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; 7
ZUR
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LEX SAXONUM.
Von
Dr. Karl Freiherr von Richthofen.
BERLIN.
VBBLAG VON WILHELM HERTZ.
(BB8BBR8GHB BVCHHAHDLUIIG.)
1868.
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/^, h-^Jl3^ /fK^^
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Vorwort.
Als ich im Frfibjahr 1865 für die mir übertragene Aus-
gabe der Lex Saxonom im vierten Bande der Leges der Mona-
menta Germaniae die verschiedenen Texte derselben vei^lich,
schien es mir, als ob einige kurze nur in der Spangenberg-
schen Handschrift enthaltene Sätze, die bisher kaum beachtet
worden' sind, einen kleinen Beitrag für das älteste uns gar
wenig bekannte sächsische Recht gewährten. Ein näheres
Eingehn auf sie fährte jnich zu einer Prfifung der Zeit der
Abfassung der Capitula de partibus Saxoniae und der Lex
Saxonum, und ich schrieb die folgenden darauf bezüglichen
Bemerkungen nieder, um sie Studiengenossen vorzulegen. Eine
Krankheit nöthigte mich damals, die Ausführung zu verschie-
ben, und so thue ich es erst jetzt, wo der bevorstehende Be-
ginn des Druckes der Lex Saxonum mich wieder zu ihnen
zurückfuhrt, indem ich nur noch die Bitte hinzufüge, sie
freundlich aufnehmen zu wollen.
Berlin, den 7. März 1867.
Dr. Karl Freiherr von Richthofen.
Nachschrift.
Unmittelbar nach der Aufzeichnung dieser Worte begann
der Druck der Abhandlung, der ich aufser einzelnen Zusätzen
den §.16 über die Todesstrafen des sächsischen Rechts neu
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IV
hinzafagte, weil mir der für die Abfassangszeit der Lex Saxo-
Dum wichtige Gegenstand eine aasführlichere Besprechung za
fordern schien, als ich ihm früher in einer Beilage zugewendet
hatte. Wie ich Bogen 19 beendigt hatte, unterbrach ich den
Druck wegen einer Brunnenkur in Ems; dort traf mich im
Monat September 1867 ein schweres Augenleiden, das mich
an der Fortsetzung des Druckes hinderte. Um die Ausgabe
der Abhandlung zu ermöglichen, hat mein Sohn Karl den
Abdruck der letzten Bogen besorgt.
Wiesbaden, den 21. April 1868.
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Inhaltsverzeichnifs.
Capitel I« Die Texte der Lex Saxonnm.
Seite
§. 1. Der Text der Spangenbergsebea Handschrift, und die in
ihm eingeschobenen Satzungen Aber territoriales Recht 1
Anmerkung über die Spangenbergsche Handschrift der
Lex Saxonnm 18
§.2. Die Zusätze im Text von du Tillet und in der Gorveier
Handschrift, am Schluls der Lex Saxonum 26
§. 3. Der Heroldsche Text der Lex Saxonum 47
Anmerkung Aber Herolds Text der Lex Saxonum . . 56
§. 4. Der Text der Ck)rveier Handschrift 68
Anmerkung über die Gorveier Handschrift der Lex Sa-
xonum 65
§. 5. Der du Tilletsche Text der Lex Saxonum 67
Anmerkung über die Abweichungen des Tiliusschen
Textes 70
§. 6. Die Lindenbrogsche Ausgabe der Lex Saxonnm .... 74
Anmerkung über Lindenbrogs Benutzung der älteren
Texte der Lex Saxonum 79
§. 7. Der Grundtext der Lex Saxonum 85
Anmerkung über die Eintheilung der Lex Saxonnm . 91
Anmerkung über die Ausgaben der Lex Saxonnm . . 93
, Capitel n« Die Lex Saxomun ist ein gleiclizeitig verfafstes
€(esets«
S. 8. Merkels Zerlegung der Lex Saxonum in drei Stücke . . 97
S. 9. Das dritte Stück der Lex Saxonum 103
S. 10. Das zweite Stück der Lex Saxonum 111
§. 11. Das erste Stück der Lex Saxonnm 114
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VI
Cftpitel m. Abfassimgsieit der CapitiilA de partlbiiB
Sftxoniae«
§. 12. Die Oapitala sollen im Jahr 785 verfaTst Bein 126
§. 13. Die Unterwerfung Sachsens während der Jahre 772—765 129
§. 14. Die Bekehrung Sachsens während der Jahre 772—785 . 149
§. 15. Inhalt und Abfassangszeit der Gapitala de partibos Saxoniae 170
§. 16. Die Todesstrafen des sächsischen Rechts 218
Capitel IT. Abfassimgsieit der Lex Sftxonimi.
§. 17. Die Lex ist zwischen 777 nnd 797, vielleicht 785 abgefafst 331
Anmerkung über die bisherigen Ansichten ttber die Ab-
fassungszeit der Lex Saxonum 335
§. 18. Das Oapitnlare Saxonicnm von 797 340
§. 19. Schlufs 348
Beilagen.
Beilage I. Silber und Kuhgeld 358
Beilage II. Geldwerth 368
Beilage IIL Die Anordnung der Lex Saxonum 371
Beilage IV. Die Zahl 120 das ist eine Baoda oder ein grolses
Hundert in der Lex Saxonum 376
Beilage V. Das sächsische Nordthflringen und die Lex Thurin-
gorum 394
Beilage VI . 418
Stellen aus den drei sächsischen Gesetzen, welche besprochen
worden sind 431
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ZUR
LEX SAXONUM.
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Capitbl I. Die Texte der Lex Saxonum.
1« f. 9er Teit der Span^enbergschen Haidschrift, md die !■ Ihn ein-
^esehobenen Satzungen flher territoriales Reeht.
Die unter Karl dem Groften verfafate Lex Saxonum ist in vier
alten Texten erhalten: in den Ausgaben von Herold und du Tillet,
denen zwei spurlos versehwundene Handschriften zu Grunde liegen;
in der Gonreier Handschrift aus dem 10., und in der Spangen-
bergschen aus dem Ende des 9. Jahrhunderts. WXhrend der Text
von Herold mit dem der Corveier Handschrift und dem bei du Tillet,
mit Ausnahme einiger Worte, die am Schlnft der Lex bei Herold
fehlen, im Wesentlichen ein und derselbe ist, so dafs die darin
enthaltenen Vorschriften kaum von einander abweichen, sind in
der Spangenbergschen Handschrift, in vier verschiedenen Capiteln
der Lex, Worte eingeschoben, die bei mehreren namhaft gemachten
Verbrechen Qbereinstimmend es aussprechen, dafs sie nach dem
Recht der Bewohner des Ortes bestraft werden sollen, an dem sie
begangen sind, so dafs die harten Strafen der Lex Saxonum aus-
geschlossen werden, wenn die mit ihnen bedrohten Verbrechen
von Sachsen anfserhalh ihres Landes verübt sind.
Ans dem folgenden Abdruck der vier Capitel der Lex Saxo-
num, in dem die nur in der Spangenbergschen Hand-
schrift enthaltenen Worte gesperrt gedruckt sind, er-
hellt, dafs dieselben dem Originaltext der Lex Saxonum fremd
waren, und erst sp&ter in ihn eingeschoben sind. Könnte hierüber
ein Bedenken obwalten, so wird er durch die Stelle c erledigt,
1
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indem in ihr die eingeschobenen Worte den Satz der alten Lex
in solcherweise zerreifsen, dafo er yl51lig nnverständlich wird.
a) Cap. 21. 22 (bei Herold: Titel II. §. 8. 9). Qui in ecclesia
hominem occiderit vel aliqaid fdraverit, vel eam^) effregerit, vel
sciens perjnraverit, si infra patriam fnerit factnm capite
paniatar, sin antem infra patria non fnerit, in q,uali-
cnmqne loco fnerit, secnndnm illornm legem. Et') qoi
nesciens perjnraverit, mannm snam redimat anctor sacramenti.
b) Gap. 23 (Herold: Tit. IL §.10). Qai homini*) ad eccle-
siam vel de ecclesia die festo^) pergenti, id est dominica, pascha'),
pentecosten*), natale^) domini, sanctae Mariae, sancti Johannis
baptistae, sancti Petri et") sancti Martini, insidias posnerit enm-
qne occiderit, capite pnniatur, (si) ') infra patria fnerit; sin
antem in qnali loco, secnndnm illornm legem; si non
occiderit tamen insidias fecerit^^), bannum solvat de reliqnis.
e) Cap. 36 (Herold: Titel IV. §.8). Qnicqnid vel nno") de-
nario minns tribus solidis qnislibet fnrto^') abstnlerit, novies com-
ponat^') quod abstoHt*^); et pro fredo, si nobilis fnerit, solidos")
12, si über 6^*), De hac re, quod snperins dictum est de
furto"): qui infra patriam furaverit aliqnid unde mo-
rire debet, si foris patriae est^"), hoc fecerit, non
moriatur, sed secnndnm illornm legem nbi factnm
fnerit, si litns 4; et oonscins similiter.
d) Gap. 38 (Herold: TitV. §. 2). Qni domnm alterius vel
») „eam'' f. in der Ausg. des Tilius. — *) „et* f. in Her. u. Tu. Ausg.,
sowie im Inbaltsvers. der Spang. Handschr. — *) „hominem'' 8pang. —
*) „facto" Spang. — *) „pascha" Her. u. Corr. ; „paschae'' Spang. u. TU.
— «) „penthecoste" Her. u. TiL — "^ „natali" TU. — ») „et" f. in Corr.
u. TiL — ') „si" ist zu ergänzen, wie es auch Lindenbrog in seiner Aus-
gabe der Lex. Sax. gethan hat. — «>) „fecit" Til. — - »») Für „uno" (bei
Her., Corr. und dem Spang. Inhaksrerz.) liest „in uno" TiL, „de uno, de
uno" Spang. — '*) „furtu" Spang. — ") „componatur" Spang. — i*) „abs-
tnlerit" Spang. — ") „solides" f. bei TiL — *«) „si liber similiter" TiL —
*') „furtu" Spang., zu bessern „furto". — ") Das „est" steht im Manuscr.
Spang.; die "Worte wollen sagen: wenn esf auCserhalb des Vaterlandes ist,
dafs er das tiiat, so soll er nicht sterben. Durch AusstoCsen des „est*' wird
der Ausdruck bequemer; Lindenbrog hat es daher weggelassen.
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Boctn Tel interdin sao taotnm conBilio Tolens ineenderit, oapite
piiBiatar, in qaalioumqae loeo est, secnndam legem
iliomm.
Lindenbrog in der Ausgabe der Lex Saxonam, im Codex
Legom antiqnaram, Francofnrti 171B p. 471, hat die in den vor*
stehenden Stellen gesperrt gedruckten Sätse in seinen Text der
Lex aufgenommen, indem er demselben die Spangenbergsche Hand-
schrift zu Grunde legte, und das in ihr Stehende nur im Einzel-
nen aus Herold und Tilius zu berichtigen suchte^). Leibniz
liefs in den Scriptores Rerum Brunsvicensum, Hannoverae 1707.
I. p. 77, aus Lindenbrog die Lex Saxonum abdrucken; es stehen
daher bei ihm die Sätze, wie bei Lindenbrog, im Text der Lex;
nur im Gapitel 21 sind, offenbar durch ein Versehen, einige Worte
ausgefallen, und im Gapitel 23 einige andere eingeschoben')» Im.
Gegensatz zu Leibniz, hielt G. G. Gärtner, Saxonum leges tres,
Lipsiae 1730, den Heroldsohen Text der Lex Saxonum für besser,
als den Lindenbrogschen, und gab ihn in seiner Ausgabe wieder,
indem er den einzelnen Paragraphen desselben, nur Varianten aus
Lindenbrog beifügte; unter ihnen finden sich denn auch die frag-
lichen Sätze, wie sie bei Lindenbrog zu lesen sind; auf ihren
^) Beim Abdruck der fraglichen S&Ue, hat Lindenbrog im CapituL 23,
ein für den Zusammenhang der Worte erforderliches ^si^ ergänzt , vgl. p. 2
Note 9; un Cap. 36 hat er „furtu" in „furto" gebessert und ein Listiges
„est" ausgestefsen, vgl.p. 2 Note 18; am Schlufs Yon Cap. 36 hat Linden-
brog die in allen vier Texten Torhan denen Worte „si litns 4; et conscius
similiter" weggelassen und für sie ein „componat" gesetst, da sie dorch
Einsehiebong des Ziuatses im Spangenbergschen Manuscript jedes Sinnes
beraubt waren, und ihm der Zusammenhang der Stelle ein „componat" su
fordern schien. Endlich hat Lindenbrog im Cap. ßS, den Zusatz des Span-
genbergschen Manuscripts ^in qualicumque loco est, secundum legem ilio-
mm'*' weggelassen.
*) Leibniz liest in Lex Sax. IL §.8: „Qui ... perjorayerit, ai infra
patriam non fuerit, in qualicunque loco fuerit, secundum illorum legem'',
mit Auslassung der Worte „fuerit factum capite puniatur, sin autem infira
patria''; und in Lex Sax. II. §.9: „Qui . . eum occiderit, capite puniatur, si
infra patriam fiierit. Sin autem in quali loco [secundum capite puniatur,
si infra patriam fuerit. Sin autem in quali loco] secundum illorum legem.
Si etc'^, wo die eingeklammerten Worte su tilgen sind.
1*
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Inhalt geht aber OSrtiiery in seinen ansftthrlichen Noten snr Lex,
nicht näher ein, bemerkt nur p. 45 , va dem im Gi4>itel 21 ein-
geschobenen Satze: „Eadem interpolatio in subseqnent. capitnL23
et 36, iisdem plane verbls apud Lindenbrogum oconnit, sed videtnr
esse repetitae praelectioniS; admittenda tarnen, qnoniam complnra
delicta apud Baxones gravioribns poenis subjecernnt, quam qnidem
apud reliqnos popalos Germaniae^. E. T. Ganpp, Recht und Ver-
&ssnng der alten Sachsen, Breslau 1837 p. 126. 132 und 135, hat
nach Vorgang von Gärtner, dem er im Allgemeinen in seiner Aus-
gabe der Lex Saxonum folgte, die Lindenbrogschen Zusätse, von
denen er aus „Spangenbergs Beiträgen zu den teutschen Rechten
des Mittelalters, Halle 1822*' p. 185, wufste, dafs sie in der Span-
genbergschen Handschrift stehen, unter dem Text der Lex Saxo-
num als Varianten mit den Spangenbergschen Berichtigungen ab-
drucken lassen, wie dies bereits vor ihm F. Walter in seinem
Corpus Juris Germanici antiqui, Berolini 1824, I. p«385 gethan
hatte. In Betreff der Zusätze begnügt Gaupp sich damit, sie „flir
ein späteres Glossem eines Abschreibers*' zu erklären, ohne ihnen
weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Damit ist aber sehr wenig
ttber sie gesagt; dem Originaltext der Lex Saxonum sind sie
fremd gewesen, das kann keinem Zweifel unterliegen, woher hat
sie aber der Schreiber der Spangenbergqphen Handschrift genom-
men, und wie ist er dazu gekommen, sie seinem Text einzu-
fügen?
Die Spangenbergsche Handschrift setzt Pertz, der aus ihr
eigenhändig die Lex Saxonum für deren Ausgabe in den Monu-
mentis Germaniae, mit der grt^fsten Genanigkeit abgeschrieben
hat, gegen das Ende des 9. oder in den Anfang des 10. Jahrhun-
derts*). Wer der Schreiber derselben war, und wo er schrieb,
ist uns in keiner Weise überliefert; beachtet man aber die Art,
wie er die Lex Saxonum abgeschrieben hat, so sieht man, dafs
er kein Sachse war, dafs er das, was er abschrieb, nicht verstand,
und unleugbar eine sehr geringe Bildung besafs. Gegen das
') Vgl. über das Spangenbergsche Manusoript die kleingedruokte An-
merkung unten am Schlufs ron §. 1.
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Sachsenihmn des Sohreibers spricht, dafs er die sämmtlichen
deutschen in der Lex vorkommenden Worte, ja einmal sogar die
Namen der Ostfalen nnd Engem, bis znr ünkenntlichheit ent-
stellt; sein Nichtverstehen des Textes aber ergiebt sich, abge-
sehen davon, dafe er überall grofse ünkenntnifs der lateinischen
Sprache docamentirt, indem er ihre Formen nnd Constmctionen
anf das ärgste mifshundelt, daraus, dafs er nicht wenige Stellen
der Lex, die in den andern drei Texten leicht verständlieh sind,
in solcher Weise verunstaltet, dafs sie jedes Sinnes entbehren.
Fttr unmöglich erachte ich es, dafs der Schreiber der Spangen-
bergschen Handschrift, der sieh sonst aller Zusätze zur Lex ent^
hält, selbstständig ans seiner Kenntnifs des geltenden Rechts, in
vier Capiteln der Lex jene Znsätze kannte eingeschoben haben,
die bei verschiedenen Verbrechen einen in der alten Lex mit keiner
Silbe angedeuteten Bechtssatz zur Anwendung bringen. Nach dem
ganzen Bilde, welches uns die Abschrift der Lex von den Kennt-
nissen ihres Schreibers giebt, mufs ich behaupten, dafs er weder
die dazu erforderlichen Rechtskenntnisse besafs, noch auch so
viel Latein verstand, um jene vier Sätze abzufassen, die, so in-
eorrect sie auch geschrieben sind, doch einen und denselben Ge-
danken ausdrücken, nnd diesen bei den ihm entsprechenden Capiteln
der Lex einschieben.
Mit Rücksicht hierauf glaube ich vermuthen zu dürfen, dafs
der Schreiber der Spangenbergschen Handschrift jene vier Sätze
am Rand des von ihm abgeschriebenen Textes der Lex Saxonum
beigeschrieben fand, und sie seiner Abschrift der Lex einfügte,
ohne sich um ihren Sinn zu kümmern; dadurch erklärt sich dann
auch leicht, dafs in der Spangenbergschen Handschrift in der
Stelle Cj der Znsatz, statt an das Ende des Gapitels, neben wel-
chem er beigeschrieben war, mitten in den letzten Satz des Ca-
pitels zu stehen kam, so dafs die letzten Worte desselben („si
litns 4; et conscius similiter*') aus ihrem Zusammenhange gerissen,
nnd jedes Sinnes beraubt wurden.
Durch diese Vermuthnng ist nun freilich der Ursprung der
vier fraglichen Zusätze der Lex Saxonum nicht erklärt; fragte
es sich vorher, wie der Abschreiber der Spangenbergschen Hand-
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Schrift der Lex dazu kam, sie der Lex einzafUgeOy so handelt es
sieh jetzt darum, zu beantworten, was Jemand veranlagte, sie
dem von jenem Abschreiber copirten Text der Lex Saxonum bei-
zuschreiben, üeberblicke ich aber die Wortfassung der vier Zu-
sätze, so scheint sie mir weiter zu führen; diese spricht nämlich
nicht dafür, dafs der Schreiber den vier Capiteln der Lex nach
seiner Kenntnifs des geltenden Rechts sie erläuternde, oder ihren
Inhalt ergänzende Randglossen aus dem Gedächtnifs beischrieb,
sondern dafs er ihnen jene Worte mit Rücksicht auf eine geschrie-
bene ihm vorliegende Quelle beifügte, dafs er, um meine Meinung
hier gleich ganz auszusprechen, den Inhalt eines bestimmten Ge-
setzes zu den einzelnen, von ihm berührten Stellen der Lex Saxo-
num, excerpirend notirt«. — Man erwäge dafür, dafs die vier Sätze
nicht aus dem Gedächtnifs frei hingeworfen sind, namentlich die
folgenden in ihnen übereinstimmend wiederkehrenden Worte:
in a: „sin autem infra patria non fuerit,
tn qualicunque loco fuerit, secundum iUorum legem^.
in h\ „sin autem,
in qucdi loco, secundum ütorum legem*',
in e: „si foris patriae est, hoc fecerit, non moriatur,
sed, secundum ülorum legem , ubi
factum fuerit*.
in d\ „tn qualicumque loco est, secundum legem illorum*'.
In den drei ersten Stellen (a,b,c) excerpirt der Schreiber
seine Quelle ausführlicher; in der letzten schreibt er nur die
(unter d) angeführten flüchtigen Worte an den Rand der Lex, die
an sich unverständlich sind, aber rMig genügten, um ihm bei
späterer Benutzung des Capitels der Lex, den unter a, hy c no-
tirten, auch bei d zur Anwendung kommenden Rechtssatz ins Ge-
dächtnifs zurückzurufen.
Ist dies richtig, so weisen die vier in der Spangenbergschen
Handschrift enthaltenen Zusätze der Lex Saxonum auf ein Ge-
setz hin, welches bestimmte, dafs gewisse Verbrechen, wenn sie
aufserhalb Sachsens verübt sind, nicht in der für sie in der Lex-
Saxonum angeordneten Weise bestraft werden sollten, sondern
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nach dem Recht der Bewohner des Ortes, an dem sie begangen
wurden.
Die in den vier Zasltsen beseiehneten Verbrechen, welche
die Lex Saxoninn sMmmtiieh mit der Todeestrafe bedroht, sind:
in a: Tödtoog in der Kirche (cap. 21),
Diebstahl in der Kirche (cap. 21),
Einbruch in der Kirche (cap. 21),
Ein in der Kirche wissentlich falsch geschworener Eid
(cap. 21).
in b: TMtung am Sonntage oder an einem der hohen Festtage,
auf dem Wege zu oder von der Kirche (cap. 23).
in d: Anzttnden eines fremden Hauses bei Tag oder Naoht^
ohne dafs es durch einen gerichtlieben Spruch Ter-
httngt ist (eap. 38).
in c: Gewisse fttr schwer erachtete Diebstähle (cap. 29—35).
Der sttletst (aua c) beseiohnete Punkt verlangt eine speeiel-
lere Eri^rternng. Die Capitel 29—36 der Lex Saxonum haadeln
von der Bestrafung des Diebstahls; sie verordnen fttr gewissen
Diebstahl die Todesstrafe, für anderen eine Strafe im Betrage vom
neunfachen Werth der gestohlenen Sache :
A. Die Todesstrafe soll eintreten:
1. für Diebstahl bei Tag oder Kacht von einer Sache im Wertha
von 3 Solidis (eap. 36) ;
2. fttr Diebstahl eines Pferdes (cap. 29);
3. Air nSchtliehen Diebstahl mit Hanseinbruch im Werthe von
2 Solidis (oajp. 32);
4. flir nSchtlichen Diebstahl eines vierjShrigen Ochsena, der
2^Solidi8 gieiohgerechnet wird (eap. 34) ;
5. für Diebstahl in der Kirche (cap. 21);
6. fttr Diebstahl in einer Skreona, d. i. in einem Erdhaus oder
Keller (cap. 33);
7. für Diebstahl eines Bienenstockes innerhalb des Hofranmes
(cap. 30).
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J
B. Dagegen boH die erwähnte neunfache Werthbafse
gezahlt werden:
8. für Diebstahl einer Sache, deren Werth unter 3 Solidis be«
trägt (cap. 36), und namentlich denn auch :
9. für Diebstahl eines Bienenstockes anfserhalb des Hofran-
mes (cap. 30).
Auf geringeren Diebstahl (No. 8 u. 9) ist demnach eine neun-
fache Werthbufse gesetzt, auf erschwerten Diebstahl die Todes-
strafe; und die Erschwerung wird darin gefunden, dafs die ge-
stohlene Sache 3 Solidi werth ist (No. 1 u. 2), dafo zur Nachtzeit
eine nur 2 Solidi werthe Sache gestohlen ist (No. 3 u. 4), oder
dafe eine Sache aus einem besonders verschlossenen Räume ge-
stohlen ist (No. 6 u. 7)^.
Nun bemerkt der in der Spangenbergschen Handschrift, mit-
ten in den Context des Capitel 36, eingeschobene Zusatz: „De
hac re, quod superius dictum est de furtu: qui infra patriam fu-
raverit aliquid unde morire debet, — si foris patriae est, hoc
fecerit, non moriatur, sed secundnm illorum legem ubi factum
ftierit* (d. i. In Betreff dessen, was oben vom Diebstahl gesagt
ist: wer etwas innerhalb des Landes stiehlt um dessen willen er
sterben soll, — wenn es au&erhalb des Landes ist, daüs er das
thnt, so soll er nicht sterben, sondern es soll gehen nach dem
Recht derer, wo er es gethan hat). — Wie unpassend diese Worte
hier im Capitel 36 stehen, leuchtet ein; das Capitel handelt gar
nicht von einem der Diebstähle, auf welche die Lex Saxonum,
in den Capiteln 29. 30. 32. 33. 34 und 35, die Todesstrafe setzt,
sondern bestimmt, dafs für einen Diebstahl unter drei Solidis eine
nennfache Werthbufse eintreten soll. Der Zusatz, der sinnlos vom
Abschreiber der Spangenbergschen Handschrift in den Context des
Capitel 36 eingeschoben ist, war vom Verfasser de88eU)en am
^) Die TodoBBtrafe für einen Diebstahl in der Kirche ist nicht ausge-
sprochen in den Cap. 29—36, die vom Diebstahl handeln, sondern im Cap. 21,
welches auf rersohiedene Verletzungen der Kirche die Todesstrafe setzt; als
das todeswürdige Verbrechen ist hier nicht der Diebstahl, sondern die durch
ihn begangene Kirchensch&ndung gedacht.
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Rande des Gapitel 36 beigeschrieben, d« i. des letiten der Gapitel
29 bis 36, die vom Diebstahl handeln; er hatte am Schlafs der
Darstellnng der Lehre vom Diebstahl, die ihren Inhalt modifioi-
rende Bestimmang des von ihm excerpirten Gesetzes notirt Nach
ihr soll in den Fällen, wo die Lex Saxonum wegen Diebstahl
Todesstrafe verhängt, diese Todesstrafe für denjenigen nicht ein-
treten, der im Aaslande diesen Diebstahl begeht; er soll nach
dem dort geltenden Recht bestraft werden.
Die Zasatzworte der Spangenbergschen Handschrift seigen,
dais anlserhalb Sachsens gewisser Diebstahl, den die Lex Saxo-
num mit Todesstrafe bedrohte, ihr nicht nnterworfen war; eine
Thatsache die zar Genüge bekannt ist aas den Rechtsqaellen, die
im 9. Jahrhundert in den mit Sachsen benachbarten friesischen,
fränkischen und thüringischen Gegenden galten'). Aufser wegen
Diebstahls, soll wegen Tödtung, Meineid und Brandstiftung, in
den Fällen, in denen die Lex Saxonum sie mit Todesstrafe belegt,
nach den vier Zusätzen zur Lex Saxonum, wenn sie aulserhalb
Sachsens begangen waren, nicht die in der Lex verhängte Strafe
gegen Sachsen erkannt werden, sondern die Strafe, welche für
die Bewohner des Ortes galt, an dem das Verbrechen verübt wor-
den war. Abgesehen von den erwähnten Fällen verhängt die Lex
Saxonum die Todesstrafe: 1. auf Hochverrath gegen den König
und dessen Sohn (cap. 24), 2. auf Tödtung des Dominus (d. i.
des Mundherm?) und dessen Sohn (cap. 25. 26), 3. auf Stuprum
der Tochter, Frau oder Mutter des Dominus (d. i. des Mund-
herm?), cap. 26; endlich 4. auf Tödtung eines Faidosus im
eigenen Hause (cap. 27). Von diesen vier Fällen ist der erste
entschieden nicht im vorfränkischen sächsischen Recht mit der
Todesstrafe bedroht gewesen, während in den anderen drei Fällen
schon im älteren sächsischen Recht geltende Todesstrafen von
Karl dem Grofsen anerkannt sein mögen, wie das vorher bei
ihnen schon zum Theil durch die Gapitula de partibus Saxoniae
geschehen war').
1) Vgl unten |. 16.
^ Ueber die Ueberschrifl „Lex Franoorum*', welche die CorYeier Hand-
»chrift vor Capitel 24 der Lex Saxonum setzt, vgL unten {. 4.
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10
Die Intention der vier Znsätae ist siehtbar keine andere,
als das harte sKchsische Recht zu mildern. In FXllen,
in denen ein Verbrecher nach dem milderen Recht der andern
dentBchen Stämme Dicht zum Tode verartheilt wird, soll ein
Sachse, für den das strenge sächsische Recht im Allgemeinen in
Oeltung bleibt, wenn er das Verbrechen an einem Orte verttbt
hat, an dem für seine Bewohner ein milderes Recht gilt, von den
sächsischen Gerichten ausnahmsweise nicht nach seinem strengen
sächsischen Recht bestraft werden, sondern nach dem milderen
auswärtigen Rechte, es soll also dann für ihn nicht das
persönliche, sondern das territoriale Recht zur An-
wendung kommen.
Hier begegnen wir einer Bestimmung, die den Gesetzen Karls
des Grofsen, zu denen unbedingt die Lex Saxonum gezählt wer-
den muiSei, völlig fremd ist^). Da& unter Pipin, Karl dem Grofsen
und Lndewig dem Frommen, im fränkischen Reich durchweg
persönliches nnd nicht territoriales Recht galt, kann'
keinem Zweifel unterliegen. Es bezeugen dies, um hier von der
Lex Ripnariorum Tit. XXXI, 3 — 5 und Tit XXXVI abzusehen,
da die Entstehungszeit dieser beiden Titel unsicher ist, die fol-
genden drei Gesetzesstellen:
ä) Ein Gapitulare Pipins von 768 (vielleicht auch früher von
Pipin erlassen) c. 10: „ut omnes homines eorum legis habeant,
tam Romani quam et Salici, et ai de alia protmcia advenerit, $&•
cundum leges ipsius patriae mvaf* Pertz Leg. 2. p. 14.
b) Ein Gapitulare Karls d. Gr. von 811 (jedenfalls aber zwi-
schen 809 und 812 verfalst) cap. 2—4 Pertz Leg. 1. p. 169, und
in seine Capitulariensammlung aufgenommen im Jahre 827 von An-
segisus III. c. 65. 66 (Pertz Leg. 1. p. 307): „Si quis domum alie-
nam cuilibet fregerit, quicquid exinde per virtutem abstulerit, aut
rapuerit, vel fbraverit, totum eecundum legem et ewam iUiy cujus
domue /uerii fr acta et exspoliata, in triplo componat, et insuper
bannum nostrum solvat; si vero servns hoc fecerit, sententiam
*) Wilda Strafrecht der Germanen, Halle 1842, p. 497, erw&fant neben-
bei der in dem ZusaU der Lex Saxonum enthaltenen Bestimmung, und scheint
deren Inhalt als von Karl dem Grolsen anerkanntes Recht xu betrachten.
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anperiorem AceipUt) et insnper Becnndum snam legem eomposi-
tionem faeiat. 8i qnis liber homo aliqnod tale damnum cuilibet
feoerit, pro qno plenam eompositionem faeere non Taleat, semet
ipenm in wadiam pro servo dare stodeat, usque dum plenam eom-
positionem ladimpleat. 8i qnis meases ant anonas in hoste super
bannnm dominicum rapuerit, aat faraverit vel paverit) ant cum
eaballis vastaverit) aestimato damno secundwn legem in triplum
componat; et ai über homo hoe feeerit, bannum dominienm pro
hac re eomponere cogatar; serrus vero secandnm soam legem
tripla oompositione damnum in loco restitnat^ et pro banno disei-
plinae corporali subjaceat*'.
c) Ein Capitulare Ludewig d« Fr. von 819 (wenigstens über-
einstimmend Ton Baluze und Pertz ins Jahr 819 gesetzt) c. 8 :
j^Adversus ecclesiastieaB res eadem sententia maneat, qnae tempore
domini et genitoris noatri fuerat prolata^ ut ecclesiarum de/ensores
res euas contra suos adpetitores eadem lege de/endant^ qua y^tei
tnxertmt^ qtd eaedem res ecdesne condonaverunt. 8imiliter et ec«
clesia eandem legem habeat adversus petitores suob, tantum satra
nostra justitia«" Pertz Leg. 1. p. 227.
Aufiier diesen drei Gesetzen aus den Jahren 768 bis 819, be-
zeugen die damalige Geltung des persönlichen Rechts im frän-
kischen Reich, zwei gewichtige Stellen der Ansegisischen Samm-
lung vom Jahre 827, die verloren gegangenen Capitularien ent-
nommen sind; die eine der Stellen steht im Appendix Ansegisi
I. c. 71, die andere im Appendix Ans^isi II. c. 35* Die letztere
Stelle bezieht sich, was für den vorliegenden Zweck beson-
ders wichtig iat, auf Sachsen; Pertz Leg. 1. p. 170 nahm an,
sie möge einer Fortsetzung des vorstehend S. 10 unter lit. h an-
geführten Capitulars Karls des Grofsen von 811 entnommen sein,
mit dem sie einen verwandten Inhalt zeigt, doch durfte sie, wie
Boretins, Capitularien im Langobardenreioh 1864. p. 98, vermu-
thete, wohl eher einem verlorenen, speciell auf Sachsen bezüg-
lichen Capitular angehören. Die beiden Stellen lauten:
d) Ansegisi Cap. Append. I. c. 71 : „ Si quis in aliena patriae
ubi vel propter beneficium vel propter aliam quamlibet occasio-
nem adsidue conversari solet, de qualibet causa Juerü mterpellaiue.
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verbi gratia de conqaesitn sno vel de mancipüs suis, ibi secun-
dum 8uam legem justitiam /aciatj et cum talibns conjaratoiibnB,
quales in eadem regione vei provincia secum habere potaerit| legi-
timnm sacramentum juret; excepto si quis eam de statu suo ap-
pellaverity id est de libertate sna, vel de hereditate qnam ei pater
Sans moriene dereliqait. De bis duobns liceat illi Bacramentam
in patria sna, id est in legitime sni sacramenti loco, jnrandnm
offerre; et is qui cnm eo litigatur, si velit^ sequatur illnm in pa-
triam snam ad reeipiendnm illud sacramentum. Ipse tarnen primo
in eodem loco, id est ubi interpellatus est, satisfaciat tarn comiti
et judicibus, qnam adversario sno, testibas probando, quod rem/
quae ab eo quaeritur^ pater saus ei dereliqnit*' Pertz Leg.l. p.321.
e) Ansegisi Cap. App. II. c. 35 : „ Si aliquia Saxo cabaüos m
gua messe invenerü, et ipsos caballos inde dncere pro sno damno
ad comprobandum voluerit, si quis liher homo hoe ei contradixeriiy
ant aliquod malum pro hoc ei feeerit| tripla composHione secundum
legem et secundum ewam contra eum emendare studecU, et insuper
bannum dominicnm solvaty et manum perdat, pro eo quod inobe-
diens fnit contra praeceptum domini imperatoriS; qnod ipse pro
pace statnere jassit. Si servus hoc feiBerit, secundum suam legem
omnia in triplum restituat, et disciplinae corporali snbjaceat'' Perts
Leg. 1. p. 324 et p. 170.
Beweisen diese Stellen die Geltung des persönlichen Rechts
in den Jahren 768 bis 827 im frSnkischen Reich im Allgemeinen
und speciell in Sachsen , so sprechen sie sich dagegen weniger
deutlich darüber aus, ob bei der Zahlung von BuCsen für Ver-
letzungen das persönliche Recht des Verletzten (des KlSgers) oder
das des Verbrechers (des Verklagten) zur Anwendung kam. Sa-
viguy, Oeschichte ded Römischen Rechts im Mittelalter, Berlin
1834, I. p. 167, und Eichhorn, Deutsche Rechtsgeschichte, Göt-
tingen 1843, I. p. 270, die übereinstimmend jenes für erwiesen
halten, sind in Betreff des letzten Punktes verschiedener Ansicht;
es liegt aufserhalb meiner Aufgabe, dies hier weiter zu verfolgen^),
^) Eine besonders nichtige Stelle enth< das Capitulare Pipins ftr die
Longobarden (nach B. de Vesme) ron 783 (so yermuthet Pertz , willkürlich
setEt es Bahuse 798) cap. 4: ^de direrftis generationibns hominnm qui in
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ieh will nur liervorheben^ dafr die ans dem AnaegiBiis (unter lit e)
aDgefllhrte Stelle bestimmt, dab weim ein Sachse einen Krieger
pfilndety der sein Getreide TerwUstet, und dieser sich ihm wider-
setzty und dem Sachsen ein Uebel softlgt, der ThMter dem Sachsen
(dem Verletzten) dies dreifSach nach dessen Recht nnd Gesets
hüben soll; wie in ähnlicher Weise Karl der Grorse in dem eben-
fidlB Yon Ansegisns excerpirten Gapitolare Fon 811 (oben unter
lit b) verordnet y dafii wer ein Hans erbricht nnd dabei stiehlt,
sowie wer Getreide anf dem Felde stiehlt oder verwttstet, dies
dem Verletzten dreifach bttfiien soll nach dessen Recht und Gesetz ').
Wurden nach dem unter König Karl geltenden persönlichen
Rechte die Sachsen stets, weil sie Sachsen waren, nach süchsischem
Recht gerichtet (mochten sie in oder außerhalb Sachsens gehan-
delt haben, mochte ein sächsisches oder aulsersächsisches Gericht
llber sie richten), so ändern die Zusätze zur Lex Saxonum
im Spangenbergschen Manuscript dies nicht dahin ab,
dafs an die Stelle dieses persönlichen Rechts durch-
weg territoriales treten solle, in Folge dessen alle in
Sachsen verübten Verbrechen nach sächsischem Recht, alle aufser-
halb Sachsens verUbten Verbrechen nach dem dort geltenden Recht
sn richten gewesen wären, sondern bestimmen nur, dais bei der
Benrtheilung einiger Verbrechen, auf denen in Sachsen Todes-
strafe stand, wenn sie außerhalb Sachsens verübt sind, nicht das
sächsische Recht, sondern das dortige (mildere) Recht in Anwen-
Italia commanent, TolumuB nt ubicmnque culpa ooniigerit unde faida cre-
Bcere potest, pro satisfactione hominis illius contra quem culpaylt, seeundum
ipsius legem cui negligeniiam commisit emendet; de yero statu ingenuitatis
Mit aliis querelifly unusquisque seeundum suam legem se ipsnm defendat**.
Perte Leg. 1 p. 46.
') Nach Lex Rip. XXXVI sahlt der Ripuarier fftr den „adrena Fran-
cna*', denertödtet, 200 Solidi, forden „adrena Saxo'' 160 Solidi, d.h.
es wird in Bipuarien ttkr einen » von einem Ripuarier getödteten Sachsen,
deesen sächsisches Wergeid gesahlt. Nach der Lex de Amore c. 26, sahit
der Franke, der in Amore stiehlt, sweifache Compositio, 4 Solidi als Fre-
dnm und 2 Unsen als Wirdira; bestiehlt er dagegen einen Sachsen, so sahlt
er nadi c 29 dasselbe, mit AusschluTs der nach s&chsischem Recht nicht in
sahlenden Wirdira (dilatura).
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düng kommen solL Es soll also nur in dieeen sehr eng begrenstea
FXllen tenritoriales Reeht an die Stelle des peraSnlichen Beebto
treten. DaAi AaBlXnder, die in Sachsen wegen daselbst verübter
Verbrechen Eur Bestrafung gezogen wurden, nach dem Recht dea
Ortes, wo sie das Verbrechen begingen, also nicht nach persSn-
lichem Recht, hätten bestraft werden sollen, ist in keiner Weise
in den Znsataworten ausgesprochen und auch gewift nicht ge-
wollt, da eine ausgedehntere Anwendung der sächsischen Todes-
strafen der ihnen zu Grunde liegenden Tendenz, die harten To-
desstrafen zu mildern, direct widersprochen hätte ^).
Im Widerspruch mit den Quellen behauptet Heffter, in
seinem Lehrbuch des Criminalrechts, 3. Aufl. 1840. §. 150 p. 130,
mit Berufung auf die Lex Saxonum cap. 22 (Herold: Titel II, 9)
und cap. 36 (Herold IV, 8): „es habe im ältereq deutschen Recht
unstreitig der Grundsatz geherrscht: dals das Verbrechen nach
den Gesetzen des Orts, wo es begangen worden, gebüfiit und ge-
straft werden mUsse^. Ob diese Angabe von Hefiter in einer
neueren, mir unzugänglichen Ausgabe seines Buches berichtigt
ist, weife ich nicht. Dafs auch nach den jüngeren Zusätzen der
Lex Saxonum eine derartige Territorialität des Rechts nicht Statt
hatte, wurde erörtert; und dais die nur in jenen Zusätzen vor-
*handenen Spuren von Territorialität nicht „ mit dem älteren deut-
schen privatrechtlichen Charakter des Strafrechts zusammenhän-
gen'', auf den Heffter die ganze, von ihm angenommene ältere
deutsche Territorialität im Strafrecht zurückführen wollte, zeigt
die Art, wie sie in den Zusätzen zur Lex Saxonum nur bei To-
desstrafen hervortreten*).
1) Ob Sachsen wegen der beseiclmeten Verbrechen, wenn sie in Sachsen
begangen worden waren, von aufsersächsischen Gerichten, nach dem in ihnen
geltenden mUderen Recht, gerichtet werden soUten, ist nicht gesagt, dürfte
aber su vermuthen sein.
*) Im heutigen Strafrecht ist es anerkannt, dais aJle (mit aUeiniger
Ausnahme der von durchreisenden SouTer&nen und aooreditirten Gesandten)
innerhalb der Staatsgrensen begangenen Verbrechen, rom Staat nach seinem
Btrafirecht bestraft werden (Prindp der Territorialit&t). Ueber die Bestra-
ftmg Ton aufserhalb der Staatsgrenzen begangfenen Verbrechen, ist aueh
heute noch keine vollständige Uebereinstimmung erreicht; man bestraft sie
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Auf der HMid liegt e«, dafs die theilweise Aui-
Behliefsnng der Anwendung des geltenden persOn-
liehen Rechts in Sacbsen, wie sie in den ZnsKtien der
Spangenbergscben Handschrift ansgesproehen ist, nicht anders
erfolgt sein kann, als durch ein königliches Oesets. Eine
nahe Veranlassung zu einem solchen war durch die Verschieden-
heit gegeben, die zwischen dem slohsischen Recht und dem der
flbrigen LSnder des fränkischen Reiches bestand. Die dem slch-
sischen Recht eigenthttmlichen Todesstrafen mochten dem frUn-
loschen Gesetzgeber als hart erscheinen, da aber ihre Aufhebung
dem Sinn des sllchsischen Volkes nicht entsprochen zu haben
seheint >), so suchte er ihre Anwendung in manchen Fällen aus-
KUBcbliefsen , und erwirkte dadurch factisch eine Milderung des
harten sächsischen Rechts, wie dies in anderer Weise auch bereiti
von Karl dem Orofsen erzielt wurde, indem er dem König durch
die Capitula de partibus Saxoniae cap. 2, und durch das Gapitn-
lare Saxonicum von 797 cap. 10, das Recht Forbehielt, eine To-
desstrafe in Verweisung an einen bestimmten Ort aufserhalb Sach-
sens zu verwandeln.
Eine genauere Zeitbestimmung fUr das vermuthete
Oe setz. vermag ich nicht zu gewinnen ^ nach dem Schlufs des
9. Jahrhunderts kann es nicht erlassen sein, wenn, wie ich, auf
die Autorität von Pertz gestützt, annehme, die Spangenbergsche
nur anmmhmwreise, und zwar namentlich Staatsverbrechen und Verbrechen
Ton InlSndem im Auslande begangen, um die Gesetze des Inkndes zu um-
gehen. Oegen alle weiteren Ausnahmen erkl&rt sich Geib, Lehrbuch des
Deutschen Strafrechtes 1862. Th. 2 p. 63, vergleiche die daselbst dtirten
Gesetze und Schriftsteller, wAhrend Zaohariae, Mohl u. A. weitere Aus-
nahmen verlangen. Geib meint statuire man solche, so müfsten dann
jedenfalls die Gesetze des Auslandes zur Anwendung kommen; undKöstlin:
„dabei mflsse aber stets das im concreten Falle mildere Gesetz zur An-
wendung kommen«.
>) DalÜr sprechen einzelne F&Ue, aber auch allgemeine Aeulserungan,
wie s. B. wenn noch Wipo, in der Vita Kuonradi c. 6 erz&hlt: „Beversus
rez de Ribuarüs ad Saxoniam, ibi legem crudelissimam Sazonum,
secundum voluntatem eorum constanti auctoritate roboravit^ Ports
Script. XL p. 243.
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HandBchrift noch diesem Jahrbandert, oder doeh wraigstenfl dem
Beginn des 10. Jahrhunderts, angehört Die frühesten Anerkennt-
nisse von theilweiser Territorialität des Rechts im fränkischen
Reich, glaubte Savigny, Oeschichte des BSm. Rechts L p. 177, im
südlichen Frankreich im Jahre 864, in dem von Karl dem Kahlen
erlassenen Edictnm Pistense (cap. 13. 16. 20 Perta Leges 1. p. 491.
493) zu finden; nnd es summten ihm darin Oanpp, Oermanische
Ansiedelungen (1844) p. 238, nnd Waits, Deutsche Verfassongs-
geschichte 3. (1860) p. 297, bei. Es wird danach nichts An-
stöfsiges haben, zu vermuthen, dab etwa um jene Zeit die be-
sprochenen Bestimmungen fUr Sachsen erlassen sind; dafs sie
Übrigens noch der Zeit der allgemeinen Geltung des persönlichen
Rechts in Deutschland angehören, bestätigt auch die Art, wie sie
sich über Anwendung des territorialen Rechts ausdrücken. Sie
sagen nicht, es solle bei den bezeichneten Verbrechen das Jus
terrae (das Landesrecht) zur Anwendung kommen, sondern bestim-
men, dafs die Verbrechen bestraft werden nach dem Recht derer
(„secundum legem illorum^), die am Ort des Verbrechens woh-
nen. — Im Beginn des 13. Jahrhunderts, wo wir durch den
Sachsenspiegel nähere Kenntnifs über sächsisches Recht erhalten,
war die Territorialität im Recht in Sachsen für Deutsche durch-
gedrungen '). — Keinen festen Anhaltspunkt fUr die Zeit, in wel-
i) Vgl. Sachsensp. 1, 30 und Homeyer über Ileimath 1852 p. 50. 62;
unerheblich sind die Gegenbemerkungen Ton Gaupp, Qber Stammrecht, in
Zeitschr. f. Deutsch. B. Bd. 19 (a. 1859) p. 161. Vielleicht wird die durch-
gedrungene Territorialit&t des Rechts in Sachsen auch bekundet durch ein-
sehie Bestimmungen in st&dtischen Statuten, wie die des ältesten Jus 6u-
satense (wohl zwischen 1120 und 1150 rerfafst) cap. 29: dafs Bürger bnls-
f&llig sind, die einen Streit unter einander „extra proyinciam^, nicht durch
aus sich erw&hlte Schiedsleute schlichten, oder bis zur Bückkehr vertagen;
8. auch im Medebacher Stat. t. 1165 cap. 17. bei Seibertz 1 p. 75. An ap&teren
Zeagnjflsen fehlt es nicht, z. B. Tereinbart a. 1276 Bischof Eberhard Ton
Münster bei Streitigkeiten im friesischen Theil der Münsterschen Diöcese:
„ti quis in pace domini episcopi (quando ingressus est Frisiam suae diocesis),
hominem occiderit in quocunque territorio Frisiae Monasteriensis diocesis, in
20 marois puniator'' Fries. Bechtsq. p. 142, 15 und „derici recuperabnnt
sua spolift, et probabunt secundum oonsuetudinem terrae^ (in der firiesisoh.
Uebers.: „bi Amesgana riuchte'') ibid. p. 148,20.
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eher die ZasStse der Lex Saxonrnn entstanden sind, gewährt es,
da&y ähnlich wie in ihnen, anch in Zusätzen cn einem Capitnlare
FOin Jahre 779, die Perts Leges 1. p. 36 ans einer Handschrift
yon La Cava nnd einer sweiten ans der Chigischen Bibliothek
veröffentlicht hat, die Bestimmung sich findet, dafs ein un-
wissentlich falsch geschworener Eid nach dem Recht
des Ortes, wo er geschworen wurde, gebUfst werden soll,
da wir die Quelle nicht kennen, ans der dieser Zusatz entnom-
men istM«
Mag nun aber das zu vermuthende Gesetz einige Jahre früher
oder später erlassen sein, dadurch, dafs sein Inhalt in der
Spangenbergschen Handschrift in den Capiteln 21. 23. 36 und 38
der Lex Saxonum eingeschoben ist, unterscheidet sich
der Text der Lex Saxonum in der Spangenbergschen
Handschrift auffallend von den drei anderen Texten der Lex-
*) Capitnlare v. 779 (die ZusäUe sind durch carsiTe Schrift unterschie-
den) cap. 10: „De perjurio. Si quis perjuriom fecerit, nullam redemptionem
ei facere liceat, nisi manum perdat. Et si ille qui prius ilium sacramenilwi
jvTüX, de^ iUo perjurio probatua ßierit, et aliguia de euoe juratares dixerii,
quod nesciens se ' perfurtuset , aut hoc apud Judicium Bei adprobet verum
U9e, aut similiter mcmum perdat. De cujus causa perjttrium fecerit, eieut
lex loci iilius, ubi perjurium factum est, a longo tempore frkit, de eorum
pretium emendare studeat. De fiirto vel de minoribaö causis instituimuB: si
ille homo ci\jus causa jurata fuerit, dicere voluerit, quod ille qui juravit se
sciens perjurasset, stent ad crucem. Et si ille qui juravit victus fuerit, quod
se sciens perjurasset, suprascripta sententia suhjaceat. Et si iUe qui, etc.**
Pert« Leg. 1. p. 36-38. Durch das Capitular von 779 hatte König Karl das
altere fränkische Recht dahin Terach&At, dafs auf Meineid Verlust der Hand
stehen, und diese Strafe nicht durch Geld ablösbar sein solle. Ein Zusats
sagt nun: dafs hei einem Eide, den der Schwörende, ohne es xu wissen,
falsch geschworen habe, die Strafe seit langer Zeit abgelöst werde nach dem
Preise derer, die am Orte wohnen, wo der Eid geleistet wurde: „sicut
lex loci iilius, ubi perjurium factum est^. Die Unterscheidung
zwischen einem wissentlich und unwissentlich falsch geschworenen Eide, hat
auch Lex Sax. c. 21 und 22; der Zusatz zur Lex Sax. läfst fQr die beim
wissentlich falsch geschworenen Eide angeordnete Todesstrafe das mildere
Ortsrecht eintreten; bei einem unbewuXst falsch geschworenen Eide gestattet
Lex Sax. Lösung der Hand mit Geld, der Zusatz zum Capitulare von 779
gestattet die Lösung der Hand nach dem Ortsrecht.
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Saxonnm, welche die Aasgaben von Herold und von du Tillet, lud
die Corveier Handachrift liefern , da ihnen der geeammt^ Inhalt
jenes Gesetzes fremd ist Die dem vermutheten Qesetz entnom-
menen Stellen sind, wie es sich namentlich im Oapitel 36 auf das
deutlichste zeigt, erst spSter in den Text des Spangenbei^schen
Manuscriptes der Lex Saxonam eingefügt, sie standen nicht im
- Original der Lex Saxonam; und wir haben somit in der Spangen-
bergschen EUindschrift einen, den drei andern Texten gegenttber^
stehenden, neueren Text der Lex Saxonam anzuerkennen, also
eine durch Einfügung jener gesetzlichen Bestimmungen vermehrte
Lex Saxonum; wenn ich auch entschieden behaupten muTste, dafs
jene Zusätze des Textes ihm nur von dem Schreiber der Hand-
schrift eingefügt sind, und wir daher keine Veranlassung haben,
den Spangenbergschen Text eine Lex Saxonum emendata sn
nennen ^).
Anmerkung über die Spangenbergsche Handschrift der Lex Saxonum.
a) Auffinden und Inhalt der Handschrift. Der verstor-
bene Oberappellationsrath £. Spangenberg zu Celle fand, wie an-
gegeben wird'), in Hamburg bei einem Trödler 15 Pergamentblätter
eines Codex, auf denen neben einigen Fragmenten anderer Gesetze
die Lex Saxonum steht; er erwarb die Blätter und theilte in seinei;i
„Beiträgen zu den teutschen Rechten des Mittelalters, Halle 1822"
p. 186, aus ihnen Varianten mit, die Ferd. Walter bei der Ausgabe der
Lex Saxonum, in seinem „Corpus Juris Germanici, Berolini 1824" 1.
p. 383, benutzte. Später verglich Pertz die Spangenbergschen Blätter
für die Monumenta Germaniae, s. Archiv der Gesellschaft für ältere
deutsche Geschichte 5. p. 301, die nach Spangenbergs Tode im Jahre
1834, bei Versteigerung der Bibliothek desselben, vom Brittischen Mu-
seum angekauft wurden, in welchem sie Pertz im Jahre 1844 unter
den Egerton-Manuscripten Nr. 269 wiederfand, s. Archiv 9. p.487 und
493. Einen erwünschten Aufschlufs über die Herkunft der Spangen-
bergschen Blätter gewährte im Jahre 1850 eine Entdeckung des am
Brittischen Museum angestellten, seitdem verstorbenen J. Holmes, in-
^) Vgl. die Ausdrücke Ton Gärtnerin der oben p. 4 angeftihrten Stelle.
') Spangenberg, Beiträge p. 185, erwähnt nicht, wie er in den
Besitz der Blätter gekommen sei, vgl. noch onten $. 6.
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dem er bemerkte, dafs ein von Lord Ashbnrnham mit andern
Handschriften von Mr. Barrois erworbenes Manusoript, welches
jetzt in dessen Bibliothek zu Asbbarnham- Place (in der Nähe Ton
Battle) als Manuscript Nr. 214 der Barroisschen Sammlung aufbewahrt
wird, mit den Spangenbergschen Blättern ursprünglich einen Cknlez
gebildet hat, s. Pertz in den Histor. Abhandlungen der Akademie der
Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1867 p. 89. Aufser dem
Ashbnmhamschen Mannscript ist noch ein drittes Fragment des-
selben Codex aufgefunden worden, in dem ehemals von C3aud.
Puteanus besessenen Manuscript der kaiserl. Pariser Biblio-
thek Nr. 4633, welches Pertz im Archiv der Gesellschaft für ältere
deutsche Geschichte 7. p. 49 und 759 beschrieben hatte, vgl. Merkel,
Praefatio legis Alam. in Monum. Germ. Leg. 3. p. 5, und Pertz in den
Histor. Abhandlungen der Berliner Akademie von 1857 p. 93; letzterer
hat nachgewiesen, wie die Spangenbergschen Blätter, das Ashburn-
faamsche und das Pariser Manuscript, einem und demselben alten Codex
entnommen sind, und in welcher Weise die einzelnen Blätter der drei
Manuscripte sich an einander fügen, obwohl einige Blätter des ur-
sprünglichen Codex fehlen, und das in Paris befindliche Fragment,
durch späteres Beschneiden, ein um 1 % Zoll kleineres Format hat, als
die beiden in England aufbewahrten. Der ganze Codex enthielt, der
Beihe nach, folgende Gesetze:
die Lex Salioa in 70 Titeln .... (im Mscrpt d. Lord Ashbumham)
doch fehlen im Text der Lex 3 Bl. (verloren)
die Lex Ripuariorum (Ashb.)
der Schlufs der Lex Rip (auf den Spangenberg. Blättern)
die Lex Saxonum^) (Spang.)
das Capitul. a.803ad legem Salicam >)
(gedr. in d. Mon. Leg. 1. p. 113);
der Eingang (Spang.)
die Fortsetzung (Ashb.)
das Capitul., welches beginnt: de
causis admonendis (gedr. in Mon.
Leg. 1. p. 114) (Ashb.)
1) In der Handschrift Hbersohrieben : „Incipiimt cap. (d. L capitula):
liber inprimis Saxonnm^.
S) In der HandBchrift überschrieben: ,,Incipit Capituk legi Salica te-
nenda sunt".
2»
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die Recapitnl. Legis Sal. (beginnend „Sciendum
est, etc.^, gedr. in Pardessus Loi Saliqae p. 355) ( Ashb.)
die Capitula missis dominicis data a. 802 (gedr.
in Mon. Leg. 1. p. 97) (Ashb.)
das Capitul. a. 779 (gedr. in Mon. Leg. 1. p. 36 (Ashb.)
die Capit. Ludovici imp. a. 816 (gedr. in Mon.
Leg. 1. p. 195) (Ashb.)
die Capitala legibus addenda a. 817 (gedr. Mon.
Leg. 1. p. 210); der Anfang (Ashb.)
die Fortsetzung (Spang.)
die Capitula per se scribenda a. 817 (gedr. Mon.
Germ. Leg. 1. p. 214) (Spang.) .
die Lex Alamannor.'): bis II, 1 (Spang.)
Fortsetzung (im Pariser Mscrpt)
die Lex Bajuvariorum (in Paris)
die Lex Romana Wisigothorum (in Paris)
die Lex Burgundionum: bis tit.75 (in Paris)
die tit.75 — 85 .... (verloren)
die tit. 85 bis Ende . (Spang.)
das Gapitulare de divisione imperii von 806
(gedr. in Mon. G. Leg. 1. p. 140); Anfang . . (Spang.)
Fortsetzung (verloren).
b) Frühere Besitzer der Handschrift. Es ist angeführt,
dafs das Pariser Fragment der Handschrift einstmals dem Pariser Se-
nator Claud. Puteanus gehörte. Das Ashburnhamsche Fragment besafs
früher Peter Pithoe; er hat drei in ihm fehlende Blätter der Lex
Salica auf eingelegten Pergamentblättern ergänzt, und hat, wie Pertz,
'Histor. Abhandlungen der Akad. p. 91, bemerkt, „auch hier (d.i. im
Ashburnhamschen Mscrpt.), wie in der Spangenbergschen Handschrift
(d. i. auf den Spangenbergschen Blättern), den Inhalt jedes neuen Theils
mit seinen grofsen Zügen über die Seite geschrieben. Die ersten Worte
des 2. Blattes: vel ferro . . ., und darunter stehend: franci . . ., zeigen
den Schlufs des mit dem ersten Blatte verlorenen Lindenbrogschen
Prologs der Lex Salica (abgedr. bei Walter, Corpus Jur. germ. I. p. 2),
welcher mit Explicit vollendet ist^ — Es lohnt, dies hier weiter zu
verfolgen: Frider. Lindenbrog war es, der den „Liber legis Sa-
^) In der Handschrift überschrieben : ^ Incipiunt capitida legis Alaman-
norum, etc.*'
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licae ex bibliotheea Frano. Pithoei. Paris 1602. 8.*^ herausgab; es
schreibt in einem diesem Buch vorgedrackten Briefe „Frid. Linden-
bmcfaius Franc Pithoeo: redit ad Te, vir dar., lex Salica, industria
Tua ante plurimos annos correcta expiicataque *^. Und Frid. Lindenbrog
nahm diesen Text wieder auf in seinen, im Jahre 1613 zu Frankfurt
veröffentlichten Codex Legum antiquamm , vergi. Eichhorn , Deutsche
Rechtsgesch. I. p. 244, und Stobbe, Gesch. der Deutschen Rechtsquellen
I. p. 29. Der Peter Pithoe aber (gest. 1596) und Franz Pithoe (gest. 1626)
waren Brflder, Söhne des im Jahre 1554 verstorbenen älteren Peter
Pithoe. Wie Lindenbrog das Ashburnhamsche Fragment des Pithoeschen
Codex bei der Ausgabe der Lex Salioa, so hat er die Spangenbergschen
Blätter desselben Pithoeschen Codex bei der Ausgabe der Lex Saxo-
num benutzt, die er im Jahre 1613 in seinem Codex Legum antiqua-
mm lieferte; den Nachweis, dafs hiermit der Lindenbrogsche Text der
Lex Saxonum im Einklang steht, vgl. unten in §. 6.
c) Alter und Heim ath der Handschrift. Der Codex, dem
die Spangenbergschen Blätter, auf denen die Lex Saxonum steht, einst
angehörten, ist nach dem Urtheil von Pertz „gegen Ende des 9.,
oder im 10. Jahrhundert geschrieben*^; über den Ort, aus
dem er stammt^ fehlen alle Nachrichten. Daraus, dafs im Codex
die Lex Saxonum aufgenommen ist, glaubt Pertz, Abhandl. der Akad.
von 1857 p. 87, „auf den nördlichen Theil des Karolingischen Reiches,
zunächst Sachsen oder Franken, als seine Heimath, schliefsen zu dür-
fen". Lafst sich das Aufgenommensein der Lex Saxonum in den Codex
hierfür anführen, so' scheint mir dagegen geltend gemacht werden zu
können, dafs in ihn die Lex Thuringorum und Lex Frisionum nicht
aufgenommen sind, besonders aber, dafs sich in dem Codex eine Ab-
schrift des umfangreichen Breviarium Alaricianum findet. Dies dürfte
unbedingt wenigstens dagegen sprechen, dafs die Handschrift für Sach-
sen angefertigt ist, und dafs sie kein Sachse geschrieben hat, folgt,
wie ich schon oben S. 5 hervorhob, daraus, dafs dem Schreiber die
Namen der Ostfalen und Engem fremd waren, indem er sinnlos im
Capitel 47 der Lex schreibt: „Dotis ratio duplex est: aut faida et
angaria volunt, si femina filios genuerit, habeat dotem", wo die an-
dern Texte statt der cursiv gedruckten Worte „Ostfalai et Angarii"
lesen. Ueberhaupt würde schwerlich ein Deutscher, wenn er auch so
wenig das verstand, was er abschrieb, wie es sich bei dem Schreiber
der Lex Saxonum überall zeigt, für mordh-tod (d. i. mit Mord ver-
bundene Tödtung) im Cap. 19 „mordum iotum^, für „in screona" (d.i.
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in einem Erdhause) im Cap. 38 „in seretmam^, fHr „moda" (d. i. Rutbe)
im Cap. 14 „ruodu'^ geschrieben, und die bekannte dentsche Wunden-
bezeichnung „wliti-wam^ (d.i. ein Haut -Makel) im Cap. 5 in „utär
iauam'^ entstellt haben. Wenn der Schreiber in den Cap. 20 und 54
„wedre-gildi^ für das in den andern Texten der Lex Saxonnm stehende
were-geldi (d. i. Wer-geld) setzt, so weist auch das nicht auf Sachseii,
sondern auf südlichere Gegenden hin.
d) Ueber den Schreiber der Handschrift. Zur Begründung
des oben S. 4 über ihn gefällten Urtheiles dienen folgende Zusammen-
stellungen: a) Der Schreiber verstand die deutsche Sprache
nicht, vgl. vorstehend S. 21 lit. c. — ß) Der Schreiber war aber
auch des classischen Lateins wenig kundig; er schreibt: am-
bos cap. 11 für ambo; menbrum und menbra cap. 12 und 13; „digi-
tum menbrum^ cap. 13 für „digiti membrum*^; „policis manu" cap. 18
für „pollicis manus'' ; „vindicetur in illo et alii Septem de consanguineia
ejus'' cap. 18 für „aliis Septem consanguineis ejus'' der andern Texte;
„ad propinquis'' cap. 18 fQr „a propinquis''; „ocies*' cap. 19 für „ooties'';
„gtapaverit" cap. 26 für „stnpraverit'' ; „conponemdum" cap. 80; „in rem
(für „re") qualicumque« cap. 86 ; „furtu" cap.85.36 für „ftirto"; „com-
ponatur'' cap. 36 für „conponat"; „qui hominem tfür „homini*') per-
genti** cap. 37; „si vim rupta" cap. 40 för „per vim" beiTilius, oder
„vi" bei Herold und im Corv. Mscrpt. ; „parentes (für „parentibus")
ejus 300 solides" cap. 40; „qui viduarum (fQr „viduam") relinquerit"
(fUr „reliquerit") cap. 42; „ex alia uxorem" (für „uxore") cap. 42;
„posquam" cap. 47 für „postquam"; „discessum" cap. 47 für „deces-
sum"; „comiemta (für „contenta") sit dote sua" cap. 48; „tnuUa con-
ponat" cap. 51 für„multam" d.i. mulctam; „ita ut ad (für „a") domino
invenire (für „inveniri") non possit" cap. 52; „a vespera usque ad
vesperum" cap. 55; „ab eo qui incendit componat'^ cap. 55 für „oon-
ponatur"; „ab eo conponatur, cujus esse eonsUtuerit^ cap. 57 für
„constiterit"; „confistus'^ (sc. pecus) cap. 60 für „confixum"; „tra-
misses" cap. 66 für „tremisses"; „mensuum" in cap. 66 zweimal für
„mensium". y) Schreibfehler oder Ungenauigkeiten des
Schreibers sind: „et tumor, et tumor" in cap. 2, wo ein „et tu-
mor" zu tilgen ist; „solvatur out (für „auf" d.i. auiem) solide mar
jori" cap. 16; „ab eo eufus (fUr „cui") mors eins imputatur" cap. 16;
„filii eius ai iUi sunt (für „soll sint") faidosi" cap. 19; „hominem (für
„homini") ad ecclesiam die facto (für „die feste") pergenti" cap. 23; „in
regem in (für „vel'') filios ejus'' cap. 24; „quicquid de uno de uno (für
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»8
„▼el ano'') denario miniu tribtis solidis abstalerit* cap. 86; „tribus
eadem (f&r „de eadem^) proyincia id est eis (für „idoneis'') testibus^
eap. 39; „300 aolidos ds (für „det") parentibus'^ cap. 40; „pater auiem
et (für »anO mater^ cap.41; „ai tutor abnuerit et convertat se" cap.43y
wo „et*^ zü tilgen ist; „filinm qui (für „filium-que'') gennerit*' cap. 45;
. „ad proximos efue (zu tilgen n^jus^) heredes ejoa" cap. 47; „et cam
(für „et <i cnm^) matre euntem rapnerit^ cap. 49; „si BervuB (fngerit")
cap. 52, wo das unerl&ffiliche „fogerit" fehlt; „qni laqneam fossam vd*^
cap. 56 für „fossam -ye''; „et haec damnam cuilibet/eem^'^ cap. 56 fQr
„fecerint*'; „si quie (das „qma^ an tilgen) fossa vel laqueas ... damnam
fecerint*' cap. 58; „a quo parata sunt conponatur^ cap. 58, diese Worte
Bind sinnlos avagtlassen; „conponatur ab eo, cujus manufuerai^ cap. 59,
sinnlos entstellt aus „manum fugerat'' (seil, ferrum); „qui fossam (für
„in fossam'') pecus qnodlibet sagitaverU"^ cap. 60 fUr „agitaverit" ; „ut
beredem suum heredem fatiat" cap. 62 für „exheredem faciat"; „utab
üio sutiinetur" cap.62 für „sustentetur". <f) Dem Spangenbergschen
Hscrpt eigenthümliche Lesarten, die den Sinn der betref-
fenden Stellen nicht ändern, sind folgende: j,eum XII juret^
in. cap. 3. 4. 5. 7 und 18, wo die andern Texte „cum undecim juret"
lesen, and vielleicht die Lesart des Spang. Mscrpts., die ursprüngliche
der Lex Saxonum ist, um einen mit elf Genossen geschworenen Eid
zu bezeichnen, vgl. für einen Eid mit zwei Genossen: „tertia manu
jaret" cap. 6 and 9 und „tribus jurantibus negetur" cap. 17, und vgl.
„sna manu duodecima juret" cap. 16, wo nur die Editio Tiiiana „XI"
liest. Ferner: „240 solides culpabüie judieetur^ cap. 5, wo die beiden
oarsiy gedruckten Worte in den andern Texten fehlen und überflüssig
sind. Dann: „a/ittm" cap. 8 für „alterum"; „si negantrit^ cap. 16 für
„d negat" ; „<t servus a nobili ocdsus" cap. 17, wo das unnöthige „si"
im Gorveter Mscrpt. und Heroldschen Text fehlt; „tribus juratortbu»
oegetar" cap. 17, wo die andern Texte „jurantibus" lesen; „si autem
(ille) sua sponte reversus (fuerit)" cap. 20, wo die beiden eingeklam-
merten Worte im Spang. Mscrpt. fehlen, ohne dafs dadurch der Sinn
der Stelle geändert wird; „<^/ nocte abstulerif^ cap. 34, wo das un-
jiöthige „et" in den andern Texten fehlt; „quod abstüUHt^ cap. 36 für
„abstulit"; „accipiat ram" cap. 43, wo die andern Texte „illam" für
„eam" lesen; „dominus aejua emendet" cap. 50, wo in den andern
Texten das unnöthige ^ejus" fehlt; j^multa pro illo componatur**
cap. 53 fUr das gleichbedeutende „mulctam pro illo conponat" der an-
dern Texte; „arbor ab Uio precisa" cap. 54 für das gleichbedeutende
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„ab alio" der andern Texte; „caropo judicetur^ cap. 68 für „campo
di-judicetur"; „recrediderit** cap. 63 für „concrediderit" der andern
Texte; „solidas duplex" cap. 66 für das gleichbedeutende „solidus est
duplex" der andern Texte, t) Varianten im Spangenbergschen
Manuscript, die den Sinn der einzelnen Gesetzesstellen
modificiren: „in sua (i. e. liti) armaia juret^ cap. 8, wie auch Herold
liest, während die richtigere Lesart sein dürfte: „in sua arma juret",
wie im Corv. Mscrpt. steht, oder „per sua arma Juret" beiTilius. Ferner:
„testiculis'* in cap. 11, diese richtige Lesart hat nur das Spang. Mscrpt,
die andern Texte zerreifsen den Satz: „testiculus, si" etc. Femer:
„720 sol^ in cap. 11 für ein Auge, für zwei Augen 1440 solidi; nur
das Spang. Mscrpt. hat richtig 720 solidi , während das Corv. Mscrpt.
und die Texte von Herold und Tilius unrichtig „620 solidi" als Bufse
angeben. Im Eingang von cap. 13 : der Daum zu büfsen mit „240 sO"
lidi^y der halbe Daum mit „170 «o/idi"; dies sind unrichtige Zahlen für
360 und 180 solidi in den andern Texten. Im cap. 13: ein Fingerglied
mit 80 solidi, zwei Fingerglieder „CXL solidi'' gebüfst, wo 160 für 140
gelesen werden mufs. Femer: „Qui nobilem occiderit, 1440 solidoB
componatur^ cap. 14, wo für „componatur" gelesen werden mufs „con-
ponat". Die Lesart „frater idem defuncti" cap. 42 scheint die urspriing-
liche zu sein, auch Herold hat sie, und im Corv. Mscrpt. ist sie durch
Correctur entfernt, es liest: „frater illius defuncti", und bei Tilius steht
erklärend „gut frater, id est defuncti". Ferner: „proximus paterni ge-
neris vel ejus consanguineus" cap. 42, wo das „vel" ein falscher Zusatz
ist Indem das Spang. Mscrpt. den ersten Satz des cap. 65 mit cap. 64,
und den zvceiten Satz des cap, 65 mit cap. 66 verbindet, so dafs das
cap. 65 als solches wegfällt, zerstört es den Sinn der Stelle der Lex.
e) Das Inhaltsverzeichnifs im Spangenbergschen Ma-
nuscript, welches der Lex Saxonum vorausgeht und in den drei an-
dem Texten der Lex fehlt, bezeichnet durch ihre Anfangsworte die
einzelnen Capitel der Lex, wie diese im Spangenbergschen Manuscript
und mit wenigen Ausnahmen auch im Corveier Manuscript und bei
Tilius abgetheilt sind, und wie es die unten in §.7 gegebene Ver-
gleichungstafel über die Eintheilutig der Lex Saxonum in den einzel-
nen Texten näher nachweist. Mehrfach weichen aber die im Spangen-
bergschen Mscrpt. in das Inhaltsverzeichnifs aufgenommenen Worte aus
den Anfängen der einzelnen Capitel der Lex von denen ab, die im
Text des Spangenbergschen Mscrpts. stehen, und zwar hat das Inhalts-
verzeichnifs theils bessere, theils schlechtere Lesarten, a) Richtigere
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Lesarten des Inhaltsverzeichniflses: „alterum^ cap.8, flberein-
Btimmend mit den andern Texten, während der Sp. Text dafür „alium"
liest; „in feminam'* cap. 15, wie in den andern Texten, während der
Sp. Text „in femina'' liest; „extra septa^ cap. 31, wie in den andern
Texten, während im Sp. Text „extra tiepe'^ (ftir „sepem*') steht; „Qni
noctu*^ cap. 32 für das falsche „Qni de noctn'' im Sp. Texte; „Qui in
sereona^ cap. 33 fQr das tische „in sereonam'' des Sp. Textes; „Quio-
qnid vel nno denario . . . furaverit'' cap. 36 richtig, in Uebereinstim-
mung mit Herold nnd dem Corv. Mscrpt., während der 4Bp. Text sinnlos
„quicquid de uno dp uno denario'' liest. Ferner: „pater aui mater'^
cap. 41 richtig, wie Herold und Tilius lesen, während im Sp. Text
sinnlos „pater atäem et mater*' steht, und das Corv. Mscrpt. „pater autem
(för „aut") mater" hat. Femer: „viduam reliquerit^ cap. 42, ftir das
unrichtige „vidnarum relinquerit^ des Sp. Textes; „si servus perpetrato
faci nore /«^«ri/ " cap. 52, wo das fttr den Sinn unentbehriiche „fugerit"
im Sp. Text fehlt; „si fossa vel laqueus'^ cap. 58, wo im Sp. Text sinn-
los „Si qui8 fossa etc." steht; „qui m fossam" cap. 60, wo das „in*' im
Sp. Text sinnlos fehlt, ß) Schreibfehler im Inhaltsverzeich-
nifs: f^gladium^ cap. 8 Hir das richtige „gladio'' des Sp. Textes; „si
aurieulam Tel oculum'' cap. 12 für das richtige „si auricula etc.'' des
Sp. Textes; ^^Qui nesciens" cap. 22, übereinstimmend mit Herold und
Tilius, fQr „et ^ui'nesciens" im Text des Sp. Msorpts., wie auch im
Corv. Mscrpt. steht, und die Worte der Lex ursprünglich gelautet ha-
ben dürften; „ad ecclesia'* cap. 23 fQr „ad ecclesiam" im Sp. Text; „in
rem alicumque^ cap. 35 für „in rem qualicunque" des Sp. Textes; „qui
defunctus ßlios et fUas non reliquerit" cap. 44 unrichtig für das im
Sp. Text stehende „non filios sed filias"; „viduam^ cap. 45 für das rich-
tige „vidua" im Sp. Text; „qui filiam hanc (für das richtige „ac" im
Sp.Text) filium habeat" (für „habuerit" im Sp. Text) cap. 46; „de dotis
ratio" cap. 47 fQr das richtige „dotis ratio" im Sp. Text ; „perpeira-
verunf* cap. 50 fßr „perpetraverit". -* Dafür, dafs das Inhaltsverzeichnifs
des Spahgenbergschen Manuscripts nicht vom Schreiber desselben ver-
fafst ist, sprechen die Stellen des Verzeichnisses, welche Worte einzelner
Capitel richtiger anfuhren, als sie im Spangenbergschen Text stehen,
vgl die Anführungen oben unter «; aufeerdem ist dafür anzuführen,
dafs die Zahlen, die im Inhaltsverzeichnifs bei den einzelnen verzeich-
neten Capiteln stehen, nicht den Capitelzahlen des Spangenbergschen
Textes entsprechen, weil im Inhaltsverzeichnifs das Capitel 7 des Textes
ausgelassen ist. Auch möchte ich nicht annehmen, dafs das Inhalts-
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▼erzeichnifs des Spangenbergschen Manuscripts auf einen andern Codex
zurückführt, ala der Text des Spangenbergsohen Manuscripts, da bei-
den verschiedene seltsame Fehler gemeinsam sind, z. B. „mordum to-
tum'' in cap. 19 und „si scelus quodlibet commiserit*' in cap. 51, wo
in beiden hinter „si^ das für den Sinn der Stelle unentbehrliche „ser-
Yus" fehlt. FQr das Wahrscheinlichste mufs ich es halten, dafs der
Schreiber des Spangenbergschen Manuscripts Inhaltsverzeichnifs und
Text im selben Codex vorgefunden, und beide gleich ungenau abge-
schrieben hat. *
|. 2« Die Zas&tze In Text vom da Titlet md in der Gerveler Hand-
sebrift, tm Seblofs der Lex Saxenvii.
Die Texte von Herold, du Tillet und der Corveier Hand-
schrift, haben keine ähnliche systematische Einschiebung eines
neueren Gesetzes aufzuweisen, wie sie in der Spangenbergschen
Handschrift vorhanden ist; sie stehen in dieser Beziehung zu-
sammen dem Text der Spangenbergschen Handschrift gegenüber;
die wichtigste Verschiedenheit unter ihnen besteht darin, dafs
im Capitel 66 am Scblufs der Lex in der du Tillet-
schen Ausgabe und der Corveier Handschrift, Be-
atimmungen über den Werth verschiedener Gegen-
stände hinzugefügt sind, die der ursprünglichen Lex
Saxonum fremd gewesen sein müssen, und sowohl in der
Heroldschen. Ausgabe, als in dem Spangenbergschen Manuscript
fehlen. Da diese Zusätze für die Bestimmung der Zeit der Ab-
fassung der Lex Saxonum eine reelle Bedeutung haben, mufis ich
sie näher ins Auge fassen.
In dem' hier folgenden Abdruck des Capitel 66 der Lex Saxo-
num (oder des Titel XVHI bei Herold und Titel XIX in einzelnen
neueren Ausgaben), hat der Theil desselben, der übereinstimmend
bei Herold und du Tillet, sowie in der Spangenbergschen und
Corveier Handschrift steht, gesperrte Schrift, während die nur
bei du Tillet und in der Corveier Handschrift vorhandenen Zn-
sätze cursiv gedruckt sind^):
^) Die Angaben in Merkels Lex Sazonnm p. 16, über die Abwei«
ehungen der einzelnen Handschriften und Ausgaben im Capitel 66 der Lex
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27
jySolidas est duplex: nnns habet dnoB trenlBseB,
qnod est bos annicalas 12 mensinm, vel ovis cnm
agnp; alter solidns tres tremisseS; id est bos 16 men-
Saxonum, weichen wesentlich Ton den hier befolgten ab, sind aber unrichtig,
^ach Merkel enthält das Spangenbergäche Mannscript auch noch einen Theil
der Sätze, die von mir als nur im du Tilletschen und Corv.eier Text be-
findlich bezeichnet sind. Dals mit den Worten „minori (solido) homicidia
conponuntur", übereinstimmend mit dem Heroldschen Text, das Spangen-
bergsche Hanuscript schlieCst, bemerkt Pertz ausdrücklich in seiner eigen-
händigen Abschrift desselben : „hio expliciunt Codex Spangenbergensis et 2'',
d.i. Herold; während Merkel p. 16 Note 10 nur sagt: „hie finis legum 4*^,
d. L des Heroldschen Textes, nach der von ihm gewählten Bezeichnung des-
selben. DaCs hier aber in keiner Weise an eine Ungenauigkeit Ton Pertz
gedacht werden kann, beweisen auf das Eridenteste die Varianten, die
Merkel zu der Stelle liefert; nach seiner Note 12 lesen filr siele die Num-
mern 1 und 5 ^si de''; nach seiner Note 14 lesen für quadrimus die Nummern
1 und 5 „quadriods'^; und in Note 15 wird Ton ihm zu „.yacca cum vitulo
solidi duo et semis^ bemerkt: „hie finis legum 1 et 5. Explicit lex Saxo-
num, addit 5". Mit No. 1 bezeichnet Merkel in den Varianten seiner Aus-
gabe der Lex Saxonum die Spangenbergsehe HandBchrift, mit No. 5 die
Lindenbrogsehe Ausgabe; er giebt also an, dafs in der Spange^bergschen
Handschrift diese Varianten stehen, dafs somit in ihr die Stelle des Lex
enthalten sei. Pie angefilhrten sinnlosen Varianten finden sich nun aber in
der Ausgabe von du Tillet; ihr Text schliefst an der Stelle, wo Merkel
dies von dem Text der Spangenbergschen Handschrift angiebt; und aus
du Tülets Ausgabe sind sie von Lindenbrog in seinen Text (Merkels No. 5)
aufgenommen worden! Leicht ist es nachzuweisen, wie Merkel zu seinen
unrichtigen Angaben kam: Pertz bezeichnet in seiner Abschrift der Span-
genbergschen Handschrift die Varianten der du Tilletschen Ausgabe mit
No. 1, (nicht wie Merkel in seiner Ausgabe mit No. 3); Merkel hat bei dem
Capitel 66 der Lex die von Pertz notirten Varianten aus dessen Abschrift
entnommen, ohne die darin gewählten Textbezeichnungen, in die sonst von
ihm befolgten, abzuändern; und hat dann weiter, da er nun zu der Stelle
Varianten aus der Spangenbergschen Handschrift angegeben hatte, in seiner
angeführten Note 10, nicht wie Pertz es richtig gethan hatte , am Sehluis
der im Text von mir gesperrt gedruckten Worte das Ende des Spangenb.
und Heroldschen Textes, sondern nur das des letzteren angemerkt^ So kam
Merkel nothwendig zu einer falschen Auffassung über das Verhältnils der
einzelnen Texte der Lex zu einander, die auch ihren Einflufs auf sein Ur-
theil über das Verhältnifs der Lex sum Capitulare Saxonicom von 797
üben mulste und ausgeübt hat
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siain; mAJori solido aliae compositiones, minor! ho-
micidia conponnotur''.
(ZusAtx de« Textes bei du Tillet:) (ZusaU des Textes der Corveier Hand-
schrift:)
• Wentfalaiorum et Angrariorum
et Oetfalaiorum »olidue est eeeales
scefjfilaSO, ordei40, avenaeßO; apud
utronque: duo siele meüis *), solidus.*
^uadrimus*) bos, duo solidi ; duo *Quadrimus hos, duo soUdi; duo
booes, quibus arari potest, quinque boves, quibus arari potest, 5 solidi;
solidi; bos bontu^^ tres solidi; vacca bos bonus, 3 solidi; vaeca ciwi ol-
eum vitulo, solidi duo et semis*. tulo, solidi duo et semis:
• Vitidus anniculus, solidus 1, Ovis
cum agno, et anniculus agnus ei 9uper
adjunctus, solidus 1*,
Durch eiDe genaue Vergleichung dessen, was in dieser Stelle
der Lex Saxonnm über den Werth angeordnet ist, zu welchem in
Sachsen ländliche Erzeugnisse bei Zahlungen von Wergeldem und
Bufsen angenommen werden sollen, mit dem was darüber in den
Capitulis de partibus Saxoniae Capitel 27 und im Capitulare Saxo-
nicum von 797 Capitel 11 enthalten ist, stellt es sich heraus^ dafs die
Bestimmungen des ursprünglichen Textes der Lex Saxonnm älter
sind als das Capitulare Saxonicum von 797, dafs aber die Zusätze
zur Lex Saxonum bei du Tillet und im Corveier Manuscript, aus
dem Capitulare Saxonicum schöpfen. Ich vertheile meine Erör-
terungen unter die folgenden 7 Nummern:
No. 1. Die Capitula de partibus Saxoniae bestim-
men im Capitel 27:
„10 solidi« = „1 bos«.
Die Worte des Capitel 27 lauten: ,,So1idos decem, aut unnm
bovem, pro.emendatione ipsius banni componat«. PertzLegeBl,p.76.
No. 2. Die Lex Saxonum besagt im Capitel 66 ea sei
„1 solidus minor«
= „2 tremisses« (d.i. 8 fränkische Denare, oder
V, fränk. Solidus).
^) Tilius liest: „duo si de maüis^j welclies in »duo siele mellis" zu
emendiren ist, Tgl. unten die hier benutzte Stelle des Capital. Saxonicum.
'} Tilius liest „qua drimis^, emendire „quadrimus''.
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29
„1 BoliduB major"
= „3 tremiBses" (d.i. 12 frllnkische Denare, oder
1 fränk. Solidas).
Im alten Sachsen ') existirten keine ausgeprägten Solidi, der
Solidns oder Schilling erscheint in ihm nnr als eine Rechnangs-
mttnze. Die Lex Saxonam bedient sich aber des Ansdmcks So-
lidas, sowohl am die Summe von 2 sächsischen Tremisses, als
um die von 3 sächsischen Tremisses su bezeichnen; und unter-
scheidet mit Rücksicht hierauf einen Solidus minor und einen
Solidas major. Sie sagt ausdrücklich in den abgedruckten Worten
des Gapitel 66, mit denen die des Capitol 16 übereinstimmen, dafs
bei ihren Ansätzen von Wergeldern, unter den Solidis, kleine
Solidi, bei denen von andern Bufsen, grolse Solidi gemeint sind;
sie bestimmt also, dafs bei jenen Bufsen, da wo ein Solidus zu
^) Die Erörterungen Neuerer über die Münzverhältnisse in der Lex
Saxonmn, in den Capitulis de partibus Saxoniae und im Capitulare Saxo»
nieum ron 797, l((Ben in keiner Weise die vorhandenen Sfphwierigkeiten.
Waits „Ueber die Münzverbältnisse in den älteren fr&nkisohen Recbts-
bUcbem, Göttbgen 1861** p. 4 erklärt offen: „die VerhälintMe der Lex
Saxonwn und namentlich der Lex Frisionum sind so eigenthümlich und zu-
gleich so dunkel, dciß ich, ebenso wie meine Vorgänger, verzweifeln mufs,
neue Aufklarungen zu gehen; sonst wäre ihr etwas jüngeres Alter kein
Gmnd gewesen, sie von dieser Betrachtung auszuschliefsen" und in der
Deutschen Verfassungsgeschichte Bd. 4 p. 72 sagt Waitz im Jahre 1861 :
„die friesischen Münzverhältnidse sind sehr imklar'* und: „bei den Sachsen
gab es einen zwiefachen Solidas*'. Ebensowenig als Waitz gewährt hier Soet-
beer durch seine Veröffentlichungen über ältere deutsche Münzverhältnisse
Aufklärungen ; in den Forschungen zur Deutsch. Gesch., herausg. von der bist.
Commission bei der Kön. bay ersehen Akademie derWiss. Göttingen 1864. lY.
H. 2 p. 292, äulserte er : „Was die eigenthümlichen Verhältnisse des ältesten
sächsischen Geldwesens betrifft, worüber das Capitulare Saxonicum von 797
mehrfach Aufschlufs giebt, so soll dieser Gegenstand im folgenden Ab-
schnitt, zusammen mit dem ältesten Geldwesen der Angelsachsen und Friesen,
behandelt werden''. Leider hat Soetbeer diese 1864 gethane Verheifsung,
soweit mir bekannt, noch nicht erfüllt; wenigstens finde ich in dem 1866
veröffentlichten Schlufs seines Aufeatzes, in den Forschungen Bd. VI. H. 1.
p. 1 — 112 nichts Näheres darüber. Ich meinestheils mufs mich hier auf
einige kurze Andeutungen über altsächsische Münze beschränken und be-
halte mir vor, den Gegenstand, der mich seit Jahren beschäftigt, ander-
wärts wieder aufzunehmen.
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entrichten ist, je 2, bei diesen je 3 Tremisses, oder deren Aeqni-
▼aient, gezahlt werden soU^). Eine Erläuterung findet dieser
Sprachgebrauch durch die Lex Frisionum ; nach der Additio Legis
Frisionum III, 73 und 78, wurden nämlich zur Zeit der Abfassung
der Additio, in dem mittleren Friesland (d.h. in Friesland zwi-
schen der Zuiderzee und dem Laubach, oder in der heutigen Pror
vinz Leuwarden) 3 Tremisses, als ein 8olidus bezeichnet, wäh-
rend man im östlichen Friesland (d. h. in der friesischen Oegeod
von dem Laubach bis zur Weser, oder in den Provinzen Gro-
ningen, Ostfriesiand und dem heutigen Oldenburgschen Friesland)
nur 2 Tremisses unter einem Solidus zusammenfafste, und end-
lich 2% Tremisses im westlichen Friesland darunter verstand (d.h.
in den friesischen Gegenden von der Mündung der Zuiderzee bis
zum 8inkfal bei Brügge, oder in den heutigen Provinzen Holland
und Zeeland). Eine Verschiedenheit in der Ausdrucksweise zwi-
schen der Lex Frisionum und der Lex Saxonum, zeigt sich aber
darin, dafs man bei Abfassung der Lex Frisionum keine Rück-
sicht darauf nahm, was man in den verschiedenen Gegenden Fries-
lands unter Solidus verstand, und alle Bufssätze der Lex Frisio-
^) Lex. Saz. c. 16 lautet: „Litus occisus 120 solidis conponatur; mulcta
yero rulnerum ejas per omnia duodeoima parte minor quam nobüis ho-
BÜnis, Bolvatur autem solide majori, vel si negat, sua manu duode-
cima juret''. Die letzten Worte ändert Gaupp^ Recht und Verfassung der
alten Sachsen, Breslau 1837 p. 105, in seiner Ausgabe der Lex Saxonum,
in: „sive minori solvatur, aut solide majori '', indem er gegen alle hand-
schrifUiche Ueberlieferung ^sive minori^ einschiebt, und „autem" in „aut"
ändert, vgL Gaupp p. 95 und 97. Die Worte ^^solvatur autem solide majori"
sind zu besieh en auf „mulcta vero vulnerum ejus etc.", nicht auf „litus oc*
cisus 120 solidis conponatur'^. Der Anfang der Stelle sagt: ein getödteter
Late ist mit 120 Solidis zu bQfscn, d. i. mit '/,, von dem Wergeid eines
Nobilis, da dieses 1440 Solidi betrug; und unter den zu zahlenden Solidis
sind kleine Solidi gemeint, da das Wergeid des Laten, wie aUe andern Wer~
gelder, in kleinen Solidis gezahlt wurde; es belief sich dasselbe demnach
auf 80 groÜBe oder fränkische Solidi. Dann fährt die Stelle fort : die Bafse
f&r die Wunde eines Laten, ist der swölfle Theil von der, die einem Nobilis
flir eine gleiche Wunde zu zahlen wäre, „«i> wird aber mit grq/'sen So^
lidis gezahlt ^, — also nicht mit kleinen Solidis, wie es beim Wergeid der
Fall war!
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nniiiy moehten sie Bieh nun anf das mittlere, westliehe oder ISefr-
liche Friealand besiehen, in Solidis von 3 Tremisses ansdrlickte^,
während man in der Lex Saxonnm zweierlei Werthe als Solidaa
bezeichnete^ und bei Wergeldem 2 Tremiases, bei andern Bnfsen
3 Tremiaaes, anter einem Solidas suaammenfafste, indem man sich
hierbei wahrscheinlich durch eine ältere aSchaische Gewohnheit
bei iSahlnng von Wergeldern leiten liefs '). — Ala gleich werth-
voll erscheinen demnach: ein in der Lex Frisionum, ohne wei*
teren Zusatz, erwähnter Solidus (= 3 Tremisses), ein Solidus major
der Lex Saxonum (= 3 Tremisaes), und ein fränkischer Solidaa,
der unter Karl dem Grofsen in 12 fränkische Denare zerfiel: und
es galten somit *4 fränkische Denare Karls des Grofsen, soviel als
eine friesische oder sächaische Trimse. Das spätere friesiche Wer-
geid der Freien betrag nach der Lex Frisionnm 160 Solidi oder
3 X 160 = 480 friesische Trimsen; daa Wergeid der freien Sachsen
^) YgL Andeutungen hierüber, in meiner Ausgabe der Lex Frisionum
in den Monnm. Germ. Leg. 3. p. 650. 657 und 670, eine weitere Ausfiilirung
des Gesagten liefere ich an anderer Stelle.
*) Ein Analogen bietet das alte norwegische Frostathingslov ; es unter-
aoheidet gez&hlte und gewogene Unzen Silber, und rechnet 3 Ton jenen, 3
Ton diesen gleich, ygL Frostath. X. e. 13 ed. Münch I. p. 220 „18 aumm
mlfrmeinum, en that ero 12 aurar vegnir". Die Wergelder wurden gezahlt
mit gewogenem Silber („aura vegna^ und „mercr yegnar", d. i. gewogene
Unzen und Marken, s. Frost.yi, 3. bei Münch L p. 184), andere Bufscn dagegen
mit gezähltem Silber (.,silfr metit<* Fro8t.IV, 45.49.52.53. Münch I. p. 171 sq.);
das Frostath. IV, 45 sagt ausdrücklich: „ef madr höggr nef af manne, tha
.scal hann boeta honum aurum 12 silfimetnum, thyi at silfirmetenn scal ar-
borins manns eyrer allr i mannhelgi nema thyrmsla manna". Beachtung
Terdient, wie noch daa Ostfriesische Landrecht III. cap. 24 bestimmt : „Doet-
slage mach men yersoenen up dre terminen: de erste mit gelde, de ander
mit beesten, den derden mit laekenen"; es gestattet hiermit bei zwei Drit-
teln des Wergeides an Geldesstatt Vieh und gewebte Stoffe zu geben, dies
geschah nach aufgestellten Taxwerthen, galt aber als ungünstiger für den
Empfiikng^r, daher im Osifriesischen Emsgo, wenn bei einer zu leistenden
Zahlung Waaren statt Geld gegeben wurden, für jede 3 Pfenninge der Werth
TOD 4 Pfenningen in Waaren zu gew&hren war, ygL Friesische Bechtsquellen
p. 195 {.3 und 4 (wo n^hing*^ und nicht „tiug" die ursprüngliche Lesart
iit) und Ostfries« Landr. L c 121 bei Wicht p. 251, und meine Kote 66 in
Ifon. Leg. 3. p. 695.
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nach der Lex Saxonnm 240 Solid! y oder da die WergeldsKtze in
der Lex Saxonnm in kleinen Solidis (d. h. in Solidis zu 2 Trim-
gen) angegeben sind, 2 X 240 = 480 sächsische Trimsen; das spS-
tere friesische nnd das sächsische Freienwergeid standen sich
somit gleich, wie denn auch ein späterer Znsatz zur Lex Ripna-
riorum, der in den gedruckten Texten im Titel 36 enthalten ist,
in Ripuarien dem freien Sachsen, wie dem freien Friesen, ein
Wergeid von 160 fränkischen Solidis zusichert^).
No. 3. Die Lex Saxonum cap. 66 setzt fest, dafs
bei Zahlung von Wergeldern nnd Bufsen angenommen
werden soll:
„1 solidus minor'' (d.h. 2 Sachs. Trimsen, ode/ V, fränk. Solid.)
=:„lbos anniculns 12 mensiam".
= „1 Ovis cum agno".
„1 solidns major" (d.h. 3 sächs. Trimsen, oder 1 fränk.Solid.)
= „lbos 16 mensium".
Es gestattet hiermit die Lex Saxonum cap. 66 in den oben
S. 27 gesperrt abgedruckten Worten, die zu ihrem alten Text ge-
hören, dafs bei Zahlungen von Wergeldern und Bufsen, statt des
Geldes andere Gegenstände gegeben werden, und setzt fest, dafs
dabei ein Jahrrind, zu einem kleinen Solidus von 2 Tremisses,
dagegen ein iy< jähriges Rind, zu einem grofsen Solidus von 3 Tre-
misses, sowie dafs ein Mutterschaf mit seinem Lamm zu einem
kleinen Solidus angenommen werden soll. Aehnliche Bestimmungen
über Taxwerthe von Gegenständen, die bei Zahlung von Wergel-
dern gegeben werden konnten, enthält die Lex Ripuariorum').
^) Lex Rip. S6, 4 Uutet: ,ySi quis Ripuariu» adoenam Alamannum, sea
Fresionem, vel BajuTariuxn, avt Saxonem intetfecerif, eenium stxaginta »olidis
culpahilis judicetur".
*) Lex Rip. 36, 11 bestimmt: „Si guis weregeldum sohere dehet, bovem
eamutum videntem et sanum pro duohus solidis tribuat, vaccam comutam
Tidentem et sanom pro uno solido tribuat, equum Tidentem et sannm pro
sex solidis tribuat, equam videntem et sanam pro tribus solidis tribuat, spO'-
tam cum scogilo pro septem solidis tribuat, spatam absque scogilo pro tribu«
solidb tribuat, bruniam bonam pro duodecim solidis tribuat, helmum cum
directo pro sex solidis tribuat, bainbergas bonas pro sex solidis tribuat,
acutum cum lancea pro duobus solidis tribuat, acceptorem non domitum pro
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Ko. 4. In dem Capitnlare Saxonicnm von 797 hat
Karl der Orofae detaillirter den Preis bestimint, an
welchem ISndliche Erzeagnisse in Sachsen bei Zah-
lung von Bnfsen gerechnet werden sollen; das Gap. 11
des Gapitnlare lautet^):
„Illnd notandum est, qnales') debent solidl esse
Saxonum: id est bovem annoticnm atriasqne*) sezus aatn*
mnali tempore; sicnt in stabulnm*) mittitur, pro nno solide; si-
militer etvemnm tempus, qaando*) de stabnlo') exiit^); et dein-
eepS; qaantum aetatem auxerit^), tantnm in pretio crescat. De
avena*) vero Bortrinis pro solide nno scapilos qaadraginta do-
tribus solidtB tribuat, commonum gruarium pro sex solidia tribuat, aocepto-
rem mutatum pro daodecim soUdis tribuat. Quod si cum argento solvere
eontigerit, pro solido duodecim denarios, sicut antiquitus est constitutum".
Der letzte Satz erscheint als ein jüngerer Zusatz, Tgl. unten S. 41 Nr. 4 lit. d.
In den „Capitnlis qnae legibus addenda sunt'' Tom Jahre 817 wird durch
eap. 8 die eben angeftkhrte Stelle der Lex Bipuariorum modificirt: „[ncan'
fH>aitione wirgüdi vohtmus, ut ea deniur, quae in lege continenhur, excepto
cueipitre et spata, quia propter illa duo aliquoties perjurium committitur,
quando majori» pretii, quam iUa sint, esse jurantur*'. Pertz Leg. 1. p. 211.
^) Das Capitulare Sax. ist erhalten in der im Yatican aufbewahrten
Mainzer Handschrift des 9. Jahrhunderts , durch die wir die Capitula de
partiboa Saxoniae besitzen (vgL unten J. 12), und in sehr mangelhafter Weise
in der Correier Handschrift der Lex Saxonum aus dem 10. Jahrhundert
(rgl. fiber sie unten S*4); den Text der ersten Handschrift druckt Pertz
Leges 1. p.76 ab, Varianten aus der zweiten giebt Merkel Lex Saxonum p.20.
■) „quod trioles^ Conr.
•) „utrisque^ Vat., „utrusque'' Corr.
*) „in stabulum" f. im Conr. Manuscr.
^) „qui enim et aliqua" Conr.
*) „de stabulo*' f. im Cory.
7) „exit" Cory.
•) „inTiserit" Conr.
*) „deannona" Vat., im Corr. fehlen die beiden Worte, die ich in
„de auuena" bessere, wie es der folgende Satz rerlaogt: bei den Bor-
trini sind einem Solidus gleich zu rechnen, 40 Scheffel „de annona", bei den
Septentrionales 30 Scheffel „de ayena''. Gärtner Leges Sax. p. 168 erkl&rt
annona durch Qerste („pro tritico yel frumento saepius antiquiore aevo sum-
ptom"); der yon ihm benutzte Abdruck des Capitulare Saxonicum, hat in
der folgenden Zeile „septentrionales autem pro solido scapilos 30'*, mit Aub-
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nant, et de sigale^) yiginti; septemtrionales antem*) pro so-
lido^) scapilos triginta de avena, et sigale^) quindecim. Mel*)
vero pro solido, Bortrensi sigla ana et media') donant; septem-
trionales antem^) dnos siclos^) de melle pro ano solido donent,
item ordeum mundam sicut et sigale pro nno solido donent
In argento daodecim®) denarii ^®) solidnm faciant Et in aliis")
speciebns ad istum pretiam omnes . aestimationes ^') conposi-
tionis sunt"").
In dieser Stelle sind folgende Werthsätze aufgestellt:
a) „1 solidns Saxonnm" (d.i. ein kleiner Solidas von 2 Trim*
sen =: V> fränk. Solid.)
= ;,1 bos annoticus''.
Die Lex Saxonnm cap. 66 verordnete: es solle dem Solidns
minor von 2 Trimsen^ der unter einem Solidns bei Zahlung von
Wergeldem gemeint sei, ein „bos anniculus dnodecim mensium"
gleich stehen; das Capitnlare Saxonicnm erläutert näher , was
unter einem 12 Monat alten Rind, oder einem ,,bos annoticus'',
d.i. einem Jahrrind, zu verstehen sei: ein Kuh- oder Ochsenkalb
im Alter von einem Jahr, mag das Thier im Herbst unter den
Jahrrindern in den Stall, oder im FrUhjahr unter ihnen aus dem
Stall auf die Weide kommen; oder mit andern Worten: ein im
lassung der hier in der Yat. und Conreier Handschrift stehenden Worte ^de
arena''.
1) „de sigule** Vat., „de sigale" Corv., d. i. für „de secali''.
•) „aut" Vat. und Corv. ftir „aut" d. i. autem.
*) „pro solidum*' Vat., „solidum" Corv. mit Ausl. von pro.
*) „sigule" Vat., „sigale" Corv.
*) Corv. nur: „mel vero pro solido et media donant", mit Auslassung
von „Bortrensi sigla una".
^ „medio" Vat., bessere „media", vgL Note 5.
') Wie in Note 2.
») „duos sidos" Vat.; „II rida" Corv.
ö) „in argento duodedm" Vat.; „in argento XV" Corv.
^^) „denarios" Vat., bessere „denarii"; im Corv. fehlen die Worte „de-
narios solidum faciant".
*») „et inde" Corv.
^^ „omnem aestimationem" Vat., ich bessere „omnes aestimationes".
^') „conpositioniB sunt" Vak, fehlt im Corv.
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Sommer auf der Weide geborenes Kalb ^ wird als einjährig ge-
rechnet , bis sam zweiten Einwintern, und ein im Stall während
des Winters geborenes Kalb, bis zum zweiten Frtthjahrsanstreiben.
Ist aber das Kalb älter, dann soll sein Werth nach Verhältnils
des Alters hOher in Anrechnung kommen.
b) ,,lsolidnsSaxonam^^ (d.i. ein kleiner Solidns von 12 Trim-
sen = *A fränk. Solid.)
SS 40 Scheffel Hafer bei den Brnkterem,
dO Seh. Hafer bei den nördlichen Sachsen.
s= 20 Scheffel Roggen bei den Brokterem,
15 Seh. Roggen oder O erste bei den nördl. Sachsen.
Dals nnter den „Bortrinis^' oder „Bortrensi'', die den ,,Septen-
trionales^ bei der Schätzung von Getreide and Honig entgegen-
gestellt werden, die Westfalen im Gegensatz der Engem nnd Ost-
falen gemeint sind, zeigt der in diesem §. nnten S. 44 zu erläu-
ternde Zusatz im du Tilletschen Text der Lex Saxonum. Den
hier für die westlichen Sachsen gebrauchten Namen kann ich
aber nur fttr den der Bruckterer halten^).
') Gaupp Recht und Verf. der alten Sachsen p. 226, erkl&rt sich ftkr
eine ron Meinders aufgestellte, ron Gärtner Leges Sax. p. 169 angenom-
mene Deutung der Bortrenses oder Bortrini durch Bort-Rini; das seien
Bord-Rheiner oder l&ngst dem Rhdn Wohnende. W&re es sprachlich mög-
lich, h^i „hort'^ an Ufer, hei „rini'' an den Rhein su denken, so würden
doch in einem Compositum, das Rheinufer -Bewohner ausdrücken sollte, die
heiden Worte in umgekehrter Reihenfolge zusammengesetzt sein. Die Bruc-
teri der Römer heifsen: Btercturi in der Peutingerschen Tafel, Boruduairii
bei Beda, Borthari in einem Brief yon Papst Gregor III. zwischen 737 und
739 in Jaff^ Bibliotheca Rerum Germanicarum 3. p. 101, Porahtani in des
Aribo von Freising (f 784) Vita S. Emmerani, yergl. Zeufs die Deutschen
p. 92 und 352, sowie J. Grimm die Deutschen 1. p. 531 und 627. In Ur-
kunden erseheint dann als pagus : Boretra a. 820 Lacomblet Urkundenb. 1.
p. 19, Boratre a. 833 Wigands Archiv 1. H. 2. p. 81 (ex orig.) und Sei-
berta Urkundenb. 1. p. 4, Bortergo a. 834 Lacomblet 1. p. 23, Boroctra
a. 858 Erhard Reg. Westf. 1. p. 18 (ex orig.), Barhtergo a. 966 Lacomblet
1. p. 65, Borahtron im Werdener Güterreg. ed. Lacomblet Archiv 1857. 2.
p. 239, und Borahira (var. „Borathra**) in der Vita Liudgeri in Pertz Mon.
G. 6cr. 2. p. 417. Sprachlich mufs es für zulässig gelten, dais eine im
9. Jahrhundert geschriebene Abschrift eines Capitulars von 797 die Formen
Bortri-ni und Bortre-nsee verwendet habe, um die Bewohner einer Gegend
3*
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Seltsam unbeholfen sind die Worte des Gapitalare ^jiiem
(septentrionales) ordeum mandum sicnt et sigale pro uno solido
donent'^; sie können aber nur sagen wollen: bei den nördlichen
Sachsen wird ebensoviel, d.i. ein gleich grofses Quantum , reine
Oerste, d. i. unvermischte der keine Trespe oder ein Xhnliches
Unkraut beigemischt ist, als Roggen, fttr einen Solidus gerechnet.
üeber die Gröfse der ,,scapili'', d.i. der Scheffel, nach
denen hier Hafer und Roggen geschätzt wird, fehlen genügende
Angaben. Nach den verschiedensten Quellenzeugnissen wurde ein
halber Modius oder Mutti als ein Scheffel bezeichnet;
die Gröfse des Modius ist aber ebensowenig genau bekannt. —
Eine alte oberdeutsche Glosse, die Schmeller im Baierschen Wörter-
buch 3. p. 327 anführt, rechnet den Scheffel gleich einem halben
Modius; und letzterem entspricht das aus dem lateinischen Wort
geformte alte oberdeutsche Mutti, niederdeutsche Muddi; die Glosse
sagt: jjdimidium modium tenens: halp mutti edo scefU fol^^. Die
bekannte RaffelstStter Zollrolle, die in den letzten Jahren der Ea-
rolingerzeit aufgezeichnet zu sein seheint (s, Waitz Deutsche Ver-
fassungsgesch. 4. p. 59), bestimmt: „ad Linzam, de una navi red-
dant 3 semimodiosy id est 3 scafUos, de sale^^ In einer Soester
Rathsverordnung aus den Jahren 1250->1280, in Seibertz West-
f&lischem Urkundenbuch 1. p. 333 (ex originali), die das Gewicht
des Brodtes festsetzt, wird der y^modius tritici nostrae mensu-
rae'' zu 12 Denarii und die „mensura tritici, quae theutonice
achepd dicitur'^ zu 6 Denarii, also der Modius zu 2 Scheffeln ge-
EU bezeichnen, die in Urkunden des 9. Jahrhunderts Borter-go, Boreira oder
Boratre heifst. Dafs unter dem pagus Boretra nicht ein einselner Gerichts-
Sprengel, sondern eine gröfsere Gegend verstanden wurde, beweisen die
darin verzeichneten Orte ; als ein gröfseres Volk kennt Beda die „gens Bo-
ructuariorum'', und der angeführte Brief des Papstes Gregor III. nennt die
Borthari neben Thüringern und Hessen (^populo Germaniae: Thuringis et
Hessis, Bortharis et >^i8treAis, etc.''), sowie die Vita S. Emmerani die Porah*
tani neben den Thuringis. Wie man die Anwohner der Weser Angrarii nach
den alten Angri-variis nannte, so .scheint ftir die Bewohner des westlichen
Sachsenlandes ün 8. Jahrhundert der alte Name der Bructeri gebraucht wor-
den SU sein, wobei nicht auiser Acht zu lassen ist, dafs bereits Strabo und
Ftolemaeus grofse Brueterer neben den kleinen yeneiehnem
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rechnet; nnd noeh heute gilt in vielen Orten Westfalens das Mttdde
gleich 2 Scheffein*). — Die altern sächsischen Anfzeichnungen
sShlen meistens nach Maltern und MUdden, seltener nach Schef-
feln'}; eine anch nur annähernd sichere Feststellung der OrCfse
des fränkischen Modius von Karl dem Orolsen ist bisher noch
nicht gelungen; wären die Annahmen Ouörards richtig^ nach denen
1 Modius ungefähr einem prenfsischen Scheffel entsprochen hätte*),
1) Nach Lengerke's LandwirthAchafll. Kalender, Berlin 1867, hat in
Soest das Malter 12 Madden zu 2 Scheffeln, und jeden Scheffel zu 4 Spint;
und ist ein Scheffel gleich 8,75 preuTsische Metzen. Li Lippstadt hat das
Malter 24 Scheffel, jeden zu 4 Spint, und ist ein Scheffel gleich 10,97 pr.
Metzen. In Arnsberg hat das Halter 4 Müddcn zu 2 Scheffeln, und jeden
Scheffel zu 4 Spint; und \»t ein Malter gleich 4,87 preuT». Scheffeln, ako ein
Arnsborger Scheffel gleich 9,75 preufs. Metzen.
*) In einem Corveier Zinitreginter aus den Jahren 1106 — 1128: ,,scipuli
bracei hordacei secundum menburam abbatis^ Kindlinger Münster. Beitr. II.
Urkundenb. p. 120, und .,60 maldri tritiei, 30 ekipuli pisarum** ebendaselbst
p. 123; in einer Mescheder Urk. von 1207 .,thue malder haveren ande thue
scepel; thue scepel wethes; thue scepel rouchen; thue malder brodes, also
men vire imune einen helbin coped'^ Seibertz Westföl. Urkundenb. I. p. 172
(ex orig.); in einer Soester Urk. von 1218 ^mensura avenae, quae dicitur
scepd*^ Seibertz Urkb. 1. p. 196 (ex orig.). ^'ach Modiis rechnen z. B. Ur-
kunden Yon 851 und 1090 ftlr das Kloster Frekenhorst, in Kindl. M. B. II«
p. 11 und 56; desgl. die Urk. von 860 und 1096, (Ttr Kloster Herzebrok,
ibid. p. 28 u. 67. Nach maldra rechnet ein Corveier Zinsreg., a. d. Beg. dos
11. Jahrb., in Kindl. M. B. II. p.ll2; im Corv. Zinsreg. von 1106-1128 in
KindL p. 132 u. 136: maldra, modii und scipuli; im alten Werdener Zinsreg.
in Lacomblet Archiv 11. p. 221 —229: y^maldre'^, modii^ und „muddi roggon**,
sowie „muddi bonon*'. Das Freckenhorstcr alte niederdeutsche Zinsregister,
in Dorow Denkm. 2. p. 1 folg. , rechnet nach malt oder mcdder und muddi.
Wie heute, so wurde auch früher eine verschiedene Zahl von Einheiten unter
einem Malter begriffen, s. Mafsmann in Dorow Dcnkm. 2 p. 72.
8) Guerard Polyptyque de Pabbö Irminon. Paris 1844. 1. p. 197 stellt
folgende MaaTse für die Zeit Karls des 6r. auf: 1 modius £= 2 situlae
=: 16 sextarii = 32 heminae = 52,2 franz. Litres ; es sind 100 franz. Litres
= 1,81 preuls. Scheffel, und wäre also ein Modius = 0,94 preufs. Scheffel.
Dals aber Guörards Annahmen, die J. H. HüUer, Deutsche Münzgeschichte
1860. 1. p. 347, seinen weiteren Berechnungen unterbreitet, auf unerwieaene
Voraussetzungen gestützt sind, zeigen seine Erörterungen im Polypt. 1. p.l83.
Zweifelhaft ist es sogar, ob Karl d. Gr. den Modius von 16 Sextarüa in
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80 würde ein altsächsiacher Scheffel etwa einem halben prenfsi-
sehen Scheffel gleich gestanden haben, was der Gröfse des heu-
tigen Scheffels in manchen Orten von Westfalen ziemlich nahe
kommen würde.
Karl der Orofse hatte in einem Capitalare yom Jahre 794
verordnet, dafs künftig bei günstigen und ungünstigen Ernten für
den von ihm neu normirten Modius kein höherer Raufpreis ge-
nommen werden dürfe, als bei Hafer 1 Denar, bei Gerste 2, bei
Roggen 3 und bei Weizen 4 Denare. Im Jahre 806 hatte er dann,
wegen eingetretener Hnngersnoth, sich genöthigt gesehen, den
Preis des Modius beim Hafer auf 2 Denare, bei der Oerste auf
3, beim Roggen auf 4 und beim Weizen auf 6 Denare zu erhöhen ^).
Dem gegenüber bestimmte nun der König in dem Capitulare Saxo-
nicum von 797, dals bei Zahlung von Compositionen für einen
sächsischen Solidus, d. i. für 8 fränkische Denare, in Westfalen
40 Scheffel Hafer (oder 30 Scheffel im nordöstlichen Sachsen)
und 20 Scheffel Roggen (oder 15 im nordöstlichen Sachsen) ge-
geben werden könnten; er ordnete also an, dafs in Westfalen
1 Scheffel Hafer gleich V4f d. i. V9 Denar (im nordöstlichen Sachsen
gleich Vi« d. i. Vis Denar) und ein Scheffel Roggen gleich Vt«
d.i. % Denar (im nordöstlichen Sachsen gleich Vn Denar) bei
Zahlung von Compositionen gelten sollte. — Dafs in Sachsen am
einen Modius von 24 Seztariis umgewandelt hat; der König spricht im Ca-
pitulare von 794 c. 4 vom ^modius publicus et noriter statutus^ Ports Leg. 1.
p. 72, und sagt in einem ins Jahr 802 gesetzten Capitulare in cap. 44 „qui
antea dedit tres modios, modo det dnos" Pertis Leg. 1. p. 100; auch spllter
werden Modii zu 16 und zu 24 Sextarii erw&hnt, s. Merkel zur Lex. Alam.
in Pertz Leg. 3. p. 52. — Seit ich dies niederschrieb, hat Soetbeer in den
Forschungen zur Deutsch. Gesch., Göttingen 1866. Bd.VL p. 74—78 aus
den von Karl d. Gr. im Jahre 794 für das Pfund Brodt vorgeschriebenen
Maximalpreisen zu deduciren gesucht, dafs der von K. Karl im Jahre 789
eingefflhrte Modius etwa 60 franz. Litres, d. i. 1,086 preuüs. Scheffel betragen
habe. Mir scheint diese Annahme, schon wegen der zahlreichen Suppo-
sitionen, deren Soetbeer bedarf, um auf dem von ihm eingeschlagenen Wege
zu einem Resultat zu gelangen, jedes festen Bodens zu entbehren.
^) Vgl. Capitukre a. 794 cap. 4 in Pertz Leg. 1. p. 72 und Capitulare
a.806 cap. 8 in Pertz Leg. 1. p. 146.
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89
Schlaft des 8. Jahrhunderts der Preis des Getreides niedriger stand,
als westlich vom Rhein, oder mit andern Worten, dals dort bei
weniger vorhandenem Silber ein gröfseres Quantum Hafer und
Roggen Air ein bestimmtes Gewicht Silber zu kaufen möglich war
als hier, kann nicht befremden; wenn aber Karl der Grofse im
Jahre 794 den frXnkischen Maximalkaufyreis für einen Modius
Hafer auf 1 Denar festsetzte, während er im Jahre 797 bestimmte,
dafs er bei Zahlung yon Compositionen in Westfalen zu V» De-
naren, im nordöstlichen Sachsen zu Vi» Denaren angenommen wer-
den sollte, und wenn er femer 794 den fränkischen Maximalkauf-
preis für einen Modius Roggen zu 3 Denaren festsetzte, der nach
dem Capitnlare von 797 in Westfalen zu Vt Denaren und im nord-
östlichen Sachsen zu *Vt» Denaren angenommen wurde, so erscheint
doch diese Preisverschiedenheit als eine sehr auffallende^),
c) „1 solidus Saxonum^^ (d.i. ein kleiner Solidns von
2 Trimsen = % fränk. Solid.).
= 1% Siclae Honig bei den Brukterem,
2 Siclae Honig bei den nördlichen Sachsen.
Die betreffende Stelle des Capitnlare Saxonicum von 797 lautet
in der Handschrift des Vatican: „Mel pro solide Bortrensi sigla
una et medio donant^', wofür die Gorveier Handschrift liest „mel
pro solide et media donant^'; und ferner wird bestimmt: „septem-
ptrionales autem dnos sidos („U ricla'^ im Corv. Manuscr.) de
melle pro uno solide donenf . Die Handschrift des Vaticans setzt
in der ersten Steile deutlich 1 V» „Sigla" Honig einem Solidus gleich,
in der zweiten aber „duos siclos'^; die Lesart der Corveier Hand-
schrift ist verderbt, sie setzt in der ersten Stelle „et media <'')
Honig einem Solidus gleich, in der zweiten „H rida^' (wo in
sida zu bessern ist, wenn, wie Merkel angiebt, die Schriftztige
nicht sida sondern ricla gewähren). Ein Znsatz im du Tilletschen
Text der Lex Saxonum , der oben S. 28 abgedruckt ist und aus
1) EUnige Angaben über sp&tere s&chsische Preise vergleiche in einer
Anmerkung am Ende dieser Abhandlung.
. ^ Sollte im Corveier Manuscr. für ^et media" eu lesen sein ^1'/^ me-
dia^? Unter Sicla scheint eine Halbe (d.i. media) verstanden su sem,
Tgl. unten S«41.
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40
dem Gapitalare Saxonicam scMpft, giebt an „dno siele mellia,
BoliduB''; indem die bei du Tillet gedruckten Worte y^ai de mallis^'
offenbar in ,, siele mellis'' zu beflsem sind^).
Bereits da Gange hat angemerkt, dafs unter Siclus oder Sicla,
Sigla, ein Wort gemeint ist, welches niehrfach in mittelalterlichen
lateinischen Schriftstücken, für eine bestimmte Mttnze und für ein
Maafs von Getreide und Flüssigkeiten, verwendet wird: das he-
bräisch-lateinische siclus (Sekel, eine Münze). In Sachsen dient
siclus öfter zur Bezeichnung einer Münze, zum Beispiel im Gor-
veier Oüterregister des Abt Saracho §. 51. 60. 101. 104. 212 etc.,
desgleichen in einer Urkunde von 1036 in Kindlinger Münstersche
Beiträge 2. p. 38. Ein „siclum avenae" verzeichnet das alte Wer-
dener Zinsregister in Lacomblet Archiv 2. p. 221.
Neben Sikla, und wie es scheint zur Bezeichnung desselben
Maafses, brauchen andere mittelalterliche lateinische Stellen Siiula,
ein Seidel, im Mittelhochdeutschen sidlin, worunter die Hälfte
eines gewissen Maafses verstanden wird, eine Halbe; vergleiche:
Schmeller Baiersches Wörterbuch 3. p. 199. Beispiele für das Vor-
kommen des Wortes in Sachsen bieten zwei Urkunden für das
Kloster Herzebrok von 860 und 1096: „situli („situlae'') de ce-
revisia'' Kindlinger Münstersche Beiträge 2. p. 28 und 67; sowie
das Gorveier Güterregister aus den Jahren 1106 bis 1128: „cere-
visiam 30 sitularum vel modiorum, et unam situlam mellis ad me-
donem<< Kindlinger M.B. 2. p. 126. In dem Gapitulare de ViUis
von 812 cap. 9 bestimmt Kaiser Karl: „volumus, ut nnusquisque
judex (habeat) in suo ministerio mensuram modiorum, sextariorum,
et situlas per sextaria octo'' in Pertz Leges 1. p. 182; er rechnet
also: 1 Situla = 8 Sextarii. Ouörard, Polyptyque de Tabbö Irminon
1. p. 186 und 197, nimmt unter Karl dem Orofsen an: 1 Fuder
(carrada) = 8 Modii = 2 X 8 (d.i. 16) Situlae = 8 X 16 (d.i.
128) Sextarii = 2 X 128 Heminae; und im Register von Irmino
ist auch Honig nach Modiis und Sextariis verzeichnet; dafs aber
diese Annahmen Guörards nicht Stich halten, unterliegt keinem
^) Die Vaticanische Handschrift des Gapitulare Saxonicum schreibt „duos
»ieios^ und ^una sigla^i ihr Schreiber scheint das Wort nicht zu kennen;
dicht vorher schreibt er zweimal „de sigule" fQr „de sigale", statt „de secali*'.
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41
Zweifel; einzelne Urkunden rechnen 30, andere 33 Sitalae auf das
Fuder, vgl.Merkel sur LexAlamannorum inMonnm*6er.Leg.3 p.52.
AIb Maadse fttr Honig, kommen in sächsischen Zinsregistern,
au&er der ßikla und Situla, vor: der j^sextariua mellis'' und die
„0in«na mellis'', vgl. das Gonreier OUterregister des Abtes Saraeho
§• 339. 635. 666. 719; femer: „«ma mellis", im Gorveier Güter-
register aus dem Beginn des 11. Jahrhunderts, sowie in dem zwi-
schen 1106 und 1128 verfafsten Gonreier Register, vgl. Rindlinger
Mttnstersche Beitr. 2. p. 112. 121.133 und 136; ,jamphora mellis*',
im alten Werdener Zinsregister, in Lacomblet Archiv 2. p. 223
und 228; und y^embar hanigas'', im alten niederdeutschen Freken*
horster Heberegister, s. Dorow Denkmäler Bd. 2 im Register.
Eine Ermittelung der Orö&e der unter diesen einzelnen Aus-
drücken begriffenen Maafse will mir nicht gelingen; es scheint,
dafs Situla (Seidel) einen halben Modins bezeichnete, der dann
wieder in Sextarii zerfiel, und dals dasselbe Maafs Honig ver-
standen wird, wenn von Sicla, üma, Amphora, Embar (d. i. Eimer)
die Bede ist. Althochdeutsche Glossen verwenden übereinstimmend
einbar (Eimer) zur Erklärung von situla, sicla, uma und am-
phora; vgl. die Gitate bei Graff im Althochdeutschen Sprachschatz
3. p. 149. Als mittelhochdeutsch verzeichnet Wilh. Müller in Be-
nekes Mittelhochdeutschem Wörterbuch 1863. Bd. 2. p. 262 sickel,
und erklärt es mit Verweisung auf Oberlin für ein Maals, das acht
Sester oder Sextarii enthielt.
d) Bei Silber machen 12 Denare einen Solidus;
oder wie die Worte des Gapitulare Saxonicum von 797 lauten:
„th argento duodecim denarios (bessere ffdenarü^^) solidum /o-
cfion/^'; das will sagen: sind in Silber Solidi zu gewähren, so
sollen diese Solidi zu 12 (fränkischen) Denaren gerechnet werden,
d. h. es sollen dann fränkische Solidi^ oder „Solidi majores'', wie
sie die Lex Saxonum bezeichnet, gemeint sein, wo für einen So-
lidus 3 Trimsen oder 12 Denare gezahlt werden, nicht aber
„Solidi minores'', zu je 2 Trimsen oder 8 Denaren, von denen
die vorausgehenden Sätze des Gapitulare handeln ^). Dafs in dieser
^) Die Worte des CapitnUre yon 797 werden erl&utert durch den in der
oben 8. 33 abgedruckten SteUe der Lex Bipuarionim 36, 12 enthaltenen
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42
Weise die Worte zn fassen sind und man nicht in ihnen eine all-
gemeine Einflihrang von Solidis zu 12 Denaren in Sachsen sehen
darf ^)i zeigt der Zusammenhang, in welchem die Worte auftreten.
In dem ganzen auf 8. 33 abgedruckten Capitel 11 des Gapi-
tnlare Saxonicum handelt es sich, wie dessen Schlnfsworte be-
weisen, um die Aufstellung von Werthen, zu denen gewisse Qegen-
stände bei Zahlung von Oompositionen angenommen werden sollten.
Der Eingang des Gapitels, an dessen Schlnfs die fraglichen Worte
stehen, sagt: „illud notandum est, quales debent solidi esse Saxo-
num**; Worte, die ankündigen, die Gegenstände bezeichnen zu wolleoi
die als Aequivalent fttr einen bei Oompositionen zu zahlenden SolidoB
zu geben sind; dies geschieht, indem sie festsetzen: 1. dafs ein
„bos annoticus ... pro uno solide est"^ 2. dafs die West- und
Nord-Sachsen eine gewisse Anzahl von Scheffeln Hafer und Roggen
„pro solide uno donant**, und 3. dafs sie eine bezeichnete An-
zahl Eimer Honig „pro solide donant"; dann 4. heilet es: ,in
argento duodecim denarii solidum faciant"; und endlich 5. „et
in aliis speciebus, ad istud pretium omnes aestimationes compo*
sitionis sunt". Damit ist angeordnet, wie viel 1. an Vieh, 2. an
Getreide, 3. an Honig, und 4. an Silber zu geben ist, wenn darin
ein Solidus (bei Zahlung von Oompositionen) gegeben wird; und
5. gesagt, dafs man sich bei andern Schätzungen von Gegen-
ständen für eine Oomposition nach den aufgestellten Werthsätzen
richten solle, d. h. dafs, wenn andere Gegenstände aufser den tari-
j fingeren Zusats: y^Quodsi com argento solvere contigerit (weregeldum), pro
solido duodecim denarioB, sicut antiquitus est constitutum*'; rgL Waitz Ueber
Münzverh. p. 13 und Soetbeer in den Forach. I. p. 561. IV. p. 245. Wenn
die im 10. Jahrli. geschriebene Corveier Handschr. der Lex Saxonum ffir „in
argento 12 denarii solidum faciant*^ nur die Worte „in argento XV^ hat, so
scheint sie den alten Text des GesetKOs nicht mehr verstanden und entstellt
zu haben.
^) Dies meint Waitz: „Nach der Eroberung in Sachsen wird hier aU^t'
mein der neue Solidus eingeführt (Cap. Saxon. a. 797 c 1 1), auch sollen alle
Zahlungen an den König in solchen erfolgen'^, vgl. Deutsch. Verfassungsgesch.
1861. 4. p. 68 u. Ueber Münzverh. p. 35 ; desgL Soetbeer: „Im Capitulare
Saxonicum von 797 wird das fränkische Münzwesen für Sachsen anerkannt»
indem es am Schlufs desselben heilst : in argento 12 den. solidum faciant^.-
YgL in Forschungen zur Deutschen Gesch. 1864« in Bd. IV. H. 2. p. 292.
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43
firten bei Gompositioneii gegeben werden, diese den aa%eflUirten
entsprechend abgeschätzt werden sollen. Bei der Annahme, König
Karl habe im Jahre 797 mit den Worten „in argento 12 denarii
solidnm facianf* ausdrücken wollen, dafs in allen Fällen, wo in
Sachsen ein Solidus zu zahlen ist, zwölf Denare zd zahlen seien, d. i.
ein grofser Solidns, wird völlig abgesehen von dem Zusammenhang,
in dem die Worte in dem Oapitulare Saxonicum stehen; Vor-
schriften darüber, wie es im Allgemeinen bei Zahlungen zn halten
sei, und zu welchen Preisen bei ihnen Naturalprodncte an Zah-
Inngsstatt anzunehmen seien, enthält das Capitel gar nicht. Aber
anch daran ist nicht zu denken, dals durch die Worte „in argento
12 denarii solidum faciant** hätte angeordnet werden sollen, dals
hinfüro in Sachsen, unter allen bei Gompositionen zn zahlenden
Solidis, fränkische Solidi von 12 Denaren verstanden sein sollten.
Das würde eine völlige Umgestaltung der in der Lex Saxonnm
aufgestellten Bufssätze involvirt haben, da, wie S. 29 erörtert
wurde, nach ihr bei Wergeldem der Solidus zu 2 Tremisses (d. i.
zn 8 fränkischen Denaren) gerechnet werden sollte, bei andern
Balken dagegen zu 3 Tremisses. An sich schon ist es unwahr-
scheinlich, dafs König Karl im Jahre 797 den Theil der Bnfs-
snmmen, der nach der Lex Saxonnm in kleinen Solidis zn zahlen
war, durch eine allgemeine Einführung der Rechnung nach grofsen
Solidis um die Hälfte erhöht haben sollte, während er bei den
übrigen Bnfssummen die alten Sätze unverändert stehen liefs;
auch würde eine solche Abänderung unbedingt speciellere Be-
stimmungen verlangt haben, um in der Praxis durchgeführt wer-
den zn können. Entscheidend aber ist, dafs dasselbe Capitel 11
des Capitulare von 797, welches die Worte „ in argento 12 solidi
denarinm faciant" enthält, die Werthsätze für Solidi wiederholt,
welche die Lex Saxonum für kleine Solidi aufstellt, also in der-
selben' Weise, wie die Lex, neben grofsen Solidis von 12 Denaren,
ausdrücklich von kleinen Solidis handelt, und die für sie in der
Lex enthaltenen Taxen von Gegenständen nur weiter specialisirt').
^) Die Lex. Sax. c. 66 sagt: „Solidus est duplex: unus habet duo» ire-
tnisges, quod eai hos anniculus 12 mensium . . .; alter soliduB tres tremisses,
id est boa 16 mensium; majori solido aliae compositionesy minori faomicidi*
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44
No. 5. Ein Zusatz des da Tilletschen Textes zur
Lex Saxonnm Oapitel 66 (vgl. oben S. 28) bestimmt:
1 Soli d ns (d. i. ein kleiner Sol. von 2 Trimsen = % fränk. Sei.)
= 60 Scheffel Hafer ) ^ . ^ ,^ ,
^/^ a i. irr 1 n * ( ^®* Westfalen, Engem
=3 40 Scheffel Gerste ) , /^ ./,
»rv o . i.^ « 1^ l ond Ostfalen
= 30 Scheffel Roggen )
= 2 Siciae Honig bei Engern nnd Ostfalen.
Dem ganzen Zusatz liegt die nnter No.4 oben S.35u.39 besprochene
Bestimmung des Capitulars von 797 zu Grunde; nur ist der Preis
des Roggens nnd Hafers, sowie der der Gerste herabgesetzt, und
bei Wahrung des frttheren gegenseitigen Preisverhältnisses von
Roggen und Hafer ein gleichmäfsiger Satz für alle drei sKchsi-
sehen Stämme angenommen; während in Betreff des Honigs der
im Jahre 797 bei den „Nördlichen'', d. i. den nordöstlichen Sach-
sen, angesetzte Preis fttr die darunter verstandenen Engem und
Ostfalen wiederholt ist'), dagegen bei den Westfalen (die in dem
Capituiare von 797 Bortrenses genannt sind) der Honig ganz über-
gangen wird.
No. 6. Ein weiterer Zusatz im du Tilletschen und
Corveier Text zur Lex Saxonum Oapitel 66 (vgl. oben
S. 28) bestimmt:
2 Solidi (d. i. kleine Solidi von 2 Trimsen = V> fränk. Solidi)
= 1 vierjähriger Ochse („quadrimus bos**).
2V. Solidi (d.i. kleine Solidi)
= 1 Pflugstier („duo boves, quibus arari potest,
5 solidi'').
3 Solidi (d. i. kleine Solidi)
= 1 guter Ochse („bos bonus'').
2% Solidi (d. i. kleine Solidi)
= 1 Kuh mit ihrem Kalbe („vacca cum vitulo").
componuntur^; und das Capit von 797 : „Dlud notandum est, quales deberU
9olidi esse Scixonuin: id est bovem emnoticum ...; in argento duodedm de-
narü solidum faciant, ote."
*) Die Worte ^^apud utrosque^ beziehen eich auf die Engern und Weet-
üXen, als die beiden culetEt genannten.
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45
Diese AnsStie erscheinen als eine weitere AnsfUhrnng der Be-
stimmungen des Capitulare von 797 über den Werth eines Rin-
des; da dasselbe, nach Festsetsnng dessen, was unter einem „bos
annoticns '^ verstanden werden soll, hinsufttgt: „et deineeps quan-
tam aetatem (bos) anxerit, tantum in pretio crescat''. Da& ein
▼ieijshriger Ochse sn 2 Solidis gerechnet wurde, war in Sachsen
altherkömmlich ; die Lex Saxonnm Cap. 34 erw&hnt es gelegent-
lich beim Furtum. Eine Uebereinstimmung des du Tilletschen
und Corveischen Textes zeigt sich hier auch bei den Worten, die
nicht aus dem Capitulare von 797 genommen sind, namentlich bei
Besprechung des Werthes einer Kuh, so dafs hier beide ans einer
gemeinsamen Quelle geschöpft haben müssen.
No. 7. Ein letzter Zusatz der Corveier Handschrift
am Schlufs des Gapitel 66 der Lex Saxonum (vgl. oben
8.28) wiederholt Werthbestimmungen der Lex Saxonum:
1 S 1 i d u s (d. i. ein kleiner Solidus zu 2 Trimsen = V, firttnk. SoL)
= „vitulus anniculus^'.
= ,^oviB cum agno, et anniculus agnus ei
super adjunctus'^
Die erse Gleichung ist ihrem Inhalt nach identisch mit dem,
was der alte Text der Lex Saxonum mit den Worten „solidus
'est .. bos anniculus 12 mensium'' sagt.
Die zweite Gleichung scheint nur eine Wiederholung zu sein
von dem, was die alte Lex anordnet mit: „solidus est ovis cum
agBO^'; denn die eingeschobenen Worte vom anniculus agnus können
wohl nur sagen wollen, dafs das Lamm auch noch als Jährling
dem Mutterschafe zugerechnet wird, bis dieses ein neues Lamm
hat; man vergleiche die in dem Capitulare von 797 ausgespro-
chenen Bestimmungen Über das, was unter einem „bos anniculus''
verstanden werden sollte, siehe oben S. 34. Kaum denkbar ist
es, dafs der Corveier Zusatz, seinem Wortlaut entsprechend,
wirklich hätte sagen sollen, dafs während ein Mutterschaf mit
seinem eben geborenen Lamme für einen Solidus angenommen
wurde, derselbe Taxwerth auch festzuhalten sei, wenn aufser dem
einen Lamm ein zweites früheres, bereits ein Jahr altes, mit dem
Mutterschaf gegeben wird.
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46
Bin üeberblicken des unter Ko. 1 bis No. 7 auf den Seiten
38 — 46 ttber Werthsfttze Zusammengestellten sseigt, dafs sieh die
einzelnen Ansätze in der Reihenfolge, wie ich sie anfgesfthlt habe,
ans einander entwickeln und ei^änzen, mit Ausnahme der in
§. 16 noch zu erörternden unter No. 1 auf 8. 28 angeführten hohen
Taxe eines Rindes zu 10 Solidis, in den Gapitulis de partibns
Saxoniae. loh gewinne daraus folgende Schlüsse:
a) Die Werthschätzungen der Lex Saxonum (unter
No. 3 oben 8. 32) bilden die Grundlage für die weiteren Ansätze;
das Capitulare von 797 (unter No. 4 oben 8. 33) setzt sie
voraus und führt sie weiter ans; ist also später er-
lassen als die Lex Saxonum.
b) Die Zusätze zur Lex Saxonum im du Tilletsc^hen
und Gorveier Text (unter Nr. 6 — 7 oben S. 44), sind jün-
ger als das Oapitulare von 797; sie benutzen, indem sie die
Taxangaben der Lex Saxonum vermehren, das Capitulare von 797.
Diese Zusätze, die in dem Heroldschen und Spangenbergschen Text
der Lex Saxonum fehlen, können aber nach ihrer Beschaffenheit,
die oben im Einzelnen näher erörtert wurde, nur als successiv
von Privatpersonen in die Handschriften eingeschriebene Zusätze
gelten. Dafs sie nicht zum alten Text der Lex Saxonum gehören,
auch nicht etwa bei einer angeblichen Revision der Lex im
Jahre 802 ihr beigefügt sind, wird durch ihr Fehlen im Spangen-
bergschen Texte bestätigt, dessen Ursprung nach dem Jahre 802,
durch die in ihm enthaltenen, oben im §• 1 auf S. 17 besprochenen
Zusätze, erwiesen ist
Indem man das gegenseitige Verhältnifs der einzelnen Be-
stimmungen über Taxwerthe des alten Textes der Lex Saxonum
cap. 66, des Capitulare Saxonicum von 797 cap. 11, und der Zu-
sätze im du Tilletschen und Corveischen Text der Lex Saxonum
cap. 66 nicht beachtete, und davon ausging, dafs auf die Bestim-
mungen des Capitulare von 797, etwa im Jahre 802 die des
Capitel 66 der Lex Saxonum gefolgt seien, ohne dabei die Zu-
sätze im du Tilletschen und Corveischen Text im Capitel 66 der
Lex von dem alten Text zu unterscheiden, war eine befriedigende
Deutung ihres Inhaltes unmöglich, und mufsten die Preisangaben
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47
dor Capital* de partibtiB Saxoniae, des Capitnlare Sazonietiin and
der Lex Saxonnm zn nnlösbaren Schwierigkeiten führen, snmal
wenn dabei anber Acht gelassen wnrde, dals sie nur für Zahlung
▼OB Gompoeitionen anfgestellt sind, nnd dafs znr Zeit ihrer Ab-
ÜMBimg die sSchsischen Verhältnisse wesentlich verschieden waren
von den firSnkischen westlich des Rheines').
$• 3. Ber Heroldsche Text der Lex Saxsiui.
Unbekannt ist es, woher Herold den Text der Lex
Saxonum nahm, den er in seinen sn Basel 1667 gedmckten
,yOriginnm ac Oermanicanun antiqaitatnm libri'' yerOffentlicht hat
Mit „Gärtner, Saxonnm leges tres, Lipsiae 1730'^, p. 9 yorans-
xosetsen, dafs es ans einer Fnldaer Handschrift geschehen sei,
oder gar mit „Ganpp, Recht nnd Verfassung der alten Sachsen,
Breslan 1837'^, p. 76, dafs Herold dabei dieselbe verschollene
Handschrift benutzt habe, deren er sich bei seiner Ausgabe der
Lex Salica bediente und die er angeblich aus Fulda erhielt, in
der also auch die Lex Saxonum gestanden hätte, — dazu fehlt
es an jeder Berechtigung'). Dais Herold seinen Text nicht aus
>) Yergleiehe die ErOrterungon von: G&rtner Leges Saxonum tres.
üpeiAe. 1730 p. 110. 168; Oaupp Das alte Gesets der ThUringer. 1854.
p.296, und: Recht und Verfassung der alten Sachsen. 1837. p. 88. 224;
Schaumann, in Geschichte des Nieders&chsischen Volkes 1839. p. 83. 144.
157. 175. 443, und in der Zeitschrift ftlr Geschichtliche Rechtswissenschaft.
1842. XL p. 375. 379; Wilda Strafrecht der Germanen. 1842. p. 338;
Guörard Polyptyque de Pahbö Lrminon. Paris 1844. I. Prol^gomönes p. 144;
Rettberg Kirchengesch. Deutachlands. 1848. 2. p. 647. 648; Walter
Deutsche Rechtsgeschichte. 2. Ausg. 1857. 2. p. 380 §.712; J. H. Müller
Deutsche MOnzgeschichte. 1860. 1. p. 264. 360; Waitz Ueber die Mflna-
TerhAltnisse in den ftlteren Rechtshüchem des fr&nkischen Reiches. 1861.
p.36, und: Deutsche Verfassungsgesch. 1861. Bd. 4. p. 68. 72; Soetbeer
Beitrage sur G^chichte des Geld- und Ifünswesens, in den Forsch, cur
Deutseh. Gesch.« herausg. von dor Bayersch. Akademie der Wiss. Göttingen
1861. Bd.L p. 216. 595. 1862. Bd.n. p.327. 1864. Bd. IV. p. 244. 292.
*) G&rtner p. 9 sagt: „Prodiit (lex Saxonum) primum in lucem typis
impressa, et ex supellectile hibliothecae collegii Fuldensis descripta, anno 1557
Basileae, opera B.Joannis Herold^; undGaupp p.77: „Die Heroldsche Samm-
lung ist ganz oder theilweise einer Handschrift entlehnt, welche man oft
ohne Weiteres, als eine Foldasche bezeichnet hat, von welcher jedoch He-
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der Spangenbergachen oder aus der Oorveier Handschrift der Lex
Saxonnm entnommen hat, zeigt eine g^anere Vergieiehnng des
Heroldechen Textes mit dem dieser beiden Handschriften^); noch
weniger aber kann dies ans der einige Jahre vor seinen Origines
gedmokten da Tilletschen Ausgabe der Lex Saxonnm geschehen
sein, da Herolds Text an verschiedenen Stellen schwerer zu deu-
tende nnd unleugbar ältere Lesarten hat; aus denen die bei du Tillet
durch eine ändernde Hand gebildet zu sein scheinen, vor Allem
aber indem mehrere für das Verständnifs der Lex nothwendige
Sätze bei Herold stehen, die bei du Tillet fehlen. Als Beispiel
für letzteres mag das Capitel 47 (bei Herold Titel VU) dienen,
wo Herold liest: „postquam mulier filios genuerit, dotem amittai;
si autem non ffenuerii, ad dies suos dotem possideat^', während
im Texte von du Tillet die cursiv gedruckten Worte fehlen und
o£fenbar vom Drucker oder Schreiber desselben ausgelassen sind,
indem sein Auge von dem ihnen vorausgehenden „genuerit^' anf
das an ihrem Schlub stehende hinttbersprang.
Eine für die Beurtheilung des Heroldschen Textes wichtige
Frage ist es, ob die in ihm vorhandene Eintheilung in
Titel mit üeberschriften alt ist? — In der Spangenberg-
sehen und in der Corveier Handschrift, sowie in der du Tilletschen
Ausgabe der Lex, fehlt die Eintheilung in Titel, die wiederum
in kleine Paragraphen zerfallen, mit welchen Namen Herold seine
gröfseren und kleineren Abschnitte belegt; sie zählen die einzelnen,
rold selbst nur sagt, dafs er sie durch den Fttrstabt Ton Fulda Wolfgang
erhalten habe''. Herold dankt in seiner Praefatio Verschiedenen, die ihn bei
seiner Arbeit unterstützt h&tten, und rühmt, dafs: ^^sanctissimi Wolfgangi,
prineipis Fuldensis, pietate, in manus mihi derenerunt leges Salicae^. Be-
zweifeln mufs ich nach diesen Worten, dals Herold aufser bei der Heraus-
gabe der Lex Salica, auch bei der yon andern Leg^ durch Wolfgang unter-
stützt worden war; in welcher Weise der Abt jenes gethan hatte, ob etwa
durch Darleihung einer spurlos yerlorenen Fuldaer Handschrift der Lex Sa-
lica, ist vOUig unbekannt. Merkel Lex Salica, Berlin 1850, p. XCVI glaubt
annehmen zu können, ohne dafs er daftir Gründe angiebt, dafs Herold
seiner Ausgabe der Lex Salica eine solche zu Grunde gelegt habe, sein
Text jedoch „aus der Vereinigung eines über Handschriften aUer Art ge-
sammelten Apparates hervorgegangen sei*'.
1) Vgl unten in §. 7.
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▼iel&ch nur ans eiDem Satse bestehenden kleinen Abatttse der
Lex, — die ich- dem älteren Spracbgebrancb gemäfs Capitel
nenne ^) und die grobentheils den Paragraphen bei Herold ent*
sprechen, ^ rom Anfang der Lex bis zu ihrem Ende ununter-
brochen fort, ohne daneben gröfaere Gruppen dieser Capitel, die
ähnliche OegenstXnde behandeln, mit einer ihren Inhalt andeu-
tenden Ueberschrift zu versehen und sie dadurch als Titel im
Heroldschen Sinne hinzustellen. Dies Nichtvorhandensein der He-
roldschen Titeleintheilung in den drei anderen Texten der Lex
Saxonum spricht dafür, dafs sie dem ursprünglichen Text der
Lex fremd war; wenn aber Merkel in seiner Ausgabe der Lex
Saxonum, Berlin 1853, p. 6 annimmt, sie stamme aus dem Jahre
802 und sei damals auf dem Reichstage zu Aachen gemacht, so
mufs ich dies meinerseits auf das entschiedenste bestreiten, und
sweifele nicht, dafs die Titeleintheilung von Herold her-
rührt, und dafs er auch der Verfasser der Titelttber-
schriften ist.
Schon eine Betrachtung der Art, wie die Heroldschen Titel ab-
getheilt sind, und wie ihre Ueberschriften dem Inhalt der darunter
znsammengefa&ten Capitel ungenügend entsprechen, führt zu der
Ansicht, dafs sie später und von einem mit dem altsächsischen
Recht wenig Vertrauten verfafst sind; man erwäge in Beziehung
hierauf folgende Fälle:
Im Heroldschen Text sind zwei Titel als Titel VI
gezählt, von denen der eine „De conjugiis'^, der andere
„De haeredibus et vidnis^' überschrieben ist, und jener drei,
dieser acht Paragraphen enthält; im Inhaltsverzeichnifs vor seinen
Origines fafst Herold beide Titel als „Titulus VL De con-
jngiis, haeredibus et viduis" zusammen'). Wäre die He-
roldsche Titeleintheilung alt, so stände zu vermuthen, dafs der
zweite Titel VI als Titel VII gezählt, und dem entsprechend die
Zählung der folgenden Titel fortgeführt wäre; wahrscheinlich be-
zeichnete aber Herold beim Druck seiner Ausgabe ans Versehen
zwei Titel als Titel VI, und berichtigte dann im Inhaltsverzeichnifs
») Vgl. Note 3 u. 4ö in Mon. Germ. Leg. 3. p. 656 u. 684.
^ Ebenso verfährt Herold in der Lex Fris. Add. Tit. m, vgL Note 45
in Mon. Germ. Leg. 3. p. 684.
4
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Btillschweigend sein Versehen, indem er die beiden Titel als einen
angab, and ihn mit einer üeberBchrift bezeichnete, die er ans den
beiden üeberschriften EasammensetEte, die er ihnen im Text ge*
geben hatte. Darin, dafs Herold die Titelübersehriften nnd Titel-
Kahlen seines Textes, ohne irgend eine Bemerkung hinznznfttgen,
in seinem Inhaltsverzeichnifs ändert, scheint mir eine Andentang
za liegen, dafs sie von !hm herrühren, and er nicht daran dachte,
sie, als zam Text des Gesetzes gehörend, hinstellen za wollen.
Als „Titalas V^ der Lex, mit einer ünterabtheilnng in
20 „Paragraphen", sind in Herolds Aasgabe Sätze zosammen-
gefafst, die in den drei anderen Texten die ersten 13 Capitel der
Lex aasmachen. Der Titel führt die Ueberschrift „De valne-
ribas"; sie pafst nicht für die daranter stehenden 13 Oapitel,
indem in ihnen Bafssammen fttr Verletzangen anfgeführt sind,
von denen mehrere nichts weniger als „Valnera" sind, and anch in
keiner älteren deatschen Qaelle so genannt sein würden. Dies gilt
vom Capitel 6, welches von der Bnfse fttr Zerhaaen eines Gewandes
oder Schildes handelt, ferner von Oapitel 7, wo die Bnfse für einen
Haargriff, von Capitel 8, wo für üeberfall mit gezücktem Schwert,
nnd von den Capiteln 9 and 10, wo die Bnfse für mehr oder
minder lebensgefährliches Werfen ins Wasser angegeben ist.
Als „Titalas IL De homicidiis" erscheinen bei Herold
10 weitere Paragraphen, die in den drei anderen Texten als die
Capitel 14 - 23 der Lex bezeicbhet sind. Weder die Absonderung
der Capitel 13 — 23 von den ihnen vorausgehenden zu einem be-
sonderen Titel, noch die ueberschrift des Titels entspricht dem
Inhalt derselben. Offenbar ist die Vorschrift des Heroldschen
Titel U §. 2 (d. i. des Capitel 15) nicht nur auf das im Herold-
schen Titel U §. 1 (d. i. im Capitel 14) Gesagte zu beziehen, son-
dern auch auf die dem Paragraphen vorausgehenden, bei Herold
zu Titel I geschlagenen und von Titel II getrennten Satzangen:
der §. 1 von Titel II giebt das Wergeid eines Nobilis an, und
§. 2 von Titel II lautet: „quicquid de superioribus factis in foe-
minam committitur, si virgo fuerit dupliciter conponatur, si jam
enixa simpliciter conponatur'^; unter den „superioribus factis '',
die hei einer Jungfrau doppelt gebüfst werden sollen, sind die
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vorher in Herolds Titel I verzeiehneten Verletsiingen nebst der
in Herolds Titel II §. 1 erwähnten Tödtiug gemeint; die Abson-
derung der einseinen vorausgehenden Satzungen in zwei, als Titel I
und Titel II; getrennte Gruppen, entspricht somit nicht der Auf-
&8sung der Lex Saxonnm. Aber auch die über dem Titel U
stehende üeberschrift „De homicidiis'' ist dem Inhalt der darin
verbundenen Oapitel nicht angemessen, indem der §. 7 des Titel U
(das Capitel 20) vom Plagium und der §. 9 des Titel U (das
Capitel 22} vom Meineid handelt.
Als ;;Titulus in. De conjnratione et laesa domi*
natione*', sind bei Herold die Capitula 24—28 der Lex zusammen-
gefaßt Die 4 ersten der 5, unter der seltsamen üeberschrift ver-
bundenen Capitel, würden auch unter der Üeberschrift des Tit U
y,De homicidiis'' einen Platz finden können, das letzte zum Tit UI
gezogene Capitel aber steht in gar keiner Beziehung zu der üeber-
schrift desselben, indem es ausspricht, dafs ein zum Tode Ver-
nrtheilter keinen Frieden hat, und ausgeliefert werden soll, wenn
er in eine Kirche flieht.
Ich unterlasse es die weiteren Titeleintheilnngen und Tit^-
Überschriften des Heroldschen Textes in Shnlicher Weise zu durch-
mustern; eine unten in §. 7 eingerückte Zusammenstellung der
Eintheilung der Lex Saxonum in den 4 uns erhaltenen Texten
zeigt, welche und wie viele Capitel der drei anderen Texte in
Herolds Ausgabe als einzelne Tit<# zusammengefafst sind, und es
ergiebt sich aus ihr, dafs die ersten Heroldschen Titel eine grSfsere
Anzahl von Capiteln der Lex in sich vereinen, die späteren da-
gegen so kurz sind, dafs fast jedes kleine Capitel der anderen
Texte einen besonderen Titel, mit einer wenig geeigneten üeber-
schrift, bildet; zum Beispiel: Titel XUI „De eo qui animal
laeserit'S d. i. Capitel 60; Titel XV „De terra aliena
invasa«, d.i. Capitel 63; Titel XVII „De liti conjugio«
d. i. Capitel 65. Mit gleicher Berechtigung wie im Beginn der
Lex Saxonum h&tten sich auch in dem späteren Theil derselben
gröfsere Titel bilden lassen durch ein Zusammenfassen mehrerer
der kurzen Heroldschen Titel, z. B. ein grOfserer Titel ans He-
rolds kleinen Titeln XI-^XUI (d. i. den Capiteln 54—60); aller-
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62
dingt aber nrabten bei der wenig geordneten Reihenfolge , in
weleher die Lex die einseinen OegenBtXnde behandelt, alle Ver-
Buehe Bcheitem, sie in gröfsere Gmppen von ttbereinstimmendem
Inhalt zu theilen nnd diese mit passenden Ueberschriften aossn-
statten. Ich glaube nicht kq irren, wenn ich darin, dals gegen
den Bchlals der Lex Saxonum im Heroldschen Text der ümfiing
der einzelnen Titel ein immer geringerer wird, eine Besti&tignng
finde, dafs die ganze Eintheilung in Titel mit Ueberschriften erst
späteren Ursprungs ist; der Versuch, sie durchzuführen, wollte dem
Urheber nicht gelingen, nnd dies veranlafste ihn, die spKteren
Titel aus weniger Sätzen zu bilden, und ihnen wortreichere Ueber-
schriften SU geben, als er es beabsichtigt und im Anfang der Lex
gethan hatte.
Einen speciellen Orund dafUr, dafs Herold die Titel und
TitelUberschriften in seinem Text der Lex Saxonum fabri-
cirt hat, sehe ich in der Uebereinstimmung der Titel-
Überschriften, die in seinen Abdrücken der Lex Saxo-
num, der Lex Thuringorum und der Lex Frisionnm
vorhanden sind. Man vergleiche folgende Beispiele:
:„de delictis servorum^ Titulus X legis Sax. (cap. 50 — 53).
^de ddicHs servorum'' Titulus XVII legis Thnr. (cap. 59).
„de ddieto servorum^ Titulus XII legis Fris.
Keine der drei angeführten Ueberschriften findet sich in einer
der uns erhaltenen Handschrift^ ; keine der drei Leges verwendet
das Wort delictum.
:„de conjugiis** Titulus VI legis Sax. (cap. 40).
,,de liti conjugio" Titulus XVII legis Sax. (cap. 65).
,,de canifugüs ignoratis'' Titulus VI legis Fris.
Weder die Lex Saxonum, noeh die Lex Frisionum, bedient sich
des Wortes conjngtum; in den Capitulis de partibus Saxoniae
cap. 20 ist von einem „prohibitum vel inlicitum coiyugium'' die
Rede.
:„de conjuratione et laesa dominatione'< Titulus UI legis Sax.
(cap. 24—28).
„de eo qui animal laesent^^ Titulus XIII legis Sax. (cap. 60).
„de animali alieno laeso^^ TitXVIU legis Thur. (cap. 60 u. 61).
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53
„de icta laests^^ Titnlus II legis Thur. (cap. 4 u. ö).
,,de tranBpnnctione et membris laesis** Titalns VI legis Thor,
(cap. 10— 26).
Das Wort ,,laedere'^ erschien dem Herold als geeignet; am ganz
allgemein jede Art von Verletanng auszudrücken, und so verwendet
er es zu Ueberschriften von Sätzen mit sehr verschiedenem In-
halt , ohne dafs es die Leges in diesen SStzen brauchen , oder
Überhaupt in ähnlicher Weise verwenden.
:„de vnlneribus'^ Titulus I legis Sax. (cap. 1—13).
„de tndneHbw^* Titulus HI legis Thur. (cap. 6 u. 7).
;,compositio vulnerum^* Titulus II Add. legis Fris.
Dafs die üeberschrift ;,de vulneribus^^ in der Lex Saxonnm nicht
dem Inhalt aller der darunter znsammengefafsten Gapitel ent-
spricht, wurde 8.50 erörtert; in Herolds Handschrift der Lex
Frisionum scheinen die Worte ,,compositio vulnerum^' gestanden
SU haben, von ihm aber unrichtig für seinen Titel II verwendet
zu sein, während sie sich auf die von ihm unter die Titel H u.IH
vertheilten Sätze bezogen , vgl. meine Note 34 in Monum. Oerm.
Leg. 3. p. 683.
:„de homicidiis^' Titulus H legis Sax. (cap. 14 — 23).
„de hamieidüs*^ Titulus I legis Thur. (cap. 1).
„de homiddns^* Titulus I legis Fns.
Herolds Text der Lex Frisionum zerreifst die ersten Worte der
Lex Frisionum ,,Et haec est simpla compositio de homicidiis'',
setzt „et haec est simpla compositio '< als Üeberschrift über die
ganze Lex Frisionum, und gewinnt dadurch für den Titel I die
Üeberschrift „De homicidiis'^, die Herold auch im Index seines
Origines für den Titel I der Lex Frisionum wiederholt. Dafs in
der Lex Saxonum die Titelüberschrift „De homicidio'^ später ein-
geschoben sein dürfte, da sie dem Inhalt der unter ihr zusammen-
gefafsten Capitel nicht entspricht, und den Titel II von dem Titel I
trennt, während der Titel II §. 2 (d. i. Capitel 15) zeigt, dafs die
unter die beiden Titel vertheilten Sätze zusammeugehören, wurde
oben S. 51 besprochen.
Aus Allem geht hervor, dafs Herold beflissen war, seinen
Texten der verschiedenen Leges äufserlich ein ähnliches Ansehen
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zu geben. £r theilt sie in Titel, er besseichnet die einaelnen Ab*
Bfttze, die in den LegeB selbst Capitnla genannt werden^), als
Paragraphen y nnd rückt in den Text am Anfang seiner Absätze
ein ausgeschriebenes ,, Paragraph '^ ein, als Bezeichnung für die
Yon ihm numerirten Abtheilnngen seiner einzelnen Titel, denen
er Übereinstimmend üeberschriften giebt. — Nicht zu bezweifeln
scheint es mir, dafe Herold auch in die Texte der andern, in
seinen Origines abgedruckten Leges, selbstverfafste Titelttber-
Schriften eingeschoben hat; wenn ich auch daneben einräume,
dafs er manche seiner Titelttberschriften in einzelnen Leges aus
den von ihm fttr sie benutzten Handschriften aufgenommen hat'),
um aber eine äuCsere Aehnlichkeit der einzelnen abgedruckten
Leges zu erlangen und die üebersichtlichkeit derselben zu for-
dern, führte Herold eine durchgehende Titeleintheilung in den
Leges ein, und setzte über jeden Titel eine Ueberschrift, die er
in den meisten Fällen genöthigt war, selbst abzufassen^ da die
>) Vgl. oben p. 49 Note 1.
^ Offenbar standen zum Beispiel in der von Herold bei Herausgabe
der Lex Frisionum gebrauchten Handschrift die von ihm als Titelüberschriften
hingestellten Worte: Forresni (Titel II), Thiubda (Titel HI), De Brand (Titel
VII), De Notnumfti (Titel VIII), De Farlegani (Titel IX), De Mordrito
(Titel XX), De Dolg (Titel XXII). Ferner standen gewifs in Herolds Hand-
schrift der Lex Thuringorum, die Worte „De alodibus'*, die er als Ueber-
schrift seines Titel VE (d. i. vor Capitel 26) giebt, wie sie in der Corveier
Handschrift enthalten sind; desgleichen die Worte „De furtis** (Titel Vm,
d. i. vor Capitel 36), „De incendio" (Titel IX, d. i. vor Capitel 43), „De vi**
(Titel XI, d.i. vor Capitel 46), „De minoribus causis" (Titel XIII, d.L vor
Capitel 53), die insgesammt auch die Corveier Handschrift gew&hrt. Da(s
aber diese Worte, wenn sie in den Originaltexten der Leges standen, nicht
üeberschriften für alle die von Herold ihnen subsumirten Capitel haben sein
sollen, zeigt sich in mehreren Fällen sehr deutlich; man vergleiche eum
Beispiel die einseinen Capitel, die bei Herold als Titel XI der Lex Thurin-
gorum unter der Ueberschrift „De vi** zusammengefalst sind: der erste Pa-
ragraph (d. i. Capitel 46) des Titels handelt, seiner Ueberschrift entsprechend,
von Frauenraub; die folgenden Paragraphen dagegen von Verheirathung einer
Frau ohne Einwilligung ihres Vormundes (Cap. 47) ; von Tödtung einer Frau
(Cap. 48. 49); von Tödtung eines Mannes in seinem Gehöft (Cap. 50); von
nicht gewollter zuftüliger Verwundung oder Tödtung eines Mannes (Cap. 51).
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Haadsehriften nur aasnahmsweise dazu Verwendbares darboten;
daia ihm dies oft nicht sonderlich glückte, kann nicht befremden ^).
Scheide ich nun, diesen Erörternngen entsprechend, im He-
roldschen Text der Lex Saxonnm die Titelttberschriften als von
Herold herrührend ans, und snche mir dann den Werth der ihm
SU Grande liegenden Handschrift der Lex klar sn machen, so
mufs ich sie für eine vortreffliche halten nnd ihr den ersten Plats
unter den vier Handschriften einräumen, aus denen die ans er-
haltenen Texte der Lex Saxonnm herstammen. Nur in einigen
wenigen Stellen kann, meines Erachtens, der Heroldsche Text der
Lex Saxonum darch Aufnahme von abweichenden Lesarten, aus
einem der drei anderen Texte berichtigt werden, während eine
grobe Anzahl von Lesefehlern, Schreibfehlern und Anslassungen,
die jene Texte mehr oder weniger entstellen, im Heroldschen
Text nicht vorhanden ist. Ansunehmen, dafs die Güte des He-
roldschen Textes sich daraus erklSre, dafs Herold ihn ans verschie-
denen Handschriften der Lex Saxonum combinirt habe (wie dies
Merkel bei Herolds Text der Lex Salica behauptet), sehe ich keine
Veranlassung, und glaube sogar, dafs Herold eine so umfassende
Kenntnifs des zu seiner Zeit erst wenig bearbeiteten älteren deut-
schen Rechtes nicht besafs und auch nicbt besitzen konnte, wie
^) In Betreff der Heroldschen Titelüberschriften in der Lex Frisionum
yerweise ich anf meine Erörterungen in den Monom. Germ. Leg. 3. p. 656
n. 2. p. 683 n.34. n. p.684 n.45. Aus der Lex Thuringorum bestätigen es die
folgenden Ueberschriften : „De ictu laesis** Tit. II, „De viDneribns'* Tit. m,
„De fraetara ossium^ Tit. IV, „De ossis fractura in libero" Tit. V, „De
transpunctione et membris laesis'^ Tit. VI. Die angefahrten Heroldschen
Titel II— VI der Lex Thuringorum handeln von Körperverletzungen: Titel HI
(d. i. Capitel 6 und 7) von blutfliefsenden Wunden, und zwar zuerst bei einem
Adaling, dann bei einem Freien ; Titel IV (d. i. Capitel 8) von Schädelbrüchen
bei einem Adaling, und Titel V (d.i. Capitel 9) bei einem Freien; Titel VI
(d. i. Capitel 10 — 25) von einer grofsen Anzahl von Körperverletzungen bei
Adalingen und Freien, für deren Bezeichnung die angeführte Ueberschrift
des Titels weder genügt noch paTst, indem z. B. der Verlust von Auge,
ya»e, Ohr, Hand, FuTs, nicht wohl unter „membris laesis'* verstanden sein
kann. Besonders auffallen mufs Herolds TJeberschrift „De potestate testandi^
über Titel XIV (d.i. Capitel 54) der Lex Thur.; der ganze Titel sagt nur:
„Libero homini liceat hereditatem suam cui voluerit tradere".
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C
sie erforderlich gewesen wSre, nm durch ein derartiges Verfahren
einen Text herzustellen, wie er in seiner Ausgabe der Lex Saxo-
num vorliegt.
Anmerlcung über Herolds Text der Lex Saxonum,
a) Aenderungen Herolds. Für unzweifelhaft halte ich es,
dafs Herold, indem er den Text seiner Handschrift der Lex Saxooum
abdrucken liefs, manche kleine Aenderungen, namentlich an den in
ihr gebrauchten lateinischen Wortformen vorgenommen hat:
arge Verstöfse gegen Genns, Declination, Conjugation und dergleichen
Fehler wird er beseitigt, wird zum Beispiel „mulcta" für „multa**, „com-
ponere" för „conponere" (oder „coponere") gesetzt, und andere ähn-
liche Berichtigungen gemacht haben, zu denen er Bich als Herausgeber
der Lex fiir berechtigt hielt. Sodann dürfte Herold bei seinem Abdruck
die Verbindung und Abtheilung der einzelnen Sätze viel-
fach geändert haben; manche Satzverbindungen und Paragraphentren-
nungen, die unbedingt falsch sind, mOgen ihm und nicht der von ihm
benutzten Handschrift zur Last fallen ; zum Beispiel, wenn bei Herold
im Capitel 62 (d.i. in Herolds Titel XIV) mit dem „nisi^ welches
die zweite Hälfte des letzten Satzes beginnt, dem Sinne der Stelle zu-
wider, ein §. 3 des Heroldschen Titel XIV anfangt; oder w^nn bei
Herold im Capitel 65 (d. i. Herolds Titel XVII) der Satz, der das Ca-
pitel bildet, sinnstörend in zwei Paragraphen zerrissen ist. Auch die
Umstellung von Capitel 57 (d.i. bei Herold Titel XII) hinter Ca-
pitel 59 (d. i. bei Herold Titel XI §. 5) möchte ich Herold zuschreiben,
und aus seiner Eintbeilung der Lex in Titel, denen er Ueberschriften
gab, erklären : die Capitel 58 und 59 liefsen sich mit den Capiteln 54
bis 56 unter die dem Titel XI gegebene Ueberschrift „ De damno casu
illato*' subsumiren; bei dem Capitel 57 erschien dies als nicht thunlich,
und so wurde es hinter die Capitel 58 und 59 geschoben, mit der
Ueberschrift „De animali, quod damnum dat" ausgestattet, und als
Titel XII bezeichnet»). — Die Eintheilung des Textes in Titel,
») In ähnlicher Weise hat meines Daftlrhaltens Herold in seinem Ab-
druck der Lex Thuringonim das im Con'eier Codex hinter Capitel 43 fol-
gende Capitel 44 diesem vorangesetzt: die Ueberschrift „De incendio" von
Capitel 43 (odor Titel IX hei Herold) entsprach nicht dem Inhalt von Ca-
pitel 44, vrahrend Herold dieses Capitel als Paragraph 9 seinem Capitel YHI
^De ^rto"" zurechnen zu können glaubte. Aehnlich scheint mir Herold in
der Lex Thuringorum die §§. 8 und 9 seines Tit^l XI, die im Corveier Codex
weiter gegen das Ende der Lex als Capitel 58 und 57 vereinzelt folgen,
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die ieh als Yon Herold herrfihrend glaubte annebmen zn mflsseii, wird
ihm als eine dem Herausgeber zustehende Befugnifs erschienen sein,
und die den einzelnen Titeln gegebenen Ueberschriften wollte er
offenbar nicht als zum Text gehörend betrachtet wissen, vgl. S. 60.
