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Full text of "Zur Lex Saxonum"

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ZUR 



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LEX SAXONUM. 



Von 



Dr. Karl Freiherr von Richthofen. 



BERLIN. 

VBBLAG VON WILHELM HERTZ. 

(BB8BBR8GHB BVCHHAHDLUIIG.) 
1868. 



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Vorwort. 



Als ich im Frfibjahr 1865 für die mir übertragene Aus- 
gabe der Lex Saxonom im vierten Bande der Leges der Mona- 
menta Germaniae die verschiedenen Texte derselben vei^lich, 
schien es mir, als ob einige kurze nur in der Spangenberg- 
schen Handschrift enthaltene Sätze, die bisher kaum beachtet 
worden' sind, einen kleinen Beitrag für das älteste uns gar 
wenig bekannte sächsische Recht gewährten. Ein näheres 
Eingehn auf sie fährte jnich zu einer Prfifung der Zeit der 
Abfassung der Capitula de partibus Saxoniae und der Lex 
Saxonum, und ich schrieb die folgenden darauf bezüglichen 
Bemerkungen nieder, um sie Studiengenossen vorzulegen. Eine 
Krankheit nöthigte mich damals, die Ausführung zu verschie- 
ben, und so thue ich es erst jetzt, wo der bevorstehende Be- 
ginn des Druckes der Lex Saxonum mich wieder zu ihnen 
zurückfuhrt, indem ich nur noch die Bitte hinzufüge, sie 
freundlich aufnehmen zu wollen. 

Berlin, den 7. März 1867. 

Dr. Karl Freiherr von Richthofen. 

Nachschrift. 

Unmittelbar nach der Aufzeichnung dieser Worte begann 
der Druck der Abhandlung, der ich aufser einzelnen Zusätzen 
den §.16 über die Todesstrafen des sächsischen Rechts neu 



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IV 

hinzafagte, weil mir der für die Abfassangszeit der Lex Saxo- 
Dum wichtige Gegenstand eine aasführlichere Besprechung za 
fordern schien, als ich ihm früher in einer Beilage zugewendet 
hatte. Wie ich Bogen 19 beendigt hatte, unterbrach ich den 
Druck wegen einer Brunnenkur in Ems; dort traf mich im 
Monat September 1867 ein schweres Augenleiden, das mich 
an der Fortsetzung des Druckes hinderte. Um die Ausgabe 
der Abhandlung zu ermöglichen, hat mein Sohn Karl den 
Abdruck der letzten Bogen besorgt. 

Wiesbaden, den 21. April 1868. 



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Inhaltsverzeichnifs. 



Capitel I« Die Texte der Lex Saxonnm. 

Seite 

§. 1. Der Text der Spangenbergsebea Handschrift, und die in 

ihm eingeschobenen Satzungen Aber territoriales Recht 1 
Anmerkung über die Spangenbergsche Handschrift der 

Lex Saxonnm 18 

§.2. Die Zusätze im Text von du Tillet und in der Gorveier 

Handschrift, am Schluls der Lex Saxonum 26 

§. 3. Der Heroldsche Text der Lex Saxonum 47 

Anmerkung Aber Herolds Text der Lex Saxonum . . 56 

§. 4. Der Text der Ck)rveier Handschrift 68 

Anmerkung über die Gorveier Handschrift der Lex Sa- 
xonum 65 

§. 5. Der du Tilletsche Text der Lex Saxonum 67 

Anmerkung über die Abweichungen des Tiliusschen 

Textes 70 

§. 6. Die Lindenbrogsche Ausgabe der Lex Saxonnm .... 74 
Anmerkung über Lindenbrogs Benutzung der älteren 

Texte der Lex Saxonum 79 

§. 7. Der Grundtext der Lex Saxonum 85 

Anmerkung über die Eintheilung der Lex Saxonnm . 91 

Anmerkung über die Ausgaben der Lex Saxonnm . . 93 

, Capitel n« Die Lex Saxomun ist ein gleiclizeitig verfafstes 

€(esets« 

S. 8. Merkels Zerlegung der Lex Saxonum in drei Stücke . . 97 

S. 9. Das dritte Stück der Lex Saxonum 103 

S. 10. Das zweite Stück der Lex Saxonum 111 

§. 11. Das erste Stück der Lex Saxonnm 114 



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VI 



Cftpitel m. Abfassimgsieit der CapitiilA de partlbiiB 
Sftxoniae« 

§. 12. Die Oapitala sollen im Jahr 785 verfaTst Bein 126 

§. 13. Die Unterwerfung Sachsens während der Jahre 772—765 129 

§. 14. Die Bekehrung Sachsens während der Jahre 772—785 . 149 

§. 15. Inhalt und Abfassangszeit der Gapitala de partibos Saxoniae 170 

§. 16. Die Todesstrafen des sächsischen Rechts 218 

Capitel IT. Abfassimgsieit der Lex Sftxonimi. 

§. 17. Die Lex ist zwischen 777 nnd 797, vielleicht 785 abgefafst 331 
Anmerkung über die bisherigen Ansichten ttber die Ab- 
fassungszeit der Lex Saxonum 335 

§. 18. Das Oapitnlare Saxonicnm von 797 340 

§. 19. Schlufs 348 

Beilagen. 

Beilage I. Silber und Kuhgeld 358 

Beilage II. Geldwerth 368 

Beilage IIL Die Anordnung der Lex Saxonum 371 

Beilage IV. Die Zahl 120 das ist eine Baoda oder ein grolses 

Hundert in der Lex Saxonum 376 

Beilage V. Das sächsische Nordthflringen und die Lex Thurin- 

gorum 394 

Beilage VI . 418 

Stellen aus den drei sächsischen Gesetzen, welche besprochen 

worden sind 431 



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ZUR 



LEX SAXONUM. 



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Capitbl I. Die Texte der Lex Saxonum. 



1« f. 9er Teit der Span^enbergschen Haidschrift, md die !■ Ihn ein- 
^esehobenen Satzungen flher territoriales Reeht. 

Die unter Karl dem Groften verfafate Lex Saxonum ist in vier 
alten Texten erhalten: in den Ausgaben von Herold und du Tillet, 
denen zwei spurlos versehwundene Handschriften zu Grunde liegen; 
in der Gonreier Handschrift aus dem 10., und in der Spangen- 
bergschen aus dem Ende des 9. Jahrhunderts. WXhrend der Text 
von Herold mit dem der Corveier Handschrift und dem bei du Tillet, 
mit Ausnahme einiger Worte, die am Schlnft der Lex bei Herold 
fehlen, im Wesentlichen ein und derselbe ist, so dafs die darin 
enthaltenen Vorschriften kaum von einander abweichen, sind in 
der Spangenbergschen Handschrift, in vier verschiedenen Capiteln 
der Lex, Worte eingeschoben, die bei mehreren namhaft gemachten 
Verbrechen Qbereinstimmend es aussprechen, dafs sie nach dem 
Recht der Bewohner des Ortes bestraft werden sollen, an dem sie 
begangen sind, so dafs die harten Strafen der Lex Saxonum aus- 
geschlossen werden, wenn die mit ihnen bedrohten Verbrechen 
von Sachsen anfserhalh ihres Landes verübt sind. 

Ans dem folgenden Abdruck der vier Capitel der Lex Saxo- 
num, in dem die nur in der Spangenbergschen Hand- 
schrift enthaltenen Worte gesperrt gedruckt sind, er- 
hellt, dafs dieselben dem Originaltext der Lex Saxonum fremd 
waren, und erst sp&ter in ihn eingeschoben sind. Könnte hierüber 
ein Bedenken obwalten, so wird er durch die Stelle c erledigt, 

1 



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indem in ihr die eingeschobenen Worte den Satz der alten Lex 
in solcherweise zerreifsen, dafo er yl51lig nnverständlich wird. 

a) Cap. 21. 22 (bei Herold: Titel II. §. 8. 9). Qui in ecclesia 
hominem occiderit vel aliqaid fdraverit, vel eam^) effregerit, vel 
sciens perjnraverit, si infra patriam fnerit factnm capite 
paniatar, sin antem infra patria non fnerit, in q,uali- 
cnmqne loco fnerit, secnndnm illornm legem. Et') qoi 
nesciens perjnraverit, mannm snam redimat anctor sacramenti. 

b) Gap. 23 (Herold: Tit. IL §.10). Qai homini*) ad eccle- 
siam vel de ecclesia die festo^) pergenti, id est dominica, pascha'), 
pentecosten*), natale^) domini, sanctae Mariae, sancti Johannis 
baptistae, sancti Petri et") sancti Martini, insidias posnerit enm- 
qne occiderit, capite pnniatur, (si) ') infra patria fnerit; sin 
antem in qnali loco, secnndnm illornm legem; si non 
occiderit tamen insidias fecerit^^), bannum solvat de reliqnis. 

e) Cap. 36 (Herold: Titel IV. §.8). Qnicqnid vel nno") de- 
nario minns tribus solidis qnislibet fnrto^') abstnlerit, novies com- 
ponat^') quod abstoHt*^); et pro fredo, si nobilis fnerit, solidos") 
12, si über 6^*), De hac re, quod snperins dictum est de 
furto"): qui infra patriam furaverit aliqnid unde mo- 
rire debet, si foris patriae est^"), hoc fecerit, non 
moriatur, sed secnndnm illornm legem nbi factnm 
fnerit, si litns 4; et oonscins similiter. 

d) Gap. 38 (Herold: TitV. §. 2). Qni domnm alterius vel 

») „eam'' f. in der Ausg. des Tilius. — *) „et* f. in Her. u. Tu. Ausg., 
sowie im Inbaltsvers. der Spang. Handschr. — *) „hominem'' 8pang. — 
*) „facto" Spang. — *) „pascha" Her. u. Corr. ; „paschae'' Spang. u. TU. 
— «) „penthecoste" Her. u. TiL — "^ „natali" TU. — ») „et" f. in Corr. 
u. TiL — ') „si" ist zu ergänzen, wie es auch Lindenbrog in seiner Aus- 
gabe der Lex. Sax. gethan hat. — «>) „fecit" Til. — - »») Für „uno" (bei 
Her., Corr. und dem Spang. Inhaksrerz.) liest „in uno" TiL, „de uno, de 
uno" Spang. — '*) „furtu" Spang. — ") „componatur" Spang. — i*) „abs- 
tnlerit" Spang. — ") „solides" f. bei TiL — *«) „si liber similiter" TiL — 
*') „furtu" Spang., zu bessern „furto". — ") Das „est" steht im Manuscr. 
Spang.; die "Worte wollen sagen: wenn esf auCserhalb des Vaterlandes ist, 
dafs er das tiiat, so soll er nicht sterben. Durch AusstoCsen des „est*' wird 
der Ausdruck bequemer; Lindenbrog hat es daher weggelassen. 



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8 

Boctn Tel interdin sao taotnm conBilio Tolens ineenderit, oapite 
piiBiatar, in qaalioumqae loeo est, secnndam legem 
iliomm. 

Lindenbrog in der Ausgabe der Lex Saxonam, im Codex 
Legom antiqnaram, Francofnrti 171B p. 471, hat die in den vor* 
stehenden Stellen gesperrt gedruckten Sätse in seinen Text der 
Lex aufgenommen, indem er demselben die Spangenbergsche Hand- 
schrift zu Grunde legte, und das in ihr Stehende nur im Einzel- 
nen aus Herold und Tilius zu berichtigen suchte^). Leibniz 
liefs in den Scriptores Rerum Brunsvicensum, Hannoverae 1707. 
I. p. 77, aus Lindenbrog die Lex Saxonum abdrucken; es stehen 
daher bei ihm die Sätze, wie bei Lindenbrog, im Text der Lex; 
nur im Gapitel 21 sind, offenbar durch ein Versehen, einige Worte 
ausgefallen, und im Gapitel 23 einige andere eingeschoben')» Im. 
Gegensatz zu Leibniz, hielt G. G. Gärtner, Saxonum leges tres, 
Lipsiae 1730, den Heroldsohen Text der Lex Saxonum für besser, 
als den Lindenbrogschen, und gab ihn in seiner Ausgabe wieder, 
indem er den einzelnen Paragraphen desselben, nur Varianten aus 
Lindenbrog beifügte; unter ihnen finden sich denn auch die frag- 
lichen Sätze, wie sie bei Lindenbrog zu lesen sind; auf ihren 

^) Beim Abdruck der fraglichen S&Ue, hat Lindenbrog im CapituL 23, 
ein für den Zusammenhang der Worte erforderliches ^si^ ergänzt , vgl. p. 2 
Note 9; un Cap. 36 hat er „furtu" in „furto" gebessert und ein Listiges 
„est" ausgestefsen, vgl.p. 2 Note 18; am Schlufs Yon Cap. 36 hat Linden- 
brog die in allen vier Texten Torhan denen Worte „si litns 4; et conscius 
similiter" weggelassen und für sie ein „componat" gesetst, da sie dorch 
Einsehiebong des Ziuatses im Spangenbergschen Manuscript jedes Sinnes 
beraubt waren, und ihm der Zusammenhang der Stelle ein „componat" su 
fordern schien. Endlich hat Lindenbrog im Cap. ßS, den Zusatz des Span- 
genbergschen Manuscripts ^in qualicumque loco est, secundum legem ilio- 
mm'*' weggelassen. 

*) Leibniz liest in Lex Sax. IL §.8: „Qui ... perjorayerit, ai infra 
patriam non fuerit, in qualicunque loco fuerit, secundum illorum legem'', 
mit Auslassung der Worte „fuerit factum capite puniatur, sin autem infira 
patria''; und in Lex Sax. II. §.9: „Qui . . eum occiderit, capite puniatur, si 
infra patriam fiierit. Sin autem in quali loco [secundum capite puniatur, 
si infra patriam fuerit. Sin autem in quali loco] secundum illorum legem. 
Si etc'^, wo die eingeklammerten Worte su tilgen sind. 

1* 



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Inhalt geht aber OSrtiiery in seinen ansftthrlichen Noten snr Lex, 
nicht näher ein, bemerkt nur p. 45 , va dem im Gi4>itel 21 ein- 
geschobenen Satze: „Eadem interpolatio in subseqnent. capitnL23 
et 36, iisdem plane verbls apud Lindenbrogum oconnit, sed videtnr 
esse repetitae praelectioniS; admittenda tarnen, qnoniam complnra 
delicta apud Baxones gravioribns poenis subjecernnt, quam qnidem 
apud reliqnos popalos Germaniae^. E. T. Ganpp, Recht und Ver- 
&ssnng der alten Sachsen, Breslau 1837 p. 126. 132 und 135, hat 
nach Vorgang von Gärtner, dem er im Allgemeinen in seiner Aus- 
gabe der Lex Saxonum folgte, die Lindenbrogschen Zusätse, von 
denen er aus „Spangenbergs Beiträgen zu den teutschen Rechten 
des Mittelalters, Halle 1822*' p. 185, wufste, dafs sie in der Span- 
genbergschen Handschrift stehen, unter dem Text der Lex Saxo- 
num als Varianten mit den Spangenbergschen Berichtigungen ab- 
drucken lassen, wie dies bereits vor ihm F. Walter in seinem 
Corpus Juris Germanici antiqui, Berolini 1824, I. p«385 gethan 
hatte. In Betreff der Zusätze begnügt Gaupp sich damit, sie „flir 
ein späteres Glossem eines Abschreibers*' zu erklären, ohne ihnen 
weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Damit ist aber sehr wenig 
ttber sie gesagt; dem Originaltext der Lex Saxonum sind sie 
fremd gewesen, das kann keinem Zweifel unterliegen, woher hat 
sie aber der Schreiber der Spangenbergqphen Handschrift genom- 
men, und wie ist er dazu gekommen, sie seinem Text einzu- 
fügen? 

Die Spangenbergsche Handschrift setzt Pertz, der aus ihr 
eigenhändig die Lex Saxonum für deren Ausgabe in den Monu- 
mentis Germaniae, mit der grt^fsten Genanigkeit abgeschrieben 
hat, gegen das Ende des 9. oder in den Anfang des 10. Jahrhun- 
derts*). Wer der Schreiber derselben war, und wo er schrieb, 
ist uns in keiner Weise überliefert; beachtet man aber die Art, 
wie er die Lex Saxonum abgeschrieben hat, so sieht man, dafs 
er kein Sachse war, dafs er das, was er abschrieb, nicht verstand, 
und unleugbar eine sehr geringe Bildung besafs. Gegen das 

') Vgl. über das Spangenbergsche Manusoript die kleingedruokte An- 
merkung unten am Schlufs ron §. 1. 



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5_ 

Sachsenihmn des Sohreibers spricht, dafs er die sämmtlichen 
deutschen in der Lex vorkommenden Worte, ja einmal sogar die 
Namen der Ostfalen nnd Engem, bis znr ünkenntlichheit ent- 
stellt; sein Nichtverstehen des Textes aber ergiebt sich, abge- 
sehen davon, dafe er überall grofse ünkenntnifs der lateinischen 
Sprache docamentirt, indem er ihre Formen nnd Constmctionen 
anf das ärgste mifshundelt, daraus, dafs er nicht wenige Stellen 
der Lex, die in den andern drei Texten leicht verständlieh sind, 
in solcher Weise verunstaltet, dafs sie jedes Sinnes entbehren. 
Fttr unmöglich erachte ich es, dafs der Schreiber der Spangen- 
bergschen Handschrift, der sieh sonst aller Zusätze zur Lex ent^ 
hält, selbstständig ans seiner Kenntnifs des geltenden Rechts, in 
vier Capiteln der Lex jene Znsätze kannte eingeschoben haben, 
die bei verschiedenen Verbrechen einen in der alten Lex mit keiner 
Silbe angedeuteten Bechtssatz zur Anwendung bringen. Nach dem 
ganzen Bilde, welches uns die Abschrift der Lex von den Kennt- 
nissen ihres Schreibers giebt, mufs ich behaupten, dafs er weder 
die dazu erforderlichen Rechtskenntnisse besafs, noch auch so 
viel Latein verstand, um jene vier Sätze abzufassen, die, so in- 
eorrect sie auch geschrieben sind, doch einen und denselben Ge- 
danken ausdrücken, nnd diesen bei den ihm entsprechenden Capiteln 
der Lex einschieben. 

Mit Rücksicht hierauf glaube ich vermuthen zu dürfen, dafs 
der Schreiber der Spangenbergschen Handschrift jene vier Sätze 
am Rand des von ihm abgeschriebenen Textes der Lex Saxonum 
beigeschrieben fand, und sie seiner Abschrift der Lex einfügte, 
ohne sich um ihren Sinn zu kümmern; dadurch erklärt sich dann 
auch leicht, dafs in der Spangenbergschen Handschrift in der 
Stelle Cj der Znsatz, statt an das Ende des Gapitels, neben wel- 
chem er beigeschrieben war, mitten in den letzten Satz des Ca- 
pitels zu stehen kam, so dafs die letzten Worte desselben („si 
litns 4; et conscius similiter*') aus ihrem Zusammenhange gerissen, 
nnd jedes Sinnes beraubt wurden. 

Durch diese Vermuthnng ist nun freilich der Ursprung der 
vier fraglichen Zusätze der Lex Saxonum nicht erklärt; fragte 
es sich vorher, wie der Abschreiber der Spangenbergschen Hand- 



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6 

Schrift der Lex dazu kam, sie der Lex einzafUgeOy so handelt es 
sieh jetzt darum, zu beantworten, was Jemand veranlagte, sie 
dem von jenem Abschreiber copirten Text der Lex Saxonum bei- 
zuschreiben, üeberblicke ich aber die Wortfassung der vier Zu- 
sätze, so scheint sie mir weiter zu führen; diese spricht nämlich 
nicht dafür, dafs der Schreiber den vier Capiteln der Lex nach 
seiner Kenntnifs des geltenden Rechts sie erläuternde, oder ihren 
Inhalt ergänzende Randglossen aus dem Gedächtnifs beischrieb, 
sondern dafs er ihnen jene Worte mit Rücksicht auf eine geschrie- 
bene ihm vorliegende Quelle beifügte, dafs er, um meine Meinung 
hier gleich ganz auszusprechen, den Inhalt eines bestimmten Ge- 
setzes zu den einzelnen, von ihm berührten Stellen der Lex Saxo- 
num, excerpirend notirt«. — Man erwäge dafür, dafs die vier Sätze 
nicht aus dem Gedächtnifs frei hingeworfen sind, namentlich die 
folgenden in ihnen übereinstimmend wiederkehrenden Worte: 

in a: „sin autem infra patria non fuerit, 

tn qualicunque loco fuerit, secundum iUorum legem^. 
in h\ „sin autem, 

in qucdi loco, secundum ütorum legem*', 

in e: „si foris patriae est, hoc fecerit, non moriatur, 

sed, secundum ülorum legem , ubi 
factum fuerit*. 
in d\ „tn qualicumque loco est, secundum legem illorum*'. 

In den drei ersten Stellen (a,b,c) excerpirt der Schreiber 
seine Quelle ausführlicher; in der letzten schreibt er nur die 
(unter d) angeführten flüchtigen Worte an den Rand der Lex, die 
an sich unverständlich sind, aber rMig genügten, um ihm bei 
späterer Benutzung des Capitels der Lex, den unter a, hy c no- 
tirten, auch bei d zur Anwendung kommenden Rechtssatz ins Ge- 
dächtnifs zurückzurufen. 

Ist dies richtig, so weisen die vier in der Spangenbergschen 
Handschrift enthaltenen Zusätze der Lex Saxonum auf ein Ge- 
setz hin, welches bestimmte, dafs gewisse Verbrechen, wenn sie 
aufserhalb Sachsens verübt sind, nicht in der für sie in der Lex- 
Saxonum angeordneten Weise bestraft werden sollten, sondern 



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nach dem Recht der Bewohner des Ortes, an dem sie begangen 
wurden. 

Die in den vier Zasltsen beseiehneten Verbrechen, welche 
die Lex Saxoninn sMmmtiieh mit der Todeestrafe bedroht, sind: 

in a: Tödtoog in der Kirche (cap. 21), 
Diebstahl in der Kirche (cap. 21), 
Einbruch in der Kirche (cap. 21), 
Ein in der Kirche wissentlich falsch geschworener Eid 
(cap. 21). 

in b: TMtung am Sonntage oder an einem der hohen Festtage, 
auf dem Wege zu oder von der Kirche (cap. 23). 

in d: Anzttnden eines fremden Hauses bei Tag oder Naoht^ 
ohne dafs es durch einen gerichtlieben Spruch Ter- 
httngt ist (eap. 38). 

in c: Gewisse fttr schwer erachtete Diebstähle (cap. 29—35). 

Der sttletst (aua c) beseiohnete Punkt verlangt eine speeiel- 
lere Eri^rternng. Die Capitel 29—36 der Lex Saxonum haadeln 
von der Bestrafung des Diebstahls; sie verordnen fttr gewissen 
Diebstahl die Todesstrafe, für anderen eine Strafe im Betrage vom 
neunfachen Werth der gestohlenen Sache : 

A. Die Todesstrafe soll eintreten: 

1. für Diebstahl bei Tag oder Kacht von einer Sache im Wertha 
von 3 Solidis (eap. 36) ; 

2. fttr Diebstahl eines Pferdes (cap. 29); 

3. Air nSchtliehen Diebstahl mit Hanseinbruch im Werthe von 
2 Solidis (oajp. 32); 

4. flir nSchtlichen Diebstahl eines vierjShrigen Ochsena, der 
2^Solidi8 gieiohgerechnet wird (eap. 34) ; 

5. für Diebstahl in der Kirche (cap. 21); 

6. fttr Diebstahl in einer Skreona, d. i. in einem Erdhaus oder 
Keller (cap. 33); 

7. für Diebstahl eines Bienenstockes innerhalb des Hofranmes 
(cap. 30). 



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J 



B. Dagegen boH die erwähnte neunfache Werthbafse 
gezahlt werden: 

8. für Diebstahl einer Sache, deren Werth unter 3 Solidis be« 
trägt (cap. 36), und namentlich denn auch : 

9. für Diebstahl eines Bienenstockes anfserhalb des Hofran- 
mes (cap. 30). 

Auf geringeren Diebstahl (No. 8 u. 9) ist demnach eine neun- 
fache Werthbufse gesetzt, auf erschwerten Diebstahl die Todes- 
strafe; und die Erschwerung wird darin gefunden, dafs die ge- 
stohlene Sache 3 Solidi werth ist (No. 1 u. 2), dafo zur Nachtzeit 
eine nur 2 Solidi werthe Sache gestohlen ist (No. 3 u. 4), oder 
dafe eine Sache aus einem besonders verschlossenen Räume ge- 
stohlen ist (No. 6 u. 7)^. 

Nun bemerkt der in der Spangenbergschen Handschrift, mit- 
ten in den Context des Capitel 36, eingeschobene Zusatz: „De 
hac re, quod superius dictum est de furtu: qui infra patriam fu- 
raverit aliquid unde morire debet, — si foris patriae est, hoc 
fecerit, non moriatur, sed secundnm illorum legem ubi factum 
ftierit* (d. i. In Betreff dessen, was oben vom Diebstahl gesagt 
ist: wer etwas innerhalb des Landes stiehlt um dessen willen er 
sterben soll, — wenn es au&erhalb des Landes ist, daüs er das 
thnt, so soll er nicht sterben, sondern es soll gehen nach dem 
Recht derer, wo er es gethan hat). — Wie unpassend diese Worte 
hier im Capitel 36 stehen, leuchtet ein; das Capitel handelt gar 
nicht von einem der Diebstähle, auf welche die Lex Saxonum, 
in den Capiteln 29. 30. 32. 33. 34 und 35, die Todesstrafe setzt, 
sondern bestimmt, dafs für einen Diebstahl unter drei Solidis eine 
nennfache Werthbufse eintreten soll. Der Zusatz, der sinnlos vom 
Abschreiber der Spangenbergschen Handschrift in den Context des 
Capitel 36 eingeschoben ist, war vom Verfasser de88eU)en am 

^) Die TodoBBtrafe für einen Diebstahl in der Kirche ist nicht ausge- 
sprochen in den Cap. 29—36, die vom Diebstahl handeln, sondern im Cap. 21, 
welches auf rersohiedene Verletzungen der Kirche die Todesstrafe setzt; als 
das todeswürdige Verbrechen ist hier nicht der Diebstahl, sondern die durch 
ihn begangene Kirchensch&ndung gedacht. 



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9 

Rande des Gapitel 36 beigeschrieben, d« i. des letiten der Gapitel 
29 bis 36, die vom Diebstahl handeln; er hatte am Schlafs der 
Darstellnng der Lehre vom Diebstahl, die ihren Inhalt modifioi- 
rende Bestimmang des von ihm excerpirten Gesetzes notirt Nach 
ihr soll in den Fällen, wo die Lex Saxonum wegen Diebstahl 
Todesstrafe verhängt, diese Todesstrafe für denjenigen nicht ein- 
treten, der im Aaslande diesen Diebstahl begeht; er soll nach 
dem dort geltenden Recht bestraft werden. 

Die Zasatzworte der Spangenbergschen Handschrift seigen, 
dais anlserhalb Sachsens gewisser Diebstahl, den die Lex Saxo- 
num mit Todesstrafe bedrohte, ihr nicht nnterworfen war; eine 
Thatsache die zar Genüge bekannt ist aas den Rechtsqaellen, die 
im 9. Jahrhundert in den mit Sachsen benachbarten friesischen, 
fränkischen und thüringischen Gegenden galten'). Aufser wegen 
Diebstahls, soll wegen Tödtung, Meineid und Brandstiftung, in 
den Fällen, in denen die Lex Saxonum sie mit Todesstrafe belegt, 
nach den vier Zusätzen zur Lex Saxonum, wenn sie aulserhalb 
Sachsens begangen waren, nicht die in der Lex verhängte Strafe 
gegen Sachsen erkannt werden, sondern die Strafe, welche für 
die Bewohner des Ortes galt, an dem das Verbrechen verübt wor- 
den war. Abgesehen von den erwähnten Fällen verhängt die Lex 
Saxonum die Todesstrafe: 1. auf Hochverrath gegen den König 
und dessen Sohn (cap. 24), 2. auf Tödtung des Dominus (d. i. 
des Mundherm?) und dessen Sohn (cap. 25. 26), 3. auf Stuprum 
der Tochter, Frau oder Mutter des Dominus (d. i. des Mund- 
herm?), cap. 26; endlich 4. auf Tödtung eines Faidosus im 
eigenen Hause (cap. 27). Von diesen vier Fällen ist der erste 
entschieden nicht im vorfränkischen sächsischen Recht mit der 
Todesstrafe bedroht gewesen, während in den anderen drei Fällen 
schon im älteren sächsischen Recht geltende Todesstrafen von 
Karl dem Grofsen anerkannt sein mögen, wie das vorher bei 
ihnen schon zum Theil durch die Gapitula de partibus Saxoniae 
geschehen war'). 

1) Vgl unten |. 16. 

^ Ueber die Ueberschrifl „Lex Franoorum*', welche die CorYeier Hand- 
»chrift vor Capitel 24 der Lex Saxonum setzt, vgL unten {. 4. 



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10 

Die Intention der vier Znsätae ist siehtbar keine andere, 
als das harte sKchsische Recht zu mildern. In FXllen, 
in denen ein Verbrecher nach dem milderen Recht der andern 
dentBchen Stämme Dicht zum Tode verartheilt wird, soll ein 
Sachse, für den das strenge sächsische Recht im Allgemeinen in 
Oeltung bleibt, wenn er das Verbrechen an einem Orte verttbt 
hat, an dem für seine Bewohner ein milderes Recht gilt, von den 
sächsischen Gerichten ausnahmsweise nicht nach seinem strengen 
sächsischen Recht bestraft werden, sondern nach dem milderen 
auswärtigen Rechte, es soll also dann für ihn nicht das 
persönliche, sondern das territoriale Recht zur An- 
wendung kommen. 

Hier begegnen wir einer Bestimmung, die den Gesetzen Karls 
des Grofsen, zu denen unbedingt die Lex Saxonum gezählt wer- 
den muiSei, völlig fremd ist^). Da& unter Pipin, Karl dem Grofsen 
und Lndewig dem Frommen, im fränkischen Reich durchweg 
persönliches nnd nicht territoriales Recht galt, kann' 
keinem Zweifel unterliegen. Es bezeugen dies, um hier von der 
Lex Ripnariorum Tit. XXXI, 3 — 5 und Tit XXXVI abzusehen, 
da die Entstehungszeit dieser beiden Titel unsicher ist, die fol- 
genden drei Gesetzesstellen: 

ä) Ein Gapitulare Pipins von 768 (vielleicht auch früher von 
Pipin erlassen) c. 10: „ut omnes homines eorum legis habeant, 
tam Romani quam et Salici, et ai de alia protmcia advenerit, $&• 
cundum leges ipsius patriae mvaf* Pertz Leg. 2. p. 14. 

b) Ein Gapitulare Karls d. Gr. von 811 (jedenfalls aber zwi- 
schen 809 und 812 verfalst) cap. 2—4 Pertz Leg. 1. p. 169, und 
in seine Capitulariensammlung aufgenommen im Jahre 827 von An- 
segisus III. c. 65. 66 (Pertz Leg. 1. p. 307): „Si quis domum alie- 
nam cuilibet fregerit, quicquid exinde per virtutem abstulerit, aut 
rapuerit, vel fbraverit, totum eecundum legem et ewam iUiy cujus 
domue /uerii fr acta et exspoliata, in triplo componat, et insuper 
bannum nostrum solvat; si vero servns hoc fecerit, sententiam 

*) Wilda Strafrecht der Germanen, Halle 1842, p. 497, erw&fant neben- 
bei der in dem ZusaU der Lex Saxonum enthaltenen Bestimmung, und scheint 
deren Inhalt als von Karl dem Grolsen anerkanntes Recht xu betrachten. 



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11 

anperiorem AceipUt) et insnper Becnndum snam legem eomposi- 
tionem faeiat. 8i qnis liber homo aliqnod tale damnum cuilibet 
feoerit, pro qno plenam eompositionem faeere non Taleat, semet 
ipenm in wadiam pro servo dare stodeat, usque dum plenam eom- 
positionem ladimpleat. 8i qnis meases ant anonas in hoste super 
bannnm dominicum rapuerit, aat faraverit vel paverit) ant cum 
eaballis vastaverit) aestimato damno secundwn legem in triplum 
componat; et ai über homo hoe feeerit, bannum dominienm pro 
hac re eomponere cogatar; serrus vero secandnm soam legem 
tripla oompositione damnum in loco restitnat^ et pro banno disei- 
plinae corporali subjaceat*'. 

c) Ein Capitulare Ludewig d« Fr. von 819 (wenigstens über- 
einstimmend Ton Baluze und Pertz ins Jahr 819 gesetzt) c. 8 : 
j^Adversus ecclesiastieaB res eadem sententia maneat, qnae tempore 
domini et genitoris noatri fuerat prolata^ ut ecclesiarum de/ensores 
res euas contra suos adpetitores eadem lege de/endant^ qua y^tei 
tnxertmt^ qtd eaedem res ecdesne condonaverunt. 8imiliter et ec« 
clesia eandem legem habeat adversus petitores suob, tantum satra 
nostra justitia«" Pertz Leg. 1. p. 227. 

Aufiier diesen drei Gesetzen aus den Jahren 768 bis 819, be- 
zeugen die damalige Geltung des persönlichen Rechts im frän- 
kischen Reich, zwei gewichtige Stellen der Ansegisischen Samm- 
lung vom Jahre 827, die verloren gegangenen Capitularien ent- 
nommen sind; die eine der Stellen steht im Appendix Ansegisi 
I. c. 71, die andere im Appendix Ans^isi II. c. 35* Die letztere 
Stelle bezieht sich, was für den vorliegenden Zweck beson- 
ders wichtig iat, auf Sachsen; Pertz Leg. 1. p. 170 nahm an, 
sie möge einer Fortsetzung des vorstehend S. 10 unter lit. h an- 
geführten Capitulars Karls des Grofsen von 811 entnommen sein, 
mit dem sie einen verwandten Inhalt zeigt, doch durfte sie, wie 
Boretins, Capitularien im Langobardenreioh 1864. p. 98, vermu- 
thete, wohl eher einem verlorenen, speciell auf Sachsen bezüg- 
lichen Capitular angehören. Die beiden Stellen lauten: 

d) Ansegisi Cap. Append. I. c. 71 : „ Si quis in aliena patriae 
ubi vel propter beneficium vel propter aliam quamlibet occasio- 
nem adsidue conversari solet, de qualibet causa Juerü mterpellaiue. 



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32 

verbi gratia de conqaesitn sno vel de mancipüs suis, ibi secun- 
dum 8uam legem justitiam /aciatj et cum talibns conjaratoiibnB, 
quales in eadem regione vei provincia secum habere potaerit| legi- 
timnm sacramentum juret; excepto si quis eam de statu suo ap- 
pellaverity id est de libertate sna, vel de hereditate qnam ei pater 
Sans moriene dereliqait. De bis duobns liceat illi Bacramentam 
in patria sna, id est in legitime sni sacramenti loco, jnrandnm 
offerre; et is qui cnm eo litigatur, si velit^ sequatur illnm in pa- 
triam snam ad reeipiendnm illud sacramentum. Ipse tarnen primo 
in eodem loco, id est ubi interpellatus est, satisfaciat tarn comiti 
et judicibus, qnam adversario sno, testibas probando, quod rem/ 
quae ab eo quaeritur^ pater saus ei dereliqnit*' Pertz Leg.l. p.321. 

e) Ansegisi Cap. App. II. c. 35 : „ Si aliquia Saxo cabaüos m 
gua messe invenerü, et ipsos caballos inde dncere pro sno damno 
ad comprobandum voluerit, si quis liher homo hoe ei contradixeriiy 
ant aliquod malum pro hoc ei feeerit| tripla composHione secundum 
legem et secundum ewam contra eum emendare studecU, et insuper 
bannum dominicnm solvaty et manum perdat, pro eo quod inobe- 
diens fnit contra praeceptum domini imperatoriS; qnod ipse pro 
pace statnere jassit. Si servus hoc feiBerit, secundum suam legem 
omnia in triplum restituat, et disciplinae corporali snbjaceat'' Perts 
Leg. 1. p. 324 et p. 170. 

Beweisen diese Stellen die Geltung des persönlichen Rechts 
in den Jahren 768 bis 827 im frSnkischen Reich im Allgemeinen 
und speciell in Sachsen , so sprechen sie sich dagegen weniger 
deutlich darüber aus, ob bei der Zahlung von BuCsen für Ver- 
letzungen das persönliche Recht des Verletzten (des KlSgers) oder 
das des Verbrechers (des Verklagten) zur Anwendung kam. Sa- 
viguy, Oeschichte ded Römischen Rechts im Mittelalter, Berlin 
1834, I. p. 167, und Eichhorn, Deutsche Rechtsgeschichte, Göt- 
tingen 1843, I. p. 270, die übereinstimmend jenes für erwiesen 
halten, sind in Betreff des letzten Punktes verschiedener Ansicht; 
es liegt aufserhalb meiner Aufgabe, dies hier weiter zu verfolgen^), 

^) Eine besonders nichtige Stelle enth&lt das Capitulare Pipins ftr die 
Longobarden (nach B. de Vesme) ron 783 (so yermuthet Pertz , willkürlich 
setEt es Bahuse 798) cap. 4: ^de direrftis generationibns hominnm qui in 



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13 

ieh will nur liervorheben^ dafr die ans dem AnaegiBiis (unter lit e) 
aDgefllhrte Stelle bestimmt, dab weim ein Sachse einen Krieger 
pfilndety der sein Getreide TerwUstet, und dieser sich ihm wider- 
setzty und dem Sachsen ein Uebel softlgt, der ThMter dem Sachsen 
(dem Verletzten) dies dreifSach nach dessen Recht nnd Gesets 
hüben soll; wie in ähnlicher Weise Karl der Grorse in dem eben- 
fidlB Yon Ansegisns excerpirten Gapitolare Fon 811 (oben unter 
lit b) verordnet y dafii wer ein Hans erbricht nnd dabei stiehlt, 
sowie wer Getreide anf dem Felde stiehlt oder verwttstet, dies 
dem Verletzten dreifach bttfiien soll nach dessen Recht und Gesetz '). 
Wurden nach dem unter König Karl geltenden persönlichen 
Rechte die Sachsen stets, weil sie Sachsen waren, nach süchsischem 
Recht gerichtet (mochten sie in oder außerhalb Sachsens gehan- 
delt haben, mochte ein sächsisches oder aulsersächsisches Gericht 
llber sie richten), so ändern die Zusätze zur Lex Saxonum 
im Spangenbergschen Manuscript dies nicht dahin ab, 
dafs an die Stelle dieses persönlichen Rechts durch- 
weg territoriales treten solle, in Folge dessen alle in 
Sachsen verübten Verbrechen nach sächsischem Recht, alle aufser- 
halb Sachsens verUbten Verbrechen nach dem dort geltenden Recht 
sn richten gewesen wären, sondern bestimmen nur, dais bei der 
Benrtheilung einiger Verbrechen, auf denen in Sachsen Todes- 
strafe stand, wenn sie außerhalb Sachsens verübt sind, nicht das 
sächsische Recht, sondern das dortige (mildere) Recht in Anwen- 

Italia commanent, TolumuB nt ubicmnque culpa ooniigerit unde faida cre- 
Bcere potest, pro satisfactione hominis illius contra quem culpaylt, seeundum 
ipsius legem cui negligeniiam commisit emendet; de yero statu ingenuitatis 
Mit aliis querelifly unusquisque seeundum suam legem se ipsnm defendat**. 
Perte Leg. 1 p. 46. 

') Nach Lex Rip. XXXVI sahlt der Ripuarier fftr den „adrena Fran- 
cna*', denertödtet, 200 Solidi, forden „adrena Saxo'' 160 Solidi, d.h. 
es wird in Bipuarien ttkr einen » von einem Ripuarier getödteten Sachsen, 
deesen sächsisches Wergeid gesahlt. Nach der Lex de Amore c. 26, sahit 
der Franke, der in Amore stiehlt, sweifache Compositio, 4 Solidi als Fre- 
dnm und 2 Unsen als Wirdira; bestiehlt er dagegen einen Sachsen, so sahlt 
er nadi c 29 dasselbe, mit AusschluTs der nach s&chsischem Recht nicht in 
sahlenden Wirdira (dilatura). 



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14 

düng kommen solL Es soll also nur in dieeen sehr eng begrenstea 
FXllen tenritoriales Reeht an die Stelle des peraSnlichen Beebto 
treten. DaAi AaBlXnder, die in Sachsen wegen daselbst verübter 
Verbrechen Eur Bestrafung gezogen wurden, nach dem Recht dea 
Ortes, wo sie das Verbrechen begingen, also nicht nach persSn- 
lichem Recht, hätten bestraft werden sollen, ist in keiner Weise 
in den Znsataworten ausgesprochen und auch gewift nicht ge- 
wollt, da eine ausgedehntere Anwendung der sächsischen Todes- 
strafen der ihnen zu Grunde liegenden Tendenz, die harten To- 
desstrafen zu mildern, direct widersprochen hätte ^). 

Im Widerspruch mit den Quellen behauptet Heffter, in 
seinem Lehrbuch des Criminalrechts, 3. Aufl. 1840. §. 150 p. 130, 
mit Berufung auf die Lex Saxonum cap. 22 (Herold: Titel II, 9) 
und cap. 36 (Herold IV, 8): „es habe im ältereq deutschen Recht 
unstreitig der Grundsatz geherrscht: dals das Verbrechen nach 
den Gesetzen des Orts, wo es begangen worden, gebüfiit und ge- 
straft werden mUsse^. Ob diese Angabe von Hefiter in einer 
neueren, mir unzugänglichen Ausgabe seines Buches berichtigt 
ist, weife ich nicht. Dafs auch nach den jüngeren Zusätzen der 
Lex Saxonum eine derartige Territorialität des Rechts nicht Statt 
hatte, wurde erörtert; und dais die nur in jenen Zusätzen vor- 
*handenen Spuren von Territorialität nicht „ mit dem älteren deut- 
schen privatrechtlichen Charakter des Strafrechts zusammenhän- 
gen'', auf den Heffter die ganze, von ihm angenommene ältere 
deutsche Territorialität im Strafrecht zurückführen wollte, zeigt 
die Art, wie sie in den Zusätzen zur Lex Saxonum nur bei To- 
desstrafen hervortreten*). 

1) Ob Sachsen wegen der beseiclmeten Verbrechen, wenn sie in Sachsen 
begangen worden waren, von aufsersächsischen Gerichten, nach dem in ihnen 
geltenden mUderen Recht, gerichtet werden soUten, ist nicht gesagt, dürfte 
aber su vermuthen sein. 

*) Im heutigen Strafrecht ist es anerkannt, dais aJle (mit aUeiniger 
Ausnahme der von durchreisenden SouTer&nen und aooreditirten Gesandten) 
innerhalb der Staatsgrensen begangenen Verbrechen, rom Staat nach seinem 
Btrafirecht bestraft werden (Prindp der Territorialit&t). Ueber die Bestra- 
ftmg Ton aufserhalb der Staatsgrenzen begangfenen Verbrechen, ist aueh 
heute noch keine vollständige Uebereinstimmung erreicht; man bestraft sie 



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16 

Auf der HMid liegt e«, dafs die theilweise Aui- 
Behliefsnng der Anwendung des geltenden persOn- 
liehen Rechts in Sacbsen, wie sie in den ZnsKtien der 
Spangenbergscben Handschrift ansgesproehen ist, nicht anders 
erfolgt sein kann, als durch ein königliches Oesets. Eine 
nahe Veranlassung zu einem solchen war durch die Verschieden- 
heit gegeben, die zwischen dem slohsischen Recht und dem der 
flbrigen LSnder des fränkischen Reiches bestand. Die dem slch- 
sischen Recht eigenthttmlichen Todesstrafen mochten dem frUn- 
loschen Gesetzgeber als hart erscheinen, da aber ihre Aufhebung 
dem Sinn des sllchsischen Volkes nicht entsprochen zu haben 
seheint >), so suchte er ihre Anwendung in manchen Fällen aus- 
KUBcbliefsen , und erwirkte dadurch factisch eine Milderung des 
harten sächsischen Rechts, wie dies in anderer Weise auch bereiti 
von Karl dem Orofsen erzielt wurde, indem er dem König durch 
die Capitula de partibus Saxoniae cap. 2, und durch das Gapitn- 
lare Saxonicum von 797 cap. 10, das Recht Forbehielt, eine To- 
desstrafe in Verweisung an einen bestimmten Ort aufserhalb Sach- 
sens zu verwandeln. 

Eine genauere Zeitbestimmung fUr das vermuthete 
Oe setz. vermag ich nicht zu gewinnen ^ nach dem Schlufs des 
9. Jahrhunderts kann es nicht erlassen sein, wenn, wie ich, auf 
die Autorität von Pertz gestützt, annehme, die Spangenbergsche 

nur anmmhmwreise, und zwar namentlich Staatsverbrechen und Verbrechen 
Ton InlSndem im Auslande begangen, um die Gesetze des Inkndes zu um- 
gehen. Oegen alle weiteren Ausnahmen erkl&rt sich Geib, Lehrbuch des 
Deutschen Strafrechtes 1862. Th. 2 p. 63, vergleiche die daselbst dtirten 
Gesetze und Schriftsteller, wAhrend Zaohariae, Mohl u. A. weitere Aus- 
nahmen verlangen. Geib meint statuire man solche, so müfsten dann 
jedenfalls die Gesetze des Auslandes zur Anwendung kommen; undKöstlin: 
„dabei mflsse aber stets das im concreten Falle mildere Gesetz zur An- 
wendung kommen«. 

>) DalÜr sprechen einzelne F&Ue, aber auch allgemeine Aeulserungan, 
wie s. B. wenn noch Wipo, in der Vita Kuonradi c. 6 erz&hlt: „Beversus 
rez de Ribuarüs ad Saxoniam, ibi legem crudelissimam Sazonum, 
secundum voluntatem eorum constanti auctoritate roboravit^ Ports 
Script. XL p. 243. 



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16 

HandBchrift noch diesem Jahrbandert, oder doeh wraigstenfl dem 
Beginn des 10. Jahrhunderts, angehört Die frühesten Anerkennt- 
nisse von theilweiser Territorialität des Rechts im fränkischen 
Reich, glaubte Savigny, Oeschichte des BSm. Rechts L p. 177, im 
südlichen Frankreich im Jahre 864, in dem von Karl dem Kahlen 
erlassenen Edictnm Pistense (cap. 13. 16. 20 Perta Leges 1. p. 491. 
493) zu finden; nnd es summten ihm darin Oanpp, Oermanische 
Ansiedelungen (1844) p. 238, nnd Waits, Deutsche Verfassongs- 
geschichte 3. (1860) p. 297, bei. Es wird danach nichts An- 
stöfsiges haben, zu vermuthen, dab etwa um jene Zeit die be- 
sprochenen Bestimmungen fUr Sachsen erlassen sind; dafs sie 
Übrigens noch der Zeit der allgemeinen Geltung des persönlichen 
Rechts in Deutschland angehören, bestätigt auch die Art, wie sie 
sich über Anwendung des territorialen Rechts ausdrücken. Sie 
sagen nicht, es solle bei den bezeichneten Verbrechen das Jus 
terrae (das Landesrecht) zur Anwendung kommen, sondern bestim- 
men, dafs die Verbrechen bestraft werden nach dem Recht derer 
(„secundum legem illorum^), die am Ort des Verbrechens woh- 
nen. — Im Beginn des 13. Jahrhunderts, wo wir durch den 
Sachsenspiegel nähere Kenntnifs über sächsisches Recht erhalten, 
war die Territorialität im Recht in Sachsen für Deutsche durch- 
gedrungen '). — Keinen festen Anhaltspunkt fUr die Zeit, in wel- 

i) Vgl. Sachsensp. 1, 30 und Homeyer über Ileimath 1852 p. 50. 62; 
unerheblich sind die Gegenbemerkungen Ton Gaupp, Qber Stammrecht, in 
Zeitschr. f. Deutsch. B. Bd. 19 (a. 1859) p. 161. Vielleicht wird die durch- 
gedrungene Territorialit&t des Rechts in Sachsen auch bekundet durch ein- 
sehie Bestimmungen in st&dtischen Statuten, wie die des ältesten Jus 6u- 
satense (wohl zwischen 1120 und 1150 rerfafst) cap. 29: dafs Bürger bnls- 
f&llig sind, die einen Streit unter einander „extra proyinciam^, nicht durch 
aus sich erw&hlte Schiedsleute schlichten, oder bis zur Bückkehr vertagen; 
8. auch im Medebacher Stat. t. 1165 cap. 17. bei Seibertz 1 p. 75. An ap&teren 
Zeagnjflsen fehlt es nicht, z. B. Tereinbart a. 1276 Bischof Eberhard Ton 
Münster bei Streitigkeiten im friesischen Theil der Münsterschen Diöcese: 
„ti quis in pace domini episcopi (quando ingressus est Frisiam suae diocesis), 
hominem occiderit in quocunque territorio Frisiae Monasteriensis diocesis, in 
20 marois puniator'' Fries. Bechtsq. p. 142, 15 und „derici recuperabnnt 
sua spolift, et probabunt secundum oonsuetudinem terrae^ (in der firiesisoh. 
Uebers.: „bi Amesgana riuchte'') ibid. p. 148,20. 



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17 

eher die ZasStse der Lex Saxonrnn entstanden sind, gewährt es, 
da&y ähnlich wie in ihnen, anch in Zusätzen cn einem Capitnlare 
FOin Jahre 779, die Perts Leges 1. p. 36 ans einer Handschrift 
yon La Cava nnd einer sweiten ans der Chigischen Bibliothek 
veröffentlicht hat, die Bestimmung sich findet, dafs ein un- 
wissentlich falsch geschworener Eid nach dem Recht 
des Ortes, wo er geschworen wurde, gebUfst werden soll, 
da wir die Quelle nicht kennen, ans der dieser Zusatz entnom- 
men istM« 

Mag nun aber das zu vermuthende Gesetz einige Jahre früher 
oder später erlassen sein, dadurch, dafs sein Inhalt in der 
Spangenbergschen Handschrift in den Capiteln 21. 23. 36 und 38 
der Lex Saxonum eingeschoben ist, unterscheidet sich 
der Text der Lex Saxonum in der Spangenbergschen 
Handschrift auffallend von den drei anderen Texten der Lex- 

*) Capitnlare v. 779 (die ZusäUe sind durch carsiTe Schrift unterschie- 
den) cap. 10: „De perjurio. Si quis perjuriom fecerit, nullam redemptionem 
ei facere liceat, nisi manum perdat. Et si ille qui prius ilium sacramenilwi 
jvTüX, de^ iUo perjurio probatua ßierit, et aliguia de euoe juratares dixerii, 
quod nesciens se ' perfurtuset , aut hoc apud Judicium Bei adprobet verum 
U9e, aut similiter mcmum perdat. De cujus causa perjttrium fecerit, eieut 
lex loci iilius, ubi perjurium factum est, a longo tempore frkit, de eorum 
pretium emendare studeat. De fiirto vel de minoribaö causis instituimuB: si 
ille homo ci\jus causa jurata fuerit, dicere voluerit, quod ille qui juravit se 
sciens perjurasset, stent ad crucem. Et si ille qui juravit victus fuerit, quod 
se sciens perjurasset, suprascripta sententia suhjaceat. Et si iUe qui, etc.** 
Pert« Leg. 1. p. 36-38. Durch das Capitular von 779 hatte König Karl das 
altere fränkische Recht dahin Terach&At, dafs auf Meineid Verlust der Hand 
stehen, und diese Strafe nicht durch Geld ablösbar sein solle. Ein Zusats 
sagt nun: dafs hei einem Eide, den der Schwörende, ohne es xu wissen, 
falsch geschworen habe, die Strafe seit langer Zeit abgelöst werde nach dem 
Preise derer, die am Orte wohnen, wo der Eid geleistet wurde: „sicut 
lex loci iilius, ubi perjurium factum est^. Die Unterscheidung 
zwischen einem wissentlich und unwissentlich falsch geschworenen Eide, hat 
auch Lex Sax. c. 21 und 22; der Zusatz zur Lex Sax. läfst fQr die beim 
wissentlich falsch geschworenen Eide angeordnete Todesstrafe das mildere 
Ortsrecht eintreten; bei einem unbewuXst falsch geschworenen Eide gestattet 
Lex Sax. Lösung der Hand mit Geld, der Zusatz zum Capitulare von 779 
gestattet die Lösung der Hand nach dem Ortsrecht. 

2 



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18 

Saxonnm, welche die Aasgaben von Herold und von du Tillet, lud 
die Corveier Handachrift liefern , da ihnen der geeammt^ Inhalt 
jenes Gesetzes fremd ist Die dem vermutheten Qesetz entnom- 
menen Stellen sind, wie es sich namentlich im Oapitel 36 auf das 
deutlichste zeigt, erst spSter in den Text des Spangenbei^schen 
Manuscriptes der Lex Saxonam eingefügt, sie standen nicht im 
- Original der Lex Saxonam; und wir haben somit in der Spangen- 
bergschen EUindschrift einen, den drei andern Texten gegenttber^ 
stehenden, neueren Text der Lex Saxonam anzuerkennen, also 
eine durch Einfügung jener gesetzlichen Bestimmungen vermehrte 
Lex Saxonum; wenn ich auch entschieden behaupten muTste, dafs 
jene Zusätze des Textes ihm nur von dem Schreiber der Hand- 
schrift eingefügt sind, und wir daher keine Veranlassung haben, 
den Spangenbergschen Text eine Lex Saxonum emendata sn 
nennen ^). 

Anmerkung über die Spangenbergsche Handschrift der Lex Saxonum. 

a) Auffinden und Inhalt der Handschrift. Der verstor- 
bene Oberappellationsrath £. Spangenberg zu Celle fand, wie an- 
gegeben wird'), in Hamburg bei einem Trödler 15 Pergamentblätter 
eines Codex, auf denen neben einigen Fragmenten anderer Gesetze 
die Lex Saxonum steht; er erwarb die Blätter und theilte in seinei;i 
„Beiträgen zu den teutschen Rechten des Mittelalters, Halle 1822" 
p. 186, aus ihnen Varianten mit, die Ferd. Walter bei der Ausgabe der 
Lex Saxonum, in seinem „Corpus Juris Germanici, Berolini 1824" 1. 
p. 383, benutzte. Später verglich Pertz die Spangenbergschen Blätter 
für die Monumenta Germaniae, s. Archiv der Gesellschaft für ältere 
deutsche Geschichte 5. p. 301, die nach Spangenbergs Tode im Jahre 
1834, bei Versteigerung der Bibliothek desselben, vom Brittischen Mu- 
seum angekauft wurden, in welchem sie Pertz im Jahre 1844 unter 
den Egerton-Manuscripten Nr. 269 wiederfand, s. Archiv 9. p.487 und 
493. Einen erwünschten Aufschlufs über die Herkunft der Spangen- 
bergschen Blätter gewährte im Jahre 1850 eine Entdeckung des am 
Brittischen Museum angestellten, seitdem verstorbenen J. Holmes, in- 

^) Vgl. die Ausdrücke Ton Gärtnerin der oben p. 4 angeftihrten Stelle. 
') Spangenberg, Beiträge p. 185, erwähnt nicht, wie er in den 
Besitz der Blätter gekommen sei, vgl. noch onten $. 6. 



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19 

dem er bemerkte, dafs ein von Lord Ashbnrnham mit andern 
Handschriften von Mr. Barrois erworbenes Manusoript, welches 
jetzt in dessen Bibliothek zu Asbbarnham- Place (in der Nähe Ton 
Battle) als Manuscript Nr. 214 der Barroisschen Sammlung aufbewahrt 
wird, mit den Spangenbergschen Blättern ursprünglich einen Cknlez 
gebildet hat, s. Pertz in den Histor. Abhandlungen der Akademie der 
Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1867 p. 89. Aufser dem 
Ashbnmhamschen Mannscript ist noch ein drittes Fragment des- 
selben Codex aufgefunden worden, in dem ehemals von C3aud. 
Puteanus besessenen Manuscript der kaiserl. Pariser Biblio- 
thek Nr. 4633, welches Pertz im Archiv der Gesellschaft für ältere 
deutsche Geschichte 7. p. 49 und 759 beschrieben hatte, vgl. Merkel, 
Praefatio legis Alam. in Monum. Germ. Leg. 3. p. 5, und Pertz in den 
Histor. Abhandlungen der Berliner Akademie von 1857 p. 93; letzterer 
hat nachgewiesen, wie die Spangenbergschen Blätter, das Ashburn- 
faamsche und das Pariser Manuscript, einem und demselben alten Codex 
entnommen sind, und in welcher Weise die einzelnen Blätter der drei 
Manuscripte sich an einander fügen, obwohl einige Blätter des ur- 
sprünglichen Codex fehlen, und das in Paris befindliche Fragment, 
durch späteres Beschneiden, ein um 1 % Zoll kleineres Format hat, als 
die beiden in England aufbewahrten. Der ganze Codex enthielt, der 
Beihe nach, folgende Gesetze: 

die Lex Salioa in 70 Titeln .... (im Mscrpt d. Lord Ashbumham) 

doch fehlen im Text der Lex 3 Bl. (verloren) 
die Lex Ripuariorum (Ashb.) 

der Schlufs der Lex Rip (auf den Spangenberg. Blättern) 

die Lex Saxonum^) (Spang.) 

das Capitul. a.803ad legem Salicam >) 

(gedr. in d. Mon. Leg. 1. p. 113); 

der Eingang (Spang.) 

die Fortsetzung (Ashb.) 

das Capitul., welches beginnt: de 

causis admonendis (gedr. in Mon. 

Leg. 1. p. 114) (Ashb.) 

1) In der Handschrift Hbersohrieben : „Incipiimt cap. (d. L capitula): 
liber inprimis Saxonnm^. 

S) In der HandBchrift überschrieben: ,,Incipit Capituk legi Salica te- 
nenda sunt". 

2» 



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die Recapitnl. Legis Sal. (beginnend „Sciendum 

est, etc.^, gedr. in Pardessus Loi Saliqae p. 355) ( Ashb.) 
die Capitula missis dominicis data a. 802 (gedr. 

in Mon. Leg. 1. p. 97) (Ashb.) 

das Capitul. a. 779 (gedr. in Mon. Leg. 1. p. 36 (Ashb.) 
die Capit. Ludovici imp. a. 816 (gedr. in Mon. 

Leg. 1. p. 195) (Ashb.) 

die Capitala legibus addenda a. 817 (gedr. Mon. 

Leg. 1. p. 210); der Anfang (Ashb.) 

die Fortsetzung (Spang.) 

die Capitula per se scribenda a. 817 (gedr. Mon. 

Germ. Leg. 1. p. 214) (Spang.) . 

die Lex Alamannor.'): bis II, 1 (Spang.) 

Fortsetzung (im Pariser Mscrpt) 

die Lex Bajuvariorum (in Paris) 

die Lex Romana Wisigothorum (in Paris) 

die Lex Burgundionum: bis tit.75 (in Paris) 

die tit.75 — 85 .... (verloren) 
die tit. 85 bis Ende . (Spang.) 
das Gapitulare de divisione imperii von 806 
(gedr. in Mon. G. Leg. 1. p. 140); Anfang . . (Spang.) 

Fortsetzung (verloren). 

b) Frühere Besitzer der Handschrift. Es ist angeführt, 
dafs das Pariser Fragment der Handschrift einstmals dem Pariser Se- 
nator Claud. Puteanus gehörte. Das Ashburnhamsche Fragment besafs 
früher Peter Pithoe; er hat drei in ihm fehlende Blätter der Lex 
Salica auf eingelegten Pergamentblättern ergänzt, und hat, wie Pertz, 
'Histor. Abhandlungen der Akad. p. 91, bemerkt, „auch hier (d.i. im 
Ashburnhamschen Mscrpt.), wie in der Spangenbergschen Handschrift 
(d. i. auf den Spangenbergschen Blättern), den Inhalt jedes neuen Theils 
mit seinen grofsen Zügen über die Seite geschrieben. Die ersten Worte 
des 2. Blattes: vel ferro . . ., und darunter stehend: franci . . ., zeigen 
den Schlufs des mit dem ersten Blatte verlorenen Lindenbrogschen 
Prologs der Lex Salica (abgedr. bei Walter, Corpus Jur. germ. I. p. 2), 
welcher mit Explicit vollendet ist^ — Es lohnt, dies hier weiter zu 
verfolgen: Frider. Lindenbrog war es, der den „Liber legis Sa- 

^) In der Handschrift überschrieben : ^ Incipiunt capitida legis Alaman- 
norum, etc.*' 



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21 

licae ex bibliotheea Frano. Pithoei. Paris 1602. 8.*^ herausgab; es 
schreibt in einem diesem Buch vorgedrackten Briefe „Frid. Linden- 
bmcfaius Franc Pithoeo: redit ad Te, vir dar., lex Salica, industria 
Tua ante plurimos annos correcta expiicataque *^. Und Frid. Lindenbrog 
nahm diesen Text wieder auf in seinen, im Jahre 1613 zu Frankfurt 
veröffentlichten Codex Legum antiquamm , vergi. Eichhorn , Deutsche 
Rechtsgesch. I. p. 244, und Stobbe, Gesch. der Deutschen Rechtsquellen 
I. p. 29. Der Peter Pithoe aber (gest. 1596) und Franz Pithoe (gest. 1626) 
waren Brflder, Söhne des im Jahre 1554 verstorbenen älteren Peter 
Pithoe. Wie Lindenbrog das Ashburnhamsche Fragment des Pithoeschen 
Codex bei der Ausgabe der Lex Salioa, so hat er die Spangenbergschen 
Blätter desselben Pithoeschen Codex bei der Ausgabe der Lex Saxo- 
num benutzt, die er im Jahre 1613 in seinem Codex Legum antiqua- 
mm lieferte; den Nachweis, dafs hiermit der Lindenbrogsche Text der 
Lex Saxonum im Einklang steht, vgl. unten in §. 6. 

c) Alter und Heim ath der Handschrift. Der Codex, dem 
die Spangenbergschen Blätter, auf denen die Lex Saxonum steht, einst 
angehörten, ist nach dem Urtheil von Pertz „gegen Ende des 9., 
oder im 10. Jahrhundert geschrieben*^; über den Ort, aus 
dem er stammt^ fehlen alle Nachrichten. Daraus, dafs im Codex 
die Lex Saxonum aufgenommen ist, glaubt Pertz, Abhandl. der Akad. 
von 1857 p. 87, „auf den nördlichen Theil des Karolingischen Reiches, 
zunächst Sachsen oder Franken, als seine Heimath, schliefsen zu dür- 
fen". Lafst sich das Aufgenommensein der Lex Saxonum in den Codex 
hierfür anführen, so' scheint mir dagegen geltend gemacht werden zu 
können, dafs in ihn die Lex Thuringorum und Lex Frisionum nicht 
aufgenommen sind, besonders aber, dafs sich in dem Codex eine Ab- 
schrift des umfangreichen Breviarium Alaricianum findet. Dies dürfte 
unbedingt wenigstens dagegen sprechen, dafs die Handschrift für Sach- 
sen angefertigt ist, und dafs sie kein Sachse geschrieben hat, folgt, 
wie ich schon oben S. 5 hervorhob, daraus, dafs dem Schreiber die 
Namen der Ostfalen und Engem fremd waren, indem er sinnlos im 
Capitel 47 der Lex schreibt: „Dotis ratio duplex est: aut faida et 
angaria volunt, si femina filios genuerit, habeat dotem", wo die an- 
dern Texte statt der cursiv gedruckten Worte „Ostfalai et Angarii" 
lesen. Ueberhaupt würde schwerlich ein Deutscher, wenn er auch so 
wenig das verstand, was er abschrieb, wie es sich bei dem Schreiber 
der Lex Saxonum überall zeigt, für mordh-tod (d. i. mit Mord ver- 
bundene Tödtung) im Cap. 19 „mordum iotum^, für „in screona" (d.i. 



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22 

in einem Erdhause) im Cap. 38 „in seretmam^, fHr „moda" (d. i. Rutbe) 
im Cap. 14 „ruodu'^ geschrieben, und die bekannte dentsche Wunden- 
bezeichnung „wliti-wam^ (d.i. ein Haut -Makel) im Cap. 5 in „utär 
iauam'^ entstellt haben. Wenn der Schreiber in den Cap. 20 und 54 
„wedre-gildi^ für das in den andern Texten der Lex Saxonnm stehende 
were-geldi (d. i. Wer-geld) setzt, so weist auch das nicht auf Sachseii, 
sondern auf südlichere Gegenden hin. 

d) Ueber den Schreiber der Handschrift. Zur Begründung 
des oben S. 4 über ihn gefällten Urtheiles dienen folgende Zusammen- 
stellungen: a) Der Schreiber verstand die deutsche Sprache 
nicht, vgl. vorstehend S. 21 lit. c. — ß) Der Schreiber war aber 
auch des classischen Lateins wenig kundig; er schreibt: am- 
bos cap. 11 für ambo; menbrum und menbra cap. 12 und 13; „digi- 
tum menbrum^ cap. 13 für „digiti membrum*^; „policis manu" cap. 18 
für „pollicis manus'' ; „vindicetur in illo et alii Septem de consanguineia 
ejus'' cap. 18 für „aliis Septem consanguineis ejus'' der andern Texte; 
„ad propinquis'' cap. 18 fQr „a propinquis''; „ocies*' cap. 19 für „ooties''; 
„gtapaverit" cap. 26 für „stnpraverit'' ; „conponemdum" cap. 80; „in rem 
(für „re") qualicumque« cap. 86 ; „furtu" cap.85.36 für „ftirto"; „com- 
ponatur'' cap. 36 für „conponat"; „qui hominem tfür „homini*') per- 
genti** cap. 37; „si vim rupta" cap. 40 för „per vim" beiTilius, oder 
„vi" bei Herold und im Corv. Mscrpt. ; „parentes (für „parentibus") 
ejus 300 solides" cap. 40; „qui viduarum (fQr „viduam") relinquerit" 
(fUr „reliquerit") cap. 42; „ex alia uxorem" (für „uxore") cap. 42; 
„posquam" cap. 47 für „postquam"; „discessum" cap. 47 für „deces- 
sum"; „comiemta (für „contenta") sit dote sua" cap. 48; „tnuUa con- 
ponat" cap. 51 für„multam" d.i. mulctam; „ita ut ad (für „a") domino 
invenire (für „inveniri") non possit" cap. 52; „a vespera usque ad 
vesperum" cap. 55; „ab eo qui incendit componat'^ cap. 55 für „oon- 
ponatur"; „ab eo conponatur, cujus esse eonsUtuerit^ cap. 57 für 
„constiterit"; „confistus'^ (sc. pecus) cap. 60 für „confixum"; „tra- 
misses" cap. 66 für „tremisses"; „mensuum" in cap. 66 zweimal für 
„mensium". y) Schreibfehler oder Ungenauigkeiten des 
Schreibers sind: „et tumor, et tumor" in cap. 2, wo ein „et tu- 
mor" zu tilgen ist; „solvatur out (für „auf" d.i. auiem) solide mar 
jori" cap. 16; „ab eo eufus (fUr „cui") mors eins imputatur" cap. 16; 
„filii eius ai iUi sunt (für „soll sint") faidosi" cap. 19; „hominem (für 
„homini") ad ecclesiam die facto (für „die feste") pergenti" cap. 23; „in 
regem in (für „vel'') filios ejus'' cap. 24; „quicquid de uno de uno (für 



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»8 

„▼el ano'') denario miniu tribtis solidis abstalerit* cap. 86; „tribus 
eadem (f&r „de eadem^) proyincia id est eis (für „idoneis'') testibus^ 
eap. 39; „300 aolidos ds (für „det") parentibus'^ cap. 40; „pater auiem 
et (für »anO mater^ cap.41; „ai tutor abnuerit et convertat se" cap.43y 
wo „et*^ zü tilgen ist; „filinm qui (für „filium-que'') gennerit*' cap. 45; 
. „ad proximos efue (zu tilgen n^jus^) heredes ejoa" cap. 47; „et cam 
(für „et <i cnm^) matre euntem rapnerit^ cap. 49; „si BervuB (fngerit") 
cap. 52, wo das unerl&ffiliche „fogerit" fehlt; „qni laqneam fossam vd*^ 
cap. 56 für „fossam -ye''; „et haec damnam cuilibet/eem^'^ cap. 56 fQr 
„fecerint*'; „si quie (das „qma^ an tilgen) fossa vel laqueas ... damnam 
fecerint*' cap. 58; „a quo parata sunt conponatur^ cap. 58, diese Worte 
Bind sinnlos avagtlassen; „conponatur ab eo, cujus manufuerai^ cap. 59, 
sinnlos entstellt aus „manum fugerat'' (seil, ferrum); „qui fossam (für 
„in fossam'') pecus qnodlibet sagitaverU"^ cap. 60 fUr „agitaverit" ; „ut 
beredem suum heredem fatiat" cap. 62 für „exheredem faciat"; „utab 
üio sutiinetur" cap.62 für „sustentetur". <f) Dem Spangenbergschen 
Hscrpt eigenthümliche Lesarten, die den Sinn der betref- 
fenden Stellen nicht ändern, sind folgende: j,eum XII juret^ 
in. cap. 3. 4. 5. 7 und 18, wo die andern Texte „cum undecim juret" 
lesen, and vielleicht die Lesart des Spang. Mscrpts., die ursprüngliche 
der Lex Saxonum ist, um einen mit elf Genossen geschworenen Eid 
zu bezeichnen, vgl. für einen Eid mit zwei Genossen: „tertia manu 
jaret" cap. 6 and 9 und „tribus jurantibus negetur" cap. 17, und vgl. 
„sna manu duodecima juret" cap. 16, wo nur die Editio Tiiiana „XI" 
liest. Ferner: „240 solides culpabüie judieetur^ cap. 5, wo die beiden 
oarsiy gedruckten Worte in den andern Texten fehlen und überflüssig 
sind. Dann: „a/ittm" cap. 8 für „alterum"; „si negantrit^ cap. 16 für 
„d negat" ; „<t servus a nobili ocdsus" cap. 17, wo das unnöthige „si" 
im Gorveter Mscrpt. und Heroldschen Text fehlt; „tribus juratortbu» 
oegetar" cap. 17, wo die andern Texte „jurantibus" lesen; „si autem 
(ille) sua sponte reversus (fuerit)" cap. 20, wo die beiden eingeklam- 
merten Worte im Spang. Mscrpt. fehlen, ohne dafs dadurch der Sinn 
der Stelle geändert wird; „<^/ nocte abstulerif^ cap. 34, wo das un- 
jiöthige „et" in den andern Texten fehlt; „quod abstüUHt^ cap. 36 für 
„abstulit"; „accipiat ram" cap. 43, wo die andern Texte „illam" für 
„eam" lesen; „dominus aejua emendet" cap. 50, wo in den andern 
Texten das unnöthige ^ejus" fehlt; j^multa pro illo componatur** 
cap. 53 fUr das gleichbedeutende „mulctam pro illo conponat" der an- 
dern Texte; „arbor ab Uio precisa" cap. 54 für das gleichbedeutende 



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24 

„ab alio" der andern Texte; „caropo judicetur^ cap. 68 für „campo 
di-judicetur"; „recrediderit** cap. 63 für „concrediderit" der andern 
Texte; „solidas duplex" cap. 66 für das gleichbedeutende „solidus est 
duplex" der andern Texte, t) Varianten im Spangenbergschen 
Manuscript, die den Sinn der einzelnen Gesetzesstellen 
modificiren: „in sua (i. e. liti) armaia juret^ cap. 8, wie auch Herold 
liest, während die richtigere Lesart sein dürfte: „in sua arma juret", 
wie im Corv. Mscrpt. steht, oder „per sua arma Juret" beiTilius. Ferner: 
„testiculis'* in cap. 11, diese richtige Lesart hat nur das Spang. Mscrpt, 
die andern Texte zerreifsen den Satz: „testiculus, si" etc. Femer: 
„720 sol^ in cap. 11 für ein Auge, für zwei Augen 1440 solidi; nur 
das Spang. Mscrpt. hat richtig 720 solidi , während das Corv. Mscrpt. 
und die Texte von Herold und Tilius unrichtig „620 solidi" als Bufse 
angeben. Im Eingang von cap. 13 : der Daum zu büfsen mit „240 sO" 
lidi^y der halbe Daum mit „170 «o/idi"; dies sind unrichtige Zahlen für 
360 und 180 solidi in den andern Texten. Im cap. 13: ein Fingerglied 
mit 80 solidi, zwei Fingerglieder „CXL solidi'' gebüfst, wo 160 für 140 
gelesen werden mufs. Femer: „Qui nobilem occiderit, 1440 solidoB 
componatur^ cap. 14, wo für „componatur" gelesen werden mufs „con- 
ponat". Die Lesart „frater idem defuncti" cap. 42 scheint die urspriing- 
liche zu sein, auch Herold hat sie, und im Corv. Mscrpt. ist sie durch 
Correctur entfernt, es liest: „frater illius defuncti", und bei Tilius steht 
erklärend „gut frater, id est defuncti". Ferner: „proximus paterni ge- 
neris vel ejus consanguineus" cap. 42, wo das „vel" ein falscher Zusatz 
ist Indem das Spang. Mscrpt. den ersten Satz des cap. 65 mit cap. 64, 
und den zvceiten Satz des cap, 65 mit cap. 66 verbindet, so dafs das 
cap. 65 als solches wegfällt, zerstört es den Sinn der Stelle der Lex. 

e) Das Inhaltsverzeichnifs im Spangenbergschen Ma- 
nuscript, welches der Lex Saxonum vorausgeht und in den drei an- 
dem Texten der Lex fehlt, bezeichnet durch ihre Anfangsworte die 
einzelnen Capitel der Lex, wie diese im Spangenbergschen Manuscript 
und mit wenigen Ausnahmen auch im Corveier Manuscript und bei 
Tilius abgetheilt sind, und wie es die unten in §.7 gegebene Ver- 
gleichungstafel über die Eintheilutig der Lex Saxonum in den einzel- 
nen Texten näher nachweist. Mehrfach weichen aber die im Spangen- 
bergschen Mscrpt. in das Inhaltsverzeichnifs aufgenommenen Worte aus 
den Anfängen der einzelnen Capitel der Lex von denen ab, die im 
Text des Spangenbergschen Mscrpts. stehen, und zwar hat das Inhalts- 
verzeichnifs theils bessere, theils schlechtere Lesarten, a) Richtigere 



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25 

Lesarten des Inhaltsverzeichniflses: „alterum^ cap.8, flberein- 
Btimmend mit den andern Texten, während der Sp. Text dafür „alium" 
liest; „in feminam'* cap. 15, wie in den andern Texten, während der 
Sp. Text „in femina'' liest; „extra septa^ cap. 31, wie in den andern 
Texten, während im Sp. Text „extra tiepe'^ (ftir „sepem*') steht; „Qni 
noctu*^ cap. 32 für das falsche „Qni de noctn'' im Sp. Texte; „Qui in 
sereona^ cap. 33 fQr das tische „in sereonam'' des Sp. Textes; „Quio- 
qnid vel nno denario . . . furaverit'' cap. 36 richtig, in Uebereinstim- 
mung mit Herold nnd dem Corv. Mscrpt., während der 4Bp. Text sinnlos 
„quicquid de uno dp uno denario'' liest. Ferner: „pater aui mater'^ 
cap. 41 richtig, wie Herold und Tilius lesen, während im Sp. Text 
sinnlos „pater atäem et mater*' steht, und das Corv. Mscrpt. „pater autem 
(för „aut") mater" hat. Femer: „viduam reliquerit^ cap. 42, ftir das 
unrichtige „vidnarum relinquerit^ des Sp. Textes; „si servus perpetrato 
faci nore /«^«ri/ " cap. 52, wo das fttr den Sinn unentbehriiche „fugerit" 
im Sp. Text fehlt; „si fossa vel laqueus'^ cap. 58, wo im Sp. Text sinn- 
los „Si qui8 fossa etc." steht; „qui m fossam" cap. 60, wo das „in*' im 
Sp. Text sinnlos fehlt, ß) Schreibfehler im Inhaltsverzeich- 
nifs: f^gladium^ cap. 8 Hir das richtige „gladio'' des Sp. Textes; „si 
aurieulam Tel oculum'' cap. 12 für das richtige „si auricula etc.'' des 
Sp. Textes; ^^Qui nesciens" cap. 22, übereinstimmend mit Herold und 
Tilius, fQr „et ^ui'nesciens" im Text des Sp. Msorpts., wie auch im 
Corv. Mscrpt. steht, und die Worte der Lex ursprünglich gelautet ha- 
ben dürften; „ad ecclesia'* cap. 23 fQr „ad ecclesiam" im Sp. Text; „in 
rem alicumque^ cap. 35 für „in rem qualicunque" des Sp. Textes; „qui 
defunctus ßlios et fUas non reliquerit" cap. 44 unrichtig für das im 
Sp. Text stehende „non filios sed filias"; „viduam^ cap. 45 für das rich- 
tige „vidua" im Sp. Text; „qui filiam hanc (für das richtige „ac" im 
Sp.Text) filium habeat" (für „habuerit" im Sp. Text) cap. 46; „de dotis 
ratio" cap. 47 fQr das richtige „dotis ratio" im Sp. Text ; „perpeira- 
verunf* cap. 50 fßr „perpetraverit". -* Dafür, dafs das Inhaltsverzeichnifs 
des Spahgenbergschen Manuscripts nicht vom Schreiber desselben ver- 
fafst ist, sprechen die Stellen des Verzeichnisses, welche Worte einzelner 
Capitel richtiger anfuhren, als sie im Spangenbergschen Text stehen, 
vgl die Anführungen oben unter «; aufeerdem ist dafür anzuführen, 
dafs die Zahlen, die im Inhaltsverzeichnifs bei den einzelnen verzeich- 
neten Capiteln stehen, nicht den Capitelzahlen des Spangenbergschen 
Textes entsprechen, weil im Inhaltsverzeichnifs das Capitel 7 des Textes 
ausgelassen ist. Auch möchte ich nicht annehmen, dafs das Inhalts- 



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▼erzeichnifs des Spangenbergschen Manuscripts auf einen andern Codex 
zurückführt, ala der Text des Spangenbergsohen Manuscripts, da bei- 
den verschiedene seltsame Fehler gemeinsam sind, z. B. „mordum to- 
tum'' in cap. 19 und „si scelus quodlibet commiserit*' in cap. 51, wo 
in beiden hinter „si^ das für den Sinn der Stelle unentbehrliche „ser- 
Yus" fehlt. FQr das Wahrscheinlichste mufs ich es halten, dafs der 
Schreiber des Spangenbergschen Manuscripts Inhaltsverzeichnifs und 
Text im selben Codex vorgefunden, und beide gleich ungenau abge- 
schrieben hat. * 

|. 2« Die Zas&tze In Text vom da Titlet md in der Gerveler Hand- 
sebrift, tm Seblofs der Lex Saxenvii. 

Die Texte von Herold, du Tillet und der Corveier Hand- 
schrift, haben keine ähnliche systematische Einschiebung eines 
neueren Gesetzes aufzuweisen, wie sie in der Spangenbergschen 
Handschrift vorhanden ist; sie stehen in dieser Beziehung zu- 
sammen dem Text der Spangenbergschen Handschrift gegenüber; 
die wichtigste Verschiedenheit unter ihnen besteht darin, dafs 
im Capitel 66 am Scblufs der Lex in der du Tillet- 
schen Ausgabe und der Corveier Handschrift, Be- 
atimmungen über den Werth verschiedener Gegen- 
stände hinzugefügt sind, die der ursprünglichen Lex 
Saxonum fremd gewesen sein müssen, und sowohl in der 
Heroldschen. Ausgabe, als in dem Spangenbergschen Manuscript 
fehlen. Da diese Zusätze für die Bestimmung der Zeit der Ab- 
fassung der Lex Saxonum eine reelle Bedeutung haben, mufis ich 
sie näher ins Auge fassen. 

In dem' hier folgenden Abdruck des Capitel 66 der Lex Saxo- 
num (oder des Titel XVHI bei Herold und Titel XIX in einzelnen 
neueren Ausgaben), hat der Theil desselben, der übereinstimmend 
bei Herold und du Tillet, sowie in der Spangenbergschen und 
Corveier Handschrift steht, gesperrte Schrift, während die nur 
bei du Tillet und in der Corveier Handschrift vorhandenen Zn- 
sätze cursiv gedruckt sind^): 

^) Die Angaben in Merkels Lex Sazonnm p. 16, über die Abwei« 
ehungen der einzelnen Handschriften und Ausgaben im Capitel 66 der Lex 



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27 

jySolidas est duplex: nnns habet dnoB trenlBseB, 
qnod est bos annicalas 12 mensinm, vel ovis cnm 
agnp; alter solidns tres tremisseS; id est bos 16 men- 

Saxonum, weichen wesentlich Ton den hier befolgten ab, sind aber unrichtig, 
^ach Merkel enthält das Spangenbergäche Mannscript auch noch einen Theil 
der Sätze, die von mir als nur im du Tilletschen und Corv.eier Text be- 
findlich bezeichnet sind. Dals mit den Worten „minori (solido) homicidia 
conponuntur", übereinstimmend mit dem Heroldschen Text, das Spangen- 
bergsche Hanuscript schlieCst, bemerkt Pertz ausdrücklich in seiner eigen- 
händigen Abschrift desselben : „hio expliciunt Codex Spangenbergensis et 2'', 
d.i. Herold; während Merkel p. 16 Note 10 nur sagt: „hie finis legum 4*^, 
d. L des Heroldschen Textes, nach der von ihm gewählten Bezeichnung des- 
selben. DaCs hier aber in keiner Weise an eine Ungenauigkeit Ton Pertz 
gedacht werden kann, beweisen auf das Eridenteste die Varianten, die 
Merkel zu der Stelle liefert; nach seiner Note 12 lesen filr siele die Num- 
mern 1 und 5 ^si de''; nach seiner Note 14 lesen für quadrimus die Nummern 
1 und 5 „quadriods'^; und in Note 15 wird Ton ihm zu „.yacca cum vitulo 
solidi duo et semis^ bemerkt: „hie finis legum 1 et 5. Explicit lex Saxo- 
num, addit 5". Mit No. 1 bezeichnet Merkel in den Varianten seiner Aus- 
gabe der Lex Saxonum die Spangenbergsehe HandBchrift, mit No. 5 die 
Lindenbrogsehe Ausgabe; er giebt also an, dafs in der Spange^bergschen 
Handschrift diese Varianten stehen, dafs somit in ihr die Stelle des Lex 
enthalten sei. Pie angefilhrten sinnlosen Varianten finden sich nun aber in 
der Ausgabe von du Tillet; ihr Text schliefst an der Stelle, wo Merkel 
dies von dem Text der Spangenbergschen Handschrift angiebt; und aus 
du Tülets Ausgabe sind sie von Lindenbrog in seinen Text (Merkels No. 5) 
aufgenommen worden! Leicht ist es nachzuweisen, wie Merkel zu seinen 
unrichtigen Angaben kam: Pertz bezeichnet in seiner Abschrift der Span- 
genbergschen Handschrift die Varianten der du Tilletschen Ausgabe mit 
No. 1, (nicht wie Merkel in seiner Ausgabe mit No. 3); Merkel hat bei dem 
Capitel 66 der Lex die von Pertz notirten Varianten aus dessen Abschrift 
entnommen, ohne die darin gewählten Textbezeichnungen, in die sonst von 
ihm befolgten, abzuändern; und hat dann weiter, da er nun zu der Stelle 
Varianten aus der Spangenbergschen Handschrift angegeben hatte, in seiner 
angeführten Note 10, nicht wie Pertz es richtig gethan hatte , am Sehluis 
der im Text von mir gesperrt gedruckten Worte das Ende des Spangenb. 
und Heroldschen Textes, sondern nur das des letzteren angemerkt^ So kam 
Merkel nothwendig zu einer falschen Auffassung über das Verhältnils der 
einzelnen Texte der Lex zu einander, die auch ihren Einflufs auf sein Ur- 
theil über das Verhältnifs der Lex sum Capitulare Saxonicom von 797 
üben mulste und ausgeübt hat 



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28 

siain; mAJori solido aliae compositiones, minor! ho- 
micidia conponnotur''. 

(ZusAtx de« Textes bei du Tillet:) (ZusaU des Textes der Corveier Hand- 

schrift:) 
• Wentfalaiorum et Angrariorum 

et Oetfalaiorum »olidue est eeeales 
scefjfilaSO, ordei40, avenaeßO; apud 
utronque: duo siele meüis *), solidus.* 

^uadrimus*) bos, duo solidi ; duo *Quadrimus hos, duo soUdi; duo 

booes, quibus arari potest, quinque boves, quibus arari potest, 5 solidi; 
solidi; bos bontu^^ tres solidi; vacca bos bonus, 3 solidi; vaeca ciwi ol- 
eum vitulo, solidi duo et semis*. tulo, solidi duo et semis: 

• Vitidus anniculus, solidus 1, Ovis 
cum agno, et anniculus agnus ei 9uper 
adjunctus, solidus 1*, 

Durch eiDe genaue Vergleichung dessen, was in dieser Stelle 
der Lex Saxonnm über den Werth angeordnet ist, zu welchem in 
Sachsen ländliche Erzeugnisse bei Zahlungen von Wergeldem und 
Bufsen angenommen werden sollen, mit dem was darüber in den 
Capitulis de partibus Saxoniae Capitel 27 und im Capitulare Saxo- 
nicum von 797 Capitel 11 enthalten ist, stellt es sich heraus^ dafs die 
Bestimmungen des ursprünglichen Textes der Lex Saxonnm älter 
sind als das Capitulare Saxonicum von 797, dafs aber die Zusätze 
zur Lex Saxonum bei du Tillet und im Corveier Manuscript, aus 
dem Capitulare Saxonicum schöpfen. Ich vertheile meine Erör- 
terungen unter die folgenden 7 Nummern: 

No. 1. Die Capitula de partibus Saxoniae bestim- 
men im Capitel 27: 

„10 solidi« = „1 bos«. 

Die Worte des Capitel 27 lauten: ,,So1idos decem, aut unnm 
bovem, pro.emendatione ipsius banni componat«. PertzLegeBl,p.76. 

No. 2. Die Lex Saxonum besagt im Capitel 66 ea sei 
„1 solidus minor« 

= „2 tremisses« (d.i. 8 fränkische Denare, oder 
V, fränk. Solidus). 

^) Tilius liest: „duo si de maüis^j welclies in »duo siele mellis" zu 
emendiren ist, Tgl. unten die hier benutzte Stelle des Capital. Saxonicum. 
'} Tilius liest „qua drimis^, emendire „quadrimus''. 



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29 

„1 BoliduB major" 

= „3 tremiBses" (d.i. 12 frllnkische Denare, oder 
1 fränk. Solidas). 
Im alten Sachsen ') existirten keine ausgeprägten Solidi, der 
Solidns oder Schilling erscheint in ihm nnr als eine Rechnangs- 
mttnze. Die Lex Saxonam bedient sich aber des Ansdmcks So- 
lidas, sowohl am die Summe von 2 sächsischen Tremisses, als 
um die von 3 sächsischen Tremisses su bezeichnen; und unter- 
scheidet mit Rücksicht hierauf einen Solidus minor und einen 
Solidas major. Sie sagt ausdrücklich in den abgedruckten Worten 
des Gapitel 66, mit denen die des Capitol 16 übereinstimmen, dafs 
bei ihren Ansätzen von Wergeldern, unter den Solidis, kleine 
Solidi, bei denen von andern Bufsen, grolse Solidi gemeint sind; 
sie bestimmt also, dafs bei jenen Bufsen, da wo ein Solidus zu 

^) Die Erörterungen Neuerer über die Münzverhältnisse in der Lex 
Saxonmn, in den Capitulis de partibus Saxoniae und im Capitulare Saxo» 
nieum ron 797, l((Ben in keiner Weise die vorhandenen Sfphwierigkeiten. 
Waits „Ueber die Münzverbältnisse in den älteren fr&nkisohen Recbts- 
bUcbem, Göttbgen 1861** p. 4 erklärt offen: „die VerhälintMe der Lex 
Saxonwn und namentlich der Lex Frisionum sind so eigenthümlich und zu- 
gleich so dunkel, dciß ich, ebenso wie meine Vorgänger, verzweifeln mufs, 
neue Aufklarungen zu gehen; sonst wäre ihr etwas jüngeres Alter kein 
Gmnd gewesen, sie von dieser Betrachtung auszuschliefsen" und in der 
Deutschen Verfassungsgeschichte Bd. 4 p. 72 sagt Waitz im Jahre 1861 : 
„die friesischen Münzverhältnidse sind sehr imklar'* und: „bei den Sachsen 
gab es einen zwiefachen Solidas*'. Ebensowenig als Waitz gewährt hier Soet- 
beer durch seine Veröffentlichungen über ältere deutsche Münzverhältnisse 
Aufklärungen ; in den Forschungen zur Deutsch. Gesch., herausg. von der bist. 
Commission bei der Kön. bay ersehen Akademie derWiss. Göttingen 1864. lY. 
H. 2 p. 292, äulserte er : „Was die eigenthümlichen Verhältnisse des ältesten 
sächsischen Geldwesens betrifft, worüber das Capitulare Saxonicum von 797 
mehrfach Aufschlufs giebt, so soll dieser Gegenstand im folgenden Ab- 
schnitt, zusammen mit dem ältesten Geldwesen der Angelsachsen und Friesen, 
behandelt werden''. Leider hat Soetbeer diese 1864 gethane Verheifsung, 
soweit mir bekannt, noch nicht erfüllt; wenigstens finde ich in dem 1866 
veröffentlichten Schlufs seines Aufeatzes, in den Forschungen Bd. VI. H. 1. 
p. 1 — 112 nichts Näheres darüber. Ich meinestheils mufs mich hier auf 
einige kurze Andeutungen über altsächsische Münze beschränken und be- 
halte mir vor, den Gegenstand, der mich seit Jahren beschäftigt, ander- 
wärts wieder aufzunehmen. 



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30 

entrichten ist, je 2, bei diesen je 3 Tremisses, oder deren Aeqni- 
▼aient, gezahlt werden soU^). Eine Erläuterung findet dieser 
Sprachgebrauch durch die Lex Frisionum ; nach der Additio Legis 
Frisionum III, 73 und 78, wurden nämlich zur Zeit der Abfassung 
der Additio, in dem mittleren Friesland (d.h. in Friesland zwi- 
schen der Zuiderzee und dem Laubach, oder in der heutigen Pror 
vinz Leuwarden) 3 Tremisses, als ein 8olidus bezeichnet, wäh- 
rend man im östlichen Friesland (d. h. in der friesischen Oegeod 
von dem Laubach bis zur Weser, oder in den Provinzen Gro- 
ningen, Ostfriesiand und dem heutigen Oldenburgschen Friesland) 
nur 2 Tremisses unter einem Solidus zusammenfafste, und end- 
lich 2% Tremisses im westlichen Friesland darunter verstand (d.h. 
in den friesischen Gegenden von der Mündung der Zuiderzee bis 
zum 8inkfal bei Brügge, oder in den heutigen Provinzen Holland 
und Zeeland). Eine Verschiedenheit in der Ausdrucksweise zwi- 
schen der Lex Frisionum und der Lex Saxonum, zeigt sich aber 
darin, dafs man bei Abfassung der Lex Frisionum keine Rück- 
sicht darauf nahm, was man in den verschiedenen Gegenden Fries- 
lands unter Solidus verstand, und alle Bufssätze der Lex Frisio- 

^) Lex. Saz. c. 16 lautet: „Litus occisus 120 solidis conponatur; mulcta 
yero rulnerum ejas per omnia duodeoima parte minor quam nobüis ho- 
BÜnis, Bolvatur autem solide majori, vel si negat, sua manu duode- 
cima juret''. Die letzten Worte ändert Gaupp^ Recht und Verfassung der 
alten Sachsen, Breslau 1837 p. 105, in seiner Ausgabe der Lex Saxonum, 
in: „sive minori solvatur, aut solide majori '', indem er gegen alle hand- 
schrifUiche Ueberlieferung ^sive minori^ einschiebt, und „autem" in „aut" 
ändert, vgL Gaupp p. 95 und 97. Die Worte ^^solvatur autem solide majori" 
sind zu besieh en auf „mulcta vero vulnerum ejus etc.", nicht auf „litus oc* 
cisus 120 solidis conponatur'^. Der Anfang der Stelle sagt: ein getödteter 
Late ist mit 120 Solidis zu bQfscn, d. i. mit '/,, von dem Wergeid eines 
Nobilis, da dieses 1440 Solidi betrug; und unter den zu zahlenden Solidis 
sind kleine Solidi gemeint, da das Wergeid des Laten, wie aUe andern Wer~ 
gelder, in kleinen Solidis gezahlt wurde; es belief sich dasselbe demnach 
auf 80 groÜBe oder fränkische Solidi. Dann fährt die Stelle fort : die Bafse 
f&r die Wunde eines Laten, ist der swölfle Theil von der, die einem Nobilis 
flir eine gleiche Wunde zu zahlen wäre, „«i> wird aber mit grq/'sen So^ 
lidis gezahlt ^, — also nicht mit kleinen Solidis, wie es beim Wergeid der 
Fall war! 



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31 

nniiiy moehten sie Bieh nun anf das mittlere, westliehe oder ISefr- 
liche Friealand besiehen, in Solidis von 3 Tremisses ansdrlickte^, 
während man in der Lex Saxonnm zweierlei Werthe als Solidaa 
bezeichnete^ und bei Wergeldem 2 Tremiases, bei andern Bnfsen 
3 Tremiaaes, anter einem Solidas suaammenfafste, indem man sich 
hierbei wahrscheinlich durch eine ältere aSchaische Gewohnheit 
bei iSahlnng von Wergeldern leiten liefs '). — Ala gleich werth- 
voll erscheinen demnach: ein in der Lex Frisionum, ohne wei* 
teren Zusatz, erwähnter Solidus (= 3 Tremisses), ein Solidus major 
der Lex Saxonum (= 3 Tremisaes), und ein fränkischer Solidaa, 
der unter Karl dem Grofsen in 12 fränkische Denare zerfiel: und 
es galten somit *4 fränkische Denare Karls des Grofsen, soviel als 
eine friesische oder sächaische Trimse. Das spätere friesiche Wer- 
geid der Freien betrag nach der Lex Frisionnm 160 Solidi oder 
3 X 160 = 480 friesische Trimsen; daa Wergeid der freien Sachsen 

^) YgL Andeutungen hierüber, in meiner Ausgabe der Lex Frisionum 
in den Monnm. Germ. Leg. 3. p. 650. 657 und 670, eine weitere Ausfiilirung 
des Gesagten liefere ich an anderer Stelle. 

*) Ein Analogen bietet das alte norwegische Frostathingslov ; es unter- 
aoheidet gez&hlte und gewogene Unzen Silber, und rechnet 3 Ton jenen, 3 
Ton diesen gleich, ygL Frostath. X. e. 13 ed. Münch I. p. 220 „18 aumm 
mlfrmeinum, en that ero 12 aurar vegnir". Die Wergelder wurden gezahlt 
mit gewogenem Silber („aura vegna^ und „mercr yegnar", d. i. gewogene 
Unzen und Marken, s. Frost.yi, 3. bei Münch L p. 184), andere Bufscn dagegen 
mit gezähltem Silber (.,silfr metit<* Fro8t.IV, 45.49.52.53. Münch I. p. 171 sq.); 
das Frostath. IV, 45 sagt ausdrücklich: „ef madr höggr nef af manne, tha 
.scal hann boeta honum aurum 12 silfimetnum, thyi at silfirmetenn scal ar- 
borins manns eyrer allr i mannhelgi nema thyrmsla manna". Beachtung 
Terdient, wie noch daa Ostfriesische Landrecht III. cap. 24 bestimmt : „Doet- 
slage mach men yersoenen up dre terminen: de erste mit gelde, de ander 
mit beesten, den derden mit laekenen"; es gestattet hiermit bei zwei Drit- 
teln des Wergeides an Geldesstatt Vieh und gewebte Stoffe zu geben, dies 
geschah nach aufgestellten Taxwerthen, galt aber als ungünstiger für den 
Empfiikng^r, daher im Osifriesischen Emsgo, wenn bei einer zu leistenden 
Zahlung Waaren statt Geld gegeben wurden, für jede 3 Pfenninge der Werth 
TOD 4 Pfenningen in Waaren zu gew&hren war, ygL Friesische Bechtsquellen 
p. 195 {.3 und 4 (wo n^hing*^ und nicht „tiug" die ursprüngliche Lesart 
iit) und Ostfries« Landr. L c 121 bei Wicht p. 251, und meine Kote 66 in 
Ifon. Leg. 3. p. 695. 



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32 

nach der Lex Saxonnm 240 Solid! y oder da die WergeldsKtze in 
der Lex Saxonnm in kleinen Solidis (d. h. in Solidis zu 2 Trim- 
gen) angegeben sind, 2 X 240 = 480 sächsische Trimsen; das spS- 
tere friesische nnd das sächsische Freienwergeid standen sich 
somit gleich, wie denn auch ein späterer Znsatz zur Lex Ripna- 
riorum, der in den gedruckten Texten im Titel 36 enthalten ist, 
in Ripuarien dem freien Sachsen, wie dem freien Friesen, ein 
Wergeid von 160 fränkischen Solidis zusichert^). 

No. 3. Die Lex Saxonum cap. 66 setzt fest, dafs 
bei Zahlung von Wergeldern nnd Bufsen angenommen 
werden soll: 

„1 solidus minor'' (d.h. 2 Sachs. Trimsen, ode/ V, fränk. Solid.) 

=:„lbos anniculns 12 mensiam". 

= „1 Ovis cum agno". 
„1 solidns major" (d.h. 3 sächs. Trimsen, oder 1 fränk.Solid.) 

= „lbos 16 mensium". 
Es gestattet hiermit die Lex Saxonum cap. 66 in den oben 
S. 27 gesperrt abgedruckten Worten, die zu ihrem alten Text ge- 
hören, dafs bei Zahlungen von Wergeldern und Bufsen, statt des 
Geldes andere Gegenstände gegeben werden, und setzt fest, dafs 
dabei ein Jahrrind, zu einem kleinen Solidus von 2 Tremisses, 
dagegen ein iy< jähriges Rind, zu einem grofsen Solidus von 3 Tre- 
misses, sowie dafs ein Mutterschaf mit seinem Lamm zu einem 
kleinen Solidus angenommen werden soll. Aehnliche Bestimmungen 
über Taxwerthe von Gegenständen, die bei Zahlung von Wergel- 
dern gegeben werden konnten, enthält die Lex Ripuariorum'). 

^) Lex Rip. S6, 4 Uutet: ,ySi quis Ripuariu» adoenam Alamannum, sea 
Fresionem, vel BajuTariuxn, avt Saxonem intetfecerif, eenium stxaginta »olidis 
culpahilis judicetur". 

*) Lex Rip. 36, 11 bestimmt: „Si guis weregeldum sohere dehet, bovem 
eamutum videntem et sanum pro duohus solidis tribuat, vaccam comutam 
Tidentem et sanom pro uno solido tribuat, equum Tidentem et sannm pro 
sex solidis tribuat, equam videntem et sanam pro tribus solidis tribuat, spO'- 
tam cum scogilo pro septem solidis tribuat, spatam absque scogilo pro tribu« 
solidb tribuat, bruniam bonam pro duodecim solidis tribuat, helmum cum 
directo pro sex solidis tribuat, bainbergas bonas pro sex solidis tribuat, 
acutum cum lancea pro duobus solidis tribuat, acceptorem non domitum pro 



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33 

Ko. 4. In dem Capitnlare Saxonicnm von 797 hat 
Karl der Orofae detaillirter den Preis bestimint, an 
welchem ISndliche Erzeagnisse in Sachsen bei Zah- 
lung von Bnfsen gerechnet werden sollen; das Gap. 11 
des Gapitnlare lautet^): 

„Illnd notandum est, qnales') debent solidl esse 
Saxonum: id est bovem annoticnm atriasqne*) sezus aatn* 
mnali tempore; sicnt in stabulnm*) mittitur, pro nno solide; si- 
militer etvemnm tempus, qaando*) de stabnlo') exiit^); et dein- 
eepS; qaantum aetatem auxerit^), tantnm in pretio crescat. De 
avena*) vero Bortrinis pro solide nno scapilos qaadraginta do- 

tribus solidtB tribuat, commonum gruarium pro sex solidia tribuat, aocepto- 
rem mutatum pro daodecim soUdis tribuat. Quod si cum argento solvere 
eontigerit, pro solido duodecim denarios, sicut antiquitus est constitutum". 
Der letzte Satz erscheint als ein jüngerer Zusatz, Tgl. unten S. 41 Nr. 4 lit. d. 
In den „Capitnlis qnae legibus addenda sunt'' Tom Jahre 817 wird durch 
eap. 8 die eben angeftkhrte Stelle der Lex Bipuariorum modificirt: „[ncan' 
fH>aitione wirgüdi vohtmus, ut ea deniur, quae in lege continenhur, excepto 
cueipitre et spata, quia propter illa duo aliquoties perjurium committitur, 
quando majori» pretii, quam iUa sint, esse jurantur*'. Pertz Leg. 1. p. 211. 

^) Das Capitulare Sax. ist erhalten in der im Yatican aufbewahrten 
Mainzer Handschrift des 9. Jahrhunderts , durch die wir die Capitula de 
partiboa Saxoniae besitzen (vgL unten J. 12), und in sehr mangelhafter Weise 
in der Correier Handschrift der Lex Saxonum aus dem 10. Jahrhundert 
(rgl. fiber sie unten S*4); den Text der ersten Handschrift druckt Pertz 
Leges 1. p.76 ab, Varianten aus der zweiten giebt Merkel Lex Saxonum p.20. 

■) „quod trioles^ Conr. 

•) „utrisque^ Vat., „utrusque'' Corr. 

*) „in stabulum" f. im Conr. Manuscr. 

^) „qui enim et aliqua" Conr. 

*) „de stabulo*' f. im Cory. 

7) „exit" Cory. 

•) „inTiserit" Conr. 

*) „deannona" Vat., im Corr. fehlen die beiden Worte, die ich in 
„de auuena" bessere, wie es der folgende Satz rerlaogt: bei den Bor- 
trini sind einem Solidus gleich zu rechnen, 40 Scheffel „de annona", bei den 
Septentrionales 30 Scheffel „de ayena''. Gärtner Leges Sax. p. 168 erkl&rt 
annona durch Qerste („pro tritico yel frumento saepius antiquiore aevo sum- 
ptom"); der yon ihm benutzte Abdruck des Capitulare Saxonicum, hat in 
der folgenden Zeile „septentrionales autem pro solido scapilos 30'*, mit Aub- 



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34 

nant, et de sigale^) yiginti; septemtrionales antem*) pro so- 
lido^) scapilos triginta de avena, et sigale^) quindecim. Mel*) 
vero pro solido, Bortrensi sigla ana et media') donant; septem- 
trionales antem^) dnos siclos^) de melle pro ano solido donent, 
item ordeum mundam sicut et sigale pro nno solido donent 
In argento daodecim®) denarii ^®) solidnm faciant Et in aliis") 
speciebns ad istum pretiam omnes . aestimationes ^') conposi- 
tionis sunt""). 

In dieser Stelle sind folgende Werthsätze aufgestellt: 
a) „1 solidns Saxonnm" (d.i. ein kleiner Solidas von 2 Trim* 

sen =: V> fränk. Solid.) 
= ;,1 bos annoticus''. 

Die Lex Saxonnm cap. 66 verordnete: es solle dem Solidns 
minor von 2 Trimsen^ der unter einem Solidns bei Zahlung von 
Wergeldem gemeint sei, ein „bos anniculus dnodecim mensium" 
gleich stehen; das Capitnlare Saxonicnm erläutert näher , was 
unter einem 12 Monat alten Rind, oder einem ,,bos annoticus'', 
d.i. einem Jahrrind, zu verstehen sei: ein Kuh- oder Ochsenkalb 
im Alter von einem Jahr, mag das Thier im Herbst unter den 
Jahrrindern in den Stall, oder im FrUhjahr unter ihnen aus dem 
Stall auf die Weide kommen; oder mit andern Worten: ein im 

lassung der hier in der Yat. und Conreier Handschrift stehenden Worte ^de 
arena''. 

1) „de sigule** Vat., „de sigale" Corv., d. i. für „de secali''. 

•) „aut" Vat. und Corv. ftir „aut" d. i. autem. 

*) „pro solidum*' Vat., „solidum" Corv. mit Ausl. von pro. 

*) „sigule" Vat., „sigale" Corv. 

*) Corv. nur: „mel vero pro solido et media donant", mit Auslassung 
von „Bortrensi sigla una". 

^ „medio" Vat., bessere „media", vgL Note 5. 

') Wie in Note 2. 

») „duos sidos" Vat.; „II rida" Corv. 

ö) „in argento duodedm" Vat.; „in argento XV" Corv. 

^^) „denarios" Vat., bessere „denarii"; im Corv. fehlen die Worte „de- 
narios solidum faciant". 

*») „et inde" Corv. 

^^ „omnem aestimationem" Vat., ich bessere „omnes aestimationes". 

^') „conpositioniB sunt" Vak, fehlt im Corv. 



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35 

Sommer auf der Weide geborenes Kalb ^ wird als einjährig ge- 
rechnet , bis sam zweiten Einwintern, und ein im Stall während 
des Winters geborenes Kalb, bis zum zweiten Frtthjahrsanstreiben. 
Ist aber das Kalb älter, dann soll sein Werth nach Verhältnils 
des Alters hOher in Anrechnung kommen. 

b) ,,lsolidnsSaxonam^^ (d.i. ein kleiner Solidns von 12 Trim- 

sen = *A fränk. Solid.) 
SS 40 Scheffel Hafer bei den Brnkterem, 

dO Seh. Hafer bei den nördlichen Sachsen. 
s= 20 Scheffel Roggen bei den Brokterem, 

15 Seh. Roggen oder O erste bei den nördl. Sachsen. 
Dals nnter den „Bortrinis^' oder „Bortrensi'', die den ,,Septen- 
trionales^ bei der Schätzung von Getreide and Honig entgegen- 
gestellt werden, die Westfalen im Gegensatz der Engem nnd Ost- 
falen gemeint sind, zeigt der in diesem §. nnten S. 44 zu erläu- 
ternde Zusatz im du Tilletschen Text der Lex Saxonum. Den 
hier für die westlichen Sachsen gebrauchten Namen kann ich 
aber nur fttr den der Bruckterer halten^). 

') Gaupp Recht und Verf. der alten Sachsen p. 226, erkl&rt sich ftkr 
eine ron Meinders aufgestellte, ron Gärtner Leges Sax. p. 169 angenom- 
mene Deutung der Bortrenses oder Bortrini durch Bort-Rini; das seien 
Bord-Rheiner oder l&ngst dem Rhdn Wohnende. W&re es sprachlich mög- 
lich, h^i „hort'^ an Ufer, hei „rini'' an den Rhein su denken, so würden 
doch in einem Compositum, das Rheinufer -Bewohner ausdrücken sollte, die 
heiden Worte in umgekehrter Reihenfolge zusammengesetzt sein. Die Bruc- 
teri der Römer heifsen: Btercturi in der Peutingerschen Tafel, Boruduairii 
bei Beda, Borthari in einem Brief yon Papst Gregor III. zwischen 737 und 
739 in Jaff^ Bibliotheca Rerum Germanicarum 3. p. 101, Porahtani in des 
Aribo von Freising (f 784) Vita S. Emmerani, yergl. Zeufs die Deutschen 
p. 92 und 352, sowie J. Grimm die Deutschen 1. p. 531 und 627. In Ur- 
kunden erseheint dann als pagus : Boretra a. 820 Lacomblet Urkundenb. 1. 
p. 19, Boratre a. 833 Wigands Archiv 1. H. 2. p. 81 (ex orig.) und Sei- 
berta Urkundenb. 1. p. 4, Bortergo a. 834 Lacomblet 1. p. 23, Boroctra 
a. 858 Erhard Reg. Westf. 1. p. 18 (ex orig.), Barhtergo a. 966 Lacomblet 
1. p. 65, Borahtron im Werdener Güterreg. ed. Lacomblet Archiv 1857. 2. 
p. 239, und Borahira (var. „Borathra**) in der Vita Liudgeri in Pertz Mon. 
G. 6cr. 2. p. 417. Sprachlich mufs es für zulässig gelten, dais eine im 
9. Jahrhundert geschriebene Abschrift eines Capitulars von 797 die Formen 
Bortri-ni und Bortre-nsee verwendet habe, um die Bewohner einer Gegend 

3* 



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36 

Seltsam unbeholfen sind die Worte des Gapitalare ^jiiem 
(septentrionales) ordeum mandum sicnt et sigale pro uno solido 
donent'^; sie können aber nur sagen wollen: bei den nördlichen 
Sachsen wird ebensoviel, d.i. ein gleich grofses Quantum , reine 
Oerste, d. i. unvermischte der keine Trespe oder ein Xhnliches 
Unkraut beigemischt ist, als Roggen, fttr einen Solidus gerechnet. 

üeber die Gröfse der ,,scapili'', d.i. der Scheffel, nach 
denen hier Hafer und Roggen geschätzt wird, fehlen genügende 
Angaben. Nach den verschiedensten Quellenzeugnissen wurde ein 
halber Modius oder Mutti als ein Scheffel bezeichnet; 
die Gröfse des Modius ist aber ebensowenig genau bekannt. — 
Eine alte oberdeutsche Glosse, die Schmeller im Baierschen Wörter- 
buch 3. p. 327 anführt, rechnet den Scheffel gleich einem halben 
Modius; und letzterem entspricht das aus dem lateinischen Wort 
geformte alte oberdeutsche Mutti, niederdeutsche Muddi; die Glosse 
sagt: jjdimidium modium tenens: halp mutti edo scefU fol^^. Die 
bekannte RaffelstStter Zollrolle, die in den letzten Jahren der Ea- 
rolingerzeit aufgezeichnet zu sein seheint (s, Waitz Deutsche Ver- 
fassungsgesch. 4. p. 59), bestimmt: „ad Linzam, de una navi red- 
dant 3 semimodiosy id est 3 scafUos, de sale^^ In einer Soester 
Rathsverordnung aus den Jahren 1250->1280, in Seibertz West- 
f&lischem Urkundenbuch 1. p. 333 (ex originali), die das Gewicht 
des Brodtes festsetzt, wird der y^modius tritici nostrae mensu- 
rae'' zu 12 Denarii und die „mensura tritici, quae theutonice 
achepd dicitur'^ zu 6 Denarii, also der Modius zu 2 Scheffeln ge- 

EU bezeichnen, die in Urkunden des 9. Jahrhunderts Borter-go, Boreira oder 
Boratre heifst. Dafs unter dem pagus Boretra nicht ein einselner Gerichts- 
Sprengel, sondern eine gröfsere Gegend verstanden wurde, beweisen die 
darin verzeichneten Orte ; als ein gröfseres Volk kennt Beda die „gens Bo- 
ructuariorum'', und der angeführte Brief des Papstes Gregor III. nennt die 
Borthari neben Thüringern und Hessen (^populo Germaniae: Thuringis et 
Hessis, Bortharis et >^i8treAis, etc.''), sowie die Vita S. Emmerani die Porah* 
tani neben den Thuringis. Wie man die Anwohner der Weser Angrarii nach 
den alten Angri-variis nannte, so .scheint ftir die Bewohner des westlichen 
Sachsenlandes ün 8. Jahrhundert der alte Name der Bructeri gebraucht wor- 
den SU sein, wobei nicht auiser Acht zu lassen ist, dafs bereits Strabo und 
Ftolemaeus grofse Brueterer neben den kleinen yeneiehnem 



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37 

rechnet; nnd noeh heute gilt in vielen Orten Westfalens das Mttdde 
gleich 2 Scheffein*). — Die altern sächsischen Anfzeichnungen 
sShlen meistens nach Maltern und MUdden, seltener nach Schef- 
feln'}; eine anch nur annähernd sichere Feststellung der OrCfse 
des fränkischen Modius von Karl dem Orolsen ist bisher noch 
nicht gelungen; wären die Annahmen Ouörards richtig^ nach denen 
1 Modius ungefähr einem prenfsischen Scheffel entsprochen hätte*), 



1) Nach Lengerke's LandwirthAchafll. Kalender, Berlin 1867, hat in 
Soest das Malter 12 Madden zu 2 Scheffeln, und jeden Scheffel zu 4 Spint; 
und ist ein Scheffel gleich 8,75 preuTsische Metzen. Li Lippstadt hat das 
Malter 24 Scheffel, jeden zu 4 Spint, und ist ein Scheffel gleich 10,97 pr. 
Metzen. In Arnsberg hat das Halter 4 Müddcn zu 2 Scheffeln, und jeden 
Scheffel zu 4 Spint; und \»t ein Malter gleich 4,87 preuT». Scheffeln, ako ein 
Arnsborger Scheffel gleich 9,75 preufs. Metzen. 

*) In einem Corveier Zinitreginter aus den Jahren 1106 — 1128: ,,scipuli 
bracei hordacei secundum menburam abbatis^ Kindlinger Münster. Beitr. II. 
Urkundenb. p. 120, und .,60 maldri tritiei, 30 ekipuli pisarum** ebendaselbst 
p. 123; in einer Mescheder Urk. von 1207 .,thue malder haveren ande thue 
scepel; thue scepel wethes; thue scepel rouchen; thue malder brodes, also 
men vire imune einen helbin coped'^ Seibertz Westföl. Urkundenb. I. p. 172 
(ex orig.); in einer Soester Urk. von 1218 ^mensura avenae, quae dicitur 
scepd*^ Seibertz Urkb. 1. p. 196 (ex orig.). ^'ach Modiis rechnen z. B. Ur- 
kunden Yon 851 und 1090 ftlr das Kloster Frekenhorst, in Kindl. M. B. II« 
p. 11 und 56; desgl. die Urk. von 860 und 1096, (Ttr Kloster Herzebrok, 
ibid. p. 28 u. 67. Nach maldra rechnet ein Corveier Zinsreg., a. d. Beg. dos 
11. Jahrb., in Kindl. M. B. II. p.ll2; im Corv. Zinsreg. von 1106-1128 in 
KindL p. 132 u. 136: maldra, modii und scipuli; im alten Werdener Zinsreg. 
in Lacomblet Archiv 11. p. 221 —229: y^maldre'^, modii^ und „muddi roggon**, 
sowie „muddi bonon*'. Das Freckenhorstcr alte niederdeutsche Zinsregister, 
in Dorow Denkm. 2. p. 1 folg. , rechnet nach malt oder mcdder und muddi. 
Wie heute, so wurde auch früher eine verschiedene Zahl von Einheiten unter 
einem Malter begriffen, s. Mafsmann in Dorow Dcnkm. 2 p. 72. 

8) Guerard Polyptyque de Pabbö Irminon. Paris 1844. 1. p. 197 stellt 
folgende MaaTse für die Zeit Karls des 6r. auf: 1 modius £= 2 situlae 
=: 16 sextarii = 32 heminae = 52,2 franz. Litres ; es sind 100 franz. Litres 
= 1,81 preuls. Scheffel, und wäre also ein Modius = 0,94 preufs. Scheffel. 
Dals aber Guörards Annahmen, die J. H. HüUer, Deutsche Münzgeschichte 
1860. 1. p. 347, seinen weiteren Berechnungen unterbreitet, auf unerwieaene 
Voraussetzungen gestützt sind, zeigen seine Erörterungen im Polypt. 1. p.l83. 
Zweifelhaft ist es sogar, ob Karl d. Gr. den Modius von 16 Sextarüa in 



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38 

80 würde ein altsächsiacher Scheffel etwa einem halben prenfsi- 
sehen Scheffel gleich gestanden haben, was der Gröfse des heu- 
tigen Scheffels in manchen Orten von Westfalen ziemlich nahe 
kommen würde. 

Karl der Orofse hatte in einem Capitalare yom Jahre 794 
verordnet, dafs künftig bei günstigen und ungünstigen Ernten für 
den von ihm neu normirten Modius kein höherer Raufpreis ge- 
nommen werden dürfe, als bei Hafer 1 Denar, bei Gerste 2, bei 
Roggen 3 und bei Weizen 4 Denare. Im Jahre 806 hatte er dann, 
wegen eingetretener Hnngersnoth, sich genöthigt gesehen, den 
Preis des Modius beim Hafer auf 2 Denare, bei der Oerste auf 
3, beim Roggen auf 4 und beim Weizen auf 6 Denare zu erhöhen ^). 
Dem gegenüber bestimmte nun der König in dem Capitulare Saxo- 
nicum von 797, dals bei Zahlung von Compositionen für einen 
sächsischen Solidus, d. i. für 8 fränkische Denare, in Westfalen 
40 Scheffel Hafer (oder 30 Scheffel im nordöstlichen Sachsen) 
und 20 Scheffel Roggen (oder 15 im nordöstlichen Sachsen) ge- 
geben werden könnten; er ordnete also an, dafs in Westfalen 
1 Scheffel Hafer gleich V4f d. i. V9 Denar (im nordöstlichen Sachsen 
gleich Vi« d. i. Vis Denar) und ein Scheffel Roggen gleich Vt« 
d.i. % Denar (im nordöstlichen Sachsen gleich Vn Denar) bei 
Zahlung von Compositionen gelten sollte. — Dafs in Sachsen am 



einen Modius von 24 Seztariis umgewandelt hat; der König spricht im Ca- 
pitulare von 794 c. 4 vom ^modius publicus et noriter statutus^ Ports Leg. 1. 
p. 72, und sagt in einem ins Jahr 802 gesetzten Capitulare in cap. 44 „qui 
antea dedit tres modios, modo det dnos" Pertis Leg. 1. p. 100; auch spllter 
werden Modii zu 16 und zu 24 Sextarii erw&hnt, s. Merkel zur Lex. Alam. 
in Pertz Leg. 3. p. 52. — Seit ich dies niederschrieb, hat Soetbeer in den 
Forschungen zur Deutsch. Gesch., Göttingen 1866. Bd.VL p. 74—78 aus 
den von Karl d. Gr. im Jahre 794 für das Pfund Brodt vorgeschriebenen 
Maximalpreisen zu deduciren gesucht, dafs der von K. Karl im Jahre 789 
eingefflhrte Modius etwa 60 franz. Litres, d. i. 1,086 preuüs. Scheffel betragen 
habe. Mir scheint diese Annahme, schon wegen der zahlreichen Suppo- 
sitionen, deren Soetbeer bedarf, um auf dem von ihm eingeschlagenen Wege 
zu einem Resultat zu gelangen, jedes festen Bodens zu entbehren. 

^) Vgl. Capitukre a. 794 cap. 4 in Pertz Leg. 1. p. 72 und Capitulare 
a.806 cap. 8 in Pertz Leg. 1. p. 146. 



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89 

Schlaft des 8. Jahrhunderts der Preis des Getreides niedriger stand, 
als westlich vom Rhein, oder mit andern Worten, dals dort bei 
weniger vorhandenem Silber ein gröfseres Quantum Hafer und 
Roggen Air ein bestimmtes Gewicht Silber zu kaufen möglich war 
als hier, kann nicht befremden; wenn aber Karl der Grofse im 
Jahre 794 den frXnkischen Maximalkaufyreis für einen Modius 
Hafer auf 1 Denar festsetzte, während er im Jahre 797 bestimmte, 
dafs er bei Zahlung yon Compositionen in Westfalen zu V» De- 
naren, im nordöstlichen Sachsen zu Vi» Denaren angenommen wer- 
den sollte, und wenn er femer 794 den fränkischen Maximalkauf- 
preis für einen Modius Roggen zu 3 Denaren festsetzte, der nach 
dem Capitnlare von 797 in Westfalen zu Vt Denaren und im nord- 
östlichen Sachsen zu *Vt» Denaren angenommen wurde, so erscheint 
doch diese Preisverschiedenheit als eine sehr auffallende^), 
c) „1 solidus Saxonum^^ (d.i. ein kleiner Solidns von 

2 Trimsen = % fränk. Solid.). 
= 1% Siclae Honig bei den Brukterem, 

2 Siclae Honig bei den nördlichen Sachsen. 
Die betreffende Stelle des Capitnlare Saxonicum von 797 lautet 
in der Handschrift des Vatican: „Mel pro solide Bortrensi sigla 
una et medio donant^', wofür die Gorveier Handschrift liest „mel 
pro solide et media donant^'; und ferner wird bestimmt: „septem- 
ptrionales autem dnos sidos („U ricla'^ im Corv. Manuscr.) de 
melle pro uno solide donenf . Die Handschrift des Vaticans setzt 
in der ersten Steile deutlich 1 V» „Sigla" Honig einem Solidus gleich, 
in der zweiten aber „duos siclos'^; die Lesart der Corveier Hand- 
schrift ist verderbt, sie setzt in der ersten Stelle „et media <'') 
Honig einem Solidus gleich, in der zweiten „H rida^' (wo in 
sida zu bessern ist, wenn, wie Merkel angiebt, die Schriftztige 
nicht sida sondern ricla gewähren). Ein Znsatz im du Tilletschen 
Text der Lex Saxonum , der oben S. 28 abgedruckt ist und aus 

1) EUnige Angaben über sp&tere s&chsische Preise vergleiche in einer 
Anmerkung am Ende dieser Abhandlung. 

. ^ Sollte im Corveier Manuscr. für ^et media" eu lesen sein ^1'/^ me- 
dia^? Unter Sicla scheint eine Halbe (d.i. media) verstanden su sem, 
Tgl. unten S«41. 



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40 

dem Gapitalare Saxonicam scMpft, giebt an „dno siele mellia, 
BoliduB''; indem die bei du Tillet gedruckten Worte y^ai de mallis^' 
offenbar in ,, siele mellis'' zu beflsem sind^). 

Bereits da Gange hat angemerkt, dafs unter Siclus oder Sicla, 
Sigla, ein Wort gemeint ist, welches niehrfach in mittelalterlichen 
lateinischen Schriftstücken, für eine bestimmte Mttnze und für ein 
Maafs von Getreide und Flüssigkeiten, verwendet wird: das he- 
bräisch-lateinische siclus (Sekel, eine Münze). In Sachsen dient 
siclus öfter zur Bezeichnung einer Münze, zum Beispiel im Gor- 
veier Oüterregister des Abt Saracho §. 51. 60. 101. 104. 212 etc., 
desgleichen in einer Urkunde von 1036 in Kindlinger Münstersche 
Beiträge 2. p. 38. Ein „siclum avenae" verzeichnet das alte Wer- 
dener Zinsregister in Lacomblet Archiv 2. p. 221. 

Neben Sikla, und wie es scheint zur Bezeichnung desselben 
Maafses, brauchen andere mittelalterliche lateinische Stellen Siiula, 
ein Seidel, im Mittelhochdeutschen sidlin, worunter die Hälfte 
eines gewissen Maafses verstanden wird, eine Halbe; vergleiche: 
Schmeller Baiersches Wörterbuch 3. p. 199. Beispiele für das Vor- 
kommen des Wortes in Sachsen bieten zwei Urkunden für das 
Kloster Herzebrok von 860 und 1096: „situli („situlae'') de ce- 
revisia'' Kindlinger Münstersche Beiträge 2. p. 28 und 67; sowie 
das Gorveier Güterregister aus den Jahren 1106 bis 1128: „cere- 
visiam 30 sitularum vel modiorum, et unam situlam mellis ad me- 
donem<< Kindlinger M.B. 2. p. 126. In dem Gapitulare de ViUis 
von 812 cap. 9 bestimmt Kaiser Karl: „volumus, ut nnusquisque 
judex (habeat) in suo ministerio mensuram modiorum, sextariorum, 
et situlas per sextaria octo'' in Pertz Leges 1. p. 182; er rechnet 
also: 1 Situla = 8 Sextarii. Ouörard, Polyptyque de Tabbö Irminon 
1. p. 186 und 197, nimmt unter Karl dem Orofsen an: 1 Fuder 
(carrada) = 8 Modii = 2 X 8 (d.i. 16) Situlae = 8 X 16 (d.i. 
128) Sextarii = 2 X 128 Heminae; und im Register von Irmino 
ist auch Honig nach Modiis und Sextariis verzeichnet; dafs aber 
diese Annahmen Guörards nicht Stich halten, unterliegt keinem 

^) Die Vaticanische Handschrift des Gapitulare Saxonicum schreibt „duos 
»ieios^ und ^una sigla^i ihr Schreiber scheint das Wort nicht zu kennen; 
dicht vorher schreibt er zweimal „de sigule" fQr „de sigale", statt „de secali*'. 



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41 

Zweifel; einzelne Urkunden rechnen 30, andere 33 Sitalae auf das 
Fuder, vgl.Merkel sur LexAlamannorum inMonnm*6er.Leg.3 p.52. 

AIb Maadse fttr Honig, kommen in sächsischen Zinsregistern, 
au&er der ßikla und Situla, vor: der j^sextariua mellis'' und die 
„0in«na mellis'', vgl. das Gonreier OUterregister des Abtes Saraeho 
§• 339. 635. 666. 719; femer: „«ma mellis", im Gorveier Güter- 
register aus dem Beginn des 11. Jahrhunderts, sowie in dem zwi- 
schen 1106 und 1128 verfafsten Gonreier Register, vgl. Rindlinger 
Mttnstersche Beitr. 2. p. 112. 121.133 und 136; ,jamphora mellis*', 
im alten Werdener Zinsregister, in Lacomblet Archiv 2. p. 223 
und 228; und y^embar hanigas'', im alten niederdeutschen Freken* 
horster Heberegister, s. Dorow Denkmäler Bd. 2 im Register. 

Eine Ermittelung der Orö&e der unter diesen einzelnen Aus- 
drücken begriffenen Maafse will mir nicht gelingen; es scheint, 
dafs Situla (Seidel) einen halben Modins bezeichnete, der dann 
wieder in Sextarii zerfiel, und dals dasselbe Maafs Honig ver- 
standen wird, wenn von Sicla, üma, Amphora, Embar (d. i. Eimer) 
die Bede ist. Althochdeutsche Glossen verwenden übereinstimmend 
einbar (Eimer) zur Erklärung von situla, sicla, uma und am- 
phora; vgl. die Gitate bei Graff im Althochdeutschen Sprachschatz 
3. p. 149. Als mittelhochdeutsch verzeichnet Wilh. Müller in Be- 
nekes Mittelhochdeutschem Wörterbuch 1863. Bd. 2. p. 262 sickel, 
und erklärt es mit Verweisung auf Oberlin für ein Maals, das acht 
Sester oder Sextarii enthielt. 

d) Bei Silber machen 12 Denare einen Solidus; 
oder wie die Worte des Gapitulare Saxonicum von 797 lauten: 
„th argento duodecim denarios (bessere ffdenarü^^) solidum /o- 
cfion/^'; das will sagen: sind in Silber Solidi zu gewähren, so 
sollen diese Solidi zu 12 (fränkischen) Denaren gerechnet werden, 
d. h. es sollen dann fränkische Solidi^ oder „Solidi majores'', wie 
sie die Lex Saxonum bezeichnet, gemeint sein, wo für einen So- 
lidus 3 Trimsen oder 12 Denare gezahlt werden, nicht aber 
„Solidi minores'', zu je 2 Trimsen oder 8 Denaren, von denen 
die vorausgehenden Sätze des Gapitulare handeln ^). Dafs in dieser 

^) Die Worte des CapitnUre yon 797 werden erl&utert durch den in der 
oben 8. 33 abgedruckten SteUe der Lex Bipuarionim 36, 12 enthaltenen 



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42 

Weise die Worte zn fassen sind und man nicht in ihnen eine all- 
gemeine Einflihrang von Solidis zu 12 Denaren in Sachsen sehen 
darf ^)i zeigt der Zusammenhang, in welchem die Worte auftreten. 
In dem ganzen auf 8. 33 abgedruckten Capitel 11 des Gapi- 
tnlare Saxonicum handelt es sich, wie dessen Schlnfsworte be- 
weisen, um die Aufstellung von Werthen, zu denen gewisse Qegen- 
stände bei Zahlung von Oompositionen angenommen werden sollten. 
Der Eingang des Gapitels, an dessen Schlnfs die fraglichen Worte 
stehen, sagt: „illud notandum est, quales debent solidi esse Saxo- 
num**; Worte, die ankündigen, die Gegenstände bezeichnen zu wolleoi 
die als Aequivalent fttr einen bei Oompositionen zu zahlenden SolidoB 
zu geben sind; dies geschieht, indem sie festsetzen: 1. dafs ein 
„bos annoticus ... pro uno solide est"^ 2. dafs die West- und 
Nord-Sachsen eine gewisse Anzahl von Scheffeln Hafer und Roggen 
„pro solide uno donant**, und 3. dafs sie eine bezeichnete An- 
zahl Eimer Honig „pro solide donant"; dann 4. heilet es: ,in 
argento duodecim denarii solidum faciant"; und endlich 5. „et 
in aliis speciebus, ad istud pretium omnes aestimationes compo* 
sitionis sunt". Damit ist angeordnet, wie viel 1. an Vieh, 2. an 
Getreide, 3. an Honig, und 4. an Silber zu geben ist, wenn darin 
ein Solidus (bei Zahlung von Oompositionen) gegeben wird; und 
5. gesagt, dafs man sich bei andern Schätzungen von Gegen- 
ständen für eine Oomposition nach den aufgestellten Werthsätzen 
richten solle, d. h. dafs, wenn andere Gegenstände aufser den tari- 

j fingeren Zusats: y^Quodsi com argento solvere contigerit (weregeldum), pro 
solido duodecim denarioB, sicut antiquitus est constitutum*'; rgL Waitz Ueber 
Münzverh. p. 13 und Soetbeer in den Forach. I. p. 561. IV. p. 245. Wenn 
die im 10. Jahrli. geschriebene Corveier Handschr. der Lex Saxonum ffir „in 
argento 12 denarii solidum faciant*^ nur die Worte „in argento XV^ hat, so 
scheint sie den alten Text des GesetKOs nicht mehr verstanden und entstellt 
zu haben. 

^) Dies meint Waitz: „Nach der Eroberung in Sachsen wird hier aU^t' 
mein der neue Solidus eingeführt (Cap. Saxon. a. 797 c 1 1), auch sollen alle 
Zahlungen an den König in solchen erfolgen'^, vgl. Deutsch. Verfassungsgesch. 
1861. 4. p. 68 u. Ueber Münzverh. p. 35 ; desgL Soetbeer: „Im Capitulare 
Saxonicum von 797 wird das fränkische Münzwesen für Sachsen anerkannt» 
indem es am Schlufs desselben heilst : in argento 12 den. solidum faciant^.- 
YgL in Forschungen zur Deutschen Gesch. 1864« in Bd. IV. H. 2. p. 292. 



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43 

firten bei Gompositioneii gegeben werden, diese den aa%eflUirten 
entsprechend abgeschätzt werden sollen. Bei der Annahme, König 
Karl habe im Jahre 797 mit den Worten „in argento 12 denarii 
solidnm facianf* ausdrücken wollen, dafs in allen Fällen, wo in 
Sachsen ein Solidus zu zahlen ist, zwölf Denare zd zahlen seien, d. i. 
ein grofser Solidns, wird völlig abgesehen von dem Zusammenhang, 
in dem die Worte in dem Oapitulare Saxonicum stehen; Vor- 
schriften darüber, wie es im Allgemeinen bei Zahlungen zn halten 
sei, und zu welchen Preisen bei ihnen Naturalprodncte an Zah- 
Inngsstatt anzunehmen seien, enthält das Capitel gar nicht. Aber 
anch daran ist nicht zu denken, dals durch die Worte „in argento 
12 denarii solidum faciant** hätte angeordnet werden sollen, dals 
hinfüro in Sachsen, unter allen bei Gompositionen zn zahlenden 
Solidis, fränkische Solidi von 12 Denaren verstanden sein sollten. 
Das würde eine völlige Umgestaltung der in der Lex Saxonnm 
aufgestellten Bufssätze involvirt haben, da, wie S. 29 erörtert 
wurde, nach ihr bei Wergeldem der Solidus zu 2 Tremisses (d. i. 
zn 8 fränkischen Denaren) gerechnet werden sollte, bei andern 
Balken dagegen zu 3 Tremisses. An sich schon ist es unwahr- 
scheinlich, dafs König Karl im Jahre 797 den Theil der Bnfs- 
snmmen, der nach der Lex Saxonnm in kleinen Solidis zn zahlen 
war, durch eine allgemeine Einführung der Rechnung nach grofsen 
Solidis um die Hälfte erhöht haben sollte, während er bei den 
übrigen Bnfssummen die alten Sätze unverändert stehen liefs; 
auch würde eine solche Abänderung unbedingt speciellere Be- 
stimmungen verlangt haben, um in der Praxis durchgeführt wer- 
den zn können. Entscheidend aber ist, dafs dasselbe Capitel 11 
des Capitulare von 797, welches die Worte „ in argento 12 solidi 
denarinm faciant" enthält, die Werthsätze für Solidi wiederholt, 
welche die Lex Saxonum für kleine Solidi aufstellt, also in der- 
selben' Weise, wie die Lex, neben grofsen Solidis von 12 Denaren, 
ausdrücklich von kleinen Solidis handelt, und die für sie in der 
Lex enthaltenen Taxen von Gegenständen nur weiter specialisirt'). 

^) Die Lex. Sax. c. 66 sagt: „Solidus est duplex: unus habet duo» ire- 
tnisges, quod eai hos anniculus 12 mensium . . .; alter soliduB tres tremisses, 
id est boa 16 mensium; majori solido aliae compositionesy minori faomicidi* 



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44 

No. 5. Ein Zusatz des da Tilletschen Textes zur 
Lex Saxonnm Oapitel 66 (vgl. oben S. 28) bestimmt: 

1 Soli d ns (d. i. ein kleiner Sol. von 2 Trimsen = % fränk. Sei.) 

= 60 Scheffel Hafer ) ^ . ^ ,^ , 

^/^ a i. irr 1 n * ( ^®* Westfalen, Engem 

=3 40 Scheffel Gerste ) , /^ ./, 

»rv o . i.^ « 1^ l ond Ostfalen 

= 30 Scheffel Roggen ) 

= 2 Siciae Honig bei Engern nnd Ostfalen. 
Dem ganzen Zusatz liegt die nnter No.4 oben S.35u.39 besprochene 
Bestimmung des Capitulars von 797 zu Grunde; nur ist der Preis 
des Roggens nnd Hafers, sowie der der Gerste herabgesetzt, und 
bei Wahrung des frttheren gegenseitigen Preisverhältnisses von 
Roggen und Hafer ein gleichmäfsiger Satz für alle drei sKchsi- 
sehen Stämme angenommen; während in Betreff des Honigs der 
im Jahre 797 bei den „Nördlichen'', d. i. den nordöstlichen Sach- 
sen, angesetzte Preis fttr die darunter verstandenen Engem und 
Ostfalen wiederholt ist'), dagegen bei den Westfalen (die in dem 
Capituiare von 797 Bortrenses genannt sind) der Honig ganz über- 
gangen wird. 

No. 6. Ein weiterer Zusatz im du Tilletschen und 
Corveier Text zur Lex Saxonum Oapitel 66 (vgl. oben 
S. 28) bestimmt: 

2 Solidi (d. i. kleine Solidi von 2 Trimsen = V> fränk. Solidi) 

= 1 vierjähriger Ochse („quadrimus bos**). 
2V. Solidi (d.i. kleine Solidi) 

= 1 Pflugstier („duo boves, quibus arari potest, 
5 solidi''). 

3 Solidi (d. i. kleine Solidi) 

= 1 guter Ochse („bos bonus''). 
2% Solidi (d. i. kleine Solidi) 

= 1 Kuh mit ihrem Kalbe („vacca cum vitulo"). 

componuntur^; und das Capit von 797 : „Dlud notandum est, quales deberU 
9olidi esse Scixonuin: id est bovem emnoticum ...; in argento duodedm de- 
narü solidum faciant, ote." 

*) Die Worte ^^apud utrosque^ beziehen eich auf die Engern und Weet- 
üXen, als die beiden culetEt genannten. 



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45 

Diese AnsStie erscheinen als eine weitere AnsfUhrnng der Be- 
stimmungen des Capitulare von 797 über den Werth eines Rin- 
des; da dasselbe, nach Festsetsnng dessen, was unter einem „bos 
annoticns '^ verstanden werden soll, hinsufttgt: „et deineeps quan- 
tam aetatem (bos) anxerit, tantum in pretio crescat''. Da& ein 
▼ieijshriger Ochse sn 2 Solidis gerechnet wurde, war in Sachsen 
altherkömmlich ; die Lex Saxonnm Cap. 34 erw&hnt es gelegent- 
lich beim Furtum. Eine Uebereinstimmung des du Tilletschen 
und Corveischen Textes zeigt sich hier auch bei den Worten, die 
nicht aus dem Capitulare von 797 genommen sind, namentlich bei 
Besprechung des Werthes einer Kuh, so dafs hier beide ans einer 
gemeinsamen Quelle geschöpft haben müssen. 

No. 7. Ein letzter Zusatz der Corveier Handschrift 
am Schlufs des Gapitel 66 der Lex Saxonum (vgl. oben 
8.28) wiederholt Werthbestimmungen der Lex Saxonum: 

1 S 1 i d u s (d. i. ein kleiner Solidus zu 2 Trimsen = V, firttnk. SoL) 
= „vitulus anniculus^'. 

= ,^oviB cum agno, et anniculus agnus ei 
super adjunctus'^ 

Die erse Gleichung ist ihrem Inhalt nach identisch mit dem, 
was der alte Text der Lex Saxonum mit den Worten „solidus 
'est .. bos anniculus 12 mensium'' sagt. 

Die zweite Gleichung scheint nur eine Wiederholung zu sein 
von dem, was die alte Lex anordnet mit: „solidus est ovis cum 
agBO^'; denn die eingeschobenen Worte vom anniculus agnus können 
wohl nur sagen wollen, dafs das Lamm auch noch als Jährling 
dem Mutterschafe zugerechnet wird, bis dieses ein neues Lamm 
hat; man vergleiche die in dem Capitulare von 797 ausgespro- 
chenen Bestimmungen Über das, was unter einem „bos anniculus'' 
verstanden werden sollte, siehe oben S. 34. Kaum denkbar ist 
es, dafs der Corveier Zusatz, seinem Wortlaut entsprechend, 
wirklich hätte sagen sollen, dafs während ein Mutterschaf mit 
seinem eben geborenen Lamme für einen Solidus angenommen 
wurde, derselbe Taxwerth auch festzuhalten sei, wenn aufser dem 
einen Lamm ein zweites früheres, bereits ein Jahr altes, mit dem 
Mutterschaf gegeben wird. 



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46 

Bin üeberblicken des unter Ko. 1 bis No. 7 auf den Seiten 
38 — 46 ttber Werthsfttze Zusammengestellten sseigt, dafs sieh die 
einzelnen Ansätze in der Reihenfolge, wie ich sie anfgesfthlt habe, 
ans einander entwickeln und ei^änzen, mit Ausnahme der in 
§. 16 noch zu erörternden unter No. 1 auf 8. 28 angeführten hohen 
Taxe eines Rindes zu 10 Solidis, in den Gapitulis de partibns 
Saxoniae. loh gewinne daraus folgende Schlüsse: 

a) Die Werthschätzungen der Lex Saxonum (unter 
No. 3 oben 8. 32) bilden die Grundlage für die weiteren Ansätze; 
das Capitulare von 797 (unter No. 4 oben 8. 33) setzt sie 
voraus und führt sie weiter ans; ist also später er- 
lassen als die Lex Saxonum. 

b) Die Zusätze zur Lex Saxonum im du Tilletsc^hen 
und Gorveier Text (unter Nr. 6 — 7 oben S. 44), sind jün- 
ger als das Oapitulare von 797; sie benutzen, indem sie die 
Taxangaben der Lex Saxonum vermehren, das Capitulare von 797. 
Diese Zusätze, die in dem Heroldschen und Spangenbergschen Text 
der Lex Saxonum fehlen, können aber nach ihrer Beschaffenheit, 
die oben im Einzelnen näher erörtert wurde, nur als successiv 
von Privatpersonen in die Handschriften eingeschriebene Zusätze 
gelten. Dafs sie nicht zum alten Text der Lex Saxonum gehören, 
auch nicht etwa bei einer angeblichen Revision der Lex im 
Jahre 802 ihr beigefügt sind, wird durch ihr Fehlen im Spangen- 
bergschen Texte bestätigt, dessen Ursprung nach dem Jahre 802, 
durch die in ihm enthaltenen, oben im §• 1 auf S. 17 besprochenen 
Zusätze, erwiesen ist 

Indem man das gegenseitige Verhältnifs der einzelnen Be- 
stimmungen über Taxwerthe des alten Textes der Lex Saxonum 
cap. 66, des Capitulare Saxonicum von 797 cap. 11, und der Zu- 
sätze im du Tilletschen und Corveischen Text der Lex Saxonum 
cap. 66 nicht beachtete, und davon ausging, dafs auf die Bestim- 
mungen des Capitulare von 797, etwa im Jahre 802 die des 
Capitel 66 der Lex Saxonum gefolgt seien, ohne dabei die Zu- 
sätze im du Tilletschen und Corveischen Text im Capitel 66 der 
Lex von dem alten Text zu unterscheiden, war eine befriedigende 
Deutung ihres Inhaltes unmöglich, und mufsten die Preisangaben 



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47 

dor Capital* de partibtiB Saxoniae, des Capitnlare Sazonietiin and 
der Lex Saxonnm zn nnlösbaren Schwierigkeiten führen, snmal 
wenn dabei anber Acht gelassen wnrde, dals sie nur für Zahlung 
▼OB Gompoeitionen anfgestellt sind, nnd dafs znr Zeit ihrer Ab- 
ÜMBimg die sSchsischen Verhältnisse wesentlich verschieden waren 
von den firSnkischen westlich des Rheines'). 

$• 3. Ber Heroldsche Text der Lex Saxsiui. 

Unbekannt ist es, woher Herold den Text der Lex 
Saxonum nahm, den er in seinen sn Basel 1667 gedmckten 
,yOriginnm ac Oermanicanun antiqaitatnm libri'' yerOffentlicht hat 
Mit „Gärtner, Saxonnm leges tres, Lipsiae 1730'^, p. 9 yorans- 
xosetsen, dafs es ans einer Fnldaer Handschrift geschehen sei, 
oder gar mit „Ganpp, Recht nnd Verfassung der alten Sachsen, 
Breslan 1837'^, p. 76, dafs Herold dabei dieselbe verschollene 
Handschrift benutzt habe, deren er sich bei seiner Ausgabe der 
Lex Salica bediente und die er angeblich aus Fulda erhielt, in 
der also auch die Lex Saxonum gestanden hätte, — dazu fehlt 
es an jeder Berechtigung'). Dais Herold seinen Text nicht aus 

>) Yergleiehe die ErOrterungon von: G&rtner Leges Saxonum tres. 
üpeiAe. 1730 p. 110. 168; Oaupp Das alte Gesets der ThUringer. 1854. 
p.296, und: Recht und Verfassung der alten Sachsen. 1837. p. 88. 224; 
Schaumann, in Geschichte des Nieders&chsischen Volkes 1839. p. 83. 144. 
157. 175. 443, und in der Zeitschrift ftlr Geschichtliche Rechtswissenschaft. 
1842. XL p. 375. 379; Wilda Strafrecht der Germanen. 1842. p. 338; 
Guörard Polyptyque de Pahbö Lrminon. Paris 1844. I. Prol^gomönes p. 144; 
Rettberg Kirchengesch. Deutachlands. 1848. 2. p. 647. 648; Walter 
Deutsche Rechtsgeschichte. 2. Ausg. 1857. 2. p. 380 §.712; J. H. Müller 
Deutsche MOnzgeschichte. 1860. 1. p. 264. 360; Waitz Ueber die Mflna- 
TerhAltnisse in den ftlteren Rechtshüchem des fr&nkischen Reiches. 1861. 
p.36, und: Deutsche Verfassungsgesch. 1861. Bd. 4. p. 68. 72; Soetbeer 
Beitrage sur G^chichte des Geld- und Ifünswesens, in den Forsch, cur 
Deutseh. Gesch.« herausg. von dor Bayersch. Akademie der Wiss. Göttingen 
1861. Bd.L p. 216. 595. 1862. Bd.n. p.327. 1864. Bd. IV. p. 244. 292. 

*) G&rtner p. 9 sagt: „Prodiit (lex Saxonum) primum in lucem typis 
impressa, et ex supellectile hibliothecae collegii Fuldensis descripta, anno 1557 
Basileae, opera B.Joannis Herold^; undGaupp p.77: „Die Heroldsche Samm- 
lung ist ganz oder theilweise einer Handschrift entlehnt, welche man oft 
ohne Weiteres, als eine Foldasche bezeichnet hat, von welcher jedoch He- 



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48 

der Spangenbergachen oder aus der Oorveier Handschrift der Lex 
Saxonnm entnommen hat, zeigt eine g^anere Vergieiehnng des 
Heroldechen Textes mit dem dieser beiden Handschriften^); noch 
weniger aber kann dies ans der einige Jahre vor seinen Origines 
gedmokten da Tilletschen Ausgabe der Lex Saxonnm geschehen 
sein, da Herolds Text an verschiedenen Stellen schwerer zu deu- 
tende nnd unleugbar ältere Lesarten hat; aus denen die bei du Tillet 
durch eine ändernde Hand gebildet zu sein scheinen, vor Allem 
aber indem mehrere für das Verständnifs der Lex nothwendige 
Sätze bei Herold stehen, die bei du Tillet fehlen. Als Beispiel 
für letzteres mag das Capitel 47 (bei Herold Titel VU) dienen, 
wo Herold liest: „postquam mulier filios genuerit, dotem amittai; 
si autem non ffenuerii, ad dies suos dotem possideat^', während 
im Texte von du Tillet die cursiv gedruckten Worte fehlen und 
o£fenbar vom Drucker oder Schreiber desselben ausgelassen sind, 
indem sein Auge von dem ihnen vorausgehenden „genuerit^' anf 
das an ihrem Schlub stehende hinttbersprang. 

Eine für die Beurtheilung des Heroldschen Textes wichtige 
Frage ist es, ob die in ihm vorhandene Eintheilung in 
Titel mit üeberschriften alt ist? — In der Spangenberg- 
sehen und in der Corveier Handschrift, sowie in der du Tilletschen 
Ausgabe der Lex, fehlt die Eintheilung in Titel, die wiederum 
in kleine Paragraphen zerfallen, mit welchen Namen Herold seine 
gröfseren und kleineren Abschnitte belegt; sie zählen die einzelnen, 

rold selbst nur sagt, dafs er sie durch den Fttrstabt Ton Fulda Wolfgang 
erhalten habe''. Herold dankt in seiner Praefatio Verschiedenen, die ihn bei 
seiner Arbeit unterstützt h&tten, und rühmt, dafs: ^^sanctissimi Wolfgangi, 
prineipis Fuldensis, pietate, in manus mihi derenerunt leges Salicae^. Be- 
zweifeln mufs ich nach diesen Worten, dals Herold aufser bei der Heraus- 
gabe der Lex Salica, auch bei der yon andern Leg^ durch Wolfgang unter- 
stützt worden war; in welcher Weise der Abt jenes gethan hatte, ob etwa 
durch Darleihung einer spurlos yerlorenen Fuldaer Handschrift der Lex Sa- 
lica, ist vOUig unbekannt. Merkel Lex Salica, Berlin 1850, p. XCVI glaubt 
annehmen zu können, ohne dafs er daftir Gründe angiebt, dafs Herold 
seiner Ausgabe der Lex Salica eine solche zu Grunde gelegt habe, sein 
Text jedoch „aus der Vereinigung eines über Handschriften aUer Art ge- 
sammelten Apparates hervorgegangen sei*'. 
1) Vgl unten in §. 7. 



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49 

▼iel&ch nur ans eiDem Satse bestehenden kleinen Abatttse der 
Lex, — die ich- dem älteren Spracbgebrancb gemäfs Capitel 
nenne ^) und die grobentheils den Paragraphen bei Herold ent* 
sprechen, ^ rom Anfang der Lex bis zu ihrem Ende ununter- 
brochen fort, ohne daneben gröfaere Gruppen dieser Capitel, die 
ähnliche OegenstXnde behandeln, mit einer ihren Inhalt andeu- 
tenden Ueberschrift zu versehen und sie dadurch als Titel im 
Heroldschen Sinne hinzustellen. Dies Nichtvorhandensein der He- 
roldschen Titeleintheilung in den drei anderen Texten der Lex 
Saxonum spricht dafür, dafs sie dem ursprünglichen Text der 
Lex fremd war; wenn aber Merkel in seiner Ausgabe der Lex 
Saxonum, Berlin 1853, p. 6 annimmt, sie stamme aus dem Jahre 
802 und sei damals auf dem Reichstage zu Aachen gemacht, so 
mufs ich dies meinerseits auf das entschiedenste bestreiten, und 
sweifele nicht, dafs die Titeleintheilung von Herold her- 
rührt, und dafs er auch der Verfasser der Titelttber- 
schriften ist. 

Schon eine Betrachtung der Art, wie die Heroldschen Titel ab- 
getheilt sind, und wie ihre Ueberschriften dem Inhalt der darunter 
znsammengefa&ten Capitel ungenügend entsprechen, führt zu der 
Ansicht, dafs sie später und von einem mit dem altsächsischen 
Recht wenig Vertrauten verfafst sind; man erwäge in Beziehung 
hierauf folgende Fälle: 

Im Heroldschen Text sind zwei Titel als Titel VI 
gezählt, von denen der eine „De conjugiis'^, der andere 
„De haeredibus et vidnis^' überschrieben ist, und jener drei, 
dieser acht Paragraphen enthält; im Inhaltsverzeichnifs vor seinen 
Origines fafst Herold beide Titel als „Titulus VL De con- 
jngiis, haeredibus et viduis" zusammen'). Wäre die He- 
roldsche Titeleintheilung alt, so stände zu vermuthen, dafs der 
zweite Titel VI als Titel VII gezählt, und dem entsprechend die 
Zählung der folgenden Titel fortgeführt wäre; wahrscheinlich be- 
zeichnete aber Herold beim Druck seiner Ausgabe ans Versehen 
zwei Titel als Titel VI, und berichtigte dann im Inhaltsverzeichnifs 

») Vgl. Note 3 u. 4ö in Mon. Germ. Leg. 3. p. 656 u. 684. 
^ Ebenso verfährt Herold in der Lex Fris. Add. Tit. m, vgL Note 45 
in Mon. Germ. Leg. 3. p. 684. 

4 



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60 

Btillschweigend sein Versehen, indem er die beiden Titel als einen 
angab, and ihn mit einer üeberBchrift bezeichnete, die er ans den 
beiden üeberschriften EasammensetEte, die er ihnen im Text ge* 
geben hatte. Darin, dafs Herold die Titelübersehriften nnd Titel- 
Kahlen seines Textes, ohne irgend eine Bemerkung hinznznfttgen, 
in seinem Inhaltsverzeichnifs ändert, scheint mir eine Andentang 
za liegen, dafs sie von !hm herrühren, and er nicht daran dachte, 
sie, als zam Text des Gesetzes gehörend, hinstellen za wollen. 

Als „Titalas V^ der Lex, mit einer ünterabtheilnng in 
20 „Paragraphen", sind in Herolds Aasgabe Sätze zosammen- 
gefafst, die in den drei anderen Texten die ersten 13 Capitel der 
Lex aasmachen. Der Titel führt die Ueberschrift „De valne- 
ribas"; sie pafst nicht für die daranter stehenden 13 Oapitel, 
indem in ihnen Bafssammen fttr Verletzangen anfgeführt sind, 
von denen mehrere nichts weniger als „Valnera" sind, and anch in 
keiner älteren deatschen Qaelle so genannt sein würden. Dies gilt 
vom Capitel 6, welches von der Bnfse fttr Zerhaaen eines Gewandes 
oder Schildes handelt, ferner von Oapitel 7, wo die Bnfse für einen 
Haargriff, von Capitel 8, wo für üeberfall mit gezücktem Schwert, 
nnd von den Capiteln 9 and 10, wo die Bnfse für mehr oder 
minder lebensgefährliches Werfen ins Wasser angegeben ist. 

Als „Titalas IL De homicidiis" erscheinen bei Herold 
10 weitere Paragraphen, die in den drei anderen Texten als die 
Capitel 14 - 23 der Lex bezeicbhet sind. Weder die Absonderung 
der Capitel 13 — 23 von den ihnen vorausgehenden zu einem be- 
sonderen Titel, noch die ueberschrift des Titels entspricht dem 
Inhalt derselben. Offenbar ist die Vorschrift des Heroldschen 
Titel U §. 2 (d. i. des Capitel 15) nicht nur auf das im Herold- 
schen Titel U §. 1 (d. i. im Capitel 14) Gesagte zu beziehen, son- 
dern auch auf die dem Paragraphen vorausgehenden, bei Herold 
zu Titel I geschlagenen und von Titel II getrennten Satzangen: 
der §. 1 von Titel II giebt das Wergeid eines Nobilis an, und 
§. 2 von Titel II lautet: „quicquid de superioribus factis in foe- 
minam committitur, si virgo fuerit dupliciter conponatur, si jam 
enixa simpliciter conponatur'^; unter den „superioribus factis '', 
die hei einer Jungfrau doppelt gebüfst werden sollen, sind die 



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61 

vorher in Herolds Titel I verzeiehneten Verletsiingen nebst der 
in Herolds Titel II §. 1 erwähnten Tödtiug gemeint; die Abson- 
derung der einseinen vorausgehenden Satzungen in zwei, als Titel I 
und Titel II; getrennte Gruppen, entspricht somit nicht der Auf- 
&8sung der Lex Saxonnm. Aber auch die über dem Titel U 
stehende üeberschrift „De homicidiis'' ist dem Inhalt der darin 
verbundenen Oapitel nicht angemessen, indem der §. 7 des Titel U 
(das Capitel 20) vom Plagium und der §. 9 des Titel U (das 
Capitel 22} vom Meineid handelt. 

Als ;;Titulus in. De conjnratione et laesa domi* 
natione*', sind bei Herold die Capitula 24—28 der Lex zusammen- 
gefaßt Die 4 ersten der 5, unter der seltsamen üeberschrift ver- 
bundenen Capitel, würden auch unter der Üeberschrift des Tit U 
y,De homicidiis'' einen Platz finden können, das letzte zum Tit UI 
gezogene Capitel aber steht in gar keiner Beziehung zu der üeber- 
schrift desselben, indem es ausspricht, dafs ein zum Tode Ver- 
nrtheilter keinen Frieden hat, und ausgeliefert werden soll, wenn 
er in eine Kirche flieht. 

Ich unterlasse es die weiteren Titeleintheilnngen und Tit^- 
Überschriften des Heroldschen Textes in Shnlicher Weise zu durch- 
mustern; eine unten in §. 7 eingerückte Zusammenstellung der 
Eintheilung der Lex Saxonum in den 4 uns erhaltenen Texten 
zeigt, welche und wie viele Capitel der drei anderen Texte in 
Herolds Ausgabe als einzelne Tit<# zusammengefafst sind, und es 
ergiebt sich aus ihr, dafs die ersten Heroldschen Titel eine grSfsere 
Anzahl von Capiteln der Lex in sich vereinen, die späteren da- 
gegen so kurz sind, dafs fast jedes kleine Capitel der anderen 
Texte einen besonderen Titel, mit einer wenig geeigneten üeber- 
schrift, bildet; zum Beispiel: Titel XUI „De eo qui animal 
laeserit'S d. i. Capitel 60; Titel XV „De terra aliena 
invasa«, d.i. Capitel 63; Titel XVII „De liti conjugio« 
d. i. Capitel 65. Mit gleicher Berechtigung wie im Beginn der 
Lex Saxonum h&tten sich auch in dem späteren Theil derselben 
gröfsere Titel bilden lassen durch ein Zusammenfassen mehrerer 
der kurzen Heroldschen Titel, z. B. ein grOfserer Titel ans He- 
rolds kleinen Titeln XI-^XUI (d. i. den Capiteln 54—60); aller- 

4» 



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62 

dingt aber nrabten bei der wenig geordneten Reihenfolge , in 
weleher die Lex die einseinen OegenBtXnde behandelt, alle Ver- 
Buehe Bcheitem, sie in gröfsere Gmppen von ttbereinstimmendem 
Inhalt zu theilen nnd diese mit passenden Ueberschriften aossn- 
statten. Ich glaube nicht kq irren, wenn ich darin, dals gegen 
den Bchlals der Lex Saxonum im Heroldschen Text der ümfiing 
der einzelnen Titel ein immer geringerer wird, eine Besti&tignng 
finde, dafs die ganze Eintheilung in Titel mit Ueberschriften erst 
späteren Ursprungs ist; der Versuch, sie durchzuführen, wollte dem 
Urheber nicht gelingen, nnd dies veranlafste ihn, die spKteren 
Titel aus weniger Sätzen zu bilden, und ihnen wortreichere Ueber- 
schriften SU geben, als er es beabsichtigt und im Anfang der Lex 
gethan hatte. 

Einen speciellen Orund dafUr, dafs Herold die Titel und 
TitelUberschriften in seinem Text der Lex Saxonum fabri- 
cirt hat, sehe ich in der Uebereinstimmung der Titel- 
Überschriften, die in seinen Abdrücken der Lex Saxo- 
num, der Lex Thuringorum und der Lex Frisionnm 
vorhanden sind. Man vergleiche folgende Beispiele: 
:„de delictis servorum^ Titulus X legis Sax. (cap. 50 — 53). 

^de ddicHs servorum'' Titulus XVII legis Thnr. (cap. 59). 

„de ddieto servorum^ Titulus XII legis Fris. 
Keine der drei angeführten Ueberschriften findet sich in einer 
der uns erhaltenen Handschrift^ ; keine der drei Leges verwendet 
das Wort delictum. 
:„de conjugiis** Titulus VI legis Sax. (cap. 40). 

,,de liti conjugio" Titulus XVII legis Sax. (cap. 65). 

,,de canifugüs ignoratis'' Titulus VI legis Fris. 
Weder die Lex Saxonum, noeh die Lex Frisionum, bedient sich 
des Wortes conjngtum; in den Capitulis de partibus Saxoniae 
cap. 20 ist von einem „prohibitum vel inlicitum coiyugium'' die 
Rede. 
:„de conjuratione et laesa dominatione'< Titulus UI legis Sax. 
(cap. 24—28). 

„de eo qui animal laesent^^ Titulus XIII legis Sax. (cap. 60). 

„de animali alieno laeso^^ TitXVIU legis Thur. (cap. 60 u. 61). 



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53 

„de icta laests^^ Titnlus II legis Thur. (cap. 4 u. ö). 

,,de tranBpnnctione et membris laesis** Titalns VI legis Thor, 
(cap. 10— 26). 
Das Wort ,,laedere'^ erschien dem Herold als geeignet; am ganz 
allgemein jede Art von Verletanng auszudrücken, und so verwendet 
er es zu Ueberschriften von Sätzen mit sehr verschiedenem In- 
halt , ohne dafs es die Leges in diesen SStzen brauchen , oder 
Überhaupt in ähnlicher Weise verwenden. 
:„de vnlneribus'^ Titulus I legis Sax. (cap. 1—13). 

„de tndneHbw^* Titulus HI legis Thur. (cap. 6 u. 7). 

;,compositio vulnerum^* Titulus II Add. legis Fris. 
Dafs die üeberschrift ;,de vulneribus^^ in der Lex Saxonnm nicht 
dem Inhalt aller der darunter znsammengefafsten Gapitel ent- 
spricht, wurde 8.50 erörtert; in Herolds Handschrift der Lex 
Frisionum scheinen die Worte ,,compositio vulnerum^' gestanden 
SU haben, von ihm aber unrichtig für seinen Titel II verwendet 
zu sein, während sie sich auf die von ihm unter die Titel H u.IH 
vertheilten Sätze bezogen , vgl. meine Note 34 in Monum. Oerm. 
Leg. 3. p. 683. 
:„de homicidiis^' Titulus H legis Sax. (cap. 14 — 23). 

„de hamieidüs*^ Titulus I legis Thur. (cap. 1). 

„de homiddns^* Titulus I legis Fns. 
Herolds Text der Lex Frisionum zerreifst die ersten Worte der 
Lex Frisionum ,,Et haec est simpla compositio de homicidiis'', 
setzt „et haec est simpla compositio '< als Üeberschrift über die 
ganze Lex Frisionum, und gewinnt dadurch für den Titel I die 
Üeberschrift „De homicidiis'^, die Herold auch im Index seines 
Origines für den Titel I der Lex Frisionum wiederholt. Dafs in 
der Lex Saxonum die Titelüberschrift „De homicidio'^ später ein- 
geschoben sein dürfte, da sie dem Inhalt der unter ihr zusammen- 
gefafsten Capitel nicht entspricht, und den Titel II von dem Titel I 
trennt, während der Titel II §. 2 (d. i. Capitel 15) zeigt, dafs die 
unter die beiden Titel vertheilten Sätze zusammeugehören, wurde 
oben S. 51 besprochen. 

Aus Allem geht hervor, dafs Herold beflissen war, seinen 
Texten der verschiedenen Leges äufserlich ein ähnliches Ansehen 



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54 

zu geben. £r theilt sie in Titel, er besseichnet die einaelnen Ab* 
Bfttze, die in den LegeB selbst Capitnla genannt werden^), als 
Paragraphen y nnd rückt in den Text am Anfang seiner Absätze 
ein ausgeschriebenes ,, Paragraph '^ ein, als Bezeichnung für die 
Yon ihm numerirten Abtheilnngen seiner einzelnen Titel, denen 
er Übereinstimmend üeberschriften giebt. — Nicht zu bezweifeln 
scheint es mir, dafe Herold auch in die Texte der andern, in 
seinen Origines abgedruckten Leges, selbstverfafste Titelttber- 
Schriften eingeschoben hat; wenn ich auch daneben einräume, 
dafs er manche seiner Titelttberschriften in einzelnen Leges aus 
den von ihm fttr sie benutzten Handschriften aufgenommen hat'), 
um aber eine äuCsere Aehnlichkeit der einzelnen abgedruckten 
Leges zu erlangen und die üebersichtlichkeit derselben zu for- 
dern, führte Herold eine durchgehende Titeleintheilung in den 
Leges ein, und setzte über jeden Titel eine Ueberschrift, die er 
in den meisten Fällen genöthigt war, selbst abzufassen^ da die 



>) Vgl. oben p. 49 Note 1. 

^ Offenbar standen zum Beispiel in der von Herold bei Herausgabe 
der Lex Frisionum gebrauchten Handschrift die von ihm als Titelüberschriften 
hingestellten Worte: Forresni (Titel II), Thiubda (Titel HI), De Brand (Titel 
VII), De Notnumfti (Titel VIII), De Farlegani (Titel IX), De Mordrito 
(Titel XX), De Dolg (Titel XXII). Ferner standen gewifs in Herolds Hand- 
schrift der Lex Thuringorum, die Worte „De alodibus'*, die er als Ueber- 
schrift seines Titel VE (d. i. vor Capitel 26) giebt, wie sie in der Corveier 
Handschrift enthalten sind; desgleichen die Worte „De furtis** (Titel Vm, 
d. i. vor Capitel 36), „De incendio" (Titel IX, d. i. vor Capitel 43), „De vi** 
(Titel XI, d.i. vor Capitel 46), „De minoribus causis" (Titel XIII, d.L vor 
Capitel 53), die insgesammt auch die Corveier Handschrift gew&hrt. Da(s 
aber diese Worte, wenn sie in den Originaltexten der Leges standen, nicht 
üeberschriften für alle die von Herold ihnen subsumirten Capitel haben sein 
sollen, zeigt sich in mehreren Fällen sehr deutlich; man vergleiche eum 
Beispiel die einseinen Capitel, die bei Herold als Titel XI der Lex Thurin- 
gorum unter der Ueberschrift „De vi** zusammengefalst sind: der erste Pa- 
ragraph (d. i. Capitel 46) des Titels handelt, seiner Ueberschrift entsprechend, 
von Frauenraub; die folgenden Paragraphen dagegen von Verheirathung einer 
Frau ohne Einwilligung ihres Vormundes (Cap. 47) ; von Tödtung einer Frau 
(Cap. 48. 49); von Tödtung eines Mannes in seinem Gehöft (Cap. 50); von 
nicht gewollter zuftüliger Verwundung oder Tödtung eines Mannes (Cap. 51). 



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66 

Haadsehriften nur aasnahmsweise dazu Verwendbares darboten; 
daia ihm dies oft nicht sonderlich glückte, kann nicht befremden ^). 
Scheide ich nun, diesen Erörternngen entsprechend, im He- 
roldschen Text der Lex Saxonnm die Titelttberschriften als von 
Herold herrührend ans, und snche mir dann den Werth der ihm 
SU Grande liegenden Handschrift der Lex klar sn machen, so 
mufs ich sie für eine vortreffliche halten nnd ihr den ersten Plats 
unter den vier Handschriften einräumen, aus denen die ans er- 
haltenen Texte der Lex Saxonnm herstammen. Nur in einigen 
wenigen Stellen kann, meines Erachtens, der Heroldsche Text der 
Lex Saxonum darch Aufnahme von abweichenden Lesarten, aus 
einem der drei anderen Texte berichtigt werden, während eine 
grobe Anzahl von Lesefehlern, Schreibfehlern und Anslassungen, 
die jene Texte mehr oder weniger entstellen, im Heroldschen 
Text nicht vorhanden ist. Ansunehmen, dafs die Güte des He- 
roldschen Textes sich daraus erklSre, dafs Herold ihn ans verschie- 
denen Handschriften der Lex Saxonum combinirt habe (wie dies 
Merkel bei Herolds Text der Lex Salica behauptet), sehe ich keine 
Veranlassung, und glaube sogar, dafs Herold eine so umfassende 
Kenntnifs des zu seiner Zeit erst wenig bearbeiteten älteren deut- 
schen Rechtes nicht besafs und auch nicbt besitzen konnte, wie 

^) In Betreff der Heroldschen Titelüberschriften in der Lex Frisionum 
yerweise ich anf meine Erörterungen in den Monom. Germ. Leg. 3. p. 656 
n. 2. p. 683 n.34. n. p.684 n.45. Aus der Lex Thuringorum bestätigen es die 
folgenden Ueberschriften : „De ictu laesis** Tit. II, „De viDneribns'* Tit. m, 
„De fraetara ossium^ Tit. IV, „De ossis fractura in libero" Tit. V, „De 
transpunctione et membris laesis'^ Tit. VI. Die angefahrten Heroldschen 
Titel II— VI der Lex Thuringorum handeln von Körperverletzungen: Titel HI 
(d. i. Capitel 6 und 7) von blutfliefsenden Wunden, und zwar zuerst bei einem 
Adaling, dann bei einem Freien ; Titel IV (d. i. Capitel 8) von Schädelbrüchen 
bei einem Adaling, und Titel V (d.i. Capitel 9) bei einem Freien; Titel VI 
(d. i. Capitel 10 — 25) von einer grofsen Anzahl von Körperverletzungen bei 
Adalingen und Freien, für deren Bezeichnung die angeführte Ueberschrift 
des Titels weder genügt noch paTst, indem z. B. der Verlust von Auge, 
ya»e, Ohr, Hand, FuTs, nicht wohl unter „membris laesis'* verstanden sein 
kann. Besonders auffallen mufs Herolds TJeberschrift „De potestate testandi^ 
über Titel XIV (d.i. Capitel 54) der Lex Thur.; der ganze Titel sagt nur: 
„Libero homini liceat hereditatem suam cui voluerit tradere". 



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56 

C 

sie erforderlich gewesen wSre, nm durch ein derartiges Verfahren 
einen Text herzustellen, wie er in seiner Ausgabe der Lex Saxo- 
num vorliegt. 

Anmerlcung über Herolds Text der Lex Saxonum, 

a) Aenderungen Herolds. Für unzweifelhaft halte ich es, 
dafs Herold, indem er den Text seiner Handschrift der Lex Saxooum 
abdrucken liefs, manche kleine Aenderungen, namentlich an den in 
ihr gebrauchten lateinischen Wortformen vorgenommen hat: 
arge Verstöfse gegen Genns, Declination, Conjugation und dergleichen 
Fehler wird er beseitigt, wird zum Beispiel „mulcta" für „multa**, „com- 
ponere" för „conponere" (oder „coponere") gesetzt, und andere ähn- 
liche Berichtigungen gemacht haben, zu denen er Bich als Herausgeber 
der Lex fiir berechtigt hielt. Sodann dürfte Herold bei seinem Abdruck 
die Verbindung und Abtheilung der einzelnen Sätze viel- 
fach geändert haben; manche Satzverbindungen und Paragraphentren- 
nungen, die unbedingt falsch sind, mOgen ihm und nicht der von ihm 
benutzten Handschrift zur Last fallen ; zum Beispiel, wenn bei Herold 
im Capitel 62 (d.i. in Herolds Titel XIV) mit dem „nisi^ welches 
die zweite Hälfte des letzten Satzes beginnt, dem Sinne der Stelle zu- 
wider, ein §. 3 des Heroldschen Titel XIV anfangt; oder w^nn bei 
Herold im Capitel 65 (d. i. Herolds Titel XVII) der Satz, der das Ca- 
pitel bildet, sinnstörend in zwei Paragraphen zerrissen ist. Auch die 
Umstellung von Capitel 57 (d.i. bei Herold Titel XII) hinter Ca- 
pitel 59 (d. i. bei Herold Titel XI §. 5) möchte ich Herold zuschreiben, 
und aus seiner Eintbeilung der Lex in Titel, denen er Ueberschriften 
gab, erklären : die Capitel 58 und 59 liefsen sich mit den Capiteln 54 
bis 56 unter die dem Titel XI gegebene Ueberschrift „ De damno casu 
illato*' subsumiren; bei dem Capitel 57 erschien dies als nicht thunlich, 
und so wurde es hinter die Capitel 58 und 59 geschoben, mit der 
Ueberschrift „De animali, quod damnum dat" ausgestattet, und als 
Titel XII bezeichnet»). — Die Eintheilung des Textes in Titel, 

») In ähnlicher Weise hat meines Daftlrhaltens Herold in seinem Ab- 
druck der Lex Thuringonim das im Con'eier Codex hinter Capitel 43 fol- 
gende Capitel 44 diesem vorangesetzt: die Ueberschrift „De incendio" von 
Capitel 43 (odor Titel IX hei Herold) entsprach nicht dem Inhalt von Ca- 
pitel 44, vrahrend Herold dieses Capitel als Paragraph 9 seinem Capitel YHI 
^De ^rto"" zurechnen zu können glaubte. Aehnlich scheint mir Herold in 
der Lex Thuringorum die §§. 8 und 9 seines Tit^l XI, die im Corveier Codex 
weiter gegen das Ende der Lex als Capitel 58 und 57 vereinzelt folgen, 



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57 

die ieh als Yon Herold herrfihrend glaubte annebmen zn mflsseii, wird 
ihm als eine dem Herausgeber zustehende Befugnifs erschienen sein, 
und die den einzelnen Titeln gegebenen Ueberschriften wollte er 
offenbar nicht als zum Text gehörend betrachtet wissen, vgl. S. 60. 
Im Uebrigen scheint Herold beflissen gewesen zu sein, den Text seiner 
Handschrift treu wiederzugeben, wie denn auch sein Verfahren bei 
Herausgabe anderer Leges in seinen Origines daf&r spricht, dafs er 
sich nicht ftlr befugt hielt, Oonjecturen in den Text aufzunehmen, 
wenn er sie auch für geboten erachtete. Als Beispiele fär letzteres 
ftthre ich an: in der Lex Thuringorum Titel VII §. 3 (d.i. Capitel 28) 
zu den Worten „si autem nee filiam non habnit, soror etc.'' bemerkt 
Herold „xioiiy redundat*', stöfst aber das ttberflflssige „non** nicht aus 
dem Text; in einer Note zu Lex Frisionum Add. Titel II §. 39 giebt 
Herold an, dafs in den Worten „Sic crimen alteri de capite abstraxerit'' 
das sinnlose „crimen'' in „crinem'* zu emendiren ist*); in einer Note 
zu Lex Burgundionum Titel I berichtigt Herold in den Worten „muni- 
ficentia dominandi'* das cursiv gedruckte „dominandi" in „donandi'^] 
zu Lex Ripuariomm V, 5 „si pollex mancus pendiderii^ notirt Herold 
am Rande: „pendiderit, pro pepederH*^\ u. s. w. 

