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Full text of "Zur jüdischen Moral : das Verhalten von Juden gegenüber Nichtjuden nach dem jüdischen Religionsgesetze"

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ZUR 
UDISCHEN  MORAL 


QUE1XENMASSJG  DARCESTE 


OR  A. 


ZUR 
jtTDISCHEN  MORAL 


Das  Verhalten  von  Juden 

gegenuber  Nichtjuden  nach  dem 

jiidischen  Religionsgesetze 


QUELLENMASS1G  DARGESTELLT 
VON 

DR  A.  L  I  E  B  E  R  M  A  N  N 


PHILO-VERLAG 

BERLIN  SW68,  UNDENSTRASSE  16 


Inhalt: 

•  Scito 

Vorbemerkungen 5- — 11 

I.  Kapitel.     Was  lehrt   die  Thora   iiber  die  Stellung   des 

Volkes  Israel  zu  den  iibrigen  Volkern?     .     .     .     .  12—25 

II.  Kapitel.     Was   lehrt   der  Talmud  iiber  das  Verhalten 

der  Juden  gegeniiber  den  Nichtjuden 26 — 63 

III.  Kapitel.    Was  lehrt  der  Schulchan-Aruch  iiber  das 

Verhalten  der  Juden  gegeniiber  den  Nichtjuden     .  64 — 82 

IV.  Kapitel.     Irrtiimer  und  Falschungen 83 — 111 

Anhang.    Mehrere  alte,  denVerkehr  der  Juden  mitAnders- 

glaubigen  regelnde  Gesetze  der  Juden 112 — 128 

Noten 129 

RegUter ' 130-132 


Abkiirzungen: 

O.  Ch.   =  Schulchan-Aruch  I,  Orach  Chajjim, 
J.  D.      =  Schulchan-Aruch  II,  Joreh  Deah, 
Ch.  M.  =  Schulchan-Aruch  IV,  Choschen  ha-mischpat. 


Vorbemerkungen. 

Eines  jener  Mittel,  deren  sich  die  Antisemiten  zwecks  Er- 
reichung  ihrer  bekannten  Ziele  gegenwartig  mit  besonderem  Eifer  be- 
dienen,  ist  die  Verunglimpfung  des  jiidisch-religiosen  Schrifttums 
dutch  die  Verdachtigung  seines  moralischen  Standpunkts.  In  massen- 
weise  verbreiteten  Flugschriften  wird  die  Beschuldigung 
gegen  das  Judentum  erhoben,  dafi  seine  Gesetze  den 
Betrug  an  Christen  und  deren  Schadigung  an  Gut  und  Leben  er- 
lauben,  ja  sogar  vorschreiben  sollen.  Zum  Beweise  hierfiir  wird 
in  antisemitischen  Schriften  eine  Reihe  von  Satzen  aus  jiidisch- 
religiosen  Werken,  insbesondere  aus  Talmud  und  Schulchan 
A  r  u  c  h  mitgeteilt  und  in  einer  Form  ,,iibersetzt"  und  kommentiert, 
dafi  der  uneingeweihte  Leser  den  Eindruck  bekommen  mufi,  dafi  die 
jiidischen  Rechts-  und  Sittengesetze  jene  ihnen  von  den  Antisemiten 
zur  Last  gelegten  ungeheuerlichen  Bestimmungen  in  Wirklichkeit  ent- 
halten. 

In  ruhigen  Zeiten  diirfte  es  geniigt  haben,  gegeniiber  diesem 
vollig  unbegriindeten  Angriff  auf  folgende  Tatsachen  in  der  Offent- 
Hchkeit  hinzuweisen.  « 

Es  darf  behauptet  werden,  dafi  es  keinen  einzigen  unter  den 
antisemitischen  Flugblattmannern  gibt,  der  sich  mit  dem  jiidischen 
Schrifttum  ernstlich  beschaftigt  und  auf  Grund  eigener  Forschung 
sich  ein  Urteil  gebildet  hatte.  Vielmehr  haben  die  Verfasser  der  be- 
treffenden  Schriften  ihr  Material  einem  Biichlein  mit  dem  Titel 
,,D  erjudenspiegel"  nachgeschrieben,  welches  vor  einigen  Jahr- 
zehnten  erschienen  ist  und  auf  dem  Titelblatt  einen  ,,D  r.  J  u  s  t  u  s" 
als  Verfasser  nennt.  Auch  berufen  sich  die  Antisemiten  auf  ein  vor 
Jahrzehnten  von  Professor  R  o  h  1  i  n  g  (Prag)  verfafites  Buch  ,,Der 
Talmudjude"  und  auf  eine  gutachtliche  Oberpriifung  der  erst- 
genannten  Schrift  durch  Dozent  Dr.  Ecker  (Minister,  1883). 
Das  sind  die  jiingsten  Quellen,  aus  denen  die  Antisemiten  ihre 
Wissenschaft  schopfen. 

Die  Gerichtsverhandlungen  bezw.  Prozefivorbereitungen,  die  das 
Erscheinen  der  obengenannten  Schriften  im  Gefolge  hatte,  haben  aber 

5 


erwiesen,  dafi  deren  Verfasser  weder  als  unbefangene  noch  als 
wissenschaftlich  mafsgebende  Sachverstandige  angesprochen  warden 
konnen. 

Um  mit  ,,D  r.  Justus"  zu  beginnen  —  ,,Dr.  Justus"  hiefi 
eigentlich  Aron  Brimann.  Es  war  ein  rumanischer  Jude,  der  zwei- 
mal  den  Glauben  gewechselt  hat;  zuerst  ist  er  in  Berlin  zum  Pro- 
testantismus  und  spater,  nachdem  er  auch  diesen  Glauben  ab- 
geschworen  hat,  in  Heiligenstadt  zum  Katholizismus  ubergetreten. 
Ein  Mann,  der  nach  erfolgter  Doppeltaufe  vom  Wiener  Landgericht 
am  6.  Juli  1 885  wegen  Urkundenfalschung  zu  Gefangnis  und 
Landesverweisung  verurteilt  worden  ist. 

Der  zweite  Gewahrsmann,  R  o  h  1  i  n  g  ,  war  katholischer 
Theologieprofessor.  Sein  religibser  Fanatismus,  der  sich  in  den 
heftigsten  Ausfallen  selbst  gegen  den  —  Protestantismus  erging  (vgl. 
z.  B.  Seite  58  seiner  i.  J.  1875  erschienenen  Schrift  ,,Der  Antichrist 
und  das  Ende  der  Welt"),  macht  ihn  zweifellos  unfahig,  dem  Juden- 
tum  gerecht  zu  werden. 

Wahrend  beispielsweise  der  Innsbrucker  katholische 
Theologieprofessor  Dr.  Bickell  -  in  einem  den 
Wiener  Rohling  -  Prozefiakten  beigegebenen  Briefe1)  darum 
bittet,  ihn  nicht  als  Sachverstandigen  im  Rohling  -  Prozefi 
zuzuziehen,  und  dies  wie  folgt  begriindet:  ,,Ich  bin  mit 
Professor  Rohling  seit  20  Jahren  eng  befreundet  und  wiirde  mich 
voraussichtlich  auf  das  entschiedenste...  zu  seinen 
Ungunsten  aussprechen  miissen,  was  mir  iiber- 
aus  peinlich  sein  wiirde,  so  wenig  ich  ihm 
von  Anfang  an  meine  N  i  c  h  t  lib  er  ei  n  s  t  i  m  mu  n  g 
mit  seiner  a  n  t  i  s  e  m  i  t  i  s  c  h  e  n  Agitation  verhehlt 
habe";  wahrend  derselbe  katholische  Professor  in  dem  genannten 
Briefe  liber  eine  von  Rohling  mit  vielen  sogenannten  ,,Beweisen" 
gestiitzte  Beschuldigung  der  Juden  wie  folgt  schreibt:  ,,Was  die 
Hauptsache  des  Prozesses  .  .  .  betrifft,  so  habe  ich  mich  schon  .  .  . 
bffentlich  dahin  ausgesprochen,  dafi  alle  dafiir  beigebrachten  angeb- 
lichen  Beweisstellen  der  reinste,  auf  grober  U  n  - 
wissenheit  beruhende  Schwindel  seien,  da  an  den 
betreffenden  Stellen  von  ganz  andern  Dingen  gehandelt  werde": 
verschmahen  es  die  Antisemiten  nicht,  diesen  selben  Herrn  Rohling 
,,im  Kampfe  um  die  Wahrheit"  als  ihren  Fiihrer  und  Schutzgeist 
anzuerkennen ! 

Nun  zu  Dr.  E  c  k  e  r.  Dr.  Ecker  war  Dozent  an  der  Akademie 
zu  Munster.  Wir  zweifeln  nicht  an  seiner  ehrlichen  Gesinnung;  aber 
er  stand  ganz  unter  dem  Einflufi  von  Justus  und  Rohling.  Dafi 


er  keine  talmudischen  Fachkenntnisse  besaS,  um  sich  ein  eigenes  Urtei! 
bilden  zu  kb'nnen,  bezeugt  kein  geringerer  als  der  eben  genannte 
katholische  Theologieprofessor  Dr.  Bickell,  der  in  dem  erwahnten 
Briefe  folgendes  bemerkt:  ,,Zwar  macht  sich  heutzutage  der  Schwin- 
del  gelehrter  Industrieritter  .  .  .  besonders  breit;  so  hat  kurzlich  in 
M  ii  n  s  t  e  r  ein  strebsamer  Privatdozent  .  .  .  welcher 
gar  nichts  vom  Talmud  versteht...  sich  als 
Sachverstandiger  aufgedrangt  und  sich  dann  .  .  .  von  einem  b  e  - 
kehrten  Juden  ein  von  talmudisch-rabbinischer  Gelehrsamkeit 
uberstromendes  Buch  schreiben  lassen,  welches  er  als  sein  eigenes 
Werk  veroffentlicht  hat  .  .  ."  Es  ist  aber  in  Miinster  von  keinem 
sonstigen  Dozenten  ein  ahnliches  Buch  geschrieben  worden  als  nur 
von  Dr.  Ecker.  (Das  Buch  ,,Der  Judenspiegel"  beleuchtet  von 
Dr.  Ecker.)  Und  daS  der  ,,bekehrte  Jude"  nur  Justus-Brimann 
sein  konne,  wird  wohl  kaum  jemand  bezweifeln. 

Das  Verfahren  der  Antisemiten  kann  aber  erst  dann  richtig 
eingeschatzt  werden,  wenn  man  bedenkt,  dafi  Rohling  und  Justus 
durch  hervorragende  christliche  Gelehrte,  zumeist 
deutsche  Universitatsprofessoren,  die  als  Kenner  des  rabbinischen 
Schrifttums  Weltruf  geniefien,  schon  vor  Jahrzehnten  als  Stumper 
und  Falscher  entlarvt  worden  sind2).  Die  Antisemiten 
h  at  ten  also,  falls  ihnen  lediglich  an  der  Ober- 
prufung  der  talmudischen  Rec  h  t  s  s  a  t  z  u  n  ge  n  ge- 
legen  hatte,  die  Moglichkeit  gehabt,  das 
wissenschaftlich  zuverlassige  Material  aus  den 
Werken  hochstehender  christlicher  Personlich- 
keiten  von  untadeliger  Gesinnung  sich  zu 
beschaffen.  So  hat  beispielsweise  der  Leipziger  Universitats- 
professor  Franz  Delitzsch,  Vater  des  Berliner  Assyriologen 
Professor  Friedrich  Delitzsch,  Rohling  in  mehreren  Broschiiren  der 
Unwissenheit  uberfiihrt3).  Ferner  hat  Professor  August 
W  ii  n  s  c  h  e  (Dresden) ,  der  einen  betrachtlichen  Teil  der  tal- 
mudisch-midraschischen  Bvicher  ins  Deutsche  iibersetzt  hat,  zusammen 
mit  dem  Universitatsprofessor  Theodor  Nb'ldeke  (Strafiburg) 
auf  Verlangen  des  Wiener  Landgerichts  und  von  diesem 
unter  Eid  genommen,  ein  Sachverstandigengutachten 
uber  die  Rohlingschen  Texte  abgegeben,  in  welchem  nicht 
nur  die  Grundlosigkeit  der  Anklagen  gegen  den  Talmud  nachge- 
wiesen,  sondern  auch  die  Falschungsmethode  Rohlings  gekenn- 
zeichnet  wird4).  Der  christliche  Rechtsgelehrte  Dr.  Joseph 
K  o  p  p ,  ehemaliger  Landtags-  und  Reichsratsabgeordneter  in 
Wien,  hat  ein  ausfiihrliches  Buch  uber  den  hier  angedeuteten 


Prozefi  geschrieben  und  mit  Rohling  griindlich  abgerechnet0). 
-  Der  Berliner  Universitatsprofessor  Hermann  L.  Strack, 
unstreitig  der  grofite  christliche  Talmudkenner  der  Jetztzeit, 
Verfasser  einer  ,,Einleitung  in  den  Talmud"6),  Herausgeber 
und  Kommentator  mehrerer  Mischnahtraktate,  der  einen  grofien  Teil 
seines  der  Wissenschaft  geweihten  Lebens  der  Erforschung  des  Tal- 
mud widmet,  hat  bereits  mehrmals  in  Wort  und  Schrift,  einigemal 
auch  als  Sachverstandiger  vor  deutschen  Gerichtshofen,  die  Beschul- 
digungen  der  Justus-Rohling-Ecker  und  ihrer  Nachbeter  mit  Ent- 
riistung  zuriickgewiesen.6a  )  —  Femer  haben  Professor  E  d  u  a  r  d 
K  6  n  i  g  (Bonn)  ,6b  )  Professor  Paul  F  i  e  b  i  g7)  und  der  christ- 
liche Arzt  Dr.  Weigl8)  (Miinchen)  auf  Grund  vieljahriger 
Forschung  eine  Reihe  von  Angriffen  auf  das  jiidische  Schrifttum  als 
grundlos  abgewiesen.  —  Endlich  hat,  um  auch  eine  der  grofiten 
judischen  Autoritaten  zu  nennen,  der  Rektor  des  Berliner  Rabbiner- 
seminars,  Professor  David  Hoffmann,  in  seinetn  Werke  iiber 
den  ,,Schulchan-Aruch  und  die  Rabbinen  iiber  das  Verhaltnis  der 
Juden  zu  den  Anders  glaubi  gen"  (2.  Auflage,  |1894,  Berlin)  die 
Justus-Eckerschen  Thesen  aufs  griindlichste  behandelt. 

Doch  nicht  nur  diese  Werke  stehen  den  Antisemiten  zur  Ver- 
fiigung,  sondern  auch  die  bereits  erschienenen  Obersetzungem 
der  Mischnah,  des  Talmud,  des  Maimonides  und  des  Schulchan- 
Anich  selbst.  1st  es  doch  nichts  als  ein  Marchen,  mit  welchem  man 
gruselig  machen  mb'chte,  wenn  die  Antisemiten  behaupten,  dafi  die 
Juden  ihren  Talmud  usw.  als  G  e  h  e  i  m  1  e  h  r  e  verborgen  halten. 

Der  Berliner  Universitatsprofessor  der  protestantischen  Theologie 
Strack  nennt  in  seiner  erwahnten  ,,Einleitung  in  den  Talmud" 
( 1 900)  z  e  h  n  Obersetzungen  des  Talmud  in  den  verschiedensten 
Kuitursprachen  und  bemerkt  dabei :  „.  ..Oberhaupt  gibt 
es  innerhalb  des  gesamten  Judentums  weder 
eine  Schrift  noch  eine  miindliche  Tradition, 
welche  kundigen  Christen  unzuganglich 
ware.  Weder  s  u  c  h  e  n  die  Juden  vor  den  Christen  etwas  zu 
verbergen,  noch  k  b  n  n  e  n  sie  ihnen  etwas  verbergen.  Fur  die  Rich- 
tigkeit  dieser  Erklarung  setze  ich  auch  hier  meine  Ehre  als  Mann  und 
Gdehrter  ein.  Der  Talmud,  der  Schulchan-Aruch  und  andere 
jiidische  Schriftwerke  sind  Geheimbiicher  nur  fur  diejenigen  —  Juden 
michl  minder  als  Christen  — ,  welche  die  zum  Lesen  erforderlichen 
Vorkenntnisse  sich  nicht  erworben  haben.  Und  eine  grobe  Unwahr- 
heit  sprechen  die  aus,  die  dem  christlichen  deutschen  Vplke  vorreden, 
dafi  das  Judentum  ,,den  Talmud  angstlich  mit  alien  nur  erdenkbaren 
Mittda  geheimhalte,  Bekanntwerden  seines  Inhalts  furchte,  ja  dessea 


Bekanntmachen  seitens  eanes  Juden  fur  ein  todeswiirdiges  Ver- 
brechen"  erklare.  Demgegeniiber  geniigt  es,  einige  Namen  neuerer 
jiidischer  Talmudiibersetzer  zu  nennen:  Pinner,  Rabinowitsch,  Ra- 
witsch,  Samter,  Schwab,  Straschun.  Sie  alle  sind  unangefochten 
geblieben."  —  Soweit  Prof.  Strack.  — 

Die  M  i  s  c  h  n  a  h  ,  der  Grundstock  des  Talmud,  ist  bereits  im 
1 7.  Jahrhundert  von  dem  christlichen  Gelehrten  Surenhusius 
ins  Lateinische,  alsdann,  ebenfalls  von  einem  gelehrten  Christen, 
J.  J.  R  a  b  e ,  im  18.  Jahrhundert  ins  Deutsche  iibertragen  worden. 
Eine  spatere  Obersetzung  veranstaltete  J.  M.  Jost  (Berlin 
1832 — 34),  und  gegenwartig  erscheint  eine  mit  Kommentar  ver- 
sehene  deutsche  Mischnah-Obersetzung  in  Berlin  (Verlag  Itzkowski) , 
von  welcher  bereits  75  Lieferungen  vorliegen. 

Einzelne  Teile  des  Talmud  sind  bereits  ins  Lateinische, 
Deutsche  und  Franzosische  iibersetzt  worden,  und  seit  1 896  erscheint 
eine  grofiziigige,  Urtext  und  deutsche  Ob,rsetzung  enthaltende  Tal- 
mudausgabe  (von  Lazarus  Goldschmidt),  die  zum  grofien 
Teile  fertiggestellt  ist  und  in  alien  grofien  Bibliotheken  Deutschlands 
ausliegt. 

Deutsche  Obersetzungen  des  Schulchan  -  Aruch  gibt  es 
ebenfalls.  Erwahnt  sei  besonders  die  von  L  e  d  e  r  e  r  (Frank- 
furt a.  Main). 

Eine  Schulchan  -  Aruch  -Obersetzung  ins 
Deutsche  ist  auch  von  Dr.  Johannes  v.  P  a  v  1  y  begonnen  und  bis 
§  1 60  des  I.  Teiles  fortgefiihrt  worden.  Dieses  Werk,  welches  vom 
Obersetzer  dem  damaligen  Kronprinzen  (spaterem  Kaiser)  Niko- 
laus  von  Rufiland  gewidmet  ist  und  auch  von  Juden  gefordert  wurde, 
ist  von  den  Antisemiten  in  der  5.  Auflage  des  Justusschen  ,,Juden- 
spiegels"  briisk  abgelehnt  worden.  v.  Pavly  hat  namlich  den  Schul- 
chan-Aruch  r  i  c  h  t  i  g  iibersetzt,  und  die  Antisemiten  zitieren  lieber 
aus  dem  ,,Talmud"  und  dem  ,,Schulchan-Aruch"  der  Herren  Roh- 
ling,  Justus  und  Ecker. 

Lebten  wir  in  ruhigen  Zeiten,  wir  hatten  uns  mit  diesen  Fest- 
stellungen  begniigt. 

Wir  stehen  jedoch  mitten  in  einer  politisch  aufgewiihlten  und 
seelisch  tieferregten  Zeit,  in  welcher  die  Unzufriedenheit  nach 
Schuldigen  spaht.  Der  edeldenkende  Christ  Dr.  Kopp  hat  aber  recht, 
wenn  er  in  seinem  erwahnten  Buche  (Vorwort)  sagt,  dafi  es  etwa 
dem  Romer  des  heutigen  Konigreichs  Italien  ,,sehr  gleichgiltig  sein 
mag,  wenn  ein  Historiker  seine  Vorfahren  als  einen  Ausbund  aller 
erdenklichen  Laster  schildert",  und  dafi  es  der  Christ  ,,gleichmutig 
hinnehmen"  konne,  wenn  ,,ein  nicht  unbedeutender  Schriftsteller  des 


19.  Jahrhunderts  der  Welt  beweisen  will,  dafi  die  christliche  Re- 
ligion urspriinglich  auf  dem  Molochdienst  beruhte",  dagegen  wenn  ein 
Volksstamm,  namlich  die  Juden,  ,,der  unter  uns  (d.  h.  den  christlichen 
Vb'lkem)  lebt,  beschnldigt  wird,  dafi  er  durch  seine  Religion  zu 
jeglicher  Missetat  nicht  nur  berechtigt,  sondern  sogar  verpflichtet  ist", 
und  wenn  diesbeziigliche  ,,grauenhafte  Fabeln  mil  einem 
jeden  Laien  notwendig  verbliiffenden  Apparat  scheinbarer 
Gelehrsamkeit"  aufgeboten  werden  —  ,,in  solchem  Vorgehen  e  i  n  e 
soziale  Gefahr  liege". 

Darum  halten  wir  es  gegenwartig  fiir  unsere  dringende  Auf- 
gabe,  zu  den  gegen  das  judische  Rechts-  und  Sittengesetz  erhobenen 
Beschuldigungen  in  einer  sachlichen  Darlegung  Stellung  zu  nehmen. 
Wohl  wissen  wir,  dafi  diese  Aufgabe  nicht  leicht  ist,  denn  zur 
Widerlegung  eines  Irrtums  und  einer  Falschung  gehb'rt  in  der 
Regel  ein  viel  grb'fierer  Apparat  als  zu  deren  kategorischer  B  e  - 
hauptung.  Dieses  ungiinstige  Los,  welches  jeder  Verteidi- 
g  u  n  g  beschieden  ist,  soil  uns  indessen  nicht  abschrecken.  Wir  wollen 
auf  Grund  der  geistigen  Quellen  der  jiidischen  Religion  emeut  die 
Frage  klaren: 

Was  gebietet  die  jiidische  Religion,  das  jiidische  Rechts- 
und  Sittengesetz,  das  in  Thora,  Talmudund  Schul- 
chan-Aruch  niedergelegt  ist,  in bezug  auf  das  Ver- 
halten  der  Juden  zu  Andersglaubigen,  insbesondere  zu 
Christen? 

Wir  mb'chten  es  den  Lesern  ermbglichen,  dafi  sie  sich  auf  Grund 
der  folgenden  Darlegung  beziiglich  der  Lehren  des  Judentums 
iiber  den  fraglichen  Gegenstand  ein  eigenes  .Urteil  bilden  und  die 
Irrtiimer  und  Falschungen  der  antisemitischen  Gewahrsmanner  selbst 
nachprufen  kb'nnen.  Denn  wir  miissen  annehmen,  dafi  jene  vor- 
nehmen  Personlichkeiten,  welche  sich  gegenwartig  den  antisemitischen 
Flugblattmannern  angeschlossen  haben,  dies  in  dem  guten  Glauben 
taten,  dafi  in  den  Flugblattern  die  Wahrheit  stehe.  Wir  hoffen, 
dafi  eine  wissenschaftliche  Darlegung,  welche  zur  Reinigung  der 
geistigen  Atmosphare  beitragt,  auch  dem  allgemeinen  Wohl  und  dem 
Frieden  dienen  werde. 

In  der  Gegenwart,  wo  die  schwere  Priifung,  welche  unserem 
Vaterlande  auferlegt  ist,  den  Blick  fiir  die  geistigen  Erscheinungen 
im  Volkerleben  scharfen  mufi,  wo  nicht  mehr  der  Glaube  verblendet, 
als  ob  ein  von  aller  Welt  Gehafiter  auch  unbedingt 
hassenswert  sein  miisse;  in  einer  Zeit,  wo  das  Wort  ,,Fremdling" 
-  eingedenk  der  Hunderttausende  Deutschstammiger,  die  jetzt  durch 
einen  gewaltsamen  Grenzstrich  in  Ost  und  West  entheimatet  und 

IO 


deren  unschuldige  Kinder  mil  dem  Ruf  ,,Deutscher!"  auf  der  Strafie 
gehohnt  warden  —  wir  sagen:  wo  der  Name  ,,Fremdling"  an  ein 
unverdientes  Schicksal  gemahnt;  in  einer  solchen  Epoche  diirfte  auch 
endlich  der  Daseinskampf  jenes  Volksstammes  gerechter  gewiirdigt 
werden,  welcher  vor  1  850  Jahren  durch  die  imperialistische  Lander- 
gier  Roms  seines  Staates  Judaa  beraubt,  aus  seiner  Heimat  in  fremde 
Fernen  vertrieben,  Jahrhunderte  hindurch  aus  religiosem  Eifer  und 
aus  Rassenabneigung  verfolgt  und  geachtet,  verleumdet  und  ent- 
rechtet,  als  ein  gleichsam  zu  ewiger  Kriegsgefangenschaft  Verdammter 
behandelt  worden  ist,  und  welcher  heute  in  dem  einen  Teile  danach 
ringt,  als  treuer  Mitarbeiter  am  Auf-  und  Weiterbau  des  Vater- 
landes  in  die  Umgebung,  unter  Wahrung  des  religiosen  Bekennt- 
nisses,  einzugehen,  in  dem  andern  Teile  aber  sich  zuriicksehnt  nach 
der  von  ihm  unvergessenen  Zionsheimat,  um,  in  seiner  Eigenart  ge- 
starkt,  als  wiirdiges  Menschheitsglied  in  der  Reihe  der  Nationen  zu 
stehen. 

Verstand  n  i  s  mufii  zu  Verstandigung  fiihren.  Uns  Juden  aber 
kann  in  diesem  Kampfe  nichts  starker  ermutigen  als  die  Erkenntnis, 
dafi  die  gegen  unsere  Religion  unternommenen  Angriffe  jeglicher 
Begrlindung  entbehren. 


H 


I.   Kapitel. 

Was  lehrt  die  Thora,  d.  i.  die  fiinf  Bucher  Moses,  iiber 
die  Stellung  des  Volkes  Israel  zu  den  iibrigen  Volkern? 

Die  Thora  (fiinf  Bucher  Moses)  ist  die  Grundlehre 
der  jUdischen  Religion.  Ihre  r  e  1  i  g  i  6  s  e  n 
Grundsatze,  auf  denen  sich  auch  die  Rechts- 
satzungen  des  Judentums  aufbauen,  sind  die 
Quelle  aller  spateren  G  es  e  t  z  g  eb  u  n  g  e  n  der 
Juden  bis  auf  den  heutigen  Tag. 

Schon  das  erste  Blatt  der  Thora  lehrt  mit  klarster  Begriindung 
die  G  1  e  i  c  hb  er  e  ch  t  i  gu  n  g  aller  Rassen  und 
Volker.  Es  heifit  im  I.  Buch  Mos.,  Kap.  I,  Vers  27:  ,,Gott 
schuf  den  Menschen  nach  seinem  Bilde".  Also:  den  Menschen 
schuf  Gott,  nicht  einen  Israeliten,  nicht  diese  oder  jene  Rasse.  Das 
erste  Menschenpaar  wird  ausdriicklich  zu 
Ahnen  des  gesamten  Menschengeschlechts 
g  e  m  a  c  h  t. 

Bereits  der  erste  Mensch  orientiert  nach  der  Lehre  der  Thora 
seinen  moralischen  Sinn  fiir  Gut  und  Bose  an  dem  gottlichen  Ver- 
bot:  ,,Du  sollst  nicht  (.  .  .  von  dem  Baume  .  .  .  essen)  !"  9)  - 
Dieser  moralische  Sensus,  welcher  den  hbchsten  sittlichen  Aufstieg 
des  Menschen  begriindet,  wird  von  der  Thora  bereits  dem  Adam, 
dem  alle  spateren  Menschentypen  potentiell  in  sich  bergenden  e  r  s  t  e  n 
Menschen,  d.  h.  alien  Menschen  zuerkannt. 

1 .  These :  Die  Religion  der  Thora  lehrt  dieGleichberechti- 
gung  aller  Rassen  auf  Grund  der  Auf fassung,  dafi  alle 
Menschen  Gottes  Geschopfe  sind  und  infolge  ihrer  Gott- 
ebenbildlichkeit  allesamt  zu  sittlichem  Leben 
berufen  wurden. 

Die  durch  Religion  begriindete  Sittlichkeit  ist  nach  der  Thora 
der  Zweck  und  die  Wiirde  des  Menschendaseins.  Die  Ver- 
letzung  der  Sittlichkeit  mindert  darum  die  Berechtigung  auf 
das  Dasein;  vbllige  Sittenlosigkeit  macht  die  Schopfung  des  Men- 

12 


schen  illusorisch.  ,,U  nddieErdewarverderbtvorGott" 
(I.Buch  Mos.,  Kap.  6,  V.  11),  darum  beschlofi  Gott,  die  Menschen 
-  durch  eine  Wasserflut  —  zu  vernichten. 

Worin  bestand  jenes  Vergehen,  wegen  welcher  Gott  die  Ver- 
tilgung  der  Menschheit  beschlossen  hatte?  -  -  ,,D  i  e  Erde  war 
voll  von  Gewalttatigkeit"  (I.  Buch  Mos.,  Kap.  6, 
V.  11).  Gewalttatigkeit  hebt  das  Leben  und  die  Wiirde  des  Lebens 
auf.  Sie  ist  die  schwerste  Siinde,  weil  sie  Gottes  grbfites  Werk 
zerstort ;  sie  ist :  Gottfeindlichkeit.  Im  Gegensatz  zu  ihr  steht  das 
Recht.  Das  Recht  ist  das  erhaltende  Prinzip 
des  gesellschaftlichen  Lebens.  Deshalb  rettet  Gott  den 
Noah,  den  einzigen  Menschen,  der  inmitten  der  verderbten  Welt 
das  Recht  vertritt.  Er  ist  nach  dem  Ausspruch  der  Thora  ,,isch 
zaddik"  r=  ,,d  e  r  M  a  n  n  d  e  s  R  e  c  h  t  s"  (I.  Buch  Mos.,  Kap.  6, 
V.  9).  Im  Hinblick  auf  Noah,  den  Mann  des  Rechts,  schliefit 
Gott  einen  Bund  mit  der  Erde  und  will  der  Gewalttatigkeit  und 
Rechtlosigkeit  fortan  durch  das  Gesetz  begegnen:  ,,W  erdasBlut 
eines  Menschen  vergiefit,  dessen  Blut  soil  durch 
Menschen  vergossen  werde  n."  Die  Bewahrung  des 
Rechts  vor  Vergewaltigung  schiitzt  die  Menschheit  vor  Sintflut,  vor 
Uhtergang  (s.  I.  Buch  Mos.,  Kap.  9). 

Der  Beginn  der  Menschheitszivilisation  wird  also  von  der  Thora 
nicht  mit  dem  Namen  eines  Israeliten  verkniipft,  sondern  mit  dem 
Namen  Noahs,  des  Vertreters  des  Rechtsprinzips,  der 
wiederum  zum  Urahn  und  zum  Urtyp  des  gesamten,  nach  der  Sint- 
flut neuerstandenen  Menschengeschlechts  wird.  Anstelle  der  ent- 
arteten  Adamskinder  treten  die  hoherwertigen  Noahs- 
kinder  (Noachiden) .  (Vgl.  S.  32  ff.) 

2.  These :  Sittlichkeit  ist  der  Zweck  des  Lebens ;  ihre  erste 
Voraussetzung  ist  Rechtlichkeit.  Unter  der  Bedingung  der 
Anerkennung  des  Rechtsprinzips  und  der  Einfiihrung  der 
Rechtspflege  wird  der  Menschheit  in  Noah  von  neuem 
das  Dasein  geschenkt. 

Noch  eine  zweite  Auslese  ist  nach  der  Lehre  der  Thora  inner- 
halb  der  Menschheit  erfolgt :  Abraham  sondert  sich  auf  Gottes 
Geheifi  von  seiner  Umgebung  ab  (I.  Buch  Mos.,  Kap.  12,  V.  1)  ; 
er  erkennt  in  seinem  Gotte  ,,schofet  kol  haarez"  den  gerechten 
Richter  der  ganzen  Erde  (Kap.  18,  V.  25).  Diese 
Vorstellung  von  Gott  als  dem  Horte  der  Ge- 
rechtigkeit  wird  fur  Abraham  der  Antrieb 
zur  Milde,  G  a  s  1 1  i  cji  k  e  i  t  und  Friedfertigkeit 
gegen  alle  Menschen  (Kap.  18,  V.  23  ff.).  Erst  die 

13 


Gerechtigkeit  gepaart  mil  Recht  wird  nach  der 
LehrederThora  (I.  Buch  Mos.,  Kap.  18,  V.  19)  den  an 
Abraham  verheifienen  Segen  uber  alle  Vblker 
der  Erde  bringen. 

3.  These:  Die  vollendete  soziale  Formel  fur  das  Ge- 
sellschafts-  und  Volkerleben  ist  nach  der  Thora:  ,,zedakah 
u-mischpat"  Recht  gepaart  mit  Gerechtigkeit  (I.  Buch  Mos., 
Kap.  18,  V.  19). 

Um  diesen  Segen  fiir  die  kommende 
Menschheit  sicherzustellen,  verharrt  Abra- 
ham in  der  Absonderung.  Diese  Absonderung  bedeutet 
keine  Feindseligkeit,  denn  Abraham  liebt  alle  Menschen  —  selbst 
fur  die  Sunder  in  Sodom  und  Comorrha  betet  er  — ,  bedeutet  auch 
keinen  Rassendiinkel,  denn  Abraham  sondert  sich  von  seiner  eigenen 
Verwandtschaft,  von  seinem  Vaterhause  ab.  Die  Absonderung  be- 
zweckt  die  Wahrung  der  eigenen  Geistesart. 

4.  These:  Die  Wahrung  und  Sicherstellung  des  Geistes  der 
Liebe    und    Gerechtigkeit    fordert    Absonderung     und     reine 
Familientradition,  um  der  Zukunft  der  Menschheit  willen. 
Aus  dem  H  a  u  s  e  Abrahams  ging  das  Geschlecht  Jakobs, 
das  Volk  Israel  hervor,  nach  aufien  als  Nation  unter  Nationen,  nach 
innen  durch  eine  Idee,  das  Vermachtnis  Abrahams   (s.  oben)    geeint 
und  bestimmt. 

Die  Stellung  des  Volkes  Israel  zur  iibrigen 
Menschheit  wird  in  der  Offenbarung  Gottes  am  Berge  Sinai  wie 
folgt  beschrieben  (II.  Buch  Mos.,  Kap.  19,  V.  5—6):  ,,S  o  i  h  r 
horen  werdet  auf  Meine  Stimme  und  den 
Bund  mit  Mir  bewahren,  so  werdet  ihr  Mir 
ein  besonderes  sein  unter  den  Volkern,  denn 
Mir  gehort  die  ganze  Erde.  Ihr  sollt  Mir  ein 
Reich  von  G  o  1 1  g  e  w  e  i  h  t  e  n  sein  und  ein  heiliges 
Volk."  -  Kein  einziges  auSeres  Rassenmerkmal  wird  genannt,  auf 
Grund  dessen  die  Berufung  Israels  durch  Gott  erfolgt  ware,  und  kein 
einziges  der  iibrigen  Volker  der  Menschheit  wird  auch  nur  mit  einem 
Worte  entwiirdigt.  Vielmehr  wurde  die  Berufung  des  Volkes  Israel 
durch  das  Merkmal  der  sittlichen  Eignung  begriindet,  und 
der  Ausdruck  ,,Kohanim"  beweist,  dafi  die  g  e  s  a  m  t  e  Mensch- 
heit von  der  Thora  als  das  kiinftige  Reich  Gottes  betrachtet  wird. 
Stand  doch  das  ,,gemeine"  Volk  innerhalb  der  israelitischen  Gemein- 
schaft  dem  ,,Kohen"  nicht  etwa  als  minderwertig  gegeniiber. 

5. These:  DieBerufung  Israel?  zumGottesvolk  bedeutet  keine 
Bevorrechtung,   sondem   die  priesterliche   Pflicht,   die 


Sittlichkeit,  die  in  dem  Gottesglauben  ihre  tiefste  Begriindung 
hat,  zu  lehren  und  zu  verwirklichen,  auf  dafi  die  Erde  zu 
einem  Gottesreiche  werde. 

AIs  Gottesvolk  empfangt  Israel  die  Sendung,  an  den  hoffnungslos 
entarteten  kanaanitischen  Volksstammen  das  gbttliche  Strafgericht 
zu  vollziehen.  Im  Sinne  der  oben  erwahnten  Lehre 
(2.  These),  dafi  unverbesserlicher  sittlicher  Verfall  das  Daseinsrecht 
des  Menschen  aufhebt  (vgl.  die  Todesstrafe  bei  den  grofiten  Ver- 
brechen  in  der  Rechtsprechung  aller  Volker),  wurden  die  Kanaaniter, 
ahnlich  wie  einst  das  Sintflutgeschlecht  und  Sodom  und  Gomorrha, 
dem  Untergange  geweiht.  AIs  die  unheilvollen  Verirrungen  der 
Kanaaniter  werden  in  der  Thora  genannt:  der  Molochdienst  mit  dem 
Menschenopfer,  perverser  Astartenkult  und  Bestialitat 10). 

Der  Krieg  Israels  gegen  Kanaan  war  nach  der  Darstellung  der 
Thora  kein  Eroberungsfeldzug  aus  Machtliisternheit, 
darum  wird  er  in  der  Thora  stets  ,,Krieg  Gottes"  genannt.  Die  Liebe 
Gottes  hatte  aber  dieses  Strafgericht  lange  hinausgeschoben,  iiber 
Generationen  hinaus,  um  den  Kanaanitem  Zeit  zur  Besserung  zu  lassen. 
Ausdriicklich  heifit  es  I.  Buch  Mos.,  Kap.  15,  V.  7,  dafi  Gott  dem 
Stammvater  Abraham,  als  dieser  in  Kanaan  weilte,  das  Land  erst 
fur  spatere  Zeit  verheifien  hat:  ,,D  e  n  n  die  Schuld  des 
E  m  o  r  i  (d.  i.  der  Kanaanite)  ist  noch  nicht  vol  1." 

Das  Volk  Israel  selbst  hat  jedoch  nur  als  ein  h  e  i  1  i  g  g  e  - 
d  a  c  h  t  e  s  ,  als  ein  Gottesvolk  diese  Sendung  des  Richters  iiber 
Kanaan  erhalten.  Fur  den  Fall,  dafi  es  selbst  jemals  den  Gottes- 
bund  verlassen  und  in  den  Spuren  der  entarteten  sieben  kanaanitischen 
Volkerschaften  wandeln  sollte,  wird  ihm  das  gleicheSchick- 
s  a  I  angedroht,  das  iiber  die  Kanaaniter  verhangt  worden  war. 
Im  HI.  Buch  Moses,  Kap.  18,  V.  24—29  wird  das  Volk 
Israel  verwarnt :  ,",V'e  runreinigt  euch  nicht  durchall 
dieses  (die  oben  erwahnten  Greueltaten) ,  denn  durch 
dieses  alles  haben  sich  die  Volker  verunreinigt, 
die  Ich  vor  euch.austreibe...  auf  dafi  das  Land  nicht 
auch  euch  ausspeie,  wenn  ihr  es  verunreinigt,  wie  es  das  Volk  aus- 
gespien  hat,  welches  vor  euch  da  war!"  -  Aus  V.  Buch  Mos., 
Kap.  32,  V.  46 — 47  vernehmen  wir  das  Vermachtnis  Moses  an 
das  Volk  Israel:  „.  .  .  Dafi  ihr  beobachtet  und  erfiillt  alle  Worte 
der  Thora  ...,  denn  das  ist  euer  Leben  und  um  des- 
willen  werdet  ihr  verbleiben  auf  dem  Boden,  zu 
dessen  Eroberung  ihr  den  Jordan  iiberschreitet." 
-  V.  Buch  Mos.,  Kap.  28,  V.  58  lautet:  ,,Wenn  du  nicht 
erfiillen  wirst  alles,  was  in  dieser  Thora  g  e  - 

i5 


schriebenist...,  so  werdet  ihr  hinweggetilgt  warden  v  o  n  d  e  m 
Boden,  wohin  du  ziehst,  um  e  s  zu  erober n."  Und 
Josua,  der  das  Land  Kanaan  eingenommen  hat,  sprach  in  seiner 
Abschiedsrede  an  das  Volk  Israel:  ,,So  redet  Gott:  .  .  .  Ich  gab 
die  Emori  und  Perizi  (die  kanaanatischen  Volker)  in  cure  Hand . . ., 
nicht  durch  d  e  i  n  Schwert  und  nicht  durch  d  e  i  n  e  n  Bogen  .  . . 
und  nun  schafft  die  Gotter  fort,  die  eure  Ahnen 
angebetet  ha  ben."  (Buch  Josua,  Kap.  23  und  24).  —  Der 
gleiche  Gedanke  wird  dem  Volke  Israel  von 'den  Propheten  un- 
zahlige  Male  eingepragt. 

Weltbeherrschungsplane  blieben  der  Nation  Israel  fern,  mufiten 
ihr  als  Volk  von  Gottgeweihten  fern  bleiben.  Denn  der  Priester 
sollte  —  im  Staate  Israel  selbst  —  keinen  irdischen  Besitz .  haben 
(sj  V.  Buch  Mos.,  Kap.  1 8,  V.  1 ) .  G  o  1 1  soil  dereinst  in  der 
Welt  herrschen  (Jesajah  11,9;  Zecharjah  14,  9). 

Gegen  e  i  n  e  n  Stamra  ruft  die  Thora  zum  Ausrottungs- 
kampf  auf,  gegen  den  Stamm  Amalek.  Den  Grund  erfahren  wir 
aus  dem  V.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  17—19.  Dort  wird  be- 
richtet,  dafi  Amalek  die  aus  Agypten  ziehenden  miiden  und  ent- 
krafteten  israelitischen  Scharen  meuchlings  angegriffen  hatte,  ,,o  h  n  e 
Scheu  vor  Got  t".  Diese  Verhohnung  aller  Menschlichkeit, 
diese  gottlasternde  Grausamkeit  erinnerte  an  die  Verworfenheit  des 
Sintflutgeschlechts,  auf  deren  Besserung  nicht  mehr  zu  rechnen  war. 
Amalek  ist  der  Feind  der  Menschengesellschaft.  ,,Gott  kampft 
gegen  Amalek  von  Geschlecht  zu  Geschlecht."  (II.  Buch  Mos., 
Kap.  17,  V.  16.) 

6.  These:  Die  Eroberung  Kanaans  durch  das  Volk  Israel 
wird  von  der  Thora  als  ein  Strafgericht  bezeichnet.  Nur  dem 
Gottesvolke  ist  das  ..heilige"  Land  zugedacht,  nur  dem 
Volke,  welches  sich  durch  seinen  religios-sittlichen  Wandel 
bewahrt;  ihm  steht  es  auch  zu,  den  Kampf  Gottes  gegen 
Amalek  zu  fuhren. 

Nunmehr  wurde  der  israelitische  Staat  auf  den  Grund- 
festen  des  Rechts  (vgl.  Noah,  These  2)  aufgerichtet,  um 
in  ihm  das  sittliche  Ideal  der  sozialen  Gerechtigkeit  und 
der  Nachstenliebe,  als  Postulat  des  reinen  Gottes- 
glaubens  (vgl.  Abraham,  These  3),  zu  verwirklichen. 

Um  den  Bestand  dieses  Idealstaates  gegen  die  Gefahr  heid- 
nischer  Einfliisse  zu  schiitzen,  bedurfte  es  einer  gewissen  Ab- 
sonderung.  Der  Lebensplan  Abrahams,  des  Stammvaters, 
wiederholt  sich  in  der  Nationalverfassung  Israels.  Nach  aufien 

16 


Liebe    ausstrb'mend,    nach    innen    abgeschlossen,    wachend    iiber    der 
Eigenart,   der  Tradition. 

Der  Staat  Israel  war  alien  gebffnet  und  bot  alien  Heimat,  die 
,,den  Staub  des  Gb'tzendienstes"  an  der  Schwelle  des  Landes  von 
ihren  Fufien  abgeschiittelt  haben.  KeineRasse  wurde  an 
sichfiirminderwertigerklart  (s.  oben  .These  1  ) ,  kein 
Mensch  wurde  abgewiesen,  sobald  nur  das  Unerlafiliche,  das  Mensch- 
liche,  das  Recht,  von  dem  Eintretenden  unangetastet  blieb.  Wer  nur 
zum  Prinzip  des  Rechts  sich  bekannt  hat,  wurde  schon  hierdurch  der 
Gleichberechtigte  mil  den  Israeliten.  Es  wurde  nicht  einmal  voile 
Bekehrung  zur  Staatsreligion  Israels  gefordert,  sondern  schon,  wer 
ein  Noahskind  (vgl.  oben  S.  13)  war  und  mit  seinem  Bekenntnis 
zum  Recht  und  dem  Richter  der  Welt  (s.  oben  S.  1  3 — 14)  am  Staate 
und  an  der  Menschheit  aufbauend  zu  wirken  versprach,  gait  als  voll- 
berechtigter  Staatsbiirger.  Nur  wer  Gbttesgericht  und  Menschen- 
recht  leugnete,  mufite  ferngehalten  werden:  er  war  aus  dem  Sintflut- 
geschlechte,  welches  keinen  Bestand  hatte  und  die  Welt  zu  zersetzen 
drohte  (s.  oben  S.  13). 

In  der  Mitte  Israels  ,und  rings  um  sein 
Land  lebten  die  Heiden,  verschieden  an  Kultur  und  Gesittung. 
Je  hbher  ihie  Sittenkultur,  um  so  naher  standen  sie  als  Mitbiirger, 
als  Mitmenschen,  sogar  als  willkommene  Familiengenossen,  also 
Engstverbiindete,  zum  Gottesvolke  Israel. 

Die  Fremdstammigen  in  der  Mitte  Israels  waren  zu  einem 
Teile  Bekehrte,  Gerim  (=  im  Lande  Israels  Weilende,  Ein- 
zahl :  Ger),  und  zu  einem  anderen  Teile  Gerim  toschabim 
(=  im  Lande  Israels  Ansassige,  Einzahl:  Gertoschab),  die  den 
Fetischdienst  und  mit  ihm  die  niedrigsten  Formen  der  Sittenlosig- 
keit  und  den  Zustand  der  Rechtlosigkeit  verlassen  hatten,  ohne  indes 
sich  zur  Religion  Israels  bekehrt  zu  haben. 

Der  Ger,  der  nicht  nur  das  Recht  anerkannt  (vgl.  Noah),  son- 
dern auch  auf  die  Sittengesetze  sich  verpflichtet  hatte  (sinaitische 
Weihe),  war  der  Vollwertige.  Dafi  in  seinen  Adern  fremdes  Blut 
kreiste,  dafi  sein  Antlitz  fremde  Ziige  aufwies,  sollte  und  durfte 
niemals  zu  einer  Schranke  werden,  denn  er  war  Mensch,  Mensch  in 
dem  Sinne,  wie  ihn  der  Schbpfer  will:  sittlich. 

Darum  wird  in  der  Thora  an  etwa  vierzig  Stellen  die 
Mahnung  an  die  Israeliten  gerichtet,  dafi  sie  den  Ger,  den  Fremd- 
blutigen.aberGleichges'innten.mitder  grbfiten  Riick- 
sicht  und  mit  -derselben  Liebe  wie  den  Nachsten  aus  dem 
eigenen  Stamme  behandeln  sollen.  Nur  einige  Belegstellen  seien 
hier  angefuhrt:  IV.  Buch  Mos.,  Kap.  14,  V.  16:  ,,Einerlei 


Lehre  und  einerlei  Recht  gelte  fiir  euch  und 
d  e  n  G  e  r  ,  der  sich  bei  euch  aufhalt";  IV.  Buch 
Mos.,  Kap.  24,  V.  22:  ,,Einerlei  Rechtsgesetzesollen 
bei  euch  gelten;  der  Ger  sei  dem  Einheimischen 
gleichgestellt".  III.  Buch  Mos.,  Kap.  19,  V.  34: 

,,Gleich  dem  Einheimischen  sei  euch  der  Ger 
(Fremdbiirtige)  geachtet,  und  du  sollst  ihn  lieben  wie 
dich  selbst,  denn  Gerlm  (Fremdlinge)  wart  ihr  im 
LandeAgypten".  Und  V.  Buch  Mos.,  Kap.  10,  V.  17—19: 
,,Denn  (Ich)  euer  Gott  .  .  .  bin  der  Grofie,  Allmachtige  und  Ehr- 
furchtgebietende,  der  .  .  .  das  Recht  der  Waise  und  der  Witwe 
schiitzt  und  der  den  Ger  (Fremdling)  liebt,  so  d  a  £ 
er  ihn  mit  Nahrung  und  Kleidung  versorgt.  Und 
ihr  sollt  den  Ger  (Fremdlinsr)  lieben,  denn  Gerlm  wart 
hr  im  Lande  Agypten!" 

Aus  dem  letzten  Satze  geht  mit  aller  Klarheit  hervor,  da£  es  sich 
um  vb'lkisch  andersgeartete,  rassefremde  Menschen  handelte.  Die 
Thora  bewertet  lediglich  gemafi  der  sittlichen  Kulturstufe.  Das 
Rassenblut  ist  Gottes  Anteil,  des  Menschen  Anteil  ist  die  Gesinnung, 
und  in  dieser  allein  kann  Adel  wie  Unwiirde  liegen. 

7.  These:  ,,Denn  ihr  wart  Fremdlinge  im  Lande  Agypten" 
-  in  der  Art,  wie  man  die  Fremdbiirtigen  behandelt,  liegt  das 
Kennzeichen  fiir  die  eigene1  Gesinnung. 

Was  Israel  in  seinem  Gott  verehrt  hat,  den  liebevollen  ,,Ver- 
sorger  des  Fremdlings"  (s.  oben),  das  sollte  es  selber  in  seinem 
nationalen  Leben  zu  werden  trachten :  selbst  fur  den  Ger 
toschab,  der  sich  nicht  zur  S  t  a  a  t  s  r  e  1  i  g  i  o  n  be- 
kehrt  hatte,  sollte  im  Lande  Israel  gesorgt 
werden.  Attah  mezuwweh  lehachjotho  =  ,,Du  bist  gehalten, 
ihm  die  Mittel  zur  Lebenserhaltung  zu  gewahren"  —  so  formulierea 
die  spateren  religionsgesetzlichen  Quellen  diese  Pflicht11). 

Im  III.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  6  bestimmt  die  Thora,  dafi 
der  Feldertrag  des  Brachjahres,  welcher  als  Gemeingut  aller  Israeliten 
jedem  Gliede  der  Nation  unentgeltlich  zur  Verfiigung  stand,  a  u  c  h 
dem  im  Lande  weilenden  Ger  toschab  unent- 
geltlich bereitgestellt  werde.  —  In  dem  Gesetze  von 
den  Zufluchtsstatten,  welche  im  Lande  Israel  zum  Schutze  derjenigen 
Personen  bestimmt  waren,  die  einen  Menschen  fahrlassig  getotet 
haben  (siehe  IV.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  15),  vergifit  die 
Thora  nicht,  den  Ger  toschab-Fr  e'm  d  1  i  n  g  b  e  - 
senders  zu  nennen,  um  ihm  ein  gleiches  Recht 
auf  die  Unterkunft  in  diesen  Orten  einzu- 


raumen,  wie  dem  Israelite  n.  Im  israelitischen  Staate 
sollte  auch  der  fremdstammige  nichtbekehrte  Burger  vor  Lynchjustiz 
geschiitzt  werden.  --  Im  V.  Buch  Mos.,  Kap.  24,  V.  14 — 15  wird 
geboten:  Du  sollst  einem  Mietling  nicht  den  Lohn  vorenthalten  .  .  . 
von  deinen  Briidern  oder  deinem  Fremdling,  derin 
deinem  Lande,  in  deinen  S  tad  ten  wohnt." 
Es  heifit  uberhaupt  wiederholt:  ,,D  e  i  n  Fremdling",  das  will  sagen: 
er  ist  dein  Schutzbefohlener.  —  Besonders  ist  die 
Verordnung  III.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  47  zu  beachten:  Wenn 
ein  Ger  toschab  bei  dir  (d.  h.  im  Lande  Israel)  z  u 
Vermogen  kommt  und  dein  Bruder  (der  Stammes- 
bruder,  der  Israelit)  neben  ihm  verarmt  und  sich  als 
Sklaven  dem  Ger  toschab  oder  einem 
Sprb'filing  aus  dem  Geschlechte  des  Fremd- 
lings  verkauft...  so  soil  ihm  (dem  israelitischen 
Sklaven)  Einlosung  werden"  .  .  .  (Vers  50): 
,,U  nd  manrechne  mit  dem  Kaufherrn...  genau 
nach  der  Zahl  der  Dienstjahre  (des  Sklaven) ."  Danach 
war  dem  nicht  voll  bekehrten  Beisassen  im  Lande  Israel  unbeschrankte 
Erwerbsmoglichkeit  eingeraumt,  und  fur  den  Fall,  dafa  der  Israelit 
neben  dem  Ger  toschab-Fremdling  verarmen  und  diesem  als  Sklaven 
sich  zu  verkaufen  gezwungen  sein  sollte,  wird  von  der  Thora  die 
streng  rechtliche  Auseinandersetzung  mit  dem  Fremdling  befohlen, 
genau  so  wie  sie  einem  israelitischen  Kaufherm  gegeniiber  gefordert 
wurde.  Der  israelitische  Sklave  sollte  allerdings  aus  dem  Sklaven- 
dienste  bei  einem  Fremdling  erlb'st  werden;  die  Einlosung  mufste  je- 
doch  auch  in  dem  Falle  erfolgen,  wenn  ein  Verarmter  sich  an  einen 
Israeliten  als  Sklave  verkauft  hatte  (Vers  25 — 27).  Die  Religion 
Israels  verpont  jede  Sklaverei  aufs  scharfste  (s.  ebendort  V.  39 
und  54).  (Aus  dieser  Stelle  leitet  iibrigens  das  talmudische  Gesetz 
die  Bestimmung  ab,  dafi  die  Obervorteilung  eines 
Heiden  von  Thorawegen  verboten  ist12). 

8.  These:  Gemafi  der  Vorstellung  Israels  von  Gott,  dafi 
Er  den  Fremdling,  der  keinen  Anteil  am  Landesboden  besafj, 
versorge  (V.  Buch  Mos.,  Kap.  10,  V.  1  7 — 19),  wurde  dem 
Volke  Israel  die  Pflicht  auferlegt,  dem  Ger  toschab-Fremd- 
ling —  gleichsam  im  Auftrage  Gottes  —  den  Unterhalt  zu 
ermb'glichen. 

Erinnert  diese  Ausdehnung  der  Liebespflicht  auch  auf  die  Frem- 
den  ganz  an  den  Geist  des  Stammvaters  Abraham  (s.  oben  Seite  1  3), 
der  sich  gerade  durch  diese  milde  Denkart  von  alien  Volkern 
ringsum  vorteilhaft  abhob,  die  ja  in  jedem  Fremdling  den  ,,Barbar" 

'9 


erblickt  und  ihn  als  einen  Feind  behandelt  haben;  so  wird  auch  die 
Absonderung  von  bestimmten  Volkern,  welche  von  der  Thora  Israel 
anbefohlen  worden  ist,  erst  im  Riickblick  auf  Abraham  richtig  ge- 
wiirdigt  werden.  Gerade  der  W  esenszug  der  Lieblosig- 
k  e  i  t  war  es,  was  den  Stammvater  bei  der  Beriihrung  mit  seiner  Um- 
gebung,  mit  den  Kanaanitern  abgeschreckt  hat ;  es  war  der  Charakter- 
zug,  der  die  Menschheit  und  die  Gesellschaft  zerkliiftete,  den  Menschen 
vom  Nebenmenschen  trennte,  —  diesem  G  e  i  s  t  durfte  kein  Einlafi  in 
das  Zelt  des  Ahnen  gewahrt  werden.  Wer  hart,  grausam,  lieblos 
ist,  schliefit  im  Grunde  sich  selbst  aus,  gibt  sich  als  Feind  des 
Friedens,  des  Zusammenschlusses,  der  Zusammengehorigkeit  zu  er- 
kennen.  Sein  Ausschlufi  aus  der  Gemeinschaft  Israels  ist  nichts  als 
der  Ausdruck  fiir  den  Gedanken,  dafi  die  Lieblosigkeit  aus  der  Men- 
schengesellschaft  verbannt  werden  miisse. 

Man  hbre  nur,  womit  die  Thora  ihre  Anordnungen  betreffend 
die  Fernhaltung  gewisser  Stamme  von  der  israelitischen  Familien- 
gemeinschaft  begriindet;  da  ist  von  jenem  Rassendiinkel,  der  in  alien 
Volkern  des  Altertums  durch  den  Glauben  an  die  Obermacht  des 
eigenen  Stammesgottes  grofagezogen  wurde,  da  ist  von  der  Selbstan- 
betung,  die  keinem  anderen  Stamm  ein  Anrecht  auf  die  Erde  gbnnt, 
nicht  der  leiseste  Hauch  zu  spiiren.  Von  all  den  zahlreichen  Volkern, 
welche  in  der  Umgebung  Israels  lebten,  bezw.  in  dem  1 0.  Kapitel 
des  I.  Buches  Moses  aufgezahlt  sind,  verwehrt  die  Thora  nur  z  w  e  i 
Stammen  den  Eintritt  in  die  jiidische  Familiengemeinschaft:  ,,Es 
soil  keiner  aus  den  Stammen  Ammon  und 
Moab  in  die  G  o  1 1  es  g  e  mei  n  de  kommen...  Da- 
rum,  weil  sie  euch  n  i  c  h  t  en  t  ge  gen  g  e  b  r  a  c  h  t 
haben  Brot  und  Wasser,  unterwegs,  ;als  ihr 
aus  Agypten  gezogen  seid  ...  du  hast  sie 
nicht  in  ihrem  Wohl  und  ihrem  Gliick  zu  for- 
dernalledeineTage,  aufewi  g".  (V.  B.  Mos.  Kap.  23, 
V.  4 — 7).  Das  war  jedoch  nicht  etwa  eine  Vergeltungs- 

mafinahme,  denn  es  heifit  im  nachsten  Verse:  ,,Du  sollst 
den  Edomaer  nicht  verabscheuen  (d.  h.  nicht 
ausschliefsen),  denn  er  ist  dein  Verwandter"  —  dieser  Ver- 
wandte  hat  aber  die  Israeliten  stets  mit  dem  Schwerte 
bekampft.  Vielmehr  wird  das  Verhalten  Ammons  und  Moabs  als 
Beweis  fiir  deren  Hartherzigkeit  gegen  Fremde  uberhaupt  er- 
wahnt.  Am  hellsten  jedoch  strahlt  die  menschheitumfassende 
Liebe  der  Thora  in  der  darauffolgenden  Verordnung 
( Vers  8):  ,,Du  sollst  den  Agypter  nicht  ver- 
abscheuen, denn  du  weiltest  in  seinem  Lande 

20 


als  ein  Fremdling  .  .  ."  —  Wo  ware  der  Nationalgroll  be- 
greiflicher  gewesen,  als  bei  dem  Volke  Israel  gegen  die  Agypter,  gegen 
diese  tyrannische  Macht,  die  die  Hebraer  Jahrhunderte  hindurch  ge- 
knechtet  und  mit  der  Schmach  niedrigster  Sklavenschaft  beladen,  ja 
schliefslich  einen  Vernichtungskampf  gegen  deren  mannliche  Neuge- 
borenen  verkiindet  hat  —  und  dennoch!  der  Befreiung  aus  Agypten 
durch  Gott  wird  allezeit  bei  Israel  gedacht,  die  Thora  macht  die  Er- 
innerung  an  sie  zu  einem  Feste  (Passah),  aber  in  der  ganzen  heiligen 
Schrift  und  der  spateren  jiidischen  Gesetzgebung  ist  von  Rache  gegen 
die  Agypter  kein  Wort  zu  finden.  ,,Denn  du  weiltest  in  seinem 
Lande  als  ein  Fremdling!"  Nicht  wird  der  Unterdriickung  durch  die 
Agypter  gedacht,  sondern  jener  Akt  der  Freundlichkeit  aus  uralter 
Zeit,  wo  Pharao  dem  Stammvater  Jakob  und  seiner  Familie  —  aus 
Riicksicht  auf  Joseph,  den  Retter  Agyptens!  —  in  einer  agyptischen 
Provinz  gastliche  Aufnahme  gewahrt  hatte,  wird  dankbar  hervorge- 
hoben  und,  trotz  aller  Harte,  welche  die  Nachkommen  dieses  Stamm- 
vaters  zu  erdulden  hatten,  als  der  Beweis  fur  die  milde 
D  e  n  k  a  r  t  der  Agypter  angefiihrt.  Dort,  wo  die  Thora  dem  Volke 
Israel  die  sozialen  Pflichten  gegen  die  Fremden  mit 
eindringlichen  Worten  ans  Herz  legt,  spricht  sie  von  dem  agyptischen 
Sklavenelend,  urn  durch  diese  Erinnerung  die  Israeliten  milde  zu 
stimmen  gegen  alle  Leidenden,  damit  es  die  Erlosung,  welche  es 
selbst  durch  Gott  erfahren  hat,  alien  Bedriickten  bringen  mbchte, 
dort  jedoch,  wo  das  Trennende  betont  werden  mufs,  dort,  wo  die 
Absonderung  von  den  Volkern  geboten  wird,  schweigt  die  Thora  von 
der  Mitleidlosigkeit  der  spateren  Pharaonen  und  erinnert  an  die  Wohl- 
taten  eines  der  friiheren  Herrscher.  1st  das  nicht  das  herrlichste 
Zeugnis  fiir  den  Geist  der  Liebe  und  Dankbarkeit,  welche  in  der 
Thora  wallet,  und  zerstreut  das  nicht  endgultig  den  Verdacht,  als 
ob  die  von  der  Thora  gegen  einige  wenige  Stamme  erlassenen  Sonder- 
bestimmungen  dem  Hasse  der  jiidischen  Lehre  gegen  fremde  Volker 
entsprungen  waren? 