Im Uebrigen scheint Herold beflissen gewesen zu sein, den Text seiner
Handschrift treu wiederzugeben, wie denn auch sein Verfahren bei
Herausgabe anderer Leges in seinen Origines daf&r spricht, dafs er
sich nicht ftlr befugt hielt, Oonjecturen in den Text aufzunehmen,
wenn er sie auch für geboten erachtete. Als Beispiele fär letzteres
ftthre ich an: in der Lex Thuringorum Titel VII §. 3 (d.i. Capitel 28)
zu den Worten „si autem nee filiam non habnit, soror etc.'' bemerkt
Herold „xioiiy redundat*', stöfst aber das ttberflflssige „non** nicht aus
dem Text; in einer Note zu Lex Frisionum Add. Titel II §. 39 giebt
Herold an, dafs in den Worten „Sic crimen alteri de capite abstraxerit''
das sinnlose „crimen'' in „crinem'* zu emendiren ist*); in einer Note
zu Lex Burgundionum Titel I berichtigt Herold in den Worten „muni-
ficentia dominandi'* das cursiv gedruckte „dominandi" in „donandi'^]
zu Lex Ripuariomm V, 5 „si pollex mancus pendiderii^ notirt Herold
am Rande: „pendiderit, pro pepederH*^\ u. s. w.
6) Als schlechtere Lesarten des Heroldschen Textes
fßhre ich folgende an: in Cap. 3 „cum 120 solid.", wo das ftcum^ in
den andern Texten fehlt und zu tilgen ist. — In Cap. 8 „in..sua
arm ata juret", wie auch das Spangenbergsche Manuscript liest, wo
ich statt „armata", das im Gorveier Manuscript und in der du Tilletschen
Ausgabe stehende „arma^, fttr die ursprfingliche Lesart halte. ^ In
Gap. 9 „si quis alium de ponte vel manu . . in fiumen impinxerit",
wo fttr „manu" die andern Texte richtig „Ytot^t" lesen. ~ In Gap. 11
„Qni oculum suum excusserit, DGXX solid, componat, si ambos
MCCGGXL sol.", wo statt 620 Solidi zu lesen ist: „720 solidi^, wie im
Spangenbergschen Manuscript steht. — In Gap. 11 „Similiter de ma-
nibus ..., testiculussi unus abscissus fuerit etc.", wo ich das für
„testiculus" im Spangenbergschen Manuscript stehende j^testiculis" für
richtiger halte, vergleiche aber den Text des Tilius, unten §. 5. —
In Gap. 19 „Si raordum totum quis fecerit" bei Herold, und Über-
einstimmend im Spangenbergschen Manuscript, aus „mor<i-iotum*^ ent-
heraufgenommen und hinter Capitel 51 des Corveicr Codex eingeftlgt eu
haben; ihr Inhalt schien ihm dem Sinne der Worte ^De vi'* zu entsprechen,
die er ala Ueberschrift fta Titel XI benutste.
*) Ich emendirc „Si quis crinem altori etc.'^, vgl. Mon. Germ. Leg. 3«
p. 687. n. 88.
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stellt; das Gorveier Manascript liest „mord-dotam" nnd Tilios „mordri-
toton^ — • In Gap. 22 »Qa! nesciens*' bei Herold, übereinstimmend mit
der Ausgabe des Tilius and dem Inbaltsverzeicbnirs des Spangenberg-
sehen Manascripts, wäbrend die I^sart „et qui nesciens** im Text des
Spangenbergscben Manascripts und im Gorveier Manuscript den Vorzug
verdienen wird. — In Gap. 47n. 48„Angrarii", welches eine schlech-
tere Lesart filr „AngcfrU" im Gorveier Godex zu sein scheint, rührt
vielleicht nur von Herold her. — In Gap. 48 „apud Ostfalos^ für
j,Osifalaos*'y wie der Gorveier und Spangenbergsche Godex lesen, und
auch bei Herold in Gapitel 47 steht. ~ In Gapitel 51 „utputa homi-
cidium aut furtum", wo das nur bei Herold stehende »aut" dem Sinn
der Stelle entspricht, im Originaltext aber nicht gestanden haben dürfte,
da es im Gorveier und Spangenberg. Godex, sowie bei Tilius fehlt. ^
In Gap. 61 „traditiones et uinditiones** verdruckt oder verschrieben
aus „vendiiiones^f wie die andern Texte haben. — In Gap. 64 in den
Worten „si ille (eam) emere noluerit", fehlt bei Herold das neam^,
welches in den andern Texten steht.
Als unrichtig ist mehrfach das Fredum von 4 Solidis im G^>. 36 der
Lex (d.i. bei Herold in Tit IV §.8) bezeichnet worden, indem das Fredum
des Nobilis zu 12 Solidis, das des Liber zu 6 Solidis und des Litus zu 4 So-
lidis angegeben ist. Neuere haben die 4 Solidi, dem Anschein nach mit
gutem Grunde, in 3 Solidi ändern wollen; vgl. Wilda Strafrecht der
Germanen p. 437 und G. Maurer Ueber das Wesen des ältesten deutschen
Adels. München 1846. p. 118. Da aber nicht nur im Heroldschen Text
das Fredum des Litns zu 4 Solidis angegeben ist, sondern überein-
stimmend mit ihm im Gorveier und im Spangenbergscben Godex, so-
wie in der du Tilletschen Ausgabe, so würde der Fehler nicht speciell
der Heroldschen Handschrift angehören, sondern einer gemeinsamen
Quelle der vier Handschriften, die wir von der Lex Saxonum besitzen.
§. I. Der Text der Gerveler Handschrift.
Einer genaueren Erörterung mufs ich hier die Zusätze unter-
ziehen, die id der Gorveier Handschrift der Lex Saxonum ent-
halten sind, indem ihre Benrtheilnng für die Bestimmung der Ab-
fassungszeit der Lex von reeller Bedeutung ist.
1. Bereits in §.2 habe ich ausgeführt, dafs die Gorveier
Handschrift der Lex Saxonum, von deren Alter, Inhalt
und Beschaffenheit eine Anmerkung am Ende dieses Paragraphen
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■pecieller handelt, an ihrem Sohlufs ZnBtttie ttberWerth-
bestimmangen enthält, die dem Originaltext der Lex
fremd gewesen sein müssen: sie fehlen in der Heroldsehen
Aasgabe nnd in der Spangenbergsehen Handsehrift der Lex, und
sind zum Theil wörtlich aus dem Capitulare ßaxoniciim von 797
entlehnt, vergl. 8. 28 und 8. 46.
2. Eine andere, änfserlich sehr anfPallende, Verschieden-
heit des Textes der Lex Saxonum in der Corveier
Handschrift von den drei andern Texten derselben besteht
darin, dafs in ihm mit der Lex Saxonum der gröfsere
Theil der Lex Thuringorum verbunden ist, und als ein
Bestandtheil derselben erscheint. Unmittelbar hinter den lotsten
Worten der Lex Saxonum, und zwar hinter den soeben (unter
No. 1) erwähnten, dem Original derselben fremden Zusätzen über
Werthbestimmungen, folgen die der Lex Thuringorum angehören-
den Capitel 26 — 61, welche in der Heroldschen Ausgabe dieser
Lex als Titel VII -- XVIII bezeichnet sind. Dafs diese Oapitel|
Qber deren erstem in der Corveier Handschrift, wie in der He-
roldschen Ausgabe, die üeberschrift „De alodibus*' steht, zur Lex
Thuringorum gehören, war dem Schreiber der Corveier Handschrift
anbekannt Er schliefst den Text der fraglichen Capitel 26 — ^61
(d. i. der Heroldschen Titel VII -XVIII) mit den Worten „Finis
appendicis legum Saxonum *', und sieht also in ihnen einen
Anhang zur Lex Saxonum, während er den ersten Theil der He-
roldschen „Lex Angliorum et Werinorum, hoc est Thuringorum^
oder die Titel I — VI derselben (d.i. der Capitel 1 — 25 der Lex
Thuringorum) für ein thüringisches Oeeets hält, und hinter jenem
9 Appendix*' der Lex Saxonum unter der üeberschrift „Lex Thu-
ringorum*' folgen läfst.
Dartiber, dafs der Schreiber der Corveischen Handschrift irrte,
indem er die gröfsere Hälfte der Lex Thuringorum für einen An-
hang der Lex Saxonum ansah, kann kein Bedenken obwalten; es
ist ein einfaches Versehen, und zwar ein ganz gleiches, wie das-
jenige, dessen der Schreiber der Heroldschen Handschrift der
Lex Thuringorum sich schuldig machte, indem er hinter den Ti-
teln I bis VI, elf von Herold als Titel VI §. 14 bis 24 bezeichnete
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Capitely seiner Abschrift der Lex Thnringorom einfUgte, die, wie
ihr Inhalt erweist, zur Lex Frisionum gehören, and dem entspre-
chend völlig richtig in der Gorveier Handschrift fehlen, die nur
die Lex Saxonum nnd die Lex Thnringoram, nicht aber die Lex
Frisionnm enthält^). — Wenn E. Spangenberg, „BeitrSge m
den teutschen Rechten des Mittelalters, Halle 1822<< p. 179 und
Paul Wigand im Archiv der Gesellschaft für ältere deatsche 6e-
schichtskunde, Frankfurt 1822, 4. p. 347, sowie in dem Buche
über das Femgericht, Hamm 1825 p. 48, indem sie zuerst Mii-
theilungen über die Gorveier Handschrift machten, behaupteten,
es seien die in ihr der Lex Saxonum als Appendix beigefttgten
Gapitel, wirklich ein Theil derselben, so ist das längst widerlegt
worden. Kraut, in Dalwigk Eranien zum Deutschen Recht (fort-
gesetzt von Falck, Heidelberg 1828) Lieferung 3. p. 145, machte
zuerst dagegen geltend, dafs dann in der Lex Saxonum und in
deren Appendix dieselben Gegenstände behandelt wären; sodann
führte Gaupp, Das alte Gesetz der Thüringer, Breslau 1834
p. 287, aus, dafs das Recht des vermeintlichen Appendix kein
sächsisches Recht ist; und Wilda, Strafrecht der Germanen,
Halle 1842 p. 105. 358. 363. 746 u. 755, that dar, dafs die Grund-
zahlen der Bnfssätze im Appendix von denen der Bufssätze der Lex
Saxonum verschieden sind.
3. Einen ferneren Zusatz zum Originaltext der Lex
Saxonum finde ich in der Gorveier Handschrift in
den Worten „Lex Francorum^', die über dem Gapitel 24
der Lex stehen, und in den Ausgaben von Herold und von du Tiilet,
sowie in der Spangenbergschen Handschrift fehlen.
^) Als ich diese elf Gapitel ^ welche überschrieben sind „Haec judicia
Wulemarus dictavit'', aus dem Heroldschen Text der Lex Thuringorum in
den Text der Lex Frisionum in meiner Aufgabe derselben in den Monu-
mentis Genn. Leg. 3 p. 698 aufnahm, und p. 654 die Gründe dafür su-
sammenatellte , h&tte ich nicht unerwähnt lassen sollen, dafs ganjB in der-
selben Weise, wie in der Herolddchcn Handschrift ein Theil der Lex Fri-
sionum in der Lex Thuringorimi eingerückt ist, der Schreiber der Correier
Handschrift einen Theil der Lex Thuringorum mit der Lex Saxonum ver-
bunden hat.
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61
Das C^itel 24, mit dem bei Herold der Titel HI ^^De eon«
jnntione et laesa dominatione'^ beginoty lautet: »^Qui in regnum
yel in regem Franeorum, vel filioa ejus de morte consiliataa faerit,
eapite pnaiatnr''. Hieran reihen sich dann unmittelbar die beiden
folgenden Sfttse, welche die Capitel 25 and 26 bilden: y,Qui do-
minum raum occiderit, eapite puniatur'' (cap. 25), und ,|Qui filium
domini Bui occiderit, vel filiam aut uxorem aut matrem stnpra-
verity juxta voluntatem domini oecidatur'^ (cap. 26). Meiner üeber*
sengung nach, will die üeberschrift „Lex Francorum'' nur den
Ursprung der eben eiogerttekten Sätse angeben; sie will sageui
da(s das in den Capiteln 24 — 26 enthaltene Recht von dem Franken-
kSnige in Sachsen durch eine besondere Lex eingeführt ist, die
als„LexFranoorum<' bezeichnet wird, eine Beieichnung, die sich
in jeder Weise rechtfertigt, da, wie ich unten in §. 10 weiter aus-
flihren werde, der Inhalt der Capitel 24 — 26 aus dem Capitulare
Karl des Orofisen stammt, welches zuerst die Verhältnisse des ihm
unterworfenen Sachsens als eines fränkischen Landes ordnete,
und in der einzigen Handschrift, in der es uns erbalten ist, die
Üeberschrift ftthrt: „Capitula, quae de partibus Saxoniae consti-
tnta BuntO''.
Dieser einfachen naheliegenden Erklärung gegenüber haben
melffere Sehriftsteller den Worten .„Lex Francomm" im Corveier
Manuscript eine weit umfassendere Bedeutung vindiciren zu müssen
gemeint Nicht auf die angeführten drei kurzen Sätse oder Capitel,
die unmittelbar hinter den Worten stehen, wollten Spangenberg und
Wigand diese als üeberschrift bezogen wissen, sondern auf die
sämmtlichen folgenden Capitel der Lex Saxonum, s. Spangenberg
1) Eine andere mögliclie mir weniger zusagende Deutnng der Üeber-
schrift ,»Lex Franc or um'' über dem Capitel 24 wäre, dafs sie sich nur
auf diesee kurze. Capitel bezieht, und sagen will: dies ist das Recht der
Franken; wer gegen das Beich oder den König der Franken, oder das
Leben seiner Söhne conspirirt, wird mit dem Tode bestraft. In der Corveier
Handschrift finden Hieb auch in andern Volksrechten Ueberschriften über
einsehien nnr aus einem kurzen Satz bestehenden Capiteln, die deren Inhalt
angeben, z. B. in der Lex Thuringorum über dem Capitel 43 (bei Herold:
Titel IX) die Üeberschrift „De incendio''.
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BeitrSge 1822 p. 181 und Wigand im Archiv für ältere deatoche
Gesohichtsknnde 1822. 4. p. 346 und Femgericht p. 48. Ja Merkel
ging 80 weit; dafs er nicht nur den ganzen folgenden Theil der
Lex Saxonam, um jener üeberschrift willen, für eine Lex Fran-
corum erklärte, sondern ihretwegen dies sogar audi annahm von
dem hinter der Lex Saxonum, als ,, Appendix legis Saxonnm'', in
der Gorveier Handschrift folgenden Stück der Lex Angliorom et
Werinomm. Lediglich wegen jener Worte der Gorveier Hand-
schrift hielt sich Merkel in seiner Ausgabe der Lex Angliomm
et Werinomm, hoc est Thurlngorum, Berlin 1851 p. 9, für berech-
tigt, diesen Theil der Lex Thuringorum als eine Lex Francomm
SU betrachten; und während er über den ersten Theil des 6e-
setises die ihm im Gorveier Manuscript gegebene Üeberschrift
„Lex Thuringorum << setzte, über diesen zweiten die üeberschrift
„Lex Francorum'' zu stellen*).
Ich muis meinerseits diese Merkeische Verwerthung der Worte
„Lex Francomm'^ für völlig unstatthaft erklären. Der Schreiber
der Gorveier Handschrift hat irrthttmlich der Lex Saxonum einen
Theil der Lex Angliorum et Werinomm angereiht, indem er ihn
ftlr sächsisches Recht hielt, wie er selbst es ausdrücklich am Schlafs
desselben bezeugt, durch die Beifügung der Worte „Finis appen-
dicis legis Saxonum''. Wenn nun derselbe Schreiber der Gor-
veier Handschrift, mitten in der Lex Saxonum, über ein Gapitel
derselben die Worte „Lex Francomm'' setzt, so mag man viel*
leicht darüber verschiedener Meinung sein können, ob er diese
üeberschrift nur auf das eine Gapitel bezogen wissen wollte, oder
auf mehrere, und auf wie viele der folgenden Gapitel der Lex
') Merkel begründet seine Ansicht nicht näher, er bemerkt Lex An^. p. 5
nur noch: „Das sftchsische Voiksrecht ist am Anfang Liber legis Saxonum,
und Yon eap. 24 an. Lex Francorum überschrieben ; aus diesem Qrunde rede
ich yon Anhängen der fränkischen Lex Saxonum (worunter Merkel den
zweiten Theil der Lex Thuringorum rersteht), und glaube auch, dafs die-
selben aus Karls des Grofsen Zeit herrühren'^. Und in Lex Saxon. p. 6
sagt Merkel: „der Codex scheidet rom 24. Gapitel an eine Abtheilnng des
Volksrechts mit der üeberschrift Lex Francorum aus^, „dieser sweite Theil
ist unter vorwiegend fränkischem Ginflusse aufgeEeichnet**.
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63
Saxonam; das leachtet doch aber ein, dafs es nicht sein Wille
gewesen sein kann, dadurch den ganten folgenden Theil der Lex
Saxonnm, ja sogar den fälschlich von ihm fttr einen Appendix
derselben gehaltenen Theil der Lex Angliorum et Werinomm für
eine Lex Francoram zu erklären! Oesetzt aber Merkel übersah
dies and meinte wirklich, der Schreiber der Correier Handschrift
habe den ganzen bei ihm aaf jene üeberschrift ,yLex Francoram^'
folgenden Theil der Lex Saxonum, und sogar den ihm angeftigten
Tbeil der Lex Angliorum et Werinorum, für eine Lex Francoram
gehalten, wie war es möglich, dafs er auf diese vermeintliche
Ansicht des Schreibers der Corveier Handschrift ein Gewicht
legte? Die ausdrückliche Erklärung des Corveier Schreibers, dafs
dn Theil der Lex Angliorum et Werinomm ein „ Appendix legis
Saxonam^' sei, und seine durch das AnfUgen an die Lex Saxo-
nam documentirte Ansicht, dafs in diesen Stücken sächsisches
Recht enthalten sei, wird von Merkel als Irrthum angesehen, und
gleichzeitig, während er dies thut, von ihm auf jene supponirte
Ansicht desselben Schreibers — und wohl zu beachten, eines
Schreibers, der etwa 200 Jahre nach Abfassung der Lex Saxonum
sie abschrieb — , im directesten Gegensatz zu der von demselben
Schreiber ausgesprochenen Ansicht, die Annahme gestützt, jenes
Stttek sei fränkisches Recht! Da der Corveier Schreiber eine so
geringe Kenntnifs des sächsischen Rechts besafs, dafs er thürin-
gisches Recht für sächsisches Recht hielt, so wäre, wenn er di-
rect erklärt hätte, dafs die zweite Hälfte der Lex Saxonum (die
Capitel 24—66 oder Herolds Titel m^XVni), und der zweite
Theil der Lex Angliorum et Werinomm (die Capitel 26 — 61- oder
Herolds Titel VU— XVHI), fränkisches Recht seien, auf diese seine
Ansicht kein Werth zu legen; nimmermehr aber kann man auf
eine blofse Vermuthung hin, dafs jener Schreiber die von ihm
eingefügten Worte Lex Francomm auf alle nachfolgenden Capitel
habe beziehen wollen, Stücke, die er selbst direct für eine ^^Lex
Saxonum <' erklärt, zu einer Lex Francomm stempeln.
Keine Stütze für die Merkeische Ansicht, nach welcher der
zweite Theil der Lex Thuringomm und der zweite Theil der Lex
Saxonum in der Corveier Handschrift unter der Üeberschrift „Lex
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Francorum^' veratanden sein soll, kann ich darin finden, dafs man
anfuhrt, in dieaen Abschnitten, die den gröfseren Theii beider
Legea bilden, sei ein durch fränkische Gesetzgebung modificirtea
sächsisches und thüringisches Recht enthalten. Schon P. Wigand
behauptete im Jahr 1822 im Archiv für ältere deutsche Geschichte
4. p. 346: „Ein flttcbtiger Ueberblick belehrt uns, dafs mit Ar-
tikel 24 der Lex Saxonum wirklich ein neuer Abschnitt beginnt. Die
vorhergehenden Artikel enthalten offenbar aufgezeichnetes, bereits
bestehendes Gewohnheitsrecht, welches meist die Compositionen
und das Wergeid bestimmt. Dann folgt eine Reihe von Todes-
strafen, und das erste Gesetz heifst gleich: Qui in regem Fran-
corum etc. Härte und Strenge spricht sich überall aus. Das Asyl
der Kirche wird aufgehoben. Die üeberschriffc bekundet es, dafs
diese Gesetze später unter Einwirkung der fränkischen Herrschaft
gegeben und zusammengetragen wurden '^ Aehnlich faistStobbe
das Verhältnifs auf, wenn er in seiner Geschichte der deutschen
Bechtsquellen 1860. 1. p. 190 sagt: „Die üeberschrift Lex Franco*
rum bedeutet weder, dafs das folgende Gesetz fUr die Franken, und
nicht für die Sachsen gegeben sei, noch dafs es fränkisches und
nicht sächsisches Recht enthalte, sondern dafs es unter Einflufs
der fränkischen Kdnige gegebenes Recht sei. Dem entspricht
auch der Inhalt: zum Theil beruht er auf sächsischem Gewohn-
heitsrecht, zum Theil ergiebt er sich als neue fränkische Gesetz-
gebung ''. Unbedingt enthält derauf die Üeberschrift „LexFran-
corum '' in der Corveier Handschrift folgende Theii der Lex Saxo-
num zum Theil älteres sächsisches, zum Theil durch König Karl
in Sachsen eingeführtes Recht; und ich hege auch, so wenig aUi
Stobbe, darüber ein Bedenken, dafs König Karl den auf jene
Üeberschrift folgenden Theil der Lex Saxonum hat redigiren und
in Sachsen publiciren lassen; gilt das nicht aber ganz in derselben
Weise von dem ersten Theil der Lex Saxonum^)? Wenn aus
diesem Grunde die fraglichen Stücke der Lex Saxonum und der
Lex Thuringorum, die den gröfseren Theil beider Gesetze bildeui
1) Daffl auch im ersten Theil der Lex Saxonum Satzungen Karls des
Ghrolsen mit altBächsisehem Recht rerbunden sind^ ist leicht darsuthun, und
auch Stobbe p. 188 und 189 räumt es ein.
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Legea Francornm genannt worden wSren, so hätte dies mit dem-
selben Recht bei der ganzen. Lex Saxonnm, und ebenso auch sum
Beispiel bei der Lex Frisionnm geschehen können.
Schon Eichhorn, Deutsche Rechtsgeschichte §. 146 Notec,
verfocht die Ansicht, dafs die in der Gorveier Handschrift stehende
üeberschrift ^ Lex Francorum " nicht auf den ganzen zweiten Theil
der Lex Saxonum geht; er bemerkte: „ die üeberschrift kann nur
ein eingeschobenes Stück bezeichnen, Spangenberg bezieht sie ohne
allen Grund auf den Inhalt der Lex von Titel III bis zu Ende''. Und
Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen p. 57, meinte:
9 es liegt am Tage, dafs mit der üeberschrift Lex Francorum nur
ein einzelnes Stück, was vielleicht gar erst später eingeschoben
worden ist, bezeichnet sein kann, da ja jener Name, zum Bei-
spiel fUr das Erbrecht und das Güterrecht der Ehegatten in
Titel VII -IX (d. i. Capitel 47—49), ganz unpassend sein würde«.
In Betreff der in diesen Worten angedeuteten Vermuthung, dab
das in der Gorveier Handschrift » Lex Francorum " überschriebene
Stück vielleicht erst später in die Lex eingeschoben worden sei,
will ich nur darauf hinweisen, dafs für sie jeder genügende Grund
fehlt, da das Stück in allen vier uns erhaltenen Texten der Lex
steht, während es nur im Text der Gorveier Handschrift die üeber-
schrift „Lex Francorum << trägt, und in Folge dessen die Annahme
nahe liegt, dafs nicht das Gapitel, sondern nur dessen üeber-
schrift später hinzugefügt ist.
Anmerkung über die Corveier Handschriß der Lex Saxonum.
a) Herkunft und Benutzung der Handschrift. Die gegen-
wärtig im Provinzialarchiv zu Münster, früher zu Paderborn^ aufbe-
wahrte Handschrift ist ursprünglich für die Abtei Corvei ge-
schrieben, wie die in ihr befindlichen Abschriften der kaiserlichen
Privilegien für Corvei aus dem 9. und der ersten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts beweisen. Bis zur Säcularisation des Stiftes blieb die Hand-
schrift in Corveis Besitz; sie wurde benutzt von Martene, von
dessen Hand einige Notizen in ihr herrühren, s. Wigand im Archiv fUr
ältere deutsche Geschichtskunde 4. p. 346; später von Chr. Ulr.Gr u-
pen (gest 1767), dessen Abschrift in Celle bei dem Oberappella-
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tioDBgericht aufbewahrt wird, undaasderSpangenberg, in den Bei-
trägen zu den teutschen Rechten des Mittelalters. 1822. p. 181, Varianten
zur Lex Saxonnm mitgetheilt hat. Im Jahre 1822 gab P. Wigand Qber
die Handschrift nähere Auskunft in einem Aufsatz über noch erhaltene
Gorveier Handschriften, im Archiv a.a.O.; und Pertz verglich sie
darauf für die Monnmenta Germaniae^). Mir liegen die von Pertz in
seine Abschrift der Spangenbergschen Handschrift der Lex Saxonum
eingetragenen Varianten vor; sie benutzte auch J. Merkel, indem er
den C!orveier Text seiner Ausgabe der Lex Saxonum, Berlin 1853, zn
Grunde legte, doch verglich er daneben nochmals die Handschrift*).
b) Alter. Die Gorveier Handschrift ist nach der Angabe von
Pertz, in den Monum. Germ. Leg. 1. p. XXIU, im 10. Jahrhundert
geschrieben; drei Randglossen in ihr rühren nach Pertz von einer
Hand des 15. Jahrhunderts her: im Gapitel 44 ist zu „tutela filiamm
fratri deputetur'' bei „fratri'' notirt „defuncti*'; im Gapitel 45 steht bei
„tutela filiae ad fratrem patris pertineat" zu dem Wort „patris** bei-
geschrieben: „nota: cui secundo nupserit^; im Gapitel 47 ist bei „pro-
ximi ejus'' notirt „mulieris''.
c) Inhalt. Die Gorveier Handschrift enthält:
die Lex Saxonum;
die Lex Thuringornm (vgl. oben S. 59);
das Gapitulare Saxonicum von 797 (gedruckt in Mon. Germ.
Leg. t. p. 75 vgl. oben S. 33 Note 1);
die drei um 817 verf. Gapitular. Ludovioi imper. (als No. 112.
113 u. 114 gedr. in Mon. Germ. Leg. 1. p. 210 — 216);
Liber poenitentialis;
Gorveier Privilegien des 9. und 10. Jahrhunderts').
d) Der Text der Lex Saxonum in der Gorveier Hand-
schrift ist weit weniger durch Schreibfehler entstellt, als der in der
Spangenbergschen Handschrift; abgesehen von den oben S.'28 u. 44
besprochenen Zusätzen steht er dem der Heroldschen Ausgabe näher,
') Nach Merkel Lex Anglioram et Werinorum p. 3 rergUch Pertc die
Gorveier Handschrifl im Jahre 1826; Pertz erw&hnt, daJk er es gethan habe
in dem im Jahre 1839 erschienen 7. Bande des Archives p. 787.
') Die Ton Merkel Lex Saxonum p. 21 nach Einsicht der Handschrift
gegebenen Berichtigungen su seinem früheren Abdruck des Gorveier Textes
der Lex Thuringornm sind dadurch ermöglicht, dafs er die CoUationen von
Pertz nicht genau wiedergegeben hatte; die Lesarten der Handschrift, die
Merkel nachtr>, sind auch von Pertz notirt.
3) Einige Schlufsverse „de ciconia**, druckt Spangenberg p. 180 ab«
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als es bei dem Spangenbergschen der Fall ist; am weitesten entfernt
sieb von ihm der Text der du Tilletschen Aasgabe. Als Stellen, in
denen das Gorreier Manuscript für die Ermittelung des älteren Textes
der Lex Saxonum von Bedeutung ist, fahre ich nur folgende an: in
Cap. 8 „in manu liti sui vel sua arma juret"; wo du Tillet „per
Sita arma** hat, während Herold und das Spangenbergsche Manuscript
„in 9ua armata^ lesen, was ich für spätere Aenderung halte. — In
Cap. 12 „vel nasum'', wo in den andern Texten das „vel" fehlt. — ,
In Cap. 16 „solvatur autem solido majori'', übereinstimmend mit He-
rold, während im Spang. Mscrpt. und bei Tilius fälschlich „aut** für autem
steht — In Cap. 19 „mord-dotum", während das Wort bei Herold
ond im Spang. Mscrpt. in „mordum totum^ verderbt ist. — In Cap. 22
„Et qui nesciens", wie im Spang. Mscrpt; bei Herold und Tilius fehlt
das y^t*^. — In Cap. 36 „Quicquid vel uno denario minus tribus so-
lidis . . abstulerit", wie bei Herold ; im Spang. Mscrpt. und bei Tilius
sind die Worte entstellt. ~ In Cap. 47 „Angarii'', für „AngrarU'* bei
Herold und Tilius. — In cap. 56 „Qui laqueum fossamve fecerit", wie
auch Herold liest; das Spang. Mscrpt. hat daHir durch Schreibfehler
„laqueum fossam vW, und Tilius, indem er diese Worte umstellt :
„fossam vf/ laqueum". — Als fehlerhafte Lesarten des Corveier
Hannscripts führe ich an: in Cap. 11 „DCXX solid." für ein aus-
geschlagenes Auge, statt „720 solid.'* y wie nur im Spangenb. Mscrpt.
richtig steht. — In Cap. 11 „testiculns", zu bessern in „Uaticulis** ^
wie das Spang. Mscrpt. liest. — In Cap. 17 „35 solid.", wofür die
andern Texte richtig „36 solid.** haben. — In Cap. 19 „duae vero partes
et ab illo", wo das in den andern Texten fehlende „et** zu tilgen ist. —
In Cap. 37 in „ad (palatium, vel de) palatio pergenti", wie die
andern Texte lesen, sind im Corv. Mscrpt. die eingeklammerten Worte aus-
gefallen. — In Cap. 51 „dominus et pro illo", wo im Corv. Mscrpt. das
„et" entstellt ist aus „efus**y das die andern Texte gewähren.
§. 5. Der do Tilletsche Text der Lex Saxonmii.
Die Lex Saxonum wurde das erste Mal als „Vetns Lex
Saxonum", ohne Druckort, Jahreszahl und Herausgeber, auf
einem Bogen mit 16 fortlaufend gezählten Seiten klein-
sten Formates zum Druck befördert. Es geschah dies, wie
ermittelt zu sein scheint, gegen das Jahr 1550 durch den im
Jahre 1570 verstorbenen Bischof von Meaux du Tillet, der sieh
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Joannes Tilins nannte. Zn dieser Ausgabe der Lex Sazonaoi
und den andern von Tilius in gleicher Weise anonym zum Druck
beförderten Volksrecbten liefs Jacob du Puys im Jahre 1573 sn
Paris einen gemeinsamen Titel drucken, er lautet: „Aurei vene-
randaeque antiquitatis libelli, Salicam legem continentes . . .; item
leges Burgundionum, Almanorum, Saxonum, Baiuuariorum, Ripua-
riorum. Ex veteribus libris emendatiores et auctiores. Parisiis
ex officina Jacobi du Puys, sub signo Samaritanae. 1573.^' — In
den bekannt gewordenen Exemplaren der Tiliusschen Ausgaben
der einzelnen Volksrechte, in denen sie in verschiedener Reihen-
folge in ein Bändchen zusammengebunden sind, fehlt in manchen
der oben eingerückte Oesammttitel, in andern findet er sich; zwei
verschiedene Drucke oder Ausgaben der Tiliusschen Leges existiren
nicht, wie alle Einzelnheiten aufser Frage stellen; hat man dies
früher angenommen, so geschah es nur, indem, es schwer hielt
verschiedene Exemplare des selten gewordenen Buches zu ver-
gleichen *).
üeber die Handschrift, aus der du Tillet seinen Text der
Lex Saxonum nahm, fehlt jede Kunde, gleich wie wir in keiner
') Die Königliche Berliner Bibliothek besitzt jetzt 3 Exemplare des
Buches; von denen sie zwei 1847, ein drittes entt sp&ter erworben hat;
einem der Exemplare ist der angefahrte Gesammttitel vorgeheflet, in den
beiden andern fehlt er ; in allen 3 Exemplaren nimmt die „Vetus Lex Saxo-
num'^ die letzte Stelle ein, während sie der im Text angegebene 1573 gedruckte
Gesammttitel als drittletzt« unter den Leges aufftlhrt; in zwei von den Ex-
emplaren ist die Lex Sah, in dem dritten die Lex Burg, als erste Lex im Bänd-
chen eingeheftet. Dafs nicht zwei verschiedene Drucke von Tilius Leges
existiren, zeigte Biener in der Zeitschr. fUr gesch. Rechtsw. 1826. Th. 5.
p. 401 folg.; sodann theilte Blume im Rhein. Mus. f&r Jurispr. 1833. 6.
p. 386 mit, dafs in einem jetzt in der Königi. Bibliothek zu Hannover be-
findlichen Exemplare der Tiliusschen Leges ein späterer Besitzer sich im
Jahre 1657 eingeschrieben habe, und dafs, nach einer weiteren Notiz in dem
Exemplare, der erste Besitzer das Exemplar „dono Joannis Tilii^ erhalten
hatte, vgl. auch Fertz in den Monum. Germ. Leg. 1. p. 263. Dafs die nach
diesen Notizen vor 1557 gedruckten Tiliusschen Ausgaben ^ ums Jahr 1550
veranstaltet seien", nimmt Merkel Lex Saxonum p. 4 an; dafs es vor 1565
geschehen sein müsse, erörtert O. Stobbe in Beiträge zur Geschichte des
deutschen Rechts. Braunschweig 1865 p. 86.
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Weise wissen, welche Handschrift Herold bei seiner Ausgabe im
Jahre 1557 benatste; dafs die von den beiden Herausgebern ge-
brauchten Handschriften von einander verschieden waren, wurde
oben 8. 48 erörtert; dafs du Tillet nicht die Spangenbergsche
oder die Corveier Handschrift gebraucht hat, beweisen die Ab-
weichungen seines Textes von dem jener Handschriften ganz un-
sweifelhaft.
Zur Feststellung des Verhältnisses des du Tilletschen Textes
zu den drei andern Texten, die uns von der Liex SaxQnum er-
halten sind, dienen zunächst die bereits oben im §. 2 besprochenen
Zusätze, die am Schlafs der Lex stehen und sich auf Schätzungs-
werthe beziehen. Ich erörterte, dafs sie dem Originaltext der Lex
Saxonum fremd gewesen sein müssen, da sie im Heroldschen und
Spangenbergschen Texte fehlen, und sich auf Satzungen des erst
nach der Lex erlassenen Capitulare Saxonicum von 797 stützen.
Ein Theil dieser Zusätze findet sich auch in der Corveier Hand-
schrift, siehe oben S. 28, doch zeigt eine Vergleichung der
Znsätze in dem Tiliusschen und Corveier Texte, dafs sie weder
der Tiliussche Text aus dem Corveier, noch dieser aus jenem
entnommen haben kann, vgl. oben S. 45.
Wenn Eichhorn, Deutsche Reehtsgeschichte. 1843. 1. p. 573
Note^, äufserte, „die Handschrift des Tilius scheint mir wesent-
liche Vorzüge vor allen übrigen, auch der Corveischen, zu haben'',
so kann ich dem so wenig beistimmen, als der Ansicht von Gaupp,
die er im Jahre 1837 in seiner Ausgabe der Lex Saxonum p. 76
dahin zusammenfafst: „dafs für die Kritik des sächsischen Volks-
rechts aus der in dieser Hinsicht bisher ganz vernachlässigten
Ausgabe des Tilius hier und da noch ziemlich bedeutende Aus-
beute sich gewinnen lasse''. Ich bin meinerseits bei Ausarbei-
tung der Ausgabe der Lex Saxonum zu der üeberzeugung ge-
kommen, dafs in keiner einzigen Stelle der Text des
Tilius dazu dienen kann, um den älteren Text der
Lex Saxonum richtiger herzustellen, als es uns mit Hülfe
der andern Texte möglich ist. Der Verfasser des Tiliusschen Textes,
— mag dies nun der Schreiber der von Tilius benutzten Hand-
schrift der Lex Saxonum gewesen sein, oder der eines älteren in
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dieser HandBchrift wiedergegebenen Textes'), — hat, soweit ich
nrtheilen kann, gesucht dureh kleine Aenderongen den Ausdruck
im Text der Lex Saxonum zu verbessern und leichter verstand-
lieh zu machen y und hat dabei einzelne Worte desselben wegge-
lassen, die ihm überflüssig zu sein schienen. Bei einer fluchtigen
Betrachtung mag es in Folge dessen scheinen, dafs der Tiliussche
Text „wesentliche Vorzüge vor allen übrigen habe'', und Gaupp
konnte in verschiedenen Stellen bequemere und leichter veratftnd-
liehe Wortfügungen aus ihm in seine Ausgabe der Lex aufnehmen.
Nicht in Abrede will ich es dabei stellen, dafs an einigen Stellen
der Lex die Lesarten des Tiliusschen Textes von Interesse sind,
da sie offenbar nicht etwa erst von Tilius, oder einem bei seiner
Ausgabe thätigen Gelehrten herrühren; ich behaupte nur, dafs der
Tiliussche Text für die Reconstruction des älteren Textes der
Lex Saxonum neben den uns erhaltenen drei andern Texten der
Lex Saxonum keine Bedeutung hat, und dafs Neuere geirrt haben,
wenn sie mejnten einzelne Lesarten desselben, gegenüber von dem
Zeugnifs der andern Texte, als die ursprünglichen der Lex ver*
theidigen zu können. Eine Durchmusterung der einzelnen Stellen,
in denen der Tiliussche Text von dem der drei andern Texte ab-
weicht, wird zeigen, dafs sich diese Abweichungen aus dem von
mir bezeichneten Gesichtspunkte erklären, wenn man von einigen
wenigen Schreib- oder Lesefehlern absieht, die in der Tiliusschen
Ausgabe sich vorfinden.
Anmerkung über die Abweichungen des Tiliusschen Textes.
In Gap. 5 „uultinam^ bei Tilius entstellt aus „wlitiwam^, mag
ein Druck- oder Lesefehler sein. — In Cap. 5 „sol. CXL'^ bei Tilius,
fttr das richtige „240 solidi'' der andern Texte. — In Gap. 6 „sol.
XXXVI** bei T., gekürzt für „36 solidos componai*^ in den andern
Texten. — In C^). 7 „sol. CXX« bei T., gekürzt für „120eol.co«-
») Hat Tilius im Capitel 66 der Lex Saxonum die Form aceffil („se-
cales sceffila'') aus seiuem Manuscript treu wiedergegeben, so war es von
keinem Sachsen geschrieben; die sächsische Form des Wortes lautete scepel,
Bcipul, vergl. oben S. 37; es ist ein Diminutirum von 8cap(va8), wie auch
im Ueliand fUr das oberdeutsche scat' (Schaff) geschrieben ist.
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poiMrf« in den «ndern Texten. — In Oap»8 „ per bi» am» jnret^ bei T., ftr
9<pi 81» arnia jnret'' des Gorveier Manuscripts. — In Gap.9 „alind*' bei
T^ für „alium*' der and. Texte. — In Cap. 11 „aol. DCXX« bei T. ab
Bote für ein aoageschlagenes Auge, statt 720 Solidi, wie richtig im
Spangenbergschen Mannacript steht. Die andern Texte verzeichnen
dann richtig: „w ambog (i. e. oculos), 1440 solidos componat^, d. i. er
büise 2 X 720 Solidi für 2 Angen; der Schreiber des Tiliusschen Textes
änderte dies irrig in seinem Text in „qni ambos (i.e. ocnlos), soL
1 240*^, da er fftr ein Auge fUschlich eine Bnfse von nur 620 Sol. an-
geeetxt fimd. — In Cap. 11 liest Tilius „Testicnlns, si unns ab-
• cissus fnerit, sol. 720 oomponat; similiter de manibus et de pe*
dibos''; dies halte ich für eine verfehlte Conjectur der Handschrift des
TQins ans den unbeholfen sich ausdrückenden Worten der andern Texte:
„Similiter de manibus, de pedibus, testicalis (var. „testicuius*'), si unum
abscissum fuerit, 720 solidos, si ambo 1440 tolidos c&mponat^; die fünf
letsten Worte fehlen bei Tilius. — In Cap. 12 „si movere ipsum mem-
brum possit, quartam partem compositionis^, wo ,,compositionis^
eine Correetur der Handschrift des Tilius sein dürfte für y^eonponat^
in den andern Texten. — In Gap. 13 „pollex totus abscissus 860 soL;
si dimidins 180; si minimns, si totus ut supra** bei Tilius, gekürzt
und entstellt aus den in den andern Texten enthaltenen Worten: „pol-
lex totus abscisus 860 solidis eanponaiur; si dimidins 180 solidis eon-
ponatur, si minima iohu, 240 solidis; si unum digiii membrum, 80; si
duo membra, WO; si totum, Dt supra*'; die letzten cursiv gedruckten
Worte fehlen bei Tilius. — In Cap. 14 „et interpremium 120 sol/
beiT., für „in prtmivm^ der andern Texte, eine, wie ich glaube, aus
Hifsverständnifs des ursprünglichen Textes zu erklärende Aenderung.
^ In Cap. 15 „si jam nupta, simpliciter conponatur*' beiT., für j^mixo!^
in den andern Texten. Dafs in der Lex der „virgo** die „femina si jam
enixa'' gegenübergestellt wurde, bei jener doppelte, bei dieser einfache
BniM gezahlt werden sollte, schien dem Verfasser der Tiliusschen Hand-
sehrift incorrect, er änderte „enixa'' in „nupta*', so dals nach der Lex
verheirathete Weiber nur die halbe Bufise von unverheiratheten erhalten
hätten. ^ In Cap. 16 wird vom Litus gesagt: „mulcta vero vulnerum
cgus sive mancationum per omnia duodecima parte minor etc." Die
gesperrt gedruckten Worte fehlen in den andern Texten, ich sehe in
ihnen einen Zusatz der Tiliusschen Handschrift, der den Bestimmungen
der Lex entspricht, aber überflüssig war: nach der Lex wurden Vnl*
nera des Litus mit %, der Summe, die ein Nobills zu erhalten gehabt
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h&tte, gebflfst; mancatioiies oder Lähmungen werden in der Lex sa
den „ynlnera^ gerechnet, einer speciellen Erwähnung derselben be-
durfte es daher nicht, auch die anderen Arten von Vulnera, deren die
Lex anderweitig gedenkt, werden im Capitel 16 nicht speciell ange-
führt. — In Gap. 17 „Si servus a nobili occisus, 36 ** bei T., für ,,Senru8
a nobili occisus 36 aoUdis conponatur'* der andern Texte; „Si" ist im
T. hinzugefügt, „solidis conponatur^ weggelassen. — In Gap. 17 „si a
liberto vel lito, pleno sacramento negetur" bei T., wo die andern
Texte lesen „a libero vel etc.^ Ich halte „si" für einen Zusatz und
„liberto'' für eine falsche Gorrectur der T. Handschrift; Neuere haben
die Lesart „libertus'' als richtig vertheidigt. — In Gap. 18 „vindicetur
..a propinquo occisi" bei T., für „npropinquis ocoisi" in den andern
Texten. — In Gap. 19 „mordritoton" beiT. Das Gorveier Hscrpt
hat „mord-dotum^ d. i. mordh-dot mit lateinischer Endung; im Spang.
Mscrpt. und bei Herold steht „mordum totum", wie ich meine, indem
mord falschlich aufgelöst ist in „mordum'', und Schreiber bei „merdum
totum'^ an einen „ganzen Mord'' dachte. Für die im Originaltext ste-
hende Form halte ich danach mordh-dotum oder mordh-totum; in
„mordri-toton'' bei T. scheint „toton'' entstellt zu sein, vielleicht vom
Heransgeber aus „tot'*', welches er „toton'' statt „totum*' auflöste; auch
mordri könnte aus mord aufgelöst sein für mordh, doch existirte eine
altdeutsche Form mordr neben mordh, vgl. zur Lex Fris. in Mon. Leg. 3.
p. 672. — In Gap. 19 „conponenda*' .bei T., för „conponenda est*^ in
den andern Texten. — In Gap. 21 liest T. „Qui in ecclesia hominem
occiderit, vel aliquid furaverit, vel effregerit, vel sciens peijura-
verit, capite puniatur"; die andern Texte haben „vel eam (i.e. eccle-
Biam) effregerit'', und offenbar handelt das Gapitel von dem Fall, in
welchem die angefahrten Verbrechen in der Kirche verübt sind; der
Schreiber des T. Mscrpts. übersah dies, und liefs das ihm unbequeme
„eam" weg. — In Gap. 22 „ Q u i nesciens peijuraverit" bei T. wie bei Her.,
wo richtiger das Gorv. und Spang. Mscrpt. lesen „et qui nesciens etc.''
im Anschlufs an den vorausgehenden Satz. — In Gap. 24 „Qui . . de
morte consiliaverit" bei T., für „coMilicOua fuerU*" in den an-
dern Texten. — In Gap. 31 lesen die andern Texte „Qui alvearium
apum infra septa .. furaverit, capite puniatur; exira eepta ßiratum, no-
vies conponendum est", und der Tiliussche Text ändert, um einen be-
quemeren Ausdruck zu gewinnen, die oursiv gedruckten Worte in: „si
extra septa furaverit'' . — In Gap. 33 „Qui infra streona" bei T., für
„Qui in screona^ der andern Texte; streona ist wohl nur ein Lesefehler
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des TiliaB. — In Gap. 36 „Quicquid vel in Uno denario, minns
tribus solidis qaislibet furto abstalerit^ bei T., fHr das richtige „vel
uno denario minus eto.^ des Heroldschen und Corveier Textes. — In
Cap. 36 „et pro fredo, si nobilis fuerit 12, si über similiter, si litns 4^
bei T.y wo die andern Texte lesen : „si nobilis fuerit 12 solidis, si liber 6,
81 litas 4". War zur Zeit, als die Tiliassche Handschrift geschrieben
wurde, das Fredum beim Liber dem des Nobilis gleich gesetzt wor-
den? — In Gap. 39 „Qai alteri dolose per sacramentum res tollere
vult" bei T., für „res proprias^ in den andern Texten. —• In Cap. 40
„si per vim rapta est^ bei T., wo der Heroldsche und Gorveier Text
„9i vi" lesen, und im Spangenb. Mscrpt. ein ungrammatisches „si vim**
steht, eine Lesart, die in „per vim^ vom Schreiber des Til. Mscrpts.
berichtigt sein könnte. — In Cap. 40 „pnellae 240 conponaf* bei T.,
wo die andern Texte „240 solides'' haben; das Wort „solides^ geht
mehrfach voraus und konnte vom Schreiber des Til. Mscrpts. wegge-
lassen werden. — In Cap. 41 „filiis non filiae haereditatem relinquant"
bei T., wo die andern Texte „fUo^ lesen. — In Cap. 42, wo die an-
dern Texte bestimmen : es führe die Vormundschaft über eine Wittwe
ihr Sohn, und „si filius forte defuerit, /ra*w idem defuncti*^, setzt der
Text des Tilius dies verdeutlichend: „qui frater, id est defuncti";
der Ausdruck der Lex war unbequem, um ihn zu verbessern, ist auch
im Corv. Mscrpt. das in ihm geschriebene „idem^ in „iUius" corrigirt. —
In Cap. 42 „si frater non fuerit, si proximus'' bei T.: das sinnlose „si^
fehlt in den andern Texten, mnfs ein Schreib- oder Druckfehler sein. ^
In Cap. 43 „parat um habens precium^ bei T., gebessert fär „pa-
raUan habens pecuniam^ der andern Texte, welche Worte den von der
Lex gewollten Sinn ungefüge ausdrücken. —- In Cap. 46 „Qui filium
aut filiam genuerit et filius uxore ducta filium genuerit, etc.^ bei
T., für „Quißiam ac ßlium habueril, et filius uxore ducta et filium ge-
nuerit etc.^ in den andern Texten. — In Cap. 46 „id est ad nepotem"
bei T., wo das „ad'' in den andern Texten fehlt. — In Cap. 47 „An-
grarii" bei T., wie bei Herold, für „Angara" im Corveier Mscrpt. —
In Cap. 47 liest Tilius: „si foemina filios genuerit dotem (fUr „kahetU
dotem" der andern Texte) quam in nuptiis accepit quamdiu vivit
filiosque (für „ßUisque" der andern Texte) dimittat''. Ein falsches
Yerstandnifs der Stelle scheint hier den Verfasser des Tiliusschen Textes
zu Aenderungen verleitet zu haben. — In Cap. 47 „dotem proximi in
haereditatem accipiant'' bei T., für das gewifs ursprüngliche „proximi
ejus" in den andern Texten. — In Cap.. 47 „si autem filios non ha-
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bnerit, sioque diem obierit" bei T.; die gesperrt gedrackten Worte
fehlen in den andern Texten und sind ein erläatemder Znaatc der Til.
Handschrift. — In Cap. 47 lesen die andern Texte ^postqnam muUer
filioB genuerit dotem amitiat, »i autem non genuerit, ad dies snos dotem
possideat'' ; bei Tilios sind die cursiv gedrackten Worte weggelassen,
die Stelle laatet bei ihm sinnlos: „postqnam filios genuerit ad dies
snos dotem possideat**. — In Gap. 49, wo die andern Texte „300 «o-
lidoM'' haben, läfst Tilius das Wort „solidos"' weg. — In Cap. 55 „et
hominem oppresserit^ bei T., für „hominem-^pue oppresserit'' in den
andern Texten. — In Gap. 56 lesen Herold und das Gorveier Jfserpt.
„Qui laqueum fossam-oe feoerit etc.*^, das Spangenb. Mscrpt. „Qui Isr
queum fossam vel fecerit", und der Til. Text ,)Qai fossam vel la-
queum fecerit". Das ursprangliohe „ye" wurde entstellt in »vel*',
und der Schreiber der Til. Handschrift änderte die nunmehr unpassend
erscheinende Stellung der Worte. — In Gap. 60 lesen die andern Texte
„Qui in fossam vel sudem acutam 9uae vel alienae sepis, pecus quod-
libet agitaverit", und der Til. Text setzt ftlr die cursiv gedruckten
Worte „vel alienam sepem^ — In Gap. 62 „nee heredem suum
exheredem faciat^ bei T., wo ftlr „nee" die andern Texte „yi^ lesen;
ich halte „nee" für eine falsche Aenderung der TiL Handschrift, die
aber auch Lindenbrog in seinen Text aufoahm, und in der Eichhorn,
Deutsche Rechtsgeschichte 1. p. 837, die ursprüngliche Lesart erkennen
will. — In Gap. 63 „si ocoupatos oontradixerit, campo dei judi-
cetur" bei T., für „si oeeupator oontradixerit campo eUjudiceiyr*^ im
Heroldschen und Gorveier Text, und „campo judieehtr'^ im Spang^snb.
Mscrpt In „campo di-iudicetur" des Originaltextes scheint das Spang.
Mscrpt. das „di" weggelassen, und die Til. Handschrift es irrig in „dei"
geändert zu haben. — In Gap. 64 „qui tunc super ipsa re constitutns
est" bei T., für n^psas re«" in den andern Texten. — In Cup. 64 „ven-
dat cum cuicunque volnerit" bei T., fUr „libuerW in den andern
Texten. — In Gap. 66 enthält der Til. Text Zusätze über den Wertb,
zu dem Naturalproducte bei der Zahlung von Bufsen angenommen wer-
den sollen, vergl. über sie oben S. 28 und 44.
§. •. nie Lindenbrogsehe Ausgabe der Lex Sixobub.
Die Grundlage der von Lindenbrog in seinem Codex iegum
antiquarum, Francofiirti 1613, p. 471—478, gelieferten Ausgabe
der Lex Saxonum, bildet der Text des Spangenbergschen Mana-
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scriptes der Lex Saxonmiiy weleheB damals Pitboe gebohrte und
das Lindenbrogy wie andere Handschriften von Piihoe, und na-
mentlich wie dessen Handschrift der Lex Salica, benutzte, Tgl.
oben 8. 21. Allerdings sagt Lindenbrog nicht, dafs er für die
Lex Saxonum eine Pithoesche Handschrift gebraucht habe; er
erwähnt in seinem Codex legum antiquamm p. 1337 nur: ,,Cete*
mm legem Saxonum innumeris locis ad Ms« yetnstis-
simum auximus; quod mönnisse sat erit, nam omnia indicare
snpervacanenm ''. Dafs aber dieses Manuscriptum yetustissimum
kein anderes als das Pithoesche war, scheint mir unbedingt an-
genommen werden zu müssen. In den Prolegomenis rersichert
Lindenbrog, indem er über seinen Codex spricht, er habe keine
Mühe und Kosten gescheut, um Handschriften der einzelnen Leges
zu erlangen, und fügt hinzu: „et manuscriptorum ex-
emplaria cum vulgatis editionibus Heroldi, Sichardi,
Boerii, Tilii, accurate contuli, yarias lectiones notari^), quae
corrapta erant restitui, amissa suppleyi^^ Er erwähnt
dann mit Dank der Unterstützungen, die ihm yon Einzelnen zu
Theil geworden sind: „potissimum antem Francisci Pi-
thoei Tricassini, nobilis et undecnnque doctissimi jurisconsulti,
bibliotheca ad hanc rem plura adjnmenta suppedi-
tayit, quam ulla reliquorum omnium; cujus etiam glossa-
rium in legem Salicam meo intertexui, etc/^ Aus der Bibliothek
des Franz Pithoe benutzte Lindenbrog, wie er im Jahre 1602
erklärt, eine Handschrift der Lex Salica für seine Ausgabe der-
selben, ygl. oben S. 21. Diese einst dem Pithoe gehörende Hand-
schrift der Lex Salica ist die oben S. 19 besprochene, welche
sich gegenwärtig im Besitz des Lord Ashburnham in England
befindet; in ihr sind yon Peter Pithoe, dem Vater des Franz
Pithoe, fehlende Blätter ergänzt, und ist yon ihm eigenhändig
der Inhalt der einzefaien „Theile'^ über dem Text yermerkt, ygl.
oben 8. 20. Mit diesem Manuscript des Lord Ashburnham bildeten
*) Lindenbrog Codex p. 1313 sq. giebt Varianten zur Lex Wiaigothoram,
zum Edictum Tbeodorici, zu den Leges Burgundionum, Salica, Bipuariorum
und Langobardorum; nicht aber zu den Leges Saxonum, Tburingorum und
Fiisionum.
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aber; wie erwiesen ist, die Spangenbergschen Pergamentblitter,
auf denen die Lex Saxonnm steht, einstmals einen Oodex, vgL
oben 8. 18; und es steht fest, dafs noch Peter Pithoe diese Per-
gamentblKtter besafs: er hat auf ihnen in gleicherweise wie im
Ashburnhamschen Manuscript, den Inhalt der einzelnen ,,Theiie'^
Über dem Text eigenhändig vermerkt, vgl. oben 8. 20. Offenbar
waren also zur Zeit, als Peter Pithoe das Ashbumhamsche Ma-
nuscript und die Spangenbergschen Pergamentblfttter besafs, diese
Blätter noch nicht von jenem Manuscript gelöst, beide bildeten
damals zusammen den Pithoeschen Codex. Hat nun, wie aner-
kannt ist, Lindenbrog den Theil dieses Pithoeschen Codex, in
weichem die Lex Salica steht, und den wir jetzt als Ashbumham-
sches Manuscript bezeichnen, bei der Ausgabe der Lex Salica
benutzt, so drängt sich uns die Vermuthung auf, dafs er bei
seiner Ausgabe der Lex Saxonum auch den andern Theil jenes
Codex, den wir jetzt die Spangenbergschen Blätter nennen, ge-
braucht hat, und dafs unter dem „Manuscriptum vetustissimum'',
aus dem Lindenbrog seinen Text der Lex Saxonum berichtigt
und ergänzt zu haben erklärt, kein anderer Codex gemeint ist,
als eben dieser von ihm gebrauchte, in welchem die Lex Saxo-
num enthalten war. Freilich wissen wir nicht, wenn die Span-
genbergschen Blätter von dem Pithoeschen Codex abgelöst sind.
Peter Pithoe, der Besitzer beider Stücke des Codex, ist im J. 1596
gestorben; im Jahre 1602 hat Lindenbrog zu Paris die Lex Sa-
lica aus dem Codex herausgegeben, den damals Franz Pithoe,
der Sohn des Peter Pithoe, besafs, und hat dann im Jahre 1613
zu Frankfurt in seinem Sammelwerk der älteren deutschen Leges
die Lex Saxonnm, neben. dem aus dem Pithoeschen Codex bereits
1602 veröffentlichten Text der Salica, erscheinen lassen; sowohl
1602 als 1613 erwähnt Lindenbrog mit vielem Dank, dafs Franz
Pithoe ihn durch Darleihen von Handschriften unterstützt habe.
Berücksichtigt man dies, so wird man es als höchst wahrschein-
lich gelten lassen müssen, dafs dem Lindenbrog der ganze unge-
theilte Codex von Franz Pithoe zur Benutzung überlassen worden
war. Wie dem aber auch sei, so bin ich überzeugt, dafs man
unbedingt genöthigt ist einzuräumen, dafs Lindenbrog die Span-
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genbergschen Blätter bei Beiner Ausgabe der Lex SaxoDum be-
nntzt hat, wenn man 1. die Stellen des Lindenbrogschen Textes der
Lex Saxonnm beachtet, die den andern uns bekannten Texten der
Lex Saxonnm fremd sind, während sie im Spangenbergschen Ma-
nuscript stehen; sowie 2. dafs nicht wenige ganz unzweifelhafte
Schreibfehler und Entstellungen des Spangenbergschen Mannacripts
im Lindenbrogschen Text enthalten sind, und 3. dafs vielfach die
Ton der der andern Texte der Lex abweichende Wortstellung des
Spangenbergschen Manuscripts auch bei Lindenbrog sieh findet.
Wer es leugnen will, dafs Lindenbrog das Spangenbergsche Ma-
nnseript benutat hat, mufs behaupten, dafs er statt dessen ein
anderes gebraucht habe, das in fabelhafter Weise mit ihm ttber-
. einstimmte und von dessen Existenz wir sonst nicht die geringste
Kunde haben. Da wir nun aber wissen, dafs Lindenbrog das
Pithoesche Manuscript benutzte, in welchem auch die Lex Saxo-
num stand, so ist eine solche gewagte Annahme, für die kein
irgendwie zwingender Grund existirt, entschieden zurückzuweisen.
Völlig unermittelt bleibt es allerdings, wie die 15 Pergamentblätter
des Piihoeschen Codex, auf denen die Lex Saxonum steht, von
dem übrigen Codex, welchen jetzt Lord Ashburnham besitzt, ge-
trennt worden sind, und auf welchem Wege sie in die Hände des
Hamburger Trödlers kamen, von dem sie Spangenberg erwarb.
Vage Vermuthungen, die man aufstellen möchte, dafs Lindenbrog
von Franz Pithoe das ganze Manuscript geliehen und bei der
Rückgabe die 15 Blätter desselben in Hamburg zurückbehalten
habe, und dafs es damit in Zusammenhang stehen möge, dafs ein
Trödler 200 Jahre später in Hamburg diese Blätter verkaufte,
können nicht weiter fUhren*).
Treten wir nun dem Text der Lindenbrogschen Ausgabe
1) Wenn Ganpp, Das alte Gesets der Thüringer, Breslau 1834, p. 283
in Betreff des Lindenbrogschen Codex bemerkt: „Ihm wurde eine reichhal-
tige, spftter in die Bibliothek des Johanneums zu Hamburg gekommene Hand-
schrift altdeutscher Rechtsquellen zu Qrunde gelegt '*, so ist das ungenau;
es befindet sich, soweit mir bekannt, auf der Hamburger Stadtbibliothek
nur die ron Lindenbrog benutzte Handschrift der Lex Bipuariorum, die früher
dem Stift Corvei gehörte.
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näher y so halte ich es fttr ganz unzweifelhaft, dafa Linden-
brog in ihr das Spangenbergsche Manuscript, sowie
die Ausgaben der Lex von Herold und Tilius- benutzt
hat; Ton den Sammelwerken der beiden letzten erwähnt er aus-
drücklich in seinen Prolegomenis, dals er sie für den Codex Le-
gum verglichen habe. Eine weitere Frage aber ist, wie Linden-
brog bei der Benutzung dieser drei Texte verfahren ist, und ob
er auüter ihnen noch einen andern gebraucht hat?
Meiner Ansicht nach legte Lindenbrog den Text des Spangen-
bergschen Mannscripts seiner Ausgabe der Lex Saxonum zu Grunde;
theilte diesen Text nach Herolds Ausgabe in gröfsere Abschnitte
mit üeberschriften, und berichtigte ihn ans den Ausgaben von He^
rold und Tilius, wo es ihm schien, dafs sie bessere Lesarten ge-
währten als das Spangenbergsche Manuscript; aufser diesen Quel-
len standen ihm für die Lex Saxonum keine anderen zu Qebote,
wie er denn namentlich das Gorveier Mannscript nicht benutzte.
Dafs Lindenbrog wirklich bei der Hersteilung seines Textes
in dieser Weise verfuhr, ist nnr dadurch zu begründen, dafs man
die wichtigeren Abweichungen des Lindenbrogschen Textes von
den drei anderen Texten im Einzelnen durchmustert; eine darauf
abzielende Zusammenstellung liefert eine Anmerkung am Schinfe
dieses Paragnq)hen, hier aber bedarf es noch einer kurzen Er-
örterung über die Art, wie Lindenbrog aus Herold die Einthei-
lung der Lex Saxonum in gröfsere Abschnitte entnommen hat,
die er Gapita und nicht, wie Herold, Tituli nennt ^). Das Verhält-
nifs der Heroldschen Titel der Lex zu den kleinen Gapiteln, in
welche sie in dem Spangenbergschen und Gorveier Manuscript,
sowie in der Tiliusschen Ausgabe, getheilt ist, zeigt die unten
hinter §• 7 eingerückte üebersichtstafel der verschiedenen Einthei-
') Es entsprechen den folgenden Titeln von Herold die daneben einge-
klammerten GapiU Lindenbrogs: Herold Tit.! (Lindenbr. Cap.I), II (Lind. II),
jn (Lind.m), IV (Lind. IV), V (Lind. V), VI (Lind. VI), Herold VI (Lind.
VH), Her.Vn (Lind. VII), VUI (Lind. VIÜ), IX (Lind. Dl), X (Lind.X),
Herold XI J.1-3 (Lind. XI), Herold XU u. XI §. 4 u. ö (Lind. XU),
Her. Xm (Lind. XIH), XIV (Lind. XIV), XV (Lind. XV), XVI (Lind. XVI),
XVH (Lind. XVU), Her. XVUI (Lind. XVUI).
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•
langen der Lex Saxonam. Die Lindenbrogsche Aosgabe giebt
den grOfseren Abschnitten der Lex dieselben Ueberschriften, die
bei Herold stehen; nur der Titel U ist überschrieben „De occisio-
nibns'' statt ,yDe homicidiis'S und Titel XVII ,,De conjugio^' für
„De liti conjagio''; dafs die Heroldsche Ueberschrift von Titel II
dem Inhalt der unter ihr zusammengefafsten Capitel nicht ent-
spricht, habe ich 8.50 erörtert; das Auslassen des Wortes „litus**
in der Ueberschrift von Titel XVII verdient aber bei Linden-
brogs ungenauer Benntsung seiner Quellen keine nShere Beach-
tung. Seltsam ist es, dafii Lindenbrog zwei Titel der Lex mit
No. Vlly und Herold zwei Titel mit No. VI bezeichnet Sehr an-
schaulich zeigt sich das Herttbemehmen Heroldscher Titelttber-
schriften durch Lindenbrog, bei dem Heroldschen Titel XH, d. i.
dem Capitel 57 des Spangenbergschen und des Corveischen Codex
oder dem Capitel 55 bei Tilius. Bei Herold stehen nfimlich die
wenigen das Capitel 57 bildenden Worte erst hinter den Capiteln 58
und 59 des Spangenbergschen und des Corveischen Codex (oder
der Tiliusschen Cap. 56 u. 57), und Herold überschreibt sie, indem
er aus ihnen einen Titel bildet, „De animali quod damnum dat^^
Lindenbrog ist hier in der Reihenfolge der Sätze dem Spangen-
bergschen Mannscript gefolgt, hat über die Worte des Capitel 67
die ueberschrift von Herold gesetzt, und zu dem mit ihnen über-
schriebenen Abschnitte (d. i. seinem Abschnitt XII) di^ dahinter
folgenden Capitel 58 und 59 als §§. 2 u. 3 geschlagen ^), Unerachtet
der Inhalt der beiden Capitel in keiner Weise der Titelüberschrift
entspricht; man beachte namentlich Capitel 59 (bei Lindenbrog XII
§. 3): „Si ferrum manu elapsum hominem percusserit, ab eo cujus
manum fugerat componatur, excepta faida'^
Anmerkung über Lindenbroge Benutzung der älteren Texte der Lex
Saxonum.
a) Lindenbrog hat seiner Ausgabe der Lex Saxonum
das Spangenbergsche Manuscript zu Grunde gelegt; dies
beweisen vor Allem die oben im §. 1 besprochenen Zusätze über
1) Ein Irrthum von Gaertner Leges Saxonum p. 97 ist es, wenn er aa-
giebt, dalls diese beiden Capitel bei Lindenbrog fehlen.
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territoriales Recht, die er mit einigen offenbar von ihm herrüh-
renden oben S. 3 Note 1 verzeichneten Correctaren ganz wie das Span*
genbergsche Manuscript hat, während sie nach ihrem Inhalt in der
ursprünglichen Lex Saxonum nicht gestanden haben können und in den
andern Texten fehlen. Wären diese Zusätze von Lindenbrog aus einem
andern als dem Spangenbergschen Manuscript genommen, so müfste
dies in unglaublicher Weise mit ihm Übereingestimmt haben, da die
fragmentarischen elend stilisirten Zusätze bei Lindenbrog in derselben
Weise, wie im Spangenbergschen Manuscript, an unpassenden Stellen
in den Text eingeschoben sind, und wie dort den Zusammenhang der
Sätze, denen sie eingefügt sind, sinnlos unterbrechen, vgl. S. 6 u. S. —
AU weitere Belege für Lindenbrogs Benutzung des Spangenbergschen
Manuscripts greife ich folgende Beispiele heraus: in Cap. 5 ,|Wltavam''
bei Lind., wie im Spang. Mscrpt, statt des richtigen „wlitiwam*^ bei
Herold (und im Corv. Mscrpt.). ~ In Cap. 5 „solid. 240 culpabilis
judicetur" bei Lind., wo die gesperrt gedruckten Worte im Spang.
Mscrpt. stehen und ein in den andern Texten fehlender unnöthiger
Zusatz sind. — In Cap. 8 „quicunque gladio stricto super alium cu-
currerit" bei Lind., wo „alium" nur im Spang. Text steht, die andern
Texte und auch das Inhaltoverzeichnifs des Spang. Codex dafür „alterum^
lesen. — In Cap. B „in manu liti sui vel in armata juret^'bei Lind.,
wo das Spang. Mscrpt. „in sua armata\ Herold nur „sua armata" ge-
währt, und bei Tilius „per sua arma" (im Corv. Mscrpt. „in sua arma**)
steht. Die Lesart „armata" hielt Lindenbrog, ich meine irrthümlich,
für die richtigere, liefs aber das ihm anstöfsige »sua" weg, das er auf
„litus" be^og. — In Cap. 13 „pollex totus abscissus 240 solid, com-
ponatur, si dimidius 170 componatur" bei Lind., wo für diese fal*
sehen im Spang. Mscrpt. stehenden Summen die andern Texte richtig
360 und 180 Solidi haben. — In Cap. 13 „duo (digiti) membra 140 sol.«
bei Lind., wie im Spang. Mscrpt, statt 160 Solidi, wie die andern Texte
richtig lesen. — In Cap. 16 „solvatur aut solido majori" bei Lind.,
wie im Spang. Mscrpt. , während Herold (und das Corv. Mscrpt.) für
das falsche „aut" richtig „autem^ lesen. — In Cap. 18 „et vindicetnr
in illo et aliis Septem de consanguineis ejus ad propinquos
occisi'' bei Lind., übereinstimmend mit dem Spang. Mscrpt, nur dafs
Lind, „et aliis" für „et alii" im Spang. Mscrpt bessert, wo die andern
Texte richtiger „et aliis Septem consanguineis ejus a etc." lesen. — In
Cap. 30 „qui alvearium apum infra sepem" bei Lind., wie im Spang.
Mscrpt., nur dafs Lind, „sepem" für „sepe" bessert, während die«ndern
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Texte und «ich daa Inhaltsveneichiiils des Spang. Msorpts. „infra
sepia*^ lesen. — In Gap. 40 „puellae 240 oomponat'' bei Lind., wie
im Spang. Mserpt., wo die andern Texte ^^240 3olido§ componat^ lesen,
and „BolidoB* anoh im Spang. Text aas dem Vorausgehenden ergänzt
werden mois. — In Gap. 42 „proximns paterni generis vel ejus con-
sangninens '^ bei Lind., wie im Spang. Mscrpt., wo in den andern Texten
das „vW richtiger fehlt.
b) Lindenbrog hat den Text des Spangenbergschen
Mannscripts ans den Aasgaben von Herold und Tilius ge-
ändert, wo ihm deren Lesarten mehr zusagten. Dafs Lindenbrog aus
Herolds Ansgabe dessen Titeleintheilung mit ihren Ueber-
schriften entnahm, wurde schon oben S. 79 erörtert; in Beziehung
auf den Text des Tilius ist als beweisend hervorzuheben, dafs er
ans ihm den Schlufssatz in Capitel 66 über Werthbestim-
mungen verschiedener Gegenstände entnahm, der im Spangenberg-
schen Manuscript, wie bei Herold, fehlt, vgl. S. 28. Als weitere Be-
lege führe ich an: in Gap. 11 „qui ambos, sol. 1440** bei Lindenbrog
ist ans Tilius entnommen, das Spangenbergsche Manuscript und Herold
lesen „W ambos, 1440 solid.*' — In Gap. 14 „interpremium 120 sol."
bei Lind, aus Tilius, für „ in premium " bei Spang. und Herold. — In
Gap. 17 „si a liberto vel lito** bei Lind, aus Til., wo Spang. und
Her. richtig „a libero vel lito" lesen. — In Gap. 19 „ille ac filii ejus
soll sint faydosi** bei Lind, aus Til. und Her., für das sinnlose „«^
9i iUi sunt*^ im Spang. Mscrpt. — In Gap. 20 „si ille sua sponte re-
versoB fuerit" bei Lind., aus Til. und Her., während die gesperrt ge-
druckten Worte nille" und „fuerit" im Spang. Mscrpt. ausgefallen sind. —
In Gap. 20 und 54 „ weregeldi^ bei Lind, aus Tilius und Herold, für
^wedre^ildi^ im Spang. Mscrpt — In Gap. 33 „Qui infra screonam"
bei Lind, für das entstellte „m sereonam^ des Spang. Mscrpts. , indem
ihm Tilius „infra streona*' und Herold „in sereona'^ gewährte. -- In
Gap. 36 „Quidquidvel in uno denario minus tribus solidis quislibet
fnrto abstulerit" bei Lind.; hier sind die gesperrt gedruckten Worte
aus Tilius entnommen, für die sinnlos im Spang. Mscrpt. stehenden
y,de uno de uno denario^ ; richtiger liest Herold (und das Gorv. Mscrpt.)
„vel uno denario*'. — In Gap. 39 „tribus de eadem provincia i doneis
testibus** bei Lind., indem er aus Tilius und Herold „idoneis*' setzt
für das sinnlose „id ett eis^ des Spang. Mscrpts. — In Gap. 40 „uxo-
rem ductums 300 solides det parentibus ejus*' bei Lind., indem er
„det*' aus Tilius und Herold iür das sinnlose „de^ im Spang. Mscrpt.
6
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aufnimmt. — In Cap. 40 „si per vim rapta «st** bei Und., indem er
ans Tilius „per vim" für das blolfle „otm^ des Spang. Mserpts. auf-
nimmt, während Herold (and das Corv. Mscrpt.) „vi^ lesen. — In Cap.il
„pater aut mater^ bei Lind., aus Tilius und Herold berichtigt für das
sinnlose „pater autem ei mater" desSpang.Mscrpts.— InCap.4ö „filium-
que genuerit" bei Lind, aus Tilius und Herold, für das unrichtige
„filium ^t genuerit" des Spang. Mscrpts. — In Cap. 46 „qui filium
aut filiam habuerit" bei Lind., wo das Spangenb. Mscrpt. und Herold
richtig „qui filiam ac filium habuerit'' lesen, und Lind, nach Tilius,
bei dem „qui filium aut filiam genuerit^ steht, falsch geändert hat —
In Gap. 47 „Ostfalai et Angrarii volunt'' bei Und. aus Tilius und
Her., für das sinnlose „autfaida et angaria volunt'' im Spang. Mscrpt —
In Gap. 47 „sicque diem obierit'' bei Lind., ein unnöthiger ZimoAe,
den nur Tüius hat^ Und der dem Spang. Mscrpt. wie Herold (und dem Corv.
Mscrpt.) fremd ist. ~ In Gap. 47 ist bei Lind, seltsamer Weise die bei
Tilius ausgefallene Zeile „dotem amittat ; si autem non gemurii^ hinter
„genuerit" weggelassen; während sie richtig im Spangenb. Text
wie bei Herold (und im Gorv. Mscrpt.) steht ^ In Gap. 49 „et si cum
matre^ bei Lind., wo das im Spang. Mscrpt. fehlende „tt" aus Tilius
und Herold ergänzt ist. — In Gap. 50 „dominus emendet^ bei Lind.,
wie im Text von Tilius und von Herold, während im Spang. Mscrpt.
,1 dominus aejut emendet*' steht. — In Gap. 51 „si servus scelos ..
commiserit^ bei Lind., wo das im Spang. Mscrpt sinnlos ausgefallene
jyservus'^ aus Tilius und Herold ergänzt ist. — In Gap. 54 „si arbor ab
alio praecisa^ bei Lind. fQr „ab illo^ im Spang. Mscrpt, das „alio"
ist aua Tilius und Herold gebessert. — In Gap. 56 „Qui laqueum fos-
samve" bei Lind, aus Herolds Text, für „Qui laqueum fossam vel^ im
Spang. Mscrpt; Tilius hat „fossam vel laqueum*'. -- In Gap. 58 „Si
fossa vel laqueus'^ bei Lind, aus Tilius und Herold, während irrig im
Spang. Mscrpt. „Si quis fotsa etc.'' steht. — In Gap. 58 sind bei Lind,
die Schlulsworte „aquo parata sunt componatur", die im Spang.
Mscrpt ausgefallen, aus Tilius und Herold ergänzt, — In Gap. 60 „Qui
in fossam, vel sudem acutam, vel alienam sepem, peous quodlibet.
agitaverit (für „sagitaverit^ im Spang. Mscrpt.) , ibique confixum vel
cadens perierit" bei Lindenbr., sind die gesperrt gedruckten Worte aus
Tilius aufgenommen , während das Spang. Mscrpt. und Herold (sowie
das Gorv. Mscrpt) statt ihrer richtig lesen : „ 9uae veL alunae »epU ". —
In Gap. 62 „nee heredem ^ bdi Lind, aus Tilius, für „u/ heredem" im
Spang. Mscrpt. und bei Herold (sowie im Gorv. Mscrpt). Ich halte „ut^ für
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83^
richtig, Eiohhoni Deutsche Bechtsgeach. 1. p. 837 vertheidigt „nee". —
In Gap. 63 „campo dijndioetnr" bei Lind, ans Herold, für „oampo
judieHur** im Spang. Mseipt.; Tilins liest unrichtig „campo dei judi-
cetor*'. — In Gap. 64 „cuicunque voluerit" bei Lind, aus TUius,
für ,,enioanque Ubuerit" im Spang. Mscrpt. und bei Herold (sowie im
Gonr. Mscrpt.). — Ueber Gap. 66 vgl. oben S. 81 lit. b.
c) Vermeintliche Teztesverbessernngen Lindenbrogs
sind: in Gap. 7 „vel cum XII. manu juret" bei Lind., wo das Spang.
Mscrpt. „vel cum XII juret'', und Herold und Tilius „vel undecima
manu juref' lesen. — In Gap. 19 „si mordrum totum'* bei Und.
halte ich für eine von ihm herrührende Gorreotur. Im Spang. Mscrpt.
steht wie in Herolds Text ^ymardum totum"^ welches aus „ mordh-totnm <<
verleoen scheint, da das Gorv. Mscrpt. dafür „mord-dotum" gewährt
Undenbrog kannte, wie sein Register zeigt, kein altdeutsches „mordh"
neben „mordr'S und bildet ans „mordri-toton 'S wie Tilius liest, „mor-
drum totum", indem er „totum" (d. i. Tod) für ein Uteinisehes
Wort hält. — In Gap. 36 suchte Undenbrog einen Zusammenhang in
die Sätze des Spangenbergm^hen Textes zu bringen, die durch die Em-
Schiebung der Verordnung über territoriales Recht zerrissen und ihres
Sinnes beraubt sind, vgl. S. 3 Note 1 ; die Worte „si litus 4; et con-
scius similiter", die im Spangenb. Manuscript, wie im Heroldschen,
Tflinsschen und Gorveier Text, stehen, hat er, weil sie in dem von
ihm befolgten Text des Spang. Mscrpts. keinen Sinn gewährten, weg-
gelassen, während ihr Vorhandensein im Spang. Text sich erklärt, wenn
man beachtet, wie sie den Schluls des durch das Einschiebsel über
territoriales Recht unterbrochenen Satzes bilden ; vgl. die oben S. 2 im
Zusammenhang abgedruckten Worte des Gsp. 36. — In Gap. 38 hat
Undenbrog den Zusatz des Spang. Mscrpts. über territoriales Recht
weggeblasen, der aus den fragmentarischen halbunverständlichen Wor-
ten „in qualicumque loco est, secundum legem illorum'' besteht, vgl.
S. 3. — In G^). 42 liest Undenbrog „si is (i. e. filius) forte defuerit,
qui frater est defuncti", wo statt der gesperrt gedruckten Worte
ursprünglich in der Lex stand: „frater idem defimdi^y wie das Spang.
Mscrpt. und Herold lesen. Undenbrog hat sich bei seiner Gorrectur
durch Tilius leiten lassen, der t, qui frater, id est defuneti" liest. —
Dafi» Lindenbrog eine Menge Schreib- oder Lesefehler des Spangenb.
Mscrpts., die sich unmittelbar als solche documentiren, ohne Weiteres
gebessert hat, kann nicht befremden: z. B. menbrum in membrum, na-
sum in nasus, u. s.w. Für einen einfachen Schreib- oder Druckfehler
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84 ,
halte ieh es, wenn Lind in Gap. 3 liest ,,8i sangninat sol. GCXX"
statt „120 solidoa^' in den andern Texten; dafs hier 120 und nicht
240 Solidi zn zahlen waren , ergiebt eine Vergleichung der daneben
aufgeführten Bafssammen.
d) Ansichten Neuerer über Lindenbrogs Ausgabe. Bis
zu Spangenbergs Hittheilungen im Jahre 1822 Aber das von ihm auf-
gefundene Manuscript der Lex Saxonum, welches wir nach ihm be-
nennen, war die Lindenbrogsche Ausgabe neben der von Herold und
der Ton Tilius fUr Ermittelung des urspranglichen Textes der Lex Sn-
xonum als Quelle zu benutzen, da sie mehrere Sätze und nicht wenige
Lesarten enthält, die sich in keinem andern der damals bekannten
Texte der Lex finden, und Lindenbrog sich auf ein Manuscriptum Te-
tustissimum beruft, aus dem er seinen Text berichtigt und erginst
habe. Die erste Ausgabe der Lex Saxonum, die seitdem erschien, war
die von F. Walter im Jahre 1824; er liefs in ihr Varianten aus dem
Spangenbergschen Manuscript neben Varianten der Lindenbrogsehen
Ausgabe abdrucken. Gaupp in seiner Ausgabe der Lex im J. 1837
setzte p. 77 afs feststehend voraus, dafs der Lindenbrogsehen Ausgabe
eine von dem Spangenbergschen Manuscript verschiedene Handschrift
zu Grunde liege, über die er p. 80 äufsert: „dafs sie der von Span-
genberg am nächsten stehe, obwohl jede auch wieder ihre kleinen
Eigenthümlichkeiten habe". Merkel Lex Saxonum 1853. p. 4 giebt
das Verhältnifs des Lindenbrogsehen Textes zur Heroldschen Ausgabe
und zum Spangenbergschen Manuscript in den Hauptpunkten richtig
an; doch kann ich ihm nicht beistimmen, wenn er es für nicht er-
wiesen hält, dafs das von Lindenbrog benutzte Manuscript das Span-
genbergsche sei, da doch „Einzelnes und namentlich die Stelle am
Ende des 36. Gapitels, dem Lindenbrog eigenthümlich bleibe''. In Folge
dieser Ansicht behandelt Merkel in seiner Ausgabe den Lindenbrogachen
Text als einen fünften uns erhaltenen Text der Lex Saxonum, und giebt
Varianten aus ihm neben denen der andern vier Texte an. Die von Linden-
brog im Gap. 36 der Lex vorgenommenen kleinen Aenderungen sind
oben S. 3 Note 1 besprochen worden, sie genügen nicht, um ein besonderes
Lindenbrogsches, von dem Spangenbergschen verschiedenes Manuscript
anzunehmen, vgl. S. 77. Aehnliche Auslassungen und Ungenauigkeiten
finden sich auch in mehreren anderen Ausgaben der Lex Saxonum, die
unbedingt keine besonderen Handschriften benutzt haben, vergleiche
unten S. 93 Nr. 4 und S. 94 Nr. 5.
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85
§. 7. Der Grondtext der |^ex SaxoBm.
In Tier Texten ist die Lex Saxonum anf uns gekommen, die
in den §§. 1 bis 5 besprochen wurden; zwei von ihnen kennen wir
ans Handschriften, die dem 9. und 10. Jahrhundert angehören,
und als die Spangenbergsche und die Corveier Handschrift der
Lex bezeichnet werden, die zwei andern dagegen sind uns nur
in den um die Mitte des 16. Jahrhunderts fast gleichzeitig ge-
druckten Ausgaben der Lex von Herold und von du Tillet zu-
gXnglich, denen zwei spurlos verschollene Handschriften zu Grunde
li^en. Aufser diesen 4 handschriftlichen Texten stehen uns keine
weiteren Quellen zur Ermittelung des ursprünglichen Textes der
Lex Saxonum zu Oebote, und namentlich darf Lindenbrogs Aus-
gabe der Lex nicht für diesen Zweck benutzt werden, da sie,
wie in §. 6 ausgeführt wurde, nur auf der Spangenbergschen
Handschrift, verbunden mit den Ausgaben von Herold und du Tillet,
bemht, und Lindenbrog sich für sie keiner weitem handschrift-
lichen Materialien bedient hat. Dafs früher noch andere Hand-
Schriften der Lex Saxonum existirt haben, kann keinem Zweifel
unterliegen'), doch fehlt es an jeder Spur, die auf das Vorhan-
densein einer andern Handschrift der Lex Saxonum hinwiese').
1) Widttkind von Coirei 1. c. 14 sagt: ^de legum yarieUte^ nostrum
non est in hoc libello disserere, cum apud plures inreniatur Lex
Saxonica diligenter descripta". MoniiiD. Germ. Scr. 3. p.424.
*) Einzelne Angaben über Handschriften mit sAchsischem Recht werden
ohne allen Grund auf die Lex Saxonum bezogen; das geschieht namentlich
mit einer Notiz, die in einer unter P. Ludewigs Praesidium yon Fuhrmann
rertheidigten Dissertation enthalten ist. Wie Gaupp, Recht und Verfas-
sung der alten Sachsen p. 79 anführt, bezieht Joh. GottL Müller, in seinen
Fragmentis obsenrationum ad veterem legem Sax. p. 17, diese Kotiz auf
die Lex Saxonum ; eine Angabe, die auch Merkel Lex Sax. p. 4 wieder-
holt, wohl ohne jene Notiz verglichen zu haben, ich setze sie her aus der
auf der Berliner KAnigL BibUothek befindlichen Dissertation, deren Titel lautet:
Differentias jurium in aetate puberum et majorum , praeside J. P. de Lude-
wig, respondebit C. H. Fuhrmann, Halae 1725. 4. Und das. p. 63 ist be-
merkt: ^Saepe questas sum, vulgarem legum Wisigothorum editionem ad-
Bodum esse mendosam; .. in Gallia egomet, Parisiis, meo aere redemi
hanun legum membranas; forma ejus libri, ut publicari solent libri nostri
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86
Vei^teichen wir niui die yier uns erhaltenen Texte der Lex
Saxonom mit einander, so liegt allen vieren eine sehr
ttbereinstimmende Fasanng der Lex sn Grunde. Em
tritt dies klar hervor , wenn man die als spiter rer&fot sieli
heraoflstellenden Zntiltze der einielnen Texte ans ihnen anaeeheidet;
nnd rwar: a) ana dem Heroidaehen Text, die ron Herold her-
rührende Eintheilnng in Titel mit ihnen Torgeaetsten üeber-
aehriften, vgl. oben 8.48 — 55; b) aoa dem Spangenbeigachoi
Text die yier vom Sehreiber in den Text hineingeaogenen Ex-
eerpte ans einem apiteren Geaetie, vgL oben 8. 1 — 18; e) ans
dem da Tifletaehen Text, die amSehlnase der Lex angefügten
Angaben über Sehitznngawerthe ans dem Gapitnlare Saxonicnm
von 797, TgL oben 8. 28, 44 nnd 46; nnd d) ans. dem Gorveier
Text, die am Sehlnsae der Lex angefügten Angaben über SchltEnngs-
werthe aoB dem Gapitnlare Saxonicnm von 797, vgl. oben 8. 28
n. 44 — 46, sowie die irrthümliehe Anfügung des sweiten Theiles
der Lex Thuringomm nnd die Einsehiebung der Gapitelübersehrift
Lex Franeorum, vgl. oben 8. 59 und 60. Ja nach Ausscheidung
dieser offenbar späteren ZnsStse seigt sich unter den vier Texten
in manchen Punkten sogar eine sehr auffidlende üebereinstim-
mung; das eclatanteste Beispiel dafür gewähren die Capitel 56
und 58 der Lex, indem in ihnen ein und dieaelbe Satsnng in
ehartooeit oetiipU; Ktterae retiistatem habent saecofi XIL AnimiiB est, rel
iDiiu edere rmriuites lecdones, Tel recodere eodieem totom; eiqne jün-
gere alias Normannicas, AndegaTenses, Saxonicas, Friaicfts,
quas in membranis possideo parlier mannseriptas*'. Beachtet
man, wie hier, nachdem amstandlieh Ton einer Handschrift der Lege«
Wisigothomm ans dem 12. JahrhnndeK gehandeh ist, flSchtig Handsdiriften
mit sächsischem, neben andern mit NonnJknnisdiem, Angersdbem und Frie-
sischem Recht, erwiJmt werden, so wird man darunter Hnndsehriften der
spiteren s&chsischen Rechtsbacher nnd nicht der Lex Saxonnm beseichnet
finden. — Dafs bei den in einer Papierhandschrift der Bibliothek des Grafen
Ton Leicester sn Holkham, rorhandenen Leges Saxonicae in latinnm
translatae, welche Pertz Archir 8. p. 504 ans einem Catalog Tom J. 1773
aaftkhrt, an eine latefaiische Uebersetsnng angelsidisischer C^eseUe, nnd nicht
an die lateinisdi abgefkiste Lex Saxonnm sn denken ist, scheint anch
Merkel Lex Sax. p. 3 einxnraumen.
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allen rier Texten sweimal steht, wie es nnrnSglich im Original
der Lex der Fall gewesen sein kann. Die beiden Stellen lauten:
Cap. &e (bei Herold: Titel XI §. 3) „Qai Uqneum fossamre ad
feras oapiendas fecerit, et haee damnum cnilibet feeerint, qoi eas
fedt mulctam solvat*.
Gap. 66 (bei Herold: Titel XI §.4) »Si fossa Tel laqnens ad
feras oapiendas praeparata, damnum qaodlibet feeerint, a quo parata
snnt conponator^. (Die 5 lotsten Worte fehlen im Spang.Manoseript)
Von ▼ersohiedenen Recensionen der Lex seigt
sieh in den Tier Texten keine Spur, da, wie oben 8.6 n. 18
erörtert wurde, die ZnsStse in dem Spangenbergschen Mannscript
niclit als wirkliche BestandMeile des in ihm enthaltenen Textes
betrachtet werden kOnnen, sondern nar Randglossen sind, die der
Schreiber ans der von ihm copirten Handschrift unpassend in die
einzelnen Sätze des Textes, bei denen sie beigeschrieben waren,
hineingezogen hat, ohne sie mit demselben in irgend eine Verbin-
dung zu bringen.
üeber den Werth jedes einzelnen der vier Texte,
sowie ttber ihr Verhältnüs zu einander und zu dem ihnen allen
an Grunde liegenden Originaltext, sind sehr Terschiedene Ansichten
aufgestellt worden, uud haben zum Theil in den einzelnen Aus-
gaben der Lex, die ich in der zweiten Anmerkung am SchluA
dieses Paragraphen chronologisch aufzähle, einen Ausdruck ge-
funden. Die ersten Herausgeber der Lex, du Till et und He-
rold, kommen hierbei nicht in Betracht, da wir keinen Grund
haben anzunehmen, dafs beide mehr als eine Handschrift der Lex
gekannt und benutzt haben. Lindenbrog hielt.den Text der
Pithoeschen Handschrift, oder, wie sie heute bezeichnet zu werden
pflegt, des Spangenbergschen Manuscriptes, für den besten, indem
er diesen seiner Ausgabe zu Grunde legte, und ihn nur aus den
Texten tou Herold und Ton du Tillet zu berichtigen suchte; ihm
folgte Leibniz in seinem Abdruck der Lex. Gaertner, der den
Heroldsehen, du Tilletschen und Lindenbrogschen Text kannte,
erklärte den Heroldschen für den bei weitem vorzüglichsten, und
gab ihn 1730 in seiner Ausgabe unverändert wieder; ihm traten
die Späteren meistens bei. Johann Mttller legte 1779 den
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dv Tilletoeheii Text seiner Avagabe so Onrade, die EJMij im
Jahre 1796 wieder abdrucken lieb; noch Eiehiiom Dentsdie Beehto-
geaebiebfte 1. p. 573 meinte, dafo der da Tilletache Text wesent-
liebe Vonttge vor allen Übrigen babe, und Oanpp Recht nnd Ver-
£urang der alten Sachsen p. V und p. 76 wollte ihm bei Ermii-
telnng des nrspranglieben Textes der Lex eine grolse Bedentnng
eingerinmt wissen. Perts in einer Notix, die er anf das erste
Blatt seiner mir für die Bearbeitnng der Lex eingehlndigten Ab-
schrift des Spangenbergschen Textes (dem Anschein nach im
Jahre 1826) schrieb, schlag vor, die ans erhaltenen Texte der Lex
sn ordnen: 1. Codex Spangenbeigensis, 2. Herold, 3. THins,
3*. Lindenbrog, 4. Codex Corbejensis. Merkel hat 1853 seiner
Aasgabe der Lex Saxonam den Text der Corveier Handschrift
xa Grande gelegt, and diesen an einigen Stellen aas den andern
Texten xa berichtigen gesucht; er numerirt die Texte: 1. Codex
Spangenbergensis, 2. Codex Corbejensis, 3. Tilius, 4. Herold,
5. Lindenbrog; nnd nimmt an, dafs sich im Heroldschen Texte
nnd in dem von Lindenbrog (wenn dieser anf einer eigenen Hand-
schrift beruhe) eine spätere G^talt der Lex erhalten habe.
Ich meinesthells halte den Heroldschen Text entschieden
ftlr den ältesten und besten, wie ich dies schon oben 8. 55 aus-
geflihrt habe, and meine, dafo er nach nothwendiger Ausscheidung
der ihm ursprünglich fremden, nnd nur von Herold aus Bequem-
lichkeitsrUcksichten beigefttgten Titeleintheilungen und Titelttber-
schriften, am wenigsten unter den vier uns erhaltenen Texten von
dem Text der Lex* Saxonum abweicht, der ihnen gemeinsam xu
Grunde liegt. An den Heroldschen Text reihen sich der T^xt
des Spangenbergschen und der des Conreier Codex; jenen halte
ich fttr die Abschrift eines dem Heroldschen Text näher stehen-
den Textes, der aber durch seinen elenden Schreiber arg verun-
staltet ist; diesen fttr eine, durch die mehr erwähnten Znsätxe
ihm femer gerttckte, im Uebrigen aber weit oorrectere Abschrift
eines ähnlichen Textes. Entfernter als diese beiden Texte steht
von dem Heroldschen Text der du Tilletsche Text; er ist der
jttngste unter den vier Texten, weicht am meisten ab von dem
ihm und den drei andern Texten xu Grande liegenden Text der
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Lex SftxoDiiiii; abgesehen von den oben beiproohenen Znsiteen
sind Beine meiBtens kleinen , aber lahlreiehen Abweichungen der
Art, dafii sie mich in der oben 8. 70 dargelegten Annahme ftthren,
der Schreiber sei beflissen gewesen beim Schreiben der Fassong
des Textes, den er abschrieb, ttberall, wo sie ihm mangelhaft schieui
durch kleine Aenderongen, Znsätse ond Anslassungen nach-
aohelfen.
Ist diese Beurtheilnng der vier erhaltenen anf Handschriften
bemfaenden Texte der Lex 8axonnm richtig, so muls bei einer
nenen Ausgabe der Lex nothwendig der Heroldsche Text an
Grande gelegt werden, unter Weglassang der in Herolds Abdruck
ihn entstellenden Titeleintheilungen und Titelttberschriften, sowie
unter Berichtigung von falschen Wort- und Satsyerbindungen, die
als von Herold herrührend gelten können. Einige Berichtigungen
bieten daneben der Spangenbergsche und Corveier handschrift-
liche Text, wie denn auch aus ihnen und namentlich aus iets-
terem manche unlateinische, von Herold beim Abdruck des Textes
beseitigte Wortformen wieder hiersastellen sein dürften. Der du Til-
letsche Text wird nach. seiner gansen Eigenthttmlichkeit fttr die
Bestituirung des älteren Textes der Lex kaum einen Beitrag lie-
fern können, wenn es auch an einselnen Stellen nicht ohne In-
teresse ist, au sehen, wie der Schreiber desselben die Lex yer-
standen hat
Ein Versuch, den Originaltext der Lex Saxonum
au reconstruiren, ist bei der Beschaffenheit der uns für die
Lex an Gebote stehenden Httlfsmittel unmöglich; die vier hand-
schriftlichen Texte, die uns von der Lex erhalten sind, fahren
auf einen ihnen an Grunde liegenden Text surttck, und thun es
in solcher Uebereinstimmung, dais wir diesen Text, so scheint
es, ziemlich sicher feststellen können, — dieser Text ist aber noch
keineswegs der Originaltext der Lex Saxonum 1 Dafs die Lex in
ihrer ursprunglichen Fassung nicht die Gapitel 56 und 58 ent-
halten haben kann, die dieselbe Satzung in nur wenig von ein-
ander verschiedenen Worten ausdrttcken, wurde 8. 87 bemerkt;
ebensowenig dürfte zum Beispiel, im Originaltext in Gapitel 36,
das Fredum des Litus, zu 4 Solidis angesetzt gewesen sein, vgl.
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oben 8. 58; ferner wird es aaeh der Lex, bei ihrer nrq>Tttngfieiieii
Pnblioation, nieht an einem bestimmten f9rmliohen Eingange ge-
fehlt haben ^); ob etwa sonst noeh einselne in der Lex Ursprung-
lieh enthaltene Bfttse ansgefallen sind, ist unbekannt, doeh ge-
brieht es an einem bestimmten Grande, es ansonehmen. Den Text
der Lex, der sich aas den vier handschriftlichen üeberliefemngen
desselben ergiebt, werden wir bis in die erste Hälfte des 9. Jahr-
hunderts surttckdatiren können, da ihn die Spangenbergsche und
die Corveier Handschrift, die dem 9. und 10. Jahrhundert ange-
hören, bereits als vorhanden Yoraussetsen. Fttr die Existenz dieses
Textes in jener Zeit spricht auch noch speciell, dab ich nadi
den 8. 6 gemachten Bemerkungen glaube annehmen su können,
der 8chreiber der 8pangenbergschen Handschrift habe die von
ihm in ungehöriger Weise in den Text gesogenen Notizen ttber
Anwendung des territorialen Rechtes als Randglossen in einer
Handschrift, die er copirte, vorgefunden; es enthielt dann bereits
jene ältere Handschrift, der die Randglossen, wie ich vermiithe,
fUr ihre bequemere Benutzung in der Praxis beigeechrieben waren,
den fraglichen Text
Nach den Worten, mit denen die Lex 8axonum in der He-
roldschen Ausgabe, in der Gorveier Handschrift und im 8pangen-
bergschen Manuscript beginnt, scheint sie in dem älteren Text
den Namen „Liber legis Saxonum'^ geführt zu haben*); die
1) Auch bei rielen Capitularien Karls des Grofsen fehlt in den ans
erhaltenen Texten der Eingang, snm Beispiel in -den Capitalis de partibiu
Saxoniae; erhalten ist er in dem Capitulare Saxonicum: „Anno ab inoar-
natione domini nostri Jesu Christi 797, et 30 ac 22 regnante domino Carole
praecellentissimo rege, convenientibus in unum Aquis palatio in ejus obse-
quio yenerabilibus episcopis et abbatibus, seu inlustris riris comitlbus,
5. kalendas Norembris, simulque congregatis Saxonibus de diversis pagis,
tarn de Westfalahis et Angrarüs, quam et de Ostfalahis, omnes unanimiter
oonsenserunt et aptificaverunt, ut etc.'' Perti Leg. 1. p. 75.
^ In Herolds Origiues lautet der Anfang der Lex Saxonum : «bi Christi
nomine incipit legis Saxonum über. De vtdneribiis. Titul.L Paragraph 1,
De ictu etc.", wo die cursiv gedruckten "Worte von Herold herrühren , wie
ich S. 50 ausfthrte; im Corveier Manuscript steht daD&r: „Incipit Hb er
legis Saxonum. 1. De ictu etc.^, und im Spangenbergschen Manuacript:
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•1
üebenehrift »VetiiB lex Saxonniii*< in der Aasgabe ▼onTtti»
mnft ihr erst später^ naehdem sie bereits als eine alte ersehien,
beigelegt sein^); mit Rttcksieht anf die Verschiedenbeit beider
Benennmigeii wird maD vielleicht verrnnthen dürfen, daßi die Lex
in ihrem Urtext nur als »Lex Saxonnm** bezeichnet war*).
Anmerkung Über die Eintheihmg der Lex Saxonum,
Eine üeberaichtstafel, die ich auf der folgenden Seite einracke,
zeigt, in welcher Weise die vier uns erhaltenen Texte der Lex ein-
getheilt sind; femer wie sich die einzelnen Abschnitte derselben ent-
sprechen! und mit welchen Zahlen sie in den vier Texten bezeichnet
sind ').
^Incipit cap: Über legum inprimis Sazonmn. 1. De icta eto.*', aof
welche Worte sun&chst das InhaltsTerseiclinila, dann der Text der Lex Saxo-
nnm folgt. Die beiden ersten Worte des Spang. Manuscripte „incipii cap."
(wie sie Ports in seiner Abschrift des Textes angiebt) werden in „incipiunt
eapitula*' aufgelöst, und scheinen vom Schreiber der Handschrift hersu-
rflhren, vgl oben S. 19 die Noten 1 und 2; ob das „incipit'', welches in
den drei Texten wiederkehrt, dem Urtext angehört» ist nicht au entscheiden.
') VieUeicht rflhrt die Beaeichnung „yetus'^ in der Ueberschrift „Vetns
lex Sazonnm" erst Ton Tilius her, er überschreibt aach : y, Antiqua Bajurariorum
lex** und „Antiguae Burgandionum leges'^.
*) Anft&hren will ich, daia Widukind von Corvei 1. c. 14 die Lex als eine
Lex S«xoniea beseichnet : „De legum rarietate nostnun non est in hoo libella
disserere, cum apud plures inveniatur lexSaxonica diÜgenter desoripta^.
Mon. Germ. Scrip. 3. p. 424. Die Worte Widukinds scheinen mir unleugbar auf
die uns erhaltene Lex Saxonum bezogen werden au müssen; zweifelhafter
dürfte das sein bei den Worten des Wippe, in der Vita Chuonradi regis c. 6 :
„reTersus rex de Ribuarüs ad Saxoniam renit, ubi legem crudelissimam
Saxonum secundum Toluntatem eorum constanti auctoritate roboravit*'. Mon.
Oerm. Scr. XI. p. 245.
*) Li dem auf S. 24 besprochenen Inhaltsrerieichnifs des Span-
genbergschen Hanuscripts ist Capitel 7 des Spangenbergschen Textee
nicht Terzeichnet, sind femer in Folge des Ueberspringens von Capitel 7 die
Capitel 8 bis 60 des Spangenbergschen Textes mit einer um eins geringeren
Zahl notirt, und fehlt auTserdem die Angabe der Capitel 6^ bis 66 des
Spangenb. Textes, die den Schlufs der Lex bilden.
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92
Im CortmierM&pt,
IndeiTUiuiÄutg.
In Heroldä Au9p.
.(aiMdem9.Jihrli.)
(»iudeialO.J«hrh.)
(gedraoktamia60.)
(gedr.im Jahre 1667.)
C»p. 1-10.
Gap. 1-10.
Gap. 1-10.
Titl. §.1-10.
C.11.
0.11.
0.11.
i. 11-16.
C.12.
0.12.
0.12.
§.16.
c. 13.
0.13.
0.13.
§.17-20.
Gap. 14-20.
Gap. 14-20.
Gap. 14-20.
Tit. II. §.1-7.
0.21.
0.21.
0.21 (I.Hälfte)
§.8.
C.22.
0.22.
o.21(2.Hälfte)
§.9.
0.23.
0.23.
0.22.
§.10.
Gap. 24-28.
Gap. 24-28.
Gap. 23-27.
Tit.m. §.1-5.
Gap. 29.
Gap. 29.
Gap. 28.
Tit. IV. §.1.
0.30.
0.30.
o.29(l.Hälfte)
§.2.
0.31.
0.31.
c.29(2.Hälfte)
§.3.
0.32-36.
0.82-36.
0.30-34.
§.4-8.
Cap. 37-39.
Gap. 37-39.
Gap. 35-37.
TitV. §.1-8.
Gap. 40.
Gap. 40.
Gap. 38.
Tit. VI. §.1-3.
Gap. 41. 42.
Gap. 41. 42.
Oap. 39. 40.
Tit. VI. §.1.2.
0.43.
0.43.
0.41.
§.3.4.
0.44.
0.44.
0.42.
§.6.
0.45.
0.46.
0.43.
§.6.7.
0.46.
0.46.
0.44.
§.8.
Gap. 47.
Gap. 47.
Gap. 46.
TitVII. §. 1-4.
Gap. 48.
Gap. 48.
Gap. 46.
Tit. VIII. §.uiiio.
Gap. 49.
Gap. 49.
Gap. 47.
Tit. IX. §.1.2.
Gap. 60. 51.
Gap. 60. 61.
Gap. 48. 49.
TitX. §.1.2.
0.62.
0.62.
0.60.
§.3.4.
. 0.63.
0.63.
0.51.
§.6.
C9p. 64-56.
Gap. 64-66.
Gap. 62-64.
Tit. XI. §.1-3.
0.67.
0.67.
0. 66,
Tit. XII. §. anic.
(UmsteUung!)
0.68.69.
0.68.69.
0.66.57.
TitXI. §.4.5.
Gap. 60.
Gap. 60.
Gap. 68.
Tit. XIII. §.ttiiic.
Gap. 61.
Gap. 61.
0^.b9.
Tit. XIV. §.1.
Gap. 62.
Gap. 62.
Gap. 60.
§.2.3.
Gh>.63.
Gap. 63.
CSap. 61.
Tit. XV. §.1.2.
Gap. 64 (ohne
Gap. 64.
Gap. 62.
Tit. XVI. §.uiiic
Schlufssatz).
0.64 (Schlafs-
Gap. 66 (I.Satz)
Gap. 63 (I.Satz)
TitXVII. §.1.
satz).
Gap.66(l.datz).
0.66 (2. Satz)
0.63 (2. Satz)
§.2.
0.66 (Forts.)
CSap. 66 (I.Hälfte)
Gap. 64(l.Hälfte)
Tit.XVIII.§.l-3.
(fehlt.)
o.66(2.Hälfte)
o.64(2.Hälfte)
(fehlt)
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Zur 1, und 2, Columne 8, 92, Im Spangenbergsohen and Gor-
veierManusoript sind die Gapitel flbereinstimmeiid bis zum Gap. 64
abgetiieilt und gezählt; das Gorveier Hanuseript bildet als Gi4>itel 65
dem Inhalt gemäfs ein besonderes Gapitel aus dem Schlufssatz von Ga-
pitel 64 und dem ersten Satz des Gapitel 65 des Spang. Manoseripts, vgl.
S. 24. Sodann fehlt im Spang. Manuscript, wie bei Herold, die zweite
Hälfte des Gapitel 65, welche im Gorveier Manoseript and in Tilios
Text aus Terschiedenen Zusätzen zur Lex gebildet wird, vgl. S. 28.
Zur 3. CoL Die Eintheilnng der Gapitel bei Tili us stimmt flberein
mit der im Spang. und Gorv. Manuscript, auiser dafs die Gap. 21 u. 22
im Spang. und Gorv. Manuscript in ein Gapitel (bei Tilins cap. 21), und
daTs femer die Gapitel 30 und 31 im Spang. und Gorv. Mannscript in
ein Gapitel. (bei Tilius cap. 29) verbunden sind. In der zweiten Hälfte
Yon Gapitel 64 bei Tilius sind die bereits vorstehend zu.GoL2 er-
wähnten Zusätze enthalten.
Zur 4. CoL Der HeroldscheTexthat statt der Gapiteleintheilung
eine Eintheilung in Titel, die in Paragraphen zerlallen. In wie weit diese
Paragraphen einzelnen (^apiteln der andern Texte entsprechen, und in
welchen Fällen einzelne Gapitel jener 3 Texte bei Herold in mehrere
Paragraphen yertheilt sind, ergiebt die Tafel. Die Reihenfolge der
Sätze ist bei Herold dieselbe, wie in den andern Texten, aufser dafs
Gi4>itel 57 (bei Herold Titel XII) erst hinter dem GM>itel 59 (bei He-
rold Titel XL §. 5) folgt.
Anmerkung über die Ausgaben der Lex Saxonum,
Von der Lex Saxonum existiren 13 Ausgaben, die in folgender
Reihenfolge erschienen sind:
1. Die Ausgabe von Tilius um das Jahr 1550, nach einer un-
bekannten Handschrift der Lex Saxonum, vgl. oben S. 68.
2. Die Ausgabe von Herold im Jahre 1557, nach einer unbe-
kannten Handschrift, vgl. oben S.47.
3. Die Ausgabe von Lindenbrog im Jahre 1613; er legt ihr
die Pithoesche Handschrift zu Grunde, die wir heute als Spangenberg-
sches Manuscript bezeichnen; und sucht ihren Text aus den Aus-
gaben Ton Tilius und Herold zu berichtigen, vgl. oben S. 78.
4. Godefr. Guilielmi Leibnitii, Scriptores Rerum Brnnsvioensium
HanoVerae 1707, 1 p. 77— 81. Er druckt den Lindenbrogsohen Text
ab. Bereits Gaertner Leges Saxonum p.45 erwähnt, dais im Gapitel 21
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(d. i. Herold ü. §. 8) bei Leitmiz Worte des Lmdenbr. Textes ansgefollen
and imGap.28(d.i.Her.II. S. 10) andere eingeschoben sind, Ygl.S.3. N.2.
5. Garol. Oail. Gsertner, Sazonum leges tres, Lipsise 1780. 4.
£r f flhrt p. 9 die Heroldsohe, Tilinsscbe and Lindenbrogsche Aasgabe
der Lex Sazonam an, and erklärt dann: „Nobis ad praesentem edi-
tionem parandam inservire jussimas Htrotdinam iectiotum, guippe guam
amnkmi aceurtUissimam eogfunimu» , variantes tarnen ex reliqais editio-
nibus sao loco adducere non negligemas" p. 10. Eine VeigleicboBg
des Gaertnerschen Textes zeigt, dals er ein vollstfindiger Abdruck des
Heroldschen ist, and dafs ihm nar eine Answahl von Varianten ana
Lindenbrog beigegeben, der Text des Tilias aber absolut ignorirt ist»
. so dafs Gaertner ihn Oberhaupt nicht verglichen haben kann. Der
Heroldsche Text ist auch da wiedergegeben, wo Gaertner sieh ge-
zwungen sah, den Lindenbrogsoben ffir richtiger zu halten; s. B. im
Capitel 11, wo in Gaertners Text, wie bei Herold, die BoTse ffir den
Verlust eines Auges auf 620 Schillinge gesetzt ist, und Gaertner
p. 19 dazu bemerkt: „Lindenbrog 720 Solid,, et rectius'^ Im Gap. 9,
welches von einem Wurf ins Wasser handelt, der nach Herolds Text erfolgt
ist, „de ponte, vel manu, vel ripa'S Terwirfk Gaertner p. 18 das für
„vel manu" bei Lindenbrog aus dem Spangenbergsohen Manoseript
entnommene richtige „velnavi^^ (welches auch Tilius und das Gorveier
Jfanuscript gewähren), und meint „manus" möge die Bezeichnung
eines Schiffes sein. Auch in der Eintheilung der Titel und Paragraphen
folgt Gaertner dem Herold, nur zählt er Herolds zweiten Titel VI als
Titel VII, und giebt dann den folgenden Titeln eine um eins höhere
Zahl als sie bei Herold führen. Die andern vorhandenen Abweichungen
des Gaertnerschen Textes von dem Herolds, die er in seinen Noten
nicht erwähnt, beruhen wohl nuranf Ungenanigkeit; ich führe an: in
Gap. 10, wo Herold liest: „et ita in aquam" ist bei Gaertner p. 18 das
„ita" ausge&llen; im Gap. 13 (d.i. bei Gaertner Titel L §. 16) ist bei
Gaertner p. 20 das „vel manus*' ansgefidlen, welches bei Herold
and in allen andern Texten steht; im Gap. 61 hat Gaertner p. 100 das
bei Herold gedruckte „vinditiones'' in „venditiones" gebessert; und
im cap.64, wo Herold liest „vendet eam cuicunque Ubuerü" steht für
„libuerif' bei Gaertner p. 108 „voluerit'', wie es sich bei Lindenbrog
findet, der es ans Tilius au%enommen hat.
6. Georgisch, Gorpus juris Germanici antiqui, consilio J. G. Hei>
neecfi, Hai. 1738. 4, Folgt in der Lex Saxonum der Gaertnerschen
Ausgabe.
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7. Johan. Gottl. Hüller, Fragmente obserrationnin ad Teterem
lagern Saxonom. Upaiae 1779. 4., druckt den Text dea TiliuB ab (?),
wie Ganpp Recht der Sachsen p. 78 angiebt, aus einem mit dem 6e-
sammttitel versehenen Exemplar von dessen Leges.
8. Canciani, Barbarorum leges antiquae. Venet. 1781. foL, giebt
in der Lex Saxonum den Gaertnerschen Text wieder.
9. Chris. Heinr. Gottl. Köchy, Thesaurus juris saxonici, Ups. 1796.
T.I. Sect.1. p. 30—66; ein Abdruck der MüUerschen Ausgabe (?).
10. £. Spangenberg, Beiträge zu den teutschen Rechten des
Mittelalters, Halle 1823, liefert keinen vollständigen Abdruck der Lex
Saxonum, aber auf p. 186 folg. Lesarten aus dem Spangenbergschen
and dem Gorveier Manuscript, vgl. oben S. 18 und 66.
11. Ferd. Walter, Corpus juris Germänid, Berolini 1824. 8.
1. p. 383. £r druckt Gaertners Text mit einigen Aenderungen ab
und fügt einzelne Varianten bei, die entnommen sind aus Herold und
Lindenbrog, sowie aus Spangenbergs Mittheilungen über den Spangen-
bergschen und Corveier Codex. Die Ausgabe des Tilius berücksichtigt
er nicht Die Varianten aus den beiden Handschriften konnten bei Walter
nicht Yollständig und genau angegeben werden, die aus den Ausgaben von
Herold und Lindenbrog sind es nicht; vgl. z. B. im Titulus L bei
Walter 1. p.383 in Note/: „al. manu", wo einzig und allein Herold
„manu'' liest Note y: „Spang., Herold et Lind.: et ita''; wo ita in
allen Texten steht und Walter es in seinem Text lediglich nach Gaert-
ners Aufgabe wegläfst, in der es nur durch Versehen beim Abdruck
des Heroldschen Textes ausgefallen ist. Note •: „al. edit. DCXX sol.",
für die richtig in den Text aufgenommenen 720 Solidi, während He-
rold und das Corv. Manuscript 620 Sol. haben und nur das Spang. Manu-
script, und aus ihm die Lindenbrogsche Ausgabe, die richtige Zahl 720
gewähren. In Note Ar wird zu den von Walter im Text des Capitel 12
(bei Walter 1. §. 16) eingeklammerten Worten „vel manus" bemerkt
„desnnt in omnibus edit.", sie stehen aber in allen Texten und sind
nur in Gaertners Abdruck des Heroldschen Textes ausgefallen.
12. E. Th. Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen,
Breslau 1837. Der Text ist im Allgemeinen der von Gaertner, also
mittelbar der Heroldsche, doch hat ihn Gaupp an einigen Stellen durch
Aufnahme von Lesarten aus den andern Texten und insbesondere aus
dem des Tilius berichtigen zu können gemeint. In Betreff der beige-
fügten Lesarten wird p. 80 erklärt, „dafs bei ihrer Mittheilung die
Ausgabe von Walter im Allgemeinen zu Grunde gelegt sei''. Und wenn
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aach daneben von Ganpp ans der Ausgabe des Tilios, die Walter
nicht benatzt hat, und den andern Texten einzelne Lesarten naohge-
tragen sind, so ist doch das ganze Lesartenverzeichnifs so unvoUstiUidig
and in vielen Fällen so unrichtig, dafs es als unbrauchbar gelten mofs.
13. Job. Merkel, Lex Sazonum, Berlin 1853. Er druckt mit
einigen Aenderungen den Text des Corveier Codex ab, und verzeichnet
Varianten aus den drei andern Texten, sowie aus Lindenbrogs Aus-
gabe, bei der er die Benutzung einer besonderen fünften Handschrift
nicht zu leugnen wagt, vgl. S.84. Beispiele von Ungenauigkeiten in
Merkels Variantenangaben vgl. S. 26 Note 1 ; Ober seine Auf&ssnng
der Aber dem Capttel 34 im Corveier Hanuscript stehenden Worte
„Lex Francorum", vgl. S. 62. Als St9iUn, in denen Merkel den Corveier
Test aue den andern Testen mit Recht geändert hat, führe ich folgende
an: in Capitel 11 „720 solidos", als Bufse für ein AngCi ans dem
Spangenbergschen Manuscript aufgenommen, während im Corveier Text,
wie bei Herold, flUschlich die Zahl 620 steht; — im Cap. 17 „36 sol.*'
aus den andern Texten, während falschlich im Corv. Manuscript „35 sol."
angegeben sind; — in Cap. 19, wo das Corv. Manuscript „et ab illo"
liest, wird das in den andern Texten fehlende „et" richtig getilgt; —
in Cap. 37 sind die im Corv. Manuscript ausgefallenen Worte „palatium
vel de" aus den andern Texten richtig ergänzt; — in Cap. 51, wo
das Corv. Manuscript „dominus et pro illo" liest, und Merkel fflr das
„et", den andern Texten entsprechend, „ejus" setzt — Nicht ßtr
richtig hatte ich /olgende Aenderungen des Corveier Textee: in Cap. 8
liest das Corv. Manuscript „in . . sua arma", Tilins „per sua arma", und
Merkel ändert „in . . sua armata", wie Herold und das Spang. Manuscript
lesen ; — in Cap. 16 liest das Corv. Manuscript „solvatur autem solide
majori", wie Herold; Merkel ändert „autem" in „aut", das im Spang.
Manuscript und bei Tilius steht; — in Cap. 19 hat das Corv. Manu-
script „si mord-dotum quis fecerit", und Merkel ändert unrichtig in
„mordum tetum", wie das Spang. Manuscript und Herold lesen; —
in Cap. 33 ändert Merkel in den Worten „Qui in screona aliquid fu-
raverit" ohne Grund das „qui" in „si", und giebt nar an, dafs das
Corv. Manuscript „qui" liest, während dies auch im Spang. Manuscript,
sowie bei Herold und Tilius der Fall ist; — in Cap. 41 liest das Corv.
Manuscript unrichtig „pater autem mater", und Merkel nimmt für
„autem" das im Spang. Manuscript stehende „autem et" in den Text
auf, während „autem" aus „aut" verlesen ist, welches Herold und
Tilius gewähren.
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Capitel ir. Die Lex Saxonum ist ein gleichzeitig
verfafstes Gesetz.
{. 8. Merkels Zerle^ng der Lex Saxonnn in drei St&eke.
JohanneB Merkel hat in der Einleitong seiner Ausgabe der
Lex Saxonum y Berlin 1863 p.6, die Behanptnng aofgestellti die
Lex Saxonom sei nicht gleichzeitig, sondern stückweise sn drei
▼ersehiedenen Zeitpunkten abgefafst worden, nnd xwar Capitel X
bia 23 (d. i. Herolds Titel I n. 11) nms Jahr 782, jedenfalls vor 785;
Capitel 24 bis 60 (d. i. Herolds Titel m bis XIU) zwischen den
Jahren 785 nnd 797; und Capitel 61 bis 66 (d. i. Herolds Titel XIV
bis XVm) nach dem Jahre 797, frUhestens 798. „Diese dreifache
Gesetsgebnng, die Merkel für unwiderleglich beurkundet hUt, sei
dann, wie er glaube, auf dem Aachener Reichstage anno 802 ohne
weitere Ueberarbeitung in die Form des Gesetzbuches gebracht
worden, welches wir aus Herolds Ausgabe kennen lernen*'^).
f) D&fis in der Lex Saxonom ihrem InluJt n»ch Tersohiedene BesUnd-
thefle Bich nnterseheideii lassen, hatten auch Aeltere ansgeAhrt, i. B.
Spangenberg Beiträge 1822 p. 181: „Die Conreier Handschrift flber-
schreibt den Theil des s&chsischen Bechtsbuchs , welcher mit Gap. 24 be-
ginnt und bis an das Ende fortl&nft: Lex Franoonun. Sollte man hieraus
nicht schliefiien dürfen, dafs die ersten 23 Capitel gerade aus den uralten
sftchsiachen Gesetzen und Gewohnheiten, nachdem sie der christlichen Re-
ligion angepabt waren, genommen sind, wogegen der Best, Ton dem 24. Ca-
pitel an gerechnet, von den fr&nhischen Kernigen hinsugeftg^ worden sei?
Denn gerade in Cap. 24 und 26 geschieht der frinkischen Könige und des
Palatii regis Brw&hnung, welches nicht eher gedenkbar war, als nachdem
die Sachsen ihre freie Verfassung rerloren hatten und unterjocht waren.
Sollten nicht gerade die ersten Capitel 1 bis 23 die vielbesprochene Swa
Saxonum enthalten? Sollte endlich nicht hieraus Bieners Ansicht best&ttgt
werden, dals schon vor 788 ein geschriebenes sl^hsisches Bechtsbuch, nimlich
dieae Ewa Saxonum existirt habe?'' Vgl. auch die {. 64 angefthrte Stelle
von Wigand aus dem Jahre 1822, und Eichhorn Deutsche Beditsg. 1.
p. 672: ,,Man kann in den Gesetzen der Sachsen deutlich swei Bestand-
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loh halte diese Ansicht in allen ihren Säteen fttr verfehlt,
nneraohtet sie vielfach Zostimmang gefanden hat^).
Zunächst ist gar kein Grand vorhanden zu der gewagten Be-
haaptungy dab in dem Heroldschen Text eine von dem Text der
drei andern Quellen ^ aus denen wir die Lex kennen, verschie-
dene Form vorliege, „in welche auf dem Aachener Reichstage
anno 802 ohne weitere Ueberarbeitung das Gesetzbuch gebracht
worden sei *'. Merkel p. 6.
Wäre der dem Herold eigenthttmliche Text nach Merkels
Anffassung das Werk des Reichstages von 802, so hätte sich der
Reichstag bei der Gonstitairung der Lex Saxonum damit begnttgt,
drei vorhandene Gesetee änfserlich zu einem Ganzen zusammen-
zuschieben, dies Ganze in 18 Titel abzutheilen und die einzelnen
abgetheilten Titel mit üeberschriften zu versehen. Auch scheint
sich Merkel die Thätigkeit des Reichstages in Betreff der Lex
Saxonum kaum weiter ausgedehnt gedacht zu haben, da er aus-
drücklich bemerkt, der Reichstag habe „ohne weitere Ueberarbei-
tung die Lex in diese Form gebracht')". Und sollte wirklich das
theile unterscheiden, die auch in der Corveier Handschrift durch besondere
Üeberschriften beseichnet werden. Den einen bilden die von Karl d« Gr.
festgesetzten peinlichen Strafen, welche dem alten sächsischen Gewohnheits-
recht angehC^rendes, aber dorch fr&nkische Gesetzgebung erm&Tsig^ Straf-
recht enthalten, den andern das, was lediglich aus s&ehsischem Gewohnheits-
recht aufgenonunen ist''.
1) Vgl. Walter Deutsche Bechtsgeschichte 1857. §. 156. 1. p.l62;
Siegel Gesch. des deutschen Gerichtsrerfiihrens. Gleisen 1857. 1. p. 282.
284; Waits Deutsche Ver&ssungsgesch. 1860. 3. p. 119. 130. 132 u. 144;
Stobbe Gesch. der deutschen Bechtsquellen 1860. 1. p. 187; und Sigord
Abel JahrbHeher des fr&nkischen Reichs unter Karl dem Ghrolsen. Berlin
1866. 1. p. 344, ein Buch, das erst l&ngere Zeit, nachdem ich diese Ab-
handlung niedergeschrieben hatte, erschienen ist; Abel erkUrt: „Es ist als
erwiesen lu betrachten, dafs das S&chsische Geseti in drei Terschiedene
Abschnitte serfUlt, welche zu verschiedenen Zeiten au%ezeiohnet wur-
den, etc."".
*) Auch Walter Deutoohe Beohtsgesch. §. 156. 1. p. 163 sagt: „Die drei
Stücke sind dann auf dem Beichstage zu Aachen 802 unter fortlaufenden
Titeln rerbunden worden; auf dieser Form beruhen die gewöhnUohen Aus-
gaben''.
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rein InflMrliohe AfieinanderreUieii yon drei froher getrennt pnbli-
eirten Geeetsen, die dem Inlialt des Geeetsefl eehleeht entipre-
eliende Verlhdlmig des so geeeliaffenen Oansen in 18 Titel, und
die Abfassang der elenden üeberschriften dieser Titel, ein Weik
des Reichstages sein? leh habe 8. 49 an aeigen gesucht, daflsi
die Titeleintheilung und die Abfassnag der üeberschriften dem
Herold angehört; will man dies nicht gelten lassen, so wird man
doch nicht umhin kOnnen, einzurinmen, dafs der grObere Theil
der vermeintlichen Arbeit jenes Reichstages in Betreff der Lex
Saxonum, d. i. seine Eintheilnng der Lex mit darüber gesetaten
Titeln, wenig Oittck gemacht haben mnb, indem die Spangen-
bergsche nnd die Gorveier Handschrift, sowie der da Tilletsche
Abdruck einer dritten yerschoUenen Handschrift, die Lex Baxo-
nnm zwar als ein Ganzes, wie die Heroldsche Ausgabe, und (ab-
gesehen von der Umstellung des Gapitel 57) in derselben Reihen-
folge der einzelnen Gapitel, ja mit derselben Wiederholung des
Gapitel 56 als Gapitel 58, aber ohne Titel und Titelttberschriften
darbieten. Dafs die Schreiber von drei von einander unabhMn-
gigen Handschriften, indem sie die ganze aus den drei älteren
SBccessiv pnbücirten Gesetzen zusammengefügte Lex abschrieben,
die darin angebrachte Titeleintheilung weggelassen, und kein Wort
von den üeberschriften der einzelnen Titel beim Abschreiben in
ihre Abschriften aufgenommen haben sollten, wenn solche vor-
handen gewesen wären, wird Niemand behaupten wollen. Jeden-
falls bezeugen die uns erhaltenen Handschriften der Lex Saxonum,
dafs man nach dem Aachener Reichstage in Sachsen auch Ex-
emplare der ganzen Lex Saxonum ohne Titel und Titelüber-
schriften benutzte '), und wir haben nicht die geringste Veranlas-
>) Die Goryeier Handschrift aus dem 10. Jalurlrandert ist ftkr die
Abtei Correi gesehrieben , rgl. oben S. 66 ; beachtenswerth sind die 8. 66
aagefUhrten, in ihr Yon einer Hand des 16. Jahrhunderts beigeschriebenen
erklärenden Bandgbssen. Dafs dem Codex der Lex Saxonum, den der
Schreiber der Spangenbergschen dem 9. Jahrhundert angehC^renden Hand-
schrift copirte, Excerpte aus einem GesetE 'über Anwendung des territorialen
Rechte beigesehrieben gewesen sein mflssen, und daÜB dies geschehen sem
dftrfte, nm die Benutsung des Codex in der Praxis su erieichtern, ist oben
S. 6 besprochen.
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Bung, den Heroldsehen Text den in jenen Hwideehriften «nfbai*
tenen Texten als eine bestimmte andere Form der I/ex Saxonum
gegenttberaoBtellen, die in irgend einer näheren Besiehnng «im
Aachener Beichstage stände ^). Wir kennen nnr einen Text der Liex
Saxonam, in ihm erscheint die Lex als ein Games; einige Zusätie
und Binschaltungen, die sich in den vier auf uns gekommenen
Abschriften dieses Textes finden, sind durchweg nur Zathaten
einzelner Privatpersonen, und sollten in Sachsen Tcrschiedene
Textesrecensionen der Lex Saxonum vorhanden gewesen sein,
eine Annahme für die keine Grttnde vorliegen, so ist nnr eine
von ihnen auf uns gekommen. •
Spricht demnach der uns erhaltene Text der Lex Saxonnm
in seiner fiufseren Erscheinung nicht dafür, dals sie. aus drei ver-
schiedenen Stücken susammengesetst ist, so kann nur der Inhalt
der einzelnen Theile der Lex dahin fdhren, in ihr eine, wie
Merkel sich ausdrückt, „dreifache Gesetzgebung*' zu unter-
scheiden, die „aeines Erachtens unwiderleglich beurkundet ist''.
Von den drei bekannten Gesetzen Karls des Grofiran für
Sachsen: den Capitulis de partibus Saxoniae, der Lex Saxonnm,
und dem Gapitulare Saxonicum von 797, trägt nur das dritte in
dem auf uns gekommenen Text ein bestimmtes Jahr seiner Ent-
stehung. Dab die Capitnla de partibus Saxoniae das älteste dieser
drei Gesetze sei, wurde früher allgemein angenommen, während
man die Lex Saxonum nach dem Gapitulare von 797 setzen zu
mttssen meinte. Merkel glaubt nun in einem von der
^) Stobbe, Gesch. der deutochen Rechtsquellen 1. j>. 192, labt es
dahingestellt, ob die Titeleintheilung der Ueroldschen Ausgabe alt sei oder
Ton Herold herrühre, h< aber Merkels Vermuthung aufrecht, „dafs die
drei Stftcke (der Lex) im Jahre 802 von Karl d. Gr. auf dem Beichstage
Bu Aachen, auf welchem er sich mit Verbesserung der Volksrechte beschäf-
tigte, mit einander vereinigt sein mögen''. Dafs der Aachener Seiohatag,
von dem es überliefert ist, daliB er sich mit der Verbessening der Volks-
rechte im fr&nkischen Reich beschäftigte, auch auf die Lex Saxonnm seine
Th&tigkeit ausgedehnt habe, is£ oft, z. B. von Gaupp, behauptet worden;
diese Annahme nöthigt dann aber, meine ich, die Merkeische Ansieht &Ilttn
EU lassen und dem Reichstage die Abfassung der Lex, oder doch bestimmter
S&tze in ihr, zu vindiciren.
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101_
fibrigen Lex Saxonnm yon ihm abgetrennten ersten
Stiick derselben Sparen nachweisen eu kennen, dafs
es vor den Capitnlis de partibns Saxoniae abgefafst
sei, die er nach der Annahme von Pertx ins Jahr 785 setst;
von einem iweiten Stück der Lex Saxonnm, dafs es
nach den Capitnlis de partibns Saxoniae, aber vor
dem Capitnlare Saxonicnm von 797 abgefafst sei, nnd
endlich von einem dritten, dafs seine Abfassung nach
dem Jahre 798 erfolgt sei.
um die drei Stttcke der Lex Saxonnm, von denen
Merkel, nach einaelnen Stellen in ihnen, das erste, wie erwähnt,
vor das Jabt 785, das s weite zwischen die Jahre 785 und 797,
nnd das dritte nach dem Jahre 798 setzt, gegen einander ab-
zugrenzen, benntzt er zunächst die in der Corveier Handschrift
nber dem Capitel 24 stehende, oben S. 60 besprochene üeberschrift
„Lex Francomm^, sodann aber den Umstand, dafs das in der
Spangenbergschen Handschrift vor der Lex Saxonum stehende
Inhaltsverzeichnils der einzelnen Capitel der Lex, welches diese
naeh ihren Anfangsworten aufzählt, mit dem Capitel 60 abbricht.
Der erste älteste Theil der Lex soll danach aus den CapiteUi 1
bis 23 bestehen, der zweite mittlere, die Lex Francorum, ans den
Capiteln 24 bis 60, der dritte jüngste, oder der Schlufs der Lex,
aus den Capiteln 61 bis 66. — Der mittlere Theil der Lex wird
also von Merkel aus der ganzen Lex mit Rücksicht darauf ans-
geUSet, dafs über dem Capitel 24 der Lex im Corveier Manuscript die
Üeberschrift „Lex Francorum^ steht, und dafif das Inhaltsverzeich-
nifs der Lex im Spangenbergschen Manuscript nur bis Capitel 60
reicht; an jener Stelle soll der zweite Theil der Lex beginnen,
an dieser soll er schliefsen.
MuCs ich es für nicht gerechtfertigt halten, deswegen weil
hn Corveier Manuscript vor dem Capitel 24 die üeberschrift Lex
Francorum steht, hier den Anfang des zweiten vermeintlich jün-
geren Theiles der Lex Saxonum anzunehmen, so kann ich den
Omnd, diesen aweiten Theil mit dem Capitel 60 abzuschliefsen,
weil mit ihm das Inhaltsverzeichnifs der Lex im Spangenbergschen
Manuscript abbricht, kaum auch nur als einen Scheingrund gelten
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Usaen. Darans, dafs einer gegen das Ende des 9. Jahrhnnderto
geschriebenen Handschrift der Lex Saxonnm eine OapitelanfisSh-
Inng vorausgeht^ welche die letsten 6 Gapitel wegülst, wird ge-
folgert, jene 6 Gapitel, die nicht etwa in dem darauf in der Hand-
schrift folgenden Text der Lex fehlen , seien spSter abgefafst, als
die nbrigen ihnen vorausgehenden! Sollte dieser Grund irgend
einen Schein von Bedeutung gewinnen, so mttfste man annehmen,
das Inhaltsverseichnifs der Spangenb. Handschrift rühre aus einer
Zeit her, in welcher die 6 Gapitel der Lex noch nicht angeftigt
waren; dafs aber jemals die ersten 60 Gapitel der Lex Saxonnm
als ein Oanies, ohne die 6 letzten Gapitel, gegolten hätten, wagt
auch Merkel nicht zu behaupten. Fragen wir nach dem Ver&sser
des Inhaltsverzeichnisses, so spricht Alles dafür, dafs der Schreiber
der Spangenbergschen Handschrift es nicht anfertigte, sondern
dab es schon in dem von ihm copirten Godex stand'); gewifs
aber wird sich die Vermnthung nicht empfehlen, dafs auch jener
Godex, von dem ich annahm, dafs er vor der Mitte des O.Jahr-
hunderts geschrieben war, und aus dem der Schreiber des Spangen-
bergschen Mannscriptes ohne Zweifel nicht nur die Gapitel 1 bis 60,
sondern auch die Gapitel 61 bis 66 abgeschrieben haben wird, ein
unvollständiges nur bis Gapitel 60 reichendes Inhaltsverzeichnifs
enthielt, und sich dieses Inhaltsverzeichnifis seit seiner in einer
früheren Zeit erfolgten glücklichen Entstehung unvervollstiKndigt
durch spätere Godices fortgeschleppt habe. Viel wahrscheinlicher
ist es, dals der Schreiber des Spangenbergschen Mannscriptes, den
ich S. 4 und 22 in jeder Beziehung als unkundig und nachlässig
kennzeichnen mufste und der beim Abschreiben des Textes der
Lex mehrfach ganze Zeilen verfehlte, im Inhaltsverzeichnifs die
letzten Gapitelangaben aus Saumseligkeit weggelassen hat, ebenso
wie er das Gapitel 7 des Textes im Inhaltsverzeichnifs übersprang,
so dafk er bei Angabe des Inhaltes der ersten 60 Gapitel des
Textes nur 59 Gapitel, und diese unter Zahlen registrirte, die
mit seinem Text nicht übereinstimmen*).
Diesen Einwendungen gegen Merkels Abgrenzung der 3 Theile
der Lex Saxonnm wird man entgegnen können, dafs es weniger
») Vgl. oben S. 26. «) Vgl. S. 91 Note 3.
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Ulf ihre Bichiigkeit im Einselnen ankomme^ als daranf, dab über-
kanpt in der Lex drei, aa rerBchiedenen Zeitpunkten abgefafste
.Stacke Snlserlich yerbnnden Bind. Indem ich cur Prttfung dieser
Frage IWiQgehe^ bespreche ich ans Rücksicht auf die dabei sa
erwXgenden Momente «wref in §. 9 die Gründe, die Merkel für
die Abfasfiongsseit seines dritten Theiies der Lex, dann in §. 10
diejenigen, die er fttr die seines aweiten, nnd endlich in §. 11 die,
welche er fttr die seines ersten Theiies anführt.
|. 9. Has dritte Stflck der Lei Saieaia.
Die von Merkel als drittes 8tttck der Lex 8axo-
nnm ausgesonderten Gapitel 61 bis 66 (bei Herold die
Titel XIV bis XVIII), sollen erst nach dem Jahre 797 ver-
fafst sein: „dieser Theil kann frühestens 798 entstanden sein''
Merkel Lex Saxonum p. 6.
Der einsige Qrund, auf den Merkel diese Meinung stützt ist,
daik das in dem dritten Stück der Lex enthaltene Capitel 64 „eine
Zeit voraussetzt, während welcher ein Theil des sächsischen Adels
in der Verbannung lebte'' Merkel p. 6, während wir „die geschicht-
liche Nachricht besitsen, dals König Karl im Jahr 798 eine grolse
Anzahl sächsiseher Adeliger, als seine Oeiiseln aufser Landes
sandte." Merkel p. 5.
Nun berichten allerdings die fränk. Annalen beim Jahre 798,
daft König Karl aus Sachsen Qeifseln weggeführt habe;
es ist aber diese Wegführung in keiner Weise die einzige gewesen,
im Gegentheil hat König Karl, wie die fränkischen Annalen er-
wähnen, seit dem Jahre 772 vielfach Qeifseln aus Sachsen weg-
geführt, und so ist nicht abzusehen, warum, wenn eine Stelle
der Le^ Saxonum, wie Merkel annimmt, von in der Verbannung
lebenden sächsischen Adeligen spricht, dabei gerade an die im
Jahre 798 von Karl ans Sachsen weggeführten Qeifseln zu denken
sein sollte').
1) Dab von den Sachsen dem König Karl „Obsides^ gegeben seien,
beriehten die Annalen bei den Jahren 772. 775. 776. 779. 780. 785. 794.
795. 797 nnd 798. Spedelleres über die Anzahl derselben nnd ihre Ver-
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MaiSi es aber eingeriiiiDt werden , dab es yttilig wiUkttrlioh
ist, unter den angeblich im Oapitel 64 als in Verbannung lebeod
erwähnten aächsisohen Adeligen, an die im Jahre 798 weggeführten
h<nisBe erw&hnen nur die folgenden Stellen: im Jahre 772 „ad Wisiiram
fluTium renit rez, et ibi com Saxoniboa placitum habnit, et recepit o bei de 8
duodecim'* Annal. LsuriAsenses und Einhardi bei Pertz 1 p. 150. 151, desg^
Fuldens. p. 346. Im Jahr 775: „ibi (an der Ocker) Anstreleudi Säzones
dederunt obsides, juxla guodplacuit, et joraverunt Bacramenta, etc." Lau-
rifls. p. 154; Gleiches thun die „Angrarii" im Buckegau (an der Weeer),
„et Westfalai obsideB dederunt, sicut et alU Saxones. Bt tnnc obsidibns
receptis, et praeda multa adsumpta, rex rerersus est etc*^ ebendas.; Ein-
hard p. 155 fbgt hinzu: „obsides dederunt, quoa res imperaverai*. Im
Jahr 776 erzählen AnnaL Lauriße. p. 154: „nuntius Teniens dixit Scucones
rebellantes, et omnes obsides suos dulgtos'', und nach neuer Unterwer-
fimg: „obsides dederunt, quantos dominus rex ab eis quaesivit"^ ebendas.
p. 156, wo Einhard p. 157 sagt: „obsidibus receptis, quos rex impera-
Terat^. Im Jahr 779 „et tunc obsides muUitudine aecepti" AnnaLPetar.
p. 16. Im Jahr 780 „Saxones omnes tradiderunt se regi (an der Elbe), et
omnium accepit obsides, tarn ingenuos quam et Udos'* Annal. Lauresh.
p. 31 und „et omnia accepit in hospitcUe, tarn ingenuos quam et lidos^ Ann.
Mosell. Pertz 16 p. 497. Im Jahr 785 : „ rex mittens ad Widodndum et
Abbionem obsides per missum suumA.; qui, cum recepissent obsides ülos
secum deducentes, conjunxerunt se etc.'' Lauriss. p. 168 und Einhardi p. 167.
Im Jahre 795: „acceptis obsidibus, quos rex dare jusserat" AnnaLEinh.
p. 181; und „dominus rex resedens apud Bardun wih tantam multitn-
dinem obsidum inde tulit, quantam nunquam in diebus suis,
aut in diebus patris sui, aut in diebus regum Franchorum inde ali-
quando tulerunt" Annal. Lauresh. p. 36 und „exinde deduxit obsides
7070** (var. „770") Annal. Alam. p. 47 und S. GalL min. p. 75.; und „cum-
que Saxones conyicti in omnibus se culpabiles reoognoTissent, obsides
r^i afferentes; accepitqus eorum tsrtiam partem in obsidionem generis
masculini, et sposponderunt se ultra non fallere" Annal. Xant. in Pertz 2
p. 223. Im Jahr 797 „tota Saxonum gente in deditionem per obsides ac-
oepta" Annal. Lauriss. in Pertz 1 p. 182, desgl. Fuld. p. 351, und „et tulit
inde aut obsides, aut de ipsis (die sich dem Könige unterwarfen) quanktm
ipse voluit^ Lauresh. p. 37. Im Jahr 798 „rex acceptis obsidibus etiam
et his quos perßdissimos primäres Saxonum consignabant^ Annal. Lauriss.
p. 184, und „et tulit (in Bardewik) inde ilios capitanios quos t>oluit, et de
obsidibus, quantum ei voluntas fuit^ Lauresh. p. 37, und „Garolus in
Saxonia fuit, et hospites capitaneos 1600 inde adduxit, et per Franciam
dlTisit" Annal. S. Amandi p. 14 (ibid. p. 12 beim Jahre 776 „dederunt hos-
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rtehsiaehen Oeifliela so denken, so ist der versnchte Nach-
weiB| dafii das Gapitel 64 naeh dem Jahre 798 abgeÜEilBt sei,
nicht geführt nnd das einiige von Merkel beigebrachte Argu*
ment beseitigt, welches genügen sollte, nm die letsten 6 Oapitel
der Lex Saxonnm, in deren Mitte das Capitel 64 sich befindet,
▼on der übrigen Lex abmschneiden nnd sie als ein besonderes
erst nach 797 verfafstes Stttd: der Lex ansosehen. Halte ich
meinerseits hiermit die ganse Merkelsehe Argamentation für wider*
pit68 ^, -WO die andern Annalen „ obsides '^ enr&hnen) , nnd „exinde adduxit
ob 81 des irmumerabUea^ St. Gall. m^j. p. 75, fthnlieh in den AnnaL Gnelferb.
p. 46 nnd Petar. p. 18. Einielne dieser Stellen unterscheiden unter den
naeh ihrer Unterwerfung Weggef&hrten solche, die als „Obsides^ gestellt
wurden, ron den Andern, bei denen dies nicht der Fall war; in andern
Stellen ist im Allgemeinen nur von aus Sachsen Weggeftihrten die Rede,
bei Tielen von ihnen ist gesagt, dafs sie mit Verlust ihrer Güter in andere
Cfregenden Tersetxt wurden. Tgl. : im Jahr 782 „mnltos vinctos SaaNmes etd-
dusmwU in Francia*^ AnnaL Petar. p. 17. Im Jahr 794 „Saxones in Sinit-
leide a Karolo subacti sunt, ei tertiua ex eis hämo tritnslatus^ Ann. Fuld.
p. 361, ähnlich in Lauriss. min. a. 794 Ports 1 p. 119; und „Saxoniam usque
prope Albiam perragans, non modicam quantitatem nobilium atque ignobi-
lium gentis iUitie etcum adduxit^ Annal. Mosell. ad a. 794 in Ports 16 p. 498.
Im Jahr 796 ^indo capHüo» dueebat, vires et mulieres et parvulos'^ Annal.
Lanresh. in Pertz 1 p. 37 und Lauriss. min. p* 119. Im Jahr 799 ^et rex
inde tulit muUitudinem Scaanorum cum muUeribus et infantibus, et collo*
cavit eos per diversas terras in finibus suis, et i'psam terram eorum divieit
inier ßdeles »uoe " Ann. Lauresh. p. 38. Im Jahre 804 „ omnes qui trans
Albiam et in Wihmuodi (bei Bremen) habitabant Saxonea cum mulieribus
ei infaniifme irafuiulii in Franciam, ei pagos iransedbianoe Abodritia dedit^
AnnaL Einhardi in Ports Scr. 1 p. 191, vgL Vita Karoli c. 8 in Ports 2 p.447
nnd Chron. Moissiac. in Porte 1 p. 307, sowie „Karolus Saxonos transalbia-
nos cnm molieribus et natis transtuHt in Franciam, et fctgoa tranaatbianoa
Abodriiia dedit^ Annal. Fuld. p. 353, auch Icurs erw&hnt in Ann. St. Amandi
p. 14 nnd in Annal. Lauriss. min. p. 120: „Karolus Saxonos absquo hello a
propriis finibus expulsos in Franciam conlocat^ ; vgL AnnaL St. Gall. ad
a. 805 „perrexit dominus Karolus in Saxonia ad Holdistede , et multis ha-
rones et mulieres inde adduxit*" Porta 1 p. 63. Sp&ter werden mehrfach
in anderen Gegenden des fr&nkischen Beiches dorthin verpflanste Sachsen
erwfthnt, s. B. in Urk. des KOnig Otto von 996 ftkr Wflrsburg: „Saxonos
qni Northdbinga dicuntur, sivo caeteri accolae pro Uberis hominibus in
praediis ejusden ecciesiae manentes*' Mon. Boica XXVUI. 1 p. 268.
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legt, 80 will ich doch anberdem noch erwUmen, dftb ich Beine
dabei als feststehend yoraiugeBetite Interpretatioii des Capitel 64
der Lex Baxonnni, nach welcher dasselbe besagen soll| da& s«r
Zeit seiner Ab&ssung ein Theil des sftehsiscfaen Adels in der Verban-
nung lebte, verwerfen mafs; dab aber Merkel das Oapitel, weiches
auch nach der Ton ihm vertretenen Interpretation nicht beweisty
was es beweisen soll, Überhaupt nur unter der Voranssetsnng der
Richtigkeit dieser Interpretation für seinen Zweck heranziehen
konnte. Die fraglichen Worte handeln gar nicht von einem ver-
bannten Nobilis, sondern von einem „Über homo •• qui jam in
exilium missus est, si hereditam snam necessitate coaotus vendere
voluerit, etc.^ Das Capitel ^) bestimmt: Will ein unter der Tutel
eines Edeling stehender Freier, der in Exilium missus est, aus
echter Noth sein Qut verkaufen, so biete er es zuerst seinem
nächsten Blntsfrennde an; wenn dieser es nicht kaufen will, seinem
bisherigen Tutor (d.i. dem Edeling), oder demjenigen, der zu
jener Zeit vom König Über sein Gut (weil er in Exilium missus
est) gesetzt ist; will auch er es nicht kaufen, so mag er es ver-
kaufen, wem er will.
Es ist mir nicht unbekannt, dafs das Capitel 64 der Lex
Saxonum, zu den in Beziehung auf ihre Auslegung bestrittensten
Stellen gehört. Die Einen beziehen , wie Merkel, die Worte ,iqui
jam in exilium missus est",, auf den Nobilis, die Anderen, denen
ich mich zugeselle, auf den Liber'); dafs sprachlich Beides in
>) Dm Cap. 64 Leg. Saz. lautet: „Liber homo, qui Bub tatela nobilifl
ci^juslibet erat, qui jam in exilium missus est, si hereditatem suam neoea-
sitate coactus rendere Toluerit, offerat eam primo proximo suo; si iUe eam
emere noluerit, offerat tutori suo, Tel ei qui tunc a rege super ipsae ree
eonstitutus est; si nee iUe roluerit, vendet eam cnicumque libuerit**.
^ Auf den Freien beziehen die Worte: Gaertner Lex. 8ax. p« 108
Noteo; Eichhorn Deutsche Beohtsgesch. {.57 Note tu und {.68 Note ^;
Hasse im Rhein. Mus. II. 2 p. 174; Beseler BrbTertrtge 1836. 1. p.61;
Sandhaas Germanistische Abhandlungen. Gielsen 1862. p. 189, und Zim*
merle das deutsehe Stammgutssystem. Tübingen 1867. p.44; auf den Ede-
ling: Gottl. Müller zur Lex Sax.; Gaupp Reeht und Verf. der Sachsen
p. 216; Stobbe in Zeitsohr. ftlr deutsches Recht 16 p. 317 und in den
Bechtsq. 1 p. 192; Waits Deutsche Verfassungsgeseh. 3 p. 140.
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einer mittelalterlichen lateinischen Quelle gewollt sein kann, be.
sweifele ich nicht; der innere Zusammenhang der behandelten
Verhältnisse spricht aber, meines Dafürhaltens , für die letztere
Meinung. Schliefse ich vorlXufig die fraglichen Worte von der
Interpretation aus, so bestimmt die Stelle; dafs an dem Out eines
Freien, der in der Tutel eines Nobilis stand, NXherrechte besitaen:
der nXchste Erbe, der Nobilis, unter dessen Tutel er stand, der-
jenige, der damals vom Könige ttber das Gut gesetst ist Der Freie
will sein Out „necessitate coactus" verkaufen und kann es nur
finei verkaufen, wenn jene drei es nicht kaufen wollen. ~ Bezieht
man nun die Worte „qui jam in exilium missus est^ auf den
Freien, so ist er der „in Exilium Missus** und will in Folge dessen
„necessitate coactus** sein Out verkaufen; er mufii es anbieten,
aufser seinem nächsten Erben (dem jeder Freie, wenn er wegen
echter Noth verkaufen wollte, sein Out anzubieten hatte), dem
Bdeling, in dessen Tutel er stand (weil er nach dem Eingang
des Gapltels ein solcher Freier war, „qni sub tutela nobilis oi^ns-
libet erat**), und demjenigen, der vom König damals („tunc**, wo
er „in exilium missus est**) als Verwalter seines Outes eingesetzt
ist. — Bezieht man hingegen die fraglichen Worte auf den No-
bilis, so ist dieser „in exilium missus**, und es mufs dann als
anstöfsig erscheinen, dafs nach dem Schlufs der Stelle der Freie,
welcher „necessitate coactns'^ sein Out verkaufen will, es dem
Nobilis „qui in exilium misans est'' noch anbieten soll („offerat
tntori Buo").. Es bleibt dann kein anderer Ausweg, als hier unter
dem „Tutor'', dem er das Out noch anbieten soll, einen für den
exilirten Tutor vom König eingesetzten neuen Tutor zu verstehen;
al^o in den Worten „offerat tatori suo, vel ei qui tunc a rege saper
ipsas res constitutns est" nicht zwei Näherberechtigte bezeichnet
zu finden, sondern nur den neu eingesetzten Tutor ^). Abgesehen
von dem Künstlichen dieser Interpretation scheint mir ein solches
WaitB 8 p. 140 sagt: „die Worte der Lex Sax. o. 64, qui jam in
exüinm miBsus est, moTs man aber gewils auf den Nobilis beriehen, vnd
dann sp&ter unter dem tutor, wohl nicbt diesen selbst, sondern, wie die
folgenden Worte es erkl&ren, einen, den der Jipnig an seine Stelle gesetst,
Terstehen^.
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Eingreifen des KQn^^ in die PriFatverhSltnisse der Einaelnen ftir
die Zeit der AbfasBong der Lex Sazoonm unannehmbar; dafür
dafs das Gut eines y,in Exilinm Missus'^ leitweise unter der Anf-
sieht eines von der Obr^keit dazn Ernannten stehen soll, finäeii
sieh Analogien im Siteren Recht, schwerlich aber dafür, dals die
Obrigkeit I wenn ein Nobilis ,yin exilinm missns est^^ der eine
Tutel (ein Schutaverhältnifs) ttber einen Freien besaiSy fOr die
Wahrnehmung der Tutel desExilirten durch Ernennung eines Btell-
yertreters gesorgt hätte.
Eine weitere Frage ist, ob überhaupt in der Lex Saxonom
Gapitel 64 die durch König Karl aus Sachsen Weggeführten nach
der Auffassung und dem Sprachgebrauch jener Zeit als „in Exi*
lium Missi^^ bezeichnet sein können, wie Merkel dies ohne Wei-
teres voraussetst^). Die Sachsen, welche wegen Aufruhr die Todes-
strafe verwirkt hatten, und die der König, statt dafs diese an
ihnen vollzogen wurde, aus dem Lande wegführen liefs, hattm
ihre Güter verwirkt, sie können also nicht unter den „in Exilinm
Hissis^^ der Lex Saxonum gemeint sein, welche ihre Güter ver-
kaufen dürfen'). Aber auch bei denjenigen, die König Karl seit-
() Ohne n&her zu erörtern, welche Personen die Lex Saxonum cap. 64
unter den als „in Exilium J^sis" versteht, nennen Aeltere sie „Verbannte^,
s. B. Oaupp Recht und Verfassung der alten Sachsen p. 215. 217. Schau-
mann Gesch. des Nieders&chsischen Volkes, 6h5ttingen 1639 p. 156, meint:
„Karl d. Gb*. hat in dem Titulus de ezulibus [so ist das Capitel 64 von
Herold überschrieben] ohne allen Zweifel die Verhältnisse derer geordnet,
welche er in andere Gegenden yersetzte".
*) Im Jahre 777, erz&hlen die Annales Einhardi, unterwarfen sich die
Saehsen dem König Karl eu Paderborn : ,ut si ulterius sua statuta violarent
eipairia et liberUUe privarenhir^ Pertz Script. 1 p. 159, und die Annalee Ful-
denses ad a. 777 : „Saxones ingenuitaitm et omnem praprietcUem auam secun-
dum morem gentis abdicantes, regi tradiderunt, si a die illa et deinceps chri-
stianitatem, et regi ac liliis ejus fidelitatem abnegassent^ Pertz 1 p. 349. Die
Capitula de partibus Saxoniae bestimmen cap. 30: „si quis comitem interfeeerit»
vel de ejus morte consilium dederit, herediUu iUius ad partem regia eveniat, et
in jus ejus redicatur^, und cap. 11: ^si quis domino regi infidelis apparuerit,
capitaU sententia pnnietur^, und die Lex Saxonum cap. 24: „qui in regnum, rel
in regem Franeorum, vel filios ejus de morte consiliatus fuerit, capite puniatur*'.
Der König konnte den der Todesstrafe Verfallenen dahin begnadigen, dafs
er ihn auTserhalb Sachsens an einen bestimmten Ort rerwies; die Capitula
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weise alt OeiAeln GyObiddei'O ^^ SmIuimi wegftthieD lieb und
▼on denoi die frlnkiMdieii Annalen «m hXnfi^itea reden, palU
das von den „in Exiitnm Miseis^ im Caintel 64 Geoagte nicht ^);
denn dab die Ottter eines i^Obaes^S d^' *^ Bürge dem Könige
überliefert war, nm mit seinem Leibe dafür sn haften, daft seine
Landslente Frieden halten, die geschworene Trene bewahren, eder
sonst gegebene Versprechen erfüllen würden, einem yom Könige
dasn ernannten Verwalter übergeben worden wären, ist in keiner
Qnelle irgendwie angedeutet und nach den Verhältnissen, nnter
denen er als Bürge gestellt und ans Bachsen weggeführt wurde,
de partibuB Saxoniae cap. 2 yerordnen : „ ducatur ad praesentiam dommi
regia, et ipee ewn mittiU, ubi eUmenüae ipgiu* ffiaeuetii**, und das Capi-
tnlare Sazonioom von 797 oap. 10: „res habeat Ikentiam ipsum male&oto-
rem com uxore et familia, et omnia sua, foris patriam infra sua regna, aut
in marca, ubi sua fuerit roluntas, coUocare, et habeant ipsum quasi mor-
tuwn^ (d. b. er g^t recbtlicb dann als verstorben) Perts Leg. 1 p. 76. Zwei
Docnmente, die Waits Deutsche Verfassangsgesohiebte 3 p. 140 ans Scbaten
Annales Paderbomenses p. 43 und Bouquet 6 p. 399 (jetst auch gedraokt
in «UiFö Bibliotheca Genn. 3 p. 320) anfthrt, reden von Saehsen, die aus
dem Lande weggeflihrt und ihrer Gftter verlustig geworden waren. In dem
zweiten Document, einem Briefe vom Jahre 816, bittet ein Sachse den Kaiser
Ludewig ihm cur Wiedererlangung seiner v&terlichen und mfttterlichen GHkter
sn yerheUen; sein Vater Bachart habe als Christ und Anh&nger des Kaiser
Karl von seinem v&terliohen Erbe auf sein mütterliches im pagus Marstheim
(in der Gegend von Hanover, s. Wersebe Gaue p. 209) flftchten mttssen;
von dort sei er, als Kaiser Karl eine Versetsung von Sachsen aus dem
Lande befohlen» mit Andern weggefUurt worden, und sei ausw&rts verstorben,
ihm aber sei sein veiftulsertes v&terliches Erbe nicht surüekgegeben worden.
Die Worte des Briefes lauten : „mansit pater in pago Karstheim, donec ex
jussione dombi imperatoris Sazones, &cta transmigratione de Sazonia, per
partes educti sunt; et tunc etiam pater et mater edueti feerunt^, und:
" ;,quibus vero eductis . . , a propria abalienati* terra, de hac luoe pater meus
subtractus est". Der Schreiber bittet, ihm sein v&terliches Erbe Bur&ck- '
sngeben, da er beweisen könne, dab der Hergang der von ihm berichtete
gewesen sei, sein Vater also ohne Grund aus Sachsen weg^f&hrt und seines
Erbes verlustig geworden sei; er schreibt: „multi testee de ipsis pagis super
hac re adhiberi possunt, qui hanc rem bene sciunt*'.
I) Auch Stobbe Deutsehe Bechtsquellen 1 p. 192 meint: „die Erwäh-
nung der in der Verbanmmg Übenden Qeifaebi (Lex Saz. cap. 04 „nobiüs
in ezilinm missus " ) ist wahrseheinhch auf die im Jahre 798 in die Hand
des Königs gefallenen Sachsen zu besiehen*".
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kaum glanbUeh; in dem im Oi^tei 64 behudeMea IUI ist aber
die Rede von Einem ,,qai tone a rege 8«per ipeas ree eonsHtatui
est^). — Sehr nahe aeheint es mir an liegen, anter dem ;,io
Bxiliam HiBBna'' dea Gapitel 64 der Lex 8axonam| an einen
frledloaen Mann an denken, der in echter Noth begriff»
aein Out verkaufen darf, am aich xn löaen. Fttr dieae meine An-
iioht apricht vor Allem, dafo unsere Quellen nirgends den Ana^
druck „Exilium'< verwenden, wo sie von Leuten reden, die dar
EOnig als Obsides oder als Gefangene aus ihrer Heimatii hat weg-
fahre lassen, dagegen sich desselben nicht selten bedienen, um
das VerhäUni/s derer zu bezeichnen, die landflüchtig geworden sind,
indem sie daau Friedlosigkeit nöthigte, die fUr sie wegen eines
Verbrechens eingetreten war, oder nach spSterem Recht ein Straf-
erkenntnifs, durch das Landflttchtigkeit (Verbannung) über sie
ausdrücklich verhängt worden war'). Ist Exilium im Capitel 64
>) In den älteren Rechtsqnellen ist nur das VerhAltnils derer nSlier
besprochen, die ftlr eine Schuldsumme sich su OeUSsel geben: „qui loeo
wadii in alterius potestatem se commiserint^, vgL Capitui. a. 803 ad log.
Salic. cap. 8 in Perts Leg. 1 p. 114, Cap. a. 803 ad leg. Bip. oap. 3 in Ferts
p. 117, Cap. de exerdt. a. 811 cap. 3 p. 170, €ap. Bonon. a. 811 cap. 1
p. 172. Die S. 105 in der Note angeföhrten Stellen der Annalen unterscheiden
unter den von König Karl nach einer Unterwerfung aus Sachsen Weggefahrten
.mehrfiMh diejenigen, die als Obsides gestellt waren; ron ihren Gatem
schweigen die Stellen.
*) Vgl. Wilda Strafrecht p. 280 und 518, der ausfahrt, dab im alteren
deutsehen Recht Flucht ans dem Lande stets die Folge der Friedlosigkeit
war, während sie sp&ter als Verbannung zu einer besonderen Stoafe ge-
worden sei. Man beachte die folgenden SteUen: Lex Sai 55, 2 „Si quis
corpus jam sepultnm expoliaverit, wargue Ht (ein sp&terer Zusata : ^hoe est
expnlsus de eo pago^ Merkel Novell. 336), %i»qut dum cum parentibus ipsüis
drfuneti cofweniai, et ipsi pro eo rogare debent, ut ei inter homines Uceat
aecedere.'* in Merkel Lex SaL p. 31, wo in der Lex Bipuariorum ed. Herold
87, 2 steht: „Si quis corpus mortuum ex humo traxerit et expoliaTerit,
200 solid, cum capitale et delatura culpabilis jndicetnr vel wargus sit^ ob
hoc expuUuB exulet ttsque dum parentibus soHsfaeiat*^. ht Lex Rip. 71, 2:
„Si quis proximum sanguinis interfecerit, rel incaestum commiserit, exilium
susHneat, et omnes res ejus fisco censeantur". In Beeret. Ghildeberti regis
a. 596 cap. 4: „Quicumque i:aptnm facere praesumpserit . ., vitae periculnm
feriatnr; . . et si ad ecdesiam confugiom fecerit, reddendus . . ; si ipsa mnlier
raptori oonsenserit, ambo pariter in exilio transmittantur." Perts Leg. 1
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der Lex Saxonnm in dieeem Sinne m Tentolieni m> kmmi dto
Stelle in gar keiner Beiiehmg sn der Wegflifarnng von Geiftehi
ans Saehsen dnreh KOnig Karl im Jahre 798 stehen, QDd jede
Möglichkeit sie in der yon Merkel versnohten Weise aar Bestiiii-
mnng der Abfassongsaeil der letzten Oapitel der Lex Saxonam
in benntsen, fillt damit weg.
{•10. Das zweite Stfiek der Lex Saxosun.
Zwisehen den Jahren 786 nnd 797 soll das aweite Stttek
der Lex Saxonnm verfafiit sein, oder die Gapitel 24 bis 60.
Dab Merkel durch die in der Corveier Handschrift der Lex
Saxonnm ttber dem Capitel 24 stehende Ueberschrift y>Lex Fran-
eornm^' sich bestimmen lieüb mit diesem Gapitel das Stück der
Lex Saxonam beginnen zn lassen, welches er für deren zweiten
Theil hält, nnd dafs er ihn, um jener erst später hinzugefügten
ueberschrift willen, die sich nicht auf alle jene Gapitel, sondern
p. 9. Im Cap. Aquisgr. Earoli a. 813 c. 12: „ut homines boni generis, qui
infra comitatu inique Tel injuste agunt, in praesentia regia ducantur ; et rex
BQper eos distriedoiiem faciat carcerandi, eziliandi, usque ad emendationem
illonim." Perti Leg. 1 p. 188. Im Gapitiü. a. 817 oap. 7 verordnet König
Lndewigy daüs wer aus einer geringfügigen Ursaehe Jemand tödtet, dessen
Wergeid zahlt: y^ipse Tero in exilium mittaturad quantum tempus nobis
placaerit, res tarnen suas non amittat.'' Pertz Leg. 1 p. 211; das« im cap. 9:
„Si quis sponsam alienam rapuerit, patri ejus, et sponso . . conponat, et in-
super bannnm noBtrum, id est 60 solidos, solrat, vel in praesentiam nostram
oomes enm advenire faciat, et quanto tempore nobis piaenerit in exilio
maneat.^ p. 211; das. im cap. 13: „Si quis aliqua necessitate cogente homi-
ddium commisity comes in cujus ministerio res perpetrata est, et composi-
tionem solvere, et fiudam per aacramentum pacificari faciat. Quod si una
pars ei ad hoc consentire noluerit, fadat illum qui ei contumaz fuerit ad
praesentiam nostram venire, ut eum ad tempus quod nobis plaouerit in
exilium mittamus, donec ibi eastigetur, ut comiti suo inobediens esse
ulteiius non audeat, et majus damnum inde non adcrescat." p. 212. In der
Dinsio imperii a. 806 cap. 13 werden den ^obsidibits, a nobia per diversa
loca ad costodiendum destinatia" entgegengestellt „qui pro suis focinoribus
in exilium missi vel mittmdi «unt'' Pertz 1 p. 142. In den altem Volks-
rechten Tgl. ,,exilinm" und „exiliare'* in Lex Alam. XXV. XXVI. XXXV, I ;
L. Baj. n, 10 {. 1; L. Wlsig. D, 1 {.7 und VI, 5 §. 12 u. IS.
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nur anf das Gapitel 34, oder yieU^eht auf die Ca{iitel 34 bis 26
besieht, eine Lex Franeomm nannte , bespraeh iefa S. 101. um
aber seine Meinung sa begründen, dafs dieser aweite Theil naeb
785 abgefafst sei, führt Merkel an, dala in den Gapttehi 34 bis S6
der Lex Saxonnm die Gapitala de partibns Baxoniae benntst seien,
die er mit Pertz vom Jahre 785 datirt
unbedingt räume ich die von Merkel in üebereinstiramong
mit früheren Schriftstellern behauptete Benutzung der Gapitala
de partibus Saxoniae in jenen Gapiteln der Lex ein; gegen die
von ihm darauf gesttttste Annahme aber, dais die Gapitel 1 bis 23
der Lex Saxonum vor dem Jahre 785, die Gapitel 24 bis 60 aber
nach demselben verfalst seien, mache ich geltend, dafs die Ga-
pitula de partibus Saxoniae anoh in jenen von ihm als erster
Theil der Lex bezeichneten Gapiteln, und namentlich in den Ga-
piteln 21 bis 23, benutzt sind, und dafk das Jahr 785 fttr die Ab-
fassung der Gi^itula de p. Bax. keineswegs feststeht, ich meiner-
seits vielmehr glaube annehmen zu müssen, dafe sie bald nach
775 abgefafst sind. Beide Punkte verlangen eine nähere Begrün-
dung; in §. 11, bei Erörterung der von Merkel behaupteten Ab-
fassungszeit der Gapitel 1 bis 23 der Lex, werde ich auf den ersten
in §. 12, bei Besprechung der Abfassungszeit der Gapitula de par-
tibus Saxoniae, auf den zweiten zurückkommen.
um hier die vorausgesetzte Benutzung der Gapitula de par-
tibus Saxoniae in den Gapiteln 24 bis 26 der Lex Saxonum zu
veranschaulichen, rücke ich neben einander die sich entsprechen-
den Stellen der beiden Gesetze ein:
Gapitula de partibus Saxoniae: Lex Saxonum:
Gap. 11. Si qais domioo regi Cap. 24. Qui in regnum vel in
infidelis apparuerit, capitali sen- regem Francorum, vel fiUos ejus
tentia punietur. de morte consiliatus faerit, capite
puniatur.