6) Als schlechtere Lesarten des Heroldschen Textes 
fßhre ich folgende an: in Cap. 3 „cum 120 solid.", wo das ftcum^ in 
den andern Texten fehlt und zu tilgen ist. — In Cap. 8 „in..sua 
arm ata juret", wie auch das Spangenbergsche Manuscript liest, wo 
ich statt „armata", das im Gorveier Manuscript und in der du Tilletschen 
Ausgabe stehende „arma^, fttr die ursprfingliche Lesart halte. ^ In 
Gap. 9 „si quis alium de ponte vel manu . . in fiumen impinxerit", 
wo fttr „manu" die andern Texte richtig „Ytot^t" lesen. ~ In Gap. 11 
„Qni oculum suum excusserit, DGXX solid, componat, si ambos 
MCCGGXL sol.", wo statt 620 Solidi zu lesen ist: „720 solidi^, wie im 
Spangenbergschen Manuscript steht. — In Gap. 11 „Similiter de ma- 
nibus ..., testiculussi unus abscissus fuerit etc.", wo ich das für 
„testiculus" im Spangenbergschen Manuscript stehende j^testiculis" für 
richtiger halte, vergleiche aber den Text des Tilius, unten §. 5. — 
In Gap. 19 „Si raordum totum quis fecerit" bei Herold, und Über- 
einstimmend im Spangenbergschen Manuscript, aus „mor<i-iotum*^ ent- 

heraufgenommen und hinter Capitel 51 des Corveicr Codex eingeftlgt eu 
haben; ihr Inhalt schien ihm dem Sinne der Worte ^De vi'* zu entsprechen, 
die er ala Ueberschrift fta Titel XI benutste. 

*) Ich emendirc „Si quis crinem altori etc.'^, vgl. Mon. Germ. Leg. 3« 
p. 687. n. 88. 



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58 

stellt; das Gorveier Manascript liest „mord-dotam" nnd Tilios „mordri- 
toton^ — • In Gap. 22 »Qa! nesciens*' bei Herold, übereinstimmend mit 
der Ausgabe des Tilius and dem Inbaltsverzeicbnirs des Spangenberg- 
sehen Manascripts, wäbrend die I^sart „et qui nesciens** im Text des 
Spangenbergscben Manascripts und im Gorveier Manuscript den Vorzug 
verdienen wird. — In Gap. 47n. 48„Angrarii", welches eine schlech- 
tere Lesart filr „AngcfrU" im Gorveier Godex zu sein scheint, rührt 
vielleicht nur von Herold her. — In Gap. 48 „apud Ostfalos^ für 
j,Osifalaos*'y wie der Gorveier und Spangenbergsche Godex lesen, und 
auch bei Herold in Gapitel 47 steht. ~ In Gapitel 51 „utputa homi- 
cidium aut furtum", wo das nur bei Herold stehende »aut" dem Sinn 
der Stelle entspricht, im Originaltext aber nicht gestanden haben dürfte, 
da es im Gorveier und Spangenberg. Godex, sowie bei Tilius fehlt. ^ 
In Gap. 61 „traditiones et uinditiones** verdruckt oder verschrieben 
aus „vendiiiones^f wie die andern Texte haben. — In Gap. 64 in den 
Worten „si ille (eam) emere noluerit", fehlt bei Herold das neam^, 
welches in den andern Texten steht. 

Als unrichtig ist mehrfach das Fredum von 4 Solidis im G^>. 36 der 
Lex (d.i. bei Herold in Tit IV §.8) bezeichnet worden, indem das Fredum 
des Nobilis zu 12 Solidis, das des Liber zu 6 Solidis und des Litus zu 4 So- 
lidis angegeben ist. Neuere haben die 4 Solidi, dem Anschein nach mit 
gutem Grunde, in 3 Solidi ändern wollen; vgl. Wilda Strafrecht der 
Germanen p. 437 und G. Maurer Ueber das Wesen des ältesten deutschen 
Adels. München 1846. p. 118. Da aber nicht nur im Heroldschen Text 
das Fredum des Litns zu 4 Solidis angegeben ist, sondern überein- 
stimmend mit ihm im Gorveier und im Spangenbergscben Godex, so- 
wie in der du Tilletschen Ausgabe, so würde der Fehler nicht speciell 
der Heroldschen Handschrift angehören, sondern einer gemeinsamen 
Quelle der vier Handschriften, die wir von der Lex Saxonum besitzen. 

§. I. Der Text der Gerveler Handschrift. 

Einer genaueren Erörterung mufs ich hier die Zusätze unter- 
ziehen, die id der Gorveier Handschrift der Lex Saxonum ent- 
halten sind, indem ihre Benrtheilnng für die Bestimmung der Ab- 
fassungszeit der Lex von reeller Bedeutung ist. 

1. Bereits in §.2 habe ich ausgeführt, dafs die Gorveier 
Handschrift der Lex Saxonum, von deren Alter, Inhalt 
und Beschaffenheit eine Anmerkung am Ende dieses Paragraphen 



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59 

■pecieller handelt, an ihrem Sohlufs ZnBtttie ttberWerth- 
bestimmangen enthält, die dem Originaltext der Lex 
fremd gewesen sein müssen: sie fehlen in der Heroldsehen 
Aasgabe nnd in der Spangenbergsehen Handsehrift der Lex, und 
sind zum Theil wörtlich aus dem Capitulare ßaxoniciim von 797 
entlehnt, vergl. 8. 28 und 8. 46. 

2. Eine andere, änfserlich sehr anfPallende, Verschieden- 
heit des Textes der Lex Saxonum in der Corveier 
Handschrift von den drei andern Texten derselben besteht 
darin, dafs in ihm mit der Lex Saxonum der gröfsere 
Theil der Lex Thuringorum verbunden ist, und als ein 
Bestandtheil derselben erscheint. Unmittelbar hinter den lotsten 
Worten der Lex Saxonum, und zwar hinter den soeben (unter 
No. 1) erwähnten, dem Original derselben fremden Zusätzen über 
Werthbestimmungen, folgen die der Lex Thuringorum angehören- 
den Capitel 26 — 61, welche in der Heroldschen Ausgabe dieser 
Lex als Titel VII -- XVIII bezeichnet sind. Dafs diese Oapitel| 
Qber deren erstem in der Corveier Handschrift, wie in der He- 
roldschen Ausgabe, die üeberschrift „De alodibus*' steht, zur Lex 
Thuringorum gehören, war dem Schreiber der Corveier Handschrift 
anbekannt Er schliefst den Text der fraglichen Capitel 26 — ^61 
(d. i. der Heroldschen Titel VII -XVIII) mit den Worten „Finis 
appendicis legum Saxonum *', und sieht also in ihnen einen 
Anhang zur Lex Saxonum, während er den ersten Theil der He- 
roldschen „Lex Angliorum et Werinorum, hoc est Thuringorum^ 
oder die Titel I — VI derselben (d.i. der Capitel 1 — 25 der Lex 
Thuringorum) für ein thüringisches Oeeets hält, und hinter jenem 
9 Appendix*' der Lex Saxonum unter der üeberschrift „Lex Thu- 
ringorum*' folgen läfst. 

Dartiber, dafs der Schreiber der Corveischen Handschrift irrte, 
indem er die gröfsere Hälfte der Lex Thuringorum für einen An- 
hang der Lex Saxonum ansah, kann kein Bedenken obwalten; es 
ist ein einfaches Versehen, und zwar ein ganz gleiches, wie das- 
jenige, dessen der Schreiber der Heroldschen Handschrift der 
Lex Thuringorum sich schuldig machte, indem er hinter den Ti- 
teln I bis VI, elf von Herold als Titel VI §. 14 bis 24 bezeichnete 



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60 

Capitely seiner Abschrift der Lex Thnringorom einfUgte, die, wie 
ihr Inhalt erweist, zur Lex Frisionum gehören, and dem entspre- 
chend völlig richtig in der Gorveier Handschrift fehlen, die nur 
die Lex Saxonum nnd die Lex Thnringoram, nicht aber die Lex 
Frisionnm enthält^). — Wenn E. Spangenberg, „BeitrSge m 
den teutschen Rechten des Mittelalters, Halle 1822<< p. 179 und 
Paul Wigand im Archiv der Gesellschaft für ältere deatsche 6e- 
schichtskunde, Frankfurt 1822, 4. p. 347, sowie in dem Buche 
über das Femgericht, Hamm 1825 p. 48, indem sie zuerst Mii- 
theilungen über die Gorveier Handschrift machten, behaupteten, 
es seien die in ihr der Lex Saxonum als Appendix beigefttgten 
Gapitel, wirklich ein Theil derselben, so ist das längst widerlegt 
worden. Kraut, in Dalwigk Eranien zum Deutschen Recht (fort- 
gesetzt von Falck, Heidelberg 1828) Lieferung 3. p. 145, machte 
zuerst dagegen geltend, dafs dann in der Lex Saxonum und in 
deren Appendix dieselben Gegenstände behandelt wären; sodann 
führte Gaupp, Das alte Gesetz der Thüringer, Breslau 1834 
p. 287, aus, dafs das Recht des vermeintlichen Appendix kein 
sächsisches Recht ist; und Wilda, Strafrecht der Germanen, 
Halle 1842 p. 105. 358. 363. 746 u. 755, that dar, dafs die Grund- 
zahlen der Bnfssätze im Appendix von denen der Bufssätze der Lex 
Saxonum verschieden sind. 

3. Einen ferneren Zusatz zum Originaltext der Lex 
Saxonum finde ich in der Gorveier Handschrift in 
den Worten „Lex Francorum^', die über dem Gapitel 24 
der Lex stehen, und in den Ausgaben von Herold und von du Tiilet, 
sowie in der Spangenbergschen Handschrift fehlen. 



^) Als ich diese elf Gapitel ^ welche überschrieben sind „Haec judicia 
Wulemarus dictavit'', aus dem Heroldschen Text der Lex Thuringorum in 
den Text der Lex Frisionum in meiner Aufgabe derselben in den Monu- 
mentis Genn. Leg. 3 p. 698 aufnahm, und p. 654 die Gründe dafür su- 
sammenatellte , h&tte ich nicht unerwähnt lassen sollen, dafs ganjB in der- 
selben Weise, wie in der Herolddchcn Handschrift ein Theil der Lex Fri- 
sionum in der Lex Thuringorimi eingerückt ist, der Schreiber der Correier 
Handschrift einen Theil der Lex Thuringorum mit der Lex Saxonum ver- 
bunden hat. 



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61 

Das C^itel 24, mit dem bei Herold der Titel HI ^^De eon« 
jnntione et laesa dominatione'^ beginoty lautet: »^Qui in regnum 
yel in regem Franeorum, vel filioa ejus de morte consiliataa faerit, 
eapite pnaiatnr''. Hieran reihen sich dann unmittelbar die beiden 
folgenden Sfttse, welche die Capitel 25 and 26 bilden: y,Qui do- 
minum raum occiderit, eapite puniatur'' (cap. 25), und ,|Qui filium 
domini Bui occiderit, vel filiam aut uxorem aut matrem stnpra- 
verity juxta voluntatem domini oecidatur'^ (cap. 26). Meiner üeber* 
sengung nach, will die üeberschrift „Lex Francorum'' nur den 
Ursprung der eben eiogerttekten Sätse angeben; sie will sageui 
da(s das in den Capiteln 24 — 26 enthaltene Recht von dem Franken- 
kSnige in Sachsen durch eine besondere Lex eingeführt ist, die 
als„LexFranoorum<' bezeichnet wird, eine Beieichnung, die sich 
in jeder Weise rechtfertigt, da, wie ich unten in §. 10 weiter aus- 
flihren werde, der Inhalt der Capitel 24 — 26 aus dem Capitulare 
Karl des Orofisen stammt, welches zuerst die Verhältnisse des ihm 
unterworfenen Sachsens als eines fränkischen Landes ordnete, 
und in der einzigen Handschrift, in der es uns erbalten ist, die 
Üeberschrift ftthrt: „Capitula, quae de partibus Saxoniae consti- 
tnta BuntO''. 

Dieser einfachen naheliegenden Erklärung gegenüber haben 
melffere Sehriftsteller den Worten .„Lex Francomm" im Corveier 
Manuscript eine weit umfassendere Bedeutung vindiciren zu müssen 
gemeint Nicht auf die angeführten drei kurzen Sätse oder Capitel, 
die unmittelbar hinter den Worten stehen, wollten Spangenberg und 
Wigand diese als üeberschrift bezogen wissen, sondern auf die 
sämmtlichen folgenden Capitel der Lex Saxonum, s. Spangenberg 



1) Eine andere mögliclie mir weniger zusagende Deutnng der Üeber- 
schrift ,»Lex Franc or um'' über dem Capitel 24 wäre, dafs sie sich nur 
auf diesee kurze. Capitel bezieht, und sagen will: dies ist das Recht der 
Franken; wer gegen das Beich oder den König der Franken, oder das 
Leben seiner Söhne conspirirt, wird mit dem Tode bestraft. In der Corveier 
Handschrift finden Hieb auch in andern Volksrechten Ueberschriften über 
einsehien nnr aus einem kurzen Satz bestehenden Capiteln, die deren Inhalt 
angeben, z. B. in der Lex Thuringorum über dem Capitel 43 (bei Herold: 
Titel IX) die Üeberschrift „De incendio''. 



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BeitrSge 1822 p. 181 und Wigand im Archiv für ältere deatoche 
Gesohichtsknnde 1822. 4. p. 346 und Femgericht p. 48. Ja Merkel 
ging 80 weit; dafs er nicht nur den ganzen folgenden Theil der 
Lex Saxonam, um jener üeberschrift willen, für eine Lex Fran- 
corum erklärte, sondern ihretwegen dies sogar audi annahm von 
dem hinter der Lex Saxonum, als ,, Appendix legis Saxonnm'', in 
der Gorveier Handschrift folgenden Stück der Lex Angliorom et 
Werinomm. Lediglich wegen jener Worte der Gorveier Hand- 
schrift hielt sich Merkel in seiner Ausgabe der Lex Angliomm 
et Werinomm, hoc est Thurlngorum, Berlin 1851 p. 9, für berech- 
tigt, diesen Theil der Lex Thuringorum als eine Lex Francomm 
SU betrachten; und während er über den ersten Theil des 6e- 
setises die ihm im Gorveier Manuscript gegebene Üeberschrift 
„Lex Thuringorum << setzte, über diesen zweiten die üeberschrift 
„Lex Francorum'' zu stellen*). 

Ich muis meinerseits diese Merkeische Verwerthung der Worte 
„Lex Francomm'^ für völlig unstatthaft erklären. Der Schreiber 
der Gorveier Handschrift hat irrthttmlich der Lex Saxonum einen 
Theil der Lex Angliorum et Werinomm angereiht, indem er ihn 
ftlr sächsisches Recht hielt, wie er selbst es ausdrücklich am Schlafs 
desselben bezeugt, durch die Beifügung der Worte „Finis appen- 
dicis legis Saxonum''. Wenn nun derselbe Schreiber der Gor- 
veier Handschrift, mitten in der Lex Saxonum, über ein Gapitel 
derselben die Worte „Lex Francomm'' setzt, so mag man viel* 
leicht darüber verschiedener Meinung sein können, ob er diese 
üeberschrift nur auf das eine Gapitel bezogen wissen wollte, oder 
auf mehrere, und auf wie viele der folgenden Gapitel der Lex 



') Merkel begründet seine Ansicht nicht näher, er bemerkt Lex An^. p. 5 
nur noch: „Das sftchsische Voiksrecht ist am Anfang Liber legis Saxonum, 
und Yon eap. 24 an. Lex Francorum überschrieben ; aus diesem Qrunde rede 
ich yon Anhängen der fränkischen Lex Saxonum (worunter Merkel den 
zweiten Theil der Lex Thuringorum rersteht), und glaube auch, dafs die- 
selben aus Karls des Grofsen Zeit herrühren'^. Und in Lex Saxon. p. 6 
sagt Merkel: „der Codex scheidet rom 24. Gapitel an eine Abtheilnng des 
Volksrechts mit der üeberschrift Lex Francorum aus^, „dieser sweite Theil 
ist unter vorwiegend fränkischem Ginflusse aufgeEeichnet**. 



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63 

Saxonam; das leachtet doch aber ein, dafs es nicht sein Wille 
gewesen sein kann, dadurch den ganten folgenden Theil der Lex 
Saxonnm, ja sogar den fälschlich von ihm fttr einen Appendix 
derselben gehaltenen Theil der Lex Angliorum et Werinomm für 
eine Lex Francoram zu erklären! Oesetzt aber Merkel übersah 
dies and meinte wirklich, der Schreiber der Correier Handschrift 
habe den ganzen bei ihm aaf jene üeberschrift ,yLex Francoram^' 
folgenden Theil der Lex Saxonum, und sogar den ihm angeftigten 
Tbeil der Lex Angliorum et Werinorum, für eine Lex Francoram 
gehalten, wie war es möglich, dafs er auf diese vermeintliche 
Ansicht des Schreibers der Corveier Handschrift ein Gewicht 
legte? Die ausdrückliche Erklärung des Corveier Schreibers, dafs 
dn Theil der Lex Angliorum et Werinomm ein „ Appendix legis 
Saxonam^' sei, und seine durch das AnfUgen an die Lex Saxo- 
nam documentirte Ansicht, dafs in diesen Stücken sächsisches 
Recht enthalten sei, wird von Merkel als Irrthum angesehen, und 
gleichzeitig, während er dies thut, von ihm auf jene supponirte 
Ansicht desselben Schreibers — und wohl zu beachten, eines 
Schreibers, der etwa 200 Jahre nach Abfassung der Lex Saxonum 
sie abschrieb — , im directesten Gegensatz zu der von demselben 
Schreiber ausgesprochenen Ansicht, die Annahme gestützt, jenes 
Stttek sei fränkisches Recht! Da der Corveier Schreiber eine so 
geringe Kenntnifs des sächsischen Rechts besafs, dafs er thürin- 
gisches Recht für sächsisches Recht hielt, so wäre, wenn er di- 
rect erklärt hätte, dafs die zweite Hälfte der Lex Saxonum (die 
Capitel 24—66 oder Herolds Titel m^XVni), und der zweite 
Theil der Lex Angliorum et Werinomm (die Capitel 26 — 61- oder 
Herolds Titel VU— XVHI), fränkisches Recht seien, auf diese seine 
Ansicht kein Werth zu legen; nimmermehr aber kann man auf 
eine blofse Vermuthung hin, dafs jener Schreiber die von ihm 
eingefügten Worte Lex Francomm auf alle nachfolgenden Capitel 
habe beziehen wollen, Stücke, die er selbst direct für eine ^^Lex 
Saxonum <' erklärt, zu einer Lex Francomm stempeln. 

Keine Stütze für die Merkeische Ansicht, nach welcher der 
zweite Theil der Lex Thuringomm und der zweite Theil der Lex 
Saxonum in der Corveier Handschrift unter der Üeberschrift „Lex 



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64 

Francorum^' veratanden sein soll, kann ich darin finden, dafs man 
anfuhrt, in dieaen Abschnitten, die den gröfseren Theii beider 
Legea bilden, sei ein durch fränkische Gesetzgebung modificirtea 
sächsisches und thüringisches Recht enthalten. Schon P. Wigand 
behauptete im Jahr 1822 im Archiv für ältere deutsche Geschichte 
4. p. 346: „Ein flttcbtiger Ueberblick belehrt uns, dafs mit Ar- 
tikel 24 der Lex Saxonum wirklich ein neuer Abschnitt beginnt. Die 
vorhergehenden Artikel enthalten offenbar aufgezeichnetes, bereits 
bestehendes Gewohnheitsrecht, welches meist die Compositionen 
und das Wergeid bestimmt. Dann folgt eine Reihe von Todes- 
strafen, und das erste Gesetz heifst gleich: Qui in regem Fran- 
corum etc. Härte und Strenge spricht sich überall aus. Das Asyl 
der Kirche wird aufgehoben. Die üeberschriffc bekundet es, dafs 
diese Gesetze später unter Einwirkung der fränkischen Herrschaft 
gegeben und zusammengetragen wurden '^ Aehnlich faistStobbe 
das Verhältnifs auf, wenn er in seiner Geschichte der deutschen 
Bechtsquellen 1860. 1. p. 190 sagt: „Die üeberschrift Lex Franco* 
rum bedeutet weder, dafs das folgende Gesetz fUr die Franken, und 
nicht für die Sachsen gegeben sei, noch dafs es fränkisches und 
nicht sächsisches Recht enthalte, sondern dafs es unter Einflufs 
der fränkischen Kdnige gegebenes Recht sei. Dem entspricht 
auch der Inhalt: zum Theil beruht er auf sächsischem Gewohn- 
heitsrecht, zum Theil ergiebt er sich als neue fränkische Gesetz- 
gebung ''. Unbedingt enthält derauf die Üeberschrift „LexFran- 
corum '' in der Corveier Handschrift folgende Theii der Lex Saxo- 
num zum Theil älteres sächsisches, zum Theil durch König Karl 
in Sachsen eingeführtes Recht; und ich hege auch, so wenig aUi 
Stobbe, darüber ein Bedenken, dafs König Karl den auf jene 
Üeberschrift folgenden Theil der Lex Saxonum hat redigiren und 
in Sachsen publiciren lassen; gilt das nicht aber ganz in derselben 
Weise von dem ersten Theil der Lex Saxonum^)? Wenn aus 
diesem Grunde die fraglichen Stücke der Lex Saxonum und der 
Lex Thuringorum, die den gröfseren Theil beider Gesetze bildeui 

1) Daffl auch im ersten Theil der Lex Saxonum Satzungen Karls des 
Ghrolsen mit altBächsisehem Recht rerbunden sind^ ist leicht darsuthun, und 
auch Stobbe p. 188 und 189 räumt es ein. 



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65 

Legea Francornm genannt worden wSren, so hätte dies mit dem- 
selben Recht bei der ganzen. Lex Saxonnm, und ebenso auch sum 
Beispiel bei der Lex Frisionnm geschehen können. 

Schon Eichhorn, Deutsche Rechtsgeschichte §. 146 Notec, 
verfocht die Ansicht, dafs die in der Gorveier Handschrift stehende 
üeberschrift ^ Lex Francorum " nicht auf den ganzen zweiten Theil 
der Lex Saxonum geht; er bemerkte: „ die üeberschrift kann nur 
ein eingeschobenes Stück bezeichnen, Spangenberg bezieht sie ohne 
allen Grund auf den Inhalt der Lex von Titel III bis zu Ende''. Und 
Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen p. 57, meinte: 
9 es liegt am Tage, dafs mit der üeberschrift Lex Francorum nur 
ein einzelnes Stück, was vielleicht gar erst später eingeschoben 
worden ist, bezeichnet sein kann, da ja jener Name, zum Bei- 
spiel fUr das Erbrecht und das Güterrecht der Ehegatten in 
Titel VII -IX (d. i. Capitel 47—49), ganz unpassend sein würde«. 
In Betreff der in diesen Worten angedeuteten Vermuthung, dab 
das in der Gorveier Handschrift » Lex Francorum " überschriebene 
Stück vielleicht erst später in die Lex eingeschoben worden sei, 
will ich nur darauf hinweisen, dafs für sie jeder genügende Grund 
fehlt, da das Stück in allen vier uns erhaltenen Texten der Lex 
steht, während es nur im Text der Gorveier Handschrift die üeber- 
schrift „Lex Francorum << trägt, und in Folge dessen die Annahme 
nahe liegt, dafs nicht das Gapitel, sondern nur dessen üeber- 
schrift später hinzugefügt ist. 

Anmerkung über die Corveier Handschriß der Lex Saxonum. 

a) Herkunft und Benutzung der Handschrift. Die gegen- 
wärtig im Provinzialarchiv zu Münster, früher zu Paderborn^ aufbe- 
wahrte Handschrift ist ursprünglich für die Abtei Corvei ge- 
schrieben, wie die in ihr befindlichen Abschriften der kaiserlichen 
Privilegien für Corvei aus dem 9. und der ersten Hälfte des 10. Jahr- 
hunderts beweisen. Bis zur Säcularisation des Stiftes blieb die Hand- 
schrift in Corveis Besitz; sie wurde benutzt von Martene, von 
dessen Hand einige Notizen in ihr herrühren, s. Wigand im Archiv fUr 
ältere deutsche Geschichtskunde 4. p. 346; später von Chr. Ulr.Gr u- 
pen (gest 1767), dessen Abschrift in Celle bei dem Oberappella- 

5 



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66 

tioDBgericht aufbewahrt wird, undaasderSpangenberg, in den Bei- 
trägen zu den teutschen Rechten des Mittelalters. 1822. p. 181, Varianten 
zur Lex Saxonnm mitgetheilt hat. Im Jahre 1822 gab P. Wigand Qber 
die Handschrift nähere Auskunft in einem Aufsatz über noch erhaltene 
Gorveier Handschriften, im Archiv a.a.O.; und Pertz verglich sie 
darauf für die Monnmenta Germaniae^). Mir liegen die von Pertz in 
seine Abschrift der Spangenbergschen Handschrift der Lex Saxonum 
eingetragenen Varianten vor; sie benutzte auch J. Merkel, indem er 
den C!orveier Text seiner Ausgabe der Lex Saxonum, Berlin 1853, zn 
Grunde legte, doch verglich er daneben nochmals die Handschrift*). 

b) Alter. Die Gorveier Handschrift ist nach der Angabe von 
Pertz, in den Monum. Germ. Leg. 1. p. XXIU, im 10. Jahrhundert 
geschrieben; drei Randglossen in ihr rühren nach Pertz von einer 
Hand des 15. Jahrhunderts her: im Gapitel 44 ist zu „tutela filiamm 
fratri deputetur'' bei „fratri'' notirt „defuncti*'; im Gapitel 45 steht bei 
„tutela filiae ad fratrem patris pertineat" zu dem Wort „patris** bei- 
geschrieben: „nota: cui secundo nupserit^; im Gapitel 47 ist bei „pro- 
ximi ejus'' notirt „mulieris''. 

c) Inhalt. Die Gorveier Handschrift enthält: 

die Lex Saxonum; 

die Lex Thuringornm (vgl. oben S. 59); 

das Gapitulare Saxonicum von 797 (gedruckt in Mon. Germ. 

Leg. t. p. 75 vgl. oben S. 33 Note 1); 
die drei um 817 verf. Gapitular. Ludovioi imper. (als No. 112. 

113 u. 114 gedr. in Mon. Germ. Leg. 1. p. 210 — 216); 
Liber poenitentialis; 
Gorveier Privilegien des 9. und 10. Jahrhunderts'). 

d) Der Text der Lex Saxonum in der Gorveier Hand- 
schrift ist weit weniger durch Schreibfehler entstellt, als der in der 
Spangenbergschen Handschrift; abgesehen von den oben S.'28 u. 44 
besprochenen Zusätzen steht er dem der Heroldschen Ausgabe näher, 

') Nach Merkel Lex Anglioram et Werinorum p. 3 rergUch Pertc die 
Gorveier Handschrifl im Jahre 1826; Pertz erw&hnt, daJk er es gethan habe 
in dem im Jahre 1839 erschienen 7. Bande des Archives p. 787. 

') Die Ton Merkel Lex Saxonum p. 21 nach Einsicht der Handschrift 
gegebenen Berichtigungen su seinem früheren Abdruck des Gorveier Textes 
der Lex Thuringornm sind dadurch ermöglicht, dafs er die CoUationen von 
Pertz nicht genau wiedergegeben hatte; die Lesarten der Handschrift, die 
Merkel nachtr&gt, sind auch von Pertz notirt. 

3) Einige Schlufsverse „de ciconia**, druckt Spangenberg p. 180 ab« 



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67 

als es bei dem Spangenbergschen der Fall ist; am weitesten entfernt 
sieb von ihm der Text der du Tilletschen Aasgabe. Als Stellen, in 
denen das Gorreier Manuscript für die Ermittelung des älteren Textes 
der Lex Saxonum von Bedeutung ist, fahre ich nur folgende an: in 
Cap. 8 „in manu liti sui vel sua arma juret"; wo du Tillet „per 
Sita arma** hat, während Herold und das Spangenbergsche Manuscript 
„in 9ua armata^ lesen, was ich für spätere Aenderung halte. — In 
Cap. 12 „vel nasum'', wo in den andern Texten das „vel" fehlt. — , 
In Cap. 16 „solvatur autem solido majori'', übereinstimmend mit He- 
rold, während im Spang. Mscrpt. und bei Tilius fälschlich „aut** für autem 
steht — In Cap. 19 „mord-dotum", während das Wort bei Herold 
ond im Spang. Mscrpt. in „mordum totum^ verderbt ist. — In Cap. 22 
„Et qui nesciens", wie im Spang. Mscrpt; bei Herold und Tilius fehlt 
das y^t*^. — In Cap. 36 „Quicquid vel uno denario minus tribus so- 
lidis . . abstulerit", wie bei Herold ; im Spang. Mscrpt. und bei Tilius 
sind die Worte entstellt. ~ In Cap. 47 „Angarii'', für „AngrarU'* bei 
Herold und Tilius. — In cap. 56 „Qui laqueum fossamve fecerit", wie 
auch Herold liest; das Spang. Mscrpt. hat daHir durch Schreibfehler 
„laqueum fossam vW, und Tilius, indem er diese Worte umstellt : 
„fossam vf/ laqueum". — Als fehlerhafte Lesarten des Corveier 
Hannscripts führe ich an: in Cap. 11 „DCXX solid." für ein aus- 
geschlagenes Auge, statt „720 solid.'* y wie nur im Spangenb. Mscrpt. 
richtig steht. — In Cap. 11 „testiculns", zu bessern in „Uaticulis** ^ 
wie das Spang. Mscrpt. liest. — In Cap. 17 „35 solid.", wofür die 
andern Texte richtig „36 solid.** haben. — In Cap. 19 „duae vero partes 
et ab illo", wo das in den andern Texten fehlende „et** zu tilgen ist. — 
In Cap. 37 in „ad (palatium, vel de) palatio pergenti", wie die 
andern Texte lesen, sind im Corv. Mscrpt. die eingeklammerten Worte aus- 
gefallen. — In Cap. 51 „dominus et pro illo", wo im Corv. Mscrpt. das 
„et" entstellt ist aus „efus**y das die andern Texte gewähren. 

§. 5. Der do Tilletsche Text der Lex Saxonmii. 

Die Lex Saxonum wurde das erste Mal als „Vetns Lex 
Saxonum", ohne Druckort, Jahreszahl und Herausgeber, auf 
einem Bogen mit 16 fortlaufend gezählten Seiten klein- 
sten Formates zum Druck befördert. Es geschah dies, wie 
ermittelt zu sein scheint, gegen das Jahr 1550 durch den im 
Jahre 1570 verstorbenen Bischof von Meaux du Tillet, der sieh 

5» 



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68 

Joannes Tilins nannte. Zn dieser Ausgabe der Lex Sazonaoi 
und den andern von Tilius in gleicher Weise anonym zum Druck 
beförderten Volksrecbten liefs Jacob du Puys im Jahre 1573 sn 
Paris einen gemeinsamen Titel drucken, er lautet: „Aurei vene- 
randaeque antiquitatis libelli, Salicam legem continentes . . .; item 
leges Burgundionum, Almanorum, Saxonum, Baiuuariorum, Ripua- 
riorum. Ex veteribus libris emendatiores et auctiores. Parisiis 
ex officina Jacobi du Puys, sub signo Samaritanae. 1573.^' — In 
den bekannt gewordenen Exemplaren der Tiliusschen Ausgaben 
der einzelnen Volksrechte, in denen sie in verschiedener Reihen- 
folge in ein Bändchen zusammengebunden sind, fehlt in manchen 
der oben eingerückte Oesammttitel, in andern findet er sich; zwei 
verschiedene Drucke oder Ausgaben der Tiliusschen Leges existiren 
nicht, wie alle Einzelnheiten aufser Frage stellen; hat man dies 
früher angenommen, so geschah es nur, indem, es schwer hielt 
verschiedene Exemplare des selten gewordenen Buches zu ver- 
gleichen *). 

üeber die Handschrift, aus der du Tillet seinen Text der 
Lex Saxonum nahm, fehlt jede Kunde, gleich wie wir in keiner 

') Die Königliche Berliner Bibliothek besitzt jetzt 3 Exemplare des 
Buches; von denen sie zwei 1847, ein drittes entt sp&ter erworben hat; 
einem der Exemplare ist der angefahrte Gesammttitel vorgeheflet, in den 
beiden andern fehlt er ; in allen 3 Exemplaren nimmt die „Vetus Lex Saxo- 
num'^ die letzte Stelle ein, während sie der im Text angegebene 1573 gedruckte 
Gesammttitel als drittletzt« unter den Leges aufftlhrt; in zwei von den Ex- 
emplaren ist die Lex Sah, in dem dritten die Lex Burg, als erste Lex im Bänd- 
chen eingeheftet. Dafs nicht zwei verschiedene Drucke von Tilius Leges 
existiren, zeigte Biener in der Zeitschr. fUr gesch. Rechtsw. 1826. Th. 5. 
p. 401 folg.; sodann theilte Blume im Rhein. Mus. f&r Jurispr. 1833. 6. 
p. 386 mit, dafs in einem jetzt in der Königi. Bibliothek zu Hannover be- 
findlichen Exemplare der Tiliusschen Leges ein späterer Besitzer sich im 
Jahre 1657 eingeschrieben habe, und dafs, nach einer weiteren Notiz in dem 
Exemplare, der erste Besitzer das Exemplar „dono Joannis Tilii^ erhalten 
hatte, vgl. auch Fertz in den Monum. Germ. Leg. 1. p. 263. Dafs die nach 
diesen Notizen vor 1557 gedruckten Tiliusschen Ausgaben ^ ums Jahr 1550 
veranstaltet seien", nimmt Merkel Lex Saxonum p. 4 an; dafs es vor 1565 
geschehen sein müsse, erörtert O. Stobbe in Beiträge zur Geschichte des 
deutschen Rechts. Braunschweig 1865 p. 86. 



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69 

Weise wissen, welche Handschrift Herold bei seiner Ausgabe im 
Jahre 1557 benatste; dafs die von den beiden Herausgebern ge- 
brauchten Handschriften von einander verschieden waren, wurde 
oben 8. 48 erörtert; dafs du Tillet nicht die Spangenbergsche 
oder die Corveier Handschrift gebraucht hat, beweisen die Ab- 
weichungen seines Textes von dem jener Handschriften ganz un- 
sweifelhaft. 

Zur Feststellung des Verhältnisses des du Tilletschen Textes 
zu den drei andern Texten, die uns von der Liex SaxQnum er- 
halten sind, dienen zunächst die bereits oben im §. 2 besprochenen 
Zusätze, die am Schlafs der Lex stehen und sich auf Schätzungs- 
werthe beziehen. Ich erörterte, dafs sie dem Originaltext der Lex 
Saxonum fremd gewesen sein müssen, da sie im Heroldschen und 
Spangenbergschen Texte fehlen, und sich auf Satzungen des erst 
nach der Lex erlassenen Capitulare Saxonicum von 797 stützen. 
Ein Theil dieser Zusätze findet sich auch in der Corveier Hand- 
schrift, siehe oben S. 28, doch zeigt eine Vergleichung der 
Znsätze in dem Tiliusschen und Corveier Texte, dafs sie weder 
der Tiliussche Text aus dem Corveier, noch dieser aus jenem 
entnommen haben kann, vgl. oben S. 45. 

Wenn Eichhorn, Deutsche Reehtsgeschichte. 1843. 1. p. 573 
Note^, äufserte, „die Handschrift des Tilius scheint mir wesent- 
liche Vorzüge vor allen übrigen, auch der Corveischen, zu haben'', 
so kann ich dem so wenig beistimmen, als der Ansicht von Gaupp, 
die er im Jahre 1837 in seiner Ausgabe der Lex Saxonum p. 76 
dahin zusammenfafst: „dafs für die Kritik des sächsischen Volks- 
rechts aus der in dieser Hinsicht bisher ganz vernachlässigten 
Ausgabe des Tilius hier und da noch ziemlich bedeutende Aus- 
beute sich gewinnen lasse''. Ich bin meinerseits bei Ausarbei- 
tung der Ausgabe der Lex Saxonum zu der üeberzeugung ge- 
kommen, dafs in keiner einzigen Stelle der Text des 
Tilius dazu dienen kann, um den älteren Text der 
Lex Saxonum richtiger herzustellen, als es uns mit Hülfe 
der andern Texte möglich ist. Der Verfasser des Tiliusschen Textes, 
— mag dies nun der Schreiber der von Tilius benutzten Hand- 
schrift der Lex Saxonum gewesen sein, oder der eines älteren in 



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70 

dieser HandBchrift wiedergegebenen Textes'), — hat, soweit ich 
nrtheilen kann, gesucht dureh kleine Aenderongen den Ausdruck 
im Text der Lex Saxonum zu verbessern und leichter verstand- 
lieh zu machen y und hat dabei einzelne Worte desselben wegge- 
lassen, die ihm überflüssig zu sein schienen. Bei einer fluchtigen 
Betrachtung mag es in Folge dessen scheinen, dafs der Tiliussche 
Text „wesentliche Vorzüge vor allen übrigen habe'', und Gaupp 
konnte in verschiedenen Stellen bequemere und leichter veratftnd- 
liehe Wortfügungen aus ihm in seine Ausgabe der Lex aufnehmen. 
Nicht in Abrede will ich es dabei stellen, dafs an einigen Stellen 
der Lex die Lesarten des Tiliusschen Textes von Interesse sind, 
da sie offenbar nicht etwa erst von Tilius, oder einem bei seiner 
Ausgabe thätigen Gelehrten herrühren; ich behaupte nur, dafs der 
Tiliussche Text für die Reconstruction des älteren Textes der 
Lex Saxonum neben den uns erhaltenen drei andern Texten der 
Lex Saxonum keine Bedeutung hat, und dafs Neuere geirrt haben, 
wenn sie mejnten einzelne Lesarten desselben, gegenüber von dem 
Zeugnifs der andern Texte, als die ursprünglichen der Lex ver* 
theidigen zu können. Eine Durchmusterung der einzelnen Stellen, 
in denen der Tiliussche Text von dem der drei andern Texte ab- 
weicht, wird zeigen, dafs sich diese Abweichungen aus dem von 
mir bezeichneten Gesichtspunkte erklären, wenn man von einigen 
wenigen Schreib- oder Lesefehlern absieht, die in der Tiliusschen 
Ausgabe sich vorfinden. 

Anmerkung über die Abweichungen des Tiliusschen Textes. 

In Gap. 5 „uultinam^ bei Tilius entstellt aus „wlitiwam^, mag 
ein Druck- oder Lesefehler sein. — In Cap. 5 „sol. CXL'^ bei Tilius, 
fttr das richtige „240 solidi'' der andern Texte. — In Gap. 6 „sol. 
XXXVI** bei T., gekürzt für „36 solidos componai*^ in den andern 
Texten. — In C^). 7 „sol. CXX« bei T., gekürzt für „120eol.co«- 

») Hat Tilius im Capitel 66 der Lex Saxonum die Form aceffil („se- 
cales sceffila'') aus seiuem Manuscript treu wiedergegeben, so war es von 
keinem Sachsen geschrieben; die sächsische Form des Wortes lautete scepel, 
Bcipul, vergl. oben S. 37; es ist ein Diminutirum von 8cap(va8), wie auch 
im Ueliand fUr das oberdeutsche scat' (Schaff) geschrieben ist. 



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71 

poiMrf« in den «ndern Texten. — In Oap»8 „ per bi» am» jnret^ bei T., ftr 
9<pi 81» arnia jnret'' des Gorveier Manuscripts. — In Gap.9 „alind*' bei 
T^ für „alium*' der and. Texte. — In Cap. 11 „aol. DCXX« bei T. ab 
Bote für ein aoageschlagenes Auge, statt 720 Solidi, wie richtig im 
Spangenbergschen Mannacript steht. Die andern Texte verzeichnen 
dann richtig: „w ambog (i. e. oculos), 1440 solidos componat^, d. i. er 
büise 2 X 720 Solidi für 2 Angen; der Schreiber des Tiliusschen Textes 
änderte dies irrig in seinem Text in „qni ambos (i.e. ocnlos), soL 
1 240*^, da er fftr ein Auge fUschlich eine Bnfse von nur 620 Sol. an- 
geeetxt fimd. — In Cap. 11 liest Tilius „Testicnlns, si unns ab- 
• cissus fnerit, sol. 720 oomponat; similiter de manibus et de pe* 
dibos''; dies halte ich für eine verfehlte Conjectur der Handschrift des 
TQins ans den unbeholfen sich ausdrückenden Worten der andern Texte: 
„Similiter de manibus, de pedibus, testicalis (var. „testicuius*'), si unum 
abscissum fuerit, 720 solidos, si ambo 1440 tolidos c&mponat^; die fünf 
letsten Worte fehlen bei Tilius. — In Cap. 12 „si movere ipsum mem- 
brum possit, quartam partem compositionis^, wo ,,compositionis^ 
eine Correetur der Handschrift des Tilius sein dürfte für y^eonponat^ 
in den andern Texten. — In Gap. 13 „pollex totus abscissus 860 soL; 
si dimidins 180; si minimns, si totus ut supra** bei Tilius, gekürzt 
und entstellt aus den in den andern Texten enthaltenen Worten: „pol- 
lex totus abscisus 860 solidis eanponaiur; si dimidins 180 solidis eon- 
ponatur, si minima iohu, 240 solidis; si unum digiii membrum, 80; si 
duo membra, WO; si totum, Dt supra*'; die letzten cursiv gedruckten 
Worte fehlen bei Tilius. — In Cap. 14 „et interpremium 120 sol/ 
beiT., für „in prtmivm^ der andern Texte, eine, wie ich glaube, aus 
Hifsverständnifs des ursprünglichen Textes zu erklärende Aenderung. 
^ In Cap. 15 „si jam nupta, simpliciter conponatur*' beiT., für j^mixo!^ 
in den andern Texten. Dafs in der Lex der „virgo** die „femina si jam 
enixa'' gegenübergestellt wurde, bei jener doppelte, bei dieser einfache 
BniM gezahlt werden sollte, schien dem Verfasser der Tiliusschen Hand- 
sehrift incorrect, er änderte „enixa'' in „nupta*', so dals nach der Lex 
verheirathete Weiber nur die halbe Bufise von unverheiratheten erhalten 
hätten. ^ In Cap. 16 wird vom Litus gesagt: „mulcta vero vulnerum 
cgus sive mancationum per omnia duodecima parte minor etc." Die 
gesperrt gedruckten Worte fehlen in den andern Texten, ich sehe in 
ihnen einen Zusatz der Tiliusschen Handschrift, der den Bestimmungen 
der Lex entspricht, aber überflüssig war: nach der Lex wurden Vnl* 
nera des Litus mit %, der Summe, die ein Nobills zu erhalten gehabt 



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72 

h&tte, gebflfst; mancatioiies oder Lähmungen werden in der Lex sa 
den „ynlnera^ gerechnet, einer speciellen Erwähnung derselben be- 
durfte es daher nicht, auch die anderen Arten von Vulnera, deren die 
Lex anderweitig gedenkt, werden im Capitel 16 nicht speciell ange- 
führt. — In Gap. 17 „Si servus a nobili occisus, 36 ** bei T., für ,,Senru8 
a nobili occisus 36 aoUdis conponatur'* der andern Texte; „Si" ist im 
T. hinzugefügt, „solidis conponatur^ weggelassen. — In Gap. 17 „si a 
liberto vel lito, pleno sacramento negetur" bei T., wo die andern 
Texte lesen „a libero vel etc.^ Ich halte „si" für einen Zusatz und 
„liberto'' für eine falsche Gorrectur der T. Handschrift; Neuere haben 
die Lesart „libertus'' als richtig vertheidigt. — In Gap. 18 „vindicetur 
..a propinquo occisi" bei T., für „npropinquis ocoisi" in den andern 
Texten. — In Gap. 19 „mordritoton" beiT. Das Gorveier Hscrpt 
hat „mord-dotum^ d. i. mordh-dot mit lateinischer Endung; im Spang. 
Mscrpt. und bei Herold steht „mordum totum", wie ich meine, indem 
mord falschlich aufgelöst ist in „mordum'', und Schreiber bei „merdum 
totum'^ an einen „ganzen Mord'' dachte. Für die im Originaltext ste- 
hende Form halte ich danach mordh-dotum oder mordh-totum; in 
„mordri-toton'' bei T. scheint „toton'' entstellt zu sein, vielleicht vom 
Heransgeber aus „tot'*', welches er „toton'' statt „totum*' auflöste; auch 
mordri könnte aus mord aufgelöst sein für mordh, doch existirte eine 
altdeutsche Form mordr neben mordh, vgl. zur Lex Fris. in Mon. Leg. 3. 
p. 672. — In Gap. 19 „conponenda*' .bei T., för „conponenda est*^ in 
den andern Texten. — In Gap. 21 liest T. „Qui in ecclesia hominem 
occiderit, vel aliquid furaverit, vel effregerit, vel sciens peijura- 
verit, capite puniatur"; die andern Texte haben „vel eam (i.e. eccle- 
Biam) effregerit'', und offenbar handelt das Gapitel von dem Fall, in 
welchem die angefahrten Verbrechen in der Kirche verübt sind; der 
Schreiber des T. Mscrpts. übersah dies, und liefs das ihm unbequeme 
„eam" weg. — In Gap. 22 „ Q u i nesciens peijuraverit" bei T. wie bei Her., 
wo richtiger das Gorv. und Spang. Mscrpt. lesen „et qui nesciens etc.'' 
im Anschlufs an den vorausgehenden Satz. — In Gap. 24 „Qui . . de 
morte consiliaverit" bei T., für „coMilicOua fuerU*" in den an- 
dern Texten. — In Gap. 31 lesen die andern Texte „Qui alvearium 
apum infra septa .. furaverit, capite puniatur; exira eepta ßiratum, no- 
vies conponendum est", und der Tiliussche Text ändert, um einen be- 
quemeren Ausdruck zu gewinnen, die oursiv gedruckten Worte in: „si 
extra septa furaverit'' . — In Gap. 33 „Qui infra streona" bei T., für 
„Qui in screona^ der andern Texte; streona ist wohl nur ein Lesefehler 



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73 

des TiliaB. — In Gap. 36 „Quicquid vel in Uno denario, minns 
tribus solidis qaislibet furto abstalerit^ bei T., fHr das richtige „vel 
uno denario minus eto.^ des Heroldschen und Corveier Textes. — In 
Cap. 36 „et pro fredo, si nobilis fuerit 12, si über similiter, si litns 4^ 
bei T.y wo die andern Texte lesen : „si nobilis fuerit 12 solidis, si liber 6, 
81 litas 4". War zur Zeit, als die Tiliassche Handschrift geschrieben 
wurde, das Fredum beim Liber dem des Nobilis gleich gesetzt wor- 
den? — In Gap. 39 „Qai alteri dolose per sacramentum res tollere 
vult" bei T., für „res proprias^ in den andern Texten. —• In Cap. 40 
„si per vim rapta est^ bei T., wo der Heroldsche und Gorveier Text 
„9i vi" lesen, und im Spangenb. Mscrpt. ein ungrammatisches „si vim** 
steht, eine Lesart, die in „per vim^ vom Schreiber des Til. Mscrpts. 
berichtigt sein könnte. — In Cap. 40 „pnellae 240 conponaf* bei T., 
wo die andern Texte „240 solides'' haben; das Wort „solides^ geht 
mehrfach voraus und konnte vom Schreiber des Til. Mscrpts. wegge- 
lassen werden. — In Cap. 41 „filiis non filiae haereditatem relinquant" 
bei T., wo die andern Texte „fUo^ lesen. — In Cap. 42, wo die an- 
dern Texte bestimmen : es führe die Vormundschaft über eine Wittwe 
ihr Sohn, und „si filius forte defuerit, /ra*w idem defuncti*^, setzt der 
Text des Tilius dies verdeutlichend: „qui frater, id est defuncti"; 
der Ausdruck der Lex war unbequem, um ihn zu verbessern, ist auch 
im Corv. Mscrpt. das in ihm geschriebene „idem^ in „iUius" corrigirt. — 
In Cap. 42 „si frater non fuerit, si proximus'' bei T.: das sinnlose „si^ 
fehlt in den andern Texten, mnfs ein Schreib- oder Druckfehler sein. ^ 
In Cap. 43 „parat um habens precium^ bei T., gebessert fär „pa- 
raUan habens pecuniam^ der andern Texte, welche Worte den von der 
Lex gewollten Sinn ungefüge ausdrücken. —- In Cap. 46 „Qui filium 
aut filiam genuerit et filius uxore ducta filium genuerit, etc.^ bei 
T., für „Quißiam ac ßlium habueril, et filius uxore ducta et filium ge- 
nuerit etc.^ in den andern Texten. — In Cap. 46 „id est ad nepotem" 
bei T., wo das „ad'' in den andern Texten fehlt. — In Cap. 47 „An- 
grarii" bei T., wie bei Herold, für „Angara" im Corveier Mscrpt. — 
In Cap. 47 liest Tilius: „si foemina filios genuerit dotem (fUr „kahetU 
dotem" der andern Texte) quam in nuptiis accepit quamdiu vivit 
filiosque (für „ßUisque" der andern Texte) dimittat''. Ein falsches 
Yerstandnifs der Stelle scheint hier den Verfasser des Tiliusschen Textes 
zu Aenderungen verleitet zu haben. — In Cap. 47 „dotem proximi in 
haereditatem accipiant'' bei T., für das gewifs ursprüngliche „proximi 
ejus" in den andern Texten. — In Cap.. 47 „si autem filios non ha- 



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74 

bnerit, sioque diem obierit" bei T.; die gesperrt gedrackten Worte 
fehlen in den andern Texten und sind ein erläatemder Znaatc der Til. 
Handschrift. — In Cap. 47 lesen die andern Texte ^postqnam muUer 
filioB genuerit dotem amitiat, »i autem non genuerit, ad dies snos dotem 
possideat'' ; bei Tilios sind die cursiv gedrackten Worte weggelassen, 
die Stelle laatet bei ihm sinnlos: „postqnam filios genuerit ad dies 
snos dotem possideat**. — In Gap. 49, wo die andern Texte „300 «o- 
lidoM'' haben, läfst Tilius das Wort „solidos"' weg. — In Cap. 55 „et 
hominem oppresserit^ bei T., für „hominem-^pue oppresserit'' in den 
andern Texten. — In Gap. 56 lesen Herold und das Gorveier Jfserpt. 
„Qui laqueum fossam-oe feoerit etc.*^, das Spangenb. Mscrpt. „Qui Isr 
queum fossam vel fecerit", und der Til. Text ,)Qai fossam vel la- 
queum fecerit". Das ursprangliohe „ye" wurde entstellt in »vel*', 
und der Schreiber der Til. Handschrift änderte die nunmehr unpassend 
erscheinende Stellung der Worte. — In Gap. 60 lesen die andern Texte 
„Qui in fossam vel sudem acutam 9uae vel alienae sepis, pecus quod- 
libet agitaverit", und der Til. Text setzt ftlr die cursiv gedruckten 
Worte „vel alienam sepem^ — In Gap. 62 „nee heredem suum 
exheredem faciat^ bei T., wo ftlr „nee" die andern Texte „yi^ lesen; 
ich halte „nee" für eine falsche Aenderung der TiL Handschrift, die 
aber auch Lindenbrog in seinen Text aufoahm, und in der Eichhorn, 
Deutsche Rechtsgeschichte 1. p. 837, die ursprüngliche Lesart erkennen 
will. — In Gap. 63 „si ocoupatos oontradixerit, campo dei judi- 
cetur" bei T., für „si oeeupator oontradixerit campo eUjudiceiyr*^ im 
Heroldschen und Gorveier Text, und „campo judieehtr'^ im Spang^snb. 
Mscrpt In „campo di-iudicetur" des Originaltextes scheint das Spang. 
Mscrpt. das „di" weggelassen, und die Til. Handschrift es irrig in „dei" 
geändert zu haben. — In Gap. 64 „qui tunc super ipsa re constitutns 
est" bei T., für n^psas re«" in den andern Texten. — In Cup. 64 „ven- 
dat cum cuicunque volnerit" bei T., fUr „libuerW in den andern 
Texten. — In Gap. 66 enthält der Til. Text Zusätze über den Wertb, 
zu dem Naturalproducte bei der Zahlung von Bufsen angenommen wer- 
den sollen, vergl. über sie oben S. 28 und 44. 

§. •. nie Lindenbrogsehe Ausgabe der Lex Sixobub. 

Die Grundlage der von Lindenbrog in seinem Codex iegum 
antiquarum, Francofiirti 1613, p. 471—478, gelieferten Ausgabe 
der Lex Saxonum, bildet der Text des Spangenbergschen Mana- 



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76 

scriptes der Lex Saxonmiiy weleheB damals Pitboe gebohrte und 
das Lindenbrogy wie andere Handschriften von Piihoe, und na- 
mentlich wie dessen Handschrift der Lex Salica, benutzte, Tgl. 
oben 8. 21. Allerdings sagt Lindenbrog nicht, dafs er für die 
Lex Saxonum eine Pithoesche Handschrift gebraucht habe; er 
erwähnt in seinem Codex legum antiquamm p. 1337 nur: ,,Cete* 
mm legem Saxonum innumeris locis ad Ms« yetnstis- 
simum auximus; quod mönnisse sat erit, nam omnia indicare 
snpervacanenm ''. Dafs aber dieses Manuscriptum yetustissimum 
kein anderes als das Pithoesche war, scheint mir unbedingt an- 
genommen werden zu müssen. In den Prolegomenis rersichert 
Lindenbrog, indem er über seinen Codex spricht, er habe keine 
Mühe und Kosten gescheut, um Handschriften der einzelnen Leges 
zu erlangen, und fügt hinzu: „et manuscriptorum ex- 
emplaria cum vulgatis editionibus Heroldi, Sichardi, 
Boerii, Tilii, accurate contuli, yarias lectiones notari^), quae 
corrapta erant restitui, amissa suppleyi^^ Er erwähnt 
dann mit Dank der Unterstützungen, die ihm yon Einzelnen zu 
Theil geworden sind: „potissimum antem Francisci Pi- 
thoei Tricassini, nobilis et undecnnque doctissimi jurisconsulti, 
bibliotheca ad hanc rem plura adjnmenta suppedi- 
tayit, quam ulla reliquorum omnium; cujus etiam glossa- 
rium in legem Salicam meo intertexui, etc/^ Aus der Bibliothek 
des Franz Pithoe benutzte Lindenbrog, wie er im Jahre 1602 
erklärt, eine Handschrift der Lex Salica für seine Ausgabe der- 
selben, ygl. oben S. 21. Diese einst dem Pithoe gehörende Hand- 
schrift der Lex Salica ist die oben S. 19 besprochene, welche 
sich gegenwärtig im Besitz des Lord Ashburnham in England 
befindet; in ihr sind yon Peter Pithoe, dem Vater des Franz 
Pithoe, fehlende Blätter ergänzt, und ist yon ihm eigenhändig 
der Inhalt der einzefaien „Theile'^ über dem Text yermerkt, ygl. 
oben 8. 20. Mit diesem Manuscript des Lord Ashburnham bildeten 

*) Lindenbrog Codex p. 1313 sq. giebt Varianten zur Lex Wiaigothoram, 
zum Edictum Tbeodorici, zu den Leges Burgundionum, Salica, Bipuariorum 
und Langobardorum; nicht aber zu den Leges Saxonum, Tburingorum und 
Fiisionum. 



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76 

aber; wie erwiesen ist, die Spangenbergschen Pergamentblitter, 
auf denen die Lex Saxonnm steht, einstmals einen Oodex, vgL 
oben 8. 18; und es steht fest, dafs noch Peter Pithoe diese Per- 
gamentblKtter besafs: er hat auf ihnen in gleicherweise wie im 
Ashburnhamschen Manuscript, den Inhalt der einzelnen ,,Theiie'^ 
Über dem Text eigenhändig vermerkt, vgl. oben 8. 20. Offenbar 
waren also zur Zeit, als Peter Pithoe das Ashbumhamsche Ma- 
nuscript und die Spangenbergschen Pergamentblfttter besafs, diese 
Blätter noch nicht von jenem Manuscript gelöst, beide bildeten 
damals zusammen den Pithoeschen Codex. Hat nun, wie aner- 
kannt ist, Lindenbrog den Theil dieses Pithoeschen Codex, in 
weichem die Lex Salica steht, und den wir jetzt als Ashbumham- 
sches Manuscript bezeichnen, bei der Ausgabe der Lex Salica 
benutzt, so drängt sich uns die Vermuthung auf, dafs er bei 
seiner Ausgabe der Lex Saxonum auch den andern Theil jenes 
Codex, den wir jetzt die Spangenbergschen Blätter nennen, ge- 
braucht hat, und dafs unter dem „Manuscriptum vetustissimum'', 
aus dem Lindenbrog seinen Text der Lex Saxonum berichtigt 
und ergänzt zu haben erklärt, kein anderer Codex gemeint ist, 
als eben dieser von ihm gebrauchte, in welchem die Lex Saxo- 
num enthalten war. Freilich wissen wir nicht, wenn die Span- 
genbergschen Blätter von dem Pithoeschen Codex abgelöst sind. 
Peter Pithoe, der Besitzer beider Stücke des Codex, ist im J. 1596 
gestorben; im Jahre 1602 hat Lindenbrog zu Paris die Lex Sa- 
lica aus dem Codex herausgegeben, den damals Franz Pithoe, 
der Sohn des Peter Pithoe, besafs, und hat dann im Jahre 1613 
zu Frankfurt in seinem Sammelwerk der älteren deutschen Leges 
die Lex Saxonnm, neben. dem aus dem Pithoeschen Codex bereits 
1602 veröffentlichten Text der Salica, erscheinen lassen; sowohl 
1602 als 1613 erwähnt Lindenbrog mit vielem Dank, dafs Franz 
Pithoe ihn durch Darleihen von Handschriften unterstützt habe. 
Berücksichtigt man dies, so wird man es als höchst wahrschein- 
lich gelten lassen müssen, dafs dem Lindenbrog der ganze unge- 
theilte Codex von Franz Pithoe zur Benutzung überlassen worden 
war. Wie dem aber auch sei, so bin ich überzeugt, dafs man 
unbedingt genöthigt ist einzuräumen, dafs Lindenbrog die Span- 



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77 

genbergschen Blätter bei Beiner Ausgabe der Lex SaxoDum be- 
nntzt hat, wenn man 1. die Stellen des Lindenbrogschen Textes der 
Lex Saxonnm beachtet, die den andern uns bekannten Texten der 
Lex Saxonnm fremd sind, während sie im Spangenbergschen Ma- 
nuscript stehen; sowie 2. dafs nicht wenige ganz unzweifelhafte 
Schreibfehler und Entstellungen des Spangenbergschen Mannacripts 
im Lindenbrogschen Text enthalten sind, und 3. dafs vielfach die 
Ton der der andern Texte der Lex abweichende Wortstellung des 
Spangenbergschen Manuscripts auch bei Lindenbrog sieh findet. 
Wer es leugnen will, dafs Lindenbrog das Spangenbergsche Ma- 
nnseript benutat hat, mufs behaupten, dafs er statt dessen ein 
anderes gebraucht habe, das in fabelhafter Weise mit ihm ttber- 
. einstimmte und von dessen Existenz wir sonst nicht die geringste 
Kunde haben. Da wir nun aber wissen, dafs Lindenbrog das 
Pithoesche Manuscript benutzte, in welchem auch die Lex Saxo- 
num stand, so ist eine solche gewagte Annahme, für die kein 
irgendwie zwingender Grund existirt, entschieden zurückzuweisen. 
Völlig unermittelt bleibt es allerdings, wie die 15 Pergamentblätter 
des Piihoeschen Codex, auf denen die Lex Saxonum steht, von 
dem übrigen Codex, welchen jetzt Lord Ashburnham besitzt, ge- 
trennt worden sind, und auf welchem Wege sie in die Hände des 
Hamburger Trödlers kamen, von dem sie Spangenberg erwarb. 
Vage Vermuthungen, die man aufstellen möchte, dafs Lindenbrog 
von Franz Pithoe das ganze Manuscript geliehen und bei der 
Rückgabe die 15 Blätter desselben in Hamburg zurückbehalten 
habe, und dafs es damit in Zusammenhang stehen möge, dafs ein 
Trödler 200 Jahre später in Hamburg diese Blätter verkaufte, 
können nicht weiter fUhren*). 

Treten wir nun dem Text der Lindenbrogschen Ausgabe 

1) Wenn Ganpp, Das alte Gesets der Thüringer, Breslau 1834, p. 283 
in Betreff des Lindenbrogschen Codex bemerkt: „Ihm wurde eine reichhal- 
tige, spftter in die Bibliothek des Johanneums zu Hamburg gekommene Hand- 
schrift altdeutscher Rechtsquellen zu Qrunde gelegt '*, so ist das ungenau; 
es befindet sich, soweit mir bekannt, auf der Hamburger Stadtbibliothek 
nur die ron Lindenbrog benutzte Handschrift der Lex Bipuariorum, die früher 
dem Stift Corvei gehörte. 



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78 

näher y so halte ich es fttr ganz unzweifelhaft, dafa Linden- 
brog in ihr das Spangenbergsche Manuscript, sowie 
die Ausgaben der Lex von Herold und Tilius- benutzt 
hat; Ton den Sammelwerken der beiden letzten erwähnt er aus- 
drücklich in seinen Prolegomenis, dals er sie für den Codex Le- 
gum verglichen habe. Eine weitere Frage aber ist, wie Linden- 
brog bei der Benutzung dieser drei Texte verfahren ist, und ob 
er auüter ihnen noch einen andern gebraucht hat? 

Meiner Ansicht nach legte Lindenbrog den Text des Spangen- 
bergschen Mannscripts seiner Ausgabe der Lex Saxonum zu Grunde; 
theilte diesen Text nach Herolds Ausgabe in gröfsere Abschnitte 
mit üeberschriften, und berichtigte ihn ans den Ausgaben von He^ 
rold und Tilius, wo es ihm schien, dafs sie bessere Lesarten ge- 
währten als das Spangenbergsche Manuscript; aufser diesen Quel- 
len standen ihm für die Lex Saxonum keine anderen zu Qebote, 
wie er denn namentlich das Gorveier Mannscript nicht benutzte. 

Dafs Lindenbrog wirklich bei der Hersteilung seines Textes 
in dieser Weise verfuhr, ist nnr dadurch zu begründen, dafs man 
die wichtigeren Abweichungen des Lindenbrogschen Textes von 
den drei anderen Texten im Einzelnen durchmustert; eine darauf 
abzielende Zusammenstellung liefert eine Anmerkung am Schinfe 
dieses Paragnq)hen, hier aber bedarf es noch einer kurzen Er- 
örterung über die Art, wie Lindenbrog aus Herold die Einthei- 
lung der Lex Saxonum in gröfsere Abschnitte entnommen hat, 
die er Gapita und nicht, wie Herold, Tituli nennt ^). Das Verhält- 
nifs der Heroldschen Titel der Lex zu den kleinen Gapiteln, in 
welche sie in dem Spangenbergschen und Gorveier Manuscript, 
sowie in der Tiliusschen Ausgabe, getheilt ist, zeigt die unten 
hinter §• 7 eingerückte üebersichtstafel der verschiedenen Einthei- 

') Es entsprechen den folgenden Titeln von Herold die daneben einge- 
klammerten GapiU Lindenbrogs: Herold Tit.! (Lindenbr. Cap.I), II (Lind. II), 
jn (Lind.m), IV (Lind. IV), V (Lind. V), VI (Lind. VI), Herold VI (Lind. 
VH), Her.Vn (Lind. VII), VUI (Lind. VIÜ), IX (Lind. Dl), X (Lind.X), 
Herold XI J.1-3 (Lind. XI), Herold XU u. XI §. 4 u. ö (Lind. XU), 
Her. Xm (Lind. XIH), XIV (Lind. XIV), XV (Lind. XV), XVI (Lind. XVI), 
XVH (Lind. XVU), Her. XVUI (Lind. XVUI). 



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79 

• 

langen der Lex Saxonam. Die Lindenbrogsche Aosgabe giebt 
den grOfseren Abschnitten der Lex dieselben Ueberschriften, die 
bei Herold stehen; nur der Titel U ist überschrieben „De occisio- 
nibns'' statt ,yDe homicidiis'S und Titel XVII ,,De conjugio^' für 
„De liti conjagio''; dafs die Heroldsche Ueberschrift von Titel II 
dem Inhalt der unter ihr zusammengefafsten Capitel nicht ent- 
spricht, habe ich 8.50 erörtert; das Auslassen des Wortes „litus** 
in der Ueberschrift von Titel XVII verdient aber bei Linden- 
brogs ungenauer Benntsung seiner Quellen keine nShere Beach- 
tung. Seltsam ist es, dafii Lindenbrog zwei Titel der Lex mit 
No. Vlly und Herold zwei Titel mit No. VI bezeichnet Sehr an- 
schaulich zeigt sich das Herttbemehmen Heroldscher Titelttber- 
schriften durch Lindenbrog, bei dem Heroldschen Titel XH, d. i. 
dem Capitel 57 des Spangenbergschen und des Corveischen Codex 
oder dem Capitel 55 bei Tilius. Bei Herold stehen nfimlich die 
wenigen das Capitel 57 bildenden Worte erst hinter den Capiteln 58 
und 59 des Spangenbergschen und des Corveischen Codex (oder 
der Tiliusschen Cap. 56 u. 57), und Herold überschreibt sie, indem 
er aus ihnen einen Titel bildet, „De animali quod damnum dat^^ 
Lindenbrog ist hier in der Reihenfolge der Sätze dem Spangen- 
bergschen Mannscript gefolgt, hat über die Worte des Capitel 67 
die ueberschrift von Herold gesetzt, und zu dem mit ihnen über- 
schriebenen Abschnitte (d. i. seinem Abschnitt XII) di^ dahinter 
folgenden Capitel 58 und 59 als §§. 2 u. 3 geschlagen ^), Unerachtet 
der Inhalt der beiden Capitel in keiner Weise der Titelüberschrift 
entspricht; man beachte namentlich Capitel 59 (bei Lindenbrog XII 
§. 3): „Si ferrum manu elapsum hominem percusserit, ab eo cujus 
manum fugerat componatur, excepta faida'^ 

Anmerkung über Lindenbroge Benutzung der älteren Texte der Lex 

Saxonum. 

a) Lindenbrog hat seiner Ausgabe der Lex Saxonum 
das Spangenbergsche Manuscript zu Grunde gelegt; dies 
beweisen vor Allem die oben im §. 1 besprochenen Zusätze über 

1) Ein Irrthum von Gaertner Leges Saxonum p. 97 ist es, wenn er aa- 
giebt, dalls diese beiden Capitel bei Lindenbrog fehlen. 



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80 

territoriales Recht, die er mit einigen offenbar von ihm herrüh- 
renden oben S. 3 Note 1 verzeichneten Correctaren ganz wie das Span* 
genbergsche Manuscript hat, während sie nach ihrem Inhalt in der 
ursprünglichen Lex Saxonum nicht gestanden haben können und in den 
andern Texten fehlen. Wären diese Zusätze von Lindenbrog aus einem 
andern als dem Spangenbergschen Manuscript genommen, so müfste 
dies in unglaublicher Weise mit ihm Übereingestimmt haben, da die 
fragmentarischen elend stilisirten Zusätze bei Lindenbrog in derselben 
Weise, wie im Spangenbergschen Manuscript, an unpassenden Stellen 
in den Text eingeschoben sind, und wie dort den Zusammenhang der 
Sätze, denen sie eingefügt sind, sinnlos unterbrechen, vgl. S. 6 u. S. — 
AU weitere Belege für Lindenbrogs Benutzung des Spangenbergschen 
Manuscripts greife ich folgende Beispiele heraus: in Cap. 5 ,|Wltavam'' 
bei Lind., wie im Spang. Mscrpt, statt des richtigen „wlitiwam*^ bei 
Herold (und im Corv. Mscrpt.). ~ In Cap. 5 „solid. 240 culpabilis 
judicetur" bei Lind., wo die gesperrt gedruckten Worte im Spang. 
Mscrpt. stehen und ein in den andern Texten fehlender unnöthiger 
Zusatz sind. — In Cap. 8 „quicunque gladio stricto super alium cu- 
currerit" bei Lind., wo „alium" nur im Spang. Text steht, die andern 
Texte und auch das Inhaltoverzeichnifs des Spang. Codex dafür „alterum^ 
lesen. — In Cap. B „in manu liti sui vel in armata juret^'bei Lind., 
wo das Spang. Mscrpt. „in sua armata\ Herold nur „sua armata" ge- 
währt, und bei Tilius „per sua arma" (im Corv. Mscrpt. „in sua arma**) 
steht. Die Lesart „armata" hielt Lindenbrog, ich meine irrthümlich, 
für die richtigere, liefs aber das ihm anstöfsige »sua" weg, das er auf 
„litus" be^og. — In Cap. 13 „pollex totus abscissus 240 solid, com- 
ponatur, si dimidius 170 componatur" bei Lind., wo für diese fal* 
sehen im Spang. Mscrpt. stehenden Summen die andern Texte richtig 
360 und 180 Solidi haben. — In Cap. 13 „duo (digiti) membra 140 sol.« 
bei Lind., wie im Spang. Mscrpt, statt 160 Solidi, wie die andern Texte 
richtig lesen. — In Cap. 16 „solvatur aut solido majori" bei Lind., 
wie im Spang. Mscrpt. , während Herold (und das Corv. Mscrpt.) für 
das falsche „aut" richtig „autem^ lesen. — In Cap. 18 „et vindicetnr 
in illo et aliis Septem de consanguineis ejus ad propinquos 
occisi'' bei Lind., übereinstimmend mit dem Spang. Mscrpt, nur dafs 
Lind, „et aliis" für „et alii" im Spang. Mscrpt bessert, wo die andern 
Texte richtiger „et aliis Septem consanguineis ejus a etc." lesen. — In 
Cap. 30 „qui alvearium apum infra sepem" bei Lind., wie im Spang. 
Mscrpt., nur dafs Lind, „sepem" für „sepe" bessert, während die«ndern 



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81 

Texte und «ich daa Inhaltsveneichiiils des Spang. Msorpts. „infra 
sepia*^ lesen. — In Gap. 40 „puellae 240 oomponat'' bei Lind., wie 
im Spang. Mserpt., wo die andern Texte ^^240 3olido§ componat^ lesen, 
and „BolidoB* anoh im Spang. Text aas dem Vorausgehenden ergänzt 
werden mois. — In Gap. 42 „proximns paterni generis vel ejus con- 
sangninens '^ bei Lind., wie im Spang. Mscrpt., wo in den andern Texten 
das „vW richtiger fehlt. 

b) Lindenbrog hat den Text des Spangenbergschen 
Mannscripts ans den Aasgaben von Herold und Tilius ge- 
ändert, wo ihm deren Lesarten mehr zusagten. Dafs Lindenbrog aus 
Herolds Ansgabe dessen Titeleintheilung mit ihren Ueber- 
schriften entnahm, wurde schon oben S. 79 erörtert; in Beziehung 
auf den Text des Tilius ist als beweisend hervorzuheben, dafs er 
ans ihm den Schlufssatz in Capitel 66 über Werthbestim- 
mungen verschiedener Gegenstände entnahm, der im Spangenberg- 
schen Manuscript, wie bei Herold, fehlt, vgl. S. 28. Als weitere Be- 
lege führe ich an: in Gap. 11 „qui ambos, sol. 1440** bei Lindenbrog 
ist ans Tilius entnommen, das Spangenbergsche Manuscript und Herold 
lesen „W ambos, 1440 solid.*' — In Gap. 14 „interpremium 120 sol." 
bei Lind, aus Tilius, für „ in premium " bei Spang. und Herold. — In 
Gap. 17 „si a liberto vel lito** bei Lind, aus Til., wo Spang. und 
Her. richtig „a libero vel lito" lesen. — In Gap. 19 „ille ac filii ejus 
soll sint faydosi** bei Lind, aus Til. und Her., für das sinnlose „«^ 
9i iUi sunt*^ im Spang. Mscrpt. — In Gap. 20 „si ille sua sponte re- 
versoB fuerit" bei Lind., aus Til. und Her., während die gesperrt ge- 
druckten Worte nille" und „fuerit" im Spang. Mscrpt. ausgefallen sind. — 
In Gap. 20 und 54 „ weregeldi^ bei Lind, aus Tilius und Herold, für 
^wedre^ildi^ im Spang. Mscrpt — In Gap. 33 „Qui infra screonam" 
bei Lind, für das entstellte „m sereonam^ des Spang. Mscrpts. , indem 
ihm Tilius „infra streona*' und Herold „in sereona'^ gewährte. -- In 
Gap. 36 „Quidquidvel in uno denario minus tribus solidis quislibet 
fnrto abstulerit" bei Lind.; hier sind die gesperrt gedruckten Worte 
aus Tilius entnommen, für die sinnlos im Spang. Mscrpt. stehenden 
y,de uno de uno denario^ ; richtiger liest Herold (und das Gorv. Mscrpt.) 
„vel uno denario*'. — In Gap. 39 „tribus de eadem provincia i doneis 
testibus** bei Lind., indem er aus Tilius und Herold „idoneis*' setzt 
für das sinnlose „id ett eis^ des Spang. Mscrpts. — In Gap. 40 „uxo- 
rem ductums 300 solides det parentibus ejus*' bei Lind., indem er 
„det*' aus Tilius und Herold iür das sinnlose „de^ im Spang. Mscrpt. 

6 



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82 

aufnimmt. — In Cap. 40 „si per vim rapta «st** bei Und., indem er 
ans Tilius „per vim" für das blolfle „otm^ des Spang. Mserpts. auf- 
nimmt, während Herold (and das Corv. Mscrpt.) „vi^ lesen. — In Cap.il 
„pater aut mater^ bei Lind., aus Tilius und Herold berichtigt für das 
sinnlose „pater autem ei mater" desSpang.Mscrpts.— InCap.4ö „filium- 
que genuerit" bei Lind, aus Tilius und Herold, für das unrichtige 
„filium ^t genuerit" des Spang. Mscrpts. — In Cap. 46 „qui filium 
aut filiam habuerit" bei Lind., wo das Spangenb. Mscrpt. und Herold 
richtig „qui filiam ac filium habuerit'' lesen, und Lind, nach Tilius, 
bei dem „qui filium aut filiam genuerit^ steht, falsch geändert hat — 
In Gap. 47 „Ostfalai et Angrarii volunt'' bei Und. aus Tilius und 
Her., für das sinnlose „autfaida et angaria volunt'' im Spang. Mscrpt — 
In Gap. 47 „sicque diem obierit'' bei Lind., ein unnöthiger ZimoAe, 
den nur Tüius hat^ Und der dem Spang. Mscrpt. wie Herold (und dem Corv. 
Mscrpt.) fremd ist. ~ In Gap. 47 ist bei Lind, seltsamer Weise die bei 
Tilius ausgefallene Zeile „dotem amittat ; si autem non gemurii^ hinter 
„genuerit" weggelassen; während sie richtig im Spangenb. Text 
wie bei Herold (und im Gorv. Mscrpt.) steht ^ In Gap. 49 „et si cum 
matre^ bei Lind., wo das im Spang. Mscrpt. fehlende „tt" aus Tilius 
und Herold ergänzt ist. — In Gap. 50 „dominus emendet^ bei Lind., 
wie im Text von Tilius und von Herold, während im Spang. Mscrpt. 
,1 dominus aejut emendet*' steht. — In Gap. 51 „si servus scelos .. 
commiserit^ bei Lind., wo das im Spang. Mscrpt sinnlos ausgefallene 
jyservus'^ aus Tilius und Herold ergänzt ist. — In Gap. 54 „si arbor ab 
alio praecisa^ bei Lind. fQr „ab illo^ im Spang. Mscrpt, das „alio" 
ist aua Tilius und Herold gebessert. — In Gap. 56 „Qui laqueum fos- 
samve" bei Lind, aus Herolds Text, für „Qui laqueum fossam vel^ im 
Spang. Mscrpt; Tilius hat „fossam vel laqueum*'. -- In Gap. 58 „Si 
fossa vel laqueus'^ bei Lind, aus Tilius und Herold, während irrig im 
Spang. Mscrpt. „Si quis fotsa etc.'' steht. — In Gap. 58 sind bei Lind, 
die Schlulsworte „aquo parata sunt componatur", die im Spang. 
Mscrpt ausgefallen, aus Tilius und Herold ergänzt, — In Gap. 60 „Qui 
in fossam, vel sudem acutam, vel alienam sepem, peous quodlibet. 
agitaverit (für „sagitaverit^ im Spang. Mscrpt.) , ibique confixum vel 
cadens perierit" bei Lindenbr., sind die gesperrt gedruckten Worte aus 
Tilius aufgenommen , während das Spang. Mscrpt. und Herold (sowie 
das Gorv. Mscrpt) statt ihrer richtig lesen : „ 9uae veL alunae »epU ". — 
In Gap. 62 „nee heredem ^ bdi Lind, aus Tilius, für „u/ heredem" im 
Spang. Mscrpt. und bei Herold (sowie im Gorv. Mscrpt). Ich halte „ut^ für 



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83^ 

richtig, Eiohhoni Deutsche Bechtsgeach. 1. p. 837 vertheidigt „nee". — 
In Gap. 63 „campo dijndioetnr" bei Lind, ans Herold, für „oampo 
judieHur** im Spang. Mseipt.; Tilins liest unrichtig „campo dei judi- 
cetor*'. — In Gap. 64 „cuicunque voluerit" bei Lind, aus TUius, 
für ,,enioanque Ubuerit" im Spang. Mscrpt. und bei Herold (sowie im 
Gonr. Mscrpt.). — Ueber Gap. 66 vgl. oben S. 81 lit. b. 

c) Vermeintliche Teztesverbessernngen Lindenbrogs 
sind: in Gap. 7 „vel cum XII. manu juret" bei Lind., wo das Spang. 
Mscrpt. „vel cum XII juret'', und Herold und Tilius „vel undecima 
manu juref' lesen. — In Gap. 19 „si mordrum totum'* bei Und. 
halte ich für eine von ihm herrührende Gorreotur. Im Spang. Mscrpt. 
steht wie in Herolds Text ^ymardum totum"^ welches aus „ mordh-totnm << 
verleoen scheint, da das Gorv. Mscrpt. dafür „mord-dotum" gewährt 
Undenbrog kannte, wie sein Register zeigt, kein altdeutsches „mordh" 
neben „mordr'S und bildet ans „mordri-toton 'S wie Tilius liest, „mor- 
drum totum", indem er „totum" (d. i. Tod) für ein Uteinisehes 
Wort hält. — In Gap. 36 suchte Undenbrog einen Zusammenhang in 
die Sätze des Spangenbergm^hen Textes zu bringen, die durch die Em- 
Schiebung der Verordnung über territoriales Recht zerrissen und ihres 
Sinnes beraubt sind, vgl. S. 3 Note 1 ; die Worte „si litus 4; et con- 
scius similiter", die im Spangenb. Manuscript, wie im Heroldschen, 
Tflinsschen und Gorveier Text, stehen, hat er, weil sie in dem von 
ihm befolgten Text des Spang. Mscrpts. keinen Sinn gewährten, weg- 
gelassen, während ihr Vorhandensein im Spang. Text sich erklärt, wenn 
man beachtet, wie sie den Schluls des durch das Einschiebsel über 
territoriales Recht unterbrochenen Satzes bilden ; vgl. die oben S. 2 im 
Zusammenhang abgedruckten Worte des Gsp. 36. — In Gap. 38 hat 
Undenbrog den Zusatz des Spang. Mscrpts. über territoriales Recht 
weggeblasen, der aus den fragmentarischen halbunverständlichen Wor- 
ten „in qualicumque loco est, secundum legem illorum'' besteht, vgl. 
S. 3. — In G^). 42 liest Undenbrog „si is (i. e. filius) forte defuerit, 
qui frater est defuncti", wo statt der gesperrt gedruckten Worte 
ursprünglich in der Lex stand: „frater idem defimdi^y wie das Spang. 
Mscrpt. und Herold lesen. Undenbrog hat sich bei seiner Gorrectur 
durch Tilius leiten lassen, der t, qui frater, id est defuneti" liest. — 
Dafi» Lindenbrog eine Menge Schreib- oder Lesefehler des Spangenb. 
Mscrpts., die sich unmittelbar als solche documentiren, ohne Weiteres 
gebessert hat, kann nicht befremden: z. B. menbrum in membrum, na- 
sum in nasus, u. s.w. Für einen einfachen Schreib- oder Druckfehler 

6* 



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84 , 

halte ieh es, wenn Lind in Gap. 3 liest ,,8i sangninat sol. GCXX" 
statt „120 solidoa^' in den andern Texten; dafs hier 120 und nicht 
240 Solidi zn zahlen waren , ergiebt eine Vergleichung der daneben 
aufgeführten Bafssammen. 

d) Ansichten Neuerer über Lindenbrogs Ausgabe. Bis 
zu Spangenbergs Hittheilungen im Jahre 1822 Aber das von ihm auf- 
gefundene Manuscript der Lex Saxonum, welches wir nach ihm be- 
nennen, war die Lindenbrogsche Ausgabe neben der von Herold und 
der Ton Tilius fUr Ermittelung des urspranglichen Textes der Lex Sn- 
xonum als Quelle zu benutzen, da sie mehrere Sätze und nicht wenige 
Lesarten enthält, die sich in keinem andern der damals bekannten 
Texte der Lex finden, und Lindenbrog sich auf ein Manuscriptum Te- 
tustissimum beruft, aus dem er seinen Text berichtigt und erginst 
habe. Die erste Ausgabe der Lex Saxonum, die seitdem erschien, war 
die von F. Walter im Jahre 1824; er liefs in ihr Varianten aus dem 
Spangenbergschen Manuscript neben Varianten der Lindenbrogsehen 
Ausgabe abdrucken. Gaupp in seiner Ausgabe der Lex im J. 1837 
setzte p. 77 afs feststehend voraus, dafs der Lindenbrogsehen Ausgabe 
eine von dem Spangenbergschen Manuscript verschiedene Handschrift 
zu Grunde liege, über die er p. 80 äufsert: „dafs sie der von Span- 
genberg am nächsten stehe, obwohl jede auch wieder ihre kleinen 
Eigenthümlichkeiten habe". Merkel Lex Saxonum 1853. p. 4 giebt 
das Verhältnifs des Lindenbrogsehen Textes zur Heroldschen Ausgabe 
und zum Spangenbergschen Manuscript in den Hauptpunkten richtig 
an; doch kann ich ihm nicht beistimmen, wenn er es für nicht er- 
wiesen hält, dafs das von Lindenbrog benutzte Manuscript das Span- 
genbergsche sei, da doch „Einzelnes und namentlich die Stelle am 
Ende des 36. Gapitels, dem Lindenbrog eigenthümlich bleibe''. In Folge 
dieser Ansicht behandelt Merkel in seiner Ausgabe den Lindenbrogachen 
Text als einen fünften uns erhaltenen Text der Lex Saxonum, und giebt 
Varianten aus ihm neben denen der andern vier Texte an. Die von Linden- 
brog im Gap. 36 der Lex vorgenommenen kleinen Aenderungen sind 
oben S. 3 Note 1 besprochen worden, sie genügen nicht, um ein besonderes 
Lindenbrogsches, von dem Spangenbergschen verschiedenes Manuscript 
anzunehmen, vgl. S. 77. Aehnliche Auslassungen und Ungenauigkeiten 
finden sich auch in mehreren anderen Ausgaben der Lex Saxonum, die 
unbedingt keine besonderen Handschriften benutzt haben, vergleiche 
unten S. 93 Nr. 4 und S. 94 Nr. 5. 



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85 



§. 7. Der Grondtext der |^ex SaxoBm. 

In Tier Texten ist die Lex Saxonum anf uns gekommen, die 
in den §§. 1 bis 5 besprochen wurden; zwei von ihnen kennen wir 
ans Handschriften, die dem 9. und 10. Jahrhundert angehören, 
und als die Spangenbergsche und die Corveier Handschrift der 
Lex bezeichnet werden, die zwei andern dagegen sind uns nur 
in den um die Mitte des 16. Jahrhunderts fast gleichzeitig ge- 
druckten Ausgaben der Lex von Herold und von du Tillet zu- 
gXnglich, denen zwei spurlos verschollene Handschriften zu Grunde 
li^en. Aufser diesen 4 handschriftlichen Texten stehen uns keine 
weiteren Quellen zur Ermittelung des ursprünglichen Textes der 
Lex Saxonum zu Oebote, und namentlich darf Lindenbrogs Aus- 
gabe der Lex nicht für diesen Zweck benutzt werden, da sie, 
wie in §. 6 ausgeführt wurde, nur auf der Spangenbergschen 
Handschrift, verbunden mit den Ausgaben von Herold und du Tillet, 
bemht, und Lindenbrog sich für sie keiner weitem handschrift- 
lichen Materialien bedient hat. Dafs früher noch andere Hand- 
Schriften der Lex Saxonum existirt haben, kann keinem Zweifel 
unterliegen'), doch fehlt es an jeder Spur, die auf das Vorhan- 
densein einer andern Handschrift der Lex Saxonum hinwiese'). 

1) Widttkind von Coirei 1. c. 14 sagt: ^de legum yarieUte^ nostrum 
non est in hoc libello disserere, cum apud plures inreniatur Lex 
Saxonica diligenter descripta". MoniiiD. Germ. Scr. 3. p.424. 

*) Einzelne Angaben über Handschriften mit sAchsischem Recht werden 
ohne allen Grund auf die Lex Saxonum bezogen; das geschieht namentlich 
mit einer Notiz, die in einer unter P. Ludewigs Praesidium yon Fuhrmann 
rertheidigten Dissertation enthalten ist. Wie Gaupp, Recht und Verfas- 
sung der alten Sachsen p. 79 anführt, bezieht Joh. GottL Müller, in seinen 
Fragmentis obsenrationum ad veterem legem Sax. p. 17, diese Kotiz auf 
die Lex Saxonum ; eine Angabe, die auch Merkel Lex Sax. p. 4 wieder- 
holt, wohl ohne jene Notiz verglichen zu haben, ich setze sie her aus der 
auf der Berliner KAnigL BibUothek befindlichen Dissertation, deren Titel lautet: 
Differentias jurium in aetate puberum et majorum , praeside J. P. de Lude- 
wig, respondebit C. H. Fuhrmann, Halae 1725. 4. Und das. p. 63 ist be- 
merkt: ^Saepe questas sum, vulgarem legum Wisigothorum editionem ad- 
Bodum esse mendosam; .. in Gallia egomet, Parisiis, meo aere redemi 
hanun legum membranas; forma ejus libri, ut publicari solent libri nostri 



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86 

Vei^teichen wir niui die yier uns erhaltenen Texte der Lex 
Saxonom mit einander, so liegt allen vieren eine sehr 
ttbereinstimmende Fasanng der Lex sn Grunde. Em 
tritt dies klar hervor , wenn man die als spiter rer&fot sieli 
heraoflstellenden Zntiltze der einielnen Texte ans ihnen anaeeheidet; 
nnd rwar: a) ana dem Heroidaehen Text, die ron Herold her- 
rührende Eintheilnng in Titel mit ihnen Torgeaetsten üeber- 
aehriften, vgl. oben 8.48 — 55; b) aoa dem Spangenbeigachoi 
Text die yier vom Sehreiber in den Text hineingeaogenen Ex- 
eerpte ans einem apiteren Geaetie, vgL oben 8. 1 — 18; e) ans 
dem da Tifletaehen Text, die amSehlnase der Lex angefügten 
Angaben über Sehitznngawerthe ans dem Gapitnlare Saxonicnm 
von 797, TgL oben 8. 28, 44 nnd 46; nnd d) ans. dem Gorveier 
Text, die am Sehlnsae der Lex angefügten Angaben über SchltEnngs- 
werthe aoB dem Gapitnlare Saxonicnm von 797, vgl. oben 8. 28 
n. 44 — 46, sowie die irrthümliehe Anfügung des sweiten Theiles 
der Lex Thuringomm nnd die Einsehiebung der Gapitelübersehrift 
Lex Franeorum, vgl. oben 8. 59 und 60. Ja nach Ausscheidung 
dieser offenbar späteren ZnsStse seigt sich unter den vier Texten 
in manchen Punkten sogar eine sehr auffidlende üebereinstim- 
mung; das eclatanteste Beispiel dafür gewähren die Capitel 56 
und 58 der Lex, indem in ihnen ein und dieaelbe Satsnng in 



ehartooeit oetiipU; Ktterae retiistatem habent saecofi XIL AnimiiB est, rel 
iDiiu edere rmriuites lecdones, Tel recodere eodieem totom; eiqne jün- 
gere alias Normannicas, AndegaTenses, Saxonicas, Friaicfts, 
quas in membranis possideo parlier mannseriptas*'. Beachtet 
man, wie hier, nachdem amstandlieh Ton einer Handschrift der Lege« 
Wisigothomm ans dem 12. JahrhnndeK gehandeh ist, flSchtig Handsdiriften 
mit sächsischem, neben andern mit NonnJknnisdiem, Angersdbem und Frie- 
sischem Recht, erwiJmt werden, so wird man darunter Hnndsehriften der 
spiteren s&chsischen Rechtsbacher nnd nicht der Lex Saxonnm beseichnet 
finden. — Dafs bei den in einer Papierhandschrift der Bibliothek des Grafen 
Ton Leicester sn Holkham, rorhandenen Leges Saxonicae in latinnm 
translatae, welche Pertz Archir 8. p. 504 ans einem Catalog Tom J. 1773 
aaftkhrt, an eine latefaiische Uebersetsnng angelsidisischer C^eseUe, nnd nicht 
an die lateinisdi abgefkiste Lex Saxonnm sn denken ist, scheint anch 
Merkel Lex Sax. p. 3 einxnraumen. 



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87 

allen rier Texten sweimal steht, wie es nnrnSglich im Original 
der Lex der Fall gewesen sein kann. Die beiden Stellen lauten: 
Cap. &e (bei Herold: Titel XI §. 3) „Qai Uqneum fossamre ad 
feras oapiendas fecerit, et haee damnum cnilibet feeerint, qoi eas 
fedt mulctam solvat*. 

Gap. 66 (bei Herold: Titel XI §.4) »Si fossa Tel laqnens ad 
feras oapiendas praeparata, damnum qaodlibet feeerint, a quo parata 
snnt conponator^. (Die 5 lotsten Worte fehlen im Spang.Manoseript) 

Von ▼ersohiedenen Recensionen der Lex seigt 
sieh in den Tier Texten keine Spur, da, wie oben 8.6 n. 18 
erörtert wurde, die ZnsStse in dem Spangenbergschen Mannscript 
niclit als wirkliche BestandMeile des in ihm enthaltenen Textes 
betrachtet werden kOnnen, sondern nar Randglossen sind, die der 
Schreiber ans der von ihm copirten Handschrift unpassend in die 
einzelnen Sätze des Textes, bei denen sie beigeschrieben waren, 
hineingezogen hat, ohne sie mit demselben in irgend eine Verbin- 
dung zu bringen. 

üeber den Werth jedes einzelnen der vier Texte, 
sowie ttber ihr Verhältnüs zu einander und zu dem ihnen allen 
an Grunde liegenden Originaltext, sind sehr Terschiedene Ansichten 
aufgestellt worden, uud haben zum Theil in den einzelnen Aus- 
gaben der Lex, die ich in der zweiten Anmerkung am SchluA 
dieses Paragraphen chronologisch aufzähle, einen Ausdruck ge- 
funden. Die ersten Herausgeber der Lex, du Till et und He- 
rold, kommen hierbei nicht in Betracht, da wir keinen Grund 
haben anzunehmen, dafs beide mehr als eine Handschrift der Lex 
gekannt und benutzt haben. Lindenbrog hielt.den Text der 
Pithoeschen Handschrift, oder, wie sie heute bezeichnet zu werden 
pflegt, des Spangenbergschen Manuscriptes, für den besten, indem 
er diesen seiner Ausgabe zu Grunde legte, und ihn nur aus den 
Texten tou Herold und Ton du Tillet zu berichtigen suchte; ihm 
folgte Leibniz in seinem Abdruck der Lex. Gaertner, der den 
Heroldsehen, du Tilletschen und Lindenbrogschen Text kannte, 
erklärte den Heroldschen für den bei weitem vorzüglichsten, und 
gab ihn 1730 in seiner Ausgabe unverändert wieder; ihm traten 
die Späteren meistens bei. Johann Mttller legte 1779 den 



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88 

dv Tilletoeheii Text seiner Avagabe so Onrade, die EJMij im 
Jahre 1796 wieder abdrucken lieb; noch Eiehiiom Dentsdie Beehto- 
geaebiebfte 1. p. 573 meinte, dafo der da Tilletache Text wesent- 
liebe Vonttge vor allen Übrigen babe, und Oanpp Recht nnd Ver- 
£urang der alten Sachsen p. V und p. 76 wollte ihm bei Ermii- 
telnng des nrspranglieben Textes der Lex eine grolse Bedentnng 
eingerinmt wissen. Perts in einer Notix, die er anf das erste 
Blatt seiner mir für die Bearbeitnng der Lex eingehlndigten Ab- 
schrift des Spangenbergschen Textes (dem Anschein nach im 
Jahre 1826) schrieb, schlag vor, die ans erhaltenen Texte der Lex 
sn ordnen: 1. Codex Spangenbeigensis, 2. Herold, 3. THins, 
3*. Lindenbrog, 4. Codex Corbejensis. Merkel hat 1853 seiner 
Aasgabe der Lex Saxonam den Text der Corveier Handschrift 
xa Grande gelegt, and diesen an einigen Stellen aas den andern 
Texten xa berichtigen gesucht; er numerirt die Texte: 1. Codex 
Spangenbergensis, 2. Codex Corbejensis, 3. Tilius, 4. Herold, 
5. Lindenbrog; nnd nimmt an, dafs sich im Heroldschen Texte 
nnd in dem von Lindenbrog (wenn dieser anf einer eigenen Hand- 
schrift beruhe) eine spätere G^talt der Lex erhalten habe. 

Ich meinesthells halte den Heroldschen Text entschieden 
ftlr den ältesten und besten, wie ich dies schon oben 8. 55 aus- 
geflihrt habe, and meine, dafo er nach nothwendiger Ausscheidung 
der ihm ursprünglich fremden, nnd nur von Herold aus Bequem- 
lichkeitsrUcksichten beigefttgten Titeleintheilungen und Titelttber- 
schriften, am wenigsten unter den vier uns erhaltenen Texten von 
dem Text der Lex* Saxonum abweicht, der ihnen gemeinsam xu 
Grunde liegt. An den Heroldschen Text reihen sich der T^xt 
des Spangenbergschen und der des Conreier Codex; jenen halte 
ich fttr die Abschrift eines dem Heroldschen Text näher stehen- 
den Textes, der aber durch seinen elenden Schreiber arg verun- 
staltet ist; diesen fttr eine, durch die mehr erwähnten Znsätxe 
ihm femer gerttckte, im Uebrigen aber weit oorrectere Abschrift 
eines ähnlichen Textes. Entfernter als diese beiden Texte steht 
von dem Heroldschen Text der du Tilletsche Text; er ist der 
jttngste unter den vier Texten, weicht am meisten ab von dem 
ihm und den drei andern Texten xu Grande liegenden Text der 



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89 

Lex SftxoDiiiii; abgesehen von den oben beiproohenen Znsiteen 
sind Beine meiBtens kleinen , aber lahlreiehen Abweichungen der 
Art, dafii sie mich in der oben 8. 70 dargelegten Annahme ftthren, 
der Schreiber sei beflissen gewesen beim Schreiben der Fassong 
des Textes, den er abschrieb, ttberall, wo sie ihm mangelhaft schieui 
durch kleine Aenderongen, Znsätse ond Anslassungen nach- 
aohelfen. 

Ist diese Beurtheilnng der vier erhaltenen anf Handschriften 
bemfaenden Texte der Lex 8axonnm richtig, so muls bei einer 
nenen Ausgabe der Lex nothwendig der Heroldsche Text an 
Grande gelegt werden, unter Weglassang der in Herolds Abdruck 
ihn entstellenden Titeleintheilungen und Titelttberschriften, sowie 
unter Berichtigung von falschen Wort- und Satsyerbindungen, die 
als von Herold herrührend gelten können. Einige Berichtigungen 
bieten daneben der Spangenbergsche und Corveier handschrift- 
liche Text, wie denn auch aus ihnen und namentlich aus iets- 
terem manche unlateinische, von Herold beim Abdruck des Textes 
beseitigte Wortformen wieder hiersastellen sein dürften. Der du Til- 
letsche Text wird nach. seiner gansen Eigenthttmlichkeit fttr die 
Bestituirung des älteren Textes der Lex kaum einen Beitrag lie- 
fern können, wenn es auch an einselnen Stellen nicht ohne In- 
teresse ist, au sehen, wie der Schreiber desselben die Lex yer- 
standen hat 

Ein Versuch, den Originaltext der Lex Saxonum 
au reconstruiren, ist bei der Beschaffenheit der uns für die 
Lex an Gebote stehenden Httlfsmittel unmöglich; die vier hand- 
schriftlichen Texte, die uns von der Lex erhalten sind, fahren 
auf einen ihnen an Grunde liegenden Text surttck, und thun es 
in solcher Uebereinstimmung, dais wir diesen Text, so scheint 
es, ziemlich sicher feststellen können, — dieser Text ist aber noch 
keineswegs der Originaltext der Lex Saxonum 1 Dafs die Lex in 
ihrer ursprunglichen Fassung nicht die Gapitel 56 und 58 ent- 
halten haben kann, die dieselbe Satzung in nur wenig von ein- 
ander verschiedenen Worten ausdrttcken, wurde 8. 87 bemerkt; 
ebensowenig dürfte zum Beispiel, im Originaltext in Gapitel 36, 
das Fredum des Litus, zu 4 Solidis angesetzt gewesen sein, vgl. 



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90 

oben 8. 58; ferner wird es aaeh der Lex, bei ihrer nrq>Tttngfieiieii 
Pnblioation, nieht an einem bestimmten f9rmliohen Eingange ge- 
fehlt haben ^); ob etwa sonst noeh einselne in der Lex Ursprung- 
lieh enthaltene Bfttse ansgefallen sind, ist unbekannt, doeh ge- 
brieht es an einem bestimmten Grande, es ansonehmen. Den Text 
der Lex, der sich aas den vier handschriftlichen üeberliefemngen 
desselben ergiebt, werden wir bis in die erste Hälfte des 9. Jahr- 
hunderts surttckdatiren können, da ihn die Spangenbergsche und 
die Corveier Handschrift, die dem 9. und 10. Jahrhundert ange- 
hören, bereits als vorhanden Yoraussetsen. Fttr die Existenz dieses 
Textes in jener Zeit spricht auch noch speciell, dab ich nadi 
den 8. 6 gemachten Bemerkungen glaube annehmen su können, 
der 8chreiber der 8pangenbergschen Handschrift habe die von 
ihm in ungehöriger Weise in den Text gesogenen Notizen ttber 
Anwendung des territorialen Rechtes als Randglossen in einer 
Handschrift, die er copirte, vorgefunden; es enthielt dann bereits 
jene ältere Handschrift, der die Randglossen, wie ich vermiithe, 
fUr ihre bequemere Benutzung in der Praxis beigeechrieben waren, 
den fraglichen Text 

Nach den Worten, mit denen die Lex 8axonum in der He- 
roldschen Ausgabe, in der Gorveier Handschrift und im 8pangen- 
bergschen Manuscript beginnt, scheint sie in dem älteren Text 
den Namen „Liber legis Saxonum'^ geführt zu haben*); die 



1) Auch bei rielen Capitularien Karls des Grofsen fehlt in den ans 
erhaltenen Texten der Eingang, snm Beispiel in -den Capitalis de partibiu 
Saxoniae; erhalten ist er in dem Capitulare Saxonicum: „Anno ab inoar- 
natione domini nostri Jesu Christi 797, et 30 ac 22 regnante domino Carole 
praecellentissimo rege, convenientibus in unum Aquis palatio in ejus obse- 
quio yenerabilibus episcopis et abbatibus, seu inlustris riris comitlbus, 
5. kalendas Norembris, simulque congregatis Saxonibus de diversis pagis, 
tarn de Westfalahis et Angrarüs, quam et de Ostfalahis, omnes unanimiter 
oonsenserunt et aptificaverunt, ut etc.'' Perti Leg. 1. p. 75. 

^ In Herolds Origiues lautet der Anfang der Lex Saxonum : «bi Christi 
nomine incipit legis Saxonum über. De vtdneribiis. Titul.L Paragraph 1, 
De ictu etc.", wo die cursiv gedruckten "Worte von Herold herrühren , wie 
ich S. 50 ausfthrte; im Corveier Manuscript steht daD&r: „Incipit Hb er 
legis Saxonum. 1. De ictu etc.^, und im Spangenbergschen Manuacript: 



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•1 

üebenehrift »VetiiB lex Saxonniii*< in der Aasgabe ▼onTtti» 
mnft ihr erst später^ naehdem sie bereits als eine alte ersehien, 
beigelegt sein^); mit Rttcksieht anf die Verschiedenbeit beider 
Benennmigeii wird maD vielleicht verrnnthen dürfen, daßi die Lex 
in ihrem Urtext nur als »Lex Saxonnm** bezeichnet war*). 

Anmerkung Über die Eintheihmg der Lex Saxonum, 

Eine üeberaichtstafel, die ich auf der folgenden Seite einracke, 
zeigt, in welcher Weise die vier uns erhaltenen Texte der Lex ein- 
getheilt sind; femer wie sich die einzelnen Abschnitte derselben ent- 
sprechen! und mit welchen Zahlen sie in den vier Texten bezeichnet 
sind '). 

^Incipit cap: Über legum inprimis Sazonmn. 1. De icta eto.*', aof 
welche Worte sun&chst das InhaltsTerseiclinila, dann der Text der Lex Saxo- 
nnm folgt. Die beiden ersten Worte des Spang. Manuscripte „incipii cap." 
(wie sie Ports in seiner Abschrift des Textes angiebt) werden in „incipiunt 
eapitula*' aufgelöst, und scheinen vom Schreiber der Handschrift hersu- 
rflhren, vgl oben S. 19 die Noten 1 und 2; ob das „incipit'', welches in 
den drei Texten wiederkehrt, dem Urtext angehört» ist nicht au entscheiden. 

') VieUeicht rflhrt die Beaeichnung „yetus'^ in der Ueberschrift „Vetns 
lex Sazonnm" erst Ton Tilius her, er überschreibt aach : y, Antiqua Bajurariorum 
lex** und „Antiguae Burgandionum leges'^. 

*) Anft&hren will ich, daia Widukind von Corvei 1. c. 14 die Lex als eine 
Lex S«xoniea beseichnet : „De legum rarietate nostnun non est in hoo libella 
disserere, cum apud plures inveniatur lexSaxonica diÜgenter desoripta^. 
Mon. Germ. Scrip. 3. p. 424. Die Worte Widukinds scheinen mir unleugbar auf 
die uns erhaltene Lex Saxonum bezogen werden au müssen; zweifelhafter 
dürfte das sein bei den Worten des Wippe, in der Vita Chuonradi regis c. 6 : 
„reTersus rex de Ribuarüs ad Saxoniam renit, ubi legem crudelissimam 
Saxonum secundum Toluntatem eorum constanti auctoritate roboravit*'. Mon. 
Oerm. Scr. XI. p. 245. 

*) Li dem auf S. 24 besprochenen Inhaltsrerieichnifs des Span- 
genbergschen Hanuscripts ist Capitel 7 des Spangenbergschen Textee 
nicht Terzeichnet, sind femer in Folge des Ueberspringens von Capitel 7 die 
Capitel 8 bis 60 des Spangenbergschen Textes mit einer um eins geringeren 
Zahl notirt, und fehlt auTserdem die Angabe der Capitel 6^ bis 66 des 
Spangenb. Textes, die den Schlufs der Lex bilden. 



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92 





Im CortmierM&pt, 


IndeiTUiuiÄutg. 


In Heroldä Au9p. 


.(aiMdem9.Jihrli.) 


(»iudeialO.J«hrh.) 


(gedraoktamia60.) 


(gedr.im Jahre 1667.) 


C»p. 1-10. 


Gap. 1-10. 


Gap. 1-10. 


Titl. §.1-10. 


C.11. 


0.11. 


0.11. 


i. 11-16. 


C.12. 


0.12. 


0.12. 


§.16. 


c. 13. 


0.13. 


0.13. 


§.17-20. 


Gap. 14-20. 


Gap. 14-20. 


Gap. 14-20. 


Tit. II. §.1-7. 


0.21. 


0.21. 


0.21 (I.Hälfte) 


§.8. 


C.22. 


0.22. 


o.21(2.Hälfte) 


§.9. 


0.23. 


0.23. 


0.22. 


§.10. 


Gap. 24-28. 


Gap. 24-28. 


Gap. 23-27. 


Tit.m. §.1-5. 


Gap. 29. 


Gap. 29. 


Gap. 28. 


Tit. IV. §.1. 


0.30. 


0.30. 


o.29(l.Hälfte) 


§.2. 


0.31. 


0.31. 


c.29(2.Hälfte) 


§.3. 


0.32-36. 


0.82-36. 


0.30-34. 


§.4-8. 


Cap. 37-39. 


Gap. 37-39. 


Gap. 35-37. 


TitV. §.1-8. 


Gap. 40. 


Gap. 40. 


Gap. 38. 


Tit. VI. §.1-3. 


Gap. 41. 42. 


Gap. 41. 42. 


Oap. 39. 40. 


Tit. VI. §.1.2. 


0.43. 


0.43. 


0.41. 


§.3.4. 


0.44. 


0.44. 


0.42. 


§.6. 


0.45. 


0.46. 


0.43. 


§.6.7. 


0.46. 


0.46. 


0.44. 


§.8. 


Gap. 47. 


Gap. 47. 


Gap. 46. 


TitVII. §. 1-4. 


Gap. 48. 


Gap. 48. 


Gap. 46. 


Tit. VIII. §.uiiio. 


Gap. 49. 


Gap. 49. 


Gap. 47. 


Tit. IX. §.1.2. 


Gap. 60. 51. 


Gap. 60. 61. 


Gap. 48. 49. 


TitX. §.1.2. 


0.62. 


0.62. 


0.60. 


§.3.4. 


. 0.63. 


0.63. 


0.51. 


§.6. 


C9p. 64-56. 


Gap. 64-66. 


Gap. 62-64. 


Tit. XI. §.1-3. 


0.67. 


0.67. 


0. 66, 


Tit. XII. §. anic. 
(UmsteUung!) 


0.68.69. 


0.68.69. 


0.66.57. 


TitXI. §.4.5. 


Gap. 60. 


Gap. 60. 


Gap. 68. 


Tit. XIII. §.ttiiic. 


Gap. 61. 


Gap. 61. 


0^.b9. 


Tit. XIV. §.1. 


Gap. 62. 


Gap. 62. 


Gap. 60. 


§.2.3. 


Gh>.63. 


Gap. 63. 


CSap. 61. 


Tit. XV. §.1.2. 


Gap. 64 (ohne 


Gap. 64. 


Gap. 62. 


Tit. XVI. §.uiiic 


Schlufssatz). 








0.64 (Schlafs- 


Gap. 66 (I.Satz) 


Gap. 63 (I.Satz) 


TitXVII. §.1. 


satz). 








Gap.66(l.datz). 


0.66 (2. Satz) 


0.63 (2. Satz) 


§.2. 


0.66 (Forts.) 


CSap. 66 (I.Hälfte) 


Gap. 64(l.Hälfte) 


Tit.XVIII.§.l-3. 


(fehlt.) 


o.66(2.Hälfte) 


o.64(2.Hälfte) 


(fehlt) 



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98 

Zur 1, und 2, Columne 8, 92, Im Spangenbergsohen and Gor- 
veierManusoript sind die Gapitel flbereinstimmeiid bis zum Gap. 64 
abgetiieilt und gezählt; das Gorveier Hanuseript bildet als Gi4>itel 65 
dem Inhalt gemäfs ein besonderes Gapitel aus dem Schlufssatz von Ga- 
pitel 64 und dem ersten Satz des Gapitel 65 des Spang. Manoseripts, vgl. 
S. 24. Sodann fehlt im Spang. Manuscript, wie bei Herold, die zweite 
Hälfte des Gapitel 65, welche im Gorveier Manoseript and in Tilios 
Text aus Terschiedenen Zusätzen zur Lex gebildet wird, vgl. S. 28. 

Zur 3. CoL Die Eintheilnng der Gapitel bei Tili us stimmt flberein 
mit der im Spang. und Gorv. Manuscript, auiser dafs die Gap. 21 u. 22 
im Spang. und Gorv. Manuscript in ein Gapitel (bei Tilins cap. 21), und 
daTs femer die Gapitel 30 und 31 im Spang. und Gorv. Mannscript in 
ein Gapitel. (bei Tilius cap. 29) verbunden sind. In der zweiten Hälfte 
Yon Gapitel 64 bei Tilius sind die bereits vorstehend zu.GoL2 er- 
wähnten Zusätze enthalten. 

Zur 4. CoL Der HeroldscheTexthat statt der Gapiteleintheilung 
eine Eintheilung in Titel, die in Paragraphen zerlallen. In wie weit diese 
Paragraphen einzelnen (^apiteln der andern Texte entsprechen, und in 
welchen Fällen einzelne Gapitel jener 3 Texte bei Herold in mehrere 
Paragraphen yertheilt sind, ergiebt die Tafel. Die Reihenfolge der 
Sätze ist bei Herold dieselbe, wie in den andern Texten, aufser dafs 
Gi4>itel 57 (bei Herold Titel XII) erst hinter dem GM>itel 59 (bei He- 
rold Titel XL §. 5) folgt. 

Anmerkung über die Ausgaben der Lex Saxonum, 

Von der Lex Saxonum existiren 13 Ausgaben, die in folgender 
Reihenfolge erschienen sind: 

1. Die Ausgabe von Tilius um das Jahr 1550, nach einer un- 
bekannten Handschrift der Lex Saxonum, vgl. oben S. 68. 

2. Die Ausgabe von Herold im Jahre 1557, nach einer unbe- 
kannten Handschrift, vgl. oben S.47. 

3. Die Ausgabe von Lindenbrog im Jahre 1613; er legt ihr 
die Pithoesche Handschrift zu Grunde, die wir heute als Spangenberg- 
sches Manuscript bezeichnen; und sucht ihren Text aus den Aus- 
gaben Ton Tilius und Herold zu berichtigen, vgl. oben S. 78. 

4. Godefr. Guilielmi Leibnitii, Scriptores Rerum Brnnsvioensium 
HanoVerae 1707, 1 p. 77— 81. Er druckt den Lindenbrogsohen Text 
ab. Bereits Gaertner Leges Saxonum p.45 erwähnt, dais im Gapitel 21 



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94 

(d. i. Herold ü. §. 8) bei Leitmiz Worte des Lmdenbr. Textes ansgefollen 
and imGap.28(d.i.Her.II. S. 10) andere eingeschoben sind, Ygl.S.3. N.2. 

5. Garol. Oail. Gsertner, Sazonum leges tres, Lipsise 1780. 4. 
£r f flhrt p. 9 die Heroldsohe, Tilinsscbe and Lindenbrogsche Aasgabe 
der Lex Sazonam an, and erklärt dann: „Nobis ad praesentem edi- 
tionem parandam inservire jussimas Htrotdinam iectiotum, guippe guam 
amnkmi aceurtUissimam eogfunimu» , variantes tarnen ex reliqais editio- 
nibus sao loco adducere non negligemas" p. 10. Eine VeigleicboBg 
des Gaertnerschen Textes zeigt, dals er ein vollstfindiger Abdruck des 
Heroldschen ist, and dafs ihm nar eine Answahl von Varianten ana 
Lindenbrog beigegeben, der Text des Tilias aber absolut ignorirt ist» 

. so dafs Gaertner ihn Oberhaupt nicht verglichen haben kann. Der 
Heroldsche Text ist auch da wiedergegeben, wo Gaertner sieh ge- 
zwungen sah, den Lindenbrogsoben ffir richtiger zu halten; s. B. im 
Capitel 11, wo in Gaertners Text, wie bei Herold, die BoTse ffir den 
Verlust eines Auges auf 620 Schillinge gesetzt ist, und Gaertner 
p. 19 dazu bemerkt: „Lindenbrog 720 Solid,, et rectius'^ Im Gap. 9, 
welches von einem Wurf ins Wasser handelt, der nach Herolds Text erfolgt 
ist, „de ponte, vel manu, vel ripa'S Terwirfk Gaertner p. 18 das für 
„vel manu" bei Lindenbrog aus dem Spangenbergsohen Manoseript 
entnommene richtige „velnavi^^ (welches auch Tilius und das Gorveier 
Jfanuscript gewähren), und meint „manus" möge die Bezeichnung 
eines Schiffes sein. Auch in der Eintheilung der Titel und Paragraphen 
folgt Gaertner dem Herold, nur zählt er Herolds zweiten Titel VI als 
Titel VII, und giebt dann den folgenden Titeln eine um eins höhere 
Zahl als sie bei Herold führen. Die andern vorhandenen Abweichungen 
des Gaertnerschen Textes von dem Herolds, die er in seinen Noten 
nicht erwähnt, beruhen wohl nuranf Ungenanigkeit; ich führe an: in 
Gap. 10, wo Herold liest: „et ita in aquam" ist bei Gaertner p. 18 das 
„ita" ausge&llen; im Gap. 13 (d.i. bei Gaertner Titel L §. 16) ist bei 
Gaertner p. 20 das „vel manus*' ansgefidlen, welches bei Herold 
and in allen andern Texten steht; im Gap. 61 hat Gaertner p. 100 das 
bei Herold gedruckte „vinditiones'' in „venditiones" gebessert; und 
im cap.64, wo Herold liest „vendet eam cuicunque Ubuerü" steht für 
„libuerif' bei Gaertner p. 108 „voluerit'', wie es sich bei Lindenbrog 
findet, der es ans Tilius au%enommen hat. 

6. Georgisch, Gorpus juris Germanici antiqui, consilio J. G. Hei> 
neecfi, Hai. 1738. 4, Folgt in der Lex Saxonum der Gaertnerschen 
Ausgabe. 



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96 

7. Johan. Gottl. Hüller, Fragmente obserrationnin ad Teterem 
lagern Saxonom. Upaiae 1779. 4., druckt den Text dea TiliuB ab (?), 
wie Ganpp Recht der Sachsen p. 78 angiebt, aus einem mit dem 6e- 
sammttitel versehenen Exemplar von dessen Leges. 

8. Canciani, Barbarorum leges antiquae. Venet. 1781. foL, giebt 
in der Lex Saxonum den Gaertnerschen Text wieder. 

9. Chris. Heinr. Gottl. Köchy, Thesaurus juris saxonici, Ups. 1796. 
T.I. Sect.1. p. 30—66; ein Abdruck der MüUerschen Ausgabe (?). 

10. £. Spangenberg, Beiträge zu den teutschen Rechten des 
Mittelalters, Halle 1823, liefert keinen vollständigen Abdruck der Lex 
Saxonum, aber auf p. 186 folg. Lesarten aus dem Spangenbergschen 
and dem Gorveier Manuscript, vgl. oben S. 18 und 66. 

11. Ferd. Walter, Corpus juris Germänid, Berolini 1824. 8. 
1. p. 383. £r druckt Gaertners Text mit einigen Aenderungen ab 
und fügt einzelne Varianten bei, die entnommen sind aus Herold und 
Lindenbrog, sowie aus Spangenbergs Mittheilungen über den Spangen- 
bergschen und Corveier Codex. Die Ausgabe des Tilius berücksichtigt 
er nicht Die Varianten aus den beiden Handschriften konnten bei Walter 
nicht Yollständig und genau angegeben werden, die aus den Ausgaben von 
Herold und Lindenbrog sind es nicht; vgl. z. B. im Titulus L bei 
Walter 1. p.383 in Note/: „al. manu", wo einzig und allein Herold 
„manu'' liest Note y: „Spang., Herold et Lind.: et ita''; wo ita in 
allen Texten steht und Walter es in seinem Text lediglich nach Gaert- 
ners Aufgabe wegläfst, in der es nur durch Versehen beim Abdruck 
des Heroldschen Textes ausgefallen ist. Note •: „al. edit. DCXX sol.", 
für die richtig in den Text aufgenommenen 720 Solidi, während He- 
rold und das Corv. Manuscript 620 Sol. haben und nur das Spang. Manu- 
script, und aus ihm die Lindenbrogsche Ausgabe, die richtige Zahl 720 
gewähren. In Note Ar wird zu den von Walter im Text des Capitel 12 
(bei Walter 1. §. 16) eingeklammerten Worten „vel manus" bemerkt 
„desnnt in omnibus edit.", sie stehen aber in allen Texten und sind 
nur in Gaertners Abdruck des Heroldschen Textes ausgefallen. 

12. E. Th. Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen, 
Breslau 1837. Der Text ist im Allgemeinen der von Gaertner, also 
mittelbar der Heroldsche, doch hat ihn Gaupp an einigen Stellen durch 
Aufnahme von Lesarten aus den andern Texten und insbesondere aus 
dem des Tilius berichtigen zu können gemeint. In Betreff der beige- 
fügten Lesarten wird p. 80 erklärt, „dafs bei ihrer Mittheilung die 
Ausgabe von Walter im Allgemeinen zu Grunde gelegt sei''. Und wenn 



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96 

aach daneben von Ganpp ans der Ausgabe des Tilios, die Walter 
nicht benatzt hat, und den andern Texten einzelne Lesarten naohge- 
tragen sind, so ist doch das ganze Lesartenverzeichnifs so unvoUstiUidig 
and in vielen Fällen so unrichtig, dafs es als unbrauchbar gelten mofs. 
13. Job. Merkel, Lex Sazonum, Berlin 1853. Er druckt mit 
einigen Aenderungen den Text des Corveier Codex ab, und verzeichnet 
Varianten aus den drei andern Texten, sowie aus Lindenbrogs Aus- 
gabe, bei der er die Benutzung einer besonderen fünften Handschrift 
nicht zu leugnen wagt, vgl. S.84. Beispiele von Ungenauigkeiten in 
Merkels Variantenangaben vgl. S. 26 Note 1 ; Ober seine Auf&ssnng 
der Aber dem Capttel 34 im Corveier Hanuscript stehenden Worte 
„Lex Francorum", vgl. S. 62. Als St9iUn, in denen Merkel den Corveier 
Test aue den andern Testen mit Recht geändert hat, führe ich folgende 
an: in Capitel 11 „720 solidos", als Bufse für ein AngCi ans dem 
Spangenbergschen Manuscript aufgenommen, während im Corveier Text, 
wie bei Herold, flUschlich die Zahl 620 steht; — im Cap. 17 „36 sol.*' 
aus den andern Texten, während falschlich im Corv. Manuscript „35 sol." 
angegeben sind; — in Cap. 19, wo das Corv. Manuscript „et ab illo" 
liest, wird das in den andern Texten fehlende „et" richtig getilgt; — 
in Cap. 37 sind die im Corv. Manuscript ausgefallenen Worte „palatium 
vel de" aus den andern Texten richtig ergänzt; — in Cap. 51, wo 
das Corv. Manuscript „dominus et pro illo" liest, und Merkel fflr das 
„et", den andern Texten entsprechend, „ejus" setzt — Nicht ßtr 
richtig hatte ich /olgende Aenderungen des Corveier Textee: in Cap. 8 
liest das Corv. Manuscript „in . . sua arma", Tilins „per sua arma", und 
Merkel ändert „in . . sua armata", wie Herold und das Spang. Manuscript 
lesen ; — in Cap. 16 liest das Corv. Manuscript „solvatur autem solide 
majori", wie Herold; Merkel ändert „autem" in „aut", das im Spang. 
Manuscript und bei Tilius steht; — in Cap. 19 hat das Corv. Manu- 
script „si mord-dotum quis fecerit", und Merkel ändert unrichtig in 
„mordum tetum", wie das Spang. Manuscript und Herold lesen; — 
in Cap. 33 ändert Merkel in den Worten „Qui in screona aliquid fu- 
raverit" ohne Grund das „qui" in „si", und giebt nar an, dafs das 
Corv. Manuscript „qui" liest, während dies auch im Spang. Manuscript, 
sowie bei Herold und Tilius der Fall ist; — in Cap. 41 liest das Corv. 
Manuscript unrichtig „pater autem mater", und Merkel nimmt für 
„autem" das im Spang. Manuscript stehende „autem et" in den Text 
auf, während „autem" aus „aut" verlesen ist, welches Herold und 
Tilius gewähren. 



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97 



Capitel ir. Die Lex Saxonum ist ein gleichzeitig 
verfafstes Gesetz. 



{. 8. Merkels Zerle^ng der Lex Saxonnn in drei St&eke. 

JohanneB Merkel hat in der Einleitong seiner Ausgabe der 
Lex Saxonum y Berlin 1863 p.6, die Behanptnng aofgestellti die 
Lex Saxonom sei nicht gleichzeitig, sondern stückweise sn drei 
▼ersehiedenen Zeitpunkten abgefafst worden, nnd xwar Capitel X 
bia 23 (d. i. Herolds Titel I n. 11) nms Jahr 782, jedenfalls vor 785; 
Capitel 24 bis 60 (d. i. Herolds Titel m bis XIU) zwischen den 
Jahren 785 nnd 797; und Capitel 61 bis 66 (d. i. Herolds Titel XIV 
bis XVm) nach dem Jahre 797, frUhestens 798. „Diese dreifache 
Gesetsgebnng, die Merkel für unwiderleglich beurkundet hUt, sei 
dann, wie er glaube, auf dem Aachener Reichstage anno 802 ohne 
weitere Ueberarbeitung in die Form des Gesetzbuches gebracht 
worden, welches wir aus Herolds Ausgabe kennen lernen*'^). 

f) D&fis in der Lex Saxonom ihrem InluJt n»ch Tersohiedene BesUnd- 
thefle Bich nnterseheideii lassen, hatten auch Aeltere ansgeAhrt, i. B. 
Spangenberg Beiträge 1822 p. 181: „Die Conreier Handschrift flber- 
schreibt den Theil des s&chsischen Bechtsbuchs , welcher mit Gap. 24 be- 
ginnt und bis an das Ende fortl&nft: Lex Franoonun. Sollte man hieraus 
nicht schliefiien dürfen, dafs die ersten 23 Capitel gerade aus den uralten 
sftchsiachen Gesetzen und Gewohnheiten, nachdem sie der christlichen Re- 
ligion angepabt waren, genommen sind, wogegen der Best, Ton dem 24. Ca- 
pitel an gerechnet, von den fr&nhischen Kernigen hinsugeftg^ worden sei? 
Denn gerade in Cap. 24 und 26 geschieht der frinkischen Könige und des 
Palatii regis Brw&hnung, welches nicht eher gedenkbar war, als nachdem 
die Sachsen ihre freie Verfassung rerloren hatten und unterjocht waren. 
Sollten nicht gerade die ersten Capitel 1 bis 23 die vielbesprochene Swa 
Saxonum enthalten? Sollte endlich nicht hieraus Bieners Ansicht best&ttgt 
werden, dals schon vor 788 ein geschriebenes sl^hsisches Bechtsbuch, nimlich 
dieae Ewa Saxonum existirt habe?'' Vgl. auch die {. 64 angefthrte Stelle 
von Wigand aus dem Jahre 1822, und Eichhorn Deutsche Beditsg. 1. 
p. 672: ,,Man kann in den Gesetzen der Sachsen deutlich swei Bestand- 

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98 

loh halte diese Ansicht in allen ihren Säteen fttr verfehlt, 
nneraohtet sie vielfach Zostimmang gefanden hat^). 

Zunächst ist gar kein Grand vorhanden zu der gewagten Be- 
haaptungy dab in dem Heroldschen Text eine von dem Text der 
drei andern Quellen ^ aus denen wir die Lex kennen, verschie- 
dene Form vorliege, „in welche auf dem Aachener Reichstage 
anno 802 ohne weitere Ueberarbeitung das Gesetzbuch gebracht 
worden sei *'. Merkel p. 6. 

Wäre der dem Herold eigenthttmliche Text nach Merkels 
Anffassung das Werk des Reichstages von 802, so hätte sich der 
Reichstag bei der Gonstitairung der Lex Saxonum damit begnttgt, 
drei vorhandene Gesetee änfserlich zu einem Ganzen zusammen- 
zuschieben, dies Ganze in 18 Titel abzutheilen und die einzelnen 
abgetheilten Titel mit üeberschriften zu versehen. Auch scheint 
sich Merkel die Thätigkeit des Reichstages in Betreff der Lex 
Saxonum kaum weiter ausgedehnt gedacht zu haben, da er aus- 
drücklich bemerkt, der Reichstag habe „ohne weitere Ueberarbei- 
tung die Lex in diese Form gebracht')". Und sollte wirklich das 

theile unterscheiden, die auch in der Corveier Handschrift durch besondere 
Üeberschriften beseichnet werden. Den einen bilden die von Karl d« Gr. 
festgesetzten peinlichen Strafen, welche dem alten sächsischen Gewohnheits- 
recht angehC^rendes, aber dorch fr&nkische Gesetzgebung erm&Tsig^ Straf- 
recht enthalten, den andern das, was lediglich aus s&ehsischem Gewohnheits- 
recht aufgenonunen ist''. 

1) Vgl. Walter Deutsche Bechtsgeschichte 1857. §. 156. 1. p.l62; 
Siegel Gesch. des deutschen Gerichtsrerfiihrens. Gleisen 1857. 1. p. 282. 
284; Waits Deutsche Ver&ssungsgesch. 1860. 3. p. 119. 130. 132 u. 144; 
Stobbe Gesch. der deutschen Bechtsquellen 1860. 1. p. 187; und Sigord 
Abel JahrbHeher des fr&nkischen Reichs unter Karl dem Ghrolsen. Berlin 
1866. 1. p. 344, ein Buch, das erst l&ngere Zeit, nachdem ich diese Ab- 
handlung niedergeschrieben hatte, erschienen ist; Abel erkUrt: „Es ist als 
erwiesen lu betrachten, dafs das S&chsische Geseti in drei Terschiedene 
Abschnitte serfUlt, welche zu verschiedenen Zeiten au%ezeiohnet wur- 
den, etc."". 

*) Auch Walter Deutoohe Beohtsgesch. §. 156. 1. p. 163 sagt: „Die drei 
Stücke sind dann auf dem Beichstage zu Aachen 802 unter fortlaufenden 
Titeln rerbunden worden; auf dieser Form beruhen die gewöhnUohen Aus- 
gaben''. 



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99 

rein InflMrliohe AfieinanderreUieii yon drei froher getrennt pnbli- 
eirten Geeetsen, die dem Inlialt des Geeetsefl eehleeht entipre- 
eliende Verlhdlmig des so geeeliaffenen Oansen in 18 Titel, und 
die Abfassang der elenden üeberschriften dieser Titel, ein Weik 
des Reichstages sein? leh habe 8. 49 an aeigen gesucht, daflsi 
die Titeleintheilung und die Abfassnag der üeberschriften dem 
Herold angehört; will man dies nicht gelten lassen, so wird man 
doch nicht umhin kOnnen, einzurinmen, dafs der grObere Theil 
der vermeintlichen Arbeit jenes Reichstages in Betreff der Lex 
Saxonum, d. i. seine Eintheilnng der Lex mit darüber gesetaten 
Titeln, wenig Oittck gemacht haben mnb, indem die Spangen- 
bergsche nnd die Gorveier Handschrift, sowie der da Tilletsche 
Abdruck einer dritten yerschoUenen Handschrift, die Lex Baxo- 
nnm zwar als ein Ganzes, wie die Heroldsche Ausgabe, und (ab- 
gesehen von der Umstellung des Gapitel 57) in derselben Reihen- 
folge der einzelnen Gapitel, ja mit derselben Wiederholung des 
Gapitel 56 als Gapitel 58, aber ohne Titel und Titelttberschriften 
darbieten. Dafs die Schreiber von drei von einander unabhMn- 
gigen Handschriften, indem sie die ganze aus den drei älteren 
SBccessiv pnbücirten Gesetzen zusammengefügte Lex abschrieben, 
die darin angebrachte Titeleintheilung weggelassen, und kein Wort 
von den üeberschriften der einzelnen Titel beim Abschreiben in 
ihre Abschriften aufgenommen haben sollten, wenn solche vor- 
handen gewesen wären, wird Niemand behaupten wollen. Jeden- 
falls bezeugen die uns erhaltenen Handschriften der Lex Saxonum, 
dafs man nach dem Aachener Reichstage in Sachsen auch Ex- 
emplare der ganzen Lex Saxonum ohne Titel und Titelüber- 
schriften benutzte '), und wir haben nicht die geringste Veranlas- 

>) Die Goryeier Handschrift aus dem 10. Jalurlrandert ist ftkr die 
Abtei Correi gesehrieben , rgl. oben S. 66 ; beachtenswerth sind die 8. 66 
aagefUhrten, in ihr Yon einer Hand des 16. Jahrhunderts beigeschriebenen 
erklärenden Bandgbssen. Dafs dem Codex der Lex Saxonum, den der 
Schreiber der Spangenbergschen dem 9. Jahrhundert angehC^renden Hand- 
schrift copirte, Excerpte aus einem GesetE 'über Anwendung des territorialen 
Rechte beigesehrieben gewesen sein mflssen, und daÜB dies geschehen sem 
dftrfte, nm die Benutsung des Codex in der Praxis su erieichtern, ist oben 
S. 6 besprochen. 

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100 

Bung, den Heroldsehen Text den in jenen Hwideehriften «nfbai* 
tenen Texten als eine bestimmte andere Form der I/ex Saxonum 
gegenttberaoBtellen, die in irgend einer näheren Besiehnng «im 
Aachener Beichstage stände ^). Wir kennen nnr einen Text der Liex 
Saxonam, in ihm erscheint die Lex als ein Games; einige Zusätie 
und Binschaltungen, die sich in den vier auf uns gekommenen 
Abschriften dieses Textes finden, sind durchweg nur Zathaten 
einzelner Privatpersonen, und sollten in Sachsen Tcrschiedene 
Textesrecensionen der Lex Saxonum vorhanden gewesen sein, 
eine Annahme für die keine Grttnde vorliegen, so ist nnr eine 
von ihnen auf uns gekommen. • 

Spricht demnach der uns erhaltene Text der Lex Saxonnm 
in seiner fiufseren Erscheinung nicht dafür, dals sie. aus drei ver- 
schiedenen Stücken susammengesetst ist, so kann nur der Inhalt 
der einzelnen Theile der Lex dahin fdhren, in ihr eine, wie 
Merkel sich ausdrückt, „dreifache Gesetzgebung*' zu unter- 
scheiden, die „aeines Erachtens unwiderleglich beurkundet ist''. 

Von den drei bekannten Gesetzen Karls des Grofiran für 
Sachsen: den Capitulis de partibus Saxoniae, der Lex Saxonnm, 
und dem Gapitulare Saxonicum von 797, trägt nur das dritte in 
dem auf uns gekommenen Text ein bestimmtes Jahr seiner Ent- 
stehung. Dab die Capitnla de partibus Saxoniae das älteste dieser 
drei Gesetze sei, wurde früher allgemein angenommen, während 
man die Lex Saxonum nach dem Gapitulare von 797 setzen zu 
mttssen meinte. Merkel glaubt nun in einem von der 

^) Stobbe, Gesch. der deutochen Rechtsquellen 1. j>. 192, labt es 
dahingestellt, ob die Titeleintheilung der Ueroldschen Ausgabe alt sei oder 
Ton Herold herrühre, h&lt aber Merkels Vermuthung aufrecht, „dafs die 
drei Stftcke (der Lex) im Jahre 802 von Karl d. Gr. auf dem Beichstage 
Bu Aachen, auf welchem er sich mit Verbesserung der Volksrechte beschäf- 
tigte, mit einander vereinigt sein mögen''. Dafs der Aachener Seiohatag, 
von dem es überliefert ist, daliB er sich mit der Verbessening der Volks- 
rechte im fr&nkischen Reich beschäftigte, auch auf die Lex Saxonnm seine 
Th&tigkeit ausgedehnt habe, is£ oft, z. B. von Gaupp, behauptet worden; 
diese Annahme nöthigt dann aber, meine ich, die Merkeische Ansieht &Ilttn 
EU lassen und dem Reichstage die Abfassung der Lex, oder doch bestimmter 
S&tze in ihr, zu vindiciren. 



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101_ 

fibrigen Lex Saxonnm yon ihm abgetrennten ersten 
Stiick derselben Sparen nachweisen eu kennen, dafs 
es vor den Capitnlis de partibns Saxoniae abgefafst 
sei, die er nach der Annahme von Pertx ins Jahr 785 setst; 
von einem iweiten Stück der Lex Saxonnm, dafs es 
nach den Capitnlis de partibns Saxoniae, aber vor 
dem Capitnlare Saxonicnm von 797 abgefafst sei, nnd 
endlich von einem dritten, dafs seine Abfassung nach 
dem Jahre 798 erfolgt sei. 

um die drei Stttcke der Lex Saxonnm, von denen 
Merkel, nach einaelnen Stellen in ihnen, das erste, wie erwähnt, 
vor das Jabt 785, das s weite zwischen die Jahre 785 und 797, 
nnd das dritte nach dem Jahre 798 setzt, gegen einander ab- 
zugrenzen, benntzt er zunächst die in der Corveier Handschrift 
nber dem Capitel 24 stehende, oben S. 60 besprochene üeberschrift 
„Lex Francomm^, sodann aber den Umstand, dafs das in der 
Spangenbergschen Handschrift vor der Lex Saxonum stehende 
Inhaltsverzeichnils der einzelnen Capitel der Lex, welches diese 
naeh ihren Anfangsworten aufzählt, mit dem Capitel 60 abbricht. 
Der erste älteste Theil der Lex soll danach aus den CapiteUi 1 
bis 23 bestehen, der zweite mittlere, die Lex Francorum, ans den 
Capiteln 24 bis 60, der dritte jüngste, oder der Schlufs der Lex, 
aus den Capiteln 61 bis 66. — Der mittlere Theil der Lex wird 
also von Merkel aus der ganzen Lex mit Rücksicht darauf ans- 
geUSet, dafs über dem Capitel 24 der Lex im Corveier Manuscript die 
Üeberschrift „Lex Francorum^ steht, und dafif das Inhaltsverzeich- 
nifs der Lex im Spangenbergschen Manuscript nur bis Capitel 60 
reicht; an jener Stelle soll der zweite Theil der Lex beginnen, 
an dieser soll er schliefsen. 

MuCs ich es für nicht gerechtfertigt halten, deswegen weil 
hn Corveier Manuscript vor dem Capitel 24 die üeberschrift Lex 
Francorum steht, hier den Anfang des zweiten vermeintlich jün- 
geren Theiles der Lex Saxonum anzunehmen, so kann ich den 
Omnd, diesen aweiten Theil mit dem Capitel 60 abzuschliefsen, 
weil mit ihm das Inhaltsverzeichnifs der Lex im Spangenbergschen 
Manuscript abbricht, kaum auch nur als einen Scheingrund gelten 



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102 

Usaen. Darans, dafs einer gegen das Ende des 9. Jahrhnnderto 
geschriebenen Handschrift der Lex Saxonnm eine OapitelanfisSh- 
Inng vorausgeht^ welche die letsten 6 Gapitel wegülst, wird ge- 
folgert, jene 6 Gapitel, die nicht etwa in dem darauf in der Hand- 
schrift folgenden Text der Lex fehlen , seien spSter abgefafst, als 
die nbrigen ihnen vorausgehenden! Sollte dieser Grund irgend 
einen Schein von Bedeutung gewinnen, so mttfste man annehmen, 
das Inhaltsverseichnifs der Spangenb. Handschrift rühre aus einer 
Zeit her, in welcher die 6 Gapitel der Lex noch nicht angeftigt 
waren; dafs aber jemals die ersten 60 Gapitel der Lex Saxonnm 
als ein Oanies, ohne die 6 letzten Gapitel, gegolten hätten, wagt 
auch Merkel nicht zu behaupten. Fragen wir nach dem Ver&sser 
des Inhaltsverzeichnisses, so spricht Alles dafür, dafs der Schreiber 
der Spangenbergschen Handschrift es nicht anfertigte, sondern 
dab es schon in dem von ihm copirten Godex stand'); gewifs 
aber wird sich die Vermnthung nicht empfehlen, dafs auch jener 
Godex, von dem ich annahm, dafs er vor der Mitte des O.Jahr- 
hunderts geschrieben war, und aus dem der Schreiber des Spangen- 
bergschen Mannscriptes ohne Zweifel nicht nur die Gapitel 1 bis 60, 
sondern auch die Gapitel 61 bis 66 abgeschrieben haben wird, ein 
unvollständiges nur bis Gapitel 60 reichendes Inhaltsverzeichnifs 
enthielt, und sich dieses Inhaltsverzeichnifis seit seiner in einer 
früheren Zeit erfolgten glücklichen Entstehung unvervollstiKndigt 
durch spätere Godices fortgeschleppt habe. Viel wahrscheinlicher 
ist es, dals der Schreiber des Spangenbergschen Mannscriptes, den 
ich S. 4 und 22 in jeder Beziehung als unkundig und nachlässig 
kennzeichnen mufste und der beim Abschreiben des Textes der 
Lex mehrfach ganze Zeilen verfehlte, im Inhaltsverzeichnifs die 
letzten Gapitelangaben aus Saumseligkeit weggelassen hat, ebenso 
wie er das Gapitel 7 des Textes im Inhaltsverzeichnifs übersprang, 
so dafk er bei Angabe des Inhaltes der ersten 60 Gapitel des 
Textes nur 59 Gapitel, und diese unter Zahlen registrirte, die 
mit seinem Text nicht übereinstimmen*). 

Diesen Einwendungen gegen Merkels Abgrenzung der 3 Theile 
der Lex Saxonnm wird man entgegnen können, dafs es weniger 

») Vgl. oben S. 26. «) Vgl. S. 91 Note 3. 



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103 

Ulf ihre Bichiigkeit im Einselnen ankomme^ als daranf, dab über- 
kanpt in der Lex drei, aa rerBchiedenen Zeitpunkten abgefafste 
.Stacke Snlserlich yerbnnden Bind. Indem ich cur Prttfung dieser 
Frage IWiQgehe^ bespreche ich ans Rücksicht auf die dabei sa 
erwXgenden Momente «wref in §. 9 die Gründe, die Merkel für 
die Abfasfiongsseit seines dritten Theiies der Lex, dann in §. 10 
diejenigen, die er fttr die seines aweiten, nnd endlich in §. 11 die, 
welche er fttr die seines ersten Theiies anführt. 

|. 9. Has dritte Stflck der Lei Saieaia. 

Die von Merkel als drittes 8tttck der Lex 8axo- 
nnm ausgesonderten Gapitel 61 bis 66 (bei Herold die 
Titel XIV bis XVIII), sollen erst nach dem Jahre 797 ver- 
fafst sein: „dieser Theil kann frühestens 798 entstanden sein'' 
Merkel Lex Saxonum p. 6. 

Der einsige Qrund, auf den Merkel diese Meinung stützt ist, 
daik das in dem dritten Stück der Lex enthaltene Capitel 64 „eine 
Zeit voraussetzt, während welcher ein Theil des sächsischen Adels 
in der Verbannung lebte'' Merkel p. 6, während wir „die geschicht- 
liche Nachricht besitsen, dals König Karl im Jahr 798 eine grolse 
Anzahl sächsiseher Adeliger, als seine Oeiiseln aufser Landes 
sandte." Merkel p. 5. 

Nun berichten allerdings die fränk. Annalen beim Jahre 798, 
daft König Karl aus Sachsen Qeifseln weggeführt habe; 
es ist aber diese Wegführung in keiner Weise die einzige gewesen, 
im Gegentheil hat König Karl, wie die fränkischen Annalen er- 
wähnen, seit dem Jahre 772 vielfach Qeifseln aus Sachsen weg- 
geführt, und so ist nicht abzusehen, warum, wenn eine Stelle 
der Le^ Saxonum, wie Merkel annimmt, von in der Verbannung 
lebenden sächsischen Adeligen spricht, dabei gerade an die im 
Jahre 798 von Karl ans Sachsen weggeführten Qeifseln zu denken 
sein sollte'). 

1) Dab von den Sachsen dem König Karl „Obsides^ gegeben seien, 
beriehten die Annalen bei den Jahren 772. 775. 776. 779. 780. 785. 794. 
795. 797 nnd 798. Spedelleres über die Anzahl derselben nnd ihre Ver- 



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104 



MaiSi es aber eingeriiiiDt werden , dab es yttilig wiUkttrlioh 
ist, unter den angeblich im Oapitel 64 als in Verbannung lebeod 
erwähnten aächsisohen Adeligen, an die im Jahre 798 weggeführten 



h&ltnisBe erw&hnen nur die folgenden Stellen: im Jahre 772 „ad Wisiiram 
fluTium renit rez, et ibi com Saxoniboa placitum habnit, et recepit o bei de 8 
duodecim'* Annal. LsuriAsenses und Einhardi bei Pertz 1 p. 150. 151, desg^ 
Fuldens. p. 346. Im Jahr 775: „ibi (an der Ocker) Anstreleudi Säzones 
dederunt obsides, juxla guodplacuit, et joraverunt Bacramenta, etc." Lau- 
rifls. p. 154; Gleiches thun die „Angrarii" im Buckegau (an der Weeer), 
„et Westfalai obsideB dederunt, sicut et alU Saxones. Bt tnnc obsidibns 
receptis, et praeda multa adsumpta, rex rerersus est etc*^ ebendas.; Ein- 
hard p. 155 fbgt hinzu: „obsides dederunt, quoa res imperaverai*. Im 
Jahr 776 erzählen AnnaL Lauriße. p. 154: „nuntius Teniens dixit Scucones 
rebellantes, et omnes obsides suos dulgtos'', und nach neuer Unterwer- 
fimg: „obsides dederunt, quantos dominus rex ab eis quaesivit"^ ebendas. 
p. 156, wo Einhard p. 157 sagt: „obsidibus receptis, quos rex impera- 
Terat^. Im Jahr 779 „et tunc obsides muUitudine aecepti" AnnaLPetar. 
p. 16. Im Jahr 780 „Saxones omnes tradiderunt se regi (an der Elbe), et 
omnium accepit obsides, tarn ingenuos quam et Udos'* Annal. Lauresh. 
p. 31 und „et omnia accepit in hospitcUe, tarn ingenuos quam et lidos^ Ann. 
Mosell. Pertz 16 p. 497. Im Jahr 785 : „ rex mittens ad Widodndum et 
Abbionem obsides per missum suumA.; qui, cum recepissent obsides ülos 
secum deducentes, conjunxerunt se etc.'' Lauriss. p. 168 und Einhardi p. 167. 
Im Jahre 795: „acceptis obsidibus, quos rex dare jusserat" AnnaLEinh. 
p. 181; und „dominus rex resedens apud Bardun wih tantam multitn- 
dinem obsidum inde tulit, quantam nunquam in diebus suis, 
aut in diebus patris sui, aut in diebus regum Franchorum inde ali- 
quando tulerunt" Annal. Lauresh. p. 36 und „exinde deduxit obsides 
7070** (var. „770") Annal. Alam. p. 47 und S. GalL min. p. 75.; und „cum- 
que Saxones conyicti in omnibus se culpabiles reoognoTissent, obsides 
r^i afferentes; accepitqus eorum tsrtiam partem in obsidionem generis 
masculini, et sposponderunt se ultra non fallere" Annal. Xant. in Pertz 2 
p. 223. Im Jahr 797 „tota Saxonum gente in deditionem per obsides ac- 
oepta" Annal. Lauriss. in Pertz 1 p. 182, desgl. Fuld. p. 351, und „et tulit 
inde aut obsides, aut de ipsis (die sich dem Könige unterwarfen) quanktm 
ipse voluit^ Lauresh. p. 37. Im Jahr 798 „rex acceptis obsidibus etiam 
et his quos perßdissimos primäres Saxonum consignabant^ Annal. Lauriss. 
p. 184, und „et tulit (in Bardewik) inde ilios capitanios quos t>oluit, et de 
obsidibus, quantum ei voluntas fuit^ Lauresh. p. 37, und „Garolus in 
Saxonia fuit, et hospites capitaneos 1600 inde adduxit, et per Franciam 
dlTisit" Annal. S. Amandi p. 14 (ibid. p. 12 beim Jahre 776 „dederunt hos- 



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106 

rtehsiaehen Oeifliela so denken, so ist der versnchte Nach- 
weiB| dafii das Gapitel 64 naeh dem Jahre 798 abgeÜEilBt sei, 
nicht geführt nnd das einiige von Merkel beigebrachte Argu* 
ment beseitigt, welches genügen sollte, nm die letsten 6 Oapitel 
der Lex Saxonnm, in deren Mitte das Capitel 64 sich befindet, 
▼on der übrigen Lex abmschneiden nnd sie als ein besonderes 
erst nach 797 verfafstes Stttd: der Lex ansosehen. Halte ich 
meinerseits hiermit die ganse Merkelsehe Argamentation für wider* 

pit68 ^, -WO die andern Annalen „ obsides '^ enr&hnen) , nnd „exinde adduxit 
ob 81 des irmumerabUea^ St. Gall. m^j. p. 75, fthnlieh in den AnnaL Gnelferb. 
p. 46 nnd Petar. p. 18. Einielne dieser Stellen unterscheiden unter den 
naeh ihrer Unterwerfung Weggef&hrten solche, die als „Obsides^ gestellt 
wurden, ron den Andern, bei denen dies nicht der Fall war; in andern 
Stellen ist im Allgemeinen nur von aus Sachsen Weggeftihrten die Rede, 
bei Tielen von ihnen ist gesagt, dafs sie mit Verlust ihrer Güter in andere 
Cfregenden Tersetxt wurden. Tgl. : im Jahr 782 „mnltos vinctos SaaNmes etd- 
dusmwU in Francia*^ AnnaL Petar. p. 17. Im Jahr 794 „Saxones in Sinit- 
leide a Karolo subacti sunt, ei tertiua ex eis hämo tritnslatus^ Ann. Fuld. 
p. 361, ähnlich in Lauriss. min. a. 794 Ports 1 p. 119; und „Saxoniam usque 
prope Albiam perragans, non modicam quantitatem nobilium atque ignobi- 
lium gentis iUitie etcum adduxit^ Annal. Mosell. ad a. 794 in Ports 16 p. 498. 
Im Jahr 796 ^indo capHüo» dueebat, vires et mulieres et parvulos'^ Annal. 
Lanresh. in Pertz 1 p. 37 und Lauriss. min. p* 119. Im Jahr 799 ^et rex 
inde tulit muUitudinem Scaanorum cum muUeribus et infantibus, et collo* 
cavit eos per diversas terras in finibus suis, et i'psam terram eorum divieit 
inier ßdeles »uoe " Ann. Lauresh. p. 38. Im Jahre 804 „ omnes qui trans 
Albiam et in Wihmuodi (bei Bremen) habitabant Saxonea cum mulieribus 
ei infaniifme irafuiulii in Franciam, ei pagos iransedbianoe Abodritia dedit^ 
AnnaL Einhardi in Ports Scr. 1 p. 191, vgL Vita Karoli c. 8 in Ports 2 p.447 
nnd Chron. Moissiac. in Porte 1 p. 307, sowie „Karolus Saxonos transalbia- 
nos cnm molieribus et natis transtuHt in Franciam, et fctgoa tranaatbianoa 
Abodriiia dedit^ Annal. Fuld. p. 353, auch Icurs erw&hnt in Ann. St. Amandi 
p. 14 nnd in Annal. Lauriss. min. p. 120: „Karolus Saxonos absquo hello a 
propriis finibus expulsos in Franciam conlocat^ ; vgL AnnaL St. Gall. ad 
a. 805 „perrexit dominus Karolus in Saxonia ad Holdistede , et multis ha- 
rones et mulieres inde adduxit*" Porta 1 p. 63. Sp&ter werden mehrfach 
in anderen Gegenden des fr&nkischen Beiches dorthin verpflanste Sachsen 
erwfthnt, s. B. in Urk. des KOnig Otto von 996 ftkr Wflrsburg: „Saxonos 
qni Northdbinga dicuntur, sivo caeteri accolae pro Uberis hominibus in 
praediis ejusden ecciesiae manentes*' Mon. Boica XXVUI. 1 p. 268. 



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106 

legt, 80 will ich doch anberdem noch erwUmen, dftb ich Beine 
dabei als feststehend yoraiugeBetite Interpretatioii des Capitel 64 
der Lex Baxonnni, nach welcher dasselbe besagen soll| da& s«r 
Zeit seiner Ab&ssung ein Theil des sftehsiscfaen Adels in der Verban- 
nung lebte, verwerfen mafs; dab aber Merkel das Oapitel, weiches 
auch nach der Ton ihm vertretenen Interpretation nicht beweisty 
was es beweisen soll, Überhaupt nur unter der Voranssetsnng der 
Richtigkeit dieser Interpretation für seinen Zweck heranziehen 
konnte. Die fraglichen Worte handeln gar nicht von einem ver- 
bannten Nobilis, sondern von einem „Über homo •• qui jam in 
exilium missus est, si hereditam snam necessitate coaotus vendere 
voluerit, etc.^ Das Capitel ^) bestimmt: Will ein unter der Tutel 
eines Edeling stehender Freier, der in Exilium missus est, aus 
echter Noth sein Qut verkaufen, so biete er es zuerst seinem 
nächsten Blntsfrennde an; wenn dieser es nicht kaufen will, seinem 
bisherigen Tutor (d.i. dem Edeling), oder demjenigen, der zu 
jener Zeit vom König Über sein Gut (weil er in Exilium missus 
est) gesetzt ist; will auch er es nicht kaufen, so mag er es ver- 
kaufen, wem er will. 

Es ist mir nicht unbekannt, dafs das Capitel 64 der Lex 
Saxonum, zu den in Beziehung auf ihre Auslegung bestrittensten 
Stellen gehört. Die Einen beziehen , wie Merkel, die Worte ,iqui 
jam in exilium missus est",, auf den Nobilis, die Anderen, denen 
ich mich zugeselle, auf den Liber'); dafs sprachlich Beides in 

>) Dm Cap. 64 Leg. Saz. lautet: „Liber homo, qui Bub tatela nobilifl 
ci^juslibet erat, qui jam in exilium missus est, si hereditatem suam neoea- 
sitate coactus rendere Toluerit, offerat eam primo proximo suo; si iUe eam 
emere noluerit, offerat tutori suo, Tel ei qui tunc a rege super ipsae ree 
eonstitutus est; si nee iUe roluerit, vendet eam cnicumque libuerit**. 

^ Auf den Freien beziehen die Worte: Gaertner Lex. 8ax. p« 108 
Noteo; Eichhorn Deutsche Beohtsgesch. {.57 Note tu und {.68 Note ^; 
Hasse im Rhein. Mus. II. 2 p. 174; Beseler BrbTertrtge 1836. 1. p.61; 
Sandhaas Germanistische Abhandlungen. Gielsen 1862. p. 189, und Zim* 
merle das deutsehe Stammgutssystem. Tübingen 1867. p.44; auf den Ede- 
ling: Gottl. Müller zur Lex Sax.; Gaupp Reeht und Verf. der Sachsen 
p. 216; Stobbe in Zeitsohr. ftlr deutsches Recht 16 p. 317 und in den 
Bechtsq. 1 p. 192; Waits Deutsche Verfassungsgeseh. 3 p. 140. 



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107 

einer mittelalterlichen lateinischen Quelle gewollt sein kann, be. 
sweifele ich nicht; der innere Zusammenhang der behandelten 
Verhältnisse spricht aber, meines Dafürhaltens , für die letztere 
Meinung. Schliefse ich vorlXufig die fraglichen Worte von der 
Interpretation aus, so bestimmt die Stelle; dafs an dem Out eines 
Freien, der in der Tutel eines Nobilis stand, NXherrechte besitaen: 
der nXchste Erbe, der Nobilis, unter dessen Tutel er stand, der- 
jenige, der damals vom Könige ttber das Gut gesetst ist Der Freie 
will sein Out „necessitate coactus" verkaufen und kann es nur 
finei verkaufen, wenn jene drei es nicht kaufen wollen. ~ Bezieht 
man nun die Worte „qui jam in exilium missus est^ auf den 
Freien, so ist er der „in Exilium Missus** und will in Folge dessen 
„necessitate coactus** sein Out verkaufen; er mufii es anbieten, 
aufser seinem nächsten Erben (dem jeder Freie, wenn er wegen 
echter Noth verkaufen wollte, sein Out anzubieten hatte), dem 
Bdeling, in dessen Tutel er stand (weil er nach dem Eingang 
des Gapltels ein solcher Freier war, „qni sub tutela nobilis oi^ns- 
libet erat**), und demjenigen, der vom König damals („tunc**, wo 
er „in exilium missus est**) als Verwalter seines Outes eingesetzt 
ist. — Bezieht man hingegen die fraglichen Worte auf den No- 
bilis, so ist dieser „in exilium missus**, und es mufs dann als 
anstöfsig erscheinen, dafs nach dem Schlufs der Stelle der Freie, 
welcher „necessitate coactns'^ sein Out verkaufen will, es dem 
Nobilis „qui in exilium misans est'' noch anbieten soll („offerat 
tntori Buo").. Es bleibt dann kein anderer Ausweg, als hier unter 
dem „Tutor'', dem er das Out noch anbieten soll, einen für den 
exilirten Tutor vom König eingesetzten neuen Tutor zu verstehen; 
al^o in den Worten „offerat tatori suo, vel ei qui tunc a rege saper 
ipsas res constitutns est" nicht zwei Näherberechtigte bezeichnet 
zu finden, sondern nur den neu eingesetzten Tutor ^). Abgesehen 
von dem Künstlichen dieser Interpretation scheint mir ein solches 

WaitB 8 p. 140 sagt: „die Worte der Lex Sax. o. 64, qui jam in 
exüinm miBsus est, moTs man aber gewils auf den Nobilis beriehen, vnd 
dann sp&ter unter dem tutor, wohl nicbt diesen selbst, sondern, wie die 
folgenden Worte es erkl&ren, einen, den der Jipnig an seine Stelle gesetst, 
Terstehen^. 



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108 

Eingreifen des KQn^^ in die PriFatverhSltnisse der Einaelnen ftir 
die Zeit der AbfasBong der Lex Sazoonm unannehmbar; dafür 
dafs das Gut eines y,in Exilinm Missus'^ leitweise unter der Anf- 
sieht eines von der Obr^keit dazn Ernannten stehen soll, finäeii 
sieh Analogien im Siteren Recht, schwerlich aber dafür, dals die 
Obrigkeit I wenn ein Nobilis ,yin exilinm missns est^^ der eine 
Tutel (ein Schutaverhältnifs) ttber einen Freien besaiSy fOr die 
Wahrnehmung der Tutel desExilirten durch Ernennung eines Btell- 
yertreters gesorgt hätte. 

Eine weitere Frage ist, ob überhaupt in der Lex Saxonom 
Gapitel 64 die durch König Karl aus Sachsen Weggeführten nach 
der Auffassung und dem Sprachgebrauch jener Zeit als „in Exi* 
lium Missi^^ bezeichnet sein können, wie Merkel dies ohne Wei- 
teres voraussetst^). Die Sachsen, welche wegen Aufruhr die Todes- 
strafe verwirkt hatten, und die der König, statt dafs diese an 
ihnen vollzogen wurde, aus dem Lande wegführen liefs, hattm 
ihre Güter verwirkt, sie können also nicht unter den „in Exilinm 
Hissis^^ der Lex Saxonum gemeint sein, welche ihre Güter ver- 
kaufen dürfen'). Aber auch bei denjenigen, die König Karl seit- 

() Ohne n&her zu erörtern, welche Personen die Lex Saxonum cap. 64 
unter den als „in Exilium J^sis" versteht, nennen Aeltere sie „Verbannte^, 
s. B. Oaupp Recht und Verfassung der alten Sachsen p. 215. 217. Schau- 
mann Gesch. des Nieders&chsischen Volkes, 6h5ttingen 1639 p. 156, meint: 
„Karl d. Gb*. hat in dem Titulus de ezulibus [so ist das Capitel 64 von 
Herold überschrieben] ohne allen Zweifel die Verhältnisse derer geordnet, 
welche er in andere Gegenden yersetzte". 

*) Im Jahre 777, erz&hlen die Annales Einhardi, unterwarfen sich die 
Saehsen dem König Karl eu Paderborn : ,ut si ulterius sua statuta violarent 
eipairia et liberUUe privarenhir^ Pertz Script. 1 p. 159, und die Annalee Ful- 
denses ad a. 777 : „Saxones ingenuitaitm et omnem praprietcUem auam secun- 
dum morem gentis abdicantes, regi tradiderunt, si a die illa et deinceps chri- 
stianitatem, et regi ac liliis ejus fidelitatem abnegassent^ Pertz 1 p. 349. Die 
Capitula de partibus Saxoniae bestimmen cap. 30: „si quis comitem interfeeerit» 
vel de ejus morte consilium dederit, herediUu iUius ad partem regia eveniat, et 
in jus ejus redicatur^, und cap. 11: ^si quis domino regi infidelis apparuerit, 
capitaU sententia pnnietur^, und die Lex Saxonum cap. 24: „qui in regnum, rel 
in regem Franeorum, vel filios ejus de morte consiliatus fuerit, capite puniatur*'. 
Der König konnte den der Todesstrafe Verfallenen dahin begnadigen, dafs 
er ihn auTserhalb Sachsens an einen bestimmten Ort rerwies; die Capitula 



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109 

weise alt OeiAeln GyObiddei'O ^^ SmIuimi wegftthieD lieb und 
▼on denoi die frlnkiMdieii Annalen «m hXnfi^itea reden, palU 
das von den „in Exiitnm Miseis^ im Caintel 64 Geoagte nicht ^); 
denn dab die Ottter eines i^Obaes^S d^' *^ Bürge dem Könige 
überliefert war, nm mit seinem Leibe dafür sn haften, daft seine 
Landslente Frieden halten, die geschworene Trene bewahren, eder 
sonst gegebene Versprechen erfüllen würden, einem yom Könige 
dasn ernannten Verwalter übergeben worden wären, ist in keiner 
Qnelle irgendwie angedeutet und nach den Verhältnissen, nnter 
denen er als Bürge gestellt und ans Bachsen weggeführt wurde, 

de partibuB Saxoniae cap. 2 yerordnen : „ ducatur ad praesentiam dommi 
regia, et ipee ewn mittiU, ubi eUmenüae ipgiu* ffiaeuetii**, und das Capi- 
tnlare Sazonioom von 797 oap. 10: „res habeat Ikentiam ipsum male&oto- 
rem com uxore et familia, et omnia sua, foris patriam infra sua regna, aut 
in marca, ubi sua fuerit roluntas, coUocare, et habeant ipsum quasi mor- 
tuwn^ (d. b. er g^t recbtlicb dann als verstorben) Perts Leg. 1 p. 76. Zwei 
Docnmente, die Waits Deutsche Verfassangsgesohiebte 3 p. 140 ans Scbaten 
Annales Paderbomenses p. 43 und Bouquet 6 p. 399 (jetst auch gedraokt 
in «UiFö Bibliotheca Genn. 3 p. 320) anfthrt, reden von Saehsen, die aus 
dem Lande weggeflihrt und ihrer Gftter verlustig geworden waren. In dem 
zweiten Document, einem Briefe vom Jahre 816, bittet ein Sachse den Kaiser 
Ludewig ihm cur Wiedererlangung seiner v&terlichen und mfttterlichen GHkter 
sn yerheUen; sein Vater Bachart habe als Christ und Anh&nger des Kaiser 
Karl von seinem v&terliohen Erbe auf sein mütterliches im pagus Marstheim 
(in der Gegend von Hanover, s. Wersebe Gaue p. 209) flftchten mttssen; 
von dort sei er, als Kaiser Karl eine Versetsung von Sachsen aus dem 
Lande befohlen» mit Andern weggefUurt worden, und sei ausw&rts verstorben, 
ihm aber sei sein veiftulsertes v&terliches Erbe nicht surüekgegeben worden. 
Die Worte des Briefes lauten : „mansit pater in pago Karstheim, donec ex 
jussione dombi imperatoris Sazones, &cta transmigratione de Sazonia, per 
partes educti sunt; et tunc etiam pater et mater edueti feerunt^, und: 
" ;,quibus vero eductis . . , a propria abalienati* terra, de hac luoe pater meus 
subtractus est". Der Schreiber bittet, ihm sein v&terliches Erbe Bur&ck- ' 
sngeben, da er beweisen könne, dab der Hergang der von ihm berichtete 
gewesen sei, sein Vater also ohne Grund aus Sachsen weg^f&hrt und seines 
Erbes verlustig geworden sei; er schreibt: „multi testee de ipsis pagis super 
hac re adhiberi possunt, qui hanc rem bene sciunt*'. 

I) Auch Stobbe Deutsehe Bechtsquellen 1 p. 192 meint: „die Erwäh- 
nung der in der Verbanmmg Übenden Qeifaebi (Lex Saz. cap. 04 „nobiüs 
in ezilinm missus " ) ist wahrseheinhch auf die im Jahre 798 in die Hand 
des Königs gefallenen Sachsen zu besiehen*". 



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110 

kaum glanbUeh; in dem im Oi^tei 64 behudeMea IUI ist aber 
die Rede von Einem ,,qai tone a rege 8«per ipeas ree eonsHtatui 
est^). — Sehr nahe aeheint es mir an liegen, anter dem ;,io 
Bxiliam HiBBna'' dea Gapitel 64 der Lex 8axonam| an einen 
frledloaen Mann an denken, der in echter Noth begriff» 
aein Out verkaufen darf, am aich xn löaen. Fttr dieae meine An- 
iioht apricht vor Allem, dafo unsere Quellen nirgends den Ana^ 
druck „Exilium'< verwenden, wo sie von Leuten reden, die dar 
EOnig als Obsides oder als Gefangene aus ihrer Heimatii hat weg- 
fahre lassen, dagegen sich desselben nicht selten bedienen, um 
das VerhäUni/s derer zu bezeichnen, die landflüchtig geworden sind, 
indem sie daau Friedlosigkeit nöthigte, die fUr sie wegen eines 
Verbrechens eingetreten war, oder nach spSterem Recht ein Straf- 
erkenntnifs, durch das Landflttchtigkeit (Verbannung) über sie 
ausdrücklich verhängt worden war'). Ist Exilium im Capitel 64 

>) In den älteren Rechtsqnellen ist nur das VerhAltnils derer nSlier 
besprochen, die ftlr eine Schuldsumme sich su OeUSsel geben: „qui loeo 
wadii in alterius potestatem se commiserint^, vgL Capitui. a. 803 ad log. 
Salic. cap. 8 in Perts Leg. 1 p. 114, Cap. a. 803 ad leg. Bip. oap. 3 in Ferts 
p. 117, Cap. de exerdt. a. 811 cap. 3 p. 170, €ap. Bonon. a. 811 cap. 1 
p. 172. Die S. 105 in der Note angeföhrten Stellen der Annalen unterscheiden 
unter den von König Karl nach einer Unterwerfung aus Sachsen Weggefahrten 
.mehrfiMh diejenigen, die als Obsides gestellt waren; ron ihren Gatem 
schweigen die Stellen. 

*) Vgl. Wilda Strafrecht p. 280 und 518, der ausfahrt, dab im alteren 
deutsehen Recht Flucht ans dem Lande stets die Folge der Friedlosigkeit 
war, während sie sp&ter als Verbannung zu einer besonderen Stoafe ge- 
worden sei. Man beachte die folgenden SteUen: Lex Sai 55, 2 „Si quis 
corpus jam sepultnm expoliaverit, wargue Ht (ein sp&terer Zusata : ^hoe est 
expnlsus de eo pago^ Merkel Novell. 336), %i»qut dum cum parentibus ipsüis 
drfuneti cofweniai, et ipsi pro eo rogare debent, ut ei inter homines Uceat 
aecedere.'* in Merkel Lex SaL p. 31, wo in der Lex Bipuariorum ed. Herold 
87, 2 steht: „Si quis corpus mortuum ex humo traxerit et expoliaTerit, 
200 solid, cum capitale et delatura culpabilis jndicetnr vel wargus sit^ ob 
hoc expuUuB exulet ttsque dum parentibus soHsfaeiat*^. ht Lex Rip. 71, 2: 
„Si quis proximum sanguinis interfecerit, rel incaestum commiserit, exilium 
susHneat, et omnes res ejus fisco censeantur". In Beeret. Ghildeberti regis 
a. 596 cap. 4: „Quicumque i:aptnm facere praesumpserit . ., vitae periculnm 
feriatnr; . . et si ad ecdesiam confugiom fecerit, reddendus . . ; si ipsa mnlier 
raptori oonsenserit, ambo pariter in exilio transmittantur." Perts Leg. 1 



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111 

der Lex Saxonnm in dieeem Sinne m Tentolieni m> kmmi dto 
Stelle in gar keiner Beiiehmg sn der Wegflifarnng von Geiftehi 
ans Saehsen dnreh KOnig Karl im Jahre 798 stehen, QDd jede 
Möglichkeit sie in der yon Merkel versnohten Weise aar Bestiiii- 
mnng der Abfassongsaeil der letzten Oapitel der Lex Saxonam 
in benntsen, fillt damit weg. 

{•10. Das zweite Stfiek der Lex Saxosun. 

Zwisehen den Jahren 786 nnd 797 soll das aweite Stttek 
der Lex Saxonnm verfafiit sein, oder die Gapitel 24 bis 60. 

Dab Merkel durch die in der Corveier Handschrift der Lex 
Saxonnm ttber dem Capitel 24 stehende Ueberschrift y>Lex Fran- 
eornm^' sich bestimmen lieüb mit diesem Gapitel das Stück der 
Lex Saxonam beginnen zn lassen, welches er für deren zweiten 
Theil hält, nnd dafs er ihn, um jener erst später hinzugefügten 
ueberschrift willen, die sich nicht auf alle jene Gapitel, sondern 

p. 9. Im Cap. Aquisgr. Earoli a. 813 c. 12: „ut homines boni generis, qui 
infra comitatu inique Tel injuste agunt, in praesentia regia ducantur ; et rex 
BQper eos distriedoiiem faciat carcerandi, eziliandi, usque ad emendationem 
illonim." Perti Leg. 1 p. 188. Im Gapitiü. a. 817 oap. 7 verordnet König 
Lndewigy daüs wer aus einer geringfügigen Ursaehe Jemand tödtet, dessen 
Wergeid zahlt: y^ipse Tero in exilium mittaturad quantum tempus nobis 
placaerit, res tarnen suas non amittat.'' Pertz Leg. 1 p. 211; das« im cap. 9: 
„Si quis sponsam alienam rapuerit, patri ejus, et sponso . . conponat, et in- 
super bannnm noBtrum, id est 60 solidos, solrat, vel in praesentiam nostram 
oomes enm advenire faciat, et quanto tempore nobis piaenerit in exilio 
maneat.^ p. 211; das. im cap. 13: „Si quis aliqua necessitate cogente homi- 
ddium commisity comes in cujus ministerio res perpetrata est, et composi- 
tionem solvere, et fiudam per aacramentum pacificari faciat. Quod si una 
pars ei ad hoc consentire noluerit, fadat illum qui ei contumaz fuerit ad 
praesentiam nostram venire, ut eum ad tempus quod nobis plaouerit in 
exilium mittamus, donec ibi eastigetur, ut comiti suo inobediens esse 
ulteiius non audeat, et majus damnum inde non adcrescat." p. 212. In der 
Dinsio imperii a. 806 cap. 13 werden den ^obsidibits, a nobia per diversa 
loca ad costodiendum destinatia" entgegengestellt „qui pro suis focinoribus 
in exilium missi vel mittmdi «unt'' Pertz 1 p. 142. In den altem Volks- 
rechten Tgl. ,,exilinm" und „exiliare'* in Lex Alam. XXV. XXVI. XXXV, I ; 
L. Baj. n, 10 {. 1; L. Wlsig. D, 1 {.7 und VI, 5 §. 12 u. IS. 