9.  These:  Die  strenge  Absonderung  von  den  anderen 
Stammen  bezweckt  die  Reinerhaltung  des  eigenen  religiosen 
Volksgeistes.  Fiir  die  Auslese  ist  der  Gesichtspunkt  des 
sittlichen  Verhaltens  mafsgebend.  Der  Ausschlufi  aus  der 
,,Gottesgemeinschaft"  sollte  nur  diejenigen  Volker  treffen, 
welche  asozial  waren  und  dem  von  der  Thora  angestrebten 
Volkerfrieden  hinder  lie  h  zu  werden  drohten.  Selbst  gegen 
diese  asozialen  Stamme  Ammon  und  Moab  wird  jedoch  nicht 
etwa  zum  Hasse  aufgerufen,  sondern  nur  eine  Art  neutrales 
Verhalten  geboten.  (Ober  Amalek  s.  oben  Seite  16.) 

21 


Es  kann  nach  dem  Gesagten  nicht  bezweifelt  werden,  dafi  die 
Thora  in  jenen  vereinzelten  Fallen,  wo  sie  eine  Satzung  als  nur  dem 
israelitischen  Landsgenossen  gegeniiber  verbindlich  bezeichnet,  sich 
nicht  von  Beweggriinden  der  Geringschatzung  oder  gar  der  Lieb- 
losigkeit  gegen  die  Heiden  hat  leiten  lassen.  Ein  solches  Motiv 
wiirde  dem  obersten  Grundsatz  ihrer  Verfassung,  wonach  a  1 1  e 
Vb'lker  Gottes  ,,Handewerk"  sind,  widersprechen.  Vielmehr  ergibt 
sich  der  Ausschlufi  der  Heiden  (eigentlich:  Auslander)  in  den  ge- 
nannten  Ausnahmefallen  aus  dem  Wesen  der  betreffenden  Be- 
stimmungen.  Diese  Ausnahmebestimmungen  sind :  Das 
Zinsgesetz,  das  Gesetz  betreffend  den  Schuldenerlafs 
sowie  das  Fundgesetz. 

Das  Zinsgesetz  (V.  Buch  Mos.,  Kap.  23,  V.  20—21)  lautet: 
,,Du  sollst  nicht  nehmen13)  von  deinem  Bruder 
Z  i  n  s  an  Geld  oder  Zins  an  Speise,  iiberhaupt  Zins  an  irgend  einer 
Sache,  die  verzinst  werden  kann.  Von  dem  Auslander 
magst  du  Zins  nehme  n."  —  Die  Verordnung  betreffend 
den  Schuldenerlafi  (V.  Buch  Mos.,  Kap.  15,  V.  1—4):  ,,Am 
Schlusse  von  je  sieben  Jahren  sollst  du  Erlafi  halten  ...  eserlasse 
jeglicher  Schuldherr  sein  Darlehn,  das  er  seinem 
Nachsten  geliehen ;  er  soil  nicht  drangen  seinen  Nach- 
sten  und  seinen  Bruder  .  .  .  Den  Fremden  magst 
d  u  (zur  Bezahlung)  drangen  .  .  .",  und  endlich  das  Gesetz 

betreffend  Fundsachen  (V.  Buch  Mos.,  Kap.  22,  V.  3)  : So 

sollst  du  auch  tun  (namlich  in  schiitzende  Verwahrung 
nehmen  undwiederbringen)  .  .  .  mit  allem,  was  d  e  i  n 
Bruder  verloren  hat,  das  ihm  abhanden  gekommen  und  du 
es  findest." 

Hier  handelt  es  sich  um  e  t  h  i  s  c  he  Forderungen,  beim  Zins- 
und  Schuldenerlafigesetz  sogar  um  aufiergewb'hnliche  Verzicht- 
leistungen.  Solche  Verzichtleistungen  konnten  dem  Israeliten 
naturgemafi  nur  im  Wirtschaftsverkehr  mit  dem  Nationsgenossen  auf- 
erlegt  werden,  der  seinerseits  zu  gleichem  Verhalten  verpflichtet  worden 
war.  Fur  eine  solche  ethische  Rechtsbeziehung  wie  sie  das  Verbot 
des  Zinsnehmens  und  der  Beitreibung  der  Schulden  nach  dem  Erlafi- 
jahr  darstellt,  fehlte  den  Auslandern  gegeniiber  die  unumganglichste 
Voraussetzung :  die  Gegenseitigkeit  der  Verpflichtung.  Die 
heidnischen  Nationen  rings  um  das  Land  Israel  haben  von  Aus- 
landern, so  auch  von  den  Israeliten  Zinsen  genommen,  und  die  Ein- 
richtung  des  Schuldenerlasses  kannten  sie  iiberhaupt  nicht.  Der 
altisraelitische  Staat,  als  Agrarstaat,  ware  unfehlbar  zum  Sklaven  der 
umwohnenden  Handel  treibenden  Volker14)  geworden,  wenn  er  ans 

22 


Ausland  grundsatzlich  zinslose  Darlehen  hatte  gewahren  miissen.  Eine 
Rechtskiirzung  des  Fremden  kann  '  eine  solche  Verordnung, 
die  ihrem  Grundwesen  nach  keine  Rechtsforderung,  sondem  eine  mit 
Opfern  verbundene  Liebespflicht  darstellt,  nicht  bedeuten.  Wurde 
ja  dock  auch  dem  Israeliten  nicht  untersagt,  seinerseits  dem  Aus- 
lander Zinsen  zu  z  a  h  1  e  n. 

Ahnlich  verhalt  es  sich  beziiglich  des  Fundgesetzes.  Die  Thora 
schreibt  vor:  1  )  Gefundenes  an  sich  zu  nehmen  und  2)  Gefundenes 
personlich  zu  betreuen.  Bis  zu  dieser  ethischen  Pflicht  der  Fiirsorge 
an  fremdem  Gut  hat  sich  aber  ein  Gesetzbuch  des  Altertums  und 
vielleicht  auch  der  Gegenwart  noch  nicht  emporgehoben.  Die  heid- 
nischen  Volker  der  biblischen  Zeit  haben  den  Fremden  und  Aus- 
landern  den  Fund  nicht  wiedergegeben..  Ja,  ein  Blick  in  die  Rechts- 
geschichte  vermag  dariiber  zu  belehren,  dafi  selbst  die  Aneignung 
eines  Fundes  noch  in  hoherem  Kulturstande  nicht  als  ein  Raub  ge- 
golten  hat.  Der  christliche  Rechtsgelehrte  Dr.Kopp  bemerkt  in  seinem 
Buche  ,,Zur  Judenfrage",  2.  Auflage,  S.  75  :  ,,Das  Strandrecht  wurde 
aber  von  sehr  christlichen  Deutschen,  ...  bis  weit  viber  das  Mittelalter 
hinaus,  geiibt  .  .  ."  Man  kann  es  also  begreifen,  dafs  die  Thora  von 
dem  Volke  Israel  nicht  ein  besonderes  Entgegenkommen  zugunsten 
derjenigen  heidnischen  Volker  forderte,  welche  ihrerseits  ein  solches 
Entgegenkommen  nicht  geiibt  haben. 

1 0.  These :  Die  in  der  Thora  sich  findenden  Ausnahmebe- 
stimmungen  beziiglich  der  Heiden  bezw.  Auslander  enthalten 
und  beabsichtigen  keineRechtsschmalerung  und  keinenEingriff  in 
den  Besitz  der  Fremden.  Sie  sind  mangels  einer  Gegenseitig- 
keit  der  Rechtsbindungen  vbllig  berechtigt.  Oberdies  beweist 
mittelbar  die  Kennzeichnung  dieser  vereinzelten 
„ Fremden gesetze"  als  Ausnahmefalle,  dafi  die  iibrigen 
Rechtssatzungen  Israels  allgemeingiiltig  sind  und  die  Thora 
das  Recht  als  solches  bei  alien  Menschen  sichergestellt 
wissen  will  (s.  oben  Seite  13). 

Zeigt  sich  in  den  gesetzlichen  Verordnungen 
der  Thora  betreffend  die  Versorgung  des  Ger  toschab- 
Fremden  und  insbesondere  in  der  Forderung  der  volligen 
rechtlichen  und  gesellschaftlichen  Gleichstellung  des  zur 
religios-sittlichen  Welt-  und  Lebensanschauung  des  ..Gottesstaates" 
bekehrten  Fremden  (Ger)  die  Menschenfreundlichkeit  in  reinster  Aus- 
pragung,  und  geht  aus  den  einzelnen  Ausnahmebestimmungen  beziig- 
lich der  Auslander  hervor,  dafi  die  Gesetzgebung  der  Thora  den 
Besitz  und  das  Recht  der  Heiden  (Auslander)  in  keinem  Falle  an- 
tasten  lafit  (die  KriegsgesetJse  gehoren  nicht  hierher)  :  so  bezeugen 

23 


auch  die  Erzahlungen  der  Bibel,  dafi  die  Israeliten  gegenuber 

den  Heiden  trotz  des  grofien  kulturellen  Abstandes  im  Verkehrsleben 

sich  riicksichtsvoll  verhielten.  J  o  s  u  a  begnadigt  (wahrend  des  gefahr- 

vollen  Feldzuges  gegen  Kanaan!)    die  Gibeoniten,   die  ihn  schmah- 

lich  betrogen  hatten    (Buch  Josua,  Kap.  9).  -  -  Konig  David 

duldete  nicht  nur  die  Jebussiten,  eine  Kolonie  aus  dem  Reste  eines 

altkanaanitischen  Volkes  (s.  oben  Seite  15  f.),  inmitten  seines  Reichs, 

sondern  bat  sie  in  aller  Form  um  Abtretung  eines  fur  den  Bau  des 

grofien  Heiligtums  sich  eignenden  Gelandes,  gegen  voile  Entschadi- 

gung,  was  deutlich    bestatigt,    dafi    der  Konig    der  Israeliten    eine 

Zwangsenteignung  bei   einem   Heiden   selbst   zum   Zwecke   der   Er- 

richtung  eines  Tempels  nicht  vornehmen  wollte    (II.   Buch  Samuel, 

Kap.  24) .  —  KonigSalomo  betet  gelegentlich  der  Einweihung 

des  Jerusalemischen  Tempels  '  auch    fiir  die  heidnischen    Auslander 

(I.  Buch  Konige,  Kap.  8,  V.  4 1  )  .  —  J  e  s  a  j  a  h,  der  Prophet  Israels, 

nennt  das  Gotteshaus  Israels  ein  ,,Bethaus  fiir  alle  Volker"   (Jesajah, 

Kap.   56,   V.    7).   -   -   Der  Prophet   El  is  a,  der  sich  durch  den 

wundertatigen   Beistand  Gottes  der  feindlichen  Aramaer  bemachtigt 

hatte,  gibt,  seinem  Diener  auf  dessen  Frage,  ob  er  die  Feinde   (deren 

Fiihrer)    toten  diirfe,  die  Antwort:  ,,Du  sollst  sie  nicht  erschlagen; 

hast  du  sie  etwa  gefangen  gemacht  mit  deinem  Schwert  und  deinem 

Bogen,  dafi  du  sie  erschlagen  wirst!     Seize  ihnen  Brot  und 

Wasser     vor,     dafi     sie     essen     und     trinken     und 

dann     zu     ihrem     Herrn     zuriickkehren"      (II.    Buch 

Konige,  Kap.  6) .  So  hat  man  im  Lande  Israel  die  heidnischen  Kriegs- 

gefangenenbehandelt!  —  Der  Prophetjeremijah  ruft  den  nach 

der  Zerstorung  Jerusalems  in  die  Verbannung  ziehenden  Israeliten  die 

Mahnung  Gottes  nach:  ,,Fb'rdert  das  Wohl  der  Ortschaft,  wohin  ich 

euch  verbanne"   (Buch  Jeremija,  Kap.  29,  V.  7).  —  Und  Ruth, 

die    ehemalige    Heidin,    die    fremder   Geburt    war,    noch    dazu   aus 

dem  Stamme  Moab   (s.  oben  Seite  20),  erlangt  nach  dem  Berichte 

der  israelitischen  Bibel  durch  ihre  edle  Gesinnung  die  vielleicht  hochste 

Wiirde  in  Israel:  sie  wird  die  Ahnin  des  Konigs  David  (Buch  Ruth, 

Kap.    4,    V.    13 — 22)     und     damit     die    Ahnmutter    des 

M  e  s  s  i  a  s.   —   Das   Zeitalter  des   Messias   bedeutet   aber   fiir   das 

Volk  Israel,  fiir  das  Judentum,  die  Zeit,   wo  ,,Gotteserkenntnis  die 

Erde  erfiillt  und  kein  Unrecht  auf  Erden  geschieht"  (Jesajah,  Kap.  1  1 , 

V.  9  und  Kap.  65,  V.  22),  wo  der  Segen,  den  Gott  dem  Abraham 

fiir  alle  Volker  verheifit,  zur  Wirklichkeit  geworden.     Diese  Zeit  wird 

durch  die  Bekehrung  der  Moabstochter,  der  Tochter  des  einst  lieb- 

los  handelnden  Stammes,  zu  dem  Gotte  der  Liebe  und  der  Gerechtig- 

keit,  dem  Gotte  Abrahams  (s.  oben  Seite  13  f.)  herbeigefiihrt. 

24 


Zusarmnenfassung.  Die  Thora  kiindet  die  Lehre  von  dem 
einzigen  Gott,  der  alle  Menschen  erschaffen  hat.  Nach  der 
Thora  sind  alle  Menschenindividuen  zu  sittlichem  Wandel  be- 
rufen.  Die  Sittlichkeit  ist  das  Lebensziel  auch  der  menschlichen 
Gesellschaft.  Der  Grundpfeiler  der  gesellschaftlichen  Ver- 
fassung  ist  das  Recht,  ihre  Vollendung:  Gerechtigkeit  und 
Nachstenliebe.  Die  Verleugnung  des  Rechts  fiihrt  zur  Zer- 
storung  der  Menschheit,  bedeutet  zugleich  Ablehnung  der  Lehre 
von  der  Gotteinzigkeit  und  ist  dem  Gotzendienste  gleich.  Die 
Merkmale  des  rohen  Heidentums  sind:  Leugnung  Gottes  als 
silt  lie  her  Macht  (Gotzendienst),  Leugnung  des  Rechts  (gewalt- 
taliges  Blutvergiefien)  und  Unzucht.  Das  Geschlecht  der 
Gewalttatigen  sollte  durch  die  Sintflut  vernichtet,  Noah  als 
Verkorperer  des  Rechts  gerettet  und  die  Nachkommen  Abrahams 
(ein  Abkommling  Noahs)  des  Vertreters  der  Gerechtigkeit  und 
Liebe,  als  Bekenner  Gottes  in  Absonderung  erhalten  werden 
(Gottesvolk).  Dem  Reiche  des  Gottesvolkes  (Gottesreich, 
Israel)  sollte  das  Heidentum  fernbleiben.  Zur  Erlangung  der 
rechtKchen  Gleichstellung  mil  dem  Gottesvolke  bedarf  es  nur 
der  Anerkennung  Gottes  und  des  Rechtsprinzips,  und  dement- 
sprechend  Abwendung  vom  Gotzendienst,  vom  Blutvergiefien  und 
von  der  Unzucht.  Wer  das  Rechtsprinzip  ablehnt,  ist  im 
Gottesreiche  nicht  gleichberechtigt,  hat  keine  Berechtigung.  Die 
Menschheit  schreitet  sittlich  aufwarts  dem  Zustande  der  all- 
gemeinen  Gotteserkenntnis  und  gesellschaftlichen  Eintracht  ent- 
gegen  (messi  anise hes  Zeitalter) ,  der  alien  Volkern  als  der- 
einstige  gemeinsame  ideale  Kulturerfullung  verheiEen  ist. 


II.  Kapitel. 

Was  lehrt  der  Talmud   iiber  das  Verhalten  der 
Juden  zu  den  Nichtjuden  ? 

Zwecks  eindringender  Wiirdigung  des  Standpunktes,  welchen 
der  Talmud  in  unserer  Frage  einnimmt,  mogen  einige  Bemerkungen 
vorausgeschickt  warden  iiber  die  Stellung  der  Talmudautoren  zum 
Thoragesetz,  iiber  die  Form  des  Talmud  und  iiber  die  geschicht- 
lichen  und  kulturellen  Zeitverhaltnisse,  unter  denen  der  Talmud  ent- 
standen  ist. 

Der  Talmud  —  im  weiteren  Sinne,  das  ist  der  alteste  Teil  des 
nachbiblischen  jiidisch-religiosen  Schrifttums  —  wurde  nicht  un- 
mittelbar  von  seinen  Autoren  in  der  Form  niedergeschrieben,  wie  er 
uns  heute  vorliegt.  Vielmehr  entstand  der  Talmud  in  der  Weise, 
dafi  die  jiidisch  -  religiosen  Oberlieferungen :  Gesetze,  Schriftaus- 
legungen  und  der  Gedankenaustausch  der  Gelehrten,  die  Jahrhunderte 
hindurch  gedachtnismafiig,  unter  Zuhilfenahme  kurzer  Aufzeich- 
nungen  gepflegt  worden  sind,  in  einer  spateren  Zeit  niedergeschrieben 
wurden.  Es  sind  im  Talmud  verschiedenartige  religiose  Ober- 
lieferungsstoffe  ineinander  gearbeitet.  Den  altesten  Teil  dieses 
Schrifttums  bilden  die  Erlauterungen,  welche  dem  geoffenbarten  Bibel- 
worte  urspriinglich  beigegeben  wurden;  sie  sind  zumeist  in  dem 
sogenannten  Halachah-Midrasch  (=  Schriftauslegung  be- 
treffend  die  Normen  fiir  den  Lebenswandel)  enthalten.  Einen 
anderen  Teil  des  Talmud  bilden  die  lange  vor  Entstehung  des  Christen- 
tums  von  hervorragenden  Schriftgelehrten  begonnenen  und  in  den 
ersten  zwei  Jahrhunderten  der  christlichen  Zeitrechnung  fortgefiihrten, 
gegen  Ende  des  2.  Jahrhunderts  niedergeschriebenen  Gesetzes- 
sammlungen  (vornehmlich  die  Mischnah-  Lehrsatze) ,  und 
der  dritte  Bestandteil  ist  die  Diskussion  der  Gelehrten  iiber  die 
einzelnen  Gesetze  (G  e  m  a  r  a  oder  Talmud  =  Begriindung  der 
Lehre).  Wahrend  die  altesten  Oberlieferungen  zunachst,  solange  der 
israelitische  Staat  bestanden  hat,  auf  dessen  Boden  gepflegt  wurden, 
entstanden  nach  dem  Zusammenbruch  Judaas  auch  in  B  a  b  y  - 

26 


1  o  n  i  e  n  ,  wohin  die  meisten  gelehrten  Juden  ausgewandert  sind, 
Thora-Hochschulen,  in  denen  die  Verhandlungen  iiber  altiiber- 
nommene  Lehrsatze  und  neuaufgeworfene  Fragen  etwa  4  Jahrhunderte 
hindurch  fortgesetzt  wurden.  Es  entstanden  darum  zwei  verschiedene 
T  a  1  m  u  d  e  :  1 .  der  Jerusalemische  Talmud,  der  Nieder- 
schlag  des  in  Jerusalem  oder  besser:  in  Palastina  betriebenen  reli- 
giosen  Studiums,  der  im  3.  Jahrhundert  der  christlichen  Zeit- 
rechnung,  und  2.  der  Babylonische  Ta  1  m  u  d  —  die  Ver- 
handlungen der  babylonischen  Akademien  — ,  der  um  die  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts  niedergeschrieben  wurde. 

Die  Darstellungsform  des  Talmud  ist  zumeist  die  der 
lebendigen  Verhandlung,  in  welche  gelegentlich  Erzahlungen,  Gleich- 
nisse  und  kurze  Weisheitsspriiche  eingestreut  sind. 

Es  mutet  wie  eine  Karikatur  an,  wenn  Justus-Brimann  in  seiner 
Schilderung  sagt,  es  sei  im  Talmud  ,,kein  einziges  Gesetz  und  keine 
Erklarung,  iiber  die  nicht  Meinungsverschiedenheiten  und  heftige 
Streitereien  entstanden  waren"  .  .  .  ,,sagt  z.  B.  der  eine:  weifi,  so  sagt 
der  andere:  schwarz  .  .  ."  usw.  Dasselbe  konnte  man  aber  auch 
von  den  Protokollen  etwa  der  Reichstagsverhandlungen  sagen,  in 
denen  vielleicht  auch  kein  einziges  Gesetz  zu  finden  ist,  iiber  welches 
nicht  Meinungsverschiedenheiten  zutage  traten.  Nur  eines  vergafi 
Justus-Brimann  hinzuzufiigen,  was  aber  fur  unsere  Frage  von  ent- 
scheidender  Bedeutung  ist,  namlich  die  aus  der  Entstehungs-  und  Dar- 
stellungsart  des  Talmud  sich  ergebende  notwendige  Folgerung, 
dafi  dieses  Werk  in  seiner  vorliegenden  Form 
nicht  ein  Gesetzbuch,  nicht  eine  Gesetzessammlung  nach 
Muster  unseres  Biirgerlichen  oder  Strafgesetzbuches  ist.  So  wenig 
als  die  Reichstagsprotokolle  ein  Gesetzbuch  sind.  Dieses  darf 
Justus-Brimann  jedoch  nicht  enthiillen,  weil  er  damit  den  Be- 
schuldigungen  gegen  den  Talmud  wichtige  Stiitzen  entziehen  wiirde. 

Da  der  Talmud  die  Zusammenfassung  des  im  Laufe  vieler 
Jahrhunderte  (bis  zum  5.  nachchristlichen  Jahrhundert)  an- 
gewachsenen  religiosen  Wissensstoffes  und  nicht  nur  uralte,  vom 
Sinai  uberkommene,  feststehende  Gesetze,  sondern  auch  von  spateren, 
mit  Namen  genannten  Gelehrten,  herriihrende  Ansichten  darbietet,  so 
sind  die  verschiedenen  Lehrsatze  und  Auslegungen  hinsichtlich  ihrer 
Geltungskraft  verschiedenwertig.  Als  wissenschaftliche 
T  h  e  o  r  i  e  sind  sie  uns  alle  wertvoll ;  sie  ermbglichen  einen  Einblick 
in  den  Gedankengang  der  Talmudautoren  und  in  die  Anschauungen 
ihrer  Zeit.  Gesetzeskraft  jedoch  erlangt  eine  Lehre  nur 
dadurch,  dafi  sie  durch  die  Zustimmung  der  Zeitgenossen  bzw. 
deren  Mehrheit,  oder  der  spateren  Geschlechter  als  in  ihrer  letzten 

27 


Folgerung  dem  Geiste  der  Thora  entsprechend  beglaublgt  wird. 
D  i  e  O  b  e  re  i  n  s  t  i  m  m  un  g  m  i  t  d  e  n  G  ru  n  d  s  a  t  zen  der 
Thora  bildet  die  innereLegitimationeines  jeden 
Talmudgesetzes,  auf  ihr  beruht  dessen  verpflich- 
tende  Kraft.  Fast  auf  jedem  Blatte  des  Talmud  stehen  Lehr- 
satze  aus  verschiedenen  Jahrhunderten  nebeneinander ;  sie  werden 
durch  die  aufgeworfene  Frage  zu  einer  —  gleichsam  horizon- 
t  a  1  e  n  —  Einheit  gruppiert.  Neben  dieser  durch  das  Thema  be- 
wirkten  Zusammentragung  verwandter  Stoffe  gibt  es  aber  einen 
vertikalen  Zusammenhang :  die  riickwarts  fortgesetzte  Tradition 
bis  zum  Sinai,  bis  zum  Thorawort.  Es  gibt  keine  einzige  Abhandlung 
in  dem  mehrere  tausend  Seiten  umfassenden  Talmud,  welche  nicht 
von  einem  Thoragesetze  ausgeht,  und  fast  auf  jeder  §eite  findet  sick 
die  Frage :  „  A  us  welchem  Thoraverse  wird  dieses 
(Gesetz)  a  b  gel  ei  te  t  ?",  oder  die  Beweisformel :  ,,Denn  es 
heifit  in  der  Thora". 

Es  wurde  diesbeziiglich  schon  in  der  Thora  gesagt  (V.  Buch 
Moses,  Kap.  4,  V.  2):  ,,I  h  r  s  o  1 1 1  nichts  hinzufiigen  zu 
dem,  was  icheuch  gebiete,  undsolltnichts  davon 
w  e  g  1  a  s  s  e  n".  Ferner  im  V.  Buch  Moses,  Kap.  1  3,  V.  il  :  ,,Alles. 
das,  worauf  ich  euch  verpflichte,  sollt  ihr  beobachten,  um  es  zu  er- 
fiillen ;dusollst  nichts  dazu  hinzutun  und  nichts 
davon  weglassen".  Und  der  Talmud  selbst  sagt  in  Ankniipfung 
an  den  letzten  Vers  des  III.  Buches  Mosesv  der  da  lautet :  ,,D  i  e  s 
sind  die  Gebote,  welche  G  o  1 1  dem  Mose  fur  die  Kinder 
Israels  erteilt  hat"  -  das  folgende:  ,,Dies  sind  die  Gebote  -  -  von 
da  (von  der  Zeit  Moses)  ab  darf  (selbst)  ein  Prophet  nichts  Neues 
(keinen  neuartigen  religiosen  Grundsatz)  verkiinden"  (Talmud- 
Traktat  Sabbath,  Blatt  1 04,  Seite  2,  Trakt.  Megillah,  Bl.  2,  S.  2  und 
in  anderem  Zusammenhange  im  Tr.  Joma,  Bl.  80,  S.  1  und  Temurah» 
Bl.  15,  S.  1). 

Das  eigene  Schaffen  derTalmudautoren  be- 
stand  darum  nicht  in  dem  ,,Ersinnen  von  Gesetzen  aus  eigenem 
Herzen",  sondern  in  der  Losung  der  durch  das  rastlos  flutende 
Leben  immerwahrend  neu  emporgeworfenen  Fragen  auf  Grund 
des  Thoragesetze  s.  Hierbei  blieb  allerdings  fur  die  sub- 
jektive  Lebensauffassung  der  Talmud-Lehrer  oft  noch  ein  weiterer 
Spielraum  ubrig. 

1  1 .  These :  Es  besteht  ein  ununterbrochener  innerer  gei- 
stiger  Zusammenhang,  eine  geistige  Kontinuitat  zwischen  den 
Grundsatzen  der  Thora  einerseits  und  den  Gesetzen  des  Tal- 
mud andererseits.  Sie  konnen  einander  nicht  widersprechen, 

28 


jene  bilden  das  Regulativ  fiir  diese.  So  hat  denn  der 
Talmud  auch  beziiglich  unserer  Frage  iiber 
das  V  er  h  alien  von  Juden  zu  Andersglaubi- 
gen  keinen  neuen  Grundsatz  neben  den  in 
der  Thora  ausdriicklich  oder  andeutungs- 
weise  enthaltenen  Lehren  aufgestellt  und 
aufstellen  konnen. 

Die  geschichtlichen  und  kulturellen  Wandlungen  inmitten 
derjenigen  Volker,  welche  das  Land  Israel  bzw.  die  spateren 
jiidischen  Siedlungen  umgaben,  boten  jedoch  den  Schriftgelehrten  des 
Talmud  Gelegenheit,  zu  den  veranderten  Verhaltnissen  ihrerseits 
Stellung  zu  nehmen.  Es  waren  vornehmlich  zwei  geschicht- 
liche  Erscheinungen,  mit  denen  sich  das  Judentum  im  Zeit- 
alter  des  Talmud  auseinandersetzen  mufite.  Eine  p  o  1  i  t  i  s  c  h  e  : 
der  Zusammenbruch  des  jiidischen  Staates,  und  eine  g  e  i  s  t  i  g  e  : 
namlich  die  religibsen  Umwalzungen  innerhalb  der  Menschheit. 

Was  den  Untergang  des  Judaischen  Staates 
anlangt,  go  hatte  dieser  zunachst  nur  die  Ausschaltung,  eigentlich 
Suspendierung  derjenigen  Thoravorschriften  zur  Folge,  welche  den 
Bestand  eines  israelitischen  Staatswesens  mit  nationalem  Landbesitz  zur 
Voraussetzung  haben.  Zum  Beispiel  gewisse  Verordnungen  betreffend 
die  Bodenbewirtschaftung  und  die  damit  zusammenhangenden 
Wlirtschaftsgebiete,  die  politischen  und  manche  strafrechtlichen 
Befugnisse  des  Obersten  Gerichshofes  in  Jerusalem,  den  Tempel- 
dienst  mit  dem  grofsten  Teile  der  Priester-  und  Levitengesetze  u.  a. 
Da  diese  Gesetze  bis  zur  Wiederaufrichtung  des  Staates  der 

immer  noch  als  ,,Gottesstaat"  gedacht  ist  —  mir  v  e  r  t  a  g  t  wurden, 
so  sind  sie  auch  in  den  spater  entstandenen  Teilen  des  Talmud  genau 
so  griindlich  erortert,  als  waren  sie  zurzeit  in  Kraft  gewesen. 

Palastina  hielten  die  Romer  besetzt  und  der  romische  Statt- 
halter  hob  den  jiidischen  Hauptgerichtshof  in  Jerusalem  auf.  Es  gab 
keine  ,,Fremden"  mehr  fiir  den  Staat  Israel,  weil  es  kein  Land 
Israel  mehr  gab.  Wahrend  die  jiidische  Gemeinschaft  in  Palastina 
infolge  der  Aufstande,  welche  sie  in  der  Hoffnung  auf  Wieder- 
befreiung  ihres  Vaterlandes  mit  todverachtendem  Mute  immer  von 
neuem  unternahm,  zusehends  geschwacht  wurde,  begann  in  Baby- 
lonien,  wohin  viele  gelehrte  Juden  (wie  einst  in  Nebukadnezars 
Zeiten)  ausgewandert  waren,  neues  geistiges  Leben  emporzubliihen. 
Nunmehr  wurde  d  i  e  Frage  zeitgemafs  :wie  stellt  sich  das 
Judentum,  welches  trotz  Versprengtheit  seiner 
Bekenner  auf  die  Gesetze  der  Thora  weiterhin 
verpflichtet  und  durch  sie  geeint  blieb,  zu  dem 

2Q 


Rechtsgesetze  derjenigen  Staaten,   in  denen  die 
Juden   leben  ? 

Diese  Frage  hatte  auch  vornehmlich  eine  religiose  Seite,  da  das 
jiidische    Recht,    welches    in    dem    biblischen    Recht    wurzelt,    aufs 
innigste  mit  den  r  e  1  i  g  i  6  s  e  n  Anschauungen  der  Thora  verkniipft 
ist.    In  Babylonien  herrschte  aber  in  jener  Zeit  noch  heidnischer 
Kultus   und  heidnischer   Geist    (Feuerkultus,    Magiertum).      Das 
auch   in   politischer   Hinsicht   veranderte   Verhaltnis    der 
Juden      zur     Landesregierung      veranlaSte      den 
damaligen    geistigen    Fiihrer   der   babylonischen 
Juden,     Mar     Samuel     (geb.    i.  J.    165),     eine     Lehre 
geltendzumachen,diefurdieJudeninihrerZer- 
streuung    von    der    grofiten  Wichtigkeit  werden 
s  o  1 1 1  e.     Die  alten  parthischen  Herrscher  hatten  sich  nicht  in  die 
inneren  Angelegenheiten  der  Juden  gemischt,  als  aber  die  Sassaniden 
zur  Regierung  gelangten,  anderte  sich  die  Sachlage.     Ardeschir   (der 
neue  Herrscher)    verordnete  neue  Gesetze  und  alle  Angelegenheiten 
der  Juden  sollten  fortan  unmittelbar  dem  Landesherrn  untergeordnet 
sein.       ,,M  ar    Samuel,     der    von    der    Cberzeugung 
durchdrungen   war,    d  a  fs    es    eines   jeden    Burgers 
unabweisbare     Pflicht    sei,      die    St  a  a  t  s  ge  s  e  t  ze 
heilig    zu    halten     und    dies    aufierdem    schon    in 
einer      alten      Mischnah      a  u  s  ge  s  p  r  o  c  h  en      fand, 
glaubte    dieser   Lehre,    deren   strikte    Befolgung 
den  Juden  n  u  r  zum  Heile  gereichen  miifite,  auch 
allgemeine  Anerkennung  verschaffen  zu  miissen. 
Er  stellte  daher  den  Grundsatz  auf:  dafi  das  Gesetz  der  Regierung 
giiltiges  Gesetz  sei    (,,dina  di  malchutha   dina"   Talmud  Tr.   Baba 
Kama,  Bl.   113,  S.  2)  ;  d  i  e  s  e  L  e  h  r  e  ,  von  alien  Gesetzeslehrem 
als    halachisch    (religionsgesetzlich)    giiltig    anerkannt,     1  i  e  6    s  e  i  t 
jener  Zeit  den  Juden  die  Befolgung  der  Landes- 
gesetze  nicht  als  Zwangsgebot,  sondern  als  eine 
religiose   Pflicht   erscheinen.      Samuel   hielt   es   zugleich   fiir 
nb'tig,  obwohl  den  Juden  ihre  eigene  Z  i  v  i  1  gerichtsbarkeit  von  den 
Sassaniden  gelassen  worden  war  (die  peinliche  Gerichtsbarkeit  wurde 
von  den  Juden  Babyloniens  nie  ausgeiibt,  vgl.  TalmudTr.  Sanhedrin, 
Bl.  31,  S.  2),  das  persische  Recht  zu  beriicksichtigen  und  manche 
jiidische   rechtliche   Bestimmungen   nach   demselben   zu   modifizieren, 
was  namentlich  in  den  Fallen  geschah,  wo  es  als  notwendige  Kon- 
sequenz  des  aufgestellten  Grundsatzes  sich  ergab   (Talmud-Tr.  Baba 

mezia,    Bl.    108,    S.  il,    Baba  bathra  55,    1)" .Man  sieht 

Juden   und   Perser,    wenigstens   zur   Zeit   Samuels,    friedlich   und   in 

3o 


freundschaftlichem   Verkehr   miteinander   leben".      (Siehe    D.    Hoff- 
mann, Mar  Samuel,  Leipzig  i1873,  S.  41 — 42.) 

Diese  neue  Lehre  stand  durchaus  im  Einklang  mil  den  Grund- 
satzen  der  Thora.  Sie  erhielt  ihre  innere  Berechtigung  durch  die 
geistigen  Wandlungen,  welche  sich  allenthalben  vollzogen  hatten. 

Infolge  der  kulturellen  Ve  r  a  n  d  e  r  u  n  gen  der 
Umwelt,  durch  den  Fortschritt  der  Gesittung 
bei  den  Heiden  konnte  die  Anwendung  der- 
jenigen  Bestimmungen  der  Thora,  wllche  sich 
noch  auf  das  rohe  Heidentum  bezogen,  also  auf 
Zeiten  und  Volker,  die  das  Recht  noch  nicht  a  n  - 
erka-nnt  oder  erst  einseitig,  zuungunsten  der 
Fremden,  gepflegt  hatten,  immer  mehr  zuriick- 
treten  hinter  der  Anwendung  derjenigen  Ge- 
setze,  welche  von  Anfang  an  fiir  das  Verhaltnis 
zu  den  Volkern  m  i  t  hb'herer  Gesittung  gegeben 
w  a  r  e  n.  Das  Talmudgesetz,  welches  nur  vom  Geiste  der 
Thora  getragen  wird,  hat  bei  Anwendung  der  Thora- 
bestimmungen  iiber  das  Verhaltnis  zu  den  Andersglaubigen  nur 
jederzeit  zu  priifen,  welche  der  Thorabestimmungen  jeweilig  auf  die 
verschiedenen  Volker  aufGrund  der  bei  ihnenwahr- 
genommenen  Veredlung  des  sittlichen  Empfin- 
dens  anzuwenden  ist  und  welche  nicht.  (S.  oben  S.  16  und  20.) 

Wie  innig  sich  der  Talmud  bei  seinen  diesbeziiglichen  Ent- 
scheidungen  an  das  Thoragesetz  halt,  geht  aus  einer  Stelle  hervor,  wo 
nicht  etwa  nur  theoretisch  iiber  die  Frage  der  Bewertung  der  zeit- 
genbssischen  Volker  verhandelt  wird,  sondern  wo  ein  z  u  r  E  n  t  - 
scheidung  vorgelegter  wirklicher  Rechtsfall  er- 
ortert  wird.  Im  Traktat  Berachoth,  Blatt  28,  Seite  1,  wird  berichtet: 
,,Juda,  ein  Bekehrter  aus  dem  Stamme  Ammon  (dessen  ,,Eintritt  in 
die  Gottesgemeinde"  durch  die  Thora  verboten  wurde,  siehe  oben 
Seite  20),  trat  vor  die  jiidischen  Weisen  hin  mit  der  Frage:  ,,Darf  ich 
in  die  Gottesgemeinde  eintreten?"  —  Rabbi  Josua,  antwortete  ihm: 
,,Es  ist  dir  erlaubt."  Da  warf  R.  Gamaliel  ein:  ,,Wieso?  Steht  denn 
nicht  in  der  Thora  geschrieben,  daS  ein  Ammoniter  nicht  in  die  Ge- 
meinde  Gottes  kommen  darf!"  — -,  worauf  R.  Josua  erwidert: 
,,W  ohnen  etwa  die  Stamme  Ammon  und  Moab  noch 
auf  ihren  friiheren  Wohnsitzen!  Langst  schon 
uberzogSanherib  (derKonigderAssyrer)  diese 
Lander  mit  Krieg  und  mischte  die  Volker  durch- 
ei  nan  der.  Wervonihnen(von  diesen  Volkern) 
ietzt  zu  uns  kommt,  stammt  (aller  Wahrscheinlichkeit 

3l 


nach)  aus  den  Mehrheitsvblkern  (die  nicht  verboten 
wurden,  und  in  welchen  Ammon  und  Moab  aufgegangen 
waren) ." 

Diese  Auseinandersetzung  bestatigt,  dafi  die  Thora  und 
darum  auch  der  Talmud  alle  in  der  Thora  nicht  ausdriicklich 
und  aus  einem  besonderen  Grande  ausnahmsweise  als  minder- 
wertig  bezeichneten  Vblker  fiir  wiirdig  gehalten  hat,  Mitglieder  des 
Gottesvolkes  zu  werden.  Das  war  eben  fast  die  gesamte  Menschheit 
(s.  oben  S.  1 4  ff.) .  Aber  ein  weiteres  Moment  ist  wichtig.  Die  Thora 
und  der  Talmud  hegen  die  Anschauung,  dafi  der  in  Oberzahl  vor- 
handene  gesittete  Teil  der  Menschheit  die  noch  ruckstandige  Minder- 
heit  allmahlich  zu  sich  emporheben  werde.  Die  obige  Entscheidung 
des  R.  Josua  —  der,  wie  nebenbei  bemerkt  werden  soil,  als  eine  der 
grbfiten  Autoritaten  seiner  Zeit  (Ende  des  I.  Jahrhunderts}  gait  und 
zum  Oberhaupte  der  hbchsten  gelehrten  Kbrperschaft  vorgeschlagen 
wurde  —  betraf  aber  ein  Gesetz,  welches  in  die  vb'lkische 
Tradition  der  Juden  tief  eingreifen  mufste,  ein 
Ehegesetz,  denn  das  bedeutete  der  ,,Eintritt  in  die  Gottes- 
gemeinde".  Gleich  der  Thora  achtet  also  auch  der  Talmud  in  dem 
Menschen,  in  j  e  d  e  m  Menschen,  das  Menschentum,  das  Edel- 
menschliche.  Die  Entscheidung  des  R.  Josua  wurde  Gesetz  in 
Israel. 

Im  Traktat  Cholin,  Blatt  13,  S.  2,  lehrt  aber  der  Talmud:  ,,Die 
Nichtjuden  im  Auslande  (d.  h.  aufierhalb  des  Landes 
Palastina)  sind  keine  G  6  t  zen  d  i  e  n  er".  Das  will  besagen, 
dafi  die  in  der  Thora  gegen  die  Fetischanbeter  erlassenen  Be- 
stimmungen  nunmehr  auf  die  zeitgenbssischen  Vb'lker  keine  An- 
wendung  finden  diirfen. 

12.  These:  Gemafi  einer,  im  ersten  christlichen  Jahr- 
hundert  gefallten  Entscheidung  im  Talmud,  die  in  der  Thora 
wurzelt  und  welche  bis  auf  den  heutigen  Tag  bei  den  Juden 
giiltig  ist,  gelten  dem  Judentum  seit  etwa  2 Ms  tausend  Jahren 
(seit  Sanherib)  die  Vb'lker  im  allgemeinen  nicht  mehr  ak 
minderwertig  in  dem  von  der  Thora  (in  Beziehung  auf 
manche  rohen  Heidenstamme)  gepragten  (oben  Seite  1  3  u.  15 
dargelegten)  Sinne. 

Indes  liefi  es  der  Talmud  bei  diesem  negativen  Satze  nicht  be- 
wenden.  Die  Klassifizierung  der  Volker  in  religions gesetzlich 
giiltiger  Formulierung  mufite  —  um  der  Kontinuitat  und  der  Be- 
glaubigung  willen  —  an  die  bereits  von  der  Thora  auf gestellte  / 
Staffelung  ankniipfen.  Die  Thora  unterscheidet,  wie  oben  besprochen 
wurde,  die  Typen:  ,,Adams  Kinder"  (Kain,  Sindflutgeschlecht)  und 

32 


,,Noahs  Kinder".  Nach  der  Thora  war  Noah  der  Welterhalter,  da 
er  das  Rechtsprinzip  vertrat.  Danach  ist  jedes  Volk  als 
solches,  welches,  im  Glauben  an  ein  hoheres 
Wesen,  das  Recht  als  G  es  e  1 1  s  c  h  a  f  t  s  f  o  r  m  aner- 
kennt  und  iibt,  zu  denjenigen  zu  zahlen,  die  die 
Weltordnung  aufbauen  und  aufrechterhalten. 
Der  Talmud  hat  nun,  um  den  Wert  und  die  Wiirde  der  zeit- 
genossischen  Vblker  nach  den  von  der  Thora  aufgestellten  Kultur- 
kategorien  zu  bestimmen,  die  Nichtjuden  der  nachbiblischen  Zeit 
(schon  in  den  letzten  Jahrhunderten  v  o  r  Entstehung  des  Christen- 
tums !)  als  zur  Klasse  Noahs  gehorig  erklart  und  f iir  sie  den 
besonderen  Namen  ,,b'ne  Noach"  (N  o  a  c  h  i  d  e  n)  bestimmt. 

Der  Talmud  hat  das  Wesen  des  Noachidentums  —  soweit 
es  sich  um  Religion  und  Sitte  handelt  —  genauer  beschrieben.  Im 
Talmud-Traktat  Sanhedrin,  Blatt  56,  Seite  1 ,  wird  gelehrt,  dafi  Gott 
folgende  7  Gebote  an  den  ersten  Menschen  erlassen  hat:  1 .  Verbot  des 
Gotzendienstes,  sowie  2.  der  Blutschande,  3.  des  Mordes,  4.  der 
Gotteslasterung,  5.  des  Raubes,  sowie  6.  das  Verbot,  ein  von  einem 
1  e  b  e  n  d  e  n  Tier  abgeschnittenes  Glied  zu  geniefien  und  7.  Gebot 
einer  ordentlichen  Rechtspflege.  Diese  Gebote  sind  es,  deren  Obung 
der  Talmud  bei  den  Vb'lkern  seines  Zeitalters  im  allgemeinen  voraus- 
setzt.  Betrachtet  man  sie  naher,  so  erkennt  man  in  ihnen  nicht 
etwa  nur  einen  Ausschnitt  aus  dem  spater,  erst  nach  dem  Zeitalter 
Noahs  gegebenen  Religionsgesetz  Israels,  sondem  in  gewissem  Sinne 
dessen  —  auf  einen  engeren  Pflichtenkreis  beschranktes  —  Analogon. 
Was  aber  hier  betont  werden  mufi,  ist  dieses,  dafi  der  Talmud  diese 
sieben  Gebote  als  die  Gottesoffenbamng  an  die  Vb'lker  wertet  und 
sie  an  den  Thoravers  im  I.  Buch  Moses,  Kapitel  11^  Vers  16,  an- 
kniipft,  wo  es  heifit :  ,,U  nd  Gott,  der  E  w  i  g  e  ,  befahl  dem 
Adam..."  —  Es  ist  hier  vollig  belanglos,  wie  der  eine  oder  der 
andere  Bibelleser  der  Gegenwart  diesen  Vers  auffafit;  ausschlag- 
gebend  und  charakteristisch  fiir  die  Denkweise  des  Talmud  ist  die 
Tatsache,  dafi  er  den  fiir  die  Noachiden  verbind- 
lichen  und  von  ihnen  beobachteten  Sieben- 
geboten  die  hochste  Wiirde  zuspricht,  den  Cha- 
rakter  der  Gottesoffenbarung,  dieselbe  Wiirdig- 
keit,  die  den  am  Sinai  fiir  Israel  geoffenbarten 
Zehngeboten  eignet. 

Wer  kann  angesichts  solcher  Zeugnisse  noch  bei  der  falschen 
Meinung  beharren,  als  ob  die  anderen  Volker,  die  Noachiden,  der 
jiidischen  Religion  als  minderwertig  gelten,  die  Noachiden,  die  nach 
der  Lehre  des  Talmud  ebenfalls  einer  Gottesoffenbarung,  die  die  sitt- 

5 

33 


lichen  Bedingungen  cles  Gemeinschaftslebens  und  das  Verhaltnis  zu 
Gott   verkiindet,    gewiirdigt   wurden! 

Man  braucht  ja  aber  nur  die  Siebengebote  der  Noachiden  und 
die  Zehngebote  der  Israeliten  miteinander  zu  vergleichen,  und  man 
wird  sofort  erkennen,  dafi  in  den  Siebengeboten  ,,alle  Seiten  des 
kiinftigen  jiidischen  Gesetzes  .  .  .  vereinigt  waren"15).  Es  ist  uns 
unfafibar,  wie  man  gegeniiber  dieser,  das  ganze  talmudische 
Gesetz  beherrschenden  Anschauung,  die  iibrigens  zu- 
gleich  die  Richtlinie  fiir  die  ganze  talmudische  Auslegung  der  Bibel 
ist,  davon  sprechen  kann,  dafs  das  Talmudische  Gesetz  oder  das 
rabbinische  Judentum  gegen  die  Volker  (und  nun  gar  gegen  die 
Vblker  der  Gegenwart!)  Verachtung  hegt.  Das  widerspricht  schroff 
der  Auffassung  der  Thora.  Noachidentum  bedeutet  doch  gerade  Ab- 
kehr  von  dem  Heidentum!  Um  alle  Zweifel  in  dieser  Hinsicht  zu 
beheben,  stellen  wir  einige  Talmudzitate  iiber  diese  Frage  hierher. 
Im  Traktat  Sanhedrin  Bl.  56,  S.  2,  wird  erzahlt:  ,,Bei  Marah  (ein 
Ort,  welchen  die  Israeliten  kurz  nach  ihrem  Auszuge  aus 
A  g  y  p  t  e  n  beriihrten)  haben  die  Kinder  Israels  zehn  Thoragebote 
geiibt,  und  zwar  diesieben,  die  schon  den  Noachiden 
geboten  wurden  und  drei  neue,  welche  ihnen  in  Marah  erteilt 
wurden".  Danach  gelten  dem  Talmud  die  vorsinaitischen 
Geschlechter,  also  selbst  die  Stammvater  der  Juden  und  sogar  Moses 
(bis  zum  Empfang  des  Gesetzes  am  Sinai)  als  Noachiden.  Eben- 
dort  Bl.  59,  S.  2,  wird  der  Stammvater  Abraham  den 
Noachiden  z  u  g  e  z  ah  1 116).  Im  Traktat  Abodah  zarah 
Bl.  3,  S.  1 ,  lehrt  der  beriihmte  Rabbi  Meir,  dafi  ,,e  i  n  Nicht- 
jude,  der  sich  mit  der  Thora  (d.  h.  mit  seiner 
Thora,  den  sieben  Noachidischen  Geboten)  b  e  - 
faSt,  dem  i  s  r  ael  i  t  i  s  c  h  en  H  ohen  p  r  i  es  t  er  gleich- 
w  e  r  t  i  g"  s  e  i.  Ferner  lehrt  R.  Meir  (Talmud-Tr.  Baba  kama, 
Bl.  38,  S.  1  )  :  ,,Woraus  geht  hervor,  dafi  selbst  ein  H  e  i  d  e ,  der 
sich  mit  der  Thora  (der  Noachidischen)  befafit,  einem  Hohenpriester 
gleich  zu  achten  sei?  Weil  es  heifit  (III.  Buch  Mos.,  Kap.  18): 
..Bewahrt  Meine  Satzungen  und  Rechte,  die  der  Mensch  ube,  dafi 
er  durch  sie  lebe"  —  nicht  wurde  (von  der  Thora)  gesagt:  Priester, 
Leviten,  Israeliten,  sondern:  der  Mensch".  —  Ferner  ist  im 
Buch  S  i  f  r  a  (eine  der  altesten  Schriftauslegungen)  im  HI.  Buch 
Mos.,  Kap.  18  zu  lesen:  ,,Es  wird  (in  der  Thora)  nicht  gesagt: 
Dies  ist  die  Lehre  fur  Priester,  fiir  Leviten,  fiir  Israeliten  — , 
sondern:  ,,Dies  ist  die  Lehre  fiir  den  Menschen". 
,,Desgleichen  steht  geschrieben  (Jesajah  Kap.  26,  2)  :  ,,Tut  auf  die 
Pforten,  da6  ejnziehe  das  gerechte  Volk,  das  Treue 

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bewahrt"  —  dafi  Priester,  Leviten  und  Israeliten  einziehen 
sollen,  wird  nicht  gesagt,  sondern:  das  gerechte  Volk."  — 
(Psalm  118):  ,,Dies  ist  die  Pforte  Gottes,  Gerechte  treten 
da  e  i  n"  —  nicht  von  Priestern,  Leviten  und  Israeliten  ist  die 
Rede,  sondern  von  Gerechten".  Und  der  Talmud  lehrt:  ,Jeder, 
der  dem  Gotzendienst  entsagt,  ist  als  Jude  (a  Is 
Gottesbekenner)  zu  betrachten"  (Traktat  Megillah, 
Bl.  13,  S.  1). 

Diese  Auffassung  stimmt  genau  iiberein  mit  jenem  Grundgedanken 
der  jiidischen  Religion,  welcher  bereits  oben  im  Zusammenhange  mit 
der  Weihe  des  Volkes  Israel  am  Sinai  behandelt  wurde  und  dessen  Er- 
fassung  fiir  die  Wiirdigung  der  jiidisch-religibsen  Ideenwelt  unbedingt 
erforderlich  ist.  Weder"  der  Talmud  noch  irgendeine  spatere  Gesetz- 
gebung  der  Juden  weicht  von  dem  Standpunkte  ab,  date  alle  Volker, 
als  Geschb'pfe  Gottes,  dazu  berufen  sind,  sich  sittlich  zu  vervoll- 
kommnen  und  eine  Menschheitsordnung  auf  Erden  aufzurichten, 
welche,  als  das  Reich  Gottes  gelten  kb'nne,  d.  h.,  welche  von  Gottes- 
erkenntnis  durchwaltet,  durch  Gerechtigkeitssinn  erhoht  und  durch 
Friedensliebe  dauernd  aufrechterhalten  wird  (s.  oben  These  3). 
Das  ist  das  Grundmotiv  des  Gebetes,  mit  welchem  der  tagliche 
Gottesdienst  der  Juden  morgens  und  abends,  am  Werktag,  am 
Sabbath  und  am  Feste  abschliefit,  des  Alenu-Gebetes, 
welches  aus  der  Zeit  der  Mischnah  stammt  und  etwa  1 900  Jahre  alt 
ist.  Alle  Volker  der  Erde,  auch  die  zurzeit  noch 
u  n  ge  s  i  1 1  e  t  e  n  ,  erscheinen  in  diesemGebete  als 
die  kiinftigen  Verehrer  Gottes,  des  Schbpfers 
des  Himmels  und  der  Erde.  Eben  weil  das  Juden- 
tum  an  den  Gott  glaubt,  der  alle  Menschen  nicht 
nur  liebt,  sondern  der  sie  zu  Gottebenbildlich- 
keit  erschaffen  hat  ;  eben  darum,  weil  das  Juden- 
tum  in  den  dereinst  sich  erfiillenden  Segen  fried- 
licher  Ordnung  und  Z  u  s  a  m  m  e  n  ar  b  e  i  t  die  ge- 
samte  Menschheit  einbezieht  — ,  sind  ihm  alle 
Rassen  und  Volker  wertvoll  und  halt  es  jede 
geistige  Strbmung,  welche  sich  auf  dieser  a  u  f  - 
w  ar  t  s  ge  r  i  cht  et  en  L  i  n  i  e  bewegt,  fiir  dieMittel 
zur  Erreichung  der  von  Gott  gesetzten  Mensch- 
heit s  z  i  e  1  e. 

Das  jiidische  Volk  selbst  stellt  sich  aber  nicht  u  b  e  r  diese 
Volker,  sondern  mitten  in  ihre  Reihe.  Ja,  das  jiidische  Volk  selbst 
darf  sich  nach  der  Mahnung  seiner  Religion  nur  dann  jenen  Ge- 
meinschaften  zurechnen,  welche  die  Verwirklichung  der  grofien 

3* 

35 


Menschheitshoffnung  herbeizufiihren  geeignet  sind,  wenn  es  sich  auch 
selbst  als  Segenbringer  unter  den  Nationen  bewahrt.  Wenn 
es  in  der  T  h  o  r  a  unzahlige  Male  heifit,  dafi  das  Volk  Israel 
nur  so  lange  bei  Gott  als  etwas  Wertvolles  gilt,  als  es  selbst 
sich  wertvoll  erweist;  so  wandelt  der  Talmud  genau  in 
denselben  Gedankengangen,  andemfalls  ware  er  nicht  biblisch,  nicht 
jiidisch.  Der  Talmud  ordnete  an  (Trakt,  Megillah,  Bl.  30 — 3 1  ) , 
dafi  an  dem  zur  Erinnerung  an  die  Zerstorung  Jerusalems  eingesetzten 
Trauertage  der  Gemeinde  im  offentlichen  Gottesdienste  jene  Thora- 
kapitel  vorgelesen  werden  sollen,  in  welchen  dem  Volke  Israel  fur 
den  Fall,  da6  es  nicht  in  den  Wegen  Gottes  wandeln  sollte,  das 
nationale  Ungliick  vorausgesagt  wurde.  Damit  will  der  Talmud  zum 
Ausdruck  bringen,*dafi  das  Volk  Israel  an  dem  grofien  Trauertage 
sich  selbst  prufe  und  Einkehr  halte  (S.  Raschi-Kommentar  zur  be- 
ziiglichen  Talmudstelle) . 

1 2.  These :  Die  7  Gebote,  welche  fiir  die  Noachiden  gelten, 
haben  die  Wiirde  einer  Gottesoffenbarung  an  die  Volker,  sie 
bedeuten  Recht  und  Gesittung,  durch  welche  die  Volker  zu 
Erhaltern  der  Menschheit  werden.  Diese  Auffassung  lafit 
eine  innige  Beziehung  zwischen  dem  Judentum  einerseits  und 
dem  in  der  ganzen  gesitteten  Menschheit  bestehenden  Kultur- 
zustand  andererseits  erkennen,  eine  Beziehung, 
welche  F  e  i  n  d  s  el  i  gke  i  t  und  Verachtung 
gegen  die  Noachiden  (das  sind  schon  die  nicht- 
jiidischen  Volker  des  vorchristlichen  Mischnah-Zei takers) 
seitens  der  Juden  absolut  ausschlieEt. 

Allein  es  gibt  schon  nach  dem  Talmud  eine  Auslese  aus  der 
Gruppe  der  Noachiden.  In  der  Mechiltha  zum  II.  Buch  Mos.,  Ab- 
schnitt  1 7,  Kap.  22  (deutsche  Obersetzung  von  Winter  und 
Wiinsche,  Leipzig,  1909)  und  danach  im  Traktat  Gerim,  Kap.  Ill 
(wiederholt  in  Midrasch  Rabbah  zum  IV.  Buch  Mos.,  Abschn.  8), 
wird  gelehrt :  ,,Beliebt  sind  die  Fremdlinge  (bei 
Gott);  das  Gleiche  ist  der  Fall  bei  den  vier  Gruppen,  welche 
einstimmend  sprechen  (vor  .  .  .  Gott)  :  ,,D  em  E  w  i  g  e  n  (G  o  1 1) 
gehore  i  c  h".  Denn  es  heifit  (Jesajah  Kap.  44,  V.  5)  :  ,,Dieser 
spricht:  ,,Dem  Ewigen  (Gott)  gehore  ich,  und  dieser  ruft  beim 
Namen  Jakobs"  -  dasi  sind  die  Fremdlinge  der  Gerechtigkedt; 
.,,Und  dieser  schreibt  mit  seiner  Hand:  ,,Dem  Ewigen  (Gott)",  das 
sind  die  BuEfertigen,  ,,Und  mit  dem  Namen  Israel  nennt  er  sich" 
-das  sind  die  Gottesfiirchtige  n".  —  Bereits  vor  Ent- 
stehung  des  Christentums  benannten  die  jiidischen  Gesetzeslehrer  die- 

36 


jenigen  Heiden,  welche  sich  zwar  nicht  voll  zum  Judentum  bekehrt 
und  sich  darum  nicht  mit  den  Juden  verschmolzen  haben,  j  e  d  o  c  h 
das  Gbtzenwesen  fahren  liefien,  den  Gott  Israels  (den 
Weltschbpfer  und  Weltrichter)  verehrt  und  einige  jiidische  Riten 
beobachtet  haben:  Gottesverehrer  (hebraisch:  Jir'e  schamajim, 
griechisch:  theosebais)17).  --  Die  Bezeichnung  ..Gottesverehrer"  gilt 
fiir  den  Talmud  als  ein  Ehrenname,  ihre  Anwendung  selbst  auf  nicht- 
bekehrte,  jedoch  sittlich  veredelte,  das  Gbtzentum  verleugnende 
Menschen  ist  ein  zuverlassiges  Zeugnis  dafiir,  wie  hoch  der  Talmud 
die  Kulturmenschen  schatzt,  auch  wenn  sie  fremden  Religions- 
gemeinschaften  angehbren,  und  wie  fern  es  ihm  liegt,  solche  als 
Ketzer,  als  Minderwertige  und  Minderberechtigte  zu  betrachten. 
Diese  von  den  Talmudautoren  gepragte  Bezeichnung:  ,,Gottes- 
v  e  r  e  h  r  e  r"  gilt  im  Geiste  des  Talmud  fiir  das  Christentum,  welches 
die  heiligen  Schriften  Israels  als  kanonische  Biicher  anerkannt  hat. 

Dafi  eine  Religion  wie  die  der  Israeliten,  die  von  ihren  Be- 
kennem  das  M  a  r  t  y  r  i  u  m  fiir  die  Bekraftigung  ihrer  umfassendsten 
religibsen  Verpflichtungen  fordert,  Schutzmafinahmen  gegen  alle  das 
religiose  Leben  beeintrachtigenden  Einfliisse  getroffen  hat,  wird 
keinen  befremden,  der  das  seelische  Moment  der  Religion  uberhaupt 
und  im  besonderen  der  jiidischen  Religion  einigermafien  kennt. 

Die  Absonderung,  welche  die  erste  entscheidende  Tat  des 
Stammvaters  Abraham  war,  (s.  oben  Seite  14),  blieb  fiir  alle  folgen- 
den  Zeiten  Vorbild  und  Richtschnur.  Sie  bekam  in  jenen  Zeitlauften 
noch  erhbhte  Bedeutung,  wo  die  Juden  infolge  politischer  Wandlungen 
in  die  Mitte  verschiedenartiger  heidnischer  Vblker  versprengt  wurden. 
Keiner,  der  mit  dem  Geist  des  religibsen  Lebens  der  Menschen  auch 
nur  ein  wenig  vertraut  ist,  wird  in  der  Absonderung  an  sich 
Hafi  und  Obelwollen  gegen  Anders glaubige  erblicken.  I  m  m  e  r 
und  uberall  ist  eine  gewisse  Absonderung 
die  notwendige  Be  gl  ei  t  er  s  c  h  e  i  nu  n  g  der  kon- 
fessionellen  Or  ganisation.  Fiir  jede  religiose  Ge- 
meinschaft  hat  der  Bekenntnisfremde  eine  andere  Stellung 
wie  der  zu  der  Konfession  Gehbrige.  Ein  Katholik  wird  es 
ablehnen,  seinem  sterbenden  Verwandten  die  Absolution  durch  einen 
protestantischen  Pfarrer  erteilen  zu  lassen,  und  ein  Protestant  wird 
seine  Kinder  nicht  einem  katholischen  Geistlichen  zwecks  Konfir- 
mation  zufiihren.  Wir  fragen  nun,  liegt  etwa  darin  eine  persbnliche 
Verachtung  gegen  die  andersglaubigen  Kirchenvertreter  ?  Sollten  etwa 
solche  Bestimmungen  der  bestehenden  christlichen  Kirchen,  die  ein 
gegenseitiges  Ausschliefien  der  Andersglaubigen  bezwecken,  der  Aus- 
flufi  des  Hasses  und  der  Verachtung  sein?  Sollte  sich  eine  solch 

3? 


strenge  Absonderungsmafiregel  nicht  dennoch  mil  der  Achtung  vor 
den  Mitgliedem  und  geistlichen  Fiihrem  der  anderen  Kirche  ganz 
gut  vereinigen  konnen?  Eine  viel  grofiere  Scheu  als  gegeniiber  den 
Angehorigen  einer  fremden  christlichen  Kirche,  wird  sich  naturge- 
mafi  vor  Nichtchristen,  etwa  vor  Polytheisten  zeigen  in  den 
Fallen,  wo  die  Vollziehung  von  Kulthandlungen  in  Betracht  kommt. 
Mufi  dieses  denn  aber  notwendig  gleichbedeutend  sein  mit  Hals  und 
Verachtung  oder  gar  Vernichtungssucht !  Kann  man  nicht  Buddha, 
Sokrates  und  Tagore  personlich  verehren,  ja  fur  Menschheitserloser 
selbst  halten  und  dennoch  in  religioser  Hinsicht  eine  g  e  i  s  t  i  g  e 
D  i  s  t  a  n  z  zwischen  ihnen  und  sich  selbst  aufrechterhalten  und 
diesen  geistigen  Abstand  auch  in  sichtbaren  Formen  sich  aufiern 
lassen,  z.  B.  in  dem  Verbote  der  Eheschliefiung  mit  dem  Anders- 
glaubigen,  in  der  Trennung  der  Gotteshauser  und  der  Friedhofe,  in 
der  Verschiedenheit  der  religib'sen  Abzeichen  und  Symbole,  in  der 
Femhaltung  von  kirchlichen  Amtern  usf.  ? 