Gap. 13. Si quis dominum suum Gap. 25. Qui dominum suum
vel dominam suam interfecerit, si- occiderit, capite puniatur.
mili modo punietur.
Gap. 12. Si quis filiam domini Gap. 26. Qui filium domini sni
Bui rapueriti morte moriatur. ocoiderit, vel filiam aut uxorem
aut matrem stupraverit, juxta vo-
luntatem domini occidatur.
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HS
Dafs swiadies der Faaioiig dieser Stellen der beiden Rechts-
qnelien keine blofii zubillige Ueberelnstimmang stattfindeti wird
aUgemdn eingeräamt; eine solche wSre bei drei in beiden
Qaellen neben einander stehenden SStzen mehr als unwahr-
seheinlieh. Eine Vergleichang der je zwei einander gegenüber
gedruckten Stellen im Einzelnen spricht aber dafür, dafs die
aaaführlieheren and genaueren Bestimmungen der Lex Saxonnm
aus den kürzeren Satzungen der Capitula de partibns Saxoniae
hervorgegangen sind, und dafs man bei ihnen nicht umgekehrt
an eine Benutzung der Lex Saxonum durch' die Capitula zu
denken hat').
Für richtig halte ich die Ansicht , der Merkel beitritt, dafs
die Gapitel 24 bis 60 der Lex Saxonum vor dem Jahre 797 rer-
faftt sind; es entscheidet dafür, dafs, wie §.21 weiter ausführt,
unter diesen Capiteln sich mehrere befinden, die durch das Ca-
pitolum Saxonicum von 797 eine weitere Fortbildung erfahren
haben; da aber der einzige Grund Merkels, der beweisen sollte,
dafii der angeblich dritte Tfaeil der Lex erst nach 798 abgefafst
sei, sich als nicht stichhaltig gezeigt hat, so liegt in der Abfas-
sung der Gapitel 24 bis 60 vor 797 keine Veranlassung, in der
Lex einen -zu verschiedener Zeit verfafsten zweiten und dritten
Theil zu unterscheiden.
Ich fasse am Schlufs des Paragraphen die einzelnen Momente,
die in Betreff der Merkeischen Auffassung der Capitel 24 bis 60
der Lex in Betracht kommen, kurz zusammen:
1. Dafür, dafs mit Capitel 24 ein besonderes Stück der Lex
beginnt, ist die Ueberschrift Lex Francorum über Capitel 24 in
der Corveier Handschrift von keiner Beweiskraft, indem sie erst
später hinzugefügt ist und aufserdem sich nicht auf die Capitel 24
») Eichhorn Deutsche Bechtagesch. §. 146. 1 p. 674 und Gaupp
Becht der alten Sachsen p. Ö7 u. 128 setzen eine Benutzung der Capitula in der
Stelle der Lex Toraus; Stob he Deutsche Rechtsquellen 1. p. 191 hält es
f^ unentschieden, oh die SteUe der Lex die Capitula benutzt habe, oder
Ton ihnen benutzt sei; Gaertner Saxonum leges tres p. 135 nahm an,
dafs die SteUe der Lex in den Capitulis benutat sei.
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bis 60 bezieht, sondern nur auf die unmittelbar auf vie folgenden
Capitel 24 bis 26.
2. Dafür, dafs mit Capitel 60 ein zweites besonderea StUck
der Lex schliefst, beweist das Inhaltsverzeichnifs im Spangen-
bergschen Manuscript nichts, denn wenn in ihm der Inhalt der
Capitel 61 bis 66 nicht angegeben ist, so ist anch der des Ca-
pitel 7 übergangen, und das Inhaltsverzeichnifs liegt in einer so
schlechten Abschrift vor, dafs nichts hindert anzunehmen , der
elende Schreiber habe, wie Manches im Text, so anch den SehiofB
des Inhaltsverzeichnisses weggelassen.
3. Dafür, dafs das zweite Stück der Lex nach den Ciq^itiiliB
de partibns Saxoniae abgefafst ist, spricht die Benntznng von
Stellen der Capitnla in ihm ; es sind aber anch im angeblieh ersten
Stück die Capitnla benutzt; eine Trennung des zweiten vom ersten
Stück der Lex ist also dadurch nicht zn begründen.
4. Dafür, dafb das zweite Stück der Lex vor dem dritten
verfafst sei, spricht das in letzterem stehende Capitel 64 nieht,
denn es ist rein willkürlich anzanehmen, dafe das Capitel erst
nach 798 abgefafst sei.
5. Dafür, dafs das zweite StUck der Lex vor 797 abgefa&t
ist, entscheidet, dafs mehrere Stellen desselben im Capitniare Saxo-
nicam von 797 als geltend vorausgesetzt und umgebildet werden ;
das ist aber kein Grund das Stück aus der Lex als ein besonderes
auszusondern, sondern nur ihre Abfassung überhaupt vor 797 zn
datiren.
§.11. Das erste StAek der Lex Saxosum.
Aus den Capiteln 1 bis 23 der Lex Saxonum soll nach Merkel
das älteste Stück der Lex bestehen, das vor den von ihm ins
Jahr 785 gesetzten Capitulis de partibus Saxoniae
abgefafst sei, und von dem er sagt: „dafs es in das Jahr 782
zu setzen ist, erscheint mir, wenn ich das historische Material
Überblicke, so gut als gewifs.^^ Merkel Lex Saxonum p. 6.
1. Dafür, dafs die ersten Capitel der Lex Saxonnm vor den
Capitulis de partibus Saxoniae verfa&t seien, beruft sieh
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Merkel iiiBbesoiidere darauf, daft im Capitel 33 der letzteren
die Worte enthalten sind ;,de perjuris Becnndum legem
Saxonoram sif; dies sei eine attsdrücMiche Verweisung auf die
geschriebene Lex Saxonum, und zwar auf die in Cap. 21 u. 22 der-
selben befindlichen Bestimmungen über Meineid.
Nachdem mehrere ältere Schriftsteller wie Oaertner, Qrupen^
Spangenberg, bei Erwähnung der Lex Saxonum in der angeführten
Stelle, an die geschriebene Lex Saxonum gedacht hatten^), war
' sie von Späteren, und namentlich von Eichhorn, Ganpp und Wilda,
anf das ältere ungeschriebene sächsische Recht bezogen worden^).
Da OB nun keinem Zweifel unterliegt, dafs sprachlich unter dem
Ausdruck „Lex Saxonum'' Beides verstanden sein kann*), so
^) Gaertner Saxonum leges tres. 1730. p. 152 besieht das Cap. 33
der Capitula de part. Sax. anf Lex Sax. cap. 21 u. 22; Chr. Ulr. Grnpen
(starb 1767) in Praefatio ad legem Sax., abgedruckt in Spangenbergs Bei-
trilgen 1822 p. 192, sagt: „concinnatam antem (legem Sax.) suspicor ante
Cbpitalare CaroU M. de partibiis Saxoniae, quod ad Saxonum legem de
peijarüs, quaecap. 21 leguntur, seremittit"; Spangenberg Beiträge 1822
p. 181 bemerkt nur: ^sollte aus der Ueberschrtft Lex Francorum über Ca-
pitel 24 in der Correier Handschrift der Lex Saxonum nicht Bieners An-
sieht best&tigt werden, dafs schon vor dem Jahre 788 ein geschriebenes
sächsisches Rechtsbuch, n&mlich diese Ewa Saxonum [d.i. Cap. 1—23]
existirt habe" ?
S) YgL Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 1 p. 569 n. p.574 § 146 Anm.;
Gaupp Becht und Verfassung der alten Sachsen p. 45, und Wilda Straf-
recht p. 102.
') Vielfach werden die Ausdrucke Lex und £wa Saxonum f)lr das
gesammte geltende Recht verwendet, ohne Rücksicht darauf, ob es in Ge-
setEesform aufgezeichnet war; vgl. folgende Beispiele: im Capitulare Saxo-
nieum von 797 in Cap. 7 „statuerunt . . , quicquid hominibus missorum regis
fiustnm fnerit, omnia. tripliciter faciant restaurare et secundum eorum ewa
oomponere" Ports Leg. 1 p. 76 ; im Cap. 8 daselbst wird bestimmt, dals das
Niederbrennen von H&usem nur in Folge eines Beschlusses der Pagenses
erfolgen solle : ^tunc de ipso placito, communi consilio facto, secundum eorum
ewa fiat incendium peractum'' p>76; und im. Cap. 10 das.: ^de malefacto-
ribus, qui vitae ^encabim secundum ewa Saxonum incurrere debent, etc.^
p. 76; vgl. ebendas. im cap. 4 „ibi solito mors pagenses 12 solidos reci-
piant" p. 76. In des Anscgisus Capitul. Appendix II. cap. 35 (einer Stelle,
die Pertz 1 p. 170 ins Jahr 811 setst, vgL aber Waitz VerÜMsungsgesch. 3
p. 280): „Si aliquis Saxo caballoe in aua messe invenerit, et ipse cabailos
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hängt die Entscheidung lediglich yon einer nSheren Pdllinig dar
beiden Stellen ab, die mir gegen die von Merkel vertretene An-
sicht aasfallen zu müssen scheint^). Die Stellen hmten:
inde ducere pro suo damno ad comprobandum voluerit, si qms Über bomo
boc ei contradixerit aut aliquod malum pro boo ei fecerit^ tripla eompoBitione
secundutn legem et seeundum ewam contra eum emendare studeat etc. ..;
81 serTUB boc fecerit, seeundum suam legem omnia in triplum restitnat etc.*'
PertE Leg. 1 p. 324. In Urk. von K. Otto I. von 952; „Wicborahc, illonuik
soror, seeundum legem Saxonicam cum manu adrocati sui ad monaste-
rium in Gesiki tradidit etc.'' Seibertz Westf. ürkundenb. 1 p. 9. In Urk.
y. K. Otto m. von 996: „Adela dixit, quod pater ejus seeundum Saxonicam
legem absque ejus consensu et licentia nuUam potoisset faoere traditionem**
Lacomblet 1 p. 78. In Urk. nacb 1024: „fecit abnegationem praedii (in
der Wetterau) primo incunratis digitis seeundum morem Sazonum, et
deinde cum manu et festnca more Francorum*' Bcbannat Yindem. 1, 41. In
Urk. von 1049 : „tradidit curtem, statimque justa legem et ritum Wetf^ola^
sium ejusdem rei investituram promisit ore et digito remittere'' MSser Os-
nabr. n. nr. 21; und in Urk. ron 1049: „investituram ejusdem traditionis
statim Uli cum digito suo sieut mos est, promittens'' ibid. nr. 22. In Urk.
Ton 1088: „publice actum est super reliquias nostras com cbirodieea, ßiaä
mos est liberis Saxonibus, tradidit curtim . . ; aderat • • advocatas eodeaiäey
qui cbirotbecam traditionis sacris reliquüs impositam, fii mos est, abstulit
et ab ipso G. tradente . . promissionem confirmationis aooepit; decimo die G.,
matrem suam yerissimam ejus beredem nobis praesentarit, quae ez lege
Saxonum donationem ejus ore laudarit et digito confirmavit'' Lindenbrog
Scr. Sept. privil. Hamb. nr. 33; und in einer etwas jüngeren Bestfttjgunga-
urkunde: „ipse cum cbirotheca, sicut mos est, tradens baec omnia ..; G«
confirmationem digito, ut moa est Saxanibus fecit'' ibid. nr. 34. In einer
Mflnsterscben Urk. Ton 1092: „boc primum in ourti mea collaudatom est,
secundo jure Westpbalico confirmatum in placito comitis D.^ Erhard
Beg. West£ 1 p. 131. In Conreier Urk. Ton 1113: „nbi baec acta sttnt «#^
eundum legem et justitiam Angariorum'' und „acta sunt baeQ«0etm^
dum ritum Ostersabson'' Erhard Reg. 1 p. 141. In Gorreier Urk. toh
1126: „ubi baec facta sunt seeundum legem Angariorum" Erhard 2
p. 5. Vgl auch oben S. 91 Note 2 und unten S. 119 Note 1. In Betreflf des
Gebrauches des Wortes Ewa Tgl. insbesondere die von J. Grimm in seiner
Vorrede zu Merkels Lex Sal. p. LYII, in der Malbergschen Glosse entdeckte
Seolando - ewa.
>) Stobbö, Deutsche Rechtsqueilen 1860. 1 p. 188, riumt ein, „dab
dem Sprachgebrauch nach unter Lex Saxonum auch das ungeschriebene
Gewohnheitsrecht der Sachsen verstanden sein kOnne^> h< dies aber im
Cap. 33 fOr sehr unwahrscheinlich. Eine durch nichts unterst&tate Behaup-
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CapUuia de paMma SaxwUag: Lern 8a»amm:
Gap. 3. „Si qnis eoeledam per Gap. 21. „Qni in ecdesia ho-
▼iolentiam intrayerity et in ea per minem ocoiderit vel aliqnid fora-
▼im Tel fbrtn aUqoid abstalerit, verit, vel eam effregerit, «W eeiens
▼el ipaam eoolesiam igne erema- perfunwerit, eapite pnniatnr;
▼erit) morte moriatnr.
Gap. 32. Si coilibet homini sa- (Gap. 22.) et gui neseietu p«r^
eramentom debet aliquis, aframeat raoerit, mannm snam redimat anctor
illom ad ecclesiam s^ramentaad sacramenti <'.
diem statatum; et ai jorare con-
tempserity etc.
Gap. 33. De perfuHs seonn-
dum legem Saxonornm sit'^
taug Ton Seibertx, Landes- nsd BechtsgeBch. des Herz. West&len 1860.
1 p. 290, ist es, „dafs Ewa kein sclirifUicheSy sondern yielmehr ein gewohn-
heitareehtliches Oesets" bedeute, und dafs das s&chsische Recht, da es im
Gapitulare Saic ron 797 „"Emsi Sazonum" genannt werde „damals wohl noch
■lebt sehrifUich redigirt gewesen sei, eben weil es noch Ewa und nicht Lex
genannt werde''. Wenn Waitz Deutsche Verfassungsgesch. 1860. 3 p. 296
bemerkt: „Auf das wahrscheinlich noch ungeschriebene Recht der Sachsen
wird in den Capitularien fUr Sachsen Bezug genommen: cap. 33 Pertz p.50:
secnndum legem Sazonorum; und cap. 7. 8. 10 Pertz p. 76*^, so stimme ich
ihm bei, dals im Cap. 33 der Capitula de partibus Sazoniae unter der Lex
Saxonmn an ungeschriebenes Recht zu denken ist, nur fUlt damit die Mer-
keische Ansicht, dafs die ersten 23 Capitel der Lex Saxonum vor den Ca-
pituÜB de partibus Saxoniae abgefalst seien, die Waitz Verfassungsgesch. 3
p. 144 referirt und der er zuzustimmen scheint, indem er p. 120 beim
Jahre 782 ron der Au&eichnung des ersten , nach Merkels Vermuthung zu
CKmsten der s&chsischen Edelen abgefiJsten Stückes der Lex spricht, „wie
es später in das Yolksrecht des Stammes Aufnahme gefunden hat". Fflr
Merkek Ansicht erkl&rt sich neuerdings: Sig. Abel, Jahrb. des fränkischen
Reiches unter Karl d. Gh>. 1866. 1 p. 347: „Die Erw&hnung des s&chsisehen
Gesetzes in dem Capitulare von 785 zeigt, dafs jenes schon vor 785 auf-
gezeichnet war; an 4** ungeschriebene s&chsische Gewohnheitsrecht kann
hier deshalb meht gedacht werden, weil die Bestimmungen, auf welche ver-
wiesen wird, über die Bestrafung des Meineides, christliche Zust&nde Toraus-
setzen*'. Ich verstehe die Worte Abels nicht; denn dafs falsche Eide bei
den heidnischen Sachsen straflos gewesen w&ren, wird er nicht behaupten
wollen, da Eide von ihnen wie von aUen heidnischen Germanen geschworen
wurden, vgl. Wflda Strafr. p. 979; K. Maurer Norw. Bek. 2 p. 223; Waitz
Deateche Verfassungsgesch. 1865. 1 p.271, 413, und unten S. 119 Note 1.
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Meines ErmessenB benutzt in diesen angeftthrten Stellen die
Lex Saxonnm die Capitala de partibas Saxoniae und wird nicht
umgekehrt, wie Merkel annimmt, von ihnen benutzt In Gap. 21
der Lex Saxonum wird für Meineid in der Kirche, wie fttrTGdtong,
Stehlen und Einbruch in der Kirche, die Todesstrafe ausgesprochen;
dies geschieht in einem und demselben Satze; hfitten nun die Ca-
pitnia de partibus Saxoniae aus dieser Stelle der Lex gesch9pft|
so würde in ihnen der Inhalt von Capitel 33 unmittelbar auf das
Capitel 3 folgen; es würden die Capitula, nachdem sie in Ca-
pitel 3, schöpfend aus der Lex Saxonum Capitel 21, die Todes-
strafe für mehrere in der Kirche verübte Verbrechen ausgesprochen
hatten, auch sofort erwShnt haben, dafs das in demselben Gar
pitel 21 der Lex für Meineid angeordnete Recht femer gelten
solle. Dies geschieht nun aber nicht; erst in Capitel 33, nach*
dem vorher über viele andere Punkte die Rede gewesen ist, kom«
men die Capitula auf den Meineid zu sprechen, und bemerken
„de perjuris secundum legem Saxonomm sit"; und zwar giebt die
im Capitel 32 enthaltene gesetzliche Anordnung, dafs die Eide in
der Kirche geschworen werden sollen, Veranlassung, des Rechts
bei Meineiden zu gedenken >). — Nimmt man dagegen an, dals
die Lex Saxonum ans den Gapitulis geschöpft hat, so erklärt sich
die Art der Behandlung des Stoffes in beiden Gesetzen sehr ein-
fach: die Lex Saxonum Capitel 21 verhängt die Todesstrafe auf
in der^ Kirche begangene Verbrechen, wie es das Capitel 3 der
Capitula de partibus Saxoniae gethan hatte, und fügt den in dem
Capitel 3 verzeichneten Verbrechen den Meineid bei; sie thut dieSi
weil nach der früheren Bestimmung König Karls im Gapitel 32
der Capitula de partibus Saxoniae die Eide in der Kirche ge-
schworen wurden, und ein Meineid, der mit dem Tode bedroht
war, im Gapitel 21 der Lex, bei Aufsählung jder in der Kirche
verübten, mit dem Tode zu bestrafenden Verbrechen, seine an-
*) Ich ftUu-e dies Btobbe gegenüber an, der Rechtsq. 1 p. 188 be-
merkt: ^es Bei schwer ein Grund einzusehen, warom K. £arl erklärt haben
soUte» dafs es ftlr die Bestrafung des Meineides beim bisherigen Gewohn-
heitsrecht verbleiben soUe^«
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StoUe fand^). ^ Aach der Gang der Oefletsgebnng
König Karls Aber Meineid ersoheint^ so anfgefafsty als ein durch-
«08 in sieh zusammenhängender. Nach älterem fränkischen Recht
1) In den S. 117 abgedrnckten Worten des Cap. 32 hatte König Karl ver-
ordnet, dafs Ton den Sachsen die Eide in der Kirche geschworen wür-
den, ^e VorBchrift, die er im Jahre 803 auch Air aulsersächsische Gegenden
dnrch Cap« 12 der ^Capitula quae in lege Bipuaria mittenda aunt^ eiuftibrtc:
- rfOmne sckcramentum in ecclesia aut supra reliquias juretur" PertE Leg. 1
p. 118. Abweichend von diesem Capitulare gestattete K. Karl den Sachncn
die Eide ihrer alten heimischen rorchristlichen Ewa gemäfs auf die
Waffen in leisten; vgl. Lex Bax. c. 8: ^in manu liti sui vel sua arma
jnret^y wie das Corveier Manuscript liest, während für „in sua arma",
bei Tilius „per aua arma" steht, und Herold und das Spang. Manuscript „in
sua armata" haben, vgl. oben S. 67 und 96. Den alten sächsischen Eid auf
die Waffen bezeugen: „Saxones sacramentis, ut eorum mos est, super
arma patraüs pactum pro universis Sazonibus firmant" Fredegarius lib. Y.
e. 74 nad Oesta Dagoberti cap. 31, sowie „hoc pcLctum aacramento quidem
Wper arma ßrmaAum, ut Sazonibus mos erat jurantibus" Aimoinus
lib. lY. c 26. Dieselbe Ewa hatten beim Eide die heidnischen Franken, ein
Text des Capitulars von K. Childebert um 550 c. 4 besagt : „quando Franci
legem composuerunt, non erant christiani, propterea in eorum dextera et
arma sacramenia ad/hmant; sed post ad christianitatem fnerunt reversi,
propterea non per* arma eorum etc." Pertz Leg. 2 p. 6 oder Merkel Lex
SaL p.44. In gleicher Weise schwuren die heidnischen Dänen: vgl. Annal.
Einhardi beim Jahre 811 „condicta inter imperatorem et Hemmingum Da-
nonun regem pax propter hiemis asperitatem, quae inter partes commeandi
viam daudebat, in armis tantum jurata servaiur; donec redeunte veris tem-
perie et apertis vüs, eongredientibus ex utraque parte Francorum sciücet et
Dane mm duodecim primoribus, pax confirmatur datis vicissim et secun-
dum ritum ac morem suum saerameniia^ Mon. Germ. Scr. 1 p. 198; und
in den AnnaL Fuldens. beim Jahre 873 : „jurabant ( D an i ) etiam juxtaritum
gentis suae per arma $ua, quod nuUus regnum regis inquietare deberet."
Mon. Germ. Scr. 1 p. 386. Ueber die Art der Umbildung der heidnischen
Formen des Eides im fränkischen Kelche vergleiche Rettberg Deutschi. Kirchen-
gesch. 1848. 2 p. 731. Man weihte die Waffen, auf welche die Eide ge-
schworen werden sollten: in einigen Handschriilen ist eu Lex Bajuv. XVII, 4
beigeschrieben „postea donet arma sua ad sacrandum, et per ea juret"
Mon. Germ. Leg. 3 p. 327 ; im Edictum Botharis c. 364 steht „ juret ad
arma sacrata", und in Lex Alam. 92, 1 lesen Handschriften „in arma sua
sacrata" f^ „in arma sua sacramenta". Vgl dagegen Lex Rip. XXXIU, 1
„ambo coigurare debent cum dextera armata, et cum sinistra rem ipsam
teneant". Einer Zeit, in der die alte Eidesweise in Sachsen aufser Brauch
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war für Meineid eine GeldbaOse gestattet, und trat in manehen
Gegenden des BeicheB für den Meineidigen Verlost der Hand ein,
wenn sie nicht dnrch Geld gelöst wurde. Dies Recht führte König
Karl in Sachsen nicht ein, bestimmte vielmehr im Gapitei 33 der
Gapitttla de partibns Saxoniae: „de perjoris secnndam legem 8a-
xonomm sit", d.h. es soll in Sachsen das bisherige Recht gelten,
welches, sehr abweichend vom fränkischen Recht, die Todesstrafe
auf den Meineid setzte. Später, bei Abfassung der Lex Saxonum
Capitel 21 und 22, erschien es dann erforderlich, specieller an-
zugeben, dafs die Todesstrafe nur bei wissentlichem Meineide ein-
treten solle, während es bei nnbewnfttem gestattet sei, die Hand
mit Geld zu lösen; eine Unterscheidung, die König Karl im J. 779
ausgesprochen hatte, als er im fränkischen Reich die Lösbarkeit
der Hand der Meineidigen durch Geld aufhob^).
2. Ein anderes Argument für die Abfassung der
Gapitei 1 — 23 der Lex Saxonum vor den Gapitulis de
partibus Saxoniae findet Merkel darin, dafs dieses
Stück der Lex, wie er sich ausdrückt, „ein Adelsstatut
und verbrieftes Landrecht des herrschenden Stammes*'
in Sachsen gewesen sei*).
Die hier gewählte Bezeichnung Adelsstatut ist seit Merkel
mehrfach für den ersten Theil der Lex Saxonum gebraucht wor-
gekommen war, gebort die Lesart „in sua armata'' ftr „in sua arma* in
Lex Sax. c. 8 an, die Siegel Deutsches Gerichtsrerf. 1857. 1 p.' 229 rorzieht,
indem er unter dem alten juramentum in armis irrthfimlich einen Eid in der
Rüstung versteht, wie ich zu Mon. Germ. Leg. 3 p. 061 not. 44 erOrt«rt habe.
1) Tgl. das Capitulare von 779 Cap. 10 in Pertz Leg. 1 p. 86 mit der
Lex de Amore cap. 30 und Capit. Pacto legis Sal. add. c. 15 in Pertz Leg. 2
p. 13. Ohne genflgenden Grund hat man es bezweifeln wollen (siehe Wilda
Strafrecht p. 102. 983), dafs im vorfr&nkisehen s&chsischen Recht die Todes-
strafe auf Meineid gestanden habe, da sie in ihm, wie eine Beilage am
Schluis dieser Abhandlung ausf&hrt, Ar viele Verbrechen üblich war, und
es bei der Behandlung des Meineides im fir&nkischen Recht kaum denkbar
ist, dals K. Karl sie in Sachsen neu eingeführt haben sollte.
') Merkel Lex Sax. p. 5 sagt: „der iüteste Theil des sAchsisehen
Yolksrechts cap. 1— 2d, ein Adelsstatut und Terbrieftes Landrecht des
herrschenden Stammes, war sicherlich vorhanden, ehe die Capitola de par»
tibus Saxoniae erlassen worden sind''.
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den ^), wihrend ieh sie nicht fttr glttoklieh erfunden hatten kann,
da in ihm keineaw^s äaBschliefBlich die VerhSltnisae der Edelinge
behandelt werden. Betrachten wir die 23 Capitel, welche den
ersten Theil der Lex bilden sollen, im EInaelnen, so sind in den
eraten 14 von ihnen allerdings die fUr Verletzungen verschiedener
Art yerseichneten Bofsen in den Summen angegeben, in weleben
sie ftlr Edelinge (nicht für Freie oder für Liten) gezahlt werden
mufsten ; im Capitel 15 ist aber allgemein von Buften der Weiber
die Bede; im Capitel 16 von Wergeid und Bulben der Liten; im
Capitel 17 von Bufsen für einen Servus; im Capitel 18 vom Haften
des Herrn für den Liten; im Capitel 19 vom Mord-tod, und es
heilst ausdrücklich „componatur occisuB juzta conditionem suam*,
d. h. es werde für ihn Wergeid gezahlt, je nachdem er ein Ede-
ling, ein Freier oder ein Lite ist DaB Capitel 20 handelt sodann
vom Plagium iwischen Nobiies; und endlich werden in den Ca-
piteln 21 — 23, welche angeblich den Schlufs des ersten Theils
gebildet haben sollen, Verbrechen mit Todesstrafe bedroht, die
für schwere Verletzungen einer Kirche gelten, ohne dafii dabei
des Gebnrtsstandes der Betheiligten Erw&hnung geschieht.
Die drei zuletzt angeführten Capitel 21 — 23 verlangen aber
noch eine genauere Beachtung; mit ihnen beginnt eine Reihe von
Capiteln der Lex Saxonum, die sich bis zum Capitel 36 fortsetzt,
welche Verbrechen behandelt, die mit Todesstrafe bedroht sind.
Nur aus Befangensein in einer vorgefafsten Meinung kann ich es
erklären, wenn Merkel es für Zufall hfllt, dafs direct hinter den
Capiteln 21 — 23, die den Schlufs des ersten Theils der Lex ge-
bildet haben sollen, die Capitel 24 -^ 38 des zweiten, angeblich
später verfafsten Theils stehen, welche die in jenen begonnene
Aufzählung der mit dem Tode zu bestrafenden Verbrechen ohne
Unterbrechung fortsetzen. Da in den Capiteln 21 — 36 alle in der
Lex vorkommenden Todesstrafen, und zwar für nicht weniger als
20 Fälle, unmittelbar hinter einander aufgeführt sind, so scheint
^^1* '* ^' Biege], Gesch. des deutschen G^richtsrerfahreiiB 1857.
1 p. 282, der die-Herkelsche Bezeichnung für besonders passend erklärt;
WaitE Deutsche Verfassungsgesch. 8 p. 120. 144 und Stobbe Deutsche
Bechtsqueüen 1 p. 188, die sie billigen*
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60 mir QnmQglieby sieh gegen die Annahme sn verschliefteni dab
mit Absicht bei Abfasanng der Lex die Satzungen über Todes-
strafen zusammengestellt worden sind. Zeigt sich aber eine solche
Anordnung des Stoflfes in der Lex, so spricht dies daftlr, dafs ua
als ein Ganzes gleichzeitig ^erfafst, und nicht ans mehreren n
verschiedener Zeit erlassenen Gesetzen combinirt ist, dafs also
namentlieh die Capitel 1 — 23 nicht von der ttbrigen Lex abge-
8(»idert nnd als ein älteres besonderes Statut aufgefaßt werden
dürfen. — Vielleicht wird Jemand einwenden: wenn es zugegeben
werden müsse, dafs die Capitel 21—38 nicht zufällig in der Lex
zusammenstehen, so bleibe immernoch der Ausweg anzunehmen,
daä das zweite Stttck der Lex mit Capitel 21 statt, wie behauptet
wurde, mit Capitel 24 begonnen habe, und dafs somit das in einer
früheren Zeit erlassene Adelsstatut nur aus den Gapiteln 1 — 20
bestanden hätte ^). Wüfsten wir, dafs ein älteres, besonders er-
lassenes G^etz den ersten Theil der später als ein Ganzes pnbli-
eirten Lex Saxonum bildet, und es handelte sich um eine Ver-
mutfaung, ob dieser Theil mit dem Capitel 20 aufgehört oder |ineh
noch die Capitel 21—24 umfa&t habe, so würde ich das erstere
für plausibler halten. Von einem solchen Gesetz existirt aber auch
nicht die geringste Kunde, und wenn in den Capiteln 21 — 38
nicht in der Weise von Nobiles die Rede ist, wie in den Ga-
piteln 1 — 14, so erklärt sich dies sehr zur Genüge daraus, dab
bei Todesstrafen der Adel ohne Einflufs war, indem von ihnen
>) Merkel Lex Sftzonum p. 5 regt selbst diesen Gedanken an: „Die
drei letzten Capitel des ersten Theiles (Cap. 21 bis 23) soheinen ZuB&tce su
sein und bandeln von Meineid und Eirchenfrieden im Allgemeinen. Wie
nahe es aber auch liegt, diese 3 Capitel, mit Rücksiebt auf Capitel 3 der
Cap. de part. Saz., an den zweiten Theil der Lex Sax. (die Capitel 24 bis 60)
anzureihen, so entscbeidend spricbt Capitel 33 der Capitula de pari. Sax.
dagegen''. DaCs das angeftüirte Capitel 33 nicbt „ entscbeidend spricbt '^j
wurde S. 118 er5rtert; bätte Merkel die Capitel 21 bis 23 der Lex Saxonum
zu seinem vermeintlicben ersten Tbeil gerechnet, so w&re der einzige ron
ibm angeftlbrte Scbeingrund ftlr ein böberes Alter des ersten TbeUea der
Lex Saxonum weggefallen, den er aus der gerade im Capitel 21 erwftbnten
Strafe ftlr Meineid bernimmt, indem sieb auf diese die Capitula de partibus
Saxoniae bezieben sollen, vgl. S. 114,
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AUe gleidiiDiUing betroffeA wurden, mochten sie Bdellsge, Freie
oder liten sein, und doch TerlengDen selbst die Gapitel 21 — dS,
welehe die Todesstrafen anfeXhlen, die herrortretende Stellang des
Adds in Sachsen nicht; nur ein einaiges Mal, im Capitel 36, er-
wSbnen sie der Mobiles^ und hier wird gesagt, dafs im Qegensats
so einem groüsen mit Todesstrafe bedrohten Diebstahl anf einen
Ueinen Diebstahl neunfache Bnfse steht, und dabei hiniugefllgt,
dab das su sahlende Fredum beim NobiÜs 12, beim Liber 6,
beim Litus 4 (3?) Solides betrage^). Nicht der Freie wird im
GafMtel 36 als derjenige hingestellt, bei welchem das normale
Fredum von 12 Solidis su sahlen ist, aus dem sich durch Ver-
vielfUtigung das Fredum des Nobills und durch Theilung das des
Liten «geben hXtte, sondern der Nobiiis. Wie die Gapitel 1 — 13
der Lex die bei den Nobiles su sahlenden Bufsen verseichnen,
ana denen die der Liberi und Liti su berechnen sind'), so giebt
das Capitel 36 der Lex das. beim Mobilis su sahlende Fredum
als daiqenige an, weldies die Grundlage fttr die Berechnung des
Fredum eines Liber und Litus bildet').
^) Cap. 86 Leg. Saz. : „Qnicquid rti nno denario minus tribus solidii
q[ii]slibet fiarto abstnlerit, nories conponat, quod abstnlit; et pro fredo, si
nobilis fuerit solidos 12, si liber 6, si litus 4,'* Vgl S.5d.
*) Tgl. in Lex Sax« cap. 16: „Litus occisus 120 solidis componatur,
tnulefa vero milnerum ejus per omnia duodecima parte minor quam
nobilis bominis**; während in andern Volksrecbten das Wergeld und die
Bnlse der Freien als Grundlage ftlr die Berechnung der Wergelder und
der Bnlsen der anderen St&nde hingestellt wird, vgl 8. B. in Lex Fris,
XXII, 90: qhaec omnia ad liberum hominem pertinent, nobilis vero hominis
compoaitio • . in onmibns quae superius scripta sunt tertia parte major efB-
dtur; liti rero compositio . . in omnibus superius desoriptis medietate minor
est, quam liberi hominis'^.
S) Nicht zuftllig werden im Cap. 36 der Lex Sax. 12 Solidi als Fre-
dum bei einem Nobüis angesetit, und eine Quote dieser Swnme bei einem
Liber, a^wie eine geringere bei einem Litus; die Summe Ten 12 Solidis
ist das Tülle sächsische normale Fredum, welches dem fr&nkischea
Fredum Ton 15 Solidis entspricht, und dies volle Fredum tritt bei einem Nobilia
ein, wahrend bei einem Liber und einem Litus nur Quoten desselben ge-
sahlt werden; ausdrücklich Terordnet das Ckpitulare Saxonicum von 797
cap. 3: „ut ubicnnque Franci seonndum legem solidos 15 »oItst«
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unbedingt mofs jedem Leser der Lex Saxonnm die Art anf«
fallen, in der sie von den Nobiles handelt; und namentlich wie
sie in ihren ersten Capiteln die von ihr yerzeichneten Buben in
den Summen ansetzt, die an Nobiles zu zahlen sind, während sie
über Bnfsen und Wergelder der Freien yollsülndig schweigt; nur
genügt dies nicht, um in Jenen Capitehi mit Merkel „ein Adels-
statut und yerbrieftes Landrecht des herrschenden Stammes'' zs
sehen, welches diesem speciell von EOnig Karl verliehen und
spttter dem sfichsischen Gesetzbuch einverleibt worden wXre. Idi
suche aber Überhaupt fUr die Thatsache, dab in der Lex Über-
wiegend von Nobiles die Rede ist, und dafs bei der Angabe von
Bnfsen und Friedensgeldem die den Nobiles zu zahlenden Born-
men verzeichnet werden, aus denen die der anderen Stände be-
rechnet werden müssen, keinen Sufteren Grund, der bei der Be-
daction der Lex bestimmend gewesen wäre, sondern finde sie voll-
ständig erklärt durch die in furchtbarer Weise prävalirende Stellung
der Nobiles im alten* Sachsen, wo fttr den kleinen Finger eines
Edeling dieselbe Bube gezahlt werden mufste, wie fttr einen er-
schlagenen Freien^); die Lex Saxonum ist der Ausdruck der säch-
sischen Zustände ihrer Zeit, und sie haben die Fassung der Lex
bestimmt Dafs aber die Bevorzugung des Adels in Sachsen doreh
König Karl geschaffen oder irgendwie gesteigert sei, ist eine nn-
erwiesene Hypothese, gegen welche die allerreellsten Gründe gel-
tend zu machen sind ; und für den darauf weiter gebauten Ge-
danken, dafs in den ersten Capiteln der Lex Saxonum ein Statut
vorliege, in welchem KOnig Karl dem sächsischen Adel, um ihn
debent, ibi nobiliores Saxones solidoB 12, ingemii 5 (bessere 6),
liti 4 oomponant^. PertE 1 p. 76, Tgl. unten (.21. Wie die Lex Saxonum
I&fst das Capitolare Saxonicom das rolle normale siehsiBche Fredom bei dem
NobiÜB eintreten, nicht bei dem Liber, und liefert damit wie die Lex Sazo-
nom ein ZengniTs ftir die pr&yalirende Stellung der Nobiles in Sachsen.
^) Nach der Lex Saxonnm betrug das Wergeid eines Nobilis 1440 So-
lidi, das eines Liber 240 Solidi, das eines- Litus gar nur 120 SoUdi, wah-
rend der kleine Finger eines Nobilis 240, sein Daumen 360 Solidi galt,
s. Lex Sax. e. 13 ; und dabei wurden obendrein die Wergelder mit kleinen
Solidis eu 2 Trimsen, die andern fiufsen mit grolsen Solidis sn 3 Trirasen
gesahlt
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m gevinnen, diese Privilegien eiDgerXumt habe,, so dafii e% wie
Merkel sieh anedrttckt, ein „ verbrieftes Landrecht'' des Adels wttre,
iat kein Omnd angeführt worden and dttrfte sich anch schwerlich
ein Bolcher beibringen lassen^). HStte aber auch wirklich König
Karl den sächsischen Edelingen das hohe Wergeid der Lex Sa-
xonum nicht bestätigt, sondern neu gewährt, so ist doch nicht
abzusehen, was dafür sprechen könnte, dab er dies vor Erlab
der GapitnLi de partibns Saxoniae gethan haben sollte, während
Merkel doch nar unter dieser Voraussetzung aus jenem hohen
Wergeid im ersten Theil der Lex schliefsen könnte, dafs er vor
den Capitulis de partibns Saxoniae abgefaftt sei, und somit anch
vor den übrigen Theilen der Lex, in denen die Capitnla de par-
tibas Saxoniae benutzt sind.
Erweisen sich demnach die Gründe als nicht bündig,
durch die Merkel sich bestimmen liefs, die Abfassung
der Gapitel 1 — 23 der Lex Saxonum vor die der Capitula de
partibus Saxoniae zu setzen; finden wir in diesen Gapiteln der
Lex, wie in den folgenden Gapiteln 24—60, die Gapitula de par-
tibus Saxoniae benutzt, und ist femer die Behauptung, dafs die
Gapitel 61— -66 der Lex nach dem Gapitulare Saxonicum von 797
verfafst seien, nicht einzuräumen, sondern vielmehr anzuerkennen,
dals auch diese letzten Gapitel der Lex vor dem Gapitulare von
797 erlassen worden sind, — so ist die Zusammensetzung der
Lex Saxonum Aus drei zu verschiedener Zeit verfafsten Stücken
oder ,die dreifache Gesetzgebung in der Lex Saxonum,
die Merkel für unwiderleglich beurkundet^ hielt, nicht
beurkundet, und wir haben keine Veranlassung, die Lex Sa-
xonum nicht als ein gleichzeitig abgefaultes Gesetz zu betrachten.
Kaum bedarf es, dafs ich dabei daran erinnere, dals die Prä«
snmption dafür spricht, dafs die Lex Saxonum als ein Ganzes
erlassen worden ist, und €|afs diese Annahme festzuhalten ist,
wenn nicht unwiderleglich dargethan wird, dafs sie aus zu ver-
schiedenen Zeiten entstandenen Stücken später combinirt wurde;
*) VgL eine Beilage am Schluls dieser Abhandlung Über die Nobilee
der Lex Saxonum.
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die blofae IfögHchkeit einer Efitstehung ans drei Stücken erwieseii
sn haben, würde selbBtverstftndlich ganz irrelevant sein.
Capitbl m. Abfassungszeit der Capitola de partibus
Saxoniae.
§• 12. Die Gapitala sollen im Jalir 785 verfafst sein.
Eine einzige ans Mainz stammende Handsohrift des 9. Jahr-
hundert«, die jetzt im Vatican aufbewahrt wird, hat uns die wich-
tigen „Capitnla, quae de partibus Saxoniae constituta sunt** er-
halten; aus ihr sind sie nach ihrer Auffindung durch den Bischof
▼on Paderborn, Ferdinand Fttrstenberg, zuerst von Lucas
Holsten (verst. 1661) herausgegeben worden^), im Jahre 1835
aber von Pertz in den Monumentis Germaniae Leg. 1. p. 48^
nachdem er im Jahre 1822 aufs Neue die Handschrift in Rom
verglichen hatte').
Nicht ohne Bedeutung dürfte es sein, dafs in der oben 8. 66
besprochenen Corveier Handschrift aus dem 10. Jahrhundert, welche
die Lex Saxonum, sowie das auch in der Mainzer Handschrift
stehende Capitulare Saxonicum von 797 enthSlt'}, und die offen-
bar beabsichtigte, die wichtigsten Rechtsquellen für Corvei zu-
sammenzustellen, keine Abschrift der Capitula de partibus Sa-
xoniae sich findet; es weist dies darauf hin, dafs die Capitula
damals nicht mehr als in der Praxis anwendbar galten, eine Auf-
fassung, die mit dem Inhalt der Capitula, gegenüber von dem der
Lex Saxonum und des Capitulare Saxonicum von 797, vollkommen
llbereinstimmt, indem dieser zu der Annahme führt, dafs die Ca-
pitula durch Erlafs der Lex Saxonum und des Capitulare Saxo-
nicum antiquirt waren.
^} Vgl. Gaertner Saxonum leges tres. p. 1 18 und G a u p p Sachsen p. 13.
*) Vgl. Pertz Mon. Germ. Leg. 1 p. XXII und Archiv der Gesellschaft
flElr &here deutsche Gesch. 6 p. 305.
») Vgl. ohen S. 33 Note 1.
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In dem ans erhalteoen Text der Capitata, denea
wohl erst später die üeberschrift „Gapitnla qnae^) de partibns
Baxoniae constitatasant" gegeben ist, feblt der Eingang und
mit ihm eine Angabe ttber das Jahr, in welehem sie
▼erfafst sind. Balnse setzte die Capitnla ins Jahr 789, indem
er sich durch zwei unechte Gapitularien von 789 dazu bestimmen
Heft*). Eichhorn trat in den frttheren Auflagen seiner Deut*
sehen Rechtsgeschichte, wie es OXrtner im Commentar zu den
Gapitulis gethan hatte'), der Annahme von Baluze bei, nahm
ab^r 1834 in der 4. Auflage an, sie möchten bald nach 785 ver-
fa&t sein, s. Eichhorn Deutsche Kechtsgeschichte §. 134 Note m.
Pertz setzte die Gapitula ins Jahr 785; ihm stimmten bei:
Oaupp Recht und Verfassung der alten Sachsen. 1837. p. 14,
Wilda Btrafrecht der Germanen. 1842. p. 100, Erhard Regesta
Westfallae. 1847. 1. p.71, Rettberg Eirchengeschichte Deutsch-
lands. 1848. 2. p.409, Merkel Lex Saxonum. 1853. p.6(:„da()i
das Gapitular ins Jahr 785 zu setzen sei, erscheint mir, wenn
ich das historische Material ttberblicke, so gut als gewifs *), Sei-
bertz Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthum Westfalen.
1860. 1. p. 292, Stobbe Geschichte der deutschen Rechtsquellen.
1860. 1. p. 193 und Waitz Deutsche Verfassungsgeschichte. 1860.
3. p. 123, indem er bemerkt die Gapitula seien wahrscheinlich
^) Im Mscrpt. steht: ^Capitulatio de partibus Saxonie canstitute
sunt''; Pertz bessert „capitula quae . . . constituta sunt*'; Waitz Deutsche
Verf. S. p. 123 will daftr lieber „eapihda hate^ oder „t>to^ lesen.
*) YgL die drei Capitulare bei Baluze 1. p. 246. 248. 261 und>WaHer
Corpus Jur. Genn. 2. p. 101. 103. 104. Die angeftthrten zwei unechten Ca-
pitulare sind das ^Praeceptum pro Trutmanno comite'' und das „Praeceptum
de institutiono episcopatuum per Sazoniam" (d. i. die Bremer Stiftungsur-
knnde); uneraebtet beide jetzt mit Fug und Becbt ftlr unecht gelten, be-
rufen sich doch Neuere noch vielfach auf in ihnen enthaltene Angaben, da
diese aber zum Theil ganz unleugbar mit den echten Quellen im Wider-
spruch stehen, glaube ich dies unterlassen zu müssen.
*) Gegen Baluze erkl&rte sich bereits Grupen (st. 1767), in einer
„Prae£stio ad legem Saxonum", die Spangenberg Beiträge 1822. p. 192 hat
abdrucken lassen; er setzt die Capitnla de part. Saz« ins Jahr 780; die
Nachrichten über dieses Jahr, meint er, entspr&chen ihrem Inhalt.
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785 abgebfst, „oder unmittelbar nach Bewältigung der neuen Er-
hebung der Sachsen im Jahre 783^^).
PertB giebt die Gründe, die ihn su seiner Ansicht bestimmt
und die allgemeinste Anerkennung gefunden haben, vor seinem
Abdruck der Capitnla de partibus Saxoniae kurz und bttndig an;
sie bestehen darin, dafs Sachsen erst im Jahre 785 insoweit unter-
worfen und beruhigt gewesen sei, da(s ein Qesets, wie die blu-
tigen Capitula, habe erlassen werden kdnnen; dies entspreche nicht
den Zuständen Sachsens in den Jahren 777, 780 und 782.
Mich haben diese Qründe nicht überzeugt; die Art, wie
Sachsen in den Gapitulis de partibus Saxoniae als ein eben unter-
worfenes noch heidnisches Land erscheint, in welchem das Christen-
thum erst eingeführt werden soll, und wo es sich darum handelt,
seine Kirchen auf den rauchenden Trümmern der eben zerstörten
Heidentempel aufzubauen, sprechen, meine ich, direct gegen das
Jahr 785. Nach dem Bilde, welches mir die vorhandenen Quellen
ergeben, war in Sachsen nicht nur im Jahre 780, sondern bereits
im Jahre 775 die Unterwerfung des Landes soweit vorgeschritten,
und man mit der Einführung des Christenthums in der Weise be-
schäftigt, dafs der Erlals eines Gesetzes, wie es die Capitula de
partibus Saxoniae sind, in keiner Weise befremden kann. Im
Jahre 785 dagegen hatte E5nig Karl nach einem drittehalbjährigea
verzweifelten unglücklichen Befreiungskampfe der Sachsen, die seit
775 bis zur Ocker, und seit 780 bis zur Elbe unterworfen waren,
das Land aufs Nene mit blutiger Gewalt unterjocht; ein im Jahre
785 erlassenes Gesetz mulste anders lauten als die Capitula de
partibus Saxoniae, und konnte namentlich, wenn es auf die kirch-
lichen Verhältnisse des Landes einging, keine Bestimmungen .ent-
halten, wie jene Capitula; es handelte sich 785 nicht mehr um
Erbauung von christiichen Kirchen statt der heidnischen Tempel,
1) Abel, Jahrbücher des fr&nk. Beichea unter Karl d. Gr. 1866. 1 p.401,
erklärt: „Es ist nirgends bestimmt überliefert, welche Beschlüsse auf der
Yersammlung in Paderborn im Jahre 785 gefafst wurden, ohne Zweifd aber
haben wir dieselben in einem Gesetze für Sachsen lu erblicken, das jeden-
faUs in diesen Jahren erlassen sein muis und am natürlichsten auf die Ver-
sammlung in Paderborn verlegt wird''.
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and om üebertragung der Rechte der Tempel auf die Eirehen;
die Heidentempel waren längst gefallen; jetzt waren die in dem
Aufstände seit 782 zerstörten christlichen Kirchen wieder herzu-
stellen^ nnd war ihre Zahl zu vermehren^).
Das Jahr, in welches Pertz die Capitula de partibus Saxo-
niae setzt , ist bedingt durch seine Auffassung von der unter-
werfnng und Christianisirung Sachsens vor dem Jahre 785; meine
Ansicht, dafs die Capitula früher, bald nach 775, erlassen seien,
etwa im Jahre 777 zu Paderborn auf der ersten Reichsversamm-
lang König Karls in Sachsen, hängt ab von der Richtigkeit des
Bildes, welches mir bei Lesung der Quellen von der damaligen
Unterwerfung und GhristianisiruDg Sachsens entstanden ist; es
liegt mir daher ob, den Versuch zu machen, meine Auffassung zu
begründen. Ich werde in Folge dessen hier zusammenstellen: im
§.13 die Nachrichten, die wir über die Unterwerfung Sachsens
bis zum Jahre 785 besitzen, dann im §. 14 die Nachrichten über
die Bekehrung Sachsens aus dem nämlichen Zeiträume; und werde
dann im §. 15 die Frage wieder aufnehmen nach der Zeit der
Abfassung der Capitula de partibus Saxoni^e').
§• 13. Die Unterwerfung Sachsens während der Jahre 772—785.
Bereits vor Karl dem Orofsen hatten Chlothar I. und Dago-
bert I., sowie Karl Martell und dessen Söhne Karlman und Pippin
*) Den Standpunkt König Karls bei Erlads der Capitula de part. Sax.
bezeichnet deutlich ihr Eingang: „Primum hoc plaeuit omnibus, ut ecele-
aiae Christi, quomodo construuntur in Saxonia et Beo sacratae
sunt, non minorem habeant honorem sed majorem et excellentiorem
quam fana habuissent idolorum''.
*) Die folgenden Pan^aphen sind im Frfilyahr 1865 wie die ganze
rorliegende Abhandlung niedergeschrieben; seitdem ist der erste Band des
oben 8. 98 Note 1 angeftkhrten Buches von Sig. Abel erschienen, der die
Geschichte Karls des Orofsen bis 788 behandelt. Abel schlierst sich den
Ansichten ron Ports und Merkel Hber die Zeit der Abfassung der Capitula
de pari. Sax. und der Lex Saxonum durchweg an ; mich hat seine Darstellung
nicht Ton der Unrichtigkeit meiner Auffassung der sfiohsischen Verh<nisse
jener Zeit Ikberzeugt, ich lasse daher das fi-flher Aufgezeichnete unrerändert
abdrucken und ftkge ihm nur einige Noten ftber abweichende Ansichten
Abels bei.
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der Kleine, die Sachsen mit Krieg überzogen and zeitweise rar
Zahlung eines Tributes gezwungen , auch waren mehrfach Ver-
suche zur Bekehrung des Landes gemacht worden^); danemde
Erfolge führte aber erst der Unterwerfungekrieg herbei, den Karl
der Grofse im Jahre 772 gegen die Sachsen begann.
Nr. 1. Die Jahre 772 bis 774.
Gleich auf dem ersten Feldzuge zerstörte Karl, nachdem er
die Eres- bürg an der Diemel') erobert hatte, ein nur wenige
Stunden davon entferntes, wahrscheinlich bei Altenbeken nnfem
Drieburg gelegenes Nationalheiligthum der Sachsen: die Irmin-
säule. Sie war ein gewaltiger Baumstamm, der in einem hei-
ligen Hain stand, umgeben von Tempelgebäuden, aus denen
König Karl die darin aufbewahrten Schätze an Gold und Silber
nahm^). Drei Tage dauerte das Zerstörungswerk, dann zog das
1} Vgl. Rettberg Kirchengesch. 2 p. 283. 397. 399. 401. Die Angabe
der späten und unzuverlässigen Annales Mettenses in Monum. Gemu Ser.
ed. Pertz 1 p. 331, dafs Konig Pippin im Jahre 753, nachdem er bis Behme
an der "Weser vorgedrungen war, Oestattung freier Predigt und Taufe von
den Sachsen ausbedungen habe, verdient keinen Glauben; sie fehlt auch in
den Annales Laurissenses und £inhardi bei Perts 1 p. 138. 139, die den
Sieg Pippins im Jahre 753 berichten; beim Jahre 758 geben sie an, dafs
die Sachsen nach einem Siege Pippins bei Sitnia (d. i. angeblich Siihen bei
Dülmen, vgl. Ledebur Preub. Arch. 7 p. 32) : „pollidti sunt contra Pippinum
omnes voluntates ejus faciendum, et honores in placito suo praesentandom
usque in equos 300 per singulos annos.'' Porte 1 p. 140.
*) Eres - bürg oder Mars - borg, wird später Ober •> Harsberg oder Stadt-
berg genannt, s. Seibertz Landes- und Bechtsgeschichte Westfalens. 1860.
1 p. 183.
*) Annal. Lauriss. major, a. 772: „Aeresburgum caatrum eoepit, ad
Ermensul usque pervenit, et ipsum fanum destruxit, et aurum rel ar-
gentum, quod ibi repperit, abstulit" Ports 1 p. 150; ^idolum Saxo-
nujn, quod Irminsul vocabatur, evertit** („destruif^, „oombussit'^) Annal. fiiah.
Pertz 1 p. 151. Fuld. p. 348. Juvav. p. 88; ,, fanum Saxonum quod Yocatur
Irminsul destnixif („subvertit'*) Annal. Laurisham. Pertz 1 p. 30. HersfeUL
Pertz 3 p. 37. Chron. Moissiao. Pertz 1 p. 295; ^ fanum et lucum Saxo-
num famosum Irminsul subvertit" Lauriss. min. Pertz 1 p. 117; ^pervenit ad
locum qui dicitur Ermensul, et sucoendit ea loca*' AnnaL Petav. Perta 1
p. 16; „truncum quoque ligni non parvae magnitudinis in altom e reo tum
sub divo colebant, patria eum lingua Irminsul appellantes, quod latme
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Mnkisohe Heer nach der Weser hinab; dort gelobten die Sachsen
Frieden sa halten and stellten Geifseln.
Karl yerliefs darauf Sachsen; schon im October 772 verweilte
er zu Herstal; im Frühjahr 773 ging er nach Italien; während er
dort beschäftigt war, fielen die Sachsen verheerend in das ihnen
benachbarte Hessen ein; ihr Versuch , Rache zu nehmen fttr die
Zerstörung der Irminsul, durch Niederbrennen der vom heiligen
Bonifacins zu Fritzlar erbauten Kirche, gelang nicht. Karl, im
September 774 nach Ingelheim zurückgekehrt, liefs vier Heeres-
haufen in Sachsen einfallen, die grofse Beute machten, das Land
brandschatzten, verwüsteten, und nicht Wenige tödteten ^).
Nr. 2. Die Jahre 776 bis 777.
Im Jahre 775 bescblofs Karl die Unterjochung und
Ghristianisirung Sachsens mit Gewalt durchzusetzen*).
Nachdem er in Düren im Juli eine Reichsversammlung gehalten
hatte und mit grofser Heeresmacht den Rhein überschritten war,
fiel er (durch das Ruhrthal) in Sachsen ein, eroberte die Sigi-
burg (d. i. Hohen-Syberg an der Mündung der Lenne in die Ruhr),
befestigte die von den Sachsen zerstörte Eres -bürg (d.i. Stadt-
berg an der Diemel), legte eine fränkische Besatzung hinein,
erzwang den üebergang über die Weser bei Brunes-berg (d. i. an
der Mündung der Nethe am Brauns -berge oberhalb von Höxter),
und drang ostwärts bis zur Ocker (in die Gegend von Braun-
schweig) vor. Dort unterwarfen sich ihm die Ostsachsen;
die Engern thaten es auf seinem Rückmarsch im Buki-gau
(d. i. bei Bücke -bürg); die Westfalen in Folge von Nieder-
dicitur univerHalis columna, quasi sustmenB omnia^ Rudolf von Fulda (st. 865)
in Tranelatione S. Alexandri c. 3. Pertz 2 p. 676. Vgl. über die Innin-sul:
J. Grimm Mythologie p. 104. 127. 759, und über den Ort, wo sie stand,
Ledebur, Beleuchtung einiger Punkte in den Feldsfigen Karls des Grofsen
1829. p. 13.
1) Annal. Lauriss. a. 774 Pertz 1 p. 152. Einhard. p. 153. Fuld. p. 348.
Petov. p. 16.
*) Einhardi Annal. a. 775 : „Bex consilium iniit, ut perfidam ac foedi-
fragam Saxonnm gentem bello adgrederetur, et eo usque perseveraret,
dum ant victi obristianae reiigioni subjicerentur, aut omnino
tollerentur.^ Pertz 1 p. 153.
9*
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132
lagen, die sie erlitten , nachdem sie vorher eine Abtheilnng des
fränkischen Heeres bei Hiid-beki (d.i. Lttbbeke nordwestlich von
Minden) aufgerieben hatten 0* Alle stellten Geibeln nach des Kö-
nigs Vorschrift und schwuren ihm Treue').
Im October treffen wir Karl wieder in Dttren, bald nach
Neujahr 776 ging er Über die Alpen; in Italien wurde ihm die
unerwartete Nachricht, dafs die Sachsen die Ecesbnrg er-
obert und die von ihm darin zurückgelassenen Franken ver-
trieben hfitten, dafs aber seine Besatzung in der Sigiburg sich
noch gegen die Belagerer behaupte').. Im August kehrte er nach
Worms zurück, hielt eine Reichsversammlung, eilte nach Sachsen
mit einem mächtigen Heere, und es blieb den von ihm über-
raschten Sachsen nichts übrig, als sich aufs Neue zu unterwerfen
und um Gnade zu flehen. Massenhaft kamen sie zu ihm, der
') Ueber Sigi - bürg, deoisen Namen die AnnaL Quedlinb. Perts 3 p. 37
bereits „Siburck" achreiben, ». Ledebur Beleucht. p. 24 und Seibertz 1 p. 190;
über Brunes - berg s. Ledebur p. 37; das Buki-gowe (oder Bucben-gau) lag
lAnga der Büke-berge (d. i. Buchen-berge), in ihm später die Buke-burg,
s. Ledebur p. 50; nach dem Illid-beki oder Lid-beki war das Lidbeke-gowe
benannt, der Name ist in dem des Ortes Lflbbeke erhalten, s. Ledebur p. 44.
') Annal. Lauri:»8. a. 775: „ibi (an der Ocker) omnes Austreleudi
Sazones venientes cum Hassione dederunt obsides, juxta quod pUcuit,
et juraverunt se fidel.es esse partibus domini Caroli regia
(„obsides, quos rez imperaverat dedit, et sacramentum fidelitatis juravit"
Einhard. p. 155). Similiter in de revertente rege, renerunt Angrarii
in pago Bucki una cum Brunone et reliquis optimatibus eorum, et dede-
runt ibi obsidea aicut Austrasii (^sicut Ostfalai, juzta quod im-
peraverat, obsides ac sacramenta dederunt'^ Einh.) ; . . et dominus rez itenun
super Sazones cum ezercitu irruens stragem non minorem ez eis feeit, ei
praedam multam conquisivit super Weatfalaos, et obsides dedervnt
sicut et alii Sazones.'* Peru 1 p. 154; dejigl. Annal. Einh. 1 p. 165. Fuld.
p. 348. Petar. p. 16. Lauresham. p. 30 (i^conquesiTit castella Aeresburg et
Sigiburg, et posuit ibidem custodias**).
") Ann. Laurisa. a. 776 : „tnnc nuntius veniens dizit Sazonea rebellantes,
et omnes obsides suos dulgtos, et sacramenta rupta, et Aeresburgom castnun
per mala ingenia et iniqua placita suadentes ezire Franoos; sie Aeresburgom
a Francis derelictum, muros et opera destruzerunt; inde pergentea volue-
runt de Sigiburgi similiter facere, Francis eis ririliter repugnantibus nihil
praevaluerunt, etc.'' Pertz 1 p. 154; desgl. Annal. Einh. p. 155.
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188
sehon an den Qnellen der Lippe stand; sie gelobten Christen
SU sein nnd dem Frankenk9nig nnterthan; sahllose Saeh>
sen mit Weibern nnd Kindern wurden getauft; Oeifseln gaben sie
dem KOnig, wie viele er verlangte, der, nachdem er die Eresbnrg
hergestellt, eine neue Feste an der Lippe erbaut, und beide Orte
mit bedeutenden Besatsungen belegt hatte, nach Herstall surttck-
ging').
Karl betrachtete Sachsen als ein ihm unterwor-
fenes, dem Christenthum gewonnenes Land'). Im Som«
^) Annal. Lanriss. «. 776: „Et Saxones perterriti omnes ad locum ubi
Lippia oonflurg^t yenientes ez omni parte, et reddidenint pairiam per vadium
omnes manibas eomm, et sposponderunt so esse christianos, et
aub ditione domini Caroli regis et Franeorum subdiderunt.
Et tone dominus Carolus rez una cum Francis reaedificavit Aeresburgum
castrum denuo, et aliud eastrum super Lippiam, ibique renientes Sazo-
nes una cum nzoribus et infantibus innumerabilis multitudo
baptiaati sunt, et obsides dederunt, quantos dominus rez ab eis
quaesiTit, etc*^ Ports 1 p. 156, desgL Einbard p. 157.
*) Dafllr, dafe Kfinig Karl diese Ansicht heg^e, sprechen seine weiteren
Schritte, dafs aber die Ereignisse des Jahres 776 auch allgemein so auf-
gefalst wurden, klingt in den meisten Annalen wieder: „Sazones post
mnltas caedes et raria bella afflicti, non Talentes resistere, tandem chri-
stiani effecti Franeorum ditioni subduntur** Ann. Fuld. a. 777.
Perts 1 p. 349 und Ann. Lauriss. min. a. 776. Porta 1 p. 118; „conyersio
Sazonum'' Ann. Fuld. antiq. ad a. 776 in Porta Scr. Tom. 3; „rez Carolus
eonquisirit mazimam partem Sazoniae; et conrersi suntSazo-
nea ad üdem Christi, et baptisata est eorum multitudo innumera*'
Ann. Lanrisham. a. 776. Perts 1 p. 30 ; „Karolus iterum fuit in Saxonia, et
Bubjugati Saxones, dederuntque hospites ut fierent christiani; et
Carolus fecit castellum super flurium Lyppia*' Annal. Sti Amandi a. 776.
Pertz 1 p. 12; ^timore perculsi renerunt majores natu ad dominum regem
Karolum postulantes pacfm, et baptisata fnuUa turba paptUi; aedificave-
runt Franci in finibus Sazanorum ciritatem, quae vocatur urbs Karoli'' Annal.
PetaT. a. 776. Perts 1 p. 16; „ingressus est in Sazonia, et mazimam partem
Sazoniae accepit, et cofwersi sunt Saxones ad fidem Christi, et multi Saxo-
num baptisati sunt ** Chron. Hoissiac. a. 776. Peru 1 p. 296. - Eine von
der im Text dargolegften sehr verscbiedene Auffassung der sAchsinchen Vor-
bMuiisse des Jahres 776 finde ich bei Abel Jahrb. 1 p.211, indem er sagt:
„schwerlich hat Karl selbst die Eroberung des Landes schon 777 für fertig
angesehen*', sein Entschluls die Beichsrersanmilung in Paderborn abzuhalten.
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184
mer 777 hielt er zu Paderborn eine Reichsversaniinl'nAg,
die erste in ßaehsen; zu ihr kamen^ von ihm geladen^ viele Fran-
ken und Sachsen aus allen Theilen des Landes, nur der WeBt&le
Widukind blieb fern mit wenigen Anderen, die zu den DSneii
gefluchtet waren '). Die Anwesenden gelobten dem König und
seinen Söhnen Treue; er gewährte ihnen Verzeihang und nahm
ihre Unterwerfung unter der Bedingung an, „ dafs sie ihres Lan-
des und ihrer Freiheit verlustig würden, wenn sie ferner seine
Satzungen verletzten" („sua statuta violarent"). Die meisten
von ihnen liefsen sich sofort in Paderborn taufen, nachdem sie
versprochen hatten, Christen sein zu wollen^).
„war eben nur ein neues Mittel, um die Sachsen einBusohüohtern, um ihn
Unterwerfung fortzusetzen". Diese Erklärung wird abgeschwächt, indem
Abel p. 212 fortfährt: „ Andererseits war die Ausführung deis Planes nicht
möglich, wenn Karl nicht schon bis auf einen gewissen Grad wirklich festen
Fuls in Sachsen gefafst hatte, lieber die Mafsregeln sur Sicherung seiner
Herrschaft und Eur Verbreitung des Christenthums, welche ron Karl bis dahin
getroffen waren und auf der Versammlung in Paderborn getroffen wurden,
ist fast gar nichts Genaues bekannt, etc." Dafs Kdnig Karl, wenn er auch
im Jahre 777 Sachsen unterworfen zu haben meinte, so gut wie später und
z. B. im Jahre 785, auf neue Aufstände im Lande gefafst sein muCste, ist
selbstrerständlich, und mehr besagen die von Abel (Üt seine Ansicht ange-
fahrten Worte der Annales Einhardi ad a. 777 auch nicht: „propter frau-
dulentas Sazonum promissiones, quibus fidem habere non poterat, ad locum
Padrabrun, generalem populi sui conrentum in eo habiturus, cum ingenti
exercitu in Sazoniam profectns est.^ Pertz 1 p. 157.
^) Annal. Lauriss. a. 777: „tunc dominus Carolus res sinodum pu-
blicum habuit ad Paderbrunnen prima vice; ibiqne conyenientes
omnes Franci, et ex omni parte Saxoniae undique Saxones convenerunt, ox-
cepto quod Widochindus rebellis extitit cum paucis aliis, et in pardbus Nord-
manniae confugium fecit una cum sociis suis" Pertz 1 p. 156; Annal. Laa-
resham. a. 777: „habuit Carlus conventum Francorum, id estmagiscam-
pum in Saxonia ad Padresbrunnon, et ibi paganorum Saxonum
multitudo maxima baptizata est'' Pertz 1 p, 31; Ann.Petav. a. 777: ^habuit
in loco Patresbrunna m agn um plaoi tum, et ibi convenerunt Saxones
ad baptismum catholicuni, et baptizata multamillia populorum gen-
tilium** Pertz 1 p. 16; desgl. Annal. S. Amandi 1 p. 12, Alam. Guelferb.
Nazar. in Pertz 1 p. 40 und Annal. Quedlinb. in Pertz 3 p. 37.
*) Annal. Einhardi a. 777: „Cum rex Padrabrun venisset, totum per-
fidae gentis (Saxonum) senatum ac populum, quem ad se ve-
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135
Nr. 3. Die Jahre 778 bis 782.
Auf dem Tage an Paderborn hatte sich bei König Karl Hülfe
fliehend anoh der Sarraeene Ibin-al-Arabi eing^anden; als in
Folge dessen der König 778 nach Spanien gesogen war, nnd
Naohriohten umliefen von fränkiachen I^iederlagen in den fernen
PjrrenfieDy glaubten die Sachsen^ durch Widukind und seine
Genossen angefeuert, den Augenblick der Rache gekommen. Sie
▼erbrannten die fränkische Feste an der Lippe; be-
deutende Heereshaufen überschritten die frXnkische Grenae, Ter-
beerten und yerbrannten die Ortschaften und Kirchen auf dem
rechten Rheinufer von Denta aufwärts bis gegenüber von Coblenz,
sogen dann verwüstend durch das Lahngau, wurden aber in Hessen
an der £der bei Battenfeld und Leisa von einem fränkischen Heere
angegriffen und genOthigt nach Sachsen zurückankehren >).
nire jusserat morigenim ac fallaciter sibi devotum inyenit; nam
canoti ad eum Tenenmt praeter Widichindum , unum ei primoribus Westfa-
laorum, qni mnltorum facinonim sibi conscius, et ob id regem yeritus, ad Sigi-
firidum Danonim regem profiigerat. Cetori qui venerant, in tan tum sc
regia potestati permisere, nt ea conditione tancyeniam aeci-
pere mererentur, si nlterius sna statuta violarent, et patria
et libertate prirarentur. Baptisata est ex üb ibidem mazima
multitudo» quae se quamris falso christianam fieri Teile promiserat^
Perta 1 p. 159; AnnaL Lauriss. a. 777: „Ibique (in Paderborn) mnltitndo
Saxonum baptiaati sunt, et seeundum morem iUorum omnem ingenni-
tatem et alodem manibus dulgtum fecerunt, ai amplius inmutas-
tent seeandam ""^^y»» oonsuetudinem eorum, nisi consenrarent in omnibus
ekristianitatem vel fidelitatem dombi Caroli regia et filiorum ejus Tel Fran-
conim^ Ports 1 p. 158; Annal. Fuldens. a. 777: „ßt oonTontus habitus in
Padrabrunno .., ibi Sazones baptizati, ingenuitatem et omnem pro-
prietatem suam seeundum morem gentis abdicantes, regi tradi-
derunty si a die Ula et deinceps christianitatem, et regi et filüs ejus fideli-
tatem abnegaasent.'' Ports 1 p. 349.
1) Vgl. AnnaL Lauriss. a. 778 in Pertc 1 p. 168. Einhardi p. 159. Ful-
dens. p. 349. PetaT. p. 16. Lauresh. p. 31. Alam. p. 40. Quedlinb. in Perts 3
p. 37. poeta Saxo in Perts 1 p. 235. Chron. Mois^iac. in Pcrts 1 p. 296.
Ueber die Orte „Baddanfeldun'* und .jLibesi** vgl. Wonck Hesnische
Gesch. 2 p. 319. -Xach dem jüngeren Chron. S. Martini Colon, in Pertz 2
p. 214 w&ren die Sachsen nicht nur bis Deuts gekommen , wie die älteren
QueUen erz&hlen, sondern hätten auch das ^ monastcrium '^ (S. Martini) in
Cöln zerstört.
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Im Jnni 779 ^) führte König Earl^ nachdem er in Düren eine
Reichsversammlung abgehalten hatte, sein Heer an der Mündung
der Lippe über den Rhein, Bchlng die Sachsen bei Bocholt und
.zwang die Westfalen zn neuer Unterwerfung; dann
drang er zur Weser bis Med o-f Ulli (einem unermittelten Orte')
vor, wo ihm auch die Engern und Ostfalen sich wieder
unterwarfen, Treue schwuren und Oeifseln stellten').
Im Frühjahr 780 beschlofs der König, von Worms
aus, wo er den Winter zugebracht hatte, ohne dafs neue Unruhen
vorgekommen waren, nach dem nordöstlichen Sa^chsen zu
gehen. Er nahm seinen Weg über Eresburg zu den Lippe-
quellen (d. i. nach Lippspringe) und hielt dort eine Reichs-
Versammlung ab; zog dann nach Ohrum an der Ocker (nörd-
lich von Wolfenbüttel), wohin er die Sachsen der östlichen Landes-
theile aufgeboten hatte, und wo Viele von ihnen, namentlich aus
dem Bardengau (d. i. aus dem Lüneburgschen) und aus Nord -
^) Vom 27. M&rz bis zum 13. Mai yerzeiclinet Boehmer in sehien Be-
geston zu HerstaU von König Karl ausgestellte Urkunden; da die Annalen
erw&hnen, daCs die Beichsversaminlung zu Dfiren vor dem Uebeigang dea
Königs Über den Bhein statt hatte, so wird dieser in den Juni fidlen. Un-
eebt scheint eine Urkunde von K. Karl ftkr Trier su sein: ^data mense
Augusto anno XL (das wäre 807, dies pafst nicht, und Hontheim emen-
dirte: XI, d.i. 779) regni nostri; acta Padrebuma ßseo nattra,*' in Beyer
Mittelrhein. Urkb. 1 p. 52 und 2 p. 580.
*) Ueber den Ortsnamen Hedo - fulli , Mido-fulli, d. L poeulnm mulsi,
vgl. Qrimm Deutsche Sprachgesch. p. 657 ; Ledebur Beleucht. p. 75 suoht
den Ort im Kirchdorf Fühlen bei Oldendorf am linken Weserufer; eine solche
Verstümmelung des alten Namens anzunehmen, halte ich f&r ebenso unsulftssig,
als Ledeburs Deutung desselben durch Mittel - Fühlen.
>) AnnaL Lanriss. a. 779: ^Et fuit sinodus in villa Duria, et iter actus
est in partibus Sazoniae. Ad Lippeham transitur Rhenus flavius, et Saxones
voluerunt resistere in loco Bohholt. Non praevaluerunt, sed abinde fugientes
reliquerunt omnes firmitates eorum; et Francis aperta est via, et intro-
euntes in Westfalaos, conquesierunt eos omnes (Einh. „omnes
eos in deditionem accepif*); reliqui, qui ultra Wisora fnerunt
(Einh. ^Angrarii et Ostfalai''), cum se junxisset rez ad locum Medo-
fulli (Einh. „Midofulli^), ibi dederunt obsides et denuo sacramenta
firmantes.** Pertz 1 p. 160, desgl. Annal. fiinhardi p. 161. Fuld. p. 349.
Lauresb. p. 31. Petav. p. 16. Alam. p. 40.
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137
Sachsen jenseits der BIbe, getauft wnrden; schlag endlich sein
Lager an der Mttndong der Ohre in die Elbe (d. i. bei Wolmir-
stedt) anf, nnd kehrte, nachdem er die VerhSltnisse der nmwoh-
nenden Sachsen anf dem linken Elbnfer nnd der ihnen benachbarten
Blayen anf dem rechten geordnet hatte, nach dem Rhein sarttck ^}.
Dafii König Karl im Jahre 780 besonders den nordOstHohen
Theil Ton Sachsen im Ange hatte, erhellt ans dem Angeführten:
*) Annal. Lauriss. a. 780 : ^Rez iter peragens ad disponendam 8a-
xoniam ad Aeresbargum pervenit (Einhard: „cum j>rimum temporis opor-
tunitas adridere visa ut, iterum cum magno exercitu Sazoniam profectus est,
traiisiitperca8tnimAere8bargum''Pertsp.]61),etmdead locnm nbiLippia
eonsnrgit, ibique sinodum tenens; inde iter peragens partibus Albiae
flavii; et in ipso itinere omnes Bardongavenses et multi de Nord-
leu dis baptizati sunt in Ibco Orhaim ultra Obacro fluvio (Einbard:
„ibi ei omnes orientalium partium Saxones, ut jusserat, occurrissent, ma-
zima eorum multitudo in Orheim baptizata est*). Et pervenit
uaque ad snpradictum fluvium, ubi Ora oonfluit in Albia, ibique
omnia disponens tarn Sazoniam quam et Selavos^ Ports 1 p. 160. Der
Schluiasatz lautet in Einbards Annalen: „Ibi tam ad res Saxonum qui
citeriorem, quadi et Sclayorum qui ulteriorem fluminis ripam inco-
Innt, conponendas operam inpendit; quibns tunc pro tempore
ordinatis atque dispositis in Franciam reyersus est" Pertz 1 p. 161.
Die Anaal. Petar. a. 780: ^Rex Earolas cum Franeomm ezereitu renit in
Sazoniam usque fluyinm Alyea, adquisiyit nniyersam terram
111 am 8ub forti brachio; ipso quoque anno Sazones derelinquentes idola,
Denm verum adoraverunt et ejus eredidenmt opera, eodem quoque tempore
aedificaverunt ecclesias*' Ports 1 p. 16; Annal. Lauresb. a. 780:
„rex pervenit in -Sazonia eum ezeroitu et pervenit usque ad fluvium
Heilba; et Sazones omnes tradiderunt se illi; et omnium ac-
eepit obsides, tam ingenuos quam et Udos; divisitque ipsam pa-
iriam inter episcopos et presbyteros seu et abbates, ut in ea
baptisarent et praedicarent'* Pertz 1 p. 31 und Ähnlich AnnaL Mossell. Pertz
16 p. 497. Die AnnaL Quedlinb. a. 780: „Carlus inter Orae et Albiae con-
flnentibus Sazones baptizari praecepit'^ Pertz 3 p. 37, und dann a. 781 :
„eodem anno Cardus de Roma reversus in Franciam, terram Sazonum
inter episcopos divisit [die vorstehenden Worte finden sich auch in
den Hersfelder Annalen], et terminos episoopis constituit, et S. Stephane in
loeo Seligenstedi monasterium construzit, quod postoa translatum est in Hal-
verstadi, ubi nunc sedes episcopalis est, etc." Ports 3 p. 38; die letzten
Angaben sind unhistorisch, indem sie später Qeschehenes einschieben, vgl.
Retiberg Deutschi. Kirchengesch. 2 p. 471.
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im Jahre 775 war er bi6 siir Ocker gekommeD, das Land zwiMhen
ihr and der Elbe betrat er snerat 780; und wie die Annalen,
indem sie die Unterwerfung der Sachsen im Jahre 780 beridhteai,
von diesen Oatlichen Gegenden sprechen, so ist aach das, was sie
zugleich Über das sich taufen lassen der Sachsen und über die
Einrichtungen des Königs sn ihrer weiteren Bekehrung sagen,
speciell auf jene Oegenden zu beziehen ').
Auch das Jahr 781 verging ohne Aufstünde in Sachsen*),
unerachtet der König vom December 780 bis in den Juni 781 in
Italien sich aufhielt; im Sommer 782 berief er die allgemeine
Beichsversammlung, die er jührlich im fränkischen Reich
hielt| nach Sachsen, und kam deswegen mit einem fränkischen
Heere von Cöln zu den Quellen der Lippe (nach Lippspringe),
verweilte dort längere Zeit, vollzog die Reichsgeschäfte, empfing
Gesandte des Dänenk&nigs Siegfrid und der Avaren, und kelurte
nach Beendigung der Versammlung, zu der alle Sachsen auiaer
Widttkind erschienen waren, und nachdem er im Lande auch
Sachsen aus den edelsten Geschlechtern als Grafen
angestellt hatte, über den Rhein zurück'}.
^} Darüber, da£i yor 780 in NordthOringen keine Spuren ron frän-
kischer Herrschaft und Bekehrung zum Christenthum vorhanden .sind, wäh-
rend dies in dem südlich ron Nordthüringen an der Saale gelegenen sich-
sischen Kordsweregau und Hassegau der Fall ist, vergleiche eine Ausführung
unter den Beilagen am SchluTs dieser Abhandlung. — Im Gegensata su
meiner im Text ausgeführten Ansicht, über die noch unten §. 14 xu ver-
gleichen ist, bezieht Abel 1 p. 284 die Nachrichten über Unterwerfungen
im Jahre 780 nicht auf die nordöstlichen Theile Sachsens, sondern allge-
mein auf das ganze Land: „die Annalen lassen es nicht zweifelhaft, dals
Karl in diesem Jahre endlich die Unterworfung Sachsens für vollendet
hielt, etc."
*) „Bine hoste fuit hie annus^ AnnaL Petav. a«781 Pertz 1 p. 16; vgL
Annal. Akman. Guelferb. Nazar. a. 779 bis 782 Pertz 1 p. 40.
*) Annal. Lauriss. a. 782: „Bex Renum transiens ad Coloniam, syno-
dum tenuit ubi Lippia consurgit; ibique omnes Saxones venenmt,
exoepto rebellis Widochindus . . ; peracto placito , reversus est rex in Fran-
ciam^ Pertz 1 p. 162; Annal. Einh. a. 782: „Aestatis initio in Saxoniam
eundum, et ibi, ut in Franoia quotannis solebat, gener alem conventum
habondum censuit. Trajecto apud Coloniam Bheno, cam onmi Franoorum
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Nr. 4. Die Jahre 782 bis 785.
Im Sommer 782 wurde dem KOnig ein rSnberiacher Einfall
der slaviBchen Sorben Ewigchen Elbe and Saale in
das ihnen benachbarte Thüringen und Sachsen ge-
meldet; er beauftragte den KMmmerer Adalgis, den Marschall
Getlo und den Pfalsgrafen Worad, ein Heer in Ostfranken
und Sachsen zn sammeln, und die Slaven su ettchtigea. Doch
als diese nach Sachsen kamen, erfahren sie, dafs Widukind
aus Dänemark aurUckgekehrt war und die Sachsen su
einem neuen Aufstande bewogen hatte. Sie suchten ihre
in Ostfranken gesammelten Mannschaften mit denen au vereinen,
die Graf Theoderich eilig aus Ripuarien herbeiftihrte, nachdem
anch er von dem sXchsischen AuÜBtande Kunde erhatten hatte,
wurden aber am Berge Süntel an der Weser (d.i. an der
exerciili ad fontem Lippiae renit, et castri» ibi positis, per dies non
pancos ibi moratus est, ubi inter cetera negotia otiam legatos Sigifridi, regia
Danamm absolrit, etc.*" Pcrtz 1 p. 163 , desgl. Annal. Fuld. p. 349. Potay.
p. 17; Annal. Lattresbam. a. 782: ^Habuit Carlus rez oonyentum magnum
ozercitTis sui in Saxonia ad Lippiabrunnen, et oonstituit super
eaxn ex nobilissimis Saxonnm genere eomites" Perts 1 p. 32 und
übereinstimmend AnnaL Mosell. Perts 16 p. 497. Ich kann die Eoletst an-
gef&brten Worte nicht so Torstehen, dafe sie bezeugten K5nig Karl habe
damals zuerst in- Sachsen Grafen eingesetzt; sie besagen nur, dafs er im
Jahre 782 in Sachsen Grafen aus den edelsten sftehsisoken Ge-
schlechtern ernannt habe; dies erschien den Annalen bemerkenswerth
und mochte rorher noch nicht geschehen sein. Im Gegensatz hienu äufsert
A b el I p. 343 : „K. Karl hielt es (im Jahre 782) an der Zeit, mit der Ord-
nung der innem Angelegenheiten Sachsens nach fränkischem Muster yor-
zugehen. £r begann damit, dafs er auch filr Sachsen Grafen ernannte; und
zwar wählte er dazu, ob durchgehends oder nur theilweise ist nicht gesagt.
Eingeborene des Landes, s&chsisohe Edele. Diese, wie es schien, rechtfer-
tigten das vom Könige in sie gesetzte Vertrauen, indem sie den Auftrag an-
nahmen. Die Tragweite der neuen Mafsrogel liegt auf der Hand, durch Ueber^
tragung der Regierungsgewalt an Grafen, yom König eingesetzte Beamte, war
die alte sächsische Volksverfassung umgestofnen^. Dafs König Karl nach den
frftheren Unterwerfungen die Altere sächsische Verfassung nicht hat kCnnen
fortbestehen lassen, und data er in dem Lande, das ihm gehuldigt und Treue
geechworen hatte, sofort Beamten wird eingesetzt haben, die er Grafen genannt
haben dürfte, wie im übrigen fränkischen Reiche, scheint mir zweifellos.
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Porta Westfaliea bei Hansberge) von den Sachsen geseh ta-
gen^ AdalgiSy Geilo und vier Grafen fielen^).
Als König Karl dies vernahm^ kam er mit einem Heere,
so grofs er es in der Eile zasammensiehen konnte, nach Sacbsen,
lad die Ersten des Landes vor sich nnd nntersnchte, wer der Ur-
heber des nenen Aafstandes sei. Alle nannten Widnkind; da er
aber za den Nordmannen entwichen war, so liefs der König
4500 Mann, die die Sachsen ihm als Widukinds Theilnehmer
übergeben hatten, sn Verden an der Aller enthaupten*).
Di^ blutige That rief gans Sachsen au den Waffen gegen
Karl, der den Winter au Thionville anbrachte. Im Mai 783 ging er
nach Sachsen, siegte mit einem verhMltnifsmXiliig kleinen Heere
bei Detmold, wo Schaaren seiner Gegner fielen, nnd sehlag
1) Annal. Laurias. a. 782 Pertz I p. 162. Einh. p. 163. Fuld. p. 340.
Die specieUe Beschreibung des Schlachtfeldes „in ipsa fluminis Wbura ripa"
und „ad montem qui Sun tal appellatur*', l&lst die Porta Westfalica niehi Ter-
kennen, und dalis ehemals der Name Sflntel fftr den ganzen Beiging galt,
auf dessen (Vstlichem Theil bei Hessisch Oldendorf er heute beschrankt ist,
haben Grupen Obserrationes 3 p. 584 und Ledebur Beleucht. p. 81 erörtert
*) Annal. Lauriss. a. 782: „Hoc audiens Carolus rez, una cum Francis,
quos sibi celeritate coigungere poUiit, illuc perrexit, et perrenit^ usque ad
loeum ubi Alara confluit in Wisora. Tnne omnes Saxones iie-
rum conrenientes, subdiderunt se sub potestate domini regia,
et reddiderunt omnes malefaetores ülos, qui istud rebeUiom mazime
terminaTemnt, ad oceidendum, quatuor millia quingentos; qnod
ita et factum est, exoepto Widochindo, qui fuga lapsus est partibns Nordman-
niae** Ports 1 p. 164. AnnaL Einhardi a. 782: „Rex . . aceitis ad se
ennctis Saxonum primoribus, de auctoribus factae defectionis
inquisirit. Et cum omnes Widokindum auctorem proclamarent, eum tarnen
tradere nequirent, eo quod ad Nordmannos se contulerat, caeteromm qui
persuasioni ejus morem gerentes tantum facinus peregerunt, usque ad 4500
traditi, et super Alaram flurium in loco Ferdi jnssu regis omnes
una die decollati sunt** Perts 1 p, 165; desgL AnnaL Fuld. p. 350.
Lauresh. p. 32. S. Amandi p. 12. Laubac. p. 13. Alam. p. 40. Qnedlinb.
PertE 3 p. 38. Die Annal. Peter, a. 782 Iftlgen hinzu: „et Franci multos
Tietos Saxones adduxerunt in Franciam^ Porte 1 p. 17. Nach der Erzählung
der Annalen liels K. Karl diejenigen, die ihm als Urheber des Aufstendes
ausgeliefert worden waren, hinrichten; wenn Abel 1 p. 358 es ftr wahr-
scheinlicher halt, dafs die Hingerichteten dem KOnig sich freiwillig gestellt
gehabt hatten, so widerspricht da^ den Angaben unserer Quellen.
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141
nach einem vierwöehentlichen Aufenthalt in Paderborn, wMhrend
dessen er das übrige naohrttckende fränkische Heer an sich ge-
sogen hatte, eine zweite Hauptschlacht an der Hase (im
Osnabrlicksehen), in der er das sächsische Heer vernichtete und
nicht wenige Sachsen gefangen nahm').
Die Macht der Sachsen war gebrochen, an einen
offenen Widerstand nicht mehr sn denken^); nachdem darauf
der KOnig plündernd und Alles verheerend das nieder-
geworfene Land bis zur Weser und Elbe durchzogen
war, ging er für den Winter über den Rhein zurück'). Sobald
aber 784 die Jahreszeit es gestattete, brach er wieder. auf, um
den sächsischen Krieg zu vollenden^). Vom Miederrhein marschirte
') Die Annal. Lauriss. a. 783 : „ dominus rex iter fecit partibus Saxo-
niae, eo quod Saxones iterum rebelles fuissent, et cum paucia
Francis ad Tbeotmalli perrenit; ibi .. Franci victores extiteninty et ee-
ddii ibi maxima multitado Baxonum, ita ut pauci fugam evasissent. £t inde
eam victoria venit rex adPaderbrunnen, ibi conjungens exercitum suum;
et perrexit abi iterum Saxones se conjunxenint ad flurium Hasa; ibi iterum
pugna inita, non minor numerus Saxonum ibi cecidit, et Franci victores ex-
titeruni" Perta 1 p. 164, TgL Annales Einbardi a. 783, die erw&hnen: „Ad-
ridente reris temperie, cum ad expeditionem Saxonicam se praeparasset,
nam de omnimoda eorum defectione ad eum perlatum fuerat,
etc,'', und von der Schlacht an der Ha8e berichten: „caesa est Saxonum in-
finita multitudo, spoliaque direpta, captlrorum quoque magnus numerus ab-
dnctiis est'' p. 165. In der Vito Karoli c. 8 erzählt Einhard: „hoc hello
(Saxonico), licet per multum temporis spatium traheretur, ipse (Karolus) non
amplins cum hoste quam bis acie conflixit, semel juxta montem Osnengi in
loco Theotmelli, et iterum apud Hasa flurium, et hoc uno mense pau-
ciaque diebus interpositis." Ports 2 p. 447.
*) Einhardi Vita Karoli c 8: „His duobua proelüs (den in Kote 1 an-
gef)Ükrten) bestes adeo profligati ao deyicti sunt, ut ulterius re-
gem neque provocare, neque renienti resistere, nisi aliqua loci
munitione defen<(i, anderen t.^ Ports 2 p. 447.
*) Vgl Annal. Lauriss. a.783 Ports i p.l64. £inh. p. 165. Fuld. p.350.
Lauresh. p. 32. Potar. p. 17. Alam. p. 41. Quodlinb. Ports 3 p. 38. Mosell.
Ports 16 p. 497.
^) 1>io Annal. Einhardi a. 784 sagen : „ cum primum oportunitas tem-
poris adronit, ad reliquias belli Saxonioi confioiendas, rex Bho-
num tri^odt etc.*' Ports 1 p. 167; die AnnaL Lauriss. a. 784: „tuno robolUti
sunt iterum Saxones solito moro, etc.'' p. 166.
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142
er, die westf^lischeo Oane verwttgtend^ zur Weeer. Als er diese
bei Hnknlin (d. L PeterBhageii; nördlich von Minden^) ttber-
schreiten wollte, um direct in die nördlichen Gegenden Sachsens
Toreudringen, nöthigte ihn der durch RegengUsse übergetretene
Strom y seinen Feldzngsplan zu Kndem. Er liefs einen Theil
des Heeres in Westfalen zurück , dem es gelang im Drein-
gan (auf dem rechten Ufer der Lippe bei Dren-steinfurth) einen
Sieg zu erfechten; zog dagegen selbst mit den übrigen Truppen
osiwilrts durch Thüringen zur Elbe, und warf sich von dort ans
auf die sächsischen Landschaften an der Saale und Elbe, lieber
Stagnfurd (welches das an der Ohre bei Neuhaldensleben früher
genannte Steinfcrt zu sein scheint) kam er, indem er Felder und
Ortschaften überall verheerte und niederbrannte, nach Schö-
ningen (bei Helmstädt), und eilte, nachdem er hier mit den
Sachsen der Umgegend ein Abkommen getroffen hatte, nach
Worms zurück, um neue Heereshaufen nach Sachsen zu führen*).
^) Die Annal. Laariss. a. 784: „Rhenum transiit rex ad Lippiham, et
ingresBUB est Saxoniam circuiendo et vastando, usque quod perrenit ad Ho-
c«lui^ (yar. „Huoulin", „Huculum'*) Pertz 1 p. 166; Einhard: ^vastatis
WeBtfalaorum pagU venit >d Wisuram; cumque in loco Haculbi, eastris
super flaviuin positis, eto.^ Pertz 1 p. 167; bei Beg^no „Hucului^ Perts 1
p. 560; im Poeta Saxo „Ucalbi"^ Perts 1 p. 239. Perts erkannte in Hucului
oder Hnculin die Stadt Petershagen; der Ort habe früher Hockeleve ge*
heifsen; er erhielt im Jahre 1367 nach einem in ihm 1316 erbauten Schlosse
Petershagen, bei Ertheilung des Weichbildrechtes, deb neuen Namen; Ur-
kunden von 1243 und 1280 erwähnen einer „capella in Hokelne**, s. Le-
debur Beleuchtung p. 87. Früher hatte Grupen Observationes 2 p. 191 den
Ort in Oyel oder Ogel, im Kirchspiel Loh bei Nienburg, gesucht, das eine
Urkunde von 987 „-Oonlen" nenne (Lappenberg Hamburger Urkb. 1 p. 53
h< dies .jOculen^, var. „Ottulen'', der angeführten Urk. ftkr Celle); da
aber der ältere Name von Petershagen dem fraglichen besser entspricht, so
ist kein Qrund mit Ledebur Beleuchtung p. 87 der Grupenschen Deutung
den Vorsug zu geben; vergl. den Namen des von £.. Otto UI. in Urk. vom
9. Sept. 991 an Minden geschenkten Forstes r,HkkiUin'hAgo^ ,
*) Annal. Lauriss. a. 784: „ibi consilio inito, ut per Toringiam de
Orientali parte introisset super Ostfalaos . .; perrexit per
Toringiam usque ad fluvium Albiam, et inde ad Stagnfurd (var.
„Stainfurt*^), et inde ad Scahiningi, ibique conventione facta
reversus est in Franciam" Pertz 1 p. 166. Die Annal. Einhardi a. 784: .,ipse
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143
Das WeIhnachtBfest feierte er bereits wieder im Lager bei Schieder
an der Emmer (südlich von Pyrmont) im Hwettago^; um
per Tharingiam iter fiiciens, venit in campestria Saxoniae, quao
Albi atque Salae fluminibus adjacent, depopulatisque orientalium
Sazonum agris, ac villia incensis, do Scahningi in Franciam rogressus est*'
Peru 1 p. 167, vgL Ann. Laureäh. Perts 1 p. 32. Unter Stagnfurd, var.
Stainfiirt, kann ein wüster Ort an der Ohre bei Xeahaldenslebcn gemeint
sein, den Ledebur Boleucht. p. 91 urkundlich als ^Stonvorde'*, „Steinrorde^
nachweist; an Stafsfurt dabei zu denken, verbietet die Namensform. Zweifel-
haft ist die Echtheit eine» undatirten Schreibens von E. Karl, in welchem
er dem Abte Fulrad von Altaich anzeigt : „placitum generale habemus XII Kai.
JnlH anno praesenti infra Saxoniam, in orientali parte super fluvium Rota
(em. „Sota'') in loco Staragfurf^ (d. i. StafsAirt an der Bode) Mon. Boica Xh
p. 100; Delins in Ledeburs Archiv IX. p. 116 und W. Raumer Reg. ! p. 9
setsen es ins Jahr 784, Erhard Reg. Westf. 1 p. 70 und 87 dagegen 806.
Unverkennbar unecht ist die am 18. Aug. 784 in „Scanigga** erlassene Ver-
ordnung König Karls über den „locus Seligenstat, vulgo SUestat, inter Ore<-
heim et Scanigge'', welche Harenberg publicirt, und Peru Leg. II. App. p. 1
unter die Spuria verwiesen hat.
') Ann. Lauriss. a. 784: .,Wormatiae inito consilio cum Francis,
itemm hiemis tempore iter fcdt rex in Sazpniam (Einhard: „congregato ite-
nun ezercitu in Saxoniam profectus est**); et celebravit natalem do-
mini jnxta Skidrioburg (Einh. „oastrum Saxonum Skidroburg**) in pago
Waissagavi (Einhard „Hwettagoe'*) super fluvium Ambra in
Villa Liudihi'' PerU 1 p. 166. 167. ^Liudihi" ist Oldonlüde südlich von
Pyrmont, Skidroburg ist Schieder an der Ennmer, in Trad. Corbej. ed. Wigand
{. 226 : „in pago Hu^etigo super fluvium Embrine in villa Seitrai ^ ; in Urk.
a. 1005 best&tigt K. Heinrich IL an Magdeburg die Schenkung des K. Otto III.
von: „civitas Scidere cum omnibus appendicüs suis in pag^s Gesine-
gawe, WeUpo, Thilete, Lingawe, Sarethvelth, Tietmelle, Lethgauwe sitis,
foresii scilioet his tribus fluviolis Hambrina (d. i. die Emmer), Nisa, Wer-
mana determinaU'^ Hoefer Zeitschr. für Archivk. 2 p. 141 (ex orig.). Die
Annalen nennen das Gau beim Jahre 784 : ^Hwettagoe"' (var. „^Vetto^o«")
Einhard PerU 1 p. 167; Waizzagawi (var. Wazzagawi, Waisgavoi) Ann.
Lauriae. ibid. p. 166; Wizzagawi Ann.Saxo PerU 8 p. 561, indem sie nieder-
und oberdeutsche Wortformen verwenden, um den Namen Weifses- Gau (pagvs
albus) anssudrftcken, und geben damit ein Zeugnils gegen die seit Falke's Tra-
ditiones Corbejenses gangbare Ansicht, nach welcher ein Hwettago bei Pyrmont,
und ein ihm benachbartes Wessiga bei Bielefeld gelegen haben soll ; jenes will
Förstemann Ortonamen p.822 durch Weiaengau, dieses p. 1499 durch Westgaa
deoten. Ich finde das Gau aulser im Jahre 784 erw&hnt: in Urk. von K. Karl
a. 887 Weüigo Erhard Reg. 1 p. 25 (ex orig.); von K. Arnulf a. 889 HtPeUago
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144
Neujahr rttckte er bis Rehme (eine Meile oberhalb der Porta
Westfalica) an die Mttndung der Werre in die Weser vor, und
nahm dann, da Kälte und üeberschwemmungen es ihm un-
möglich machten weiter vorzudringen, in Eresbnrg, in der
Mitte seines Heeres, Winterquartiere').
Dorthin liefs er seine Oemahlin Fastrada und seine Kinder
kommen, rastete aber auch während des Winters nicht, sondern
durchstreifte von Eresburg aus die verschiedenen Gaue des Landes,
und entsendete Heereshaufen nach allen Ortschaften, sie zu brand-
Erb. p. 32 (ex orig.; Falke p. 299 las „Hwetungo'') ; a. 939 Wawga Erh.
IK p. 125 (sp&te Copie) ; K. Otto I. a. 940 Hweiigo Falke p. 209; K. Otto 11.
a. 974 WoMega Lamey Bayensb. Cod. dipL (ex cop.) ; K. Heinrich H. a. 1005
Wetego Höfer 2 p. 141 (ex orig.); K. Heinrich II. a. 1019 Wettaga Erh.
^eg. 1 p. 78 (ex orig.); in ewei Urkunden von Ck>nrad II. a. 1031 Hwettiga
Falke p. 211 und 527. Im Beg. Sarachonis oft Hwetigo cf. Falke Reg., und
Wessaga ibid. $. 235. 236. 001. 749; in Trad. Corb. ed. Wigand $. 227. 256
Htpetigo; in Vita Meinwerci: WetUga, Wetigct, Wesiga, Wessiga in Pertx IX.
p. 121, 19. 125,10. 141,45. 155,30.45. Oberdeutsche Foimen des Gaunamens
sind hier auTser in den AnnaL Lauriss. im Jahre 784 bei Angabe von Schie-
der an der Emmer ^ angeblichen Hwettago), nnr gebraucht in den eitirten
Urkunden von 887. 939. 974. 1019 und in der Vita Meinw. p. 141 um die Lage
des Klosters Schildesche bei Bielefeld (^Sceldice in pago Wessaga**), und
im Beg. Sarachonis a. a, O. um die Lage von Bielefeld und von einigen
angrenaenden Dörfern zu bezeichnen. Zur Bestätigung meiner Deutung des
Gaunamens dient, daCs das friesische Ostergau bei Docknm zur Unter-
scheidung von dem gleichbenannton Ostergau bei Jever, mitunter Hwit-asterga
genannt wird ; nicht widerlegt wird sie durch die neueren Erörterungen von
Abel 1 p. 387, der mit Falke zwei Gaue unterscheidet und ausführt, dals
die sogen. Lorsoher Annalen irrten, indem sie Oldenlüde im Weasigau verzeich-
neten, statt es wie die Annales Einhardi im Hüttigau (so schreibt Abel f&r
Hwettago) zu nennen; die Annal. Einhardi brauchen die niederdeutsche, die
Annales Laurissenses die oberdeutsche Namensform.
1) Ann. Lauriss. a. 784: ^Et immutavit se numerus annorum
in 785; tunc dominus Carolus rex supradictnm iter peragens, usque ad
Bimie pervenit super fluvium Wisora, ubi confluit Waharna;
et propter nimias inundationes aquarum inde reversus est Aeresburgum**
Pertz 1 p. 166; ähnlich: Einhard a. 784 p. 167, vgl. Ann. Petav. a. 784
p. 17: „sedit domnus rex Herisburgo et Franei sederunt in gyrum per bor-
deres*' und a. 785 „rex commoto exerdtu de ipsis tentorüs (d. L den bor-
deres) venit Dersia etc.''
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sehatseo, bo dafs im Lauf des Wintere fast gana Sachsen von
BobwererVerwOstnngbeimgesacht wurde. Dann im Juni berief er
nach Paderborn die jährlich wiederkehrende Reiohsversamm-
lang, und marschirie, nachdem sie ihre OeschäAe erledigt hatte,
da nirgends mehr im Lande ein Widerstand vorhanden war, doreh
das anf dem linken Hanteofer am Dttmmersee gelegene Gau Der*
sabnrg snr Weser und über sie ins Lttnebnrgsche Bardengaa^)«
^) Ann. Lauriss. a. 785 : ^Kex Aeresburgnm uzorem saam , dominam
Fastradam reg^nam, una cum filiis et filiabus suis ad se yenire jussit, ibi
tota bieme resedens, et ibi pascba eelebravit. Et dam ibi reei-
derei miiHotiena scaras misit, et per semetipsum iter peregit; Sazones,
qui rebelies erant, depraedarit, et caatra coepit, et loca eorum
munita inten-enit, et vias mundavit, ut, dum tempus congruum yenisset,
sinodum publicum tenuit ad Paderbrunnen. Et inde iter agens
per yias apertas, nomine contradicente, per totam Saxoniam
quocnnque yoluit; et tunc in Bardengawi yenit'' Perts 1 p. 106}
Einhard a. 785: „cum Aeresbargi biemare decrevisset, accitis ad se uzore
ac liberis, relictoque cum eis in eodem Castro satis firmo praesidio, ipse cum
ezpedita manu ad Sazonum pagos yastandos ac yillas diripiendas egrea-
sus, inqnietam satiB biemem ubique discurrendo et cuncta caedibus atque
incendiis permiscendo, tam per se ipsum, quam per duces quos miserat,
Sazonibas reddidit. Cumque bujusmodi yastationibus per totum hibemi tem-
poris spatinm, omnes fere Saxonum regiones ingenti clade ad-
fecisset, transacta tandem bieme, et adyectis ex Francia commeatibos,
publicum populi sni eonventum in loco Padrabrunno more solemni babuit.
Ac peractis bis, quae ad Ulias conyentus rationem pertinebant, in pagum
Bardengo proficiscitur^ Perts 1 p. 167; Ann. Lauresh. a. 785: i,rex Carlna
demoratns est in Saxonia ad Heresburg de natale Domini usque in
menseJunio; et aedificayit ipsum castellum a noyo, sed et basilicam ibidem
constraxit, placitumque babuit ad Paderbrunnun cum Francis et Saxonibus;
et tune demum perrexit träne flnyium Wisaraba, et pervenit usque in Bar-
duBgawe*" PertE 1 p. 32; ans den Ann. Petay. a. 785 fbbre ich an: „bi-
bemo tempore sedit dominus rex Heresburgi, et Franci sederunt in gyrum
per borderes; tunc dominus rex commoto exercitu de ipsis tentorüs yenit
Dersia [oder Dersa-burg, es lag nördlicb yon Osnabrück bei Damme am
Dflmmersee, s. Wedekind Noten 1 p. 261 , Ledebur Beleucbt. p. 107 and
Kieberding Gesch. des Niederstift Münster 1840. 1. p.36], et igne combussit
ea loca, yenit ultra Wiaera flumen, et destruxit Saxonum crate«
nye eorum firmitates, et tunc adquisiyit Saxones'^ Perts 1 p. 17; Ann.
Quedlinb. a.785: ^rex totum illum annnm in Saxonia cum exercita
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' ' 146
Allenthalben unterwarfen sieh ihm die Sachsen und bekannten
sich wieder zum Christenthum, das sie verlassen hattoi'). Von
dem Bardengau aus wurden Unterhandlungen mit Widukind nnd
Abbio angeknüpft, die sich über die Elbe geflüchtet hatten. Nach-
dem der König ihnen Straflosigkeit für ihre früheren Thaten vet-
sprechen und sogar durch Geifseln, die er ihnen übergab, dafür
Sicherheit gewKhrt hatte, erklärten auch sie sich bereit aur Unter-
werfung; Karl ging nach Attigny; dorthin folgten sie ihm nnd
liefsen sich taufen^).
So war denn Sachsen im Jahre 785 wieder unter-
worfen, und ein fränkisches Reichsland wie nie zuvor; das be-
zeugen alle Quellen*). Ihr übereinstimmendes Zeugniüs kann aber
nicht die Annahme begründen, dafs die in den vorhergehenden
Jahren berichteten Unterwerfungen und Bekehrungen Sachsens
dies in Wahrheit nicht gewesen seien. Nach dem gesammten In-
halt dessen, was die selben Quellen über die früheren Jahre sagen,
würde irren, wer mit Rücksicht auf die im Jahre 785 beieiigte
sedens, omnia exercitui necessaria Sazones sibi ministrare praecepiL*' Perti
8 p. 38.
^) AnnaL Lauresh. a, 785: „Cum Saxonea reg! bo dedissent,
christianitatem, quam pridem respuerant, iterum recipiunU Face
patrata nulloque rebellante postea rex rediit domum.^ Ports 1 p. 32.
9) Vgl. Annal. Laüriss. a. 785 Pertc 1 p. 166. Einli. p. 167. Laoresham.
p. 32. Fuld. p. 350. Ueber die Art der Unterwerfung ron Widukind und
Abbio berichten die Annalee Lauriss. : „petentibua illia, ut eredentia» hab^
rent, quod inlaesi fuissent; sicut et factum est. Rex . . mt^^m» ad Widodiin-
dum et Abbionem obsides per nussum suum A., qui cum recepissent ob-
sides illos secum deducentes, conjunxerunt se eto.*^ PertE 1 p. 168, und
Einbardi Annales: .,accepta a rege, quam optabant inpunitaiis spomiane,
atque impetratis, quos sibi dari praecabantur, suae salutia obsidibus, quoa
eis A. nnicuB aulicorum a rege missus adduxerat'' p. 167.
*) AnnaL Lauriss. a. 785: „et tunc tota Saxonia aubjugata est'
PertE 1 p. 168, desgl. Fuld. a. 785 p. 350, und in den AnnaL Quedlinb.
a. 785 :f „quibus baptizatis tota Saxonia domino Carole aubjugata est*^ Pertt
3 p. 38; AnnaL Peter, a. 785: „tunc adquisirit Saxonea' Perti 1 p. 17;
Annal. Alaman. Quelferb. Nasar. a. 785 : ,,rex Karolus Saxonea in paoe con^
quisirit' p. 41; AnnaL S. Amandi a. 785: ,,Carlu8 adquiaiTit Sazo-
niam, et Widichindus convertitur' p. 12.
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147
ÜBienrerAi^ behanpten wollte, dab es nur auf einer TSosohimg
des König Karl bemht habe, wenn er vor 785 an die ünterwer-
fiuig Sacbaens nnd an dessen üebertritt sum Christenfham glaubte,
da den Franken bis 785 stets nur die von ihnen momentan be-
setzten Orte awischen Rhein und Elbe wirklich unterworfen ge-
wesen wären, und nur einseUie Sachsen scheinbar aum Ghristen-
thnm sich bekehrt gehabt hätten, somit also Sachsen Ton 772 bis
785 im Orolsen und Oanaen noch ein heidnisches und unabhän-
fpgoß Land gewesen sei^). — Unbedingt richtig ist es, dafs die
Sachsen in den Jahren 775 bis 785 mehrmals die ihren Besiegem
Miieh gelobte Treue brachen, dafs sie das ihnen auferlegte frän-
kisehe Joch abanwerfen suchten, nnd ihnen dies auch aeitweise
wirklieh gelang, sowie nicht minder, dafs dann Gegenden, die
sich vorher zum Ghristenthnm bekehrt hatten, von ihm abfielen,
die in ihnen erbauten Kirchen zerstörten und die christlichen
Geistlichen yertrieben oder erschlugen, nnd dafs deswegen die
fränkischen Annalen die Sachsen als Falsche, Treulose und Eid-
1} Vgl, Z.B. eine ähnliche Auffassung in Seibertz Landes- undBechts*
geseb. Ton Westfalen. 1860. 1 p. 195; und selbst Rettberg Deutschlands
Kirchengeach. 2 p. 406 meint : „Im Ganzen scheinen die Fortschritte in der
Bekehrung Saehsens bis zur EBtscheidungsschlacht an der Hase (im Jahr 783)
und dem XJebertritte Widukinds (im Jahr 785) nicht groCs gewesen lu sein*
und p. 407 : „der Anfang des Uobertritts der Massen liegt jedenfalls in dem
Entschlüsse Widukinds zur Taufe im Jahre 785". Vielleicht sind derartige
Aufifassungen hervorgerufen durch die allgemeine Darstellung, die Einhard
in der Tita Karoli cap. 8 von der Unterwerftmg der Sachsen giebt. Er
aefaildert die Znst&nde w&hrend der wiederholten Kampfe Kaiser Karls mit
deQ Sachsen; giebt deren Dauer auf 33 Jahre an, d. i. von 772 bis 805;
sagt: „vix ullus annus'' verging ohne Aufstand und erst nach der Wegföh-
rung von 10000 Sachsen von der x^iederelbe im Jahr 804 trat dauernde
Ruhe ein. Konnten diese allgemeinen Aeufserungen gegen eine wirkliche
Unterwerfung Sachsens im Jahre 775 angefilhrt werben, so würde dies auch
in Betreff einer solchen in den Jahren 785 und 802 gesoheheo können. Anch
die Unterwerfung von 785 wurde von den Sachsen gebrochen, und die An«
nalen unterscheiden sie in dieser Hinsicht nicht von den früheren; z, B.
sagen Annales Einhardi über sie : „quievit illa Sazonicae perfidiae pervica-
eitas per annos aliquot, ob hoc mazime, quoniam occasiones deficiendi ad
rem pertinentes invennre non potuemnt^ Pertz 1 p. 169* Ueber die s&chsi-
sdien Aufsliade nach dem Jahre 785 TgL unten §. 18.
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. 148
brüchige schelten; — dies Alles kann aber doch nicht geMgen,
um allen ausdrücklichen QuelienBengnissen zuwider in Abrede zu
stellen; dafs Sachsen seit 77ö den Franken unterworfen war. Die
Berichte ttber die Jahre 772 bis 785 seigen uns keineswegs ein
wildes Durcheinander von sächsischen Aufständen, so dafs es
irgendwie zulässig wäre, anzunehmen; der Kampf der Sachsen
gegen die Franken; oder wenn man will der Aufstand in Sachsen;
sei von 772 bis 785 ein permanenter gewesen; der stets überall da
aufgelodert wäre, wo nicht fränkische Heere ihn niedergehalten
hätten; vielmehr fügen sich die uns aus jenen Jahren mitgetheilten
Ereignisse sehr deutlich in der Weise aneinander; dals sie uns
seit 775 ein unterworfenes Land zeigen; das einige Male, als der
Augenblick dazu günstig schien; den Versuch machte; das ihm
auferlegte verhafste Joch abzuwerfen und zu seinen früheren un-
abhängigen heidnischen Zuständen zurückzukehren. Der Gang
der Ereignisse war von 772 bis 785 in seinen Haupt-
abschnitten folgender:
1. Im Jahr 772: erster Einfall E5nig Karls in
Sachsen. Er überzieht im Jahr 772 von Süden her das süd-
westliche Sachsen, und verläfst nach Zerstörung der Eresburg und
Irminsäule das Land. Um Rache zu nehmen überschreiten 773
die Sachsen die fränkische Grenze, und 774 läfst Karl das west-
liche Sachsen verheeren.
2. Von 775 bis 777: Sachsen vom Rhein bis zur
Ocker unterworfen. Im Jahr 775 unterwirft König Karl ganz
Westfalen; Engern und Ostfalen bis zur Ocker; 776 unterdrückt
er eine während seiner Abwesenheit in Italien versuchte säch-
sische Erhebung; der es gelungen war, die fränkische Besatzung
aus der Eresburg zu vertreiben; 777 hält er seine erste Reichs-
versammlung in Sachsen zu Paderborn, auf der alle Sachsen er-
scheinen; mit, Ausnahme von Widukind und seinen nächsten Ge-
nossen; die zu den Dänen geflohen waren.
3. Von 778 bis 782: weitere Unterwerfung Sach-
sens bis zur Elbe. Während Karl in Spanien kämpft; ver-
suchen die Sachsen zwischen Rhein und Ocker sich zu befireien;
Karl nöthigt sie 779 zu neuer Unterwerfung; er zieht 780 aar
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149
BIbe und unterwirft den Nordosten SachsenB; er hSIt 780 und
782 Beiehsversammlangen an den Quellen der Lippe.
4. Von 782 bis 785: ein yersweifelter Versueh der
Sachsen vom Rhein bis sar Elbe ihre verlorene Frei-
heit wieder sn erringen, der naeh blntiger Rache KOnig
Karls und harten Rümpfen eine nene totale Unterwerfung
des Landes herbeiführt.
f. 14. Me Bekehrung Sachsens während der Jahre 772 hls 785.
Vergleichen wir mit dem beseichneten Gange der Unterwer-
fung Sachsens von 772 bis 785, und den einzelnen Perioden, die
ich in ihr unterschied, die Nachrichten, die wir über die Christia-
nisirung des Landes aus dieser Zeit besitsen, so finden wir, daA
diese mit der Unterwerfung gleichen Schritt hielt; die Zeitabschnitte,
die in der Unterwerfung sich herausstellen, treten auch in Betreff
der Christianisirung Sachsens deutlich hervor, und die über sie
▼orhandenen specielleren Nachrichten yervollständigen das BUd|
weiches die allgemeinen Angaben liefern.
Nr. 1. Es ist erwiesen, dafs König Karl anfäng-
lich das eroberte Sachsen nicht in bestimmte Bis-
thttmer theilte, und dafs die einaelnen sächsischen Bisthttmer,
deren Errichtung eine spätere Zeit in die früheren Jahre der Be-
siegong Sachsens zurttckdatirt, erst allmälig, und die Bisthttmer
Halberstadt und Hildesheim sogar erst unter Kaiser Ludewig dem
Frommen gegründet worden sind ^). K5nig Karl übertrug anfäng-
lich das Bekehrungswerk des Landes nicht Bischöfen, die er für
bestimmte abgegrenzte Sprengel dauernd ernannt hätte, sondern
einzelnen Oeistlichen, namentlich Aebten aufserBäGhaiBcher Klöster,
denen er gewisse Theile Sachsens zu diesem Zweck überwies;
woraus sich dann später, UQd meistens unter mancherlei Wande-
lungen, die sächsischen Diöcesen entwickelten. Die Thätig-
^) Vgl die gründliehen Ermittelungen von Bettberg in Deutschlands
Kirdbengeschichte 2 p. 424 bis 478; s. auch Erhard Begesta Westfaliae 1
p.84; Waits Deutsche Yerfiissungsgesch. 3 p. 148; und jetzt Abel Jahrb.
unter Karl d. Of. 1 p. 216. 287. 293. 373. 484. 487.
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160
keit dieser sächsiBchen Missionäre beginnt anmittelbar
mit König Karls ersten Erfolgen in der Unterwerfang Saehaens;
and so mangelhaft die darüber ans den einzelnen sXohsiBchen
Landestheilen erhaltenen Nachrichten aach sind, so genügen sie
doch, um die fortschreitende Ghristianisirang Sachsens in den
betreffenden Jahren zu veranschaniichen, da wir dnrch einen
glücklichen Zufall speciellere Nachrichten über eine Mission habra,
die in den Jahren 775 bis 779 von Eresburg ans thätig war, und
über eine andere, die in den Jahren von 780 bis 782 an der un-
teren Weser und längs der Nordseekttste arbeitete.
Nur die eben angedeuteten Missionen bespreche ich hier näher,
da sie für meinen Zweck förderlich sind; es ist die Missions-
thätigkeit des Fuldaer Abtes Sturm (gest. den 17. December 779),
and sodann die des Willehad in den Jahren 780 bis 782.
Nr. 2. Die Mission des Sturm.
üeber die Mission des Abtes Sturm von Fulda, eines fleifiiigen
Oehülfen des im Jahre 755 verstorbenen Bonifacins^), giebt ans
sein Schüler, der spätere Fuldaer Abt Eigil (gest. im Jahr 822),
der selbst unter Sturm in Sachsen gearbeitet hat, in der von ihm
noch bei Lebzeiten Kaiser Karls verfafsten Vita Sturmi, die zn-
verlässigste Auskunft^. Eigil erzählt, König Karl habe, gleidi
bei seinem ersten Zuge nach Sachsen im Juli 772, eine beden-
tende Anzahl Geistlicher mitgenommen, um das heidnische Volk
zu bekehren, was diesen auch bei einem grofsen Theil desselben
gelungen sei'). Nicht lange nachher („post non longnm tem-
pus") aber, habe König Karl das Land inDistricte ge-
theilt, und Geistlichen den Auftrag gegeben, in ihnen
zu lehren und zu taufen; damals, fährt Eigil fort, wurde
1) Vgl Rettberg Kirchengesch. 1 p. 371. 609. 622.
») Vgl, Wattenbach Deutschlands GeschichtsqueUen. 1866. p. 156.
•) Vita Sturmi cap. 22: „Roi Karolus'Congregato grandi exercitn Sazo-
niam profectus est, adsumptis uniyersis sacerdotibus , abbatibus, presbyteris
et Omnibus orthodoxis atque fidei cultoribus, ut gentem quae ab initio mundi
daemonum vinculis Aiit obligata, doctrinis Christi subire fecissent. Quo cum
rex pervenisset, partim bellis, partim suasionibus, partim etiam mnneribnsi
mazima ex parte gentem illam ad fidem Christi convertit"
Perta 2 p. 376.
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161
dem Abt Sturm vom König ein grofser Theil von
Saehsen übertragen^). Naohdem aber der Abt mit seinen
Priestern lange Zeit („mnltsm temparis^) im Lande gepre-
digt und getauft und Kirchen erbaut hatte'), fielen die
flaehaen wieder vom GhriBtenthum ab, ein sächsiBches Heer rückte
über die Landeagrense, drang bis an den Rhein, Alles verwüstend,
vor, und wendete sieh dann ins Lshngan, so dafs man in dem
ihm nahe gelegenen Kloster Fulda (im Grabfeld) fürchtete, es
würde sogar bis dorthin vordringen'). Abt Sturm eilte, um Hülfe
herbeisuholen, in die Wett^an, während er seinen Mönchen und
aamenüieh dem Berichterstatter befahl, die Reliquien des heiligen
Bonifscius aus Fulda nach Hammelburg an der fränkischen Saale
in flüchten. Die Mönehe brachten auf dem Wege dahin die erste
Naeht in einer Zelle an der Mündung der Flenne („Fledena^) in
die Fnlda 2U, die zweite Nacht an der Senne („Sinna^), einem
Nebenbach des Main; dort warteten sie auf Nachricht, und ver-
nahmen am vierten Tage, daft der eingedrungene Sachsenhaufen
geschlagen und aus dem Lande gewichen sei; daraufkehrten sie
nach Fulda zurück*).
Die von Eigil hier erwähnte Erhebung der Sachsen, ihr Zug
an den Rhein, ihr Einfall ins Lahngau und weiter nach Hessen,
wo ein Heerhaufen, der die Flucht der Mönche aus Fulda veran-
labt hatte, an^ der Edder bei Baftenfeld und Leisa geschlagen
wurde, erfolgte im Jahre 778; alle fränkischen Annalen verzeichnen
^) Die VHa Stnrmi eap. 22 setzt die in roriger Note abgebrochen«
Stelle fort: „et post non longum tempus totam proyinciam illam
in paroebias episcopales divisit, et servis Domini ad docendum et
baptLcandom potestatem dedit. Tunc beato Sturmi pars maxima po-
puli et terrae illius ad procurandum committitur^ Pertz 2 p.376.
*) Die Vita Sturmi fUirt im Cap. 23 fort: „Quo cum multum tem-
poris praedicando et baptizando cum suis presbyteris peregisset,
et per regionee quasque singnlas ecdesias construxisset, iterum postea Saxonum
gens prava et perversa a Christi fide devians, vanis erroribus se implicant,
etc.« Pertz 2 p. 376.
^ Vita Sturmi c. 23 : „ Quorum cum exercitus in Loganacinse , quod
prope Bopradictum ooenobium jacet, consedisset, etc.'^ Pertz 2 p. 376.
«) YgL Vita Sturmi c. 23 p. 376.
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. 162
diese wichtigen EreigniBse, vgl. oben S. 135, und ea^räKet niolil
der geringste Zweifel ob, dafe sie im Jahre 778 Statt hatten, und
dafB die von Eigil erwähnten Thatsachen mit ihnen identiach sind»
Die Erhebung der Sachsen von 778 geschah, nachdem König Karl
777 zu Paderborn in dem ihm völlig unterworfenen Lande seinen
ersten Reichstag gehalten hatte, und sein Zug tlber die Pyrenäen
im Jahre 778 in ihnen die Hoffnung des Gelingens erweckte.
Nicht genau unterrichtet sind wir über das Jahr, in welchem
dem Abt Sturm die sächsische Mission übertragen wurde; wahr-
scheinlich ist es 775 geschehen, wo König Karl Sachsen vom
Rhein bis zur Ocker unterworfen hatte, und die im Jahre 772 von
ihm zerstörte Eresburg aufs Nene befestigte und mit einer Be-
satzung belegte. Nach den Worten Eigils erhielt Sturm die Mis-
sion „nicht lange ^, nachdem König Karl im Jahre 772 zuerst
gegen Sachsen den Krieg begonnen hatte ^). In der Ausgabe der
Vita Sturmi in den Monumentis Oermaniae Script. Bd. 2 p. 376
wird bei den angeführten Worten an die Jahre 776 oder 777 ge-
dacht*); da aber Eigil unmittelbar darauf sagt: es habe Sturm
vor dem Jahre 778 „multum tempus" in Sachsen gepredigt^ ge-
tauft und Kirchen erbaut, so kann ihm nicht erst seit 776 oder
gar nur seit 777 die Mission übertragen gewesen sein. An eine
üngenauigkeit in den Angaben Eigils zu denken, ist aber um so
weniger möglich, da Abt Sturm bereits den 17. December 779
starb. Eigil erzählt ausdrücklich, dafs König Karl, als er nach
der sächsischen Erhebung von 778 wieder nach Sachsen kam,
was im Sommer 779 (und zwar wahrscheinlich im Juli) geschah,
den Sturm krank in Eresburg zurückliefst), und dafs dieser, da
Vgl. S. 151 die in Note 1 abgedruckt^ Stelle.
*) Dem stimmt Abel 1 p. 212 bei; er meint: „es ist nicht ansuneh-
men, findet sieh jedenfalls keine Spur davon, dafs Sturm und andere Geiat-
liche schon früher dauernden Aufenthalt in Sachsen nehmen konnten; mit
dem Heere mufsten auch sie Sachsen wieder verlassen . . ; erst nach Verlauf
mehrerer Jahre, vielleicht nach dem erfolgpreichen Feldzuge von 776, schritt
Karl dazu, mit der Einftlhrung einer festen kirchlichen Ordnung in Sachsen
wenigstens den Anfang zu machen etc.^
') Vita Sturmi c. 24: „Bex ad confirmationem inohoatae
fidei christianae ad illam terram perrexit, et venerandum Stur-
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aeine Krankll^it siofa nidit besserte^ nach dem Kloster Folda ge*
braeht wiurde and dort starb.
Naeh Bigiia Worten bekehrte Sturm, währead seiner Missions-
stellnng in Sachsen Viele zam Christeathnm^); er habe sie, sagt
Eigii, ermahnt: „nt idola et simulacra derelinqnerent,
Christi fidem snsciperent, deornm snornm templa de-
stmerent, lucos sncciderent, sanctas qnoque basi-
licas aedificarent*', und es sei der Aufstand im Jahre 778
erfolgt, nachdem er in Sachsen „multum temporis praedi-
cando et baptizando cum suis presbyteris peregisset,
et per regiones quasqne singulas ecclesias constru-
xisset.'' Pertz 2 p. 376.
Der Mittelpunkt der Thätigkeit Sturms in Sachsen
scheint Eresburg (d. i. Stadtberg an der Diemel) gewesen zu
sein; dort iieüs ihn Onig Karl 779 krank zurück, und dort, einem
alten bereits im Jahre 772 auf dem ersten Feldzuge Karls er-
oberten Hauptorte des Engerschen Sachsens, mufs auch schon
früh eine Kirche gegründet worden sein; wahrscheinlich ist es
im Jahre 775 geschehen, als KUnig Karl daselbst die 772 zer-
störte Burg wieder herstellte und mit einer Besatzung belegte; wenn
dieselbe auch im Jahre 776 wieder mag zersti^rt worden sein, als
die Sachsen der Feste sich bemächtigten und die frflnkische Be-
satzung aus ihr vertrieben. Dafs König Karl im Jahre 785 in
Eresburg, als er dort von Weihnachten bis in den Juni mit seiner
Gemahlin und seinen Kindern zubrachte, eine ,,Basilica^ habe
erbauen lassen, erwähnen die Lorscher Jahrbücher, doch wird sie
nur an die Stelle eines älteren Bethauses getreten sein, wie denn
der König damals auch die dortige Burg erweiterte*).
men infirmmn jam seneetute fessum, in Heresbarg, ad tuendam ur-
bem cum suis sociis sedere jusait.^ Pertz 2 p. 377.
1) Vita Sturmi c. 22: „Suscepto praedicationis officio coram modis
omnibiM impendit, qualiter non parvuni Domino populum adquire-
ret.« Port« 2 p.376.
S) Annal. Lauresh. a. 785: „Bex Carolas demoratua est in Saxonia
ad Heresburg de natale Domini uaqae in menge Junio, et aedificavit ipsom
casteUnm a novo, sed et basilicam ibidem construzit." Perti 1 p.32.
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BeBÜmmt beseligt ist, dab im Jahre 777 in dem etwa vier
Meilen nördlich von Eresbnrg belegenen Paderborn, welches
damals snm Missionssprengel Starms gehört haben mab| eine
Brlöserkirche erbant wnrde^); wie denn schon im Jahre 776
Beim Jahre 988 nennt Widnkind von Oorrei, indem er die Binnahme der
Heresburg durch König Otto I. und die Ermordung des Grafen Thancmar
in der dortigen Kirche erz&hli, die letztere eine „eccUsia a Leone papa,
beato Petro apoetolo dedicaia'' PertE 3 p. 441. DaTs Papst Leo die Erea-
burger Kirche geweiht hahe, als er im Jahre 799 den König Karl in Pader-
born aufsuchte und die dortige Kirche einweihte, ist anderwärts nicht über-
liefert; die Angahe dürfte genommen sein aus der unechten, ans Eresbuig
Tom 24. Dec. 799 datirten Urkunde des Papstes Leo, hei JCeibom Scr. 3
p. 21 und Seiherts Westf. Urkh. 1 p. 1, die den Papst dem König Karl er-
klären l&Dst: „hunc montem Ereshurg, quem ezpugnatum cum tota Saxonia
Deo ohtulisti, et per nos B. Petro consecreuü ^ ; üher die Uneohtheit der
ürk. s. Erhard Reg. 1 p. 80 und Retthe^g Kirchengesch. 2 p. 443. Nach
Gründung der Ahtei Conrei schenkte im Jahre 826 K. Ludwig der Fromme
ihr die: „capellam, quam dudum dominus et genitor noster Karolus
Imperator in castello Hereshurg construi jussit, cum onmihus
rehus ac mancipüs ac deoimis ad eam pertinentibus , quantumcunque eidem
capellae contulisse dinoscitur^ Schaten- Päd. 1 p. 84 und Seiberts 1 p. 2;
in einer Best&tignngsurk. ron K. Ludewig ftir Conrei Ton 868 „ecoiesiara
Bresburg, quam arus noster Karolus primo construens in
Saxonia decimis dotavit circumquaque habitantium per dnas
sazonicas rastas'' Erhard Beg. Westf. 1 p. 16 (ex cop.), auch Schaten 1
p* 141. Mit Benutzung der Urk. von 853 scheint sp&ter die Urk. von 799
gefertigt su sein. Ungenau ist es, wenn Thietmar von Merseburg ü. c 1,
indem er aus Widukind die Ermordung des Thancmar ersfihh, sagt „eedeeia
SancH Peiri, ubi prius ab antiquis Irminsul oolebatur*' Perti 3 p.744, da
die Inninanl nicht in Ereshurg gestanden hat, ygl oben S. 130; nur im ge-
fiüschten Chron. Corbej. heifst es beim Jahre 826: „haec est Aeresburg, quam
Karolus obsidionis fraude coepit, atque destructo idolo Irmin deTastavit«"
Wedekind Koten 1 p. 379.
^) Annal. SanctgalL a.777: „Hoc anno fhit dominus rex Karolus in
Saxonia ad Pa.trisbrunna, et ibi aedificavit eoclesiam in ho-
nore Salratoris^ Ports 1 p. 63; Annal. Petar. a. 777: „et aedifioa-
rerunt in loco Patresbrunna ecolesiam Franei" Ports 1 p. 16. Im
Jahr 799 lie£s K. Karl zu Paderborn eine schönere Kirche bauen, nachdem
die frühere niedergebrannt war, und der Papst Leo weihte sie bei seiner An-
wesenheit: „dominus rex ad Padresbrunnun aedifiearit ecelesiam
mirae magnitudinis, et feeit eam dedioare" Ann. Laur. Parts 1 p.38. Die
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dne Kirche in der yon König Karl im Jahre 775 eroberten ^ im
Jahre 776 von der frttnkischen Besatsang während der sMchiischen
Erhebung behaupteten 8 ig i barg (d. i. Hohen-Syberg am BinfloA
der Lenne in die Bahr) vorhanden war*).
Nachdem der Abt Sturm von Fulda im Jahre 779 gestorben
war^ übertrug König Karl, wie die Tranalatio S. Liborii cap. 5
in Monnm. Oerm. Scr. 4 p. 151 berichtet, die ihm anvertraut ge-
wesene Mission in Sachsen den Bischöfen von Wllrzbnrg; dann
aber, nicht lange vor seinem Tode, dem Sachsen Hathumar, der
in Würzburg als Oeistlicher ausgebildet war; er und sein Nach-
folger Badurad (gest den 17. Sept. 852) galten später fttr die bei-
den ernten Bischöfe von Paderborn*).
Nr. 3. Die Missionen des Willehfid und Liudger.
Eine ähnliche Mission, wie dem Abte Sturm an der oberen
Weser, war an der unteren dem Willehad übertragen, der den
8. November 789 starb; wir kennen sie näher aus seiner Lebens-
beschreibung, die von dem um die Ausbreitung des Christenthums
im Norden hochverdienten Anskar verfafst ist, der von 831 bis
lu seineüi Tode im Jahre 865 auf dem seit 847 mit Bremen ver-
bundenen erzbischöflichen Stuhl von Hamburg sali.
Der Angelsachse Willehad war, seit er England, wie es scheint,
ums Jahr 770 verlassen hatte, an der Kirche zu Dockum im
friesischen Asterga angestellt gewesen, die unter dem Bischof
Gregor von Utrecht (gest. 775) stand, und an der Stätte errichtet
war, wo am 5. Juni 755 heidnische Friesen in einer bereits damals
dem fränkischen Reich unterworfenen Gegend, den Bonifaciua
im 9. Jahrhundert yerfafste Translfttio S. Liborii oap. 4 ersählt rom Papst
Leo : „in eccleeia tane ibidem noviter constnieta quoddam altare consecrans,
adorandas in eo reliquias prothomartyris Stephan! collocavit, quas seeum
Borna deiulerat'' Pertz 4 p. 150; dadurch, rerhiefs der Papst, werde die
Kirche geschütat sein gegen ferneres Niederbrennen durch die Heiden.
^) Als die Sachsen im Jahre 776 Sigiburg belagerten: „appamit
gloria Dei supra domum eeclesiae quae est infra castrum." AnnaL
Lanriss. Perts 1 p. 166.
*) Vgl. Bettberg Kirchengesch. 2 p. 441, Schaten Annal. Pader-
born. 1 p. 29. 57, Erhard Beg. WestfaL 1 p. 86. 105, und eine abweichende
Aii£Eas8ung in Abel Jahrb. 1 p. 278 und 286.
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erachlagen hatten^). Die SehBSUcht, da« Christendutm unter den
Heiden sn- Terbreiten, hatte den WiUehad aber bewogen, seine
Stellung aufzugeben, und den zwei Heilen öatiieh Ton Dockom in
die Nordsee mündenden Laubaeh zu ttberachreiten'), der bis in
neuere Zeit die Grenze der Utreohter Diöeese, und damals, und
^) Vita WiHehadi cap. 2: ^renii in Fresiam ad loeum qui didtar
Dockyn-ehiriea, quod est in pago Hostraga, ubi et domnus Boni-
hmoß episoopus jam olim martirio coronatus fuerat. Ibi ergo com per prae-
dioationem memorati martiris multi antea ad fidem instruoti fuerant, com
magno ab eis est honore susceptus, ibigue docens muÜo tempore habiiatnt,
Nam et plurimi nobilium et in/antes auos ipsi ad erudiendum iradiderwU;
.. multosque errahtes olim a fide ad veram et catholicam
scientiam rerocavit; . . ffenHiiwn quoque quam plurimam eaiervam
baptizavit.^ Pertz 2 p. 380. Ueber des Bonifacius Martyrinm eu Dockom,
Ygl. dessen Vita cap. 34 — 36: der über 70 Jahr alte Bonifacius beschlielat
in Friesland sein früheres Bekehrungswerk fortzuführen, schijSl den Rhein
hinab, gelangt unangefochten über die Zuiderzee: ,, frans stagnum, quod
lingua eorum dicitur AeUmere, sospes pervenii** Pertz 2 p.349; dort: ^^ff entern
papanam Fresonum vigitavii'^ und „per omnem Fresiam pergens verbom
Domini, paganico repnlzo ritu'et erraneo gentilitatis more destjmcto, instanter
praedicabat, eccleeiasque numine confracto delttbrorum ingenti studio fabri-
cctvit; et muUa jam miUia kominum, rirorum ac mulierum sed et parvulo-
rum, . . baptizavit ^ p. 349 ; sodann : ^postquam igitur fidei per Fresiam in-
luzerat splendor, aeeus ripam ßuminis quod dicitur Bordne, quod eat fn ean-
ßnibus eorom qui rostica dicuntur lingua Ostor- et Westeraeohe,
erexit tentoria^ p. 350, d. i. er schlug die Zelte auf an der Borne oder
Middel-zee, welche noch heute das Westergo vom Ostergo trennt. Dort
überf^lt und ermordet den Bonifacius, als er am 5. Juni 755 (vgl. Bettberg
Kirchengesch. 1 p. 396) die früher Getauften zur Firmelung erwartet, eine
Schaar heidnischer Friesen. An seiner Todesst&tte wird auf Befehl König
Pippins ein Erdhügel aufgeworfen, um sie gegen den Andrang der Meerea-
floth zu schützen und auf ihm eine Kirche zu erbauen, d. i. die Dockin-
chirica, wie sie die Vita Wülehadi in fr&nkischer Namensform nennt, deren
Lage in Dockom, 2 Meilen östlich von dem heutigen Ufer der Borne, die
Stelle n&her bestimmt. Dafs damals Dockom und das Asterga zum fränki-
schen Reich gehörten, wird durch die Erzählung der Vita Bonifacii c 40
bestätigt, indem sie beim Bau des Hügels in Dockom des dabei th&tigen
Ghrafen Abba erwähnt: „unus qoi officiom praefectorae secondum
indictum gloriosi Pippini regis super pagum locumqoe illom
gerebat, et princeps ipsius erat operis nomine Abba.^ Pertz 2 p. S53.
*) Vita WUlehadi c. 3: „transirit fluyium Loreke, renitqoe ad
locum qui dicitur Humarcha." Pertz 2 p. 380.
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wahrsobeinlich seit 734, die des Mnkiflohen fieiehes Uldete*).
Als Willehad hier den noch heidniBcheii FrieeeB im Oan Eng*
merke (aordweetlich von Oroningen) pred^te, und sie ermahnte,
nm der Verehrang ihrer machtlosen OOtsen („idoloram**) abea«
stehen, wollte das darüber empOrte Volk ihn tödten, ond es rettete
nnr ein günstig fallendes Loos sein Leben. Er TerUeA Friesland
I) YgL meine Einleit. cur Lex Frision. in Monum. Germ. Leg. 3 p. 643.
Die Unterwerfung Frieslands swischen dem Flie (d. i. der Mündung der
Zuidenee) und dem Laubach erfolgte im Jahre 734 nach einem Siege Karl
Martells fiber den Friesenfflrsten Poppe, vgl. Fredegar. Cent. c. 109: „in
gentem dirissimam maritimam Frisionum nimis cnideliter rebellantem, prin-
eep8 Carolns andacter narali erectioae properat, certaitim ad mare Ihgreiaas«
narium copia adunata, Wistraehiam et Auatrachiam insuhs Erisionum p$-
netroüit, super Burdine ßuvium ccuUra ponens; Poponem gentilem
ducem illorum fraudulentum conailiarum interfecii, exercitum Frisionum
prostrcfüit, fana eorum idolatriae contrivit cttque combiusii igni; cum magnis
spolik et praedüfl vietor reversu» est in regnum Francorum^ Beuquet 2
p. 465. Tgl. die Annaies St. Amandi a. 733: „Karins cum exercitu yenit in
Wistragou" und a. 734: „iterum Karlus renit cum exercitu in Wistragou''
Perta 1 p. 8; Annal. Petav. a. 733: „quando (Karolus) venit cum . . exercitu
in Westrigou ** und a. 734: „Karolus perrexit in Frisiam (et delerit eam)
uaque (ad) intemecionem" Perts 1 p. 9; Annal. Lauresh. a. 734: „Garolus
perrexit in Frisiam et eam rastarit usque ad internecionem*^ Pertx 1 p. 24,
ähnlich in Annal. Alam. und Nasar. p. 24. 25 ; Annal. Lauriss. min. a. 729 :
„Karins navali eTcctione (in) Fresonum regnum penetrarit, interfectis Freso-
■ibuB („quam plnrimis^) Papponsm ducem („eorum*') interimit, luoos et
fana gubvertit, victor cum praeda magna revertitur'^ Perta 1 p. 114 und
a. 740 : „Karlus, Saxonibus et Fresonibus subactis . . , moritur** p. 1 15, &hnlieli
in AnnaL Fnld. a. 729 und 740 Perts 1 p. 344. 345; vgl. Ghron. Moissiae.
a. 734: „Karolus ing^essus est in Frisia cum exercitu magno, delerit eam
usque ad intemecionem » ac suo subjugavit imperio'' Perti 1 p. 291, und
Annal. Hettens. a. 734: „Karoks prineeps in Frisiam proficiseitor, onmesque
rebelles ejus gentis trucidavit, eeterosque quos vivos reliqnit aceeptis obsi-
dibas fluae ditioni sabjugayit*' p. 325. Mit diesen Alteren Nachrichten stimmt
überein die Angabe der Vita Ch-egorii cap. 10: „doctrina sna b. 0re-
goriuB, TraJ§cium et Dorstad cum illa inradiavit parte Freso-
nia«, qaae'tune temporis (Gh-egor starb 775) christianitatis no-
mine eensebatur; idem usque in rfpam occidentalem iluminis qvod dicitur
Lagbeki, ubi confininm erat christianorum Fresonum ac pa-
ganorum cunotis diebus Pippini regis.^ Acta S. Bendict saec. III.
ed. Venet. 2 p. 295.
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und wendete eidi in dis benadibarte Gan Thrianta (d. L die
heutige Provins Drente, südlich Ton Qroningen); hier lieiben sieh
nicht Wenige taufen , doch als seiue Schttler einen der heidni«
sehen Tempel^ die dort noch standen, aa aerstttren begannen
(„fana in morem gentilium circumqnaque erecta coepisaent ever-
tere^)y entbrannte der Zorn derer; die noch an ihrem alten Olan-
ben festhielten; und dem Willehad gelang es nur durch Flucht,
nachdem ein Schwertstreich an dem Riemen seiner Reliquienkapsel
abgeprallt war, sein Leben zu retten^).
Dies geschah zur Zeit, als König Karl bemüht war in
Sachsen das Christenthum einzuführen*); er h5rte von Wille-
had, lieft ihn zu sich kommen, und übertrug ihm im säch-
sischen Wigmodesgan (das auf dem rechten Weserufer bei
Bremen lag") unter königlicher Autorität Kirchen zu gründen
und das Christenthum zu lehren: „misit cum in partes Sa-
xoniae ad pagum qui dicitur Wigmddia, quo inibi
auctoritate regali, et ecclesias construeret, et popnlis
doctrinam sanctae praedicationis inpenderet" Vita Willehadi cap.5
Pertz 2 p. 381.
&) Vgl Vita Willehadi oap.4 Perts 2 p.381.
*) Vita Willeh. eap. 5 : „Poflt haee re« Karohap qui jam muUoiien» •»
gWU Saxonum Mboraoerat, quo ad ßdem chrUtianae reUgicnia eomverie-'
rtwtur, sed illi Busoeptam fidem aaepius deserenteB pristinia implioahantur er-
roribiiB, audita fama viri Dei, ad eum acoersiri praecepit^ Perts 2 p. 381.
Bas Jahr, in welchem K« Karl den Willehad an sich rief, giebl die Stelle
nicht an; es scheint aber im Jahre 780 geschehen au sein, da ihm der
König, nach den Worten der Vita, sofort die Mission im Wigmodesgan Über-
trag und die Annalen im Jahre 780 derartige Anordnungen Ton K* Karl
berichten, vgl. oben S. 137 Note 1. Auch ist damit vereinbar, dab die S. 159
in Note 1 angeffthrto Stelle der Tita Willehadi das Jahr 781 als das aweite
seiner Wirksamkeit im Wigmodesgau beseichnet.
*) Vgl. die Erwähnungen des Gaues in Wersebe Gaue p. 266 und
Hodenberg DlGcese Bremen 1858. 2 p. 3—14, wo aber durch Benutaung
der unechten Bremer Stiftungsurkunde die Ausdehnung des Gaues unriehtig
angegeben bt. Der pagus Wihmodi oder die regio Wihmoti ist nicht nach
der Wtkmme (bei Adam von Bremen: „Wenuna fluvius^) benannt, sondern
nach einem Wichmuot , Wigmod, Wimod; die Namensform Wichmodinga in
den frankischen Annalen a. 795 und 796 ist patronymische Ableitung, pagus
Wimodi eine jüngere, pagus Wigmodia eine latinisirte Namenafonn.
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Wälehad dorehwanderte sofort den ihm aagewieBeDon Sprengel
imd gewann durch seine Predigt Viele für das Christenthnm, ao
dafa im sweiten Jahre seiner Wirkaamkeit, es war im
Jahre nach der Geburt Christi 18ly alle Sachsen jener Oe-
gend und die benachbarten Friesen den Uebertritt
anm Christenthnm gelobten, and er beginnen konnte
im Wigmodesgan Kirchen an bauen und Priester sur
Lehre des Volkes ananstellen').
Doch das folgende Jahr serstörte die anfspriefsende Saat:
Widnkind kehrte ans DSnemark znrtlck und bewog seine Lands-
leate nochmals alle Kräfte aufzubieten , um das verhafste firän-
kiaehe Joch absnwerfen, nnd mit dem von den Vätern Überkom-
menen Glauben die angestammte Freiheit wieder zu erriagen*)/
Willehad floh aus dem sächsischen Wigmodesgau in das be-
nachbarte friesische Rttstringen (an der Westseite der Wesermttn-
dnng), und rettete sich| indem er von dort aus Friesland nmschiflfte.
Die angeregte Leidenachaft der Heiden, die ihn nicht erreichen
konnte, traf seine Schüler; sie enthaupteten , um ihres Christen-
glaubens willen, den Benjamin im friesischen Rttstringen,
den Priester Folkard und den Grafen Emingo im säch-
aiachen LSriga (westlich Ton Bremen bei Wildeshausen), den
Gerwal mit seinen Genossen in Bremen (d. L im Wig-
modesgau), und den Kleriker Atreban im sächsischen
Thiatmares-ga (d.i. in t)ietmarachen , nördlich von der Elb-
mttndnng an der Holsteinschen Nordseekttste').
1) Vit» Willeh. c 5 : ^Ille miniBterium susceptnm officiosissime peregit,
M pertransiens coBCUm in drcuita diocesim, mal tos ad fidem Christi
eyaageliBando conrertii, ita ut in secundo anno tarn SaxoneB
quam et Fresonea in circuitu commorantes^ omn-es ae pariter
fieri promitterent ohristianos, hoc itaque ybdum est anno incar-
nalioiiia D<miini781, Praefato igitor tempore Willehadus per Wigmo-
diam eceleaias coepit conatruere, ac presbyteros super eaa
ordinäre, qui libere popnlis monita aalutis ac baptiami conferrent gratiam."
Porte 2 p.ddl.
«) YgL oben 8. 139.
*) Tita WiUeh. c. 6: y^Verum sequenti anno (d. L 782) mstigante dia-
boloy tetina boni invido, qnidam eztiUt penrerBioria conailii Widukindua, qui
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160
Die Erhebung Widukinds rifs anch die seit einem halben
Jahrhundert dem fränkischen Reich unterworfenen Friesen zwi-
schen dem Laubach und dem Fliestrom (d. i. der Mündung der
Zuyderzee) mit sich fort. — Nach Willehads Weggang ans Dockam
im Aster-ga hatte der Friese Liudger der dortigen Kirche Tor*
gestanden, und die Ueberreste des Heidenthnms in der Umgegend
auszurotten gesucht; auch er mufste jetzt, gleich Willdiad, ans
dem Lande seines Wirkens fliehen. Liudgers Lebensbeschreibang,
die von seinem zweiten Nachfolger im Bisthum Münster, dem im
Jahre 849 verstorbenen Altfrid, verfafst ist, und in ihren Haupt-
angaben als zuverlässig gelten mufs, da Altfrid noch von Augen-
zeugen seine Nachrichten einzog und namentlich mit Liudgers
Geschwistern verkehrte (s. Rettberg Kirchengesch. 2 p. 425), be-
richtet ausdrücklich, dafs es der Sachse Widnkind war, der
die Friesen zum Aufstand verleitete; er verbrannte
die Kirchen, vertrieb die Diener Gottes, und machte,
dafs die Friesen westwärts bis zum Fliestrom (d.i. bis
an die Zuyderzee) den Christenglauben verliefsen und
wiederum nach der Art ihres alten Irrwahns den Götzen opferten').
rebellare contra regem Karolum nisus, maltam se<nim Saxonum aggregarit
multitudinem ; quique etiam unattimiter eos qui in fide Christi stabiles yideba&tar
persequi^ serroa quoque Dei per looa quaeque vagantes dispergere, atqno
a finibtts suis effagare coeperunt. Qua persecutione commota, contigit ser-
rum Dei de Wigmodia transve in Ut-riustri, ibique conscendens narim,
mare circa Fresiam tranafretayit, sicque persecutionem eorum evasit. Porro
Saxones crudelitatem, quam circa magistrum nequirerant, in disci-
pulos ipsius exardescente ira ferrentius exercuerunt; siquidem Fol-
cardum presbiterum cum Emmiggo comite in pago Ldri, Ben-
jamin autem in Ub-hriustri, Atrebanum rero clerieum im
Tbiatmaresgaho, Gerwalum quoque cum sociis suis in Brema,
odio nominis christiani gladio peremerunt.'' Pertz 2 p. 382.
^) VitaLiudgeri I c. 18: „Consurrexit radix sceleris Widuk int, duc
Saxonum eatenus gentOium, qui erertit Frisones a Tia Dei, com-
bussitque ecclesias et expulit Dei famulos, et usque ad Fleo
flurium fecit Fresones Christi fidem relinquere et immolare
idolis juxta morem erroris pristini. Sed et Albricus episcopus in
ipsa pcrversa commotione migravit ad dominum (d. i. während des Auf-
standes starb Alberich; seinen Tod geben die Annal. Laureshara. P^rta 1
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161
Bis 785 wtttfaete der Kampf in Sachsen «nd Frieeland^ wenn-
gleich die Sachpen seit den Schlachten bei Detmold und an der
Hase im Jahre 783 es nicht mehr vermochten, den Heeren König
Karifly die das Land fortgesetzt in allen Richtungen durchzogen
und Yerwtisteteni einen offenen Widerstand zu leisten^). Sowohl
Willehad als Liudger glaubte damals in Deutschland kein Feld
für aeine Wirksamkeit finden zu können; beide wallfahrteten nach
Born und kehrten erst nach yollstSndiger Unterdrückung des Auf-
standes über den Rhein zurück*).
p. 32 und Mosel Perts 16 p. 497 im Jahre 784 an, Beka p. 21 : XII Kalend.
Sept. 784, ygL Heda p. 41). Tunc (d, h. wie der Aufstand Friesland er&Cst
hatte, nnd bereits 78^ wurde im friesischen Büstringen der Priester Benjamin
ennordet) Liutgerus, necessitate compulsus, deseruit partes
illas, et disposita tnrba discipulorum, duos ex eis secum assumens perrexit
Romam, etc.'' Perta 2 p. 410. Als ungenau müssen die einzelnen chronolo-
gisehen Angaben der Vita Liudgeri Über die früheren Lebensjahre Liudgers
gelten : Gregor starb d. 25. Aug. 775 , Tielleicht noch sp&ter, Tgl. Bettberg
Sirchengesch. 2 p. 533; f^ ihn fungirte darauf Alberich als Stellvertreter,
bis er 777 zum Bischof ron Utrecht geweiht wurde; eine Urkunde von
K. Karl Tom 7. Juni 777 nennt ihn noch „Albericus presbyter atque electus
rector basilioae S. Martini '^ Heda p. 41. Nach der Vita Liudgeri L c. 14
stellte in jener Zeit Liudger, im Auftrage Alberichs, zu Deventer an der
lasel im Hamalande (nicht in Friosland, wie BeUberg 2 p. 405 angiebt)
die daselbst Ton Liafwin erbaute, von den Sachsen eingeäscherte Kirche her,
und wurde darauf Ton ihm mit anderen Geistlichen in das noch heidnische
Friesland (östlich rem Laubach) geschickt: „ut destruerent fana deo-
rum et yarias culturas idolorum in gente Fresonum" Port» 2 p. 408.
Sodann berichtet die Vita 1 c. 15, dars Alberich, nach Erlangung der bischöf-
lichen Weihe in C6ln, den Liudger zum Presbyter geweiht habe: „et con-
stitttit (Albricus) eum doctorem ecclesiae in pago Ostrache in
loco ubi S. Bonifacius martyrio est coronatus" p. 408, und femer
in cap« 18: „cum Liutgerus in eadem regione annis fere septem
in doctrinae studio persisteret, consurrezit Widukint etc.'' p. 410.
W&re wirklich Liudger im Jahre 777 Tom Bischof Alberich zum Pfarrer in
Bodcum ernannt worden und daselbst „fast 7 Jahre'' geblieben, so h&tte er
erst 784 Friesland Torlassen, w&hrend dies nach der Erzählung der Vita in
Folge des ron Widukind hervorgerufenen Aufstandes geschah, der bereits
782 erfolgte, Tgl S. 139 und Note 2.
>) VgL oben S. 141.
«) VgL Willehadi c 7 PerU 2 p. 382 und Vita Liudgeri I c. 18 p. 410.
Gegenüber ron der ron mir im Text befolgten Amuihme, dafa die Erhs-
11
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162
Es war zur Zeit, da KOnig Karl sich auf der Eresbnrg auf-
hielt, alBO zwiBchen Nei^ahr und Juni 786^), als ihm Willehad
aafs Neae seine Dienste anbot. Der K8nig gab ihm snr unter-
Stützung für sein ferneres Wirken die Abtei Justina (Mont Jntia
in Burgund), und befahl ihm, seine Thätigkeit in Sachsen wieder
bung Sachsma im Jahre 782 unter Widtäcind sofort auch EHeakmd ergr^^
behauptet Abel Fr&nk. Jahrb. 1 p. 36d. 383 und p. 639 (in emem beMm-
deren Excurs), dafs die Friesen erst 784 aufgestanden und Liudger erst
damals Friesland verlassen habe. An sich schon ist es unwahrscheinlich,
dafs die Friesen, die sich auf Widukinds Veranlassung an dem Auf-
stände betheiligten, es erst 784 gethan haben sollten; 782 hatten die
Sachsen am Berge Süntel, d. i. bei der Porta Westfalic», gesiegt and es
hatte Karls Strafgericht bei Verden den sächsischen Aufstand nur gesteigert,
bereits im Jahre 783 war er durch Karls Siege bei Detmold und an der
Hase niedergeworfen, vgl. S. 140.. Wenn Abel p. 539 hervorhebt, „dala nur
784, nicht aber 782 oder 783, neben den Sachsen ausdrfickUeh die Friesen
als aufständisch bezeichnet sind^, — es nennen sie nur beiläufig im Jahre 784
die Annales Lauriss. (:„tttnc rebellati sunt iterum Saxones, et cum eis pars
aliqua Frisonum*' Ports 1 p. 166), während Einhard auch hier ihrer nicht
erwähnt —, so lälst er aufser Acht, dats die Vita Willehadi berichtet « wie
im Jahre 782, beim Beginn des Aufstandeis in Sachsen, der Priester Ben-
jamin im friesischen Rüstringen ermordet wurde. Die von Widukind gelei-
tete Erhebung brach 782 gleichzeitig auf dem rechten Elbofer im sächsi-
schen Dietmarschen, zwischen Elbe und Weser un sächsischen Wigmodesgan^
und auf dem linken Weserufer im sächsischen Lerigau und friesisehen
Büstringen aus, da in allen diesen Gauen, also in sächsischem und fried-
Bchem Lande swischen der Eider und der Jade, gleichseitig christliche Mis-
sionäre erschlagen wurden , vgl. 8. 159. Unrichtig fthrt Abel p. 852 flkr
seine Meinung an, dals Willehad 782, als der Aufttand ausbrach, ans dem
sächsischen Bremen glücklich nach dem friesischen Büstringen entkommen
sei ; die Vita Wüleh. c. 6 erzählt nur : „contigit de Wigmodia transire in Ut-rinstri,
ibique conscendens navim, mare circa Fresiam transfretavit, sieque perse-
cutionem eorum evasit*^ Pertz 2 p. 382, d. L: Willehad eilte von Bremen
* zur Seeküste in Büstringen (in dessen höher gelegenem Theile damals der
Priester Benjamin erschlagen wurde), um ein SchüF zu besteigen, mit dem
er das im Aufstand begriffene Friesland umsdiüFend ins fränkische Land
entkam. Wenn Abel p. 539 endlich aus den „annis/«r« septem*', die Lindger
nach der Vita Liudgeri in Dockum zugebracht haben soll, glaubt feststellen
zu können, dafs er erst 784 Friesland verlassen habe, und dafii erst damals die
Friesen aufgestanden seien, so verwdse ich auf das S. 161 in der Note BemerktOb
Vgl. oben S. 144.
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168
WiUeliad ging nach dem Wigmodesgan und
predigte das ETangelinm; er stellte die serBtörten Kirchen
her, ernannte an ihnen Geiatliche, und es kehrte das Volk in
jenen Landesdieilen mm Ghriatenthum snrttck, das es im Jahre
783 verlassen hattet* Noch günstiger gestaltete sieh das Ver-
hlltails, als sich im Herbst 765 Widnkind dem K9nig unterwarf
md in Attigny die Tanfe empfing; friedliche Aussichten schienen
dadnreh fttr die Znkonft erOfinet, und Karl licTs daher in Worms
am IB. Juli 787 denWillehad zum Bischof weihen, und
setnte ihn über das Wigmodesgan und LSri-gau in
Sachsen y d.L die Gegend im Osten und Westen der Weser bei Bre-
men, sowie ttber Rttstringen, Astringen, Wanger- und
Nordener-Land, d. i. ttber die friesischen Qane, die sich von
der Weawmttndung bis snm Eintritt der Ems ins offene Meer bei
Norden Utngs der Nordseekttste ausbreiteten'). — Willehad er*
baute in BremeUi das cum künftigen Bischofsaita bestimmt
wurde, eine Kirche, die er am 1. November 789 einweihte,
und starb unmittelbar darauf , den 8. November 789, mitten in
^) YHaWilleh. e. 8: „S^cerdos Willehadus regem adiit Karolum,
qm tme forte in oasteUo oonsederat Saxoniae Eresbiureh, etc."; „rex prae-
eepit ei» ut itemm pro nomine Christi coeptam repeteret parochiam. Qnod
ille .. BoacipienB, rursus renit Wigmodiam, et fidem Domini strenue
gentibus praedicabat, ecclesias qnoque destructas restauravit,
probatasque personal qui populis monita aalntis darent, singulis
qnibueqne loeis praeesse disposuit; sicque ipso anno gens Saxonum
fidem cbristianitatis, qnam amiserat, denuo recepit.** Ports 2 p. 383.
S) Vtta WiUeh. c8; »Cum omnia pacifiea viderentur, et sub leni jngo
Christi Saxonum feroda licet ooaoU jam miteecerent colla, rex . . in Wor-
matia Willehadnm oonseerari fecit episoopum tertio Idus Julü,
constitnitque enm pastorem atque rectorem super Wigmodia et
Laras et Binsiri et Asterga necnon Nord-endi ae Wanga, etc."
Ports 2 p. 888. Von der wirklichen Gründung eines Bisthomes ist hier
noch sieht die Bede, Tgl. Bettberg Kirchengesch. 2 p. 417 und Erhard Re-
gest. 1 p. 74, nnd auch der District, den E. Karl dem Willehad 787 liberr
wies, un&lste nur in unbestimmter Weise den westlichen Theil des spateren
Bisthom Bremen. Hit Rücksicht auf die angefahrten Worte der Yita Wil-
Idiadi dürfte die Stelle der unechten Bremer Stiftungsurkunde vom 14. Juli
788 abgefiJst sein, welche besagt: „huio parochiae decem pag09 subjecimns,
11*
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seiner Bernfsthätigkeit zu Biesen („Pleocates-hem') an dem linken
Ufer der Weser, da wo sie in die Nordsee mttndet>).
Nicht so bestimmt als bei Willehad sind wir bei Liadger
ttber den Zeitpunkt unterrichtet, in welchem er seine Misaioiis-
thStigkeit wieder begann. Die Vita Liudgeri eraXhlt nar, dab er
nach einer drittehalbjährigen Abwesenheit ans Italien snrttekge-
kehrt sei, und daTs König Karl ihn darauf sum Lehrer
gesetEt habe ttber die friesischen Oaue Hug-merke
(nordwestlich von Groningen), Hunse-gau (an der Nordseekttste
ISstlich der Lauwer-zee), Fivel-gau (auf dem linken Eaunfer
bei Delfzyl), Ems-gan (auf dem rechten Emsufer bei Emden),
Feder-gau (nördlich vom Emsgau bei Qretsiel in.Ostfrieshund)
und die Insel Band, oder eine Oegend an der Nordseekttste
zwischen dem Laubach (nordwestlich von Oroningen) und einer
Meeresströmung, die Norden in Ostfriesland von der spiter doreh
das Meer weggespülten Insel Band schied*). Hatte Liudger Fries-
land im Herbst 782 verlassen, so würde seine Rttckkehr, wie die
des Willehad, ums Jahr 786 fallen; was mit Bttcksicht auf die
gleichen Verhältnisse beider an sich fttr wahrscheinlich gelten
mufe. Ob ihm unmittelbar darauf von König Karl der beieichnele
Theil Frieslands dauernd Übertragen wurde oder, was wahrsehem-
licher sein dürfte, erst im Jahre 787, nachdem er in ihm bereits
quoa etiam abfectis eorwn antiquis voealnUii et di9i$UmibuM in dnaa rede-
gimas prorincias, hia nominibiu etppeUanies Wigmodiam et Lorgoe^ Li^^ai-
berg Hamb. Urkb. p. 4; innerhalb des B&cbBischen Theiles der Bremer IKS-
cese, westlich von der Elbe, werden sp&ter genannt: Leriga, Steoringa,
Stethinga (?), Ammeri (d. i. AmmerUnd), Wigmodesga, Hatheloe (d. L Land
Hadeln), Ostunga, Bosoga, HeUanga, Hogtmnga (in Urk. a. 1004 Krhard
Beg. Westf. 1 p. 60 ex orig.) und Grindiriga (unsicher, r^JL, Hodenberg IMS«
cese Bremen 2 p. 44). Die Versuche von Hodenberg und BOUger die Bdit-
heit der Bremer Stiftungsurkunde zu vertheidigen, mttssen ftr TorfehH gehea*
>) Vgl. Vita Willeh. c. 9 und 10 p. 88S.
^ In Vita Liudgeri I. c 19 : „Post duos annos et menses sex Liotgsna
reversus est ad patriam suam, et perFenit ejus fama ad anres prinoipia
KaroU, qui constituit eum doctorem in gente Fresonnm ab
orientali parte fluminis Labeki super pagos quinqne: Hng-
mercfai, Hunusga, FiTilga, Emisga, Federitga etunam insalam
quae dicitur Baut*" Perta 2 p. 410.
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einige Zeit tbilig gewesen war, wie es bei Willehad geschah, er-
hellt nicht ans den Worten der Vita^). Lindger war eilrigst be-
ffiflBen, in den firieaisehen Ganen das Chrigtenthum zu verbreiten,
die Tempel an leratören nnd allen Heidenglauben auszurotten:
«cum sc^rtiy doctrinae Domini gregi sibi tradito flaenta mini-
slniTe stndnit, fana destmere et omnes erroris priatini ablaere
sordee.'' Vita Lindgeri L cap. 19 Pertz Scr. 2 p. 410. Namentlich
wird von ihm berichtet, dafs er im speeiellen Auftrage des Königs
naeh der entfernten nordfiriesischen Insel Fosetesland, dem
heutigen Helgoland^ an der Grenze der Friesen nnd Dänen, hinttber-
flifar; dort habe er die Tempel zerstört,, die dem Fosete
erbaut waren, habe an ihrer Stelle christliche Kir-
chen errichtet, und in jener heiligen Quelle getauft, in der einst
Wilttbrord (vor dem Jahre 714, unter der Herrschaft des friesischen
KiSnigB Redbad) nach Fosetesland verschlagen, drei Menschen ge-
tauft hatte, und deswegen mit dem Tode bedroht nur durch ein
gMeklich Mendes Loos gerettet worden war'). Als König Karl
apiter, und zwar erst nach dem Jahre 802*), dem Lindger das
in Sachsen neu errichtete Bisthum Münster Übergab, beliefs er
ihm auch die seit 785 von ihm verwalteten friesischen Gaue, und
sie verblieben in Folge dessen auch nach seinem Tode (er starb
den 36. MXra 809) bei der Münsterschen Diöcese, von deren
grOfterem um Münster sich ausbreitendem sächsischen Theile sie
*) Die Ton Abel 1 p. 491 fftr 787 angeftlhrten Gründe entselieiden
niefat, TgL 8. 162 Note.