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112 

nur anf das Gapitel 34, oder yieU^eht auf die Ca{iitel 34 bis 26 
besieht, eine Lex Franeomm nannte , bespraeh iefa S. 101. um 
aber seine Meinung sa begründen, dafs dieser aweite Theil naeb 
785 abgefafst sei, führt Merkel an, dala in den Gapttehi 34 bis S6 
der Lex Saxonnm die Gapitala de partibns Baxoniae benntst seien, 
die er mit Pertz vom Jahre 785 datirt 

unbedingt räume ich die von Merkel in üebereinstiramong 
mit früheren Schriftstellern behauptete Benutzung der Gapitala 
de partibus Saxoniae in jenen Gapiteln der Lex ein; gegen die 
von ihm darauf gesttttste Annahme aber, dais die Gapitel 1 bis 23 
der Lex Saxonum vor dem Jahre 785, die Gapitel 24 bis 60 aber 
nach demselben verfalst seien, mache ich geltend, dafs die Ga- 
pitula de partibus Saxoniae anoh in jenen von ihm als erster 
Theil der Lex bezeichneten Gapiteln, und namentlich in den Ga- 
piteln 21 bis 23, benutzt sind, und dafk das Jahr 785 fttr die Ab- 
fassung der Gi^itula de p. Bax. keineswegs feststeht, ich meiner- 
seits vielmehr glaube annehmen zu müssen, dafe sie bald nach 
775 abgefafst sind. Beide Punkte verlangen eine nähere Begrün- 
dung; in §. 11, bei Erörterung der von Merkel behaupteten Ab- 
fassungszeit der Gapitel 1 bis 23 der Lex, werde ich auf den ersten 
in §. 12, bei Besprechung der Abfassungszeit der Gapitula de par- 
tibus Saxoniae, auf den zweiten zurückkommen. 

um hier die vorausgesetzte Benutzung der Gapitula de par- 
tibus Saxoniae in den Gapiteln 24 bis 26 der Lex Saxonum zu 
veranschaulichen, rücke ich neben einander die sich entsprechen- 
den Stellen der beiden Gesetze ein: 

Gapitula de partibus Saxoniae: Lex Saxonum: 

Gap. 11. Si qais domioo regi Cap. 24. Qui in regnum vel in 

infidelis apparuerit, capitali sen- regem Francorum, vel fiUos ejus 
tentia punietur. de morte consiliatus faerit, capite 

puniatur. 
Gap. 13. Si quis dominum suum Gap. 25. Qui dominum suum 

vel dominam suam interfecerit, si- occiderit, capite puniatur. 
mili modo punietur. 

Gap. 12. Si quis filiam domini Gap. 26. Qui filium domini sni 

Bui rapueriti morte moriatur. ocoiderit, vel filiam aut uxorem 

aut matrem stupraverit, juxta vo- 
luntatem domini occidatur. 



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HS 

Dafs swiadies der Faaioiig dieser Stellen der beiden Rechts- 
qnelien keine blofii zubillige Ueberelnstimmang stattfindeti wird 
aUgemdn eingeräamt; eine solche wSre bei drei in beiden 
Qaellen neben einander stehenden SStzen mehr als unwahr- 
seheinlieh. Eine Vergleichang der je zwei einander gegenüber 
gedruckten Stellen im Einzelnen spricht aber dafür, dafs die 
aaaführlieheren and genaueren Bestimmungen der Lex Saxonnm 
aus den kürzeren Satzungen der Capitula de partibns Saxoniae 
hervorgegangen sind, und dafs man bei ihnen nicht umgekehrt 
an eine Benutzung der Lex Saxonum durch' die Capitula zu 
denken hat'). 

Für richtig halte ich die Ansicht , der Merkel beitritt, dafs 
die Gapitel 24 bis 60 der Lex Saxonum vor dem Jahre 797 rer- 
faftt sind; es entscheidet dafür, dafs, wie §.21 weiter ausführt, 
unter diesen Capiteln sich mehrere befinden, die durch das Ca- 
pitolum Saxonicum von 797 eine weitere Fortbildung erfahren 
haben; da aber der einzige Grund Merkels, der beweisen sollte, 
dafii der angeblich dritte Tfaeil der Lex erst nach 798 abgefafst 
sei, sich als nicht stichhaltig gezeigt hat, so liegt in der Abfas- 
sung der Gapitel 24 bis 60 vor 797 keine Veranlassung, in der 
Lex einen -zu verschiedener Zeit verfafsten zweiten und dritten 
Theil zu unterscheiden. 

Ich fasse am Schlufs des Paragraphen die einzelnen Momente, 
die in Betreff der Merkeischen Auffassung der Capitel 24 bis 60 
der Lex in Betracht kommen, kurz zusammen: 

1. Dafür, dafs mit Capitel 24 ein besonderes Stück der Lex 
beginnt, ist die Ueberschrift Lex Francorum über Capitel 24 in 
der Corveier Handschrift von keiner Beweiskraft, indem sie erst 
später hinzugefügt ist und aufserdem sich nicht auf die Capitel 24 



») Eichhorn Deutsche Bechtagesch. §. 146. 1 p. 674 und Gaupp 
Becht der alten Sachsen p. Ö7 u. 128 setzen eine Benutzung der Capitula in der 
Stelle der Lex Toraus; Stob he Deutsche Rechtsquellen 1. p. 191 hält es 
f^ unentschieden, oh die SteUe der Lex die Capitula benutzt habe, oder 
Ton ihnen benutzt sei; Gaertner Saxonum leges tres p. 135 nahm an, 
dafs die SteUe der Lex in den Capitulis benutat sei. 

8 



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114 

bis 60 bezieht, sondern nur auf die unmittelbar auf vie folgenden 
Capitel 24 bis 26. 

2. Dafür, dafs mit Capitel 60 ein zweites besonderea StUck 
der Lex schliefst, beweist das Inhaltsverzeichnifs im Spangen- 
bergschen Manuscript nichts, denn wenn in ihm der Inhalt der 
Capitel 61 bis 66 nicht angegeben ist, so ist anch der des Ca- 
pitel 7 übergangen, und das Inhaltsverzeichnifs liegt in einer so 
schlechten Abschrift vor, dafs nichts hindert anzunehmen , der 
elende Schreiber habe, wie Manches im Text, so anch den SehiofB 
des Inhaltsverzeichnisses weggelassen. 

3. Dafür, dafs das zweite Stück der Lex nach den Ciq^itiiliB 
de partibns Saxoniae abgefafst ist, spricht die Benntznng von 
Stellen der Capitnla in ihm ; es sind aber anch im angeblieh ersten 
Stück die Capitnla benutzt; eine Trennung des zweiten vom ersten 
Stück der Lex ist also dadurch nicht zn begründen. 

4. Dafür, dafb das zweite Stück der Lex vor dem dritten 
verfafst sei, spricht das in letzterem stehende Capitel 64 nieht, 
denn es ist rein willkürlich anzanehmen, dafe das Capitel erst 
nach 798 abgefafst sei. 

5. Dafür, dafs das zweite StUck der Lex vor 797 abgefa&t 
ist, entscheidet, dafs mehrere Stellen desselben im Capitniare Saxo- 
nicam von 797 als geltend vorausgesetzt und umgebildet werden ; 
das ist aber kein Grund das Stück aus der Lex als ein besonderes 
auszusondern, sondern nur ihre Abfassung überhaupt vor 797 zn 
datiren. 



§.11. Das erste StAek der Lex Saxosum. 

Aus den Capiteln 1 bis 23 der Lex Saxonum soll nach Merkel 
das älteste Stück der Lex bestehen, das vor den von ihm ins 
Jahr 785 gesetzten Capitulis de partibus Saxoniae 
abgefafst sei, und von dem er sagt: „dafs es in das Jahr 782 
zu setzen ist, erscheint mir, wenn ich das historische Material 
Überblicke, so gut als gewifs.^^ Merkel Lex Saxonum p. 6. 

1. Dafür, dafs die ersten Capitel der Lex Saxonnm vor den 
Capitulis de partibus Saxoniae verfa&t seien, beruft sieh 



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115 

Merkel iiiBbesoiidere darauf, daft im Capitel 33 der letzteren 
die Worte enthalten sind ;,de perjuris Becnndum legem 
Saxonoram sif; dies sei eine attsdrücMiche Verweisung auf die 
geschriebene Lex Saxonum, und zwar auf die in Cap. 21 u. 22 der- 
selben befindlichen Bestimmungen über Meineid. 

Nachdem mehrere ältere Schriftsteller wie Oaertner, Qrupen^ 
Spangenberg, bei Erwähnung der Lex Saxonum in der angeführten 
Stelle, an die geschriebene Lex Saxonum gedacht hatten^), war 
' sie von Späteren, und namentlich von Eichhorn, Ganpp und Wilda, 
anf das ältere ungeschriebene sächsische Recht bezogen worden^). 
Da OB nun keinem Zweifel unterliegt, dafs sprachlich unter dem 
Ausdruck „Lex Saxonum'' Beides verstanden sein kann*), so 

^) Gaertner Saxonum leges tres. 1730. p. 152 besieht das Cap. 33 
der Capitula de part. Sax. anf Lex Sax. cap. 21 u. 22; Chr. Ulr. Grnpen 
(starb 1767) in Praefatio ad legem Sax., abgedruckt in Spangenbergs Bei- 
trilgen 1822 p. 192, sagt: „concinnatam antem (legem Sax.) suspicor ante 
Cbpitalare CaroU M. de partibiis Saxoniae, quod ad Saxonum legem de 
peijarüs, quaecap. 21 leguntur, seremittit"; Spangenberg Beiträge 1822 
p. 181 bemerkt nur: ^sollte aus der Ueberschrtft Lex Francorum über Ca- 
pitel 24 in der Correier Handschrift der Lex Saxonum nicht Bieners An- 
sieht best&tigt werden, dafs schon vor dem Jahre 788 ein geschriebenes 
sächsisches Rechtsbuch, n&mlich diese Ewa Saxonum [d.i. Cap. 1—23] 
existirt habe" ? 

S) YgL Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 1 p. 569 n. p.574 § 146 Anm.; 
Gaupp Becht und Verfassung der alten Sachsen p. 45, und Wilda Straf- 
recht p. 102. 

') Vielfach werden die Ausdrucke Lex und £wa Saxonum f)lr das 
gesammte geltende Recht verwendet, ohne Rücksicht darauf, ob es in Ge- 
setEesform aufgezeichnet war; vgl. folgende Beispiele: im Capitulare Saxo- 
nieum von 797 in Cap. 7 „statuerunt . . , quicquid hominibus missorum regis 
fiustnm fnerit, omnia. tripliciter faciant restaurare et secundum eorum ewa 
oomponere" Ports Leg. 1 p. 76 ; im Cap. 8 daselbst wird bestimmt, dals das 
Niederbrennen von H&usem nur in Folge eines Beschlusses der Pagenses 
erfolgen solle : ^tunc de ipso placito, communi consilio facto, secundum eorum 
ewa fiat incendium peractum'' p>76; und im. Cap. 10 das.: ^de malefacto- 
ribus, qui vitae ^encabim secundum ewa Saxonum incurrere debent, etc.^ 
p. 76; vgl. ebendas. im cap. 4 „ibi solito mors pagenses 12 solidos reci- 
piant" p. 76. In des Anscgisus Capitul. Appendix II. cap. 35 (einer Stelle, 
die Pertz 1 p. 170 ins Jahr 811 setst, vgL aber Waitz VerÜMsungsgesch. 3 
p. 280): „Si aliquis Saxo caballoe in aua messe invenerit, et ipse cabailos 

8* 



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116 

hängt die Entscheidung lediglich yon einer nSheren Pdllinig dar 
beiden Stellen ab, die mir gegen die von Merkel vertretene An- 
sicht aasfallen zu müssen scheint^). Die Stellen hmten: 

inde ducere pro suo damno ad comprobandum voluerit, si qms Über bomo 
boc ei contradixerit aut aliquod malum pro boo ei fecerit^ tripla eompoBitione 
secundutn legem et seeundum ewam contra eum emendare studeat etc. ..; 
81 serTUB boc fecerit, seeundum suam legem omnia in triplum restitnat etc.*' 
PertE Leg. 1 p. 324. In Urk. von K. Otto I. von 952; „Wicborahc, illonuik 
soror, seeundum legem Saxonicam cum manu adrocati sui ad monaste- 
rium in Gesiki tradidit etc.'' Seibertz Westf. ürkundenb. 1 p. 9. In Urk. 
y. K. Otto m. von 996: „Adela dixit, quod pater ejus seeundum Saxonicam 
legem absque ejus consensu et licentia nuUam potoisset faoere traditionem** 
Lacomblet 1 p. 78. In Urk. nacb 1024: „fecit abnegationem praedii (in 
der Wetterau) primo incunratis digitis seeundum morem Sazonum, et 
deinde cum manu et festnca more Francorum*' Bcbannat Yindem. 1, 41. In 
Urk. von 1049 : „tradidit curtem, statimque justa legem et ritum Wetf^ola^ 
sium ejusdem rei investituram promisit ore et digito remittere'' MSser Os- 
nabr. n. nr. 21; und in Urk. ron 1049: „investituram ejusdem traditionis 
statim Uli cum digito suo sieut mos est, promittens'' ibid. nr. 22. In Urk. 
Ton 1088: „publice actum est super reliquias nostras com cbirodieea, ßiaä 
mos est liberis Saxonibus, tradidit curtim . . ; aderat • • advocatas eodeaiäey 
qui cbirotbecam traditionis sacris reliquüs impositam, fii mos est, abstulit 
et ab ipso G. tradente . . promissionem confirmationis aooepit; decimo die G., 
matrem suam yerissimam ejus beredem nobis praesentarit, quae ez lege 
Saxonum donationem ejus ore laudarit et digito confirmavit'' Lindenbrog 
Scr. Sept. privil. Hamb. nr. 33; und in einer etwas jüngeren Bestfttjgunga- 
urkunde: „ipse cum cbirotheca, sicut mos est, tradens baec omnia ..; G« 
confirmationem digito, ut moa est Saxanibus fecit'' ibid. nr. 34. In einer 
Mflnsterscben Urk. Ton 1092: „boc primum in ourti mea collaudatom est, 
secundo jure Westpbalico confirmatum in placito comitis D.^ Erhard 
Beg. West£ 1 p. 131. In Conreier Urk. Ton 1113: „nbi baec acta sttnt «#^ 
eundum legem et justitiam Angariorum'' und „acta sunt baeQ«0etm^ 
dum ritum Ostersabson'' Erhard Reg. 1 p. 141. In Gorreier Urk. toh 
1126: „ubi baec facta sunt seeundum legem Angariorum" Erhard 2 
p. 5. Vgl auch oben S. 91 Note 2 und unten S. 119 Note 1. In Betreflf des 
Gebrauches des Wortes Ewa Tgl. insbesondere die von J. Grimm in seiner 
Vorrede zu Merkels Lex Sal. p. LYII, in der Malbergschen Glosse entdeckte 
Seolando - ewa. 

>) Stobbö, Deutsche Rechtsqueilen 1860. 1 p. 188, riumt ein, „dab 
dem Sprachgebrauch nach unter Lex Saxonum auch das ungeschriebene 
Gewohnheitsrecht der Sachsen verstanden sein kOnne^> h&lt dies aber im 
Cap. 33 fOr sehr unwahrscheinlich. Eine durch nichts unterst&tate Behaup- 



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117 

CapUuia de paMma SaxwUag: Lern 8a»amm: 

Gap. 3. „Si qnis eoeledam per Gap. 21. „Qni in ecdesia ho- 

▼iolentiam intrayerity et in ea per minem ocoiderit vel aliqnid fora- 
▼im Tel fbrtn aUqoid abstalerit, verit, vel eam effregerit, «W eeiens 
▼el ipaam eoolesiam igne erema- perfunwerit, eapite pnniatnr; 
▼erit) morte moriatnr. 

Gap. 32. Si coilibet homini sa- (Gap. 22.) et gui neseietu p«r^ 

eramentom debet aliquis, aframeat raoerit, mannm snam redimat anctor 
illom ad ecclesiam s^ramentaad sacramenti <'. 
diem statatum; et ai jorare con- 
tempserity etc. 

Gap. 33. De perfuHs seonn- 
dum legem Saxonornm sit'^ 

taug Ton Seibertx, Landes- nsd BechtsgeBch. des Herz. West&len 1860. 
1 p. 290, ist es, „dafs Ewa kein sclirifUicheSy sondern yielmehr ein gewohn- 
heitareehtliches Oesets" bedeute, und dafs das s&chsische Recht, da es im 
Gapitulare Saic ron 797 „"Emsi Sazonum" genannt werde „damals wohl noch 
■lebt sehrifUich redigirt gewesen sei, eben weil es noch Ewa und nicht Lex 
genannt werde''. Wenn Waitz Deutsche Verfassungsgesch. 1860. 3 p. 296 
bemerkt: „Auf das wahrscheinlich noch ungeschriebene Recht der Sachsen 
wird in den Capitularien fUr Sachsen Bezug genommen: cap. 33 Pertz p.50: 
secnndum legem Sazonorum; und cap. 7. 8. 10 Pertz p. 76*^, so stimme ich 
ihm bei, dals im Cap. 33 der Capitula de partibus Sazoniae unter der Lex 
Saxonmn an ungeschriebenes Recht zu denken ist, nur fUlt damit die Mer- 
keische Ansicht, dafs die ersten 23 Capitel der Lex Saxonum vor den Ca- 
pituÜB de partibus Saxoniae abgefalst seien, die Waitz Verfassungsgesch. 3 
p. 144 referirt und der er zuzustimmen scheint, indem er p. 120 beim 
Jahre 782 ron der Au&eichnung des ersten , nach Merkels Vermuthung zu 
CKmsten der s&chsischen Edelen abgefiJsten Stückes der Lex spricht, „wie 
es später in das Yolksrecht des Stammes Aufnahme gefunden hat". Fflr 
Merkek Ansicht erkl&rt sich neuerdings: Sig. Abel, Jahrb. des fränkischen 
Reiches unter Karl d. Gh>. 1866. 1 p. 347: „Die Erw&hnung des s&chsisehen 
Gesetzes in dem Capitulare von 785 zeigt, dafs jenes schon vor 785 auf- 
gezeichnet war; an 4** ungeschriebene s&chsische Gewohnheitsrecht kann 
hier deshalb meht gedacht werden, weil die Bestimmungen, auf welche ver- 
wiesen wird, über die Bestrafung des Meineides, christliche Zust&nde Toraus- 
setzen*'. Ich verstehe die Worte Abels nicht; denn dafs falsche Eide bei 
den heidnischen Sachsen straflos gewesen w&ren, wird er nicht behaupten 
wollen, da Eide von ihnen wie von aUen heidnischen Germanen geschworen 
wurden, vgl. Wflda Strafr. p. 979; K. Maurer Norw. Bek. 2 p. 223; Waitz 
Deateche Verfassungsgesch. 1865. 1 p.271, 413, und unten S. 119 Note 1. 



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118 

Meines ErmessenB benutzt in diesen angeftthrten Stellen die 
Lex Saxonnm die Capitala de partibas Saxoniae und wird nicht 
umgekehrt, wie Merkel annimmt, von ihnen benutzt In Gap. 21 
der Lex Saxonum wird für Meineid in der Kirche, wie fttrTGdtong, 
Stehlen und Einbruch in der Kirche, die Todesstrafe ausgesprochen; 
dies geschieht in einem und demselben Satze; hfitten nun die Ca- 
pitnia de partibus Saxoniae aus dieser Stelle der Lex gesch9pft| 
so würde in ihnen der Inhalt von Capitel 33 unmittelbar auf das 
Capitel 3 folgen; es würden die Capitula, nachdem sie in Ca- 
pitel 3, schöpfend aus der Lex Saxonum Capitel 21, die Todes- 
strafe für mehrere in der Kirche verübte Verbrechen ausgesprochen 
hatten, auch sofort erwShnt haben, dafs das in demselben Gar 
pitel 21 der Lex für Meineid angeordnete Recht femer gelten 
solle. Dies geschieht nun aber nicht; erst in Capitel 33, nach* 
dem vorher über viele andere Punkte die Rede gewesen ist, kom« 
men die Capitula auf den Meineid zu sprechen, und bemerken 
„de perjuris secundum legem Saxonomm sit"; und zwar giebt die 
im Capitel 32 enthaltene gesetzliche Anordnung, dafs die Eide in 
der Kirche geschworen werden sollen, Veranlassung, des Rechts 
bei Meineiden zu gedenken >). — Nimmt man dagegen an, dals 
die Lex Saxonum ans den Gapitulis geschöpft hat, so erklärt sich 
die Art der Behandlung des Stoffes in beiden Gesetzen sehr ein- 
fach: die Lex Saxonum Capitel 21 verhängt die Todesstrafe auf 
in der^ Kirche begangene Verbrechen, wie es das Capitel 3 der 
Capitula de partibus Saxoniae gethan hatte, und fügt den in dem 
Capitel 3 verzeichneten Verbrechen den Meineid bei; sie thut dieSi 
weil nach der früheren Bestimmung König Karls im Gapitel 32 
der Capitula de partibus Saxoniae die Eide in der Kirche ge- 
schworen wurden, und ein Meineid, der mit dem Tode bedroht 
war, im Gapitel 21 der Lex, bei Aufsählung jder in der Kirche 
verübten, mit dem Tode zu bestrafenden Verbrechen, seine an- 



*) Ich ftUu-e dies Btobbe gegenüber an, der Rechtsq. 1 p. 188 be- 
merkt: ^es Bei schwer ein Grund einzusehen, warom K. £arl erklärt haben 
soUte» dafs es ftlr die Bestrafung des Meineides beim bisherigen Gewohn- 
heitsrecht verbleiben soUe^« 



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119 

StoUe fand^). ^ Aach der Gang der Oefletsgebnng 
König Karls Aber Meineid ersoheint^ so anfgefafsty als ein durch- 
«08 in sieh zusammenhängender. Nach älterem fränkischen Recht 

1) In den S. 117 abgedrnckten Worten des Cap. 32 hatte König Karl ver- 
ordnet, dafs Ton den Sachsen die Eide in der Kirche geschworen wür- 
den, ^e VorBchrift, die er im Jahre 803 auch Air aulsersächsische Gegenden 
dnrch Cap« 12 der ^Capitula quae in lege Bipuaria mittenda aunt^ eiuftibrtc: 
- rfOmne sckcramentum in ecclesia aut supra reliquias juretur" PertE Leg. 1 
p. 118. Abweichend von diesem Capitulare gestattete K. Karl den Sachncn 
die Eide ihrer alten heimischen rorchristlichen Ewa gemäfs auf die 
Waffen in leisten; vgl. Lex Bax. c. 8: ^in manu liti sui vel sua arma 
jnret^y wie das Corveier Manuscript liest, während für „in sua arma", 
bei Tilius „per aua arma" steht, und Herold und das Spang. Manuscript „in 
sua armata" haben, vgl. oben S. 67 und 96. Den alten sächsischen Eid auf 
die Waffen bezeugen: „Saxones sacramentis, ut eorum mos est, super 
arma patraüs pactum pro universis Sazonibus firmant" Fredegarius lib. Y. 
e. 74 nad Oesta Dagoberti cap. 31, sowie „hoc pcLctum aacramento quidem 
Wper arma ßrmaAum, ut Sazonibus mos erat jurantibus" Aimoinus 
lib. lY. c 26. Dieselbe Ewa hatten beim Eide die heidnischen Franken, ein 
Text des Capitulars von K. Childebert um 550 c. 4 besagt : „quando Franci 
legem composuerunt, non erant christiani, propterea in eorum dextera et 
arma sacramenia ad/hmant; sed post ad christianitatem fnerunt reversi, 
propterea non per* arma eorum etc." Pertz Leg. 2 p. 6 oder Merkel Lex 
SaL p.44. In gleicher Weise schwuren die heidnischen Dänen: vgl. Annal. 
Einhardi beim Jahre 811 „condicta inter imperatorem et Hemmingum Da- 
nonun regem pax propter hiemis asperitatem, quae inter partes commeandi 
viam daudebat, in armis tantum jurata servaiur; donec redeunte veris tem- 
perie et apertis vüs, eongredientibus ex utraque parte Francorum sciücet et 
Dane mm duodecim primoribus, pax confirmatur datis vicissim et secun- 
dum ritum ac morem suum saerameniia^ Mon. Germ. Scr. 1 p. 198; und 
in den AnnaL Fuldens. beim Jahre 873 : „jurabant ( D an i ) etiam juxtaritum 
gentis suae per arma $ua, quod nuUus regnum regis inquietare deberet." 
Mon. Germ. Scr. 1 p. 386. Ueber die Art der Umbildung der heidnischen 
Formen des Eides im fränkischen Kelche vergleiche Rettberg Deutschi. Kirchen- 
gesch. 1848. 2 p. 731. Man weihte die Waffen, auf welche die Eide ge- 
schworen werden sollten: in einigen Handschriilen ist eu Lex Bajuv. XVII, 4 
beigeschrieben „postea donet arma sua ad sacrandum, et per ea juret" 
Mon. Germ. Leg. 3 p. 327 ; im Edictum Botharis c. 364 steht „ juret ad 
arma sacrata", und in Lex Alam. 92, 1 lesen Handschriften „in arma sua 
sacrata" f^ „in arma sua sacramenta". Vgl dagegen Lex Rip. XXXIU, 1 
„ambo coigurare debent cum dextera armata, et cum sinistra rem ipsam 
teneant". Einer Zeit, in der die alte Eidesweise in Sachsen aufser Brauch 



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120 

war für Meineid eine GeldbaOse gestattet, und trat in manehen 
Gegenden des BeicheB für den Meineidigen Verlost der Hand ein, 
wenn sie nicht dnrch Geld gelöst wurde. Dies Recht führte König 
Karl in Sachsen nicht ein, bestimmte vielmehr im Gapitei 33 der 
Gapitttla de partibns Saxoniae: „de perjoris secnndam legem 8a- 
xonomm sit", d.h. es soll in Sachsen das bisherige Recht gelten, 
welches, sehr abweichend vom fränkischen Recht, die Todesstrafe 
auf den Meineid setzte. Später, bei Abfassung der Lex Saxonum 
Capitel 21 und 22, erschien es dann erforderlich, specieller an- 
zugeben, dafs die Todesstrafe nur bei wissentlichem Meineide ein- 
treten solle, während es bei nnbewnfttem gestattet sei, die Hand 
mit Geld zu lösen; eine Unterscheidung, die König Karl im J. 779 
ausgesprochen hatte, als er im fränkischen Reich die Lösbarkeit 
der Hand der Meineidigen durch Geld aufhob^). 

2. Ein anderes Argument für die Abfassung der 
Gapitei 1 — 23 der Lex Saxonum vor den Gapitulis de 
partibus Saxoniae findet Merkel darin, dafs dieses 
Stück der Lex, wie er sich ausdrückt, „ein Adelsstatut 
und verbrieftes Landrecht des herrschenden Stammes*' 
in Sachsen gewesen sei*). 

Die hier gewählte Bezeichnung Adelsstatut ist seit Merkel 
mehrfach für den ersten Theil der Lex Saxonum gebraucht wor- 

gekommen war, gebort die Lesart „in sua armata'' ftr „in sua arma* in 
Lex Sax. c. 8 an, die Siegel Deutsches Gerichtsrerf. 1857. 1 p.' 229 rorzieht, 
indem er unter dem alten juramentum in armis irrthfimlich einen Eid in der 
Rüstung versteht, wie ich zu Mon. Germ. Leg. 3 p. 061 not. 44 erOrt«rt habe. 

1) Tgl. das Capitulare von 779 Cap. 10 in Pertz Leg. 1 p. 86 mit der 
Lex de Amore cap. 30 und Capit. Pacto legis Sal. add. c. 15 in Pertz Leg. 2 
p. 13. Ohne genflgenden Grund hat man es bezweifeln wollen (siehe Wilda 
Strafrecht p. 102. 983), dafs im vorfr&nkisehen s&chsischen Recht die Todes- 
strafe auf Meineid gestanden habe, da sie in ihm, wie eine Beilage am 
Schluis dieser Abhandlung ausf&hrt, Ar viele Verbrechen üblich war, und 
es bei der Behandlung des Meineides im fir&nkischen Recht kaum denkbar 
ist, dals K. Karl sie in Sachsen neu eingeführt haben sollte. 

') Merkel Lex Sax. p. 5 sagt: „der iüteste Theil des sAchsisehen 
Yolksrechts cap. 1— 2d, ein Adelsstatut und Terbrieftes Landrecht des 
herrschenden Stammes, war sicherlich vorhanden, ehe die Capitola de par» 
tibus Saxoniae erlassen worden sind''. 



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121 

den ^), wihrend ieh sie nicht fttr glttoklieh erfunden hatten kann, 
da in ihm keineaw^s äaBschliefBlich die VerhSltnisae der Edelinge 
behandelt werden. Betrachten wir die 23 Capitel, welche den 
ersten Theil der Lex bilden sollen, im EInaelnen, so sind in den 
eraten 14 von ihnen allerdings die fUr Verletzungen verschiedener 
Art yerseichneten Bofsen in den Summen angegeben, in weleben 
sie ftlr Edelinge (nicht für Freie oder für Liten) gezahlt werden 
mufsten ; im Capitel 15 ist aber allgemein von Buften der Weiber 
die Bede; im Capitel 16 von Wergeid und Bulben der Liten; im 
Capitel 17 von Bufsen für einen Servus; im Capitel 18 vom Haften 
des Herrn für den Liten; im Capitel 19 vom Mord-tod, und es 
heilst ausdrücklich „componatur occisuB juzta conditionem suam*, 
d. h. es werde für ihn Wergeid gezahlt, je nachdem er ein Ede- 
ling, ein Freier oder ein Lite ist DaB Capitel 20 handelt sodann 
vom Plagium iwischen Nobiies; und endlich werden in den Ca- 
piteln 21 — 23, welche angeblich den Schlufs des ersten Theils 
gebildet haben sollen, Verbrechen mit Todesstrafe bedroht, die 
für schwere Verletzungen einer Kirche gelten, ohne dafii dabei 
des Gebnrtsstandes der Betheiligten Erw&hnung geschieht. 

Die drei zuletzt angeführten Capitel 21 — 23 verlangen aber 
noch eine genauere Beachtung; mit ihnen beginnt eine Reihe von 
Capiteln der Lex Saxonum, die sich bis zum Capitel 36 fortsetzt, 
welche Verbrechen behandelt, die mit Todesstrafe bedroht sind. 
Nur aus Befangensein in einer vorgefafsten Meinung kann ich es 
erklären, wenn Merkel es für Zufall hfllt, dafs direct hinter den 
Capiteln 21 — 23, die den Schlufs des ersten Theils der Lex ge- 
bildet haben sollen, die Capitel 24 -^ 38 des zweiten, angeblich 
später verfafsten Theils stehen, welche die in jenen begonnene 
Aufzählung der mit dem Tode zu bestrafenden Verbrechen ohne 
Unterbrechung fortsetzen. Da in den Capiteln 21 — 36 alle in der 
Lex vorkommenden Todesstrafen, und zwar für nicht weniger als 
20 Fälle, unmittelbar hinter einander aufgeführt sind, so scheint 

^^1* '* ^' Biege], Gesch. des deutschen G^richtsrerfahreiiB 1857. 
1 p. 282, der die-Herkelsche Bezeichnung für besonders passend erklärt; 
WaitE Deutsche Verfassungsgesch. 8 p. 120. 144 und Stobbe Deutsche 
Bechtsqueüen 1 p. 188, die sie billigen* 



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122 

60 mir QnmQglieby sieh gegen die Annahme sn verschliefteni dab 
mit Absicht bei Abfasanng der Lex die Satzungen über Todes- 
strafen zusammengestellt worden sind. Zeigt sich aber eine solche 
Anordnung des Stoflfes in der Lex, so spricht dies daftlr, dafs ua 
als ein Ganzes gleichzeitig ^erfafst, und nicht ans mehreren n 
verschiedener Zeit erlassenen Gesetzen combinirt ist, dafs also 
namentlieh die Capitel 1 — 23 nicht von der ttbrigen Lex abge- 
8(»idert nnd als ein älteres besonderes Statut aufgefaßt werden 
dürfen. — Vielleicht wird Jemand einwenden: wenn es zugegeben 
werden müsse, dafs die Capitel 21—38 nicht zufällig in der Lex 
zusammenstehen, so bleibe immernoch der Ausweg anzunehmen, 
daä das zweite Stttck der Lex mit Capitel 21 statt, wie behauptet 
wurde, mit Capitel 24 begonnen habe, und dafs somit das in einer 
früheren Zeit erlassene Adelsstatut nur aus den Gapiteln 1 — 20 
bestanden hätte ^). Wüfsten wir, dafs ein älteres, besonders er- 
lassenes G^etz den ersten Theil der später als ein Ganzes pnbli- 
eirten Lex Saxonum bildet, und es handelte sich um eine Ver- 
mutfaung, ob dieser Theil mit dem Capitel 20 aufgehört oder |ineh 
noch die Capitel 21—24 umfa&t habe, so würde ich das erstere 
für plausibler halten. Von einem solchen Gesetz existirt aber auch 
nicht die geringste Kunde, und wenn in den Capiteln 21 — 38 
nicht in der Weise von Nobiles die Rede ist, wie in den Ga- 
piteln 1 — 14, so erklärt sich dies sehr zur Genüge daraus, dab 
bei Todesstrafen der Adel ohne Einflufs war, indem von ihnen 

>) Merkel Lex Sftzonum p. 5 regt selbst diesen Gedanken an: „Die 
drei letzten Capitel des ersten Theiles (Cap. 21 bis 23) soheinen ZuB&tce su 
sein und bandeln von Meineid und Eirchenfrieden im Allgemeinen. Wie 
nahe es aber auch liegt, diese 3 Capitel, mit Rücksiebt auf Capitel 3 der 
Cap. de part. Saz., an den zweiten Theil der Lex Sax. (die Capitel 24 bis 60) 
anzureihen, so entscbeidend spricbt Capitel 33 der Capitula de pari. Sax. 
dagegen''. DaCs das angeftüirte Capitel 33 nicbt „ entscbeidend spricbt '^j 
wurde S. 118 er5rtert; bätte Merkel die Capitel 21 bis 23 der Lex Saxonum 
zu seinem vermeintlicben ersten Tbeil gerechnet, so w&re der einzige ron 
ibm angeftlbrte Scbeingrund ftlr ein böberes Alter des ersten TbeUea der 
Lex Saxonum weggefallen, den er aus der gerade im Capitel 21 erwftbnten 
Strafe ftlr Meineid bernimmt, indem sieb auf diese die Capitula de partibus 
Saxoniae bezieben sollen, vgl. S. 114, 



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123 

AUe gleidiiDiUing betroffeA wurden, mochten sie Bdellsge, Freie 
oder liten sein, und doch TerlengDen selbst die Gapitel 21 — dS, 
welehe die Todesstrafen anfeXhlen, die herrortretende Stellang des 
Adds in Sachsen nicht; nur ein einaiges Mal, im Capitel 36, er- 
wSbnen sie der Mobiles^ und hier wird gesagt, dafs im Qegensats 
so einem groüsen mit Todesstrafe bedrohten Diebstahl anf einen 
Ueinen Diebstahl neunfache Bnfse steht, und dabei hiniugefllgt, 
dab das su sahlende Fredum beim NobiÜs 12, beim Liber 6, 
beim Litus 4 (3?) Solides betrage^). Nicht der Freie wird im 
GafMtel 36 als derjenige hingestellt, bei welchem das normale 
Fredum von 12 Solidis su sahlen ist, aus dem sich durch Ver- 
vielfUtigung das Fredum des Nobills und durch Theilung das des 
Liten «geben hXtte, sondern der Nobiiis. Wie die Gapitel 1 — 13 
der Lex die bei den Nobiles su sahlenden Bufsen verseichnen, 
ana denen die der Liberi und Liti su berechnen sind'), so giebt 
das Capitel 36 der Lex das. beim Mobilis su sahlende Fredum 
als daiqenige an, weldies die Grundlage fttr die Berechnung des 
Fredum eines Liber und Litus bildet'). 

^) Cap. 86 Leg. Saz. : „Qnicquid rti nno denario minus tribus solidii 
q[ii]slibet fiarto abstnlerit, nories conponat, quod abstnlit; et pro fredo, si 
nobilis fuerit solidos 12, si liber 6, si litus 4,'* Vgl S.5d. 

*) Tgl. in Lex Sax« cap. 16: „Litus occisus 120 solidis componatur, 
tnulefa vero milnerum ejus per omnia duodecima parte minor quam 
nobilis bominis**; während in andern Volksrecbten das Wergeld und die 
Bnlse der Freien als Grundlage ftlr die Berechnung der Wergelder und 
der Bnlsen der anderen St&nde hingestellt wird, vgl 8. B. in Lex Fris, 
XXII, 90: qhaec omnia ad liberum hominem pertinent, nobilis vero hominis 
compoaitio • . in onmibns quae superius scripta sunt tertia parte major efB- 
dtur; liti rero compositio . . in omnibus superius desoriptis medietate minor 
est, quam liberi hominis'^. 

S) Nicht zuftllig werden im Cap. 36 der Lex Sax. 12 Solidi als Fre- 
dum bei einem Nobüis angesetit, und eine Quote dieser Swnme bei einem 
Liber, a^wie eine geringere bei einem Litus; die Summe Ten 12 Solidis 
ist das Tülle sächsische normale Fredum, welches dem fr&nkischea 
Fredum Ton 15 Solidis entspricht, und dies volle Fredum tritt bei einem Nobilia 
ein, wahrend bei einem Liber und einem Litus nur Quoten desselben ge- 
sahlt werden; ausdrücklich Terordnet das Ckpitulare Saxonicum von 797 
cap. 3: „ut ubicnnque Franci seonndum legem solidos 15 »oItst« 



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124 

unbedingt mofs jedem Leser der Lex Saxonnm die Art anf« 
fallen, in der sie von den Nobiles handelt; und namentlich wie 
sie in ihren ersten Capiteln die von ihr yerzeichneten Buben in 
den Summen ansetzt, die an Nobiles zu zahlen sind, während sie 
über Bnfsen und Wergelder der Freien yollsülndig schweigt; nur 
genügt dies nicht, um in Jenen Capitehi mit Merkel „ein Adels- 
statut und yerbrieftes Landrecht des herrschenden Stammes'' zs 
sehen, welches diesem speciell von EOnig Karl verliehen und 
spttter dem sfichsischen Gesetzbuch einverleibt worden wXre. Idi 
suche aber Überhaupt fUr die Thatsache, dab in der Lex Über- 
wiegend von Nobiles die Rede ist, und dafs bei der Angabe von 
Bnfsen und Friedensgeldem die den Nobiles zu zahlenden Born- 
men verzeichnet werden, aus denen die der anderen Stände be- 
rechnet werden müssen, keinen Sufteren Grund, der bei der Be- 
daction der Lex bestimmend gewesen wäre, sondern finde sie voll- 
ständig erklärt durch die in furchtbarer Weise prävalirende Stellung 
der Nobiles im alten* Sachsen, wo fttr den kleinen Finger eines 
Edeling dieselbe Bube gezahlt werden mufste, wie fttr einen er- 
schlagenen Freien^); die Lex Saxonum ist der Ausdruck der säch- 
sischen Zustände ihrer Zeit, und sie haben die Fassung der Lex 
bestimmt Dafs aber die Bevorzugung des Adels in Sachsen doreh 
König Karl geschaffen oder irgendwie gesteigert sei, ist eine nn- 
erwiesene Hypothese, gegen welche die allerreellsten Gründe gel- 
tend zu machen sind ; und für den darauf weiter gebauten Ge- 
danken, dafs in den ersten Capiteln der Lex Saxonum ein Statut 
vorliege, in welchem KOnig Karl dem sächsischen Adel, um ihn 

debent, ibi nobiliores Saxones solidoB 12, ingemii 5 (bessere 6), 
liti 4 oomponant^. PertE 1 p. 76, Tgl. unten (.21. Wie die Lex Saxonum 
I&fst das Capitolare Saxonicom das rolle normale siehsiBche Fredom bei dem 
NobiÜB eintreten, nicht bei dem Liber, und liefert damit wie die Lex Sazo- 
nom ein ZengniTs ftir die pr&yalirende Stellung der Nobiles in Sachsen. 

^) Nach der Lex Saxonnm betrug das Wergeid eines Nobilis 1440 So- 
lidi, das eines Liber 240 Solidi, das eines- Litus gar nur 120 SoUdi, wah- 
rend der kleine Finger eines Nobilis 240, sein Daumen 360 Solidi galt, 
s. Lex Sax. e. 13 ; und dabei wurden obendrein die Wergelder mit kleinen 
Solidis eu 2 Trimsen, die andern fiufsen mit grolsen Solidis sn 3 Trirasen 
gesahlt 



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126 

m gevinnen, diese Privilegien eiDgerXumt habe,, so dafii e% wie 
Merkel sieh anedrttckt, ein „ verbrieftes Landrecht'' des Adels wttre, 
iat kein Omnd angeführt worden and dttrfte sich anch schwerlich 
ein Bolcher beibringen lassen^). HStte aber auch wirklich König 
Karl den sächsischen Edelingen das hohe Wergeid der Lex Sa- 
xonum nicht bestätigt, sondern neu gewährt, so ist doch nicht 
abzusehen, was dafür sprechen könnte, dab er dies vor Erlab 
der GapitnLi de partibns Saxoniae gethan haben sollte, während 
Merkel doch nar unter dieser Voraussetzung aus jenem hohen 
Wergeid im ersten Theil der Lex schliefsen könnte, dafs er vor 
den Capitulis de partibns Saxoniae abgefaftt sei, und somit anch 
vor den übrigen Theilen der Lex, in denen die Capitnla de par- 
tibas Saxoniae benutzt sind. 

Erweisen sich demnach die Gründe als nicht bündig, 
durch die Merkel sich bestimmen liefs, die Abfassung 
der Gapitel 1 — 23 der Lex Saxonum vor die der Capitula de 
partibus Saxoniae zu setzen; finden wir in diesen Gapiteln der 
Lex, wie in den folgenden Gapiteln 24—60, die Gapitula de par- 
tibus Saxoniae benutzt, und ist femer die Behauptung, dafs die 
Gapitel 61— -66 der Lex nach dem Gapitulare Saxonicum von 797 
verfafst seien, nicht einzuräumen, sondern vielmehr anzuerkennen, 
dals auch diese letzten Gapitel der Lex vor dem Gapitulare von 
797 erlassen worden sind, — so ist die Zusammensetzung der 
Lex Saxonum Aus drei zu verschiedener Zeit verfafsten Stücken 
oder ,die dreifache Gesetzgebung in der Lex Saxonum, 
die Merkel für unwiderleglich beurkundet^ hielt, nicht 
beurkundet, und wir haben keine Veranlassung, die Lex Sa- 
xonum nicht als ein gleichzeitig abgefaultes Gesetz zu betrachten. 
Kaum bedarf es, dafs ich dabei daran erinnere, dals die Prä« 
snmption dafür spricht, dafs die Lex Saxonum als ein Ganzes 
erlassen worden ist, und €|afs diese Annahme festzuhalten ist, 
wenn nicht unwiderleglich dargethan wird, dafs sie aus zu ver- 
schiedenen Zeiten entstandenen Stücken später combinirt wurde; 



*) VgL eine Beilage am Schluls dieser Abhandlung Über die Nobilee 
der Lex Saxonum. 



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12^ 

die blofae IfögHchkeit einer Efitstehung ans drei Stücken erwieseii 
sn haben, würde selbBtverstftndlich ganz irrelevant sein. 



Capitbl m. Abfassungszeit der Capitola de partibus 

Saxoniae. 



§• 12. Die Gapitala sollen im Jalir 785 verfafst sein. 

Eine einzige ans Mainz stammende Handsohrift des 9. Jahr- 
hundert«, die jetzt im Vatican aufbewahrt wird, hat uns die wich- 
tigen „Capitnla, quae de partibus Saxoniae constituta sunt** er- 
halten; aus ihr sind sie nach ihrer Auffindung durch den Bischof 
▼on Paderborn, Ferdinand Fttrstenberg, zuerst von Lucas 
Holsten (verst. 1661) herausgegeben worden^), im Jahre 1835 
aber von Pertz in den Monumentis Germaniae Leg. 1. p. 48^ 
nachdem er im Jahre 1822 aufs Neue die Handschrift in Rom 
verglichen hatte'). 

Nicht ohne Bedeutung dürfte es sein, dafs in der oben 8. 66 
besprochenen Corveier Handschrift aus dem 10. Jahrhundert, welche 
die Lex Saxonum, sowie das auch in der Mainzer Handschrift 
stehende Capitulare Saxonicum von 797 enthSlt'}, und die offen- 
bar beabsichtigte, die wichtigsten Rechtsquellen für Corvei zu- 
sammenzustellen, keine Abschrift der Capitula de partibus Sa- 
xoniae sich findet; es weist dies darauf hin, dafs die Capitula 
damals nicht mehr als in der Praxis anwendbar galten, eine Auf- 
fassung, die mit dem Inhalt der Capitula, gegenüber von dem der 
Lex Saxonum und des Capitulare Saxonicum von 797, vollkommen 
llbereinstimmt, indem dieser zu der Annahme führt, dafs die Ca- 
pitula durch Erlafs der Lex Saxonum und des Capitulare Saxo- 
nicum antiquirt waren. 

^} Vgl. Gaertner Saxonum leges tres. p. 1 18 und G a u p p Sachsen p. 13. 
*) Vgl. Pertz Mon. Germ. Leg. 1 p. XXII und Archiv der Gesellschaft 
flElr &here deutsche Gesch. 6 p. 305. 
») Vgl. ohen S. 33 Note 1. 



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127 

In dem ans erhalteoen Text der Capitata, denea 
wohl erst später die üeberschrift „Gapitnla qnae^) de partibns 
Baxoniae constitatasant" gegeben ist, feblt der Eingang und 
mit ihm eine Angabe ttber das Jahr, in welehem sie 
▼erfafst sind. Balnse setzte die Capitnla ins Jahr 789, indem 
er sich durch zwei unechte Gapitularien von 789 dazu bestimmen 
Heft*). Eichhorn trat in den frttheren Auflagen seiner Deut* 
sehen Rechtsgeschichte, wie es OXrtner im Commentar zu den 
Gapitulis gethan hatte'), der Annahme von Baluze bei, nahm 
ab^r 1834 in der 4. Auflage an, sie möchten bald nach 785 ver- 
fa&t sein, s. Eichhorn Deutsche Kechtsgeschichte §. 134 Note m. 
Pertz setzte die Gapitula ins Jahr 785; ihm stimmten bei: 
Oaupp Recht und Verfassung der alten Sachsen. 1837. p. 14, 
Wilda Btrafrecht der Germanen. 1842. p. 100, Erhard Regesta 
Westfallae. 1847. 1. p.71, Rettberg Eirchengeschichte Deutsch- 
lands. 1848. 2. p.409, Merkel Lex Saxonum. 1853. p.6(:„da()i 
das Gapitular ins Jahr 785 zu setzen sei, erscheint mir, wenn 
ich das historische Material ttberblicke, so gut als gewifs *), Sei- 
bertz Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthum Westfalen. 
1860. 1. p. 292, Stobbe Geschichte der deutschen Rechtsquellen. 
1860. 1. p. 193 und Waitz Deutsche Verfassungsgeschichte. 1860. 
3. p. 123, indem er bemerkt die Gapitula seien wahrscheinlich 



^) Im Mscrpt. steht: ^Capitulatio de partibus Saxonie canstitute 
sunt''; Pertz bessert „capitula quae . . . constituta sunt*'; Waitz Deutsche 
Verf. S. p. 123 will daftr lieber „eapihda hate^ oder „t>to^ lesen. 

*) YgL die drei Capitulare bei Baluze 1. p. 246. 248. 261 und>WaHer 
Corpus Jur. Genn. 2. p. 101. 103. 104. Die angeftthrten zwei unechten Ca- 
pitulare sind das ^Praeceptum pro Trutmanno comite'' und das „Praeceptum 
de institutiono episcopatuum per Sazoniam" (d. i. die Bremer Stiftungsur- 
knnde); uneraebtet beide jetzt mit Fug und Becbt ftlr unecht gelten, be- 
rufen sich doch Neuere noch vielfach auf in ihnen enthaltene Angaben, da 
diese aber zum Theil ganz unleugbar mit den echten Quellen im Wider- 
spruch stehen, glaube ich dies unterlassen zu müssen. 

*) Gegen Baluze erkl&rte sich bereits Grupen (st. 1767), in einer 
„Prae£stio ad legem Saxonum", die Spangenberg Beiträge 1822. p. 192 hat 
abdrucken lassen; er setzt die Capitnla de part. Saz« ins Jahr 780; die 
Nachrichten über dieses Jahr, meint er, entspr&chen ihrem Inhalt. 



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128 

785 abgebfst, „oder unmittelbar nach Bewältigung der neuen Er- 
hebung der Sachsen im Jahre 783^^). 

PertB giebt die Gründe, die ihn su seiner Ansicht bestimmt 
und die allgemeinste Anerkennung gefunden haben, vor seinem 
Abdruck der Capitnla de partibus Saxoniae kurz und bttndig an; 
sie bestehen darin, dafs Sachsen erst im Jahre 785 insoweit unter- 
worfen und beruhigt gewesen sei, da(s ein Qesets, wie die blu- 
tigen Capitula, habe erlassen werden kdnnen; dies entspreche nicht 
den Zuständen Sachsens in den Jahren 777, 780 und 782. 

Mich haben diese Qründe nicht überzeugt; die Art, wie 
Sachsen in den Gapitulis de partibus Saxoniae als ein eben unter- 
worfenes noch heidnisches Land erscheint, in welchem das Christen- 
thum erst eingeführt werden soll, und wo es sich darum handelt, 
seine Kirchen auf den rauchenden Trümmern der eben zerstörten 
Heidentempel aufzubauen, sprechen, meine ich, direct gegen das 
Jahr 785. Nach dem Bilde, welches mir die vorhandenen Quellen 
ergeben, war in Sachsen nicht nur im Jahre 780, sondern bereits 
im Jahre 775 die Unterwerfung des Landes soweit vorgeschritten, 
und man mit der Einführung des Christenthums in der Weise be- 
schäftigt, dafs der Erlals eines Gesetzes, wie es die Capitula de 
partibus Saxoniae sind, in keiner Weise befremden kann. Im 
Jahre 785 dagegen hatte E5nig Karl nach einem drittehalbjährigea 
verzweifelten unglücklichen Befreiungskampfe der Sachsen, die seit 
775 bis zur Ocker, und seit 780 bis zur Elbe unterworfen waren, 
das Land aufs Nene mit blutiger Gewalt unterjocht; ein im Jahre 
785 erlassenes Gesetz mulste anders lauten als die Capitula de 
partibus Saxoniae, und konnte namentlich, wenn es auf die kirch- 
lichen Verhältnisse des Landes einging, keine Bestimmungen .ent- 
halten, wie jene Capitula; es handelte sich 785 nicht mehr um 
Erbauung von christiichen Kirchen statt der heidnischen Tempel, 

1) Abel, Jahrbücher des fr&nk. Beichea unter Karl d. Gr. 1866. 1 p.401, 
erklärt: „Es ist nirgends bestimmt überliefert, welche Beschlüsse auf der 
Yersammlung in Paderborn im Jahre 785 gefafst wurden, ohne Zweifd aber 
haben wir dieselben in einem Gesetze für Sachsen lu erblicken, das jeden- 
faUs in diesen Jahren erlassen sein muis und am natürlichsten auf die Ver- 
sammlung in Paderborn verlegt wird''. 



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129 

and om üebertragung der Rechte der Tempel auf die Eirehen; 
die Heidentempel waren längst gefallen; jetzt waren die in dem 
Aufstände seit 782 zerstörten christlichen Kirchen wieder herzu- 
stellen^ nnd war ihre Zahl zu vermehren^). 

Das Jahr, in welches Pertz die Capitula de partibus Saxo- 
niae setzt , ist bedingt durch seine Auffassung von der unter- 
werfnng und Christianisirung Sachsens vor dem Jahre 785; meine 
Ansicht, dafs die Capitula früher, bald nach 775, erlassen seien, 
etwa im Jahre 777 zu Paderborn auf der ersten Reichsversamm- 
lang König Karls in Sachsen, hängt ab von der Richtigkeit des 
Bildes, welches mir bei Lesung der Quellen von der damaligen 
Unterwerfung und GhristianisiruDg Sachsens entstanden ist; es 
liegt mir daher ob, den Versuch zu machen, meine Auffassung zu 
begründen. Ich werde in Folge dessen hier zusammenstellen: im 
§.13 die Nachrichten, die wir über die Unterwerfung Sachsens 
bis zum Jahre 785 besitzen, dann im §. 14 die Nachrichten über 
die Bekehrung Sachsens aus dem nämlichen Zeiträume; und werde 
dann im §. 15 die Frage wieder aufnehmen nach der Zeit der 
Abfassung der Capitula de partibus Saxoni^e'). 

§• 13. Die Unterwerfung Sachsens während der Jahre 772—785. 

Bereits vor Karl dem Orofsen hatten Chlothar I. und Dago- 
bert I., sowie Karl Martell und dessen Söhne Karlman und Pippin 

*) Den Standpunkt König Karls bei Erlads der Capitula de part. Sax. 
bezeichnet deutlich ihr Eingang: „Primum hoc plaeuit omnibus, ut ecele- 
aiae Christi, quomodo construuntur in Saxonia et Beo sacratae 
sunt, non minorem habeant honorem sed majorem et excellentiorem 
quam fana habuissent idolorum''. 

*) Die folgenden Pan^aphen sind im Frfilyahr 1865 wie die ganze 
rorliegende Abhandlung niedergeschrieben; seitdem ist der erste Band des 
oben 8. 98 Note 1 angeftkhrten Buches von Sig. Abel erschienen, der die 
Geschichte Karls des Orofsen bis 788 behandelt. Abel schlierst sich den 
Ansichten ron Ports und Merkel Hber die Zeit der Abfassung der Capitula 
de pari. Sax. und der Lex Saxonum durchweg an ; mich hat seine Darstellung 
nicht Ton der Unrichtigkeit meiner Auffassung der sfiohsischen Verh&ltnisse 
jener Zeit Ikberzeugt, ich lasse daher das fi-flher Aufgezeichnete unrerändert 
abdrucken und ftkge ihm nur einige Noten ftber abweichende Ansichten 
Abels bei. 

9 



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130 

der Kleine, die Sachsen mit Krieg überzogen and zeitweise rar 
Zahlung eines Tributes gezwungen , auch waren mehrfach Ver- 
suche zur Bekehrung des Landes gemacht worden^); danemde 
Erfolge führte aber erst der Unterwerfungekrieg herbei, den Karl 
der Grofse im Jahre 772 gegen die Sachsen begann. 
Nr. 1. Die Jahre 772 bis 774. 
Gleich auf dem ersten Feldzuge zerstörte Karl, nachdem er 
die Eres- bürg an der Diemel') erobert hatte, ein nur wenige 
Stunden davon entferntes, wahrscheinlich bei Altenbeken nnfem 
Drieburg gelegenes Nationalheiligthum der Sachsen: die Irmin- 
säule. Sie war ein gewaltiger Baumstamm, der in einem hei- 
ligen Hain stand, umgeben von Tempelgebäuden, aus denen 
König Karl die darin aufbewahrten Schätze an Gold und Silber 
nahm^). Drei Tage dauerte das Zerstörungswerk, dann zog das 

1} Vgl. Rettberg Kirchengesch. 2 p. 283. 397. 399. 401. Die Angabe 
der späten und unzuverlässigen Annales Mettenses in Monum. Gemu Ser. 
ed. Pertz 1 p. 331, dafs Konig Pippin im Jahre 753, nachdem er bis Behme 
an der "Weser vorgedrungen war, Oestattung freier Predigt und Taufe von 
den Sachsen ausbedungen habe, verdient keinen Glauben; sie fehlt auch in 
den Annales Laurissenses und £inhardi bei Perts 1 p. 138. 139, die den 
Sieg Pippins im Jahre 753 berichten; beim Jahre 758 geben sie an, dafs 
die Sachsen nach einem Siege Pippins bei Sitnia (d. i. angeblich Siihen bei 
Dülmen, vgl. Ledebur Preub. Arch. 7 p. 32) : „pollidti sunt contra Pippinum 
omnes voluntates ejus faciendum, et honores in placito suo praesentandom 
usque in equos 300 per singulos annos.'' Porte 1 p. 140. 

*) Eres - bürg oder Mars - borg, wird später Ober •> Harsberg oder Stadt- 
berg genannt, s. Seibertz Landes- und Bechtsgeschichte Westfalens. 1860. 
1 p. 183. 

*) Annal. Lauriss. major, a. 772: „Aeresburgum caatrum eoepit, ad 
Ermensul usque pervenit, et ipsum fanum destruxit, et aurum rel ar- 
gentum, quod ibi repperit, abstulit" Ports 1 p. 150; ^idolum Saxo- 
nujn, quod Irminsul vocabatur, evertit** („destruif^, „oombussit'^) Annal. fiiah. 
Pertz 1 p. 151. Fuld. p. 348. Juvav. p. 88; ,, fanum Saxonum quod Yocatur 
Irminsul destnixif („subvertit'*) Annal. Laurisham. Pertz 1 p. 30. HersfeUL 
Pertz 3 p. 37. Chron. Moissiao. Pertz 1 p. 295; ^ fanum et lucum Saxo- 
num famosum Irminsul subvertit" Lauriss. min. Pertz 1 p. 117; ^pervenit ad 
locum qui dicitur Ermensul, et sucoendit ea loca*' AnnaL Petav. Perta 1 
p. 16; „truncum quoque ligni non parvae magnitudinis in altom e reo tum 
sub divo colebant, patria eum lingua Irminsul appellantes, quod latme 



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131 

Mnkisohe Heer nach der Weser hinab; dort gelobten die Sachsen 
Frieden sa halten and stellten Geifseln. 

Karl yerliefs darauf Sachsen; schon im October 772 verweilte 
er zu Herstal; im Frühjahr 773 ging er nach Italien; während er 
dort beschäftigt war, fielen die Sachsen verheerend in das ihnen 
benachbarte Hessen ein; ihr Versuch , Rache zu nehmen fttr die 
Zerstörung der Irminsul, durch Niederbrennen der vom heiligen 
Bonifacins zu Fritzlar erbauten Kirche, gelang nicht. Karl, im 
September 774 nach Ingelheim zurückgekehrt, liefs vier Heeres- 
haufen in Sachsen einfallen, die grofse Beute machten, das Land 
brandschatzten, verwüsteten, und nicht Wenige tödteten ^). 
Nr. 2. Die Jahre 776 bis 777. 

Im Jahre 775 bescblofs Karl die Unterjochung und 
Ghristianisirung Sachsens mit Gewalt durchzusetzen*). 
Nachdem er in Düren im Juli eine Reichsversammlung gehalten 
hatte und mit grofser Heeresmacht den Rhein überschritten war, 
fiel er (durch das Ruhrthal) in Sachsen ein, eroberte die Sigi- 
burg (d. i. Hohen-Syberg an der Mündung der Lenne in die Ruhr), 
befestigte die von den Sachsen zerstörte Eres -bürg (d.i. Stadt- 
berg an der Diemel), legte eine fränkische Besatzung hinein, 
erzwang den üebergang über die Weser bei Brunes-berg (d. i. an 
der Mündung der Nethe am Brauns -berge oberhalb von Höxter), 
und drang ostwärts bis zur Ocker (in die Gegend von Braun- 
schweig) vor. Dort unterwarfen sich ihm die Ostsachsen; 
die Engern thaten es auf seinem Rückmarsch im Buki-gau 
(d. i. bei Bücke -bürg); die Westfalen in Folge von Nieder- 

dicitur univerHalis columna, quasi sustmenB omnia^ Rudolf von Fulda (st. 865) 
in Tranelatione S. Alexandri c. 3. Pertz 2 p. 676. Vgl. über die Innin-sul: 
J. Grimm Mythologie p. 104. 127. 759, und über den Ort, wo sie stand, 
Ledebur, Beleuchtung einiger Punkte in den Feldsfigen Karls des Grofsen 
1829. p. 13. 

1) Annal. Lauriss. a. 774 Pertz 1 p. 152. Einhard. p. 153. Fuld. p. 348. 
Petov. p. 16. 

*) Einhardi Annal. a. 775 : „Bex consilium iniit, ut perfidam ac foedi- 
fragam Saxonnm gentem bello adgrederetur, et eo usque perseveraret, 
dum ant victi obristianae reiigioni subjicerentur, aut omnino 
tollerentur.^ Pertz 1 p. 153. 

9* 



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132 

lagen, die sie erlitten , nachdem sie vorher eine Abtheilnng des 
fränkischen Heeres bei Hiid-beki (d.i. Lttbbeke nordwestlich von 
Minden) aufgerieben hatten 0* Alle stellten Geibeln nach des Kö- 
nigs Vorschrift und schwuren ihm Treue'). 

Im October treffen wir Karl wieder in Dttren, bald nach 
Neujahr 776 ging er Über die Alpen; in Italien wurde ihm die 
unerwartete Nachricht, dafs die Sachsen die Ecesbnrg er- 
obert und die von ihm darin zurückgelassenen Franken ver- 
trieben hfitten, dafs aber seine Besatzung in der Sigiburg sich 
noch gegen die Belagerer behaupte').. Im August kehrte er nach 
Worms zurück, hielt eine Reichsversammlung, eilte nach Sachsen 
mit einem mächtigen Heere, und es blieb den von ihm über- 
raschten Sachsen nichts übrig, als sich aufs Neue zu unterwerfen 
und um Gnade zu flehen. Massenhaft kamen sie zu ihm, der 

') Ueber Sigi - bürg, deoisen Namen die AnnaL Quedlinb. Perts 3 p. 37 
bereits „Siburck" achreiben, ». Ledebur Beleucht. p. 24 und Seibertz 1 p. 190; 
über Brunes - berg s. Ledebur p. 37; das Buki-gowe (oder Bucben-gau) lag 
lAnga der Büke-berge (d. i. Buchen-berge), in ihm später die Buke-burg, 
s. Ledebur p. 50; nach dem Illid-beki oder Lid-beki war das Lidbeke-gowe 
benannt, der Name ist in dem des Ortes Lflbbeke erhalten, s. Ledebur p. 44. 

') Annal. Lauri:»8. a. 775: „ibi (an der Ocker) omnes Austreleudi 
Sazones venientes cum Hassione dederunt obsides, juxta quod pUcuit, 
et juraverunt se fidel.es esse partibus domini Caroli regia 
(„obsides, quos rez imperaverat dedit, et sacramentum fidelitatis juravit" 
Einhard. p. 155). Similiter in de revertente rege, renerunt Angrarii 
in pago Bucki una cum Brunone et reliquis optimatibus eorum, et dede- 
runt ibi obsidea aicut Austrasii (^sicut Ostfalai, juzta quod im- 
peraverat, obsides ac sacramenta dederunt'^ Einh.) ; . . et dominus rez itenun 
super Sazones cum ezercitu irruens stragem non minorem ez eis feeit, ei 
praedam multam conquisivit super Weatfalaos, et obsides dedervnt 
sicut et alii Sazones.'* Peru 1 p. 154; dejigl. Annal. Einh. 1 p. 165. Fuld. 
p. 348. Petar. p. 16. Lauresham. p. 30 (i^conquesiTit castella Aeresburg et 
Sigiburg, et posuit ibidem custodias**). 

") Ann. Laurisa. a. 776 : „tnnc nuntius veniens dizit Sazonea rebellantes, 
et omnes obsides suos dulgtos, et sacramenta rupta, et Aeresburgom castnun 
per mala ingenia et iniqua placita suadentes ezire Franoos; sie Aeresburgom 
a Francis derelictum, muros et opera destruzerunt; inde pergentea volue- 
runt de Sigiburgi similiter facere, Francis eis ririliter repugnantibus nihil 
praevaluerunt, etc.'' Pertz 1 p. 154; desgl. Annal. Einh. p. 155. 



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188 

sehon an den Qnellen der Lippe stand; sie gelobten Christen 
SU sein nnd dem Frankenk9nig nnterthan; sahllose Saeh> 
sen mit Weibern nnd Kindern wurden getauft; Oeifseln gaben sie 
dem KOnig, wie viele er verlangte, der, nachdem er die Eresbnrg 
hergestellt, eine neue Feste an der Lippe erbaut, und beide Orte 
mit bedeutenden Besatsungen belegt hatte, nach Herstall surttck- 

ging'). 

Karl betrachtete Sachsen als ein ihm unterwor- 
fenes, dem Christenthum gewonnenes Land'). Im Som« 

^) Annal. Lanriss. «. 776: „Et Saxones perterriti omnes ad locum ubi 
Lippia oonflurg^t yenientes ez omni parte, et reddidenint pairiam per vadium 
omnes manibas eomm, et sposponderunt so esse christianos, et 
aub ditione domini Caroli regis et Franeorum subdiderunt. 
Et tone dominus Carolus rez una cum Francis reaedificavit Aeresburgum 
castrum denuo, et aliud eastrum super Lippiam, ibique renientes Sazo- 
nes una cum nzoribus et infantibus innumerabilis multitudo 
baptiaati sunt, et obsides dederunt, quantos dominus rez ab eis 
quaesiTit, etc*^ Ports 1 p. 156, desgL Einbard p. 157. 

*) Dafllr, dafe Kfinig Karl diese Ansicht heg^e, sprechen seine weiteren 
Schritte, dafs aber die Ereignisse des Jahres 776 auch allgemein so auf- 
gefalst wurden, klingt in den meisten Annalen wieder: „Sazones post 
mnltas caedes et raria bella afflicti, non Talentes resistere, tandem chri- 
stiani effecti Franeorum ditioni subduntur** Ann. Fuld. a. 777. 
Perts 1 p. 349 und Ann. Lauriss. min. a. 776. Porta 1 p. 118; „conyersio 
Sazonum'' Ann. Fuld. antiq. ad a. 776 in Porta Scr. Tom. 3; „rez Carolus 
eonquisirit mazimam partem Sazoniae; et conrersi suntSazo- 
nea ad üdem Christi, et baptisata est eorum multitudo innumera*' 
Ann. Lanrisham. a. 776. Perts 1 p. 30 ; „Karolus iterum fuit in Saxonia, et 
Bubjugati Saxones, dederuntque hospites ut fierent christiani; et 
Carolus fecit castellum super flurium Lyppia*' Annal. Sti Amandi a. 776. 
Pertz 1 p. 12; ^timore perculsi renerunt majores natu ad dominum regem 
Karolum postulantes pacfm, et baptisata fnuUa turba paptUi; aedificave- 
runt Franci in finibus Sazanorum ciritatem, quae vocatur urbs Karoli'' Annal. 
PetaT. a. 776. Perts 1 p. 16; „ingressus est in Sazonia, et mazimam partem 
Sazoniae accepit, et cofwersi sunt Saxones ad fidem Christi, et multi Saxo- 
num baptisati sunt ** Chron. Hoissiac. a. 776. Peru 1 p. 296. - Eine von 
der im Text dargolegften sehr verscbiedene Auffassung der sAchsinchen Vor- 
bMuiisse des Jahres 776 finde ich bei Abel Jahrb. 1 p.211, indem er sagt: 
„schwerlich hat Karl selbst die Eroberung des Landes schon 777 für fertig 
angesehen*', sein Entschluls die Beichsrersanmilung in Paderborn abzuhalten. 



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184 

mer 777 hielt er zu Paderborn eine Reichsversaniinl'nAg, 
die erste in ßaehsen; zu ihr kamen^ von ihm geladen^ viele Fran- 
ken und Sachsen aus allen Theilen des Landes, nur der WeBt&le 
Widukind blieb fern mit wenigen Anderen, die zu den DSneii 
gefluchtet waren '). Die Anwesenden gelobten dem König und 
seinen Söhnen Treue; er gewährte ihnen Verzeihang und nahm 
ihre Unterwerfung unter der Bedingung an, „ dafs sie ihres Lan- 
des und ihrer Freiheit verlustig würden, wenn sie ferner seine 
Satzungen verletzten" („sua statuta violarent"). Die meisten 
von ihnen liefsen sich sofort in Paderborn taufen, nachdem sie 
versprochen hatten, Christen sein zu wollen^). 

„war eben nur ein neues Mittel, um die Sachsen einBusohüohtern, um ihn 
Unterwerfung fortzusetzen". Diese Erklärung wird abgeschwächt, indem 
Abel p. 212 fortfährt: „ Andererseits war die Ausführung deis Planes nicht 
möglich, wenn Karl nicht schon bis auf einen gewissen Grad wirklich festen 
Fuls in Sachsen gefafst hatte, lieber die Mafsregeln sur Sicherung seiner 
Herrschaft und Eur Verbreitung des Christenthums, welche ron Karl bis dahin 
getroffen waren und auf der Versammlung in Paderborn getroffen wurden, 
ist fast gar nichts Genaues bekannt, etc." Dafs Kdnig Karl, wenn er auch 
im Jahre 777 Sachsen unterworfen zu haben meinte, so gut wie später und 
z. B. im Jahre 785, auf neue Aufstände im Lande gefafst sein muCste, ist 
selbstrerständlich, und mehr besagen die von Abel (Üt seine Ansicht ange- 
fahrten Worte der Annales Einhardi ad a. 777 auch nicht: „propter frau- 
dulentas Sazonum promissiones, quibus fidem habere non poterat, ad locum 
Padrabrun, generalem populi sui conrentum in eo habiturus, cum ingenti 
exercitu in Sazoniam profectns est.^ Pertz 1 p. 157. 

^) Annal. Lauriss. a. 777: „tunc dominus Carolus res sinodum pu- 
blicum habuit ad Paderbrunnen prima vice; ibiqne conyenientes 
omnes Franci, et ex omni parte Saxoniae undique Saxones convenerunt, ox- 
cepto quod Widochindus rebellis extitit cum paucis aliis, et in pardbus Nord- 
manniae confugium fecit una cum sociis suis" Pertz 1 p. 156; Annal. Laa- 
resham. a. 777: „habuit Carlus conventum Francorum, id estmagiscam- 
pum in Saxonia ad Padresbrunnon, et ibi paganorum Saxonum 
multitudo maxima baptizata est'' Pertz 1 p, 31; Ann.Petav. a. 777: ^habuit 
in loco Patresbrunna m agn um plaoi tum, et ibi convenerunt Saxones 
ad baptismum catholicuni, et baptizata multamillia populorum gen- 
tilium** Pertz 1 p. 16; desgl. Annal. S. Amandi 1 p. 12, Alam. Guelferb. 
Nazar. in Pertz 1 p. 40 und Annal. Quedlinb. in Pertz 3 p. 37. 

*) Annal. Einhardi a. 777: „Cum rex Padrabrun venisset, totum per- 
fidae gentis (Saxonum) senatum ac populum, quem ad se ve- 



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135 

Nr. 3. Die Jahre 778 bis 782. 
Auf dem Tage an Paderborn hatte sich bei König Karl Hülfe 
fliehend anoh der Sarraeene Ibin-al-Arabi eing^anden; als in 
Folge dessen der König 778 nach Spanien gesogen war, nnd 
Naohriohten umliefen von fränkiachen I^iederlagen in den fernen 
PjrrenfieDy glaubten die Sachsen^ durch Widukind und seine 
Genossen angefeuert, den Augenblick der Rache gekommen. Sie 
▼erbrannten die fränkische Feste an der Lippe; be- 
deutende Heereshaufen überschritten die frXnkische Grenae, Ter- 
beerten und yerbrannten die Ortschaften und Kirchen auf dem 
rechten Rheinufer von Denta aufwärts bis gegenüber von Coblenz, 
sogen dann verwüstend durch das Lahngau, wurden aber in Hessen 
an der £der bei Battenfeld und Leisa von einem fränkischen Heere 
angegriffen und genOthigt nach Sachsen zurückankehren >). 

nire jusserat morigenim ac fallaciter sibi devotum inyenit; nam 
canoti ad eum Tenenmt praeter Widichindum , unum ei primoribus Westfa- 
laorum, qni mnltorum facinonim sibi conscius, et ob id regem yeritus, ad Sigi- 
firidum Danonim regem profiigerat. Cetori qui venerant, in tan tum sc 
regia potestati permisere, nt ea conditione tancyeniam aeci- 
pere mererentur, si nlterius sna statuta violarent, et patria 
et libertate prirarentur. Baptisata est ex üb ibidem mazima 
multitudo» quae se quamris falso christianam fieri Teile promiserat^ 
Perta 1 p. 159; AnnaL Lauriss. a. 777: „Ibique (in Paderborn) mnltitndo 
Saxonum baptiaati sunt, et seeundum morem iUorum omnem ingenni- 
tatem et alodem manibus dulgtum fecerunt, ai amplius inmutas- 
tent seeandam ""^^y»» oonsuetudinem eorum, nisi consenrarent in omnibus 
ekristianitatem vel fidelitatem dombi Caroli regia et filiorum ejus Tel Fran- 
conim^ Ports 1 p. 158; Annal. Fuldens. a. 777: „ßt oonTontus habitus in 
Padrabrunno .., ibi Sazones baptizati, ingenuitatem et omnem pro- 
prietatem suam seeundum morem gentis abdicantes, regi tradi- 
derunty si a die Ula et deinceps christianitatem, et regi et filüs ejus fideli- 
tatem abnegaasent.'' Ports 1 p. 349. 

1) Vgl. AnnaL Lauriss. a. 778 in Pertc 1 p. 168. Einhardi p. 159. Ful- 
dens. p. 349. PetaT. p. 16. Lauresh. p. 31. Alam. p. 40. Quedlinb. in Perts 3 
p. 37. poeta Saxo in Perts 1 p. 235. Chron. Mois^iac. in Pcrts 1 p. 296. 
Ueber die Orte „Baddanfeldun'* und .jLibesi** vgl. Wonck Hesnische 
Gesch. 2 p. 319. -Xach dem jüngeren Chron. S. Martini Colon, in Pertz 2 
p. 214 w&ren die Sachsen nicht nur bis Deuts gekommen , wie die älteren 
QueUen erz&hlen, sondern hätten auch das ^ monastcrium '^ (S. Martini) in 
Cöln zerstört. 



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136 

Im Jnni 779 ^) führte König Earl^ nachdem er in Düren eine 
Reichsversammlung abgehalten hatte, sein Heer an der Mündung 
der Lippe über den Rhein, Bchlng die Sachsen bei Bocholt und 
.zwang die Westfalen zn neuer Unterwerfung; dann 
drang er zur Weser bis Med o-f Ulli (einem unermittelten Orte') 
vor, wo ihm auch die Engern und Ostfalen sich wieder 
unterwarfen, Treue schwuren und Oeifseln stellten'). 

Im Frühjahr 780 beschlofs der König, von Worms 
aus, wo er den Winter zugebracht hatte, ohne dafs neue Unruhen 
vorgekommen waren, nach dem nordöstlichen Sa^chsen zu 
gehen. Er nahm seinen Weg über Eresburg zu den Lippe- 
quellen (d. i. nach Lippspringe) und hielt dort eine Reichs- 
Versammlung ab; zog dann nach Ohrum an der Ocker (nörd- 
lich von Wolfenbüttel), wohin er die Sachsen der östlichen Landes- 
theile aufgeboten hatte, und wo Viele von ihnen, namentlich aus 
dem Bardengau (d. i. aus dem Lüneburgschen) und aus Nord - 

^) Vom 27. M&rz bis zum 13. Mai yerzeiclinet Boehmer in sehien Be- 
geston zu HerstaU von König Karl ausgestellte Urkunden; da die Annalen 
erw&hnen, daCs die Beichsversaminlung zu Dfiren vor dem Uebeigang dea 
Königs Über den Bhein statt hatte, so wird dieser in den Juni fidlen. Un- 
eebt scheint eine Urkunde von K. Karl ftkr Trier su sein: ^data mense 
Augusto anno XL (das wäre 807, dies pafst nicht, und Hontheim emen- 
dirte: XI, d.i. 779) regni nostri; acta Padrebuma ßseo nattra,*' in Beyer 
Mittelrhein. Urkb. 1 p. 52 und 2 p. 580. 

*) Ueber den Ortsnamen Hedo - fulli , Mido-fulli, d. L poeulnm mulsi, 
vgl. Qrimm Deutsche Sprachgesch. p. 657 ; Ledebur Beleucht. p. 75 suoht 
den Ort im Kirchdorf Fühlen bei Oldendorf am linken Weserufer; eine solche 
Verstümmelung des alten Namens anzunehmen, halte ich f&r ebenso unsulftssig, 
als Ledeburs Deutung desselben durch Mittel - Fühlen. 

>) AnnaL Lanriss. a. 779: ^Et fuit sinodus in villa Duria, et iter actus 
est in partibus Sazoniae. Ad Lippeham transitur Rhenus flavius, et Saxones 
voluerunt resistere in loco Bohholt. Non praevaluerunt, sed abinde fugientes 
reliquerunt omnes firmitates eorum; et Francis aperta est via, et intro- 
euntes in Westfalaos, conquesierunt eos omnes (Einh. „omnes 
eos in deditionem accepif*); reliqui, qui ultra Wisora fnerunt 
(Einh. ^Angrarii et Ostfalai''), cum se junxisset rez ad locum Medo- 
fulli (Einh. „Midofulli^), ibi dederunt obsides et denuo sacramenta 
firmantes.** Pertz 1 p. 160, desgl. Annal. fiinhardi p. 161. Fuld. p. 349. 
Lauresb. p. 31. Petav. p. 16. Alam. p. 40. 



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137 

Sachsen jenseits der BIbe, getauft wnrden; schlag endlich sein 
Lager an der Mttndong der Ohre in die Elbe (d. i. bei Wolmir- 
stedt) anf, nnd kehrte, nachdem er die VerhSltnisse der nmwoh- 
nenden Sachsen anf dem linken Elbnfer nnd der ihnen benachbarten 
Blayen anf dem rechten geordnet hatte, nach dem Rhein sarttck ^}. 
Dafii König Karl im Jahre 780 besonders den nordOstHohen 
Theil Ton Sachsen im Ange hatte, erhellt ans dem Angeführten: 

*) Annal. Lauriss. a. 780 : ^Rez iter peragens ad disponendam 8a- 
xoniam ad Aeresbargum pervenit (Einhard: „cum j>rimum temporis opor- 
tunitas adridere visa ut, iterum cum magno exercitu Sazoniam profectus est, 
traiisiitperca8tnimAere8bargum''Pertsp.]61),etmdead locnm nbiLippia 
eonsnrgit, ibique sinodum tenens; inde iter peragens partibus Albiae 
flavii; et in ipso itinere omnes Bardongavenses et multi de Nord- 
leu dis baptizati sunt in Ibco Orhaim ultra Obacro fluvio (Einbard: 
„ibi ei omnes orientalium partium Saxones, ut jusserat, occurrissent, ma- 
zima eorum multitudo in Orheim baptizata est*). Et pervenit 
uaque ad snpradictum fluvium, ubi Ora oonfluit in Albia, ibique 
omnia disponens tarn Sazoniam quam et Selavos^ Ports 1 p. 160. Der 
Schluiasatz lautet in Einbards Annalen: „Ibi tam ad res Saxonum qui 
citeriorem, quadi et Sclayorum qui ulteriorem fluminis ripam inco- 
Innt, conponendas operam inpendit; quibns tunc pro tempore 
ordinatis atque dispositis in Franciam reyersus est" Pertz 1 p. 161. 
Die Anaal. Petar. a. 780: ^Rex Earolas cum Franeomm ezereitu renit in 
Sazoniam usque fluyinm Alyea, adquisiyit nniyersam terram 
111 am 8ub forti brachio; ipso quoque anno Sazones derelinquentes idola, 
Denm verum adoraverunt et ejus eredidenmt opera, eodem quoque tempore 
aedificaverunt ecclesias*' Ports 1 p. 16; Annal. Lauresb. a. 780: 
„rex pervenit in -Sazonia eum ezeroitu et pervenit usque ad fluvium 
Heilba; et Sazones omnes tradiderunt se illi; et omnium ac- 
eepit obsides, tam ingenuos quam et Udos; divisitque ipsam pa- 
iriam inter episcopos et presbyteros seu et abbates, ut in ea 
baptisarent et praedicarent'* Pertz 1 p. 31 und Ähnlich AnnaL Mossell. Pertz 
16 p. 497. Die AnnaL Quedlinb. a. 780: „Carlus inter Orae et Albiae con- 
flnentibus Sazones baptizari praecepit'^ Pertz 3 p. 37, und dann a. 781 : 
„eodem anno Cardus de Roma reversus in Franciam, terram Sazonum 
inter episcopos divisit [die vorstehenden Worte finden sich auch in 
den Hersfelder Annalen], et terminos episoopis constituit, et S. Stephane in 
loeo Seligenstedi monasterium construzit, quod postoa translatum est in Hal- 
verstadi, ubi nunc sedes episcopalis est, etc." Ports 3 p. 38; die letzten 
Angaben sind unhistorisch, indem sie später Qeschehenes einschieben, vgl. 
Retiberg Deutschi. Kirchengesch. 2 p. 471. 



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188 

im Jahre 775 war er bi6 siir Ocker gekommeD, das Land zwiMhen 
ihr and der Elbe betrat er snerat 780; und wie die Annalen, 
indem sie die Unterwerfung der Sachsen im Jahre 780 beridhteai, 
von diesen Oatlichen Gegenden sprechen, so ist aach das, was sie 
zugleich Über das sich taufen lassen der Sachsen und über die 
Einrichtungen des Königs sn ihrer weiteren Bekehrung sagen, 
speciell auf jene Oegenden zu beziehen '). 

Auch das Jahr 781 verging ohne Aufstünde in Sachsen*), 
unerachtet der König vom December 780 bis in den Juni 781 in 
Italien sich aufhielt; im Sommer 782 berief er die allgemeine 
Beichsversammlung, die er jührlich im fränkischen Reich 
hielt| nach Sachsen, und kam deswegen mit einem fränkischen 
Heere von Cöln zu den Quellen der Lippe (nach Lippspringe), 
verweilte dort längere Zeit, vollzog die Reichsgeschäfte, empfing 
Gesandte des Dänenk&nigs Siegfrid und der Avaren, und kelurte 
nach Beendigung der Versammlung, zu der alle Sachsen auiaer 
Widttkind erschienen waren, und nachdem er im Lande auch 
Sachsen aus den edelsten Geschlechtern als Grafen 
angestellt hatte, über den Rhein zurück'}. 

^} Darüber, da£i yor 780 in NordthOringen keine Spuren ron frän- 
kischer Herrschaft und Bekehrung zum Christenthum vorhanden .sind, wäh- 
rend dies in dem südlich ron Nordthüringen an der Saale gelegenen sich- 
sischen Kordsweregau und Hassegau der Fall ist, vergleiche eine Ausführung 
unter den Beilagen am SchluTs dieser Abhandlung. — Im Gegensata su 
meiner im Text ausgeführten Ansicht, über die noch unten §. 14 xu ver- 
gleichen ist, bezieht Abel 1 p. 284 die Nachrichten über Unterwerfungen 
im Jahre 780 nicht auf die nordöstlichen Theile Sachsens, sondern allge- 
mein auf das ganze Land: „die Annalen lassen es nicht zweifelhaft, dals 
Karl in diesem Jahre endlich die Unterworfung Sachsens für vollendet 
hielt, etc." 

*) „Bine hoste fuit hie annus^ AnnaL Petav. a«781 Pertz 1 p. 16; vgL 
Annal. Akman. Guelferb. Nazar. a. 779 bis 782 Pertz 1 p. 40. 

*) Annal. Lauriss. a. 782: „Bex Renum transiens ad Coloniam, syno- 
dum tenuit ubi Lippia consurgit; ibique omnes Saxones venenmt, 
exoepto rebellis Widochindus . . ; peracto placito , reversus est rex in Fran- 
ciam^ Pertz 1 p. 162; Annal. Einh. a. 782: „Aestatis initio in Saxoniam 
eundum, et ibi, ut in Franoia quotannis solebat, gener alem conventum 
habondum censuit. Trajecto apud Coloniam Bheno, cam onmi Franoorum 



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189 

Nr. 4. Die Jahre 782 bis 785. 
Im Sommer 782 wurde dem KOnig ein rSnberiacher Einfall 
der slaviBchen Sorben Ewigchen Elbe and Saale in 
das ihnen benachbarte Thüringen und Sachsen ge- 
meldet; er beauftragte den KMmmerer Adalgis, den Marschall 
Getlo und den Pfalsgrafen Worad, ein Heer in Ostfranken 
und Sachsen zn sammeln, und die Slaven su ettchtigea. Doch 
als diese nach Sachsen kamen, erfahren sie, dafs Widukind 
aus Dänemark aurUckgekehrt war und die Sachsen su 
einem neuen Aufstande bewogen hatte. Sie suchten ihre 
in Ostfranken gesammelten Mannschaften mit denen au vereinen, 
die Graf Theoderich eilig aus Ripuarien herbeiftihrte, nachdem 
anch er von dem sXchsischen AuÜBtande Kunde erhatten hatte, 
wurden aber am Berge Süntel an der Weser (d.i. an der 

exerciili ad fontem Lippiae renit, et castri» ibi positis, per dies non 
pancos ibi moratus est, ubi inter cetera negotia otiam legatos Sigifridi, regia 
Danamm absolrit, etc.*" Pcrtz 1 p. 163 , desgl. Annal. Fuld. p. 349. Potay. 
p. 17; Annal. Lattresbam. a. 782: ^Habuit Carlus rez oonyentum magnum 
ozercitTis sui in Saxonia ad Lippiabrunnen, et oonstituit super 
eaxn ex nobilissimis Saxonnm genere eomites" Perts 1 p. 32 und 
übereinstimmend AnnaL Mosell. Perts 16 p. 497. Ich kann die Eoletst an- 
gef&brten Worte nicht so Torstehen, dafe sie bezeugten K5nig Karl habe 
damals zuerst in- Sachsen Grafen eingesetzt; sie besagen nur, dafs er im 
Jahre 782 in Sachsen Grafen aus den edelsten sftehsisoken Ge- 
schlechtern ernannt habe; dies erschien den Annalen bemerkenswerth 
und mochte rorher noch nicht geschehen sein. Im Gegensatz hienu äufsert 
A b el I p. 343 : „K. Karl hielt es (im Jahre 782) an der Zeit, mit der Ord- 
nung der innem Angelegenheiten Sachsens nach fränkischem Muster yor- 
zugehen. £r begann damit, dafs er auch filr Sachsen Grafen ernannte; und 
zwar wählte er dazu, ob durchgehends oder nur theilweise ist nicht gesagt. 
Eingeborene des Landes, s&chsisohe Edele. Diese, wie es schien, rechtfer- 
tigten das vom Könige in sie gesetzte Vertrauen, indem sie den Auftrag an- 
nahmen. Die Tragweite der neuen Mafsrogel liegt auf der Hand, durch Ueber^ 
tragung der Regierungsgewalt an Grafen, yom König eingesetzte Beamte, war 
die alte sächsische Volksverfassung umgestofnen^. Dafs König Karl nach den 
frftheren Unterwerfungen die Altere sächsische Verfassung nicht hat kCnnen 
fortbestehen lassen, und data er in dem Lande, das ihm gehuldigt und Treue 
geechworen hatte, sofort Beamten wird eingesetzt haben, die er Grafen genannt 
haben dürfte, wie im übrigen fränkischen Reiche, scheint mir zweifellos. 



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140 

Porta Westfaliea bei Hansberge) von den Sachsen geseh ta- 
gen^ AdalgiSy Geilo und vier Grafen fielen^). 

Als König Karl dies vernahm^ kam er mit einem Heere, 
so grofs er es in der Eile zasammensiehen konnte, nach Sacbsen, 
lad die Ersten des Landes vor sich nnd nntersnchte, wer der Ur- 
heber des nenen Aafstandes sei. Alle nannten Widnkind; da er 
aber za den Nordmannen entwichen war, so liefs der König 
4500 Mann, die die Sachsen ihm als Widukinds Theilnehmer 
übergeben hatten, sn Verden an der Aller enthaupten*). 

Di^ blutige That rief gans Sachsen au den Waffen gegen 
Karl, der den Winter au Thionville anbrachte. Im Mai 783 ging er 
nach Sachsen, siegte mit einem verhMltnifsmXiliig kleinen Heere 
bei Detmold, wo Schaaren seiner Gegner fielen, nnd sehlag 

1) Annal. Laurias. a. 782 Pertz I p. 162. Einh. p. 163. Fuld. p. 340. 
Die specieUe Beschreibung des Schlachtfeldes „in ipsa fluminis Wbura ripa" 
und „ad montem qui Sun tal appellatur*', l&lst die Porta Westfalica niehi Ter- 
kennen, und dalis ehemals der Name Sflntel fftr den ganzen Beiging galt, 
auf dessen (Vstlichem Theil bei Hessisch Oldendorf er heute beschrankt ist, 
haben Grupen Obserrationes 3 p. 584 und Ledebur Beleucht. p. 81 erörtert 

*) Annal. Lauriss. a. 782: „Hoc audiens Carolus rez, una cum Francis, 
quos sibi celeritate coigungere poUiit, illuc perrexit, et perrenit^ usque ad 
loeum ubi Alara confluit in Wisora. Tnne omnes Saxones iie- 
rum conrenientes, subdiderunt se sub potestate domini regia, 
et reddiderunt omnes malefaetores ülos, qui istud rebeUiom mazime 
terminaTemnt, ad oceidendum, quatuor millia quingentos; qnod 
ita et factum est, exoepto Widochindo, qui fuga lapsus est partibns Nordman- 
niae** Ports 1 p. 164. AnnaL Einhardi a. 782: „Rex . . aceitis ad se 
ennctis Saxonum primoribus, de auctoribus factae defectionis 
inquisirit. Et cum omnes Widokindum auctorem proclamarent, eum tarnen 
tradere nequirent, eo quod ad Nordmannos se contulerat, caeteromm qui 
persuasioni ejus morem gerentes tantum facinus peregerunt, usque ad 4500 
traditi, et super Alaram flurium in loco Ferdi jnssu regis omnes 
una die decollati sunt** Perts 1 p, 165; desgL AnnaL Fuld. p. 350. 
Lauresh. p. 32. S. Amandi p. 12. Laubac. p. 13. Alam. p. 40. Qnedlinb. 
PertE 3 p. 38. Die Annal. Peter, a. 782 Iftlgen hinzu: „et Franci multos 
Tietos Saxones adduxerunt in Franciam^ Porte 1 p. 17. Nach der Erzählung 
der Annalen liels K. Karl diejenigen, die ihm als Urheber des Aufstendes 
ausgeliefert worden waren, hinrichten; wenn Abel 1 p. 358 es ftr wahr- 
scheinlicher halt, dafs die Hingerichteten dem KOnig sich freiwillig gestellt 
gehabt hatten, so widerspricht da^ den Angaben unserer Quellen. 



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141 

nach einem vierwöehentlichen Aufenthalt in Paderborn, wMhrend 
dessen er das übrige naohrttckende fränkische Heer an sich ge- 
sogen hatte, eine zweite Hauptschlacht an der Hase (im 
Osnabrlicksehen), in der er das sächsische Heer vernichtete und 
nicht wenige Sachsen gefangen nahm'). 

Die Macht der Sachsen war gebrochen, an einen 
offenen Widerstand nicht mehr sn denken^); nachdem darauf 
der KOnig plündernd und Alles verheerend das nieder- 
geworfene Land bis zur Weser und Elbe durchzogen 
war, ging er für den Winter über den Rhein zurück'). Sobald 
aber 784 die Jahreszeit es gestattete, brach er wieder. auf, um 
den sächsischen Krieg zu vollenden^). Vom Miederrhein marschirte 

') Die Annal. Lauriss. a. 783 : „ dominus rex iter fecit partibus Saxo- 
niae, eo quod Saxones iterum rebelles fuissent, et cum paucia 
Francis ad Tbeotmalli perrenit; ibi .. Franci victores extiteninty et ee- 
ddii ibi maxima multitado Baxonum, ita ut pauci fugam evasissent. £t inde 
eam victoria venit rex adPaderbrunnen, ibi conjungens exercitum suum; 
et perrexit abi iterum Saxones se conjunxenint ad flurium Hasa; ibi iterum 
pugna inita, non minor numerus Saxonum ibi cecidit, et Franci victores ex- 
titeruni" Perta 1 p. 164, TgL Annales Einbardi a. 783, die erw&hnen: „Ad- 
ridente reris temperie, cum ad expeditionem Saxonicam se praeparasset, 
nam de omnimoda eorum defectione ad eum perlatum fuerat, 
etc,'', und von der Schlacht an der Ha8e berichten: „caesa est Saxonum in- 
finita multitudo, spoliaque direpta, captlrorum quoque magnus numerus ab- 
dnctiis est'' p. 165. In der Vito Karoli c. 8 erzählt Einhard: „hoc hello 
(Saxonico), licet per multum temporis spatium traheretur, ipse (Karolus) non 
amplins cum hoste quam bis acie conflixit, semel juxta montem Osnengi in 
loco Theotmelli, et iterum apud Hasa flurium, et hoc uno mense pau- 
ciaque diebus interpositis." Ports 2 p. 447. 

*) Einhardi Vita Karoli c 8: „His duobua proelüs (den in Kote 1 an- 
gef)Ükrten) bestes adeo profligati ao deyicti sunt, ut ulterius re- 
gem neque provocare, neque renienti resistere, nisi aliqua loci 
munitione defen<(i, anderen t.^ Ports 2 p. 447. 

*) Vgl Annal. Lauriss. a.783 Ports i p.l64. £inh. p. 165. Fuld. p.350. 
Lauresh. p. 32. Potar. p. 17. Alam. p. 41. Quodlinb. Ports 3 p. 38. Mosell. 
Ports 16 p. 497. 

^) 1>io Annal. Einhardi a. 784 sagen : „ cum primum oportunitas tem- 
poris adronit, ad reliquias belli Saxonioi confioiendas, rex Bho- 
num tri^odt etc.*' Ports 1 p. 167; die AnnaL Lauriss. a. 784: „tuno robolUti 
sunt iterum Saxones solito moro, etc.'' p. 166. 



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142 

er, die westf^lischeo Oane verwttgtend^ zur Weeer. Als er diese 
bei Hnknlin (d. L PeterBhageii; nördlich von Minden^) ttber- 
schreiten wollte, um direct in die nördlichen Gegenden Sachsens 
Toreudringen, nöthigte ihn der durch RegengUsse übergetretene 
Strom y seinen Feldzngsplan zu Kndem. Er liefs einen Theil 
des Heeres in Westfalen zurück , dem es gelang im Drein- 
gan (auf dem rechten Ufer der Lippe bei Dren-steinfurth) einen 
Sieg zu erfechten; zog dagegen selbst mit den übrigen Truppen 
osiwilrts durch Thüringen zur Elbe, und warf sich von dort ans 
auf die sächsischen Landschaften an der Saale und Elbe, lieber 
Stagnfurd (welches das an der Ohre bei Neuhaldensleben früher 
genannte Steinfcrt zu sein scheint) kam er, indem er Felder und 
Ortschaften überall verheerte und niederbrannte, nach Schö- 
ningen (bei Helmstädt), und eilte, nachdem er hier mit den 
Sachsen der Umgegend ein Abkommen getroffen hatte, nach 
Worms zurück, um neue Heereshaufen nach Sachsen zu führen*). 

^) Die Annal. Laariss. a. 784: „Rhenum transiit rex ad Lippiham, et 
ingresBUB est Saxoniam circuiendo et vastando, usque quod perrenit ad Ho- 
c«lui^ (yar. „Huoulin", „Huculum'*) Pertz 1 p. 166; Einhard: ^vastatis 
WeBtfalaorum pagU venit >d Wisuram; cumque in loco Haculbi, eastris 
super flaviuin positis, eto.^ Pertz 1 p. 167; bei Beg^no „Hucului^ Perts 1 
p. 560; im Poeta Saxo „Ucalbi"^ Perts 1 p. 239. Perts erkannte in Hucului 
oder Hnculin die Stadt Petershagen; der Ort habe früher Hockeleve ge* 
heifsen; er erhielt im Jahre 1367 nach einem in ihm 1316 erbauten Schlosse 
Petershagen, bei Ertheilung des Weichbildrechtes, deb neuen Namen; Ur- 
kunden von 1243 und 1280 erwähnen einer „capella in Hokelne**, s. Le- 
debur Beleuchtung p. 87. Früher hatte Grupen Observationes 2 p. 191 den 
Ort in Oyel oder Ogel, im Kirchspiel Loh bei Nienburg, gesucht, das eine 
Urkunde von 987 „-Oonlen" nenne (Lappenberg Hamburger Urkb. 1 p. 53 
h&lt dies .jOculen^, var. „Ottulen'', der angeführten Urk. ftkr Celle); da 
aber der ältere Name von Petershagen dem fraglichen besser entspricht, so 
ist kein Qrund mit Ledebur Beleuchtung p. 87 der Grupenschen Deutung 
den Vorsug zu geben; vergl. den Namen des von £.. Otto UI. in Urk. vom 
9. Sept. 991 an Minden geschenkten Forstes r,HkkiUin'hAgo^ , 

*) Annal. Lauriss. a. 784: „ibi consilio inito, ut per Toringiam de 
Orientali parte introisset super Ostfalaos . .; perrexit per 
Toringiam usque ad fluvium Albiam, et inde ad Stagnfurd (var. 
„Stainfurt*^), et inde ad Scahiningi, ibique conventione facta 
reversus est in Franciam" Pertz 1 p. 166. Die Annal. Einhardi a. 784: .,ipse 



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143 

Das WeIhnachtBfest feierte er bereits wieder im Lager bei Schieder 
an der Emmer (südlich von Pyrmont) im Hwettago^; um 

per Tharingiam iter fiiciens, venit in campestria Saxoniae, quao 
Albi atque Salae fluminibus adjacent, depopulatisque orientalium 
Sazonum agris, ac villia incensis, do Scahningi in Franciam rogressus est*' 
Peru 1 p. 167, vgL Ann. Laureäh. Perts 1 p. 32. Unter Stagnfurd, var. 
Stainfiirt, kann ein wüster Ort an der Ohre bei Xeahaldenslebcn gemeint 
sein, den Ledebur Boleucht. p. 91 urkundlich als ^Stonvorde'*, „Steinrorde^ 
nachweist; an Stafsfurt dabei zu denken, verbietet die Namensform. Zweifel- 
haft ist die Echtheit eine» undatirten Schreibens von E. Karl, in welchem 
er dem Abte Fulrad von Altaich anzeigt : „placitum generale habemus XII Kai. 
JnlH anno praesenti infra Saxoniam, in orientali parte super fluvium Rota 
(em. „Sota'') in loco Staragfurf^ (d. i. StafsAirt an der Bode) Mon. Boica Xh 
p. 100; Delins in Ledeburs Archiv IX. p. 116 und W. Raumer Reg. ! p. 9 
setsen es ins Jahr 784, Erhard Reg. Westf. 1 p. 70 und 87 dagegen 806. 
Unverkennbar unecht ist die am 18. Aug. 784 in „Scanigga** erlassene Ver- 
ordnung König Karls über den „locus Seligenstat, vulgo SUestat, inter Ore<- 
heim et Scanigge'', welche Harenberg publicirt, und Peru Leg. II. App. p. 1 
unter die Spuria verwiesen hat. 

') Ann. Lauriss. a. 784: .,Wormatiae inito consilio cum Francis, 
itemm hiemis tempore iter fcdt rex in Sazpniam (Einhard: „congregato ite- 
nun ezercitu in Saxoniam profectus est**); et celebravit natalem do- 
mini jnxta Skidrioburg (Einh. „oastrum Saxonum Skidroburg**) in pago 
Waissagavi (Einhard „Hwettagoe'*) super fluvium Ambra in 
Villa Liudihi'' PerU 1 p. 166. 167. ^Liudihi" ist Oldonlüde südlich von 
Pyrmont, Skidroburg ist Schieder an der Ennmer, in Trad. Corbej. ed. Wigand 
{. 226 : „in pago Hu^etigo super fluvium Embrine in villa Seitrai ^ ; in Urk. 
a. 1005 best&tigt K. Heinrich IL an Magdeburg die Schenkung des K. Otto III. 
von: „civitas Scidere cum omnibus appendicüs suis in pag^s Gesine- 
gawe, WeUpo, Thilete, Lingawe, Sarethvelth, Tietmelle, Lethgauwe sitis, 
foresii scilioet his tribus fluviolis Hambrina (d. i. die Emmer), Nisa, Wer- 
mana determinaU'^ Hoefer Zeitschr. für Archivk. 2 p. 141 (ex orig.). Die 
Annalen nennen das Gau beim Jahre 784 : ^Hwettagoe"' (var. „^Vetto^o«") 
Einhard PerU 1 p. 167; Waizzagawi (var. Wazzagawi, Waisgavoi) Ann. 
Lauriae. ibid. p. 166; Wizzagawi Ann.Saxo PerU 8 p. 561, indem sie nieder- 
und oberdeutsche Wortformen verwenden, um den Namen Weifses- Gau (pagvs 
albus) anssudrftcken, und geben damit ein Zeugnils gegen die seit Falke's Tra- 
ditiones Corbejenses gangbare Ansicht, nach welcher ein Hwettago bei Pyrmont, 
und ein ihm benachbartes Wessiga bei Bielefeld gelegen haben soll ; jenes will 
Förstemann Ortonamen p.822 durch Weiaengau, dieses p. 1499 durch Westgaa 
deoten. Ich finde das Gau aulser im Jahre 784 erw&hnt: in Urk. von K. Karl 
a. 887 Weüigo Erhard Reg. 1 p. 25 (ex orig.); von K. Arnulf a. 889 HtPeUago 



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144 

Neujahr rttckte er bis Rehme (eine Meile oberhalb der Porta 
Westfalica) an die Mttndung der Werre in die Weser vor, und 
nahm dann, da Kälte und üeberschwemmungen es ihm un- 
möglich machten weiter vorzudringen, in Eresbnrg, in der 
Mitte seines Heeres, Winterquartiere'). 

Dorthin liefs er seine Oemahlin Fastrada und seine Kinder 
kommen, rastete aber auch während des Winters nicht, sondern 
durchstreifte von Eresburg aus die verschiedenen Gaue des Landes, 
und entsendete Heereshaufen nach allen Ortschaften, sie zu brand- 

Erb. p. 32 (ex orig.; Falke p. 299 las „Hwetungo'') ; a. 939 Wawga Erh. 
IK p. 125 (sp&te Copie) ; K. Otto I. a. 940 Hweiigo Falke p. 209; K. Otto 11. 
a. 974 WoMega Lamey Bayensb. Cod. dipL (ex cop.) ; K. Heinrich H. a. 1005 
Wetego Höfer 2 p. 141 (ex orig.); K. Heinrich II. a. 1019 Wettaga Erh. 
^eg. 1 p. 78 (ex orig.); in ewei Urkunden von Ck>nrad II. a. 1031 Hwettiga 
Falke p. 211 und 527. Im Beg. Sarachonis oft Hwetigo cf. Falke Reg., und 
Wessaga ibid. $. 235. 236. 001. 749; in Trad. Corb. ed. Wigand $. 227. 256 
Htpetigo; in Vita Meinwerci: WetUga, Wetigct, Wesiga, Wessiga in Pertx IX. 
p. 121, 19. 125,10. 141,45. 155,30.45. Oberdeutsche Foimen des Gaunamens 
sind hier auTser in den AnnaL Lauriss. im Jahre 784 bei Angabe von Schie- 
der an der Emmer ^ angeblichen Hwettago), nnr gebraucht in den eitirten 
Urkunden von 887. 939. 974. 1019 und in der Vita Meinw. p. 141 um die Lage 
des Klosters Schildesche bei Bielefeld (^Sceldice in pago Wessaga**), und 
im Beg. Sarachonis a. a, O. um die Lage von Bielefeld und von einigen 
angrenaenden Dörfern zu bezeichnen. Zur Bestätigung meiner Deutung des 
Gaunamens dient, daCs das friesische Ostergau bei Docknm zur Unter- 
scheidung von dem gleichbenannton Ostergau bei Jever, mitunter Hwit-asterga 
genannt wird ; nicht widerlegt wird sie durch die neueren Erörterungen von 
Abel 1 p. 387, der mit Falke zwei Gaue unterscheidet und ausführt, dals 
die sogen. Lorsoher Annalen irrten, indem sie Oldenlüde im Weasigau verzeich- 
neten, statt es wie die Annales Einhardi im Hüttigau (so schreibt Abel f&r 
Hwettago) zu nennen; die Annal. Einhardi brauchen die niederdeutsche, die 
Annales Laurissenses die oberdeutsche Namensform. 

1) Ann. Lauriss. a. 784: ^Et immutavit se numerus annorum 
in 785; tunc dominus Carolus rex supradictnm iter peragens, usque ad 
Bimie pervenit super fluvium Wisora, ubi confluit Waharna; 
et propter nimias inundationes aquarum inde reversus est Aeresburgum** 
Pertz 1 p. 166; ähnlich: Einhard a. 784 p. 167, vgl. Ann. Petav. a. 784 
p. 17: „sedit domnus rex Herisburgo et Franei sederunt in gyrum per bor- 
deres*' und a. 785 „rex commoto exerdtu de ipsis tentorüs (d. L den bor- 
deres) venit Dersia etc.'' 



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146 

sehatseo, bo dafs im Lauf des Wintere fast gana Sachsen von 
BobwererVerwOstnngbeimgesacht wurde. Dann im Juni berief er 
nach Paderborn die jährlich wiederkehrende Reiohsversamm- 
lang, und marschirie, nachdem sie ihre OeschäAe erledigt hatte, 
da nirgends mehr im Lande ein Widerstand vorhanden war, doreh 
das anf dem linken Hanteofer am Dttmmersee gelegene Gau Der* 
sabnrg snr Weser und über sie ins Lttnebnrgsche Bardengaa^)« 



^) Ann. Lauriss. a. 785 : ^Kex Aeresburgnm uzorem saam , dominam 
Fastradam reg^nam, una cum filiis et filiabus suis ad se yenire jussit, ibi 
tota bieme resedens, et ibi pascba eelebravit. Et dam ibi reei- 
derei miiHotiena scaras misit, et per semetipsum iter peregit; Sazones, 
qui rebelies erant, depraedarit, et caatra coepit, et loca eorum 
munita inten-enit, et vias mundavit, ut, dum tempus congruum yenisset, 
sinodum publicum tenuit ad Paderbrunnen. Et inde iter agens 
per yias apertas, nomine contradicente, per totam Saxoniam 
quocnnque yoluit; et tunc in Bardengawi yenit'' Perts 1 p. 106} 
Einhard a. 785: „cum Aeresbargi biemare decrevisset, accitis ad se uzore 
ac liberis, relictoque cum eis in eodem Castro satis firmo praesidio, ipse cum 
ezpedita manu ad Sazonum pagos yastandos ac yillas diripiendas egrea- 
sus, inqnietam satiB biemem ubique discurrendo et cuncta caedibus atque 
incendiis permiscendo, tam per se ipsum, quam per duces quos miserat, 
Sazonibas reddidit. Cumque bujusmodi yastationibus per totum hibemi tem- 
poris spatinm, omnes fere Saxonum regiones ingenti clade ad- 
fecisset, transacta tandem bieme, et adyectis ex Francia commeatibos, 
publicum populi sni eonventum in loco Padrabrunno more solemni babuit. 
Ac peractis bis, quae ad Ulias conyentus rationem pertinebant, in pagum 
Bardengo proficiscitur^ Perts 1 p. 167; Ann. Lauresh. a. 785: i,rex Carlna 
demoratns est in Saxonia ad Heresburg de natale Domini usque in 
menseJunio; et aedificayit ipsum castellum a noyo, sed et basilicam ibidem 
constraxit, placitumque babuit ad Paderbrunnun cum Francis et Saxonibus; 
et tune demum perrexit träne flnyium Wisaraba, et pervenit usque in Bar- 
duBgawe*" PertE 1 p. 32; ans den Ann. Petay. a. 785 fbbre ich an: „bi- 
bemo tempore sedit dominus rex Heresburgi, et Franci sederunt in gyrum 
per borderes; tunc dominus rex commoto exercitu de ipsis tentorüs yenit 
Dersia [oder Dersa-burg, es lag nördlicb yon Osnabrück bei Damme am 
Dflmmersee, s. Wedekind Noten 1 p. 261 , Ledebur Beleucbt. p. 107 and 
Kieberding Gesch. des Niederstift Münster 1840. 1. p.36], et igne combussit 
ea loca, yenit ultra Wiaera flumen, et destruxit Saxonum crate« 
nye eorum firmitates, et tunc adquisiyit Saxones'^ Perts 1 p. 17; Ann. 
Quedlinb. a.785: ^rex totum illum annnm in Saxonia cum exercita 

10 



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' ' 146 

Allenthalben unterwarfen sieh ihm die Sachsen und bekannten 
sich wieder zum Christenthum, das sie verlassen hattoi'). Von 
dem Bardengau aus wurden Unterhandlungen mit Widukind nnd 
Abbio angeknüpft, die sich über die Elbe geflüchtet hatten. Nach- 
dem der König ihnen Straflosigkeit für ihre früheren Thaten vet- 
sprechen und sogar durch Geifseln, die er ihnen übergab, dafür 
Sicherheit gewKhrt hatte, erklärten auch sie sich bereit aur Unter- 
werfung; Karl ging nach Attigny; dorthin folgten sie ihm nnd 
liefsen sich taufen^). 

So war denn Sachsen im Jahre 785 wieder unter- 
worfen, und ein fränkisches Reichsland wie nie zuvor; das be- 
zeugen alle Quellen*). Ihr übereinstimmendes Zeugniüs kann aber 
nicht die Annahme begründen, dafs die in den vorhergehenden 
Jahren berichteten Unterwerfungen und Bekehrungen Sachsens 
dies in Wahrheit nicht gewesen seien. Nach dem gesammten In- 
halt dessen, was die selben Quellen über die früheren Jahre sagen, 
würde irren, wer mit Rücksicht auf die im Jahre 785 beieiigte 



sedens, omnia exercitui necessaria Sazones sibi ministrare praecepiL*' Perti 
8 p. 38. 

^) AnnaL Lauresh. a, 785: „Cum Saxonea reg! bo dedissent, 
christianitatem, quam pridem respuerant, iterum recipiunU Face 
patrata nulloque rebellante postea rex rediit domum.^ Ports 1 p. 32. 

9) Vgl. Annal. Laüriss. a. 785 Pertc 1 p. 166. Einli. p. 167. Laoresham. 
p. 32. Fuld. p. 350. Ueber die Art der Unterwerfung ron Widukind und 
Abbio berichten die Annalee Lauriss. : „petentibua illia, ut eredentia» hab^ 
rent, quod inlaesi fuissent; sicut et factum est. Rex . . mt^^m» ad Widodiin- 
dum et Abbionem obsides per nussum suum A., qui cum recepissent ob- 
sides illos secum deducentes, conjunxerunt se eto.*^ PertE 1 p. 168, und 
Einbardi Annales: .,accepta a rege, quam optabant inpunitaiis spomiane, 
atque impetratis, quos sibi dari praecabantur, suae salutia obsidibus, quoa 
eis A. nnicuB aulicorum a rege missus adduxerat'' p. 167. 

*) AnnaL Lauriss. a. 785: „et tunc tota Saxonia aubjugata est' 
PertE 1 p. 168, desgl. Fuld. a. 785 p. 350, und in den AnnaL Quedlinb. 
a. 785 :f „quibus baptizatis tota Saxonia domino Carole aubjugata est*^ Pertt 
3 p. 38; AnnaL Peter, a. 785: „tunc adquisirit Saxonea' Perti 1 p. 17; 
Annal. Alaman. Quelferb. Nasar. a. 785 : ,,rex Karolus Saxonea in paoe con^ 
quisirit' p. 41; AnnaL S. Amandi a. 785: ,,Carlu8 adquiaiTit Sazo- 
niam, et Widichindus convertitur' p. 12. 



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147 

ÜBienrerAi^ behanpten wollte, dab es nur auf einer TSosohimg 
des König Karl bemht habe, wenn er vor 785 an die ünterwer- 
fiuig Sacbaens nnd an dessen üebertritt sum Christenfham glaubte, 
da den Franken bis 785 stets nur die von ihnen momentan be- 
setzten Orte awischen Rhein und Elbe wirklich unterworfen ge- 
wesen wären, und nur einseUie Sachsen scheinbar aum Ghristen- 
thnm sich bekehrt gehabt hätten, somit also Sachsen Ton 772 bis 
785 im Orolsen und Oanaen noch ein heidnisches und unabhän- 
fpgoß Land gewesen sei^). — Unbedingt richtig ist es, dafs die 
Sachsen in den Jahren 775 bis 785 mehrmals die ihren Besiegem 
Miieh gelobte Treue brachen, dafs sie das ihnen auferlegte frän- 
kisehe Joch abanwerfen suchten, nnd ihnen dies auch aeitweise 
wirklieh gelang, sowie nicht minder, dafs dann Gegenden, die 
sich vorher zum Ghristenthnm bekehrt hatten, von ihm abfielen, 
die in ihnen erbauten Kirchen zerstörten und die christlichen 
Geistlichen yertrieben oder erschlugen, nnd dafs deswegen die 
fränkischen Annalen die Sachsen als Falsche, Treulose und Eid- 

1} Vgl, Z.B. eine ähnliche Auffassung in Seibertz Landes- undBechts* 
geseb. Ton Westfalen. 1860. 1 p. 195; und selbst Rettberg Deutschlands 
Kirchengeach. 2 p. 406 meint : „Im Ganzen scheinen die Fortschritte in der 
Bekehrung Saehsens bis zur EBtscheidungsschlacht an der Hase (im Jahr 783) 
und dem XJebertritte Widukinds (im Jahr 785) nicht groCs gewesen lu sein* 
und p. 407 : „der Anfang des Uobertritts der Massen liegt jedenfalls in dem 
Entschlüsse Widukinds zur Taufe im Jahre 785". Vielleicht sind derartige 
Aufifassungen hervorgerufen durch die allgemeine Darstellung, die Einhard 
in der Tita Karoli cap. 8 von der Unterwerftmg der Sachsen giebt. Er 
aefaildert die Znst&nde w&hrend der wiederholten Kampfe Kaiser Karls mit 
deQ Sachsen; giebt deren Dauer auf 33 Jahre an, d. i. von 772 bis 805; 
sagt: „vix ullus annus'' verging ohne Aufstand und erst nach der Wegföh- 
rung von 10000 Sachsen von der x^iederelbe im Jahr 804 trat dauernde 
Ruhe ein. Konnten diese allgemeinen Aeufserungen gegen eine wirkliche 
Unterwerfung Sachsens im Jahre 775 angefilhrt werben, so würde dies auch 
in Betreff einer solchen in den Jahren 785 und 802 gesoheheo können. Anch 
die Unterwerfung von 785 wurde von den Sachsen gebrochen, und die An« 
nalen unterscheiden sie in dieser Hinsicht nicht von den früheren; z, B. 
sagen Annales Einhardi über sie : „quievit illa Sazonicae perfidiae pervica- 
eitas per annos aliquot, ob hoc mazime, quoniam occasiones deficiendi ad 
rem pertinentes invennre non potuemnt^ Pertz 1 p. 169* Ueber die s&chsi- 
sdien Aufsliade nach dem Jahre 785 TgL unten §. 18. 

10* 



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. 148 

brüchige schelten; — dies Alles kann aber doch nicht geMgen, 
um allen ausdrücklichen QuelienBengnissen zuwider in Abrede zu 
stellen; dafs Sachsen seit 77ö den Franken unterworfen war. Die 
Berichte ttber die Jahre 772 bis 785 seigen uns keineswegs ein 
wildes Durcheinander von sächsischen Aufständen, so dafs es 
irgendwie zulässig wäre, anzunehmen; der Kampf der Sachsen 
gegen die Franken; oder wenn man will der Aufstand in Sachsen; 
sei von 772 bis 785 ein permanenter gewesen; der stets überall da 
aufgelodert wäre, wo nicht fränkische Heere ihn niedergehalten 
hätten; vielmehr fügen sich die uns aus jenen Jahren mitgetheilten 
Ereignisse sehr deutlich in der Weise aneinander; dals sie uns 
seit 775 ein unterworfenes Land zeigen; das einige Male, als der 
Augenblick dazu günstig schien; den Versuch machte; das ihm 
auferlegte verhafste Joch abzuwerfen und zu seinen früheren un- 
abhängigen heidnischen Zuständen zurückzukehren. Der Gang 
der Ereignisse war von 772 bis 785 in seinen Haupt- 
abschnitten folgender: 

1. Im Jahr 772: erster Einfall E5nig Karls in 
Sachsen. Er überzieht im Jahr 772 von Süden her das süd- 
westliche Sachsen, und verläfst nach Zerstörung der Eresburg und 
Irminsäule das Land. Um Rache zu nehmen überschreiten 773 
die Sachsen die fränkische Grenze, und 774 läfst Karl das west- 
liche Sachsen verheeren. 

2. Von 775 bis 777: Sachsen vom Rhein bis zur 
Ocker unterworfen. Im Jahr 775 unterwirft König Karl ganz 
Westfalen; Engern und Ostfalen bis zur Ocker; 776 unterdrückt 
er eine während seiner Abwesenheit in Italien versuchte säch- 
sische Erhebung; der es gelungen war, die fränkische Besatzung 
aus der Eresburg zu vertreiben; 777 hält er seine erste Reichs- 
versammlung in Sachsen zu Paderborn, auf der alle Sachsen er- 
scheinen; mit, Ausnahme von Widukind und seinen nächsten Ge- 
nossen; die zu den Dänen geflohen waren. 

3. Von 778 bis 782: weitere Unterwerfung Sach- 
sens bis zur Elbe. Während Karl in Spanien kämpft; ver- 
suchen die Sachsen zwischen Rhein und Ocker sich zu befireien; 
Karl nöthigt sie 779 zu neuer Unterwerfung; er zieht 780 aar 



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149 

BIbe und unterwirft den Nordosten SachsenB; er hSIt 780 und 
782 Beiehsversammlangen an den Quellen der Lippe. 

4. Von 782 bis 785: ein yersweifelter Versueh der 
Sachsen vom Rhein bis sar Elbe ihre verlorene Frei- 
heit wieder sn erringen, der naeh blntiger Rache KOnig 
Karls und harten Rümpfen eine nene totale Unterwerfung 
des Landes herbeiführt. 

f. 14. Me Bekehrung Sachsens während der Jahre 772 hls 785. 

Vergleichen wir mit dem beseichneten Gange der Unterwer- 
fung Sachsens von 772 bis 785, und den einzelnen Perioden, die 
ich in ihr unterschied, die Nachrichten, die wir über die Christia- 
nisirung des Landes aus dieser Zeit besitsen, so finden wir, daA 
diese mit der Unterwerfung gleichen Schritt hielt; die Zeitabschnitte, 
die in der Unterwerfung sich herausstellen, treten auch in Betreff 
der Christianisirung Sachsens deutlich hervor, und die über sie 
▼orhandenen specielleren Nachrichten yervollständigen das BUd| 
weiches die allgemeinen Angaben liefern. 

Nr. 1. Es ist erwiesen, dafs König Karl anfäng- 
lich das eroberte Sachsen nicht in bestimmte Bis- 
thttmer theilte, und dafs die einaelnen sächsischen Bisthttmer, 
deren Errichtung eine spätere Zeit in die früheren Jahre der Be- 
siegong Sachsens zurttckdatirt, erst allmälig, und die Bisthttmer 
Halberstadt und Hildesheim sogar erst unter Kaiser Ludewig dem 
Frommen gegründet worden sind ^). K5nig Karl übertrug anfäng- 
lich das Bekehrungswerk des Landes nicht Bischöfen, die er für 
bestimmte abgegrenzte Sprengel dauernd ernannt hätte, sondern 
einzelnen Oeistlichen, namentlich Aebten aufserBäGhaiBcher Klöster, 
denen er gewisse Theile Sachsens zu diesem Zweck überwies; 
woraus sich dann später, UQd meistens unter mancherlei Wande- 
lungen, die sächsischen Diöcesen entwickelten. Die Thätig- 

^) Vgl die gründliehen Ermittelungen von Bettberg in Deutschlands 
Kirdbengeschichte 2 p. 424 bis 478; s. auch Erhard Begesta Westfaliae 1 
p.84; Waits Deutsche Yerfiissungsgesch. 3 p. 148; und jetzt Abel Jahrb. 
unter Karl d. Of. 1 p. 216. 287. 293. 373. 484. 487. 



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160 

keit dieser sächsiBchen Missionäre beginnt anmittelbar 
mit König Karls ersten Erfolgen in der Unterwerfang Saehaens; 
and so mangelhaft die darüber ans den einzelnen sXohsiBchen 
Landestheilen erhaltenen Nachrichten aach sind, so genügen sie 
doch, um die fortschreitende Ghristianisirang Sachsens in den 
betreffenden Jahren zu veranschaniichen, da wir dnrch einen 
glücklichen Zufall speciellere Nachrichten über eine Mission habra, 
die in den Jahren 775 bis 779 von Eresburg ans thätig war, und 
über eine andere, die in den Jahren von 780 bis 782 an der un- 
teren Weser und längs der Nordseekttste arbeitete. 

Nur die eben angedeuteten Missionen bespreche ich hier näher, 
da sie für meinen Zweck förderlich sind; es ist die Missions- 
thätigkeit des Fuldaer Abtes Sturm (gest. den 17. December 779), 
and sodann die des Willehad in den Jahren 780 bis 782. 

Nr. 2. Die Mission des Sturm. 

üeber die Mission des Abtes Sturm von Fulda, eines fleifiiigen 
Oehülfen des im Jahre 755 verstorbenen Bonifacins^), giebt ans 
sein Schüler, der spätere Fuldaer Abt Eigil (gest. im Jahr 822), 
der selbst unter Sturm in Sachsen gearbeitet hat, in der von ihm 
noch bei Lebzeiten Kaiser Karls verfafsten Vita Sturmi, die zn- 
verlässigste Auskunft^. Eigil erzählt, König Karl habe, gleidi 
bei seinem ersten Zuge nach Sachsen im Juli 772, eine beden- 
tende Anzahl Geistlicher mitgenommen, um das heidnische Volk 
zu bekehren, was diesen auch bei einem grofsen Theil desselben 
gelungen sei'). Nicht lange nachher („post non longnm tem- 
pus") aber, habe König Karl das Land inDistricte ge- 
theilt, und Geistlichen den Auftrag gegeben, in ihnen 
zu lehren und zu taufen; damals, fährt Eigil fort, wurde 

1) Vgl Rettberg Kirchengesch. 1 p. 371. 609. 622. 

») Vgl, Wattenbach Deutschlands GeschichtsqueUen. 1866. p. 156. 

•) Vita Sturmi cap. 22: „Roi Karolus'Congregato grandi exercitn Sazo- 
niam profectus est, adsumptis uniyersis sacerdotibus , abbatibus, presbyteris 
et Omnibus orthodoxis atque fidei cultoribus, ut gentem quae ab initio mundi 
daemonum vinculis Aiit obligata, doctrinis Christi subire fecissent. Quo cum 
rex pervenisset, partim bellis, partim suasionibus, partim etiam mnneribnsi 
mazima ex parte gentem illam ad fidem Christi convertit" 
Perta 2 p. 376. 



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161 

dem Abt Sturm vom König ein grofser Theil von 
Saehsen übertragen^). Naohdem aber der Abt mit seinen 
Priestern lange Zeit („mnltsm temparis^) im Lande gepre- 
digt und getauft und Kirchen erbaut hatte'), fielen die 
flaehaen wieder vom GhriBtenthum ab, ein sächsiBches Heer rückte 
über die Landeagrense, drang bis an den Rhein, Alles verwüstend, 
vor, und wendete sieh dann ins Lshngan, so dafs man in dem 
ihm nahe gelegenen Kloster Fulda (im Grabfeld) fürchtete, es 
würde sogar bis dorthin vordringen'). Abt Sturm eilte, um Hülfe 
herbeisuholen, in die Wett^an, während er seinen Mönchen und 
aamenüieh dem Berichterstatter befahl, die Reliquien des heiligen 
Bonifscius aus Fulda nach Hammelburg an der fränkischen Saale 
in flüchten. Die Mönehe brachten auf dem Wege dahin die erste 
Naeht in einer Zelle an der Mündung der Flenne („Fledena^) in 
die Fnlda 2U, die zweite Nacht an der Senne („Sinna^), einem 
Nebenbach des Main; dort warteten sie auf Nachricht, und ver- 
nahmen am vierten Tage, daft der eingedrungene Sachsenhaufen 
geschlagen und aus dem Lande gewichen sei; daraufkehrten sie 
nach Fulda zurück*). 

Die von Eigil hier erwähnte Erhebung der Sachsen, ihr Zug 
an den Rhein, ihr Einfall ins Lahngau und weiter nach Hessen, 
wo ein Heerhaufen, der die Flucht der Mönche aus Fulda veran- 
labt hatte, an^ der Edder bei Baftenfeld und Leisa geschlagen 
wurde, erfolgte im Jahre 778; alle fränkischen Annalen verzeichnen 

^) Die VHa Stnrmi eap. 22 setzt die in roriger Note abgebrochen« 
Stelle fort: „et post non longum tempus totam proyinciam illam 
in paroebias episcopales divisit, et servis Domini ad docendum et 
baptLcandom potestatem dedit. Tunc beato Sturmi pars maxima po- 
puli et terrae illius ad procurandum committitur^ Pertz 2 p.376. 

*) Die Vita Sturmi fUirt im Cap. 23 fort: „Quo cum multum tem- 
poris praedicando et baptizando cum suis presbyteris peregisset, 
et per regionee quasque singnlas ecdesias construxisset, iterum postea Saxonum 
gens prava et perversa a Christi fide devians, vanis erroribus se implicant, 
etc.« Pertz 2 p. 376. 

^ Vita Sturmi c. 23 : „ Quorum cum exercitus in Loganacinse , quod 
prope Bopradictum ooenobium jacet, consedisset, etc.'^ Pertz 2 p. 376. 

«) YgL Vita Sturmi c. 23 p. 376. 



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. 162 

diese wichtigen EreigniBse, vgl. oben S. 135, und ea^räKet niolil 
der geringste Zweifel ob, dafe sie im Jahre 778 Statt hatten, und 
dafB die von Eigil erwähnten Thatsachen mit ihnen identiach sind» 
Die Erhebung der Sachsen von 778 geschah, nachdem König Karl 
777 zu Paderborn in dem ihm völlig unterworfenen Lande seinen 
ersten Reichstag gehalten hatte, und sein Zug tlber die Pyrenäen 
im Jahre 778 in ihnen die Hoffnung des Gelingens erweckte. 

Nicht genau unterrichtet sind wir über das Jahr, in welchem 
dem Abt Sturm die sächsische Mission übertragen wurde; wahr- 
scheinlich ist es 775 geschehen, wo König Karl Sachsen vom 
Rhein bis zur Ocker unterworfen hatte, und die im Jahre 772 von 
ihm zerstörte Eresburg aufs Nene befestigte und mit einer Be- 
satzung belegte. Nach den Worten Eigils erhielt Sturm die Mis- 
sion „nicht lange ^, nachdem König Karl im Jahre 772 zuerst 
gegen Sachsen den Krieg begonnen hatte ^). In der Ausgabe der 
Vita Sturmi in den Monumentis Oermaniae Script. Bd. 2 p. 376 
wird bei den angeführten Worten an die Jahre 776 oder 777 ge- 
dacht*); da aber Eigil unmittelbar darauf sagt: es habe Sturm 
vor dem Jahre 778 „multum tempus" in Sachsen gepredigt^ ge- 
tauft und Kirchen erbaut, so kann ihm nicht erst seit 776 oder 
gar nur seit 777 die Mission übertragen gewesen sein. An eine 
üngenauigkeit in den Angaben Eigils zu denken, ist aber um so 
weniger möglich, da Abt Sturm bereits den 17. December 779 
starb. Eigil erzählt ausdrücklich, dafs König Karl, als er nach 
der sächsischen Erhebung von 778 wieder nach Sachsen kam, 
was im Sommer 779 (und zwar wahrscheinlich im Juli) geschah, 
den Sturm krank in Eresburg zurückliefst), und dafs dieser, da 

Vgl. S. 151 die in Note 1 abgedruckt^ Stelle. 

*) Dem stimmt Abel 1 p. 212 bei; er meint: „es ist nicht ansuneh- 
men, findet sieh jedenfalls keine Spur davon, dafs Sturm und andere Geiat- 
liche schon früher dauernden Aufenthalt in Sachsen nehmen konnten; mit 
dem Heere mufsten auch sie Sachsen wieder verlassen . . ; erst nach Verlauf 
mehrerer Jahre, vielleicht nach dem erfolgpreichen Feldzuge von 776, schritt 
Karl dazu, mit der Einftlhrung einer festen kirchlichen Ordnung in Sachsen 
wenigstens den Anfang zu machen etc.^ 

') Vita Sturmi c. 24: „Bex ad confirmationem inohoatae 
fidei christianae ad illam terram perrexit, et venerandum Stur- 



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153 

aeine Krankll^it siofa nidit besserte^ nach dem Kloster Folda ge* 
braeht wiurde and dort starb. 

Naeh Bigiia Worten bekehrte Sturm, währead seiner Missions- 
stellnng in Sachsen Viele zam Christeathnm^); er habe sie, sagt 
Eigii, ermahnt: „nt idola et simulacra derelinqnerent, 
Christi fidem snsciperent, deornm snornm templa de- 
stmerent, lucos sncciderent, sanctas qnoque basi- 
licas aedificarent*', und es sei der Aufstand im Jahre 778 
erfolgt, nachdem er in Sachsen „multum temporis praedi- 
cando et baptizando cum suis presbyteris peregisset, 
et per regiones quasqne singulas ecclesias constru- 
xisset.'' Pertz 2 p. 376. 

Der Mittelpunkt der Thätigkeit Sturms in Sachsen 
scheint Eresburg (d. i. Stadtberg an der Diemel) gewesen zu 
sein; dort iieüs ihn Onig Karl 779 krank zurück, und dort, einem 
alten bereits im Jahre 772 auf dem ersten Feldzuge Karls er- 
oberten Hauptorte des Engerschen Sachsens, mufs auch schon 
früh eine Kirche gegründet worden sein; wahrscheinlich ist es 
im Jahre 775 geschehen, als KUnig Karl daselbst die 772 zer- 
störte Burg wieder herstellte und mit einer Besatzung belegte; wenn 
dieselbe auch im Jahre 776 wieder mag zersti^rt worden sein, als 
die Sachsen der Feste sich bemächtigten und die frflnkische Be- 
satzung aus ihr vertrieben. Dafs König Karl im Jahre 785 in 
Eresburg, als er dort von Weihnachten bis in den Juni mit seiner 
Gemahlin und seinen Kindern zubrachte, eine ,,Basilica^ habe 
erbauen lassen, erwähnen die Lorscher Jahrbücher, doch wird sie 
nur an die Stelle eines älteren Bethauses getreten sein, wie denn 
der König damals auch die dortige Burg erweiterte*). 

men infirmmn jam seneetute fessum, in Heresbarg, ad tuendam ur- 
bem cum suis sociis sedere jusait.^ Pertz 2 p. 377. 

1) Vita Sturmi c. 22: „Suscepto praedicationis officio coram modis 
omnibiM impendit, qualiter non parvuni Domino populum adquire- 
ret.« Port« 2 p.376. 

S) Annal. Lauresh. a. 785: „Bex Carolas demoratua est in Saxonia 
ad Heresburg de natale Domini uaqae in menge Junio, et aedificavit ipsom 
casteUnm a novo, sed et basilicam ibidem construzit." Perti 1 p.32. 



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154 

BeBÜmmt beseligt ist, dab im Jahre 777 in dem etwa vier 
Meilen nördlich von Eresbnrg belegenen Paderborn, welches 
damals snm Missionssprengel Starms gehört haben mab| eine 
Brlöserkirche erbant wnrde^); wie denn schon im Jahre 776 

Beim Jahre 988 nennt Widnkind von Oorrei, indem er die Binnahme der 
Heresburg durch König Otto I. und die Ermordung des Grafen Thancmar 
in der dortigen Kirche erz&hli, die letztere eine „eccUsia a Leone papa, 
beato Petro apoetolo dedicaia'' PertE 3 p. 441. DaTs Papst Leo die Erea- 
burger Kirche geweiht hahe, als er im Jahre 799 den König Karl in Pader- 
born aufsuchte und die dortige Kirche einweihte, ist anderwärts nicht über- 
liefert; die Angahe dürfte genommen sein aus der unechten, ans Eresbuig 
Tom 24. Dec. 799 datirten Urkunde des Papstes Leo, hei JCeibom Scr. 3 
p. 21 und Seiherts Westf. Urkh. 1 p. 1, die den Papst dem König Karl er- 
klären l&Dst: „hunc montem Ereshurg, quem ezpugnatum cum tota Saxonia 
Deo ohtulisti, et per nos B. Petro consecreuü ^ ; üher die Uneohtheit der 
ürk. s. Erhard Reg. 1 p. 80 und Retthe^g Kirchengesch. 2 p. 443. Nach 
Gründung der Ahtei Conrei schenkte im Jahre 826 K. Ludwig der Fromme 
ihr die: „capellam, quam dudum dominus et genitor noster Karolus 
Imperator in castello Hereshurg construi jussit, cum onmihus 
rehus ac mancipüs ac deoimis ad eam pertinentibus , quantumcunque eidem 
capellae contulisse dinoscitur^ Schaten- Päd. 1 p. 84 und Seiberts 1 p. 2; 
in einer Best&tignngsurk. ron K. Ludewig ftir Conrei Ton 868 „ecoiesiara 
Bresburg, quam arus noster Karolus primo construens in 
Saxonia decimis dotavit circumquaque habitantium per dnas 
sazonicas rastas'' Erhard Beg. Westf. 1 p. 16 (ex cop.), auch Schaten 1 
p* 141. Mit Benutzung der Urk. von 853 scheint sp&ter die Urk. von 799 
gefertigt su sein. Ungenau ist es, wenn Thietmar von Merseburg ü. c 1, 
indem er aus Widukind die Ermordung des Thancmar ersfihh, sagt „eedeeia 
SancH Peiri, ubi prius ab antiquis Irminsul oolebatur*' Perti 3 p.744, da 
die Inninanl nicht in Ereshurg gestanden hat, ygl oben S. 130; nur im ge- 
fiüschten Chron. Corbej. heifst es beim Jahre 826: „haec est Aeresburg, quam 
Karolus obsidionis fraude coepit, atque destructo idolo Irmin deTastavit«" 
Wedekind Koten 1 p. 379. 

^) Annal. SanctgalL a.777: „Hoc anno fhit dominus rex Karolus in 
Saxonia ad Pa.trisbrunna, et ibi aedificavit eoclesiam in ho- 
nore Salratoris^ Ports 1 p. 63; Annal. Petar. a. 777: „et aedifioa- 
rerunt in loco Patresbrunna ecolesiam Franei" Ports 1 p. 16. Im 
Jahr 799 lie£s K. Karl zu Paderborn eine schönere Kirche bauen, nachdem 
die frühere niedergebrannt war, und der Papst Leo weihte sie bei seiner An- 
wesenheit: „dominus rex ad Padresbrunnun aedifiearit ecelesiam 
mirae magnitudinis, et feeit eam dedioare" Ann. Laur. Parts 1 p.38. Die 



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165 

dne Kirche in der yon König Karl im Jahre 775 eroberten ^ im 
Jahre 776 von der frttnkischen Besatsang während der sMchiischen 
Erhebung behaupteten 8 ig i barg (d. i. Hohen-Syberg am BinfloA 
der Lenne in die Bahr) vorhanden war*). 

Nachdem der Abt Sturm von Fulda im Jahre 779 gestorben 
war^ übertrug König Karl, wie die Tranalatio S. Liborii cap. 5 
in Monnm. Oerm. Scr. 4 p. 151 berichtet, die ihm anvertraut ge- 
wesene Mission in Sachsen den Bischöfen von Wllrzbnrg; dann 
aber, nicht lange vor seinem Tode, dem Sachsen Hathumar, der 
in Würzburg als Oeistlicher ausgebildet war; er und sein Nach- 
folger Badurad (gest den 17. Sept. 852) galten später fttr die bei- 
den ernten Bischöfe von Paderborn*). 

Nr. 3. Die Missionen des Willehfid und Liudger. 

Eine ähnliche Mission, wie dem Abte Sturm an der oberen 
Weser, war an der unteren dem Willehad übertragen, der den 
8. November 789 starb; wir kennen sie näher aus seiner Lebens- 
beschreibung, die von dem um die Ausbreitung des Christenthums 
im Norden hochverdienten Anskar verfafst ist, der von 831 bis 
lu seineüi Tode im Jahre 865 auf dem seit 847 mit Bremen ver- 
bundenen erzbischöflichen Stuhl von Hamburg sali. 

Der Angelsachse Willehad war, seit er England, wie es scheint, 
ums Jahr 770 verlassen hatte, an der Kirche zu Dockum im 
friesischen Asterga angestellt gewesen, die unter dem Bischof 
Gregor von Utrecht (gest. 775) stand, und an der Stätte errichtet 
war, wo am 5. Juni 755 heidnische Friesen in einer bereits damals 
dem fränkischen Reich unterworfenen Gegend, den Bonifaciua 

im 9. Jahrhundert yerfafste Translfttio S. Liborii oap. 4 ersählt rom Papst 
Leo : „in eccleeia tane ibidem noviter constnieta quoddam altare consecrans, 
adorandas in eo reliquias prothomartyris Stephan! collocavit, quas seeum 
Borna deiulerat'' Pertz 4 p. 150; dadurch, rerhiefs der Papst, werde die 
Kirche geschütat sein gegen ferneres Niederbrennen durch die Heiden. 

^) Als die Sachsen im Jahre 776 Sigiburg belagerten: „appamit 
gloria Dei supra domum eeclesiae quae est infra castrum." AnnaL 
Lanriss. Perts 1 p. 166. 

*) Vgl. Bettberg Kirchengesch. 2 p. 441, Schaten Annal. Pader- 
born. 1 p. 29. 57, Erhard Beg. WestfaL 1 p. 86. 105, und eine abweichende 
Aii£Eas8ung in Abel Jahrb. 1 p. 278 und 286. 



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156 

erachlagen hatten^). Die SehBSUcht, da« Christendutm unter den 
Heiden sn- Terbreiten, hatte den WiUehad aber bewogen, seine 
Stellung aufzugeben, und den zwei Heilen öatiieh Ton Dockom in 
die Nordsee mündenden Laubaeh zu ttberachreiten'), der bis in 
neuere Zeit die Grenze der Utreohter Diöeese, und damals, und 

^) Vita WiHehadi cap. 2: ^renii in Fresiam ad loeum qui didtar 
Dockyn-ehiriea, quod est in pago Hostraga, ubi et domnus Boni- 
hmoß episoopus jam olim martirio coronatus fuerat. Ibi ergo com per prae- 
dioationem memorati martiris multi antea ad fidem instruoti fuerant, com 
magno ab eis est honore susceptus, ibigue docens muÜo tempore habiiatnt, 
Nam et plurimi nobilium et in/antes auos ipsi ad erudiendum iradiderwU; 
.. multosque errahtes olim a fide ad veram et catholicam 
scientiam rerocavit; . . ffenHiiwn quoque quam plurimam eaiervam 
baptizavit.^ Pertz 2 p. 380. Ueber des Bonifacius Martyrinm eu Dockom, 
Ygl. dessen Vita cap. 34 — 36: der über 70 Jahr alte Bonifacius beschlielat 
in Friesland sein früheres Bekehrungswerk fortzuführen, schijSl den Rhein 
hinab, gelangt unangefochten über die Zuiderzee: ,, frans stagnum, quod 
lingua eorum dicitur AeUmere, sospes pervenii** Pertz 2 p.349; dort: ^^ff entern 
papanam Fresonum vigitavii'^ und „per omnem Fresiam pergens verbom 
Domini, paganico repnlzo ritu'et erraneo gentilitatis more destjmcto, instanter 
praedicabat, eccleeiasque numine confracto delttbrorum ingenti studio fabri- 
cctvit; et muUa jam miUia kominum, rirorum ac mulierum sed et parvulo- 
rum, . . baptizavit ^ p. 349 ; sodann : ^postquam igitur fidei per Fresiam in- 
luzerat splendor, aeeus ripam ßuminis quod dicitur Bordne, quod eat fn ean- 
ßnibus eorom qui rostica dicuntur lingua Ostor- et Westeraeohe, 
erexit tentoria^ p. 350, d. i. er schlug die Zelte auf an der Borne oder 
Middel-zee, welche noch heute das Westergo vom Ostergo trennt. Dort 
überf^lt und ermordet den Bonifacius, als er am 5. Juni 755 (vgl. Bettberg 
Kirchengesch. 1 p. 396) die früher Getauften zur Firmelung erwartet, eine 
Schaar heidnischer Friesen. An seiner Todesst&tte wird auf Befehl König 
Pippins ein Erdhügel aufgeworfen, um sie gegen den Andrang der Meerea- 
floth zu schützen und auf ihm eine Kirche zu erbauen, d. i. die Dockin- 
chirica, wie sie die Vita Wülehadi in fr&nkischer Namensform nennt, deren 
Lage in Dockom, 2 Meilen östlich von dem heutigen Ufer der Borne, die 
Stelle n&her bestimmt. Dafs damals Dockom und das Asterga zum fränki- 
schen Reich gehörten, wird durch die Erzählung der Vita Bonifacii c 40 
bestätigt, indem sie beim Bau des Hügels in Dockom des dabei th&tigen 
Ghrafen Abba erwähnt: „unus qoi officiom praefectorae secondum 
indictum gloriosi Pippini regis super pagum locumqoe illom 
gerebat, et princeps ipsius erat operis nomine Abba.^ Pertz 2 p. S53. 

*) Vita WUlehadi c. 3: „transirit fluyium Loreke, renitqoe ad 
locum qui dicitur Humarcha." Pertz 2 p. 380. 



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157 

wahrsobeinlich seit 734, die des Mnkiflohen fieiehes Uldete*). 
Als Willehad hier den noch heidniBcheii FrieeeB im Oan Eng* 
merke (aordweetlich von Oroningen) pred^te, und sie ermahnte, 
nm der Verehrang ihrer machtlosen OOtsen („idoloram**) abea« 
stehen, wollte das darüber empOrte Volk ihn tödten, ond es rettete 
nnr ein günstig fallendes Loos sein Leben. Er TerUeA Friesland 

I) YgL meine Einleit. cur Lex Frision. in Monum. Germ. Leg. 3 p. 643. 
Die Unterwerfung Frieslands swischen dem Flie (d. i. der Mündung der 
Zuidenee) und dem Laubach erfolgte im Jahre 734 nach einem Siege Karl 
Martells fiber den Friesenfflrsten Poppe, vgl. Fredegar. Cent. c. 109: „in 
gentem dirissimam maritimam Frisionum nimis cnideliter rebellantem, prin- 
eep8 Carolns andacter narali erectioae properat, certaitim ad mare Ihgreiaas« 
narium copia adunata, Wistraehiam et Auatrachiam insuhs Erisionum p$- 
netroüit, super Burdine ßuvium ccuUra ponens; Poponem gentilem 
ducem illorum fraudulentum conailiarum interfecii, exercitum Frisionum 
prostrcfüit, fana eorum idolatriae contrivit cttque combiusii igni; cum magnis 
spolik et praedüfl vietor reversu» est in regnum Francorum^ Beuquet 2 
p. 465. Tgl. die Annaies St. Amandi a. 733: „Karins cum exercitu yenit in 
Wistragou" und a. 734: „iterum Karlus renit cum exercitu in Wistragou'' 
Perta 1 p. 8; Annal. Petav. a. 733: „quando (Karolus) venit cum . . exercitu 
in Westrigou ** und a. 734: „Karolus perrexit in Frisiam (et delerit eam) 
uaque (ad) intemecionem" Perts 1 p. 9; Annal. Lauresh. a. 734: „Garolus 
perrexit in Frisiam et eam rastarit usque ad internecionem*^ Pertx 1 p. 24, 
ähnlich in Annal. Alam. und Nasar. p. 24. 25 ; Annal. Lauriss. min. a. 729 : 
„Karins navali eTcctione (in) Fresonum regnum penetrarit, interfectis Freso- 
■ibuB („quam plnrimis^) Papponsm ducem („eorum*') interimit, luoos et 
fana gubvertit, victor cum praeda magna revertitur'^ Perta 1 p. 114 und 
a. 740 : „Karlus, Saxonibus et Fresonibus subactis . . , moritur** p. 1 15, &hnlieli 
in AnnaL Fnld. a. 729 und 740 Perts 1 p. 344. 345; vgl. Ghron. Moissiae. 
a. 734: „Karolus ing^essus est in Frisia cum exercitu magno, delerit eam 
usque ad intemecionem » ac suo subjugavit imperio'' Perti 1 p. 291, und 
Annal. Hettens. a. 734: „Karoks prineeps in Frisiam proficiseitor, onmesque 
rebelles ejus gentis trucidavit, eeterosque quos vivos reliqnit aceeptis obsi- 
dibas fluae ditioni sabjugayit*' p. 325. Mit diesen Alteren Nachrichten stimmt 
überein die Angabe der Vita Ch-egorii cap. 10: „doctrina sna b. 0re- 
goriuB, TraJ§cium et Dorstad cum illa inradiavit parte Freso- 
nia«, qaae'tune temporis (Gh-egor starb 775) christianitatis no- 
mine eensebatur; idem usque in rfpam occidentalem iluminis qvod dicitur 
Lagbeki, ubi confininm erat christianorum Fresonum ac pa- 
ganorum cunotis diebus Pippini regis.^ Acta S. Bendict saec. III. 
ed. Venet. 2 p. 295. 



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168 

und wendete eidi in dis benadibarte Gan Thrianta (d. L die 
heutige Provins Drente, südlich Ton Qroningen); hier lieiben sieh 
nicht Wenige taufen , doch als seiue Schttler einen der heidni« 
sehen Tempel^ die dort noch standen, aa aerstttren begannen 
(„fana in morem gentilium circumqnaque erecta coepisaent ever- 
tere^)y entbrannte der Zorn derer; die noch an ihrem alten Olan- 
ben festhielten; und dem Willehad gelang es nur durch Flucht, 
nachdem ein Schwertstreich an dem Riemen seiner Reliquienkapsel 
abgeprallt war, sein Leben zu retten^). 

Dies geschah zur Zeit, als König Karl bemüht war in 
Sachsen das Christenthum einzuführen*); er h5rte von Wille- 
had, lieft ihn zu sich kommen, und übertrug ihm im säch- 
sischen Wigmodesgan (das auf dem rechten Weserufer bei 
Bremen lag") unter königlicher Autorität Kirchen zu gründen 
und das Christenthum zu lehren: „misit cum in partes Sa- 
xoniae ad pagum qui dicitur Wigmddia, quo inibi 
auctoritate regali, et ecclesias construeret, et popnlis 
doctrinam sanctae praedicationis inpenderet" Vita Willehadi cap.5 
Pertz 2 p. 381. 

&) Vgl Vita Willehadi oap.4 Perts 2 p.381. 

*) Vita Willeh. eap. 5 : „Poflt haee re« Karohap qui jam muUoiien» •» 
gWU Saxonum Mboraoerat, quo ad ßdem chrUtianae reUgicnia eomverie-' 
rtwtur, sed illi Busoeptam fidem aaepius deserenteB pristinia implioahantur er- 
roribiiB, audita fama viri Dei, ad eum acoersiri praecepit^ Perts 2 p. 381. 
Bas Jahr, in welchem K« Karl den Willehad an sich rief, giebl die Stelle 
nicht an; es scheint aber im Jahre 780 geschehen au sein, da ihm der 
König, nach den Worten der Vita, sofort die Mission im Wigmodesgan Über- 
trag und die Annalen im Jahre 780 derartige Anordnungen Ton K* Karl 
berichten, vgl. oben S. 137 Note 1. Auch ist damit vereinbar, dab die S. 159 
in Note 1 angeffthrto Stelle der Tita Willehadi das Jahr 781 als das aweite 
seiner Wirksamkeit im Wigmodesgau beseichnet. 

*) Vgl. die Erwähnungen des Gaues in Wersebe Gaue p. 266 und 
Hodenberg DlGcese Bremen 1858. 2 p. 3—14, wo aber durch Benutaung 
der unechten Bremer Stiftungsurkunde die Ausdehnung des Gaues unriehtig 
angegeben bt. Der pagus Wihmodi oder die regio Wihmoti ist nicht nach 
der Wtkmme (bei Adam von Bremen: „Wenuna fluvius^) benannt, sondern 
nach einem Wichmuot , Wigmod, Wimod; die Namensform Wichmodinga in 
den frankischen Annalen a. 795 und 796 ist patronymische Ableitung, pagus 
Wimodi eine jüngere, pagus Wigmodia eine latinisirte Namenafonn. 



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169 

Wälehad dorehwanderte sofort den ihm aagewieBeDon Sprengel 
imd gewann durch seine Predigt Viele für das Christenthnm, ao 
dafa im sweiten Jahre seiner Wirkaamkeit, es war im 
Jahre nach der Geburt Christi 18ly alle Sachsen jener Oe- 
gend und die benachbarten Friesen den Uebertritt 
anm Christenthnm gelobten, and er beginnen konnte 
im Wigmodesgan Kirchen an bauen und Priester sur 
Lehre des Volkes ananstellen'). 

Doch das folgende Jahr serstörte die anfspriefsende Saat: 
Widnkind kehrte ans DSnemark znrtlck und bewog seine Lands- 
leate nochmals alle Kräfte aufzubieten , um das verhafste firän- 
kiaehe Joch absnwerfen, nnd mit dem von den Vätern Überkom- 
menen Glauben die angestammte Freiheit wieder zu erriagen*)/ 
Willehad floh aus dem sächsischen Wigmodesgau in das be- 
nachbarte friesische Rttstringen (an der Westseite der Wesermttn- 
dnng), und rettete sich| indem er von dort aus Friesland nmschiflfte. 
Die angeregte Leidenachaft der Heiden, die ihn nicht erreichen 
konnte, traf seine Schüler; sie enthaupteten , um ihres Christen- 
glaubens willen, den Benjamin im friesischen Rttstringen, 
den Priester Folkard und den Grafen Emingo im säch- 
aiachen LSriga (westlich Ton Bremen bei Wildeshausen), den 
Gerwal mit seinen Genossen in Bremen (d. L im Wig- 
modesgau), und den Kleriker Atreban im sächsischen 
Thiatmares-ga (d.i. in t)ietmarachen , nördlich von der Elb- 
mttndnng an der Holsteinschen Nordseekttste'). 

1) Vit» Willeh. c 5 : ^Ille miniBterium susceptnm officiosissime peregit, 
M pertransiens coBCUm in drcuita diocesim, mal tos ad fidem Christi 
eyaageliBando conrertii, ita ut in secundo anno tarn SaxoneB 
quam et Fresonea in circuitu commorantes^ omn-es ae pariter 
fieri promitterent ohristianos, hoc itaque ybdum est anno incar- 
nalioiiia D<miini781, Praefato igitor tempore Willehadus per Wigmo- 
diam eceleaias coepit conatruere, ac presbyteros super eaa 
ordinäre, qui libere popnlis monita aalutis ac baptiami conferrent gratiam." 
Porte 2 p.ddl. 

«) YgL oben 8. 139. 

*) Tita WiUeh. c. 6: y^Verum sequenti anno (d. L 782) mstigante dia- 
boloy tetina boni invido, qnidam eztiUt penrerBioria conailii Widukindua, qui 



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160 

Die Erhebung Widukinds rifs anch die seit einem halben 
Jahrhundert dem fränkischen Reich unterworfenen Friesen zwi- 
schen dem Laubach und dem Fliestrom (d. i. der Mündung der 
Zuyderzee) mit sich fort. — Nach Willehads Weggang ans Dockam 
im Aster-ga hatte der Friese Liudger der dortigen Kirche Tor* 
gestanden, und die Ueberreste des Heidenthnms in der Umgegend 
auszurotten gesucht; auch er mufste jetzt, gleich Willdiad, ans 
dem Lande seines Wirkens fliehen. Liudgers Lebensbeschreibang, 
die von seinem zweiten Nachfolger im Bisthum Münster, dem im 
Jahre 849 verstorbenen Altfrid, verfafst ist, und in ihren Haupt- 
angaben als zuverlässig gelten mufs, da Altfrid noch von Augen- 
zeugen seine Nachrichten einzog und namentlich mit Liudgers 
Geschwistern verkehrte (s. Rettberg Kirchengesch. 2 p. 425), be- 
richtet ausdrücklich, dafs es der Sachse Widnkind war, der 
die Friesen zum Aufstand verleitete; er verbrannte 
die Kirchen, vertrieb die Diener Gottes, und machte, 
dafs die Friesen westwärts bis zum Fliestrom (d.i. bis 
an die Zuyderzee) den Christenglauben verliefsen und 
wiederum nach der Art ihres alten Irrwahns den Götzen opferten'). 

rebellare contra regem Karolum nisus, maltam se<nim Saxonum aggregarit 
multitudinem ; quique etiam unattimiter eos qui in fide Christi stabiles yideba&tar 
persequi^ serroa quoque Dei per looa quaeque vagantes dispergere, atqno 
a finibtts suis effagare coeperunt. Qua persecutione commota, contigit ser- 
rum Dei de Wigmodia transve in Ut-riustri, ibique conscendens narim, 
mare circa Fresiam tranafretayit, sicque persecutionem eorum evasit. Porro 
Saxones crudelitatem, quam circa magistrum nequirerant, in disci- 
pulos ipsius exardescente ira ferrentius exercuerunt; siquidem Fol- 
cardum presbiterum cum Emmiggo comite in pago Ldri, Ben- 
jamin autem in Ub-hriustri, Atrebanum rero clerieum im 
Tbiatmaresgaho, Gerwalum quoque cum sociis suis in Brema, 
odio nominis christiani gladio peremerunt.'' Pertz 2 p. 382. 

^) VitaLiudgeri I c. 18: „Consurrexit radix sceleris Widuk int, duc 
Saxonum eatenus gentOium, qui erertit Frisones a Tia Dei, com- 
bussitque ecclesias et expulit Dei famulos, et usque ad Fleo 
flurium fecit Fresones Christi fidem relinquere et immolare 
idolis juxta morem erroris pristini. Sed et Albricus episcopus in 
ipsa pcrversa commotione migravit ad dominum (d. i. während des Auf- 
standes starb Alberich; seinen Tod geben die Annal. Laureshara. P^rta 1 



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161 

Bis 785 wtttfaete der Kampf in Sachsen «nd Frieeland^ wenn- 
gleich die Sachpen seit den Schlachten bei Detmold und an der 
Hase im Jahre 783 es nicht mehr vermochten, den Heeren König 
Karifly die das Land fortgesetzt in allen Richtungen durchzogen 
und Yerwtisteteni einen offenen Widerstand zu leisten^). Sowohl 
Willehad als Liudger glaubte damals in Deutschland kein Feld 
für aeine Wirksamkeit finden zu können; beide wallfahrteten nach 
Born und kehrten erst nach yollstSndiger Unterdrückung des Auf- 
standes über den Rhein zurück*). 

p. 32 und Mosel Perts 16 p. 497 im Jahre 784 an, Beka p. 21 : XII Kalend. 
Sept. 784, ygL Heda p. 41). Tunc (d, h. wie der Aufstand Friesland er&Cst 
hatte, nnd bereits 78^ wurde im friesischen Büstringen der Priester Benjamin 
ennordet) Liutgerus, necessitate compulsus, deseruit partes 
illas, et disposita tnrba discipulorum, duos ex eis secum assumens perrexit 
Romam, etc.'' Perta 2 p. 410. Als ungenau müssen die einzelnen chronolo- 
gisehen Angaben der Vita Liudgeri Über die früheren Lebensjahre Liudgers 
gelten : Gregor starb d. 25. Aug. 775 , Tielleicht noch sp&ter, Tgl. Bettberg 
Sirchengesch. 2 p. 533; f^ ihn fungirte darauf Alberich als Stellvertreter, 
bis er 777 zum Bischof ron Utrecht geweiht wurde; eine Urkunde von 
K. Karl Tom 7. Juni 777 nennt ihn noch „Albericus presbyter atque electus 
rector basilioae S. Martini '^ Heda p. 41. Nach der Vita Liudgeri L c. 14 
stellte in jener Zeit Liudger, im Auftrage Alberichs, zu Deventer an der 
lasel im Hamalande (nicht in Friosland, wie BeUberg 2 p. 405 angiebt) 
die daselbst Ton Liafwin erbaute, von den Sachsen eingeäscherte Kirche her, 
und wurde darauf Ton ihm mit anderen Geistlichen in das noch heidnische 
Friesland (östlich rem Laubach) geschickt: „ut destruerent fana deo- 
rum et yarias culturas idolorum in gente Fresonum" Port» 2 p. 408. 
Sodann berichtet die Vita 1 c. 15, dars Alberich, nach Erlangung der bischöf- 
lichen Weihe in C6ln, den Liudger zum Presbyter geweiht habe: „et con- 
stitttit (Albricus) eum doctorem ecclesiae in pago Ostrache in 
loco ubi S. Bonifacius martyrio est coronatus" p. 408, und femer 
in cap« 18: „cum Liutgerus in eadem regione annis fere septem 
in doctrinae studio persisteret, consurrezit Widukint etc.'' p. 410. 
W&re wirklich Liudger im Jahre 777 Tom Bischof Alberich zum Pfarrer in 
Bodcum ernannt worden und daselbst „fast 7 Jahre'' geblieben, so h&tte er 
erst 784 Friesland Torlassen, w&hrend dies nach der Erzählung der Vita in 
Folge des ron Widukind hervorgerufenen Aufstandes geschah, der bereits 
782 erfolgte, Tgl S. 139 und Note 2. 

>) VgL oben S. 141. 

«) VgL Willehadi c 7 PerU 2 p. 382 und Vita Liudgeri I c. 18 p. 410. 
Gegenüber ron der ron mir im Text befolgten Amuihme, dafa die Erhs- 

11 



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162 

Es war zur Zeit, da KOnig Karl sich auf der Eresbnrg auf- 
hielt, alBO zwiBchen Nei^ahr und Juni 786^), als ihm Willehad 
aafs Neae seine Dienste anbot. Der K8nig gab ihm snr unter- 
Stützung für sein ferneres Wirken die Abtei Justina (Mont Jntia 
in Burgund), und befahl ihm, seine Thätigkeit in Sachsen wieder 

bung Sachsma im Jahre 782 unter Widtäcind sofort auch EHeakmd ergr^^ 
behauptet Abel Fr&nk. Jahrb. 1 p. 36d. 383 und p. 639 (in emem beMm- 
deren Excurs), dafs die Friesen erst 784 aufgestanden und Liudger erst 
damals Friesland verlassen habe. An sich schon ist es unwahrscheinlich, 
dafs die Friesen, die sich auf Widukinds Veranlassung an dem Auf- 
stände betheiligten, es erst 784 gethan haben sollten; 782 hatten die 
Sachsen am Berge Süntel, d. i. bei der Porta Westfalic», gesiegt and es 
hatte Karls Strafgericht bei Verden den sächsischen Aufstand nur gesteigert, 
bereits im Jahre 783 war er durch Karls Siege bei Detmold und an der 
Hase niedergeworfen, vgl. S. 140.. Wenn Abel p. 539 hervorhebt, „dala nur 
784, nicht aber 782 oder 783, neben den Sachsen ausdrfickUeh die Friesen 
als aufständisch bezeichnet sind^, — es nennen sie nur beiläufig im Jahre 784 
die Annales Lauriss. (:„tttnc rebellati sunt iterum Saxones, et cum eis pars 
aliqua Frisonum*' Ports 1 p. 166), während Einhard auch hier ihrer nicht 
erwähnt —, so lälst er aufser Acht, dats die Vita Willehadi berichtet « wie 
im Jahre 782, beim Beginn des Aufstandeis in Sachsen, der Priester Ben- 
jamin im friesischen Rüstringen ermordet wurde. Die von Widukind gelei- 
tete Erhebung brach 782 gleichzeitig auf dem rechten Elbofer im sächsi- 
schen Dietmarschen, zwischen Elbe und Weser un sächsischen Wigmodesgan^ 
und auf dem linken Weserufer im sächsischen Lerigau und friesisehen 
Büstringen aus, da in allen diesen Gauen, also in sächsischem und fried- 
Bchem Lande swischen der Eider und der Jade, gleichseitig christliche Mis- 
sionäre erschlagen wurden , vgl. 8. 159. Unrichtig fthrt Abel p. 852 flkr 
seine Meinung an, dals Willehad 782, als der Aufttand ausbrach, ans dem 
sächsischen Bremen glücklich nach dem friesischen Büstringen entkommen 
sei ; die Vita Wüleh. c. 6 erzählt nur : „contigit de Wigmodia transire in Ut-rinstri, 
ibique conscendens navim, mare circa Fresiam transfretavit, sieque perse- 
cutionem eorum evasit*^ Pertz 2 p. 382, d. L: Willehad eilte von Bremen 
* zur Seeküste in Büstringen (in dessen höher gelegenem Theile damals der 
Priester Benjamin erschlagen wurde), um ein SchüF zu besteigen, mit dem 
er das im Aufstand begriffene Friesland umsdiüFend ins fränkische Land 
entkam. Wenn Abel p. 539 endlich aus den „annis/«r« septem*', die Lindger 
nach der Vita Liudgeri in Dockum zugebracht haben soll, glaubt feststellen 
zu können, dafs er erst 784 Friesland verlassen habe, und dafii erst damals die 
Friesen aufgestanden seien, so verwdse ich auf das S. 161 in der Note BemerktOb 
Vgl. oben S. 144. 



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168 

WiUeliad ging nach dem Wigmodesgan und 
predigte das ETangelinm; er stellte die serBtörten Kirchen 
her, ernannte an ihnen Geiatliche, und es kehrte das Volk in 
jenen Landesdieilen mm Ghriatenthum snrttck, das es im Jahre 
783 verlassen hattet* Noch günstiger gestaltete sieh das Ver- 
hlltails, als sich im Herbst 765 Widnkind dem K9nig unterwarf 
md in Attigny die Tanfe empfing; friedliche Aussichten schienen 
dadnreh fttr die Znkonft erOfinet, und Karl licTs daher in Worms 
am IB. Juli 787 denWillehad zum Bischof weihen, und 
setnte ihn über das Wigmodesgan und LSri-gau in 
Sachsen y d.L die Gegend im Osten und Westen der Weser bei Bre- 
men, sowie ttber Rttstringen, Astringen, Wanger- und 
Nordener-Land, d. i. ttber die friesischen Qane, die sich von 
der Weawmttndung bis snm Eintritt der Ems ins offene Meer bei 
Norden Utngs der Nordseekttste ausbreiteten'). — Willehad er* 
baute in BremeUi das cum künftigen Bischofsaita bestimmt 
wurde, eine Kirche, die er am 1. November 789 einweihte, 
und starb unmittelbar darauf , den 8. November 789, mitten in 

^) YHaWilleh. e. 8: „S^cerdos Willehadus regem adiit Karolum, 
qm tme forte in oasteUo oonsederat Saxoniae Eresbiureh, etc."; „rex prae- 
eepit ei» ut itemm pro nomine Christi coeptam repeteret parochiam. Qnod 
ille .. BoacipienB, rursus renit Wigmodiam, et fidem Domini strenue 
gentibus praedicabat, ecclesias qnoque destructas restauravit, 
probatasque personal qui populis monita aalntis darent, singulis 
qnibueqne loeis praeesse disposuit; sicque ipso anno gens Saxonum 
fidem cbristianitatis, qnam amiserat, denuo recepit.** Ports 2 p. 383. 

S) Vtta WiUeh. c8; »Cum omnia pacifiea viderentur, et sub leni jngo 
Christi Saxonum feroda licet ooaoU jam miteecerent colla, rex . . in Wor- 
matia Willehadnm oonseerari fecit episoopum tertio Idus Julü, 
constitnitque enm pastorem atque rectorem super Wigmodia et 
Laras et Binsiri et Asterga necnon Nord-endi ae Wanga, etc." 
Ports 2 p. 888. Von der wirklichen Gründung eines Bisthomes ist hier 
noch sieht die Bede, Tgl. Bettberg Kirchengesch. 2 p. 417 und Erhard Re- 
gest. 1 p. 74, nnd auch der District, den E. Karl dem Willehad 787 liberr 
wies, un&lste nur in unbestimmter Weise den westlichen Theil des spateren 
Bisthom Bremen. Hit Rücksicht auf die angefahrten Worte der Yita Wil- 
Idiadi dürfte die Stelle der unechten Bremer Stiftungsurkunde vom 14. Juli 
788 abgefiJst sein, welche besagt: „huio parochiae decem pag09 subjecimns, 

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164 

seiner Bernfsthätigkeit zu Biesen („Pleocates-hem') an dem linken 
Ufer der Weser, da wo sie in die Nordsee mttndet>). 

Nicht so bestimmt als bei Willehad sind wir bei Liadger 
ttber den Zeitpunkt unterrichtet, in welchem er seine Misaioiis- 
thStigkeit wieder begann. Die Vita Liudgeri eraXhlt nar, dab er 
nach einer drittehalbjährigen Abwesenheit ans Italien snrttekge- 
kehrt sei, und daTs König Karl ihn darauf sum Lehrer 
gesetEt habe ttber die friesischen Oaue Hug-merke 
(nordwestlich von Groningen), Hunse-gau (an der Nordseekttste 
ISstlich der Lauwer-zee), Fivel-gau (auf dem linken Eaunfer 
bei Delfzyl), Ems-gan (auf dem rechten Emsufer bei Emden), 
Feder-gau (nördlich vom Emsgau bei Qretsiel in.Ostfrieshund) 
und die Insel Band, oder eine Oegend an der Nordseekttste 
zwischen dem Laubach (nordwestlich von Oroningen) und einer 
Meeresströmung, die Norden in Ostfriesland von der spiter doreh 
das Meer weggespülten Insel Band schied*). Hatte Liudger Fries- 
land im Herbst 782 verlassen, so würde seine Rttckkehr, wie die 
des Willehad, ums Jahr 786 fallen; was mit Bttcksicht auf die 
gleichen Verhältnisse beider an sich fttr wahrscheinlich gelten 
mufe. Ob ihm unmittelbar darauf von König Karl der beieichnele 
Theil Frieslands dauernd Übertragen wurde oder, was wahrsehem- 
licher sein dürfte, erst im Jahre 787, nachdem er in ihm bereits 

quoa etiam abfectis eorwn antiquis voealnUii et di9i$UmibuM in dnaa rede- 
gimas prorincias, hia nominibiu etppeUanies Wigmodiam et Lorgoe^ Li^^ai- 
berg Hamb. Urkb. p. 4; innerhalb des B&cbBischen Theiles der Bremer IKS- 
cese, westlich von der Elbe, werden sp&ter genannt: Leriga, Steoringa, 
Stethinga (?), Ammeri (d. i. AmmerUnd), Wigmodesga, Hatheloe (d. L Land 
Hadeln), Ostunga, Bosoga, HeUanga, Hogtmnga (in Urk. a. 1004 Krhard 
Beg. Westf. 1 p. 60 ex orig.) und Grindiriga (unsicher, r^JL, Hodenberg IMS« 
cese Bremen 2 p. 44). Die Versuche von Hodenberg und BOUger die Bdit- 
heit der Bremer Stiftungsurkunde zu vertheidigen, mttssen ftr TorfehH gehea* 

>) Vgl. Vita Willeh. c. 9 und 10 p. 88S. 

^ In Vita Liudgeri I. c 19 : „Post duos annos et menses sex Liotgsna 
reversus est ad patriam suam, et perFenit ejus fama ad anres prinoipia 
KaroU, qui constituit eum doctorem in gente Fresonnm ab 
orientali parte fluminis Labeki super pagos quinqne: Hng- 
mercfai, Hunusga, FiTilga, Emisga, Federitga etunam insalam 
quae dicitur Baut*" Perta 2 p. 410. 



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165 

einige Zeit tbilig gewesen war, wie es bei Willehad geschah, er- 
hellt nicht ans den Worten der Vita^). Lindger war eilrigst be- 
ffiflBen, in den firieaisehen Ganen das Chrigtenthum zu verbreiten, 
die Tempel an leratören nnd allen Heidenglauben auszurotten: 
«cum sc^rtiy doctrinae Domini gregi sibi tradito flaenta mini- 
slniTe stndnit, fana destmere et omnes erroris priatini ablaere 
sordee.'' Vita Lindgeri L cap. 19 Pertz Scr. 2 p. 410. Namentlich 
wird von ihm berichtet, dafs er im speeiellen Auftrage des Königs 
naeh der entfernten nordfiriesischen Insel Fosetesland, dem 
heutigen Helgoland^ an der Grenze der Friesen nnd Dänen, hinttber- 
flifar; dort habe er die Tempel zerstört,, die dem Fosete 
erbaut waren, habe an ihrer Stelle christliche Kir- 
chen errichtet, und in jener heiligen Quelle getauft, in der einst 
Wilttbrord (vor dem Jahre 714, unter der Herrschaft des friesischen 
KiSnigB Redbad) nach Fosetesland verschlagen, drei Menschen ge- 
tauft hatte, und deswegen mit dem Tode bedroht nur durch ein 
gMeklich Mendes Loos gerettet worden war'). Als König Karl 
apiter, und zwar erst nach dem Jahre 802*), dem Lindger das 
in Sachsen neu errichtete Bisthum Münster Übergab, beliefs er 
ihm auch die seit 785 von ihm verwalteten friesischen Gaue, und 
sie verblieben in Folge dessen auch nach seinem Tode (er starb 
den 36. MXra 809) bei der Münsterschen Diöcese, von deren 
grOfterem um Münster sich ausbreitendem sächsischen Theile sie 

*) Die Ton Abel 1 p. 491 fftr 787 angeftlhrten Gründe entselieiden 
niefat, TgL 8. 162 Note. 

