Ecker, Dr. 6, 7 u. 6.
Edomaer. 20.
Eid der Juden. 87 ff.
Elisa, Prophet, sein Verhalten gegen
Heiden. 24.
Entweihung des gottlichen Namens.
62 u. 6,
Esra, der Schriftgelehrte. 61.
Falschungen des Textes und des In-
halts jiidischer Religionsgesetze. 40,
42, 46 52, 54, 56, 83 f.
Feinde, keine Freude an deren Unter-
gang. 74, 78, 81.
Feldecke s. Peah. 81.
Fetischanbetung. 17, 32, 40, 41.
Fiebig, Prof. 8, 91.
Formen, religiose. 38.
Fortschritt der Gesittung. 25, 35.
Fremde im Lande Israel. 17.
Fremdengesetze der Thora. 22 ff.
— des Talmud. 47 ff.
Freundliches Verhalten gegeniiber
Nichtjuden. 118-120.
Friedensliebe. 20, 69, 81, 95, 118, 120.
Fromme aller Vb'lker ewiger Seligkeit
teilhaft. 114.
i3o
Gebete fur Nichtjuden. 24, 78, 79.
Gegenseitigkeit der Rechtsbindungen.
22, 51.
,,Geheimlehre" der Juden. 8.
Geliibde. 89.
Gemara 26.
Ger. 17, 18.
Ger toschab. 17, 18, 19.
Gerechtigkeit, Grundlage des gesell-
schaftlichen Lebens. 13, 14.
- gegeniiber Nichtjuden. 116ff.
Gerichtshofe, jiidische (Befugnisse).
30, 104.
Gerson, Christianus. 57.
Gesellschaft, menschliche. 12,13,16,54.
Gesetze, des Talmud. 27, 28.
— des Schulchan-Aruch. 65, 66.
Geschenke an Nichtjuden. 44,69,118.
Gesittung. 12 f, 35, 45 u. 6.
Gewalttatigkeit. 13, 39.
Goj. 85.
Goldschmidt, Lazaius. 9.
Gottesdienst im Beisein von Nichtjuden.
100.
..Gottesfiirchtige", Bezeichnung fiir
Nichtjuden. 36 f.
Gottesoffenbarung an Israel. 14.
- an die Volker. 33.
Gotzendienst (s. auch Heidentum und
Polytheismus). 15, 25, 32, 40, 67, 70.
Graetz, Prof. 129.
Grundsatze der jiidischenSittenlehre- 81.
Gutachten (amtliche) Hoffmann. 81.
— Noldeke-Wiinsche. 7 u. 6.
Hagah, Erganzung zu Karo. 66.
Halachah. 26.
Hamansgebet. 108.
Harnack, Prof. v. 41.
Hehlerei. 120.
Heidentum s. auch Gotzendienst und
Polytheismus.
- Feste des. 40.
Heiligung des Gottesnamens. 62.
..Herrenlosigkeit derChristengiiter". 56 f.
Hirsch, Samson Raphael. 79, 129.
Hoffmann, Prof. 8 u. 6.
Irrtum des Nichtjuden. 48 f, 74 f.
Islam. 78.
Isserles, Moses (Erganzung zum Schul-
chan-Aruch). 64, 65 f, 68.
Jeremijah, Prophet. 24.
Jerusalemischer Talmud. 27.
Jesajah, Prophet. 24,
Joreh Deah (II. Teil des Schulchan-
Aruch). 64.
Jost, J.M. 9.
Josua. 16, 24.
Judaa, das Land. 11, 29.
Judenspiegel, der. 5 u. 6.
Justus, Dr. 5 u 6.
Karo, Joseph (Verfasser d. Schulchan-
Aruch). 64 u. 6.
Ketzer (s. a. Abgefallene, Apostaten).
42 f.
Klassifizierung der Volker. 32.
Kleinviehhirten, jiidische. 54.
Kol nidrei (Gebet). 87-92.
Konig, Prof. 8.
Kopp, Dr. 7 u. 6.
Kbnige, nichtjiidische. 113, 123.
Krieg gegen Kanaan. 15.
— gegen Amalek. 16.
Kriegsdienst. 80, 107.
Laesio enormis. 50.
Lebensrettung beim Nicht j uden. 1 1 4, 1 1 7.
Lederer, Ph. 9.
Legitimation der Religionsgesetze 27 f,
65 f.
Liebe gegeniiber Fremden. 17 f.
Liebesdienste an Nichtjuden. 81, 118.