Dieses  Recht  auf  Absonderung  nimmt  jede  religiose  Organi- 
sation fur  sich  in  Anspruch,  sie  ist  die  notwendige  und  berechtigte 
Begleiterscheinung  der  religiosen  Uberzeugung  iiberhaupt.  Gott 
sprach  zu  Abraham:  ,,Ziehe  hinweg!"  —  wer  eine  religiose  Ober- 
zeugung  hat,  wandelt  in  gewissem  Sinne  ,,fur  sich".  Das  Recht 
solcher  Absonderung  steht  also  ohne  jeden  Zweifel  auch  dem  Juden- 
tum  zu,  ja  ist  ihm  seit  Abrahams  Zeiten  (etwa  3^2  Jahrtausende) 
Daseinsnotwendigkeit.  Diese  Absonderung  wurde  aber  —  und  dies 
ist  keinen  Augenblick  zu  iibersehen  —  nicht  nur  gegen  Aufien- 
stehende,  sondern  auch  gegen  Zugehorige  zum  jiidischen  Volke  selbst, 
die  das  Religionsgesetz  verwerfen,  oft  genug  geiibt.  Diese  Ab- 
schliefiung  des  Judentums  tritt  besonders  stark  in  Erscheinung  durch 
die  Besonderheit  der  Ausdrucksformen  der  jiidischen  Religion. 

Das  Judentum  betrachtet  die  gesamten  Erscheinungeri  der  Natur 
und  des  Menschendaseins  unter  dem  Gesichtswinkel  der  Religion 
und  durchwirkt  alle  Aufierungen  des  individuellen  wie  des  gesell- 
schaftlichen  Lebens:  Gottesdienst  und  Berufsarbeit,  Rechtswesen  und 
Volkswirtschaft,  ja  selbst  Ernahrung  und1  Kleidung  mit  Formen 
und  Symbolen,  in  welchen  sich  die  religiosen  Ideen  spiegeln. 
Im  Lande  Israel  (dem  alten  Palastina)  wurde  nicht  nur  t  h  e  o  r  e  - 
tisch  gelehrt,  dafj  Gott  die  Erde  erschaffen  hat,  dafi  darum 
der  nationale  Boden  Gott  gehore  und  Ihm  verbleibe,  die  Geschlechter 
aber,  die  da  kommen  und  gehen,  nur  die  Nutzniefiung  von  dieser 
Erde  haben,  sondern  dieser  Gedanke  wurde  g  e  1  e  b  t,  in  eine  sicht- 
bare  Form,  in  eine  Wirklichkeitstat  umgesetzt,  die  die 
Landwirtschaft  sinnfallig  beeinflufite:  in  jedem  7.  Jahre  sollte 

38 


-  nach  dem  Gebote  der  Thora,  III.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  1—10 
—  der  gesamte  Ackerboden  unbebaut  bleiben,  es  sollte  ein  Sabbath- 
jahr  fiir  die  Erde  sein,  ahnlich  wie  der  7.  Tag  der  Woche  ein 
Sabbathtag  fiir  den  Menschen.  Und  in  jedem  50.  Jahr  soil  jeder 
inzwischen  etwa  verauBerte  Bodenanteil  wieder  an  seinen  urspriing- 
iichen  Besitzer  zuriickfallen.  Das  waren  Formen,  die  dem 
Lande  Israel  i  m  Vergleiche  zu  den  JMach- 
barlandern  ein  besonderes  Geprage  gaben  und  eine 
Absonderung  insich  schlossen.  —  Ein  anderes  Bei- 
spiel.  Die  Thora  hat  nicht  nur  theoretisch  gelehrt,  dafi 
Raub  und  Gewalttatigkeit  aus  der  Menschengesellschaft  verbannt 
werden  miissen,  sondern  sie  hat  diese  Lehre  durch  eine  g  r  e  i  f  - 
bare  Lebensform  vor  Augen  und  damit  vor  die  Seele  zu 
riicken  gesucht.  Namlich  mitten  in  den  Abschnitt  iiber  die  R  e  c  h  t  s  - 
grundsatze,  II.  Buch  Mos.,  Kap.  22,  ist  ein  Gebot,  welches 
die  Nahrung  des  Menschen  betrifft,  ein  sogenanntes  Speisege- 
s  e  t  z  hineingefiigt.  Unmittelbar  hinter  die  Verordnungen :  ,,Einen 
Fremdling  sollst  du  nicht  in  seinem  Rechte  kurzen  und  nicht  be- 
drangen,  Witwen  und  Waisen  sollt  ihr  nicht  bedriicken  .  .  .  Wenn 
du  dem  Armen  in  Meinem  Volke  Geld  leihst,  so  sollst  du  ihn  nicht 
driicken;  nehmt  keine  Zinsen  von  ihm  .  .  .  Wenn  du  die  Um- 
hiillung  deines  Nachsten  pfandest,  so  bringe  sie  ihm  bis  zum  Abend 
zuriick  .  .  .  denn  worin  soil  er  liegen  .  .  .  Einen  Richter  sollst  du 
nicht  lastern  .  .  ."  —  unmittelbar  hinter  diese  Verordnungen  hat  die 
Thora  das  Gesetz  gestellt:  ,,U nd  ihr  sollt  mir  geheiligtc 
Menschen  sein  und  sollt  Fleisch  (d.  h.  ein 
Tier),  welches  auf  dem  Felde  zerrissen 
w  u  r  d  e  (terefah) ,  nicht  essen  .  .  ."  (Kap.  22,  V.  30) .  — 
Gemeint  ist  hier  das  Tier  aus  der  Herde,  welches  durch  einbrechen- 
des  Raubwild  zerrissen,  also  das  Opfer  der  G  e  w  a  1 1  wurde.  Was 
auch  der  Grund  dieses  Verbotes,  welches  sich  iibrigens  auch  auf  ein 
Tier  erstreckt,  das  in  irgendeiner  Weise  eine  lebensgefahrliche  Ver- 
letzung  erlitten  hat,  sein  mbge,  hier,  mitten  unter  den  R  e  c  h  t  s  - 
satzungen  vergegenwartigt  es  zugleich  den  Gedanken,  dafi  der 
Israelit  an  einem  Opfer  der  Gewalttatigkeit  sich  nicht  laben  darf. 
Auch  das  Leben  des  einen  Menschen  soil  sich  nicht  auf  Kosten  eines 
anderen  Menschendaseins  und  Menschengliicks,  welches  durch  Ge- 
walt  zerstbrt  wird,  aufbauen.  Die  Macht  mufi  sich  auf 
das  Recht  stiitzen,  nicht  auf  die  Gewalt. 
Die  Thora  und  ganz  genau  so  auch  der  Talmud  ubersetzen 
gleichsam  die  Satzungen  des  Rechts  und  die  Forderungen  der  Ethik, 
aber  auch  die  Grundlehren  iiber  Gott  und  Heiligkeit  in  lebendige 


F  o  r  m  e  n  ,  lassen  in  solchen  symbolischen  Handlungen  das  Leben 
selbst  ,,vorbilden",  vorgestalten. 

Durch  solche  Formen  erhielt  wiederum  die  Lebenshaltung  des 
einzelnen  Juden  ein  eigentiimliches  Geprage,  dem  selbstverstandlich 
nicht  die  geringste  bb'swillige,  aggressive  Tendenz  gegen  Bekenner 
fremder  Religionen  zugrunde  liegt,  welches  aber  die  religiose  Ge- 
schlossenheit  des  Judentums  nach  aufien  hin  merklich  in  Erschei- 
nung  treten  lafst.  Jeder  Christ,  der  mit  bibeltreuen  Juden  verkehrt, 
weifi  es,  wie  sehr  das  Verhalten  gegeniiber  diesen  religiosen  ,,Formen" 
den  gesellschaftlichen  Verkehr  der  Juden  selbst  untereinander, 
sogar  im  engsten  Familienkreise,  beeinflufst. 

Im  Geiste  jener  Thoragesetze,  welche  den  Israeliten  davor  war- 
nen,  an  den  Gotzenfestmahlen  der;  Heiden  teilzunehmen,  weil  sie 
dadurch  zur  Aufnahme  heidnischer  Anschauungen  und  Lebens- 
formen  verleitet  werden  konnten  (II.  Buch  Mos.,  Kap.  34,  V.  15 
bis  16),  hat  der  Talmud,  den  Erfordemissen  der  Zeit  entsprechend, 
weitere  Mafinahmen  getroffen,  die  darauf  ausgehen,  die  Juden  auch 
von  der  Forderung  des  Heidentums  zuriickzuhalten.  Im  Talmud- 
Traktat  Abodah  zarah,  welcher  vom  Gotzendienste  handelt,  wird  auf 
Blatt  2,  Seite  1  (Mischnah,  altester  Teil  des  Talmud)  gelehrt,  dafi 
man  mit  Gotzendienern  um  die  Zeit  ihrer  religiosen,  der  Verherrlichung 
ihrer  Gotter  gewidmeten  Festtage  keine  Geschafte  machen  und  ihnen 
um  diese  Zeit  auch  keine  sonstigen  Vermb'gensgewinne  verschaffen 
solle,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  der  Heide  in  dem  Gewinne  eine 
Huld  desjenigen  Gotzen  erblicken  wiirde,  dessen  Fest  gerade  ge- 
feiert  werden  sollte  und  ihm  —  durch  Veranlassung  des  Juden  in 
seinem  Aberglauben  bestarkt  —  noch  eine  besondere  Verehrung  be- 
zeigen  wurde.  (Es  werden  an  der  erwahnten  Talmud-  [Mischnah-] 
Stelle  auch  einzelne  Heidenfeste  mit  Namen  angefuhrt,  z.  B.  Calen- 
dae,  Saturnalia  u.  a.,  woraus  zu  ersehen  ist,  dafi  es  sich  tatsachlich 
um  den  altheidnischen  griechisch-romischen  Gotterkultus  handelt.) 

Vbllig  unwissenschaftlich,  unsachlich  und  darum  unhaltbar  sind 
somit  diejenigen  Angriffe  auf  die  jiidische^  Moral,  welche  sich  auf 
die  Absonderungs-  und  Kampfmafinahmen  des 
Talmud  gegeniiber  dem  p  o  1  y  t  h  e  i  s  t  i  s  che  n  Hei- 
dentum,  dem  rohen  Fe  t  i  s  c  h  d  i  e  n  s  t  und  der  mit 
ihm  verbundenen  Unziichtigkeit  stiitzen.  Ganze 
lange  Bogen  fiillen  Justus  und  Dr.  Ecker,  alteren  Gewahrsmannem 
folgend,  mit  Anklagen  dieser  Art;  z.  B.  dafi  der  Talmud  verbiete, 
in  unmittelbarer  Nahe  von  Gotzenbildern  bestimmte  Gebete  zu 
sprechen  (s.  .Judenspiegel",  ,,Gesetz"  3),  dafa  eine  jiidische  Priester- 
familie,  sobald  eines  ihrer  Mitglieder  zum  Heidentum  abgefallen  ist, 

40 


als  entweiht  gilt  (,,Gesetz"  5),  dafi  der  Jude  iiber  duftendes  Gewiirz, 
welches  zum  heidnischen  Kultus  verwendet  wurde,  nicht  die  ubliche 
Benediktion  fur  den  Genufi  spreche  (,,Gesetz"  8),  dafi  der  Jude 
keine  beim  Gotzenkultus  in  Verwendung  gekommene  Gegenstande 
gebrauchen  (,,Gesetz"  58,  59,  ahnlich  61,  62)  und  den  Gotzen- 
kultus in  keiner  Weise  fbrdem  diirfe  (63,  64,  70,  72,  76,  83). 
Gewifi,  derTalmud  hat  es  als  he  i  1  i  g  e  A  u  f  g  a  b  e 
betrachtet,  den  Gotzendienst  zu  bekampfen, 
freilich  nicht  mit  dem  Schwerte,  sondem  dadurch,  dafi  er  zwischen 
dem  Judentum  und  dem  Polytheismus  eine  Scheidemauer  aufzurichten 
sich  bestrebt  hat.  Das  sollte  man  aber  dem  Talmud  als  V  e  r  - 
d  i  e  n  s  t  und  nicht  als  ein  Vergehen  gegen  die  menschliche  Moral 
anrechnen.  Polytheismus  gilt  eben  dem  Talmud  selbst  als  die  Ver- 
kbrperung  der  Unmoral.  Hat  denn  nicht  auch  das  junge  Christen- 
tum  in  den  erst  en  Jahrhunderten  seines  Bestehens  mit  ganz  ahnlichen 
Mitteln  gegen  das  Heidentum  angekampft  wie  der  Talmud?  Der 
grofie  christliche  Religionsforscher,  Universitatsprofessor  Adolf 
v.  Harnack  (Berlin)  schreibt  iiber  diesen  Punkt  in  seinem  Werke 
,,Die  Mission  und  die  Ausbreitung  des  Christentums  in  den  ersten  drei 
Jahrhunderten"  (Leipzig,  1902):  ,,Krieg  gegen  den  Polytheismus 
fiihrte  die  alte  Kirche,  indem  sie  die  ,,Damonen"  bekampfte  und  indem 
sie  gegen  die  offentliche  Unsittlichkeit  zu  Felde  zog,  die  mit  dem 
Polytheismus  zusammenhing.  Aber  sie  hat  sich  mit  diesem  Kampf 
nicht  begniigt.  Die  ,,stummen  Gotzen"  wurden  direkt  angegriffen, 
waren  sie  doch  noch  eine  Macht  .  .  .Unsscheintheutedie 
Polemik  gegen  die  Goiter  des  Olymp,  gegen  die 
agy p t  i  s  chen  Kr o ko d i  le  und  Katzen,  gegen  die 
geschn  i  t  z  ten  ,  gegossenen  und  gemeifielten 
Gotzenbilder  billig  und  iiberflussig  gewesen 
zu  sein  .  .  .  allein  iiberflussig  war  sie  gewifi 
nicht...  In  alien  Provinzen  und  in  alien  Stadten  .  .  . 
gab  es  Haus-  und  Familiengotzen."  Femer  schildert  Harnack: 
,,Die  Pflicht,  sich  von  aller  Befleckung  mit  dem  Polytheismus 
rein  zu  erhalten  gait  (der  alien  Kirche)  als  die  oberste 
ChristenpfHcht,  die  alien  anderen  voranging.  Sie  gait  als  die 
negative  Seite  der  Bekenntnispf licht,  und  es  ist  mit 
,,derSiinde  desGolzendiensles"  in  den  christ- 
lichen  Gemeinden  strenger  genommen  worden 
als  mit  irgend  einer  anderen  Siinde  .  .  ."  ,,In  jener 
Zeit  scheint  aber  nur  erst  die  Frage  nach  dem  Gotzenopfer- 
fleisch-Essen  bez.  ob  man  an  den  Mahlzeiten  der  Unglaubigen 
teilnehmen  konne,  brennend  geworden  zu  sein  .  .  ."  ,,Im  Gegensatz 

41 


zu  diesen  Lauen  verbietet  Tertullian  nicht  nurdie  A  n  - 
fertigung  von  Bildern  und  Statuen,  sondern 
a  u  c  h  die  Anfertigung  aller  Dinge,  die  auch  nur 
mittelbar  zum  G  6  t  z  e-n  dienst  gebraucht  w  e  r  - 
d  e  n  .  .  ."  ,,Mogen  immerhin  dieselben  Waren  .  .  .  Weihrauch 
und  die  iibrigen  auslandischen  Waren,  die  zu  Gotzenopfern  ge- 
horen  .  .  .  auch  uns  Christen  zur  Ausstattung  bei  Begrabnissen 
dienen,  du  stehst  aber  ganz  sicher  als  Beforderer  des 
Gotzendienstes  da,  wenn  Aufziige,  Gottesdienste  und  Opfer 
Jfiir  die  Idole  .  .  .  veranstaltet  werden."  (Aus  Tertullian.)  .  .  . 
,,A  lie  Redensarten  sind  zu  verdammen,  in  denen 
Gotternamen  vorkommen  .  .  ."  ,,Aber  dafi  man  den 
groben  und  eigentlichen  Gotzendienst  bis  zuletzt  bekampfte,  bedeutete 
etwas,  bedeutete  viel.  Oas  Christentum  hat  hier  nicht 
p  a  k  t  i  e  r  t."  —  So  weit  Harnack.  Nun,  auch  der  Talmud  hat 
nicht  paktiert,  konnte  nicht  paktieren,  da  er  in  der  Thora,  die  den 
Monotheismus  und  die  Heiligkeit  Gottes  kiindet,  wurzelte.  Und  damit 
wagt  man  heute  den  Talmud  zu  verunglimpfen !  (Ober  die  Stellung 
des  Talmud  zum  Christentum  siehe  weiterhin.) 

Unverstandlich  geradezu  ist  es,  wenn  die  Anklager  Justus  und 
Ecker  (,Judenspiegel",  ,,Gesetz"  1  )  es  dem  Talmud  veriibeln,  dafi 
er  dem  Juden  den  Rat  erteilt,  keinen  jiidischen  Betmantel  dem  Heiden 
zu  verkaufen,  da  der  Heide  in  solcher  Kleidung  sich  dem  ahnungslosen 
Juden  unterwegs  zugesellen  und  den  Juden  totschlagen  konnte.  Was 
die  Talmudanklager  veranlafit,  die  Heiden  der  talmudischen  Zeit, 
die  nun  einmal  des  Todschlags  wirklich  verdachtig  waren,  als  Un- 
schuldsengel  hinzustellen,  bliebe  sicherlich  ein  Ratsel,  wenn  nicht  die 
,,kleine"  Unterstellung  von  ihnen  vorgenommen  worden  ware,  dafi 
sie  fiir  Heiden  ,,C  hristen"  seize  n.  Nun  wird's  klar. 
(Siehe  dariiber  naheres  S.  55  u.  83.) 

Ganz  unberechtigt  sind  auch  alle  die  unhistorischen  und  ge- 
hassigen  Folgerungen,  welche  die  Anklager  an  die  vom  Talmud 
gegen  die  Ketzer  erlassenen  Bestimmungen  kniipfen.  Zunachst 
ist  festzustellen,  dafi  das  Judentum  und  demgema'S  der  Talmud 
die  Bekenner  eines  fremden  Glaubens  nicht  fiir 
Ketzer  halt.  Der  Begriff  Ketzer  gilt  nur  fiir  Abgefallene 
von  dem  eigenen  Glaube  n18) .  Damit  erledigt  sich 
eigentlich  das  ganze  breite  Kapitel,  welches  die  gegen  das  Judentum 
gerichteten  Schmahschriften  iiber  die  Ketzergesetze  des  Talmud 
zusammengetragen  haben.  Das  konnte  fiiglich  als  eine  innerjiidische 
Angelegenheit  auBer  Betracht  bleiben. 

42 


Indessen  soil  auch  dieser  Punkt  hier  geklart  warden.  Gegen 
die  Ketzer  ist  manch  hartes  Wort  gefallen,  was  aber  eher  der  Aus- 
druck  des  Schmerzes  als  der  des  Hasses  war.  Wahrend  aber  die 
Verwiinschungen  und  die  Schreckensgerichte,  Verdammung  und 
Vermogenskonfiskation,  mil  welchen  die  Verordnungen  anderer 
Religionsgemeinschaften  die  Ketzer  bedacht  haben,  diese  ihre  Be- 
stimmungen  auch  auf  Andersglaubige  ausdehnen  und  zu  den  Ketzern 
auch  die  Juden  zahlen,  haben  die  Talmudlehrer  bei  ihren  Ausnahme- 
oder  Strafbestimmungen  (Bannformeln  usw.)  nur  an  die  abgefallenen 
Juden,  niemals  aber  an  Andersglaubige,  also  nicht  an  die 
Heidenchristen  gedacht.  Das  jiidische  R  e  I  i  - 
gionsgesetz  halt  auch  den  Heiden  wegen  seines 
a  n  d  e  r  s  g  e  a  r  t  e  t  e  n  Glaubens  nicht  fiir  einen 
Ketzer  (s.  Talmud-Traktat  Chollin  Bl.  13),  und  es  ist  —  schonend 
ausgedriickt  —  unrichtig,  wenn  die  Justus-Ecker  usw.  den  ,,Ketzer" 
des  Talmud  mit  dem  Christen  gleichsetzen.  ( Vgl.  Hoffmann, 
a.a.O.,  S.  206  und  s.  oben  Seite  33  ff.).  Ober  die  sogenannten  Ketzer- 
gerichte  des  Talmud  wird  man  sich  indessen  nicht  so  sehr  entsetzen, 
wenn  man  erfahrt,  da6  die  Ketzer  zu  einem  Teile  auch  zugleich  zu 
Verratern  an  ihrem  Volke  wurden.  ,,Kein  Volk"  -  so 
heifit  es  bei  Kopp,  Seite  92  —  ,,war  noch  in  schwererer  Bedrangnis  als 
die  Juden  nach  der  Zerstorung  Jerusalems.  Von  einem  grausamen,  hab- 
gierigen,  sittlich  entarteten  Feinde  (die  Romer)  wurde  ihr  Staat  zer- 
stb'rt,  ihr  Volkstum  und  ihre  Religion  verachtet.  Auf  die  Abhaltung 
von  Lehrvortragen  war  verscharfte  Todesstrafe  gesetzt,  der  beriihmte 
Mischnah-Sammler  R.  Akiba  wurde,  nur  weil  er  sich  diesem  Verbote 
nicht  fiigte,  durch  Zerfleischung  mit  eisernen  Kammen  qualvoll  hinge- 
richtet  .  .  .  Zu  solcher  Zeit  drohte  aber  dem  Judentum  der 
schlimmste  Feind  im  Inner  n.  Romlinge,  Zaghafte,  die 
an  der  Zukunft  des  Judentums  verzweifelten,  sagten  sich  von  der 
Thora  los  .  .  .  Da  hielten  es  die  jiidischen  Religionslehrer,  wie  es 
in  jeder  Kirche  gehalten  wird.  Der  Apostat  .  .  .  und  die 
schlimmste  Bliite  solcher  Zeiten,  der  Denun- 
ziant,  der  die  V  o  1  k  s  gen  o  s  s  en  an  den  Feind  ver- 
r  i  e  t  —  diese  Art  sollte  erbarmungslos  vernichtet  werden.  Wie  kann 
R  o  h  1  i  n  g  sich  dariiber  entsetzen?"  So  schreibt  Kopp,  der  Christ.  — 
Und  nun  scheuen  sich  die  G  e  w  a  h  r  s  m  a  n  n  e  r  der 
Antisemiten  nicht,  einige  der  Verdammungs- 
u  r  t  e  i  1  e  der  Talmudlehrer  gegen  die  Ketzer  und  Verrater  sowie  die 
Verordnungen,  die  solche  abgefallenen  Juden  von  religios-kultuellen 
Handlungen  femzuhalten  bestrebt  sind,  in  einer  Art  zu  verwerten,  dafi 
es  den  Anschein  erweckt,  als  ob  diese  Gesetze  sich  auf 


Andersglaubige  undhauptsachlich  auf  Christen, 
beziehen  wiirden. 

Und  der  Herr  Dr.  Dinter,  der  ebenfalls  mil  einem  Flugblatt  gegen 
den  Talmud  und  das  Judentum  zu  Felde  zieht,  fiihrt  einige  Be- 
stimmungen  des  Schulchan-Aruch  gegen  ..Verrater"  an  und  stellt  die 
Sache  so  dar,  als  ob  auch  diejenigen,  die  die  ,,Wahrheit"  iiber  den 
Talmud  enthullen,  zu  der  Klasse  der  vom  jiidischen  Gesetz  ver- 
dammten  Verrater  gehoren,  und  meint,  dafi  inn  selbst  (Dinter)  das 
Ketzergericht  bedrohe.  Herr  Dr.  Dinter  hat  in  der  Tat  verraten  — 
dafi  er  den  Talmud  und  den  Schulchan-Aruch  nicht  versteht  und 
sich  durch  Rohling-Justus-Ecker  hat  irrefiihren  lassen. 

Der  Christ  Dr.  Kopp,  der  sich  mit  dieser  Frage  aufs  ein- 
gehendste  beschaftigt  hat,  fafit  sein  Urteil  (a.  a.  O.,  S.  60)  dahin 
zusammen,  es  sei  fiir  die  Methode  Rohlings  (und  dasselbe  gilt  auch 
fur  Justus-Ecker  und  die  spateren  Abschreiber)  typisch :  ,,W  o 
i  m  m  e  r  (im  Talmud) ,  wie  in  alien  Religionsvor- 
vorschriften  a  1 1  e  r  Ko  n  f  es  s  i  o  n  en  ,  vonSiindern, 
Frevlern,  Gottvergessenen  usw.  gesprochen 
wird,  wenn  auch  von  Christen  weder  nach  dem 
W  ortlaute  noch  nach  dem  Zusammenhange  die 
Redeist,  ub er s e t z t  e r  d ies e  W o r te  e i n f a c h  mit 
..Christen",  und  der  Beweis  ist  fertig!"  — 

Wie  sich  das  Verhaltnis  zwischen  Juden  und  Heiden  im  Zeit- 
alter  der  Mischnah  und  des  Talmud  im  wirklichen  Leben  des  All- 
tags  gestaltet  hat,  beweist  eine  Stelle  in  dem  Talmud-Traktat  Abodah 
zarah,  wo  (Blatt  64,  S.  2  und  Blatt  65,  S.  1 )  von  zwei  namhaften 
Schriftgelehrten  mitgeteilt  wird,  da6  sie  an  heidnischen  F  e  s  t  - 
tagen  Heiden  Geschenke  geschickt  haben  (auch 
die  Namen  der  Beschenkten  sind  genannt).  Dber  diese,  nach 
dem  Augenschein  gegen  das  jiidische  Religionsgesetz  verstoSende 
Handlungsweise  von  anderen  Gelehrten  zur  Rede  gestellt,  erklarten 
die  Talmudisten :  „  I  c  h  weifi  von  ihm  (diesem  Nicht- 
juden),  dafi  er  die  Gotzen  nicht  anbete  t." 

Das  ist  eine  Stelle,  welche  uns  den  Geist  des  Talmud  nahezu- 
bringen  vermag.  Sie  beweist,  dafi  Handelsbeziehifngen  zu  den  Hei- 
den, wobei  diese  Gewinn  hatten,  etwas  Selbstverstandliches  waren, 
dafi  femer  namhafte  jiidische  Sckriftgelehrte,  die  gleichsam  den  Geist 
des  Judentums  verkorperten,  in  so  naher  personlicher  -  Beziehung  zu 
Heiden  standen,  dafi  sie  diese  an  den  heidnischen  Festen  mit  Ge- 
schenken  erfreuten.  Endlich  aber  das  viel  wichtigere:  dafi  das  Ver- 
bot,  den  Gotzendienern  um  die  Zeit  ihrer  Feiertage  (n  u  r  um  diese 
Zeit)  einen  Gewinn  zu  verschaffen,  nicht  im  entferntesten 

44 


a  us  personlichem  Obelwollen  gegen  die  Heiden 
entsprang,  sondera  lediglich  aus  der  Besorgnis,  den  Aber- 
glauben  des  Heidentums,  den  Fetischkultus  an  s  i  c  h  zu  fordern. 
Davon,  dafi  dem  Heiden  der  Gewinn  uberhaupt  nicht  gegonnt 
wiirde,  ist  schlechterdings  keine  Rede;  aber  die  Zuwendungen  sollten 
moglicherweise  zu  Zeiten  und  unter  Umstanden  erfolgen,  daS  dabei 
die  voraussichtliche  Forderung  des  Gotterglaubens  durch  den  Juden 
selbst  vermieden  werde.  Sobald  aber  eine  solche  unerwiinschte  Folge 
nicht  unmittelbar  zu  befiirchten  stand,  haben  selbst  vorbildliche  jiidische 
Schriftgelehrte  es  sich  nicht  nehmen  lassen,  den  ihnen  bekannten  Heiden 
an  deren  Feiertagen  Aufmerksamkeiten  zu  erweisen. 

Wir  haben  aber  noch  deutlichere  Oberlieferungen  beziiglich  der 
wohlwollenden,  von  jeder  Unduldsamkeit  freien  Gesinnung  der 
Talmudautoren  gegenuber  den  Heiden.  Mar  Samuel,  der  bereits 
oben  erwahnte  geistige  Fiihrer  der  Juden  (2.  Jahrhundert  n.  Chr. !), 
lehrte:  ,,Vor  dem  Richterthrone  des  Welten- 
schopfers  besteht  kein  Unterschied  zwischen 
Juden, und  Heiden,  da  ja  unter  den  letzteren  sich 
ebenfalls  edle  und  tugendhafte  Menschen 
fin  den."  (Talmud  Jer.,  Traktat  Rosch  ha-schanah  I,  2.)  • 
Ferner:  ,,Man  hiite  sich,  in  Gegenwart  eines  zum  Judentum  Be- 
kehrten  Verachtung'  und  Geringschatzung  gegen  Heiden  kundzu- 
geben;  denn  ist  auch  bei  ihm  (dem  Bekehrten)  der  urspriingliche 
Glaube  durch  seine  spateren  Oberzeugungen  verdrangt  worden,  so 
mufi  dennoch  jede  Unduldsamkeit  umsomehr  sein  Herz  verwunden, 
als  er  am  meisten  fuhlt,  wie  diejenigen,  welche,  den  in  ihrer 
zartesten  Jugend  eingesogenen  Lehren  und  Anschauungen  treu, 
ihrem  Irr-  und  Aberglauben  anhangen,  mit  Unrecht  verachtet  und 
verfolgt  werden"  (Talmud-Tr.  Sanhedrin  Bl.  94,  S.  1 .  Siehe  auch 
Tr.  Jebamoth  121,  2;  Abodah  zarah  23,  2). 

Jenes  Talmud- (Mischnah-)Gesetz,  wonach  man  dem  Heiden  um 
die  Zeit  seiner  Gotterfeste  keinen  Gewinn  verschaffen  solle,  in  Verbin- 
dung  mit  jener  Erzahlung,  dafi  hervorragende  jiidische  Schriftgelehrte 
jener  alien  Zeit  einzelnen  heidnischen  Mannern  dennoch  Geschenke 
an  ihren  Festen  gewidmet  und  dieses  Verhalten  also  begriindet  haben: 
,,Ich  weifi,  dafi  dieser  Heide  die  Gotzen  nicht  anbetet"  -  dies 
trifft  das  Wesen  einerseits  der  jiidischen  Auffassung  iiber  die 
Pflicht  der  Absonderung  gegen  das  Heidentum  und 
andererseits  der  Anschauung  von  derstetigenEntwicklung 
der  Heiden  zu  einer  hbheren  Gesittung.  Die 
einzelnen  Heiden,  gegenuber  welchen  die  oben  genannten 
Schriftgelehrten  die  Schranke  der  Absonderung  hinsichtlich  der  Ge- 

45 


schenke  nicht  mehr  aufrecht  erhielten,  bildeten  eben  schon  die  Vor- 
laufer  der  spater  immer  allgemeiner  werdenden  hoheren  Kultur,  sie 
bahnten  den  Weg  zum  Noachidentum,  zur  Gottesverehrung. 

In  diesem  Zusammenhange  mufi  auch  noch  einer  weiteren  Form 
der  Abschliefiimg  gedacht  werden,  welche  auch  schon  innerhalb  der 
jiidischen  Bekennerschaft  selbst  gelegentlich  in  Erscheinung  tritt.  Wer 
selbst  als  Jude  in  seinem  Lebenswandel  eine  religiose  Form  absicht- 
lich  aus  Geringschatzung  gegen  die  Religion  oder  auch,  um  die 
religios  lebenden  Juden  damit  herauszufordem,  preisgibt,  der  ver- 
liert  nach  jiidischer  Religionsvorschrift  die  Berechtigung,  die  im 
eigenen  Leben  vernachlassigten  Pflichtgebiete  nach  aufien  den  iibrigen 
Glaubensgenossen  gegeniiber  verantwortlich  zu  vertre- 
t  e  n.  Die  Beglaubigung  stiitzt  sich  auf  die  personliche  Anerkennung 
und  praktische  Betatigung  der  betreffenden  Religionsgebote.  Das 
Gefiihl  der  Verantwortung  setzt  das  Gefiihl  der  Verpflichtung,  zu- 
gleich  aber  auch  die  Kenntnis  der  Einzelheiten  der  betreffenden 
religiosen  Vorschrift  voraus.  Halt  man  sich  diese  Entwicklung  vor 
Augen,  so  wird  man  auch  die  innersten  Motive  der  Abschliefsung 
der  ,,Gottgeweihten",  wie  sie  schon  die  Thora  gefordert  und  der  Tal- 
mud weiter  ausgebaut  hatte,  begreifen.  Es  wird  als  selbstverstandlich 
crscheinen,  wenn  das  talmudische  Gesetz  die  Abschliefsung  gegen 
Andersglaubige  hinsichtlich  des  rituell-kultuellen 
Gebiets  nicht  minder  streng  wie  gegeniiber  eigenen 
Glaubensgenossen  fordert. 

Damit  werden  alle  jene  B  es  chu  1  d  i  g  u  n  g  e  n 
der  Antisemiten  hinfallig,  welche  der  Aus- 
schlie&ung  von  An  d  er  s  gl  aub  i  ge  n  auf  dem  Ge- 
biete  der  Rel  i  g  i  o  n  s  ii  b  u  n  g  durch  das  Juden- 
tum  die  hafilichsten  Beweggriinde  unterstellen. 
Justus,  der  Antisemitenfuhrer  schreibt  (.Judenspiegel",  ,,Gesetz"  2)  : 
,,Alles,  was  der  Jude  rituell  zum  Gottesdienste  notig  hat,  darf  kein 
Christ  verfertigen,  weil  .  .  .  die  Christen  nicht  als  Menschen 
betrachtet  werden."  Dieses  Gesetz  existiert  nicht, 
und  die  Begriindung  ist  erdichtet.  Vielmehr  darf 
—  wie  schon  Prof.  Hoffmann  in  seinem  Buche19)  ausfuhrt  —  die 
ganze  Synagoge  samt  dem  Allerheiligsten  von  Christen  gebaut, 
die  Gebetbiicher  diirfen  von  Christen  gedruckt,  der  Fest- 
straufi  (am  Hiittenfest)  von  Christen  gekauft,  der  Gebetmantel  von 
Christen  angefertigt  werden  usw.  Nur  das  Anfertigen  der  Schau- 
faden  sollen  die  Israeliten  selbst  besorgen.  Der  Grund  wird  aber 
im  Talmud  angegeben,  Traktat  Menachoth,  Blatt  42,  Seite  1  : 
weil  es  heifit  (IV.  Buch  Mos.,  Kap.  15,  V.  38)  :  Rede  zu 

46 


den  Kindern  Israels,  daS  s  i  e  sich  Schaufaden  machen".  — 
Auch  das  Anfertigen  der  Tephillin  (sog.  Gebetriemen)  soil  von 
glaubigen  Israeliten  vorgenommen  werden,  weil  dabei  jene  weihevolle 
Stimmung  gefordert  wird,  die  aus  dem  Gedanken  an  den  heiligen 
Zweck  dieser  Ritualien  entspringt  (,,lischmah").  Wie  boshaft  die 
Justussche  Darstelluag  ist,  wird  erst  deutlich,  wenn  man  erfahrt,  dafi 
selbst  minderjahrige  J  u  d  e  n  ,  die  mit  der  Bestimmung  der  Ritualien 
noch  nicht  geniigend  vertraut  sein  kb'nnen,  von  der  Anfertigung  der 
Schaufaden  oder  Tephillin  ausgeschlossen  werden,  und  dafi  die 
Kommentare  des  Talmud  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  selbst  die 
jiidischen  Frauen  das  Herstellen  derjenigen  Ritualien,  die 
nur  die  Manner  gebrauchen,  diesen  uberlassen  sollen.  (Der  Ver- 
fasser  des  Schulchan-Aruch  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafi  Frauen  die 
genannten  Ritualien  wohl  herstellen  diirfen.)  Erst  wenn  man  diesen 
Sachverhalt  kennt,  wei6  man  das  Vorgehen  der  Justus  und  seiner  Ge- 
sinnungsgenossen  richtig  einzuschatzen,  die  dem  jiidischen  Religions- 
gesetz  eine  Form  zu  geben  wissen,  welche  jeden  Uneingeweihten 
emporen  muS. 

13.  These:  Genau  so  wie  die  Thora  bei  der  Minder- 
bewertung  bestimmter  heidnischer  Stamme  und  bei  ihrer  Aus- 
nahmestellung  nicht  die  konkreten  Personen  der  Heiden, 
sondern  das  rohe  Heiden  t  u  m  als  solches  treffen  will,  zielt 
auch  das  talmudische  Gesetz,  das  sich  ja  aus  dem  Thoragesetz 
ableitet,  bei  seinen  Bestimmungen  lediglich  auf  die  A  b  d  a  m  - 
mung  des  rohheidnischen  Geisteszustandes 
ab,  nicht  aber  auf  die  persb'nliche  Schadigung  der  Heiden, 
der  Fremden. 

Von  solchem  Streben  zeugt  die  uns  im  Talmud  aufbewahrte 
Sentenz  der  beriihmten  Berurja  (Traktat  Berachoth,  Bl.  1 0,  Seite  1  ) , 
Gattin  des  Schriftgelehrten  R.  Meir:  ,,Es  heifie  in  den  Psalmen 
(Kap.  104),  die  Siinden  sollen  vertilgt  werden  und  nicht  die 
S  iin  d  e  r." 

So  wenig  nun  dieAbsonderungs  mafinahmen  aus  Hafi  ent- 
sprungen  sind  oder  irgendwelche  Rechtsverletzungen  in  sich  schlossen, 
so  wenig  waren  auch  die  im  Talmud  enthaltenen  Ausnahme- 
bestimmungen  gegen  die  Heiden  von  der  Absicht  eingegeben, 
die  Andersglaubigen  zu  schadigen  und  ihr  Recht  zu  kiirzen. 
Diese  Ausnahmebestimmungen  sind  der  weitere  Ausbau  der  in 
der  Thora  enthaltenen  und  oben  (Seite  22  f.)  behandelten  Fremden- 
gesetze.  Zu  den  dort  erwahnten  1)  Zins-,  2)  SchuldenerlaS-  und 

3)  Fundgesetzen   treten    im   Talmud    noch    die    folgenden    hinzu: 

4)  Verbot  von  Schenkungen  an  Heiden,  5)  die  Bestimmung,  wonach 

47 


die  dem  Glaubensgenossen  gegeniiber  bestehende  Pflicht,  bei  Ober- 
teuerung  den  iibersteigenden  Betrag  dem  Kaufer  zuriickzuerstatten, 
dem  Heiden  gegeniiber  nicht  innegehalten  zu  werden  braucht,  6)  die 
Erlaubnis,  dasjenige,  was  der  Heide  an  den  Juden  aus  Irrtum  gut- 
willig  verkauft,  oder  worauf  der  Heide  aus  Vergefilichkeit  verzichtet 
hat,  behalten  zu  diirfen  und  7)  die  Verordnung,  dafi  der  durch 
den  Ochsen  eines  Juden  an  dem  Ochsen  eines  Heiden  durch  Stofi- 
verletzungen  angerichtete  Schaden  dem  heidnischen  Besitzer  nicht  er- 
«etzt  zu  werden  brauche. 

Es  wird  jeder  Leser  zunachst  das  Gefiihl  haben,  dafi  die* 
empfindliche  Ausnahmegesetze  sind,  besonders  die  unter  6)  und  7) 
erwahnten  Bestimmungen  klingen  nach  dem  ersten  Eindruck  so,  als 
ware  in  der  Tat  dem  Juden  nach  dem  Talmud  einfach  die  Be- 
reicherung  auf  Kosten  der  Heiden  und  deren  Vermogensschadigung 
ohne  weiteres  erlaubt.  Weniger  uberrascht  diirften  allerdings  die 
Juristen  sein,  denen  der  Geist  der  alten  Gesetzgebungen  bekannt  ist 
und  die  sofort  erkennen  werden,  dafi  es  sich  um  Rechtsbegriffe 
handelt,  welche  zwar  zum  Teil  dem  neuzeitlichen  Rechtsbewufitsein 
nach  nicht  mehr  zu  den  strittigen  Grenzfragen  gehoren,  welche  aber 
in  friiheren  Zeiten  bei  alien  Vblkern  als  solche  g  a  1 1  e  n.  Der  Jurist 
wird  sofort  merken,  dafi  hier  dem  Juden  kein  Freibrief  erteilt  wird, 
den  Gbtzendiener  zu  betriigen,  zu  berauben,  zu  bestehlen,  zu  ver- 
letzen  oder  auch  nur  beim  Heiden  durch  ein  Haustier  Sach-  oder 
Personenbeschadigungen  veranlassen  zu  diirfen.  Von  all  diesen 
Dingen,  die  die  antisemitischen  Gewahrsmanner  dem  Talmud  an- 
dichten  mochten,  ist  hier  nicht  die  Rede.  Halt  man  sich  gegen- 
wartig,  dafi  es  keine  einzige  Stelle  im  Talmud  gibt, 
welche  Diebstahl,  Betrug  und  Beliigen  gegen- 
iiber einem  Heiden  erlaubt,  geschweige  denn 
g  u  t  h  e  i  E  t ,  unfl  beachtet  man  Talmudstellen  wie  die  folgenden  : 
,,Wer  einem  Nichtjuden  etwas  raubt,  mufi  es  ihm  zuriickgeben" 
(Baba  kama,  Tosifta,  Kap.  10,  Abs.  15),  ferner  ,,Raub  an 
einem  Heiden  ist  verboten"  —  ,,man  mufi  genau 
rechnen  mit  dem  (heidnischen)  Kaufer"  (eines 
jiidischen  Sklaven,  dafi  man  ihm  nicht  unrecht  tue;  vgl.  oben  S.  19, 
siehe  Talmud-Traktat  Baba  kama  Blatt  113,  S.  2),  ein  Verbot, 
aus  welchem  der  Schulchan-Aruch  I,  §  637,  im  Kommentar,  das 
Verbot  fur  den  Juden  herleitet,  am  Hiittenfeste  eine  Laubhiitte  auf 
der  Strafie  aufzustellen,  weil  die  Nichtjuden  auf  ihren  Anteil  an  der 
StraSe  nicht  verzichten  wiirden  und  man  somit  einen  Raub  an  ihnen 
beginge ;  —  oder :  ,,M  an  darf  keinen  Menschen  t  a  u  - 
schen,  auch  nicht  einen  Heiden"  (Talmud-Traktat 

48 


Cholin,  Blatt  94,  S.  1 )  oder:  Talmud-Traktat  Atxxkh  zarah,  Bl.  6, 
S.  2,  wo  gelehrt  wird,  dafi  man  einem  Nichtjuden,  der  ein  von  dem 
Korper  eines  lebenden  Tieres  abgeschnittenes  Stuck  Fleisch  aus  sitt- 
Hchen  Griinden  nicht  essen  wiirde,  solches  Fleisch  nicht  reichen 
diirfe,  weil  das  Thoraverbot,  dafi  man  einen  anderen  nicht  zu  einer 
religionswidrigen  Tat  veranlassen  diirfe  (III.  Buch  Mos.,  Kap.  19, 
V.  14,  nach  der  iiberlieferten  Auffassung),  auch  gegeniiber  dem 
Nichtjuden  gilt,  d.  h.  dafi  man  auch  einen  Nichtjuden  nicht  ver- 
anlassen darf,  ein  noachidisches  Gebot  zu  ubertreten;  oder  Talmud- 
Traktat  Makkoth,  Bl.  24,  S.  1 ,  wo  der  Talmud  mit  Bezug  auf  den 
Vers  in  Psalm  1 5 :  ,,Wer  sein  Geld  nicht  auf  Zinsen  ausleiht" 
(im  Namen  des  Rabbi  Jochanan)  sagt,  das  sei  derjenige,  der  so 
wahrhaftig  ist,  dafi  er  ,,selbst  dem  Heiden  nicht  Zin- 
sen abnimmt"  — :  dann  wird  man  keinen  Augenblick  daran 
zweifeln  konnen,  dafi  auch  den  Fremdengesetzen  des  Talmud  nichts 
zugrunde  liegen  konne,  was  das  sittliche  Empfinden  zu  verletzen 
vermag.  Wenn  es  selbst  in  heutiger  Zeit  das  Rechtsempfinden  nicht 
stort,  dafi  der  Auslander  hinsichtlich  gewisser  Berechtigungen  un- 
gunstiger  als  der  Inlander  gestellt  ist  (wir  erinnem  nur  an  dais  Wahl- 
recht),  weil  vorausgesetzt  wird,  dafi  jede  Staatsverfassung  die  Zu- 
gehorigen  zur  eigenen  nationalen  Gemeinschaft  in  besonderen  Schutz 
nimmt:  so  wird  es  uns  verstandlich,  wenn  die  talmudische  Gesetz- 
gebung  den  Auslandem  jene  Anspriiche  versagt  hat,  die  d  a  m  a  1  s 
unter  den  Volkern  allgemein  den  Fremden  verweigert  worden  sind. 
Wir  brauchen  uns  hierbei  nicht  erst  auf  die  von  dem  christlichen 
Rechtsgelehrten  Dr.  Kopp  mit  Bezug  auf  das  Fundgesetz  geaufierte 
Vermutung  zu  stiitzen :  ,,Die  asiatischen  Heiden,  unter  denen  die 
Juden  lebten,  diirften  kaum  so  feinsinnig  gewesen  sein  (das  Behalten 
gefundener  Sachen  als  Unrecht  anzusehen),  und  die  Romer,  welche 
eroberte  Reiche,  unterjochte  Volker  als  willkommenes  Objekt  der 
Ausbeutung  betrachteten,  werden  gegen  die  gehafiten  Juden  nicht 
anders  vorgegangen  sein",  wir  wollen  uns  nicht  auf  eine  solche  Aufie- 
rung  stiitzen,  obgleich  die  so  kategorisch  ausgesprochene  Vermutung 
eines  mit  der  Geschichte  des  Rechtswesens  wohlvertrauten  Mannes 
gewifi  nicht  zu  iibersehen  ware.  Sondern:  der  palastinische  (jerusa- 
lemische)  Talmud,  der  auf  dem  Bpden  Palastinas  entstanden  ist  und 
bereits  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  abgeschlossen  wurde,  bemerkt 
zu  dem  oben  unter  Nr.  7)  angefiihrten  Fremdengesetz  betreffend  die 
Straffreiheit  des  Juden  in  dem  Falle,  wenn  sein  Ochse  den  Ochsen 
eines  Heiden  beschadigt  hatte,  dafi  dieses  Gesetz  nach 
dem  Rechtsgebahren  der  Volker  (im  Texte: 
kedinehem)  erlassen  worden  sei.  Nun  konnte  man  die  Be- 

49 


griindung  des  Talmud,  dafi  dieses  Fremdengesetz  gemaS  dem  Rechts- 
verfahren  der  Volker  erlassen  wurde,  als  Vergeltungsmafiregel  gegen 
die  heidnischen  Gerichte  deuten.  Auf  Retorsion  ist  aber  uberhaupt 
kein  jiidisches  Religionsgesetz  gegrundet.  Vielmehr  verhalt  es  sich 
so,  dafi  nach  der  damals  allgemein  iiblichen  Rechtsprechung  gewisse 
Ausnahmen  gegen  die  F  r  e  m  d  e  n  bestanden  haben,  und  das  waren 
gerade  die  Falle,  die  oben  als  talmudische  Fremdengesetze  erwahnt 
sind,  hinsichtlich  welcher  die  heidnischen  Volker  die  Fremden  un- 
giinstiger  stellten.  Es  ware  von  seiten  der  Juden  ein  das  eigene 
Wirtschaftsleben  schadigendes  Entgegenkommen  gewesen,  falls  sie 
den  Heiden  in  den  genannten  Rechtsstreitfallen  ebenso  milde  be- 
handelt  hatten  wie  den  eigenen  Glaubensbruder. 

Priifen  wir  nunmehr  die  einzelnen  Fremdengesetze.  Die  Be- 
stimmungen  unter  1),  2),  3)  sind  bereits  im  I.  Kapitel  besprochen 
worden  (s.  oben  S.  22  ff.). 

4)  Verbot  von  Schenkungen  an  Gotzendiener.     Dieser  Erlafi  ist 
nach  dem,  was  oben  (S.  44  f.)  gesagt  wurde,  nicht  zu  beanstanden. 
Ober  die  Milderung  dieses  Verbotes  siehe  auch  an  anderer  Stelle. 

5)  Die  Bestimmung,  dafi  die  Riickerstattung  des  durch  Ober- 
teuerung    des    Kaufers    entstandenen    ubermafiigen    Gewinnes    dem 
Heiden  gegeniiber  keine  Pflicht  sei.     Wir  wollen  hier  dem  christ- 
lichen  Juristen  Dr.  K  o  p  p  das  Wort  geben,  der  sich,  soweit  der 
Talmud    in    Frage    kommt,    auf    die    erwahnten    christlichen    Sach- 
verstandigen  Prof.  N  6  1  d  e  k  e  und  W  ii  n  s  c  h  e  stiitzt:    ,,Was  den 
(besprochenen)  Rechtssatz  selbst  betrifft,  so  unterscheidet  die  jiidische 
Rechtslehre  zwischen  Obervorteilung  in   der  Qualitat,   dann   in!  der 
Quantitat    (Mafi    und   Gewicht)     und    endlich    im    Preise.      D  i  e 
beiden  ersteren  sind    (im  jiidischen  Gesetz),  wie  oben 
gezeigt  wurde,   ausnahmslos   verboten,   wenn  aber 
die  e  c  h  t  e  Ware  in  der  richtigen  Qualitat  gegeben  wird,  so 
kann  noch  immer  der  Preis  zu  hoch  —  oder  auch  zu  niedrig  sein. 
d.  h,  der  Kaufer  wird    uberhalten    oder  der  Verkaufer    g  e  - 
driickt.     Das    strenge    Recht    kann    daran    keinen 
Anstofi  nehmen,  die  Billigkeit  fordert  aber  Beriicksichtigung. 
es  lafit  daher  auf  ein  ziemlich  ausgebildetes  Rechtssystem  schliefien, 
wenn  der  Talmud  in   (Traktat)    Baba  bathra  50  b  auch  fur  solche 
Falle  Vorsorge  trifft  .  .  .     Der  Jurist    erkennt    hier    sofort    die    im 
modernen  Rechte  .  .  .  vorkommende  Regelung  des  Verkehrs  durch 
Bestimmungen  iiber  die  sogenannte  laesio  enormis.  Das  jiidische 
Recht  geht  aber  in  der  Beriicksichtigung  der  Billigkeit  viel  weiter  als 
das  romische  und  das  osterreichische"  .  .   .     ,,Aus  der  Tosaphot  zu 

DO 


(Talmud-Traktat)  Baba  Mezia  61  a  geht  nun  allerdings  hervor,  dafi 
nach  jiidischem  Rechte  diese  Rechtswohltat  (der  Billigkeit  der  Riick- 
erstattung  des  zu  hohen  Profits)  nur  dem  Juden  und  nicht  auch  dem 
Fremden  zustand.  Diese  Entscheidung  .  .  .  ist  aber 
theoretisch  vollkommen  in  Ordnung.  (!)  Solche 
Rech  ts  wo  hi  t  a  t  en  setzen  G  e  g  en  s  e  i  t  i  gk  e  i  t  vor- 
a  u  s  ,  in  keinem  mir  bekannten  Staatsgesetze  findet  sich  aber  eine  die 
Billigkeit  zum  Abbruche  des  strengen  Rechtes  in  gleicher  Ausdehnung 
beriicksichtigende  Bestimmung.  Fand  nun  der  Jude,  der  den  Heiden 
bei  einem  heidnischen  Gerichte  verklagte,  keinen  Schutz  nach 
mosaischem  Rechte,  so  konnte  doch  das  jiidische  G  e  - 
richt  den  Heiden  nicht  billiger  behandeln  —  hier 
tritt  die  formale  Reziprozitat  in  ihr  voiles  Recht".  (So  schreibt 
K  o  p  p  ,  im  erwahnten  Buch,  Seite  74  und  75.) 

6)  Die  Erlaubnis,  dasjenige,  was  der  Gotzendiener  an  den  Juden 
aus  Irrtum  (,,tauth")  gutwillig  verkauft  hat,  oder  worauf  der  Gotzen- 
diener aus  Vergefilichkeit  verzichtet  hat,  behalten  zu  diirfen.  Das 
erscheint  nach  dem  heutigen  Rechtsbewufitsein  als  ein  Unrecht.  Will 
man  aber  das  Talmudgesetz  aus  sich  selbst  verstehen,  dann  mufi  man 
denn  doch  danach  fragen,  welche  Rechtsanschauung  einer  solchen 
Bestimmung  zugrunde  liegen  mag.  Um  so  mehr,  als  es,  wie  oben 
S.  48  gezeigt  wurde,  nach  dem  Talmud  verboten  ist,  selbst  einen 
Heiden  zu  tauschen1  und  irrezufiihren.  Es  kann  nicht  zweifelhaft 
setn,  dafi  in  alter  Zeit  das  blofie  passive  Verhalten  in  dem  Falle, 
wenn  ein  anderer  bei  seiner  Berechnung  sich  selbst  geirrt  hatte,  anders 
beurteilt  wurde,  als  eine  direkte  Vermogenskurzung,  wie  etwa  Be- 
schadigung,  Diebstahl  u.  dgl.  Der  Verlust,  der  in  solcher,  eigentlich 
selbstverschuldeten  Weise,  durch  ein  Cbersehen,  entstanden  ist,  wurde 
von  den  Alten  ungefahr  wie  ein  ,,verlorener  Gegenstand"  betrachtet. 
Verlieren  ist  ja  auch  nichts  anderes,  als  etwas  vibersehen ;  der  verlorene 
Gegenstand  e  n  t  g  e  h  t  dem  Besitzer.  Wer  denjenigen,  der  sich  zu 
seinen  Ungunsten  in  der  Rechnung  geirrt  hat,  auf  den  Irrtum  auf- 
merksam  macht,  bringt  gewissermafien  ein  verlorenes  Gut,  einen  Fund, 
dem  Eigentiimer  zuriick.  Ober  die  Rechtsbegriffe  beziiglich  des 
Fundes  wurde  schon  oben  gehandelt.  Es  kommt  aber  hier  auf  nichts 
anderes  an,  als  auf  die  Frage,  ob  der  Talmud  durch  das  genannte 
Fremdengesetz  ein  Gebot  habe  erlassen  wollen,  die  Heiden  zu 
schadigen.  Diese  Frage  mufi  aber  verneint  werden.  Wie  sich  die 
Talmudautoren  im  praktischen  Leben  verhalten  haben,  und  wie  die 
spateren  Gesetzeslehrer  iiber  diese  Rechtsfrage  urteilen,  davon  soil 
spater  die  Rede  sein.  Man  moge  nur  dariiber  nachdenken,  ob  nicht 
dieselben  Worte,  welche  der  christliche  Jurist  Dr.  Kopp  (im  1 9.  Jahr- 

4*  , 

5i 


hundert!)  beziiglich  des  Wiederbringens  gefundener  Gegenstande 
geschrieben  hat  (  s.  oben  S.  23),  da  6  die  Erfahrung  des 
taglichen  Lebens  lehre,  dafi  es  schon  eines  f  e  i  - 
neren  Re  c  h  t  s  ge  f  ii  h  1  s  bedarf,  urn  das  Behalten 
gefundener  Sachen  als  Unrecht  anzusehen  —  man 
moge  dariiber  nachdenken,  ob  diese  Worte  nicht  auch  auf  die  Be- 
richtigung  einer  zuungunsten  des  a  n  d  e  r  e  n  irrtiimlich  aufgestellten 
Rechnung  in  vielen  Fallen  Anwendung  finden  diirfte.  Die  U  n  t  e  r  - 
scheidung,  die  Abstufung,  welche  auch  heute  unzahlige 
Menschen  im  gegebenen  Falle  zwischen  der  tatsachlichen  Entwendung 
eines  Groschens  in  einem,  fremden  Laden  und  zwischen  dem  Behalten 
eines  Groschens,  den  der  Verkaufer  ,,zu  viel  herausgegeben"  hat, 
machen  wiirden,  diese  Unterscheidung  darf  bei  der  Beurteilung  der 
vorliegenden  Frage  nicht  iibersehen  wer^en.  Das  Gewissen  des 
Menschen  wird  e  r  z  o  g  e  n  ,  entwickelt,  gescharft.  Diese  Erziehung 
geschieht  mittels  der  Befestigung  von  Vorstellungen  iiber  Gut  und 
Bose,  Recht  und  Unrecht,  Mein  und  Dein  usw.  Darum  wird  selbst 
das  empfindlichste  Gewissen  nur  in  denjenigen  Fallen  reagieren,  wenn 
der  Betreffende  die  Vorstellung  hat,  wenn  er  g  1  a  u  b  t ,  dafi  er 
auch  wirklich  Unrecht  getan  hat.  Der  Krieger,  der  den  feindlichen 
Soldaten  tbtet,  hat  das  Bewufitsein,  sich  darait  ein  Verdienst  zu  ei- 
werben,  er  wird  als  ein  Held  und  Retteri  gefeiert.  Sein  Gewissen 
reagiert  auf  diese  Tat  in  entgegengesetzter  Weise  als  beim  reuigen 
Verbrecher.  Ohne  Beriicksichtigung  der  R  e  c  h  t  s  - 
vorstellung  einer  Zeit  lafit  sich  ein  aus  ihr  ge- 
borener  Rechtssatz  nicht  sachlich  beurteilen.  So  hat  der 
Talmud  entsprechend  der  damals  bei  den  iibrigen  V  6  1  - 
kern  bestehenden  Rechtsanschauung,  wonach  der  ,,Irr- 
tum",  der  einem  verlorenen  Gegenstande  gleich  ist,  dem  Fremden 
nicht  zuriickerstattet  zu  werden  brauche,  auch  seinerseits  ein  ahn- 
liches  Gesetz  erlassen.  Es  war  dies  in  jener  Zeit  eine  Regelung  auf 
Gegenseitigkeit  und  gait  als  harmlos,  genau  wie  das  Fundgesetz. 
Eine  solche  Regelung  verliert  aber  nach  der 
Grundanschauung des  Judentums  selbst  jede  B  e  - 
rechtigung  in  Zeiten  und  an  Orten,  wo  nach  dem 
allgemeinen  Rechtsgefuhl  der  ,,I  r  r  t  u  m"  (ebenso 
wie  der  Fund)  zuriickerstattet  werden  mufi  (s. 
S.  74  f.  76) .  Rohling  und  Justus  machten  aber  aus  diesem  Gesetz  das 
Monstrum :  Die  Juden  diirfen  die  Christen  (!)  betriigen  (!). 
Aus  dem  ,, Fremden",  der  hier  fur  den  Talmud  ausdriicklich  nicht 
einmal  den  hoherkultivierten  Heiden  bedeutet,  machen  sie  einen 
Christen  und  aus  dem  ,,Irrtum",  der  e  i  n  s  t  als  ,,Verlorenes"  gait, 

52 


machen  sie:  Betriigen.  (..Betrugen"  heifit  nicht  ,,tauth",  sondera 
,,rama".) 

Das  zuletzterwahnte  (7.)  Fremdengesetz,  welches  bestimmt,  dafi, 
wenn  der  Ochse  eines  Israeliten  den  Ochsen  eines  Gotzendieners 
stofit,  der  Besitzer  des  Ochsen  dem  Heiden  den  Schaden 
nicht  zu  ersetzen  brauche,  findet  sich  in  der  Mischnah  (dem 
altesten  Teile  des  Talmud),  Traktat  Baba  kama,  Bl.  37, 
S.  2.  Sie  kniipft  an  das  Thoragesetz,  II.  B.  Mos.,  Kap.  21, 
V.  35  an,  welches  lautet:  ,,Und  wenn  jemandes  Ochse  den 
Ochsen  des  Nachsten  stofit,  und  er  (der  Ochse)  stirbt,  so  soil 
man  den  lebenden  Ochsen  verkaufen  und  den  Erlos  teilen,  und  auch 
den  toten  (Ochsen)  sollen  sie  (der  Besitzer  und  der  Geschadigte) 
teilen".  Diese  Talmudstelle  ist  deshalb  von  besonderem  Interesse,  weil 
dort  erzahlt  wird  (ebendort  Bl.  38,  S.  1 ) ,  dafi  ,,einst  die  ubel- 
wollende  (romische)  Regierung  zwei  Beamte  mil  dem  Auftrage  zu 
den  israelitischen  Weisen  (Mischnah-  und  Talmudautoren)  geschickt 
hatte,  die  Lehre  Israels  zu  priifen",  dafi  darauf  die  Beamten  ihren 
Auftrag  ausgefiihrt  und  beim  Abschiede  zu  den  Weisen  gesagt  haben : 
,,Wir  haben  cure  ganze  Thora  als  recht  befunden,  mit  Ausnahme 
des  einen  Gesetzes,  dafi  ihr  lehrt,  wenn  ein  Ochse  eines  Israeliten 
den  eines  Heiden  stb'fit,  so  braucht  der  Schaden  nicht  ersetzt  zu 
werden;  stofit  aber  der  Ochse  eines  Heiden  den  eines  Juden,  so 
miisse  der  Heide  in  jedem  Falle  den  ganzen  Schaden  bezahlen;  dies 
finden  wir  ungerecht,  wollen  es  aber  der  Regierung  nicht  anzeigen". 
Mit  Recht  erinnem  die  spateren  rabbinischen  Autoritaten  daran,  diese 
Erzahlung  sei  ein  Beweis  dafur,  dafi  die  alien  Talmudautoren  das 
judische  Gesetz  wahrheitsgemafi,  ohne  Anderung,  vorgetragen  haben, 
obgleich  zu  befiirchten  war,  dais  sie  we^n  dieser  harten  Bestimmung 
gegen  die  Heiden  Verfolgungen  zu  erleiden  haben  wiirden. 