^ Vgl. Yito Li«dgeri L c. 19; dort namentlich: „transfi-etavit in eon- 
finio Fresonnm atqae Danoram ad qaandam insulam, qnae 
a nomiae dei sni fiedsi Fosete, Foseteslant est appellata^; nnd »de- 
strnxernnt omnia ejnsdem Fosetis fana, qnae illic fiiere constrncta, 
et pro eis Christi fabricaverunt ecelesias; . . baptizavit habita- 
toree terrae in fbnte qni ibi ebuUiebat, in qno S. Willibrordus prius homines 
tree baptiaarerat» etc.'' FerU 2 p. 410, und rergleiche dazu Alcuins Ersäh- 
loag in der Vita S. WiUibrordi. Ueber den Gott Fosete vgl. Grimm Mytho- 
logie p. 210 und 1210. Ueber die heilige Quelle und dafs sie nicht in den 
erat in neuerer Zeit gegrabenen Brunnen an der Helgol&nder Treppe zu 
suchen ist, vgl Friedrich Oetker Helgoland. 1855. p. 116. 

') In Urkunden bis 802 in Laoomblet Urkdb. 1 p. 13 wird Liudger ak 
Abt beseiehnet. 



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166 

durch dem Bischof yon Osnahrfiok fiberwiesene sHoligsische Gane 
getrennt waren. 

Ich nnterlasse es die vereinselten Nachrichten Easammeiiia- 
stellen, die wir von Missionen zwischen Bhein und Eibe anber den 
hier über Starm, Wiilehad und Lindger angefthrten, ans den bei- 
den letzten Decennien des achten Jahrhunderts beriteen*). Die 
im Detail, soweit es ttberliefert ist, erzXhlte ICssion des Storni 
beweist, dafs König Karl, der bereits anf seinem ersten Znge 
nach Sachsen im Jahre 772 Geistliche in grofser Anzahl mitge- 
nommen hatte, nm das sSchsische Volk zn bekdiren, im Jahre 
775, nach der Unterwerfung Sachsens vom Bhein bis zor Ooher, 
das Land unter bestimmte Geistliche vertheilte, die 
er antorisirte in den ihnen ttberwiesenen Gegenden zn lehren und 
zn tanfen. Die dafür bereits früher anf S. 151 angeführten Worte 
Eigils lauten: ,,totam provinci^m illam in parochias epi- 
scopales divisit, et servis Domini ad docendnm et 
baptizandnm potestatem dedit.* Pertz 2 p. 876. Dem 
Abte Sturm von Fulda hatte der König im Jahre 775 einen 
grofsen sächsischen Landestheil („pars mazima terrae 
ülins'') an der Oberweser als Missionssprengel über- 
wiesen; in ihm arbeitete Sturm mit seinen Priestern („presbyte- 
ris'), predigte, taufte und gründete Kirchen an der Stelle zerstörter 
Tempel. Mehrere damals dort erbaute Kirchen wurden S. 154 nam- 
haft gemacht, und es ist S. 152 angeführt worden, dab Sturm in 
Folge der sächsischen Erhebung des Jahres 778 das Feld seines Wir- 
kens verlassen mufste, und dafs er 779 starb, bald nachdem er im 
Gefolge König Karls nach Eresburg zurückgekehrt war, um seine 
Misslonsthätigkeit fortzusetzen. — Eine ganz ähnliche Mis- 
sion ertheilte Künig Karl im Jahre 780 dem Wiilehad an 
der Niederweser nnd längs der Küste der Nordsee; er sehidkte 
ihn nach dem Wigmodesgau: „ut inibi anetoritate regali 
et ecclesias instrueret, et popnlis doctrinam suae prae- 

1) In der Gegend von Verden sollen unter Karl d. Gr. die Aebte de« 
Klosters Amorbach im Odenwalde eine Mission gehabt haben, s. Bettbeig 
Kirchengesch. 2 p. 344. 462, in Münster war Tor Lindger ein wu 
anbekannter Abt Bemrad th&tig» TgL Bettberg 2 p. 417 nnd 427. 



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167 

dieatioiiis inpoidarei'' Perts 2 p. 381; and WiUehad hätte solchen 
Brfolgy dafii im Jahre 781 in der ihm Überwiesenen Gegend „omnes 
SB pariter fieri promittorent christianoB" vgl. S. 159 ^ und er be- 
l^nnen konnte „per Wigmodiam eceleaias constmere, ac presbyte- 
roa aaper eaa ordinäre, qni libere popnUs monita aalnÜB ac baptismi 
eoiilerrent gratiam **• und als dann im Jahre 782 Widukind gans 
Sacbaen bewog einen nochmaligen än&eraten Versuch an machen, 
nm daa frlnkische Joch an brechen, nnd WiUehad ans Bremen 
ifiehten mnAte, werden uns die Namen mehrerer der unter ihm 
im Lande beschäftigten Priester genannt, die den Märtyrertod 
erlitten, nnd es werden ausdrücklich Einzelne verzeichnet, die in 
Dietmarsdiea, im Wigmodesgan, im LSrigau und in Rttstringen 
erschlagen wurden; ttber den ganzen nachmaligen Bremer Bischof- 
qirengel, von der Eider bi« nach Ostfiriesland, hatte sich also die 
Thätigkeit Willehads und seiner Priester erstreckt — Auf den 
dem WiUehad im Jahre 780 ertheUten Auftrag zur Hission an der 
Niederweser, oder auf ähnUche im selben Jahre von König Karl 
angeordnete Ifissionen, sind die Worte zu beziehen, welche die 
Annalea Lanreshamenses nnd die Annales MoseUani beim J. 780 
enthalten: ndivisit (res) patriam inter episcopos et 
presbyteros seu et abbates, nt in ea baptizarent et 
praedicarent.^ Ports 1 p. 31 nnd 16 p. 497>). König Karl ver- 
fUir im Jahr 780, wie er es 775 gethan hatte; nnd ganz wie uns im 
Jahre 780 seine Handlungsweise in einem specieUen Falle durch 
die Nachrichten aber die üebertragung der Mission an der Nieder- 
weser anf WiUehad yeranschanUcht wird, lernen wir sie im J. 776 
kennen durch das, waa uns ElgU über die Art berichtet, in der 
er damals dem Sturm die Mission an der Oberweser übertrug. 
Beide Männer erhielten einen grofsen sächsischen Landesstrich 
ttberwiesen, nm in ihm die Christianisirung durchzuführen, jener 
780, dieser 775; sie soUten in ihm predigen, taufen, Kirchen an 
der SteUe der zerstörten Tempel errichten, Priester anstellen; beide 
entsprachen dem ihnen gewordenen Auftrage, und es erhellt daraus, 
dafii sich im Jahre 775 der Landestheil an der Oberweser, der 

>) Ueber dae gegenseitige Verli&ltnils der AnnaL Moaell. and Lanreah. 
T^ Watienbaeh DentsehL Geschiohteq. 1666. p. 100. 



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168 

dem Sturm übertragen wurde, und 780 deijenigei welcihen d«n«b 
Wiilehad an der Niederweser erhielt, in einem Zustand befand, 
dals darin eine Thtttigkeit möglich war, wie sie die beiden Geist- 
lichen in ihnen nicht nur nach dem Willen König Karls aoslibeii 
sollten, sondern auch factisch ausübten. -^ Fttr unrichtig mnb iek 
es halten, wenn diesen bestimmten Thatsachen gegenüber Neuere, 
davon ausgehend, dafs Sachsen bis 785 ein unabhSngiges heid- 
nisches Land gewesen sei, die Nachricht der Annalen über die 
Mafsnahmen des Königs im Jahre 780 anf einen blolsen Gedanken 
an Vertheilung Sachsens unter Bischöfe zur völligen Bekehrung 
des Landes deuten, oder wenn sie darin nichts finden, als einen 
ersten erfolglosen Versuch su kirchlichen Einriehtung^i in Sach- 
sen^); sie beachten nicht, dafe die Thätigkeit Wiilehads in den 
Jahren 780 bis 782 beweist, dafs die Verfügungen des Königs im 
Jahre 780 einen reellen Erfolg hatten, und dafs er bereits im 
Jahre 775 völlig Gleiches that Sicher unzulässig wXre es, wollte 
man vermuthen, die Angabe Eigils über König Karls Einrich- 
tungen, welche die Mission Sturms in den Jahren 775 bis 779 smr 
Folge hatten, beruhe auf einer Verwechselung mit dem, was der 
König nach den S. 137 citirten Annalen im Jahre 780 that, da 
Sturm bereits im Jahre 779 starb, und Eigii über dessen ThXtig- 
keit in Sachsen als Augenzeuge und Theilnehmer berichtet Aller- 
dings stimmt das, was Eigil über Karls Mafsnahmen im Jahre 775 
angiebt, im Wesentlichen mit dem überein, was die Annalen von 
ihm beim Jahre 780 melden, und er 780 speciell dem Wiilehad 
auftrug; die Uebereinstimmnng erklärt sich aber voUstStndig ans 
den gleichen Verhältnissen, die Karls Schritte 11h und 780 be- 
stimmten. Nirgends sehe ich auch nur den geringsten Grund, die 
Angaben Eigils anzuzweifeln, und sie werden um so unbedingter 
Glauben verdienen, da eine massenhafte Bekehrung der Sachsen 

Vgl. Bettberg Kirohengesoh. 2 p. 388: ^Sohon 780 hielt Karl die 
Uaterwerfung des Landes f&r soweit geführt, daüs er an Vertheilimg des- 
selben unter Bischöfe 2u völliger Bekehrung dachte, s. AnnaL Lauresh. 
a. TSO*"; und Seibertz Westf. Gesch. 1 p. 196: „Die ersten kirchlichen 
und politischen Einrichtungen in Sachsen yersnohte Karl seit 780; ... bis 
785 waren jedoch die Bekehrungsversttohe im Ganxen Ton geringem Brfelge.* 



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169 

som Ohristottflioiii vor dem Jahre 778 innerlialb de« dem Starm 
Übertragnen MiBrionaspreDgelB, auch dardi andere QneUen toU- 
■tSadig beaengt wird. Fast aUe frXnkuchea Annaleii berichten bei 
' den Jahren 776 and 777 auf das allerbestimmteatey dab die fiaeli- 
een massenhaft in Eresbnrg, Lippspringe („an den Quellen der 
Lippe ")| Paderborn — lanter Orten die im Missionssprengel Sturms 
lagen — xnsammengestrOmt seien , nnd m Tausenden mit* Weib 
und Kind sich bitten taufen lassen ^)y während die selben Annalea 
beim Jahre 772, indem sie den enten Einfall König Karls in daa 
sttdwestliehe Saehsen nnd die ZerstBning der Eresburg und Irmin- 
tflnle berichten, mit keiner Silbe einer Bekehrung der Sachsen 
gedenken. — Sp&ter als in WestCslen und den oberen Weser- 
gegenden erfolgte der Uebertritt anm (%ristenthum in den nord* 
östlichen Theilen des Sachsenlandes; einen wie grollien Erfolg 
Willehad in den Jahren 781 und 782 an der Niederweser hatte, 
und dab seine Tiiütigkeit schon damals durch deto ganaen spi- 
taren Bremer BisehoiTssprengel von Ostfriesland bis sur Eider sieh 
erstreckte, wurde auf der vorletzten Seite hervorgehoben. Dab König 
Karl erst im Jahre 780 in das östlichste slchsische Land zwischen 
der Ocker und Elbe vordrang und sich dies unterwarf, erörterte 
ich 8. 137 und ftthrte die Stellen der Annalen an, die erwähnen, 
dab sich damals in Ohrum ah der Ocker die Bewohner des Lüne- 
burgschen Bardengaues und viele ttberelbische Sachsen taufen 
lieben, gleichwie es bald darauf, nachdem der König bis an die 
Elbe vorgerfickt war und die an ihr belegenen Gegenden unter» 
worfen hatte, die Sachsen jener Landestheile thaten, wobei die 
Annales Petaviani speeiell der Errichtung von Kirchen erwäh- 
nen ")• Fabt man den« Zusammenhang der S. 167 besprochenen Stelle 
der angeblich aus dem Kloster Lorsch nnd den Klöstern an der 
Moeel stammende Annalen über die von König Karl im Jahre 780 
vollgenommene Vertheilung Sachsens su Taufe nnd Predigt unter 
Bisehöfe^ Priester nnd Aebte, näher ins Auge, so scheint er dafifar 
zu sprechen, dab in ihr zunächst an ICabregeln im östlichen 
Saehsen gedacht ist'), wie denn auch die später verfabten An- 

1) YgL die oben S. 183 n. 134 abgedruckten Stellen der Annalen. 
«) VgL ß. 187. ») Vgl S. 188. 



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170 

nlen von Henfeld, Halbentadt and Qaedlinbnigy die nadi dea 
andientisohen Quellen eist viel spltter erfolgte Giüotoig der DiO* 
eeee Halbentadt, unmittelbar an König Karls Diepoaiäonen im 
Jahre 780 knüpfen^). 

1. 15. Iniialt nnd Abrattnagsselt der Capitnla de partibas Saiealae. 

Nach diesen ErSrterongen ttber die üntenrerAing nnd Ghristiar 
■isimng Sachsens in den Jahren 776 bis 785 nehme ich die 8. 1S8 
angeregte Frage nach der Abikssnngszeit der Oapitala de partibns 
Sazoniae wieder auf. Ans ihrem Inhalt sohloAi Porta auf ihre 
Abfassung im Jahre 785, wXhrend ich meinem er spricht dafliri 
dafii König Karl sie bald nach 775, etwa im Jahre 777 auf der 
SU Paderborn abgehaltenen Beichsversammlung erlassen hat 

Den Inhalt der „ Capitnla , quae de partibus Sazoniae con* 
stitnta sunt**, kann ich mir nur so erklären, dab sie von König 
Karl für ein ihm eben erst unterworfianes, bisher heidnisches Land 
erlassen sind, um durch sie in Sachsen eine fränkisehe Verwaltang 
durch Gomites und kirchliche Einrichtungen, ähnlich denen des 
tibrigen frftnkischen Beiches, einzuführen. 

Es bedurfte nach der Unterwerfung Sachsens, ich möchte sagen, 
eines Organisationsdecretes. Den Orafen, die der König über das 
Land setste, mufste ein bestimmter WirlcungskreiB angewiesen und 
ein bestimmter Schuts geniQirt werden; die Fundamentalbestimmun- 
gen für die Einführung des gesammten christlichen Lebens mu(ktea 
erlassen werden; ttber Erbauung von Kirchen mubten Anordnungen 
getrofibn, flir Aufbringung der LebensbedttrfiiiBse für die an ihnen 
▼om König angestellten Priester muftte gesorgt, ihre Stellung ge- 
regelty ihnen ein besonderer Schuts verschaflfc werden; es mnürte 
bestimmt werden, dab das Volk nicht mehr in alter Weise in 
seinen flrei abgehaltenen Versammlungen ttber die wichtigsten 
Staats- und Rechtsverhältnisse selbst beschließe, dafii es nicht 
mit seinen noch im Heidenthum verharrenden Stammesgenossen 
gegen den' König und seine Beamten conspirire; und es bedurfte 
der Einführung von Strafen und Buben fttr den 'Bruch der dem 

>) Vgl. die S. 137 am Schlulk der Note 1 angeflOkrten BteUen. 



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171 

K5ni§^ geflctw or ene ft Treue ^ Ar das VerlaMen de« feierlieh g^ 
tobten OhristenglanbeiM, sowie Ar üebertretongen der anderea 
eisgefllhrtea Satzmigen. 

Diese Pankte ordnen die Oapitlila de parltbits Baxoniae; es 
^d insbesondere folgende Bestimmungen, die sie in Beaiehnng 
darauf aufstellen: 

1. Dem Könige haben Alle die ihm getehworeae Treue si 
bewaliren, Gap. 11 ^); ihm sind durch Verbrechen yenrirkte Gttler 
Terfistten, Gap. 30*); ihm werden Friedensgelder, Banngelder und 

1) 0»p.depart.8ax.e.ll: „Si ^«u domino regi in fidel i b apparaerit» 
eqiiteli senteBtia ponietar*'. SpecMl wird mis den Jakren yor 785 beriohtei: im 
Jahre 775 Ton den Ostfalen „ßtraoenad m ßdete^ eM€ parUbu» domitU CatoH 
rtgia** in AnnaLIiaiiri88.y y,Baerammdwn ßdelikUit jttrwfU ^ in Ann. Binli., nnd 
von den Bngem „saeramenia dedemni*^ in Annal. Einh., TgL oben 8. 132. Im 
Jahre 776: „sacramgfita rupia^ (tob den Baohoen) in AnnaL Lanriss., und 
«Sazones sab didone domini GaroU regb ek IVaneomai ae snbdSdenint^ in 
Lantin. und Sinh. Tg^ oben 8. 1S2, nnd „Sazonea Franoonun ditioni sob- 
dnntar'' in Fold. TgL 8. 135. Im Jahre 777 kenmen <Ke Sachsen rar Beioha- 
Tersammlang nach Paderborn: „eieepio quod Widoehindu§ rthtUSs extiHt 
cum pctueU aliU^ in AnnaL LanriM. Tgl. oben 8. 134; die Baebsen „regia 
potestaü ae permiaere", und erlangten Tom KOnig Verseibung unter der 
Bedingung, dab sie „et patria et libertate priTarentur, si uheriaa regia ata- 
tnta Tiolarenf in AnnaL Einb., woftr die AnnaL Lauriaa. sagen: „omnem 
ingenuitatem et alodem maaibas dnlgtnm feeemnt . ., nfoi eonaerrarent . . 
ßddUatem domini CaroU regis ei fdiorum efui ffd Eraneorum'^ und AnnaL 
Fold.: „ingenuitatem et omnem proprietatem auam . . abdioantes . ., «i re^ 
ei JUiis efu» ßdeUiaiem abnegaaaent*' TgL oben 8. 135. Im Jabre 779 beult 
ea Ten den Engem und Ostfiden: „denuo eaeramenia ßrmaoenmt^, TgL 
oben 8. 136. Im Jahre 782 ers&blen die Annalen, wie naob dem Aufstände 
die Saebsen ticb an Verden wieder unterwarfen, wie der KSnig „de aucto* 
ribua factae defeetionia inquisirit^, wie die 8acbsen „reddiderunt omnea 
BuJefiMtorea ülos, qni istud rebeUhim mazime terminaTerunt, ad oeeidendum*', 
und 4600 am Aufttande beÜieOigte 8aebsen „juseu regie deeoUaÜ etmi*', 
TgL oben 8. 140. 

*) Cap. 80: „ 8i quia eomitem interfeeerit, Tel de ejus morte eonsiliun 
dederit, bereditas illius ad partem regia OTeniai et in jus ejus 
redicatur*. In der Torigen Note sind die eidlibben ErklBrungen der 8aeb8en 
Tom Jahre 777 angefahrt , dafs sie im Fall des Ungehorsams ihre Freiheit 
und ihre CHiter Terwirkt hatten, TgL die oben 8. 105 und 108 angefthrten 



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tn 

aadwe GeflUe entriditet» Gap. 16«). Jeder kann bei ihm Seholi 
g^gen ReebtBkrlUikQiig^ 8udi«i| Gap* 26*); iimi steht ee ra, ans 
Qnade Todeestrafen za erlaseen und sie in VerbaiiBQDg a& einen 
beetimmten Ort im Beieh an verwandeln, Oap. 2>); keine Ver- 
aammlangen des Volkes sind gestattet , die nieht sbine Beamten 
(seine „Missi^ oder „Gomites^) in seinem Namen berufen, Gap. 34^); 
alles Ooniq^riren mit den Heiden gegen ihn unterliegt schwerer 
Btrafe, Oap. 10»). 

2. Der K9nig ernennt Grafen („comites')*), die iaoerlialb 

>) 0»p. 16: „imdaewiiqae oeiuiu aliquid ad fiseum perrenerity rire in 
firidoy iiTe in qvaEonmqne banno ei omni redibutione» ad regen pertinenfee''; 
Gap. 19 nnd 20: i^solido« . . fiioo oomponaai" ; Gap. 24liit 28 „nootnim baa- 
mim aolTat^ 

*) Gap. 26: „nt nnlli hominum eoniradieere Tiam ad nos 
reniendo pro juatitia reclauanda praesnmat''. 

*) Gap. 2: „et sie dacatnr ad praoBentiam domini regle» et 
ipse eum mittat ubi olementiae ipsins placnerit^ TgL die oben 
S. 106 aageHihrten Verweiaongen und Wegftbnmgen ans Sachwen. 

*) Gap. 84:* „ interdizimaa ut onmes Saxones generaliter eon- 
Yentns publicos nee faoiant, nisi forte missua noater de 
rerbo nostro eos congregare feeerit, sed unusqniBque comes in sno 
mbisterio plaoHa et jnstitiaa faciat^. König Karl hielt im Jahre 777 an 
Paderborn» 780 nnd 782 an Lippepringey nnd 786 wieder in Paderborn ren 
den Saehsen besuchte BetchsTersammlnngen» t|^ oben 8. 164. 166. 138 n. 146. 

*) Gap. 10: „Si quis onm paganis oonsilinm adyersns Gbrisliaaoe 
inierit . ,, et hoo idem frande contra regem oonsenserit» morte 
moriator*^. 

^ Grafen werden bereita Tor dem Jahre 786 in Sachsen erw&hnt: im 
Jahre 782 fthren die Annalen an, dals K. Kari: „constitnit super 
Sazoniam ex nobilissimis, Saxonnm genere» comites**» TgL oben 
8. 130; bei dem An&tande im Herbst 782 ennorden die Sachsen „Em* 
miggum comitem in pago LeriS vgl- oben 8.160. Nicht angegeben 
ist das Jahr, in welchem König Karl den Ostfalen Hassio, der sich ihm 776 
unterworfen hatte (ygL oben 8. 132), ein Chrafenamt übertrug; die Vita Lmt* 
bnrgis cap. 1 en&hlt: „Karolus rex quendam inter primoree et nobüisaimos 
gentis illkis, nomine Hessi, onm aliis quam plurimis quibus comita- 
tum de de rat, magnis eüam sustentarit honoribus, quin fidelem sibi in 
ennctis repereraf Porta 4 p. 169. Dafs bald nach der Unterwerfung a&ch- 
sischer Laadeatheile K. Karl Beamten in ihnen muls eingesetst haben, leuchtst 
ein, achon als Heerfllhrer können sie nicht gefehlt haben: im Jahre 776 hatte 



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178 

ilrar AmtMpraigd („in isit minMiriit« Oap. 81 nd 84) 
ihrer Ora&chaften („comitatoB* Gap. 24), wie diese Sprengel naeh 
den ümeD vorgeeetsten Orafen oder Gomiles genannt werden, in 
«dnem Namen Befehle (»bannoe*) erlassen, fttr ihn die verwirkten 
Bttftgelder einsiehen, nnd OefiÜle aller Art erheben , Gap. 81*). 
Dieae Orafen halten die Geriehtsrersanimlungen („plaelta*) ab, und 
ezeqniren die in ihnen geftindenen Erkenntnise («nnnsqnisqne 
eomes in sno ministerio plaeita et jnstitias fiieial* Gap. 84; 
Prirm^rfkndongen sind untersagt, Gap. 26 *) ); sie haben fttr die Anf« 
leohthaltang des Friedens sn soigen, Gap. 29"), nnd tfXt Verfolgung 
der Verbrecher nnd RXnber, Gap. 24*); sie geniefiwn einen eriil^hten 
Beelitssehuta, Gap. 80^), sollen aber anch bei Strafe der Amts- 

Kari in der &etbarg md Bigibttrg BMatsangeB BvrSd^luaen, r^ 8. 182 
Note 2; ein Anf^bot der Sachflen erscheint bereite 782 im frinkiseheii 
Heere» eis die Sorben über die Saale in Thüringen nnd Saefasen eingeüülan 
waren: ^^^^ misit missos tnoB .. nt morerent exereitnm Fraaee- 
ram ei Saxennm snper SclaToe rebelles^ AnnaL LaarisB. Peris 1 p. 162, 
nnd „m, Bomptia eeenm orientalibaB Franeie atque Saxonibne, Sdaroram 
andaeiam comprimereni* AnnaL £inh. Perts 1 p. 168. Zn becweifehi aber, 
dab die Beamten König Karls in Sachsen, die den Gerichts- nnd Heerbann 
handhabten, nicht auch sehen Ter 782 €h«fen genannt werden waren, sehe 
ieh keinen Gmnd. 

>) Gap. 31: „Dedimus potestatem comitibns bannnm mit- 
tere infra sno ministerio de faida reL mi^oribus causis in solides 60; 
de minoribns rero causis comids bannnm in solidos 15 eonttitnimns^, t|^ 
die in S. 172 Note 1 über ^bannns* angefhhrten Stellen nnd aber die HAhe 
des Baongeldes vaten { 20. 

*) Zn Gi^. 34 TgL Gap. 2 : ^Pacem habeat (in ecdeeia) ns^e dum ad 
piaeUum priiesentetor . .; emendat antem causam in quantum potnerit et ei 
iberit jndicatum*; Gap. 18: „Ut in dominicis diebus conrentus et plaeiia 
pMiea non &ciant, nisi forte pro magna neoessitate aut hostilitate eogente^; 
Gap. 24: „de latrombus et male&etoribns, qui de nno comitatu ad alium 
eonfiii^um fecerint . ., «{ comes tum abecondertt, ^ ad juBHÜamfiteimdam 
pnmtHUtt$ nobarii, et ad hoc ezousare non poiest, honorem soum perdat!*. 

>) Gap. 29: „Ut nnirersi comitea paeem H eoneardiam ad imhma 
kabire Hudeawt, etc^ 

«) TgL m Note 2. 

») Gap. 30: „8i quis comitem inierftetHi, Tel de morte iy|«s cenai- 
finm dederit» hereditas UUns ad partem regis ereniat**. 



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1T4 

flnre AmtipfiAlea gewiatenhAft erfllUeii, Chp. Mk 
imd 28')- ' 

8. D«8 Heideathnm mit ieinen Menaehenopfern und aUan 
seinem Oräael ist im Lande verboten and wird mit dem Tode 
bestraft^ Gap. 4. 6 bis 10. 21. 22*); das Cbristenthum ist allge- 
mein ttngeftthrt'), Cap. 4. 10; Jeder mnA steh nnd seine Kinder 
tanfen lassen^ Gap. 8. 19; die Kirche besncben, Gap. 18; fasten^ 
Gap. 4; Sonn- und Feiertage heilig halten^ Gap. 18; seine Todtaa' 
ehrtotlieh an{ den Kirohbltfen begrabeni niehtaber sie yerbramen 
nnd ihre Asehe in Heid^hUgebu beisetaen, Gap. 22. 7; Keiner 
darf eine unerlaubte Ehe eiogehen; Gap. 20^). 

>) Das Cap. 24 rgl. S. 173 in Note 2; Cap. 28: „nt mimera anper inno- 
eente nnllua accipiat, . . et n camet hoc feeerit, honorem suum perdat^. 

*) Die auf Auarottang des Heidenthuma in Sachaen sieh beliebenden 
84eUea der Gapitola de part. Saz. aprechen für deren Abiksaang nnmittol* 
bar naeb der Jfiroberang Sachsena, «nd sind deawegen am Schlnb dieaeB 
Paragraphen neob spedeUer erörtert. 

s) Daf» tohon tor 785, seit dem Jahre 776, daa Chriatenthnm in dem 
nnterworfenen Sachsen, und swar unmittelbar mit der Unterwerfimg der 
«nsebien Theüe deeselben, Ton £. Sari eingeföhrt and tob den naterwor^ 
fimen Sachsen angenommen wurde, ist in den (§. 13 and 14 erörterU Spe* 
eiell hebe ich hier herror : im Jahre 775 beschlois IL Karl, wie die Annalea 
Einhardi berichten, den Kampf mit den Sachsen solange fortsofUiren, bü 
sie Temichtet oder „Ticti christianae religieni sabjicerentur^, 
Yf^ S. 131 Note 2. Im Jahre 776 gelobten die rom Rhein bis aar Ocker 
uaterworfenen Sachsen Christen au sein, vgl. S. 133 Note 1 und 2; Tanaende 
Toa Sachsen wurden 776 and 777 getauft, rg^ S. 134 Note I. Nachdem 
K. Karl 779 den s&chsischen Aufstand von 778 niedergeworfen and 780 
den Nordosten Sachsens bis sor Elbe unterworfen hatte, nahmen die Sachsen 
jener Gegenden das Cbristenthum an, and Massen tqh Sachsen swiachen 
Ohre und £lbe and aus den nördlichen Gegenden an der unteren Slbe lieben 
atoh tanfen, v^fi. S. 137 Note 1. 

4) Daa Cap« 20 bestimmt: „^ quis prohibitum rel inlicitnm 
cenjugiam sibi sortitus fuerit, si.nobilis soUdos 60, si ingeanua 30, ai 
liioa 15"; vgL Leg. Fris. Add. m, 77. 78: «Si quis iUieiia9 mipiim$ ooa- 
traxerit, aeparabitur ab uzore sua, et liceat tarn ei quam oxori legitime 
nähere; si Tero separad fuerint, et iterum ad invicem fuerint reverai, were« 
gildum Buum nterque componat.*' Durch das Cap. 20 werden in Sachsen 
die kirchUchen BeelimBmngea aber Ehehindemisse wegen an naher Ver- 
wandtschaft eingeführt, vgL Über daa aur 2eit K. Karls in Beiiehang daraof 



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^ 17fl 

4. Kirehen werden im Lande Btett der heidaiselien Tempel 
«baiit| Gap. 1^); jede Kirohe ist mit einem Gehöft nnd iwei Hafen 
m dotiren, nnd je 120 der in sie eingepfarrien Wirthe haben ihr 

gehende Becht: Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. {. 183. 1 p. 712, Wilds 
Stnfreeht p. 865, Bettberg Deutsche Kirchengesch. 2 p. 758 und Walter 
Denteehe Beehtogeseh. §.484. 2 p. 132. Dafii unter ^inlidtiim eoi^ngium'' 
im Gep. de pert. Sex. eine kirchlich unerUuhte Bhe in Terstehen irty nicht 
wie SftTigny Beitr. rar Gesch. des Adels. 1838. p. 10 (Vermischte Schriften 
4 p. 18) innahm, eine wegen ungleichen Geburtsstandes yerbetene Ehe, haben 
Wilda p.856 und E. Maurer Üeber das Wesen des Ältesten deutsdien Adele 
p. 121 bemerkt, und h&k Waits Deutsehe YeiAmungsgesch. 3 p. 126 ohne 
Orand ftr iweifelhaft. 

^) Das Gap. 1 rerordnet: „Primum de mi^oribns eapitolis hoo plaeuit 
emnibus, ut ecclesiae Christi, quomodo construuntur in Saxonia 
ei Deo saeratae sunt, non minorem habeant honorem sed majorem et ex- 
oeUentiorem quam fana habuissent idolomm^. Dafs bereits Tor dem Jahre 785 
in Sachsen Kirchen erbaut waren, ist mehrÜMh beieugt: lu Eres* 
bnrg (d.L Stadtberg an der Diemel) scheint bereits 775 eine Kirche ge« 
gründet ra sein, an deren Stelle K. Karl 785 eine „Basilica* erbauen lieb, 
rfß, oben S. 158. Zu Sigiburg (d. i. Hohensyberg an der Bnhr) wird im 
Jahr 776 eine ^ecdesia infra castrum*' erw&hnt, rgl. oben S. 155 Note 1. 
Zu Paderborn wurde 777 eine „ecdesia Salratoris*^ erbaut, rgl. oben 
S. 154 Note 1. Vom Abt Sturm wird berichtet, dais er ror 778: «per 
regiones (Saxoniae) quasque singulas ecclesias consiruxis- 
sei", TgL oben 8. 151 Note 2. Beim Jahre 780 erw&hnen die Annalen im 
Allgemeinen: „eodem tempore aedificarernnt ecclesias (in Saxo- 
nia**)» vgl S. 137 Notel, und im Jahre 781: „Willehadns per Wig* 
modiam (bei Bremen) ecclesias coepit construere et presbyteros 
super eas ordinäre^, vgl. S. 159 Note 1. Im Jahre 782, als der Aufrtand 
Sachsen und Friesland bis cur Zuidersee erfaCste, wird berichtet: „Widu- 
kint combussit ecclesias et ezpulit Dei famulos*', ygL S. 160 Note 2. 
Bei einer Beihe ron s&chsischen Kirdien wird ihre Erbauung in die ersten 
Jahre der Eroberung Sachsens gesetst, ohne dafs die Angaben darüber 
Ar authentisch gelten kOnnen, ygl« Bettberg Deutsche Kirchengeseh. 2 p.417. 
431. 435. 437. 447. Vor dem Jahre 772 stand bereits eine Kirche su De* 
renter an der die Sachsen nnd Franken trennenden Issel, die Lialwin ge- 
gründet hatte nnd die, nachdem sie ron den Sachsen eingdUchert worden 
war, im Jahre 776 durch Liudger hergestellt wurde, rgL oben S. 161. Ebenso 
war in dem seit 734 dem fir&nkisehen Beich einrerleibten friesischen Asterga, 
unfern Ton dem die Beichsgrense bildenden Lanbach, in Dockum an de« 
Benüadus Todesst&tte die Dockin -ehirica erbant, an derWillehad bis 777 
und darauf Liudger bis 782 als Pfarrer angeeteUt war, vgL oben S. 155 u. 160. 



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176 

eiaen Leibeigenen und dessen Weib zu ttberUsaen, Gap. 15'), Von 
allem Einkommen and Erwerb erhalten die Eirehen die in den 
EirchengeBetKen Torgeschriebenen Zehnten, Cap. 17; aneh von den 
Gkffillen und Bufiigeldeni, die dem König gesahlt werden, Gap. 16')« 

>) Das Cap« 15 verordnet: „consensenmt omnes, ad unam quam* 
que eeelesiam curtem et duos mansos terrae pagenses ad 
eeclesiam recurrenteB condonant, et inter oentum viginti bommea, 
nobileB et ingenuos similiter et litos, serviim et ancillam eidem ecdesiae tri- 
buant''. Die Stelle will sagen: data die Pagenses, die zu einer neuen Kirche 
gewiesen sind, ihr eine Curtis und 2 Mansi geben sollen, und auCBordem je 
120 von ihnen, mOgen dies nun Edelinge, Freie oder Liten sein, einen 
Senms und eine AnciUa. Die Vorschrift, dals einer neu gegründeten Kirche 
YOn je 120 Pagenses, die in sie euigepfarrt morden, ein unfreies Paar über- 
lassen werden soll, und nicht von je 100 derselben, entspricht der akaieh- 
siflchen Sitte nach grolsen Hunderten (su je 120) lu rechnen (rgL unten 
BeUage); in keiner Weise kann ich in ihr eine Besiehung auf eine Einthei- 
lung des s&chsischen Landes in Centenen finden, wie es suerst Weiske 
behauptet hat, und neuerdings in beschränkterer Ausdehnung Waits Deutcbe 
Yerfass. Bd. 1 (1844) p. 106. Bd. 3 (1860) p. 126. Bd. 1 (1865) p. 153, 
Sto bbe Zeitschr. für deutsches Recht. 1855. Bd. 15 p. 114 und Abel Jahrb. 
1 p.405 annehmen. Stobbe will in der Stelle keine Spur von alten Hun- 
derten, wohl aber von einer neuen Organisation durch K. Karl finden; 
WaitB, indem er dem widerspricht und seine frühere Meinung beschränkt, 
h&lt doch daran fest, dafs die Stelle ein Zeugnits sei, dals den Saehaen 
„Abtheilungen von Hundert bekannt waren", wenn er auch in einer Note 
hinaufÜgt: „an wirkliche Hunderten ist dabei nicht au denken, nur die Be- 
deutung einer solchen Gliederung zeigt sich". Jede Beziehung der Stelle 
auf alte Centenen, sowie auf irgend eine alte oder neue „Gliederung"» wird 
dadurch ausgeschlossen , dafs in ihr von den Kirchspielsinsassen zu dar be- 
stimmten Praeetation je 120 Menschen herangesogen werden, ohne allen 
Unterschied ob sie Eddinge, Freie oder Liten sind. 

*) Cap. 17: „Secundum Dei mandatum praedpimus, ut omnes de- 
cimam partem substantiae et laboris sui ecclesiis et sacer- 
dotibus denen t; tam nobiles quam ingenui similiter et liti, juzta qnod 
Deus unicuique dederit Christiano, partem Deo reddant"; und .Cap. 16: ,,£t 
hoc Christo propitio placuit, ut undecumque censns aliquid ad fiscnm pervenerit, 
aive in Mdo sive in qualicumque banno et in onmi redibntione (d. L redhi- 
bitione) ad regem pertinente, dedma pars eodesüs et sacerdotibus redda- 
tnr." Es sind die SaCsungen, die K. Karl über die Zehntpflieht geltend 
machte, die er namentlich im Capitulare von 779 o. 7 und 13 Porte Leg. 1 
p. 36 einscbürfte, vgL Bett borg Deutsche Kircheogesch. 2 p. 714 und 



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177 

Sie geniefeen die Ehre der zerstörten Heidentempel in erhöhtem 
M&Tae, Cap. 1; haben einen besonderen Rechtsschutz, Cap. 3; ge- 
währen verfolgten Verbrechern; bis sie vor Gericht gestellt wer- 
den, einen Zufluchtsort, Cap. 2; in ihnen werden die Eide ge- 
schworen, Gap. 32>). 

5. Die Oeistlichen*} haben einen gesteigerten Rechtsschutz; 

Waits Devtsehe Verl 4 p. 108. Ein Beispiel ftr die Zehnten die K. Karl 
in frOlierer Zeit einer einselnen s&clwiBchen Kirche Te^lieh, gew&hren die 
oben S. 154 Aber Eresburg exeerpirten Urkunden. Wie schwer die Sachsen 
die Zehntpflicht empfanden, bezeugt Alkain in mehreren Briefen, schreibt 
sogar: „decimae, ut dicitur, Saxonum fidem subvertenint'', vgl. Rettberg 2 
p. 410 und Waits 3 p. 127. 

') üeber die Bestimmungen der Capitel 1 bis 3, vgl Nftheres unten in 
diesem Paragraphen; darüber dafs nach Cap. 32 die Eide in der Kirche ge- 
leistet werden sollten, TgL oben S. 119. 

*) Daus Geistliche in groüser Anzahl seit dem Jahre 775 in Sachsen 
ftr die Verbreitung des Christenthums thatig waren, ist in §. 14 erörtert. 
Bereits auf seinem ersten Zuge nach Sachsen im Jahre 772, nahm K. Karl 
sahireiche Geistliche mit; Eigil berichtet: „profectus est (in Saxoniam) 
adsumptis unirersis sacerdoiibus, abbatibus, presbyteris et omnibus 
orthodoxis atque fidei cultoribus, ut gentem . . doctrinis Christi subire fe- 
cissent", vgl oben S. 150 Kote 3. Im Jahre 775 oder 776 wurde der Abt 
Sturm an der oberen Weser statuirt: ^tuncSturmi pars maxima populi 
et terrae illius ad procurandum committitur^, vgl. S. 151 Note 1, 
er mubie bei dem s&chsischen Aufstande ron 778 aus dem Lande fliehen : 
qCum multum temporis praedicando et baptisando com suis pres- 
byteris (ibidem) peregisset'*, vgl. S. 151 Note 2; nachdem der König 
im Sommer 779 Sachsen wieder erobert hatte: „renerandum Stürmen in 
Heresburg, ad tuendam urbem cum suis sociis sedere jussit**, vgl. 
8. 152 Note 3. Im Jahre 779 schickt K. Karl den Willehad in das Bremische 
Wigmodesgau: „quo inibi anctoritate regali et ecclesias construeret, et po- 
polis praedicaret *', vgl S. 158, und Willehad: „coepit per Wigmo- 
diam ecclesias construere ac presbyteros suos super eas ordinäre, 
qui etc.**. Tgl. S. 159 Note 1 ; da bricht der von Widukind hervorgerufene 
neue Aufstand los, die Sachsen : „servos Dei per loca qnaeque vagantes dis- 
pergere atque a finibus suis eflugare coeperunt'^, und erschlugen, während Wil- 
lehad selbst aus Bremen entkam, „discipulos ipsius: Folcardum pres- 
biterum in pago Löri, Benjamin in Ub-hriustri, Atrebanum 
elerieum in Thiatmaresgaho, Gerwalnm cum sociis suis in 
Brema", vgl. oben S. 160 Note 1. Nachdem der s&chsische Au&tand 784 
niedergeworfen war, kehrte WiUehad nach dem Wigmodesgau zurtick, und : 

12 



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178 

aaf ihre Ermordung sieht die Todesstrafe, Oap. 5^)j sie kSnnen 
Verbrechern, nach ihnen« gethaner Beichte, Begnadigung von am 
Todesstrafe erwirken, Cap. 14'); sie sind, befugt, rom Fnntrn 
zu dispensiren, Cap. 4, uncl die Verschiebung. der Taufe derKiiH 
der über ein Jahr nach ihrer Geburt zu gestatte», Capu 19; ihnen 
werden Zauberer und Wahrsager übergeben, : Oap. 28; säe über- 
wachen, dals keine Volksyersammlungen gehalten werden, die nicht 
▼on den königlichen Beamten berufen Bind, Gap^ 34;* 

' 6. Bestimmungen über zu Terhltngende Todesstrafen, Gap. 3 
bis 13*), und über zu zählende Strafgelder, Cap. 19 bis 23. 
27. 31 und 32. 

Dafs das hier nach seinem Hauptinhalt skizzirtS: Gesetz Ver- 
hiltaissen^entspricht, wie iie S. 128 n. 148 von mir als ums Jahr 775 
in Sachsen rorhanden angegeben wurden , wird keinem Zwelltal 
unterliegen kOnnen ; die einzelnen Nachweisungen aus den Jahren 
775 bis 782, die ich den aus ihm hervorgehobenen Hauptbestinn» 

„ecdeaias destructas restauravit, prob^tasque persoi^asy qui populis 
monita aalutia darent, singulis quibusque locis praeessedia- 
pOBuit", ygi, oben S. 163 Note 1. 

^). Cap. 6: ^Si quis episcopum aut presbiterum siye diaconum 
interfecerity capite punietur''; eine dem Gesetz eigenthOmliche Strenge^ 
indem nach den andern altern deutschen Leges Geistliche nur durch ein 
höheres Wergeld geschützt waren, vgl. Bettberg Deutsche KirchengeAch. 
2 p. 645. 

*) Nachdeqa in den Capiteln 3 bis 13 der Cap. de part. Sax. mit Todes- 
strafe bedrohte Verbrechen aufgezilhlt sind, heilst es in Cap. 14: „Si toto 
pro his mortalibus criminibus latenter commissis aliquis sponte ad aaoerdotem 
confugerity et confessione data agere poenitentiam roluerit, testimonio sacer- 
dotis de morte ezcusetur'*. Vgl. Cap. 2 Capit. de part. Sax. oben S. 172 Note S. 

*) Ueber die einzelnen mit Todessti^fe bedrohten Verbrechen TgL Nä- 
heres unten im Paragraph 16. Die in dem oben S. 171 Note 1 abge- 
druckten Capitel 11, auf Untreue gegen 4on £önig gesetzte Todesstrafe, Uefa 
K. Karl im Jahre 782 in blutigster Weise vollziehen ; die Annales Laarisa. 
berichten, dafs die dem KOnig nach dem durch Widukind veranlafsten Auf- 
stände wieder unterworfenen Sachsen : „reddiderunt omnes malrfactarei iüo$g 
gut istud rebeUium maxime ierminaverunt, ad occidendum, 4500; quod 
ita et fckctum est^, imd die Annales Einhardi: „rex .. accitia ad se cunetis 
Saxonum primoribus, de auctifribus factae de/eetionie inquieivit; . • 4500 tra- 
dm jussu regis decollati sunt", vgl. S. 140 Note 2. 



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179 

i in 4eB Noten, auf 8. 171 bi9.178 boigefttgt bitbe, «eigen es im 
Ja loh bin sogar ttbenengly dafs das Gesets in aa hpbem 
Ghade den Bedttrfiussen jener Jahre entspricht^d^fs^wenn dargethan 
^wSide, E5nig |Url babe die nns .erhaltenen Capitnla departibns 
Saxoniae ninbt nach der im Jahre erfolgten Erobernng, Sachsens 
vom Bhein bis nr Oeker fttr dasselbe erlassen,, wir nicht .nmhin 
kitenten ansnnehmen, er habe damals ein andere« Khnliehes Decret 
erlnssen, om die obwaltenden VerhXUnisse in Sachsen in icgeln! 
Mir scheint es geradesn nndenkbw, dafs der KOnig bis snm Jahre 
786 mit dem Erlais von gesetiliehen Beetinimnngen gewartet.haben 
sollte, nachdem ihm 775 bis 777 die Sachsen nach erfolgter Unter* 
werAing maasenhaft.Trene geschworen hatten nnd sie massenhaft 
dnrch die Tanfe snm ChristenäKam ttbergetrciten waren, nachdem 
er eine feste. Besatanng in diei Eresbnrg and Sigibatg gelegt^ in 
den yerschiedenen sScbsisohen Gegenden Kirchen erbant,. und bei 
seiaer Bttekkehr nach Franken ttbernll in dem yon ihm für unter- 
worfen gehaltenen Lande Priester und weltliche Beamten ifurück« 
gelassen hatte,, wenn man. auch immerhin mit mir rechten will 
ttber den Grad der Durchführung der neuen fränkischen Ein4ch- 
tuigen und ttber die Ausdehnung der Christianisirung Sachsens 
in den Jahren 776 bis .785. Seibstverstiindlich ist es, daXs unser 
heutiges Qesetsgebungsfieber nicht als bereits iin alten Peutsch- 
Innd grassirend gedacht werden darf, aber Karl der Grofse, \ie& 
es doch auch sonst nicht an Decreten aller Art fehlen, wie. seine 
ans erhaltenen Capitularien beweisen, und dafs es ihm. voc dem 
Jahre 785 an Mufse gebrochen, habe, ein Gesetz von dem ge- 
ringen Umfange d^ Gapitula de partibus Sazoniae su erlassen, 
wird Niemand im Ernst behaupten wollen. Auch ist nicht ejn- 
luräumen, dafs der Erlaiis eines solchen Gesetses durch eine be- 
reits IXngere Zeit nieht gestSrte Buhe im Lande bedingt gewesen 
sei; wenn Karl das er^jberte Sachsen behaupten wollte, wi^ 09 
doch im Jahre 776 unleugbar sein Wille war ')? ^ mniste er sich 
veranlafst finden, wenigstens in Betreff mehrerer der oben be- 
zeichneten Punkte Bestimmtes festzusetzen. Unmöglich konnte 

1) Vgl die oben S. 131 Note 2 und S. 133 Note 2 «ngefUirten Stellen. 

12» 



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180 

sam Beispiel König Karl den Abt Starm mit seinen Prieslern in 
den Ji^hren 775 bis 779 in Sachsen Stationiren, ohne sdn Hnd 
seiner Genossen im höchsten Grade gefXhrdetes Leben durch 
den Erlafs irgend einer gesetzlichen Bestimmung an schataen. 
Die Gapitnla de partibos Saxoniae bedrohen im Gapitel 6 den 
Mörder eines Geistlichen mit der Todesstrafe, wire dies erst ina 
Jahre 785 verordnet worden, so mttfste schon früher ein anderes 
Gesetz die Bestrafung des Mörders eines Geistlichen oder die von 
ihm dafür au entrichtende Bube bestimmt haben. Ofifenbar li^ 
aber kein Grund vor, ein von den ins Jahr 785 gesetsten Gapi- 
tulis verschiedenes, einige Jahre Xlteres, ihm ähnliches, etwa iB 
einigen Punkten milderes Gesetz anzunehmen, da wir von einem 
solchen nicht das Mindeste wissen, und die Fassung der CapituU 
de partibus Saxoniae von der Art ist, dafs sie direct auf die Zeit 
nach der ersten Unterwerfung Sachsens hinweist. 

Als Momente, die in dieser Beziehung bezeichnend sind, hebe 
ich folgende hier hervor: 

1. Als die Capitula de partibus Saxoniae erlassen 
wurden, waren in Sachsen erst eben die Heidentempel 
gebrochen, und König Karl konnte daher, indem er die Rechte 
der christlichen Kirchen bestimmte, die neu gegründet wurdcD, 
im Gapitel 1 der Capitula erklären: 
:„ut ecclesiae Christi, quomodo construuntnr in 
Saxonia, et Deo sacratae sunt, non minorem habeant 
honorem sed majoren» quam fana habuissent ido* 
lorum'^ 
Nachdem Jahre lang die fränkische Herrschaft über Sachsen, 
wenn auch mit einzelnen Unterbrechungen, bestanden hatte, und 
die Heere Karls von 772 bis 785 in allen Richtungen das Land 
durchzogen waren, mufsten nach der Art des ganzen Auftretens 
des Königs in Sachsen und Friesland längst die Tempel des Lan- 
des zerstört sein. Es wäre eine seltsame Ausdrucksweise eines 
von König Karl im Jahre 785 erlassenen Gesetzes, wenn er da- 
mals, nachdem seit Jahren in Sachsen Kirchen erbaut waren, ver- 
ordnet hätte: Kirchen, die jetzt erbaut werden, sollen die Rechte 
geniefsen, welche die Heidentempel hatten. 



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181 

Es fehlt nicht an einselnen ErwXhnaDgen fiber Zerstdrnng. 
der Heidentempel durch Karls Heere; es wird eraXhlt, wie sie 
Tempel lerstSren nnd niederbrennen, wie sogar die christlichen 
MissionSre es thnn, and wie den Tempeln ihre Schätze genommen 
werden. Ich führe folgende Beispiele an: 

a) Oleich im Jahre 772 beginnt König Karl den sächsischen 
Krieg mit einer systematischen Zerstörong eines sächsischen Na* 
tionalheiligthnms nnfem Driebnrg, der Irmin-säule. Die Annalen 
berichten uns, wie die Irmin-sul, ein gewaltiger Baumstamm 
Gytruneus ligni non parvae magnitndinis^'), den die Sachsen hoch 
▼erehrten, umgestflrst wird („idolnm eyertitur'^); wie der heilige 
Hain (y^lucns^^), in dem das Heiligthnm steht, mit seinem Tempel 
Oytemplum'^ aerstSrt wird (,,eyertitnr''; ^^subvertitur^', ,yde- 
stmitnr^', y,comburitur'Oi wie das Zerstörungswerk drei Tage 
dauert^), nnd das dort ForgeAindene Gold nnd Silber wegge- 
sehleppt wird*). 

b) Im Jahre 776 schickte Alberich, der als Presbyter bis 777 
in Utrecht die bischöflichen Functionen yer waltete, den Liudger 
mit anderen Geistlichen nach Friesiand (östlich vom 
Lanbaeh): ,,nt destruerent fana deorum, et varias culturas 
idolomm in gente Fresonum'^ Sie vollzogen den Befehl und 
brachten darauf an Alberich einen grofsen Schatz, den sie 
in den zerstörten Tempeln gefunden hatten; König Karl 
nahm von diesem zwei Drittel; und Uberliefs das dritte Drittel dem 
Alberich; um es für seine Zwecke zu verwenden'). 

>) Annal. Einhardi a. 772 : ^in ci^us (i. e. „idoli") destructione onm in 
eodem loeo per triduum moraretur.'^ PerU Scr. 1 p. 151. 

*) VgL die oben S. 130 abgedruckten Stellen. Zu der Vermuthung von 
J. Grimm Mythologie p. 106: „der Gold- und SUberschatx, dessen sich 
Karl da bem&efadgt habe, mag sagenhafte Ausschmückung sein^, sehe ich 
keine Berechtigung, Tgl. die folgende Note. 

*) Ueber die Sendung des Liudger vgl. oben S. 161 Note; hinsichtlich 
des Sehatsefl lauten die Worte der Vita Liudgeri I. c. 14: „at iUi jussa (AI- 
herici) eomplentes, attulerunt magnum thesaurum ei, quem in de- 
lubris inrenerant; ex quo Karolus imperator duas partes ac- 
eepit, tertiam toto partem ad usus suos Albricum redpere praecepif 
Peru 2 p. 408. Srftsamer Weise bemerkt Abel Jahrb. 1 p. 221 : „Der König 



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1«2 

d} Als nms Jahr 777 Willebad ans Doclmin im MeaiteheB 
Asterga, wo er als Pfarrer angestellt gewesen war (vgl. oben 8. 166 
und 16t), nach einem mifthingenen Vemioli im benachbarten Friea- 
land östlich vom Lanbach die Heiden an bekdufen, in die an 
Friesland grenzende Thrian't'a (d. i. die Drente bei GhroniogMi)' 
gegang^i' war, nhd hier mit Erfolg prbdigte, Ue(aen sieh aeine 
Schüler VeHiiiten die Tempel, die daselbst noeb «berall 
nach 'dittd der Heiden standen, %u serstdren (y,faiia 
in morem gentilinm circumqnaqne erectacoepissent ever- 
tere et ad nihilum, prout potetant, redigere^ Vita Wille&adi 1 e. 4). 
Die darüber empörte Blevölkerang stürzte mit den Waffen in der 
Hand knf Willehad und die Seinen; sie mubten sofort ans deai 
Lande lti«Aen und entgingen nnr durch ein^n glttckliehen Znflül. 
dem Tide, tgt; oben 8i 168. 

d) In ^ftte^er Zeit, wohl üaoh dem Jahre 787, fahr Lindger, 
dem damals in kirchlicher Hinsicht die friesischen Gaue der Pro* 
vinz äronürgen lind die des festlichen Ostfriesland von Edhig Karl 
ttbergeben waren; auf dessen GreheUs nach der entlegenen nord- 
friesischen Insel Helgoland hinüber, „qnae a nomine dei ni faM 
Fosetet'appeDflta est Foseteslant^, dnd „destrixerunt bmnia 

macht hier von' einem ihm 'zustehenden Rechte "Gebrauch . •; das Eij^ea- 
thumsreidii am Schatee itand dem König zu, da e» ein herrenlosea Gut war« 
vgl. Waite;4 p.l.lö." Die .^tirte Stelle vonWaitz besagt: „Herrenloses G|iit 
wird (in der £arolingerzeit) entsprechend den Chrundsätzen des BOmischen 
Rechts, als dem König angehörig betrachtet''. Das Auflallende ist doeh 
aber, dafs König Karl das €hit des heidnischen Tempels ak herrenloses be- 
trachtet, 'tt*d nicht ^e er herrenloees' Gut im AEgebeincm behmtfdelt; in 
letzter Beziehung wendet er da« auch> lionst bei* heironloaBn Sachen* gelfeeiMie 
Recht an> vgl. «Sachsenspiegel II, 37 |. S: bei gctfiibdenernfGoi, zu dem sich 
binnen 6 Wochen nach erfolgter Aufkündigung kein EigenihSiner meldet,! 
„nimt de riehtere twene dde, nnde jene (d. i. der Finder) behalt den diidden 
deil**. Bei in der Erde vergrabenem Gut bestimmt Capitel 2 addit. ad Gb^». 
gener. a.'789f'^7)s'thesau>i<o, quod n^tus terra inoetUtut^: (si) mventua 
fuerit in terra ecclesiarum, tertia ad partem eptscopi revocetur" Perta fLeg. 1 
p. 69, vgK Sachsp. 1> 35 1. 1 1 „al eekat under der erdehegreBoen deperdea 
ein pluch ga» die hört io der konipUken gewalf^^ wo es bestritten ist, oba 
nicht ein Bergwerkschati gemeint ist» rgi die dtato in Homeyers Baehseiiip. 
p. 192. 



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1«! 

ejii0d«iii FMetii fana, qiiae illic fnere coBStrncta^ et 
l>ro: eis iBEbrieavernnt eoclesiad^' Vita Lindgeri 1 e. 19, ygl. oben 
8. 16&. -Berdts vor 4elh Jahre 714^), za einer Zeit ala die frkn- 
klBdiB'HeiTioliafi nooh nicht Ober die Znidenee vorgedningen 
wa^ faattepWillibjrovd (geet. 739) Tergeblich Helgoland besacht; 
seine Ton dam Im Jahre 804 verstorbenen Alknin rerfafste Leliens- 
beapbreibltng aratiilt: ^^pervenit (S. Willibrordns) in confinio Fbre- 
sonnm et Danomm ad qnandam insulam, qnae a qnodam 
deo ano Posite ab aecolis terrae Fositeslant appellatar, 
qnia in ea ejusdem dei fana fnere eonstrncta.'' Habillon 
Aeta Sand ord. 8. Bened. Saec. III. P. 1 p. 609. 

üebesall wurden nach diesen Angaben unmittelbar mit ^em 
▼ordringen der fränkischen Herrschaft die Heidentempel zerstört^); 
dftfli im Jahre 785 ii» Sachsen zwischen Rhein and Elbe noch irgend 

^y VgL Betiberg Deutsche Eirchengreseb. 2 p. 520. 

*) la denelbea Weoßt wie unter £. Karl wiur man ancli unter seinen 
Yotgäagem verfaliren. Als > Karl Martell 734 an der Grenze des West- und 
Ostgaaes den Fürsten der Friesen Poppe besiegt und die betätige boU&n" 
discbe ProTinz Friesland unterworfen hatte, sagt Fredegarii cont.: „fana" 
eoram idolatriae contririt atqae combussit igne^, und die Annales Lan- 
rise., ladem sie beim Jahre 729 den 8ieg Karl Martells verzeichnen: „lucos 
et fana subvertit^, vgl. ofben 8. 157. Von Bonifaoius erzUilt' dessen Vita 
cap. 35, dals er im Jahre 755 in Friesland „eodesias, n um ine eonfracto 
delubr'orum, ingenti studio fabricavit", vgL oben S. 156; ebenso war 
Bonifacius ums Jahr 725 in Hessen verfahren nach Vita Bonif. c. 2^ in Porte 
Scr. 2 p. 343, indem er die Donar-eiche bei Geismar (unfern Fritzlar) fällte 
and ein Betbaus ans ihr erbaute, das er dem heil. Petrus weihte, ^vgl. Grimm 
M^elegie p, 62. 155. und Bettbdrg Kircheiigesch. 1 p. 344 (der «her irr- 
thandijdi «robur Jovis^ durch Wuotans-eiche übersetzt). Bereits WiUibrord 
hatte nach der freiücberst von A^^uin (gest.. 804) verfalistep Vit^/V^illit>rQrdi 
cap. 14, auf der Mesischen noch nicht dem fränkischen Reich unterworfenen 
• Insel Walehem (in der holländischen Provinz Zeeland) die Zerstörung eines 
beMbiis<2beii Heiligthumes versucht: ^pervenit (nach 696, vgl. Rettberg 2 
p. 51'9) ad qutmdam induUnn oeeoni WalaCVurn in qua antiqui erroris 
idelum remanSii, ad 4vod ' Statute tempore omnis'congregabatur poptilus, 
illa4 dolens «nmma ttoerätione; quod cum dönfringere niteretnr' ae 
nomen delere de suboaelo, praesente ejusdem eustode; Ule quasi dei sni 
ii^Jinriam viadiearet, gladie saeerdotis pereussit caput, sed nuUam ez ictu 
ferientu laesuram incurrit.'' Mabilloa Acta SS. III. P. 1 p.611. 



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184 

welche vorhanden gewesen wSren, ist in hohem Qrade nnwahr- 
Bcheinlich; noch weniger aber kann ich ea llir mQglidi halte, 
dafs Onig Karl noch damals die Uebertragong der den aXehai- 
schen Tempeln zustehenden Rechte anf die sn erriehlenden Rhrdiaii 
decretirt haben sollte, selbst wenn wirklich in irg^id einem Winkel 
des Landes noch ein einselner alter Tempel gestanden hätte, der 
den seit etwa zehn Jahren fortgesetsten ZerstOmngsbestrebnngeD 
der Franken entgangen war^). 

Ein Blick auf das, was wir von der Stellung und den Rechten 
der heidnischen Tempel wissen, bestätigt aber, dab die Bestim- 
mungen, die König Karl in den Capitulis de partibus Saxoniae 
c. 2 und 3 über die Rechte der Kirchen mit der Erklärung aufstellt, 
dafs die Kirchen keine geringere, sondern grOfsere „Ehre^' jus 
die Tempel geniefsen sollen, wirklieh grofsentheils aus dem älteren 
Recht geschöpft sind. Die beiden Oapitel lauten: 

Cap. 2: „Si qnis confugia fecerit in ecclesiam, nullus eum 
de ecclesia per yiolentiam expellere praesumat, sed pacem habeat 
usque dum ad placitum praesentetur, et propter honorem Del 
sanctorumque ecclesiae ipsius reyerentiam concedatur ei yita et 
omnia membra, emendat autem causam in quantum potuerit et ei 
fuerit judicatum, et sie ducatur ad praesentiam domini regis, et 
ipse eum mittat ubi dementiae ipsius placuerit'^ 

Cap. 3: „Si quis ecclesiam per yiolentiam intrayerit, et in 
ea per yim yel furtu aliquid abstulerit, yel ipsam ecclesiam igne 
cremayerit, morte moriatur^'. 

Die erste Stelle bestimmt: dafs wer sich in eine Kirche flüchtet 
(ohne yerurtheilt zu sein), in ihr Schutz geniefsen soll bis er yor 
Oericht gestellt wird, und dafs dann eine ttber ihn erkannte Todes- 
strafe, wenn er die yorgeschriebene Bufse gezahlt hat, yom König 



^) Dafe in Niederdeutschland noch in riel sp&torer Zeit einzelne 1 
und Haine sich vorfanden » die eine aus dem Heidenthum stammende Ver- 
ehrung genossen, ist wesentlich davon verschieden; vgL z.B. Adam von Bremen 
in Gesta Hammab. ecclesiae II c. 46 : „Unwanus (st. 1029) omnes ritas pa- 
ganicos praecepit funditus amoveri, ita ut ex lueU, guos no9tri pakidicolae 
HuÜa revtrentia frequenktbarU, faceret ecclesias renovari.'* Perta Ser. 7 p. 323 
und Vita Meinwerci c. 17 Perts Scr. 11p. 114. 



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186 

in yerweimmg an einen ihm genehmen Ort ▼enrandelt werden 
soll. — Die sweite Stelle fügt hinzn: die Todewtrafe steht auf 
gewmMaamen Einbrach in eine Kirche, auf Diebstahl oder Raab 
an« ihr, sowie auf Ansttnden dersdben. 

Alknih (gebt 804) berichtet in der Lebenabeachreiboag 
des heiligen Willibrord ttber die Verehmng, welche der Tempel 
den Foaite anf dem friesischen Helgoland aar Zeit des Priesen- 
k9n^^ EddbM von den Heiden genob: Keiner wagte eine 
Sache, die sich dort befand, oder ein Stück Vieh, das dort 
wddete, lu berühren. Keiner aas der Qnelle, die dort ent- 
^rang, ander» als schweigend in schöpfen, wer das Heilig- 
thnm verletzte, den traf nach des KOnig Redbad wildem 
Sinn die graasamste Todesstrafe'). 

>) ViU WtDibrordi cap. 10: „Qui locus (FoBitesland) a pagants 
in tanta reneratione habebatar, ut nil in eo Tel animalium 
ibi paseentittm, rei aliarum quarumlibet remm, gentilimn 
qaisquam tangere audebat, nee etiam a fönte qui ibi ebul- 
liebat aquam haurire nisi tacens praesumebat. Quo eum vir Dei 
tempestate jaetatus est, mansit ibidem aliquot dies, . .; sed parvi pendens 
fttnltam loci illius religionem yel feroeissimum regia animnm, 

■ qni riolatores sacrorum illias atrooissima morte damnare 
solebai, tres hominea in eo Ibnte baptiaavit, sed et animalia in ea terra 
paseentia in eibaria suis mactare praeeepit. Quod fo^ani intnentes ar6t- 
trabantur eo$ vel in ßarorem verti, vel etiam ueloci morte perire*^ quos eum 
nil mali oemebant pati, stnpore perterriti, regi tarnen Badbodo quod yide- 
rant iaetnm retolerunt; qui nimio furore sneoensus, in aaeerdotem injariaa 
snornm deorum nlcisci cogitabat, et per tres dies sempw tribus vi- 
eibna sortes sno more mitkebat, et numqnam danmatonan Bon snper servurn 
Dei ant aliqnem ex suis cadere potnit; nee nisi unm tanhtm ex soeiia softe 
monatratos martyrio eoranaius est* Vocator rir sanctus ad regem, et multom 
ab eo est increpatus, qttare *ua saera violcMet et i9^uri€un deo «vo fecissei; 
etc.*' Kabülon a. a. 0. p. 609. Die mit Benutsung Ton Alknins Vita WilU- 
brordi geschriebene Vita Liudgeri von Altfirid (gest. 849) erwähnt I. eap. 19, 
daÜB Liudger in Helgoland: „baptisant habitatores in fönte qni ibi ebul- 
Uebat» in quo 9. Willibrordus prius honünes tres baptiaaferat, a quo etiam 

ßmU nemo prius kaurire aquam nisi tacens praesumsbat»'* Ports 2 p. 410. 
und no^ Adam ron Bremen en&hlt in seinen um 1076 Torfidsten Oestis 
eedesiae Hammab. IV. c 3: „ Benno est, piratas^ si quando praedam inds 
vel minimam tulerint, ant mo» periisse nanfragio ant oceisos ab aUquo, nnllnm 



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186 

fite Sats-am &ehl«f8^«r Lei; F<ri#ioaaiB^ in der «i»- 
ligen jetst Toneholteii«ii HaBdaehrift, die uns die Lex «rbattan 
hat und avs der wir sie durek Herolde Aiügabe kennen, sagt: 

„Dies jenseits de# Lanbaobs: W«r einen Tempel 
(£uMiBi) erbriebt und dort ^twas ven'den heiligen Sa- 
eben nimmt, wird ansMeer geführt, nndiin dem fiandei'den 
die Flntfa deerrMeeree beranan^ttlen ^egt, werden aeiBe> Obren 
aofgeechlitst/ er wird entmannt und geopfert dtdn GL5tteTai^ 
deren Tempel er Terletate"*). 

So fest ich Ubertengt bin, dafe dieser Bata (der nicht in^dev 
Sprache dee Oesetaes aaordilet was Beehtena aem soll, wenn Bimv 
die firiesiscben Heidentfenpel Terletlt,* sondern berichtet,. was iir 
solchem Fall geschieht) -nnmögtieh in einem das GhristenthMD 
scharf prononcirenden , von Karl dem Orofsen erlassenen Gesets 
gestanden haben kann, wofür ich nach ihrem positiven Inhalt die 
Additio Legis Frisionnm nm so anbedingter halten mnis, |e g^ 
naner ich sie durchforsche — , so bezweifelcich doch nicht, daik 
der Satz wifklich berichtet, was nach vorchristlichem Recht in 
Friesland bei Tempelvertetzungen geschah. Wie wir in der Spangen- 
bergschen Handschrift der Lex Saxonum Randglossen /sna einem 
spXteien Geseta ainnatörend in den Text eingeschoben fanden^ di^ 
ihr Copist ans 'seineih Original ' aufgenommen hatte, wo sie an 
Rande znr Erlänt^fmiig beige{)chHel)en waren, vgl. oben S. 8, so 



domum redÜMe incUmpnem; qaapropter solMii -h«reinitii ibi yiTeadbas de- 
cimms praedamm offerre enm maglia derodoBe.'' 

1) In HerokU Origimm Libri-p, 146 Uutol dar Sehlals der Lex Fri-. 
siomiin: „Hoe> ^r»ii8 L««ib»elii. Dt» iioiior» templonim. Tit*XL Paragraph 1. 
Qni fanum effregerii ei ibi aliquid de aaoris tulerii, dacitur 
ad mare, et in sabulo, qnod aoeessus maris eperire aolet, 
findnntnr aures ejus, et oastratnry et im^molator dii«- 4«6ruM - 
templa violayit.'' Die Worte jD9 bonore «en^ram. TitfXi. Pamgnipb l** 
halte idi nach den oben S. 52 gepAogfenen BfCrterungen für eine Ton Herold 
herrehrende UeberMfanil^ glaube dagegen, daCi er« die Worte »R^ tnaa 
Lanbaehi" ans feiner Handsehrift entnommen hat; sie sind auch mit anderer 
Behtift gedmokt ala diejenigen» die ieh als Uebersehrift beteiAhnet habe, 
nnd stehen abgesondert über diesen in einer besonderen Keile mit eineai 
Punkt an ihren Schhuse. 



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187 

ist hier an SeUiük der Lex Friiloniii in einer HndseMA eine 
Kotk 4«geMliri^n ttber dae, wa^ naeh frieeiseher Volksttber* 
liefemng iHr «inen ''IWpelBeUüiider Beehlene mirO« 

Die Stelle Alknins und der Zusatz anr Lex Frisionnm be- 
kimden das Becht. djor Tempel ii^ hei^nisehen Friesland. Die 
Yerehmng des Gottes, deqt der Tempel geweiht ist, bewirkt, data 
der Tempel nnd sdn Umkreis nnr mit heiligem Sdmoer betreten 
werden darf. Keine dem Tempel gehörenden Gegenstände, kein 
Vieh,, das dort weidet, darf berührt werden, a^s dem heiligen 
Wasser, das dort quillt, darf , nnr schweigend geschöpil^ werden. 
Wer dies ttb^ertritt, den trifft die Todesstrafe, nnd wenn er den 
Tempel erlnraeh, wenn er heilige Gegenstände des Gottes ent- 
wendete; so ist es die härteste Todesstrafe*): dem Tempelschänder 
werden die. Ohren geschlitzt, er , wird entmannt, wird dem Gotte 
geopfert, dessen Tempel er schändete '). 

DetiMÜirtere Bilder gewähren die nordiaehen AnCseichnuigea 
für Korwegen nnd Island: der Tempel nnd sen Umkreis darf tos 
keinem Bewaflheten betreten nnd in keiner Weise vernnreinigt 
werden; kein Menschenblat darf dort vergossen, kein Thier ge- 
tödtotwerden; die Stätte ist, eine heilige Stätte (»helgi-staär*'), 
eine Friedens-stätte („griäa-stacb:% Nur darin, weichen dia 
nordischeil Beriehte von den norddeutschen ab, daii in ihnen der 
Tempelschänder als todes würdig erscheint, der der Strafe des 
Gqttes nach seinem Tode verfallen ist, der den Tempel sofort zu 
verlassen hat, d^ friedlos u|id landes^Uchtig wird — | fm dem 
aber meht unmittelbar die Todesstrafe voUiogeo werden mnia^). — 

*) Vgl. meine Fote 68 sur Lex Fmionimi in Menimu Ckrm. Leg. 3 
p, «9g. ..... ;. 

*) yyVioUtores sttcronm kxkroe imim m mmrU dAmaeto ■• fe be f ^Tgt eken 
8. 186 I^oto. 1. . > . ; 
. «> VgL oben 8. 186 Note 1. 

^ AvB dem wasKoarft^KaiireriB seiücmlahrmohenBiieli: DieBe- 
kekhmg des Nonregitchea Steames lum Chtistenthum. 1866. 2 p. 906, ge- 
ummelt bet, Akkre ich an: Die Frid{>ioftsaga e. 1 en&Ut, „su Baldrs- 
kagi war ein grida-ttadr (d. i. eine MedenMtifete) und «in grofser 
Tempel ..; da wwde ron den Heidenleaien so groiwr Eifer bewietea» 
dafi dort fUekU (mehädigi vmdm 9oUte, weder Vieh wek Mmm^kmi; da 



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188 

Es ist bier, wie in anderen Punkten, das llteste uns fiberlieferte 
nordische Reeht ein milderes , als das Xlteste nns bekannte 6ie- 
sische, nnd aamal als das „grausame^ altsSiehsisehe Recht 

sollten auch Männer und Weiber nichts mit einander zu thun haben." Das 
Landnamabok IV c. 6 berichtet, dats {»orhaddr der Alte, welcher Hof-g^odi 
SV H&ri in Throndheim gewesen war, ab er nach Island auswanderte, 
den Tempel abbrach und iiy Island am Stfidrar-^Ordr neu errichtete: »und 
er legte auf den ganzen Meerbusen die M&rina-helgi (d.i. die Hellig- 
keit von M&ri), und liejs da nichts tödten als das eigene HausTieh.'^ Maurer 
2 p. 206. Die Eyrbyggjasaga (aus der der kürzere Bericht des Landnama- 
bokes II. c. 12 gröfstentheils geschöpft ist) erz&hlt cap. 4 u.folg., dafs Thorolf 
aus der Insel Mostr bei Sfldhfirdaland in Konregen wegen des SLSnig Harald 
nach Island übersiedelte > auf Geheifs des Thor, den er bei einem gro&ea 
Opfer Torher darüber befragt hatte. Thorolf brach den Tempel des Thor 
ab, nahm dessen Holz und die Erde der Stelle, auf welcher Thor gesessen 
hatte, mit, und baute den Tempel wieder an einer Bucht Islands auf, in 
der die mit dem BOde Thors versehenen Pfosten seines Hochsitses, die er 
über Bord geworfen hatte, antrieben. Thorolf nannte das Yorgebiige, auf 
dem der neue Tempel stand, (ors-nes: „auf ihm ist ein Berg, dem Thorolf 
so grofse Verehrung zuwendete, dafs Niemand ihn ungewaschen ansehen 
durfte, und nichts sollte man auf dem Berge tödten, weder Vieh noch Men* 
sehen. Diesen Berg nannte er Helga -feil (d. i. Heiligen- borg), und glaubte, 
dafs er selbst dahin fahren würde, wenn er stürbe, und alle seine Freunde. 
Auf der Spitae des Vorgebirges Uels er alle Gerichte halten, und seitis da 
ein Hera&s»pmg ein; da war auch .e£n so gro/ser Helgi- stadr (Friedens- 
B&tte), dafs er den Boden da in keiner Weise wollte verunreinigen lassen, 
weder mit im Zorn vergossenem Blute, noch durch Verrichtung der Noth- 
durft.** Maurer Beitr. zur Rechtsgesch. des Nordens. 1852. 1 p. 215 und 
Bek. 2 p. 206. In der Vatnsdölasaga c. 17: ^Ingimund sprach: es Ui nicht 
Sitfe Waffen in den Tempel mitzubringen, und Du wirst den Zorn der 
OcUer erfahren^ wenn nicht Bufsen erlegt werden,^ Maurer Bek. 1 p. 292. 
In der Egilssaga Skallagrimssonar c. 49 heifst es bei Gelegenheit eines 
FrfllilnigBopfers bei dem Hanpttempel in Gaular: „dfo Leute darin 
toaren aber alle wafferUos, denn da war Hofs-helgi** (Tempdfiriede) 
Maurer 1 p. 292. 2 p. 207; und ebendas.: ^Byvindr hatte im Tempel 
einen Todtsehtag begangen, und er war Wolf geworden und mufste sofort sich 
wegmachen,^ Manrer 2 p. 207. In der Vigaglumssaga e. 19 : „er konnte aber 
nieht daheim sein wegen der Heiligkeit des Ortes, . . darum aber sollten 
geoehtets Leute nieht da sein, weil Frsgr es nicht duldete, welcher den 
Tempel besafs." Maurer 2 p. 207. Die Njalssaga e. 89 ers&Ut» wie Hrappe 
einen Tempel tmziindete, der dem Gudbrandr und Haken jarl gehörte, die 



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189 

Fragt et «ich Baby in welcher W^se Karl der Grobe das 
Becfat der aileheiBchen H^dentemper doroh die Capitol« de par- 
tilma Saxoniae aaf die christlicheD Kirchen übertragen bat, ao 
^mmt die Todesstrafe , welche nach Gapitel 3 anf gewaltsamen 
Einbrach, Beraabung and Anzünden einer Kirche erfolgen aoll| 
so genau mit dem altfriesischen Recht der heidnischen Tempel 
ttberein, dafs ich sie für ans dem älteren Recht entnommen halten 
mnfs; anders dagegen steht es mit den Bestimmnngen des Ga- 
pitel 2 über das sogenannte Asylrecht der Kirchen^). 

DaCs ans den altsächsiscben heidnischen Tempeln and deren 
Umkreise Verbrecher nicht gewaltsam ron ihren Verfolgem weg* 
geschleppt werden durften, wird man berechtigt sein aniunehmen, 
da wir aus dem den Sachsen nahe verwandten Friesland wissen, 
dafs dort in den geheiligten Stätten Stille und Schweigen waltete, 
sie nicht durch in ihnen vergossenes Blut entweiht werden darften, 
und aus dem Norden, dessen Tempelcaltus in den angeführten 
Ponkten mit dem friesischen völlig übereinstimmte, mehrfach aus- 
drücklich bezeugt ist, dafs es nicht gestattet war, mit Waffen das 
Heiligthum su betreten*). Einen Zufluchtsort, der gegen Ver- 
folger geschützt hätte, bot aber der heidnische Tempel dem 

GOtterbflcler aber herauswarf; der Jarl sagt: y^dit GötUr rächen nicht AiUs 
9ogUich, der Mann, der das gethan hai, wird weggewieeen werden aM 
Walhöil and nie dahin kommen*" Maurer 2 p. 92 und 208, und ULfst den 
Verbrecher eifrigst yerfolgen. In Island beseiehnet der Gode ]>orgrimr, aU 
Bui einen Tempel verbrannt hat, dies als ein beispielloses Verbrechen, ein 
odima-Terk, das ibm f&r schlimmer gilt als die gleichseitig erfolgte TSd« 
tnag seines eigenen Sohnes; die Pflegemutter des Bui erkÜLrt es ttr ein 
todeewürdigee Verbrechen (^dauda-Terk""), und König Harald Harfagr sagt 
sum Verbrecher: „ darum Bui, dafs Du das nidingsverk begmgst, und unsere 
Qetter im Hause rerbranntest, die allen Menschen lu ehren siemt, dafür 
hatte ich Dich iödten laseen, wenn Du Dich nicht in meine Gewalt begeben 
hätten.'^ Maurer 2 p. 208, mit Verweisung auf die Kjabesingasaga e* 5. 

VgL Grimm Bechtsalterthftmer p. 886, Ganpp Recht der alten 
Sachsen p. 129, Dann das Asylrecht in Zeitschr. f&r deutsches Reckt 3 
p. 337, Wilda Btrafreeht p. 243. 261. 637, Rettherg Kirchengesck. 2 
p. 412. 746, Walter Deutsdke Rechtegesdi. §. 706 Note 5 und Waiti 
Dmtsche Ver£ 2 p. 596. 4 p. 428. 

*) Vgl. oben S. 188. Note. 



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190 

Yerbreober BMit^Y keine Sliete Quelle deitet darauf Un, dals 
er ein Asyl' gewesen sei, und die angeführten Anfceioiinililgeii 
ane den Karden beriehten speeiell, daft daa Heiligthum verlaaMo 
Bufete, wer ee verletat hatte, da man glaubte, es wttrde dmA 
■eine Anwesenheit verunreinigt*). 

<) C^rimm R^ohtaaltertlL p. 886 ondDami p. 334 nehMen vk, daU 
die heidnUchen Tempel bereits ein Asylreoht hatten; WiLda p. 540 .da- 
g^gen, „dafs das Asylrecht nicht gennamschen Ursprunges ist''; und Bett- 
berg 2 p. 746 meint wieder : i, das Asylrecht war eine Folge des Kirchen- 
friedens, sofern die gewaltsame EntAihrung des dahin Geflficfateten als eine 
y«rlet2img deftielben erseUen«'' 

>) Vgl. ob«! S. 18$ Note. Die heidniaclieii Frieaen, Ang eb achae a 
und Hessen waren des Glaubens, dals die Strafe des Gettos sofort den 
treffe, der sein Heiligthum verletzte, und christliche Bekehrer konnton daher 
bei Zerstörung der Heiligthümer das Ausbleiben der Strafe als ein Zeichen 
der Machtlosigkeit der heidnischen Götter gehend machen ; der norwegisdie 
Jarl'in der obea S. 189 aagefthrton Saga wei£i, dab die.GMtor nieh» Alke 
sofort slrafen, den Verbrecher aber nach seinem Tode picht in WalhöU auf- 
nehmen. Vgl« wie nach Alkuins Erzählung die Friesen erwarto|en,..dala 
Wülibrord, der auf Helgoland in der heiligen Quelle des Foseto taufte und 
dessen Vieh schlachton liels, in Baserei verfallen und plötzlichen' Todes 
Btorben mflsse, und als kein Uebel über ihn hereinbrach, dies staunend vnd 
von Schrecken erfüllt ihrem König Bedbad meldeton, vgL oben S. 186 
Noto 1. Nach Adam von Bremen herrsdito noch im elfUn Jahrhimderi der 
Velksglanbe, Seerftaber, die auf Helgoland raabton, wflrdön von den Wellen 
TeneUongea oder vor ihrer Heimkehr getödtot. Als Wülibrord ein frieeiaolies 
Heiligthnm in Walohem an sentAren begann, vgl. oben S. 183, woUto der darftber 
erafimto Tenpelhater „dei sni iigoriam vindieare*' und schlag vergeblich mit 
dam Sahwerdto nach ihm; worauf Alkuin den Tempelhüter an Wahnaian 
sterben Ufet, indem er die Strafe auf ihn anwendet, die naeh deutsohheidni- 
sdier Vorstellung dem Wülibrord drohto (-.„oustos tarnen eodem die daeoM- 
niaoo spinlu arreptus est, et tertia die infelioitor miseram vitam finiviU*' Vita 
Wfllibr. 0. 14. Kabülon p. 611). Von dem angela&ohsiadieii Goifi, dem Haupt- 
priester des Königs Edwin,' der im Jahre 627 daa Christenthnm annahm, 
ersaUt Beda Hist. EocL H c. 13, dafs er beschlossen habe su Godmandham 
bei York „aras et fana idolorum cum septis quibns erant droomdata profamart 
et destmere^, mid: „aeeimekt$ pladio aceepit Umceam in manu, et osemdmu 
0mi$$arium repis perpgbat ad idola (d. i. bewaffnet betrat er gegen das gel- 
tottde Keekt das Heüigftknm), Quod aspieieDs vulgns, aestimabat eun insanire. 
Neo distolit iUe, mox ut prapiabat ad fammt, profanare illmd imfecim im «e 
iancea quam tonebat; multumque gavisus est de agnidone veri Dei cditns, jussit 



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191 

Di» Idee, dafr ^ beiUge Btlltte, die ui» «m CtotiM will«ii, 
dam Biß geweiht was, eine» ^hOhton Beo^iaadiaU . o4er Friedon 
g^nolky, und deswegea. eine Friedensstätte .hieb, aneh dem 
YerbFecfaer^ der sa ihr flttchietey einen SohntE. gewähre ^ ist eral 
dwroh die iduristliehe Eireke^ die fliieb d»hei durch altjtldigche nnd 
uilfke tV^reteUangen von Aeylen ') leitou liefB, in d«e germanisehe 
Becbt eingefUirty und hat dann, durch Verbindiing mit den in ihn 
vorgefiindeaen Bestimmnagen über Frieden leine epätere eigen-* 
thttmlicbe Gestalt gewonnen.. 

Bereits im Jahre 611 erkUrte die unter König Cblodewig 
abgehaltene erste Kirohenversamminng in Orleana^dafs ee nicht 
gestattet sein solle, flüchtige Mörder, Bhebrechec.und Diebe aas 
der ümgebang der Kirchen und den Wohnungen .der BiaehöfiB 
wegaqBohleppen; der Verletste solle seine. Bube erhalten, sieh 
aber eidlich verfliohten, dafii der. Verbrecher dann von ihm yok 
Tödtong Körperverletzung und anderer Strafe sicher sei*). Wenn 
Franenriiober mit der geraubten Frau in eine Kirche fliehen, soll 
die Geraubte aua der. Macht der Räuber entfernt, dem Räuber aber, 
indem er sich in Unfreiheit ergiebt oder loskauft, Befreiung von 
der ihm drohenden Todesstrafe au Theil werdep'); Sklaven aber, 

aoeiis dostruere $c $ueeender€ fanum cum omaibiu aeptis snie.'' Als es dMa 
Bonifadttfl möglich war, die Donarei^he bei Geismar su fiUlen, bekehites 
sich die Hessen, TgL ViU Bonif. c. 22 Perto 2 p. 344. 

^} Vgl. D^nn Aaylreoht p..3d0 — 336, ufld übe* die Verordimgen der 
Kaiser Theodosius de» Aelterea yoii 396, Theodosins d^ Jfti^ren, Leo und 
Jiutiiuaa : ibid. p. 337 — 339. 

*) Goneil. Anrelian. JL a.511 ean. 1: ,»De bomieidis, adulteris et 
furibus, si ad ecclesiam oonfugerint, id constituimns obeenran- 
dam, guod eedesiastiei eanones decreTenint ei lern Romana comtitmi: ut 
ab eeelesiae atriis vel domo episeopi eos absirahi omnino noa 
lieeai, ued aec abter {„altert^) eonsignari^ ni«i ad evangelia datia 
saeraaentis« de morte, de debilitate et omni poenarum ge- 
nere sint seeari, ita ut ei, cui reus faerit criminosus» de 
Siatisfactione conveniat." Hansi ConciL VIII p. 350. Der Gmoa ist 
ezeerp. im Beeret. Qratiani als a 36. XVII q. 4. 

9) Comc. AureL L e. 2 : ^De ttkpt#ribu8 aatem id fnatediendma esse ooi* 
sniniis, ut si adecelesiam rapter cnmrapta confngerit, etfaemina» 
ipsam violentiaat pertuUsse ooastiteiat, stetim Ubearetar de petestaie raptoris, 



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192 

die wegen eines Verbrediens In eine Kirche fliehen, Bollen sofort 
ihrem Herrn zurückgegeben werden, wenn er eidlich ihnen Straf- 
losigkeit snsichert ^). — Spftter, im Jahre 541, beschlofs die vierte 
Kirchenversammlnng von Orleans, dafs, wer einen Verbrecher, der 
sich in die Umgebung einer Kirche gefluchtet hat, ohne Erlaub- 
nifs des Vorstehers der Kirche ^ mit Gewalt oder List von dort 
entfernt, von der Kirche ausgeschlossen sein soll, bis er den Zu- 
tritt in ihr durch Bnfse wiedererlangt, nachdem vorher der Ver- 
brecher der Kirche Eurttckgegeben ist'). 

Die fränkische Reichsgesetzgebnng unterscheidet, indem aie 
unter dem Einflnfs der Satsüngen der Kirche ihre Bestimmungen 
erlMfst, zwischen zum Tode vernrtheilten Verbrechern^ die in eine 
Kirche fliehen, und solchen, die es thun, ohne dafs gegen aie 
ein gerichtliches Erkenntnifs erfolgt ist; den letzteren soll in der 
Kirche ein sie schützender Zufluchtsort gegen ihre Verfolger ge- 
währt sein, bis sie vor Oericht gestellt sind, die ersteren dagegen 
sollen nicht aufgenommen werden, und wenn sie ohne Erlaubnifs 
eingedrungen sind, keine Speise erhalten, so dafs sie die gehei* 

et raptor, mortis yel poenarum impunitate concessa, aut ser- 
Tiendi conditioni subjectus Bit, aut redimendi, si liberam 
habeat facultatem. Si vero quae rapitur patrem habere constiterit, et 
piiella raptori aat rapienda aut rapta oonsenserit, potestati patris excasata 
reddatur, et raptor a patre superioris eonditionia satisfactione obnozioa." 
Mansi 8 p. 361. Ezcerp. im Decret. Grat. 36 q. 1 de raptoribas. 

^) Goneil. Aurel. I. can. S: „Servus qui ad ecclesiam pro qua- 
Itbet culpa eonfugerit, si a domino pro admissa culpa saera- 
menta susceperit, statim ad serritiamdomini sui redire cogatur, etc.*' 
Mansi 8 p. 351. Das Coneil. Aurelian. V. vom Jabre 549 beschliefst in Canon 22: 
„De servo vero, qui pro qualibet culpa ad ecclesiae septa 
eonfugerity id statuimns obserrandum, ut, sicut in antiquis constitatio- 
niboB ienetur scriptum, pro concessa culpa datis a domino sacramentis, qnis- 
quis ille fnerit, egrediatur de venia jam securus, etc." Mansi 9 p. 134. 

*) Ckmcil. Aurel. IV. a. 541 can. 21: ^8i quis neeessitatis impubu ad 
'ecclesiae septa confugerit, et, saoerdote vel praeposito eodesiae 
praetermisso aique oontempto, eum quisque de locis saeris vel 
atriis, seu vi seu dolo abstrahere aut solioitare fort^sse prae- 
Bumpserit, nt inimicus ecclesiae ab ejus liminibus arceatur, quousque juzta 
pontificiB diatriotionem dig^a per indictam poenitentiam emendatio subsequa- 
tar; eo tarnen qui abetractns est prius ecclesiae restitnto." Mansi 9 p. 117* 



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198 

ligten Blnine bald wieder verlMsen mtiMeii. Ein Decret des König 
Childebert von 596 verordnet in Oapitel 4, dafs Franenranb, der 
ohne EinwiU^plng der Geraubten geaehehen ist, mit dem Tode 
bestraft werden und bedient aieh dabei der Worte: „judex ipanm 
rmpiarem oeeidai; et si ad eceMam ctm/u^m /ecerii, reddendus 
ab epucopo, abeqne nlla praeeatione exinde eeparetnr.* Ports Leg, 1 
p. 9; das Oesets bat den Fall im Ange, wo der ans der Rirehe 
anssnliefemde FranenrXaber bereits venirtheUt ist, da nach den 
angefllhrten Worten desselben der Judex die Todesstrafe an ihm 
SU Tollsiehen hat^). Oans klar spricht K. Karl im Capitnlare von 
779 ta^. 8 es ans, dals sum Tode Temrtheilte Verbrecher in der 
KIrehe keinen Sehnts finden sollen^ wMhrend er in den Gapitulis 
quae in lege 8a|iea mittenda sunt vom Jahre 803 cap. 3 erklärt, 
da(s Solehen, die noch nicht geriohtlieh vemrtheilt sind, in der 
Kirche eine Zuflnchtsstütte gewi&hrt werden soll, bis sie vor 6e- 
rieht gestellt sind^). 

In vollkommener üebereinstimmung hiermit verordnet nnn 
K5Big Karl fllr Sachsen im Capitel 2 der Gapitnla de par- 
tibus Saxoniae, dafs noch nicht verurtheite Verbrecher, 

■) Eia Beeretnm CUotlukehluii II (todi Jahre 695?) Cap. 6 Perts 1 p. 12 
ordnet nur den Sehnts, den das Atrinm eoelesiae gew&hren soll, ohne an- 
sngeben, oh sich dieser auch auf Temrtheilte Verbrecher erstrecken soll; 
TgL auch Lex Alam. 3, Lex Bi^. I, 7, und Wilda Strafr. p. 542. 

*) Das Cap. a.779 c.8: „üt.homicidas aut caeteros reos, qui le- 
gibus mori debent, si ad ecclesiam confngerint, non excusentur 
mgite 4is ibidem viehu deturJ* Ports Leg. 1 p. S6; wofllr der Text der Chi- 
giüchen Handschrift und der ron La Cava (den Ports als officiell ftlr Lan- 
gobarden erlassen ansah, was de Yesme und Boretius nicht einräumen konnten) 
besagt: „De homicidis et ceteris malefactoribue , qui legibus aut pro pace 
&eienda marire debent, nemo eos ad exeusationem in ecclesia 
suA introire permittat; et si abeqne voluntate pastoris ibidem in- 
troierit, tmie ipso in ci^us ecclesia est, nulium victum ei donet nee 
alio dare permittat.'' PerU 1 p. 37. Die Capituk in leg. Sal. mitt a. 803 
c.3: „Si quis ad ecclesiam confugium fecerit, in atrio ipsius eo- 
elesiae paeem habeat, nee sit ei neeesse ecdesiam ingredere; et nullus 
enm inde per vim abstrahere praesumat; sed lieeat ei confi- 
teri, quod feoit, et inde per maaus bonorum hominnm ad diseus* 
sionem in publieo perduoatur." Ports 1 p. 113. 

13 



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194 

die Bioh in eine Kirche flüchten, in ihr einen Sehnts 
finden sollen, bis sie vor Gericht gestellt werden: 
„8i quis confngia feeerit in ecclesiam, nnllas enm de eeclesia per 
violentiam expellere praesnmat, sed paeem hahmü wqtie dum ad 
plaeUum praesenteiur.*^ Der König fügt aber dieser BestimmoBg 
die weitere hinsn, dafs an einem solchen flüchtigen Verbrecher, 
wenn er nachher vom Gericht zum Tode verurtheilt wird, die 
Strafe nicht zu vollziehen sei; vielmehr soll sein Leben nnd soIa 
Körper geschont werden znr Ehre Gottes und ans Ehrftircht vor 
den Heiligen der Kirche, in die er flttchtete; er soll Bnfiae zahle» 
nach dem gerichtlichen Erkenntnifs, soweit er*8 vermag, nnd soB 
dann dem König vorgeführt werden, damit dieser ihn anf dem 
Wege der Begnadigung an einen angemessenett Ort verweisen 
kann ^). Diese letzte eigenthttmliche Bestimmung, die im ttbrigen 
fränkischen Reich in dieser Weise nicht galt, ist speciell anf 
Sachsen berechnet, und steht in unmittelbarstem Einklang mit 
dem Capitel 14 der Capitula de part Sax., nach wachem bei allen 
Verbrechen, auf welche im sächsischen Recht eine Todesstrafe 
steht, diese nicht vollzogen werden soll, wenn das Verbrechen im 
Verborgenen begangen ist und der Thäter es einem Priester 
beichtet*). — Dafs eine Kirche Verbrechern, die zum Tode 
verurtheilt sind, einen Schutz gegen dis Rache ihrer Ver- 
folger gewährt, sagen die Capitula de partibus Saxo- 
niae in keiner Weise, und die spätere Lex Sazonnm 

1) Cap. de part. Sax. in cap. 2 : „et propter honorem Dei sanotomm^« 
eoeleBiae ipsins reverentiam, conoedatur ei vita et omnia membra, emenda* 
autem causam in quantum potaerit et ei Aierit jadieatnm ; et sie dncator ad 
praesenttam domini regis, et ipse eom mittat ubi clementiae ipsios placueril»' 

•) üeber das Cap. 10 des Capitulare Sazonicum von 797 Tgl. die folg. 
ParagT. Iiine Bestimmang, welche an die der Capitula de part. Sax. erinnert^ 
sich aber wesentlich ron ihr unterscheidet, erlAfst K. Karl im Capitulare von 
779 cap. 22: „Si quis pro faida pretium recipere non mit, tunc ad aos ait 
transmissus, et nos eum dirigamus ubi danmum minime facere possit ; simifi 
modo et qui pro faida pretium solrere noluerit, nee justitiam ezxnde faeere, 
in tali loco eum mittere volumus, ut pro eodem majus Himfimim non ereseal." 
Ports Leg. 1 p. 39, rgl. auch das. in cap. 12 Porte 1 p. 88 cKe Bestimmiug 
über das „Testimonium episcoporum.^ 



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196 

• 

emp. 96 erklärt aasdrUeklich und in voller üebereuistiminiuig 
mit den ttbrigen Geaetien Kmrb des Orolsen, daTs sie nir* 
geada Frieden haben, und ansgeiiefert werden sollen, 
wenn sie in eine Kirehe fliehen'). — Die in den Capi- 
tnlia^de pari Sax« für sehwere Kr&nknng einer Kirche 
dnroh in ihr begangene Verbrechen aufgestellte 
Todesstrafe, die, wie ich annehme, von den heidnischen Tem- 
peln auf die Kirchen übertragen ist, behält die Lex gaxo- 
nnm bei, führt aber andere Fälle einer solchen Kränkung an, 
als die Capitnla*). Während nämlich die Capitola in Gapitel 3: 
Einbruch, Raub, Diebstahl, Ansünden, mit Todesstrafe bedrohen, 
wenn sie in der Kirche begangen sind, nennt die Lex Saxonum 
eap. 21 in dieser Beziehung: Tödtung eines Menschen, Diebstahl, 
Einbruch, wissentlichen Meineid. Vergleichen wir die in beiden 
Oesetsen graannten Verbrechen, so erwähnen sie übereinstimmend 
als mit Todesstrafe bedroht: Einbruch und Diebstahl in 
eine Kirche (die Oapitula c 8: „si quis ecdesiam per violen« 
tiam intraverit, et in ea per vim vel furtn aliquid abstulerit*'; die 
Lex C.21: „qui in eodesia aliquid füraverit vel eam e£fregerit"). 
Die in den Capitnlis o« 3 für Anzünden einer Kirche er* 
wähnte Todesstrafe (:,,si quis ipsam ecdesiam igne cremaverit^), 
übergeht die Lex Sax. c. 21; es geschieht aber nur, weil sie in 
Capitel 38 allgemein für jedes absichtliche Anzünden eines Hauses 

<) Lex Sax. eap. 28: „Capitis damnatus nuBqnam habeat pa- 
com; si in eeelesiam eonfugerit, reddatar.^ Kein Grund ist an- 
Ennehmen, das Capitel der Lex enthalte eine Abänderung von dem in den 
Capttutia aufgesteUien Reeht; dies setst Toraus Bettberg Kirchengescb. 2 
p. 748 : „in den strengen Capttulis de part. Sax., wo die Politik es forderte 
das Asylreclit der christlichen Kirchen möglichst su erweitem, wird doch 
nur die gewaltsame Entftthmng untersagt, dem Flüchtigen Sicherheit ftlr 
Leben und Glieder versprochen, übrigens aber der Aufenthalt nur gestattet, 
bis er vor das reehtmA£iige Gericht gefilhrt werde. Als nach Beruhigung 
des Landes die Kirchen jener Empfehlung durch das Asylrecht nicht mehr 
bedurften, fiült jenes ZugestlndniÜB wieder weg; der cum Tode vemrtheilte 
Verbrecher soll nach der Lex Saxonum auch aus der Kirche ausgeliefert 
werden.«' 

*) Die Stellen beider GeseUe sind oben S. 117 neben einander ab- 
gedruckt. 

13* 



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• 

die Todesstrafe ausspricht (i^qai domnm alterins vel noeta vel 
interdia sno tantam consilio volens incenderit'')^. Die ib der 
Lex Saz. c.21 auf wissentlich in der Kirche geschwore- 
nen Meineid gesetxte Todesstrafe (:,qai in ecolesia sciens per- 
jarayerit*') ist^ wie ich glaube annehmen zu mttsseni im CapUei 33 
der Capitula de part. Sax. anerkannt) indem die Stelle besagt 
dab bei Meineiden das (bisherige) „sächsische Becht** gelten soll, 
welches offenbar die Todesstrafe für Meineid verhXngte, nachdem 
im vorangehenden Gapitel 32 verordnet ist| dab die Eide in 
Sachsen in der Kirche geschworen werden sollen'). Die Todea- 
strafci die in der Lex cap. 21 auf TlSdtnng eines Menschea 
in der Kirche gesetxt ist (:„qui in ecdesia hominem occiderit'') 
erwKhnen die Capitula de part Sax. nicht, es ist aber schwerlieh 
ansunehmen, dab in Sachsen diese Todesstrafe in der Zeit nach 
Pnblication der Capitula nicht gegolten hätte und erat durch die 
Lex Sax. eingeführt wäre, da die Capitula Todesstrafe auf Ent- 
weihung einer Kirche durch Diebstahl, Raub, Einbruch, Anattn- 
den verhängen, und wie oben S. 185 erörtert wurde, im heidni- 
schen Recht Vergiefisen von Blut im Tempel und dessen Umgebung^ 
fttr eine schwere Entweihung desselben galt, auf welche Todes- 
strafe stand*). Indem die Capitula in Capitel 1 prooüuniren, dab 

1) Darin, dab in dieser Weise im Capitel 21 der Lex Sax. nickt spe- 
ciell das AnzQnden einer Kirche erwähnt ist, liegt eine Bestätigung daför, 
dab wie oben 8. 118 ausgeführt wurde, die Lex aus den Capttulis BohSpft, nicht 
aber das nnngekehrte YerhäUnils swischen beiden Bechtsquellen statt findet. 

«) Vgl oben Sriig. 

>) In wie hohem Grade in Island eine Tödtung an einer Friedenastätte 
Ar Entweihung derselben galt» zeigt die Eyrbyggjasaga c 10 auf das eri- 
denteste, indem sie erzählt, wie ein Todtschlag erfolgte in dem Herada-ping» 
welches wie oben 8. 188 in der Note angeführt wurde, Thorolf nach Sr- 
baunng des Thorstempel auf pors-nes, der äubersten Landzunge des Helga- 
felis (d. i. des Heiligen-berges oder Friedens-berges), gegrandet hatte: „pordr 
erklärte in seinem Schiedsspruch, die Dingstätte sei durch das feindlioh 
Tergossene Blut, das sie benetzt habe, entweiht, und es sei jetst dies Land 
nicht mehr heiliger als jedes andere; die Schuld aber treffe diejenigen, die 
zuerst mit den Verletzungen begonnen hätten, denn das, erklärte er, sei der 
Friedensbruch; und er sagte, dafs dort fortan kein Ding mehr gehalten 
werden solle.*' Maurer Entst. des Island. Staats p. 217. 



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197 

die Kirchen „non minorem habeant honorem sed majorem et ex- 
eellentiorem, qnam fana habnisaent idolomm'', und zur weiteren 
Begründung dieses Satzes anführen, dafs anf Entweihung der 
Kirchen Todesstrafe steht, erwKhnen sie erlXntemd einzelne 
Verbrechen, die in der Kirche begangen, sie so entweihen, 
dafs den Thäter die Todesstrafe treffen soll; die Tödtong eines 
Menschen in der Kirche mögen sie dabei ttbeigehen, weil sie 
in ihr die schwerste Entweihung einer Kirche, wie eines Tempels 
sahen, nnd es für selbstverständlich hielten, dafs für diese unmit- 
telbar mit der üebertragang des Rechts der Tempel anf die 
Kirchen, die Todesstrafe eingeführt sei. 

Dafs König Karl, indem er in den Capitalis de pari Sax. in 
der angeführten Weise die Todesstrafe auf Entwcihnng einer Kirche 
durch in ihr verübte schwere Verbrechen setzte, sich nicht durch 
das im fränkischen Reich bei Kirchen geltende Recht hat können 
bestimmen lassen, da dies die genannten Verbrechen nicht mit 
dem Tode bestrafte, ergiebt der folgende Paragraph, der über die 
in den Gapitulis und in der Lex Saxonum enthaltenen Todesstrafen 
handelt Auch darin schliefst sich aber der den christlichen Kirchen 
gewährte Friede dem Frieden der heidnischen Tempel an, dafs 
er sich wie dieser auf einen gewissen Umkreis der heiligen Ge- 
bäude erstreckt Wie der germanische Haus -frieden nicht nur im 
Hause, sondern auch in dem das Hans umgebenden Hof- 
raume schützte, mochte dieser nun mit einem Zaun um- 
schlossen sein oder nicht ^), so auch der heidnische Tempel- 

>) Aaf den Hausfrieden besieht sieh Lex Sax. c. 27: „qni hominem 
propter fSüdam in prajn'ia domo oooiderit'', sowie Lex Thur. c. 50 (oder 
XI, 6): „qni alterum inira tepta propria occiderit"; vj^ Landfrieden ron 
1085: yfimnis domu», omnis area> pacem infra sepia wa habeat firmam; 
nnüns inradat, nnllns efiringai, nnllus infrapositos temere inquirere ant rio- 
lenter opprimere praesnmat; qni praesumpserit capite pleetatar. Si fbgiens 
aliqnia inimiciim, vd suum rel cigaslibet septum intraoerii, seoopis inibi sit; 
qni Tel hastam vel quidlibet armorum tätra $epem post eum immisent, 
mannm perdat.^ FerU Leg. 2 p. 58, nnd Landfrieden Ton 1103: „omnes 
bomines paeem habeant in domibu» et in quolibet aedificio, et in cnriis etiam 
it^a legitimaß areas domuum, quas hoTe-stete wigo voeamus, sire 
sint septae seu nuila «epe sint circumdatae.'' Perts Leg. 3 p. 61. 



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198 

frieden und der spStere Kirchenfrieden. Neben einem angel- 
sächsischen heidnischen Tempel erwähnt Beda als geheiligt des 
ihn umgebenden Geheges , der „«^pto quibus idola erant circnm- 
data", und das alte dänische Outalag neben dem Tempel des 
staf-garSr, d. i. des mit Pflihlen eingeschlossenen Raumes 0; die 
angeführten Beschlüsse der Kirchenversammlungen Ton Orleans 
schützen den flüchtigen Verbrecher innerhalb der yfSejUa ecdesiat^ 
oder im „Atrium eccksiae^*)] die Lex Frisionum XYII, 2 verhängt 
neunfaches Wergeid und neunfaches Fredum%fÜr den, „qui homi- 
nem occiderit in curte ducis, in eeclesia aut in atrio eceUaia^. 
König Chlothachar IL verordnet ums Jahr 595 ^ dafs das Atri/itm 
eeclesiae dem flüchtigen Verbrecher denselben Schutz gewähren 
soll, wie die EcclcMa, dals aber, wenn bei einer Kirche kein ab- 
geschlossener Raum (oder Hof) vorhanden ist, der gleiche 8ohnts 
gelten soll innerhalb einer Fläche von eunem halben Morgen^ der 
sich zu beiden Seiten der Kirche ausbreitet'); und K. Lndewig 
im Jahre 817, dafs wer im Atrium, d. i. im Hofe der Kirche einen 
Menschen tödtet, ebenso hülsen soll, als habe er ihn in der Kirche 

Vgl. Osenbrüggen der Hausfrieden. 1857. p, 10. Wenn Lex Sax. c. 30 
und 31 bestimmt: „qui alvearium apum infra gepta alferius furayerit, eapito 
puniator; extra sepia furatum, noyies conponendum est**, so ist hier wobl 
ebenfalls der Hofiraum gemeint und nicht ein Bienengarten, wie idi es oben 
S. 7 übertrug, vgl. Lex Sal. VIÜ, 1. 3: „si quis unam apem de intro daTem 
furaverit et tectum . . , foris tectum etc.*' 

1) Vgl. in der oben S. 190 Note aus Beda angefilhrten SteUe: „quis 
primus aras et fana idohrum cum eeptis quibus erant cireumdata profanart 
debet'', und „ jussit socüs destruere ac succendere famsm cum omnibuB septU 
suis**. Im Gutalag: „haita a hult eda hauga, a vi eda üafgar^a^ (anrufen 
die Haine und Hügel, Tempel und Gehege). 

s) Vgl. oben S. 191 Note 2 und S. 192 N. 1 und 2: a. 511 „ab aref«^ 
%i€Le atriis Tel domo episcopi eos abstrahi non lioeat^; a.'641 : „si quis ad 
eeclesiae septa eonfugwit^ . . et eum quisque de tods eaeris vel airiis ab- 
Btrahere praesumpserit"; a.549: „qui ad ecdesiae septa confugerifc^. 

') Decretum Cblothacharii ü. a. 695 (?) c. 6: „Nullus latronem Tel 
quemlibet culpabilem, sicut cum episcopis conrenit, de airio ecdesiae estre^ 
here praesumat, quodsi facere praeeumpserit, canonibus feriatur. Quodsi 
sunt eeclesiae quibus atria clausa non sunt, ab utrisque partibus 
parietum terrae spattum aripetmis pro atrio obserretur, etc." Perts 
Leg. 1 p. 12. 



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199 

enefalages, wenn das Hoflhor mit Reliquien geweiht ist'). — 
Von dem Frieden , den der Kirch- ho f oder das Atrium eeele- 
aiae genofs'), empfing er den Namen Fried -hof*). 

2. Aehnlich wie die S.180 bis 199 ausführlicher be- 
sprochene Art der Erwähnung der Heidentempel in den 
Gapitulis de partibns Sazoniae anf ihre Abfassung un- 
mittelbar nach der Unterwerfung Saehsene hinweist^ 
thuD dies auch die Stellen der Capitula, die von Hei- 
den (Paganis) in Sachsen reden und Todesstrafen anordnen, 
um ihren üebertritt sum Ohristenthum sn erswingen. Es sind 
namentlich die folgenden Bestimmungen der Capitula de partibns 
Saxoniae, die hier in Betracht kommen: a) Todesstrafe trifft 
einen SachseUi der verachtet zur Taufe zu kommen, 

^) CapituL LttdoT. a. 817 e. 1 : „Si quis aot ex levi causa aut sine causa 
hominem in ecclesia interfecerit^ de Tita conponat; si in atrio ecclesiae, 
cujus -porta reliqaiis sanctorum consecrata est, hujttscemodi ho^ 
mieidium perpeirahim fiierit, simili modo emendehir Tel componatur; ei vero 
porta eceUsiae non est consecrata, eo modo oonponatar quod in abrio con- 
miUitur, sicut conponi debet, quod in inmunitate violata conmittitur.^ FerU 
Leg. 1 p. 210. 

>) VgL Landfrieden Ton 1086: „in eedesiis et eceletiarum cimiUriis 
homor et reverentia Dei praebeatur, ut si illuc confugerit raptor vel für, 
minime interficiatur rel capiatur, sed tarn diu inibi obsideatur, donec fame 
urgente ad deditionem oogatur.^ Pertz Leg. 2 p. 58; Landfrieden von 1103: 
„derici et ecclesiae et cimiteria et dotes ecclcsiarum pacem habeant.*^ Pertz 
Leg. 2 p. 61; Sachsenspiegel II, 66 §. 1 : „korken unde kerkhove solen sieden 
verde hebben'* und Sachsensp. II, 10 §. 4: den Friedebrecher schützt nicht 
„die korke noch die kerkhof an der dat, die he darinne dut''; Meldorfer 
Kirchspielsbel. c. 1 1 : „de kerkhof scal frig syn vor gewalt und averfal . ., 
dar de corpora und gehonte hegraven werden der Christen. '^ Michelsen Diet- 
mars. Bechtsq. p. 235. 

*) Hof bezeichnet in den Alteren deatschen Dialeoten einen umschlos- 
senen Baum am Hanse (eurtis, atrium), in den nordischen einen Tempel, 
TgL Orimm Mythol. p. 7ß, Graff althochd. Sprachsch. 4 p. 828, Sohmeller 
Glossar. Saxon. p.58, Müller Mittelhochd. Wörtorb. 1 p.698, Richthofen Fries. 
Wftrterbl p.821, M5biu8 aknord. Glossar. 198 und Maurer Bek. 2 p. 190. 
447; frid-hof (atrinm) brauchen wie die althochd. Quellen die altniederd. 
Psalmen und der Heliand, ygl. Sohmeller p. 39; daneben altniederd. fridu- 
wih Tgl. Grimm MythoL p.£8, der nachweist, daXs wih (d.L das Geweihte, 
Geheiligte) f&r nemus, templum, idolum steht. 



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200 

der ein Heide bleiben will und sich yerbirgt, um nicht getauft 
zu werden, Cap. 8^). b) Todesstrafe trifft den, der das 
Christenthum verachtet und in den heiligen Fasten Fleisch 
ifsty Cap.4'). e) Todesstrafe trifft den, der Menschen 
opfert nach Sitte der Heiden, Gap. 9*). d) Todesstrafe 
trifft den, der einen Menschen verbrennt oder dessen 
Fleisch verzehrt, weil er nach Heidenart glaabt, er habe 
wie eine Hexe einen Menschen verschlangen, Cap. 6^). «) Todes- 
strafe trifft Heiden, die ihre Todten verbrennen und 
ihre Asche in den Heidenhttgeln beisetzen, statt sie auf den Kirch- 
höfen christlioh zn begraben, Cap. 7, vgl. Gap. 22^). /) Todes- 
strafe trifft Alle, die gegen die Christen mit den 



^) Cap. de pari. Sax. c8: „Si quis cleinceps in gente Saxo- 
norum intereos latens non baptixatus se abscondere Tolverit, 
et ad baptismum venire contempserit pagannsque permanere 
Yolnerit, morte moriatur.*' Auf neugeborene Kinder besieht sich die Stelle 
nicht, in Betreff ihrer verordnet Cap. 19, dals sie, wenn der Geistliche nicht 
eine Verschiebung bewilligt, innerhalb eines Jahres getauft werden sollen, 
und Ewar bei einer Bufse von 120 Solidis bei Kindern von edelem Ghe- 
schlecht, von 60 Solidis hei freien, von 80 Solidis bei Liten, die, wohl m 
merken, nicht der Kirche^ sondern dem Fiscus zu zahlen sind (^fiseo com- 
ponantur^). 

^ Cap.4: „Si quis sanctum quadragesimale jejunium pro 
dispectu christianitatis contempserit et carnem comederit, 
morte moriatur; sed tarnen consideretur a sacerdote, ne forte causa necea- 
sitatis hoc cuilibet proveniat ut carnem comedat.*^ 

') Cap. 9: „Si quis hominem diahnlo sacrifioaverit et in 
hostiam more paganorum daemonibus o btul er it, morte moriatur." 

*) Cap. 6: „Si quis a diabulo deceptns crediderit seeundnm 
morem paganorum virum aliqnem aut feminam strigam esse et 
horaines comedere, et propter hoc ipsam ineenderit vel car- 
nem ejus ad comedendum dederit vel ipsam oomederit« oapitali sententia 
punietur.'' 

*) Cap.7: „Si quis corpus defunoti hominis secundüm ri- 
tum paganorum flamma consumi feeerit et ossa ejus ad eine- 
rem redierit, capite punietnr^, und vgl Cap. 22: „Jubemus ut corpora 
ohristianomm Saxanorum ad dmiteria ecdenae deferantor et non adtn- 
mulus paganorum.*' 



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201 

Heiden Rath pflegen, oder mit ihnen in Feindschaft gegen die 
Christen verharreni Gap. 10'). 

Sehr wohl weib ich, dafs bei den eineelnen dentsehen StXm- 
men nnd namentlich auch bei den Sachsen noch lange Zeit nach 
ihrer Bekehrung znm Christenthome viele nnd orasae üeberreste 
des Heidenthnmes fortbestanden, dafs das angenommene Christen- 
thnm in vieler Beziehnng nur ein verdecktes Heidentham war, 
nnd dafs noch in späteren Jahrhunderten kirchliche und weltliche 
Oesetse es nicht an scharfen Edicten haben fehlen lassen, um 
heidnische Vorstellungen, Sitten und Gebrinche aus dem Volks- 
leben au entfernen; ganz unverkennbar ist doch aber der (}egen- 
saii, in welchem zu dem Allen, die aus den Capitulis de partibns 
Saxoniae angeftthrten Bestimmungen stehen. Nicht ein in christ- 
lichem Gewände fortlebendes Heidenthnm bekämpfen sie, sondern 
woUen unter Androhung der Todesstrafe die noch offen im Heiden- 
tham verharrenden Bewohner Saohsens zwingen, sich zum Christen- 
thum zu bekennen. 

Die Bestimmungen entsprechen der Zeit nach dem Jahre 775, 
in der EJÖnig Karl den Entschlnfs gefafst hatte, das bis dahin 
heidnische unabhängige Sachsen mit Gewalt in ein christliches 
fränkisches Reichsland umzuwandeln. Um dies zu erzwingen, be- 
drohte er in dem eroberten Lande, dessen Bewohner Ihm gehul- 
digt und die Annahme des Christenthums gelobt hatten, das offene 
unverhüllte Heidenthnm eines Sachsen mit Todesstrafe, mochte 
es nun sich darin äufsern, dais der einzelne verschmähte das 
Ghristenthum durch die Taufe zu empfangen, oder darin, dafs er 
sich durch sein Gebahren offen als einen Heiden und Feind der 
Christen, oder des mit ihnen sich identificirenden fränkischen 
Königs*) documentirte. Von diesem Standpunkt aus beurtheile 
ich die auf der vorigen Seite angeführten, in den Capitulis de 
part Sax. mit Todesstrafe bedrohten Handlungen. Nachdem 

^) Cap. 10: „Si qnis cum pagania eonsilam adrersus Chri- 
sti an os inierit, rel cum illis in adreraitate Christianonim perdurare to- 
Inerit, morte moriator. Et .qaicamqne hoc idem frande contra regem Tel 
gentem Christianomm conBenBorit, morte moriatar.'' 

*) Vgl. die Schlttlsworte Ton Cap. 10 in der Torigen Note. 



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202 

SachBen einige Jahre ein den Franken unterworfenes Land ge> 
wegen war, in welchem die fränkischen Reichseinrichtnngen Gel- 
tung gewonnen hatten, konnten Verhältnisse in ihm nicht mehr 
bestehen, wie sie jene Bestimmungen voraussetzen und beseitigen 
wollen. Allerdings kehrten auch nach dem Jahre 776 mehrmaiB 
Theiie des unterworfenen Sachsens, die sich gegen König Karl er- 
hoben, und denen es gelang seitweise das verhafste fränkische Joeh 
abzuwerfen, sofort zu dem unfreiwillig verlassenen Heidenthum 
zurück; wie dies namentlich nach der grofeen sächsisch-friesischen 
Erhebung durch Widukind im Jahre 782, und in ähnlicher Weise 
auch noch wieder im Jahre 792 geschah; in solchen Fällen wird 
aber auch ausdrücklich berichtet, da(s die Aufständischen das 
Ohristenthum verliefsen, die christlichen Priester vertrieben und 
tOdteten, die Kirchen zerstörten und wieder in der Weise frü- 
herer Zeiten den heidnischen Oöttem opferten'). 

Diese offenen RttckÜille ins Heidenthum sind aber Ausnah- 
men, die mit einem geglückten Aufstande Hand in Hand gingen^ 
und ihre Endschaft mit der nach kurzer Frist wieder erfolgten 

1) Vgl. über .das Jahr 782 die oben S. 159 Note 3 abgedruckten Worte 
der Vita Willehadi cap. 6, die dann in Oap. 8 beim Jahre 786 bemerkt: 
„gene Saxonum fidem cbristianitatia quam amiserat, denuo 
recepit.^ Porta 2 p.d83. Und die Vita Liudgeri I. c. A8 beriditet aus- 
drücklich über das Jahr 782: ^Widukint dux Saxonum eatenns gentilium 
everfcit Frisones a via Dei combussitque ecclesias et expulit Dei famulos, et 
usque ad Fleo fluvium fecit Fresones Cbristi fidem relinquere et 
immolare idolis juxta morem erroris pristini.'' Pertz 2 p. 410. 
Beim Jahre 792 Annal.LauriBs. minor.: ^Saxones iterum ad idolatriam 
revertuntur.^ Pertz 1 p. 119 und Annales Laurosham. a. 792: ^propin* 
quante aestiro tempore Saxonos .. reversi sunt ad paganismum» 
quem prius respuerant, iterum relinquentes christianitatem, 
mentientes tam Deo quam domino regi, qui eis multa beneficia 
praestitit, conjungentes se cum paganis gentibus, quae in cirenitu 
eorum erant. Sed et missos suos ad Araros transmittentes eonati sunt 
in primis rebellare contra Deum, deinde contra regem et 
christianos; omnes ecclesiaa, quae in finibns eorum erant, 
cum destructione et incendio vastabant, rejicientes episoopos ei 
presbyteros qni super eos erant, et aliquos oomprehenderunt nee non et 
alios occiderunt, et plenissime se ad cnlturam idolornm oonrer» 
terunt.'' Pertz 1 p.35. 



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208 

TTüterwerftiDg der anfgestandenen Landestheile unter die fränkigohe 
Herrschaft erreichten. Schon im Jahre 775 hatten die eich unter- 
werfenden Sachsen, indem sie dem Könige huldigten, die Annahme 
des Ghristenthnms gelobt, ein offenes Verharren Einzelner im 
Heidenthum mubte ihm daher bei seiner Auffassung der Verhält- 
nisae als ein strafbares, dem Hochverrath Sihnliches Verbrechen 
erscheinen, und er bedrohte Handlangen, in denen er jenes Ver- 
brechen sah, um sie in jeder Weise au beseitigen, in den ange- 
fahrten Stellen der Capitata de part. Sax. mit Todesstrafen. Dafür, 
dafs diese exceptioneller Katur und lediglich auf vorUbei^hende 
Zustände berechnet waren, giebt die einige Jahre jüngere Lex 
Saxonum das unmittelbarste Zeugnifs, indem sie bei Anfsählung 
der in Sachsen geltenden Todesstrafen, von. denen sich mehrere 
herausstellen als durch die Gapitnla de part. Sax. in Sachsen einge- 
führt, die früher für offnes Beharren im Heidenthum angedrohten 



Dafs König Karl im Jahre 775 in Sachsen heidnische 
Zustände vorfand, wie sie die Capitula de partibus Sa- 
xoniae voraussetzen, steht fest 

a) Selbstverständlich ist es und wird obendrein mehrfach von 
den Qaellen bezeugt, dafs nach der Eroberung des Lan- 
des, während viele Sachsen sich unterwarfen, dem Könige 
Treue schwuren und die Taufe annahmen, andere dies offen 
verschmähten, und dafs manche von diesen aus dem Lande 
flohen und mit anderen Heiden gegen die fränkische Herrschaft 
conspirirten, dafs also auf sie die oben 8. 200 unter lit a und / 
angeführten, in den Ciq)ituli8 angedrohten Todesstrafen Anwen- 
dung finden konnten^). 

h) Dafs die heidnischen Sachsen und die ihnen nahe ver- 

1) Vgl. z. B. Annal. Lauriss. a. 777 : „ad Paderbrannen ex omni parte 
Saxoniae conTenenint, excepto quod Widochindus rebellis eztitit eum 
paucis alÜBy et in partibus Nordmanniae confugium fecit 
cum Bociis suis", vgl. oben S. 134 Note 1, und Annal. Lauriss. a. 782: 
„Saxones reddiderunt omneB malefactores, qni istud rebellium maxime ter- 
minaTorunt ad oceidendnm ,,, exoepto Widoehindo, qui fnga lapsus est 
partibus Normanniae", TgL oben 8. 140 Kote 2, und über a. 785 oben 
S. 146 Note 2. 



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204 

wandten Friesen, wie in ältester 2^it alle Germanen, ihren Git- 
tern Opfer and namentlich auch Menschenopfer darbrachten, 
beweisen folgende Stellen : 

a) Ein Brief des Sidonins ApoUinaris, der seit 471 
Bischof von Olermont in der Auvergne war und bald nach 484 
starb ^), berichtet, dafs die „Saxones'^ als Seeräuber in leichten 
Schiffen die Küsten Galliens plünderten, und fligt^hinsa: „prios 
quam de continenti in patriam vela laxantes mordaces ancoras 
hostico vado vellant, m s est remeatnris, decimum qnemque 
captorum per aequales et crnciarias poenas, plus ob 
hoc tristi quod superstitioso ritu necare; superque col- 
lectam turbam peritnrornm mortis iniquitatem sortis 
aequitäte dispergere, talibnsque eligunt votis^), victimis sol- 
vunt Et per hnjusmodi non tarn sacrificia purgati, quam sa- 
crilegia poUuti, religiosum putant caedis inffiustae perpetratores de 
capite captiyo magis exigere tormenta quam pretia'^ Ex libr. VIII 
epist. 6, in Leibnitz Scr. Rer. Brunsv. 1 p. 26. 

ß) Der Mönch Jonas im Kloster Fontanelle (oder St Wan- 
drille) erzählt in einer im Anfang des 7. Jahrhunderts verfafsten 
kursen Lebensbeschreibung des Bischof Wulfram von Sens, der 
695 im Kloster Fontanelle als Ml^nch gestorben war, von Menschen- 
o^em bei den Friesen. Im Gap. 6: „Praedicante sancto pontifice 
in populo (Fresionnm) contigit die quadam puerum ex ipsa 
Fresionnm natione ortum, diis immolandum dnci ad 
1 aquo um. Orabat autem vir sanctns incredulum ducem (ejus 
gentis Rathbodum), ut hi^jus pueri vitam sibi donaret. Tunc ani- 
mosi gentiles unanimes frustrabantur ejus precem, dicentes: si 
tuns Christus eum de tormento mortis eripuerit, sit ejus tuusque 
sermts aQvo perenni. Appenditur deinde puer in patibnlum'^ Acta 
Sauet. Martii a J. BoUando coli. a. 1668. Tom. 3 p. 146*). Femer 

1) Vgl Wftttenbach Deatsohl. aesehlohtsq. 1866. p. 65. 

*) Leibnitz ffthrt ab Conjeotur an: ^talibu» si ligant Totis.*' 

*) Die kuree Vita Wulframni des Jonas (welche Wattenbach, DeutsehL 

Geschichtsquellen 1866, nicht yerzeichnet) hat im Kloster Fontanelle Zosatse 

erhalten, die sich auf £rx&hlungen eines geborenen Friesen, des dem Wolfram 

gleichzeitigen Priester Ovo zu Fontanelle berufen, und ist ron dem Priester 



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206 

in Osp. 6^): y^Alii qnoqud adolescentes ex praedicta Fresio- 
nnm natione similiter ritu profano daemoniboB immo- 
landi, misBa sorte; more patrio BHnt deprehensL Pro 
quibns sapplieatiirnB inclytus praoBnl Walfrannns aeceBBit^ aed 
gentilefl preeeB üliaB audire oontemDenteB, praefatoB pveroB pro- 
jeeernnt in pelagna, nt illic inter flnctUB ilÜBiiecatiB 
Baorificinm execrabile perficerent daemonibns. Quo 
peracto ajant Sancto: vade nonc jam^ et si inde iiberare eoB 
poteriB| haheai eos deus tuus m servas jure perenni^'. BoUand. 
p. 146^ 

Hardain in Fontanelle, der 811 sttah, überarbeitet worden. Diese Über* 
arbeitete Vita ist gedruckt bei Sarius und in Mabillon Acta Sanct. Bened. 
saec. HL P. 1. a. 1672. p. 357; in ihr ist die bekannte Taufgeschicbte des 
friesischen König Bedbad eingefügt, in deren Angaben Kluit Hist. Grit. Co- 
mitatus Hollandiae 1779. I. P.2. p. 1— 18 chronologische Widersprüche nach- 
gewiesen hat, Tgl. auch Bettberg Deutschi. Kirchengeseh. 2 p. 514. Die Zu- 
B&tae der jungem Tita su den Berichten der älteren Über Menschenopfer 
bei den Friesen, rücke ich hier ein; in Cap. 6 hinter den im Text abge- 
druckten Worten „pneri vitam sibi donaret'*, fährt die jüngere Vita fort: 
„nee hominem ad imaginem Dei factum sacrificium exäeorabile 
daemonibus immolaret; vocabatur autem idem puer Oto. Bespon- 
debat autem dux patrio sermone, decretum esse lege perenni 
olim a praedecessoribus suis omnique Fresionum gente, ut quemcumque 
Bors elegisset, in eorum sollemniis diis offerendum sinemora. 
At vero sanctus praesul dum persisteret in precibus, et praefatus populi 
princeps ejus dignae petitioni satisfacere vellet , animosi gentiles . . unani- 
mes frustrabant ejus preoem, dicentes: si etc.'' Mabillon p.859. 

>) In der jungem Vita ist awisehen den im Text abgedruckten Worten in 
Cap. 7 hinaugeftigt : „Alios quoque adolescentes ex ipsa Fresionum natione, 
qui similiter ritu profano daemonibus fuerant immolandi, quo- 
rum unus vocabatur Eurinus alterque Ingomarus, deprecante daro pontifice 
Wulframno, praefatus dux vitae donavit et eidem contradidit.'^pMabUlon p.380. 

*) In der jungem Vita cap. 8 wird der in Cap. 6 der Alteren Vita be- 
richtete Fall so erz&hlt: „Mos pessimus praedicto incredulorum duci in- 
erat, ut corpora hominum damnatorum in suorum sollemniis 
de er um, et nondeorum sed daemoniorum exsecrabilium , saepissime di- 
Tersis litaret modis: quosdam Tidelioet gladiatorum animad- 
Tersionibus interimens, alios patibulis appendens, aliis laqueis 
acerbisaime vitam extorquens, praeterea et alios marinorum sive aquaram 
fluctibtts submergebat. Erat in diota gente mulier quaedam vidua, 



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206 . " 

r) P&pBt Gregor III. schreibt im Jahre 732 dem BonifiMsins: 
,,Bt hoc-inter alia discrimen agi in partibne iliia dizisti, 
qnod quidam ex fidelibuB ad immolaadam paganis 
saa vennndant mancipia. Hoc ut magnopere oorrigere de- 
beas, frater, commendemas, nee sinaa fieri ultra, scelm enimest 
et impietas'^ Ja£fö Bibl. Rer. Germ. 3 p. 94. 
' . (f) Alkuin, gestorben im Jahre 804, erzählt in der obea 
8. 185 angefahrten Stelle der Vita S. Willibrordi Cap. 11, dafii 
Willibrord vor 714 auf dem friesischen Helgoland in der heiligeo 
Quelle des Fosete taufte und auf der Insel weidendes Vieh schlachtai 
liefs: „injurias suorum deorum ulcisci cogitabat (rez Badbo- 
dus), et per tres dies semper tribus vicibus sortessno 
more mittebat, et mimquam damnatorum sors super servnin 
Dei Hut aliqaem ex suis cadere potult, nee nisi unus tantum 
ex sociis suis sorte monstratus martyrio coronatus est''. 
Mabillon Acta 8anct. Bened. saec. III. P. 1 p. 609. Ueber die Art 
des Todes schweigt die Stelle, sagt in Cap. 10 nur: „yiolatores sa- 
crorum illius atrocissima morte (rex) damnare solebat''. 

c) Die oben S. 186 besprochenen Worte am Schlufs der L#ex 
Frisionum: „Hoc trans Laubachi: Qui fanum e£fregerit et 
ibi aliqnid de sacris tulerit, dncitnr ad mare et in sabulo, qnod 
accesBus maris operire solet, finduntur aures ejus, et castratur, et 
immolatur diis quorum templa violavit". 

duo8 carissiinos Habens natos, qui ex sorte missa daemonibas 
fuerant immolandi, ei gurgite maris enecandL Dticii tutmque 
9urU ad quemdatn heum bitalassi more aqua inclusum, ut dum rheuma marig 
mtmdem eooperirei locum, mUerabUiter fluetibus abeorbereniur. Erat rero, 
nt fertOTy unns aetate septennis, alterqae quinquennis. Cumque rkeuma.mari» 
tempore marinae praedietufn impleret locum, is qui major natu erat pue* 
niluB, juniorem fratrem ulnis nitebatur sublevare , dum jam ingurgfiUtrentur. 
Aderat namque ad spectaculum infandum antefatus dux incredulus cum plebe 
innumera gentalinm, sed nuUa compassionis pietas saxeum ^ua cor emoUire 
qnivit. Sacer vero pontifex Wulframnus eos sibi vitaeque perdonari rogabat, 
dicena non esse justum de hominibus ad imaginem Dei &oti8 ludom exhi- 
bere daemonibus. Tunc dux incredulua: si deus, inquit, tuus Christus m 
praesenti pericolo eoa liberarit, ejus dominto eos perpetim ooncedo, siiqae 
eorum deus, et ipsi ejus perenniter servi.'' Mabillon p. 361. 



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207 

() Altfrid, ein Verwandter Liadgers^ der als desien sweiter 
Haehfolger im Bisthum Müiiater im Jahre 849 starb, berichtet in 
Beiner Vita Ldndgeri I. Gap. 18 : der Saehse Widnkind habe im Jahre 
7^ die Friesen bewogen bis zum Fliestrom das Christenthnm %ü 
yerlassen, ^^et immolare idolis jnxta morem eriroris pri- 
Btini<^ Pertz 2 p. 410 vgl. oben S. 160 Note 1. 

n) Rnodolf ron Fulda sagt in der im Jahre 863 von ihm 
yerfafsten Transiatio 8. Alexandri Gap. 2 von den heidnisehen 
Saehsen: ,,colaemnt eos, qni natura non erant dii; inter qnos 
maxime Mereurinm venerabantnr, cni certis diebns hnmanis 
qnoqne hostiis litare consneverant'^ Perts Ser. 2 p. 675. 

^) Hncbald, ein gelehrter Mönch zn St. Amand, der, 
90 Jahr alt, im Jahre 930 gestorben sein soll, berichtet in der^ 
von ihm verfaürten Vita Lebaini, dafs der Angelsachse Liafwin 
(oder Lebninns) ans Deventer an der Issel, wo er an der Grenze 
der Franken und Sachsen eine Kirche erbant hatte j[vergL oben 
S. 161), ums Jahr 770 eine grofse Versammlang der Sachsen zn 
Marklo an der Weser besucht habe, um das heidnische Volk zn 
bekehren, und fügt hinzu: „omnis concionia illius multitudo primo 
snomm proavomm servare contendit institnta, numinibus vide- 
lieet suis vota solvens ac sacrificia'^ Pertz Scr. 2 p. 363. 

Als geopfert werden hier erwähnt: Solche, die die 
Heiligthttmer der Götter entweihten (bei Alkuin, verglichen mit 
der Lex Frisionnm), gefangene Ausländer (bei Sidonius Apolli- 
naris), zum Opfern erkanfie Sklaven (in dem Brief von Gregor III. 
an Bonifacius), aber auch freie Volksgenossen (bei Jonas in der 
Vita Wulframni). Der Opfertod erfolgt in verschiedener 
Weise; nach der Vita Wulframni durch das Schwert der Cam- 
piones*), durch den Galgen, durch Erwürgen, durch Ertränken. 
Bei näherer Beschreibung der letzten Todesart stimmt die jüngere 
Vita Wulframni mit dem, was die Worte am Schlufs der Lex 
Frisionnm besagen, in einer Weise überein, die für die Glaub- 
würdigkeit ihrer Angaben über friesische Opfer spricht: während 

*) Unter den „Gladiatores*' können schwerlich andere gemeint sein 
als die „Oampiones^, ron denen die Lex Fris. V angieht, daXs ftkr sie 
kein Wergeid gezahlt wurde, wenn sie beim Zweikampf fielen. 



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208 

die Vita mit der AoBclutiilichkeit eines Aagensengen sehildert, wie 
die durch das Loos sum Opfer bestimmten Knaben snm Meere 
an eine zur Zeit der Ebbe von den Wogen nicht ttberspttite Stelle 
geführt and yon der steigenden Flnth yerschlnngen werden^ lassen 
die Worte der Lex den Tempelschfinder an den Strand des Meeres 
ftthren^ und er stirbt den Opfertod anf dem Sand, den die Flnth 
aufgehäuft hat, nachdem ihm die Ohren anfgeschlitst sind und er 
entmannt ist^). Die selbe Todesart wird gemeint sein unter der 
y^atrocissima mors^^ die nach den Worten Alknins der friesische 
König Badbod, von dessen Menschenopfern auch die Vita Wul- 
firamni berichtet, über Alle eu yerhängen pflegte, die das Heilig* 
thum seines Oottes Fosete zu Helgoland entweiht hatten; beide 
Stellen heben hervor, da& er die Todesstrafe erst vollziehen liefs^ 
nachdem das Loos befragt war. Und von den Sachsen, die an 
den Küsten Galliens geraubt hatten, erzXhlt Sidonius ApoUinaris, 
dafii sie, wenn sie die Schiffe zur Heimfahrt bestiegen, den 

1) Das Versenken ins Meer kennt das friesische Recht im 13. Jahr- 
hundert als Strafe ftir durch Geld unsühnbaren Landesverrath : den, der aus 
Sachsen den Feind nach Friesland ftihrt, und mit ihm dort mordet und 
brennt, „hine ach ma north irma tket hef ie ferane, and theranie sansane*^, 
oder in einem niederd. Text: „so sal men em noerhoert werpen in de *e€, 
puU em daer v&rdrencken^ (ein and. Manuscript : ,,soe sal men hem sacken 
unde Tordrenken^) Fries. Kechtsq. p. 30, 26. Das ältere Gulapingslag c. 23 
bestimmt, dafs man Alle in geweihter Erde, im kirkiu-gard, begraben soll, 
aufser „udada men (Unthats-münner, Ehrlose), drottens svica (Verräther ihrer 
Herrn) oc mordvarga (Mordwölfe), tryggrova (Vertragsbrecher) oc piora, oe 
|>a men er sialyer spilla ond sinni (Selbstmörder). £n pa men , er na talda 
ec, scal grava i floeAar male, ]>ar aem aaer (var. „floed'^) moeteec oe groen 
torva^ (d. i. die Genannten soll man begraben innerhalb der Fluthen Male, 
wo sich die See begegnet und der grüne Rasen.) Munch Norges gamle Lore 
1 p. 13. Im sächsischen Dietmarschen, erzählt noch Neocorus Chronik 1 p.96y 
konnten die Geschlechtsfreunde eine Entehrte „nnder dem Ise ersöpen unde 
begraven'', vgl Grinmi Rechtsalterth. p. 694 und Wilda Strafr. p. 506. Das 
AufschlitEon der Ohren („finduntar aures ejus**) wird aoch bei andern 
Germanen als Strafe erwähnt; Grimm Rechtsalterth. p. 708 führt an aus 
Gregor ron Tours „mulctatur auris unius incisione", und aus Cnuts Ges. II, 30 
f. 5 bei Schmid p. 288: „of ceorfan his earan", eto. Das Entmannen kennen 
die Ges. Aelfreds 25 §.1, die Lex Sal. und Lex Rip., als Strafe f)ir Sklaven, 
YgL Grimm p. 709. 



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209 

sehnten Gte&ngenen opferten , naehdem ihn das Loos bestimmt 
hatte'). 

Was uns in dieser Weise von Menschenopfern der Sachsen 
und Friesen gemeldet wird^ stimmt mit den specielleren Kach- 
richten ttbereini die wir aas dem germanischen Norden besitzen; 
anch dort worden Verbrecher , Sklayen, aber anch freie Volks- 
genossen nnd selbst Fürsten geopfert *), and das Opfer erfolgte 
dorch Brechen des Rückens äof dem Opferstein beim Tempel, 
dnrch Erhängen, and wie in Norddeatschland darch Versenken 
ins Wasser*). 

Zar Zeit, als König Karl Sachsen eroberte, war es in jeder 
Besiehang ein heidnisches Land; in ihm standen noch, wie im 
benachbarten Friesland, and wie noch zwei Jahrhunderte spfiter 
im germanischen Norden, die Tempel der heidnischen Götter, 
worden noch die „idola deoram''^) verehrt, and den Göttern Opfer 

^) Wegen des in den angeftlhrten Stellen angewendeten Lesens, das 
im alten Sachsen aneh Beda Eist. eod. Y, 10, und mit Benutsnng Ton Ta- 
dtOB Germania e. 10 Rudolf in der Translatio S. Alexandri Pertz Scr. 2 p. 685 
erwäbnen, Tgl. Lex Fris. XIV in Perts Leg. 3 p. 667. 

.>) Vgl Grimm Mythologie p.40 und Maurer Bek. 2 p. 196^198. 

") Adam von Bremen ü. c 60 : „Per idem tempus (zur Zeit des 1030 
▼erstorbenen Kfinig Olaf) sermo est, qnendam ab AngUa -nomine Wolfredum 
Swedican ingrusum Terbum Dei paganis praedicasse. Qul dum sua prae- 
dicatione multos ad cbristianam fidem oonvertisset, ydolum gentis nomine 
Thor stans in coneilio paganorttm coepit anathematizare ; simulque arrepia 
bipenni aimulacrum in frusta ctcidit Et ille quidem pro talibus ausis statim 
mille Tidneribus eonfossus, animam lanrea dignam martyrü transnüsit in 
coelum. Corpus ejus barbari Umiahwi post muUt» ludibria merserunt in 
paludem. Haec veraciter comperta memoriae tradidi.^ Das ScboUon 134 
SU Adam von Bremen berichtet Ton Upsala: „ibi (prope templum) estfons, 
vbi sacrißcia paganorum soknt exerceri, et homo virus immergi^, und 
die Sjalnesingasaga o. 2 : ^ die Leute, die sie opferten, sollte man in den 
Svmpf stürzen, der drauXien vor den Thüren war; den nannten sie Blot- 
Uda"" (d. i. Opfersumpf), vgL Maarer Bek. 2 p. 196. 

«) Die ilteste Nachricht über Götterbilder der Sachsen gewährt Widn* 
kind von Corvei I c 12, indem er von dem Sieg der Sachsen über die Thü- 
ringer an der Unstrnt swischen 627 und 534 berichtet: „mane aatem &eto, 
ad orientalem portom (von Scheidungen) ponnnt aquilam, aramque victoriae 
constmentes, seeundum errorem pfUemum sacra sua propria veneratione 

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210 

dargebracht Dafs dabei ^) auch noeh dantals Menaohen geopfert 
Würden, kann keinem Zweifel unteriiegeni da für eine ältere Zeit 
Menschenopfer bei den Sachsen beaeugt sind (Tgl. oben B. 204 

venerati sunt, nomine Martern, effigie columnarum imitantes 
Herculexn, loco Solem, quem Graeci appellant Apollinem^. Im Jahre 772 
erw&hnen die frftnk. Annalen die Zerstörung des „idolum Saxonam 
Irmin-Bul^, vgL oben S. 130 Note 3. In der Versammlung der Saatuea 
zu Marklo, erzählt die Vita Lebuini^ predigte Liafwin: ^Simulacra, quae 
deos esse putatis, quosque venerando Colitis, aurum vel argentum, aea, lapis 
aut lignum sunt; non yivunt, non moventur, neque sentiunt, opera enim 
hominum sunt" Pertz 2 p. 362. Bei dem Aufstand des Jahres 792 erwähnen 
die Annal. Lauresh. von den Sachsen: „pUnUsüne »e ad cultnram ido- 
lorum converierunt" Pertz 1 p, 36. Zahlreichere Zeugnisse sind über Fiies« 
land erhalten : Jonas in der Vita Wulframni c. 3 : „navigavit Freaiam et genti 
illi ac duci ejus Bathbodo verbam Del annuntiavit, dicens deos non esse, 
qui hominum manibus facti essent." Acta Sanct. ed. BoUand mens. 
Mart. p. 145. Bie Vita WiUehadi c. 3 erzählt, wie um 775 WOlehad in der 
Hugmerke (nordwestlich von Groningen) : „coepit persuadere (Frisiones), ut r»- 
lida supersiitione ido lorum unins veri Dei notitiam susciperent; dicens 
insanum esse a lapidibua auzüium petere, et a simulaeris mutis et surdis 
subsidii sperare solatium. Quo audiio, gens fera et idolatriis ntmtum de- 
dita, in ira magna pariter omnes ezoitati, stridebant denUbus in eum, dioentes 
non debere profanum longius vivere, immo reum esse mortis, qui tarn sacri- 
lega contra^ deos suos inTictissimos proferre praesumpsisset eloqois. Quidiun 
tarnen . . dixernnt mittendam esse sortem, quo demonstraretnr caelito», na 
dignus esset interitu . .; ac seeundum morem gentiliom missa est sors soper 
eo, vivere an mori debuisset. Gabernaate diyina {»roTidentia, sors mortiis 
super enm cadere non potuit." Perts 2 p. 381. Von Liudger ersählt die Vita 
Liudg. I c. 14, dals Alberich ihn um 776 nach Friesland schickte, „nt d«- 
strueret fann deorum et rarias culturas idolorum in gente Freso- 
num." Peru 2 p.408. Und als im Jahr 782 Widukind die Friesen bevog 
am sächsischen Aufttande Theil au nehmen: „fedt Fresones Christi fidem 
relinquere, et immolare idolis juxta morem erroris pristini«*' 
Vita Liudg. 1 c. 18 p. 410. 

^) Im germanischen Norden erfolgten Menschenopfer bei den groCseii 
Festen, namentlich erwähnt sie Thietmar ron Merseburg I c 9 bei dem alle 
9 Jahre zu Lethra auf Seeland gefeierten dänischen Hanptopferfeste, und 
Adam von Bremen Gesta ep. Hammab. IV c. 27 bei dem ebenfalls alle 
9 Jahre gefeierten schwedischen zu Upsala, Tgl. dasn die Erlänterungen tob 
Grimm Mythol. p. 42. 46 und Maurer Bek. 2 p. 195. 235. Rudolf Ten FokUi 
giebt mit den Worten des Taoitus an (Tg^ oben S.207 lit. 17}, dals die Sachsen 
demMercur (d.i. dem Wodan) an bestimmten Tagen Menschen geopfert hätten. 



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211 

Ut « mid 9 ), ^ ane der Zeit der frSnkiBehen Eroberang von den 
den Sadiflen naheverwandten ihnen damals engverbnndenen Frie- 
sen beriehtel werden, nnd die Saehsen offenbar die ehriatlichen 
Olanbensboten, welche sie aar Zeit König Karls wegen Verletssnng 
der heidniBchen Heiligthttmer mit Todesstrafe bedrohten, ihren 
Gittern an opfern beabsiehtigten« 

So- konnte denn anbedingt die Bestimmnng der Gapitola de 
part. Sax. c. 9: ^^si qais hominem diabolo sacrificaverit, 
et in hostiam more paganornm daemonibas obtulerit, 
morte moriator'^, im Jahre 775 in Baehsen Anwendang finden. 

c) £ün anderes Zeognifs des offeii^n Verharrens im Heiden- 
thnm sieht K9nig Karl in heidnischem Abergiaaben, der 
sam Tödten von vermeintlichen Hexen geführt hat 
Die Worte der Capitala de part. Sax. c. 6 ,,81 qais a dlabnlo 
deeeptns crediderit secandam morem paganoram vinun 
aliqnem ant feminam strigam esse et homines eomedere, et 
propter hoe ipsam incenderit vel carnem ejus ad come- 
dendnm dederit vel ipsam eomederit, oapitali sententia panietar^', 
besagen, dais den die Todesätrafe treffen soll, der einen Menschen 
verbrennt, oder sein Fleisch einem Andern sa essen giebt oder 
selbst iÜBt, weil er vom Tmifel berückt nach Heidenart glaubte, ' 
dafs er eine Hexe sei and Menschen verschlinge. — Nicht gegen 
den erwähnten crassen Aberglauben ist das Edict gerichtet, son- 
dern gegen diejenigen, die, verleitet durch ihn, Menschen ver- 
brannt oder von ihrem Fleisch gegessen haben; damit haben sie 
sich unzweifelhaft als Heiden bekundet („secundum morem 
paganornm credidernnt^^}, und als offene Heiden sollen aie 
der Todesstrafe verfallen sein'). 

Bei der Volkarenanunliing zu Marklo, weiCa Hacbftld, daüs die Saehaen sie 
naek alt1U>erkoiiiiiiener Y olksaitte begannen : j^mimimbu» suis Tota solventes ao 
saer^eia^, TgL oben S.207 lii. &; und tob dem friesisehen „Idohan*^ anf 
Walchem erz&hlt Alkuin^ daüs bei ibm „siaiuto tempore onmis CiMgregabaiur 
pofndas, iUud eoUns summa veneratione'^ , vgL oben S. 183 Note 2. 

1) Grimm HythoL p. 1021 fa&t die S^e der Cap. anders auf: „nieht 
Zauberei, Bondem Tödtung Termeinter Zauberer nennt das aufgeklärte Geaets 
etwas Teuflisches und Ueidnisehes.^ 

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212 

Bei den Xlteren germamsdien Völkern war, wie Jaeob Orimm 
Mythologie p. 997 and 1048 geseigt hat^ der Glaube verbreitet, ätJk 
Menschen in Thiergeetalt auftreten; dab namentlich Zauberer die Ge- 
stalt eines Wolfes, des Thieres des Wodan, annehmen, und auch an« 
dere Menschen in Wölfe verwandelt werden konnten, die dann als 
solche herumstreiften. Noch die späteren deutschen Sagen und 
VolksmSrchen wissen viel von soldien Wer*wOifen zu ersShlen, 
wie sie Heerden zerfleischen, nach Blut gierig sind, Mädchen und 
Kinder rauben. Dier Vorstellungen von WerwOlfen und Hexen gingen 
in einander über; Orimm hebt hervor, wie schon Bonifaoius erwithnt: 
„strigas et fictos lupos cr«iidernnt^<. DieLexBalica tit64 setst 
das Vorhandensein von Strigae (Hexen) als Thatsadie voraus; sie 
bestimmt eine Bnfse von 72 Vt Bolidis, die sahlen soll, wer einen 
schilt an einer Zusammenkunft der Hexen Theil genommen ra 
haben, ohne es beweisen zu kOnnen; von dreimal 72% Solidis, 
wenn Jemand eine freie Frau eine Hexe schilt, und ihr dar nicht 
beweisen kann; von 200 Solidis (d.i. einem Wergeide), wenn 
eine Hexe einen Menschen verschlungen hat, und ihr 
das bewiesen wird ^). Der Langobardische KOnig Rothari dagegen 
erklärt in seinem Bdict c. 379, cla/s ein Ckrut es mchi/ur möglich 
halten könne, dafs eine Frau einen lebendigen Menschen verschlinge, 
und da(8 wenn Jemand eine Aldia (eine nicht Vollfreie) oder ün* 
freie tOdtet, weil er sie für eine Hexe erklärt, die fremde Ge* 
stalten annimmt, für sie ein Wergeid iind anfserdem noch 60 8o- 
lidi als Strafe zahlen solle*). 

Lex SaL 64: 1. „8i qnis altemm Qherelnft>giii]ii cUnukTerit, hoe est 
Btrio - portium aat illum qui enenm portore dicitor ubi Striae coqnmaniy H 
tum poiuerit cuiprobare, 2500 denar. culpabilis judicetur. 2. 8i qnis mnlie- 
rem ingenuam atriam damarerit, ei non patuerit adprobare, in triplnm 
2600 denar. onlpabUis judioetur. 3. Si Stria hominem eomedertt, et 
ei fnerit adprobatam, denar. 8000 eulpabilis judioetur^. VgL Grimm 
Bechtsalterth. p. 645 und Mytb. p. 998 Aber den Titel der Lex SaL» nnd im 
AUgemeinen Wilda Strafir. p. 964. 

*) Ed. fiothar. e. 379 : r,NuUue praeiamat aUUam aiienam sut anMlIam 
qiutii strigam, quam mdgu$ dieU, aut tneäcam oeeidere, qnod obriatianis 
mentibus nullatenus est credendam» neo possibile est^ut mu- 
Her bominem vivam intrinsecus possit eemedere. Si qoia dsia- 



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213 

Wie die aberglinbisdie Hexenftarcht bewog, Penonen eq 
tSdten, die für Hexen galten, so yeranlabte sie auch Einzelne, 
Ton ihrem Fleiflcfa zn ezsen, offenbar indem sie darin ein Mittel 
g^gen deren Zanber nnd Maeht sahen, fthnlieh wie nach späterem 
dentsehem Aberglauben Heilung des Aassatzes dorch das Blut 
nnaehnldiger Kinder nnd reiner Jungfrauen, der Epilepsie durch 
das Blut Hingerichteter erfolgen sollte, s. Grimm Mythol. p. 1125. 
Aneh dies Essen vom Fleisch von Hexen bedrohte König Karl 
mit der Todesstrafe, weil es den heidnischen Glauben der Essen- 
den und ihr offenes Heidenthum bewies; auf blofsen crassen Aber- 
glauben setzte er in den Capitulis nicht die Todesstrafe, sondern 
Geldbuben*). 

d) Endlich bedrohen die Capitula de part. Sax. in Gap. 7 das 
Verbrennen eines Todten nach Heidenart mit Todes- 
strafe, da sich diejenigen, die ihre Leichen verbrannten, offen als 
Heiden docnmentirten. Die Worte sind: „8i quis corpus de- 
functi hominis secundum ritum paganorum flamma 
consumi fecerit, et ossa ejus ad cinerem redierit, capite 
punietur^'. 

Die mit grofsem Eifer gepflogenen neueren Untersuchungen 
ttber den Inhalt der zahllosen uralten Gräber, die in allen von 
Germanen bewohnten Gegenden gefunden werden, scheinen es 
festgestellt zu haben, dafii bei den heidnischen Germanen gleich- 
zeitig Verbrennen und begraben der Leichen vorkam*), n^^äh- 
rend in den letzten heidnischen Zeiten der Sttden und Westen von 
Deutschland die Beerdigung unverbrannter Todter, der Norden 

oeps Ulem üfieiiam ac nefandam rem perpetrare praesumpserit, bi aldiam 
oedderit, oomponat ete.*" 

1) YgLOap. e.21 und zu der Stelle Grimm Mythol p.5p.90. 

*) VgL Wein hold Die heidnische Todtenbestattnng in Deutschland 
in den Sitsungsheriehten der philosoph. histor. Klasse der Wiener Akademie 
der Wissensch. 1868 Bd. 29 p. 117-204 und 1859 Bd. 80 p. 171-226. Jac 
Grimm Ueber das Verhrennen der Leichen in den AhhandL der philos. histor« 
KL der Berliner Akademie der Wissenseh. a. 1849 p. 192 h&lt das Begrahen für 
das Altere, sieht im Verhrennen einen Fortschritt geistiger Volkshildung, ron 
dem man wieder abgewichen sei, als die Menschheit fthig geworden war 
noeh allgemeinere Stufen ihrer Veredelung au betreten. 



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214 

die Verbrennung berorzngte^S vgl. Weidhold a.a.O. 80 p.l72 a.210. 
Däfs im heidnischen Sachsen die Leichen verbrannt vnrden, beseogt 
ein Brief des Bonifacins an den König Aethelbald von Mercien am 
den Jahren 744 bis 747; indem er sdiildert^ wie hart die SaehsMi 
Ehebrecherinnen straften, bemerkt er: ^^aliquando cognnt eam 
propria manu per laqaeum suspensam vitam finire, et super 
bustum illius incensae et concrematae comiptorem saspen- 
dunt'<. Jaff% Biblioth. 3 p. 172. Ausführlich beschreibt den Todton- 
brand bei Sachsen und Friesen das angelsächsische Heldengedicht 
Beovulf'). 

Mit dem Christenthum trat das Begraben der Todten anf 
den Kirchhöfen in geweihter Erde ein, da der Glaube der Christen 
an die Auferstehung des Fleisches dem Verbrennen der Todten 
entgegenstand*); gleichzeitig, indem König Karl in Sachsen durch 
Gap. 7 der Capitula de partibus Saxoniae das Verbrennen der 
Todten mit der Todesstrafe belegt, verordnet er im Cap. 22: 
„Jubemus ut eorpora Ohristianorum Saxanorum ad 
cimiteria ecclesiae deferantur et non ad tnmulus pa- 
ganorum'^ Die Volksrechte der Balischen und ripuarischen 
Franken, der Alamannen, Baiem und Langobarden kennen nur 
das Begraben der Leichen, wie ihre Vorschriften über Leichen« 
raub zeigen ^). In Thüringen war nach einer Stelle der Vita 
S. Amulfi noch in der ersten Hftlfte des 7ten Jahrhunderts das Ver- 
brennen der Todten unvergessen*). Der .skandinavische Norden 

1) Die Stellen des BeoTulf ezeerpirt und erläntert Grimm Ueber Yerbr. 
der Leichen p. 230. 

*) Scholion 140 in Adam ron Bremen: ^de sepuliora pftganornm, 
guanguam nan eredant resurreetionem camis more tunen utiqnorum Bo* 
manomm busta et exeqnias eorum' omni veneratione colunt.** 

*) Der älteste Text der Lex Sal. 56, 1 : ^«i guis corpus oecUi hominis 
antequam in terra mittatur in fbrtum expoliarerit, 2500 denar. culpabilis 
jndicetur", und ein späterer Zusatz : y,Bi quiB tumuktm stfper hominem mor- 
iuum expoliaverit, eto.^ Merkel Not. 143 p. 70. Lex Rip. 54, 1. 2. L. AUm. 50. 
L. Baj. XIX, 1 u. 6. Ed. Bothar. 15. 

*) Die Tita Amulfi epise. Mettens. e. 12 en&Ut, dafe als Arnulf mit dem 
König Dagobert (also nach 622) Thüringen durchzog (^eom patria« Torrn» 
gorum cum eodem rege invisendas intrasset**), ein diesem nahestehend« 



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215 

adureibt dem OSiiiy der allgemein als Gesetqieber gedacht wird, 
die Einfiilumng de« Leichenbrandes au; in DftnMnark soll nach 
Snorri Stnrluson in der Vorrede aar Ingüngaaaga mit König Danr 
das Httgelalter (hanga-51d) begonnen haben, während sich in 
Schweden und Norw^en das Brandzeitalter (bmna-öld) länger 
behauptete^). In Norwegen scheint seit dem 9ten Jahrhundert Ver- 
brennen und Begraben neben einander ttblich gewesen; in Island, 
das erst im 9ten Jahrhundert von Norwegen aus mit Germanen be- 
völkert wurde, nur ausnahmsweise das Verbrennen von Todten 
vorgekommen zu sein*); dagegen finden sich in Schweden seltener 
Hügel mit unverbrannten Leichen'), Handschriften des Westgotha- 
lag verteichnen 19 LagmSnner, die das Land bis ins 13te Jahrhun- 
dert gehabt habe, und bemerken: „der erste war Lumbar, und 
von ihm sind die Westgothischen Gesetze Lumbsgesetze genannt, 
denn es heifst, er habe einen grofsen Theil unserer Gesetze ge- 
funden und verfaCst Er war gebürtig aus Wanger, und da liegt 
er in einem Hügel, eknn er war ein Heide, Der zweite Lagmann war 
Biom Kialki, er war von Methalby, da wurde er beerdigt in einem 
Hügel, denn er vsar der ekrieüichen Lehre unkundig.^^*) 

Christen begrub man anfänglich, statt in den Heidenhttgeln 
(oder „tnmulis paganorum^^), in den Kirchen; bereits im Jahre 578 



Knabe Oddilo tödtlich erkrankte: ^rege antem quantocius ex eadem pro- 
perante vüla^ nihil aliud angustianti consiüi aderat, nisi langaentis capite 
ampntato, more gentiliam oadaver ignibus comburendum tra- 
deretnr.*' Mabillon Acta Sanct.Bened. saeeuL II. p. 152. Der Bischof heilte 
den Knaben. 

1) Vgl. Grimm Ueber das Verbrennen p. 233 und Wein hold Altnord. 
Leben p. 487. 

*) Vgl. Grimm a. a. O. p. 238, der Beispiele ftr das Begraben heid- 
niseher Isl&nder aus dem lO.Jahrh. ensammenstellt. 

s) VgL Weinhold Altnord. Leben p. 488. 

*) Westgöta- lagen utg. af Schlüter. 1827. p.295: ^Fyrsti war Lnm- 
baer, oo af hanum aeru Lums-lagh callaed, fore py at han sighs havae 
hnxaet oc gört en mykin loth af laghum warum; han war födaer i Wangum, 
oc paer liggaer han i enom coUae, fore py at hau war hedpen. Annar war 
Biom KiaUu, han war af Maedpalby, paer war han jordpaedpaer i enom collae» 
fore py hanum war eygh kunugh haeiaegh crisnae«^ 



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216 

hatte die Eirchenvereammlang so Auxerre dies untonagt^), imd 
Kaiser Karl bestimmte im Capitnlar von 809 Gap. 14 y|iit nuliiiB 
presbyter deinceps in ecclesia mortnnm sepeliat^^ Perts Leg. 1 
p.l61 ; doch beschränkte er im Jahre 813 auf Veranlassang der Be- 
schlüsse einer Reichss3mode zn Aachen^) dies Verbot, indem er 
festsetzte: y,nt mortui in eodesia non sepeiiantar, nisi epiacopi 
aat abbates vel fideles presbyteri '<. Pertz 1 p. 190 eap.20. Für 
Sachsen verordnet er in der angeführte Stelle der Gapitnla de 
part. Sax. ausdrücklich , dafs die Körper der Verstorbenen i^ad 
cimiteria ecclesiae deferantur, et non ad tamalns 
paganorum^'; dafs die Kirchhöfe (die atria ecclesiae) denselben 
Frieden genosseui wie die Kirchen, wurde oben 8. 199 erörtert 

So führen denn alle diese Bestimmungen der Capitula de 
partibus Sazoniae auf die Zeit zurück, in welcher das heidnisehe 
Sachsen erst eben von König Karl unterworfen worden war, wo 
er das noch zum Theil heidnische Land, dessen Bewohner Unter* 
werfung und Uebertritt zum Christenthum gelobt hatten, mit Ge- 
walt zu einem christlichen fränkischen Reichslande machen wollte. 
Dies Verhältnifs bestand im Jahre 775, König Karl hatte damals 
Sachsen bis zur Ocker unterworfen, und es können die Capi- 
tula de partibus Sazoniae nach ihrem Inhalte im 
Jahre 775 erlassen sein; vielleicht spricht aber Man- 
ches dafür, dafs sie es erst im Jahre 777 sind. Im Som- 
mer 775 hatte der König Sachsen bis zur Ocker unterworfen, war 
bald nach Neujahr 776 nach Italien gezogen, und hatte im Herbst 
die Sachsen durch schnelle Rückkehr zu neuer Unterwerfung ge- 
zwungen, indem er eine in seiner Abwesenheit versuchte Erhebung 
unterdrückte, während der es der fränkischen Besatzung gelungen 
war, sich in der Sigiburg zu behaupten. Die sämmtlichen frän- 
kischen Annalen verzeichnen beim Jahre 776 übereinstimmend 
die Unterwerfung und Bekehrung Sachsens, vgl. oben S. 133, und 
enthalten, indem sie über die erste in Sachsen im Frühjahr 777 

>) Vgl. Bettberg Deutsch]. EirchengeBcK 2 p. 790. 

*) Die Concordia epiacoponim Ton 813 cap. 24: „de sepeliendis in ee- 
elesia mortuis, aicut in Arektensi conTontii statntam est, obBenrandum de- 
ereTimoB^ Pertz Leg. 2 p; 563. 



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217 

TOD K5iiig Karl berafene ReichB^enammlnog beriphteii) speeiellere 
Asgaben über Yerhandlangeiiy die mit den Sacheen gepflogen wor- 
den Bein^ als bei irgend einer früheren Gelegenheit Einhard sagt 
in der oben'S. 134 abgedmekten 8teUe ,|totani gentis senainm 
ac popalnmiqnem ad se venire jusserat, sibi.devotnm 
invenit'^; nnd ^^nam enneti ad enm venemni praeter Widiehin- 
dorn • . .; qni venerant in tantnm se regia poteatati permisere, nt 
ea eonditione yeniam aecipere mererentar, ai nlterins sna 
statuta violarent) et patria et libertate priyarentnr'^; 
nnd die Fnldaer Annalen geben an, dab die Sachsen feierlich 
anerkannt hätten, dab sie für den Fall eines abermaligen Tren- 
bmehsnnd eines neuen Verlassens des Christenthams, ihrer „in- 
gennitaa et ^omnis proprietas'' verlastig würden. Die hier von 
Einhard erwähnten ,,8tatata regis^^, durch deren Verletzung 
die Sachsen erklären, dab ihre Freiheit und ihr Eigen verwirkt 
sein solle, können möglicher Weise auf die vom König im Allge- 
meinen von ihnen verlangte Treue und Annahme des Christen- 
thums .bezogen werden, näher aber liegt es, dabei an specielle 
Satzungen zu denken, die er über die Unterwerfung der Sachsen 
und ihre Annahme des Ghristenthnms aufgestellt hatte, und somit 
die „Statuta regis^< in den Capitnlis de partibus Saxoniae, die eben 
diese Punkte behandeln, zu finden. In den Capitnlis de partibus 
Saxoniae sagt das Gapitel 1 „de majoribus capitnlis hoc plaeuU 
ommbus^^y und das Gapitel 15 „de minoribus capitnlis eonsenserwU 
omnsä^*] nach diesen Worten scheint das Qesetz auf einer Reichs- 
Versammlung berathen zu sein; ob unter denen, die zu ihm ihren 
Gonsens erteilten, auch Sachsen sich befanden, ist nicht gesagt, 
doch vielleicht zu vermuthen*), und da König Karl zu Neujahr 
776, nachdem er 775 Sachsen unterworfen hat^e, nach Italien 
gezogen war, im Sommer von dort zurückkehrend zu Worms einen 
schleunigen Einfall in das wiederaufgestandene Sachsen beschlob, 
so würde sich keine frühere Reichsversammlnng für die Berathung 
der Capitula darbieten, als die zu Paderborn im Frühjahr 777. 

<) Nicht imangeffthrt will ieh lassen, dals das Gapitolare Saxonidun 
Ton 797 anlBerbalb Sachsens su Aachen yerblst ist. 



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218 

Pertz LegeB 1 p. 48 sieht es als feststehend an, dafii da« 
Qeseta auf einem Reichstage in Sachsen erlassen sei, und erklMrt 
sich) indem er hiervon ausgeht» ohne andere Jahre weiter in Erwä- 
gung zn sieben, gegen eine Abfassung desselben in den Jahren 777, 
780 und 762, wo Beichsyersammlnngen in Sachsen zu Paderborn, 
SU Lippspringe und abermals zu Lippspringe gehalten worden, 
und für Berathnng auf der Paderborner Versammlung im Jahre 
785. Ein besonderes Gewicht legt er dabei auf die blutige Strenge 
der Capitula de partibus Saxoniae, die er als leges sangoineaa 
beaeiohnet; es bezieht sich dies auf die in den GapitnUs Gap. 3 
bis 13 angedrohten Todesstrafen, und da nach diesen Todesstrafen 
die Capitula de partibus Sazoniae vielfach beurtheilt worden sind, 
indem man sie als von El^nig Karl in Sachsen neu eingeführt an- 
sah, und sich ihn als durch den Aufstand von 782 dazu bewogen 
dachte, ist es erforderlich, die Todesstrafen des sSchsischen Bechls 
hier noch speciell ins Auge zu fassen. 

§• 16. Die Todesstrafen des s&ehsiseheu Rechts. • 

Die Capitula de partibus Sazoniae und die Lex Saxonum ver- 
zeichnen eine grofse Anzahl von Todesstrafen. Aeltere Germanisten 
setzten voraus, sie seien von Karl dem Grofsen in Sachsen eingeführt ; 
noch im Jahre 1834 in der 4ten AuBg:abe seiner deutschen Staats« und 
Rechtsgeschichte 1 p.621 §.146 vertrat Eichhorn diese Ansieht, 
sie theilte auch Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen 
1837 p. 124 folg.^). In der 5ten Ausgabe (deren Vorrede vom 
20. September 1842 datkt ist) änderte Eichhorn 1 p.572 seine 
Auffassung: „die von Karl dem Grofsen festgesetzten peinlichen 



^) Nach Selb er tz Bechtegeschicbie Ton Westfalen 1860. 1 p. 194: 
„lassen die blatten Bestunmungen der Capitula de pari. Saz. den Zweck, 
Schrecken einznflöfsen, nicht verkennen; das Gesetis zeichnet sich dadurch 
aus, dals es bei den Ton ihm als schwere Verbrechen bezeichneten Verge- 
hangen, statt der altdeutschen Compositionen durch Wergeid, nur Todes- 
strafe kennt^; und: „In dem Capitulare Saxonicum ron 797 ging Karl Ton 
diesen strengen Ausnahmegesetsen, die ihren Zweck entweder gana oder 
auch gar nicht erreicht hatten, au den alten Compositionen sorftok.^ 



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219 

Strafen entiiaHen dem alten BSehsiBefaen (Gewohnheitsrecht ange- 
Mrendes, aber durch MnkiBche Oesetsgebmig ermftfsigie« Straf- 
Teoht'^ nnd p. 574: „nach dem Gapitalare Saxonicnm von 797 
Cap. 10 ist ee gewifB, dafs auch das alte BXohsische Recht, die 
Ewa SaxonoiDy peinliche Strafen, namentlich die Todesstrafe, 
• kannte, und es Mit anf, dab nach der damaligen Vereinbamng 
mit den Sachsen in allen Fällen, wo die letstere hätte eintreten 
sollen, dem König ein Begnadigangsrecht (in die Form einer 
Yerraittehing eingekleidet) vorbehalten worde'^ ^ Unabhängig 
von Eichhorn suchte Wilda, Das Strafrecht der Germanen 1842 
p. 99 bis 102 nnd p. 496, den selben Gedanken an begründen^); er 
legt dabei, wie Eichhorn, das gröfiite Gewicht anf das Begnadi- 
gungsrecht, welches sich K5nig Karl im Jahre 797 im Capitnlare 
Saxonicnm Cap. 10 vorbehalten hat, macht aber besonders noch 
geltend, daft es Überhaupt nicht in des KlJnigs Gesetegebnngs- 
tendens gelegen habe, die Todesstrafe anzuwenden. Sehr beadk- 
tenswerth scheint mir, wenn Wildä dabei au&erdem hervorhebt^ 
dafo die Lex Frisionum in Fällen eine L^sang des Lebens fttr 
Geld gestattet, wo die Lex Saxonum die Todesstrafe vollaiehen 
Utfst, und p. 104 bemerkt: „die erhöhten Bufsen und Friedens« 
gelder halte ich fttr ein Aequivalent, welches Karl der Groise 
jenen Völkern gab, bei welchen Friedlosigkeit und Todesstrafe 
noch vorherrschend waren <'. — Waita Deutsche Verfassungs* 
geschichte 3 (1860) p. 115 und 146 meint, mit Berufung auf 
Eichhorn und Wilda, „dais vielleicht bei den Sachsen strragere 
Strafen, namentlich Lebensstrafen, in Gebrauch gewesen wären, 
als bei anderen deutschen Stämmen/'*) 

1) Wilda Strafr. p. 100 ftthri an, dals bereits Hildebrand, De re- 
temm Saxonum repabliea. Vratislaviae 1886 p. 26, bemerke, wie man nicht 
mit Sicherheit einen fr&nkischen Urapmng der Todesstrafen der Lex Sax. 
flLr Diebstahl nnd Brandstiftung annehmen könne, da hier das Interesse 
des frftnkisehen Herrschers weniger in Betracht gekommen sei. Die Disser- 
tation Hildebrands ist mir nicht sngftngUch. 

s) Eine unrichtige Behauptung ron Kßstlin, Kritische Ueberschau S 
p. 173, ist es, dafs darin kein Qegensats der älteren deutschen Volksreehte 
Uege, wenn in manchen die Todesstrafe ftLr gewisse Yerbrechen und na- 
mentlich ftkr Diebstahl bestimmt sei, wahrend andere hohe Bulsen daAkr 



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220 

Eis eDtaehddendes Oewieht dafttr, dafs die Todeflstrafen der 
Gapitala de partibnB Saxoniae und der Lex Saxonum groIsentiieilB 
nicht ^Bt von König Karl in Sachsen eingeführt sind, rnnb idt 
darauf legen, dafis die Todesstrafe bereits in vorkarolingischtf 
Zeit als bei den Sachsen bestehend beseugt wird, nnd dafs diea 
in mehreren Fällen geschieht, wo die karolingischen Oesetae sie 
kennen. 