^ Vgl. Yito Li«dgeri L c. 19; dort namentlich: „transfi-etavit in eon-
finio Fresonnm atqae Danoram ad qaandam insulam, qnae
a nomiae dei sni fiedsi Fosete, Foseteslant est appellata^; nnd »de-
strnxernnt omnia ejnsdem Fosetis fana, qnae illic fiiere constrncta,
et pro eis Christi fabricaverunt ecelesias; . . baptizavit habita-
toree terrae in fbnte qni ibi ebuUiebat, in qno S. Willibrordus prius homines
tree baptiaarerat» etc.'' FerU 2 p. 410, und rergleiche dazu Alcuins Ersäh-
loag in der Vita S. WiUibrordi. Ueber den Gott Fosete vgl. Grimm Mytho-
logie p. 210 und 1210. Ueber die heilige Quelle und dafs sie nicht in den
erat in neuerer Zeit gegrabenen Brunnen an der Helgol&nder Treppe zu
suchen ist, vgl Friedrich Oetker Helgoland. 1855. p. 116.
') In Urkunden bis 802 in Laoomblet Urkdb. 1 p. 13 wird Liudger ak
Abt beseiehnet.
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durch dem Bischof yon Osnahrfiok fiberwiesene sHoligsische Gane
getrennt waren.
Ich nnterlasse es die vereinselten Nachrichten Easammeiiia-
stellen, die wir von Missionen zwischen Bhein und Eibe anber den
hier über Starm, Wiilehad und Lindger angefthrten, ans den bei-
den letzten Decennien des achten Jahrhunderts beriteen*). Die
im Detail, soweit es ttberliefert ist, erzXhlte ICssion des Storni
beweist, dafs König Karl, der bereits anf seinem ersten Znge
nach Sachsen im Jahre 772 Geistliche in grofser Anzahl mitge-
nommen hatte, nm das sSchsische Volk zn bekdiren, im Jahre
775, nach der Unterwerfung Sachsens vom Bhein bis zor Ooher,
das Land unter bestimmte Geistliche vertheilte, die
er antorisirte in den ihnen ttberwiesenen Gegenden zn lehren und
zn tanfen. Die dafür bereits früher anf S. 151 angeführten Worte
Eigils lauten: ,,totam provinci^m illam in parochias epi-
scopales divisit, et servis Domini ad docendnm et
baptizandnm potestatem dedit.* Pertz 2 p. 876. Dem
Abte Sturm von Fulda hatte der König im Jahre 775 einen
grofsen sächsischen Landestheil („pars mazima terrae
ülins'') an der Oberweser als Missionssprengel über-
wiesen; in ihm arbeitete Sturm mit seinen Priestern („presbyte-
ris'), predigte, taufte und gründete Kirchen an der Stelle zerstörter
Tempel. Mehrere damals dort erbaute Kirchen wurden S. 154 nam-
haft gemacht, und es ist S. 152 angeführt worden, dab Sturm in
Folge der sächsischen Erhebung des Jahres 778 das Feld seines Wir-
kens verlassen mufste, und dafs er 779 starb, bald nachdem er im
Gefolge König Karls nach Eresburg zurückgekehrt war, um seine
Misslonsthätigkeit fortzusetzen. — Eine ganz ähnliche Mis-
sion ertheilte Künig Karl im Jahre 780 dem Wiilehad an
der Niederweser nnd längs der Küste der Nordsee; er sehidkte
ihn nach dem Wigmodesgau: „ut inibi anetoritate regali
et ecclesias instrueret, et popnlis doctrinam suae prae-
1) In der Gegend von Verden sollen unter Karl d. Gr. die Aebte de«
Klosters Amorbach im Odenwalde eine Mission gehabt haben, s. Bettbeig
Kirchengesch. 2 p. 344. 462, in Münster war Tor Lindger ein wu
anbekannter Abt Bemrad th&tig» TgL Bettberg 2 p. 417 nnd 427.
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dieatioiiis inpoidarei'' Perts 2 p. 381; and WiUehad hätte solchen
Brfolgy dafii im Jahre 781 in der ihm Überwiesenen Gegend „omnes
SB pariter fieri promittorent christianoB" vgl. S. 159 ^ und er be-
l^nnen konnte „per Wigmodiam eceleaias constmere, ac presbyte-
roa aaper eaa ordinäre, qni libere popnUs monita aalnÜB ac baptismi
eoiilerrent gratiam **• und als dann im Jahre 782 Widukind gans
Sacbaen bewog einen nochmaligen än&eraten Versuch an machen,
nm daa frlnkische Joch an brechen, nnd WiUehad ans Bremen
ifiehten mnAte, werden uns die Namen mehrerer der unter ihm
im Lande beschäftigten Priester genannt, die den Märtyrertod
erlitten, nnd es werden ausdrücklich Einzelne verzeichnet, die in
Dietmarsdiea, im Wigmodesgan, im LSrigau und in Rttstringen
erschlagen wurden; ttber den ganzen nachmaligen Bremer Bischof-
qirengel, von der Eider bi« nach Ostfiriesland, hatte sich also die
Thätigkeit Willehads und seiner Priester erstreckt — Auf den
dem WiUehad im Jahre 780 ertheUten Auftrag zur Hission an der
Niederweser, oder auf ähnUche im selben Jahre von König Karl
angeordnete Ifissionen, sind die Worte zu beziehen, welche die
Annalea Lanreshamenses nnd die Annales MoseUani beim J. 780
enthalten: ndivisit (res) patriam inter episcopos et
presbyteros seu et abbates, nt in ea baptizarent et
praedicarent.^ Ports 1 p. 31 nnd 16 p. 497>). König Karl ver-
fUir im Jahr 780, wie er es 775 gethan hatte; nnd ganz wie uns im
Jahre 780 seine Handlungsweise in einem specieUen Falle durch
die Nachrichten aber die üebertragung der Mission an der Nieder-
weser anf WiUehad yeranschanUcht wird, lernen wir sie im J. 776
kennen durch das, waa uns ElgU über die Art berichtet, in der
er damals dem Sturm die Mission an der Oberweser übertrug.
Beide Männer erhielten einen grofsen sächsischen Landesstrich
ttberwiesen, nm in ihm die Christianisirung durchzuführen, jener
780, dieser 775; sie soUten in ihm predigen, taufen, Kirchen an
der SteUe der zerstörten Tempel errichten, Priester anstellen; beide
entsprachen dem ihnen gewordenen Auftrage, und es erhellt daraus,
dafii sich im Jahre 775 der Landestheil an der Oberweser, der
>) Ueber dae gegenseitige Verli<nils der AnnaL Moaell. and Lanreah.
T^ Watienbaeh DentsehL Geschiohteq. 1666. p. 100.
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dem Sturm übertragen wurde, und 780 deijenigei welcihen d«n«b
Wiilehad an der Niederweser erhielt, in einem Zustand befand,
dals darin eine Thtttigkeit möglich war, wie sie die beiden Geist-
lichen in ihnen nicht nur nach dem Willen König Karls aoslibeii
sollten, sondern auch factisch ausübten. -^ Fttr unrichtig mnb iek
es halten, wenn diesen bestimmten Thatsachen gegenüber Neuere,
davon ausgehend, dafs Sachsen bis 785 ein unabhSngiges heid-
nisches Land gewesen sei, die Nachricht der Annalen über die
Mafsnahmen des Königs im Jahre 780 anf einen blolsen Gedanken
an Vertheilung Sachsens unter Bischöfe zur völligen Bekehrung
des Landes deuten, oder wenn sie darin nichts finden, als einen
ersten erfolglosen Versuch su kirchlichen Einriehtung^i in Sach-
sen^); sie beachten nicht, dafe die Thätigkeit Wiilehads in den
Jahren 780 bis 782 beweist, dafs die Verfügungen des Königs im
Jahre 780 einen reellen Erfolg hatten, und dafs er bereits im
Jahre 775 völlig Gleiches that Sicher unzulässig wXre es, wollte
man vermuthen, die Angabe Eigils über König Karls Einrich-
tungen, welche die Mission Sturms in den Jahren 775 bis 779 smr
Folge hatten, beruhe auf einer Verwechselung mit dem, was der
König nach den S. 137 citirten Annalen im Jahre 780 that, da
Sturm bereits im Jahre 779 starb, und Eigii über dessen ThXtig-
keit in Sachsen als Augenzeuge und Theilnehmer berichtet Aller-
dings stimmt das, was Eigil über Karls Mafsnahmen im Jahre 775
angiebt, im Wesentlichen mit dem überein, was die Annalen von
ihm beim Jahre 780 melden, und er 780 speciell dem Wiilehad
auftrug; die Uebereinstimmnng erklärt sich aber voUstStndig ans
den gleichen Verhältnissen, die Karls Schritte 11h und 780 be-
stimmten. Nirgends sehe ich auch nur den geringsten Grund, die
Angaben Eigils anzuzweifeln, und sie werden um so unbedingter
Glauben verdienen, da eine massenhafte Bekehrung der Sachsen
Vgl. Bettberg Kirohengesoh. 2 p. 388: ^Sohon 780 hielt Karl die
Uaterwerfung des Landes f&r soweit geführt, daüs er an Vertheilimg des-
selben unter Bischöfe 2u völliger Bekehrung dachte, s. AnnaL Lauresh.
a. TSO*"; und Seibertz Westf. Gesch. 1 p. 196: „Die ersten kirchlichen
und politischen Einrichtungen in Sachsen yersnohte Karl seit 780; ... bis
785 waren jedoch die Bekehrungsversttohe im Ganxen Ton geringem Brfelge.*
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som Ohristottflioiii vor dem Jahre 778 innerlialb de« dem Starm
Übertragnen MiBrionaspreDgelB, auch dardi andere QneUen toU-
■tSadig beaengt wird. Fast aUe frXnkuchea Annaleii berichten bei
' den Jahren 776 and 777 auf das allerbestimmteatey dab die fiaeli-
een massenhaft in Eresbnrg, Lippspringe („an den Quellen der
Lippe ")| Paderborn — lanter Orten die im Missionssprengel Sturms
lagen — xnsammengestrOmt seien , nnd m Tausenden mit* Weib
und Kind sich bitten taufen lassen ^)y während die selben Annalea
beim Jahre 772, indem sie den enten Einfall König Karls in daa
sttdwestliehe Saehsen nnd die ZerstBning der Eresburg und Irmin-
tflnle berichten, mit keiner Silbe einer Bekehrung der Sachsen
gedenken. — Sp&ter als in WestCslen und den oberen Weser-
gegenden erfolgte der Uebertritt anm (%ristenthum in den nord*
östlichen Theilen des Sachsenlandes; einen wie grollien Erfolg
Willehad in den Jahren 781 und 782 an der Niederweser hatte,
und dab seine Tiiütigkeit schon damals durch deto ganaen spi-
taren Bremer BisehoiTssprengel von Ostfriesland bis sur Eider sieh
erstreckte, wurde auf der vorletzten Seite hervorgehoben. Dab König
Karl erst im Jahre 780 in das östlichste slchsische Land zwischen
der Ocker und Elbe vordrang und sich dies unterwarf, erörterte
ich 8. 137 und ftthrte die Stellen der Annalen an, die erwähnen,
dab sich damals in Ohrum ah der Ocker die Bewohner des Lüne-
burgschen Bardengaues und viele ttberelbische Sachsen taufen
lieben, gleichwie es bald darauf, nachdem der König bis an die
Elbe vorgerfickt war und die an ihr belegenen Gegenden unter»
worfen hatte, die Sachsen jener Landestheile thaten, wobei die
Annales Petaviani speeiell der Errichtung von Kirchen erwäh-
nen ")• Fabt man den« Zusammenhang der S. 167 besprochenen Stelle
der angeblich aus dem Kloster Lorsch nnd den Klöstern an der
Moeel stammende Annalen über die von König Karl im Jahre 780
vollgenommene Vertheilung Sachsens su Taufe nnd Predigt unter
Bisehöfe^ Priester nnd Aebte, näher ins Auge, so scheint er dafifar
zu sprechen, dab in ihr zunächst an ICabregeln im östlichen
Saehsen gedacht ist'), wie denn auch die später verfabten An-
1) YgL die oben S. 183 n. 134 abgedruckten Stellen der Annalen.
«) VgL ß. 187. ») Vgl S. 188.
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nlen von Henfeld, Halbentadt and Qaedlinbnigy die nadi dea
andientisohen Quellen eist viel spltter erfolgte Giüotoig der DiO*
eeee Halbentadt, unmittelbar an König Karls Diepoaiäonen im
Jahre 780 knüpfen^).
1. 15. Iniialt nnd Abrattnagsselt der Capitnla de partibas Saiealae.
Nach diesen ErSrterongen ttber die üntenrerAing nnd Ghristiar
■isimng Sachsens in den Jahren 776 bis 785 nehme ich die 8. 1S8
angeregte Frage nach der Abikssnngszeit der Oapitala de partibns
Sazoniae wieder auf. Ans ihrem Inhalt sohloAi Porta auf ihre
Abfassung im Jahre 785, wXhrend ich meinem er spricht dafliri
dafii König Karl sie bald nach 775, etwa im Jahre 777 auf der
SU Paderborn abgehaltenen Beichsversammlung erlassen hat
Den Inhalt der „ Capitnla , quae de partibus Sazoniae con*
stitnta sunt**, kann ich mir nur so erklären, dab sie von König
Karl für ein ihm eben erst unterworfianes, bisher heidnisches Land
erlassen sind, um durch sie in Sachsen eine fränkisehe Verwaltang
durch Gomites und kirchliche Einrichtungen, ähnlich denen des
tibrigen frftnkischen Beiches, einzuführen.
Es bedurfte nach der Unterwerfung Sachsens, ich möchte sagen,
eines Organisationsdecretes. Den Orafen, die der König über das
Land setste, mufste ein bestimmter WirlcungskreiB angewiesen und
ein bestimmter Schuts geniQirt werden; die Fundamentalbestimmun-
gen für die Einführung des gesammten christlichen Lebens mu(ktea
erlassen werden; ttber Erbauung von Kirchen mubten Anordnungen
getrofibn, flir Aufbringung der LebensbedttrfiiiBse für die an ihnen
▼om König angestellten Priester muftte gesorgt, ihre Stellung ge-
regelty ihnen ein besonderer Schuts verschaflfc werden; es mnürte
bestimmt werden, dab das Volk nicht mehr in alter Weise in
seinen flrei abgehaltenen Versammlungen ttber die wichtigsten
Staats- und Rechtsverhältnisse selbst beschließe, dafii es nicht
mit seinen noch im Heidenthum verharrenden Stammesgenossen
gegen den' König und seine Beamten conspirire; und es bedurfte
der Einführung von Strafen und Buben fttr den 'Bruch der dem
>) Vgl. die S. 137 am Schlulk der Note 1 angeflOkrten BteUen.
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171
K5ni§^ geflctw or ene ft Treue ^ Ar das VerlaMen de« feierlieh g^
tobten OhristenglanbeiM, sowie Ar üebertretongen der anderea
eisgefllhrtea Satzmigen.
Diese Pankte ordnen die Oapitlila de parltbits Baxoniae; es
^d insbesondere folgende Bestimmungen, die sie in Beaiehnng
darauf aufstellen:
1. Dem Könige haben Alle die ihm getehworeae Treue si
bewaliren, Gap. 11 ^); ihm sind durch Verbrechen yenrirkte Gttler
Terfistten, Gap. 30*); ihm werden Friedensgelder, Banngelder und
1) 0»p.depart.8ax.e.ll: „Si ^«u domino regi in fidel i b apparaerit»
eqiiteli senteBtia ponietar*'. SpecMl wird mis den Jakren yor 785 beriohtei: im
Jahre 775 Ton den Ostfalen „ßtraoenad m ßdete^ eM€ parUbu» domitU CatoH
rtgia** in AnnaLIiaiiri88.y y,Baerammdwn ßdelikUit jttrwfU ^ in Ann. Binli., nnd
von den Bngem „saeramenia dedemni*^ in Annal. Einh., TgL oben 8. 132. Im
Jahre 776: „sacramgfita rupia^ (tob den Baohoen) in AnnaL Lanriss., und
«Sazones sab didone domini GaroU regb ek IVaneomai ae snbdSdenint^ in
Lantin. und Sinh. Tg^ oben 8. 1S2, nnd „Sazonea Franoonun ditioni sob-
dnntar'' in Fold. TgL 8. 135. Im Jahre 777 kenmen <Ke Sachsen rar Beioha-
Tersammlang nach Paderborn: „eieepio quod Widoehindu§ rthtUSs extiHt
cum pctueU aliU^ in AnnaL LanriM. Tgl. oben 8. 134; die Baebsen „regia
potestaü ae permiaere", und erlangten Tom KOnig Verseibung unter der
Bedingung, dab sie „et patria et libertate priTarentur, si uheriaa regia ata-
tnta Tiolarenf in AnnaL Einb., woftr die AnnaL Lauriaa. sagen: „omnem
ingenuitatem et alodem maaibas dnlgtnm feeemnt . ., nfoi eonaerrarent . .
ßddUatem domini CaroU regis ei fdiorum efui ffd Eraneorum'^ und AnnaL
Fold.: „ingenuitatem et omnem proprietatem auam . . abdioantes . ., «i re^
ei JUiis efu» ßdeUiaiem abnegaaaent*' TgL oben 8. 135. Im Jabre 779 beult
ea Ten den Engem und Ostfiden: „denuo eaeramenia ßrmaoenmt^, TgL
oben 8. 136. Im Jahre 782 ers&blen die Annalen, wie naob dem Aufstände
die Saebsen ticb an Verden wieder unterwarfen, wie der KSnig „de aucto*
ribua factae defeetionia inquisirit^, wie die 8acbsen „reddiderunt omnea
BuJefiMtorea ülos, qni istud rebeUhim mazime terminaTerunt, ad oeeidendum*',
und 4600 am Aufttande beÜieOigte 8aebsen „juseu regie deeoUaÜ etmi*',
TgL oben 8. 140.
*) Cap. 80: „ 8i quia eomitem interfeeerit, Tel de ejus morte eonsiliun
dederit, bereditas illius ad partem regia OTeniai et in jus ejus
redicatur*. In der Torigen Note sind die eidlibben ErklBrungen der 8aeb8en
Tom Jahre 777 angefahrt , dafs sie im Fall des Ungehorsams ihre Freiheit
und ihre CHiter Terwirkt hatten, TgL die oben 8. 105 und 108 angefthrten
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tn
aadwe GeflUe entriditet» Gap. 16«). Jeder kann bei ihm Seholi
g^gen ReebtBkrlUikQiig^ 8udi«i| Gap* 26*); iimi steht ee ra, ans
Qnade Todeestrafen za erlaseen und sie in VerbaiiBQDg a& einen
beetimmten Ort im Beieh an verwandeln, Oap. 2>); keine Ver-
aammlangen des Volkes sind gestattet , die nieht sbine Beamten
(seine „Missi^ oder „Gomites^) in seinem Namen berufen, Gap. 34^);
alles Ooniq^riren mit den Heiden gegen ihn unterliegt schwerer
Btrafe, Oap. 10»).
2. Der K9nig ernennt Grafen („comites')*), die iaoerlialb
>) 0»p. 16: „imdaewiiqae oeiuiu aliquid ad fiseum perrenerity rire in
firidoy iiTe in qvaEonmqne banno ei omni redibutione» ad regen pertinenfee'';
Gap. 19 nnd 20: i^solido« . . fiioo oomponaai" ; Gap. 24liit 28 „nootnim baa-
mim aolTat^
*) Gap. 26: „nt nnlli hominum eoniradieere Tiam ad nos
reniendo pro juatitia reclauanda praesnmat''.
*) Gap. 2: „et sie dacatnr ad praoBentiam domini regle» et
ipse eum mittat ubi olementiae ipsins placnerit^ TgL die oben
S. 106 aageHihrten Verweiaongen und Wegftbnmgen ans Sachwen.
*) Gap. 84:* „ interdizimaa ut onmes Saxones generaliter eon-
Yentns publicos nee faoiant, nisi forte missua noater de
rerbo nostro eos congregare feeerit, sed unusqniBque comes in sno
mbisterio plaoHa et jnstitiaa faciat^. König Karl hielt im Jahre 777 an
Paderborn» 780 nnd 782 an Lippepringey nnd 786 wieder in Paderborn ren
den Saehsen besuchte BetchsTersammlnngen» t|^ oben 8. 164. 166. 138 n. 146.
*) Gap. 10: „Si quis onm paganis oonsilinm adyersns Gbrisliaaoe
inierit . ,, et hoo idem frande contra regem oonsenserit» morte
moriator*^.
^ Grafen werden bereita Tor dem Jahre 786 in Sachsen erw&hnt: im
Jahre 782 fthren die Annalen an, dals K. Kari: „constitnit super
Sazoniam ex nobilissimis, Saxonnm genere» comites**» TgL oben
8. 130; bei dem An&tande im Herbst 782 ennorden die Sachsen „Em*
miggum comitem in pago LeriS vgl- oben 8.160. Nicht angegeben
ist das Jahr, in welchem König Karl den Ostfalen Hassio, der sich ihm 776
unterworfen hatte (ygL oben 8. 132), ein Chrafenamt übertrug; die Vita Lmt*
bnrgis cap. 1 en&hlt: „Karolus rex quendam inter primoree et nobüisaimos
gentis illkis, nomine Hessi, onm aliis quam plurimis quibus comita-
tum de de rat, magnis eüam sustentarit honoribus, quin fidelem sibi in
ennctis repereraf Porta 4 p. 169. Dafs bald nach der Unterwerfung a&ch-
sischer Laadeatheile K. Karl Beamten in ihnen muls eingesetst haben, leuchtst
ein, achon als Heerfllhrer können sie nicht gefehlt haben: im Jahre 776 hatte
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ilrar AmtMpraigd („in isit minMiriit« Oap. 81 nd 84)
ihrer Ora&chaften („comitatoB* Gap. 24), wie diese Sprengel naeh
den ümeD vorgeeetsten Orafen oder Gomiles genannt werden, in
«dnem Namen Befehle (»bannoe*) erlassen, fttr ihn die verwirkten
Bttftgelder einsiehen, nnd OefiÜle aller Art erheben , Gap. 81*).
Dieae Orafen halten die Geriehtsrersanimlungen („plaelta*) ab, und
ezeqniren die in ihnen geftindenen Erkenntnise («nnnsqnisqne
eomes in sno ministerio plaeita et jnstitias fiieial* Gap. 84;
Prirm^rfkndongen sind untersagt, Gap. 26 *) ); sie haben fttr die Anf«
leohthaltang des Friedens sn soigen, Gap. 29"), nnd tfXt Verfolgung
der Verbrecher nnd RXnber, Gap. 24*); sie geniefiwn einen eriil^hten
Beelitssehuta, Gap. 80^), sollen aber anch bei Strafe der Amts-
Kari in der &etbarg md Bigibttrg BMatsangeB BvrSd^luaen, r^ 8. 182
Note 2; ein Anf^bot der Sachflen erscheint bereite 782 im frinkiseheii
Heere» eis die Sorben über die Saale in Thüringen nnd Saefasen eingeüülan
waren: ^^^^ misit missos tnoB .. nt morerent exereitnm Fraaee-
ram ei Saxennm snper SclaToe rebelles^ AnnaL LaarisB. Peris 1 p. 162,
nnd „m, Bomptia eeenm orientalibaB Franeie atque Saxonibne, Sdaroram
andaeiam comprimereni* AnnaL £inh. Perts 1 p. 168. Zn becweifehi aber,
dab die Beamten König Karls in Sachsen, die den Gerichts- nnd Heerbann
handhabten, nicht auch sehen Ter 782 €h«fen genannt werden waren, sehe
ieh keinen Gmnd.
>) Gap. 31: „Dedimus potestatem comitibns bannnm mit-
tere infra sno ministerio de faida reL mi^oribus causis in solides 60;
de minoribns rero causis comids bannnm in solidos 15 eonttitnimns^, t|^
die in S. 172 Note 1 über ^bannns* angefhhrten Stellen nnd aber die HAhe
des Baongeldes vaten { 20.
*) Zn Gi^. 34 TgL Gap. 2 : ^Pacem habeat (in ecdeeia) ns^e dum ad
piaeUum priiesentetor . .; emendat antem causam in quantum potnerit et ei
iberit jndicatum*; Gap. 18: „Ut in dominicis diebus conrentus et plaeiia
pMiea non &ciant, nisi forte pro magna neoessitate aut hostilitate eogente^;
Gap. 24: „de latrombus et male&etoribns, qui de nno comitatu ad alium
eonfiii^um fecerint . ., «{ comes tum abecondertt, ^ ad juBHÜamfiteimdam
pnmtHUtt$ nobarii, et ad hoc ezousare non poiest, honorem soum perdat!*.
>) Gap. 29: „Ut nnirersi comitea paeem H eoneardiam ad imhma
kabire Hudeawt, etc^
«) TgL m Note 2.
») Gap. 30: „8i quis comitem inierftetHi, Tel de morte iy|«s cenai-
finm dederit» hereditas UUns ad partem regis ereniat**.
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1T4
flnre AmtipfiAlea gewiatenhAft erfllUeii, Chp. Mk
imd 28')- '
8. D«8 Heideathnm mit ieinen Menaehenopfern und aUan
seinem Oräael ist im Lande verboten and wird mit dem Tode
bestraft^ Gap. 4. 6 bis 10. 21. 22*); das Cbristenthum ist allge-
mein ttngeftthrt'), Cap. 4. 10; Jeder mnA steh nnd seine Kinder
tanfen lassen^ Gap. 8. 19; die Kirche besncben, Gap. 18; fasten^
Gap. 4; Sonn- und Feiertage heilig halten^ Gap. 18; seine Todtaa'
ehrtotlieh an{ den Kirohbltfen begrabeni niehtaber sie yerbramen
nnd ihre Asehe in Heid^hUgebu beisetaen, Gap. 22. 7; Keiner
darf eine unerlaubte Ehe eiogehen; Gap. 20^).
>) Das Cap. 24 rgl. S. 173 in Note 2; Cap. 28: „nt mimera anper inno-
eente nnllua accipiat, . . et n camet hoc feeerit, honorem suum perdat^.
*) Die auf Auarottang des Heidenthuma in Sachaen sieh beliebenden
84eUea der Gapitola de part. Saz. aprechen für deren Abiksaang nnmittol*
bar naeb der Jfiroberang Sachsena, «nd sind deawegen am Schlnb dieaeB
Paragraphen neob spedeUer erörtert.
s) Daf» tohon tor 785, seit dem Jahre 776, daa Chriatenthnm in dem
nnterworfenen Sachsen, und swar unmittelbar mit der Unterwerfimg der
«nsebien Theüe deeselben, Ton £. Sari eingeföhrt and tob den naterwor^
fimen Sachsen angenommen wurde, ist in den (§. 13 and 14 erörterU Spe*
eiell hebe ich hier herror : im Jahre 775 beschlois IL Karl, wie die Annalea
Einhardi berichten, den Kampf mit den Sachsen solange fortsofUiren, bü
sie Temichtet oder „Ticti christianae religieni sabjicerentur^,
Yf^ S. 131 Note 2. Im Jahre 776 gelobten die rom Rhein bis aar Ocker
uaterworfenen Sachsen Christen au sein, vgl. S. 133 Note 1 und 2; Tanaende
Toa Sachsen wurden 776 and 777 getauft, rg^ S. 134 Note I. Nachdem
K. Karl 779 den s&chsischen Aufstand von 778 niedergeworfen and 780
den Nordosten Sachsens bis sor Elbe unterworfen hatte, nahmen die Sachsen
jener Gegenden das Cbristenthum an, and Massen tqh Sachsen swiachen
Ohre und £lbe and aus den nördlichen Gegenden an der unteren Slbe lieben
atoh tanfen, v^fi. S. 137 Note 1.
4) Daa Cap« 20 bestimmt: „^ quis prohibitum rel inlicitnm
cenjugiam sibi sortitus fuerit, si.nobilis soUdos 60, si ingeanua 30, ai
liioa 15"; vgL Leg. Fris. Add. m, 77. 78: «Si quis iUieiia9 mipiim$ ooa-
traxerit, aeparabitur ab uzore sua, et liceat tarn ei quam oxori legitime
nähere; si Tero separad fuerint, et iterum ad invicem fuerint reverai, were«
gildum Buum nterque componat.*' Durch das Cap. 20 werden in Sachsen
die kirchUchen BeelimBmngea aber Ehehindemisse wegen an naher Ver-
wandtschaft eingeführt, vgL Über daa aur 2eit K. Karls in Beiiehang daraof
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^ 17fl
4. Kirehen werden im Lande Btett der heidaiselien Tempel
«baiit| Gap. 1^); jede Kirohe ist mit einem Gehöft nnd iwei Hafen
m dotiren, nnd je 120 der in sie eingepfarrien Wirthe haben ihr
gehende Becht: Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. {. 183. 1 p. 712, Wilds
Stnfreeht p. 865, Bettberg Deutsche Kirchengesch. 2 p. 758 und Walter
Denteehe Beehtogeseh. §.484. 2 p. 132. Dafii unter ^inlidtiim eoi^ngium''
im Gep. de pert. Sex. eine kirchlich unerUuhte Bhe in Terstehen irty nicht
wie SftTigny Beitr. rar Gesch. des Adels. 1838. p. 10 (Vermischte Schriften
4 p. 18) innahm, eine wegen ungleichen Geburtsstandes yerbetene Ehe, haben
Wilda p.856 und E. Maurer Üeber das Wesen des Ältesten deutsdien Adele
p. 121 bemerkt, und h&k Waits Deutsehe YeiAmungsgesch. 3 p. 126 ohne
Orand ftr iweifelhaft.
^) Das Gap. 1 rerordnet: „Primum de mi^oribns eapitolis hoo plaeuit
emnibus, ut ecclesiae Christi, quomodo construuntur in Saxonia
ei Deo saeratae sunt, non minorem habeant honorem sed majorem et ex-
oeUentiorem quam fana habuissent idolomm^. Dafs bereits Tor dem Jahre 785
in Sachsen Kirchen erbaut waren, ist mehrÜMh beieugt: lu Eres*
bnrg (d.L Stadtberg an der Diemel) scheint bereits 775 eine Kirche ge«
gründet ra sein, an deren Stelle K. Karl 785 eine „Basilica* erbauen lieb,
rfß, oben S. 158. Zu Sigiburg (d. i. Hohensyberg an der Bnhr) wird im
Jahr 776 eine ^ecdesia infra castrum*' erw&hnt, rgl. oben S. 155 Note 1.
Zu Paderborn wurde 777 eine „ecdesia Salratoris*^ erbaut, rgl. oben
S. 154 Note 1. Vom Abt Sturm wird berichtet, dais er ror 778: «per
regiones (Saxoniae) quasque singulas ecclesias consiruxis-
sei", TgL oben 8. 151 Note 2. Beim Jahre 780 erw&hnen die Annalen im
Allgemeinen: „eodem tempore aedificarernnt ecclesias (in Saxo-
nia**)» vgl S. 137 Notel, und im Jahre 781: „Willehadns per Wig*
modiam (bei Bremen) ecclesias coepit construere et presbyteros
super eas ordinäre^, vgl. S. 159 Note 1. Im Jahre 782, als der Aufrtand
Sachsen und Friesland bis cur Zuidersee erfaCste, wird berichtet: „Widu-
kint combussit ecclesias et ezpulit Dei famulos*', ygL S. 160 Note 2.
Bei einer Beihe ron s&chsischen Kirdien wird ihre Erbauung in die ersten
Jahre der Eroberung Sachsens gesetst, ohne dafs die Angaben darüber
Ar authentisch gelten kOnnen, ygl« Bettberg Deutsche Kirchengeseh. 2 p.417.
431. 435. 437. 447. Vor dem Jahre 772 stand bereits eine Kirche su De*
renter an der die Sachsen nnd Franken trennenden Issel, die Lialwin ge-
gründet hatte nnd die, nachdem sie ron den Sachsen eingdUchert worden
war, im Jahre 776 durch Liudger hergestellt wurde, rgL oben S. 161. Ebenso
war in dem seit 734 dem fir&nkisehen Beich einrerleibten friesischen Asterga,
unfern Ton dem die Beichsgrense bildenden Lanbach, in Dockum an de«
Benüadus Todesst&tte die Dockin -ehirica erbant, an derWillehad bis 777
und darauf Liudger bis 782 als Pfarrer angeeteUt war, vgL oben S. 155 u. 160.
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eiaen Leibeigenen und dessen Weib zu ttberUsaen, Gap. 15'), Von
allem Einkommen and Erwerb erhalten die Eirehen die in den
EirchengeBetKen Torgeschriebenen Zehnten, Cap. 17; aneh von den
Gkffillen und Bufiigeldeni, die dem König gesahlt werden, Gap. 16')«
>) Das Cap« 15 verordnet: „consensenmt omnes, ad unam quam*
que eeelesiam curtem et duos mansos terrae pagenses ad
eeclesiam recurrenteB condonant, et inter oentum viginti bommea,
nobileB et ingenuos similiter et litos, serviim et ancillam eidem ecdesiae tri-
buant''. Die Stelle will sagen: data die Pagenses, die zu einer neuen Kirche
gewiesen sind, ihr eine Curtis und 2 Mansi geben sollen, und auCBordem je
120 von ihnen, mOgen dies nun Edelinge, Freie oder Liten sein, einen
Senms und eine AnciUa. Die Vorschrift, dals einer neu gegründeten Kirche
YOn je 120 Pagenses, die in sie euigepfarrt morden, ein unfreies Paar über-
lassen werden soll, und nicht von je 100 derselben, entspricht der akaieh-
siflchen Sitte nach grolsen Hunderten (su je 120) lu rechnen (rgL unten
BeUage); in keiner Weise kann ich in ihr eine Besiehung auf eine Einthei-
lung des s&chsischen Landes in Centenen finden, wie es suerst Weiske
behauptet hat, und neuerdings in beschränkterer Ausdehnung Waits Deutcbe
Yerfass. Bd. 1 (1844) p. 106. Bd. 3 (1860) p. 126. Bd. 1 (1865) p. 153,
Sto bbe Zeitschr. für deutsches Recht. 1855. Bd. 15 p. 114 und Abel Jahrb.
1 p.405 annehmen. Stobbe will in der Stelle keine Spur von alten Hun-
derten, wohl aber von einer neuen Organisation durch K. Karl finden;
WaitB, indem er dem widerspricht und seine frühere Meinung beschränkt,
h< doch daran fest, dafs die Stelle ein Zeugnits sei, dals den Saehaen
„Abtheilungen von Hundert bekannt waren", wenn er auch in einer Note
hinaufÜgt: „an wirkliche Hunderten ist dabei nicht au denken, nur die Be-
deutung einer solchen Gliederung zeigt sich". Jede Beziehung der Stelle
auf alte Centenen, sowie auf irgend eine alte oder neue „Gliederung"» wird
dadurch ausgeschlossen , dafs in ihr von den Kirchspielsinsassen zu dar be-
stimmten Praeetation je 120 Menschen herangesogen werden, ohne allen
Unterschied ob sie Eddinge, Freie oder Liten sind.
*) Cap. 17: „Secundum Dei mandatum praedpimus, ut omnes de-
cimam partem substantiae et laboris sui ecclesiis et sacer-
dotibus denen t; tam nobiles quam ingenui similiter et liti, juzta qnod
Deus unicuique dederit Christiano, partem Deo reddant"; und .Cap. 16: ,,£t
hoc Christo propitio placuit, ut undecumque censns aliquid ad fiscnm pervenerit,
aive in Mdo sive in qualicumque banno et in onmi redibntione (d. L redhi-
bitione) ad regem pertinente, dedma pars eodesüs et sacerdotibus redda-
tnr." Es sind die SaCsungen, die K. Karl über die Zehntpflieht geltend
machte, die er namentlich im Capitulare von 779 o. 7 und 13 Porte Leg. 1
p. 36 einscbürfte, vgL Bett borg Deutsche Kircheogesch. 2 p. 714 und
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Sie geniefeen die Ehre der zerstörten Heidentempel in erhöhtem
M&Tae, Cap. 1; haben einen besonderen Rechtsschutz, Cap. 3; ge-
währen verfolgten Verbrechern; bis sie vor Gericht gestellt wer-
den, einen Zufluchtsort, Cap. 2; in ihnen werden die Eide ge-
schworen, Gap. 32>).
5. Die Oeistlichen*} haben einen gesteigerten Rechtsschutz;
Waits Devtsehe Verl 4 p. 108. Ein Beispiel ftr die Zehnten die K. Karl
in frOlierer Zeit einer einselnen s&clwiBchen Kirche Te^lieh, gew&hren die
oben S. 154 Aber Eresburg exeerpirten Urkunden. Wie schwer die Sachsen
die Zehntpflicht empfanden, bezeugt Alkain in mehreren Briefen, schreibt
sogar: „decimae, ut dicitur, Saxonum fidem subvertenint'', vgl. Rettberg 2
p. 410 und Waits 3 p. 127.
') üeber die Bestimmungen der Capitel 1 bis 3, vgl Nftheres unten in
diesem Paragraphen; darüber dafs nach Cap. 32 die Eide in der Kirche ge-
leistet werden sollten, TgL oben S. 119.
*) Daus Geistliche in groüser Anzahl seit dem Jahre 775 in Sachsen
ftr die Verbreitung des Christenthums thatig waren, ist in §. 14 erörtert.
Bereits auf seinem ersten Zuge nach Sachsen im Jahre 772, nahm K. Karl
sahireiche Geistliche mit; Eigil berichtet: „profectus est (in Saxoniam)
adsumptis unirersis sacerdoiibus, abbatibus, presbyteris et omnibus
orthodoxis atque fidei cultoribus, ut gentem . . doctrinis Christi subire fe-
cissent", vgl oben S. 150 Kote 3. Im Jahre 775 oder 776 wurde der Abt
Sturm an der oberen Weser statuirt: ^tuncSturmi pars maxima populi
et terrae illius ad procurandum committitur^, vgl. S. 151 Note 1,
er mubie bei dem s&chsischen Aufstande ron 778 aus dem Lande fliehen :
qCum multum temporis praedicando et baptisando com suis pres-
byteris (ibidem) peregisset'*, vgl. S. 151 Note 2; nachdem der König
im Sommer 779 Sachsen wieder erobert hatte: „renerandum Stürmen in
Heresburg, ad tuendam urbem cum suis sociis sedere jussit**, vgl.
8. 152 Note 3. Im Jahre 779 schickt K. Karl den Willehad in das Bremische
Wigmodesgau: „quo inibi anctoritate regali et ecclesias construeret, et po-
polis praedicaret *', vgl S. 158, und Willehad: „coepit per Wigmo-
diam ecclesias construere ac presbyteros suos super eas ordinäre,
qui etc.**. Tgl. S. 159 Note 1 ; da bricht der von Widukind hervorgerufene
neue Aufstand los, die Sachsen : „servos Dei per loca qnaeque vagantes dis-
pergere atque a finibus suis eflugare coeperunt'^, und erschlugen, während Wil-
lehad selbst aus Bremen entkam, „discipulos ipsius: Folcardum pres-
biterum in pago Löri, Benjamin in Ub-hriustri, Atrebanum
elerieum in Thiatmaresgaho, Gerwalnm cum sociis suis in
Brema", vgl. oben S. 160 Note 1. Nachdem der s&chsische Au&tand 784
niedergeworfen war, kehrte WiUehad nach dem Wigmodesgau zurtick, und :
12
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aaf ihre Ermordung sieht die Todesstrafe, Oap. 5^)j sie kSnnen
Verbrechern, nach ihnen« gethaner Beichte, Begnadigung von am
Todesstrafe erwirken, Cap. 14'); sie sind, befugt, rom Fnntrn
zu dispensiren, Cap. 4, uncl die Verschiebung. der Taufe derKiiH
der über ein Jahr nach ihrer Geburt zu gestatte», Capu 19; ihnen
werden Zauberer und Wahrsager übergeben, : Oap. 28; säe über-
wachen, dals keine Volksyersammlungen gehalten werden, die nicht
▼on den königlichen Beamten berufen Bind, Gap^ 34;*
' 6. Bestimmungen über zu Terhltngende Todesstrafen, Gap. 3
bis 13*), und über zu zählende Strafgelder, Cap. 19 bis 23.
27. 31 und 32.
Dafs das hier nach seinem Hauptinhalt skizzirtS: Gesetz Ver-
hiltaissen^entspricht, wie iie S. 128 n. 148 von mir als ums Jahr 775
in Sachsen rorhanden angegeben wurden , wird keinem Zwelltal
unterliegen kOnnen ; die einzelnen Nachweisungen aus den Jahren
775 bis 782, die ich den aus ihm hervorgehobenen Hauptbestinn»
„ecdeaias destructas restauravit, prob^tasque persoi^asy qui populis
monita aalutia darent, singulis quibusque locis praeessedia-
pOBuit", ygi, oben S. 163 Note 1.
^). Cap. 6: ^Si quis episcopum aut presbiterum siye diaconum
interfecerity capite punietur''; eine dem Gesetz eigenthOmliche Strenge^
indem nach den andern altern deutschen Leges Geistliche nur durch ein
höheres Wergeld geschützt waren, vgl. Bettberg Deutsche KirchengeAch.
2 p. 645.
*) Nachdeqa in den Capiteln 3 bis 13 der Cap. de part. Sax. mit Todes-
strafe bedrohte Verbrechen aufgezilhlt sind, heilst es in Cap. 14: „Si toto
pro his mortalibus criminibus latenter commissis aliquis sponte ad aaoerdotem
confugerity et confessione data agere poenitentiam roluerit, testimonio sacer-
dotis de morte ezcusetur'*. Vgl. Cap. 2 Capit. de part. Sax. oben S. 172 Note S.
*) Ueber die einzelnen mit Todessti^fe bedrohten Verbrechen TgL Nä-
heres unten im Paragraph 16. Die in dem oben S. 171 Note 1 abge-
druckten Capitel 11, auf Untreue gegen 4on £önig gesetzte Todesstrafe, Uefa
K. Karl im Jahre 782 in blutigster Weise vollziehen ; die Annales Laarisa.
berichten, dafs die dem KOnig nach dem durch Widukind veranlafsten Auf-
stände wieder unterworfenen Sachsen : „reddiderunt omnes malrfactarei iüo$g
gut istud rebeUium maxime ierminaverunt, ad occidendum, 4500; quod
ita et fckctum est^, imd die Annales Einhardi: „rex .. accitia ad se cunetis
Saxonum primoribus, de auctifribus factae de/eetionie inquieivit; . • 4500 tra-
dm jussu regis decollati sunt", vgl. S. 140 Note 2.
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i in 4eB Noten, auf 8. 171 bi9.178 boigefttgt bitbe, «eigen es im
Ja loh bin sogar ttbenengly dafs das Gesets in aa hpbem
Ghade den Bedttrfiussen jener Jahre entspricht^d^fs^wenn dargethan
^wSide, E5nig |Url babe die nns .erhaltenen Capitnla departibns
Saxoniae ninbt nach der im Jahre erfolgten Erobernng, Sachsens
vom Bhein bis nr Oeker fttr dasselbe erlassen,, wir nicht .nmhin
kitenten ansnnehmen, er habe damals ein andere« Khnliehes Decret
erlnssen, om die obwaltenden VerhXUnisse in Sachsen in icgeln!
Mir scheint es geradesn nndenkbw, dafs der KOnig bis snm Jahre
786 mit dem Erlais von gesetiliehen Beetinimnngen gewartet.haben
sollte, nachdem ihm 775 bis 777 die Sachsen nach erfolgter Unter*
werAing maasenhaft.Trene geschworen hatten nnd sie massenhaft
dnrch die Tanfe snm ChristenäKam ttbergetrciten waren, nachdem
er eine feste. Besatanng in diei Eresbnrg and Sigibatg gelegt^ in
den yerschiedenen sScbsisohen Gegenden Kirchen erbant,. und bei
seiaer Bttekkehr nach Franken ttbernll in dem yon ihm für unter-
worfen gehaltenen Lande Priester und weltliche Beamten ifurück«
gelassen hatte,, wenn man. auch immerhin mit mir rechten will
ttber den Grad der Durchführung der neuen fränkischen Ein4ch-
tuigen und ttber die Ausdehnung der Christianisirung Sachsens
in den Jahren 776 bis .785. Seibstverstiindlich ist es, daXs unser
heutiges Qesetsgebungsfieber nicht als bereits iin alten Peutsch-
Innd grassirend gedacht werden darf, aber Karl der Grofse, \ie&
es doch auch sonst nicht an Decreten aller Art fehlen, wie. seine
ans erhaltenen Capitularien beweisen, und dafs es ihm. voc dem
Jahre 785 an Mufse gebrochen, habe, ein Gesetz von dem ge-
ringen Umfange d^ Gapitula de partibus Sazoniae su erlassen,
wird Niemand im Ernst behaupten wollen. Auch ist nicht ejn-
luräumen, dafs der Erlaiis eines solchen Gesetses durch eine be-
reits IXngere Zeit nieht gestSrte Buhe im Lande bedingt gewesen
sei; wenn Karl das er^jberte Sachsen behaupten wollte, wi^ 09
doch im Jahre 776 unleugbar sein Wille war ')? ^ mniste er sich
veranlafst finden, wenigstens in Betreff mehrerer der oben be-
zeichneten Punkte Bestimmtes festzusetzen. Unmöglich konnte
1) Vgl die oben S. 131 Note 2 und S. 133 Note 2 «ngefUirten Stellen.
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180
sam Beispiel König Karl den Abt Starm mit seinen Prieslern in
den Ji^hren 775 bis 779 in Sachsen Stationiren, ohne sdn Hnd
seiner Genossen im höchsten Grade gefXhrdetes Leben durch
den Erlafs irgend einer gesetzlichen Bestimmung an schataen.
Die Gapitnla de partibos Saxoniae bedrohen im Gapitel 6 den
Mörder eines Geistlichen mit der Todesstrafe, wire dies erst ina
Jahre 785 verordnet worden, so mttfste schon früher ein anderes
Gesetz die Bestrafung des Mörders eines Geistlichen oder die von
ihm dafür au entrichtende Bube bestimmt haben. Ofifenbar li^
aber kein Grund vor, ein von den ins Jahr 785 gesetsten Gapi-
tulis verschiedenes, einige Jahre Xlteres, ihm ähnliches, etwa iB
einigen Punkten milderes Gesetz anzunehmen, da wir von einem
solchen nicht das Mindeste wissen, und die Fassung der CapituU
de partibus Saxoniae von der Art ist, dafs sie direct auf die Zeit
nach der ersten Unterwerfung Sachsens hinweist.
Als Momente, die in dieser Beziehung bezeichnend sind, hebe
ich folgende hier hervor:
1. Als die Capitula de partibus Saxoniae erlassen
wurden, waren in Sachsen erst eben die Heidentempel
gebrochen, und König Karl konnte daher, indem er die Rechte
der christlichen Kirchen bestimmte, die neu gegründet wurdcD,
im Gapitel 1 der Capitula erklären:
:„ut ecclesiae Christi, quomodo construuntnr in
Saxonia, et Deo sacratae sunt, non minorem habeant
honorem sed majoren» quam fana habuissent ido*
lorum'^
Nachdem Jahre lang die fränkische Herrschaft über Sachsen,
wenn auch mit einzelnen Unterbrechungen, bestanden hatte, und
die Heere Karls von 772 bis 785 in allen Richtungen das Land
durchzogen waren, mufsten nach der Art des ganzen Auftretens
des Königs in Sachsen und Friesland längst die Tempel des Lan-
des zerstört sein. Es wäre eine seltsame Ausdrucksweise eines
von König Karl im Jahre 785 erlassenen Gesetzes, wenn er da-
mals, nachdem seit Jahren in Sachsen Kirchen erbaut waren, ver-
ordnet hätte: Kirchen, die jetzt erbaut werden, sollen die Rechte
geniefsen, welche die Heidentempel hatten.
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Es fehlt nicht an einselnen ErwXhnaDgen fiber Zerstdrnng.
der Heidentempel durch Karls Heere; es wird eraXhlt, wie sie
Tempel lerstSren nnd niederbrennen, wie sogar die christlichen
MissionSre es thnn, and wie den Tempeln ihre Schätze genommen
werden. Ich führe folgende Beispiele an:
a) Oleich im Jahre 772 beginnt König Karl den sächsischen
Krieg mit einer systematischen Zerstörong eines sächsischen Na*
tionalheiligthnms nnfem Driebnrg, der Irmin-säule. Die Annalen
berichten uns, wie die Irmin-sul, ein gewaltiger Baumstamm
Gytruneus ligni non parvae magnitndinis^'), den die Sachsen hoch
▼erehrten, umgestflrst wird („idolnm eyertitur'^); wie der heilige
Hain (y^lucns^^), in dem das Heiligthnm steht, mit seinem Tempel
Oytemplum'^ aerstSrt wird (,,eyertitnr''; ^^subvertitur^', ,yde-
stmitnr^', y,comburitur'Oi wie das Zerstörungswerk drei Tage
dauert^), nnd das dort ForgeAindene Gold nnd Silber wegge-
sehleppt wird*).
b) Im Jahre 776 schickte Alberich, der als Presbyter bis 777
in Utrecht die bischöflichen Functionen yer waltete, den Liudger
mit anderen Geistlichen nach Friesiand (östlich vom
Lanbaeh): ,,nt destruerent fana deorum, et varias culturas
idolomm in gente Fresonum'^ Sie vollzogen den Befehl und
brachten darauf an Alberich einen grofsen Schatz, den sie
in den zerstörten Tempeln gefunden hatten; König Karl
nahm von diesem zwei Drittel; und Uberliefs das dritte Drittel dem
Alberich; um es für seine Zwecke zu verwenden').
>) Annal. Einhardi a. 772 : ^in ci^us (i. e. „idoli") destructione onm in
eodem loeo per triduum moraretur.'^ PerU Scr. 1 p. 151.
*) VgL die oben S. 130 abgedruckten Stellen. Zu der Vermuthung von
J. Grimm Mythologie p. 106: „der Gold- und SUberschatx, dessen sich
Karl da bem&efadgt habe, mag sagenhafte Ausschmückung sein^, sehe ich
keine Berechtigung, Tgl. die folgende Note.
*) Ueber die Sendung des Liudger vgl. oben S. 161 Note; hinsichtlich
des Sehatsefl lauten die Worte der Vita Liudgeri I. c. 14: „at iUi jussa (AI-
herici) eomplentes, attulerunt magnum thesaurum ei, quem in de-
lubris inrenerant; ex quo Karolus imperator duas partes ac-
eepit, tertiam toto partem ad usus suos Albricum redpere praecepif
Peru 2 p. 408. Srftsamer Weise bemerkt Abel Jahrb. 1 p. 221 : „Der König
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1«2
d} Als nms Jahr 777 Willebad ans Doclmin im MeaiteheB
Asterga, wo er als Pfarrer angestellt gewesen war (vgl. oben 8. 166
und 16t), nach einem mifthingenen Vemioli im benachbarten Friea-
land östlich vom Lanbach die Heiden an bekdufen, in die an
Friesland grenzende Thrian't'a (d. i. die Drente bei GhroniogMi)'
gegang^i' war, nhd hier mit Erfolg prbdigte, Ue(aen sieh aeine
Schüler VeHiiiten die Tempel, die daselbst noeb «berall
nach 'dittd der Heiden standen, %u serstdren (y,faiia
in morem gentilinm circumqnaqne erectacoepissent ever-
tere et ad nihilum, prout potetant, redigere^ Vita Wille&adi 1 e. 4).
Die darüber empörte Blevölkerang stürzte mit den Waffen in der
Hand knf Willehad und die Seinen; sie mubten sofort ans deai
Lande lti«Aen und entgingen nnr durch ein^n glttckliehen Znflül.
dem Tide, tgt; oben 8i 168.
d) In ^ftte^er Zeit, wohl üaoh dem Jahre 787, fahr Lindger,
dem damals in kirchlicher Hinsicht die friesischen Gaue der Pro*
vinz äronürgen lind die des festlichen Ostfriesland von Edhig Karl
ttbergeben waren; auf dessen GreheUs nach der entlegenen nord-
friesischen Insel Helgoland hinüber, „qnae a nomine dei ni faM
Fosetet'appeDflta est Foseteslant^, dnd „destrixerunt bmnia
macht hier von' einem ihm 'zustehenden Rechte "Gebrauch . •; das Eij^ea-
thumsreidii am Schatee itand dem König zu, da e» ein herrenlosea Gut war«
vgl. Waite;4 p.l.lö." Die .^tirte Stelle vonWaitz besagt: „Herrenloses G|iit
wird (in der £arolingerzeit) entsprechend den Chrundsätzen des BOmischen
Rechts, als dem König angehörig betrachtet''. Das Auflallende ist doeh
aber, dafs König Karl das €hit des heidnischen Tempels ak herrenloses be-
trachtet, 'tt*d nicht ^e er herrenloees' Gut im AEgebeincm behmtfdelt; in
letzter Beziehung wendet er da« auch> lionst bei* heironloaBn Sachen* gelfeeiMie
Recht an> vgl. «Sachsenspiegel II, 37 |. S: bei gctfiibdenernfGoi, zu dem sich
binnen 6 Wochen nach erfolgter Aufkündigung kein EigenihSiner meldet,!
„nimt de riehtere twene dde, nnde jene (d. i. der Finder) behalt den diidden
deil**. Bei in der Erde vergrabenem Gut bestimmt Capitel 2 addit. ad Gb^».
gener. a.'789f'^7)s'thesau>i<o, quod n^tus terra inoetUtut^: (si) mventua
fuerit in terra ecclesiarum, tertia ad partem eptscopi revocetur" Perta fLeg. 1
p. 69, vgK Sachsp. 1> 35 1. 1 1 „al eekat under der erdehegreBoen deperdea
ein pluch ga» die hört io der konipUken gewalf^^ wo es bestritten ist, oba
nicht ein Bergwerkschati gemeint ist» rgi die dtato in Homeyers Baehseiiip.
p. 192.
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1«!
ejii0d«iii FMetii fana, qiiae illic fnere coBStrncta^ et
l>ro: eis iBEbrieavernnt eoclesiad^' Vita Lindgeri 1 e. 19, ygl. oben
8. 16&. -Berdts vor 4elh Jahre 714^), za einer Zeit ala die frkn-
klBdiB'HeiTioliafi nooh nicht Ober die Znidenee vorgedningen
wa^ faattepWillibjrovd (geet. 739) Tergeblich Helgoland besacht;
seine Ton dam Im Jahre 804 verstorbenen Alknin rerfafste Leliens-
beapbreibltng aratiilt: ^^pervenit (S. Willibrordns) in confinio Fbre-
sonnm et Danomm ad qnandam insulam, qnae a qnodam
deo ano Posite ab aecolis terrae Fositeslant appellatar,
qnia in ea ejusdem dei fana fnere eonstrncta.'' Habillon
Aeta Sand ord. 8. Bened. Saec. III. P. 1 p. 609.
üebesall wurden nach diesen Angaben unmittelbar mit ^em
▼ordringen der fränkischen Herrschaft die Heidentempel zerstört^);
dftfli im Jahre 785 ii» Sachsen zwischen Rhein and Elbe noch irgend
^y VgL Betiberg Deutsche Eirchengreseb. 2 p. 520.
*) la denelbea Weoßt wie unter £. Karl wiur man ancli unter seinen
Yotgäagem verfaliren. Als > Karl Martell 734 an der Grenze des West- und
Ostgaaes den Fürsten der Friesen Poppe besiegt und die betätige boU&n"
discbe ProTinz Friesland unterworfen hatte, sagt Fredegarii cont.: „fana"
eoram idolatriae contririt atqae combussit igne^, und die Annales Lan-
rise., ladem sie beim Jahre 729 den 8ieg Karl Martells verzeichnen: „lucos
et fana subvertit^, vgl. ofben 8. 157. Von Bonifaoius erzUilt' dessen Vita
cap. 35, dals er im Jahre 755 in Friesland „eodesias, n um ine eonfracto
delubr'orum, ingenti studio fabricavit", vgL oben S. 156; ebenso war
Bonifacius ums Jahr 725 in Hessen verfahren nach Vita Bonif. c. 2^ in Porte
Scr. 2 p. 343, indem er die Donar-eiche bei Geismar (unfern Fritzlar) fällte
and ein Betbaus ans ihr erbaute, das er dem heil. Petrus weihte, ^vgl. Grimm
M^elegie p, 62. 155. und Bettbdrg Kircheiigesch. 1 p. 344 (der «her irr-
thandijdi «robur Jovis^ durch Wuotans-eiche übersetzt). Bereits WiUibrord
hatte nach der freiücberst von A^^uin (gest.. 804) verfalistep Vit^/V^illit>rQrdi
cap. 14, auf der Mesischen noch nicht dem fränkischen Reich unterworfenen
• Insel Walehem (in der holländischen Provinz Zeeland) die Zerstörung eines
beMbiis<2beii Heiligthumes versucht: ^pervenit (nach 696, vgl. Rettberg 2
p. 51'9) ad qutmdam induUnn oeeoni WalaCVurn in qua antiqui erroris
idelum remanSii, ad 4vod ' Statute tempore omnis'congregabatur poptilus,
illa4 dolens «nmma ttoerätione; quod cum dönfringere niteretnr' ae
nomen delere de suboaelo, praesente ejusdem eustode; Ule quasi dei sni
ii^Jinriam viadiearet, gladie saeerdotis pereussit caput, sed nuUam ez ictu
ferientu laesuram incurrit.'' Mabilloa Acta SS. III. P. 1 p.611.
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welche vorhanden gewesen wSren, ist in hohem Qrade nnwahr-
Bcheinlich; noch weniger aber kann ich ea llir mQglidi halte,
dafs Onig Karl noch damals die Uebertragong der den aXehai-
schen Tempeln zustehenden Rechte anf die sn erriehlenden Rhrdiaii
decretirt haben sollte, selbst wenn wirklich in irg^id einem Winkel
des Landes noch ein einselner alter Tempel gestanden hätte, der
den seit etwa zehn Jahren fortgesetsten ZerstOmngsbestrebnngeD
der Franken entgangen war^).
Ein Blick auf das, was wir von der Stellung und den Rechten
der heidnischen Tempel wissen, bestätigt aber, dab die Bestim-
mungen, die König Karl in den Capitulis de partibus Saxoniae
c. 2 und 3 über die Rechte der Kirchen mit der Erklärung aufstellt,
dafs die Kirchen keine geringere, sondern grOfsere „Ehre^' jus
die Tempel geniefsen sollen, wirklieh grofsentheils aus dem älteren
Recht geschöpft sind. Die beiden Oapitel lauten:
Cap. 2: „Si qnis confugia fecerit in ecclesiam, nullus eum
de ecclesia per yiolentiam expellere praesumat, sed pacem habeat
usque dum ad placitum praesentetur, et propter honorem Del
sanctorumque ecclesiae ipsius reyerentiam concedatur ei yita et
omnia membra, emendat autem causam in quantum potuerit et ei
fuerit judicatum, et sie ducatur ad praesentiam domini regis, et
ipse eum mittat ubi dementiae ipsius placuerit'^
Cap. 3: „Si quis ecclesiam per yiolentiam intrayerit, et in
ea per yim yel furtu aliquid abstulerit, yel ipsam ecclesiam igne
cremayerit, morte moriatur^'.
Die erste Stelle bestimmt: dafs wer sich in eine Kirche flüchtet
(ohne yerurtheilt zu sein), in ihr Schutz geniefsen soll bis er yor
Oericht gestellt wird, und dafs dann eine ttber ihn erkannte Todes-
strafe, wenn er die yorgeschriebene Bufse gezahlt hat, yom König
^) Dafe in Niederdeutschland noch in riel sp&torer Zeit einzelne 1
und Haine sich vorfanden » die eine aus dem Heidenthum stammende Ver-
ehrung genossen, ist wesentlich davon verschieden; vgL z.B. Adam von Bremen
in Gesta Hammab. ecclesiae II c. 46 : „Unwanus (st. 1029) omnes ritas pa-
ganicos praecepit funditus amoveri, ita ut ex lueU, guos no9tri pakidicolae
HuÜa revtrentia frequenktbarU, faceret ecclesias renovari.'* Perta Ser. 7 p. 323
und Vita Meinwerci c. 17 Perts Scr. 11p. 114.
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in yerweimmg an einen ihm genehmen Ort ▼enrandelt werden
soll. — Die sweite Stelle fügt hinzn: die Todewtrafe steht auf
gewmMaamen Einbrach in eine Kirche, auf Diebstahl oder Raab
an« ihr, sowie auf Ansttnden dersdben.
Alknih (gebt 804) berichtet in der Lebenabeachreiboag
des heiligen Willibrord ttber die Verehmng, welche der Tempel
den Foaite anf dem friesischen Helgoland aar Zeit des Priesen-
k9n^^ EddbM von den Heiden genob: Keiner wagte eine
Sache, die sich dort befand, oder ein Stück Vieh, das dort
wddete, lu berühren. Keiner aas der Qnelle, die dort ent-
^rang, ander» als schweigend in schöpfen, wer das Heilig-
thnm verletzte, den traf nach des KOnig Redbad wildem
Sinn die graasamste Todesstrafe').
>) ViU WtDibrordi cap. 10: „Qui locus (FoBitesland) a pagants
in tanta reneratione habebatar, ut nil in eo Tel animalium
ibi paseentittm, rei aliarum quarumlibet remm, gentilimn
qaisquam tangere audebat, nee etiam a fönte qui ibi ebul-
liebat aquam haurire nisi tacens praesumebat. Quo eum vir Dei
tempestate jaetatus est, mansit ibidem aliquot dies, . .; sed parvi pendens
fttnltam loci illius religionem yel feroeissimum regia animnm,
■ qni riolatores sacrorum illias atrooissima morte damnare
solebai, tres hominea in eo Ibnte baptiaavit, sed et animalia in ea terra
paseentia in eibaria suis mactare praeeepit. Quod fo^ani intnentes ar6t-
trabantur eo$ vel in ßarorem verti, vel etiam ueloci morte perire*^ quos eum
nil mali oemebant pati, stnpore perterriti, regi tarnen Badbodo quod yide-
rant iaetnm retolerunt; qui nimio furore sneoensus, in aaeerdotem injariaa
snornm deorum nlcisci cogitabat, et per tres dies sempw tribus vi-
eibna sortes sno more mitkebat, et numqnam danmatonan Bon snper servurn
Dei ant aliqnem ex suis cadere potnit; nee nisi unm tanhtm ex soeiia softe
monatratos martyrio eoranaius est* Vocator rir sanctus ad regem, et multom
ab eo est increpatus, qttare *ua saera violcMet et i9^uri€un deo «vo fecissei;
etc.*' Kabülon a. a. 0. p. 609. Die mit Benutsung Ton Alknins Vita WilU-
brordi geschriebene Vita Liudgeri von Altfirid (gest. 849) erwähnt I. eap. 19,
daÜB Liudger in Helgoland: „baptisant habitatores in fönte qni ibi ebul-
Uebat» in quo 9. Willibrordus prius honünes tres baptiaaferat, a quo etiam
ßmU nemo prius kaurire aquam nisi tacens praesumsbat»'* Ports 2 p. 410.
und no^ Adam ron Bremen en&hlt in seinen um 1076 Torfidsten Oestis
eedesiae Hammab. IV. c 3: „ Benno est, piratas^ si quando praedam inds
vel minimam tulerint, ant mo» periisse nanfragio ant oceisos ab aUquo, nnllnm
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fite Sats-am &ehl«f8^«r Lei; F<ri#ioaaiB^ in der «i»-
ligen jetst Toneholteii«ii HaBdaehrift, die uns die Lex «rbattan
hat und avs der wir sie durek Herolde Aiügabe kennen, sagt:
„Dies jenseits de# Lanbaobs: W«r einen Tempel
(£uMiBi) erbriebt und dort ^twas ven'den heiligen Sa-
eben nimmt, wird ansMeer geführt, nndiin dem fiandei'den
die Flntfa deerrMeeree beranan^ttlen ^egt, werden aeiBe> Obren
aofgeechlitst/ er wird entmannt und geopfert dtdn GL5tteTai^
deren Tempel er Terletate"*).
So fest ich Ubertengt bin, dafe dieser Bata (der nicht in^dev
Sprache dee Oesetaes aaordilet was Beehtena aem soll, wenn Bimv
die firiesiscben Heidentfenpel Terletlt,* sondern berichtet,. was iir
solchem Fall geschieht) -nnmögtieh in einem das GhristenthMD
scharf prononcirenden , von Karl dem Orofsen erlassenen Gesets
gestanden haben kann, wofür ich nach ihrem positiven Inhalt die
Additio Legis Frisionnm nm so anbedingter halten mnis, |e g^
naner ich sie durchforsche — , so bezweifelcich doch nicht, daik
der Satz wifklich berichtet, was nach vorchristlichem Recht in
Friesland bei Tempelvertetzungen geschah. Wie wir in der Spangen-
bergschen Handschrift der Lex Saxonum Randglossen /sna einem
spXteien Geseta ainnatörend in den Text eingeschoben fanden^ di^
ihr Copist ans 'seineih Original ' aufgenommen hatte, wo sie an
Rande znr Erlänt^fmiig beige{)chHel)en waren, vgl. oben S. 8, so
domum redÜMe incUmpnem; qaapropter solMii -h«reinitii ibi yiTeadbas de-
cimms praedamm offerre enm maglia derodoBe.''
1) In HerokU Origimm Libri-p, 146 Uutol dar Sehlals der Lex Fri-.
siomiin: „Hoe> ^r»ii8 L««ib»elii. Dt» iioiior» templonim. Tit*XL Paragraph 1.
Qni fanum effregerii ei ibi aliquid de aaoris tulerii, dacitur
ad mare, et in sabulo, qnod aoeessus maris eperire aolet,
findnntnr aures ejus, et oastratnry et im^molator dii«- 4«6ruM -
templa violayit.'' Die Worte jD9 bonore «en^ram. TitfXi. Pamgnipb l**
halte idi nach den oben S. 52 gepAogfenen BfCrterungen für eine Ton Herold
herrehrende UeberMfanil^ glaube dagegen, daCi er« die Worte »R^ tnaa
Lanbaehi" ans feiner Handsehrift entnommen hat; sie sind auch mit anderer
Behtift gedmokt ala diejenigen» die ieh als Uebersehrift beteiAhnet habe,
nnd stehen abgesondert über diesen in einer besonderen Keile mit eineai
Punkt an ihren Schhuse.
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ist hier an SeUiük der Lex Friiloniii in einer HndseMA eine
Kotk 4«geMliri^n ttber dae, wa^ naeh frieeiseher Volksttber*
liefemng iHr «inen ''IWpelBeUüiider Beehlene mirO«
Die Stelle Alknins und der Zusatz anr Lex Frisionnm be-
kimden das Becht. djor Tempel ii^ hei^nisehen Friesland. Die
Yerehmng des Gottes, deqt der Tempel geweiht ist, bewirkt, data
der Tempel nnd sdn Umkreis nnr mit heiligem Sdmoer betreten
werden darf. Keine dem Tempel gehörenden Gegenstände, kein
Vieh,, das dort weidet, darf berührt werden, a^s dem heiligen
Wasser, das dort quillt, darf , nnr schweigend geschöpil^ werden.
Wer dies ttb^ertritt, den trifft die Todesstrafe, nnd wenn er den
Tempel erlnraeh, wenn er heilige Gegenstände des Gottes ent-
wendete; so ist es die härteste Todesstrafe*): dem Tempelschänder
werden die. Ohren geschlitzt, er , wird entmannt, wird dem Gotte
geopfert, dessen Tempel er schändete ').
DetiMÜirtere Bilder gewähren die nordiaehen AnCseichnuigea
für Korwegen nnd Island: der Tempel nnd sen Umkreis darf tos
keinem Bewaflheten betreten nnd in keiner Weise vernnreinigt
werden; kein Menschenblat darf dort vergossen, kein Thier ge-
tödtotwerden; die Stätte ist, eine heilige Stätte (»helgi-staär*'),
eine Friedens-stätte („griäa-stacb:% Nur darin, weichen dia
nordischeil Beriehte von den norddeutschen ab, daii in ihnen der
Tempelschänder als todes würdig erscheint, der der Strafe des
Gqttes nach seinem Tode verfallen ist, der den Tempel sofort zu
verlassen hat, d^ friedlos u|id landes^Uchtig wird — | fm dem
aber meht unmittelbar die Todesstrafe voUiogeo werden mnia^). —
*) Vgl. meine Fote 68 sur Lex Fmionimi in Menimu Ckrm. Leg. 3
p, «9g. ..... ;.
*) yyVioUtores sttcronm kxkroe imim m mmrU dAmaeto ■• fe be f ^Tgt eken
8. 186 I^oto. 1. . > . ;
. «> VgL oben 8. 186 Note 1.
^ AvB dem wasKoarft^KaiireriB seiücmlahrmohenBiieli: DieBe-
kekhmg des Nonregitchea Steames lum Chtistenthum. 1866. 2 p. 906, ge-
ummelt bet, Akkre ich an: Die Frid{>ioftsaga e. 1 en&Ut, „su Baldrs-
kagi war ein grida-ttadr (d. i. eine MedenMtifete) und «in grofser
Tempel ..; da wwde ron den Heidenleaien so groiwr Eifer bewietea»
dafi dort fUekU (mehädigi vmdm 9oUte, weder Vieh wek Mmm^kmi; da
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188
Es ist bier, wie in anderen Punkten, das llteste uns fiberlieferte
nordische Reeht ein milderes , als das Xlteste nns bekannte 6ie-
sische, nnd aamal als das „grausame^ altsSiehsisehe Recht
sollten auch Männer und Weiber nichts mit einander zu thun haben." Das
Landnamabok IV c. 6 berichtet, dats {»orhaddr der Alte, welcher Hof-g^odi
SV H&ri in Throndheim gewesen war, ab er nach Island auswanderte,
den Tempel abbrach und iiy Island am Stfidrar-^Ordr neu errichtete: »und
er legte auf den ganzen Meerbusen die M&rina-helgi (d.i. die Hellig-
keit von M&ri), und liejs da nichts tödten als das eigene HausTieh.'^ Maurer
2 p. 206. Die Eyrbyggjasaga (aus der der kürzere Bericht des Landnama-
bokes II. c. 12 gröfstentheils geschöpft ist) erz&hlt cap. 4 u.folg., dafs Thorolf
aus der Insel Mostr bei Sfldhfirdaland in Konregen wegen des SLSnig Harald
nach Island übersiedelte > auf Geheifs des Thor, den er bei einem gro&ea
Opfer Torher darüber befragt hatte. Thorolf brach den Tempel des Thor
ab, nahm dessen Holz und die Erde der Stelle, auf welcher Thor gesessen
hatte, mit, und baute den Tempel wieder an einer Bucht Islands auf, in
der die mit dem BOde Thors versehenen Pfosten seines Hochsitses, die er
über Bord geworfen hatte, antrieben. Thorolf nannte das Yorgebiige, auf
dem der neue Tempel stand, (ors-nes: „auf ihm ist ein Berg, dem Thorolf
so grofse Verehrung zuwendete, dafs Niemand ihn ungewaschen ansehen
durfte, und nichts sollte man auf dem Berge tödten, weder Vieh noch Men*
sehen. Diesen Berg nannte er Helga -feil (d. i. Heiligen- borg), und glaubte,
dafs er selbst dahin fahren würde, wenn er stürbe, und alle seine Freunde.
Auf der Spitae des Vorgebirges Uels er alle Gerichte halten, und seitis da
ein Hera&s»pmg ein; da war auch .e£n so gro/ser Helgi- stadr (Friedens-
B&tte), dafs er den Boden da in keiner Weise wollte verunreinigen lassen,
weder mit im Zorn vergossenem Blute, noch durch Verrichtung der Noth-
durft.** Maurer Beitr. zur Rechtsgesch. des Nordens. 1852. 1 p. 215 und
Bek. 2 p. 206. In der Vatnsdölasaga c. 17: ^Ingimund sprach: es Ui nicht
Sitfe Waffen in den Tempel mitzubringen, und Du wirst den Zorn der
OcUer erfahren^ wenn nicht Bufsen erlegt werden,^ Maurer Bek. 1 p. 292.
In der Egilssaga Skallagrimssonar c. 49 heifst es bei Gelegenheit eines
FrfllilnigBopfers bei dem Hanpttempel in Gaular: „dfo Leute darin
toaren aber alle wafferUos, denn da war Hofs-helgi** (Tempdfiriede)
Maurer 1 p. 292. 2 p. 207; und ebendas.: ^Byvindr hatte im Tempel
einen Todtsehtag begangen, und er war Wolf geworden und mufste sofort sich
wegmachen,^ Manrer 2 p. 207. In der Vigaglumssaga e. 19 : „er konnte aber
nieht daheim sein wegen der Heiligkeit des Ortes, . . darum aber sollten
geoehtets Leute nieht da sein, weil Frsgr es nicht duldete, welcher den
Tempel besafs." Maurer 2 p. 207. Die Njalssaga e. 89 ers&Ut» wie Hrappe
einen Tempel tmziindete, der dem Gudbrandr und Haken jarl gehörte, die
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Fragt et «ich Baby in welcher W^se Karl der Grobe das
Becfat der aileheiBchen H^dentemper doroh die Capitol« de par-
tilma Saxoniae aaf die christlicheD Kirchen übertragen bat, ao
^mmt die Todesstrafe , welche nach Gapitel 3 anf gewaltsamen
Einbrach, Beraabung and Anzünden einer Kirche erfolgen aoll|
so genau mit dem altfriesischen Recht der heidnischen Tempel
ttberein, dafs ich sie für ans dem älteren Recht entnommen halten
mnfs; anders dagegen steht es mit den Bestimmnngen des Ga-
pitel 2 über das sogenannte Asylrecht der Kirchen^).
DaCs ans den altsächsiscben heidnischen Tempeln and deren
Umkreise Verbrecher nicht gewaltsam ron ihren Verfolgem weg*
geschleppt werden durften, wird man berechtigt sein aniunehmen,
da wir aus dem den Sachsen nahe verwandten Friesland wissen,
dafs dort in den geheiligten Stätten Stille und Schweigen waltete,
sie nicht durch in ihnen vergossenes Blut entweiht werden darften,
und aus dem Norden, dessen Tempelcaltus in den angeführten
Ponkten mit dem friesischen völlig übereinstimmte, mehrfach aus-
drücklich bezeugt ist, dafs es nicht gestattet war, mit Waffen das
Heiligthum su betreten*). Einen Zufluchtsort, der gegen Ver-
folger geschützt hätte, bot aber der heidnische Tempel dem
GOtterbflcler aber herauswarf; der Jarl sagt: y^dit GötUr rächen nicht AiUs
9ogUich, der Mann, der das gethan hai, wird weggewieeen werden aM
Walhöil and nie dahin kommen*" Maurer 2 p. 92 und 208, und ULfst den
Verbrecher eifrigst yerfolgen. In Island beseiehnet der Gode ]>orgrimr, aU
Bui einen Tempel verbrannt hat, dies als ein beispielloses Verbrechen, ein
odima-Terk, das ibm f&r schlimmer gilt als die gleichseitig erfolgte TSd«
tnag seines eigenen Sohnes; die Pflegemutter des Bui erkÜLrt es ttr ein
todeewürdigee Verbrechen (^dauda-Terk""), und König Harald Harfagr sagt
sum Verbrecher: „ darum Bui, dafs Du das nidingsverk begmgst, und unsere
Qetter im Hause rerbranntest, die allen Menschen lu ehren siemt, dafür
hatte ich Dich iödten laseen, wenn Du Dich nicht in meine Gewalt begeben
hätten.'^ Maurer 2 p. 208, mit Verweisung auf die Kjabesingasaga e* 5.
VgL Grimm Bechtsalterthftmer p. 886, Ganpp Recht der alten
Sachsen p. 129, Dann das Asylrecht in Zeitschr. f&r deutsches Reckt 3
p. 337, Wilda Btrafreeht p. 243. 261. 637, Rettherg Kirchengesck. 2
p. 412. 746, Walter Deutsdke Rechtegesdi. §. 706 Note 5 und Waiti
Dmtsche Ver£ 2 p. 596. 4 p. 428.
*) Vgl. oben S. 188. Note.
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Yerbreober BMit^Y keine Sliete Quelle deitet darauf Un, dals
er ein Asyl' gewesen sei, und die angeführten Anfceioiinililgeii
ane den Karden beriehten speeiell, daft daa Heiligthum verlaaMo
Bufete, wer ee verletat hatte, da man glaubte, es wttrde dmA
■eine Anwesenheit verunreinigt*).
<) C^rimm R^ohtaaltertlL p. 886 ondDami p. 334 nehMen vk, daU
die heidnUchen Tempel bereits ein Asylreoht hatten; WiLda p. 540 .da-
g^gen, „dafs das Asylrecht nicht gennamschen Ursprunges ist''; und Bett-
berg 2 p. 746 meint wieder : i, das Asylrecht war eine Folge des Kirchen-
friedens, sofern die gewaltsame EntAihrung des dahin Geflficfateten als eine
y«rlet2img deftielben erseUen«''
>) Vgl. ob«! S. 18$ Note. Die heidniaclieii Frieaen, Ang eb achae a
und Hessen waren des Glaubens, dals die Strafe des Gettos sofort den
treffe, der sein Heiligthum verletzte, und christliche Bekehrer konnton daher
bei Zerstörung der Heiligthümer das Ausbleiben der Strafe als ein Zeichen
der Machtlosigkeit der heidnischen Götter gehend machen ; der norwegisdie
Jarl'in der obea S. 189 aagefthrton Saga wei£i, dab die.GMtor nieh» Alke
sofort slrafen, den Verbrecher aber nach seinem Tode picht in WalhöU auf-
nehmen. Vgl« wie nach Alkuins Erzählung die Friesen erwarto|en,..dala
Wülibrord, der auf Helgoland in der heiligen Quelle des Foseto taufte und
dessen Vieh schlachton liels, in Baserei verfallen und plötzlichen' Todes
Btorben mflsse, und als kein Uebel über ihn hereinbrach, dies staunend vnd
von Schrecken erfüllt ihrem König Bedbad meldeton, vgL oben S. 186
Noto 1. Nach Adam von Bremen herrsdito noch im elfUn Jahrhimderi der
Velksglanbe, Seerftaber, die auf Helgoland raabton, wflrdön von den Wellen
TeneUongea oder vor ihrer Heimkehr getödtot. Als Wülibrord ein frieeiaolies
Heiligthnm in Walohem an sentAren begann, vgl. oben S. 183, woUto der darftber
erafimto Tenpelhater „dei sni iigoriam vindieare*' und schlag vergeblich mit
dam Sahwerdto nach ihm; worauf Alkuin den Tempelhüter an Wahnaian
sterben Ufet, indem er die Strafe auf ihn anwendet, die naeh deutsohheidni-
sdier Vorstellung dem Wülibrord drohto (-.„oustos tarnen eodem die daeoM-
niaoo spinlu arreptus est, et tertia die infelioitor miseram vitam finiviU*' Vita
Wfllibr. 0. 14. Kabülon p. 611). Von dem angela&ohsiadieii Goifi, dem Haupt-
priester des Königs Edwin,' der im Jahre 627 daa Christenthnm annahm,
ersaUt Beda Hist. EocL H c. 13, dafs er beschlossen habe su Godmandham
bei York „aras et fana idolorum cum septis quibns erant droomdata profamart
et destmere^, mid: „aeeimekt$ pladio aceepit Umceam in manu, et osemdmu
0mi$$arium repis perpgbat ad idola (d. i. bewaffnet betrat er gegen das gel-
tottde Keekt das Heüigftknm), Quod aspieieDs vulgns, aestimabat eun insanire.
Neo distolit iUe, mox ut prapiabat ad fammt, profanare illmd imfecim im «e
iancea quam tonebat; multumque gavisus est de agnidone veri Dei cditns, jussit
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Di» Idee, dafr ^ beiUge Btlltte, die ui» «m CtotiM will«ii,
dam Biß geweiht was, eine» ^hOhton Beo^iaadiaU . o4er Friedon
g^nolky, und deswegea. eine Friedensstätte .hieb, aneh dem
YerbFecfaer^ der sa ihr flttchietey einen SohntE. gewähre ^ ist eral
dwroh die iduristliehe Eireke^ die fliieb d»hei durch altjtldigche nnd
uilfke tV^reteUangen von Aeylen ') leitou liefB, in d«e germanisehe
Becbt eingefUirty und hat dann, durch Verbindiing mit den in ihn
vorgefiindeaen Bestimmnagen über Frieden leine epätere eigen-*
thttmlicbe Gestalt gewonnen..
Bereits im Jahre 611 erkUrte die unter König Cblodewig
abgehaltene erste Kirohenversamminng in Orleana^dafs ee nicht
gestattet sein solle, flüchtige Mörder, Bhebrechec.und Diebe aas
der ümgebang der Kirchen und den Wohnungen .der BiaehöfiB
wegaqBohleppen; der Verletste solle seine. Bube erhalten, sieh
aber eidlich verfliohten, dafii der. Verbrecher dann von ihm yok
Tödtong Körperverletzung und anderer Strafe sicher sei*). Wenn
Franenriiober mit der geraubten Frau in eine Kirche fliehen, soll
die Geraubte aua der. Macht der Räuber entfernt, dem Räuber aber,
indem er sich in Unfreiheit ergiebt oder loskauft, Befreiung von
der ihm drohenden Todesstrafe au Theil werdep'); Sklaven aber,
aoeiis dostruere $c $ueeender€ fanum cum omaibiu aeptis snie.'' Als es dMa
Bonifadttfl möglich war, die Donarei^he bei Geismar su fiUlen, bekehites
sich die Hessen, TgL ViU Bonif. c. 22 Perto 2 p. 344.
^} Vgl. D^nn Aaylreoht p..3d0 — 336, ufld übe* die Verordimgen der
Kaiser Theodosius de» Aelterea yoii 396, Theodosins d^ Jfti^ren, Leo und
Jiutiiuaa : ibid. p. 337 — 339.
*) Goneil. Anrelian. JL a.511 ean. 1: ,»De bomieidis, adulteris et
furibus, si ad ecclesiam oonfugerint, id constituimns obeenran-
dam, guod eedesiastiei eanones decreTenint ei lern Romana comtitmi: ut
ab eeelesiae atriis vel domo episeopi eos absirahi omnino noa
lieeai, ued aec abter {„altert^) eonsignari^ ni«i ad evangelia datia
saeraaentis« de morte, de debilitate et omni poenarum ge-
nere sint seeari, ita ut ei, cui reus faerit criminosus» de
Siatisfactione conveniat." Hansi ConciL VIII p. 350. Der Gmoa ist
ezeerp. im Beeret. Qratiani als a 36. XVII q. 4.
9) Comc. AureL L e. 2 : ^De ttkpt#ribu8 aatem id fnatediendma esse ooi*
sniniis, ut si adecelesiam rapter cnmrapta confngerit, etfaemina»
ipsam violentiaat pertuUsse ooastiteiat, stetim Ubearetar de petestaie raptoris,
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die wegen eines Verbrediens In eine Kirche fliehen, Bollen sofort
ihrem Herrn zurückgegeben werden, wenn er eidlich ihnen Straf-
losigkeit snsichert ^). — Spftter, im Jahre 541, beschlofs die vierte
Kirchenversammlnng von Orleans, dafs, wer einen Verbrecher, der
sich in die Umgebung einer Kirche gefluchtet hat, ohne Erlaub-
nifs des Vorstehers der Kirche ^ mit Gewalt oder List von dort
entfernt, von der Kirche ausgeschlossen sein soll, bis er den Zu-
tritt in ihr durch Bnfse wiedererlangt, nachdem vorher der Ver-
brecher der Kirche Eurttckgegeben ist').
Die fränkische Reichsgesetzgebnng unterscheidet, indem aie
unter dem Einflnfs der Satsüngen der Kirche ihre Bestimmungen
erlMfst, zwischen zum Tode vernrtheilten Verbrechern^ die in eine
Kirche fliehen, und solchen, die es thun, ohne dafs gegen aie
ein gerichtliches Erkenntnifs erfolgt ist; den letzteren soll in der
Kirche ein sie schützender Zufluchtsort gegen ihre Verfolger ge-
währt sein, bis sie vor Oericht gestellt sind, die ersteren dagegen
sollen nicht aufgenommen werden, und wenn sie ohne Erlaubnifs
eingedrungen sind, keine Speise erhalten, so dafs sie die gehei*
et raptor, mortis yel poenarum impunitate concessa, aut ser-
Tiendi conditioni subjectus Bit, aut redimendi, si liberam
habeat facultatem. Si vero quae rapitur patrem habere constiterit, et
piiella raptori aat rapienda aut rapta oonsenserit, potestati patris excasata
reddatur, et raptor a patre superioris eonditionia satisfactione obnozioa."
Mansi 8 p. 361. Ezcerp. im Decret. Grat. 36 q. 1 de raptoribas.
^) Goneil. Aurel. I. can. S: „Servus qui ad ecclesiam pro qua-
Itbet culpa eonfugerit, si a domino pro admissa culpa saera-
menta susceperit, statim ad serritiamdomini sui redire cogatur, etc.*'
Mansi 8 p. 351. Das Coneil. Aurelian. V. vom Jabre 549 beschliefst in Canon 22:
„De servo vero, qui pro qualibet culpa ad ecclesiae septa
eonfugerity id statuimns obserrandum, ut, sicut in antiquis constitatio-
niboB ienetur scriptum, pro concessa culpa datis a domino sacramentis, qnis-
quis ille fnerit, egrediatur de venia jam securus, etc." Mansi 9 p. 134.
*) Ckmcil. Aurel. IV. a. 541 can. 21: ^8i quis neeessitatis impubu ad
'ecclesiae septa confugerit, et, saoerdote vel praeposito eodesiae
praetermisso aique oontempto, eum quisque de locis saeris vel
atriis, seu vi seu dolo abstrahere aut solioitare fort^sse prae-
Bumpserit, nt inimicus ecclesiae ab ejus liminibus arceatur, quousque juzta
pontificiB diatriotionem dig^a per indictam poenitentiam emendatio subsequa-
tar; eo tarnen qui abetractns est prius ecclesiae restitnto." Mansi 9 p. 117*
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ligten Blnine bald wieder verlMsen mtiMeii. Ein Decret des König
Childebert von 596 verordnet in Oapitel 4, dafs Franenranb, der
ohne EinwiU^plng der Geraubten geaehehen ist, mit dem Tode
bestraft werden und bedient aieh dabei der Worte: „judex ipanm
rmpiarem oeeidai; et si ad eceMam ctm/u^m /ecerii, reddendus
ab epucopo, abeqne nlla praeeatione exinde eeparetnr.* Ports Leg, 1
p. 9; das Oesets bat den Fall im Ange, wo der ans der Rirehe
anssnliefemde FranenrXaber bereits venirtheUt ist, da nach den
angefllhrten Worten desselben der Judex die Todesstrafe an ihm
SU Tollsiehen hat^). Oans klar spricht K. Karl im Capitnlare von
779 ta^. 8 es ans, dals sum Tode Temrtheilte Verbrecher in der
KIrehe keinen Sehnts finden sollen^ wMhrend er in den Gapitulis
quae in lege 8a|iea mittenda sunt vom Jahre 803 cap. 3 erklärt,
da(s Solehen, die noch nicht geriohtlieh vemrtheilt sind, in der
Kirche eine Zuflnchtsstütte gewi&hrt werden soll, bis sie vor 6e-
rieht gestellt sind^).
In vollkommener üebereinstimmung hiermit verordnet nnn
K5Big Karl fllr Sachsen im Capitel 2 der Gapitnla de par-
tibus Saxoniae, dafs noch nicht verurtheite Verbrecher,
■) Eia Beeretnm CUotlukehluii II (todi Jahre 695?) Cap. 6 Perts 1 p. 12
ordnet nur den Sehnts, den das Atrinm eoelesiae gew&hren soll, ohne an-
sngeben, oh sich dieser auch auf Temrtheilte Verbrecher erstrecken soll;
TgL auch Lex Alam. 3, Lex Bi^. I, 7, und Wilda Strafr. p. 542.
*) Das Cap. a.779 c.8: „üt.homicidas aut caeteros reos, qui le-
gibus mori debent, si ad ecclesiam confngerint, non excusentur
mgite 4is ibidem viehu deturJ* Ports Leg. 1 p. S6; wofllr der Text der Chi-
giüchen Handschrift und der ron La Cava (den Ports als officiell ftlr Lan-
gobarden erlassen ansah, was de Yesme und Boretius nicht einräumen konnten)
besagt: „De homicidis et ceteris malefactoribue , qui legibus aut pro pace
&eienda marire debent, nemo eos ad exeusationem in ecclesia
suA introire permittat; et si abeqne voluntate pastoris ibidem in-
troierit, tmie ipso in ci^us ecclesia est, nulium victum ei donet nee
alio dare permittat.'' PerU 1 p. 37. Die Capituk in leg. Sal. mitt a. 803
c.3: „Si quis ad ecclesiam confugium fecerit, in atrio ipsius eo-
elesiae paeem habeat, nee sit ei neeesse ecdesiam ingredere; et nullus
enm inde per vim abstrahere praesumat; sed lieeat ei confi-
teri, quod feoit, et inde per maaus bonorum hominnm ad diseus*
sionem in publieo perduoatur." Ports 1 p. 113.
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die Bioh in eine Kirche flüchten, in ihr einen Sehnts
finden sollen, bis sie vor Gericht gestellt werden:
„8i quis confngia feeerit in ecclesiam, nnllas enm de eeclesia per
violentiam expellere praesnmat, sed paeem hahmü wqtie dum ad
plaeUum praesenteiur.*^ Der König fügt aber dieser BestimmoBg
die weitere hinsn, dafs an einem solchen flüchtigen Verbrecher,
wenn er nachher vom Gericht zum Tode verurtheilt wird, die
Strafe nicht zu vollziehen sei; vielmehr soll sein Leben nnd soIa
Körper geschont werden znr Ehre Gottes und ans Ehrftircht vor
den Heiligen der Kirche, in die er flttchtete; er soll Bnfiae zahle»
nach dem gerichtlichen Erkenntnifs, soweit er*8 vermag, nnd soB
dann dem König vorgeführt werden, damit dieser ihn anf dem
Wege der Begnadigung an einen angemessenett Ort verweisen
kann ^). Diese letzte eigenthttmliche Bestimmung, die im ttbrigen
fränkischen Reich in dieser Weise nicht galt, ist speciell anf
Sachsen berechnet, und steht in unmittelbarstem Einklang mit
dem Capitel 14 der Capitula de part Sax., nach wachem bei allen
Verbrechen, auf welche im sächsischen Recht eine Todesstrafe
steht, diese nicht vollzogen werden soll, wenn das Verbrechen im
Verborgenen begangen ist und der Thäter es einem Priester
beichtet*). — Dafs eine Kirche Verbrechern, die zum Tode
verurtheilt sind, einen Schutz gegen dis Rache ihrer Ver-
folger gewährt, sagen die Capitula de partibus Saxo-
niae in keiner Weise, und die spätere Lex Sazonnm
1) Cap. de part. Sax. in cap. 2 : „et propter honorem Dei sanotomm^«
eoeleBiae ipsins reverentiam, conoedatur ei vita et omnia membra, emenda*
autem causam in quantum potaerit et ei Aierit jadieatnm ; et sie dncator ad
praesenttam domini regis, et ipse eom mittat ubi clementiae ipsios placueril»'
•) üeber das Cap. 10 des Capitulare Sazonicum von 797 Tgl. die folg.
ParagT. Iiine Bestimmang, welche an die der Capitula de part. Sax. erinnert^
sich aber wesentlich ron ihr unterscheidet, erlAfst K. Karl im Capitulare von
779 cap. 22: „Si quis pro faida pretium recipere non mit, tunc ad aos ait
transmissus, et nos eum dirigamus ubi danmum minime facere possit ; simifi
modo et qui pro faida pretium solrere noluerit, nee justitiam ezxnde faeere,
in tali loco eum mittere volumus, ut pro eodem majus Himfimim non ereseal."
Ports Leg. 1 p. 39, rgl. auch das. in cap. 12 Porte 1 p. 88 cKe Bestimmiug
über das „Testimonium episcoporum.^
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•
emp. 96 erklärt aasdrUeklich und in voller üebereuistiminiuig
mit den ttbrigen Geaetien Kmrb des Orolsen, daTs sie nir*
geada Frieden haben, und ansgeiiefert werden sollen,
wenn sie in eine Kirehe fliehen'). — Die in den Capi-
tnlia^de pari Sax« für sehwere Kr&nknng einer Kirche
dnroh in ihr begangene Verbrechen aufgestellte
Todesstrafe, die, wie ich annehme, von den heidnischen Tem-
peln auf die Kirchen übertragen ist, behält die Lex gaxo-
nnm bei, führt aber andere Fälle einer solchen Kränkung an,
als die Capitnla*). Während nämlich die Capitola in Gapitel 3:
Einbruch, Raub, Diebstahl, Ansünden, mit Todesstrafe bedrohen,
wenn sie in der Kirche begangen sind, nennt die Lex Saxonum
eap. 21 in dieser Beziehung: Tödtung eines Menschen, Diebstahl,
Einbruch, wissentlichen Meineid. Vergleichen wir die in beiden
Oesetsen graannten Verbrechen, so erwähnen sie übereinstimmend
als mit Todesstrafe bedroht: Einbruch und Diebstahl in
eine Kirche (die Oapitula c 8: „si quis ecdesiam per violen«
tiam intraverit, et in ea per vim vel furtn aliquid abstulerit*'; die
Lex C.21: „qui in eodesia aliquid füraverit vel eam e£fregerit").
Die in den Capitnlis o« 3 für Anzünden einer Kirche er*
wähnte Todesstrafe (:,,si quis ipsam ecdesiam igne cremaverit^),
übergeht die Lex Sax. c. 21; es geschieht aber nur, weil sie in
Capitel 38 allgemein für jedes absichtliche Anzünden eines Hauses
<) Lex Sax. eap. 28: „Capitis damnatus nuBqnam habeat pa-
com; si in eeelesiam eonfugerit, reddatar.^ Kein Grund ist an-
Ennehmen, das Capitel der Lex enthalte eine Abänderung von dem in den
Capttutia aufgesteUien Reeht; dies setst Toraus Bettberg Kirchengescb. 2
p. 748 : „in den strengen Capttulis de part. Sax., wo die Politik es forderte
das Asylreclit der christlichen Kirchen möglichst su erweitem, wird doch
nur die gewaltsame Entftthmng untersagt, dem Flüchtigen Sicherheit ftlr
Leben und Glieder versprochen, übrigens aber der Aufenthalt nur gestattet,
bis er vor das reehtmA£iige Gericht gefilhrt werde. Als nach Beruhigung
des Landes die Kirchen jener Empfehlung durch das Asylrecht nicht mehr
bedurften, fiült jenes ZugestlndniÜB wieder weg; der cum Tode vemrtheilte
Verbrecher soll nach der Lex Saxonum auch aus der Kirche ausgeliefert
werden.«'
*) Die Stellen beider GeseUe sind oben S. 117 neben einander ab-
gedruckt.
13*
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die Todesstrafe ausspricht (i^qai domnm alterins vel noeta vel
interdia sno tantam consilio volens incenderit'')^. Die ib der
Lex Saz. c.21 auf wissentlich in der Kirche geschwore-
nen Meineid gesetxte Todesstrafe (:,qai in ecolesia sciens per-
jarayerit*') ist^ wie ich glaube annehmen zu mttsseni im CapUei 33
der Capitula de part. Sax. anerkannt) indem die Stelle besagt
dab bei Meineiden das (bisherige) „sächsische Becht** gelten soll,
welches offenbar die Todesstrafe für Meineid verhXngte, nachdem
im vorangehenden Gapitel 32 verordnet ist| dab die Eide in
Sachsen in der Kirche geschworen werden sollen'). Die Todea-
strafci die in der Lex cap. 21 auf TlSdtnng eines Menschea
in der Kirche gesetxt ist (:„qui in ecdesia hominem occiderit'')
erwKhnen die Capitula de part Sax. nicht, es ist aber schwerlieh
ansunehmen, dab in Sachsen diese Todesstrafe in der Zeit nach
Pnblication der Capitula nicht gegolten hätte und erat durch die
Lex Sax. eingeführt wäre, da die Capitula Todesstrafe auf Ent-
weihung einer Kirche durch Diebstahl, Raub, Einbruch, Anattn-
den verhängen, und wie oben S. 185 erörtert wurde, im heidni-
schen Recht Vergiefisen von Blut im Tempel und dessen Umgebung^
fttr eine schwere Entweihung desselben galt, auf welche Todes-
strafe stand*). Indem die Capitula in Capitel 1 prooüuniren, dab
1) Darin, dab in dieser Weise im Capitel 21 der Lex Sax. nickt spe-
ciell das AnzQnden einer Kirche erwähnt ist, liegt eine Bestätigung daför,
dab wie oben 8. 118 ausgeführt wurde, die Lex aus den Capttulis BohSpft, nicht
aber das nnngekehrte YerhäUnils swischen beiden Bechtsquellen statt findet.
«) Vgl oben Sriig.
>) In wie hohem Grade in Island eine Tödtung an einer Friedenastätte
Ar Entweihung derselben galt» zeigt die Eyrbyggjasaga c 10 auf das eri-
denteste, indem sie erzählt, wie ein Todtschlag erfolgte in dem Herada-ping»
welches wie oben 8. 188 in der Note angeführt wurde, Thorolf nach Sr-
baunng des Thorstempel auf pors-nes, der äubersten Landzunge des Helga-
felis (d. i. des Heiligen-berges oder Friedens-berges), gegrandet hatte: „pordr
erklärte in seinem Schiedsspruch, die Dingstätte sei durch das feindlioh
Tergossene Blut, das sie benetzt habe, entweiht, und es sei jetst dies Land
nicht mehr heiliger als jedes andere; die Schuld aber treffe diejenigen, die
zuerst mit den Verletzungen begonnen hätten, denn das, erklärte er, sei der
Friedensbruch; und er sagte, dafs dort fortan kein Ding mehr gehalten
werden solle.*' Maurer Entst. des Island. Staats p. 217.
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die Kirchen „non minorem habeant honorem sed majorem et ex-
eellentiorem, qnam fana habnisaent idolomm'', und zur weiteren
Begründung dieses Satzes anführen, dafs anf Entweihung der
Kirchen Todesstrafe steht, erwKhnen sie erlXntemd einzelne
Verbrechen, die in der Kirche begangen, sie so entweihen,
dafs den Thäter die Todesstrafe treffen soll; die Tödtong eines
Menschen in der Kirche mögen sie dabei ttbeigehen, weil sie
in ihr die schwerste Entweihung einer Kirche, wie eines Tempels
sahen, nnd es für selbstverständlich hielten, dafs für diese unmit-
telbar mit der üebertragang des Rechts der Tempel anf die
Kirchen, die Todesstrafe eingeführt sei.
Dafs König Karl, indem er in den Capitalis de pari Sax. in
der angeführten Weise die Todesstrafe auf Entwcihnng einer Kirche
durch in ihr verübte schwere Verbrechen setzte, sich nicht durch
das im fränkischen Reich bei Kirchen geltende Recht hat können
bestimmen lassen, da dies die genannten Verbrechen nicht mit
dem Tode bestrafte, ergiebt der folgende Paragraph, der über die
in den Gapitulis und in der Lex Saxonum enthaltenen Todesstrafen
handelt Auch darin schliefst sich aber der den christlichen Kirchen
gewährte Friede dem Frieden der heidnischen Tempel an, dafs
er sich wie dieser auf einen gewissen Umkreis der heiligen Ge-
bäude erstreckt Wie der germanische Haus -frieden nicht nur im
Hause, sondern auch in dem das Hans umgebenden Hof-
raume schützte, mochte dieser nun mit einem Zaun um-
schlossen sein oder nicht ^), so auch der heidnische Tempel-
>) Aaf den Hausfrieden besieht sieh Lex Sax. c. 27: „qni hominem
propter fSüdam in prajn'ia domo oooiderit'', sowie Lex Thur. c. 50 (oder
XI, 6): „qni alterum inira tepta propria occiderit"; vj^ Landfrieden ron
1085: yfimnis domu», omnis area> pacem infra sepia wa habeat firmam;
nnüns inradat, nnllns efiringai, nnllus infrapositos temere inquirere ant rio-
lenter opprimere praesnmat; qni praesumpserit capite pleetatar. Si fbgiens
aliqnia inimiciim, vd suum rel cigaslibet septum intraoerii, seoopis inibi sit;
qni Tel hastam vel quidlibet armorum tätra $epem post eum immisent,
mannm perdat.^ FerU Leg. 2 p. 58, nnd Landfrieden Ton 1103: „omnes
bomines paeem habeant in domibu» et in quolibet aedificio, et in cnriis etiam
it^a legitimaß areas domuum, quas hoTe-stete wigo voeamus, sire
sint septae seu nuila «epe sint circumdatae.'' Perts Leg. 3 p. 61.
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frieden und der spStere Kirchenfrieden. Neben einem angel-
sächsischen heidnischen Tempel erwähnt Beda als geheiligt des
ihn umgebenden Geheges , der „«^pto quibus idola erant circnm-
data", und das alte dänische Outalag neben dem Tempel des
staf-garSr, d. i. des mit Pflihlen eingeschlossenen Raumes 0; die
angeführten Beschlüsse der Kirchenversammlungen Ton Orleans
schützen den flüchtigen Verbrecher innerhalb der yfSejUa ecdesiat^
oder im „Atrium eccksiae^*)] die Lex Frisionum XYII, 2 verhängt
neunfaches Wergeid und neunfaches Fredum%fÜr den, „qui homi-
nem occiderit in curte ducis, in eeclesia aut in atrio eceUaia^.
König Chlothachar IL verordnet ums Jahr 595 ^ dafs das Atri/itm
eeclesiae dem flüchtigen Verbrecher denselben Schutz gewähren
soll, wie die EcclcMa, dals aber, wenn bei einer Kirche kein ab-
geschlossener Raum (oder Hof) vorhanden ist, der gleiche 8ohnts
gelten soll innerhalb einer Fläche von eunem halben Morgen^ der
sich zu beiden Seiten der Kirche ausbreitet'); und K. Lndewig
im Jahre 817, dafs wer im Atrium, d. i. im Hofe der Kirche einen
Menschen tödtet, ebenso hülsen soll, als habe er ihn in der Kirche
Vgl. Osenbrüggen der Hausfrieden. 1857. p, 10. Wenn Lex Sax. c. 30
und 31 bestimmt: „qui alvearium apum infra gepta alferius furayerit, eapito
puniator; extra sepia furatum, noyies conponendum est**, so ist hier wobl
ebenfalls der Hofiraum gemeint und nicht ein Bienengarten, wie idi es oben
S. 7 übertrug, vgl. Lex Sal. VIÜ, 1. 3: „si quis unam apem de intro daTem
furaverit et tectum . . , foris tectum etc.*'
1) Vgl. in der oben S. 190 Note aus Beda angefilhrten SteUe: „quis
primus aras et fana idohrum cum eeptis quibus erant cireumdata profanart
debet'', und „ jussit socüs destruere ac succendere famsm cum omnibuB septU
suis**. Im Gutalag: „haita a hult eda hauga, a vi eda üafgar^a^ (anrufen
die Haine und Hügel, Tempel und Gehege).
s) Vgl. oben S. 191 Note 2 und S. 192 N. 1 und 2: a. 511 „ab aref«^
%i€Le atriis Tel domo episcopi eos abstrahi non lioeat^; a.'641 : „si quis ad
eeclesiae septa eonfugwit^ . . et eum quisque de tods eaeris vel airiis ab-
Btrahere praesumpserit"; a.549: „qui ad ecdesiae septa confugerifc^.
') Decretum Cblothacharii ü. a. 695 (?) c. 6: „Nullus latronem Tel
quemlibet culpabilem, sicut cum episcopis conrenit, de airio ecdesiae estre^
here praesumat, quodsi facere praeeumpserit, canonibus feriatur. Quodsi
sunt eeclesiae quibus atria clausa non sunt, ab utrisque partibus
parietum terrae spattum aripetmis pro atrio obserretur, etc." Perts
Leg. 1 p. 12.
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199
enefalages, wenn das Hoflhor mit Reliquien geweiht ist'). —
Von dem Frieden , den der Kirch- ho f oder das Atrium eeele-
aiae genofs'), empfing er den Namen Fried -hof*).
2. Aehnlich wie die S.180 bis 199 ausführlicher be-
sprochene Art der Erwähnung der Heidentempel in den
Gapitulis de partibns Sazoniae anf ihre Abfassung un-
mittelbar nach der Unterwerfung Saehsene hinweist^
thuD dies auch die Stellen der Capitula, die von Hei-
den (Paganis) in Sachsen reden und Todesstrafen anordnen,
um ihren üebertritt sum Ohristenthum sn erswingen. Es sind
namentlich die folgenden Bestimmungen der Capitula de partibns
Saxoniae, die hier in Betracht kommen: a) Todesstrafe trifft
einen SachseUi der verachtet zur Taufe zu kommen,
^) CapituL LttdoT. a. 817 e. 1 : „Si quis aot ex levi causa aut sine causa
hominem in ecclesia interfecerit^ de Tita conponat; si in atrio ecclesiae,
cujus -porta reliqaiis sanctorum consecrata est, hujttscemodi ho^
mieidium perpeirahim fiierit, simili modo emendehir Tel componatur; ei vero
porta eceUsiae non est consecrata, eo modo oonponatar quod in abrio con-
miUitur, sicut conponi debet, quod in inmunitate violata conmittitur.^ FerU
Leg. 1 p. 210.
>) VgL Landfrieden Ton 1086: „in eedesiis et eceletiarum cimiUriis
homor et reverentia Dei praebeatur, ut si illuc confugerit raptor vel für,
minime interficiatur rel capiatur, sed tarn diu inibi obsideatur, donec fame
urgente ad deditionem oogatur.^ Pertz Leg. 2 p. 58; Landfrieden von 1103:
„derici et ecclesiae et cimiteria et dotes ecclcsiarum pacem habeant.*^ Pertz
Leg. 2 p. 61; Sachsenspiegel II, 66 §. 1 : „korken unde kerkhove solen sieden
verde hebben'* und Sachsensp. II, 10 §. 4: den Friedebrecher schützt nicht
„die korke noch die kerkhof an der dat, die he darinne dut''; Meldorfer
Kirchspielsbel. c. 1 1 : „de kerkhof scal frig syn vor gewalt und averfal . .,
dar de corpora und gehonte hegraven werden der Christen. '^ Michelsen Diet-
mars. Bechtsq. p. 235.
*) Hof bezeichnet in den Alteren deatschen Dialeoten einen umschlos-
senen Baum am Hanse (eurtis, atrium), in den nordischen einen Tempel,
TgL Orimm Mythol. p. 7ß, Graff althochd. Sprachsch. 4 p. 828, Sohmeller
Glossar. Saxon. p.58, Müller Mittelhochd. Wörtorb. 1 p.698, Richthofen Fries.
Wftrterbl p.821, M5biu8 aknord. Glossar. 198 und Maurer Bek. 2 p. 190.
447; frid-hof (atrinm) brauchen wie die althochd. Quellen die altniederd.
Psalmen und der Heliand, ygl. Sohmeller p. 39; daneben altniederd. fridu-
wih Tgl. Grimm MythoL p.£8, der nachweist, daXs wih (d.L das Geweihte,
Geheiligte) f&r nemus, templum, idolum steht.
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der ein Heide bleiben will und sich yerbirgt, um nicht getauft
zu werden, Cap. 8^). b) Todesstrafe trifft den, der das
Christenthum verachtet und in den heiligen Fasten Fleisch
ifsty Cap.4'). e) Todesstrafe trifft den, der Menschen
opfert nach Sitte der Heiden, Gap. 9*). d) Todesstrafe
trifft den, der einen Menschen verbrennt oder dessen
Fleisch verzehrt, weil er nach Heidenart glaabt, er habe
wie eine Hexe einen Menschen verschlangen, Cap. 6^). «) Todes-
strafe trifft Heiden, die ihre Todten verbrennen und
ihre Asche in den Heidenhttgeln beisetzen, statt sie auf den Kirch-
höfen christlioh zn begraben, Cap. 7, vgl. Gap. 22^). /) Todes-
strafe trifft Alle, die gegen die Christen mit den
^) Cap. de pari. Sax. c8: „Si quis cleinceps in gente Saxo-
norum intereos latens non baptixatus se abscondere Tolverit,
et ad baptismum venire contempserit pagannsque permanere
Yolnerit, morte moriatur.*' Auf neugeborene Kinder besieht sich die Stelle
nicht, in Betreff ihrer verordnet Cap. 19, dals sie, wenn der Geistliche nicht
eine Verschiebung bewilligt, innerhalb eines Jahres getauft werden sollen,
und Ewar bei einer Bufse von 120 Solidis bei Kindern von edelem Ghe-
schlecht, von 60 Solidis hei freien, von 80 Solidis bei Liten, die, wohl m
merken, nicht der Kirche^ sondern dem Fiscus zu zahlen sind (^fiseo com-
ponantur^).
^ Cap.4: „Si quis sanctum quadragesimale jejunium pro
dispectu christianitatis contempserit et carnem comederit,
morte moriatur; sed tarnen consideretur a sacerdote, ne forte causa necea-
sitatis hoc cuilibet proveniat ut carnem comedat.*^
') Cap. 9: „Si quis hominem diahnlo sacrifioaverit et in
hostiam more paganorum daemonibus o btul er it, morte moriatur."
*) Cap. 6: „Si quis a diabulo deceptns crediderit seeundnm
morem paganorum virum aliqnem aut feminam strigam esse et
horaines comedere, et propter hoc ipsam ineenderit vel car-
nem ejus ad comedendum dederit vel ipsam oomederit« oapitali sententia
punietur.''
*) Cap.7: „Si quis corpus defunoti hominis secundüm ri-
tum paganorum flamma consumi feeerit et ossa ejus ad eine-
rem redierit, capite punietnr^, und vgl Cap. 22: „Jubemus ut corpora
ohristianomm Saxanorum ad dmiteria ecdenae deferantor et non adtn-
mulus paganorum.*'
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201
Heiden Rath pflegen, oder mit ihnen in Feindschaft gegen die
Christen verharreni Gap. 10').
Sehr wohl weib ich, dafs bei den eineelnen dentsehen StXm-
men nnd namentlich auch bei den Sachsen noch lange Zeit nach
ihrer Bekehrung znm Christenthome viele nnd orasae üeberreste
des Heidenthnmes fortbestanden, dafs das angenommene Christen-
thnm in vieler Beziehnng nur ein verdecktes Heidentham war,
nnd dafs noch in späteren Jahrhunderten kirchliche und weltliche
Oesetse es nicht an scharfen Edicten haben fehlen lassen, um
heidnische Vorstellungen, Sitten und Gebrinche aus dem Volks-
leben au entfernen; ganz unverkennbar ist doch aber der (}egen-
saii, in welchem zu dem Allen, die aus den Capitulis de partibns
Saxoniae angeftthrten Bestimmungen stehen. Nicht ein in christ-
lichem Gewände fortlebendes Heidenthnm bekämpfen sie, sondern
woUen unter Androhung der Todesstrafe die noch offen im Heiden-
tham verharrenden Bewohner Saohsens zwingen, sich zum Christen-
thum zu bekennen.
Die Bestimmungen entsprechen der Zeit nach dem Jahre 775,
in der EJÖnig Karl den Entschlnfs gefafst hatte, das bis dahin
heidnische unabhängige Sachsen mit Gewalt in ein christliches
fränkisches Reichsland umzuwandeln. Um dies zu erzwingen, be-
drohte er in dem eroberten Lande, dessen Bewohner Ihm gehul-
digt und die Annahme des Christenthums gelobt hatten, das offene
unverhüllte Heidenthnm eines Sachsen mit Todesstrafe, mochte
es nun sich darin äufsern, dais der einzelne verschmähte das
Ghristenthum durch die Taufe zu empfangen, oder darin, dafs er
sich durch sein Gebahren offen als einen Heiden und Feind der
Christen, oder des mit ihnen sich identificirenden fränkischen
Königs*) documentirte. Von diesem Standpunkt aus beurtheile
ich die auf der vorigen Seite angeführten, in den Capitulis de
part Sax. mit Todesstrafe bedrohten Handlungen. Nachdem
^) Cap. 10: „Si qnis cum pagania eonsilam adrersus Chri-
sti an os inierit, rel cum illis in adreraitate Christianonim perdurare to-
Inerit, morte moriator. Et .qaicamqne hoc idem frande contra regem Tel
gentem Christianomm conBenBorit, morte moriatar.''
*) Vgl. die Schlttlsworte Ton Cap. 10 in der Torigen Note.
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SachBen einige Jahre ein den Franken unterworfenes Land ge>
wegen war, in welchem die fränkischen Reichseinrichtnngen Gel-
tung gewonnen hatten, konnten Verhältnisse in ihm nicht mehr
bestehen, wie sie jene Bestimmungen voraussetzen und beseitigen
wollen. Allerdings kehrten auch nach dem Jahre 776 mehrmaiB
Theiie des unterworfenen Sachsens, die sich gegen König Karl er-
hoben, und denen es gelang seitweise das verhafste fränkische Joeh
abzuwerfen, sofort zu dem unfreiwillig verlassenen Heidenthum
zurück; wie dies namentlich nach der grofeen sächsisch-friesischen
Erhebung durch Widukind im Jahre 782, und in ähnlicher Weise
auch noch wieder im Jahre 792 geschah; in solchen Fällen wird
aber auch ausdrücklich berichtet, da(s die Aufständischen das
Ohristenthum verliefsen, die christlichen Priester vertrieben und
tOdteten, die Kirchen zerstörten und wieder in der Weise frü-
herer Zeiten den heidnischen Oöttem opferten').
Diese offenen RttckÜille ins Heidenthum sind aber Ausnah-
men, die mit einem geglückten Aufstande Hand in Hand gingen^
und ihre Endschaft mit der nach kurzer Frist wieder erfolgten
1) Vgl. über .das Jahr 782 die oben S. 159 Note 3 abgedruckten Worte
der Vita Willehadi cap. 6, die dann in Oap. 8 beim Jahre 786 bemerkt:
„gene Saxonum fidem cbristianitatia quam amiserat, denuo
recepit.^ Porta 2 p.d83. Und die Vita Liudgeri I. c. A8 beriditet aus-
drücklich über das Jahr 782: ^Widukint dux Saxonum eatenns gentilium
everfcit Frisones a via Dei combussitque ecclesias et expulit Dei famulos, et
usque ad Fleo fluvium fecit Fresones Cbristi fidem relinquere et
immolare idolis juxta morem erroris pristini.'' Pertz 2 p. 410.
Beim Jahre 792 Annal.LauriBs. minor.: ^Saxones iterum ad idolatriam
revertuntur.^ Pertz 1 p. 119 und Annales Laurosham. a. 792: ^propin*
quante aestiro tempore Saxonos .. reversi sunt ad paganismum»
quem prius respuerant, iterum relinquentes christianitatem,
mentientes tam Deo quam domino regi, qui eis multa beneficia
praestitit, conjungentes se cum paganis gentibus, quae in cirenitu
eorum erant. Sed et missos suos ad Araros transmittentes eonati sunt
in primis rebellare contra Deum, deinde contra regem et
christianos; omnes ecclesiaa, quae in finibns eorum erant,
cum destructione et incendio vastabant, rejicientes episoopos ei
presbyteros qni super eos erant, et aliquos oomprehenderunt nee non et
alios occiderunt, et plenissime se ad cnlturam idolornm oonrer»
terunt.'' Pertz 1 p.35.
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TTüterwerftiDg der anfgestandenen Landestheile unter die fränkigohe
Herrschaft erreichten. Schon im Jahre 775 hatten die eich unter-
werfenden Sachsen, indem sie dem Könige huldigten, die Annahme
des Ghristenthnms gelobt, ein offenes Verharren Einzelner im
Heidenthum mubte ihm daher bei seiner Auffassung der Verhält-
nisae als ein strafbares, dem Hochverrath Sihnliches Verbrechen
erscheinen, und er bedrohte Handlangen, in denen er jenes Ver-
brechen sah, um sie in jeder Weise au beseitigen, in den ange-
fahrten Stellen der Capitata de part. Sax. mit Todesstrafen. Dafür,
dafs diese exceptioneller Katur und lediglich auf vorUbei^hende
Zustände berechnet waren, giebt die einige Jahre jüngere Lex
Saxonum das unmittelbarste Zeugnifs, indem sie bei Anfsählung
der in Sachsen geltenden Todesstrafen, von. denen sich mehrere
herausstellen als durch die Gapitnla de part. Sax. in Sachsen einge-
führt, die früher für offnes Beharren im Heidenthum angedrohten
Dafs König Karl im Jahre 775 in Sachsen heidnische
Zustände vorfand, wie sie die Capitula de partibus Sa-
xoniae voraussetzen, steht fest
a) Selbstverständlich ist es und wird obendrein mehrfach von
den Qaellen bezeugt, dafs nach der Eroberung des Lan-
des, während viele Sachsen sich unterwarfen, dem Könige
Treue schwuren und die Taufe annahmen, andere dies offen
verschmähten, und dafs manche von diesen aus dem Lande
flohen und mit anderen Heiden gegen die fränkische Herrschaft
conspirirten, dafs also auf sie die oben 8. 200 unter lit a und /
angeführten, in den Ciq)ituli8 angedrohten Todesstrafen Anwen-
dung finden konnten^).
h) Dafs die heidnischen Sachsen und die ihnen nahe ver-
1) Vgl. z. B. Annal. Lauriss. a. 777 : „ad Paderbrannen ex omni parte
Saxoniae conTenenint, excepto quod Widochindus rebellis eztitit eum
paucis alÜBy et in partibus Nordmanniae confugium fecit
cum Bociis suis", vgl. oben S. 134 Note 1, und Annal. Lauriss. a. 782:
„Saxones reddiderunt omneB malefactores, qni istud rebellium maxime ter-
minaTorunt ad oceidendnm ,,, exoepto Widoehindo, qui fnga lapsus est
partibus Normanniae", TgL oben 8. 140 Kote 2, und über a. 785 oben
S. 146 Note 2.
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wandten Friesen, wie in ältester 2^it alle Germanen, ihren Git-
tern Opfer and namentlich auch Menschenopfer darbrachten,
beweisen folgende Stellen :
a) Ein Brief des Sidonins ApoUinaris, der seit 471
Bischof von Olermont in der Auvergne war und bald nach 484
starb ^), berichtet, dafs die „Saxones'^ als Seeräuber in leichten
Schiffen die Küsten Galliens plünderten, und fligt^hinsa: „prios
quam de continenti in patriam vela laxantes mordaces ancoras
hostico vado vellant, m s est remeatnris, decimum qnemque
captorum per aequales et crnciarias poenas, plus ob
hoc tristi quod superstitioso ritu necare; superque col-
lectam turbam peritnrornm mortis iniquitatem sortis
aequitäte dispergere, talibnsque eligunt votis^), victimis sol-
vunt Et per hnjusmodi non tarn sacrificia purgati, quam sa-
crilegia poUuti, religiosum putant caedis inffiustae perpetratores de
capite captiyo magis exigere tormenta quam pretia'^ Ex libr. VIII
epist. 6, in Leibnitz Scr. Rer. Brunsv. 1 p. 26.
ß) Der Mönch Jonas im Kloster Fontanelle (oder St Wan-
drille) erzählt in einer im Anfang des 7. Jahrhunderts verfafsten
kursen Lebensbeschreibung des Bischof Wulfram von Sens, der
695 im Kloster Fontanelle als Ml^nch gestorben war, von Menschen-
o^em bei den Friesen. Im Gap. 6: „Praedicante sancto pontifice
in populo (Fresionnm) contigit die quadam puerum ex ipsa
Fresionnm natione ortum, diis immolandum dnci ad
1 aquo um. Orabat autem vir sanctns incredulum ducem (ejus
gentis Rathbodum), ut hi^jus pueri vitam sibi donaret. Tunc ani-
mosi gentiles unanimes frustrabantur ejus precem, dicentes: si
tuns Christus eum de tormento mortis eripuerit, sit ejus tuusque
sermts aQvo perenni. Appenditur deinde puer in patibnlum'^ Acta
Sauet. Martii a J. BoUando coli. a. 1668. Tom. 3 p. 146*). Femer
1) Vgl Wftttenbach Deatsohl. aesehlohtsq. 1866. p. 65.
*) Leibnitz ffthrt ab Conjeotur an: ^talibu» si ligant Totis.*'
*) Die kuree Vita Wulframni des Jonas (welche Wattenbach, DeutsehL
Geschichtsquellen 1866, nicht yerzeichnet) hat im Kloster Fontanelle Zosatse
erhalten, die sich auf £rx&hlungen eines geborenen Friesen, des dem Wolfram
gleichzeitigen Priester Ovo zu Fontanelle berufen, und ist ron dem Priester
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in Osp. 6^): y^Alii qnoqud adolescentes ex praedicta Fresio-
nnm natione similiter ritu profano daemoniboB immo-
landi, misBa sorte; more patrio BHnt deprehensL Pro
quibns sapplieatiirnB inclytus praoBnl Walfrannns aeceBBit^ aed
gentilefl preeeB üliaB audire oontemDenteB, praefatoB pveroB pro-
jeeernnt in pelagna, nt illic inter flnctUB ilÜBiiecatiB
Baorificinm execrabile perficerent daemonibns. Quo
peracto ajant Sancto: vade nonc jam^ et si inde iiberare eoB
poteriB| haheai eos deus tuus m servas jure perenni^'. BoUand.
p. 146^
Hardain in Fontanelle, der 811 sttah, überarbeitet worden. Diese Über*
arbeitete Vita ist gedruckt bei Sarius und in Mabillon Acta Sanct. Bened.
saec. HL P. 1. a. 1672. p. 357; in ihr ist die bekannte Taufgeschicbte des
friesischen König Bedbad eingefügt, in deren Angaben Kluit Hist. Grit. Co-
mitatus Hollandiae 1779. I. P.2. p. 1— 18 chronologische Widersprüche nach-
gewiesen hat, Tgl. auch Bettberg Deutschi. Kirchengeseh. 2 p. 514. Die Zu-
B&tae der jungem Tita su den Berichten der älteren Über Menschenopfer
bei den Friesen, rücke ich hier ein; in Cap. 6 hinter den im Text abge-
druckten Worten „pneri vitam sibi donaret'*, fährt die jüngere Vita fort:
„nee hominem ad imaginem Dei factum sacrificium exäeorabile
daemonibus immolaret; vocabatur autem idem puer Oto. Bespon-
debat autem dux patrio sermone, decretum esse lege perenni
olim a praedecessoribus suis omnique Fresionum gente, ut quemcumque
Bors elegisset, in eorum sollemniis diis offerendum sinemora.
At vero sanctus praesul dum persisteret in precibus, et praefatus populi
princeps ejus dignae petitioni satisfacere vellet , animosi gentiles . . unani-
mes frustrabant ejus preoem, dicentes: si etc.'' Mabillon p.859.
>) In der jungem Vita ist awisehen den im Text abgedruckten Worten in
Cap. 7 hinaugeftigt : „Alios quoque adolescentes ex ipsa Fresionum natione,
qui similiter ritu profano daemonibus fuerant immolandi, quo-
rum unus vocabatur Eurinus alterque Ingomarus, deprecante daro pontifice
Wulframno, praefatus dux vitae donavit et eidem contradidit.'^pMabUlon p.380.
*) In der jungem Vita cap. 8 wird der in Cap. 6 der Alteren Vita be-
richtete Fall so erz&hlt: „Mos pessimus praedicto incredulorum duci in-
erat, ut corpora hominum damnatorum in suorum sollemniis
de er um, et nondeorum sed daemoniorum exsecrabilium , saepissime di-
Tersis litaret modis: quosdam Tidelioet gladiatorum animad-
Tersionibus interimens, alios patibulis appendens, aliis laqueis
acerbisaime vitam extorquens, praeterea et alios marinorum sive aquaram
fluctibtts submergebat. Erat in diota gente mulier quaedam vidua,
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206 . "
r) P&pBt Gregor III. schreibt im Jahre 732 dem BonifiMsins:
,,Bt hoc-inter alia discrimen agi in partibne iliia dizisti,
qnod quidam ex fidelibuB ad immolaadam paganis
saa vennndant mancipia. Hoc ut magnopere oorrigere de-
beas, frater, commendemas, nee sinaa fieri ultra, scelm enimest
et impietas'^ Ja£fö Bibl. Rer. Germ. 3 p. 94.
' . (f) Alkuin, gestorben im Jahre 804, erzählt in der obea
8. 185 angefahrten Stelle der Vita S. Willibrordi Cap. 11, dafii
Willibrord vor 714 auf dem friesischen Helgoland in der heiligeo
Quelle des Fosete taufte und auf der Insel weidendes Vieh schlachtai
liefs: „injurias suorum deorum ulcisci cogitabat (rez Badbo-
dus), et per tres dies semper tribus vicibus sortessno
more mittebat, et mimquam damnatorum sors super servnin
Dei Hut aliqaem ex suis cadere potult, nee nisi unus tantum
ex sociis suis sorte monstratus martyrio coronatus est''.
Mabillon Acta 8anct. Bened. saec. III. P. 1 p. 609. Ueber die Art
des Todes schweigt die Stelle, sagt in Cap. 10 nur: „yiolatores sa-
crorum illius atrocissima morte (rex) damnare solebat''.
c) Die oben S. 186 besprochenen Worte am Schlufs der L#ex
Frisionum: „Hoc trans Laubachi: Qui fanum e£fregerit et
ibi aliqnid de sacris tulerit, dncitnr ad mare et in sabulo, qnod
accesBus maris operire solet, finduntur aures ejus, et castratur, et
immolatur diis quorum templa violavit".
duo8 carissiinos Habens natos, qui ex sorte missa daemonibas
fuerant immolandi, ei gurgite maris enecandL Dticii tutmque
9urU ad quemdatn heum bitalassi more aqua inclusum, ut dum rheuma marig
mtmdem eooperirei locum, mUerabUiter fluetibus abeorbereniur. Erat rero,
nt fertOTy unns aetate septennis, alterqae quinquennis. Cumque rkeuma.mari»
tempore marinae praedietufn impleret locum, is qui major natu erat pue*
niluB, juniorem fratrem ulnis nitebatur sublevare , dum jam ingurgfiUtrentur.
Aderat namque ad spectaculum infandum antefatus dux incredulus cum plebe
innumera gentalinm, sed nuUa compassionis pietas saxeum ^ua cor emoUire
qnivit. Sacer vero pontifex Wulframnus eos sibi vitaeque perdonari rogabat,
dicena non esse justum de hominibus ad imaginem Dei &oti8 ludom exhi-
bere daemonibus. Tunc dux incredulua: si deus, inquit, tuus Christus m
praesenti pericolo eoa liberarit, ejus dominto eos perpetim ooncedo, siiqae
eorum deus, et ipsi ejus perenniter servi.'' Mabillon p. 361.
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() Altfrid, ein Verwandter Liadgers^ der als desien sweiter
Haehfolger im Bisthum Müiiater im Jahre 849 starb, berichtet in
Beiner Vita Ldndgeri I. Gap. 18 : der Saehse Widnkind habe im Jahre
7^ die Friesen bewogen bis zum Fliestrom das Christenthnm %ü
yerlassen, ^^et immolare idolis jnxta morem eriroris pri-
Btini<^ Pertz 2 p. 410 vgl. oben S. 160 Note 1.
n) Rnodolf ron Fulda sagt in der im Jahre 863 von ihm
yerfafsten Transiatio 8. Alexandri Gap. 2 von den heidnisehen
Saehsen: ,,colaemnt eos, qni natura non erant dii; inter qnos
maxime Mereurinm venerabantnr, cni certis diebns hnmanis
qnoqne hostiis litare consneverant'^ Perts Ser. 2 p. 675.
^) Hncbald, ein gelehrter Mönch zn St. Amand, der,
90 Jahr alt, im Jahre 930 gestorben sein soll, berichtet in der^
von ihm verfaürten Vita Lebaini, dafs der Angelsachse Liafwin
(oder Lebninns) ans Deventer an der Issel, wo er an der Grenze
der Franken und Sachsen eine Kirche erbant hatte j[vergL oben
S. 161), ums Jahr 770 eine grofse Versammlang der Sachsen zn
Marklo an der Weser besucht habe, um das heidnische Volk zn
bekehren, und fügt hinzu: „omnis concionia illius multitudo primo
snomm proavomm servare contendit institnta, numinibus vide-
lieet suis vota solvens ac sacrificia'^ Pertz Scr. 2 p. 363.
Als geopfert werden hier erwähnt: Solche, die die
Heiligthttmer der Götter entweihten (bei Alkuin, verglichen mit
der Lex Frisionnm), gefangene Ausländer (bei Sidonius Apolli-
naris), zum Opfern erkanfie Sklaven (in dem Brief von Gregor III.
an Bonifacius), aber auch freie Volksgenossen (bei Jonas in der
Vita Wulframni). Der Opfertod erfolgt in verschiedener
Weise; nach der Vita Wulframni durch das Schwert der Cam-
piones*), durch den Galgen, durch Erwürgen, durch Ertränken.
Bei näherer Beschreibung der letzten Todesart stimmt die jüngere
Vita Wulframni mit dem, was die Worte am Schlufs der Lex
Frisionnm besagen, in einer Weise überein, die für die Glaub-
würdigkeit ihrer Angaben über friesische Opfer spricht: während
*) Unter den „Gladiatores*' können schwerlich andere gemeint sein
als die „Oampiones^, ron denen die Lex Fris. V angieht, daXs ftkr sie
kein Wergeid gezahlt wurde, wenn sie beim Zweikampf fielen.
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die Vita mit der AoBclutiilichkeit eines Aagensengen sehildert, wie
die durch das Loos sum Opfer bestimmten Knaben snm Meere
an eine zur Zeit der Ebbe von den Wogen nicht ttberspttite Stelle
geführt and yon der steigenden Flnth yerschlnngen werden^ lassen
die Worte der Lex den Tempelschfinder an den Strand des Meeres
ftthren^ und er stirbt den Opfertod anf dem Sand, den die Flnth
aufgehäuft hat, nachdem ihm die Ohren anfgeschlitst sind und er
entmannt ist^). Die selbe Todesart wird gemeint sein unter der
y^atrocissima mors^^ die nach den Worten Alknins der friesische
König Badbod, von dessen Menschenopfern auch die Vita Wul-
firamni berichtet, über Alle eu yerhängen pflegte, die das Heilig*
thum seines Oottes Fosete zu Helgoland entweiht hatten; beide
Stellen heben hervor, da& er die Todesstrafe erst vollziehen liefs^
nachdem das Loos befragt war. Und von den Sachsen, die an
den Küsten Galliens geraubt hatten, erzXhlt Sidonius ApoUinaris,
dafii sie, wenn sie die Schiffe zur Heimfahrt bestiegen, den
1) Das Versenken ins Meer kennt das friesische Recht im 13. Jahr-
hundert als Strafe ftir durch Geld unsühnbaren Landesverrath : den, der aus
Sachsen den Feind nach Friesland ftihrt, und mit ihm dort mordet und
brennt, „hine ach ma north irma tket hef ie ferane, and theranie sansane*^,
oder in einem niederd. Text: „so sal men em noerhoert werpen in de *e€,
puU em daer v&rdrencken^ (ein and. Manuscript : ,,soe sal men hem sacken
unde Tordrenken^) Fries. Kechtsq. p. 30, 26. Das ältere Gulapingslag c. 23
bestimmt, dafs man Alle in geweihter Erde, im kirkiu-gard, begraben soll,
aufser „udada men (Unthats-münner, Ehrlose), drottens svica (Verräther ihrer
Herrn) oc mordvarga (Mordwölfe), tryggrova (Vertragsbrecher) oc piora, oe
|>a men er sialyer spilla ond sinni (Selbstmörder). £n pa men , er na talda
ec, scal grava i floeAar male, ]>ar aem aaer (var. „floed'^) moeteec oe groen
torva^ (d. i. die Genannten soll man begraben innerhalb der Fluthen Male,
wo sich die See begegnet und der grüne Rasen.) Munch Norges gamle Lore
1 p. 13. Im sächsischen Dietmarschen, erzählt noch Neocorus Chronik 1 p.96y
konnten die Geschlechtsfreunde eine Entehrte „nnder dem Ise ersöpen unde
begraven'', vgl Grinmi Rechtsalterth. p. 694 und Wilda Strafr. p. 506. Das
AufschlitEon der Ohren („finduntar aures ejus**) wird aoch bei andern
Germanen als Strafe erwähnt; Grimm Rechtsalterth. p. 708 führt an aus
Gregor ron Tours „mulctatur auris unius incisione", und aus Cnuts Ges. II, 30
f. 5 bei Schmid p. 288: „of ceorfan his earan", eto. Das Entmannen kennen
die Ges. Aelfreds 25 §.1, die Lex Sal. und Lex Rip., als Strafe f)ir Sklaven,
YgL Grimm p. 709.
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sehnten Gte&ngenen opferten , naehdem ihn das Loos bestimmt
hatte').
Was uns in dieser Weise von Menschenopfern der Sachsen
und Friesen gemeldet wird^ stimmt mit den specielleren Kach-
richten ttbereini die wir aas dem germanischen Norden besitzen;
anch dort worden Verbrecher , Sklayen, aber anch freie Volks-
genossen nnd selbst Fürsten geopfert *), and das Opfer erfolgte
dorch Brechen des Rückens äof dem Opferstein beim Tempel,
dnrch Erhängen, and wie in Norddeatschland darch Versenken
ins Wasser*).
Zar Zeit, als König Karl Sachsen eroberte, war es in jeder
Besiehang ein heidnisches Land; in ihm standen noch, wie im
benachbarten Friesland, and wie noch zwei Jahrhunderte spfiter
im germanischen Norden, die Tempel der heidnischen Götter,
worden noch die „idola deoram''^) verehrt, and den Göttern Opfer
^) Wegen des in den angeftlhrten Stellen angewendeten Lesens, das
im alten Sachsen aneh Beda Eist. eod. Y, 10, und mit Benutsnng Ton Ta-
dtOB Germania e. 10 Rudolf in der Translatio S. Alexandri Pertz Scr. 2 p. 685
erwäbnen, Tgl. Lex Fris. XIV in Perts Leg. 3 p. 667.
.>) Vgl Grimm Mythologie p.40 und Maurer Bek. 2 p. 196^198.
") Adam von Bremen ü. c 60 : „Per idem tempus (zur Zeit des 1030
▼erstorbenen Kfinig Olaf) sermo est, qnendam ab AngUa -nomine Wolfredum
Swedican ingrusum Terbum Dei paganis praedicasse. Qul dum sua prae-
dicatione multos ad cbristianam fidem oonvertisset, ydolum gentis nomine
Thor stans in coneilio paganorttm coepit anathematizare ; simulque arrepia
bipenni aimulacrum in frusta ctcidit Et ille quidem pro talibus ausis statim
mille Tidneribus eonfossus, animam lanrea dignam martyrü transnüsit in
coelum. Corpus ejus barbari Umiahwi post muUt» ludibria merserunt in
paludem. Haec veraciter comperta memoriae tradidi.^ Das ScboUon 134
SU Adam von Bremen berichtet Ton Upsala: „ibi (prope templum) estfons,
vbi sacrißcia paganorum soknt exerceri, et homo virus immergi^, und
die Sjalnesingasaga o. 2 : ^ die Leute, die sie opferten, sollte man in den
Svmpf stürzen, der drauXien vor den Thüren war; den nannten sie Blot-
Uda"" (d. i. Opfersumpf), vgL Maarer Bek. 2 p. 196.
«) Die ilteste Nachricht über Götterbilder der Sachsen gewährt Widn*
kind von Corvei I c 12, indem er von dem Sieg der Sachsen über die Thü-
ringer an der Unstrnt swischen 627 und 534 berichtet: „mane aatem &eto,
ad orientalem portom (von Scheidungen) ponnnt aquilam, aramque victoriae
constmentes, seeundum errorem pfUemum sacra sua propria veneratione
14
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dargebracht Dafs dabei ^) auch noeh dantals Menaohen geopfert
Würden, kann keinem Zweifel unteriiegeni da für eine ältere Zeit
Menschenopfer bei den Sachsen beaeugt sind (Tgl. oben B. 204
venerati sunt, nomine Martern, effigie columnarum imitantes
Herculexn, loco Solem, quem Graeci appellant Apollinem^. Im Jahre 772
erw&hnen die frftnk. Annalen die Zerstörung des „idolum Saxonam
Irmin-Bul^, vgL oben S. 130 Note 3. In der Versammlung der Saatuea
zu Marklo, erzählt die Vita Lebuini^ predigte Liafwin: ^Simulacra, quae
deos esse putatis, quosque venerando Colitis, aurum vel argentum, aea, lapis
aut lignum sunt; non yivunt, non moventur, neque sentiunt, opera enim
hominum sunt" Pertz 2 p. 362. Bei dem Aufstand des Jahres 792 erwähnen
die Annal. Lauresh. von den Sachsen: „pUnUsüne »e ad cultnram ido-
lorum converierunt" Pertz 1 p, 36. Zahlreichere Zeugnisse sind über Fiies«
land erhalten : Jonas in der Vita Wulframni c. 3 : „navigavit Freaiam et genti
illi ac duci ejus Bathbodo verbam Del annuntiavit, dicens deos non esse,
qui hominum manibus facti essent." Acta Sanct. ed. BoUand mens.
Mart. p. 145. Bie Vita WiUehadi c. 3 erzählt, wie um 775 WOlehad in der
Hugmerke (nordwestlich von Groningen) : „coepit persuadere (Frisiones), ut r»-
lida supersiitione ido lorum unins veri Dei notitiam susciperent; dicens
insanum esse a lapidibua auzüium petere, et a simulaeris mutis et surdis
subsidii sperare solatium. Quo audiio, gens fera et idolatriis ntmtum de-
dita, in ira magna pariter omnes ezoitati, stridebant denUbus in eum, dioentes
non debere profanum longius vivere, immo reum esse mortis, qui tarn sacri-
lega contra^ deos suos inTictissimos proferre praesumpsisset eloqois. Quidiun
tarnen . . dixernnt mittendam esse sortem, quo demonstraretnr caelito», na
dignus esset interitu . .; ac seeundum morem gentiliom missa est sors soper
eo, vivere an mori debuisset. Gabernaate diyina {»roTidentia, sors mortiis
super enm cadere non potuit." Perts 2 p. 381. Von Liudger ersählt die Vita
Liudg. I c. 14, dals Alberich ihn um 776 nach Friesland schickte, „nt d«-
strueret fann deorum et rarias culturas idolorum in gente Freso-
num." Peru 2 p.408. Und als im Jahr 782 Widukind die Friesen bevog
am sächsischen Aufttande Theil au nehmen: „fedt Fresones Christi fidem
relinquere, et immolare idolis juxta morem erroris pristini«*'
Vita Liudg. 1 c. 18 p. 410.
^) Im germanischen Norden erfolgten Menschenopfer bei den groCseii
Festen, namentlich erwähnt sie Thietmar ron Merseburg I c 9 bei dem alle
9 Jahre zu Lethra auf Seeland gefeierten dänischen Hanptopferfeste, und
Adam von Bremen Gesta ep. Hammab. IV c. 27 bei dem ebenfalls alle
9 Jahre gefeierten schwedischen zu Upsala, Tgl. dasn die Erlänterungen tob
Grimm Mythol. p. 42. 46 und Maurer Bek. 2 p. 195. 235. Rudolf Ten FokUi
giebt mit den Worten des Taoitus an (Tg^ oben S.207 lit. 17}, dals die Sachsen
demMercur (d.i. dem Wodan) an bestimmten Tagen Menschen geopfert hätten.
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Ut « mid 9 ), ^ ane der Zeit der frSnkiBehen Eroberang von den
den Sadiflen naheverwandten ihnen damals engverbnndenen Frie-
sen beriehtel werden, nnd die Saehsen offenbar die ehriatlichen
Olanbensboten, welche sie aar Zeit König Karls wegen Verletssnng
der heidniBchen Heiligthttmer mit Todesstrafe bedrohten, ihren
Gittern an opfern beabsiehtigten«
So- konnte denn anbedingt die Bestimmnng der Gapitola de
part. Sax. c. 9: ^^si qais hominem diabolo sacrificaverit,
et in hostiam more paganornm daemonibas obtulerit,
morte moriator'^, im Jahre 775 in Baehsen Anwendang finden.
c) £ün anderes Zeognifs des offeii^n Verharrens im Heiden-
thnm sieht K9nig Karl in heidnischem Abergiaaben, der
sam Tödten von vermeintlichen Hexen geführt hat
Die Worte der Capitala de part. Sax. c. 6 ,,81 qais a dlabnlo
deeeptns crediderit secandam morem paganoram vinun
aliqnem ant feminam strigam esse et homines eomedere, et
propter hoe ipsam incenderit vel carnem ejus ad come-
dendnm dederit vel ipsam eomederit, oapitali sententia panietar^',
besagen, dais den die Todesätrafe treffen soll, der einen Menschen
verbrennt, oder sein Fleisch einem Andern sa essen giebt oder
selbst iÜBt, weil er vom Tmifel berückt nach Heidenart glaubte, '
dafs er eine Hexe sei and Menschen verschlinge. — Nicht gegen
den erwähnten crassen Aberglauben ist das Edict gerichtet, son-
dern gegen diejenigen, die, verleitet durch ihn, Menschen ver-
brannt oder von ihrem Fleisch gegessen haben; damit haben sie
sich unzweifelhaft als Heiden bekundet („secundum morem
paganornm credidernnt^^}, und als offene Heiden sollen aie
der Todesstrafe verfallen sein').
Bei der Volkarenanunliing zu Marklo, weiCa Hacbftld, daüs die Saehaen sie
naek alt1U>erkoiiiiiiener Y olksaitte begannen : j^mimimbu» suis Tota solventes ao
saer^eia^, TgL oben S.207 lii. &; und tob dem friesisehen „Idohan*^ anf
Walchem erz&hlt Alkuin^ daüs bei ibm „siaiuto tempore onmis CiMgregabaiur
pofndas, iUud eoUns summa veneratione'^ , vgL oben S. 183 Note 2.
1) Grimm HythoL p. 1021 fa&t die S^e der Cap. anders auf: „nieht
Zauberei, Bondem Tödtung Termeinter Zauberer nennt das aufgeklärte Geaets
etwas Teuflisches und Ueidnisehes.^
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Bei den Xlteren germamsdien Völkern war, wie Jaeob Orimm
Mythologie p. 997 and 1048 geseigt hat^ der Glaube verbreitet, ätJk
Menschen in Thiergeetalt auftreten; dab namentlich Zauberer die Ge-
stalt eines Wolfes, des Thieres des Wodan, annehmen, und auch an«
dere Menschen in Wölfe verwandelt werden konnten, die dann als
solche herumstreiften. Noch die späteren deutschen Sagen und
VolksmSrchen wissen viel von soldien Wer*wOifen zu ersShlen,
wie sie Heerden zerfleischen, nach Blut gierig sind, Mädchen und
Kinder rauben. Dier Vorstellungen von WerwOlfen und Hexen gingen
in einander über; Orimm hebt hervor, wie schon Bonifaoius erwithnt:
„strigas et fictos lupos cr«iidernnt^<. DieLexBalica tit64 setst
das Vorhandensein von Strigae (Hexen) als Thatsadie voraus; sie
bestimmt eine Bnfse von 72 Vt Bolidis, die sahlen soll, wer einen
schilt an einer Zusammenkunft der Hexen Theil genommen ra
haben, ohne es beweisen zu kOnnen; von dreimal 72% Solidis,
wenn Jemand eine freie Frau eine Hexe schilt, und ihr dar nicht
beweisen kann; von 200 Solidis (d.i. einem Wergeide), wenn
eine Hexe einen Menschen verschlungen hat, und ihr
das bewiesen wird ^). Der Langobardische KOnig Rothari dagegen
erklärt in seinem Bdict c. 379, cla/s ein Ckrut es mchi/ur möglich
halten könne, dafs eine Frau einen lebendigen Menschen verschlinge,
und da(8 wenn Jemand eine Aldia (eine nicht Vollfreie) oder ün*
freie tOdtet, weil er sie für eine Hexe erklärt, die fremde Ge*
stalten annimmt, für sie ein Wergeid iind anfserdem noch 60 8o-
lidi als Strafe zahlen solle*).
Lex SaL 64: 1. „8i qnis altemm Qherelnft>giii]ii cUnukTerit, hoe est
Btrio - portium aat illum qui enenm portore dicitor ubi Striae coqnmaniy H
tum poiuerit cuiprobare, 2500 denar. culpabilis judicetur. 2. 8i qnis mnlie-
rem ingenuam atriam damarerit, ei non patuerit adprobare, in triplnm
2600 denar. onlpabUis judioetur. 3. Si Stria hominem eomedertt, et
ei fnerit adprobatam, denar. 8000 eulpabilis judioetur^. VgL Grimm
Bechtsalterth. p. 645 und Mytb. p. 998 Aber den Titel der Lex SaL» nnd im
AUgemeinen Wilda Strafir. p. 964.
*) Ed. fiothar. e. 379 : r,NuUue praeiamat aUUam aiienam sut anMlIam
qiutii strigam, quam mdgu$ dieU, aut tneäcam oeeidere, qnod obriatianis
mentibus nullatenus est credendam» neo possibile est^ut mu-
Her bominem vivam intrinsecus possit eemedere. Si qoia dsia-
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Wie die aberglinbisdie Hexenftarcht bewog, Penonen eq
tSdten, die für Hexen galten, so yeranlabte sie auch Einzelne,
Ton ihrem Fleiflcfa zn ezsen, offenbar indem sie darin ein Mittel
g^gen deren Zanber nnd Maeht sahen, fthnlieh wie nach späterem
dentsehem Aberglauben Heilung des Aassatzes dorch das Blut
nnaehnldiger Kinder nnd reiner Jungfrauen, der Epilepsie durch
das Blut Hingerichteter erfolgen sollte, s. Grimm Mythol. p. 1125.
Aneh dies Essen vom Fleisch von Hexen bedrohte König Karl
mit der Todesstrafe, weil es den heidnischen Glauben der Essen-
den und ihr offenes Heidenthum bewies; auf blofsen crassen Aber-
glauben setzte er in den Capitulis nicht die Todesstrafe, sondern
Geldbuben*).
d) Endlich bedrohen die Capitula de part. Sax. in Gap. 7 das
Verbrennen eines Todten nach Heidenart mit Todes-
strafe, da sich diejenigen, die ihre Leichen verbrannten, offen als
Heiden docnmentirten. Die Worte sind: „8i quis corpus de-
functi hominis secundum ritum paganorum flamma
consumi fecerit, et ossa ejus ad cinerem redierit, capite
punietur^'.
Die mit grofsem Eifer gepflogenen neueren Untersuchungen
ttber den Inhalt der zahllosen uralten Gräber, die in allen von
Germanen bewohnten Gegenden gefunden werden, scheinen es
festgestellt zu haben, dafii bei den heidnischen Germanen gleich-
zeitig Verbrennen und begraben der Leichen vorkam*), n^^äh-
rend in den letzten heidnischen Zeiten der Sttden und Westen von
Deutschland die Beerdigung unverbrannter Todter, der Norden
oeps Ulem üfieiiam ac nefandam rem perpetrare praesumpserit, bi aldiam
oedderit, oomponat ete.*"
1) YgLOap. e.21 und zu der Stelle Grimm Mythol p.5p.90.
*) VgL Wein hold Die heidnische Todtenbestattnng in Deutschland
in den Sitsungsheriehten der philosoph. histor. Klasse der Wiener Akademie
der Wissensch. 1868 Bd. 29 p. 117-204 und 1859 Bd. 80 p. 171-226. Jac
Grimm Ueber das Verhrennen der Leichen in den AhhandL der philos. histor«
KL der Berliner Akademie der Wissenseh. a. 1849 p. 192 h< das Begrahen für
das Altere, sieht im Verhrennen einen Fortschritt geistiger Volkshildung, ron
dem man wieder abgewichen sei, als die Menschheit fthig geworden war
noeh allgemeinere Stufen ihrer Veredelung au betreten.
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die Verbrennung berorzngte^S vgl. Weidhold a.a.O. 80 p.l72 a.210.
Däfs im heidnischen Sachsen die Leichen verbrannt vnrden, beseogt
ein Brief des Bonifacins an den König Aethelbald von Mercien am
den Jahren 744 bis 747; indem er sdiildert^ wie hart die SaehsMi
Ehebrecherinnen straften, bemerkt er: ^^aliquando cognnt eam
propria manu per laqaeum suspensam vitam finire, et super
bustum illius incensae et concrematae comiptorem saspen-
dunt'<. Jaff% Biblioth. 3 p. 172. Ausführlich beschreibt den Todton-
brand bei Sachsen und Friesen das angelsächsische Heldengedicht
Beovulf').
Mit dem Christenthum trat das Begraben der Todten anf
den Kirchhöfen in geweihter Erde ein, da der Glaube der Christen
an die Auferstehung des Fleisches dem Verbrennen der Todten
entgegenstand*); gleichzeitig, indem König Karl in Sachsen durch
Gap. 7 der Capitula de partibus Saxoniae das Verbrennen der
Todten mit der Todesstrafe belegt, verordnet er im Cap. 22:
„Jubemus ut eorpora Ohristianorum Saxanorum ad
cimiteria ecclesiae deferantur et non ad tnmulus pa-
ganorum'^ Die Volksrechte der Balischen und ripuarischen
Franken, der Alamannen, Baiem und Langobarden kennen nur
das Begraben der Leichen, wie ihre Vorschriften über Leichen«
raub zeigen ^). In Thüringen war nach einer Stelle der Vita
S. Amulfi noch in der ersten Hftlfte des 7ten Jahrhunderts das Ver-
brennen der Todten unvergessen*). Der .skandinavische Norden
1) Die Stellen des BeoTulf ezeerpirt und erläntert Grimm Ueber Yerbr.
der Leichen p. 230.
*) Scholion 140 in Adam ron Bremen: ^de sepuliora pftganornm,
guanguam nan eredant resurreetionem camis more tunen utiqnorum Bo*
manomm busta et exeqnias eorum' omni veneratione colunt.**
*) Der älteste Text der Lex Sal. 56, 1 : ^«i guis corpus oecUi hominis
antequam in terra mittatur in fbrtum expoliarerit, 2500 denar. culpabilis
jndicetur", und ein späterer Zusatz : y,Bi quiB tumuktm stfper hominem mor-
iuum expoliaverit, eto.^ Merkel Not. 143 p. 70. Lex Rip. 54, 1. 2. L. AUm. 50.
L. Baj. XIX, 1 u. 6. Ed. Bothar. 15.
*) Die Tita Amulfi epise. Mettens. e. 12 en&Ut, dafe als Arnulf mit dem
König Dagobert (also nach 622) Thüringen durchzog (^eom patria« Torrn»
gorum cum eodem rege invisendas intrasset**), ein diesem nahestehend«
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adureibt dem OSiiiy der allgemein als Gesetqieber gedacht wird,
die Einfiilumng de« Leichenbrandes au; in DftnMnark soll nach
Snorri Stnrluson in der Vorrede aar Ingüngaaaga mit König Danr
das Httgelalter (hanga-51d) begonnen haben, während sich in
Schweden und Norw^en das Brandzeitalter (bmna-öld) länger
behauptete^). In Norwegen scheint seit dem 9ten Jahrhundert Ver-
brennen und Begraben neben einander ttblich gewesen; in Island,
das erst im 9ten Jahrhundert von Norwegen aus mit Germanen be-
völkert wurde, nur ausnahmsweise das Verbrennen von Todten
vorgekommen zu sein*); dagegen finden sich in Schweden seltener
Hügel mit unverbrannten Leichen'), Handschriften des Westgotha-
lag verteichnen 19 LagmSnner, die das Land bis ins 13te Jahrhun-
dert gehabt habe, und bemerken: „der erste war Lumbar, und
von ihm sind die Westgothischen Gesetze Lumbsgesetze genannt,
denn es heifst, er habe einen grofsen Theil unserer Gesetze ge-
funden und verfaCst Er war gebürtig aus Wanger, und da liegt
er in einem Hügel, eknn er war ein Heide, Der zweite Lagmann war
Biom Kialki, er war von Methalby, da wurde er beerdigt in einem
Hügel, denn er vsar der ekrieüichen Lehre unkundig.^^*)
Christen begrub man anfänglich, statt in den Heidenhttgeln
(oder „tnmulis paganorum^^), in den Kirchen; bereits im Jahre 578
Knabe Oddilo tödtlich erkrankte: ^rege antem quantocius ex eadem pro-
perante vüla^ nihil aliud angustianti consiüi aderat, nisi langaentis capite
ampntato, more gentiliam oadaver ignibus comburendum tra-
deretnr.*' Mabillon Acta Sanct.Bened. saeeuL II. p. 152. Der Bischof heilte
den Knaben.
1) Vgl. Grimm Ueber das Verbrennen p. 233 und Wein hold Altnord.
Leben p. 487.
*) Vgl. Grimm a. a. O. p. 238, der Beispiele ftr das Begraben heid-
niseher Isl&nder aus dem lO.Jahrh. ensammenstellt.
s) VgL Weinhold Altnord. Leben p. 488.
*) Westgöta- lagen utg. af Schlüter. 1827. p.295: ^Fyrsti war Lnm-
baer, oo af hanum aeru Lums-lagh callaed, fore py at han sighs havae
hnxaet oc gört en mykin loth af laghum warum; han war födaer i Wangum,
oc paer liggaer han i enom coUae, fore py at hau war hedpen. Annar war
Biom KiaUu, han war af Maedpalby, paer war han jordpaedpaer i enom collae»
fore py hanum war eygh kunugh haeiaegh crisnae«^
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hatte die Eirchenvereammlang so Auxerre dies untonagt^), imd
Kaiser Karl bestimmte im Capitnlar von 809 Gap. 14 y|iit nuliiiB
presbyter deinceps in ecclesia mortnnm sepeliat^^ Perts Leg. 1
p.l61 ; doch beschränkte er im Jahre 813 auf Veranlassang der Be-
schlüsse einer Reichss3mode zn Aachen^) dies Verbot, indem er
festsetzte: y,nt mortui in eodesia non sepeiiantar, nisi epiacopi
aat abbates vel fideles presbyteri '<. Pertz 1 p. 190 eap.20. Für
Sachsen verordnet er in der angeführte Stelle der Gapitnla de
part. Sax. ausdrücklich , dafs die Körper der Verstorbenen i^ad
cimiteria ecclesiae deferantur, et non ad tamalns
paganorum^'; dafs die Kirchhöfe (die atria ecclesiae) denselben
Frieden genosseui wie die Kirchen, wurde oben 8. 199 erörtert
So führen denn alle diese Bestimmungen der Capitula de
partibus Sazoniae auf die Zeit zurück, in welcher das heidnisehe
Sachsen erst eben von König Karl unterworfen worden war, wo
er das noch zum Theil heidnische Land, dessen Bewohner Unter*
werfung und Uebertritt zum Christenthum gelobt hatten, mit Ge-
walt zu einem christlichen fränkischen Reichslande machen wollte.
Dies Verhältnifs bestand im Jahre 775, König Karl hatte damals
Sachsen bis zur Ocker unterworfen, und es können die Capi-
tula de partibus Sazoniae nach ihrem Inhalte im
Jahre 775 erlassen sein; vielleicht spricht aber Man-
ches dafür, dafs sie es erst im Jahre 777 sind. Im Som-
mer 775 hatte der König Sachsen bis zur Ocker unterworfen, war
bald nach Neujahr 776 nach Italien gezogen, und hatte im Herbst
die Sachsen durch schnelle Rückkehr zu neuer Unterwerfung ge-
zwungen, indem er eine in seiner Abwesenheit versuchte Erhebung
unterdrückte, während der es der fränkischen Besatzung gelungen
war, sich in der Sigiburg zu behaupten. Die sämmtlichen frän-
kischen Annalen verzeichnen beim Jahre 776 übereinstimmend
die Unterwerfung und Bekehrung Sachsens, vgl. oben S. 133, und
enthalten, indem sie über die erste in Sachsen im Frühjahr 777
>) Vgl. Bettberg Deutsch]. EirchengeBcK 2 p. 790.
*) Die Concordia epiacoponim Ton 813 cap. 24: „de sepeliendis in ee-
elesia mortuis, aicut in Arektensi conTontii statntam est, obBenrandum de-
ereTimoB^ Pertz Leg. 2 p; 563.
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TOD K5iiig Karl berafene ReichB^enammlnog beriphteii) speeiellere
Asgaben über Yerhandlangeiiy die mit den Sacheen gepflogen wor-
den Bein^ als bei irgend einer früheren Gelegenheit Einhard sagt
in der oben'S. 134 abgedmekten 8teUe ,|totani gentis senainm
ac popalnmiqnem ad se venire jusserat, sibi.devotnm
invenit'^; nnd ^^nam enneti ad enm venemni praeter Widiehin-
dorn • . .; qni venerant in tantnm se regia poteatati permisere, nt
ea eonditione yeniam aecipere mererentar, ai nlterins sna
statuta violarent) et patria et libertate priyarentnr'^;
nnd die Fnldaer Annalen geben an, dab die Sachsen feierlich
anerkannt hätten, dab sie für den Fall eines abermaligen Tren-
bmehsnnd eines neuen Verlassens des Christenthams, ihrer „in-
gennitaa et ^omnis proprietas'' verlastig würden. Die hier von
Einhard erwähnten ,,8tatata regis^^, durch deren Verletzung
die Sachsen erklären, dab ihre Freiheit und ihr Eigen verwirkt
sein solle, können möglicher Weise auf die vom König im Allge-
meinen von ihnen verlangte Treue und Annahme des Christen-
thums .bezogen werden, näher aber liegt es, dabei an specielle
Satzungen zu denken, die er über die Unterwerfung der Sachsen
und ihre Annahme des Ghristenthnms aufgestellt hatte, und somit
die „Statuta regis^< in den Capitnlis de partibus Saxoniae, die eben
diese Punkte behandeln, zu finden. In den Capitnlis de partibus
Saxoniae sagt das Gapitel 1 „de majoribus capitnlis hoc plaeuU
ommbus^^y und das Gapitel 15 „de minoribus capitnlis eonsenserwU
omnsä^*] nach diesen Worten scheint das Qesetz auf einer Reichs-
Versammlung berathen zu sein; ob unter denen, die zu ihm ihren
Gonsens erteilten, auch Sachsen sich befanden, ist nicht gesagt,
doch vielleicht zu vermuthen*), und da König Karl zu Neujahr
776, nachdem er 775 Sachsen unterworfen hat^e, nach Italien
gezogen war, im Sommer von dort zurückkehrend zu Worms einen
schleunigen Einfall in das wiederaufgestandene Sachsen beschlob,
so würde sich keine frühere Reichsversammlnng für die Berathung
der Capitula darbieten, als die zu Paderborn im Frühjahr 777.
<) Nicht imangeffthrt will ieh lassen, dals das Gapitolare Saxonidun
Ton 797 anlBerbalb Sachsens su Aachen yerblst ist.
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Pertz LegeB 1 p. 48 sieht es als feststehend an, dafii da«
Qeseta auf einem Reichstage in Sachsen erlassen sei, und erklMrt
sich) indem er hiervon ausgeht» ohne andere Jahre weiter in Erwä-
gung zn sieben, gegen eine Abfassung desselben in den Jahren 777,
780 und 762, wo Beichsyersammlnngen in Sachsen zu Paderborn,
SU Lippspringe und abermals zu Lippspringe gehalten worden,
und für Berathnng auf der Paderborner Versammlung im Jahre
785. Ein besonderes Gewicht legt er dabei auf die blutige Strenge
der Capitula de partibus Saxoniae, die er als leges sangoineaa
beaeiohnet; es bezieht sich dies auf die in den GapitnUs Gap. 3
bis 13 angedrohten Todesstrafen, und da nach diesen Todesstrafen
die Capitula de partibus Sazoniae vielfach beurtheilt worden sind,
indem man sie als von El^nig Karl in Sachsen neu eingeführt an-
sah, und sich ihn als durch den Aufstand von 782 dazu bewogen
dachte, ist es erforderlich, die Todesstrafen des sSchsischen Bechls
hier noch speciell ins Auge zu fassen.
§• 16. Die Todesstrafen des s&ehsiseheu Rechts. •
Die Capitula de partibus Sazoniae und die Lex Saxonum ver-
zeichnen eine grofse Anzahl von Todesstrafen. Aeltere Germanisten
setzten voraus, sie seien von Karl dem Grofsen in Sachsen eingeführt ;
noch im Jahre 1834 in der 4ten AuBg:abe seiner deutschen Staats« und
Rechtsgeschichte 1 p.621 §.146 vertrat Eichhorn diese Ansieht,
sie theilte auch Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen
1837 p. 124 folg.^). In der 5ten Ausgabe (deren Vorrede vom
20. September 1842 datkt ist) änderte Eichhorn 1 p.572 seine
Auffassung: „die von Karl dem Grofsen festgesetzten peinlichen
^) Nach Selb er tz Bechtegeschicbie Ton Westfalen 1860. 1 p. 194:
„lassen die blatten Bestunmungen der Capitula de pari. Saz. den Zweck,
Schrecken einznflöfsen, nicht verkennen; das Gesetis zeichnet sich dadurch
aus, dals es bei den Ton ihm als schwere Verbrechen bezeichneten Verge-
hangen, statt der altdeutschen Compositionen durch Wergeid, nur Todes-
strafe kennt^; und: „In dem Capitulare Saxonicum ron 797 ging Karl Ton
diesen strengen Ausnahmegesetsen, die ihren Zweck entweder gana oder
auch gar nicht erreicht hatten, au den alten Compositionen sorftok.^
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Strafen entiiaHen dem alten BSehsiBefaen (Gewohnheitsrecht ange-
Mrendes, aber durch MnkiBche Oesetsgebmig ermftfsigie« Straf-
Teoht'^ nnd p. 574: „nach dem Gapitalare Saxonicnm von 797
Cap. 10 ist ee gewifB, dafs auch das alte BXohsische Recht, die
Ewa SaxonoiDy peinliche Strafen, namentlich die Todesstrafe,
• kannte, und es Mit anf, dab nach der damaligen Vereinbamng
mit den Sachsen in allen Fällen, wo die letstere hätte eintreten
sollen, dem König ein Begnadigangsrecht (in die Form einer
Yerraittehing eingekleidet) vorbehalten worde'^ ^ Unabhängig
von Eichhorn suchte Wilda, Das Strafrecht der Germanen 1842
p. 99 bis 102 nnd p. 496, den selben Gedanken an begründen^); er
legt dabei, wie Eichhorn, das gröfiite Gewicht anf das Begnadi-
gungsrecht, welches sich K5nig Karl im Jahre 797 im Capitnlare
Saxonicnm Cap. 10 vorbehalten hat, macht aber besonders noch
geltend, daft es Überhaupt nicht in des KlJnigs Gesetegebnngs-
tendens gelegen habe, die Todesstrafe anzuwenden. Sehr beadk-
tenswerth scheint mir, wenn Wildä dabei au&erdem hervorhebt^
dafo die Lex Frisionum in Fällen eine L^sang des Lebens fttr
Geld gestattet, wo die Lex Saxonum die Todesstrafe vollaiehen
Utfst, und p. 104 bemerkt: „die erhöhten Bufsen und Friedens«
gelder halte ich fttr ein Aequivalent, welches Karl der Groise
jenen Völkern gab, bei welchen Friedlosigkeit und Todesstrafe
noch vorherrschend waren <'. — Waita Deutsche Verfassungs*
geschichte 3 (1860) p. 115 und 146 meint, mit Berufung auf
Eichhorn und Wilda, „dais vielleicht bei den Sachsen strragere
Strafen, namentlich Lebensstrafen, in Gebrauch gewesen wären,
als bei anderen deutschen Stämmen/'*)
1) Wilda Strafr. p. 100 ftthri an, dals bereits Hildebrand, De re-
temm Saxonum repabliea. Vratislaviae 1886 p. 26, bemerke, wie man nicht
mit Sicherheit einen fr&nkischen Urapmng der Todesstrafen der Lex Sax.
flLr Diebstahl nnd Brandstiftung annehmen könne, da hier das Interesse
des frftnkisehen Herrschers weniger in Betracht gekommen sei. Die Disser-
tation Hildebrands ist mir nicht sngftngUch.
s) Eine unrichtige Behauptung ron Kßstlin, Kritische Ueberschau S
p. 173, ist es, dafs darin kein Qegensats der älteren deutschen Volksreehte
Uege, wenn in manchen die Todesstrafe ftLr gewisse Yerbrechen und na-
mentlich ftkr Diebstahl bestimmt sei, wahrend andere hohe Bulsen daAkr
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Eis eDtaehddendes Oewieht dafttr, dafs die Todeflstrafen der
Gapitala de partibnB Saxoniae und der Lex Saxonum groIsentiieilB
nicht ^Bt von König Karl in Sachsen eingeführt sind, rnnb idt
darauf legen, dafis die Todesstrafe bereits in vorkarolingischtf
Zeit als bei den Sachsen bestehend beseugt wird, nnd dafs diea
in mehreren Fällen geschieht, wo die karolingischen Oesetae sie
kennen.