Aber  die  Talmudautoren  selbst  diskutieren  diesen  Fall,  sie  selbst 
finden  die  Ankniipfung  des  genannten  Lehrsatzes  an  den  Vers: 
,,Wenn  jemandes  Ochse  den  Ochsen  des  Nachsten  stb'fit  .  .  ."  merk- 
wiirdig.  Sie  meinen,  dafi,  wenn  hier  unter  dem  Worte  der  ,,Nachste" 
im  Thoraverse  etwa  nur  der  Israelit  zu  verstehen  ware,  das  Gesetz 
iiberhaupt  nur  unter  Israeliten  gelten  sollte  und  mansolltedann 
auchden  Heidennichtverpflichten,  in  gleichem  Falle 
dem  Israeliten  den  Schaden  zu  ersetzen  —  sollte  aber  mit  der  Be- 
zeichnung  ,,sein  Nachster"  nicht  blofi  der  Israelit  zu  verstehen  sein 
(sondern  die  Mitmenschen  iiberhaupt),  dann  mufite  der  Israelit  auch 
dem  Heiden  den  Schaden  ersetzen.  So  opponieren  bereits  die 
Talmudautoren  selbst  gegen  die  primar  sich  ergebende  Auffassung 
der  Mischnah,  obgleich  es  sich  hier  um  das  Verhalten  gegeniiber 

53 


H  e  i  d  e  n  handelt.  Und  was  antwortet  der  Talmud  >  Er  erklart, 
die  Mischnah  habe  hier  jedenfalls  an  Nichtjuden  gedacht, 
die  selbst  die  s  ieb  e  n  N  o  a  ch  i  d  en  -  Geb  o  te  nicht 
h  a  1 1  e  n  ,  d.  h.  die  selbst  die  elementarsten  Rechtsforderungen  nicht 
anerkennen  (s.  oben  Seite  15). 

Wenn  aber  der  Talmud  meint,  dafi  solchen  Heiden  gegeniiber, 
die  noch  nicht  einmal  die  sieben  Noachidischen  Gebote  (s.  oben  S.  33) 
achten,  eine  besondere  Bestimmung  erforderlich  sei,  weil  jene  Heiden 
damit  jede  Rechtsverbindlichkeit  leugnen,  weil  im  Grunde  genommen 
sie  es  sind,  die  das  Eigentumsrecht  nicht  anerkennen  und  damit  eine 
Gefahr  fur  die  Menschengesellschaft  bilden,  so 
zeugt  gerade  ein  solches  Fremdengesetz  von  dem  strengen  Rechts- 
empfinden  der  Talmutautoren.  Diese  talmudische  Anschauung  bedarf 
nicht  erst  unserer  Verteidigung ;  sie  ist  der  Ausflufi  des  sittlichen 
Idealismus,  fiir  den  die  Erde  den  Menschen  unter  der  Bedingung  einer 
gesetzlichen  Ordnung  anvertraut  ist  (s.  die  Thesen  im  I.  Kapitel). 
Nach  jiidischer  Anschauung  sind  die  unter  der  noachidischen  Stufe 
stehenden  Menschen  oder  Stamme  Feinde  nicht  nur  Israels,  sondem 
selbstverstandlich  Feinde  auch  der  Noachiden,  also  aller  auch 
nur  halbwegs  gesitteten  Volker  (s.  Seite  1  3  f.).  Dies  ist  der  Sinn  jener 
talmudischen  Ausspriiche,  welche  von  einer  Minderberechtigung  der 
Nicht  noachiden  reden.  Ist  doch  nach  der  Anschauung  der 
Thora  und  des  Talmud  auch  das  Land  Palastina  dem 
Volke  Israel  nur  unter  der  ausdriicklichen  Bedin- 
gung von  Gott  geschenkt  worden,  dafi  dieses  Volk  in  den 
Wegen  der  Thora  wandeln  und  nicht  unter  die  Stufe  der  Noachiden 
hinabsinken  werde  (s.  Seite  15).  So  ist  es  auch  aufzufassen, 
wenn  im  Talmud  die  Rede^jendung  vorkommt,  dafi  diejenigen,  d  i  e 
unterderStufederNoachiden  stehen,  den  Namen  Adam 
nicht  verdienen,  d.  h.  keine  Vollmenschen  seien;  oder,  wenn  an  einer 
Talmudstelle  gesagt  wird,  dafi  man  von  Rechts  wegen  nicht  ver- 
pflichtet  sei,  einen  Gotzendiener,  der  dem  Ertrinken  nahe  Jst,  zu 
erretten.  (Zu  dem  letzteren  Talmudausspruch  sei  gleich  hier  Stellung 
genommen.  Was  der  Talmud  mit  jenem  Satze  hat  in  Wirklichkeit 
sagen  wollen,  wird  deutlich,  wenn  man  ihn  g  a  n  z  zu  Ende  liest. 
Dort  wird  namlich  zusammen  mit  dem  Gotzen- 
diener auch  der  jiidische  Kleinvieh-Hirt  genannt 
und  das  scharfe  Urteil  auch  auf  diesen  ausgedehnt.  Der  jiidische 
Hirt  (in  Palastina),  der  fremde  Felder  gebrandschatzt  hat,  vor 
dessen  Raubereien  man  sich  nur  schwer  zu  schiitzen  vermochte,  gait 
als  der  Typ  des  riicksichtslosen  Ordnungsstbrers,  dersichankein 
Gesetz  kehrte,  sondern  das  Vermogen  der  anderen  fiir  Frei- 

54 


beute  hielt20).  Die  Auflehnung  gegen  eine  solche,  nur  auf  Pliinde- 
rungen  ausgehende  Bande  enthalt  wahrlich  nichts  Belastendes  fur 
unsere  Talmudautoren.  Wenn  aber  der  Talmud  mit  solchen  jiidischen 
Kleinvieh-Hirten  in  e  i  n  e  m  Atemzuge  die  Gb'tzendiener  nennt,  so 
ist  es  klar,  dafi  er  in  diesem  Zusammenhange  an  Gotzendiener  als  an 
die  Gesetz-  und  Rechtverachtenden  gedacht  hat. 
Der  Henr  Dr.  Justus  brauchte  sich  also  iiber  den  Talmud  nicht 
so  sehr  zu  entriisten.  Allein,  es  war  ihm  hier  Gelegenheit  geboten, 
durch  eine  ,,kleine"  Variation  die  allgemeine  Entrustung  gegen 
den  Talmud  und  die  Juden  zu  erwecken,  und  da  kam  es  ihm 
eben  auf  diese  ,,kleine  Variation"  nicht  an.  Justus  und  nach  ihm  die 
anderen  antisemitischen  Flugblattgelehrten  setzen  namlich  fiir  Gotzen- 
diener :  Christen,  lassen  den  jiidischen  Kleinvieh- 
h  i  r  t  e  n  fort  und  formulieren  die  Anklage  zurecht :  Christen 
zu  toten  ist  jiidisches  Gebot !  —  Prof.  Hoffmann  fiihrt 
(a.  a.  O.,  S.  54)  einen  Satz  aus  John  Stuart  Mill  ,,Grund- 
ziige  der  politischen  Okonomie"  an,  wo  es  heifst,  dafi  man,  ,,vom 
moralischen  Standpunkte  abgesehen,  nur  dann  jemanden,  den 
man  ertrinken  sieht,  retten  sollte,  wenn  er  mehr  produziert  als  kon- 
sumiert,  wenn  aber  seine  Produktion  weniger  als  seine  Konsumtion 
ist,  man  ihn  ruhig  ertrinken  lassen  mufite"  —  und  bemerkt  dazu:  ,,So 
materialistisch  ist  das  talmudische  Recht  nicht.  Es  lehrt  nur, 
dafi  man  nach  strengem  Rechte  Gotzendiener  und  Kleinvieh- 
hirten,  die  Gott  lastern  und  der  menschlichen  Gesell- 
schaft  feindlich  gegeniiberstehen,  nicht  vom  Tode 
erretten  diirfe.  Dafi  man  dies  aber  mipne  darche  schalom  (aus  ethi- 
schen  Griinden)  doch  tun  miisse,  dies  lehrt  schon  ein  Schlufi  de 
minore  ad  ma  jus  .  .  ."). 

Wenn  darum  die  Judenfeinde  Rohling  und  Justus-Brimann  die 
Sache  so  darstellen,  als  ob  der  Talmud  die  Christen  nicht  fiir  Voll- 
menschen  halt,  das  Vermogen  der  Andersglaubigen,  ja  sogar  der 
Christen  ( !)  fiir  das  Eigentum  der  Juden  erklart,  so  ist  das 
eine  Vergewaltigung  der  Wahrheit.  Wohl  hat 
beispielsweise  der  Kirchenvater  Thomas  von  Aquino 
im  1 3.  Jahrhundert  geschrieben  (opera  XVI,  Seite  292)  : 

„ Quia     licet,     ut    jura     dicunt     Judaei      merito     culpae 

suae  sint  vel  essent  .perpetuae  servituti  addicti,  et  sic  eorum 
res  terrarum  domini  possint  accipere  tamquam  suas  .  .  ."  (,,Es 
sind  nach  dem  Ausspruch  des  Rechts  die  Juden  durch  ihre  eigene 
Schuld  der  ewigen  Sklaverei  verfallen,  und  ihre  Herren  sind  daher 
berechtigt,  die  Guter  derselben  als  ihr  Eigentum  zu  nehmen".  Es 
folgen  dann  einige  mildernde  Bestimmungen.)  —  Es  ist  jedoch  noch 

55 


keinem  vemiinftigen  Juden  eingefallen,  die  Rechtsbegriffe  des  Christen- 
tums  als  solchen  unter  Hinweis  auf  diesen  unmifiverstandlichen  Aus- 
*pruch  des  St.  Thomas  von  Aquino  zu  beurteilen.  Vielmehr  schreibt 
der  jiidische  Gelehrte  Prof.  Hoffmann  (a.  a.  O.  S.  70) :  ,,Wir 
wollen  Thomas  von  Aquino  nicht  tadeln,  dafi  er  die  Juden  zur 
Sklaverei  verdammt  und  deren  Giiter  als  Eigentum  ihrer  Herren  er- 
klart.  Er  lehrt  eben  nach  den  Anschauungen  seiner  Zeit,  und  es 
ware  ungerecht,  einen  Kirchenlehrer  des  Mittelalters  nach  dem  Mafi- 
stabe  der  neueren  Rechtslehre  beurteilen  zu  wollen". 

Was  aber  haben  nicht  alles  die  Rohling-Justus-Ecker  (im 
19.  Jahrhundert)  in  das  jiidische  Gesetz  hmeininterpretiert !  —  Im 
Talmud-Tr.  Baba  bathra  Bl.  54,  S.  2  wird  der  Rechtsfall  erb'rtert, 
dafi  ein  Jude  von  einem  Nichtjuden  ein  Grundstiick  gekauft  und 
diesem  nichtjiidischen  Verkaufer  den  Kaufpreis  bezahlt 
hat;  nach  dem  nichtjiidischen  Gesetz  (so  nimmt  dort  der  Talmud 
an)  hat  der  Nichtjude  durch  den  Empfang  des  Kaufpreises  das 
Eigentumsrecht  am  Grundstiick  verloren.  Hin- 
gegen  hat  der  Jude,  gemafi  s  e  i  n  e  m  Rechtsgesetz,  mit  der  blofien 
Obergabe  des  Kaufbetrages  an  den  Verkaufer,  das  Grundstiick  n  o  c  h 
nicht  als  Eigentum  erworben.  Das  jiidische  Gesetz  macht 
namlich  die  Inbesitznahme  eines  gekauften  Gegenstandes  von  der 
Ausfertigung  einer  Kaufsurkunde  abhangig,  ahnlich  wie 
heute  die  ,,Auflassungserklarung"  verlangt  wird.  Wem 
gehort  also  das  Grundstiick  in  der  Zwischenzeit,  wo  der 
nichtjiidische  Verkaufer  gemafi  s  e  i  n  e  m  Gesetze  nicht  mehr 
—  der  jiidische  Kaufer  aber  noch  nicht  das  Grundstiick 
besitzt?  Sind  in  dem  behandelten  Falle  beide  Parteien  jiidisch, 
wird  die  Schwierigkeit  dadurch  vermieden,  dafi  mit  der  Ober- 
gabe des  Kaufbriefes  auf  der  einen  Seite  das  Besitzrecht  auf- 
gegeben  und  gleichzeitig  auf  der  andem  Seite  es  erworben 
wird.  Wenn  aber  der  Verkaufer  Nichtjude  ist,  dann  bleibt  das 
Grundstiick  in  der  Zwischenzeit  tatsachlich  —  herrenlos. 
Herrenloses  Gut  darf  sich  aber  nach  Talmudischem  Recht  jeder 
aneignen,  ,,es  gleicht  der  Wiiste".  Der  Talmud  macht  hier  auf 
eine  eigentiimliche  Folge  des  erwahnten  Rechtsfalles  aufmerksam,  ent- 
weder  blofi  zwecks  theoretischer  Erwagung,  wie  das  in  den  tal— 
mudischen  Diskussionen  so  oft  geschieht,  oder  auch  um  vor  solchen 
Folgen  zu  warnen.  Hierzu  bemerkt  der  christliche  Rechtsgelehrte 
Dr.  Kopp  (a.  a.  O.  S.  78)  :  ,,Nun  liebten  es  eben  die  jiidischen 
Rechtslehrer,  wie  die  aller  Volker,  Rechtssatze,  die  sich  aus  ihrem 
Systeme  ergaben,  in  die  knappe  Form  einer  Rechtsparb'mie,  d.  h. 
eines  juridischen  Sprichwortes  zu  kleiden".  Kopp  bringt  dann  Bei- 

56 


spiele  aus  dem  romischen  und  deutschen  Rechtssprachgebrauch  bei 
und  fahrt  fort:  ,,So  bildet  denn  der  Talmud  an  der  zitierten  Stelle 
aus  dem  dort  behandelten  Falle  ebenfalls  eine  Paromie,  welche 
lautet:  ,,Die  Giiter  des  Nichtjuden  sind  gleich  der  Wuste  (natiirlich 
in  dem  oben  erwahnten  Rechtsfalle) ,  d.  h.  gleich  dem  herrenlosen 
Gute.  Das  steht  aber  im  Talmud,  bei  Maimonides  und  im  Schulchan- 
Aruch  nicht  fiir  sich  allein,  sondem  als  kurze  Zusammen- 
fassung  des  oben  erzahlten  und  erlauterten 
Rechtsfalle  s"  (bei  Kopp  gesperrt  gedruckt) . 

Was  machen  denn  nun  die  Rohling,  Justus  und  —  unbewufit  — 
die  durch  sie  Irregefiihrten  aus  dieser  harmlosen  Stelle?  Sie 
schreiben :  der  Talmud  und  der  Schulchan-Aruch  erklaren,  dafi  das 
Gut  der  Christen  (!)  herrenloses  Gut  sei  und  der 
Jude  es  sich  aneignen  diirfe.  So  sieht  die  Justussche  Wahrhaftigkeit  aus, 
mit  welcher  man  gegen  die  ,,Morallosigkeit"  des  Talmud  zu  Felde 
zieht.  Dabei  scheinen  die  Talmudanklager  ganz  iibersehen  zu  haben, 
dafi  ja  doch  der  obige  Rechtsfall  so  liegt,  dafi  der  nichtjiidische 
Verkaufer  das  Kaufgeld  fiir  sein  Grundstiick 
bereits  empfangen  hat,  und  die  ,,Herrenlosigkeit  des 
Grundstiicks"  doch  nur  dem  Juden  zum  Schaden  gereichen  kann. 
Der  Jude  also  k  a  u  f  t  und  b  e  z  a  h  1 1  ehrlich  das  Grundstiick,  und 
nun  soil  fiir  den  Juden  das  Gut  des  Christen  herrenlos  sein!  Tut 
nichts  —  der  Talmud  wird  verbrannt.  Und  nun  hallt  es  in  den 
Gauen  Deutschlands  wider:  das  Gut  der  Christen  ist  nach  jiidischem 
Gesetz  herrenlos,  jeder  Jude  darf  es  sich  aneignen !  Dann  bringen  die 
Justus-Rohling  diese  Paromie  von  der  ,,Herrenlosigkeit  der  Giiter" 
mit  jenen  in  haggadischen  (predigtartigen)  Ausspriichen  vorkommen- 
den  Wendungen  des  Talmud,  wonach  den  u  n  t  e  r  der  noachidischen 
Stufe  stehenden  Volkern,  also  den  rohen,  kein  Gesetz  und  Recht 
achtenden  Heiden  ein  Besitzrecht  an  der  Erde  nicht  zuerkannt  werden 
sollte,  in  Verb  in  dung,  schmuggeln  dann  fiir  die  rohen  Heiden  die 
Christen  hinein  und  stellen  auf  solche  Weise  mit  ausgesprochener  Ge- 
schdcklichkeit  das  oben  erwahnte  Marchenvon  der  ,,H  e  r  r  e  n  - 
losigkeit  der  Christengiiter"  her.  Dieser  Kunst- 
griff,  der  schon  in  einem  alteren  antisemitischen  Werke  prangt, 
erschien  selbst  dem  sonst  judenfeindlichen  christlichen  Gelehrten 
Johannes  Wiilfer  (17.  Jahrhundert)  bedenklich.  Dieser 
widerlegt  in  seinem  Werke  ,,Theriaca  Judaica  ad  examen 
revocata"  (Niimberg  1681),  S.  86  f.  die  von  Christianus 
G  e  r  s  o  n  gegen  den  Talmud  (bezw.  Schulchan-Aruch)  er- 
hobene  Beschuldigung,  die  da  lautet:  ,,Der  Talmud  schreibt  in  Bava 
Bathra  Fol.  54:  Aller  Christen  und  Hey  den  Giiter  sind  Preis 


(preisgegeben) ,  wie  der  Sand  am  Meer,  und  wer  sie  bekommt, 
der  mag  sie  behalten"  und  schreibt  zum  Schlufi:  ,,Quod  igitur 
secundum  quid  dictum  erat,  id  bonus  Gerson 
simpliciter  dictum  accepit,  agniturus  procul  dubio, 
humani  se  quid  passum".  (S.  Hoffmann  a.  a.  O. 
S.  45  f.)  —  Und  das  nennen  die  Flugblattantisemiten  einen  ,,Kampf 
fiir  Wahrheit  und  Sittlichkeit!" 

Dafi  die  oben  besprochenen  Fremdengesetze  im  Verkehr  mit  den 
gesitteteren  Schichten  der  Heidenvolker  niemals  zur  Ausfiihrung  ge- 
langten,  verbiirgt  uns  der  oben  erwahnte  Satz:  ,,Ich  weiB  von  ihm, 
dafi  er  die  G  6  t  z  e  n  nicht  anbetet",  in  welchem  es  sich  sogar  um 
f  r  e  i  w  i  1 1  i  g  e  Zuwendungen  handelt. 

In  bezug  auf  das  praktische  Verhalten  der  Juden  der  alten  (tal- 
mudischen)  Zeit  zu  den  Heiden  erfahren  wir  aus  dem  Jerusalemischen 
Talmud  kennzeichnende  Falle.  Im  Anschlufi  an  das  Frem- 
dengesetz  betreffend  Wiederbringen  eines  Fundes 
wird  im  Traktat  Baba  mezia,  Abschnitt  II,  erzahlt,  dafi  dem  Simon 
ben  Schetach,  der  ein  Flachsgeschaft  betrieben  hat  und  selbst  die 
Flachsbiindel  zu  tragen  pflegte,  seine  Schiller  bei  einem  Sarazenen 
ein  Lasttier  kauften,  und  als  sie  am  Halse  des  Tieres  (nachdem  sie 
das  Tier  schon  zu  ihrem  Meister  gebracht  hatten)  eine  Perle  hangen 
sahen  (die  der  Sarazene  jedenfalls  vergessen  hatte),  zu  Simon 
ben  Schetach  also  sprachen:  ,Jetzt,  Rabbi,  hat  es  mit  deinen  Placke- 
reien  ein  Ende.  Siehe,  wir  kauften  einen  Esel  und  fanden  dieses 
Geschmeide",  worauf  jedoch  der  Rabbi  fragte:  ,,Wei6  der  (friihere) 
Eigentiimer  davon?"  und  auf  die  verneinende  Antwort  der  Schuler 
diesen  befahl:  ,,Tragt  den  Schatz  sofort  zuriick!"  —  Wozu  diese 
Erzahlung,  im  Talmud,  wenn  es  bei  Juden  und  noch  dazu  bei  einem 
so  frommen,  die  Religionsgesetze  gewissenhaft  erfiillenden  Mann,  wie 
Simon  ben  Schetach,  als  Verdienst  oder  auch  nur  als  erlaubt  ge- 
golten  hatte,  den  von  einem  Heiden,  einem  Sarazenen,  in  der 
Zeit  um  ungefahr  100  vor  Christi  Geburt  (denn 
Simon  ben  Schetach  lebte  in  jener  vorchristlichen,  heidnischen  Welt), 
verlorenen  Gegenstand  zu  behalten!  Und  wie  erklart  es  sich,  dafi  der 
Talmud  zu  dieser  Erzahlung  die  Bemerkung  hinzufiigt:  ,,Wohl  ist  es 
nach  dem  Gesetze  gestattet,  das  von  einem  Heiden  Verlorene 
zu  behalten;  allein  Simon  ben  Schetach  war  kein  Barbar  (d.  h.  kein 
Mensch,  der  in  solchem  Falle  auf  dem  Buchstaben  des  Gesetzes 
bestehen  wiirde).  Des  Heiden  Ausruf:  ,,Gepriesen  sei  der  Gott  der 
Juden!"  war  ihm  teuerer  als  alle  Schatze  der  Welt."  —  Ist  es  nicht 
offensichtlich,  dafi  der  Talmud  solchem  Verhalten  lobend  zustimmi, 
geht  dies  nicht  aus  dem  ganzen  Tone  der  Verhandlung  mit  einer 

58 


gegen  jede  Tiiftelei  gesicherten  Deutlichkeit  hervor.  1st  es  moglich, 
so  zu  schreiben  und  solche  Lehren  den  Geschlechtern  zu  iibermitteln, 
wenn  man  nicht  im  Herzen  davon  iiberzeugt  ist,  dafi  dies  das  rechte 
Verhalten  sei  und  fiir  den  Verkehr  mil  den  Heiden  richtunggebend 
sein  miisse! 

Aber  der  Talmud  erzahlt  dort  noch  mehrere  ahnliche 
F  a  1 1  e  aus  dem  Leben  der  Juden.  ,,Abba  Osija  aus  der  Stadt 
Turja  war  ein  Wascher.  Einst  fand  er  am  Flufi  (wo  er  wusch) 
ein  Geschmeide,  welches  eine  heidnische  Frau  verloren  hatte.  Er 
brachte  es  ihr  zuriick.  Da  sagte  die  Matrone:  ,,Was  brauche  ich 
das?  Ich  habe  von  dergleichen  Sachen  noch  schonere!"  Der  Rabbi 
Osija  aber  sprach:  ,,Die  Thora  befiehlt  uns,  das  Gefundene  zu- 
riickzugeben." 

Im  Midrasch  Jalkut  (aus  Tanna  debe  Elijahu),  einem  religiosen 
Lehr-  und  Erbauungsbuch,  welches  mit  Erzahlungen  aus  dem  Leben 
der  Talmudautoren  geschmiickt  ist,  wird  (Bd.  I,  504)  berichtet: 
,,Ein  Jude  betrog  einen  Nichtjuden  beim  Verkauf  von  Datteln,  indem 
er  ihm  in  der  Dunkelheit  falsch  mafi.  Von  dem  Erlose  kaufte  er 
einen  Krug  Ol  und  stellte  ihn  an  den  Ort,  wo  die  verkauften  Datteln 
waren.  Der  Krug  aber  barst,  und  das  Ol  rann  heraus,  worauf  der 
Talmud weise  ausrief:  ,,Gott  sei  gepriesen,  gepriesen  sei  Er,  bei  dem 
kein  Ansehen  der  Person  gilt,  denn  Raub  an  einem  Nichtjuden  ist 
Raub!"  So  in  einem  jiidischen  Erbauungsbuch  aus  altester  Zeit. 
Und  Dr.  Kopp,  dem  diese  Stelle  ebenfalls  bekannt  war,  fiigt  selbst 
hinzu  (a.  a.  O.  S.  69)  :  ,,Dieser  Satz  kehrt  an  verschiedenen  Stellen 
beider  Talmude  wieder."  Ist  ein  solcher  Ausruf  eines  hervorragenden 
Gesetzeslehrers  zum  Preise  Gottes  denkbar,  wenn  die  Juden  in  der 
Vorstellungssphare  gelebt  hatten,  dafi  man  dem  Heiden  Unrecht  zu- 
fiigen  diirfe  oder  gar  von  Religionswegen  zufiigen  solle?  Setzt  das 
nicht  rechtliches  Denken,  Treue  und  Wahrhaftigkeit  voraus,  setzt  das 
nicht  vor  allem  dieses  voraus,  daft  Gott  keinen  Gefallen  daran  hatte, 
wenn  man  den  Heiden  schadigen  wiirde!  Wie  hatte  denn  der  hoch- 
geachtete  jiidische  Gesetzeslehrer  es  sonst  wagen  diirfen,  das  Bersten 
des  Olkruges  geradezu  zu  einem  gb'ttlichen  Strafurteil  zu  stempeln? 

Als  ethische  Pflicht  wird  auch  im  Talmud  (Tr.  Gittin,  Bl.  61, 
S.  1)  gefordert:  ,,Man  ernahre  die  Armen  der  Heiden  gleich  den 
Armen  Israels,  besuche  die  Kranken  der  Heiden  gleich  den  Kranken 
Israels,  begrabe  die  Toten  der  Heiden  gleich  den  Toten  Israels, 
weil  das  die  Art  der  Friedfertigkeit  ist."  —  Im  Jerusalemischen 
Talmud  .(Gittin  V,  9)  wird  dieses  Gesetz  noch  naher  ausgefuhrt: 
,,In  einer  Stadt,  in  welcher  Heiden  und  Israeliten  zusammenwohnen, 
werden  israelitische  und  heidnische  Armenvorsteher  ernannt  und  sie 

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heben  Beitrage  ein  von  Heiden  und  Israeliten  und  man  emahrt  die 
heidnischen  Armen  wie  die  israelitischen  usf.  und  versorgt  die 
Braute  der  Heiden,  wie  die  der  Israeliten,  weil  dies  die  Art  der 
Friedfertigkeit  ist."  — 

14.  These:  Fiir  den  Talmud  gelten,    entsprechend  den 
Thorabestimmungen,  die  zeitgenb'ssischen  Volker  im  allgemeinen 
nicht     mehr     als     rohe     Heiden.        Theoretisch     be- 
handelt      der       Talmud       auch       jene       Gesetze,       welche 
gegeniiber  Volkem    mit    primitiver  Rechtspflege  gelten.      I  n 
der  Praxis  jedoch  verlieren  diese  Fremdengesetze  gemafs 
1     der  Anschaung  des  Judentums  von  der  stetigen  sittiichen  Ent- 
wicklung  der  Menschheit   allmahlich  ihre  Rechtsanwendung. 
Seit  dem  3.  Jahrhundert  biirgert  sich  in  der  Praxis  der  Juden 
immer  entschiedener  die  Rechtsnorm  ein:  Dina  die  malchutha 
dina  =  das  Gesetz  der  Regierung  ist  das  Gesetz. 
Nun  hatte  sich  —  so  konnte  man  meinen  —  mit  der  E  n  t  - 
stehung    des  Christentums    eine  sofortige    durchgreifende 
Wandlung  hinsichtlich  der  Gesetze   gegen  Andersglaubige  im  Tal- 
mud vollziehen  und   sich   durch  besondere  Erlasse  deutlich  aufiem 
miissen.    Jedoch  stellt  sich  nur  vollig  ungeschultes  und  ungeschicht- 
liches  Denken  die  Entwicklung  in  der  Weise  vor,  als  ware  in  einem 
bestimmten  Zeitpunkte    die  Menschheit  oder  auch  nur    der  Orient 
plotzlich    christlich     geworden.      Beachtet     man    namlich,     dafi     in 
alter    Zeit    vielfach    die    Herrscher    offiziell    das    Christentum    fur 
ihren  Staat  ubernommen  haben,  wahrend  die  Bevb'lkerung  nur  erst  all- 
mahlich mit  den  neuen  Lehren  vertraut  und  mit  den  neuen  sittiichen 
Anschauungen  erfullt   wurde,    so    wird   man   es   einsehen,    dafi  man 
von  einer  christlichen  Welt  und  von  einer  christlichen  Kultur  z  u  r 
Zeit    des  Talmud  im  allgemeinen  noch  nicht  sprechen  konnte. 
Die  geistige  und  sittliche  Entwicklung  der  Menschheit  vollzieht 
sich  n  i  e  m  a  1  s  in  plotzlichen,  Volker  und  Individuen  einheitlich  er- 
greifenden  Wendungen.    In  aufierordentlich  langsamem  Schritt  erfolgt 
die     Erneuerung     der     Nationen     und     Volkerverbande.      Darum 
ware     es     vollig     unhistorisch,      das     talmudische     Zeitalter 
unter     der     Formel     anzuschauen:     hie    Juden    —    hie    Christen. 
Es    darf    auch    nicht     iibersehen     werden,     dafi    die    Juden    nach 
dem    Zerfall   ihres    Staates    (i.    J.    70)    in   fremde   Lander   hinaus- 
wanderten,   wo  .das   Christentum  entweder  noch   gar   nicht  bekannt 
war  oder  sich  jedenfalls  noch  nicht  befestigt  hatte.  So  vor  allem  nach 
Babylonien  und  in  andere  Lander  Kleinasiens.    Die  nahere  Umgebung 
der  Talmudautoren  bildeten  in  friiheren  Jahrhunderten  Perser,  Syrier, 
Griechen,  spater  die  Romer,  in  Babylonien  die  Partner.     Das  waren 

60 


aber  keine  Christen.  Vor  den  Augen  der  Mischnah-Autoren,  die  in 
den  letzten  Jahrhunderten  v  o  r  Christi  Geburt  und  in  den  ersten 
christlichen  Jahrhunderten  lebten,  also  in  derjenigen  Zeit,  wo  fast  der 
gesamte  lehrsatzmafiige  Textteil  des  Talmud  verfafit  wurde,  stand 
den  Schriftgelehrten  bei  dem  Gedanken  an  Andersglaubige  in  vor- 
derster  Reihe  das  Bild  der  R  6  m  e  r.  ,,Z  erstreut,  geknechtet, 
derWillkiirpreisgegeben,  standen  die  Juden  zur  Zeit  der 
Entstehung  des  Talmud  unter  der  Herrschaft  von  Gb'tzendienern, 
deren  Gottesdienst  ihnen  ein  Greuel  war,  und  deren  sittlicher  Wandel 
ihnen  Verachtung  einflofite".  (So  schildert  die  Lage  der  Christ 
Dr.  Kopp  a.  a.  O.,  S.  140.) 

Wir  wollen  iiber  diesen  Punkt  auch  noch  den  oben  genannten 
protestantischen  Theologen  Professor  S  t  r  a  c  k  hb'ren.  In  seinem 
Werke  ,,Einleitung  in  den  Talmud"  (2.  Auflage,  1894)  schreibt  er 
(auf  Seite  47)  :  ,,So  ist  denn  imbabylonischenExil  das 
Schri  f  t  gelehr  tentum  entstanden  und  hat  .  .  . 
schoninEsra...einehoheStufederAusbildung 
e  r  1  a  n  g  t".  Das  babylonische  Exil,  von  welchem  Strack  hier 
spricht,  dauerte  von  586  —  5  1  6  vor  Christi  Geburt; 
der  von  Strack  genannte  Esra  wirkte  umdieMittedesS.  Jahr- 
hunderts  vor  Christi  Geburt  !  —  Ferner  heifit  es  dort  im 
Strackschen  Buche  in  einer  Anmerkung:  ,,Nach  jvidischer  Tradition 
wirkte  seit  Esra  ...  in  Jerusalem  ein  Kollegium  von  120  Mannern, 
dessen  Tatigkeit  teils  im  Abschlufi  der  heiligen  Literatur,  teils,  und 
das  hauptsachlich,  in  Durchfiihrung  und  Erhaltung  des  Gesetzes  und 
gesetzlichen  Lebens  bestanden  hat.  Die  Annahme  ...  ist  wohl 
wesentlich  aus  (Buch)  Nehemia  8 — 10  herausgesponnen ;  doch  nb'tigt 
die  spatere  Entwicklung  anzunehmen,  dafi  zur  Erfullung  der  ange- 
gebenen  Zwecke  irgendwie  organisierte  Krafte  in 
der  Zeit  zwischen  Esra  und  Jesu  Christo  tatig 
gewesen  sind".  —  Worin  die  Tatigkeit  dieser  jiidischen  Ge- 
lehrten  bestand,  ist  auf  derselben  Seite  bei  Strack  zu  lesen:  ,,Das  ge- 
schriebene  .  .  .  Gesetz  (d.  i.  die  Thora)  war  (mindestens)  seit  der 
Zeit  Esras  .  .  .  abgeschlossen:  nichts  konnte  hin- 
zugefiigt  oder  getilgt  oder  sonst  geandert  wer- 
d  e  n.  Doch  die  immer  neuen  Verhaltnisse  des  Lebens  erheischten 
immer  neue  Bestimmungen.  Solche  Satzungen,  Regeln  . .  . 
wurden  .  .  .  nach  Mafigabe  der  obwaltenden  Umstande  gegeben". 

Also  ist  nach  dem  Zeugnis  von  Strack,  der  sich  iibrigens  auch 
auf  den  christlichen  Theologen  Prof.  A.  K  u  e  n  e  n  beruft,  ein  Teil 
der  Gesetzgebung  der  jiidischen  Schriftgelehrten  bereits  in  der  Zeit 
zwischen  Esra  und  der  Entstehung  des  Christentums,  d.  h.  in  den 

61 


4 — 5   Jahrhunderten    vor    Christi  Geburt  geschaffen 
worden. 

Demnach  ist  es  ganz  unkritisch,    wenn  man    beliebige 
Ausspriiche     des     Talmud     iiber    Andersglaubige    auf     die 
Christen  bezieht.    Aber  auch  solche  Ausspriiche,  die  sich  in  spater 
entstandenen  Teilen  des  Talmud  finden,  diirfen  nicht  ohne  Priifung 
wahllos   auf   Andersglaubige   iiberhaupt,     also     auch    auf    die 
Christen,  bezogen  werden.    Diejenigen  Christen,  welche  in  der  Nahe 
der  Juden  lebten,  das  waren  die  Juden-Christen,  die  von  Juden  ab- 
stammten  und  von  ihrem  vaterlichen  Glauben  abgefallen  waren. 
Diese  galten  dem  Talmud  als  Ketzer.      (S.  dariiber  oben  S.  42.) 
15.   These:    Der  Talmud  kennt  nur  die  Judenchristen, 
diese  sind  fiir  ihn  Ketzer,  und  wenn  der  Talmud  sich  gegen 
diese  unfreundlich  zeigt,  so  beweist  dies  nicht  das  mindeste 
fur  das  Verhaltnis   zu   d  e  m  Christentum,   welches  mil  dem 
Heidentum   den   Kampf    aufgenommen   und   siegreich   durch- 
gefiihrt   hat.      Das   Christentum     als    Weltreli- 
g  i  o  n  ,  als  jene  geistige  Macht,  wie  sie  sich  in  hervorragenden 
Persbnlichkeiten,   insbesondere  in  den  europaischen   Denkern 
der  letzten  Jahrhunderte  darstellt,  istdemTalmudnoch 
ganzlich  unbekannt.     Bei  der  geistigen  Struktur  der 
jiidischen  Religion,  die  von  dem  Glauben  an  Gott  als  dem 
Schb'pfer  aller  Menschen  ausgeht  und  in  den  Glauben  an  die 
Menschheit   miindet,    die   in   jedem   sittlichen    Fortschritt   der 
Menschen  die  weitere  Auswirkung  des  Gbttlichen  auf  Erden 
begriifit,  konnte  das  fortschreitend  sich  veredelnde  Rechtsge- 
fiihl  der  Volker  wie  der  Einzelnen,  die  durch  das  Christen- 
tum gefb'rdert  wurde,  fiir  den  Juden  nur  die  Verpflichtung 
und  den  Ansporn  enthalten,  dieser  Entwicklung  der  also  fort- 
geschrittenen  Andersglaubigen  gerecht  zu  werden.     Der  Jude 
wiirde  seine  eigene  Religion  entwiirdigen,  wenn  er  in  ihrem 
Namen  einem  gesitteten  Menschen  oder  Volke  gegeniiber  sich 
zu  einer  Rechtsverletzung  befugt  halten  sollte.     Das  ist  es,  was 
der    Talmud    unter    ,,Entweihung    des    gbttlichen    Namens'* 
versteht. 

Wenn  die  Antisemiten  auch  dieses  edelste,  zur  Selbstverleugnung 
und  Selbstaufopferung  anspornende  Motiv,  um  der  Ehre  seines  Gottes 
willen  auch  die  harteste  Priifung  zu  bestehen,  —  wenn  sie  auch  dieses 
Motiv  durch  ihre  Verdachtigung  zu  erniedrigen  versuchen,  so  erinnem 
wir  an  die  Worte  in  dem  Evangelium  1 .  Petri  2,  12:  ,,Fiihrt  einen 
guten  Wandel  unter  den  Heiden,  auf  dafi  die  von  euch  Obelredenden, 
als  von  Obeltatern,  cure  guten  Werke  sehen  und  Gott 

62 


preisen,  wenn  es  nun  an  den  Tag  kommen  wird"; 
—  ferner  im  Evangelium  Matthai  5,  16:  ,,Lafit  euer  Licht  leuchten 
vor  den  Leuten,  dafi  sie  cure  guten  Werke  sehen  und  euern  Vater 
im  Himmel  preise n."  —  Wir  erinnem  auch  an  einen  Satz 
in  dem  Werke  des  christlichen  Heiligen  Thomas  von  Aquino 
(opera  XVI,  292),  der  da  lautet:  ,,Da  man  jedoch  auch  mil  denen, 
die  aufierhalb  der  Kirche  stehen,  anstandig  umgehen 
miisse,  damit  der  Name  des  Herrnnicht  entweiht 
we  r  de  .  .  ." 

Dieser  Begriff  der  Heiligung  bezw.  Entweihung  des  gottlichen 
Namens  stammt  aus  dem  Judentum.  1st  nach  altheidnischer  Vor- 
stellung  der  Waffensieg  ein  Zeichen  fiir  die  Oberlegenheit  des 
Nationalgottes.so  ist  nach  jiidischer  Auffasung  die  erobemde 
Macht  des  Geistes  und  der  Sittlichkeit  eine  Aus- 
wirkung  des  Gottes  der  Gesamtmenschheit.  Der 
Jude,  der  gegen  die  oben  entwickelten  Gesetze 
seiner  Religion,  dieja  doch  den  sittlichen  For  - 
derungen  der  kultivierten  G  e  gen  w  a  r  t  s  v  6  Iker 
entsprechen,  sich  vergeht^  tragt  zu  einer  f  a  1  - 
schen  Beurteilung  des  Judentums  bei.  Aber 
auch  diejenigen  Nichtjuden,  die  die  Vergehen 
einzelner  Juden  alien  Juden  zur  Last  legen 
raochten,  ja  sogar  die  Religion  der  Juden 
darob  ver  un  gl  i  mp  f  e  n  ,  mogen  ihrer  Religions- 
gebote  gedenken,  des  Wortes  des  Thomas 
von  Aquino,  dafi  man  ,,auch  mit  denen,  die 
au&erhalb  der  Kirche  stehen,  anstandig  um- 
gehen miisse,  damit  derName  des  Herrnnicht 
entweiht  werde  — ". 


63 


III.  Kapitel. 

Was  lehrt  der   Schulchan-Aruch  iiber  das  Ver- 
halten  der  Juden  zu  den  Nichtjuden? 

Die  gebrauchliche  Zusammenstellung  ,,Talmud  und  Schulchan- 
Aruch"  1st  geeignet,  in  dem  Laien  die  Vorstellung  zu  erwecken,  als 
sei  der  Schulchan-Aruch  ein  dem  Talmud  ebenburtiges  Werk,  etwa 
ein  kanonisches  (,,kirchlich  genehmigtes")  Buch.  Ein  solches  Ge- 
setzbuch  hat  aber  das  Judentum,  von  der  Thora  abgesehen,  uber- 
haupt  nicht  (s.  oben  S.  28) .  Der  Schulchan-Aruch  des  R.  Joseph 
K  a  r  o  ist  vielmehr  eine  der  vielen  Gesetzessammlungen,  \yelche 
von  jiidischen  Gelehrten  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  angelegt 
worden  sind.  Diese  Sammlungen  unterscheiden  sich  dadurch  vom 
Talmud,  dafi  sie  nicht  gelehrte  Erbrterungen,  sondem  eine  nach 
Themen  geordnete  Zusammenstellung  der  aus  dem  Talmud  wie  den 
spateren  Schriften  ausgezogenen  religions gesetzlichen  Bestimmungen 
darbieten. 

Das  erste  grbfiere  Werk  dieser  Art  ist  die  Mischneh  Thora 
(,,Wiederholung  der  Thora")  des  als  Philosoph  und  Naturwissen- 
schafder  beruhmten  Moses  Maimonides  (12.  Jahrhundert) . 
Eine  volkstumlichere  systematische  Darstellung  des  Gesetzesstoffes 
stammt  von  Jakob  ben  Ascher  (geb.  1283).  Er  teilte  seine  Samm- 
lung  (genannt  Turim  =  Reihenfolge)  in  4  Abteilungen  ein:  |1 )  Kul- 
tus,  2)  Ritualien,  3)  Ehegesetze,  4)  Recht.  Zu  diesen  Turim  schrie- 
ben  Joseph  Karo  und  Moses  Isserles  Kommentare.  Karo 
(geb.  1488)  entschloS  sich  zu  einer  selbstandigen  Bearbeitung  des 
Stoffes.  Er  behielt  die  Vierteilung  der  obengenannten  Turim  bei: 
Abteilung  I  Orach  chajjim  (=  Weg  des  Lebens),  II.  Joreh  deah 
(=  Weisung  der  .Erkenntnis) ,  III.  Eben  haezer  (=  Hort  der 
Hiilfe)  und  IV.  Choschen  hamischpat  (=  Schild  des 
Rechts).  Die  Abteilungen  sind  in  Kapitel,  diese  in  Abschnitte 
(Paragraphen)  und  weiter  in  Absatze  gegliedert.  Dieses  Werk  be- 
nannte  Karo  ,,Schulchan-Aruch"  (=  angerichteter  Tisch), 

64 


weil  es  dem  Lernenden  den  geistigen  Nahrungsstoff  in  geordneter 
Form  darbietet. 

Der  Schulchan-Aruch  ist  weder  ini  Auftrage 
irgendeiner  offiziellen  jiidischen  Korperschaft 
angefertigt,  noch  durch  eine  solche  approbiert 
(amtlichgenehmigt)  worden;  das  Judentum  besitzt  seit 
der  Aufhebung  seines  obersten  Gerichtshofs,  vor  etwa  1900  Jahren, 
iiberhaupt  keine  einheitliche  Hauptinstanz,  und  nur  seine  Gerichte 
und  eine  Art  politische  Vertretung  fiir  einen  Teil  der  Juden  bestanden 
noch  einige  Jahrhunderte  nach  dem  Untergang  Judaas.  Die  feier- 
liche  Ernennung  (Ordination)  der  religiosen  geistlichen  Fiihrer,  die 
zugleich  Richter  waren,  ist  bei  den  Juden  mangels  einer  geistlichen 
Zentralbehorde  bereits  im  4.  Jahrhundert  eingestellt  worden. 

So  tragt  der  Schulchan-Aruch  einen  vollig  privaten 
Charakter.  Seine  Ausbreitung  unter  den  Juden  verdankt  er  der 
leicht  fafilichen  systematischen  Darstellung  und  ubersichtlichen  Gliede- 
rung  des  Stoffes.  Durch  diese  Form  wird  es  auch  dem  nicht  vor- 
gebildeten  Fachgelehrten  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ermoglicht, 
einzelne  Vorschriften  nachzulesen  und  im  Zusammenhange 
mitdemGanzenzu  verstehen.  Die  Autoritat  des  Werkes  ist  aber 
wie  bei  jedem  andern  religionsgesetzlichen  Buche  der  Juden  keine 
unbedingte.  Nur  was  sich  als  dem  Geiste  der  Thora  gemafi  er- 
weist,  gilt  als  beglaubigt,  und  bei  jeder  wichtigeren  Frage  wird  aus- 
nahmslos  auch  heute  noch  auf  Maimonides,  auf  den  Talmud  und 
schliefilich  auf  die  Thora  zuriickgegriffen.  Darum  kann  von 
einer  absoluten  Verbindlichkeit  des  Schulchan- 
Aruch  garkeine  Redesein  ;  verbindlich  in  ihm  ist  nur  das- 
jenige,  was  schon  friiher  durch  allgemeine  Bestimmungen  der  Rabbinen 
als  giiltig  festgestellt  war,  oder  was  sich  allmahlich  eine  solche  Zu- 
stimmung  erwirbt  (s.  oben  S.  29). 

Diese  Tatsache  wird  schon  bestatigt  durch  die  aufiere  Gestalt 
des  Schulchan-Aruch-Textes.  Der  Schulchan-Aruch  ist, 
von  den  friihesten  Ausgaben  abgesehen,  seit  Jahrhunderten 
niemals  fiir  sich  allein  gedruckt  worden,  sondern 
stets  mit  den  den  einzelnen  Satzen  angefiigten,  oft  sogar  mitten  hinein- 
gestreuten  Erganzungen  und  Anmerkungen  des 
R.  Moses  Isserles.  Dieser  Gelehrte,  ein  jiingerer  Zeit- 
genosse  Karos,  hatte,  wie  oben  mitgeteilt,  ebenfalls  die  gemeinsame 
Vorlage,  namlich  die  Turim,  kommentiert,  hat  jedoch  iiber  unzahlige 
Vorschriften  eine  andere  Auffassung  als  Joseph 
Karo.  Nun  hat  man,  um  nicht  zwei  nebeneinander  laufende  und 
einander  oft  zuwiderlaufende  Sammlungen  bestehen  zu  lassen,  die 

5 

65 


zwei  Werke  —  Karo  und  Isserles  —  ineinander  gearbeitet,  dergestalt, 
dafi  der  Beitrag  des  alteren  Bearbeiters  (Karo)  als  Haupttext  er- 
scheint,  die  Zusatze  bezw.  die  zu  Hunderten  zahlenden  Wider- 
spriiche  des'  jiingeren  (Isserles)  aber  als  ,,Hagah"  (=  ,,An- 
merkung")  oder  (mit  einem  Wortspiel  auf  den  Haupttitel:  ,,An- 
gerichteter  Tisch")  als  ,,Mappah"  =  ,,Tischdecke",  zum  Ausdruck 
der  Zusammengehorigkeit,  bezeichnet.  Und  nun  schreibt  Isserles,  der 
nur  um  wenige  Jahrzehnte  jiingere  Mitverfasser  des  Schulchan-Aruch, 
selber  in  der  Vorrede  zu  seinen  Beitragen,  d  a  6  er  verhiiten 
wolle,  dafi  diejenigen,  die  den  Schulchan-Aruch 
studieren  oder  als  Gesetzbuch  gebrauchen 
wollen,  die  samtlichen  Gesetze  Karos  ,,als  von 
Moses  auf  Befehl  Gottes  n  i  e  d  e  r  ges  c  hr  i  eb  e  n  be- 
tr  a  ch  t  en". 

Zum  eigentlichen  Schulchan-Aruch  gehbren  aber  auch  nock 
andere  Kommentare,  die  teils  auf  die  alteren  Quellen,  insbesondere 
auf  den  Talmud  verweisen,  ohne  deren  Kenntnis  der  Geist  des  Ge- 
setzes  nicht  erfafit  und  keine  religionsgesetzliche  Entscheidung  ge- 
troffen  werden  kann  — ,  teils  eine  genauere  Erlauterung,  oft  auch 
eine  Entscheidung  zugunsten  Karos  bezw.  Isserles  enthalten.  Erst 
dieser  gesamte  Apparat  der  zwei  Texte  (Karo 
und  Isserles)  samt  den  wichtigsten  Kommen- 
taren  ,,B  e  e  r  haggolah"  und  ,,Magen  Abraham" 
u.  a.  m.  bietet  das  mafigebliche  religionsgesetz- 
liche Quellenbuch,  den  Schulchan-Aruch  in 
weiterem  Sinne. 

Wie  falsch  es  ware,  den  Schulchan-Aruch  Joseph  Karos  als 
endgultig  abgeschlossenes  Religionsgesetzbuch  zu  betrachten,  geht 
auch  daraus  hervor,  dafi  beispielsweise  ganze  Partien  des  Ab- 
schnitts  210  des  II.  Teiles  auf  Grund  einer  erst  um  die  Mitte  des 
19.  Jahrhunderts  von  einem  jiidischen  Gelehrten  verfafiten  Schrift 
ganzlich  revidiert  werden  mufi.  Obrigens  hat  Justus  selbst  ,,in  einem 
unbewachten  Augenblicke"  die  Tatsache  richtig  dargestellt;  er 
schreibt  (4.  Aufl.  S.  29)  :  ,,D  ie  Kommentare  haben  auch 
zu  kr  i  t  i  s  i  er  e  n  ,  wo  sie  G  e  gen  b  e  wei  s  e  1  i  e  f  e  r  n  . . . 
Ein  Jude,  der,  ohne  aus  der  Kritik  hergenommene  Griinde .  .  .  den 
Schulchan-Aruch  nicht  befolgt . .  .  wird  verdammt".  Also :  erst  die- 
jenigen Gesetze  des  Schulchan-Aruch  haben  nach  dem  Urteil  selbst 
des  Hauptgewahrsmannes  der  Antisemiten  Giiltigkeit,  welche  der 
Kritik  standhalten.  Ganz  recht !  Von  dieser  Kritik 
werden  aber  in  einem  bestimmten  Sinne  gerade 
diejenigen  Gesetze  betroffen,  welche  sich  auf 

66 


Andersglaubige  beziehen.  Denn  je  starker  die  Kultur 
die  Menschheit  durchdringt,  um  so  mehr  miissen  die  aus  der  Thora 
stammenden  Fremdengesetze  g  e  m  a  £  den  Bestimmungen 
der  Thora  ihre  praktische  Gultigkeit  einbiifien,  u  n  d  u  m  so 
mehr  werden  die  Kommentare  Gelegenheit 
haben,  auf  dieseVeranderung  hinzuweisen. 

Nunmehr  ist  es  d  urch  s  i  ch  t  i  g  ,  weshalb  die 
wissenschaftlichen  Gewahrsmanner  der  Antise- 
miten  ihrem  Leserkreise  immer  wieder  mil  auf- 
dr  in  gl  ich-  geraus  ch  vollem  Nachdruck  ver- 
sichern,  d  a  6  der  S  chu  1  cha  n  -  Ar  u  c  h  bis  auf  den 
heutigenTag,,dasgiiltigeGesetzbuch"derJuden 
s  e  i.  Auf  diese  Weise  gelingt  es  namlich,  Vorschriften  der  jiidischen 
Religionsgesetzbiicher,  welche  ganz  andere  als  christlich  gesittete 
Kulturzustande  vor  Augen  haben,  als  gegend'ie  Christen 
gerichtet  erscheinen  zu  lassen,  zumal  da  die  Kommentare,  die 
dazu  bestimmt  sind,  die  Gesetze  zu  erlautem  und  auf  das  gegen- 
wartige  Leben  einzustellen  uridso  jedes  Mifiverstandnis 
zu  verhiiten,  von  den  antisemitischen  Gewahrs- 
manner n  einfach  totgeschwiegen  werden! 

Dafi  der  Karosche  Schulchan-Aruch  dort,  wo  er  von  Anders- 
glaubigen  spricht,  durchaus  nicht  iiberall  die  Christen  gemeint  haben 
k  o  n  n  t  e  ,  erkennt  schon  jeder  Laie  daran,  dafi  der  Schulchan-Aruch 
wiederholt  ausdriicklich  von  Fetischdienst  und  sonstigen  Formen  des 
Gotzenkultus  redet,  die  es  heute  in  gesitteten  Landem  uberhaupt 
nicht  gibt.  Dafi  der  Schulchan-Aruch  solche  auf  die  Gotzenanbeter 
der  alten  Zeit  sich  beziehende  Bestimmungen  mitaufgenommen  hat, 
geschieht  aus  dem  Grunde,  um  in  seiner  Gesetzessammlung  die  Kon- 
tinuitat,  die  Zusammenhange  und  Wandlungen  der  Zeiten  hervor- 
zuheben  und  auch  deshalb,  weil  die  Juden  iiberallhin  verstreut  sind 
und  auch  jetzt  noch,  mehrere  Jahrhunderte  nach  Abfassung  des 
Schulchan-Aruch,  zu  einem  Teile  in  Landern  leben,  wo  der  Mono- 
theismus  noch  nicht  herrschend  ist,  wohin  weder  das  Christentum 
noch  der  Islam  bisher  zu  dringen  vermochte.  Und  wer  vermag  es 
heute  vorauszusagen,  wohin  die  Juden  noch  iiberall  versprengt  werden 
konnen ! 

Hier  einige  Beispiele,  zum  Belege  dafiir,  dafi  der  Schulchan- 
Aruch  wiederholt  vom  tatsachlichen  Gotzendienst  handelt:  Ab- 
teilung  I,  ,,Kapitel  iiber  die  Schaufaden"  (vgl.  IV.  B.  Mos.,  Kap.  1  7), 
§  11,  Abs.  8,  heifit  es :  ,,W  ird  mit  einem  Tiere  Ab- 
gotterei  getrieben,  so  ist  dessen  Wolle  zu  Schaufaden  un- 
verwendbar ;  wird  mit  Flachs,  welcher  noch  wurzelt,  Abgotterei 

5* 

67 


getrieben,  so  ist  er  zu  Schaufaden  wohl  verwendbar."  — 
Sch.  Ar.  I,  §  224,  1  :  ,,Wer  eine  M  e  r  k  u  r  -  (Hermes-)  Statue 
erblickt,  preise  Gott,  der  Langmut  zeigt"  (gegeniiber  dem 
Gotzendienst;  nach  Talmud-Traktat  Sanhedrin  Bl.  70,  S.  I, 
wo  zu  entnehmen,  dafi  diese  Statue  lange  Zeit  hindurch 
als  Gotzenbild  verehrt  wurde).  —  Sch.-Ar.  Abt.  I,  Kapitel  iiber  den 
Pflanzenstraufi  am  Hiittenfeste,  §  649,  Absatz  3:  „.  .  .  stammen  die 
Pflanzen  aus  einer  Ascheta  (ein  als  heilig  verehrter  Baum) ,  so  diirfen 
sie  nicht  gebraucht  werden".  —  Sch.-Ar.  V,  Abt.  II,  Kapitel  iiber 
rituelle  Schlachtung  der  Tiere,  §  4,  Abs.  1 — 7:  ,,Wenn  jemand  die 
Schlachtung  in  gotzendienerischer  Absicht  (um  dem  Gotzen  ein 
Opfer  darzubringen)  vollzieht,  so  darf  das  betreffende  Tier  nicht 
(vom  Juden)  verwendet  werden .  .  .  wenn  jemand  Himmels-  und 
Erdkorpern,  Bergen,  Hiigeln,  der  Sonne,  dem  Monde,  den  Sternen, 
Meeren  und  Fliissen  zu  Ehren  eine  Schlachtung  vornimmt,  so  ist  diese 
ungiiltig  (das  Tier  zum  Essen  verboten) .  Wenn  Mohammedaner  dem 
Israeliten  nicht  anders  ein  Tier  zu  schlachten  erlauben,  als  nur  wenn 
er  (der  Israelit)  die  ,,Kibla"  dabei  vornimmt  (die  Hinwendung  nach 
dem  vom  Islam  verehrten  Orte  Mekka),  so  ist  das  nicht  mil  der 
Schlachtung  zur  (gotzendienerischen)  Ehrung  eines  Berges  zu  ver- 
gleichen  .  .  ."  —  In  den  §§  139,  141,  142,  |145.  146,  155  und  156 
ist  die  Rede  von  gbtzendienerisch  verehrten  Hainen,  Bergen,  Hausem, 
Steinen,  Tieren,  Vogelbildern,  Drachen,  Himmelskorpem,  Merkur 
(Hermes),  sogar  von  dem  Gotzen  Peor,  der  von  dem  alten  Stamm 
Moab  verehrt  wurde  und  an  dessen  Kultus,  wie  vermutet  wird,  ein 
Rest  in  der  Nahe  von  Jerusalem  noch  erinnert  hat.  Und  §  1  79  handelt 
von  Totenbeschworern,  Magiern  und  Schlangenbandigern  (vgl.  Hoff- 
mann, a.  a.  O.  S.  1 40) .  Diese  Gesetze  sind  aus  dem  Talmud,  viel- 
fach  aus  dessen  altesten  Teilen,  in  den  Schulchan-Aruch  ubemommen 
worden,  ohne  Riicksicht  darauf,  ob  und  wo  dieser  Gotzendienst 
aoch  getrieben  werde. 

Um  einen  klaren  Einblick  in  die  Methode  zu  gewahren,  wie 
der  Verfasser  des  Schulchan-Aruch  auf  entschwundene  heidnische 
Zeiten  zuriickgegriffen,  der  fast  gleichzeitig  entstandene  erganzende 
Kommentar  aber  auf  die  veranderten  Kulturverhalt- 
n  i  s  s  e  verweist,  um  eine  andere  Entscheidung  zu  fallen, 
fuhren  wir  die  Bemerkung  des  Isserles  zu  einer  der  oben  erwahnten 
Vorschriften  an.  Der  Verfasser  des  Schulchan-Aruch  schreibt 
I  §  224,  1,  dafi  man  die  obige  Benediktion  beim  Anblick  der 
Merkur-Statue  spreche,  Isserles  aber  fiigt  hinzu:  ,,Aber  heut- 
zutage  ist  es  nicht  notig,  eine  solche  Benediktion  zu  sprechen, 
da  wir  doch  solche  Statuen  ...  immerfort  sehen", 

68 


d.  h.  (wie  die  Kommentare  erklaren)  von  Kindheit  auf  an  ihrea 
Anblick  gewohnt  sind  und  die  Gefahr  religioser  Beeinflussung 
nicht  bestehe. 

Diese  Tatsache,  dafi  im  Schulchan-Aruch  eine  reiche  Anzahl  von 
Vorschriften,  die  ausschliefilich  auf  den  r  o  h  e  • 
Fetischdienst  passen,  ohne  besondere  Einschrankung  hin- 
sichtlich  der  Gegenwart  sich  findet,  haben  die  ,,wissenschaftlichen" 
Gewahrsmanner  der  Antisemiten  verschwiegen.  Und  andererseits 
fiihren  sie  Ausnahmebestimmungen,  die  sich  gegen  unkuldvierte 
Stamme  richten,  ohne  die  einschrankenden  Bemer- 
kungen  der  Kommentare  zu  erwahnen,  an,  welche 
ungefahr  ebenso  lauten  wie  bei  der  Vorschrift  betreffend  die  Merkur- 
statue:  ,,A  berheutzutage  ist  das  nicht  mehr  giilti  g". 

Waren  aber  auch  jene  kultuellen  Bestimmungen,  die  den  Fetisch- 
dienst voraussetzen,  dem  Schulchan-Aruch  nicht  einverleibt  worden, 
so  wufiten  wir  dennoch  selber  aus  der  ganzen  Verfassung 
der  jiidischen  Religion,  die  wir  bereits  oben  gekennzeichnet  haben, 
die  Folgerung  zu  ziehen,  dafi  mit  dem  Fortschritt  von  Kultur  und 
Gesittung  die  Anwendung  der  alien  Fremdengesetze,  die  gegen  die 
Heiden  erlassen  worden  sind,  selbstverstandlich  schon  im  Geiste  der 
Thora  nicht  einmal  auf  Noachiden,  geschweige  auf  die  Christen  be- 
zogen  werden  diirften. 

Man  braucht  ja  blofi  Gesetzesparagraphen  wie  den  folgenden 
(Schulchan-Aruch,  IV,  §  249,  2,  Haupttext)  zu  lesen:  ,,E  i  n  e  m 
Gotzendiener,  der  nicht  Ger  toschab  ist  (d.  h.  der 
dem  rohen  Heidentum  noch  nicht  entsagt  hat)  darf  man  nicht  Ge- 
schenke  machen,  aufier  wenn  es  ein  Bekannter  ist,  oder  wenn  es  die 
Riicksichten  auf  das  friedliche  Zusammenleben  fordern".  Das  ist 
eines  der  oben  genannten  Fremdengesetze  (s.  S.  50).  Hier  ist  die 
Fassung  deutlich :einNichtjude,  der  noch  nicht  auf 
derStufedesGertoschab  (=  des  Noachiden)  steht. 
Das  Gesetz  wird  aber  (ebendort)  aufier  Kraft  gestellt,  sobald  man 
den  Betreffenden  kennt,  d.  h.  die  personlichen  Beziehungen  es  ge- 
statten  (s.  oben  S.  44),  oder  wenn  das  friedliche  Zusammenleben 
durch  solch  freundschaftliches  Verhalten  gefbrdert  werden  konnte,  denn 
dies  letztere  (darche  schalom)  ist  selbst  ein  Zeichen  und  ein  Ziel  der 
wahren  Kultur. 

Zwischen  der  Entstehungszeit  des  Talmud  und  der  Abfassungs- 
zeit  des  Schulchan-Aruch  liegen  die  Jahrhunderte,  im  Laufe  welcher 
sich  das  Christentum  ausgebreitet  und  befestigt  hat.  Darum  haben 
sich  die  jiidischen  Gesetzeslehrer  in  den  spateren  Jahrhun- 


d  e  r  t  e  n  deutlich  iiber  ihre  Auffassung  vom  Christentum  und  ihre 
Stellung  zu  den  Christen  geaufiert. 