Ich führe zuerst die Zeugnisse für jene Thatsache an, nnd 
gehe dann die einzelnen Verbrechen durch, fttr weiche die karo- 
lingischen Gesetze die Todesstrafe verhängen. 

Nr. 1. Den Mord bestraften die heidnischen Sachsen mit 
Todesstrafe. Beda Historia ecclesiastioa V cap. 11 erzählt, wie ein 
Bäehsischer „Satrapa^' (d. i. ein GauTorsteher) die Mörder der 
beiden Ewalde tödten nnd ihren „Vicus^^ (d. i. ihr Dorf) yer- 
brennen lieb. Das Ereignifs wird auf den 3. October 695 gesetzt, 
und erfolgte nach Beda in der Nähe des Rheins, in den die Mör- 
der die Leichname der Ermordeten warfen: „Qui (die beiden 
Ewalde) venientes in proviifciam intraverunt hospitium cujnsdam 
yillici, petivernntque ab eo, ut transmitterentur ad satrapam, qai 
super eos erat, eo quod haberent aliqnid legationis et causae nti- 
litatis, quod deberent ad illum perferre . . . Suscepit eos viUicnB, 
et promittens sc mittere eos ad satrapam, qui super se erat, ali- 
quot diebus secum retinuit Qui cum cogniti essent a barbariSy 
quod essent alterius religionis, . . . suspecti sunt habiti etc. Itaque 
rapuerunt eos subito, et interemerunt aibum quidem Hewaldwn 

anBetsten; es sei dies nur eine yeracbiedene Ausdraoksweifley in jenen sei die 
Todesstrafe direct ausgesprochen, in diesen unter den aulserordentlicli ge- 
steigerten BuTss&tzen verborgen. Abgesehen davon, dafs die Capitula de 
part. Saz. und die Lex Saxonum sehr bestimmt zeigen, dafs es sieh in ihnen 
um wirUich sn vollziehende Todesstrafen handelt, namentlich, indem dem 
König ausdrftcUich gestattet wird, die Yollsiehung der Todesstrafen sn hin- 
dern, h&Uen auch die Wergelder, die nach KösÜins Meinung f&r die der 
Todesstrafe Verfiidlenen sn zahlen gewesen waren, weit höhere Summen be- 
tragen, als die anderwärts ftLr derartige F&Ue vorkommenden gesteigerten 
Bniaen; x. B. ergiebt die Verdreifachung der bei gemeinem Diebstahl gel- 
tenden Bube fdor einen erschwerten Diebstahl eän unbedeutendes Stra%eld 
im Vergleich mit der Zahlung eines voUen Wergeides. 



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221 

««feei oeciaiane gloM, nigMm autem longo tuppUciomm eruekOu 
«t hfHTenda membrornm omninm disoerptkme: qnos interemptos 
inBiieniiiD projeeenmt. Quod cum satrapa iile, quem videre 
voMata, aadiisBet, iratas est Taide, quod ad ae vmUre vo^ 
imies peregrM non permiMm'mtur^)'^ et mittens oooidit yiea- 
aoB illoB omneSy victfmqae incendio consumpBit^^*). — 
G^gen die Olanbwttrdigkeit dieser EnfthloDg erhebt Rettberg in 
BeinerKirclieBgesehichteDeiitBchlandB. 1848. 2 p.397| Bedenken. Eb 
ist ihm unbedingt einBarSamen, dafe Sagenhaftes in sie dnge* 
miBcht ist; aaeh mag es fragtich sein, ob wirklich virn den 
Sachsen in d^ ersShlten Weise am Rhein, den wir sonst in jenen 
Gegenden seinem Ufer entlang als irSnkisch kennen , der Mord 
▼erttbt sein kann, den spKtere Angaben in die Nähe TOn Dort- 
mund vorigen; dagegen sehe ich keinen genügenden Grund zu 
irgend welchen Bedenken gegen die von Beda berichtete Bestra- 
fcng der Mörder der Ewalde durch den sUchsischen GauTOrsteher 
(yySatrapa^').') Die staatlichen Verhältnisse der deutsehen Sachsen 

1) YgL wie Hucbald in der Vita Lebuini erzählt, dafs, als Liafwin ia 
Marklo den Sachsen das Christenthum gepredigt babe und die Versammelten 
ihn wegen seiner Rede h&tten tOdten wollen, ein Sachse Buto ihn dadurch 
gerettet habe, dala er geltend gemacht hatte, LiafWin sei ein Gesandte 
seines Cbttea, und Gesandten nehme man friedlidi auf und schone sie: 
jtFrequerUer tid nos quarundctm gentium, Normannorum, Sciayorum et Fri- 
sonum ve/Mrunt legati, quos more solito cum pace suscepimus, 
verha legcUionis diligenter tractavimua, et honorißce auetos munerihus ad 
jrropria remisimus. Et ecce nunc legatus summi Bei, deferens nobis man* 
dalA Titae ac nostme salutis, non solum spretus et contemptns est a nobis, 
sed etiam insectatns est injurüs, ac pene subüt diserimen mortis.^ Perta 
Scr. 2 p. 363. 

>) Ueber das Niederbrennen der Häuser als Strafe in Sachsen, vgl. 
unten Kr, 15. 

*) Beda stellt das Ver&hren des GauTorstehers in keiner Weise dar, 
als «ne von ihm verübte willkflrliehe Gewalthandlung; und ich mnis Sjbel 
entgegentreten, wenn er, Entstehung des deutschen KOnigthums. 1844 p. 59, 
bemerkt: »Von einem Frieden, der an die Person und das Amt des Fürsten 
geknüpft wäre, seigt sich keine Meldung in der frühesten Zeit, es wäre 
denn, dafs man Vorgänge, wie sie Beda V, 11 berichtet, hierhin sieben wollte, 
wo ein Häuptling eine Dorfischaft ausrottet [?], weil ihre Bewohner die 
Geistlichen getödtet, obgleich sie auf dem Wege zu dem Fürsten [?] be- 



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222 

konnten dem Beda, der in den vieUaehsten Besiehnngea sn Urnen 
stand, nicht anbekannt sein, und wir sind in keiner Weite be- 
rechtigt anzunehmen, dafs seiner BrEählnag in dieser Hinsicht 
yMig nnriehtige Vorsteliangen an Omnde liegen. Wenn Kettbeiier 
2 p. 396 bemerkt: „welcher säehsisohe Besirksvorstefaer hStte 
wohl bei der freien Oemeindeverfassong wagen dttrfen, snr Strafe 
eines ihm vereitelten Besuches mit Hinrichtung und Anzfinden des 
Dorfes einzuschreiten '<, und Überhaupt meint „die Angaben Bedm's 
stimmten nicht zu der Übrigen durchaus demokratischen Verfas- 
sung der Sachsen'', so setzt er die vielfach von Nennen ^) ge* 
hegten Vorstellungen Über altsKchsische demokratische Voiksfrei- 
heit als erwiesen voraus, während die darüber uns eiiialteneii 
Nachrichten mit ihnen völlig unvereinbar sind. 

Nr..2. Für Ehebruch und Verführung galt Todesstrafe. 
Der heilige Bonifa(»us erwlUint in einem Briefe an König Aethel- 
bald von Mercien aus den Jahren 744 bis 747, dafs die Altsachaes 
den £hebreeher oder Verführer erhSngen; die Ehebrecherin oder 
entehrte Jungfrau aber von Dorf zu Dorf mit Oeifsehi verfolgen 
und zuletzt tödten, oder aber nöthigen sich zu erhängen, worauf 
sie dann ihren Leichnam verbrennen: y,Ipsi pagani Deum igno- 
rantes, proprüs uxoribus matrünonii foedera servantes, fornioa- 
tores et adulteros puniunt; nara in antiqua Saxonia, si 
virgo paternam domum cum adulterio maculaverit, vel 
si mulier maritata perdito foedere matrimonii adulterium 
perpetraverit, aliquando cognnt eam propria manu per la- 
qnenm suspensam vitam finire, et super bustum ülius incensae 
et concrematae corruptorem ejus suspendunt; aliquando, 
congregato exercitu femineo, flagellatam eam mulieres per 
pagos clrcumquaque ducunt, virgis cedentes et vestimenta 
ejus abscindentes juxta cingulum; et oultellis suis totpm corpus 
ejus secantes et pungentes, minutis vulneribus cruentatam et iace- 

griffen waren. Aber hier liefft die Armahme einee blo/e ffewaiUamen Atim 
ebenso nahe wie eines rechtlieh geheiligten, und noch viel näher bei der 
mafftlosen Barbarei des Verfahreni.'^ 

>) Vgl B. B. GaupV Becht und Verfasfimg der alten Sacbaen 1887. p.32 
und 37. 



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223 

de vilUi ad vUbun mütiiat, mqiie ad eam avt moiioam ast 

viTam derelioqniiiit^^ Jaff6 BibL 3 p^ 172. 

Nr. 8. Fttr Pferdediebstahl galt Todesstrafe. Die bald 
nauk 864 Yerfa&te Vita Becmida 8. Liudgeri I cap. 26 giebt aa, 
wie die Umwohner yo» emem steinemen Kreuz bei Budden« 
feid onfern Driebnrg ersählten, dafe ea errichtet sei, weil 
dort der heilige Ldndger einen gewissen Bnddo ins Leben enrttck- 
gemfen habe, -der wegen Diebstahl von Pferden des 
Sachsenherzog Widnkind zum Tode Terurtheilt, ge- 
pfählt und gesteinigt worden war. „Ferebant veracissimi 
▼in de diseipulis Lindgeri, qnia quodam tempore, dum ad comi« 
tatom pergens per proTinciales qui Hassi dicuntur (d. i. durch 
das aSehsische Hessengan) iter ageret, j)er orationes ejus homo 
mortnns revizeriti qui scilteet propter furtum caballorum 
Widnkindiy dacis Saxonum, huio morti adjudicatus est. 
Dt in eampo ad stipitem ligatns jaetatis^in euip sudibus 
aentis et lapidibus neearetur^). Quod dum faetum esset, 
eorpns exanime in campo relictum est; veniens autem Liudgerus 
secus locum, et comperto quod christianus fuerit, mittens ad Wi- 
dukindum impetravit corpus hnmari. Dehinc . . . convaluit. Stat 
adhue in eo loco lapidea crux, in monumentum mira- 
euli hnjuB ab incolis erecta, et ex nomine ejasdem yiri, qui 
Bnddo Yocatus est, campus ille Bnddenfeld nsque hodie nominatur^^ 
Perti Script 2 p. 419. 

Hr. 4. Einen Mann, der eine Frau Yon höherem 
Geburtsstande heirathete, traf die Todesstrafe; und zwar 
namentlich einen Freien, der eine Ehe einging mit einer Bdelen, 
einen Libertns (d. i. Liten), der es mit einer Freien, einen Serrus, 
der es mit einer Liberta (d.i. Litin) that. — Die im Jahre 863 
Ton Raodolf von Fulda verfafste Translatio Sancti Alexandri be- 
riehtet in Gap. 1: ,,Erant Saxones .. generis ac nobilitatis suae 
providissimam cnram habentes, neo facile ullis aliarnm gentium 
vel sibi inferiorum connubiis infeoti, propriam et sinceram, et 
tantum sui simiiem gentem faoere conati sunt. Unde habitus quo- 
que ac magnitudo corpornm comarumque color, tanquam in tanto 

') lieber diese Hinriehtungsart, TgL Grimm Bechtsalterth. p« 691. 



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224 

hominnm nnmero idem peae omnibiu. Qnatnor igilnr di fferomiii B 
geoB Saxonam consistity nobiiinm scilicet et liberonun^ Ubertoium mfc- 
qne servonim; et id legibus firmatam , ut nalla pars in oopn- 
landis conjagiis propriae sortis terminos transfermt, 
sed nobilis nobilem ducat axorem, et über iiberam, 
libertas eonjungatur libertae, et servns aneillae; Bi 
▼ero qnispiam hornm sibi non eongmentem et genere 
praestantiorem dnxerit axorenii cum vitae Ba»e 
damno eomponat.^ Pertz Ser. 2 p. 675. 

Die Stelle ist wärtlich aufgenommen von Adam ▼<« Bremen 
in seine nm's Jahr 1076 yerfafsten Oesta Hammabnrgensis ecdeeiae 
pontificam Lib. I eap. 6; er wiederholt anch die Angabe | d&fii 

bei den Saehsen die Todesstrafe auf die Ehe eines Mannes mit 

# 

einer höher geborenen Frau gestanden habe mit den Worten Bmlo- 
dolfs, und gewährt ihr dadurch eine gewichtige Bestätigung; sie mit 
Neueren als unrichtig zu verwerfen oder duroh künstliche Inter- 
pretation BU beschränken; sehe ich keine Berechtigung. Eich- 
horn Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte §. 146 Bd.I p.675 
meinte, es sei „vielleicht die ganze Erzählung Rudolfe von dem 
Verbot ungleicher Ehen ein MifsverständnifS; da die Gapitnla de 
partibus Saxoniae nur von Entführung und die Lex Saxonum nur 
von Entehrung spreche*'. Schau mann Geschichte des Nieder- 
sächsischen Volks. 1639 p. 105 „wollte Out und Leben verwetten*, 
dafs Rudolf von Fulda bei den Worten cum vitae suae damno 
eomponat nie an eine Todesstrafe gedacht habe, sie bedeuteten 
nur, „dafe der von höherem Oebnrtsstande durch die Ehe eine 
Capitis diminutio erleide, und fttr seine Person keinen Anspruch 
mehr auf vormaligen Stand und Freiheit machen kdnne^. Sybel, 
Entstehung des deutschen Königthnms. 1844 p. 94, zeigte die ün* 
riohtigkeit dieser Schaumannschen Interpretation, und erklärte: 
^Rudolf will wirklich die Meldung überliefern: die Sachsen setzai 
Todesstrafe darauf, wenn irgend wer aus einem der drei niederen 
Stände in einen höheren hinein heirathet"; er meint aber dann: «dieser 
Glaube Rudolfs beruhte indessen aufeinemirrthum, wie mir Wilda^} 

*) Vgl. Wilda Recension von Savigny's Abh. über den Adel, in achter 
Krit. Jahrb. der deutodien Sebhtsw. 1837. H. 4. 



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226 

mit grOMem Reeht m behaupten selieint Alle GrQiide sprechen 
dalttr, dafii bei den Saehsen, wie bei den übrigen Deutschen, nicht 
die Ehe swischea Edelen und Freien, sondern iwischen diesen 
und den Unfreien verboten war. Selbst der Zusammenhang der 
BudolÜBchen Erslhlong ftthrt darauf, wenn man die fremden, aus 
Tacitus Germania eap. 4 eingeschobenen Bestandtheile derselben, 
wegdenkt. Der Bericht yerlSaft dann: die Sachsen besiegten die 
Thüringer und machten sie in Lassen, so dafa jetst vier Stände 
im Volke sind. Von jeher besorgt, die Reinheit ihres Blutes vor 
jeder Vermischung mit fremden Völkern su bewahren . ., geb)an 
sie (so sollte der Nachsatz lauten) das Gesetz, kein Lasse, d.h. 
kein Thttringer, dürfe eine Freie heirathen, bei Todesstrafe. Der 
Fehler bei Rudolf entspringt also daher, dafs er über seinem 
Taeiteisohen Excurs den nationalen Gegensata als Grund der Ver- 
ordnung vergifst, und diese darauf verallgemeinert K.Maurer 
Ueber das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme. 1846 
p. 121, glaubte die Angabe RudolÜB einschränkend interpretiren an 
können, „er sah sie in der gegebenen Fassung nirgends im entfern- 
testen bestätigt'', „nirgends finde sich bei den deutschen Stämmen 
eine kastenartige Absonderung der Stände''; „unbedingt verwerfen" 
wollte er sie aber doch nicht, und bemerkt: „die Vergleichung des 
Rechts anderer Stämme aeigt, dafs ihr einige Wahrheit au Grunde 
liegt; auf die Heirath eines Sklaven mit einer Freien steht näm- 
lich ftir ersteren bei mehreren Völkern die Todesstrafe, während sie 
für das Weib die Vollsiehung dieser Strafe in die Hände der Ver- 
wandten stellen (s. 1. Burg. Bö §. 2, ed. Roth. 222, 1. Wisig. III, 2 
§.2, L. Rip. 58,18); sonst ist meistens nur das Herabsinken des 
höherstehenden Tbeiies zu dem Stande des geringeren . . bestimmt, 
und namentlich ist dies die einzige Strafe für Ehen zwischen Liten 
oder Aldien und Freien (ed. Roth. 217, l.Fris. 6) oder zwischen 
ersteren und Sklaven (ed. Roth. 218, l.Alam.18,1)." Auch bei die- 
sen geringeren Strafen, fährt er fort, habe aber die Entscheidung 
mehr oder weniger in der Hand der Familie gelegen, und „darin 
scheine die Erklärung der Nachricht Rudolfs zu liegen: nur für 
dea Fall einer Heirath zwischen Freien und Unfreien habe der 
Staat gestraft, und zwar den unfreien Theil mit dem Tode; be- 

15 



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226 

slIgBch des Weibes dagegm sei die Strmfe den Verwsiidtea Vber- 
lassen worden, nnd diese hKtten in der Siteren roheren Zeit wohl 
meist mit dem Tode gestraft*^. GOhrnm Oesehiehtliehe DanMluii^ 
der Lehre von der Ebenbürtigkeit 1846. 1 p. 67 nnd 139, mdote 
die Angaben Rndolft dadurch sn entkrSften, dafs er behauptete, 
unter Nobiles seien bei ihm nur freie Allodialbesitser slchsiaeheo 
Stammes sn verstehen, die sich in die LXndereien der Thfliiogor 
getheilt gehabt hätten; einen Adel als Oebnrtsstand habe es da- 
mals in Sachsen nicht gegeben. 

Derartigen Ansichten gegenttber haben stets andere Oelefarte 
der Nachricht Rudolfe Glauben gesch^ikti); j^je Versuche, sie 
wegzninterpretiren, scheitern an ihrem einfachen nnd klaren Ann- 
druck; Rudolf war der sXchsischen Verhlütnisse in hohem Orade 
kundig*), ohne zwingende Veranlassung dürfen wir daher sieht 

1) Beispielsweise fUire ich an : P Utt er Von den MUsheirathen; Montag 
Sta&tsbUrgerUche Freiheit 1 p. 105; Savigny Zur Beohtsgeedi. des Adela, 
in seinen Vermischten Schriften 4 p. 15; Waits Deatsche Verfassung«- 
gesch. Bd. 1 (a. 1844) p. 84, Bd. 3 (a. 1860) p.ll5 und Bd. 1 (a. 1865) p.213; 
Walter Deutsche Bechtsgesch. 1857. J 395. 2 p. 16 und $ 452 p. 89. 

*) Dafs Rudolf (gest. den 8. H&rs 865) der die Fuldaer Annalen toa 
839 bis 863 rer&Iste, und die Schrift ftber die UeberfiÜining d«r Beliqtdeii 
des heil. Alezander nach Wildeshausen f&r Waltbraht den Enkel Widnkinda 
unternahm, die Verhältnisse in Sachsen genau kannte, unterliegt keinem 
Zweifel, vgl. auch Wattenbach Geschichtsq. p. 153. 160. GewÜa ist su be- 
dauern, dafs er Stellen aus Tacitus wörtlich in seine Darstellung Verwebt; 
wenn ich aber die Art erw&ge, wie er dies unter Weglassen einzelner An- 
gaben des Tacitus und unter Hinsuftgen eigener thnt, so kann ieh deswegen 
nicht den Inhalt jener Stellen verwerfen, muls vielmehr annehmen, dafs 
Budolf die von Tacitus über Germanen gebrauchten Worte nur in seine Dar- 
stellung der s&chsischen Verhältnisse aufgenommen hat, weil und soweit er 
sie als für Sachsen zupassend erachtete; hiervon ausgehend habe ich auch 
gemeint, oben auf S. 207 lit. 17 die aus Tacitus Germania eap. 9 entnommmie 
Stelle BudoUa über Mensehenopfer, als ein Zeugnifs ftr ihr Vorkominea in 
Sachsen anfllhren zu dürfen. Rudolf beginnt seine Schrift mit einer Snftk- 
lung der Stammsage der Sachsen über ihre Einwanderung und Unterwerfung 
der Thüringer, die wir specieller aus Widukind von Ck>rvei kennen; wendet 
sich dann zur Aufz&hlung der Nachbaren der Sachsen, und beginnt hierauf 
die Benutzung des Tacitus in den Worten „Generis quoque «0 nobilitatia 
■nae providissimam ooram habentes, nee ÜMile nllis aliaram geatnim rel tibi 



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227 

aaBehiii«By daft er hier ünriohtigeB meldet Die Ehe dnei Un- 
freien mit einer Freien beetrafton in einer frühen Zeit Frankeni 
Langobarden, Bargander, Westgotben mit Todesstrafe, and Fran- 
ken tbaten es aach bei der Ehe eines Liten and eines Paer regis 
nit einer Freien^); später galt in Sachsen eine Ehe swisehen 

inferioram connubÜB infecti ete.** (vgL oben S. 223). Die letiten Worte sind 
mit Bücksicht auf Tacittts G. c4: „Germaniae populi nuüit aliis aliarum 
nationum connubiis infecti" gesclirieben; von Nobiles spricht Tac. in der 
Stelle nicht, und was Rudolf Über sie sagt, drückt er mit seinen eigenen 
Worten aus, daÜB er in Besug darauf Anderes gesagt h&tte, als er sagen 
woUte, oder dabei sich in so phunper Weise su irrigen Angaben h&tte yer- 
leiten lassen, wie Eichhorn und 8ybel oben S. 224 vermuthen, dürfen wir 
Ton einem so gebildeten Manne, wie Rudolf war, nicht voraussetzen. 

^) In Lex SaL Xni, 4 und 5 (iütester Text): „Si puer regis vel 
letns ingenuam feminam traxerit, de vita conponat. Si vero in- 
genua puella quemcumque de illis suam voluntatem secuta fuerit, suam in- 
genmtatem perdat.^ Nach L. Rip. 68, 18 haben, wenn eine „ingenna 
Ripuaria servum Ripuarium secuta fuerit'', die „parentes ejus^ 
die Wahl, den Servus zu t(}dten („servum interficiant^), oder die Frau 
in die Unfreiheit zu geben. Die Gapitula Chlodovechi zw. 500 und 511 cap.5, 
1 und 2 bestimmen: ^si quis mulier cum servo suo in conjugio 
eopulaverit, omnes res suas fisens adquirat, ei iDa aspelHs faciat. Si 
quis de parentibus eam occiderit, nullus mortem illius, neo 
parentes nee fiscus, nullatenus requiratur; servus ille pessima cru- 
datu ponatur, hoc est in rota mittatur.** Ferts Leg. 2 p. 3. Im Edictum 
Rotharis c 222: „si servus liberam mulierem aut puellam ausus 
fnerit sibi in conjugio sociare, animae suae incurrat perica- 
lam; et illam, qnae servo fiierit oonsentiens, habeant parentes po- 
iestaiem oeeidendi ant feris provindam transveadendi, et de rebus ipsius 
mnlieris fiMiendi quod volnerint Et si parentes ejus infira anni spatium hoo 
&eere distulerint, tnnc liceat gastaldio regis, aut actori, aut sculdasio, ipsam 
in enrtem regis dncere, et intra pensües ancillas eonstituere", vgL ibid. 
wp. 193. 219, Leg. Lintpr. 24 oder lY, 6, und L. Rachis c. 2. Die Lex Bur- 
gond. XXXY, 2 und 3: „si ingenna puella voluntarie se servo 
• onjnnxerit, utrumque jnbemus occidi. Quodsi parentes puellae 
parentem suam punire fortasse noluerint, puella libertate careat et in ser- 
vttutem regiam redigatur.*' Die Lex Wisigoth. m, 2 {,2: „si mulier in- 
genna servo suo vel proprio liberto se in adulterio commiseue- 
rit, aut forsitan eum maritum habere v6luerit, et ez hoc mani- 
fteta probatione convincitur, occidatur, ita et adulter et adultera ante 
jndicem publice fnstigentur, et ignibus oonorementur^; vgl das. (.8 

15* 



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228 

Freien und Edelen fttr eine angleiche Ehe, deren Kinder der 
ärgeren Hand folgten; ist dem aber sO; waram sollten nicht im 
vorkarolingiechen Sachsen die herrschenden Edelinge einen FreicD, 
der eine edele Frau heirathete, mit dem Tode bedroht haben, wie 
sie es in Uebereinstimmnng mit anderen deutschen Stämmen bei 
einem Liten oder unfreien thaten, der eine freie Fran heirathete? 
Die Gebnrtsstände der Edelinge und Freien waren in Sachsen in 
sehr schroffer Weise geschieden, sie standen sich weit entfernter, 
als die der Freien und Liten; den absoluten Beweis dafür liefert 
die Lex Saxonum, die dem Nobilis ein 6faches Freienwergeld 
gewährt (1440 Solidi), dem Liten dagegen nur das halbe eines 
Freien (120 Solidi). In Friesland entsprach nach der Lex Fri- 
sionum im Wergeid das Verhältnifs des Freien zum Liten dem 
sächsischen, es hatte der Lite wie in Sachsen das halbe Wergeid 
eines Freien, dagegen war dem Nobilis im Osten und Westen 
Frieslands nur das. 2 fache, in der heutigen holländischen Provinn 
Leuwarden sogar nur das IV, fache Freienwergeld eingeräumt; in 
Sachsen waren also die Nobiles viel weiter Über die Liberi ge- 
hoben als in Friesland, während sich Liberi und Liti in beiden 
Ländern in einer gleichen Stellung zu einander befanden^). Er- 
wäge ich nun außerdem, di^fs nach der Lex Saxonum wenigstens 
ein Theil der freien nicht edelen sächsischen Grundbesitier in 
einem Abhängigkeitsverhältnifs zu den Nobiles stand, wie wir es 

UDd Verordn. des K. Qamba in Lex Wisig. Y, 1 {.7 über Ton Kircken nicht 
vollständig Freigelassene, die mit einer freien Frau ein „infaime eoigngumi'' 
eiDgehen, was keiner wagen soU. Ueber Ehen, die edele oder freie Weiber mit 
Liten oder Sklaven im Irrthum über deren Qeburtsstand eingehen, vgL Lex Fris. 
VI: ^si libera foomina lito nupserit, nesdens eum Utum esse, et ille postea de 
capite suo, eo qnod litus sit, fiierit csdomniatus, si illa jurare poterit, qaod 
postquam rescivit eum litum esse, cum eo non coneomberet, ipsa libera per* 
maneat, et filii quos procreavit*" ; Capit. a. 757 c 7 : „si Francos homo ae- 
oeperit mnlierem, et sperat quod ingenua sit, . . dimittat eam si Tult, et 
aocipiat aliam; similiter et femina ingenua.'' Ferts Leg. 1 p. 28; Decret. 
Tassil. e. 10: ,,si quis servus mulierem nobilem aoceperit in oo^jugiom, ei 
non praescivit .., dimittat servum etc^ 

1) In Sachsen war das Yerhältnils des Wergeides, wie 1 (beim Liten) 
Bu 2 (beim Freien), xu 12 (beim Edeling); in Friesland: wie 1 (beim Liien) 
fu 2 (beim Freien), su 3 oder 4 (beim Edeling). 



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229 

anfserhalb SachsenB nicht kennen, — die Lex Sax. o. 64 spricht 
Tom „Liber homo, qai Bub tntela nobilis cnjuBlibet erat^, nnd 
giebt dem Nobilis ein Vorkaufsrecht an den Omndstttcken des 
Liber der „in exilinm missus est*, vgl. oben S. 106 — , and dafs 
die Nobiles als „domini* gegentiber den Freien bezeichnet wer- 
den vgl. nnten Kr. 18, so erscheint mir für das yorkarolingische 
Sachsen ein absolutes Verbot der Ehe eines Freien mit einer 
Edelen, wie es anderwXrts nur bei Ehen Unfreier mit Freien be- 
gegnet, nicht in dem Orade als andenkbar, dafs wir bei anserer 
geringen Eenntnifs der einschlagenden altsftchsischen Verhältnisse 
ein directes Zeagnifs dafHr verwerfen dürften, weil es vereinzelt 
dasteht. Die herrschenden edelen Sachsen wollten eben, wie Rudolf 
sagt, ihren Stamm rein erhalten von Vermischung mit aufsersftch- 
nachem and unedelem Blut, und richteten darauf ihre „ providis- 
flima cura", ein Bestreben, das mit ihrer ganzen Stellung im Lande 
auf das engste zusammengehangen haben mufs^). 

Nr. 5. Auf Verletzung der heidnischen Tempel stand 
die Todesstrafe. — Es ist oben S. 180 das Capitel 1 der Capitula 
de partibus Saxoniae nSher besprochen worden, in welchem König 
Karl verordnete, dafs die in Sachsen zu erbauenden Kirchen keine 
geringere Ehre geniefsen sollten, als die heidnischen Tempel ge- 
habt hätten („non minorem habeant honorem sed majorem et 
excellentiorem quam fana habuissent idolornm'^), und sodann in 
Capitel 3 (vgl. oben S. 184) Todesstrafe ftlr gewaltsamen Einbruch 
in eine Kirche, fUr Raub und Diebstahl in ihr, sowie fUr An- 

') Dafs im alt^chBiBchen Recht auch das eheUcKe Yerlfibnifs sich we- 
sentlich TOD dem fr&nkischen unterschied, zeigt der Canon 39 des^Tribur- 
schen Concils von 895 in Mansi Conc. 19 p. 151; der mit ihn interpretiren- 
den Zusätzen aufgenommen in Cap. 1. X. de sponsalibus et matrimonüs, 
lautet: „de Francia nobilis quidam homo nobilem mulierem de 
Sazonia lege Saxonum duxit in uxorem, tenuitque eam multis 
■imis et ex ea filios procreavit Verum quia non eisdem utantur legfibns 
Saxones et Francigenae, causatus est, quod eam non sua, id est 
non Francorum lege desponsaverat, rel acceperat, vel dota- 
rerat, dimi^saque illa aliam superduxifc. DifBnivit super hoc sancta synodus; 
nt flle transgressor erangelicae legis subjiciatur poenitentiae, et a secunda 
eonjtige separetur, et ad priorem redire cogatur.^ 



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280 

Bfinden derselben festsetzt. Ich habe 8. 187 und 204 erOrtert, dafii 
bei den den Sachsen nahe verwandten Friesen die Todesstrafe 
für Verletzung der heidnischen Tempel ausdrücklich beseugt ist, 
dafs bei ihnen der wegen Verletzung des Tempels dem Tode Ver- 
fallene dem Gott des Tempels geopfert wurde^ und dala auch die 
Sachsen ihren 0(5ttem Menschen opferten; so dafs wir befugt sind 
die Todesstrafe; die König Karl auf Verletzung der Kirchen in 
Sachsen setzte, anzusehen als begriffen unter den ^^honorea'^ der 
heidnischen Tempel in Sachsen, die er auf die Kirchen nach c. 1 
der Capitula de part. Saz. fibertrug. 

Nachdem ich diese Erwähnungen von Todesstrafen aus dem 
heidnischen Sachsen vorausgeschickt , wende ich mich zu den 
Todesstrafen, die Karl der Orofse in den Capitnlis de 
part. Sax. und in der Lex Sax. aufstellt. 

I. Todesstrafen, die sich auf den Schutz und die 
Heiligung der Kirchen beziehen (unter Nr. 1 bis 6): 

Nr. 1. Auf Einbruch in eine Kirche steht Todea- 
strafe nach Oapituhi de part. Sax. c. 8 („si quis eccleaiam per 
violentiam intraverit, et in ea per vim vel fbrtu aliquid abstulerit'^ 
und Lex Sax. c.21 („qui ecclesiam effiregerit^'), während die übrigen 
Bechtsquellen des fränkischen Reichs sie für dies Verbrechen nicht 
kennen, denn wenn sich im Sirmondschen Texte eines Capitulars 
KSnig Karls von 779 c. 10 die Worte finden „qui ecclesiam in- 
fregerit, moriatur^' Pertz Leg. 1 p. 37 lin. 11, so fehlen sie in 
aUen Handschriften und müssen naeh der Fassung des Capitels in 
den andern Texten bei Pertz p. 36 lin. 43 col. 1 und p. 37 lin. 20 
col. 2 fttr interpolirt gelten^). Die Todesstrafe der Capitula de 
part. Sax. mufs als von K9nig Karl aus dem vorfrXnkischen sXch- 
sischen Recht von den Tempeln auf die Kirchen fibertragen gelten, 
vgl. oben S. 196. Eine Bestätigung dafür, dab auf das Erbrechen 
eines Tempels im vorfränkischen friesischen Recht Todesstrafe 
stand, finde ich noch in Lex Fris. V, indem daselbst unter Aett" 
„hominibus qui sine compositione occidi possunt'^ auch deijenige 
genannt wird y^qui/anüm eßregit*^. Da die LexFrisionum sonst 

^) WaitE Deatsche Yerfassmigsgescli. 4 p. 431 Note 4 Übersieht, indem 
er die Steile als Zengnifs ftr die Todesstrafe aafUirt, dafs sie t&teiTolirt ist. 



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281 

Ar ehrifHiche KirdieB die Aosdrtteke ecelesia und basiliea ver- 
wendety ao dürfte hier in dem nnmittellwr nach der frilnkischeii 
firobemog von Friesland swisohen Flie und Lanbach im Jahre 
734 fttr dieses yerfabten Xltesten Theil der Lex Frisionnm ein 
lUterer frieaiBeher für einen Heidentempel geltender Reehtssatz 
mit Beibehaltong des Ansdruekes templum anf christliehe Kirchen 
übertragen sein. Die Worte am Bohlnra der Lex Frisionnm, welche 
den Opfertod als im OsÜanbaohsehen Friesland au Recht bestehend 
ftr denjenigen angeben, j^qui/anum ej^egerit, et ibi aliqoid de sacris 
toIerit'S habe ich oben 8. 186 besprochen; ich konnte sie nur für 
einen Znsats eines. Friesen aar karolingischen Lex halten, über 
das Torfrlnkisehe in heidnischer Zeit in Friesland geltende Recht 
der Tempel. 

Nr. 2. Anf gewaltsames Rauben und Btehlen in 
einer Kirche steht Todesstrafe nach Capitnhi de part.8ax. 
e. 3 0,si qnis ecclesiam per violentiam intraverit, et in ea per vim 
Td fturtn aliqnid abstnlerit'O ^"^^ ^^ ^^ ^* 21 (n^^i i^ ecclesia 
aliqnid fitraverit^^. 

Die anderen RechtsqneDen des firiSokisohen Reiches kennen 
für das Verbrechen nnr hShere Geldbnfsen. Nach dem späteren 
salfrinkiachen Recht worden, wenn Einer eine Kirche beraubte, 
80 Solidi gebttfst, auAer der Erstattung des Werthes der geraubten. 
Sache und Zahlung der frttnkisehen Delatnra <). Nach Ripuarischem 
Recht erfolgte bei in einer Kirche gewaltsam entwendeten Sachen 
Erstattung ihres dreifachen Werthes'). Nach Ahimannischem Recht 
wnrde Diebstahl von in der Kirche niedeigelegten Sachen mit 
18 (oder 36) Solidia gebtlCst, auAer Restitution und neunfacher 
Entschädigung der Sache an den Bestohlenen'). Nach Baierschem 

>) ZuBsti sa L. SaL 55 : „Si qfok basilicM expoUayerit desnper homi- 
iMm moitoiim, solidos 30 eolpabilis judicetur.^ Merkel Not. 146 p.70, und: 
i,8i qüiB basOica expoliaverit, solidos 30 culpabiÜB jadicetur, exeepto capitale 
efc delatara.*' Merkel Not. 258 p. 80. 

*) L. Bip. 60, 8: y^Quodsi qxäa de ecclesia aliqnid vi abstulerit, cmn 
sapraaeripta lege in triphun restituat.^ 

*) L. Alam. KaroL o. 5 (nnd übereinstimmend L. Lotbarii c 6 p. 47 und 
Landfrid. e.4 p. 93): „Si qois raptor res eodesiae commendatas alicigns • 
infra jaanas eedesiae vi abstrazerit et Uilerit, bomini eigus faerint, sieni 



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282 

Recht galt fttr Diebstahl 4Ui Kirchensachen der neanfaehe Wertii 
der Sache als Baiser und yerdreifachte sich diese BnOse bei Meß- 
gewändern , Kelchen und anderen zum Gottesdienst gebranohten 
Gegenständen ^). 

Die Todesstrafe der Capitata de partibns Sax. und der Lex 
Sax. für Diebstahl in der Kirche ist aus dem älteren Recht der 
heidnischen Tempel auf die Kirchen übertragen , ygi. oben S. 195 
und 189 : in Friesland traf nach einem Zusatz zur Lex Fris. Add.XI 
die Todesstrafe den, „qui fanum effregerit; et ibi aliquid de sacris 
tulerit^; und auf der friesischen dem Gott Fosete heiligen Insel 
Helgoland traf nach Alkuins Bericht die Todesstrafe die „viola- 
tores sacrorum^, und „locus a paganis in tanta veneratione ha- 
bebatur, ut nil in eo Tel animalium ibi pascentium, yel aliaram 
quarumlibet rerum, tangere audebat gentilium quisquam^^i vgl. oben 
8.185; noch im Uten Jahrhundert herrschte nach Adam von Bremen 
der Glaube y der Tod ereile einen Seeräuber, der aus Helgoland 
„praedam vel minimam tulerit'', vgl. oben S. 185. 

Nr. 3. Auf Anzünden einer Kirche steht Todesstrafe 
nach Gapitula de part. Sax. c. 3 („si quis ecclesiam igne crema- 
yerit^), und ist auch für die Lex Sax. anzunehmen, unerachtet 
sie dieselbe in Gapitel 21 bei Aufzählung der Todesstrafen fttr 
Verletzung der Kirchen übergeht, da nach Lex Sax. c. 38 Todes- 
strafe allgemein für Brandstiftung eintrat, vgl. oben 8. 195. 

Im Recht keines der anderen Länder des fränkischen Reiches 
ist diese Todesstrafe enthalten ; sie mufs aus dem vorfränkischen 
Recht der heidnischen Tempel in Sachsen auf die Kirchen über^ 
tragen sein, vgl. oben S. 189; dais im heidnischen Recht des Nor- 

lex habet ita solrat; ii^juriam autem ecelesiae, quam per raptum fedt, 
18 (rar. „36*^) soL componat^ Ferts Leg. 3 p. ISO, und erginsend setsea 
Handschriften hinzu: „ipsas res in capitale restitnat, et sicut ipsae res tef* 
luerint, hoc novempliciter componat.^ Perti p. 131. 

^) L. 6aj. I C.3: „Si quis res ecdesiae furaverit, et exinde probatos 
fneriti de qualecumque re niungeldos Folvat, id est norem eapita restitnat.*^ 
Und : „Si autem de ministerio ecdesiae aliquid fturaverit, id est calicem aot 
patenam rel pallam, aut qualemcumque rem de infra eoclesia furaverit, et 
probatus fuerit, triu- niungeldos solrat, hoc est ter novem restituat.*' Perta 
Leg. 3 p. 271. 



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283 , 

dMU das Ansttnden eines Tempels fttr ein todesw^iges Ver- 
breehen galt, ist oben 8. 189 in der Note belegt 

In einem Znsats der Lex Saliea sn Titel 55^) wird eine Bnfse 
TOn 200 Bolidis, d. L die Summe eines Freienwergeldes, anf das 
Anzünden einer Kirche gesetst, die anch gezahlt werden mufste^ 
wenn beim Anzünden eines Hauses ein Mensch verbrannt war, 
vgl. unten Nr. 8. Die Lex Bajuvariorum I c. 6 §. 2 erblüht nur 
die Bufssummen, welche fttr in der Kirche yerbrannte Sachen ge- 
lahlt werden sollen, wenn die Kirche verbrennt und namentlich 
wenn ein Mensch dabei das Leben verliert. 

Nr.4. AufTbdtung in der Kirche steht Todesstrafe 
nach Lex Sax. c. 21 („qui in ecclesla hominem ocoiderit'O* ^^ 
dafs dies auch nach dem Recht der Gapitula de part. Sax. ange- 
nommen werden mufs, obwohl sie das Verbrechen nicht speciell 
anfUirra, erörterte ich oben 8. 196, indem die Gapituhi das Recht 
der heidnischen Tempel anf die christlichen ELirchen übertragen, 
und Blutvergie&en in den heidnischen Tempeln als die höchste 
Vertetzung derselben galt, auf welche die Todesstrafe stand, vgl. 
^oben S. 185 und 188. 

Nach dem Recht der anderen deutschen VolksstXmme des 
friinkischen Reichs stand unter Karl dem Grofsen auf TMtung in 
einer Kirche keine Todesstrafe. Im Alamannischen Recht wird 
nach allen von Merkel unterschiedenen Texten der Lex Alaman- 
nomm (lex Loth. c. 5 p. 47, 1. Landfr. c. 3 p. 95) und nament- 
lich auch nach der sogenannten Lex Karolina c. 4, für einen in 
der Kirche Erschlagenen dessen Blutsfreunden ein Wergeid ge- 
zahlt, der Kirche 60 Solidi für ihre Entweihung, und dem Fiscus 
60 Solidi als Fredum'). Die Lex Frisionum XVII, 2 bestimmt 

^) Zu. zu L. Sal. 55 : „ai quis basüieaitt, nbi reliqniae sunt inserUe Mit 
ipM basiKca est sanctificata, incenderit, solidos 200 calpabilia jadioetur.^ 
Merkel Not. 146 p. 70, und : „si quis basüieam incenderit» solidos 200 culpa- 
büis judicetur.^ Merkel Not. 258 p. 80. 

*) L. Alam. e. 4 : „Si qnis liber liberum infra januas eodesiae ooeiderity 
eognoseat se contra Deum injuste fedsse et ecdesiam Dei poUuisse; ipse 
eedesiae quam poUuit 60 solidos conponat, et fiscus frednm adquirat« pa- 
rentibus autem legitimum weregildnm solTat.^ Perts Leg. 3 p. ISO. 



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. 284 

für das friesische Land swisehen Flie und Lanbaoh, das aeift 
734 dem fränkischen Beich einverleibt war, die Zahlung einea 
neunfachen Wergeides nnd eines neunfachen Friedensgeldes an den 
Fiscas; die Yennuthung liegt nahe, dafe diese Bufi»fttse für TOdtnng 
in der Kirche durch fränkische Oesetsgebung eingeführt smd statt 
der älteren in jenen friesischen Landestfaeiien geltenden Todea> 
strafe^). Für neueres Becht mula ich es halten, wenn Kaiser 
Ludewig im Jahre 817*) allgemein bestimmt: ,,81 quis ex leri 
causa ant sine causa hominem in ecclesia interfecerit, de vita 
conponat" Pertz Leg. 1 p. 210; es besieht sich die Verordnung 
lediglich auf eine leichtfertige unmotivirteTödtnng in der Kirehe')| 
indem der Kaiser ausdrücklich hinanfttgt, dab Jemapd, der sieh 
▼or einem Verfolger in eine Eorehe geflüchtet und diesen dort bei 
seiner Vertheidigung erschlagen hat, nicht der Todesstrafe vor- 
fitllen sein soll, sondern der Kirche 600 Solidi für die Entweihung 
und dem K^nig sein Banngeld su entrichten habe, ohne für den 
Erschlagenen ein Wergeid su sahlen^). 

Nr. 5. T^dtung auf dem Kirchwege an Sonn- und 
Feiertagen ist mit Todesstrafe bedroht inLexSax.c.23: 
„Qui homini ad ecclesiam vel de ecclesia die iesto pergenti, id 
est dominica, pascha, pentecosten, natale domini, sanctae Mariae, 
sancti Johannis baptistae, sancti Petri et sancti Martini, insidiaa 



1) L. Fris. XVn, 2: „Qui in curte dads« in ecclesia aut in atrio eede- 
tiae, hominem oeciderit, noviee weregildum ejus eomponat et noviee fredam 
ad partem dominicam.^ 

>) Baluze setzte die Verordnung ins Jahr 819, Perts wohl riehtiger 817. 

*) Unter Verweisung auf das Capitulare Ton 817 giebt Waitx Yeriaa* 
Bungsgesch. 4 p. 431 an: Todesstrafe sei eingetreten „in gewissen F&Uen 
bei Todtschlag, namentlich wenn derselbe in der Kirehe Terftbt ward.** lieber 
die Bedeutung der Worte „ez leW causa aut sine eansa^» TgL Wilda Strafr. 
p. 398. 563. 

^) Das Capit. a.617 e. 1 sagt nach den im Text angefthrtea Worte» : 
„ei vero foris rizati sunt, et unus altenun in eeeUeiam ßigerü, ei ihi m 
defendendo emn interfecerit, .. adfirmet se defiendendo enm interfeeisse, e« 
post haec 600 eolidoe ad pariem ecdeeiae, queun iüo komicidio poUitera^ 
et ineyper banmtm noetrum eolvere oogahtr; ia yero qui interfeotas eet, abe-> 
que conpositione jaoeat.** Perts 1 p. 210. 



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286 

po0iieitt enmqiie oooidetity eapite paniato ; gi non oeeiderit tamea 
insidias fecerit| bannum solvat de reliqnis''^). : 

Da, wie soebea bei Nr. 4 er&rtert worde^ für TMtmig in der 
Kirche unter Karl dem Groben im frUnkiflch^ Reich anfserhalb 
Bachsens keine Todesstrafe galt, konnte eie auch nieht für T9dtang 
anf dem Wege aar Kirohe nnd von ihr zn Hanse bestehen. Indem 
der König fttr Sachsen die Todesstrafe beiTödtnngen in der Kirche 
an^kannte, lieb er sie auch bei TOdtongen auf dem Wege snr 
Kirche eintreten, jedoch nur an Sonntagen nnd hohen Festtagen*). 

In der Lex Fris. Add. I, 1 nnd 2 wird verordnet: „Homo 
/aidosus paoem habeat in ecclesia; in domo sna; ad eoelenam 
eumdo, de eeclesia redeundo; ad placitum eondO; de placito redenndo. 
Qm hane pacem effiregerit et hondnem oeeidmt, novies 30 soHdoi 
eomponat; si vtdneraperU, noviei 12 soUdos eomponai ad pmiem 
regis^^. Hier Ist, statt daft die Lex Saxonnm allgemein anf Tödtnng 
eines KirchgSngers Todesstrafe, auf andere Verletinng desselben 
ein Banngeld setst, bei einem Homo faidosns, der einen Frieden 
in seinem Hause und in der Kirche geniefst, verordnet, dab ein 
Bnll^^ld von 9 mal 30 Solidis geaahlt wird, wenn er auf dem 
Wege vom Hause aur Kirche getMtet, von 9 mal 12 Solidis, wenn 
er verwundet wird. Wie die Lex Frisionnm (ttr die Tödtung in 
der Kirche 9fiAches Wergeid und 9faches Fredum statt der sSeh- 
sischen Todesstrafe vorschreibt^ so hier beim Homo faidosns, der 
auf dem Kirehwege getödtet wird, eine 9&che Bufse von 30 So- 

>) 0aapp Beeht und Verf. der ftken Sachseii p. 126 erUlrt die Worte 
,de reliquis^ ftr ein sinnloses Glossem; sie vollen sagen: Ton anderen Ver- 
letzungen (als Ton Tedtungen) wird bei einem KirchgAnger an den beseiohneten 
Tagen ein Banngeld gesahlt; ygL die im Text angefthrte L. Fris. Add. 1, 2. 

*) Der Gesetsgeber gewährt dem Kirebg&nger den Sohuts nur: an den 
Sonntagen, zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten, St. Marien, St. Johannes dem 
T&ufer, St. Peter (d. L Peter und Paul, oder der 29. Juni) und St. Martin. 
Von diesen Festen ist unter „Sanctae Mariae^ wahrsc^ieinlich Mariae Reini- 
gung (der 2. Februar) gemeint; darin, dab nicht auch Mariae Yerkftndigung 
(der 26. Mira), Mariae Himmelfahrt (der 15. August) und Mariae Geburt 
(der 8. September) genannt sind, liegt ein Grund, eine frohere Abfassung 
der Lex Sazonum au rennuthen, vgl. Nachweisungen über diese Feste bei 
Bettberg Kirchengeseh. 2 p. 791 ; nach ihm tritt Mariae Yerkfisdigung in 
Deutschland seit d. Sakb. 8tat.a. 799 Porte 1 p. 80 auf, die 4Marientage nenden. 



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236 

lidis, während die Lex Sax. bei einem KirebgXnger daflir Todes- 
strafe bestimmt 

Nr. 6. Auf wissentlichen Meineid (in der EUrdie 
geleistet) steht Todesstrafe nach Lex 8ax. c. 21; withrend 
durch einen, ohne es sn wissen, falsch geschworenen Eid die 
Hand yerwirkt ist, aber mit Geld gelM werden kann. Die in 
der Lex c. 21 angedrohte Todesstrafe galt wahrscheinlich anch 
nach den Oapitulis de part. Sax. c. 33, vgl. darüber oben S. 117. 

Nach ftlterem salfrSnkischem Recht war für erwiesenen Meineid 
eine Bufse von 16 Solidis zn zahlen: in den Gapitulis, welche 
Pertz Leg. 2 p. 12 bezeichnet als Legis Salicae pacto addita (zwi- 
schen 561 nnd 584 Yerfafst), bestimmt Oap. 15: „Si qnis altemm 
incalpaverit perjurasse, et ei potnerit adprobare, 15 solidos eon- 
ponat qni peijnrat'^^); die Satzung schliefst sich unmittelbar an 
den Titel 48, 1 der Lex Salica an: „si quis falsum testimonium 
praebuerit, solidos 15 culpabilis jndicetnr''*), der auch in die Lex 
Ripuariomm 50, 2 aufgenommen ist*). Abweichend bestimmt die 
fränkische Lex de Amore c. 32, dafs der Meineidige seine Hand 
verwirke, und sie fttr ein Viertel seines Wergeides lOsen k5nne^); 
und in einem Capitulare von 779 c, 10 verordnet König Karl, da/s 
auf hevm/sten Meineid Verlust der Hand stehen, dieser aber nicht 
lösbar sein solle, während wenn ein Eideshelfer behaupte, d^ 
Eid sei ohne Wissen falsch geschworen worden, er dies dnrdi 
Oottesurtheil darthun müsse oder ebenfalls seine Hand verwirkt 
habe^)« Bestimmungen über Verlust der Hand kehren dann wieder 

^) In Merkels Lex Sal. p. 41 gedruckt als Titel 92. 

*) Vgl. Merkel p. 27 und die Zus&tee Not. 243 p. 79 n. 186 p. 69. 

") In Lex BajuY. XVI, 5 ist eine Bnfse von 12 Solidis auf fabchen Eid 
gesetzt. 

^) L. de Amore c. 32 : „Si quis sanctb reliquiis se perjurayerit, nuantm 
suam ptrdai, out eam redimat quarta parte de sua leode in dominico.*' 

^) Cap. a. 779 c. 10: „de eo qui perjurium fecerit, nuUam redemptio^ 
nem, nisi wanwn perdat» Quod si accusator oontendere Tolnerit de ipso 
perjurio, Stent ad crucem ; et si jurator vicerit, legem suam aceusator emen- 
det.*' Forts Leg. 1 p. 36 Im. 44, und im Text der ChigiBchen und L« Cavaer 
Handschrift: „si quis perjurium feoerit, nuUam redemptionem ei Jacere liceai, 
nisi memam perdat. Et si ille qui prius iUum saeramentom jurat, de ülo 



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237 

in Capitiilarien Kftris dea OrofiMa von 802 o. 36 Perta Leg. 1 p. 96 
und 808 0. 4 p. 152, sowie Kaiser Lndevigs von 816 (?) c. 9 p. 84 
(▼OD Perti ins Jahr 801 gestellt), von 816 e. 1 p. 196 nnd 817 
e. 10 p. 212. 

Abweichendes Recht enthält die Lejf Frmonum: nach Titel X 
wurde wegen Meineid im mittleren Friesland (d. i. in der Provins 
Lenwarden) dem König ein Wergeid ß^ Löeung der verwirkten 
Hemd und ein zweites als Fredum gezahlt; in Friesland westlich 
der Znidersee molste nach Lex XIV, 3 ebenfalls ein Wergdd als 
Frednm geiahlt werden, wXhrend dieses nach Lex III, 9 im östlichen 
(erst unter Karl dem Oroben den Franken unterworfenen) Fries- 
land nur 60 Solidi betrug'). 

Ein Ueberblicken dieser verschiedenen gesetsHchen Bestim- 
mungen liefst mich annehmen, dafs fttr Meineid im fränkischen 
Beeht in früherer Zeit nur eine Bulae von 15 Solidis bestand; 
daA später Verlust der Hand eingeftthrt wurde, die Hand aber 
mit Odd gelöst werden konnte; und dafli Karl der Grölte 779 
abändernd bestimmte, dafi» wenn ein Eid wissentlich falsch ge- 
schworen sei, die Lösung der verwirkten Hand unstatthaft sein 
solle. Abweichend hiervon war im altfriesischen und 
altsächsischen Becht auf Meineid die Todesstrafe ge- 
setxt, und wurde dann in der Lex Frisionum unter fränkischem 
Einflufr (wohl in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts) be- 

perjurio probatoB fuerit, et aliquis de suis juratoribus dixerit, guod nesciens 
SS perfurasset, ani hoc apnd Judicium Dei adprobet verum esse, aut simi- 
liter manom perdat" Perts Leg. 1 p. 37 lio. 26—33. 

>) L. Fris. X : „Si quis hämo super reliquüs sanctorum falsum jura» 
msntum juraioerit, ad partem regis weregildum suum componaty 
^ et alio weregildo manum suam redimat; de conjuratoribua ejus 
unusquisque weregildum suum persolvat"; L. Fris. XIV, 8: wer wegen Er- 
mordung bei einem Tumult beschuldigt, im westlichen Friesland angeklagt 
wird, hat seine Unschuld lu beschworen und dann durch Kesselprobe lu 
erweisen: „qui in judicio (bei dem Gottesurtheile) probatus inrentus fuerit, 
compositionem homiddii persolvat (d. L sahle das Wergeid f&r den Ermor- 
deten), et ad partem regis bis weregildum suum; ceteri conjurato- 
res sient superius (d. L iu Titel X) de perjuris dictum est^; L. Fris. HI, 9: „si 
is qui alium furem interpellavit, fabo eum ralwmniatns est, et in judioio 
ferrentifl aquae fuerit conrictus, 60 solidis manum suam rsdimat,'* 



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288 

•timmti dafii diese Todeifttnife dnroh Zahlu« iweier Werg^der, 
eins für die Hand, eins als Fredmn; gelltet werden kfone^), wMli- 
rend König Karl fttr Sachsen in der Lex Baxonam c* 31 und 23 
▼erordnete y dab bei wissenüiehem Meineid Gy^i sciens perjmr 
▼erit'O ^^^ Todesstrafe eintreten solle deapile pnwatar^O? bei 
einem nnbewnfitten Meineid dagegen die dnreh ihn verwirkte Hand 
mit Oeld gelöst werden könne G^qni nesciens peijnraverU^ maann 
saam redimat anetor saoramenti'O. Die Unterscheidung swiaohen 
bewnbtem und unbewubtem falschem Eide, sowie dab im leisten 
Fall die verwirkte Hand gelöst werden könne, weist auf die 2Seit 
nach dem Gapitnlare von 779 hin. In den Capitalis de partibns 
Saxoniae hatte König Karl im Capitel 32 yorgeschrieben, daft in 
Sachsen die Eide in der Kirche su leisten seien*}, und im Cap, 33 
erklärt: „de peijuiis secnndnm legem Saxonomm sit'<, das will 
sagen: es behSlt das bisherige sichsische Recht über Meineid seine 
Geltung, und wird wie von Altersher ein Meineidiger mit dem 
Tode bestraft. Die Unterscheidung von wissentlich und unwissent- 
lich geschworenen falschen Eiden berücksichtigen die (wie ich an- 
nehme vor 779 »lassenen) Gapitnla nicht, sie erscheint erst in 
der später abgefiabten Lex Saxonum. 

WUda Strafrecht p. 983 findet es bedenUich, dab im XltestCD 
sttchsischen Recht die Todesstrafe für Meineid gegolten habe, weil 
er sie dafUr nicht im nordischen Recht nachweisen kann, und 
▼ermuthet deswegen der Meineid möge bei den Sltesten Germanen 
so selten vorgekommen sein, dab sie ihm in ihren Btra^soselsen 
nicht vorgesehen hätten; erst von Seiten der Kirche sei er als 
eine mit harten Strafen su belegende Missefhat aufge&bt worden. 
In Betreff des Nordens spricht gegen diese Ansicht, dab der Eid 
im vorchristlichen nordischen Recht von der gröbten Bedeutung 
war und in feierlichster Weise unter Anrufuiig der Götter im Tempel 
geleistet wurde, auberdem aber, dab bereits die alte Edda von dem 
harten Loos berichtet, das dem Bidbrttchigen nach dem Tode be- 

>) VgL in Leg. Liatprandi o. 144, da£i wer „acieiu peijaraverit . . com- 
ponat medium widrigild srnim ei cai ipse peijuraTk*', und die oben S. 236 in 
Nete 4 eagelUirte SieUe der Lex de Amore c. S2. 

s) VgL oben S. 119. 



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289 

reitet sei, und den ,,gri]iimeii Feiseln'' (^ygrimmar timax^, die 
Beiaer warteten^). Darin , dafs die viel spSteren An&eiohniiDgeB 
des nordiflchen Reehte die Todeutrafe beim Meineid nickt kennen, 
M^ für mieh kein Grand, in swdfeln, dab sie im yorchriBt- 
Ikhen aichriBehen Recht flir ikn gegolten hat, nnd ich trage kein 
Bedenken ea ansanehmen, da ich nicht abanaehen Termag, wo- 
durch Bonat König Karl bei der TöUig yerBchiedenen Behandlang 
dea Meineides im fränkiBohen Recht sollte veranlagt worden seiny 
die Todesstrafe für Meineid in der Lex Saxonam anxaordneni an- 
mal ich nach den angeftthrten Stdlen der Lex Frisionam nicht 
Bweifeln kann, dafs sie lange vor König Karl bereits in Frieshuid 
gegolten hat Dab Eide bei den heidnischen Sachsen ttblich waren 
nnd anf die Waffen geschworen wurden, ist oben S. 119 belegt 

IL Anf Tödtnng anter erschwerenden umstän- 
den steht die Todesstrafe. 

Es wird Todesstrafe aafser flir die bereits anter L besprochene 
Tödtnng in der Kirche (oben Nr. 4 Tgl. 8.233) und auf dem 
Kirchgange (oben Nr. 5 vgl. 8. 234) von der Lex Saxonam c. 27 
verhängt flir Tödtuog eines der Faida Verfallenen im eigenen 
Hanse (unten Nr. 7); femer für Tödtung eines Oeistlichen 
(Nr. 8) in Capitola de part Sax. c. 5, flir Tödtung des Dominus 
(Nr. 9) in Gapitnla c. 13 und Lex c. 26, der Domina (Nr.'lO) 
in Capitula c. 13, und des Filius domini (Nr. 11) in der Lex 
c. 26. — Daneben ist in der Lex Saxonum c. 19 ein neunfaches 
Wergeid /Sr Mord angeordnet, und wird im Gapitulare Saxonicum 
von 797 c. 7 bestimmt, dafo den MUma eine dreifache Compositio 
geiahlt werden soll, während die Capitula c 30 bei der Tödtang 
eines Comes nur die Conflscation der Gttter des Verbrechers aus- 
gesprochen hatten. 

Das alte sächsische Becht unterscheidet, wie die anderen 
älteren dentschen Stammrechte, bei einer Tödtung einfachen Todt- 
Bchlag und wirklichen Mord; es bildet aber den unterschied 
swischen beiden, um mich der Ausdrücke Gelbs') au bedienen, 
„noch nicht die Verschiedenheit der Gemttthsstimmung (Affect und 

VgL Wilda Strafr. p.712.979 und Maurer Bekehrung 2 p. 74.221. 
S) Geib Lehrbueh des DeotMhen Strafreohte. ISei. 1 p. 188. 



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240 

LeidenB<)liafty Ruhe and üeberlegmig) des Handelnden , sondern 
die Verschiedenheit der Handlnng selbst , d. h. die Offimheit und 
insofern gewissermafsen die Ehrlichkeit| respective die Heimlich- 
keit nnd Unehrlichkeit oder Feigheit , womit das Verbrechen be- 
gangen wird. Todtschlag heifst noch jede offen, gleichsam nnter 
den Angen des Volks verttbte, Mord dagegen jede heimlich (for- 
tivo modo) ausgeführte, namentlich mit Verbergen oder Verbrennen 
der Leiche yerbundene Tödtung, und zwar unter beiden Vorans- 
setsungen ohne Rücksicht darauf, ob der Verbrecher in Leiden- 
schaft und Affect^ oder ob er mit Ruhe und Ueberlegung gehan- 
delt hat«. 

üeber den umfang, in welchem im alten Sadisen ein durch 
die TOdtung seines Blutsfreundes Verletater oder anderweitig schwer 
OeschSdigter ^) gegen den Verbrecher Feindschaft („inimicitia'O 
üben durfte, oder technisch ausgedrückt in welcher Ausdeh- 
nung Faida') gestattet war, darttber enthalten die Capitda 

^) Dafs Faida nicht nur bei Tödtungen eintrat, folgt ftür Sachsen ia- 
direct aus L. Saz. c. 57 (vgl. im Text S. 241 unter liL a) ; ftü* Friesland wird es 
erwiesen durch L. Fris. 11, 11, indem in einem von Wulmar herrührenden, 
also keinenfalls vor Karl d. 0r. verfafsten Zusatz festgesetst wird, d&fs wenn 
Jemand einen Mensehen gedungen, hat, f)lr ihn Sklaven, Vieh, Waffen, Kleider, 
Hausrath oder Gel4 sa stehlen, nnd der Dieb dann ans dem Lande ge- 
flohen ist, er für das durch den Diebstahl verübte Verbrechen ein Dritte 
der Compositio zahlen soll („tertiam portionem compositionis exsolvat^), dafa 
aber, wenn der Dieb im Lande weilt, derjenige, der ihn gedungen hat, 
keine Compositio zu zahlen braucht, sondern nur die Faida zu dulden hat, 
die gegen ihn erhoben werden kanni^^si qui abstnlit, non profugit, ezpo- 
sitor neo juret, nee solvat, sed tantum inimicitias portet ejus, 
cujus pecuniam abstnlit.'' Zu eng beschränken Walter Deutsche 
Rechtsgesch. §. 704. 2, p. 371 und Waitz Deutsche Yerfassungsgesch. 1 
(1865) p. 407 die Anwendung der Faida im ältesten Deutschland auf Todt- 
schlag und einzelne ihm gleichgeachtete schwere Verbrechen. 

*) Des deutschen Wortes faida bedienen sich die Capitula de pari. 
Sax. e. 31, die Lex Sax. e. 18. 19. 27. 67. 59, nnd das Capitokre Sax. tw 
797 0.9; es bedeutet Feindschaft und wird durch inimicitia übertragen: für 
y^faidam portet^ L. Sax. c. 18 braucht die L. Fris. II, 11 (in einem Zusats 
des Wulmar) „inimicitias portet '^ und die L. Fris. 11, 2. 3. 5. 6. 8 „inimidtias 
pattcttur*', und in gleicher Bedeutung hat L. Sax. 19 „faidosi aini'^ nnd 
L. Fris. n, 7 „faidosus permaneat^. In der selben Bedeutung verwenden 



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241 

de partibofl SaxonUe keine Angaben; eie bestimmen nnr im Ca- 
phel 31 y dafa der Graf in seinem Amtssprengel (d. i. innerhalb 
seiner Grafschaft) befogt ist ein Bann-geld von 15 Solidis zu er- 
heben ,;de minoribns causis'', und ein grofses Bann-geld, oder 
einen sogenannten Königsbann, von 60 Solidis j^de/aida vel ma- 
joribas cansis^', ohne sn sagen, in welchen Fällen er dies wegen 
ansgettbter Faida thun kann. Durch das Capitulare ßaxonicum 
von 797 Capitel 9 ist die hier festgesetzte Höhe des Eönigsbannes 
von 60 Solidis modificirt, indem angeordnet wird, dafs es dem 
König zustehen solle mit Zustimmung seiner getreuen Sachsen 
und Franken die Bannsumme von 60 Solidis zu verdoppeln, wenn 
es ihm zweckdienlich scheine und er Willens sei: ,,bannum for- 
tiorem statuere propter pacem et propter faidam et propter majores 
cansas'^ Nähere Festsetzungen über das Eintreten der 
Faida finden sich in der Lex Saxonum, die wenigstens 
theilweise als von K, KarP) eingeführte Beschränkungen in der 
Anwendung derselben gelten müssen; ich meine die folgenden: 

a) Wenn ein Tkier Jemanden beschädigt, so zahU dafür der 
Eigenthümer des Thleres die Compositib; Faida gegen ihn ist 
ausgeschlossen: ,,si animal quodlibet damnum cuilibet intu- 

die späteren fries. Bechtsquellen den Ausdruck feithe: z.B. in den 17 Küren 
ans dem 12. Jahrb.: ^omnes Frisones habent eorum inimicitias aive feithe 
com pecunia emendare'^' Fries. Recbtsq. p. 24, 23 , welcbes friesiscbe Texte 
Übertragen „alle Frisa mngun hiAm feitha mitb tha fia capia*^, rgL andere 
Beispiele tdr den Gebrauch des Wortes im Fries. Wörterb. p. 730. Völlig 
übereinstimmend übertragen die langobardischen Gesetze faida durch ini- 
mieitia: Ed. Rothar. c. 74 „ideo majorem compositionem posuimus, quam 
antiqui nostri, ut faida, quod est inimicitia, post compositionem acceptam 
postponatur, et amplius non reqniratur nee dolus teneatur, sed causa sit 
finita, amicitia manente"; ibid. c 45 „cesaa-nte faida, id est inimicitia"; ibid. 
c 162 ^praeridimus hoc propter faidam deponendam, i<^ est inimicitiam 
pacificandam"; L. Liutpr. e. 119 „ut cessent inimicitiae, et faidam non ha- 
beani." Vgl. Nachweis, in Mon. G. Leg. 3 p. 659 u. unten S. 252 n. 1. 256 n. 1. 
Bas Wort tritt in ungekürzter Form in althochd. Quellen als fehida, gi-fehida 
auf, in mittelh. als rehede, ge-yehede, und zeigt dadurch seine Herkunft 
ans fehan, vehen (odisse); im neuhochd. Fehde ist die alte ursprüngliche 
Bedentnng des Wortes modificirt, YgL Grimm Deutsch. Wörterb. 3 p. 1417. 
i) Vgl unten S. 266 folg; 

16 



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242 

lerity ab eo cnjns esse constiterit conponatar, $xc€pta fodda^^. Lex 
Sax. c. 57 (oder tit Xu) ^). Die Verpflichtang des EigenthUmerB flir 
sein Thier einzustehen, welches einem Andern einen Schaden sa- 
fügte, sprechen auch andere Rechtsquellen des frSnkischen Reiches 
auS; ohne dabei zu erwähnen^ dafo die Faida ausgeschlossen is^ 
und indem sie hervorheben, dafs der Herr nur zu haften habe, 
wenn er das Thier behält'). 

1) Die Worte „conponatur, excepta faida" hier im Text und S. 243 
unter lit. h, entsprechen den Worten im Edictum Rotharis c. 45 „conponantur, 
cessante faida id est mimtcrtta**, Tgl. L. Liutpr. c. 119: „et ideo resecare rolu- 
mu3 hoc, ut cessent inimicitiae, et faidam non haheant**. Unter faida in L. Saz. 
e. 67 und c 59 eine Geldsumme eu verstehen, die daron den Namen geführt 
hätte, weil sie anderweitig bei Faida gezahlt wurde, scheint mir nicht ge- 
rechtfertigt; der Name müfste dann hier für ein Friedensgeld („firedus", rgL 
unten S. 243 in Note 1 in L. Bipuar.), ein Gewedde (vgl. unten in Note 2 im 
Sachsensp.), gehraucht sein; vielleicht dfirften aber Andere diese Ansicht 
verfechten. Waitz Das alte Recht der Sal. Franken p. 193 und Deutsche 
Yerfassungsgesch. 1865. 1 p. 407, dem Walter Deutsche Rechtagesdk. 
§. 709 n. 2 beitritt, deutet „faidus f&r eine Bufse, die der einzelne empfing, 
wenn er der Rache entsagte ; und die dem Fretus oder Friedensgelde gegen- 
übersteht. '^ Die beiden folgenden dafür beigebrachten Stellen beziehe ich 
nicht auf eine solche Bufse: „si quis fabrum ferrarium vel .. furaverit aat 
occiderit, solides 30 culpabilis judicetur ; inter freio ei faido (d. i. zwischen 
Frieden und Faida) solides 45, in summa sunt simul solides 75." L. S«L 
35, 5, und : „quod ei (dominus servi) intra 15 noctes non ei fecerit (d. h. den 
eines Verbrechens schuldigen Servus nicht vor den Richter stellt), ipse do- 
minus statum sui, juxta modum suae culpae inter Jretum et feifum (d. i. 
zwischen Frieden und Faida) conpensetur.^ Decret. Chlothacharii (um 595) 
c. 4 Pertz Leg. 1 p. 12. 

^ Die von König Karl herrührende Legis Fris. Additio m, 68 be- 
stimmt: ^Si cabaUus aut hos aut quodlibet animal homini vulnus intulerit, 
dominus ejus juxta qualitatem vulneris in simplo componere judicetur; et 
tres partes de ipsa mulcta componantur, quarta portione dimissa (d. h. im 
mittleren Friesland werden V^ der Compositio gezahlt) ; inter Wisaram et Lau- 
bachi tota compositio in simplo persolvitur^; vgl. dazu Parallelstellen aus dem 
spateren friesischen Recht angeführt in Mon. Germ. Leg. 3 p. 689 Note 24. 
Im Sachsensp. U, 40 §. 1 — 3: „Swes hund, oder her, oder perd, oder osse, 
oder swelkerhande ve it si, enen man dodet oder belemet, oder en ander 
ve, sin herre sal den scaden na rechteme weregelde oder na sineme werde 
betören, of he't weder an sine gewere nimt, na des dat he dat erst ereschei. 
Sleit he't aver ut, unde ne hovet, noch ne husei, noch ne etat» noch ne drenket 



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243 

b) Wenn Jemand mU seinem Oeechofo einen Andern ohne seinen 
Wtüen verletzt, 80 sahlt er ihm Compositio, Faida aber ist ans- 
geschlosBen: ,,8i fermm mann elapsum hominem percnsBerit, ab 
eo ci^ns mannm fhgerat conponatnr, excepta faida^^ Gap. 59. Man 
▼ergleiche die ähnlich lautenden Worte der Additio Legis Fris. 
m, 69: „si homo qai^libet telam mann tenet, et ipsum casu qno- 
libet inciderit snper alium extra yolnntatem ejns qui illnd mann 
tenet, in simple joxta qaalitatem vnlneris componatnr'^ Hier wird 
das Aasgeschlossensein der Faida nicht erwfihnt; ausdrücklich 
geschieht es, wie in der Lex Saxonum, in dem Edictum Rotharis 
e. 389: ,ySi quis hominem liberum casu faciente nolendo occiderit, 
componat sicut appretiatus fherit, et faida non requiratur, eo quod 
nolendo occiderit***). 

c) Wenn ein Lite Jemanden tödtet, und er dies ohne Befehl 
oder Beirath seines Herrn gethan hat, so befreit sich der Herr 
von aller Verantwortung, indem er den Liten Preis giebt; die 
nichsten Erben des Oetödteten können sich dann nur an den 
Liten und sieben Blutsfreunde desselben halten. Anders steht es, 
wenn der Herr des Liten ihm die Tödtung befohlen oder gerathen 
hat, dann mufs er für ihn die ComposiHo zahlen oder die Faida 
ertragen, (falls sie gegen ihn begonnen wird): „Litus, si per jus- 
Bum vel consilinm domini sui hominem occiderit, ut puta nobilem, 
dominus conpositionem persolvat vel faidam portet^). Si autem 

he't, 80 M he unBCuidich an'me scaden ; so undenrinde'B sik jene ror amen 
Bcaden of he wiüe. Nen ve verboret nen gevoedde deme richtere an siner 
daf", 8. auch Dietmars. Landr. §. 105. 106 bei Michelsen p. 36. Vgl 1. Sal.36, 
l Bip. 46, 1 ( der Richter erhlüt keinen fredua ) , L Thur. c. 52 , und Kraut 
Vomrandsch. 1 p. 351, WUda Strafr. p. 555. 558. 588. 

^) YgL L. Eipuar. 70, 1 : „ai quis homo a ligno seu aliquolibet manw 
fädtUe fuerit interfectus non solvatur, niai forte quis auctorem interfecdonis 
in usus proprios adsumpserit, ttme absgue fredo culpabilis judicetur", und 
Lex Thur. c51 (oder tiUXI, 7): ^qui nolens, sed casu quolibet hominem 
Tulnerarerit yel occiderit, conpositionem legitimam soWat.^ Vgl. Wilda Strafr. 
p.647 U.553, sowie p.548 über ähnliche Bestimmungen des nordischen Bechts. 

S) Dals die Worte „dominus compositionem persolvat vel faidam portet^, 
nicht wie Bogge Ueber Gerichtswesen p. 23 ausföhrte, so zu verstehen 
sind, dals hier der dominus liti, und dem entsprechend nach dem älteren 
germanischen Beeht überhaupt der Verbrecher, die freie Wahl gehabt hatte, 

16» 



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244 

absque conscientia domini hoc fecerit; dimittatar') a domino, et 
yindicetur in illo et alÜB Beptem coDsanguineifl ejus a propinqnis 
occisi, et dominns liti se in hoc conscinm non esse cum nndecim 
juref' L. Sax. c. 18. Der dominus liti haftet nach der Lex Sa- 
xonum für seinen Liten in ähnlicher Weise, wie es die Lex Sax. 
c. 50 bis 53 bestimmt , dafs es ein Herr bei seinem Servus thut; 
ja Capitel 50 erwähnt, indem vom Servus die Rede ist,, nochmals 
des Liten: „quicquid servus aut litus jubente domino perpetra- 
verit, dominus emendet'^'). 

Zur Erläuterung der Faida, die nach Lex Sax. c. 18 der Herr 
des Liten fUr ihn zu ertragen hat, wenn er ihn zur Tödtung veran- 
lafste, dienen die Ausführungen der Lex Frisionum in Titel U 

die gesetzliche Bufse zu zahlen oder es auf die Fiuda ankommen zu lassen, 
dafs vielmehr dem Verletzten, da, wo Faida zulässig war, die Wahl zustand, 
sie auszuüben, oder wenn fiir den Fall eine bestimmte Compositio gesetzlich 
festgestellt war, diese gerichtlich zu yerlangen, ist genügend erörtert, rgL 
Eichhorn Deutsche Bechtsgesch. §. 1 8 und 76, W o r i n g e n Beitr&ge p. 38, 
Wilda Strafr. p. 189, Walter Deutsche RechUgesch. §.704-^706. 2 p.370, 
Siegel Gerichtsverf. 1 p. 9 und W a i t z Deutsche Yerfassungsgesch. 2. Ausg. 
1 p. 406. 

*) Die Worte „dimittatur (Utas) a domino** erklart Gaupp Rechtand 
Verfassung der alten Sachsen p. 119 und 194 durch: der Lite werde frei- 
gelassen Ton seinem Herrn; dimittere ohne weiteren Zusatz, wird aber in 
den Rechtsquellen des fränkischen Reichs nicht ftü* manumittere rerwendet, 
vgl. Cap. legi Baj. add. c. 6 : „qui per chartam ingenuitatis dimissi sunt liberi*' 
Pertz Leg. 1 p. 126; 1. Sal. XXVI, 1 : „si quis alienum letum ante rege per 
denarium ingenuum dimiserit^; 1. Rip. 57, 1 : ^si quis libertum suum per 
manum propriam seu per alienam in praesentia regis ingenuum dimiserit 
per denarium''. Ueber die Bedeutung von dimittere ohne Zusatz vgL „ha* 
beat dotem , filiisque dimittat^ 1. Sax. c. 47 ; „si quis pueUam rirginem ra> 
puerit, et violatam dimiserit'^ L Fris. DC, 8 ; „si quis uxorem suam sine causa 
dimiserit" 1. Burg. 34, 2; Cap. in 1. Ripuar. mitt. c.6: ^nemini liceat servwn 
9uum, propter damnum ab illo cuüibet inlatum, dimittere; sed juzta quali- 
tatem damni dominus pro ipso respondeat, rel eum in compositione aut ad 
poenam petitoris oflFeret; si autem senus fugerit; etc." Pertz Leg. 1 p. 117 
(eine Modification von 1. Rip. 30, 2), vgL Cap. alia addenda a. 803 c 12: 
„nemtni liceat servum suum propter damnum a 8e dimittere, etc." p. 120. 

*) Vgl. 1. Sal. 35, 4: „si quis servus aut letus hominem ingenuum ooci- 
derit, ipse homicida pro medietate conpositionis hominis occisi parentibas 
tradatur, dominus vero serüi aliam medietatem conpositioniB solrat''. 



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245 

ttber die reebtüehe Stellmig dessen, der dareh einen gedungenen 
Mörder einen Mensehen tödten liefe. Ist der gedungene Mörder, 
mag er ein Nobilis, Liber oder Lite sein, ans dem Lande gefloheui 
so da& die Blutsfreunde des Ermordeten sieh nioht an ihn halten 
können, dann hat der, welcher den Mörder gedungen hat, einerlei 
ob er ein Nobiiis, ein Liber oder Lite ist, den dritten Theil des 
Wergeides des Ermordeten zu sahlen (j^qni eum exposnit, tertiam 
partem lendis eomponat'O» ^^ hingegen der Mörder im Lande, so 
hat der, welcher ihn gedungen hat, keine bestimmte Summe zu 
zahlen, er hat nur Faida zu ertragen, ist ein Faidosus, und zwar 
so lange bis er sich mit den Blutsfreunden des Ermordeten ttber 
Beilegung der Feindschaft und Herstellung eines freundschaftlicheB 
Verhältnisses vergleicht, und wie es ihm gelingen mag aussöhnt: 
„si vero homicida non fugerit, nihil solvat, sed tantum inimicitias 
prqpmquarum hominis occiei patiatur („portet'' in §. 11), donee quo- 
modo potuerit eorum amicUiam adipiscatur'* („in gratiam reyerta- 
tnr'^; „donec se cum eis reconciliet*^) L. Fris. 11, 2. 3. 5. 6. 8, 
oder wie sich Lex Fris. II, 7 ausdrückt: „sed tanium faidosus 
permaneai, ' donec in gratiam cum propinquis occisi revertaiur ^^ — 
Bei der Interpretation des Titels II der Lex Frisionum ist zu 
beachten, dab in ihm die rechtliche Stellung desjenigen festgesetzt 
werden sollte, der durch einen gedungenen Mörder Jemanden hat 
ermorden lassen, eines Expositor, wie ihn die Lex nennt ^), nicht 

') Die Lex Fris. TL, 3. 5. 8. 1 1 verwendet expositor, und damit gleich- 
bedeutend qui exposuit: „si nobUis (liber, litus) nobilem (liberum, litum) per 
Ingenium alio homini ad occidendiun ezposuerit'^ II, 1. 4, oder „qui eum ex- 
posuit" II, 1 ; und ebenso : „si quis utensilia alli ad auferendum exposuerit'' 
II, 11. Die Lex spricht also von einem Expositor, von einem, der einem 
Andern einen Menschen exposuit (aussetzte), um ihn su tfidten, von einem, 
der einem Andern Sachen exposuit (aussetzie), um sie wegzunehmen (zu 
stehlen). Ganz in derselben Beziehung bedient sich die Lex Salica des 
Wortes e-locare oder locare (verdingen, verpachten): „si quis in furtum 
aliquid ehcare voluerit" 28 , 1 ; „si quis in furtum elocatue ( d. i. der zum 
Furtum Gedungene) acceptum pretium (f&r: accepto pretio?) hominem oc- 
cidere voluerit^ 28, 2; „si quis in furtum aliqtiem elocare (nloeare**) voluerit, 
ut hominem interficiat, et pretium ab hoc acceperit, et non fecerit'^ Zusats 
bei Merkel p. 63 lin. 19; „si quis aliquid in furtum hominem loeaverit, ut 
alium interfieiaf* Merkel p. 76 lin. 6; „si per tertio homine docatio traas- 



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246 

aber die des gedungenen ]fl5rderg) der in dem Onide nur nebeobri 
znr Sprache kommt, dab nicht einmal angeführt wird, dab er 
wegen des gesetzlich normirten Wergeides des Ermordeten tob 
dessen ,,Propinqais'< oder nächsten Blntsfreunden wie jeder IfOrder 
gerichtlich belangt werden konnte. Der Gesetzgeber der heu Fri- 
sionum geht dayon aus, dafo die Propinqui des Ermordeten eine 
fest normirte Bufse erhalten sollen: ist der MOrder im Lande, so 
können sie gegen ihn wegen des Wergeides des Ermordeten klag- 
bar werden, und das gentigt ihm; ist hingegen der MOrder ans 
dem Lande geflohen, so bestimmt er, dais die Propinqui gegen 
den Expositor auf ein Drittel des Wergeides des Ermordeten klagen 
können; — diese specielle Festsetzung, die ip dieser Weise in 
keiner anderen Bechtsquelle begegnet^), dfirffe die Abfassung des 
ganzen Titels der Lex Frisionnm veranlabt haben. Dadurch, daia 
der Expositor ein Drittel des Wergeides zahlt, ist eine Aussöhnung 
mit den Propinquis des Ermordeten herbeigeführt, und sie dürfen 
keine Faida (inimicitia) mehr gegen ihn hegen; anders verhllt 
es sich, wenn der gedungene Mörder im Lande blieb, und eine 
Klage auf das gesetzliche Wergeid gegen ihn möglich war; hier 
können die Propinqui nicht aufserdem noch gegen den Expositor 
klagen, gegen ihn haben sie nur („tantum'Q Faida (inimicitia)^ 
und der Gesetzgeber, der ihnen gegen den Expositor keinen recht- 

missa fuerit'* tit. 28 , 2 ; „si post tertia eheatione ipsa transmissa faerit** 
Merkel p. 63 lin. 24. Das ex-ponere in der Lex Fris. kann nicht an- 
stiften bedeuten, wie Neuere mit du Caoge angenommen haben, da die 
Lex Fris. 11, 11 Ton „utensilia exponere^ spricht; die Uebereinstimmuig 
in der Verwendung von ex-ponere in der Lex Fris., und von e-locare in der 
Lex Sal., zeigt, dafs ex-ponere (aus-setzen) Air verdingten gebraucht ist; 
die Lex Sal. erw&hnt des Preises, den der Expositor geeahlt hat, und nennt 
das Verbrechen eine elocatio, sie überschreibt den Titel „de elocationibuB**, 
Ein deutscher Ausdruck ftür elocatio dürfte in forresni, der dunkeln Ueber- 
Schrift des Titel II der Lex Frisionum, zu finden sein; das aits&chs. asna, 
fries. esna, angels. aesne, bedeutet Lohn, Löhnung (merces); for-esni also 
vielleicht Ver-dingnng (elocatio) ; in Mon. Germ. Leg. 3 p. 658 hatte ich an 
das althochd. asni, angels. esne (mercenarius) gedacht, und for-esni als gleich* 
bedeutend jnit expositor, elocator vermuthet. 

Die Lex Sal. 28, indem sie dasselbe Verbrechen behandelt, seilt 
voraus, dals der gedungene Mörder den Mord nicht voUfUurt hat. 



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247 

Hob verfolgbaren Anspruch gewShrt, hindert sie nicht ihn feindlich 
m behandelui nnd dadurch, wenn es ihnen möglich ist, sa Con- 
oesBionen sa bewegen; das feindliche VerhSltnifB (die inimicitia) 
mit ihm mag daneni, bia auf irgend welche Weiae eine Ausaöh- 
miBg erfolgt^ während dieser Zeit: expoaitor faidam eoram portet, 
fiaidam eoram patiatar, faidosas permaneat; hiergegen hat der 
Oeaetsgeber nichts einsuwenden, und ontersagt also in diesem 
Falle in keiner Weise Faida, gestattet sie vielmehr mit unswei- 
dentigen Worten. Der Titel II der Lex Frisionum bezieht sich 
auf Friesland zwischen Flie und Laabach y oder die heutige hol- 
lindische Provinz Friealand deren Mittelpunkt Leuwarden bildet, 
und kann nicht vor 734, wo diese Gegend erst fränkisch wurde, 
abgefafst sein, ist es aber wahrscheinlich bald nachher. Beachtung 
verdient, dafs der Titel in §. 11 einen von Wulmar formulirten 
Zusatz^) erhalten hat, der die im Titel erlassenen Vorschriften 
aaf den Fall ausdehnt, wo Jemand einen Dieb gedungen hat; er 
soll dann ebenso das Drittel der Bufse zahlen und Faida ertragen, 
wie es im Titel ftlr denjenigen angeordnet ist, der einen Mörder 
gedungen hat. Da nun die Walmarschen Zusätze zur Lex Fri- 
sionum keinenfaUs vor Karl dem Grofsen erlassen sein können, 
so gewährt der §.11 ein Zeugnifs, da£s die Satzungen des Titel II 
der Lex Frisionum damals noch praktische Geltung hatten, nnd 
Faida in der im Titel angegebenen Weise in Friesland gestattet 
war, ja dals sie sogar nach allerlei Diebstählen vorkommen durfte, 
wie es ausdrücklich §.11 des Titels ausspricht^). 

1) Vgl. oben B. 240 Note 1. 

*) Ueber 1. Fris. n vergl. Bogge Qerichtswesen p, 27, Woringen 
Beitr&ge p. 40, Wilda Strafr. p. 631, Walter Deutsche Beehtsgesch. §.704. 
2 p.371, Siegel Gesoh. der deutschen Gerichtsrerf. 1 p. 9. 13, und Waite 
DentBolie Yerfassangsgesch. 1 (a. 1844) p. 197 und 1 (a. 1865) p. 406. — 
Bogge sah in dem Drittel Wergeid der lex Fris. U eine neben dem Wer- 
geid Ton dem Mordanstifter gezahlte Friedensbrüche, und erklärte deren 
Zahlnng bei Landfiüchtigkeit des Mörders auf das KünstlichBte aus der von 
ihm ausgebildeten Gesammtbürgschaft. Wilda nahm an, der Anstifter des 
Mordes habe ein Drittel Wergeid neben dem ganzen vom Mörder einge- 
klagten Wergeide zahlen müssen [das widerspricht dem Inhalt der Lex], 
and sei mit diesem Drittel dayongekommen, wenn der Mörder entflohen 



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248 

d) Einen weiteren Fall der Faida erwähnt die Lex Saxontun 
Gap.l9: gegen einen Mörder und dessen SOhne istFaida 
zulässig; er hat das neunfache Werpdd des Ermordeten zu zahlen, 
nnd seine Proximi haben ihm nur den dritten Theil eines dieser 
Wergelder beizusteuern. Das Cap.l9 lautet: ,,8i morä-totum^) quis 
fecerit, conponatur primo in simplo juxta conditionem suam; cujus 
mnltae pars tertia a proximis ejus qui facinus perpetravit conpo- 
nenda est, duae vero partes ab illo; et insuper octiea ab eo con* 
ponatur, et ilie ac filü efus soli sint /aidosi^^. 

Die letzten Worte enthalten die gewichtige Bestimmung, daA 
Faida nur gegen den Mörder und dessen Söhne, nicht gegen seine 

war, „war er aber im Lande, als heimlicher und unbekannter Todtschlagor, 
80 sollte der Anstifter, in dessen Hause etwa der Todtscblag begangen war, 
solange der Rache ausgesetzt bleiben, bis der Thäter bekannt geworden, 
gegen ihn die Hauptsache entschieden, oder er als Todtschläger geflohen war''. 
Diese Deutung der Verhältnisse bei Faida entspricht nicht der Aufiassung des 
G^setsgebers in den Worten der Lex Fris. H. {. 2. 6. 7. 8. 1 1 : „si rero ho- 
micida non fiigerit, nihil („nee aliquid'') solvcU, aed ianhtm inimieitias . . 
patiahtr („sed tantum faidosus permaneat"), donec etc.'' Dem Gesetzgeber 
erscheint es als das Ungdnstigere ftir den Kzpositor, wenn er gerichtlich 
auf eine bestimmte Bufssumme belangt werden kann, dem er das „tantum 
inimicitias patiatur** entgegenstellt; im Interesse der Verletsten sind im ftlteren 
Deutschland die bestimmten Oompositionen eingeführt, bei deren Zahluiig 
das Gesetz dem Verbrecher keine Wahl liefs, das bestätigt der Titel II der 
lex Fris., wie es das Edictum Botharis c. 74 anerkennt. Auch Waitz verrückt 
den Standpunkt, wenn er bemerkt: ^es wird in 1. Fris. H ein Fall roraus- 
gesetzt, wo kein Wergeid gezahlt werden sollte, wo man aber die Kache 
nicht ausschlieCsen konnte''. 

1) Herolds Ausg. der Lex Sax. und das Manusor. Bpang. lesen „mordum- 
totum'', verderbt aus mard^totum; das Corv. Manuscr. „morä-dotum*^; die 
TiL Ausg. „mordri-ioton*', vgl oben S. 21. 67. 67. 72. 88 und 96. Zwei ältere 
Wortformen mordh-tot und mordri-tot, die beide Mordtod (d. i. einen mör* 
derisch herbeigeführten Tod) bedeuten, liegen diesen Lesarten zu Grunde; 
„mord-toto„ verwendet auch die L. Alam., mordri die fränk. Lex de Amore 
c. 46 (:„8i quis hominem in mordro occiderif). Aus einer deutschen Verbal- 
form maurthrian {(poytuuy) goth., myrdrian angels., die neben murthiaii 
(morden) althochd., steht, wie mordri neben mordh, ist gebildet: ca-murdrifc 
(ge-mordet) in L Baj., mordritus und mordridus in 1. Fris., 1. Bip. und GapiU 
a. 803, murdrida in 1. Baj.; vgl. die Stellen unten B. 249 Note 2, und über 
das Wort die Note 47 in Mon. Germ. Legi 3 p. 672. 



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249 

aaderen Blatsfremide gestattet ist; in dieser Aiisdehnaiig erkennen 
sie Faida aosdrücklieh als znlissig an, nnd gewShren daneben den 
Blntsfrennden des Ermordeten das Reeht| statt Faida zu beginnen, 
ein neunfaches Wergeid einzuklagen. Schwerlich wird es einem 
Zweifel unterliegen können, dab diese in der Lex Saxonam vor- 
geschriebene Zahlung eines nennfachen Wergeides für den Mörder 
erst von König Karl in Sachsen eingeführt ist. Es spricht za* 
nXchst daittr die Art, wie in der Lex Sax. anter den beim Mörder 
zn zahlenden 9 Wergeldern das erste von den 8 anderen anter- 
schieden wird : nnr za jenem haben die Blntsfrennde in alter Weise 
den dritten Theil als Magzahl znznschiefsen, die 8 anderen hat 
der Mörder allein aufzabringen. Za diesem inneren Argument 
kommt ein Sufseres: auch die Lex Frisionum Tit. XX, 2 verordnet: 
„si qais hominem occiderit et absconderit, quod mordritum vocant, 
novem weregildos componat^' ^), nnd im Titel VII der Lex Fris., 
der ftlr absichtliche Tödtang eines Menschen mittelst Anzünden 
seines Hauses ebenfalls ein neunfaches Wergeid vorschreibt, ist 
ausdrücklich bemerkt: f^haee consHtuiio ex edicto regis processii'^. 
Der König, der in Friesland das neunfache Wergeid einführte, 
kann kein anderer gewesen sein als König Karl, er wird es auch 
in Sachsen bei Erlais der Lex Sax. gethan haben. 

Als Vermuthung will ich es hinstellen, dafs, da im fränkischen 
Recht nach der Lex Salica und der Lex Ripuariornm für Mord 
ein dreifaches Wergeid gezahlt wurde'), das in der Lex Frisionum 

Die Ueberaohrift „de mordrito^ im Text der Lex Fris. Titel XX halte 
ich f&r Ton Herold TerfaÜBt, indem sie nur dem Inhalt von {. 2 des Titel XX 
entspricht, nicht aber dem f. 1 and {. 3 des Titels. 

*) Nach Lex SaL 41 , 1 werden Bir einen Mord („si euyi in puteum 
aot snb aqua miserit**; „si enm de ramis, aut de callis, aut de quibuslibet 
rebus celaturus texerif) 600 Solidi gezahlt, d. i. ein dreifaches Wergeid; 
ebenso i^ Lex Bip. XV unter Gebrauch der ftr das Verbrechen technischen 
Benennung: „si quis ingenuus ingenuum Bipuarium interfecerit, et eum cum 
ramo cooperuerit, vel in puteo seu in quocunque libet loco celare roluerit, 
qnod dicitur mordridus, sexcentis solidis cülpabilis judicetur^. Noch in einem 
Ziisats zu den Capitnlis quae in lege Bip. mittenda sunt a. 803 bei Perts 
Leg. 1 p. 118 (wiederholt in einem K. Ludewig II. zugeschriebenen Cap. 
a. 856 c 17 Pertz 1 p. 443), ist ftlr Mord das dreifache Wergeid anerkannt: 



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260 

Hnd in der Lex Bazonnm neben dem einfaehen Wergeide Yom 
IfSrder zu zahlende achtfache Wergeid dnrch die frXakiaehe Ge- 
Betsgebnng an Stelle einer früher bei den Friesen und Saehsen 
geltenden Todesstrafe eingesetst ist Ein unmittelbares ^ngnifii 
dafür, dflffs im vorfrlinkischen heidnischen Sachsen anf Mord die 
Todesstrafe stand, scheint Beda za gewähren, indem er in der 
oben S. 220 excerpirten Stelle berichtet, wie ein sächsischer Oan- 
▼oroteher die Ermordung der beiden Ewalde an ihren Mördern 
mit dem Tode strafte. Sollte aber anch diese Todesstrafe aidi 
nicht auf den Mord iallein beziehen, und etwa der GauTorsteher 
die Mörder nur deswegen mit dem Tode bestraft haben, weil er 
die Ewalde, als anf der Reise zu ihm begriffene Gesandten, fttr 
unter einem besonderen Schutz oder höherem Frieden stehend 
ansah ^), so zeigt doch das dem fränkischen Recht fremde hohe 
neunfache Wergeid der Lex Sax. flir Mord, dais er in Sachsen als 

der behandelte Fall, den Boretins Capitolarien im Langobardenzeich« 1864 
p. 86 zuerst richtig erkannt hat, ist, dafs ein Servu8, der sich im Besitz 
des Nachksses seines Herrn befindet, aui Veranlassung eines Dritten, den 
neunj&hrigen und den elij&hrigen Sohn seines Herrn ermordet hat, und 
darauf von dem Dritten ermordet worden ist: „et judicatum est, ut illnm 
qni novem annos habuit, tripliei weregildo eonponat, alium qui undedm ha- 
buit duplictter (?), servumque mordritum triplieÜer, et hannum nostmm ad 
omnia^. Ein neunfaches Wergeid für Mord kennt bereits die zwischen 613 
und 622 gesetzte Lex Alamannor. Lotharii c. 49 (auch der Pactus IL cap. 42 
p. 37, und die 1. Lantfrid. e. 47 p. 102): „si quis hominem oceiderit, 
quod Alamanni mortoto (berichtige f^mord'toio'* aus d. and. Handschr.) di- 
cont, novigxlduB «um solvat, et quidquid super eum arma et rauba tulit» 
omnia sicut furtiva eonponat'^ Pertz Leg. 3 p. 61. In der Lex Big. XIX, 2: 
„si quis liberum occiderit furtiro modo, et in flumine ejeoerit, rel in tale 
looo, ant cadaver reddere non quirerit, quod Bajuvarii fnurdrida dicunt» 
inprimis cum iO soUdis eonponat, eo quod funus ad dignas obsequias red- 
dere non valet, postea yero cum tuo werageldo eonponat*' und {.3: „n 
servuB Airtivo modo supradicto more oeeisus fuerit et ita abscons^, quod 
eamurdrit dicitnr, novuplum eonponat, id est 180 solidos^ Pertz Leg. 3 
p.828. 

') Der Satrapa ist nach Bedas Worten empört: „quod ad se renire 
Tolentes peregrini non permitterentur", und nach der Vita Lebuini rettet ein 
Sachse den Lebuin dadurch, dafs er anfthrt, er sei em Gesandte Oottes, 
und alle ^hgato« more solito cum pace suseepimui^, rgL oben S. 221. 



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261 

eis besonders sehweres Verbrechen gegolten haben mnfs ^). 
Stand im TorfrSnkiBchen Sachsen auf Mord die Todesstrafe , so 
erklärt sich das nennfache Wergeid leicht: König Karl mniste bei 
AbschaiAing derselben eine besonders hohe Ba(se einftthren, nu 
die Blntrfrennde eines Ermordeten sn ihrer Annahme zu bewegen'); 
denn daft ihnen die Wahl blieb auf das nennfache Wergeid so 
klagen oder Faida gegen den Mörder an ttben^ sagt die Lex Sa- 
xonnm ausdrücklich , nnd sicher hat König Karl hier die Faida 
nicht erst nen gestattet, wenn wir auch nicht näher wissen, ob ihre 
Beschrtnknng anf den Mörder nnd seine Söhne, deren die Lex 
gedenkt, altes sichsisohes Recht war oder erst von König Karl 
eingeführt ist. 

e) Geffm AuBtihnng der Faida ist der von ihr Betraf ene da- 
durch geschützt, dafs Todesstrafe darauf steht, wenn 
Einer ihn ihretwegen in seinem eigenen Hause tödtet; 
die Lex Sax. e. 27 Terordnet: „qvA hominem propter faüdam in 
propria domo occiderit, capite pnniatur**. 

Mit dieser Satzung ist diejenige zu vergleichen, die unter 
dem Namen des Wülmar der Lex Frisionum als Additio 1, 1 bei- 
gefügt ist: jfhomo faidosus pacem habeat in ecclesia, in domo sua, 
ad ecclesiam eundo, de ecclesia redeundo, ad placitum eundo, de 
placito redeundo; qui hanc pacem effregerit et hominem occiderit, 
nomes SOsolidos componat, si vulnerayerit noyiesl2 solidos componat 
ad partem regis". Während die Lex Saxonum verordnet, dafs 
den, der Jemand „wegen Faida im eigenen Hause tödet*', die 
Todesstrafe trifft, verordnet der Zusatz zur Lex Frisionum, dafo 
wer einen „homo faidosus^ in seinem Hause tödtet, neunmal 
30 Solidos bttlsen soll, indem ihn daselbst ein Friede in dieser 
Weise schütze, unter dem getödteten Homo faidosus des friesi- 
schen Gesetzes und dem propter faidam Getödteten des sächsischen 

^) Keinen Werth wage ich darauf su legen, dais das sp&tere s&chsiflohe 
Beeht ÜBlt Mord das Bad Terh&ngt, ygl. Sachsensp. 11, 13 {. 4, mit der Treuga 
Henriä regia c & (vgl. 10) PerU Leg. 2 p. 267 übereinstimmend. 

*) YgL wie König Bothari Ed. c. 74 erkl&rt : „ideo majorem oomposi- 
tionem pöBoimas, quam antiqui nostri, nt faida, quod est inimicitia, post com- 
positionem acceptam postponatur, neo amplins non requiratnr, etc." 



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262 

Oeaetses ist gleicbmftbig Einer verstandeiiy gegen den F«da er- 
beben werden kann, der sieb in der Lage befindet , sie tragen 
oder erdulden zn müssen: ita pt faidam portet, oder inimieitiam 
patiatur, wie die oben S. 240 angeführten OeBetsessteilen es ans- 
drücken^). — Zur weiteren Erläuterung des Verhältnisses dient 
ein vielfaeh angeführter Brief von Einhard an den Abt RabaOi 
in welchem Einhard sich für Gnndhart, einen Vasallen des Abtes, 
dahin verwendet, dafs er yon einem ihm bevorstehenden Heeres- 
znge dlspensirt werde, um zu Hanse bleiben zu können, indein 
dies für ihn als höchst nothwendig erscheine, da er faHdotu» sei, 
und nicht wagen könne mit seinen Feinden und denen, die seinem 
Leben nachstellten, den Weg zu unternehmen, zumal gerade der 
Gomes, unter dem er die Heerfolge zu leisten habe, sein gröbter 
Feind sei*). 

^) Völlig entsprechend dem y^ faidam portei " der Lex Sax. c 18, wird 
angelsächsisch gesagt: „]»aet he u>ege sylf pafaehde^ Edmunds Ges. H, 1 
{. 1 Schmid p. 176, und „he tcege pa faehde wid {>a maegde*' (gegen die 
Magen) ibid. {.2 p. 176. Und für „ fai<ioeue eit^ sagen angels&chsiache 
Quellen y,he ey fah (oder „ge-fah^) wid pone etc." Aethelstans Ges. II, 20 
{. 7 Schmid p. 142 und Edmunds Ges. a. a. 0. f. 3, dem dann gegenüber- 
steht „he sy un-fah*' (er sei ohne Feindschaft) Edm. a.a.O. {.1. Noch 
im 14ten Jahrh. ist der Ausdruck in Friesland bekannt: in einer aus der 
Gegend ron Emden herrührenden Uebersetzung der Domen ron 1312 wird 
proscriptus übertragen durch „eji faih and fi-ethelas mon" Fries. Bechtsq. 
p. 186,25. 188, 8. 190, 8; vgL in Büstringer fries. Texten: „sa ne thur hi 
fach sitta", „sa skil hi wesa fach", „hia skilnn un-fach beUva", s. Fries. Wörterb. 
p. 724. 729. Auchinaltd&n.Ges. „8itia/c^AokfirithlÖ8",rgl.WildaStrafr.p.l92. 
Für faidosus in Manusoripten der \,^9i.fehiivs und „id wigifeh*^ Perts 3 p.285. 

') In der Epistola XYII Einhardi: „quidam homo Vester (i.e. Hrabani 
abbatis) nomine Gundhartus, rogavit nos pro se ad Yestram sanctitatem 
intercedere, ut sibi liceat Her exercitale, quod praesenti tempore agendum 
est, omittere aedomi remanere; asserene ee ad hanc remaneionem magna 
cogi neeeesHaie, pro eo quod faidosus eit, et cum inimieie suis, et bis qui 
yitae ejus insidiantur, hoc iter agere non audeat, praesertim cum iUo co- 
mite, cum quo ire jubetur, quem sibi dicit esse inimicissimom. Idee rogat, 
ut eum in tantum periculum Vestrae jussionis auctoritas non impeÜM» sibi 
enrae esse seque providere, ut cum exactore heribanni, si renerit et eum 
compellayerit, sine Vestro labore se pacificet". Die Epistola ist exoerpirt 
Ton: du Cange s.v. fitiditus, Siegel Gesch. der deutschen Gerichtsverf. 
1 p. 21, Walter Deutsche Bechtsgesch. 2 p.371, n. A. 



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253 

Die drei angefahrten Stellen zeigen übereinstimmend, dafs 
wer Faida dulden mafste, vor seinen Feinden („inimicis*), 
d. L vor denen, die gegen ihn Faida („inimicitia^) hegen 
durften, in seinem Hanse einen gewissen Reehtsschntz 
oder Frieden (npax^) genofs. Naeh der Lex Saxonnm traf 
die Feinde, wenn sie diesen Hans-frieden verletzten und den Fai- 
doBUB t5dteten, die Todesstrafe, nach der Additio legis Frisionnm 
eine Bofse von neunmal 30 Solidis, d. i. ein neunfaches friesisches 
Friedensgeld. Bei beiden Strafen drängt sich uns von selbst die 
Frage auf, ob sie alt und eine Folge des nrgermanischen Haus- 
friedens waren, oder erst später zur Beschränkung der Faida ein- 
geführt, ob namentlich also die bezeichnete Todesstrafe erst bei 
£rlaf8 der Lex Saxonnm fUr Sachsen von König Karl angeordnet 
ist? Die Beantwortung der Frage hängt auf das engste mit dem 
susammen, was man sich unter einem Faidosus denkt So weit 
ich urtheilen kann, und ich meine die angeführten Stellen sprechen 
darüber deutlich genug, war der Faidosus kein Fried-loser. 
Dafs er in seinem Hause einen bestimmten Frieden („pax^) ge- 
nofs, kann ich dafUr allerdings nicht geltend machen, da man in 
diesem Frieden einen exceptionellen Schutz hat finden wollen, der 
ihm später gewährt worden sei, um die von Altersher gegen ihn 
zulässige Faida in ihrer Wirksamkeit zu beschränken. Entschei- 
dend aber ist, dafs der Faidosus auch aufserhalb seines Hauses 
keineswegs Jedermann schutzlos anheim gegeben war, sondern 
eben nur denjenigen, welche Faida (^inimicitia'') gegen ihn üben 
durften, weil er sie in einer Weise verletzt hatte, die ftbr sie diese 
Befugnifs begründete^). Die Lex Saxonum bezeichnet als 

') Fflr eine die Auffassung des Verhältnisses nicht fördernde Ausdrueka- 
weise nrals ich es halten, wenn man wegen der Berechtigung Einzelner su 
Faida gegen den Faidosus den Quellen zuwider von einer Friedlosigkeit des 
Faidosus spricht, vgl. Beinh. Schmid Die Gesetze der Angelsachsen. 1868. 
p. 671 : „Grammatisch hat das Wort faehde nur die Bedeutung von Feind- 
schaft, dem rechtlichen Sprachgehrauche nach verhindet sich aher damit der 
Begriff der Friedlosigkeit, denn es wird die Feindschaft dann als eine solche 
betrachtet, welche Jemandem das Recht gieht, seinen Gegner als Feind zu 
behandeln und Bache an ihm zu üben'' ; und p. 670 : „ faehde bezeichnet , 
nicht, wie unser Fehde, den Kampf, Streit, unmittelbar selbst, sondern die 



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254 

Friedlose nur die sam Tode VerTiTtheilten, and zwar 
nnmittelbar nachdem sie in den oben 8. 261 abgedmckten Worten 
die Todesstrafe ttber den verhängt hat, der wegen Faida einai 
Menschen in seinem Hanse getSdtet hat; sie verordnet in Gap. 28: 
,iGapitis damnatns nnsqnam habeat pacem; si in eecledam 
confngerit, reddator << ^). Es entspricht dies dem Recht anderer 
dentscher Stämme, nnd namentlich dem alten salfiränkisehen Reckt, 
nach welchem friedlos gelegt wnrde, wer nicht dem Recht ge- 
horchte, wer sich weigerte vor Gericht zu erscheinen, sich dessen 
Sprach nicht unterwarf, eine ihm zaerkannte Bnfse nicht zahlte. 
Dem Friedlosen war aller and jeder Rechtsschutz entzogen, Nie- 
mand darfte ihn beherbergen und ihm Lebensanterhalt gewähren, 
Jeder konnte ihn t5dten*). Eine solche Friedlosigkeit entstand 

Feindschaft, ob^chon freilich eine Feindschaft, welche den Gegner als friedlos 
erscheinen l&lst". Auch Waits Deutsche Verfassungsgesch. 1865. 1 p. 406 
bemerkt: ,,I>ie Bache war gewissermaÜBen in das Recht angenommen, man 
konnte sagen, dem Einseinen, dem Verletzten und seiner Familie, gegen- 
über war der Uebelth&ter friedlos, hatte den Frieden verwirkt. So Walter 
Deutsche Rechtsgesch. §.705; dagegen sagt Maurer Ueberschau 3 p. 44, 
wie ich glaube, unrichtig, das Fehderecht sei durch die Friedlosigkeit be- 
dingt gewesen.^ 

1) Darüber, dafs in Sachsen ein sum Tode verurtheUter Verbrecher in 
der Kirche keinen Schute vor seinen Verfolgern fand , daCei ihm die Kirche 
kein Asyl gewährte, vgl. oben S. 194. 

*) Es sind folgende Stellen, die das salfr&nkische Becht bekunden: 
I. SaL 56: „Si quis ad mallum venire contempserit, aut quod ei a rachine- 
burgiis judicatum fuerit adimplere distulerit, si nee de conpositione, nee de 
eneo, nee de ulla lege fidem facere (d. L Bürgschaft leisten) voluerit, tnnc 
ad regis praesentiam ipsum mannire debet, etc.''; verharrt der mehrmals 
Vorgeladene in seinem Ungehorsam: „tunc rex eum extra sermonem »uum 
panai; tune ipse culpabilis et onones res suae erunt (sp&terer Zusati: „in 
fisco aut cui fiscus dare voluerit'' Merkel p. 71 Nov. 150), et guiewngue 
eum aut paverit aut haepitcUem dederit, etiamsi uzor sua prozima, eolidaa 15 
etdpabüie judicetur, donec omnia quae ei legibus imputantur media onmibns 
conponat'' Merkel p. 32 und Pardessus p. 32. 63. 109. 153; vgl. su Tit. 56 
die im Wesentlichen übereinstimmenden Satzungen der angeblichen Capitola 
Chüdeberti regis (um 550) c. 6: „de antrustione ga-malta*' Ferts Leg. 2 
p. 7, die bei Merkel Lex SaL pl 41 als Titel 96 der Lex gedruckt sind. 
Femer L SaL 55, 2 : „si quis corpus jam sepultum effodierit et expoliaverit» 
et ei fiutrit adprobatum, wargus sU (Zns&tie: „id eat expttlsua*'; „hoc ert 



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256 

aber nieht eIb nnmittelbare Folge eines VerbrecheiiB, sondern eetite 
einen bestimmten gerichtUcfaen Aet Torans, in welehem sie ttber 
den Verbrecher verhXngt wurde, wie sie nach der Lex Saxonnm 
mit jedem Todesnrtheile yerbonden war^). Keine Stelle der Lex 

exjnilsiu de eo pago*') usque in die iüa quam iüe cum parentihus ipsius 
defitneU conomiat, et ip$i pro eo rogare debent, nt et inter homines Uceat 
aceedere; et qui ei, anteqaam cum parentibus conponat aut panem mit hoept" 
ialem dederit (Zusate : ^sea parentes sea uxor prozima*') eolidoe 15 evipabilie 
judicetur; tarnen auctor sceleris, qui hoc admisisse probatur, solides 200 (d. i. 
ein Wergeid) culpabUis judicetur^ Merkel p. 31. 70. 88 u^d Pardessus p.31. 
Femer Capitula Ghlodowechi regia (zw. 500 und 511) e.5: „si quis mulier 
com serro suo in conjugio copvlaverit, omnes res suas fiseus adqnirat, et 
iäa aepM» faeitU. Si quie de parentibus eam oceiderit, nuUus mortem iüiue, 
nee parentes nee fiscus, nullatenus requinxtur . ,, ei mulieri de parentibue 
aut quüibet panem aui hoepitalem dederit, eolidoe 15 culpaUlie judicetur*^ 
Pertc Leg. 2 p. 3. Femer das Edict. Chilperioi regis (zw. 561 und 584) c. 9: 
„nam ei eerte ßierit mtUus homo, qui male in pago faeiat, et non habeat 
ubi consistat nee res unde conponat, et per sÜTas yadit, et in praeeentia 
nee agene (derKl&ger) nee parentee ipeum addueere poeeunt, tune agens 
ille et cni malefecit (deijenige, den er durch sein Verbrechen verletste) 
nobiscum adcusent, et ipsum mittemus foras nostro sermone» 
ui quieumque eum inoenerit, quomodo eie anU pavido interfieiat** Perts Leg. 2 
p. 11. 

^) Die alte Friedlosigkeit trat im fr&nkischen Beich mit der erstarken- 
den Königsgewalt frfih zurftck, oder ging Über in die Strafe des Exils, d. i. 
der Verweisung aus der Heimath an einen bestimmten Ort; ob unter dem 
„qui in ezilium missus est'' der Lex Sazonum c 64 ein in alter Weise 
Friedloeer, oder ein zur Strafe aus dem Lande Verwiesener zu verstehen 
sei, erscheint mir als fraglich, ygl. oben S. 110; der fr&nkiscbe König rer- 
wandebe als Begnadigung die Friedbsigkeit in Exil, Friedlosigkeit und Exil 
bestanden neben einander. Dals im ältesten fränkischen Recht, wie im s&eh- 
sisehen, friesischen und nordischen, die Friedlosigkeit vorhanden war, zeigen 
die in der vorigen Kote excerpirten Stellen ; in Lex Sal. 55, 2 mit Wilda 
Strafr. p. 279 und Waitz Das alte Becht der saL Franken p. 201 oder Verfas- 
sungageseh. 1 (1865) p. 398. 405, eine besondere ältere Gestalt der Friedlosig- 
keit SU finden, als in den andem Stellen gemeint ist, sebe ich keine Nöthigung; 
wenn Wattz bemerkt: „die Friedlosigkeit erscheint bei den Saliern in dop- 
pelter Gestalt, emmal als ein Ueberbleibsel aus altheidniscber Zeit: wer 
Leichen beraubte, sollte wargus sein (1. Sal. 55, 2) ; der Begriff ist ein heid- 
nisch dftsterer: wie ein Wolf sollte er ohne Heimath umherirren", so gribidet 
sieh dies doch wohl nur auf das in der Stelle gebrauchte Wort wargus. 
Dies bedeutet gothisch, althochd«, miflelhochd. , altfränk., angels. und alt- 



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256 

Saxonnm oder der Lex Frisionnm berechtigt sn der Vermatliiuigy 
dafs ein FaidosaB wie ein Friedloser behandelt worden wlre, im 
Gegentheil liefert der Titel V der Lex Frisionüm in dieser Hin- 
sicht einen directen Gegenbeweis; indem er die Personen anftJOilt, 
die nach dem friesischen Recht geUSdtet werden konnten, ohne 
dafs für sie ein Wergeid sn zahlen war („qni sine compositione 
occidi possnnt % und anter ihnen den Faidosns nicht nennt. Dafs 
Faidosi; die später friedlos wnrden, dadurch nicht von der Faida 
(„inimicitia*') derer befreit waren , gegen welche sie früher die 
Faida rechtfertigende Verbrechen verttbt hatten, dals sie also femer 
der berechtigten Faida ihrer Feinde ansgesetst blieben, und dab 
somit Friedlose factisch Faidosi sein konnten, ist gewifs nicht in 
Zweifel za ziehen ; Friedlose werden aber technisch nicht Faidosi 
genannt, weil sie sich in einer viel ungunstigeren Lage als diese 
befanden, und am wenigsten sind alle Faidosi als Friedlose sn 
denken ^). 

nord., wie Grimm Rechtsalterth. p. 733 und Qesch. der deutschen Spraehe 
p. 328. 332 (rgl dazu: MüUer Mittelh. WOrterb. 3 p. 624 und Mftbius Altnord. 
OloBsar. p. 496) erOrtert hat : condemnatus, latro, exsul, lupus. Ob nun ein 
ursprachlicher Name des Wolfes auf den Friedlosen angewendet ist, oder 
nicht vielmehr die Bezeichnung des zum Tode Verurtheilten und als fiiedloa 
in den Wald Fliehenden dem flüchtigfen Waldthiere seinen Namen ge- 
geben hat, ist ftkr die Erkl&rung der Gesetzesstelle ohne Einfluls; sie be- 
stimmt : der überf&hrte Verbrecher soll wargus sein , d. h. zum Tode venir- 
theilt oder friedlos, indem sie sich einös gangbaren Ausdruckes bedient, 
ohne dadurch eine besondere Gestalt der Friedlosigkeit bezeichnen zu wollen. 
Man beachte die Bedeutung des Verbum wargian (condemnare, capitis dam- 
nare), sowie dals schon Sidonius ApoUinaris wargus als eine in GaUien üb- 
liche Bezeichnung ftlr „latrunculus^ anführt, namentlich aber die Bestim- 
mungen des Capitulare Sazonicnm a. 797 c. 4 über die alts&chsische wargida 
(d.i. condenmatio). 

*) Das Wort faidosus verwenden ausser den besprochenen Stellen 
(1. Saz. c 19, 1. Fris. II, 7. Add. I, 1, und Epist. XYII Einhardi) z. B.: 
L. Baj. n, 8 §. 1 : ^si quis hominem per jussionem regis vel ducis occidmt» 
non requiratur ei (d. L der ihn t(Jdtete, kann nicht verklagt werden) nee 
Jeidotus Sit"; Capit. a. 805 c.6: „de. armis infra patria non portandis: et 
si faidosus Sit (d.h. wenn ein Faidosus bewaffnet einhergeht), diacutiatar 
tune quis e duobus contrarius sit ut pacati sint (d. h. es soll dann unter- 
sucht werden, ob der Faidosus oder sein Feind die Aussöhnung verhindert) ; 



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267 

Diefle Axribmang des FaidosiiB ftthrt aber aneh zu der An- 
Bahme, dab K. Karl die Todesstrafe der Lex Saxonnm für den- 
jenigra, der einen Faidosns in seinem Hause tödtete, schwerlich 

et distringautur «d pacem, etiamsi noluerint; et si allter pacificare nolunt, 
ftddncantur in nostram praesentiam^. Pertz Leg. 1 p. 133; Oap. a. 813 c. 26: 
„ot inqnirator diligenter de fcudosis hominihus, qui solent incongruas com- 
motiones fftoere, tarn in dominicis diebus quamque et alüs solemnitatibus, 
aicati et in feriatlcis diebus; hoc omnino prohibendum est, ne facere prae- 
Biimant^ Pertz 1 p. 190. Neuere baben faidosus in sehr verschiedener Weise 
Terstanden, z.B. bemerkt Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer. 1834. 
p. 388, mit Rücksicht auf L. Fris. Add. I, 1: „Verletzungen des Hausfrie- 
dens Bcheinen Besonders gegen homines faidosi häufig Torgekommen zu sein, 
d. h. gegen solche, welche sich wegen eines ihnen schuldgegebenen Ver- 
brechens nicht zu reinigen vermochten und dennoch die Zahlung von Bufse 
verweigerten". Wilda Strafrecht. 1842. p. 193: ^^homo faidosus ist in seiner 
eigentlichen Bedeutung der, welcher die Feindschaft eines Anderen sich 
selbst durch eine widerrechtliche Handlung zugezogen hat, und daftir büfsen 
und leiden mnüs; und dann wohl auch der dieser Feindschaft ausgesetzt 
bleibt, weil er nicht zur Sühne gelassen wird, sich ihr entzieht, oder die 
Bufse nicht erbringen kann. Uneigentlich ist homo faidosus dann ein un- 
ruhiger gewaltthätiger Mensch, besonders auch der nach Rache strebt, wo 
er es nicht soll, oder der ftlr seine verübten Misnethaten zu Recht zu stehen 
sich weigert^; und p. 242 übersetzt Wilda dann ,.homo faidosus^ durch: 
ein missethfttiger Mann. Keine SteUe beweist, data unter faidosus auch ein 
Verbrecher verstanden worden sei, der eine zu Recht von ih« geforderte 
Buise nicht zahlen wollte oder nicht zahlen konnte, oder der sich zu Recht 
zu stehen weigerte. Daftlr, dafs das Wort im uneigentlichen Sinne für einen 
gewaltthätigen Menschen gebraucht sei, verweist Wilda auf das späte im 
Eingang dieser Not« ezcerpirte Capitulare von 813 c. 26, das sich aber auch 
auf der Faida verfallene Verbrecher beziehen l&fst. Siegel Gesch. des 
deutschen Gerichtsverf. 1857. 1 p. 17 unterscheidet in Betreff des Begin- 
nens einer Faida, F&lle, in denen der Verletzte den Verbrecher auf frischer 
That betriff) und sofort an ihm Rache nimmt, und andere, in denen er den 
Verbrecher nicht mit Sicherheit kennt : „hier kündeten (die Verletzten) dem 
Verd&chtigen die Feindschaft an, und wurde der MissethUter durch diese 
Erkl&rung zum homo faidosus". Siegel mufs einräumen, „dafs es an Zeug- 
mssen fehlt, dafs eine solche Verkündigung stattgehabt habe'^, wollte man 
ihm aber dies aus inneren Gründen einräumen, so scheint es mir doch un- 
statthaft vorauszusetzen, dafs es in der WUlkür der Einzelnen gelegen habe, 
gegen einen in keiner Weise als schuldig Constatirten Faida zu beginnen, 
und ich verwerfe deswegen den Siegeischen Begriff von faidosus. Mit Be- 
rufung auf Wüda äufsert Waitz Deutsche Verf. 1 (a. 1844) p. 197 u. 1 (a. 1865) 

17 



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258 . 

erat eingeführt haben kann^); wie sollte er dam gebomnen Bein, 
indem er die altherkömmliche Faida beatehen lieb, den Faüenis 
in Bo eclatanter Weise zn sehtttaen? Er tritt anderwärts gegen üe 
Ansttbung jeder Faida anf und proclamirt sie als unstatthaft, wie 
es offenbar seinem christlichen Standpunkt entspricht, und indem 
in Sachsen und Friesland die eigenthttmlichen LandesverhXltniaae 
ihm dies nicht als ausführbar erscheinen liefsen, solHe er nidit 
nur die Faida in der Weise femer tolerirt haben, wie sie bisher 
galt, sondern sie vielmehr als etwas moraüsch Zulässiges an- 
erkannt und einer neuen ihre Ausübung regelnden Qesetsgebnng 
unterworfen haben. Im vorfränkischen heidniseheA Recht mnft 
ein Schutz des Faidosns in seinem Hanse als durchaus ange- 
messen erscheinen, da in ihm die Faida ein in jeder Weise ge- 
billigtes organisches Glied abgab, und sie erst durch diesen Schuta 
zu ihrer vollen Geltung und Ausübung gelangte; der Faidcans 
konnte sich dadurch in seinem Hanse zum Widerstand vorbereiten, 
konnte, vor unerwartetem üeberfall gesichert, seine Macht der 
seines ihn angreifenden Feindes gerüstet entgegenstellen; — der 
Verletzte hatte es verschmäht die gerichtliche Hülfe zur Erlan- 
gung der gesetzlichen Bufse von dem Verbrecher in Anspruch an 
nehmen, das alte Recht gestattete ihm, sich selbst an helfen und 
zu sehen, ^as er durch eigene Macht von dem, der ihn wider- 
rechtlich geschädigt hatte, erreichen könne, aber es gewährte auch 
diesem in seinem Hause einen Schutz, er sollte hier nicht über- 
fallen und dadurch vielleicht zu Grunde gerichtet werden, ein 
offener Kampf sollte nunmehr, da das positive Recht nicht snr 
Geltung kam, zwischen beiden entscheiden; — wesentlich anders 
mufste König Karl die Sache beurtheilen; ihm konnte unmöglich 

p. 404 : »Wer der Rache ausgesetzt war, wird als faidosns beseicbnet, daiin 
aach jeder, der yer letzt, beleidigt und noch keine Sühne gegeben, die Radie 
nicht abgewendet hat**. 

1) Anderer Meinung ist Siegel Gesch. der deutschen 6eriehtsyer£ 1 
p. 20: „Erst später in der christlichen Zeit werden gewisse Schranken ge- 
setzt, in denen die Fehdeübung sich zu halten hat; sie lassen sieh den 
Regeln der heutigen KriegftLhrung vergleichen; die wichtigste Besohr&nkong 
war, dals dem Befehdeten kein Leid in seinem Hanse mgefftgt werden 
durfte«. 



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269 

entgelieii, daTa dordi die Einfühniog einea derartigeii früher nieht 
vorlttiideiie& Sehntses für den verbreoherisclien Faidosas in seinem 
Hanae die Beendigang der von ihm als onchriBtlich verurtheilt^ 
Faida weaentUch yenl^ert wurde ^ und dafs mancher trotzige 
Mann, den die Zahfaing einer ihm unbedeutend erscheinenden ge^ 
aetsHehen BnJbe nioht von einem Verbrechen zurückschreckte, es 
noch leichtsinniger begehen würde , wenn er wufate^ dals er in 
seinem Hause allen Angriffen gegenüber eine ihn schützende Burg 
beaafs. Ein Hausfriede für den Faidosus befördert eine der fac- 
tisehen Macht der beiden Verfeindeten entsprechende Entscheidung 
der begonnenen Faida, vermehrt aber Zahl und Dauer der Faidae 
im Lande y und gerade das war gegen König Karls Wille; in 
mehreren Verordnungen dringt er darauf alle vorhandene Faida 
aehlennigst beizulegen^). 

Wer den Faidosus in seinem Hause tödtet, der bricht einen 
Frieden, sagt die Lex Frisionum in der oben S. 261 abgedruckten 
Stelle; betrachten wir den allgemeinen germanischen Hausfrie- 
den näher, um zu ermessen, inwiefern die Strafe, die den Fai- 
dosus in seinem Hause schützt, aus der Strafe für Bruch des 
allgemeinen Hausfriedens hervorgegangen sein kann. — Keinem 
der älteren germanischen Stämme fehlt der Hausfrieden, er er- 
streckt sich auf das Haus mit seinem Hofraume^), und alle Stamm- 
rechte behandeln namentlich das Verbrechen der Heimsuchung als 
ein schweres, und finden es begründet in einem Angriff mit Meh- 
reren auf das Haus'). Im Salfränkischen Recht wird der Ueber- 

>) Dafs die AuÜBorlich ahnUchen Satsangen der Landfneden des 12teB 
«ad Idten Jahrhnnderta, die unter völlig anderen Verhältniasen in Deutsch- 
land erlassen wurden, eine gnindrerachiedene Tendens dietirte, als die, 
welche König Karl bei seinen Bestimmungen gegen Faida leitete, bedarf 
hier keiner Ansfthning. 

«) Vgl. oben S. 197. 

*) Vgl. aber Hausfrieden besonders Wilda Strafr. p. 242. 958. 616, aber 
aoeh Oaupp Das alte Oesets der Thüringer p. 388 und Waits Deutsche 
Yerfl 4 p. 433. Die Abhandlung Ton £d. Osenbrüggen Der Hausfrieden. 
1857, beschränkt sich leider auf einen engen Kreis deutscher Bechtsquellen 
▼Ott 12ten bis 16ten Jahrb., mit Ausachlufs der dieser Periode angehören- 
den reichen firies., hoü&nd. und fl&misohen Aufzeichnungen, und geht auf 

17* 



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260 

fall eines Dorfes yom Ftthrer mit 62 V« Solidis gebWlit; er6>lgt 
der üeberfall eines Hauses mit einem Gontabemium, and es wurde 
der Eigenthümer im Hause getödtet, so wird er mit dreifachem 
Wergeide gebttfst'). Nach Ripuarischem Recht wird ein in seinem 
Hanse bei einem üeberfall mit einem Heerhanfen Oetödteter rom 
Führer mit dreifachem Wergeide gebUfst, seine Genossen zahl^i 
außerdem Geldbufsen ^). Nach Thüringischem Recht werden Tod- 
tungen und Verletzungen im eigenen Hause mit dreifachem Wer- 
geide und dreifacher Bufse gebüfst, und beim üeberfall des Hauses 
zahlen die Genossen aufserdem Geldbufsen*). Das Alamannisehe 
Recht verordnet für Tödtung eines Todtschlägers bei der Verfol- 
gung in sein Haus^ die Zahlung eines einfachen Wergeldes; neun- 
faches Wergeid dagegen, wenn die Verfolgung mit einem Heer- 
haufen veranstaltet war^). Nach der Lex Frisionum XVU,4 wird 

den Zusammenhang des geschilderten mit dem ftlteren deutschen Recht nicht ein ; 
vgl. aber namentlich seine Erörterungen p. 60. 65. 68, über dae Yerhaltnifii des 
Hausfriedensbruchs und der Heimsuchung im sp&teren deutschen Recht. 

^) L. SaLXIV, 6: ^^Si guis villam alienam adaalierit, quanti in enm 
superventum probati fuerint fuisae, solidos 62^1% culpabilis ßiäicehtr", und 
XLn, l : '„«t quis eoUecto contuhemio hominem ingenuum in domo aua ad- 
ieUierit, ef ibi eum ' occiderit, si in truste dominica non iuerit, ille qui oo- 
ebus est 600 solidos culpabilis judicetnr^. 

^} L. Rip. LXIV : y,Si quis hominem in domo propria cum hariraida 
interfecerit, auctor facti triplici wergildo mtdetetur; et tres priores 90 soL 
culpabiles judicentur, et quanti ei sanguinem fiiderint unusquisque wergildo 
eum componat; et quanticunque post auctorem sanguinis efiiisores, rel post 
tres priores fuerint, unusquisque 15 solidis mulctetur^. Vgl. Lex Bajur.IV c.23 
n. 24, die herirsita und luimzuht unterscheidet, und jene annimmt, wenn 
42 Bewaffnete das Haus einschliefsen, diese wenn weniger; und im ersten 
Fall eine Bulse von 40, im zweiten ron 12 Solidis ftr den Angreifer be- 
stimmt. 

•) L. Thur. c. 60 (oder XI, 7) : ^^qui aUerum intra sepia propria oeci" 
derii, in iriplum conponat, vel quicquid damni ibi commiserit triplioiter 
emendet^, und cap. 57 (XI, 9): „qui domum alterius colleeta manu hosti- 
liter circumdederit, trium primomm qui fiierint unusquisque solidos 60 con- 
ponat, et rei similiter; de ceteris qui eos secuti sunt, solidos 10 unusquisque; 
et in bannum regis 60 solidos". 

^) L« Alam. Loth. 45, 1. 2: wenn bei einem Streit zweier, der eine er- 
schlagen, und der Th&ter sofort in sein Haus rerfolgt und getödtet wird. 



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261 

fttr Heimsochmig^ vom Führer ein Wergeid an den König gesahlt 
(:„qm mann collecta hostiliter villam vel domum alterins eircnm- 
dederit, weregildnm ad partem regia componaf^), jeder seiner Oe- 
noBsen zahlt anfBerdem 12 Solidi, und es wird der angerichtete Scha- 
den in Mittelfriesland doppelt, in Ostfiriesland einfach erstattet Wie 
nach friesischem Recht eine TMtnng im Hanse gebttfst wurde, ist 
nicht angegeben ; dafs sie im GehOft des Hereogs („in curte dnois*) 
mit neunfachem Fredum gebtifst wurde, sagt Lex Fris. XVn, 2 >), 
und dies ist die selbe Bufse, die nach der oben auf S. 251 ex- 
cerpirten Stelle der Additio Leg. Fris. 1, 1 für Tödtung des Faidosus 
in seinem Hause entrichtet werden mufste. Da aber anderweitig 
die Vemeunfachnng der Wergelder und Bufsen in der Lex Frisio- 
num als fränkischen Ursprunges bezeugt ist'), so wird einge- 
räumt werden müssen, dafs auch hier die Zahlung eines nenn- 
fachen Fredum (oder von neunmal 30 Solidis) als eine Aenderung 
des alten friesischen Rechtes zu betrachten ist; als mgenthümlich ßrie- 
such erscheint dagegen das bei einer Heimsuchung^ also wegen Bruch 
des Hausfriedens, an den'Eönig gezahlte Wergeid des Füh- 
rers des Ueber/aUs, Vergleiche ich nun hiermit, dalB die Lex Sa- 
xonum c. 27 Todesstrafe verhängt für Verletzung des Hausfrie- 
dens durch Tüdtung des von einer Faida betroffenen Hauseigen- 

80 sahlt man ein Wergeid; „si antem non « . eunt secuti in domum, et postea 
mittit in yicinio, et congregat parea et pausat arma sua Juso, et postea 
hostiliter sequitur eum in domum, et si eum tunc oeoiderit, novem widri" 
gildos eonponal^ Pertz Leg. 3 p. 60. 

>) L. Fris. XVn, 2: ^^t in curte ducis .. hominem oeciderit, no- 
ot« tperegildum efus componcU, et nories fredam ad partem dominicam^. 
Diese Erw&hnung der „eurtis ducis" in der Lex Fris. erinnert an die Lex 
Alam. Loth. c. 29: „de hoc ^t in curte ducis haminem oeciderit, aut ibi 
ambulantem aut inde reyertentem, triplici widrigüdo eum solrat, pro hoc 
quod praeceptum ducis transgressus est, ut unusquisque homo pacem habeat 
ad dominum yeniendo et de illo revertendo; etc." Pertz Leg. 3 p. 54 und 
cap. 32: „si quis res dud, quae ad eum pertinent, exinde furatus fuerit, 
tres noeigildos conponat". Aus den letzten Worten scheint Lex Baj. ü^ 12 
zu schöpfen: „si quis infira curte ducis aliquid inTolaverit, quia domus ducis 
domus publica est, triu-niungelt conponat, hoc est ter novem oonponat". 
Pertz 3 p. 287. 

S) YgL meine Ausführung in Mon. Germ. Leg. 3 p. 648, 



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268 

thttmersy so führt diea tu der Annahme, dafe das naoh der Lex 
Frisionnm an den König sn zahlende Wergeid an&nfaaaen iat ab 
Lösegeld ßhr einen der Todesstrafe ver/ailenen HBMs/nedenshreeher^). 

1) Bei dem dreifachen Wergeld des salfr&nkischen, ri- 
pnarischeii und thfiringischen Rechts, farTödtungen imHausey 
mag die Zahlung ron Wergeld auf einen gleichen Ursprung BuHckzufthren 
sein. Die dahei stattfindende Verdreifachung des Wergeides kehrt anoh 
hei anderen BuCsen im fr&nkischen Recht vielfach wieder, und ist offenhar 
auch in der einzigen Stelle, in welcher sie die Lex Saxonum erw&hnt, erst 
von KOnig Karl eingeftLhrt. Die Lex Sax. c. 37 verordnet n&mlich 
eine dreifache Bufse hei Verletzungen im Heere und auf dem 
Wege zur königlichen Pfalz (i^^gui Aommt in hoste vel de hoste, ad 
palatium vel de palatio pergenti, meUwn aliguod feeerit, in triplo eomponat^)» 
während die Capitula de partibus Saxoniae c. 26 nur die Zahlung des Bann- 
geldos verhängen, wenn Jemand auf seinem Wege zum König behelligt ist: 
„ut null! hominum contradicere viam ad nos veniendo pro justitia reda- 
mandi aliquis praesumat, et si aliquis hoc faoere conaverit, nostrum bannum 
persolvat^, vgl. in CapituL a.779 c 17: ^de itinerantibus. Qoi ad palatinm 
vel ali ubi pergunt, ut eos cum coUecta manu nemo ait ansus adsalire** 
Pertz Leg. 1 p. 38. Dem gegenüber bestimmt bereits die Lex SaL LXIII, 1 : 
^si quis hominem ingenuum i» hoste occiderit, 600 solidos eulpabilis judi- 
eetur^ (vgl. den spateren Text der Stelle bei Merkel p. 73 nov. 177); und 
aus der Lex Sal. ist die Satzung aufgenommen in die Lex Rip. LXIII: „si 
quis hominem in hoste interfecerit, tripliei weregildo oulpabiüs judioetor, 
de fiirto similiter''. Die Lex Alam. 26. 27 verordnet: „de his qui in exercita 
litem commiserint . . et aliqui occisi fderint, ipse homo qui hoc oommisift» aiii 
vitam perdat €U(t in exilium exeat et res ejus infiscentur; et illi qui ibi ali- 
quid . . fecerunt , omnia sicut lex habet triplieiter sohant. De hoc qvi in 
exercitu, ubi rex ordinaverit exercitum, aliquod furtum fecerit, 9 vicibus no- 
vig^ldos,solvat quidquid involatus fiierit; si autem dux exercitum ordinaverit, 
tres novigildos solvat'' Pertz Leg. 3 p. 54. Mit der Vorschrift der Lex Alam« 
ist verwandt die der Lex Bi^. II, 4 §.1: „si quis in ererdtu, quem rex 
ordinavit vel dux, scandalum exeitaoerit infra proprio hosts, et ibi homüue 
mortui fuerint, conponat in publieo 600 solidos; et quis ibi aut percoosiones 
aut piagas aut homicidium fecerit, conponat sicut in lege habetur; et ille 
homo qui haec commisit, benignum inputet regem vel ducem suum, si ei vitaia 
concesBorint^ Pertz Leg. 3 p. 283. Als neu erscheint die Satzung der Lex 
FriiL XVII, 1 : „ei quis in exercitu Ütem eondtaoerit, novies damnnm quod 
eflfecit componere cogatur, et ad partem dominicam novies fredam persohat^. — 
Das Capitulare Baxonicum von 797 o. 7 ffthrt in Sachsen für TOdtung 
eines Missus und dessen Genossen Zaiilung von dreifachem Wer-* 
gel de ein: „de missis regis stataerunti ut d ab eis aliquis intarfeetoB ere- 



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«68 

Biiie Bettittigung findet diese Vermuthung darin, daft nach dem 
Ediet des langabardisohen König Roihari, Jemand, der, um eine 
Beleidigung s« riehen, bewaffiiet oder mit vier Mann m em Dorf 
anfällt, mii dem Tode bestraft werden soll, sieh aber mit 900 SoUdis 
lösen dmrf, von denen der E»nig die Hftlfte erhält 0* Noch be- 
deutsamer aber spricht dafür, da/s die älteren nordischen Rechte 
den Haus/riedensbruek für eine un^bü/sbare Thai (^o^bota-mal*) er- 
Haren*)] sie reehnen den, welcher den Hausfrieden bricht, su 
den Leuten „qui sine eompositione oecidi possuat", um mich der 

nerit, in triplum eom conponere debeat qu hoc facere praeeuinpaerit ; ai- 
militer ^uioquid aut eorum hominibus factum fuerit, omnia tripliciter faciant 
restaurare et secunduin eorum ewa conponere"; ihm gegenüber bestimmen 
die Capitula de part. Sax. c. 30 bei Tödtung eines Comes nur Confiscation' 
der Güter des Verbrechers, und die fränkische Lex de Amore c. 7 und 8 
setiSt fest: „si quis comes in suo comitatu oociaus ftierit, in tres tcereffildos, 
oeot sna natrriliaB est, eomponere faeiat. Si quiB missum dominicum ood- 
deiit, quatido in missaticum directus fuerit« in ires voeregildos, siout sua 
natiritas est, eomponere faeiat". — Ein in des Ansegisus Appendix II. c. 36 
bei Pertx Leg. 1 p. 324 aufgenommenes Fragment eines Capitulare 
(das Perts Leg. 1 p. 170 einem a. 811 gesetzten Capitulare de ezercitalibus 
einftgt, was Boretius p. 96 su widerlegen sucht) verordnet dreifache 
Bufae, wenn ein Bachse in seinem Getreide firemde Pferde pfändet und 
ihm der Eigenthümer deswegen einen Schaden auf%^; n^ipla eonpositions 
secundum legem et secundum ewam contra eum emendare studeat, et in- 
Buper bannum dominicum solvat, et manum perdat pro eo quod inobediens 
fuit contra praeceptum domini imperatoris, quod ipse pro pace statuere 
jussit. 8i servus hoc fecerit, secundum suam legem omnia in triplum re- 
stituat, et diadplinae oorporali subjaoeat^. 

^) Ed. Bothar. c 19: „«i quis pro injuria sua vindicanda super quem- 
cnnque hominem manu armata aut cum exercitu usque ad quatuor homines 
in vicum intraverit, ille prior pro illicita praesumptione moriatur aut com- 
ponat solidos 900, medium regi, medium ei qui injuriam passus est; et iUi 
qui com ipso fherint^ unusquisque 80 solidos, etc.*' 

>) Vgl. die Kach Weisungen von Wilda Strafr. p. 241; ich ezcerpire 
hier nur die Worte des neueren Gulathingslag von König Magnus in IV c. 3 : 
n^ai er oc ubotamal, ef moAr wegr mann innan stoks (wenn ein Mann 
einen erschl&gt im Hause), eda i garde uti, eda innan gerdis (innerhalb des 
Zaunes) pess er hwerfr um akr e^a eng (Wiese) at heimili sealfs hans, 
nema hann weri hendr sinar'^ (ausgenommen wegen Noibwehr.) Muneh Nor- 
gte gomle Lovg 2 p.51. 



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264 

Worte der Lex Frisionam zu bedienen; er ist ein dem Tode ver- 
fallener Mann; — kurz: die verschiedensten Anzeichen führen 
zn der Vermnthung, dafs für Hansfriedensbraofa die 
Todesstrafe nraltes germanisches Recht war, die 
auch bei dem Faidosus zur Anwendung kam, wenn er 
in seinem Hanse getödtet wurde. 

Wie der Gesetzgeber in der Lex Saxonnm überhaupt nicht 
das gesammte in Sachsen geltende Recht au&eichnen wolltOi 
sondern nur Satzungen über einzelne im Moment dessen bedürf- 
tige Punkte in ihm, so und nicht anders hat er es auch in 
den fünf auf S. 241 bis 251 (unter a bis «) erörterten Stellen 
der Lex geihan, in denen er auf Faida zu reden kommt 
Sie erwähnen, dafs in Sachsen Faida gegen einen Mörder geführt 
werden konnte (vgl. oben S. 248 lit. d), sei es, dafs dieser Selbst 
einen Menschen ermordet hatte, oder dafs sein Lite (oder Sklave) 
für ihn in seinem Auftrage den Mord ausgeführt hatte (vgl. oben 
S. 243 lit. c). Dagegen soll der Herr des Liten nicht der Faida 
verfallen sein, wenn der Lite ohne seinen Befehl gehandelt hat, 
und soll ferner der es nicht sein, welcher Jemand, ohne es zu wollen, 
durch sein Geschois verletzt (vgl. oben S. 243 lit. 5), oder dessen 
Thier einem Menschen Schaden zugefügt hat (vgl. oben S. 241 
lit. a). Es fehlt uns an Mitteln, um festzustellen, inwieweit der 
Erlafs dieser Satzungen in der Lex Saxonum Beschränkungen der 
Faida herbeiführte; man wird dem Anschein nach vermuthen 
können, dafs in vorfränkischer Zeit in Sachsen der Herr für jeden 
Mord seines Liten in Faida verfiel, sowie dafs Jeder es für ge- 
wissen auch ohne seinen Willen von ihm oder durch sein Vieh 
einem Anderen zugefügten Schaden that Indem das Gapitel 19 
der Lex Sax. von der Faida gegen einen Mörder spricht, erwähnt 
es, dafs diese nur gegen den Mörder und dessen Söhne gestattet 
sei (vgl. oben S. 248); wir werden vermuthen dürfen, dafs auch 
in dieser Bestimmung der Lex eine Beschränkung der Faida aus- 
gesprochen ist; gegen wie entfernte Blutsfreunde („propinqui*) 
des Mörders im vorfränkischen Sachsen Faida zulässig gewesen 
sein mag, wissen wir nicht. — Der sächsische Faidosus war 
kein Friedloser („qui nusquam habet pacem*"), nicht Jedermann, 



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266 

Bondern nur bestiminte Personen durften gegen ihn Faida ana- 
ttben; aber aach diesen Feinden gegenüber genob er in seinem 
Hanse einen Frieden; wer ihn hier tödtete, den traf die Todes- 
strafe (vgl. oben 8.251), nnd die Lex bestimmt, dafs bei einem 
Mord das nennfaohe Wergeid des Ermordeten eingeklagt werden 
kann (ygl. oben S. 248). In welchen Fällen, anfser wegen Mord, 
in Sachsen nach Pnblication der Lex Saxonnm noch eine Faida 
nillräig war, erhellt nicht ans der Lex; dafs sie es ttberhaapt 
nnr noch wegen Mord gewesen sei, darf aas dem Schweigen der 
Lex^) am so weniger geschlossen werden, als sie in Friesland 
anter Karl dem Grofsen noch in sehr aasgedehnter Weise nnd 
namentlich wegen allerlei Diebstählen begonnen werden konnte, 
wie die oben S. 240 und 247 besprochene Stelle der liex Frisio- 
nnm II, 11 beweist, die wie die Lex Saxonnm anter Karl dem 
Grolsen abgefafst sein mufs, and bei der meiner Ansicht nach 
sogar reelle Gründe dafür sprechen, dafs sie erst mehrere Jahre 
nach der Lex Saxonnm erlassen ist. 

In schroffem Gegensatz mit der Znlassang der Faida in der 
Lex Saxonnm nnd der Lex Frisionum steht die Ansicht mancher 
Nenerer, zu denen namentlich Ferdinand Walter gehört, dais Karl ' 
der Orofse in seinem ganzen Reich alle nnd jede Faida abge- 
schafft habe^). Zur Zeit des Regierungsantrittes König Karls mu6 

^) Ein indirectes Zeugnifs dafftr, dafs in Sachsen auch Verwundungen 
nnd andere Schädigungen Faida rechtfertigten, liegt in der Art, wie Lex 
Saz. c. 57 nnd c. 59 die Faida ausschliefsen, wenn die Verleteung vom Th&ter 
ohne es zu wollen oder der Schade durch ein Thier herbeigefilhrt ist, 
Tgl. oben S. 241 und 243. 

>) Walter Deutsche Bechtsgeschichte. 1857. $.706 erkl&rt: „Endlich 
verordnete Karl der Grolae, dafs nach einem Todtschlag die Fehde sofort 
durch die Entrichtung und Annahme der Composition und durch die Gelo- 
hung des Friedens beigelegt, und der Widerspenstige daxu selbst durch den 
König gezwungen werden sollte. Hiermit war die Blutrache durch wirk- 
liche Befthdumg al» gesetzliches Recht aufgehoben, und lebte nur noch 
in dem Recht der Verwandten, die Blutsühne zu fordern, fort; freilich 
durchbrach in jenen rohen Zeiten das BachegeftLhl , selbst im Kreise der 
unfreien, noch oft die Schranken des Gesetzes. *" Walter 2 p. 373. Mufs ich 
dieser Behauptung widersprechen, so kann ich doch auch der ihr ex- 
trem gegenüberstehenden von Wilda nicht zustinmien, der jeden Eingriff 



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266 

nach den eineelnen Volksrechten in den verBchiedenen Thetten de« 
fränkischen Reiches die Berechtigung der Verletzten gegen den Ver- 
brecher Faids auszuüben, eine versdiiedene gewesen sein, ganz ab- 
gesehen davon, dafs in dem dem fränkischen Reich noch nicht ontw- 
worfenen Friesland und Sachsen ohne Zweifel die Befugnifii zur 
Faida in einer sehr ausgedehnten, weit ursprünglicheren Weise 
bestand. Niemals hat Kaiser Karl ein directes Verbot aller Faida 
in seinem Reich erlassen, oder ein umfassendes Gesetz, durch das 
in den sXmmtlichen ihm unterworfenen Ländern die Faida im Ein- 
zelnen geregelt worden wäre, sondern ist überhaupt der Ansttbnng 
der Faida nur in einzelnen Punkten in seinen Gapitularen entgegen« 
getreten. Im Allgemeinen spricht Kaiser Karl es aus, dafs nach Gottes 
Gebot Tödtdngen unerlaubt seien und nur nach einem richterlichen 
Erkenntnifs vollzogen werden dürften, wo das Gesetz es vorschreibe^); 
insbesondere aber hebt er mehrfach hervor, dafii es unchristlidi 
sei, wenn ein Mörder mit dem Willen sich zu versl5hnen die ge- 
setzlich verwirkte Bufse anbiete und der Verletzte sie zurückweise. 
Hiervon ausgehend verordnet der König bereits im Jahre 779, 
dafs Personen ihm überschickt werden sollen, welche bei einer Faida 
die von den Faidosis ihnen angebotene Buüse nicht annehmen 
wollen, damit er sie an einen Ort verweise, wo sie am wenigsten 
schaden könnten^). In einem Gapitulare von 802 führt Kaiser 

Karls des Gh-ofsen in das in seinem Reiche geltende Recht über Anwendung 
der Faida bestreitet und im Jahr 1842 in seinem Strafrecht p. 105 erklärt: 
„AUe Bestimmungen Karls d. Gtr, in den Capitularien über die Fehden 
(Rache, Qewaltthat) sind nicht neue Gesetze, wodurch ein bestehendes Fehdo- 
recht aufgehoben, sondern Verordnungen, wodurch die Herrschaft des gel- 
tenden Bechts befestigt werden sollte". Eine Vermittelung dieser und ähn- 
licher einander schroff entgegenstehender Ansichten haben in neuerer Zeit 
namentlich Siegel Geschichte des Deutsch. Gerichtsverf. 1857; 1 p.31 und 
WaitK Deutsche Yerfassungsgesch. 4 (a. 1861) p. 432, versucht 

1) Capitulare ecdesiasticum a. 789 c. 66: „Episcopis, omnibus: ut Ao- 
micidia infra patriam, sicut in Uge Domini interdidum ut, nee causa ol- 
donis nee ayaritiae nee latrocinandi non fixxni; et ubicumque inrenta fuerint, 
a judicibus nostris secundum legem ez nostro mandato Tindicentur, et non 
ocddatur homo nisi lege jubente** Perti Leg. 1 p. 64. 

*) Capitulare a. 779 c.22: „Si quis pro faida pretium reoipere 
non Tult, tunc ad nos sit transmissus, et nos eum dirigamus. 



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267 

Karl dann detailllrter aas, wie nnchristlieh Morde seien, nnd wie 
(AriBtas seinen GlXnbigen Feindschaft („inimioitia") und Mord 
untersagt habe; Jed6r solle sieh mit seinen Feinden aussöhnen, 
und namentlich sollten dazu die Blntsfreunde eitfes Oettfdteten 
bereit sein, indem sie die Annahme der ihnen dargebotenen ge- 
setslichen Bafse nicht verweigerten >). Endlich untersagt es ein Ga- 
pitnlare von 805, mit Harnisch, Schild nnd Lanze bewaffioiet im 
Lande nmhersugehen, und bestimmt, daA», wenn ein Faidosus dies 

nbi damnum minime facere possit. Simili modo et qui pro faida 
pretiam solrere noluerit, nee justitiam exinde facere, in tali loco eum mit- 
tere yolnmus, ut pro eodem majus damnum non erescat" Pertz Leg. 1 p«d9. 
Ton den in sahlreicfaen Handschriften erhaltenen Capitulare Ton 779 hat 
Pertz aus einer Chigischen und aus einer La Cavaer Handschrift einen 
Text publicirt, der verschiedene Zusätze enthält und dem die letzten Ca- 
pitel und namentlich Capitel 22 fehlen. Pertz hält diesen Text ftir eine 
Yon dem ftir die Franken rerfalsten Capitulare abweichende Becension für 
die Langobarden; Andere nehmen an, dafs das Capitulare ein allgemeines 
md der yon Pertz publicirte Text nur ein TerstümmeHer, später mit Qloasen 
versehener sei, vg^, Boretius Die Capitolarien im Langobardenreich. 1864. 
p. 57 — 66. Ohne näher auf die Streitfrage einzugehen, scheint Th. Sickel 
Acta Karol. 1867. 1 p. 36 sich ftir die Ansicht von Pertz zu entscheiden. 

') Capitulare Aquisgpran. a. 802 c. 32 : f^honticidia, pro quibus multua 
Deo perit populus christianus, omni oontextatione deeerere ac veiare man" 
damus; qui ips9 Dominiu audivit et inimicitiae suae fidelihu» eantradisit, 
mnUo magi» hamicidia. Quomodo enim secum Deum plaeatum fore confidit, qni 
filinm snum proximum sibi occiderit? Qualiter vero Christum dominum sibi 
propitinm esse arbitretur, qui fratrem suum interfeoerit? ..; $aeüissitna (^i- 
Hridione vindicare veiimus, gut mcUum homieidii aums ßierit perpeirare. 
Tarnen ne etiam peccahtm adcrewat, ut inimieitia maxima inter christiaiios 
non fiat nbi homicidia contingant, gtaiim reu» ad euam emendationem (e- 
currat, totaque celerttate perpetratum malum ad propinquos extincti digfna 
eonpoeitione einendet. Et Koc ßrmiter hannia/mus, ut parentes inter- 
fecti neqnaqnam inimieitiam super eonmiissum malum adaugere 
audeant, neque pacem fieri petenti denegare, sed data fide pa- 
ratam compositionem recipere, et paoem perpetuam reddere» 
remn suton nullam moram compositionis facere. übi autem hoc peccatorum 
merito contigerit, ut quis rel firatres vel propinquum euum oceiderii, eiatim 
se ad poenUentiam sibi compositam »umit, et ita ut epiecapu» efu» »ibi 
dieponat . . perfieere euum remedium studeai, et componat occLram secun- 
dom legem . . Qut «nUem dignam emendationem facere eontemserit, here^ 
ditate prioetur usqtse ad Judicium noitrum'^ Perts Leg. 1 p. 06. 



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268 

tbniy DDterancht werden soll; ob er oder sein Feind die Au885h- 
nnng verhindert; sie soll dann auch gegen den Willen der Verfein- 
deten bewirkt werden ^ und sollen beide ^ wenn es nieht gelingt^ 
dem Kaiser zu weiteren Maisnahmen vorgeführt werden^). — Im 
Jahre 817 erläftt Kaiser Ladewig eine mit der Verfügung Karls 
vom Jahre 779 ihrem Inhalt nach völlig übereinstimmende Vor- 
schrift, die wörtlich im Jahre 829 wiederholt wird'). 

Das praktisch Wichtige ; was diese königlichen Erlasse ent- 
halten, ist, dafs nach einem Morde' die nltchsten Blntsfrennde (die 
„propinqui") des Ermordeten bewogen werden sollen, der ihnen 
anstehenden Faida zu entsagen, und die ihnen vom Mörder dar- 
gebotene gesetzliche Bnfse anzunehmen. Die Aussöhnung zwischen 
dem Mörder und den Propinquis des Ermordeten soll mit allen 
Mitteln herbeigeführt werden. Im Princip wird nicht das altbe- 
gründete Recht der Faida aufgehoben, nicht einmal bei einem 
Morde geschieht dies, geschweige in anderen Fällen, sondern 

r 

durch kirchliche') und polizeiliche^) Mafsnahmen sollen die Pro- 
pinqui des Ermordeten zur Annahme des gesetzlichen Friedens- 

^) Capit. a.805 c. 5 Fertz 1 p. 133: „de armifl infra patria non portandis, 
id est scuds et lanceis et loricis; et si etc." ygL Forts, oben S. 256 not. 1. 

*) Capit. a. 817 qoae legibus addenda sunt c. 13: „Si qui» aliqoa ne- 
oessitate cogente homicidium conmiaii, com es, in ci^jus ministerio res per- 
petrata est, et conpositionem soWere et faidam per sacramen- 
tum pacificari faciat. Quod si una pars ei ad hoc consentire 
noluerit, id est aut ille qui homicidium conmisit, aut is qui conpo- 
sitionem suscipere debet, faciat illum, qui ei contumax fuerit, ad 
praesentiam nostram venire, ui eum ad ^empu« quod nobis plaouerit 
in esilium mittamus, donec ibi caatigetur, ut comiti suo inobediens esse ul- 
terins non audeat, et majus damnum inde non adcrescaf* Porta Leg. I 
p. 212. Die Bestimmung ist aufgenonmien in Ansegisi CapituL lib. 4 cap. 25 
Ports 1 p. 316, und ein Capitulare a. 829 c. 7 rerordnet abermals: ^de 
faidis coercendis obaervttwr et teneatur, quod in capitukuri noairo 
libro IV. eapittdo 25, e<mtinetur: Si quis etc.<' Pertz 1 p. 354. 

s) YgL namentlich die oben S. 266 Note 1 ezoerpirteVerfUgung K. Karls 
Ton 789 an die Bischöfe und den rorletaten Satz des oben S. 267 Note 1 
ezcerpirten Capitel 32 des Capitulare von 802. 

^) Vgl. namentlich die oben S. 266 in Note 2 ezcerpirten Bestimmungen 
K. Karls von 779, und die Schluisworte des oben S.!367 Note 1 ezoerpirten 
Capitel 32 des Capitulare Ton 802. YgL oben Note 2. 



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269 

vergleicheB genSthigt werden, wXhrend dies nach dem alten Recht 
in ihrer freien Wahl gelegen hatte. Mit dem in dieser Weise in 
den angeführten Verordnnngen vorgeschriebenen Verfahren, dessen 
praktischer Erfolg aen verschiedenen Zeiten nnd in den verschie- 
denen Gegenden des Reiches ein mehr oder minder bedeutender 
gewesen sein dürfte, verträgt es sich vollstSndig, dafs in anderen 
gleichzeitig erlassenen Oesetsen in alter Weise von Faida die Rede 
ist^); dafs namentlich, was bei einem principiellen Verbot der 
Faida als nnmöglieh erscheinen mttfste, es wiederholentlich den 
dentachen Königen im Laufe des neunten Jahrhunderts als noth- 
wendig erscheinen konnte, zu erklären, dafs Solche, welche allen 
Landesgesetzen Trotz bietende Räuber bei ihrer Verfolgung er- 
schlagen hätten, nicht verpflichtet sein* sollten, für sie ein Wer- 
geid zn zahlen, oder Faida von deren Propinquis zu ertragen*). 

') Nur zwei Beispiele f^hre ich an : Ein Capitulare, von welchem Perti 
Leg. 1 p. 46 annimmt, dafs es im Jahre 783 von E. Karl in einer Recen- 
sion ftkr die Franken, in einer zweiten f&r die Langobarden erlassen sei, 
w&hrend de Yesme und Boretius p. 125 es nur in einer fllr dif Langobarden 
etwa um 783 durch K. Pippin erlassenen Gestalt, gelten lassen wollen, ent- 
hält in Capitel 4 Vorschriften fiber das Ortsrecht, welches bei Leuten Ton 
rerschiedenem Volksstamm in Italien bei der BeurtheUung der einzelnen 
BechtsTerh&ltnisse mafsgebend sein soll, und bestimmt: „de diyersis gene- 
rationibus hominum, qui in Italia commanent, volumus, tit ubicumgue culpa 
etmiigerii unde faida crescere potest, pro satisfactione hominis iUius, 
contra quem culparit, emendet secundum ipsius legem, eui negligeniiam com- 
misit; de statu yero ingenuitatis aut alüs querelis, unusquisque secundum 
Buam legem se ipsum defendat''. Es soll nach diesem Gesetz in Italien bei 
Klagen tlber seinen Status Jeder sich rertheidigen nach seinem angeborenen 
persönlichen Recht, dagegen Bufse zahlen bei Klagen ^wegen Schädigungen, 
aus denen eine Faida ewachsen kann'*, nach dem persönlichen Recht des 
Verletzten; vgl. oben S. 12 und Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 1 p. 270. 
Das Gesetz erkennt hier unleugbar Fälle an: unde faida crescere potest! — 
Im Jahre 857 yereinbaren K. Karl II. und K. Lothar U.: „consideraTimus, 
ut qtiicumgue malefador de uno regno nostro in alterum yenerit, episcopns 
yel missus, sive comes, de quorum ministerio effugerit ut juetitiam non reddai 
aut dignam vindictam non sustineat, illis missis in quorum missa- 
tico in alio regno :fi]gerit notum faciant, et ipei iUum icditer constringani, 
ut aut ad compoeitionem aut ad yindictam illuc reyeniat ubi malum 
perpetraioitJ* Pertz Leg. 1 p, 467. 

*) Eine yon Pertz Leg. 1 p. 170 einem Capitulare des K. Karl yon 811 



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270 

Dafs EOnig Karl, der bereits im Jahre 779 in dem obea 8. 266 
angeführten Gapitalare; ateo jedenCalle vor Erials der Lex Saxo- 
nam und der Additio legis Frisionumy das hier besprochene Ver- 
fahren wegen Herbeifühning der Aasstfhnung nach einem Horde 
vorschrieb y in Sachsen und Friesland , wo die Anwendung der 
Faida in weit aasgedehnterer Weise als sonst wo im fränkischen 
Reiche Statt hatte^ dessen Ansftihning von den Oeistlichea mid 
Orafen nicht verlangt haben sollte, sehe ich keinen Qmnd aoss- 
nehmen. Fördernd mafete dafttr in Sachsen der Einflnrs der Geist- 
lichen sein, der ihnen darch das Capitel 14 der Gapitala de partibna 
Baxoniae geschaffen wurde; nach ihm sollte es Oeistlichen ansteheni 
Leuten, die im Verborgenen begangene Verbreohen bekannten und 
Bufse für sie thun wollten („si aliquis ad sacerdotem confngerity 
et confessione data agere poenitentiam voluerit''); Begna- 
digung von der Todesstrafe zu erwirken („testimonio sacerdotis 

Bugei&hlie Verordnung (dio in späteren Manusoripten des Liber Langobard. 
steht, w&hrend sie Ton Anaegisus nicht aufgenommen ist, YgL Boretius p. 96) 
bestimmt, daTs wenn Einer plündert und dem Recht sich widersetzt: ^et in 
8ua superbia adeo contenderit, ut ibidem interfectus sit, ineampogitus jaeeat; 
et neque senior neque propinquus ejus pro hoc nullam fai- 
dam portet nui commotionem (bessere: y,compositionem'*) faekä; ei m 
feoerit, nobis et populo nostro inimicus annotetur^ Porta Leg. 1 p. 170* Ib 
•Capitul. K. Ludewig II. a. 850 c. 3 : wenn ein nlatro'' getAdtet wird : ^imlla 
damnatione multetur is qui eum occidit, neque ullas inimicitiaa m 
parentibus aut persecutionem ab ullo ejus amico yoI propin- 
quo Biistineat. Et si aliquis ejus senior aut propinquus pro- 
pter hoc yindictam facere conatus est, eto.** Ferts 1 p. 406. In 
Capitul. K. Karl II. a. 853 c5: „et si latro ibi occisus ftierit, 91» €mm oe- 
eiderit Uudem inde mm sobnU, et nullus illi inde faiditm portare 
praesumat; quod si quis faoere praesumpserit, per certos fidejussores %d 
regia praesentiam perducatnr^ Pertz 1 p. 424. In Capitul. K. Karl IL a. 87S 
e. 2 : die Grafen sollen dafftr sorgen, dals Verbrecher und besonders lalronea 
ergriffen werden, „et si talis malefactör in illa persecutione occisus fiierik, 
qui eum occiderit Uudem inde non eoUxxt, et nullus illi inde fatdam 
portare praesumaf Ports 1 p. 519. In CapituL K. Karlomanni a. 884 
0. 10: „Yolumua, ut si episcopalem aut regiam auctoritatem ausu temerario 
aliquis pro nihilo duxerit, in eomitatu oonsistens, aut iter fadens, si quod 
iiguste abstulerit legaliter omendare contempserit, et rebellis ezistens, si ibi 
oeoistta fuerit, nuUißddiwn iweirarwn qui ewn occiderit aliquis faidam 



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271 

de morle ezoiitetiur*)^. Den Orafen aber rXamte König Karl, wie 
bereits oben 8. 341 angeführt wurde, in Capitel 31 der Capitnla 
de partSax. ansdrttcklieh die Befiignirs ein, wegen Faida («de 
fiuda"), gleichwie wegen Gansae majores, ein Banngeld Ton 60 So- 
Hdia sa erheben, nnd bestimmte sodann im Gapitnlare Saxonienm 
von 797 e. 9, dafs fttr Einen, der dem Befehl nicht gehorche, dies 
Banngeld von 60 Solidis verdoppelt nnd bis anf 1000 Solidi er- 
hltikt werden könne, wenn es ihm Bweckdienlich scheine ,»banBam 
fortiorem statnere propter pacem et propter faidam et 
propter majores eansas^ Diese Satanngen ermöglichten es 
den Orafen^ nach ihrem freien Ermessen ein Banngeld „wegen Faida** 
so erheben. Zunächst wird sich dies anf den Fall bezogen haben, 
in welchem ein Faidosns nicht bereit war, die von dem Verletzten 
eingeklagte gesetzliche Bafse zn zahlen; indem aber der König 
von den Grafen verlangte, zn prtifen, wer von den wegen eines 
Mordes Verfeindeten dem Zustandekommen einer Aussöhnung hin- 
deriich sei'), und sie anwies, diese mit allen Mitteln herbetzn- 
ftthren'), lag es nahe, dafs sie von Jedem, der ihrem Befehl, sich 
auszusöhnen, nicht nachgekommen war („qui ejus mandatum trans- 
gressus fnerit**, wie das Gapitulare Saxonicum von 797 sagt), und 
namentlich von den Blutsfreunden des Ermordeten, welche die 
Faida fortführten, eine, um das erstrebte Ziel zu erreichen, will- 
kürlich gesteigerte Bannbufse erhoben*). — 

p ortet, negue pro eju» morU aliguid componai. Si vero aliquia pa- 
rentum aut amieorum ejus aliquam inde faidam portare yo- 
Inerit, potestative eam jurare faciemus, et fideles nostros regia aaetoritate 
ezinde adjuTabimus ^ Pertx 1 p. 553, TgL das. ähnliche Bestämmungen in 
eap. 8 und 11. 

^) VgL das eben S. 178 Note 2 excerpirte Capitel 14. Auch die an- 
deren oben S. 178 rerseichneten Beftignisse, die K. Karl den Geistlichen 
über ihren eigentlichen Wirkungskreis hinaus einr&nmte, konnten hier för- 
derlich sein« 

S) VgL Cap. a. 805 oben S. 256 Note 1. 

>) Vgl. oben S. 268 Note 4. 

^) Ich setze das Capitel 9 des Cap. Saxonicum her, seine Fassung 
sehemt mir eine derartige Deutung eu rechtfartigen : „Item placuit» ut quando 
quidem Toluit domnus rex propter paeem H propter faidam et propter ma- 
jores OMisas 6cifMtfm fortiorem itahiere, una eum consensu Francorum ei 



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272 

Die ErörteniQg der Todesstrafe, welche die Lex Saxonnm 
anf eine im eigenen Hanse erfolgte Tödtnng eines der 
Faida Verfallenen setzt, die ich als Nr. 7 oben S. 239 be- 
zeichnete (vgl. über sie S. 2dl lit e)y führte mich anf S. 240 
bis 271 zn einer eingehenderen Besprechung der VerhiÜtniase der 
Faida in Sachsen, bei der ich nebenbei 8. 249 bis 251 zu zeigen 
suchte', dafs das neunfache Wergeid für Mord, welches die Lex 
Saxonum c. 19 anordnet (vgl. oben S. 248), von E. Karl statt einer 
älteren sächsischen Todesstrafe eingeführt sein dürfte. Zu den 
anderen in den Gesetzen Karls des Grofsen für Sachsen enthal- 
tenen oben S. 239 aufgezählten Todesstrafen gehört ferner die für 
TOdtung eines Geistlichen: 

Nr. 8. Auf Tödtung eines Bischof, Presbyter oder 
Diacon setzt König Karl in den Gapitulis de partibus Saxo- 
niae c. 5 die Todesstrafe. Da die Lex Saxonum diese Todes- 
strafe nicht wiederholt, so scheint sie denen zugezählt werden zn 
müssen, die der König nur vorübergehend beim Erlafs der Capitnla 
de partibus Saxoniae, durch die momentanen Verhältnisse Sach- 
sens veranlafst, einführte. Die anderen Gesetze des frän- 
kischen Reiches kennen für Geistliche nur erhöhte BulBen^)| 

fidelium Saxonum, secnndum quod ei placuerit, juxta quod causa exigU H 
oportunitas fverit, solidos sexaginia muUiplicare in duplum; et solidos 
centum, sive usque ad mille conponere faciat, qui ejus man- 
datum transgressus fuerit''. Die Grafen aber waren es, denen der 
KOnig durch die Capit. de part. Saz. c. 31 ^dedit potestatem bannum miUere 
infira suo ministerio de faida''. 

i) Vgl. 1. Alam. Loth. XI— XVI; 1. Bajuv. I, 8- 11; 1. Rip. 36, ö — 8, 
Tgl. mit Zusätzen in jüngeren Texten der Lex SaL bei Merkel p. 80, 19 
nov. 259 und p. 88, 34 nov. 342 (in Lex Sal. emend. tit. 68 §.2 — 4 ed. 
Walter p. 87) und Capit. a. 803 quae in lege Sal. mittenda sunt e. 1 Peits 
Leg. 1 p. 1 13. Nach der Lex Alam. sind niedere €teiatUche nach ihrem Ge- 
burtsstande zu bülsen, Diaconen mit 300 Solidis, Presbyteri 'mit 600 SoL, 
d. i. mit dem dreifachen Wergeide eines Freien, Bischöfe wie der Dux und 
bei Verletzungen mit dreifacher Bufse. Nach der Lex Big. sind niedm^ 
Geistliche nach ihrem Geburtsstande zu hülsen; Subdiaconi, Leetoree, Exor- 
eistae, Acolyti, Ostiarü mit doppeltem Wergeide; Diaooni und Presbyter^ 
erhalten bei Venrundungen dreifache Bufse, jener ein WeYgeld Ton 200, 
dieser tob 800 Solidis; fOr Tödtung eines Bischof soU das Gewicht 



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273 

Xhnlich denen, die sie für QmSe^ nnd andere Beamten vor- 
eehreiben*). 

Nr. 9 bis 11. Anf Tödtnng des Dominus setzen die Ca- 
pitata de partibns Saxoniae und die Lex Sax. die Todesstrafe; 
desgleichen anf Tödtnng der Domina die Capitata de part 
Sax., and auf Tödtnng des filins Domini die Lex Saxonum. 
Die betreffenden Stellen lauten: „si qnis dominum suum vel do- 
minam soam interfeeerit, simili modo punietur* (d.i. ,»morte mo- 
riatnr'') Cap. de part. Sax. c. 13; und ^^qui dominum suum oe- 
ciderit, capite puniatur. Qui filium domini sui ooeiderit, . . juxta 
▼oluntatem domini oecidatur*' Lex Sax. c. 26. 26. 