Ich führe zuerst die Zeugnisse für jene Thatsache an, nnd
gehe dann die einzelnen Verbrechen durch, fttr weiche die karo-
lingischen Gesetze die Todesstrafe verhängen.
Nr. 1. Den Mord bestraften die heidnischen Sachsen mit
Todesstrafe. Beda Historia ecclesiastioa V cap. 11 erzählt, wie ein
Bäehsischer „Satrapa^' (d. i. ein GauTorsteher) die Mörder der
beiden Ewalde tödten nnd ihren „Vicus^^ (d. i. ihr Dorf) yer-
brennen lieb. Das Ereignifs wird auf den 3. October 695 gesetzt,
und erfolgte nach Beda in der Nähe des Rheins, in den die Mör-
der die Leichname der Ermordeten warfen: „Qui (die beiden
Ewalde) venientes in proviifciam intraverunt hospitium cujnsdam
yillici, petivernntque ab eo, ut transmitterentur ad satrapam, qai
super eos erat, eo quod haberent aliqnid legationis et causae nti-
litatis, quod deberent ad illum perferre . . . Suscepit eos viUicnB,
et promittens sc mittere eos ad satrapam, qui super se erat, ali-
quot diebus secum retinuit Qui cum cogniti essent a barbariSy
quod essent alterius religionis, . . . suspecti sunt habiti etc. Itaque
rapuerunt eos subito, et interemerunt aibum quidem Hewaldwn
anBetsten; es sei dies nur eine yeracbiedene Ausdraoksweifley in jenen sei die
Todesstrafe direct ausgesprochen, in diesen unter den aulserordentlicli ge-
steigerten BuTss&tzen verborgen. Abgesehen davon, dafs die Capitula de
part. Saz. und die Lex Saxonum sehr bestimmt zeigen, dafs es sieh in ihnen
um wirUich sn vollziehende Todesstrafen handelt, namentlich, indem dem
König ausdrftcUich gestattet wird, die Yollsiehung der Todesstrafen sn hin-
dern, h&Uen auch die Wergelder, die nach KösÜins Meinung f&r die der
Todesstrafe Verfiidlenen sn zahlen gewesen waren, weit höhere Summen be-
tragen, als die anderwärts ftLr derartige F&Ue vorkommenden gesteigerten
Bniaen; x. B. ergiebt die Verdreifachung der bei gemeinem Diebstahl gel-
tenden Bube fdor einen erschwerten Diebstahl eän unbedeutendes Stra%eld
im Vergleich mit der Zahlung eines voUen Wergeides.
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««feei oeciaiane gloM, nigMm autem longo tuppUciomm eruekOu
«t hfHTenda membrornm omninm disoerptkme: qnos interemptos
inBiieniiiD projeeenmt. Quod cum satrapa iile, quem videre
voMata, aadiisBet, iratas est Taide, quod ad ae vmUre vo^
imies peregrM non permiMm'mtur^)'^ et mittens oooidit yiea-
aoB illoB omneSy victfmqae incendio consumpBit^^*). —
G^gen die Olanbwttrdigkeit dieser EnfthloDg erhebt Rettberg in
BeinerKirclieBgesehichteDeiitBchlandB. 1848. 2 p.397| Bedenken. Eb
ist ihm unbedingt einBarSamen, dafe Sagenhaftes in sie dnge*
miBcht ist; aaeh mag es fragtich sein, ob wirklich virn den
Sachsen in d^ ersShlten Weise am Rhein, den wir sonst in jenen
Gegenden seinem Ufer entlang als irSnkisch kennen , der Mord
▼erttbt sein kann, den spKtere Angaben in die Nähe TOn Dort-
mund vorigen; dagegen sehe ich keinen genügenden Grund zu
irgend welchen Bedenken gegen die von Beda berichtete Bestra-
fcng der Mörder der Ewalde durch den sUchsischen GauTOrsteher
(yySatrapa^').') Die staatlichen Verhältnisse der deutsehen Sachsen
1) YgL wie Hucbald in der Vita Lebuini erzählt, dafs, als Liafwin ia
Marklo den Sachsen das Christenthum gepredigt babe und die Versammelten
ihn wegen seiner Rede h&tten tOdten wollen, ein Sachse Buto ihn dadurch
gerettet habe, dala er geltend gemacht hatte, LiafWin sei ein Gesandte
seines Cbttea, und Gesandten nehme man friedlidi auf und schone sie:
jtFrequerUer tid nos quarundctm gentium, Normannorum, Sciayorum et Fri-
sonum ve/Mrunt legati, quos more solito cum pace suscepimus,
verha legcUionis diligenter tractavimua, et honorißce auetos munerihus ad
jrropria remisimus. Et ecce nunc legatus summi Bei, deferens nobis man*
dalA Titae ac nostme salutis, non solum spretus et contemptns est a nobis,
sed etiam insectatns est injurüs, ac pene subüt diserimen mortis.^ Perta
Scr. 2 p. 363.
>) Ueber das Niederbrennen der Häuser als Strafe in Sachsen, vgl.
unten Kr, 15.
*) Beda stellt das Ver&hren des GauTorstehers in keiner Weise dar,
als «ne von ihm verübte willkflrliehe Gewalthandlung; und ich mnis Sjbel
entgegentreten, wenn er, Entstehung des deutschen KOnigthums. 1844 p. 59,
bemerkt: »Von einem Frieden, der an die Person und das Amt des Fürsten
geknüpft wäre, seigt sich keine Meldung in der frühesten Zeit, es wäre
denn, dafs man Vorgänge, wie sie Beda V, 11 berichtet, hierhin sieben wollte,
wo ein Häuptling eine Dorfischaft ausrottet [?], weil ihre Bewohner die
Geistlichen getödtet, obgleich sie auf dem Wege zu dem Fürsten [?] be-
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konnten dem Beda, der in den vieUaehsten Besiehnngea sn Urnen
stand, nicht anbekannt sein, und wir sind in keiner Weite be-
rechtigt anzunehmen, dafs seiner BrEählnag in dieser Hinsicht
yMig nnriehtige Vorsteliangen an Omnde liegen. Wenn Kettbeiier
2 p. 396 bemerkt: „welcher säehsisohe Besirksvorstefaer hStte
wohl bei der freien Oemeindeverfassong wagen dttrfen, snr Strafe
eines ihm vereitelten Besuches mit Hinrichtung und Anzfinden des
Dorfes einzuschreiten '<, und Überhaupt meint „die Angaben Bedm's
stimmten nicht zu der Übrigen durchaus demokratischen Verfas-
sung der Sachsen'', so setzt er die vielfach von Nennen ^) ge*
hegten Vorstellungen Über altsKchsische demokratische Voiksfrei-
heit als erwiesen voraus, während die darüber uns eiiialteneii
Nachrichten mit ihnen völlig unvereinbar sind.
Nr..2. Für Ehebruch und Verführung galt Todesstrafe.
Der heilige Bonifa(»us erwlUint in einem Briefe an König Aethel-
bald von Mercien aus den Jahren 744 bis 747, dafs die Altsachaes
den £hebreeher oder Verführer erhSngen; die Ehebrecherin oder
entehrte Jungfrau aber von Dorf zu Dorf mit Oeifsehi verfolgen
und zuletzt tödten, oder aber nöthigen sich zu erhängen, worauf
sie dann ihren Leichnam verbrennen: y,Ipsi pagani Deum igno-
rantes, proprüs uxoribus matrünonii foedera servantes, fornioa-
tores et adulteros puniunt; nara in antiqua Saxonia, si
virgo paternam domum cum adulterio maculaverit, vel
si mulier maritata perdito foedere matrimonii adulterium
perpetraverit, aliquando cognnt eam propria manu per la-
qnenm suspensam vitam finire, et super bustum ülius incensae
et concrematae corruptorem ejus suspendunt; aliquando,
congregato exercitu femineo, flagellatam eam mulieres per
pagos clrcumquaque ducunt, virgis cedentes et vestimenta
ejus abscindentes juxta cingulum; et oultellis suis totpm corpus
ejus secantes et pungentes, minutis vulneribus cruentatam et iace-
griffen waren. Aber hier liefft die Armahme einee blo/e ffewaiUamen Atim
ebenso nahe wie eines rechtlieh geheiligten, und noch viel näher bei der
mafftlosen Barbarei des Verfahreni.'^
>) Vgl B. B. GaupV Becht und Verfasfimg der alten Sacbaen 1887. p.32
und 37.
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de vilUi ad vUbun mütiiat, mqiie ad eam avt moiioam ast
viTam derelioqniiiit^^ Jaff6 BibL 3 p^ 172.
Nr. 8. Fttr Pferdediebstahl galt Todesstrafe. Die bald
nauk 864 Yerfa&te Vita Becmida 8. Liudgeri I cap. 26 giebt aa,
wie die Umwohner yo» emem steinemen Kreuz bei Budden«
feid onfern Driebnrg ersählten, dafe ea errichtet sei, weil
dort der heilige Ldndger einen gewissen Bnddo ins Leben enrttck-
gemfen habe, -der wegen Diebstahl von Pferden des
Sachsenherzog Widnkind zum Tode Terurtheilt, ge-
pfählt und gesteinigt worden war. „Ferebant veracissimi
▼in de diseipulis Lindgeri, qnia quodam tempore, dum ad comi«
tatom pergens per proTinciales qui Hassi dicuntur (d. i. durch
das aSehsische Hessengan) iter ageret, j)er orationes ejus homo
mortnns revizeriti qui scilteet propter furtum caballorum
Widnkindiy dacis Saxonum, huio morti adjudicatus est.
Dt in eampo ad stipitem ligatns jaetatis^in euip sudibus
aentis et lapidibus neearetur^). Quod dum faetum esset,
eorpns exanime in campo relictum est; veniens autem Liudgerus
secus locum, et comperto quod christianus fuerit, mittens ad Wi-
dukindum impetravit corpus hnmari. Dehinc . . . convaluit. Stat
adhue in eo loco lapidea crux, in monumentum mira-
euli hnjuB ab incolis erecta, et ex nomine ejasdem yiri, qui
Bnddo Yocatus est, campus ille Bnddenfeld nsque hodie nominatur^^
Perti Script 2 p. 419.
Hr. 4. Einen Mann, der eine Frau Yon höherem
Geburtsstande heirathete, traf die Todesstrafe; und zwar
namentlich einen Freien, der eine Ehe einging mit einer Bdelen,
einen Libertns (d. i. Liten), der es mit einer Freien, einen Serrus,
der es mit einer Liberta (d.i. Litin) that. — Die im Jahre 863
Ton Raodolf von Fulda verfafste Translatio Sancti Alexandri be-
riehtet in Gap. 1: ,,Erant Saxones .. generis ac nobilitatis suae
providissimam cnram habentes, neo facile ullis aliarnm gentium
vel sibi inferiorum connubiis infeoti, propriam et sinceram, et
tantum sui simiiem gentem faoere conati sunt. Unde habitus quo-
que ac magnitudo corpornm comarumque color, tanquam in tanto
') lieber diese Hinriehtungsart, TgL Grimm Bechtsalterth. p« 691.
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hominnm nnmero idem peae omnibiu. Qnatnor igilnr di fferomiii B
geoB Saxonam consistity nobiiinm scilicet et liberonun^ Ubertoium mfc-
qne servonim; et id legibus firmatam , ut nalla pars in oopn-
landis conjagiis propriae sortis terminos transfermt,
sed nobilis nobilem ducat axorem, et über iiberam,
libertas eonjungatur libertae, et servns aneillae; Bi
▼ero qnispiam hornm sibi non eongmentem et genere
praestantiorem dnxerit axorenii cum vitae Ba»e
damno eomponat.^ Pertz Ser. 2 p. 675.
Die Stelle ist wärtlich aufgenommen von Adam ▼<« Bremen
in seine nm's Jahr 1076 yerfafsten Oesta Hammabnrgensis ecdeeiae
pontificam Lib. I eap. 6; er wiederholt anch die Angabe | d&fii
bei den Saehsen die Todesstrafe auf die Ehe eines Mannes mit
#
einer höher geborenen Frau gestanden habe mit den Worten Bmlo-
dolfs, und gewährt ihr dadurch eine gewichtige Bestätigung; sie mit
Neueren als unrichtig zu verwerfen oder duroh künstliche Inter-
pretation BU beschränken; sehe ich keine Berechtigung. Eich-
horn Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte §. 146 Bd.I p.675
meinte, es sei „vielleicht die ganze Erzählung Rudolfe von dem
Verbot ungleicher Ehen ein MifsverständnifS; da die Gapitnla de
partibus Saxoniae nur von Entführung und die Lex Saxonum nur
von Entehrung spreche*'. Schau mann Geschichte des Nieder-
sächsischen Volks. 1639 p. 105 „wollte Out und Leben verwetten*,
dafs Rudolf von Fulda bei den Worten cum vitae suae damno
eomponat nie an eine Todesstrafe gedacht habe, sie bedeuteten
nur, „dafe der von höherem Oebnrtsstande durch die Ehe eine
Capitis diminutio erleide, und fttr seine Person keinen Anspruch
mehr auf vormaligen Stand und Freiheit machen kdnne^. Sybel,
Entstehung des deutschen Königthnms. 1844 p. 94, zeigte die ün*
riohtigkeit dieser Schaumannschen Interpretation, und erklärte:
^Rudolf will wirklich die Meldung überliefern: die Sachsen setzai
Todesstrafe darauf, wenn irgend wer aus einem der drei niederen
Stände in einen höheren hinein heirathet"; er meint aber dann: «dieser
Glaube Rudolfs beruhte indessen aufeinemirrthum, wie mir Wilda^}
*) Vgl. Wilda Recension von Savigny's Abh. über den Adel, in achter
Krit. Jahrb. der deutodien Sebhtsw. 1837. H. 4.
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mit grOMem Reeht m behaupten selieint Alle GrQiide sprechen
dalttr, dafii bei den Saehsen, wie bei den übrigen Deutschen, nicht
die Ehe swischea Edelen und Freien, sondern iwischen diesen
und den Unfreien verboten war. Selbst der Zusammenhang der
BudolÜBchen Erslhlong ftthrt darauf, wenn man die fremden, aus
Tacitus Germania eap. 4 eingeschobenen Bestandtheile derselben,
wegdenkt. Der Bericht yerlSaft dann: die Sachsen besiegten die
Thüringer und machten sie in Lassen, so dafa jetst vier Stände
im Volke sind. Von jeher besorgt, die Reinheit ihres Blutes vor
jeder Vermischung mit fremden Völkern su bewahren . ., geb)an
sie (so sollte der Nachsatz lauten) das Gesetz, kein Lasse, d.h.
kein Thttringer, dürfe eine Freie heirathen, bei Todesstrafe. Der
Fehler bei Rudolf entspringt also daher, dafs er über seinem
Taeiteisohen Excurs den nationalen Gegensata als Grund der Ver-
ordnung vergifst, und diese darauf verallgemeinert K.Maurer
Ueber das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme. 1846
p. 121, glaubte die Angabe RudolÜB einschränkend interpretiren an
können, „er sah sie in der gegebenen Fassung nirgends im entfern-
testen bestätigt'', „nirgends finde sich bei den deutschen Stämmen
eine kastenartige Absonderung der Stände''; „unbedingt verwerfen"
wollte er sie aber doch nicht, und bemerkt: „die Vergleichung des
Rechts anderer Stämme aeigt, dafs ihr einige Wahrheit au Grunde
liegt; auf die Heirath eines Sklaven mit einer Freien steht näm-
lich ftir ersteren bei mehreren Völkern die Todesstrafe, während sie
für das Weib die Vollsiehung dieser Strafe in die Hände der Ver-
wandten stellen (s. 1. Burg. Bö §. 2, ed. Roth. 222, 1. Wisig. III, 2
§.2, L. Rip. 58,18); sonst ist meistens nur das Herabsinken des
höherstehenden Tbeiies zu dem Stande des geringeren . . bestimmt,
und namentlich ist dies die einzige Strafe für Ehen zwischen Liten
oder Aldien und Freien (ed. Roth. 217, l.Fris. 6) oder zwischen
ersteren und Sklaven (ed. Roth. 218, l.Alam.18,1)." Auch bei die-
sen geringeren Strafen, fährt er fort, habe aber die Entscheidung
mehr oder weniger in der Hand der Familie gelegen, und „darin
scheine die Erklärung der Nachricht Rudolfs zu liegen: nur für
dea Fall einer Heirath zwischen Freien und Unfreien habe der
Staat gestraft, und zwar den unfreien Theil mit dem Tode; be-
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slIgBch des Weibes dagegm sei die Strmfe den Verwsiidtea Vber-
lassen worden, nnd diese hKtten in der Siteren roheren Zeit wohl
meist mit dem Tode gestraft*^. GOhrnm Oesehiehtliehe DanMluii^
der Lehre von der Ebenbürtigkeit 1846. 1 p. 67 nnd 139, mdote
die Angaben Rndolft dadurch sn entkrSften, dafs er behauptete,
unter Nobiles seien bei ihm nur freie Allodialbesitser slchsiaeheo
Stammes sn verstehen, die sich in die LXndereien der Thfliiogor
getheilt gehabt hätten; einen Adel als Oebnrtsstand habe es da-
mals in Sachsen nicht gegeben.
Derartigen Ansichten gegenttber haben stets andere Oelefarte
der Nachricht Rudolfe Glauben gesch^ikti); j^je Versuche, sie
wegzninterpretiren, scheitern an ihrem einfachen nnd klaren Ann-
druck; Rudolf war der sXchsischen Verhlütnisse in hohem Orade
kundig*), ohne zwingende Veranlassung dürfen wir daher sieht
1) Beispielsweise fUire ich an : P Utt er Von den MUsheirathen; Montag
Sta&tsbUrgerUche Freiheit 1 p. 105; Savigny Zur Beohtsgeedi. des Adela,
in seinen Vermischten Schriften 4 p. 15; Waits Deatsche Verfassung«-
gesch. Bd. 1 (a. 1844) p. 84, Bd. 3 (a. 1860) p.ll5 und Bd. 1 (a. 1865) p.213;
Walter Deutsche Bechtsgesch. 1857. J 395. 2 p. 16 und $ 452 p. 89.
*) Dafs Rudolf (gest. den 8. H&rs 865) der die Fuldaer Annalen toa
839 bis 863 rer&Iste, und die Schrift ftber die UeberfiÜining d«r Beliqtdeii
des heil. Alezander nach Wildeshausen f&r Waltbraht den Enkel Widnkinda
unternahm, die Verhältnisse in Sachsen genau kannte, unterliegt keinem
Zweifel, vgl. auch Wattenbach Geschichtsq. p. 153. 160. GewÜa ist su be-
dauern, dafs er Stellen aus Tacitus wörtlich in seine Darstellung Verwebt;
wenn ich aber die Art erw&ge, wie er dies unter Weglassen einzelner An-
gaben des Tacitus und unter Hinsuftgen eigener thnt, so kann ieh deswegen
nicht den Inhalt jener Stellen verwerfen, muls vielmehr annehmen, dafs
Budolf die von Tacitus über Germanen gebrauchten Worte nur in seine Dar-
stellung der s&chsischen Verhältnisse aufgenommen hat, weil und soweit er
sie als für Sachsen zupassend erachtete; hiervon ausgehend habe ich auch
gemeint, oben auf S. 207 lit. 17 die aus Tacitus Germania eap. 9 entnommmie
Stelle BudoUa über Mensehenopfer, als ein Zeugnifs ftr ihr Vorkominea in
Sachsen anfllhren zu dürfen. Rudolf beginnt seine Schrift mit einer Snftk-
lung der Stammsage der Sachsen über ihre Einwanderung und Unterwerfung
der Thüringer, die wir specieller aus Widukind von Ck>rvei kennen; wendet
sich dann zur Aufz&hlung der Nachbaren der Sachsen, und beginnt hierauf
die Benutzung des Tacitus in den Worten „Generis quoque «0 nobilitatia
■nae providissimam ooram habentes, nee ÜMile nllis aliaram geatnim rel tibi
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aaBehiii«By daft er hier ünriohtigeB meldet Die Ehe dnei Un-
freien mit einer Freien beetrafton in einer frühen Zeit Frankeni
Langobarden, Bargander, Westgotben mit Todesstrafe, and Fran-
ken tbaten es aach bei der Ehe eines Liten and eines Paer regis
nit einer Freien^); später galt in Sachsen eine Ehe swisehen
inferioram connubÜB infecti ete.** (vgL oben S. 223). Die letiten Worte sind
mit Bücksicht auf Tacittts G. c4: „Germaniae populi nuüit aliis aliarum
nationum connubiis infecti" gesclirieben; von Nobiles spricht Tac. in der
Stelle nicht, und was Rudolf Über sie sagt, drückt er mit seinen eigenen
Worten aus, daÜB er in Besug darauf Anderes gesagt h&tte, als er sagen
woUte, oder dabei sich in so phunper Weise su irrigen Angaben h&tte yer-
leiten lassen, wie Eichhorn und 8ybel oben S. 224 vermuthen, dürfen wir
Ton einem so gebildeten Manne, wie Rudolf war, nicht voraussetzen.
^) In Lex SaL Xni, 4 und 5 (iütester Text): „Si puer regis vel
letns ingenuam feminam traxerit, de vita conponat. Si vero in-
genua puella quemcumque de illis suam voluntatem secuta fuerit, suam in-
genmtatem perdat.^ Nach L. Rip. 68, 18 haben, wenn eine „ingenna
Ripuaria servum Ripuarium secuta fuerit'', die „parentes ejus^
die Wahl, den Servus zu t(}dten („servum interficiant^), oder die Frau
in die Unfreiheit zu geben. Die Gapitula Chlodovechi zw. 500 und 511 cap.5,
1 und 2 bestimmen: ^si quis mulier cum servo suo in conjugio
eopulaverit, omnes res suas fisens adquirat, ei iDa aspelHs faciat. Si
quis de parentibus eam occiderit, nullus mortem illius, neo
parentes nee fiscus, nullatenus requiratur; servus ille pessima cru-
datu ponatur, hoc est in rota mittatur.** Ferts Leg. 2 p. 3. Im Edictum
Rotharis c 222: „si servus liberam mulierem aut puellam ausus
fnerit sibi in conjugio sociare, animae suae incurrat perica-
lam; et illam, qnae servo fiierit oonsentiens, habeant parentes po-
iestaiem oeeidendi ant feris provindam transveadendi, et de rebus ipsius
mnlieris fiMiendi quod volnerint Et si parentes ejus infira anni spatium hoo
&eere distulerint, tnnc liceat gastaldio regis, aut actori, aut sculdasio, ipsam
in enrtem regis dncere, et intra pensües ancillas eonstituere", vgL ibid.
wp. 193. 219, Leg. Lintpr. 24 oder lY, 6, und L. Rachis c. 2. Die Lex Bur-
gond. XXXY, 2 und 3: „si ingenna puella voluntarie se servo
• onjnnxerit, utrumque jnbemus occidi. Quodsi parentes puellae
parentem suam punire fortasse noluerint, puella libertate careat et in ser-
vttutem regiam redigatur.*' Die Lex Wisigoth. m, 2 {,2: „si mulier in-
genna servo suo vel proprio liberto se in adulterio commiseue-
rit, aut forsitan eum maritum habere v6luerit, et ez hoc mani-
fteta probatione convincitur, occidatur, ita et adulter et adultera ante
jndicem publice fnstigentur, et ignibus oonorementur^; vgl das. (.8
15*
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228
Freien und Edelen fttr eine angleiche Ehe, deren Kinder der
ärgeren Hand folgten; ist dem aber sO; waram sollten nicht im
vorkarolingiechen Sachsen die herrschenden Edelinge einen FreicD,
der eine edele Frau heirathete, mit dem Tode bedroht haben, wie
sie es in Uebereinstimmnng mit anderen deutschen Stämmen bei
einem Liten oder unfreien thaten, der eine freie Fran heirathete?
Die Gebnrtsstände der Edelinge und Freien waren in Sachsen in
sehr schroffer Weise geschieden, sie standen sich weit entfernter,
als die der Freien und Liten; den absoluten Beweis dafür liefert
die Lex Saxonum, die dem Nobilis ein 6faches Freienwergeld
gewährt (1440 Solidi), dem Liten dagegen nur das halbe eines
Freien (120 Solidi). In Friesland entsprach nach der Lex Fri-
sionum im Wergeid das Verhältnifs des Freien zum Liten dem
sächsischen, es hatte der Lite wie in Sachsen das halbe Wergeid
eines Freien, dagegen war dem Nobilis im Osten und Westen
Frieslands nur das. 2 fache, in der heutigen holländischen Provinn
Leuwarden sogar nur das IV, fache Freienwergeld eingeräumt; in
Sachsen waren also die Nobiles viel weiter Über die Liberi ge-
hoben als in Friesland, während sich Liberi und Liti in beiden
Ländern in einer gleichen Stellung zu einander befanden^). Er-
wäge ich nun außerdem, di^fs nach der Lex Saxonum wenigstens
ein Theil der freien nicht edelen sächsischen Grundbesitier in
einem Abhängigkeitsverhältnifs zu den Nobiles stand, wie wir es
UDd Verordn. des K. Qamba in Lex Wisig. Y, 1 {.7 über Ton Kircken nicht
vollständig Freigelassene, die mit einer freien Frau ein „infaime eoigngumi''
eiDgehen, was keiner wagen soU. Ueber Ehen, die edele oder freie Weiber mit
Liten oder Sklaven im Irrthum über deren Qeburtsstand eingehen, vgL Lex Fris.
VI: ^si libera foomina lito nupserit, nesdens eum Utum esse, et ille postea de
capite suo, eo qnod litus sit, fiierit csdomniatus, si illa jurare poterit, qaod
postquam rescivit eum litum esse, cum eo non coneomberet, ipsa libera per*
maneat, et filii quos procreavit*" ; Capit. a. 757 c 7 : „si Francos homo ae-
oeperit mnlierem, et sperat quod ingenua sit, . . dimittat eam si Tult, et
aocipiat aliam; similiter et femina ingenua.'' Ferts Leg. 1 p. 28; Decret.
Tassil. e. 10: ,,si quis servus mulierem nobilem aoceperit in oo^jugiom, ei
non praescivit .., dimittat servum etc^
1) In Sachsen war das Yerhältnils des Wergeides, wie 1 (beim Liten)
Bu 2 (beim Freien), xu 12 (beim Edeling); in Friesland: wie 1 (beim Liien)
fu 2 (beim Freien), su 3 oder 4 (beim Edeling).
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229
anfserhalb SachsenB nicht kennen, — die Lex Sax. o. 64 spricht
Tom „Liber homo, qai Bub tntela nobilis cnjuBlibet erat^, nnd
giebt dem Nobilis ein Vorkaufsrecht an den Omndstttcken des
Liber der „in exilinm missus est*, vgl. oben S. 106 — , and dafs
die Nobiles als „domini* gegentiber den Freien bezeichnet wer-
den vgl. nnten Kr. 18, so erscheint mir für das yorkarolingische
Sachsen ein absolutes Verbot der Ehe eines Freien mit einer
Edelen, wie es anderwXrts nur bei Ehen Unfreier mit Freien be-
gegnet, nicht in dem Orade als andenkbar, dafs wir bei anserer
geringen Eenntnifs der einschlagenden altsftchsischen Verhältnisse
ein directes Zeagnifs dafHr verwerfen dürften, weil es vereinzelt
dasteht. Die herrschenden edelen Sachsen wollten eben, wie Rudolf
sagt, ihren Stamm rein erhalten von Vermischung mit aufsersftch-
nachem and unedelem Blut, und richteten darauf ihre „ providis-
flima cura", ein Bestreben, das mit ihrer ganzen Stellung im Lande
auf das engste zusammengehangen haben mufs^).
Nr. 5. Auf Verletzung der heidnischen Tempel stand
die Todesstrafe. — Es ist oben S. 180 das Capitel 1 der Capitula
de partibus Saxoniae nSher besprochen worden, in welchem König
Karl verordnete, dafs die in Sachsen zu erbauenden Kirchen keine
geringere Ehre geniefsen sollten, als die heidnischen Tempel ge-
habt hätten („non minorem habeant honorem sed majorem et
excellentiorem quam fana habuissent idolornm'^), und sodann in
Capitel 3 (vgl. oben S. 184) Todesstrafe ftlr gewaltsamen Einbruch
in eine Kirche, fUr Raub und Diebstahl in ihr, sowie fUr An-
') Dafs im alt^chBiBchen Recht auch das eheUcKe Yerlfibnifs sich we-
sentlich TOD dem fr&nkischen unterschied, zeigt der Canon 39 des^Tribur-
schen Concils von 895 in Mansi Conc. 19 p. 151; der mit ihn interpretiren-
den Zusätzen aufgenommen in Cap. 1. X. de sponsalibus et matrimonüs,
lautet: „de Francia nobilis quidam homo nobilem mulierem de
Sazonia lege Saxonum duxit in uxorem, tenuitque eam multis
■imis et ex ea filios procreavit Verum quia non eisdem utantur legfibns
Saxones et Francigenae, causatus est, quod eam non sua, id est
non Francorum lege desponsaverat, rel acceperat, vel dota-
rerat, dimi^saque illa aliam superduxifc. DifBnivit super hoc sancta synodus;
nt flle transgressor erangelicae legis subjiciatur poenitentiae, et a secunda
eonjtige separetur, et ad priorem redire cogatur.^
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280
Bfinden derselben festsetzt. Ich habe 8. 187 und 204 erOrtert, dafii
bei den den Sachsen nahe verwandten Friesen die Todesstrafe
für Verletzung der heidnischen Tempel ausdrücklich beseugt ist,
dafs bei ihnen der wegen Verletzung des Tempels dem Tode Ver-
fallene dem Gott des Tempels geopfert wurde^ und dala auch die
Sachsen ihren 0(5ttem Menschen opferten; so dafs wir befugt sind
die Todesstrafe; die König Karl auf Verletzung der Kirchen in
Sachsen setzte, anzusehen als begriffen unter den ^^honorea'^ der
heidnischen Tempel in Sachsen, die er auf die Kirchen nach c. 1
der Capitula de part. Saz. fibertrug.
Nachdem ich diese Erwähnungen von Todesstrafen aus dem
heidnischen Sachsen vorausgeschickt , wende ich mich zu den
Todesstrafen, die Karl der Orofse in den Capitnlis de
part. Sax. und in der Lex Sax. aufstellt.
I. Todesstrafen, die sich auf den Schutz und die
Heiligung der Kirchen beziehen (unter Nr. 1 bis 6):
Nr. 1. Auf Einbruch in eine Kirche steht Todea-
strafe nach Oapituhi de part. Sax. c. 8 („si quis eccleaiam per
violentiam intraverit, et in ea per vim vel fbrtu aliquid abstulerit'^
und Lex Sax. c.21 („qui ecclesiam effiregerit^'), während die übrigen
Bechtsquellen des fränkischen Reichs sie für dies Verbrechen nicht
kennen, denn wenn sich im Sirmondschen Texte eines Capitulars
KSnig Karls von 779 c. 10 die Worte finden „qui ecclesiam in-
fregerit, moriatur^' Pertz Leg. 1 p. 37 lin. 11, so fehlen sie in
aUen Handschriften und müssen naeh der Fassung des Capitels in
den andern Texten bei Pertz p. 36 lin. 43 col. 1 und p. 37 lin. 20
col. 2 fttr interpolirt gelten^). Die Todesstrafe der Capitula de
part. Sax. mufs als von K9nig Karl aus dem vorfrXnkischen sXch-
sischen Recht von den Tempeln auf die Kirchen fibertragen gelten,
vgl. oben S. 196. Eine Bestätigung dafür, dab auf das Erbrechen
eines Tempels im vorfränkischen friesischen Recht Todesstrafe
stand, finde ich noch in Lex Fris. V, indem daselbst unter Aett"
„hominibus qui sine compositione occidi possunt'^ auch deijenige
genannt wird y^qui/anüm eßregit*^. Da die LexFrisionum sonst
^) WaitE Deatsche Yerfassmigsgescli. 4 p. 431 Note 4 Übersieht, indem
er die Steile als Zengnifs ftr die Todesstrafe aafUirt, dafs sie t&teiTolirt ist.
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281
Ar ehrifHiche KirdieB die Aosdrtteke ecelesia und basiliea ver-
wendety ao dürfte hier in dem nnmittellwr nach der frilnkischeii
firobemog von Friesland swisohen Flie und Lanbach im Jahre
734 fttr dieses yerfabten Xltesten Theil der Lex Frisionnm ein
lUterer frieaiBeher für einen Heidentempel geltender Reehtssatz
mit Beibehaltong des Ansdruekes templum anf christliehe Kirchen
übertragen sein. Die Worte am Bohlnra der Lex Frisionnm, welche
den Opfertod als im OsÜanbaohsehen Friesland au Recht bestehend
ftr denjenigen angeben, j^qui/anum ej^egerit, et ibi aliqoid de sacris
toIerit'S habe ich oben 8. 186 besprochen; ich konnte sie nur für
einen Znsats eines. Friesen aar karolingischen Lex halten, über
das Torfrlnkisehe in heidnischer Zeit in Friesland geltende Recht
der Tempel.
Nr. 2. Anf gewaltsames Rauben und Btehlen in
einer Kirche steht Todesstrafe nach Capitnhi de part.8ax.
e. 3 0,si qnis ecclesiam per violentiam intraverit, et in ea per vim
Td fturtn aliqnid abstnlerit'O ^"^^ ^^ ^^ ^* 21 (n^^i i^ ecclesia
aliqnid fitraverit^^.
Die anderen RechtsqneDen des firiSokisohen Reiches kennen
für das Verbrechen nnr hShere Geldbnfsen. Nach dem späteren
salfrinkiachen Recht worden, wenn Einer eine Kirche beraubte,
80 Solidi gebttfst, auAer der Erstattung des Werthes der geraubten.
Sache und Zahlung der frttnkisehen Delatnra <). Nach Ripuarischem
Recht erfolgte bei in einer Kirche gewaltsam entwendeten Sachen
Erstattung ihres dreifachen Werthes'). Nach Ahimannischem Recht
wnrde Diebstahl von in der Kirche niedeigelegten Sachen mit
18 (oder 36) Solidia gebtlCst, auAer Restitution und neunfacher
Entschädigung der Sache an den Bestohlenen'). Nach Baierschem
>) ZuBsti sa L. SaL 55 : „Si qfok basilicM expoUayerit desnper homi-
iMm moitoiim, solidos 30 eolpabilis judicetur.^ Merkel Not. 146 p.70, und:
i,8i qüiB basOica expoliaverit, solidos 30 culpabiÜB jadicetur, exeepto capitale
efc delatara.*' Merkel Not. 258 p. 80.
*) L. Bip. 60, 8: y^Quodsi qxäa de ecclesia aliqnid vi abstulerit, cmn
sapraaeripta lege in triphun restituat.^
*) L. Alam. KaroL o. 5 (nnd übereinstimmend L. Lotbarii c 6 p. 47 und
Landfrid. e.4 p. 93): „Si qois raptor res eodesiae commendatas alicigns •
infra jaanas eedesiae vi abstrazerit et Uilerit, bomini eigus faerint, sieni
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282
Recht galt fttr Diebstahl 4Ui Kirchensachen der neanfaehe Wertii
der Sache als Baiser und yerdreifachte sich diese BnOse bei Meß-
gewändern , Kelchen und anderen zum Gottesdienst gebranohten
Gegenständen ^).
Die Todesstrafe der Capitata de partibns Sax. und der Lex
Sax. für Diebstahl in der Kirche ist aus dem älteren Recht der
heidnischen Tempel auf die Kirchen übertragen , ygi. oben S. 195
und 189 : in Friesland traf nach einem Zusatz zur Lex Fris. Add.XI
die Todesstrafe den, „qui fanum effregerit; et ibi aliquid de sacris
tulerit^; und auf der friesischen dem Gott Fosete heiligen Insel
Helgoland traf nach Alkuins Bericht die Todesstrafe die „viola-
tores sacrorum^, und „locus a paganis in tanta veneratione ha-
bebatur, ut nil in eo Tel animalium ibi pascentium, yel aliaram
quarumlibet rerum, tangere audebat gentilium quisquam^^i vgl. oben
8.185; noch im Uten Jahrhundert herrschte nach Adam von Bremen
der Glaube y der Tod ereile einen Seeräuber, der aus Helgoland
„praedam vel minimam tulerit'', vgl. oben S. 185.
Nr. 3. Auf Anzünden einer Kirche steht Todesstrafe
nach Gapitula de part. Sax. c. 3 („si quis ecclesiam igne crema-
yerit^), und ist auch für die Lex Sax. anzunehmen, unerachtet
sie dieselbe in Gapitel 21 bei Aufzählung der Todesstrafen fttr
Verletzung der Kirchen übergeht, da nach Lex Sax. c. 38 Todes-
strafe allgemein für Brandstiftung eintrat, vgl. oben 8. 195.
Im Recht keines der anderen Länder des fränkischen Reiches
ist diese Todesstrafe enthalten ; sie mufs aus dem vorfränkischen
Recht der heidnischen Tempel in Sachsen auf die Kirchen über^
tragen sein, vgl. oben S. 189; dais im heidnischen Recht des Nor-
lex habet ita solrat; ii^juriam autem ecelesiae, quam per raptum fedt,
18 (rar. „36*^) soL componat^ Ferts Leg. 3 p. ISO, und erginsend setsea
Handschriften hinzu: „ipsas res in capitale restitnat, et sicut ipsae res tef*
luerint, hoc novempliciter componat.^ Perti p. 131.
^) L. 6aj. I C.3: „Si quis res ecdesiae furaverit, et exinde probatos
fneriti de qualecumque re niungeldos Folvat, id est norem eapita restitnat.*^
Und : „Si autem de ministerio ecdesiae aliquid fturaverit, id est calicem aot
patenam rel pallam, aut qualemcumque rem de infra eoclesia furaverit, et
probatus fuerit, triu- niungeldos solrat, hoc est ter novem restituat.*' Perta
Leg. 3 p. 271.
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283 ,
dMU das Ansttnden eines Tempels fttr ein todesw^iges Ver-
breehen galt, ist oben 8. 189 in der Note belegt
In einem Znsats der Lex Saliea sn Titel 55^) wird eine Bnfse
TOn 200 Bolidis, d. L die Summe eines Freienwergeldes, anf das
Anzünden einer Kirche gesetst, die anch gezahlt werden mufste^
wenn beim Anzünden eines Hauses ein Mensch verbrannt war,
vgl. unten Nr. 8. Die Lex Bajuvariorum I c. 6 §. 2 erblüht nur
die Bufssummen, welche fttr in der Kirche yerbrannte Sachen ge-
lahlt werden sollen, wenn die Kirche verbrennt und namentlich
wenn ein Mensch dabei das Leben verliert.
Nr.4. AufTbdtung in der Kirche steht Todesstrafe
nach Lex Sax. c. 21 („qui in ecclesla hominem ocoiderit'O* ^^
dafs dies auch nach dem Recht der Gapitula de part. Sax. ange-
nommen werden mufs, obwohl sie das Verbrechen nicht speciell
anfUirra, erörterte ich oben 8. 196, indem die Gapituhi das Recht
der heidnischen Tempel anf die christlichen ELirchen übertragen,
und Blutvergie&en in den heidnischen Tempeln als die höchste
Vertetzung derselben galt, auf welche die Todesstrafe stand, vgl.
^oben S. 185 und 188.
Nach dem Recht der anderen deutschen VolksstXmme des
friinkischen Reichs stand unter Karl dem Grofsen auf TMtung in
einer Kirche keine Todesstrafe. Im Alamannischen Recht wird
nach allen von Merkel unterschiedenen Texten der Lex Alaman-
nomm (lex Loth. c. 5 p. 47, 1. Landfr. c. 3 p. 95) und nament-
lich auch nach der sogenannten Lex Karolina c. 4, für einen in
der Kirche Erschlagenen dessen Blutsfreunden ein Wergeid ge-
zahlt, der Kirche 60 Solidi für ihre Entweihung, und dem Fiscus
60 Solidi als Fredum'). Die Lex Frisionum XVII, 2 bestimmt
^) Zu. zu L. Sal. 55 : „ai quis basüieaitt, nbi reliqniae sunt inserUe Mit
ipM basiKca est sanctificata, incenderit, solidos 200 calpabilia jadioetur.^
Merkel Not. 146 p. 70, und : „si quis basüieam incenderit» solidos 200 culpa-
büis judicetur.^ Merkel Not. 258 p. 80.
*) L. Alam. e. 4 : „Si qnis liber liberum infra januas eodesiae ooeiderity
eognoseat se contra Deum injuste fedsse et ecdesiam Dei poUuisse; ipse
eedesiae quam poUuit 60 solidos conponat, et fiscus frednm adquirat« pa-
rentibus autem legitimum weregildnm solTat.^ Perts Leg. 3 p. ISO.
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. 284
für das friesische Land swisehen Flie und Lanbaoh, das aeift
734 dem fränkischen Beich einverleibt war, die Zahlung einea
neunfachen Wergeides nnd eines neunfachen Friedensgeldes an den
Fiscas; die Yennuthung liegt nahe, dafe diese Bufi»fttse für TOdtnng
in der Kirche durch fränkische Oesetsgebung eingeführt smd statt
der älteren in jenen friesischen Landestfaeiien geltenden Todea>
strafe^). Für neueres Becht mula ich es halten, wenn Kaiser
Ludewig im Jahre 817*) allgemein bestimmt: ,,81 quis ex leri
causa ant sine causa hominem in ecclesia interfecerit, de vita
conponat" Pertz Leg. 1 p. 210; es besieht sich die Verordnung
lediglich auf eine leichtfertige unmotivirteTödtnng in der Kirehe')|
indem der Kaiser ausdrücklich hinanfttgt, dab Jemapd, der sieh
▼or einem Verfolger in eine Eorehe geflüchtet und diesen dort bei
seiner Vertheidigung erschlagen hat, nicht der Todesstrafe vor-
fitllen sein soll, sondern der Kirche 600 Solidi für die Entweihung
und dem K^nig sein Banngeld su entrichten habe, ohne für den
Erschlagenen ein Wergeid su sahlen^).
Nr. 5. T^dtung auf dem Kirchwege an Sonn- und
Feiertagen ist mit Todesstrafe bedroht inLexSax.c.23:
„Qui homini ad ecclesiam vel de ecclesia die iesto pergenti, id
est dominica, pascha, pentecosten, natale domini, sanctae Mariae,
sancti Johannis baptistae, sancti Petri et sancti Martini, insidiaa
1) L. Fris. XVn, 2: „Qui in curte dads« in ecclesia aut in atrio eede-
tiae, hominem oeciderit, noviee weregildum ejus eomponat et noviee fredam
ad partem dominicam.^
>) Baluze setzte die Verordnung ins Jahr 819, Perts wohl riehtiger 817.
*) Unter Verweisung auf das Capitulare Ton 817 giebt Waitx Yeriaa*
Bungsgesch. 4 p. 431 an: Todesstrafe sei eingetreten „in gewissen F&Uen
bei Todtschlag, namentlich wenn derselbe in der Kirehe Terftbt ward.** lieber
die Bedeutung der Worte „ez leW causa aut sine eansa^» TgL Wilda Strafr.
p. 398. 563.
^) Das Capit. a.617 e. 1 sagt nach den im Text angefthrtea Worte» :
„ei vero foris rizati sunt, et unus altenun in eeeUeiam ßigerü, ei ihi m
defendendo emn interfecerit, .. adfirmet se defiendendo enm interfeeisse, e«
post haec 600 eolidoe ad pariem ecdeeiae, queun iüo komicidio poUitera^
et ineyper banmtm noetrum eolvere oogahtr; ia yero qui interfeotas eet, abe->
que conpositione jaoeat.** Perts 1 p. 210.
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286
po0iieitt enmqiie oooidetity eapite paniato ; gi non oeeiderit tamea
insidias fecerit| bannum solvat de reliqnis''^). :
Da, wie soebea bei Nr. 4 er&rtert worde^ für TMtmig in der
Kirche unter Karl dem Groben im frUnkiflch^ Reich anfserhalb
Bachsens keine Todesstrafe galt, konnte eie auch nieht für T9dtang
anf dem Wege aar Kirohe nnd von ihr zn Hanse bestehen. Indem
der König fttr Sachsen die Todesstrafe beiTödtnngen in der Kirche
an^kannte, lieb er sie auch bei TOdtongen auf dem Wege snr
Kirche eintreten, jedoch nur an Sonntagen nnd hohen Festtagen*).
In der Lex Fris. Add. I, 1 nnd 2 wird verordnet: „Homo
/aidosus paoem habeat in ecclesia; in domo sna; ad eoelenam
eumdo, de eeclesia redeundo; ad placitum eondO; de placito redenndo.
Qm hane pacem effiregerit et hondnem oeeidmt, novies 30 soHdoi
eomponat; si vtdneraperU, noviei 12 soUdos eomponai ad pmiem
regis^^. Hier Ist, statt daft die Lex Saxonnm allgemein anf Tödtnng
eines KirchgSngers Todesstrafe, auf andere Verletinng desselben
ein Banngeld setst, bei einem Homo faidosns, der einen Frieden
in seinem Hause und in der Kirche geniefst, verordnet, dab ein
Bnll^^ld von 9 mal 30 Solidis geaahlt wird, wenn er auf dem
Wege vom Hause aur Kirche getMtet, von 9 mal 12 Solidis, wenn
er verwundet wird. Wie die Lex Frisionnm (ttr die Tödtung in
der Kirche 9fiAches Wergeid und 9faches Fredum statt der sSeh-
sischen Todesstrafe vorschreibt^ so hier beim Homo faidosns, der
auf dem Kirehwege getödtet wird, eine 9&che Bufse von 30 So-
>) 0aapp Beeht und Verf. der ftken Sachseii p. 126 erUlrt die Worte
,de reliquis^ ftr ein sinnloses Glossem; sie vollen sagen: Ton anderen Ver-
letzungen (als Ton Tedtungen) wird bei einem KirchgAnger an den beseiohneten
Tagen ein Banngeld gesahlt; ygL die im Text angefthrte L. Fris. Add. 1, 2.
*) Der Gesetsgeber gewährt dem Kirebg&nger den Sohuts nur: an den
Sonntagen, zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten, St. Marien, St. Johannes dem
T&ufer, St. Peter (d. L Peter und Paul, oder der 29. Juni) und St. Martin.
Von diesen Festen ist unter „Sanctae Mariae^ wahrsc^ieinlich Mariae Reini-
gung (der 2. Februar) gemeint; darin, dab nicht auch Mariae Yerkftndigung
(der 26. Mira), Mariae Himmelfahrt (der 15. August) und Mariae Geburt
(der 8. September) genannt sind, liegt ein Grund, eine frohere Abfassung
der Lex Sazonum au rennuthen, vgl. Nachweisungen über diese Feste bei
Bettberg Kirchengeseh. 2 p. 791 ; nach ihm tritt Mariae Yerkfisdigung in
Deutschland seit d. Sakb. 8tat.a. 799 Porte 1 p. 80 auf, die 4Marientage nenden.
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lidis, während die Lex Sax. bei einem KirebgXnger daflir Todes-
strafe bestimmt
Nr. 6. Auf wissentlichen Meineid (in der EUrdie
geleistet) steht Todesstrafe nach Lex 8ax. c. 21; withrend
durch einen, ohne es sn wissen, falsch geschworenen Eid die
Hand yerwirkt ist, aber mit Geld gelM werden kann. Die in
der Lex c. 21 angedrohte Todesstrafe galt wahrscheinlich anch
nach den Oapitulis de part. Sax. c. 33, vgl. darüber oben S. 117.
Nach ftlterem salfrSnkischem Recht war für erwiesenen Meineid
eine Bufse von 16 Solidis zn zahlen: in den Gapitulis, welche
Pertz Leg. 2 p. 12 bezeichnet als Legis Salicae pacto addita (zwi-
schen 561 nnd 584 Yerfafst), bestimmt Oap. 15: „Si qnis altemm
incalpaverit perjurasse, et ei potnerit adprobare, 15 solidos eon-
ponat qni peijnrat'^^); die Satzung schliefst sich unmittelbar an
den Titel 48, 1 der Lex Salica an: „si quis falsum testimonium
praebuerit, solidos 15 culpabilis jndicetnr''*), der auch in die Lex
Ripuariomm 50, 2 aufgenommen ist*). Abweichend bestimmt die
fränkische Lex de Amore c. 32, dafs der Meineidige seine Hand
verwirke, und sie fttr ein Viertel seines Wergeides lOsen k5nne^);
und in einem Capitulare von 779 c, 10 verordnet König Karl, da/s
auf hevm/sten Meineid Verlust der Hand stehen, dieser aber nicht
lösbar sein solle, während wenn ein Eideshelfer behaupte, d^
Eid sei ohne Wissen falsch geschworen worden, er dies dnrdi
Oottesurtheil darthun müsse oder ebenfalls seine Hand verwirkt
habe^)« Bestimmungen über Verlust der Hand kehren dann wieder
^) In Merkels Lex Sal. p. 41 gedruckt als Titel 92.
*) Vgl. Merkel p. 27 und die Zus&tee Not. 243 p. 79 n. 186 p. 69.
") In Lex BajuY. XVI, 5 ist eine Bnfse von 12 Solidis auf fabchen Eid
gesetzt.
^) L. de Amore c. 32 : „Si quis sanctb reliquiis se perjurayerit, nuantm
suam ptrdai, out eam redimat quarta parte de sua leode in dominico.*'
^) Cap. a. 779 c. 10: „de eo qui perjurium fecerit, nuUam redemptio^
nem, nisi wanwn perdat» Quod si accusator oontendere Tolnerit de ipso
perjurio, Stent ad crucem ; et si jurator vicerit, legem suam aceusator emen-
det.*' Forts Leg. 1 p. 36 Im. 44, und im Text der ChigiBchen und L« Cavaer
Handschrift: „si quis perjurium feoerit, nuUam redemptionem ei Jacere liceai,
nisi memam perdat. Et si ille qui prius iUum saeramentom jurat, de ülo
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in Capitiilarien Kftris dea OrofiMa von 802 o. 36 Perta Leg. 1 p. 96
und 808 0. 4 p. 152, sowie Kaiser Lndevigs von 816 (?) c. 9 p. 84
(▼OD Perti ins Jahr 801 gestellt), von 816 e. 1 p. 196 nnd 817
e. 10 p. 212.
Abweichendes Recht enthält die Lejf Frmonum: nach Titel X
wurde wegen Meineid im mittleren Friesland (d. i. in der Provins
Lenwarden) dem König ein Wergeid ß^ Löeung der verwirkten
Hemd und ein zweites als Fredum gezahlt; in Friesland westlich
der Znidersee molste nach Lex XIV, 3 ebenfalls ein Wergdd als
Frednm geiahlt werden, wXhrend dieses nach Lex III, 9 im östlichen
(erst unter Karl dem Oroben den Franken unterworfenen) Fries-
land nur 60 Solidi betrug').
Ein Ueberblicken dieser verschiedenen gesetsHchen Bestim-
mungen liefst mich annehmen, dafs fttr Meineid im fränkischen
Beeht in früherer Zeit nur eine Bulae von 15 Solidis bestand;
daA später Verlust der Hand eingeftthrt wurde, die Hand aber
mit Odd gelöst werden konnte; und dafli Karl der Grölte 779
abändernd bestimmte, dafi» wenn ein Eid wissentlich falsch ge-
schworen sei, die Lösung der verwirkten Hand unstatthaft sein
solle. Abweichend hiervon war im altfriesischen und
altsächsischen Becht auf Meineid die Todesstrafe ge-
setxt, und wurde dann in der Lex Frisionum unter fränkischem
Einflufr (wohl in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts) be-
perjurio probatoB fuerit, et aliquis de suis juratoribus dixerit, guod nesciens
SS perfurasset, ani hoc apnd Judicium Dei adprobet verum esse, aut simi-
liter manom perdat" Perts Leg. 1 p. 37 lio. 26—33.
>) L. Fris. X : „Si quis hämo super reliquüs sanctorum falsum jura»
msntum juraioerit, ad partem regis weregildum suum componaty
^ et alio weregildo manum suam redimat; de conjuratoribua ejus
unusquisque weregildum suum persolvat"; L. Fris. XIV, 8: wer wegen Er-
mordung bei einem Tumult beschuldigt, im westlichen Friesland angeklagt
wird, hat seine Unschuld lu beschworen und dann durch Kesselprobe lu
erweisen: „qui in judicio (bei dem Gottesurtheile) probatus inrentus fuerit,
compositionem homiddii persolvat (d. L sahle das Wergeid f&r den Ermor-
deten), et ad partem regis bis weregildum suum; ceteri conjurato-
res sient superius (d. L iu Titel X) de perjuris dictum est^; L. Fris. HI, 9: „si
is qui alium furem interpellavit, fabo eum ralwmniatns est, et in judioio
ferrentifl aquae fuerit conrictus, 60 solidis manum suam rsdimat,'*
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288
•timmti dafii diese Todeifttnife dnroh Zahlu« iweier Werg^der,
eins für die Hand, eins als Fredmn; gelltet werden kfone^), wMli-
rend König Karl fttr Sachsen in der Lex Baxonam c* 31 und 23
▼erordnete y dab bei wissenüiehem Meineid Gy^i sciens perjmr
▼erit'O ^^^ Todesstrafe eintreten solle deapile pnwatar^O? bei
einem nnbewnfitten Meineid dagegen die dnreh ihn verwirkte Hand
mit Oeld gelöst werden könne G^qni nesciens peijnraverU^ maann
saam redimat anetor saoramenti'O. Die Unterscheidung swiaohen
bewnbtem und unbewubtem falschem Eide, sowie dab im leisten
Fall die verwirkte Hand gelöst werden könne, weist auf die 2Seit
nach dem Gapitnlare von 779 hin. In den Capitalis de partibns
Saxoniae hatte König Karl im Capitel 32 yorgeschrieben, daft in
Sachsen die Eide in der Kirche su leisten seien*}, und im Cap, 33
erklärt: „de peijuiis secnndnm legem Saxonomm sit'<, das will
sagen: es behSlt das bisherige sichsische Recht über Meineid seine
Geltung, und wird wie von Altersher ein Meineidiger mit dem
Tode bestraft. Die Unterscheidung von wissentlich und unwissent-
lich geschworenen falschen Eiden berücksichtigen die (wie ich an-
nehme vor 779 »lassenen) Gapitnla nicht, sie erscheint erst in
der später abgefiabten Lex Saxonum.
WUda Strafrecht p. 983 findet es bedenUich, dab im XltestCD
sttchsischen Recht die Todesstrafe für Meineid gegolten habe, weil
er sie dafUr nicht im nordischen Recht nachweisen kann, und
▼ermuthet deswegen der Meineid möge bei den Sltesten Germanen
so selten vorgekommen sein, dab sie ihm in ihren Btra^soselsen
nicht vorgesehen hätten; erst von Seiten der Kirche sei er als
eine mit harten Strafen su belegende Missefhat aufge&bt worden.
In Betreff des Nordens spricht gegen diese Ansicht, dab der Eid
im vorchristlichen nordischen Recht von der gröbten Bedeutung
war und in feierlichster Weise unter Anrufuiig der Götter im Tempel
geleistet wurde, auberdem aber, dab bereits die alte Edda von dem
harten Loos berichtet, das dem Bidbrttchigen nach dem Tode be-
>) VgL in Leg. Liatprandi o. 144, da£i wer „acieiu peijaraverit . . com-
ponat medium widrigild srnim ei cai ipse peijuraTk*', und die oben S. 236 in
Nete 4 eagelUirte SieUe der Lex de Amore c. S2.
s) VgL oben S. 119.
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reitet sei, und den ,,gri]iimeii Feiseln'' (^ygrimmar timax^, die
Beiaer warteten^). Darin , dafs die viel spSteren An&eiohniiDgeB
des nordiflchen Reehte die Todeutrafe beim Meineid nickt kennen,
M^ für mieh kein Grand, in swdfeln, dab sie im yorchriBt-
Ikhen aichriBehen Recht flir ikn gegolten hat, nnd ich trage kein
Bedenken ea ansanehmen, da ich nicht abanaehen Termag, wo-
durch Bonat König Karl bei der TöUig yerBchiedenen Behandlang
dea Meineides im fränkiBohen Recht sollte veranlagt worden seiny
die Todesstrafe für Meineid in der Lex Saxonam anxaordneni an-
mal ich nach den angeftthrten Stdlen der Lex Frisionam nicht
Bweifeln kann, dafs sie lange vor König Karl bereits in Frieshuid
gegolten hat Dab Eide bei den heidnischen Sachsen ttblich waren
nnd anf die Waffen geschworen wurden, ist oben S. 119 belegt
IL Anf Tödtnng anter erschwerenden umstän-
den steht die Todesstrafe.
Es wird Todesstrafe aafser flir die bereits anter L besprochene
Tödtnng in der Kirche (oben Nr. 4 Tgl. 8.233) und auf dem
Kirchgange (oben Nr. 5 vgl. 8. 234) von der Lex Saxonam c. 27
verhängt flir Tödtuog eines der Faida Verfallenen im eigenen
Hanse (unten Nr. 7); femer für Tödtung eines Oeistlichen
(Nr. 8) in Capitola de part Sax. c. 5, flir Tödtung des Dominus
(Nr. 9) in Gapitnla c. 13 und Lex c. 26, der Domina (Nr.'lO)
in Capitula c. 13, und des Filius domini (Nr. 11) in der Lex
c. 26. — Daneben ist in der Lex Saxonum c. 19 ein neunfaches
Wergeid /Sr Mord angeordnet, und wird im Gapitulare Saxonicum
von 797 c. 7 bestimmt, dafo den MUma eine dreifache Compositio
geiahlt werden soll, während die Capitula c 30 bei der Tödtang
eines Comes nur die Conflscation der Gttter des Verbrechers aus-
gesprochen hatten.
Das alte sächsische Becht unterscheidet, wie die anderen
älteren dentschen Stammrechte, bei einer Tödtung einfachen Todt-
Bchlag und wirklichen Mord; es bildet aber den unterschied
swischen beiden, um mich der Ausdrücke Gelbs') au bedienen,
„noch nicht die Verschiedenheit der Gemttthsstimmung (Affect und
VgL Wilda Strafr. p.712.979 und Maurer Bekehrung 2 p. 74.221.
S) Geib Lehrbueh des DeotMhen Strafreohte. ISei. 1 p. 188.
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LeidenB<)liafty Ruhe and üeberlegmig) des Handelnden , sondern
die Verschiedenheit der Handlnng selbst , d. h. die Offimheit und
insofern gewissermafsen die Ehrlichkeit| respective die Heimlich-
keit nnd Unehrlichkeit oder Feigheit , womit das Verbrechen be-
gangen wird. Todtschlag heifst noch jede offen, gleichsam nnter
den Angen des Volks verttbte, Mord dagegen jede heimlich (for-
tivo modo) ausgeführte, namentlich mit Verbergen oder Verbrennen
der Leiche yerbundene Tödtung, und zwar unter beiden Vorans-
setsungen ohne Rücksicht darauf, ob der Verbrecher in Leiden-
schaft und Affect^ oder ob er mit Ruhe und Ueberlegung gehan-
delt hat«.
üeber den umfang, in welchem im alten Sadisen ein durch
die TOdtung seines Blutsfreundes Verletater oder anderweitig schwer
OeschSdigter ^) gegen den Verbrecher Feindschaft („inimicitia'O
üben durfte, oder technisch ausgedrückt in welcher Ausdeh-
nung Faida') gestattet war, darttber enthalten die Capitda
^) Dafs Faida nicht nur bei Tödtungen eintrat, folgt ftür Sachsen ia-
direct aus L. Saz. c. 57 (vgl. im Text S. 241 unter liL a) ; ftü* Friesland wird es
erwiesen durch L. Fris. 11, 11, indem in einem von Wulmar herrührenden,
also keinenfalls vor Karl d. 0r. verfafsten Zusatz festgesetst wird, d&fs wenn
Jemand einen Mensehen gedungen, hat, f)lr ihn Sklaven, Vieh, Waffen, Kleider,
Hausrath oder Gel4 sa stehlen, nnd der Dieb dann ans dem Lande ge-
flohen ist, er für das durch den Diebstahl verübte Verbrechen ein Dritte
der Compositio zahlen soll („tertiam portionem compositionis exsolvat^), dafa
aber, wenn der Dieb im Lande weilt, derjenige, der ihn gedungen hat,
keine Compositio zu zahlen braucht, sondern nur die Faida zu dulden hat,
die gegen ihn erhoben werden kanni^^si qui abstnlit, non profugit, ezpo-
sitor neo juret, nee solvat, sed tantum inimicitias portet ejus,
cujus pecuniam abstnlit.'' Zu eng beschränken Walter Deutsche
Rechtsgesch. §. 704. 2, p. 371 und Waitz Deutsche Yerfassungsgesch. 1
(1865) p. 407 die Anwendung der Faida im ältesten Deutschland auf Todt-
schlag und einzelne ihm gleichgeachtete schwere Verbrechen.
*) Des deutschen Wortes faida bedienen sich die Capitula de pari.
Sax. e. 31, die Lex Sax. e. 18. 19. 27. 67. 59, nnd das Capitokre Sax. tw
797 0.9; es bedeutet Feindschaft und wird durch inimicitia übertragen: für
y^faidam portet^ L. Sax. c. 18 braucht die L. Fris. II, 11 (in einem Zusats
des Wulmar) „inimicitias portet '^ und die L. Fris. 11, 2. 3. 5. 6. 8 „inimidtias
pattcttur*', und in gleicher Bedeutung hat L. Sax. 19 „faidosi aini'^ nnd
L. Fris. n, 7 „faidosus permaneat^. In der selben Bedeutung verwenden
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de partibofl SaxonUe keine Angaben; eie bestimmen nnr im Ca-
phel 31 y dafa der Graf in seinem Amtssprengel (d. i. innerhalb
seiner Grafschaft) befogt ist ein Bann-geld von 15 Solidis zu er-
heben ,;de minoribns causis'', und ein grofses Bann-geld, oder
einen sogenannten Königsbann, von 60 Solidis j^de/aida vel ma-
joribas cansis^', ohne sn sagen, in welchen Fällen er dies wegen
ansgettbter Faida thun kann. Durch das Capitulare ßaxonicum
von 797 Capitel 9 ist die hier festgesetzte Höhe des Eönigsbannes
von 60 Solidis modificirt, indem angeordnet wird, dafs es dem
König zustehen solle mit Zustimmung seiner getreuen Sachsen
und Franken die Bannsumme von 60 Solidis zu verdoppeln, wenn
es ihm zweckdienlich scheine und er Willens sei: ,,bannum for-
tiorem statuere propter pacem et propter faidam et propter majores
cansas'^ Nähere Festsetzungen über das Eintreten der
Faida finden sich in der Lex Saxonum, die wenigstens
theilweise als von K, KarP) eingeführte Beschränkungen in der
Anwendung derselben gelten müssen; ich meine die folgenden:
a) Wenn ein Tkier Jemanden beschädigt, so zahU dafür der
Eigenthümer des Thleres die Compositib; Faida gegen ihn ist
ausgeschlossen: ,,si animal quodlibet damnum cuilibet intu-
die späteren fries. Bechtsquellen den Ausdruck feithe: z.B. in den 17 Küren
ans dem 12. Jahrb.: ^omnes Frisones habent eorum inimicitias aive feithe
com pecunia emendare'^' Fries. Recbtsq. p. 24, 23 , welcbes friesiscbe Texte
Übertragen „alle Frisa mngun hiAm feitha mitb tha fia capia*^, rgL andere
Beispiele tdr den Gebrauch des Wortes im Fries. Wörterb. p. 730. Völlig
übereinstimmend übertragen die langobardischen Gesetze faida durch ini-
mieitia: Ed. Rothar. c. 74 „ideo majorem compositionem posuimus, quam
antiqui nostri, ut faida, quod est inimicitia, post compositionem acceptam
postponatur, et amplius non reqniratur nee dolus teneatur, sed causa sit
finita, amicitia manente"; ibid. c 45 „cesaa-nte faida, id est inimicitia"; ibid.
c 162 ^praeridimus hoc propter faidam deponendam, i<^ est inimicitiam
pacificandam"; L. Liutpr. e. 119 „ut cessent inimicitiae, et faidam non ha-
beani." Vgl. Nachweis, in Mon. G. Leg. 3 p. 659 u. unten S. 252 n. 1. 256 n. 1.
Bas Wort tritt in ungekürzter Form in althochd. Quellen als fehida, gi-fehida
auf, in mittelh. als rehede, ge-yehede, und zeigt dadurch seine Herkunft
ans fehan, vehen (odisse); im neuhochd. Fehde ist die alte ursprüngliche
Bedentnng des Wortes modificirt, YgL Grimm Deutsch. Wörterb. 3 p. 1417.
i) Vgl unten S. 266 folg;
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lerity ab eo cnjns esse constiterit conponatar, $xc€pta fodda^^. Lex
Sax. c. 57 (oder tit Xu) ^). Die Verpflichtang des EigenthUmerB flir
sein Thier einzustehen, welches einem Andern einen Schaden sa-
fügte, sprechen auch andere Rechtsquellen des frSnkischen Reiches
auS; ohne dabei zu erwähnen^ dafo die Faida ausgeschlossen is^
und indem sie hervorheben, dafs der Herr nur zu haften habe,
wenn er das Thier behält').
1) Die Worte „conponatur, excepta faida" hier im Text und S. 243
unter lit. h, entsprechen den Worten im Edictum Rotharis c. 45 „conponantur,
cessante faida id est mimtcrtta**, Tgl. L. Liutpr. c. 119: „et ideo resecare rolu-
mu3 hoc, ut cessent inimicitiae, et faidam non haheant**. Unter faida in L. Saz.
e. 67 und c 59 eine Geldsumme eu verstehen, die daron den Namen geführt
hätte, weil sie anderweitig bei Faida gezahlt wurde, scheint mir nicht ge-
rechtfertigt; der Name müfste dann hier für ein Friedensgeld („firedus", rgL
unten S. 243 in Note 1 in L. Bipuar.), ein Gewedde (vgl. unten in Note 2 im
Sachsensp.), gehraucht sein; vielleicht dfirften aber Andere diese Ansicht
verfechten. Waitz Das alte Recht der Sal. Franken p. 193 und Deutsche
Yerfassungsgesch. 1865. 1 p. 407, dem Walter Deutsche Rechtagesdk.
§. 709 n. 2 beitritt, deutet „faidus f&r eine Bufse, die der einzelne empfing,
wenn er der Rache entsagte ; und die dem Fretus oder Friedensgelde gegen-
übersteht. '^ Die beiden folgenden dafür beigebrachten Stellen beziehe ich
nicht auf eine solche Bufse: „si quis fabrum ferrarium vel .. furaverit aat
occiderit, solides 30 culpabilis judicetur ; inter freio ei faido (d. i. zwischen
Frieden und Faida) solides 45, in summa sunt simul solides 75." L. S«L
35, 5, und : „quod ei (dominus servi) intra 15 noctes non ei fecerit (d. h. den
eines Verbrechens schuldigen Servus nicht vor den Richter stellt), ipse do-
minus statum sui, juxta modum suae culpae inter Jretum et feifum (d. i.
zwischen Frieden und Faida) conpensetur.^ Decret. Chlothacharii (um 595)
c. 4 Pertz Leg. 1 p. 12.
^ Die von König Karl herrührende Legis Fris. Additio m, 68 be-
stimmt: ^Si cabaUus aut hos aut quodlibet animal homini vulnus intulerit,
dominus ejus juxta qualitatem vulneris in simplo componere judicetur; et
tres partes de ipsa mulcta componantur, quarta portione dimissa (d. h. im
mittleren Friesland werden V^ der Compositio gezahlt) ; inter Wisaram et Lau-
bachi tota compositio in simplo persolvitur^; vgl. dazu Parallelstellen aus dem
spateren friesischen Recht angeführt in Mon. Germ. Leg. 3 p. 689 Note 24.
Im Sachsensp. U, 40 §. 1 — 3: „Swes hund, oder her, oder perd, oder osse,
oder swelkerhande ve it si, enen man dodet oder belemet, oder en ander
ve, sin herre sal den scaden na rechteme weregelde oder na sineme werde
betören, of he't weder an sine gewere nimt, na des dat he dat erst ereschei.
Sleit he't aver ut, unde ne hovet, noch ne husei, noch ne etat» noch ne drenket
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243
b) Wenn Jemand mU seinem Oeechofo einen Andern ohne seinen
Wtüen verletzt, 80 sahlt er ihm Compositio, Faida aber ist ans-
geschlosBen: ,,8i fermm mann elapsum hominem percnsBerit, ab
eo ci^ns mannm fhgerat conponatnr, excepta faida^^ Gap. 59. Man
▼ergleiche die ähnlich lautenden Worte der Additio Legis Fris.
m, 69: „si homo qai^libet telam mann tenet, et ipsum casu qno-
libet inciderit snper alium extra yolnntatem ejns qui illnd mann
tenet, in simple joxta qaalitatem vnlneris componatnr'^ Hier wird
das Aasgeschlossensein der Faida nicht erwfihnt; ausdrücklich
geschieht es, wie in der Lex Saxonum, in dem Edictum Rotharis
e. 389: ,ySi quis hominem liberum casu faciente nolendo occiderit,
componat sicut appretiatus fherit, et faida non requiratur, eo quod
nolendo occiderit***).
c) Wenn ein Lite Jemanden tödtet, und er dies ohne Befehl
oder Beirath seines Herrn gethan hat, so befreit sich der Herr
von aller Verantwortung, indem er den Liten Preis giebt; die
nichsten Erben des Oetödteten können sich dann nur an den
Liten und sieben Blutsfreunde desselben halten. Anders steht es,
wenn der Herr des Liten ihm die Tödtung befohlen oder gerathen
hat, dann mufs er für ihn die ComposiHo zahlen oder die Faida
ertragen, (falls sie gegen ihn begonnen wird): „Litus, si per jus-
Bum vel consilinm domini sui hominem occiderit, ut puta nobilem,
dominus conpositionem persolvat vel faidam portet^). Si autem
he't, 80 M he unBCuidich an'me scaden ; so undenrinde'B sik jene ror amen
Bcaden of he wiüe. Nen ve verboret nen gevoedde deme richtere an siner
daf", 8. auch Dietmars. Landr. §. 105. 106 bei Michelsen p. 36. Vgl 1. Sal.36,
l Bip. 46, 1 ( der Richter erhlüt keinen fredua ) , L Thur. c. 52 , und Kraut
Vomrandsch. 1 p. 351, WUda Strafr. p. 555. 558. 588.
^) YgL L. Eipuar. 70, 1 : „ai quis homo a ligno seu aliquolibet manw
fädtUe fuerit interfectus non solvatur, niai forte quis auctorem interfecdonis
in usus proprios adsumpserit, ttme absgue fredo culpabilis judicetur", und
Lex Thur. c51 (oder tiUXI, 7): ^qui nolens, sed casu quolibet hominem
Tulnerarerit yel occiderit, conpositionem legitimam soWat.^ Vgl. Wilda Strafr.
p.647 U.553, sowie p.548 über ähnliche Bestimmungen des nordischen Bechts.
S) Dals die Worte „dominus compositionem persolvat vel faidam portet^,
nicht wie Bogge Ueber Gerichtswesen p. 23 ausföhrte, so zu verstehen
sind, dals hier der dominus liti, und dem entsprechend nach dem älteren
germanischen Beeht überhaupt der Verbrecher, die freie Wahl gehabt hatte,
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absque conscientia domini hoc fecerit; dimittatar') a domino, et
yindicetur in illo et alÜB Beptem coDsanguineifl ejus a propinqnis
occisi, et dominns liti se in hoc conscinm non esse cum nndecim
juref' L. Sax. c. 18. Der dominus liti haftet nach der Lex Sa-
xonum für seinen Liten in ähnlicher Weise, wie es die Lex Sax.
c. 50 bis 53 bestimmt , dafs es ein Herr bei seinem Servus thut;
ja Capitel 50 erwähnt, indem vom Servus die Rede ist,, nochmals
des Liten: „quicquid servus aut litus jubente domino perpetra-
verit, dominus emendet'^').
Zur Erläuterung der Faida, die nach Lex Sax. c. 18 der Herr
des Liten fUr ihn zu ertragen hat, wenn er ihn zur Tödtung veran-
lafste, dienen die Ausführungen der Lex Frisionum in Titel U
die gesetzliche Bufse zu zahlen oder es auf die Fiuda ankommen zu lassen,
dafs vielmehr dem Verletzten, da, wo Faida zulässig war, die Wahl zustand,
sie auszuüben, oder wenn fiir den Fall eine bestimmte Compositio gesetzlich
festgestellt war, diese gerichtlich zu yerlangen, ist genügend erörtert, rgL
Eichhorn Deutsche Bechtsgesch. §. 1 8 und 76, W o r i n g e n Beitr&ge p. 38,
Wilda Strafr. p. 189, Walter Deutsche RechUgesch. §.704-^706. 2 p.370,
Siegel Gerichtsverf. 1 p. 9 und W a i t z Deutsche Yerfassungsgesch. 2. Ausg.
1 p. 406.
*) Die Worte „dimittatur (Utas) a domino** erklart Gaupp Rechtand
Verfassung der alten Sachsen p. 119 und 194 durch: der Lite werde frei-
gelassen Ton seinem Herrn; dimittere ohne weiteren Zusatz, wird aber in
den Rechtsquellen des fränkischen Reichs nicht ftü* manumittere rerwendet,
vgl. Cap. legi Baj. add. c. 6 : „qui per chartam ingenuitatis dimissi sunt liberi*'
Pertz Leg. 1 p. 126; 1. Sal. XXVI, 1 : „si quis alienum letum ante rege per
denarium ingenuum dimiserit^; 1. Rip. 57, 1 : ^si quis libertum suum per
manum propriam seu per alienam in praesentia regis ingenuum dimiserit
per denarium''. Ueber die Bedeutung von dimittere ohne Zusatz vgL „ha*
beat dotem , filiisque dimittat^ 1. Sax. c. 47 ; „si quis pueUam rirginem ra>
puerit, et violatam dimiserit'^ L Fris. DC, 8 ; „si quis uxorem suam sine causa
dimiserit" 1. Burg. 34, 2; Cap. in 1. Ripuar. mitt. c.6: ^nemini liceat servwn
9uum, propter damnum ab illo cuüibet inlatum, dimittere; sed juzta quali-
tatem damni dominus pro ipso respondeat, rel eum in compositione aut ad
poenam petitoris oflFeret; si autem senus fugerit; etc." Pertz Leg. 1 p. 117
(eine Modification von 1. Rip. 30, 2), vgL Cap. alia addenda a. 803 c 12:
„nemtni liceat servum suum propter damnum a 8e dimittere, etc." p. 120.
*) Vgl. 1. Sal. 35, 4: „si quis servus aut letus hominem ingenuum ooci-
derit, ipse homicida pro medietate conpositionis hominis occisi parentibas
tradatur, dominus vero serüi aliam medietatem conpositioniB solrat''.
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ttber die reebtüehe Stellmig dessen, der dareh einen gedungenen
Mörder einen Mensehen tödten liefe. Ist der gedungene Mörder,
mag er ein Nobilis, Liber oder Lite sein, ans dem Lande gefloheui
so da& die Blutsfreunde des Ermordeten sieh nioht an ihn halten
können, dann hat der, welcher den Mörder gedungen hat, einerlei
ob er ein Nobiiis, ein Liber oder Lite ist, den dritten Theil des
Wergeides des Ermordeten zu sahlen (j^qni eum exposnit, tertiam
partem lendis eomponat'O» ^^ hingegen der Mörder im Lande, so
hat der, welcher ihn gedungen hat, keine bestimmte Summe zu
zahlen, er hat nur Faida zu ertragen, ist ein Faidosus, und zwar
so lange bis er sich mit den Blutsfreunden des Ermordeten ttber
Beilegung der Feindschaft und Herstellung eines freundschaftlicheB
Verhältnisses vergleicht, und wie es ihm gelingen mag aussöhnt:
„si vero homicida non fugerit, nihil solvat, sed tantum inimicitias
prqpmquarum hominis occiei patiatur („portet'' in §. 11), donee quo-
modo potuerit eorum amicUiam adipiscatur'* („in gratiam reyerta-
tnr'^; „donec se cum eis reconciliet*^) L. Fris. 11, 2. 3. 5. 6. 8,
oder wie sich Lex Fris. II, 7 ausdrückt: „sed tanium faidosus
permaneai, ' donec in gratiam cum propinquis occisi revertaiur ^^ —
Bei der Interpretation des Titels II der Lex Frisionum ist zu
beachten, dab in ihm die rechtliche Stellung desjenigen festgesetzt
werden sollte, der durch einen gedungenen Mörder Jemanden hat
ermorden lassen, eines Expositor, wie ihn die Lex nennt ^), nicht
') Die Lex Fris. TL, 3. 5. 8. 1 1 verwendet expositor, und damit gleich-
bedeutend qui exposuit: „si nobUis (liber, litus) nobilem (liberum, litum) per
Ingenium alio homini ad occidendiun ezposuerit'^ II, 1. 4, oder „qui eum ex-
posuit" II, 1 ; und ebenso : „si quis utensilia alli ad auferendum exposuerit''
II, 11. Die Lex spricht also von einem Expositor, von einem, der einem
Andern einen Menschen exposuit (aussetzte), um ihn su tfidten, von einem,
der einem Andern Sachen exposuit (aussetzie), um sie wegzunehmen (zu
stehlen). Ganz in derselben Beziehung bedient sich die Lex Salica des
Wortes e-locare oder locare (verdingen, verpachten): „si quis in furtum
aliquid ehcare voluerit" 28 , 1 ; „si quis in furtum elocatue ( d. i. der zum
Furtum Gedungene) acceptum pretium (f&r: accepto pretio?) hominem oc-
cidere voluerit^ 28, 2; „si quis in furtum aliqtiem elocare (nloeare**) voluerit,
ut hominem interficiat, et pretium ab hoc acceperit, et non fecerit'^ Zusats
bei Merkel p. 63 lin. 19; „si quis aliquid in furtum hominem loeaverit, ut
alium interfieiaf* Merkel p. 76 lin. 6; „si per tertio homine docatio traas-
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aber die des gedungenen ]fl5rderg) der in dem Onide nur nebeobri
znr Sprache kommt, dab nicht einmal angeführt wird, dab er
wegen des gesetzlich normirten Wergeides des Ermordeten tob
dessen ,,Propinqais'< oder nächsten Blntsfreunden wie jeder IfOrder
gerichtlich belangt werden konnte. Der Gesetzgeber der heu Fri-
sionum geht dayon aus, dafo die Propinqui des Ermordeten eine
fest normirte Bufse erhalten sollen: ist der MOrder im Lande, so
können sie gegen ihn wegen des Wergeides des Ermordeten klag-
bar werden, und das gentigt ihm; ist hingegen der MOrder ans
dem Lande geflohen, so bestimmt er, dais die Propinqui gegen
den Expositor auf ein Drittel des Wergeides des Ermordeten klagen
können; — diese specielle Festsetzung, die ip dieser Weise in
keiner anderen Bechtsquelle begegnet^), dfirffe die Abfassung des
ganzen Titels der Lex Frisionnm veranlabt haben. Dadurch, daia
der Expositor ein Drittel des Wergeides zahlt, ist eine Aussöhnung
mit den Propinquis des Ermordeten herbeigeführt, und sie dürfen
keine Faida (inimicitia) mehr gegen ihn hegen; anders verhllt
es sich, wenn der gedungene Mörder im Lande blieb, und eine
Klage auf das gesetzliche Wergeid gegen ihn möglich war; hier
können die Propinqui nicht aufserdem noch gegen den Expositor
klagen, gegen ihn haben sie nur („tantum'Q Faida (inimicitia)^
und der Gesetzgeber, der ihnen gegen den Expositor keinen recht-
missa fuerit'* tit. 28 , 2 ; „si post tertia eheatione ipsa transmissa faerit**
Merkel p. 63 lin. 24. Das ex-ponere in der Lex Fris. kann nicht an-
stiften bedeuten, wie Neuere mit du Caoge angenommen haben, da die
Lex Fris. 11, 11 Ton „utensilia exponere^ spricht; die Uebereinstimmuig
in der Verwendung von ex-ponere in der Lex Fris., und von e-locare in der
Lex Sal., zeigt, dafs ex-ponere (aus-setzen) Air verdingten gebraucht ist;
die Lex Sal. erw&hnt des Preises, den der Expositor geeahlt hat, und nennt
das Verbrechen eine elocatio, sie überschreibt den Titel „de elocationibuB**,
Ein deutscher Ausdruck ftür elocatio dürfte in forresni, der dunkeln Ueber-
Schrift des Titel II der Lex Frisionum, zu finden sein; das aits&chs. asna,
fries. esna, angels. aesne, bedeutet Lohn, Löhnung (merces); for-esni also
vielleicht Ver-dingnng (elocatio) ; in Mon. Germ. Leg. 3 p. 658 hatte ich an
das althochd. asni, angels. esne (mercenarius) gedacht, und for-esni als gleich*
bedeutend jnit expositor, elocator vermuthet.
Die Lex Sal. 28, indem sie dasselbe Verbrechen behandelt, seilt
voraus, dals der gedungene Mörder den Mord nicht voUfUurt hat.
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247
Hob verfolgbaren Anspruch gewShrt, hindert sie nicht ihn feindlich
m behandelui nnd dadurch, wenn es ihnen möglich ist, sa Con-
oesBionen sa bewegen; das feindliche VerhSltnifB (die inimicitia)
mit ihm mag daneni, bia auf irgend welche Weiae eine Ausaöh-
miBg erfolgt^ während dieser Zeit: expoaitor faidam eoram portet,
fiaidam eoram patiatar, faidosas permaneat; hiergegen hat der
Oeaetsgeber nichts einsuwenden, und ontersagt also in diesem
Falle in keiner Weise Faida, gestattet sie vielmehr mit unswei-
dentigen Worten. Der Titel II der Lex Frisionum bezieht sich
auf Friesland zwischen Flie und Laabach y oder die heutige hol-
lindische Provinz Friealand deren Mittelpunkt Leuwarden bildet,
und kann nicht vor 734, wo diese Gegend erst fränkisch wurde,
abgefafst sein, ist es aber wahrscheinlich bald nachher. Beachtung
verdient, dafs der Titel in §. 11 einen von Wulmar formulirten
Zusatz^) erhalten hat, der die im Titel erlassenen Vorschriften
aaf den Fall ausdehnt, wo Jemand einen Dieb gedungen hat; er
soll dann ebenso das Drittel der Bufse zahlen und Faida ertragen,
wie es im Titel ftlr denjenigen angeordnet ist, der einen Mörder
gedungen hat. Da nun die Walmarschen Zusätze zur Lex Fri-
sionum keinenfaUs vor Karl dem Grofsen erlassen sein können,
so gewährt der §.11 ein Zeugnifs, da£s die Satzungen des Titel II
der Lex Frisionum damals noch praktische Geltung hatten, nnd
Faida in der im Titel angegebenen Weise in Friesland gestattet
war, ja dals sie sogar nach allerlei Diebstählen vorkommen durfte,
wie es ausdrücklich §.11 des Titels ausspricht^).
1) Vgl. oben B. 240 Note 1.
*) Ueber 1. Fris. n vergl. Bogge Qerichtswesen p, 27, Woringen
Beitr&ge p. 40, Wilda Strafr. p. 631, Walter Deutsche Beehtsgesch. §.704.
2 p.371, Siegel Gesoh. der deutschen Gerichtsrerf. 1 p. 9. 13, und Waite
DentBolie Yerfassangsgesch. 1 (a. 1844) p. 197 und 1 (a. 1865) p. 406. —
Bogge sah in dem Drittel Wergeid der lex Fris. U eine neben dem Wer-
geid Ton dem Mordanstifter gezahlte Friedensbrüche, und erklärte deren
Zahlnng bei Landfiüchtigkeit des Mörders auf das KünstlichBte aus der von
ihm ausgebildeten Gesammtbürgschaft. Wilda nahm an, der Anstifter des
Mordes habe ein Drittel Wergeid neben dem ganzen vom Mörder einge-
klagten Wergeide zahlen müssen [das widerspricht dem Inhalt der Lex],
and sei mit diesem Drittel dayongekommen, wenn der Mörder entflohen
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248
d) Einen weiteren Fall der Faida erwähnt die Lex Saxontun
Gap.l9: gegen einen Mörder und dessen SOhne istFaida
zulässig; er hat das neunfache Werpdd des Ermordeten zu zahlen,
nnd seine Proximi haben ihm nur den dritten Theil eines dieser
Wergelder beizusteuern. Das Cap.l9 lautet: ,,8i morä-totum^) quis
fecerit, conponatur primo in simplo juxta conditionem suam; cujus
mnltae pars tertia a proximis ejus qui facinus perpetravit conpo-
nenda est, duae vero partes ab illo; et insuper octiea ab eo con*
ponatur, et ilie ac filü efus soli sint /aidosi^^.
Die letzten Worte enthalten die gewichtige Bestimmung, daA
Faida nur gegen den Mörder und dessen Söhne, nicht gegen seine
war, „war er aber im Lande, als heimlicher und unbekannter Todtschlagor,
80 sollte der Anstifter, in dessen Hause etwa der Todtscblag begangen war,
solange der Rache ausgesetzt bleiben, bis der Thäter bekannt geworden,
gegen ihn die Hauptsache entschieden, oder er als Todtschläger geflohen war''.
Diese Deutung der Verhältnisse bei Faida entspricht nicht der Aufiassung des
G^setsgebers in den Worten der Lex Fris. H. {. 2. 6. 7. 8. 1 1 : „si rero ho-
micida non fiigerit, nihil („nee aliquid'') solvcU, aed ianhtm inimieitias . .
patiahtr („sed tantum faidosus permaneat"), donec etc.'' Dem Gesetzgeber
erscheint es als das Ungdnstigere ftir den Kzpositor, wenn er gerichtlich
auf eine bestimmte Bufssumme belangt werden kann, dem er das „tantum
inimicitias patiatur** entgegenstellt; im Interesse der Verletsten sind im ftlteren
Deutschland die bestimmten Oompositionen eingeführt, bei deren Zahluiig
das Gesetz dem Verbrecher keine Wahl liefs, das bestätigt der Titel II der
lex Fris., wie es das Edictum Botharis c. 74 anerkennt. Auch Waitz verrückt
den Standpunkt, wenn er bemerkt: ^es wird in 1. Fris. H ein Fall roraus-
gesetzt, wo kein Wergeid gezahlt werden sollte, wo man aber die Kache
nicht ausschlieCsen konnte''.
1) Herolds Ausg. der Lex Sax. und das Manusor. Bpang. lesen „mordum-
totum'', verderbt aus mard^totum; das Corv. Manuscr. „morä-dotum*^; die
TiL Ausg. „mordri-ioton*', vgl oben S. 21. 67. 67. 72. 88 und 96. Zwei ältere
Wortformen mordh-tot und mordri-tot, die beide Mordtod (d. i. einen mör*
derisch herbeigeführten Tod) bedeuten, liegen diesen Lesarten zu Grunde;
„mord-toto„ verwendet auch die L. Alam., mordri die fränk. Lex de Amore
c. 46 (:„8i quis hominem in mordro occiderif). Aus einer deutschen Verbal-
form maurthrian {(poytuuy) goth., myrdrian angels., die neben murthiaii
(morden) althochd., steht, wie mordri neben mordh, ist gebildet: ca-murdrifc
(ge-mordet) in L Baj., mordritus und mordridus in 1. Fris., 1. Bip. und GapiU
a. 803, murdrida in 1. Baj.; vgl. die Stellen unten B. 249 Note 2, und über
das Wort die Note 47 in Mon. Germ. Legi 3 p. 672.
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249
aaderen Blatsfremide gestattet ist; in dieser Aiisdehnaiig erkennen
sie Faida aosdrücklieh als znlissig an, nnd gewShren daneben den
Blntsfrennden des Ermordeten das Reeht| statt Faida zu beginnen,
ein neunfaches Wergeid einzuklagen. Schwerlich wird es einem
Zweifel unterliegen können, dab diese in der Lex Saxonam vor-
geschriebene Zahlung eines nennfachen Wergeides für den Mörder
erst von König Karl in Sachsen eingeführt ist. Es spricht za*
nXchst daittr die Art, wie in der Lex Sax. anter den beim Mörder
zn zahlenden 9 Wergeldern das erste von den 8 anderen anter-
schieden wird : nnr za jenem haben die Blntsfrennde in alter Weise
den dritten Theil als Magzahl znznschiefsen, die 8 anderen hat
der Mörder allein aufzabringen. Za diesem inneren Argument
kommt ein Sufseres: auch die Lex Frisionum Tit. XX, 2 verordnet:
„si qais hominem occiderit et absconderit, quod mordritum vocant,
novem weregildos componat^' ^), nnd im Titel VII der Lex Fris.,
der ftlr absichtliche Tödtang eines Menschen mittelst Anzünden
seines Hauses ebenfalls ein neunfaches Wergeid vorschreibt, ist
ausdrücklich bemerkt: f^haee consHtuiio ex edicto regis processii'^.
Der König, der in Friesland das neunfache Wergeid einführte,
kann kein anderer gewesen sein als König Karl, er wird es auch
in Sachsen bei Erlais der Lex Sax. gethan haben.
Als Vermuthung will ich es hinstellen, dafs, da im fränkischen
Recht nach der Lex Salica und der Lex Ripuariornm für Mord
ein dreifaches Wergeid gezahlt wurde'), das in der Lex Frisionum
Die Ueberaohrift „de mordrito^ im Text der Lex Fris. Titel XX halte
ich f&r Ton Herold TerfaÜBt, indem sie nur dem Inhalt von {. 2 des Titel XX
entspricht, nicht aber dem f. 1 and {. 3 des Titels.
*) Nach Lex SaL 41 , 1 werden Bir einen Mord („si euyi in puteum
aot snb aqua miserit**; „si enm de ramis, aut de callis, aut de quibuslibet
rebus celaturus texerif) 600 Solidi gezahlt, d. i. ein dreifaches Wergeid;
ebenso i^ Lex Bip. XV unter Gebrauch der ftr das Verbrechen technischen
Benennung: „si quis ingenuus ingenuum Bipuarium interfecerit, et eum cum
ramo cooperuerit, vel in puteo seu in quocunque libet loco celare roluerit,
qnod dicitur mordridus, sexcentis solidis cülpabilis judicetur^. Noch in einem
Ziisats zu den Capitnlis quae in lege Bip. mittenda sunt a. 803 bei Perts
Leg. 1 p. 118 (wiederholt in einem K. Ludewig II. zugeschriebenen Cap.
a. 856 c 17 Pertz 1 p. 443), ist ftlr Mord das dreifache Wergeid anerkannt:
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Hnd in der Lex Bazonnm neben dem einfaehen Wergeide Yom
IfSrder zu zahlende achtfache Wergeid dnrch die frXakiaehe Ge-
Betsgebnng an Stelle einer früher bei den Friesen und Saehsen
geltenden Todesstrafe eingesetst ist Ein unmittelbares ^ngnifii
dafür, dflffs im vorfrlinkischen heidnischen Sachsen anf Mord die
Todesstrafe stand, scheint Beda za gewähren, indem er in der
oben S. 220 excerpirten Stelle berichtet, wie ein sächsischer Oan-
▼oroteher die Ermordung der beiden Ewalde an ihren Mördern
mit dem Tode strafte. Sollte aber anch diese Todesstrafe aidi
nicht auf den Mord iallein beziehen, und etwa der GauTorsteher
die Mörder nur deswegen mit dem Tode bestraft haben, weil er
die Ewalde, als anf der Reise zu ihm begriffene Gesandten, fttr
unter einem besonderen Schutz oder höherem Frieden stehend
ansah ^), so zeigt doch das dem fränkischen Recht fremde hohe
neunfache Wergeid der Lex Sax. flir Mord, dais er in Sachsen als
der behandelte Fall, den Boretins Capitolarien im Langobardenzeich« 1864
p. 86 zuerst richtig erkannt hat, ist, dafs ein Servu8, der sich im Besitz
des Nachksses seines Herrn befindet, aui Veranlassung eines Dritten, den
neunj&hrigen und den elij&hrigen Sohn seines Herrn ermordet hat, und
darauf von dem Dritten ermordet worden ist: „et judicatum est, ut illnm
qni novem annos habuit, tripliei weregildo eonponat, alium qui undedm ha-
buit duplictter (?), servumque mordritum triplieÜer, et hannum nostmm ad
omnia^. Ein neunfaches Wergeid für Mord kennt bereits die zwischen 613
und 622 gesetzte Lex Alamannor. Lotharii c. 49 (auch der Pactus IL cap. 42
p. 37, und die 1. Lantfrid. e. 47 p. 102): „si quis hominem oceiderit,
quod Alamanni mortoto (berichtige f^mord'toio'* aus d. and. Handschr.) di-
cont, novigxlduB «um solvat, et quidquid super eum arma et rauba tulit»
omnia sicut furtiva eonponat'^ Pertz Leg. 3 p. 61. In der Lex Big. XIX, 2:
„si quis liberum occiderit furtiro modo, et in flumine ejeoerit, rel in tale
looo, ant cadaver reddere non quirerit, quod Bajuvarii fnurdrida dicunt»
inprimis cum iO soUdis eonponat, eo quod funus ad dignas obsequias red-
dere non valet, postea yero cum tuo werageldo eonponat*' und {.3: „n
servuB Airtivo modo supradicto more oeeisus fuerit et ita abscons^, quod
eamurdrit dicitnr, novuplum eonponat, id est 180 solidos^ Pertz Leg. 3
p.828.
') Der Satrapa ist nach Bedas Worten empört: „quod ad se renire
Tolentes peregrini non permitterentur", und nach der Vita Lebuini rettet ein
Sachse den Lebuin dadurch, dafs er anfthrt, er sei em Gesandte Oottes,
und alle ^hgato« more solito cum pace suseepimui^, rgL oben S. 221.
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eis besonders sehweres Verbrechen gegolten haben mnfs ^).
Stand im TorfrSnkiBchen Sachsen auf Mord die Todesstrafe , so
erklärt sich das nennfache Wergeid leicht: König Karl mniste bei
AbschaiAing derselben eine besonders hohe Ba(se einftthren, nu
die Blntrfrennde eines Ermordeten sn ihrer Annahme zu bewegen');
denn daft ihnen die Wahl blieb auf das nennfache Wergeid so
klagen oder Faida gegen den Mörder an ttben^ sagt die Lex Sa-
xonnm ausdrücklich , nnd sicher hat König Karl hier die Faida
nicht erst nen gestattet, wenn wir auch nicht näher wissen, ob ihre
Beschrtnknng anf den Mörder nnd seine Söhne, deren die Lex
gedenkt, altes sichsisohes Recht war oder erst von König Karl
eingeführt ist.
e) Geffm AuBtihnng der Faida ist der von ihr Betraf ene da-
durch geschützt, dafs Todesstrafe darauf steht, wenn
Einer ihn ihretwegen in seinem eigenen Hause tödtet;
die Lex Sax. e. 27 Terordnet: „qvA hominem propter faüdam in
propria domo occiderit, capite pnniatur**.
Mit dieser Satzung ist diejenige zu vergleichen, die unter
dem Namen des Wülmar der Lex Frisionum als Additio 1, 1 bei-
gefügt ist: jfhomo faidosus pacem habeat in ecclesia, in domo sua,
ad ecclesiam eundo, de ecclesia redeundo, ad placitum eundo, de
placito redeundo; qui hanc pacem effregerit et hominem occiderit,
nomes SOsolidos componat, si vulnerayerit noyiesl2 solidos componat
ad partem regis". Während die Lex Saxonum verordnet, dafs
den, der Jemand „wegen Faida im eigenen Hause tödet*', die
Todesstrafe trifft, verordnet der Zusatz zur Lex Frisionum, dafo
wer einen „homo faidosus^ in seinem Hause tödtet, neunmal
30 Solidos bttlsen soll, indem ihn daselbst ein Friede in dieser
Weise schütze, unter dem getödteten Homo faidosus des friesi-
schen Gesetzes und dem propter faidam Getödteten des sächsischen
^) Keinen Werth wage ich darauf su legen, dais das sp&tere s&chsiflohe
Beeht ÜBlt Mord das Bad Terh&ngt, ygl. Sachsensp. 11, 13 {. 4, mit der Treuga
Henriä regia c & (vgl. 10) PerU Leg. 2 p. 267 übereinstimmend.
*) YgL wie König Bothari Ed. c. 74 erkl&rt : „ideo majorem oomposi-
tionem pöBoimas, quam antiqui nostri, nt faida, quod est inimicitia, post com-
positionem acceptam postponatur, neo amplins non requiratnr, etc."
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Oeaetses ist gleicbmftbig Einer verstandeiiy gegen den F«da er-
beben werden kann, der sieb in der Lage befindet , sie tragen
oder erdulden zn müssen: ita pt faidam portet, oder inimieitiam
patiatur, wie die oben S. 240 angeführten OeBetsessteilen es ans-
drücken^). — Zur weiteren Erläuterung des Verhältnisses dient
ein vielfaeh angeführter Brief von Einhard an den Abt RabaOi
in welchem Einhard sich für Gnndhart, einen Vasallen des Abtes,
dahin verwendet, dafs er yon einem ihm bevorstehenden Heeres-
znge dlspensirt werde, um zu Hanse bleiben zu können, indein
dies für ihn als höchst nothwendig erscheine, da er faHdotu» sei,
und nicht wagen könne mit seinen Feinden und denen, die seinem
Leben nachstellten, den Weg zu unternehmen, zumal gerade der
Gomes, unter dem er die Heerfolge zu leisten habe, sein gröbter
Feind sei*).
^) Völlig entsprechend dem y^ faidam portei " der Lex Sax. c 18, wird
angelsächsisch gesagt: „]»aet he u>ege sylf pafaehde^ Edmunds Ges. H, 1
{. 1 Schmid p. 176, und „he tcege pa faehde wid {>a maegde*' (gegen die
Magen) ibid. {.2 p. 176. Und für „ fai<ioeue eit^ sagen angels&chsiache
Quellen y,he ey fah (oder „ge-fah^) wid pone etc." Aethelstans Ges. II, 20
{. 7 Schmid p. 142 und Edmunds Ges. a. a. 0. f. 3, dem dann gegenüber-
steht „he sy un-fah*' (er sei ohne Feindschaft) Edm. a.a.O. {.1. Noch
im 14ten Jahrh. ist der Ausdruck in Friesland bekannt: in einer aus der
Gegend ron Emden herrührenden Uebersetzung der Domen ron 1312 wird
proscriptus übertragen durch „eji faih and fi-ethelas mon" Fries. Bechtsq.
p. 186,25. 188, 8. 190, 8; vgL in Büstringer fries. Texten: „sa ne thur hi
fach sitta", „sa skil hi wesa fach", „hia skilnn un-fach beUva", s. Fries. Wörterb.
p. 724. 729. Auchinaltd&n.Ges. „8itia/c^AokfirithlÖ8",rgl.WildaStrafr.p.l92.
Für faidosus in Manusoripten der \,^9i.fehiivs und „id wigifeh*^ Perts 3 p.285.
') In der Epistola XYII Einhardi: „quidam homo Vester (i.e. Hrabani
abbatis) nomine Gundhartus, rogavit nos pro se ad Yestram sanctitatem
intercedere, ut sibi liceat Her exercitale, quod praesenti tempore agendum
est, omittere aedomi remanere; asserene ee ad hanc remaneionem magna
cogi neeeesHaie, pro eo quod faidosus eit, et cum inimieie suis, et bis qui
yitae ejus insidiantur, hoc iter agere non audeat, praesertim cum iUo co-
mite, cum quo ire jubetur, quem sibi dicit esse inimicissimom. Idee rogat,
ut eum in tantum periculum Vestrae jussionis auctoritas non impeÜM» sibi
enrae esse seque providere, ut cum exactore heribanni, si renerit et eum
compellayerit, sine Vestro labore se pacificet". Die Epistola ist exoerpirt
Ton: du Cange s.v. fitiditus, Siegel Gesch. der deutschen Gerichtsverf.
1 p. 21, Walter Deutsche Bechtsgesch. 2 p.371, n. A.
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Die drei angefahrten Stellen zeigen übereinstimmend, dafs
wer Faida dulden mafste, vor seinen Feinden („inimicis*),
d. L vor denen, die gegen ihn Faida („inimicitia^) hegen
durften, in seinem Hanse einen gewissen Reehtsschntz
oder Frieden (npax^) genofs. Naeh der Lex Saxonnm traf
die Feinde, wenn sie diesen Hans-frieden verletzten und den Fai-
doBUB t5dteten, die Todesstrafe, nach der Additio legis Frisionnm
eine Bofse von neunmal 30 Solidis, d. i. ein neunfaches friesisches
Friedensgeld. Bei beiden Strafen drängt sich uns von selbst die
Frage auf, ob sie alt und eine Folge des nrgermanischen Haus-
friedens waren, oder erst später zur Beschränkung der Faida ein-
geführt, ob namentlich also die bezeichnete Todesstrafe erst bei
£rlaf8 der Lex Saxonnm fUr Sachsen von König Karl angeordnet
ist? Die Beantwortung der Frage hängt auf das engste mit dem
susammen, was man sich unter einem Faidosus denkt So weit
ich urtheilen kann, und ich meine die angeführten Stellen sprechen
darüber deutlich genug, war der Faidosus kein Fried-loser.
Dafs er in seinem Hause einen bestimmten Frieden („pax^) ge-
nofs, kann ich dafUr allerdings nicht geltend machen, da man in
diesem Frieden einen exceptionellen Schutz hat finden wollen, der
ihm später gewährt worden sei, um die von Altersher gegen ihn
zulässige Faida in ihrer Wirksamkeit zu beschränken. Entschei-
dend aber ist, dafs der Faidosus auch aufserhalb seines Hauses
keineswegs Jedermann schutzlos anheim gegeben war, sondern
eben nur denjenigen, welche Faida (^inimicitia'') gegen ihn üben
durften, weil er sie in einer Weise verletzt hatte, die ftbr sie diese
Befugnifs begründete^). Die Lex Saxonum bezeichnet als
') Fflr eine die Auffassung des Verhältnisses nicht fördernde Ausdrueka-
weise nrals ich es halten, wenn man wegen der Berechtigung Einzelner su
Faida gegen den Faidosus den Quellen zuwider von einer Friedlosigkeit des
Faidosus spricht, vgl. Beinh. Schmid Die Gesetze der Angelsachsen. 1868.
p. 671 : „Grammatisch hat das Wort faehde nur die Bedeutung von Feind-
schaft, dem rechtlichen Sprachgehrauche nach verhindet sich aher damit der
Begriff der Friedlosigkeit, denn es wird die Feindschaft dann als eine solche
betrachtet, welche Jemandem das Recht gieht, seinen Gegner als Feind zu
behandeln und Bache an ihm zu üben'' ; und p. 670 : „ faehde bezeichnet ,
nicht, wie unser Fehde, den Kampf, Streit, unmittelbar selbst, sondern die
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Friedlose nur die sam Tode VerTiTtheilten, and zwar
nnmittelbar nachdem sie in den oben 8. 261 abgedmckten Worten
die Todesstrafe ttber den verhängt hat, der wegen Faida einai
Menschen in seinem Hanse getSdtet hat; sie verordnet in Gap. 28:
,iGapitis damnatns nnsqnam habeat pacem; si in eecledam
confngerit, reddator << ^). Es entspricht dies dem Recht anderer
dentscher Stämme, nnd namentlich dem alten salfiränkisehen Reckt,
nach welchem friedlos gelegt wnrde, wer nicht dem Recht ge-
horchte, wer sich weigerte vor Gericht zu erscheinen, sich dessen
Sprach nicht unterwarf, eine ihm zaerkannte Bnfse nicht zahlte.
Dem Friedlosen war aller and jeder Rechtsschutz entzogen, Nie-
mand darfte ihn beherbergen und ihm Lebensanterhalt gewähren,
Jeder konnte ihn t5dten*). Eine solche Friedlosigkeit entstand
Feindschaft, ob^chon freilich eine Feindschaft, welche den Gegner als friedlos
erscheinen l&lst". Auch Waits Deutsche Verfassungsgesch. 1865. 1 p. 406
bemerkt: ,,I>ie Bache war gewissermaÜBen in das Recht angenommen, man
konnte sagen, dem Einseinen, dem Verletzten und seiner Familie, gegen-
über war der Uebelth&ter friedlos, hatte den Frieden verwirkt. So Walter
Deutsche Rechtsgesch. §.705; dagegen sagt Maurer Ueberschau 3 p. 44,
wie ich glaube, unrichtig, das Fehderecht sei durch die Friedlosigkeit be-
dingt gewesen.^
1) Darüber, dafs in Sachsen ein sum Tode verurtheUter Verbrecher in
der Kirche keinen Schute vor seinen Verfolgern fand , daCei ihm die Kirche
kein Asyl gewährte, vgl. oben S. 194.
*) Es sind folgende Stellen, die das salfr&nkische Becht bekunden:
I. SaL 56: „Si quis ad mallum venire contempserit, aut quod ei a rachine-
burgiis judicatum fuerit adimplere distulerit, si nee de conpositione, nee de
eneo, nee de ulla lege fidem facere (d. L Bürgschaft leisten) voluerit, tnnc
ad regis praesentiam ipsum mannire debet, etc.''; verharrt der mehrmals
Vorgeladene in seinem Ungehorsam: „tunc rex eum extra sermonem »uum
panai; tune ipse culpabilis et onones res suae erunt (sp&terer Zusati: „in
fisco aut cui fiscus dare voluerit'' Merkel p. 71 Nov. 150), et guiewngue
eum aut paverit aut haepitcUem dederit, etiamsi uzor sua prozima, eolidaa 15
etdpabüie judicetur, donec omnia quae ei legibus imputantur media onmibns
conponat'' Merkel p. 32 und Pardessus p. 32. 63. 109. 153; vgl. su Tit. 56
die im Wesentlichen übereinstimmenden Satzungen der angeblichen Capitola
Chüdeberti regis (um 550) c. 6: „de antrustione ga-malta*' Ferts Leg. 2
p. 7, die bei Merkel Lex SaL pl 41 als Titel 96 der Lex gedruckt sind.
Femer L SaL 55, 2 : „si quis corpus jam sepultum effodierit et expoliaverit»
et ei fiutrit adprobatum, wargus sU (Zns&tie: „id eat expttlsua*'; „hoc ert
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aber nieht eIb nnmittelbare Folge eines VerbrecheiiB, sondern eetite
einen bestimmten gerichtUcfaen Aet Torans, in welehem sie ttber
den Verbrecher verhXngt wurde, wie sie nach der Lex Saxonnm
mit jedem Todesnrtheile yerbonden war^). Keine Stelle der Lex
exjnilsiu de eo pago*') usque in die iüa quam iüe cum parentihus ipsius
defitneU conomiat, et ip$i pro eo rogare debent, nt et inter homines Uceat
aceedere; et qui ei, anteqaam cum parentibus conponat aut panem mit hoept"
ialem dederit (Zusate : ^sea parentes sea uxor prozima*') eolidoe 15 evipabilie
judicetur; tarnen auctor sceleris, qui hoc admisisse probatur, solides 200 (d. i.
ein Wergeid) culpabUis judicetur^ Merkel p. 31. 70. 88 u^d Pardessus p.31.
Femer Capitula Ghlodowechi regia (zw. 500 und 511) e.5: „si quis mulier
com serro suo in conjugio copvlaverit, omnes res suas fiseus adqnirat, et
iäa aepM» faeitU. Si quie de parentibus eam oceiderit, nuUus mortem iüiue,
nee parentes nee fiscus, nullatenus requinxtur . ,, ei mulieri de parentibue
aut quüibet panem aui hoepitalem dederit, eolidoe 15 culpaUlie judicetur*^
Pertc Leg. 2 p. 3. Femer das Edict. Chilperioi regis (zw. 561 und 584) c. 9:
„nam ei eerte ßierit mtUus homo, qui male in pago faeiat, et non habeat
ubi consistat nee res unde conponat, et per sÜTas yadit, et in praeeentia
nee agene (derKl&ger) nee parentee ipeum addueere poeeunt, tune agens
ille et cni malefecit (deijenige, den er durch sein Verbrechen verletste)
nobiscum adcusent, et ipsum mittemus foras nostro sermone»
ui quieumque eum inoenerit, quomodo eie anU pavido interfieiat** Perts Leg. 2
p. 11.
^) Die alte Friedlosigkeit trat im fr&nkischen Beich mit der erstarken-
den Königsgewalt frfih zurftck, oder ging Über in die Strafe des Exils, d. i.
der Verweisung aus der Heimath an einen bestimmten Ort; ob unter dem
„qui in ezilium missus est'' der Lex Sazonum c 64 ein in alter Weise
Friedloeer, oder ein zur Strafe aus dem Lande Verwiesener zu verstehen
sei, erscheint mir als fraglich, ygl. oben S. 110; der fr&nkiscbe König rer-
wandebe als Begnadigung die Friedbsigkeit in Exil, Friedlosigkeit und Exil
bestanden neben einander. Dals im ältesten fränkischen Recht, wie im s&eh-
sisehen, friesischen und nordischen, die Friedlosigkeit vorhanden war, zeigen
die in der vorigen Kote excerpirten Stellen ; in Lex Sal. 55, 2 mit Wilda
Strafr. p. 279 und Waitz Das alte Becht der saL Franken p. 201 oder Verfas-
sungageseh. 1 (1865) p. 398. 405, eine besondere ältere Gestalt der Friedlosig-
keit SU finden, als in den andem Stellen gemeint ist, sebe ich keine Nöthigung;
wenn Wattz bemerkt: „die Friedlosigkeit erscheint bei den Saliern in dop-
pelter Gestalt, emmal als ein Ueberbleibsel aus altheidniscber Zeit: wer
Leichen beraubte, sollte wargus sein (1. Sal. 55, 2) ; der Begriff ist ein heid-
nisch dftsterer: wie ein Wolf sollte er ohne Heimath umherirren", so gribidet
sieh dies doch wohl nur auf das in der Stelle gebrauchte Wort wargus.
Dies bedeutet gothisch, althochd«, miflelhochd. , altfränk., angels. und alt-
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Saxonnm oder der Lex Frisionnm berechtigt sn der Vermatliiuigy
dafs ein FaidosaB wie ein Friedloser behandelt worden wlre, im
Gegentheil liefert der Titel V der Lex Frisionüm in dieser Hin-
sicht einen directen Gegenbeweis; indem er die Personen anftJOilt,
die nach dem friesischen Recht geUSdtet werden konnten, ohne
dafs für sie ein Wergeid sn zahlen war („qni sine compositione
occidi possnnt % und anter ihnen den Faidosns nicht nennt. Dafs
Faidosi; die später friedlos wnrden, dadurch nicht von der Faida
(„inimicitia*') derer befreit waren , gegen welche sie früher die
Faida rechtfertigende Verbrechen verttbt hatten, dals sie also femer
der berechtigten Faida ihrer Feinde ansgesetst blieben, und dab
somit Friedlose factisch Faidosi sein konnten, ist gewifs nicht in
Zweifel za ziehen ; Friedlose werden aber technisch nicht Faidosi
genannt, weil sie sich in einer viel ungunstigeren Lage als diese
befanden, und am wenigsten sind alle Faidosi als Friedlose sn
denken ^).
nord., wie Grimm Rechtsalterth. p. 733 und Qesch. der deutschen Spraehe
p. 328. 332 (rgl dazu: MüUer Mittelh. WOrterb. 3 p. 624 und Mftbius Altnord.
OloBsar. p. 496) erOrtert hat : condemnatus, latro, exsul, lupus. Ob nun ein
ursprachlicher Name des Wolfes auf den Friedlosen angewendet ist, oder
nicht vielmehr die Bezeichnung des zum Tode Verurtheilten und als fiiedloa
in den Wald Fliehenden dem flüchtigfen Waldthiere seinen Namen ge-
geben hat, ist ftkr die Erkl&rung der Gesetzesstelle ohne Einfluls; sie be-
stimmt : der überf&hrte Verbrecher soll wargus sein , d. h. zum Tode venir-
theilt oder friedlos, indem sie sich einös gangbaren Ausdruckes bedient,
ohne dadurch eine besondere Gestalt der Friedlosigkeit bezeichnen zu wollen.
Man beachte die Bedeutung des Verbum wargian (condemnare, capitis dam-
nare), sowie dals schon Sidonius ApoUinaris wargus als eine in GaUien üb-
liche Bezeichnung ftlr „latrunculus^ anführt, namentlich aber die Bestim-
mungen des Capitulare Sazonicnm a. 797 c. 4 über die alts&chsische wargida
(d.i. condenmatio).
*) Das Wort faidosus verwenden ausser den besprochenen Stellen
(1. Saz. c 19, 1. Fris. II, 7. Add. I, 1, und Epist. XYII Einhardi) z. B.:
L. Baj. n, 8 §. 1 : ^si quis hominem per jussionem regis vel ducis occidmt»
non requiratur ei (d. L der ihn t(Jdtete, kann nicht verklagt werden) nee
Jeidotus Sit"; Capit. a. 805 c.6: „de. armis infra patria non portandis: et
si faidosus Sit (d.h. wenn ein Faidosus bewaffnet einhergeht), diacutiatar
tune quis e duobus contrarius sit ut pacati sint (d. h. es soll dann unter-
sucht werden, ob der Faidosus oder sein Feind die Aussöhnung verhindert) ;
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267
Diefle Axribmang des FaidosiiB ftthrt aber aneh zu der An-
Bahme, dab K. Karl die Todesstrafe der Lex Saxonnm für den-
jenigra, der einen Faidosns in seinem Hause tödtete, schwerlich
et distringautur «d pacem, etiamsi noluerint; et si allter pacificare nolunt,
ftddncantur in nostram praesentiam^. Pertz Leg. 1 p. 133; Oap. a. 813 c. 26:
„ot inqnirator diligenter de fcudosis hominihus, qui solent incongruas com-
motiones fftoere, tarn in dominicis diebus quamque et alüs solemnitatibus,
aicati et in feriatlcis diebus; hoc omnino prohibendum est, ne facere prae-
Biimant^ Pertz 1 p. 190. Neuere baben faidosus in sehr verschiedener Weise
Terstanden, z.B. bemerkt Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer. 1834.
p. 388, mit Rücksicht auf L. Fris. Add. I, 1: „Verletzungen des Hausfrie-
dens Bcheinen Besonders gegen homines faidosi häufig Torgekommen zu sein,
d. h. gegen solche, welche sich wegen eines ihnen schuldgegebenen Ver-
brechens nicht zu reinigen vermochten und dennoch die Zahlung von Bufse
verweigerten". Wilda Strafrecht. 1842. p. 193: ^^homo faidosus ist in seiner
eigentlichen Bedeutung der, welcher die Feindschaft eines Anderen sich
selbst durch eine widerrechtliche Handlung zugezogen hat, und daftir büfsen
und leiden mnüs; und dann wohl auch der dieser Feindschaft ausgesetzt
bleibt, weil er nicht zur Sühne gelassen wird, sich ihr entzieht, oder die
Bufse nicht erbringen kann. Uneigentlich ist homo faidosus dann ein un-
ruhiger gewaltthätiger Mensch, besonders auch der nach Rache strebt, wo
er es nicht soll, oder der ftlr seine verübten Misnethaten zu Recht zu stehen
sich weigert^; und p. 242 übersetzt Wilda dann ,.homo faidosus^ durch:
ein missethfttiger Mann. Keine SteUe beweist, data unter faidosus auch ein
Verbrecher verstanden worden sei, der eine zu Recht von ih« geforderte
Buise nicht zahlen wollte oder nicht zahlen konnte, oder der sich zu Recht
zu stehen weigerte. Daftlr, dafs das Wort im uneigentlichen Sinne für einen
gewaltthätigen Menschen gebraucht sei, verweist Wilda auf das späte im
Eingang dieser Not« ezcerpirte Capitulare von 813 c. 26, das sich aber auch
auf der Faida verfallene Verbrecher beziehen l&fst. Siegel Gesch. des
deutschen Gerichtsverf. 1857. 1 p. 17 unterscheidet in Betreff des Begin-
nens einer Faida, F&lle, in denen der Verletzte den Verbrecher auf frischer
That betriff) und sofort an ihm Rache nimmt, und andere, in denen er den
Verbrecher nicht mit Sicherheit kennt : „hier kündeten (die Verletzten) dem
Verd&chtigen die Feindschaft an, und wurde der MissethUter durch diese
Erkl&rung zum homo faidosus". Siegel mufs einräumen, „dafs es an Zeug-
mssen fehlt, dafs eine solche Verkündigung stattgehabt habe'^, wollte man
ihm aber dies aus inneren Gründen einräumen, so scheint es mir doch un-
statthaft vorauszusetzen, dafs es in der WUlkür der Einzelnen gelegen habe,
gegen einen in keiner Weise als schuldig Constatirten Faida zu beginnen,
und ich verwerfe deswegen den Siegeischen Begriff von faidosus. Mit Be-
rufung auf Wüda äufsert Waitz Deutsche Verf. 1 (a. 1844) p. 197 u. 1 (a. 1865)
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258 .
erat eingeführt haben kann^); wie sollte er dam gebomnen Bein,
indem er die altherkömmliche Faida beatehen lieb, den Faüenis
in Bo eclatanter Weise zn sehtttaen? Er tritt anderwärts gegen üe
Ansttbung jeder Faida anf und proclamirt sie als unstatthaft, wie
es offenbar seinem christlichen Standpunkt entspricht, und indem
in Sachsen und Friesland die eigenthttmlichen LandesverhXltniaae
ihm dies nicht als ausführbar erscheinen liefsen, solHe er nidit
nur die Faida in der Weise femer tolerirt haben, wie sie bisher
galt, sondern sie vielmehr als etwas moraüsch Zulässiges an-
erkannt und einer neuen ihre Ausübung regelnden Qesetsgebnng
unterworfen haben. Im vorfränkischen heidniseheA Recht mnft
ein Schutz des Faidosns in seinem Hanse als durchaus ange-
messen erscheinen, da in ihm die Faida ein in jeder Weise ge-
billigtes organisches Glied abgab, und sie erst durch diesen Schuta
zu ihrer vollen Geltung und Ausübung gelangte; der Faidcans
konnte sich dadurch in seinem Hanse zum Widerstand vorbereiten,
konnte, vor unerwartetem üeberfall gesichert, seine Macht der
seines ihn angreifenden Feindes gerüstet entgegenstellen; — der
Verletzte hatte es verschmäht die gerichtliche Hülfe zur Erlan-
gung der gesetzlichen Bufse von dem Verbrecher in Anspruch an
nehmen, das alte Recht gestattete ihm, sich selbst an helfen und
zu sehen, ^as er durch eigene Macht von dem, der ihn wider-
rechtlich geschädigt hatte, erreichen könne, aber es gewährte auch
diesem in seinem Hause einen Schutz, er sollte hier nicht über-
fallen und dadurch vielleicht zu Grunde gerichtet werden, ein
offener Kampf sollte nunmehr, da das positive Recht nicht snr
Geltung kam, zwischen beiden entscheiden; — wesentlich anders
mufste König Karl die Sache beurtheilen; ihm konnte unmöglich
p. 404 : »Wer der Rache ausgesetzt war, wird als faidosns beseicbnet, daiin
aach jeder, der yer letzt, beleidigt und noch keine Sühne gegeben, die Radie
nicht abgewendet hat**.
1) Anderer Meinung ist Siegel Gesch. der deutschen 6eriehtsyer£ 1
p. 20: „Erst später in der christlichen Zeit werden gewisse Schranken ge-
setzt, in denen die Fehdeübung sich zu halten hat; sie lassen sieh den
Regeln der heutigen KriegftLhrung vergleichen; die wichtigste Besohr&nkong
war, dals dem Befehdeten kein Leid in seinem Hanse mgefftgt werden
durfte«.
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entgelieii, daTa dordi die Einfühniog einea derartigeii früher nieht
vorlttiideiie& Sehntses für den verbreoherisclien Faidosas in seinem
Hanae die Beendigang der von ihm als onchriBtlich verurtheilt^
Faida weaentUch yenl^ert wurde ^ und dafs mancher trotzige
Mann, den die Zahfaing einer ihm unbedeutend erscheinenden ge^
aetsHehen BnJbe nioht von einem Verbrechen zurückschreckte, es
noch leichtsinniger begehen würde , wenn er wufate^ dals er in
seinem Hause allen Angriffen gegenüber eine ihn schützende Burg
beaafs. Ein Hausfriede für den Faidosus befördert eine der fac-
tisehen Macht der beiden Verfeindeten entsprechende Entscheidung
der begonnenen Faida, vermehrt aber Zahl und Dauer der Faidae
im Lande y und gerade das war gegen König Karls Wille; in
mehreren Verordnungen dringt er darauf alle vorhandene Faida
aehlennigst beizulegen^).
Wer den Faidosus in seinem Hause tödtet, der bricht einen
Frieden, sagt die Lex Frisionum in der oben S. 261 abgedruckten
Stelle; betrachten wir den allgemeinen germanischen Hausfrie-
den näher, um zu ermessen, inwiefern die Strafe, die den Fai-
dosus in seinem Hause schützt, aus der Strafe für Bruch des
allgemeinen Hausfriedens hervorgegangen sein kann. — Keinem
der älteren germanischen Stämme fehlt der Hausfrieden, er er-
streckt sich auf das Haus mit seinem Hofraume^), und alle Stamm-
rechte behandeln namentlich das Verbrechen der Heimsuchung als
ein schweres, und finden es begründet in einem Angriff mit Meh-
reren auf das Haus'). Im Salfränkischen Recht wird der Ueber-
>) Dafs die AuÜBorlich ahnUchen Satsangen der Landfneden des 12teB
«ad Idten Jahrhnnderta, die unter völlig anderen Verhältniasen in Deutsch-
land erlassen wurden, eine gnindrerachiedene Tendens dietirte, als die,
welche König Karl bei seinen Bestimmungen gegen Faida leitete, bedarf
hier keiner Ansfthning.
«) Vgl. oben S. 197.
*) Vgl. aber Hausfrieden besonders Wilda Strafr. p. 242. 958. 616, aber
aoeh Oaupp Das alte Oesets der Thüringer p. 388 und Waits Deutsche
Yerfl 4 p. 433. Die Abhandlung Ton £d. Osenbrüggen Der Hausfrieden.
1857, beschränkt sich leider auf einen engen Kreis deutscher Bechtsquellen
▼Ott 12ten bis 16ten Jahrb., mit Ausachlufs der dieser Periode angehören-
den reichen firies., hoü&nd. und fl&misohen Aufzeichnungen, und geht auf
17*
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fall eines Dorfes yom Ftthrer mit 62 V« Solidis gebWlit; er6>lgt
der üeberfall eines Hauses mit einem Gontabemium, and es wurde
der Eigenthümer im Hause getödtet, so wird er mit dreifachem
Wergeide gebttfst'). Nach Ripuarischem Recht wird ein in seinem
Hanse bei einem üeberfall mit einem Heerhanfen Oetödteter rom
Führer mit dreifachem Wergeide gebUfst, seine Genossen zahl^i
außerdem Geldbufsen ^). Nach Thüringischem Recht werden Tod-
tungen und Verletzungen im eigenen Hause mit dreifachem Wer-
geide und dreifacher Bufse gebüfst, und beim üeberfall des Hauses
zahlen die Genossen aufserdem Geldbufsen*). Das Alamannisehe
Recht verordnet für Tödtung eines Todtschlägers bei der Verfol-
gung in sein Haus^ die Zahlung eines einfachen Wergeldes; neun-
faches Wergeid dagegen, wenn die Verfolgung mit einem Heer-
haufen veranstaltet war^). Nach der Lex Frisionum XVU,4 wird
den Zusammenhang des geschilderten mit dem ftlteren deutschen Recht nicht ein ;
vgl. aber namentlich seine Erörterungen p. 60. 65. 68, über dae Yerhaltnifii des
Hausfriedensbruchs und der Heimsuchung im sp&teren deutschen Recht.
^) L. SaLXIV, 6: ^^Si guis villam alienam adaalierit, quanti in enm
superventum probati fuerint fuisae, solidos 62^1% culpabilis ßiäicehtr", und
XLn, l : '„«t quis eoUecto contuhemio hominem ingenuum in domo aua ad-
ieUierit, ef ibi eum ' occiderit, si in truste dominica non iuerit, ille qui oo-
ebus est 600 solidos culpabilis judicetnr^.
^} L. Rip. LXIV : y,Si quis hominem in domo propria cum hariraida
interfecerit, auctor facti triplici wergildo mtdetetur; et tres priores 90 soL
culpabiles judicentur, et quanti ei sanguinem fiiderint unusquisque wergildo
eum componat; et quanticunque post auctorem sanguinis efiiisores, rel post
tres priores fuerint, unusquisque 15 solidis mulctetur^. Vgl. Lex Bajur.IV c.23
n. 24, die herirsita und luimzuht unterscheidet, und jene annimmt, wenn
42 Bewaffnete das Haus einschliefsen, diese wenn weniger; und im ersten
Fall eine Bulse von 40, im zweiten ron 12 Solidis ftr den Angreifer be-
stimmt.
•) L. Thur. c. 60 (oder XI, 7) : ^^qui aUerum intra sepia propria oeci"
derii, in iriplum conponat, vel quicquid damni ibi commiserit triplioiter
emendet^, und cap. 57 (XI, 9): „qui domum alterius colleeta manu hosti-
liter circumdederit, trium primomm qui fiierint unusquisque solidos 60 con-
ponat, et rei similiter; de ceteris qui eos secuti sunt, solidos 10 unusquisque;
et in bannum regis 60 solidos".
^) L« Alam. Loth. 45, 1. 2: wenn bei einem Streit zweier, der eine er-
schlagen, und der Th&ter sofort in sein Haus rerfolgt und getödtet wird.
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fttr Heimsochmig^ vom Führer ein Wergeid an den König gesahlt
(:„qm mann collecta hostiliter villam vel domum alterins eircnm-
dederit, weregildnm ad partem regia componaf^), jeder seiner Oe-
noBsen zahlt anfBerdem 12 Solidi, und es wird der angerichtete Scha-
den in Mittelfriesland doppelt, in Ostfiriesland einfach erstattet Wie
nach friesischem Recht eine TMtnng im Hanse gebttfst wurde, ist
nicht angegeben ; dafs sie im GehOft des Hereogs („in curte dnois*)
mit neunfachem Fredum gebtifst wurde, sagt Lex Fris. XVn, 2 >),
und dies ist die selbe Bufse, die nach der oben auf S. 251 ex-
cerpirten Stelle der Additio Leg. Fris. 1, 1 für Tödtung des Faidosus
in seinem Hause entrichtet werden mufste. Da aber anderweitig
die Vemeunfachnng der Wergelder und Bufsen in der Lex Frisio-
num als fränkischen Ursprunges bezeugt ist'), so wird einge-
räumt werden müssen, dafs auch hier die Zahlung eines nenn-
fachen Fredum (oder von neunmal 30 Solidis) als eine Aenderung
des alten friesischen Rechtes zu betrachten ist; als mgenthümlich ßrie-
such erscheint dagegen das bei einer Heimsuchung^ also wegen Bruch
des Hausfriedens, an den'Eönig gezahlte Wergeid des Füh-
rers des Ueber/aUs, Vergleiche ich nun hiermit, dalB die Lex Sa-
xonum c. 27 Todesstrafe verhängt für Verletzung des Hausfrie-
dens durch Tüdtung des von einer Faida betroffenen Hauseigen-
80 sahlt man ein Wergeid; „si antem non « . eunt secuti in domum, et postea
mittit in yicinio, et congregat parea et pausat arma sua Juso, et postea
hostiliter sequitur eum in domum, et si eum tunc oeoiderit, novem widri"
gildos eonponal^ Pertz Leg. 3 p. 60.
>) L. Fris. XVn, 2: ^^t in curte ducis .. hominem oeciderit, no-
ot« tperegildum efus componcU, et nories fredam ad partem dominicam^.
Diese Erw&hnung der „eurtis ducis" in der Lex Fris. erinnert an die Lex
Alam. Loth. c. 29: „de hoc ^t in curte ducis haminem oeciderit, aut ibi
ambulantem aut inde reyertentem, triplici widrigüdo eum solrat, pro hoc
quod praeceptum ducis transgressus est, ut unusquisque homo pacem habeat
ad dominum yeniendo et de illo revertendo; etc." Pertz Leg. 3 p. 54 und
cap. 32: „si quis res dud, quae ad eum pertinent, exinde furatus fuerit,
tres noeigildos conponat". Aus den letzten Worten scheint Lex Baj. ü^ 12
zu schöpfen: „si quis infira curte ducis aliquid inTolaverit, quia domus ducis
domus publica est, triu-niungelt conponat, hoc est ter novem oonponat".
Pertz 3 p. 287.
S) YgL meine Ausführung in Mon. Germ. Leg. 3 p. 648,
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thttmersy so führt diea tu der Annahme, dafe das naoh der Lex
Frisionnm an den König sn zahlende Wergeid an&nfaaaen iat ab
Lösegeld ßhr einen der Todesstrafe ver/ailenen HBMs/nedenshreeher^).
1) Bei dem dreifachen Wergeld des salfr&nkischen, ri-
pnarischeii und thfiringischen Rechts, farTödtungen imHausey
mag die Zahlung ron Wergeld auf einen gleichen Ursprung BuHckzufthren
sein. Die dahei stattfindende Verdreifachung des Wergeides kehrt anoh
hei anderen BuCsen im fr&nkischen Recht vielfach wieder, und ist offenhar
auch in der einzigen Stelle, in welcher sie die Lex Saxonum erw&hnt, erst
von KOnig Karl eingeftLhrt. Die Lex Sax. c. 37 verordnet n&mlich
eine dreifache Bufse hei Verletzungen im Heere und auf dem
Wege zur königlichen Pfalz (i^^gui Aommt in hoste vel de hoste, ad
palatium vel de palatio pergenti, meUwn aliguod feeerit, in triplo eomponat^)»
während die Capitula de partibus Saxoniae c. 26 nur die Zahlung des Bann-
geldos verhängen, wenn Jemand auf seinem Wege zum König behelligt ist:
„ut null! hominum contradicere viam ad nos veniendo pro justitia reda-
mandi aliquis praesumat, et si aliquis hoc faoere conaverit, nostrum bannum
persolvat^, vgl. in CapituL a.779 c 17: ^de itinerantibus. Qoi ad palatinm
vel ali ubi pergunt, ut eos cum coUecta manu nemo ait ansus adsalire**
Pertz Leg. 1 p. 38. Dem gegenüber bestimmt bereits die Lex SaL LXIII, 1 :
^si quis hominem ingenuum i» hoste occiderit, 600 solidos eulpabilis judi-
eetur^ (vgl. den spateren Text der Stelle bei Merkel p. 73 nov. 177); und
aus der Lex Sal. ist die Satzung aufgenommen in die Lex Rip. LXIII: „si
quis hominem in hoste interfecerit, tripliei weregildo oulpabiüs judioetor,
de fiirto similiter''. Die Lex Alam. 26. 27 verordnet: „de his qui in exercita
litem commiserint . . et aliqui occisi fderint, ipse homo qui hoc oommisift» aiii
vitam perdat €U(t in exilium exeat et res ejus infiscentur; et illi qui ibi ali-
quid . . fecerunt , omnia sicut lex habet triplieiter sohant. De hoc qvi in
exercitu, ubi rex ordinaverit exercitum, aliquod furtum fecerit, 9 vicibus no-
vig^ldos,solvat quidquid involatus fiierit; si autem dux exercitum ordinaverit,
tres novigildos solvat'' Pertz Leg. 3 p. 54. Mit der Vorschrift der Lex Alam«
ist verwandt die der Lex Bi^. II, 4 §.1: „si quis in ererdtu, quem rex
ordinavit vel dux, scandalum exeitaoerit infra proprio hosts, et ibi homüue
mortui fuerint, conponat in publieo 600 solidos; et quis ibi aut percoosiones
aut piagas aut homicidium fecerit, conponat sicut in lege habetur; et ille
homo qui haec commisit, benignum inputet regem vel ducem suum, si ei vitaia
concesBorint^ Pertz Leg. 3 p. 283. Als neu erscheint die Satzung der Lex
FriiL XVII, 1 : „ei quis in exercitu Ütem eondtaoerit, novies damnnm quod
eflfecit componere cogatur, et ad partem dominicam novies fredam persohat^. —
Das Capitulare Baxonicum von 797 o. 7 ffthrt in Sachsen für TOdtung
eines Missus und dessen Genossen Zaiilung von dreifachem Wer-*
gel de ein: „de missis regis stataerunti ut d ab eis aliquis intarfeetoB ere-
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Biiie Bettittigung findet diese Vermuthung darin, daft nach dem
Ediet des langabardisohen König Roihari, Jemand, der, um eine
Beleidigung s« riehen, bewaffiiet oder mit vier Mann m em Dorf
anfällt, mii dem Tode bestraft werden soll, sieh aber mit 900 SoUdis
lösen dmrf, von denen der E»nig die Hftlfte erhält 0* Noch be-
deutsamer aber spricht dafür, da/s die älteren nordischen Rechte
den Haus/riedensbruek für eine un^bü/sbare Thai (^o^bota-mal*) er-
Haren*)] sie reehnen den, welcher den Hausfrieden bricht, su
den Leuten „qui sine eompositione oecidi possuat", um mich der
nerit, in triplum eom conponere debeat qu hoc facere praeeuinpaerit ; ai-
militer ^uioquid aut eorum hominibus factum fuerit, omnia tripliciter faciant
restaurare et secunduin eorum ewa conponere"; ihm gegenüber bestimmen
die Capitula de part. Sax. c. 30 bei Tödtung eines Comes nur Confiscation'
der Güter des Verbrechers, und die fränkische Lex de Amore c. 7 und 8
setiSt fest: „si quis comes in suo comitatu oociaus ftierit, in tres tcereffildos,
oeot sna natrriliaB est, eomponere faeiat. Si quiB missum dominicum ood-
deiit, quatido in missaticum directus fuerit« in ires voeregildos, siout sua
natiritas est, eomponere faeiat". — Ein in des Ansegisus Appendix II. c. 36
bei Pertx Leg. 1 p. 324 aufgenommenes Fragment eines Capitulare
(das Perts Leg. 1 p. 170 einem a. 811 gesetzten Capitulare de ezercitalibus
einftgt, was Boretius p. 96 su widerlegen sucht) verordnet dreifache
Bufae, wenn ein Bachse in seinem Getreide firemde Pferde pfändet und
ihm der Eigenthümer deswegen einen Schaden auf%^; n^ipla eonpositions
secundum legem et secundum ewam contra eum emendare studeat, et in-
Buper bannum dominicum solvat, et manum perdat pro eo quod inobediens
fuit contra praeceptum domini imperatoris, quod ipse pro pace statuere
jussit. 8i servus hoc fecerit, secundum suam legem omnia in triplum re-
stituat, et diadplinae oorporali subjaoeat^.
^) Ed. Bothar. c 19: „«i quis pro injuria sua vindicanda super quem-
cnnque hominem manu armata aut cum exercitu usque ad quatuor homines
in vicum intraverit, ille prior pro illicita praesumptione moriatur aut com-
ponat solidos 900, medium regi, medium ei qui injuriam passus est; et iUi
qui com ipso fherint^ unusquisque 80 solidos, etc.*'
>) Vgl. die Kach Weisungen von Wilda Strafr. p. 241; ich ezcerpire
hier nur die Worte des neueren Gulathingslag von König Magnus in IV c. 3 :
n^ai er oc ubotamal, ef moAr wegr mann innan stoks (wenn ein Mann
einen erschl> im Hause), eda i garde uti, eda innan gerdis (innerhalb des
Zaunes) pess er hwerfr um akr e^a eng (Wiese) at heimili sealfs hans,
nema hann weri hendr sinar'^ (ausgenommen wegen Noibwehr.) Muneh Nor-
gte gomle Lovg 2 p.51.
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Worte der Lex Frisionam zu bedienen; er ist ein dem Tode ver-
fallener Mann; — kurz: die verschiedensten Anzeichen führen
zn der Vermnthung, dafs für Hansfriedensbraofa die
Todesstrafe nraltes germanisches Recht war, die
auch bei dem Faidosus zur Anwendung kam, wenn er
in seinem Hanse getödtet wurde.
Wie der Gesetzgeber in der Lex Saxonnm überhaupt nicht
das gesammte in Sachsen geltende Recht au&eichnen wolltOi
sondern nur Satzungen über einzelne im Moment dessen bedürf-
tige Punkte in ihm, so und nicht anders hat er es auch in
den fünf auf S. 241 bis 251 (unter a bis «) erörterten Stellen
der Lex geihan, in denen er auf Faida zu reden kommt
Sie erwähnen, dafs in Sachsen Faida gegen einen Mörder geführt
werden konnte (vgl. oben S. 248 lit. d), sei es, dafs dieser Selbst
einen Menschen ermordet hatte, oder dafs sein Lite (oder Sklave)
für ihn in seinem Auftrage den Mord ausgeführt hatte (vgl. oben
S. 243 lit. c). Dagegen soll der Herr des Liten nicht der Faida
verfallen sein, wenn der Lite ohne seinen Befehl gehandelt hat,
und soll ferner der es nicht sein, welcher Jemand, ohne es zu wollen,
durch sein Geschois verletzt (vgl. oben S. 243 lit. 5), oder dessen
Thier einem Menschen Schaden zugefügt hat (vgl. oben S. 241
lit. a). Es fehlt uns an Mitteln, um festzustellen, inwieweit der
Erlafs dieser Satzungen in der Lex Saxonum Beschränkungen der
Faida herbeiführte; man wird dem Anschein nach vermuthen
können, dafs in vorfränkischer Zeit in Sachsen der Herr für jeden
Mord seines Liten in Faida verfiel, sowie dafs Jeder es für ge-
wissen auch ohne seinen Willen von ihm oder durch sein Vieh
einem Anderen zugefügten Schaden that Indem das Gapitel 19
der Lex Sax. von der Faida gegen einen Mörder spricht, erwähnt
es, dafs diese nur gegen den Mörder und dessen Söhne gestattet
sei (vgl. oben S. 248); wir werden vermuthen dürfen, dafs auch
in dieser Bestimmung der Lex eine Beschränkung der Faida aus-
gesprochen ist; gegen wie entfernte Blutsfreunde („propinqui*)
des Mörders im vorfränkischen Sachsen Faida zulässig gewesen
sein mag, wissen wir nicht. — Der sächsische Faidosus war
kein Friedloser („qui nusquam habet pacem*"), nicht Jedermann,
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Bondern nur bestiminte Personen durften gegen ihn Faida ana-
ttben; aber aach diesen Feinden gegenüber genob er in seinem
Hanse einen Frieden; wer ihn hier tödtete, den traf die Todes-
strafe (vgl. oben 8.251), nnd die Lex bestimmt, dafs bei einem
Mord das nennfaohe Wergeid des Ermordeten eingeklagt werden
kann (ygl. oben S. 248). In welchen Fällen, anfser wegen Mord,
in Sachsen nach Pnblication der Lex Saxonnm noch eine Faida
nillräig war, erhellt nicht ans der Lex; dafs sie es ttberhaapt
nnr noch wegen Mord gewesen sei, darf aas dem Schweigen der
Lex^) am so weniger geschlossen werden, als sie in Friesland
anter Karl dem Grofsen noch in sehr aasgedehnter Weise nnd
namentlich wegen allerlei Diebstählen begonnen werden konnte,
wie die oben S. 240 und 247 besprochene Stelle der liex Frisio-
nnm II, 11 beweist, die wie die Lex Saxonnm anter Karl dem
Grolsen abgefafst sein mufs, and bei der meiner Ansicht nach
sogar reelle Gründe dafür sprechen, dafs sie erst mehrere Jahre
nach der Lex Saxonnm erlassen ist.
In schroffem Gegensatz mit der Znlassang der Faida in der
Lex Saxonnm nnd der Lex Frisionum steht die Ansicht mancher
Nenerer, zu denen namentlich Ferdinand Walter gehört, dais Karl '
der Orofse in seinem ganzen Reich alle nnd jede Faida abge-
schafft habe^). Zur Zeit des Regierungsantrittes König Karls mu6
^) Ein indirectes Zeugnifs dafftr, dafs in Sachsen auch Verwundungen
nnd andere Schädigungen Faida rechtfertigten, liegt in der Art, wie Lex
Saz. c. 57 nnd c. 59 die Faida ausschliefsen, wenn die Verleteung vom Th&ter
ohne es zu wollen oder der Schade durch ein Thier herbeigefilhrt ist,
Tgl. oben S. 241 und 243.
>) Walter Deutsche Bechtsgeschichte. 1857. $.706 erkl&rt: „Endlich
verordnete Karl der Grolae, dafs nach einem Todtschlag die Fehde sofort
durch die Entrichtung und Annahme der Composition und durch die Gelo-
hung des Friedens beigelegt, und der Widerspenstige daxu selbst durch den
König gezwungen werden sollte. Hiermit war die Blutrache durch wirk-
liche Befthdumg al» gesetzliches Recht aufgehoben, und lebte nur noch
in dem Recht der Verwandten, die Blutsühne zu fordern, fort; freilich
durchbrach in jenen rohen Zeiten das BachegeftLhl , selbst im Kreise der
unfreien, noch oft die Schranken des Gesetzes. *" Walter 2 p. 373. Mufs ich
dieser Behauptung widersprechen, so kann ich doch auch der ihr ex-
trem gegenüberstehenden von Wilda nicht zustinmien, der jeden Eingriff
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nach den eineelnen Volksrechten in den verBchiedenen Thetten de«
fränkischen Reiches die Berechtigung der Verletzten gegen den Ver-
brecher Faids auszuüben, eine versdiiedene gewesen sein, ganz ab-
gesehen davon, dafs in dem dem fränkischen Reich noch nicht ontw-
worfenen Friesland und Sachsen ohne Zweifel die Befugnifii zur
Faida in einer sehr ausgedehnten, weit ursprünglicheren Weise
bestand. Niemals hat Kaiser Karl ein directes Verbot aller Faida
in seinem Reich erlassen, oder ein umfassendes Gesetz, durch das
in den sXmmtlichen ihm unterworfenen Ländern die Faida im Ein-
zelnen geregelt worden wäre, sondern ist überhaupt der Ansttbnng
der Faida nur in einzelnen Punkten in seinen Gapitularen entgegen«
getreten. Im Allgemeinen spricht Kaiser Karl es aus, dafs nach Gottes
Gebot Tödtdngen unerlaubt seien und nur nach einem richterlichen
Erkenntnifs vollzogen werden dürften, wo das Gesetz es vorschreibe^);
insbesondere aber hebt er mehrfach hervor, dafii es unchristlidi
sei, wenn ein Mörder mit dem Willen sich zu versl5hnen die ge-
setzlich verwirkte Bufse anbiete und der Verletzte sie zurückweise.
Hiervon ausgehend verordnet der König bereits im Jahre 779,
dafs Personen ihm überschickt werden sollen, welche bei einer Faida
die von den Faidosis ihnen angebotene Buüse nicht annehmen
wollen, damit er sie an einen Ort verweise, wo sie am wenigsten
schaden könnten^). In einem Gapitulare von 802 führt Kaiser
Karls des Gh-ofsen in das in seinem Reiche geltende Recht über Anwendung
der Faida bestreitet und im Jahr 1842 in seinem Strafrecht p. 105 erklärt:
„AUe Bestimmungen Karls d. Gtr, in den Capitularien über die Fehden
(Rache, Qewaltthat) sind nicht neue Gesetze, wodurch ein bestehendes Fehdo-
recht aufgehoben, sondern Verordnungen, wodurch die Herrschaft des gel-
tenden Bechts befestigt werden sollte". Eine Vermittelung dieser und ähn-
licher einander schroff entgegenstehender Ansichten haben in neuerer Zeit
namentlich Siegel Geschichte des Deutsch. Gerichtsverf. 1857; 1 p.31 und
WaitK Deutsche Yerfassungsgesch. 4 (a. 1861) p. 432, versucht
1) Capitulare ecdesiasticum a. 789 c. 66: „Episcopis, omnibus: ut Ao-
micidia infra patriam, sicut in Uge Domini interdidum ut, nee causa ol-
donis nee ayaritiae nee latrocinandi non fixxni; et ubicumque inrenta fuerint,
a judicibus nostris secundum legem ez nostro mandato Tindicentur, et non
ocddatur homo nisi lege jubente** Perti Leg. 1 p. 64.
*) Capitulare a. 779 c.22: „Si quis pro faida pretium reoipere
non Tult, tunc ad nos sit transmissus, et nos eum dirigamus.
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267
Karl dann detailllrter aas, wie nnchristlieh Morde seien, nnd wie
(AriBtas seinen GlXnbigen Feindschaft („inimioitia") und Mord
untersagt habe; Jed6r solle sieh mit seinen Feinden aussöhnen,
und namentlich sollten dazu die Blntsfreunde eitfes Oettfdteten
bereit sein, indem sie die Annahme der ihnen dargebotenen ge-
setslichen Bafse nicht verweigerten >). Endlich untersagt es ein Ga-
pitnlare von 805, mit Harnisch, Schild nnd Lanze bewaffioiet im
Lande nmhersugehen, und bestimmt, daA», wenn ein Faidosus dies
nbi damnum minime facere possit. Simili modo et qui pro faida
pretiam solrere noluerit, nee justitiam exinde facere, in tali loco eum mit-
tere yolnmus, ut pro eodem majus damnum non erescat" Pertz Leg. 1 p«d9.
Ton den in sahlreicfaen Handschriften erhaltenen Capitulare Ton 779 hat
Pertz aus einer Chigischen und aus einer La Cavaer Handschrift einen
Text publicirt, der verschiedene Zusätze enthält und dem die letzten Ca-
pitel und namentlich Capitel 22 fehlen. Pertz hält diesen Text ftir eine
Yon dem ftir die Franken rerfalsten Capitulare abweichende Becension für
die Langobarden; Andere nehmen an, dafs das Capitulare ein allgemeines
md der yon Pertz publicirte Text nur ein TerstümmeHer, später mit Qloasen
versehener sei, vg^, Boretius Die Capitolarien im Langobardenreich. 1864.
p. 57 — 66. Ohne näher auf die Streitfrage einzugehen, scheint Th. Sickel
Acta Karol. 1867. 1 p. 36 sich ftir die Ansicht von Pertz zu entscheiden.
') Capitulare Aquisgpran. a. 802 c. 32 : f^honticidia, pro quibus multua
Deo perit populus christianus, omni oontextatione deeerere ac veiare man"
damus; qui ips9 Dominiu audivit et inimicitiae suae fidelihu» eantradisit,
mnUo magi» hamicidia. Quomodo enim secum Deum plaeatum fore confidit, qni
filinm snum proximum sibi occiderit? Qualiter vero Christum dominum sibi
propitinm esse arbitretur, qui fratrem suum interfeoerit? ..; $aeüissitna (^i-
Hridione vindicare veiimus, gut mcUum homieidii aums ßierit perpeirare.
Tarnen ne etiam peccahtm adcrewat, ut inimieitia maxima inter christiaiios
non fiat nbi homicidia contingant, gtaiim reu» ad euam emendationem (e-
currat, totaque celerttate perpetratum malum ad propinquos extincti digfna
eonpoeitione einendet. Et Koc ßrmiter hannia/mus, ut parentes inter-
fecti neqnaqnam inimieitiam super eonmiissum malum adaugere
audeant, neque pacem fieri petenti denegare, sed data fide pa-
ratam compositionem recipere, et paoem perpetuam reddere»
remn suton nullam moram compositionis facere. übi autem hoc peccatorum
merito contigerit, ut quis rel firatres vel propinquum euum oceiderii, eiatim
se ad poenUentiam sibi compositam »umit, et ita ut epiecapu» efu» »ibi
dieponat . . perfieere euum remedium studeai, et componat occLram secun-
dom legem . . Qut «nUem dignam emendationem facere eontemserit, here^
ditate prioetur usqtse ad Judicium noitrum'^ Perts Leg. 1 p. 06.
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tbniy DDterancht werden soll; ob er oder sein Feind die Au885h-
nnng verhindert; sie soll dann auch gegen den Willen der Verfein-
deten bewirkt werden ^ und sollen beide ^ wenn es nieht gelingt^
dem Kaiser zu weiteren Maisnahmen vorgeführt werden^). — Im
Jahre 817 erläftt Kaiser Ladewig eine mit der Verfügung Karls
vom Jahre 779 ihrem Inhalt nach völlig übereinstimmende Vor-
schrift, die wörtlich im Jahre 829 wiederholt wird').
Das praktisch Wichtige ; was diese königlichen Erlasse ent-
halten, ist, dafs nach einem Morde' die nltchsten Blntsfrennde (die
„propinqui") des Ermordeten bewogen werden sollen, der ihnen
anstehenden Faida zu entsagen, und die ihnen vom Mörder dar-
gebotene gesetzliche Bnfse anzunehmen. Die Aussöhnung zwischen
dem Mörder und den Propinquis des Ermordeten soll mit allen
Mitteln herbeigeführt werden. Im Princip wird nicht das altbe-
gründete Recht der Faida aufgehoben, nicht einmal bei einem
Morde geschieht dies, geschweige in anderen Fällen, sondern
r
durch kirchliche') und polizeiliche^) Mafsnahmen sollen die Pro-
pinqui des Ermordeten zur Annahme des gesetzlichen Friedens-
^) Capit. a.805 c. 5 Fertz 1 p. 133: „de armifl infra patria non portandis,
id est scuds et lanceis et loricis; et si etc." ygL Forts, oben S. 256 not. 1.
*) Capit. a. 817 qoae legibus addenda sunt c. 13: „Si qui» aliqoa ne-
oessitate cogente homicidium conmiaii, com es, in ci^jus ministerio res per-
petrata est, et conpositionem soWere et faidam per sacramen-
tum pacificari faciat. Quod si una pars ei ad hoc consentire
noluerit, id est aut ille qui homicidium conmisit, aut is qui conpo-
sitionem suscipere debet, faciat illum, qui ei contumax fuerit, ad
praesentiam nostram venire, ui eum ad ^empu« quod nobis plaouerit
in esilium mittamus, donec ibi caatigetur, ut comiti suo inobediens esse ul-
terins non audeat, et majus damnum inde non adcrescaf* Porta Leg. I
p. 212. Die Bestimmung ist aufgenonmien in Ansegisi CapituL lib. 4 cap. 25
Ports 1 p. 316, und ein Capitulare a. 829 c. 7 rerordnet abermals: ^de
faidis coercendis obaervttwr et teneatur, quod in capitukuri noairo
libro IV. eapittdo 25, e<mtinetur: Si quis etc.<' Pertz 1 p. 354.
s) YgL namentlich die oben S. 266 Note 1 ezoerpirteVerfUgung K. Karls
Ton 789 an die Bischöfe und den rorletaten Satz des oben S. 267 Note 1
ezcerpirten Capitel 32 des Capitulare von 802.
^) Vgl. namentlich die oben S. 266 in Note 2 ezcerpirten Bestimmungen
K. Karls von 779, und die Schluisworte des oben S.!367 Note 1 ezoerpirten
Capitel 32 des Capitulare Ton 802. YgL oben Note 2.
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269
vergleicheB genSthigt werden, wXhrend dies nach dem alten Recht
in ihrer freien Wahl gelegen hatte. Mit dem in dieser Weise in
den angeführten Verordnnngen vorgeschriebenen Verfahren, dessen
praktischer Erfolg aen verschiedenen Zeiten nnd in den verschie-
denen Gegenden des Reiches ein mehr oder minder bedeutender
gewesen sein dürfte, verträgt es sich vollstSndig, dafs in anderen
gleichzeitig erlassenen Oesetsen in alter Weise von Faida die Rede
ist^); dafs namentlich, was bei einem principiellen Verbot der
Faida als nnmöglieh erscheinen mttfste, es wiederholentlich den
dentachen Königen im Laufe des neunten Jahrhunderts als noth-
wendig erscheinen konnte, zu erklären, dafs Solche, welche allen
Landesgesetzen Trotz bietende Räuber bei ihrer Verfolgung er-
schlagen hätten, nicht verpflichtet sein* sollten, für sie ein Wer-
geid zn zahlen, oder Faida von deren Propinquis zu ertragen*).
') Nur zwei Beispiele f^hre ich an : Ein Capitulare, von welchem Perti
Leg. 1 p. 46 annimmt, dafs es im Jahre 783 von E. Karl in einer Recen-
sion ftkr die Franken, in einer zweiten f&r die Langobarden erlassen sei,
w&hrend de Yesme und Boretius p. 125 es nur in einer fllr dif Langobarden
etwa um 783 durch K. Pippin erlassenen Gestalt, gelten lassen wollen, ent-
hält in Capitel 4 Vorschriften fiber das Ortsrecht, welches bei Leuten Ton
rerschiedenem Volksstamm in Italien bei der BeurtheUung der einzelnen
BechtsTerh<nisse mafsgebend sein soll, und bestimmt: „de diyersis gene-
rationibus hominum, qui in Italia commanent, volumus, tit ubicumgue culpa
etmiigerii unde faida crescere potest, pro satisfactione hominis iUius,
contra quem culparit, emendet secundum ipsius legem, eui negligeniiam com-
misit; de statu yero ingenuitatis aut alüs querelis, unusquisque secundum
Buam legem se ipsum defendat''. Es soll nach diesem Gesetz in Italien bei
Klagen tlber seinen Status Jeder sich rertheidigen nach seinem angeborenen
persönlichen Recht, dagegen Bufse zahlen bei Klagen ^wegen Schädigungen,
aus denen eine Faida ewachsen kann'*, nach dem persönlichen Recht des
Verletzten; vgl. oben S. 12 und Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 1 p. 270.
Das Gesetz erkennt hier unleugbar Fälle an: unde faida crescere potest! —
Im Jahre 857 yereinbaren K. Karl II. und K. Lothar U.: „consideraTimus,
ut qtiicumgue malefador de uno regno nostro in alterum yenerit, episcopns
yel missus, sive comes, de quorum ministerio effugerit ut juetitiam non reddai
aut dignam vindictam non sustineat, illis missis in quorum missa-
tico in alio regno :fi]gerit notum faciant, et ipei iUum icditer constringani,
ut aut ad compoeitionem aut ad yindictam illuc reyeniat ubi malum
perpetraioitJ* Pertz Leg. 1 p, 467.
*) Eine yon Pertz Leg. 1 p. 170 einem Capitulare des K. Karl yon 811
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Dafs EOnig Karl, der bereits im Jahre 779 in dem obea 8. 266
angeführten Gapitalare; ateo jedenCalle vor Erials der Lex Saxo-
nam und der Additio legis Frisionumy das hier besprochene Ver-
fahren wegen Herbeifühning der Aasstfhnung nach einem Horde
vorschrieb y in Sachsen und Friesland , wo die Anwendung der
Faida in weit aasgedehnterer Weise als sonst wo im fränkischen
Reiche Statt hatte^ dessen Ansftihning von den Oeistlichea mid
Orafen nicht verlangt haben sollte, sehe ich keinen Qmnd aoss-
nehmen. Fördernd mafete dafttr in Sachsen der Einflnrs der Geist-
lichen sein, der ihnen darch das Capitel 14 der Gapitala de partibna
Baxoniae geschaffen wurde; nach ihm sollte es Oeistlichen ansteheni
Leuten, die im Verborgenen begangene Verbreohen bekannten und
Bufse für sie thun wollten („si aliquis ad sacerdotem confngerity
et confessione data agere poenitentiam voluerit''); Begna-
digung von der Todesstrafe zu erwirken („testimonio sacerdotis
Bugei&hlie Verordnung (dio in späteren Manusoripten des Liber Langobard.
steht, w&hrend sie Ton Anaegisus nicht aufgenommen ist, YgL Boretius p. 96)
bestimmt, daTs wenn Einer plündert und dem Recht sich widersetzt: ^et in
8ua superbia adeo contenderit, ut ibidem interfectus sit, ineampogitus jaeeat;
et neque senior neque propinquus ejus pro hoc nullam fai-
dam portet nui commotionem (bessere: y,compositionem'*) faekä; ei m
feoerit, nobis et populo nostro inimicus annotetur^ Porta Leg. 1 p. 170* Ib
•Capitul. K. Ludewig II. a. 850 c. 3 : wenn ein nlatro'' getAdtet wird : ^imlla
damnatione multetur is qui eum occidit, neque ullas inimicitiaa m
parentibus aut persecutionem ab ullo ejus amico yoI propin-
quo Biistineat. Et si aliquis ejus senior aut propinquus pro-
pter hoc yindictam facere conatus est, eto.** Ferts 1 p. 406. In
Capitul. K. Karl II. a. 853 c5: „et si latro ibi occisus ftierit, 91» €mm oe-
eiderit Uudem inde mm sobnU, et nullus illi inde faiditm portare
praesumat; quod si quis faoere praesumpserit, per certos fidejussores %d
regia praesentiam perducatnr^ Pertz 1 p. 424. In Capitul. K. Karl IL a. 87S
e. 2 : die Grafen sollen dafftr sorgen, dals Verbrecher und besonders lalronea
ergriffen werden, „et si talis malefactör in illa persecutione occisus fiierik,
qui eum occiderit Uudem inde non eoUxxt, et nullus illi inde fatdam
portare praesumaf Ports 1 p. 519. In CapituL K. Karlomanni a. 884
0. 10: „Yolumua, ut si episcopalem aut regiam auctoritatem ausu temerario
aliquis pro nihilo duxerit, in eomitatu oonsistens, aut iter fadens, si quod
iiguste abstulerit legaliter omendare contempserit, et rebellis ezistens, si ibi
oeoistta fuerit, nuUißddiwn iweirarwn qui ewn occiderit aliquis faidam
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271
de morle ezoiitetiur*)^. Den Orafen aber rXamte König Karl, wie
bereits oben 8. 341 angeführt wurde, in Capitel 31 der Capitnla
de partSax. ansdrttcklieh die Befiignirs ein, wegen Faida («de
fiuda"), gleichwie wegen Gansae majores, ein Banngeld Ton 60 So-
Hdia sa erheben, nnd bestimmte sodann im Gapitnlare Saxonienm
von 797 e. 9, dafs fttr Einen, der dem Befehl nicht gehorche, dies
Banngeld von 60 Solidis verdoppelt nnd bis anf 1000 Solidi er-
hltikt werden könne, wenn es ihm Bweckdienlich scheine ,»banBam
fortiorem statnere propter pacem et propter faidam et
propter majores eansas^ Diese Satanngen ermöglichten es
den Orafen^ nach ihrem freien Ermessen ein Banngeld „wegen Faida**
so erheben. Zunächst wird sich dies anf den Fall bezogen haben,
in welchem ein Faidosns nicht bereit war, die von dem Verletzten
eingeklagte gesetzliche Bafse zn zahlen; indem aber der König
von den Grafen verlangte, zn prtifen, wer von den wegen eines
Mordes Verfeindeten dem Zustandekommen einer Aussöhnung hin-
deriich sei'), und sie anwies, diese mit allen Mitteln herbetzn-
ftthren'), lag es nahe, dafs sie von Jedem, der ihrem Befehl, sich
auszusöhnen, nicht nachgekommen war („qui ejus mandatum trans-
gressus fnerit**, wie das Gapitulare Saxonicum von 797 sagt), und
namentlich von den Blutsfreunden des Ermordeten, welche die
Faida fortführten, eine, um das erstrebte Ziel zu erreichen, will-
kürlich gesteigerte Bannbufse erhoben*). —
p ortet, negue pro eju» morU aliguid componai. Si vero aliquia pa-
rentum aut amieorum ejus aliquam inde faidam portare yo-
Inerit, potestative eam jurare faciemus, et fideles nostros regia aaetoritate
ezinde adjuTabimus ^ Pertx 1 p. 553, TgL das. ähnliche Bestämmungen in
eap. 8 und 11.
^) VgL das eben S. 178 Note 2 excerpirte Capitel 14. Auch die an-
deren oben S. 178 rerseichneten Beftignisse, die K. Karl den Geistlichen
über ihren eigentlichen Wirkungskreis hinaus einr&nmte, konnten hier för-
derlich sein«
S) VgL Cap. a. 805 oben S. 256 Note 1.
>) Vgl. oben S. 268 Note 4.
^) Ich setze das Capitel 9 des Cap. Saxonicum her, seine Fassung
sehemt mir eine derartige Deutung eu rechtfartigen : „Item placuit» ut quando
quidem Toluit domnus rex propter paeem H propter faidam et propter ma-
jores OMisas 6cifMtfm fortiorem itahiere, una eum consensu Francorum ei
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Die ErörteniQg der Todesstrafe, welche die Lex Saxonnm
anf eine im eigenen Hanse erfolgte Tödtnng eines der
Faida Verfallenen setzt, die ich als Nr. 7 oben S. 239 be-
zeichnete (vgl. über sie S. 2dl lit e)y führte mich anf S. 240
bis 271 zn einer eingehenderen Besprechung der VerhiÜtniase der
Faida in Sachsen, bei der ich nebenbei 8. 249 bis 251 zu zeigen
suchte', dafs das neunfache Wergeid für Mord, welches die Lex
Saxonum c. 19 anordnet (vgl. oben S. 248), von E. Karl statt einer
älteren sächsischen Todesstrafe eingeführt sein dürfte. Zu den
anderen in den Gesetzen Karls des Grofsen für Sachsen enthal-
tenen oben S. 239 aufgezählten Todesstrafen gehört ferner die für
TOdtung eines Geistlichen:
Nr. 8. Auf Tödtung eines Bischof, Presbyter oder
Diacon setzt König Karl in den Gapitulis de partibus Saxo-
niae c. 5 die Todesstrafe. Da die Lex Saxonum diese Todes-
strafe nicht wiederholt, so scheint sie denen zugezählt werden zn
müssen, die der König nur vorübergehend beim Erlafs der Capitnla
de partibus Saxoniae, durch die momentanen Verhältnisse Sach-
sens veranlafst, einführte. Die anderen Gesetze des frän-
kischen Reiches kennen für Geistliche nur erhöhte BulBen^)|
fidelium Saxonum, secnndum quod ei placuerit, juxta quod causa exigU H
oportunitas fverit, solidos sexaginia muUiplicare in duplum; et solidos
centum, sive usque ad mille conponere faciat, qui ejus man-
datum transgressus fuerit''. Die Grafen aber waren es, denen der
KOnig durch die Capit. de part. Saz. c. 31 ^dedit potestatem bannum miUere
infira suo ministerio de faida''.
i) Vgl. 1. Alam. Loth. XI— XVI; 1. Bajuv. I, 8- 11; 1. Rip. 36, ö — 8,
Tgl. mit Zusätzen in jüngeren Texten der Lex SaL bei Merkel p. 80, 19
nov. 259 und p. 88, 34 nov. 342 (in Lex Sal. emend. tit. 68 §.2 — 4 ed.
Walter p. 87) und Capit. a. 803 quae in lege Sal. mittenda sunt e. 1 Peits
Leg. 1 p. 1 13. Nach der Lex Alam. sind niedere €teiatUche nach ihrem Ge-
burtsstande zu bülsen, Diaconen mit 300 Solidis, Presbyteri 'mit 600 SoL,
d. i. mit dem dreifachen Wergeide eines Freien, Bischöfe wie der Dux und
bei Verletzungen mit dreifacher Bufse. Nach der Lex Big. sind niedm^
Geistliche nach ihrem Geburtsstande zu hülsen; Subdiaconi, Leetoree, Exor-
eistae, Acolyti, Ostiarü mit doppeltem Wergeide; Diaooni und Presbyter^
erhalten bei Venrundungen dreifache Bufse, jener ein WeYgeld Ton 200,
dieser tob 800 Solidis; fOr Tödtung eines Bischof soU das Gewicht
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273
Xhnlich denen, die sie für QmSe^ nnd andere Beamten vor-
eehreiben*).
Nr. 9 bis 11. Anf Tödtnng des Dominus setzen die Ca-
pitata de partibns Saxoniae und die Lex Sax. die Todesstrafe;
desgleichen anf Tödtnng der Domina die Capitata de part
Sax., and auf Tödtnng des filins Domini die Lex Saxonum.
Die betreffenden Stellen lauten: „si qnis dominum suum vel do-
minam soam interfeeerit, simili modo punietur* (d.i. ,»morte mo-
riatnr'') Cap. de part. Sax. c. 13; und ^^qui dominum suum oe-
ciderit, capite puniatur. Qui filium domini sui ooeiderit, . . juxta
▼oluntatem domini oecidatur*' Lex Sax. c. 26. 26.