Prof.  Hoffmann  fafit  die  beziiglichen  Entscheidungea 
der  grofien  Autoritaten  friiherer  Jahrhunderte  wie  folgt  zusammen 
(a.  a.  O.  S.  1 45  ff.)  :  „.  . .  Zum  Glauben  an  die  Einheit  Gottes  wird 
der  Nichtjude  nicht  verpflichtet .  . .  Somit  ist  nach  der  jiidischen 
Lehre  der  Glauben  an  die  Einheit  Gottes  ein  Gebot,  zu  dem  n  u  r  die 
Israeliten  speziell  von  Gott  verpflichtet  wurden.  Wohl  halten  wir 
unsern  Glauben  fiir  die  absolute  Wahrheit;  allein  die  jiidische  Tra- 
dition sagt,  der  Nichtjude,  der  diese  Wahrheit  nicht  anerkennt, 
begeht  keineSiinde,  denn  er  hat  nicht,  wie  der  Israel  it,  von  seinen 
Vatern  diese  Wahrheit  als  T  r  a  d  i  t  i  o  n  empfangen.  Den  Nichtjuden 
ist  aber  blofi  die  ganzliche  Verleugnung  des  Weltschopfers,  die  An- 
nahme  zweier  oder  mehrerer  gleicher  und  voneinander  getrennter  gott- 
licher  Prinzipien,  die  Verehrung  der  GeschopTe  anstatt  des  Schopfers, 
wie  Menschendienst,  Gestimdienst  usw.  untersagt,  und  dies  ist  das 
Verbot  des  Gotzendienstes,  welches  die  jiidische  Tradition  unter  den 
sieben  Noachidischen  Geboten  aufzahlt.  Nun  wird  von  den  allermeisten 
Rabbinen  die  christliche  Gottesverehrung  zwar  als  ,,Schittuf"  (Bei- 
gesellung  irgendeines  andern  Wesens  in  gbttlicher  Verehrung),  aber 
nicht  als  die Abodah  zarah  bezeichnet,  welche  auch  fiir  die Noachiden 
verboten  wurde.  Es  gilt  den  jiidischen  Religionscodices  als  Axiom, 
dafi  die  Christen  Gott,  den  Schopfer  des  Himmels  und  der  Erde, 
verehren,  dafi  ihr  Gottesbegriff  nur  ,,Schittuf"  (Beigesellung)  sei  und 
nicht  dem  des  israelitischen  Glaubens  entspreche.  Daher  erklarten 
die  Tosaphoth  (Sanhedrin  63b,  Megillah  28a  und  Bechoroth  2b), 
R.  A  s  c  h  e  r  (zu  Sanhedrin,  Abschn.  7) ,  R.  I  s  a  a  k  (zitiert  von 
'R.  Jerucham  XVII,  5,  l159c)  und  R.  Mose  Is  series  im 
Sch.-Ar.  O.  Ch.  156,  dafi  es  dem  Juden  gestattet  sei,  sich  von  einem 
Christen  einen  christlichen  Eid  schworen  zu  lassen  .  .  .  Den  Juden 
ist,  wie  gesagt,  der  Glaube  an  die  Einheit  Gottes  streng  geboten,  und 
dessen  Verleugnung  gilt  fur  ihn  als  Todsunde,  wie  Gotzendienst.  Wenn 
also  ein  geborener  Jude  sich  zu  einem  Glauben  bekennt  oder  einen 
Kultus  iibt,  der  mit  der  Lehre  von  der  absoluten  Einheit  Gottes  im 
Widerspruch  ist,  so  wird  dies  ihm,  demjuden,  als  Abgotterei, 
als  Gotzendienst  angerechnet ...  subjektiv  fiir  den  Juden 
ist  es  Abodah  zarah,  nicht  aber  objektiv  (fur  den 
Nichtjuden)."  — 

Nach  dem  ehemen  Grundsatze  der  Thora,  der  sich  in  dem  Bilde 
von  dem  Bunde  Gottes  mit  Noah  spiegelt,  dafi  Rechts-  und  Ver- 
antwortungsgefuhl  die  Grundlage  eines  hoherwertigen  Lebens  sind, 
miissen  die  Bekenner  des  Christentums,  das  eine  hohere  Stufe  als 

70 


die  der  Noachiden  darstellt,  notwendigerweise  in  bezug  auf  das 
rechtliche  Verhallnis  als  vollig  gleichberechtigt  mil  den  Be- 
kennem  des  Judentums  erachtet  werden.  Nach  dem  alien,  aber 
fiir  das  Judentum  ewig  giiltigen  jiidisch-religibsen  Rechtsbegriffe,  der 
oben  dargelegt  worden  ist,  wachsl  aber  die  Rechts  verpflich- 
t  u  n  g  gegen  die  umwohnenden  Menschen  und  Vblker  um  so  mehr, 
je  mehr  Sittlichkeit  in  deren  Bekenntnis  und  in  deren  Rechtsprechung 
enthalten  ist.  Und  darumerklarenwir  f  e  i  e  r  1  i  c  h  :  Es 
ist  ein  Ab  er  g  1  a  u  b  e  ,  d  a  6  die  jiidische  Religion 
die  Christen  mit  jenen  alien  Gblzendienern  auf 
die  gleiche  Slufe  geslelll  halle,  von  denen  schon 
der  Talmud  vor  1 800  Jahren  erklarl  hal,  d  a  6  sie 
aus  den  damaligen  Kullurlandern  geschwunden 
w  a  r  e  n  — ,  d  a  6  der  Talmud  oder  der  Schulchan- 
Aruch  oder  irgendein  sonsliges  ernsl  zu  n  eh  men  - 
des  jiidisches  Geselzbuch  die  Chrislen  auf  eine 
niedrigere  Slufestellt  als  die  Noachiden,  als 
welche  dem  Judenlum  schon  alle  gesilleten 
Volker  gallen,  die  vor  2000  Jahren  leblen,  —  ein 
Aberglaube,  weil  ja  doch  Chrislenlum  ohne 
Goll,  ohne  Silllichkeil  und  ohne  Rechlsord- 
nungundenkbarisl,  dieseZiige  abernachjiidisch- 
r  el  i  g  i  6  s  e  r  A  u  f  f  a  s  s  u  n  g  gerade  die  wesenhaflen 
Merkmale  der  Gesillung  bilden,  und  weil  doch 
das  dem  Judenlum  bis  auf  den  heuligen  Tag 
heilige  Buch,  aus  welchem  alle  Rechlsgrund- 
salze  der  jiidischen  Religion  slammen,  die 
Thora,  auch  dem  Chrislenlum  unler  dem  Namen 
,,A  lies  Teslamenl"  als  heilig  gill  —  ein  Aberglaube 
endlich,  weil  die  kultivierten  chrisllichen  Vblker  den  u  n  I  r  u  g  - 
lichen  Beweis  fiir  ihr  Rechlsempfinden  mil  einer  Tal  gegeben 
haben,  die  der  Jude  am  allerwenigslen  iibersehen  kann,  weil  er  sie  an 
sich  selbst  erfuhr,  einer  Tal,  die  fiir  das  Judenlum  die  schbnsle 
Auswirkung  der  Gesitlung  ist,  namlich  mit  der  —  rechtlichen 
Gleichstellung  der  Juden. 

Wxifite  ein  auf  einer  fernen  Insel  wohnender  jiidischer  Religions- 
gelehrter  nichls  vom  Chrislenlum,  wiirde  er  nie  gehorl  haben  von 
einem  Kanl  und  einem  Lessing,  einem  Herder  und  einem  Humboldl, 
einem  Delilzsch  und  einem  Foersler  —  um  nur  einige  wenige  Namen 
zu  nennen  — ,  hatte  er  nur  dieses  eine  vemommen,  die  europaische 
Kullur  stelle  die  Forderung  der  Gleichberechligung  aller  Staatsbiirger 
auf;  er  wiirde  diese  ihm  vollig  unbekannlen  europaischen 

71 


Volker  im  Geiste  der  jiidischen  Religion 
mindestens  ads  Noachiden  bezeichnen  m  ii  s  s  e  n  ,  deren  Schadi- 
gxing,  Hintergehung,  Obervorteilung  thorawidrig,  judentums- 
wichtig  ist.  Das  alles  ist  das  unumstoBliche  E  r  - 
gebnis  der  oben  dargelegten  Thesen  der  jiidi- 
s  c  h  e  n  Religion.  Er  wiirde  nicht  etwa  blofi  aus  Dankbarkeit 
so  urteilen,  aus  Dankbarkeit  etwa  fur  die  rechtliche  Gleichstellung 
der  Juden,  sondern  weil  nach  urjiidischer  und  e  w  i  g  - 
jiidischer  religioser  Oberzeugung  das  Gewahren 
der  Gleichberechtigung  an  Fremde,  gleichviel  ob  diese 
Fremden  Juden  oder  Neger  sind,  der  zuver- 
lassigste  Mafistab  fur  den  Grad  der  Gesittung 
ist.  Gerade  dieses  ist  es  dochi,  was  wir  Juden 
anunsererThorabegeistertruhmen.dafisievor- 
schreibt,  die  Fremden  gr  un  d  s  a  t  zl  i  c  h  den  Ein- 
heimischenrechtlichgleichzustellen.  Und  das 
Judentum  sollte  in  Wirklichkeit  an  den  gesitte- 
ten  Volkern  der  Gegenwart  das  gleiche  Ver- 
fahren,  namlich  d  a  £  sie  die  Juden  zu  Einhei- 
mischen  machen,  von  Re  1  i  g  i  o  n  s  w  e  gen  nicht  zu 
achten  brauchen?  Das  ist  ein  W  ahngedanke.  Die 
Juden  selbst  mil  ihrem  Rechtsgenufi  in  den  Kul- 
turlandern,  sind  die  lebendigen  Zeugen  des  ver- 
edelten  Rechtsbewufitseins  der  heutigen  Kultur- 
v  6 1 ker ! 

Rohling  und  Justus-Brimann  wufiten  schon  recht  gut,  wozu 
sie  ihrer  Gemeinde  vor  allem  dieses  Dogma  einhammern  miiSten,  dafe 
a  1 1  e  Paragraphen  des  Schulchan-Aruch  (also  auch  diejenigen,  welche 
offenkundig  Gotzendiener  betreffen) ,  sich  auf  die  Christen 
b  e  z  i  e  h  e  n.  Dieser  Punkt  mufite  verschleiert  und,  wie  im  nachsten 
Kapitel  nachgewiesen  werden  soil,  auch  sonst  noch  manches  Kunst- 
'stiick  mit  dem  Text  vorgenommen  werden,  dann  war  der  Plan  gegen 
das  Judentum  geniigend  gestiitzt. 

Die  jii.dischen  Gesetzeslehrer  haben  aber 
ihre  hohe  Meinung  vom  Christentum,  nicht  erst 
nach  erfolgter  rechtlicher  Gleichstellung  sich 
g  e  b  i  1  d  e  t ,  sondern  schon  zu  einer  Zeit,  wo  sie  selbst  noch  geachtet 
und  geknechtet  waren,  wo  sie  selbst  noch  in  finstere  Ghetti  gesperrt, 
mit  einem  besonderen  Leibzoll  bedacht  und  mit  einem  schmutzigen 
Abzeichen  am  Kleide  gebrandmarkt  wurden.  Unsere  gelehrten  Vor- 
fahren  haben  die  Mafinahmen  einzelner  christlicher  Machthaber  und 
Stadtvogte  nicht  mit  dem  Christen  t  u  m  verwechselt  und  haben  die 

72 


Untaten,  welche  e  i  n  z  e  1  n  e  Christen  an  ihnen  veriibt  haben,  nicht 
alien  Christen  zur  Last  gelegt. 

Wir  fuhren  in  den  folgenden  Zeilen  einige,  meistens  in  religions- 
gesetzlichen  Abhandlungen  vorkommende  Aufierungen  der  hervor- 
ragendsten  Autoritaten  der  Juden  des  friihen  Mittelalters  bis  zur  Neu- 
zeit  iiber  die  Andersglaubigen  an. 

Der  TannadebeElijahu  (10.  Jahrhundert)  lehrt:  ,,Zum 
Zeugen  rufe  ich  an  Himmel  und  Erde!  Ob  es  ein  Israelit  oder 
ein  Anbeter  der  Gestirne,  ein  Mann  oder  ein  Weib,  ein  Sklave  oder 
eine  Sklavin  ist;  —  fiir  alle  gilt:  ,Je  nach  der  Tat,  die  sie  vollbringen, 
ruht  auch  der  heilige  Geist  auf  ihnen"  (Rabba,  Abschnitt  IX). 
Femer:  „  .  .  .  Deshalb  sagfen  unsere  Weisen:  Der  Mensch  halte  sich 
fern  vom  Raube,  sei  es  beim  Israeliten,  sei  es  beim  Nichtisraeliten  .  .  . 
weil,  wer  einen  Nichtisraeliten  bestiehlt,  gleich  dem  ist,  der  einen 
Israeliten  bestiehlt;  wer  einem  Nichtisraeliten  einen  Eid  leistet,  gleich 
dem  ist,  der  einem  Israeliten  einen  Eid  leistet;  wer  einem  Nicht- 
israeliten etwas  ableugnet,  gleich  dem  ist,  der  einem  Israeliten 
etwas  ableugnet;  wer  das  Blut  eines  Nichtisraeliten  vergiefat,  gleich 
dem  ist,  der  das  Blut  eines  Israeliten  vergiefit  (Rabba  Kap.  XXVIII). 

R.  Moses  aus  Coucy  (Ende  des  1 2.  Jahrhunderts)  be- 
lehrt  uns:  ,,Diejenigen,  die  liigenhaft  sind  gegen  Andersglaubige  .  .  . 
gehoren  zu  der  Klasse  derjenigen,  die  den  Namen  Gottes  entweihen, 
weil  sie  Schuld  sind,  dafs  man  von  den  Juden  sagt,  sie  waren  ohne 
Gesetz"  ...  —  ,,Man  darf  in  Handel  und  Wandel  keinen  Menschen, 
ohne  •  Unterschied,  betriigen  oder  mil  Worten  tauschen."  (Sefer  miz- 
woth  haggadol.) 

R.  Ascher  ben  Jechiel  (13.  Jahrhundert)  setzte  in  sein 
Testament  u.  a.  die  Worte  hinein:  ,,Bleibe  dankbar  jedem,  der  dir 
zu  deinem  Brote  verholfen;  sei  aufrichtig  und  wahr  gegen  jedermann, 
auch  gegen  Nichtjuden;  griifie  jeden  zuerst  ohne  Unterschied  des 
Glaubens". 

R.  IsaakAboab  (13.  Jahrhundert)  :  ,,Es  gibt  Menschen, 
welche  ihre  Nebenmenschen  tauschen,  indem  sie  ihnen  vorreden,  dafi 
sie  ihnen  einen  Gefallen  getan  hatten,  wahrend  dieses  gar  nicht  ge- 
schehen  ist;  in  solcher  Beziehung  sagen  unsere  Rabbinen:  Man  darf 
auf  keine  Weise  die  Menschen  tauschen,  selbst  die  Heiden  nicht" 
,,  .  .  .  Jede  Art  von  Tauschung  wird  dem  Gotzendienste  gleich- 
geachtet"  (Menorath  hammaor  Kap.  II  und  HI). 

R.  Bechaib.  Ascher  (13.  Jahrhundert)  ,,Gerechtigkeit, 
Gerechtigkeit  sollst  du  anstreben!  dieses  Gebot  aus  V.  Buch 


Mos.  1 6,  20  gilt  in  gleicher  Weise  gegeniiber  Juden  und  Nichtjuden" 
(Kommentar,  Abschnitt  Behar,  Ausg.   1870,  S.  17). 

R.  JechielbenJekuthielausRom  (13.  Jahrhundert) 
sagt  in  seinem  ..Sittenbuche"  u.  a.:  ,,Seid  demiitig  und  bescheiden! 
.  .  .  Die  Demut  erfordert  Unrecht  leiden  ohne  Wiedervergeltung, 
den  Zorn  bandigen  und  mit  dem  Nachsten  in  Frieden  leben.  Solches 
Verhalten  mufi  auch  gegen  Nichtjuden  betatigt  werden"  .  .  .  ,,Seid 
ehrlich  selbst  mit  Worten,  wie  unsere  Weisen  sagen:  euer  Ja  sei  ja, 
euer  Nein  sei  nein.  Solltet  ihr  aber  meinen,  ihr  waret  Ehrlichkeit  nur 
den  Juden  schuldig,  weil  er  sich  gegen  euch  briiderlich  betragt,  so 
haben  gegen  solche  Meinung  bereits  unsere  Lehrer  mit  der  Mahnung 
vorgesorgt:  Es  ist  verboten,  Nichtjuden  zu  betriigen.  Baut  ein  Nicht- 
jude  auf  euer  Wort  und  Handeln,  so  miifit  ihr  auch  ehrlich  und  treu 
gegen  ihn  sein". 

Rabbi  Menachem  ben  Salomo  Me'iri,  der  im 
1  3.  Jahrhundert  in  Frankreich  wirkte,  in  einer  schweren  Leidenszeit 
der  franzosischen  Juden,  schreibt  zu  der  Talmudstelle  Traktat  Baba 
kama  Blatt  1  1  3,  Seite  2 :  „  .  .  .  Wer  jedoch  zu  den  Volkern  gehort, 
welche  Gesetz  und  Recht  iiben  und  in  irgendeiner  Weise  die  Gott- 
heit  verehren,  mag  auch  ihr  Glaube  von  unserem  Glauben  verschieden 
sein,  steht  nicht  unter  dieser  Regel  (der  Fremdengesetze  des  Talmud) . 
Solche  sind  vielmehr  in  jeder  Hinsicht,  sowohl  in  bezug  auf  ver- 
lorene  Sachen,  als  auch  in  bezug  auf  ,,Irrtum"  und  in  alien  anderen 
Dingen  vollstandig  wie  ein  Israelit  zu  behandeln,  ohne  irgendwelchen 
Unterschied  (S.  Hoffmann,  a.  a.  O.  S.  6  mit  hebraischem  Original 
aus  Schitta  Mekubbezeth) . 

In  dem  Sittenbuche  ,,Orchoth  Zaddikim",  Kapitel  8,  ist  zu  lesen: 
,,Sei  mildherzig  gegen  deine  nicht jiidischen  Dienstboten,  erschwere 
ihnen  die  Arbeit  nicht,  behandle  sie  nicht  geringschatzig  durch  ver- 
achtliche  Worte  oder  Schlage"  —  Kapitel  9 :  ,,W  enn  du  siehst, 
dafidieMenschennichtsind.wiesieseinsollten, 
so  freue  dich  nicht  dariiber,  sondern  es  tue  dir 
leid.d'ennselbstfiirdeinenFeindsollstdubeten, 
dafi  er  Gott  dienen  mbg  e".  (Winter  und  Wiinsche,  Jiidische 
Literatur  III,  640.) 

Im  Kleinen  SeferChassidim  (15.  Jahrhundert) ,  S.  1 2a, 
heifit  es:  ,,Wenn  du  irgend  eine  Sache  von  einem  Nichtjuden  auf 
Treu  und  Glauben  erhalten  hast,  und  er  es  vergifit;  oder  wenn  er  dir 
irgend  etwas  verkauft,  jedoch  vergessen  hat,  dafiir  die  Bezahlung 
zu  nehmen:  so  unterlasse  nicht,  ihn  daran  zu  erinnern  und  ihn  zu  be- 
zahlen.  Obe  gegen  ihn  uberhaupt  keinerlei  Trug  und  Tauschung". 

74 


R.  BezalelAschkenasi  (15.  Jahrhundert)  bemerkt  zu 
Talmud  Traktat  Baba  kama  Bl.  113  das  folgende:  ,Jede  Zolldefrau- 
dation  ist  verboten  .  .  .  Gehort  der  Klager  (gemeint  ist  ein  Zoll- 
wachter,  der  einen  Juden  wegen  Hinterziehung  verklagt)  aber  einem 
Volke  an,  in  dem  Gesetz  und  Recht  gehandhabt  wird,  und  mag 
dieses  Volk  auch  aus  Gbtzendienem  bestehen,  dann  .  .  .  ,,mufi  das 
Recht  den  Berg  durchbohren"  (mufi  nach  strengstem  Recht  geurteilt 
werden),  mag  es  auch  fur  den  Juden  nicht  giinstig  sein"  .  .  .  ,,Wer 
einem  Volke  angehbrt,  in  welchem  Gesetz  und  Recht  gehandhabt 
werden  und  der  wahre  Gott  angebetet  wird,  mag  sein  Glaube 
auch  von  unserm  Glauben  verschieden  sein, 
ist  in  jeder  Hinsicht  dem  Juden  gleichzu- 
achten,  und  es  darf  kein  Unterschied  gemacht 
werden  zwischen  diesem  und  einem  Juden, 
mag  es  sich  um  das  Zuriickerstatten  einer  gefun- 
denenSache  (s.  oben  S.  47  f.)  oder  um  irgendetwas 
anderes  handel  n."  (Siehe  Winter  und  Wiinsche,  Jiidische 
Uteratur  II,  S.  503.) 

R.  SalomoAl'ami  (15.  Jahrhundert):  ,,Wenn  du  ver- 
kaufst  oder  kaufst,  so  ubervorteile  niemanden!  Dein  Wort  entweihe 
nicht  und  deiner  Lippen  Ausspruch  andere  nicht  ab!  So  einer  jedoch 
mit  dem  Betrug  an  einem  Nichtjuden  es  leichter  nimmt,  der  ist  ein 
Lii genredner ;  man  rechne  ihn  zu  den  Obeltatem,  die  Gott  ein 
Greuel  sind".  (Sittenlehre,  Leipzig  1854,  S.  11). 

R.  Abraham  Halevi  Horwitz  (16.  Jahrhundert)  er- 
mahnt  in  seinem  Sittenbuche:  ,,Befleifiigt  euch  der  Redlichkeit  in  euerm 
geschaftlichen  Verkehr,  denn  die  erste  Frage,  die  Gott  an  die  Seele 
des   Menschen   richtet,   wenn   sie  vor  seinem   Throne   erscheint,    ist: 
warst  du  allezeit  redlich  in  deinem  Handel  und  Wandel!  .  .  .    Habt 
ihr  eine  Schuld  einzufordern,  dann  treibt  sie  nicht  mit  Strenge  ein 
weder  von  Juden  noch  von  Nichtjuden"  .......  Ihr  sollt  euch 

nicht  blo6  hiiten,  euch  an  fremdem  Eigentume  zu  vergreifen,  ihr  miifit 
euch  auch  vor  Gesinnungsdiebstahl  hiiten,  d.  h.  ihr  diirft  den 
N eben mens chen  ,  auch  wenn  er  einem  fremden 
Glauben  angehbrt,  iiber  cure  Gesinnung  nicht 
t  a  u  s  ch  en." 

David  de  Pomis,  beruhmter  jiidischer  Arzt  und  Gelehrter 
(geb.  1525)  aufiert  sich  in  einer  in  Venedig  1588  gedruckten  Schrift 
wie  folgt:  „  .  .  Mit  Ausnahme  der  Zeremonien  und  Traditionen 
beobachten  sie  (Juden  und  Christen)  dieselben  Gesetze  .  .  .  denn 
welcher  von  den  Kirchenvatern  schreibt  wohl  vor,  dafi  man  Gott  nicht 
von  ganzem  Herzen  und  von  ganzer  Seele  lieben  soil  ...  all  dieses 


und  vieles  ahnliche  gilt  bei  Juden  und  Christen  als  ewig  gultige 
Satzung.  Selbst  ein  Blinder  mufi  daher  erkennen,  d  a  6  religiose 
Verschiedenheiten  ganz  und  gar  nicht  Juden  und 
Christen  zu  Verbrechen  gegen  einander  fiihren 
k  6  n  n  en." 

R.  Elieser  Askari  (16.  Jahrhundert)  :  ,,Man  darf  die 
Menschen  nicht  tauschen,  auch  den  Nichtjuden  nicht;  nicht  einmal, 
wenn  es  sich  nur  urn  Worte  handelt".  (Sefer  Charedim,  Kap.  5.) 

Manasse  ben  Israel,  geb.  1 604,  in  seiner  Schrift  ,,Er- 
klamng  an  die  Republik  Englands".  „  .  .  .  Unserm  Gesetze  zufolge 
gilt  es  als  eine  weit  grofiere  Siinde,  einen  Fremden  zu  berauben  oder 
zu  betriigen,  als  seinen  eigenen  Glaubensbruder,  weil  der  Jude  ver- 
pflichtet  ist,  jedem  Menschen  seine  Liebe  zu  zeigen,  denn  ihm  wurde 
das  Gebot,  weder  den  Edomaer  noch  den  Agypter  zu  verabscheuen  . .  . 
Werden  nichtsdestoweniger  einige  gefunden,  welche  diesem  Gesetze 
zuwiderhandeln,  so  tun  sie  das  nicht  als  Juden,  sondern  als  abscheu- 
Kche  Kreaturen,  wie  man  ja  unter  alien  Nationen  schandliche  Leute 
und  Wucherer  antrifft." 

R.  Moses  Ribkes  (erste  Halfte  des  1  7.  Jahrhunderts)  er- 
klart:  ,,Unsere  Weisen  haben  nur  von  den  Gotzendienern,  die  in  jener 
Zeit  existierten,  gesprochen  .  .  .  Diejenigen  Volker  jedoch,  unter  deren 
Schutz  wir  Israeliten  wohnen,  glauben  nicht  nur.  .  .  .  (an  die  Welt- 
schopfung),  sondern  noch  viele  andere  Glaubensartikel,  und  ihre  Ab- 
sicht  ist  stets  auf  den  Schopfer  des  Himmels  und  der  Erde  gerichtet 
-  wie  dies  schon  diejenigen  jiidischen  Gesetzeslehrer  geschrieben 
haben,  die  von  Isserles  zitiert  werden  —  und  wir  miissen  daher  stets 
auf  deren  Wohlsein  bedacht  sein"  (zu  Choschen  Mischpat, 
§  425,  5).  —  Ferner:  ,,Da  es  bei  Maimonides  und  im  Schulchan- 
Aruch  heifit:  ,,Man  gibt  dem  Akum  keine  verlorene  Sache  zuriick, 
weil  man  dadurch  die  Sunder  unterstiitzt"  (s.  oben  S.  47),  so  ist 
daraus  zu  schliefien,  dafi  dies  nur  von  den  gotzendiene- 
rischen  Volkern  gilt,  aber  nicht  von  den  Volkern 
derjetztzeit,  die  an  den  Weltschopfer  glauben, 
und  deren  Rechtsgesetze  gebieten,  eine  verlorene  Sache  zuriickzu- 
geben"  (zu  Schulchan-Aruch  Choschen-Mischpat,  §  266,  Abs.  1 ) . 

Hier  ist  also  nicht  nur  etwa  eine  persbnliche  gute  Meinung  von 
den  Christen  ausgesprochen,  sondern  die  religionsgesetz- 
licheVerpflichtung  des  Juden  festgestellt. 

R.  Jai'rChajjimBacharach  (17.  Jahrhundert)  aufiert 
sicr>  wie  folgt:  Die  Nichtjuden  der  Gegenwart  sind  in  keiner  Beziehung 
Gbtzendiener,  nachdem  sie  ja  an  den  Schopfer  des  Himmels  und  der 

76 


Erde  glauben"  (Chawwoth  Jair,  gedruckt  in  Frankfurt  a.  M.  1 699, 
Seite  5b). 

R.  Moses  Chages  (geboren  1670)  fiihrt  aus:  ,,Wenn 
uns  Gott  befohlen  hat  -  -  V.  Buch  Mos.,  Kap.  23,  V.  8 — 9  —  die 
Agypter,  die  uns  knechteten  und  unsere  Kinder  im  Wasser  ertrankten, 
und  die  Edomiter,  die  uns  mit  dem  Schwerte  verfolgten  und  uns  zu 
vertilgen  strebten,  nicht  zu  verabscheuen,  weil  wir  einmal  Gastfreund- 
schaft  in  ihrem  Hause  genossen,  um  wievielmehr  miissen  wir  den 
Vb'Ikern  und  Fiirsten  dankbar  sein,  in  deren  Landern  wir  wohnen. 
Wir  miissen  treue  Untertanen  sein  und  das  Wohl  und  das  Heil  unserer 
Wohltater  stets  fordern."  (Ele  ha-mizwoth,  §  564.) 

R.  Joseph  Jabez  (17.  Jahrhundert)  schreibt:  ,,Die  heu- 
tigen  Volker  glauben  an  die  Weltschb'pfung,  an  die  Erzvater  .  .  . 
Gepriesen  sei  Gott,  der  uns  nach  der  Zerstorung  des  (jerusalemischen) 
Tempels  diese  Hilfe  gebracht  hat,  denn  ohne  diese  wiirden  wir  - 
Gott  behiite,  im  Glauben  wankend  geworden  sein,  wenn  noch 
der  Gotzendienst  wie  in  friiheren  Zeiten  in.  der 
W  e  1 1  w  a  r  e  ".  (Maamar  ha-achduth,  Kap.  3,  s.  Hoffmann,  S.  15.) 

R.  Jacob  Emden  (geb.  1698)  hat  eine  grofsere  gelehrte 
Abhandlung  liber  Judentum  und  Christentum  unter  Beriicksichtigung 
der  neutestamentlichen  Schriften  verfafit.  Er  beruft  sich  auf 
Matthaus,  Kap.  5,  um  zu  zeigen,  dafi  weder  Jesus  noch  die  Apostel 
beabsichtigt  hatten,  die  Thora  bei  den  Juden  zu  vernichten.  Denn 
im  Evangelium  Matthaii  heifit  es:  ,,Wahnet  nicht,  dafi  ich  kam,  das 
Gesetz  aufzulosen,  sondern  nur,  um  es  zu  erfullen.  Ich  sage  euch, 
wenn  auch  Himmel  und  Erde  vergehen  werden,  so  wird  doch  nicht 
e  i  n  Buchstabe,  noch  e  i  n  Piinktchen  vom  Gesetze  aufgelost,  sondern 
alles  mufi  erfiillt  werden.  Darum,  wer  auch  nur  eines  von  den  klein- 
sten  Geboten  aufloset,  wird  der  Kleinste  heifien  im  Himmelreich". 
Dasselbe  ist  zu  lesen  in  Lucas,  Kap.  16.  —  Und  Emden  fahrt  also 
fort:  ,,Fiir  die  Heiden  sollte  das  Christentum  gestiftet  werden  .  .  . 
mit  den  Verboten  der  Abgotterei,  Unzucht  .  .  .  Der  Stifter  des 
Christentums  hat  der  Welt  eine  doppelte  Wohltat  erwiesen;  von  der 
einen  Seite  hat  er,  wie  bereits  erwahnt,  mit  aller  Kraft  die  Lehre 
Mosis  befestigt  und  deren  ewige  Verbindlichkeit  nachdriicklichst  be- 
tont;  andererseits  hat  er  den  Heiden  eine  grofie  Wohltat  erwiesen, 
dafi  er  die  Abgotterei  von  ihnen  entfernte,  sie  zu 
den  Siebengeboten  verpflichtete  und  dazu  ihnen  eine 
Morallehre  gab  .  .  .  Wiirden  dies  einige  von  den 
christlichen  Gelehrten  begreifen  .  .  .  die  glauben,  dafi  es 
ihre  Schuldigkeit  sei,  das  Gesetz  bei  den  Israeliten 
aufzulosen  .  .  .wahrlich  sie  wiirden  nicht  derartiges  .  .  .  untemehmen, 

77 


was  den  Verfassern  des  Neuen  Testaments  nie  in  den  Sinn  gekommea 
ist  .  .  .  Diese  verkehrten  Gelehrten  haben  grofien  Hafi  gegen  die 
Kinder  Israels  angefacht,  anstatt  dafi  sie  den  Herzen  der  Volksmassem 
Liebe  fiir  die  ihrem  Gotte  treu  anhangenden  Israeliten  einflo&en  sollten, 
wie  ja  ihnen  von  ihren  Lehrern  vorgeschrieben  ist,  dafi  sie  sogar  ihre 
Feinde  lieben,  um  wievielmehr  uns  .  .  .  Nichtsdestoweniger  wollen 
wir  stets  Gott  preisen  .  .  .  wir  befleifiigen  uns  zu  beten  ...  fiir  das 
Wohl  der  Gesamtmenschheit,  besonders  fiir  das  Wohl  der  Volker, 
in  deren  Mitte  wir  wohnen,  weil  ihr  Wohl  auch  unser  Wohl  ist  (nach 
dem  Vers  im  Propheten  Jeremiah,  Kap.  29)"  (Sendschreiben  zum 
Seder  Olam,  Hamburg,  1757).  —  Derselbe  Gelehrte  schrieb  femer 
(Metheg  lechamor,  S.  1  7  b)  :  „  .  .  .  Ich  habe  schon  oft  nachgewiesen, 
wie  oft  die  Weisen  unter  den  Christen  die  Israeliten  in  der  Erfullung 
ihres  Gesetzes  unterstiitzt  haben.  Auch  Maimonides  schreibt  (Jad 
ha-chasaka,  Kapitel  Hilchoth  Melachim),  dafi  das  Christentum  und 
der  Mohammedanismus  den  Weg  fiir  die  kiinftige  Erlosung  angebahnt 
haben."  ,,Der  Israelit  war  nicht  verpflichtet,  dem  H  e  i  d  e  n  die  von 
ihm  verlorene  Sache  zuriickzugeben,  weil  der  Heide  ajuch  dem  Israe- 
liten dessen  Verlust  nicht  zuriickgab.  Siehe  oben  Seite  47).  Dies 
alles  gilt  aber  nur  von  jenen  Volkern,  die  weder  den  Weltschopfer  noch 
die  Thora  kannten,  also  gar  keine  Gemeinsamkeit  mit  uns  hatten.  Da- 
gegen  ist  es  langst  bekannt,  dafi  die  jetzigen  Volker,  welche  an  die 
Grundlehren  der  Thora  glauben,  von  uns  nicht  als  Nochrim  (Landes- 
bezw.  Religionsfremde)  bezeichnet  werden  konnen"  .  .  .  ,,Wenn  uns 
schon  in  bezug  auf  die  friiheren  Volker,  die  Gott  gar  nicht  kannten, 
die  Tauschung  der  Menschen  im  allgemeinen  verboten  wurde,  um 
wievielmehr  mufi  es  uns  fern  sein,  die  jetzigen  Volker,  welche  Gott  und 
seine  Lehren  kennen,  zu  iibervorteilen,  zu  betriigen  .  .  ."  (Lechem 
Schomajim  zum  Traktat  Aboth,  3.  Teil,  S.  34 — 35,  ge- 
druckt  1  758 — 62.  Siehe  auch  Hoffmann,  Schulchan  -  Aruch, 
S.  23—31). 

R.  Eleasar  Fleckeles  (18.  Jahrhundert)  spricht  sich 
ausfiihrlich  iiber  das  Verhalten  von  Juden  zu  Nichtjuden  aus  und 
schreibt  in  der  Vorrede  zu  seinen  Gutachten  ,,Teschubah  meahawah" : 
„  . . .  Unsere  talmudischen  Lehrer  haben  uns  befohlen  und  einge- 
scharft,  der  Nation,  unter  deren  Schutz  wir  leben,  stets  dankbar  zu 
sein,  niemandem  Unrecht  zu  tun,  selbst  denen  nicht,  welche  sich  noch 
zum  krassen  Heidentum  bekennen,  geschweige  denn  der  Konfession,  in 
deren  Mitte  wir  leben  und  in  unserer  Zeit."  —  „  . . .  Wenn  nun  dieses 
Verbot  (der  Irreleitung  der  Nebenmenschen)  selbst  wirklichen  Heiden 
gegeniiber  gilt,  wieviel  mehr  den  h  e  u  t  i  g  e  n  Nichtjuden  gegeniiber, 
fiir  welche  doch  auch  in  jeder  anderen  Hinsicht  der  Rechtsgrundsatz 

78 


mafegebend  ist,  dafi  sie  nicht  als  Heiden  gelten"  .  . .  ,,Wer  kann  dann 
so  toricht,  so  herz-  und  sinnlos  sein,  die  Nationen,  unter  deren  Schutz 
wir  .  .  .  leben,  zu  schmahen  und  zu  verhbhnen?  Dies  kann  nur 
ein  elender  Mensch  und  religionsverachtender  Jude  tun"  .  .  .  ,,Indessen 
geziemt  es  auch  fiir  jene  Betorten,  welche  sich  zum  scheufilichsten 
Gotzendienste  bekennen,  zu  Gott  zu  beten,  dafi  er  sie  begnadige,  da- 
mit  sie  von  dem  Irrwege  zuriickkehren." 

R.  Jonathan  Eibeschiitz  (18.  Jahrhundert)  lehrt : 
,,Von  solchen  (Gotzendienem)  nur  sprachen  die  alien  Propheten,  denn 
die  damaligen  Heiden  verleugneten  Gott  und  sprachen  zum  Holze: 
,,du  bist  mein  Vater"  (Vers  aus  dem  Propheten  Jeremijah  Kap.  2) . 
Dagegen  gilt  von  einem  Nichtjuden,  der  an  Gott  und  seine  Vorsehung 
glaubt,  der  talmudische  Ausspruch:  ,,Selbst  ein  Nichtjude,  der  sich 
mil  der  Thora  beschaftigt,  ist  dem  Hohenpriester  gleichzuachten" 
(Jaaroth-dewasch,  Karlsruhe  1779-83,  T.  I,  3). 

R.  IsaakLampronti  (18.  Jahrhundert) ,  Verfasser  einer 
grofien  talmudischen  Enzyklopadie,  eines  wissenschaftlichen  Nach- 
schlagebuchs  (gleich  einem  Lexikon),  schickt  dem  Artikel  Goj  ,,Nicht- 
jude"  eine  Abhandlung  voraus,  mit  dem  wissenschaftlichen  Nach- 
weise,  dais  die  im  Talmud  iiber  ,,Nichtjuden"  vorkommenden 
Lehrsatze  sich  unmoglich  auf  die  Christen  beziehen  konnen  (Pachad 
Jizchack,  gedruckt  in  Venedig  1750). 

R.  MoseKonitz  (18.  Jahrhundert)  entscheidet  in  seinem 
Werke  Sefer  ha-ojen  (Wien  1  796)  Kap.  1 5,  Abs.  53:  ,,Die  Volker, 
unter  denen  wir  jetzt  leben  .  .  .  sind  vollkommen  den  Israeliten  gleich 
zu  achten,  so  dafi  alle  die  Gebote:  ,,Liebe  deinen  Nachsten  wie  dich 
selbst"  —  ,,Du  sollst  nicht  morden"  -  ,,Du  sollst  nicht  rauben" 
,,Lege  deinem  Bruder  keine  Wucherzinsen  auf"  und  andere  —  ihnen 
gegeniiber  ebenso  zu  beobachten  sind  wie  gegeniiber  unseren  Glaubens- 
genossen." 

Anhlich  aufiern  sich  R.  Elia  Pinechas  ben  Meir  (im 
Buch  Sepher  ha-berith,  II.  Teil,  Kap.  13),  R.  Israel  Lipp- 
schiitz  (im  Tif'ereth  Israel,  Kommentar  zu  Mischnah- (Talmud-) 
Traktat  Baba  kama,  Abschnitt  4,  Abs.  3),  R.  Jacob  Zebi 
Mecklenburg  (Verfasser  des  bedeutenden  Werkes  ,,Die  Schrift 
und  die  Oberlieferung")  im  AnschluE  an  das  Gebetbuch. 

So  ist  die  geistige  Sphare  beschaffen,  aus  welcher  der  Schulchan- 
Aruch  im  weiteren  Sinne  wie  uberhaupt  die  jiidischen  Religions- 
gesetzbiicher  ihre  Lehren  geschopft  haben.  Einer  der  beruhmtesten 
Rabbiner  der  neuen  Zeit,  Samson  Raphael  Hirsch,  hat 
in  seinem  Werke  ,,Choreb"  (erschien  zuerst  im  Jahre  1837), 

79 


welches  heute  als  m  a  6  geb  end  es  jiidisches  Reli- 
giensgesetzbuch  gilt,  wie  folgt  geschrieben :  §  609 : 
,,Es  ist  fiir  Jissroel  religiose,  nicht  minder  als  alle  ubrigen 
heilige,  von  Gott  geordnete  Pflicht:  in  jedem  Lande,  wo  es  weile, 
nicht  nur  alle  die  Pflichten  zu  erfullen,  die  des  Landes  Gesetze  aus- 
driicklich  fordern,  sondern  uberhaupt  mit  Gesinnung,  Wort  und  Tat 
Alles  zu  tun,  was  dem  Lande  nur  zum  Heile  gereichen  kann  . .  . 
gerecht  und  freudig  an  Vermogen,  an  Kraft  und  Einsicht  alles  zu 
spenden,  was  das  Ganze  zum  Wohle  aller  von  dem  einzelnen  fordert, 
und  selbst  das  Leben  hinzugeben,  wenn  zur  Verteidigung  das  Vater- 
land  seine  Sohne  ruft.  —  Aber  zu  dieser  aufaern  Gesetzmafeigkeit  mufi 
auch  noch  die  innere  kommen:  mit  Herz  und  Gesinnung  treu  zu  sein 
dem  Lande,  treu  dem  Fiirsten,  mit  Liebe  und  Stolz  zu  hangen  an  des 
Landes  Ehre,  eifrig  zu  streben,  wo  und  wie  du  kannst,  auf  dafi  die 
Anstalten  des  Landes  bliihen.  ...  fiir  Wahrheit,  fiir  Recht,  fiir  Frieden 
tatig  zu  sein  und  fur  Gemeinsinn  in  jedem  einzelnen.  Lasse  nicht 
von  deiner  Pflicht,  die  Gott  von  dir  fordert;  Treue  gegen  Furst  und 
Land  und  Heilesforderung,  wo  und  wie  du  kannst."  — 

Was  aber  die  jiidischen  Religionsbiicher  der  N  e  u  z  e  i  t 
lehren,  miifste  doch  eigentlich  den  antisemitischen  Flugblatt- 
mannem  bekannt  sein.  Denn  es  geschah  doch  wohl 
auf  Betreiben  der  Antisemiten,  d  a  6  die  ,,  Neue 
Preufiische  Zeitung"  am  30.  September  1892 
(Nr.  458)  verlangt  hatte,  d  a  6  ,,eine  umfassende 
amtliche  Untersuchung"  der  Religionslehre  der 
Juden  veranstaltet  werde  und  dais  das  preuSische  Kultus- 
ministerium  eine  eingehende  Untersuchung  von  551  jii- 
dischen  Lehrbiichern  auch  wirklich  veranlafit 
hat.  Die  Flugblattverfasser  hatten  doch  eigentlich,  wenn  sie  sich 
wegen  des  Inhalts  der  jiidischen  Religionsbiicher  beunruhigt  fiihlten, 
Gelegenheit  gehabt  zu  erfahren,  da6  bei  der  erwahnten  a  m  1 1  i  c  h 
geleiteten  Untersuchung  in  keinem  einzigen  der 
untersuchten  jiidischen  Lehrbiicher  irgend 
etwas  gefunden  worden  ist,  was  gegen  die 
sittlichen  Anschauungen  der  Gegenwart  ver- 
s  1 6  6 1  (s.  Reichsanzeiger  vom  28.  September  1 893) .  — 
Die  berufenen  Vertreter  des  Judentums  haben  seit  dem  Beginne 
des  19.  Jahrhunderts  zu  wiederholten  Malen  bffentlich  erklart,  dafi 
die  Religion  des  Judentums  ihren  Bekennern  strengstens  befiehlt,  die 
christlichen  Mitbiirger  als  B  r  ii  d  e  r  zu  betrachten  und  demgemafi 
letzteren  gegeniiber  sich  nichts  zu  erlauben,  was  dem  Juden  gegeniiber 
verboten  ist.  Dies  erklarte  das  auf  Vorschlag  Napoleons  im  Jahre 

80 


1806  zusammenberufene  ,,Grofie  Synedrium",  ferner  der  Deutsch- 
Israelitische  Gemeindebund  im  Jahre  1889  (,,Grundsatze  der 
jiidischen  Sittenlehre")  und  samtliche  Rabbiner  Deutschlands 
(im  Jahre  1 884) .  —  (Siehe  auch  Hoffmann,  Gutachten,  dem 
Kgl.  Landgerichte  zu  Leipzig  erstattet,  1910). 

Selbstverstandlich  blieben  die  Absonderungsmafinah- 
m  e  n ,  soweit  sie  das  rituell-kultuelle  Gebiet  der  Religionsiibung  be- 
treffen,  in  Kraft.  Wir  haben  bereits  oben  im  II.  Kapitel  (S.  37)  diesen 
Punkt  ausfuhrlich  erortert ;  es  ist  hier  also  nicht  notig,  diese  Mafinahme 
noch  einmal  zu  begriinden.  Der  Schulchan-Aruch  hat  sie  ubernommen 
und  war  gewifi  auch  berechtigt,  sie  dort,  wo  es  notig  erschien,  noch 
ausfuhrlicher  zu  behandeln.  In  welcher  Weise  Justus-Brimann  diese 
an  sich  berechtigten  Verordnungen  mifideutet  und  fiir  seine  Zwecke 
ausgeschlachtet  hat,  soil  in  Kapitel  IV  gezeigt  werden. 

Ganz  im  Geiste  des  Talmud  ordnet  der  Schulchan-Aruch  an, 
II,  335 :  ,,Man  besuche  fleifiig  die  Kranken  .  .  .  auch  nicht  jiidischen 
Kranken  mache  man  Besuch."  (Krankenbesuch  gilt  nach  Mischnah- 
Traktat  Peah,  Abschnitt  I,  als  eine  der  wichtigsten  Forderungen  der 
Menschlichkeit.)  — 'Ebendort  §  367,  1  :  ,,Man  begrabe  die  Toten 
der  Nichtjuden,  troste  ihre  Trauernden  und  wandle  so  die  Wege  des 
Friedens".  -  -  Ebendort  §  25 1 ,  1  :  ,,Man  darf  armen  Nichtjuden 
nicht  verwehren,  die  Nachlese,  die  vergessenen  Garben  und  die  an  den 
Ecken  der  Felder  stehengelassene  Frucht  aufzulesen".  (Diese  Ab- 
gaben  sollte  man  urspriinglich  den  Armen  im  Lande  Israel  zu- 
wenden.)  —  Ebendort  I  §  694,  3:  ,,Wo  es  Gebrauch  ist,  am 
Purimfeste  auch  an  arme  Nichtjuden  Geschenke  zu  verteilen,  da  soil 
der  Gebrauch  befolgt  werden".  —  Ja,  die  Riicksicht  auf  die  Mensch- 
lichkeit hat  auch  die  Liturgie  des  Passahfestes  beeinflufit:  Wahrend 
man  an  alien  Tagen  der  Wallfahrtfeste  und  des  Makkabaerfestes 
(Chanukkah)  den  ganzen  Hallel-Lobgesang  (Psalmen)  spricht,  wird 
an  den  spateren  Tagen  des  Passahfestes  dieses  Gebet  durch  Weg- 
lassungen  gekiirzt,  um  dadurch  zum  Ausdruck  zu 
bringen,  d  a  6  der  Festesjubel  beschrankt  werden 
musse  mit  Riicksicht  darauf,  daft  dieAgypter  um 
diese  Zeit,  an  welche  das  Festerinnert,  im  Meere 
ertranken  ...  ,,Und  es  ist,  als  sprache  Gott :  Meine  Geschopfe 
versanken  im  Meer,  und  ihr  wollt  mir  Loblieder  singen?"  (Sch.- 
Aruch  I  §  496,  Ture  sahab.)  — 

1 6.  These :  Der  Schulchan-Aruch  hat  nebst  vielen  n  u  r 
auf  altheidnische  Verhaltnisse  passenden 
k  u  1 1  u  e  1 1  e  n  Vorschriften  auch  alte,  auf  kulturell  niedrig 

6 

81 


stehende  Zustande  berechnete  Fremdengesetze  a  u  s  d  e  m 
Talmud  aufgenommen,  die  teils  schon  im  Haupttext  selbst 
oder  aber  in  dem  Kommentare  als  den  Wirklichkeitsverhalt- 
nissen  nicht  mehr  entsprechend  bezeichnet  und  darum  aufier 
Kraft  gesetzt  werden.  Die  Bestimmung  dina 
d  i  mal  chu  tha  dina  (=  d  as  S  t  a  a  t  s  ges  e  t  z  gi  1 1 
als  Gesetz)  hat  der  Schulchan-Aruch  u  n 
angetastet  gelassen.  (  Ausfiihrliches  hieriiber 
s.  S.  123ff.) 


IV.  Kapitel. 
Irrtumer  und  Falschungen. 

Die    „  A  k  u  m  "  -Legend  e. 

Fiir  das  Unheil,  welches  eine  grundlose  Beschuldigung  zeitigt,  bleibt 
die  Frage  gleichgxiltig,  ob  der  Urheber  der  Anklage  aus  Irrtum  oder 
aus  Absicht  handelt.  Nur  fiir  die  Beurteilung  des  Verleumders  selbst  be- 
deutet  dies  einen  wesentlichen  Unterschied:  Irrtum  ist  eben  menschlich. 
Wir  wiirden  darum  selbst  einen  Rohling  freisprechen,  wenn  er  bei 
seinem  e  r  s  t  e  n  offentlichen  Auftreten  nur  die  eine  Behauptung  auf- 
gestellt  hatte,  dafi  der  Schulchan-Aruch  bei  der  NennUng  von  Anders- 
glaubigen  anscheinend  die  Christen  gemeint  habe.  So  ~f  a  1  s  c  h 
diese  Behauptung  an  sich  ist,  damals,  als  Rohling  zum  erstenmal  sie 
aussprach,  mufite  sie  noch  nicht  eine  bewufite  Falschung  sein, 
denn  in  der  Tat  gibt  es  eine  Reihe  von  Schulchan-Aruch-Ausgaben, 
in  welchen  sich  durchweg  als  einheitliche  Bezeichnung 
fiir  alle  Nichtjuden  das  Wort  ,,A k u m"  findet.  ,,Akum" 
bedeutet  aber  als  ein  hebraisches  Kurzwort  (ahnlich  wie  die  HAPAG 
—  Hamburg- Amerika-Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft)  das  folgende: 
A  (o)  b  de  Kochabim  U-Masaloth  =  Steme  und  Pla- 
netenanbeter,  d.  h.  also  Gotzendiener.  Da  nun  in  v  i  e  1  e  n 
Schulchan-Aruch-  (und  auch  Talmud-)  Ausgaben  durchweg 
cfieser  Ausdruck  (Akum)  fiir  die  Bezeichnung  von  Nicht- 
juden zu  finden  ist,  so  war  dem  uneingeweihten  Schulchan- 
Aruch-Leser  zweifellos  Veranlassung  gegeben,  mit  Bestimmtheit  an- 
zunehmen,  dafi  der  Schulchan-Aruch  auch  die  Christen  als  Akum 
(Gotzendiener)  bezeichnet,  zumal,  da  unbeschadet  der  Tatsache,  dafi 
viele  Vorschriften  des  Schulchan-Aruch  sich  offenbar  auf 
He  id  en  beziehen  (s.  Seite  67),  es  jedenfalls  eine  Stelle  gab, 
wo  nur  ein  Christ  gemeint  sein  konnte,  auch  dort  aber  die  Be- 
zeichnung ,,Akum"  gebraucht  wird.  Geschieht  das  aber  an  e  i  n  e  r 
Stelle,  so  durfte  zu  Rohlings  Zeiten  noch  vcrmutet  werden,  da&  auch 
andere  Vorschriften,  in  welchen  die  Bezeichnung  Akum  vorkonunt, 

6* 

83 


sich  auf  die  Christen  beziehen.  Diese  eine  Stelle,  wo  der  Tatbestand 
gesichert  erschien,  ist  Schulchan-Aruch  I,  §  111  3,  Abs.  8:  ,,Wenn 
einer  (ein  Jude)  die  Tefillah  (eines  der  Hauptgebete)  spricht,  und 
es  kommt  ein  ,,A  k  u  m"  ihm  entgegen,  der  ein  Kreuz  in  der 
Handtragt,  und  er  (der  Jude)  an  einer  Gebetstelle  halt,  wo  man 
sich  verneigen  mufi,  so  soil  er  sich  nicht  vemeigen."  —  Was  den 
I  n  h  a  1 1  dieser  Vorschrift  an  sich  betrifft,  so  wird  man  —  wie  bereits 
christliche  Beurteiler  es  ausgesprochen  haben  —  ,,billigerweise  den 
jiidischen  Gesetzgebern  die  Vorschrift  nicht  verargen  konnen,  dafi 
der  Jude  den  Schein  vermeiden  solle,  dafi  er  dem  Kruzifixe  religiose 
Verehrung  erweise".  Allein,  dafi  ,,Akum"  auch  einen  Christen 
bedeuten  konne,  ware  hiernach  erwiesen,  denn  hier  ist  die  Rede  von 
einem  ,,A  k  u  m,  der  ein  Kreuz  tragt".  Ein  Kreuz  tragt  aber  nur 
ein  Christ,  also  ist  ,,Akum"  =  Christ. 

In  der  Tat  scheint  hier  ein  unumstofilicher  Beweis  fur  die 
Rohlingsche  These  vorhanden  zu  sein.  So  war  denn  bei  der  Vor- 
bereitung  des  Rohlingschen  Prozesses  in  Wien  die  Aufmerksamkeit 
der  Offentlichkeit  ganz  besonders  auf  diesen  Punkt  gelenkt.  Man 
begann  die  Stelle  im  Schulchan-Aruch  eifriger  zu  priifen,  man  verglich 
verschiedene  Ausgaben  miteinander  und  kam  endlich  auf  den  Ge- 
danken,  auch  hierbei,  wie  es  ja  heute  bei  jeder  textkritischen  Unter- 
suchung  Gepflogenheit  ist,  nach  den  altesten  Druckeh 
zu  forschen,  weil  diesen  altesten  Auflagen  in  der  Regel  noch 
die  korrigierten  Handschriften  der  Verfasser  oder  deren  zuver- 
lassige  Abschriften  als  Vorlage  dienten.  Hierbei  entdeckte  der  Dozent 
(jetzige  Rektor)  des  Berliner  Rabbiner-Seminars,  Herr  Professor 
Dr.  Hoffmann,  dafi  indenzweiimBesitzederSeminar- 
Bibliothek  befindlichen  altesten  Schulchan- 
Aruch-Ausgaben,  von  denen  die  eine  in  Venedig 
im  Jahre  15 76  und  die  andere  in  Krakau  im  Jahre 
1 594  gedruckt  worden  ist,  an  der  fraglichen  Stelle  (S  c  h.  - 
A  r  u  c  h  II  1  1  3,  8)  nicht  das  Wort  ,,Akum",  sondern  ,,Goj" 
(=  Nichtjude)  steht!!  Auf  Grund  weiterer  Nachforschungen 
wurde  festgestellt,  dafi  in  den  in  der  Pariser  Bibliothek 
aufbewahrten  6  alien  Handschriften  von  dem  grofien  Werke 
des  Maimonides  kein  einziges  Mai  das  Wort  ,,Akum"  vor- 
kommt!  Inzwischen  aber  hat  man  noch  Exemplare  von  weiteren 
Ausgaben  des  Schulchan-Aruch  gefunden :  die  erste  A  u  s  - 
gabe,  Venedig  1565,  femer  Ausgabe  Krakau  1604.  In 
alien  diesen  S  c  h  ul  c  h  a  n-Ar  u  c  h -A  u  s  g  a  b  en  findet 
sich  nirgends  das  Wort  ,,A  k  u  m".  Zunachst  ist  damit 
der  so  ,,durchaus  sichere  Beweis"  aus  I  1  1  3,  8  (,,der  Akum  rnit  dem 

84 


Kreuz")  sicher  erledigt.  Dort  wird  eben  der  Fall  behandelt,  dafi  ein 
betender  Jude  einem  ,,N  i  c  h  t  j  u  d  e  n",  der  ein  Kreuz  t  r  a  g  t, 
begegnet,  d.  i.  eben  der  Christ.  Dieseristabervondem 
Verfasser  des  S  c  hu  1  cha  n  -  Ar  u  c  h  selbst  nicht 
,,A kum"  genannt  worden,  wie  das  die  ersten  Ausgaben 
beweisen.  Die  christlichen  Sachverstandigen  haben 
denn  auch  in  ihrem  Gutachten  dem  Gerichte  erklart:  ,,W  i  r  haben 
an  keiner  Stelle  der  Ausgabe  des  Schulchan- 
Aruch  Krakau  1594,  wo  wir  nachgeschlagen, 
Akum  gefunden,  positiv  korinen  wir  behaupten, 
d a fi  A k u m i n ke i n e r de r  z  ah  1  r  e  i  c  h  en  S  t  e  1 1  e  n  aus 
demWerke  vorkommt,  welche  unsere  Vorlage 
gibt"  (s.  Kopp  a.  a.  O.,  S.  55  ff.). 

Jedoch  nicht  nur  dieses  wurde  entdeckt,  dafi  in  den  alten  Aus- 
gaben weder  an  der  kritischen  Stelle  I,  113,  8  noch 
s  o  n  s  t  die  Bezeichnung  ,,Akum"  gebraucht  wird,  sondern  es  zeigte 
sich  auch,  dafi  die  alten  Schulchan-Aruch-Ausgaben  verschie- 
dene  B  e  z  e  i  c  h  n  u  n  g  e  n  fur  Nichtjuden  hatten,  urn 
eben  die  Christen  von  den  Hetden,  den  G  6  t  z  en- 
die  n  e  r  n  ,  zu  unterscheiden,  weil  ja  doch,  wie  oben 
(S.  67  f.)  ausgefuhrt  wurde,  tatsachlich  einige  Schulchan-Aruch- 
Vorschriften  sich  auf  Gotzendiener,  einige  aber  auf  Christen  beziehen. 
Wo  der  S  ch  u  Ic  han-  Ar  uch  von  Go  t  zend  i  enern 
spricht,  da  nennt  er  sie  deutlich  ,,gotzen- 
dienende  Nichtjuden"  (Obed  abodah  zarah,  obed  elillm 
oder  obed  abodath  elillm) .  Wenn  er  aber  Christen  und 
Mohammedaner  meint,  wird  dieser  Ausdruck 
n  i  e  m  a  1  s  gebraucht,  sondern  die  Bezeichnung 
,,d  i  e  V  6  1  k  e  r"  oder  ,,d  i  e  F  r  e  m  d  g  1  a  u  b  i  g  e  n"  (Goi, 
Mehrzahl:  Gojim,  Nochrlm,  Amemim). 

Maimonides,  Beth  Joseph  und  Schulchan-Aruch  haben,  wie  die 
ersten  Ausgaben  beweisen,  streng  unterschieden  zwischen  Gbtzen- 
dienern  und  Christen,  und  die  von  Rohling,  Justus,  Ecker 
und  ihren  glaubigen  Nachbetern  hundertfach  wiederholte 
Gleichsetzung  ,,Akurn"  =  Christen  ist  eine  Legende 
von  folgenschwerster  Art. 

Woher  kam  aber  das  Wort  ,,Akum"  plotzlich  in  alle  spateren 
Schulchan-Aruch-  (wie  auch  Talmud-)  Ausgaben  hinein?  Haben 
rielleicht  die  spateren  Juden  die  Christen  zu  Akum,  zu  Heiden, 
stempeln  wollen?  Gliicklicherweise  ist  auch  diese  Frage  auf- 
geklart  worden.  Auf  dem  Titelblatt  der  Schulchan  -  Aruch- 

85 


Ausgabe,  Venedig  1594  (Teil  IV),  heifit  es  in  italienischem  Texte: 
,,Con  licentia  de  S  uperi  o  r  i",  zu  deutsch:  Mit  Ge- 
nehmigung  der  Inquisition.  Nicht  die  Juden  waren 
es,  die  das  Wort  ,,Akum"  in  die  jvidischen  Religionsbiicher  hinein- 
getragen  haben,  sondem  die  katholische  Index-Kongre- 
gallon,  von  der  nunmehr  bekannt  ist,  dafi  sie  im  Jahre  1 590  in 
ihrem  Canon  purificationis  verfiigt  hat,  dafi  uberall,  wo  in  jiidischen 
Biichem  etwas  von  Nichtjuden  geschrieben  ist,  mil  Riicksicht  darauf, 
dafi  dieses  etwas  Unfreundliches  sein  konnte,  man  anstatt  der 
bisherigen  hebraischen  Ausdriicke  fiir  Nicht- 
juden (s.  oben)  iiberall  das  W  o  r  t  ,,A  k  u  m"  s  e  t  z  e,  damit 
man  alle  diese  Stellen  auf  Gbtzendiener  beziehe  und  nicht  auf 
Christen.  (Naheres  iiber  den  Canon  purificationis  ist  zu 
finden  in  Steinschneider,  Hebraische  Bibliographie,>  Band  V, 
Seite  72  und  1 30) .  Hatte  nun  die  Zensur  nur  fiir  die 
Bezeichnung  Obed  elillm  (d.  i.  eben  der  Gotzenanbeter) 
,,Akum"  gesetzt,  so  ware  noch  keine  Verwirrung  entstanden.  Die 
Zensoren  waren  aber  vielfach  ebenso  tiichtige  Talmudkenner  wie 
Rohling  und  seine  Jiinger,  sie  haben  auch  fiir  ,,Goj",  welches  den 
Christen  bedeutet  ,,Akum"  gesetzt.  Hierdurch  entstand  die  wunder- 
liche  Zusammenstellung  ,,wenn  ein  Akum  mil  einem  Kreuze  kommt", 
welches  urspriinglich  lautete:  ,,wenn  ein  ,,Goi"  (Nichtjude,  Christ) 
mil  dem  Kreuze  kommt".  Diese  Verwirrung  kann  im  Hinblick  auf 
ihre  Folgen  nicht  anders  denn  eine  ungliickselige  genannt  werden. 
Sind  etwa  nun  unter  solchen  Umstanden  die  Rohling,  Justus, 
Ecker  nicht  unschuldig,  da  doch  einmal  in  vielen  Ausgaben  durch- 
gangig  der  Name  ,,Akum"  gebraucht  wird?  Nein,  sie  konnen  nicht 
freigesprochen  werden.  Soil  es  auch  heute  noch  als  einfacher,  un- 
schuldiger  Irrtum  beurteilt  werden  konnen,  wenn  3^/2  Jahrzehnte 
nach  Aufdeckung  des  Tatbestandes  noch  immer  die 
,,Akum"-Legende  aufrecht  erhalten  wird?  Die  Laienkreise  freilich 
haben  keine  Gelegenheit,  die  Wahrheit  nachzupriifen,  aber  die 
,,wissenschaftlichen"  Gewahrsmanner  der  Antisemiten,  die  sich  als 
Wahrheitskampfer  bezeichnen,  sie  miifiten  wohl  die  Ergebnisse 
fruherer  Prozesse  kennen,  und  die  Unwissenheit  in  d  i  e  s  e  n  Dingen 
kann  sie  nicht  entschuldigen.  Die  Rohling-Justus-Ecker  und  ihr 
Gefolge  schweigen  aber  von  diesen  Tatsachen,  ja  sie  gaben  dem 
Worte  ,,Akum"  eine  Bedeutung,  die  haarstraubend  obgleich  doch 
auch  lacherlich  ist.  Sie  erklaren,  Akum  sei  gleich:  Anbeter  Kristi 
Und  Mariae ! !  (Siehe  auch  Professor  S  t  r  a  c  k  ,  Mischnah,  Traktat 
Abodah  zarah.) 


86 


Einzelbeispiele. 