Magen Abraham (Kommentar z. Schul-
chan-Aruch). 66 u. 6.
Maimonides, Moses. 64, 78, 88.
Mappah, s. Haggah und Iiserles. 66.
Marty ium. 37.
Menschen, alle gleichberechtigt 12.
Midrasch. 26. '
Mischnah. 26.
Moab, Stamm. 20.
Nachstenliebe. 17f, 79.
Nationalgott. 20, 63.
Neues Testament. 62, 77.
Nichtjuden, im Urteil der jiid. Gesetz-
biicher (s auch Christen, Heiden,
Islam), 14f, 32, 36, 45, 72f.
Noah. 13.
Noachiden, Noachkinder. 32 f, 46, 69.
Noachidische Gebote. 32 ff,
Nbldeke, Prof. 7 u. 6.
ObedElilun, Name fur Gotzendiener. 85.
Orach Chajjira (I. Teil des Schulchan-
Aruch). 64.
,,Osterwunsch der Juden". 108.
Palastina, Nichtjuden in. 17.
Palastinischer Talmud. 27.
Pavly, Johannes v 9.
Peah (Getreide an der Feldecke), auch
fiir Nichtjuden stehen zu lassen. 81.
Polytheismus 15, 17, 41.
Proselyten. 114.
Rabbiner, Erklarung der. 81.
Rabe, J. J. 9.
Rache. 21.
Rama s. Tauth. 53.
Raub an Nichtjuden. 48, 121.
Recht und Gerechtigkeit 13, 16, 25,
31, 33, 36, 39, 73.
Rechtsgebahren der Volker in alter Zeit.
49.
Redlichkeit gegeniiber Nichtjuden. 116.
Rbmer, die. 40, 61.
Rvicksichten gegen Nichtjuden. 120.
Ruth, Ahnmutter des Messias. 24.
Salomo, Konig, betet fiir d. Heiden 24.
Samuel, Mar, geistiger Fiihrer d. Juden.
30.
Schadigung der Nichtjuden. 121, 126.
Schitruf s. Beigesellung.
Schriftgelehrtentum. 61.
Schulchan-Aruch (seine Abfassung und
Autoritat). 64 ff.
Schuldenerlassgesetz, s. Fremdengesetze.
Siebengebote der Noachiden. 33.
Sittlichkeit 12, 14, 15, 16, 18, 21, 25, 75.
Sklaven, nichtjiidische. 74, 116.
Soziale Pflichten gegen Nichtjuden. 18,
59, 81, 112f.
Staatsgesetz, s. Dina.
Steuerhinterziehung verboten. 123.
Strack, Prof. 8 u. 6.
— Surenhusius. 9.
Talmud, allgemein. 26,
— urteile iiber Nichtjuden. 32, 36, 45.
Talmudjude, der. 5.
Tauschung des Nichtjuden verboten.
48, 124 u. 6.
Tauth = Irrtum des Nichtjuden. 51,
Thomas, v. Aquino. 55, 63,
Todesstrafe, Verhangung durch jiid.
Gerichtshof. 30, 104f.
Totung von Nichtjuden verboten. 73,
79, 114, 117.
Tradition. 17, 70.
Treue gegen Nichtjuden. 74 ff, 116.
Ubervorteilung. 48, 50, 124.
Ubertritt zum Judentum. 20, 31, 114.
Untersuchung der jiid. Gesetze. 53, 80.
Unzucht. 15, 25, 40, 101.
Verbindung mit anderen zum Schutze
von Nichtjuden. 97 f, 117, 126 f.
— ,,mit dem, dem das Gliick lachelt".
107.
Verrater. 43 f.
Versorgung der Nichtjuden. 18 f, 59, 81,
120.
Wahrhaftigkeit gegen Nichtjuden. 48,
73 ff, 116.
Wohlgemuth, Dr. 129.
Wucher. 22, 49, 76, 125.
Wiilfer- Johannes. 57.
Wiinsche, Prof. 7 u. 6.
Zeugnis fiir Nichtjuden. 97, 127.
Zinsnehmen s. Wucher.
132
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Hans Goslar, judischeWeithemchaft .... M
Dr. Jacob, Krieg, Revolution und judentu,;< . , M.0,50
Dr. Leiser, Die }uden im Heere 1.0,50
Die Wahrheit uber das jiidische Schrifttum M. 0
Dr.C5oldmflnn,VomWe$ende$ Antisemitiimus H