Eine schwer SU beantwortende Frage ist, wer hier unter 
dem Dominus gemeint sei? -^ Wie in den beiden ange- 
führten Stellen die Tödtnng des Dominus, der Domina und des - 
filius Domini mit Todesstrafe bedroht ist, so geschieht es wegen 
Entehrung der filia Domini in Cap. de part Sax. c. 12 und Lex 
Sax. c. 26, sowie wegen Entehrung der uxor Domini und der mater 

bleiernen Tunica in Golde gezahlt werden. Nach der Lex Bip. sind nie- 
dere Geistliche nach ihrem Geburtästande zu büfsen; Subdiaconi mit 300, 
Diaeoni mit 400, Presbyteri mit 600, Bischöfe mit 900 Solidis; die selben 
Sommen bestimmen f&r die vier hohen geistlichen Würden did Capitula qiMbe 
in lege Sal. miitenda sunt; die Zus&tse zur Lex Salica geben dem Diaoonua 
300, dem Presbyter 600, dem Bischof 900 Solidi. Als zweifelhaft muls es 
danach erscheinen, ob die Stelle der Lex Bip. ein aus den Capitulis Yon 
803 gieschOpfter Zusatz ist, vgl. Sohm in der Zeitschr. ftkr Bechtsgesch. von 
Budorff. Bd. 5 (a. 1866) p. 457. Aus den Capitulis hat Ansegisus III c. 26 die 
SteUe aufgenonunen, und aus ihm Gratian im Decret c 27 C. 17 q. 4; aus • 
diesem mögen die Sätze geschöpft sein im späteren friesischen Becht, vgl. 
aus dem Hunsingo in firies. Bechtsq. p. 337 §.49. p. 341 {. 78, aus dem 
Firelgo p. 306, 1, aus dem Emsgo p. 242 |. 34, ans Bttstringen p. 126, 
1 — 29. 

>) Vgl. oben S. 262 Note 1 das im Cap. Saxonicum a. 797 c. 7 den 
Missis regis gewährte dreifache Wergeid, 'das später auch die Grafen 
erhalten haben werden; Cap. Sax. c.6 bestimmt den Presbyteris nur dop- 
pelte Bufse, während ihnen in den anderen Theilen des fränkischen Beiches, 
nach den in der vorigen Note excerpirten Stellen, ein dreifaches Wergeid gezahlt 
wurde. In einem von Ansegisus IQ c. 64 excerpirten Capitulare, das Pertz Leg. 1 
p. 169 ins Jahr 811 setzt, wird bestimmt, dafs wer einem MiBsus dominieos 
mit einem genaffiieten Haufen Widerstand leistet: „de vita componat^. 

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274 

Domini in Lex 8ax. c. 26. Es «racheint also in den beiden Ge- 
setzen König Karls, als speciell mit Todesstrafe gegen Verbrechen 
geschlitzt: der Dominos, seine Frau, sein Sohn, seine Tbchter und 
seine Mutter, somit die ganze Familie des Dominos. — Neuere 
haben unter den Dominis die Herrn von Sklaven oder Liten ge- 
dacht ^), Andere haben gemeint, es seien darunter durch die frln- 
kische Eroberung in Sachsen eingesetzte Lehnsherrn verstanden'), 
wieder Andere') haben in den Dominis altsächsische edele Mund- 
herren gesehen, von denen die Lex Sax. c. 64 spricht, indem sie 
eines „Über homo, qui sub tutela nobilis ctgnslibet erat*^ erwähnt, 
und dem Nobilis, der diese „ Tutela ** über den Liber hat und des- 
wegen „ Tutor ^ genannt wird, ein Vorkaufsrecht an dem Grund- 
stück des liber homo einräumt, wenn er „in exilium missos est", 
vgl. oben S. 106. 

Dafs unter den Dominis, wie in anderen Stellen der Lex 
Saxonum*), nur die Herrn von Sklaven und Liten gemeint sein 
sollten, wird sich bei der Art und Weise, in der von ihnen die 
Rede ist, nicht vertheidigen lassen. Ueber ihre Servi hatten die 
Herrn eine so weit gehende Macht, dafs König Karl sich schwer- 
lich veranlafst sehen konnte, unmittelbar nach der Eroberung Sach- 
sens in den Gapitulis de partibus Sax. zu erklären, dafs die Herrn 
berechtigt seien ihre Sklaven zu tödten, wenn diese gegen sie 
selbst oder Glieder ihrer Familie die bezeichneten Verbrechen ver- 

>) Vgl. Wilda Strafrecht 1842 p. 815, vgl aucli Waits Deutsche 
Verfass. 3 (a. 1860) p. 125. 

*) Vgl. Eichhorn Deutache Bechtflgeach. 1 p. 575 }. 140 Aunerkoag, 
und Gaupp Recht und Verf. der alten Sachsen. 1837 p. 35. 39. 128. 

>) Vgl. Göhrum Qoschichtl. Darstellung der Lehre von der Ebenbür- 
tigkeit. 1846. 1 p. 68; K. Maurer Ueber das Wesen des Ältesten Adela. 
1846 p. 120 und Waitz Deutsche Verf. 3 p. 125, der zwischen der ersten 
und dritten Meinung schwankt. Und über den tutor nobilis Tg^ Kraut 
Yormundschaft 1 p. 16 und Sandhaas Qerman. Abhandlungen. 1852 p.l88. 

*) Vgl L Sax. c. 18 : „litus si per jussum domini sui hominem oeci- 
derit, etc.^; ibid. c. 50: „quicquid servus aut litus jubente domino perpe- 
trarerit, dominus emendet"; c51: ^si senrus scelus quodlibet nesciente <iiH 
mino conuniserit, etc.''; vgl. c. 65: „lito regis liceat etc.'' Die sahlreiehen 
Stellen, in welchen die Lex Friei. von dominis liti und dominia aerrl spricht. 
Tgl. im Begist. su Mon. Geim. Leg. 3 p. 703. 



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276 

ttblen. Er stellt in der Lex Saxonum c. 50 bis 63 fest^ inwieweit 
die Herrn für die ohne ihren Willen verübten Verbrechen ihrer 
Servi einstehen mttssen; es soll nicht der Fall sein, wenn die 
Seryi sich durch die Flucht ihnen entzogen haben, und sie die- 
selben nicht wieder zu sich nehmen; auf die Befugnisse der Herrn 
gegen die Serri kommt der König dabei nicht zu sprechen, sie 
erscheinen vollständig wie andere Vermögensobjecte ihnen unter- 
worfen^). — In einer geringeren Abhängigkeit von ihren Herrn 
als die Servi befanden sich die Liten, dafs sie aber auch keine 
freien Leute waren und ihre Stellung in Sachsen und Fries- 
land nichts weniger als eine politisch selbststftndige war, erweist 
die Znsammenstellang der Liten mit den Servis in mehreren 
Stellen der Lex Saxonum und Lex Frisionum^), vor Allem aber 
die in der Lex Saxonum c. 18 enthaltene, oben auf S. 243 be- 
sprochene Vorschrift über die Haftungspflicht der Herrn für die 
von ihren Liten gegen ihren Willen verübten Verbrechen, die mit 
der für ihre Servi darin übereinstimmt, dafs die Herrn für die 
Liten haften, wenn sie dieselben als Liten behalten, dafs sie aber 
nicht zu haflen brauchen, wenn sie den Liten der Verfolgung der 
Verletzten überlassen, gleich wie sie fUr den flüchtigen Sklaven 
es nicht zu thun verpflichtet sind, wenn sie ihn aufgeben'). 

^) Vgl. wie L Fria. II, 11 sagt: „si qub serrum aut ancUlam, caballum, 
boTem, OTem Tel ci^uscunquc generis animal, vel quodcunque homo ad usum 
necessarium in poMbtate habuerit: anna, vestem, utensilLa quaelibet et pe- 
coniam, alii ad auferendom exposuerit, etc.^ 

*) Vgl. z. B. l. Sax. c. 50 : „quicquid »ervus aut litus jubente domino 
perpetraverit, dominuH emendet^, besonders aber L Fris. XX, 3: „si servus 
dominum suam interfecerit, tormentis interficiatur, similiter et litus^, vgL 
L SaL XIII, 4: „si puer regia vel Ictus ingenuam feminam traxerit, d^ vita 
componat'', und CapituL a. 757 c. 22: „si servus aut libertus incestum oom- 
miserit, vapuletur plagid multis'* Ports Log. 1 p. 29. 

*) Der gleichzeitige Nithard Bist. lib. IV c. 2 erwähnt beim Jahre 842, 
A^tn das flächslscho Volk in edhilingi, frilingi und lazzi zerfalle und fügt 
hinzu: „latina lingua hoc sunt nobUes, ingenuUes atque serviles" Pertz 
Ser. 2 p. 668; er aberträgt also litus durch servilis; und die Lex Frisionum 
spricht von der servitus liti: „si Über homo spontanea voluntate vel forte 
necessitate coactus, nobili seu libero, seu etiam lito, in personam et in ter- 
vUium lUi se Bubdiderit^ 1. Fris. XI, 1; entsteht später Streit, ob das Liten- 

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276 

Was die beiden anderen angeführten Erklärungen des Wortes 
doffiinns anlangt, so berichten die Quellen, dafs in Sachsen nach 
der fränkischen Eroberung von König Karl Ottter 2U Lehn ftiu- 

verhähnifs begründet worden ist, so: ^jjuret, et Servitute Uberetur; si aaiem 
jurare noluerit, ille qui eum poasidere videbatur, juret et habeat iüum acut 
caeteros litos suos*' XI, 1 ; „«t Utua semet ipsum propria pecunia a domino 
8U0 redemerit, et iterum a domino de capitis sui conditione ßierU ca^ 
himniatus, dicente ipsi domino: non te redemisti^ nee ego te libertaU do~ 
navi; . . ei ille, qui dominus ejus fuerat, jurare yelit, conquirat eum sibi ad 
servitutem; sin autem, in Über täte permanoat, etc.^ 1. Fris. XI, 2. Da£s die 
sächsischen und friesischen Liten nur in einem Mundium ihres Herrn ge- 
standen h&tten, wie Gaupp Recht der alten Sachsen p. 105 and 218 anB- 
fhhrt, widerspricht den Quellenzeugnlssen ; ich kann aber auch nicht Waits 
Deutsche Verfassungsgesch. 1 (a. 1865) p. 176 austimmen, wenn er, daran 
anknüpfend, dafs- für Liten der Ausdruck libertus gebraucht wird, be- 
hauptet : Liten sind aber auch nicht Unfreie, denn „ein Freigelassener kann 
nie ein Unfreier sein". Liefse der Ausdruck Servilis bei Nithard Baum sn 
Scrupeln, so sagen die Stellen der Lex Fris. guns unzweifelhaft, dala beim 
LituB „Servitus" statt hatte, und sprechen ihm direct die „Libertas'* ab. 
W&re das Yon Waitz gegen die Unfreiheit der Liten aagef&hrte Argument 
entscheidend, so könnte auch von keiner Freilassung des Liten die Bede 
sein, und doch während Rudolf Ton Fulda (st. 865) in der Translatio S. Alexandn 
c. 1 in Fertz Scr.2 p.675 die Liten Jiberti^ nennt (:„quatuor differentiis gens 
Saxonum consistit: nobilium scilicet et Uberorum, libertorum aiqne serro- 
rum^), ein Ausdruck, den auch Adam von Bremen Hist. ecd. 1 c 6 in Ferts 
Scr. 7 p.286 braucht, indem er Rudolfs Worte wiederholt, sagt in der Lex Fris. 
der Dominus zu seinem Liten: Du bist noch Lite, ^non ego te libertate donavi**, 
und kennt die Lex Sal. XXVI, 1, sowie das sp&tere friesische Recht in Fries. 
Bechtsq. p. 12, 23, eine Freilassung der Liten. Dafs das Abh&ngigkeitsTer- 
h&ltnifs des Liten von seinem Dominus nicht blofs ein dingliches, durch 
seinen Grundbesitz bedingtes war (wie Waitz 1 p. 177 anzunehmen scheint), 
zeigen die angeführten Stellen der Lex Fris.: der Freie, der ein Lite wer- 
den %ill, ergfiebt sich „in personam et in servitium Kti'', der Dondnus liti 
verklagt ihn „de capitis sui conditione^ und „possidet litum*' ! Damit stimmt 
auch follst&ndig überein die Art, wie nach der Lex Saxonum der Dominoa 
für die Verbrechen seihes Litus haften mufs, und dafs die Lex Fris. XX, S 
vom Litus wie vom Servus sagt „tormentis interficiatur^, vgl. oben S. 275 
Note 2. Dafs in Sachsen Liten zu Gerichtsvcrsammlungen vorgeladen wor- 
den, scheint aus dem Capit. Saxonic. von 797 e. 6 zu folgen, auch erw&hnen 
die Annalen mehrmals, dafs an König Karl in den Kriegen mit den Sachsen 
Liten als Geifseln gestellt wurden, vgl. Annal. Lauresh. ad a. 780: „aecepit 
obsides, tam ingenuos quam et lidoi'^ und Annal. Mosellan. : „et «mnia ae- 



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277 

gegeben wurden, nnd gewUs sind bald nachher auch anderweitig 
Lehne im Lande ansgelielen, bo dafs Lehnsherrn in Sachsen ent- 
standen; dafs diese Domini genannt sein können, wird man ein- 

eepit in hospitate, tarn ingenuos quam et lidoa*', oben S. 104. Kein Gewicht 
ist mit Eichhorn Deutsche Bechtsgesch. 1 p. 70 {. 15 auf Huobalds Angabe 
in der Vita Lebuini Perta Scr. 2 p. 361 zu legen, dafis in Torfränkischer 
Zeit auf den greisen s&chsischen Versammlungen zu Marklo auch Liten er- 
sehienen seien. Hucbald erzählt, indem er wörtlich aus Nithard schöpft, 
daCi damals das s&chsische Volk in die drei St&nde der edlingri, frilingi und 
lasai (L e. „seryiles'') getheilt gewesen sei, ^sicuti nunc usque consistit", 
d. hu wie es noch zu seiner Zeit im lOten Jahrhundert der Fall sei; dann 
fikhit er fort: „statuto tempore anni semel ex singulis pagiä, atque ex iis- 
dem ordinibus tripartitis, singiilatun flri duodecim electi, et in unum collecti 
inHarklo exercebant generale concilium, etc.*' Mufs die ganze etwa 200 Jahre 
nach jenen angeblichen Versammlungen aufgezeichnete JSachricht über das 
Zusammentreten Ton je 12 l^putirten.aus den einzelnen sächsischen Gauen 
als problematisch erscheinen, so ist dies in noch höherem Grade der Fall 
Ton der Betheiligung der Liten an den 12 Gewählton; hatte Hucbald rer- 
nommen, da£s die grolsen jährlichen mit Opfern verbundenen sächsischen 
Versammlungen von Zwölfen aus jedem Gau besucht worden seien, so mochte 
er ergänzend hinaufligen, dafs die Zwölf gewählt worden wären aus der 
BoTÖlkerung jedes Gaues > zu der auch die Liten gehörten, wie er es un- 
mittelbar vorher angegeben hatte. Im Allgemeinen scheint mir bei der Er- 
mittelnng der Stellung der alten Liten beachtet werden zu müssen, dads 
wir nicht berechtigt sind vorauszusetzen, dafs sie ein und dieselbe gewesen 
sei in den einzelnen deutschen Stämmen, ja nicht einmal in den verschie- 
denen Landschaften desselben Stanmies, vielleicht sogar nicht bei den ein- 
zelnen Liten&milien eines Gaues. Da in späterer Zeit Liten durch Freilas- 
sung von Servis, sowie durch Eintritt von Freien und Edelingen in das Ver- 
hältnifs entstanden, so konnte das im Einzelnen zu verschiedenen Stellungen 
führen, und ein Gleiches ist wahrschemlich auch in den einzelnen Gegenden 
geschehen, in denen die massenhafte Bildung der Liten durch Eintritt einer 
unterworfenen Bevölkerung in ein derartiges Verhältnifs zu den Siegern er- 
folgt ist, wie das aus dem östlichen Sachsen später von den Thüringern 
berichtet wird, vgL Transl. S. Alex. Pertz 2 p. 675, Widukind 1 o. 14, Albert 
von Stade bei Pertz 16 p. 31 1 und Sachsenspiegel III, 44 §.3. Ein gewichtiges 
Argument gegen eine ursprünglich gleiche Stellung der Liten und Servi in 
den einzelnen säohsischan Gegenden gewähren die sehr verschiedenen Ver- 
hältnisse, in denen sich später die ländlichen Chiindbesitzer in ihnen be- 
finden. In Friesland war in den einzelnen Landschaften das Verhältniis der 
Servi bereits zur Zeit König Karls ein verschiedenes: die Lex Fris. I, 11.- 
IV, 1. XV, 4 l&Tst in Mittelfiriesland den Herrn den Werth seines getödteten 



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278 

rSnmen müssen ; andererseits wird nicht in Abrede zu stellen sein, 
dafs das eigenthümlich sSchsische VerhSltnifs der Mobiles zu freien 
Grundbesitzern, welches die Lex Saxonnm c. 64 erwHhnt, ftlr No- 
biles die Bezeichnung Domini veranlafst haben kann, und dafs es 
möglich ist, dafs diese unter dem Ausdruck in den angeführten 
Gesetzesstellen gemeint sind, um so mehr da sächsische Nobiles 
auch anderwärts Domini genannt werden^). Zu einer festen Mei- 

oder beschädigten Serrus beschwören, wie er es mit Ausnahme von 
Hunden, die ihre bestimmte Taxe hatten, bei Hanathieren durfte; im Ost- 
lanbachschen Friealand hatte dagegen der Servus eine feste Taxe, und es 
betrug seine Compositio die Hälfte von der eines Litcn, wie die von diesem 
die H&lfte von der eines Liber, vgl. 1. ¥na. 1, 4. 7. 10. 1 1 . XV, 3. 4. Add. HI, 73. 
Von der Bujse des Liten erhielt in Fricsland der Herr zwei Drittel, die 
Propinqui des Litcn das dritte Drittel; fQr seinen Servus empfing somit in 
.Ostfriesland der Herr V4 eines Freien wergelde« , für seinen Liten '/s eines 
Freicnwergeldes. Der sJlchsische Lite wurde nach der Lex Sax. c. 16 mit 
120 Solidis gohfifst, d. i. mit dem zwCilften Theil der Bufse eines Edeling, 
oder der halben Bufse eines Liber; dagegen wurden fiir den Servus nach 
Lex Sax. c. 17 mir 36 Solidi gezahlt, d. i. V10 vom Wergold eines Liten. 

^) Nachdem Kaiser Lothar am 25. Juni 841 seinen Brüdern Ladewig 
d. D. und Karl in der Schlacht bei Fontanet unterlegen war, suchte er 
durch alle Mittel seine geschw.lchte Macht zu stützen; um sich in Sachsen, 
wo die „Edhilingi^ (bei Nithard, oder „Nobiles*') zum Theil Ludewig anhingen 
(„una pars illorum quae nobilU inter illos habetur Lodhanum, altera vero 
Lodhuwicnm secuta est" Nithard), ein Ueberge wicht zu verschaffen, bot er 
den dortigen zahlreichen Frilingen und Liten an (^frilingis lazzibusque, quo- 
mm infinit« multitudo .est" Nithard), er wolle ihnen gestatten wieder zu 
leben wie in vorfränkischer heidnischer Zeit; diese gingen darauf ein, ver- 
trieben fast alle ihre Domini aus dem Lande, nannten sich mit einem 
neuen Namen Stellinga, und lebten Jeder wie er wollte nach alter Weise, 
wie ihre Vorfahren es gethan hatten zur Zeit als sie Heiden (^idolomm 
cultores" Nithard) gewesen waren. Da Lothar auch die Normannen zu Hülfe 
rief, und einen Theil des christlichen Landes ihnen überliefs, so fftrchtete 
Ludewig, dafs Normannen und Slaven das Reich unterwerfen und das von 
Karl d. Gr. eingeführte Christenthum abschaffen würden; mit grofsen An- 
strengungen gelang es ihm, die aufständischen Sachsen niederzuwerfen und 
die gefürchteten Uebel abzuwenden. — Dies berichten : Nithard IV c. 2—6 
Pertz 2 p. 668. 670. 671, Rudolf von Fulda ad a. 842 Pertz 1 p. 863, Annal. 
Prudentii Trec. ad a. 841 und 842 Pertz 1 p. 437—439 und AnnaL Xantens, 
•ad a. 841. 842 Pertz 2 p. 227; vgl. dazu F. Funck Ludwig d.Fr. 1882 p.206. 
215. 218, Gaupp Recht der alten Sachsen. 1837 p.42, E. Dümmler Qeseh. 



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279 

nnngy ob in den Stellen der beiden BäcbBiBchen OeseUe unter den 
Dominis fränkische Lehnsherrn oder altsSehsische adelige Mund- 
herm zu verstehen sind; habe ich nicht gelangen können; ein 
Bedenken gegen die letztere, sich mir in vieler Beziehung empfeh- 
lende Annahme liegt für mich darin, dafs ihr zufolge Karl der 
OroCse die Todesstrafe zum Schutz der sächsischen edelen Mund- 
herm bereits in den Capitulis de partibus Saxoniae anerkannt 
haben sollte, während er die Wergeidverhältnisse der sächsischen 
Nobiles erst in der späteren Lex Saxonum behandelte; denn dafs 
wir, wenn die letztere Meinung die richtige ist, es hier mit einer 
im älteren sächsischen Recht begründeten Todesstrafe zu thun 
haben dürften, mu& ich mit Rücksicht auf die anderen in den 
beiden Leges aufgestellten Todesstrafen vermuthen, und gegen den 
Einwurf, dafs eine solche Todesstrafe dem älteren vorfränkischen 
sächsischen Recht nicht angemessen sei, auf die oben S. 233 be- 
sprochene altsächsische Todesstrafe auf Ehen Freier mit edelen 
sächsischen Frauen verweisen*). Dafür, dafs man bei den Do- 

des Ostfränk. Reichs. 18C2. 1 p. 159 -IGl, und G. Meyer von Kuooau 
Ueber Nithard. 18G6 p. CO. 61 , auf deren zur Erläuterung de» Aufstände» 
Toa 841 aufgestellte Andichten Aber die durch Karl d. Gr. gesteigerte Macht 
der Edelinge and Verminderung der Rechte der Freien und Liten, ich hier 
nicht eingehen kann. Wichtig f&r die im Text angeregte Frage ist» dafs 
die Annalen in ihrem Bericht von dem Aufstände der s&chaischen Frilinge 
und Liten in den Jahren 841 und 842, von den ^Dominis" derselben 
sprechen, und darunter die Nobiles verstehen; es geschieht in folgenden 
Stellen : Nithard p. 669 ^qui (frilinr/i lazzique) nomen novum id est stellinga 
sibi imposuerunt, et in unum conglobati, dominis e regno pene pulsis, more 
antiquo qua quisque volebat lege vivebat^ und p. 671 „stellinga in Saxonis 
contra dominos suos itenim rebellarunt'^ ; Rudolf p. 363 : „Illudowicus in 
Saxoniam pergens, validissimam conspirationem libertorum legitimes dominot 
opprimere conantium, auctoribus factionia capitali sontentia dampnatis, for- 
titer compescuit"; Annal. Xant. a. 841 p. 227: .,oodem anno per toiam Saxo- 
niam potestas servorum valde excreverat super dominos suos, et nomen sibi 
nsurpavemnt steUingas, et multa irrationabilia commiserunt, et nobiies illins 
patriae a servia valdd affticti et humiliati sunt^ and a. 842 p. 227; „Lude- 
wious servo8 Saxonum süperbe elatos afflixit, et ad propriam naturam re- 
stituit''. 

^y Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 1 p.57ö, der bei den Dominis der 
fl&efaaisohen Gesetze an „Dienstherm^ dachte, „deren Beleidigung unter dem 



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miniB an fränkische Lehnsherrn zu denken habe, ISfst sich geltend 
machen, dafs die von König Karl zn ihrem Schutz yerhSngte 
Todesstrafe in den Capitulis de partibus Sax. unmittelbar hinter 
der Todesstrafe auf Hochverrath gegen den König folgt, und in 
dieser Reihenfolge in die Lex Saxonum aufgenommen ist'), in- 
dessen vermag ich den Einwand nicht zurückzuweisen, dab es 
wenig wahrscheinlich ist, dafs König Karl in Sachsen bereits nn* 
mittelbar nach Eroberung des Landes, bei Erlafs der Gapitula de 
partibus Sax., derartige schlitzende Bestimmungen für Lehnsherrn 
und deren Familien publicirt haben sollte, zumal in späterer Zeit 
in Deutschland eine so umfangreiche Anwendung der Todesstrafe 
auf Verbrechen gegen Lehnsherrn nicht Rechtens war'); und ao 

Gesichtspunkt der Felonie betrachtet worden sei", vermuthete, dafs die Nach* 
rieht des Rudolf von Fulda über Todesstrafe auf Ehen Freier mit adeligen 
sächsischen Frauen, mit der in den sächsischen Gesetzen ftr Bomini ge- 
setzten Todesstrafe in Verbindung stehe , und wollte daraus auf eine selir 
„strenge Dienstherrschaft^ bei den Sachnen schlielsen, ^^es möge dies mit 
dem Ursprung und der Bedeutung des Ilermstandes bei den Sachsen su- 
sammenh&ng^n^ . 

») Vgl. oben S. 112. 

S) Gaupp Recht der alten Sachsen p. 35 und 128 macht dafür, dab 
unter den Dominis fränkische Lehnsherren verstanden seien, g^tend, dals 
der Dominus neben dem König genannt wird, dafs der Liber feudorum und 
der Vetus auctor de beneficüs den Ausdruck dominus als stehende Bezeich- 
nung f&r den Lehnsherrn verwenden, und dals „das schwer bedrohte Sta- 
prum mit der Tochter, Gemahlin oder Mutter des Herrn der Cucurbitatio 
des langobardischen Lehnrechts l.F. 5 pr. 17 entspricht^. Die in das lan- 
gobardische Lehnrecht aufgenommene Verordnung über Verlust der Lehne» 
die dem König. Heinrich HL beigelegt und zwischen 1039 und 1056 gesetst 
wird, sagt: „gi quis dominum mum inter/ecerii, vel vulnerarerit, ipsum do- 
minum suamve dominam obsederit, vel eam eucurbitaTerit, rel contra ea 
quae in fidelitate nominantur fecerit, vel bis supradictis eonsilium dederit, 
parium laudatione beneficium amittat ^ Pertz Leg. 2 p. 43. Der Sachsen- 
spiegel Landr. IH, 84 §.2 giebt an : r,dod€t en man sinm herren (d. i. Lehns- 
herren), he hevet verwarcht ainen Uf unde sin ere unde dat gut, dat he 
von eme hadde". Homeyer Sachsensp. Lehnr. Theii 2 p. 509 bemerkt, dals 
sich die Anordnung des angeföhrten Gesetzes von K. Heinrieh Aber den 
Verlust des Lohnes wegen Vergehen der Vasallen, „im Sachsenspiegel Lehn- 
recht nicht beachtet findet, weder was die einzelnen Fälle des Treubruchs, 
z. B. Vergehen gegen die Frau des Herrn, noch was das Beweisverfahren 



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281 

seheint mir doeh mehr dafür sn spreeheB unter den Dominie alt- 
Blehaiaehe Edelinge an verstehen >)• 

Die Oesetse Karls des Grofsen erwähnen nieht, dalii in Baeh- 
sen anfser den Qeistliohen (vgl. oben 8. 272) und Dominis (vgl. 
oben 8. 273) noeh andere Personen durch anf ihre Ermordnng 
gesetzte Todesstrafen speeiell geschtttst gewesen wBren. Nach 
der Art, wie in der Lex Frisionum ein ^^legatus regis vei dncis'^ 
imd ein „obses^^ mit neunfachem Wergeide gebttlst werden soll*), 
könnte man vielleicht vermuthen, dafs im vorfritnkischen friesischen 
and sächsischen Recht auf Tödtung' von Gesandten und 
Geifseln die Todesstrafe gestanden hätte'), sumal im vorfiiln- 
kischen Sachsen von einem speciellen Frieden, der Gesandten vor 
Ermordnng schtttse, die Rede ist^), und es damals in Sachsen eine 
sehr verbreitete Sitte gewesen sein mnfs, Geifseln an stellen, um 
Sicherheit fttr bestimmte Versprechungen tu gewähren*), doch 
fehlen bestimmte Anhaltspunkte dafttr. 

m. Todesstrafen fttr Entehrung. 

Nr. 12 bis 14. Auf Entehrung der Tochter des Do- 
minus verhängen die Capitula de partibus Saxoniae und die Lex 

rageht'^, tmd d^fs dadarcb die Annahme bestätigt wird, dafe das Geaeti 
aberhaupt nicht f&r DeutscbUiad erlassen worden ist. 

^) Eine Verbindung der beiden Meinungen yersucht gewissermalsen 
Oaupp Recht der alten Sachsen p. 39, indem er annimmt, dafs der ganse 
altsächsische Adel in das Gefolge des fr&nkiachen Königs getreten und zu 
einem Lehnsadel geworden sei ; dafür fehlt es aber an jeder Andeutung in 
den Quellen, und die Unrichtigkeit der Vermuthung wird erwiesen durch 
die Stellung der friesischen Edelinge in sp&terer Zeit, die unbedingt alt 
Nachkommen der friesischen Nobiles zur Zeit Karls d. Gr. aufzufassen sind, 
während ihre Adelsgüter in keiner Weise Lehne waren; und nicht anders 
Terhielt es sich in Sachsen. 

*) Lex Fris. XVII, 3: ,)Si quis legatum regis Tel ducis ooei- 
derit, noyies illum componat et fredam novies ad partem donunicam*, und 
XX, 1: ^qui obsidem occiderit, novies eum componat''. 

*) Vg^. das neunfache Wergeid ftkr den Ermordeten in der Lex Sax. 
mid Lex Fris., das sUtt einer Todesstrafe im Yorfränkischen Recht einge- 
fhhrt sein dfirfte, s. oben S. 249. 

«) VgL oben 8.260 Note 1. 

•) VgL oben S. 103 Note 1. 



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282 

Saxoniim die TodesBtrafe; auf Entehrnng der Fraa and 
der Mutter des Dominns that es die Lex Saxonam. Die be- 
treffenden Stellen lauten: ;,Bi quis filiam domini sui rapnerit, morte 
moriatnr^' Gap. de part. Sax. c. 12; ;,qui filiam aut uxorem aat 
matrem domini sui stnpraverit; juxta voluntatem domini occida- 
tur'< Lex Sax. c. 26. 

Wer unter dem Dominus gemeint ist, dessen Fran, Tochter 
und Mutter in dieser Weise durch die Todesstrafe gegen Entehrnng 
in den beiden sächsischen Gesetzen König Karls geschützt er- 
scheine, wurde oben S. 273 erörtert. Die- Todesstrafe, die hier 
ausgesprochen ist bei Entehrung der Frauen, Töchter und Mtttter 
von gewissen durch ihre Lebensstellung ausgezeichneten Personen, 
mögen nun unter ihnen altsüchsische edele Mnndherm oder frXn- 
kische Lehnsherrn gemeint sein, galt im vorfrXnkischen älterrai 
sllchsischen Brecht allgemein für Ehebruch und Verführung. Boni- 
facius stellt in einem in den Jahren 744 bis 747 geschriebenen 
Briefe die Keuschheit der heidnischen Sachsen, in Deutsehland 
den christlichen Angelsachsen als Vorbild hin. Seine oben anf 
S. 222 excerpirte Erzählung, wie die Sachsen Ehebrecher und 
FrauenschSnder mit dem Tode bestrafen, und wie sie die Ent- 
ehrten behandeln, stimmt im Wesentlichen mit dem Uberein, was 
Tacitns darttber von den Oermanen berichtet, ohne dafs nach der 
ganzen Wortfassnng der Erzählung des Bonifacins und seiner ans- 
fuhrlicheren Darlegung des Herganges auch nur im entferntesten 
an eine Entlehnung aus Tacitus gedacht werden kann^). Boni- 
facins berichtet, dafs die Sachsen den Verfllhrer erhängen (jy^or- 
ruptorem ejus snspendunt^'), die Frau abe^, welche die Ehe ge- 
brochen, oder das Mädchen, welches das väterliche Haus durch 
Unkeuschheit befleckt hat, nöthigen, das Leben sich selbst mit 

*) VgL Germania c. 18: „qnamqaam severa iilio matrimonia, nee nllam 
mornm partem magis laudaveris, nam prope soli barbarorom singnlia nxo- 
ribas eontenti sunt, etc.^ und cap. 19 : „pavcissima adulteria, quomm poena 
praesens et maritis permissa; absoisis crinibus nndatam coram propinqnis 
expellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit''. VgL dasa Kraut 
Vormundscb. 1 p.42, WUda Strafr. p. 824 und Waita Ver&ss. 1 (a. 1865) 
p. 54. 



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_283 _ 

dem Strang zu nehmen, und dann ihren Leichnam gemeinsam mit 
dem ihres Yerflihrers verbr^nen; oder aber, dafs sie der Ent- 
ehrten ihre GewXnder abreifsen, sie von Ort zu Ort treiben und 
dureh Oeiftelhiebe tödten. Neoconis bezeagt in seiner Chronik 
des Landes Dietmarschen (heransgegeben von Dahlmann 1827) 
1 p. 96, nachdem er die Angaben des Tacitus und Bonifacins 
initgetheilt hat, dafs noch zu seiner Zeit, und er starb erst nms 
Jahr 1630, in seiner Heimath die alte sächsische Sitte herrsche: 
9, so eine Frnwespersone entehret worden, heft sick dat gantze Ge- 
schlechte solches angetagen, de Entehrede oft mit ehren eigen 
Henden ock entlivet (dewile dat Lant keinen Scharprichter gehat), 
solche Schande aftoleggen'^ Darauf führt Neocoms znr Bestäti- 
gung mehrere „Exempel^' an, deren „ unzählige ^^ seien, nament- 
lich eins, wo ein von ihm wohl gekannter Mann zu Wellinghusen 
seine Schwester, die geschwängert worden war, „mit etlichen siner 
Yeddern under dem Ise ersöpet unde begraven heft^^ 

Wenn keine ältere deutsche Rechtsquelle eine solche allge- 
meine Befngnifs zur Tödtung entehrter Weibspersonen und deren 
Verftlhrer kennt, so sind doch in ihnen vielfach Spuren vorhan- 
den, die auf einen derartigen Inhalt des ältesten deutschen Rechts 
zurückweisen. 

Fast alle Gesetzbücher des- fränkischen Reichs, und unter 
ihnen namentlich die Lex Frisionum, räumen dem Ehemann die 
Befugnifs ein, den Ehebrecher, den er auf der That 
betriflft, zu tödten, ohne dafs er verpflichtet wäre ein Wergeid 
fär ihn zu entrichten; mehrere erwähnen daneben auch der Tödtnng 
der ehebrecherischen Frau, und einige gewähren aufserdem dem 
Vater das Recht, den Verführer seiner Tochter, den er bei der 
That ergreift, bufslos zu erschlagen '). Die Lex Saxonum schweigt 

*) Lex Frision. V: „de hominibus, qai sine compQsitione oocidi 
poBsunt; adulterum, etc."; Ed. Bothar. 213: ^«t quis Über rei servus 
cum uxore 9ua liberum aut servum fornicantem inreneHi, poieatatem habetH 
eos aml}04 oecidendi ; et ei eos occiderit non requirantur^; ygl. dasu 
Osenbrüggen Strafrecbi der Langobarden. 1863 p. 68. 100; 1. Wisig. III, 4 
{. 4n. 5: „si aduUerum c%an aduUera maritua vel aponsus occiderit, pro 
homieida non teneatur; ai filiam in adiMerio pater in domo aua OC" 
eiderii, nullatn poenam aut calumniam incurraf; 1. Borg. 68: „si 



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284 

ttber Ehebnieh; dafs aber auch in Bachsen nach der PnUiealion 
der Lex IVdinng dea auf der Thai ergriffenen Ehebrechers ge- 
stattet war 9 wird man nach der Behandlang dee Verbrechens in 
den anderen deutschen Stammrechten, sowie im yorfrSnkiBeheii 
und späteren sächsischen Recht, voraussetzen dürfen >j. 

adolterantea hiTenti fnerint, et vir ifltf oceidaktr et femina; nsm hoe obser- 
▼andum est, ut aat utnimque occidat, aut si unum occiderit pretium ipnoB 
solvat'^; l. BijuT. Vm, 1: „si quis cum uxore alterius concubuerit libera, 
si repertus fiierit, cum werageldo illius uxoris contra maritum conponat; ei 
si in lecto cum iüa interfectus fuerit, pro ipsa compoeitione, quam debuif 
sohere marito ejus, in suo eceUre jaeeat »ine vindicta'*; 1. Rip. 77 : „si qvis 
hominem eomprehenderit super uxorem, seu «uj^er filiam, vel his similibwu, 
et non praeyaluerit ligare, sed colpus ei exoesserit, et eum interfeeerit^ 
. . juret quod eum interfecisset etc.'' Die Gh*agas im Vigslol^i c. 31 gestattet 
die Tödtung bei der Frau, Mutter, Tochter, Schwester, Pflegemutter und 
Pflegetochter; sie sagt: „swa er maelt i Idgom at VI ero konor, |>aer er 
mapr a vigt um : ein er kona mannx, II. mopir, IIL dottir, IV. systir, V, er 
fostra so er mapr hefir födda, VI. er fostra su er hann hefir ftddan*'. Gragaa 
edit. Magnaean. 2 p. 60. Vgl. über die Bestimmungen anderer nordiaeher 
Rechtsquellen: Wilda Strafr. p. 812. 823 und Orimm Rechtsalterth. p.743. 
>) Vgl. im Sachsensp. II, 13 $.5: „die wif oder maget nodeget, unde 
die in overhure hegrepen toerdei, den sal man dai havH afslan**. In einem 
alten friesischen Sendrecht, das aus dem Firelgo in der MOnsterscfaen DiS- 
cese und aus dem Westergo in der Utrechter Diöcese erhalten ist: „hweraa 
ma ene frowa wrogat (rügt), thet hio urhor den hebbe, sa ach se hire for- 
mund to sikriane (so hat sie ihr Vormund eu reinigen), jef hi hia siker wet ; 
berst him thera etha (gebrioht es ihm an den Eiden), sa weth hire hir for- 
mund alle schildich; sa ach hi thenna thene kere (so hat er dann die 
Wahl): hweder hi se fille (ob er sie geilselt), sa hi se unthardie 
mitha swerde ther hia under geng (oder ob er sie enthauptet mit 
dem Schwerdt unter dem sie ging) tha hio thet afte bigeng, sa hi 
se to him nime^ (oder ob er sie wieder zu sich nimmt.) Fivelg. Manuscr. 
p. 27 (auch niederd. in meinem Oinmeland. Manuscr. p. 159) und aus dem 
Westergo in Fries. Rechtsq. p.409 §.21 lin. 17— 20. Sodann in einem and. 
alten etwas jüngeren fries. Sendrecht, welches aus den selben beiden Gauen 
erhalten ist (und wo ausgefthrt wird, dafs im Fall der Mann den Reini- 
gnngseid Ar die angeklagte Frau nicht leisten will, sie sich durch Gottes- 
nrtheil zu vertheidigen habe), sagt der Westergoer Text im alten Druck: 
„soe aegh hy dine ker, hör hy se hangle, soe hy se hardie, 
80 hy se drinse (oder ob er sie ertr&nkt), so hy se baerne (oder ob 
er sie verbrennt); jefla toe him nime* Fries. Rechtsq. p.404, Jl — 13; in 



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286 

Detaillirtere Bestimmangen enthält dieLexSaxo- 
nnm über Franenranb, der als mit Entehning yerbimden ge- 
dacht wird. Es sollen fttr das Verbreehen mehrte neben einander 
an^ftthrte Bafssnmmen gezahlt werden, deren verschiedener Ur- 
sprung sich bestimmt unterscheiden IXbt — Die gesetsliche Eanf- 
Bumme für eine freie Frau betrug in Sachsen, sofern kein anderer 
Kaufpreis verabredet war, 300 Solidi, d.i. das regelmäfsige Wer- 
geid einer freien Frau von 240 Solidis nebst einer Zulage von 
60 Solidis. War nun der Frauenraub mit Einwilligung der G^ 
raubten geschehen, so sollte die Frau keine Bufse erhalten, ihren 
Eltern aber, denen sie nicht zurückgestellt wurde, sollten zweimal 
300 Solidi gezahlt werden, von denen ich die ersten 300 Solidi 
für den Kaufpreis der Frau halte, die zweiten 300 Solidi dagegen 
fttr ein Wergeid des Verbrechers von 240 Solidis nebst einem 
Friedensgelde von 60 Solidis. War der Frauenraub ohne Ein- 
willigung der (jeraubten erfolgt, so sollte der Bäuber sie den 
Eltern zurückstellen (ein ELaufgeld wurde ihnen nicht gezahlt, weil 
sie die Geraubte d. i. das Kaufobject zurttckerhielten); er sollte 
den Eltern aufserdem 300 Solidi zahlen d. i. ein Wergeid von 
240 Solidis nebst einem Friedensgelde von 60 Solidis, und sollte 
der Geraubten 240 Solidi zahlen d. i. ein Wergeid als Entschädi- 
gung ihrer Entehrung. Speciell wird noch der Fall behandelt, 
wenn die Entführte bereits mit einem Anderen verlobt war; hier 
soll der Vater des Mädchens den Kaufpreis von 300 Solidis er- 
halten, soll ferner 300 Solidi erbalten d. i. ein Wergeid nebst 
60 Solidis als Frednm, und soll der Verlobte (nicht das Mädchen) 
300 Solidi erhalten d. i. ihr Wergeid von 240 Solidis nebst einem 
Friedensgelde von 60 Solidis. Ausnalimsweise sollen auch der 
Mutter des Mädchens noch 300 Solidi gezahlt werden, wenn der 
Baub auf offener Strafse an der Seite der Mutter erfolgt war. — 
Die Stellen, welche diese Satzungen enthalten, sind: „Uxorem 
ducturus 300 solides det parentibus ejus; si autem sine voluntate 
parentnm, puella tamen consentiente, ducta fuerit, bis 300 solidos 
parentibus ejus canponat; si vero nee parentes nee puella con- 

meinem Manusor. S. des Westergoer Textes p. 51 und in meinem Firelg. 
Manuscr. p« 34 fehlen die gesperrt gedruckten Worte. 



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286 

flenseninty id est si vi rapta est, parenHbus efus 300 soUdos^ paeBae 
240 soiidos eonponat, eamqve parenHbus restiiuai^ L, 8ax. c 40; 
und: „Qoi feminam ab alio deaponsatam rapnerit, 300 soUdos pairi 
pueUaey 300 spwMO conpanat, et wsuper 300 aoUdU enuU eam; et 
si cum matre enntein in via rapneriti etiam et matri 300 solidoe 
cpnponat'' L. 8ax. c 49. 

Eine grobe Uebereinstimmang mit diesen Vorschriften für 
Sachsen zeigt 'sich in denen der Lex Frisionun fUr Friesland. 
Bei dem Staprum einer Frau (bei „farlegani") mafs in Hittel- 
friesland der Verführer sein Wergeid an den König zahlen , oder 
wenn die' Entehrte eineLitin war an deren Herrn ^). Beim Raub 
einer freien Frau werden, wie in der Lex Saxonum, drei Baissnm- 
men nnterschieden, die vom Verbrecher zu zahlen sind: ein Wer- 
geid an den König; ein Wergeid an den Vater oder Vormund des 
Mädchens, nebst einer Zugabe von 20 oder 30 Solidis, jenach- 
dem das Mädchen eine Freie oder Edele ist; und ein nach ihrem 
Oeburtsstande bemessenes Wergeid an das entehrte Mädchen als 
Entschädigung*). Mit dieser Vorschrift der Lex Frisionum ist eine 
spätere in der Additio legis Frisionum*) zu vergleichen, welche 
bestimmt, dafs wenn Jemand die Frau eines Anderen nimmt (d. i. 
entfuhrt), er sie zurückgehen soll, sowie dafs er dem König ein 
Wergeid als Fredum zahlen soll und aufserdem dreimal 53 7« So- 

^) L. Fris. IX, 1 u. 2 : „De farlegani. Si foemina quaelibet homini cai- 
übet fomicando se mUcucrit, componat ad partem regis woregil- 
dum suum; hoc nobilis et libera faciant, Uta rero ad partem domini sui". 

<) L. FriB. IX, 8— 13: ^Si qnis puellam virginem rapuerit et violatain 
dimiserity componat ei weregiidum ejus, sive nobüie sioe libera ßierii, 
ad satis/actionem , et ad partem regis similiter; tertium weregii- 
dum patri sive tutori puellae; si autem pueila Uta fuerit, satisfaciat ei si- 
miUt^r solutiono wcregildi sui, et domino ejus docem soUdos componat. Si 
Uberam foeminam extra Toluntatem parentum ejus, vel eorum qui potestateni 
ejus babent, uxorem duxerit, componat tutori ejus eolidos 20, id est den»- 
rioa 60, si autem nobilis erat foemina solidoe 30; si Uta fuerit soiidos 10 
domino ejus persolvere cogatur.'' 

•) Add. leg. Fris. III, 76: „Wulemarus dicit: si quis Über uxorem alte- 
rius contra legem tulerit, reddaf eam, et facinus ter quinquaginia tribus 
soUdis ei tremisse componat, et pro freda ad partem regis were- 
giidum 8uum^. 



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287 

lidi, d. i. ein enr Zeit der AbfiasBung der Additio llblichet frie- 
sisches Freienwergeld tod 160 Solidis'). 

Die drei Ba%elder, welche die Lex 8axonaiii| als bei Frauen- 
raub au aahlen, neben einander nennt, nnd die ich ihrem Ursprung 
naeh unterseheiden zn können meine*) , sind: a) der Kaufpreis 
der Frau von 300 Bolidis, d. i. ein Freienwergeld von 240 Solidis 
nebst 60 Solidis Zulage; b) eine Summe von 300 Solidis, gebildet 
ans dem Wergeide des Verbrechers, als eines Freien, und einem 
diesem zugeschlagenen Friedensgelde von 60 Solidis, und c) das 
Wergeid der Oeraubten von 240 Solidis; statt dessen, wenn die 

*) Die spftteren friesischen Kechtsaufseichnungen enthalten noch einige 
Zeugnisse ftbr das ältere friesiache Recht : nach dem alten WesUaubachschen 
Schulzenrecht §. 30 soll, wenn eine Frau gewaltsam entftihrt wird, der 
Schulze mit dem Asga sie aus dem Hause abholen, in dem sie sich befindet; 
sie drei Tage in Gewahrsam nehmen, und am dritten Tage in die Gerichts- 
Versammlung ftkhren; dort soll er zwei St&be aufrichten, zu deren einem der 
Entßlhrer, zum anderen ihre Magen treten mCLssen; geht sie zum Entfuhrer, 
80 bleibt sie bei ihm; geht sie zu den Magen: ^soe sehet ma her tvoijelda jelda 
ende di manne hrand ende breke tjulda, endejaen twa ende (em. ^twia'^?) achtiff 
pttnda (im alten Dr. nur : 80 Pfund) herum ende lioedem; ende dae sibbesta sexa 
aller lyc, jef se derin bitiogad wirdet, brand ende brek tjulda, ende mey hiara 
havdlesne beta** Manuscr. S. p. 12, vgL den Text des alten Druckes in Fries. 
Becktsq. p.391, 4 — 11. Abweichende Bestimmungen aus Bfistringen über den 
Stab-gang vgl. in Fries. Bechtsq. p. 116, 19 u. p.542 §.51, u. aus Huns. p.34,3; 
das Vorkommen desselben weist J. Grimm lieber Nothzucht, in Beyscher und 
Wilda's Zeitschr. Bd. 5, auch in anderen deutschen Gegenden nach; das eigen- 
thfimliche dem Grafen und der Gemeinde gezahlte Fredum von zweimal 80 Pfund 
erw&hnt das Schulzenrecht in Fries. Bechtsq. p.412, 1.25 in gleicherweise 
Air Mord. Nach der 15ten allg. fries. Küre aus dem 12ten Jahrh. erhalt 
die Genothzüchtigte ein Wergold von 12 Mark, und die Gemeinde 12 Mark 
Friedensgeld {y^debet caput suum redimere 12 marcis a plebe^ Fries. Bechtsq. 
p. 24, 3); nach dem 18ten allg.' fries. Landrecht wird doppeltes Wergeid ge- 
zahlt („tunc ipse reddat duplum cofnpositionis suae'* Fries. Bechtsq. p.68,dO); 
vgl. sp&teres Becht in Fries. Bechtsq. p. 329, 27. 

') Verschiedene Erklärungen der angefahrten Stellen der Lex Sax. und 
der Lex Fries, geben: Kraut Die Vormundschaft 1835. 1 p. 174. 303. 313. 
317. 325. 335; Gaupp Becht der alten Sachsen 1837 p. 137. 139; Wilda 
Strafrecht. 1842 p. 834. 841. 842. 847; Bive Gesch. der deutschen Vor- 
mondsehaffc. 1862. 1 p. 238. 251; Schröder Gesoh. des eheUehon Güter- 
rechts in Deutschland. 1863. 1 p. 14. 18. 47. 78. 



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288 

Geraubte eipe Verlobte war, ihrem Bräutigam SOG Sotidi, d. L 
240 SoHdi und 60 Solid! Friedensgeld geaahlt wurden. Die Fixi- 
mng der drei BalBSummen in dieser Weise, so dab sie ohne Blick- 
sieht auf den edelen oder freien Qeburtsstand der Betheiligteo 
gezahlt werden sollten, dürfte bei Gelegenheit der Abfassung der 
Lex Baxonum erfolgt sein; zu ihrer ErlXuterung dienen folgende 
Bemerkungen: 

a) Der Raufpreis der Frau. Das Rechtsgeschäft, welches 
nach dem in der Lex Saxonum niedergelegten altsäehsischen Recht 
bei Eingehung einer Ehe abgeschlossen wurde, ist noch vollständig 
ein Kauf und wird als solcher aufgefafst. DieLexBaxonumbe- 
zeichnet das Rechtsgeschäft ausdrttcklich als einen Kauf, 
indem sie von y^feminam (oder ^uxorem*^) emert^ L. Sax. c. 49.65 und 
jf/eminam vendere^ c. 65 spricht, und die dabei gegebene Summe 
▼on 300 Solidis das ^preUum empHonis*' c. 43 nennt. Den Kauf- 
preis, oder die 300 8olidi, zahlt aber als Käufer der Mann, 
der die Frau zur Ehe erhalten will: „uxorem ducturus 300 soUdas 
det parentibus ejus'' L. Sax. c.40; „qui feminam ab alio despon- 
satam rapuerit ... conponat, et insuper 300 solidis emat eam^ c. 49; 
und auch dann mufs er diese Summe zahlen, wenn er eine Wittwe 
heirathen will: „^ut tnduam ducere veiit, offerat tutori pretium 
emptionis sjus, . . .; paratam habens pecuniam (var.: „paratum ha- 
bens pretium'^ edit. Til.), ut tutori ejus dars possit, hoc est soli- 
dos 300^^ c. 43. Den Kaufpreis, oder die 300 Solidi, em- 
pfängt als Verkäufer der Vater, oder wer statt seiner Vor- 
mund der Frau ist: „uxorem ducturus 300 soUdos det parmtihus 
efus*^ L. Sax. c. 40; bei einer Wittwe: „oßsrat tutori pretium em- 
ptionis ejus, . . .y ut tutori ejus dare possit, hoc est solidos 300*^ 
c. 43. Und als Kaufobject betrachtet die Lex Saxonum 
die Frau: „300 solidis emat eam^* (d.i. feminam) L. Sax. c.49; 
„offerat tutori pretium emptionis ejus^^ c. 43. 

Dafs das Kaufen der Frau bei den Germanen, wie bei anderen 
ihnen stammverwandten Völkern, in ältester Zeit wirklich bestan- 
den hat, hätte nicht deswegen bestritten werden sollen^), weil in 

^) Adltere Germaniaten Eweifelten nioht, dafii bei den ältesten Ch>r- 
manen ein wirklicher Brautkaui' stattgefunden habe, vgl. Eichhorn Deutsche 



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289 

einer späteren Entwickelong des ReehtsTerhältniesea bei einigen 
germanisehen Stämmen, wie erwiesen ist, nnr noch die Vormand- 
seliaft (die Mond) ttber die Frau durch die Zahlung des Pretii 
erworben wurde ^)y bei anderen der Kaufpreis zu einem Schein- 
preise umgestaltet war'), und endlich der alte einst sachgemäfse 

Bechtsgesch. {. 54. 1 p. 314 und besonders Grimm Bechtsalterth. p. 420—423. 
Indem Kraut Vormundschaft 1835. 1 p. 171—175. 299 u. 313 zuerst es 
unternahm emen inneren Zusammenhang in der Lehre von der älteren deut- 
schen Vormundschaft aufsuweisen, stellte er die f&r die einschlagenden Ver- 
hlltniaee besonders ergiebigen langobardischen Rechtsquellen in den Vorder- 
grand, und sah in der in ihnen klar ausgesprochenen Auffassung, nach 
welcher die Mund Qber die Frau gekauft wird, das ursprünglich allgemein 
germanische. Ihm sind die meisten Spateren gefolgt, vgl. namentlich: 
Gaupp Recht der alten Sachsen 1837 p. 142. 170; Wilda Strafr. 1842. 
p.800. 837; Weinhold Altnord. Leben 1856 p. 240; Walter Deutsche 
Bechtsgesch. 1857. 2 p. 126; Schroeder Gesch. d. ehel. Gfiterrechts 1863. 
1 p. 9. 27. 38. 47. 76. 79; Waitz Deutsche Verfassungsgesch. 1 (a. 1866) 
p.44.57; So hm in Zeiuehr. ftlr Rechtsgesch. von Rudorff 1866. 5 p. 419. 
Wie hier eine sp&tere in den langobardischen Gesetzen ausgepr&g^ Um- 
bildung des alten Brautkaufes für das ursprüngliche gehalten wird, so glaubte 
Fr. Rire Geseh. der deutschen Vormundschaft 1862. 1 p. 258 noch einen 
Schritt weiter gehen und auf Grund der skandinavischen Rechtsqnellen (vgl. 
Bive p. 103. 105.258) behaupten zu können, dals der Kauf der Vormund- 
schaft über die Frau, wie der Kauf der Frau selbst, nicht urgermanisch seL 
Ich vermag in der in jenen Rechtsquellen Überlieferten Form des Instituts 
in keiner Weise dessen Urtypus zu finden, sondern nur eine jüngere Gestalt, 
bei der manche Einzelnheiten, in Uebereinstimmung mit anderen Angaben 
aus dem Norden, bekunden, dafs sie aus einer Grundlage erwachsen ist, 
die im wesentlichen in manchen deutschen Stammrechten noch unverhüllt 
Torliegt. Bereits Schroeder Gesch. des ehel. Güterr. 1 p. 77, ist dem Ver- 
such Rive's entgegengetreten, die vom Bräutigam nach den einzelnen deut- 
schen Leges dem Vormund gezahlten Summen auf ganz verschiedenartige 
Entschädigungsansprüche zurückzuführen. 

^) Klar ausgesprochen ist diese Auffassung im Edictum Rotharis, na- 
mentlich in Cap. 217: „pretium quod pro mundio mulieris daium est**, vgl. 
Kraut Vormundsch. 1 p. 173 und Schroeder p. 26—43. 76, der die Um- 
gestaltung aufweist, welche das Institut in den einzelnen langobardischen 
Rechtsquellen erfahren hat. 

>) Im Recht der salischen Franken erscheint bereits in den ältesten 
Quellen der Brautkauf als ein .Scheinkanf mit einem symbolischen Kauf- 
preise, vgl. Kraut Vorm. 1 p. 174 und Schroeder p. 55. 77. 

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290 

Aasdnicky ein Weib kaufen, allgemein nur noch flir ein W^b 
nehmen galt'). Die Lex Saxonnm allein genügt, nm ea beweisen, 
dafa bei den Sachsen znr Zeit ihrer ünterwerffing dnreh K9nig 
Karl noch ein wirklicher Brautkauf bestand ; ich wttfste nicht, wie 
sie es hätte deutlicher aussprechen können, und mufs es ftlr un- 
möglich halten, dafs der fränkische Gesetzgeber in ihr die latei- 
nischen Worte in einem ganz anderen Sinne verwendet haben sollte, 
als sie ihn sonst haben, und in dem sie auch zu seiner Zeit in den 
anderen fränkischen Gesetzen gebraucht werden^). Es ist aber 
keineswegs nur die Lex Saxonum, die in dieser bestimmten Weise 
das Vorhandensein eines wirklichen Brautkaufs bei den älteren Dent- 
sehen bezeugt, auch bei den Angelsachsen erwähnen die ältesten 
Gesetze ihn ganz unzweideutig^), während sich üeberreate von 

») Vgl. Grimm Rechtsalterth. p.421. 

*) Wenn Rive Vormundscli. 1 p. 103 den seiner Auffassung des nor- 
disclien Rechts entgegenstehenden Ausdruck brud-kaup dadurch meint eat- 
kräften zu können, dafa er hervorhebt kaupa bedeute in den nordisehea 
Dialecten nicht nur kaufen (emere), sondern überhaupt einen Vertrag schlielsen 
(pacisci), 80 ist daran zu erinnern, dafs auch die deutschen Dialecte „Braut 
kaufen '^ sagen, und in ihnen doch entschieden kaufen für emere gebraucht 
wird, dafs femer die angelsächsischen Gesetze ceapian, bycgan, syllan (ver- 
kaufen ) beim Brautkauf verwenden, sowie die Lex Saxonum: emere, ven- 
dere und emptio ; allen diesen einen Kauf bezeichnenden Ausdrücken einen 
anderen Sinn zu vindiciren, wird schwerlich gelingen. Auch Sohroeder 
p. 47 will in der Lex Sax. „uxorem emere'* durch heirathen, „uxorem vendere** 
durch verloben, .pretium emptionis*' durch Mundbrüche erkl&ren. 

.>)^ Bestimmt bezeugen den Brautkauf: Aethelbirhts Ges. c. 77: ^^if 
man maeg^ gehige^ , ceapi geceapod sy, g^f hit unfacne is (wenn man ein 
Mädchen kauft, sei sie mit dem Kauf gekauft, wenn es ohne Betrug ist); 
gif hit ponne facne is (Betrug ist), ef paer aet ham gebrenge, and him man 
bis soaet agefe'' (so bringe er sie zu Ilause, und man gebe ihm sein Geld 
zurück) Schmid p. 8; Ines Ges. c. 30: ^gif mon toif gebycge, and sie gyft 
ford ne cume (und die Gabe dann nicht erfolgt, d. h, der Kaufpreis nicht 
gezahlt wird), agife paet feoh and forgielde (so gebe er das Geld und be- 
zahle), and gebete pam byrgean swa bis borgbryce sie** (und büfse dem 
Bürgen wie der Bürgschaftsbruch ist) Schmid p. 34; K. Cnut verordnet in 
Ges. U c. 74: „and ne nyde (nöthige) man nader ne wif ne maeden (weder 
Weib noch Mädchen) to pam, pe hyre sylfre mysUcige (der ihr selbst mils- 
fUlt), ne trid scetUie ne syUe (noch verkaufe sie für Geld), buton he hwaet 
agenes pances (mit eigenem WiUen) gyfan wüle'* Schmid p. 3X2. 



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2 91 

ihm noch in den späteren friesischen Rechtsqnellen finden ^), nnd 
er nach Albert Kranz sogar noch im fünfzehnten Jahrhundert bei 
den sächsischen Dietmarschen vorgekommen sein soll'). Anfserdem 

^) Aus dem friesischen Hunsingo und Fivelgo im Gh-oningerlande sind 
folgende Aufzeichnungen von Ueberresten des alten Rechtes erhalten: 
„hwersa ma ene frowa afte deth (d. i. sur Ehe giebt; im Fivelg. Manuscr. 
dafllr: „hwersa en frowe heth sten enne aften stol"), and hiu mitha sogen 
wenden biwrocht is (und sie mit den 7 Qe wetten angethan ist), and thi 
kerena (der Erw&hlte) 9e capad heth mitha riuchta mundakeie etta riuchta 
faremxmda, sa Stent thiu frowe thenne a fria foten", nach den beiden 
Hnns. Manuser. in den Fries. Rechtsq. p. 385 f. 32 gedruckt, ähnlich in 
meinem Firelg. Mannscr. p. 89. Im Fries. WOrterb. p. 1129 wufste ich nicht, 
was ftkr „Gewetten'* hier gemeint sein m(}chten; das Fivelg. Manuscr. be- 
lehrt darüber, indem es hinter den angefilhrten Worten fortfahrt: „sahwersa 
ma ene frowa ut jeft, sa rächt ma hire fior wed: thet forme, thettere thi 
feder (dafs ihr der Vater) fi-ei kap weddade with toane (gegen wen) sa hio 
hire lif wolde ledza; thet other, thet kapade mec stat (dafs gekaufte Hei- 
rath besteht) , ende mith scillingum ther hio hire fmdelf jef in tha hude, 
half be ende bodel, jefta XIII merk and VIII (ob eu em.: XIII?) pan- 
ningan; thet thredde etc." Ferner in den 2 Huns. Manuscr. § 31: „Hwersa 
en frowe fereth of tha liudgarda (wenn eine Frau aus der Dorfmark sieht) 
and enne otheme, and hiu afte den is, and hire frudelf thenna tokemth 
(und ihr Mann dann stirbt), and hiu thenna to other hiunem feth (und sie 
dann zu einer anderen Ehe schreitet), sa wele hire friudelf (d. i. der zweite 
Mann) se jeme hebba afte, sa agerne mundsket be riuchte te winnane et 
hire erra swiarengem (von ihren früheren Schwiegereltern), ther him bi 
riuchte lavegad is ; sa is thi mundsket threttene ecillingar and threttene pen- 
ningar; ach hi ac thes nowet aca (hat er dazu auch nicht genug), #a ca- 
pieme (so kaufe er den Mundschatz) mit ena soma (mit einer Summe?) 
seeldwepere (ein dunkeles Wort); thet is thi riuchta mundsket". FriesiBche 
Rechtsq. p. 334 {. 31 ; gekürzt steht der {. auch in meinem Fivelg. Manuscr. 
p. 89, wo der Schlufs lautet: „sa is thi mundsket XIII schili. and XIII pan- 
ningan, jef en som skildwepern". Im alten Schulzenrecht aus dem West- 
laubachschen Friesland ist der mondsket bereits eine geringe Summe, vgl. 
Fries. Rechtsq. p. 389 {. 8. 9 und p. 429, 5, und das 22ste allg. fries. Landr. 
p. 74 u. 75, sowie Fries. Wörterb. p. 1 146 über wetma und werthmund, 

^ Von den sächsischen Dietmarschen berichtet Albert Crantz Van- 
dalia I: ^valet hodie (ut ferunt) consuetudo in Thietmarsi8, gente palustri 
ad exitum Albis fluminis, ut nuptui tradant filias indotatas, sponso quanium 
inter eos eanvenit annumeranU aut pendente his, qui puellam in potestaie 
halmerunt^; angeftLhrt wird die Stelle von Neocorus Chronik des Landes 
Dithmarschen 1 p. 109, vgl. Schroeder Gesch. des ehel. Güterr. 1 p. 49. 

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292 

läfst die Art, wie die Recbtsquellen mehrerer anderer germanisclier 
Stämme, and namentlich die der Langobarden , Burgunder und 
Westgothen über das Verhältnis sich äursem ^), das frtthere Vor- 
handensein des Frauenkanfs bei ihnen, und sein allmähliches Ver- 
schwinden in ihrem Recht deutlich erkennen. Unter den Argumen- 
ten, die gegen die Existenz eines wirklichen Brautkaufes im alten 
Deutschland geltend gemacht worden sind'), hat den gröfsten An- 
klang gefunden, dafs man behauptete, der Brautkauf sei unvereinbar 
mit der ganzen Stellung der Frauen bei den alten Germanen, die 
eine durchaus würdige gewesen sei. Ich kann diesem Argument 
kein entscheidendes Gewicht einräumen, weil wir bei seiner Er- 
wägung nicht im Stande sind unsere heutigen Vorstellungen und 
Gefühle auszuschliefsen; für uns fehlt jeder Mafsstab der Beur- 
theilung, wie weit das auf einer frühen Stufe der Entwickelung 
stehende überkräftige Volk, bei dem überall eine edele zu hoher 
Entwickelung beföhigende Natur aus seinen rohen Sitten durch- 
leuchtet, es für sittlich zulässig gehalten haben kann, die von ihm 



^) L. Burg. 34: „si qua mulier maritum sunm, oui legitime est juneta, 
dimiserit, necctur in luto; si quis uzorem suam sine causa dimiBerit, inferai 
ei aUerum iantum, quantum pro pretio ipsius dederat, et multae nomine 
sei. 12 ", vgl. die Note von Blume in Mon. Leg. 3 p. 546 und die 1. Burg, 
c. 42, 2 und c. 61 (vgl. S. 302), welche das ^nuptiale pretium^ erwähnen. 
In 1. Wisig. III, 4 §.2: „si trUer sponsum et eponaae parentes . . daio pretio, 
et sicut consuetudo est ante testes facto placito de futuro conjugio etc. /Ve- 
tium ad sponsum, qui dederat, revert^itur*' (bei nnkeuschem Leben der Ver- 
lobten); und III, 4 g. 7: .,si puella ingenua sive vidua ad domum alienam 
adulterü causa venerit, . . ilie pretium det parentibus quantum parentes pueUae 
velint«; desgl. III, 3 §.3, vgl. unten S. 302 N. I. Ueber Langobarden vgL 
oben S. 289 Note 1 und die Ausführungen über das burgundische und west- 
gothische Recht von Schroeder p. 16, 43 und 70. 

') Für nicht beweisend halte ich Argumente, die aus einzelnen Aus- 
drücken hergenommen werden , die Hechtsquellen verwenden , in welchen 
der alte Frauenkauf bereits verschwunden oder umgebildet ist, s. B. daraus, 
dafs langobardi^che Gesetze, in denen der alte Frauenkauf als Vormund- 
schaftskauf auftritt, den nunmehr f&r Erlangung der Mund gezahlten alten 
Kau^reis als „mund^ bezeichnen, oder wenn spätere Mesische Rechtsquellen 
von einem mundsket (d.i. Mund -schätz) und werth-mund sprechen, vgl. 
Kraut Vorm. 1 p. 172. 



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293 

hochgeBieUien, ja sogar verehrten Franen ^)y der Macht der MSnner 
mitersuordiien. Die Gewalt des Hausvaters über die Seinen war 
bei den Germanen eine sehr weit gehende ; nicht nur dafs er ein 
ausgedehntes Strafrecht über Frau und Kinder ausübte, es stand 
ihm auch noch in historischer Zeit die Befugnifs zu, sie wegen 
dringender Noth, oder als Strafe, in die Unfreiheit zu verkaufen'). 

') Tacitus Germ. e. 8 sa^ : „inesse quin etiam sanctum aHquid et pro- 
vidnm (feminis) putant, nee aut consilia earum aspemantur aut responsa ne- 
gligunl'', Tgl. dazu Grimm MythoL p. 84. 

') Die Leges Liutpr. c. 121 bestimmen, dals wenn eine Ehefrau sich 
eine unxfich^e Behandlung gefallen iälst, y^habeat poteatatem ejus maritut 
in eam vindictam dare, sive in disciplina, sire in venditione ubi voluerit, 
rerumtamen non occidatur^; K. Lothar in Capit. a. 825 c. 1 verordnet für Ita- 
lien: .ut cärtulae obligationis , quae factae sunt de singulis hominibns, qui 
se, lusores, JUios vd ßlica in servitio iradiderunt, fTPangantur"* Pertz Leg. 1 
p. 241. Nicht als unmittelbares Zeugnils kann es dienen, aber immer die 
im 9. Jahrh. vorhandene Auffassung bekunden , dafs Benedictus in seine 
Capitttlariensammlung Lib. II c. 4 aus II Mosis 21 v. 7— 11 folgende Worte 
aufgenommen hat: „Si guis vendiderit filiam suam in fatnulam, non egre- 
dietur sicut ancUlae ezire consueyerunt; si placuerit <ie»mino suo, cui vendita 
etig admittat eam liberam; et ad alium populum non licet ipsam vendere**' 
Perta Leg. II P. 2 p. 75 ; bemerkenswerth ist, dafs noch König Aelfred eben- 
fiüU diese Stelle wörtlich in seine Gesetze aufgenommen hat : ,, peah hwa y«- 
bycffe hin dohior on peoirenne, ne sie hio ealies swa peowu swa odru mennenu, 
etc.'' Schmid p. 58. ' Um ein richtiges Urtheil über das Verhältnifs des Braut- 
kaufs im alten Deutschland zu gewinnen, mufs man sich vergegenwärtigen, daüs 
nicht selten Freie sich selbst und die Ihrigen in die Unfreiheit verkauften, oder 
Zeitweise in ein unfreies Verhältnifs traten, wenn sie den erforderlichen Lebens- 
unterhalt nicht beschaffen oder Schuldsummen nicht zahlen konnten, die durch 
verwirkte BuiSsen oder auf irgend eine andere Weise, entstanden waren. Schon 
Tacttus Annalen 4, 72 erzählt, wie die Friesen, die den Römern den Tribut 
nicht zahlen konnten, Binder und Aecker hingaben , „postremo corpora con- 
jugum aut liberaruni servitio tradebant*", und in der Germania c. 24 berichtet 
er von der Spielwuth der Germanen: ^quum omnia defecenint, extreme ac 
novissimo jactu de libertate ac de corpore contendunt; victus voluntariam 
aerviiutem adit . .; servos conditionis hujus per commercia tl'adunt'^. In 
lex Wisig. VII , 1 : ^ <luod si idern ingtnuus unde conponat non habuerit . . , 
serviturus iradahtr^; 1. Baj. 1, 10: „et si non habet taniam pecuniam (um den 
ermordeten Bischof zu hülsen), se ipsum et uxorem et ßlios tradat ad «c- 
desiam iUam in servitio, usque dum sc redimere possif* Pertz Leg. 3 p. 275 ; 
1. Baj. II, 1 : jfConponat seeundum legem ; si vero non habet, ipse se in str- 



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294 

Hat aber der Vater früher bei seiner Toebter allgemein die« 
Recht besessen, so mnfs dem gegenüber die Befngnifs, sie eiDem 

vitio deprimat, et per sing^ulos menses vel annos, quantum lucrare quiverit, 
persolvat cui deliquit, donec debitum Universum restituat" p. 282; 1. Baj. 
IX, 4: „si qnis Über liberum bominem furarerit et vendiderit, reducat oum 
et in libertatem restituat . . ; et si eum revoeare non potuerit, ktne ipse Jur 
perdett libertatem sttam, pro eo quod conlibertum suum seryitio tradidit, si 
Bolvere non valet werageÜ parentihus^ p. 303, vgl. 1. Baj. XVI, 5 und 
1. Alam. Lothar. 46, 2; leff. Liutpr. c. 121: ^«i talis fuerit ipse über homo 
(ein Freier, der eine Ehefrau unzftchdg behandelt hat), ui non habeeU unde 
GOfnpositionem facere possit, ttmc publicus (?) debeai eum dare in manu* 
mariti ejus, et ipse in eum faciat vindictam in disciplina vel venditi<mt* 
non in occisione"; 1. Burg. XIX, 7: „si is qui fidejussorem dedit, non habuerit 
unde solvat, ipsum fidejussori ad se absolvendum tradaf*, vgl. formul. Mar- 
culf. II, 26, Bignon. 13. 26, und Grimm jElechtsalterth. p. 613; ein Concfl. 
von 615 can. 14 beschliefst: „</e ingenuis qui se pro pecunia aut alia r€ 
vendiderint vel oppig^eraverint, ut quandoquidem pretium quantum pro ipsis 
datum invenire potuerint, absque dilatione ad statum suae conditionis red- 
dito pretio reformentur^ Mansi Conc. 10, 548, angeführt von Merkel in Mon. 
Leg. 3 p. 282; nach 1. Wisig. 11,5 §.8 sollen Verträge ungültig Bein, in 
denen Leute „res eorum simul obligant et personas^. Nach Capital. Pippini 
a. 765 c. 6 können Mann oder Frau sich in die Unfreiheit verkaufen , um 
Lebensunterhalt zu erhalten, und dann ihre Ehe lösen: „si mnlier ingenua 
servum accipiat pro ingenuo, et postea qualioumque causa inservitas fuerit (und 
der früher freie Mann aus irgend einem Orunde in Unfreiheit sich begeben 
hat), nisi pro inopia fame cogente se vendjderit, et ipsa hoc e<msenserii, 
et de pretio viri sui a fame liberata fuerit; si voluerit potest eum dimittere, 
et (und die Frau) potest alium ducere. Similiter et de mutiere, si se e«ii- 
diderit, et vir ejus ita consenserit, taliter potest stare, si se separaverint*^ 
Pertz 1 p. 22; 1. Fris. XI, 1 : „«t über homo spontanea voluntate, vel. /arte 
necessitate coactus, nobili seu libero, seu etiam lito, in personam et in ser^ 
Vitium liti se subdiderit"; Capit. a. 803 ad leg. Sal. e. 8: wenn ein ^liber, 
qui se loco vadii in alterius potestatem commiserit'', einen Anderen schä- 
digt, so mufs der, welcher ihn im Pfandbesitz hatte, ftkr ihn Bnfse zahlen, oder 
ihn herausgeben: „et qui damnum fecit, demissus juxta qualitatem cogatur 
emendare; si vero liberam feminam habuerit, usque dum in pignus extiterit, et 
ßUos, liberi pemianeant^ Pertz 1 p. 114, vgl, Capit. in leg. Rip. c, 3 Ports 
p. 117; Cap. a. 811 de exerc. c. 3: „«i quis über homo aliquod tale damnum 
cuilibet fecerit, pro quo plenam compositionem facere non vaieat, semetipsum 
in vadiam pro servo dare studeat, usque dum plenam compositionem ad- 
impleat'' Pertz p. 170; Cap. Bonon. a. 811 c. 1 : „quicumque liber homo in 
hostem bannitus fuerit, et venire contempserit, plenum heribannum, id est 



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295 

freien Manne alB Ehefrau zu verkaufen, als die minder harte er- 
scheinen, zumal der Vater die Toehter auch gegen ihren Willen 

solidos 60, persolvat, aut si non hahuerit unde illam summam persolvat, 
semetipsum pro vadio in serviiium principis tradat, donec per tempora ipse 
bannus ab eo fiat persolutus; et lunc Herum ad statum libertaiis suae re- 
vtrtatur'' PerU p. 172; Cap. a. 817 c. 2: hat Einer sein Wergeid der Kifche 
Torwirkt, r^et non hahit unde ad ecclesiam persolvat, iradat se in aervitium 
eodesiae, uaque dum totum debitum persolvat^ Pertz 1 p. 211; Lndowici 
Cap. a. 823 c. 10: „si Über homo se ip8um ad serviiium implicaverit pro 
aliguibue casis, et liberam feminam habuerit et infantes . . , ipsi in libertate 
permaneant" Pertz p. 233. Eine ausföhrlicbe Zusammenstellung über Ver- 
kaufe Freier enthält das Edictum Pistense von 864 cap. 34 PerU 1 p. 497. 
Daus Tielfaeh Freie gegen ihren Willen verkauft wurden (das b. g. Plagium 
vorkam), beweisen die in allen Volksrechten wiederkehrenden strengen Straf- 
bestimmungen dagegen: der Verkäufer hoII das Wergeid des von ihm ins 
Ausland Verkauften zahlen , als habe er ihn get<}dtet , nach 1. Sal. 39, 3, 
1. Thur. 40, 1. Alam. Loth. 46, §. 2, 1. Baj. IX, 4. XV, §. 5, 1. Fris. XXI u. 1. Sax. 
c. 20; nach L Rip. XVI das dreifache Wergeid, das einfache nur dann, wenn 
er ihn heim schafft. Kehrt der Verkaufte von selbst zurück, so soll er nach 
L Fris. XXI ein doppeltes Wergeid einklagen können , und der Verkäufer 
dem König 12 Solidi Fredum entrichten, an dessen Stelle im Ostlaubach- 
sehen Friesland sein Wergcld tritt; dagegen zahlt er in diesem Fall nur ein 
halbes Wergeid nach: Zus. zur 1. Sal. 39, 3 bei Merkel nov. llö, 1. Sax. 
c. 20, 1. Baj. IX, 4. Daneben hat 1. Sax. c. 20 noch die eigenthümliche Be- 
stimmung: „si vero reduxerit (der Verkäufer) eum, emendet ei (demVer- 
kauilen) juxta quod placitare potuerit"; Worte, die nicht, wie Wilda Strafr. 
p. 798 vermuthet, als verderbt erscheinen, sondern besagen, dafs eine freie 
Vereinbarung mit dem Verkäufer gestattet ist, damit er den Verkauften heim 
schaffe; den selben Sinn suche ich in den Worten der lex Fris. XXI: „aut 
eum ab exilio revocare studeat^. Um den Verkauf von Sklaven zu contro- 
liren, wurden im fränkischen Reich Vorschriften erlassen : er sollte öffisntlich 
geschehen, und nicht an die Heiden (welche die Gekauften opferten), vgL 
lex Alam. XXX VII, Capit. Karlom. a. 743 c. 3. bei Pertz 1 p. 18, und lex Fris. 
XVII, 5, welche verordnet: „qui mancipium in paganas gentes vendiderit, were- 
gildum suum ad partem regis solvere cogatur". Ein allgemeines Verbot des 
Verkaufen» von Frauen kann ich nicht mit Wäitz Deutsche Verf. 1 (a. 1865) 
p. 53 in lex Sax. 65 finden : ^lito regis liceat uxorem emere, ubicumque vo- 
luerit; sed non liceat ullam feminam vendere''; der König gestattet seinen 
sächsischen Liten unbeschränkt sich Gattinnen kaufen zu können, dagegen 
sollen sie nicht ihre Töchter nach Willkür zu Ehefrauen verkaufen dürfen — , 
in einem freien Brautverkauf hätte eine Beeinträchtigung des Königs als 
Herr seiner Litinnen gelegen, einen freien Brautkauf gestattet er seinen Liten, 



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296 

einem Manne zur Ehe geben konnte, ein Recht, das noeh einselne 
spHtere GeaetzeBatellen ihm snerkennen^). 

Die Höhe des Kaufpreises der Frau wird im alten Deutachland in 
der Regel unter den Betheiligten vereinbart worden sein, wie es. in 
der Natur von frei abgeschlossenen Vertrügen liegt; die Aufstellan^ 
einer bestimmten Summe als Kaufpreis in den Gtesetsen hat, wie ich 
glaube annehmen zu müssen, nur den Sinn, dab sie in FlUien ▼er- 
langt werden konnte, wo keine Vereinbarung Statt gefunden hatte, 
und dies ist auch offenbar die Veranlassung, dals ihrer in der Lex 
Saxonum c. 40 beim Frauenraub Erwähnung geschieht'). Kraut Vor- 
mundsch. 1 p. 317 hat sich daran gestofsen, dafs die vorgeschriebene 
Summe von 300 Solidis eine „ungeheuere'' sei, und deswegen ver- 
muthet, es möge darin „ein nicht zu überschreitendes Maximum^' anf* 
gestellt oder nur der Mundschatz der Adeligen gemeint sein'). Mir 
scheinen diese Bedenken zu schwinden, sobald man in jener Summe 
einen wirklichen unter Umständen gesetzlich zu fordernden Kauf- 
preis sieht, durch den das Gesetz den Werth der Frau in ähn- 
licher Weise wie bei einem Wergeide ausdrücken wollte. Konnte 
der zur Zahlung Verpflichtete die Kaufsumme nicht aufbringcD, 
so traten für ihn Verhältnisse ein, wie bei dem, der ein Wergeid 
oder eine andere Bufse zahlen mufste und nicht zahlen konnte; 
man hielt sich an seine Person, er kam in ein persönliches Ab- 
hängigkeitsverhältnifs bis die Zahlung erfolgte*). Gegenüber von 

w&hrend auch er bei anderen s&ehsischen Liten an den Consens ihrer Herren 
gebunden sein mochte; vgL aber: Kraut Vorm. 1 p. 407 und Gaupp Recht 
der Sachsen p. 218. 

1) Vgl. Leg. Liutpr. 12: r^paier aui froUr poUskUem habeani, cui iw- 
luerint ad dandam aut sponsandam filiam mam aut sarorem; istam lioen- 
tiam dedimus eo quod credimus, quod « . contra rationem cuiquam bomini non 
dabunt^; das. c. 119: „si quis filiam suam aut sororem alü sponsare Toluerit» 
kabeat potestatem dandi cui voluerit, libero tarnen homini^. Vgl. Schroeder 
Gesch. des eheL GOterr. 1 p. 7. 

*) Vgl. oben S.285; dab die 300 Solidi, die bei Frauenraub gesahU 
werden sollen , das Kaufpretium der Frau sind , beseugt Lex Sax. c 49 : 
„insuper 300 solidis emat eam^. 

') Die Ansicht von Kraut theilt Gaupp Recht der alten Sachsen p. 137. 

*) Die lex Burg. XII, 2 bestimmt: „si quis puellam rapuerit» prettum 
quod pro puella daturus est, in noTegildo cogatur exsolvere et multae no- 



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297 

anderen Bafaen der Lex Saxonnm erscheint mir aber aneh die 
Summe von 300 Solidis als keine besonders grolse, ja für edele 
Weiber als Werthmafs zu niedrig, sobald der Kaufpreis kein Scbein- 
pretium war, da z. B. der Verlust des Auges bei einem sSehsischen 
Nobilis mit 720, der seines Daumen mit 360 Solidis gebttfst wer- 
den muftte. Ich sprach bereits die Vermuthung aus, dals die 
Summe von 300 Solidis von K5nig Karl aus 240 Solidis, oder 
dem regelmftfsigen Wergeide einer freien Frau^), und einer Zu- 
gabe von 60 Solidis susammengesetst sein dürfte. Ich mache 
dafür insbesondere die fränkische Lex in Amore c. 47 geltend; sie 
verordnet: „si cujus puellam sponsatam alius priserit, solides 200 
componere faciat, in fredo 60 solides '^ Die hier genannten 200 So- 
Udi sind das fränkische Wergeid ; setzen wir an seine Stelle in der 
Lex Saxonum das sächsische von 240 Solidis, und rechnen ihnen 
ebenfalls die 60 Solidi als Frednm hinzu, so erhalten wir die 

mine solidos 12; si yero puella, quae rapta est, incornipta redierit ad pa- 
rentes, sezies puellae pretiam rapior exsoWat, multae autem nomine sol. 12. 
Quodsi rapior MoliUUmem supraseriptam unde »ohere non habuerit, pueUae 
parentibus adiiffneiur, ut faciendi de eo, quod ipsi mcUuerint, habeatU po* 
testatem'* Pertz Leg. 3 p. 538. Vgl. die oben S. 293 in ^'ote 2 excerpirten 
Stellen der Leges, nach denen fUr verwirktes Wergeid und andere Bufsen 
der Zahlungsnnftliige in zeitwebe Unfreiheit verfällt; in den Capitulis de part. 
Sax. e. 21 verordnet £. Karl, dafs die Sachsen wegen heidnischer Gebräuche 
btUben sollen: „si nobilis fuerit solidos 60, si ingenuus 30, si Utas 16; «t 
veno non hahuerini unde praeeenkUiier pereolvant, ad eccleeiae servitiuM 
doneniur, usque dum ipsi eolidi solvantur'*. 

>} Nach Lex Sax. c. 15 und 20 standen in Sachsen die Weiber im Wer- 
geide und Bufsen den Männern gleich, und nur ftr Jungrfrauen als solche 
verdoppelte sich das Wergeid: ^si virgo fuerit dupliciter oonponatur, si jam 
enixa simpliciter". Nach lex Fris. VI, 2 und Add. V, wie auch nach dem 
Dietmars. Landr. §. 1 14 erhielten alle Weiber (auch Jungfrauen) das Wergeid 
und die Bufsen der Männer; nach dem Sachsensp. 111, 45 §. 2 nur das halbe 
Wergeid und die halbe Bufse der Männer ; auch im späteren Friesland war 
ihre Bufse geringer, vgl Mon. Germ. 3 p. 693 not. 51. Im Gegensatz zum alt- 
sächsischen Recht, welches der Jungfrau ein doppeltes Wergeid zubilligte, stei- 
gerte sich das Wergeid der Frauen während der Zeit ihrer Gebährungs-, 
fähigkeit nach dem Recht der lex Sal. XXIV, 6, der 1. Rip. Xn~XIV und 
1. Thur. c 48. Indem der du Tilletsche Text in lex Sax. c. 15 für „jam 
enixa^ liest ^si jam nupta** ändert er das altsächs. Recht, vgl. oben S. 71 ; 
anderer Ansicht ist Gaupp Recht der alten Sachsen p. 109. 



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298 

Summe von 300 Solidis. In Uebereinsümmiing mit der heu ia 
Amore setzte Ludewig d. Fr. im Jahre 817 allgemein fest, da& bei 
dem Raab einer Verlobten der Bräutigam das Wergeid seiner Braut 
nebst dem Banngelde von 60 Solidis erhalte, und dafs bei Raub Ton 
Wittwen in den ersten 30 Tagen nach dem Tode ihres Mannes nebst 
dem Wergeide das dreifache Banngeld von 60 Solidis gezahlt werden 
solle ^). Eine beim Frauenranb neben dem Wergeide gezahlte Summe 
erwähnt auch die Lex Thuringorum c. 46: ^^qui liberam feminam 
rapuerit, reddat eam cum solidis 200 (d. h. er gebe ihre Person bu- 
rück und aufserdem 200 Solidi, d.i. ein thüringsches Wergeid), et 
quicquid cum ea tulerit restituat, addens ad unaroquamqne rem bo- 
lidos 10'', d.h. er soll für jede mitgenommene Sache die Normal- 
bufse des thUringschen Rechts von 10 Solidis zahlen. Die nach der 
Lex Frisionum IX, 11 — 13 neben dem Wergeide gemäfs dem Ge- 
burtsstande der Entehrten zu zahlende Summe von 10, 20 u. 30 So- 
lidis, ist bereits oben S. 286 angeführt worden. — Dais die 60 Solidi 
als Fredum nicht uraltes sächsisches Recht waren, räume ich ein; 
wir begegnen der Summe aber bereits in den Capitulis de partibns 
Saxoniae c. 16. 19. 20. 21. 24. 25. 26. 28. 31, sie mufs auch in der Lex 
Saxonum c. 23 unter dem Bannus gemeint sein, der zu zahlen ist 
wegen einem Kirchgänger zugefügten Verletzungen^), und das Ca- 
pitulare Saxonicum von 797 c. 1.2 u. 9 hat die Fälle näher bestimmt, 
in denen Sachsen die Bannbufse von 60 Solidis zahlen sollen, unter 
diesen Verhältnissen kann ich darin, dafs im vorfränkischen Sachsen 
ein Friedensgeld von 60 Solidis unbekannt war, keinen Grund 
sehen, die sich ungezwungen darbietende Deutung der 300 Solidi 

^) Capit. Ludow. legibus addenda a. 817 Ci4: ^De raptu riduamm: qui 
▼idiiam intra primod trig^nta dies yiduitatis suae, vel invitam vel volentem 
aibi copularerit, bannum noatrum, id est 60 solides, in triplo conponai; H 
si invitam eam diixit, Ugern suam ei conponaU^ Perte Leg. 1 p. 211 und 
cap. 9: ^Hi quis sponsam alienam rapuerit, aut patri ejus» aut ei qui legibus 
eju8 defensor esse debet, cum sua lege eam reddat; et quicquid cum ea 
tulerit . . ; sponso vero legem suam conponat et insuper bannum nostrum, 
id est sexaginta solidos, solvat, etc.'* p. 211. 

') L. Sax. C.23: «qui hominem ad ecclesiam vel ^e ecclesia die festo 
pergentem, non occiderit, tarnen insidias fecerit, bttnnum solvat de reliquLs"; 
vgl. oben 8.235 not. 1 und Gaupp Recht der Sachsen p. 126 und Wilds 
Strafr. p. 461. 



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299 

«HB einem Wergelde yon 240 Solidis nnd einer Bannbnfae von 
60 SolidiB SU verwerfen^ sondern vielmehr zu der Annahme^ daA 
die in der Lex Saxonnm als Kanfpretinm für eine mit Gewalt 
entftihrte Frau aufgestellte Summe erst yon König Karl fixirt ist^ 
indem er dabei jede RUckBicht auf Lebensalter und Geburtastand 
der Geraubten abschnitt. 

b) Als eine zweite vom Entftthrer zu zahlende 
8amme nennt, wie S.287 angegeben, die Lex Saxonum dreihnn* 
dert Soiidi, von denen ich vermuthe, dafs sie aus einem Freien^ 
wergeld von 240Sol.und 60Sol. Friedensgeld zusammengesetzt sind. 
Es wird von diesen 300 Sol. gesagt, dafs sie zu zahlen sind „paren- 
tibus ejus'' (d.i. der Geraubten) Lex Sax.c.40, oder dem „pater pnel- 
lae<' C.49; und es werden diese 300 Solidi unterschieden von den da- 
neben zu zahlenden 300 Solidis, die den Kaufpreis der geraubten 
Frau bilden (und den die Lex Saxon. c.49 in den Worten „insnper 
300 solidos emat eam<^ bezeichnet, und von ihm in c. 40 sagt, 
dafs er wegfalle, wenn die Frau restituirt wird), sowie von den 
der Geraubten zu zahlenden 240 Solidis (ihrem Wergelde), die 
unten S. 300 unter lit. c weiter zur Sprache kommen soll. 

Statt dieser 300 Solidi wird in Friesland nach der oben S. 286 
angeführten Stelle der Lex Fris. XI, 8 ein sich nach dem Geburts- 
stande des Verbrechers richtendes Wergeld an den König gezahlt, 
und es sagt die Additio legis Fris. III, 78, dafs das Wergeld für 
den verletzten Frieden zu entrichten sei. Diese Angabe der Lex 
Frisionum zeigt unmittelbar den Ursprung der in Sachsen zu 
zahlenden 3(X) Solidi; darin, dafs sie in Sachsen der Vater der 
Entführten erhielt, w&hrend in Friesland das ihnen entsprechende 
Wergeld dem König gezahlt wurde, liegt ein Festhalten an dem 
älteren Recht: wie im alten vorfränkischen Sachsen nach dem 
oben S. 222 excerpirten Briefe des Bonifacius die Vollziehung der 
Todesstrafe wegen Entehrung nicht von irgend einer Obrigkeit, 
sondern von den in ihrem Recht GekrSnkten vollzogen wurde, 
und wie Lex Saxonum c. 26 bei der wegen Entehrung der Gattin 
oder Tochter eines Dominus eintretenden Todesstrafe hinzufügt: 
„juxta voluntatem domini occidatur'', so erhält auch nach der 
Lex Saxonum nicht der König (wie es in Friesland bei dem zu 



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300 

zahlenden Wergeide geschah); sondern der Vater der Entehrten 
diese 300 Solidi, indem von dieser Snmme 240 Solidi ahi ein 
zur Lösung für die nicht von ihm yollsogene Todesstrafe gesahltes 
Wergeid, 60 Solidi aber als ein hinzugefügtes Frednm anfiin* 
fassen sind^). 

c) Die Geraubte erhält von ihrem Entführer swei- 
hundert und vierzig Solidi nach Lex Sax. c. 40: ,,81 vi 
rapta est . . ., puellae 240 solidos conponat'^ Diefse Bufsanrnme 
wird ihr nicht gezahlt, wenn sie in die Entführung eingewilligt 
hatte; und es erhält, im Fall sie verlobt war, statt dessen ihr Ver- 
lobter 300 Solidi („300 solidos sponso conponat'^). Die Bedeu- 
tung der in Sachsen dem geraubten Mädchen*) zu zahlenden 
240 Solidi lernen wir aus Lex Frisionum XI, 8 u. 9 näher kennen: 
„si qnis pnellam virginem rapuerit et violatam dimiserit, componat 
ei weregeldnm ejus, sive nobilis sive libera fnerit, ad satisfactlo- 
nem . . . ; si autem pnella Uta fuerit, satisfaciat ei similiter sointione 
weregildi sui, et domino ejus decem solidos componat'^ Die Worte 
bekunden, dafe in Friesland dem geraubten Mädchen, das vom 
Räuber entehrt ist, ihr Wergeid „ad satisfactionem <^ gezahlt wurde, 
und so sind denn auch in Uebereinstimmung damit die 240 Solidi 
der Lex Saxonum aufzufassen. 

Vergleicht man mit dem besprochenen sächsisch -friesischen 
Recht beim Frauenraub das in den Leges der anderen Volks- 
Stämme des fränkischen Reichs verzeichnete, so zeigt es sich als 
ein, wenn auch in verschiedenem Grade, doch durchweg minder 
strenges; eine Erscheinung, die in unmittelbarem Zusammenhange 

^) Ich will hier eine abweichende Deutung dieser Verhältnisse, die 
Wilda giebt, nicht unangeföhrt lassen; er aufsert Strafr. p. 812: „Die ka- 
rolingische Verordnung in der Lex Fris., wonach jede Frau, die sich preis- 
gegeben, dem König ihr Wergeld zahlen sollte, deutet darauf hin, dafs ihr 
Leben verwirkt war, doch der König es gleichsam nur in seine Hand ge- 
nommen hatte, um der tumultuarischen und wohl nicht selten grausamen 
Volksjustiz, wie ^ie in dem Briefe des Bonifacius geschildert wird, vonu- 
beugen, und den Umständen gemäTs strenger oder milder verfahren zu können*^. 

*) Vgl. die Ausftlhrung von Wilda Strafrecht p. 829- 831, dafs in den 
älteren germanischen Rechtsquellen die Verbrechen des Frauenranbes , der 
Nothzucht und der EntftLhrung, vielfach nicht bestimmt unterschieden werden. 



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301 

mit der ümwandelQDg der alten urgermanisehen Bteliung der Franen 
steht, die im sächsisch -friesischen Recht des achten Jahrhunderts 
noch nicht eingetreten war, wie der in ihm noch reell vorhandene 
Brantkanf beweist. In Sachsen und Friesland ging die ,;potestas'' 
des Vaters über seine Tochter noch so weit, dafs er, wenn sie 
entführt war und ihm nicht zurückgegeben wurde, ihr Wergeid 
als Kaufpreis neben anderen Bufsen einklagen konnte. Wo der 
alte Kaufpreis der Frau zu einer Oabe für Erlangung der Mund 
ttber sie, oder aber zu einem blofsen Scheinpreise geworden war, 
verschwand die ursprüngliche Bedeutung des wegen Entführung 
gezahlten Kaufpreises, und es wurden dann mehrfach andere Bufs- 
summen an dessen Stelle eingeführt. Daraus, dafs man später bei 
den Franken sich veranlafst fand die wegen Entehrung geltenden 
Bnfssummen für einzelne Fälle zu erhöhen, und an deren Stelle 
die bei vielen Bufsen ge^hlte Wergeidssumme treten liefs, ist nicht 
zu folgern, dafs die Zahlung des Wergeides bei Frauenraub und 
den ihm verwandten Verbrechen überhaupt erst einer späteren 
Entwickelung im deutschen Recht angehöre und früher allgemein 
bei den Germanen geringere Bufssummen für diese Verbrechen 
üblich gewesen seien ^). In der Art, wie es bei den Sachsen und 

1) Wilda Strafrecht p. 835 erörtert, mit Berufung auf lex Sal. XIII. 
(bei Merkel noT.4I) und XV, Bowie lex Bip. XXXIV und XXXV (vgl. die 
Stellen unten S. 304 in Note 1) , dafs bei den Franken fllr die Bufse von 
50 und 62 Vt Solidis später das Wergeid von 200 Solidis eingeführt sei. Ob 
in den Bufsen von 50 Solidis bei den Ripuarischen , von 50 + 12'/i (d.i. von 
50 + *%) Solidis bei den Salischen Franken, ein älteres sp&ter auf 100 (oder 
125) und 200 Solidi erhöhtes Wergeid zu finden ist, bedarf weiterer Unter- 
suchung, vgl. Schroeder p. 64 und Sandhaas Fr&nk. ehel. Güten*. 1866 
p.51 a.73. DieWildasche Ansicht fllhrt Schroeder ehel. Gfiterr. 1 p. 18 weiter 
aus und bemerkt: „Man mufs sich wohl hüten die Wergeldsbufse mit der 
Muntbrüche eu verwechseln (vgl. unten S. 303 Note 1 über das was Schroeder 
unter Mundbrfiehe versteht) ; die WergeldbuJ'se ist allgemein erst in späterer 
Zeit cm die Stelle der Mundbrüche getreten , woraus hervorgeht, dafs der 
Karakter dieser Bulse, als besonderen Schutzes für die vormundschafUiehen 
Bechte, im Laufe der Zeit mehr und mehr verloren gegangen ist''. Meiner 
üeberzeugung nach, hat gerade die entgegengesetzte Entwickelung stattgefun- 
den : ursprünglich wurde bei den Germanen für die Frau ein Kaufpreis gezahlt, 
und er bildete die Bufse; sp&ter entwickelte sich aus dem Kauf der Frau 



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302 

Friesen möglich ist, läfst sich in den Leges der anderen deatschen 
Volksstämme der Ursprung der einzelnen Bufsen flir die bezeich- 
neten Verbrechen nicht mehr ermittebi, schon deswegen nicht, weil 
in ihnen mehrfach ältere Bnfsen von verschiedenem Ursprung in 
einer Summe verbünden aufgeführt werden. Nicht su verkennen ist 
es indefs bei manchen dieser Bufsen , dals sie aus dem alten Kauf- 
preis der Frau entstanden sind, den wir in Sachsen und Friesland 
dem Vater oder Vormund der Entehrten gezahlt fanden, wie denn 
mitunter noch die in jenen Leges zu ihrer Bezeichnung gebrauchten 
Ausdrücke darauf hinweisen ^). Selbst Schroeder, der einen wirk- 
lichen Brautkauf im älteren Deutschland leugnet, kommt zu der 
Annahme, dafs die in den verschiedenen deutschen Leges ver- 
zeichneten Bufsen „eine durchgehende Verwandtschaft zeigen, mit 
einer bei der Verlobung von dem Bräutigam an die Braut oder 
deren Vormund gemachten Oabe'<, wenn er auch verkennt, dafs 

ein Kaufen der Yormundscliaft über sie , und nun konnte die Bufae aufge- 
fafst werden als fÖr Verletzung der Vormundschaft gezahlt; die alte einem 
Wergeid entsprechende Bufse erhielt sich in manchen Hechten, und es wurde 
spater im fränkischen Recht in einigen Fällen für die niedrigere, ein Viertel 
des gangbaren Wergeides betragende Bufssumme, die Zahlung des ganzen 
Wergeides eingeführt. 

') In dieser Beziehung vgl. lex Burg. XII: ^si quis pueliam rapuerit, 
pretium quod pro pueüa daturus erat, in novegildo cogatur exsohere, et 
multae nomine sol. 12; si Tero puella, quac rapta est, incorrupta redierit 
ad parentes, sexies pueüae pretium exsolvat, multae nomine sol. 12; .. si 
vero puella sua sponte expetierit virum . ,, nuptiale pretium in triplurn de^ 
8ohat^; ibid. XXXIV: ^si qua mulier maritum suum dimiserit, necehtr in 
luto; si quis uxorem suam sine causa dimiserit, "inferat ei alterum tantum, 
guantum pro pretio ipsivs dederat, et multae nomine 12 solido»*"; ibid. LXI: 
„quaecumque mulier natione barbara ad viri coitum spontauea Toluntate 
fiirtim oonvenerit, nuptiale pretium in aimplum tantuni ejua parentibus de- 
solvatur^; ibid. CI: ^dewittemon. Quicumque Burgundio alieujus optimatia aut 
mediocris sine ordinatione patris cum alieujus filia so copulaverit, jubemus 
ut tripla solutione optimatis ille qui fuerit, patri ipsi . . 150 solidos cogatur 
exsolvere, et multae nomine solidos 36; leudis vero, si hoc praesumpseiit 
faeere, similiter in tripla »olutione, hoc est solidos 46 solvat, et multae no- 
mine solidos 12<* Pertz 3 p. 573. Femer vgl. lex Wisig. III, 3 §.3: .,81 pa- 
rentes raptori consenserint, pretium JUiae suae, quod cum priore sponso definisse 
noseuntur, in quadruplum eidem sponso cogantur exsolvere", vgl. ibid. §.5. 



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808 

die von dem Bräutigam dem Vater oder Vormnod gezahlte Summe 
eben der ursprüngliche Kaufpreis der Braut ist, und dafs diese 
Summe mit dem Wergeid der Frau übereinstimmt, weil in dem 
Kaufpreis wie in dem Wergeid eine vom Gesetz fixirte unter Um- 
ständen einzuklagende Werthtaxe der Frau enthalten ist^). — 
Neben dieser aus dem alten Kaufpreis entsprungenen Bufse wer- 
den in den Leges verschiedener Vöikerstämme gröfaere Summen, 
und namentlich das Wergeid , an den Vater oder Mann der Frau 
und an den König gezahlt') , die auf einen gleichen Ursprung 

') Schroeder Gesch. de6 ehel. Güterrecht« p. 11 bezeichnet die in den 
Tersehiedenen Leges vorkommenden BuIsBummeQ ala eine Mundbrilche, und 
glaubt für sie einen allgemeinen Begriff aufstellen su können : ^Ffir die Ver- 
letzung des vormundschaMiehen Rechts durch Nichtachtung desselben bei 
einer Verheirathung mit dem Mündel, durch aufserehelichen Beischlaf, durch 
Bruch des Verlöbnisses oder Störung des durch dasselbe begründeten Rechts, 
ja selbst durch unberechtigtes Vcrstofsen der £hefrau Seitens des Mannes 
ist regelm&Jbig an den Vormund oder die Verwandten der Frau, unter Um- 
stünden auch an die letztere selbst oder an den Bräutigam, der durch die 
Verlobung bereits ein Recht auf die Vormundschaft erworben hat, eine be- 
stinunte Summe, und zwar je nach der Schwere des Vergehens ein- oder 
mehrfach als Buüse zu entrichten. Wir können sie mit einem dem angel- 
sächsischen Recht entnommenen Ausdruck Muntbrüche nennen''. Schroeder 
sieht hier ab von dem Sinn, in welchem mund-bryce in den angelsächsi- 
schen Bechtsquellen ftir Bruch des Königsschutzes oder Friedens, nament- 
lich bei Kirchen vorkommt (vgl. die 7 Stellen bei Schmid p. 635), und ver- 
steht darunter eine Brüchte oder Bufse für irgend eine Mund. In dieser Be- 
deutung aufgefaßt, möchte das Wort die Bufse bezeichnen können, die in den- 
jenigen Stanmu'echten zu zahlen ist, in welchen der Bräutigam bei Eingehung 
einer Ehe vom Vater der Braut nur die Mund erkaufen mufs, eignet sich 
aber nicht für die ältesten Bufsen, wie sie aus dem friesischen und säch- 
sischen- Recht oben S. 287 aufgewiesen wurden. Wichtiger aber ist,, dals 
überhaupt ein bestimmter allgemeiner Begriff von Mundbrüche im älteren 
germanischen Recht nicht exi>itirt haben kann, da die einzelnen Bufssummen, 
die neben einander gezahlt wurden, von sehr verschiedener Beschaffenheit 
waren ; man erwäge die oben besprochene Bulsen , die dem Vater der Frau 
als Kaufpreis, der Frau als Entschädigung, dem König oder Vater als Löse- 
geld für das Js'ichtvollziehen der Todesstrafe am Verbrecher gezahlt wurden. 

*) VgL lex Alamannor. Lotharii 51, 1: „si quis Über uxorem alteriua 
contra legem tulerit, reddat eam et cum 80 solidis conponat; si autem ndr 
dere noluerU, apud 400 solides eam conponat " Pertz Leg. 3 p. 61 (dieselben 



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304 

zuiüoksnftlhreii scheinen mit der oben auB dem fridBischen und 
sSchsischen Recht nachgewiesenen Wergeldbufse, die ich für ein 
Lösegeld des Verbrechers hielt, nm sich von der Todesstrafe an 
befreien 7 der er dnrch das Verbrechen verfallen war. Eine Be- 
stätigung findet diese Vermnthung darin, dafs in einem Oesets des 
König Childebert aus dem Jahre 596 Frauenraub mit Todes- 

Bufsen bestimmt 1. Alam. 47 : wenn Jemand eine freie Frau ins Ausland 
verkauft, so zahlt er 80 Sol. sofern er sie zurückschafft, sonst 400 Sol.); 
ibid. 52: ^si quis sponsatam alterius acceperit, reddat eam et cum 200 so- 
lidii conponat; si autem reddere noluerit, sohai eam cum 400 solidis*^ Perte 
p.62; ibid. 54: „si quis filiam alterius non sponsatam acceperit sibi ad uzo- 
rem, si pater ejus eam requirit, reddat eam et cum 40 solidis conponat eam; 
si autem ipsa femina post illum virum mortua fuerit, antequam iüius mim- 
dium apud patrem adguirat, solvat eam ad patrem ejus 400 eolidi*'* Pertx 
p.62. Femer: lex Bajuv, VIII, 1 : „si quis cum uxore alterius concubuerit libera, 
cum werageldo Ulius uxoris contra maritum conponat**; ibid. VIII, 16: „si quis 
sponsam alicujus rapuerit, ipsam reddat et 80 sol. conponat**. (im jung. Text: 
„conponat bis 80 soiidos, h. e. leO'') Perts 3 p. 301 u. 408. Im Edictum Botharis 
186 : „si vir mulieri violentiam fecerit et invitam eam tulerit ad uxorem, sit eul- 
pahüi» 900 solidis, medium regi et medium parentibuc mulieris ^ ; ibid. 187 : „si 
quis violento nomine tulerit uxorem liberam, conponat ut supra 900 soiidos 
et postea mundium ejus faciat^. In lex Sal. XV, 1: „si quis uxorem alle- 
nam tulerit vivo marito, soiidos 200 (d.i. ein Wergeid) culpabilis judicetur 
(vgL in Capitulis Chilperici regis pacto legis Sal. addit. a. 561 — 564 c. 17 
Pertz 2 p. 13) ; si cum ingenua puella per virtutem (d. i. mit Gewalt) moe- 
chatus fiierit, 6271 sol. culpabilis judicetur; si quis cum ingenua puella spon- 
tanea voluntate, ambis convenientibus , moechati fuerint, 45 sol. culpabilis 
judicetur*', die ersten beiden S&tze sind in lex Bip. XXXV aufgenoimnen, 
nur werden 50 Solidi statt 62 V« Sol. gehülst. Nach lex Sal. XIII, 6 werden 
für den Baub einer Braut 62 Vi Sol. gebüfst, ein Zusatz bei Merkel p.58 nov.41 
bestimmt: „si quis puellam sponsatam dructe ducente ad maritum in via ad- 
salierit, et cum ipsa violenter moetehatus ftierit, soiidos 200 ciUpabilis judi^ 
estur**. In lex Bip. XXXIV : „si quis ingenuus homo ingenuam foeminam 
rapuerit, bis cenienis solidis (d. i. ein Wergeid) noxius judicetur^. In den 
Capitulis Childeberti a. 500 — 511 c. 3: „si quis ingenuam feminam a con- 
tubemio, aut puellam in itinere aut quolibet loco, ferro praesumpserit, quam 
unus tarn plurimi, qui ipsum scelus admisisse fuerit adprobatus 200 soL 
culpabilis judicetur; de illo contubemio si adbuc remanserit qui ipaum 
seelns non admiserit, et ibi fiiisse noscuntur, si plures a minore numero 
fderinty trss et ipsi guadragenos quinos soiidos sohanf* Perts Leg. 2 p. 7. 
Aus den angelsächsischen Gesetzen führe ich an: Aethelbirht Ges. c 31 



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306 

strafe bedroht and die Vollsiehang der Todesstrafe dem Qau- 
Vorsteher Torgeschrieben wird, während ein Gesetz Chlodoweehs 
ans den Jahren 500 bis 611 bestimmt hatte , dafs die nach bis- 
herigem Recht auf Fraaenranb stehende Todesstrafe nicht femer 
erkannt werden solle'). 

IV. Todesstrafe für Brandstiftung. 

^r. 15. Auf eigenmächtige absichtliche Brand- 
stiftung bei Tag oder Nacht setzt die Lex Saxonum 
c. 38 die Todesstrafe; sie bestimmt: ,,qui domum alterius vel 
noctn vel interdiu suo tantum consilio yolens incenderit| capite 
puniatur". In den Capitulis de partibus Saxoniae c. 3 war nur 
erwihnty dafs auf AnzUnden einer Kirche Todesstrafe stehe: ^^si 
qnis ecciesiam igne cremayerit, morte moriatur'', vgl. oben S. 232. 

Die Worte der Lex Saxonum j^sno tantum consilio^* erklXren 

„gif fiiman wiil fries mannes wif goliged, bis wergelde abicge (kaufe 
er sie mit ihrem Wergelde), and oder wif his agenum scaette begete and 
paem odrum aet ham gebrenge" (und erwerbe ein andere« Weib mit seinem 
eigenem Gelde und bringe es dem Anderen nach Hause) Schmid p. 4; und 
Cnuts Ges. II c. 52: ^gif hwa wydewan (oder ^maeden^) nydnaeme, gehetß 
^aet he teere ^ (hülse er das mit dem Wergelde) Schmid p. 300, desgl. in 
Wilhebns Ges. c. 12 p. 330. 

1) Decretum Childeberii a.596 c.4: .,Convenit, utquicumque raptum 
faeere praesumpserit, unde impiissimis vitüs adcreverit, vitae peri- 
culum feriatur;et nuUus de optimatibus nostris praesumat pro ipso precare, 
sed nnusquisque admodum inimicum Dei pertsequatur. Qui v.ero edictum nostnim 
aosus fuerit contemnere .., judex pagi ipsum raptorem occidat et 
jaceat forbafctutus; et si ad ecciesiam confiigium fecerit, reddendus ab 
episeopo .. Corte si ipsa mulier raptori Consenserit, ambo pariter 
in esilio tranemittantur, ei si foras ecclenia eapti ßterint, ambo pariter 
occidantur, et facultates Ulorum parentibus legitimis, et quod fisco npstro 
debetur, adquiratur"* Port» Leg. 1 p. 9. In Capitulis Chilperici reg. legi SaL 
addit. a. 561 —684 c. 14: ,«i quis Übertue libertam alienam rapuerifc, 8ol.20 
eulpabilis judicetur, praeterea graphioni solides 10 solvat, et mulier ad po- 
testatem domini sui revertatur; si iiigenuam rapuerit, de vita sua 
conponat^ Porte Leg. 2 p.l3. Vgl. damit Capitula Chlodovechi a. 500—511 
c. 7 : „si quis ßlium aut filiam alienam extra consilio parentum in cor^ugio 
eopulandum consiUaverit, et parentes ezinde aliquid damnati Aierint, aut 
certe raptores vel convivas concÜiatores fuerint, morte damnentur et res 
ipsorum fiscus adquirat; raptores vero, quod in anteriore lege 
scriptum est, ainplius non damnentur^ Porta Leg. 2 p. 3. 

20 



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306 

Bich darauB, dafs nach altaXchsiBchem Recht das Nie- 
derbrennen von Gebäuden aU Strafe eintreten konnte, 
wo es dann f^eommune cansilio facto ^^ erfolgte, wie das Capitnlare 
Saxonicum von 797 cap. 8 sich ausdrückt. Das Capitnlare be- 
stimmt n&her, dafs Niemand im Lande aus Hafs, Feindschaft 
oder irgend welcher böswilligen Absicht Brand anlegen (,,incen- 
dinm facere^O solle; es sei dies nur gestattet, wenn Einer sieh 
weigere seine Rechtspflichten zu erfüllen, deswegen Tor den KQnig 
geladen, nicht erscheine und man ihn nicht anderweitig bestrafen 
könne; dann aber sollen die Oaninsassen („pagenses'O ^^^^ ^^' 
folgter Vorladung zu einer gemeinsamen Oerichtsversammlnng za- 
sammentreten, und es soll, wenn sie es, einstimmig beschließen, 
das Niederbrennen gemttfs dem sächsischen Recht als Strafe („pro 
districtione nostra^') ausgeführt werden ^). — Die Strafe des 
Niederbrennens wurde bereits im heidnischen Sachsen als Strafe 
Tom Oauvorsteher vollzogen, wie Beda Historia ecclesiastica V 
C.11 bezeugt: „satrapa ricnm illum incendio consumpsit'', ygl.oben 
8. 221 ; sie galt noch in später Zeit im sächsischen Dietmarschen, 
und war früher allgemein in Friesland verbreitet*), wie zahlreiche 

1) Das Capitulare Saxonicum c. 8 rerordnet: „De incendio oonTenit, 
guod nuUua ir^a pairiam praesumat Jacere propter iram aui inimicitiam 
aut quamlibet malivolam cupiditatem , exeepto si ialis fuerii rebeUis, qui 
justitiam facere noluerit et aliter districtus ease non poterit, et ad noB ut 
in praeaentia nostra justitiam reddat venire despexerit; eondicto commune 
placito simul ipsi pagenaes veniant, et si unanimiter coMcnaerint pro distri- 
ctione Ulius causa incendatur; tunc de ipso placito commune consilio facto 
seeundum eorum ewa ßcU peractum, et non pro qualibet iracundia aut mali- 
Tola intentione nisi pro diitrictione noHra. Si aliter quis incendium &ceTe 
ausus fuerit, sicut superius dictum est, solidos sexaginta conponat^. 

*) Das älteste ZeugniTs aus Friesland datirt rom Jahre 1118 ftr Sta- 
Tdrn: „ut firacturas et combustiones domorum patientw inier ee, nisi ob hae 
quahior eaueas^ (d. i. wegen Mord, Nothsucht, firuch des gemeinen Frie- 
dens und Bruch des Sudtfriedens) Schwartsenberg Charterb. 1 p. 72; Tgl. 
aus Westergo: das Schulsenrecht f. 30. Bechtsq. p. 391 $.55. p. 396 $.2. 
p. 411 und Rudolfsbuch {. 6 p. 426; aus Hunsingo: Bechtsq. p. 40, 20. 
100, 17. 329 f. 11 und 12; aus fimsgo : p. 34, 18. 25. 40, 20; aus Brokmer- 
land: p. 153 ff. 16. 24 - 31. 38. 214. 156. 68. 127. 148. 215 ; aus Büstringen 
p.541 {.46. 542 {.51. 



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307 

6«ieti6sitoUen erweiieB, während sie in anderen dentschen Oe- 
genden nicht vorkommt^). 

Nachdem das Capitnlare Saxonicam von 797 in Capitel 8 
ansgeftthrt hat, dafs Niederbrennen der Häuser nar als vom Oe* 
rieht erkannte Strafe gestattet sei, fügt es hinzu: ,,Bi aliter quis 
incendium facere ausns fuerit, sicut superius dictum est, solides 
sexaginta conponat'^ Die in diesen Worten enthaltene Verwei- 
sung besieht sich auf das Capitel 1 des Capitnlare , in welchem 
festgesetzt ist, dafe die Sachsen die Bannbufse von 60 Solidis in 
denselben acht Fällen entrichten sollen, in denen die Franken sie 
zahlen, und als einer der Fälle angegeben ist: ^^nec incendkm 
infra patriam quis /aeere audeat^^. Irrthümlich vermuthet Gaupp 
Recht der alten Sachsen p. 135, dafs Brandstiftung nach dem 
Capitulare nur mit der königlichen Baqnbufse von 60 Solidis habe 
bestraft werden sollen, da es keine weitere Strafe daneben nenne. . 
Das Capitulare setzt hier wie überall die Geltung der Lex Saxo- 
num voraus und ergänzt oder modificirt deren Inhalt'); durch 
die Einfahrung der königlichen Bannbufse von 60 Solidis bei 
Brandstiftung, wurde die in der Lex Saxonum 6.38 dafür verhängte 
Todesstrafe nicht aufgehoben; sie sollte neben der Todesstrafe 
entrichtet werden, wie sie in allen andern Fällen, für welche sie 



1) Wilda Strafrecht p. 293 ftihrt aus dem Westgothalag an, dafs einst 
König Annnd Strafen durch Verbrennen der H&user der Misseth&ter voll- 
sogen haben solL 

*) Die Lex Saz. c. 38 deutet in den Worten „suo tantum oonsilio^ auf 
die im alten sächsischen Recht bestehende Strafe des Niederbrennens hin; 
das Capitulare Saz. c. 8 dagegen ordnet das Verh&ltniTs im Detail, bestimmt, 
d^ts das Niederbrennen stets rorher von den Pagenses erkannt sein mu£9, 
dals es „secundum ewa Saxonum fiat peractum", und erwähnt dabei des in 
ir&nkischer Weise in Sachsen etngeftihrten Königsbannes von 60 Solidis. 
Wilda Strafr. p. 188.293 und 948, von der Voraussetzung ausgehend, dals 
die Lex Saz. nach dem Capitulare von 797 erlassen sei, nimmt an, indem 
er das Capitel 8 des CajHtulare erläutert, da£s in ihm eine Modification der 
Lex Sax. c. 38 enthalten sei; wie aber hiergegen eine Vergleichimg der 
beiden SteUen spricht, so weist auch der gesammte Inhalt des Capitulare 
darauf hin, dafs das Capitulare nach der Lex verfalst ist, vgL namentlich 
CapituL c. 11 mit Lex e.66 oben S.46.34. 

20* 



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308 

das Capitnlare proclamirte, neben den ftlr diese FXUe geltenden 
Strafen und Bufsen sur Anwendung kam'). Ein anmittelbares 
Anerkenntnifs dafür, daffl aneh nach Erlais des Capitnlare Saxo- 
nicnm in Sachsen, auf die für Brandstiftung in der Lex Saxonnm 
festgesetzte Todesstrafe erkannt wurde, gewähren die oben S. 2 
angeführten Znsätze zur Lex in dem Spangenbergschen Manuscript. 
Wie oben S. 13 gezeigt wurde, sind sie einer Verordnung entnom- 
men, die jedenfalls nach der Lex und dem Capitnlare yon 797, 
wahrscheinlich aber um die Mitte des neunten Jahrhunderts er- 
lassen wurde, und bestimmte, dafs bei der Beurtheilung einiger 
Verbrechen, auf denen nach der Lex Saxonum die Todesstrafe 
stand, wenn sie an einem Ort aufserhalb Sachsens verübt waren^ 
nicht das Recht der Lex Saxonum, sondern das Recht jenes Ortes 
zur Anwendung kommen solle, sofern dieses ein milderes sei. Da 
nun der Zusatz im Spangenbergschen Manuscript bei der im Ca- 
pitel 38 der Lex erwähnten Todesstrafe für Brandstiftung aus- 
drücklich auf jene Verordnung hinweist, so ist daraus zu folgern^ 
dafs sie damals in Sachsen nicht bereits aufgehoben war. 

Aufserhalb Sachsens bestimmt kein älteres Gesetz im fränki- 
schen Reich für Brandstiftung die Todesstrafe; bei den Buften, 
die sie verhängen, unterscheiden sie mehrfach, ob die Brandstif- 
tung mit Gefährdung von Menschenleben verbunden ist, und ob 
sie bei Nacht geschieht^). 

Die Lex Salica läfst Brandstiftung mit 62% Solidis bttfaen, 
und ein Wergeid für jeden dabei umgekommenen Menschen zah- 
len'). Nach der Lex Ripuariorum wird der durch Brandstiftung 

') Vgl. das Capitel 43 der Lex Tbur., in welchem f&r Brandstiftung 
neben dem Königsbann von 60 Solidis die in Thüringen in einer dreifachen 
Entschädigung bestehende Strafe erw&hnt wird. 

>) Vgl. Gaupp Das alte Gesetz der Tbfiringer p.373; Wilda Strafr. 
p. 943. Geib Lehrb. des deutschen Strafrecbts. 1861. 1 p. 222 bemerkt, 
dafs Ewischen Brand und Mordbrand derselbe unterschied» wie swischen 
Todtschlag und Mord stattfinde ; dieser werde nach Art eines Mordes, d. h. 
heimlich verübt, jener öffentlich. 

') Lex Sal. XVL* „si quis casam quamlibet super homines dormientes 
incenderit, quanti ingenui intus fuerint mallare debent, et si aliquid intus 
arserint, solidos 62% culpabilis judicetur'' und in jüngeren Texten: „«f si 



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309 

angerichtete Schade .ersetzt, eine Delatnra entrichtet, und jeder 
dabei umgekommene Mensch mit dreifachem Wergeide gebttfst'). 
Die Lex Thuringonim verordnet dreifachen Schadensersatz und 
Zahlung eines Onigsbannes von 60 Solidis ftlr gestörten Frieden*). 
Die Lex Bajuvariorum bestimmt, dafs der angerichtete Schaden 
ersetzt wird, und jeder, der aus dem angezündeten Gebäude 
nackend entkommt, eine bestimmte Bufse erhält; bei Anzttndung 
von Kirchen ist aufserdem erwähnt, dafs 40 (nach den späteren 
Texten 60) Solidi zu entrichten sind, und dafs für Jeden, der dabei 
das Leben verliert, sein Wergeid gezahlt werden mufs'). Nach 
der Lex Alamannorum mub der durch das Anzttnden angerichtete 
Schaden ersetzt, und eine nach den einzelnen Gebäuden verschie* 
den normirte Bufte erlegt werden^). Wichtiger als diese Gesetze 
zeigt sich für die Ermittelung des altsäohsischen Rechtes die Lex 
Frisionum; nach ihrem Titel VII, 1 sollte in Mittelfriesland, wer 
ein fremdes Haus anzündete, das Haus und Alles, was darin ver- 
brannte, mit doppelter Bufse vergelten, während, wie die Lex in 
Titel y angiebt, fttr ihn kein Wergeid zu zahlen war, wenn er 
selbst bei der That erschlagen wurde '). Ein späteres in der Lex 

aliqui inius areerint, solidos 200 cvlpahüis judicetur^ Merkel p. 69 nor. 44 
und p. 74 noT. 189. p. 84 nov. 288. 

') Lex Rip. Xyn : „«i qui9 homineni per noctexn latenter incenderii, 
sexeentis solidia adpabHiB judiceiur, et insuper damniim et delaturam re- 
stituat". 

*) Lex Thur. c. 43: „qai domum alterius noctu incenderit, damnwm 
triplo sarciat, et in firedo solidos 6C. 

>) Vgl. lex Baj. X, 1 : ^si quis per aliquam invidiam rel odiom in noote 
ineenderit domum, secundom qualitatem personae omnia aedificia eonpenat, 
et qnicqnid ibi arserit reatituat . . ; et quanii liberi nudi eoaserini de ipso 
ineendio, nnumquemque com sua hrewawunti conponat; tone domas cnlmen 
cum 40 solidis conponat, ete,^ Pertz Leg. 3 p. 307 ; TgL Über Kirchen die 
Lex Baj. I, 6 und namentlich die Worte : „et quanti homines ibi intus fiie- 
rint, et inlaesi de ineendio OTaserint, unieuique cum sua hrewawunti conpo- 
nat;" et si ibi cdiquia laesus /uerit vel mortuus, cte $i ipse cum proprio manu 
fecfrit, Sic SBcttndum personam uniuscujusque conponat" ibid. p; 273. 

*) Lex Alam. Hlotharii c. 83 : „si quis aliquem focum in noete miserit, 
ut domum incendat .., omnia quae ibidem arserit restitoat, et super haac 
40 solidos conponaty etc.^ Perta Leg. 3 p. 74. 

*) Lex Fris. V: „de hominibus qui sine compositione occidi 



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310 

Fris. Vn, 2 ezcerpirtea Mnkisches Oeaete fttgte hinxn, daft ein 
Mordbrenner den Hanswirth, den er durch AnsUnden ans Beinem 
Hause treibt nnd dann erschlügt, mit nennfachem Wergeide btt&en 
soll. Endlich wurde in der Lex Frisionum VII, 2 fUr das Ostlas- 
bachsche Friesland bestimmt, dafs daselbst in dem eben bezeich- 
neten Fall der Mordbrenner sein neunfaches Wergeid als Frie- 
densgeld £0 entrichten habe^). Es stimmen diese Satsnngen der 
Lex* Frisionum mit denen der Lex Saxonum darin ttberein, dafs 
sie nicht, wie die ans den anderen deutschen Stammrechten an- 
gefUhrten, darauf Rücksicht nehmen, ob die Brandstiftung bei Tag 
oder bei Nacht erfolgt ist; insbesondere aber seigen sie, dals im 
vorfrXnkischen friesischen Recht der Mordbrand als ein todes- 
würdiges Verbrechen galt*), nnd berechtigen dadurch an der An- 

possunt: adulterum ...., et eum qui domum alterius incendere 
Yolensy facem manu tenet, ita ut igniB tectum vel parietem domns 
tangat**; vgl. im Brokmerbrief {. 147: ^Fon tha bernere. Werther en man 
bifen miih eoUge croeha and mith rhumegere bond (d. i. wird da ein Mann 
ergriffen mit einer Koblenpfanne und nissiger Hand), ea ekel ma hme eeUa 
oppa enne tianepeeze ßal and oppa enne northhaldne bam'* (so soll man 
ihn setzen auf ein zehnspeicbiges Rad und einen nordwärts geneigten Baum, 
d. i. Galgen) Fries. Rechtsq. p. 171 ; im Westergoer Marktrecht {. 11 : „wirter 
een man mit moerdbrand begripen, so aegb di schelta dine ker (die Wahl), 
har hi dine man hue (erhftngt), dan men Uynde, jefta bame, jefta an dende 
seinde'' (ins Ausland sehickt) Fries. Rechtsq. p.422. Wilda Sirafr. p.604 
hat angeführt, dafs man nach dem Ostgothalag den tkber der That ergrif- 
fenen Mordbrenner bufslos ins Fener werfen konnte. 

1) Vgl. Lex Fris. tit.VII {.1: „De brand: ei quie domum aÜernu 
ineenderit, ipsam domum et qnioqnid in ea concrematum est, in duplo com- 
ponat, {. 2. Si aatem dominum domus flammis ex ipsa domo 
egredi compulit, et egressum occidit» componat eum noyiea, 
eiguscunque fuerit conditionis, sire nobilis, sire über, sire IHus sit; haec 
oonstitutio ex edicto regis processit. Trans Laubaoi in fredum nories 
componit weregildum suum'^. 

') Der fiberf))hrte Mordbrenner war in Friesland dem Tode rerfiülen; 
deswegen konnte ein Mordbrenner, der auf der That ergriffen wurde, ohne 
Wergeld erschlagen werden. Und auch das nean£ftche Wergeid, welches in 
Friesland flir Mord bei Brandstiftung in angeftihrter Weise gezahlt werden 
muiste, scheint durch fr&nkische Gesetsgebung an Stelle einer älteren Todes- 
strafe eingeführt zu sein; bemerkenswerth ist, dals im Westlaubachschen 
Priesland das neunfache Wergeld des Ermordeten den Blntsfreonden des- 



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311 

nahme^ dafs die Todesstrafe, welche die Lex Saxonum 
auf Brandstiftung setzt, ans dem vorfränkischen 
sSchsischeurReoht stammt, znmal im altnorwegiscben Recht 
auf Mordbrand Friedlosigkeit nnd Verwirkung yon Hab nnd Ont 
stand, und im altschwedischen and altdMnischen Recht der Fener* 
tod, vgl. Wilda Strafrecht p. 504.945 nnd 950 >)• 

V. Todesstrafe für Diebstahl unter erschwerenden 
umständen. 

Bereits oben S. 7 wurden die einzelnen Fälle aufgezählti 
in denen die Lex Saxonum eine derartige Erschwe- 
rung des Diebstahls sieht, dafs Todesstrafe eintreten 
soll; es sind folgende: 

Nr. 16. Für Diebstahl bei Tage oder Nacht von 
einer Sache im Werthe yon drei Solidis nach Lex Saxo- 
num c. 35 („qui in re qualicumque, yel interdiu vel noctn triam 
solidorum precium fhrto abstulerit^). 

selben gezahlt wird, dagegen im Ostlaubachschen Friesland (das erat seit 
775 mit Sachsen dem fr&nkischen Reich einverleibt wurde) das neunfache 
Wergeid der Mordbrenner (dem Könige) als Fredum. Vgl. die oben S. 249. 281 
angeftLhrten F&Ue, in denen ebenfalls Zahlung eines neunfachen Wergeides 
für eine ältere* Todesstrafe eingeftlhrt zu sein scheint. Eine weitere Frage 
wäre, ob nicht auch das nach fr&nkischem Recht bei Brandstiftung zu zah- 
lende oben S.dOS Note 3 u.S.309 Note 1 angeföhrte Wergeid, daraufhinweist, 
dafs einst auch bei den Franken fQr Mordbrand die Todesstrafe gegolten hat. 
') Das spätere Recht Norddeutschlands über Brandstiftung steht unter 
EinfluTs der Reichsgesetzgebung; vgl. Sachsenspiegel II, 13 {.4. 6: „morf- 
hemere scU man r<tdebrttken . . ; die bemet sunder mortbrand, den sal man 
dat höret afslan''; durch die Constitutio Friderici imper. contra inoendia- 
rios a. 1187 ist bestimmt: der überf&hrte incendiarius rycapite pUetetur** Perte 
Leg. 2 p. 184, durch die Treuga Henrici reg. um 1230 c. 20 „rota punietur'* 
ibid. p. 268. Friesische Gemeinden zwischen Zuiderzee und Weser verein- 
baren im 12ten Jahrhundert in KOre 16: „quodsi fecerit capitalia mala: vel 
fhrta vel alia mortalia mala (in fHes. Uebersetzungen : „ jef hi haveddeda 
jeden hebbe : nachtbrand jeftha othera haveddeda''), si pecuniam tum habH, 
tune emendet cum suo proprio colle*' Friesische Reohtsq. p. 26, 3, und im 
Jahre 1323 in den Leges üpstaUsbomicae cd: „incendiarii noetumi cofi' 
eremmtur, diumi incendii vero damnum taxatione praemissa in septuphim 
recompensent'^ ibid. p. 103. 



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312 

Nr. 17. Für Diebfltahl eines Pferdes nach Lex 8ax. 
c. 29 („qui caballum furaverit"). 

Nr. 18. Für nXchtlichen Diebstahl mit Haaseinbmch 
imWerth von zwei Solidis nach Lex Sax. c.32 („qni nocta 
domnm alterius effodiens vel ef&ingens intraTerit, et daomm aoli* 
donim preciam abstulerit*'). 

Nr. 19. Für nächtlichen Diebstahl eines vierjäh- 
rigen Ochsens, der zwei Solidis gleichgerechnet wird, nach 
Lex Sax. c. 34 („qui bovem qnadrimum , qui duos solidos valet, 
noote fiirto abstnlerit*'). 

Nr. 20. Für Diebstahl aus einer Skreona, d.i. einem 
Erdhause nach Lex Sax. c. 33 („qui in screona aliquid furaverit*) 

Nr. 21. Für Diebstahl eines Bienenstocks inner- 
halb des Hofraumes^) nach Lex Sax. c. 30 („qui alvearium 
apum infra septa alterius furaverit*'). 

Nr. 2. Für Diebstahl innerhalb einer Kirche, a. 
S. 231. 

Dagegen soll nach der Lex Saxonum eini neunfache Werthbu/se 
gezahlt werden: 

a) für Diebstahl einer Sache, deren Werth unter drei Solidis 
beträgt, nach Lex Sax. c. 36 („quicquid yel uno denario minus 
tribus solidis qnislibet furto abstulerit^). 

b) und" auch für Diebstahl eines Bienenstocks au/serhalb eines 
Hofraumes, nach Lex Sax. c. 31 („alvearium apum extra septa 
furatum^). 

Die den Diebstahl erschwerenden Umstände werden 
hier') gefunden: A, im Werth der gestohlenen Sache über drei So- 
lidis (Nr. 16 und 17), und dann darin, dafs B. der Diebstahl zur 
Nachtzeit (Nr. 18 und 19) oder C. innerhalb eines besonderen Ver- 
schlusses (Nr. 20 und 21) geschieht; sowie D. dafs er m d^ Kirche 

') Dafs unter septa der Hofraum und nicht ein Bienengarfcen su Ter- 
•tehen sei, ist S. 197 Note 1 ausgeführt. 

*) Köstlin Der Diebstahl nach dem deutschen Recht vor der Ka- 
rolina, in der kritischen Ueberschau IQ p. 173 fertigt die BestimmiuigeD 
der Lex Saxonum über Diebstahl damit ab, ^dalii sie jedenfiJls ungenau 
sind''. 



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813 

erfolgt (Kr. 2), wo die Heilif^eit dea Orta als daa erachwereode 
Moment anfgefafiit wird. 

Denaelben Merkmalen, die naeh der Lex Sax.^) den Diebatahl 
an einem achweren machen , iat die gleiche Bedentnng anch in 
anderen deotachen RechtaqneUen anerkannt. 

A, In den anfaeraächaiachen Volkarechten finden wir fttr 
grofaen Diebatahl in erater Linie eine Geldbufae ala Strafe 
featgeaetaty wiederholentlich jedoch fttr den Fall, dala die lixirte 
Gteldbafae nicht gezahlt wird, Todeaatrafe angeordnet. Daa aal- 
frSnkiache Recht') aetzte auf den Diebatahl einea Objectea im 
Werthe von 2—39 Denaren eine Bnfae von 15 Solidia, von 40 
nnd darttber von 35 Solidia. Daa bairiache Geaetabnch*) findet 
die Erachwerang dea Diebatahlea bei dem Werthe dea geatohlenen 
Gegenatandea von mindeatena 10 Solidia. Ea kennt dafür die 
Todeaatrafe. Bei den Langobarden*) tritt, falla der Dieb auf der 
That ergriffen iat, bei einem Werthe der geatohlenen Bache ttber 
10 Siliqnia nennfache Bulae ein, neben löabarer Todeaatrafe. Die 
Lex Friaionnm ') unteracheidet in Titel 11 mehr nnbeatimmt swi- 
achen noxa grandia nnd „minoribna fnrtia et noxia^. Im bnrgnn- 

1) Das Recht der Lex Saxonum ist ganz festgehalten im Sachaen- 
spiegel 11, 13 {.1. 

*) Lex Sal. 11, 1 u. 2 : „Si quis ingenuas foris casa quod valit daos 
dinarios furaverit, solides 15 culpabilis iudicetur. St vero foris easa quod 
▼alit 40 dinarioB fiaraTorit et ei faerit adprobatam , solidos 36 culpabilis 
iadicetor exoepto capitale et dilatura". 

*) Lex Baiuv. IX, 8: „Si quis aurum, argentom, iumenta Tel peeora 
aut quascomque res uaqae solidos 10 Tel amplius furaTerit, et exinde pro- 
• batas fberit: tunc für conprehensus iudici iradatar; et secundum legem rin- 
dicta subjaceat, et ut ei qui perdidit in simple componat. Verumtamen non 
prios damnetur ad mortem, quam Tel simplex de facoltatibuH fiironi oom* 
ponat". Mon. Germ. Leg. 3 p. 304. 

*) Ed. Rothar. o. 258 : „Si über homo furtum fecerit, et in ipso fiirto 
tentus fuerit, si furtum ipsum usque ad decem siliquas fuerit, sibi nonum 
reddat, et componat pro tali culpa 80 solidos, aut animae suae incurrat 
perienlum''; vgl. ebenda c. 259 u. 296 und Grimm R. A. p. 637. 

*) Lex Fris. XI: „Si serrus rem magnam quamlibet furasse dioatur, 
Tel noxam grandem perpetrasse . . . ; si Toro de minoribus furtis et noxis a 
servo perpetratia . . .'' Vgl. auch Lex Fris. III, 6. 



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814 

dischen Recht ^) wird der grofse und kleine Diebstahl scharf yon 
einander getrennt. Unter gewissen Bedingungen kennt es fUr Dieb- 
stahl Todesstrafe. 

Wenn Wilda Strafrecht p. 874 meint: „Von den Hansthieren 
scheint mir bei den Germanen die ganse Eintheilnng der Dieb« 
stähle in grofse und kleine hergenommen nnd dann auch auf 
andere im Werthe gleich stehende Sachen ttbertragen an Bein", 
so giebt das weder eine Erklärung für diese Eintheilnng, noch 
pafst es auf sämmtliche germanische Rechte, namentlich nicht za 
den Bestimmungen der Lex Saionum. 

B. Darin, dafs der Diebstahl zur Nachtseit ausgeführt 
ist, sieht auch die Lex Salica*) einen Ersohwemngsgrund. Im 
späteren Recht ist dies vielfach ausgesprochen; vgl. Sachsenspiegel 
11,13 §1; 28 §3; 39 §1. 

C Diebstahl aus einem eingehegten und ver- 
schlossenen Räume wird, namentlich wenn er mit Einbrach 
verbunden ist, vielfach als ein besonders schwerer gekennieichnet. 
Hier ist die Lex Frisionum hervorzuheben, welche in ihrem der 
Zeit Karl des Grofsen, etwa dem Jahre 802 angehörendem llieil*) 
bestimmt, dafs der, welcher in diebischer Absicht eine Screonm 
erbricht, mit dem Tode bestraft werden solle, das Leben aber 

^} Lex Burg. LXX: „Si ingenuus furtum fecerit, triplmn solv»t quod 
farfttum est: si tarnen capitale crimen non faerit. De bis vero causisy imde 
hominem mori iussimus, si in ecclesiam fugerit, redimat se secundnm for- 
mam pretii constituti ab eo, cui fiirtum feoit, et inferat mnltae nomine ao- 
Udos 12. Si rero minora furta, id est porcum, rervieem, capram, apem in- 
volaverit, solvat mnltae nomine solides S^. Und ebenda IV,. 1 und 3: „Qui- 
cumque caballnm, eqnam, bovem aut vaecam ingenuus ftirto auferre prae- 
sumpserity oecidatur: et de oecisi facultatibns, is qui perdidit animalia, apud 
ftirem si non potaerit. invenire, in simplum recipiat''. „Quicumque ingenuus 
porcnm, ovem, apem, capram fiirto abstulerit, in triplum solvat, secandum 
formam pretii constituti, et mültae nomine sol. 12.^ Mon. Germ. Leg. 3 
p. 562. 534. 

'} Lex Sal. VI, 2: „Si quis vero canem custodem domus post solis 
occasum furatus fuerit, solides 1 5 culpabilis iudicetur" bei Merkel p. 83 ab 
Nov. 279; vgl. Merkel p. 6 u. 57 (Nov. 32). 

*) Lex Fris. Add. I, 3 : „Si quis screonam efiregerit, capitali sententia 
puniatur vel vitam suam pretio redimat". 



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315 

mit Beinern Wergeide lösen dürfe. Ausdrücklich bestimmt anch 
die Lex Bargundionum *) dem, der Hänser oder Scrinia erbricht 
und ausplündert, Todesstrafe. Nach demselben Prinzip finden wir 
auch in der Lex Salica') mehrfach das Verbrechen des Diebstahls 
gegliedert, wenn auch der Unterschied der Strafe sieh hier nur 
in einer höheren und geringeren Bufssumme anaeigt. 

8ehr allgemein ist es im älteren Recht als eine Befhgnifs des 
Bestohlenen anerkannt, einen beim Einbruch auf frischer That 
ergriffenen Dieb bufslos au erschlagen. So war es nach dem 
Recht der Lex Saxonum cap. 82'). Und bei den Friesen*), ri- 
puarischen Franken*), Tlittringem*), Baiem^) finden wir diese 
Bestimmung ebenso wieder wie im angelsächsischen und nordi- 
schen Recht*). 

') Lex Burg. XXIX { 3: „Effractores omnes, qui aut domos aut BCrinia 
expoliant, iubemus occidi", vergl. ebenda CVII {10 und Papian. XVIII § 1. 
Mon. 0«rm. Leg. 3 p. 545. 576. 608. 

*) Lex Sal. II bei Merkel p. 55 Nov. 28: „Si qais porceUum fura- 
verit, solidos 15 culpabUU iudicetur ezcepio capitale et delatura. Si quia 
porcellum de sute furaverit et davem babuerit, solidos 45 culpabilis iudi- 
cetur''. Vgl. auch Merkel p. 55 Nov. 21 zu tit. LXI u. XI, 1 u. 2 „foris casa^". 

*) „Qui noctu domum alterius effodiens vel effringens 
intraTerit, et duorum solidorum pretium abstulerit, capite puniatur; si ibi 
occisus fuerity non solvatur.'' Lex Sax. c32. 

^) Lex Fris. V: ^De hominibua qui sine oompositicme occidi 
possunt: furem si in fossa, qua domum alterius efFodere conatur, fuerit 
repertus.'' Mon. Germ. Leg. 3 p. 663. 

*') Lex Bip. LXXVII: „Si quis bominem super rebus suis 
comprebenderit, et eum ligare Toluerit . . ., et non praeyalnerit ligare, 
•ed Golpua ei excesserit, et eum interfecerit . . ., ooniuret quod eum de vita 
forfactum interfecisset^, dann solle er nicbt als „bomicidü ctdpabilis^ gelten. 

*) Lex Tbur. c. 39: „Homo in furto occisus non solvatur; sed si 
proximus eius dixerit innocentem occisum, campo eum comprobct innocentem, 
Tel 12 bominum sacramento: furem credi iuste occisum*'. 

^) Lex BaiuT. IX, 5: „Für noctumo tempore captus in furto, dum 
res furtiras secum portat, si fuerit occisus, nnUa ex boc bomieidio querela 
nascator''. Leg. BaiuT. Additio qninta IV, 3: „Ut si quis domum, tarn liber 
quam semia alterius effoderit, et ibi occisus ftierit, sine compositione in soa 
damnatione permaneat'*. Mon. Germ. Leg. 3 p. 464. 

») J. Grimm RecbtsaltertbOmer p. 743 und besonders Wilda Straf- 
reebt p.890. Vgl. auch Lex Burg. XXVII, 6 tt.8. Lex Wisig. VII, 2 § 15 u. 16. 



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316 

Abgesehen von diesen drei Fällen des schweren Diebstahls 
bestimmt die Lex Saxonum neunfachen ErsatE der entwen- 
deten Sache als regelmäfsige Diebstahlsstrafe. Oanz ali- 
gemein enthält diese Vorschrift das Capitel 36 : „Quicqaid yel uio 
denario miaus tribns solidis quislibet furto abstulerit, novies com- 
ponat qnod abstulit, et pro fredo si nobilis faerit solidos 12 , fli 
Über 6, si litus 4 (zu emendiren 3?)^. 

Denselben Grundsatz stellt aber auch cap. 31 auf, indem in 
einem speciellen Fall angegeben wird, dais bei Wegfall des Um- 
standes, der den Diebstahl zu einem schweren macht („infra 
septa^; „extra septa*'), „novies conponendnm est*'. Mon. Germ. 
Leg. 3 p. 648 habe ich ausgeführt, dafs die Vemennfachong des 
Wergeid und Fredum dem altfriesischen Recht fremd gewesen 
und an die Stelle älterer härterer Strafsatzungen auf specieUe 
Anordnung Karls des Grofsen getreten sei. In Uebereinstimmung 
damit, müssen wir annehmen, enthalten auch die Capitel der Lex 
Saxonum, die neunfachen Ersatz bei geringerem Diebstahl vor- 
schreiben, nicht altsächsisches Recht, sondern sind auf fränkischen 
Ursprung zurückzuführen. Die gleiche Strafe des neunfachen Er- 
satzes finden wir in den Volksrechten der Alamannen') and 
Baiem*), während die Lex Burgundionum ^) sich mit dreifachem 
Ersatz der entwendeten Sache begnügt. 

Erscheinen in dieser Weise in den anderen Volksrechten die- 
selben Momente wie in der Lex Saxonum als die den Diebstahl 
erschwerenden, so ist doch die Todesstrafe in ihnen nicht in glei- 
cher Weise anerkannt. 

Besonders wichtig für die Geschichte der Verdrängung der 
Todesstrafe als Strafe für Diebstahl ist das dem sächsischen im 
Allgemeinen nahe verwandte friesische Recht. Bei einer Betrach- 
tung der Diebstahlstrafen der Lex Frisionum müssen wir eine 

^) Lex Alam. c. 71: ^Si quis alterius cabaUum involaverit, ... qiuui- 
tum ... ad sacramentum adpreciayerit (dominus) in Caput, tantum restitaat 
für; 8 enim geldos in quäle pecunia habet solrat**; vgL ebenda o. 70. 

*) Lex BaiuY. IX, 1 : „Si quis über aliquid furaverit» qualeounque re, 
niungeldo oonponat, hoc est novo capita restituat^. 

») Lex Burg. IV, 1 und 3. Vgl. S. 314 Note 1. 



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Stelle aus dem jtingaten 802 erlassenen Theile «derselben als be- 
sonders lehrreich an die Spitse stellen. Add. I, 3 heifst es: „Si 
qais caballnm fararerit ant bovem, ant screonam effiregerit, capi- 
tali sententia pnniatur; ant vitam snam pretio redimat**. In Mittel- 
friesland soll danach auf gewisse schwere Diebstähle der Tod als 
Strafe stehen, dem Verbrecher jedoch gestattet sein, sein Leben 
zu lOsen. Wenn daher in den sich auf denselben Theil von Fries- 
land beaiehenden, aber zn dem ältesten Bestandtheil der Lex 
Fris. gehörenden Gapiteln 2, 3 nnd 4 des tit. III bestimmt wird, 
dals der Dieb „rem quam abstnlit in daplnm restitnat, et ad 
partem regis pro fredo weregildam snnm", so wird nicht zu be- 
zweifeln sein, dafs aneh hier die Zahlung desWergeldes an die. 
Stelle der Todesstrafe getreten ist and diese wohl auch noch im 
Falle der Insolvenz des Verbrechers gegolten haben wird. Daraus 
erklärt sieh dann auch die Geltung zweier Strafen neben einander, 
von denen die eine unmittelbar dem Verletzten, die andere „ad 
partem regia*' zu btt(sen ist. Den gleichen Bestimmungen be- 
gegnen wir in den übrigen vom Diebstahl handelnden Abschnitten 
derselben Lex. Tit. III c. 8 ist etwa 785 fUr das Ostliche Fries- 
land angeordnet: „ in furto comprehensus . . . componat weregil- 
dum snum ad partem regis et manum 60 solidis redimat et in 
simple fnrti compositionem exsolvat". Und wenn es in dem ältesten 
Theil der Lex Fris. VIII heifst: „De notnumfti. Si quis rem quam- 
libet vi rapuerit, in duplnm eam restituere compellatur et pro 
freda 12 sol. componat. Trans Laubaohi (in Ostfriesland) in simple 
componat et pro freda weregildam sunm ", so ordnet die erste sich 
auf das Mittelland beziehende Hälfte dieses Titels allerdings jenem 
Prinzip entgegen ein Frednm von nur 12 Solidis an, ist aber 802 
modificirt durch Lex Fris. Add. IX: „vis aut furtum in duplo com- 
ponitnr et ad freda weregildnm ". Dem Jahre 785 gehört das fttr 
Ostfriesland gültige Gapitel 14 ') des tit. IX an : „ Si nobilis seu 
liber libero «vi aliquid abstulerit, ant ipsum aut aliud simile in 
locum restituat, et 24 solides pro facti scelere componat, et were- 



^) Lex Fris. IX c. 15 und 16 enthalten die entsprechenden Bestim- 
mungen für die F&Ue, dafs der Bestohlene ein Freier oder Lite seL 



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318 

gildum Bumn ad 4>artem regiB cogatur exBolvere ^. Wie der Dieb 
wird nach der Lex Fris. der behandelt, weicher einen entlaufenen 
Sklaven und entlanfenes V|eh dem £igenthUiner nicht sarttekataltt: 
^reddat ipsum qnod recepit, aut aliad aimile vel pretinm eins, et 
pro farto weregildum Baum ad partem regia componat*' Lex Fria. 
Add.VII (802 erlassen). Dafs nach Lex Fri8.V der beim Ein- 
brach auf der That ertappte Dieb bn&loB erschlagen werden 
konnte, ist schon S. 315 Note 4 bemerkt 

Neben dem fnesischen verdient das fr&nkische gesetsUche 
Recht eine eingehendere Erörterung, insoweit es Todesstrafe auf 
Diebstahl setzt Die älteste hier einschlagende Satsung der Capi- 
tolarien findet sich in dem um 593 zu setzenden Pactos pro tenore 
pacis dominorum Ghildeberti et Chlotharii regum, c. 1: „nt apnd 
qaemcamqae post interdictum latrocinins oomprobatur, vitae peri- 
cttlnm incarrat^, und c. 2: „si qnis ingenoam personam pro fdrto 
ligaverit . . ., si latro redimendi se habeat facultatem, se redimat; 
si facultas deest, tribus mallis parraitibns ofieratur; et, si non 
redimitnr, de vita componat*' Mon. Germ. Leg. 1 p.7. Diese S&tse 
enthalten erst die allgemeine Regel, dafs wegen jeden Diebstahles 
auf Todesstrafe erkannt werden könne, und bestimmen dann für 
eine specielle Gattung, bei der das Verbrechen unter erschweren- 
den umständen begangen ist, dem Diebe das Recht sein Leben 
zu lösen, für den Fall der Insolvenz aber Todesstrafe. Dem ent- 
spricht das cap. 7^) der Decretio Ghildeberti II vom J. 596: .De 
furis et malefactoris ita decrevimns observare, ut quomodo sine 
lege involavit, sine lege moriatur'^ Mon. Oerm. Leg. 1 p. 10, und 
die von Baluze 595 gesetzte Decretio Chlotharii regia c. 2: „Si 
quis in alterius domum ubi davis est furtum invenerit, dominus 
domui de vita conponat '' Mon. Germ. Leg. 1 p. 12. Ein jüngeres 
Recht ist das in König Karls Capitnlare vom J. 779 c. 23 enthal- 

^) Die Gültigkeit der Decretio ChUdeberti c. 7 wird nach Eich- 
horn Deutsche Rcchtsgeschichte I p. 250 i vorausgesetst in der Lex Rip. 
LXXIX.; Tgl. Waitz Verfassungsgeschichte 2 p. 81 und So hm in Zeitschr. 
f. Bechtsgesch. 5 p. 451. — DaCs die Lex Rip. a. a. O. nicht neben hand- 
hafter That einen groDsen Diebstahl voraussetzt, wie Wilda Strafr. p.883 
meint, bemerkt richtig K As tun a. a. 0. p. 173. 



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319 

teile: ,,De latrombus. Ita praecipimiiB obflervaadam, ui pro prima 
eidpa non moriatar^ aet oeahim perdat; de eecunda vero culpa 
naBUB ipaiiiB latronia abBcidatnr; de tertia vero cnipa, si non 
emendayerit, moriatnr'' Mon. Oerm. Leg. 1 p. 39; auf Diebatalil 
steht hiernach also im dritten Wiederholnngafalie Geldstrafe oder 
eyentnell Todesstrafe. Die noch spMtere Lex in Amore c. 48 läfst 
diese härteste aller Strafen erst nach „Septem latrociniis^ eintreten. 
Das überlieferte Material läfst nns erkennen, dafs im ältesten 
fränkischen Recht auf jeden Diebstahl eine Oeldbufse oder im 
Falle der Insolvenz Todesstrafe stand, da£9 aber die Anwendung 
dieser immer mehr und mehr eingeschränkt wurde. Es wird der 
Rttckschlnfii gestattet sein, dafs in noch früherer Zeif die Todes- 
strafe noch allgemeiner gegolten habe und so das älteste frän- 
kisehe Recht dem der Lex Saxonum nicht unähnlich gewesen aei^). 

Wie dem sächsischen, friesischen und fränkischen Recht war 
Todesstrafe für Diebstahl auch dem der übrigen deutschen Stämme 
nicht fremd: Es ist nachweisbar, dafs sie bei den Baiern'), Bur- 
gundern*) und Longobarden*) in Geltung gewesen sei. 

Wenden wir uns nach dieser Darstellung des nichtsächsischen 
Rechts zur Beantwortung der Frage, ob in Sachsen Todesstrafe 
lür Diebstahl erst durch Karl den Orofsen und den Erlafs der Lex 
Saxonum eingeführt sei, so werden wir für die Ansicht, da& Karl 
der Grolse vielmehr die im älteren sächsischen Recht enthaltene 
Todesstrafe auf eine geringere Anzahl von Fällen dnrch die Lex 
Saxonum beschränkt habe, durch folgende Gründe bestimmt 

1. Wir besitzen ein Zengnifs, dafs im vorfränkischen sächsischen 
Recht Todesstrafe auf Pferdediebstahl stand; Karl der Grofse ver- 
hängt in der Lex Saxonum auf dasselbe Verbrechen Todesstrafe. 

2. Karl der Grofse spricht in der Lex Saxonum für durch be- 

^) Beachtenswerth sind auch die Bestimmungen der Lex Sai. 55, 2: 
„Si quis corpus iam sepultum effodierit et expoliavent, wargua sit usque in 
die illa, quam ille cum parentibus ipsius defimcti conveniat et ipsi pro eum 
rogare debent, ut ei inter bomines liceat accedere''. Hieraus stammt Lex 
Rip. 85. Vgl. oben 6. 255 n. 1. 

«) S. p. 313 n. 3. 

») 8, p. 814 n. 1 und p. 316 n. 1. 

«) S. p. 313 n. 4. 



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320 

stimmte Momente, als hohen Werth des gestohlenen Objects, Naeht* 
seit, Verschlnby erschwerten Diebstahl Todesstrafe ans, wihrend 
er für Diebstahl ohne jene erschwerenden Bedingungen neunfache 
Bufse anordnet; die Vemeonfachung der Bufiien in derartigen 
Fällen erscheint aber in Sachsen als von ihm eingeführt, so dafs 
an vermathen ist, vor ELarl dem Orofsen habe in Sachsen aneh 
hier Todesstrafe gegolten. 3. In dem Übrigen fränkischen Reich 
galt die Todesstrafe nur in vereinselten Fällen; es ist daher nicht 
wahrscheinlich, da(s Karl der Groike fttr ein derartiges, privat- 
rechtliches, ihn nicht berührendes Verhältnifs, abweichend von dem 
Recht der anderen ihm nnterworfenen Länder, in Sachsen Todes- 
strafe eingeführt habe, wenn das nicht hier bereits geltendes Recht 
gewesen wäre. 4. Auch die anderen gemmnischen Volksrechte 
kennen in den oben erläuterten Fällen Todesstrafe ftfr Diebstahl; 
wir können aus ihnen sehen, wie die Zahl der Fälle, in denen sie 
Anwendung fand, immer mehr und mehr beschränkt wird, und 
wie Eum Theil andere Strafen als mit ihr concurrirend proclamirt 
werden. Fttr die Erkenntnife dieses Entwicklungsganges war na- 
mentlich das friesische und fränkische Recht lehrreich. Ihre Ana- 
logie spricht für die Vermuthung, dafo im ältesten sächsischen 
Recht Diebstahl noch aligemeiner mit dem Tode bestraft worden 
sei, als es die Lex Sax. vorschreibt. , 

Ueberblicken wir diese Momente, so werden wir dahin ge- 
führt ansunehmen, dafs dem uralten sächsischen Recht Todes- 
strafe für Diebstahl in sehr ausgedehnter Weise geläufig war. Dafs 
auch gans geringe Diebstähle mit Todesstrafe bedroht gewesen 
seien, wird schwerlich vermuthet werden dürfen. Als gewifs aber 
erscheint, dafs Karl der Orofse bei Erlafs seiner Bestimmungen 
über Diebstahl in der Lex Sax. mit Annäherung an das in den 
übrigen Theilen seines Reiches geltende Recht die Anwendung 
der Todesstrafe auf Diebstahl in Sachsen mehr und mehr zu be- 
schränken gesucht habe. 

VI. Todesstrafen für Hochverrath. 

Nr. 22. Auf Verrath gegen das Reich und untreue 
gegen die Person des Königs steht Todesstrafe nach 



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321 

den Gapitnla de part 8ax. c. 10^) und 11*) nad Lex Sax. c. 24*). 
Infidelitilt nnd Landesverrath werden nicht als gesonderte Ver- 
brechen behandelt. Es liegt in der Natnr der Sache, dafs für 
Infidelitttt erst ron Karl dem Oro&en die Todesstrafe eingeftthrt 
sein kann, da das Verbrechen selbst yor der Erobemng Sachsens 
dvroh die Franken nicht begangen werden konnte. In wie weit 
flir Landesverrath fthnliche Satsangen im nn&bhfingigen Sachsen 
gegolten haben mögen, ist nicht ersichtlich. Bekannt ist, dafii 
Tacitas berichtet, die Germanen hätten üeberiänfer and Landes- 
verrtttiier snr Strafe an den Bäumen aufgehangen. 

Nr. 23. Anf Nachstellung gegen das Leben des 
fränkischen Königs steht Todesstrafe nach Lex Saxon. 
c. 24^), die das Majestätsverbrechen genauer gliedert, als die Ca* 
pitula de part. Sax., welche diesen Fall nicht besonders hervor- 
heben. 

Nr. 24. Nachstellung gegen das Leben der Söhne 
des Königs zieht ebenfalls Todesstrafe nach sich, nach 
Lex Sax. c. 24*). Die Gapitula de partibus Saxoniae bestimmeB 
hierttber Nichts. 

Wie in Nr. 22 ist auch in Nr. 23 und Nr. 24 die Geltung der 
Todesstrafe fttr die betreffenden Verbrechen auf eine Anordnung 
König Karls lurttckauftthren. Derselbe ist aber bei der Regelung 
der sächsischen Verhältnisse hier keineswegs von einer besonderen 
Strenge geleitet. Er führt vielmehr nur in Sachsen Strafen ein, 
die für dieselben Verbrechen im Übrigen fränkischen Reiche galten. 

^) Cap. de pari. Sax. c. 10: „Si quia cum pagsnis censiliom adversus 
Christianofl inierit, vel cum Ulis in advenitate Christianorum perdurare volue- 
rit, morie moriatur. Et quieumque boc idem fraude contra regem 
Tel gentem Christianorum consenserit, morte moriatur." 

*) Gap. de part Sax. eil: ^Si quis domino regi infidelis appa- 
merity capitali sententia punietur.'* 

*) Lex Sax. c 24: „Qai in regnum Franoorum consiliatus fuerit, 
eapite pnniatur.** 

*) Lex Sax. c. 24: „Qui in regem Francorum de morte consi- 
liatUB fuerit, eapite pnniatur.^ 

*) Lex Sax. c24: »Qui in filios regia Francorum de morte 
consiliatuB fuerit, eapite puniatur.^ 

21 



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822 

In den frXnkiBehen Annalen*) gmd eine Reihe von FHUeo ver- 
zeichnety in denen HochTerräÜier und MigeetiKiBverbrecher mit dem 
Tode bestraft worden sind, und abi Oeeets findet sieh fttr In- 
fidelität in der Lex Ripuariomm*), für NachateUang gegen das 
Leben des EOnigs in dem Edictam Rotfaaris*) Todesstrafe und 
Otttoreonfiscation ausgesprochen ^). Näheres siehe Eichhorn Bechts- 
geschichte 1 p.76ö, Wilda Strafrecht p. 988— 990, Watts Ver* 
fessnngsgeschichte 3 p. 265—268. 125. 132. 

In den Jahren 775 bis 777 hat König Karl die sich unter- 
werfenden Sachsen eidlich erfclXren lassen, daCs sie im Fall der 
Infidelität Freiheit und Vermögen verwirkt haben sollen, wShrend 
er im Jahre 782 an der Aller 4500 Sachsen wegen HochTerrath 
enthaupten läfst. Vgl. die oben S. 132—140 angeführten SteUea 
der Annalen. 

Vn. Todesstrafen wegen Festhaltens am Heiden- 
thnm. 

Wie oben S. 174 nfther ansgeflihrt ist, hielt Karl der Grobe 
unmittelbar nach der Unterwerfung nnd ersten Christianisimng 
Sachsens eine Reihe von strengen transitorischen Maafinregeln in 
dem nen unterworfenen Lande sur Unterdrückung des Heiden- 
thums und Sicherung des Christonthums für nothwend^;. Nament- 
lich bedrohte er in den Capitnla de part Sax. folgende sechs Ver- 
brechen mit Todesstrafen, wührend die Lex Sax. diese Todes- 
strafen, sowie überhaupt die Verbrechen, auf welche sie gesetat 
sind, nicht aufgenommen hat 

') Z. B. Ann. Einh. 788 : „nozae convictos (ThMsüo) uno omnium ad- 
sensu nt maiestatis reos ca^taU sententaa oapitis damnatus est*' Mon. Germ. 
SS. 1 p. 172; und Ann. Lauriss. 788: „iudioaTerunt Tassilonem ad mortem^ 
a. a. 0. p. 172. Vgl Waitz Verfassungsgesohiohte 8 p. 266.267. 

') Lex Rip. LXE^, 1: ^St quis homo regi infidelis ezstiterit, de vita 
componat et omnes res eins fiseo censeantnr.*' 

*) Ediet Roth, c 1 : „Si quis eontra animam regis cogitaTerit aut con- 
siliatos fuerit, anunae suae incurrat periculum et res eius infisoentur.*' 

*) Verwandt ist die Bestimmung der Lex Alam. ZXIV: „Si aliquis 
homo in mortem ducis consüiatus fuerit et inde convictns fuerit, aut vitam 
perdat, aut se redimat, sieut duz aut prineeps popnli iudieaTerint.* VgL 
L BaiuT. n, 1; 1. Alam. 93; edict. Both. c 3. 4. 6. 6. 



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828 

Nach den Gapitala de partiboB Saxoniae e. 4 n. 6— 10 (vgl. 
oben 8. 200) soll nilmlich mit dem Tode bestraft werden: 
Kr. 25, wer flieh der Taufe entsieht und Heide blei- 
ben will; 
Nr. 26, wer in Veraehtnng des Ghristenthnms wäh- 
rend der Fasten Fleiseh geniefst; 
Nr. 27, wer einen Menschen opfert; 
Nr. 28, wer einen Menschen verbrennt oder dessen 
Fleiseh geniefst, im Glauben, derselbe habe wie 
eine Hexe einen Menschen yerschlungen; 
Nr. 29, wer Leichen verbrennt und deren Asche in 

den Heidenhtigeln beisetzt; 
Nr. 30, wer mit den Heiden Rath pflegt gegen Chri- 
sten und in Feindschaft gegen die Christen ver- 
harrt. 
Bei allen diesen Bestimmungen ist es selbstverständlich, dafs 
sie von Karl dem Grofsen herrtthren. Nachdem aber Sachsen 
einige Zeit dem Frankenreiche einverleibt und das Christenthum 
daselbst weiter durchgeführt war, waren sie nicht mehr noth- 
wendig, mufsten vielmehr für antiquirt gelten. Daher sind sie 
ebenso wenig in die Lex Saxonnm aufgenommen, als sich ähnliche 
Anordnungen in den ttbrigen fränkischen Gesetzen finden. 

Nachdem in dieser Weise 8. 220—230 die Todesstrafen anf- 
gesShlt sind, die wir aus dem vorkarolingischen Sachsen kennen, 
und 8. 230—328 diejenigen, die in den Gapitnla de part 8ax. 
und derLexSaxonum aufgestellt sind, zeigt sieh, dafs Karl der Grobe 
in gewissen Fällen, in denen er die Todesstrafe proclamirte, es 
im Ansehlufii an das ältere sächsische Reoht gethan habe, während 
er in anderen den älteren Verhältnissen nicht entsprechenden Fällen 
Todesstrafe neu einführte. In dieser Besiehung findet sich eine 
Verschiedenheit zwischen den von Karl dem Grotsen in den Ga- 
pitnla de part 8ax. und der Lex Saxonum verzeichneten Todes- 
strafen, die eine nähere Betrachtung verdient. 

Von den in den Capitula aufgesählten 14 Fällen, die mit 
Todesstrafo belegt sind, werden in der Lex Saxonnm fttnf wieder- 
holt (Nr. 1. 2. 9. 12. 22), zwei, wie es scheint, nur durch die ge- 

21* 



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324 

wKhlte Ausdnioksweise nicht apeeiell aa^seMhrt (Nr. 3. 10), rieben 
absichtlich übergangen (Nr. 8. 25—30). Dagegen veriiitngt die 
Lex Sax. fttr 16 in den Gapitnla de pari Sax. nicht behandelte 
Fälle Todesstrafe (Nr. 15. 16-21. 11. 13. 14. 6. 4. 5. 23. 24. 7). 

Unterscheiden wir nnn nSher alle in den Capitata de part 
Sax. und der Lex Saxonnm behandelten FSlle, so sondern sie sieh 
in drei Rubriken: 

1. Sieben Fälle , die in der Lex absichtlich nicht erwähnt 
sind, in denen aber die Capitula de part. Sax. eine Todesstrafe 
bestimmen. Von ihnen beziehen sich sechs (Nr. 25 — 30) auf 
ünterdrUcknng des HeidenthumS| einer (Nr. 8) auf Tödtnng eines 
Geistlichen. Wir werden befngt sein, voranszusetzen, dafs in ihnen 
bereits vor Erlafs der Lex Saxonnm die Todesstrafen auber Wirk- 
samkeit getreten waren. 

2. Sieben Fälle, in denen die Lex Saxonum die Todesstrafe 
wiederholt, die fttr sie in den Capitula de part Sax. ausgesprochen 
ist (5 direct, 2 wie es scheint durch Andeutung). Von diesen Fällen 
bezieht sich einer (Nr. 22) auf Landesverrath und Infidelität, wo bei 
der gewählten Auffassung des Verbrechens als Infidelität die Todes- 
strafe als durch die Capitula neu eingeführt anzusehen ist, wäh- 
rend sie bei Landesverrath schon früher vorhanden gewesen sein 
mag; zwei andere (Nr. 1 und 2) gehen auf den Schutz der Kir- 
chen; in ihnen scheint das vorfränkische sächsische Recht der 
heidnischen Tempel auf die christlichen Kirchen übertragen sa 
sein. Weitere zwei Fälle beziehen sich auf Tödtnng des dominna 
und Entehrung der Tochter des dominus (Nr. 9 und 12); hier 
scheint die fttr ein eigenthttmliches altsächsisches Verhältnis im 
altsäohsischen Recht begründete Todesstrafe in beiden Oeaetaen 
von König Karl anerkannt zu sein. Hieran schliefet sieh die im 
älter^i Gesetz für Tödtung der domina bestimmte und in der Lex 
Sax. wohl nnr absichtslos übergangene Todesstrafe an (Nr. 10). 
Wenn endlich die in den Capitula de part Sax. auf Anzünden 
einer Kirche gesetzte Todesstrafe (Nr. 3) in der Lex Sax. nicht 
wiederholt ist, so rührt das wohl nur daher, dals sie überhaupt 
auf Brandstiftung Todesstrafe zetzt, und damnter jener Fall mit 
zn begreifen ist. 



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326 

3. Sechszehn Fälle, in denen die Lex Sax. eine TodeMtrafe 
?erliäDgt| ohne dafs sie in den Gapitnla de part. 8ax. aoBdrücklich 
veneiehnet sind. Von ihnen dürfte in acht Fällen (Nr. 15. 16—21. 
7: für Brandatiftongy gewissen Diebstahl und Tödtnng eines der 
Faida Verfallenen in seinem eigenen Hanse) die Todesstrafe be- 
reits im nrsächsischen Recht gegolten , in sechs anderen bereits 
dnrch das Recht der Capitnla Anerkennung gefiinden haben, wenn- 
gleich die Capitnla sie nicht speciell beseichnen (Nr. 11. 13. 14. 
6. 4. 5: Ar Tödtnng der Söhne des dominns und Entehrung von 
dessen Fran oder Mutter, fUr wissentlichen Meineid und fUr Tödtung 
in der Kirche oder auf dem Wege zur Kirche), während in swei 
Fällen die Todesstrafe erst durch die Lex neu eingeführt sein 
mag (Nr. 23. 24: fttr Nachstellung gegen das Leben des KOnigs 
oder seiner Söhne), obwohl man auch vermuthen könnte, dafs für 
dieselben bereits die Capitnla Todesstrafe verhängen wollten, in- 
dem sie dieselbe auf Infidelität setzten. 