Eine schwer SU beantwortende Frage ist, wer hier unter
dem Dominus gemeint sei? -^ Wie in den beiden ange-
führten Stellen die Tödtnng des Dominus, der Domina und des -
filius Domini mit Todesstrafe bedroht ist, so geschieht es wegen
Entehrung der filia Domini in Cap. de part Sax. c. 12 und Lex
Sax. c. 26, sowie wegen Entehrung der uxor Domini und der mater
bleiernen Tunica in Golde gezahlt werden. Nach der Lex Bip. sind nie-
dere Geistliche nach ihrem Geburtästande zu büfsen; Subdiaconi mit 300,
Diaeoni mit 400, Presbyteri mit 600, Bischöfe mit 900 Solidis; die selben
Sommen bestimmen f&r die vier hohen geistlichen Würden did Capitula qiMbe
in lege Sal. miitenda sunt; die Zus&tse zur Lex Salica geben dem Diaoonua
300, dem Presbyter 600, dem Bischof 900 Solidi. Als zweifelhaft muls es
danach erscheinen, ob die Stelle der Lex Bip. ein aus den Capitulis Yon
803 gieschOpfter Zusatz ist, vgl. Sohm in der Zeitschr. ftkr Bechtsgesch. von
Budorff. Bd. 5 (a. 1866) p. 457. Aus den Capitulis hat Ansegisus III c. 26 die
SteUe aufgenonunen, und aus ihm Gratian im Decret c 27 C. 17 q. 4; aus •
diesem mögen die Sätze geschöpft sein im späteren friesischen Becht, vgl.
aus dem Hunsingo in firies. Bechtsq. p. 337 §.49. p. 341 {. 78, aus dem
Firelgo p. 306, 1, aus dem Emsgo p. 242 |. 34, ans Bttstringen p. 126,
1 — 29.
>) Vgl. oben S. 262 Note 1 das im Cap. Saxonicum a. 797 c. 7 den
Missis regis gewährte dreifache Wergeid, 'das später auch die Grafen
erhalten haben werden; Cap. Sax. c.6 bestimmt den Presbyteris nur dop-
pelte Bufse, während ihnen in den anderen Theilen des fränkischen Beiches,
nach den in der vorigen Note excerpirten Stellen, ein dreifaches Wergeid gezahlt
wurde. In einem von Ansegisus IQ c. 64 excerpirten Capitulare, das Pertz Leg. 1
p. 169 ins Jahr 811 setzt, wird bestimmt, dafs wer einem MiBsus dominieos
mit einem genaffiieten Haufen Widerstand leistet: „de vita componat^.
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Domini in Lex 8ax. c. 26. Es «racheint also in den beiden Ge-
setzen König Karls, als speciell mit Todesstrafe gegen Verbrechen
geschlitzt: der Dominos, seine Frau, sein Sohn, seine Tbchter und
seine Mutter, somit die ganze Familie des Dominos. — Neuere
haben unter den Dominis die Herrn von Sklaven oder Liten ge-
dacht ^), Andere haben gemeint, es seien darunter durch die frln-
kische Eroberung in Sachsen eingesetzte Lehnsherrn verstanden'),
wieder Andere') haben in den Dominis altsächsische edele Mund-
herren gesehen, von denen die Lex Sax. c. 64 spricht, indem sie
eines „Über homo, qui sub tutela nobilis ctgnslibet erat*^ erwähnt,
und dem Nobilis, der diese „ Tutela ** über den Liber hat und des-
wegen „ Tutor ^ genannt wird, ein Vorkaufsrecht an dem Grund-
stück des liber homo einräumt, wenn er „in exilium missos est",
vgl. oben S. 106.
Dafs unter den Dominis, wie in anderen Stellen der Lex
Saxonum*), nur die Herrn von Sklaven und Liten gemeint sein
sollten, wird sich bei der Art und Weise, in der von ihnen die
Rede ist, nicht vertheidigen lassen. Ueber ihre Servi hatten die
Herrn eine so weit gehende Macht, dafs König Karl sich schwer-
lich veranlafst sehen konnte, unmittelbar nach der Eroberung Sach-
sens in den Gapitulis de partibus Sax. zu erklären, dafs die Herrn
berechtigt seien ihre Sklaven zu tödten, wenn diese gegen sie
selbst oder Glieder ihrer Familie die bezeichneten Verbrechen ver-
>) Vgl. Wilda Strafrecht 1842 p. 815, vgl aucli Waits Deutsche
Verfass. 3 (a. 1860) p. 125.
*) Vgl. Eichhorn Deutache Bechtflgeach. 1 p. 575 }. 140 Aunerkoag,
und Gaupp Recht und Verf. der alten Sachsen. 1837 p. 35. 39. 128.
>) Vgl. Göhrum Qoschichtl. Darstellung der Lehre von der Ebenbür-
tigkeit. 1846. 1 p. 68; K. Maurer Ueber das Wesen des Ältesten Adela.
1846 p. 120 und Waitz Deutsche Verf. 3 p. 125, der zwischen der ersten
und dritten Meinung schwankt. Und über den tutor nobilis Tg^ Kraut
Yormundschaft 1 p. 16 und Sandhaas Qerman. Abhandlungen. 1852 p.l88.
*) Vgl L Sax. c. 18 : „litus si per jussum domini sui hominem oeci-
derit, etc.^; ibid. c. 50: „quicquid servus aut litus jubente domino perpe-
trarerit, dominus emendet"; c51: ^si senrus scelus quodlibet nesciente <iiH
mino conuniserit, etc.''; vgl. c. 65: „lito regis liceat etc.'' Die sahlreiehen
Stellen, in welchen die Lex Friei. von dominis liti und dominia aerrl spricht.
Tgl. im Begist. su Mon. Geim. Leg. 3 p. 703.
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ttblen. Er stellt in der Lex Saxonum c. 50 bis 63 fest^ inwieweit
die Herrn für die ohne ihren Willen verübten Verbrechen ihrer
Servi einstehen mttssen; es soll nicht der Fall sein, wenn die
Seryi sich durch die Flucht ihnen entzogen haben, und sie die-
selben nicht wieder zu sich nehmen; auf die Befugnisse der Herrn
gegen die Serri kommt der König dabei nicht zu sprechen, sie
erscheinen vollständig wie andere Vermögensobjecte ihnen unter-
worfen^). — In einer geringeren Abhängigkeit von ihren Herrn
als die Servi befanden sich die Liten, dafs sie aber auch keine
freien Leute waren und ihre Stellung in Sachsen und Fries-
land nichts weniger als eine politisch selbststftndige war, erweist
die Znsammenstellang der Liten mit den Servis in mehreren
Stellen der Lex Saxonum und Lex Frisionum^), vor Allem aber
die in der Lex Saxonum c. 18 enthaltene, oben auf S. 243 be-
sprochene Vorschrift über die Haftungspflicht der Herrn für die
von ihren Liten gegen ihren Willen verübten Verbrechen, die mit
der für ihre Servi darin übereinstimmt, dafs die Herrn für die
Liten haften, wenn sie dieselben als Liten behalten, dafs sie aber
nicht zu haflen brauchen, wenn sie den Liten der Verfolgung der
Verletzten überlassen, gleich wie sie fUr den flüchtigen Sklaven
es nicht zu thun verpflichtet sind, wenn sie ihn aufgeben').
^) Vgl. wie L Fria. II, 11 sagt: „si qub serrum aut ancUlam, caballum,
boTem, OTem Tel ci^uscunquc generis animal, vel quodcunque homo ad usum
necessarium in poMbtate habuerit: anna, vestem, utensilLa quaelibet et pe-
coniam, alii ad auferendom exposuerit, etc.^
*) Vgl. z. B. l. Sax. c. 50 : „quicquid »ervus aut litus jubente domino
perpetraverit, dominuH emendet^, besonders aber L Fris. XX, 3: „si servus
dominum suam interfecerit, tormentis interficiatur, similiter et litus^, vgL
L SaL XIII, 4: „si puer regia vel Ictus ingenuam feminam traxerit, d^ vita
componat'', und CapituL a. 757 c. 22: „si servus aut libertus incestum oom-
miserit, vapuletur plagid multis'* Ports Log. 1 p. 29.
*) Der gleichzeitige Nithard Bist. lib. IV c. 2 erwähnt beim Jahre 842,
A^tn das flächslscho Volk in edhilingi, frilingi und lazzi zerfalle und fügt
hinzu: „latina lingua hoc sunt nobUes, ingenuUes atque serviles" Pertz
Ser. 2 p. 668; er aberträgt also litus durch servilis; und die Lex Frisionum
spricht von der servitus liti: „si Über homo spontanea voluntate vel forte
necessitate coactus, nobili seu libero, seu etiam lito, in personam et in ter-
vUium lUi se Bubdiderit^ 1. Fris. XI, 1; entsteht später Streit, ob das Liten-
18*'
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276
Was die beiden anderen angeführten Erklärungen des Wortes
doffiinns anlangt, so berichten die Quellen, dafs in Sachsen nach
der fränkischen Eroberung von König Karl Ottter 2U Lehn ftiu-
verhähnifs begründet worden ist, so: ^jjuret, et Servitute Uberetur; si aaiem
jurare noluerit, ille qui eum poasidere videbatur, juret et habeat iüum acut
caeteros litos suos*' XI, 1 ; „«t Utua semet ipsum propria pecunia a domino
8U0 redemerit, et iterum a domino de capitis sui conditione ßierU ca^
himniatus, dicente ipsi domino: non te redemisti^ nee ego te libertaU do~
navi; . . ei ille, qui dominus ejus fuerat, jurare yelit, conquirat eum sibi ad
servitutem; sin autem, in Über täte permanoat, etc.^ 1. Fris. XI, 2. Da£s die
sächsischen und friesischen Liten nur in einem Mundium ihres Herrn ge-
standen h&tten, wie Gaupp Recht der alten Sachsen p. 105 and 218 anB-
fhhrt, widerspricht den Quellenzeugnlssen ; ich kann aber auch nicht Waits
Deutsche Verfassungsgesch. 1 (a. 1865) p. 176 austimmen, wenn er, daran
anknüpfend, dafs- für Liten der Ausdruck libertus gebraucht wird, be-
hauptet : Liten sind aber auch nicht Unfreie, denn „ein Freigelassener kann
nie ein Unfreier sein". Liefse der Ausdruck Servilis bei Nithard Baum sn
Scrupeln, so sagen die Stellen der Lex Fris. guns unzweifelhaft, dala beim
LituB „Servitus" statt hatte, und sprechen ihm direct die „Libertas'* ab.
W&re das Yon Waitz gegen die Unfreiheit der Liten aagef&hrte Argument
entscheidend, so könnte auch von keiner Freilassung des Liten die Bede
sein, und doch während Rudolf Ton Fulda (st. 865) in der Translatio S. Alexandn
c. 1 in Fertz Scr.2 p.675 die Liten Jiberti^ nennt (:„quatuor differentiis gens
Saxonum consistit: nobilium scilicet et Uberorum, libertorum aiqne serro-
rum^), ein Ausdruck, den auch Adam von Bremen Hist. ecd. 1 c 6 in Ferts
Scr. 7 p.286 braucht, indem er Rudolfs Worte wiederholt, sagt in der Lex Fris.
der Dominus zu seinem Liten: Du bist noch Lite, ^non ego te libertate donavi**,
und kennt die Lex Sal. XXVI, 1, sowie das sp&tere friesische Recht in Fries.
Bechtsq. p. 12, 23, eine Freilassung der Liten. Dafs das Abh&ngigkeitsTer-
h<nifs des Liten von seinem Dominus nicht blofs ein dingliches, durch
seinen Grundbesitz bedingtes war (wie Waitz 1 p. 177 anzunehmen scheint),
zeigen die angeführten Stellen der Lex Fris.: der Freie, der ein Lite wer-
den %ill, ergfiebt sich „in personam et in servitium Kti'', der Dondnus liti
verklagt ihn „de capitis sui conditione^ und „possidet litum*' ! Damit stimmt
auch follst&ndig überein die Art, wie nach der Lex Saxonum der Dominoa
für die Verbrechen seihes Litus haften mufs, und dafs die Lex Fris. XX, S
vom Litus wie vom Servus sagt „tormentis interficiatur^, vgl. oben S. 275
Note 2. Dafs in Sachsen Liten zu Gerichtsvcrsammlungen vorgeladen wor-
den, scheint aus dem Capit. Saxonic. von 797 e. 6 zu folgen, auch erw&hnen
die Annalen mehrmals, dafs an König Karl in den Kriegen mit den Sachsen
Liten als Geifseln gestellt wurden, vgl. Annal. Lauresh. ad a. 780: „aecepit
obsides, tam ingenuos quam et lidoi'^ und Annal. Mosellan. : „et «mnia ae-
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gegeben wurden, nnd gewUs sind bald nachher auch anderweitig
Lehne im Lande ansgelielen, bo dafs Lehnsherrn in Sachsen ent-
standen; dafs diese Domini genannt sein können, wird man ein-
eepit in hospitate, tarn ingenuos quam et lidoa*', oben S. 104. Kein Gewicht
ist mit Eichhorn Deutsche Bechtsgesch. 1 p. 70 {. 15 auf Huobalds Angabe
in der Vita Lebuini Perta Scr. 2 p. 361 zu legen, dafis in Torfränkischer
Zeit auf den greisen s&chsischen Versammlungen zu Marklo auch Liten er-
sehienen seien. Hucbald erzählt, indem er wörtlich aus Nithard schöpft,
daCi damals das s&chsische Volk in die drei St&nde der edlingri, frilingi und
lasai (L e. „seryiles'') getheilt gewesen sei, ^sicuti nunc usque consistit",
d. hu wie es noch zu seiner Zeit im lOten Jahrhundert der Fall sei; dann
fikhit er fort: „statuto tempore anni semel ex singulis pagiä, atque ex iis-
dem ordinibus tripartitis, singiilatun flri duodecim electi, et in unum collecti
inHarklo exercebant generale concilium, etc.*' Mufs die ganze etwa 200 Jahre
nach jenen angeblichen Versammlungen aufgezeichnete JSachricht über das
Zusammentreten Ton je 12 l^putirten.aus den einzelnen sächsischen Gauen
als problematisch erscheinen, so ist dies in noch höherem Grade der Fall
Ton der Betheiligung der Liten an den 12 Gewählton; hatte Hucbald rer-
nommen, da£s die grolsen jährlichen mit Opfern verbundenen sächsischen
Versammlungen von Zwölfen aus jedem Gau besucht worden seien, so mochte
er ergänzend hinaufligen, dafs die Zwölf gewählt worden wären aus der
BoTÖlkerung jedes Gaues > zu der auch die Liten gehörten, wie er es un-
mittelbar vorher angegeben hatte. Im Allgemeinen scheint mir bei der Er-
mittelnng der Stellung der alten Liten beachtet werden zu müssen, dads
wir nicht berechtigt sind vorauszusetzen, dafs sie ein und dieselbe gewesen
sei in den einzelnen deutschen Stämmen, ja nicht einmal in den verschie-
denen Landschaften desselben Stanmies, vielleicht sogar nicht bei den ein-
zelnen Liten&milien eines Gaues. Da in späterer Zeit Liten durch Freilas-
sung von Servis, sowie durch Eintritt von Freien und Edelingen in das Ver-
hältnifs entstanden, so konnte das im Einzelnen zu verschiedenen Stellungen
führen, und ein Gleiches ist wahrschemlich auch in den einzelnen Gegenden
geschehen, in denen die massenhafte Bildung der Liten durch Eintritt einer
unterworfenen Bevölkerung in ein derartiges Verhältnifs zu den Siegern er-
folgt ist, wie das aus dem östlichen Sachsen später von den Thüringern
berichtet wird, vgL Transl. S. Alex. Pertz 2 p. 675, Widukind 1 o. 14, Albert
von Stade bei Pertz 16 p. 31 1 und Sachsenspiegel III, 44 §.3. Ein gewichtiges
Argument gegen eine ursprünglich gleiche Stellung der Liten und Servi in
den einzelnen säohsischan Gegenden gewähren die sehr verschiedenen Ver-
hältnisse, in denen sich später die ländlichen Chiindbesitzer in ihnen be-
finden. In Friesland war in den einzelnen Landschaften das Verhältniis der
Servi bereits zur Zeit König Karls ein verschiedenes: die Lex Fris. I, 11.-
IV, 1. XV, 4 l&Tst in Mittelfiriesland den Herrn den Werth seines getödteten
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rSnmen müssen ; andererseits wird nicht in Abrede zu stellen sein,
dafs das eigenthümlich sSchsische VerhSltnifs der Mobiles zu freien
Grundbesitzern, welches die Lex Saxonnm c. 64 erwHhnt, ftlr No-
biles die Bezeichnung Domini veranlafst haben kann, und dafs es
möglich ist, dafs diese unter dem Ausdruck in den angeführten
Gesetzesstellen gemeint sind, um so mehr da sächsische Nobiles
auch anderwärts Domini genannt werden^). Zu einer festen Mei-
oder beschädigten Serrus beschwören, wie er es mit Ausnahme von
Hunden, die ihre bestimmte Taxe hatten, bei Hanathieren durfte; im Ost-
lanbachschen Friealand hatte dagegen der Servus eine feste Taxe, und es
betrug seine Compositio die Hälfte von der eines Litcn, wie die von diesem
die H&lfte von der eines Liber, vgl. 1. ¥na. 1, 4. 7. 10. 1 1 . XV, 3. 4. Add. HI, 73.
Von der Bujse des Liten erhielt in Fricsland der Herr zwei Drittel, die
Propinqui des Litcn das dritte Drittel; fQr seinen Servus empfing somit in
.Ostfriesland der Herr V4 eines Freien wergelde« , für seinen Liten '/s eines
Freicnwergeldes. Der sJlchsische Lite wurde nach der Lex Sax. c. 16 mit
120 Solidis gohfifst, d. i. mit dem zwCilften Theil der Bufse eines Edeling,
oder der halben Bufse eines Liber; dagegen wurden fiir den Servus nach
Lex Sax. c. 17 mir 36 Solidi gezahlt, d. i. V10 vom Wergold eines Liten.
^) Nachdem Kaiser Lothar am 25. Juni 841 seinen Brüdern Ladewig
d. D. und Karl in der Schlacht bei Fontanet unterlegen war, suchte er
durch alle Mittel seine geschw.lchte Macht zu stützen; um sich in Sachsen,
wo die „Edhilingi^ (bei Nithard, oder „Nobiles*') zum Theil Ludewig anhingen
(„una pars illorum quae nobilU inter illos habetur Lodhanum, altera vero
Lodhuwicnm secuta est" Nithard), ein Ueberge wicht zu verschaffen, bot er
den dortigen zahlreichen Frilingen und Liten an (^frilingis lazzibusque, quo-
mm infinit« multitudo .est" Nithard), er wolle ihnen gestatten wieder zu
leben wie in vorfränkischer heidnischer Zeit; diese gingen darauf ein, ver-
trieben fast alle ihre Domini aus dem Lande, nannten sich mit einem
neuen Namen Stellinga, und lebten Jeder wie er wollte nach alter Weise,
wie ihre Vorfahren es gethan hatten zur Zeit als sie Heiden (^idolomm
cultores" Nithard) gewesen waren. Da Lothar auch die Normannen zu Hülfe
rief, und einen Theil des christlichen Landes ihnen überliefs, so fftrchtete
Ludewig, dafs Normannen und Slaven das Reich unterwerfen und das von
Karl d. Gr. eingeführte Christenthum abschaffen würden; mit grofsen An-
strengungen gelang es ihm, die aufständischen Sachsen niederzuwerfen und
die gefürchteten Uebel abzuwenden. — Dies berichten : Nithard IV c. 2—6
Pertz 2 p. 668. 670. 671, Rudolf von Fulda ad a. 842 Pertz 1 p. 863, Annal.
Prudentii Trec. ad a. 841 und 842 Pertz 1 p. 437—439 und AnnaL Xantens,
•ad a. 841. 842 Pertz 2 p. 227; vgl. dazu F. Funck Ludwig d.Fr. 1882 p.206.
215. 218, Gaupp Recht der alten Sachsen. 1837 p.42, E. Dümmler Qeseh.
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nnngy ob in den Stellen der beiden BäcbBiBchen OeseUe unter den
Dominis fränkische Lehnsherrn oder altsSehsische adelige Mund-
herm zu verstehen sind; habe ich nicht gelangen können; ein
Bedenken gegen die letztere, sich mir in vieler Beziehung empfeh-
lende Annahme liegt für mich darin, dafs ihr zufolge Karl der
OroCse die Todesstrafe zum Schutz der sächsischen edelen Mund-
herm bereits in den Capitulis de partibus Saxoniae anerkannt
haben sollte, während er die Wergeidverhältnisse der sächsischen
Nobiles erst in der späteren Lex Saxonum behandelte; denn dafs
wir, wenn die letztere Meinung die richtige ist, es hier mit einer
im älteren sächsischen Recht begründeten Todesstrafe zu thun
haben dürften, mu& ich mit Rücksicht auf die anderen in den
beiden Leges aufgestellten Todesstrafen vermuthen, und gegen den
Einwurf, dafs eine solche Todesstrafe dem älteren vorfränkischen
sächsischen Recht nicht angemessen sei, auf die oben S. 233 be-
sprochene altsächsische Todesstrafe auf Ehen Freier mit edelen
sächsischen Frauen verweisen*). Dafür, dafs man bei den Do-
des Ostfränk. Reichs. 18C2. 1 p. 159 -IGl, und G. Meyer von Kuooau
Ueber Nithard. 18G6 p. CO. 61 , auf deren zur Erläuterung de» Aufstände»
Toa 841 aufgestellte Andichten Aber die durch Karl d. Gr. gesteigerte Macht
der Edelinge and Verminderung der Rechte der Freien und Liten, ich hier
nicht eingehen kann. Wichtig f&r die im Text angeregte Frage ist» dafs
die Annalen in ihrem Bericht von dem Aufstände der s&chaischen Frilinge
und Liten in den Jahren 841 und 842, von den ^Dominis" derselben
sprechen, und darunter die Nobiles verstehen; es geschieht in folgenden
Stellen : Nithard p. 669 ^qui (frilinr/i lazzique) nomen novum id est stellinga
sibi imposuerunt, et in unum conglobati, dominis e regno pene pulsis, more
antiquo qua quisque volebat lege vivebat^ und p. 671 „stellinga in Saxonis
contra dominos suos itenim rebellarunt'^ ; Rudolf p. 363 : „Illudowicus in
Saxoniam pergens, validissimam conspirationem libertorum legitimes dominot
opprimere conantium, auctoribus factionia capitali sontentia dampnatis, for-
titer compescuit"; Annal. Xant. a. 841 p. 227: .,oodem anno per toiam Saxo-
niam potestas servorum valde excreverat super dominos suos, et nomen sibi
nsurpavemnt steUingas, et multa irrationabilia commiserunt, et nobiies illins
patriae a servia valdd affticti et humiliati sunt^ and a. 842 p. 227; „Lude-
wious servo8 Saxonum süperbe elatos afflixit, et ad propriam naturam re-
stituit''.
^y Eichhorn Deutsche Rechtsgesch. 1 p.57ö, der bei den Dominis der
fl&efaaisohen Gesetze an „Dienstherm^ dachte, „deren Beleidigung unter dem
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miniB an fränkische Lehnsherrn zu denken habe, ISfst sich geltend
machen, dafs die von König Karl zn ihrem Schutz yerhSngte
Todesstrafe in den Capitulis de partibus Sax. unmittelbar hinter
der Todesstrafe auf Hochverrath gegen den König folgt, und in
dieser Reihenfolge in die Lex Saxonum aufgenommen ist'), in-
dessen vermag ich den Einwand nicht zurückzuweisen, dab es
wenig wahrscheinlich ist, dafs König Karl in Sachsen bereits nn*
mittelbar nach Eroberung des Landes, bei Erlafs der Gapitula de
partibus Sax., derartige schlitzende Bestimmungen für Lehnsherrn
und deren Familien publicirt haben sollte, zumal in späterer Zeit
in Deutschland eine so umfangreiche Anwendung der Todesstrafe
auf Verbrechen gegen Lehnsherrn nicht Rechtens war'); und ao
Gesichtspunkt der Felonie betrachtet worden sei", vermuthete, dafs die Nach*
rieht des Rudolf von Fulda über Todesstrafe auf Ehen Freier mit adeligen
sächsischen Frauen, mit der in den sächsischen Gesetzen ftr Bomini ge-
setzten Todesstrafe in Verbindung stehe , und wollte daraus auf eine selir
„strenge Dienstherrschaft^ bei den Sachnen schlielsen, ^^es möge dies mit
dem Ursprung und der Bedeutung des Ilermstandes bei den Sachsen su-
sammenh&ng^n^ .
») Vgl. oben S. 112.
S) Gaupp Recht der alten Sachsen p. 35 und 128 macht dafür, dab
unter den Dominis fränkische Lehnsherren verstanden seien, g^tend, dals
der Dominus neben dem König genannt wird, dafs der Liber feudorum und
der Vetus auctor de beneficüs den Ausdruck dominus als stehende Bezeich-
nung f&r den Lehnsherrn verwenden, und dals „das schwer bedrohte Sta-
prum mit der Tochter, Gemahlin oder Mutter des Herrn der Cucurbitatio
des langobardischen Lehnrechts l.F. 5 pr. 17 entspricht^. Die in das lan-
gobardische Lehnrecht aufgenommene Verordnung über Verlust der Lehne»
die dem König. Heinrich HL beigelegt und zwischen 1039 und 1056 gesetst
wird, sagt: „gi quis dominum mum inter/ecerii, vel vulnerarerit, ipsum do-
minum suamve dominam obsederit, vel eam eucurbitaTerit, rel contra ea
quae in fidelitate nominantur fecerit, vel bis supradictis eonsilium dederit,
parium laudatione beneficium amittat ^ Pertz Leg. 2 p. 43. Der Sachsen-
spiegel Landr. IH, 84 §.2 giebt an : r,dod€t en man sinm herren (d. i. Lehns-
herren), he hevet verwarcht ainen Uf unde sin ere unde dat gut, dat he
von eme hadde". Homeyer Sachsensp. Lehnr. Theii 2 p. 509 bemerkt, dals
sich die Anordnung des angeföhrten Gesetzes von K. Heinrieh Aber den
Verlust des Lohnes wegen Vergehen der Vasallen, „im Sachsenspiegel Lehn-
recht nicht beachtet findet, weder was die einzelnen Fälle des Treubruchs,
z. B. Vergehen gegen die Frau des Herrn, noch was das Beweisverfahren
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281
seheint mir doeh mehr dafür sn spreeheB unter den Dominie alt-
Blehaiaehe Edelinge an verstehen >)•
Die Oesetse Karls des Grofsen erwähnen nieht, dalii in Baeh-
sen anfser den Qeistliohen (vgl. oben 8. 272) und Dominis (vgl.
oben 8. 273) noeh andere Personen durch anf ihre Ermordnng
gesetzte Todesstrafen speeiell geschtttst gewesen wBren. Nach
der Art, wie in der Lex Frisionum ein ^^legatus regis vei dncis'^
imd ein „obses^^ mit neunfachem Wergeide gebttlst werden soll*),
könnte man vielleicht vermuthen, dafs im vorfritnkischen friesischen
and sächsischen Recht auf Tödtung' von Gesandten und
Geifseln die Todesstrafe gestanden hätte'), sumal im vorfiiln-
kischen Sachsen von einem speciellen Frieden, der Gesandten vor
Ermordnng schtttse, die Rede ist^), und es damals in Sachsen eine
sehr verbreitete Sitte gewesen sein mnfs, Geifseln an stellen, um
Sicherheit fttr bestimmte Versprechungen tu gewähren*), doch
fehlen bestimmte Anhaltspunkte dafttr.
m. Todesstrafen fttr Entehrung.
Nr. 12 bis 14. Auf Entehrung der Tochter des Do-
minus verhängen die Capitula de partibus Saxoniae und die Lex
rageht'^, tmd d^fs dadarcb die Annahme bestätigt wird, dafe das Geaeti
aberhaupt nicht f&r DeutscbUiad erlassen worden ist.
^) Eine Verbindung der beiden Meinungen yersucht gewissermalsen
Oaupp Recht der alten Sachsen p. 39, indem er annimmt, dafs der ganse
altsächsische Adel in das Gefolge des fr&nkiachen Königs getreten und zu
einem Lehnsadel geworden sei ; dafür fehlt es aber an jeder Andeutung in
den Quellen, und die Unrichtigkeit der Vermuthung wird erwiesen durch
die Stellung der friesischen Edelinge in sp&terer Zeit, die unbedingt alt
Nachkommen der friesischen Nobiles zur Zeit Karls d. Gr. aufzufassen sind,
während ihre Adelsgüter in keiner Weise Lehne waren; und nicht anders
Terhielt es sich in Sachsen.
*) Lex Fris. XVII, 3: ,)Si quis legatum regis Tel ducis ooei-
derit, noyies illum componat et fredam novies ad partem donunicam*, und
XX, 1: ^qui obsidem occiderit, novies eum componat''.
*) Vg^. das neunfache Wergeid ftkr den Ermordeten in der Lex Sax.
mid Lex Fris., das sUtt einer Todesstrafe im Yorfränkischen Recht einge-
fhhrt sein dfirfte, s. oben S. 249.
«) VgL oben 8.260 Note 1.
•) VgL oben S. 103 Note 1.
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Saxoniim die TodesBtrafe; auf Entehrnng der Fraa and
der Mutter des Dominns that es die Lex Saxonam. Die be-
treffenden Stellen lauten: ;,Bi quis filiam domini sui rapnerit, morte
moriatnr^' Gap. de part. Sax. c. 12; ;,qui filiam aut uxorem aat
matrem domini sui stnpraverit; juxta voluntatem domini occida-
tur'< Lex Sax. c. 26.
Wer unter dem Dominus gemeint ist, dessen Fran, Tochter
und Mutter in dieser Weise durch die Todesstrafe gegen Entehrnng
in den beiden sächsischen Gesetzen König Karls geschützt er-
scheine, wurde oben S. 273 erörtert. Die- Todesstrafe, die hier
ausgesprochen ist bei Entehrung der Frauen, Töchter und Mtttter
von gewissen durch ihre Lebensstellung ausgezeichneten Personen,
mögen nun unter ihnen altsüchsische edele Mnndherm oder frXn-
kische Lehnsherrn gemeint sein, galt im vorfrXnkischen älterrai
sllchsischen Brecht allgemein für Ehebruch und Verführung. Boni-
facius stellt in einem in den Jahren 744 bis 747 geschriebenen
Briefe die Keuschheit der heidnischen Sachsen, in Deutsehland
den christlichen Angelsachsen als Vorbild hin. Seine oben anf
S. 222 excerpirte Erzählung, wie die Sachsen Ehebrecher und
FrauenschSnder mit dem Tode bestrafen, und wie sie die Ent-
ehrten behandeln, stimmt im Wesentlichen mit dem Uberein, was
Tacitns darttber von den Oermanen berichtet, ohne dafs nach der
ganzen Wortfassnng der Erzählung des Bonifacins und seiner ans-
fuhrlicheren Darlegung des Herganges auch nur im entferntesten
an eine Entlehnung aus Tacitus gedacht werden kann^). Boni-
facins berichtet, dafs die Sachsen den Verfllhrer erhängen (jy^or-
ruptorem ejus snspendunt^'), die Frau abe^, welche die Ehe ge-
brochen, oder das Mädchen, welches das väterliche Haus durch
Unkeuschheit befleckt hat, nöthigen, das Leben sich selbst mit
*) VgL Germania c. 18: „qnamqaam severa iilio matrimonia, nee nllam
mornm partem magis laudaveris, nam prope soli barbarorom singnlia nxo-
ribas eontenti sunt, etc.^ und cap. 19 : „pavcissima adulteria, quomm poena
praesens et maritis permissa; absoisis crinibus nndatam coram propinqnis
expellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit''. VgL dasa Kraut
Vormundscb. 1 p.42, WUda Strafr. p. 824 und Waita Ver&ss. 1 (a. 1865)
p. 54.
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_283 _
dem Strang zu nehmen, und dann ihren Leichnam gemeinsam mit
dem ihres Yerflihrers verbr^nen; oder aber, dafs sie der Ent-
ehrten ihre GewXnder abreifsen, sie von Ort zu Ort treiben und
dureh Oeiftelhiebe tödten. Neoconis bezeagt in seiner Chronik
des Landes Dietmarschen (heransgegeben von Dahlmann 1827)
1 p. 96, nachdem er die Angaben des Tacitus und Bonifacins
initgetheilt hat, dafs noch zu seiner Zeit, und er starb erst nms
Jahr 1630, in seiner Heimath die alte sächsische Sitte herrsche:
9, so eine Frnwespersone entehret worden, heft sick dat gantze Ge-
schlechte solches angetagen, de Entehrede oft mit ehren eigen
Henden ock entlivet (dewile dat Lant keinen Scharprichter gehat),
solche Schande aftoleggen'^ Darauf führt Neocoms znr Bestäti-
gung mehrere „Exempel^' an, deren „ unzählige ^^ seien, nament-
lich eins, wo ein von ihm wohl gekannter Mann zu Wellinghusen
seine Schwester, die geschwängert worden war, „mit etlichen siner
Yeddern under dem Ise ersöpet unde begraven heft^^
Wenn keine ältere deutsche Rechtsquelle eine solche allge-
meine Befngnifs zur Tödtung entehrter Weibspersonen und deren
Verftlhrer kennt, so sind doch in ihnen vielfach Spuren vorhan-
den, die auf einen derartigen Inhalt des ältesten deutschen Rechts
zurückweisen.
Fast alle Gesetzbücher des- fränkischen Reichs, und unter
ihnen namentlich die Lex Frisionum, räumen dem Ehemann die
Befugnifs ein, den Ehebrecher, den er auf der That
betriflft, zu tödten, ohne dafs er verpflichtet wäre ein Wergeid
fär ihn zu entrichten; mehrere erwähnen daneben auch der Tödtnng
der ehebrecherischen Frau, und einige gewähren aufserdem dem
Vater das Recht, den Verführer seiner Tochter, den er bei der
That ergreift, bufslos zu erschlagen '). Die Lex Saxonum schweigt
*) Lex Frision. V: „de hominibus, qai sine compQsitione oocidi
poBsunt; adulterum, etc."; Ed. Bothar. 213: ^«t quis Über rei servus
cum uxore 9ua liberum aut servum fornicantem inreneHi, poieatatem habetH
eos aml}04 oecidendi ; et ei eos occiderit non requirantur^; ygl. dasu
Osenbrüggen Strafrecbi der Langobarden. 1863 p. 68. 100; 1. Wisig. III, 4
{. 4n. 5: „si aduUerum c%an aduUera maritua vel aponsus occiderit, pro
homieida non teneatur; ai filiam in adiMerio pater in domo aua OC"
eiderii, nullatn poenam aut calumniam incurraf; 1. Borg. 68: „si
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ttber Ehebnieh; dafs aber auch in Bachsen nach der PnUiealion
der Lex IVdinng dea auf der Thai ergriffenen Ehebrechers ge-
stattet war 9 wird man nach der Behandlang dee Verbrechens in
den anderen deutschen Stammrechten, sowie im yorfrSnkiBeheii
und späteren sächsischen Recht, voraussetzen dürfen >j.
adolterantea hiTenti fnerint, et vir ifltf oceidaktr et femina; nsm hoe obser-
▼andum est, ut aat utnimque occidat, aut si unum occiderit pretium ipnoB
solvat'^; l. BijuT. Vm, 1: „si quis cum uxore alterius concubuerit libera,
si repertus fiierit, cum werageldo illius uxoris contra maritum conponat; ei
si in lecto cum iüa interfectus fuerit, pro ipsa compoeitione, quam debuif
sohere marito ejus, in suo eceUre jaeeat »ine vindicta'*; 1. Rip. 77 : „si qvis
hominem eomprehenderit super uxorem, seu «uj^er filiam, vel his similibwu,
et non praeyaluerit ligare, sed colpus ei exoesserit, et eum interfeeerit^
. . juret quod eum interfecisset etc.'' Die Gh*agas im Vigslol^i c. 31 gestattet
die Tödtung bei der Frau, Mutter, Tochter, Schwester, Pflegemutter und
Pflegetochter; sie sagt: „swa er maelt i Idgom at VI ero konor, |>aer er
mapr a vigt um : ein er kona mannx, II. mopir, IIL dottir, IV. systir, V, er
fostra so er mapr hefir födda, VI. er fostra su er hann hefir ftddan*'. Gragaa
edit. Magnaean. 2 p. 60. Vgl. über die Bestimmungen anderer nordiaeher
Rechtsquellen: Wilda Strafr. p. 812. 823 und Orimm Rechtsalterth. p.743.
>) Vgl. im Sachsensp. II, 13 $.5: „die wif oder maget nodeget, unde
die in overhure hegrepen toerdei, den sal man dai havH afslan**. In einem
alten friesischen Sendrecht, das aus dem Firelgo in der MOnsterscfaen DiS-
cese und aus dem Westergo in der Utrechter Diöcese erhalten ist: „hweraa
ma ene frowa wrogat (rügt), thet hio urhor den hebbe, sa ach se hire for-
mund to sikriane (so hat sie ihr Vormund eu reinigen), jef hi hia siker wet ;
berst him thera etha (gebrioht es ihm an den Eiden), sa weth hire hir for-
mund alle schildich; sa ach hi thenna thene kere (so hat er dann die
Wahl): hweder hi se fille (ob er sie geilselt), sa hi se unthardie
mitha swerde ther hia under geng (oder ob er sie enthauptet mit
dem Schwerdt unter dem sie ging) tha hio thet afte bigeng, sa hi
se to him nime^ (oder ob er sie wieder zu sich nimmt.) Fivelg. Manuscr.
p. 27 (auch niederd. in meinem Oinmeland. Manuscr. p. 159) und aus dem
Westergo in Fries. Rechtsq. p.409 §.21 lin. 17— 20. Sodann in einem and.
alten etwas jüngeren fries. Sendrecht, welches aus den selben beiden Gauen
erhalten ist (und wo ausgefthrt wird, dafs im Fall der Mann den Reini-
gnngseid Ar die angeklagte Frau nicht leisten will, sie sich durch Gottes-
nrtheil zu vertheidigen habe), sagt der Westergoer Text im alten Druck:
„soe aegh hy dine ker, hör hy se hangle, soe hy se hardie,
80 hy se drinse (oder ob er sie ertr&nkt), so hy se baerne (oder ob
er sie verbrennt); jefla toe him nime* Fries. Rechtsq. p.404, Jl — 13; in
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Detaillirtere Bestimmangen enthält dieLexSaxo-
nnm über Franenranb, der als mit Entehning yerbimden ge-
dacht wird. Es sollen fttr das Verbreehen mehrte neben einander
an^ftthrte Bafssnmmen gezahlt werden, deren verschiedener Ur-
sprung sich bestimmt unterscheiden IXbt — Die gesetsliche Eanf-
Bumme für eine freie Frau betrug in Sachsen, sofern kein anderer
Kaufpreis verabredet war, 300 Solidi, d.i. das regelmäfsige Wer-
geid einer freien Frau von 240 Solidis nebst einer Zulage von
60 Solidis. War nun der Frauenraub mit Einwilligung der G^
raubten geschehen, so sollte die Frau keine Bufse erhalten, ihren
Eltern aber, denen sie nicht zurückgestellt wurde, sollten zweimal
300 Solidi gezahlt werden, von denen ich die ersten 300 Solidi
für den Kaufpreis der Frau halte, die zweiten 300 Solidi dagegen
fttr ein Wergeid des Verbrechers von 240 Solidis nebst einem
Friedensgelde von 60 Solidis. War der Frauenraub ohne Ein-
willigung der (jeraubten erfolgt, so sollte der Bäuber sie den
Eltern zurückstellen (ein ELaufgeld wurde ihnen nicht gezahlt, weil
sie die Geraubte d. i. das Kaufobject zurttckerhielten); er sollte
den Eltern aufserdem 300 Solidi zahlen d. i. ein Wergeid von
240 Solidis nebst einem Friedensgelde von 60 Solidis, und sollte
der Geraubten 240 Solidi zahlen d. i. ein Wergeid als Entschädi-
gung ihrer Entehrung. Speciell wird noch der Fall behandelt,
wenn die Entführte bereits mit einem Anderen verlobt war; hier
soll der Vater des Mädchens den Kaufpreis von 300 Solidis er-
halten, soll ferner 300 Solidi erbalten d. i. ein Wergeid nebst
60 Solidis als Frednm, und soll der Verlobte (nicht das Mädchen)
300 Solidi erhalten d. i. ihr Wergeid von 240 Solidis nebst einem
Friedensgelde von 60 Solidis. Ausnalimsweise sollen auch der
Mutter des Mädchens noch 300 Solidi gezahlt werden, wenn der
Baub auf offener Strafse an der Seite der Mutter erfolgt war. —
Die Stellen, welche diese Satzungen enthalten, sind: „Uxorem
ducturus 300 solides det parentibus ejus; si autem sine voluntate
parentnm, puella tamen consentiente, ducta fuerit, bis 300 solidos
parentibus ejus canponat; si vero nee parentes nee puella con-
meinem Manusor. S. des Westergoer Textes p. 51 und in meinem Firelg.
Manuscr. p« 34 fehlen die gesperrt gedruckten Worte.
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flenseninty id est si vi rapta est, parenHbus efus 300 soUdos^ paeBae
240 soiidos eonponat, eamqve parenHbus restiiuai^ L, 8ax. c 40;
und: „Qoi feminam ab alio deaponsatam rapnerit, 300 soUdos pairi
pueUaey 300 spwMO conpanat, et wsuper 300 aoUdU enuU eam; et
si cum matre enntein in via rapneriti etiam et matri 300 solidoe
cpnponat'' L. 8ax. c 49.
Eine grobe Uebereinstimmang mit diesen Vorschriften für
Sachsen zeigt 'sich in denen der Lex Frisionun fUr Friesland.
Bei dem Staprum einer Frau (bei „farlegani") mafs in Hittel-
friesland der Verführer sein Wergeid an den König zahlen , oder
wenn die' Entehrte eineLitin war an deren Herrn ^). Beim Raub
einer freien Frau werden, wie in der Lex Saxonum, drei Baissnm-
men nnterschieden, die vom Verbrecher zu zahlen sind: ein Wer-
geid an den König; ein Wergeid an den Vater oder Vormund des
Mädchens, nebst einer Zugabe von 20 oder 30 Solidis, jenach-
dem das Mädchen eine Freie oder Edele ist; und ein nach ihrem
Oeburtsstande bemessenes Wergeid an das entehrte Mädchen als
Entschädigung*). Mit dieser Vorschrift der Lex Frisionum ist eine
spätere in der Additio legis Frisionum*) zu vergleichen, welche
bestimmt, dafs wenn Jemand die Frau eines Anderen nimmt (d. i.
entfuhrt), er sie zurückgehen soll, sowie dafs er dem König ein
Wergeid als Fredum zahlen soll und aufserdem dreimal 53 7« So-
^) L. Fris. IX, 1 u. 2 : „De farlegani. Si foemina quaelibet homini cai-
übet fomicando se mUcucrit, componat ad partem regis woregil-
dum suum; hoc nobilis et libera faciant, Uta rero ad partem domini sui".
<) L. FriB. IX, 8— 13: ^Si qnis puellam virginem rapuerit et violatain
dimiserity componat ei weregiidum ejus, sive nobüie sioe libera ßierii,
ad satis/actionem , et ad partem regis similiter; tertium weregii-
dum patri sive tutori puellae; si autem pueila Uta fuerit, satisfaciat ei si-
miUt^r solutiono wcregildi sui, et domino ejus docem soUdos componat. Si
Uberam foeminam extra Toluntatem parentum ejus, vel eorum qui potestateni
ejus babent, uxorem duxerit, componat tutori ejus eolidos 20, id est den»-
rioa 60, si autem nobilis erat foemina solidoe 30; si Uta fuerit soiidos 10
domino ejus persolvere cogatur.''
•) Add. leg. Fris. III, 76: „Wulemarus dicit: si quis Über uxorem alte-
rius contra legem tulerit, reddaf eam, et facinus ter quinquaginia tribus
soUdis ei tremisse componat, et pro freda ad partem regis were-
giidum 8uum^.
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lidi, d. i. ein enr Zeit der AbfiasBung der Additio llblichet frie-
sisches Freienwergeld tod 160 Solidis').
Die drei Ba%elder, welche die Lex 8axonaiii| als bei Frauen-
raub au aahlen, neben einander nennt, nnd die ich ihrem Ursprung
naeh unterseheiden zn können meine*) , sind: a) der Kaufpreis
der Frau von 300 Bolidis, d. i. ein Freienwergeld von 240 Solidis
nebst 60 Solidis Zulage; b) eine Summe von 300 Solidis, gebildet
ans dem Wergeide des Verbrechers, als eines Freien, und einem
diesem zugeschlagenen Friedensgelde von 60 Solidis, und c) das
Wergeid der Oeraubten von 240 Solidis; statt dessen, wenn die
*) Die spftteren friesischen Kechtsaufseichnungen enthalten noch einige
Zeugnisse ftbr das ältere friesiache Recht : nach dem alten WesUaubachschen
Schulzenrecht §. 30 soll, wenn eine Frau gewaltsam entftihrt wird, der
Schulze mit dem Asga sie aus dem Hause abholen, in dem sie sich befindet;
sie drei Tage in Gewahrsam nehmen, und am dritten Tage in die Gerichts-
Versammlung ftkhren; dort soll er zwei St&be aufrichten, zu deren einem der
Entßlhrer, zum anderen ihre Magen treten mCLssen; geht sie zum Entfuhrer,
80 bleibt sie bei ihm; geht sie zu den Magen: ^soe sehet ma her tvoijelda jelda
ende di manne hrand ende breke tjulda, endejaen twa ende (em. ^twia'^?) achtiff
pttnda (im alten Dr. nur : 80 Pfund) herum ende lioedem; ende dae sibbesta sexa
aller lyc, jef se derin bitiogad wirdet, brand ende brek tjulda, ende mey hiara
havdlesne beta** Manuscr. S. p. 12, vgL den Text des alten Druckes in Fries.
Becktsq. p.391, 4 — 11. Abweichende Bestimmungen aus Bfistringen über den
Stab-gang vgl. in Fries. Bechtsq. p. 116, 19 u. p.542 §.51, u. aus Huns. p.34,3;
das Vorkommen desselben weist J. Grimm lieber Nothzucht, in Beyscher und
Wilda's Zeitschr. Bd. 5, auch in anderen deutschen Gegenden nach; das eigen-
thfimliche dem Grafen und der Gemeinde gezahlte Fredum von zweimal 80 Pfund
erw&hnt das Schulzenrecht in Fries. Bechtsq. p.412, 1.25 in gleicherweise
Air Mord. Nach der 15ten allg. fries. Küre aus dem 12ten Jahrh. erhalt
die Genothzüchtigte ein Wergold von 12 Mark, und die Gemeinde 12 Mark
Friedensgeld {y^debet caput suum redimere 12 marcis a plebe^ Fries. Bechtsq.
p. 24, 3); nach dem 18ten allg.' fries. Landrecht wird doppeltes Wergeid ge-
zahlt („tunc ipse reddat duplum cofnpositionis suae'* Fries. Bechtsq. p.68,dO);
vgl. sp&teres Becht in Fries. Bechtsq. p. 329, 27.
') Verschiedene Erklärungen der angefahrten Stellen der Lex Sax. und
der Lex Fries, geben: Kraut Die Vormundschaft 1835. 1 p. 174. 303. 313.
317. 325. 335; Gaupp Becht der alten Sachsen 1837 p. 137. 139; Wilda
Strafrecht. 1842 p. 834. 841. 842. 847; Bive Gesch. der deutschen Vor-
mondsehaffc. 1862. 1 p. 238. 251; Schröder Gesoh. des eheUehon Güter-
rechts in Deutschland. 1863. 1 p. 14. 18. 47. 78.
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Geraubte eipe Verlobte war, ihrem Bräutigam SOG Sotidi, d. L
240 SoHdi und 60 Solid! Friedensgeld geaahlt wurden. Die Fixi-
mng der drei BalBSummen in dieser Weise, so dab sie ohne Blick-
sieht auf den edelen oder freien Qeburtsstand der Betheiligteo
gezahlt werden sollten, dürfte bei Gelegenheit der Abfassung der
Lex Baxonum erfolgt sein; zu ihrer ErlXuterung dienen folgende
Bemerkungen:
a) Der Raufpreis der Frau. Das Rechtsgeschäft, welches
nach dem in der Lex Saxonum niedergelegten altsäehsischen Recht
bei Eingehung einer Ehe abgeschlossen wurde, ist noch vollständig
ein Kauf und wird als solcher aufgefafst. DieLexBaxonumbe-
zeichnet das Rechtsgeschäft ausdrttcklich als einen Kauf,
indem sie von y^feminam (oder ^uxorem*^) emert^ L. Sax. c. 49.65 und
jf/eminam vendere^ c. 65 spricht, und die dabei gegebene Summe
▼on 300 Solidis das ^preUum empHonis*' c. 43 nennt. Den Kauf-
preis, oder die 300 8olidi, zahlt aber als Käufer der Mann,
der die Frau zur Ehe erhalten will: „uxorem ducturus 300 soUdas
det parentibus ejus'' L. Sax. c.40; „qui feminam ab alio despon-
satam rapuerit ... conponat, et insuper 300 solidis emat eam^ c. 49;
und auch dann mufs er diese Summe zahlen, wenn er eine Wittwe
heirathen will: „^ut tnduam ducere veiit, offerat tutori pretium
emptionis sjus, . . .; paratam habens pecuniam (var.: „paratum ha-
bens pretium'^ edit. Til.), ut tutori ejus dars possit, hoc est soli-
dos 300^^ c. 43. Den Kaufpreis, oder die 300 Solidi, em-
pfängt als Verkäufer der Vater, oder wer statt seiner Vor-
mund der Frau ist: „uxorem ducturus 300 soUdos det parmtihus
efus*^ L. Sax. c. 40; bei einer Wittwe: „oßsrat tutori pretium em-
ptionis ejus, . . .y ut tutori ejus dare possit, hoc est solidos 300*^
c. 43. Und als Kaufobject betrachtet die Lex Saxonum
die Frau: „300 solidis emat eam^* (d.i. feminam) L. Sax. c.49;
„offerat tutori pretium emptionis ejus^^ c. 43.
Dafs das Kaufen der Frau bei den Germanen, wie bei anderen
ihnen stammverwandten Völkern, in ältester Zeit wirklich bestan-
den hat, hätte nicht deswegen bestritten werden sollen^), weil in
^) Adltere Germaniaten Eweifelten nioht, dafii bei den ältesten Ch>r-
manen ein wirklicher Brautkaui' stattgefunden habe, vgl. Eichhorn Deutsche
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einer späteren Entwickelong des ReehtsTerhältniesea bei einigen
germanisehen Stämmen, wie erwiesen ist, nnr noch die Vormand-
seliaft (die Mond) ttber die Frau durch die Zahlung des Pretii
erworben wurde ^)y bei anderen der Kaufpreis zu einem Schein-
preise umgestaltet war'), und endlich der alte einst sachgemäfse
Bechtsgesch. {. 54. 1 p. 314 und besonders Grimm Bechtsalterth. p. 420—423.
Indem Kraut Vormundschaft 1835. 1 p. 171—175. 299 u. 313 zuerst es
unternahm emen inneren Zusammenhang in der Lehre von der älteren deut-
schen Vormundschaft aufsuweisen, stellte er die f&r die einschlagenden Ver-
hlltniaee besonders ergiebigen langobardischen Rechtsquellen in den Vorder-
grand, und sah in der in ihnen klar ausgesprochenen Auffassung, nach
welcher die Mund Qber die Frau gekauft wird, das ursprünglich allgemein
germanische. Ihm sind die meisten Spateren gefolgt, vgl. namentlich:
Gaupp Recht der alten Sachsen 1837 p. 142. 170; Wilda Strafr. 1842.
p.800. 837; Weinhold Altnord. Leben 1856 p. 240; Walter Deutsche
Bechtsgesch. 1857. 2 p. 126; Schroeder Gesch. d. ehel. Gfiterrechts 1863.
1 p. 9. 27. 38. 47. 76. 79; Waitz Deutsche Verfassungsgesch. 1 (a. 1866)
p.44.57; So hm in Zeiuehr. ftlr Rechtsgesch. von Rudorff 1866. 5 p. 419.
Wie hier eine sp&tere in den langobardischen Gesetzen ausgepr&g^ Um-
bildung des alten Brautkaufes für das ursprüngliche gehalten wird, so glaubte
Fr. Rire Geseh. der deutschen Vormundschaft 1862. 1 p. 258 noch einen
Schritt weiter gehen und auf Grund der skandinavischen Rechtsqnellen (vgl.
Bive p. 103. 105.258) behaupten zu können, dals der Kauf der Vormund-
schaft über die Frau, wie der Kauf der Frau selbst, nicht urgermanisch seL
Ich vermag in der in jenen Rechtsquellen Überlieferten Form des Instituts
in keiner Weise dessen Urtypus zu finden, sondern nur eine jüngere Gestalt,
bei der manche Einzelnheiten, in Uebereinstimmung mit anderen Angaben
aus dem Norden, bekunden, dafs sie aus einer Grundlage erwachsen ist,
die im wesentlichen in manchen deutschen Stammrechten noch unverhüllt
Torliegt. Bereits Schroeder Gesch. des ehel. Güterr. 1 p. 77, ist dem Ver-
such Rive's entgegengetreten, die vom Bräutigam nach den einzelnen deut-
schen Leges dem Vormund gezahlten Summen auf ganz verschiedenartige
Entschädigungsansprüche zurückzuführen.
^) Klar ausgesprochen ist diese Auffassung im Edictum Rotharis, na-
mentlich in Cap. 217: „pretium quod pro mundio mulieris daium est**, vgl.
Kraut Vormundsch. 1 p. 173 und Schroeder p. 26—43. 76, der die Um-
gestaltung aufweist, welche das Institut in den einzelnen langobardischen
Rechtsquellen erfahren hat.
>) Im Recht der salischen Franken erscheint bereits in den ältesten
Quellen der Brautkauf als ein .Scheinkanf mit einem symbolischen Kauf-
preise, vgl. Kraut Vorm. 1 p. 174 und Schroeder p. 55. 77.
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Aasdnicky ein Weib kaufen, allgemein nur noch flir ein W^b
nehmen galt'). Die Lex Saxonnm allein genügt, nm ea beweisen,
dafa bei den Sachsen znr Zeit ihrer ünterwerffing dnreh K9nig
Karl noch ein wirklicher Brautkauf bestand ; ich wttfste nicht, wie
sie es hätte deutlicher aussprechen können, und mufs es ftlr un-
möglich halten, dafs der fränkische Gesetzgeber in ihr die latei-
nischen Worte in einem ganz anderen Sinne verwendet haben sollte,
als sie ihn sonst haben, und in dem sie auch zu seiner Zeit in den
anderen fränkischen Gesetzen gebraucht werden^). Es ist aber
keineswegs nur die Lex Saxonum, die in dieser bestimmten Weise
das Vorhandensein eines wirklichen Brautkaufs bei den älteren Dent-
sehen bezeugt, auch bei den Angelsachsen erwähnen die ältesten
Gesetze ihn ganz unzweideutig^), während sich üeberreate von
») Vgl. Grimm Rechtsalterth. p.421.
*) Wenn Rive Vormundscli. 1 p. 103 den seiner Auffassung des nor-
disclien Rechts entgegenstehenden Ausdruck brud-kaup dadurch meint eat-
kräften zu können, dafa er hervorhebt kaupa bedeute in den nordisehea
Dialecten nicht nur kaufen (emere), sondern überhaupt einen Vertrag schlielsen
(pacisci), 80 ist daran zu erinnern, dafs auch die deutschen Dialecte „Braut
kaufen '^ sagen, und in ihnen doch entschieden kaufen für emere gebraucht
wird, dafs femer die angelsächsischen Gesetze ceapian, bycgan, syllan (ver-
kaufen ) beim Brautkauf verwenden, sowie die Lex Saxonum: emere, ven-
dere und emptio ; allen diesen einen Kauf bezeichnenden Ausdrücken einen
anderen Sinn zu vindiciren, wird schwerlich gelingen. Auch Sohroeder
p. 47 will in der Lex Sax. „uxorem emere'* durch heirathen, „uxorem vendere**
durch verloben, .pretium emptionis*' durch Mundbrüche erkl&ren.
.>)^ Bestimmt bezeugen den Brautkauf: Aethelbirhts Ges. c. 77: ^^if
man maeg^ gehige^ , ceapi geceapod sy, g^f hit unfacne is (wenn man ein
Mädchen kauft, sei sie mit dem Kauf gekauft, wenn es ohne Betrug ist);
gif hit ponne facne is (Betrug ist), ef paer aet ham gebrenge, and him man
bis soaet agefe'' (so bringe er sie zu Ilause, und man gebe ihm sein Geld
zurück) Schmid p. 8; Ines Ges. c. 30: ^gif mon toif gebycge, and sie gyft
ford ne cume (und die Gabe dann nicht erfolgt, d. h, der Kaufpreis nicht
gezahlt wird), agife paet feoh and forgielde (so gebe er das Geld und be-
zahle), and gebete pam byrgean swa bis borgbryce sie** (und büfse dem
Bürgen wie der Bürgschaftsbruch ist) Schmid p. 34; K. Cnut verordnet in
Ges. U c. 74: „and ne nyde (nöthige) man nader ne wif ne maeden (weder
Weib noch Mädchen) to pam, pe hyre sylfre mysUcige (der ihr selbst mils-
fUlt), ne trid scetUie ne syUe (noch verkaufe sie für Geld), buton he hwaet
agenes pances (mit eigenem WiUen) gyfan wüle'* Schmid p. 3X2.
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ihm noch in den späteren friesischen Rechtsqnellen finden ^), nnd
er nach Albert Kranz sogar noch im fünfzehnten Jahrhundert bei
den sächsischen Dietmarschen vorgekommen sein soll'). Anfserdem
^) Aus dem friesischen Hunsingo und Fivelgo im Gh-oningerlande sind
folgende Aufzeichnungen von Ueberresten des alten Rechtes erhalten:
„hwersa ma ene frowa afte deth (d. i. sur Ehe giebt; im Fivelg. Manuscr.
dafllr: „hwersa en frowe heth sten enne aften stol"), and hiu mitha sogen
wenden biwrocht is (und sie mit den 7 Qe wetten angethan ist), and thi
kerena (der Erw&hlte) 9e capad heth mitha riuchta mundakeie etta riuchta
faremxmda, sa Stent thiu frowe thenne a fria foten", nach den beiden
Hnns. Manuser. in den Fries. Rechtsq. p. 385 f. 32 gedruckt, ähnlich in
meinem Firelg. Mannscr. p. 89. Im Fries. WOrterb. p. 1129 wufste ich nicht,
was ftkr „Gewetten'* hier gemeint sein m(}chten; das Fivelg. Manuscr. be-
lehrt darüber, indem es hinter den angefilhrten Worten fortfahrt: „sahwersa
ma ene frowa ut jeft, sa rächt ma hire fior wed: thet forme, thettere thi
feder (dafs ihr der Vater) fi-ei kap weddade with toane (gegen wen) sa hio
hire lif wolde ledza; thet other, thet kapade mec stat (dafs gekaufte Hei-
rath besteht) , ende mith scillingum ther hio hire fmdelf jef in tha hude,
half be ende bodel, jefta XIII merk and VIII (ob eu em.: XIII?) pan-
ningan; thet thredde etc." Ferner in den 2 Huns. Manuscr. § 31: „Hwersa
en frowe fereth of tha liudgarda (wenn eine Frau aus der Dorfmark sieht)
and enne otheme, and hiu afte den is, and hire frudelf thenna tokemth
(und ihr Mann dann stirbt), and hiu thenna to other hiunem feth (und sie
dann zu einer anderen Ehe schreitet), sa wele hire friudelf (d. i. der zweite
Mann) se jeme hebba afte, sa agerne mundsket be riuchte te winnane et
hire erra swiarengem (von ihren früheren Schwiegereltern), ther him bi
riuchte lavegad is ; sa is thi mundsket threttene ecillingar and threttene pen-
ningar; ach hi ac thes nowet aca (hat er dazu auch nicht genug), #a ca-
pieme (so kaufe er den Mundschatz) mit ena soma (mit einer Summe?)
seeldwepere (ein dunkeles Wort); thet is thi riuchta mundsket". FriesiBche
Rechtsq. p. 334 {. 31 ; gekürzt steht der {. auch in meinem Fivelg. Manuscr.
p. 89, wo der Schlufs lautet: „sa is thi mundsket XIII schili. and XIII pan-
ningan, jef en som skildwepern". Im alten Schulzenrecht aus dem West-
laubachschen Friesland ist der mondsket bereits eine geringe Summe, vgl.
Fries. Rechtsq. p. 389 {. 8. 9 und p. 429, 5, und das 22ste allg. fries. Landr.
p. 74 u. 75, sowie Fries. Wörterb. p. 1 146 über wetma und werthmund,
^ Von den sächsischen Dietmarschen berichtet Albert Crantz Van-
dalia I: ^valet hodie (ut ferunt) consuetudo in Thietmarsi8, gente palustri
ad exitum Albis fluminis, ut nuptui tradant filias indotatas, sponso quanium
inter eos eanvenit annumeranU aut pendente his, qui puellam in potestaie
halmerunt^; angeftLhrt wird die Stelle von Neocorus Chronik des Landes
Dithmarschen 1 p. 109, vgl. Schroeder Gesch. des ehel. Güterr. 1 p. 49.
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läfst die Art, wie die Recbtsquellen mehrerer anderer germanisclier
Stämme, and namentlich die der Langobarden , Burgunder und
Westgothen über das Verhältnis sich äursem ^), das frtthere Vor-
handensein des Frauenkanfs bei ihnen, und sein allmähliches Ver-
schwinden in ihrem Recht deutlich erkennen. Unter den Argumen-
ten, die gegen die Existenz eines wirklichen Brautkaufes im alten
Deutschland geltend gemacht worden sind'), hat den gröfsten An-
klang gefunden, dafs man behauptete, der Brautkauf sei unvereinbar
mit der ganzen Stellung der Frauen bei den alten Germanen, die
eine durchaus würdige gewesen sei. Ich kann diesem Argument
kein entscheidendes Gewicht einräumen, weil wir bei seiner Er-
wägung nicht im Stande sind unsere heutigen Vorstellungen und
Gefühle auszuschliefsen; für uns fehlt jeder Mafsstab der Beur-
theilung, wie weit das auf einer frühen Stufe der Entwickelung
stehende überkräftige Volk, bei dem überall eine edele zu hoher
Entwickelung beföhigende Natur aus seinen rohen Sitten durch-
leuchtet, es für sittlich zulässig gehalten haben kann, die von ihm
^) L. Burg. 34: „si qua mulier maritum sunm, oui legitime est juneta,
dimiserit, necctur in luto; si quis uzorem suam sine causa dimiBerit, inferai
ei aUerum iantum, quantum pro pretio ipsius dederat, et multae nomine
sei. 12 ", vgl. die Note von Blume in Mon. Leg. 3 p. 546 und die 1. Burg,
c. 42, 2 und c. 61 (vgl. S. 302), welche das ^nuptiale pretium^ erwähnen.
In 1. Wisig. III, 4 §.2: „si trUer sponsum et eponaae parentes . . daio pretio,
et sicut consuetudo est ante testes facto placito de futuro conjugio etc. /Ve-
tium ad sponsum, qui dederat, revert^itur*' (bei nnkeuschem Leben der Ver-
lobten); und III, 4 g. 7: .,si puella ingenua sive vidua ad domum alienam
adulterü causa venerit, . . ilie pretium det parentibus quantum parentes pueUae
velint«; desgl. III, 3 §.3, vgl. unten S. 302 N. I. Ueber Langobarden vgL
oben S. 289 Note 1 und die Ausführungen über das burgundische und west-
gothische Recht von Schroeder p. 16, 43 und 70.
') Für nicht beweisend halte ich Argumente, die aus einzelnen Aus-
drücken hergenommen werden , die Hechtsquellen verwenden , in welchen
der alte Frauenkauf bereits verschwunden oder umgebildet ist, s. B. daraus,
dafs langobardi^che Gesetze, in denen der alte Frauenkauf als Vormund-
schaftskauf auftritt, den nunmehr f&r Erlangung der Mund gezahlten alten
Kau^reis als „mund^ bezeichnen, oder wenn spätere Mesische Rechtsquellen
von einem mundsket (d.i. Mund -schätz) und werth-mund sprechen, vgl.
Kraut Vorm. 1 p. 172.
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hochgeBieUien, ja sogar verehrten Franen ^)y der Macht der MSnner
mitersuordiien. Die Gewalt des Hausvaters über die Seinen war
bei den Germanen eine sehr weit gehende ; nicht nur dafs er ein
ausgedehntes Strafrecht über Frau und Kinder ausübte, es stand
ihm auch noch in historischer Zeit die Befugnifs zu, sie wegen
dringender Noth, oder als Strafe, in die Unfreiheit zu verkaufen').
') Tacitus Germ. e. 8 sa^ : „inesse quin etiam sanctum aHquid et pro-
vidnm (feminis) putant, nee aut consilia earum aspemantur aut responsa ne-
gligunl'', Tgl. dazu Grimm MythoL p. 84.
') Die Leges Liutpr. c. 121 bestimmen, dals wenn eine Ehefrau sich
eine unxfich^e Behandlung gefallen iälst, y^habeat poteatatem ejus maritut
in eam vindictam dare, sive in disciplina, sire in venditione ubi voluerit,
rerumtamen non occidatur^; K. Lothar in Capit. a. 825 c. 1 verordnet für Ita-
lien: .ut cärtulae obligationis , quae factae sunt de singulis hominibns, qui
se, lusores, JUios vd ßlica in servitio iradiderunt, fTPangantur"* Pertz Leg. 1
p. 241. Nicht als unmittelbares Zeugnils kann es dienen, aber immer die
im 9. Jahrh. vorhandene Auffassung bekunden , dafs Benedictus in seine
Capitttlariensammlung Lib. II c. 4 aus II Mosis 21 v. 7— 11 folgende Worte
aufgenommen hat: „Si guis vendiderit filiam suam in fatnulam, non egre-
dietur sicut ancUlae ezire consueyerunt; si placuerit <ie»mino suo, cui vendita
etig admittat eam liberam; et ad alium populum non licet ipsam vendere**'
Perta Leg. II P. 2 p. 75 ; bemerkenswerth ist, dafs noch König Aelfred eben-
fiüU diese Stelle wörtlich in seine Gesetze aufgenommen hat : ,, peah hwa y«-
bycffe hin dohior on peoirenne, ne sie hio ealies swa peowu swa odru mennenu,
etc.'' Schmid p. 58. ' Um ein richtiges Urtheil über das Verhältnifs des Braut-
kaufs im alten Deutschland zu gewinnen, mufs man sich vergegenwärtigen, daüs
nicht selten Freie sich selbst und die Ihrigen in die Unfreiheit verkauften, oder
Zeitweise in ein unfreies Verhältnifs traten, wenn sie den erforderlichen Lebens-
unterhalt nicht beschaffen oder Schuldsummen nicht zahlen konnten, die durch
verwirkte BuiSsen oder auf irgend eine andere Weise, entstanden waren. Schon
Tacttus Annalen 4, 72 erzählt, wie die Friesen, die den Römern den Tribut
nicht zahlen konnten, Binder und Aecker hingaben , „postremo corpora con-
jugum aut liberaruni servitio tradebant*", und in der Germania c. 24 berichtet
er von der Spielwuth der Germanen: ^quum omnia defecenint, extreme ac
novissimo jactu de libertate ac de corpore contendunt; victus voluntariam
aerviiutem adit . .; servos conditionis hujus per commercia tl'adunt'^. In
lex Wisig. VII , 1 : ^ <luod si idern ingtnuus unde conponat non habuerit . . ,
serviturus iradahtr^; 1. Baj. 1, 10: „et si non habet taniam pecuniam (um den
ermordeten Bischof zu hülsen), se ipsum et uxorem et ßlios tradat ad «c-
desiam iUam in servitio, usque dum sc redimere possif* Pertz Leg. 3 p. 275 ;
1. Baj. II, 1 : jfConponat seeundum legem ; si vero non habet, ipse se in str-
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294
Hat aber der Vater früher bei seiner Toebter allgemein die«
Recht besessen, so mnfs dem gegenüber die Befngnifs, sie eiDem
vitio deprimat, et per sing^ulos menses vel annos, quantum lucrare quiverit,
persolvat cui deliquit, donec debitum Universum restituat" p. 282; 1. Baj.
IX, 4: „si qnis Über liberum bominem furarerit et vendiderit, reducat oum
et in libertatem restituat . . ; et si eum revoeare non potuerit, ktne ipse Jur
perdett libertatem sttam, pro eo quod conlibertum suum seryitio tradidit, si
Bolvere non valet werageÜ parentihus^ p. 303, vgl. 1. Baj. XVI, 5 und
1. Alam. Lothar. 46, 2; leff. Liutpr. c. 121: ^«i talis fuerit ipse über homo
(ein Freier, der eine Ehefrau unzftchdg behandelt hat), ui non habeeU unde
GOfnpositionem facere possit, ttmc publicus (?) debeai eum dare in manu*
mariti ejus, et ipse in eum faciat vindictam in disciplina vel venditi<mt*
non in occisione"; 1. Burg. XIX, 7: „si is qui fidejussorem dedit, non habuerit
unde solvat, ipsum fidejussori ad se absolvendum tradaf*, vgl. formul. Mar-
culf. II, 26, Bignon. 13. 26, und Grimm jElechtsalterth. p. 613; ein Concfl.
von 615 can. 14 beschliefst: „</e ingenuis qui se pro pecunia aut alia r€
vendiderint vel oppig^eraverint, ut quandoquidem pretium quantum pro ipsis
datum invenire potuerint, absque dilatione ad statum suae conditionis red-
dito pretio reformentur^ Mansi Conc. 10, 548, angeführt von Merkel in Mon.
Leg. 3 p. 282; nach 1. Wisig. 11,5 §.8 sollen Verträge ungültig Bein, in
denen Leute „res eorum simul obligant et personas^. Nach Capital. Pippini
a. 765 c. 6 können Mann oder Frau sich in die Unfreiheit verkaufen , um
Lebensunterhalt zu erhalten, und dann ihre Ehe lösen: „si mnlier ingenua
servum accipiat pro ingenuo, et postea qualioumque causa inservitas fuerit (und
der früher freie Mann aus irgend einem Orunde in Unfreiheit sich begeben
hat), nisi pro inopia fame cogente se vendjderit, et ipsa hoc e<msenserii,
et de pretio viri sui a fame liberata fuerit; si voluerit potest eum dimittere,
et (und die Frau) potest alium ducere. Similiter et de mutiere, si se e«ii-
diderit, et vir ejus ita consenserit, taliter potest stare, si se separaverint*^
Pertz 1 p. 22; 1. Fris. XI, 1 : „«t über homo spontanea voluntate, vel. /arte
necessitate coactus, nobili seu libero, seu etiam lito, in personam et in ser^
Vitium liti se subdiderit"; Capit. a. 803 ad leg. Sal. e. 8: wenn ein ^liber,
qui se loco vadii in alterius potestatem commiserit'', einen Anderen schä-
digt, so mufs der, welcher ihn im Pfandbesitz hatte, ftkr ihn Bnfse zahlen, oder
ihn herausgeben: „et qui damnum fecit, demissus juxta qualitatem cogatur
emendare; si vero liberam feminam habuerit, usque dum in pignus extiterit, et
ßUos, liberi pemianeant^ Pertz 1 p. 114, vgl, Capit. in leg. Rip. c, 3 Ports
p. 117; Cap. a. 811 de exerc. c. 3: „«i quis über homo aliquod tale damnum
cuilibet fecerit, pro quo plenam compositionem facere non vaieat, semetipsum
in vadiam pro servo dare studeat, usque dum plenam compositionem ad-
impleat'' Pertz p. 170; Cap. Bonon. a. 811 c. 1 : „quicumque liber homo in
hostem bannitus fuerit, et venire contempserit, plenum heribannum, id est
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295
freien Manne alB Ehefrau zu verkaufen, als die minder harte er-
scheinen, zumal der Vater die Toehter auch gegen ihren Willen
solidos 60, persolvat, aut si non hahuerit unde illam summam persolvat,
semetipsum pro vadio in serviiium principis tradat, donec per tempora ipse
bannus ab eo fiat persolutus; et lunc Herum ad statum libertaiis suae re-
vtrtatur'' PerU p. 172; Cap. a. 817 c. 2: hat Einer sein Wergeid der Kifche
Torwirkt, r^et non hahit unde ad ecclesiam persolvat, iradat se in aervitium
eodesiae, uaque dum totum debitum persolvat^ Pertz 1 p. 211; Lndowici
Cap. a. 823 c. 10: „si Über homo se ip8um ad serviiium implicaverit pro
aliguibue casis, et liberam feminam habuerit et infantes . . , ipsi in libertate
permaneant" Pertz p. 233. Eine ausföhrlicbe Zusammenstellung über Ver-
kaufe Freier enthält das Edictum Pistense von 864 cap. 34 PerU 1 p. 497.
Daus Tielfaeh Freie gegen ihren Willen verkauft wurden (das b. g. Plagium
vorkam), beweisen die in allen Volksrechten wiederkehrenden strengen Straf-
bestimmungen dagegen: der Verkäufer hoII das Wergeid des von ihm ins
Ausland Verkauften zahlen , als habe er ihn get<}dtet , nach 1. Sal. 39, 3,
1. Thur. 40, 1. Alam. Loth. 46, §. 2, 1. Baj. IX, 4. XV, §. 5, 1. Fris. XXI u. 1. Sax.
c. 20; nach L Rip. XVI das dreifache Wergeid, das einfache nur dann, wenn
er ihn heim schafft. Kehrt der Verkaufte von selbst zurück, so soll er nach
L Fris. XXI ein doppeltes Wergeid einklagen können , und der Verkäufer
dem König 12 Solidi Fredum entrichten, an dessen Stelle im Ostlaubach-
sehen Friesland sein Wergcld tritt; dagegen zahlt er in diesem Fall nur ein
halbes Wergeid nach: Zus. zur 1. Sal. 39, 3 bei Merkel nov. llö, 1. Sax.
c. 20, 1. Baj. IX, 4. Daneben hat 1. Sax. c. 20 noch die eigenthümliche Be-
stimmung: „si vero reduxerit (der Verkäufer) eum, emendet ei (demVer-
kauilen) juxta quod placitare potuerit"; Worte, die nicht, wie Wilda Strafr.
p. 798 vermuthet, als verderbt erscheinen, sondern besagen, dafs eine freie
Vereinbarung mit dem Verkäufer gestattet ist, damit er den Verkauften heim
schaffe; den selben Sinn suche ich in den Worten der lex Fris. XXI: „aut
eum ab exilio revocare studeat^. Um den Verkauf von Sklaven zu contro-
liren, wurden im fränkischen Reich Vorschriften erlassen : er sollte öffisntlich
geschehen, und nicht an die Heiden (welche die Gekauften opferten), vgL
lex Alam. XXX VII, Capit. Karlom. a. 743 c. 3. bei Pertz 1 p. 18, und lex Fris.
XVII, 5, welche verordnet: „qui mancipium in paganas gentes vendiderit, were-
gildum suum ad partem regis solvere cogatur". Ein allgemeines Verbot des
Verkaufen» von Frauen kann ich nicht mit Wäitz Deutsche Verf. 1 (a. 1865)
p. 53 in lex Sax. 65 finden : ^lito regis liceat uxorem emere, ubicumque vo-
luerit; sed non liceat ullam feminam vendere''; der König gestattet seinen
sächsischen Liten unbeschränkt sich Gattinnen kaufen zu können, dagegen
sollen sie nicht ihre Töchter nach Willkür zu Ehefrauen verkaufen dürfen — ,
in einem freien Brautverkauf hätte eine Beeinträchtigung des Königs als
Herr seiner Litinnen gelegen, einen freien Brautkauf gestattet er seinen Liten,
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einem Manne zur Ehe geben konnte, ein Recht, das noeh einselne
spHtere GeaetzeBatellen ihm snerkennen^).
Die Höhe des Kaufpreises der Frau wird im alten Deutachland in
der Regel unter den Betheiligten vereinbart worden sein, wie es. in
der Natur von frei abgeschlossenen Vertrügen liegt; die Aufstellan^
einer bestimmten Summe als Kaufpreis in den Gtesetsen hat, wie ich
glaube annehmen zu müssen, nur den Sinn, dab sie in FlUien ▼er-
langt werden konnte, wo keine Vereinbarung Statt gefunden hatte,
und dies ist auch offenbar die Veranlassung, dals ihrer in der Lex
Saxonum c. 40 beim Frauenraub Erwähnung geschieht'). Kraut Vor-
mundsch. 1 p. 317 hat sich daran gestofsen, dafs die vorgeschriebene
Summe von 300 Solidis eine „ungeheuere'' sei, und deswegen ver-
muthet, es möge darin „ein nicht zu überschreitendes Maximum^' anf*
gestellt oder nur der Mundschatz der Adeligen gemeint sein'). Mir
scheinen diese Bedenken zu schwinden, sobald man in jener Summe
einen wirklichen unter Umständen gesetzlich zu fordernden Kauf-
preis sieht, durch den das Gesetz den Werth der Frau in ähn-
licher Weise wie bei einem Wergeide ausdrücken wollte. Konnte
der zur Zahlung Verpflichtete die Kaufsumme nicht aufbringcD,
so traten für ihn Verhältnisse ein, wie bei dem, der ein Wergeid
oder eine andere Bufse zahlen mufste und nicht zahlen konnte;
man hielt sich an seine Person, er kam in ein persönliches Ab-
hängigkeitsverhältnifs bis die Zahlung erfolgte*). Gegenüber von
w&hrend auch er bei anderen s&ehsischen Liten an den Consens ihrer Herren
gebunden sein mochte; vgL aber: Kraut Vorm. 1 p. 407 und Gaupp Recht
der Sachsen p. 218.
1) Vgl. Leg. Liutpr. 12: r^paier aui froUr poUskUem habeani, cui iw-
luerint ad dandam aut sponsandam filiam mam aut sarorem; istam lioen-
tiam dedimus eo quod credimus, quod « . contra rationem cuiquam bomini non
dabunt^; das. c. 119: „si quis filiam suam aut sororem alü sponsare Toluerit»
kabeat potestatem dandi cui voluerit, libero tarnen homini^. Vgl. Schroeder
Gesch. des eheL GOterr. 1 p. 7.
*) Vgl. oben S.285; dab die 300 Solidi, die bei Frauenraub gesahU
werden sollen , das Kaufpretium der Frau sind , beseugt Lex Sax. c 49 :
„insuper 300 solidis emat eam^.
') Die Ansicht von Kraut theilt Gaupp Recht der alten Sachsen p. 137.
*) Die lex Burg. XII, 2 bestimmt: „si quis puellam rapuerit» prettum
quod pro puella daturus est, in noTegildo cogatur exsolvere et multae no-
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anderen Bafaen der Lex Saxonnm erscheint mir aber aneh die
Summe von 300 Solidis als keine besonders grolse, ja für edele
Weiber als Werthmafs zu niedrig, sobald der Kaufpreis kein Scbein-
pretium war, da z. B. der Verlust des Auges bei einem sSehsischen
Nobilis mit 720, der seines Daumen mit 360 Solidis gebttfst wer-
den muftte. Ich sprach bereits die Vermuthung aus, dals die
Summe von 300 Solidis von K5nig Karl aus 240 Solidis, oder
dem regelmftfsigen Wergeide einer freien Frau^), und einer Zu-
gabe von 60 Solidis susammengesetst sein dürfte. Ich mache
dafür insbesondere die fränkische Lex in Amore c. 47 geltend; sie
verordnet: „si cujus puellam sponsatam alius priserit, solides 200
componere faciat, in fredo 60 solides '^ Die hier genannten 200 So-
Udi sind das fränkische Wergeid ; setzen wir an seine Stelle in der
Lex Saxonum das sächsische von 240 Solidis, und rechnen ihnen
ebenfalls die 60 Solidi als Frednm hinzu, so erhalten wir die
mine solidos 12; si yero puella, quae rapta est, incornipta redierit ad pa-
rentes, sezies puellae pretiam rapior exsoWat, multae autem nomine sol. 12.
Quodsi rapior MoliUUmem supraseriptam unde »ohere non habuerit, pueUae
parentibus adiiffneiur, ut faciendi de eo, quod ipsi mcUuerint, habeatU po*
testatem'* Pertz Leg. 3 p. 538. Vgl. die oben S. 293 in ^'ote 2 excerpirten
Stellen der Leges, nach denen fUr verwirktes Wergeid und andere Bufsen
der Zahlungsnnftliige in zeitwebe Unfreiheit verfällt; in den Capitulis de part.
Sax. e. 21 verordnet £. Karl, dafs die Sachsen wegen heidnischer Gebräuche
btUben sollen: „si nobilis fuerit solidos 60, si ingenuus 30, si Utas 16; «t
veno non hahuerini unde praeeenkUiier pereolvant, ad eccleeiae servitiuM
doneniur, usque dum ipsi eolidi solvantur'*.
>} Nach Lex Sax. c. 15 und 20 standen in Sachsen die Weiber im Wer-
geide und Bufsen den Männern gleich, und nur ftr Jungrfrauen als solche
verdoppelte sich das Wergeid: ^si virgo fuerit dupliciter oonponatur, si jam
enixa simpliciter". Nach lex Fris. VI, 2 und Add. V, wie auch nach dem
Dietmars. Landr. §. 1 14 erhielten alle Weiber (auch Jungfrauen) das Wergeid
und die Bufsen der Männer; nach dem Sachsensp. 111, 45 §. 2 nur das halbe
Wergeid und die halbe Bufse der Männer ; auch im späteren Friesland war
ihre Bufse geringer, vgl Mon. Germ. 3 p. 693 not. 51. Im Gegensatz zum alt-
sächsischen Recht, welches der Jungfrau ein doppeltes Wergeid zubilligte, stei-
gerte sich das Wergeid der Frauen während der Zeit ihrer Gebährungs-,
fähigkeit nach dem Recht der lex Sal. XXIV, 6, der 1. Rip. Xn~XIV und
1. Thur. c 48. Indem der du Tilletsche Text in lex Sax. c. 15 für „jam
enixa^ liest ^si jam nupta** ändert er das altsächs. Recht, vgl. oben S. 71 ;
anderer Ansicht ist Gaupp Recht der alten Sachsen p. 109.
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Summe von 300 Solidis. In Uebereinsümmiing mit der heu ia
Amore setzte Ludewig d. Fr. im Jahre 817 allgemein fest, da& bei
dem Raab einer Verlobten der Bräutigam das Wergeid seiner Braut
nebst dem Banngelde von 60 Solidis erhalte, und dafs bei Raub Ton
Wittwen in den ersten 30 Tagen nach dem Tode ihres Mannes nebst
dem Wergeide das dreifache Banngeld von 60 Solidis gezahlt werden
solle ^). Eine beim Frauenranb neben dem Wergeide gezahlte Summe
erwähnt auch die Lex Thuringorum c. 46: ^^qui liberam feminam
rapuerit, reddat eam cum solidis 200 (d. h. er gebe ihre Person bu-
rück und aufserdem 200 Solidi, d.i. ein thüringsches Wergeid), et
quicquid cum ea tulerit restituat, addens ad unaroquamqne rem bo-
lidos 10'', d.h. er soll für jede mitgenommene Sache die Normal-
bufse des thUringschen Rechts von 10 Solidis zahlen. Die nach der
Lex Frisionum IX, 11 — 13 neben dem Wergeide gemäfs dem Ge-
burtsstande der Entehrten zu zahlende Summe von 10, 20 u. 30 So-
lidis, ist bereits oben S. 286 angeführt worden. — Dais die 60 Solidi
als Fredum nicht uraltes sächsisches Recht waren, räume ich ein;
wir begegnen der Summe aber bereits in den Capitulis de partibns
Saxoniae c. 16. 19. 20. 21. 24. 25. 26. 28. 31, sie mufs auch in der Lex
Saxonum c. 23 unter dem Bannus gemeint sein, der zu zahlen ist
wegen einem Kirchgänger zugefügten Verletzungen^), und das Ca-
pitulare Saxonicum von 797 c. 1.2 u. 9 hat die Fälle näher bestimmt,
in denen Sachsen die Bannbufse von 60 Solidis zahlen sollen, unter
diesen Verhältnissen kann ich darin, dafs im vorfränkischen Sachsen
ein Friedensgeld von 60 Solidis unbekannt war, keinen Grund
sehen, die sich ungezwungen darbietende Deutung der 300 Solidi
^) Capit. Ludow. legibus addenda a. 817 Ci4: ^De raptu riduamm: qui
▼idiiam intra primod trig^nta dies yiduitatis suae, vel invitam vel volentem
aibi copularerit, bannum noatrum, id est 60 solides, in triplo conponai; H
si invitam eam diixit, Ugern suam ei conponaU^ Perte Leg. 1 p. 211 und
cap. 9: ^Hi quis sponsam alienam rapuerit, aut patri ejus» aut ei qui legibus
eju8 defensor esse debet, cum sua lege eam reddat; et quicquid cum ea
tulerit . . ; sponso vero legem suam conponat et insuper bannum nostrum,
id est sexaginta solidos, solvat, etc.'* p. 211.
') L. Sax. C.23: «qui hominem ad ecclesiam vel ^e ecclesia die festo
pergentem, non occiderit, tarnen insidias fecerit, bttnnum solvat de reliquLs";
vgl. oben 8.235 not. 1 und Gaupp Recht der Sachsen p. 126 und Wilds
Strafr. p. 461.
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299
«HB einem Wergelde yon 240 Solidis nnd einer Bannbnfae von
60 SolidiB SU verwerfen^ sondern vielmehr zu der Annahme^ daA
die in der Lex Saxonnm als Kanfpretinm für eine mit Gewalt
entftihrte Frau aufgestellte Summe erst yon König Karl fixirt ist^
indem er dabei jede RUckBicht auf Lebensalter und Geburtastand
der Geraubten abschnitt.
b) Als eine zweite vom Entftthrer zu zahlende
8amme nennt, wie S.287 angegeben, die Lex Saxonum dreihnn*
dert Soiidi, von denen ich vermuthe, dafs sie aus einem Freien^
wergeld von 240Sol.und 60Sol. Friedensgeld zusammengesetzt sind.
Es wird von diesen 300 Sol. gesagt, dafs sie zu zahlen sind „paren-
tibus ejus'' (d.i. der Geraubten) Lex Sax.c.40, oder dem „pater pnel-
lae<' C.49; und es werden diese 300 Solidi unterschieden von den da-
neben zu zahlenden 300 Solidis, die den Kaufpreis der geraubten
Frau bilden (und den die Lex Saxon. c.49 in den Worten „insnper
300 solidos emat eam<^ bezeichnet, und von ihm in c. 40 sagt,
dafs er wegfalle, wenn die Frau restituirt wird), sowie von den
der Geraubten zu zahlenden 240 Solidis (ihrem Wergelde), die
unten S. 300 unter lit. c weiter zur Sprache kommen soll.
Statt dieser 300 Solidi wird in Friesland nach der oben S. 286
angeführten Stelle der Lex Fris. XI, 8 ein sich nach dem Geburts-
stande des Verbrechers richtendes Wergeld an den König gezahlt,
und es sagt die Additio legis Fris. III, 78, dafs das Wergeld für
den verletzten Frieden zu entrichten sei. Diese Angabe der Lex
Frisionum zeigt unmittelbar den Ursprung der in Sachsen zu
zahlenden 3(X) Solidi; darin, dafs sie in Sachsen der Vater der
Entführten erhielt, w&hrend in Friesland das ihnen entsprechende
Wergeld dem König gezahlt wurde, liegt ein Festhalten an dem
älteren Recht: wie im alten vorfränkischen Sachsen nach dem
oben S. 222 excerpirten Briefe des Bonifacius die Vollziehung der
Todesstrafe wegen Entehrung nicht von irgend einer Obrigkeit,
sondern von den in ihrem Recht GekrSnkten vollzogen wurde,
und wie Lex Saxonum c. 26 bei der wegen Entehrung der Gattin
oder Tochter eines Dominus eintretenden Todesstrafe hinzufügt:
„juxta voluntatem domini occidatur'', so erhält auch nach der
Lex Saxonum nicht der König (wie es in Friesland bei dem zu
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300
zahlenden Wergeide geschah); sondern der Vater der Entehrten
diese 300 Solidi, indem von dieser Snmme 240 Solidi ahi ein
zur Lösung für die nicht von ihm yollsogene Todesstrafe gesahltes
Wergeid, 60 Solidi aber als ein hinzugefügtes Frednm anfiin*
fassen sind^).
c) Die Geraubte erhält von ihrem Entführer swei-
hundert und vierzig Solidi nach Lex Sax. c. 40: ,,81 vi
rapta est . . ., puellae 240 solidos conponat'^ Diefse Bufsanrnme
wird ihr nicht gezahlt, wenn sie in die Entführung eingewilligt
hatte; und es erhält, im Fall sie verlobt war, statt dessen ihr Ver-
lobter 300 Solidi („300 solidos sponso conponat'^). Die Bedeu-
tung der in Sachsen dem geraubten Mädchen*) zu zahlenden
240 Solidi lernen wir aus Lex Frisionum XI, 8 u. 9 näher kennen:
„si qnis pnellam virginem rapuerit et violatam dimiserit, componat
ei weregeldnm ejus, sive nobilis sive libera fnerit, ad satisfactlo-
nem . . . ; si autem pnella Uta fuerit, satisfaciat ei similiter sointione
weregildi sui, et domino ejus decem solidos componat'^ Die Worte
bekunden, dafe in Friesland dem geraubten Mädchen, das vom
Räuber entehrt ist, ihr Wergeid „ad satisfactionem <^ gezahlt wurde,
und so sind denn auch in Uebereinstimmung damit die 240 Solidi
der Lex Saxonum aufzufassen.
Vergleicht man mit dem besprochenen sächsisch -friesischen
Recht beim Frauenraub das in den Leges der anderen Volks-
Stämme des fränkischen Reichs verzeichnete, so zeigt es sich als
ein, wenn auch in verschiedenem Grade, doch durchweg minder
strenges; eine Erscheinung, die in unmittelbarem Zusammenhange
^) Ich will hier eine abweichende Deutung dieser Verhältnisse, die
Wilda giebt, nicht unangeföhrt lassen; er aufsert Strafr. p. 812: „Die ka-
rolingische Verordnung in der Lex Fris., wonach jede Frau, die sich preis-
gegeben, dem König ihr Wergeld zahlen sollte, deutet darauf hin, dafs ihr
Leben verwirkt war, doch der König es gleichsam nur in seine Hand ge-
nommen hatte, um der tumultuarischen und wohl nicht selten grausamen
Volksjustiz, wie ^ie in dem Briefe des Bonifacius geschildert wird, vonu-
beugen, und den Umständen gemäTs strenger oder milder verfahren zu können*^.
*) Vgl. die Ausftlhrung von Wilda Strafrecht p. 829- 831, dafs in den
älteren germanischen Rechtsquellen die Verbrechen des Frauenranbes , der
Nothzucht und der EntftLhrung, vielfach nicht bestimmt unterschieden werden.
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301
mit der ümwandelQDg der alten urgermanisehen Bteliung der Franen
steht, die im sächsisch -friesischen Recht des achten Jahrhunderts
noch nicht eingetreten war, wie der in ihm noch reell vorhandene
Brantkanf beweist. In Sachsen und Friesland ging die ,;potestas''
des Vaters über seine Tochter noch so weit, dafs er, wenn sie
entführt war und ihm nicht zurückgegeben wurde, ihr Wergeid
als Kaufpreis neben anderen Bufsen einklagen konnte. Wo der
alte Kaufpreis der Frau zu einer Oabe für Erlangung der Mund
ttber sie, oder aber zu einem blofsen Scheinpreise geworden war,
verschwand die ursprüngliche Bedeutung des wegen Entführung
gezahlten Kaufpreises, und es wurden dann mehrfach andere Bufs-
summen an dessen Stelle eingeführt. Daraus, dafs man später bei
den Franken sich veranlafst fand die wegen Entehrung geltenden
Bnfssummen für einzelne Fälle zu erhöhen, und an deren Stelle
die bei vielen Bufsen ge^hlte Wergeidssumme treten liefs, ist nicht
zu folgern, dafs die Zahlung des Wergeides bei Frauenraub und
den ihm verwandten Verbrechen überhaupt erst einer späteren
Entwickelung im deutschen Recht angehöre und früher allgemein
bei den Germanen geringere Bufssummen für diese Verbrechen
üblich gewesen seien ^). In der Art, wie es bei den Sachsen und
1) Wilda Strafrecht p. 835 erörtert, mit Berufung auf lex Sal. XIII.
(bei Merkel noT.4I) und XV, Bowie lex Bip. XXXIV und XXXV (vgl. die
Stellen unten S. 304 in Note 1) , dafs bei den Franken fllr die Bufse von
50 und 62 Vt Solidis später das Wergeid von 200 Solidis eingeführt sei. Ob
in den Bufsen von 50 Solidis bei den Ripuarischen , von 50 + 12'/i (d.i. von
50 + *%) Solidis bei den Salischen Franken, ein älteres sp&ter auf 100 (oder
125) und 200 Solidi erhöhtes Wergeid zu finden ist, bedarf weiterer Unter-
suchung, vgl. Schroeder p. 64 und Sandhaas Fr&nk. ehel. Güten*. 1866
p.51 a.73. DieWildasche Ansicht fllhrt Schroeder ehel. Gfiterr. 1 p. 18 weiter
aus und bemerkt: „Man mufs sich wohl hüten die Wergeldsbufse mit der
Muntbrüche eu verwechseln (vgl. unten S. 303 Note 1 über das was Schroeder
unter Mundbrfiehe versteht) ; die WergeldbuJ'se ist allgemein erst in späterer
Zeit cm die Stelle der Mundbrüche getreten , woraus hervorgeht, dafs der
Karakter dieser Bulse, als besonderen Schutzes für die vormundschafUiehen
Bechte, im Laufe der Zeit mehr und mehr verloren gegangen ist''. Meiner
üeberzeugung nach, hat gerade die entgegengesetzte Entwickelung stattgefun-
den : ursprünglich wurde bei den Germanen für die Frau ein Kaufpreis gezahlt,
und er bildete die Bufse; sp&ter entwickelte sich aus dem Kauf der Frau
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Friesen möglich ist, läfst sich in den Leges der anderen deatschen
Volksstämme der Ursprung der einzelnen Bufsen flir die bezeich-
neten Verbrechen nicht mehr ermittebi, schon deswegen nicht, weil
in ihnen mehrfach ältere Bnfsen von verschiedenem Ursprung in
einer Summe verbünden aufgeführt werden. Nicht su verkennen ist
es indefs bei manchen dieser Bufsen , dals sie aus dem alten Kauf-
preis der Frau entstanden sind, den wir in Sachsen und Friesland
dem Vater oder Vormund der Entehrten gezahlt fanden, wie denn
mitunter noch die in jenen Leges zu ihrer Bezeichnung gebrauchten
Ausdrücke darauf hinweisen ^). Selbst Schroeder, der einen wirk-
lichen Brautkauf im älteren Deutschland leugnet, kommt zu der
Annahme, dafs die in den verschiedenen deutschen Leges ver-
zeichneten Bufsen „eine durchgehende Verwandtschaft zeigen, mit
einer bei der Verlobung von dem Bräutigam an die Braut oder
deren Vormund gemachten Oabe'<, wenn er auch verkennt, dafs
ein Kaufen der Yormundscliaft über sie , und nun konnte die Bufae aufge-
fafst werden als fÖr Verletzung der Vormundschaft gezahlt; die alte einem
Wergeid entsprechende Bufse erhielt sich in manchen Hechten, und es wurde
spater im fränkischen Recht in einigen Fällen für die niedrigere, ein Viertel
des gangbaren Wergeides betragende Bufssumme, die Zahlung des ganzen
Wergeides eingeführt.
') In dieser Beziehung vgl. lex Burg. XII: ^si quis pueliam rapuerit,
pretium quod pro pueüa daturus erat, in novegildo cogatur exsohere, et
multae nomine sol. 12; si Tero puella, quac rapta est, incorrupta redierit
ad parentes, sexies pueüae pretium exsolvat, multae nomine sol. 12; .. si
vero puella sua sponte expetierit virum . ,, nuptiale pretium in triplurn de^
8ohat^; ibid. XXXIV: ^si qua mulier maritum suum dimiserit, necehtr in
luto; si quis uxorem suam sine causa dimiserit, "inferat ei alterum tantum,
guantum pro pretio ipsivs dederat, et multae nomine 12 solido»*"; ibid. LXI:
„quaecumque mulier natione barbara ad viri coitum spontauea Toluntate
fiirtim oonvenerit, nuptiale pretium in aimplum tantuni ejua parentibus de-
solvatur^; ibid. CI: ^dewittemon. Quicumque Burgundio alieujus optimatia aut
mediocris sine ordinatione patris cum alieujus filia so copulaverit, jubemus
ut tripla solutione optimatis ille qui fuerit, patri ipsi . . 150 solidos cogatur
exsolvere, et multae nomine solidos 36; leudis vero, si hoc praesumpseiit
faeere, similiter in tripla »olutione, hoc est solidos 46 solvat, et multae no-
mine solidos 12<* Pertz 3 p. 573. Femer vgl. lex Wisig. III, 3 §.3: .,81 pa-
rentes raptori consenserint, pretium JUiae suae, quod cum priore sponso definisse
noseuntur, in quadruplum eidem sponso cogantur exsolvere", vgl. ibid. §.5.
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die von dem Bräutigam dem Vater oder Vormnod gezahlte Summe
eben der ursprüngliche Kaufpreis der Braut ist, und dafs diese
Summe mit dem Wergeid der Frau übereinstimmt, weil in dem
Kaufpreis wie in dem Wergeid eine vom Gesetz fixirte unter Um-
ständen einzuklagende Werthtaxe der Frau enthalten ist^). —
Neben dieser aus dem alten Kaufpreis entsprungenen Bufse wer-
den in den Leges verschiedener Vöikerstämme gröfaere Summen,
und namentlich das Wergeid , an den Vater oder Mann der Frau
und an den König gezahlt') , die auf einen gleichen Ursprung
') Schroeder Gesch. de6 ehel. Güterrecht« p. 11 bezeichnet die in den
Tersehiedenen Leges vorkommenden BuIsBummeQ ala eine Mundbrilche, und
glaubt für sie einen allgemeinen Begriff aufstellen su können : ^Ffir die Ver-
letzung des vormundschaMiehen Rechts durch Nichtachtung desselben bei
einer Verheirathung mit dem Mündel, durch aufserehelichen Beischlaf, durch
Bruch des Verlöbnisses oder Störung des durch dasselbe begründeten Rechts,
ja selbst durch unberechtigtes Vcrstofsen der £hefrau Seitens des Mannes
ist regelm&Jbig an den Vormund oder die Verwandten der Frau, unter Um-
stünden auch an die letztere selbst oder an den Bräutigam, der durch die
Verlobung bereits ein Recht auf die Vormundschaft erworben hat, eine be-
stinunte Summe, und zwar je nach der Schwere des Vergehens ein- oder
mehrfach als Buüse zu entrichten. Wir können sie mit einem dem angel-
sächsischen Recht entnommenen Ausdruck Muntbrüche nennen''. Schroeder
sieht hier ab von dem Sinn, in welchem mund-bryce in den angelsächsi-
schen Bechtsquellen ftir Bruch des Königsschutzes oder Friedens, nament-
lich bei Kirchen vorkommt (vgl. die 7 Stellen bei Schmid p. 635), und ver-
steht darunter eine Brüchte oder Bufse für irgend eine Mund. In dieser Be-
deutung aufgefaßt, möchte das Wort die Bufse bezeichnen können, die in den-
jenigen Stanmu'echten zu zahlen ist, in welchen der Bräutigam bei Eingehung
einer Ehe vom Vater der Braut nur die Mund erkaufen mufs, eignet sich
aber nicht für die ältesten Bufsen, wie sie aus dem friesischen und säch-
sischen- Recht oben S. 287 aufgewiesen wurden. Wichtiger aber ist,, dals
überhaupt ein bestimmter allgemeiner Begriff von Mundbrüche im älteren
germanischen Recht nicht exi>itirt haben kann, da die einzelnen Bufssummen,
die neben einander gezahlt wurden, von sehr verschiedener Beschaffenheit
waren ; man erwäge die oben besprochene Bulsen , die dem Vater der Frau
als Kaufpreis, der Frau als Entschädigung, dem König oder Vater als Löse-
geld für das Js'ichtvollziehen der Todesstrafe am Verbrecher gezahlt wurden.
*) VgL lex Alamannor. Lotharii 51, 1: „si quis Über uxorem alteriua
contra legem tulerit, reddat eam et cum 80 solidis conponat; si autem ndr
dere noluerU, apud 400 solides eam conponat " Pertz Leg. 3 p. 61 (dieselben
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zuiüoksnftlhreii scheinen mit der oben auB dem fridBischen und
sSchsischen Recht nachgewiesenen Wergeldbufse, die ich für ein
Lösegeld des Verbrechers hielt, nm sich von der Todesstrafe an
befreien 7 der er dnrch das Verbrechen verfallen war. Eine Be-
stätigung findet diese Vermnthung darin, dafs in einem Oesets des
König Childebert aus dem Jahre 596 Frauenraub mit Todes-
Bufsen bestimmt 1. Alam. 47 : wenn Jemand eine freie Frau ins Ausland
verkauft, so zahlt er 80 Sol. sofern er sie zurückschafft, sonst 400 Sol.);
ibid. 52: ^si quis sponsatam alterius acceperit, reddat eam et cum 200 so-
lidii conponat; si autem reddere noluerit, sohai eam cum 400 solidis*^ Perte
p.62; ibid. 54: „si quis filiam alterius non sponsatam acceperit sibi ad uzo-
rem, si pater ejus eam requirit, reddat eam et cum 40 solidis conponat eam;
si autem ipsa femina post illum virum mortua fuerit, antequam iüius mim-
dium apud patrem adguirat, solvat eam ad patrem ejus 400 eolidi*'* Pertx
p.62. Femer: lex Bajuv, VIII, 1 : „si quis cum uxore alterius concubuerit libera,
cum werageldo Ulius uxoris contra maritum conponat**; ibid. VIII, 16: „si quis
sponsam alicujus rapuerit, ipsam reddat et 80 sol. conponat**. (im jung. Text:
„conponat bis 80 soiidos, h. e. leO'') Perts 3 p. 301 u. 408. Im Edictum Botharis
186 : „si vir mulieri violentiam fecerit et invitam eam tulerit ad uxorem, sit eul-
pahüi» 900 solidis, medium regi et medium parentibuc mulieris ^ ; ibid. 187 : „si
quis violento nomine tulerit uxorem liberam, conponat ut supra 900 soiidos
et postea mundium ejus faciat^. In lex Sal. XV, 1: „si quis uxorem alle-
nam tulerit vivo marito, soiidos 200 (d.i. ein Wergeid) culpabilis judicetur
(vgL in Capitulis Chilperici regis pacto legis Sal. addit. a. 561 — 564 c. 17
Pertz 2 p. 13) ; si cum ingenua puella per virtutem (d. i. mit Gewalt) moe-
chatus fiierit, 6271 sol. culpabilis judicetur; si quis cum ingenua puella spon-
tanea voluntate, ambis convenientibus , moechati fuerint, 45 sol. culpabilis
judicetur*', die ersten beiden S&tze sind in lex Bip. XXXV aufgenoimnen,
nur werden 50 Solidi statt 62 V« Sol. gehülst. Nach lex Sal. XIII, 6 werden
für den Baub einer Braut 62 Vi Sol. gebüfst, ein Zusatz bei Merkel p.58 nov.41
bestimmt: „si quis puellam sponsatam dructe ducente ad maritum in via ad-
salierit, et cum ipsa violenter moetehatus ftierit, soiidos 200 ciUpabilis judi^
estur**. In lex Bip. XXXIV : „si quis ingenuus homo ingenuam foeminam
rapuerit, bis cenienis solidis (d. i. ein Wergeid) noxius judicetur^. In den
Capitulis Childeberti a. 500 — 511 c. 3: „si quis ingenuam feminam a con-
tubemio, aut puellam in itinere aut quolibet loco, ferro praesumpserit, quam
unus tarn plurimi, qui ipsum scelus admisisse fuerit adprobatus 200 soL
culpabilis judicetur; de illo contubemio si adbuc remanserit qui ipaum
seelns non admiserit, et ibi fiiisse noscuntur, si plures a minore numero
fderinty trss et ipsi guadragenos quinos soiidos sohanf* Perts Leg. 2 p. 7.
Aus den angelsächsischen Gesetzen führe ich an: Aethelbirht Ges. c 31
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strafe bedroht and die Vollsiehang der Todesstrafe dem Qau-
Vorsteher Torgeschrieben wird, während ein Gesetz Chlodoweehs
ans den Jahren 500 bis 611 bestimmt hatte , dafs die nach bis-
herigem Recht auf Fraaenranb stehende Todesstrafe nicht femer
erkannt werden solle').
IV. Todesstrafe für Brandstiftung.
^r. 15. Auf eigenmächtige absichtliche Brand-
stiftung bei Tag oder Nacht setzt die Lex Saxonum
c. 38 die Todesstrafe; sie bestimmt: ,,qui domum alterius vel
noctn vel interdiu suo tantum consilio yolens incenderit| capite
puniatur". In den Capitulis de partibus Saxoniae c. 3 war nur
erwihnty dafs auf AnzUnden einer Kirche Todesstrafe stehe: ^^si
qnis ecciesiam igne cremayerit, morte moriatur'', vgl. oben S. 232.
Die Worte der Lex Saxonum j^sno tantum consilio^* erklXren
„gif fiiman wiil fries mannes wif goliged, bis wergelde abicge (kaufe
er sie mit ihrem Wergelde), and oder wif his agenum scaette begete and
paem odrum aet ham gebrenge" (und erwerbe ein andere« Weib mit seinem
eigenem Gelde und bringe es dem Anderen nach Hause) Schmid p. 4; und
Cnuts Ges. II c. 52: ^gif hwa wydewan (oder ^maeden^) nydnaeme, gehetß
^aet he teere ^ (hülse er das mit dem Wergelde) Schmid p. 300, desgl. in
Wilhebns Ges. c. 12 p. 330.
1) Decretum Childeberii a.596 c.4: .,Convenit, utquicumque raptum
faeere praesumpserit, unde impiissimis vitüs adcreverit, vitae peri-
culum feriatur;et nuUus de optimatibus nostris praesumat pro ipso precare,
sed nnusquisque admodum inimicum Dei pertsequatur. Qui v.ero edictum nostnim
aosus fuerit contemnere .., judex pagi ipsum raptorem occidat et
jaceat forbafctutus; et si ad ecciesiam confiigium fecerit, reddendus ab
episeopo .. Corte si ipsa mulier raptori Consenserit, ambo pariter
in esilio tranemittantur, ei si foras ecclenia eapti ßterint, ambo pariter
occidantur, et facultates Ulorum parentibus legitimis, et quod fisco npstro
debetur, adquiratur"* Port» Leg. 1 p. 9. In Capitulis Chilperici reg. legi SaL
addit. a. 561 —684 c. 14: ,«i quis Übertue libertam alienam rapuerifc, 8ol.20
eulpabilis judicetur, praeterea graphioni solides 10 solvat, et mulier ad po-
testatem domini sui revertatur; si iiigenuam rapuerit, de vita sua
conponat^ Porte Leg. 2 p.l3. Vgl. damit Capitula Chlodovechi a. 500—511
c. 7 : „si quis ßlium aut filiam alienam extra consilio parentum in cor^ugio
eopulandum consiUaverit, et parentes ezinde aliquid damnati Aierint, aut
certe raptores vel convivas concÜiatores fuerint, morte damnentur et res
ipsorum fiscus adquirat; raptores vero, quod in anteriore lege
scriptum est, ainplius non damnentur^ Porta Leg. 2 p. 3.
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Bich darauB, dafs nach altaXchsiBchem Recht das Nie-
derbrennen von Gebäuden aU Strafe eintreten konnte,
wo es dann f^eommune cansilio facto ^^ erfolgte, wie das Capitnlare
Saxonicum von 797 cap. 8 sich ausdrückt. Das Capitnlare be-
stimmt n&her, dafs Niemand im Lande aus Hafs, Feindschaft
oder irgend welcher böswilligen Absicht Brand anlegen (,,incen-
dinm facere^O solle; es sei dies nur gestattet, wenn Einer sieh
weigere seine Rechtspflichten zu erfüllen, deswegen Tor den KQnig
geladen, nicht erscheine und man ihn nicht anderweitig bestrafen
könne; dann aber sollen die Oaninsassen („pagenses'O ^^^^ ^^'
folgter Vorladung zu einer gemeinsamen Oerichtsversammlnng za-
sammentreten, und es soll, wenn sie es, einstimmig beschließen,
das Niederbrennen gemttfs dem sächsischen Recht als Strafe („pro
districtione nostra^') ausgeführt werden ^). — Die Strafe des
Niederbrennens wurde bereits im heidnischen Sachsen als Strafe
Tom Oauvorsteher vollzogen, wie Beda Historia ecclesiastica V
C.11 bezeugt: „satrapa ricnm illum incendio consumpsit'', ygl.oben
8. 221 ; sie galt noch in später Zeit im sächsischen Dietmarschen,
und war früher allgemein in Friesland verbreitet*), wie zahlreiche
1) Das Capitulare Saxonicum c. 8 rerordnet: „De incendio oonTenit,
guod nuUua ir^a pairiam praesumat Jacere propter iram aui inimicitiam
aut quamlibet malivolam cupiditatem , exeepto si ialis fuerii rebeUis, qui
justitiam facere noluerit et aliter districtus ease non poterit, et ad noB ut
in praeaentia nostra justitiam reddat venire despexerit; eondicto commune
placito simul ipsi pagenaes veniant, et si unanimiter coMcnaerint pro distri-
ctione Ulius causa incendatur; tunc de ipso placito commune consilio facto
seeundum eorum ewa ßcU peractum, et non pro qualibet iracundia aut mali-
Tola intentione nisi pro diitrictione noHra. Si aliter quis incendium &ceTe
ausus fuerit, sicut superius dictum est, solidos sexaginta conponat^.
*) Das älteste ZeugniTs aus Friesland datirt rom Jahre 1118 ftr Sta-
Tdrn: „ut firacturas et combustiones domorum patientw inier ee, nisi ob hae
quahior eaueas^ (d. i. wegen Mord, Nothsucht, firuch des gemeinen Frie-
dens und Bruch des Sudtfriedens) Schwartsenberg Charterb. 1 p. 72; Tgl.
aus Westergo: das Schulsenrecht f. 30. Bechtsq. p. 391 $.55. p. 396 $.2.
p. 411 und Rudolfsbuch {. 6 p. 426; aus Hunsingo: Bechtsq. p. 40, 20.
100, 17. 329 f. 11 und 12; aus fimsgo : p. 34, 18. 25. 40, 20; aus Brokmer-
land: p. 153 ff. 16. 24 - 31. 38. 214. 156. 68. 127. 148. 215 ; aus Büstringen
p.541 {.46. 542 {.51.
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6«ieti6sitoUen erweiieB, während sie in anderen dentschen Oe-
genden nicht vorkommt^).
Nachdem das Capitnlare Saxonicam von 797 in Capitel 8
ansgeftthrt hat, dafs Niederbrennen der Häuser nar als vom Oe*
rieht erkannte Strafe gestattet sei, fügt es hinzu: ,,Bi aliter quis
incendium facere ausns fuerit, sicut superius dictum est, solides
sexaginta conponat'^ Die in diesen Worten enthaltene Verwei-
sung besieht sich auf das Capitel 1 des Capitnlare , in welchem
festgesetzt ist, dafe die Sachsen die Bannbufse von 60 Solidis in
denselben acht Fällen entrichten sollen, in denen die Franken sie
zahlen, und als einer der Fälle angegeben ist: ^^nec incendkm
infra patriam quis /aeere audeat^^. Irrthümlich vermuthet Gaupp
Recht der alten Sachsen p. 135, dafs Brandstiftung nach dem
Capitulare nur mit der königlichen Baqnbufse von 60 Solidis habe
bestraft werden sollen, da es keine weitere Strafe daneben nenne. .
Das Capitulare setzt hier wie überall die Geltung der Lex Saxo-
num voraus und ergänzt oder modificirt deren Inhalt'); durch
die Einfahrung der königlichen Bannbufse von 60 Solidis bei
Brandstiftung, wurde die in der Lex Saxonum 6.38 dafür verhängte
Todesstrafe nicht aufgehoben; sie sollte neben der Todesstrafe
entrichtet werden, wie sie in allen andern Fällen, für welche sie
1) Wilda Strafrecht p. 293 ftihrt aus dem Westgothalag an, dafs einst
König Annnd Strafen durch Verbrennen der H&user der Misseth&ter voll-
sogen haben solL
*) Die Lex Saz. c. 38 deutet in den Worten „suo tantum oonsilio^ auf
die im alten sächsischen Recht bestehende Strafe des Niederbrennens hin;
das Capitulare Saz. c. 8 dagegen ordnet das Verh<niTs im Detail, bestimmt,
d^ts das Niederbrennen stets rorher von den Pagenses erkannt sein mu£9,
dals es „secundum ewa Saxonum fiat peractum", und erwähnt dabei des in
ir&nkischer Weise in Sachsen etngeftihrten Königsbannes von 60 Solidis.
Wilda Strafr. p. 188.293 und 948, von der Voraussetzung ausgehend, dals
die Lex Saz. nach dem Capitulare von 797 erlassen sei, nimmt an, indem
er das Capitel 8 des CajHtulare erläutert, da£s in ihm eine Modification der
Lex Sax. c. 38 enthalten sei; wie aber hiergegen eine Vergleichimg der
beiden SteUen spricht, so weist auch der gesammte Inhalt des Capitulare
darauf hin, dafs das Capitulare nach der Lex verfalst ist, vgL namentlich
CapituL c. 11 mit Lex e.66 oben S.46.34.
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das Capitnlare proclamirte, neben den ftlr diese FXUe geltenden
Strafen und Bufsen sur Anwendung kam'). Ein anmittelbares
Anerkenntnifs dafür, daffl aneh nach Erlais des Capitnlare Saxo-
nicnm in Sachsen, auf die für Brandstiftung in der Lex Saxonnm
festgesetzte Todesstrafe erkannt wurde, gewähren die oben S. 2
angeführten Znsätze zur Lex in dem Spangenbergschen Manuscript.
Wie oben S. 13 gezeigt wurde, sind sie einer Verordnung entnom-
men, die jedenfalls nach der Lex und dem Capitnlare yon 797,
wahrscheinlich aber um die Mitte des neunten Jahrhunderts er-
lassen wurde, und bestimmte, dafs bei der Beurtheilung einiger
Verbrechen, auf denen nach der Lex Saxonum die Todesstrafe
stand, wenn sie an einem Ort aufserhalb Sachsens verübt waren^
nicht das Recht der Lex Saxonum, sondern das Recht jenes Ortes
zur Anwendung kommen solle, sofern dieses ein milderes sei. Da
nun der Zusatz im Spangenbergschen Manuscript bei der im Ca-
pitel 38 der Lex erwähnten Todesstrafe für Brandstiftung aus-
drücklich auf jene Verordnung hinweist, so ist daraus zu folgern^
dafs sie damals in Sachsen nicht bereits aufgehoben war.
Aufserhalb Sachsens bestimmt kein älteres Gesetz im fränki-
schen Reich für Brandstiftung die Todesstrafe; bei den Buften,
die sie verhängen, unterscheiden sie mehrfach, ob die Brandstif-
tung mit Gefährdung von Menschenleben verbunden ist, und ob
sie bei Nacht geschieht^).
Die Lex Salica läfst Brandstiftung mit 62% Solidis bttfaen,
und ein Wergeid für jeden dabei umgekommenen Menschen zah-
len'). Nach der Lex Ripuariorum wird der durch Brandstiftung
') Vgl. das Capitel 43 der Lex Tbur., in welchem f&r Brandstiftung
neben dem Königsbann von 60 Solidis die in Thüringen in einer dreifachen
Entschädigung bestehende Strafe erw&hnt wird.
>) Vgl. Gaupp Das alte Gesetz der Tbfiringer p.373; Wilda Strafr.
p. 943. Geib Lehrb. des deutschen Strafrecbts. 1861. 1 p. 222 bemerkt,
dafs Ewischen Brand und Mordbrand derselbe unterschied» wie swischen
Todtschlag und Mord stattfinde ; dieser werde nach Art eines Mordes, d. h.
heimlich verübt, jener öffentlich.
') Lex Sal. XVL* „si quis casam quamlibet super homines dormientes
incenderit, quanti ingenui intus fuerint mallare debent, et si aliquid intus
arserint, solidos 62% culpabilis judicetur'' und in jüngeren Texten: „«f si
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angerichtete Schade .ersetzt, eine Delatnra entrichtet, und jeder
dabei umgekommene Mensch mit dreifachem Wergeide gebttfst').
Die Lex Thuringonim verordnet dreifachen Schadensersatz und
Zahlung eines Onigsbannes von 60 Solidis ftlr gestörten Frieden*).
Die Lex Bajuvariorum bestimmt, dafs der angerichtete Schaden
ersetzt wird, und jeder, der aus dem angezündeten Gebäude
nackend entkommt, eine bestimmte Bufse erhält; bei Anzttndung
von Kirchen ist aufserdem erwähnt, dafs 40 (nach den späteren
Texten 60) Solidi zu entrichten sind, und dafs für Jeden, der dabei
das Leben verliert, sein Wergeid gezahlt werden mufs'). Nach
der Lex Alamannorum mub der durch das Anzttnden angerichtete
Schaden ersetzt, und eine nach den einzelnen Gebäuden verschie*
den normirte Bufte erlegt werden^). Wichtiger als diese Gesetze
zeigt sich für die Ermittelung des altsäohsischen Rechtes die Lex
Frisionum; nach ihrem Titel VII, 1 sollte in Mittelfriesland, wer
ein fremdes Haus anzündete, das Haus und Alles, was darin ver-
brannte, mit doppelter Bufse vergelten, während, wie die Lex in
Titel y angiebt, fttr ihn kein Wergeid zu zahlen war, wenn er
selbst bei der That erschlagen wurde '). Ein späteres in der Lex
aliqui inius areerint, solidos 200 cvlpahüis judicetur^ Merkel p. 69 nor. 44
und p. 74 noT. 189. p. 84 nov. 288.
') Lex Rip. Xyn : „«i qui9 homineni per noctexn latenter incenderii,
sexeentis solidia adpabHiB judiceiur, et insuper damniim et delaturam re-
stituat".
*) Lex Thur. c. 43: „qai domum alterius noctu incenderit, damnwm
triplo sarciat, et in firedo solidos 6C.
>) Vgl. lex Baj. X, 1 : ^si quis per aliquam invidiam rel odiom in noote
ineenderit domum, secundom qualitatem personae omnia aedificia eonpenat,
et qnicqnid ibi arserit reatituat . . ; et quanii liberi nudi eoaserini de ipso
ineendio, nnumquemque com sua hrewawunti conponat; tone domas cnlmen
cum 40 solidis conponat, ete,^ Pertz Leg. 3 p. 307 ; TgL Über Kirchen die
Lex Baj. I, 6 und namentlich die Worte : „et quanti homines ibi intus fiie-
rint, et inlaesi de ineendio OTaserint, unieuique cum sua hrewawunti conpo-
nat;" et si ibi cdiquia laesus /uerit vel mortuus, cte $i ipse cum proprio manu
fecfrit, Sic SBcttndum personam uniuscujusque conponat" ibid. p; 273.
*) Lex Alam. Hlotharii c. 83 : „si quis aliquem focum in noete miserit,
ut domum incendat .., omnia quae ibidem arserit restitoat, et super haac
40 solidos conponaty etc.^ Perta Leg. 3 p. 74.
*) Lex Fris. V: „de hominibus qui sine compositione occidi
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Fris. Vn, 2 ezcerpirtea Mnkisches Oeaete fttgte hinxn, daft ein
Mordbrenner den Hanswirth, den er durch AnsUnden ans Beinem
Hause treibt nnd dann erschlügt, mit nennfachem Wergeide btt&en
soll. Endlich wurde in der Lex Frisionum VII, 2 fUr das Ostlas-
bachsche Friesland bestimmt, dafs daselbst in dem eben bezeich-
neten Fall der Mordbrenner sein neunfaches Wergeid als Frie-
densgeld £0 entrichten habe^). Es stimmen diese Satsnngen der
Lex* Frisionum mit denen der Lex Saxonum darin ttberein, dafs
sie nicht, wie die ans den anderen deutschen Stammrechten an-
gefUhrten, darauf Rücksicht nehmen, ob die Brandstiftung bei Tag
oder bei Nacht erfolgt ist; insbesondere aber seigen sie, dals im
vorfrXnkischen friesischen Recht der Mordbrand als ein todes-
würdiges Verbrechen galt*), nnd berechtigen dadurch an der An-
possunt: adulterum ...., et eum qui domum alterius incendere
Yolensy facem manu tenet, ita ut igniB tectum vel parietem domns
tangat**; vgl. im Brokmerbrief {. 147: ^Fon tha bernere. Werther en man
bifen miih eoUge croeha and mith rhumegere bond (d. i. wird da ein Mann
ergriffen mit einer Koblenpfanne und nissiger Hand), ea ekel ma hme eeUa
oppa enne tianepeeze ßal and oppa enne northhaldne bam'* (so soll man
ihn setzen auf ein zehnspeicbiges Rad und einen nordwärts geneigten Baum,
d. i. Galgen) Fries. Rechtsq. p. 171 ; im Westergoer Marktrecht {. 11 : „wirter
een man mit moerdbrand begripen, so aegb di schelta dine ker (die Wahl),
har hi dine man hue (erhftngt), dan men Uynde, jefta bame, jefta an dende
seinde'' (ins Ausland sehickt) Fries. Rechtsq. p.422. Wilda Sirafr. p.604
hat angeführt, dafs man nach dem Ostgothalag den tkber der That ergrif-
fenen Mordbrenner bufslos ins Fener werfen konnte.
1) Vgl. Lex Fris. tit.VII {.1: „De brand: ei quie domum aÜernu
ineenderit, ipsam domum et qnioqnid in ea concrematum est, in duplo com-
ponat, {. 2. Si aatem dominum domus flammis ex ipsa domo
egredi compulit, et egressum occidit» componat eum noyiea,
eiguscunque fuerit conditionis, sire nobilis, sire über, sire IHus sit; haec
oonstitutio ex edicto regis processit. Trans Laubaoi in fredum nories
componit weregildum suum'^.
') Der fiberf))hrte Mordbrenner war in Friesland dem Tode rerfiülen;
deswegen konnte ein Mordbrenner, der auf der That ergriffen wurde, ohne
Wergeld erschlagen werden. Und auch das nean£ftche Wergeid, welches in
Friesland flir Mord bei Brandstiftung in angeftihrter Weise gezahlt werden
muiste, scheint durch fr&nkische Gesetsgebung an Stelle einer älteren Todes-
strafe eingeführt zu sein; bemerkenswerth ist, dals im Westlaubachschen
Priesland das neunfache Wergeld des Ermordeten den Blntsfreonden des-
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nahme^ dafs die Todesstrafe, welche die Lex Saxonum
auf Brandstiftung setzt, ans dem vorfränkischen
sSchsischeurReoht stammt, znmal im altnorwegiscben Recht
auf Mordbrand Friedlosigkeit nnd Verwirkung yon Hab nnd Ont
stand, und im altschwedischen and altdMnischen Recht der Fener*
tod, vgl. Wilda Strafrecht p. 504.945 nnd 950 >)•
V. Todesstrafe für Diebstahl unter erschwerenden
umständen.
Bereits oben S. 7 wurden die einzelnen Fälle aufgezählti
in denen die Lex Saxonum eine derartige Erschwe-
rung des Diebstahls sieht, dafs Todesstrafe eintreten
soll; es sind folgende:
Nr. 16. Für Diebstahl bei Tage oder Nacht von
einer Sache im Werthe yon drei Solidis nach Lex Saxo-
num c. 35 („qui in re qualicumque, yel interdiu vel noctn triam
solidorum precium fhrto abstulerit^).
selben gezahlt wird, dagegen im Ostlaubachschen Friesland (das erat seit
775 mit Sachsen dem fr&nkischen Reich einverleibt wurde) das neunfache
Wergeid der Mordbrenner (dem Könige) als Fredum. Vgl. die oben S. 249. 281
angeftLhrten F&Ue, in denen ebenfalls Zahlung eines neunfachen Wergeides
für eine ältere* Todesstrafe eingeftlhrt zu sein scheint. Eine weitere Frage
wäre, ob nicht auch das nach fr&nkischem Recht bei Brandstiftung zu zah-
lende oben S.dOS Note 3 u.S.309 Note 1 angeföhrte Wergeid, daraufhinweist,
dafs einst auch bei den Franken fQr Mordbrand die Todesstrafe gegolten hat.
') Das spätere Recht Norddeutschlands über Brandstiftung steht unter
EinfluTs der Reichsgesetzgebung; vgl. Sachsenspiegel II, 13 {.4. 6: „morf-
hemere scU man r<tdebrttken . . ; die bemet sunder mortbrand, den sal man
dat höret afslan''; durch die Constitutio Friderici imper. contra inoendia-
rios a. 1187 ist bestimmt: der überf&hrte incendiarius rycapite pUetetur** Perte
Leg. 2 p. 184, durch die Treuga Henrici reg. um 1230 c. 20 „rota punietur'*
ibid. p. 268. Friesische Gemeinden zwischen Zuiderzee und Weser verein-
baren im 12ten Jahrhundert in KOre 16: „quodsi fecerit capitalia mala: vel
fhrta vel alia mortalia mala (in fHes. Uebersetzungen : „ jef hi haveddeda
jeden hebbe : nachtbrand jeftha othera haveddeda''), si pecuniam tum habH,
tune emendet cum suo proprio colle*' Friesische Reohtsq. p. 26, 3, und im
Jahre 1323 in den Leges üpstaUsbomicae cd: „incendiarii noetumi cofi'
eremmtur, diumi incendii vero damnum taxatione praemissa in septuphim
recompensent'^ ibid. p. 103.
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312
Nr. 17. Für Diebfltahl eines Pferdes nach Lex 8ax.
c. 29 („qui caballum furaverit").
Nr. 18. Für nXchtlichen Diebstahl mit Haaseinbmch
imWerth von zwei Solidis nach Lex Sax. c.32 („qni nocta
domnm alterius effodiens vel ef&ingens intraTerit, et daomm aoli*
donim preciam abstulerit*').
Nr. 19. Für nächtlichen Diebstahl eines vierjäh-
rigen Ochsens, der zwei Solidis gleichgerechnet wird, nach
Lex Sax. c. 34 („qui bovem qnadrimum , qui duos solidos valet,
noote fiirto abstnlerit*').
Nr. 20. Für Diebstahl aus einer Skreona, d.i. einem
Erdhause nach Lex Sax. c. 33 („qui in screona aliquid furaverit*)
Nr. 21. Für Diebstahl eines Bienenstocks inner-
halb des Hofraumes^) nach Lex Sax. c. 30 („qui alvearium
apum infra septa alterius furaverit*').
Nr. 2. Für Diebstahl innerhalb einer Kirche, a.
S. 231.
Dagegen soll nach der Lex Saxonum eini neunfache Werthbu/se
gezahlt werden:
a) für Diebstahl einer Sache, deren Werth unter drei Solidis
beträgt, nach Lex Sax. c. 36 („quicquid yel uno denario minus
tribus solidis qnislibet furto abstulerit^).
b) und" auch für Diebstahl eines Bienenstocks au/serhalb eines
Hofraumes, nach Lex Sax. c. 31 („alvearium apum extra septa
furatum^).
Die den Diebstahl erschwerenden Umstände werden
hier') gefunden: A, im Werth der gestohlenen Sache über drei So-
lidis (Nr. 16 und 17), und dann darin, dafs B. der Diebstahl zur
Nachtzeit (Nr. 18 und 19) oder C. innerhalb eines besonderen Ver-
schlusses (Nr. 20 und 21) geschieht; sowie D. dafs er m d^ Kirche
') Dafs unter septa der Hofraum und nicht ein Bienengarfcen su Ter-
•tehen sei, ist S. 197 Note 1 ausgeführt.
*) Köstlin Der Diebstahl nach dem deutschen Recht vor der Ka-
rolina, in der kritischen Ueberschau IQ p. 173 fertigt die BestimmiuigeD
der Lex Saxonum über Diebstahl damit ab, ^dalii sie jedenfiJls ungenau
sind''.
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813
erfolgt (Kr. 2), wo die Heilif^eit dea Orta als daa erachwereode
Moment anfgefafiit wird.
Denaelben Merkmalen, die naeh der Lex Sax.^) den Diebatahl
an einem achweren machen , iat die gleiche Bedentnng anch in
anderen deotachen RechtaqneUen anerkannt.
A, In den anfaeraächaiachen Volkarechten finden wir fttr
grofaen Diebatahl in erater Linie eine Geldbufae ala Strafe
featgeaetaty wiederholentlich jedoch fttr den Fall, dala die lixirte
Gteldbafae nicht gezahlt wird, Todeaatrafe angeordnet. Daa aal-
frSnkiache Recht') aetzte auf den Diebatahl einea Objectea im
Werthe von 2—39 Denaren eine Bnfae von 15 Solidia, von 40
nnd darttber von 35 Solidia. Daa bairiache Geaetabnch*) findet
die Erachwerang dea Diebatahlea bei dem Werthe dea geatohlenen
Gegenatandea von mindeatena 10 Solidia. Ea kennt dafür die
Todeaatrafe. Bei den Langobarden*) tritt, falla der Dieb auf der
That ergriffen iat, bei einem Werthe der geatohlenen Bache ttber
10 Siliqnia nennfache Bulae ein, neben löabarer Todeaatrafe. Die
Lex Friaionnm ') unteracheidet in Titel 11 mehr nnbeatimmt swi-
achen noxa grandia nnd „minoribna fnrtia et noxia^. Im bnrgnn-
1) Das Recht der Lex Saxonum ist ganz festgehalten im Sachaen-
spiegel 11, 13 {.1.
*) Lex Sal. 11, 1 u. 2 : „Si quis ingenuas foris casa quod valit daos
dinarios furaverit, solides 15 culpabilis iudicetur. St vero foris easa quod
▼alit 40 dinarioB fiaraTorit et ei faerit adprobatam , solidos 36 culpabilis
iadicetor exoepto capitale et dilatura".
*) Lex Baiuv. IX, 8: „Si quis aurum, argentom, iumenta Tel peeora
aut quascomque res uaqae solidos 10 Tel amplius furaTerit, et exinde pro-
• batas fberit: tunc für conprehensus iudici iradatar; et secundum legem rin-
dicta subjaceat, et ut ei qui perdidit in simple componat. Verumtamen non
prios damnetur ad mortem, quam Tel simplex de facoltatibuH fiironi oom*
ponat". Mon. Germ. Leg. 3 p. 304.
*) Ed. Rothar. o. 258 : „Si über homo furtum fecerit, et in ipso fiirto
tentus fuerit, si furtum ipsum usque ad decem siliquas fuerit, sibi nonum
reddat, et componat pro tali culpa 80 solidos, aut animae suae incurrat
perienlum''; vgl. ebenda c. 259 u. 296 und Grimm R. A. p. 637.
*) Lex Fris. XI: „Si serrus rem magnam quamlibet furasse dioatur,
Tel noxam grandem perpetrasse . . . ; si Toro de minoribus furtis et noxis a
servo perpetratia . . .'' Vgl. auch Lex Fris. III, 6.
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814
dischen Recht ^) wird der grofse und kleine Diebstahl scharf yon
einander getrennt. Unter gewissen Bedingungen kennt es fUr Dieb-
stahl Todesstrafe.
Wenn Wilda Strafrecht p. 874 meint: „Von den Hansthieren
scheint mir bei den Germanen die ganse Eintheilnng der Dieb«
stähle in grofse und kleine hergenommen nnd dann auch auf
andere im Werthe gleich stehende Sachen ttbertragen an Bein",
so giebt das weder eine Erklärung für diese Eintheilnng, noch
pafst es auf sämmtliche germanische Rechte, namentlich nicht za
den Bestimmungen der Lex Saionum.
B. Darin, dafs der Diebstahl zur Nachtseit ausgeführt
ist, sieht auch die Lex Salica*) einen Ersohwemngsgrund. Im
späteren Recht ist dies vielfach ausgesprochen; vgl. Sachsenspiegel
11,13 §1; 28 §3; 39 §1.
C Diebstahl aus einem eingehegten und ver-
schlossenen Räume wird, namentlich wenn er mit Einbrach
verbunden ist, vielfach als ein besonders schwerer gekennieichnet.
Hier ist die Lex Frisionum hervorzuheben, welche in ihrem der
Zeit Karl des Grofsen, etwa dem Jahre 802 angehörendem llieil*)
bestimmt, dafs der, welcher in diebischer Absicht eine Screonm
erbricht, mit dem Tode bestraft werden solle, das Leben aber
^} Lex Burg. LXX: „Si ingenuus furtum fecerit, triplmn solv»t quod
farfttum est: si tarnen capitale crimen non faerit. De bis vero causisy imde
hominem mori iussimus, si in ecclesiam fugerit, redimat se secundnm for-
mam pretii constituti ab eo, cui fiirtum feoit, et inferat mnltae nomine ao-
Udos 12. Si rero minora furta, id est porcum, rervieem, capram, apem in-
volaverit, solvat mnltae nomine solides S^. Und ebenda IV,. 1 und 3: „Qui-
cumque caballnm, eqnam, bovem aut vaecam ingenuus ftirto auferre prae-
sumpserity oecidatur: et de oecisi facultatibns, is qui perdidit animalia, apud
ftirem si non potaerit. invenire, in simplum recipiat''. „Quicumque ingenuus
porcnm, ovem, apem, capram fiirto abstulerit, in triplum solvat, secandum
formam pretii constituti, et mültae nomine sol. 12.^ Mon. Germ. Leg. 3
p. 562. 534.
'} Lex Sal. VI, 2: „Si quis vero canem custodem domus post solis
occasum furatus fuerit, solides 1 5 culpabilis iudicetur" bei Merkel p. 83 ab
Nov. 279; vgl. Merkel p. 6 u. 57 (Nov. 32).
*) Lex Fris. Add. I, 3 : „Si quis screonam efiregerit, capitali sententia
puniatur vel vitam suam pretio redimat".
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315
mit Beinern Wergeide lösen dürfe. Ausdrücklich bestimmt anch
die Lex Bargundionum *) dem, der Hänser oder Scrinia erbricht
und ausplündert, Todesstrafe. Nach demselben Prinzip finden wir
auch in der Lex Salica') mehrfach das Verbrechen des Diebstahls
gegliedert, wenn auch der Unterschied der Strafe sieh hier nur
in einer höheren und geringeren Bufssumme anaeigt.
8ehr allgemein ist es im älteren Recht als eine Befhgnifs des
Bestohlenen anerkannt, einen beim Einbruch auf frischer That
ergriffenen Dieb bufslos au erschlagen. So war es nach dem
Recht der Lex Saxonum cap. 82'). Und bei den Friesen*), ri-
puarischen Franken*), Tlittringem*), Baiem^) finden wir diese
Bestimmung ebenso wieder wie im angelsächsischen und nordi-
schen Recht*).
') Lex Burg. XXIX { 3: „Effractores omnes, qui aut domos aut BCrinia
expoliant, iubemus occidi", vergl. ebenda CVII {10 und Papian. XVIII § 1.
Mon. 0«rm. Leg. 3 p. 545. 576. 608.
*) Lex Sal. II bei Merkel p. 55 Nov. 28: „Si qais porceUum fura-
verit, solidos 15 culpabUU iudicetur ezcepio capitale et delatura. Si quia
porcellum de sute furaverit et davem babuerit, solidos 45 culpabilis iudi-
cetur''. Vgl. auch Merkel p. 55 Nov. 21 zu tit. LXI u. XI, 1 u. 2 „foris casa^".
*) „Qui noctu domum alterius effodiens vel effringens
intraTerit, et duorum solidorum pretium abstulerit, capite puniatur; si ibi
occisus fuerity non solvatur.'' Lex Sax. c32.
^) Lex Fris. V: ^De hominibua qui sine oompositicme occidi
possunt: furem si in fossa, qua domum alterius efFodere conatur, fuerit
repertus.'' Mon. Germ. Leg. 3 p. 663.
*') Lex Bip. LXXVII: „Si quis bominem super rebus suis
comprebenderit, et eum ligare Toluerit . . ., et non praeyalnerit ligare,
•ed Golpua ei excesserit, et eum interfecerit . . ., ooniuret quod eum de vita
forfactum interfecisset^, dann solle er nicbt als „bomicidü ctdpabilis^ gelten.
*) Lex Tbur. c. 39: „Homo in furto occisus non solvatur; sed si
proximus eius dixerit innocentem occisum, campo eum comprobct innocentem,
Tel 12 bominum sacramento: furem credi iuste occisum*'.
^) Lex BaiuT. IX, 5: „Für noctumo tempore captus in furto, dum
res furtiras secum portat, si fuerit occisus, nnUa ex boc bomieidio querela
nascator''. Leg. BaiuT. Additio qninta IV, 3: „Ut si quis domum, tarn liber
quam semia alterius effoderit, et ibi occisus ftierit, sine compositione in soa
damnatione permaneat'*. Mon. Germ. Leg. 3 p. 464.
») J. Grimm RecbtsaltertbOmer p. 743 und besonders Wilda Straf-
reebt p.890. Vgl. auch Lex Burg. XXVII, 6 tt.8. Lex Wisig. VII, 2 § 15 u. 16.
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316
Abgesehen von diesen drei Fällen des schweren Diebstahls
bestimmt die Lex Saxonum neunfachen ErsatE der entwen-
deten Sache als regelmäfsige Diebstahlsstrafe. Oanz ali-
gemein enthält diese Vorschrift das Capitel 36 : „Quicqaid yel uio
denario miaus tribns solidis quislibet furto abstulerit, novies com-
ponat qnod abstulit, et pro fredo si nobilis faerit solidos 12 , fli
Über 6, si litus 4 (zu emendiren 3?)^.
Denselben Grundsatz stellt aber auch cap. 31 auf, indem in
einem speciellen Fall angegeben wird, dais bei Wegfall des Um-
standes, der den Diebstahl zu einem schweren macht („infra
septa^; „extra septa*'), „novies conponendnm est*'. Mon. Germ.
Leg. 3 p. 648 habe ich ausgeführt, dafs die Vemennfachong des
Wergeid und Fredum dem altfriesischen Recht fremd gewesen
und an die Stelle älterer härterer Strafsatzungen auf specieUe
Anordnung Karls des Grofsen getreten sei. In Uebereinstimmung
damit, müssen wir annehmen, enthalten auch die Capitel der Lex
Saxonum, die neunfachen Ersatz bei geringerem Diebstahl vor-
schreiben, nicht altsächsisches Recht, sondern sind auf fränkischen
Ursprung zurückzuführen. Die gleiche Strafe des neunfachen Er-
satzes finden wir in den Volksrechten der Alamannen') and
Baiem*), während die Lex Burgundionum ^) sich mit dreifachem
Ersatz der entwendeten Sache begnügt.
Erscheinen in dieser Weise in den anderen Volksrechten die-
selben Momente wie in der Lex Saxonum als die den Diebstahl
erschwerenden, so ist doch die Todesstrafe in ihnen nicht in glei-
cher Weise anerkannt.
Besonders wichtig für die Geschichte der Verdrängung der
Todesstrafe als Strafe für Diebstahl ist das dem sächsischen im
Allgemeinen nahe verwandte friesische Recht. Bei einer Betrach-
tung der Diebstahlstrafen der Lex Frisionum müssen wir eine
^) Lex Alam. c. 71: ^Si quis alterius cabaUum involaverit, ... qiuui-
tum ... ad sacramentum adpreciayerit (dominus) in Caput, tantum restitaat
für; 8 enim geldos in quäle pecunia habet solrat**; vgL ebenda o. 70.
*) Lex BaiuY. IX, 1 : „Si quis über aliquid furaverit» qualeounque re,
niungeldo oonponat, hoc est novo capita restituat^.
») Lex Burg. IV, 1 und 3. Vgl. S. 314 Note 1.
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Stelle aus dem jtingaten 802 erlassenen Theile «derselben als be-
sonders lehrreich an die Spitse stellen. Add. I, 3 heifst es: „Si
qais caballnm fararerit ant bovem, ant screonam effiregerit, capi-
tali sententia pnniatur; ant vitam snam pretio redimat**. In Mittel-
friesland soll danach auf gewisse schwere Diebstähle der Tod als
Strafe stehen, dem Verbrecher jedoch gestattet sein, sein Leben
zu lOsen. Wenn daher in den sich auf denselben Theil von Fries-
land beaiehenden, aber zn dem ältesten Bestandtheil der Lex
Fris. gehörenden Gapiteln 2, 3 nnd 4 des tit. III bestimmt wird,
dals der Dieb „rem quam abstnlit in daplnm restitnat, et ad
partem regis pro fredo weregildam snnm", so wird nicht zu be-
zweifeln sein, dafs aneh hier die Zahlung desWergeldes an die.
Stelle der Todesstrafe getreten ist and diese wohl auch noch im
Falle der Insolvenz des Verbrechers gegolten haben wird. Daraus
erklärt sieh dann auch die Geltung zweier Strafen neben einander,
von denen die eine unmittelbar dem Verletzten, die andere „ad
partem regia*' zu btt(sen ist. Den gleichen Bestimmungen be-
gegnen wir in den übrigen vom Diebstahl handelnden Abschnitten
derselben Lex. Tit. III c. 8 ist etwa 785 fUr das Ostliche Fries-
land angeordnet: „ in furto comprehensus . . . componat weregil-
dum snum ad partem regis et manum 60 solidis redimat et in
simple fnrti compositionem exsolvat". Und wenn es in dem ältesten
Theil der Lex Fris. VIII heifst: „De notnumfti. Si quis rem quam-
libet vi rapuerit, in duplnm eam restituere compellatur et pro
freda 12 sol. componat. Trans Laubaohi (in Ostfriesland) in simple
componat et pro freda weregildam sunm ", so ordnet die erste sich
auf das Mittelland beziehende Hälfte dieses Titels allerdings jenem
Prinzip entgegen ein Frednm von nur 12 Solidis an, ist aber 802
modificirt durch Lex Fris. Add. IX: „vis aut furtum in duplo com-
ponitnr et ad freda weregildnm ". Dem Jahre 785 gehört das fttr
Ostfriesland gültige Gapitel 14 ') des tit. IX an : „ Si nobilis seu
liber libero «vi aliquid abstulerit, ant ipsum aut aliud simile in
locum restituat, et 24 solides pro facti scelere componat, et were-
^) Lex Fris. IX c. 15 und 16 enthalten die entsprechenden Bestim-
mungen für die F&Ue, dafs der Bestohlene ein Freier oder Lite seL
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gildum Bumn ad 4>artem regiB cogatur exBolvere ^. Wie der Dieb
wird nach der Lex Fris. der behandelt, weicher einen entlaufenen
Sklaven und entlanfenes V|eh dem £igenthUiner nicht sarttekataltt:
^reddat ipsum qnod recepit, aut aliad aimile vel pretinm eins, et
pro farto weregildum Baum ad partem regia componat*' Lex Fria.
Add.VII (802 erlassen). Dafs nach Lex Fri8.V der beim Ein-
brach auf der That ertappte Dieb bn&loB erschlagen werden
konnte, ist schon S. 315 Note 4 bemerkt
Neben dem fnesischen verdient das fr&nkische gesetsUche
Recht eine eingehendere Erörterung, insoweit es Todesstrafe auf
Diebstahl setzt Die älteste hier einschlagende Satsung der Capi-
tolarien findet sich in dem um 593 zu setzenden Pactos pro tenore
pacis dominorum Ghildeberti et Chlotharii regum, c. 1: „nt apnd
qaemcamqae post interdictum latrocinins oomprobatur, vitae peri-
cttlnm incarrat^, und c. 2: „si qnis ingenoam personam pro fdrto
ligaverit . . ., si latro redimendi se habeat facultatem, se redimat;
si facultas deest, tribus mallis parraitibns ofieratur; et, si non
redimitnr, de vita componat*' Mon. Germ. Leg. 1 p.7. Diese S&tse
enthalten erst die allgemeine Regel, dafs wegen jeden Diebstahles
auf Todesstrafe erkannt werden könne, und bestimmen dann für
eine specielle Gattung, bei der das Verbrechen unter erschweren-
den umständen begangen ist, dem Diebe das Recht sein Leben
zu lösen, für den Fall der Insolvenz aber Todesstrafe. Dem ent-
spricht das cap. 7^) der Decretio Ghildeberti II vom J. 596: .De
furis et malefactoris ita decrevimns observare, ut quomodo sine
lege involavit, sine lege moriatur'^ Mon. Oerm. Leg. 1 p. 10, und
die von Baluze 595 gesetzte Decretio Chlotharii regia c. 2: „Si
quis in alterius domum ubi davis est furtum invenerit, dominus
domui de vita conponat '' Mon. Germ. Leg. 1 p. 12. Ein jüngeres
Recht ist das in König Karls Capitnlare vom J. 779 c. 23 enthal-
^) Die Gültigkeit der Decretio ChUdeberti c. 7 wird nach Eich-
horn Deutsche Rcchtsgeschichte I p. 250 i vorausgesetst in der Lex Rip.
LXXIX.; Tgl. Waitz Verfassungsgeschichte 2 p. 81 und So hm in Zeitschr.
f. Bechtsgesch. 5 p. 451. — DaCs die Lex Rip. a. a. O. nicht neben hand-
hafter That einen groDsen Diebstahl voraussetzt, wie Wilda Strafr. p.883
meint, bemerkt richtig K As tun a. a. 0. p. 173.
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teile: ,,De latrombus. Ita praecipimiiB obflervaadam, ui pro prima
eidpa non moriatar^ aet oeahim perdat; de eecunda vero culpa
naBUB ipaiiiB latronia abBcidatnr; de tertia vero cnipa, si non
emendayerit, moriatnr'' Mon. Oerm. Leg. 1 p. 39; auf Diebatalil
steht hiernach also im dritten Wiederholnngafalie Geldstrafe oder
eyentnell Todesstrafe. Die noch spMtere Lex in Amore c. 48 läfst
diese härteste aller Strafen erst nach „Septem latrociniis^ eintreten.
Das überlieferte Material läfst nns erkennen, dafs im ältesten
fränkischen Recht auf jeden Diebstahl eine Oeldbufse oder im
Falle der Insolvenz Todesstrafe stand, da£9 aber die Anwendung
dieser immer mehr und mehr eingeschränkt wurde. Es wird der
Rttckschlnfii gestattet sein, dafs in noch früherer Zeif die Todes-
strafe noch allgemeiner gegolten habe und so das älteste frän-
kisehe Recht dem der Lex Saxonum nicht unähnlich gewesen aei^).
Wie dem sächsischen, friesischen und fränkischen Recht war
Todesstrafe für Diebstahl auch dem der übrigen deutschen Stämme
nicht fremd: Es ist nachweisbar, dafs sie bei den Baiern'), Bur-
gundern*) und Longobarden*) in Geltung gewesen sei.
Wenden wir uns nach dieser Darstellung des nichtsächsischen
Rechts zur Beantwortung der Frage, ob in Sachsen Todesstrafe
lür Diebstahl erst durch Karl den Orofsen und den Erlafs der Lex
Saxonum eingeführt sei, so werden wir für die Ansicht, da& Karl
der Grolse vielmehr die im älteren sächsischen Recht enthaltene
Todesstrafe auf eine geringere Anzahl von Fällen dnrch die Lex
Saxonum beschränkt habe, durch folgende Gründe bestimmt
1. Wir besitzen ein Zengnifs, dafs im vorfränkischen sächsischen
Recht Todesstrafe auf Pferdediebstahl stand; Karl der Grofse ver-
hängt in der Lex Saxonum auf dasselbe Verbrechen Todesstrafe.
2. Karl der Grofse spricht in der Lex Saxonum für durch be-
^) Beachtenswerth sind auch die Bestimmungen der Lex Sai. 55, 2:
„Si quis corpus iam sepultum effodierit et expoliavent, wargua sit usque in
die illa, quam ille cum parentibus ipsius defimcti conveniat et ipsi pro eum
rogare debent, ut ei inter bomines liceat accedere''. Hieraus stammt Lex
Rip. 85. Vgl. oben 6. 255 n. 1.
«) S. p. 313 n. 3.
») 8, p. 814 n. 1 und p. 316 n. 1.
«) S. p. 313 n. 4.
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stimmte Momente, als hohen Werth des gestohlenen Objects, Naeht*
seit, Verschlnby erschwerten Diebstahl Todesstrafe ans, wihrend
er für Diebstahl ohne jene erschwerenden Bedingungen neunfache
Bufse anordnet; die Vemeonfachung der Bufiien in derartigen
Fällen erscheint aber in Sachsen als von ihm eingeführt, so dafs
an vermathen ist, vor ELarl dem Orofsen habe in Sachsen aneh
hier Todesstrafe gegolten. 3. In dem Übrigen fränkischen Reich
galt die Todesstrafe nur in vereinselten Fällen; es ist daher nicht
wahrscheinlich, da(s Karl der Groike fttr ein derartiges, privat-
rechtliches, ihn nicht berührendes Verhältnifs, abweichend von dem
Recht der anderen ihm nnterworfenen Länder, in Sachsen Todes-
strafe eingeführt habe, wenn das nicht hier bereits geltendes Recht
gewesen wäre. 4. Auch die anderen gemmnischen Volksrechte
kennen in den oben erläuterten Fällen Todesstrafe ftfr Diebstahl;
wir können aus ihnen sehen, wie die Zahl der Fälle, in denen sie
Anwendung fand, immer mehr und mehr beschränkt wird, und
wie Eum Theil andere Strafen als mit ihr concurrirend proclamirt
werden. Fttr die Erkenntnife dieses Entwicklungsganges war na-
mentlich das friesische und fränkische Recht lehrreich. Ihre Ana-
logie spricht für die Vermuthung, dafo im ältesten sächsischen
Recht Diebstahl noch aligemeiner mit dem Tode bestraft worden
sei, als es die Lex Sax. vorschreibt. ,
Ueberblicken wir diese Momente, so werden wir dahin ge-
führt ansunehmen, dafs dem uralten sächsischen Recht Todes-
strafe für Diebstahl in sehr ausgedehnter Weise geläufig war. Dafs
auch gans geringe Diebstähle mit Todesstrafe bedroht gewesen
seien, wird schwerlich vermuthet werden dürfen. Als gewifs aber
erscheint, dafs Karl der Orofse bei Erlafs seiner Bestimmungen
über Diebstahl in der Lex Sax. mit Annäherung an das in den
übrigen Theilen seines Reiches geltende Recht die Anwendung
der Todesstrafe auf Diebstahl in Sachsen mehr und mehr zu be-
schränken gesucht habe.
VI. Todesstrafen für Hochverrath.
Nr. 22. Auf Verrath gegen das Reich und untreue
gegen die Person des Königs steht Todesstrafe nach
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den Gapitnla de part 8ax. c. 10^) und 11*) nad Lex Sax. c. 24*).
Infidelitilt nnd Landesverrath werden nicht als gesonderte Ver-
brechen behandelt. Es liegt in der Natnr der Sache, dafs für
Infidelitttt erst ron Karl dem Oro&en die Todesstrafe eingeftthrt
sein kann, da das Verbrechen selbst yor der Erobemng Sachsens
dvroh die Franken nicht begangen werden konnte. In wie weit
flir Landesverrath fthnliche Satsangen im nn&bhfingigen Sachsen
gegolten haben mögen, ist nicht ersichtlich. Bekannt ist, dafii
Tacitas berichtet, die Germanen hätten üeberiänfer and Landes-
verrtttiier snr Strafe an den Bäumen aufgehangen.
Nr. 23. Anf Nachstellung gegen das Leben des
fränkischen Königs steht Todesstrafe nach Lex Saxon.
c. 24^), die das Majestätsverbrechen genauer gliedert, als die Ca*
pitula de part. Sax., welche diesen Fall nicht besonders hervor-
heben.
Nr. 24. Nachstellung gegen das Leben der Söhne
des Königs zieht ebenfalls Todesstrafe nach sich, nach
Lex Sax. c. 24*). Die Gapitula de partibus Saxoniae bestimmeB
hierttber Nichts.
Wie in Nr. 22 ist auch in Nr. 23 und Nr. 24 die Geltung der
Todesstrafe fttr die betreffenden Verbrechen auf eine Anordnung
König Karls lurttckauftthren. Derselbe ist aber bei der Regelung
der sächsischen Verhältnisse hier keineswegs von einer besonderen
Strenge geleitet. Er führt vielmehr nur in Sachsen Strafen ein,
die für dieselben Verbrechen im Übrigen fränkischen Reiche galten.
^) Cap. de pari. Sax. c. 10: „Si quia cum pagsnis censiliom adversus
Christianofl inierit, vel cum Ulis in advenitate Christianorum perdurare volue-
rit, morie moriatur. Et quieumque boc idem fraude contra regem
Tel gentem Christianorum consenserit, morte moriatur."
*) Gap. de part Sax. eil: ^Si quis domino regi infidelis appa-
merity capitali sententia punietur.'*
*) Lex Sax. c 24: „Qai in regnum Franoorum consiliatus fuerit,
eapite pnniatur.**
*) Lex Sax. c. 24: „Qui in regem Francorum de morte consi-
liatUB fuerit, eapite pnniatur.^
*) Lex Sax. c24: »Qui in filios regia Francorum de morte
consiliatuB fuerit, eapite puniatur.^
21
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822
In den frXnkiBehen Annalen*) gmd eine Reihe von FHUeo ver-
zeichnety in denen HochTerräÜier und MigeetiKiBverbrecher mit dem
Tode bestraft worden sind, und abi Oeeets findet sieh fttr In-
fidelität in der Lex Ripuariomm*), für NachateUang gegen das
Leben des EOnigs in dem Edictam Rotfaaris*) Todesstrafe und
Otttoreonfiscation ausgesprochen ^). Näheres siehe Eichhorn Bechts-
geschichte 1 p.76ö, Wilda Strafrecht p. 988— 990, Watts Ver*
fessnngsgeschichte 3 p. 265—268. 125. 132.
In den Jahren 775 bis 777 hat König Karl die sich unter-
werfenden Sachsen eidlich erfclXren lassen, daCs sie im Fall der
Infidelität Freiheit und Vermögen verwirkt haben sollen, wShrend
er im Jahre 782 an der Aller 4500 Sachsen wegen HochTerrath
enthaupten läfst. Vgl. die oben S. 132—140 angeführten SteUea
der Annalen.
Vn. Todesstrafen wegen Festhaltens am Heiden-
thnm.
Wie oben S. 174 nfther ansgeflihrt ist, hielt Karl der Grobe
unmittelbar nach der Unterwerfung nnd ersten Christianisimng
Sachsens eine Reihe von strengen transitorischen Maafinregeln in
dem nen unterworfenen Lande sur Unterdrückung des Heiden-
thums und Sicherung des Christonthums für nothwend^;. Nament-
lich bedrohte er in den Capitnla de part Sax. folgende sechs Ver-
brechen mit Todesstrafen, wührend die Lex Sax. diese Todes-
strafen, sowie überhaupt die Verbrechen, auf welche sie gesetat
sind, nicht aufgenommen hat
') Z. B. Ann. Einh. 788 : „nozae convictos (ThMsüo) uno omnium ad-
sensu nt maiestatis reos ca^taU sententaa oapitis damnatus est*' Mon. Germ.
SS. 1 p. 172; und Ann. Lauriss. 788: „iudioaTerunt Tassilonem ad mortem^
a. a. 0. p. 172. Vgl Waitz Verfassungsgesohiohte 8 p. 266.267.
') Lex Rip. LXE^, 1: ^St quis homo regi infidelis ezstiterit, de vita
componat et omnes res eins fiseo censeantnr.*'
*) Ediet Roth, c 1 : „Si quis eontra animam regis cogitaTerit aut con-
siliatos fuerit, anunae suae incurrat periculum et res eius infisoentur.*'
*) Verwandt ist die Bestimmung der Lex Alam. ZXIV: „Si aliquis
homo in mortem ducis consüiatus fuerit et inde convictns fuerit, aut vitam
perdat, aut se redimat, sieut duz aut prineeps popnli iudieaTerint.* VgL
L BaiuT. n, 1; 1. Alam. 93; edict. Both. c 3. 4. 6. 6.
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828
Nach den Gapitala de partiboB Saxoniae e. 4 n. 6— 10 (vgl.
oben 8. 200) soll nilmlich mit dem Tode bestraft werden:
Kr. 25, wer flieh der Taufe entsieht und Heide blei-
ben will;
Nr. 26, wer in Veraehtnng des Ghristenthnms wäh-
rend der Fasten Fleiseh geniefst;
Nr. 27, wer einen Menschen opfert;
Nr. 28, wer einen Menschen verbrennt oder dessen
Fleiseh geniefst, im Glauben, derselbe habe wie
eine Hexe einen Menschen yerschlungen;
Nr. 29, wer Leichen verbrennt und deren Asche in
den Heidenhtigeln beisetzt;
Nr. 30, wer mit den Heiden Rath pflegt gegen Chri-
sten und in Feindschaft gegen die Christen ver-
harrt.
Bei allen diesen Bestimmungen ist es selbstverständlich, dafs
sie von Karl dem Grofsen herrtthren. Nachdem aber Sachsen
einige Zeit dem Frankenreiche einverleibt und das Christenthum
daselbst weiter durchgeführt war, waren sie nicht mehr noth-
wendig, mufsten vielmehr für antiquirt gelten. Daher sind sie
ebenso wenig in die Lex Saxonnm aufgenommen, als sich ähnliche
Anordnungen in den ttbrigen fränkischen Gesetzen finden.
Nachdem in dieser Weise 8. 220—230 die Todesstrafen anf-
gesShlt sind, die wir aus dem vorkarolingischen Sachsen kennen,
und 8. 230—328 diejenigen, die in den Gapitnla de part 8ax.
und derLexSaxonum aufgestellt sind, zeigt sieh, dafs Karl der Grobe
in gewissen Fällen, in denen er die Todesstrafe proclamirte, es
im Ansehlufii an das ältere sächsische Reoht gethan habe, während
er in anderen den älteren Verhältnissen nicht entsprechenden Fällen
Todesstrafe neu einführte. In dieser Besiehung findet sich eine
Verschiedenheit zwischen den von Karl dem Grotsen in den Ga-
pitnla de part 8ax. und der Lex Saxonum verzeichneten Todes-
strafen, die eine nähere Betrachtung verdient.
Von den in den Capitula aufgesählten 14 Fällen, die mit
Todesstrafo belegt sind, werden in der Lex Saxonnm fttnf wieder-
holt (Nr. 1. 2. 9. 12. 22), zwei, wie es scheint, nur durch die ge-
21*
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324
wKhlte Ausdnioksweise nicht apeeiell aa^seMhrt (Nr. 3. 10), rieben
absichtlich übergangen (Nr. 8. 25—30). Dagegen veriiitngt die
Lex Sax. fttr 16 in den Gapitnla de pari Sax. nicht behandelte
Fälle Todesstrafe (Nr. 15. 16-21. 11. 13. 14. 6. 4. 5. 23. 24. 7).
Unterscheiden wir nnn nSher alle in den Capitata de part
Sax. und der Lex Saxonnm behandelten FSlle, so sondern sie sieh
in drei Rubriken:
1. Sieben Fälle , die in der Lex absichtlich nicht erwähnt
sind, in denen aber die Capitula de part. Sax. eine Todesstrafe
bestimmen. Von ihnen beziehen sich sechs (Nr. 25 — 30) auf
ünterdrUcknng des HeidenthumS| einer (Nr. 8) auf Tödtnng eines
Geistlichen. Wir werden befngt sein, voranszusetzen, dafs in ihnen
bereits vor Erlafs der Lex Saxonnm die Todesstrafen auber Wirk-
samkeit getreten waren.
2. Sieben Fälle, in denen die Lex Saxonum die Todesstrafe
wiederholt, die fttr sie in den Capitula de part Sax. ausgesprochen
ist (5 direct, 2 wie es scheint durch Andeutung). Von diesen Fällen
bezieht sich einer (Nr. 22) auf Landesverrath und Infidelität, wo bei
der gewählten Auffassung des Verbrechens als Infidelität die Todes-
strafe als durch die Capitula neu eingeführt anzusehen ist, wäh-
rend sie bei Landesverrath schon früher vorhanden gewesen sein
mag; zwei andere (Nr. 1 und 2) gehen auf den Schutz der Kir-
chen; in ihnen scheint das vorfränkische sächsische Recht der
heidnischen Tempel auf die christlichen Kirchen übertragen sa
sein. Weitere zwei Fälle beziehen sich auf Tödtnng des dominna
und Entehrung der Tochter des dominus (Nr. 9 und 12); hier
scheint die fttr ein eigenthttmliches altsächsisches Verhältnis im
altsäohsischen Recht begründete Todesstrafe in beiden Oeaetaen
von König Karl anerkannt zu sein. Hieran schliefet sieh die im
älter^i Gesetz für Tödtung der domina bestimmte und in der Lex
Sax. wohl nnr absichtslos übergangene Todesstrafe an (Nr. 10).
Wenn endlich die in den Capitula de part Sax. auf Anzünden
einer Kirche gesetzte Todesstrafe (Nr. 3) in der Lex Sax. nicht
wiederholt ist, so rührt das wohl nur daher, dals sie überhaupt
auf Brandstiftung Todesstrafe zetzt, und damnter jener Fall mit
zn begreifen ist.
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326
3. Sechszehn Fälle, in denen die Lex Sax. eine TodeMtrafe
?erliäDgt| ohne dafs sie in den Gapitnla de part. 8ax. aoBdrücklich
veneiehnet sind. Von ihnen dürfte in acht Fällen (Nr. 15. 16—21.
7: für Brandatiftongy gewissen Diebstahl und Tödtnng eines der
Faida Verfallenen in seinem eigenen Hanse) die Todesstrafe be-
reits im nrsächsischen Recht gegolten , in sechs anderen bereits
dnrch das Recht der Capitnla Anerkennung gefiinden haben, wenn-
gleich die Capitnla sie nicht speciell beseichnen (Nr. 11. 13. 14.
6. 4. 5: Ar Tödtnng der Söhne des dominns und Entehrung von
dessen Fran oder Mutter, fUr wissentlichen Meineid und fUr Tödtung
in der Kirche oder auf dem Wege zur Kirche), während in swei
Fällen die Todesstrafe erst durch die Lex neu eingeführt sein
mag (Nr. 23. 24: fttr Nachstellung gegen das Leben des KOnigs
oder seiner Söhne), obwohl man auch vermuthen könnte, dafs für
dieselben bereits die Capitnla Todesstrafe verhängen wollten, in-
dem sie dieselbe auf Infidelität setzten.