Die  Legendenbildung  ist  in  der  Atmosphare  der  antisemitischeii 
Bewegung  immer  recht  fruchtbar  gewesen  und  ist  nicht  auf  das  im 
vorigen  Absatz  geschilderte  ,,Akum"-Marchen  beschrankt  geblieben. 
Els  wurde  nach  der  Gesinnung  der  Juden  geforscht,  und  der  Eid  der 
Juden,  seine  verschiedenen  Formeln  und  die  Bestimmungen,  die  das 
judische  Recht  hieriiber  enthalt,  wurden  vor  Gericht  gezogen.  An 
sich  ist  das  nicht  unberechtigt.  In  der  kultivierten  Menschengesell- 
schaft  ist  jeder  einzelne  wie  jede  Gemeinschaft  der  Offentlichkeit  gegen- 
iiber  fiir  Worte  und  Taten,  durch  welche  das  friedliche  Zusammen- 
leben  gefordert  bezw.  gestort  werden  kann,  verantwortlich.  Das 
Judentum  fordert  solche  Verantwortung  besonders  streng,  denn  nach 
seiner  Lehre  sind  Recht  und  Wahrhaftigkeit  der  Anfang  aller  Ge- 
sittung  (s.  oben  S.  14)  und  ..griindet  sich  die  Weltordnung  auf 
drei  Dinge:  Wahrheit,  Recht  und  Frieden"  (Talmud,  Mischnah. 
Spriiche  der  Vater,  Kap.  1 ) .  Also  hatten  wir  nichts  gegen  eine 
Durchforschung  der  jiidischen  Gesetze  betreffend  den  Eid  einzu- 
wenden.  Wir  wurden  uns  nur  freuen,  wenn  alle  Gebote  des 
jiidischen  Rechts  von  Juden  wie  von  Nichtjuden  g  r  ii  n  d  1  i  c  h 
erforscht  werden  sollten.  Wogegen  wir  uns  jedoch  wenden 
miissen,  ist  dieses:  dafi  man  die  jiidischen  Religionsgesetze  eben  nicht 
erforscht,  sondern  sie  nur  von  antisemitischer  Seite  -  -  verdachtigt, 
verunglimpft.  Man  denke  nur  daran,  welche  Miihe  und  welchen 
Scharfsinn  man  heute  darauf  verwendet,  um  ein  jedes  Wort  eines 
griechischen  oder  romischen  Schriftstellers  genau  zu  ergriinden  und 
seinen  Ursprung  und  Begriffsumfang  festzustellen,  um  sich  in  den 
Inhalt  und  den  Geist  der  alien  Texte  vertiefen  und  ihren  wahren 
Sinn  erfassen  zu  konnen.  Man  denke  auch  daran,  wie  genau  beim 
Gericht  jedes  Wort  eines  Dokuments  gepriift  wird,  von  dessen  Inhalt 
vielleicht  nur  eine  ganz  milde  Geldstrafe  fiir  den  Angeklagten  abhangig 
ist.  Die  ,,w  i  s  sens  cha  f  1 1  i  chen"  Gewahrsmanner  der 
Antisemiten  halten  es  aber  nicht  einmal  fiir 
notig,  diejenigen  Satze  aus  dem  jiidischen  Reli  - 
gionsgesetzbuch  bezw.  jiidischen  Gebetbuch 
genau  zu  priifen  und  treu  w  i  e  d  e  r  z  u  geb  e  n  ,  auf 
welchen  sie  ein  ganzes  Gebaude  von  Beschul- 
digungen  gegen  das  Judentum  aufrichten,  son- 
dern lassen  in  der  Obersetzung  ganze  Wendua- 
gen  kiihnen  Muts  fort  —  Wendungen,  in  welchen  der 
ganze  Sinn  der  betreffenden  Gesetze  bezw.  Spriiche  liegt ! 

s? 


Dieses  Schicksal  1st  auch  einer  Gebetsformel  zuteil  geworden,  mit 
welcher  die  Feier  des  jiidischen  Versohnungstages  eingeleitet  und 
wdche  nach  ihren  Anfangsworten  ,,Kol  nidre"  (d.  h.  ,,Alle  Ge- 
liibde")  genannt  wird.  Es  betrifft  das  Gebiet  des  Eides. 

Das  jiidische  Religionsgesetz  halt  den  Eid  fur  heilig  und  ver- 
bindlich.     Es  heifit  II.  B.  Mos.,  Kap.  20,  V.  7  und  13:  ,,Du  sollst 
den  Namen  des  Ewigen,  deines  Gottes,    nicht    zum    Falschen    aus- 
sprechen".    —   ,,Du    sollst    nicht    falsches     Zeugnis     gegen   deinen 
Nachsten  aussagen."  —  II.  B.   Mos.,  Kap.   23,  V.    1  :   ,,VerbreJte 
kem  falsches  Geriicht".  —  V.   7:  ,,Von  einem  falschen  Ausspruch 
halte  dich  fern".  -  -  III.  B.  Mos.,  Kap.  5,  V.  4:    ,,Wenn    jemand 
schwort . . .    und  verletzt  den  Eid  ...  so  bringe  er  Gott  ein  Schuld- 
opfer    dar  wegen   der    Siinde,    die    er    begangen".  —  III.  B.  Mos., 
Kap.    1 9,  V.   1  1  :„....  Und  sollt  nicht  leugnen  und  nicht  beliigen 
einer  den  andern  und  sollt  nicht  bei  meinem  Namen  falsch  schwiiren" ; 
ferner  im  T  a  1  m  u  d,  Trakt.  Schebuoth,  Bl.  38  und  39 :  Bei  dem  ge- 
richtlichen  Eid  ...  da  sagt  man  zu  ihm    (dem  zu  Vereidigenden)  : 
,,Wisse»  dafi  die  ganze  Welt  erbebte  zu  der  Zeit,  als  Gott  auf  dem 
Sinai   gesprochen  hat:   ,,Du   sollst   den   Namen   des   Ewigen,    deines 
"Gottes,  nicht  zum  Falschen  aussprechen" ;  bei  alien  iibrigen  Siinden 
gibt  es    (eher)    eine  Suhne  . .  .  und  Nachsicht . .  .    (als  bei  dieser) , 
denn  es  heifit  im  Propheten  Zecharjah,  Kap.  5 :  ,,Ich  (Gott)  lasse  ihn 
(den  Fluch)  ausziehen,  dafi  er  in  das  Haus  des  Diebes  komme  und 
in    das    Haus    dessen,    der    bei    Meinem    Namen     falsch 
schwort  ..."     —    der  •  Dieb,     das     ist,     wer     die     Menschen 
t  a  u  s  c  h  t . .  ."  —    ,,Und    man    spricht    zu    ihm   (dem  Zeugen)  : 
,,Wisse,  dafi  wir  dich  nicht  nach  dem,  was  du   (dabei)    im  Sinne 
haben    konntest,    beschworen,    sondern    nach    dem  Wissen    Gottes 
und  nach  dem  Wissen  des  Gerichtshofs".  —  Ebendort  Bl.  29,  S.  2 : 
,,Wenn  man  auf  die  Vereidigung  durch  einen  andern  ,,Amen"  spricht, 
so  ist  das  ebensoviel,  als  wenn  man  selbst  die  Schwurformel  spricht". 
—  Auf  Bl.  36,  S.  jl ,  weist  der  Talmud  darauf  hin,  dafi  die  israelitische 
Bibe!  im  2.  Buch  Chronik,  Kap.  36,  V.  12 — 1  3  an  dem  judaischen 
Konig  Zidkijah  tadelt,  was  ,,mififiel  in  den  Augen  Gottes",  dafi  er 
namlich  dem   Konig  Nebukadnezar    (dem   Heiden),   ,,der   ihn  bei 
Gott  hat  schworen  lassen",  die  Treue  gebrochen  hat.  —  Im  Sinne 
dieser  Talmudstelle  verordnet  Maimonides  im  Kapitel  iiber  die 
Schwurformeln,  Abschnitt  2,  Absatz  1  :  ,,Es  ist  gleich,  ob  man  eine 
von  diesen   (vorher  genannten  vier)   Schwurformeln  selbst  ausspricht 
oder  ob  man  durch  andere  durch  Eid  verpflichtet  wird  und  darauf 
irAmen"    spricht;    auch   wenfl   einNichtjude    oder  ein 
Minder jahriger     einen    beschwort    und    man    darauf 

88 


,,Amen"  sagt,  so  ist  das  verpfKchtungskraftig",  ebendort  Abschnitt  1 2, 
Absatz  2:  ,,Diese  Siinde  (des  falschen  Eides)  ist  eine  der  aller- 
schwersten". 

Im  Schulchan-Aruch  warden  diese  Bestimmungen 
wiederholt  bezw.  erganzt.  II,  §  237,  Abs.  1  :  Ein  Eid  ist  auch  in  dem 
Falle  verbindlich,  wenn  man  den  Namen  Gottes  dabei  nicht  ausdriick- 
lich  nennt  und  nur  spricht:  ,,Ich  schwore,  daft  ich  das  tun  (bezw.  nicht 
tun)  werde";  auch  ist  es  einerlei,  in  welcher  Sprache  man  schwort  und 
ob  man  das  Wort  ..schworen"  oder  irgendeinen  andern  Ausdruck 
von  ahnlicher  Bedeutung  gebraucht.  —  §  239,  Abs.  2:  ,,Der  Hand- 
schlag  gilt,  wo  er  der  Sitte  gemafi  eine  Formel  der  Beteuerung  ist, 
als  ein  Schwur".  —  §  237,  Abs.  2:  „  wird  einer  beschworen  .  .  .  und 
er  spricht  ,,Amen"  oder  sonst  ein  Wort,  aus  welchem  zu  entnehmen 
ist,  dafi  er  die  Beschworung  annimmt,  z.  B.  er  sagt  ,,ja"  ...  so  ist 
das,  als  wenn  man  selbst  einen  Schwur  ausspricht ;  auch  wenn 
ein  Nichtjude  einen  beschwort".  —  IV,  §  87:  ,,Der 
Eid  ist  in  jeder  Sprache,  die  der  Schworende  versteht,  giiltig  .  .  ." 
,,Ja,  er  (der  Meiaeidige)  bringt  gbttliche  Strafe  iiber  ganz  Israel, 
dessen  Glieder  gegenseitig  fiir  einander  moralisch  verantwortlich 
sind  .  .  .  Wer  leichterdings  einen  Eid  auf  sich  nimmt,  der  sollte  gar 
nicht  vereidigt  werden."  —  §§92  und  99:  ,,Einen,  der  hinsichtlich 
des  Eides  verdachtig  ist,  soil  der  Gerichtshof  auch  in  dem  Falle  nicht 
vereidigen,  wenn  die  Gegenpartei,  welcher  die  mangelhafte  Zuver- 
lassigkeit  des  Betreffenden  bekannt  ist,  sich  ausdriicklich  bereit  erklart, 
den  Eid  anzuerkennen  .  .  .  Erst  wenn  der  Verdachtige  erwiesener- 
mafien  aufrichtige  Bufie  getan,  erlangt  er  wiederum  Glaubwiirdigkeit." 

Ebenso  halt  'das  jiidische  Gesetz  alle  Gelobnisse,  V  e  r  - 
sprechungen  und  dergl.  fiir  streng  verbindlich;  jedocrr  macht 
es  einen  Unterschied  zwischen  einem  Eide,  den  man  zur  B  e  - 
kraftigung  einer  Wahrheit  oder  einer  Bekundung 
iiber  eine  geschehene  Tat  ablegt  (z.  B.  Zeugeneid) , 
sowie  aller  durch  andere,  z.  B.  den  Gerichtshof, 
erfolgenden  Vereidigung  einerseits  —  und  einer  Be- 
teuerungsf ormel,  welche  man  bei  einer  freiwillig  sich  selbst 
auferlegten,  also  gleichsam  nur  Gott  gegeniiber  iiber- 
nommenen  Verpflichtung  ausspricht,  um  hierdurch  dem  Vorsatze 
grofieren  Nachdruck  zu  verleihen;  z.  B.  wenn  jemand  aus  Anlafi 
eines  in  das  Lebensschicksal  tief  eingreifenden  Ereignisses  sich 
selbst  zu  einer  religiosen  Handlung,  etwa  zu  einer  wohltatigen 
Stiftung,  zu  einem  Verzicht  und  dergl.  verpflichtet.  Es  konnen 
namlich  oft  Falle  eintreten,  dafi  irgendein  gliickliches  Erlebnis 
bezw.  die  Bedrohung  des  Daseins  und  des  Gliickes  dem  bewegten 


Herzen  begeisterte  Geliibde  und  iiberstromende  Versprechungen 
entlocken,  iiber  deren  Umfang  der  Gelobende  im 
Augenblicke  der  Ge  f  ii  h  Is  a  u  f  w  al  1  un  g  sich  nicht 
klar  ist.  Wenn  sich  nun  spater  die  Unmoglichkeit  der  Erfiillung 
erweist,  so  ist  man  gleichsam  in  seinem  eigenen  Geliibde  verstrickt. 
Das  Geliibde,  der  Schwur  usw.  sind  h  e  i  1  ig  —  die  ErfuHung 
aber  u  n  m  6  g  1  i  c  h.  Das  jiidische  Religionsgesetz  hat  zu- 
nachst  zur  Verhiitung  solcher  Konflikte  davor  gewamt,  sich 
-an  Gelobungen  zu  gewohnen.  Im  Anschlufi  an  das  biblische 
Buch  Koheleth,  Kap.  5,  V.  4,  ermahnt  der  Talmud,  Tr.  Nedarim 
Bl.  20,  S.  1  :  ,,Nimmer  gewohne  dich  an  Geliibde,  denn  dadurch 
wirst  du  dazu  gelangen,  Schwiire  zu  brechen",  und  in  demselben 
Traktat  Bl.  22,  S.  1,  lehrt  ein  Talmudautor:  ,,Wer  ein  Geliibde  tut, 
ist,  als  wenn  er  einen  Altar  aufierhalb  Jerusalems  errichtete  (d.  h.  er 
ist  verurteilenswert) ".  —  Jedoch  auch  fiir  bereits  geleistete 
Geliibde,  Schwiire  usw.  der  hier  besprochenen  Art 
hat  das  jiidische  Religionsgesetz  eine  Bestimmung  erlassen. 
Streng  genommen  ist  auch  die  freiwillig  sich  selbsl 
auferlegte  Bindung  unauflosbar.  Jedoch  wird  angenommen, 
dafi,  wenn  der  Gelobende  in  dem  Augenblicke  seines  Ver- 
sprechens  auf  die  Unmoglichkeit  der  Ausfiihrung  aufmerksam 
gemacht  worden  ware,  er  sein  Geliibde  unterlassen  oder  jedenfalls 
entsprechend  eingeschrankt  hatte.  Man  darf  also  annehmen,  dafi 
jedem  freiwilligen  Geliibde  bestimmte  Be- 
dingungen  s  t  i  1  Is  ch  we  i  g  en  d  zugrunde  liegen, 
die,  auch  wenn  man  sie  nicht  ausgesprochen  hat,  clennoch, 
gleichsam  im  Unterbewufitsein,  an  die  Verpflichtung  gekniipft 
wurden.  Z.  B.  liegt  einer  jeden  freiwilligen  Verpflichtung  zu  einer 
kiinftigen  Leistung  die  Bedingung  zugrunde,  dafi  man  zu  der  Zeit, 
wo  man  sie  auszufiihren  hatte,  noch  am  Leben  sei.  Darum  erlaubt 
das  jiidische  Religionsgesetz,  dafi  solche  freiwillige  Selbst- 
verpflichtungen,  Geliitde  usw.,  hinsichtlich  welcher  die 
Bedingung  der  Erfiillungsmoglichkeit  nicht  d  e  u  1 1  i  c  h  ausgesprochen 
worden  ist,  die  aber  dennoch  uneinlosbar  sind,  aufgehoben  werden. 
Um  einen  Mifibrauch  zu  verhiiten,  darf  die  Losung  einer  solchen 
Bindung  nur  durch  einen  jiidischen  Thoragelehrten,  der  mit  den  be- 
treffenden  religionsgesetzlichen  Vorschriften  vertraut  ist,  oder  durch  ein 
dreigliedriges  Laienkollegium  erfolgen.  —  Am  Versohnungstage,  an 
welchem  der  Jude  durch  reuevolles  Bekennen  sich  innerlich  erneuern 
und  bei  Gott  Siihne  fiir  alle  Vergehungen  erlangen  soil,  will  er  auch 
derartiger,  moglicherweise  freiwillig  sich  aufzuerlegender  Bindungen, 
wie  Geliibde,  Schwiire  usw.,  gedenken,  welche  er  zu  erfiillen  in  Zu- 

90 


kunft  keine  Moglichkeit  haben  konnte,  um  fur  deren  Nicht- 
emlosung,  selbst  in  dem  Falle,  dafi  er  nur  aus  Obereilung  und  in  Un- 
kenntnis  nicht  vorauszusehender  Hemranisse  das  Versprechen  getan, 
Gott  um  Vergebung  anflehen. 

Die  christlichen  Sachverstandigen  Professoren 
Noldeke  und  Wiinsche  aufiem  sich  wie  folgt:  ,,Vor  allem  ist  aber  zu 
betonen,  dafi  es  sich  hier  nicht  darum  handelt,  geleistete  Eide 
fiir  unverbindlichzu  erklaren,  sondern  nur  solche  Ver- 
pflichtungen,  welche  einer  Gott  gegenviber  auf  sich  genommen 
hat.  Die  Rechte  Dritter  werden  von  dieser  Aufhebung  nicht  beriihrt". 
Dazu  Kopp:  ,,Diese  Auffassung  ist  aufier  Zweifel.  So  heifit  es  im 
Talmud-Traktat  Joma,  Bl.  85,  S.  2:  ,,Obertretungen  des  Menschen 
gegen  Gott  siihnt  der  Versbhnungstag,  aber  Siinde  eines  Menschen 
gegen  den  anclern  siihnt  der  Versohnungstag  nicht".  Umstandlicher 
sagt  dies  Maimonides,  Kapitel  iiber  Bufie  II,  9:  ,,Die  Bufie  und  der 
Versohnungstag  siihnen  nur  Obertretungen  des  Menschen  gegen  Gott, 
z.  B.  wenn  einer  etwas  Verbotenes  gegessen  hat  und  dergleichen,  aber 
bei  Obertretungen  eines  Menschen  gegen  einen 
a  n  d  e  r  n  ,  wenn  z.  B.  einer  den  andern  verletzt  oder  verflucht 
oder  beraubt  und  dergleichen,  da  wird  ihm  nicht  eher  ver- 
ziehen,  als  bis  er  seinem  Nachsten  das,  was  er  ihm  schuldig 
ist,  gibt  und  ihn  zufriedenstellt  ...  Er  mufs  auSerdem  .  .  . 
von  ihm  (dem  Verletzten)  erbitten,  dafi  er  ihm  verzeihe  .  .  ." 
Ganz  dasselbe  sagt  der  Schulchan-Aruch  Abt.  I,  §  606,  1 , 
und  II,  §  211,  4.  Letztere  Stelle,  welche  lautet:  ,,Das  alles  ist 
aber  nur  gesagt  in  bezug  auf  einen  Schwur  oder  ein  Ge- 
labde,  so  er  sich  selbst  geschworen  und  sich  selbst  gelobt 
hat,  wird  er  aber  von  einem  andern  zu  einem  Schwur  ver- 
anlafit,  so  hilft  ihm  diese  Aufhebung  gar  nichts"  ist  in 
alien  Gebetbiichern  dem  ,,Kol  Nidre"  beigedruckt."11)  -  -  Paul 
F  i  e  b  i  g  ,  Licentiat  der  Theologie,  bemerkt  in  seiner  Schrift  ,,Das 
Judentum  von  Jesus  bis  zur  Gegen  wart",  Tubingen  1916,  zum  Kol 
Nidre-Gebet:  ,,Dieses  Stiick:  .  .  .  betrifft  namlich  die  Auflosung  von 
«Verpflichtungen  gegen  die  eigene  Person  .  .  .  und  entstammt  einer 
grofien  religiosen  Angstlichkeit,  die  sich  davor  fiirchtet,  in  Sachen  des 
religibsen  Geliibdewesens  .  .  .  irgendetwas  zu  versehen  .  .  .  Man  hat 
die  Juden  wegen  dieses  Stiickes  vielfach  angegriffen.  Jedoch  mit  Un- 
recht.  Gemeint  sind  nur  Gelvibde  rein  personlicher  Art 
und  zwar  solche,  die  ,,aus  Unbesonnenheit  mit- 
tels  eines  Irrtums  oder  Affekts  getan  werden 
(Heidenheim,  Machsor  Bd.  6,  Rodelheim  S.  29), 
nicht  solche,  die  mit  Besonnenheit  getan  werden 

91 


oder    zu    denen    man    gerichtlich    angehalten    wird. 
Solche  lassen  sich  nicht  auflosen."     (So  Fiebig.) 

Wie  verfahren  aber  die  Rohling,  Justus,  Ecker,  ja  wie  verfahren 
auch  heute  noch,  im  Jahre  1 920,  nachdem  auch  andere  christliche 
Sachverstandige  Erklarungen  im  obigen  Sinne  abgegeben  haben22),  wie 
verfahrt  heute  noch  Herr  Dr.  Dinter?  Er  druckt  in  seinem  Flugblatt 
den  Kol  Nidre-Satz  im  Original  ab,  was  unzweifelhaft  auf  den  Leser 
Eindruck  macht,  ubersetzt  auch  alles,  alles  bis  auf  eine  W e  n  - 
dung,  von  welcher  wir  bereits  oben  sagten,  dafi  der  Sinn  des  Ganzen 
in  ihm  liege,  so  dafi  das  Original  zu  der  Obersetzung  sich  verhalt 
wie  Sein  zu  Nichtsein.  Namlich  das  Wort  ,,Auf  sich  selbst"  bezw. 
,,auf  uns  selbst"  =  ,,al  nafschatana"  (althebraisch:  al  nafschotenu) . 
Dieses  wichtigste  Wort,  durch  dessen  Weg- 
lassung  das  Kol  Nidre-Gebet  zu  einer  Aufforde- 
rung  zum  Meineide  und  dadurch  zu  einer  B  1  as  - 
phemie,  zu  einer  Schandung  der  jiidischen  Re- 
ligion wird,  dieses  wichtigste  Wort  haben  die 
Antisemiten,  hat  selbst  noch  Herr  Dr.  Dinter, 
der  offenbar  kein  HebVaisch  versteht,  einfach 
u  n  t  e  r — 1  assen  mitzuiibersetzen. 

Wir  stellen  nunmehr  die  Texte  einander  gegeniiber. 

Wortliche  Obersetzung: 

(Kol  Nidre.)  ,,Alle  Ge- 
liibde  und  Entsagungen  und 
Schwiire  ...  durch  die 
wir  uns  selbst  (al  naf- 
schatana) etwas  geliibde-, 
schwur-  (usw.  )  m  a  6  i  g 
auferlegt,  entzogen 

(usw.)  haben  werden: 
von  diesem  Versohnungstag  bis 
zu  dem,  der  kommt ...  sie  alle 
bereuen  wir,  sie  sollen  aufgelost, 
ungiiltig  .  .  .  sein  .  .  ." 

Dieses  Beispiel  zeigt  uns,  dafi  man  erst  aus  einem  verstiim- 
m  e  1 1  e  n  Text  eine  Anklage  gegen  das  jiidisch-religiose  Schrift- 
tum  herzuleiten  vermag! 

Dafi  der  uneingeweihte  Leser  durch  die  ,,freie"  Obersetzung  des 
Kol  Nidre-Gebetes  geneigt  gemacht  wird,  auch  andere,  auf  den  Eid 
der  Juden  sich  beziehende  Anschuldigungen  glaubig  hinzunehmen,  1st 
wohlverstandlich,  und  damit  rechneten  eben  die  Rohling-Justus. 


Wiedergabe  in  den  anti- 
semitischen  Flugblattern : 

,,Alle  Geliibde,  Entsagungen 
.  .  .  auch  alle  Schwiire,  so  wir 
gelobt,  geschworen  .  .  .  haben 
werden  —  von  diesem  Versoh- 
nungstage  bis  zum  Versohnungs- 
tage,  der  kommt .  .  .  bereuen  wir 
hiermit  allesamt,  sie  alle  seien 
aufgelost,  ungiiltig  ..." 


92 


Wir  mochten  darum  wenigstens  einzelne  hierher  gehorige  Beschuldi- 
gungen  erortern. 

Unbekiimmert  um  die  auch  von  seiten  christlicher  Fachmanner 
erfolgte  Widerlegung,  wird  von  den  Antisemiten  noch  immer  beson- 
ders  eifrig  aus  Schulchan-Aruch,  Teil  II  ein  Satz  angefiihrt,  um 
daraus  eine  Anklage  gegen  das  Judentum  herzuleiten.  Der  betreffende 
Satz  (§  239, 1  Anmerkung)  besagt,  dafi,  wenn  ein  Jude  einen  Nicht- 
juden  bestiehlt  und  man  ihm  (dem  Juden)  in  Gegenwart  anderer 
Juden  einen  Eid  auferlegt,  und  diese  wissen,  dafi  er  falsch  schworen 
wiirde,  so  sollen  sie  ihn  notigen,  dafi  er  sich  mit  dem  Nichtjuden 
vergleiche  und  nicht  falsch  schwore,  selbst  wenn  er  diesen  Eid  er- 
zwungenenveise  leisten  wiirde,  weil  mit  diesem  seinem  Eide  eine 
Entweihung  des  gottlichen  Namens  verbunden  ware.  Jedoch  wenn 
er  unter  Zwang  steht,  und  keine  Entweihung  des  gottlichen  Namens 
dabei  ist,  dann  erklare  er  den  Schwur  in  seinem  Herzen  fur 
ungiiltig,  da  er  unter  einem  Zwange  steht,  ,,w  ie  oben  unter 
§  232  bestimmt  ist".  Was  steht  nun  im  §  232? 
Dort  ist  im  Absatz  15  zu  lesen:  ,,Wenn  einer  den  andem 
vergewaltigt  und  ihm  allerlei  Pein  zufugt, 
bis  er  schwort,  ihm  so  und  soviel  Geld  zu  zahlen,  so  ist  dieser 
Schwur  oder  das  Geliibde  oder  dieser  Bann  nichtig".  —  Dafi  dieser 
Satz  berechtigt  ist  und  nicht  die  geringste  Moralwidrigkeit  enthalt, 
wird  von  den  christlichen  Professoren  Noldeke.  und  Wiinsche  und 
dem  Juristen  Kopp  bestatigt.  Die  beiden  ersteren  schreiben  zu  §  232: 
,,Dies  ist  ein  R  e  c  h  t  s  s  a  t  z  ;  ein  durch  Drohungen  und  Peinigungen 
erzwungener  Schwur  ist  doch  wohl  auch  nach  modernem 
Recht  nichtig?"  Dazu  Kopp:  ,,Ohne  Zweifel,  und  der,  welcher 
ihn  bedroht  oder  gepeinigt  hat,  wird  nach  dem  Deutschen  Straf- 
gesetzbuch  als  Erpresser,  unter  Umstanden  sogar  wie  ein  Rauber  be- 
handelt  .  .  .  werden,  auch  glaube  ich,  dafi  selbst  der  strengste  Moralist 
nicht  verlangen  wird,  dafi  ein  solcher  Eid  gehalten  werde".  — 
Da  an  dieser  Stelle,  §  232,  der  Ausdruck  ,,Zwang",  wie  er  im  juri- 
dischen  Teil  des  Schulchan-Aruch  gebraucht  wird,  als  eine  schwere 
Bedrohung  definiert  ist,  so  ist  es  selbstverstandlich,  daf^  auch  im 
§  239,  den  wir  behandeln,  wo  auf  §  232  deutlichve'rwie- 
s  e  n  wird,  unter  ,,Zwang"  ebenfalls  die  Bedrohung  des  Lebens  ge- 
meint  ist.  Es  handelt  sich  also  auch  im  §  239,  den  wir  oben  ange- 
fiihrt haben,  um  einen  Foltereid,  den  sogenannten  Reinigungseid. 
Die  Kommentare  zum  Schulchan-Aruch,  Sifthe  kohen  und  Bajith 
chadasch  bemerken  auscfriicklich,  dafs  es  sich  um  einen  Fall  handelt, 
in  welchem  ein  Dieb  zum  Tode  verurteilt  werden  soil.  Der  „ Reini- 
gungseid", so  heifit  es  hieriiber  bei  Kopp,  ,,ist  eine  barbarische  Ein- 

93 


richtung,  welche  meines  Wissens  in  alien  modemen  Strafprozefi- 
gesetzen  beseitigt  ist . .  .,  der  Reinigungseid  war  ein  geradezu 
unmenschlicher  Gewissenszwang."23) 

Die  Gewahrsmanner  der  Antisemiten  geben  mit  ihrer  Ober- 
setzungskunst  die  fragliche  Stelle  mit  den  Worten  wieder:  „  .  .  wen  n 
erabergezwungenwird  (zuschworen)  .  .  .sosoll 
er  im  Herzen  den  Schwur  fiir  ungliltig  erklaren". 
Das  erweckt  den  Anschein,  als  ob  es  sich  darum  handelte,  dafi  der 
Jude  nach  der  Bestimmung  des  Schulchan-Aruch  einen  von  d  e  m 
Gericht  ihm  auferlegten  Eid  falsch  ablegen  und  hinterher 
im  Herzen  fiir  ungiiltig  erklaren  diirfte.  Und  Rohling  scheut  sich 
nicht  zu  schreiben:  Halt  also  die  christliche  Obrigkeit  den  Talmud- 
juden  zum  Eide  an,  dann  diirfe  der  Jude  falsch  schworen!  (Man 
beachte  die  Gegeniiberstellung :  christliche  Obrigkeit  - —  Talmud- 
jude!)  Aber  die  Obersetzung  ist  —  bei  denjenigen  anti- 
semitischen  Flugblattmannern,  die  den  Originaltext  des 
Schulchan-Aruch  nicht  verstehen,  selbstverstandlich  unbewufite 
—  Irrefuhrung.  Denn  es  handelt  sich  nicht  darum,  dafi  das 
Gericht  ordnungsmafiig  den  Juden  zum  Eide  a  n  h  a  1 1 ,  sondem 
darum,  dafi  dem  Juden  der  Reinigungseid  unter  A  n  - 
drohung  der  Hinrichtung  auferlegt  werden  solle.  So 
fiigen  die  Professoren  Noldeke  und  Wiinsche  mit  Recht  hinzu :  ,,D  i  e 
regulare  Abnahmeeines  Eides  durch  die  Obrig- 
keit ist  kein  Zwang  im  jiidiscli-rechtlichen  Sinn 
und  bei  einem  regularen  Eide  ist  dem  Juden  keine 
reservatio  mentalis  gestattet".  Dazu  der  christliche 
Jurist  Kopp:  ,,Dieser  bestimmte  Ausspruch  der  Sachverstandigen 
griindet  sich  auf  die  Beurteilung  der  einschlagigen  Satze  in  i  h  r  e  m 
Zusammenhange  .  .  .  Herr  Rohling  freilich  hat  immer  ein 
leichtes  Spiel  .  .  .  der  Zusammenhang  der  Stellen  und 
der  sich  daraus  ergebende  Sinn  ficht  ihn 
n  i  c  h  t  a  n  !" 

Zum  Kapitel  iiber  ,,Irrtum",  Schulchan-Aruch  IV,  §  348,  2, 
Anmerkung,  s.  oben  S.  51 — 53. 

Ober  die  auch  noch  von  Dr.  Dinter  aufrecht  erhaltene  Bean- 
standung  der  Vorschrift  betreffend  den  von  einem  Akum  verlorenen 
Gegenstand  (Schulchan-Aruch  IV,  §  266,  1  :  ,,Den  verlorenen 
Gegenstand  des  Akum  darf  man  behalten  .  . .  und  wenn  man  ihn  zu- 
ruckgibt,  um  den  Namen  Gottes  zu  heiligen,  damit  man  die  Israeliten 
lobe  und  erkenne,  dafi  sie  treue  Menschen  *ind,  so  ist  das  lobens- 
wert  . .  .")  ist  bereits  das  Notige  ausgefiihrt  worden.  Es  kann  sich 
hier  nur  um  solche  Andersglaubige  handeln,  deren  Rechtssatzungen 

94 


nicht  auf  der  Hohe  der  Gesittung  tehen.  Wo  nach  dem  Zeitbewufitsein 
das  Behalten  der  von  den  Fremden  verlorenen  Gegenstande  als  Unrecht 
gilt,  da  ergibt  sich  ganz  von  selbst  die  Pflicht  der  Rikkgabe.  Das  ist 
hier  der  Sinn  der  ,,Heiligung  des  gottlichen  Namens".  Dort,  wo  nach 
bestehenden  staatlichen  Fremden gesetzen  dem  Landfremden  das  Ver- 
lorene  nicht  zuriickgegeben  zu  werden  braucht,  ward  es  auch  nicht 
auffallen,  wenn  ein  Jude  dem  Fremden  den  Fund  nicht  wiederbringt. 
Herr  Dr.  Dinter  hat  bedauerlicherweise  vergessen,  den  Nach- 
satz  des  von  ihm  angezogenen  Schulchan-Aruch-Paragraphen  mit  zu 
erwahnen,  trotzdem  dieser  noch  im  (Karoschen)  Haupttext  steht, 
namlich  den  Satz :  ,,A  uf  alleFalleaberverwahrt  man 
ihre  (derAku  m)  .verlorenenGegenstande  genau  wie 
diejenigen,  die  Israeliten  gehoren,  mit  Riicksicht  auf  die  Forderungen 
des  friedlichen  Zusammenlebens."  Dieser  Satz  findet  sich  schon  im  Tur, 
der  altera  Vorlage  des  Karoschen  Werkes  (s.  oben  S.  64) ,  B  e  e  r  h  a- 
g  o  I  a  h  weist  aber  auf  den  alten  Jerusalemischen  Talmud  als  Quelle 
hin  (s.  oben  S.  49).  Das  beweist  deutlich,  daB  hier  das  alte 
Gesetz  ubemommen  ist,  welches  unkultivierte  Zustande  voraussetzt. 
Der  Tur  hat  hier  deutlich  aflsgesprochen,  dafi  man  die  von  dem 
Akum  verlorenen  Geratschaften  aufzubewahren  habe  ,,zur  Vorsicht 
wegen  der  Diebe".  Der  Jude  soil  also  aus  Menschlichkeitsgriinden 
die  von  dem  Akum  verlorenen  Gegenstande,  trotzdem  er  nicht  ver- 
pftichtet  ist,  sie  dem  Akum  selbst  zuriickbringen,  jedenfalls  a  u  f  b  e  - 
wahren,  damit  sie  nicht  gestohlen  werden  und  der 
Akum  sie  sich  abholen  konne.  Beer  hagolah  sagt,  dafi  sich  das 
Fremdengesetz  betr.  die  gefundenen  Gegenstande  auf  die  neu- 
tigen  Nicht  jud  en  nicht  beziehe,  ,,die  an  den 
Schopfer  der  Welt  glauben,  und  bei  denen  es 
Gesetz  ist,  das  Verlorene  zuriickzugeben."  —  Was  bleibt  da  noch 
von  der  Anklage  iibrig?  (S.  auch  S.  126.) 

Ober  das  famose  ..herrenloseGutder  Christen"  gibt 
die  Ausfuhnmg  Seite  56  ff.  Aufschlufi. 

Dieses  ,,herrenlose  Gut"  wird  auch  noch  in  den  neuesten  anti- 
semitischen  Flugschriften  weidlich  ausgebeutet.  So  wird  da  aus  Schul- 
chan-Aruch  IV,  §  156,  5,  Anmerkung,  folgendes  angefiihrt:  ,,Hat 
ein  Jude  an  einem  Akum  einen  guten  Kunden,  so  gibt  es  Orte,  wo 
man  richtet,  dafi  es  andem  verboten  sei,  ihm  Konkurrenz  zu  bieten 
und  mit  diesem  Akum  Geschafte  zu  machen;  und  es  gibt  Orte,  wo 
man  nicht  (so)  richtet,  und  manche  erlauben  einem  andern  Juden, 
zu  diesem  Akum  zu  gehen,  ihm  zu  leihen,  mit  ihm  Geschafte  zu 
machen,  ihn  zu  betruge»  und  ihm  (sein  Geld)  a  b  - 
zunehmen,  denn  das  Geld  des  Akum  ist  wie 

95 


herrenloses  Gut,  und  Jeder,  der  zuerst  kommt, 
nimmt  es  in  Besitz".  —  Zunachst:  das  betreffende  Wort 
heifit  dort  nicht  ,,ihn  zu  betriigen"  und  ,,ihm  sein  Geld  abzunehmen", 
sondem  (w'leschachude  leh  uleapuke  mineh)  ,,ihn  sich  geneigt  zu 
stimmen  und  i  h  n  (den  Akum)  ihm  (dem  Juden)  zu  entziehen", 
und  der  ganze  Passus  bedeutet  ,,ihn  (den  Kunden)  durch  Geschenke 
an  sich  zu  ziehen  und  von  dem  andern  wegzubringen".  Es  handelt 
sich  urn  die  Frage,  ob  ein  Jude  (B)  dem  andern  Juden  (A)  Ge- 
schaftskonkurrenz  bieten  diirfe.  Es  wird  hier.unter  den  verschieden- 
artigen  Fallen  auch  der  folgende  behandelt,  dafi  wenn  der  Jude  B. 
von  einem  nichtjiidischen  Geschaftskunden  Benefizien  erhalt,  der 
Jude  A.  (dem  der  Jude  B.  Konkurrenz  macht),  auf  diese  Benefizien 
seitens  des  nichtjiidischen  Kunden  keine  Prioritatsanspriiche  geltend 
machen  konne,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  der  Jude  gegeniiber 
einem  Nichtjuden  erst  durch  tatsachliche  Inbesitznahme  (occupatio) 
ein  Eigentumsrecht  erwirbt,  die  genannten  Benefizien  demnach,  die 
der  Nichtjude  bereits  aus  seinem  Besitze  fortgegeben  hat,  solange  sie 
nicht  von  irgendeinem  Juden  durch  occupatio  erworben  wurden, 
,,freies",  d.  h.  auch  dem  Juden  B.  gesetzlich  zugangliches  Gut 
bedeutet.  Els  ist  also  hier  dem  Jude,n  B.  infolge  der  eigenartigen 
Rechtsgestaltung  hinsichtlich  des  ,,herrenlosen  Gutes"  (s.  das  aus- 
fiihrliche  hieriiber  oben  S.  56  ff.)  gestattet,  dem  Juden  A.  Konkurrenz 
zu  bieten.  Vgl.  Hoffmann,  a.  a.  O.) 

Justus  und  seine  Gefolgschaft  beanstanden  die  Stelle  Schulchan- 
Aruch  IV,  §  1  83,  4,  wo  von  dem  Falle  gesprochen  wird,  dafi  ein 
Jude  dem  andern  half,  einen  ,,Goi"  in  Mafi,  Gewicht  und  Zahl  zu 
betriigen.  Da  hier  entschieden  wird,  dafi  die  beiden  Betriiger  den 
Gewinn  teilen,  so  wird  daraus  geschlossen,  dafi  der  Schulchan-Aruch 
erlaube,  den  ,,Goi"  in  Ma6  und  Gewicht  zu  betriigen.  Hieriiber 
aufiert  sich  Hoffmann,  a.  a.  O.  S.  1  70  f. :  ,,Nun  wird  dies  doch  im 
Choschen  mischpat  selbst  (231,1  und  19)  so  gar 
einem  Gotzendiener  gegeniiber  als  eines  der 
schwersten  Verbrechen  hingestellt  !  Ja  noch  mehr, 
es  findet  sich  ein  Beispiel,  wo  das  Gericht  zwischen  zwei  iiber  einen 
Diebstahl  oder  R  a  u  b  Streitenden  -  -  vom  ,,Goi"  ist  dort  gar 
keine  Rede,  es  kann  ein  Diebstahl  bei  einem  Juden  sein  —  ent- 
scheidet,  ohne  des  armen  Bestohlenen  oder  Beraubten  Erwahnung  zu 
tun.  In  Choschen  hamischpat  1 76,  12  wird  mit  diirren  Worten 
gesagt :  ,,Wenn  ein  Teilhaber  eines  Geschafts  gestohlen  oder 
g  e  r  a  u  b  t  hat,  mufi  er  den  Gewinn  mit  seinem  Sozius  teilen ;  ist  ihm 
dagegen  dadurch  Schaden  entstanden,  so  mufi  er  allein  ihn  tragen." 
Wie?  Die  beiden  Kompagnons  teilen  sich  in  Diebstahl  oder 


R  a  u  b  ?  !  Und  nicht  gerade  beim  ,,Goi",  es  ist  vielmehr  ganz 
einerlei,  wer  der  Beraubte  oder  der  Bestohlene  ist?!  —  Beweist  diese 
Stelle  nicht  tatsachlich  bis  zur  Evidenz,  dafi,  wenn  im  Schulchan- 
Aruch  zwischen  zwei  Streitenden  entschieden  wird,  ein  Dritter, 
dernicht  klagt  und  nicht  gegenwartig  ist,  bei  der 
Rechtsprechung  nicht  in  Betracht  kommt?  Das 
Gericht  hat  eben  nur  zwischen  den  beiden  Prozessierenden  zu  ent- 
scheiden.  Es  ist  danach  klar,  dafi,  solange  der  Beraubte 
« i  c  h  nicht  meldet,  das  Gericht  auch  nur  zwischen 
den  beiden  Dieben,  die  auf  den  Raub  Anspruch 
machten,  zu  entscheidenhatte.  —  Wer  also  entscheiden 
will,  ob  der  Schulchan-Aruch  einem  ,,Goi"  Unrecht  tut,  der  mufi 
zuerst  wissen,  wie  derselbe  Schulchan-Aruch  in  dem- 
selben  Falle  einem  J  u  d  e  n  gegeniiber  entscheiden  wiirde.  la 
alien  .  .  .  angefiihrten  Fallen  wiirde  die  Entscheidung  genau  ebenso 
lauten,  wenn  ein  J  u  d  e  der  Betrogene  ware ;  denn  solange  der  Be- 
trogene  nicht  klagt,  wird  vom  Gericht  auf  ihn  keine  Riicksicht  ge- 
nommen,  mag  er  Jude  oder  Christ  sein."  Soweit  Hoffmann. 

Auch  aus  Schulchari-Aruch  IV,  28,  3  wurde  eine  Anklage  her- 
geleitet.  Dort  heifit  es:  ,,Wenn  ein  Nichtjude  an  einen  Juden  eine 
Forderung  hat,  und  es  ist  ein  Jude  da,  der  fur  den  Nichtjuden  gegen 
den  Juden  als  Zeuge  eine  Bekundung  zu  machen  wiifite  und  es  ist  kein 
anderer  Zeuge  da  als  er,  und  der  Nichtjude  fordert  ihn  auf,  dafi  er 
fur  ihn  als  Zeuge  bekunde,  so  ist  er  an  einem  Orte,  wo  es  Gesetz 
der  Nichtjuden  ist,  auf  die  Aussage  e  i  n  e  s  Zeugen  zu  Geldzahlung 
zu  verurteilen,  verboten,  fur  ihn  Zeugnis  abzulegen."  —  Die  An- 
klage gegen  den  Schulchan-Aruch  verschweigt,  ,,dafi  hier  eine  sittlich 
hochstehende  Rechtsanschauung  zugrunde  liegt."  In  der  Bibel  wird 
folgende,  fiir  das  jiidische  Rechtswesen  grundlegende  Vorschrift 
erteilt:  ,,N  i  c  h  t  darf  auftreten  ein  Zeuge  als  Einzi- 
ger  gegen  jemanden  in  bezug  auf  irgendein  Ver  - 
brechen  oder  Vergehen,  das  er  begangen  hat; 
nur  auf  dieAussagevon  (w enigstens)  zwei  oder 
drei  Zeugen  soil  die  Rechtssache  festgestellt 
wer  den."  (V.  B.  Mos.,  Kap.  19,  V.  15.)  Wenn  die  Abgabe 
einer  Zeugenaussage  rechtliche  Wirkung  haben  kann,  also 
wenn  mindestens  zwei  Zeugen  vorhanden  sind,  dann  besteht  nach  der 
jiidischen  Gerichtsbarkeit  Zeugniszwang,  d.  h.  die  Pflicht, 
ror  Gericht  zu  erscheinen.  Wo  aber  die  Zeugnisabgabe  r  e  c  h  t  - 
iich  ohne  Folge  bleiben  mufi,  also  wenn  nur  e  i  n  Zeuge  vor- 
handen ist,  da  soil  sie  vor  dem  jiidischen  Gericht  unterbleiben, 
es  sei  denn,  dafi  es  sich  um  die  Befreiung  des  Verklagtem 

7 

97 


von  einer  Zahlung  handelt;  derm  dafiir  geniigt  ein  Zeuge.  — 
So:  ,,Wenn  ein  Jude  einem  Nichtjuden  eine  Schuld  abfordert, 
und  dieser  leugnet  und  ruft  einen  andern  Juden  als  Zeugen  an,  so 
darf  der  Jude  vor  ein  nichtjiidisches  Gericht  gehen,  nm  dem  Nichtjuden 
beizustehen,  da  ja  auch  nach  jiidischem  Recht  e  i  n  Zeuge  geniigt, 
um  den  Geforderten  von  der  Zahlung  zu  b  e  f  r  e  i  e  n.  Um  so  mehr 
diirfen  zwei  Zeugen  zugunsten  des  Nichtjuden  beim  nicht  jiidischen 
Gericht  Zeugnis  ablegen,  da  ja  auch  das  jiidische  Gericht  den 
Israeliten  auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  hin  fur  schuldig  erklart 
hatte"  (Schulchan-Aruch,  Choschen  Mischpat  28,  4;  Meirat  Enajim 
daselbst  und  Isserles  das.  s.  auch  S.  127).  Man  ersieht  daraus,  wie 
hier  nur  Oberflachlichkeit  im  Bunde  mit  eingewurzeltem  Mifitrauen 
dazu  fiihren  konnte,  den  Schulchan  Aruch  beim  deutschen 
V  o  1  k  e  verachtlich  zu  machen,  bei  dem  uberhaupt  keine  Rechts- 
pflicht  besteht,  ohne  Auffordeurng  des  Gerichts  in  irgendeiner  Sache 
Zeugnis  abzulegen. 

Zur  Kennzeichnung  der  Justusschen  Methode  seien  noch  weitere 
Bechuldigungen  angefuhrt. 

Orach  chajjim,  Kap.  2 1  7,  wird  in  mehreren  Paragraphen  ge- 
lehrt,  iiber  welche  wohlriechenden  Gewiirze  man  die  Benediktion  nicht 
sprechen  soil,  und  zwar  iiber  Gewiirze,  die  nicht  zum  Riechen,  son- 
dern  zur  Entfernung  eines  schlechten  Geruches  bestimmt  sind,  z.  B. 
bei  Leichen  oder  einem  Abort  (§  2),  iiber  Raucherwerk,  das  be- 
stimmt ist,  die  Kleider  durchzurauchern  (§  3),  Gewiirz,  das  am 
Halse  einer  .  . .  Frau  als  Schmuck  hangt,  weil  man  dann  beim  Riechen 
zu  Unsittlichkeiten  kommen  konnte  (§  4),  Gewiirz  von  Go  tz  en- 
die  n  s  t ,  woran  man  nicht  riechen  darf  (§  5) .  —  Welcher  Liigner 
ist  fahig,"  —  so  schreibt  Prof.  Hoffmann  S.  Ill  —  ,,diese 
Gesetze  zu  christenfeindlichen  zu  stempeln  ?  Justus 
hat  es  fertig  gebracht,  und  zwar  durch  folgendes  famose 
Taschenspieler  -  Kunststikkchen :  Die  Worte  ,,Gewiirze  von 
Gotzendienst"  verwandelt  er  in  ,,Gewiirz,  das  in  einer 
christlichen  Kirche  gewesen  ist".  (,,Dafi  fur  diese 
Vorschrift  dicht  daneben  als  Quelle  die  alte  Mischnah  in 
Berachoth  5 1  b  angegeben  wird,  welche  doch  von  christlichen  Kirchen 
noch  nichts  wufite  —  ist  der  geringste  Verstofi  des  Liigners.") 
„. .  .  Darauf  werden  aus  den  vier  umgemodelten  Paragraphen 
die .  .  .  Gegenstande :  ,,Gewiirz  von  einem  Abort .  .  .  und  Gewiirz 
von  einer  christlichen  Kirche"  als  verboten  herausgehoben  und  z  u  - 
sammengestellt,  dann  wird  eine  gemeinsame  Begriindung 
hinzugelogen :  ,,weil  das  Gewiirz  durch  den  Abort .  .  .  und  die 
Kircheverunreinigtworden  is  t",  schliefilich  werden  die 

98 


Worte:  ,,K  ircheverunreinigt"  gesperrt  gedruckt  und  —  das 
Kunststiick  ist  fertig." 

Im  Schulchan-Aruch  II,  §  1  1  7,  1  heifit  es:  ,,Mit  einer  (Efi-)ware, 
welche  von  der  Thora  (zum  Essen)  verboten  wurde,  darf  man  keinen 
Handel  treiben  .  .  .  Sind  dagegen  einem  Jager  Wild  oder  Vogel 
oder  Fische,  die  (zum  Essen)  verboten  sind,  zufallig ...  ins  Netz 
gegangen,  so  darf  er  sie  verkaufen.  Dasselbe  gilt  fiir  den  Fall,  dafi 
ein  Tier  als  Nebelah  oder  Terefah  (durch  Fehlschlachtung  oder  Ver- 
letzung  zum  Essen)  verboten  wurde.  Ebenso  ist  es  erlaubt,  diese 
verbotenen  Dinge  fiir  eine  Schuld  von  Nichtjuden  einzukassieren,  weil 
dies  (nicht  als  ein  gewinnbrin gender  Handel,  sondern)  als  ein  Retten 
(des  Eigentums)  aus  deren  Hand  betrachtet  werden  kann."  —  Dazu 
entscheidet  R.  Aron  ben  Ascher  in  seinem  Werke  Orchot  Chajjim, 
dafi  man  nur  dann  eine  Schuld  von  einem  Nichtjuden  in  (zum  Essen 
fur  den  Juden)  verbotenen  Tieren  bezahlt  nehmen  kbnne,  wenn  es 
mit  Bestimmtheit  als  eine  ,,Rettung"  betrachtet  werden 
kann,  d.  h.  wenn  der  Schuldner  unzuverlassig  ist. 
Justus  hat  diese  Bestimmung  zu  folgendem  ,,Gesetz" 
umgedichtet:  ,,Der  Jude  darf  nicht  handeln  mit  unreinen 
Sachen  (z.  B.  Schweinen,  Dingen  aus  einer  christ- 

lichen   Kirche  usw ) ,   aber  einem  Christen  das    a  b  z  u  - 

nehmen  (d.  h.  nicht  kaufen,  sondern  als  Bezahlung  einer  e  r  - 
"dichteten  (!)  Schuld  annehmen)  ist  erlaubt,  weil  es  immer 
eine  gute  Sache  ist,  dem  Christen  etwas  zu  en  t- 
r  e  i  fi  e  n".  —  Es  ist  uberflussig,  die  Gesinnung,  die  sich  in  dieser 
,,Bearbeitung"  des  Schulchan-Aruch  offenbart,  naher  zu  kennzeichnen. 
SelbstHerrDr.  Eckerkannnichtumhin.zudieser 
Stelle  in  Justus'  Buch  folgendes  hinzuzufiigen: 
„.  ..indes  die  direkte  Nebeneinanderstellung 
von  ,,S  c  h  w  e  i  n  e  n"  und  ,,D  i  n  g  e  n  a  u  s  e  i  n  e  r  (c  h-r  i  s  1 1.) 
Kirch  e"stellt  die  Sache  etwas  (!)  scharfdar.  In 
der  zweiten  Klammer  ist  der  Ausdruck  ,,erdichtete 
Schuld"  zu  tadel  n".  -  -  So  urteilt  schon  Dr.  Ecker.  -  -  Nun 
ja,  ,,etwas"  scharf  ist  immerhin  auch  ihm  zuweilen  der  Herr  Justus. 
Als  Schulchan-Aruchgesetz  fiihrt  Justus  das  folgende  an:  ,,Es  ist 
ein  gutes  Werk,  dafi  jeder  Jude,  so  viel  er  kann,  sich  be- 
fleifiige,  die  christliche  Kirche  oder  was  zu  ihr  gehbrt  oder  was 
fiir  sie  getan  wird,  zu  verbrennen  und  zugrunde  zu  rich- 
t  e  n".  —  Prof.  Hoffmann  (a.  a.  O.  S.  1 20  f )  bemerkt  dazu, 
dafi  nunmehr  zu  der  teuflischen  Luge  vom  ,,rituellen  M  o  r  d  e"  die 
ihr  ebenbiirtige  Verleumdung  von  der  ,,rituellen  Brandstiftung" 
sich  hinzugesellt.  —  Die  Bestimmung  im  Schulchan-Aruch,  welche 

7* 

99 


Justus  als  Quelle  dieses  ,,Gesetzes"  angegeben  hat,  lautet  aber  in 
Wirklichkeit  (II,  §  146,  14 — 15):  ,,Es  ist  jedem,  der  Gotzen- 
b  i  1  d  e  r  findet,  geboten,  dafi  er  sie  fortschaffe  und  vemichte".  — 
Nun,  wir  wollen  auch  hier  lieber  dem  Judengegner  Ecker 
selbst  das  Wort  geben;  er  schreibt:  ,,D  ie  urspriing- 
lichausder  hi.  Schrift  stammende,  vom  Schulchan- 
Aruchnur  noch  genauer  bestimmte-V'orschrift 
beziehtsich  zunachst  auf  eigentliche  Gb'tzenbilder  ( !) 
Altare  u.  dgl."  —  Leider  fiigte  Dr.  Ecker  zu  diesem,  bis  auf  das 
Wbrtchen  ,,zunachst",  korrekten  Urteil  noch  einen  Satz  hinzu,  durch 
den  er  sich  zum  Verbiindeten  Justus'  macht.  Er  fahrt  namlich  fort: 
,,Wir  haben  nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  nach  Analogic  der 
iibrigen  Gesetze  Justus  dieselbe  auch  auf  die  christlichen 
K  i  r  c  h  e  n  ausdehnt".  —  Es  Jst  nur  bedauerlich,  wenn  Dr.  Ecker 
gegen  eine  solche  Falschung  nichts  einzuwenden  hat.  Da  kann  es 
nicht  mehr  viel  niitzen,  wenn  er  (Ecker)  weiterhin  sagt:  ,,Indes, 
wenn  im  ,Judenspiegel"  nur  von  christlichen  Kirchen  die  Rede  ist, 
wird  das  biblisch-talmudische  Gebot  doch  in  einer  Weise  z  u  g  e  - 
spitzt  (!),  wie  man  es  kaum  gutheifien  kan  n".  Els 
wird  aber  auch  kaum  gutgeheifien  werden  konnen,  wenn  Ecker  trotz- 
dem  den  angefiihrten  Satz  mit  den  Worten  abschliefit:  ,,U  n  r  i  c  h  t  i  g 
ist  indes  das  ,,Gesetz"  nicht".  —  Also  doch,  —  nicht!  Jedoch 
mochten  wir  Dr.  Ecker  entschuldigen.  Er  wufste  nicht,  dafi  nach 
dem  Gesetze  des  Schulchan-Aruch  der  Jude  selbst  heidnische 
Gotzenbilder  nur  dann  vernichten  soil,  wenn  er  sie  gefunden  hat  (wie 
es  ja  ausdriicklich  in  dem  oben  angefiihrten  Gesetz  lautet),  und  sie 
sein  Eigentum  geworden  sind.  Fremdes  Eigentum 
zerstb'ren  wird  nie  und  nimmer  gestattet,  selbst  wenn  es  ein  H  e  i  d  e  n- 
tempel  ist  (die  Kriegsbestimmungen  fur  die  E  r  - 
oberung  Kanaans,  s.  oben  S.  15,  gehoren  iiber- 
haupt  nicht  hierher,  wie  aus  der  ausdriicklichen  Erklarung 
des  Schulchan-Aruch- Verfassers  Karo  (im  Beth  Joseph)  und  dem 
Kommentar  Ture  Sahab,  Nr.  |1 2,  ersichtlich)  ;  vollends  gilt  dies 
von  einer  christlichen  Kirche,  in  welcher  nach  der  ausdriicklichen 
Erklarung  des  Isserles,  Schulchan-Aruch  I,  §  1 56,  der  Schb'pfer 
der  Welt  angebetet  wird.  ,,E  i  n  e  christliche  Kirche  zu 
zerstoren,  ist  nach  dem  Schulchan-Aruch  nicht 
nurnichtgestattet.sonderngeradezustrengver- 
b  o  t  e  n."  (H  o  f  f  m  a  n  n  ,  Schulchan-Aruch,  S.  121). 

Der  ,Judenspiegel"  zitiert  (,, Gesetz"  3)  :  ,,Sind  zehn  Juden 
an  einem  Orte  beisammen  und  sprechen  das  Kadisch-Gebet,  so  kann 
auch  einer,  der  nicht  zu  ihnen  gehort,  dabei  antworten,  vorausgesetzt, 

100 


dafi  sie  nicht  trenne  Kot  oder  Akum  (Christ) ."  Christ  und 
Kot  sind  alsogleichbedeutend.  —  Das  jiidische  Re- 
ligionsgesetz  verbietet  an  einem  unreinen  Orte  Andacht  zu  halten. 
Als  ,,unrein"  in  symbolischem  Sinne,  d.  h.  als  entweihend,  gilt  dem 
jiidischen  Religionsgesetz  auch  ein  Gotzenbild,  und  darum 
konnen  sich  nach  dem  Schulchan-Aruch  betende  Gruppen  nur  dann 
zu  einer  Gemeinschaft  vereinigen,  wenn  weder  Unreines  noch 
Entweihendes  (Fetischbilder)  sich  zwischen  ihnen  be- 
findet.  —  Trotzdem  der  Hauptkommentar  des  Schulchan-Aruch 
ausdriicklich  erklart,  dafi  nicht  die  Anwesenheit  von 
Heiden  personen,  sondern  die  von  Gotzenbildern  als  das 
Entweihende  gilt,  scheut  sich  Justus  nicht,  eine  doppelte  Unterstellung 
vorzunehmen  :  fur  Gotzenbild  setzt  er  Gotzen  d  i  e  n  e  r  (Akum) 
und  fiir  Gbtzendiener :  Christen.  In  Wahrheit  verbietet  das  jiidische 
Religionsgesetz  weder  die  Abhaltung  gottesdienstlicher  Andacht  in 
unmittelbarer  Nahe  von  Nichtjuden  noch  die  Anwesenheit  von  Nicht- 
juden,  selbst  von  Heiden,  in  der  Synagoge.  Religiose  Juden  beten 
beispielsweise  wahrend  der  Eisenbahnfahrt  in  nachster  Nahe  der 
Christen,  auch  pflegen  die  jiidischen  Religionsgemeinden  zu  alien 
gottesdienstlichen  Veranstaltungen,  welche  auch  Andersglaubige  mit- 
zufeiern  Anlafi  nehmen  konnten,  z.  B.  vaterlandische  Feste,  Gedenk- 
feiern  usf.,  insbesondere  auch  zur  Einweihung  von  Synagogen,  die 
christlichen  Mitbiirger  einzuladen,  und  es  ist  alter  jiidischer 
Brauch,  dem  christlichen  Landesfiirsten  bei  feierlichen  Empfangen 
mil  dem  heiligsten  Gegenstande  des  jiidischen  Kultus,  der  T  h  o  r  a  - 
r  o  1 1  e  ,  entgegenzuziehen. 

Im  ,,Gesetz"  5  will  der  .Judenspiegel"  seine  Leser  glauben 
machen,  dafi  der  Schulchan-Aruch  Christentum  und  U  n  - 
z  u  c  h  t  als  gleichbedeutend  hinstelle.  Nun  war  gerade  hierin  der 
Talmud  (und  ebenso  der  Schulchan-Aruch)  der  Verbiindete 
der  christlichen  Lehre,  dafi  er  Gotzendienst  und  Unzucht  fiir 
engverwandte  Erscheinungen  hielt  (s.  H  a  r  n  a  c  k  ,  oben  S.  4 1  )  und 
beide  gleicherweise  bekampfte.  Fiir  die  Gleichstellung  von 
Christentum  und  Unzucht  gibt  es  in  Talmud  und  Schulchan- 
Aruch  absolut  keinen  Anhaltspunkt. 

Im  Schulchan-Aruch,  I  §  306,  wird  die  (nur  von  wenigen 
Gesetzeslehrem  unterstiitzte)  Ansicht  erwahnt:  ,,Es  ist  erlaubt,  im 
Lande  Israel  (selbst)  am  Sabbath  von  einem  Heiden  (Akum)  ein 
Haus  zu  kaufen.  .  ,"23)  Dazu  gibt  der  Zusatztext  die  Begriindung: 
,,Z  ur  Forderung  der  Besiedlung  Palastina  s".  Die 
Ursprungsstelle  dieser  Bestimmung  findet  sich  im  Talmud  (Tr. 
Gittin,  Bl.  8),  und  stammt  aus  der  Zeit,  wo  die  Juden  von  ihrer 

101 


heimatlichen  Scholle  nach  und  nach  verdrangt  wurden.  Das  Bestreben, 
vom  verlorenen  heimatlichen  Boden  moglichst  viel  k  a  u  f  1  i  c  h  (und 
nicht  etwa  mit  Gewalt)  zuriickzuerwerben,  diirfte  in  gegenwartiger 
Zeit  Verstandnis  finden.  —  Wie  zitiert  nun  Dr.  Justus  im  ,,Juden- 
spiegel"?  Er  schreibt  im  ,,Gesetz"  5:  ,,Am  Sabbath  ist  es  dem 
Juden  streng  verboten  zu  kaufen  oder  zu  verkaufen;  wohl  aber  ist 
es  erlaubt,  von  einem  Akum  (Christen)  in  Palastina  ein  Haus  zu 
kaufen,  ....  damit  man  in  Palastina  einen  Akum  (Christen)  weniger 
und  einen  Juden  mehr  habe,  damit  ein  Mensch  (Jude)  mehr,  ein 
Akum  (Christ  gleich  Kot)  oder  Tier  weniger  in  Palastina  sei!" 