Sehen wir von den einzelnen Spectalfäilen ab, fttr 
die in den beiden karolingischen Gesetzen Todesstrafen ausge- 
sprochen sind, und beachten die einzelnen Klassen von 
Verbrechen, denen sie nach der obigen Zusammenstellung an- 
gehören, so ergeben sich für die meisten derselben unerachtet der 
Mangelhaftigkeit unserer Nachrichten aus dem heidnischen Sachsen 
Fälle, durch die bezeugt ist, dafs in ihnen schon vor der £robe- 
mng des Landes Todesstrafe gegolten habe. Als Klasse I wurden 
bezeichnet (S. 230 — 239) Todesstrafen, die sich auf Schutz und 
Heiligung der Kirchen beziehen; sie schliefsen sich unmittelbar 
an Todesstrafen an, die auf Verletzung der heidnischen Tempel 
standen (vgl. S. 229). Klasse U bildeten die Todesstrafen, die auf 
Tödtnng unter erschwerenden Umständen stehen (S. 239 — 281); 
dafs im vorfränkischen Sachsen auf Mord allgemein Todesstrafe 
gestanden habe, wurde S. 249 aus der späteren Behandlung des 
Mordes in Sachsen geschlossen, und scheint durch eine specielle 
Erwähnung aus der Zeit des Heidenthnms für dieselbe bestätigt 
zu werden (vgl. S. 220). Klasse III verzeichnet Todesstrafen, die 
auf Entehrung von Mitgliedern der Familie des Dominus standen 
(8. 281 — 805); dies erschien als eine Beschränkung der im älteren 



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326 

Bächsiseheii Recht allgemeio fttr Entehrang geltenden Todewtrafe 
(vgl. 8. 222 und 282). Unter Klasse IV wurde die Geltung der Todes- 
strafe für BrandBtiftong erörtert (8. 305 - 310); nnd obwohl wir kein 
directes Zengnifo dafUr besitsen, dafs bereits im heidnischen Sachsen 
der Tod die Strafe fttr Brandstiftung gewesen sei, waren wir doch ge* 
nöthigt, dies anzunehmen (8. 311)* Darauf wurden in Klasse V die 
Todesstrafen fttr Diebstahl unter erschwerenden Umständen Eoaam- 
mengefafst (8. 3 11-— 320); ein ausdrückliches Zeugnife beweist, dafs 
für Pferdediebstahl nach dem Recht der heidnischen Sachsen Toden- 
strafe galt (8. 223); und es schien sich die Nothwendigkeit herann- 
sustellen, dafs man anerkenne, Karl der Qrofse habe bei der Be- 
stimmung der einzelnen Fälle der auf Diebstahl stehenden Todea^ 
strafe nicht eine Ausdehnung, sondern eine Beschränkung der auf 
Diebstahl stehenden Todesstrafen beabsichtigt Indem in Klasse VI 
die Todesstrafen für Hochverrath anfgeiählt wurden (8.320-322), 
konnten wir nicht nachweisen, dafs der darunter begriffene Landen- 
▼errath bereits im heidnischen Sachsen mit dem Tode bestraft wor- 
den sei, hatten aber allen Qmnd es sn glauben, da wir aus Tacltus 
wissen, dab die Germanen „proditores et transfugas arboribua 
Buspendunt'^ Dafs die unter Klasse VII (S. 323) ausammengestellten 
Todesstrafen wegen Festhaltens am Heidenthnm erst von Karl dem 
Groben neu eingeführt seien, bedarf keiner Erläuterung. Oben 
8. 223 wurden Belegstellen dafttr angeführt, dafs im vorfränkisehen 
Sachsen einen Mann, der eine Frau von höherem Geburtsataade 
heirathete, die Todesstrafe getroffen habe; dieser Todesstrafe ge- 
schieht im karolingischen Sachsen keine weitere Erwähnung. 

Sonach stellt es sich heraus, dafs abgesehen von einigen durch 
die neuen christlichen Verhältnisse veranlagten Todesstrafen schon 
im vorfränkischen sächsischen Recht die Todesstrafe fttr dieselbeD 
Klassen von Verbrechen Anwendung fand, in denen sie Karl der 
Grofse decretirte, ja dafs er dies in den einaelnen Klassen in ge- 
ringerer Ausdehnung that, als es frtther der Fall gewesen war, 
also im Gänsen die Geltung der Todesstrafen auf eine geringere 
Ansahl von Fällen durch seine Gesetzgebung beschränkte. 

Die Behauptung, dafs im heidnischen Sachsen die Todesstrafe 
wenig aufwendet, und nur in vereinaelten Fällen vorgekommen 



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327 

Bei, steht somit in durectem Widerspnieh mit noseren historischen 
Ueberlieferangen über das alte Sachsen, and sie würde überhaupt 
wohl niemals angestellt sein, wenn man nicht von der Voraus* 
setsong angegangen wäre, dafs die Todesstrafe allgemein bei den 
ältesten Germanen wenn nicht unbekannt, so doch nur in gans 
einaelnen Fällen in Branch gewesen sei. Diese Annahme mufe 
ich aber für völlig unerwiesen halten. Vielmehr ersdieinen bei 
Taeitus wie in den Nachrichten über alle ältesten germanischen 
Stämme Todesstrafen, und zwar für die verschiedensten Verbrechen 
und in verschiedenster Gestalt. Nur eine unklare Vorstellung über 
germanische Urfreiheit, Längnen des Vorhandenseins der Idee der 
Strafe im ältesten Germanien und Verkennen der Natur des Com- 
positionensjstems liefsen derartige Vorstellungen hegen. Nachdem 
insbesondere durch Wilda eine richtigere Anschauung über das 
altgermanische Strafrecht durchgedrungen ist, müssen auch jene 
Annahmen (allen. Und man hat keinen Grund sich su denken, 
die Todesstrafe sei den Germanen der Urseit gänzlich fremd ge- 
wesen und komme in der frühsten historischen Zeit nur in ein- 
zelnen Ausnahmefällen vor. Am wenigsten kann hiergegen das 
Zurücktreten der Todesstrafe im ältesten Text der Lex Salica 
entscheiden. Dies darf vielmehr nur als eine Eigenthttmlichkeit 
derselben gelten, und kann nicht einmal beweisen, dals bei den 
ältesten Franken in frühster Zeit die Todesstrafe, die die ältesten 
Capitularien der Franken in vielen Fällen anordnen, und geschicht- 
liche Quellen zahlreich erwähnen, wenig bekannt gewesen sei. 
Und dafs wir gerade bei den Sachsen die Todesstrafe in der Zeit 
ihres Zusammenstofses mit den Franken häufig in Anwendung 
finden, kann uns um so weniger Wunder nehmen, als wir nach 
Allem, was wir. von den Sachsen jener Zeit wissen, sie für das 
am wenigsten in seiner Entwicklung vorgeschrittene Volk unter 
allen germanischen Stämmen halten müssen, und die Quellen nicht 
müde werden von ihrer angeborenen Kühnheit, Härte, Wildheit, 
Rohheit und Grausamkeit zu reden, jjf mehrfach hervorheben, dafs 
ihr Recht ein besonders strenges und grausames sei^). 

1) Zum Beleg fOhre iob einige Beispiele an: a) Orosius Hisi. YII: 
gentem Sazonum virttOe cUque agilitate Urribikm periculoaem Roman» fini- 



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328 

Betrachten wir nan speciell die tob Karl dem Grofsen doreh 
die Oapitula de partibus Saxoniae neu proclamirten Todesstrafen, 
80 beziehen sie sich: 

a) auf Verbrechen gegen den König , dem eidlich Trene ge* 

lobt ist; 
b} auf Austtbung des abgesohworenen Heidenthums und Ver- 
lassen des feierlich gelobten Ohristenthums; 
€) auf Verletzung der Kirchen, die durch Anordnung der Todes- 
strafe in. derselben Weise geschützt werden sollten , wie es 
bisher die heidnischen Tempel gewesen waren; 
d) auf Tödtnng eines Geistlichen. 
Erwägen wir nun seinen Standpunct bei Proclamirung dieser 
Todesstrafen. 

bus" Leibnitii Scr. rer. Brunsric. 1 p. 23. 5) S a 1 t i a n u b Masail. de gabernatione 
Dei LIY: „gens Sazonum /«ra est^; 1. YII: „Saxones crudeUtaie efferi, sed 
castiiate mirandi^ Leibniz 1 p.26. e) Sidonius ApoUinaris yn,6 schil- 
dert die Saxones, die an Galliens Küsten plündern, als ^arohipirataB^, als 
einen „hostis onmi hoste trucutentior** Leibniz 1 p. 26. d) Venantius 
FortunatuB III, 9: y,Aspera ^«n» Saxo, vivens qwui more ferino^ Leibnis 
p. 58. e) Einhardi vita Karoli c. 7: ^quia Saxones et natura feroct» et 
cultni daemonum dediti nostraeque religioni contrarü, neque divina neque 
humana iura polluere rel transgredi inhonestam arbitrabantnr*^ Ferts S. 8. 2 
p. 446. f) Alcuini ep. No. 37: ^durissimo Saxonum popuh.** g) Eigil 
Tita Sturmi c. 7 berichtet, dafs Bonifacius zu Sturm gesagt habe, als 
dieser eine Stelle ftkr Erbauung der späteren Abtei Iß^ulda ihm Yorschlug: 
„locum quem repertum habetis, habitare vos propter viciniam barbaricae 
gentis pertimeBCo; sunt enim, ut nosti, iliio in proximo ftrocts Saxonea*^ 
Pertz S.S. 2 p. 367. h) Poeta Saxo: „Saxonum naitura ferox et pef^ara 
dura'* Pertz S.S. 1 p. 227. t) Vita Ludowici imperat. c 24: n<l^od hae 
gentes (Saxones et Frisiones) naturali adsuefactae y«ri7a/0 talibus debe- 
rent habenis coerceri, ne effrenes ferrentur in perduellionis procacitatem" 
Pertz 2 p. 619. Aus älteren deutseben Gedichten fiihrt J. Grimm Geachiehte 
der deutschen Sprache S. 625 an: k) Boland 65, 4: „die grimmin Sah- 
sen'<; 184, 21: „die chaonm Sabsen'^; 258, 28: „die aUinharten Sabsea«". 
/) Gudrun 366, 4; 1503, 4 und Lobengrin p. 150: ^wilde Sabsen^ 
m) Maerlant wapene Marteg 109: „en tri^ Sas^. Und über die Strenge 
des Rechts sagt n) Wipo vita Euonradi c. 6 r,Us crude/iwttna Saxonum*' 
Pertz S.S. 11 p.263 und o) Budolf. Translat. s. Alexandri: „Saxones legibus 
ad vindidam malefactorum opiimis utebaniur, et multa utilia atque aecnn- 
dum legem naturae honesta in monim probitate habere.^ Pertz 8. S. 2 p.675. 



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329 

In dem yon ihm «roberten Saehaeii fand König Karl vielfach 
da Todesstrafen in Anwendung, wo nach fränkischem Recht Geld- 
bniaen gezahlt werden konnten. Indem er einen Theil des in 
Sachsen geltenden Rechts in der Lex Saxonnm codificirte, accom- 
modirte er sich ihrer Rechtsauffassnng und liefs manche Todes- 
strafe fortbestehen. Früher, zur Zeit der Publication der Gapitula, 
handelte es sich, wie S. 170 erörtert wurde, nur um Organisation 
des Landes als eines fränkisch -christlichen; alle übrigen Verhält- 
nisse, namentlich die Wergelder für Tödtnngen, Verletzungen und 
Verwundungen der Sachsen, sowie ihr ganzes Privatrecht, berührte 
er in denselben mit keinem Worte. Seit 775 hatten die Saehsen 
Treue geschworen und Annahme des Ghristenthums feierlich ge- 
lobt. Für alle damit unvereinbaren Handlungen, die ihm nach 
seiner Auffassung als die schwersten Verbrechen erscheinen 
mnfsten, sah sich König Karl genöthigt, strenge Strafen zu be- 
stimmen. Er proclaoiirte Todesstrafen, da er von Geldbußen 
keinen Erfolg in einem Lande erwarten konnte, in welchem auf 
den Diebstahl eines Pferdes und jeder nur 3 Schillinge werthen 
Sache die Todesstrafe stand, und es ihm nahe lag, die Todes- 
strafe, mit der die Heidentempel geschützt waren, auf die von 
ihm errichteten Kirchen zu übertragen, da diese keine geringere 
Ehre geniefsen sollten, als jene (Capitnla de part. Sax. o. 1). Bei 
Berücksichtigung der angedeuteten Verhältnisse kann ich nicht 
glauben, darin, dafs die von Karl proclamirten Strafen Todes- 
strafen sind, liege ein Grund, anzunehmen, er habe nicht im 
Jahre 775 oder 777, sondern erst im Jahre 785, nachdem ihn der 
Aufstand von 782 gereizt, die Oapitula de partibus Saxoniae er- 
lassen. Ich kann somit nicht Waitz beistimmen, wenn er, um die 
Abfassungszeit der Oapitula zu bestimmen, sagt Verfassungsgesch* 
3 S. 123: „das Gesetz athmet denselben Geist blutiger Strenge, 
welcher in diesen Jahren (seit 782) alle Maafsregeln Karls durch- 
drang ^^ Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs Karl durch die Nie- 
derlage seines Heeres am SUntel (782) zu dem Blutbade an der 
Aller verleitet wurde; schwer aber dürfte es zu beweisen sein, 
wenn Waitz a. a. 0. S. 120 bemerkt: „bis dahin (782) sind die 
Maafsregeln Karls nicht hart oder grausam gewesen '^ Und, was 



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830 

speoiell die Härte der Todesstrafen, nm die es sieh hier liandelty 
anlangt, so mOchte ich es für fraglieh halten, ob den SaehseD 
Karls systematische Zerstörung der IrminsKule beim Beginne des 
Krieges im Jahre 772 nicht harter erschienen sein mab, als wenn 
er in den Jahren 775 bis 777 ein Oesets erliefs, in welchem er 
die Todesstrafe auf den Bruch der £ide setste, mit denen sie ihm 
geschworen hatten, Treue su halten und Christen sn sein, snnuil 
in Sachsen von Alters her auf Eidbruch die Todesstrafe gestan- 
den SU haben scheint. Doch wer in aller Welt wird es nicht hart 
finden, wenn Karl in den Capitula de partibus Saxoniae einen 
Sachsen mit Todesstrafe bedroht, der am Glauben seiner VXter 
festhSlt und sich im Lande verbirgt, um der Taufe der christ- 
lichen Priester zu entgehen, oder einen, der seine Todten ver- 
brennt und ihre Asche in den Heidenhttgeln beisetst? Aber Milde 
charakterisirt überhaupt König Karl nicht; mit eiserner CUMiae- 
quens verfolgte er sein Ziel; in Sachsen bestand dies in Unter- 
werfung des Landes und der damit identischen Ausrottung des 
Heidenthums. Dab Beides nicht ohne HXrte möglich sein werde, 
mufs König Karl gewufst haben, ehe er den Unterwerfnngskrieg 
gegen Sachsen begann; und su besweifeln, dalli er, nachdem er 
das sSchsische Volk in den Jahren 772 bis 777 mit Gewalt nieder- 
getreten hatte, nicht bereit gewesen sei, einige harte Todesstrafen 
in die Capitula de partibus Saxoniae aufrunehmen, wenn ihm dies 
sur Erreichung seines Zieles förderlich erscheinen mulktCi dürfte 
allsu scrupulös sein. 

Ich wiederhole: keinen Grund können mir die in den Oap. 
de part. Sax. vorhandenen Erwähnungen der Todesstrafe gebeni 
die Abfassung derselben erst 785, und nicht 775 oder 777 
nehmen. 



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331 



Capitel IY. Abfassungszeit der Lex Saxonum. 



|. 17. Die Lex Ist zwisehea 777 lad 797» vielleicht 785 abfefafst. 

Die früheren Erörtenmgeii haben mir das Reenltai ergebeni 
dafii die Lex Saxonam als ein sasammenhangendet, gleiohseitig 
abgefafatea und pablieirtes Oansses betrachtet werden mofiii und 
daCi dies nach den Oapitalis de partibns Saxoniae, dagegen vor 
dem Capitttlare Saxonicnm vom Jahre 797 geschehen ist, indem 
die Lex die Oapitnla benutzt und modificirt, selbst aber dnroh das 
Gapitnlare Saxonicnm abgeXndert ist Bind aber, wie ich f^bte 
annehmen zu können, die Capitnia de partibus Saxoniae bald nach 
775, yielieieht 777 erlassen, so fXlIt die Abfassung der Lex in 
die Jahre 777 bis 797. 

Noch naher die Zeit der Abfassung zu begrenzen und anzu- 
geben, in welchem der bezeichneten 20 Jahre die Lex abgeiafst 
ist, fehlt es an festen Anhaltspuncten; doch möchte ich yermuthen, 
dafs dies zwischen 785 und 797, Yielleicht schon 785 geschehen 
sei. Dafs die Lex nicht unmittelbar nach den Capitulis in den 
Jahren 775 bis 782 erlassen sei, wird man voraussetzen dürfen. 
Nach der Besiegung der sXchsischen Erhebung von 782 aber, die 
783 erfolgte, hatte Karl bis in den Juni 785 alle Theile Sachsens 
mit Feuer und Schwert heimgesucht und das ganze Land auf das 
gewaltsamste sich unterworfen. Vor dem Jahre 785 wird man 
also an die Abfassung der Lex Saxonum nicht denken können, 
zunächst darum nicht, weil sie sich nicht in der Art der Oapitnla 
de partibus Saxoniae mit der Einführung des Ghristenthums be- 
schäftigt und die äufseren Verwaltungsangelegenheiten des Landes 
zu ordnen sucht, sondern auf die Verhältnisse seiner Bewohner 
und selbst auf das Privatrecht eingeht. Dafs König Karl, indem 
er im Juni 785 die Reichsversammlung zu Paderborn abhielt, sich 
als Herr Sachsens wie nie zuvor fühlte und fühlen konnte, wird 
allgemein anerkannt'); und dafür, dafs selbst seine heftigsten 

») Vgl. S. 146. 



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382 

Gegner unter den Sachsen die Ueberzengnng hegten, von einer 
neaen Erhebung Bei nichts mehr für die Befreiung des Landes 
zu hoffen, ist vielfach die im Herbst 785 erfolgte Unterwerfling 
und Taufe Widnkinds angeführt worden^). Seit dem Jahre 785 
hatte er aber Veranlassung zum Erlafs eines derartigen Geaetses. 
Es galt die gesammten inneren Rechtsverhältnisse neu zn ordnen, 
indem die Oap. de part. Sax. dies nidit gethan , sondern ihrer 
ganzen frfiher besprochenen Beschaffenheit nach nur die erste 
Einrichtung des unterworfenen Landes betroffen hatten. 

Die Jahre von 785 bis 797, vor welchem die Lex abgefaiat 
sein mufs, da in ihm das jüngere Capitnlare Saxonicum erlassen 
worden ist, zerfallen in zwei einander schroff gegenüberstehende 
Perioden, in sieben Friedensjahre von 785 bis 792, in denen 
Sachsen ruhig unter friinkischer Herrschaft stand, und in fünf 
Jahre offnen Kampfes von 792 bis 797, an deren Schlub es erst 
König Karl gelang, das Land wieder zu einer allgemeinen Unter- 
werfung zn zwingen. 

A, Die sieben Friedensjahre folgten auf den Reichstag zu 
Paderborn im Jahre 785, nachdem der verzweifelte Versuch Widn- 
kinds vom Herbste 782 und Frülgahr 783 die Herrschaft Karis 
in Sachsen zu brechen, durch die schweren Niederlagen des Jahres 
783 gescheitert war, und König Karl Sachsen im Jahre 784 und 
Frühjahr 785 in allen Theilen nach langen Verheerungen mit 
Xufserster Anstrengung unterjocht hatte. Mag nun die Erschöp- 
fung des Landes die Ruhe der folgenden Jahre herbeigeftihrt ha- 
ben, wie oft gesagt worden ist, oder mag die Erinnerung an die 
eben er^rene üebennaeht Karls und die schweren Erlebnisse 
der letzten Jahre jeden Gedanken an einen neuen Aufstand nieder- 
gehalten haben und erst allmählich wieder der Glaube an seine 
ünbesiegbarkeit zurückgetreten sein, jedenfalls beherrschte es 
König Karl in den Jahren 785 bis 792, ohne dafs das Geringste 
von neuen Aufstünden verlautet Kachdem der König 785 dem 
Willehad die Fortsetzung der 780 von ihm begonnenen Missions- 
thitigkeit an der Niederweser aufgetragen hatte, machte er ihn 
787 zum Bisehof, und Willehad weihte 789 eine Kirehe zn Bre- 

>) Vgl. S. 146. 



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333 

fky die der MUtelpanct eines BiBthnmes werden tollte. In den 
Jahr^ 787, 789 und 791 sogen die Sachsen nebst den Friesen 
in König Karls Heere gegen Tassilo in Baiem, gegen die Wilsen 
aaf dem reehten Elbufer in der Mark und gegen die Avaren an 
der Donau unterhalb der Ens'); im Jahre 788 verurtheilten Saoh* 
sen neben Franken, Langobarden und Baiem su Ingelheim den 
Tassilo zum Tode'). Als Karl im Jahre 789 den Zug gegen die 
Wilson beschlossen hat, berichten die Annal. Lauriss. ad 789: 
„Bhenum ad Coloniam transtens, una cum consilio Francomm et 
Saxonum perrexit per Baxoniam; usqae ad Albiam fluvium venit, 
ibique duos pontes constmxit ... Et fberunt com eo in eodem 
exereitn Franc! , Saxones; Frisiones autem navigio per Habola 
fioTinm cum quibusdam Francis ad eum coniunxerunt^' Ports 1 
p. 174. Die Angaben sind leicht yerständlich. Das fränkische 
Hauptheer mit den sächsischen Truppen ging auf swei Brücken 
ttber die Elbe; ein anderes, bestehend aus Franken und Friesen, 
fuhr die Havel hinauf. Unfafsbar ist es, wie Ledebur Kritische 
Beleuchtung S. 115 die richtige Erklärung von Pertz, dafs unter 
Habola die Havel gemeint sei, verwerfen und die in die Zuiderzee 
mttndende Yssel verstehen kann^), die obendrein nie einen ähn- 
lichen Namen geführt hat^). 

1) Geg^n Tusilo UJst er im J. 787 drei Heerhsufon anrfieken : „nimm 
exerdtam iussit fiori, id est Franci AustrMiorum , Turingi, Saxones, et 
caniungere super Banubium fluTiam in Faringa** Ann. Lauriss. ad 787 : Perta 
1 p. 172; deegL Ann. Einh. Ferts 1 p. 173. 

*) Ann. Lauriss. ad 788: ^Franci et Baioarü, Langobardi et Saxo- 
nes, Tel ex Omnibus proTincüs qui ad eundem sinodum (in Ingellieim) oon- 
gregaii fherunt, indicaverunt Tassilonem ad mortem." Pertz 1 p. 172. 

*) Ledebur wird zu seiner falsehen Erkl&rung dadurch Terleitet, dals 
in den Worten einer Eltener Urkunde: ^teloneum in flumine Isola, quod 
dicHur Hactol^ eine Abschrift das Wort Hac-tol (das ist ein Zoll an einer 
Wehre) in der Yssel in Habdol verunstaltet hat, und meint, dais hierin die 
Habola au erkennen sei, der Fluls, dureh welchen die Friesen 789 mit Karl 
gegen die Wilsen m Felde zogen. 

*) lieber die Ereignisse des J. 791 beriehten die Ann. Lauriss. a. 791 : 
^rex ad Segaoesburg perrenit, ibi exereitnm suum ooniunxit, ibique consilio 
peracto Francomm, Saxonum, Frisonnm disposnerant propter nimiam 
malitiam, quam feoerunt Avari contra s. ecdesiam Tel populnm christiannm, 



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334 

B. Saehseii im Aafttande 792 bis 797. Die Yenm- 
laasang sa einem nenen siehBiaehen Aubtuide im Jahre 792 
kennen wir nieht'); er brach damit aoB, da(a die Sachsen einen 
Heerhanfen unter Graf Theoderieh, anf dem linlcen Wesemfar 
unterhalb Bremen im friesischen Rttstringen ttberfielen und anf- 
rieben*). Der KOnig erhielt die anerwartete Nachricht in Baiem. 
Erst im Sommer 794 konnte er Maabnahmen gegen Sachsen er- 
greifen; er selbst drang von Osten her mit einem Heere in Sadmen 
ein, während er seinen Sohn Karl mit einem andren von GOln 
ans yorgehen liefia; die Sachsen hatten ihn im Sinotfeld erwartet» 
unterwarfen sich aber ohne Kampf seiner üebermacht, schworen 
Treue und stellten Geilseln*). Der Anbtand in Sachsen war jedoeb 
nicht gedSmpft^). Im Jahre 795 log Karl von Mains aus mit einem 
groben Heeren Sachsen verwüstend*), bis nach Bardewick, wo 

unde instieiaiii per missos impetnure non ▼Aluenmt, iter peragendL^ Perte 1 
p« 176. Der Angriff auf die ATuren erfolgte so, dals Karl mit dem Haapi- 
beer Auf das rechte Donaaufer rordrang, dagegen auf dem linken: B^azo- 
nes cum quibusdam Francis etmazime plurima parte Frizonum^ Ann. Lauriss. 
p. 176. Der Rftokmarsch der letzteren ging daroh Böhmen: „Saxones 
autem et Frisiones cum Theoderico et Megenfrido per Behaimos domam re- 
gressi snnt.^ Ann. ESinh. p. 177. 

*) Ohne dals irgend ein Anhalt in den Quellen sei, gehen neuere 
Bfloher Gr&nde an, i.B. HaTemann Brannsohweig. LSneh. Gesch. 1 p. 10: 
„ToU Zorn, dafs ihnen zum zweiten Mal die Verpflichtung auferlegt wurde, 
den Franken in den Avarenkrieg zu folgen, griffen die Sachsen 792 zum 
Schwert.«' 

*) AnnaL Einh« ad a. 798: ^attatum est copias, quas Theodericus Co- 
rnea per Frisiam ducebat, in pago Hriustri inzte Wisnram fluTinm a Sazo- 
nibus esse interceptas alqne deleias, .... allata erat Sazonum omnimod* 
delectio'' PerU 1 p. 179. VgL Ann. Laurias, ad a. 793 Porta 1 p. 178. 

*) Annal. Sinh. ad a.794 Porta 1 p. 181. Ann. Lauriss. PerU 1 p. 180, 

«) Es ergiebt sich dies ans Karis Zng nach Sachsen im J. 795. Die 
AnnaL Lauriss. leiten den FeMzug des J. 795 mit des Worten ein: „andieaa 
Qm Maina), quod Sazonee mere solilo premissionem snam, quam d* habend« 
christianitate et fide regia tenenda feoerani, initam fSsasseni, cum ezeroita 
Sazoniam ingressus est'* Porta 1 p. 180. 

*) Ann. Einh. ad a. 795: ^cum ezercitu Sazoniam ingressus, peae 
totam populando pengmTit*' Perta 1 p. 181. VgL Ann. Lauriss. ad 795 
PeitB 1 p. 180. 



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336 

ihn der Fürst der Obotriton aaftaeheii wollte. Diesem legten die 
Sadäiaen beim üebersetieii ttber die Eibe einen Hinterhalt nnd 
ermordeten ihn. Das erbitterte Karl, er liefe das Land weit nnd 
breit verwltoten nnd nahm die ihm gestellten Gtoifseln mit sieh 
über den Rhein ^). Im Sommer 796 setste Eourl die Verheerung 
Sachsens fort, indem er es mit Heeresmassen durchzog*). Gleiches 
that er im folgenden Sommer 797. Doch gelang es ihm jetzt 
endlich I nachdem er das Land in allen Richtungen durchzogen 
und bis an das Land Hadeln an die Huberste Nordktiste Sachsens 
zwischen Elbe und Weser vorgedrungen war, ganz Sachsen wieder 
zur Unterwerfung zu bringen. Er kehrte, nachdem er sich Qeifseln 
hatte stellen lassen, ttber den Rhein zurück, hielt es aber fttr 
nothwendig, um den Krieg nicht wieder ausbrechen zu lassen, 
in Sachsen Winterquartiere zu nehmen, und bezog deswegen im 
November 797 ein Lager an der Weser, an einer Stelle, die mit 
dem Namen Heri-stelli bezeichnet wird, während er sein Heer 
durch das ganze Land vertheilte. Den ganzen Winter beschäftigte 
er sich mit Regelung der sächsischen Verhältnisse. 

Anmerkung über die bisherigen Aneichten über die 
AbfaesungezeU der Lex Saxonum. 

1. Vor Karl dem Grofsen wollte Lindenbrog die Lex 
Saxonum abgefafst wissen: jener Zeit entspräche ihr Inhalt, nnd 
es entscheide dafür, dafs die Handschrift, nach der seine Ausgabe ver- 
anstaltet sei, vorkarolingisch wäre*). Ihm entgegnete bereits Grupen 

^) Ann. Einh. ad a. 796 : „terra igitur magna ex parte vastata et ob- 
lidibus quos dare juMorat acceptis'' Perts 1 p. 181. Ann. Lanriss.: „afflietis 
magna ez parte Saxonibus eorumque terra yastata, aoceptü eonun obsidibna^ 
Perti 1 p. 180. 

*) Ann. Lauriss. ad 796: „rez oolleotüi ezereitibu« suis Sazoniam in- 
greesus est; ... et peracts Sazonia cum integre ezercitu in Gallias se re- 
oepit^ Perts 1 p. 182; Ann. Einbardi ad 796: f,eaia ezercitu Francomm 
Sazoniam petüt . . ., Sazonia ex magna parte rastata, ad biemandnm Aquis- 
granun revertitiir.^ Perts 1 p. 183. 

*) Lindenbrog Codez legum antiquarum 1613 flüirt in den Prolegomenis 
an, dab die von Adam Ton Bremen, Albert von Stade und Helmold er- 
wähnten Leges, die dw D&nenk6nig Harald den Sachsen gegeben habe, 
nicht in der erhaltenen Lez Sazonum zu suchen seien: „Haraldi legea re- 



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336 

in der Praefatio ad legem Saxonam (gedruckt in 8pangenberg8 Bmtrigen 
Bu den teatschen Rechten des liittelalters S. 191), dafii ein so hohes Alter 
für die Lex unmöglich behauptet werden könne, da sie das Obriateii- 
thum und den fränkischen König erwähne. Aber auch daran ist nicht 
zu denken, dafe die von Lindenbrog benutzte Handschrift der Lex 
Saxonum in der Zeit vor Karl dem Greisen geschrieben sei. Nach der 
oben S. 79 — 84 mitgetheiiten Vergleichung der verschiedenen Texte 
ist der von Lindenbrog benutzte Codex kein andrer als der einst Pithoe 
gehörende, dessen die Lex Saxonum enthaltender Theil jetzt als Span- 
genbergische Blätter bezeichnet und im Brittischen Museum aufbewahrt 
werden ; Jener Codex ist aber gegen Ende des neunten oder im zehn- 
ten Jahrhundert geschrieben, s. oben S. 21. 

Anführen will ich, dafs Jacob Grimm Geschichte der deutschen 
Sprache 1848 S. 269 änfsert: „die Lex Saxonum enthält zwar Bestim- 
mungen, welche erst für das bekehrte und christliche Volk getroffen 
werden konnten; gleichwohl wäre denkbar, dafs der Erneuerung 
unter Karl dem Grofsen schon eine ältere Fassung vor- 
herging. Wlitiwam c. 5 ist ganz dem Ausdruck der Lex Thuringo- 
rum c. 23 gemäfs". Grimm behauptet damit nicht direct, dafs in der 
uns erhaltenen Lex Saxonum Stücke aus einer älteren vor Karl dem 
Grofsen niedergeschriebenen Lex Saxonum angenommen seien. Mag 
man es für möglich halten, dafs eine vorkarolingische geschriebene 
Lex Saxonum existirt habe, so haben wir doch keinen positiven Grund 
zu einer solchen Annahme; gewifs kann ein solcher nicht darin ge- 
funden werden, dafs in unserer Lex Saxonum einzelne ältere deutsche 
technische Ausdrücke, wie Wlitiwam, das ist Haut- Verletzung, vor- 
kommen, die lange vor Aufzeichnung einer Lex in Sachsen existirt 
haben werden, wie sie noch Jahrhunderte später im Volksmunde lebten. 

centiores üb esse, qaas in hoc Codice edidimus, cerium est: hanim et meni- 
bra&ae et manns Caroli illius Magni tempori antecedere ridentiir; tum quo- 
que leges ipsas plane consimiles reliquia eins aevi legibus esse apparei. 
Quibus accedit, quod Widiohindus monachus, quem ante Haraldom fixisse 
constat, legem Saxonicam diligenter descriptam inveniri testatur; quae tarnen 
tota ad nos non penrenit, nam Adamus Brem. Hist. Eod. 1. c 5 scribit: 
quatuor düFerentüs gens Saxonum oonsistit, nobilium scilioet et liberoniin 
libertorumque atque servorum; et id legibus finnatum, ut nuUa pars in 
oopulandifl ooniugiis propriae sortis tenninos transferat, etcet. In lege Saxo- 
niea nunc quidem tale nü leg^tur. Tunc quoque Hennannus de hostibus, 
qui fines alienas eontra leg^ inrasissent, iuxta leges gentis suae eapitale 
se supplicium sumptnrum minatur. Lambert. Soafnab.;^ etc. 



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337 

2. Kars vor dem Jahre 780, meinte Orup'en, mOge die 
Lex Sftxonam yerfafst sein, vgl. Praefstio ad legem Saz., gedruckt 
ia Spangenbergs Beiträgen 1832 p. 192. Grupen^) nimmt an, die Lex 
sei älter als die Ton ihm ins Jahr 780 gesetzten Gapitula d^ partibns 
Saxoniae, die Capitata bezogen sich auf sie. Lange vor 780 könnte 
aber die Lex nicht wohl abgefafst sein, da in ihr das Christenthnm 
nnd die Frankenherrschaft anerkannt werde und erst unmittelbar vor 
780 die ChristianisiruDg und Unterwerfung Sachsens erfolgt sei. — 
Dals die Lex die Gapitula, nicht umgekehrt die Gapitula die Lex be- 
natzten, habe ich p. 112. 118 ausgefahrt lieber die Verhältnisse Sach- 
sens im Jahre 780 ist das oben p. 136. 166 Angefahrte zu vergleichen. 
Wie sich Grupen die Lex unmittelbar vor 780 abgefafst denken, nnd 
die Gapitula ungefähr gleichzeitig ins Jahr 780 setzen kann, welche 
die Lex benutzt haben sollen, erhellt nicht. 

3. Vor dem Jahre 788 soll nach dem älteren Biener und 
Spangenberg „ein geschriebenes sächsisches Rechtsbuch ,- die Ewa 
Saxonam, existirt haben", vgl. Spangenberg*) Beiträge zu den teutschen 
Rechten des Mittebüters 1822 p. 181. Diese Annahme grttndet sich 
daranf, dals 788 die Gapitula de partibus Saxoniae verfafst seien, und 
in ihnen c. 33 stehe: „secundum legem Saxonorum sit*', unter dieser 
Lex aber nicht Gewohnheitsrecht sondern eine geschriebene Lex zu 
verstehen sei. In keiner Weise ist aber constatirt, da(s in jener Stelle 
mit dem Ausdruck Lex Saxonorum ein geschriebenes Gesetzbuch ge- 
meint sei. Vielmehr ist wahrscheinlich in den um 777 zu setzenden 
Gapitula darunter Gewohnheitsrecht verstanden, s. p. 115 Note 3. Und 
so entbehft diese Ansicht jeder Stütze. 

4. „Einige Jahre vor 800'' soll nach Falck Encyklopädie 
§. 112 die Lex Saxonum verfafst sein, wie Gaupp Recht und VerfSusung 
der alten Sachsen p. 46 anführt, weil in der Lex Sax. c. 24. 62. 64. 65 
von einem rer Francorwn die Rede ist, er nicht imptraior genannt wird. 
Es heiist in cap. 24: „qui in regnum vel in regem Francomm vel filios 
eins de morte consiliatus füerit*' etc. Da dies Argument nur gegen eine 
Abfiusung nach 800 spricht, so kann ihm zu Folge die Lex eben so 
gut Am 785 als „einige Jahre vor 800^ abgefa&t sein. 

5. In die Jahre 802, 803 oder 804 setzen die meisten Neueren 
die Abfassung der Lex Saxonum. Ich nenne Gaertner Saxonum leges 
tres 1730 p. U (ins Jahr 803), Eichhorn Deutsche Staats- und Rechts- 

») Vgl. oben p. 127 Note 3 und p. 115 Note 1. 
^ Sieh» p.97 Note 1 und p. 115 Note 1. 

22 



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338 

Gesohichte 1. §. 144. 146 (in die Jahre 802 oder 808), Kraat Orandrifs 
zn Vorlesungen fiber das deutsche Privatrecht p. 26 („wahrscheinlieh 
m2% Ganpp Recht nnd Verfassung der alten Sachsen 1837 p. 47. 53 
(sie möge 802 oder 804 verfafst seiu), Pertz Mon. Germ. Leg. 1. p. 106 
(im October 802), Wilda Strafreoht p. 101, Seibertz Landes- nnd 
Rechts-C^eschichte des Herzogthums Westfalen 1860 1. p. 290. Za den 
Vertretern dieser Ansicht kann man in gewisser Weise aach die z&hlen, 
welche mit Merkel Lex Saxonum 1853 p. 6 eine Znsammensetsnng 
der Lex Saxonum aus drei snccessive verfaßten Stücken annehmen, 
die 802 diejenige Fassung erhalten hätten, in der die Lex bei Herold 
gedruckt ist, vgl. oben p. 97-- 126. Diese Meinung^ theilen Walter 
Deutsche Rechtsgeschichte (2. Aufl.) 1857 1. p. 163. §. 156, Siegel Ge- 
schichte des deutschen Gerichtsverfahrens, Gleisen 1857, 1. p. 289, 
Waitz Deutsche Verfassungsgeschichte 1860 3. p. 111, Abel Jahr- 
bücher des fränkischen Reichs unter Karl dem Greisen 1866 1. p.344. 
Die Gründe, die mich bestimmen, die Annahme einer solchen Zusam- 
mensetzung der Lex Saxonum aus drei zu verschiedenen Zeiten in den 
Jahren von 782 bis 798 verfafsten Theilen zu verwerfen, habe ich 
oben ausführlich dargelegt. — Für die Abfassung der Lex Saxonnm, 
wie sie uns vorliegt, in den Jahren 802, 803 oder 804 lassen sich die An- 
hänger dieser Ansicht bestimmen: a) durch die Angabe der Annales 
Laureshamenses a. 802 und der Vita Karoii von Einhard c. 29, Kaiser Kari 
habe im October 802 das Recht aller Volksstämme seines Reichs, sofern 
es ungeschrieben, aufzeichnen, sonst aber ergänzen und verbessern lassen; 
da sich dieser Bericht nicht speciell auf Sachsen bezieht, so berechtigt 
er allein nicht ein im Jahr 802 erlassenes, die Lex Saxonum ergän- 
zendes Gesetz anzunehmen, noch weniger aber zu meinen, dab die 
Lex Saxonum selbst, für deren Abfassung in einer früheren Zeit reelle 
Gründe vorhanden sind, damals aufgezeichnet worden sei; vgl« unten 
p. 352. 353; b) durch die Benutzung der Capitula de partibus Saxoniae in 
der Lex Saxonum; sie setzen die Capitula ins Jahr 785 und folgern 
daraus für die Abfassung der Lex eine spätere Zeit als 785; dafe die 
Lex jünger sei als die Capitula, halte auch ich für unzweifelhaft, nehme 
aber die Abfassung der CapituU etwa 777 an; c) durch angebliche 
Benutzung des CapituUre Saxonicum von 797 in der Lex; diese An- 
nahme beruht darauf, dafs die Zusätze am Schlufs des Capitels 66 der 
Lex im Corveier Manuscript und in der Ausgabe von du Tillet nicht 
als spätere Zusätze betrachtet werden; da dies aber, wie oben p. 26—47 
gezeigt, geschehen mufs, so wird dies Argument hinfällig; die ange- 



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339 

•teilte Vergleiohnng der BeetimmaDgen der Lex and des Gapitolare 
Sazonioam nOthigt mich vielmehr, die Lex nicht nach, eondem vor 797 
SU seilen, s-p. 28. 44. 46. 34. 807. Ml. 346. d) Uebereinstimmung der im 
e. 5 der Gapit in 1. Ribuar. mitt. a. 803 (Pertz Leg. L p. 177) von K5nig 
Karl angeordneten Satzungen mit dem Inhalt der Cap. 51—53 der Lex Sax. 
bemerkt Wilda Strafrecht p. 658: für ihn liegt somit eine Bestätigung 
der von ihm um 802 angenommenen Abfassung der Lex vor 803 darin. 
Nichts hindert aber eine noch frühere Abfassung der Lex und eine directe 
oder indirecte Benutzung des in derselben c. 18 u. 50—53 Bestimmten 
in den Gapitula in 1. Rib. mitt. von 803 anzunehmen. 

6. Nach Karl dem Grofsen sei die Lex Saxonum verfafst, 
behauptete Luden Geschichte des tentschen Volkes Bd. 5. p. 56. Seine 
nichtigen Orfinde widerlegt Gaupp Recht und Verfassung der alten 
Sachsen p. 44. Loden wollte die Abfassung der Lex etwa in die Zeit 
des Kampfes der Steliinga (vgl Nithard. Eist IV. c 2-6 Pertz SS. 2. 
p. 667 ff.) versetzen, also unter Lothar ins Jahr 842. Früher könne 
der nach seiner Meinung von Karl dem Greisen eingesetzte sächsische 
Adel oder Herrenstand keine solche Stellung gewonnen haben, wie sie 
sich in der Lex Saxonum zeige; femer, meint er, setze die Androhung 
von Todesstrafen auf Verbrechen gegen seinen Herrn, dessen Kinder, 
Frau oder Mutter, wie sie Cap. 25 und 26 aufstelle, Zustände von Ge- 
waltthStigkeit voraus, wie sie nur in jener späteren Zeit anzunehmen 
seien; dafs die Strafen der Lex grofsentheils bereits in den Gap. de 
part. Sax. enthalten sind, sucht Luden dadurch abzuschwächen, dais 
er sie ins Jahr 804 herabrflekt Eine Widerlegung dieser ziemlich will- 
kürlichen Voraussetzungen und Ansichten scheint mir nicht erforderlich. 
Ohne nähere Begründung äufsert auch v. Daniels Handbuch der deut- 
schen Reichs- und Staatenreohtsgeschichte 1859 1. p.269, dafs die Lex 
„wahrscheinlich jünger sei als 802". 

7. Um 984 sei die Lex Saxonum durch König Harald von 
Dänemark erlassen, meinte Speimann Glossar s.v. Lex Saxonum; 
vgl. dagegen Lindenbrog in der oben S. 336 Note 3 angeführten Stelle der 
Prolegomena zu seinem Codex legum antiquarnm, Gaertner Saxonum 
Leges tres p. 10 und Grupen in Spangenbergs Beiträgen p. 192. Die Be- 
richte des Adam von Bremen, Albert von Stade und Helmold, dafs König 
Harald von Dänemark den Übereibischen Sachsen und Friesen Gesetze 
gegeben habe, können sich unmöglich auf die alte Lex Saxonum be- 
ziehen, da sie fUr Westfalen, Engem und Ostfalen erlassen wurde und 
ihr Inhalt eine viel ältere Zeit berücksichtigt und zur Voraussetzung hat. 

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340 



1. 18. Das CapitnUre Saxoirieaiii von 797. 

Mitten in die im §. 17 erzlChlten Ereignisae des Jalirea 797 
fällt daa Capitulare Saxonicam, durch welches K5nig Karl den 
Inhalt deF Lex Saxonum modificirte. Es ist vom 28. October 797 
datirt. In der Pfalz zu Aachen hat es König Karl erlassen ^) im 
Beisein von Bischöfen, Achten und Grafen, „indem Sachsen, 
ans den verschiedenen Gauen der Westfalen, Engeren 
und Ostfalen versammelt, allerseits zustimmten*'. 

Es geschah dies also in der kurzen Zeit, die König Karl im 
Herbst 797 in Aachen zubrachte, nachdem er durch strenge Maafii- 
regeln im Sommer 797 Sachsen nach fünfjährigem Aufstand wieder 
unterworfen und sich hatte Geifseln stellen Ussen, und ehe er im 
November 797 an die Weser zurückgekehrt war, um durch seine 
und seines Heeres Anwesenheit im Lande während des Winters 
einen neuen Ausbruch des Kampfes unmöglich zu machen. 

Die Art, wie das Capitulare Saxonicum abgefafst ist, ver- 
dient nicht übersehen zu werden. Nach fünfjährigem Aufstand 
Sachsens hält König Karl, nachdem sich das Land ihm wieder 
unterworfen hat, einige gesetzliche Bestimmungen für die weitere 
Verwaltung desselben flir nothwendig; er erläfst sie sofort, nach- 
dem er einige Sachsen aus Westfalen, Engem und Ostfalen nach 
Aachen hatte kommen lassen, um ihn zu berathen. Es fällt Karl 
nicht ein, erst einen Reichstag in Sachsen oder eine Beruhigong 
des Landes abzuwarten*), wie denn das Frttl^ahr 798 auch neuen 

') Der Anfang Uutot: „Anno ab incarnatione domini nostri Jcsn Christi 
797, et 30 ac 22 regnante domino Carolo praeceUentissimo rege, conve- 
nientibus in unum AquU palatio in oius obsequio venerabilibos episeopis et 
abbatibu8 seu inlnstris viris comitibus 5 Kalendas NoTembris, simolque oon- 
gregatis Sazonibus de dirersi« pagi», tarn de Westfisüahis et Angrariis, quam 
et de Ostfalahia, omnes unanimiter con^enserunt.^ Perti Leg. 1 p. 75. 

^ Ohne nähere Berücksichtigung des Inhalt« des Capit. Sax. und 
dessen, was wir über die Zeit seiner Abfassung wissen, sag^ Seibertz Landes- 
und Bechtsgesch. des Herzogth. Westfalen 1 p. 207 : „ Es dauerte bis zum 
Jahre 797, ehe das Land diesseits der Eibe und Weser soweit unterworfen 
und wieder beruhigt war, dafs durch das Capitulare Saxonicum die begon- 
nene Orglinisation weiter ausgebildet werden konnte.'' 



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341 

Aufstand im nOrdiichen Sachsen herbeiführte. Wie Karl hier han- 
delte, kann er auch bei Publication der Capitnla de partibus Saxo- 
niae in dem Jahre 775 oder 777 und bei der de^ Lex Saxonum 
nach 785 yerfahren sein; bei keinem der beiden Gesetse haben 
wir irgend eine Angabe, dafs sie auf einer Reichsyersammlung 
in Sachsen berathen worden sind, und wenn man das für nicht 
unwahrscheinlich halten mag, so ist eine derartige Voraussetsung 
doch zu unsicher, um auf sie eine Ansicht Über die Abfassungs- 
zeit beider Gesetze zu basiren. 

Neuere haben das Capitulare Saxonieum von 797 in mancher 
Beziehung anders gefafst, als es hier geschehen und es sein In- 
halt an sich verlangt, weil sie von der Voraussetzung ausgingen, 
es sei vor der Lex Saxonum erlassen worden ^), während die oben 
besprochene, im Capitulare Saxonieum enthaltene weitere Aus- 
führung der Bestimmungen des letzten Capitels der Lex Saxonum 
über den Werth der Zahlungsmittel beweist, dafs die Abfassung 
der Lex Saxonum der des Capitulare Saxonieum vorausging. 
Bei der Wichtigkeit des Verhttltnisaes des Capitul. Saxonic. zur 
Lex Saxonum für die Ermittelung der Abfassungszeit der Lex 
Saxonum mufs ich hier aber von dieser Auffassung ausgehend 
einen Blick werfen auf die Hauptbestimmungen des Capitulare 
Saxonieum und ihr Verhältnifs zu den Bestimmungen der Lex 
Saxonum. 

Der Punct, der insbesondere durch das Capitulare Saxonieum 
hat nSher geordnet werden sollen, ist die H5he der zu zahlenden 
königlichen Bannbufse; der gröfsere Theil des Capitulare bezieht 
sich auf sie. 

lieber die Geschichte des Königsbannes hat nach Montag 
Staatsbürgerl. Freiheit 1. p.92 u.Woringen Beitrüge 1. p.l61 gründ- 
lich gehandelt Wilda Strafrecht p. 460. 469-482. 509; aufser ihm 
sind noch zu vergleichen Waitz Verfassnngsgeschichte 2. p. 536 
und 3. p. 275 und Walter Deutsche Rechtsgeschichte 1. p. 63 
§. 60 und 2. p. 383 §. 716. 

1) Vgl. WildE Strafrecht p.477 und Wait« Verfassungsgesch. 3 p. 130. 
Die Ansicht von Seihertz l p. 194 ist durch das Capitulare nicht gerecht- 
fertigt. 



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342 

Die Lex Saltca kennt keine Bannbufse von 60 ßolidi (Wilda 
p. 481); in der Lex Ripaarioram 58^ 12; 60, 3; 65, 1. 3; 73, 
1. 2. 4; 87 begegnet sie (Wilda p.480. Waitc 2. p. 536), sowie in 
der Deeretio Childeberti von 596 cap. 9 Pertz Leg. 1. p. 10, die, 
wie Eichhorn Bechtsgesohichte §. 38 Note 1, dem Waitz 2. p. 84 
beistimmt, annimmt, in der Lex ßipnarioram benotet ist Wir 
finden sie ferner in der Lex Alamannomm 4 Perts Leg* 3. 
p. 47 (s. Wilda p. 471 und Waitz 2. p. 537 Note 1). Nach der 
Lex Baiawariomm werden 40 statt 60 8oiidi gebttrst (s. Wilda p.463 
nnd Waitz 2. p. 537). Der Bannbnfse von 60 Solidi geschieht femer 
Erwähnung in einem Gapitulare Pippins von 757 c. 22 Perts Leg. 
1. p. 29, nnd in einem Capitnlare Karls von 782 c. 10 Ports 
Leg. 1. p. 44. 

König Karl führte die Bannbufse von 60 Solidi in den von 
ihm unterworfenen Ländern ein: 

In Sachsen durch die Capitula de partibus Saxoniae e. 31 
Pertz Leg. 1. p. 48, also wie ich yermuthe in den Jahren 775 
oder 777, nnd im Einzelnen näher bestimmt durch das Capitnlare 
Saxonicum von 797 Pertz 1. p. 75. 

In Friesland in derselben Zeit, indem im zweiten Theil 
der Lex Frisionum ni, 8. 9; XIV, 7 der Bann von 60 Solidi er- 
wähnt wird, dieser Theil aber nach der Unterwerfung des ost- 
laubachschen Friesland durch Karl den Orolsen, die gleiphaeitig 
mit der Sachsens erfolgt war, erst aufgezeichnet sein kann. Wenn 
ich in meiner Ausgabe der Lex Frisionum vermuthete, daCs der zweite 
Theil dieses Gesetzes 785 verfalst sei, weil ich mit Pertz annahm, 
dafs die Capitula de partibus Saxoniae 785 erlassen seien, so ist 
dies nicht entscheidend, da nach den oben gegebenen Erörterungen 
die Abfassung der Capitula nicht 785 sondern bald nach der 775 
erfolgten Unterwerfung Sachsens in die Jahre 775 oder 777 zu 
setzen ist. Da aber, wie oben bemerkt, die Abfassung des zweiten 
Theiles der Lex Frisionum nach der Unterwerfung des ostlaubaoh- 
schen Friesland also nach dem Jahre 775 erfolgt ist, so spricht die 
unten p. 350 Note 2 anzuführende üebereinstimmung ihres Inhalts 
mit dem der LexSaxonum dafür, dafs sie in den folgenden Jahren, und 
etwa in demselben wie die Lex Saxonum also vielleicht 785 erfolgt ist 



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343 

In der Lombardei im Jabre 801; vgl. Capitnl. I^angob. 
a. 801 Perts Leg. 1. p. 83.- 

In Baiern im Jabre 803; vgl. Gap. ad leg. Bai. c. 1 — 3 
Pertz Leg. 1. p. 126. 

Betracbten wir die Bannbnfsen fUr Sacbaen in den Gapitnla 
de partibus Saxoniae, in der Lex Saxonum und in dem Gapitnlare 
Sasonicum von 797. 

Wie in anderen germaniseben Gesetaen erscbeint in ibnen 
neben der grofsen Bannbofse von 60 Solid! eine kleinere: die 
Gapitnla de partibas Saxoniae setzen diese, indem sie die frän- 
kisebe grofse Bannbulse von 60 Solidi in Sacbsen einflibren, auf 
15 Solidi fest, gleicbwie bei den Franken damals 15 Solidi als 
kleine Bannbnfse galten; in der Lex Saxonum erscbeinen 12 So- 
lidi als die kleine Bannbufse; und diese ursprUnglicb säebsiscbe 
kleine Bannbufse wiederbolt das Gapitulare Saxonicum; es labt 
diese binfUro in Sachsen Überall da eintreten, wo nacb fränki- 
sobem Recht die Bannbufse von 15 Solidi galt; in gewissen 
Fällen soll sie aber vervielfältigt werden, wie das Gapitnlare dies 
auch in Betreff der grofsen Bannbufse von 60 Solidi als statthaft 
hinstellt, indem es zugleich die acht Fälle vorschreibt, in denen nacb 
damaligem fränkischem Recht die grofse Bannbufse von 60 Solidi 
erhoben werden solle. Die Bestimmungen der sächsischen Oesetae 
sind im Einzelnen folgende: 

a) Die Gapitnla de partibus Saxoniae verordnen c. 16. 
24. 25. 26. 28 für einzelne Fälle: „nostrum bannum persolvat^ 
und im cap. 31: \,,dedimus potestatem comitibns bannum mittere 
infra suo ministerio de faida vel maioribus causis in solidos 60; 
de minorlbus vero causis comitis bannum in solidos 15 consti- 
tuimus*'. Sodann bestimmen c. 20 und 21, dafs wegen einer un- 
erlaubten Ehe, sowie wegen heidnischer Verehrung von Quellen, 
Bäumen und Hainen der Nobilis 60 Solidi zahle, das ist die 
grofse Bannbufse, der Ingenuus 30 Solidi, das ist die Hälfte, und 
der Litus 15 Solidi, d. i. das Viertel der grofsen Bannbufse. 
Ebenso verordnet c. 19, dafs wer seine Kinder innerhalb eines 
Jahres nicht tauft: „si de nobile genere fuerit, 120 solidos 
fisco conponat, si ingenuus 60, si litus 30", d. b. der 



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344 

Edeling soll die doppelte grofse Bannsomme uthlen, der Freie 
aber die Hälfte und der Lite den vierten Theil der vom Edeling 
gezahlten doppelten BannbufseO- — Die kleine Bannbnfae 
von 15 Solidi; die das angeführte Cap. 31 neben der groCBen 
von 60 Solidi einführt, hat nach Gap. 32 sn entrichten, wer, vor- 
geladen um einen Eid zu leisten, sich weigert zu schwören. — 
Aufserdem gedenkt Cap. 27 einer Bannbufse von 10 Solidi'). 
h) Die Lex Saxonnm nennt nicht ausdrücklich die Bann- 
bufse von 60 Solidi, meint sie aber offenbar in Gap. 23, in- 
dem sie nach Verhängung einer Todesstrafe für den, der einen 
Menschen in der Kirche oder auf dem Wege zur Kirche an einem 
Feiertage tödtet, hinzufügt: „si non occtderit, tamen insidias fe- 
cerit, bannum solvat de reliquis*'. Daneben kennt die Lex die 
kleine Bannbufse von 12 Solidi, indem sie in Gap. 36 bestimmt, 
dafs ein Dieb bei einem kleinen Diebstahl neunfachen Ersats 
gewähren solle: „etprofredo, si nobilis fuerit solides 12, 
si über 6, si litns 4*^. Man hat gemeint, die hier erwähnte kleine 
Bufse von 12 Solidi sei in Sachsen erst durch das sie specieller 
erörternde Gapitnlare Saxonicum von 797 eingeführt worden, und 
hat darin eine Benutzung des Gapitnlare Saxonicum durch die Lex 
Saxonum, und ein Zengnifs für eine spätere Abfassung der letzteren 
finden wollen. Das Gapitnlare Sax. von 797 c.4 bezeugt aber 
ausdrücklich, dafs diese Bufse von 12 Solidis eine altsäch- 
sische Bufssnmme war, bei der König Karl gestattete, dals 
sie femer in herkömmlicher Weise von den Pagenses bei Ver- 
urtheilungen und Bestrafungen erhoben werde, .in Sachen, die sie 
durch ihr Urtheil erledigten'). Das Gapitel 4 fügt dem alten 
Recht den Zusatz bei, dafs, wenn die Pagenses die Sache nicht 
erledigen, und sie vor die königlichen Missi kommt, aufser jenen 

^S^' Wild« p. 479, der aus anderen Capitularien zwei- und dreifache 
Bannbufsen auff&hH; s. S. 346. 

*) Vgl. den Schlufs der BeUage IV. 

*) „QuaUscumque causa infra patriam cum propriis vicinantibus paci- 
ficata fuerit, ibi solito more ipsi pagenses solides duodecim pro 
districtione (Bestrafung) recipiant, et pro wargida (Verurtheilung), quae iuxta 
consuetudinem eorum solebant facere, hoc concessum habeant.^ Perts Leg. 
1 p. 76. 



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345 

12 den Pagenaes zu entrichteodeD Solidi noch 12 Solidi „ad partem 
regis^ SU sahien seien, und dafs, wenn die Sache vor den König 
in die Pfalz gebracht werde, die zweimal 12 Solidi ihm allein an- 
fallen sollen; nnd dafs endlieh, wenn dieselbe Sache znm zweiten 
und dritten Mal vor den König gebracht werde, eine Verdoppelang 
nnd Verdreifachung der Bnfse von 2 mal 12 Solidi einzntreten 
habe. — Die Zwölfschillingsbnfse ist somit nicht erst 
im Jahre 797 in Sachsen eingeführt; sie galt vielmehr im alt- 
s&ehsischen Recht und ist von der Lex Saxonnm anerkannt worden, 
wie von dem Capitulare Saxonicam, nnr dafs letzteres über sie, 
wie über die Sechszigsehillingsbnfse nXhere Festsetzung getroffen 
hat nnd sich auch dadurch als später abgefafst kennzeichnet 

c) Das Capitulare Saxonicum von 797 regelt die Bann- 
bnfsen bei den Sachsen im Einzelnen. Die grofse Bannbnfse 
von 60 Solidi sollen die Sachsen in denselben Fällen zahlen, 
in denen es die Franken thun, und zwar in den acht bekannten 
BannftUen, s. Gap. 1 nnd 2. In Betreff der als eines der Fälle auf- 
geführten Brandstiftung („incendinm^) fügt Cap. 8 erläuternd hinzu, 
dafs es darunter nicht begriffen sein solle, wenn die Pagenses 
Brandlegung beschliefsen und vollziehn gegen einen Verbrecher, 
der sich dem Recht nicht fügt und auf andre Art nicht zu strafen 
ist: dies solle ferner wie im alten Recht („secundum Saxonum ewa") 
gestattet sein. Es ergänzt hier das Capitulare von 797 das Ca- 
pitel 3 der Cap. de part. Sax., welches Todesstrafe auf J^ieder- 
brennen von Kirchen gesetzt, und das Capitel 38 der Lex Saxo- 
num, welches verordnet hatte: „qui domum alterius vel noctu vel 
interdiu suo tantum consilio volens incendent, eapite puniatur^; 
namentlich finden die oben angeführten Worte der Lex Saxonum: 
„qui suo tantum consilio^ u. s. w. eine nähere Erläuterung; der 
Einzelne soll „suo consilio** nicht niederbrennen dürfen, aber als 
Strafe: „de ipso placito (pagensium), communi consilio facto, se- 
cundum eorum ewa fiat peractum *).** — Sodann enthält Capitel 9 
des Capitul. von 797 die gewichtige Schärfung des geltenden 
Rechts, dafs in den Fällen, wo die Bannbufse von 60 Solidi ein- 

^) N&her ansgefllhrt ist die hier angegebene Meinung Über das Ter- 
b&ltnirs Ton Lex Sax. o. 38 su Capitul. Saxon. c. 8 oben p. 806—308. 



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346 

tritt y der EOnig sie, wenn es ihm nothwendig erscheint , unter 
Zustimmung der Franken und der ihm treuen Sachsen (^una cum 
consensu Francorum et fidelium Saxonnm'') bis sum sehn fach eii 
Betrage erhöhen kann; eine Verdoppelung kannten bereits die 
Gapitula de partibus Saxoniae c. 19, vgl. oben 8. 343. — Ueber 
die kleine Bannbufse von 12 Solidi bestimmt Capitel 3: 
„ttt ubicumque Franci secnndum legem solidos 15 solvere debeant, 
ibi nobiliores Saxones solides 12, ingenui 5 (bessere: 6), 
liti 4 conponant*^; d. h. in den Fällen, wo nach frinkischem Becht 
die kleine Bannbufse 15 Solidi beträgt, soll sie in Sachsen 12 So- 
lidi betragen. Die mit diesen Worten im sächsischen Becht er^ 
zielte Keuerung ist nicht darin zu suchen, dafs durch sie die 
Zwdlfschillingsbulse eingeführt worden wäre: sie galt von Alters 
her in Sachsen, wie Capitel 4 des Capitulare von 797 bezeugt, und 
war von König Karl bereits in der Lex Saxonum anerkannt wor- 
den (8.oben); sondern darin, dafs die Zwölf-Schillings-Bufse in all^i 
den Fällen in Sachsen zur Anwendung kommen soll, in denen in 
Franken die Fttufzehn-Schillings-Bulse galt, gleichwie dies in Be- 
treff der Sechszig-Schillings-Bufse vorgeschrieben wurde. Dafs und 
wie das Capitulare im Capitel 4 bei der Zwölf-Schillings-Bniae 
eine Verdoppelung, Vervierfachung und Versechsfachung eintreten 
läfist, wurde bereits unter lit. b. erörtert'). Für Nichterscheinen 
vor Qericht nach erfolgter Vorladung bestimmt Capitel 5 für den 
Edelen eine Bnfse von 4 Solidi, für den Freien von 2, den Liten 
von 1 Sol.*). 

Unter den Bestimmungen über Bannbufsen in den drei alten 
sächsischen Gesetzen dürfte nach dieser Erörterung ein innerer 
Zusammenhang nicht zu vermissen sein, und die behauptete 
Beihenfolge der drei Gesetze in ihnen eine Bestätigung finden. 

Die Feststellung der acht Bannfälle, in denen nach dem Capita- 
lare von 797 die Bannbube von 60 Solidi in Sachsen wie bei den Fran- 

^) Leg. Fris. Add. I, 2 kennt eine neunfache Zwölf - Schillings - Bufse. 

^ Nach Lex Fris. XVIII, 1 ist f&r Sonntagsentweihung durch Knechts- 
arheit im ostlauhachschen Friesland eine Bulse von 12, im ührigen Friee- 
land Ton 4 Solidi zu erlegen; und nach L. Fris. XXII, 65 sind in Mittel- 
firiesland wegen Haargriff ,,pro freda 4 solidi ad partem regia*' au sahlen. 



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347 

ken gezahlt werden solP); kann auch bei diesen erst durch K9nig 
Karl nnd nicht lange vor 797 erfolgt sein; wir besitzen kein 
älteres Zengnift dafür als das Capitnlare Saxonienm von jenem 
Jahre*), und mir scheint eine nicht unbeachtenswerthe BestStigang 
einer früheren Ab&ssung der Lex Saxonum darin sa liegen, dafii sie 
die 797 von Karl in Sachsen eingeführten BannfHUe nicht nennt 
nnd insbesondere des durch sie den Wittwen, Waisen und anderen 
Htllfsbedttrftigen gewährten Schutzes mit keinem Worte gedenkt. 
Die kleine Bannbufse von 12 Solid! , die in der Lex Saxo- 
num und dem Capitulare Saxonieum auftritt, und von letzterem 
als altsächsisch bezeugt ist, hatte Sachsen mit Friesland*), Thü- 
ringen^) und den meisten nicht altfränkischen Gegenden des 
Reichs Karls des Grofsen gemein; und da sie in den Znsätzen zur 
Lex Frisionum enthalten ist, die den zweiten Theil der Lex 
bilden*), und nach der Eroberung des ostlaubachschen Friesiands, 

I) Das Cap. Sax. von 797 e. 1.2. bestimmt, „ut ecclesiae, viduae, orfani 
et minus potentes justam et qnietam pacem habeant; et nt raptom et for- 
tiam nee incendium infra patriam quis faoere audeat praeeumptire ; et de 
ezereitu nuUus aaper bannum domini regis remanere praesumat. Si quis 
snpradicta octo capitula transg^essus fuerit, omnes statuenint, ut Sazo- 
nes similiter sicut et Franc! 60 solides conponant." Pertz Leg. 1 p. 75. Mit 
dieser Stelle stimmen die von Pertc 1 p. 126 ins Jahr 803, von Baluse ins 
Jahr 788 gesetzten Capitula legi Bajuar. addenda cap. 1—3, fiberein, schei* 
nen aber nach ihrem Schlufs jünger £u sein. 

'} Die Aufzählung der 8 Fälle, die Ortloff aus einer Bechtsquellen 
enthaltenden Handschrift des neunten Jahrhunderts publicirt, und Pertz 
Leg. 1 p. 34 unter dem Jahre 772 eingereiht hat, scheint jünger zu sein 
und ans den Capitularien zu schöpfen, s. Wilda p. 478 , Waitz 3 p. 275. 

^ Die Lex Frisionum gedenkt der ZwOlf- Schillings -Bulse in TitVIIL 
XTÜ, 4. XYin, 1. XXI. XXU, 82 und Add. 1, 1. YI, 1 ; von diesen 7 SteUen 
sind die beiden letzten aus der Additio später verfafst, vielleicht im J. 802 ; 
Tit. XVni, 1 bezieht sich auf das ostlaubachsche Friesland, welches König 
Karl erst mit Sachsen unterworfen hat; Tit.yin und XXII, 82 dürfte dem 
ältesten Theil der Lex Frisionum angehören. 

^) Lex Thur. cap. 41. 43 und 57 erwähnt die Bannbuise von 60 So- 
lidi; Lex Thur. cap. 38 und 40 die von 12 Solidi. Bemerkenswerth ist, 
dafs die letzte Stelle übereinstinmiend mit Lex Fris. XXI die 12 Schillinge 
für Plagium infra patriam vorschreibt. Ueber das Vorkonunen der Zwölf- 
Schillings - Buise in anderen deutschen Landen s. Wilda p. 456. 

*) S. p. 343. 



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348 

also nach 776 erlasBen sind^ nnd mithin in Friesland um diese 
Zeit ihre Anerkennung gefunden hat, ao kann es nicht befremden, 
dafs dasBelbe auch in der Lex Saxonum geschah, die vor 797 nad 
nach 775, also, wie ich vermnthe, wohl gleichseitig mit jenen Za- 
lotsen der Lex Frisionom abgefafst ist. 

1. 19. Schlafs. 

Kehre ich nach dieser Erörterung über das VerhältnifS| in 
dem der Inhalt des Capitulare Saxonicum von 797 zu dem der 
Lex Saxonum steht, zur Betrachtung der Abfassungszeit der Lex 
Saxonum zurück, so scheint mir durch sie die Vermuthung, dafs 
die nothwendig in die Zeit zwischen 777 und 797 zu setzende 
Lex Saxonum wenn nicht 78d, so doch bald nachher in den Frie- 
densjahren 785 bis 792 abgefafst worden sei, an Wahrscheinlieh- 
keit gewonnen zu haben. 

Wie die Capitula de partibus Saxoniae die Verhältnisse des 
Landes nach der Eroberung, und zwar wie ich vermuthe im 
Jahr 777, im Allgemeinen ordneten, und wie das Capitulare Saxo- 
nicum 797 nach der Niederwerfung des Anfstandes von 792 bis 
797 eine Reihe von Modificationen an den Satzungen der Lex 
Saxonum vornahm, so hat König Karl durch die Lex Saxonum 
die VerhSltnisse des Landes im Einzelnen näher geregelt, als ihm 
785 ganz Sachsen als ein völlig fränkisches Land erschien. Die 
Erhebung von 782 war im Jahre 785 völlig niedergeworfen; Be- 
stimmungen über Einführung des Christenthums und der fränki- 
schen Orafenverfassung, wie sie der König in den Capitula de 
partibus Saxoniae um 777, unmittelbar nach der ersten Eroberung 
des Landes erlassen hatte ^), waren nicht nöthig zu wiederholen, 
hätten zum Theil auch nicht mehr den Verhältnissen des Landes 
entsprochen*); es bedurfte einer Aufzeichnung mancher Puncte 
des altsächsischen Landesrechts, da dasselbe durch das Gesetz 
de partibus Saxoniae und die Einverleibung Sachsens in das frän- 
kische Reich vielfach alterirt war; — einem in einem solchen 
Moment erlassenem Gesetze entspricht der Inhalt der Lex Saxo- 

1) Vgl. S. 170-218. 

«) Vgl. S. 174. 180-199. 203. 



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349 

Bmn. Sie wiederholt einige Bestiinmiiiigen der GapitnU de par- 
tibns Saxoniae, modificirt sie aadi in manchen Pnnoten; der 
grOlsere Theil ihres Inhalts ist aber ans dem nngeschriebenen 
alten BSehsischen Gewohnheitsrecht geschöpft; doch ist aoch von 
ihm ein verhitttnilsmäfsig nnr kleiner Theil aufgezeichnet , nnd 
mnCste, wie jede Durchmusterung des Air die Erforschung des 
tifehsischen Rechts überaus wichtigen, an sich aber doch höchst 
knappen Inhalts der Lex Saxonnm darthnt^), auch ferner fttr den 
sSchsischen Richter das ungeschriebene sächsische Recht bei den 
meisten Rechtsentscheidungen als Quelle dienen. Bei allen ein- 
seinen Bestimmungen des alten sSchsischen Rechts, die in die 
Lex Saxonnm aufgenommen sind, den Grund ihrer Aufnahme 
ansugeben, ist bei dem Wenigen, was wir über das sächsische 
Yorfränkische Recht wissen, nicht möglich. Dürfen wir annehmen, 
dafs dabei die VerschmelEung des durch den fränkischen König 
in Sachsen emgeführten Rechts mit dem alteinheimischen Recht 
die Hauptrücksicht gewesen ist'), und die Aufiiahme mancher 
Bestimmungen yielleicht nnr erfolgt ist, um ans ihm einzelne 
ältere mit dem Heidenthume und dem vorfränkischen Staatswesen 
zusammenhängende Sätze und Rechtsbräuche auszumerzen, so 
scheint doch auch die Fixirung einzelner zweifelhafter Rechtsaätze 
und namentlich die Anerkennung einzelner Rechtsbestimmungen, 
die in verschiedener Weise in den einzelnen Theilen des früher 
getrennten, nun verbundenen Sachsen galten, einen Einflufs dabei 
gehabt zu haben'). 

1) Dies dftrfte auch Gaupp einr&umen trotz seiner Erörterung , Recht 
und VerfSMSung der alten Sachsen p. 63. 

*) Vgl. im Allgemeinen Gaupp Recht und Verfassung der alten Sach- 
sen p. 57. In einzelnen Capiteln tritt ein unverkennbarer Einfluls des frän- 
kisohen Gesetzgebers hervor; vgl. z. B. die Bestimmungen über Plagium in 
c 20, die mit dem Inhalt der Lex Salica tit. 39 ed. Merkel Nov. 115 auffal- 
lend ftbereinstimmen. Ueber das Verh&ltnÜs der Lex Saxonum zur Lex Ri- 
puariorum vgl. Beilage III. 

') Vgl. Cap. 47. 48 ftber das Recht bei der Dos und Errungenschaft 
in Westfalen, Engem und Ostfalen. Widukind von Gorvei I c. 14 sagt mit 
Btkcksicht auf die Lex Saxonum: ,,de legum vero varietate nostrum 
non est, in hoo libeUo disserere, cum apud plnres inreniatur lex Baxo- 
nica diligenter descripta.** Fertz Script. 3 p. 424. 



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360 

Erschien nun aber die Ab&ssiuig eines Gesetses, wie es die 
Lex Bsxonnm ist, König Karl innerhalb des Zeitraums von 777 
bis 797 als zweckmsrsig, so spricht das Meiste für das Jahr 785. 

Vor 785 kann, erörterte ich, die Anfaeiohnnng nicht wohl 
vermnthet werden: etwa am 777 ist der Erlafs der Capitnla de 
partibns Saxoniae zu setzen; 783 bis 785 war die Möglichkeit 
zur Abfassung der Lex Baxonnm wegen der offenen EmpOnmg des 
Landes nicht vorhanden; mit der vollstSndigen Unterwerfug 
Sachsens im Jahr 785 war sie gegeben. Dann aber scheint es 
wahrscheinlicher, daft König Karl, wenn die Veranlassung zum 
Erlafii eines Gesetzes vorhanden war, dasselbe alsbald im Jahre 786, 
wa er die Sachsen zahlreich auf dem Reichstage zu Paderborn 
um sich versammelt hatte, erlassen hat, als dafs er es in einem 
der nächsten folgenden Jahre that, in denen ihn auswärtige Kriege 
beschäftigten; und anzunehmen, dais es vor 792 geschah, scheint 
rathsam, da der König während des offenen Aufstandes des ganz^ 
Landes von 792 bis 797 ein Gesetz nicht erlassen haben wird, 
welches sich wie die Lex Saxonum mit einer Reihe von privat- 
rechtlichen Verhältnissen, z. B. mit Festsetzung des abweichenden 
ehelichen Güterrechts von Westfalen, Engern und Ostfalen be- 
schäftigt. Obenein spricht fUr eine etwas frühere Abfiusnng der 
Lex, dafs König Karl bereits im Jahre 797 ihren Inhalt durch 
das Gapitulare Saxonicum mehrfach wieder abänderte. 

Führen derartige allgemeine Betrachtungen dahin, an eine 
Abfassung der Lex Saxonum um das Jahr 785 oder bald nachher zu 
denken, so unterstützen dies Resultat die auftauenden üebereinstim- 
mungen zwischen manchen Bestimmungen der Lex Saxonum und 
des zweiten Theils der Lex Frisionum^), dessen Abfassung um 
785 anzunehmen mir geboten scheint*). 

I) Ein Beispiel bietet Lex Saz. c. 19 und Lex Fris. XX, 2. N«ch beiden 
Stellen wird mordhtot mit neunfachem Wergeid gebtübt ; Tgl. oben p. 248 — 26 1 . 
Zu beachten sind auch die Bestimmungen beider Gesetse über die Zwölf- 
Sehillings-BufBe» vgl p. 347. 

S) Kine n&here Uebereinstimmung der Lex Saxonum mit dem iweiten 
Theil der Lex Frisionum ist unl&ugbar. Dieser fUlt aber jedenfalls nach 
776, dem Jahr der Unterwerfung des ostlaubachschen Friesland ond Tor 



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861 

Bine spStere üeberarbeitnng der Lex Saxonnm nm 802 m 
Btatairen und eine solche mit Merkel in dem Heroldschen Text 
derselben sa findeni ist nach dem p. 98 — 100 Angeführten nicht 
statthaft'). Die ganze Lex ist vor dem Capitnlare Saxonicnm von 
797 erlassen^ dnreb dieses mehrfach abgeändert worden, nnd einige 
Znsltse am Schlüsse des Textes der Lex Saxonnm bei da Tillet 
nnd in der Gorveier Handschrift') sind nicht Zeichen einer spX- 
teren Recension der Lex, sondern rühren von den Schreibern der 
beiden Handschriften hery die ans dem Capitnlare von 797 in 
nicht mit einander übereinstimmender Weise einige Sätze bei- 
fngten. Dagegen, dafii wir keinen nm 802 überarbeiteten Text 
der Lex Saxonnm besitzen, sprechen auch die verschiedensten 
anderen Gründe, z. B. dafs in derselben Karl der OroCie nicht 
Imperator sondern stets Rex genannt wird (vgl. Gaapp Recht nnd 
Verfassung der alten Sachsen p. 45). Mag man hierin keinen ab* 
solnten Beweis dafür finden wollen, dafs die Lex vor 800 verfafst 
ist; die Thatsache wird neben den anderen Gründen immerhin 
als beachtungswerth erscheinen*). Ferner spricht gegen 802, da& 
in unserem Text der Lex Saxonnm nur von Westfalen, Engem 
nnd Ostfalen die Rede ist, nicht auch von Northelbingi oder 
Nordlendi, d. h. von Sachsen aus dem heutigen Holstein^), da in 

die Abfassung des dritten Theils der Lex Frisionum, der um 802 gesetzt 
werden zu müssen scheint, Tgl. p. 342. 347 Note 2. 353. 

^) Für unerheblich halte ich es, wenn einzelne Stellen der Lex Saxonum, 
ohne dafe die Yorhandenen Handschriften und Texte irgend dafür einen Anhalts- 
punkt geben, für jüngere Zusätze erklftrt worden sind , weil ihr Inhalt einer 
beatinunten Meinung über das älteste s&chsische Recht nicht entspricht, deren 
Bichtigkeit sich nicht erweisen Ufst. So erklärt s. B. Beseler Erbverträge 
1835 1 p. 59: ^Was im $ 2 Tit. 15 (d.i. c 62} sich findet: praeter ad ecole- 
dam Tel regi, halte ich unbedingt für einen Zusatz, der jünger ist ab die 
erste Bedaction des Gesetzes; nur gegen die Eirehe konnte damals jene 
Beschränkung der Vergabungen gerichtet sein.^ Dafs Beseler obendrein die 
Stelle milsTerstanden hat, zeigt Zimmerle Das deutsche Stammgutssystem 
1867 p. 42. 

>) Vergleiche über sie S. 26 — 47. 

*) Gegen Falck Encyklopädie $ 112 vgl. Gaupp Recht der alten Sach- 
sen p. 46 und Stobbe Rechtsquellen 1 p. 191. Vgl. anch oben p. 337. 

^) Vgl Helmold I c. 26: „Terra Nordelbingonim, quae determinator 



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362 

dieser Zeit jene Gegenden dem MnkiBchen Reich nnterworfen 
waren und aasdrUcklich erwähnt wird, dafs im Jahre 798 MlBSi 
König Karls dort Gericht hielten. Ein weiteres Argument fttr 
frühere Abfassang der Lex liegt darin , dafs bei der Bestimmung 
der Lex Sax. c. 23, Todesstrafe solle stehn anf Tödtang eines Kireh- 
gSngers an den Sonntagen und den sieben gro&en Festen: Ostern, 
Pfingsten, Weihnachten, S. Mariae, 8. Johannis des Tfiufers, S. Peter 
nnd 8. Martin, nicht mehr Feste aufgeführt werden, da namentlleh 
bereits im Jahr 799 nach den Statut Salisburg. Mon. Germ. Leg. 1. 
p.80') im fränkischen Reich yier Marientage gefeiert wurden'). Fttr 
die Zeit bald nach 779 läfst sich auch geltend machen die den 
Capitnla de partibus Saxoniae fremde Unterscheidung der Lex 
Saxonum c. 21. 22 zwischen mit oder ohne Bewufstsein falsch 
geschworenen Eiden, die zuerst von Karl dem GroiBcn durch ein 
Gapitulare von 779 eingeführt war, vgl. oben p. 236. 

Der einzige Grund, der speciell für Abfassung der Lex Saxo- 
num im Jahre 802 angeführt wird, ist, dafs die Annales Lauria- 
hamenses und Einhards Vita Karoli berichten, Kaiser Karl habe 
im October jenes Jahres die verschiedenen Volksrechte seines 
Reichs, soweit sie ungeschrieben, aufzeichnen, sonst revidiren 
lassen. Diese Angabe kann gegenüber den aus der Lex Saxonam 
selbst sich ergebenden Grlinden für Abfassung derselben in einer 
früheren Zeit nicht ins Gewicht fallen und um so weniger ent- 
scheiden, als eine Betrachtung der einzelnen deutschen Volksrechte 
zeigt, dafs jene gesetzgeberische ThMtigkeit Karl des Grofsen 
ums Jahr 802 nur von einer geringen Ausdehnung gewesen sein 

in tres popaloa: HoUatos, Starmarios et Thetmarchoa.'' Dafs sckon im 
Jahre 782 sich die Mission Willehads bis nach Dietmarschen. er streckte, be- 
weist die Nachricht, dafs bei dem allgemeinen Aufstand der Sachsen in 
diesem Jahre daselbst der Kleriker Atreban erschlagen wurde; vgl.. oben 
p. 160. 

^) lieber die Statut. Salisburg. und das Jahr ihres Erlasses handelt 
Merkel Mon. Germ. Leg. 4 p. 248, der sie auch daselbst p. 474 wieder hat 
als Additio sexta sur Lex Baiuwariorum abdrucken lassen. 

*) Zu rergleichen sind die Zusammenstellungen über Kirchenfeste im 
fr&nkischen Reich bei Bettberg Kirohengesehichte 2 p. 790; doch durfte 
wohl noch N&heres darüber su ermitteln sein. Vgl. auch oben p. 285 Kote 2. 



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853 

kann nnd wir bei keinem elnsefaien Volkareehte naehweieen kennen, 
daft es damals an^^eieiehnet sei '). Von den Geeetien der saiisehen 
und ripuariaehen Franken aagt Binhard aoBdrttcklieh, dab bei 
ihnen die Ton Karl beabeichtigte Revision nicht an Stande ge* 
kommen sei'), nnd er sich auf einige Znsätse zu ihnen besehrXnkt 
habe. Dies stimmt mit den uns erhaltenen Capitula qnae in lege 
SaKea mittenda sant (Mon. Germ. Leg. 1 p. 112) und Capitula 
qnae in lege Ribnaria mittenda sunt (Mon. Oerm. Leg. 1 p, 117) 
vom Jahre 803 ttberein, die uns einige Abänderungen des saiischen 
und ripnarischen Oesetses angeben, wie wir sie nach jenen An- 
deatangen Einhards erwarten müssen. In Xhnlicher Weise besitaen 
wir sur Lex Baiawariornm in das Jahr 803 gesetzte Capitula qnae 
ad legem Baioariorum domnus Karolns» Imperator addere iussit 
(Mon. Oerm. Leg. 1 p. 126). Von der Lex Alamannorum erseheint 
der in den jttngeren Handschriften erhaltenci von Merkel als eine 
Lex Alamannorum Karolina bezeichnete Text in keiner Weise 
als eine wirkliche neuere Recension der Lex, so wenig dies der 
Fall ist bei den in Handschriften der Karolingerzeit erhaltenen, 
mit einigen Zusätzen ausgestatteten Texten der Lex Satica und 
der Lex Ribnaria. Mithin bleibt nur noch die Lex Thuringomm 
und Lex Frisionum in Erwägung zu ziehen. Was die erstere an- 
betrifit, so fehlt es an bestimmten Kennzeichen für das Jahr ihrer 
Aufzeichnung, obwohl mir Vieles dafür zu sprechen scheint, dafs 
dies am Schlnfs des achten Jahrhunderts geschehen ist (vgl. Bei- 
lage V.). Reelle Gründe lassen sich dagegen bei der Lex Fri* 
sionnm dafür geltend machen, dafs sie 802 einer Revision unter- 
worfen, und dafs damals der dritte Theil derselben oder die Ad- 

') Vgl. Stobbe Recbtsquellen I p. 21 und Waitz Verfassungsgesdilchte 
3 p. 196. 516. . 

*) Einh. ▼. KaroU c. 29: ^Post susceptnm imperiale nomen cum ad- 
rerteret, mvlta legibus popvK soi deesse — nam Franei duas habent leges 
in plurimis loci« valde diversM — cogitavit, quae deerant addere ei disere- 
pantia unire« prava quoque et perperam prolata corrigere. Sed de bis nihil 
aliud ab eo factum eat, nisi quod pauca capitula, et ea inperfecta, legibu» 
addidU, Omnium tarnen nationum, quae sub eins dominatu 
erant, iura, qnae scripta non erant, describere ac litteris man- 
dari fecit.^ Mon. Qeim. Script. 2 p. 458. 



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364 

ditio ver&fst worden ist. Vor dem Jahre 775 ^ in welefaem das 
^etiiohe Friesland saerat den Franken nnterworfien wurde, kaim 
der zweite TlieH der Lex Frisionnm nioht verfaiat sein; ich eetie 
ihn in das Jahr 785. Den Inhalt des ersten und zweiten Theiks 
der Lex berichtigt nnd vervollständigt die Additio; somit rniib 
sie nach 785 entstanden sein. Für das Jahr 802 speciell ist an* 
tat Uhren, dafs bei Aufzeichnung der Additio die Sapieates Wnle- 
mar und Saxmund thätig waren, indem sie die eimefanen Sitae 
der Additio den älteren Theilen der Lex hinznfligten, oder wie 
die Worte der Additio sagen, „haee iudioia . . • dietaverunt* 
(Add. III, 59; iudic. Wulemari), „haec addiderunf« (Lex II, 10), 
„dicont" (Add. III, 76); ein Verfahren, welches mit demjenigeB 
völlig übereinstimmt, daa Kaiser ELarl nach den Ann. LanriBham. 
802 auf dem Reichstage zu Aachen bei Revision der Gesetae 
eintreten liefs, indem sie ausdrücklich dabei den Sapientea der 
Lex Frisionum gleich zu stellende Legislatores erwähnen'). Sie 
beriditen: „imperator . . . congregavit dnces comites et reliquum 
christianum popnlum' cum iegiskUorilms et fecit omnes leges in 
regno suo legere et tradere unicuique homini legem snam, et 
ßmendare^ ubioumque necesse Juit ei emßndaiam legem ser^ere.'^ 
Dafür, dafs die Additio unter Karl dem Qro(sen aufgeieiclm^ 
ist, sprechen die verschiedensten in ihr enthaltenen BestimmnngeB. 
Ich hebe namentlich hervor, dals in der Additio das Wergeid 
des Freien, welches im zweiten Theil der Lex um 785 verdoppelt 
worden war, eine Verdreifachung erfUirt, und dafis es durch die 
dabei herbeigeführte Steigerung auf 160 Solidi g^eioh^ Betimg 
erhält mit dem Wergeid der Sachsen, Baiem und Alamannen, 
vgl. Beilage IV. Eine gewichtige Bestätigung für die Abfassung 
der Additio unter Karl dem Orofsen gewährt die Lex Ripuario- 
rum, wenn wir als feststehend annehmen dürfen, dafs der Titel 36 
derselben, welcher wie den anderen genannten Völkerschaften den 
Friesen dies in Friesland erst durch die Additio eingefUhrte Wergeid 
von 160 Solidi zutheilt, noch unter Karl dem Grofsen, wie Pertz*) 

') N&heres siehe Mon. Germ. Leg. 3 p. 050 ff. 

*) Auch die Untersuchungen tob Sohm in Budorff ZettBchrift ftr 
Bechtsgeachichte 1866. 5 p. 467 führen ihn xu demselben Beeolteto: »Das 



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866 

ans haadsohritUi^b«!! VergMehnngen era>lttett hat, der L«x ein- 
gefügt ist»). 

bandschriftliche YerhAltniia'', bemerkt er, „spricht sogar positiv gegen eine 
Entstehung onsres Titels (36) nach 803. Die Manchener Handschrift der 
Lex Rihuaria, anscheinend die Älteste von den uns überkommenen, „Tom 
Ende des 8. oder den ersten Jahren des 9. Jahrhunderts^ (Ports, Archiv 
7 p. 735) hat Bib. 36 sehon rollst&ndig, insbesondere auch jene Wergeid* 
besiimmungen. Die einige Abweichung, welche sich hier findet , deutet 
gerade auf eb verhältnifsm&rsig hohes Alter des citirten Titels.^ Sohm glaubt 
nach Yergleichung der durch sp&tere Correctnr in den Mfinchener Codex 
hineingekommenen Worte mit denen anderer Handschriften nachweisen lu 
können, da& der spfttere Text des Mtnohener Codex, der mit unseren Ans« 
gftben ttbereiMtimmty nieht nach Karl dem Grofsen entataBden sein kann. 

*) Schon in der Einleitung zu meiner Ausgabe der Lex Frisionum 
Mon. Germ. Leg. 3 p. 650 habe ich ausgeftlhrt, dafs es verwerflich ist, wenn 
einzelne Aeltere und neuerdings de Geer in Nieuwe Bljdrage vor Hegts- 
geleerdheit 15, 2 p. 181 die Additio legis Frisionum ftir eine Privataufzeioh- 
nung halten. Wie frflher nach Lex Fris. tit YH durch ein Ediofeum regis ftr 
«tnzehie F&Ue eine YemelfiÜtigung des Wergeids eingeführt wurde, se glaube 
ich Annehmen zu müssen, daCs die in der Additio allgemein ausgesprochene 
Yerdreifachung des Wergeides , mit dem die Yerdreifachung der Wunden- 
bufsen in unmittelbarem Zusammenhang steht, ebenfalls auf dem Wege der 
Gesetzgebung eingeführt ist. Eine Yerdreifachung der Wergeids - und Buls- 
Gfider dnreh Gewobnheiterecht erscheint mir an sich schwer glaubhaft^ fht 
gradeau umm^glich aber in einer so kurzen Zeit, ab es hier geschehn sein 
müfste, da eine Yerdoppelung des Wergeides erst 785, dessen Yerdreifachung 
aber noch unter Karl dem Grofsen erfolgte, wie im Text erörtert wurde. 
Aber auch dafür kenne ich nicht den geringsten Grund, dals die Addido 
als eine Privatarbeit abgefalst worden sei, um die etwa vorher gesetzKoh 
auagesproeheiie Yerdreifachung der Bufien in den einleben F&Ueft speeieU 
I zu verzeichnen. Nach einer genaueren Zusanunenstellung s&mmtlicher Bulsen 
der Additio mit de»en der übrigen Lex Frisionum vermag ich in der Ad- 
ditio nur den Act eber systematischen Umbildung der früheren Buisen zu 
erkennen« Der Gesetzgeber hielt die b Friesland geltenden Bufsen für zu 
niedrig im Yergleich zu denen anderer deotsdier Gegenden und erhühte sie 
prinzipiell mk Küeksieht auf die einzeben Yerhidtnisse. Wfthrend er b der 
Additi» neben der Yerdreifachung des Wergelds die Yerdreifachung emmt 
Beihe einzeber früher bestehender Buisen deeretirt, setzt er in Fällen, Wo 
es ihm schobt > ale eb dadurch ebe den Yerhähnissen nicht entspreebeade 
BnCMumme entstehn würde, Abweichendes fest. Ohne Erhöhung erkennt er 
•nanahflliweise die alte Bulbe für Durslegi (Uz JXU, 3 und Add.IY, 1) and 
Betohnnng für Bettanf aus dem WasMr (Lex XXU, 87 und Add. HI, 67) an, 



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866 

Berechtigen uns nach Alledem die Apgaben |lber das Jahr 
802 in keiner Weise die Abfassung der Lex Saxonnm ins Jahr 802 
zu setzen, so besitzen wir auch keine anderen gesetzlichen Be- 
stimmungen, durch die Karl der Grofse damals, wie er es 797 
durch das Capitulare Saxonicum gethan hatte, den Inhalt derselben, 
entsprechend den Worten jener Angaben ergänzt oder modificirt 
hätte, da die Fragmente zweier auf Sachsen bezüglicher nnda* 
dirter Capitularien, die uns erhalten sind, schwerlich diesem Jahre 
angehören dürften. Aus dem einen dieser Capitularien sind zwei 
Capitel von Ansegisus als Capitel 34 und 35 in den zweiten Ap- 
pendix seiner Capitulariensammlung, der die Ueberschrift trägt: 
.,Capitnia domni Karoli Imperatoris mnndana*^, aufgenommen, aua 
dem anderen einige Stellen in der Spangenbergschen Handschrift 
der Lex Saxonum excerpirt. Die Abfassungszeit der beiden ersten 
Capitula setzt Pertz Leg. 1 p. 170 ins Jahr 811 und hält sie ihres 
verwandten Inhaltes wegen für Bestandtheile eines von ihm jenem 
Jahre zugeschriebenen und Capitulare de exercitalibus bezeichneten 
Capitulars, während Boretius, wie ich schon oben p. 11 anführte, 
vermuthet, sie möchten einem verlorenen Capitulare für Sachsen 
entnommen sein, dessen Zeit er nicht näher bestimmt. Dafs die 
beiden Capitel von Karl dem Orofsen herrühren, bezeugt die an- 
geführte Ueberschrift des Ansegisus; mit ihr steht in Ueberein* 
Stimmung, dafs die in einem jener Capitel erwähnte Kreuzesprobe 
in einem Capitulare Ludwig des Frommen von 817 (Capital. 
Aquisgran. ad episcopos c. 27, Mon. Germ. Leg. 1 p. 209) unter- 
sagt wird; und sie nach 800 zu setzen, nöthigt die Bemfong auf 

yerdreifiEichi dagegen eine geringere als die alte Bufse Ar Dnrohliaaen einer Ribbe 
(Lex XXn, 23 u. Add. DI, 29), Naaenirand (Lex XXU, 6 u. Add. HI, 11—13) 
und Kinnbacken (Lex XXII, 18 n. Add. III, 14), eine höhere Bube als die alie 
fOr Abschneiden des Bartes (Lex XXII, 17 n. Add. Ol, 17), und Übt atatt der 
verdrei&chten Wundenbolae eine TerdreifiMshte Weigeldquote euitreten. In 
letBterer Beaiehung «etat Add. III, 10 bei Verlnai der Nase an die Stelle rom 
24 (d.L 2 X 12) SoUd. 3 X V. Wergeid (d.L 3 X 26V, SeL), Add.IU,8 bot 
Taubheit sUtt 18 (d.L 1 V, X 12) Sol. 3 X */( WeigeU, Add.m, 8 bei Stamm« 
heit statt 24 (d. L 2 X 12) SeL 3 X 1 Wergeid (d. L 3 X 53'/, SoL). Lets- 
teres stinunt Überraschend mit Lex Saxonum o. II, wo Terlust der Naae 
und Taubheit durch Schlag auch mit dem halben Wergeid geblUbt wird. 



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357 

das Praeceptam domni imperaioris in dem anderen derselben. 
Jüngeren ürsprangs dürfte das zweite verlorene Capitulare sein. 
Die oben p. 6 aus ihm zusammengestellten Excerpte enthalten 
Bestimmungen ttber Anwendung des territorialen Rechts statt des 
persönlichen. Und ich glaubte (s. p. 16) dasselbe in die Mitte des 
neunten Jahrhunderts herabrttcken zu müssen, indem ich die durch 
sie eingeführte theilweise Ausschliefsung der Anwendung des gel- 
tenden persönlichen Rechts in Sachsen und dessen ältestes ander- 
weitiges Vorkommen im Jahre 864 berücksichtigte. 



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BEILAGEN. 



Beilage L 
Silber und KvhgeUL 

Za weit würde es mich führen, den Ursprung der TremiaBis') 
hier näher in Erwägung zu ziehen , von denen je 2 oder 3 unter dar 
Bezeichnung Solidus in Sachsen und Friesland am Schlufs des achten 
Jahrhunderts zusammengefafst wurden, und in denen ich eine rOmiscbe 
Silbermünze meine vermnthen zu können, während im fränkischen Reich 
Goldsolidi eingeführt worden waren*). Nur einige Bemerkungen will 
ich mir erlauben gegen eine hier einschlagende, früher mehrfach an- 
geregte Hypothese, die neuerdings Dr. Ad. Soetbeer in den Forschungen 
zur Deutschen Geschichte (Göttingen 1861) 1 p. 210 verfochten hat, da 
sie mehrfach Zustimmung gefunden bat*). Nach ihr soll im ältesten 
Deutschland eine ^wohnliche gesunde Milchkuh als Wertheinheit und 
Maafsstab gegolten haben, und soll später aus dem durch sie reprft- 

• 

') Dafs die Lex Frisionum für TremisBis auch den Ausdruck Denariiu 
yerwendet, habe ich ausgefthrt Monumenta Germaniae Leg. 3 p. 650. Die 
Lex Saxonum c. 36 erwfthnt Denarii; und das Capitulare Sazonioum ron 
797 c. 11 bedient sich dieses Wortes zur Beseiohnung des fränkischen 
Denar, Tgl. oben p. 41. 

*) Im Allgemeinen sind die oben p. 47 angeführten Erörterungen über 
Mfinze ron Wilda, J. H. Müller, Waitz und Soetbeer zu vergleichen. In Be- 
treff der für den Ursprung der sllcbsischen und friesischen Tremisees spe- 
ciell in Erw&gung zu ziehenden römischen Münzen, ron denen namentlioh 
der Antoninianus und das Milliarense in Betracht kommen, hat man Tor 
Allem die einschlagenden Ausführungen von Mommsen Geschichte des rö- 
mischen Münzwesens (Berlin 1860) p. 782- 790, 853, 896—900 zu vergleichen. 

*) Vgl. Schlegel zur Gragas, Wilda Strafrecht p. 333. 339, Weinhold 
Altnordisches Leben p. 51 ff., Waitz Verfassungsgesehichte 1 (2. Aufl.) p.412. 



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369 

sentirteii Weitb der deutsche Solidue (Sohilling) heirorgegangen Bein. 
Dagegen q>richt, meine ich» nioht nur die ganze Art und Weise, in 
der in Saohsen nnd Frieeland der Solidus in den ältesten Quellen auf- 
tritt, sondern aach die Werthsätze sind dafür nioht gflnstig, die sie 
für Sinder, Schaafe, Roggen, Hafer und Honig aufstellen, fQr den Fall, 
dafs diese Gegenstände an Stelle von Geld in Zahlungen gegeben wflrden. 
Dafs in den in unsere ältesten deutsehen Rechtsquellen aufge- 
nommenen Tarifen das edele Metall bereits überall zum Werthmesser 
der ländlichen Erzeugnisse dient, will ich nicht gegen Soetbeer gel- 
tend machen^). Sollte aber aus den aufgestellten WerthsäUen ein 
Rackschlnfs auf den behaupteten Zustand in einer früheren Zeit mög- 
lich sein, nnd ans ihnen irgend ein reeller Anbaltspunct für jene Hypo- 
tiiese erwachsen können, so müfste in ihnen eine Reduction der ver- 
schiedenen ländlichen Erzeugnisse auf eins von ihnen sich zeigen, ins- 
besondere aber eine übereinstimmende Schätzung des einen vermeint- 
lichen Werthmessers in edlem Metall, und ein gleiches Verhältnifs der 
anderen Producte zu ihm, sichtbar sein. In den oben für Sachsen zu- 
sammengestellten Werthsätzen von ländlichen Producten findet sich 
nichts, was einer solchen Anforderung entsprechen könnte; für Rinder 
enthalten sie folgende Ansätze: 

1 sächsischer Solidus (= 2 Tremisses) = 1 einjähriges Kalb (p.32 

Nr. 3). 
1% sächsische Solidi (= 3 Tremisses) = 1 ein nnd % Jahr altes 
Kalb (p. 32 Nr. 3). 

2 Bäehsische Solidi (s= 4 Tremisses ) = 1 vierjähriger Ochse (1. Saz. 

c. 83 u. p. 44 Nr. 6). 
2% Bächsische Solidi (= 5 Tremisses) = 1 Pflugstier (p. 44 Nr. 6). 
2V, sächsische Solidi (= 5 Tremisses) = 1 Kuh mit ihrem Kalbe 

(p. 44 Nr. 6). 

3 sächsische Solidi (= 6 Tremisses) = 1 guter Ochse (p. 44 Nr. 6). 

Dafs hier die Kuh, die zu 2% sächsischen (oder 1% fränkischen) So- 
lidi gerechnet ist, und d^ren obendrein der alte Text der Lex Saxo- 
num mit keiner Silbe gedenkt, nicht als Werthmesser aufgefafst werden 
kann, leuchtet ein*). Aber auch die Stellen anderer deutscher Volks- 

1) Das Factum räumt Soetbeer a. a. O. p. 214 selbst ein. 

>) Wenn Soetbeer p. 216 einräumt, dafs vielleicht in Saohsen statt 
einer Kuh ein Oohae den Werthmesser gebildet habe, so zeigt dies das Un- 
sichere seiner ganzen Hypothese. 



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86 

rechte, die Soetbeer ffir seine lidnang anführt, gewihien ihr keine 
Stütze, da sie nichts besagen, als dafe in Ripoarien aad Burgnnd ein 
Ochse za 2 Solidi, eine Kuh zu einem Solidns geschätzt war>). Und 
selbst die isländische Gragas, die Soetbeer ffir entscheidend hält, 
scheint mir nichts beweisen zu können, da eine in der ältesten Hand- 
schrift derselben enthaltene Stelle ausdrücklich erzählt, dafe zar Zeit, 
als Island noch heidnisch war, alle grölseren Sehuldfordernngen mit 
Silber bezahlt wurden, welches so geschlagen gewesen sei, dafs 60 
Pfenninge eine Unze wogen und hiefsen. Das Hundert Silber (d. i. 
120 Pfenninge) war aber damals, fährt die Stelle fort, gleich gesetat 
4 mal 120 Ellen Wath-mal (Wollenzeug), so dafs eine halbe Mark 
Wathmal (d. i. 4 Unzen zu je 60 Ellen) einer Unze Silber (oder 60 
Pfenningen) gleich kam*). Nach dieser Angabe wurde in Island, wie 

') Xach Lex Ripuar.36, 11 (s. oben p.32) soll beimWergeldfahlen ange- 
nommen werden: ein gesundes Bind zu 2 Solidi, eine gesunde Kuh su 1 So- 
Udus, ein gesundes Pferd zu 6 Solidi, eine gesunde Stute zu 3, ein Schwert 
u. s. w. Nach Lex Burg. 4, 1 gilt ein vorzügliches Pferd 10 Solidi, ein mittel- 
maCsiges 5 Sol., eine Stute 3, ein Rind 2, eine Kuh 1 Sol. Nach Lex 
Alam. 78: „de pretio bovis: optimus bos 5 tremisses valet, medianus 4 tre- 
misses valet, minor sicut adpretiatus fiierit'^ Pertz Leg. 3 p. 160; und wenn 
Jemand in einer Heerde von einem Stier und 12 Kühen den Stier tödtei, so 
zahlt er nach c. 76 ft\r den Stier drei Solidi, {fir die „optima vacca 4 tremisses*' 
und für eine „alia sequenteriana solide uno", ebenda 3 p. 72, 159; die Buisea 
bei Pferden verzeichnet c. 69. 70. Diese Stellen berechtigen eben so gnt in 
einem Pferde als in einem Binde den Werthmesser zu suchen; sagt doch 
aueh Tacitus Germania c 12 von den Germanen: „equonua peooramqne nu- 
mero convicti mulctantur,^ und c. 21 : „luitur homioidittm certo armentomm 
ac pecorum numero." Niemand bezweifelt, dafs bei den ältesten Deutschen 
vielfach landliche Producte getauscht sind, und dafs auch mit ihnen bexahlt 
worden ist. Die Streitfrage ist nur : hatten sie vor dem edelen Metall einen 
anderen bestimmten Werthmesser. Und daftlr beweisen die beigebrachten 
Stellen nichts. Auch die zahlreichen unter einander abweichenden Werth- 
Schätzungen von Vieh und anderen Undlichen Produeten in alteren sächsi- 
schen Urkunden sprechen dagegen, dafs jemals ein Bind als Werthmeeser 
benutzt sei. 

•) Die betreffenden Worte der HandschrifV der Gragas in der könlgl. 
Bibliothek zu Kopenhagen cap. 245 lauten: „Fra silfrgang. I than tid er 
cristni com ut hingat til Islandz, gecc her silfr i allar storsculdir; bleict 
silfr, oc seylde halda scor, oc vera meire late silfrs, oe sva slegit at LX. 
penninga gerthe eyre vegin, oc var tha allt eitt talit oe regit. That rar 
jafh micit fe callat C silfrs sem Uli hundrod oc XX. alna vadmala, oc raid 



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361 

in übrigen Korden, ein Stfick des ganglmren WoUenstoffBe (arsprftng- 
lich ein grofsee Hondert von Ellen) nach dem abgewogenen Metall 
geaebitzt nnd als Zablongamittel neben demselben Tenrendel; nnd 
wnrde ferner, wie eine andere Anfseichnnng in derselben Handscbrift 
clor Gragas zeigt, eine Hilcbkub nacb ibm gescb&tat und das Werth- 
verhält^ils des anderen WirtbschaftsYiebes in derartigen Eabwerthen 
angegeben^). Bediente man sieh in Folge dessen später in Island 
neben dem Metall, wie auch anderwärts im Norden dieser Sarrogate'), 

tba at halfri mOre Tadmala eyrir^ Gragas udg. af Y. Finsen. 1860. 2 p. 162. 
In der Arnaemagnaeaaischen Handschrift der Gragas fehlt die Stelle; Sohlegd 
1 p. 500 hat sie ans der königl. Handschrift in den Kaupabalkr als cap. 84 
eingeechohen. Ich flbersetse sie: ^Vom Silberumlaof. In der Zeit als das 
ChristeBthnm nach Island gebracht wurde, war das Silber gangbar in 
allen grofsen Zahlungen; bleiches Silber, und sollte einen Ein- 
schnitt aushalten, nnd sum gröfseren Theil reines SUber sein und so ge- 
schlagen, dafs 60 Pfenninge eine gewogene Unze machten, 
uad es war da gesahlt und gewogen. Alles eins. Das war ein gleich 
groiaes Gut genannt: ein Hundert Silber und 4 Hundertundcwan- 
sig Ellen Wathmal, und wurde da zu einer halben Mark Wathmal die 
Unze.*" Vgl. Gragas ed. Finsen c 221 (Schlegel 1 p. 329). — Unter dem 
„ein Hundert Silber^ verstehe ich „ein grobes Hundert (d. L 120) Pfenninge 
SQber,^ von denen vorher die Bede gewesen ist (nicht 120 Unzen Silber); 
diesen Hundert, d. i. 120 Pfenningen Silber werden 4 Hundert (auch ^ofse 
Hundert d. i. 120) Ellen Wollenstoff gleiohgerechnet; oder anders ausge- 
drückt: es waren 120 Pfenninge Silber = 4 X 120 Ellen WoUenstoff; und 
somit, indem man halbirt, auch 60 Pfenninge Silber (d. i. eine Unze SUber) 
SS 4 X 60 (d. h. 4 Unzen oder V. Mark) Ellen W<^enstoff, wie es die 
Sohlulsworte der angefahrten Stelle der Gragas ausdrlVcken. Für unstatt- 
haft halte ich es, wenn Dietrich in Haupt Zeitschrift 1856. 10 p.234 „lY 
hnndrod oc XX alna" durch 24 hundert Ellen übersetzt, und daran# seine 
Erklärung des nordischen Hundert Silber und der Berechnung des Wathmal 
stützt. DaCs in nordischen Quellen, wie Dietrich geltend macht, gesagt wird 
„4 menn ok 20" für 24 Männer, rechtfertigt seine Uebersetzung nicht, da 
dem analog in der Gragas nur stehn könnte „4 hundrod alna oc 20." 

^) Die Angaben der Taxwerthe, unter denen auch die über die Euh- 
wertbe stehn, finden sich im königl. Kopenhagener Manuscript der Gragas 
hinter c. 246, siehe Gragas ed. Finsen 2 p. 192; im Amaemagnaean. Ma- 
nuscript der Gragas fehlen sie. Sohlegel 1 p. 500 hat sie willkürlich in den 
Kaupabalkr cap. 85 eingeschoben. Vgl. über die isländischen Kuhwerthe 
Wilda p. 324 und Weinhold Altnord. Leben p. 52. 118. 

^ Andreas Sunessons sagt in seiner Ezpositio iuris Scanici II c. 48: 



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362 

80 bildete doeh das gewogene Silber die Grundlage bei dm Sdifttzmi- 
geo; sowohl das Wathmal als das Kngildi (der Enhwerth), waren naeh 
ihm "veranschlagt, und wir sind auch in Island nicht befugt, in einer 
Milohknh die Wertheinheit oder, genauer ausgedruckt, den W^thmeaser 

„ne fraus inten'^emat in pannorum et animalium aestimatione, 
freqnenter in partibus noi^ris supplentinm argenti defectum'^ 
Schlyter Corpus Jur. Sueogoth. 9 p. 279. Das altere norwegiBche Gnlathings- 
lov c. 228 verordnet: ^Nu scal fe skiha at kyr (soll Gut in Kfibeo 
berechnet werden), tha scal hon yaera at holfum thridia ejri 
(su 2'/a Unzen). Nn ef kyr skal gialda, tha scal gialda eigi elri ku cn 
atta yetra (will man mit Kühoi zahlen, so soll man mit keinen alteren 
als achtjährigen)« nema hinn vilt tekit hava; nu scal gialda kyr allar 
heilar at homon oc at hala, at aogum oc et spenom, oc at oUum fotom 
(die Kühe sollen gesund sein). Nu scal gialda (will man sahlen) körn 
00 ysn, oc kyr allar kalfhierar i giold oe i bauga (ftlr Bufsen), g^da 
gall aeda brent silfr i giold ef til er, gialda hesta en eigi marar, 
gradan hest, (Pferde, aber nicht Stuten noch Hengste) etc^ Muncii 1 
p. 75. » Ueber altschwedische Taxwerthe vgl. NordstrOm Svevska FwL 
Hist. 2 p. 383, ftber angels&chsische Schmid Angelsächsische Qesetse 
p. 163 und 363. — Noch im Jahr 1371 wird im Groningerlande vereinbart: 
„quilibet debitor suo creditori per modum qui seqnitur satisfaoere valeat 
complete: scilicet quod modins optimae ac purae avenae pro 24 nummia, 
modiuB ordei non permixti, ac modius fabae, ac bolla butyri, aequaliter 
pro tribus solidis tribnantur'' Fries. Bechtsq. p. 344, 15. Ueber die Zahl dor 
Schillinge, zu denen friesische wed- merk, lein-merk und hreil-merk 
angegeben werden, vgl. Fries. Wörterb. p. 924. 1180. IKirch „Laken*' 
wurde ein Drittel des ostfriesischen Wergeides bezahlt, nach Oatfijes. Landr. 
ni c. 24: „doetslage mach men versoenen up dre tenninen: de erste mit 
gelde, de ander mit beesten, den dorden mit laekenen;^ vgL was 
ich angefthrt habe Mon. Germ. Leg. 3 p. 695 Not. 65 und p. 700 Not. 98. — 
Abgaiben in Leinen und Wollstoffen werden vielfach erw&hnt; unter einem 
Pfund ist bei derartigen Angaben oft kein Gewicht, sondern die Zahl 20 
gemeint, wie z. B. eine Unze Eier 20 Eier bedeutet. Vgl. Urkunde a. 1053 : 
„40 librae argenti frisioae monetae levioris et totidem lanei panni ex 
aerario Bremensis arehiepiscopi annuatim persolvantur** Lappenberg Hamb. 
Urkundenb. 1 p. 76; Bremer Urkunde von 1139: „U pund in panno** Lap- 
penberg Hamb. Urkundenb. 1 p. 150; im Reg. Sarachonis § 101: „pamras 
lineuH, in longitudine habens 16 cubitos et in latitudine 3 ;*' im alten Werdener 
Güterregister: „lineum pallium 6 (und 10) cubitorum" Lacomblet Archiv 2 
p. 225. 226; in Urk. a. 1090 fllr Frekenhorst: „ad vestituram euilibet saaoti- 
moniali disposuimus 10 solides dari, sive in denariis, sive in pannis, aive 
in frumento'' Kindlinger M. B. 2 p. 600. 



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863 

so findeo; dieser wurde wie hi DenteehlMid dnrob das ed^e Metall 
gebildet, ond wenn in Island die Uase als Bezeiehnnng des Geldes 
später nicht mehr mit der Gewiehts-Unse flbereinstimmt, so liegt dies 
in der überall im Mittelalter eingetretenen Verschlechterung des Geldes. 
Auch daran, dais im Norden eine Milchkuh den in Deutschland als 
Solidus bezeichneten Werth ' repräsentirt hätte, ist nicht zu denken. 
Der Ausdruck Schilling oder Solidus ist Oberhaupt den älteren 
nordischen Quellen fremd; dagegen war er bei den Angelsachsen üb- 
lich, aber auch nur als ein Collectivname, wie in Sachsen i) und Fries- 
land. Besonders beachtungswerth scheint dabei, dals in Meroien unter 
Schilling ein Werth begriffen war, der dem einer sächsischen und frie- 
sischen Tremissis gleichkam und durch vier Pfenninge gebildet wurde ^. 



Beilage II. 
OeldwertL 

Eine genauere Beachtung verdient das Sohätzungsverhältnifs der 
einzelnen ländlichen Erzeugnisse in der Lex Saxonum, im Capitulare 
Saxonicum von 797 und den Zusätzen zur Lex Saxonum im Text der 
Corveier Handschrift und bei du Tillet, sowohl zum Silbergeld als 
unter einander; fasse ich die in diesen Aufzeichnungen enthaltenen 
Angaben zusammen, so sind es folgende, indem ich ihnen das fQr einen 

^) Im alten Wordener Güterregister ist allgemein heri-aeilling eine 
Benennung für eine sächsische Abgabe: „plenum heri - seilling^ Lacomblet 
Arch. 2 p. 229. 280: „dimidiam herisoiUing'' p. 228; „4k (6, 8, 12, 16) de- 
narii pro herisoilling^ p. 221->228; „1 komseiUing pro heriBcilling'' p,221; 
„6 modii hordei pro heriscilling'' p. 229; „2 amphorae melliB pro heriseil* 
1mg« p. 228. 228. 

*) Das Pfund Silber Karls des Groben ist ss 20 Solidi = 240 De- 
narii (oder fränkische Pfenninge); in Friesland: 1 Pfund Silber = 20 Solidi 
s: 80 friesiBche Trenuases (oder frieusohe Denarii) as (240 fränkiaebe De- 
nare); in Saehaen: 20 Solidi maiores =s SO Solidi minores (oder Solidi 
Saxonum) = 60 säehsische Tremisses = (240 fränkische Denare) ; in Mer- 
den: 1 Pfund Silber =i 60 scillingan = 240 penningan (vgl. Schmid Ge- 
setie der Angelaaohsen 1858. p. 692. 696); in Wessex: 1 Pfund Silber 
^ 48 sciUiBgaii =s 240 penningan. 



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864 

fränkischen Denar anzunehmende Sflberqnantnm beifüge nnd es in 
preoffliscbem Gelde ansgedrflckt in eckige Klammem einsohliefaeO: 

1 kleiner sachsiacher Solidus = 2 sächsiBche Tremiasen 

(= % fränk. Sol. = 8 fränk. Denar. 
= V,, fränk. Pfund Silber) 
[=etwa22Sgr. 
= 1 einjähriges Kalb [= 22 „ 

der Preis steigt 

beim IVijähr.Kalbeanfiy, Sol. [==lThlr. 3 „ 
beim vierjähr. Ochsen auf 2 SoL [=1 „ 14 ,, 
beim Pflugstier auf 2% Sol. [=1 ^ 25 „ 
bei einer Kuh auf 2% Sol. [=1 „ 25 „ 
bei einem besonders guten 
Ochsen auf 3 Sol. N 2 „ 6 „ 

= 1 Schaaf mit seinem Lamme: 1 Sol. [= 22 , 

= 40 Scheffel Hafer in West£alen [viel- 
leicht 20 preuis. Scheffel*)]: 1 Sol. [= 22 „ 
oder 1 Scheffel Hafer [vielleicht V« preufs. 
Scheffel]: V« Sol. [= 6% Pf. 
s= 30 Scheffel Hafer im nordöstl. Sachsen [viel- 
leicht 15 preufs. Scheffel]: 1 Sol. [=:22Sgr. 
oder 1 Scheffel Hafer [vielleicht '/• preufs. 
Scheffel]: V,. Sol. [= 8V. „ 
= 20 Scheffel Roggen in Westfalen [vielleicht 

10 preufs. Scheffel]: 1 Sol. [=22 „ 

oder 1 Scheffel Roggen [vielleicht Vi preufs. 

Scheffel]: Y.« Sol. [=1 „ IV. , 

>) Die neueren Annahmen über den Werth des sp&teren Denars Karls 
des Grolsen stimmen nicht röllig mit einander ftberein. Meine Bereehnnngen 
fthren ron den Terachiedenen Anhaltspunkten ans von 2 Sübergrosehen 
4 Pfenningen bis su 2 Silbergroschen 9 Pfenningen , wonach der frinkisehe 
Solidus 28 Sgr. bis 33 Sgr. betrug. Mflller Münzgesohichte 1 p. 330 rechnet 
den Denar zu 2% Sübergrosehen, also den frankischen Solidus zu 34*/i Sgr. 
Jetet kommt auch Soetbeer in Forschungen zur deutschen Geschichte 6 
p. 93 zum Besultale, dals 1 Denar sei gleich 2 Sgr. 9 Pf. und abo 1 So- 
lidus = 33 Sgr. — Den obigen Berechnungen ist der Satz: 1 Trenüssis 
SS 11 Sgr. zu Grunde gelegt. 

*) Dafs der preufsische Scheffel ungefMir einem fr&nkischeB Modius g^eh, 
und dieser = 2 altsftchsischen Scheffel gewesen zu sein scheint, s. p. 37. 



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366 

8s 15 Soheffel Roggen oder Qersie im nordösü. 

SacliBen>)[vielleicht'%proal8.ScheffBl]:lSol.[s:22Sgr. - Pf.] 

oder 1 Scheffel Koggen oder Qerste [yiel- 

leicht V, preafs. Scheffel]: V,» Sol. [= 1 „ 5% „ ] 

= IV« Eimer Honig in Westsacbsen: 1 Sol. [=22 „ ] 

= 2 Eimer Honig im nordöstl. Sachsen : 1 Sol. [=22 , ] 

Es springt in die Augen, wie hoch hier das Silber den ländlichen 
Erzengnissen gegenüber gerechnet wird, ein wie geringes Quantum 
von Geld also in Sachsen am Ende des achten Jahrhunderts vorhanden 
gewesen sein mufs. Veranschaulichen wir uns dies nur beim Pflug- 
stier, dem eine Milchkuh gleichsteht, und beim Roggen. Während 
jener, wie die eben gegebenen Zusammenstellungen (Br die Zeit der 
karolingischen Gesetze ergeben, in Sachsen damals 1 Thaler 25 Silber- 
groschen kostete, war der Preis eines karolingischen Hodius, also etwa 
eines preufsischen Scheffels damals in Westfalen 2 Sgr. 2% Pfenninge, 
im nordöstlichen Sachsen 2 Sgr. UV» Pfenninge. Ein solcher Modius 
lieferte nun nach einem Gapitukire Karls des Grofsen vom Jahr 794 
0. 6 Pertz Leg. 1 p. 72: 90 Pfund Roggenbrod. Also kaufte man in 
Westfalen das Pfund Roggenbrod zu 0,29, im nordöstlichen Sachsen 
zu 0,39 Pfenningen, durchschnittlich mithin zu V» Pfenning; wobei ich 
zur Bestätigung anführe, dafs in Soest ums Jahr 1280 aus dem Modius 
Roggen 78 Pfund feines oder 112 Pfund grobes Roggenbrod gebacken 
wurde, und dafs heute ein preufsischer Scheffel etwa 98 Pfund Roggen- 
brod liefert. 

Aber auch das Schätzungsverhältnifs der einzelnen ländlichen Er- 
zeugnisse unter einander ist höchst eigenthümlich. Namentlich wird 
Jedem, der geneigt ist, die damaligen Sachsen als vorherrschend von 
Rindviehzucht lebend zu denken, der niedrige Preis des Getreides 
gegenüber dem des Rindviehes auffallen, indem zur Zeit der sächsischen 
Gesetze ein Pflugstier denselben Preis hatte wie 25 resp. I8V4 Scheffel 
Roggen, während er heute dem doppelten bis dreifachen Roggenquan- 
tnm gleichsteht. Dafs Schaafe verhältnifsmäfsig viel höher angerechnet 
wurden als heute, erklärt sich leicht aus der geringen 2^hl derselben 
und dem Zweck, für welchen sie auf den damaligen Landgütern ge- 
halten wurden. Noch Sachsenspiegel I 24 §.3 rechnet die Schaafe 
neben den Gänsen zur Frauengerade: sie dienen nur, um die im Hause 
verarbeitete Wolle zu liefern. 

^) In den etwas jQngeren ZuB&tien zur hex Saxonum (vgL p. 37) wer- 
den abweichend f&r ganx Sachsen 60 Scheffel Hafer = 40 Scheffel Gerste 
= 80 Scheffel Roggen = 1 SoliduB gesehäUt. 



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866 

SelbBtTentändlidi ist es, so welclMn Wkleraprilelieii m Ähren 
mnllite, wenn Go^rard Poljptyqae de TabM Irminon, Paris 1844, 1 
p. 157, ohne die versohiedenen Gegenden des firftnkischen Reiches la 
nnterscheiden, und ohne die local sehr abweichenden WerthverlütttDtsse 
der einzelnen Producte unter einander zu beachten, ans ungefähr gleich- 
zeitigen Angaben den relativen Werth der edelen Metalle, im Gegen- 
satz ihres inneren Werthes, für die einzelnen Decennien des achten 
und neunten Jahrhunderts glaubte ermitteln zu können. 

Wir besitzen für die Werthverhältnisse in Sachsen im achten Jahr- 
hundert keine anderen Angaben, als die aus den ältesten Gesetzen 
angeführten. £s scheint mir aber für ihre Beurtheilung lehrreich, mit 
ihnen diejenigen zu vergleichen, die mir aus den nächstfolgenden Jahr- 
hunderten zur Hand sind. 

In Betreff der Schätzung des Getreides stammt das älteste 
anderweitige mir bekannte Document aus Sachsen, welches speciellere 
Angaben enthält, erst aus den Jahren 1250 bis 1280; es ist eine Baths- 
Verordnung aus Soest über Gewicht und Preis des Brodes in Seiberts 
Westfälisches Urkundenbuch 1 p. 333 (ex orig.). Sie stellt auf, daft aas 
1 Modius Gerste 62% Pfund Brod gebacken werden könne, zieht aber 
von diesen zu Gunsten der Bäcker 2V« Pfund ab, so dafs nur 60 Pfund 
Brod vom Modius in Rechnung kommen. Darauf berechnet sie den 
Preis des Pfundes Gerstbrod fttr den Fall, dafs der Modius Gerste 
12 Denare steht, bis aufwärts zu 30 Denaren; bei 12 Denaren pro 
Scheffel soll ein Denarbrod wiegen 5 Pfund oder 10 Mark, bei 24 De- 
naren pro Scheffel dagegen 5 Mark u. s. w. Ferner bestimmt die Raths- 
Verordnung, dafs für 1 Modius Roggen 78 Pfund feines oder 112 Pfund 
grobes Roggenbrod (nach den Abzügen zu Gunsten der Bäcker) ge- 
rechnet werden sollen. Sie berechnet den Roggenpreis für den Modius 
von 6 Denaren bu aufwärts zu 18 Denaren, und bestimmt also, dafs 
bei dem niedrigsten Roggenpreis von 6 Denaren für 1 Denar 13 Pfund, 
beim höchsten von 18 für einen Denar 4Va Pfund Roggenbrod zum 
Verkauf kommen sollen. 

Wenn nun 797 der Scapil Roggen = */•• fränkischen Denaren ge- 
schätzt wurde, und wir den Scapil gleich der Hälfte eines karolingischen 
Modius setzen, so würde 1 Modius Roggen = V. fränkischen Denaren 
gerechnet sein. Im Jahre 1280 erscheint in Soest der Preis von 1 Modius 
Roggen zwischen 6 und 18 Denaren schwankend. Und wenn wir den 
Gölner Denar damals auch um einige Pfenninge schlechter vaüren als 
den karolingischen Denar (Ennen rechnet ihn in seiner Geschichte 



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367 

von GOln zu 2 9gr. 4 Pf.), so ist doch nohtbftr, dafs eine yOllige Preis- 
umgeBtaltnDg eingetreten ist. Vielleicht war aiieh der 8oester Hodins 
nmt Jahr 1380 etwas grMer als der Modins Karls des GroAien. In 
einer absolnten Brodtaxe, die Karl der GvofiM im Jahre 794 fir Franken 
(nieht fttr Sachsen) aafstellte, rechnet er von je einen Hodins der ver- 
sehledenen Getreidearten je 50 Pfand Haferbrod, 80 Pfand GerBli>rod, 
90 Pfund Roggenbiod, 96 Pliind Waizenbrod (Porta Leg. 1 p. 72), 
w£hr^d in Soest im Jahr 1280 der Hodius gerechnet ist zu 60 Pfund 
Gerstbrod, 70y» Pfund halb Gorst- und halb Roggenbrod, 78 Pfund 
feines Roggenbrod, 112 Pfund grobes Roggenbrod >). — Das Capitulare 
Saxonieum von 797 rechnet 1 Scheffel Roggen oder Gerste == 2 Scheffel 
Hafer; im Capitulare von 794 setzt König Karl ftlr die fränkischen 
L&nder an: 1 Hodius Roggen = VU Hodii Gerste == 3 Hodii Hafer. 
In den jüngeren Zusätzen zur Lex Saxonum (vgl. oben p. 37) wird 
die 797 nur bei den nordöstlichen Sachsen erwähnte und da dem 
Roggen gleich geschätzte Gerste besonders angesetzt, und zwar 
1 Scheffel Roggen = \% Scheffel Gerste = 2 Scheffel Hafer. Damit 
ist bei Hafer und Roggen das im Capitulare von 797 fQr sie aufgestellte 
Yerhältniis festgehalten und die Gerste zwischen ihnen eingeschoben, 
wenn auch nicht genau in demselben Verhältnifs, in dem es im Capi- 
ndare Karls des Greisen von 794 der Fall ist. 

Beim Vieh zeigen spätere Aufzeichnungen aus Sachsen eine 
minder bedeutende Werthsteigerung als beim Getreide; es tritt dadurch 
der Werth des Getreides gegenüber von dem des Viehes in ein günsti- 
geres Verhältnifs, als es in dem Capitulare von 797 der Fall ist. — 
Ich f&hre folgende Schätzungen von Vieh an: 

a) In Urkunde von 858 für Corvei*): 

^) Dem „panis siligineus, qui in Tnlgo cleyne rogge dicttur*' sielU das 
Statut gegenüber „grossus panis siligineus''. Die GewichtBsteigenmg bei ihm 
ton 78 auf 112 Ptod kann sich, wenn die Lesart riehtig ist, nur durch 
den greiseren Wasser- und Klei -Gehalt des groben westfilUschen Brodes 
erklären; man rechnet heute etwa 1 preufsischen Scheffel Roggen ^ 80 preulsi- 
Bchen Pfund Roggen = 68 preufa. Pfund Roggenmehl (mit Einschluls Yon 
5 Pfund Mahlmetze) ^ 98 preuls. Pfund Roggenbrod. 

*) In Urk. von König Ludwig a. 853 : „ ut dentur porci quatuor Ta- 
lentes singuli denarios 12, et octo arietes, qui eadem precii summa qua 
4 porci aestimarentur " Erhard Reg. Westf. 1 p. 17. — Zu yergleichen ist 
femer noch die in Wigand Archiv für Westfalen I, 2 p. 8ff. abgedruckte, 
altsächsische CorTeier Heberolle; siehe auch Wigand Trad. Corb. p. 8. 



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368 

1 Sohirein ss 18 Dewur. [= 83 Silbeigr.] 
1 Widder s 6 , [s 16V. „ ] 
b) In einem Correier Gflterregister mu dem Beginae des elften 
Jabrhuiiderte in Kindlinger Hflnater. BeitrSge 2 p. 115 werden geechitxt 
gleich einer Merk (d. !.: 1 COlner Ifark s= 4 Fertonee oder Quednntee 
SS 12 Selidi = 12 x 12 d. i. 144 Denaren; wo ein Denar etwa 2'/. Sgr. 
beträgt): 4 Ktthe, 4 „verres'', 8 „porci boni*", 16 Rindahftate; also: 

1 Kuh = V« Hark oder 1 Ferto = 36 Denare [= 2 Tlilr. 24 Sgr.] 

lEber =V. „ , 1 „ =36 „ [=2 „ 24 , 1 
1 Scliwein = y. , „ % „ = 18 „ [= 1 „ 12 , 1 
lBindBhant=V.. „ « % „ = 9 „ [= 21 , 1 

e) Im Corveier Registram Sarachonis, zwischen 1053 and 1071, 
werden Zinsschweine von verschiedener Beschaffenheit nach ihrem 
Geldwerth bezeichnet als: „porci 3 denariorüm*' §.494. 571; »porci 
4 denariorum'' §. 271 ; „8 denarioram'' §. 17. 19. 64. 150. 162. 572. 650. 
683. 684; „9 denariorum«' §.509; „12 denariornm'' §.29. 43. 73. IB4. 85. 
138. 166. 186. 187; „13 denariorum'' §. 184; „14 denariorum" §. 63. 165; 
„16 denariorum*' §. 195. 527; „20 denariorum'^ §. 191. Also: 
1 Schwein = von 3 Denar, bis zu 20 Den. [= 7 Sgr. bis 1 Thlr. 16 */> Sgr.] 

d) In einem Corveier Gfiterregister aus den Jahren 1106 bis 1128 
in Kindlinger Münster. Beitr. 2 p. 119 ff.: 

1 Reitpferd („equoa unus, cum quo serviat, do- 
mino Valens 1 libram Hallensis monetae") 
rs 1 Haller Pfund = 20 Schill.^ 20 X 12 Den. [=r 18Thir. 20 Sgr.] 
1 Sohaaf mit seinem Lamme = 1 Sol. = 12 Denar. [s= 28 Sgr.] 

Daneben wird (Kindlinger p. 120) erwähnt 
„ovls cum agno Valens 28 nummos" und 
„Ovis Valens 6 vel 7 nummos''. 
1 Sehwein = 6 Denar, (p. 142) = 6Den.[ai 14 „ ] 

= 2Solidi(p.l21. 125) =24 , [= 1 „ 26 « ] 
= 4 „ (p.119. 122. 123) ==:48 „1=8 „ 22 „ ] 
= V,. von 8 Mark (p. 127) = 76% „[=5 „ 29% „ ] 

e) In einem Corveier Güterregister zwischen 1185 und 1205 bei 
Kindlinger 2 p. 222 ff.: 

1 Kuh = 2 Solidi (p. 222) = 24 Denare [= 1 Thlr. 26 Sgr.] 
1 Schwein = 5 „ * (p. 225) = 60 „ l=4„20,] 

(daneben p. 226 = 6 nummi). 
1 Schwein = „20 Solidi Hnxarieneia monetae^ (p, 225). 



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369 

f) In einem alten Werdener Gflterregieter bei Laoomblet Arobiv 2 
p. 231 ff.: 

1 Schwein s 6 Denare (»poroum vel 6 denarios'' p. 222) [= 14 Sgr.] 
1 Schwein = 8 „ („porcas Valens ad octo denarios" 

P.222) l=18V.„ ] 

1 Schaaf =6 „ (»ovem pro 6 denar.« p, 227). [=14 „ ] 

g) In einem Zusatz zom Sachsenspiegel III 51 §. 1 aus dem drei- 
zehnten Jahrhundert sind folgende Taxwerthe für getOdtetes Vieh mit- 
getheilt, die als dessen Wergeid bezeichnet werden: 



14 Sgr.] 
= 3Thlr.22 „ ] 
= 7 » 14 „ ] 

dV. „ ] 

7 » ] 

2 » 24 „ ] 

4 , 20 „ ] 

4 • 20 , ] 

28 „ ] 

= 11 » 6 « J 
= 18 , 20 „ 1 



1 Kalb = 6 Pfenning 

1 Rind = 4 Schilling 

1 Zugochse =: B „ 

1 Lamm = 4 , 

1 Saugferkel = 3 „ 

1 jähriges Schwein =s 3 „ 
l Zuchtsau = ^ ff 

1 ausgewachsener Eber =5 ^ 

(Mastschweine werden einzeln taxirt) 
1 Fohlen, das noch saugt = 1 Schilling 

1 noch nicht brauchbares Pferd =8 „ 
1 Arbeitspferd s 12 „ 

1 Reitpferd = 1 Pfund = 20 „ 

(Lnxuspferde werden einzeln taxirt). 
Eine Zusammenstellung dieser späteren Angaben mit den älteren 
ergiebt folgende Schätzungswerthe: 
fDr 1 Ochse: ein vierjähriger Ochse, in der Lex Sax. [= 1 Thlr. 14 Sgr.] 
ein Pflugstier, in den Zusätzen zur 

Lex Sax. [=1 „ 25 ,, ] 

ein besonders guter Ochse, in den Zu- 
sätzen zur Lex Sax. [=s2 
ein Rind im 13. Jahrhundert (Nr. g) \=s. 3 
ein Zugochse im 13. Jahrh. (Nr. g) [» 7 
fttr 1 Kuh mit Einschlufs des Kalbes in den Zu- 
sätzen zur Lex Sax. ' 1= 1 » 25 „ ] 

1) Die Valirang des Geldes in diesen Angaben ist sehr unsicher; der 
Sachsenspiegel rechnet 1 Pfnnd zu 20 Schillingen, 1 Schilling su 12 Pfen- 
ningen ; der Pfenning desselben scheint aber weniger werth gewesen eu sein, als 
der Cölner, den ich hier mit 2'/« Sgr. angesetzt habe. Vgl. die Zusammenstel- 
langen in Stenzels Urk. zur Geschichte der Städte m Schlesien (1832) p. 91. 

24 



6 


9 


] 


22 


« 


] 


14 


]| 


] 



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370 

eine Kuh im An&ng dee 11. Jahr- 
hunderts (Nr. b) [= 2 Thlr. 248gT.] 
am Ende des 12. Jahrh. (Nr.e) [= 1 , 96 » ] 
für 1 Schaaf mit aeinem Lamm, im Jahr 797 [=3 82 » ] 
im Anf. des 12. Jahrh. (Nr. cQ [= 28 » ] 
l Widder, im Jahr 853 (Nr. a) [= 16% » ] 
filr 1 Schwein, im Jahr 863 (Nr. a) [=: 1 , 3 , ] 
im Beginn des 11. Jahrh. (Nr. 6) [sr 1 „ 12 . ] 
in der Mitte des 11. Jahrh. (Nr.c) [= von 7 j, 

bis zu 1 Thlr. 16%» ] 
im Beginn des 12. Jahrh. (Nr. d) [= von 14 » 

bis Ea3Thlr.22 ^ ] 
(Hastschweine bis 5 Thlr. 29'/. Sgr.) 
im Beginn des 13. Jahrh. (Nr. e) [=4 „ 20 , 

im Sachsenspiegel im 13. Jahrh. (Nr. g) [s= von 7 „ 

bis4Thlr.20 „ ] 
Bs zeigt sich in diesen Ansätzen eine fortschreitende Preissteige- 
rung, und sie sind bei allem Schwankendem, was ihrer Natur nach in 
ihnen liegt, und bei der Unsicherheit meiner Reductioii der Terschie- 
denen Mttnze doch geeignet die Richtigkeit der Angaben der Lex Sa- 
xonum, des Capitnlare Saxonioum und der Zusätze aur Lex Saxonum 
zu bestätigen, während die Gleichstellung eines Rindes mit 10 Solidi 
in den Capitula de partibns Saxoniae c. 27 mit allem Uebrigen unver- 
einbar erscheint und deswegen, wie am Schlosse der vierten Beilage 
näher ausgeführt ist, auf eine fränkische Werthschätznng hinHUiren 
dürfte. 

Erklärt sich nun ans dem hohen (3eldwer<ii und der geringen 
Hasse des in Sachsen vorhandenen Silbers, die sich aus den aufge- 
führten Schätzungen von Getreide und Vieh ergiebt, zur Genfige, dals 
die karolingisohen sächsischen Gesetze Satzungen aufstellten über Hin- 
gabe von ländlichen Producten an Gtoldesstatt bei Entrichtung von 
Wergeldem und Buisen, so müssen doch andererseits die grofsen Sum- 
men von ländlichen Producten, die danach in Sachsen alsWergekter 
und Buisen zu zahlen waren, Staunen erregen. Wenn beispielsweise 
das Wergeid eines Uten 120 Solidi oder 48 Pflugstiere oder 1200 re- 
spective 900 heutige preuisische Scheffel Roggen, das eines Über 
240 Solidi oder 96 Pflugstiere oder 2400 respective 1800 Scheffel Rog- 
gen, das eines Nobilis 1440 Solidi oder 576 Pflugstiere oder 14400 re- 
spective 10800 Scheffel Boggen betrog, so drängt sich die Frage mn^ 



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371 ' 

wie diese fikumen aafgebnuslit werden körnten. Dais es mit jeder 
gesnaden Kritik nnvereinber iat, wenn Seh«imann in den Gapiteln der 
Lex Sftzonam, wo von Boiien and Wergeldem die Bede ist, die anf- 
gel&hrten Solidi in Denare zn ändern antemimmt, hat Jaeob Grimm 
in der Zeitaekrift für geeehiehtliehe Bechtewiaeenschaft Bd. 11 erOrtert, 
ond kann keinem Zweifel nnterliegen. Wenn man sich aber auch ver^ 
gegeawärtigt, dafo im karolingiiohen Sachsen die bei Weitem gröfsere 
Zahl der BevOlkernng ans Sklaven, Liten und Freien, nur eine kleinere 
ans Edelen bestand, so dafs das Wergeid eines Nobilis nur in ver- 
hältnifsmäiajg seltenen Fällen lllit gezahlt werden müssen, und nicht 
auiser Acht läfst, dafs die sächsischen Nobiles, wenn auch in keiner 
Weise Dynasten, doch mit gröfserem eigenen und abhängigen Grund- 
besitz ausgestattet waren, so bleibt doch nur übrig, daran zu erinnern, 
dafs Fälle nicht gefehlt haben dürften, wo die dazu Verpflichteten ihr 
verwirktes Wergeid zu zahlen nicht im Stande waren; wie wir denn 
auch wissen, dafs wegen nicht gezahlten Wergeides Einzelne sich, ihre 
Frauen und Kinder als Unfreie hingeben mufsten ( vgl. oben p. 293 
Note 2), und dafs vielfach derartige Personen flüchtig wurden und 
dann, wie wiederholte Berichte aus den verschiedensten Zeiten melden, 
das Land unsicher machten. 



Beilage III. 
Die Anordnung der Lex Saxonnm. 

So lax die Anordnung des Stoffes in der Lex Saxonum auch ist, 
so ist doch eine Eintheilung desselben nach gewissen Gesichtspuncten 
unverkennbar. Sie behandelt nach einander folgende Materien: 

1. Cap. 1 — 20: Bufsen für Verletzungen. 

2. Cap. 21 — 38: Todesstrafen. 

Gap. 39 giebt anhangsweise Beweisregeln. 

3. Cap. 40 — 49: Eheliches Güterrecht und Erbrecht. 

4. Cap. 50—60: Haftung für fremde Handlungen und Zufall. 

5. Cap. 61 — 65: Veräufserungen. 

6. Cap. 66: Schätzungswerthe bei Bufszahlungen. 

Bemerkenswerth erscheint, was bisher, soweit mir bekannt, nicht 
beachtet worden ist, dais dem Gesetzgeber bei Abfassung der Lex 

24» 



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872 



Saxonam die Lex Bipaariorum vorgelegen zu haben sdieint^), indem 
er in den ersten 20 Gapiteln derselfoen, die yon Bnfsgeldem handdn, 
bei Anordnung der einzelnen Gegenstände der Lex Ripnanorom ge- 
folgt ist und in mehreren derselben sogar die Wort&ssnng der Lex 
Bip. benutzt hat, ohnerachtet sich durchweg eine materielle Veraehie- 
denheit des behandelten Rechts zeigt. In den späteren Gapiteln der Lex 
Saxonum findet weder in der Anordnung noch in der Wort&ssnng der 
ähnlichen Materien eine üebereinstimmnng mit der Lex Rip. statt. Das 
Nähere giebt folgende Zusammenstellung. 



Tit I: 



lotus. 

„De idu ingenuomm''. 
Vgl. Tit. XIX, t: bnlislag. 
Tit. II: Blutflieisende Wunde. 

' „De «on^uin/« effusione*. 



Tit. III. 



Tit, IV. 



„De 099t frad^^ 



„Si quis transpnnxerit*' 



Lex Saxonnm« 

1. Bufsen ftkr Verletzungen. 
Gap. 1: Hieb (Ictus). 

„D« tchi nobilis". 
Gap. 2: Livor et tumor. 
Gap. 3: Blutflie&ende Wunde. 

„Si 9tmgu\nai^» 
Gap. 4 : Gehirnschale entblöfst. 
Gap. 6: Gehirnschale gebrochen. 
„Si 09 frtgerU^, 
Wlitiwam. 

Körper, Hüfte, Arm durchbohrt, 
„perforaverit". 
Gap. 6: Kleid oder Schild durch- 
hauen. 
Gap. 7: Haargrifif. 
Gap. 8: Ueberfall mit gezücktem 

Schwert 
Gap. 9 u. 10: Wurf ins Wasser. 
Gap. 11: Verlust von Auge. 

„Qui ocuhim excu99erit^. 
von Ohr. 
von Nase, 
„de ruuo, 9i ah9ci9um 
fuerit*'. 

^) Bie Benutsung der Lex Sal. in der Lex Ripuar., sowie der Lex Alam. 
und Lex Wisigoth. in der Lex Baiuw. sind oft nachgewiesen. Dafs einige 
Sätze der Lex Alam. in die Lex Fris. (Add. tit 106; IV; VjULl) aufgenommen 
sind, habe ich Mon. Germ. Leg. 8 p. 692 u. 693 gezeigt Ob die Lex Thur. 
einzelne Worte der Lex Bip. benutzt hat, dfirfte noch weiter zu reriblgen sem. 



Lex Bipuarloriuii« 



Tit V, 8. 

TitV, 1. 
TitV,2. 



„si quis oeulum exctiMertf*'. 



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373 



Lex 8ax*B«m* 
Verinat yon Hand, 
„de numibui*'. 
Yon Fafii. 
„de pedibus". 

▼OD TesticuluB. 

jiSi Dnnm atmimanfiieri^ . 

Gap. 12: BeschftdigQng der im 

C»p.ll geBannten OliedmaadBen. 

^mtmca pependerint, tne- 

dietatem Bnpradktae conpo- 

8itiolli8^ 



Gap. 13 : Verlast von Fingern, Fin- 

gergliedem und Zehen. 
Gap. 14: Wergeid. 

„qoi nobilem oeciderif. 



Qnp. 15: Bnfaen, ffir den Fall, daTs 
einem Mädchen oder einem Wei- 
be („iam enixa^) die vorstehen- 
denVerletznngen angethan sind. 

Gap. 16: BoTsen fClr Yerletzangen 
eines Litus. 

Gap. 17 : Boise für einen getOdteten 

ServQS. 
Gap. 18: Wer zahlt Bnlse, wenn 
ein Litus tödtet? (vgl. c. 50). 
Gap. 19: Mordhtot 

„mordtotnm". Variante: 
^mordritoion^. 
Gap. 20: Plagium von Nobiles. 

„Si nobilis nöbilem extra 
solum vendiderit, et reducere 
non patuerit .... Si vero 



Lex lUpiuuriemi. 
TitV,4. 



Tit.v,a 



„pedem^ 



Tit. VI. 

Tlt.V,6n.8. 

„«toneiffn pendiderit, me* 
dietatem componat, quam 
eomponere debnerat, e% ip- 
Bom membmm abecietum 
ßäeut''. 
Tit V, 6 n. 7. 

TitVII: Dehomictdioingennorum. 
„si ingennnm interfecerit" . 

Tit IX— XI: Tötungen von Leu- 
ten anderer Stände. 

Tit. XII— XIV: Tödtang eines ge- 
bärfähigen Weibes oder Mäd- 
chens. 

Vgl. Tit. IX n. X: De homi- 
oidiis hominnm Regis et eo- 
olesiastioomm. 
Til VIII: De homicidiis servoram. 



Tit. XV. 

„qnod dicitar mordri- 
dus^. 
Tit. XVI. 

jfSi qnis ingenuns inge- 
nnnm .... estra eokm vendi- 
dertt et enm ad solnm non 
potuerit reducere .... Et ei 



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S74 



reduxerii eum .... De muliere 
9imaiier\ 

2. TodeBBtrafen. 

Cap. 21 : Eirohenschändnng. 

Gap. 22 : UnwisBentl. Meineid. 
Cap. 28: TMtang auf dem Kireb- 

wege. 
Cap. 24: Landeeyenrath. 
Cap. 25: Tödtang des DominnB. 
Cap. 26: TödtaDgeiDeaSobneBdeB 
DomiDQB; Stapram der Frau, 
Matter, Tochter des Dominaa. 
Cap. 27 : TOdtang im eigenen Hanse 

wegen Faida. 
Cap. 28: Der zum Tode Verar- 

theilte hat nirgends Frieden. 
Cap. 29: Pferdediebstahl. 
Cap. dO: Diebstahl eines Bienen- 
stoekes im Gehöft. 
Cap. 31: Diebstahl eines Bie- 
nenstockes aafser dem Ge- 
höft. 
Cap. 82: Diebstahl einer 2 Solidi 
werthen Saohe bei Nachtzeit 
mittels Einbrach. 
Cap. 33: Diebstahl aas einer 

Skreona. 
Cap. 34: Diebstahl eines 2 Solidi 
werttien Ochsens bei Nachtzeit 
Cap. 35: Diebstahl einer Sache im 
Werthe von 3 Solidi. 
Cap. 36 : Diebstahl einer weni- 
ger als 3 Sol. werthen Sache. 
Cap. 87: Verletaang eines Men- 
schen während eines Eriegs- 
sages oder aof dem Wege 
aam Palatiam. 



Lex BtpMrlenB. 

eum Uk BolVB reAaerU .... 
De feminaingenoa^lnilblflr*. 



Vgl. Tit. LXIX. 



Vgl. Tit. LXIV. 



Vgl. Tit. XVIII. 



Vgl. Tit Lxxyii. 

Vgl. Lex Sal. XXVIH, 18. 19. 



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375 



lies SiOEMAim. 

Cap. 38: Brandstiftnng. 

Cftp.dS: ZengenbeweiB gegen 
mit Eid erhärteten Eigen- 
thamsanspraoh. 

8. Eheliches Güterrecht und 
Erbrecht. 

Gap. 40: Kaufpreis einer Fran und 
Frauenraab. 

Gap. 41 : Beerbang der Eltern durch 
Kinder. 

Cap. 42: Vormundschaft Aber Witt- 
wen. 

Gap. 43: Heirath einer Wittwe. 

Gap. 44: Erbrecht der Tochter; 
Vormundschaft Aber sie. 

Gap. 45: Vormundschaft Aber Kin- 
der einerWittwe, die eine zweite 
Ehe eingeht. 

Gap. 46: Erbrecht der Enkel. 

Gap. 47: Von der Dos. 

Gap. 48: Eheliche Errungenschaft. 

Gap. 49: Raub einer Braut. 

4. Haftung f Ar fremde Hand- 
lungen und ZufalL 

Gap. 60: Handlung eines Litus oder 
Servus auf Veranlassung des 
Herren* 

Gap.51| 

Gap. 52> : Handlungen eines Servus. 

Gap. 63' 

Gap. 54: TOdtung durch einen ge- 
fällten Baum. 

Gap. 55: Tödtung durch UmfaUen 
eines angeaAndeten Baumes. 

Gap. 56) .Beschädigungduroh WUd- 

GiH[>.58i' gruben oder Sohlingen. 



Lex Bipwrianim. 
Vgl. Tit. XVII: de inoendio. 



Vgl. Tit. XXXV, 2. 
Vgl. Tit. LVI. 



Vgl. Tit. XXXVII, 1 u. 
Vgl. Tit. XXXVII. 



Vgl. Tit XXX, 2. 



Vgl. Tit. LXX. 



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376 



Lex Saxonnni. 

Gap. 57: Beschädigang daroh eis 
Thier. 

Gap. 59 : Beechädigang darch ein 
Wnrfgeschofo. 

Cap.60: Beschftdignng eines frem- 
den Thieres durch Wildgrnben. 

5. Veräufserungen. 

Gap. 61: yeräafserangen im All- 
gemeinen. 

Gap. 62: Fälle von zulfiasiger Y er- 
än&ernng ohne Einwendnngder 
Erben. 

Gap. 63 : Beweis beim Streit Ober 
Grandstücke. 

Gap. 64: Verkauf des Grundstficks 
eines exilirten über homo sub 
iiutela nobiÜB. 

Gap. 65: Franenkauf beim Litus 
regis. 

6. Schätznngswerthe bei 
Bufszablungen. 

Gap. 66 : Werthe von Solidi und 
anderen Gegenständen bei Zah- 
lungen von Wergeldem und an- 
deren Bulsen. 



Lex Rlpiuurioviim. 

Vgl. Tit XLVI, 1. 

Vgl. Tit. LXX, 1. 
Vgl. Tit. LXX, 5. 



Vgl. Tit XXXVI, 11 u. 12. 



Beilage IV. 

Sie Zahl 120 das ist eine Enoda oder ein grolses Hundert in 
der Lex SaxonunL 

Eine der bestrittensten Stellen der Lex Saxonum, die unter allen 
die abweichendsten Deutungen erfahren hat, ist Lex Sax. e. 14. Sie 
lautet: „Qui nobilem occiderit 1440 solidos eonponat; ruoda dicitor 
apud Saxones 120 solidi, et in premium 120 solidi;" d.h.: 1440 oder 



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877 

13 X 120 Solidi beträgt das Wergeid eines Nobilis; 120 Solid! nennen 
die Sachsen eine Rathe; nnd 120 Solidi (d. i. eine Ruthe) werden da- 
neben fttr die Tödtnng des Nobilis als Praemium gezahlt Demnach 
soll also auCser dem aus 12 x 120 Solidi bestehendem Wergeid bei 
TOdtnng eines Nobilis noch ein Praemium von 120 Solidi entrichtet 
werden. Unter dem Praeminm haben wir eine Bafse %u verstehen« 
Und es ist sehr bemerkenswerth, dafo nach dem Sachsenspiegel bei 
den, den Nobiles Altsachsens entsprechenden, schOffenbarfreien Leuten 
neben dem Wergeide, welches sie erhalten, ebenfalls der zwölfte Theil 
desselben als Bu&e gezahlt wurde. Die Worte des Sachsenspiegels 
sind III 46 f. 1: „Den soepenbaren vrien Ittden gift man drittich 
Schillinge to bnte pündeger penninge; ire weregelt sin achtein punt 
pfindeger penninge*'; 18 Pfund — das Pfnnd zu 20 Schillingen ge- 
rechnet ^ ergeben aber d60 Schillinge, yon denen jene 30 Schillinge 
den zwölften Theil bilden. 

Neuere haben die angefahrte nahe liegende, und, wie mir scheint, 
durch den Wortlaut des Gapitels der Lex Saxonum gebotene Deutung 
der obenan gestellten Worte verworfen und den Schluissatz des Gapi- 
tels auf das Wergeid eines Freien' bezogen, dessen die Stelle mit keiner 
Silbe gedenkt. Sie haben dies meistens gethan, indem sie die Stelle 
für verderbt erklärten und einige Worte in sie einfügten, durch welche 
eine Hinweisung des Schlufssatzes auf Freie erzielt wurde. 

Leibnitii Scriptor. rer. Bmnsvicens. 1 p. 78 wollte emendiren: 
„Ruoda quod dicitur apud Saxones, id t»t ingenuum det . , . , sol.*', 
nnd Ruoda ffir Bezeichnung eines freien Mannes verwendet wissen. 
Von derselben Voraussetzung ausgehend emendirte Oaertner Leges 
Saxonum tres p. 23: „Qui nobilem occiderit 1440 solides componat, 
gui oceiderit eum, gut Ruoda dicitur apud Saxones, 120 solides, et in 
praemium 120 solides'' . Beineccinsin den Antiquit. iur. Germanici 
2 p. 9 wollte, wie auch Ganpp anführt, Ruoda in Ruogoy wodurch eine 
Rflge oder Brüche bezeichnet sei, ändern nnd die Stelle dasselbe sagen 
lassen, was jene in ihr finden wollten, indem sie ergänzt werden .mfisse 
in: „Qui nobilem occiderit, 1440 sol. componat, Ruopa quod dicitur apud 
Saxones; «i ingenuumy 120 solides et in praemium 120 solides^. Jacob 
Grimm verwirft jede Aendernng des Wortes Ruoda als willkürlich; 
eine Deutung des Wortes für einen Freien erschien ihm als sprachlich 
unstatthaft; nnd er verkannte keinen Augenblick, dafs unter Ruoda 
nichts Anderes als Ruthe (virga) gemeint sein kann; er vermuthete 
in dem Ausdruck die Bezeichnung eines Wergeides, und sah sich, in- 



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378 

dem er im Anschlasse »n die frUheren Anfhasangen des Cqiiteli in 
ihm eine Bestimmung über das Wergeid eines Freien finden wollte^ 
ebenfalls veranlafst, die Stelle durch Einsdiiebung einiger Worte ni 
ergänzen. Er bemerkt Reohtsaltertiiflmer p. 278: „man kOnnte matb- 
mafsen, es seien die Worte : 911! Hberum oceiderit, 240 soHdas eomp&nai^ 
ausgefallen ; denn was folgt, scheint nichts als Erklärung dieses Wer- 
geldes: ruoda dicitur apud Saxones 190 sol., et in praeminm lSN)iol^ 
Auffallend bleibt nur, dafe hernach der Utiis duodecima parte minor 
quam nobilis angesetzt wird, und nicht dimidia parte minor qoam 
Über, was dasselbe gewesen wfire.^ Um die Verwendung von Ratte 
für Wergeid zu rechtfertigen, erinnert er an das Vorkommen des 
Wortes Rnthe bei Beschreibung des sagenhaften Wergeides der Dage* 
werchten im Sachsenspiegel III 45 §. 8; die Stelle sagt: „Der dage- 
werohten weregelt is en barch vul weites von tvetfruden, also iewelk 
rüde von der anderen sta enes vedemes lang; iewelk rüde sal hebben 
tvelf negeU npwart; iewelk nagel sal von dem anderen stan als en man 
lang is bit an die sculderen, durch dat man den barch geboren möge 
von nagele to nagele; iewelk nagel sal hebben tf!>elf lmdd€\ iewelk 
budel tvelfsekiUinpe;^ vgl. Orimm in Ztscbrft. f. geschichtL Btswissenseh. 

11 p. 392. Wie wenig die Sachsenspiegelstelle genügt, um in Bnthe die 
Bezeichnung eines Wergeides zu vermuthen, leuchtet ein; unter den 

12 Ruthen der Sachsenspiegelstelle sind 50 bis 60 Fnfii hohe Stangen 
gemeint, welche den Weizenschober als Stütze umgeben, und an denen 
die Beutel mit den 20736 Schillingen hängen, welche die Tagearbeiter 
angeblich als Wergeid erhalten hätten. 

Von diesen Deutungen der Stelle unterscheidet sich im Wesesi- 
lichen nicht diejenige, die Ganpp Gesetz der Thüringer p. 188 and 
Gesetz der Sachsen p. 102 giebt, nur dais er eine Emendation der- 
selben, wie sie Leibniz, Gaertner, Heineccius und Jacob Grimm in 
verschiedener Weise vorschlugen, für unnöthig hält, indem er das in 
die Worte hineininterpretiren zu können glaubt^ was jene hineinemen- 
diren wollten. Indem er mit Grimm Ruoda für Ruthe (virga) nimmt, 
scheint es ihm der technische Ausdruck für Wergeid zu sein, and, da 
das Wergeid des Freien , wie er gegen den Inhalt der Lex Sazonam 
voraussetzt, bei der Berechnung der verschiedenen Wergelder die Regel 
bilde, für das Wergeid eines Freien zu stehen; das alte Wergeid tob 
120 Solidi, erörtert er dann weiter, sei durch weitere 120 Solidi «r* 
höht worden (s=: Praeminm), und das Gapitel sage somit: dos säehsiBclie 
Freienwergeld betrage 240 SoIidL Er sagt wörtlich: „Der ganze Sats 



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379 

I 

des ÜBpitels 14 wftre hienuieb folgenclenDafteii zn flbenetzen: Eine 
Bnthe (d. h. ein altes Freienwergeld) bedentet soviel ais 130 Sol., und 
cum Lohne kommen noch 120 Sol. hinsn*'. 

Bei dieeer Inieipretation der Stelle trfigt, wie ich behaupten mnft» 
Ganpp in das Wort Ruoda hinein, was er ansgehead von dem dnroh 
Eigänaongen Aelterer angenommenen Sinn der Stelle als in ihr liegend 
voraussetzt. Während die Stelle des Freien mit keiner Silbe gedenkt, 
und er Saoda mit Grimm ffir Bnthe versteht, nimmt er an, dafs die 
Stelle, indem sie von Rnthe spricht, vom Freienwergeld rede. Eine 
Berechtigung zu einer derartigen Supposition kann ich nicht einrftumen. 
An den frttheren Theil des Satzes, der vom Nobilis handelt, schliefiBcn 
sich unmittelbar die Worte: „ruoda didtur apud Sazones 120 solidi* 
et in praemium 120 solidi^. Ich vermag dies nur zu übertragen: 120 
Solidi nennen die Sachsen eine Ruthe, und 120 Solidi werden als 
Praemium gezahlt; eine Bemerkung, die sich unmittelbar auf das ihr 
Vorangehende besieht, und nach ihrem Wortlaut nur sagt, dafs fttr 
einen getödteten Nobilis als Wergeid 1440 Solidi, und als Praemium 
eine Buthe d. i. 120 Solidi gezahlt werden sollen. Wäre wirklich Buthe 
der technische Ausdruck für Freienwergeld, was völlig aus der Luft 
gegriifen ist, und sollte gesagt sein, dais dies 120 Solidi betrage^ so 
mfifste es doch wenigstens heifsen : ruoda est apud Saxones 120 solidi. 
Ein reeller Gegengrund gegen die Annahme, dafs bei Buoda an ein 
Freienwergeld zu denken sei, Uegt aber au&erdem, wie J. Grimm 
schlagend bemerkte, darin, dais „hernach der litus duodecima parte 
minor quam nobilis angesetzt wird, und nicht dimidia parte minor 
quam Über, was dasselbe gewesen wäre". Nachdem das Wergeid dec^ 
Nobilis auf 1440 d. i. 6 X 240 Solidi angegeben war, müfsten wir, wenn 
das Wergeid desLiber zu 240 Solidi angesetzt wäre, gewifo erwarten, 
daCs das daran gereihte Wergeid des Liten von 120 Solidi als die 
Hälfte desselben, nicht aber als den zwölften Theil des Wergeids des 
Nobilis betragend angegeben wäre. Dagegen mufs es als höchst na- 
türlich erscheinen, dafs das Wergeid des Litus, so wie es geschehen, 
bezeichnet worden ist, wenn Capitel 14 ausschliefslich vom Wergeid 
des Nobilis von 1440 Solidi handelt, und Capitel 16 auf das des Litus 
im Betrage von 120 Solidi übergeht. 

Der eben bekämpften Gauppschen Deutung des Cap. 14 schliefsen 
sich die meisten Neueren an, wenn auch mit manchen Modificationen. 
Das gilt beispielsweise von Wilda Strafrecht S. 432, Konrad Maurer 
Ueber das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme S. 115, 



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380 

Stobbe Ztschrft. f. Deutsch. Rt. 15 S. 813, Walter Deutsche Rechts- 
gesch. §. 419 und Anderen. 

Ist nun in der bisherigen Erörterung die Ansieht rasgefOhrt 
worden, dafe dem Nobilis nach Lex Sax. c. 14 ein Wergeid .Yon 1440 
Solidi nebst einem Praemium von 120 Solidi gezahlt werden mnfste, 
so fragt es sich weiter, wie die Lex Saxonnm die Summe 
von 120 Solidi als Ruthe beseichnen konnte. 

Ich glaube nicht zu irren, wenn ich die ErklSrung daffir d^rin 
finde, dafs die Ruthe oder Mefsstange, deren sich die Feldmesser 
bedienten, im filteren Sachsen, wie in anderen deutschen Gegenden, 
aus 120Theilen, nämlich aus lOFuTs zu je 12 Zoll bestand, und 
*dies Veranlassung gab, für die Zahl 120 auch anderweitig den Aus- 
druck Ruthe zu verwenden. 

Was zunächst das Vorkommen des Ausdrucks Ruihe fttr Mefiutange 
anlangt, so ist er, abgesehen von der angefahrten Stelle der Lex Saxo- 
num, im späteren Sachsen üblich, und wird in niederdentsehen Au^ 
Zeichnungen des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts in den 
verschiedenen altfriesischen Landschaften, namentlich in RQstringen, 
im Groninger Land, im westlaubachschen Friesland, in Holland und 
Seeland gebraucht^). Aufzeichnungen in altfriesischer Sprache bedienen 
sich zur Bezeichnung der Me&stange statt Ruthe des Wortes jerde^ 
das noch in neuerer Zeit als paerde in Holland, und als joittd, 
Jard in Nordfriesland für die Mefsstange verwendet wurde, während 
auch die fränkischen Gegenden in frflherer Zeit daf Or die Bezeichnung 
Gerte kannten*). Im alten Schweden nannte man die Mefsruthe ekmff. 

') Ans Sachsen z, B. erwähnt im Witienmühlenrecht : Ghimm Weis- 
thümer 3 S. 233; aus Rfistringen im sogenannten Butjadinger Landreeht: 
rode Fries. RechtsqueUen S. 122^ 6^ wo es flQür jerde im altfriesischen Text 
steht; aus dem Groninger Land in Urkunde a. 1456: „een roede lang,*' 
Driessen Monnm. xned, B. 297 ; in der Chronik des Petms ron Thabor ad 
a. 1525 S. 442; aus dem fun&ehnten Jahrhundert: „een hollanUe rodeheh 
rerten Toedf Laoomblet Archir 1 S. 208; in Urkunde Ton Oestcapele von 
1386: „158% gemeten ~ 2 roeden," Mieris hoUand. Charterb. 3 S. 438. 
Vgl. unten p. 384 Note. 

*) Ueber jerde yergleiche Friesisch. Wörterbuch s. t. jerde; als ICaaCs 
erwähnt in Rüstringen Fries. Rechtsq. S. 122, 6. 516, 20; in Brokmerland 
Fries. Rechtsq. S. 175, 12; im westlaubachschen Friesland in Urkunden von 
1440, 1450, 1465, 1470, 1471 bei Sehwarsenberg Charterb. 1 S. 538. 614. 
630. 648. Vgl Kilian HoUftnd. Wörterb. S. 152, Outsen Nordfries. Wdrterb. 
8. 149, SchmeUer Bair. WCrterb. 2 S. 69. 



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381 

Lateiniflohe Doenmente ans NorddeatschUnd verwenden Fi^^; in Sfld- 
deotsohknd kommt dafflr Pertiea vori). 

Die Rnthe, deren eich die Feldmesser bedienten, ser* 
fiel im älteren DentcUand in zehn Fafs, deren jeder wiederum 
in 13 Theile (Zolle oder nnoias) zerlegt war, w&hrend daneben 
mehrfach anch Ruthen von anderer Gröfoe, namentlich bei Bauleuten, 
Erwähnung geschieht 

Wie die römische Pertiea aus 10 Fuft gebildet wurde, eine Decem- 
peda war, so erwähnt bereits die Lex Baiuwariomm bei Bezeichnung 
der Grölse von Acker einer zehnfüfsigen Pertiea; sie sagt Tit. XIII. 
„Andecenas [d. i. ein Ackermaafs] legitimas, hoc est, pertiea deeem 
pedes habeniem, 4 perticas in transverso, 40 in longo, arare seminare"^). 
Desgleichen fafste in Schweden im dreizehnten Jahrhundert nach dem 
Ostgothalag*) die „stang"" d« i. Mefsstange ffinf Ellen oder zehn Fufs; 
und noch im achtzehnten Jahrhundert wurde in Norddeutschland von 
Feldmessern mit Ruthen von 10 Fufs der Acker gemessen, wie das 
allgemein anführt Frisch Wörterbuch 3 S. 189, und speciell fttr Hol- 
land Kilian Holland. Wtbch. S.162, fflr die Gegend von Bremen das 
Bremer Wtbch. 3 a 512, und fflr Nordfriesland Outzen Nordfriesisch. 
Wtbch. S. 149. — Der Fufii der zehnffllsigen Ruthe der Feldmesser, 
oder, wie ihn altfriesische Rechtsaufzeichnungen nennen, der jerdfot*) 

1) EineVirg« finde ich enr&hnt: in Sachsen e. B. in einer Bremer 
Urkunde Ton 1106: „renales virgae*^ Lappenberg Hamburg, ürkundenb. 1 
S. 122; m Friesland: rielfach in Eberhard. Tradit. Fuld., aus dem Hun- 
Bingo in Urkunde 7on 1371: „virga per sedecim pedes mensnrando'* Driessen 
Monom, ined. p. 291, in Urk. a. 1381: „ assignaTerim quartam dimidiam 
tfirpam aggeris ^ Driessen Mon. ined. p. 356 , aus Hülst an der Scheide in 
Urk. a. 1269: „boneria — petie — virpe'' Kluit bist. crit. 2 p. 782. 783; 
ans dem Trierschen in einem Lagerbuch yon 1322 bei Lacomblet ArchiT 
1 p. 379. Belege aus Sftddeutsehland sind gesammelt Von Merkel Mon. Germ. 
Leg. 3 S. 278. 425. — Siehe auch unten p. 383. 

*) Zur Erl&uterung yon Lex Baiuw. t. XTTI bemerkt Merkel Mon. Germ. 
Leg. 3 p. 278 : „Isidor. Etymol. XV ( 2. 3, ex eoque loeus ille codicis Wesso- 
fontani saecYni (M. B. VH, 374): „Pertiea passus dnos id est decem pe- 
des ...., est enim decem pedum ad instar calami in Ezechiele (XL, 5) 
templum mensurantis.** 

*) Vergleiche Schlyter im Register zum Ostgothalag S. 359 : „taka^Sm- 
cJna 9tang ok leggia tvar a attung'^; siehe Grimm Bechtsalterthümer S. 540. 

*) Vgl. Fries. Wörterb. s. t. y^jerdfot^ p. 846, und daneben „fot," 
„molles-fot'' (d. L Erdfuis), „holt-fot''; s. Fries. W5rterb. S. 755. 932. 823. 



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382 

dA8 iflt Rathenfab zerfiel aber in sw5lf Theile oder Zolle. GMehwie 

aber schon die römische Sprache den sw($lfren Theil des As, nad dem 
entsprechend das mittelalterliehe Latein den swOlften Theil einer Libra 
oder eines Pfundes eine Uoeia nannte (vgl. Lex Fris. t. XY), wie im 
Angelsächsischen die Form „ynce^, im Friesischen „ense**, „einse*' in 
diesem Sinne gebraucht wurde *), so beieichnete man auch den zw()lften 
Theil eines Fufses als eine Uncia. So wird die GiOfte der Wundem 
im westlichen und östlichen Friesland nach Unzen gemessen, wihrend 
es im mittleren nach Fingergliedem geschieht; vgl. Lex Fris. Add. III. 
0. 49—58: „unumquodque vulnus secundum suam longitudinem com- 
ponendum est; si longum fuerit, qnantnm summus articulus indicis est^ 
uno solide componatur; si quantnm dno articuti indicis sunt, duobus 
solidis; .... Apud ocoidentales Fresiones inter Fleh! et Sink£slam 
quot unciarum fuerit longitudo vulneris, tot solidomm compositione per- 
aolvitur ... Similiter inter Wisaram etLaubachi^. Aus dem Worte Uncia, 
augelsftchsisch ynee ist die englische Benennung des Zolles tncA gebildet. 

Bestand demnach die Ruthe aus zehn Fuls zu je zwölf Zoll , so 
&fste sie 120 Theile, und konnte der Ausdruck Ruoda von der Lex 
Saxonum zur Bezeichnung einer aus 120 Theilen bestehenden Einheit 
verwendet werden. Somit konnte die Lex Saxonum sagen, indem sie eine 
Summe von 120 Solidi als Praemium bezeichnen wollte, es soUton 
120 Solidi) das ist eine Ruthe von Solidi gebüfst werden. 

In ähnlicher Weise wie die Lex Saxonum im Capitel 14 Ruoda 
für 120 Solidi verwendet, wird in Friesland zur Bezeichnung eines 
Ackermaarses der Ausdruck Talentum oder Pfund gebraucht, um ein 
ganzes Ackerstück zu bezeichnen, das bei ortsQblicher Länge 12 Ruthen 
zu je 10 Fufs, also 120 Fufs breit war, wird ferner der zwölfte, also 
1 Rutiiie breite Theil eines solchen Ackerstfickes Uncia, und, indem 
die Unze in zwanzig Pfenninge zerfUlt, der zwanzigste Theil dersel- 
ben, den wir uns als einen einen halben FuTs breiten Streifen denken, 
daselbst Pfenning genannt Lateinische Urkanden bedienen sieh der 
Ausdrücke Talentum und Uncia, friesische der Worte punt oder punt- 
semate (d. i. Pfnndmafs) und penning. Ich führe folgende Stellen an: 
In einer Urkunde von 952 schenkt König Otto I. der Abtei Poelde „In 
Westphalia in Brakle et Tunnede X mansos, . . .; in Frisia inWlcfort, 
in Unewerde (ich bessere: Tunewerde), in Golmerhorn, XXIV UUmta^ 
in Frankenhusen I mansum^ Heineccius Antiq. Goslar, p. 16. Als im 
Jahre 981 Kaiser Otto II. an Magdeburg die Abtei Poelde schenkt, 
Vgl. auch oben p.a66 Note 1. 



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388 

wefden deren Beaitaenngen anfgesälüt, danmter „pnedium in Frisla", 
and xwar „in Witebord (ob verlesen ans Wiefort?) I mansns, XXXII 
paaona bonm et V iaUnta^ in Retzword I vtiya, XL solides; in Bestlau 
nna dimidia» XXsoüdi; in Tbunewerd (d. i. Tunnaard in Westdongera- 
deel) XXX pasena bonm, V imUnta\ in GoUmehomoD Hilderedes-ziericon 
y taUnta '* Schwarsenberg Cbarterb. 1 p. 63. Im Jahre 1313 wird 
in einem Sohledspraeh zwischen dem Bischof von Utrecht und den 
Friesen ans Sohoterwerf, Stelliogwerf nnd Osterzee über Grundstücke 
in dem nnfriesischen VoUenho das Maals Puntsemate erwähnt. Die 
Friesen hatten zu Steenwyk nnd Ysselham von Unfreien des Bischofs, 
die auf dessen Mansi sa(sen, einige „prata sen pasoua" gekauft; sie 
verpflichten sich hinftlro von Jeder Puntsemate dem Bischof jährlich 
einen gewissen Zins zn entrichten ; um den zu zahlenden Zins zu be- 
rechnen, wird festgestellt, wie viel Puntsematen die Ländereien fassen, 
und angenommen, dafs eine Puntsemate ein Raum sei von einer Breite 
von 12 Ruthen und einer Länge von 20 Ruthen (= 240 Quadratruthen): 
,de qnadam punisemcUe sen UUenia^ quod spatium 12 virgarum in la- 
titudine, et 20 in longitudine, solvendo annuatim 4 sterlingas bonas 
de Anglia'' Sohwarzenberg Charterb. l p. 151. Im Jahre 1408 war über 
die erwähnten Aeeker neuer Streit, der zu einem neuen Schiedspmohe 
ftthrte; das Land soll abgepfählt und dann gemessen werden: „Onse 
beer van Utrecht sal nemen 12 mannen ut den karspelle van Yssel- 
hamme, ende die 12 mannen suUen dat land utwysen ende utpaelen 
mit beeren eede, daer men dat pacht ofte tins met recht af schuldig is, 
nae utwysinge der bryeven. Ende als dat land gepaelt is, so sal men 
dai nuten; ende als die paelinge ende maetegaen sullen, so suUen die 
Yriesen daerby schicken 46 mannen, ende onse beer van Utrecht oeok 
so veel • . . Als die maeU geschiet is, so sullen die Yriesen .... 
jaerllk betalen van slken pandsmaie ofte faletUe vier sterlinge van Engeland^ 
Sohwarzenberg Cbarterb. 1 p. 366, vgl.ebenda 1 p. 380. Ygl. Urkunde von 
1441: „10 hab Joven 14 ansa in Wydrumma-hammerk*' und ,»hy skel 
bitalja myth 33 greten tha onsa^ Sohwarzenberg 1 p. 520; Urkunde von 
1445: „neghentyenda half ansa ende anderhalf penningh seetlandes^ 
Sohwarzenberg 1 p. 528; Urk. a. 1488: „sexta hael pondesmeta landes 
twae aenze maer'' Sohwarzenberg 1 p. 744 *). 