Sehen wir von den einzelnen Spectalfäilen ab, fttr
die in den beiden karolingischen Gesetzen Todesstrafen ausge-
sprochen sind, und beachten die einzelnen Klassen von
Verbrechen, denen sie nach der obigen Zusammenstellung an-
gehören, so ergeben sich für die meisten derselben unerachtet der
Mangelhaftigkeit unserer Nachrichten aus dem heidnischen Sachsen
Fälle, durch die bezeugt ist, dafs in ihnen schon vor der £robe-
mng des Landes Todesstrafe gegolten habe. Als Klasse I wurden
bezeichnet (S. 230 — 239) Todesstrafen, die sich auf Schutz und
Heiligung der Kirchen beziehen; sie schliefsen sich unmittelbar
an Todesstrafen an, die auf Verletzung der heidnischen Tempel
standen (vgl. S. 229). Klasse U bildeten die Todesstrafen, die auf
Tödtnng unter erschwerenden Umständen stehen (S. 239 — 281);
dafs im vorfränkischen Sachsen auf Mord allgemein Todesstrafe
gestanden habe, wurde S. 249 aus der späteren Behandlung des
Mordes in Sachsen geschlossen, und scheint durch eine specielle
Erwähnung aus der Zeit des Heidenthnms für dieselbe bestätigt
zu werden (vgl. S. 220). Klasse III verzeichnet Todesstrafen, die
auf Entehrung von Mitgliedern der Familie des Dominus standen
(8. 281 — 805); dies erschien als eine Beschränkung der im älteren
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Bächsiseheii Recht allgemeio fttr Entehrang geltenden Todewtrafe
(vgl. 8. 222 und 282). Unter Klasse IV wurde die Geltung der Todes-
strafe für BrandBtiftong erörtert (8. 305 - 310); nnd obwohl wir kein
directes Zengnifo dafUr besitsen, dafs bereits im heidnischen Sachsen
der Tod die Strafe fttr Brandstiftung gewesen sei, waren wir doch ge*
nöthigt, dies anzunehmen (8. 311)* Darauf wurden in Klasse V die
Todesstrafen fttr Diebstahl unter erschwerenden Umständen Eoaam-
mengefafst (8. 3 11-— 320); ein ausdrückliches Zeugnife beweist, dafs
für Pferdediebstahl nach dem Recht der heidnischen Sachsen Toden-
strafe galt (8. 223); und es schien sich die Nothwendigkeit herann-
sustellen, dafs man anerkenne, Karl der Qrofse habe bei der Be-
stimmung der einzelnen Fälle der auf Diebstahl stehenden Todea^
strafe nicht eine Ausdehnung, sondern eine Beschränkung der auf
Diebstahl stehenden Todesstrafen beabsichtigt Indem in Klasse VI
die Todesstrafen für Hochverrath anfgeiählt wurden (8.320-322),
konnten wir nicht nachweisen, dafs der darunter begriffene Landen-
▼errath bereits im heidnischen Sachsen mit dem Tode bestraft wor-
den sei, hatten aber allen Qmnd es sn glauben, da wir aus Tacltus
wissen, dab die Germanen „proditores et transfugas arboribua
Buspendunt'^ Dafs die unter Klasse VII (S. 323) ausammengestellten
Todesstrafen wegen Festhaltens am Heidenthnm erst von Karl dem
Groben neu eingeführt seien, bedarf keiner Erläuterung. Oben
8. 223 wurden Belegstellen dafttr angeführt, dafs im vorfränkisehen
Sachsen einen Mann, der eine Frau von höherem Geburtsataade
heirathete, die Todesstrafe getroffen habe; dieser Todesstrafe ge-
schieht im karolingischen Sachsen keine weitere Erwähnung.
Sonach stellt es sich heraus, dafs abgesehen von einigen durch
die neuen christlichen Verhältnisse veranlagten Todesstrafen schon
im vorfränkischen sächsischen Recht die Todesstrafe fttr dieselbeD
Klassen von Verbrechen Anwendung fand, in denen sie Karl der
Grofse decretirte, ja dafs er dies in den einaelnen Klassen in ge-
ringerer Ausdehnung that, als es frtther der Fall gewesen war,
also im Gänsen die Geltung der Todesstrafen auf eine geringere
Ansahl von Fällen durch seine Gesetzgebung beschränkte.
Die Behauptung, dafs im heidnischen Sachsen die Todesstrafe
wenig aufwendet, und nur in vereinaelten Fällen vorgekommen
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327
Bei, steht somit in durectem Widerspnieh mit noseren historischen
Ueberlieferangen über das alte Sachsen, and sie würde überhaupt
wohl niemals angestellt sein, wenn man nicht von der Voraus*
setsong angegangen wäre, dafs die Todesstrafe allgemein bei den
ältesten Germanen wenn nicht unbekannt, so doch nur in gans
einaelnen Fällen in Branch gewesen sei. Diese Annahme mufe
ich aber für völlig unerwiesen halten. Vielmehr ersdieinen bei
Taeitus wie in den Nachrichten über alle ältesten germanischen
Stämme Todesstrafen, und zwar für die verschiedensten Verbrechen
und in verschiedenster Gestalt. Nur eine unklare Vorstellung über
germanische Urfreiheit, Längnen des Vorhandenseins der Idee der
Strafe im ältesten Germanien und Verkennen der Natur des Com-
positionensjstems liefsen derartige Vorstellungen hegen. Nachdem
insbesondere durch Wilda eine richtigere Anschauung über das
altgermanische Strafrecht durchgedrungen ist, müssen auch jene
Annahmen (allen. Und man hat keinen Grund sich su denken,
die Todesstrafe sei den Germanen der Urseit gänzlich fremd ge-
wesen und komme in der frühsten historischen Zeit nur in ein-
zelnen Ausnahmefällen vor. Am wenigsten kann hiergegen das
Zurücktreten der Todesstrafe im ältesten Text der Lex Salica
entscheiden. Dies darf vielmehr nur als eine Eigenthttmlichkeit
derselben gelten, und kann nicht einmal beweisen, dals bei den
ältesten Franken in frühster Zeit die Todesstrafe, die die ältesten
Capitularien der Franken in vielen Fällen anordnen, und geschicht-
liche Quellen zahlreich erwähnen, wenig bekannt gewesen sei.
Und dafs wir gerade bei den Sachsen die Todesstrafe in der Zeit
ihres Zusammenstofses mit den Franken häufig in Anwendung
finden, kann uns um so weniger Wunder nehmen, als wir nach
Allem, was wir. von den Sachsen jener Zeit wissen, sie für das
am wenigsten in seiner Entwicklung vorgeschrittene Volk unter
allen germanischen Stämmen halten müssen, und die Quellen nicht
müde werden von ihrer angeborenen Kühnheit, Härte, Wildheit,
Rohheit und Grausamkeit zu reden, jjf mehrfach hervorheben, dafs
ihr Recht ein besonders strenges und grausames sei^).
1) Zum Beleg fOhre iob einige Beispiele an: a) Orosius Hisi. YII:
gentem Sazonum virttOe cUque agilitate Urribikm periculoaem Roman» fini-
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328
Betrachten wir nan speciell die tob Karl dem Grofsen doreh
die Oapitula de partibus Saxoniae neu proclamirten Todesstrafen,
80 beziehen sie sich:
a) auf Verbrechen gegen den König , dem eidlich Trene ge*
lobt ist;
b} auf Austtbung des abgesohworenen Heidenthums und Ver-
lassen des feierlich gelobten Ohristenthums;
€) auf Verletzung der Kirchen, die durch Anordnung der Todes-
strafe in. derselben Weise geschützt werden sollten , wie es
bisher die heidnischen Tempel gewesen waren;
d) auf Tödtnng eines Geistlichen.
Erwägen wir nun seinen Standpunct bei Proclamirung dieser
Todesstrafen.
bus" Leibnitii Scr. rer. Brunsric. 1 p. 23. 5) S a 1 t i a n u b Masail. de gabernatione
Dei LIY: „gens Sazonum /«ra est^; 1. YII: „Saxones crudeUtaie efferi, sed
castiiate mirandi^ Leibniz 1 p.26. e) Sidonius ApoUinaris yn,6 schil-
dert die Saxones, die an Galliens Küsten plündern, als ^arohipirataB^, als
einen „hostis onmi hoste trucutentior** Leibniz 1 p. 26. d) Venantius
FortunatuB III, 9: y,Aspera ^«n» Saxo, vivens qwui more ferino^ Leibnis
p. 58. e) Einhardi vita Karoli c. 7: ^quia Saxones et natura feroct» et
cultni daemonum dediti nostraeque religioni contrarü, neque divina neque
humana iura polluere rel transgredi inhonestam arbitrabantnr*^ Ferts S. 8. 2
p. 446. f) Alcuini ep. No. 37: ^durissimo Saxonum popuh.** g) Eigil
Tita Sturmi c. 7 berichtet, dafs Bonifacius zu Sturm gesagt habe, als
dieser eine Stelle ftkr Erbauung der späteren Abtei Iß^ulda ihm Yorschlug:
„locum quem repertum habetis, habitare vos propter viciniam barbaricae
gentis pertimeBCo; sunt enim, ut nosti, iliio in proximo ftrocts Saxonea*^
Pertz S.S. 2 p. 367. h) Poeta Saxo: „Saxonum naitura ferox et pef^ara
dura'* Pertz S.S. 1 p. 227. t) Vita Ludowici imperat. c 24: n<l^od hae
gentes (Saxones et Frisiones) naturali adsuefactae y«ri7a/0 talibus debe-
rent habenis coerceri, ne effrenes ferrentur in perduellionis procacitatem"
Pertz 2 p. 619. Aus älteren deutseben Gedichten fiihrt J. Grimm Geachiehte
der deutschen Sprache S. 625 an: k) Boland 65, 4: „die grimmin Sah-
sen'<; 184, 21: „die chaonm Sabsen'^; 258, 28: „die aUinharten Sabsea«".
/) Gudrun 366, 4; 1503, 4 und Lobengrin p. 150: ^wilde Sabsen^
m) Maerlant wapene Marteg 109: „en tri^ Sas^. Und über die Strenge
des Rechts sagt n) Wipo vita Euonradi c. 6 r,Us crude/iwttna Saxonum*'
Pertz S.S. 11 p.263 und o) Budolf. Translat. s. Alexandri: „Saxones legibus
ad vindidam malefactorum opiimis utebaniur, et multa utilia atque aecnn-
dum legem naturae honesta in monim probitate habere.^ Pertz 8. S. 2 p.675.
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329
In dem yon ihm «roberten Saehaeii fand König Karl vielfach
da Todesstrafen in Anwendung, wo nach fränkischem Recht Geld-
bniaen gezahlt werden konnten. Indem er einen Theil des in
Sachsen geltenden Rechts in der Lex Saxonnm codificirte, accom-
modirte er sich ihrer Rechtsauffassnng und liefs manche Todes-
strafe fortbestehen. Früher, zur Zeit der Publication der Gapitula,
handelte es sich, wie S. 170 erörtert wurde, nur um Organisation
des Landes als eines fränkisch -christlichen; alle übrigen Verhält-
nisse, namentlich die Wergelder für Tödtnngen, Verletzungen und
Verwundungen der Sachsen, sowie ihr ganzes Privatrecht, berührte
er in denselben mit keinem Worte. Seit 775 hatten die Saehsen
Treue geschworen und Annahme des Ghristenthums feierlich ge-
lobt. Für alle damit unvereinbaren Handlungen, die ihm nach
seiner Auffassung als die schwersten Verbrechen erscheinen
mnfsten, sah sich König Karl genöthigt, strenge Strafen zu be-
stimmen. Er proclaoiirte Todesstrafen, da er von Geldbußen
keinen Erfolg in einem Lande erwarten konnte, in welchem auf
den Diebstahl eines Pferdes und jeder nur 3 Schillinge werthen
Sache die Todesstrafe stand, und es ihm nahe lag, die Todes-
strafe, mit der die Heidentempel geschützt waren, auf die von
ihm errichteten Kirchen zu übertragen, da diese keine geringere
Ehre geniefsen sollten, als jene (Capitnla de part. Sax. o. 1). Bei
Berücksichtigung der angedeuteten Verhältnisse kann ich nicht
glauben, darin, dafs die von Karl proclamirten Strafen Todes-
strafen sind, liege ein Grund, anzunehmen, er habe nicht im
Jahre 775 oder 777, sondern erst im Jahre 785, nachdem ihn der
Aufstand von 782 gereizt, die Oapitula de partibus Saxoniae er-
lassen. Ich kann somit nicht Waitz beistimmen, wenn er, um die
Abfassungszeit der Oapitula zu bestimmen, sagt Verfassungsgesch*
3 S. 123: „das Gesetz athmet denselben Geist blutiger Strenge,
welcher in diesen Jahren (seit 782) alle Maafsregeln Karls durch-
drang ^^ Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs Karl durch die Nie-
derlage seines Heeres am SUntel (782) zu dem Blutbade an der
Aller verleitet wurde; schwer aber dürfte es zu beweisen sein,
wenn Waitz a. a. 0. S. 120 bemerkt: „bis dahin (782) sind die
Maafsregeln Karls nicht hart oder grausam gewesen '^ Und, was
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830
speoiell die Härte der Todesstrafen, nm die es sieh hier liandelty
anlangt, so mOchte ich es für fraglieh halten, ob den SaehseD
Karls systematische Zerstörung der IrminsKule beim Beginne des
Krieges im Jahre 772 nicht harter erschienen sein mab, als wenn
er in den Jahren 775 bis 777 ein Oesets erliefs, in welchem er
die Todesstrafe auf den Bruch der £ide setste, mit denen sie ihm
geschworen hatten, Treue su halten und Christen sn sein, snnuil
in Sachsen von Alters her auf Eidbruch die Todesstrafe gestan-
den SU haben scheint. Doch wer in aller Welt wird es nicht hart
finden, wenn Karl in den Capitula de partibus Saxoniae einen
Sachsen mit Todesstrafe bedroht, der am Glauben seiner VXter
festhSlt und sich im Lande verbirgt, um der Taufe der christ-
lichen Priester zu entgehen, oder einen, der seine Todten ver-
brennt und ihre Asche in den Heidenhttgeln beisetst? Aber Milde
charakterisirt überhaupt König Karl nicht; mit eiserner CUMiae-
quens verfolgte er sein Ziel; in Sachsen bestand dies in Unter-
werfung des Landes und der damit identischen Ausrottung des
Heidenthums. Dab Beides nicht ohne HXrte möglich sein werde,
mufs König Karl gewufst haben, ehe er den Unterwerfnngskrieg
gegen Sachsen begann; und su besweifeln, dalli er, nachdem er
das sSchsische Volk in den Jahren 772 bis 777 mit Gewalt nieder-
getreten hatte, nicht bereit gewesen sei, einige harte Todesstrafen
in die Capitula de partibus Saxoniae aufrunehmen, wenn ihm dies
sur Erreichung seines Zieles förderlich erscheinen mulktCi dürfte
allsu scrupulös sein.
Ich wiederhole: keinen Grund können mir die in den Oap.
de part. Sax. vorhandenen Erwähnungen der Todesstrafe gebeni
die Abfassung derselben erst 785, und nicht 775 oder 777
nehmen.
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331
Capitel IY. Abfassungszeit der Lex Saxonum.
|. 17. Die Lex Ist zwisehea 777 lad 797» vielleicht 785 abfefafst.
Die früheren Erörtenmgeii haben mir das Reenltai ergebeni
dafii die Lex Saxonam als ein sasammenhangendet, gleiohseitig
abgefafatea und pablieirtes Oansses betrachtet werden mofiii und
daCi dies nach den Oapitalis de partibns Saxoniae, dagegen vor
dem Capitttlare Saxonicnm vom Jahre 797 geschehen ist, indem
die Lex die Oapitnla benutzt und modificirt, selbst aber dnroh das
Gapitnlare Saxonicnm abgeXndert ist Bind aber, wie ich f^bte
annehmen zu können, die Capitnia de partibus Saxoniae bald nach
775, yielieieht 777 erlassen, so fXlIt die Abfassung der Lex in
die Jahre 777 bis 797.
Noch naher die Zeit der Abfassung zu begrenzen und anzu-
geben, in welchem der bezeichneten 20 Jahre die Lex abgeiafst
ist, fehlt es an festen Anhaltspuncten; doch möchte ich yermuthen,
dafs dies zwischen 785 und 797, Yielleicht schon 785 geschehen
sei. Dafs die Lex nicht unmittelbar nach den Capitulis in den
Jahren 775 bis 782 erlassen sei, wird man voraussetzen dürfen.
Nach der Besiegung der sXchsischen Erhebung von 782 aber, die
783 erfolgte, hatte Karl bis in den Juni 785 alle Theile Sachsens
mit Feuer und Schwert heimgesucht und das ganze Land auf das
gewaltsamste sich unterworfen. Vor dem Jahre 785 wird man
also an die Abfassung der Lex Saxonum nicht denken können,
zunächst darum nicht, weil sie sich nicht in der Art der Oapitnla
de partibus Saxoniae mit der Einführung des Ghristenthums be-
schäftigt und die äufseren Verwaltungsangelegenheiten des Landes
zu ordnen sucht, sondern auf die Verhältnisse seiner Bewohner
und selbst auf das Privatrecht eingeht. Dafs König Karl, indem
er im Juni 785 die Reichsversammlung zu Paderborn abhielt, sich
als Herr Sachsens wie nie zuvor fühlte und fühlen konnte, wird
allgemein anerkannt'); und dafür, dafs selbst seine heftigsten
») Vgl. S. 146.
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382
Gegner unter den Sachsen die Ueberzengnng hegten, von einer
neaen Erhebung Bei nichts mehr für die Befreiung des Landes
zu hoffen, ist vielfach die im Herbst 785 erfolgte Unterwerfling
und Taufe Widnkinds angeführt worden^). Seit dem Jahre 785
hatte er aber Veranlassung zum Erlafs eines derartigen Geaetses.
Es galt die gesammten inneren Rechtsverhältnisse neu zn ordnen,
indem die Oap. de part. Sax. dies nidit gethan , sondern ihrer
ganzen frfiher besprochenen Beschaffenheit nach nur die erste
Einrichtung des unterworfenen Landes betroffen hatten.
Die Jahre von 785 bis 797, vor welchem die Lex abgefaiat
sein mufs, da in ihm das jüngere Capitnlare Saxonicum erlassen
worden ist, zerfallen in zwei einander schroff gegenüberstehende
Perioden, in sieben Friedensjahre von 785 bis 792, in denen
Sachsen ruhig unter friinkischer Herrschaft stand, und in fünf
Jahre offnen Kampfes von 792 bis 797, an deren Schlub es erst
König Karl gelang, das Land wieder zu einer allgemeinen Unter-
werfung zn zwingen.
A, Die sieben Friedensjahre folgten auf den Reichstag zu
Paderborn im Jahre 785, nachdem der verzweifelte Versuch Widn-
kinds vom Herbste 782 und Frülgahr 783 die Herrschaft Karis
in Sachsen zu brechen, durch die schweren Niederlagen des Jahres
783 gescheitert war, und König Karl Sachsen im Jahre 784 und
Frühjahr 785 in allen Theilen nach langen Verheerungen mit
Xufserster Anstrengung unterjocht hatte. Mag nun die Erschöp-
fung des Landes die Ruhe der folgenden Jahre herbeigeftihrt ha-
ben, wie oft gesagt worden ist, oder mag die Erinnerung an die
eben er^rene üebennaeht Karls und die schweren Erlebnisse
der letzten Jahre jeden Gedanken an einen neuen Aufstand nieder-
gehalten haben und erst allmählich wieder der Glaube an seine
ünbesiegbarkeit zurückgetreten sein, jedenfalls beherrschte es
König Karl in den Jahren 785 bis 792, ohne dafs das Geringste
von neuen Aufstünden verlautet Kachdem der König 785 dem
Willehad die Fortsetzung der 780 von ihm begonnenen Missions-
thitigkeit an der Niederweser aufgetragen hatte, machte er ihn
787 zum Bisehof, und Willehad weihte 789 eine Kirehe zn Bre-
>) Vgl. S. 146.
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333
fky die der MUtelpanct eines BiBthnmes werden tollte. In den
Jahr^ 787, 789 und 791 sogen die Sachsen nebst den Friesen
in König Karls Heere gegen Tassilo in Baiem, gegen die Wilsen
aaf dem reehten Elbufer in der Mark und gegen die Avaren an
der Donau unterhalb der Ens'); im Jahre 788 verurtheilten Saoh*
sen neben Franken, Langobarden und Baiem su Ingelheim den
Tassilo zum Tode'). Als Karl im Jahre 789 den Zug gegen die
Wilson beschlossen hat, berichten die Annal. Lauriss. ad 789:
„Bhenum ad Coloniam transtens, una cum consilio Francomm et
Saxonum perrexit per Baxoniam; usqae ad Albiam fluvium venit,
ibique duos pontes constmxit ... Et fberunt com eo in eodem
exereitn Franc! , Saxones; Frisiones autem navigio per Habola
fioTinm cum quibusdam Francis ad eum coniunxerunt^' Ports 1
p. 174. Die Angaben sind leicht yerständlich. Das fränkische
Hauptheer mit den sächsischen Truppen ging auf swei Brücken
ttber die Elbe; ein anderes, bestehend aus Franken und Friesen,
fuhr die Havel hinauf. Unfafsbar ist es, wie Ledebur Kritische
Beleuchtung S. 115 die richtige Erklärung von Pertz, dafs unter
Habola die Havel gemeint sei, verwerfen und die in die Zuiderzee
mttndende Yssel verstehen kann^), die obendrein nie einen ähn-
lichen Namen geführt hat^).
1) Geg^n Tusilo UJst er im J. 787 drei Heerhsufon anrfieken : „nimm
exerdtam iussit fiori, id est Franci AustrMiorum , Turingi, Saxones, et
caniungere super Banubium fluTiam in Faringa** Ann. Lauriss. ad 787 : Perta
1 p. 172; deegL Ann. Einh. Ferts 1 p. 173.
*) Ann. Lauriss. ad 788: ^Franci et Baioarü, Langobardi et Saxo-
nes, Tel ex Omnibus proTincüs qui ad eundem sinodum (in Ingellieim) oon-
gregaii fherunt, indicaverunt Tassilonem ad mortem." Pertz 1 p. 172.
*) Ledebur wird zu seiner falsehen Erkl&rung dadurch Terleitet, dals
in den Worten einer Eltener Urkunde: ^teloneum in flumine Isola, quod
dicHur Hactol^ eine Abschrift das Wort Hac-tol (das ist ein Zoll an einer
Wehre) in der Yssel in Habdol verunstaltet hat, und meint, dais hierin die
Habola au erkennen sei, der Fluls, dureh welchen die Friesen 789 mit Karl
gegen die Wilsen m Felde zogen.
*) lieber die Ereignisse des J. 791 beriehten die Ann. Lauriss. a. 791 :
^rex ad Segaoesburg perrenit, ibi exereitnm suum ooniunxit, ibique consilio
peracto Francomm, Saxonum, Frisonnm disposnerant propter nimiam
malitiam, quam feoerunt Avari contra s. ecdesiam Tel populnm christiannm,
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B. Saehseii im Aafttande 792 bis 797. Die Yenm-
laasang sa einem nenen siehBiaehen Aubtuide im Jahre 792
kennen wir nieht'); er brach damit aoB, da(a die Sachsen einen
Heerhanfen unter Graf Theoderieh, anf dem linlcen Wesemfar
unterhalb Bremen im friesischen Rttstringen ttberfielen und anf-
rieben*). Der KOnig erhielt die anerwartete Nachricht in Baiem.
Erst im Sommer 794 konnte er Maabnahmen gegen Sachsen er-
greifen; er selbst drang von Osten her mit einem Heere in Sadmen
ein, während er seinen Sohn Karl mit einem andren von GOln
ans yorgehen liefia; die Sachsen hatten ihn im Sinotfeld erwartet»
unterwarfen sich aber ohne Kampf seiner üebermacht, schworen
Treue und stellten Geilseln*). Der Anbtand in Sachsen war jedoeb
nicht gedSmpft^). Im Jahre 795 log Karl von Mains aus mit einem
groben Heeren Sachsen verwüstend*), bis nach Bardewick, wo
unde instieiaiii per missos impetnure non ▼Aluenmt, iter peragendL^ Perte 1
p« 176. Der Angriff auf die ATuren erfolgte so, dals Karl mit dem Haapi-
beer Auf das rechte Donaaufer rordrang, dagegen auf dem linken: B^azo-
nes cum quibusdam Francis etmazime plurima parte Frizonum^ Ann. Lauriss.
p. 176. Der Rftokmarsch der letzteren ging daroh Böhmen: „Saxones
autem et Frisiones cum Theoderico et Megenfrido per Behaimos domam re-
gressi snnt.^ Ann. ESinh. p. 177.
*) Ohne dals irgend ein Anhalt in den Quellen sei, gehen neuere
Bfloher Gr&nde an, i.B. HaTemann Brannsohweig. LSneh. Gesch. 1 p. 10:
„ToU Zorn, dafs ihnen zum zweiten Mal die Verpflichtung auferlegt wurde,
den Franken in den Avarenkrieg zu folgen, griffen die Sachsen 792 zum
Schwert.«'
*) AnnaL Einh« ad a. 798: ^attatum est copias, quas Theodericus Co-
rnea per Frisiam ducebat, in pago Hriustri inzte Wisnram fluTinm a Sazo-
nibus esse interceptas alqne deleias, .... allata erat Sazonum omnimod*
delectio'' PerU 1 p. 179. VgL Ann. Laurias, ad a. 793 Porta 1 p. 178.
*) Annal. Sinh. ad a.794 Porta 1 p. 181. Ann. Lauriss. PerU 1 p. 180,
«) Es ergiebt sich dies ans Karis Zng nach Sachsen im J. 795. Die
AnnaL Lauriss. leiten den FeMzug des J. 795 mit des Worten ein: „andieaa
Qm Maina), quod Sazonee mere solilo premissionem snam, quam d* habend«
christianitate et fide regia tenenda feoerani, initam fSsasseni, cum ezeroita
Sazoniam ingressus est'* Porta 1 p. 180.
*) Ann. Einh. ad a. 795: ^cum ezercitu Sazoniam ingressus, peae
totam populando pengmTit*' Perta 1 p. 181. VgL Ann. Lauriss. ad 795
PeitB 1 p. 180.
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336
ihn der Fürst der Obotriton aaftaeheii wollte. Diesem legten die
Sadäiaen beim üebersetieii ttber die Eibe einen Hinterhalt nnd
ermordeten ihn. Das erbitterte Karl, er liefe das Land weit nnd
breit verwltoten nnd nahm die ihm gestellten Gtoifseln mit sieh
über den Rhein ^). Im Sommer 796 setste Eourl die Verheerung
Sachsens fort, indem er es mit Heeresmassen durchzog*). Gleiches
that er im folgenden Sommer 797. Doch gelang es ihm jetzt
endlich I nachdem er das Land in allen Richtungen durchzogen
und bis an das Land Hadeln an die Huberste Nordktiste Sachsens
zwischen Elbe und Weser vorgedrungen war, ganz Sachsen wieder
zur Unterwerfung zu bringen. Er kehrte, nachdem er sich Qeifseln
hatte stellen lassen, ttber den Rhein zurück, hielt es aber fttr
nothwendig, um den Krieg nicht wieder ausbrechen zu lassen,
in Sachsen Winterquartiere zu nehmen, und bezog deswegen im
November 797 ein Lager an der Weser, an einer Stelle, die mit
dem Namen Heri-stelli bezeichnet wird, während er sein Heer
durch das ganze Land vertheilte. Den ganzen Winter beschäftigte
er sich mit Regelung der sächsischen Verhältnisse.
Anmerkung über die bisherigen Aneichten über die
AbfaesungezeU der Lex Saxonum.
1. Vor Karl dem Grofsen wollte Lindenbrog die Lex
Saxonum abgefafst wissen: jener Zeit entspräche ihr Inhalt, nnd
es entscheide dafür, dafs die Handschrift, nach der seine Ausgabe ver-
anstaltet sei, vorkarolingisch wäre*). Ihm entgegnete bereits Grupen
^) Ann. Einh. ad a. 796 : „terra igitur magna ex parte vastata et ob-
lidibus quos dare juMorat acceptis'' Perts 1 p. 181. Ann. Lanriss.: „afflietis
magna ez parte Saxonibus eorumque terra yastata, aoceptü eonun obsidibna^
Perti 1 p. 180.
*) Ann. Lauriss. ad 796: „rez oolleotüi ezereitibu« suis Sazoniam in-
greesus est; ... et peracts Sazonia cum integre ezercitu in Gallias se re-
oepit^ Perts 1 p. 182; Ann. Einbardi ad 796: f,eaia ezercitu Francomm
Sazoniam petüt . . ., Sazonia ex magna parte rastata, ad biemandnm Aquis-
granun revertitiir.^ Perts 1 p. 183.
*) Lindenbrog Codez legum antiquarum 1613 flüirt in den Prolegomenis
an, dab die von Adam Ton Bremen, Albert von Stade und Helmold er-
wähnten Leges, die dw D&nenk6nig Harald den Sachsen gegeben habe,
nicht in der erhaltenen Lez Sazonum zu suchen seien: „Haraldi legea re-
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in der Praefatio ad legem Saxonam (gedruckt in 8pangenberg8 Bmtrigen
Bu den teatschen Rechten des liittelalters S. 191), dafii ein so hohes Alter
für die Lex unmöglich behauptet werden könne, da sie das Obriateii-
thum und den fränkischen König erwähne. Aber auch daran ist nicht
zu denken, dafe die von Lindenbrog benutzte Handschrift der Lex
Saxonum in der Zeit vor Karl dem Greisen geschrieben sei. Nach der
oben S. 79 — 84 mitgetheiiten Vergleichung der verschiedenen Texte
ist der von Lindenbrog benutzte Codex kein andrer als der einst Pithoe
gehörende, dessen die Lex Saxonum enthaltender Theil jetzt als Span-
genbergische Blätter bezeichnet und im Brittischen Museum aufbewahrt
werden ; Jener Codex ist aber gegen Ende des neunten oder im zehn-
ten Jahrhundert geschrieben, s. oben S. 21.
Anführen will ich, dafs Jacob Grimm Geschichte der deutschen
Sprache 1848 S. 269 änfsert: „die Lex Saxonum enthält zwar Bestim-
mungen, welche erst für das bekehrte und christliche Volk getroffen
werden konnten; gleichwohl wäre denkbar, dafs der Erneuerung
unter Karl dem Grofsen schon eine ältere Fassung vor-
herging. Wlitiwam c. 5 ist ganz dem Ausdruck der Lex Thuringo-
rum c. 23 gemäfs". Grimm behauptet damit nicht direct, dafs in der
uns erhaltenen Lex Saxonum Stücke aus einer älteren vor Karl dem
Grofsen niedergeschriebenen Lex Saxonum angenommen seien. Mag
man es für möglich halten, dafs eine vorkarolingische geschriebene
Lex Saxonum existirt habe, so haben wir doch keinen positiven Grund
zu einer solchen Annahme; gewifs kann ein solcher nicht darin ge-
funden werden, dafs in unserer Lex Saxonum einzelne ältere deutsche
technische Ausdrücke, wie Wlitiwam, das ist Haut- Verletzung, vor-
kommen, die lange vor Aufzeichnung einer Lex in Sachsen existirt
haben werden, wie sie noch Jahrhunderte später im Volksmunde lebten.
centiores üb esse, qaas in hoc Codice edidimus, cerium est: hanim et meni-
bra&ae et manns Caroli illius Magni tempori antecedere ridentiir; tum quo-
que leges ipsas plane consimiles reliquia eins aevi legibus esse apparei.
Quibus accedit, quod Widiohindus monachus, quem ante Haraldom fixisse
constat, legem Saxonicam diligenter descriptam inveniri testatur; quae tarnen
tota ad nos non penrenit, nam Adamus Brem. Hist. Eod. 1. c 5 scribit:
quatuor düFerentüs gens Saxonum oonsistit, nobilium scilioet et liberoniin
libertorumque atque servorum; et id legibus finnatum, ut nuUa pars in
oopulandifl ooniugiis propriae sortis tenninos transferat, etcet. In lege Saxo-
niea nunc quidem tale nü leg^tur. Tunc quoque Hennannus de hostibus,
qui fines alienas eontra leg^ inrasissent, iuxta leges gentis suae eapitale
se supplicium sumptnrum minatur. Lambert. Soafnab.;^ etc.
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2. Kars vor dem Jahre 780, meinte Orup'en, mOge die
Lex Sftxonam yerfafst sein, vgl. Praefstio ad legem Saz., gedruckt
ia Spangenbergs Beiträgen 1832 p. 192. Grupen^) nimmt an, die Lex
sei älter als die Ton ihm ins Jahr 780 gesetzten Gapitula d^ partibns
Saxoniae, die Capitata bezogen sich auf sie. Lange vor 780 könnte
aber die Lex nicht wohl abgefafst sein, da in ihr das Christenthnm
nnd die Frankenherrschaft anerkannt werde und erst unmittelbar vor
780 die ChristianisiruDg und Unterwerfung Sachsens erfolgt sei. —
Dals die Lex die Gapitula, nicht umgekehrt die Gapitula die Lex be-
natzten, habe ich p. 112. 118 ausgefahrt lieber die Verhältnisse Sach-
sens im Jahre 780 ist das oben p. 136. 166 Angefahrte zu vergleichen.
Wie sich Grupen die Lex unmittelbar vor 780 abgefafst denken, nnd
die Gapitula ungefähr gleichzeitig ins Jahr 780 setzen kann, welche
die Lex benutzt haben sollen, erhellt nicht.
3. Vor dem Jahre 788 soll nach dem älteren Biener und
Spangenberg „ein geschriebenes sächsisches Rechtsbuch ,- die Ewa
Saxonam, existirt haben", vgl. Spangenberg*) Beiträge zu den teutschen
Rechten des Mittebüters 1822 p. 181. Diese Annahme grttndet sich
daranf, dals 788 die Gapitula de partibus Saxoniae verfafst seien, und
in ihnen c. 33 stehe: „secundum legem Saxonorum sit*', unter dieser
Lex aber nicht Gewohnheitsrecht sondern eine geschriebene Lex zu
verstehen sei. In keiner Weise ist aber constatirt, da(s in jener Stelle
mit dem Ausdruck Lex Saxonorum ein geschriebenes Gesetzbuch ge-
meint sei. Vielmehr ist wahrscheinlich in den um 777 zu setzenden
Gapitula darunter Gewohnheitsrecht verstanden, s. p. 115 Note 3. Und
so entbehft diese Ansicht jeder Stütze.
4. „Einige Jahre vor 800'' soll nach Falck Encyklopädie
§. 112 die Lex Saxonum verfafst sein, wie Gaupp Recht und VerfSusung
der alten Sachsen p. 46 anführt, weil in der Lex Sax. c. 24. 62. 64. 65
von einem rer Francorwn die Rede ist, er nicht imptraior genannt wird.
Es heiist in cap. 24: „qui in regnum vel in regem Francomm vel filios
eins de morte consiliatus füerit*' etc. Da dies Argument nur gegen eine
Abfiusung nach 800 spricht, so kann ihm zu Folge die Lex eben so
gut Am 785 als „einige Jahre vor 800^ abgefa&t sein.
5. In die Jahre 802, 803 oder 804 setzen die meisten Neueren
die Abfassung der Lex Saxonum. Ich nenne Gaertner Saxonum leges
tres 1730 p. U (ins Jahr 803), Eichhorn Deutsche Staats- und Rechts-
») Vgl. oben p. 127 Note 3 und p. 115 Note 1.
^ Sieh» p.97 Note 1 und p. 115 Note 1.
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Gesohichte 1. §. 144. 146 (in die Jahre 802 oder 808), Kraat Orandrifs
zn Vorlesungen fiber das deutsche Privatrecht p. 26 („wahrscheinlieh
m2% Ganpp Recht nnd Verfassung der alten Sachsen 1837 p. 47. 53
(sie möge 802 oder 804 verfafst seiu), Pertz Mon. Germ. Leg. 1. p. 106
(im October 802), Wilda Strafreoht p. 101, Seibertz Landes- nnd
Rechts-C^eschichte des Herzogthums Westfalen 1860 1. p. 290. Za den
Vertretern dieser Ansicht kann man in gewisser Weise aach die z&hlen,
welche mit Merkel Lex Saxonum 1853 p. 6 eine Znsammensetsnng
der Lex Saxonum aus drei snccessive verfaßten Stücken annehmen,
die 802 diejenige Fassung erhalten hätten, in der die Lex bei Herold
gedruckt ist, vgl. oben p. 97-- 126. Diese Meinung^ theilen Walter
Deutsche Rechtsgeschichte (2. Aufl.) 1857 1. p. 163. §. 156, Siegel Ge-
schichte des deutschen Gerichtsverfahrens, Gleisen 1857, 1. p. 289,
Waitz Deutsche Verfassungsgeschichte 1860 3. p. 111, Abel Jahr-
bücher des fränkischen Reichs unter Karl dem Greisen 1866 1. p.344.
Die Gründe, die mich bestimmen, die Annahme einer solchen Zusam-
mensetzung der Lex Saxonum aus drei zu verschiedenen Zeiten in den
Jahren von 782 bis 798 verfafsten Theilen zu verwerfen, habe ich
oben ausführlich dargelegt. — Für die Abfassung der Lex Saxonnm,
wie sie uns vorliegt, in den Jahren 802, 803 oder 804 lassen sich die An-
hänger dieser Ansicht bestimmen: a) durch die Angabe der Annales
Laureshamenses a. 802 und der Vita Karoii von Einhard c. 29, Kaiser Kari
habe im October 802 das Recht aller Volksstämme seines Reichs, sofern
es ungeschrieben, aufzeichnen, sonst aber ergänzen und verbessern lassen;
da sich dieser Bericht nicht speciell auf Sachsen bezieht, so berechtigt
er allein nicht ein im Jahr 802 erlassenes, die Lex Saxonum ergän-
zendes Gesetz anzunehmen, noch weniger aber zu meinen, dab die
Lex Saxonum selbst, für deren Abfassung in einer früheren Zeit reelle
Gründe vorhanden sind, damals aufgezeichnet worden sei; vgl« unten
p. 352. 353; b) durch die Benutzung der Capitula de partibus Saxoniae in
der Lex Saxonum; sie setzen die Capitula ins Jahr 785 und folgern
daraus für die Abfassung der Lex eine spätere Zeit als 785; dafe die
Lex jünger sei als die Capitula, halte auch ich für unzweifelhaft, nehme
aber die Abfassung der CapituU etwa 777 an; c) durch angebliche
Benutzung des CapituUre Saxonicum von 797 in der Lex; diese An-
nahme beruht darauf, dafs die Zusätze am Schlufs des Capitels 66 der
Lex im Corveier Manuscript und in der Ausgabe von du Tillet nicht
als spätere Zusätze betrachtet werden; da dies aber, wie oben p. 26—47
gezeigt, geschehen mufs, so wird dies Argument hinfällig; die ange-
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•teilte Vergleiohnng der BeetimmaDgen der Lex and des Gapitolare
Sazonioam nOthigt mich vielmehr, die Lex nicht nach, eondem vor 797
SU seilen, s-p. 28. 44. 46. 34. 807. Ml. 346. d) Uebereinstimmung der im
e. 5 der Gapit in 1. Ribuar. mitt. a. 803 (Pertz Leg. L p. 177) von K5nig
Karl angeordneten Satzungen mit dem Inhalt der Cap. 51—53 der Lex Sax.
bemerkt Wilda Strafrecht p. 658: für ihn liegt somit eine Bestätigung
der von ihm um 802 angenommenen Abfassung der Lex vor 803 darin.
Nichts hindert aber eine noch frühere Abfassung der Lex und eine directe
oder indirecte Benutzung des in derselben c. 18 u. 50—53 Bestimmten
in den Gapitula in 1. Rib. mitt. von 803 anzunehmen.
6. Nach Karl dem Grofsen sei die Lex Saxonum verfafst,
behauptete Luden Geschichte des tentschen Volkes Bd. 5. p. 56. Seine
nichtigen Orfinde widerlegt Gaupp Recht und Verfassung der alten
Sachsen p. 44. Loden wollte die Abfassung der Lex etwa in die Zeit
des Kampfes der Steliinga (vgl Nithard. Eist IV. c 2-6 Pertz SS. 2.
p. 667 ff.) versetzen, also unter Lothar ins Jahr 842. Früher könne
der nach seiner Meinung von Karl dem Greisen eingesetzte sächsische
Adel oder Herrenstand keine solche Stellung gewonnen haben, wie sie
sich in der Lex Saxonum zeige; femer, meint er, setze die Androhung
von Todesstrafen auf Verbrechen gegen seinen Herrn, dessen Kinder,
Frau oder Mutter, wie sie Cap. 25 und 26 aufstelle, Zustände von Ge-
waltthStigkeit voraus, wie sie nur in jener späteren Zeit anzunehmen
seien; dafs die Strafen der Lex grofsentheils bereits in den Gap. de
part. Sax. enthalten sind, sucht Luden dadurch abzuschwächen, dais
er sie ins Jahr 804 herabrflekt Eine Widerlegung dieser ziemlich will-
kürlichen Voraussetzungen und Ansichten scheint mir nicht erforderlich.
Ohne nähere Begründung äufsert auch v. Daniels Handbuch der deut-
schen Reichs- und Staatenreohtsgeschichte 1859 1. p.269, dafs die Lex
„wahrscheinlich jünger sei als 802".
7. Um 984 sei die Lex Saxonum durch König Harald von
Dänemark erlassen, meinte Speimann Glossar s.v. Lex Saxonum;
vgl. dagegen Lindenbrog in der oben S. 336 Note 3 angeführten Stelle der
Prolegomena zu seinem Codex legum antiquarnm, Gaertner Saxonum
Leges tres p. 10 und Grupen in Spangenbergs Beiträgen p. 192. Die Be-
richte des Adam von Bremen, Albert von Stade und Helmold, dafs König
Harald von Dänemark den Übereibischen Sachsen und Friesen Gesetze
gegeben habe, können sich unmöglich auf die alte Lex Saxonum be-
ziehen, da sie fUr Westfalen, Engem und Ostfalen erlassen wurde und
ihr Inhalt eine viel ältere Zeit berücksichtigt und zur Voraussetzung hat.
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1. 18. Das CapitnUre Saxoirieaiii von 797.
Mitten in die im §. 17 erzlChlten Ereignisae des Jalirea 797
fällt daa Capitulare Saxonicam, durch welches K5nig Karl den
Inhalt deF Lex Saxonum modificirte. Es ist vom 28. October 797
datirt. In der Pfalz zu Aachen hat es König Karl erlassen ^) im
Beisein von Bischöfen, Achten und Grafen, „indem Sachsen,
ans den verschiedenen Gauen der Westfalen, Engeren
und Ostfalen versammelt, allerseits zustimmten*'.
Es geschah dies also in der kurzen Zeit, die König Karl im
Herbst 797 in Aachen zubrachte, nachdem er durch strenge Maafii-
regeln im Sommer 797 Sachsen nach fünfjährigem Aufstand wieder
unterworfen und sich hatte Geifseln stellen Ussen, und ehe er im
November 797 an die Weser zurückgekehrt war, um durch seine
und seines Heeres Anwesenheit im Lande während des Winters
einen neuen Ausbruch des Kampfes unmöglich zu machen.
Die Art, wie das Capitulare Saxonicum abgefafst ist, ver-
dient nicht übersehen zu werden. Nach fünfjährigem Aufstand
Sachsens hält König Karl, nachdem sich das Land ihm wieder
unterworfen hat, einige gesetzliche Bestimmungen für die weitere
Verwaltung desselben flir nothwendig; er erläfst sie sofort, nach-
dem er einige Sachsen aus Westfalen, Engem und Ostfalen nach
Aachen hatte kommen lassen, um ihn zu berathen. Es fällt Karl
nicht ein, erst einen Reichstag in Sachsen oder eine Beruhigong
des Landes abzuwarten*), wie denn das Frttl^ahr 798 auch neuen
') Der Anfang Uutot: „Anno ab incarnatione domini nostri Jcsn Christi
797, et 30 ac 22 regnante domino Carolo praeceUentissimo rege, conve-
nientibus in unum AquU palatio in oius obsequio venerabilibos episeopis et
abbatibu8 seu inlnstris viris comitibus 5 Kalendas NoTembris, simolque oon-
gregatis Sazonibus de dirersi« pagi», tarn de Westfisüahis et Angrariis, quam
et de Ostfalahia, omnes unanimiter con^enserunt.^ Perti Leg. 1 p. 75.
^ Ohne nähere Berücksichtigung des Inhalt« des Capit. Sax. und
dessen, was wir über die Zeit seiner Abfassung wissen, sag^ Seibertz Landes-
und Bechtsgesch. des Herzogth. Westfalen 1 p. 207 : „ Es dauerte bis zum
Jahre 797, ehe das Land diesseits der Eibe und Weser soweit unterworfen
und wieder beruhigt war, dafs durch das Capitulare Saxonicum die begon-
nene Orglinisation weiter ausgebildet werden konnte.''
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341
Aufstand im nOrdiichen Sachsen herbeiführte. Wie Karl hier han-
delte, kann er auch bei Publication der Capitnla de partibus Saxo-
niae in dem Jahre 775 oder 777 und bei der de^ Lex Saxonum
nach 785 yerfahren sein; bei keinem der beiden Gesetse haben
wir irgend eine Angabe, dafs sie auf einer Reichsyersammlung
in Sachsen berathen worden sind, und wenn man das für nicht
unwahrscheinlich halten mag, so ist eine derartige Voraussetsung
doch zu unsicher, um auf sie eine Ansicht Über die Abfassungs-
zeit beider Gesetze zu basiren.
Neuere haben das Capitulare Saxonieum von 797 in mancher
Beziehung anders gefafst, als es hier geschehen und es sein In-
halt an sich verlangt, weil sie von der Voraussetzung ausgingen,
es sei vor der Lex Saxonum erlassen worden ^), während die oben
besprochene, im Capitulare Saxonieum enthaltene weitere Aus-
führung der Bestimmungen des letzten Capitels der Lex Saxonum
über den Werth der Zahlungsmittel beweist, dafs die Abfassung
der Lex Saxonum der des Capitulare Saxonieum vorausging.
Bei der Wichtigkeit des Verhttltnisaes des Capitul. Saxonic. zur
Lex Saxonum für die Ermittelung der Abfassungszeit der Lex
Saxonum mufs ich hier aber von dieser Auffassung ausgehend
einen Blick werfen auf die Hauptbestimmungen des Capitulare
Saxonieum und ihr Verhältnifs zu den Bestimmungen der Lex
Saxonum.
Der Punct, der insbesondere durch das Capitulare Saxonieum
hat nSher geordnet werden sollen, ist die H5he der zu zahlenden
königlichen Bannbufse; der gröfsere Theil des Capitulare bezieht
sich auf sie.
lieber die Geschichte des Königsbannes hat nach Montag
Staatsbürgerl. Freiheit 1. p.92 u.Woringen Beitrüge 1. p.l61 gründ-
lich gehandelt Wilda Strafrecht p. 460. 469-482. 509; aufser ihm
sind noch zu vergleichen Waitz Verfassnngsgeschichte 2. p. 536
und 3. p. 275 und Walter Deutsche Rechtsgeschichte 1. p. 63
§. 60 und 2. p. 383 §. 716.
1) Vgl. WildE Strafrecht p.477 und Wait« Verfassungsgesch. 3 p. 130.
Die Ansicht von Seihertz l p. 194 ist durch das Capitulare nicht gerecht-
fertigt.
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Die Lex Saltca kennt keine Bannbufse von 60 ßolidi (Wilda
p. 481); in der Lex Ripaarioram 58^ 12; 60, 3; 65, 1. 3; 73,
1. 2. 4; 87 begegnet sie (Wilda p.480. Waitc 2. p. 536), sowie in
der Deeretio Childeberti von 596 cap. 9 Pertz Leg. 1. p. 10, die,
wie Eichhorn Bechtsgesohichte §. 38 Note 1, dem Waitz 2. p. 84
beistimmt, annimmt, in der Lex ßipnarioram benotet ist Wir
finden sie ferner in der Lex Alamannomm 4 Perts Leg* 3.
p. 47 (s. Wilda p. 471 und Waitz 2. p. 537 Note 1). Nach der
Lex Baiawariomm werden 40 statt 60 8oiidi gebttrst (s. Wilda p.463
nnd Waitz 2. p. 537). Der Bannbnfse von 60 Solidi geschieht femer
Erwähnung in einem Gapitulare Pippins von 757 c. 22 Perts Leg.
1. p. 29, nnd in einem Capitnlare Karls von 782 c. 10 Ports
Leg. 1. p. 44.
König Karl führte die Bannbufse von 60 Solidi in den von
ihm unterworfenen Ländern ein:
In Sachsen durch die Capitula de partibus Saxoniae e. 31
Pertz Leg. 1. p. 48, also wie ich yermuthe in den Jahren 775
oder 777, nnd im Einzelnen näher bestimmt durch das Capitnlare
Saxonicum von 797 Pertz 1. p. 75.
In Friesland in derselben Zeit, indem im zweiten Theil
der Lex Frisionum ni, 8. 9; XIV, 7 der Bann von 60 Solidi er-
wähnt wird, dieser Theil aber nach der Unterwerfung des ost-
laubachschen Friesland durch Karl den Orolsen, die gleiphaeitig
mit der Sachsens erfolgt war, erst aufgezeichnet sein kann. Wenn
ich in meiner Ausgabe der Lex Frisionum vermuthete, daCs der zweite
Theil dieses Gesetzes 785 verfalst sei, weil ich mit Pertz annahm,
dafs die Capitula de partibus Saxoniae 785 erlassen seien, so ist
dies nicht entscheidend, da nach den oben gegebenen Erörterungen
die Abfassung der Capitula nicht 785 sondern bald nach der 775
erfolgten Unterwerfung Sachsens in die Jahre 775 oder 777 zu
setzen ist. Da aber, wie oben bemerkt, die Abfassung des zweiten
Theiles der Lex Frisionum nach der Unterwerfung des ostlaubaoh-
schen Friesland also nach dem Jahre 775 erfolgt ist, so spricht die
unten p. 350 Note 2 anzuführende üebereinstimmung ihres Inhalts
mit dem der LexSaxonum dafür, dafs sie in den folgenden Jahren, und
etwa in demselben wie die Lex Saxonum also vielleicht 785 erfolgt ist
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343
In der Lombardei im Jabre 801; vgl. Capitnl. I^angob.
a. 801 Perts Leg. 1. p. 83.-
In Baiern im Jabre 803; vgl. Gap. ad leg. Bai. c. 1 — 3
Pertz Leg. 1. p. 126.
Betracbten wir die Bannbnfsen fUr Sacbaen in den Gapitnla
de partibus Saxoniae, in der Lex Saxonum und in dem Gapitnlare
Sasonicum von 797.
Wie in anderen germaniseben Gesetaen erscbeint in ibnen
neben der grofsen Bannbofse von 60 Solid! eine kleinere: die
Gapitnla de partibas Saxoniae setzen diese, indem sie die frän-
kisebe grofse Bannbulse von 60 Solidi in Sacbsen einflibren, auf
15 Solidi fest, gleicbwie bei den Franken damals 15 Solidi als
kleine Bannbnfse galten; in der Lex Saxonum erscbeinen 12 So-
lidi als die kleine Bannbufse; und diese ursprUnglicb säebsiscbe
kleine Bannbufse wiederbolt das Gapitulare Saxonicum; es labt
diese binfUro in Sachsen Überall da eintreten, wo nacb fränki-
sobem Recht die Bannbufse von 15 Solidi galt; in gewissen
Fällen soll sie aber vervielfältigt werden, wie das Gapitnlare dies
auch in Betreff der grofsen Bannbufse von 60 Solidi als statthaft
hinstellt, indem es zugleich die acht Fälle vorschreibt, in denen nacb
damaligem fränkischem Recht die grofse Bannbufse von 60 Solidi
erhoben werden solle. Die Bestimmungen der sächsischen Oesetae
sind im Einzelnen folgende:
a) Die Gapitnla de partibus Saxoniae verordnen c. 16.
24. 25. 26. 28 für einzelne Fälle: „nostrum bannum persolvat^
und im cap. 31: \,,dedimus potestatem comitibns bannum mittere
infra suo ministerio de faida vel maioribus causis in solidos 60;
de minorlbus vero causis comitis bannum in solidos 15 consti-
tuimus*'. Sodann bestimmen c. 20 und 21, dafs wegen einer un-
erlaubten Ehe, sowie wegen heidnischer Verehrung von Quellen,
Bäumen und Hainen der Nobilis 60 Solidi zahle, das ist die
grofse Bannbufse, der Ingenuus 30 Solidi, das ist die Hälfte, und
der Litus 15 Solidi, d. i. das Viertel der grofsen Bannbufse.
Ebenso verordnet c. 19, dafs wer seine Kinder innerhalb eines
Jahres nicht tauft: „si de nobile genere fuerit, 120 solidos
fisco conponat, si ingenuus 60, si litus 30", d. b. der
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Edeling soll die doppelte grofse Bannsomme uthlen, der Freie
aber die Hälfte und der Lite den vierten Theil der vom Edeling
gezahlten doppelten BannbufseO- — Die kleine Bannbnfae
von 15 Solidi; die das angeführte Cap. 31 neben der groCBen
von 60 Solidi einführt, hat nach Gap. 32 sn entrichten, wer, vor-
geladen um einen Eid zu leisten, sich weigert zu schwören. —
Aufserdem gedenkt Cap. 27 einer Bannbufse von 10 Solidi').
h) Die Lex Saxonnm nennt nicht ausdrücklich die Bann-
bufse von 60 Solidi, meint sie aber offenbar in Gap. 23, in-
dem sie nach Verhängung einer Todesstrafe für den, der einen
Menschen in der Kirche oder auf dem Wege zur Kirche an einem
Feiertage tödtet, hinzufügt: „si non occtderit, tamen insidias fe-
cerit, bannum solvat de reliquis*'. Daneben kennt die Lex die
kleine Bannbufse von 12 Solidi, indem sie in Gap. 36 bestimmt,
dafs ein Dieb bei einem kleinen Diebstahl neunfachen Ersats
gewähren solle: „etprofredo, si nobilis fuerit solides 12,
si über 6, si litns 4*^. Man hat gemeint, die hier erwähnte kleine
Bufse von 12 Solidi sei in Sachsen erst durch das sie specieller
erörternde Gapitnlare Saxonicum von 797 eingeführt worden, und
hat darin eine Benutzung des Gapitnlare Saxonicum durch die Lex
Saxonum, und ein Zengnifs für eine spätere Abfassung der letzteren
finden wollen. Das Gapitnlare Sax. von 797 c.4 bezeugt aber
ausdrücklich, dafs diese Bufse von 12 Solidis eine altsäch-
sische Bufssnmme war, bei der König Karl gestattete, dals
sie femer in herkömmlicher Weise von den Pagenses bei Ver-
urtheilungen und Bestrafungen erhoben werde, .in Sachen, die sie
durch ihr Urtheil erledigten'). Das Gapitel 4 fügt dem alten
Recht den Zusatz bei, dafs, wenn die Pagenses die Sache nicht
erledigen, und sie vor die königlichen Missi kommt, aufser jenen
^S^' Wild« p. 479, der aus anderen Capitularien zwei- und dreifache
Bannbufsen auff&hH; s. S. 346.
*) Vgl. den Schlufs der BeUage IV.
*) „QuaUscumque causa infra patriam cum propriis vicinantibus paci-
ficata fuerit, ibi solito more ipsi pagenses solides duodecim pro
districtione (Bestrafung) recipiant, et pro wargida (Verurtheilung), quae iuxta
consuetudinem eorum solebant facere, hoc concessum habeant.^ Perts Leg.
1 p. 76.
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345
12 den Pagenaes zu entrichteodeD Solidi noch 12 Solidi „ad partem
regis^ SU sahien seien, und dafs, wenn die Sache vor den König
in die Pfalz gebracht werde, die zweimal 12 Solidi ihm allein an-
fallen sollen; nnd dafs endlieh, wenn dieselbe Sache znm zweiten
und dritten Mal vor den König gebracht werde, eine Verdoppelang
nnd Verdreifachung der Bnfse von 2 mal 12 Solidi einzntreten
habe. — Die Zwölfschillingsbnfse ist somit nicht erst
im Jahre 797 in Sachsen eingeführt; sie galt vielmehr im alt-
s&ehsischen Recht und ist von der Lex Saxonnm anerkannt worden,
wie von dem Capitulare Saxonicam, nnr dafs letzteres über sie,
wie über die Sechszigsehillingsbnfse nXhere Festsetzung getroffen
hat nnd sich auch dadurch als später abgefafst kennzeichnet
c) Das Capitulare Saxonicum von 797 regelt die Bann-
bnfsen bei den Sachsen im Einzelnen. Die grofse Bannbnfse
von 60 Solidi sollen die Sachsen in denselben Fällen zahlen,
in denen es die Franken thun, und zwar in den acht bekannten
BannftUen, s. Gap. 1 nnd 2. In Betreff der als eines der Fälle auf-
geführten Brandstiftung („incendinm^) fügt Cap. 8 erläuternd hinzu,
dafs es darunter nicht begriffen sein solle, wenn die Pagenses
Brandlegung beschliefsen und vollziehn gegen einen Verbrecher,
der sich dem Recht nicht fügt und auf andre Art nicht zu strafen
ist: dies solle ferner wie im alten Recht („secundum Saxonum ewa")
gestattet sein. Es ergänzt hier das Capitulare von 797 das Ca-
pitel 3 der Cap. de part. Sax., welches Todesstrafe auf J^ieder-
brennen von Kirchen gesetzt, und das Capitel 38 der Lex Saxo-
num, welches verordnet hatte: „qui domum alterius vel noctu vel
interdiu suo tantum consilio volens incendent, eapite puniatur^;
namentlich finden die oben angeführten Worte der Lex Saxonum:
„qui suo tantum consilio^ u. s. w. eine nähere Erläuterung; der
Einzelne soll „suo consilio** nicht niederbrennen dürfen, aber als
Strafe: „de ipso placito (pagensium), communi consilio facto, se-
cundum eorum ewa fiat peractum *).** — Sodann enthält Capitel 9
des Capitul. von 797 die gewichtige Schärfung des geltenden
Rechts, dafs in den Fällen, wo die Bannbufse von 60 Solidi ein-
^) N&her ansgefllhrt ist die hier angegebene Meinung Über das Ter-
b<nirs Ton Lex Sax. o. 38 su Capitul. Saxon. c. 8 oben p. 806—308.
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346
tritt y der EOnig sie, wenn es ihm nothwendig erscheint , unter
Zustimmung der Franken und der ihm treuen Sachsen (^una cum
consensu Francorum et fidelium Saxonnm'') bis sum sehn fach eii
Betrage erhöhen kann; eine Verdoppelung kannten bereits die
Gapitula de partibus Saxoniae c. 19, vgl. oben 8. 343. — Ueber
die kleine Bannbufse von 12 Solidi bestimmt Capitel 3:
„ttt ubicumque Franci secnndum legem solidos 15 solvere debeant,
ibi nobiliores Saxones solides 12, ingenui 5 (bessere: 6),
liti 4 conponant*^; d. h. in den Fällen, wo nach frinkischem Becht
die kleine Bannbufse 15 Solidi beträgt, soll sie in Sachsen 12 So-
lidi betragen. Die mit diesen Worten im sächsischen Becht er^
zielte Keuerung ist nicht darin zu suchen, dafs durch sie die
Zwdlfschillingsbulse eingeführt worden wäre: sie galt von Alters
her in Sachsen, wie Capitel 4 des Capitulare von 797 bezeugt, und
war von König Karl bereits in der Lex Saxonum anerkannt wor-
den (8.oben); sondern darin, dafs die Zwölf-Schillings-Bufse in all^i
den Fällen in Sachsen zur Anwendung kommen soll, in denen in
Franken die Fttufzehn-Schillings-Bulse galt, gleichwie dies in Be-
treff der Sechszig-Schillings-Bufse vorgeschrieben wurde. Dafs und
wie das Capitulare im Capitel 4 bei der Zwölf-Schillings-Bniae
eine Verdoppelung, Vervierfachung und Versechsfachung eintreten
läfist, wurde bereits unter lit. b. erörtert'). Für Nichterscheinen
vor Qericht nach erfolgter Vorladung bestimmt Capitel 5 für den
Edelen eine Bnfse von 4 Solidi, für den Freien von 2, den Liten
von 1 Sol.*).
Unter den Bestimmungen über Bannbufsen in den drei alten
sächsischen Gesetzen dürfte nach dieser Erörterung ein innerer
Zusammenhang nicht zu vermissen sein, und die behauptete
Beihenfolge der drei Gesetze in ihnen eine Bestätigung finden.
Die Feststellung der acht Bannfälle, in denen nach dem Capita-
lare von 797 die Bannbube von 60 Solidi in Sachsen wie bei den Fran-
^) Leg. Fris. Add. I, 2 kennt eine neunfache Zwölf - Schillings - Bufse.
^ Nach Lex Fris. XVIII, 1 ist f&r Sonntagsentweihung durch Knechts-
arheit im ostlauhachschen Friesland eine Bulse von 12, im ührigen Friee-
land Ton 4 Solidi zu erlegen; und nach L. Fris. XXII, 65 sind in Mittel-
firiesland wegen Haargriff ,,pro freda 4 solidi ad partem regia*' au sahlen.
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347
ken gezahlt werden solP); kann auch bei diesen erst durch K9nig
Karl nnd nicht lange vor 797 erfolgt sein; wir besitzen kein
älteres Zengnift dafür als das Capitnlare Saxonienm von jenem
Jahre*), und mir scheint eine nicht unbeachtenswerthe BestStigang
einer früheren Ab&ssung der Lex Saxonum darin sa liegen, dafii sie
die 797 von Karl in Sachsen eingeführten BannfHUe nicht nennt
nnd insbesondere des durch sie den Wittwen, Waisen und anderen
Htllfsbedttrftigen gewährten Schutzes mit keinem Worte gedenkt.
Die kleine Bannbufse von 12 Solid! , die in der Lex Saxo-
num und dem Capitulare Saxonieum auftritt, und von letzterem
als altsächsisch bezeugt ist, hatte Sachsen mit Friesland*), Thü-
ringen^) und den meisten nicht altfränkischen Gegenden des
Reichs Karls des Grofsen gemein; und da sie in den Znsätzen zur
Lex Frisionum enthalten ist, die den zweiten Theil der Lex
bilden*), und nach der Eroberung des ostlaubachschen Friesiands,
I) Das Cap. Sax. von 797 e. 1.2. bestimmt, „ut ecclesiae, viduae, orfani
et minus potentes justam et qnietam pacem habeant; et nt raptom et for-
tiam nee incendium infra patriam quis faoere audeat praeeumptire ; et de
ezereitu nuUus aaper bannum domini regis remanere praesumat. Si quis
snpradicta octo capitula transg^essus fuerit, omnes statuenint, ut Sazo-
nes similiter sicut et Franc! 60 solides conponant." Pertz Leg. 1 p. 75. Mit
dieser Stelle stimmen die von Pertc 1 p. 126 ins Jahr 803, von Baluse ins
Jahr 788 gesetzten Capitula legi Bajuar. addenda cap. 1—3, fiberein, schei*
nen aber nach ihrem Schlufs jünger £u sein.
'} Die Aufzählung der 8 Fälle, die Ortloff aus einer Bechtsquellen
enthaltenden Handschrift des neunten Jahrhunderts publicirt, und Pertz
Leg. 1 p. 34 unter dem Jahre 772 eingereiht hat, scheint jünger zu sein
und ans den Capitularien zu schöpfen, s. Wilda p. 478 , Waitz 3 p. 275.
^ Die Lex Frisionum gedenkt der ZwOlf- Schillings -Bulse in TitVIIL
XTÜ, 4. XYin, 1. XXI. XXU, 82 und Add. 1, 1. YI, 1 ; von diesen 7 SteUen
sind die beiden letzten aus der Additio später verfafst, vielleicht im J. 802 ;
Tit. XVni, 1 bezieht sich auf das ostlaubachsche Friesland, welches König
Karl erst mit Sachsen unterworfen hat; Tit.yin und XXII, 82 dürfte dem
ältesten Theil der Lex Frisionum angehören.
^) Lex Thur. cap. 41. 43 und 57 erwähnt die Bannbuise von 60 So-
lidi; Lex Thur. cap. 38 und 40 die von 12 Solidi. Bemerkenswerth ist,
dafs die letzte Stelle übereinstinmiend mit Lex Fris. XXI die 12 Schillinge
für Plagium infra patriam vorschreibt. Ueber das Vorkonunen der Zwölf-
Schillings - Buise in anderen deutschen Landen s. Wilda p. 456.
*) S. p. 343.
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also nach 776 erlasBen sind^ nnd mithin in Friesland um diese
Zeit ihre Anerkennung gefunden hat, ao kann es nicht befremden,
dafs dasBelbe auch in der Lex Saxonum geschah, die vor 797 nad
nach 775, also, wie ich vermnthe, wohl gleichseitig mit jenen Za-
lotsen der Lex Frisionom abgefafst ist.
1. 19. Schlafs.
Kehre ich nach dieser Erörterung über das VerhältnifS| in
dem der Inhalt des Capitulare Saxonicum von 797 zu dem der
Lex Saxonum steht, zur Betrachtung der Abfassungszeit der Lex
Saxonum zurück, so scheint mir durch sie die Vermuthung, dafs
die nothwendig in die Zeit zwischen 777 und 797 zu setzende
Lex Saxonum wenn nicht 78d, so doch bald nachher in den Frie-
densjahren 785 bis 792 abgefafst worden sei, an Wahrscheinlieh-
keit gewonnen zu haben.
Wie die Capitula de partibus Saxoniae die Verhältnisse des
Landes nach der Eroberung, und zwar wie ich vermuthe im
Jahr 777, im Allgemeinen ordneten, und wie das Capitulare Saxo-
nicum 797 nach der Niederwerfung des Anfstandes von 792 bis
797 eine Reihe von Modificationen an den Satzungen der Lex
Saxonum vornahm, so hat König Karl durch die Lex Saxonum
die VerhSltnisse des Landes im Einzelnen näher geregelt, als ihm
785 ganz Sachsen als ein völlig fränkisches Land erschien. Die
Erhebung von 782 war im Jahre 785 völlig niedergeworfen; Be-
stimmungen über Einführung des Christenthums und der fränki-
schen Orafenverfassung, wie sie der König in den Capitula de
partibus Saxoniae um 777, unmittelbar nach der ersten Eroberung
des Landes erlassen hatte ^), waren nicht nöthig zu wiederholen,
hätten zum Theil auch nicht mehr den Verhältnissen des Landes
entsprochen*); es bedurfte einer Aufzeichnung mancher Puncte
des altsächsischen Landesrechts, da dasselbe durch das Gesetz
de partibus Saxoniae und die Einverleibung Sachsens in das frän-
kische Reich vielfach alterirt war; — einem in einem solchen
Moment erlassenem Gesetze entspricht der Inhalt der Lex Saxo-
1) Vgl. S. 170-218.
«) Vgl. S. 174. 180-199. 203.
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Bmn. Sie wiederholt einige Bestiinmiiiigen der GapitnU de par-
tibns Saxoniae, modificirt sie aadi in manchen Pnnoten; der
grOlsere Theil ihres Inhalts ist aber ans dem nngeschriebenen
alten BSehsischen Gewohnheitsrecht geschöpft; doch ist aoch von
ihm ein verhitttnilsmäfsig nnr kleiner Theil aufgezeichnet , nnd
mnCste, wie jede Durchmusterung des Air die Erforschung des
tifehsischen Rechts überaus wichtigen, an sich aber doch höchst
knappen Inhalts der Lex Saxonnm darthnt^), auch ferner fttr den
sSchsischen Richter das ungeschriebene sächsische Recht bei den
meisten Rechtsentscheidungen als Quelle dienen. Bei allen ein-
seinen Bestimmungen des alten sSchsischen Rechts, die in die
Lex Saxonnm aufgenommen sind, den Grund ihrer Aufnahme
ansugeben, ist bei dem Wenigen, was wir über das sächsische
Yorfränkische Recht wissen, nicht möglich. Dürfen wir annehmen,
dafs dabei die VerschmelEung des durch den fränkischen König
in Sachsen emgeführten Rechts mit dem alteinheimischen Recht
die Hauptrücksicht gewesen ist'), und die Aufiiahme mancher
Bestimmungen yielleicht nnr erfolgt ist, um ans ihm einzelne
ältere mit dem Heidenthume und dem vorfränkischen Staatswesen
zusammenhängende Sätze und Rechtsbräuche auszumerzen, so
scheint doch auch die Fixirung einzelner zweifelhafter Rechtsaätze
und namentlich die Anerkennung einzelner Rechtsbestimmungen,
die in verschiedener Weise in den einzelnen Theilen des früher
getrennten, nun verbundenen Sachsen galten, einen Einflufs dabei
gehabt zu haben').
1) Dies dftrfte auch Gaupp einr&umen trotz seiner Erörterung , Recht
und VerfSMSung der alten Sachsen p. 63.
*) Vgl. im Allgemeinen Gaupp Recht und Verfassung der alten Sach-
sen p. 57. In einzelnen Capiteln tritt ein unverkennbarer Einfluls des frän-
kisohen Gesetzgebers hervor; vgl. z. B. die Bestimmungen über Plagium in
c 20, die mit dem Inhalt der Lex Salica tit. 39 ed. Merkel Nov. 115 auffal-
lend ftbereinstimmen. Ueber das Verh<nÜs der Lex Saxonum zur Lex Ri-
puariorum vgl. Beilage III.
') Vgl. Cap. 47. 48 ftber das Recht bei der Dos und Errungenschaft
in Westfalen, Engem und Ostfalen. Widukind von Gorvei I c. 14 sagt mit
Btkcksicht auf die Lex Saxonum: ,,de legum vero varietate nostrum
non est, in hoo libeUo disserere, cum apud plnres inreniatur lex Baxo-
nica diligenter descripta.** Fertz Script. 3 p. 424.
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Erschien nun aber die Ab&ssiuig eines Gesetses, wie es die
Lex Bsxonnm ist, König Karl innerhalb des Zeitraums von 777
bis 797 als zweckmsrsig, so spricht das Meiste für das Jahr 785.
Vor 785 kann, erörterte ich, die Anfaeiohnnng nicht wohl
vermnthet werden: etwa am 777 ist der Erlafs der Capitnla de
partibns Saxoniae zu setzen; 783 bis 785 war die Möglichkeit
zur Abfassung der Lex Baxonnm wegen der offenen EmpOnmg des
Landes nicht vorhanden; mit der vollstSndigen Unterwerfug
Sachsens im Jahr 785 war sie gegeben. Dann aber scheint es
wahrscheinlicher, daft König Karl, wenn die Veranlassung zum
Erlafii eines Gesetzes vorhanden war, dasselbe alsbald im Jahre 786,
wa er die Sachsen zahlreich auf dem Reichstage zu Paderborn
um sich versammelt hatte, erlassen hat, als dafs er es in einem
der nächsten folgenden Jahre that, in denen ihn auswärtige Kriege
beschäftigten; und anzunehmen, dais es vor 792 geschah, scheint
rathsam, da der König während des offenen Aufstandes des ganz^
Landes von 792 bis 797 ein Gesetz nicht erlassen haben wird,
welches sich wie die Lex Saxonum mit einer Reihe von privat-
rechtlichen Verhältnissen, z. B. mit Festsetzung des abweichenden
ehelichen Güterrechts von Westfalen, Engern und Ostfalen be-
schäftigt. Obenein spricht fUr eine etwas frühere Abfiusnng der
Lex, dafs König Karl bereits im Jahre 797 ihren Inhalt durch
das Gapitulare Saxonicum mehrfach wieder abänderte.
Führen derartige allgemeine Betrachtungen dahin, an eine
Abfassung der Lex Saxonum um das Jahr 785 oder bald nachher zu
denken, so unterstützen dies Resultat die auftauenden üebereinstim-
mungen zwischen manchen Bestimmungen der Lex Saxonum und
des zweiten Theils der Lex Frisionum^), dessen Abfassung um
785 anzunehmen mir geboten scheint*).
I) Ein Beispiel bietet Lex Saz. c. 19 und Lex Fris. XX, 2. N«ch beiden
Stellen wird mordhtot mit neunfachem Wergeid gebtübt ; Tgl. oben p. 248 — 26 1 .
Zu beachten sind auch die Bestimmungen beider Gesetse über die Zwölf-
Sehillings-BufBe» vgl p. 347.
S) Kine n&here Uebereinstimmung der Lex Saxonum mit dem iweiten
Theil der Lex Frisionum ist unl&ugbar. Dieser fUlt aber jedenfalls nach
776, dem Jahr der Unterwerfung des ostlaubachschen Friesland ond Tor
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Bine spStere üeberarbeitnng der Lex Saxonnm nm 802 m
Btatairen und eine solche mit Merkel in dem Heroldschen Text
derselben sa findeni ist nach dem p. 98 — 100 Angeführten nicht
statthaft'). Die ganze Lex ist vor dem Capitnlare Saxonicnm von
797 erlassen^ dnreb dieses mehrfach abgeändert worden, nnd einige
Znsltse am Schlüsse des Textes der Lex Saxonnm bei da Tillet
nnd in der Gorveier Handschrift') sind nicht Zeichen einer spX-
teren Recension der Lex, sondern rühren von den Schreibern der
beiden Handschriften hery die ans dem Capitnlare von 797 in
nicht mit einander übereinstimmender Weise einige Sätze bei-
fngten. Dagegen, dafii wir keinen nm 802 überarbeiteten Text
der Lex Saxonnm besitzen, sprechen auch die verschiedensten
anderen Gründe, z. B. dafs in derselben Karl der OroCie nicht
Imperator sondern stets Rex genannt wird (vgl. Gaapp Recht nnd
Verfassung der alten Sachsen p. 45). Mag man hierin keinen ab*
solnten Beweis dafür finden wollen, dafs die Lex vor 800 verfafst
ist; die Thatsache wird neben den anderen Gründen immerhin
als beachtungswerth erscheinen*). Ferner spricht gegen 802, da&
in unserem Text der Lex Saxonnm nur von Westfalen, Engem
nnd Ostfalen die Rede ist, nicht auch von Northelbingi oder
Nordlendi, d. h. von Sachsen aus dem heutigen Holstein^), da in
die Abfassung des dritten Theils der Lex Frisionum, der um 802 gesetzt
werden zu müssen scheint, Tgl. p. 342. 347 Note 2. 353.
^) Für unerheblich halte ich es, wenn einzelne Stellen der Lex Saxonum,
ohne dafe die Yorhandenen Handschriften und Texte irgend dafür einen Anhalts-
punkt geben, für jüngere Zusätze erklftrt worden sind , weil ihr Inhalt einer
beatinunten Meinung über das älteste s&chsische Recht nicht entspricht, deren
Bichtigkeit sich nicht erweisen Ufst. So erklärt s. B. Beseler Erbverträge
1835 1 p. 59: ^Was im $ 2 Tit. 15 (d.i. c 62} sich findet: praeter ad ecole-
dam Tel regi, halte ich unbedingt für einen Zusatz, der jünger ist ab die
erste Bedaction des Gesetzes; nur gegen die Eirehe konnte damals jene
Beschränkung der Vergabungen gerichtet sein.^ Dafs Beseler obendrein die
Stelle milsTerstanden hat, zeigt Zimmerle Das deutsche Stammgutssystem
1867 p. 42.
>) Vergleiche über sie S. 26 — 47.
*) Gegen Falck Encyklopädie $ 112 vgl. Gaupp Recht der alten Sach-
sen p. 46 und Stobbe Rechtsquellen 1 p. 191. Vgl. anch oben p. 337.
^) Vgl Helmold I c. 26: „Terra Nordelbingonim, quae determinator
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362
dieser Zeit jene Gegenden dem MnkiBchen Reich nnterworfen
waren und aasdrUcklich erwähnt wird, dafs im Jahre 798 MlBSi
König Karls dort Gericht hielten. Ein weiteres Argument fttr
frühere Abfassang der Lex liegt darin , dafs bei der Bestimmung
der Lex Sax. c. 23, Todesstrafe solle stehn anf Tödtang eines Kireh-
gSngers an den Sonntagen und den sieben gro&en Festen: Ostern,
Pfingsten, Weihnachten, S. Mariae, 8. Johannis des Tfiufers, S. Peter
nnd 8. Martin, nicht mehr Feste aufgeführt werden, da namentlleh
bereits im Jahr 799 nach den Statut Salisburg. Mon. Germ. Leg. 1.
p.80') im fränkischen Reich yier Marientage gefeiert wurden'). Fttr
die Zeit bald nach 779 läfst sich auch geltend machen die den
Capitnla de partibus Saxoniae fremde Unterscheidung der Lex
Saxonum c. 21. 22 zwischen mit oder ohne Bewufstsein falsch
geschworenen Eiden, die zuerst von Karl dem GroiBcn durch ein
Gapitulare von 779 eingeführt war, vgl. oben p. 236.
Der einzige Grund, der speciell für Abfassung der Lex Saxo-
num im Jahre 802 angeführt wird, ist, dafs die Annales Lauria-
hamenses und Einhards Vita Karoli berichten, Kaiser Karl habe
im October jenes Jahres die verschiedenen Volksrechte seines
Reichs, soweit sie ungeschrieben, aufzeichnen, sonst revidiren
lassen. Diese Angabe kann gegenüber den aus der Lex Saxonam
selbst sich ergebenden Grlinden für Abfassung derselben in einer
früheren Zeit nicht ins Gewicht fallen und um so weniger ent-
scheiden, als eine Betrachtung der einzelnen deutschen Volksrechte
zeigt, dafs jene gesetzgeberische ThMtigkeit Karl des Grofsen
ums Jahr 802 nur von einer geringen Ausdehnung gewesen sein
in tres popaloa: HoUatos, Starmarios et Thetmarchoa.'' Dafs sckon im
Jahre 782 sich die Mission Willehads bis nach Dietmarschen. er streckte, be-
weist die Nachricht, dafs bei dem allgemeinen Aufstand der Sachsen in
diesem Jahre daselbst der Kleriker Atreban erschlagen wurde; vgl.. oben
p. 160.
^) lieber die Statut. Salisburg. und das Jahr ihres Erlasses handelt
Merkel Mon. Germ. Leg. 4 p. 248, der sie auch daselbst p. 474 wieder hat
als Additio sexta sur Lex Baiuwariorum abdrucken lassen.
*) Zu rergleichen sind die Zusammenstellungen über Kirchenfeste im
fr&nkischen Reich bei Bettberg Kirohengesehichte 2 p. 790; doch durfte
wohl noch N&heres darüber su ermitteln sein. Vgl. auch oben p. 285 Kote 2.
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kann nnd wir bei keinem elnsefaien Volkareehte naehweieen kennen,
daft es damals an^^eieiehnet sei '). Von den Geeetien der saiisehen
und ripuariaehen Franken aagt Binhard aoBdrttcklieh, dab bei
ihnen die Ton Karl beabeichtigte Revision nicht an Stande ge*
kommen sei'), nnd er sich auf einige Znsätse zu ihnen besehrXnkt
habe. Dies stimmt mit den uns erhaltenen Capitula qnae in lege
SaKea mittenda sant (Mon. Germ. Leg. 1 p. 112) und Capitula
qnae in lege Ribnaria mittenda sunt (Mon. Oerm. Leg. 1 p, 117)
vom Jahre 803 ttberein, die uns einige Abänderungen des saiischen
und ripnarischen Oesetses angeben, wie wir sie nach jenen An-
deatangen Einhards erwarten müssen. In Xhnlicher Weise besitaen
wir sur Lex Baiawariornm in das Jahr 803 gesetzte Capitula qnae
ad legem Baioariorum domnus Karolns» Imperator addere iussit
(Mon. Oerm. Leg. 1 p. 126). Von der Lex Alamannorum erseheint
der in den jttngeren Handschriften erhaltenci von Merkel als eine
Lex Alamannorum Karolina bezeichnete Text in keiner Weise
als eine wirkliche neuere Recension der Lex, so wenig dies der
Fall ist bei den in Handschriften der Karolingerzeit erhaltenen,
mit einigen Zusätzen ausgestatteten Texten der Lex Satica und
der Lex Ribnaria. Mithin bleibt nur noch die Lex Thuringomm
und Lex Frisionum in Erwägung zu ziehen. Was die erstere an-
betrifit, so fehlt es an bestimmten Kennzeichen für das Jahr ihrer
Aufzeichnung, obwohl mir Vieles dafür zu sprechen scheint, dafs
dies am Schlnfs des achten Jahrhunderts geschehen ist (vgl. Bei-
lage V.). Reelle Gründe lassen sich dagegen bei der Lex Fri*
sionnm dafür geltend machen, dafs sie 802 einer Revision unter-
worfen, und dafs damals der dritte Theil derselben oder die Ad-
') Vgl. Stobbe Recbtsquellen I p. 21 und Waitz Verfassungsgesdilchte
3 p. 196. 516. .
*) Einh. ▼. KaroU c. 29: ^Post susceptnm imperiale nomen cum ad-
rerteret, mvlta legibus popvK soi deesse — nam Franei duas habent leges
in plurimis loci« valde diversM — cogitavit, quae deerant addere ei disere-
pantia unire« prava quoque et perperam prolata corrigere. Sed de bis nihil
aliud ab eo factum eat, nisi quod pauca capitula, et ea inperfecta, legibu»
addidU, Omnium tarnen nationum, quae sub eins dominatu
erant, iura, qnae scripta non erant, describere ac litteris man-
dari fecit.^ Mon. Qeim. Script. 2 p. 458.
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ditio ver&fst worden ist. Vor dem Jahre 775 ^ in welefaem das
^etiiohe Friesland saerat den Franken nnterworfien wurde, kaim
der zweite TlieH der Lex Frisionnm nioht verfaiat sein; ich eetie
ihn in das Jahr 785. Den Inhalt des ersten und zweiten Theiks
der Lex berichtigt nnd vervollständigt die Additio; somit rniib
sie nach 785 entstanden sein. Für das Jahr 802 speciell ist an*
tat Uhren, dafs bei Aufzeichnung der Additio die Sapieates Wnle-
mar und Saxmund thätig waren, indem sie die eimefanen Sitae
der Additio den älteren Theilen der Lex hinznfligten, oder wie
die Worte der Additio sagen, „haee iudioia . . • dietaverunt*
(Add. III, 59; iudic. Wulemari), „haec addiderunf« (Lex II, 10),
„dicont" (Add. III, 76); ein Verfahren, welches mit demjenigeB
völlig übereinstimmt, daa Kaiser ELarl nach den Ann. LanriBham.
802 auf dem Reichstage zu Aachen bei Revision der Gesetae
eintreten liefs, indem sie ausdrücklich dabei den Sapientea der
Lex Frisionum gleich zu stellende Legislatores erwähnen'). Sie
beriditen: „imperator . . . congregavit dnces comites et reliquum
christianum popnlum' cum iegiskUorilms et fecit omnes leges in
regno suo legere et tradere unicuique homini legem snam, et
ßmendare^ ubioumque necesse Juit ei emßndaiam legem ser^ere.'^
Dafür, dafs die Additio unter Karl dem Qro(sen aufgeieiclm^
ist, sprechen die verschiedensten in ihr enthaltenen BestimmnngeB.
Ich hebe namentlich hervor, dals in der Additio das Wergeid
des Freien, welches im zweiten Theil der Lex um 785 verdoppelt
worden war, eine Verdreifachung erfUirt, und dafis es durch die
dabei herbeigeführte Steigerung auf 160 Solidi g^eioh^ Betimg
erhält mit dem Wergeid der Sachsen, Baiem und Alamannen,
vgl. Beilage IV. Eine gewichtige Bestätigung für die Abfassung
der Additio unter Karl dem Orofsen gewährt die Lex Ripuario-
rum, wenn wir als feststehend annehmen dürfen, dafs der Titel 36
derselben, welcher wie den anderen genannten Völkerschaften den
Friesen dies in Friesland erst durch die Additio eingefUhrte Wergeid
von 160 Solidi zutheilt, noch unter Karl dem Grofsen, wie Pertz*)
') N&heres siehe Mon. Germ. Leg. 3 p. 050 ff.
*) Auch die Untersuchungen tob Sohm in Budorff ZettBchrift ftr
Bechtsgeachichte 1866. 5 p. 467 führen ihn xu demselben Beeolteto: »Das
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866
ans haadsohritUi^b«!! VergMehnngen era>lttett hat, der L«x ein-
gefügt ist»).
bandschriftliche YerhAltniia'', bemerkt er, „spricht sogar positiv gegen eine
Entstehung onsres Titels (36) nach 803. Die Manchener Handschrift der
Lex Rihuaria, anscheinend die Älteste von den uns überkommenen, „Tom
Ende des 8. oder den ersten Jahren des 9. Jahrhunderts^ (Ports, Archiv
7 p. 735) hat Bib. 36 sehon rollst&ndig, insbesondere auch jene Wergeid*
besiimmungen. Die einige Abweichung, welche sich hier findet , deutet
gerade auf eb verhältnifsm&rsig hohes Alter des citirten Titels.^ Sohm glaubt
nach Yergleichung der durch sp&tere Correctnr in den Mfinchener Codex
hineingekommenen Worte mit denen anderer Handschriften nachweisen lu
können, da& der spfttere Text des Mtnohener Codex, der mit unseren Ans«
gftben ttbereiMtimmty nieht nach Karl dem Grofsen entataBden sein kann.
*) Schon in der Einleitung zu meiner Ausgabe der Lex Frisionum
Mon. Germ. Leg. 3 p. 650 habe ich ausgeftlhrt, dafs es verwerflich ist, wenn
einzelne Aeltere und neuerdings de Geer in Nieuwe Bljdrage vor Hegts-
geleerdheit 15, 2 p. 181 die Additio legis Frisionum ftir eine Privataufzeioh-
nung halten. Wie frflher nach Lex Fris. tit YH durch ein Ediofeum regis ftr
«tnzehie F&Ue eine YemelfiÜtigung des Wergeids eingeführt wurde, se glaube
ich Annehmen zu müssen, daCs die in der Additio allgemein ausgesprochene
Yerdreifachung des Wergeides , mit dem die Yerdreifachung der Wunden-
bufsen in unmittelbarem Zusammenhang steht, ebenfalls auf dem Wege der
Gesetzgebung eingeführt ist. Eine Yerdreifachung der Wergeids - und Buls-
Gfider dnreh Gewobnheiterecht erscheint mir an sich schwer glaubhaft^ fht
gradeau umm^glich aber in einer so kurzen Zeit, ab es hier geschehn sein
müfste, da eine Yerdoppelung des Wergeides erst 785, dessen Yerdreifachung
aber noch unter Karl dem Grofsen erfolgte, wie im Text erörtert wurde.
Aber auch dafür kenne ich nicht den geringsten Grund, dals die Addido
als eine Privatarbeit abgefalst worden sei, um die etwa vorher gesetzKoh
auagesproeheiie Yerdreifachung der Bufien in den einleben F&Ueft speeieU
I zu verzeichnen. Nach einer genaueren Zusanunenstellung s&mmtlicher Bulsen
der Additio mit de»en der übrigen Lex Frisionum vermag ich in der Ad-
ditio nur den Act eber systematischen Umbildung der früheren Buisen zu
erkennen« Der Gesetzgeber hielt die b Friesland geltenden Bufsen für zu
niedrig im Yergleich zu denen anderer deotsdier Gegenden und erhühte sie
prinzipiell mk Küeksieht auf die einzeben Yerhidtnisse. Wfthrend er b der
Additi» neben der Yerdreifachung des Wergelds die Yerdreifachung emmt
Beihe einzeber früher bestehender Buisen deeretirt, setzt er in Fällen, Wo
es ihm schobt > ale eb dadurch ebe den Yerhähnissen nicht entspreebeade
BnCMumme entstehn würde, Abweichendes fest. Ohne Erhöhung erkennt er
•nanahflliweise die alte Bulbe für Durslegi (Uz JXU, 3 und Add.IY, 1) and
Betohnnng für Bettanf aus dem WasMr (Lex XXU, 87 und Add. HI, 67) an,
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866
Berechtigen uns nach Alledem die Apgaben |lber das Jahr
802 in keiner Weise die Abfassung der Lex Saxonnm ins Jahr 802
zu setzen, so besitzen wir auch keine anderen gesetzlichen Be-
stimmungen, durch die Karl der Grofse damals, wie er es 797
durch das Capitulare Saxonicum gethan hatte, den Inhalt derselben,
entsprechend den Worten jener Angaben ergänzt oder modificirt
hätte, da die Fragmente zweier auf Sachsen bezüglicher nnda*
dirter Capitularien, die uns erhalten sind, schwerlich diesem Jahre
angehören dürften. Aus dem einen dieser Capitularien sind zwei
Capitel von Ansegisus als Capitel 34 und 35 in den zweiten Ap-
pendix seiner Capitulariensammlung, der die Ueberschrift trägt:
.,Capitnia domni Karoli Imperatoris mnndana*^, aufgenommen, aua
dem anderen einige Stellen in der Spangenbergschen Handschrift
der Lex Saxonum excerpirt. Die Abfassungszeit der beiden ersten
Capitula setzt Pertz Leg. 1 p. 170 ins Jahr 811 und hält sie ihres
verwandten Inhaltes wegen für Bestandtheile eines von ihm jenem
Jahre zugeschriebenen und Capitulare de exercitalibus bezeichneten
Capitulars, während Boretius, wie ich schon oben p. 11 anführte,
vermuthet, sie möchten einem verlorenen Capitulare für Sachsen
entnommen sein, dessen Zeit er nicht näher bestimmt. Dafs die
beiden Capitel von Karl dem Orofsen herrühren, bezeugt die an-
geführte Ueberschrift des Ansegisus; mit ihr steht in Ueberein*
Stimmung, dafs die in einem jener Capitel erwähnte Kreuzesprobe
in einem Capitulare Ludwig des Frommen von 817 (Capital.
Aquisgran. ad episcopos c. 27, Mon. Germ. Leg. 1 p. 209) unter-
sagt wird; und sie nach 800 zu setzen, nöthigt die Bemfong auf
yerdreifiEichi dagegen eine geringere als die alte Bufse Ar Dnrohliaaen einer Ribbe
(Lex XXn, 23 u. Add. DI, 29), Naaenirand (Lex XXU, 6 u. Add. HI, 11—13)
und Kinnbacken (Lex XXII, 18 n. Add. III, 14), eine höhere Bube als die alie
fOr Abschneiden des Bartes (Lex XXII, 17 n. Add. Ol, 17), und Übt atatt der
verdrei&chten Wundenbolae eine TerdreifiMshte Weigeldquote euitreten. In
letBterer Beaiehung «etat Add. III, 10 bei Verlnai der Nase an die Stelle rom
24 (d.L 2 X 12) SoUd. 3 X V. Wergeid (d.L 3 X 26V, SeL), Add.IU,8 bot
Taubheit sUtt 18 (d.L 1 V, X 12) Sol. 3 X */( WeigeU, Add.m, 8 bei Stamm«
heit statt 24 (d. L 2 X 12) SeL 3 X 1 Wergeid (d. L 3 X 53'/, SoL). Lets-
teres stinunt Überraschend mit Lex Saxonum o. II, wo Terlust der Naae
und Taubheit durch Schlag auch mit dem halben Wergeid geblUbt wird.
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357
das Praeceptam domni imperaioris in dem anderen derselben.
Jüngeren ürsprangs dürfte das zweite verlorene Capitulare sein.
Die oben p. 6 aus ihm zusammengestellten Excerpte enthalten
Bestimmungen ttber Anwendung des territorialen Rechts statt des
persönlichen. Und ich glaubte (s. p. 16) dasselbe in die Mitte des
neunten Jahrhunderts herabrttcken zu müssen, indem ich die durch
sie eingeführte theilweise Ausschliefsung der Anwendung des gel-
tenden persönlichen Rechts in Sachsen und dessen ältestes ander-
weitiges Vorkommen im Jahre 864 berücksichtigte.
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BEILAGEN.
Beilage L
Silber und KvhgeUL
Za weit würde es mich führen, den Ursprung der TremiaBis')
hier näher in Erwägung zu ziehen , von denen je 2 oder 3 unter dar
Bezeichnung Solidus in Sachsen und Friesland am Schlufs des achten
Jahrhunderts zusammengefafst wurden, und in denen ich eine rOmiscbe
Silbermünze meine vermnthen zu können, während im fränkischen Reich
Goldsolidi eingeführt worden waren*). Nur einige Bemerkungen will
ich mir erlauben gegen eine hier einschlagende, früher mehrfach an-
geregte Hypothese, die neuerdings Dr. Ad. Soetbeer in den Forschungen
zur Deutschen Geschichte (Göttingen 1861) 1 p. 210 verfochten hat, da
sie mehrfach Zustimmung gefunden bat*). Nach ihr soll im ältesten
Deutschland eine ^wohnliche gesunde Milchkuh als Wertheinheit und
Maafsstab gegolten haben, und soll später aus dem durch sie reprft-
•
') Dafs die Lex Frisionum für TremisBis auch den Ausdruck Denariiu
yerwendet, habe ich ausgefthrt Monumenta Germaniae Leg. 3 p. 650. Die
Lex Saxonum c. 36 erwfthnt Denarii; und das Capitulare Sazonioum ron
797 c. 11 bedient sich dieses Wortes zur Beseiohnung des fränkischen
Denar, Tgl. oben p. 41.
*) Im Allgemeinen sind die oben p. 47 angeführten Erörterungen über
Mfinze ron Wilda, J. H. Müller, Waitz und Soetbeer zu vergleichen. In Be-
treff der für den Ursprung der sllcbsischen und friesischen Tremisees spe-
ciell in Erw&gung zu ziehenden römischen Münzen, ron denen namentlioh
der Antoninianus und das Milliarense in Betracht kommen, hat man Tor
Allem die einschlagenden Ausführungen von Mommsen Geschichte des rö-
mischen Münzwesens (Berlin 1860) p. 782- 790, 853, 896—900 zu vergleichen.
*) Vgl. Schlegel zur Gragas, Wilda Strafrecht p. 333. 339, Weinhold
Altnordisches Leben p. 51 ff., Waitz Verfassungsgesehichte 1 (2. Aufl.) p.412.
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369
sentirteii Weitb der deutsche Solidue (Sohilling) heirorgegangen Bein.
Dagegen q>richt, meine ich» nioht nur die ganze Art und Weise, in
der in Saohsen nnd Frieeland der Solidus in den ältesten Quellen auf-
tritt, sondern aach die Werthsätze sind dafür nioht gflnstig, die sie
für Sinder, Schaafe, Roggen, Hafer und Honig aufstellen, fQr den Fall,
dafs diese Gegenstände an Stelle von Geld in Zahlungen gegeben wflrden.
Dafs in den in unsere ältesten deutsehen Rechtsquellen aufge-
nommenen Tarifen das edele Metall bereits überall zum Werthmesser
der ländlichen Erzeugnisse dient, will ich nicht gegen Soetbeer gel-
tend machen^). Sollte aber aus den aufgestellten WerthsäUen ein
Rackschlnfs auf den behaupteten Zustand in einer früheren Zeit mög-
lich sein, nnd ans ihnen irgend ein reeller Anbaltspunct für jene Hypo-
tiiese erwachsen können, so müfste in ihnen eine Reduction der ver-
schiedenen ländlichen Erzeugnisse auf eins von ihnen sich zeigen, ins-
besondere aber eine übereinstimmende Schätzung des einen vermeint-
lichen Werthmessers in edlem Metall, und ein gleiches Verhältnifs der
anderen Producte zu ihm, sichtbar sein. In den oben für Sachsen zu-
sammengestellten Werthsätzen von ländlichen Producten findet sich
nichts, was einer solchen Anforderung entsprechen könnte; für Rinder
enthalten sie folgende Ansätze:
1 sächsischer Solidus (= 2 Tremisses) = 1 einjähriges Kalb (p.32
Nr. 3).
1% sächsische Solidi (= 3 Tremisses) = 1 ein nnd % Jahr altes
Kalb (p. 32 Nr. 3).
2 Bäehsische Solidi (s= 4 Tremisses ) = 1 vierjähriger Ochse (1. Saz.
c. 83 u. p. 44 Nr. 6).
2% Bächsische Solidi (= 5 Tremisses) = 1 Pflugstier (p. 44 Nr. 6).
2V, sächsische Solidi (= 5 Tremisses) = 1 Kuh mit ihrem Kalbe
(p. 44 Nr. 6).
3 sächsische Solidi (= 6 Tremisses) = 1 guter Ochse (p. 44 Nr. 6).
Dafs hier die Kuh, die zu 2% sächsischen (oder 1% fränkischen) So-
lidi gerechnet ist, und d^ren obendrein der alte Text der Lex Saxo-
num mit keiner Silbe gedenkt, nicht als Werthmesser aufgefafst werden
kann, leuchtet ein*). Aber auch die Stellen anderer deutscher Volks-
1) Das Factum räumt Soetbeer a. a. O. p. 214 selbst ein.
>) Wenn Soetbeer p. 216 einräumt, dafs vielleicht in Saohsen statt
einer Kuh ein Oohae den Werthmesser gebildet habe, so zeigt dies das Un-
sichere seiner ganzen Hypothese.
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86
rechte, die Soetbeer ffir seine lidnang anführt, gewihien ihr keine
Stütze, da sie nichts besagen, als dafe in Ripoarien aad Burgnnd ein
Ochse za 2 Solidi, eine Kuh zu einem Solidns geschätzt war>). Und
selbst die isländische Gragas, die Soetbeer ffir entscheidend hält,
scheint mir nichts beweisen zu können, da eine in der ältesten Hand-
schrift derselben enthaltene Stelle ausdrücklich erzählt, dafe zar Zeit,
als Island noch heidnisch war, alle grölseren Sehuldfordernngen mit
Silber bezahlt wurden, welches so geschlagen gewesen sei, dafs 60
Pfenninge eine Unze wogen und hiefsen. Das Hundert Silber (d. i.
120 Pfenninge) war aber damals, fährt die Stelle fort, gleich gesetat
4 mal 120 Ellen Wath-mal (Wollenzeug), so dafs eine halbe Mark
Wathmal (d. i. 4 Unzen zu je 60 Ellen) einer Unze Silber (oder 60
Pfenningen) gleich kam*). Nach dieser Angabe wurde in Island, wie
') Xach Lex Ripuar.36, 11 (s. oben p.32) soll beimWergeldfahlen ange-
nommen werden: ein gesundes Bind zu 2 Solidi, eine gesunde Kuh su 1 So-
Udus, ein gesundes Pferd zu 6 Solidi, eine gesunde Stute zu 3, ein Schwert
u. s. w. Nach Lex Burg. 4, 1 gilt ein vorzügliches Pferd 10 Solidi, ein mittel-
maCsiges 5 Sol., eine Stute 3, ein Rind 2, eine Kuh 1 Sol. Nach Lex
Alam. 78: „de pretio bovis: optimus bos 5 tremisses valet, medianus 4 tre-
misses valet, minor sicut adpretiatus fiierit'^ Pertz Leg. 3 p. 160; und wenn
Jemand in einer Heerde von einem Stier und 12 Kühen den Stier tödtei, so
zahlt er nach c. 76 ft\r den Stier drei Solidi, {fir die „optima vacca 4 tremisses*'
und für eine „alia sequenteriana solide uno", ebenda 3 p. 72, 159; die Buisea
bei Pferden verzeichnet c. 69. 70. Diese Stellen berechtigen eben so gnt in
einem Pferde als in einem Binde den Werthmesser zu suchen; sagt doch
aueh Tacitus Germania c 12 von den Germanen: „equonua peooramqne nu-
mero convicti mulctantur,^ und c. 21 : „luitur homioidittm certo armentomm
ac pecorum numero." Niemand bezweifelt, dafs bei den ältesten Deutschen
vielfach landliche Producte getauscht sind, und dafs auch mit ihnen bexahlt
worden ist. Die Streitfrage ist nur : hatten sie vor dem edelen Metall einen
anderen bestimmten Werthmesser. Und daftlr beweisen die beigebrachten
Stellen nichts. Auch die zahlreichen unter einander abweichenden Werth-
Schätzungen von Vieh und anderen Undlichen Produeten in alteren sächsi-
schen Urkunden sprechen dagegen, dafs jemals ein Bind als Werthmeeser
benutzt sei.
•) Die betreffenden Worte der HandschrifV der Gragas in der könlgl.
Bibliothek zu Kopenhagen cap. 245 lauten: „Fra silfrgang. I than tid er
cristni com ut hingat til Islandz, gecc her silfr i allar storsculdir; bleict
silfr, oc seylde halda scor, oc vera meire late silfrs, oe sva slegit at LX.
penninga gerthe eyre vegin, oc var tha allt eitt talit oe regit. That rar
jafh micit fe callat C silfrs sem Uli hundrod oc XX. alna vadmala, oc raid
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in übrigen Korden, ein Stfick des ganglmren WoUenstoffBe (arsprftng-
lich ein grofsee Hondert von Ellen) nach dem abgewogenen Metall
geaebitzt nnd als Zablongamittel neben demselben Tenrendel; nnd
wnrde ferner, wie eine andere Anfseichnnng in derselben Handscbrift
clor Gragas zeigt, eine Hilcbkub nacb ibm gescb&tat und das Werth-
verhält^ils des anderen WirtbschaftsYiebes in derartigen Eabwerthen
angegeben^). Bediente man sieh in Folge dessen später in Island
neben dem Metall, wie auch anderwärts im Norden dieser Sarrogate'),
tba at halfri mOre Tadmala eyrir^ Gragas udg. af Y. Finsen. 1860. 2 p. 162.
In der Arnaemagnaeaaischen Handschrift der Gragas fehlt die Stelle; Sohlegd
1 p. 500 hat sie ans der königl. Handschrift in den Kaupabalkr als cap. 84
eingeechohen. Ich flbersetse sie: ^Vom Silberumlaof. In der Zeit als das
ChristeBthnm nach Island gebracht wurde, war das Silber gangbar in
allen grofsen Zahlungen; bleiches Silber, und sollte einen Ein-
schnitt aushalten, nnd sum gröfseren Theil reines SUber sein und so ge-
schlagen, dafs 60 Pfenninge eine gewogene Unze machten,
uad es war da gesahlt und gewogen. Alles eins. Das war ein gleich
groiaes Gut genannt: ein Hundert Silber und 4 Hundertundcwan-
sig Ellen Wathmal, und wurde da zu einer halben Mark Wathmal die
Unze.*" Vgl. Gragas ed. Finsen c 221 (Schlegel 1 p. 329). — Unter dem
„ein Hundert Silber^ verstehe ich „ein grobes Hundert (d. L 120) Pfenninge
SQber,^ von denen vorher die Bede gewesen ist (nicht 120 Unzen Silber);
diesen Hundert, d. i. 120 Pfenningen Silber werden 4 Hundert (auch ^ofse
Hundert d. i. 120) Ellen Wollenstoff gleiohgerechnet; oder anders ausge-
drückt: es waren 120 Pfenninge Silber = 4 X 120 Ellen WoUenstoff; und
somit, indem man halbirt, auch 60 Pfenninge Silber (d. i. eine Unze SUber)
SS 4 X 60 (d. h. 4 Unzen oder V. Mark) Ellen W<^enstoff, wie es die
Sohlulsworte der angefahrten Stelle der Gragas ausdrlVcken. Für unstatt-
haft halte ich es, wenn Dietrich in Haupt Zeitschrift 1856. 10 p.234 „lY
hnndrod oc XX alna" durch 24 hundert Ellen übersetzt, und daran# seine
Erklärung des nordischen Hundert Silber und der Berechnung des Wathmal
stützt. DaCs in nordischen Quellen, wie Dietrich geltend macht, gesagt wird
„4 menn ok 20" für 24 Männer, rechtfertigt seine Uebersetzung nicht, da
dem analog in der Gragas nur stehn könnte „4 hundrod alna oc 20."
^) Die Angaben der Taxwerthe, unter denen auch die über die Euh-
wertbe stehn, finden sich im königl. Kopenhagener Manuscript der Gragas
hinter c. 246, siehe Gragas ed. Finsen 2 p. 192; im Amaemagnaean. Ma-
nuscript der Gragas fehlen sie. Sohlegel 1 p. 500 hat sie willkürlich in den
Kaupabalkr cap. 85 eingeschoben. Vgl. über die isländischen Kuhwerthe
Wilda p. 324 und Weinhold Altnord. Leben p. 52. 118.
^ Andreas Sunessons sagt in seiner Ezpositio iuris Scanici II c. 48:
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80 bildete doeh das gewogene Silber die Grundlage bei dm Sdifttzmi-
geo; sowohl das Wathmal als das Kngildi (der Enhwerth), waren naeh
ihm "veranschlagt, und wir sind auch in Island nicht befugt, in einer
Milohknh die Wertheinheit oder, genauer ausgedruckt, den W^thmeaser
„ne fraus inten'^emat in pannorum et animalium aestimatione,
freqnenter in partibus noi^ris supplentinm argenti defectum'^
Schlyter Corpus Jur. Sueogoth. 9 p. 279. Das altere norwegiBche Gnlathings-
lov c. 228 verordnet: ^Nu scal fe skiha at kyr (soll Gut in Kfibeo
berechnet werden), tha scal hon yaera at holfum thridia ejri
(su 2'/a Unzen). Nn ef kyr skal gialda, tha scal gialda eigi elri ku cn
atta yetra (will man mit Kühoi zahlen, so soll man mit keinen alteren
als achtjährigen)« nema hinn vilt tekit hava; nu scal gialda kyr allar
heilar at homon oc at hala, at aogum oc et spenom, oc at oUum fotom
(die Kühe sollen gesund sein). Nu scal gialda (will man sahlen) körn
00 ysn, oc kyr allar kalfhierar i giold oe i bauga (ftlr Bufsen), g^da
gall aeda brent silfr i giold ef til er, gialda hesta en eigi marar,
gradan hest, (Pferde, aber nicht Stuten noch Hengste) etc^ Muncii 1
p. 75. » Ueber altschwedische Taxwerthe vgl. NordstrOm Svevska FwL
Hist. 2 p. 383, ftber angels&chsische Schmid Angelsächsische Qesetse
p. 163 und 363. — Noch im Jahr 1371 wird im Groningerlande vereinbart:
„quilibet debitor suo creditori per modum qui seqnitur satisfaoere valeat
complete: scilicet quod modins optimae ac purae avenae pro 24 nummia,
modiuB ordei non permixti, ac modius fabae, ac bolla butyri, aequaliter
pro tribus solidis tribnantur'' Fries. Bechtsq. p. 344, 15. Ueber die Zahl dor
Schillinge, zu denen friesische wed- merk, lein-merk und hreil-merk
angegeben werden, vgl. Fries. Wörterb. p. 924. 1180. IKirch „Laken*'
wurde ein Drittel des ostfriesischen Wergeides bezahlt, nach Oatfijes. Landr.
ni c. 24: „doetslage mach men versoenen up dre tenninen: de erste mit
gelde, de ander mit beesten, den dorden mit laekenen;^ vgL was
ich angefthrt habe Mon. Germ. Leg. 3 p. 695 Not. 65 und p. 700 Not. 98. —
Abgaiben in Leinen und Wollstoffen werden vielfach erw&hnt; unter einem
Pfund ist bei derartigen Angaben oft kein Gewicht, sondern die Zahl 20
gemeint, wie z. B. eine Unze Eier 20 Eier bedeutet. Vgl. Urkunde a. 1053 :
„40 librae argenti frisioae monetae levioris et totidem lanei panni ex
aerario Bremensis arehiepiscopi annuatim persolvantur** Lappenberg Hamb.
Urkundenb. 1 p. 76; Bremer Urkunde von 1139: „U pund in panno** Lap-
penberg Hamb. Urkundenb. 1 p. 150; im Reg. Sarachonis § 101: „pamras
lineuH, in longitudine habens 16 cubitos et in latitudine 3 ;*' im alten Werdener
Güterregister: „lineum pallium 6 (und 10) cubitorum" Lacomblet Archiv 2
p. 225. 226; in Urk. a. 1090 fllr Frekenhorst: „ad vestituram euilibet saaoti-
moniali disposuimus 10 solides dari, sive in denariis, sive in pannis, aive
in frumento'' Kindlinger M. B. 2 p. 600.
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863
so findeo; dieser wurde wie hi DenteehlMid dnrob das ed^e Metall
gebildet, ond wenn in Island die Uase als Bezeiehnnng des Geldes
später nicht mehr mit der Gewiehts-Unse flbereinstimmt, so liegt dies
in der überall im Mittelalter eingetretenen Verschlechterung des Geldes.
Auch daran, dais im Norden eine Milchkuh den in Deutschland als
Solidus bezeichneten Werth ' repräsentirt hätte, ist nicht zu denken.
Der Ausdruck Schilling oder Solidus ist Oberhaupt den älteren
nordischen Quellen fremd; dagegen war er bei den Angelsachsen üb-
lich, aber auch nur als ein Collectivname, wie in Sachsen i) und Fries-
land. Besonders beachtungswerth scheint dabei, dals in Meroien unter
Schilling ein Werth begriffen war, der dem einer sächsischen und frie-
sischen Tremissis gleichkam und durch vier Pfenninge gebildet wurde ^.
Beilage II.
OeldwertL
Eine genauere Beachtung verdient das Sohätzungsverhältnifs der
einzelnen ländlichen Erzeugnisse in der Lex Saxonum, im Capitulare
Saxonicum von 797 und den Zusätzen zur Lex Saxonum im Text der
Corveier Handschrift und bei du Tillet, sowohl zum Silbergeld als
unter einander; fasse ich die in diesen Aufzeichnungen enthaltenen
Angaben zusammen, so sind es folgende, indem ich ihnen das fQr einen
^) Im alten Wordener Güterregister ist allgemein heri-aeilling eine
Benennung für eine sächsische Abgabe: „plenum heri - seilling^ Lacomblet
Arch. 2 p. 229. 280: „dimidiam herisoiUing'' p. 228; „4k (6, 8, 12, 16) de-
narii pro herisoilling^ p. 221->228; „1 komseiUing pro heriBcilling'' p,221;
„6 modii hordei pro heriscilling'' p. 229; „2 amphorae melliB pro heriseil*
1mg« p. 228. 228.
*) Das Pfund Silber Karls des Groben ist ss 20 Solidi = 240 De-
narii (oder fränkische Pfenninge); in Friesland: 1 Pfund Silber = 20 Solidi
s: 80 friesiBche Trenuases (oder frieusohe Denarii) as (240 fränkiaebe De-
nare); in Saehaen: 20 Solidi maiores =s SO Solidi minores (oder Solidi
Saxonum) = 60 säehsische Tremisses = (240 fränkische Denare) ; in Mer-
den: 1 Pfund Silber =i 60 scillingan = 240 penningan (vgl. Schmid Ge-
setie der Angelaaohsen 1858. p. 692. 696); in Wessex: 1 Pfund Silber
^ 48 sciUiBgaii =s 240 penningan.
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864
fränkischen Denar anzunehmende Sflberqnantnm beifüge nnd es in
preoffliscbem Gelde ansgedrflckt in eckige Klammem einsohliefaeO:
1 kleiner sachsiacher Solidus = 2 sächsiBche Tremiasen
(= % fränk. Sol. = 8 fränk. Denar.
= V,, fränk. Pfund Silber)
[=etwa22Sgr.
= 1 einjähriges Kalb [= 22 „
der Preis steigt
beim IVijähr.Kalbeanfiy, Sol. [==lThlr. 3 „
beim vierjähr. Ochsen auf 2 SoL [=1 „ 14 ,,
beim Pflugstier auf 2% Sol. [=1 ^ 25 „
bei einer Kuh auf 2% Sol. [=1 „ 25 „
bei einem besonders guten
Ochsen auf 3 Sol. N 2 „ 6 „
= 1 Schaaf mit seinem Lamme: 1 Sol. [= 22 ,
= 40 Scheffel Hafer in West£alen [viel-
leicht 20 preuis. Scheffel*)]: 1 Sol. [= 22 „
oder 1 Scheffel Hafer [vielleicht V« preufs.
Scheffel]: V« Sol. [= 6% Pf.
s= 30 Scheffel Hafer im nordöstl. Sachsen [viel-
leicht 15 preufs. Scheffel]: 1 Sol. [=:22Sgr.
oder 1 Scheffel Hafer [vielleicht '/• preufs.
Scheffel]: V,. Sol. [= 8V. „
= 20 Scheffel Roggen in Westfalen [vielleicht
10 preufs. Scheffel]: 1 Sol. [=22 „
oder 1 Scheffel Roggen [vielleicht Vi preufs.
Scheffel]: Y.« Sol. [=1 „ IV. ,
>) Die neueren Annahmen über den Werth des sp&teren Denars Karls
des Grolsen stimmen nicht röllig mit einander ftberein. Meine Bereehnnngen
fthren ron den Terachiedenen Anhaltspunkten ans von 2 Sübergrosehen
4 Pfenningen bis su 2 Silbergroschen 9 Pfenningen , wonach der frinkisehe
Solidus 28 Sgr. bis 33 Sgr. betrug. Mflller Münzgesohichte 1 p. 330 rechnet
den Denar zu 2% Sübergrosehen, also den frankischen Solidus zu 34*/i Sgr.
Jetet kommt auch Soetbeer in Forschungen zur deutschen Geschichte 6
p. 93 zum Besultale, dals 1 Denar sei gleich 2 Sgr. 9 Pf. und abo 1 So-
lidus = 33 Sgr. — Den obigen Berechnungen ist der Satz: 1 Trenüssis
SS 11 Sgr. zu Grunde gelegt.
*) Dafs der preufsische Scheffel ungefMir einem fr&nkischeB Modius g^eh,
und dieser = 2 altsftchsischen Scheffel gewesen zu sein scheint, s. p. 37.
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8s 15 Soheffel Roggen oder Qersie im nordösü.
SacliBen>)[vielleicht'%proal8.ScheffBl]:lSol.[s:22Sgr. - Pf.]
oder 1 Scheffel Koggen oder Qerste [yiel-
leicht V, preafs. Scheffel]: V,» Sol. [= 1 „ 5% „ ]
= IV« Eimer Honig in Westsacbsen: 1 Sol. [=22 „ ]
= 2 Eimer Honig im nordöstl. Sachsen : 1 Sol. [=22 , ]
Es springt in die Augen, wie hoch hier das Silber den ländlichen
Erzengnissen gegenüber gerechnet wird, ein wie geringes Quantum
von Geld also in Sachsen am Ende des achten Jahrhunderts vorhanden
gewesen sein mufs. Veranschaulichen wir uns dies nur beim Pflug-
stier, dem eine Milchkuh gleichsteht, und beim Roggen. Während
jener, wie die eben gegebenen Zusammenstellungen (Br die Zeit der
karolingischen Gesetze ergeben, in Sachsen damals 1 Thaler 25 Silber-
groschen kostete, war der Preis eines karolingischen Hodius, also etwa
eines preufsischen Scheffels damals in Westfalen 2 Sgr. 2% Pfenninge,
im nordöstlichen Sachsen 2 Sgr. UV» Pfenninge. Ein solcher Modius
lieferte nun nach einem Gapitukire Karls des Grofsen vom Jahr 794
0. 6 Pertz Leg. 1 p. 72: 90 Pfund Roggenbrod. Also kaufte man in
Westfalen das Pfund Roggenbrod zu 0,29, im nordöstlichen Sachsen
zu 0,39 Pfenningen, durchschnittlich mithin zu V» Pfenning; wobei ich
zur Bestätigung anführe, dafs in Soest ums Jahr 1280 aus dem Modius
Roggen 78 Pfund feines oder 112 Pfund grobes Roggenbrod gebacken
wurde, und dafs heute ein preufsischer Scheffel etwa 98 Pfund Roggen-
brod liefert.
Aber auch das Schätzungsverhältnifs der einzelnen ländlichen Er-
zeugnisse unter einander ist höchst eigenthümlich. Namentlich wird
Jedem, der geneigt ist, die damaligen Sachsen als vorherrschend von
Rindviehzucht lebend zu denken, der niedrige Preis des Getreides
gegenüber dem des Rindviehes auffallen, indem zur Zeit der sächsischen
Gesetze ein Pflugstier denselben Preis hatte wie 25 resp. I8V4 Scheffel
Roggen, während er heute dem doppelten bis dreifachen Roggenquan-
tnm gleichsteht. Dafs Schaafe verhältnifsmäfsig viel höher angerechnet
wurden als heute, erklärt sich leicht aus der geringen 2^hl derselben
und dem Zweck, für welchen sie auf den damaligen Landgütern ge-
halten wurden. Noch Sachsenspiegel I 24 §.3 rechnet die Schaafe
neben den Gänsen zur Frauengerade: sie dienen nur, um die im Hause
verarbeitete Wolle zu liefern.
^) In den etwas jQngeren ZuB&tien zur hex Saxonum (vgL p. 37) wer-
den abweichend f&r ganx Sachsen 60 Scheffel Hafer = 40 Scheffel Gerste
= 80 Scheffel Roggen = 1 SoliduB gesehäUt.
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SelbBtTentändlidi ist es, so welclMn Wkleraprilelieii m Ähren
mnllite, wenn Go^rard Poljptyqae de TabM Irminon, Paris 1844, 1
p. 157, ohne die versohiedenen Gegenden des firftnkischen Reiches la
nnterscheiden, und ohne die local sehr abweichenden WerthverlütttDtsse
der einzelnen Producte unter einander zu beachten, ans ungefähr gleich-
zeitigen Angaben den relativen Werth der edelen Metalle, im Gegen-
satz ihres inneren Werthes, für die einzelnen Decennien des achten
und neunten Jahrhunderts glaubte ermitteln zu können.
Wir besitzen für die Werthverhältnisse in Sachsen im achten Jahr-
hundert keine anderen Angaben, als die aus den ältesten Gesetzen
angeführten. £s scheint mir aber für ihre Beurtheilung lehrreich, mit
ihnen diejenigen zu vergleichen, die mir aus den nächstfolgenden Jahr-
hunderten zur Hand sind.
In Betreff der Schätzung des Getreides stammt das älteste
anderweitige mir bekannte Document aus Sachsen, welches speciellere
Angaben enthält, erst aus den Jahren 1250 bis 1280; es ist eine Baths-
Verordnung aus Soest über Gewicht und Preis des Brodes in Seiberts
Westfälisches Urkundenbuch 1 p. 333 (ex orig.). Sie stellt auf, daft aas
1 Modius Gerste 62% Pfund Brod gebacken werden könne, zieht aber
von diesen zu Gunsten der Bäcker 2V« Pfund ab, so dafs nur 60 Pfund
Brod vom Modius in Rechnung kommen. Darauf berechnet sie den
Preis des Pfundes Gerstbrod fttr den Fall, dafs der Modius Gerste
12 Denare steht, bis aufwärts zu 30 Denaren; bei 12 Denaren pro
Scheffel soll ein Denarbrod wiegen 5 Pfund oder 10 Mark, bei 24 De-
naren pro Scheffel dagegen 5 Mark u. s. w. Ferner bestimmt die Raths-
Verordnung, dafs für 1 Modius Roggen 78 Pfund feines oder 112 Pfund
grobes Roggenbrod (nach den Abzügen zu Gunsten der Bäcker) ge-
rechnet werden sollen. Sie berechnet den Roggenpreis für den Modius
von 6 Denaren bu aufwärts zu 18 Denaren, und bestimmt also, dafs
bei dem niedrigsten Roggenpreis von 6 Denaren für 1 Denar 13 Pfund,
beim höchsten von 18 für einen Denar 4Va Pfund Roggenbrod zum
Verkauf kommen sollen.
Wenn nun 797 der Scapil Roggen = */•• fränkischen Denaren ge-
schätzt wurde, und wir den Scapil gleich der Hälfte eines karolingischen
Modius setzen, so würde 1 Modius Roggen = V. fränkischen Denaren
gerechnet sein. Im Jahre 1280 erscheint in Soest der Preis von 1 Modius
Roggen zwischen 6 und 18 Denaren schwankend. Und wenn wir den
Gölner Denar damals auch um einige Pfenninge schlechter vaüren als
den karolingischen Denar (Ennen rechnet ihn in seiner Geschichte
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367
von GOln zu 2 9gr. 4 Pf.), so ist doch nohtbftr, dafs eine yOllige Preis-
umgeBtaltnDg eingetreten ist. Vielleicht war aiieh der 8oester Hodins
nmt Jahr 1380 etwas grMer als der Modins Karls des GroAien. In
einer absolnten Brodtaxe, die Karl der GvofiM im Jahre 794 fir Franken
(nieht fttr Sachsen) aafstellte, rechnet er von je einen Hodins der ver-
sehledenen Getreidearten je 50 Pfand Haferbrod, 80 Pfand GerBli>rod,
90 Pfund Roggenbiod, 96 Pliind Waizenbrod (Porta Leg. 1 p. 72),
w£hr^d in Soest im Jahr 1280 der Hodius gerechnet ist zu 60 Pfund
Gerstbrod, 70y» Pfund halb Gorst- und halb Roggenbrod, 78 Pfund
feines Roggenbrod, 112 Pfund grobes Roggenbrod >). — Das Capitulare
Saxonieum von 797 rechnet 1 Scheffel Roggen oder Gerste == 2 Scheffel
Hafer; im Capitulare von 794 setzt König Karl ftlr die fränkischen
L&nder an: 1 Hodius Roggen = VU Hodii Gerste == 3 Hodii Hafer.
In den jüngeren Zusätzen zur Lex Saxonum (vgl. oben p. 37) wird
die 797 nur bei den nordöstlichen Sachsen erwähnte und da dem
Roggen gleich geschätzte Gerste besonders angesetzt, und zwar
1 Scheffel Roggen = \% Scheffel Gerste = 2 Scheffel Hafer. Damit
ist bei Hafer und Roggen das im Capitulare von 797 fQr sie aufgestellte
Yerhältniis festgehalten und die Gerste zwischen ihnen eingeschoben,
wenn auch nicht genau in demselben Verhältnifs, in dem es im Capi-
ndare Karls des Greisen von 794 der Fall ist.
Beim Vieh zeigen spätere Aufzeichnungen aus Sachsen eine
minder bedeutende Werthsteigerung als beim Getreide; es tritt dadurch
der Werth des Getreides gegenüber von dem des Viehes in ein günsti-
geres Verhältnifs, als es in dem Capitulare von 797 der Fall ist. —
Ich f&hre folgende Schätzungen von Vieh an:
a) In Urkunde von 858 für Corvei*):
^) Dem „panis siligineus, qui in Tnlgo cleyne rogge dicttur*' sielU das
Statut gegenüber „grossus panis siligineus''. Die GewichtBsteigenmg bei ihm
ton 78 auf 112 Ptod kann sich, wenn die Lesart riehtig ist, nur durch
den greiseren Wasser- und Klei -Gehalt des groben westfilUschen Brodes
erklären; man rechnet heute etwa 1 preufsischen Scheffel Roggen ^ 80 preulsi-
Bchen Pfund Roggen = 68 preufa. Pfund Roggenmehl (mit Einschluls Yon
5 Pfund Mahlmetze) ^ 98 preuls. Pfund Roggenbrod.
*) In Urk. von König Ludwig a. 853 : „ ut dentur porci quatuor Ta-
lentes singuli denarios 12, et octo arietes, qui eadem precii summa qua
4 porci aestimarentur " Erhard Reg. Westf. 1 p. 17. — Zu yergleichen ist
femer noch die in Wigand Archiv für Westfalen I, 2 p. 8ff. abgedruckte,
altsächsische CorTeier Heberolle; siehe auch Wigand Trad. Corb. p. 8.
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1 Sohirein ss 18 Dewur. [= 83 Silbeigr.]
1 Widder s 6 , [s 16V. „ ]
b) In einem Correier Gflterregister mu dem Beginae des elften
Jabrhuiiderte in Kindlinger Hflnater. BeitrSge 2 p. 115 werden geechitxt
gleich einer Merk (d. !.: 1 COlner Ifark s= 4 Fertonee oder Quednntee
SS 12 Selidi = 12 x 12 d. i. 144 Denaren; wo ein Denar etwa 2'/. Sgr.
beträgt): 4 Ktthe, 4 „verres'', 8 „porci boni*", 16 Rindahftate; also:
1 Kuh = V« Hark oder 1 Ferto = 36 Denare [= 2 Tlilr. 24 Sgr.]
lEber =V. „ , 1 „ =36 „ [=2 „ 24 , 1
1 Scliwein = y. , „ % „ = 18 „ [= 1 „ 12 , 1
lBindBhant=V.. „ « % „ = 9 „ [= 21 , 1
e) Im Corveier Registram Sarachonis, zwischen 1053 and 1071,
werden Zinsschweine von verschiedener Beschaffenheit nach ihrem
Geldwerth bezeichnet als: „porci 3 denariorüm*' §.494. 571; »porci
4 denariorum'' §. 271 ; „8 denarioram'' §. 17. 19. 64. 150. 162. 572. 650.
683. 684; „9 denariorum«' §.509; „12 denariornm'' §.29. 43. 73. IB4. 85.
138. 166. 186. 187; „13 denariorum'' §. 184; „14 denariorum" §. 63. 165;
„16 denariorum*' §. 195. 527; „20 denariorum'^ §. 191. Also:
1 Schwein = von 3 Denar, bis zu 20 Den. [= 7 Sgr. bis 1 Thlr. 16 */> Sgr.]
d) In einem Corveier Gfiterregister aus den Jahren 1106 bis 1128
in Kindlinger Münster. Beitr. 2 p. 119 ff.:
1 Reitpferd („equoa unus, cum quo serviat, do-
mino Valens 1 libram Hallensis monetae")
rs 1 Haller Pfund = 20 Schill.^ 20 X 12 Den. [=r 18Thir. 20 Sgr.]
1 Sohaaf mit seinem Lamme = 1 Sol. = 12 Denar. [s= 28 Sgr.]
Daneben wird (Kindlinger p. 120) erwähnt
„ovls cum agno Valens 28 nummos" und
„Ovis Valens 6 vel 7 nummos''.
1 Sehwein = 6 Denar, (p. 142) = 6Den.[ai 14 „ ]
= 2Solidi(p.l21. 125) =24 , [= 1 „ 26 « ]
= 4 „ (p.119. 122. 123) ==:48 „1=8 „ 22 „ ]
= V,. von 8 Mark (p. 127) = 76% „[=5 „ 29% „ ]
e) In einem Corveier Güterregister zwischen 1185 und 1205 bei
Kindlinger 2 p. 222 ff.:
1 Kuh = 2 Solidi (p. 222) = 24 Denare [= 1 Thlr. 26 Sgr.]
1 Schwein = 5 „ * (p. 225) = 60 „ l=4„20,]
(daneben p. 226 = 6 nummi).
1 Schwein = „20 Solidi Hnxarieneia monetae^ (p, 225).
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369
f) In einem alten Werdener Gflterregieter bei Laoomblet Arobiv 2
p. 231 ff.:
1 Schwein s 6 Denare (»poroum vel 6 denarios'' p. 222) [= 14 Sgr.]
1 Schwein = 8 „ („porcas Valens ad octo denarios"
P.222) l=18V.„ ]
1 Schaaf =6 „ (»ovem pro 6 denar.« p, 227). [=14 „ ]
g) In einem Zusatz zom Sachsenspiegel III 51 §. 1 aus dem drei-
zehnten Jahrhundert sind folgende Taxwerthe für getOdtetes Vieh mit-
getheilt, die als dessen Wergeid bezeichnet werden:
14 Sgr.]
= 3Thlr.22 „ ]
= 7 » 14 „ ]
dV. „ ]
7 » ]
2 » 24 „ ]
4 , 20 „ ]
4 • 20 , ]
28 „ ]
= 11 » 6 « J
= 18 , 20 „ 1
1 Kalb = 6 Pfenning
1 Rind = 4 Schilling
1 Zugochse =: B „
1 Lamm = 4 ,
1 Saugferkel = 3 „
1 jähriges Schwein =s 3 „
l Zuchtsau = ^ ff
1 ausgewachsener Eber =5 ^
(Mastschweine werden einzeln taxirt)
1 Fohlen, das noch saugt = 1 Schilling
1 noch nicht brauchbares Pferd =8 „
1 Arbeitspferd s 12 „
1 Reitpferd = 1 Pfund = 20 „
(Lnxuspferde werden einzeln taxirt).
Eine Zusammenstellung dieser späteren Angaben mit den älteren
ergiebt folgende Schätzungswerthe:
fDr 1 Ochse: ein vierjähriger Ochse, in der Lex Sax. [= 1 Thlr. 14 Sgr.]
ein Pflugstier, in den Zusätzen zur
Lex Sax. [=1 „ 25 ,, ]
ein besonders guter Ochse, in den Zu-
sätzen zur Lex Sax. [=s2
ein Rind im 13. Jahrhundert (Nr. g) \=s. 3
ein Zugochse im 13. Jahrh. (Nr. g) [» 7
fttr 1 Kuh mit Einschlufs des Kalbes in den Zu-
sätzen zur Lex Sax. ' 1= 1 » 25 „ ]
1) Die Valirang des Geldes in diesen Angaben ist sehr unsicher; der
Sachsenspiegel rechnet 1 Pfnnd zu 20 Schillingen, 1 Schilling su 12 Pfen-
ningen ; der Pfenning desselben scheint aber weniger werth gewesen eu sein, als
der Cölner, den ich hier mit 2'/« Sgr. angesetzt habe. Vgl. die Zusammenstel-
langen in Stenzels Urk. zur Geschichte der Städte m Schlesien (1832) p. 91.
24
6
9
]
22
«
]
14
]|
]
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370
eine Kuh im An&ng dee 11. Jahr-
hunderts (Nr. b) [= 2 Thlr. 248gT.]
am Ende des 12. Jahrh. (Nr.e) [= 1 , 96 » ]
für 1 Schaaf mit aeinem Lamm, im Jahr 797 [=3 82 » ]
im Anf. des 12. Jahrh. (Nr. cQ [= 28 » ]
l Widder, im Jahr 853 (Nr. a) [= 16% » ]
filr 1 Schwein, im Jahr 863 (Nr. a) [=: 1 , 3 , ]
im Beginn des 11. Jahrh. (Nr. 6) [sr 1 „ 12 . ]
in der Mitte des 11. Jahrh. (Nr.c) [= von 7 j,
bis zu 1 Thlr. 16%» ]
im Beginn des 12. Jahrh. (Nr. d) [= von 14 »
bis Ea3Thlr.22 ^ ]
(Hastschweine bis 5 Thlr. 29'/. Sgr.)
im Beginn des 13. Jahrh. (Nr. e) [=4 „ 20 ,
im Sachsenspiegel im 13. Jahrh. (Nr. g) [s= von 7 „
bis4Thlr.20 „ ]
Bs zeigt sich in diesen Ansätzen eine fortschreitende Preissteige-
rung, und sie sind bei allem Schwankendem, was ihrer Natur nach in
ihnen liegt, und bei der Unsicherheit meiner Reductioii der Terschie-
denen Mttnze doch geeignet die Richtigkeit der Angaben der Lex Sa-
xonum, des Capitnlare Saxonioum und der Zusätze aur Lex Saxonum
zu bestätigen, während die Gleichstellung eines Rindes mit 10 Solidi
in den Capitula de partibns Saxoniae c. 27 mit allem Uebrigen unver-
einbar erscheint und deswegen, wie am Schlosse der vierten Beilage
näher ausgeführt ist, auf eine fränkische Werthschätznng hinHUiren
dürfte.
Erklärt sich nun ans dem hohen (3eldwer<ii und der geringen
Hasse des in Sachsen vorhandenen Silbers, die sich aus den aufge-
führten Schätzungen von Getreide und Vieh ergiebt, zur Genfige, dals
die karolingisohen sächsischen Gesetze Satzungen aufstellten über Hin-
gabe von ländlichen Producten an Gtoldesstatt bei Entrichtung von
Wergeldem und Buisen, so müssen doch andererseits die grofsen Sum-
men von ländlichen Producten, die danach in Sachsen alsWergekter
und Buisen zu zahlen waren, Staunen erregen. Wenn beispielsweise
das Wergeid eines Uten 120 Solidi oder 48 Pflugstiere oder 1200 re-
spective 900 heutige preuisische Scheffel Roggen, das eines Über
240 Solidi oder 96 Pflugstiere oder 2400 respective 1800 Scheffel Rog-
gen, das eines Nobilis 1440 Solidi oder 576 Pflugstiere oder 14400 re-
spective 10800 Scheffel Boggen betrog, so drängt sich die Frage mn^
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371 '
wie diese fikumen aafgebnuslit werden körnten. Dais es mit jeder
gesnaden Kritik nnvereinber iat, wenn Seh«imann in den Gapiteln der
Lex Sftzonam, wo von Boiien and Wergeldem die Bede ist, die anf-
gel&hrten Solidi in Denare zn ändern antemimmt, hat Jaeob Grimm
in der Zeitaekrift für geeehiehtliehe Bechtewiaeenschaft Bd. 11 erOrtert,
ond kann keinem Zweifel nnterliegen. Wenn man sich aber auch ver^
gegeawärtigt, dafo im karolingiiohen Sachsen die bei Weitem gröfsere
Zahl der BevOlkernng ans Sklaven, Liten und Freien, nur eine kleinere
ans Edelen bestand, so dafs das Wergeid eines Nobilis nur in ver-
hältnifsmäiajg seltenen Fällen lllit gezahlt werden müssen, und nicht
auiser Acht läfst, dafs die sächsischen Nobiles, wenn auch in keiner
Weise Dynasten, doch mit gröfserem eigenen und abhängigen Grund-
besitz ausgestattet waren, so bleibt doch nur übrig, daran zu erinnern,
dafs Fälle nicht gefehlt haben dürften, wo die dazu Verpflichteten ihr
verwirktes Wergeid zu zahlen nicht im Stande waren; wie wir denn
auch wissen, dafs wegen nicht gezahlten Wergeides Einzelne sich, ihre
Frauen und Kinder als Unfreie hingeben mufsten ( vgl. oben p. 293
Note 2), und dafs vielfach derartige Personen flüchtig wurden und
dann, wie wiederholte Berichte aus den verschiedensten Zeiten melden,
das Land unsicher machten.
Beilage III.
Die Anordnung der Lex Saxonnm.
So lax die Anordnung des Stoffes in der Lex Saxonum auch ist,
so ist doch eine Eintheilung desselben nach gewissen Gesichtspuncten
unverkennbar. Sie behandelt nach einander folgende Materien:
1. Cap. 1 — 20: Bufsen für Verletzungen.
2. Cap. 21 — 38: Todesstrafen.
Gap. 39 giebt anhangsweise Beweisregeln.
3. Cap. 40 — 49: Eheliches Güterrecht und Erbrecht.
4. Cap. 50—60: Haftung für fremde Handlungen und Zufall.
5. Cap. 61 — 65: Veräufserungen.
6. Cap. 66: Schätzungswerthe bei Bufszahlungen.
Bemerkenswerth erscheint, was bisher, soweit mir bekannt, nicht
beachtet worden ist, dais dem Gesetzgeber bei Abfassung der Lex
24»
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872
Saxonam die Lex Bipaariorum vorgelegen zu haben sdieint^), indem
er in den ersten 20 Gapiteln derselfoen, die yon Bnfsgeldem handdn,
bei Anordnung der einzelnen Gegenstände der Lex Ripnanorom ge-
folgt ist und in mehreren derselben sogar die Wort&ssnng der Lex
Bip. benutzt hat, ohnerachtet sich durchweg eine materielle Veraehie-
denheit des behandelten Rechts zeigt. In den späteren Gapiteln der Lex
Saxonum findet weder in der Anordnung noch in der Wort&ssnng der
ähnlichen Materien eine üebereinstimmnng mit der Lex Rip. statt. Das
Nähere giebt folgende Zusammenstellung.
Tit I:
lotus.
„De idu ingenuomm''.
Vgl. Tit. XIX, t: bnlislag.
Tit. II: Blutflieisende Wunde.
' „De «on^uin/« effusione*.
Tit. III.
Tit, IV.
„De 099t frad^^
„Si quis transpnnxerit*'
Lex Saxonnm«
1. Bufsen ftkr Verletzungen.
Gap. 1: Hieb (Ictus).
„D« tchi nobilis".
Gap. 2: Livor et tumor.
Gap. 3: Blutflie&ende Wunde.
„Si 9tmgu\nai^»
Gap. 4 : Gehirnschale entblöfst.
Gap. 6: Gehirnschale gebrochen.
„Si 09 frtgerU^,
Wlitiwam.
Körper, Hüfte, Arm durchbohrt,
„perforaverit".
Gap. 6: Kleid oder Schild durch-
hauen.
Gap. 7: Haargrifif.
Gap. 8: Ueberfall mit gezücktem
Schwert
Gap. 9 u. 10: Wurf ins Wasser.
Gap. 11: Verlust von Auge.
„Qui ocuhim excu99erit^.
von Ohr.
von Nase,
„de ruuo, 9i ah9ci9um
fuerit*'.
^) Bie Benutsung der Lex Sal. in der Lex Ripuar., sowie der Lex Alam.
und Lex Wisigoth. in der Lex Baiuw. sind oft nachgewiesen. Dafs einige
Sätze der Lex Alam. in die Lex Fris. (Add. tit 106; IV; VjULl) aufgenommen
sind, habe ich Mon. Germ. Leg. 8 p. 692 u. 693 gezeigt Ob die Lex Thur.
einzelne Worte der Lex Bip. benutzt hat, dfirfte noch weiter zu reriblgen sem.
Lex Bipuarloriuii«
Tit V, 8.
TitV, 1.
TitV,2.
„si quis oeulum exctiMertf*'.
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373
Lex 8ax*B«m*
Verinat yon Hand,
„de numibui*'.
Yon Fafii.
„de pedibus".
▼OD TesticuluB.
jiSi Dnnm atmimanfiieri^ .
Gap. 12: BeschftdigQng der im
C»p.ll geBannten OliedmaadBen.
^mtmca pependerint, tne-
dietatem Bnpradktae conpo-
8itiolli8^
Gap. 13 : Verlast von Fingern, Fin-
gergliedem und Zehen.
Gap. 14: Wergeid.
„qoi nobilem oeciderif.
Qnp. 15: Bnfaen, ffir den Fall, daTs
einem Mädchen oder einem Wei-
be („iam enixa^) die vorstehen-
denVerletznngen angethan sind.
Gap. 16: BoTsen fClr Yerletzangen
eines Litus.
Gap. 17 : Boise für einen getOdteten
ServQS.
Gap. 18: Wer zahlt Bnlse, wenn
ein Litus tödtet? (vgl. c. 50).
Gap. 19: Mordhtot
„mordtotnm". Variante:
^mordritoion^.
Gap. 20: Plagium von Nobiles.
„Si nobilis nöbilem extra
solum vendiderit, et reducere
non patuerit .... Si vero
Lex lUpiuuriemi.
TitV,4.
Tit.v,a
„pedem^
Tit. VI.
Tlt.V,6n.8.
„«toneiffn pendiderit, me*
dietatem componat, quam
eomponere debnerat, e% ip-
Bom membmm abecietum
ßäeut''.
Tit V, 6 n. 7.
TitVII: Dehomictdioingennorum.
„si ingennnm interfecerit" .
Tit IX— XI: Tötungen von Leu-
ten anderer Stände.
Tit. XII— XIV: Tödtang eines ge-
bärfähigen Weibes oder Mäd-
chens.
Vgl. Tit. IX n. X: De homi-
oidiis hominnm Regis et eo-
olesiastioomm.
Til VIII: De homicidiis servoram.
Tit. XV.
„qnod dicitar mordri-
dus^.
Tit. XVI.
jfSi qnis ingenuns inge-
nnnm .... estra eokm vendi-
dertt et enm ad solnm non
potuerit reducere .... Et ei
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S74
reduxerii eum .... De muliere
9imaiier\
2. TodeBBtrafen.
Cap. 21 : Eirohenschändnng.
Gap. 22 : UnwisBentl. Meineid.
Cap. 28: TMtang auf dem Kireb-
wege.
Cap. 24: Landeeyenrath.
Cap. 25: Tödtang des DominnB.
Cap. 26: TödtaDgeiDeaSobneBdeB
DomiDQB; Stapram der Frau,
Matter, Tochter des Dominaa.
Cap. 27 : TOdtang im eigenen Hanse
wegen Faida.
Cap. 28: Der zum Tode Verar-
theilte hat nirgends Frieden.
Cap. 29: Pferdediebstahl.
Cap. dO: Diebstahl eines Bienen-
stoekes im Gehöft.
Cap. 31: Diebstahl eines Bie-
nenstockes aafser dem Ge-
höft.
Cap. 82: Diebstahl einer 2 Solidi
werthen Saohe bei Nachtzeit
mittels Einbrach.
Cap. 33: Diebstahl aas einer
Skreona.
Cap. 34: Diebstahl eines 2 Solidi
werttien Ochsens bei Nachtzeit
Cap. 35: Diebstahl einer Sache im
Werthe von 3 Solidi.
Cap. 36 : Diebstahl einer weni-
ger als 3 Sol. werthen Sache.
Cap. 87: Verletaang eines Men-
schen während eines Eriegs-
sages oder aof dem Wege
aam Palatiam.
Lex BtpMrlenB.
eum Uk BolVB reAaerU ....
De feminaingenoa^lnilblflr*.
Vgl. Tit. LXIX.
Vgl. Tit. LXIV.
Vgl. Tit. XVIII.
Vgl. Tit Lxxyii.
Vgl. Lex Sal. XXVIH, 18. 19.
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375
lies SiOEMAim.
Cap. 38: Brandstiftnng.
Cftp.dS: ZengenbeweiB gegen
mit Eid erhärteten Eigen-
thamsanspraoh.
8. Eheliches Güterrecht und
Erbrecht.
Gap. 40: Kaufpreis einer Fran und
Frauenraab.
Gap. 41 : Beerbang der Eltern durch
Kinder.
Cap. 42: Vormundschaft Aber Witt-
wen.
Gap. 43: Heirath einer Wittwe.
Gap. 44: Erbrecht der Tochter;
Vormundschaft Aber sie.
Gap. 45: Vormundschaft Aber Kin-
der einerWittwe, die eine zweite
Ehe eingeht.
Gap. 46: Erbrecht der Enkel.
Gap. 47: Von der Dos.
Gap. 48: Eheliche Errungenschaft.
Gap. 49: Raub einer Braut.
4. Haftung f Ar fremde Hand-
lungen und ZufalL
Gap. 60: Handlung eines Litus oder
Servus auf Veranlassung des
Herren*
Gap.51|
Gap. 52> : Handlungen eines Servus.
Gap. 63'
Gap. 54: TOdtung durch einen ge-
fällten Baum.
Gap. 55: Tödtung durch UmfaUen
eines angeaAndeten Baumes.
Gap. 56) .Beschädigungduroh WUd-
GiH[>.58i' gruben oder Sohlingen.
Lex Bipwrianim.
Vgl. Tit. XVII: de inoendio.
Vgl. Tit. XXXV, 2.
Vgl. Tit. LVI.
Vgl. Tit. XXXVII, 1 u.
Vgl. Tit. XXXVII.
Vgl. Tit XXX, 2.
Vgl. Tit. LXX.
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376
Lex Saxonnni.
Gap. 57: Beschädigang daroh eis
Thier.
Gap. 59 : Beechädigang darch ein
Wnrfgeschofo.
Cap.60: Beschftdignng eines frem-
den Thieres durch Wildgrnben.
5. Veräufserungen.
Gap. 61: yeräafserangen im All-
gemeinen.
Gap. 62: Fälle von zulfiasiger Y er-
än&ernng ohne Einwendnngder
Erben.
Gap. 63 : Beweis beim Streit Ober
Grandstücke.
Gap. 64: Verkauf des Grundstficks
eines exilirten über homo sub
iiutela nobiÜB.
Gap. 65: Franenkauf beim Litus
regis.
6. Schätznngswerthe bei
Bufszablungen.
Gap. 66 : Werthe von Solidi und
anderen Gegenständen bei Zah-
lungen von Wergeldem und an-
deren Bulsen.
Lex Rlpiuurioviim.
Vgl. Tit XLVI, 1.
Vgl. Tit. LXX, 1.
Vgl. Tit. LXX, 5.
Vgl. Tit XXXVI, 11 u. 12.
Beilage IV.
Sie Zahl 120 das ist eine Enoda oder ein grolses Hundert in
der Lex SaxonunL
Eine der bestrittensten Stellen der Lex Saxonum, die unter allen
die abweichendsten Deutungen erfahren hat, ist Lex Sax. e. 14. Sie
lautet: „Qui nobilem occiderit 1440 solidos eonponat; ruoda dicitor
apud Saxones 120 solidi, et in premium 120 solidi;" d.h.: 1440 oder
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877
13 X 120 Solidi beträgt das Wergeid eines Nobilis; 120 Solid! nennen
die Sachsen eine Rathe; nnd 120 Solidi (d. i. eine Ruthe) werden da-
neben fttr die Tödtnng des Nobilis als Praemium gezahlt Demnach
soll also auCser dem aus 12 x 120 Solidi bestehendem Wergeid bei
TOdtnng eines Nobilis noch ein Praemium von 120 Solidi entrichtet
werden. Unter dem Praeminm haben wir eine Bafse %u verstehen«
Und es ist sehr bemerkenswerth, dafo nach dem Sachsenspiegel bei
den, den Nobiles Altsachsens entsprechenden, schOffenbarfreien Leuten
neben dem Wergeide, welches sie erhalten, ebenfalls der zwölfte Theil
desselben als Bu&e gezahlt wurde. Die Worte des Sachsenspiegels
sind III 46 f. 1: „Den soepenbaren vrien Ittden gift man drittich
Schillinge to bnte pündeger penninge; ire weregelt sin achtein punt
pfindeger penninge*'; 18 Pfund — das Pfnnd zu 20 Schillingen ge-
rechnet ^ ergeben aber d60 Schillinge, yon denen jene 30 Schillinge
den zwölften Theil bilden.
Neuere haben die angefahrte nahe liegende, und, wie mir scheint,
durch den Wortlaut des Gapitels der Lex Saxonum gebotene Deutung
der obenan gestellten Worte verworfen und den Schluissatz des Gapi-
tels auf das Wergeid eines Freien' bezogen, dessen die Stelle mit keiner
Silbe gedenkt. Sie haben dies meistens gethan, indem sie die Stelle
für verderbt erklärten und einige Worte in sie einfügten, durch welche
eine Hinweisung des Schlufssatzes auf Freie erzielt wurde.
Leibnitii Scriptor. rer. Bmnsvicens. 1 p. 78 wollte emendiren:
„Ruoda quod dicitur apud Saxones, id t»t ingenuum det . , . , sol.*',
nnd Ruoda ffir Bezeichnung eines freien Mannes verwendet wissen.
Von derselben Voraussetzung ausgehend emendirte Oaertner Leges
Saxonum tres p. 23: „Qui nobilem occiderit 1440 solides componat,
gui oceiderit eum, gut Ruoda dicitur apud Saxones, 120 solides, et in
praemium 120 solides'' . Beineccinsin den Antiquit. iur. Germanici
2 p. 9 wollte, wie auch Ganpp anführt, Ruoda in Ruogoy wodurch eine
Rflge oder Brüche bezeichnet sei, ändern nnd die Stelle dasselbe sagen
lassen, was jene in ihr finden wollten, indem sie ergänzt werden .mfisse
in: „Qui nobilem occiderit, 1440 sol. componat, Ruopa quod dicitur apud
Saxones; «i ingenuumy 120 solides et in praemium 120 solides^. Jacob
Grimm verwirft jede Aendernng des Wortes Ruoda als willkürlich;
eine Deutung des Wortes für einen Freien erschien ihm als sprachlich
unstatthaft; nnd er verkannte keinen Augenblick, dafs unter Ruoda
nichts Anderes als Ruthe (virga) gemeint sein kann; er vermuthete
in dem Ausdruck die Bezeichnung eines Wergeides, und sah sich, in-
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378
dem er im Anschlasse »n die frUheren Anfhasangen des Cqiiteli in
ihm eine Bestimmung über das Wergeid eines Freien finden wollte^
ebenfalls veranlafst, die Stelle durch Einsdiiebung einiger Worte ni
ergänzen. Er bemerkt Reohtsaltertiiflmer p. 278: „man kOnnte matb-
mafsen, es seien die Worte : 911! Hberum oceiderit, 240 soHdas eomp&nai^
ausgefallen ; denn was folgt, scheint nichts als Erklärung dieses Wer-
geldes: ruoda dicitur apud Saxones 190 sol., et in praeminm lSN)iol^
Auffallend bleibt nur, dafe hernach der Utiis duodecima parte minor
quam nobilis angesetzt wird, und nicht dimidia parte minor qoam
Über, was dasselbe gewesen wfire.^ Um die Verwendung von Ratte
für Wergeid zu rechtfertigen, erinnert er an das Vorkommen des
Wortes Rnthe bei Beschreibung des sagenhaften Wergeides der Dage*
werchten im Sachsenspiegel III 45 §. 8; die Stelle sagt: „Der dage-
werohten weregelt is en barch vul weites von tvetfruden, also iewelk
rüde von der anderen sta enes vedemes lang; iewelk rüde sal hebben
tvelf negeU npwart; iewelk nagel sal von dem anderen stan als en man
lang is bit an die sculderen, durch dat man den barch geboren möge
von nagele to nagele; iewelk nagel sal hebben tf!>elf lmdd€\ iewelk
budel tvelfsekiUinpe;^ vgl. Orimm in Ztscbrft. f. geschichtL Btswissenseh.
11 p. 392. Wie wenig die Sachsenspiegelstelle genügt, um in Bnthe die
Bezeichnung eines Wergeides zu vermuthen, leuchtet ein; unter den
12 Ruthen der Sachsenspiegelstelle sind 50 bis 60 Fnfii hohe Stangen
gemeint, welche den Weizenschober als Stütze umgeben, und an denen
die Beutel mit den 20736 Schillingen hängen, welche die Tagearbeiter
angeblich als Wergeid erhalten hätten.
Von diesen Deutungen der Stelle unterscheidet sich im Wesesi-
lichen nicht diejenige, die Ganpp Gesetz der Thüringer p. 188 and
Gesetz der Sachsen p. 102 giebt, nur dais er eine Emendation der-
selben, wie sie Leibniz, Gaertner, Heineccius und Jacob Grimm in
verschiedener Weise vorschlugen, für unnöthig hält, indem er das in
die Worte hineininterpretiren zu können glaubt^ was jene hineinemen-
diren wollten. Indem er mit Grimm Ruoda für Ruthe (virga) nimmt,
scheint es ihm der technische Ausdruck für Wergeid zu sein, and, da
das Wergeid des Freien , wie er gegen den Inhalt der Lex Sazonam
voraussetzt, bei der Berechnung der verschiedenen Wergelder die Regel
bilde, für das Wergeid eines Freien zu stehen; das alte Wergeid tob
120 Solidi, erörtert er dann weiter, sei durch weitere 120 Solidi «r*
höht worden (s=: Praeminm), und das Gapitel sage somit: dos säehsiBclie
Freienwergeld betrage 240 SoIidL Er sagt wörtlich: „Der ganze Sats
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I
des ÜBpitels 14 wftre hienuieb folgenclenDafteii zn flbenetzen: Eine
Bnthe (d. h. ein altes Freienwergeld) bedentet soviel ais 130 Sol., und
cum Lohne kommen noch 120 Sol. hinsn*'.
Bei dieeer Inieipretation der Stelle trfigt, wie ich behaupten mnft»
Ganpp in das Wort Ruoda hinein, was er ansgehead von dem dnroh
Eigänaongen Aelterer angenommenen Sinn der Stelle als in ihr liegend
voraussetzt. Während die Stelle des Freien mit keiner Silbe gedenkt,
und er Saoda mit Grimm ffir Bnthe versteht, nimmt er an, dafs die
Stelle, indem sie von Rnthe spricht, vom Freienwergeld rede. Eine
Berechtigung zu einer derartigen Supposition kann ich nicht einrftumen.
An den frttheren Theil des Satzes, der vom Nobilis handelt, schliefiBcn
sich unmittelbar die Worte: „ruoda didtur apud Sazones 120 solidi*
et in praemium 120 solidi^. Ich vermag dies nur zu übertragen: 120
Solidi nennen die Sachsen eine Ruthe, und 120 Solidi werden als
Praemium gezahlt; eine Bemerkung, die sich unmittelbar auf das ihr
Vorangehende besieht, und nach ihrem Wortlaut nur sagt, dafs fttr
einen getödteten Nobilis als Wergeid 1440 Solidi, und als Praemium
eine Buthe d. i. 120 Solidi gezahlt werden sollen. Wäre wirklich Buthe
der technische Ausdruck für Freienwergeld, was völlig aus der Luft
gegriifen ist, und sollte gesagt sein, dais dies 120 Solidi betrage^ so
mfifste es doch wenigstens heifsen : ruoda est apud Saxones 120 solidi.
Ein reeller Gegengrund gegen die Annahme, dafs bei Buoda an ein
Freienwergeld zu denken sei, Uegt aber au&erdem, wie J. Grimm
schlagend bemerkte, darin, dais „hernach der litus duodecima parte
minor quam nobilis angesetzt wird, und nicht dimidia parte minor
quam Über, was dasselbe gewesen wäre". Nachdem das Wergeid dec^
Nobilis auf 1440 d. i. 6 X 240 Solidi angegeben war, müfsten wir, wenn
das Wergeid desLiber zu 240 Solidi angesetzt wäre, gewifo erwarten,
daCs das daran gereihte Wergeid des Liten von 120 Solidi als die
Hälfte desselben, nicht aber als den zwölften Theil des Wergeids des
Nobilis betragend angegeben wäre. Dagegen mufs es als höchst na-
türlich erscheinen, dafs das Wergeid des Litus, so wie es geschehen,
bezeichnet worden ist, wenn Capitel 14 ausschliefslich vom Wergeid
des Nobilis von 1440 Solidi handelt, und Capitel 16 auf das des Litus
im Betrage von 120 Solidi übergeht.
Der eben bekämpften Gauppschen Deutung des Cap. 14 schliefsen
sich die meisten Neueren an, wenn auch mit manchen Modificationen.
Das gilt beispielsweise von Wilda Strafrecht S. 432, Konrad Maurer
Ueber das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme S. 115,
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Stobbe Ztschrft. f. Deutsch. Rt. 15 S. 813, Walter Deutsche Rechts-
gesch. §. 419 und Anderen.
Ist nun in der bisherigen Erörterung die Ansieht rasgefOhrt
worden, dafe dem Nobilis nach Lex Sax. c. 14 ein Wergeid .Yon 1440
Solidi nebst einem Praemium von 120 Solidi gezahlt werden mnfste,
so fragt es sich weiter, wie die Lex Saxonnm die Summe
von 120 Solidi als Ruthe beseichnen konnte.
Ich glaube nicht zu irren, wenn ich die ErklSrung daffir d^rin
finde, dafs die Ruthe oder Mefsstange, deren sich die Feldmesser
bedienten, im filteren Sachsen, wie in anderen deutschen Gegenden,
aus 120Theilen, nämlich aus lOFuTs zu je 12 Zoll bestand, und
*dies Veranlassung gab, für die Zahl 120 auch anderweitig den Aus-
druck Ruthe zu verwenden.
Was zunächst das Vorkommen des Ausdrucks Ruihe fttr Mefiutange
anlangt, so ist er, abgesehen von der angefahrten Stelle der Lex Saxo-
num, im späteren Sachsen üblich, und wird in niederdentsehen Au^
Zeichnungen des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts in den
verschiedenen altfriesischen Landschaften, namentlich in RQstringen,
im Groninger Land, im westlaubachschen Friesland, in Holland und
Seeland gebraucht^). Aufzeichnungen in altfriesischer Sprache bedienen
sich zur Bezeichnung der Me&stange statt Ruthe des Wortes jerde^
das noch in neuerer Zeit als paerde in Holland, und als joittd,
Jard in Nordfriesland für die Mefsstange verwendet wurde, während
auch die fränkischen Gegenden in frflherer Zeit daf Or die Bezeichnung
Gerte kannten*). Im alten Schweden nannte man die Mefsruthe ekmff.
') Ans Sachsen z, B. erwähnt im Witienmühlenrecht : Ghimm Weis-
thümer 3 S. 233; aus Rfistringen im sogenannten Butjadinger Landreeht:
rode Fries. RechtsqueUen S. 122^ 6^ wo es flQür jerde im altfriesischen Text
steht; aus dem Groninger Land in Urkunde a. 1456: „een roede lang,*'
Driessen Monnm. xned, B. 297 ; in der Chronik des Petms ron Thabor ad
a. 1525 S. 442; aus dem fun&ehnten Jahrhundert: „een hollanUe rodeheh
rerten Toedf Laoomblet Archir 1 S. 208; in Urkunde Ton Oestcapele von
1386: „158% gemeten ~ 2 roeden," Mieris hoUand. Charterb. 3 S. 438.
Vgl. unten p. 384 Note.
*) Ueber jerde yergleiche Friesisch. Wörterbuch s. t. jerde; als ICaaCs
erwähnt in Rüstringen Fries. Rechtsq. S. 122, 6. 516, 20; in Brokmerland
Fries. Rechtsq. S. 175, 12; im westlaubachschen Friesland in Urkunden von
1440, 1450, 1465, 1470, 1471 bei Sehwarsenberg Charterb. 1 S. 538. 614.
630. 648. Vgl Kilian HoUftnd. Wörterb. S. 152, Outsen Nordfries. Wdrterb.
8. 149, SchmeUer Bair. WCrterb. 2 S. 69.
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381
Lateiniflohe Doenmente ans NorddeatschUnd verwenden Fi^^; in Sfld-
deotsohknd kommt dafflr Pertiea vori).
Die Rnthe, deren eich die Feldmesser bedienten, ser*
fiel im älteren DentcUand in zehn Fafs, deren jeder wiederum
in 13 Theile (Zolle oder nnoias) zerlegt war, w&hrend daneben
mehrfach anch Ruthen von anderer Gröfoe, namentlich bei Bauleuten,
Erwähnung geschieht
Wie die römische Pertiea aus 10 Fuft gebildet wurde, eine Decem-
peda war, so erwähnt bereits die Lex Baiuwariomm bei Bezeichnung
der Grölse von Acker einer zehnfüfsigen Pertiea; sie sagt Tit. XIII.
„Andecenas [d. i. ein Ackermaafs] legitimas, hoc est, pertiea deeem
pedes habeniem, 4 perticas in transverso, 40 in longo, arare seminare"^).
Desgleichen fafste in Schweden im dreizehnten Jahrhundert nach dem
Ostgothalag*) die „stang"" d« i. Mefsstange ffinf Ellen oder zehn Fufs;
und noch im achtzehnten Jahrhundert wurde in Norddeutschland von
Feldmessern mit Ruthen von 10 Fufs der Acker gemessen, wie das
allgemein anführt Frisch Wörterbuch 3 S. 189, und speciell fttr Hol-
land Kilian Holland. Wtbch. S.162, fflr die Gegend von Bremen das
Bremer Wtbch. 3 a 512, und fflr Nordfriesland Outzen Nordfriesisch.
Wtbch. S. 149. — Der Fufii der zehnffllsigen Ruthe der Feldmesser,
oder, wie ihn altfriesische Rechtsaufzeichnungen nennen, der jerdfot*)
1) EineVirg« finde ich enr&hnt: in Sachsen e. B. in einer Bremer
Urkunde Ton 1106: „renales virgae*^ Lappenberg Hamburg, ürkundenb. 1
S. 122; m Friesland: rielfach in Eberhard. Tradit. Fuld., aus dem Hun-
Bingo in Urkunde 7on 1371: „virga per sedecim pedes mensnrando'* Driessen
Monom, ined. p. 291, in Urk. a. 1381: „ assignaTerim quartam dimidiam
tfirpam aggeris ^ Driessen Mon. ined. p. 356 , aus Hülst an der Scheide in
Urk. a. 1269: „boneria — petie — virpe'' Kluit bist. crit. 2 p. 782. 783;
ans dem Trierschen in einem Lagerbuch yon 1322 bei Lacomblet ArchiT
1 p. 379. Belege aus Sftddeutsehland sind gesammelt Von Merkel Mon. Germ.
Leg. 3 S. 278. 425. — Siehe auch unten p. 383.
*) Zur Erl&uterung yon Lex Baiuw. t. XTTI bemerkt Merkel Mon. Germ.
Leg. 3 p. 278 : „Isidor. Etymol. XV ( 2. 3, ex eoque loeus ille codicis Wesso-
fontani saecYni (M. B. VH, 374): „Pertiea passus dnos id est decem pe-
des ...., est enim decem pedum ad instar calami in Ezechiele (XL, 5)
templum mensurantis.**
*) Vergleiche Schlyter im Register zum Ostgothalag S. 359 : „taka^Sm-
cJna 9tang ok leggia tvar a attung'^; siehe Grimm Bechtsalterthümer S. 540.
*) Vgl. Fries. Wörterb. s. t. y^jerdfot^ p. 846, und daneben „fot,"
„molles-fot'' (d. L Erdfuis), „holt-fot''; s. Fries. W5rterb. S. 755. 932. 823.
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382
dA8 iflt Rathenfab zerfiel aber in sw5lf Theile oder Zolle. GMehwie
aber schon die römische Sprache den sw($lfren Theil des As, nad dem
entsprechend das mittelalterliehe Latein den swOlften Theil einer Libra
oder eines Pfundes eine Uoeia nannte (vgl. Lex Fris. t. XY), wie im
Angelsächsischen die Form „ynce^, im Friesischen „ense**, „einse*' in
diesem Sinne gebraucht wurde *), so beieichnete man auch den zw()lften
Theil eines Fufses als eine Uncia. So wird die GiOfte der Wundem
im westlichen und östlichen Friesland nach Unzen gemessen, wihrend
es im mittleren nach Fingergliedem geschieht; vgl. Lex Fris. Add. III.
0. 49—58: „unumquodque vulnus secundum suam longitudinem com-
ponendum est; si longum fuerit, qnantnm summus articulus indicis est^
uno solide componatur; si quantnm dno articuti indicis sunt, duobus
solidis; .... Apud ocoidentales Fresiones inter Fleh! et Sink£slam
quot unciarum fuerit longitudo vulneris, tot solidomm compositione per-
aolvitur ... Similiter inter Wisaram etLaubachi^. Aus dem Worte Uncia,
augelsftchsisch ynee ist die englische Benennung des Zolles tncA gebildet.
Bestand demnach die Ruthe aus zehn Fuls zu je zwölf Zoll , so
&fste sie 120 Theile, und konnte der Ausdruck Ruoda von der Lex
Saxonum zur Bezeichnung einer aus 120 Theilen bestehenden Einheit
verwendet werden. Somit konnte die Lex Saxonum sagen, indem sie eine
Summe von 120 Solidi als Praemium bezeichnen wollte, es soUton
120 Solidi) das ist eine Ruthe von Solidi gebüfst werden.
In ähnlicher Weise wie die Lex Saxonum im Capitel 14 Ruoda
für 120 Solidi verwendet, wird in Friesland zur Bezeichnung eines
Ackermaarses der Ausdruck Talentum oder Pfund gebraucht, um ein
ganzes Ackerstück zu bezeichnen, das bei ortsQblicher Länge 12 Ruthen
zu je 10 Fufs, also 120 Fufs breit war, wird ferner der zwölfte, also
1 Rutiiie breite Theil eines solchen Ackerstfickes Uncia, und, indem
die Unze in zwanzig Pfenninge zerfUlt, der zwanzigste Theil dersel-
ben, den wir uns als einen einen halben FuTs breiten Streifen denken,
daselbst Pfenning genannt Lateinische Urkanden bedienen sieh der
Ausdrücke Talentum und Uncia, friesische der Worte punt oder punt-
semate (d. i. Pfnndmafs) und penning. Ich führe folgende Stellen an:
In einer Urkunde von 952 schenkt König Otto I. der Abtei Poelde „In
Westphalia in Brakle et Tunnede X mansos, . . .; in Frisia inWlcfort,
in Unewerde (ich bessere: Tunewerde), in Golmerhorn, XXIV UUmta^
in Frankenhusen I mansum^ Heineccius Antiq. Goslar, p. 16. Als im
Jahre 981 Kaiser Otto II. an Magdeburg die Abtei Poelde schenkt,
Vgl. auch oben p.a66 Note 1.
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388
wefden deren Beaitaenngen anfgesälüt, danmter „pnedium in Frisla",
and xwar „in Witebord (ob verlesen ans Wiefort?) I mansns, XXXII
paaona bonm et V iaUnta^ in Retzword I vtiya, XL solides; in Bestlau
nna dimidia» XXsoüdi; in Tbunewerd (d. i. Tunnaard in Westdongera-
deel) XXX pasena bonm, V imUnta\ in GoUmehomoD Hilderedes-ziericon
y taUnta '* Schwarsenberg Cbarterb. 1 p. 63. Im Jahre 1313 wird
in einem Sohledspraeh zwischen dem Bischof von Utrecht und den
Friesen ans Sohoterwerf, Stelliogwerf nnd Osterzee über Grundstücke
in dem nnfriesischen VoUenho das Maals Puntsemate erwähnt. Die
Friesen hatten zu Steenwyk nnd Ysselham von Unfreien des Bischofs,
die auf dessen Mansi sa(sen, einige „prata sen pasoua" gekauft; sie
verpflichten sich hinftlro von Jeder Puntsemate dem Bischof jährlich
einen gewissen Zins zn entrichten ; um den zu zahlenden Zins zu be-
rechnen, wird festgestellt, wie viel Puntsematen die Ländereien fassen,
und angenommen, dafs eine Puntsemate ein Raum sei von einer Breite
von 12 Ruthen und einer Länge von 20 Ruthen (= 240 Quadratruthen):
,de qnadam punisemcUe sen UUenia^ quod spatium 12 virgarum in la-
titudine, et 20 in longitudine, solvendo annuatim 4 sterlingas bonas
de Anglia'' Sohwarzenberg Charterb. l p. 151. Im Jahre 1408 war über
die erwähnten Aeeker neuer Streit, der zu einem neuen Schiedspmohe
ftthrte; das Land soll abgepfählt und dann gemessen werden: „Onse
beer van Utrecht sal nemen 12 mannen ut den karspelle van Yssel-
hamme, ende die 12 mannen suUen dat land utwysen ende utpaelen
mit beeren eede, daer men dat pacht ofte tins met recht af schuldig is,
nae utwysinge der bryeven. Ende als dat land gepaelt is, so sal men
dai nuten; ende als die paelinge ende maetegaen sullen, so suUen die
Yriesen daerby schicken 46 mannen, ende onse beer van Utrecht oeok
so veel • . . Als die maeU geschiet is, so sullen die Yriesen ....
jaerllk betalen van slken pandsmaie ofte faletUe vier sterlinge van Engeland^
Sohwarzenberg Cbarterb. 1 p. 366, vgl.ebenda 1 p. 380. Ygl. Urkunde von
1441: „10 hab Joven 14 ansa in Wydrumma-hammerk*' und ,»hy skel
bitalja myth 33 greten tha onsa^ Sohwarzenberg 1 p. 520; Urkunde von
1445: „neghentyenda half ansa ende anderhalf penningh seetlandes^
Sohwarzenberg 1 p. 528; Urk. a. 1488: „sexta hael pondesmeta landes
twae aenze maer'' Sohwarzenberg 1 p. 744 *).