Eine  These  des  ,,Judenspiegels"  (,,Gesetz"  15)  lautet,  der 
Jude  sei  verpflichtet,  Tiere  (Hunde)  nicht  aber  christliche  Menschen 
am  Leben  zu  erhalten.  Es  handelt  sich  um  das  jiidische  Religions- 
gesetz  (Sch.-A.  I,  306  f.)  .welches  dem  Juden  das  Kochen  von 
Speisen  am  Sabbath  (von  Krankheitsf alien  abgesehen)  unter- 
sagt,  an  Feiertagen  hingegen  unter  stark  einschran- 
kenden  Bedingungen  erlaubt.  Um  den  Feiertag  nach  Mbg- 
lichkeit  von  Arbeiten  zu  entlasten,  gilt  als  Regel:  was  zur  Ver- 
pflegung  der  zum  Hausstande  des  Juden  gehbren- 
denPersonen  nochfiir  den  Feiertag  selbst  be- 
notigt  wird,  darf  zubereitet  und  gekocht  werden.  Fur  einen 
j  u  d  i  s  c  h  e  n  Cast  diirfen  allerdings  auch  Speisen  z  u  g  e  1  e  g  t 
werden  (wird  doch  dadurch  der  e  i  g  e  n  e  Hausstand  des  jiidischen 
Gastes  entsprechend  von  Arbeiten  entlastet),  nicht  aber  fiir  einen 
nichtjiidischen  Gast.  Nun  betrachten  Talmud  und  Schulchan-Aruch 
(wie  ja  schon  die  Thora  auch;  s.  das  Sabbathgesetz  in  den  Zehn- 
geboten,  II.  Buch  Mos.,  Kap.  20)  die  Haustiere  als  zum 
Haushalt  gehorige  Wesen,  deren  Versorgung  als 
religiose  Pflicht  gilt.  (Nach  einer  alten  jiidischen  Ober- 
lieferung,  Talmud-Traktat  Berachoth,  Bl.  40,  S.  1 ,  soil  man  an 
jedem  Morgen  die  Haustiere  z  u  e  r  s  t  fiittern,  ehe  man  selbst  das 
Friihstiick  einnimmt,  weil  die  Haustiere  zumeist  hilflos  sind.)  Der 
Hund  aber  gilt  dem  Talmud  wegen  seiner  Treue  als  das  vornehmste 
Haustier  und  wird  darum  im  jiidischen  Schrifttum  haufig  als  Bei- 
spiel  gewahlt,  wenn  von  den  Pflichten  gegeniiber  den 
T  i  e  r  e  n  die  Rede  ist.  —  Man  kann  es  nicht  anders  denn  als  eine 
Spekulation  auf  die  Uneingeweihtheit  der  christlichen  Leser  bezeich- 
ner.,  wenn  der  ,,Judenspiegel"  aus  diesen  Zusammenhangen  heraus- 
tiiftelt,  dafi  nach  dem  jiidischen  Religionsgesetz  der  Hund  (,,Hund" 
in  dem  heute  vielfach  angewandten  verachtlichen  Sinn !) 
hb'her  stehe  als  der  christliche  Mensch  und  dafi  der  Jude  eher  ein 
Tier  als  christliche  Menschen  am  Leben  zu  erhalten  verpflichtet  sei. 

IO2 


Justus  verschweigt,  dafi  keinjiidisches  Religionsgesetz 
demjuden  untersagt,  von  denjenigen  Speisen,  welche  am 
Feiertage  bereits  gekocht  werden  oder  nicht  g  e  k  o  c  h  t 
zu  werden  brauchen,  am  Feiertage  einem  Nichtjuden  abzugeben;  er 
unterdriickt  den  Satz  des  Schulchan-Aruch  I,  §  325,  1,  wo  ausdriick- 
lich  bemerkt  wird,  dafi  der  Jude  am  Sabbath  wohleinen  Nicht- 
juden einladen  konne  (weil  die  Speisen  fur  den  Sabbath  laut 
Vorschrift  bereits  am  Vortage  gekocht  werden) ,  ferner  die  dort 
gegebene  Begrundung:  „.  .  .  denn  seine  (des  Nichtjuden) 
Versorgung  liegt  dir  ob,  da  man  die  Nicht- 
juden mil  Lebensmitteln  zu  versorgen  hat"  —  und 
hat  anscheinend  keine  Kenntnis  davon,  dafi  am  jiidischen  Feiertag  im 
Haushalt  des  Juden  fiir  die  zum  Hausstand  zahlenden 
nichtjiidischen  Personen  (Hausgehilfen,  Geschafts- 
gehilfen,  Erzieher  usw.),  ohne  irgendwelche  Sondermafinahmen  mit- 
gekocht  werden  darf,  ja  mufi! 

,,Gesetz"  91  des  Eckerschen  .Judenspiegels"  ermoglicht  einen 
Einblick  in  die  Arbeitsmethode  Dr.  Eckers.  Der  Schulchan-Aruch 
bestimmt,  dafi  man  beim  Ableben  eines  Juden  gewisse  T  r  a  u  e  r  - 
gebrauche  beobachten  soil,  z.  B.  Zerreifsen  eines  Kleides  (vgl. 
I.  Buch  Mos.,  Kap.  37,  V.  34,  wo  erzahlt  wird,  dafi  der  Stamm- 
vater  Jakob  bei  der  Nachricht  von  dem  Tode  seines  Sohnes  Joseph 
,,seine  Gewander  zerreifit").  Ferner  wird  die  Ansicht  erwahnt,  dafi 
man  auch  beim  Tode  von  Kindem,  wenn  diese  schon  das  sechste 
Lebensjahr  iiberschritten  hatten,  Trauerfeiem  veranstalten  konne. 
,,Beim  Ableben  eines  Akum"  —  so  heifit  es  weiter  —  ,,b  r  a  u  c  h  t 
man  sich  wegen  der  Trauerfeierlichkeit  und  der 
Leichenbegleitung  nicht  zu  bemiihen".  (Sch.-A.  II,  344,  8) . 
Das  wird  verstandlich,  wenn  man  beachtet,  dafi  gewisse  Trauer- 
gebrauche  mit  r  e  1  i  g  i  6  s  e  n  Anschauungen  zusammenhangen. 
Dafi  der  Leichnam  eines  Nichtjuden  jedoch  vernachlassigt  werden, 
dafi  man  sich  mit  ihm  nicht  befassen,  ihn  unbestattet  lassen  diirfe, 
davon  ist  keine  Rede  (s.  weiterhin).  Darum  bemerkt  der  Kommen- 
tar  ausdriicklich,  dafi  die  obenerwahnte  Sonderbestimmung  beziiglich 
des  Akum  sich  nicht  beziehe  auf  dasjenige,  was  fur  ,,das  Tragen 
der  Bahre  und  fiir  das  Begrabnis  eines  Akum  n  o  t  - 
w  e  n  d  i  g  ist".  Oberdiesverweist  der  Kommentar 
auf  §  367.  Im  §  367  zitiert  derselbe  Kommentar  im  Nam  en 
des  Verfassers  des  Schulchan-Aruch:  ,,M  a  n  i  s  t 
auch  verpf  li  chtet ,  dem  Nichtjuden  das  letzte 
Geleit  zu  geben,  wenn  dadurch  der  Friede  gefordert  wird 
oder  wenn  es  ein  frommer  Nichtjude  war,  da  es  als  ein  fester  Lehrsatz 

io3 


gilt,  dafi  ein  frommer  Nichtjude  Anteil  an  der 
ewigen  Seligkeit  ha  t."  —  Was  haben  Justus  und  Ecker  aus 
dieser  humanen  Lehre  gemacht?  Justus  behauptet  (,,Gesetz"  91): 
«Ist  ein  Jude  gegenwartig,  wenn  ein  anderer  Jude  stirbt,  so  soil  er . . . 
als  Zeichen  der  Trauer  ein  Stiickchen  sich  von  seiner  Kleidung 
reifien  ...  1st  er  zugegen  beim  Tode  eines  Juden,  der  Akum  (Christ) 
geworden  ist,  so  ist  dieses  Zeichen  verboten.weil  derjude 
iiber  einensolchen  Fall  sichfreuen  soil.  Ferner 
ist  es  dem  Juden  verboten  (!),  einem  Akum  (Christen) 
die  letzte  Ehre  zu  erweisen,  z.  B.  seine  Leiche 
z  u  Grabe  zu  geleiten  oder  eine  Trauerrede  zu 
halt  en  .  .  ."  - —  Dazu  erganzt  Dr.  Ecker:  ,,Da£  der  Jude  ,,sich 
freuen  soil",  wenn  ein  Akum  stirbt,  ist  nach  friiher  Gesagtem  ganz 
natiirlich.  Der  Kommentar  Beer  hagolah  bemerkt  noch  dazu,  es  sei 
dies  eine  Freude,  die  kein  Geld  kostet".  —  So  Dr.  Ecker. 

Hierzu  ist  zunachst  zu  sagen:  der  Schulchan-Aruch  lehrt 
(I,  490,  4),  dafi  der  Jude  sich  nicht  einmal  iiber  den  Tod  seiner 
grimmigsten  Feinde  und  Verfolger  wie  es  die  alten  Agypter  waren, 
freuen  durfe.  (Vgl.  d.  bibl.  Weisheitsspriiche,  Kap.  24,  V.  17— :18: 
,,Wenn  dein  Feind  fallt,  freue  dich  nicht,  und  wenn  er  strauchelt, 
frohlocke  nicht  dein  Herz").  —  Wichtig  ist  aber  noch,  dafi  die 
vollig  aus  der  Luft  gegriffene  Erganzung  Eckers,  der 
Schulchan-Aruch  lehre,  es  sei  dies  (die  Freude  am  Tode  eines 
Akum)  ,,eine  Freude,  die  kein  Geld  kostet"  —  wie 
Prof.  Hoffmann  es  enthiillt  —  die  Vermutung  nahelegt,  dafi  Ecker 
hier  von  einem  anderen  hat  den  Text  ,,geliefert  erhalten"  und  sich 
,,dupieren  lassen".  Namlich  an  einer  anderen  Stelle  desselben 
Kapitels  im  Schulchan-Aruch  heifit  es,  da6  man  beim  Tode  eines 
Kindes  a  r  m  e  r  Leute  auch  in  dem  Falle  eine  Trauerfeier  ver- 
anstalten  soil,  wenn  es  junger  als  sechs  Jahre  war  (s.  oben),  ,,denn 
-  so  lautet  die  Begriindung  —  ,,dies  ist  ihre  Freude"  ,(d.  h.  die 
Kinder  sind  das  einzige  Gliick  armer  Eltern),  da  sie  doch  kein 
Vermogen  besitzen,  um  sich  (auch)  eine  andere  Freude  zu  ver- 
schaffen".  —  Aus  diesen  Worten  hat  Ecker  seine  Weisheit  ge- 
schopft:  ,,es  sei  dies  eine  Freude,  die  kein  Geld  kostet".  —  Es 
liegt  auf  der  Hand  (so  schreibt  Hoffmann),  dafi,  wer  die  Quellen 
nachzulesen  versteht,  unmoglich  so  entsetzliche  Albern- 
heiten  drucken  lassen  kann. 


Schulchan-Aruch    lehrt : 

IV,   §    1 — 2:   ..Heutzutage 

aind     jiidische     Gerichtskollegien 

nur  zustandig  fiir  die  (Z  i  v  i  1  -) 

104 


,,J  u  d  e  n  s  p  i  e  g  e  1"  zitiert 

(..Gesetz"   19): 
,Jedes       Bethdin       (Ober- 
rabbineramt)    darf  auch  heutzu- 


tage  Todesstrafe  verhangen, 
wenn  es  dieses  fur  notig  erachtet, 
auch  wenn  fur  die  Sache  kein 
klarer  Beweis  vorliegt .  . ." 

(Anmerkung:)  ,,Doch  in 
diesem  Falle,  wo  die  Ober- 
rabbiner  den  Tod  eines  Men- 
schen  fur  notig  erachten,  diirfen 
sie  auch  jetzt  noch  die  Todee- 
strafe  verhangen". 


Rechtsfalle  .  .  .  Alle  Gerichts- 
kollegien  .  .  .  diirfen  jedoch,  wenn 
sie  sehen,  da&dasjudische 
Volk  die  Schranken 
(des  Rechts  und  der 
Moral)  niederreifit 

durch  Obertretung  der 
Religionsgesetze,  so- 
wohl  Todes-  als  auch  Geld-  und 
sonstige  Strafen  verhangen,  selbst 
wenn  die  Formalitaten  der  Be- 
weisaufnahme  nicht  abgeschlossen 
sind".  Kommentare:  „.  .  .  Wenn 
es  die  Not'der  Stunde 
f  o  r  d  e  r  t"  .  .  .  ,,U  n  d  e  r  - 
sichtKch  ist,  d  a  6  die 
Sache  auf  Wahrheit 
b  e  r  u  h  t"  . . .  ,,Bei  Todes- 
urteilen  mufi  man  darauf  be- 
dacht  sein,  nur  mil  Zustimmung 
der  Gemeinde-Altesten  .  . .  und 
mit  ruhiger  Oberlegung  zu  ver- 
fahren". 

Es  ist  zunachst  nicht  recht  verstandlich,  zu  welchem  Zwecke  der 
.Judenspiegel"  diese  rein  innerjiidische  Angelegenheit,  ein  von 
Juden  fiir  Juden  bestimmtes  Gesetz,  in  seine  Sammlung 
aufgenommen  hat.  Allein,  man  kommt  auf  den  Gedanken,  dafi  das  von 
ihm  zurechtgemachte  ,,Gesetz"  in  dem  christlichen  Leser  die 
Meinung  hervorrufen  soil,  als  sei  das  Oberrabbineramt  so  etwas 
wie  die  ,,Schwarze  Hand",  die  vom  Schulchan-Aruch  ermachtigt 
wird,  beliebig  —  am  Ende  gar  auch  iiber  Christen,  ,,wenn  es  dieses 
fiir  notig  erachtet"  —  den  Tod  zu  verhangen.  Man  vergleiche  nur 
aufmerksam  die  beiden  obigen  Texte  miteinander. 

Die  antisemitischen  Flugblatter  schreiben :  ,,D  e  r  Talmud 
unddieRabbinerlehren:DenRechtschaffensten 
derNichtjuden  bringe  um  dasLebe  n".  (Als  Quelle 
wird  angegeben  Talmut-Traktat  Abodah  zarah  [=  Gotzendienst] » 
Blatt  26,  Tos.).  Welche  Bewandtnis  hat  es  mit  dieser  ,,Lehre  des 
Judentums"?  —  Ein  Talmudgelehrter  wirft  (laut  Talmud  Jer., 
Tr.  Kidduschin)  die  Frage  auf,  woher  wohl  die  alten  Agypter  bei 
der  Verfolgung  der  eben  aus  der  Sklavenschaft  befreiten  und  aus  dem 
Lande  eilenden  Israliten  die  Kriegsrosse,  von  denen  die  Bibel  erzahlt, 


105 


hergenommen  haben  mochten.  Heifit  es  dock  in  der  biblischen  Er- 
zahlung,  dafi  wahrend  des  iiber  Agypten  niedergegangenen  Hagel- 
wetters  das  Vieh  zugrunde  ging.  Der  betreffende  Talmudist  gibt  die 
Erklarung,  dafi  doch  nicht  alles  Vieh  umgekommen  sei.  Die  Bibel 
berichtet  namlich,  dafs  diejenigen  Agypter,  die  sich  durch  die  vor- 
herige  gottliche  Ankiindigung  des  kommenden  Hagelschlags  wamen 
liefien,  ihr  Vieh  vom  Felde  heimgetrieben  haben.  Da  gab  es  also 
noch  geniigend  Kriegsrosse,  um  die  Israeliten  verfolgen  zu  konnen.  — — 
An  diesen  Gedankengang  wird  die  Folgerung  gekniipft,  dais  selbst 
die  besseren  Elemente  unter  den  Heiden  nicht  viel  wert  seien,  da  ja 
selbst  diejenigen  Agypter,  die  das  Wamungswort  Gottes  beachteten, 
sich  nicht  gescheut  hatten,  die  durch  Gottes  Wamung  geretteten  Tiere 
fur  den  schandlichen  Zweck  der  Verfolgung  der  aus  der  Sklavea- 
schaft  fliehenden,  wehrlosen  Israeliten  bereitzustellem.  Also  —  so 
meint  der  Tamudist  —  moge  auch  die  Besten  unter  den  Heiden 
(sinngemafi  gesprochen:)  —  der  Teufel  holen.  Ja,  er  hat  sich  noch 
scharfer  ausgedriickt,  er  sprach  sogar  von  Tolling.  Jedoch  bemerken 
schon  die  Tosaphoth  (einer  der  mafigebendsten  Kommentare  aus  dem 
1  2.  Jahrhundert) ,  dafl  der  Schriftgelehrte  nur  gemeint  haben  konne, 
es  brauche  wahrend  einer  Kriegfiihrung  mit  den 
Heiden  auch  auf  die  Besten  unter  ihnen  keine  Riicksicht  ge- 
nommen  zu  werden.  Sollte  nun  diese  Erklarung  auch  nichts  anderes 
als  eine  nachtragliche  ,,Rettung"  jenes  Schriftgelehrten  bezwecken, 
so  bewiese  sie  doch  immerhin,  dafi  die  iibrigen  Schriftgelehrten  die 
besprochene  Aufierung  eben  nicht  in  ihrer  scharfen  Fassung  gelten 
lassen  wollten. 

In  dem  alten  Schriftauslegungsbuch  Midrasch  Bemidbar  rabbah, 
welches  iibrigens  niemals  als  Gesetzbuch  bei  den  Juden  gait,  wird  (im 
Kap.  2 1  )  Bezug  genommen  auf  die  biblische  Erzahlung  (IV.  Buch 
Mos.,  Kap.  25),  wonach  Gott  dem  Hohepriestersohn  Pinehas,  der 
einen  LJnzucht  treibenden  Israeliten  samt  der  mit  ihm  be- 
troffenen  Midjanitin  im  Eifer  erschlug,  die  anerkennenden  Worte 
zurief :  ,,Ich  gebe  ihm  meinen  Bund  des  Friedens  .  .  .  dafiir,  dafi  er 
geeifert  hat  fiir  seinen  Gott  und  gesiihnt  hat  die  Kinder  Israels", 
und  es  wird  gefragt:  ,,Hat  derm  Pinehas  ein  Opfer  dargebracht,  so 
dafi  es  heifien  dtirfe,  er  habe  ,,die  Kinder  Israels  g  e  s  ii  h  n  t".  — 
Antwort:  ,,Du  ersiehst  hieraus,  dafi  wer  das  Blut  der  Frevler 
(jiidischen  Frevler)  vergiefst,  so  anzusehen  ist,  als  wiirde  er  ein 
Opfer  dargebracht  haben".  So  der  Schriftausleger.  Man  ver- 
gegenwartige  sich:  der  Hohepriestersohn  ereifert  sich  iiber  eine 
emporende  Untat  eines  seiner  Stammesbriider,  eines 
Israeliten,  die  geeignet  war,  das  Volk  Israel  in  das  Verderben 

106 


des  sittlichen  Verfalls  zu  stiirzen  (vgl.  die  Kommentare) ,  und  er 
vollzieht  an  ihm,  dem  israelitischen  Verbrecher,  und  an  dem 
unziichtigen  midjanitischen  Weibe  i  m  E  i  f  e  r  (so  nennt  es  die 
Bibel  selbst)  ein  Strafgericht,  die  Thora  nennt  dies  eine  Siihne  (eine 
rettende  Tat)  fur  Israel,  ein  Schriftausleger  bemerkt  dazu,  da6  ein 
solches  (an  einem  Juden  vollzogenes)  Strafgericht  so  viel  gelte 
als  ein  Opfer  —  und  nun  kommen  die  antisemitischen  Flugblatt- 
verfasser  und  schreiben  unter  ungenierter  Berufung  auf 
diese  Stelle  das  folgende :  ,,D  e  r  Ta  Imud  und  die  R  a  b  - 
biner  lehren:  Wer  d  a  s  B  1  u  t  d  e  r  N  i  c  h  t  j  u  d  e  n  v  e  r  - 
g  i  e  6  t ,  bringtGott  ein  Opfer  da  r".  Ein  mutiges 

Stiick,  fiirwahr. 

Ober  die  in  antisemitischen  Flugblattern  enthaltene  Stelle,  wo  es 
heifit,  das  jiidische  Religionsgesetz  schreibe  vor,  dafi  ,,wenn  ein  Nicht- 
jude  in  eine  Grube  fallt,  man  ihn  nicht  herausziehe",  s.  oben 
Seite  54. 

Viel  Larm  entstand  neuerdings  urn  den  Ausspruch  des  Talmud 
(Tr.  Pesachim,  Bl.  1  1  3,  S.  1  ) ,  der  da  lautet:  ,,W  ennduinden 
Krieg  ziehst,  so  ziehe  nicht  vornean,  sondern 
ziehe  zuletztaus,  aufdaSdu  zuerstheimkehres  t". 
-  Dieser  Spruch  kommt  freilich  denjenigen  gelegen,  die  gem  von  der 
Driickebergerei  der  Juden  sprechen,  denn  er  hort  sich  so  an,  als  wiirde 
er  von  Religions  wegen  den  Juden  empfehlen,  sich  in  den  Landern, 
wo  sie  wohnen,  ihrer  vaterlandischen  Pflicht  moglichst  zu  entziehen. 
Der  Ausspruch  des  Talmud  gibt  jedoch  —  wie  der  Talmud  an  der 
betreffenden  Stelle  deutlich  sagt  —  ein  im  ehemaligen  jiidi- 
schen  Staate,  und  zwar  in  Jerusalem  verbreitetes  Sprich- 
wort  wieder,  welches  anjiidischeSoldatenimjudischen 
Staate  gerichtet  war.  Wer  in  den  Geschichtsbiichern  blattert,  wird 
erfahren,  welche  bewundernswerte  Tapferkeit,  ja  von  den  romischen 
Heeren  selbst  angestaunte  Heldenhaftigkeit  die  Juden  bei  der  Ver- 
teidigung  ihres  Landes,  insbesondere  der  Hauptstadt  Jerusalem,  be- 
wiesen  haben.  Der  erwahnte  Volksspruch  kann  darum  nichts  anderes 
sein,  als  eine  —  aus  nicht  mehr  bekannten  Anlassen  entstandene  — 
harmlose  Redensart,  da  sie  eine  Zeit  voraussetzt,  wo  die  Juden  i  m 
eigenen  Staate  lebten  und  im  Kriegsfalle  nur  auf  die 
eigene  Kraft  angewiesen  waren. 

Noch  ein  zweites  Sprichwort,  welches  der  Talmud  an  derselben 
Stelle  aus  alter  Zeit  zitiert,  die  Redewendung:  ,,B  e  f  a  s  s  e  dich 
mit  demjenigen,  dem  die  Stunde  lachelt"  fuhren 
neuere  antisemitische  Schriften  gern  an,  und  zwar  in  einem  Tone,  als 
ob  der  Talmud  damit  die  gefahrlichste  Skrupellosigkeit  hatte 

107 


anempfehlen  wollen.  Der  Satz  bedeutet  nichts  anderes  als  eine  harm- 
lose  Lebensregel,  wie  wenn  man  heute  jemandem  den  Rat  erteilt,  bei 
geschaftlichen  Unternehmungen  mb'glichst  mit  einem  Finanzinstitut 
in  Verbindung  zu  treten,  welches  ,,gliicklich  arbeitet",  d.  h.  leistungs- 
fahig  ist.  Da6  das  jiidische  Schrifttum  die  selbstsuchtige  und 
bedenkenlose  Verbruderung  mit  jedem  beliebigen  ,,Gliicksvogel",  oder 
brutalen  Emporkommling  verabscheut,  geht  aus  zahlreichen  Bibel-  und 
Talmudausspriichen  hervor.  Einige  Stellen  mb'gen  hier  vorgefuhrt 
werden.  Der  Psalmdichter  wamt  (Ps.  37)  :  ,,Beneide  nicht  die  Obel- 
tater  (d.  h.  auch  wenn  sie  Erfolg  haben)  ;  denn  wie  das  Gras,  so 
werden  sie  dahinwelken".  —  Der  Talmud  (Mischnah,  Spriiche  der 
Va'ter,  Kap.  I)  lehrt:  ,,Habe  mit  dem  schlechten  (gesetzlosen) 
Menschen  k  e  i  n  e  Gemeinschaft".  Ferner  meint  der  Talmud  (Baba 
kama,  Bl.  92,  S.  2)  :  .  .  .  ,,W  as  sich  mit  Unreinem  ver- 
b  i  n  d  e  t ,  i  s  t  (selbst)  unrei  n."  —  Im  Traktat  Sukkah,  Bl.  56, 
S.  2,  lehrt  ein  Autor:  ,,Wehe  dem  Bbsewicht  —  wehe  seinem 
Nachbar".  Und  in  Aboth  die  R.  Nathan,  Kap.  VI,  steht  die 
Mahnung:  ,,Wer  sich  blofi  mit  Ubeltatern  verbindet,  den  ereilt 
schon  das  gleiche  Strafgericht  (wie  jene) ,  selbst  wenn  er  ihre  (bbsen) 
Taten  nicht  nachgeahmt  hatte". 

Auch  iiber  einen  ,,O  sterwunsch  der  Juden"  und  ein 
,,G  ebet  am  Hamanfeste"  suchten  jiingst  von  Antisemiten  in 
Umlauf  gesetzte  Handzettel  das  deutsche  Volk  ,,aufzuklaren".  AU 
..Osterwunsch"  wird  bezeichnet  das  in  der  alten  Pessachhagadah  ent- 
haltene  Stiick:  ..Giefie  aus  deinen  Grimm  iiber  die  Vblker,  die  dich 
nicht  kennen  und  iiber  die  Reiche,  die  deinen  Namen  nicht  anrufen. 
Denn  sie  haben  Jakob  verschlungen  und  seine  Wohnstatte  haben  sie 
verwiistet".  —  Das  ist  aber  kein  Osterwunsch,  sondern  ein  Not- 
schrei  wegen  der  Pogromopfer,  welcher  gerade  um  die  Osterzeit,  wo 
die  wahnwitzige  Blutbeschuldigung  aufzutauchen  pflegte,  oft  genug 
durch  das  mittelalterliche  (und,  leider,  auch  durch  das  ,,neuzeitliche") 
Europa  zitterte,  das  ist  ein  Aufschrei,  der  sich  zuerst  der  Brust  des 
Psalmdichters  entrang  (Psalm  79,  V.  6 — 7)  und  nicht,  wie 
die  antisemitischen  Flugschriften  unterstellen,  auf  Christen, 
sondern  auf  unchristliche  Menschen  bezogen  wird,  auf 
Menschen  und  Volker,  die  ,,den  Namen  Gottes  nicht 
kennen"  und  ,,den  Namen  Gottes  nicht  anrufen" 
(s.  Kommentar  zur  Hagadah,  Maafie  Haschem,  Venedig  1583). 

Am  15.  Dezember  1914  fiihrte  der  Berliner  christliche 
Universitatsprofessor  Friedrich  Delitzsch  in  einem  offent- 
lichen  Vortrage  iiber  ,,P  salmworte  fur  die  Gegenwart" 
(Deutsche  Reden  in  schwerer  Zeit,  Nr.  1  3,  Carl  Heymanns  Verlag, 

108 


Berlin)  u.  a.  folgendes  aus:  „. ..Und  mit  Grausenhoren 
wir,  d  a  6  die  fiihrendea  k  i  r  c  h  1  i  c  he  n  Z  e  i  t  u  n  g  e  n 
(hier  folgt  der  Name  eines  deutschfeindlichen  Staates)  verkiin- 
d  e  n  ,  es  fiihre  einen  heiligen  Krieg.  Einen 

heiligen  Krieg  gegen  dasVolk  Luthers,  indem  es 
eine  Meute  von  Heiden  und  G  b  t  z  en  d  i  e  n  er  n  und 
Teufelsanbetern  gegen  uns  loslaftt.  1st  das 

nicht  gottlos?  Das  Wort  des  Psalraisten:  M  ufi 
ich  DeineHasser,  oGott,  nicht  hassen  undvor 
denen,  die  wider  dich  erstehen,  mich  grauen?  Mit 
aufierstem  Hasse  hasse  ich  sie"  —  sollte  dieses  Wort 
nicht  Jesus  selbst  in  diesem  Falle  zu  dem  seinen  gemacht  haben? 
Und  des  weiteren  sprach  Professor  Delitzsch  in  heiligem  Zorn  iiber 
die  Begriinder  des  ,,L  iigenbureaus,  das  Tag  fur  Tag 
imraer  neue  Liigen,  nichts  als  Liigen  (iiber  Deutsch- 
land)  ausspeit  und  mit  ihnen  alle  Lander  durch- 
seucht,  also  dafi  wir  (namlich  das  deutsche  Volk)  w  i  e 
schon  der  Psalmist  klagt  ,,Schimpf  und  Schande 
geworden  sinc\  unseren  Nachbarn"  und  unter  An- 
fiihrung  des  Psalmwortes :  ,,D  a  erwachte  der  Allherr  und 
schlugseineFeinde  .  .  . ewigeSchmach ihnen be- 
r  e  i  t  e  n  d",  brach  der  Redner  in  den  Ruf  aus :  ,,G  erechter 
Gott,  tue  einGleiches  unseren  Fein  den"  -  so 
zittert  es  aus  unsern  Herzen  —  aber  wir  unterdriicken 

dieses  Stofigebet  und  folgen  den  Makkabaern" 

Keiner  aber  konnte  den  christlichen  Professor,  der  solches  sprach, 
besser  verstehen  als  diejenigen,  gegen  die  seit  Jahrhunderten,  seit 
Hamans  Zeiten,  die  wiiste  Losung  ausgegeben  wird:  ,,Kommt, 
wir  wollen  sie  ausrotten  aus  der  Reihe  der 
Volker"  (Psalm  83,  V.  4 — 5;  s.  den  erwahnten  Vortrag, 
S.  11  — 12),  und  die  angesichts  der  an  ihnen  begangenen  Untaten 
sich  das  letzte  Recht  des  Unterdriickten  und  Vergewaltigten  wahren 
mochten :  Zuflucht  zu  suchen  beiGott,  demAll- 
herrn,  dem  Horte  des  Rechts  und  der  Gerech- 
tigkei  t  ! 

Nein,  das  ist  kein  ,,O  sterwunsc  h",  wie  es  antisemitischer 
Geschmack  bezeichnet.  Die  Juden  haben  aber  einen  Neujahrs- 
w  u  n  s  c  h.  In  dem  Hauptgebete  des  jiidischen  Neujahrsfestes  heifit 
es:  ,,Lege,  o  Gott,  die  Ehrfurcht  vor  Di'r  auf  alle 
Deine  Geschopfe  .  .  .  auf  dafi  alle  Kreaturen 
Dich  fiirchten  und  allesamt  zu  Einem  Bunde 
werden,  um  mit  ganzem  Herzen  Deinen  Willen 

109 


z  u  t  u  n  .  .  .  auf  dafi  das  Unrecht  verstummt  und  alle  Bosheit  wie 
eine  Rauchwolke  verschwindet" 

Die  hier  angefiihrten  Beispiele  konnten  noch  erheblich  vermehrt 
warden.  Es  moge  jedoch  hier  zusammenfassend  gesagt  werden: 
kaumeinemeinzigensamtlicher  von  Justus  im 
Namen  des  Talmud  und  Schulchan-Aruch  an  g  e- 
f  ii  h  r  t  e  n  ,,G  esetze"  (100  an  der  Zahl)  hat  selbst 
Dr.  Ecker,  der  Beschiitzer  Justus',  vorbehaltlos  z  u  - 
gesti-mmL  Schon  Dr.  Ecker  hat  eine  Reihe  jener  von 
Justus  sogenannten  ,,Gesetze"  mit  mehr  oder  minder  energischen 
Ausdriicken  abgelehnt.  So  heifit  es  zu  ,,Gesetz"  17:  ,,Die 
Obersetzung  des  Justus  lafit  sichnichtrechtfertige  n".  — 
Zu  2 1  :  ,,Mit  dem  Ausdruck  .  .  .  hat  Justus  vielleicht  z  u  v  i  e  1  g  e  - 
sag  t".  —  Zu  22 :  ,,Die  .  .  .  Worte  .  .  .  sind  zu  streiche  n". 

Zu  24:  ,,Im  .Judenspiegel"  ist  der  Ausdruck  .  .  .  wohl 
etwas  stark".  —  Zu  26:  .Justus  hat  die  beiden  verschiedenen 
Texte  in  geschickter  ( !)  Weise  miteinander  verwebt.  Es  ist  i  n  - 
k  o  r  r  e  k  t  aber  nicht  unredlich.  —  .  .  .  Dieser  kleine  I  r  r  t  u  m  des 
Justus".  —  Zu  28 :  ,,Das  ist  ein  spitzerZusatz  des  Justus".  — 
Zu  38:  ,,Das  Gesetz  im  .Judenspiegel"  ist  insofern  u  n  g  e  n  a  u"  .  .  . 
—  Zu  43:  ,,Im  .  .  .  .Judenspiegel"  scheint  uns  die  Unter- 
s  t  e  1 1  u  n  g  des  Justus  ...  nicht  hinreichend  moti- 
v  i  e  r  t".  —  Zu  55 :  ,,Indes  die  direkte  Zusammenstellung  .  .  .  stellt 
die  Sache  etwas  scharf  dar".  —  Zu  65:  ,,So  hatte  Justus  wieder 
korrekter  gehandelt,  wenn  er...  geschrieben 
hatte  ..."  -  Zu  66:  ,,Wenn  er  (Justus)  aber  .  .  .  ubersetzt 
und  dazu  noch  durch  Sperrdruck  hervorhebt  ..<  sosagter 
mehr  als  im  Texte  lieg  t".  —  Zu  73 :  .Justus  hat  hier  den 
scheinbar  wichtigen  Zusatz  des  Schulchan-Aruch  weg- 
g  e  1  a  ss  en".  .  .  . 

Ja,  noch  scharf  ere  Urteile  finden  sich  stellenweise  schon  bei 
Dr.  ,Ecker,  z.  B.  zu  ..Gesetz"  2 :  ,,D  er  (vonjustus)  alsBe- 
griindung  angefiihrte  Satz  stehtim  Schulchan- 
Aruch  gar  nicht,  im  Talmud  aber  in  anderem  Z  u  - 
sammenhange.  Die  Begriindung  des  Justus  ist 
also  willkiirlic h."  —  Zu  9 :  ..Beide  Wbrter  sind  (bei  Justus) 
noch  dazu  durch  Sperrdruck  hervorgehoben,  so  miifate  der  Uneinge- 
weihte  den  Schlufi  ziehen,  daS  im  Gesetze  selbst  die  christliche 
K  i  r  c  h  e  offen  und  deutlich  als  G  6  t  z  e  n  h  a  u  s  bezeichnet  werde ; 
und  hierin  wird  vielleicht  mancher  gerade  die  Scharfe  des  Gesetzes 
suchen,  was  der  Wahrheit  nicht  entsprich  t".  — 
Zu  25  :  ,,Das  Gesetz  bei  Justus  ist  im-ersten  Teile  u  n  r  i  c  h  t  i  g".  — 

IIO 


Zu  30 :  ,,Der  von  Justus  angegebene  Grund  ist  nicht  zu 
billigen".  —  Zu  31:  ,,D  i  e  Worte  des  Justus  .  .  . 
stehen  nicht  im  Schulcha  n". 

Die  Professoren  Delitzsch,  Nbldeke  und  W  ii  n  s  c  h  e  , 
sowie  der  Jurist  Dr.  K  o  p  p  haben  sich  jedoch  der  Wahrheit  energi- 
scher  angenommen.  I  h  r  e  Urteile  iiber  R  o  h  1  i  n  g  lauten  u.  a. 
(Delitzsch)  :  ,,Entstellte  Obersetzungen",  ,,Entstellte  Texte",  ,,Ent- 
stellungen  durch  Verschweigen",  ,,Falsche  Deutungen";  (Noldeke 
und  Wiinsche)  :  ,,Von  Christen  und  Christentum  ist  hier  nirgends  die 
Rede",  ,,absolut  falsch",  ,,hier  ist  allerdings  gar  nichts  dem  Rohling 
schen  Zitate  Ahnliches",  ,,von  dem,  was  Rohling  dariiber  zitiert, 
enthalt  diese  Stelle  nicht  einmal  eine  Spur",  ,,Entstellung  der  Wahr- 
heit". —  (Kopp:)  ,,Nackte  Falschung"  (Seite  60),  ,,Seine  Unred- 
lichkeit"  (71),  ,,in  gewohnter  Weise  verstiimmelt",  ,,Zitate  falscht" 
(S.  81),  ,,korrumpiert  wiedergegeben"  (S.  83).  ,,Der  Leser  hat 
auch  an  einer  Reihe  flagranter  Beispiele,  die  nicht  naher  zu  charak- 
terisierende  Kampfmethode  des  Herrn  Rohling  kennen  gelemt  —  er 
kann  sich  jetzt  ein  Urteil  bilden"  (Seite  63). 

Es  sei  hier  schliefilich  noch  festgestellt,  d  a  6 
die  imjahre  1919  veranstaltete  Neuauflage  des 
Justusschen,Judenspiegels"vonden  von  seiten 
der  be  r  ii  h  m  t  e  s  t  e  n  christlichen  Fachmanner 
sowie  des  Nestors  der  jiidischen  Talmudgelehr- 
ten.  Prof.  Hoffmann,  gegen  die  Rohling- 
J  us  t  u  s  -  E  c  k  e  r  s  c  h  e  n  Thesen  langst  verbffent- 
1  i  c  h  t  e  n  W  i  der  1  e  g  u  n  gen  keine  Kenntnis  genom- 
men  und  sie  —  mit  ganz  verschwindenden  Aus- 
nahmen  —  unbeachtet  gelassen  hat! 


Ill 


Anhang. 

Mehrerealte.denVerkehrderJuden  mitAnders- 
glaubigen  regelnde  Gesetze  der  Juden. 

(Aus  Prof.  Hoffmann  ,,Der  Schulchan-Anich"  usw.) 

Aus  Kap.  1 .  AllgemeineGrundsatze. 

Gott  stets  vor  Augen  haben,  ist  ein  oberster  Grundsatz  der 
Thora;  selbst  im  verborgenen  Wandel  und  auf  der  nachtlichen 
Lagerstatte  beachte  man,  dafs  Gott  gegenwartig  ist.1) 

Alles,  was  man  tut,  geschehe  zu  Ehren  Gottes.  Der  Mensch 
uberlege  jeden  Schritt  und  jede  Tat;  wenn  er  durch  dieselbe  zum 
Dienste  seines  Schopfers  gelangt,  dann  tue  er  sie,  wo  nicht,  soil  er 
«e  unterlassen.2) 

Ein  Nicht jude,  der  die  sieben  Noachidischen  Gebote3)  an- 
genommen  hat,  der  heifit  ein  Ger-Toschab  (ein  Fremdling,  der 
in  einem  jiidischen  Staate  als  Beisasse  aufgenommen  wurde.4)  Gegen 
diesen  mufste  man  im  gewbhnlichen  Verkehr  und  im  Erweisen  der 
Liebesdienste  ganz  so  wie  mit  einem  Israeliten  verfahren,  derm  wir 
waren  verpflichtet,  ihn  zu  ernahren,  wie  geschrieben  steht:  ,,Dem 
Fremdling  in  Deinen  Toren  sollst  Du  es  geben!5)"  Eines 
solchen  Nichtjuden  Irrtum  darf  man  nicht  aus- 
nutzen;  auch  die  verlorene  Sache  m  u  6  man  ihm 
zuriickgeben.  Schatze  ihn  nicht  gering,  sondern  ehre  ihn  mehr 
als  einen  Juden,  der  sich  nicht  mit  der  Thora  beschaftigt!  6) 

Nur  gegen  Gott  begangene  Siinden  werden  am  Ver- 
sohnungstage  vergeben;  dagegen  finden  Siinden,  welche  man  gegen 
die  Menschen  veriibt,  am  Versohnungstage  keine  Siihne,  wenn 


l)  Isserles  im  Orach  Chajjim   1 ,   1 . 

*)   Karo.  Orach  Chajjim  231. 

a)   Die  7  Gebote,  vgl.  oben  S.  33. 

*)  Karo,  Jore  Dea   124,  2. 

')  Maimonides    H.    Melachim    10,    12. 

8)  R.   Juda  b.  Samuel,   Sepher  Chassidim   358. 


112 


man  nicht  den  Verletzten  befriedigt  hat.  7)  ,,Es  sei  aber  niemand  so 
tbricht,  in  seinem  Herzen  zu  sprechen,  Raub  sei  nur  dann  ein  so 
schweres  Vergehen,  dafi,  wer  ihn  nicht  zuriickgibt,  weder  durch 
Bufie  noch  durch  Opfer  Siihne  findet,  wenn  der  Raub  an  einem 
Israeliten  begangen  wurde ;  dem  ist  nicht  so,  sondern  auch  die 
Beraubung  eines  Nichtjuden  ist  von  der  Thora  verboten 
worden ...  Ja,  esisteine  schwerere  Siinde,  einen 
Nichtjuden  zu  berauben,  als  einen  Juden.  Wer 
daher  eine  solche  Siinde  begangen,  soil  sie  von  sich  entfernen,  denn 
er  wird  nicht  rein,  bevor  er  sie  abgeworfen,  wie  man  einen  Stein  aus 
der  Hand  wirft."  8) 

Aus  Kap.  .2.    Achtung  der  Wiirde  aller  Menschen. 

Wer  einen  nichtjiidischen  Weisen  sieht,  spreche : 
,,Gepriesen  seiest  Du,  Ewiger,  unser  Gott,  Konig  der  Welt,  der  Du 
von  Deiner  Weisheit  dem  Sterblichen  gespendet  hast."  9) 

Wer  einen  nichtjiidischen  Konig  sieht,  spreche:  ,,Gepriesen 
seiest  Du,  Ewiger,  unser  Gott,  Konig  der  Welt,  der  Du  von  Deiner 
Ehre  einem  Sterblichen  verliehen  hast."  10)  Sieht  man  hohe  konigliche 
Beamte,  so  spreche  man  diesen  Segenswunsch  ohne  Erwahnung  des 
Gottesnamens  und  Seines  Konigtums.11) 

Auch  nicht  jiidischen  Greisen  mufi  man  Hochachtung 
bezeugen  und  ihnen  die  Hand  zur  Unterstiitzung  reichen.  12) 

Wer  einen  Leichenzug  sieht,  mufi  aufstehen  und  jedem,  auch 
einem  nichtjiidischen  Toten  mindestens  vier  Ellen  weit 
das  Geleite  geben.  Wiewohl  man  bei  einem  abtriinnigen  Juden  nicht 
hinter  der  Bahre  hergehen  m  u  fa  ,  so  mufi  dies  beim  Nichtjuden  ge- 
schehen,  weil  der  fromme  Nichtjude  mehr  zu  achten  ist,  als  der  ab- 
triinnige  Jude.  13) 

Es  ist  verboten,  einen  menschlichen  Leichnam,  sei  es  der 
eines  Juden  oder  eines  Nichtjuden,  ebenso  auch  dessen 
Totenkleider  zu  irgendwelchem  Nutzen  zu  gebrauchen.14)  ,,Dies  ist 
urn  so  mehr  verboten  bei  den  j  e  t  z  i  g  e  n  Nichtjuden,  welche 

7)  Orach  Chajjim  606,  vgl.  Mischnah  Joma  85. 

8)  R.  Bechai  b.  Ascher  im  Kad  ha-Kemach  ed.  Warschau  S.   1  7. 
•)  O.  Ch.  224,  7. 

")  O.  Ch.  224,  8. 
u)  O.  Ch.  224  im  Magen  Abraham. 
")  J.  D.  244,  7. 

")  Karo,  Bet  Joseph  im  J.  D.  367. 
")  Jore  Dea  349,    1. 
t 

n3 


Religion  und  Gesetz  achten,  an  den  Weltschopfer,  die  Vorsehung,  Be- 
lohnung  und  Bestrafung  und  andere  wichtige  Dogmen  glauben. 15)  .  . . 
Dennoch  aber  mag  es  geniigen,  dafi  ganz  Israel  die  Christen  fur  Nicht- 
Gotzendiener  halt.  Darum  miifite  ihr  Leben  kostbar 
sein  in  unseren  Augen,  selbst  wenn  wir  iiber  s  i  e  herrschten 
und  sie  u  n  s  untertanig  waren  in  unserem  Lande,  und  wie  viel 
mehr  ist  es  in  diesen  Landern,  wo  wir  unter  ihrem  Schatten  uns 
bergen,  unsere  Pflicht,  mit  unserer  ganzen  Kraft  sie  zu  schiitzen,  sie 
vom  Tode  zu  erretten  und  vor  jedem  Schaden  und  Nachteil  zu  be- 
wahren;  auch  der  Schutz  ihres  Eigentums  mufi  unsere  Sorge  sein  .  .  . 
Dies  alles  ist  selbstverstandlich  .  .  .  Steht  es  doch  fest,  dafi  die 
Frommen  aller  Volker  Anteil  an  der  ewigen  Seligkeit  haben."  16) 

Aus  Kap.  3.    Proselyte  n. 

Wenn  jemand  kommt,  um  zum  Judentum  iiberzutreten,  sage 
man  zu  ihm:  ,,Was  bewegt  Dich,  Jude  zu  werden,  weifit  Du 
denn  nicht,  dafi  Israel  zur  Zeit  gestofsen,  zertreten  und  gemartert  ist?" 
Wenn  er  sagt:  ,,Wohl  weifi  ich  dies,  und  ich  stehe  nicht  an,  mich 
mit  ihnen  zu  verbinden",  so  nehme  man  ihn  auf  und  m  a  c  h  e  i  h  n 
bekannt  mit  den  Grundlehren  der  Religion,  d.  i. 
die  Einheit  Gottes  und  das  Verbot  des  G  6  tzeri- 
d  i  e  n  s  t  es.  1T) 

Man  schildere  alien  aufzunehmenden  Proselyten  die  Schwere 
des  .Joches"  der  Thora  und  die  Miihe,  welche  deren  Ausiibung 
dem  gemeinen  Volke  macht,  damit  sie  ihren  Vorsatz  aufgeben. 
Geben  s\e  ihren  Vorsatz  aber  dennoch  nicht  auf,  so  dafi  man  sieht, 
sie  bekehren  sich  aus  Liebe,  so  kann  man  sie  aufnehmen.  18) 

Ein  nicht  jiidischer  Knabe  kann  von  seinem  Vater  zum  Juden- 
tum iibergefuhrt  werden.  Hat  er  keinen  Vater  und  kommt  von  selbst 
oder  von  seiner  Mutter  gebracht,  um  zum  Judentum  iiberzutreten, 
so  darf  das  jiidische  G  e  r  i  c  h  t  ihn  zum  Proselyten  machen.  19)  Els 
ist  jedoch  nicht  gestattet,  ihn  g  e  g  e  n  seinen  Willen  zum  Juden  zu 
machen,  selbst  wenn  die  Juden  die  Macht  dazu  haben.  20) 

15)  VgL  ,,Mor  u-Keziah"  324  und  ..Schellath  Jaabez"  II  Mr.   1  33. 

16)  R.    Jakob     Emden    in     Responsen    ,,Scheilath     Jaabez"     I,     Nr.     41, 
S.   70  b  ff.     Das  Gutachten  ist  an  einen  jiidischen  Medizincr  gerichtet. 
Die  Sammlung  ist   gedruckt  zu   Altona    1 739. 

»7)   Jore    Dea    268,2. 

18)  Jore   Dea   268,    12. 

19)  Jore    Dea    268,    7. 

20)  Jore  Dea  268  im  Sifte  Koken   16. 


Dem  Proselyten  ist  es  streng  verboten,  seinen  Vater,  wenn 
er  auch  ein  ,,Goi"  ist,  zu  schlagen,  zu  verfluchen,  oder  zu  be- 
schimpfen.  21) 

Ein  Proselyt  kann  nach  dem  gb'ttlichen  Thoragesetze  seinen 
Vater,  der  kein  Jude  ist,  n  i  c  h  t  beerben.  Indessen  haben  die 
Rabbinen  angeordnet,  dafs  er  erbe,  damit  er  nicht  wieder  abtriinnig 
werde.  Allein,  da  doch  der  Nichtjude  nicht  verpflichtet  ist,  diese  An- 
ordnung  der  Rabbinen  zu  respektieren,  so  hat  der  ,,Goi"  das  Recht, 
seinen  Sohn,  der  Proselyt  geworden,  zugunsten  seiner  anderen  Sohne 
zu  enterben.  22) 

Aus  Kap.  4.    Apostate  n. 

Wurde  ein  nichtjiidischer  Knabe  von  seinem  Vater  oder  von 
einem  jiidischen  Gerichte  zum  jiidischen  Proselyten  gemacht,  so  kann 
er,  groEjahrig  geworden,  dagegen  Protest  erheben  und  zu  seiner 
friiheren  Religion  zuriickkehren.  Er  wird  dann  nicht  a  1  s 
A  p  o  s  t  a  t  betrachtet.  23) 

Wiewohl  man  zur  Zeit  des  Tempels  von  einem  Apostaten  keine 
Opfer  annahm,  so  darf  man  jetzt  dennoch  Weihegeschenke  fur 
die  Synagoge  oder  Spenden  fiir  Arme  von  ihm  annehmen.  24) 

Wenn  ein  Apostat  Geld  gibt,  um  eine  Thorarolle  in  seinem 
Namen  schreiben  zu  lassen,  so  darf  man  seinen  Willen  ausfuhren.  25) 

Ein  Proselyt,  der  wieder  abtriinnig  geworden,  ist  als 
j  u  d  i  s  c  h  e  r  Apostat  zu  betrachten.  26)  Er  mufi  daher  in  Geld- 
angelegenheiten,  in  Zueignungen  und  Verpflichtungen  wie  ein  Jude 
behandelt  werden.  Existiert  jedoch  ein  Gesetz  der  Regierung,  dafi 
ein  solcher  wie  ein  Nichtjude  erwerben  und  zueignen  konne,  so  ist  das 
Gesetz  der  Regierung  mafigebend.  27) 

Nach  dem  Rechte  der  Thora  beerbt  der  Apostat  seine  jiidischen 
Verwandten.  Findet  es  jedoch  das  Gericht  fiir  tunlich,  ihm  die  Erb- 
schaft  zu  entziehen,  so  mag  es  danach  verfiigen.  28) 

Gerat  ein  Jude  in  Gefangenschaft,  so  mufi  das'  Gericht  dafiir 
sorgen,  dafi  dessen  Vermogen  von  einem  ehrlichen  und  zuver- 


21)  Jore  Dea   241,   9. 

22)  Choschen  ha-Mischpat   283,    1. 
")   Jore  Dea  268,    7. 

24)  Jore    Dea    254   im   Sifte   Kohen    5,    Namens   des   ,,Mabit". 

25)  Or.   Ch.    154   im  Magen   Abraham    18,   Namens  des  S.   Chassidim. 

26)  Jore  Dea  268,  Ende. 

27)  Karo  im  ,,Bet  Joseph"  und  Isserles  im  Darke  Mosche  Jore  Dea  268, 
Ende. 

28)  Choschen  ha-Mischpat  283,   2. 

8* 


lassigen  Manne  verwaltet  wird.  Auch  wenn  sich  eine  gefangene 
Frau  g  e  t  a  u  f  t  und  mit  einem  Christen  verheiratet  hat,  soil  fiir  die 
Verwaltung  ihres  Vermogens  so  gesorgt  werden,  wie  wenn  sie  sich 
nicht  getauft  harte.  29) 

Aus  Kap.  5.    Nicht jiidische  Sklaven. 

Einen  gekauften  nicht jiidischen  Sklaven  darf  man  zwar  nach 
dem  Rechte  der  Thora  (Lev.  25,  46)  schwer  arbeiten  lassen; 
jedoch  ist  es  eine  Eigenschaft  der  Frommen  und 
Weisen,  barmherzig  zu  sein.  Man  soil  daher  seinem 
Sklaven  kein  schweres  Joch  auflegen,  ihn  nicht  bedrangen;  man  gebe 
ihm  zu  essen  und  zu  trinken  von  alien  Speisen  und  Getranken;  man 
beschimpfe  ihn  nicht  durch  Taten  und  nicht  durch  Worte;  man  schreie 
nicht  viel  und  ziime  nicht  gegen  ihn,  sondern  rede  mit  ihm  gelassen  und 
hore  seine  Gegenrede  an.30)  Grausamkeit  und  Frechheit  finden  sich 
nur  bei  Gotzendienern,  aber  Israel,  die  Nachkommen  Abrahams,  denen 
Gott  die  Wohltat  der  Thora  zustromen  lieE  und  gerechte  Satzungen 
und  Rechte  gegeben  hat,  sie  sind  barmherzig  gegen  a  1 1  e.  Ebenso 
heifit  es  von  den  Eigenschaften  Gottes,  denen  wir  nachzuahmen  ver- 
pflichtet  sind:  ,,Seine  Barmherzigkeit  erstreckt  sich  iiber  alle  Seine 
Geschopfe."  31) 

Wer  einem  nichtjiidischen  Sklaven  ein  Glied  verletzt,  z.  B.  ein 
Auge,  oder  ihm  auch  nur  einen  Zahn  ausschlagt,  der  mufi 
zur  Strafe  ihn  unentgeltlich  frei  entlassen.  32) 

Wenn  ein  nichtjudischer  Sklave  seinem  Herrn  entflieht  und 
nach  Palastina  kommt,  so  darf  man  ihn  (nach  der  Vorschrift  in 
Deut.  23,  16)  nicht  seinem  Herrn  ausliefern.  Man  sagt  vielmehr 
seinem  Herrn,  er  soil  ihm  einen  Freiheitsbrief  schreiben;  dafiir  gebe 
der  Knecht  ihm  einen  Schuldschein,  dafi  er,  sobald  er  zu  Vermogen 
gekommen,  ihm  das  entsprechende  Losegeld  zahlen  werde.  Will 
jedoch  der  Herr  ihn  nicht  freilassen,  so  erklare  das  Gericht  geradezu 
die  Knechtscha'ft  des  Sklaven  fur  aufgehoben.  33) 

Aus  Kap.  6.   WahrhaftigkeitundTreue. 

Wenn  jemand  von  einem  andern  beschworen  wird,  etwas 
zu  tun  oder  nicht  zu  tun,  und  er  darauf  ,,Amen"  oder  sonst  ein  Wort 


M)   Choschen  Ka-Mischpat  285,    10. 

*>)   Jore  Dea  267,    17. 

31)  Maimonkles  H.  Abadim  9,  8. 

3Z)   Jore   Dea   267,   27. 

33)  Jore  Dea  267,  85. 


erwidert  hat,  woraus  die  Annahme  des  Schwurs  zu  verstehen  ist,  so 
ist  dies  ein  verbindlicher  Eid,  gerade  so,  wie  wenn  er  selbst  ge- 
schworen  hatte,  magauchderBeschworendeeinNicht- 
j  u  de  s  ein.  34) 

Man  darf  nicht  ,,den  Sinn  der  Menschen  durch  Worte  stehlen"35) 
(sie  tauschen),  dafi  man  zeige,  man  tue  Jemandem  einen  Gefallen, 
wahrend  man  in  Wahrheit  nichts  tut;  z.  B.  darf  man  nicht  Jemanden 
dringend  zum  Essen  auffordem,  wenn  man  weifi,  dafi  er  nicht 
essen  wird.  36) 

Der  Jude  darf  nicht  sagen,  er  sei  ein  Christ,  selbst  um  sich  da- 
durch  das  Leben  zu  retten.  37) 

Man  darf  dem  Nichtjuden  nicht  ,,Trefah"  (dem  Juden 
Verbotenes)  fur  ..Koscher"  verkaufen,  38)  weil  dies  als  Tauschung 
betrachtet  wird,  was  selbst  dem  Heiden  gegeniiber  verboten  ist.  39) 

Wenn  ein  Konig  oder  Fiirst  den  Juden  (fiir  jiidische  Arme) 
Geld  schickt,  mufi  man  damit  nach  dem  Willen  des  Herrschers 
verfahren.  40)  In  keinem  Falle  darf  das  Geld  anders  verwendet  und 
dann  vorgegeben  werden,  da6  nach  dem  Willen  des  Fiirsten  geschehen 
sei,  weil  man  keinen  Menschen  tauschen  darf.  41) 

Wer  im  Handel  und  Wandel  sein  Wort  bricht,  gehort  zu 
den  Treulosen,  an  denen  die  Weisen  kein  Wohlgefallen  haben.  42) 
Wenn  Juden  und  Nichtjuden  miteinander  verabredet  haben,  sich  gegen- 
seitig  Hilfe  zu  leisten,  und  die  Letzteren  halten  ihr  Wort,  so  miissen 
die  Ersteren  auch  dem  Nichtjuden,  selbst  gegen  Juden  bei- 
stehen.  Ebenso  wenn  ein  Jude  einen  Nichtjuden  unschuldigerweise 
umbringen  will,  so  mufi  ein  anderer  Jude,  der  dies  sieht,  sich  mit  dem 
Nichtjuden  verbinden.  43) 


34  )   Jore   Dea   237,   2. 

M)   Choschen   ha-Mischpat   228,   6. 

3e)  S.   oben  S.   00. 

37)  Jore   Dea    157,   2. 

M)   Isserles  in  Jore  Dea   117,   1  ;  Karo,  Choschen  ha-Mischpat  228,  6. 

39)  Jore  Dea  117  im  Ture  Sahab  4  im  Namen  des  Tur.  Wenn 
man  von  einem  Nichtjuden  ein  Gerat  zum  Pfande  hat,  darf  man  das- 
selbe  ohne  Erlaubnis  des  Eigentiimers  nicht  benutzen,  weil  dies  eine 
Tauschung  ware,  Bajit  Chadasch  zu  Jore  Dea  120,  der  dies  aus 
Maharil,  H.  Pessach  beweist. 

«°)   Isserles  in  Jore  Dea  254,   1. 

")  Jore  Dea  254  im  Sifte  Kohen  3. 

*z)  Choschen  ha-Mischpat  204,    7. 

*3)  R.    Jehuda  b.    Samuel   im   Sepher    Chassidim    1018. 


Aus  Kap.  7.    Mildtatigkeit  gegen  Andersglaubige. 

Man  darf  armen  Nichtjuden  nicht  verwehren,  die  Nachlese, 
die  vergessenen  Garben  und  die  an  den  Ecken  der  Felder  stehen 
gelassene  Frucht  aufzulesen.  44) 

Einen  Juden,  der  vorsatzlich  ein  Gebot  des  Gesetzes  iibertritt, 
ist  man,  wenn  er  nicht  umkehren  will,  nicht  verpflichtet,  zu 
ernahren  oder  durch  Darlehen  zu  unterstiitzen.  45)  Dagegen  m  u  6 
man  nichtjiidische  Arme  mil  den  jiidischen  Armen  46)  ernahren,  weil 
der  Jude  die  Wege  des  Friedens  wandeln  soil,  4 ' )  denn  so  steht  ge- 
schrieben:  ,,Gut  ist  der  Ewige  alien,  und  Seine  Barmherzigkeit  waltet 
iiber  alien  Seinen  Geschbpfen";  ferner  heifit  es:  ,,Der  Thora  Wege 
sind  liebevolle  Wege,  und  alle  ihre  Pfade  —  Frieden."  48) 

Wo  es  Gebrauch  ist,  am  Purimfeste,  auch  an  arme  Nichtjuden 
Geschenke  zu  verteilen,  soil  der  Gebrauch  befolgt  werden.  49) 

Einige  von  den  Weisen  pflegten  Geld  in  Tiicher  einzubinden 
und  es  hinter  ihren  Riicken  zu  hangen,  damit  die  Armen  kommen 
und  es  nehmen,  so  dafs  der  Geber  nicht  wufite,  wem  er  gab,  und  dem 
Armen  die  Schande  erspart  blieb.  50) 

Wo  es  Gebrauch  ist,  dafs  der  Nichtjude,  der  zur  Messe- 
zeit  verkauft,  spricht:  ,,Noch  einen  Pfennig  fur  Gott!",  darf  man 
von  ihm  kaufen,  weil  es  ja  moglich  ist,  dafi  man  das  Geld  an  n  i  c  h  t  - 
jiidischeArme  verteilen  wird.  ol)  Um  so  mehr  ist  es  gestattet, 
nichtjiidischen  Bettlem  ganz  ohne  weiteres  die  Gabe  zu 
reichen,  ohne  dabei  zu  sagen,  man  gebe  dies  im  Namen  u  n  s  e  r  e  s 
lebendigen  Gottes.  52) 

Aus   Kap.    8.      Liebesdienste    und    Barmherzigkeit. 

Man  besuche  die  Kranken  der  Nichtjuden,  .weil  man  die  Wege 
des  Friedens  wandeln  soil.  53) 


•*)   Jore  Dea    151,    13. 

*5)   Jore   Dea    151,    1. 

*6)  Die  Worte  ,,mit  den  jiidischen  Armen"  stehen,  wie  der  Perischah  zum 
Choschen  ha-Mischpat  249,  2  erklart,  deshalb,  um  zu  lehren,  dafi 
selbst  wenn  jiidische  Arme  da  sind,  man  nicht  sagen  sollte:  ,,Wenn 
ich  die  armen  Nichtjuden  ernahren  wiirde,  so  miiSte  ich  dies  den 
jiidischen  Armen  entziehen." 

47)   Isserles  in   Jore  Dea  251,    I. 

*8)   Maimonides  H.   Melachim   10,    12. 

«•)   Orach  Chaim  694,   3. 

M)   Jore   Dea   249,    9. 

81)   Isserles   in    Jore    Dea    140.    4. 

52)   Jore  Dea    149,   im  Ture  Sahab   5,   Namen$  des  Derischah. 

»)   Jore   Dea    335,   9. 


118 


Man  begrabe  die  Toten  der  Nichtjuden,  trbste  ihre  Trauernden 
und  wandle  so  die  Friedenswege.  54) 

Wer  sich  der  Armen  erbarmt,  dessen  erbarmt  sich  Gott. 55) 
Daher  moge  jeder  das  Flehen  des  Armen  erhbren,  sowie  er  wiinscht, 
dafi  Gott  sein  Flehen  erhbre.  Er  bedenke,  dafi  er  selbst  oder  seine 
Kinder  auch  einmal  in  die  Lage  kommen  konnten,  die  Barmherzigkeit 
Anderer  anzurufen.  Wenn  jemand,  gegen  andere  barmherzig  ist,  so 
wird  man  sich  auch  seiner  erbarmen.  56)  Wenn  der  Mensch 
ni  ch  t  b  a  r  mher  zi  g  is  t ,  s  o  handelterwie  einTier, 
das  sich  ebenfalls  nicht  kiimmert  und  kein  Mitleid  hat  beim  Schmerz 
des  andern.  a ' ) 

Wenn  jemand  frech  oder  grausam  ist,  die  Menschen 
hafit  und  ihnen  keine  Liebesdienste  erweist,  so  soil  man  sich  nicht 
mit  ihm  verschwagern,  weil  man  ihn  im  Verdacht  halten  musse,  dafi 
er  ein  Nachkomme  der  grausamen  Gibeoniten  ist,58)  denn  es  heifit 
im  Talmud:  An  drei  Zeichen  ist  der  Israelit  zu  erkennen,  er  ist  scham- 
haft,  barmherzig  und  m  i  1  d  t  a  t  i  g.59) 

An  den  letzten  Tagen  des  Pefiachfestes  betet  man  nicht 
den  ganzen  Lobgesang,60)  weil  die  Agypter  damals  im  Meere  er- 
tranken  und  es  geschrieben  steht:  ,,Wenn  Dein  Feind  fallt,  freue 
Dich  nicht!",61)  und  Gott  spricht:  ,,Meiner  Hande  Geschopfe  ver- 
sanken  ins  Meer,  und  Ihr  wolltet  mir  Loblieder  singen?!  62) 

Aus  Kap.  9.     Freundschaftlicher  Verkehr  mit 
Nichtjuden. 