Weitere Bdegstellen fCLr d» Yorkommen der erörterten Aaedrftcke 
siehe Fries. Wfirterb. p. 982; vgl Fries. Bechteq. p. 481,2; 483,28.23 und in 
4e& Urkiuden von den Jahren 1379. 1390. 1442. 1447. 1449. 1451. 1460. 
1468. 148L 1488. 1489 bei Sohwarsenberg Ghwterboek 1 p. 242. 522. 532. 533. 



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384 

Beachten wir schliefelich die Zahl IdO, naebdem wir erör- 
tert, wie die Lex Sazonmn daza gekommen Bein möchte, sich m ihrer 
Bezeichnung des Auadracka Rnthe zn bedienen. Es ist oftmals ansge- 
fflhrt worden, dafs die iUteren Germanen und namenüich die nördlichen 
Stämme derselben sich der Zahl 120 statt der Zahl 100 viel&ch and 
in den mannigfachsten Beziehungen bedient haben. Sie wird als das 
grofse Hundert von dem kleinen Hundert unterschieden. Noch im drei- 
zehnten Jahrhundert bezeichnet der friesische Chronist Menko za 
Witte- wierum im Oroninger Lande das gemeine Hundert im Gegrasatz 

542. 699. 622. 695. 744. 745 and Friesische Bechtsquellen p. 560, 24. 28. — 
Ob dasselbe oder ein kleineres Ackermaafs als Pantsemate unter dem Aus- 
druck Centenarium oder Hond«rt, welcher in altfriesischen Gegenden 
häufig vorkommt, gemeint sei, rermag ich nicht zu ermitteln. Fftr das Vor- 
kommen des Ackermaafses f&hre ich an: aus dem Groninger Land eine Ur- 
kunde von 1301: „quinque centenctria terrae^ und „dimidium centenarium** 
Driessen Mon. ined. *p. 67. Nach dem Winsumer Sylrecht ron 1464 { 49 
soll bei Yertheilung der Syllast gerechnet werden : ^gras gras gelyck, Aon- 
deri hondert gelyck, juk jukes gelyck'* Gonsideratie der Erfgesetenen p. 49. 
In einer Urkunde Ton 1488 begegnen wir „handerden^ an Westeremden, 
Gaarshnisen, Sand und Wirdummer-tel, siehe Feith Beklemmregt 2 p. 498. 
Die offizielle Liste der Ommelander Maafise, gedruckt 1717 S. 239 sagt: 
sAnderthalf kleen hondert, is een grool hondert, ende een groot hondert is 
ordinarie SOOroeden,^ führt dann aber an S. 228 und 236 grolse Honderte ron 
300, S.235 Tonl60 Ruthen, und S. 238 kleine Honderte su 240 Ruthen. Noch bis 
1821 wurde im Firelgo nach Honderten zu 160 Quadratruthen Groninger Maafses 
gerechnet (s. Feith a. a. 0.). Der Oldenburgische Morgen zerftllt noch hento 
in sechs Hunte. Aus Holland ist zu Tergleichen eine Urkunde von 1391 ans 
der Gegend bei Dordrecht: „hoeyen . . morgen . ., hont^ Mieris 3 p. 584; ans 
Brabant Urkunde von 1205: ,,noyem hont moers" zu Lülo an der Scheide 
Kluit bist. crit. 2 p. 284. ~ Denselben Ausdruck yermuthe ich bereits in der 
Urkunde des Kaisers Ludwig Tom Jahre 839: „conoessimus . . . quasdam 
res proprietatis nostrae, quae sitae sunt in ducatu Frisiae in pago Westraeha 
in YÜla Cammingehunderi et in aliis villis drcumquaque se positis** Erhard 
Reg. WestfaL 1 cod. dipL p. 1 1 ; wo das Registrum Sarachonis von Falcke 
setzt: { 743: „in Camminge in pago Westraeha in Frisiae ducatu **, nnd 
{ 744 : „in Hunderi in eodem pago Westraeha" Falcke Cod. Tradition. Corbei. 
add. p. 43. Unter Camminge - hunderi, wie die Urkunde sagt, yerstehe ich 
eine Camminge - statha im Westergo, nicht aber eine Centena oder Fagellns, 
wie Waitz, Bergb und Andre annehmen, da in Friesland die Ausdrücke 
Hnntari und Centena für einen Pagellus nicht vorkonmien, und die urkund- 
liche Bezeichnung der „Camminge- hunderi** ab einer Villa dagegen spricht. 



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386 

Ton dem c^ofsen Handert als „oentnm seoundum latinam com- 
patationem^ Menko zum Jahre 1259. — Die Angelaachsen ver- 
wenden fttr das Grofthnndert den Ausdruck hnnd-tvelftig; und 
er scheint auch den Salfranken geläufig gewesen zu sein, da in 
dem „incipiunt ohunnas*' übersehriebenem Zusatz zur Lex Salica (ed. 
Merkel p. 95) 120 Denare in dieser Weise bezeichnet zu sein scheinen. 
Die Stelle besagt: „Hoc est unum thoa-lasti, solides 3 culpabilis indi- 
eetur"; drei Solidi der Lex Salica sind 120 fränkische Denare und fttr 
„unum thoa-lasti*' will Grimm Vorrede zur Lex Salica ed. Merkel p. XV 
besaem: „chnnntualafti*. Im Norden wird allgemein unter Hun- 
dert das groise Hundert verstanden *); nach der Jtlngeren Edda nannte 
man eine Schaar von Hundert (120) Mann „herr^ (Exercitus); und da* 
nach hieCs der Districti dem sie angehörte, „herad*' (Harde) oder „hun- 
dari^ (Centena). Die altsächsischen Gesetze zeigen eine sehr 
nmfiwsende Anwendung der Zahl 120. Die CSapitula de partibus Saxoniae 
c. 15 enthalten die Vorschrift, dafs einer neu gegründeten Kirche von 
je 120 Poffeneesy die in sie eingepfarrt werden, ein unfreies Paar flber- 
lassen werden solle, vgl. oben S.176 Note 1. Nach der LexSaxonum besteht 
dwiWerffeld dee Litue aue 120 Solidi^ das des Freien ans 2 X 120, das des 
Nobilis ans 12 X 120 Solidi und einer Bulse von 120 Solidi (s. p.377). Ffir 
KörpenerUtzungen der Nobiles werden dann Vervielfältigungen 
der Zahl 120, das ist eines groCsen Hunderts gezahlt: als Wundetfibufee 
begegnet die einfache, zweifache, dreifache, sechsfache und 
zwOlffache Zahl, also 120, 240, 360, 720 und 1440 Solidi. Daneben 
erscheinen für andere Korperterletzungen, indem die angeführten Zahlen 
durch 2 und 3 dividirt werden, Bruchtheile derselben, namentlich: 
60 d. i. y. X 120, 30 d. i. % X 120, 80 d. i. V, X 240, 160 d. i. 2 X % 
X 240, 180 d. i. Vt X 360 Solidi.— Die angeführten Zahlen kommen fflr fol- 
gende Verletzungen der Nobiles vor: 120 Solidi für eine blutfliefsende 
Wunde (Lex Saxonum o. 3), fflr Haargriff (1. S. c. 7), fflr Wasserwurf 
(c. 10), Verlust des dritten oder vierten Fingers, von denen je ein 
Drittel mit einem Drittel von 120, d. i. 40 Solidi gebflfst wurde (c. 13) j 
ferner 240 Solidi ffir Schädelbruch, Wlitiwam, Durchbohren des 
KOrpers, Beines oder Arms (c.5), fflr Verlust des kleinen Fingers (c.l3); 
ferner 360 Solidi fflr Verlust des Daumens (c. 13); ferner 720 So- 
lidi fflr Verlust eines Auges, Fufses, Testiculus, einer Hand, eines 
Ohres bis zur Taubheit, oder der Nase (c. 11) (fflr Lähmung eines 
dieser Glieder nach 1. S. o. 12 die Hälfte von 720, fflr geringere Schä- 

') Vergleiche auch, was oben p. 360 Note 2 angefahrt ist. 

25 



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^386 

dignng deiBelben der vierte Theil von 730 Sol.); ferner 1440Solidi 
fttr Verlust beider Augen, Ohren, Hände, Ffilse oder Teetienli (e. 11). 
Sodann werden erwähnt: 60 Sotidi fttr Verlust eines der mitt- 
leren Zehen (c. 13), für livor et tumor (c 2); 30 für eine Hiebwunde 
(e. 1) und Verlust des kleinen Zehens (c. 13); 80 für Verlust des dritten 
Theiles eines kleinen Fingers (c. 13), und 160 für Verlust sweier Drittel 
desselben (c.l3); 180 fttr Blofslegen des Hirnscbädels (c. 4), Verlost 
des halben Daumens oder grofsen Zehens oder ganzen Zeigefingers 
(c. 13). — Anfserdem werden bei Frauenraub und Entefarang 
Summen van 240 und 300 Solidi als Bufse bestimmt, und wird verord- 
net, dafs sie zweifach, dreifach und vierfach gezahlt werden sollen (L & 
c. 40, 43, 49); in den 240 Solidi scheint das Wergeid einer freien Frau, im 
den 300 dieselbe um 60 Solidi d. i. den Königsbann vermehrte Summe» die 
auch als Kaufpreis der Frau gilt, gemeint zu sein, vgl. oben S. 298—305. 
Wie hier im altsächsisohen Recht die Zahl 120 oder das grobe 
Hundert von Solidi die Grundlage der Wergelder abgiebt, so finden 
wir auch in überraschender Uebereinstimmang damit im angelaSch- 
sischen Recht die Aufstellung des Wergeides nach je 100 Schillingen. 
Wenn wir im alts&chsischen Recht dem Liten 120, das ist ein greises 
Hundert von Solidi, dem Liber zwei grolse Hundert (240), dem No- 
bilis 12 grofse Hundert (1440) Solidi als sein Wergeid zugewiesen fin- 
den, so hatte nach angelsächsischem Recht der Ceorl oder freie Mann 
2 X 100, der Thegen 12 X 100 Schillinge; noch mehr: der Ceori wird 
nach dem ihm zugebilligten Wergeld als ein Zweihundertmann, der 
Thegen als ein Zwölfhnndertmann bezeichnet, jener heifst „twy-hyndes- 
-man'', dieser „twelf>hyndes*man" — zwischen beiden steht derGesidh 
oder „syx-hyndes-man" mit einem Wergeld von 6 X 100 Schillingen —; 
denn der Ausdruck „bynde*' oder „hyndene^, eine Ableitung von Hundert 
wie Gentena von Centum, bedeutet nichts Anderes als Hundert, wie 
Schmid Angelsächsische Gesetze (2. Ausgabe) p. 615 dargethan bat^). 

Vgl. namentlich die angelsachsische Außseichnung Tom Wergeide 
bei Bchmid p. 314 § 1: ^twelf-hyndes-mannefl wer is twelf hund acyllinga; 
twy-hyndes-mannea wer is twa hund scyllinga" d. h.: des Twelf - hyndes- 
mannes sein Wergeld betr&gt 12 X 100 Schillinge, des Twy-hyndes-mavnes 
sein Wergeld beträgt 2 X 100 Schillinge; Tgl. S<^imid p. 675. 670. — Im 
Anhange zur angeführten Aufzeichnung VII, 2 § 6, und VH, 3 § 1 : „Ceoriles 
wergeld is on Myrcna lagi CC scillinga . . ; pegenes wergeld is syz swa 
micel, paet bid XII hund scillinga'' a. a. O. p. 396. 398; dafs „six hynde"" 
bedeute sexcentenarius , sexcentenus, belegt Schmid p. 653. In einer Ur- 
kunde König Cnuts aus den Jahren 1013—1020 schreibt derselbe: „Cnut 



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387 

Ein dureh VenrielflUtigang der Zahl Hundert gebildetes Wergeid 
der yerechiedenen QebartBStttnde seigt sich auch in anderen dentsohen 
Volkareehten. Die Lex Thnriogorani giebt dem Freien ein Wergftld 
Ton 2 X 100 (0. 8: „qni liberum occiderit, 900 solides eonponat''), dem 
Nobilis Ton 6 X 100 Solidi (e. 1 : „si qais adalingam occiderit, 600 so- 
lides oonponat*'). Ganz dem entsprechend sind die fränkischen Volks- 
rechte : sie sprechen dem „lidus" (Lex ad Amorem c. 5), „homo regius*', 
„homo ecclesiasticos ^'j „advena Romanus" (Le^ Ripuar. Tit. IX; X; 
XXXVI), „Romanus possessor*" (1. Sal. XLI) ein Wergeid von je 100 So< 
lidi, dem „ingennus Franons*' (1. Sal. XLI) oder ^ingenuus Ripuarins** 
(L Rip. VII) oder „homo ingenuus*' (1. ad Amor, c.4) von 200, dem ,|in 
tröste dominica'' (1. Sal. XLI), „in truste regia'' (1. Rip. XI), „hono 
Francus" (1. ad Amor. o. 8) Ton 600 Solidi zu. 

Abweichend dagegen von dem frftnkischen Recht, und dem Wer* 
geld des sächsischen Liten von einem greisen Hundert d. i. 120 kleinen 
Solidi gleich werthvoll erscheint das Wergeid des Libertus in der Lex 
Thuringorum c. 45 (Tit. X) von 80 grofsen fränkischen Solidi ^), sowie 

oing gret . . . ealle min« ^egnaa twelfhynde, and twihynde freondUoe** Kemble 
Cod. diplomat. Nr. 731. Vgl Ines GeseUe 24 { 2 : ^Wealh gif he halad sif hida, 
bid syx-hynde.'' Femer soll naeh Ines Gesetien $ 54, damit die Anschuldigong 
ober Tötung durch eidliches Abl&ugnen surfickgewiesen werden könne : „|M>nne 
seeal bion on {>aere hyndene an kyning-aede be 30 hida, swa be gesid- 
enndum men, swa be cierlisoum, swa hwaeder swa hit sie** Schmid p. 46, 
d. h« ^dann soll sein aaf die Hunderizahl ein KSnigsetdleister Ton 30 Hufen, 
sowohl beim Gesithkundmsnn als bei Keorlen, wie immer es sein mOge" oder, 
wie ich Torstehe, ^t^f je 100 Schillinge des Wergeides soll ein solcher KS- 
nigseidleister von 30 Hufen schweren, sowohl bei Gesiden =s Syx-hynden, 
als bei Keorlen s= Twy-hynden, also bei jenem 6, bei diesem 2 derartige 
Eideshelfer schwören." — Damit ist unmittelbar su yergleiehen das Stftek 
rem Eide bei Schmid p. 400 App. VIU: „Be Merciscaa ade. Twelf-hyndes- 
mannes ad forstent 6 eeorla ad; forpam gif man pone twelf-hyndan-man 
wrecan seeolde, he bid fiil-wrecan on syz ceorlan, and bis wergyld bid syz 
oeorla weregyld." d.h. „Vom Mercbchem Eide: Der Eid eines Twelfhyn- 
deamann Tertritt 6 Keorla-Eide; denn wenn man den Twelfhyndeamann 
r&chen soll, so wird er völlig gerochen an 6 Eeorlen, und sein Wergekl 
ist das von 6 Keorlen.*' Dals in anderem Sinne in den Londoner Friedens- 
gilden (Schmid p. 160) teodunge (zehner) und hindene (hunderte) rorkommt, 
bemerkt und erklärt Schmid p. 615. 

^) In Lex Thor, c, 45 finden wir auffälliger Weise das Litenwergeld ron 
80 Solidi, w&hrend die Verwundung des Liten mit der li&lfte der ftkr die 

25* 



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388 

das Wergeid des friesischen Utas von 80 grofsen Solidi in dem jflng- 
sten Theil der Lex Frisionum, ans dem dann durch Versweifachong und 
Vervierfachung resp. Verdreifachung das Wergeid des friesischen Freien 
(2 X 80 =r 160 Sol.) und des friesischen Nobilis (4 X 80 s 320 reep. 
3 X 80 = 240 Sol.) gebildet sind. Dafs indessen das friesische Weigeld 

Verwundang der Freien, dessen Wergeid 200 Solidi betr&gt, bestimmten S&Ue 
gebüfst wird, so dafs man erwarten müfste, dafs die Lex dem Liten auch das 
halbe Wergeid des Freien, also 100 Solidi, in fr&nkiscber Weise zutheilen würde. 
In gleicher Weise erw&hnt 1. Thur. c. 49 (Tit. XI, 2) für eine getödtete Freie 
(„liberam non parientem'') ein Wergeid von 2 X 80 + 2 X 3% Solidi („bis 80 
et 6 Bolidos et duos tremiBses*^), wo man f%kr sie ein Freienwergeld von 200 SoL 
erwarten würde, um so mehr da bestimmt ist: „Qui feminam nobäem rirginem, 
nondum parieniem, occiderit, 600 so Udos conponat; si pariens erat» ter 600 so- 
Udos; $i iam parere desiU, 600 solides. Qui liberam non parientem oc- 
ciderit, bis 80 et 6 solides et duos tremisses conponat; si pariens 
est, 600 solides; si iam desiit, 200 solidos conponat" (c. 48. 49, bei He- 
rold Tit. XI, 3 u. 4). Wir sehen hierin Ueberreste älterer thüringischer Wer- 
geldans&tEO von 80 und 2 X 80 Solidi, wie sie ftlr Freie im sAchaischen« 
alamannisohen, bairischen, burgundischen (?) Recht galten, während flkr die 
übrigen Wergeldansätse wie im fränkischen Recht die Zahl 100 zur Grund- 
lage geworden ist. Ueber die Erklärung der Summe ron 80, 2 X 80 fftr 120, 
2X1^ Sol. ist unten p.389 Note 1 sn vergleichen. Die ZubuCse von 3Va Sol. 
d. L von 10 Tremissen scheint dem ursprünglichen Wergeid von 120 Trimsen 
als der zwölfte Theil hinzugeftkgt, dann aber bei der späteren Steigerung 
der Wergelder in den verschiedenen Rechten in verschiedener Weise behan- 
delt zu sein. Lex Frisionum Tit. XV rechnet bei dem durch Verdoppelung 
entstandenen Freienwergeld von 2 X 53 '/s Sol. 3'/) Sol. hmzu, und verdoppelt 
diese Zulage mit bei dem durch Verdoppelung dieses Freienwergeldes entstande- 
nen Wergeide des Nobilis von 2 X (2 . 53% +3*/.) = 220 Solidi. Die Lex Thu- 
ringorum bestimmt bei ihrem aus 2 X 80 verdoppeltem Wergeid des FVeien 
eine Zubufse von 2x3*/» Sol. Endlich sagt die Lex Sax. c 14, daia bei 
dem Wergeid eines Nobilis von 1440 Sol. ein Praeminm von 120 Sol., und 
der Sachsenspiegel, dafs bei dem Wergeid des SchGffenbarfreien von 360 Schil- 
lingen eine Bufse von 30 Schillingen hinzugefügt werden solle: beide Reehte- 
queUen erhöhen also dadurch das Wergeid um Vn. Nun betrug aber das 
Wergeid eines Liten nach der Lex Sax. 120 Sol.; die zu einem zwüUlen Theile 
desselben berechnete Bufse ergab mithin 1 Sol. ; und wenn wir annahmen, 
dafs statt des Litenwergeldes voh 120 Solidi ursprünglich ein Wergeid von 
120 Tremissen gegolten habe, so würde eine Bufse vom zwölften Theile 
desselben sich auf 10 Tremissen, das ist auf 3% Solidi belaufen haben. 
Dies aber ist die Zubufse, welche wir im friesischen und thflringiscben Recht 
nachwiesen. 



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389 

des Litns von 80 grofsen Solidi nicht das nreprfingliehe ist, sondern 
dafs es aus dem Wergeid von 26% Sol. durch Verdoppelnng hervor- 
gegangen ist, zeigen die älteren Theile der Lex Frisionnm, vgl. Mon. 
Germ. Leg. 3 p. 650. 

In der Lex Sazonum werden kleine Bnfsen mit Solidi sn je 8, 
Wergelder mit Solidi zu je 2 Trimsen gezahlt, vgl. oben p. 29, nnd 
wird mit Rücksicht darauf gesagt, dafs im ersten Fall mit Solidi 
maiores, im zweiten mit Solidi minores die zu zahlende Summe ent- 
richtet werden solle. Kaum wird man bezweifeln können, dafs in 
Sachsen in einer frflheren Zeit bei der Zahlung von Bufsen nnd Wer- 
geldem nnter den fflr sie angesetzten Solidi dieselbe Anzahl von 
TremisBen begriffen wurde. Nimmt man an>), dafs frfiher anch bei 
den Weigeldern 3 Trimsen fflr i Solidus gezahlt wurden, wie bei den 
flbrigen Bufsen, und dafs es bei denselben erst spftter Üblich wurde, 
fflr den Solidus nur 2 Tremissen an zahlen, so trat damit eine Be- 
dnction der älteren Wergelder auf *l% ihres frflheren Betrages ein. In 
ähnlicher Weise wie in Sachsen mflBsen auch im ältesten Friesland bei 
Zahlung von Wergeldern fflr 1 Solidus 8 Trimsen gezahlt und mufs 
es später flblich geworden sein, bei Wergeldern einen Solidus nnr 
2 Trimsen gleich zu achten, also kleine Solidi zu zahlen, die man 
endlich bei Abfassung der Lex Frisionum wieder in groben Solidi 
ansdrflckte. Fflr einen solchen Hergang spricht, dafe noch zur Zeit der 

^) Ohne bestimmt angeben zu können, wie es dahin kam, dab in 
Sachsen unter Solidi neben einander 2 und 3 Tremissen verstanden sind, 
wage ich folgende Vermuthung. Bei Wergeldern war es von Alters her ge- 
stattet, dieselben durch Lieferung von eu einem bestimmtem herkAmmlichem 
Taxlufs ansunebmenden Naturalien zu entrichten. Der Werth der dabei ftr 
1 Solidus entrichteten Naturalien erschien aber spftter om den dritten Theil 
geringer als ein Solidus in Oelde, und so setzte man bei Abfassung der 
Lex Sazonum fest, dafs bei Wergeldern nicht 1 Solidus von 3, sondern 

I Solidus von 2 Trimsen (solidus minor) entrichtet werden kOnne. Dem analog 
bestimmt das spfttere ostfriesische Recht (rgl. oben p. 862 Note), dafe bei 
Wergeldern ein Dritttheil in Geld, */» in Waaren gezahlt werde, sowie dafs, 
wenn bei einem Vertrage Zahlung in G-eld ausbedungen ist, und der Schuld- 
ner statt des Geldes Waare gew&hrt, er einen um V% höheren Betrag prae- 
stiren mufs; Tgl.: ^sa ne schel ma ther neu weir others om reke ieftha 
biade, men alsa hire foreword hebbath wesen; is hit, thet man therbuppa 
weir wel reka, sa schel thi fiarde pannig of falla'' Fries. Rechtsq. p. 195, 

II u. IQ, p. 344. In ähnlicher Weise lassen neuere AblOsungsordnungen bei 
Umwandlung ron Naturalsinsen in Geldrente eine Quote derselben schwinden. 



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390 

Abfassang der Lex in FrieBlaod anter 1 S<rfiduB neben einander 2 und 
3 den Bächsieohen entsprechende Trimsen verstanden wurden, wähiesd 
sich die Lex bei ihren Berechnungen nur des groCsen Solidos bedient, 
und da(s mit der Annahme einer derartigen Beductiou der älteren 
Wergelder auf */« ihres frflheren Betrages alle stOrenden, gebrochenen 
oad ungleichen Zahlen in den Wergeldsfttzen*der Lex Frisionum sohwiB- 
den, und wir als das älteste Wergeid eines Liten ein grobes Hundert 
oder 120 altfriesischer Silberlinge erhalten (d. i. friesisefaer oder aäoh- 
sisoher Tremisses, unter welchem Kamen ich oben p. 358 eine aus 
einer altrömischen hervorgegangene Münae vermuthete). Daneben be- 
trug dann damals das Wergeid des friesischen Freien 8 grobe Hun- 
dert (240)t das des £theling 3 resp. 4 grofse Hundert (360 resp. 480) 
altfriesischer Silberlinge. Die Rechnung ergiebt sich in folgender Weise. 
Das dem Liten im ältesten Theil der Lex Frisionum sugesprocbene, 
durch 36*A Solidi su 3 Trimsen statt su 40 Solidi au 2 Trimsen ans- 
gedrflckte Wergeid wäre durch Reduction getreten an die SteUe von 
40 grofsen Solidi zu 3 Trimsen, d. i. von 120 Trimsen, das Wergeid 
des Ficßien von 53 Vi Sol. für 80 grobe Solidi d. i. 940 friesische Trimsen, 
das Wergeid des Etheling von 106'/» groben Solidi fOr 160 grobe 
Solidi d. i. 480 oder 4 X 120 friesische Trimsen. — Das durch Verdrei- 
fiichung unter Karl dem Grofsen gebildete und im jangsten Theil der 
Lex Frisionum (der Additio) aufgezeichnete Wergeid eines Freien von 
160 Solidi, das mit dem ältesten sächsischen Wergeid eines Freien von 240 
kleinen Solidi übereinstimmt, galt auch bei den Alamannen, Baiem 
und vielleicht auch Bargundern '). Auch bei diesen finden sich Spuren, 

^) YgL Lex Ripu»r. XXKYl, 2 u. 4 : „Si qois Bipnarias »dTenam Bnigon- 
dionem interiecerit, oentnm sezaginta solidis colpabilis iadioetur. Si qiüs Bipna- 
ria8 advenam Alamannum seu FreBionem Tel Baiayarinin aut Saxonem inter- 
fecerit, centum sexaginta solidis oulpabilis iudieetar.*' Dieser Titel scheint unter 
Karl dem Oroben abgebfst sa sein (TgL p. 364 besonders Note 2), naohden 
er die Terschiedenen VolksHtämme in seinem Beiche yereinigt nnd die Wer- 
gelder derselben durch Erhöhung Einzelner einander näher an rüeken gesackt 
hatte. Das in ihm angegebene Wergeid der Baiem und Alamannen gewähren 
auch die Terschiedenen Becensionen der Lex Alamann. und Lex Baiuwaf . Die 
Lex Burgundionum kennt kein Wergeid, weist aber auf ein älteres der freien 
Borgander Ton 150 Solidi hin. Tgl. WUda Strafreeht p. 423. Dem in der 
Lex Eipuar. genannten Wergeid der Sachsen Ton 160 Solidi entsprioht genau 
das in der Lex Sazonum ansunehmende, su 240 kleinen Solidi angesetste, 
dem der Friesen tou 160 SoL das der Additio der Lex Fris. Die Erwäh- 
nung des sAchsittchen Wergeides ist fftr die Ab^sssungsieit des angeAhrien 



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391 

dft& die8 Wergeid in ähnlicher Weise durch Vervielfältigung allmftlig 
gebildet ist, und dürfte dies vermnthen lassen, dafs einst auch bei 
ihnen wie in Sachsen und Friesland ursprünglich ein grofses Hundert 
den Wergeldsätsen zu Grunde gelegen habe^). 

Neben der Zahl 120 (einem grofsen Hundert) tritt in den erhal- 
tenen sächsischen Gesetzen die Zahl 12, das ist ein Dutzend oder, 
wenn man will, eine grofse Zehn auf. Zwölf ist die höchste Summe 
von Eiden mit Eideshelfem, die bei Anklagen geschworen werden 
kihinen, das pimum saeramintum (Lex Sax. c. 3. 4. 5. 7. 10. 16. 17. 
18.52); aus ihr entstehen durch Division die Zahlen sechs (c.2), und drei 
(c. 1) für die in minder bedeutenden Dingen zu schwörenden Eide*). 

Titel XXXYI der Lex Rip. nach 776, wo Sachsen erst unterworfen wurde, und 
wohl nach 785, wo wir erst die Abfassung der Lex Saxonum annehmen su 
müssen glaubten, die des friesischen Wergeldes Ton 160 Bol. für eine noch 
sp&tere Zeit geltend su machen, da der zweite Theil der Lex Frisionum, 
nach 776 wohl 785 abgefafst, statt des Wergeldes von 53*/» Soiidi im ersten 
Theil der Lex, nur ein Wergeid Ton 2 X 5371 Soiidi kennt, das Wergeid 
Ton 3 X 53 Vs Soiidi aber erst im dritten Theile der Lex eingeführt wurde, 
ich diesen aber oder die sogenannte Additio erst ins Jahr 802 setsen su 
müwen glaube (vgl. oben p. 353 f.). Vgl. Mon. Germ. Leg. 3 p. 652 not. 49 
und oben p. 354. 

^) Dem vermutheten Wergeid des friesischen Liten der ältesten Zeit 
von 40 Soiidi entspricht ein Wergeid von 40 Soiidi der Manumissi liberi in 
der Lex Baiuw. tit. V $ 9, dem Freienwergeld des ältesten Theiles der Lex 
Frisionum von 53 V» Soiidi ein Wergeid des getödteten Partus vivus in 
Lex Baiuw. tit. VH §19 (Mon. Germ. Leg. 3 p. 409): ^si autem iam vivens 
iuit, wirgelt persolvat 53 solidis et tremisse'^, dem Litenwergeld der Lex 
Saxonum von 120 kleinen Soiidi das Wergeid des „Liber qui per cartam 
firmitatem acceperit" von 80 fränkischen Soiidi in Lex Alam. Ulothat. XVII 
Mon. Germ. Leg. 3 p. 50. Das Freienwergeld von 240 oder '2 X 120 kleinen • 
Soiidi in Sa^iaen oder 160, d. i. 2 X 80 grofsen Soiidi in Friesland wird 
in Alamannien und Baiern bezeichnet als „bis 80 solides, hoc sunt 160^, ■ 
vgL 1. Baiuw. tit. lY § 28 (Mon. Germ. Leg. 3 p.294) und 1. Alamann. HIothar. 
LXIX, 1 (Leg. 3 p.68; p. 109). Mit dem Wergeid des mittelfriesischen Adligen 
von 3 X 80, d. i. 240 Soiidi gleich grols ist das alamannische des Primus 
Ahunannus von 240 SoL, s. 1. ALun. Pact. II §. 39 (Leg. 3 p. 36), nut dem 
des ostfrieaisehen Adligen von 4 X 80 , d. i. 320 SoL das der fünf ausge- 
zeichneten bairisohen Adelsgeschlechter in 1. Baiuw. lU, I (Leg. 3 p. 289). 
Eine weitere Verdoppelung zeigen in Baiern die Mitglieder, der Familie der 
AgUolfinger, s. L Baiuw. 3, 1 (Leg. UI p. 289). 

') Den Zahlen der Eide in Lex Sax. c. 6. 8. 9. 17 liegt ein anderes 



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392 

Ferner bilden zwölf Solidi die Bannbufet oder das Friedensgeld, bereits 
im vorfrfinkischen Sachsen, das Karl der Grofse, naobdem er savor in 
den Capitnla de partibus Sazoniae statt derselben die fränkische kleine 
Bufse von fünfzehn Solidi einzufahren versucht hatte, in der Lex 
Sazonum nnd im Capitulare Saxonicum als da, wo in Franken mit 
15 Solidi gebflfst wnrde, geltend wieder anerkannte, während er da- 
neben in fränkischer Weise die Bannbufse von 60 Solidi (den König«* 
bann) einführte, vgl. oben S. 343—347. Wie von den vorher besproche- 
nen Summen kommen auch vom Betrage der kleinen Bannbulse Qooten 
vor (Lex Sax. c. 36; Gapit. Saxon. c. 3. 5), nämlich 6 d. i. V. X 12 ( L S. 
c. 36;. c. S. c. 3), 4 d. i. V, X 12 (c. S. c. 5), 3 d. i. 'A X 12 (c S. c. 3: 
1. S. c. 36, wo freilich der fiberlieferte Text statt 3 liest 4), 2 d. i. 
V. X 12 (c. S. c. 5), und 1 d. i. '/„ X 12 (c. S. c. 6). Und wie die grofse 
Bannbufse zweifach vorkommt (Gap. de part. Sax. c. 19) und noch wei- 
tere Vervielfältigung desselben gestattet wurde (Gap. Sax. c. 8), so 
wurde auch die kleine Bannbufse doppelt und dreifach gezahlt (Gap. 
Sax. c. 4). Endlich werden zwölf Solidi als ^nßeßtr geringer geach- 
tete Vergehen gezahlt und wird auch diese Zahl wieder multiplicirt; 
12 Solidi ffir Angriff mit dem Schwert (1. Sax. c. 8), 3 X 12 d. i. 36 Sol. 
für Durchhauen des Kleides oder Schildes (1. Sax. c. 6), ffir Wasser- 
tauche (1. Sax. c. 9) und für Tödtung eines Sklaven (1. Sax. c. 17). 

Wie in der Lex Saxonnm die Zahl 12 für Bufsen neben der 120 
für Wergelder, so erscheint in anderen Volksrechten neben der statt 
120 oder dem grofsen Hundert verwendeten Zahl Hundert (100) für Wer- 
gelder, für 12, wenn man will, der grofsen Zehn die Zahl 10 fttr 
Bufsen. Namentlich ist das in der Lex Thuringorum der FalP). 

Aus Allem erhellt, von wie grofser Bedeutung die Zahl 120 in der 

Yerhältnifs eu Grande, indem zur Beatreitung einer mit 12 Solidi zu büfisen- 
den That ein Eid, und wenn das Vergehn mit 3 X 12 SoL gesühnt wurde, 
• drei Eide verlangt wurden. '' 

>) Vgl. Wilda Strafrecht p. 368, der auch das Vorkommen der BuCm 
Ton 10 Sol. im longobardischen und westffothisehen Recht bespricht. Wie 
in der Lex Saxonum ist 12 die kleine Bufssahl in den Volksreehten der 
Friesen, Alamannen, Baiem und Burgunder (s. Wilda p. 363), denselben, 
nach welchen der Freie ein Wergeid ron 160 fr&nkischen oder groCsen, d.L 
240 kleinen s&chsiscben Solidi erhielt. Wir finden also in ihnen wie in der 
Lex Sax. die kleine Bulse von 12 Sol. in grofsen, das Wergeid von 160 
grofsen oder 240 kleinen Sol. in kleinen Solidi gezahlt, die aber in groÜBen 
Solidi ausgedrückt sind. 



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893 

Lex Saxoo. ist, indem eftmintliche in ihr vorkommende BufBrammen 
anf sie oder die Zahl 12 zorflokzufOhren sind. 

Auf&llend erseheint in den Capitula de partibas Saxoniae neben 
der kleinen fränkischen Bannbufse von 15 Solidi einmal im Cap. 27 
eine Bannbu&e von 10 Solidi. Wagt man hier nicht eine verderbte 
Lesart zu verrouthen^), so wird man nicht umhin können, in den zehn 
Solidi Ys der kleinen Bannbufse von 15 Solidi zu finden, nnerachtet 
man in dem im Cap. 27 erwähnten Fall eine ganze kleine Bannbufse 
von 15 Solidi erwarten möchte*). Anzunehmen, dafs in den Stellen, 
wo die Gap. de part Sax. 15 Solidi nennen , kleine Solidi von 2 Tre- 
misses, im angeführten c. 27 dagegen grpfse von 3 Tremisses gemeint 
seien'), so dafs die Bannbufse von 10 Solidi in c. 27 der in anderen 
Capiteln angeführten Bannbufse von 15 Solidi gleich käme, scheint 
unzuliMsig. An sich ist schon schwer zu glauben, dafs in demselben 
Gesetze die gleiche Bannbufse abwechselnd in kleinen und grofsen 
Solidi ausgedrückt wäre. Zudem würde man, wenn wie in der Lex 
Saxonum grofse und kleine Solidi verwendet wären, vermnthen müssen, 
dafe wie in der Lex Saxonum die kleinen Solidi nur für Bufsen wegen 
Homioidia, sonst aber grofse Solidi zu zahlen gewesen wären. Dem Bann- 
geld von 10 Solidi setzt das Capitel als gleich werth voll die Bufse eines 
Rindes zur Seite, eine Angabe, die ebenfalls Bedenken erregen mufs. Es 
wurden oben S. 32. 34. 44. 45. 864 die Schätzungswerthe eines Rindes bei 
Zahlungen von Bufsen aus der Lex Saxonum, ihren Znsätzen und dem 
Capitnlare Saxonicum von 797 besprochen. Sie zeigten uns den Werth 
eines Rindes Je nach seiner Qualität schwankend zwischen 2 und 3 
kleinen Solidi. Mit dieser Taxe steht die Gleichstellung eines Rindes 

^) Für rerderbt halten die Lesart Langenthal Geschichte der Land- 
wirthschaft 1 und Walter Deutsche Rechtsgescbiohte (2. Aufl.) § 712. 

*) Das Capitel 27 der Capitula de partibus Saxoniae lautet: „Si quis 
homo fideiussorem in venire non potuerit, res illius in forbaano mittantur 
usque dum fideiussorem praesentet. Si vero super bannum in domum suam 
intrare praesumpserit, aut solides decem aut unum bovem pro emen- 
daiione ipsiiu barmi conponat, et insuper unde debitor exstitit, persolvat.^ 
Vier Solidi, d. i. '/a der kleinen Bannbufse von 12 Solidi erwähnt das Cap. 
Sax. von 797 c. ö. 

*) Die im Capitel 27 der Cap. de part Sax. vorkommenden 10 Solidi 
erklärt auch Guörard Polyptjque de Pabb^ Irminon« Paris 1844. 1 p. 146 
und HfiUer Deutsehe Münsgeschichte 1 p. 360 ftr frftnkisohe, also grofse 
Solidi von drei Trimsen. 



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894 

mit 10 Solidi im angefahrten Cap. 27 der Gap. de part Sax. in sehroffiftm 
Gegensatz. loh möchte vermuthen, dafis die Sch&tznng einee Rindes 
zu 10 Solidi in dem frühesten Gesetze König Karls f Or Saehsen ohne 
Bflcksioht auf den weit geringeren Werth der Rinder im Ütesten 
Sachsen erfolgt ist. In den fränkischen Landschaften westlich vom 
Rhein mag damals ein Rind so viel gegolten haben; in den Listen des 
Irmino ttber die Gefälle der Abtei St. Germain -des Pros ans der spir 
teren Regierangszeit Karls des Grodsen wird mehrmals ein Rind in 
einem halben Pfände, das ist zu 10 Solidi geschätzt^). 



Beilage V. 
Das sftohaisdie Vordthftringen und die Lex Thniingoram. 

In der halberstädter DiOcese auf dem rechten Ufer der Ocker er- 
strecken sich im Norden und Osten des Harzes die Gaue Northüia- 
ringgo, Nordswevogo und Hassego. Ihre Bewohner erscheinen im ach- 
ten Jahrhundert als Sachsen, im Gegensatz zu den das angrenzende» 
südlich von ihnen gelegene Land Thuringia bewohnenden Thüringern. 
Da das Norththuringgo jedenfalls bereits im Jahr 780, das Nordswevogo 
und Hassego aber schon länger vorher den Franken unterworfen waren» 
und später in diesen Gauen sächsisches Recht galt, so haben wir keinen 
Grand zu bezweifeln, dafs auch in diesen südöstlichen Gegenden Sach- 
sens die karolingische, wie wir annehmen, 785 erlassene Lex Saxonum 
zur Anwendung gekommen sei, während wir dem benachbarten Thü- 
ringen die gleichfalls karolingische Lex Thuringorum vindiciren, deren 
Recht entschieden ein unsächsisches ist Sie wird in dem einen uns über- 
lieferten, dem Heroldschen Text als Lex Angliorum et Werinorum hoc 
est Thuringorum bezeichnet, und in jenen thüringischen Gegenden 
werden doch im nennten Jahrhundert die Namen der Angli und Wo- 
rin! erwähnt, während später das Land ausschliefslich den Namen Thü- 
ringen führt. 

') Vgl. Ga^rard. Polyptyque 1 p. 151, der auf dem Register die ein- 
zelnen PreiBe von Rindern anftdirt, und ihren Durchsehnittspreis auf 8 8<^di 
6, 7 Denare berechnet. 



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395 

Betrachten wir die eimelnen hier angegebenen Ponete nftber» und 
awar I. and II. die Zeit, in der Nordthttringen nnd die Gaae 
Nordswevogo und Hassego fränkisch wnrden, dann IIL das 
Saehsenthum dieser drei Gaue im Gegensatz zu der sfid- 
lieh an sie grenzenden Tbnringia nnd IV. endlich die GrOndCi 
welche dafür sprechen, dafs die Lex Thuringorum dieser 
Thuringia angehöre. 

I. II. 

Dafür, dafs schon vor 780 das Norththuringgo östlich von der 
Ocker und die daran stofsende Gegend bis zur Elbe zu den fränkischen 
Königen in irgend einem Abhängigkeitsverhältnils gestanden hätte, be- 
mtien wir kein Zeugnifs, so wenig wie dafür, dab damals bereits, wie 
▼. Ledebur Nordthttringen Berlin 1843 S. 21 und 28 behauptet, das 
Ghriatentham in diese Lduidestheile, und zwar sogar nördlich bis Aber 
die Ohre hinaus in die Altmark, vorgedrungen gewesen wäre. 

König Karl hatte vor dem Jahre 780 das Land zwischen Ocker 
und Elbe noch nicht betreten. Sein Feldzug vom Jahre 775 hatte sich 
bis zur Ocker in die Gegend von Braunschweig erstreckt. Dort hatten 
sich ihm die Ostsaohsen unterworfen, vgl. oben S. 181. Im Jahre 780 zog 
er von Lippspringe, nachdem er daselbst eine Beichsversammlung ge- 
halten hatte, nach Ohrum an der Ocker (nördlich von Wolfenbflttel), 
wohin er die Sachsen der östlichen Landestheile aufgeboten hatte, 
schlug endlich sein Lager nördlich von Wolmirstedt an der Mündung 
der Ohre in die Elbe („ubi Ora oonfluit in Albia^) auf, welcher Strom 
die Sachsen von den Slaven schied („Saxonum, qui .citeriorem, quam 
et Sclavorum, qui ulteriorem Üuminis [Albiae] ripam incolunt"), und 
kehrte, nachdem er die Verhältnisse der umwohnenden Sachsen und 
Slaven geordnet hatte, nach dem Rhein zurttck; vgl. oben 3.136.137. Eben 
so wenig aber, wie überliefert ist, dafs Karl der Grofse vor 780 Nord- 
thttringen unterworfen habe, er&hren wir es von seinen Vorgängern. 
Allerdings erzählen die Annalen, dafs König Pippin im Jahre 747 von 
Thttringen aus in Sachsen bis „Orheim^ d. i. Ohmm an der Ocker ober- 
halb Wolfenbflttel, und „Skahaningi super fluvium Misaha", d. i. Schö- 
ningen bei Helmstädt am Bach Meisau, eingefallen sei, um dort seinen 
Bruder Grifo zu bekämpfen; doch berichten sie nicht, dals damals jene 
Gegend den Franken unterworfen oder zum Christenthum bekehrt 
worden sei, vgl. Annales Laurissenses und Ann. Einhardi in Pertz Scr. 1 
p. 186. 137, Fuldens. p. 346» Begino p. 565, Annal. Mettens. p. 830. Dies 



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396 

scheint dagegen in den im Sflden von Nordthflringen, Ostlich vom 
Harz, auf dem linken Ufer der Saale belegenen sächsischen Oauen: dem 
Nordswevogo (südlich von der Bode) und dem Hasse- oder 
Hohse-go (der gegen Sfiden bis zur Unstrot reichte) der Fall gewesen 
za sein. Nach den späten und wenig zuverlässigen Metzer Annalen 
hätte König Pippin im Jahre 748 das Nordswevogo unter- 
worfen: „Pippinus Sasones, qui Nordasquaoi vooantur, wb suam dUio- 
nem gubegit^ ex quibns plurimi baptizati ad finem christianam conversi 
sunt^ Pertz 1 p. 330. Auf demselben Zuge eroberte Pippin, wie gleich- 
falls die Metzer Annalen berichten, indem er aus dem Swevogo weiter 
bis zur Ocker vorgedrungen sei, auch die Hohse-burg, die von dem 
Sachsen Theoderich vertheidig^t war, und deren frdhere Eroberung 
durch König Karlmann die Metzer wie die älteren Annalen schon beim 
Jahre 749 erzählen; vgl. die Annales Lauriss. ad 743: „Gariomannoa 
per se in Saxoniam ambulavit, in eodem anno et cepU eaHmm Hoohseo- 
bürg perpiaeitum, et Theoderieum Saxtmem plaeUando eonguiMvit*^ (Ann. Einh«: 
„Theod. Saxonem illius loci primarium th d$diUonem aecepU^) Ports 
Script. 1 p. 134. 135; und die Ann. Mettenses ad 748: „Pippinna in 
eodem itinere (auf dem er die Nordosquavi unterwarf) oepit eastrum 
Hocseburg et perfidum Theodericum Saxonem tertia iam vice a Francis 
captum comprehendit. Inde proficiscens pervenit ad fluvium Obaora'' 
Pertz Script. 1 p. 330. Der Name der im Jahre 743 und vielleicht aber- 
mals in den Jahren 745 oder 748 eroberten Burg ist in den späteren 
Abschriften der Annalen mehrfach so entstellt, dals man in ihm sehr 
verschiedene Orte erkennen zu können gemeint hat Die in den Hand- 
schriften vorkommenden Namensformen sind: „Hoohseoburg^ (var.: 
„Hooseoburg") Annal. Lauriss. mai. 743 Pertz 1 p. 134 und 630, ^ßtSä- 
seobnrg^ (var. „Hohseburg^) Ann. Einh. ad 743 Pertz 1 p. 135, nHohse- 
bürg'' Herman von Reichenan Pertz 5 p. 98, „Ohseburg** (var.: „Ofas- 
burg^) Ann. Fuld. ad^a. 745 Pertz 1 p. 346 und Ann. Laur. min. p. 115, 
„Hochseoburch*" Regino ad a. 743 Pertz 1 p. 555 und Ekkehard Chr. 
Pertz 6 p. 153, „Hocseobnrg^ Annal. Sax. Pertz 6 p. 554, „Hocsoburc" 
Sigebert Oemblao. Pertz 6 p. 331, „Hocseburc'' Ann. Mettens. ad 748 
und „Ocsioburg*" ibid. a. 743 Pertz 1 p. 328, ,. Sachseburg*' (verderbt) 
Ann. Tilian. Pertz 1 p. 219.« Die diesen Schreibungen zu Grunde 
liegende, in den ältesten Quellen auftretende Namensform ist: Hohse- 
-burg (für das h, das zur Bezeichnung des als lang angesehenen Vo- 
cales gesetzt war, ist mehrfach ch und dann c geschrieben; das an- 
lautende h ist mitunter ausgelassen). Hohse-burg aber bezeichnet eme 



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397 

Burg im Bohte-gau 0, unter welcher Namensform das anf dem linken 
Saalenfer bei Merseburg gelegene Hasse-gau vielfiush vorkommt, und ans 
der aoch die Benennung Hohsingi abgeleitet ist, welche die Fnldaer 
Annalen beim Jahre 852 für die Bewohner des Hasse-gaaes brauchen*). 

') In yerschiedenen s&chsischen Gauen führte eine Burg den Namen 
des Chiues; vgl im Gau „Dersia'* Annal. Petav. ad 785 Pertc 1 p. 17 die 
Dersa-burg (im Kirchspiel Neuenkirehen bei Damme westlich Ton der 
Hunte), nach der auch das Gau genannt wird ^pagus Dersa-burg^ in Meginh. 
transL s. Alex. Perts 2 p. 679; sie begegnet uns in Urk. a. 948 als „Ter- 
sebohrc '^ Erath Quedlinb. und Erbard Regest. Westf. 1 p. 46 und in Urk. 
a. 980 Wenck 2 Urkundenb. p. 34, vgl. auch oben S. 145 N. 1. Im 
Pagus Sri Art lag die Büke bürg, s. oben p. 132 N. 1; im „ Bardengo **, 
„Bardungawe^, „Bardengawe'' (s. oben p. 145) „Bardanowik.'* Und im 
Uildesheimschen pagus Wik-ana-felde (s. Wersebe Gaue p. 151) nennt eine 
Urkunde von 1013 „castellum quod dicitur Wik-ina-feldi-sten" Leibnitii 
Script. Brunsv. 2 p. 156. 

*) Das Gau ist genannt: „Hassega'' in Urk. a. 777 u. 780 Wenck 
Hess. Gesch. 3 Urkundenb. p. 11 u. 13 (ex orig.); „Hohse-gowe" im Bre- 
viar. s. Lulli der Abtei Hersfeld in Wenck 2 Urkundenb. p. 16; „Hose- 
gew e"" m Eberhard. Trad. Fuld. c. 41 nr. 77 Dronke p. 100; „Hosse- 
ga we'' in Urk. a. 947 Wenck 3 Urkundenb. p. 28 (ex orig.); Urk. a. 950 
„Hassaga'' Erath Quedl. p. 6; a. 961 : ^^ Hassigeuui'^ Hoefer Zeitschr. 
2 p. 339; a. 974 und 975: „Hassega«" Erath p. 16; a. 979 „Hassega'' Wenck 
2 p. 31; a.980 „Hassagowe* Schaten 1 p. 980 und Falcke Trad. Corb. 
p. 269; a. 1007 „Hassagu'' Hoefer 2 p. 140 (ex orig.); a. 1021 und 1029 
„Hassaga" Hoefer 1 p. 165. 166 (ex orig.); a. 1040 „Hassengowe" Hoefer 1 
p. 169 (ex orig.); a. 1043 „Hassega" Schultes Directorium 1 p. 158; a. 1046 
„Hassega" Schultes 1 p. 162; a. 1060 „Hassaga" Hoefer 2 p. 536 (ex orig.); 
a. 1107 und 1112 „Hassega" Wenck 3 p. 64. 66 (ex orig.); a. 1133 u. 1134 
„Hassega" Wenck 2 p. 81. 83; a. 1316 „Hosegowe" Boysen Hisl. Mag. 3 
p. 99; a. 1316 ^Hüsegowe" Biedel II Bd. 1 ad 1316 (ex orig.). Im 
Thietmar von Merseburg steht „Hassegun" Ports 3 p. 850. 859. W^idukind 
nennt seine Bewohner „Hassigani" Ports 3 p. 438; in den AnnaL Fuld. 
ad a. 852 wird berichtet ein Marsch nach Thüringen: „per Angros (d. i. 
Engem), Harudos (d. i. die Bewohner des Hartego) , Snabos (d. i. die Be- 
wohner des Nordswevego) et Hohsingos^ Perts 1 p. 368. Die Form 
H6se-gowe, Hossegawe neben Hassa-ga, Hassi-gewi ist hiemach erwiesen. 
Hohsingi ist eine Ableitung von jener Form, wie von dieser Hassingi im 
AnnaL Saxo Perts 6 p. 599 vorkommt. Dafs das Gau nach den Hassi hiefs, 
scheint uniwetfelhaft; und die Identit&t dieses Namens mit dem der Chatti 
zeigt Grimm Gesch. d. deutschen Sprache p. 576. 



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398 

An welchem Ort des HohBe-gaaes die Hohae^xirg gelegen h*t, ist an- 
bekannt. Wenn manche Gelehrte die alte Bnrg in See-borg an der 
Salze finden wollten, das im Nordsweyego an der Grenze des Hohae- 
ganea lag, so haben sie sich nur durch eine unhaltbare Deutung dea 
alten Namens aus Hoch-see-burg bestimmen lassen, die auch der tiefen 
Lage von Seeburg in keiner Weise entspricht >). Unvereinbar mit den 
flberlieferten Namensformen ist die Annahme von Wedekind Noten II 
Heft 6. 1830. p.l69y die auch v. Ledebur Krit Beleuchtung p.24 und im 
Prendi. Arohiv 7 p. 80 verfochten hat, dafii unter der Hohse-burg die 
Asse-burg bei Wolfenbfittel verstanden sei*); nnd an sich mnüs es fllr 
viel wahrscheinlicher gelten, dafs König Karlmann im Jahre 748 sieh 
eine sächsische Burg im Hohse-gau abtreten liefs, das unmittelbar an 
der fränkisch -thüringischen Grenze lag, als im entfernteren nördlich 
vom Harz gelegenen Derlingo. 

Dafür, dafs das Hohsegau früher als das übrige Sachsen 
fränkisch war, scheinen auch die Schenkungen zu sprechen, die 
Karl der Grofse in ihm dem Kloster Hersfeld machte. Er verlieh durch 
eine Urkunde von 780 an Hersfeld die „decima de Haasega, de comi- 
tatu quem Albericus et Marcoardus nunc temporis teuere visi aunt^ 
Wenck 8 Ukb. p. 18 (ex orig.)'}. Als die drei ältesten Kirchen, die 
das Kloster Hersfeld im Hassega besafs, werden die zu Riestädt, All- 
Stadt und Osterhusen (zwischen Sangerhausen und Querfurt) genannt; 
und wenn die Schenkungsurkunde des König Karl über die 8 Kirchen 
aus dem Jahre 777, welche Wenck Hess. G. 8. Urkundenb. p. 11 ana 

^) Ueher das ältere Vorkommen ron ,,Seborch^ vgl« t. Ledebur Die 
Grafen von Falkensteiu 1847 p. 66 und Kritische Beleuchtung p. 2S. 

S) Die Asse bei Wolfenbfittel heilst in Urk. a. 944: „forestum Aasa** 
Lttdewig Beliquiae MSS. 7 p. 430. Die von Wedekind Noten 1 p. 40 benotete 
Stelle des Falkeschen Chron. Corbej. bei Wedekind 1 p. 394 „in pago Der- 
lingo m civitate Asaburg^ ist gefUscht aus Thietmar IV c 2: „ad civiiatem 
Hesleburg** Ports 3 p. 768, einer Stelle, die sieh gar nicht auf die Asse 
bei Wolfenbfittel besieht, vgl. Wersebe Gaue p. 188. 

*) Nach Stiftung der Diöoese Halberstadt entstand Streit swisehen 
Halberstadt und Hersfeld fiber den Besits der Zehnten in jenen Gegenden ; 
▼gL Lambert tou Hersfeld ad 845 Ports 3 p. 47, AnnalisU Saxo ad 840 
Ports 8 p. 676, Chr. Halberstad. ed. Schatz p. 7, und die den Streit refe* 
rirenden Urkunden des König Heinrich V von 1107 u. 1112 nnd des K6nig 
Lothar von 1134 Wenck 3 Urkundenb. p. 64. 66. 2 Urkundenb. p.83. Vgl 
fiber diesen Zehntstreit: Wenck Hess. Gesch. 3 p.36 und das wichtige Zehnt- 
register in Ledebur Preufö. Archiv 12 p. 215. 



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399 

dem angebliolieii Originale pablicirt hat, angefochten wird, 80 beweiaen 
dock die spftteren Herefelder Urkanden, dafs die Kirchen bereits tor 
E[ari dem Grofsen dem Kloater Hersfeld geschenkt worden sind^). 

Wenn eine vielbesprochene Stelle des Bischof Aribo von Freising 
(t 784) dafttr angefahrt wird, dafs Nordthüringen bereits in der ersten 
Hälfte des achten Jahrhunderts theilweise christlich gewesen sei, so 
sagt dies die Stelle nicht, und unter dem in ihr genannten Thüringen 
ist nicht das sächsische NordthSringen, wie v. Ledebur Nordthflringen 
p. 24 und Rettberg Deutsche Kirchengeschichte 2 p. 402 annehmen, 
sondern das eigentliche Thüringen gemeint. Aribo berichtet: ein alter 
Mann habe ihm erzählt, er sei einst von Räubern ergriffen und nach 
Franken als Sklave verkauft worden; von dort habe ihn sein Herr weiter 
verkauft: „cuidam in partibus aquilonis Thuringornm gentis*), in oon- 
jaeente confinio Porahtanorum gentis, quae ignorat Deum^ Aribonis 
vita s. Emmerami in Acta S. S. BoDand. Septemb. Tom. 6 p.433. Der Mann 
wurde an einen Ort nördlich von Thüringen verkauft, in die Nachbar- 
schaft der Porahtani; der Ort wird in Hessen gelegen haben, das da^ 
mals noch zum Theil heidnisch war, wie es Aribo von dem Lande des 
Herrn des Sklaven erzählt ; und Hessen benachbart wohnten die Porah- 
tani, d. i. (wie ZeusB Die Deutschen und ihre Naohbarstämme p. 352 
erkannte) die Boroctri, ein Name, der im achten Jahrhundert ffir die 
westlichen Sachsen oder Westfalen verwendet wurde, s. oben p.36 Note 1. 

^) Das Breviarium s. Lulll verzeichnet als von Karl dem Grofsen dem 
Kloster Herafeld geschenkt „in Hohsegowe capellas tres" Wenck 2 
p. 16; ygl. in XJrk. a. 979 „tres capellas in Altstede, Osterhusun, 
Rietstede, cum omnibus decimationibus inYresinayelde etHassega^ Wenck 

2 p. 32; desgl. Urk. von 1107. 1112 und 1134 Wenck 3 ürkundenb. p. 64. 
66. 2 Ürkundenb. p. 83. In der Urkunde von 777 schenkt KOnig Karl: 
„ecelesias in Altstedi, . . in Ritstaedi, . . in Osterhusan, cum omni decima- 
tione de Frisonovelde et Haasega, in comitatu Alberici et Markwardi'^ Wenek 

3 p. 11. Man hat gegen diese Urkunde angeftihrt, dafs König Karl erst im 
Jahre 780 die Zehnten an Hersfeld geschenkt habe; die Urkunde von 1134 
sieht in der Urkunde von 780 eine Bestätigung der Schenkung von 777: 
„tres ecclesias cum omni decimatione . . Carolus imperator Hersfeldensi mo- 
nasterio cum duobus privilegiis, primo tradidit, secundo confirmavit, 30 et 
eo amplius annis ante episcopatuum per Saxoniam distributionem et Halber- 
stadensis ecdesiae constructionem" Wenck 2 p. 83. 

*) Ledebur Nordthüringen p. 24 übersetzt diese Worte „in den nörd- 
lichen Theilen des Volkes der Thüringer'' statt: in den Gegenden nOrd- 
Höh von dem Volk der Thüringer. 



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400 

Arnold de s. Emmeramo, der ums Jahr 1037 die Stelle des Aribo 
schrieb, setzt fälschlich „caidam Thnringo in flnibos Parahtanoram* 
Perts 4 p. ööO| indem er die ihm unbekannten Namen und Localititea 
entstellt. Unter den Porahtani des Aribo, mit Ledebor, an Bardi d. i. 
an Bewohner des Lflneburgisohen Bardengaues zu denken, halte ioh 
sprachlich fflr unmöglich. 

IIL 

Im achten und neunten Jahrhundert sind die Bewohner des 
North.thnringgo, das sich von der Ocker znr Bodo erstreckte, so- 
wie die des Nordswevogo, welches sich auf dem rechten Bod^ 
ufer ausbreitete, und des Hassego, das sich daran lehnte und das 
Land südlich bis zur Unstrut in sich schlofs, Sachsen. Die Gegenden 
im Norden des Harzes und ostwärts desselben bis zur Unstrut gehören 
zu Sachsen und werden dem südlich der Unstrut gelegenen thürin- 
gischen Lande als sächsisch entgegengesetzt. Bestimmte Zeugnisse 
dafür stehen uns zu Grebote. Im Jahre 747 soll nach den Ann. Mett. 
König Pippin die sächsischen Nordsueven d. i. die Bewohner des säch- 
sischen Suevogaues unterworfen haben; die Annalen sagen: „Pippinos 
Sazones, qui Nordosquavi vocantur, sub suam ditionem subegit^ (s. p. 396). 
Im Jahre 748 berichten sie ferner, Pippin habe die Grenzen der Nord- 
schwaben überschritten, und sei aus Thüringen in Sachsen eingefallen ; 
sie sagen: „per Turingiam in Saxoniam veniens, fines Saxonum, quos 
Nordosquavos vocant, intravit". In Uebereinstimmung hiermit berichten 
die Fuldaer Annalen beim Jahre 852, da(s König Ludwig der Deutsche 
von Minden an der Weser durch Engern, das Hartegan, Nordsuevogau 
und Hassegau nach Thüringen gezogen sei, und in Erfurt, das etwa 
sechs Meilen südlich von der Grenze des Hassegaues in Thüringeo 
liegt, eine Reichsversammiung abgebalten habe. Die inhaltsreichen 
Worte lauten: „in loco, qui appellatur Mimida super amnem, quem 
Tacitus Visurgim, modemi vero Wisaraha vocant, habito generali con- 
ventu, cansas populi . . . absolvit . . . Inde transiens per Angros, Ha- 
rndos, Suabos et Hohsingos, et per mansiones singulas, prout se prae- 
buit opportunitas, causas populi dijudicans, Thuringiam ingreditur, ubi 
apud Erphesfurt habito conventu decrevit, etc.*' Pertz Script 1 p. 368. 
Noch genauer lernen wir die Grenze von Sachsen und Thüringen kennen 
durch Urkunden, welche uns die Ausdehnung des an der Grenze in 
Sachsen gelegenen Hassegau ausweisen. Bereits oben wurde erwähnt, 
wie Karl der Grofse der Abtei Hersfeld in den Jahren 777 oder 780 



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401 

den Zehnten Im „Haesega'' verliehen habe. Ein von Ledebur Archiv 12 
p. 215 mitgeiheUtea Zehntregiater venseichnet die einzelnen zehn^flioh- 
tigen Ortachaften und in einem im Jahre 979 verfafaten Diplom Kaiaer 
Otto IL werden die Qrenaen dea Zehntdiatricta beacHchnet ala aioh er- 
atraokend „a aummttate vallia, nbi ae Saxonea et Thuringi diainngant, 
qoae Teutonice dicitur Girufde, auraum ad aquilonarem plagam^ Wenok 
Heaa. Landeageachichte 2 Ukb. p. 32. Der Sachaengraben aber liegt 
bei Wallhauaen; ihn bezeichnet Thietmar von Meraebarg „fovea qnae 
eat ioxta Valeahnaun" Fertz S p. 749. Sfidlich auf dem rechten Unatrut- 
nfer eratreekt aioh Thflriagen; und ao wird namentlich daa Gan An- 
gilin, zu welchem die Orte COlleda) Trebra nnd Scheidingen gehörten, 
m einer Urkunde vom Jahr 932 ala in Thüringen gelegen bezeichnet; 
die Urkunde aagt: «»pagoa Engilin in regione Thuringorum^ und: „in 
pago finglehem in provincia Thuringorum^ Ledebur Archiv 13 p. 81. 

Die Benennungen der beaprochenen Gaue Norththuringgo, Nord- 
auewego und Haaaego weiaen unverkennbar darauf hin, dafa dieae Gaue 
uraprttnglich von Thfiringem, Sueven und Hesaen bewohnt waren. Zur 
Bezeichnung von Nordthflringen verwenden Urkunden die Auadrttcke 
Pagua Thuringorum und Thuringia, bedienen aich alao der fQr die 
Bevölkerung dea eigentlichen Thüringena üblichen Namenaformen; vgL 
Weraebe Gaue und W. Ranmer Karten und Stammtafeln. Die Bewohner 
dea Swevego nennen die Annalea Mettenaea a. 747 und 748 „Nordoaquavi^ 
(a.oben p.400), Ann. Fuld. ad a.852 ^Suabi'' (a. p.400), Widukind „Suevi« 
(a.p.406 Note 1), Gregor von Tonra und Paullua Diaconu8„Suavi'' (a. unten 
p. 404 Note 1). Der Sachaenapiegel setzt dem Bewohner dea Nord- 
awevego, welchen er ala einen „awaf', oder nach anderen Hand- 
achriften ala einen „auavee'' bezeichnet^), den Südachwaben ala einen 
„elderen awaf" entgegen und bekundet damit die Identität beider 
Namen. Die Namenaformen dea Haaaegauea wurden oben S. 397 
nacbgewieaen ; ea atellte aich heraua, da(a die Bewohner dea „Has- 
aega", „Haaaigewi*^ oder „Hosaegawe" als „Hasse -ga-ui^, „Haas-ingi'', 
„Hoha-ingi^ vorkommen, Formen, die unmittelbar auf den Namen der 
Chatti oder Haaai zurückführen. Dafa später die Bewohner der drei 
genannten Gaue, wo aie als Saxones bezeichnet und als solche aua- 
drficklich den Thuringi entgegengestellt werden , nicht Oberdeufcache, 
alao nicht Thüringer, Schwaben und Heasen, sondern Niederdeutache 
geweaen sein müssen, kann keinem Zweifel unterliegen. Eine Umwan- 

^) Die im Sachsenspiegel gebrauchten Namenaformen sind zusammen- 
gestellt in Homeyers Sachsenspiegel 1 (8. Ausgabe) Register p. 475. 476. 

26 



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402 

delrni^ des Volksthumes der Bewohner mufe in jenen Gftiien erfolgt 
sein, wenn wir anch nioht sicher wissen, in welcher Weise sie den be- 
nnehbftrten Sachsen einverleibt sind. 

Nach den spftteren s&obsischen Berichten wurde das Land anf dem 
linken Bllmfer einst von ThOringem bewohnt und von eindringenden 
Sachsen erobert. Nach einer von Adam von Bremen angefahrten Kaoli- 
rioht witren die Sachsen vom Rhein nach Tharingen gesogen i), nach 
anderen Sagen im Lande Hadeln gelandet und dann weiter südlich vor- 
gedrungen. Als der Frankenk((nig Theoderich mit seinem Schwieger- 
sohn Hermanfried, König von Thüringen, in Krieg verwickelt war, was 
nach den frftnkiscben Berichten im Jahre 528 stattfand, soll Theodeifoh, 
wie verschiedene sächsische Quellen der sp&teren Zeit in ähnlicher 
Weise erzählen, die Sachsen zu Hftlfe gerufen haben, um die Thtringer 
zu besiegen, und ihnen, nachdem er mit ihrer Hülfe den Sieg erfoohten 
hatte, das thüringische Land nOrdlich der Unstrut auf dem Unken Eib- 
ufer überlassen haben. Im Einseinen wichen die Angaben von Mä- 
ander ab. Nach Rudolf von Fulda (963), deesen Ersihlung Adam 
von Bremen (1076) wOrtlich auftmhm, rief Theoderich, der mit den 
Thüringern in hartem Kampf begriffen war, die eben erst in Hadeln 
gelandeten Sachsen gegen Versprechen von Land zu Hülfe; mit ihnen 
siegt er, und „vastatisque \ndigmi9 (i. e. ThiurivtgiB) et ad intemeeionem 
pene ddetis, terrrnn earum iuzta pollicitationem snam, victoribus (i. e. 
SaxonihuB) delegaoit\ Wegen ihrer geringen Zahl geben dann die 
Sachsen einen Theil der Aecker gegen Tribut an Golonisten: „eam 
maxime, qnae respicit orientem, cohni$ tradebant, singtdis, pro iua Mrte, 
sub irihuio 9xereendam. Oaetera vero loca ipsi possederunt, a meridie 
quidem Francos habentes, et partem Thuringorum, quoe 
praecedens hostilis turbo non tetigit, alveoque fluminis Unstrote 
dirimuntur.'' S. Translatio s. Alexandri Pertz Script. 2 p. 074 und 
Adam. Brem. Pertz 7 p. 285. Nach Widukind Ton Corvei (um 967) 
ruft Theoderich während der Belagerung des Königs HermanfHed von 
Thüringen in „urbe, quae dicitur Sohidingi, sita super fluvium, qui 
dicitur Unstrode" die Sachsen zu Hülfe. Diese erobern Scheidungen 
und erhalten zum Lohne das thüringische Land: „in Um» praeeenti in 
aetenm posaessione donati sunt" „Sazones igitur possessa terra summa 
pace quieverunt . . . Parte quoque aprorwn cum amieis awtiiiarii» ui 

^) ^Sazones primo circa Benum sedes habebant [et vocati sunt Angli], 
quorom pars inde yeniens in Brittaniam, Bomanoe ab illa insula depulit; 
pars Thuringiam oppuffnam, tenuit iUam rsgionem^^ Perii 7 p. 285. 



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4m 

dMrilmkt, rdiguioM pnlne gMitii (i. •• Tkiirim§farwm) irib^iU 
«0Mlff u»gm$ hodie y«M Sawonum triformi gtntn m Ugc 
praeter oonditionem serrflem dMdikar.^ Perti Soript d p« 424. ^ Geas 
ibnlieh enihlen die AiiAalei Qnedliabargenses (1000) den Her- 
gwng: „AndieBs Miem Theodorioni, Saxoies in leco Hadekon dioto 
epplieaiBee, in Baain eos oonvocATit «iziliam, promiUens eia can aoe 
raommqae IS nobiHMimocam lanmento, 9% Tkuringo$ lilH adTenantee 
vimetmi, arnnem au$ eorum Urram daiurwn, usqiie ad conflaentiam 
SaUe ei Unatradae flsviornai. Qni nihil aorantea veneraat ad 
euB, et peraeqneBtea Iranaftedom, pngnavenint eonftra eaan anper 
Uoatmdaa flntinaii, tantamqne Tharlni^rafla atragem illie dederqn«, nt 
ipae flatioa eomm eadaveribiia repleftna pontea iUia ptaeberet Irmin- 
Mdoa entern ean «zdre et iliia et nno milite Irmiago nomine^ eapta 
a fiaxoniboa aootn eintate Sehidinga, qaa ae eoaeloaerai» vix eyaait 
Tnao Thä»dor^$, aeoepto eoaalUo, vietoiiblM iradidU SmonUm» onmem 
Urrmm Tkuri m^c r um, «xeepia qaam Louyia et Haerta aylvae 
eeaelndaat^ Perts Beriptd p.d2. -- Naeb demSaohaeaapiegel 
waadertea die dachaen aar Zeit Alcauinder dea Groläea eaa» »aaae vor- 
deren," aagt er, ^ig km' io lmd$ ^»amm vMdi dit dorimg€ fmdreoen*^. 
„Do irar so vele nicht aevaa, dat üe den acker buwen mochten, do 
ate die dorinaohen herren aIngen nnde verdreven, do Uek» si$ di§ burt 
iäim yang e d ag mi, mnde bettadedm ia dem aeker io aUogedcm^me rtchU, alt 
m noch dU laU Aebbei; dar af fmmm dit lote. Von den laten die aik 
Torwarehten an ime rechte aint kernen dagewerehten" Sachaenapiegel III 
44§.S nnd |.d.-*- Uebeceinatiianiend achreibt Albert von Stade: «/n* 
vadmU deinde leHqna« pneTinciaai, TkmiHgo$ eine diff^rentia occidentea. 
Plurei autem <e eU dedmmt propn'os, et quia ab eia viyere amnt per- 
miaai, litonea ennt ab eodem vocabnlo nnncapati. bide lUones «• pro- 
timeia Sawotium nmi tfootdi.* Porta Soript 16 p. 311. 

Ueber die nOrdBehe Anadehnang Thttringena vor der Zeit dea 
aOobaiaohen Kriegea von 628, die man ala bia in die Gegend an der 
Obre, welobe apiter die Grenze von Nordthflringen bildete, reichend ver- 
mutben k((nnte^ lernen wir aaa den angeftthrten Stellen nichta Nfiherea. 
Denn darin, dafo Widnkind^ die Saobaen, ala aie der Sage an Folge 
aneiat landen, in Lande Hadeln an der Eibmflndnng heimiache Thü- 
ringer bekftmpfini lätat, wird man kane hiatoriache Ueberliefernng fin- 

^) „SaxonoB bis regionibus nAribus advectos, et loeo primum applicaiBse, 
qoi luque hodie nonoapatar HadoUnn; incolia rero adrentiuii eomm grariter 
üareatihoi, qiii Thnringi Uaduntar fuUee^ etc. Ports 3 p. 418. 



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404 

den wollen. Im Sfideii dagegen reiehte diw eroberte Thfiringe«, wie 
Rndolf von Falda, Adam von Bremen und die Qoedlinbarger Annalen 
beriohten, bis zar Saale nnd Unstrat. Nai<^b Widokind erobern die 
Saehsen das vom KOnig der Thttringer HennaniHed verdieidigte Sebei- 
dangeü an der Unstrat; nnd nach Rudolf von Fulda and Adam von 
Bremen bildet die Unstrat die Grenxe des vom KOnig Theoderioh den 
Sachsen flberUissenen Landes, während ihnen va Folge Bfidlich dersel- 
ben noch anunterworiene TfaUringer wohnen bleiben. Endlich nach den 
Qnedlinbnrger Annalen nehmen die Sachsen Soheidangen ein und er* 
halten das Land bis zar Saale und Unstrat, während ihnen das aOd- 
liehe Thilringen zwischen Harz and Thfiringer Wald vorbehalten bleibt 

In dem nnterworfenen Thflringen, dessen alte BeWHkenng aam 
ThetI veraichtet war, bemächtigten sieh die Sachsen eines Theifes des 
Landes selbst, gaben einen anderen dagegen gegen Tribat aas. Wido- 
kind, der Sachsenspiegel und Albert von Stade heben hervor, dab es 
Thfiringer gewesen seien, denen das tribnipflichtige Land flberlassen 
worden sei; und der Sachsenspiegel und Albert von Stade halten die an 
ihrer Zeit anter den Sachsen seishaften Laten fBr die Nachkommen jener. 

Einen Theil des eroberten Landes sollen nach Widokind die Sadi« 
sen ihren „amicis auxiliariis^ überlassen haben, ohne dafs Widokind 
näher angiebt, wen er unter ihnen versteht Vielleicht hat man da- 
ranter mit den Sachsen verbundene Friesen so denken, denen sie Sitze 
in der Gegend des eroberten Scheidungen im Hassega flberlassen haben 
könnten, da Jene Qegenden, wie unten S. 413 belegt, mehr&oh als 
Friesenfeld bezeichnet werden. Speciellere Nachrichten erhalten wir 
über die BevOlkerang des benachbarten, von Thttringen den Sachsen 
abgetretenen Swevogau. 

Bei Wanderang der Longobarden nach Italien unter KOnig Alboin 
im Jahre 568 sollen mit ihnen auch Sachsen ausgezogen, und soll ihre 
Heimath durch die fränkischen Könige Chlothar nnd Sigibert Sneven Aber 
lassen sein. Die aus Italien wieder heimkehrenden Sachsen hätten ihnen 
das Land wieder abnehmen wollen. Doch wäre nach fflr sie unglück- 
lichen Kämpfen nur ein kleiner Theil von ihnen am Leben geblieben; 
und aus Mischung jener mit diesen und den etwa beim Abzüge der 
Sachsen Znrflckgebliebenen itauis die spätere wesentlich säohsiaebe 
Bevölkerang des Nordswevogau hervorgegangen sein'). 

*) Bereits Gregor ron Tours berichtet Hist PrancV, 15 : „quia tempore ülo, 
quo Alboinus in ItaUam ing^ssus est, Clotharius et Bygibertos Soatos et alias 



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405__ 

Dafür, dafs die Bewohner des späteren Nordtbüringens Sachsen 
geworden waren, liefert neben ihrer niederdeutschen Spraehe der Sach- 
senspiegel den vollgflltigsten Beweis, indem Eike von Repkow das in 
den Gerichten eben dieses Landes, in dbm er als Schaffe fungible, gel- 
tende Recht darstellt, und dies ein durchaus sächsisches ist; und dafs 
Gleiches vom Nordswevogau gilt, zeigen die im Sachsenspiegel ange- 
fahrten geringen Abweichungen des Rechts dieses Gaues*) von dem be- 
nachbarten nordthfiringischen Recht. 

Ist aber das richtig, was sich als das Resultat der vorigen Er&r- 
terangen herausstellt, dafs im achten Jahrhundert das Norththuringgo, 
Swevogo und Hassego sächsische Gaue waren, in denen sächsyches 
Recht galt, und die 780 zum Reiche Karls des Grofsen gehörten, so 
werden wir befugt sein anzunehmen, dafs auch fflr sie die von uns 

gentes in loco illo posuerunt, hl qui tempore Sygiberti regressi sunt, id est 
qni cum Alboino iiierant, contra hos consurgunt, volentes illoa a regione illa 
extrudere ac delere*. Die eingewanderten 6000 Sueven hätten den zurück- 
kehrenden Sachsen zwei Drittel des Landes Überlassen wollen, sie dann 
aber, als diese zum Kampfe drängten, besiegt und bis auf einen kleinen 
Theil aufgeri(Bben. Aus Gregor schöpft der übereinstimmende Beriebt bei 
Paullus DiaconuB III, 7 , auf den sich Widuklnd von Corvei beruft, indem 
er die Sueren als ^Sueri Transbadani^ oder, von Sachsen aus gedacht, als 
jenseits der Bodo sefshafte Sueven bezeichnet. Als nach den Handschriften 
verwerflich erscheint, wie die Ausgabe der Mon. Germ. Script. 3 p. 424 zeigt, 
die von Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer p. 35 vertheidigte Lesart 
„transalbini'' in der angeführten Stelle des Widukind, durch die er die An- 
sicht stützen will, dafs diese Schwaben nicht aus Schwaben, sondern von dem 
rechten Eibufer eingewandert seien. Ob man unter den „alias gentes**, welche 
nach Gregor von Tours neben den Sueven einzogen, an Hassi, die dem Has^ 
sego den Namen gegeben hätten, zu denken hat, steht dahin. 

^) Nach Sachsenspiegel 1, 19 §. 2 : „Svevisch recht ne tveiet von sessi- 
scheme nicht, wende an erve to nemene, unde ordel to scelden* [vgl. H, 12 
{. 2; I, 19 §.2]. Und Sachsensp. I, 17 §. 2; 18 §. 1 ; 19 §. 1; 29 zeigt, dafs 
der Unterschied im Erbnehmen nur darin bestand, dafs der Nordschwabe in 
Sachsen nicht von mütterlichen Verwandten erbt, er von Männerseite ohne 
Beschränkung des Grades erbt, und er sein Erbrecht durch Verjährung nicht 
verliert. Danach ist die Unbedeatendheit der Vereehiedenheit des nordsue- 
vischen Rechts zu beurtheilen, auf die Widukind auftnerksam macht: „Snevi 
vero Transbadani illam quam incolunt regionem, eo tempore invaserunt, quo 
Sazones cum Langobardis Italiam adiere, ut eorum narrat historia, et ideo 
aliis legibus quam Saxones utnntur.^ Pertz Script. $ p. 424. 



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406 

um 785 geaetxte Lex Saxonum gegolten hat Und wenn in der Lex 
Saxonam o.47, 48 in Betreff des eheliohen Güterreebta das Recht der Ost- 
falen, Westfalen und Engern anteraohieden wird, so ist mehrfaeh darauf 
anfmerkaam gemacht >), daTs dar im Sacbsenq;)iegel dargesteUte^ also ge- 
rade in jenen Gauen geltende Recht mit den in der Lex Sax. als cstfiUiaeh 
beseiehaeten in Uebereinstimmung steht Dies dOrfle als eine Beetft- 
tignng daf^r gelten^ dafs die Lex Saxonum auch flQr jene Gegenden 
erlassen wurde, und dafs dieselben au Ost&len gerechnet wurden. 
Allerdings besitsen wir kein urkundliches Zengniis für die Verwendung 
des Ausdruckes Ostfalen iHr die südostlichsten Gegenden Sachsens und 
ist vielfach, namentlich von Lüntsel auageffihrt worden, da(s man da- 
runter speciell die in der Hildesheimer Diöcese gelegenen Gaue su 
verstehen habe. Doch möchte in ähnlicher Weise, wie der Name West- 
falen speciell fQr die Gegend des späteren Herzogthums Westfalen, da- 
neben aber in weiterem Sinne für das zwischen Shein und Weser 
gelegene Sachsen gebraucht wurde, in einem weiteren Sinn auch Ost- 
falen für das gesammte Ostliche Sachsenland bis zur Elbe verwendet 
sein und sich die Lex Saxonum ähnlich wie die fränkischen Annalea 
der Benennungen Westfalen, Ostfalen und Engem für das gesammte 
Land iwischen Rhein und Elbe bedient haben. Für eine umfassendere 
Bedeutung des Namens Ost&len, als identisch mit Ostsaohsen*), so dafs 
auch Nordthflrlngen darunter begrifien werde, scheint auch der Beridit 
der fränkischen Annalen über die Unterwerfung des Ostlichsten Sach- 
sens in den Jahren 775, 780 und 784 zu sprechen'}. Als Karl im Jahre 
775 an der Ocker in der Gegend von Braunschweig war, erzählen die 
Annalen : „omnes Astreleudi Saxones venientes cum Hassione dederunt 
obsides'', worauf sich die Engem bei Bflckeburg unterworfen hätten 
„sicut Austrasii^, oder, wie andere Quellen sagen, n8><^Q^ Ostftlai"; und 
im Jahre 780 sei zu Ohram an der Ocker (nOrdllch von Wolfenbdttel)» 
nachdem dem KOnig „omnes orientaiium partium Saxones, ut jnsserat, 
oceurlssent, maxima eoram multitudo in Orheira baptisata*'. Und später 
drragt Karl der Grofse, als er in Folge der wiederholten Aufstände 
eine neue ünterwerfhng des Ostiichen Sachsens für nOthig hielt, 784 

*) Vgl Gaupp Recht «ad Verftuwung der alten Saobea p, 184. 

^ In den Aanskn and Urkunden neohuMb als identiseh folgende Ani«i 
drücke: Ortlalai« Ost&Ulu, Qsiiersahflon (2.B. Urk. ron 1113 Erhard Reg, 
Wettf. 1 p. 141), Orientalet Saxonee, A«treleudi, Osireüadi, Amtradi. 

*) Pie DarateUnng der SreigniBae von 776 siehe oben p. 13L 132« die 
TOB 780 p. 136^138, die von 784 p, 141-146. 



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407 

▼on ThflnDgen durch die der Seele nnd Elbe beneohberlen Gegeedea 
neeh Norden bis Steinfort bei Nenhaldenslebeii vor und sieht von d<Mrt 
Aber Schöningen nach dem Rheine; die Quellen sagen: „ibi eonailio 
inito ut per Toringiam de orientali parte introiaset super Ostfklaos . . .; 
perrexit per Toringiam uaque ad fluvium Albiam, et inde ad Stagnflird, 
et inde ad Scahiningi, ibique oonventione facta reversus in Franciam*' 
Ann. Lauriss. a. 784 Porta 1 p. 166; und Ann. Einhardi a. 78i: „ipse 
per Thuringiam iter £uiens, venit in campestria Saxoniae, qnae Albi 
atqne Salae fluminibus adiacent, depopulatisque orientalium Saxonnm 
agris ac villis incensis, de Scahningi in Frandam reversus est^ Porta 1 
p. 167. Mit dem Sprachgebranch der angegebenen Annalen steht es in 
Uebeieinstimmung, wenn der Poeta Saxo das Land swischon Rhein 
nnd Elbe als sächsisch und von Westfalen, Engem und Ostfalen be- 
wohnt darstellt, und die Sitae der Letateren, die auch Osterliudi ge- 
heü^n hätten, bis an die Slaven ausdehnt, die durch Saale und Elbe 
von den Sachsen geschieden wttrden*)« 

IV. 

Die Lex Thuringorum ist uns nur in swei Texten erhalten >); der 
eine findet' sich in dem für die Abtei Corvei geschriebenen Codex, der 
oben p. 6ö*-67 beq>rochen ist, und auch die Lex Saxonnm enthält, vgl. 
oben p.5d; der andere in Herolds zu Basel 1557 gedruckten „Originum ao 
Germanicarnm antiquitatnm libri'' p. 127—130 (vgl. oben p.47— 06), ohne 
da£i wir wfilsten, welcher Handschrift er gefolgt ist. In Herolds Aus- 
gabe f&hrt die Lex die Ueberschrift: „Lex Angliomm et Wennorum 
hoc est Thuringorum^. Die Oorveier Handschrift nennt sie nur „Lex 
Thuringorum." Auf die Deutung dieser Ueberschriften sttttat sich we- 
sentlich unsere Ansicht über die Heimath des Gesetzes, da der Inhalt 

1) Poeta Saxo I y. 50-53 ad 772: 
„Regionem Bolis ad ortum 
Iiiliabita(ba)nt Osterliudi« quos nomine quidam 
OstTalos aÜQ yoeitantj confinio quorum 
' Infestant coniuncta suis, gens perfida, Sclavi.^ 
Auch Widukind von Corvei sagt : „orientales scilicet populos, Angarios atqne 
WestTalos**. 

^ Dafs Lindenbrog bei seiner Ausgabe der Lex Thuringorum in seinem 
Codex legum antiquanim Franoofurti 1613 wie bei der Lex Frisionum keine 
Handschrift, sondern nur den Heroldsehen Text benutzt hat, kann hier nicht 
weiter aosgefhhrt werden. 



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408 

deBselben nur geringe Anhaltspunote darbietet. Ifan hat min aber die 
Ueberschriften der Lex in sehr verschiedener Weise deuten sa können 
gemeint. 

Die Ansicht von Franck Alt und Neues Mecklenburg 1753 1 
p. 175, dafs die Lex Thuringorum für Weriner im MeckUnburffUchen 
abgefafst sei, wird als aufgegeben keine nähere Beachtung verdienen, 
so wenig wie die von D ah 1 mann Forschungen auf dem Gebiete der 
Geschichte 1822 1 p. 441, dafs ftlr ^Angliorum et Werinorum'^ zu 
emendiren sei „Angliorum Hetwerinorum*^, und die Lex der Landschaft 
Angeln in Schkswip angehöre. 

Bereits Eckard Commentatio de rebus Franoiae Orientalis 1 p.39 
verlegte die Lex nach Thüringen. Und diese Ansicht hat fortgesetzt 
die meisten Anhänger gefunden. Sie wird namentlich, wenn auch in 
verschiedener Weise, vertheidigt von Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 
(5. Auflage) 1 §.47, Wer sehe Völker und Völkerbündnisse des alten 
Teutschlands, Hannover 1826, p. 219 und Beschreibung der Gauen, b.w., 
Hannover 1829, p. 69, Kraut Ueber die Lex Angliorum et Werinorum 
in V. Dalwigk u. Faick Eranien zum deutschen Recht 3. Lieferung, 
Heidelberg 1828, p. 146, Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer, Breslau 
1834, p. 88, Wilda Das Strafrecht der Germanen, Halle 1842, p. 105, 
Walter Deutsche Rechtsgeschichte (2. Ausgabe), Bonn 1857, 1 p. 162 
§. 156, Stobbe Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Braunschweig 
1860, 1 §. 13 p. 177. 

Hiervon abweichend hat Hermann Müller Der lex Salica und der 
lex Angliorum et Werinorum Alter und Heimath, Würzburg 1840, die 
Heimath der Lex auf dem linken Rheinufer an der Mündung der Maas 
bei Dortrecht finden wollop, wo er eine Toringia glaubte aufweisen zu 
können. Und ihm sind beigetretenP. G. Molhuysen in Is. An. Nyhoff 
Bijdragen voor Vaterlandsche Geschiedenis en Oudheidkunde Deel 3, Arn- 
hem 1842, p. 50, Wai tz Das alte Recht der Salischen Franken 1849 p.49 
und Deutsche Verfassungsgesch. 2 p. 85 (s. auch Götting. Gelehrt. Anz. 
1850 p. 339), Jacob Grimm Geschichte der deutschen Sprache 2 p. 606. 

Die Ueberschrift der Lex, wie sie der Heroldsche Text bietet, 
„Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum*^ erläutert den 
Namen der Angli und Werini durch „hoc est Thuringorum*', sagt also, 
dab unter jenen beiden, zur Zeit des Schreibers der erklärenden Worte 
offenbar wenig bekannten Namen nach dessen Ueberzeugung Thüringer 
zu verstehen seien. Dafs die drei Worte „hoc est Thuringorum" nicht 
vom Verfasser der Lex herrühren, kann kaum einem Zweifel unter- 



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406 

Hegen. Die Worte selbet bekunden sieh als einen Znsatzi). Wer sollte 
glauben, dafs ein Gesetzgeber ein Volk, fßr das er sein Gesetz erlassen hat, 
in dieser Weise hätte bezeichnen kOnnen. Er wflrde geschrieben haben 
„Lex'Thuringonim^, wenn „Lex Angliorum et Werinornm^ nicht ver- 
atändlieh, dies nicht die zar Zeit des Erlasses seines Gesetzes gang- 
baren Volksnamen gewesen wären. Verwerflich wäre indessen die Ver- 
mnthung, dafs die gesammte Ueberschrift yon Herold herrühre ; er wäre 
sicherlich nicht darauf verfallen, ein Gesetz, das er pnblicirte, den un- 
bekannten Angli et Werini beizulegen und diese fflr Thfiringer zu er- 
klären. Aber auch das ist nicht annehmbar, dafs die Lex in Herolds 
Handschrift*) nur als eine „Lex Angliorum et Werinornm'' bezeichnet 
gewesen wäre, und Herold den erklärenden Beisatz ^hoo est Thurin- 
görum" eigenmächtig zugefügt habe, da wir ihm in keiner Weise die 
Kenntnifs zutrauen können, dafs unter Anglen und Werinern Thflringer 
gemeint waren, und die Ueberschrift der Lex im Corveier Manuscript 
die Richtigkeit des Zusatzes bezeugt Das Wahrscheinliche dttrfte sein, 
dafs die Lex ursprünglich als eine Lex Angliorum et Werinorum be- 
zeichnet war, dann später, als diese Namen weniger belLannt geworden 
waren, ein Abschreiber den Worten der Ueberschrifl; erklärend „hoc 
est Thnringorum^ beifügte, und endlich der Schreiber des (jüngeren) 
Corveier Codex, dem die Namen der Angli et Werini unverständlich 
waren, sie wegliefs und die Lex kurzweg als eine Lex Thuringorum 
überschrieb'). 

^) Diese Ansicht vertreten Wersebe Völker und Völkerbündnisse p. 219 
und Kraut a. a. O. Die Bemerkung tob Stobbe Bechtaquellen 1 p. 174, 
da£i „wir keinen Text kennen , in welchem die Ueberschrift blofs Lex An- 
gliorum et Werinorum lautete^, kann Nichts hiergegen beweben. 

*) Zu behaupten, Herold habe die Ueberschrift der Lex ans denen ver- 
schiedener Handschriften oombinirt, so dafs die eine Lex Angliorum et We- 
rinorum, die andere Lex Thuringorum Überschrieben gewesen w&re, sind 
wir nicht beftigt, da sich nirgends eine Spur eeigt, da(s Herold mehrere 
Handschriften der Lex eu seiner Ausgabe benutst habe. Letsteres mit Merkel 
Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum, Berlin 1851, p. 4 daraus 
SU schlie&en, dals Herold in Lex Thuringorum c 28 (bei Herold tit. VH f. S) 
zu den Worten „si autem nee filiam non habuit , soror" u. s. w. am Bande 
. richtig bemerkt „non redundat", ohne das irrige ^non'' aus dem Texte su 
stolsen, mufs ich für durchaus unstatthaft erklären, rgl. oben p. 57. 

') Fraglich ist es, ob es erlaubt ist, fttr das Alter des erläuternden 
Zusatses „hoc est Thuringorum" sich auf die Worte zu berufen: „emendet 
secun4nm pretium hominis mediocris, quod secundutn Ugem W«- 



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410 

Entipreche&d dam lahalt der TorerwShntGu Uebenohrifleii weiden 
im aehten and nennteD Jahrhundert Thuringi, Angli and Werini in 
dem iüdUeh der Unstrut gelegenen Thüringen erwähnt D«£i hier 
Thnringi in jener Zeit vielfach vorkommen and von den SUven Ostlich 
der Saale und den Sachsen nördlich der Unstrot nnfeerachieden werden, 
wnrde oben S. 400 nachgewiesen. Aber aach die Namen der Angli 
et Werini waren in jener Gegend noch im nennten Jahrhandert be- 
kannt. Was znnäohst die Angli angeht» so hat bereits Eccard a.«. 
0« p. 39 anf den nach ihnen benannten Pagns Engle-hem oder £n- 
gili hingewiesen, and dieser Ansicht sind Wersebe, Kraut and Gaapp 
beigetreten. Der Pagos Eo^ili lag im eigentlichen Thüringen im 
Sondershaasensohen um Trebra, COlleda und Scheidungen; vgl. Wer« 
sebe Gaue p. 69 und Ledebor Archiv 13 p. 84. Er erscheint in Ur- 
kunde vom Jahre 932 als nPagus Engilin in regione Thuringoram ** 
und „in pago Englehem in provincia Thuringorum*', in Urkunde von 
957 „in pago Engili'' und 802 (Wenok 2 Urkundenbuch p. 18) als 

rinorum id est Thvringarttm est dneentoram solidorum^, die sieh in 
einer Constitatio de Foreata des K^nig Cuiiit (Schmid Die Gesetse der Angel* 
Sachsen 1868 p. 821) finden, da wir dieselbe nur in einem sehr mangels 
haften Text in SpelmanwB (Hossarium ardiaelogieom ( siehe Sobmidp.L VI) 
kennen« DaCs sich die Stelle auf die Lex Thnringoram bezieht« wird aich 
nicht besweifeln lassen. Der Eingang derselben lautet c. l->3: „Si quis ada- 
lingum ocoiderit, 600 solides conponat; qui liberum occiderit, 200 so- 
lides conponat; qui serrum ocdderit, 30 solides conponat^ . Die hier rer- 
zeichneten 200 Solidi sind das Wergeid eines zwischen dem Adaling nrnd Serms 
in der Mitte stehenden Freien, d. L eines „homo mediocrie*'. — Eine andere Fraga 
ist es, ob dies Cätat wirklich in einer Verordnung des König Canut gestanden 
hat. Denn wenn auch Schmid die Ansicht Ton K. Maurer Kritische Ueber-> 
schau 2 p. 410, sie sei lediglich ein spfttes Machwerk, yerwirft^ so mofs doch 
auch er einrftumen, dals unser Text eine lateinische Uebersetiung des Ori- 
ginales mit Zus&tsen seL Dann konnten die Werte auf Herolds Ausgabe der 
Lex surftckfnhren. Statthaft bleibt aber «neb die Vermnthmig, dals der 
Verfasser der Constitotio eine Handschrift der Lex benutzte, welolie ab- 
wmehend von Herold die Ueberschrift führte: „Lex Werinorum id est Thn- 
ring«mm^, Fttr eine Berufhng auf ein Gesetz des fränkischen Reiche« lielze 
sidi anführen, dals spätere aagelsachsiBche Gesetze, wie Schmid in seinem 
Begister anführt, die Lex Ripuariorum benutzten. — Neben anderen Volks- 
rechten erw&hnt die Lex Thnringoram folgende in einem Gb'atser Manoscript 
enthaltene Au&eichnnng: „Secundum legem Francorum et Alamannornm et 
Saxonum et Duringorum et Linbarinornm (Longobardorum?); . . 
legem Bawariornm^ Mon. G. Leg. 3 p. 192 Note 24. 



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411 

nPagOB EDglide*'. -— Die Werini wollte Eocard a. «. 0. im Namen einet 
PaguB Weringewe wiederfinden, den er an die Wem verlegte. Und 
ihm stimmten Gaupp und Kraut bei. Dafs aber das von ihm in Be- 
tracht genommene Qau nieht an der Werra nnd überhaupt nicht in 
Thflringen gelegen hal, sondern ein kleines, zum fränkischen Grabfelde 
gehörendes Gau an dem Nebenflusse des Mains Wera im Wflrzbnrgischen 
gewesen ist, bewies Ledebur Archiv 13 p. 84, indem er die darin vor- 
kommenden Ortschaften nachwies. Dies Gau erwähnen a. B. Urkunden 
von 888 nnd 932 als „Weringewi pagns orientalium Franchorum*^ Mon. 
Boica 28 p. 98 und p. 161. Kommt demnach das Weringewe bei Er- 
mittelung der tharingischen Werini nieht in Betracht, so glaube ich 
ihren Namen in dem des in den Jahren 805 und 806 vorkommenden 
Werinofeldes nicht zu verkennen. Das Chronieon Moissiacense be- 
richtet, dais Kaiser Karl im Jahre 805 in drei Haufen gegen die Czechen 
ins Egerland in Böhmen gezogen sei: „tertinm exercitum transmisit 
cum Sazonibus super Hwereno-felda (var.: „Hwemo-felda'', „Werine- 
felda*') et DemelchionO'' Pertz Script. 1 p. 307, und beim Jahre 806: 
„Karolus imperator misit filium suum Karolum regem super Duringa 
ad loonm qui vocatur Walada (var.: „Waladalai", d. i. nach Ledebur 
Ardiiv 7 p. 89 Waldan bei Bembnrg an der Saale), ibique habuit con- 
ventum magnum; et inde misit scaras suas ultra Albiam, ipse vero 
movit exercitum suum ultra Sala super Hwerena-veldo^ Pertz Script 1 
p. 308. Mit dem Namen Hwereno-felda oder Werine-felda das ist Regio 
Werinorum wird hier ein Theil Thfiringens an der Saale bezeichnet. 
Doch hat sich der alte Volksname der Werini*) nicht in dem eines 
bestimmten Gaues fixirt, wie es bei dem Namen der Anglen uns 
in dem des Pagus Engle-hem begegnet Ledebur Archiv 7 p. 36 wider- 
legt die Yermuthung von Pertz, dais unter dem Werinefeld ein slavi- 
scher Pagus auf dem rechten Eibufer gemeint sei; indem ihn die An- 
gaben des Chronieon Moissiacense auf die Gegend zwischen Werra nnd 

^) Demelehion ist die Gegend auf dem linken Blbafer bei MeifiBen, 
„Glomaü aire tentoniee Deleniinoi^« deren Bewohner die denteehen Quellen 
mit Entstellung ihres Namena Dalandniey Deleminee u. b« w. nennen« YgL 
Wenck 2 Urkundenb. p. 36, W. y. Baumer Karten p. 3 und 23, und Soka- 
farik Slavisehe Alteribümer 2 p. 603. 

*) Fdrstemann Namenbueh p. 822 aeoeptirt die alte Deutung von »We- 
riaelelde^ aus Qnerne d. i. Mülilbaeb. Die Unriehtigkeit seiner Meinung geht 
am besten hervor aus den Ton ihm selbst p. 1138 geaammeltea Zosammen- 
setcungen mit „Quirin^. 



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41^2 

Saale leiten, meint er, dafs in Thüringen an der Werra wohl ein Pagus 
dieses Namens gelegen haben möge. Da aber ein solches Gan urknnd- 
. lieh nicht vorkommt, so erblicke ich in dem Namen Werine-feld eine 
von ihren Bewohnern herrührende Benennung einer grOfseren Land- 
schaft (mehrerer Pagi d. i. Gerichtssprengel), die später yerschoUen 
ist^). Ganz dasselbe Verhältniis findet sich bei dem benachbarten Frie- 
senfeld, das sich auch nur als ein derartiger Name ausweist, indem 
alle Bemühungen scheitern, dasselbe als ein bestimmtes Gau (Pagos) 
von dem Hassegan und den daneben liegenden Pagi auszuscheiden'). 
Fragen wir nun, ob die Lex Thuringorum in der Zeit abge&lst ist, 
in der wir in Thüringen südlich von der Unstrut die in ihrer Ueberschrift 
verwendeten Volksnamen aufweisen können, und ob es für diese Gegend 
geschehen sein kann, so mufs ich mich zunächst der verbreiteten Ansicht 
anschliefsen, welche die Lex fQr karolingisch hält Sie wird namentlich 
verfochten von Eichhorn, Kraut in Falck EranienS p. 122— 148, Wilda 
p. 105, Stobbe Rechtsquellen 1 p. 177. Die Gründe dagegen, welche Gaupp 
Das alte Gesetz der Thüringer p. 296 daftr geltend machen will, dafs 
die Lex aus heidnischer Zeit stamme und dem sechsten oder siebenten 
Jahrhundert angehöre, scheinen mir irrelevant, unerachtet auch J.Grimm 
Greschichte der deutschen Sprache 2 p. 605 seine Ansicht theilt. Wenn 
Gaupp es für unmöglich hält, dafe in der Lex, wenn sie in christlicher 

^) YgL auch Schafarik Slarische Alterthfimer 2 p. 607, der sn Werino« 
feld erinnert an die „Werizane ciTitatis X'^ Geograph. Bavar. 

*) Annal. Sazo (eigentlich Annal. Halberstad.) ad. a. 840 : „decimas super 
totum Fresiono-Teld ab Halberstadensi ecclesia, cui jure offerendae sunt, 
ad Herolvesfeldensem transtulit^ Pertz 8 p. 575 ; ebenso im Chron. Halber- 
stad. ed. Schatz p. 7 (bei Leibniz 2 p. 112 geschrieben „Freisions-reld*')« 
In Urkunde von 1107 restituirt EOnig Heinrich V. an Kloster Hersfeld „trea 
capellas, in Alstedi, Osterhusun, Bietstede cum omnibvs, quae ad eas per- 
tinent in Frisone-felde (a. 1112: „Frisono-felde'', a.lld3: „Frisenfeld^ 
a. 1134: „Friesene-feld") et Hassega decimationibus*' Wenck Hess. Gesch. 3 
Urkuttdenb. p. 64. 66. 81. 88 (ez orig.). Ein Yerzeichnils von 263 darin 
gelegenen Ortschaften giebt unter der Ueberschrift „haec est dedmado, ^ae 
pertinet ad s. Wigberhtum (Kloster Hersfeld) in FrisionoTeld'' Ledebur 
Archiv 12 p. 215. Femer ist zu rergleichen eine Urkunde ron 932: „in 
pag^ Frisonoyeld in comitatu Sigifridi, quicquid in locis Osterhusa, Äsen* 
dorf> Vuntza, Hompergi, Seo-rebininga, Sitechenbahque vocatis ejusdem coe- 
nobii'^ Wenck 3 Urkundenb. p. 27 (ez orig.). Vgl. auch die oben p. 899 
Note 1 ans Wenck 2 p. 32; 3 p. 11 angeführten Urkunden von 777 und 
979 mit den Formen „Frisonovelde*^ und „Vresinavelde^. 



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413 

Zeit abgef»fiit worden wSTe, keine Hinweisung auf cbs Christenthum 
fmthalten sei, bo ranfB ieh es noeh fOr weit unmöglicher erltlären, daä 
eine in yorchristliolier Zeit für die Tharinger abgefafste Lex keine 
deutlidie Spui^des Heidentimms in sicli trage. Beweist die gsnne Au» 
dmeksweise der Lex und die Uebereinstimmung vieler Einsselnheiien 
mit den fränkischen Gesetzen, dafs die Lex jedenfalls, wie anch Gaupp 
nicht umhin kann anzuerkennen, unter fränkischem Einflufs abge&ist 
sei 1), so Uegt ein Hauptgrund für spätere Abfassung der Lex Thurin- 
gorum in der ausgedehnten Anwendung der Sechszig-Schillings-Bufee^ 
die in der Lex in drei Fällen (c. 43 bei Brandstiflung, o. 57 bei Ha- 
fishut, c. 40 bei Plagtnm) erscheint. Es ist anerkannt und anch oben 
p. 841 u. ff. ausgeführt, dafs der Eönigsbann, „Regia bannns^ wie ihn 
auch die Lex Thnringorum c. 57 nennt, in der Höhe von 60 Solidi 
dem fränkischen Recht eigenthflmlich ist Den ältesten Aufzeichnungeo 
des fränkischen Rechts sind die 60 Solidi noch fremd. Erst später 
kommen sie in einzelnen Fällen vor, und in umfassender Weise ordnet 
erst Karl der Grofse in den letzten Jahren des achten Jahrhunderts 
ihre Anwendung. Von den drei Fällen, in denen die Lex Thnringorum 
die Königsbufee von 60 Solidi erwähnt, ist keiner im älteren fränkischen 
Recht aufzuweisen. Was zunächst die Königsbufse für Brandstiftung 
anlangt, welche Lex Thnringorum c 43 anordnet: „De incendio, qni 
domum alterius noetu incenderit, damnum triplo sarciat, et in fredo 
S4riidoB eO*', so wird nach dem älteren fränkischen Recht Königsbuise 
für diesen Fall nirgends erwähnt Karl der Grofse ordnet sie an im 
Gapitulare Saxonicam 797 für Saehsen, durch das Capitulare ad legem 
Baiuwarior. add. 803 für Baiem; und sie findet sich auch in der auf 
eine gemeinsame Quelle zurfiokzujführenden, von Ortloff zuerst publi- 
cirten Rechtsaufzeichnung, die Pertz für ein Gapitulare von 772 er- 
klärte'). In der Lex Alamannorum LXXXIII und Lex Baiuwariorum X 
erscheint bereits eine Bannbuise von 40 Solidi, während die Lex Fri- 
sionnm VIT, 1 (in ihrem älteren Theile für das westlanbachscheFriesland) 

1) Vgl auch oben p. 387 und p. 388 Note. 

') Vgl. Cap. Sax. a. 797 o. 1 : „Ne incendium infra patriam qois faoere 
audeat praesumptire. Si qnis . . . transgreasua fuerit, sexaginta soUdoa 
componat^ Perts Leg. 1 p. 75. Gap. ad L Baiuw. add. c. 2: „ut incendia 
infira patriam nemo &cere praesumat" Perts Leg. 1 p. 126 u. 3 p. 478. Im 
angeblichen Capitulare ron 772: „Qui incendium facit infra patriam h. e.; 
qui inoendit alterius casam aut scnriam; . • . unde ezire debet de unoquiaque so- 
Udos eO'' Perts Leg. 1 p.36. Zu vergleichen ist auch GapitSaxon. a.797 c.8. 



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414 

und die Lex Saxonam (o. 88) noch keine KOnigibnise vefaeliffeibea; 
jene ordnet eine doppelte Entsohädigang» diese Todeaatrafo aa. EiiM 
iweile Bannbofse von 60 SoUdi verordnet Lex Thnringoram c. 57 b^ 
HetmeaebuDg: „Qai domum alteriue ooliecta manu hoQtiliter ciioiim- 
dederit,. triam primoram qni fnerint unuaquisqne aolidoa GO eonponat» 
et rei^) similiter; de ceteris, qai eos seouti snnt, aolidoalO anoBqaiaqne; 
et In iMinnum regia solidoe 60^. Auch für dies Verbrechen wird die 
Bannbüfse von 60 Solidi Im älteren fränkischen fiecht nicht erwähnt 
Ktaig Karl bestimmt sie filr Sachsen 797 durch das Gapltnlare Saxo- 
nicuB, für Baiern durch die auch voiher angefahrten i^Capitula, qiiae 
ad legem Baioariomm doibnus Karolns Serenissimus Imperator addere. 
iussit^, die 808 datirt werden, und allgemein durch ein Gapltnlare vom 
Jahr Btl ; seine Anordnung liegt auch der schon oben erwähnten, von 
Orttoff publioirten Reditsanfzelchnang an Grunde'). Nach Lex Frlsio« 
nn« XVII, 4 wird neben Schadenersata dem König von dem Fflhrer der 
Bande dessen Wergeid gezahlt — Endlich emcheint beim Phigium ein 
Kfoigsbana in Lex Thuringomm c. 40: ,,Qui liberum extra solum ven- 
diderlt, solvat cum quasi oceisum, et in fredam solldos 60**. Den Fall, 
dais ein Freier als Sklave in das Ausland widerrechtlich verkauft wird, 
so dafe er nie heimkehrt, erwähnen die meisten Volksreehte. Wie die 
Lex Thnringorum spricht ihm auch Lex Salica XXXIX, 1 mit Novelle 115 
(ed. Merkel p. 67), Lex Frisionum XXI, Lex Saxonum c 20 einfiB^hea, 
die Lex Ripuariorum XVI dreifaches Weigeld au. Sie erwähnen aber 
sämmtlich nicht, dais aufserdem noch der Ktoigsbann au erlegen sei. 
Auch die Gapitularien Karl des Orolhen, welche sich speeiell mit Rege- 
lung des Königsbaanes besdiäflägen, schreiben Uhr diesen Fall ihn niobt 

1) Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer, BresUu 1834, p. 379 will 
statt ^rei** lesen: „regi*'. 

*) VgL Capit. Saxon. a. 797 c. 1 : „ne fortiam infi-a patriam qidfl fiieere 
audeat praesnmptive. Si qvm . . . transg^eseas ftierit, sezag^ta soUdo« oen- 
ponat^ PertJE Leg. 1 p. 76. Cap. ad leg. Bainwar. add. o. 3 „nt Tis per 
coUecta hominum nemo faeere praesnmat, et qui hoc commiserit, 60 solides 
in bannum nostrum componat^ Perts Leg. 3 p. 478 und 1 p. 126. In der 
▼on Ortlaff miaeni poblicirten Rechtsaufzeichnnng heilst es: ^Qui harishnt 
faoit, h. e. qni frangit akerins sepem aut portam aut casam eum virtute . • « 
Hi sunt . . banni domino regia unde ezire debeai de unoquisque solides 60.^ 
Ports Leg. 1 p.35. VgL Oap. a.811 c 2: „Si qnis domum aUeiiam eaüibet £»- 
g^t> qnioqnid exipde per Tirtutom abstnlerit, aut rapuerit, rel furarerity • • • 
ia iripio eomponatur et iasuper bannum noatram solyat'* Porta Leg. 1 p. 168. — 
VgL abrigeas aohon Walter Deutaehe JOeoht^^soh. 1 (2. Aufl.) {.156 Note 2* 



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415 

▼or. Wir Bind also rar Aniuihiiie befugt, dafii im Slteren fHUikitchen Reehl 
beim Plagium der K5iiigBbaiin nicht entrichtet werde. Setsen wir aber 
demnach die Lex Thnringorum in den Schlura des achten oder Anfang des 
nennten Jahrfanndert, bo kann es sur Ermittelung ihrer Heimath Nichts 
beitragen, wenn es sieh nachweisen Mfet, wie Gaupp Geseta der Tht- 
ringer p. 81 ausführt, dafe Angli und Varini zur Zeit des Taoitu 
(€termania c. 40) nordöstlich von der Elbmflndung wohnten, und er 
die Vermnthnng daran knflpft, dafs später ein Theil der Angrtn mit 
Warinem auf das linke Elbnfer gezogen sei, wenn der Ostgothisohe 
KOnig Theodorich in einem uns bei Gassiodor (Var. III, 3) erhaltenen 
Schreiben sttdli^ Ton den Sachsen Warner und Thttringer nennt, indem 
er twisehen 500 und 507 einen Brief richtet „Herulorum, Goamomm, 
Thoringoram regibns^. Auf jene firOhe Zeit kann sieh die Lex Thn« 
ringorum nicht beeiehen. In keiner Weise ist uns fit)erliefert, dafe da- 
mals Ang^en nnd Warnen unter der Beaeiehnung Thttringer zuMunoMn« 
gefiifst seien. Und doch weist die Lex Thnringoram auf eine Zeit, in 
der Angli und Werini ein Volk bildeten, das in den uns ^haltenen 
Texten der Lex als das der Thttringer angegeben wird, nnd fUr wel- 
ches die Lex erlassen weiden konnte. 

Im Laufe des achten Jahrhunderts haben die Namen der Thttringer 
nnd der Sachsen für die einzelnen sie bildenden VttlkerbeBtandtheile 
mehr und mehr Geltung gewonnen. Im Laufe des neunten Jahrhnn* 
derts sind jene filteren Namen verschollen. Wir finden neben einander 
genannt Anglen und Warnen, die später nur noch Thttringer heilten, 
finden nördlich von ihn^ Hessen, Friesen, Nordsueven, Nordthttringer, 
Barden (lAngs der Elbe), sowie weiter weetlich Charndes, Boroetri, 
Ohamavi, die sttmmtlich nachher unter dem Namen der Sachsen unter- 
gegangen sind. Und eben in Jene Zeit des Verschwindens der idten 
Volksnamen flUlt die Ab&ssung der Lex Angliorum et Werinonim. 
Mit Berttcksichtignng dieses Umstandea nehme ich an, dafii, während 
am Schlnla des achten und in der ersten Hälfte des nennten Jahrhun- 
derts die Benennungen der Angli und Werini noch gangbar waren, 
daneben aber der Name der Thttringer sich fttr sie geltend machte, 
jene Bezeichnungen im Laufe des neunten Jahrhunderts verschwinden. 
Damit erklärt es sich, dafs man in der in das zehnte Jahrhundert zn 
setzenden Gorveier Handschrift der Lex Ang^i<Hmm et Werinoram dieselbe 
kurzweg als eine Lex Thuringornm bezeichnete, nachdem man frtther 
in der von Herold benutzten und, wie ich nach der ganzen Beschaffen- 
heit dea darin ttberlieferten Textes glanben mu(s, älteren Handschrift 



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J16 

den Worten „Angliorum et Werinoram*^ sEor £rU&rung beigefligt hatte: 
„hoc est Thnringorum^. 

Abweichend von der hier aiugefllhrten Ansieht, dafii die Lex 
AngUorum et Werinorum fUrdae sfldlieh von der Unatrut gelegene Thü- 
ringen verfafist worden sei, vermuthet Ledebor Archiv 7 p. 78^85, dals 
die Lex sowohl für das slldliche als auch das nOrdliche Thflringen er- 
lassen sei, indem er annimmt, dais unter den Warini die Bewohner 
der Gegenden an der Werra, unter den Angli die der Landstriche an 
der fraher Anger genannten Tanger in der Altmark su verstehen seien. 
Wenn schon an sich die Warini nicht wohl nach der Werra, die Angli 
nicht nach der Tanger in einer mit der Namensform der letzteren 
unvereinbaren Weise benannt sein kOnnen, so spricht auch der Inhalt 
der Lex Thuringorum dagegen, dals sie im sächsischen Nordthfiringen 
gegolten habe. Abgesehen von anderen Bestimmungen der Lex Thu- 
ringorum weise ich nur auf das in ihr 0.26—34 (bei Herold: tit.VII) dar- 
gestellte Erbrecht hin.. Ich mufe es fttr unmöglich halten, daCs, wenn 
in Nordthüringen im neunten Jahrhundert gemäfis der Lex Thuringorum 
0. 34 Grundstöcke bis zum flQnften Grade ansschlieislich im Mannes- 
stamme geerbt hätten, im Beginne des dreizelftiten daselbst Töchter in 
Ermangelung von Söhnen, Schwestern in Ermangelung von Brüdern 
in Grundstücke geerbt hätten, wie dies in Uebereinstimmung mit der 
Lex Saxonum c. 28 der Sachsenspiegel 1, 18 bezeugt, der speciell das 
Recht dieser Gegend darstellt. 

Für unzulässig halte ich die oben bereits angefahrte Meinung Her- 
mann Müllers, dafs die Lex Thuringorum für die Gegend an der MaasmOn- 
dung bei Dortrecbt abgefafst sei, die ich bereits bald nach ihrem Auftreten 
in den kritischen Jahrbüchern von Richter Bd. 10 (1841) p. 1012 bekämpft 
habe, und von der ich nicht erwartete, dafs ihr in angegebener Weise 
(s. oben p.408) mehrfach Zustimmung zu Theil werden würde. Erwähnt 
Procop Warnen, die durch den Rhein von den Franken geschieden wor- 
den seien, und erzählt Gregor von Tours Hist. Franc. 11, 9 in sagenhafter 
Weise, dafs die Franken aus Pannonien gekommen, den Rhein über- 
schritten, „Toringiam*' durchzogen, dafs sodann Chlojo von „Dispargnm 
qnod est in termino Thoringorum*' nach Oambray vorgedrungen sei, 
so genügen diese Nachrichten nicht, um Warnen und Thüringer als in 
der Gegend der Maasmttndung einst sefshaft darzuthun >). Es mag un- 

^) Wenn uns Caes. b. Gall. II, 4 berichtet, dafs er nördlich tob den 
Ardennen fand ^Condnuos, Eburones, Caeraesos, Paemano», qui uno nomine 
Gennani appellantur'', und b. Gall. VI, 32: „Segni Condnisique ex gente et 



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417 

entschieden sein, ob Gregor die alte BeTÖlkemng nördlich der Ar- 
dennen, die aus Tnngri, deren Namen sich in dem von Tongern er- 
halten hat, bestand, gemeint hat, oder aber ob er einer Sage folgend 
sie wirklich für Thoringi hielt Es mag femer zweifelhaft sein, ob Gre- 
gor, indem er des Zuges der Franken durch die Thoringia gedenkt, 
diese in gröberer oder geringerer Ausdehnung zwischen Cambray und 
Rhein annimmt i). Jedenfalls sprechen die angeführten Stellen von der 
Zeit des fünften Jahrhunderts. Dals der im Testament des heiligen 
Willibrord (f 739) genannte Pagus Turingasnes nicht das Vorhanden- 
sein eines thüringischen Gaues bei Dortrecht für das achte Jahrhundert 
- beweist, wie man behauptet hat, sondern anf das eigentliche Thüringen 
bezogen werden mufs, habe ich Mon. Germ. Leg. 3 p. 639 Not. 18 dar- 
gethan. Fflr das neunte Jahrhundert mufs ich es aber entschieden in 
Abrede stellen, dafs damals in den Maasgegenden und speciell gerade 
nm Dortrecht Angli, Werini und Thuringi benannte Völkerschaften 
gewohnt hätten. Wir besitzen aus jener spaten Zeit in dieser Beziehung 
genflgende Nachrichten über das Land zwischen Rhein und Scheide, 
und wissen speciell, dafs längs der Nordseeküste von Flandern bis 
znm Zuydersee Friesen wohnten; und die Lex Frisionum bezeichnet 
ausdrücklich das Land zwischen dem Sincfal bei Brügge und dem Flie 

numero QermaBorum'^, und dann Tacitus Gennania c. 2: „qui primi Bhenom 
tranagressi Gallos ezpulerint, ac nunc Tungri, tunc Germani rocati sint'', 
80 lernen wir die Tungri im Norden der Ardennen kennen; dort erwähnt 
ihrer auch Tacitus Hist. IV, 66. In dem Lande der Eburones lag nach Caesar 
b. Gall. VI, 32: „Aduatuca^. Ptolemaeus verzeichnet UdovaTovxoy hei den 
TovyyQot, die nach ihm f4€Ttc roy M(6aay norttfioy wohnen. Ini Itinerar 
erscheint Aduatuca Tungrorum, siehe Zeuüs Die Deutschen und ihre Nach- 
barstämme p. 214. Es ist dies die alte bischöfliche Stadt Tongern, deren 
Name den des Volkes bewahrt hat. — Für Thoringi bei Gregor von Tours 
lesen andere angeblich schlechtere Handschnfien „Tongri''. 

1) Wenn Waitz Das alte salische Recht p. 51 auch die Thoringer, über 
die Basinus herrschte, für die von Gregor von Tours auf dem linken Rhein- 
ufer erwähnten Thoringi hält und in ihnen Nachbaren des Meers sieht, und 
von J. Grimm Geschichte der deutschen Sprache 2 p. 600 Zustimmung findet, 
so ist dem zu entgegnen, dals Basinus aufser von Gregor auch von Venan- 
tius Fortunatus in der Vita s. Kadegundis genannt wird. Die heilige Rade- 
gundis war die Enkelin des Basinus, die Tochter des Bertharius; des Letz- 
teren Bruder war Hermanfridus rex Thuringorum, dessen Schwester der ost- 
gothische König Theodorich heirathete. Dafs diese Thüringer aber nicht 
auf dem linken Rheinufer wohnten, versteht sich von selbst. 

27 



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418 

oder der Mündung des Znyderaees als eine Gegend, in der sie Geltang 
besafs. Ist nnn aber die Lex Thnringornm, wie erörtert wurde, nnter 
Karl dem Grofsen für Angli und Werini abgefaßt, und konnten diese 
Völker später als thüringisch, die Lex selbst als eine Lex Tharingoram 
bezeichnet werden, so müfiiten jene Namen doch Völker meinen, die 
im neunten Jahrhundert in jenen Gegenden gewohnt haben, müfsten 
sie selbst im neunten Jahrhundert dort üblich gewesen sein, was aller 
Ueberlieferung widerstreitet ^). 



Beilage VI. 

Von Professor Usinger ist eine Schrift: „Forschungen snr 
LexSaxonum Berlin 1867" erschienen, nachdem bereits ein größerer 
Theil der vorliegenden Abhandlung gedruckt war. Beim weiteren Ab- 
druck derselben habe ich nicht geglaubt, näher auf jene Schrift ein- 
gehen zu müssen, da sie mich nirgends veranlalst hat, die von mir 
aufgestellten Behauptungen zu modificiren oder zurückzunehmen. Ohne 
hier auf Usingers Forschungen näher eingehen zu können, will ich nur 
erwähnen, dafs ich die zwei Puncto, die er als Hauptergebnisse seiner 
Untersuchung hinstellt, für unrichtig halte. Usinger behauptet: 

1. dafs die Lex Saxonum nach 803 und vor 811 abgefafst sei; 

2. dafs sie kein Gesetz sondern eine Privatarbeit sei. 

1. Was den ersten Punct anlangt, so meine ich dargethan zu 
haben, dafs die Lex Saxonum nach den Gapitula de partibus Saxoniae 
und vor dem Capitulare Saxonicum, also zwischen den Jahren 777 und 
797 abgefafst sein müsse. Usinger behauptet eine Abfassung der Lex 
nach 803, weil in ihr die gewöhnlich in dies Jahr gesetzten Oapitula 
quae in lege Ribuaria mittenda sunt (Mon. Germ. Leg. 1 p. 117) benutzt 
seien. Eine Uebereinstimmung des Inhalts der Gapitel 18 und 50—53 
der Lex Saxonum mit Capit. in 1. Rib. c. 5 ist allerdings nicht zu läug- 
nen, und auch schon von Früheren, namentlich von Wilda Strafrecht 
p. 658 beachtet worden, freilich ohne dafs bis jetzt der Versuch ge- 
macht war, jene Folgerung daraus zu ziehen. Für den Zusammenhang 

1) Unvor»t&ndlich ist 08 mir, wie Waitis mit Hermann Müller die Lex 
Thuringonim der verschollenen Toringia des Gregor ron Tours rindioirty 
während er ihm gegenüber cinr&umt, dafs sie unter Karl dem Greisen ab- 
gefafst »ei. 



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419 

beider Stellen sprechen verBcbiedene ähnlich lautende Worte. Ob sie 
aber beide, wie es den Anschein hat, ans einer verlorenen älteren Ver- 
ordnung Karls des Grofsen schöpfen, oder ob die eine die Quelle der 
anderep ist, wird nicht zu ermitteln sein. Jedenfalls läfst sich, wenn 
man von dem übrigen Inhalt der Lex Saxonum absieht, was ich für 
durchaus unstatthaft halten mufs, und nur diese eine Stelle berück- 
sichtigt, eben so viel wenn nicht mehr dafür anführen, dafs hier die Cap. 
in 1. Rib. aus der Lex Sax., als dafs die Lex aus den Cap. in 1. Rib. 
geschöpft haben. Von einer gedankenlosen Benutzung des Capitels 5 
der Gap. in 1. Rib. durch den Verfasser der Lex Sax. sehe ich keine 
Spur. Die angeführten Capitel 18 und 60—53 der Lex Saxonum ge- 
währen einen durchaus in sich zusammenhängenden Inhalt. Der Herr 
des Sklaven haftet nach ihnen in altgermanischer Weise für alle Hand- 
lungen seines Sklaven, wie er es für sein Vieh thut, mögen dieselben 
mit oder ohne sein Wissen erfolgt sein. Dies unterliegt nur darin einer 
Beschränkung, dals der Herr im Falle seines Nichtwissens nicht zu 
haften braucht, wenn der Sklave entlaufen und nicht zurückgekehrt 
ist. Diese Beschränkung der Haftungspflicht, die den übrigen älteren 
deutschen Rechtsquellen fremd ist, findet sich auch in den Capitula 
quae in lege Ribuaria mittenda sunt ausgesprochen. Doch zeigt sich 
darin eine Verschiedenheit, dafs nach der Lex Saxonum der Herr sein 
Nichtwissen mit einem Zwölfereid erhärten kann, während nach den 
Cap. in 1. Rib. sein einfacher Eid genügt^). Somit kann ich aus der 
allgemeinen Uebereinstimmung der Lex Sax. mit den Cap. in 1. Rib. 
keinen Grund finden, jene als nach 803 abgefafst anzunehmen. Usin- 
gers Argumentation fällt dann aber weg. Denn, wenn er ausführt, dafs 
die Lex vor 811 abgefafst sein müsse, weil in ihr von Söhnen eines 
fränkischen Königs (c. 24: „qui in regem Francorum vel filios eins de 
morte consiliatus fuerit, capite puniatur'') die Rede ist, und Karl der 
Grofse, auf den das zu beziehen sei, nach 811 nur noch einen Sohn 
. hatte, so hindert das, falls man darauf überhaupt Gewicht legen will, 
selbstverständlich nicht, die Abfassung der Lex auch noch weiter vor 
das Jahr 811 zu verlegen, und sie 785 zu setzen. 

2. Dafür, dais die Lex Saxonum ein Gesetz und keine Privatauf- 
zeichnung über sächsisches Recht sei, sprechen meines Ermessens viele 
innere Gründe, während ich keinen einzigen entscheidenden dagegen 

') Ueber die hier besprochenen Satzungen der Lex Sax. vgl. noch oben 
p. 244. 274; gegen Wilda vgl. oben p. 339. 

27* 



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420 

kenne. In ersterer Beziehung ist hier zunächst anf alle die Stellen der 
Le]c hinzuweisen, die sich nach der Art ihrer Wortfassung als gesetx- 
liche Vorschriften documentiren, durchaus aber nicht das Gepräge von 
Berichten einer Privatperson Aber geltendes sächsisches Reefat tragen. 
Sie drücken die in ihnen enthaltenen Rechtssatze in ganz ähnlicher 
Sprache aus, wie dies in den unbestrittenen Gesetzbüchern des frän- 
kischen Reichs z. B. der Lex Salica, Ribuar., Alamann., Baiuwar. der 
Fall ist. Die Lex Sax. sagt z. B.: c. 21 ff. ,,capite puniatur*', c 26 
„occidatur", c. 2B „nnsquam habeat pacem", c. 22 ,,manum suam re- 
dimat auctor sacramenti*'; c. 6 ff. „36 solidos conponat", c. 37 „in 
triplo conponat", c. 36 ,,novies conponat", o. 31 „novies conponen- 
dum est^y c. 52. 55 „nihil solvat", c. 32 „non solvatur'', c. 50 „do- 
minus emendet", c. 23 „bannum solvat^ ; c. 63 „probet^, c. 39 „testibns 
vincatur^, c. 1 ff. „iuret^, c. 52 „iurando se purificef^, c. 17 „tribiu 
iurantibus negetnr^, c. 17 „pleno sacramento negetur", a 63 „campo 
diiudicetur^ ; c. 40 „uxorem ducturus 300 solidos det^, c. 43 „offerat 
tntori precium emptionis^ ; c. 64 „vendet hereditatem cuicumque libne- 
rit'', c. 64 „offerat eam primo 'proximo suo*', c. 44 „ad eas omnis here- 
ditas pertineat^y c. 41 „filio hereditatem relinquent^, c. 61 „venditiones 
stabiles permaneant'' ; c. 45 „tutela filiae ad filium pertineat", c. 44 
„tutela fratri depntetur^, c. 42 „tutelam filius accipiat*'; c. 62 „nolli 
liceat traditionem hereditatis suae facere", c. 62 „mancipia liceat ven- 
dere" ; c. 65 „lito regis liceat uxorem emere, non liceat ullam feminam 
vendere*'. •— Daneben kann es nicht ins Gewicht fallen, wenn es c. 47 
heilst: „Dotis ratio duplex est. Ostfalai et Angarii volunt" u. s. w., da 
das Gapitel, nachdem diese Worte auf das bei jenen V^^lkerstämmen 
geltende Recht hingewiesen haben, sofort wieder in die der übrigen 
Lex entsprechende Ausdrucksweise einlenkt, „dotem amittat", oder 
wenn das Gap. 66 sagt: „Solidus est duplex, unus habet. duos tremisses" 
u. 8. w., da, wenn man diese Worte nicht als denen eines Gesetzgebers 
entsprechend gelten lassen wollte, man ganz dasselbe auch vbn dem 
Gapitulare Saxonicum, dessen gesetzlichen Gharacter doch Niemand 
bestreitet, behaupten mttfste, welches in Betreff desselben Punotes c. 11 
sagt: „Illud notandum est, quales debent solidi esse Saxonum^ . . . 
„Bortrini pro solide uno scapilos 40 donant^. 

Ferner sind in der Lex nicht wenige Stellen vorhanden, die be- 
stimmte Satzungen entlialten, die in fränkischer Zeit erlassen sein 
müssen, und bei denen ein anderes Gesetz, durch das sie eingeführt 
sein könnten, nicht bekannt ist, so dafs wir berechtigt sind, zu ver- 



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421 

nantben, es sei eben die Lex Saxonam jenes fränkische Gesetz, welches 
diese Bestimmungen angeordnet habe. Wollte man meinen, die Geltung 
dieser Satzungen sei auf eine stillschweigende Reception eines angeb- 
lichen frankischen Reiohsrechts in Sachsen zurückzuführen, so ist es 
eine willkürliche Voraussetzung, dals eine solche stattgefunden habe, 
und unterscheidet sich obenein ihr Inhalt zum Theil in erheblicher 
Weise von dem der fränkischen, nicht speciell für Sachsen erlassener 
Capitnlarien. Als Beispiele derartiger neuer, auf fränkischen Uraprung 
zurückzuführender Satzungen in der Lex Saxonum, die sich aufser in 
ihr in keinem fränkischen Gesetz für Sachsen nachweisen lassen, mOgen 
dienen : c. 19 neunfache Bufise bei der Bestrafung des Mordhtot, sowie 
des geringeren Diebstahls, c. 31. 36, vgl. p. 249. 316: Ausschlufs der 
Faida bei unabsichtlich oder durch ein Hausthier herbeigeführter Ver- 
letzung, c. 59. 57, vgl. p. 241. 243; Zahlung des Banngeldes für Nach- 
stellung nach dem Leben eines Kirchgängßrs an Sonn- und Fest-tagen, 
c. 23, vgl. p. 235, 352; dreifache Bufee bei Verletzung im Heer oder 
auf dem Wege zur Pfalz, c. 23, vgl. p. 262; Fixirung der bei Brautkanf 
und Frauenraub zu zahlenden Summen, unter Zurechnung der Bann- 
snmme von 60Solidi zu einem Freienwergeld, c. 40.43. 49, vgl. p. 285 
— 305; Erlaubnifis dem Litus regis eine beliebige Frau sich zu kaufen, 
und Untersagung ein Weib in die Ehe zu verkaufen, c. 65, vgl. p.295; 
Concession, Landgüter an die Kirche oder den König ohne Berück- 
sichtigung eines Widerspruches der Erben zu.tradiren, c. 62; Bestim- 
mung, dafs ein Exilirter, d^ sein Gut zum Verkauf bringen will, dies 
dem vom König über dasselbe gesetzten Verwalter zum Vorkauf an- 
bieten mufs, c. 64, vgl. p. 106. 

Aufserdem sind in der Lex Saxonum Bestimmungen enthalten, die 
sich als Abänderungen oder Ergänzungen des Inhalts der Capitula de ^ 
partibus Saxoniae zeigen. Besonders sind es die Anordnungen der Lex 
Saxonum über Todesstrafe gegenüber von denen der Cap. de part. Sax., 
die hier in Betracht kommen. Die Lex wiederholt eine Reihe der von 
diesen ausgesprochenen Todesstrafen, übergeht andere derselben, die 
ihr als nach den Verhältnissen antiqufrt erscheinen, und ergänzt und 
vervollständigt jene, indem sie namentlich Todesstrafen des älteren 
sächsischen Rechts, welche die Capitula nicht aufgeführt hatte, in be- 
stimmter und, wie es scheint, sie beschränkender Weise aufzählt; ver- 
gleiche hierüber die nähere Ausführung oben p. 323 ff. In ähnlicher 
Weise modificirt die Lex c. 21. 22 das in den Cap. de part Sax. c. 33 
anerkannte ältere Recht über Bestrafung von Meineiden, indem sie 



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. 422 

zwischen mit und ohne Bewufstsein falsch geschworenen Eiden nnter- 
scheidet und nur im ersten Fall die Todesstrafe fortbestehen, im zweiten 
dagegen statt ihrer Verlust der Hand eintreten läfst, vgl. oben p. 118. 
238. Die Bestimmung der Gapitula de part. Sax. c. 18, dais an Sonn* 
und Fest-tagen („festivitatibus praeelaris^) kein Gericht gehalten and 
die Kirche besucht werden soll, findet eine Ergänzung durch Gap. 23 
der Lex, welches anordnet, dafs den Todtschläger eines Kirchgängers 
an Sonn- und Fest-tagen Todesstrafe bedroht, und dabei die Festtage, 
die in dieser Weise zu behandeln sind, speoiell namhaft macht, vgl. 
S. 235. 352. 

Endlich ändert das Capitulare Saxonicnm von 797 mehrfach den 
Inhalt der Lex Saxonum direct ab, und scheint durch die Art, wie es 
das thut, die Lex a^s ein früheres Gesetz zu bekunden. Unmittelbar 
auf die Wortfassung der Lex c. 66 nimmt das Capitulare Saxonicnm 
c. 11 Rücksicht, und ergän^ und erläutert die darin gebrauchten Aus- 
drücke; während in der Lex gesagt ist, dafs dem kleinen Solidus ein 
„bos anniculus duodecim mensium" gleichstehen solle, erläutert das 
Capitulare Saxonicnm näher, was hier unter einem Jahrrind zu ver- 
stehen sei : ein Kuh- oder Ochsen-kalb im Alter von einem Jahr, mag 
das Thier im Herbst unter den Jahrrindern in den Stall oder im Früh- 
jahr unter ihnen aus dem Stall auf die Weide kommen, „bovem anno- 
ticum utriusque sexus autumnali tempore, sicut in stabulum mittitar, 
pro uno solide; similiter et vernum tempns quando de stabulo exiit*'; 
vgl. oben p. 34. Eine anderweitige Berücksichtigung der Lex durch 
das. Capitulare Saxonicnm zeigt sich bei der Brandstiftung. Während 
die Lex c. 28 eigenmächtige Brandstiftung („qui domum alterius sao 
tantum consilio volens incenderit") mit dem Tode bedroht, dekretirt 
Cap. Sax. c. 1, dafs bei Brandstiftung ein Banngeld von 60 SoHdi zn 
zahlen sei, und wiederholt dies Cap. 8, indem es den Fall entgegen- 
stellt, wo Brandlegung durch Gemeindebeschluis erfolgt, und hier im 
Gegensatz zu den Worten der Lex Saxonum sich der Worte bedient: 
„commune consilio facto^. Die Art, wie das Capitulare hier die Bann- 
buise von 60 Solidi für Incendium anordnet, während die Lex Saxo- 
num nur von der zu vollziehenden Todesstrafe redet, zeigt mir auch 
hier, wie das Capitulare das in der älteren Lex dargelegte Recht er- 
gänzt und abändert; vgl. über die Bannbulsen das oben p. 343 ff. 
Erörterte. 

Führen alle diese Gründe dahin, in der Lex Saxonum ein Gesetz- 
buch zu finden und hege ich keinen Zweifel, dies ihnen zu Folge wßr 



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428 

zunehmen, bo glaubt Usinger sich berechtigt, aas dem Inhalt der Lex 
direct zu schliefsen, dafa sie kein Gesetzbuch sein könne, und insbe- 
sondere kein unter Karl dem Greisen publicirtes, in dessen Zeit auch 
er ihre Abfassung annimmt Er behauptet ganz allgemein, dafs die 
Lex Saxonum Sätze ausspreche, die mit den von Karl dem Grolsen 
für Sachsen erlassenen Normen sowie mit dem ganzen übrigen frän- 
kischen Reichsrecht in so schroffem Widerspruch ständen, dafs sie der 
König unmöglich in ein Gesetzbuch fflr Sachsen hätte aufnehmen kön- 
nen. Indessen beweist meines Dafürhaltens kein einziges der von Usin- 
ger für seine Ansicht angeführten Beispiele aus der Lex Saxonum die 
Richtigkeit seiner Behauptung. Ich rücke sie hier ein und füge jedem 
einige Bemerkungen bei, um mein Urtheil zu motiviren. Ein besonderes 
Gewicht legt Usinger p. 18. 19. 62 auf die Behandlung der Faida in 
der Lex Saxonum. Nach ihm untersagen Capitnla de partibus Saxoniae 
c. 31 und Gapitulare Saxonicum c. 9 alle Faida, in Uebereinstimmung 
mit der ganzen karolingischen Gesetzgebung, „wahrt dagegen Lex 
Saxonum c. 1 — 60 den volksthümlichen Character ganz unbestritten 
durch die ohne alle Einschränkung als gültiges Rechtsmittel voraus- 
gesetzte Rache^ (p. 62), und „zeigt damit einen schroffen Widerspruch 
zu jener'' (p. 19). Zunächst mufs ich bestreiten, dafs die beiden an- 
geführten Stellen der Capitularien jede Anwendung der Faida aus- 
schlielsen. Das Gap. 31 der Cap. de part. Sax. gewährt den Grafen in 
ihrem Amtssprengel den Bann von 60 Schillingen „de faida vel maiori- 
bus causis'^ ; das Gapitulare Saxonicum c. 9 erklärt, dafs es dem König 
unter Zustimmung der Franken und treuen Sachsen gestattet sein solle, 
nach eigenem Ermessen das Banngeld von 60 Solidi zu erhöhen „prop- 
ter pacem et propter faidam et propter maiores causas'^; vgl. oben 
p. 241. In beiden Gesetzesstellen bewilligt also der König die Erhebung 
eineff Banngeldes wegen Faida durch die Grafen; die Umstände, unter 
welchen dies zu geschehen habe, erwähnen sie mit keinem Worte: sie 
sprechen es nicht im Entferntesten ans, dafs alle und jede Faida ge- 
setzlich unstatthaft sei, vgl. oben p. 271. DalsKarl niemals durch ein 
directes Gesetz die Faida allgemein ausgeschlossen habe, und sie nach 
dem geltenden Recht in vieler Beziehung, insbesondere bei Friesen 
und Sachsen, für zulässig galt, dafs der König dagegen namentlich in 
den späteren Jahren seiner Regierung die Ausübung der Faida in der 
Praxis zu hindern gesucht habe, erörterte ich specieller p. 267. Prüfe 
ich nun den Inhalt der Lex Saxonum, so vermag ich in keiner Weise 
einzuräumen, dafs ihre Bestimmungen über Faida mit denen der beiden 



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424 

sächsischen Capitularien, Ewischen denen sie erlassen sein mais, irgend 
wie in Widerspruch stehen : sie erkennen die rechtliche Existenz der 
Faida an, beschränken sie aber, wie ich im Gegensatz zu Usinger glaube 
behaupten zu müssen, an verschiedenen Puncten (vgl. p. 264) and lassen 
völlig unerwähnt, in welcher Weise Banngelder wegen Faida gefordert 
werden können. — „Eine andere, vielleicht nicht minder wichtige Ab- 
weichung der Lex von dem Gesetzesrecht, wie es in den Gapitulariea 
vorliegt, betrifft^ behauptet Usinger p. 20 „das Asylrecht^; in den 
Gap. de part. Sax. c. 2 werde das Asylrecht in weitestem Umfange ver- 
kündet, und sogar Erlais der Todesstrafe dabei in Aussieht gestellt; 
gerade das Gegentheil davon sage die Lex Saxonum, indem sie Gap. 28 
anordne: „capitis damnatus nusquam habeat pacem; si in eeclesiam 
confugerit, reddatur''. Der Inhalt dieses Satzes der Lex Sax. soll nach 
Usinger „von fränkischer Anschauung dictirt'' sein, da im übrigen 
fränkischen Reich die Regierung das Asylrecht der Kirchen zu be- 
schränken gesucht habe. Diese Ausfährung Usingers wird man als 
verfehlt betrachten müssen. Eine genauere Betrachtung der beiden 
sich angeblich widersprechenden Stellen zeigt, daCs die letztere von 
einem bereits zum Tode verurtheilten, die erstere von einem noch nicht 
vor Gericht gestellten Verbrecher spricht. Beide Fälle werden wie 
in den anderen fränkischen Gesetzen verschieden behandelt. „Dafs eine 
Kirche Verbrechern, die zum Tode verurtheilt sind, einen Schutz gegen 
die Rache ihrer Verfolger gewährt, sagen die Gapitula de partibus 
Saxoniae in keiner Weise, und die spätere Lex Saxonum c. 28 erklärt 
ausdrücklich und in voller Uebereinstimmung mit den übrigen Gesetzen 
Karls des Grofsen, dafs sie nirgends Frieden haben und ausgeliefert 
werden sollen, wenn sie in eine Kirche fliehen"; vgl. Näheres p. 193—195. 
— „Auch in den Strafansätzen wegen Brandstiftung ist zwischen der 
Lex und den Gapitularien" nach Usinger p. 21 „ein sehr bemerkens- 
werther Unterschied'^ ; durch das Gapitulare Saxonicum c. 8 habe die 
altsächsische Strafe für Brandstiftung eine völlige Umgestaltung er- 
fahren: die bisher geltende Todesstrafe sei beseitigt worden und an 
deren Stelle der Königsbann getreten (p. 49); dem gegenüber verhänge 
die jüngere Lex Saxonum c. 38 über einen solchen Frevler wieder ent- 
sprechen^ den sächsischen Anschauungen die Todesstrafe. Eine Aus- 
führung, auf die ich kurz zu entgegnen habe, dafs ich die Lex Saxo- 
num nicht für jünger sondern für älter als das GapituUre Saxonicum 
halten mufs, aufserdem aber nicht im Entferntesten einräumen kann, 
durch Einführung der Bannbufse sei die bei derselben geltende Todea- 



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425 

strafe abgeschafft. Ist dem aber so und galt sowohl im vorfränkischen 
als auch im späteren sächsischen Recht, wie Usinger anerkennt, für 
Brandstiftung die Todesstrafe, so giebt die Erwähnung derselben in 
der Lex Saxonum keinen Grund gegen deren Authenticität, mu(s viel- 
mehr als den Verhältnissen durchaus entsprechend erscheinen. — Wenn 
Usinger S. 22 die im Capitel 36 der Lex Saxonum für geringeren Dieb- 
stahl verzeichnete neunfache Buise für auffallend hält, da das Capitu- 
lare Saxonicum c. 6 anordne: „quod si aliquid presbyteris quiscontra- 
rium facere aut tollere praesumpserit, omnia in duplum restituat eis et 
conponat'', so kann ich ihm nicht beitreten, sondern mufs die letzten 
Worte dahin verstehen, dafs König Karl durch sie den Presbyteri für 
Verletzungen und Beraubungen die Bufse und den Schadenersatz ver- 
doppelt habe, die Anderen in gleichem Falle zugestanden hätte; wie 
denn auch im übrigen fränkischen Reich bei ihnen doppelte und drei- 
fache Bufsen galten, vgl. oben p. 272. 273. Es erhielten sonach die 
Presbyteri beispielsweise bei geringerem Diebstahl zweimal die neun- 
fache Bufse. — Auch die weitere Behauptung Usingers S. 22: „Ganz 
wunderbar nimmt sich in der Lex Capitel 37 aus'', indem die daselbst 
bei Verletzungen im Heere oder auf dem Wege zur Pfalz vorgeschrie- 
bene dreifache Bufse in den karolingischen Gesetzen nicht mehr vor- 
komme und veraltetes Recht des Reiches enthalte, entbehrt eines Be- 
weises. Die oben p. 262 Note 1 aus anderen Volksrechten angeführten 
Stellen zeigen die dreifache Bufse für den vorliegenden Fall, und ich 
vermag nicht abzusehen, warum ihr Inhalt zur Zeit des Erlasses der 
Lex Saxonum antiquirt gewesen und Karl der Grofse damals nicht 
ähnliche Satzungen für Sachsen publicirt haben sollte. — S. 23 erklärt 
Usinger: „Die abweichende Fassung der Lex c. 24 kann unmöglich 
von demselben Gesetzgeber sein*', von dem die Gapitula de partibus Saxo- 
niae c. 11 sind, da der Begriff des Capitulares der viel weitere sei; 
diese verhängen die Todesstrafe gegen den „qui domino regi infidelis 
apparuerit*', jene gegen den „qui in regnum vel in regem Franoorum 
vel filios eins de morte consiliatus fuerit". Ob wirklich Infidelitas die 
umfassendere Bezeichnung für das in beiden Stellen gemeinte Ver- 
brechen sei, mag dahin gestellt bleiben. Unzweifelhaft aber ist, dais 
die Lex Saxonum die Personen, gegen die das Verbrechen verübt 
werden kann, genauer specialisirt. Und so ist nicht abzusehen, warum 
König Karl nicht eine in dieser Beziehung modificirte Ansdrucksweise 
in der Lex Saxonum gewählt haben könnte, indem er in sie mehrere 
auf einander folgende Sätze der Gapitula de partibus Saxoniae aufnahm; 



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426 

dafs dies aber der Fall sei, habe ich oben S. 113 za zeigen gesacht, 
vgl. auch p. 321. — Endlich erörtert Usinger S. 25: „die Nachricht der 
Lex Saxonum c. 66, die Sachsen hätten (neben dem Solidus maior von 
3 Tremissen) einen Solidus (minor) von 2 Tremissen gehabt, sei nicht 
richtig^, „dadurch müsse die Glaubwürdigkeit der Lex erschfitterC 
werden^. Er meint dies dadurch zu begründen, dafs er bemerkt, das 
Gapitulare Saxonicum c. 11 kenne nur einen Solidus, und dieser sei 
der fränkische von 12 Denaren, also der fränkische Solidus maior, der 
auch später als in Sachsen geltend bezeugt werde, während in der Lex 
Saxonum die Rechnung nach zwei verschiedenen Solidi bei der un- 
genügenden Art, wie ihrer nur c. 16 und c. 66 Erwähnung geschieht, 
nothwendig zu Müsverständnissen geführt haben müfste. Selbst wenn 
man, was ich für irrig halte, annimmt, König Karl habe durch die 
Worte des Gap. 11 des Gapitulare Saxonicum von 797: „in argento 
duodecim denarii solidum faciant" bestimmt, dafs in Sachsen nur nach 
Solidi von 12 Denaren, also nach grofsen Solidi gerechnet werden 
solle, so liegt darin kein Grund zu läugnen, dals er in der älteren Lex 
Saxonum angeordnet haben könne, nicht nur nach Solidi maiores son- 
dern auch nach Solidi minores zu rechnen. Im Anschlnfs an einen 
älteren Rechtsbrauch hat der König ausgesprochen, dafs unter den bei 
Wergeldern zu zahlenden Solidi kleine Solidi im Werthe von V« grofsen 
gemeint sein sollen; ein Mifsverständnifs bei den Bufszahlungen konnte 
dadurch nicht herbeigeführt werden. Ich meinestheils habe oben p. 46.34 
ausgeführt, dafs meiner Meinung nach Karl bei Erlafs des Gapitulare 
Saxonicum sich den Bestimmungen der Lex über Zahlung in Solidi 
angeschlossen hat; indem er im Gap. 11 desselben die einzelnen bei 
Gompositionen an Zahlungs statt zu gewährenden Gegenstände tarifirt, 
setzt er 1 Solidus in Silber = 12 fränkische Denare, 1 Jahrrind =s 
1 SoliAis; er thut dies in Uebereinstimmung mit der Lex. Saxonum, 
welche anordnet, dafs Bufszahlungen im Allgemeinen in grofsen So- 
lidi , Zahlungen von Wergeldern in kleinen Solidi im Werthe von einem 
Jahrrind zu berechnen seien. War es nach der Lex Sax. gestattet, bei 
Wergeldern anstatt eines Solidus ein Jahrrind hinzugeben, und fand 
man darin eine um Vs geringere Leistung als bei Silberzahlnng, so 
änderte das Gapitulare Saxonicum, indem es das Jahrrind ebenfallB zn 
1 Solidus schätzte, nicht die Höhe der früheren Wergeidansätze, und 
hätte auch von Solidi minores reden können, wie es die Lex thut. — 
Glaubt man, dafs die angefahrten Stellen der Lex Saxonum auch in 
anderer Weise gedeutet werden können, als es hier geschehen ist» oder 



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427 

dafs nicht vollständig aufgehellt ist, in welcher Beziehung ihr Inhalt 
zu einzelnen Bestimmungen anderer fränkischer Capitularien, und na- 
mentlich zu manchen der beiden auf Sachsen bezüglichen steht, so ist 
das von untergeordneter Bedeutung. Sollen in ihnen Beispiele ent- 
halten sein, welche die Gründe entkräften, die daftir zeugen, dafs die 
Lex Saxonum ein Gesetz sei, und sollen sie wirklieh beweisen, woftir 
sie von Usinger als entscheidend angefQhrt sind, dafs die Lex als ein 
Gesetz nicht erlassen sein könne, so.mufs ihr Inhalt evident und un- 
bestreitbar in so schroffem Gegensatz zu dem der übrigen Capitularien 
Karls des Grofsen stehen, dafs es absolut unmöglich ist, dafs auch sie 
von ihm erlassen sei. Ich mnfs auf das Unbedingteste läugnen, dafs 
ein derartiger Gegensatz zwischen dem Inhalt der Lex und dem jener 
Capitularien nachgewiesen oder in irgend einer Weise vorhanden sei, 
und demnach den einzigen daf^r angetretenen Beweis, dafs die Lex 
kein Gesetz sein könne, für mifslungen halten. 

Stehe ich somit nicht an, zu läugnen, dafs die Lex eine Privat- 
aufzeichnung sei, und nehme ich in Uebereinstimmung mit fast allen 
Früheren an, dais sie ein von Karl dem Grofsen erlassenes Gesetz ist, 
so drängt sich doch noch die Frage auf, ob irgend eine innere Wahr- 
scheinlichkeit dafdr spricht, dafs die jedenfalls in der Regierungszeit 
Karls des Grofsen verfafste Lex Saxonum eine Privatarbeit sei. Mir 
scheint dies nicht im Geringsten der Fall zu sein, und eine derartige 
Auffassung der Lex noch wesentlich erschwert zu werden, wenn wirk- 
lich ihr Inhalt in dem von Usinger behaupteten Gegensatz zu den 
beiden sächsischen Capitularien stände. Wir besitzen zudem ans der 
Zeit Karls des Grofsen kein Kechtsdocument, von dem es erwiesen 
wäre, dafs es eine Privatarbeit sei: bei der Additio legis Frisionum, 
der Lex Thuringorum und der Lex de Amore hat man es gemeint, 
machen sich aber auch reelle Bedenken dagegen geltend (vgl. auch 
p. ^d). Und man wird nicht umhin können, einzuräumen, dals es 
schwer hält, sich vorzustellen, wie ein Privatmann zur Zeit Karls des 
Grofsen zu einer Darstellung des sächsischen Rechts, insbesondere aber 
des Rechts aller sächsischen Stämme zwischen Rhein und Elbe, das 
die Lex Saxonum nach ihrem Inhalt behandelt, hätte schreiten können. 
Wie der Urheber des Sachsenspiegels, indem er ein Rechtsbnch für 
die Praxis verfafst, das in den Gerichten, in denen er persönlich thätig 
war, geltende Recht aufzeichnet und nur ganz nebenbei Rechtsabwei- 
chnngen aus einzelnen benachbarten sächsischen Gegenden erwähnt, 
so würde man es auch von der Arbeit eines Privatmannes über säch- 



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428 

sisches Recht aus der Zeit Karls des Grofsen erwarten mfissen. Woher 
hätte er die dazu erforderliche Kenntniis des in so vielen Puncten ab- 
weichenden Rechts der Westfalen, Cngern und Ostfalen besitzen oder 
aber sich verschaffen können? Die gesammte Fassang der Lex Saxo- 
num läfst auch nicht vermuthen, dafis ihr Urheber in ähnlicher Weise 
wie Eike von Repkow ein Hülfsmittel für den Richter liefern wollte. 
Dazu stimmt weder die Kürze des Ausdrucks noch das Uebergehen vieler 
in der Praxis hochwichtiger Gegenstände, vor Allem aber nicht die in die 
Form eines Gesetzes eingekleidete Ausdrucksweise des ganzen Schrift- 
stückes, auf die bereits oben p. 420 hingewiesen wurde. Auch Usinger 
sind derartige Bedenken aufgestiegen. Er erwägt, ob die Lex Saxonum 
etwa eine Privataufzeichnung sei, um den gesetzgeberischen Arbeiten, 
mit denen sich Kaiser Karl 802 und 803 beschäftigte, zur Grundlage 
zu dienen; doch verwirft er selbst diese Annahme, da der Inhalt der 
Lex einem solchen Zwecke nicht entspreche. Mir scheint dies schon 
deshalb unstatthaft, weil es uns an jeder Nachricht fehlt, dafs derartige 
Privatarbeiten in jenen Jahren vorgenommen sind, und einer solchen 
bei Ermangelung aller directen Unterstützung von Seite der Regierung 
alle die Hindernisse entgegengestanden hätten, die überhaupt eine 
Privatarbeit über das Recht aller sächsischen Stämme dermaisen er- 
schwerten, dals wir sie für damals fast unmöglich bezeichnen müssen. 
Auch die von Usinger in der Lex Saxonum angenommenen Gebrechen 
können nach ihrer speciellen Beschaffenheit die Bedenken, in ihr eine 
Privatarbeit zu sehen, nicht vermindern. Der Verfasser soll in manchen 
Stellen altsächsisehes, durch fränkische Reichsgesetzgebung aufgehobe- 
nes Recht verzeichnet, in anderen Eigenthümlichkeiten des sächsischen 
Rechts, die von Karl dem Gro&en in den Gapitularien für Sachsen 
Anerkennung gefunden hatten, unbeachtet gelassen, in noch anderen 
fränkisches, ja zum Theil veraltetes fränkisches Reichsrecht aufgenom- 
men haben. Ich vermag mir seinen Standpunct, wenn ich an der Rich- 
tigkeit der Usinger'schen Auffassungen der einzelnen Stellen festhalte, 
schwer zu denken. Der Goncipient erscheint eben nur als ein des 
Rechtes, welches er darstellen will, wenig kundiger Mann. Führten die 
gegen ihn erhobenen Anschuldigungen dahin, dafs die Arbeit an Män- 
geln leide, die sich aus seinen Lebensverhältnissen erklärten, sei es, 
dafs er als Geistlicher, als Franke oder als Sachse, mit oder ohne Ab- 
sicht eine unrichtige Darstellung des in Sachsen geltenden Rechts 
geliefert habe, so möchte dies der Anklage einen gewissen Schein 
geben; sollen die Gebrechen aber als lediglich aus Unkunde entsprungen 



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_ 4 29 

gelten, so fällt auch dieser weg. Das Bestreben üsingers, zn zeigen, 
dafs der Inhalt der Lex Saxonum nicht der eines karolingisohen Ge- 
setzes sein könne, verleitet ihn, das ganze Schriftstück als ein im 
höchsten Grade mangelhaftes Machwerk zu characterisiren. Dies er- 
geben folgende Stellen. 

Usinger sagt S. 61 : „Die Lex Saifonum enthält einmal kein rein 
sächsisches Volksrecht und steht sodann in einem zu argen Gegensatz 
zu der Reichsgesetzgebung, als dafs angenommen werden könnte, diese 
habe sie gewissermafsen anerkannt, oder gar, was bisher stets behauptet, 
sie sei unter Mitwirkung der fränkischen Regierung entstanden.'' S. 61: 
„Die Abweichungen der Lex von dem Gesetzesrecht weisen sehr be- 
stimmt darauf hin, dafs wir es hier nur mit einer privaten Arbeit, 
nicht mit einem Theile der Gesetzgebung Karl des Grofsen zu thun 
haben. Und. das wird sodann durch den höchst ungenauen und unge- 
nfigenden Inhalt der Lex Saxonum noch fester erwiesen. In bunten 
wenig kritischer Mischung finden wir da sächsisches und fränkisches 
Recht.^ S. 72: „Konnte die Lex in den Gerichten gebraucht werden, 
obwol sie in Betreff der Faida, der Brandstifter, der Kirchenschänder 
von dem Rechte abwich, das Karl sonst, ganz in Uebereinstimmung 
mit dem allgemeinen Rechte seines Reichs, durch seine Capitularien 
bei den Sachsen gebot? Konnte die Lex in den Gerichten gebraucht 
werden, da sie doch zum Theil sogar veraltetes fränkisches Recht, zum 
Theil aber für Sachsen einheimisches Recht verkündete, das sicher 
nicht dem Rechtsbewufstsein des Volkes, der bisherigen Gültigkeit, 
sondern dem Recht der Franken entsprach, welches in dieser Beziehung 
nicht bei den Sachsen eingeführt war? Somit verbietet der Inhalt, 
dann aber auch die nachlässige Form der Lex die Annahme, dafs sie 
von der Reichsregierung gebilligt, dafs sie unter ihrem Einflnfs zum 
Gebrauch in den Gerichten verfafst sei.^ S. 73: „All die vorgenannten 
Gründe weisen mit Nothwendigkeit darauf hin, in der Lex Saxonum 
eine mangelhafte Privatarbeit zu sehen. Allein angeregt wird deren 
Abfassung doch ohne allen Zweifel durch das gleichzeitige Bestreben 
der Regierung sein." S. 73: „Die Lex Saxonum kann nicht einmal eine 
Art, wenn auch privater Vorarbeit für eine künftige vom Staate auto- 
risirte Rechtsaufzeichnung sein: es würden sich nicht die ungenügenden 
Belehrungen über die Kirchenfeste, es würde sich nicht die jetzt vor- 
liegende äufserst mangelhafte Redaction und sogar manche Bestimmung 
in ihr finden, gegen deren Richtigkeit mit Recht Bedenken zn erheben 
sind.'' S. 74: „Die Benutzung der Lex Saxonum für eine Darstellung 



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430 

der Verhältnisse der Sachsen in der ersten Zeit ihrer Unterwerfang 
(^urch die Franken ma(s aber immer eine sehr vorsichtige sein. Von 
ihren beiden Verfassern ist der erste zweifelsohne sehr willkürlich und 
nachlässig zu Werke gegangen, während der zweite fast mehr Beiträge 
lieferte zu der politischen Geschichte und zur Erläuterung wirthschaft- 
licher Verhältnisse bei den Sachsen als zur Erkennung des Rechts- 
zustandes.^ 

Dais ich dies Urtheil Usingers für ungerechtfertigt und durchweg 
verfehlt hatte, will ich hier nicht weiter ausfähren. Die Lex erscheint 
mir in jeder Beziehung als eine lautere Quelle, ja unerachtet ihrer 
Kürze und der UnvoUständigkeit der in ihr behandelten Gegenstände 
als die Hauptquelle unserer Kennt nifs altsächsischer Zustände. Aber 
darauf will ich noch hinweisen , dafs sie in der Zeit nach ihrer Ab- 
£ASSung keinesfalls in Usingers Weise beurtheilt worden sein kann, da 
sie sonst als für die Gerichtspraxis völlig unbrauchbar gegolten haben 
müfste. Denn wenn wir auch so wenig bei ihr wie bei den meisten 
Volksrechten des fränkischen Reichs den Umfang ihrer Benutzung dar- 
zuthun vermögen, so läist sich doch die Thatsache selbst nach der Art 
nicht bezweifeln, wie wir sie neben anderen Gapitnlarien und Volks- 
rechten in Handschriften des neunten und zehnten Jahrhunderts auf- 
genommen finden. Von gröistem Gewicht ist in dieser Hinsicht der 
Corveier Codex der Lex Saxonum, der sich durch seinen Inhalt als 
für die Abtei Gorvei geschrieben bekundet, und in welchem neben der 
Lex Thuringorum und einer Reihe von Gapitnlarien, wie namentlich 
dem Gapitulare Saxonicum, und neben Corveier Privilegien die Lex 
Saxonum Aufnahme gefunden hat. Und eine ähnliche Würdigung der 
Lex ergiebt sich auch aus der Chronik Widukinds von Corvei, indem 
dieser I c. 14 äufsert: „de legum varietate nostrum non est in hoc 
libello disserere, cum apud plures inveniatur lex Saxonica diligenter 
descripta^ Mon. Germ. Script. 3 p. 424. 



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Stellen ans den drei sächsischen Gesetzen, welche besprochen 
worden sind. 



Capitnla de partibas Saxoniae« 



Cap. 1:8.180 ff. 175.229.217. 


Cap. 19: 8.298.343.346.392. 


Cap. 2: S. 184 ff. 194. 172. 105. 424. 


Cap. 20: 8.174.298.343. 


Cap. 3: S.184ff.230-232.305.171f. 


Cap. 21: 8.213.297.298.343. 


195. 


Cap. 22: 8. 214 ff. 174.200. 


Cap. 4: S. 200. 323. 


Cap.23: 8.178. 


Cap. 5: S.272. 


Cap. 24: 8. 173. 174. 298. 343. 


Cap. 6:8. 211. 200. 323. 


Cap. 25: 8.298.343. 


Cap. 7: 8. 213 ff. 200. 323. 


Cap. 26: 8.262.172.298.343. 


Cap. 8: 8. 200. 323. 


Cap. 27: 8.395.347.370.28. 


r^p. 9: 8. 204-211. 200. 323. 


Cap. 28: 8.174.298.343. 


Cap. 10:8.321.200.323. 


Cap. 29: 8.173. 


Cap. 11:8. 321. 117. 108. 1 12. 425. 


Cap. 30: 8. 239. 263. 108. 171. 173. 


Cap. 12: 8. 273 ff. 282 ff. 112. 


Cap. 31 : 8. 240. 271. 272. 173. 298. 


Cap.l3:S.273ff 112. 


343. 423. 


Cap. 14: 8.178.194.270. 


Cap. 32: 8. 117- 119. 238. 177. 343. 


Cap. 15:8. 176.385.217. 


-Cap. 33: 8, 115-118. 337. 196.236 


Cap. 16:8. 176.298.343. 


- 238. 421. 


Cap. 17:8. 176. 


Cap. 34: 8.173.178. 


Cap. 18: 8. 173. 




Lex Sa 


xoniun« 



Cap.l: 8.90.50.391. 

Cap. 2: 8.386.391. 

Cap. 3: 8.385.391.23.57. 

Cap. 4: 8.386.391.23. 

Cap. 5 : 8. 326. 336. 385. 391. 23. 70. 

Cap. 6: 8. 391. 392. 70. 

Cap. 7: 8.23.91.385.391. 

Cap. 8: 8.119.391.392.24.25.57.67. 

Cap. 9: 8.94.391.392. 

Cap. 10: 8.385.391. 

Cap. 11:8. 356. 385. 386. 24. 57. 71. 

94. 
Cap. 12: 8.273.373.385.94. 
Cap. 13:8. 385. 386. 24. 71 . 80. 
Cap. 14: 8. 376-380. 370. 50. 53. 

71.81. 
Cap. 15: 8.297.53.71. 
Cap. 16: 8. 123. 278.370.391.29.67. 

71. 96. 
Cap. 17: 8. 278. 391. 392. 23. 67. 72, 

81. 
Cap. 18: 8. 240. 244. 252. 274. 275. 

339. 391. 23. 72. 418. 



Cap. 19: 8. 239. 240. 248. 264. 272. 

350. 57. 67. 72. 81. 83. 
Cap. 20: 8. 295. 297. 373. 349. 414. 
I 23. 81. 

Cap. 21 : 8. 1 15 - 1 18. 195. 196. 230 
I - 238. 352. 421. 2. 7. 52. 
Cap. 22: 8. 1 15—120. 238. 352. 421. 

2. 14. 58. 67. 
, Cap. 23: S. 120. 234. 298. 344. 352. 

2. 7. 97. 
Cap, 24: 8.60-65.321.108 — 113. 

101. 122. 337. 9. 51. 52. 419. 425. 
Cap, 25: 8. 112. 239. 273. 321. 339. 

61-63.9. 
Cap. 26: 8. 112. 239. 273. 274. 282. 

299.339.9.59.61. 
Cap. 27: 8.239.240.251.261.197.9. 
Cap. 28: 8. 195. 254. 416. 422. 424. 
Cap. 29: 8.312.7. 
Cap. 30: 8.198.312.7.8.80. 
Cap. 31: 8.198.298.312.316.25.72. 
Cap. 32: 8.312.315.7.25. 
Cap. 33 : 8. 122. 312. 7. 25. 72. 81. 96. 



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432 



Cap. 34:8.312.7.23. 

Cap.36: S.311.7. 

Cap.36: S. 1^3^ 312. 316. 344. 

368. 392. 425. 2. 8. 14. 58. 67. 73. 

81. 
CRp.37: S. 262. 425. 07. 96. 
Cap.38: S. 232. 305-308. 345. 414. 

424, 2. 7. 83. 
Cap.39: S.73.81. 
Cap. 40: S. 286. 288. 296. 299. 300. 

386.49.52.73.81. 
Cap. 41 : S. 25. 49. 73. 82. 96. 
Cap. 42: S. 24. 25. 73. 81. 83. ' 
Cap. 43: S. 288. 386. 23. 73. 
Cap. 44: S. 66. 
Cap. 45: S. 66. 82. 
Cap. 46: S. 73. 82. 
Cap. 47 : S. 349. 406. 48. 58. 66. 67. 

73 74 82 
Cap. 48: S. 349. 406. 58. 
Cap. 49: S. 286. 288. 296. 299. 386. 

74. 



Cap. 60: S. 244.274.276.419.23.52. 

82 
Cap. 51 : S. 274.339,419.58.67.82.96. 
Cap. 52 : S. 339. 391. 419. 25. 
Cap. 53: S. 244. 339. 419. 23. 
Cap. 54: S. 23. 81. 82. 
Cap. 55: S. 74. 
Cap. 56: S. 67. 74. 82. 87. 89. 
Cap. 57 : S. 240. 242. 266. 56. 
Cap. 58: S. 282. 25. 87. 89. 
Cap. 69 : S. 240. 243. 265. 66. 79. 
Cap. 60: S. 97.114.25.51.52,74.82. 

97. 
Cap. 61: S. 58. 59. 91. 94. 97. 
Cap. 62 : S. 337, 361. 421. 56. 74. 82. 
Cap. 63: S. 24. 61. 74. 83. 
Cap. 64: S. 104—109. 114. 229. 265. 

274. 278. 337. 421. 68. 74. 85. 94. 
Cap. 66: S. 274. 286. 295. 337. 421. 

24.51.62.66.93. 
Cap. 66: S. 26—34. 43—46. 307. 

364. 338. 420. 422. 426. 



Oapitnlare Saxonienm. 



Cap. 1 : S. 298. 307. 346. 346. 413. 414. 

422. 
Cap. 2: S. 298. 345. 346. 
Cap. 3: S. 123.345.346.392. 
Cap. 4: S. 256. 344. 346. 392. 
Cap. 5: S. 276. 346. 392. 
Cap. 6: S. 273. 425. 



Cap. 7: S. 239. 262. 273. 

Cap. 8: S.306. 307. 345. 392. 413. 

422. 424. 
Cap. 9 : S. 240. 271. 298. 345. 423. 
Cap. 10: S: 109. 194.219. 
Cap. 11:8. 28. 33—36. 39—45. 307. 

338. 368. 364. 420. 422. 426. 



Berichtigungen. 



S. 3 Z. 5 ▼. o. statt .ITIS« Um: 1613. — S. 3 Z. 10 t. o. lies: Brunsrictn- 
\. — S. 19 Z. 8 ▼. a. 1.: Über Ugum inprimis Sazonnm; s. S. 91. ~ S. 48 Z. 9 
▼. n. l. : in argento duodecim denarii soUdum faciant. — S. 44 Z. 9 v. u. statt »West- 
falen« 1.: Ostfalen. — S. 46 Z. 6 ▼. o. statt §.15 I.: S. 393. — S. 97 Z. S t. n. 
stau -f. 64« L: p. ^4. — S. 113 Z. 16 ▼. o. 1.: Capitulare Saxonicam. — S. 120 Z.8 
▼. u. statt «Beilage am SehluTs dieser Abhandlung • L: §.16. ^ S. 194 Z. 10 ▼. u. 
statt •§. 21- 1.: §.18. — S. 181 Z. 9 ▼. u. statt .827- 1.: 127. — S. 147 Z. 1 v. a. 
statt .|. 18« 1.: §. 17. — S. 179 Z. 6 ▼. o. 1.: im Jahre 773. — S. 201 Z. 6 ▼. n. 1.: 
cormUum. — S. 207 Z. 6 ▼. o. 1.: S. 160 Note 2. — S. 241 Z. 1 ▼. u. 1.: Vgl. unten 
8, 265—271. — S. 288 Z. ft ▼. u. l.: i>q/>. ~ S. 296 Z. 10 v. o. statt .easis« 1.: 
oausis. — S. 299 Z. 19 ▼. o. 1.: $ollen. — S, 804 Z. 20 ▼. o. 1.: parentibuB. — 
S. 862 Z. 6 ▼. u. 1.: Leg. 3 p. 248. 



Berlin, Draek Ton Gustat Schadx, Marienstr. 10. 



^ t IX, a. 

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I 



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HARVAm LAW I 



lllllllllllll 

3 2044 049 713 241 



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