Weitere Bdegstellen fCLr d» Yorkommen der erörterten Aaedrftcke
siehe Fries. Wfirterb. p. 982; vgl Fries. Bechteq. p. 481,2; 483,28.23 und in
4e& Urkiuden von den Jahren 1379. 1390. 1442. 1447. 1449. 1451. 1460.
1468. 148L 1488. 1489 bei Sohwarsenberg Ghwterboek 1 p. 242. 522. 532. 533.
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Beachten wir schliefelich die Zahl IdO, naebdem wir erör-
tert, wie die Lex Sazonmn daza gekommen Bein möchte, sich m ihrer
Bezeichnung des Auadracka Rnthe zn bedienen. Es ist oftmals ansge-
fflhrt worden, dafs die iUteren Germanen und namenüich die nördlichen
Stämme derselben sich der Zahl 120 statt der Zahl 100 viel&ch and
in den mannigfachsten Beziehungen bedient haben. Sie wird als das
grofse Hundert von dem kleinen Hundert unterschieden. Noch im drei-
zehnten Jahrhundert bezeichnet der friesische Chronist Menko za
Witte- wierum im Oroninger Lande das gemeine Hundert im Gegrasatz
542. 699. 622. 695. 744. 745 and Friesische Bechtsquellen p. 560, 24. 28. —
Ob dasselbe oder ein kleineres Ackermaafs als Pantsemate unter dem Aus-
druck Centenarium oder Hond«rt, welcher in altfriesischen Gegenden
häufig vorkommt, gemeint sei, rermag ich nicht zu ermitteln. Fftr das Vor-
kommen des Ackermaafses f&hre ich an: aus dem Groninger Land eine Ur-
kunde von 1301: „quinque centenctria terrae^ und „dimidium centenarium**
Driessen Mon. ined. *p. 67. Nach dem Winsumer Sylrecht ron 1464 { 49
soll bei Yertheilung der Syllast gerechnet werden : ^gras gras gelyck, Aon-
deri hondert gelyck, juk jukes gelyck'* Gonsideratie der Erfgesetenen p. 49.
In einer Urkunde Ton 1488 begegnen wir „handerden^ an Westeremden,
Gaarshnisen, Sand und Wirdummer-tel, siehe Feith Beklemmregt 2 p. 498.
Die offizielle Liste der Ommelander Maafise, gedruckt 1717 S. 239 sagt:
sAnderthalf kleen hondert, is een grool hondert, ende een groot hondert is
ordinarie SOOroeden,^ führt dann aber an S. 228 und 236 grolse Honderte ron
300, S.235 Tonl60 Ruthen, und S. 238 kleine Honderte su 240 Ruthen. Noch bis
1821 wurde im Firelgo nach Honderten zu 160 Quadratruthen Groninger Maafses
gerechnet (s. Feith a. a. 0.). Der Oldenburgische Morgen zerftllt noch hento
in sechs Hunte. Aus Holland ist zu Tergleichen eine Urkunde von 1391 ans
der Gegend bei Dordrecht: „hoeyen . . morgen . ., hont^ Mieris 3 p. 584; ans
Brabant Urkunde von 1205: ,,noyem hont moers" zu Lülo an der Scheide
Kluit bist. crit. 2 p. 284. ~ Denselben Ausdruck yermuthe ich bereits in der
Urkunde des Kaisers Ludwig Tom Jahre 839: „conoessimus . . . quasdam
res proprietatis nostrae, quae sitae sunt in ducatu Frisiae in pago Westraeha
in YÜla Cammingehunderi et in aliis villis drcumquaque se positis** Erhard
Reg. WestfaL 1 cod. dipL p. 1 1 ; wo das Registrum Sarachonis von Falcke
setzt: { 743: „in Camminge in pago Westraeha in Frisiae ducatu **, nnd
{ 744 : „in Hunderi in eodem pago Westraeha" Falcke Cod. Tradition. Corbei.
add. p. 43. Unter Camminge - hunderi, wie die Urkunde sagt, yerstehe ich
eine Camminge - statha im Westergo, nicht aber eine Centena oder Fagellns,
wie Waitz, Bergb und Andre annehmen, da in Friesland die Ausdrücke
Hnntari und Centena für einen Pagellus nicht vorkonmien, und die urkund-
liche Bezeichnung der „Camminge- hunderi** ab einer Villa dagegen spricht.
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Ton dem c^ofsen Handert als „oentnm seoundum latinam com-
patationem^ Menko zum Jahre 1259. — Die Angelaachsen ver-
wenden fttr das Grofthnndert den Ausdruck hnnd-tvelftig; und
er scheint auch den Salfranken geläufig gewesen zu sein, da in
dem „incipiunt ohunnas*' übersehriebenem Zusatz zur Lex Salica (ed.
Merkel p. 95) 120 Denare in dieser Weise bezeichnet zu sein scheinen.
Die Stelle besagt: „Hoc est unum thoa-lasti, solides 3 culpabilis indi-
eetur"; drei Solidi der Lex Salica sind 120 fränkische Denare und fttr
„unum thoa-lasti*' will Grimm Vorrede zur Lex Salica ed. Merkel p. XV
besaem: „chnnntualafti*. Im Norden wird allgemein unter Hun-
dert das groise Hundert verstanden *); nach der Jtlngeren Edda nannte
man eine Schaar von Hundert (120) Mann „herr^ (Exercitus); und da*
nach hieCs der Districti dem sie angehörte, „herad*' (Harde) oder „hun-
dari^ (Centena). Die altsächsischen Gesetze zeigen eine sehr
nmfiwsende Anwendung der Zahl 120. Die CSapitula de partibus Saxoniae
c. 15 enthalten die Vorschrift, dafs einer neu gegründeten Kirche von
je 120 Poffeneesy die in sie eingepfarrt werden, ein unfreies Paar flber-
lassen werden solle, vgl. oben S.176 Note 1. Nach der LexSaxonum besteht
dwiWerffeld dee Litue aue 120 Solidi^ das des Freien ans 2 X 120, das des
Nobilis ans 12 X 120 Solidi und einer Bulse von 120 Solidi (s. p.377). Ffir
KörpenerUtzungen der Nobiles werden dann Vervielfältigungen
der Zahl 120, das ist eines groCsen Hunderts gezahlt: als Wundetfibufee
begegnet die einfache, zweifache, dreifache, sechsfache und
zwOlffache Zahl, also 120, 240, 360, 720 und 1440 Solidi. Daneben
erscheinen für andere Korperterletzungen, indem die angeführten Zahlen
durch 2 und 3 dividirt werden, Bruchtheile derselben, namentlich:
60 d. i. y. X 120, 30 d. i. % X 120, 80 d. i. V, X 240, 160 d. i. 2 X %
X 240, 180 d. i. Vt X 360 Solidi.— Die angeführten Zahlen kommen fflr fol-
gende Verletzungen der Nobiles vor: 120 Solidi für eine blutfliefsende
Wunde (Lex Saxonum o. 3), fflr Haargriff (1. S. c. 7), fflr Wasserwurf
(c. 10), Verlust des dritten oder vierten Fingers, von denen je ein
Drittel mit einem Drittel von 120, d. i. 40 Solidi gebflfst wurde (c. 13) j
ferner 240 Solidi ffir Schädelbruch, Wlitiwam, Durchbohren des
KOrpers, Beines oder Arms (c.5), fflr Verlust des kleinen Fingers (c.l3);
ferner 360 Solidi fflr Verlust des Daumens (c. 13); ferner 720 So-
lidi fflr Verlust eines Auges, Fufses, Testiculus, einer Hand, eines
Ohres bis zur Taubheit, oder der Nase (c. 11) (fflr Lähmung eines
dieser Glieder nach 1. S. o. 12 die Hälfte von 720, fflr geringere Schä-
') Vergleiche auch, was oben p. 360 Note 2 angefahrt ist.
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dignng deiBelben der vierte Theil von 730 Sol.); ferner 1440Solidi
fttr Verlust beider Augen, Ohren, Hände, Ffilse oder Teetienli (e. 11).
Sodann werden erwähnt: 60 Sotidi fttr Verlust eines der mitt-
leren Zehen (c. 13), für livor et tumor (c 2); 30 für eine Hiebwunde
(e. 1) und Verlust des kleinen Zehens (c. 13); 80 für Verlust des dritten
Theiles eines kleinen Fingers (c. 13), und 160 für Verlust sweier Drittel
desselben (c.l3); 180 fttr Blofslegen des Hirnscbädels (c. 4), Verlost
des halben Daumens oder grofsen Zehens oder ganzen Zeigefingers
(c. 13). — Anfserdem werden bei Frauenraub und Entefarang
Summen van 240 und 300 Solidi als Bufse bestimmt, und wird verord-
net, dafs sie zweifach, dreifach und vierfach gezahlt werden sollen (L &
c. 40, 43, 49); in den 240 Solidi scheint das Wergeid einer freien Frau, im
den 300 dieselbe um 60 Solidi d. i. den Königsbann vermehrte Summe» die
auch als Kaufpreis der Frau gilt, gemeint zu sein, vgl. oben S. 298—305.
Wie hier im altsächsisohen Recht die Zahl 120 oder das grobe
Hundert von Solidi die Grundlage der Wergelder abgiebt, so finden
wir auch in überraschender Uebereinstimmang damit im angelaSch-
sischen Recht die Aufstellung des Wergeides nach je 100 Schillingen.
Wenn wir im alts&chsischen Recht dem Liten 120, das ist ein greises
Hundert von Solidi, dem Liber zwei grolse Hundert (240), dem No-
bilis 12 grofse Hundert (1440) Solidi als sein Wergeid zugewiesen fin-
den, so hatte nach angelsächsischem Recht der Ceorl oder freie Mann
2 X 100, der Thegen 12 X 100 Schillinge; noch mehr: der Ceori wird
nach dem ihm zugebilligten Wergeld als ein Zweihundertmann, der
Thegen als ein Zwölfhnndertmann bezeichnet, jener heifst „twy-hyndes-
-man'', dieser „twelf>hyndes*man" — zwischen beiden steht derGesidh
oder „syx-hyndes-man" mit einem Wergeld von 6 X 100 Schillingen —;
denn der Ausdruck „bynde*' oder „hyndene^, eine Ableitung von Hundert
wie Gentena von Centum, bedeutet nichts Anderes als Hundert, wie
Schmid Angelsächsische Gesetze (2. Ausgabe) p. 615 dargethan bat^).
Vgl. namentlich die angelsachsische Außseichnung Tom Wergeide
bei Bchmid p. 314 § 1: ^twelf-hyndes-mannefl wer is twelf hund acyllinga;
twy-hyndes-mannea wer is twa hund scyllinga" d. h.: des Twelf - hyndes-
mannes sein Wergeld betr> 12 X 100 Schillinge, des Twy-hyndes-mavnes
sein Wergeld beträgt 2 X 100 Schillinge; Tgl. S<^imid p. 675. 670. — Im
Anhange zur angeführten Aufzeichnung VII, 2 § 6, und VH, 3 § 1 : „Ceoriles
wergeld is on Myrcna lagi CC scillinga . . ; pegenes wergeld is syz swa
micel, paet bid XII hund scillinga'' a. a. O. p. 396. 398; dafs „six hynde""
bedeute sexcentenarius , sexcentenus, belegt Schmid p. 653. In einer Ur-
kunde König Cnuts aus den Jahren 1013—1020 schreibt derselbe: „Cnut
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Ein dureh VenrielflUtigang der Zahl Hundert gebildetes Wergeid
der yerechiedenen QebartBStttnde seigt sich auch in anderen dentsohen
Volkareehten. Die Lex Thnriogorani giebt dem Freien ein Wergftld
Ton 2 X 100 (0. 8: „qni liberum occiderit, 900 solides eonponat''), dem
Nobilis Ton 6 X 100 Solidi (e. 1 : „si qais adalingam occiderit, 600 so-
lides oonponat*'). Ganz dem entsprechend sind die fränkischen Volks-
rechte : sie sprechen dem „lidus" (Lex ad Amorem c. 5), „homo regius*',
„homo ecclesiasticos ^'j „advena Romanus" (Le^ Ripuar. Tit. IX; X;
XXXVI), „Romanus possessor*" (1. Sal. XLI) ein Wergeid von je 100 So<
lidi, dem „ingennus Franons*' (1. Sal. XLI) oder ^ingenuus Ripuarins**
(L Rip. VII) oder „homo ingenuus*' (1. ad Amor, c.4) von 200, dem ,|in
tröste dominica'' (1. Sal. XLI), „in truste regia'' (1. Rip. XI), „hono
Francus" (1. ad Amor. o. 8) Ton 600 Solidi zu.
Abweichend dagegen von dem frftnkischen Recht, und dem Wer*
geld des sächsischen Liten von einem greisen Hundert d. i. 120 kleinen
Solidi gleich werthvoll erscheint das Wergeid des Libertus in der Lex
Thuringorum c. 45 (Tit. X) von 80 grofsen fränkischen Solidi ^), sowie
oing gret . . . ealle min« ^egnaa twelfhynde, and twihynde freondUoe** Kemble
Cod. diplomat. Nr. 731. Vgl Ines GeseUe 24 { 2 : ^Wealh gif he halad sif hida,
bid syx-hynde.'' Femer soll naeh Ines Gesetien $ 54, damit die Anschuldigong
ober Tötung durch eidliches Abl&ugnen surfickgewiesen werden könne : „|M>nne
seeal bion on {>aere hyndene an kyning-aede be 30 hida, swa be gesid-
enndum men, swa be cierlisoum, swa hwaeder swa hit sie** Schmid p. 46,
d. h« ^dann soll sein aaf die Hunderizahl ein KSnigsetdleister Ton 30 Hufen,
sowohl beim Gesithkundmsnn als bei Keorlen, wie immer es sein mOge" oder,
wie ich Torstehe, ^t^f je 100 Schillinge des Wergeides soll ein solcher KS-
nigseidleister von 30 Hufen schweren, sowohl bei Gesiden =s Syx-hynden,
als bei Keorlen s= Twy-hynden, also bei jenem 6, bei diesem 2 derartige
Eideshelfer schwören." — Damit ist unmittelbar su yergleiehen das Stftek
rem Eide bei Schmid p. 400 App. VIU: „Be Merciscaa ade. Twelf-hyndes-
mannes ad forstent 6 eeorla ad; forpam gif man pone twelf-hyndan-man
wrecan seeolde, he bid fiil-wrecan on syz ceorlan, and bis wergyld bid syz
oeorla weregyld." d.h. „Vom Mercbchem Eide: Der Eid eines Twelfhyn-
deamann Tertritt 6 Keorla-Eide; denn wenn man den Twelfhyndeamann
r&chen soll, so wird er völlig gerochen an 6 Eeorlen, und sein Wergekl
ist das von 6 Keorlen.*' Dals in anderem Sinne in den Londoner Friedens-
gilden (Schmid p. 160) teodunge (zehner) und hindene (hunderte) rorkommt,
bemerkt und erklärt Schmid p. 615.
^) In Lex Thor, c, 45 finden wir auffälliger Weise das Litenwergeld ron
80 Solidi, w&hrend die Verwundung des Liten mit der li&lfte der ftkr die
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das Wergeid des friesischen Utas von 80 grofsen Solidi in dem jflng-
sten Theil der Lex Frisionum, ans dem dann durch Versweifachong und
Vervierfachung resp. Verdreifachung das Wergeid des friesischen Freien
(2 X 80 =r 160 Sol.) und des friesischen Nobilis (4 X 80 s 320 reep.
3 X 80 = 240 Sol.) gebildet sind. Dafs indessen das friesische Weigeld
Verwundang der Freien, dessen Wergeid 200 Solidi betr>, bestimmten S&Ue
gebüfst wird, so dafs man erwarten müfste, dafs die Lex dem Liten auch das
halbe Wergeid des Freien, also 100 Solidi, in fr&nkiscber Weise zutheilen würde.
In gleicher Weise erw&hnt 1. Thur. c. 49 (Tit. XI, 2) für eine getödtete Freie
(„liberam non parientem'') ein Wergeid von 2 X 80 + 2 X 3% Solidi („bis 80
et 6 Bolidos et duos tremiBses*^), wo man f%kr sie ein Freienwergeld von 200 SoL
erwarten würde, um so mehr da bestimmt ist: „Qui feminam nobäem rirginem,
nondum parieniem, occiderit, 600 so Udos conponat; si pariens erat» ter 600 so-
Udos; $i iam parere desiU, 600 solides. Qui liberam non parientem oc-
ciderit, bis 80 et 6 solides et duos tremisses conponat; si pariens
est, 600 solides; si iam desiit, 200 solidos conponat" (c. 48. 49, bei He-
rold Tit. XI, 3 u. 4). Wir sehen hierin Ueberreste älterer thüringischer Wer-
geldans&tEO von 80 und 2 X 80 Solidi, wie sie ftlr Freie im sAchaischen«
alamannisohen, bairischen, burgundischen (?) Recht galten, während flkr die
übrigen Wergeldansätse wie im fränkischen Recht die Zahl 100 zur Grund-
lage geworden ist. Ueber die Erklärung der Summe ron 80, 2 X 80 fftr 120,
2X1^ Sol. ist unten p.389 Note 1 sn vergleichen. Die ZubuCse von 3Va Sol.
d. L von 10 Tremissen scheint dem ursprünglichen Wergeid von 120 Trimsen
als der zwölfte Theil hinzugeftkgt, dann aber bei der späteren Steigerung
der Wergelder in den verschiedenen Rechten in verschiedener Weise behan-
delt zu sein. Lex Frisionum Tit. XV rechnet bei dem durch Verdoppelung
entstandenen Freienwergeld von 2 X 53 '/s Sol. 3'/) Sol. hmzu, und verdoppelt
diese Zulage mit bei dem durch Verdoppelung dieses Freienwergeldes entstande-
nen Wergeide des Nobilis von 2 X (2 . 53% +3*/.) = 220 Solidi. Die Lex Thu-
ringorum bestimmt bei ihrem aus 2 X 80 verdoppeltem Wergeid des FVeien
eine Zubufse von 2x3*/» Sol. Endlich sagt die Lex Sax. c 14, daia bei
dem Wergeid eines Nobilis von 1440 Sol. ein Praeminm von 120 Sol., und
der Sachsenspiegel, dafs bei dem Wergeid des SchGffenbarfreien von 360 Schil-
lingen eine Bufse von 30 Schillingen hinzugefügt werden solle: beide Reehte-
queUen erhöhen also dadurch das Wergeid um Vn. Nun betrug aber das
Wergeid eines Liten nach der Lex Sax. 120 Sol.; die zu einem zwüUlen Theile
desselben berechnete Bufse ergab mithin 1 Sol. ; und wenn wir annahmen,
dafs statt des Litenwergeldes voh 120 Solidi ursprünglich ein Wergeid von
120 Tremissen gegolten habe, so würde eine Bufse vom zwölften Theile
desselben sich auf 10 Tremissen, das ist auf 3% Solidi belaufen haben.
Dies aber ist die Zubufse, welche wir im friesischen und thflringiscben Recht
nachwiesen.
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des Litns von 80 grofsen Solidi nicht das nreprfingliehe ist, sondern
dafs es aus dem Wergeid von 26% Sol. durch Verdoppelnng hervor-
gegangen ist, zeigen die älteren Theile der Lex Frisionnm, vgl. Mon.
Germ. Leg. 3 p. 650.
In der Lex Sazonum werden kleine Bnfsen mit Solidi sn je 8,
Wergelder mit Solidi zu je 2 Trimsen gezahlt, vgl. oben p. 29, nnd
wird mit Rücksicht darauf gesagt, dafs im ersten Fall mit Solidi
maiores, im zweiten mit Solidi minores die zu zahlende Summe ent-
richtet werden solle. Kaum wird man bezweifeln können, dafs in
Sachsen in einer frflheren Zeit bei der Zahlung von Bufsen nnd Wer-
geldem nnter den fflr sie angesetzten Solidi dieselbe Anzahl von
TremisBen begriffen wurde. Nimmt man an>), dafs frfiher anch bei
den Weigeldern 3 Trimsen fflr i Solidus gezahlt wurden, wie bei den
flbrigen Bufsen, und dafs es bei denselben erst spftter Üblich wurde,
fflr den Solidus nur 2 Tremissen an zahlen, so trat damit eine Be-
dnction der älteren Wergelder auf *l% ihres frflheren Betrages ein. In
ähnlicher Weise wie in Sachsen mflBsen auch im ältesten Friesland bei
Zahlung von Wergeldern fflr 1 Solidus 8 Trimsen gezahlt und mufs
es später flblich geworden sein, bei Wergeldern einen Solidus nnr
2 Trimsen gleich zu achten, also kleine Solidi zu zahlen, die man
endlich bei Abfassung der Lex Frisionum wieder in groben Solidi
ansdrflckte. Fflr einen solchen Hergang spricht, dafe noch zur Zeit der
^) Ohne bestimmt angeben zu können, wie es dahin kam, dab in
Sachsen unter Solidi neben einander 2 und 3 Tremissen verstanden sind,
wage ich folgende Vermuthung. Bei Wergeldern war es von Alters her ge-
stattet, dieselben durch Lieferung von eu einem bestimmtem herkAmmlichem
Taxlufs ansunebmenden Naturalien zu entrichten. Der Werth der dabei ftr
1 Solidus entrichteten Naturalien erschien aber spftter om den dritten Theil
geringer als ein Solidus in Oelde, und so setzte man bei Abfassung der
Lex Sazonum fest, dafs bei Wergeldern nicht 1 Solidus von 3, sondern
I Solidus von 2 Trimsen (solidus minor) entrichtet werden kOnne. Dem analog
bestimmt das spfttere ostfriesische Recht (rgl. oben p. 862 Note), dafe bei
Wergeldern ein Dritttheil in Geld, */» in Waaren gezahlt werde, sowie dafs,
wenn bei einem Vertrage Zahlung in G-eld ausbedungen ist, und der Schuld-
ner statt des Geldes Waare gew&hrt, er einen um V% höheren Betrag prae-
stiren mufs; Tgl.: ^sa ne schel ma ther neu weir others om reke ieftha
biade, men alsa hire foreword hebbath wesen; is hit, thet man therbuppa
weir wel reka, sa schel thi fiarde pannig of falla'' Fries. Rechtsq. p. 195,
II u. IQ, p. 344. In ähnlicher Weise lassen neuere AblOsungsordnungen bei
Umwandlung ron Naturalsinsen in Geldrente eine Quote derselben schwinden.
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Abfassang der Lex in FrieBlaod anter 1 S<rfiduB neben einander 2 und
3 den Bächsieohen entsprechende Trimsen verstanden wurden, wähiesd
sich die Lex bei ihren Berechnungen nur des groCsen Solidos bedient,
und da(s mit der Annahme einer derartigen Beductiou der älteren
Wergelder auf */« ihres frflheren Betrages alle stOrenden, gebrochenen
oad ungleichen Zahlen in den Wergeldsfttzen*der Lex Frisionum sohwiB-
den, und wir als das älteste Wergeid eines Liten ein grobes Hundert
oder 120 altfriesischer Silberlinge erhalten (d. i. friesisefaer oder aäoh-
sisoher Tremisses, unter welchem Kamen ich oben p. 358 eine aus
einer altrömischen hervorgegangene Münae vermuthete). Daneben be-
trug dann damals das Wergeid des friesischen Freien 8 grobe Hun-
dert (240)t das des £theling 3 resp. 4 grofse Hundert (360 resp. 480)
altfriesischer Silberlinge. Die Rechnung ergiebt sich in folgender Weise.
Das dem Liten im ältesten Theil der Lex Frisionum sugesprocbene,
durch 36*A Solidi su 3 Trimsen statt su 40 Solidi au 2 Trimsen ans-
gedrflckte Wergeid wäre durch Reduction getreten an die SteUe von
40 grofsen Solidi zu 3 Trimsen, d. i. von 120 Trimsen, das Wergeid
des Ficßien von 53 Vi Sol. für 80 grobe Solidi d. i. 940 friesische Trimsen,
das Wergeid des Etheling von 106'/» groben Solidi fOr 160 grobe
Solidi d. i. 480 oder 4 X 120 friesische Trimsen. — Das durch Verdrei-
fiichung unter Karl dem Grofsen gebildete und im jangsten Theil der
Lex Frisionum (der Additio) aufgezeichnete Wergeid eines Freien von
160 Solidi, das mit dem ältesten sächsischen Wergeid eines Freien von 240
kleinen Solidi übereinstimmt, galt auch bei den Alamannen, Baiem
und vielleicht auch Bargundern '). Auch bei diesen finden sich Spuren,
^) YgL Lex Ripu»r. XXKYl, 2 u. 4 : „Si qois Bipnarias »dTenam Bnigon-
dionem interiecerit, oentnm sezaginta solidis colpabilis iadioetur. Si qiüs Bipna-
ria8 advenam Alamannum seu FreBionem Tel Baiayarinin aut Saxonem inter-
fecerit, centum sexaginta solidis oulpabilis iudieetar.*' Dieser Titel scheint unter
Karl dem Oroben abgebfst sa sein (TgL p. 364 besonders Note 2), naohden
er die Terschiedenen VolksHtämme in seinem Beiche yereinigt nnd die Wer-
gelder derselben durch Erhöhung Einzelner einander näher an rüeken gesackt
hatte. Das in ihm angegebene Wergeid der Baiem und Alamannen gewähren
auch die Terschiedenen Becensionen der Lex Alamann. und Lex Baiuwaf . Die
Lex Burgundionum kennt kein Wergeid, weist aber auf ein älteres der freien
Borgander Ton 150 Solidi hin. Tgl. WUda Strafreeht p. 423. Dem in der
Lex Eipuar. genannten Wergeid der Sachsen Ton 160 Solidi entsprioht genau
das in der Lex Sazonum ansunehmende, su 240 kleinen Solidi angesetste,
dem der Friesen tou 160 SoL das der Additio der Lex Fris. Die Erwäh-
nung des sAchsittchen Wergeides ist fftr die Ab^sssungsieit des angeAhrien
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dft& die8 Wergeid in ähnlicher Weise durch Vervielfältigung allmftlig
gebildet ist, und dürfte dies vermnthen lassen, dafs einst auch bei
ihnen wie in Sachsen und Friesland ursprünglich ein grofses Hundert
den Wergeldsätsen zu Grunde gelegen habe^).
Neben der Zahl 120 (einem grofsen Hundert) tritt in den erhal-
tenen sächsischen Gesetzen die Zahl 12, das ist ein Dutzend oder,
wenn man will, eine grofse Zehn auf. Zwölf ist die höchste Summe
von Eiden mit Eideshelfem, die bei Anklagen geschworen werden
kihinen, das pimum saeramintum (Lex Sax. c. 3. 4. 5. 7. 10. 16. 17.
18.52); aus ihr entstehen durch Division die Zahlen sechs (c.2), und drei
(c. 1) für die in minder bedeutenden Dingen zu schwörenden Eide*).
Titel XXXYI der Lex Rip. nach 776, wo Sachsen erst unterworfen wurde, und
wohl nach 785, wo wir erst die Abfassung der Lex Saxonum annehmen su
müssen glaubten, die des friesischen Wergeldes Ton 160 Bol. für eine noch
sp&tere Zeit geltend su machen, da der zweite Theil der Lex Frisionum,
nach 776 wohl 785 abgefafst, statt des Wergeldes von 53*/» Soiidi im ersten
Theil der Lex, nur ein Wergeid Ton 2 X 5371 Soiidi kennt, das Wergeid
Ton 3 X 53 Vs Soiidi aber erst im dritten Theile der Lex eingeführt wurde,
ich diesen aber oder die sogenannte Additio erst ins Jahr 802 setsen su
müwen glaube (vgl. oben p. 353 f.). Vgl. Mon. Germ. Leg. 3 p. 652 not. 49
und oben p. 354.
^) Dem vermutheten Wergeid des friesischen Liten der ältesten Zeit
von 40 Soiidi entspricht ein Wergeid von 40 Soiidi der Manumissi liberi in
der Lex Baiuw. tit. V $ 9, dem Freienwergeld des ältesten Theiles der Lex
Frisionum von 53 V» Soiidi ein Wergeid des getödteten Partus vivus in
Lex Baiuw. tit. VH §19 (Mon. Germ. Leg. 3 p. 409): ^si autem iam vivens
iuit, wirgelt persolvat 53 solidis et tremisse'^, dem Litenwergeld der Lex
Saxonum von 120 kleinen Soiidi das Wergeid des „Liber qui per cartam
firmitatem acceperit" von 80 fränkischen Soiidi in Lex Alam. Ulothat. XVII
Mon. Germ. Leg. 3 p. 50. Das Freienwergeld von 240 oder '2 X 120 kleinen •
Soiidi in Sa^iaen oder 160, d. i. 2 X 80 grofsen Soiidi in Friesland wird
in Alamannien und Baiern bezeichnet als „bis 80 solides, hoc sunt 160^, ■
vgL 1. Baiuw. tit. lY § 28 (Mon. Germ. Leg. 3 p.294) und 1. Alamann. HIothar.
LXIX, 1 (Leg. 3 p.68; p. 109). Mit dem Wergeid des mittelfriesischen Adligen
von 3 X 80, d. i. 240 Soiidi gleich grols ist das alamannische des Primus
Ahunannus von 240 SoL, s. 1. ALun. Pact. II §. 39 (Leg. 3 p. 36), nut dem
des ostfrieaisehen Adligen von 4 X 80 , d. i. 320 SoL das der fünf ausge-
zeichneten bairisohen Adelsgeschlechter in 1. Baiuw. lU, I (Leg. 3 p. 289).
Eine weitere Verdoppelung zeigen in Baiern die Mitglieder, der Familie der
AgUolfinger, s. L Baiuw. 3, 1 (Leg. UI p. 289).
') Den Zahlen der Eide in Lex Sax. c. 6. 8. 9. 17 liegt ein anderes
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Ferner bilden zwölf Solidi die Bannbufet oder das Friedensgeld, bereits
im vorfrfinkischen Sachsen, das Karl der Grofse, naobdem er savor in
den Capitnla de partibus Sazoniae statt derselben die fränkische kleine
Bufse von fünfzehn Solidi einzufahren versucht hatte, in der Lex
Sazonum nnd im Capitulare Saxonicum als da, wo in Franken mit
15 Solidi gebflfst wnrde, geltend wieder anerkannte, während er da-
neben in fränkischer Weise die Bannbufse von 60 Solidi (den König«*
bann) einführte, vgl. oben S. 343—347. Wie von den vorher besproche-
nen Summen kommen auch vom Betrage der kleinen Bannbulse Qooten
vor (Lex Sax. c. 36; Gapit. Saxon. c. 3. 5), nämlich 6 d. i. V. X 12 ( L S.
c. 36;. c. S. c. 3), 4 d. i. V, X 12 (c. S. c. 5), 3 d. i. 'A X 12 (c S. c. 3:
1. S. c. 36, wo freilich der fiberlieferte Text statt 3 liest 4), 2 d. i.
V. X 12 (c. S. c. 5), und 1 d. i. '/„ X 12 (c. S. c. 6). Und wie die grofse
Bannbufse zweifach vorkommt (Gap. de part. Sax. c. 19) und noch wei-
tere Vervielfältigung desselben gestattet wurde (Gap. Sax. c. 8), so
wurde auch die kleine Bannbufse doppelt und dreifach gezahlt (Gap.
Sax. c. 4). Endlich werden zwölf Solidi als ^nßeßtr geringer geach-
tete Vergehen gezahlt und wird auch diese Zahl wieder multiplicirt;
12 Solidi ffir Angriff mit dem Schwert (1. Sax. c. 8), 3 X 12 d. i. 36 Sol.
für Durchhauen des Kleides oder Schildes (1. Sax. c. 6), ffir Wasser-
tauche (1. Sax. c. 9) und für Tödtung eines Sklaven (1. Sax. c. 17).
Wie in der Lex Saxonnm die Zahl 12 für Bufsen neben der 120
für Wergelder, so erscheint in anderen Volksrechten neben der statt
120 oder dem grofsen Hundert verwendeten Zahl Hundert (100) für Wer-
gelder, für 12, wenn man will, der grofsen Zehn die Zahl 10 fttr
Bufsen. Namentlich ist das in der Lex Thuringorum der FalP).
Aus Allem erhellt, von wie grofser Bedeutung die Zahl 120 in der
Yerhältnifs eu Grande, indem zur Beatreitung einer mit 12 Solidi zu büfisen-
den That ein Eid, und wenn das Vergehn mit 3 X 12 SoL gesühnt wurde,
• drei Eide verlangt wurden. ''
>) Vgl. Wilda Strafrecht p. 368, der auch das Vorkommen der BuCm
Ton 10 Sol. im longobardischen und westffothisehen Recht bespricht. Wie
in der Lex Saxonum ist 12 die kleine Bufssahl in den Volksreehten der
Friesen, Alamannen, Baiem und Burgunder (s. Wilda p. 363), denselben,
nach welchen der Freie ein Wergeid ron 160 fr&nkischen oder groCsen, d.L
240 kleinen s&chsiscben Solidi erhielt. Wir finden also in ihnen wie in der
Lex Sax. die kleine Bulse von 12 Sol. in grofsen, das Wergeid von 160
grofsen oder 240 kleinen Sol. in kleinen Solidi gezahlt, die aber in groÜBen
Solidi ausgedrückt sind.
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893
Lex Saxoo. ist, indem eftmintliche in ihr vorkommende BufBrammen
anf sie oder die Zahl 12 zorflokzufOhren sind.
Auf&llend erseheint in den Capitula de partibas Saxoniae neben
der kleinen fränkischen Bannbufse von 15 Solidi einmal im Cap. 27
eine Bannbu&e von 10 Solidi. Wagt man hier nicht eine verderbte
Lesart zu verrouthen^), so wird man nicht umhin können, in den zehn
Solidi Ys der kleinen Bannbufse von 15 Solidi zu finden, nnerachtet
man in dem im Cap. 27 erwähnten Fall eine ganze kleine Bannbufse
von 15 Solidi erwarten möchte*). Anzunehmen, dafs in den Stellen,
wo die Gap. de part Sax. 15 Solidi nennen , kleine Solidi von 2 Tre-
misses, im angeführten c. 27 dagegen grpfse von 3 Tremisses gemeint
seien'), so dafs die Bannbufse von 10 Solidi in c. 27 der in anderen
Capiteln angeführten Bannbufse von 15 Solidi gleich käme, scheint
unzuliMsig. An sich ist schon schwer zu glauben, dafs in demselben
Gesetze die gleiche Bannbufse abwechselnd in kleinen und grofsen
Solidi ausgedrückt wäre. Zudem würde man, wenn wie in der Lex
Saxonum grofse und kleine Solidi verwendet wären, vermnthen müssen,
dafe wie in der Lex Saxonum die kleinen Solidi nur für Bufsen wegen
Homioidia, sonst aber grofse Solidi zu zahlen gewesen wären. Dem Bann-
geld von 10 Solidi setzt das Capitel als gleich werth voll die Bufse eines
Rindes zur Seite, eine Angabe, die ebenfalls Bedenken erregen mufs. Es
wurden oben S. 32. 34. 44. 45. 864 die Schätzungswerthe eines Rindes bei
Zahlungen von Bufsen aus der Lex Saxonum, ihren Znsätzen und dem
Capitnlare Saxonicum von 797 besprochen. Sie zeigten uns den Werth
eines Rindes Je nach seiner Qualität schwankend zwischen 2 und 3
kleinen Solidi. Mit dieser Taxe steht die Gleichstellung eines Rindes
^) Für rerderbt halten die Lesart Langenthal Geschichte der Land-
wirthschaft 1 und Walter Deutsche Rechtsgescbiohte (2. Aufl.) § 712.
*) Das Capitel 27 der Capitula de partibus Saxoniae lautet: „Si quis
homo fideiussorem in venire non potuerit, res illius in forbaano mittantur
usque dum fideiussorem praesentet. Si vero super bannum in domum suam
intrare praesumpserit, aut solides decem aut unum bovem pro emen-
daiione ipsiiu barmi conponat, et insuper unde debitor exstitit, persolvat.^
Vier Solidi, d. i. '/a der kleinen Bannbufse von 12 Solidi erwähnt das Cap.
Sax. von 797 c. ö.
*) Die im Capitel 27 der Cap. de part Sax. vorkommenden 10 Solidi
erklärt auch Guörard Polyptjque de Pabb^ Irminon« Paris 1844. 1 p. 146
und HfiUer Deutsehe Münsgeschichte 1 p. 360 ftr frftnkisohe, also grofse
Solidi von drei Trimsen.
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894
mit 10 Solidi im angefahrten Cap. 27 der Gap. de part Sax. in sehroffiftm
Gegensatz. loh möchte vermuthen, dafis die Sch&tznng einee Rindes
zu 10 Solidi in dem frühesten Gesetze König Karls f Or Saehsen ohne
Bflcksioht auf den weit geringeren Werth der Rinder im Ütesten
Sachsen erfolgt ist. In den fränkischen Landschaften westlich vom
Rhein mag damals ein Rind so viel gegolten haben; in den Listen des
Irmino ttber die Gefälle der Abtei St. Germain -des Pros ans der spir
teren Regierangszeit Karls des Grodsen wird mehrmals ein Rind in
einem halben Pfände, das ist zu 10 Solidi geschätzt^).
Beilage V.
Das sftohaisdie Vordthftringen und die Lex Thniingoram.
In der halberstädter DiOcese auf dem rechten Ufer der Ocker er-
strecken sich im Norden und Osten des Harzes die Gaue Northüia-
ringgo, Nordswevogo und Hassego. Ihre Bewohner erscheinen im ach-
ten Jahrhundert als Sachsen, im Gegensatz zu den das angrenzende»
südlich von ihnen gelegene Land Thuringia bewohnenden Thüringern.
Da das Norththuringgo jedenfalls bereits im Jahr 780, das Nordswevogo
und Hassego aber schon länger vorher den Franken unterworfen waren»
und später in diesen Gauen sächsisches Recht galt, so haben wir keinen
Grand zu bezweifeln, dafs auch in diesen südöstlichen Gegenden Sach-
sens die karolingische, wie wir annehmen, 785 erlassene Lex Saxonum
zur Anwendung gekommen sei, während wir dem benachbarten Thü-
ringen die gleichfalls karolingische Lex Thuringorum vindiciren, deren
Recht entschieden ein unsächsisches ist Sie wird in dem einen uns über-
lieferten, dem Heroldschen Text als Lex Angliorum et Werinorum hoc
est Thuringorum bezeichnet, und in jenen thüringischen Gegenden
werden doch im nennten Jahrhundert die Namen der Angli und Wo-
rin! erwähnt, während später das Land ausschliefslich den Namen Thü-
ringen führt.
') Vgl. Ga^rard. Polyptyque 1 p. 151, der auf dem Register die ein-
zelnen PreiBe von Rindern anftdirt, und ihren Durchsehnittspreis auf 8 8<^di
6, 7 Denare berechnet.
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395
Betrachten wir die eimelnen hier angegebenen Ponete nftber» und
awar I. and II. die Zeit, in der Nordthttringen nnd die Gaae
Nordswevogo und Hassego fränkisch wnrden, dann IIL das
Saehsenthum dieser drei Gaue im Gegensatz zu der sfid-
lieh an sie grenzenden Tbnringia nnd IV. endlich die GrOndCi
welche dafür sprechen, dafs die Lex Thuringorum dieser
Thuringia angehöre.
I. II.
Dafür, dafs schon vor 780 das Norththuringgo östlich von der
Ocker und die daran stofsende Gegend bis zur Elbe zu den fränkischen
Königen in irgend einem Abhängigkeitsverhältnils gestanden hätte, be-
mtien wir kein Zeugnifs, so wenig wie dafür, dab damals bereits, wie
▼. Ledebur Nordthttringen Berlin 1843 S. 21 und 28 behauptet, das
Ghriatentham in diese Lduidestheile, und zwar sogar nördlich bis Aber
die Ohre hinaus in die Altmark, vorgedrungen gewesen wäre.
König Karl hatte vor dem Jahre 780 das Land zwischen Ocker
und Elbe noch nicht betreten. Sein Feldzug vom Jahre 775 hatte sich
bis zur Ocker in die Gegend von Braunschweig erstreckt. Dort hatten
sich ihm die Ostsaohsen unterworfen, vgl. oben S. 181. Im Jahre 780 zog
er von Lippspringe, nachdem er daselbst eine Beichsversammlung ge-
halten hatte, nach Ohrum an der Ocker (nördlich von Wolfenbflttel),
wohin er die Sachsen der östlichen Landestheile aufgeboten hatte,
schlug endlich sein Lager nördlich von Wolmirstedt an der Mündung
der Ohre in die Elbe („ubi Ora oonfluit in Albia^) auf, welcher Strom
die Sachsen von den Slaven schied („Saxonum, qui .citeriorem, quam
et Sclavorum, qui ulteriorem Üuminis [Albiae] ripam incolunt"), und
kehrte, nachdem er die Verhältnisse der umwohnenden Sachsen und
Slaven geordnet hatte, nach dem Rhein zurttck; vgl. oben 3.136.137. Eben
so wenig aber, wie überliefert ist, dafs Karl der Grofse vor 780 Nord-
thttringen unterworfen habe, er&hren wir es von seinen Vorgängern.
Allerdings erzählen die Annalen, dafs König Pippin im Jahre 747 von
Thttringen aus in Sachsen bis „Orheim^ d. i. Ohmm an der Ocker ober-
halb Wolfenbflttel, und „Skahaningi super fluvium Misaha", d. i. Schö-
ningen bei Helmstädt am Bach Meisau, eingefallen sei, um dort seinen
Bruder Grifo zu bekämpfen; doch berichten sie nicht, dals damals jene
Gegend den Franken unterworfen oder zum Christenthum bekehrt
worden sei, vgl. Annales Laurissenses und Ann. Einhardi in Pertz Scr. 1
p. 186. 137, Fuldens. p. 346» Begino p. 565, Annal. Mettens. p. 830. Dies
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396
scheint dagegen in den im Sflden von Nordthflringen, Ostlich vom
Harz, auf dem linken Ufer der Saale belegenen sächsischen Oauen: dem
Nordswevogo (südlich von der Bode) und dem Hasse- oder
Hohse-go (der gegen Sfiden bis zur Unstrot reichte) der Fall gewesen
za sein. Nach den späten und wenig zuverlässigen Metzer Annalen
hätte König Pippin im Jahre 748 das Nordswevogo unter-
worfen: „Pippinus Sasones, qui Nordasquaoi vooantur, wb suam dUio-
nem gubegit^ ex quibns plurimi baptizati ad finem christianam conversi
sunt^ Pertz 1 p. 330. Auf demselben Zuge eroberte Pippin, wie gleich-
falls die Metzer Annalen berichten, indem er aus dem Swevogo weiter
bis zur Ocker vorgedrungen sei, auch die Hohse-burg, die von dem
Sachsen Theoderich vertheidig^t war, und deren frdhere Eroberung
durch König Karlmann die Metzer wie die älteren Annalen schon beim
Jahre 749 erzählen; vgl. die Annales Lauriss. ad 743: „Gariomannoa
per se in Saxoniam ambulavit, in eodem anno et cepU eaHmm Hoohseo-
bürg perpiaeitum, et Theoderieum Saxtmem plaeUando eonguiMvit*^ (Ann. Einh«:
„Theod. Saxonem illius loci primarium th d$diUonem aecepU^) Ports
Script. 1 p. 134. 135; und die Ann. Mettenses ad 748: „Pippinna in
eodem itinere (auf dem er die Nordosquavi unterwarf) oepit eastrum
Hocseburg et perfidum Theodericum Saxonem tertia iam vice a Francis
captum comprehendit. Inde proficiscens pervenit ad fluvium Obaora''
Pertz Script. 1 p. 330. Der Name der im Jahre 743 und vielleicht aber-
mals in den Jahren 745 oder 748 eroberten Burg ist in den späteren
Abschriften der Annalen mehrfach so entstellt, dals man in ihm sehr
verschiedene Orte erkennen zu können gemeint hat Die in den Hand-
schriften vorkommenden Namensformen sind: „Hoohseoburg^ (var.:
„Hooseoburg") Annal. Lauriss. mai. 743 Pertz 1 p. 134 und 630, ^ßtSä-
seobnrg^ (var. „Hohseburg^) Ann. Einh. ad 743 Pertz 1 p. 135, nHohse-
bürg'' Herman von Reichenan Pertz 5 p. 98, „Ohseburg** (var.: „Ofas-
burg^) Ann. Fuld. ad^a. 745 Pertz 1 p. 346 und Ann. Laur. min. p. 115,
„Hochseoburch*" Regino ad a. 743 Pertz 1 p. 555 und Ekkehard Chr.
Pertz 6 p. 153, „Hocseobnrg^ Annal. Sax. Pertz 6 p. 554, „Hocsoburc"
Sigebert Oemblao. Pertz 6 p. 331, „Hocseburc'' Ann. Mettens. ad 748
und „Ocsioburg*" ibid. a. 743 Pertz 1 p. 328, ,. Sachseburg*' (verderbt)
Ann. Tilian. Pertz 1 p. 219.« Die diesen Schreibungen zu Grunde
liegende, in den ältesten Quellen auftretende Namensform ist: Hohse-
-burg (für das h, das zur Bezeichnung des als lang angesehenen Vo-
cales gesetzt war, ist mehrfach ch und dann c geschrieben; das an-
lautende h ist mitunter ausgelassen). Hohse-burg aber bezeichnet eme
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Burg im Bohte-gau 0, unter welcher Namensform das anf dem linken
Saalenfer bei Merseburg gelegene Hasse-gau vielfiush vorkommt, und ans
der aoch die Benennung Hohsingi abgeleitet ist, welche die Fnldaer
Annalen beim Jahre 852 für die Bewohner des Hasse-gaaes brauchen*).
') In yerschiedenen s&chsischen Gauen führte eine Burg den Namen
des Chiues; vgl im Gau „Dersia'* Annal. Petav. ad 785 Pertc 1 p. 17 die
Dersa-burg (im Kirchspiel Neuenkirehen bei Damme westlich Ton der
Hunte), nach der auch das Gau genannt wird ^pagus Dersa-burg^ in Meginh.
transL s. Alex. Perts 2 p. 679; sie begegnet uns in Urk. a. 948 als „Ter-
sebohrc '^ Erath Quedlinb. und Erbard Regest. Westf. 1 p. 46 und in Urk.
a. 980 Wenck 2 Urkundenb. p. 34, vgl. auch oben S. 145 N. 1. Im
Pagus Sri Art lag die Büke bürg, s. oben p. 132 N. 1; im „ Bardengo **,
„Bardungawe^, „Bardengawe'' (s. oben p. 145) „Bardanowik.'* Und im
Uildesheimschen pagus Wik-ana-felde (s. Wersebe Gaue p. 151) nennt eine
Urkunde von 1013 „castellum quod dicitur Wik-ina-feldi-sten" Leibnitii
Script. Brunsv. 2 p. 156.
*) Das Gau ist genannt: „Hassega'' in Urk. a. 777 u. 780 Wenck
Hess. Gesch. 3 Urkundenb. p. 11 u. 13 (ex orig.); „Hohse-gowe" im Bre-
viar. s. Lulli der Abtei Hersfeld in Wenck 2 Urkundenb. p. 16; „Hose-
gew e"" m Eberhard. Trad. Fuld. c. 41 nr. 77 Dronke p. 100; „Hosse-
ga we'' in Urk. a. 947 Wenck 3 Urkundenb. p. 28 (ex orig.); Urk. a. 950
„Hassaga'' Erath Quedl. p. 6; a. 961 : ^^ Hassigeuui'^ Hoefer Zeitschr.
2 p. 339; a. 974 und 975: „Hassega«" Erath p. 16; a. 979 „Hassega'' Wenck
2 p. 31; a.980 „Hassagowe* Schaten 1 p. 980 und Falcke Trad. Corb.
p. 269; a. 1007 „Hassagu'' Hoefer 2 p. 140 (ex orig.); a. 1021 und 1029
„Hassaga" Hoefer 1 p. 165. 166 (ex orig.); a. 1040 „Hassengowe" Hoefer 1
p. 169 (ex orig.); a. 1043 „Hassega" Schultes Directorium 1 p. 158; a. 1046
„Hassega" Schultes 1 p. 162; a. 1060 „Hassaga" Hoefer 2 p. 536 (ex orig.);
a. 1107 und 1112 „Hassega" Wenck 3 p. 64. 66 (ex orig.); a. 1133 u. 1134
„Hassega" Wenck 2 p. 81. 83; a. 1316 „Hosegowe" Boysen Hisl. Mag. 3
p. 99; a. 1316 ^Hüsegowe" Biedel II Bd. 1 ad 1316 (ex orig.). Im
Thietmar von Merseburg steht „Hassegun" Ports 3 p. 850. 859. W^idukind
nennt seine Bewohner „Hassigani" Ports 3 p. 438; in den AnnaL Fuld.
ad a. 852 wird berichtet ein Marsch nach Thüringen: „per Angros (d. i.
Engem), Harudos (d. i. die Bewohner des Hartego) , Snabos (d. i. die Be-
wohner des Nordswevego) et Hohsingos^ Perts 1 p. 368. Die Form
H6se-gowe, Hossegawe neben Hassa-ga, Hassi-gewi ist hiemach erwiesen.
Hohsingi ist eine Ableitung von jener Form, wie von dieser Hassingi im
AnnaL Saxo Perts 6 p. 599 vorkommt. Dafs das Gau nach den Hassi hiefs,
scheint uniwetfelhaft; und die Identit&t dieses Namens mit dem der Chatti
zeigt Grimm Gesch. d. deutschen Sprache p. 576.
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An welchem Ort des HohBe-gaaes die Hohae^xirg gelegen h*t, ist an-
bekannt. Wenn manche Gelehrte die alte Bnrg in See-borg an der
Salze finden wollten, das im Nordsweyego an der Grenze des Hohae-
ganea lag, so haben sie sich nur durch eine unhaltbare Deutung dea
alten Namens aus Hoch-see-burg bestimmen lassen, die auch der tiefen
Lage von Seeburg in keiner Weise entspricht >). Unvereinbar mit den
flberlieferten Namensformen ist die Annahme von Wedekind Noten II
Heft 6. 1830. p.l69y die auch v. Ledebur Krit Beleuchtung p.24 und im
Prendi. Arohiv 7 p. 80 verfochten hat, dafii unter der Hohse-burg die
Asse-burg bei Wolfenbfittel verstanden sei*); nnd an sich mnüs es fllr
viel wahrscheinlicher gelten, dafs König Karlmann im Jahre 748 sieh
eine sächsische Burg im Hohse-gau abtreten liefs, das unmittelbar an
der fränkisch -thüringischen Grenze lag, als im entfernteren nördlich
vom Harz gelegenen Derlingo.
Dafür, dafs das Hohsegau früher als das übrige Sachsen
fränkisch war, scheinen auch die Schenkungen zu sprechen, die
Karl der Grofse in ihm dem Kloster Hersfeld machte. Er verlieh durch
eine Urkunde von 780 an Hersfeld die „decima de Haasega, de comi-
tatu quem Albericus et Marcoardus nunc temporis teuere visi aunt^
Wenck 8 Ukb. p. 18 (ex orig.)'}. Als die drei ältesten Kirchen, die
das Kloster Hersfeld im Hassega besafs, werden die zu Riestädt, All-
Stadt und Osterhusen (zwischen Sangerhausen und Querfurt) genannt;
und wenn die Schenkungsurkunde des König Karl über die 8 Kirchen
aus dem Jahre 777, welche Wenck Hess. G. 8. Urkundenb. p. 11 ana
^) Ueher das ältere Vorkommen ron ,,Seborch^ vgl« t. Ledebur Die
Grafen von Falkensteiu 1847 p. 66 und Kritische Beleuchtung p. 2S.
S) Die Asse bei Wolfenbfittel heilst in Urk. a. 944: „forestum Aasa**
Lttdewig Beliquiae MSS. 7 p. 430. Die von Wedekind Noten 1 p. 40 benotete
Stelle des Falkeschen Chron. Corbej. bei Wedekind 1 p. 394 „in pago Der-
lingo m civitate Asaburg^ ist gefUscht aus Thietmar IV c 2: „ad civiiatem
Hesleburg** Ports 3 p. 768, einer Stelle, die sieh gar nicht auf die Asse
bei Wolfenbfittel besieht, vgl. Wersebe Gaue p. 188.
*) Nach Stiftung der Diöoese Halberstadt entstand Streit swisehen
Halberstadt und Hersfeld fiber den Besits der Zehnten in jenen Gegenden ;
▼gL Lambert tou Hersfeld ad 845 Ports 3 p. 47, AnnalisU Saxo ad 840
Ports 8 p. 676, Chr. Halberstad. ed. Schatz p. 7, und die den Streit refe*
rirenden Urkunden des König Heinrich V von 1107 u. 1112 nnd des K6nig
Lothar von 1134 Wenck 3 Urkundenb. p. 64. 66. 2 Urkundenb. p.83. Vgl
fiber diesen Zehntstreit: Wenck Hess. Gesch. 3 p.36 und das wichtige Zehnt-
register in Ledebur Preufö. Archiv 12 p. 215.
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399
dem angebliolieii Originale pablicirt hat, angefochten wird, 80 beweiaen
dock die spftteren Herefelder Urkanden, dafs die Kirchen bereits tor
E[ari dem Grofsen dem Kloater Hersfeld geschenkt worden sind^).
Wenn eine vielbesprochene Stelle des Bischof Aribo von Freising
(t 784) dafttr angefahrt wird, dafs Nordthüringen bereits in der ersten
Hälfte des achten Jahrhunderts theilweise christlich gewesen sei, so
sagt dies die Stelle nicht, und unter dem in ihr genannten Thüringen
ist nicht das sächsische NordthSringen, wie v. Ledebur Nordthflringen
p. 24 und Rettberg Deutsche Kirchengeschichte 2 p. 402 annehmen,
sondern das eigentliche Thüringen gemeint. Aribo berichtet: ein alter
Mann habe ihm erzählt, er sei einst von Räubern ergriffen und nach
Franken als Sklave verkauft worden; von dort habe ihn sein Herr weiter
verkauft: „cuidam in partibus aquilonis Thuringornm gentis*), in oon-
jaeente confinio Porahtanorum gentis, quae ignorat Deum^ Aribonis
vita s. Emmerami in Acta S. S. BoDand. Septemb. Tom. 6 p.433. Der Mann
wurde an einen Ort nördlich von Thüringen verkauft, in die Nachbar-
schaft der Porahtani; der Ort wird in Hessen gelegen haben, das da^
mals noch zum Theil heidnisch war, wie es Aribo von dem Lande des
Herrn des Sklaven erzählt ; und Hessen benachbart wohnten die Porah-
tani, d. i. (wie ZeusB Die Deutschen und ihre Naohbarstämme p. 352
erkannte) die Boroctri, ein Name, der im achten Jahrhundert ffir die
westlichen Sachsen oder Westfalen verwendet wurde, s. oben p.36 Note 1.
^) Das Breviarium s. Lulll verzeichnet als von Karl dem Grofsen dem
Kloster Herafeld geschenkt „in Hohsegowe capellas tres" Wenck 2
p. 16; ygl. in XJrk. a. 979 „tres capellas in Altstede, Osterhusun,
Rietstede, cum omnibus decimationibus inYresinayelde etHassega^ Wenck
2 p. 32; desgl. Urk. von 1107. 1112 und 1134 Wenck 3 ürkundenb. p. 64.
66. 2 Ürkundenb. p. 83. In der Urkunde von 777 schenkt KOnig Karl:
„ecelesias in Altstedi, . . in Ritstaedi, . . in Osterhusan, cum omni decima-
tione de Frisonovelde et Haasega, in comitatu Alberici et Markwardi'^ Wenek
3 p. 11. Man hat gegen diese Urkunde angeftihrt, dafs König Karl erst im
Jahre 780 die Zehnten an Hersfeld geschenkt habe; die Urkunde von 1134
sieht in der Urkunde von 780 eine Bestätigung der Schenkung von 777:
„tres ecclesias cum omni decimatione . . Carolus imperator Hersfeldensi mo-
nasterio cum duobus privilegiis, primo tradidit, secundo confirmavit, 30 et
eo amplius annis ante episcopatuum per Saxoniam distributionem et Halber-
stadensis ecdesiae constructionem" Wenck 2 p. 83.
*) Ledebur Nordthüringen p. 24 übersetzt diese Worte „in den nörd-
lichen Theilen des Volkes der Thüringer'' statt: in den Gegenden nOrd-
Höh von dem Volk der Thüringer.
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400
Arnold de s. Emmeramo, der ums Jahr 1037 die Stelle des Aribo
schrieb, setzt fälschlich „caidam Thnringo in flnibos Parahtanoram*
Perts 4 p. ööO| indem er die ihm unbekannten Namen und Localititea
entstellt. Unter den Porahtani des Aribo, mit Ledebor, an Bardi d. i.
an Bewohner des Lflneburgisohen Bardengaues zu denken, halte ioh
sprachlich fflr unmöglich.
IIL
Im achten und neunten Jahrhundert sind die Bewohner des
North.thnringgo, das sich von der Ocker znr Bodo erstreckte, so-
wie die des Nordswevogo, welches sich auf dem rechten Bod^
ufer ausbreitete, und des Hassego, das sich daran lehnte und das
Land südlich bis zur Unstrut in sich schlofs, Sachsen. Die Gegenden
im Norden des Harzes und ostwärts desselben bis zur Unstrut gehören
zu Sachsen und werden dem südlich der Unstrut gelegenen thürin-
gischen Lande als sächsisch entgegengesetzt. Bestimmte Zeugnisse
dafür stehen uns zu Grebote. Im Jahre 747 soll nach den Ann. Mett.
König Pippin die sächsischen Nordsueven d. i. die Bewohner des säch-
sischen Suevogaues unterworfen haben; die Annalen sagen: „Pippinos
Sazones, qui Nordosquavi vocantur, sub suam ditionem subegit^ (s. p. 396).
Im Jahre 748 berichten sie ferner, Pippin habe die Grenzen der Nord-
schwaben überschritten, und sei aus Thüringen in Sachsen eingefallen ;
sie sagen: „per Turingiam in Saxoniam veniens, fines Saxonum, quos
Nordosquavos vocant, intravit". In Uebereinstimmung hiermit berichten
die Fuldaer Annalen beim Jahre 852, da(s König Ludwig der Deutsche
von Minden an der Weser durch Engern, das Hartegan, Nordsuevogau
und Hassegau nach Thüringen gezogen sei, und in Erfurt, das etwa
sechs Meilen südlich von der Grenze des Hassegaues in Thüringeo
liegt, eine Reichsversammiung abgebalten habe. Die inhaltsreichen
Worte lauten: „in loco, qui appellatur Mimida super amnem, quem
Tacitus Visurgim, modemi vero Wisaraha vocant, habito generali con-
ventu, cansas populi . . . absolvit . . . Inde transiens per Angros, Ha-
rndos, Suabos et Hohsingos, et per mansiones singulas, prout se prae-
buit opportunitas, causas populi dijudicans, Thuringiam ingreditur, ubi
apud Erphesfurt habito conventu decrevit, etc.*' Pertz Script 1 p. 368.
Noch genauer lernen wir die Grenze von Sachsen und Thüringen kennen
durch Urkunden, welche uns die Ausdehnung des an der Grenze in
Sachsen gelegenen Hassegau ausweisen. Bereits oben wurde erwähnt,
wie Karl der Grofse der Abtei Hersfeld in den Jahren 777 oder 780
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401
den Zehnten Im „Haesega'' verliehen habe. Ein von Ledebur Archiv 12
p. 215 mitgeiheUtea Zehntregiater venseichnet die einzelnen zehn^flioh-
tigen Ortachaften und in einem im Jahre 979 verfafaten Diplom Kaiaer
Otto IL werden die Qrenaen dea Zehntdiatricta beacHchnet ala aioh er-
atraokend „a aummttate vallia, nbi ae Saxonea et Thuringi diainngant,
qoae Teutonice dicitur Girufde, auraum ad aquilonarem plagam^ Wenok
Heaa. Landeageachichte 2 Ukb. p. 32. Der Sachaengraben aber liegt
bei Wallhauaen; ihn bezeichnet Thietmar von Meraebarg „fovea qnae
eat ioxta Valeahnaun" Fertz S p. 749. Sfidlich auf dem rechten Unatrut-
nfer eratreekt aioh Thflriagen; und ao wird namentlich daa Gan An-
gilin, zu welchem die Orte COlleda) Trebra nnd Scheidingen gehörten,
m einer Urkunde vom Jahr 932 ala in Thüringen gelegen bezeichnet;
die Urkunde aagt: «»pagoa Engilin in regione Thuringorum^ und: „in
pago finglehem in provincia Thuringorum^ Ledebur Archiv 13 p. 81.
Die Benennungen der beaprochenen Gaue Norththuringgo, Nord-
auewego und Haaaego weiaen unverkennbar darauf hin, dafa dieae Gaue
uraprttnglich von Thfiringem, Sueven und Hesaen bewohnt waren. Zur
Bezeichnung von Nordthflringen verwenden Urkunden die Auadrttcke
Pagua Thuringorum und Thuringia, bedienen aich alao der fQr die
Bevölkerung dea eigentlichen Thüringena üblichen Namenaformen; vgL
Weraebe Gaue und W. Ranmer Karten und Stammtafeln. Die Bewohner
dea Swevego nennen die Annalea Mettenaea a. 747 und 748 „Nordoaquavi^
(a.oben p.400), Ann. Fuld. ad a.852 ^Suabi'' (a. p.400), Widukind „Suevi«
(a.p.406 Note 1), Gregor von Tonra und Paullua Diaconu8„Suavi'' (a. unten
p. 404 Note 1). Der Sachaenapiegel setzt dem Bewohner dea Nord-
awevego, welchen er ala einen „awaf', oder nach anderen Hand-
achriften ala einen „auavee'' bezeichnet^), den Südachwaben ala einen
„elderen awaf" entgegen und bekundet damit die Identität beider
Namen. Die Namenaformen dea Haaaegauea wurden oben S. 397
nacbgewieaen ; ea atellte aich heraua, da(a die Bewohner dea „Has-
aega", „Haaaigewi*^ oder „Hosaegawe" als „Hasse -ga-ui^, „Haas-ingi'',
„Hoha-ingi^ vorkommen, Formen, die unmittelbar auf den Namen der
Chatti oder Haaai zurückführen. Dafa später die Bewohner der drei
genannten Gaue, wo aie als Saxones bezeichnet und als solche aua-
drficklich den Thuringi entgegengestellt werden , nicht Oberdeufcache,
alao nicht Thüringer, Schwaben und Heasen, sondern Niederdeutache
geweaen sein müssen, kann keinem Zweifel unterliegen. Eine Umwan-
^) Die im Sachsenspiegel gebrauchten Namenaformen sind zusammen-
gestellt in Homeyers Sachsenspiegel 1 (8. Ausgabe) Register p. 475. 476.
26
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402
delrni^ des Volksthumes der Bewohner mufe in jenen Gftiien erfolgt
sein, wenn wir anch nioht sicher wissen, in welcher Weise sie den be-
nnehbftrten Sachsen einverleibt sind.
Nach den spftteren s&obsischen Berichten wurde das Land anf dem
linken Bllmfer einst von ThOringem bewohnt und von eindringenden
Sachsen erobert. Nach einer von Adam von Bremen angefahrten Kaoli-
rioht witren die Sachsen vom Rhein nach Tharingen gesogen i), nach
anderen Sagen im Lande Hadeln gelandet und dann weiter südlich vor-
gedrungen. Als der Frankenk((nig Theoderich mit seinem Schwieger-
sohn Hermanfried, König von Thüringen, in Krieg verwickelt war, was
nach den frftnkiscben Berichten im Jahre 528 stattfand, soll Theodeifoh,
wie verschiedene sächsische Quellen der sp&teren Zeit in ähnlicher
Weise erzählen, die Sachsen zu Hftlfe gerufen haben, um die Thtringer
zu besiegen, und ihnen, nachdem er mit ihrer Hülfe den Sieg erfoohten
hatte, das thüringische Land nOrdlich der Unstrut auf dem Unken Eib-
ufer überlassen haben. Im Einseinen wichen die Angaben von Mä-
ander ab. Nach Rudolf von Fulda (963), deesen Ersihlung Adam
von Bremen (1076) wOrtlich auftmhm, rief Theoderich, der mit den
Thüringern in hartem Kampf begriffen war, die eben erst in Hadeln
gelandeten Sachsen gegen Versprechen von Land zu Hülfe; mit ihnen
siegt er, und „vastatisque \ndigmi9 (i. e. ThiurivtgiB) et ad intemeeionem
pene ddetis, terrrnn earum iuzta pollicitationem snam, victoribus (i. e.
SaxonihuB) delegaoit\ Wegen ihrer geringen Zahl geben dann die
Sachsen einen Theil der Aecker gegen Tribut an Golonisten: „eam
maxime, qnae respicit orientem, cohni$ tradebant, singtdis, pro iua Mrte,
sub irihuio 9xereendam. Oaetera vero loca ipsi possederunt, a meridie
quidem Francos habentes, et partem Thuringorum, quoe
praecedens hostilis turbo non tetigit, alveoque fluminis Unstrote
dirimuntur.'' S. Translatio s. Alexandri Pertz Script. 2 p. 074 und
Adam. Brem. Pertz 7 p. 285. Nach Widukind Ton Corvei (um 967)
ruft Theoderich während der Belagerung des Königs HermanfHed von
Thüringen in „urbe, quae dicitur Sohidingi, sita super fluvium, qui
dicitur Unstrode" die Sachsen zu Hülfe. Diese erobern Scheidungen
und erhalten zum Lohne das thüringische Land: „in Um» praeeenti in
aetenm posaessione donati sunt" „Sazones igitur possessa terra summa
pace quieverunt . . . Parte quoque aprorwn cum amieis awtiiiarii» ui
^) ^Sazones primo circa Benum sedes habebant [et vocati sunt Angli],
quorom pars inde yeniens in Brittaniam, Bomanoe ab illa insula depulit;
pars Thuringiam oppuffnam, tenuit iUam rsgionem^^ Perii 7 p. 285.
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4m
dMrilmkt, rdiguioM pnlne gMitii (i. •• Tkiirim§farwm) irib^iU
«0Mlff u»gm$ hodie y«M Sawonum triformi gtntn m Ugc
praeter oonditionem serrflem dMdikar.^ Perti Soript d p« 424. ^ Geas
ibnlieh enihlen die AiiAalei Qnedliabargenses (1000) den Her-
gwng: „AndieBs Miem Theodorioni, Saxoies in leco Hadekon dioto
epplieaiBee, in Baain eos oonvocATit «iziliam, promiUens eia can aoe
raommqae IS nobiHMimocam lanmento, 9% Tkuringo$ lilH adTenantee
vimetmi, arnnem au$ eorum Urram daiurwn, usqiie ad conflaentiam
SaUe ei Unatradae flsviornai. Qni nihil aorantea veneraat ad
euB, et peraeqneBtea Iranaftedom, pngnavenint eonftra eaan anper
Uoatmdaa flntinaii, tantamqne Tharlni^rafla atragem illie dederqn«, nt
ipae flatioa eomm eadaveribiia repleftna pontea iUia ptaeberet Irmin-
Mdoa entern ean «zdre et iliia et nno milite Irmiago nomine^ eapta
a fiaxoniboa aootn eintate Sehidinga, qaa ae eoaeloaerai» vix eyaait
Tnao Thä»dor^$, aeoepto eoaalUo, vietoiiblM iradidU SmonUm» onmem
Urrmm Tkuri m^c r um, «xeepia qaam Louyia et Haerta aylvae
eeaelndaat^ Perts Beriptd p.d2. -- Naeb demSaohaeaapiegel
waadertea die dachaen aar Zeit Alcauinder dea Groläea eaa» »aaae vor-
deren," aagt er, ^ig km' io lmd$ ^»amm vMdi dit dorimg€ fmdreoen*^.
„Do irar so vele nicht aevaa, dat üe den acker buwen mochten, do
ate die dorinaohen herren aIngen nnde verdreven, do Uek» si$ di§ burt
iäim yang e d ag mi, mnde bettadedm ia dem aeker io aUogedcm^me rtchU, alt
m noch dU laU Aebbei; dar af fmmm dit lote. Von den laten die aik
Torwarehten an ime rechte aint kernen dagewerehten" Sachaenapiegel III
44§.S nnd |.d.-*- Uebeceinatiianiend achreibt Albert von Stade: «/n*
vadmU deinde leHqna« pneTinciaai, TkmiHgo$ eine diff^rentia occidentea.
Plurei autem <e eU dedmmt propn'os, et quia ab eia viyere amnt per-
miaai, litonea ennt ab eodem vocabnlo nnncapati. bide lUones «• pro-
timeia Sawotium nmi tfootdi.* Porta Soript 16 p. 311.
Ueber die nOrdBehe Anadehnang Thttringena vor der Zeit dea
aOobaiaohen Kriegea von 628, die man ala bia in die Gegend an der
Obre, welobe apiter die Grenze von Nordthflringen bildete, reichend ver-
mutben k((nnte^ lernen wir aaa den angeftthrten Stellen nichta Nfiherea.
Denn darin, dafo Widnkind^ die Saobaen, ala aie der Sage an Folge
aneiat landen, in Lande Hadeln an der Eibmflndnng heimiache Thü-
ringer bekftmpfini lätat, wird man kane hiatoriache Ueberliefernng fin-
^) „SaxonoB bis regionibus nAribus advectos, et loeo primum applicaiBse,
qoi luque hodie nonoapatar HadoUnn; incolia rero adrentiuii eomm grariter
üareatihoi, qiii Thnringi Uaduntar fuUee^ etc. Ports 3 p. 418.
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404
den wollen. Im Sfideii dagegen reiehte diw eroberte Thfiringe«, wie
Rndolf von Falda, Adam von Bremen und die Qoedlinbarger Annalen
beriohten, bis zar Saale nnd Unstrat. Nai<^b Widokind erobern die
Saehsen das vom KOnig der Thttringer HennaniHed verdieidigte Sebei-
dangeü an der Unstrat; nnd nach Rudolf von Fulda and Adam von
Bremen bildet die Unstrat die Grenxe des vom KOnig Theoderioh den
Sachsen flberUissenen Landes, während ihnen va Folge Bfidlich dersel-
ben noch anunterworiene TfaUringer wohnen bleiben. Endlich nach den
Qnedlinbnrger Annalen nehmen die Sachsen Soheidangen ein und er*
halten das Land bis zar Saale und Unstrat, während ihnen das aOd-
liehe Thilringen zwischen Harz and Thfiringer Wald vorbehalten bleibt
In dem nnterworfenen Thflringen, dessen alte BeWHkenng aam
ThetI veraichtet war, bemächtigten sieh die Sachsen eines Theifes des
Landes selbst, gaben einen anderen dagegen gegen Tribat aas. Wido-
kind, der Sachsenspiegel und Albert von Stade heben hervor, dab es
Thfiringer gewesen seien, denen das tribnipflichtige Land flberlassen
worden sei; und der Sachsenspiegel und Albert von Stade halten die an
ihrer Zeit anter den Sachsen seishaften Laten fBr die Nachkommen jener.
Einen Theil des eroberten Landes sollen nach Widokind die Sadi«
sen ihren „amicis auxiliariis^ überlassen haben, ohne dafs Widokind
näher angiebt, wen er unter ihnen versteht Vielleicht hat man da-
ranter mit den Sachsen verbundene Friesen so denken, denen sie Sitze
in der Gegend des eroberten Scheidungen im Hassega flberlassen haben
könnten, da Jene Qegenden, wie unten S. 413 belegt, mehr&oh als
Friesenfeld bezeichnet werden. Speciellere Nachrichten erhalten wir
über die BevOlkerang des benachbarten, von Thttringen den Sachsen
abgetretenen Swevogau.
Bei Wanderang der Longobarden nach Italien unter KOnig Alboin
im Jahre 568 sollen mit ihnen auch Sachsen ausgezogen, und soll ihre
Heimath durch die fränkischen Könige Chlothar nnd Sigibert Sneven Aber
lassen sein. Die aus Italien wieder heimkehrenden Sachsen hätten ihnen
das Land wieder abnehmen wollen. Doch wäre nach fflr sie unglück-
lichen Kämpfen nur ein kleiner Theil von ihnen am Leben geblieben;
und aus Mischung jener mit diesen und den etwa beim Abzüge der
Sachsen Znrflckgebliebenen itauis die spätere wesentlich säohsiaebe
Bevölkerang des Nordswevogau hervorgegangen sein').
*) Bereits Gregor ron Tours berichtet Hist PrancV, 15 : „quia tempore ülo,
quo Alboinus in ItaUam ing^ssus est, Clotharius et Bygibertos Soatos et alias
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405__
Dafür, dafs die Bewohner des späteren Nordtbüringens Sachsen
geworden waren, liefert neben ihrer niederdeutschen Spraehe der Sach-
senspiegel den vollgflltigsten Beweis, indem Eike von Repkow das in
den Gerichten eben dieses Landes, in dbm er als Schaffe fungible, gel-
tende Recht darstellt, und dies ein durchaus sächsisches ist; und dafs
Gleiches vom Nordswevogau gilt, zeigen die im Sachsenspiegel ange-
fahrten geringen Abweichungen des Rechts dieses Gaues*) von dem be-
nachbarten nordthfiringischen Recht.
Ist aber das richtig, was sich als das Resultat der vorigen Er&r-
terangen herausstellt, dafs im achten Jahrhundert das Norththuringgo,
Swevogo und Hassego sächsische Gaue waren, in denen sächsyches
Recht galt, und die 780 zum Reiche Karls des Grofsen gehörten, so
werden wir befugt sein anzunehmen, dafs auch fflr sie die von uns
gentes in loco illo posuerunt, hl qui tempore Sygiberti regressi sunt, id est
qni cum Alboino iiierant, contra hos consurgunt, volentes illoa a regione illa
extrudere ac delere*. Die eingewanderten 6000 Sueven hätten den zurück-
kehrenden Sachsen zwei Drittel des Landes Überlassen wollen, sie dann
aber, als diese zum Kampfe drängten, besiegt und bis auf einen kleinen
Theil aufgeri(Bben. Aus Gregor schöpft der übereinstimmende Beriebt bei
Paullus DiaconuB III, 7 , auf den sich Widuklnd von Corvei beruft, indem
er die Sueren als ^Sueri Transbadani^ oder, von Sachsen aus gedacht, als
jenseits der Bodo sefshafte Sueven bezeichnet. Als nach den Handschriften
verwerflich erscheint, wie die Ausgabe der Mon. Germ. Script. 3 p. 424 zeigt,
die von Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer p. 35 vertheidigte Lesart
„transalbini'' in der angeführten Stelle des Widukind, durch die er die An-
sicht stützen will, dafs diese Schwaben nicht aus Schwaben, sondern von dem
rechten Eibufer eingewandert seien. Ob man unter den „alias gentes**, welche
nach Gregor von Tours neben den Sueven einzogen, an Hassi, die dem Has^
sego den Namen gegeben hätten, zu denken hat, steht dahin.
^) Nach Sachsenspiegel 1, 19 §. 2 : „Svevisch recht ne tveiet von sessi-
scheme nicht, wende an erve to nemene, unde ordel to scelden* [vgl. H, 12
{. 2; I, 19 §.2]. Und Sachsensp. I, 17 §. 2; 18 §. 1 ; 19 §. 1; 29 zeigt, dafs
der Unterschied im Erbnehmen nur darin bestand, dafs der Nordschwabe in
Sachsen nicht von mütterlichen Verwandten erbt, er von Männerseite ohne
Beschränkung des Grades erbt, und er sein Erbrecht durch Verjährung nicht
verliert. Danach ist die Unbedeatendheit der Vereehiedenheit des nordsue-
vischen Rechts zu beurtheilen, auf die Widukind auftnerksam macht: „Snevi
vero Transbadani illam quam incolunt regionem, eo tempore invaserunt, quo
Sazones cum Langobardis Italiam adiere, ut eorum narrat historia, et ideo
aliis legibus quam Saxones utnntur.^ Pertz Script. $ p. 424.
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406
um 785 geaetxte Lex Saxonum gegolten hat Und wenn in der Lex
Saxonam o.47, 48 in Betreff des eheliohen Güterreebta das Recht der Ost-
falen, Westfalen und Engern anteraohieden wird, so ist mehrfaeh darauf
anfmerkaam gemacht >), daTs dar im Sacbsenq;)iegel dargesteUte^ also ge-
rade in jenen Gauen geltende Recht mit den in der Lex Sax. als cstfiUiaeh
beseiehaeten in Uebereinstimmung steht Dies dOrfle als eine Beetft-
tignng daf^r gelten^ dafs die Lex Saxonum auch flQr jene Gegenden
erlassen wurde, und dafs dieselben au Ost&len gerechnet wurden.
Allerdings besitsen wir kein urkundliches Zengniis für die Verwendung
des Ausdruckes Ostfalen iHr die südostlichsten Gegenden Sachsens und
ist vielfach, namentlich von Lüntsel auageffihrt worden, da(s man da-
runter speciell die in der Hildesheimer Diöcese gelegenen Gaue su
verstehen habe. Doch möchte in ähnlicher Weise, wie der Name West-
falen speciell fQr die Gegend des späteren Herzogthums Westfalen, da-
neben aber in weiterem Sinne für das zwischen Shein und Weser
gelegene Sachsen gebraucht wurde, in einem weiteren Sinn auch Ost-
falen für das gesammte Ostliche Sachsenland bis zur Elbe verwendet
sein und sich die Lex Saxonum ähnlich wie die fränkischen Annalea
der Benennungen Westfalen, Ostfalen und Engem für das gesammte
Land iwischen Rhein und Elbe bedient haben. Für eine umfassendere
Bedeutung des Namens Ost&len, als identisch mit Ostsaohsen*), so dafs
auch Nordthflrlngen darunter begrifien werde, scheint auch der Beridit
der fränkischen Annalen über die Unterwerfung des Ostlichsten Sach-
sens in den Jahren 775, 780 und 784 zu sprechen'}. Als Karl im Jahre
775 an der Ocker in der Gegend von Braunschweig war, erzählen die
Annalen : „omnes Astreleudi Saxones venientes cum Hassione dederunt
obsides'', worauf sich die Engem bei Bflckeburg unterworfen hätten
„sicut Austrasii^, oder, wie andere Quellen sagen, n8><^Q^ Ostftlai"; und
im Jahre 780 sei zu Ohram an der Ocker (nOrdllch von Wolfenbdttel)»
nachdem dem KOnig „omnes orientaiium partium Saxones, ut jnsserat,
oceurlssent, maxima eoram multitudo in Orheira baptisata*'. Und später
drragt Karl der Grofse, als er in Folge der wiederholten Aufstände
eine neue ünterwerfhng des Ostiichen Sachsens für nOthig hielt, 784
*) Vgl Gaupp Recht «ad Verftuwung der alten Saobea p, 184.
^ In den Aanskn and Urkunden neohuMb als identiseh folgende Ani«i
drücke: Ortlalai« Ost&Ulu, Qsiiersahflon (2.B. Urk. ron 1113 Erhard Reg,
Wettf. 1 p. 141), Orientalet Saxonee, A«treleudi, Osireüadi, Amtradi.
*) Pie DarateUnng der SreigniBae von 776 siehe oben p. 13L 132« die
TOB 780 p. 136^138, die von 784 p, 141-146.
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407
▼on ThflnDgen durch die der Seele nnd Elbe beneohberlen Gegeedea
neeh Norden bis Steinfort bei Nenhaldenslebeii vor und sieht von d<Mrt
Aber Schöningen nach dem Rheine; die Quellen sagen: „ibi eonailio
inito ut per Toringiam de orientali parte introiaset super Ostfklaos . . .;
perrexit per Toringiam uaque ad fluvium Albiam, et inde ad Stagnflird,
et inde ad Scahiningi, ibique oonventione facta reversus in Franciam*'
Ann. Lauriss. a. 784 Porta 1 p. 166; und Ann. Einhardi a. 78i: „ipse
per Thuringiam iter £uiens, venit in campestria Saxoniae, qnae Albi
atqne Salae fluminibus adiacent, depopulatisque orientalium Saxonnm
agris ac villis incensis, de Scahningi in Frandam reversus est^ Porta 1
p. 167. Mit dem Sprachgebranch der angegebenen Annalen steht es in
Uebeieinstimmung, wenn der Poeta Saxo das Land swischon Rhein
nnd Elbe als sächsisch und von Westfalen, Engem und Ostfalen be-
wohnt darstellt, und die Sitae der Letateren, die auch Osterliudi ge-
heü^n hätten, bis an die Slaven ausdehnt, die durch Saale und Elbe
von den Sachsen geschieden wttrden*)«
IV.
Die Lex Thuringorum ist uns nur in swei Texten erhalten >); der
eine findet' sich in dem für die Abtei Corvei geschriebenen Codex, der
oben p. 6ö*-67 beq>rochen ist, und auch die Lex Saxonnm enthält, vgl.
oben p.5d; der andere in Herolds zu Basel 1557 gedruckten „Originum ao
Germanicarnm antiquitatnm libri'' p. 127—130 (vgl. oben p.47— 06), ohne
da£i wir wfilsten, welcher Handschrift er gefolgt ist. In Herolds Aus-
gabe f&hrt die Lex die Ueberschrift: „Lex Angliomm et Wennorum
hoc est Thuringorum^. Die Oorveier Handschrift nennt sie nur „Lex
Thuringorum." Auf die Deutung dieser Ueberschriften sttttat sich we-
sentlich unsere Ansicht über die Heimath des Gesetzes, da der Inhalt
1) Poeta Saxo I y. 50-53 ad 772:
„Regionem Bolis ad ortum
Iiiliabita(ba)nt Osterliudi« quos nomine quidam
OstTalos aÜQ yoeitantj confinio quorum
' Infestant coniuncta suis, gens perfida, Sclavi.^
Auch Widukind von Corvei sagt : „orientales scilicet populos, Angarios atqne
WestTalos**.
^ Dafs Lindenbrog bei seiner Ausgabe der Lex Thuringorum in seinem
Codex legum antiquanim Franoofurti 1613 wie bei der Lex Frisionum keine
Handschrift, sondern nur den Heroldsehen Text benutzt hat, kann hier nicht
weiter aosgefhhrt werden.
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deBselben nur geringe Anhaltspunote darbietet. Ifan hat min aber die
Ueberschriften der Lex in sehr verschiedener Weise deuten sa können
gemeint.
Die Ansicht von Franck Alt und Neues Mecklenburg 1753 1
p. 175, dafs die Lex Thuringorum für Weriner im MeckUnburffUchen
abgefafst sei, wird als aufgegeben keine nähere Beachtung verdienen,
so wenig wie die von D ah 1 mann Forschungen auf dem Gebiete der
Geschichte 1822 1 p. 441, dafs ftlr ^Angliorum et Werinorum'^ zu
emendiren sei „Angliorum Hetwerinorum*^, und die Lex der Landschaft
Angeln in Schkswip angehöre.
Bereits Eckard Commentatio de rebus Franoiae Orientalis 1 p.39
verlegte die Lex nach Thüringen. Und diese Ansicht hat fortgesetzt
die meisten Anhänger gefunden. Sie wird namentlich, wenn auch in
verschiedener Weise, vertheidigt von Eichhorn Deutsche Rechtsgesch.
(5. Auflage) 1 §.47, Wer sehe Völker und Völkerbündnisse des alten
Teutschlands, Hannover 1826, p. 219 und Beschreibung der Gauen, b.w.,
Hannover 1829, p. 69, Kraut Ueber die Lex Angliorum et Werinorum
in V. Dalwigk u. Faick Eranien zum deutschen Recht 3. Lieferung,
Heidelberg 1828, p. 146, Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer, Breslau
1834, p. 88, Wilda Das Strafrecht der Germanen, Halle 1842, p. 105,
Walter Deutsche Rechtsgeschichte (2. Ausgabe), Bonn 1857, 1 p. 162
§. 156, Stobbe Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Braunschweig
1860, 1 §. 13 p. 177.
Hiervon abweichend hat Hermann Müller Der lex Salica und der
lex Angliorum et Werinorum Alter und Heimath, Würzburg 1840, die
Heimath der Lex auf dem linken Rheinufer an der Mündung der Maas
bei Dortrecht finden wollop, wo er eine Toringia glaubte aufweisen zu
können. Und ihm sind beigetretenP. G. Molhuysen in Is. An. Nyhoff
Bijdragen voor Vaterlandsche Geschiedenis en Oudheidkunde Deel 3, Arn-
hem 1842, p. 50, Wai tz Das alte Recht der Salischen Franken 1849 p.49
und Deutsche Verfassungsgesch. 2 p. 85 (s. auch Götting. Gelehrt. Anz.
1850 p. 339), Jacob Grimm Geschichte der deutschen Sprache 2 p. 606.
Die Ueberschrift der Lex, wie sie der Heroldsche Text bietet,
„Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum*^ erläutert den
Namen der Angli und Werini durch „hoc est Thuringorum*', sagt also,
dab unter jenen beiden, zur Zeit des Schreibers der erklärenden Worte
offenbar wenig bekannten Namen nach dessen Ueberzeugung Thüringer
zu verstehen seien. Dafs die drei Worte „hoc est Thuringorum" nicht
vom Verfasser der Lex herrühren, kann kaum einem Zweifel unter-
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Hegen. Die Worte selbet bekunden sieh als einen Znsatzi). Wer sollte
glauben, dafs ein Gesetzgeber ein Volk, fßr das er sein Gesetz erlassen hat,
in dieser Weise hätte bezeichnen kOnnen. Er wflrde geschrieben haben
„Lex'Thuringonim^, wenn „Lex Angliorum et Werinornm^ nicht ver-
atändlieh, dies nicht die zar Zeit des Erlasses seines Gesetzes gang-
baren Volksnamen gewesen wären. Verwerflich wäre indessen die Ver-
mnthung, dafs die gesammte Ueberschrift yon Herold herrühre ; er wäre
sicherlich nicht darauf verfallen, ein Gesetz, das er pnblicirte, den un-
bekannten Angli et Werini beizulegen und diese fflr Thfiringer zu er-
klären. Aber auch das ist nicht annehmbar, dafs die Lex in Herolds
Handschrift*) nur als eine „Lex Angliorum et Werinornm'' bezeichnet
gewesen wäre, und Herold den erklärenden Beisatz ^hoo est Thurin-
görum" eigenmächtig zugefügt habe, da wir ihm in keiner Weise die
Kenntnifs zutrauen können, dafs unter Anglen und Werinern Thflringer
gemeint waren, und die Ueberschrift der Lex im Corveier Manuscript
die Richtigkeit des Zusatzes bezeugt Das Wahrscheinliche dttrfte sein,
dafs die Lex ursprünglich als eine Lex Angliorum et Werinorum be-
zeichnet war, dann später, als diese Namen weniger belLannt geworden
waren, ein Abschreiber den Worten der Ueberschrifl; erklärend „hoc
est Thnringorum^ beifügte, und endlich der Schreiber des (jüngeren)
Corveier Codex, dem die Namen der Angli et Werini unverständlich
waren, sie wegliefs und die Lex kurzweg als eine Lex Thuringorum
überschrieb').
^) Diese Ansicht vertreten Wersebe Völker und Völkerbündnisse p. 219
und Kraut a. a. O. Die Bemerkung tob Stobbe Bechtaquellen 1 p. 174,
da£i „wir keinen Text kennen , in welchem die Ueberschrift blofs Lex An-
gliorum et Werinorum lautete^, kann Nichts hiergegen beweben.
*) Zu behaupten, Herold habe die Ueberschrift der Lex ans denen ver-
schiedener Handschriften oombinirt, so dafs die eine Lex Angliorum et We-
rinorum, die andere Lex Thuringorum Überschrieben gewesen w&re, sind
wir nicht beftigt, da sich nirgends eine Spur eeigt, da(s Herold mehrere
Handschriften der Lex eu seiner Ausgabe benutst habe. Letsteres mit Merkel
Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum, Berlin 1851, p. 4 daraus
SU schlie&en, dals Herold in Lex Thuringorum c 28 (bei Herold tit. VH f. S)
zu den Worten „si autem nee filiam non habuit , soror" u. s. w. am Bande
. richtig bemerkt „non redundat", ohne das irrige ^non'' aus dem Texte su
stolsen, mufs ich für durchaus unstatthaft erklären, rgl. oben p. 57.
') Fraglich ist es, ob es erlaubt ist, fttr das Alter des erläuternden
Zusatses „hoc est Thuringorum" sich auf die Worte zu berufen: „emendet
secun4nm pretium hominis mediocris, quod secundutn Ugem W«-
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Entipreche&d dam lahalt der TorerwShntGu Uebenohrifleii weiden
im aehten and nennteD Jahrhundert Thuringi, Angli and Werini in
dem iüdUeh der Unstrut gelegenen Thüringen erwähnt D«£i hier
Thnringi in jener Zeit vielfach vorkommen and von den SUven Ostlich
der Saale und den Sachsen nördlich der Unstrot nnfeerachieden werden,
wnrde oben S. 400 nachgewiesen. Aber aach die Namen der Angli
et Werini waren in jener Gegend noch im nennten Jahrhandert be-
kannt. Was znnäohst die Angli angeht» so hat bereits Eccard a.«.
0« p. 39 anf den nach ihnen benannten Pagns Engle-hem oder £n-
gili hingewiesen, and dieser Ansicht sind Wersebe, Kraut and Gaapp
beigetreten. Der Pagos Eo^ili lag im eigentlichen Thüringen im
Sondershaasensohen um Trebra, COlleda und Scheidungen; vgl. Wer«
sebe Gaue p. 69 und Ledebor Archiv 13 p. 84. Er erscheint in Ur-
kunde vom Jahre 932 als nPagus Engilin in regione Thuringoram **
und „in pago Englehem in provincia Thuringorum*', in Urkunde von
957 „in pago Engili'' und 802 (Wenok 2 Urkundenbuch p. 18) als
rinorum id est Thvringarttm est dneentoram solidorum^, die sieh in
einer Constitatio de Foreata des K^nig Cuiiit (Schmid Die Gesetse der Angel*
Sachsen 1868 p. 821) finden, da wir dieselbe nur in einem sehr mangels
haften Text in SpelmanwB (Hossarium ardiaelogieom ( siehe Sobmidp.L VI)
kennen« DaCs sich die Stelle auf die Lex Thnringoram bezieht« wird aich
nicht besweifeln lassen. Der Eingang derselben lautet c. l->3: „Si quis ada-
lingum ocoiderit, 600 solides conponat; qui liberum occiderit, 200 so-
lides conponat; qui serrum ocdderit, 30 solides conponat^ . Die hier rer-
zeichneten 200 Solidi sind das Wergeid eines zwischen dem Adaling nrnd Serms
in der Mitte stehenden Freien, d. L eines „homo mediocrie*'. — Eine andere Fraga
ist es, ob dies Cätat wirklich in einer Verordnung des König Canut gestanden
hat. Denn wenn auch Schmid die Ansicht Ton K. Maurer Kritische Ueber->
schau 2 p. 410, sie sei lediglich ein spfttes Machwerk, yerwirft^ so mofs doch
auch er einrftumen, dals unser Text eine lateinische Uebersetiung des Ori-
ginales mit Zus&tsen seL Dann konnten die Werte auf Herolds Ausgabe der
Lex surftckfnhren. Statthaft bleibt aber «neb die Vermnthmig, dals der
Verfasser der Constitotio eine Handschrift der Lex benutzte, welolie ab-
wmehend von Herold die Ueberschrift führte: „Lex Werinorum id est Thn-
ring«mm^, Fttr eine Berufhng auf ein Gesetz des fränkischen Reiche« lielze
sidi anführen, dals spätere aagelsachsiBche Gesetze, wie Schmid in seinem
Begister anführt, die Lex Ripuariorum benutzten. — Neben anderen Volks-
rechten erw&hnt die Lex Thnringoram folgende in einem Gb'atser Manoscript
enthaltene Au&eichnnng: „Secundum legem Francorum et Alamannornm et
Saxonum et Duringorum et Linbarinornm (Longobardorum?); . .
legem Bawariornm^ Mon. G. Leg. 3 p. 192 Note 24.
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nPagOB EDglide*'. -— Die Werini wollte Eocard a. «. 0. im Namen einet
PaguB Weringewe wiederfinden, den er an die Wem verlegte. Und
ihm stimmten Gaupp und Kraut bei. Dafs aber das von ihm in Be-
tracht genommene Qau nieht an der Werra nnd überhaupt nicht in
Thflringen gelegen hal, sondern ein kleines, zum fränkischen Grabfelde
gehörendes Gau an dem Nebenflusse des Mains Wera im Wflrzbnrgischen
gewesen ist, bewies Ledebur Archiv 13 p. 84, indem er die darin vor-
kommenden Ortschaften nachwies. Dies Gau erwähnen a. B. Urkunden
von 888 nnd 932 als „Weringewi pagns orientalium Franchorum*^ Mon.
Boica 28 p. 98 und p. 161. Kommt demnach das Weringewe bei Er-
mittelung der tharingischen Werini nieht in Betracht, so glaube ich
ihren Namen in dem des in den Jahren 805 und 806 vorkommenden
Werinofeldes nicht zu verkennen. Das Chronieon Moissiacense be-
richtet, dais Kaiser Karl im Jahre 805 in drei Haufen gegen die Czechen
ins Egerland in Böhmen gezogen sei: „tertinm exercitum transmisit
cum Sazonibus super Hwereno-felda (var.: „Hwemo-felda'', „Werine-
felda*') et DemelchionO'' Pertz Script. 1 p. 307, und beim Jahre 806:
„Karolus imperator misit filium suum Karolum regem super Duringa
ad loonm qui vocatur Walada (var.: „Waladalai", d. i. nach Ledebur
Ardiiv 7 p. 89 Waldan bei Bembnrg an der Saale), ibique habuit con-
ventum magnum; et inde misit scaras suas ultra Albiam, ipse vero
movit exercitum suum ultra Sala super Hwerena-veldo^ Pertz Script 1
p. 308. Mit dem Namen Hwereno-felda oder Werine-felda das ist Regio
Werinorum wird hier ein Theil Thfiringens an der Saale bezeichnet.
Doch hat sich der alte Volksname der Werini*) nicht in dem eines
bestimmten Gaues fixirt, wie es bei dem Namen der Anglen uns
in dem des Pagus Engle-hem begegnet Ledebur Archiv 7 p. 36 wider-
legt die Yermuthung von Pertz, dais unter dem Werinefeld ein slavi-
scher Pagus auf dem rechten Eibufer gemeint sei; indem ihn die An-
gaben des Chronieon Moissiacense auf die Gegend zwischen Werra nnd
^) Demelehion ist die Gegend auf dem linken Blbafer bei MeifiBen,
„Glomaü aire tentoniee Deleniinoi^« deren Bewohner die denteehen Quellen
mit Entstellung ihres Namena Dalandniey Deleminee u. b« w. nennen« YgL
Wenck 2 Urkundenb. p. 36, W. y. Baumer Karten p. 3 und 23, und Soka-
farik Slavisehe Alteribümer 2 p. 603.
*) Fdrstemann Namenbueh p. 822 aeoeptirt die alte Deutung von »We-
riaelelde^ aus Qnerne d. i. Mülilbaeb. Die Unriehtigkeit seiner Meinung geht
am besten hervor aus den Ton ihm selbst p. 1138 geaammeltea Zosammen-
setcungen mit „Quirin^.
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41^2
Saale leiten, meint er, dafs in Thüringen an der Werra wohl ein Pagus
dieses Namens gelegen haben möge. Da aber ein solches Gan urknnd-
. lieh nicht vorkommt, so erblicke ich in dem Namen Werine-feld eine
von ihren Bewohnern herrührende Benennung einer grOfseren Land-
schaft (mehrerer Pagi d. i. Gerichtssprengel), die später yerschoUen
ist^). Ganz dasselbe Verhältniis findet sich bei dem benachbarten Frie-
senfeld, das sich auch nur als ein derartiger Name ausweist, indem
alle Bemühungen scheitern, dasselbe als ein bestimmtes Gau (Pagos)
von dem Hassegan und den daneben liegenden Pagi auszuscheiden').
Fragen wir nun, ob die Lex Thuringorum in der Zeit abge&lst ist,
in der wir in Thüringen südlich von der Unstrut die in ihrer Ueberschrift
verwendeten Volksnamen aufweisen können, und ob es für diese Gegend
geschehen sein kann, so mufs ich mich zunächst der verbreiteten Ansicht
anschliefsen, welche die Lex fQr karolingisch hält Sie wird namentlich
verfochten von Eichhorn, Kraut in Falck EranienS p. 122— 148, Wilda
p. 105, Stobbe Rechtsquellen 1 p. 177. Die Gründe dagegen, welche Gaupp
Das alte Gesetz der Thüringer p. 296 daftr geltend machen will, dafs
die Lex aus heidnischer Zeit stamme und dem sechsten oder siebenten
Jahrhundert angehöre, scheinen mir irrelevant, unerachtet auch J.Grimm
Greschichte der deutschen Sprache 2 p. 605 seine Ansicht theilt. Wenn
Gaupp es für unmöglich hält, dafe in der Lex, wenn sie in christlicher
^) YgL auch Schafarik Slarische Alterthfimer 2 p. 607, der sn Werino«
feld erinnert an die „Werizane ciTitatis X'^ Geograph. Bavar.
*) Annal. Sazo (eigentlich Annal. Halberstad.) ad. a. 840 : „decimas super
totum Fresiono-Teld ab Halberstadensi ecclesia, cui jure offerendae sunt,
ad Herolvesfeldensem transtulit^ Pertz 8 p. 575 ; ebenso im Chron. Halber-
stad. ed. Schatz p. 7 (bei Leibniz 2 p. 112 geschrieben „Freisions-reld*')«
In Urkunde von 1107 restituirt EOnig Heinrich V. an Kloster Hersfeld „trea
capellas, in Alstedi, Osterhusun, Bietstede cum omnibvs, quae ad eas per-
tinent in Frisone-felde (a. 1112: „Frisono-felde'', a.lld3: „Frisenfeld^
a. 1134: „Friesene-feld") et Hassega decimationibus*' Wenck Hess. Gesch. 3
Urkuttdenb. p. 64. 66. 81. 88 (ez orig.). Ein Yerzeichnils von 263 darin
gelegenen Ortschaften giebt unter der Ueberschrift „haec est dedmado, ^ae
pertinet ad s. Wigberhtum (Kloster Hersfeld) in FrisionoTeld'' Ledebur
Archiv 12 p. 215. Femer ist zu rergleichen eine Urkunde ron 932: „in
pag^ Frisonoyeld in comitatu Sigifridi, quicquid in locis Osterhusa, Äsen*
dorf> Vuntza, Hompergi, Seo-rebininga, Sitechenbahque vocatis ejusdem coe-
nobii'^ Wenck 3 Urkundenb. p. 27 (ez orig.). Vgl. auch die oben p. 899
Note 1 ans Wenck 2 p. 32; 3 p. 11 angeführten Urkunden von 777 und
979 mit den Formen „Frisonovelde*^ und „Vresinavelde^.
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413
Zeit abgef»fiit worden wSTe, keine Hinweisung auf cbs Christenthum
fmthalten sei, bo ranfB ieh es noeh fOr weit unmöglicher erltlären, daä
eine in yorchristliolier Zeit für die Tharinger abgefafste Lex keine
deutlidie Spui^des Heidentimms in sicli trage. Beweist die gsnne Au»
dmeksweise der Lex und die Uebereinstimmung vieler Einsselnheiien
mit den fränkischen Gesetzen, dafs die Lex jedenfalls, wie anch Gaupp
nicht umhin kann anzuerkennen, unter fränkischem Einflufs abge&ist
sei 1), so Uegt ein Hauptgrund für spätere Abfassung der Lex Thurin-
gorum in der ausgedehnten Anwendung der Sechszig-Schillings-Bufee^
die in der Lex in drei Fällen (c. 43 bei Brandstiflung, o. 57 bei Ha-
fishut, c. 40 bei Plagtnm) erscheint. Es ist anerkannt und anch oben
p. 841 u. ff. ausgeführt, dafs der Eönigsbann, „Regia bannns^ wie ihn
auch die Lex Thnringorum c. 57 nennt, in der Höhe von 60 Solidi
dem fränkischen Recht eigenthflmlich ist Den ältesten Aufzeichnungeo
des fränkischen Rechts sind die 60 Solidi noch fremd. Erst später
kommen sie in einzelnen Fällen vor, und in umfassender Weise ordnet
erst Karl der Grofse in den letzten Jahren des achten Jahrhunderts
ihre Anwendung. Von den drei Fällen, in denen die Lex Thnringorum
die Königsbufee von 60 Solidi erwähnt, ist keiner im älteren fränkischen
Recht aufzuweisen. Was zunächst die Königsbufse für Brandstiftung
anlangt, welche Lex Thnringorum c 43 anordnet: „De incendio, qni
domum alterius noetu incenderit, damnum triplo sarciat, et in fredo
S4riidoB eO*', so wird nach dem älteren fränkischen Recht Königsbuise
für diesen Fall nirgends erwähnt Karl der Grofse ordnet sie an im
Gapitulare Saxonicam 797 für Saehsen, durch das Capitulare ad legem
Baiuwarior. add. 803 für Baiem; und sie findet sich auch in der auf
eine gemeinsame Quelle zurfiokzujführenden, von Ortloff zuerst publi-
cirten Rechtsaufzeichnung, die Pertz für ein Gapitulare von 772 er-
klärte'). In der Lex Alamannorum LXXXIII und Lex Baiuwariorum X
erscheint bereits eine Bannbuise von 40 Solidi, während die Lex Fri-
sionnm VIT, 1 (in ihrem älteren Theile für das westlanbachscheFriesland)
1) Vgl auch oben p. 387 und p. 388 Note.
') Vgl. Cap. Sax. a. 797 o. 1 : „Ne incendium infra patriam qois faoere
audeat praesumptire. Si qnis . . . transgreasua fuerit, sexaginta soUdoa
componat^ Perts Leg. 1 p. 75. Gap. ad L Baiuw. add. c. 2: „ut incendia
infira patriam nemo &cere praesumat" Perts Leg. 1 p. 126 u. 3 p. 478. Im
angeblichen Capitulare ron 772: „Qui incendium facit infra patriam h. e.;
qui inoendit alterius casam aut scnriam; . • . unde ezire debet de unoquiaque so-
Udos eO'' Perts Leg. 1 p.36. Zu vergleichen ist auch GapitSaxon. a.797 c.8.
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414
und die Lex Saxonam (o. 88) noch keine KOnigibnise vefaeliffeibea;
jene ordnet eine doppelte Entsohädigang» diese Todeaatrafo aa. EiiM
iweile Bannbofse von 60 SoUdi verordnet Lex Thnringoram c. 57 b^
HetmeaebuDg: „Qai domum alteriue ooliecta manu hoQtiliter ciioiim-
dederit,. triam primoram qni fnerint unuaquisqne aolidoa GO eonponat»
et rei^) similiter; de ceteris, qai eos seouti snnt, aolidoalO anoBqaiaqne;
et In iMinnum regia solidoe 60^. Auch für dies Verbrechen wird die
Bannbüfse von 60 Solidi Im älteren fränkischen fiecht nicht erwähnt
Ktaig Karl bestimmt sie filr Sachsen 797 durch das Gapltnlare Saxo-
nicuB, für Baiern durch die auch voiher angefahrten i^Capitula, qiiae
ad legem Baioariomm doibnus Karolns Serenissimus Imperator addere.
iussit^, die 808 datirt werden, und allgemein durch ein Gapltnlare vom
Jahr Btl ; seine Anordnung liegt auch der schon oben erwähnten, von
Orttoff publioirten Reditsanfzelchnang an Grunde'). Nach Lex Frlsio«
nn« XVII, 4 wird neben Schadenersata dem König von dem Fflhrer der
Bande dessen Wergeid gezahlt — Endlich emcheint beim Phigium ein
Kfoigsbana in Lex Thuringomm c. 40: ,,Qui liberum extra solum ven-
diderlt, solvat cum quasi oceisum, et in fredam solldos 60**. Den Fall,
dais ein Freier als Sklave in das Ausland widerrechtlich verkauft wird,
so dafe er nie heimkehrt, erwähnen die meisten Volksreehte. Wie die
Lex Thnringorum spricht ihm auch Lex Salica XXXIX, 1 mit Novelle 115
(ed. Merkel p. 67), Lex Frisionum XXI, Lex Saxonum c 20 einfiB^hea,
die Lex Ripuariorum XVI dreifaches Weigeld au. Sie erwähnen aber
sämmtlich nicht, dais aufserdem noch der Ktoigsbann au erlegen sei.
Auch die Gapitularien Karl des Orolhen, welche sich speeiell mit Rege-
lung des Königsbaanes besdiäflägen, schreiben Uhr diesen Fall ihn niobt
1) Gaupp Das alte Gesetz der Thüringer, BresUu 1834, p. 379 will
statt ^rei** lesen: „regi*'.
*) VgL Capit. Saxon. a. 797 c. 1 : „ne fortiam infi-a patriam qidfl fiieere
audeat praesnmptive. Si qvm . . . transg^eseas ftierit, sezag^ta soUdo« oen-
ponat^ PertJE Leg. 1 p. 76. Cap. ad leg. Bainwar. add. o. 3 „nt Tis per
coUecta hominum nemo faeere praesnmat, et qui hoc commiserit, 60 solides
in bannum nostrum componat^ Perts Leg. 3 p. 478 und 1 p. 126. In der
▼on Ortlaff miaeni poblicirten Rechtsaufzeichnnng heilst es: ^Qui harishnt
faoit, h. e. qni frangit akerins sepem aut portam aut casam eum virtute . • «
Hi sunt . . banni domino regia unde ezire debeai de unoquisque solides 60.^
Ports Leg. 1 p.35. VgL Oap. a.811 c 2: „Si qnis domum aUeiiam eaüibet £»-
g^t> qnioqnid exipde per Tirtutom abstnlerit, aut rapuerit, rel furarerity • • •
ia iripio eomponatur et iasuper bannum noatram solyat'* Porta Leg. 1 p. 168. —
VgL abrigeas aohon Walter Deutaehe JOeoht^^soh. 1 (2. Aufl.) {.156 Note 2*
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▼or. Wir Bind also rar Aniuihiiie befugt, dafii im Slteren fHUikitchen Reehl
beim Plagium der K5iiigBbaiin nicht entrichtet werde. Setsen wir aber
demnach die Lex Thnringorum in den Schlura des achten oder Anfang des
nennten Jahrfanndert, bo kann es sur Ermittelung ihrer Heimath Nichts
beitragen, wenn es sieh nachweisen Mfet, wie Gaupp Geseta der Tht-
ringer p. 81 ausführt, dafe Angli und Varini zur Zeit des Taoitu
(€termania c. 40) nordöstlich von der Elbmflndung wohnten, und er
die Vermnthnng daran knflpft, dafs später ein Theil der Angrtn mit
Warinem auf das linke Elbnfer gezogen sei, wenn der Ostgothisohe
KOnig Theodorich in einem uns bei Gassiodor (Var. III, 3) erhaltenen
Schreiben sttdli^ Ton den Sachsen Warner und Thttringer nennt, indem
er twisehen 500 und 507 einen Brief richtet „Herulorum, Goamomm,
Thoringoram regibns^. Auf jene firOhe Zeit kann sieh die Lex Thn«
ringorum nicht beeiehen. In keiner Weise ist uns fit)erliefert, dafe da-
mals Ang^en nnd Warnen unter der Beaeiehnung Thttringer zuMunoMn«
gefiifst seien. Und doch weist die Lex Thnringoram auf eine Zeit, in
der Angli und Werini ein Volk bildeten, das in den uns ^haltenen
Texten der Lex als das der Thttringer angegeben wird, nnd fUr wel-
ches die Lex erlassen weiden konnte.
Im Laufe des achten Jahrhunderts haben die Namen der Thttringer
nnd der Sachsen für die einzelnen sie bildenden VttlkerbeBtandtheile
mehr und mehr Geltung gewonnen. Im Laufe des neunten Jahrhnn*
derts sind jene filteren Namen verschollen. Wir finden neben einander
genannt Anglen und Warnen, die später nur noch Thttringer heilten,
finden nördlich von ihn^ Hessen, Friesen, Nordsueven, Nordthttringer,
Barden (lAngs der Elbe), sowie weiter weetlich Charndes, Boroetri,
Ohamavi, die sttmmtlich nachher unter dem Namen der Sachsen unter-
gegangen sind. Und eben in Jene Zeit des Verschwindens der idten
Volksnamen flUlt die Ab&ssung der Lex Angliorum et Werinonim.
Mit Berttcksichtignng dieses Umstandea nehme ich an, dafii, während
am Schlnla des achten und in der ersten Hälfte des nennten Jahrhun-
derts die Benennungen der Angli und Werini noch gangbar waren,
daneben aber der Name der Thttringer sich fttr sie geltend machte,
jene Bezeichnungen im Laufe des neunten Jahrhunderts verschwinden.
Damit erklärt es sich, dafs man in der in das zehnte Jahrhundert zn
setzenden Gorveier Handschrift der Lex Ang^i<Hmm et Werinoram dieselbe
kurzweg als eine Lex Thuringornm bezeichnete, nachdem man frtther
in der von Herold benutzten und, wie ich nach der ganzen Beschaffen-
heit dea darin ttberlieferten Textes glanben mu(s, älteren Handschrift
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den Worten „Angliorum et Werinoram*^ sEor £rU&rung beigefligt hatte:
„hoc est Thnringorum^.
Abweichend von der hier aiugefllhrten Ansieht, dafii die Lex
AngUorum et Werinorum fUrdae sfldlieh von der Unatrut gelegene Thü-
ringen verfafist worden sei, vermuthet Ledebor Archiv 7 p. 78^85, dals
die Lex sowohl für das slldliche als auch das nOrdliche Thflringen er-
lassen sei, indem er annimmt, dais unter den Warini die Bewohner
der Gegenden an der Werra, unter den Angli die der Landstriche an
der fraher Anger genannten Tanger in der Altmark su verstehen seien.
Wenn schon an sich die Warini nicht wohl nach der Werra, die Angli
nicht nach der Tanger in einer mit der Namensform der letzteren
unvereinbaren Weise benannt sein kOnnen, so spricht auch der Inhalt
der Lex Thuringorum dagegen, dals sie im sächsischen Nordthfiringen
gegolten habe. Abgesehen von anderen Bestimmungen der Lex Thu-
ringorum weise ich nur auf das in ihr 0.26—34 (bei Herold: tit.VII) dar-
gestellte Erbrecht hin.. Ich mufe es fttr unmöglich halten, daCs, wenn
in Nordthüringen im neunten Jahrhundert gemäfis der Lex Thuringorum
0. 34 Grundstöcke bis zum flQnften Grade ansschlieislich im Mannes-
stamme geerbt hätten, im Beginne des dreizelftiten daselbst Töchter in
Ermangelung von Söhnen, Schwestern in Ermangelung von Brüdern
in Grundstücke geerbt hätten, wie dies in Uebereinstimmung mit der
Lex Saxonum c. 28 der Sachsenspiegel 1, 18 bezeugt, der speciell das
Recht dieser Gegend darstellt.
Für unzulässig halte ich die oben bereits angefahrte Meinung Her-
mann Müllers, dafs die Lex Thuringorum für die Gegend an der MaasmOn-
dung bei Dortrecbt abgefafst sei, die ich bereits bald nach ihrem Auftreten
in den kritischen Jahrbüchern von Richter Bd. 10 (1841) p. 1012 bekämpft
habe, und von der ich nicht erwartete, dafs ihr in angegebener Weise
(s. oben p.408) mehrfach Zustimmung zu Theil werden würde. Erwähnt
Procop Warnen, die durch den Rhein von den Franken geschieden wor-
den seien, und erzählt Gregor von Tours Hist. Franc. 11, 9 in sagenhafter
Weise, dafs die Franken aus Pannonien gekommen, den Rhein über-
schritten, „Toringiam*' durchzogen, dafs sodann Chlojo von „Dispargnm
qnod est in termino Thoringorum*' nach Oambray vorgedrungen sei,
so genügen diese Nachrichten nicht, um Warnen und Thüringer als in
der Gegend der Maasmttndung einst sefshaft darzuthun >). Es mag un-
^) Wenn uns Caes. b. Gall. II, 4 berichtet, dafs er nördlich tob den
Ardennen fand ^Condnuos, Eburones, Caeraesos, Paemano», qui uno nomine
Gennani appellantur'', und b. Gall. VI, 32: „Segni Condnisique ex gente et
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entschieden sein, ob Gregor die alte BeTÖlkemng nördlich der Ar-
dennen, die aus Tnngri, deren Namen sich in dem von Tongern er-
halten hat, bestand, gemeint hat, oder aber ob er einer Sage folgend
sie wirklich für Thoringi hielt Es mag femer zweifelhaft sein, ob Gre-
gor, indem er des Zuges der Franken durch die Thoringia gedenkt,
diese in gröberer oder geringerer Ausdehnung zwischen Cambray und
Rhein annimmt i). Jedenfalls sprechen die angeführten Stellen von der
Zeit des fünften Jahrhunderts. Dals der im Testament des heiligen
Willibrord (f 739) genannte Pagus Turingasnes nicht das Vorhanden-
sein eines thüringischen Gaues bei Dortrecht für das achte Jahrhundert
- beweist, wie man behauptet hat, sondern anf das eigentliche Thüringen
bezogen werden mufs, habe ich Mon. Germ. Leg. 3 p. 639 Not. 18 dar-
gethan. Fflr das neunte Jahrhundert mufs ich es aber entschieden in
Abrede stellen, dafs damals in den Maasgegenden und speciell gerade
nm Dortrecht Angli, Werini und Thuringi benannte Völkerschaften
gewohnt hätten. Wir besitzen aus jener spaten Zeit in dieser Beziehung
genflgende Nachrichten über das Land zwischen Rhein und Scheide,
und wissen speciell, dafs längs der Nordseeküste von Flandern bis
znm Zuydersee Friesen wohnten; und die Lex Frisionum bezeichnet
ausdrücklich das Land zwischen dem Sincfal bei Brügge und dem Flie
numero QermaBorum'^, und dann Tacitus Gennania c. 2: „qui primi Bhenom
tranagressi Gallos ezpulerint, ac nunc Tungri, tunc Germani rocati sint'',
80 lernen wir die Tungri im Norden der Ardennen kennen; dort erwähnt
ihrer auch Tacitus Hist. IV, 66. In dem Lande der Eburones lag nach Caesar
b. Gall. VI, 32: „Aduatuca^. Ptolemaeus verzeichnet UdovaTovxoy hei den
TovyyQot, die nach ihm f4€Ttc roy M(6aay norttfioy wohnen. Ini Itinerar
erscheint Aduatuca Tungrorum, siehe Zeuüs Die Deutschen und ihre Nach-
barstämme p. 214. Es ist dies die alte bischöfliche Stadt Tongern, deren
Name den des Volkes bewahrt hat. — Für Thoringi bei Gregor von Tours
lesen andere angeblich schlechtere Handschnfien „Tongri''.
1) Wenn Waitz Das alte salische Recht p. 51 auch die Thoringer, über
die Basinus herrschte, für die von Gregor von Tours auf dem linken Rhein-
ufer erwähnten Thoringi hält und in ihnen Nachbaren des Meers sieht, und
von J. Grimm Geschichte der deutschen Sprache 2 p. 600 Zustimmung findet,
so ist dem zu entgegnen, dals Basinus aufser von Gregor auch von Venan-
tius Fortunatus in der Vita s. Kadegundis genannt wird. Die heilige Rade-
gundis war die Enkelin des Basinus, die Tochter des Bertharius; des Letz-
teren Bruder war Hermanfridus rex Thuringorum, dessen Schwester der ost-
gothische König Theodorich heirathete. Dafs diese Thüringer aber nicht
auf dem linken Rheinufer wohnten, versteht sich von selbst.
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oder der Mündung des Znyderaees als eine Gegend, in der sie Geltang
besafs. Ist nnn aber die Lex Thnringornm, wie erörtert wurde, nnter
Karl dem Grofsen für Angli und Werini abgefaßt, und konnten diese
Völker später als thüringisch, die Lex selbst als eine Lex Tharingoram
bezeichnet werden, so müfiiten jene Namen doch Völker meinen, die
im neunten Jahrhundert in jenen Gegenden gewohnt haben, müfsten
sie selbst im neunten Jahrhundert dort üblich gewesen sein, was aller
Ueberlieferung widerstreitet ^).
Beilage VI.
Von Professor Usinger ist eine Schrift: „Forschungen snr
LexSaxonum Berlin 1867" erschienen, nachdem bereits ein größerer
Theil der vorliegenden Abhandlung gedruckt war. Beim weiteren Ab-
druck derselben habe ich nicht geglaubt, näher auf jene Schrift ein-
gehen zu müssen, da sie mich nirgends veranlalst hat, die von mir
aufgestellten Behauptungen zu modificiren oder zurückzunehmen. Ohne
hier auf Usingers Forschungen näher eingehen zu können, will ich nur
erwähnen, dafs ich die zwei Puncto, die er als Hauptergebnisse seiner
Untersuchung hinstellt, für unrichtig halte. Usinger behauptet:
1. dafs die Lex Saxonum nach 803 und vor 811 abgefafst sei;
2. dafs sie kein Gesetz sondern eine Privatarbeit sei.
1. Was den ersten Punct anlangt, so meine ich dargethan zu
haben, dafs die Lex Saxonum nach den Gapitula de partibus Saxoniae
und vor dem Capitulare Saxonicum, also zwischen den Jahren 777 und
797 abgefafst sein müsse. Usinger behauptet eine Abfassung der Lex
nach 803, weil in ihr die gewöhnlich in dies Jahr gesetzten Oapitula
quae in lege Ribuaria mittenda sunt (Mon. Germ. Leg. 1 p. 117) benutzt
seien. Eine Uebereinstimmung des Inhalts der Gapitel 18 und 50—53
der Lex Saxonum mit Capit. in 1. Rib. c. 5 ist allerdings nicht zu läug-
nen, und auch schon von Früheren, namentlich von Wilda Strafrecht
p. 658 beachtet worden, freilich ohne dafs bis jetzt der Versuch ge-
macht war, jene Folgerung daraus zu ziehen. Für den Zusammenhang
1) Unvor»t&ndlich ist 08 mir, wie Waitis mit Hermann Müller die Lex
Thuringonim der verschollenen Toringia des Gregor ron Tours rindioirty
während er ihm gegenüber cinr&umt, dafs sie unter Karl dem Greisen ab-
gefafst »ei.
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beider Stellen sprechen verBcbiedene ähnlich lautende Worte. Ob sie
aber beide, wie es den Anschein hat, ans einer verlorenen älteren Ver-
ordnung Karls des Grofsen schöpfen, oder ob die eine die Quelle der
anderep ist, wird nicht zu ermitteln sein. Jedenfalls läfst sich, wenn
man von dem übrigen Inhalt der Lex Saxonum absieht, was ich für
durchaus unstatthaft halten mufs, und nur diese eine Stelle berück-
sichtigt, eben so viel wenn nicht mehr dafür anführen, dafs hier die Cap.
in 1. Rib. aus der Lex Sax., als dafs die Lex aus den Cap. in 1. Rib.
geschöpft haben. Von einer gedankenlosen Benutzung des Capitels 5
der Gap. in 1. Rib. durch den Verfasser der Lex Sax. sehe ich keine
Spur. Die angeführten Capitel 18 und 60—53 der Lex Saxonum ge-
währen einen durchaus in sich zusammenhängenden Inhalt. Der Herr
des Sklaven haftet nach ihnen in altgermanischer Weise für alle Hand-
lungen seines Sklaven, wie er es für sein Vieh thut, mögen dieselben
mit oder ohne sein Wissen erfolgt sein. Dies unterliegt nur darin einer
Beschränkung, dals der Herr im Falle seines Nichtwissens nicht zu
haften braucht, wenn der Sklave entlaufen und nicht zurückgekehrt
ist. Diese Beschränkung der Haftungspflicht, die den übrigen älteren
deutschen Rechtsquellen fremd ist, findet sich auch in den Capitula
quae in lege Ribuaria mittenda sunt ausgesprochen. Doch zeigt sich
darin eine Verschiedenheit, dafs nach der Lex Saxonum der Herr sein
Nichtwissen mit einem Zwölfereid erhärten kann, während nach den
Cap. in 1. Rib. sein einfacher Eid genügt^). Somit kann ich aus der
allgemeinen Uebereinstimmung der Lex Sax. mit den Cap. in 1. Rib.
keinen Grund finden, jene als nach 803 abgefafst anzunehmen. Usin-
gers Argumentation fällt dann aber weg. Denn, wenn er ausführt, dafs
die Lex vor 811 abgefafst sein müsse, weil in ihr von Söhnen eines
fränkischen Königs (c. 24: „qui in regem Francorum vel filios eins de
morte consiliatus fuerit, capite puniatur'') die Rede ist, und Karl der
Grofse, auf den das zu beziehen sei, nach 811 nur noch einen Sohn
. hatte, so hindert das, falls man darauf überhaupt Gewicht legen will,
selbstverständlich nicht, die Abfassung der Lex auch noch weiter vor
das Jahr 811 zu verlegen, und sie 785 zu setzen.
2. Dafür, dais die Lex Saxonum ein Gesetz und keine Privatauf-
zeichnung über sächsisches Recht sei, sprechen meines Ermessens viele
innere Gründe, während ich keinen einzigen entscheidenden dagegen
') Ueber die hier besprochenen Satzungen der Lex Sax. vgl. noch oben
p. 244. 274; gegen Wilda vgl. oben p. 339.
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kenne. In ersterer Beziehung ist hier zunächst anf alle die Stellen der
Le]c hinzuweisen, die sich nach der Art ihrer Wortfassung als gesetx-
liche Vorschriften documentiren, durchaus aber nicht das Gepräge von
Berichten einer Privatperson Aber geltendes sächsisches Reefat tragen.
Sie drücken die in ihnen enthaltenen Rechtssatze in ganz ähnlicher
Sprache aus, wie dies in den unbestrittenen Gesetzbüchern des frän-
kischen Reichs z. B. der Lex Salica, Ribuar., Alamann., Baiuwar. der
Fall ist. Die Lex Sax. sagt z. B.: c. 21 ff. ,,capite puniatur*', c 26
„occidatur", c. 2B „nnsquam habeat pacem", c. 22 ,,manum suam re-
dimat auctor sacramenti*'; c. 6 ff. „36 solidos conponat", c. 37 „in
triplo conponat", c. 36 ,,novies conponat", o. 31 „novies conponen-
dum est^y c. 52. 55 „nihil solvat", c. 32 „non solvatur'', c. 50 „do-
minus emendet", c. 23 „bannum solvat^ ; c. 63 „probet^, c. 39 „testibns
vincatur^, c. 1 ff. „iuret^, c. 52 „iurando se purificef^, c. 17 „tribiu
iurantibus negetnr^, c. 17 „pleno sacramento negetur", a 63 „campo
diiudicetur^ ; c. 40 „uxorem ducturus 300 solidos det^, c. 43 „offerat
tntori precium emptionis^ ; c. 64 „vendet hereditatem cuicumque libne-
rit'', c. 64 „offerat eam primo 'proximo suo*', c. 44 „ad eas omnis here-
ditas pertineat^y c. 41 „filio hereditatem relinquent^, c. 61 „venditiones
stabiles permaneant'' ; c. 45 „tutela filiae ad filium pertineat", c. 44
„tutela fratri depntetur^, c. 42 „tutelam filius accipiat*'; c. 62 „nolli
liceat traditionem hereditatis suae facere", c. 62 „mancipia liceat ven-
dere" ; c. 65 „lito regis liceat uxorem emere, non liceat ullam feminam
vendere*'. •— Daneben kann es nicht ins Gewicht fallen, wenn es c. 47
heilst: „Dotis ratio duplex est. Ostfalai et Angarii volunt" u. s. w., da
das Gapitel, nachdem diese Worte auf das bei jenen V^^lkerstämmen
geltende Recht hingewiesen haben, sofort wieder in die der übrigen
Lex entsprechende Ausdrucksweise einlenkt, „dotem amittat", oder
wenn das Gap. 66 sagt: „Solidus est duplex, unus habet. duos tremisses"
u. 8. w., da, wenn man diese Worte nicht als denen eines Gesetzgebers
entsprechend gelten lassen wollte, man ganz dasselbe auch vbn dem
Gapitulare Saxonicum, dessen gesetzlichen Gharacter doch Niemand
bestreitet, behaupten mttfste, welches in Betreff desselben Punotes c. 11
sagt: „Illud notandum est, quales debent solidi esse Saxonum^ . . .
„Bortrini pro solide uno scapilos 40 donant^.
Ferner sind in der Lex nicht wenige Stellen vorhanden, die be-
stimmte Satzungen entlialten, die in fränkischer Zeit erlassen sein
müssen, und bei denen ein anderes Gesetz, durch das sie eingeführt
sein könnten, nicht bekannt ist, so dafs wir berechtigt sind, zu ver-
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nantben, es sei eben die Lex Saxonam jenes fränkische Gesetz, welches
diese Bestimmungen angeordnet habe. Wollte man meinen, die Geltung
dieser Satzungen sei auf eine stillschweigende Reception eines angeb-
lichen frankischen Reiohsrechts in Sachsen zurückzuführen, so ist es
eine willkürliche Voraussetzung, dals eine solche stattgefunden habe,
und unterscheidet sich obenein ihr Inhalt zum Theil in erheblicher
Weise von dem der fränkischen, nicht speciell für Sachsen erlassener
Capitnlarien. Als Beispiele derartiger neuer, auf fränkischen Uraprung
zurückzuführender Satzungen in der Lex Saxonum, die sich aufser in
ihr in keinem fränkischen Gesetz für Sachsen nachweisen lassen, mOgen
dienen : c. 19 neunfache Bufise bei der Bestrafung des Mordhtot, sowie
des geringeren Diebstahls, c. 31. 36, vgl. p. 249. 316: Ausschlufs der
Faida bei unabsichtlich oder durch ein Hausthier herbeigeführter Ver-
letzung, c. 59. 57, vgl. p. 241. 243; Zahlung des Banngeldes für Nach-
stellung nach dem Leben eines Kirchgängßrs an Sonn- und Fest-tagen,
c. 23, vgl. p. 235, 352; dreifache Bufee bei Verletzung im Heer oder
auf dem Wege zur Pfalz, c. 23, vgl. p. 262; Fixirung der bei Brautkanf
und Frauenraub zu zahlenden Summen, unter Zurechnung der Bann-
snmme von 60Solidi zu einem Freienwergeld, c. 40.43. 49, vgl. p. 285
— 305; Erlaubnifis dem Litus regis eine beliebige Frau sich zu kaufen,
und Untersagung ein Weib in die Ehe zu verkaufen, c. 65, vgl. p.295;
Concession, Landgüter an die Kirche oder den König ohne Berück-
sichtigung eines Widerspruches der Erben zu.tradiren, c. 62; Bestim-
mung, dafs ein Exilirter, d^ sein Gut zum Verkauf bringen will, dies
dem vom König über dasselbe gesetzten Verwalter zum Vorkauf an-
bieten mufs, c. 64, vgl. p. 106.
Aufserdem sind in der Lex Saxonum Bestimmungen enthalten, die
sich als Abänderungen oder Ergänzungen des Inhalts der Capitula de ^
partibus Saxoniae zeigen. Besonders sind es die Anordnungen der Lex
Saxonum über Todesstrafe gegenüber von denen der Cap. de part. Sax.,
die hier in Betracht kommen. Die Lex wiederholt eine Reihe der von
diesen ausgesprochenen Todesstrafen, übergeht andere derselben, die
ihr als nach den Verhältnissen antiqufrt erscheinen, und ergänzt und
vervollständigt jene, indem sie namentlich Todesstrafen des älteren
sächsischen Rechts, welche die Capitula nicht aufgeführt hatte, in be-
stimmter und, wie es scheint, sie beschränkender Weise aufzählt; ver-
gleiche hierüber die nähere Ausführung oben p. 323 ff. In ähnlicher
Weise modificirt die Lex c. 21. 22 das in den Cap. de part Sax. c. 33
anerkannte ältere Recht über Bestrafung von Meineiden, indem sie
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. 422
zwischen mit und ohne Bewufstsein falsch geschworenen Eiden nnter-
scheidet und nur im ersten Fall die Todesstrafe fortbestehen, im zweiten
dagegen statt ihrer Verlust der Hand eintreten läfst, vgl. oben p. 118.
238. Die Bestimmung der Gapitula de part. Sax. c. 18, dais an Sonn*
und Fest-tagen („festivitatibus praeelaris^) kein Gericht gehalten and
die Kirche besucht werden soll, findet eine Ergänzung durch Gap. 23
der Lex, welches anordnet, dafs den Todtschläger eines Kirchgängers
an Sonn- und Fest-tagen Todesstrafe bedroht, und dabei die Festtage,
die in dieser Weise zu behandeln sind, speoiell namhaft macht, vgl.
S. 235. 352.
Endlich ändert das Capitulare Saxonicnm von 797 mehrfach den
Inhalt der Lex Saxonum direct ab, und scheint durch die Art, wie es
das thut, die Lex a^s ein früheres Gesetz zu bekunden. Unmittelbar
auf die Wortfassung der Lex c. 66 nimmt das Capitulare Saxonicnm
c. 11 Rücksicht, und ergän^ und erläutert die darin gebrauchten Aus-
drücke; während in der Lex gesagt ist, dafs dem kleinen Solidus ein
„bos anniculus duodecim mensium" gleichstehen solle, erläutert das
Capitulare Saxonicnm näher, was hier unter einem Jahrrind zu ver-
stehen sei : ein Kuh- oder Ochsen-kalb im Alter von einem Jahr, mag
das Thier im Herbst unter den Jahrrindern in den Stall oder im Früh-
jahr unter ihnen aus dem Stall auf die Weide kommen, „bovem anno-
ticum utriusque sexus autumnali tempore, sicut in stabulum mittitar,
pro uno solide; similiter et vernum tempns quando de stabulo exiit*';
vgl. oben p. 34. Eine anderweitige Berücksichtigung der Lex durch
das. Capitulare Saxonicnm zeigt sich bei der Brandstiftung. Während
die Lex c. 28 eigenmächtige Brandstiftung („qui domum alterius sao
tantum consilio volens incenderit") mit dem Tode bedroht, dekretirt
Cap. Sax. c. 1, dafs bei Brandstiftung ein Banngeld von 60 SoHdi zn
zahlen sei, und wiederholt dies Cap. 8, indem es den Fall entgegen-
stellt, wo Brandlegung durch Gemeindebeschluis erfolgt, und hier im
Gegensatz zu den Worten der Lex Saxonum sich der Worte bedient:
„commune consilio facto^. Die Art, wie das Capitulare hier die Bann-
buise von 60 Solidi für Incendium anordnet, während die Lex Saxo-
num nur von der zu vollziehenden Todesstrafe redet, zeigt mir auch
hier, wie das Capitulare das in der älteren Lex dargelegte Recht er-
gänzt und abändert; vgl. über die Bannbulsen das oben p. 343 ff.
Erörterte.
Führen alle diese Gründe dahin, in der Lex Saxonum ein Gesetz-
buch zu finden und hege ich keinen Zweifel, dies ihnen zu Folge wßr
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428
zunehmen, bo glaubt Usinger sich berechtigt, aas dem Inhalt der Lex
direct zu schliefsen, dafa sie kein Gesetzbuch sein könne, und insbe-
sondere kein unter Karl dem Greisen publicirtes, in dessen Zeit auch
er ihre Abfassung annimmt Er behauptet ganz allgemein, dafs die
Lex Saxonum Sätze ausspreche, die mit den von Karl dem Grolsen
für Sachsen erlassenen Normen sowie mit dem ganzen übrigen frän-
kischen Reichsrecht in so schroffem Widerspruch ständen, dafs sie der
König unmöglich in ein Gesetzbuch fflr Sachsen hätte aufnehmen kön-
nen. Indessen beweist meines Dafürhaltens kein einziges der von Usin-
ger für seine Ansicht angeführten Beispiele aus der Lex Saxonum die
Richtigkeit seiner Behauptung. Ich rücke sie hier ein und füge jedem
einige Bemerkungen bei, um mein Urtheil zu motiviren. Ein besonderes
Gewicht legt Usinger p. 18. 19. 62 auf die Behandlung der Faida in
der Lex Saxonum. Nach ihm untersagen Capitnla de partibus Saxoniae
c. 31 und Gapitulare Saxonicum c. 9 alle Faida, in Uebereinstimmung
mit der ganzen karolingischen Gesetzgebung, „wahrt dagegen Lex
Saxonum c. 1 — 60 den volksthümlichen Character ganz unbestritten
durch die ohne alle Einschränkung als gültiges Rechtsmittel voraus-
gesetzte Rache^ (p. 62), und „zeigt damit einen schroffen Widerspruch
zu jener'' (p. 19). Zunächst mufs ich bestreiten, dafs die beiden an-
geführten Stellen der Capitularien jede Anwendung der Faida aus-
schlielsen. Das Gap. 31 der Cap. de part. Sax. gewährt den Grafen in
ihrem Amtssprengel den Bann von 60 Schillingen „de faida vel maiori-
bus causis'^ ; das Gapitulare Saxonicum c. 9 erklärt, dafs es dem König
unter Zustimmung der Franken und treuen Sachsen gestattet sein solle,
nach eigenem Ermessen das Banngeld von 60 Solidi zu erhöhen „prop-
ter pacem et propter faidam et propter maiores causas'^; vgl. oben
p. 241. In beiden Gesetzesstellen bewilligt also der König die Erhebung
eineff Banngeldes wegen Faida durch die Grafen; die Umstände, unter
welchen dies zu geschehen habe, erwähnen sie mit keinem Worte: sie
sprechen es nicht im Entferntesten ans, dafs alle und jede Faida ge-
setzlich unstatthaft sei, vgl. oben p. 271. DalsKarl niemals durch ein
directes Gesetz die Faida allgemein ausgeschlossen habe, und sie nach
dem geltenden Recht in vieler Beziehung, insbesondere bei Friesen
und Sachsen, für zulässig galt, dafs der König dagegen namentlich in
den späteren Jahren seiner Regierung die Ausübung der Faida in der
Praxis zu hindern gesucht habe, erörterte ich specieller p. 267. Prüfe
ich nun den Inhalt der Lex Saxonum, so vermag ich in keiner Weise
einzuräumen, dafs ihre Bestimmungen über Faida mit denen der beiden
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424
sächsischen Capitularien, Ewischen denen sie erlassen sein mais, irgend
wie in Widerspruch stehen : sie erkennen die rechtliche Existenz der
Faida an, beschränken sie aber, wie ich im Gegensatz zu Usinger glaube
behaupten zu müssen, an verschiedenen Puncten (vgl. p. 264) and lassen
völlig unerwähnt, in welcher Weise Banngelder wegen Faida gefordert
werden können. — „Eine andere, vielleicht nicht minder wichtige Ab-
weichung der Lex von dem Gesetzesrecht, wie es in den Gapitulariea
vorliegt, betrifft^ behauptet Usinger p. 20 „das Asylrecht^; in den
Gap. de part. Sax. c. 2 werde das Asylrecht in weitestem Umfange ver-
kündet, und sogar Erlais der Todesstrafe dabei in Aussieht gestellt;
gerade das Gegentheil davon sage die Lex Saxonum, indem sie Gap. 28
anordne: „capitis damnatus nusquam habeat pacem; si in eeclesiam
confugerit, reddatur''. Der Inhalt dieses Satzes der Lex Sax. soll nach
Usinger „von fränkischer Anschauung dictirt'' sein, da im übrigen
fränkischen Reich die Regierung das Asylrecht der Kirchen zu be-
schränken gesucht habe. Diese Ausfährung Usingers wird man als
verfehlt betrachten müssen. Eine genauere Betrachtung der beiden
sich angeblich widersprechenden Stellen zeigt, daCs die letztere von
einem bereits zum Tode verurtheilten, die erstere von einem noch nicht
vor Gericht gestellten Verbrecher spricht. Beide Fälle werden wie
in den anderen fränkischen Gesetzen verschieden behandelt. „Dafs eine
Kirche Verbrechern, die zum Tode verurtheilt sind, einen Schutz gegen
die Rache ihrer Verfolger gewährt, sagen die Gapitula de partibus
Saxoniae in keiner Weise, und die spätere Lex Saxonum c. 28 erklärt
ausdrücklich und in voller Uebereinstimmung mit den übrigen Gesetzen
Karls des Grofsen, dafs sie nirgends Frieden haben und ausgeliefert
werden sollen, wenn sie in eine Kirche fliehen"; vgl. Näheres p. 193—195.
— „Auch in den Strafansätzen wegen Brandstiftung ist zwischen der
Lex und den Gapitularien" nach Usinger p. 21 „ein sehr bemerkens-
werther Unterschied'^ ; durch das Gapitulare Saxonicum c. 8 habe die
altsächsische Strafe für Brandstiftung eine völlige Umgestaltung er-
fahren: die bisher geltende Todesstrafe sei beseitigt worden und an
deren Stelle der Königsbann getreten (p. 49); dem gegenüber verhänge
die jüngere Lex Saxonum c. 38 über einen solchen Frevler wieder ent-
sprechen^ den sächsischen Anschauungen die Todesstrafe. Eine Aus-
führung, auf die ich kurz zu entgegnen habe, dafs ich die Lex Saxo-
num nicht für jünger sondern für älter als das GapituUre Saxonicum
halten mufs, aufserdem aber nicht im Entferntesten einräumen kann,
durch Einführung der Bannbufse sei die bei derselben geltende Todea-
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strafe abgeschafft. Ist dem aber so und galt sowohl im vorfränkischen
als auch im späteren sächsischen Recht, wie Usinger anerkennt, für
Brandstiftung die Todesstrafe, so giebt die Erwähnung derselben in
der Lex Saxonum keinen Grund gegen deren Authenticität, mu(s viel-
mehr als den Verhältnissen durchaus entsprechend erscheinen. — Wenn
Usinger S. 22 die im Capitel 36 der Lex Saxonum für geringeren Dieb-
stahl verzeichnete neunfache Buise für auffallend hält, da das Capitu-
lare Saxonicum c. 6 anordne: „quod si aliquid presbyteris quiscontra-
rium facere aut tollere praesumpserit, omnia in duplum restituat eis et
conponat'', so kann ich ihm nicht beitreten, sondern mufs die letzten
Worte dahin verstehen, dafs König Karl durch sie den Presbyteri für
Verletzungen und Beraubungen die Bufse und den Schadenersatz ver-
doppelt habe, die Anderen in gleichem Falle zugestanden hätte; wie
denn auch im übrigen fränkischen Reich bei ihnen doppelte und drei-
fache Bufsen galten, vgl. oben p. 272. 273. Es erhielten sonach die
Presbyteri beispielsweise bei geringerem Diebstahl zweimal die neun-
fache Bufse. — Auch die weitere Behauptung Usingers S. 22: „Ganz
wunderbar nimmt sich in der Lex Capitel 37 aus'', indem die daselbst
bei Verletzungen im Heere oder auf dem Wege zur Pfalz vorgeschrie-
bene dreifache Bufse in den karolingischen Gesetzen nicht mehr vor-
komme und veraltetes Recht des Reiches enthalte, entbehrt eines Be-
weises. Die oben p. 262 Note 1 aus anderen Volksrechten angeführten
Stellen zeigen die dreifache Bufse für den vorliegenden Fall, und ich
vermag nicht abzusehen, warum ihr Inhalt zur Zeit des Erlasses der
Lex Saxonum antiquirt gewesen und Karl der Grofse damals nicht
ähnliche Satzungen für Sachsen publicirt haben sollte. — S. 23 erklärt
Usinger: „Die abweichende Fassung der Lex c. 24 kann unmöglich
von demselben Gesetzgeber sein*', von dem die Gapitula de partibus Saxo-
niae c. 11 sind, da der Begriff des Capitulares der viel weitere sei;
diese verhängen die Todesstrafe gegen den „qui domino regi infidelis
apparuerit*', jene gegen den „qui in regnum vel in regem Franoorum
vel filios eins de morte consiliatus fuerit". Ob wirklich Infidelitas die
umfassendere Bezeichnung für das in beiden Stellen gemeinte Ver-
brechen sei, mag dahin gestellt bleiben. Unzweifelhaft aber ist, dais
die Lex Saxonum die Personen, gegen die das Verbrechen verübt
werden kann, genauer specialisirt. Und so ist nicht abzusehen, warum
König Karl nicht eine in dieser Beziehung modificirte Ansdrucksweise
in der Lex Saxonum gewählt haben könnte, indem er in sie mehrere
auf einander folgende Sätze der Gapitula de partibus Saxoniae aufnahm;
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dafs dies aber der Fall sei, habe ich oben S. 113 za zeigen gesacht,
vgl. auch p. 321. — Endlich erörtert Usinger S. 25: „die Nachricht der
Lex Saxonum c. 66, die Sachsen hätten (neben dem Solidus maior von
3 Tremissen) einen Solidus (minor) von 2 Tremissen gehabt, sei nicht
richtig^, „dadurch müsse die Glaubwürdigkeit der Lex erschfitterC
werden^. Er meint dies dadurch zu begründen, dafs er bemerkt, das
Gapitulare Saxonicum c. 11 kenne nur einen Solidus, und dieser sei
der fränkische von 12 Denaren, also der fränkische Solidus maior, der
auch später als in Sachsen geltend bezeugt werde, während in der Lex
Saxonum die Rechnung nach zwei verschiedenen Solidi bei der un-
genügenden Art, wie ihrer nur c. 16 und c. 66 Erwähnung geschieht,
nothwendig zu Müsverständnissen geführt haben müfste. Selbst wenn
man, was ich für irrig halte, annimmt, König Karl habe durch die
Worte des Gap. 11 des Gapitulare Saxonicum von 797: „in argento
duodecim denarii solidum faciant" bestimmt, dafs in Sachsen nur nach
Solidi von 12 Denaren, also nach grofsen Solidi gerechnet werden
solle, so liegt darin kein Grund zu läugnen, dals er in der älteren Lex
Saxonum angeordnet haben könne, nicht nur nach Solidi maiores son-
dern auch nach Solidi minores zu rechnen. Im Anschlnfs an einen
älteren Rechtsbrauch hat der König ausgesprochen, dafs unter den bei
Wergeldern zu zahlenden Solidi kleine Solidi im Werthe von V« grofsen
gemeint sein sollen; ein Mifsverständnifs bei den Bufszahlungen konnte
dadurch nicht herbeigeführt werden. Ich meinestheils habe oben p. 46.34
ausgeführt, dafs meiner Meinung nach Karl bei Erlafs des Gapitulare
Saxonicum sich den Bestimmungen der Lex über Zahlung in Solidi
angeschlossen hat; indem er im Gap. 11 desselben die einzelnen bei
Gompositionen an Zahlungs statt zu gewährenden Gegenstände tarifirt,
setzt er 1 Solidus in Silber = 12 fränkische Denare, 1 Jahrrind =s
1 SoliAis; er thut dies in Uebereinstimmung mit der Lex. Saxonum,
welche anordnet, dafs Bufszahlungen im Allgemeinen in grofsen So-
lidi , Zahlungen von Wergeldern in kleinen Solidi im Werthe von einem
Jahrrind zu berechnen seien. War es nach der Lex Sax. gestattet, bei
Wergeldern anstatt eines Solidus ein Jahrrind hinzugeben, und fand
man darin eine um Vs geringere Leistung als bei Silberzahlnng, so
änderte das Gapitulare Saxonicum, indem es das Jahrrind ebenfallB zn
1 Solidus schätzte, nicht die Höhe der früheren Wergeidansätze, und
hätte auch von Solidi minores reden können, wie es die Lex thut. —
Glaubt man, dafs die angefahrten Stellen der Lex Saxonum auch in
anderer Weise gedeutet werden können, als es hier geschehen ist» oder
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dafs nicht vollständig aufgehellt ist, in welcher Beziehung ihr Inhalt
zu einzelnen Bestimmungen anderer fränkischer Capitularien, und na-
mentlich zu manchen der beiden auf Sachsen bezüglichen steht, so ist
das von untergeordneter Bedeutung. Sollen in ihnen Beispiele ent-
halten sein, welche die Gründe entkräften, die daftir zeugen, dafs die
Lex Saxonum ein Gesetz sei, und sollen sie wirklieh beweisen, woftir
sie von Usinger als entscheidend angefQhrt sind, dafs die Lex als ein
Gesetz nicht erlassen sein könne, so.mufs ihr Inhalt evident und un-
bestreitbar in so schroffem Gegensatz zu dem der übrigen Capitularien
Karls des Grofsen stehen, dafs es absolut unmöglich ist, dafs auch sie
von ihm erlassen sei. Ich mnfs auf das Unbedingteste läugnen, dafs
ein derartiger Gegensatz zwischen dem Inhalt der Lex und dem jener
Capitularien nachgewiesen oder in irgend einer Weise vorhanden sei,
und demnach den einzigen daf^r angetretenen Beweis, dafs die Lex
kein Gesetz sein könne, für mifslungen halten.
Stehe ich somit nicht an, zu läugnen, dafs die Lex eine Privat-
aufzeichnung sei, und nehme ich in Uebereinstimmung mit fast allen
Früheren an, dais sie ein von Karl dem Grofsen erlassenes Gesetz ist,
so drängt sich doch noch die Frage auf, ob irgend eine innere Wahr-
scheinlichkeit dafdr spricht, dafs die jedenfalls in der Regierungszeit
Karls des Grofsen verfafste Lex Saxonum eine Privatarbeit sei. Mir
scheint dies nicht im Geringsten der Fall zu sein, und eine derartige
Auffassung der Lex noch wesentlich erschwert zu werden, wenn wirk-
lich ihr Inhalt in dem von Usinger behaupteten Gegensatz zu den
beiden sächsischen Capitularien stände. Wir besitzen zudem ans der
Zeit Karls des Grofsen kein Kechtsdocument, von dem es erwiesen
wäre, dafs es eine Privatarbeit sei: bei der Additio legis Frisionum,
der Lex Thuringorum und der Lex de Amore hat man es gemeint,
machen sich aber auch reelle Bedenken dagegen geltend (vgl. auch
p. ^d). Und man wird nicht umhin können, einzuräumen, dals es
schwer hält, sich vorzustellen, wie ein Privatmann zur Zeit Karls des
Grofsen zu einer Darstellung des sächsischen Rechts, insbesondere aber
des Rechts aller sächsischen Stämme zwischen Rhein und Elbe, das
die Lex Saxonum nach ihrem Inhalt behandelt, hätte schreiten können.
Wie der Urheber des Sachsenspiegels, indem er ein Rechtsbnch für
die Praxis verfafst, das in den Gerichten, in denen er persönlich thätig
war, geltende Recht aufzeichnet und nur ganz nebenbei Rechtsabwei-
chnngen aus einzelnen benachbarten sächsischen Gegenden erwähnt,
so würde man es auch von der Arbeit eines Privatmannes über säch-
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428
sisches Recht aus der Zeit Karls des Grofsen erwarten mfissen. Woher
hätte er die dazu erforderliche Kenntniis des in so vielen Puncten ab-
weichenden Rechts der Westfalen, Cngern und Ostfalen besitzen oder
aber sich verschaffen können? Die gesammte Fassang der Lex Saxo-
num läfst auch nicht vermuthen, dafis ihr Urheber in ähnlicher Weise
wie Eike von Repkow ein Hülfsmittel für den Richter liefern wollte.
Dazu stimmt weder die Kürze des Ausdrucks noch das Uebergehen vieler
in der Praxis hochwichtiger Gegenstände, vor Allem aber nicht die in die
Form eines Gesetzes eingekleidete Ausdrucksweise des ganzen Schrift-
stückes, auf die bereits oben p. 420 hingewiesen wurde. Auch Usinger
sind derartige Bedenken aufgestiegen. Er erwägt, ob die Lex Saxonum
etwa eine Privataufzeichnung sei, um den gesetzgeberischen Arbeiten,
mit denen sich Kaiser Karl 802 und 803 beschäftigte, zur Grundlage
zu dienen; doch verwirft er selbst diese Annahme, da der Inhalt der
Lex einem solchen Zwecke nicht entspreche. Mir scheint dies schon
deshalb unstatthaft, weil es uns an jeder Nachricht fehlt, dafs derartige
Privatarbeiten in jenen Jahren vorgenommen sind, und einer solchen
bei Ermangelung aller directen Unterstützung von Seite der Regierung
alle die Hindernisse entgegengestanden hätten, die überhaupt eine
Privatarbeit über das Recht aller sächsischen Stämme dermaisen er-
schwerten, dals wir sie für damals fast unmöglich bezeichnen müssen.
Auch die von Usinger in der Lex Saxonum angenommenen Gebrechen
können nach ihrer speciellen Beschaffenheit die Bedenken, in ihr eine
Privatarbeit zu sehen, nicht vermindern. Der Verfasser soll in manchen
Stellen altsächsisehes, durch fränkische Reichsgesetzgebung aufgehobe-
nes Recht verzeichnet, in anderen Eigenthümlichkeiten des sächsischen
Rechts, die von Karl dem Gro&en in den Gapitularien für Sachsen
Anerkennung gefunden hatten, unbeachtet gelassen, in noch anderen
fränkisches, ja zum Theil veraltetes fränkisches Reichsrecht aufgenom-
men haben. Ich vermag mir seinen Standpunct, wenn ich an der Rich-
tigkeit der Usinger'schen Auffassungen der einzelnen Stellen festhalte,
schwer zu denken. Der Goncipient erscheint eben nur als ein des
Rechtes, welches er darstellen will, wenig kundiger Mann. Führten die
gegen ihn erhobenen Anschuldigungen dahin, dafs die Arbeit an Män-
geln leide, die sich aus seinen Lebensverhältnissen erklärten, sei es,
dafs er als Geistlicher, als Franke oder als Sachse, mit oder ohne Ab-
sicht eine unrichtige Darstellung des in Sachsen geltenden Rechts
geliefert habe, so möchte dies der Anklage einen gewissen Schein
geben; sollen die Gebrechen aber als lediglich aus Unkunde entsprungen
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_ 4 29
gelten, so fällt auch dieser weg. Das Bestreben üsingers, zn zeigen,
dafs der Inhalt der Lex Saxonum nicht der eines karolingisohen Ge-
setzes sein könne, verleitet ihn, das ganze Schriftstück als ein im
höchsten Grade mangelhaftes Machwerk zu characterisiren. Dies er-
geben folgende Stellen.
Usinger sagt S. 61 : „Die Lex Saifonum enthält einmal kein rein
sächsisches Volksrecht und steht sodann in einem zu argen Gegensatz
zu der Reichsgesetzgebung, als dafs angenommen werden könnte, diese
habe sie gewissermafsen anerkannt, oder gar, was bisher stets behauptet,
sie sei unter Mitwirkung der fränkischen Regierung entstanden.'' S. 61:
„Die Abweichungen der Lex von dem Gesetzesrecht weisen sehr be-
stimmt darauf hin, dafs wir es hier nur mit einer privaten Arbeit,
nicht mit einem Theile der Gesetzgebung Karl des Grofsen zu thun
haben. Und. das wird sodann durch den höchst ungenauen und unge-
nfigenden Inhalt der Lex Saxonum noch fester erwiesen. In bunten
wenig kritischer Mischung finden wir da sächsisches und fränkisches
Recht.^ S. 72: „Konnte die Lex in den Gerichten gebraucht werden,
obwol sie in Betreff der Faida, der Brandstifter, der Kirchenschänder
von dem Rechte abwich, das Karl sonst, ganz in Uebereinstimmung
mit dem allgemeinen Rechte seines Reichs, durch seine Capitularien
bei den Sachsen gebot? Konnte die Lex in den Gerichten gebraucht
werden, da sie doch zum Theil sogar veraltetes fränkisches Recht, zum
Theil aber für Sachsen einheimisches Recht verkündete, das sicher
nicht dem Rechtsbewufstsein des Volkes, der bisherigen Gültigkeit,
sondern dem Recht der Franken entsprach, welches in dieser Beziehung
nicht bei den Sachsen eingeführt war? Somit verbietet der Inhalt,
dann aber auch die nachlässige Form der Lex die Annahme, dafs sie
von der Reichsregierung gebilligt, dafs sie unter ihrem Einflnfs zum
Gebrauch in den Gerichten verfafst sei.^ S. 73: „All die vorgenannten
Gründe weisen mit Nothwendigkeit darauf hin, in der Lex Saxonum
eine mangelhafte Privatarbeit zu sehen. Allein angeregt wird deren
Abfassung doch ohne allen Zweifel durch das gleichzeitige Bestreben
der Regierung sein." S. 73: „Die Lex Saxonum kann nicht einmal eine
Art, wenn auch privater Vorarbeit für eine künftige vom Staate auto-
risirte Rechtsaufzeichnung sein: es würden sich nicht die ungenügenden
Belehrungen über die Kirchenfeste, es würde sich nicht die jetzt vor-
liegende äufserst mangelhafte Redaction und sogar manche Bestimmung
in ihr finden, gegen deren Richtigkeit mit Recht Bedenken zn erheben
sind.'' S. 74: „Die Benutzung der Lex Saxonum für eine Darstellung
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der Verhältnisse der Sachsen in der ersten Zeit ihrer Unterwerfang
(^urch die Franken ma(s aber immer eine sehr vorsichtige sein. Von
ihren beiden Verfassern ist der erste zweifelsohne sehr willkürlich und
nachlässig zu Werke gegangen, während der zweite fast mehr Beiträge
lieferte zu der politischen Geschichte und zur Erläuterung wirthschaft-
licher Verhältnisse bei den Sachsen als zur Erkennung des Rechts-
zustandes.^
Dais ich dies Urtheil Usingers für ungerechtfertigt und durchweg
verfehlt hatte, will ich hier nicht weiter ausfähren. Die Lex erscheint
mir in jeder Beziehung als eine lautere Quelle, ja unerachtet ihrer
Kürze und der UnvoUständigkeit der in ihr behandelten Gegenstände
als die Hauptquelle unserer Kennt nifs altsächsischer Zustände. Aber
darauf will ich noch hinweisen , dafs sie in der Zeit nach ihrer Ab-
£ASSung keinesfalls in Usingers Weise beurtheilt worden sein kann, da
sie sonst als für die Gerichtspraxis völlig unbrauchbar gegolten haben
müfste. Denn wenn wir auch so wenig bei ihr wie bei den meisten
Volksrechten des fränkischen Reichs den Umfang ihrer Benutzung dar-
zuthun vermögen, so läist sich doch die Thatsache selbst nach der Art
nicht bezweifeln, wie wir sie neben anderen Gapitnlarien und Volks-
rechten in Handschriften des neunten und zehnten Jahrhunderts auf-
genommen finden. Von gröistem Gewicht ist in dieser Hinsicht der
Corveier Codex der Lex Saxonum, der sich durch seinen Inhalt als
für die Abtei Gorvei geschrieben bekundet, und in welchem neben der
Lex Thuringorum und einer Reihe von Gapitnlarien, wie namentlich
dem Gapitulare Saxonicum, und neben Corveier Privilegien die Lex
Saxonum Aufnahme gefunden hat. Und eine ähnliche Würdigung der
Lex ergiebt sich auch aus der Chronik Widukinds von Corvei, indem
dieser I c. 14 äufsert: „de legum varietate nostrum non est in hoc
libello disserere, cum apud plures inveniatur lex Saxonica diligenter
descripta^ Mon. Germ. Script. 3 p. 424.
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Stellen ans den drei sächsischen Gesetzen, welche besprochen
worden sind.
Capitnla de partibas Saxoniae«
Cap. 1:8.180 ff. 175.229.217.
Cap. 19: 8.298.343.346.392.
Cap. 2: S. 184 ff. 194. 172. 105. 424.
Cap. 20: 8.174.298.343.
Cap. 3: S.184ff.230-232.305.171f.
Cap. 21: 8.213.297.298.343.
195.
Cap. 22: 8. 214 ff. 174.200.
Cap. 4: S. 200. 323.
Cap.23: 8.178.
Cap. 5: S.272.
Cap. 24: 8. 173. 174. 298. 343.
Cap. 6:8. 211. 200. 323.
Cap. 25: 8.298.343.
Cap. 7: 8. 213 ff. 200. 323.
Cap. 26: 8.262.172.298.343.
Cap. 8: 8. 200. 323.
Cap. 27: 8.395.347.370.28.
r^p. 9: 8. 204-211. 200. 323.
Cap. 28: 8.174.298.343.
Cap. 10:8.321.200.323.
Cap. 29: 8.173.
Cap. 11:8. 321. 117. 108. 1 12. 425.
Cap. 30: 8. 239. 263. 108. 171. 173.
Cap. 12: 8. 273 ff. 282 ff. 112.
Cap. 31 : 8. 240. 271. 272. 173. 298.
Cap.l3:S.273ff 112.
343. 423.
Cap. 14: 8.178.194.270.
Cap. 32: 8. 117- 119. 238. 177. 343.
Cap. 15:8. 176.385.217.
-Cap. 33: 8, 115-118. 337. 196.236
Cap. 16:8. 176.298.343.
- 238. 421.
Cap. 17:8. 176.
Cap. 34: 8.173.178.
Cap. 18: 8. 173.
Lex Sa
xoniun«
Cap.l: 8.90.50.391.
Cap. 2: 8.386.391.
Cap. 3: 8.385.391.23.57.
Cap. 4: 8.386.391.23.
Cap. 5 : 8. 326. 336. 385. 391. 23. 70.
Cap. 6: 8. 391. 392. 70.
Cap. 7: 8.23.91.385.391.
Cap. 8: 8.119.391.392.24.25.57.67.
Cap. 9: 8.94.391.392.
Cap. 10: 8.385.391.
Cap. 11:8. 356. 385. 386. 24. 57. 71.
94.
Cap. 12: 8.273.373.385.94.
Cap. 13:8. 385. 386. 24. 71 . 80.
Cap. 14: 8. 376-380. 370. 50. 53.
71.81.
Cap. 15: 8.297.53.71.
Cap. 16: 8. 123. 278.370.391.29.67.
71. 96.
Cap. 17: 8. 278. 391. 392. 23. 67. 72,
81.
Cap. 18: 8. 240. 244. 252. 274. 275.
339. 391. 23. 72. 418.
Cap. 19: 8. 239. 240. 248. 264. 272.
350. 57. 67. 72. 81. 83.
Cap. 20: 8. 295. 297. 373. 349. 414.
I 23. 81.
Cap. 21 : 8. 1 15 - 1 18. 195. 196. 230
I - 238. 352. 421. 2. 7. 52.
Cap. 22: 8. 1 15—120. 238. 352. 421.
2. 14. 58. 67.
, Cap. 23: S. 120. 234. 298. 344. 352.
2. 7. 97.
Cap, 24: 8.60-65.321.108 — 113.
101. 122. 337. 9. 51. 52. 419. 425.
Cap, 25: 8. 112. 239. 273. 321. 339.
61-63.9.
Cap. 26: 8. 112. 239. 273. 274. 282.
299.339.9.59.61.
Cap. 27: 8.239.240.251.261.197.9.
Cap. 28: 8. 195. 254. 416. 422. 424.
Cap. 29: 8.312.7.
Cap. 30: 8.198.312.7.8.80.
Cap. 31: 8.198.298.312.316.25.72.
Cap. 32: 8.312.315.7.25.
Cap. 33 : 8. 122. 312. 7. 25. 72. 81. 96.
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432
Cap. 34:8.312.7.23.
Cap.36: S.311.7.
Cap.36: S. 1^3^ 312. 316. 344.
368. 392. 425. 2. 8. 14. 58. 67. 73.
81.
CRp.37: S. 262. 425. 07. 96.
Cap.38: S. 232. 305-308. 345. 414.
424, 2. 7. 83.
Cap.39: S.73.81.
Cap. 40: S. 286. 288. 296. 299. 300.
386.49.52.73.81.
Cap. 41 : S. 25. 49. 73. 82. 96.
Cap. 42: S. 24. 25. 73. 81. 83. '
Cap. 43: S. 288. 386. 23. 73.
Cap. 44: S. 66.
Cap. 45: S. 66. 82.
Cap. 46: S. 73. 82.
Cap. 47 : S. 349. 406. 48. 58. 66. 67.
73 74 82
Cap. 48: S. 349. 406. 58.
Cap. 49: S. 286. 288. 296. 299. 386.
74.
Cap. 60: S. 244.274.276.419.23.52.
82
Cap. 51 : S. 274.339,419.58.67.82.96.
Cap. 52 : S. 339. 391. 419. 25.
Cap. 53: S. 244. 339. 419. 23.
Cap. 54: S. 23. 81. 82.
Cap. 55: S. 74.
Cap. 56: S. 67. 74. 82. 87. 89.
Cap. 57 : S. 240. 242. 266. 56.
Cap. 58: S. 282. 25. 87. 89.
Cap. 69 : S. 240. 243. 265. 66. 79.
Cap. 60: S. 97.114.25.51.52,74.82.
97.
Cap. 61: S. 58. 59. 91. 94. 97.
Cap. 62 : S. 337, 361. 421. 56. 74. 82.
Cap. 63: S. 24. 61. 74. 83.
Cap. 64: S. 104—109. 114. 229. 265.
274. 278. 337. 421. 68. 74. 85. 94.
Cap. 66: S. 274. 286. 295. 337. 421.
24.51.62.66.93.
Cap. 66: S. 26—34. 43—46. 307.
364. 338. 420. 422. 426.
Oapitnlare Saxonienm.
Cap. 1 : S. 298. 307. 346. 346. 413. 414.
422.
Cap. 2: S. 298. 345. 346.
Cap. 3: S. 123.345.346.392.
Cap. 4: S. 256. 344. 346. 392.
Cap. 5: S. 276. 346. 392.
Cap. 6: S. 273. 425.
Cap. 7: S. 239. 262. 273.
Cap. 8: S.306. 307. 345. 392. 413.
422. 424.
Cap. 9 : S. 240. 271. 298. 345. 423.
Cap. 10: S: 109. 194.219.
Cap. 11:8. 28. 33—36. 39—45. 307.
338. 368. 364. 420. 422. 426.
Berichtigungen.
S. 3 Z. 5 ▼. o. statt .ITIS« Um: 1613. — S. 3 Z. 10 t. o. lies: Brunsrictn-
\. — S. 19 Z. 8 ▼. a. 1.: Über Ugum inprimis Sazonnm; s. S. 91. ~ S. 48 Z. 9
▼. n. l. : in argento duodecim denarii soUdum faciant. — S. 44 Z. 9 v. u. statt »West-
falen« 1.: Ostfalen. — S. 46 Z. 6 ▼. o. statt §.15 I.: S. 393. — S. 97 Z. S t. n.
stau -f. 64« L: p. ^4. — S. 113 Z. 16 ▼. o. 1.: Capitulare Saxonicam. — S. 120 Z.8
▼. u. statt «Beilage am SehluTs dieser Abhandlung • L: §.16. ^ S. 194 Z. 10 ▼. u.
statt •§. 21- 1.: §.18. — S. 181 Z. 9 ▼. u. statt .827- 1.: 127. — S. 147 Z. 1 v. a.
statt .|. 18« 1.: §. 17. — S. 179 Z. 6 ▼. o. 1.: im Jahre 773. — S. 201 Z. 6 ▼. n. 1.:
cormUum. — S. 207 Z. 6 ▼. o. 1.: S. 160 Note 2. — S. 241 Z. 1 ▼. u. 1.: Vgl. unten
8, 265—271. — S. 288 Z. ft ▼. u. l.: i>q/>. ~ S. 296 Z. 10 v. o. statt .easis« 1.:
oausis. — S. 299 Z. 19 ▼. o. 1.: $ollen. — S, 804 Z. 20 ▼. o. 1.: parentibuB. —
S. 862 Z. 6 ▼. u. 1.: Leg. 3 p. 248.
Berlin, Draek Ton Gustat Schadx, Marienstr. 10.
^ t IX, a.
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I
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