Wenn  ein  Nichtjude  etwas  fur  die  Synagoge  spendet,  mufi  man 
es  annehmen, G3)  weil  man  auch  im  Heiligtum  von  den  Heiden  Opfer 
angenommen  hatte.  G4) 

Es  ist  ein  sittliches  Gebot,  jedem  Menschen,  auch  einem  Nicht- 
juden, der  sich  mit  einer  Arbeit  beschaftigt,  zuzurufen:  ,,Mogest  du 


M)    Jore  Dea   367,    1. 

M)   Jore   Dea   247,   3. 

56  )    Isserles  zu  Jore  Dea  247,  3. 

57)   R.    Jehuda   b.    Samuel   in   Sepher   Chassidim    87. 

M)  Eben  ha-Eser,  2,  2.     Die  Gibeoniten  sind  bei  den   Israeliten  Tempel- 

sklaven  gewesen;  vgl.  2.  Sam.  21,  4  f f. 
59)  Eben   ha-Eser   2,   im   Bet-Schemuel   5. 
")  Orach  Chajjim  490,   4. 
81)   Karo  im  Bet  Joseph  Orach  Chajjim  490. 
62)   Orach  Chajjim  490  im  Ture  Sahab   3. 
«)    Isserles  in   Jore   Dea   254,   2. 
6I)   Jore  Dea  254  in  Sifte  Kohen  4. 

"9 


in  deiner  Arbeit  Gliick  haben!"  65)  Oberhaupt  soil  der  Fromme, 
wie  R.  Jochanan  b.  Sakkai,  jedem  Menschen,  auch  dera  Heiden,  mit 
dem  Friedensgrufie  zuvorkommen.  66) 

Man  darf  einen  Nichtjuden  auch  am  Sabbat  einladen,  67)  denn 
seine  Ernahrung  liegt  dir  ob,  da  man  die  Nichtjuden  ernahren  soil.68) 

Wo  es  gilt,  die  Friedenswege  zu  wahren,  darf  man  dem  Nicht- 
juden sogar  am  Sabbat  Speisen  mitgeben  oder  durch  einen  anderen 
Nichtjuden  ins  Haus  senden.  69) 

Aus  Kap.   10.    Riicksichten  gegen  Nichtjuden. 

Ein  Jude  darf  von  Nichtjuden  nicht  offentlich  Almosen 
nehmen,  70)  weil  dadurch  der  Name  Gottes  entweiht  wiirde.  71)  Els 
ist  uberhaupt  eine  fromme  Eigenschaft,  kein  Geschenk  zu  nehmen,72) 
und  der  Thora-Gelehrte,  der  nichts  arbeitet  und  sick 
von  Almosen  ernahrt,  entweiht  den  Namem 
Gottes.73) 

Wenn  ein  Israelit  einen  Leuchter  oder  sonst  etwas  der  Synagoge 
gespendet  hat,  darf  man  ihn  verkaufen  und  zu  einer  andern  heiligen 
Sache  verwenden;  wenn  da  gegen  ein  Nicht  jude  etwas  spendet, 
so  darf  es  (aus  Riicksicht  gegen  den  Spender)  unter  keiner  Bedingung 
verkauft  werden.  74) 

Es  ist  von  Rechtswegen  erlaubt,  eine  Synagoge  durch  nicht- 
jiidische  Arbeiter  am  Sabbat  bauen  zu  lassen;  doch  soil  man  dies 
nicht  tun,  weil  dadurch  der  Name  Gottes  entweiht  wiirde,  da  die 
Nichtjuden  an  i  h  r  e  m  Festtage  keine  offentlichen  Arbeiten  verrichtea 
lassen.  7B) 

Aus  Kap.    11.    Diebstahl  und  Hehlerei. 

Es  ist  von  der  Thora  verboten,  selbst  die  geringste  Kleinig- 
keit  zu  stehlen.  Man  darf  nicht  einmal  zum  Spafi  oder  mit  der 
Absicht  es  spater  zuriickzugeben,  etwas  stehlen.  Wer  auch  nur  de« 


88  )  Orach  Chajjim  347  im  Magen  Abraham  4. 

M)  Talmud    Berachot    1  7  a. 

OT)  Orach  Chajjim  325,    1. 

•»)  Das.  im  Mag.  Ab.   1 .  —  S.  oben  S.  00. 

M)  Orach  Chajjim  325,  2. 

70)  Jore  Dea  254,    1. 

71 )  Karo    im    Bet    Joseph    Jore    Dea    254,    und    Beer    ha-Golah    z.    St. 
71)   Choschen   ha-Mischpat    249,    5. 

73)   Isserles  iq   Jore   Dea   246.   21. 

»)   Jore  Dea   259,   3. 

7B)  Orach  Chajjim  244  im  Magen  Abraham  8. 


I2O 


Wert  eine  Peruta  (Vs  Pfennig)  stiehlt,  iibertritt  das  Verbot:  ,,Ihr 
sollet  nicht  stehlen !"  und  ist  verpflichtet  zu  bezahlen.  Es  isteiner- 
lei,  ob  man  das  Geld  eines  Israeliten,  oder  Geld 
von  ,,Go  jim"  stiehlt.  76) 

Der  Arbeiter,  der  im  Felde  eines  J  u  d  e  n  arbeitet,  darf  von 
den  Friichten  des  Feldes  essen;77)  dagegen  darf  derjenige,  der 
im  Felde  des  Nichtjuden  oder  des  H  e  i  1  i  g  t  u  m  s  78)  arbeitet, 
nichts  von  den  Friichten  essen.  79) 

Es  ist  verboten,  von  dem  Dieb  die  gestohlene  Sache  zu  kaufen, 
und  zwar  ist  dies  eine  schwere  Siinde,  denn  man  unter- 
stiitzt  damit  die  Sunder  und  veranlafit  sie  zu  anderen  Diebstahlen, 
da  sie  nicht  stehlen  wiirden,  falls  sie  keinen  Kaufer  fanden.80)  Ebenso 
darf  man  dem  Dieb  nicht  irgendwelchen  Vorschub  leisten.  81) 

Wenn  der  Besitzer  die  gestohlene  Sache  bereits  aufgegeben  hat, 
so  erwirbt  sie  der  Kaufer  als  Eigentum,  weil  Besitzaufgabe  mit 
Besitzveranderung  stattgefunden  hat.  82)  Jetzt  aber  ist  es  Gebrauch, 
dafi  der  Kaufer  jede  gestohlene  Sache  trotz  der  Besitzauf- 
gabe und  der  Besitzveranderung  zuriickgibt,  weil  das 
staatliche  Gesetz  dies  gebietet.  Wo  es  Gebrauch  ist, 
auch  die  Zinsen  zu  bezahlen,  mufi  dies  geschehen.  83) 

Aus  Kap.    12.    Raub  und  Vorenthaltung. 

Es  ist  verboten,  auch  nur  das  Geringste  zu  rauben  oder  zu 
vorenthalten,  sowohl  von  Israeliten  als  von  Nicht- 
juden.84) 

Was  heifit  Raub?  Das  Gut,  das  man  dem  Menschen  mit 
Gewalt  entreifit,  wenn  man  z.  B.  Gerate  gegen  den  Willen  des 
Besitzers  aus  dessen  Haus  tragt,  dessen  Sklaven  oder  dessen  Vieh 
mit  Gewalt  arbeiten  lafit  u.  dgl.  85) 


w)  Choschen  ha-Mischpat   348,    1— ;2. 

77)  Ch.  M.  337.  1. 

78)  Der    Nichtjude  wird    hier    mit    dem  Heiligtum    zusammengestellt,    wa* 
noch   sonst   z.   B.   Ch.   Mischpat   301,    1 ,   vorkommt.      Dies   kann   Dr. 
Ecker   entschadigen,    der   sich   verletzt    fiihlt,    dafi   der   Scb-A.    einmal 
..Schweine  und  Akum"  in  ein  und  demselben  Paragraphen  nennt. 

re)  Ch.  M.  337  im  Sifhe  Kohen   1. 

<«>)  Ch.  M.  356,  1. 

81)    Isserles   zu   Ch.    M.    356,    1. 

8Z)  Ch.  M.  356,  3. 

M)    Isserles  zu  Ch.  M.  356'.   7. 

M)  Ch,  M.  359,  1. 

M)  Ck  M.  359,  7. 

121 


Was  heifit  Vorenthaltung?  Das  Zurikkhalten  eines  fremden 
Gutes,  das  man  vom  Besitzer  gutwillig  erhalten;  z.  B.  falls  man  von 
jemandem  ein  Darlehen  oder  Arbeitslohn  zu  erhalten  hat  und  jener 
gewalttatig  und  hart  ist  und  die  Bezahlung  verweigert.  86) 

Der  Nichtjude  beerbt  seinen  Vater  nach  dem  Gesetze  der 
Thora.  8T)  -  -  Man  fragte  den  Gaon  MarRabZadok:  ,,Was 
haben  \vir  denn  dem  ,,Goi"  zu  gebieten?  Haben  wir  denn  dem 
,,Goi"  Recht  zu  sprechen  (dafi  er  seinen  Vater  beerbe?)"  Darauf 
antwortete  der  Gaon:  ,,Der  Talmud  mufs  uns  diesen  Rechtssatz 
lehren.  Wenn  namlich  ein  ,,Goi"  ein  Darlehen  oder  Depositum  bei 
einem  Juden  hat  und  der  ,,Goi"  stirbt,  so  mufi  nach  der  Lehre  des 
Talmud,  dafi  der  ,,Goi"  seinen  Vater  beerbt,  der  Jude  das  Darlehen 
oder  Depositum  dem  Sohne  zuriickerstatten.  Ferner  \venn  ein  ,,Goi" 
Grundstiicke  hinterlafit  und  ein  Jude  dieselben  okkupiert,  so  waren, 
wenn  der  Sohn  den  Vater  nicht  beerben  wiirde,  die  Grundstiicke  nach 
dem  Tode  des  Besitzers  herrenlos  geworden  und  der  okkupierende 
Jude  ware  der  rechtmaSige  Eigenthiimer.  Da  aber  der  Talmud  lehrt, 
dafi  der  Sohn  den  Vater  beerbt,  so  veriibt  der  Jude  damit  einen 
Raub".  Alle  Gelehrten  der  Metibta  (Hochschule)  haben  dann  diese 
Erklarung  des  Gaon  acceptirt.  88) 

Man  darf  keine  Laubhiitte  auf  der  Strafie  (welche  Gemein- 
gut  aller  Ortsbewohner  ist)  aufstellen,  weil  die  Nichtjuden 
auf  ihren  Anteil  (an  der  Strafse)  nicht  verzichten  und  man  somit  einen 
Raub  begeht.  Ist  dies  dennoch  geschehen,  so  soil  man  in  der  Laub- 
hiitte nicht  den  Segensspruch  sagen,  89)  denn  wer  iiber  etwas  Ge- 
raubtes  den  Segen  spricht,  begeht  eine  Gotteslasterung.  90) 

Hat  man  etwas  von  den  vier  Arten,  die  zum  Feststraufi 
des  Hiittenfestes  gehoren,  unrechtmafiig  erworben,  so  darf  der  Fest- 
straufi  nicht  gebraucht  werden,91)  einerlei  ob  man  es  einem 
Juden  oder  Nichtjuden  geraubt.  92)  Ebenso  sind 
Zizith  (Schaufaden)  unbrauchbar,  wenn  sie  geraubt  sind.  93) 

M)  Ch.  M.  359,  8. 
87)  Ck  M.  283,  1. 
88  )  Responsen  der  Gaonen,  Chemdah  genusah  Nr.  52;  Schaare  Zedek 

p.  48  b ;  sehr  oft  von  den  alien  Decisoren  citiert.     Vgl.  auch  Beer  ha- 

Golah  zu  Ch.  M.   388,    12. 
89)   Orach  Chajjim  637,  im  Mag.  Abr.   3. 
"»)  Baba  Kama  94a   und  Karo,   Beth   Joseph   O.   Ch.    196. 

91)  Orach  Chajjim  649,  1 . 

92)  Orach  Chajjim  649  im  Mag.  Abr. 
M)  Orach  Chajjim    11,6. 

122 


Aus  Kap.    13.    Steuer-Contravention. 

Wer  die  Steuer  hinterzieht,  ubertritt  das  Verbot:  ,,Du  sollst 
nicht  rauben !",  denn  er  raubt  den  Anteil  des  Konigs;  e  i  n  e  r  1  e  i  o  b 
es  ein  jiidischer  oder  nichtjiidischer  Konig  is  t.94) 

Man  darf  nicht  durch  Verkleidung  in  eine  nichtjiidische  Tracht 
den  Judenzoli  defraudieren.  95) 

Selbst  wenn  der  Konig  befiehlt,  dafi  der 
JudemehrZolloderSteuernzahle,alsderNicht- 
jude,  darf  man  die  Abgaben  dennoch  nicht 
h  i  n  t  er  z  i  ehen.  96) 

Grundstiicke  der  Waisen  diirfen  vom  Gerichte  erst  nach 
vorheriger  offentlicher  Ausrufung  verkauft  werden;  jedoch,  um  die 
Gebiihren  des  Konigs  zu  entrichten,  darf  man  sofort  ohne  Aus- 
rufung verkaufen,  weil  dies  als  d  r  i  n  g  e  n  d  betrachtet  wird.  97) 

Aus  Kap.   14.    Dinadi-MalchutaDina. 
(Gesetz  der  Regierung  ist  Gesetz.) 

Einige  behaupten,  der  Grundsatz  ,,Dina  de-Malchuta  Dina" 
gelte  nur  bei  Steuern  und  Ab'gaben,  die  vom  Grund  und  Boden 
abhangen,  weil  da  der  Konig  befehlen  kann,  es  diirfe  niemand  in 
seinem  Lande  wohnen,  der  diese  Abgaben  nicht  entrichtet;  bei  an- 
deren  Dingen  aber  gelte  dieser  Grundsatz  nicht.  Andere  dagegen 
entscheiden,  dafi  in  alien  Dingen  der  Grundsatz  ,,Dina  de- 
Malchuta  Dina"  anzuwenden  ist.  Die  letztere  Ansicht  ist 
die  mafigebende.  98) 

Wenn  ein  Nicht jude  einem  Juden  durch  Gewalt  ein  Feld 
raubt  und  ein  anderer  Jude  kauft  es  von  dem  Nichtjuden,  so  ist 
er  verpflichtet,  dasselbe  dem  fruheren  Besitzer  zuriickzugeben. 99) 
Dies  gilt  aber  nur  von  einem  Rauber,  dem  der  Jude  nicht  nach  Recht 
untertanig  ist ;  wenn  aber  ein  F  u  r  s  t  oder  Konig  gegen  einen 
seiner  Untertanen  ziirnt  und  ihm  sein  Haus  wegnimmt,  so  ist  ,,DJna 
de-Malchuta  Dina",  und  der  Kaufer  braucht  dera  friihern  Besitzer 
nichts  zu  erstatten.  10°) 

Ein  Richter,  der  mit  Erlaubnis  des  Konigs  fungiert,  ist 
mehr  als  ein  anderer  Richter,  so  dafi,  wenn  sein  Gerichtsbote  beim 

M)  Ghoschen   ha-Mischpat    369,    6. 

95)  Isserles  zu   Jore  Dea    157.   2. 

M)  Isserles   zu   Choschen  ha-Micshpat    369,   6. 

»7)  Eben  ha-Eser    104,   3. 

")  Isserles  zu  Ch.  M.   369,  8. 

*)  Ch.  M.  236,  8. 

10°)  Isserles   zu    Choschen   ha-Mischpat    236,    9. 

123 


Verkauf  des  Grundstiickes  eines  andem  sich  geirrt,  der  Akt  dennock 
giiltig  ist.  101)  ,,Dies  ist  etwas  Selbstverstandliches,  da  doch  Jeder 
weifi,  dafi  Dina  de-Malchuta  Dina."  102) 

Wenn  ein  Schiff  ins  Meer  versinkt,  sind  zwar  nach  dem 
Rechte  der  Thora  die  gestrandeten  Giiter  als  herrenlos  zu  betrachten 
und  somit  Eigenthum  des  Finders,  wenn  jedoch  der  Konig  befiehlt, 
dafi  dieselben  den  Eigentiimern  zuriickgegeben  werden,  so  ist  der 
Jude,  der  solche  von  einem  -  nichtjiidischen  Finder  gekauft,  wegen 
Dina  de-Malchuta  Dina  auch  religionsgesetzlich  verpflichtet,  dieselben 
den  Eigentiimem  zuriickzuerstatten.  103) 

Wer  von  einem  jiidischen  Rauber  etwas  kauft,  braucht  dies 
dem  (jiidischen)  Eigentumer  nicht  zuriickzugeben,  weil  letzterer 
es  gewifi  schon  auf gegeben  hat ;  denn  da  derselbe  den  j  ii  d  i  s  c  h  e  n 
Rauber  bei  dem  jiidischen  Gericht  verklagen  mufi  und  das 
jiidische  Gericht  nur  auf  Grund  bestimmter  Zeugenaussagen 
verurteilen  kann,  so  hat  der  Eigentumer  gewohnlich  keine  Hoffnung, 
seine  Sache  wiederzuerlangen.  Wer  aber  von  einem  n  i  c  h  t  j  ii  d  i  - 
s  c  h  e  n  Rauber  etwas  kauft,  mufi  es  dem  Eigentumer  zuriickgeben ; 
denn  mit  diesem  geht  man  zum  nicht  jiidischen  Gerichte, 
welches  nach  Wahrscheinlichkeitsbeweisen  verurteilt.  Der  Eigentumer 
gibt  deshalb  die  Sache  nicht  auf.104)  Jetzt  aber  mufi  man 
wegen  Dina  di-Malchuta  Dina  in  jedem  Falle 
zuriickgeb  en.105) 

In  Betreff  der  Rechtsdokumente  (Schetarot)  ist  das  Ge- 
setz  der  Regierung  mafigebend.  So  ist  z.  B.  ein  durch  einen  Notar 
ohne  den  Richter  angefertigtes  Dokument  auch  giltig,  falls  dies  das 
Regierungsgesetz  bestimmt.  106) 

Wenn  der  Konig  angeordnet  hat,  in  welcher  Miinze  man 
zu  bezahlen  hat,  so  gilt  das  Gesetz  des  Konigs,  und  alle  diesbeziig- 
lichen  Bestimmungen  des  jiidischen  Gesetzes  sind  aufier  Geltung.  107) 

Aus   Kap.    14.     B  e  t  r  u  g. 

Els  ist  verboten,  die  Menschen  im  Kauf  und  Verkauf  zu 
betriigen  oder  ,,ihre  Gedanken  zu  stehlen".  Ist  z.  B.  eiii  Fehler  an  der 


101)  Isserles  zu  Eben   ha-Eser    104,   6. 

lot)  Eben  ha-Eser  1  04  im  Chelkat  Mechokek  1  3. 

103)  Isserles  zu  Choschen  ha-Mischpat   259,    7. 

1M)  Choschen  ha-Mischpat  368,  1  ;  vgl.  Meirat  Enajim  das. 

196  )  Isserles  zu   Choschen  ha-Mischpat   368,    1    und   356,   7. 

loe)  Isserles  zu  Choschea  ha-Mischpat  69,    1.    Vgl.  das,  noch  viele  andere 

derartige  Gesetze, 

i*7)  Isserles  zu  Choschen  ha-Mischpat    74,    7  und  Sifte  Kohen   das. 


124 


Ware,    so    mufi    man  dies  dem  Kaufer  mitteilen,  108)     einerlei, 
ob  dieser  ein  Jude  oder  ein  Nichtjude  ist.  109) 

Wer  falsch  mifit  oder  wiegt  seinem  Nachsten,  selbst  einem 
,,Goi",  der  Gotzen  dient,110)  der  iibertritt  das  Verbot 
(Lev.  19,35):  ,,Ihr  sollet  kein  Unrecht  tun  im  Langenmafi,  im 
Gewicht  und  im  Hohlmafi".  1X1)  Onaah  (einen  zu  hohen  Preis 
fordem)  ist  zwar  beim  Heiden  nicht  verboten  worden,  weil  dies 
nicht  als  Raub  gilt,  da  doch  Jeder  sieht,  was  er  kauft;  allein  betreffs 
des  Mafies  verlafit  sich  der  Kaufer  auf  den  Verkaufer,  dafi  er  ihm 
richtig  messen  wird,  und  dieses  Vertrauen  darf  nicht  getauscht 
werden.  112) 

Es  ist  verboten,  beim  Messen  von  Fliissigkeiten  Schaum  zu 
machen,  die  Gewichte  in  Salz  zu  vergraben  und  dgl.  Wo  es  Ge- 
brauch  ist,  mufi  man  auch  ein  Uebergewicht  geben.  Esistferner 
verboten,  die  Preise,  besonders  von  Lebens- 
mitteln,  in  die  Ho  he  zu  treiben.  113) 

Das  Gericht  ist  verpflichtet,  Aufseher  anzustellen,  welche 
in  den  Verkaufsladen;  umhergehen  und,  wenn  sie  bei  Jemandem  ein 
falsches  Mafi,  falsches  Gewicht  oder  eine  schlechte  Wage  Hnden, 
das  Recht  haben,  ihn  zu  schlagen  oder  in  Geldstrafe  zu  nehmen,  ganz 
wie  es  das  Gericht  fur  gut  befindet.  114) 

Aus    Kap.    16.     iinsnehmen,    GlUcksspiel. 

Ein  Wucherer  ist  unfahig,  vor  Gericht  Zeug- 
nis  a  b  z  u  I  e  gen.115)  Will  derselbe  die  Fahigkeit  zur  Zeugen- 
schaft  wieder  erlangen,  so  mufi  er  seine  Schuldscheine  von  selbst 
zerreifien  und  vollstandig  von  seinem  bosen  Wandel  umkehren, 
*o  dafi  er  nicht  einmal  von  einem  Nichtjuden  Zinsen 
nehmen  will.118) 

Der  gewerbsmafiige  Spieler  ist  unfahig  zur  Zeugenschaft,  11T) 
wenn  er  auch  nur  mit  Nichtjuden  und  stets  ehrlich 

1M)  Ck  M.  228,  6. 

10°)  Beer  ha-gola  daselbst  Namens  des  Maimonides. 

uo)  So   in    alien    alien    unzensierten   Ansgaben    (le-goj    obed    elilim). 

m)  Choschen  ha-Mischpat  231,    1. 

m)  Ch.  M.  231    im  Melrath  Enajim   1. 

"3)  CL  M.  231.  6;    11;    14;    20;   21. 

"«)  Ch,  M.  231,  2. 

^)  Ch.  M  34,  10;  29. 

ue)  Ebendort,  s.  auch  Isserfes. 

U7)  Ch.  M.  34,  16. 

125 


s  p  i  e  1 1 ,  well  er  sich  nicht  mit  demjenigen  beschaftigt,  was  der  Welt 
Nutzen  bringt.  118) 

Aus  Kap.    17.    Korruption. 

Man  darf  niemanden,  auch  keinen  Nichtjuden,  veran- 
lassen,  etwas  zu  tun,  was  ihm  verboten  ist,  und  wer  dies  dennoch 
tut,  ubertritt  das  Verbot:  ,,Vor  einen  Blinden  sollst  Du  keinen  An- 
stofi  legen."  19)  Wenn  man  sieht,  dafi  ein  N  i  c  h  t  j  u  d  e  eine  Siinde 
begehen  will,  so  mufi  man,  wombglich,  ihm  dies  verwehren;  hat  doch 
Gott  den  Propheten  Jonah  nach  Niniweh  geschickt,  urn  die  Heiden 
zur  Umkehr  zu  bewegen!120) 

Man  darf  keinem  Nichtjuden  ein  Glied  von  einem  lebenden 
Tiere  zum  Essen  reichen,  weil  ihm  dies  verboten  ist. 121) 

Wer  einen  Richter  besticht,  ubertritt  das  Verbot:  ,,Vor  einen 
Blinden  sollst  Du  keinen  Anstofs  legen"122)  einerlei  obes 
ein  jiidischer  oder  ein  n  i  c  h  t  j  ii  d  i  s  ch  e  r  Richter 
ist.  123) 

Wer  einen  Blinden  straucheln  macht,  d.  h.  einen  Menschen, 
Juden  oder  Nichtjuden,  zu  einer  Siinde  bringt,  der  soil  in  den  Bann 
getan  werden.  124) 

Aus  Kap.    18.    Personen-  und  Sachbeschadigung. 

Schaden  werden  nur  bezahlt,  wenn  sie  durch  vollgiltige 
Zeugen  bewiesen  werden  konnen.  Ebensf  braucht,  wenn  der  Ochs 
eines  Nichtjuden  den  Ochsen  eines  Juden  gestofien  hat,  der  Nicht- 
jude  nur  dann  zu  bezahlen,  wenn  die  Tatsache  durch  vollgiltige 
Zeugen  konstatiert  ist.125)  (S.  oben  S.  53). 

Aus  Kap.  19.  Schutz  des  Eigentums  von  Nichtjuden. 

Wenn  ein  Jude  einen  Nichtjuden  beraubt  hat  und  dem 
Befehl  des  jiidischen  Gerichts,  den  Raub  zuriickzuerstatten,  keine 
Folge  leisten  will,  so  gehen  die  jiidischen  Richter  vor  das  nicht- 
j  ii  d  i  s  c  h  e  Gericht  und  bezeugen,  dafi  jener  Rauber  schuldig  sei, 


118)  Beer  ha-Golah  das.,   Namens  Rabbi   J.   Karo  in  Keseph   Mischne. 

119)  Orach  Chajjim  347  im  Mag.  Abraham  4. 
12°)  Sepher    Chassidim    1124. 

1SI)  Jore  Dea   62  im  Sifte  Kohen   3. 

122)  Ch.    M.    9,    1 

m)  Responsen  des  Chatam  Sopher,  Teil  VI.    14;  -citirt  Pitche  Teschubah 

zu  Ch,  M.  9,    1. 

1M)  Jore  Dea   334,  43,  Nr.    1  7. 

m)  Ch.  M.  408,    1.   Melrat  Enajim   1 


126 


dem  Nichtjuden  sein  Gut  zu  ersetzen.  Doch  mufs  jenes  nichtjUdische 
Gericht  ein  unbestechliches  sein,  bei  dem  auch  das  Zeugnis  von 
Juden  Glauben  findet.  12(i)  Denn  ist  das  Gericht  bestechlich  oder 
gilt  bei  ihm  das  Zeugnis  eines  Juden  nichts,  wozu  sollen  die  Rabbinen 
zwecklos  ihre  Ehre  vergeben  und  als  Zeugen  auftreten,  da  doch  der 
Rauber  gewifi  durch  Bestechung  sich  Recht  verschaffen  wird. 
Bei  einem  unbestechlichen  Gerichte  dagegen  ist  es  eine  Ehre  fur 
die  Rabbinen  aufzutreten  und  zu  sagen:  ,Jener  Rauber  ist  bei  uns 
schuldig  befunden  worden,  doch  haben  wir  nicht  die  Macht,  den 
Bedriickten  zu  retten."  127) 

Wenn  Jemand  in  einer  uralten  Mauer  einen  Schatz  findet, 
der  bereits  mit  Rost  uberzogen  ist,  so  gehort  er  dem  Finder,  denn  es 
ist  anzunehmen,  dafs  die  uralten  Heiden  ihn  hier  vergraben  haben;128) 
sieht  man  aber  ein,  dafi  der  Schatz  erst  jiingst  vergraben  wurde, 
oder  bestehen  auch  nur  Zweifel  dariiber,  so  darf  man  den  Schatz 
nicht  beriihren,  denn  vielleicht  hat  ihn  Jemand  hingelegt,  der  ihn 
spater  holen  wird.  129)  Dies  gilt  selbst  da,  wo  mit  Sicherheit  ange- 
nommen  werden  kann,  dafi  der  Schatz  einem  Nichtjuden 
gehort.  13°) 

An  jedem  Orte  mufi  man  die  Gerate  der  Nichtjuden  vor 
Dieben  beschiitzen.  131) 

Wenn  ein  Jude  einem  Nichtjuden  eine  Schuld  abfordert 
und  dieser  leugnet  und  ruft  einen  anderen  Juden  als  Zeugen  an,  so 
darf  der  Jude  vor  ein  nichtjiidisches  Gericht  gehen,  um  dem  Nicht- 
juden beizustehen,132)  da  ja  auch  nach  jiidischem  Rechte  e  i  n  Zeuge 
geniigt,  um  den  Geforderten  von  der  Zahlung  zu  befreien.  Um  so 
mehr  diirfen  z  w  e  i  Zeugen  zu  Gunsten  des  Nichtjuden  beim 
nichtjiidischen  Gerichte  Zeugnis  ablegen,  da  ja  auch  das 
jiidische  Gericht  den  Israeliten  auf  die  Aussage  zweier  Zeugen  hin 
fur  schuldig  erklart  hatte.  ,,Namentlich,  ist  es  da,  wo  die  Zeugen 
vereidigt  werden,  P  f  1  i  c  h  t ,  die  Wahrheit  nicht  zu  verschweigen, 


1Z6)  Ch.  M.  26,    2    im    Meirat    Enajim    und    Beer   ha-GoIah   Namens   des 
R.  Joseph  Karo  im  Bet  Joseph  das.,  Namens  des  Gaons  R.  Schema. 
1Z7)   Chatam   Sopher   zu   Ch.    M.    Nr.    3. 

128  )  Der  Talmud  B.  mez.  25b  sagt:  ,,Er  stammt  wahrscheinlich  von  den 
aliens  Emoraern  her,  die  ihre  Schatze  vergruben,  als  die  Israeliten  in  Palastina 
cindrangen. 

129)   Ch.  M.  260,   1. 

13°)   Nethibot  ha-Mischpat  das.,    der  die  differierende  Ansicht  des  R.  Sab- 

batai  Kohen  widerlegt. 
131)  Ch.   M.  266,    1.     Man  darf  dem  Vieh  eines  Nichtjuden  nicht  schad- 

liches  Wasser  reichen  (Tosefta  Terumot   7,    14). 
»*)  Ch.  M.  28,  4. 

127 


selbst  wenn  der  Jude,  der  Geforderte  ist;  denn  sollen  etwa  die 
Zeugen  siindigen,  damit  jener  Sunder  einen  Profit  habe?  Wer  er- 
laubt  es  denn,  eine  Schuld  abzuleugnen,  wenn  auch  der  Glaubiger 
ein  Nichtjude  ist?  Sagt  dock  die  Thora:  ,,Er  rechne  ehrlich 
mit  dem  nichtjiidischen  Kaufer  eines  jiidischen  Sklaven !" ;  und 
dies  gait  zu  einer  Zeit,  da  w  i  r  die  Gewalt  in  Handen  hatten,  um 
wie  viel  mehr  heutzutage!  In  dem  Falle,  wo  der  Nichtjude  die 
Schuld  fordert,  ist  die  Ableugnung  ein  Raub,  eine  Vorent- 
haltung,  eine  schwere  Entweihung  des  gottlichen  Namens!133) 


133)  Nethibot  ha-Mischpath  das. 


Wer  den  obigen  Darlegungen  mit  Aufmerksamkeit  gefolgt  ist, 
wird  auch  erkennen,  wie  unbegrundet  die  Verquickung  des 
A  n  t  i  s  em  i  t  i  s  m  u  s  mit  den  R  a  s  s  e  n  t  h  e  o  r  i  en  eines 
Gobineau,  Chamberlain  u.  a.  ist.  Denn,  mag  man  zu  jenen 
Rassentheorien  sich  stellen  wie  man  will,  aus  den  obigen  quellen- 
maHigen  Nachweisen  ergibt  sich  jedenfalls  soviel,  dafi  die  Rasse,  die 
solche  Manner  wie  die  Verfasser  des  Tahnud  und  Schulchan-Aruch 
hervorgebracht  hat  —  ganz  abgesehen  von  den  Propheten  und 
Psalmisten  —  nicht  nur  keine  ethisch  minderwertige  sein  kann, 
sondem  ,,in  sich  machtige  ideale  Krafte  zu  einer  s  i  1 1  - 
lichen  Weltordnung  historisch  erzeugt  und  betatigt  hat  wie 
sic  in  keinem  Volke  bisher  verwirklicht  ist." 


128 


Noten. 

1)  Siehe  Dr.  K  o  p  p :  Zur  Judenf  rage  nach  den  Akten  des  Prozesses 
Rohling-Bloch.  2.  Auflage.  Leipzig  (Klinkhardt).  1886.  —  2)  S.  die  nachsten 
Anmerkungen.  —  3)  Prof.  Franz  D  e  1  i  t  z  s  c  h :  Schachmatt  den  Blutliignem 
Rohling  und  Justus.  Erlangen.  1  883.  —  Was  Aug.  Rohling  beschworen  hat  und 
beschworen  will.  Leipzig.  1 883.  —  * — 8)  S.  Anmerkung  1 .  —  *)  Prof.  Her- 
mann L.  S  t  r  a  c  k  ,  Einleitung  in  den  Talmud.  Mehrere  Auflagen.  Leipzig 
(Hinrichs).  —  6a)  Strack:  Die  Juden,  diirfen  sie  Verbrecher  von  Religions- 
wegen  genannt  werden?  Berlin.  1 893.  —  Der  Blutaberglaube  in  der  MenschheiL 
Miinchen.  —  6b>  Prof.  Eduard  Konig:  Das  antisemitische  Hauptdogma. 
Bonn  1914.  —  Das  Obergutachten  im  Gotteslasterungsprozefi  Fritsch.  Dresden. 
1918.  —  7)  Fiebig:  Das  Judentum  von  Jesus  bis  zur  Gegenwart.  Tubingen 
(Mohr).  1916.  —  8)  Dr.  Wei  gl:  Das  Judentum.  Berlin  (Guttentag).  1911. 
-e)  I.  Buch  Mos.,  KaP.  2,  V.  16—17.  —  10)  S.  III.  Buch  Mos.,  Kap.  18  u.  19. 
-  ")  Aus  III.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  35  (s.  Hoffmann,  Leviticus  z.  SteDe 
und  S.  R.  Hirsch,  Kommentar  zum  II.  Buch  Mos.,  Kap.  12,  V.  45).  — 
1S)  Baba  kama,  Bl.  1  1  3,  S.  2.  —  13)  S.  dazu  S.  R.  H  i  r  s  c  h  ,  Bibelkommentar. 
—  ")  In  der  hebraischen  Bibelsprache  wird  bezeichnenderweise  fiir  ,,Handler" 
der  Ausdruck  ..Kanaaniter"  gebraucht;  so  Jesajah  23,8;  Spriiche  Salomos  31,24; 
Hiob  40,  30.  —  1B)  S.  Hirsch,  Bibelkommentar  z.  St.  —  16)  Dr.  Joseph 
Wohlgemuth:  Das  jvidische  Religionsgesetz  .  in  jiidischer  Beleuchtung. 
Heft  II,  S.  103  f.  —  17)  Prof.  H.  Graetz:  Die  jiidischen  Proselyten  im 
Romerreiche  unter  den  Kaisern  Domitian,  Nerva,  Trajan  und  Hadrian.  Breslau. 
1884.  —  ">)  S.  Hoffmann,  Der  Schulchan-Aruch,  S.  66,  193  ff.  — 
19)  Ebendort,  S.  1  1  0.  —  2°)  Vgl.  z.  B.  Traktat  Derech  Erez.  —  21)  S.  K  o  p  p , 
a.  a.  O.,  S.  119  f.  —  M)  Ebendort,  S.  121  f.  —  »)  S  dariiber  Epstein: 
Aruch  ha-schulchan,  z.  angefiihrten  Stelle. 


I2Q 


Register. 


Abgefallene,  s.  Ketzcr. 

Abraham,  Stammvater.  13, 19,20,29, 37. 

—  Abrahamskinder.  33. 
Absonderung  (Israels).   13,  21,  37,  46. 
Adam.  12,  33,  54. 

—  Adamssohne.  33. 

Vollmensch.  54. 

Agypter.  20,  77. 
Akura,  Ursprung.  85. 

—  sind  nicht  Christen.    88  ff. 
Alenu-Gebet.   35. 
Amalek.  16. 

Amemin.   85. 
Ammon,   Stamm.    20. 
Apostaten     115. 
Auserwahlung  (Israels).    14. 
Ausnahmegesetze  s.  Fremdengesetze.  22, 
47,  66. 

Babylonien,  Juden  in.     26,  29. 
Babylonischer  Talmud.   26. 
Barmherzigkeit  gegen  Nichtjuden.    118. 
Beer   ha-golah    (Kommentar   z.  Schul- 

chan-Aruch)    66. 
Bekehrte,  s.  Proselyten.    114. 
Betrug  an  Nichtjuden.    128, 
Beigesellung  (eines  Wesens  zu  Gott).  70. 
Bickell,  Prof.    6,  7. 
Blutvergiessen.    13. 
Brachjahr  (Ertrag  auch  fur  Nichtjuden). 

18. 

Choschen    ha-mischpat    (das    jiidische 

Recht  im  Schulchan-Aruch).    64. 
Christentum,  Verbreitung  des.    60. 

—  im  Urteil  der  Rabbiner.  69— 72  f. 
—  seinKampf  gegen  das  Heidentum.  41. 
Christliche  Giiter,  ob  herrenlos.   56. 


David,  Konig,  Verhalten  gegen  Heiden. 

24. 

Delitzsch,  Prof.  Franz.    7,  111. 
-  Prof.  Friedrich.    108. 
Diebstahl  bei  Nichtjuden.   48,  96,  120. 
Dina    di   malchutha   dina   (Gesetz   der 

Regierung  ist  Gesetz).   30,  82,  123. 
Dinter,  Dr.    44,  92,  94,  95. 

Eben  ha-ezer   (FJierecht   Teil  III    des 

Schulchan-Aruch.   64. 
Ecker,  Dr.    6,  7  u.  6. 
Edomaer.   20. 
Eid  der  Juden.   87 ff. 
Elisa,    Prophet,    sein  Verhalten    gegen 

Heiden.    24. 
Entweihung   des  gottlichen   Namens. 

62  u.  6. 
Esra,  der  Schriftgelehrte.   61,. 

Falschungen    des   Textes    und    des  In- 

halts   jiidischer  Religionsgesetze.    40, 

42,  46   52,  54,  56,  83  f. 
Feinde,   keine  Freude  an  deren  Unter- 

gang.    74,  78,  81. 
Feldecke  s.  Peah.    81 . 
Fetischanbetung.    17,  32,  40,  41. 
Fiebig,  Prof.   8,  91. 
Formen,  religiose.    38. 
Fortschritt  der  Gesittung.    25,  35. 
Fremde  im  Lande  Israel.    17. 
Fremdengesetze  der  Thora.    22  ff. 
—  des  Talmud.    47 ff,, 
Freundliches  Verhalten  gegeniiber 

Nichtjuden.    118-120. 
Friedensliebe.  20,  69,  81,  95,  118,  120. 
Fromme    aller  Vblker  ewiger  Seligkeit 

teilhaft.    114. 


i3o 


Gcbete  fiir  Nichtjuden.    24,  78,  79. 
Gegenseitigkeit     der    Rechtsbindungen. 

22,  51. 

..Geheimlehre"  der  Juden.    8. 
Geliibde.    89. 
Gemara    26. 
Ger.    17,  18. 
Gcr  toschab.    17,  18,  19. 
Gerechtigkeit,     Grundlage    des    gesell- 

schaftlichen  Lebens.    13,   14. 
-  gegeniiber  Nichtjuden.    116ff. 
Gerichtshofe,  jiidische  (Befugnisse). 

30,   104. 

Gerson,  Christianus    57. 
Geseilschaft,  menichliche.  12,13,16,54. 
Gesetze,  des  Talmud.    27,  28. 

—  des  Schulchan-Aruch.    65,  66. 
Geschenke  an  Nichtjuden.   44,69,118. 
Gesittung.   12  f,  35,  45  u.  6, 
Gewalttatigkeit.    13,  39. 

Goj.   85. 

Goldschmidt,  Lazaius.  9, 

Gottesdienst  im  Beisein  von  Nichtjuden. 

100. 
..Gottesfiirchtige",  Bezeichnung  fiir 

Nichtjuden.    36  f. 
Gottesoffenbarung  an  Israel.    14. 

—  an  die  Volker.    33. 
Gotzendienst   (s.   auch  Heidentum  und 

Polytheismus).  15,  25,  32,  40,  67,  70. 
Graetz,  Prof.    129. 

Grundsatze  der  jiidischenSittenlehre-  81. 
Gutachten  (amtliche)  Hoffmann.  81. 

—  Noldeke-Wiinsche.   7  u.  6. 

Hagah,  Erganzung  zu  Karo.    66. 

Halachah.  26. 

Hamansgebet.    108. 

Harnack.  Prof.  v.    41. 

Hehlerei.    120. 

Heidentum   s.    auch  Gotzendienst   und 

Polytheismus. 
-   Feste  des.    40. 
Heiligung  des  Gottesnament.    62. 
..Herrenlosigkeit  derChristengiiter".  56  f. 
Hirsch,  Samson  Raphael.    79,   129. 
Hoffmann,  Prof.    8  u.  6. 


Irrtum  des  Nichtjuden.   48 f,  74 f. 
Islam.  78. 

Isserles,  Moses  (Erganzung  zum  Schul- 
chan-Aruch). 64,  65  f,  68. 

Jeremijah,  Prophet.   24. 
Jerusalemischer  Talmud.    27. 
Jesajah,  Prophet.    24. 
Joreh   Deah   (II.  Teil    des    Schulchan- 
Aruch).    64. 
Jost,  J.  M.   9. 
Josua.    16,  24. 
Judaa,   das  Land.    11,  29. 
Judenspiegel,  der.    5  u.  6. 
Justus,  Dr.    5  u  6. 

Karo,  Joseph  (Verfasser  d.  Schulchan- 
Aruch).  64  u.  6. 

Ketzer  (s.  a.  Abgefallene,  Apostaten). 
42  f. 

Klassifizierung  der  Volker.   32. 

Kleinviehhirten,  jiidische.    54. 

Kol  nidrei  (Gebet).    87-92. 

Konig,  Prof.    8. 

Kopp,  Dr.    7  u.  6. 

Konige,  nicht jiidische.    113,  123. 

Krieg  gegen  Kanaan.    15. 

—  gegen  Amalek.    16. 

Kriegsdienst.   80,   107. 

Laesio  enormis.    50. 

Lebensrettung  beim  Nichtjuden.  114,117. 

Lederer,  Ph.    9. 

Legitimation  der  Religionsgesetze    27  f, 

65  f. 

Liebe  gegeniiber  Fremden.   17f. 
Liebesdienste  an  Nichtjuden.    81,   118. 

Magen  Abraham  (Kommentar  z.  Schul- 
chan-Aruch).   66  u.  6. 
Maimonides,  Moses.    64,  78,  88. 
Mappah,   s.  Haggab.   und  Isserles.    66. 
Marty  ium.    37. 

Menschen,  alle  gleichberechtigt.    12. 
Midrasch.    26. 
Mischnah.    26. 
Moab.  Stamm.    20. 


Nachstenliebe.    17f,  79. 

Nationalgott.   20,  63. 

Neues  Testament.    62,  77. 

Nichtjuden,  im  Urteil  der  jiid.  Gesetz- 
biicher  (s  auch  Christen,  Heiden, 
Islam),  14f,  32,  36,  45,  72  f. 

Noah.    13. 

Noachiden,  Noachkinder.    32  f,  46,  69. 

Noachidische  Gebote.    32  ff, 

NSldeke,  Prof.    7  u.  6. 

ObedElilun,  Name  f iir  Gotzendiener.  85. 
Orach  Chajjim  (I.  Teil  des  Schulchan- 

Aruch).    64. 
..Osterwunsch  der  Juden".    108. 

Palastina,  Nichtjuden  in.    17. 
Palastinischer  Talmud.    27. 
Pavly,  Johannes  v     9. 
Peah  (Getreide  an  der  Feldecke),  auch 
fur  Nichtjuden  stehen  zu  lassen.   81. 
Polytheismus    15,  17,  41. 
Proselyten.    114. 

Rabbiner,  Erklarung  der.    81. 

Rabe,  J.  J.    9. 

Rache.    21. 

Rama  s.  Tauth.   53. 

Raub  an  Nichtjuden.   48,  121. 

Recht   und  Gerechtigkeit.     13,  16,  25, 

31,  33,  36,  39,  73. 
Rechtsgebahren  der  Volker  in  alter  Zeit. 

49. 

Redlichkeit  gegeniiber  Nichtjuden.  116. 
Romer,  die.    40,  61. 
Riicksichten  gegen  Nichtjuden.    120. 
Ruth,  Ahnmutter  des  Messias.    24. 

Salomo,  Konig,  betet  fiir  d.  Heiden    24. 
Samuel,  Mar,  geistiger  Fiihrer  d.  Juden. 

30. 

Schadigung  der  Nichtjuden.    121,  126, 
Schittuf  s.  Beigesellung. 
Schriftgelehrtentum.    61. 
Schulchan-Aruch  (seine  Abfassung  und 

Autoritat).   64  ff. 


Schuldenerlassgesetz,  s.  Fremdengesetze. 
Siebengebote  der  Noachiden.    33. 
Sittlichkeit     12, 14, 15, 16, 18,  21,  25, 75. 
Sklaven,  nichtjiidische.    74,  116. 
Soziale  Pflichten  gegen  Nichtjuden.  18, 

59,  81,  112f. 
Staatsgesetz,  s.  Dina. 
Steuerhinterziehung  verboten.    123. 
Strack,  Prof.    8  u.  6. 

—  Surenhusius.    9. 

Talmud,  allgemein.    26. 

—  urteile  iiber  Nichtjuden.   32,  36,  45, 
Talmudjude,  der.    5. 

Tauschung  des  Nichtjuden  verboten. 

48,  124  u.  6. 

Tauth  —  Irrtum  des  Nichtjuden.    51. 
Thomas,  v.  Aquino.    55,  63. 
Todesstrafe,    Verhangung    durch    jiid. 

Gerichtshof.    30,   104f. 
Totung  von  Nichtjuden  verboten.    73, 

79,  114,  117. 
Tradition.    17,  70. 
Treue  gegen  Nichtjuden.    74ff,  116. 

Ubervorteilung.    48,  50,  124. 
Obertritt  zum  Judentum.    20,  31,  114. 
Untersuchung  der  jiid.  Gesetze.   53,  80. 
Unzucht.    15,  25,  40,  101. 

Verbindung   mit   anderen   zum  Schutze 
von  Nichtjuden.    97f,  117,  126f. 

—  ,,mit  dem,  dem  das  Gliick  lachelt". 
107. 

Verrater.    43  f. 

Versorgung  der  Nichtjuden.  18f,  59,  81, 
120. 

Wahrhaftigkeit  gegen  Nichtjuden.     48, 

73  ff,  116. 

Wohlgemuth,  Dr.    129. 
Wucher.    22,  49,  76,  125. 
Wiilfer,  Johannes.    57. 
Wiinsche,  Prof.    7  u.  6. 

Zeugnis  fur  Nichtjuden.    97,  127. 
Zinsnehmen  s.  Wucher. 


132 


Noten. 

*)  Siehe  Dr.  Kopp:  Zur  Judenfrage  nach  den  Akten  des  Prozesses 
Rohling-Bloch.  2.  Auflage.  Leipzig  (Klinkhardt).  1886.  —  2)  S.  die  nachsten 
Anmerkungen.  —  3)  Prof.  Franz  Delitzsch:  Schachmatt  den  Biutliignem 
Rohling  und  Justus.  Erlangen.  1883.  —  Was  Aug.  Rohling  beschworen  hat  und 
beschwbren  will.  Leipzig.  1 883.  —  * — B)  S.  Anmerkung  1 .  —  ')  Prof.  Her- 
mann L.  S  t  r  a  c  k  ,  Einleitung  in  den  Talmud.  Mehrere  Auflagen.  Leipzig 
(Hinrichs).  —  6a)  Strack:  Die  Juden,  diirfen  sie  Verbrecher  von  Religions- 
wegen  genannt  werden?  Berlin.  1893.  —  Der  Blutaberglaube  in  der  Menschheit. 
Miinchen.  •  •  6b>  Prof.  Eduard  Konig:  Das  antisemitische  Hauptdogma. 
Bonn  1914.  —  Das  Obergutachten  im  Gotteslasterungsprozefi  Fritsch.  Dresden. 
1918.  —  7)  Fiebig:  Das  Judentum  von  Jesus  bis  zur  Gegenwart.  Tubingen 
(Mohr).  1916.  —  8)  Dr.  Weigh  Das  Judentum.  Berlin  (Guttentag).  1911. 
-9)  I.  Buch  Mos.,  KaP.  2,  V.  16—17.  —  10)  S.  III.  Buch  Mos.,  KaP.  18  u.  19. 
-  ")  Aus  III.  Buch  Mos.,  Kap.  25,  V.  35  (s.  Hoffmann.  Leviticus  z.  Stelle 
und  S.  R.  Hirsch,  Kommentar  zum  II.  Buch  Mos.,  Kap.  12,  V.  45).  - 
12)  Baba  kama,  BI..1  13,  S.  2.  —  13)  S.  dazu  S.  R.  Hirsch,  Bibelkommentar. 
—  14)  In  der  hebraischen  Bibelsprache  wird  bezeichnenderweise  fiir  ..Handler" 
der  Ausdruck  ..Kanaaniter"  gebraucht;  so  Jesajah  23,8;  Spriiche  Salomes  31,24; 
Hiob  40,  30.  —  15)  S.  Hirsch,  Bibelkommentar  z.  St.  —  16)  Dr.  Joseph 
W  o  h  1  g  e  m  u  t  h :  Das  jiidische  Religionsgesetz  in  jiidischer  Beleuchtung. 
Heft  II,  S.  103  f.  —  «)  Prof.  H.  Graetz:  Die  jiidischen  Proselyten  im 
Romerreiche  unter  den  Kaisern  Domitian,  Nerva,  Trajan  und  Hadrian.  Breslau. 
1884.  —  18)  S.  Hoffmann,  Der  Schulchan-Aruch,  S.  66,  193  ff.  - 
19)  Ebendort,  S.  110.  —  M)  Vgl.  z.  B.  Traktat  Derech  Erez.  —  21)  S.  Kopp. 
a.  a.  O.,  S.  119  f.  —  22)  Ebendort,  S.  121  f.  —  28)  S  daruber  Epstein: 
Aruch  ha-schulchan,  z.  angcfiihrten  Stelle. 


I2Q 


Register. 


Abgefallene,  s.  Ketzer. 

Abraham,  Stammvater.  13, 19,20,29,37. 

—  Abrahamskinder.  33. 
Absonderung  (Israels).  13,  24,  37,  46. 
Adam.  12,  33,  54. 

—  Adamssohne.   33. 

Vollmensch.  54. 

Agypter.  20,  77. 
Akum,  Ursprung.  85. 

—  sind  nicht  Christen.    88  ff. 
Alenu-Gebet.   35. 
Amalek.   16. 

Amemin.  85. 
Ammon,  Stamm.    20. 
Apostaten    115. 
Auserwahlung  (Israels).    14. 
Ausnahmegesetze  s.  Fremdengesetze.  22, 
47,  66. 

Babylonien,  Juden  in.     26,  29. 
Babylonischer  Talmud.   26. 
Barmherzigkeit  gegen  Nichtjuden.    118. 
Beer  ha-golah    (Kommentar   z.   Schul- 

chan-Aruch)    66. 
Bekehrte,  s.  Proselyten.    114. 
Betrug  an  Nichtjuden.    128. 
Beigesellung  (eines  Wesens  zu  Gott).  70. 
Bickell,  Prof.    6,  7. 
Biutvergiessen.    13. 
Brachjahr  (Ertrag  auch  fiir  Nichtjuden). 

18. 

Choschen    ha-mischpat    (das    jiidische 

Recht  im  Schulchan-Aruch).    64. 
Christentum,  Verbreitung  des.    60. 

-  im  Urteil  der  Rabbiner.  69— 72  f. 

—  seinKampf  gegen  das  Heiden turn.  41. 
Christliche  Giiter,  ob  herrenlos.  56. 


David,  Kbnig,  Verhalten  gegen  Heiden. 

24. 
Delitzsch,  Prof.  Franz.   7,  111. 

-   Prof.  Friedrich.    108. 
Diebstahl  bei  Nichtjuden.   48,  96,  120. 
Dina    di   malchutha   dina   (Gesetz   der 

Regierung  ist  Gesetz).  30,  82,  123. 
Dinter,  Dr.    44,  92,  94,  95. 

Eben  ha-ezer  (Eherecht   Teil  III    des 

Schulchan-Aruch.   64. 
Ecker,  Dr.    6,  7  u.  6. 
Edomaer.   20. 
Eid  der  Juden.    87  ff. 
Elisa,    Prophet,    sein  Verhalten    gegen 

Heiden.    24. 
Entweihung   des  gottlichen   Namens. 

62  u.  6, 
Esra,  der  Schriftgelehrte.   61. 

Falschungen    des   Textes    und    des  In- 

halts   jiidischer  Religionsgesetze.    40, 

42,  46    52,  54,  56,  83  f. 
Feinde,   keine  Freude  an  deren  Unter- 

gang.    74,  78,  81. 
Feldecke  s.  Peah.   81. 
Fetischanbetung.    17,  32,  40,  41. 
Fiebig,  Prof.   8,  91. 
Formen,  religiose.    38. 
Fortschritt  der  Gesittung.    25,  35. 
Fremde  im  Lande  Israel.    17. 
Fremdengesetze  der  Thora.   22  ff. 
—  des  Talmud.    47  ff. 
Freundliches  Verhalten  gegeniiber 

Nichtjuden.    118-120. 
Friedensliebe.  20,  69,  81,  95,  118,  120. 
Fromme    aller  Vb'lker  ewiger  Seligkeit 

teilhaft.    114. 


i3o 


Gebete  fur  Nichtjuden.    24,  78,  79. 
Gegenseitigkeit     der    Rechtsbindungen. 

22,  51. 

,,Geheimlehre"  der  Juden.    8. 
Geliibde.    89. 
Gemara    26. 
Ger.    17,  18. 
Ger  toschab.    17,  18,  19. 
Gerechtigkeit,     Grundlage    des    gesell- 

schaftlichen  Lebens.    13,   14. 

-  gegeniiber  Nichtjuden.    116ff. 
Gerichtshofe,  jiidische  (Befugnisse). 

30,   104. 

Gerson,  Christianus.   57. 
Gesellschaft,  menschliche.  12,13,16,54. 
Gesetze,  des  Talmud.    27,  28. 

—  des  Schulchan-Aruch.    65,  66. 
Geschenke  an  Nichtjuden.    44,69,118. 
Gesittung.   12  f,  35,  45  u.  6. 
Gewalttatigkeit.    13,  39. 

Goj.    85. 

Goldschmidt,  Lazaius.  9. 

Gottesdienst  im  Beisein  von  Nichtjuden. 

100. 
..Gottesfiirchtige",  Bezeichnung  fiir 

Nichtjuden.    36  f. 
Gottesoffenbarung  an  Israel.    14. 

-  an  die  Volker.    33. 
Gotzendienst   (s.   auch  Heidentum  und 

Polytheismus).  15,  25,  32,  40,  67,  70. 
Graetz,  Prof.    129. 

Grundsatze  der  jiidischenSittenlehre-  81. 
Gutachten  (amtliche)  Hoffmann.  81. 

—  Noldeke-Wiinsche.   7  u.  6. 

Hagah,  Erganzung  zu  Karo.    66. 
Halachah.  26. 
Hamansgebet.    108. 
Harnack,  Prof.  v.    41. 
Hehlerei.    120. 

Heidentum   s.    auch  Gotzendienst   und 
Polytheismus. 

-  Feste  des.    40. 

Heiligung  des  Gottesnamens.    62. 
..Herrenlosigkeit  derChristengiiter".  56  f. 
Hirsch,  Samson  Raphael.    79,  129. 
Hoffmann,  Prof.    8  u.  6. 


Irrtum  des  Nichtjuden.   48  f,  74  f. 
Islam.  78. 

Isserles,  Moses  (Erganzung  zum  Schul- 
chan-Aruch). 64,  65  f,  68. 

Jeremijah,  Prophet.   24. 
Jerusalemischer  Talmud.    27. 
Jesajah,  Prophet.    24, 
Joreh   Deah   (II.  Teil    des    Schulchan- 
Aruch).   64. 
Jost,  J.M.   9. 
Josua.    16,  24. 
Judaa,   das  Land.    11,  29. 
Judenspiegel,  der.    5  u.  6. 
Justus,  Dr.    5  u  6. 

Karo,  Joseph  (Verfasser  d.  Schulchan- 
Aruch).  64  u.  6. 

Ketzer  (s.  a.  Abgefallene,  Apostaten). 
42  f. 

Klassifizierung  der  Volker.   32. 

Kleinviehhirten,  jiidische.    54. 

Kol  nidrei  (Gebet).    87-92. 

Konig,  Prof.   8. 

Kopp,  Dr.    7  u.  6. 

Kbnige,  nichtjiidische.    113,  123. 

Krieg  gegen  Kanaan.    15. 

—  gegen  Amalek.    16. 

Kriegsdienst.   80,  107. 

Laesio  enormis.    50. 

Lebensrettung  beim  Nicht j  uden.  1 1 4, 1 1 7. 

Lederer,  Ph.    9. 

Legitimation  der  Religionsgesetze    27  f, 

65  f. 

Liebe  gegeniiber  Fremden.    17 f. 
Liebesdienste  an  Nichtjuden.    81,   118. 

Magen  Abraham  (Kommentar  z.  Schul- 
chan-Aruch).   66  u.  6. 
Maimonides,  Moses.    64,  78,  88. 
Mappah,   s.  Haggah   und  Iiserles.    66. 
Marty  ium.    37. 

Menschen,  alle  gleichberechtigt    12. 
Midrasch.    26.  ' 
Mischnah.    26. 
Moab,  Stamm.    20. 


Nachstenliebe.    17f,  79. 

Nationalgott.   20,  63. 

Neues  Testament.    62,  77. 

Nichtjuden,  im  Urteil  der  jiid.  Gesetz- 
biicher  (s  auch  Christen,  Heiden, 
Islam),  14f,  32,  36,  45,  72f. 

Noah.    13. 

Noachiden,  Noachkinder.    32  f,  46,  69. 

Noachidische  Gebote.    32 ff, 

Nbldeke,  Prof.   7  u.  6. 

ObedElilun,  Name  fur  Gotzendiener.  85. 
Orach  Chajjira  (I.  Teil  des  Schulchan- 

Aruch).    64. 
,,Osterwunsch  der  Juden".    108. 

Palastina,   Nichtjuden  in.    17. 
Palastinischer  Talmud.    27. 
Pavly,  Johannes  v     9. 
Peah  (Getreide  an  der  Feldecke),  auch 
fiir  Nichtjuden  stehen  zu  lassen.  81. 
Polytheismus    15,   17,  41. 
Proselyten.    114. 

Rabbiner,  Erklarung  der.    81. 

Rabe,  J.  J.    9. 

Rache.    21. 

Rama  s.  Tauth.    53. 

Raub  an  Nichtjuden.   48,  121. 

Recht  und   Gerechtigkeit     13,  16,  25, 

31,  33,  36,  39,  73. 
Rechtsgebahren  der  Volker  in  alter  Zeit. 

49. 

Redlichkeit  gegeniiber  Nichtjuden.  116. 
Rbmer,  die.    40,  61. 
Rvicksichten  gegen  Nichtjuden.    120. 
Ruth,  Ahnmutter  des  Messias.    24. 

Salomo,  Konig,  betet  fiir  d.  Heiden    24. 
Samuel,  Mar,  geistiger  Fiihrer  d.  Juden. 

30. 

Schadigung  der  Nichtjuden.    121,  126. 
Schitruf  s.  Beigesellung. 
Schriftgelehrtentum.    61. 
Schulchan-Aruch  (seine  Abfassung  und 

Autoritat).   64  ff. 


Schuldenerlassgesetz,  s.  Fremdengesetze. 
Siebengebote  der  Noachiden.    33. 
Sittlichkeit     12, 14, 15, 16,  18,  21,  25, 75. 
Sklaven,  nichtjiidische.    74,  116. 
Soziale  Pflichten  gegen  Nichtjuden.  18, 

59,  81,  112f. 
Staatsgesetz,  s.  Dina. 
Steuerhinterziehung  verboten.    123. 
Strack,  Prof.    8  u.  6. 

—  Surenhusius.    9. 

Talmud,  allgemein.    26, 

—  urteile  iiber  Nichtjuden.    32,  36,  45. 
Talmudjude,  der.    5. 

Tauschung  des  Nichtjuden  verboten. 

48,  124  u.  6. 

Tauth  =  Irrtum  des  Nichtjuden.    51, 
Thomas,  v.  Aquino.    55,  63, 
Todesstrafe,    Verhangung    durch    jiid. 

Gerichtshof.    30,   104f. 
Totung  von  Nichtjuden  verboten.    73, 

79,  114,  117. 
Tradition.    17,  70. 
Treue  gegen  Nichtjuden.    74 ff,  116. 

Ubervorteilung.    48,  50,  124. 
Ubertritt  zum  Judentum.    20,  31,   114. 
Untersuchung  der  jiid.  Gesetze.   53,  80. 
Unzucht.    15,  25,  40,  101. 

Verbindung   mit   anderen   zum  Schutze 
von  Nichtjuden.    97  f,   117,  126 f. 

—  ,,mit  dem,  dem  das  Gliick  lachelt". 
107. 

Verrater.    43  f. 

Versorgung  der  Nichtjuden.  18 f,  59,  81, 
120. 

Wahrhaftigkeit  gegen  Nichtjuden.     48, 

73  ff,  116. 

Wohlgemuth,  Dr.    129. 
Wucher.    22,  49,  76,  125. 
Wiilfer-  Johannes.    57. 
Wiinsche,  Prof.    7  u.  6. 

Zeugnis  fiir  Nichtjuden.    97,   127. 
Zinsnehmen  s.  Wucher. 


132 


Philo-Verlflg  und  Buchhandlung 

Berlin  SW65,  Lindenstr.  13 

Eugenpuch$,UmDeutschtumund]udentum  .  M 
Hans  Goslar,  judischeWeithemchaft  ....  M 
Dr.  Jacob,  Krieg,  Revolution  und  judentu,;< .  ,  M.0,50 

Dr.  Leiser,  Die  }uden  im  Heere 1.0,50 

Die  Wahrheit  uber  das  jiidische  Schrifttum  M.  0 
Dr.C5oldmflnn,VomWe$ende$  Antisemitiimus  H