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Full text of "Zweiter Bericht über die Ausgrabung der Menasheiligtümer in der Mareotiswüste : (Sommer-campagne Juni-November 1906)"

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Zweiter  Bericht  üljer  die  von  C.  M.  Kaufmann 
und  |.  C.  E.  Falls  veranstaltete  Ausgrabung  des 
Nationalheiligtums    der    altchristlichen    Aegypter. 


Verlag  von  Finck  &  Baylaentler,   F.  Diemer  Succ.  in  Cairo: 

C.  M.  Kaufmann,  Die  Ausgrabung  der  Menasheiligtümer  in  der 
Mareotiswüste.  I^x  rieht  über  die  von  C.  M.  Kaufmann  und 
J.  C.  Ewald  Falls  veranstaltete  Ausgrabung  des  Nationalheiligtums 
der  altchristlichen  Aeg}-pter.  {l.  Periode:  Noveml)pr  1 905  bis 
luni  1906).  Mit  vierundfünfzig  Abbildungen.  —  Cairo  1906  — 
80.    107   S.  "  /  Mk.   7.50 

Zweiter    Bericht    über  die  Ausgrabung  der  Menasiieiligtümer  in  der 
Mareotiswüste.      Die     .Sommercampagne    Juni-November     1906. 
■Mit  .iclitundfünfzig  Abbildungen   und    Plänen.  —   Cairo    1907 
8".  '  "  IMk.   7.50 

Werke  desselben   Verfassers  (diir(h   uns  beziehliar): 

Handbuch  der  christlichen  Archaeologie  —  Paderborn  1905.  — 
8",  XVIII   und   032   S.  (mit  239   Abbildungen).  .  Mk.    11.20 

Manuale  di  archeologia  cristiana  —  Roma  1007  italieni.sche  Aus- 
gabe des  vorigen  mit  den  Illustrationen  des  deutschen  Originals; 
um   Ostern   herauskommend. 

Das  Kaisergrab  in  den  vatikanischen  Grotten ;  erstmalige  archaeologisch- 

hislorischi-    Untersuchung    drr   (iruft   (  )tto"s   IL  Mit    8    Sonder- 

tafeln    unil    26    Abbildungen     im    Text    nach   Originalaufnahmen. 
München    1902  —  Kleines   F"olio   X   und    64    S.  Mk.  25.— 

Ein  altcliristiiches  Pompeji  in  der  libyschen  Wüste:  die  Nekropolis 
der  grossen  Oase;  archaeologische  Skizze  mit  zahlreichen  .Ab- 
bildungen  und    Plänen.    —   Mainz    1902.   -     8",   71    .S.      Mk.  1,80 

Die  sepulkralen  Jenseitsdenkmäler  der  Antike  und  des  Urchristentums. 

Beiträge  zur  vila-beata-X'orslrllung  der  rrmiisciu-n  Kai.serzeit  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  christlichen  jenseitshoffnungen. 
Mit  10  Tafeln  in  Lichtdruck  und  30  .Xbbildungen  im  Te.xt.  — 
Main/    1900.   —    Kleines   Folio.     XXX'I   und   242   S.      Mk.    15.— 


Zweiter  Bericht 


über   dif 


An  so-ra  billig" 


der 


Menas-Heiligtümer 

in  der  Mareotiswüste. 

(Sommercampagne   Juni-November  1906.) 

Vorgelegt  von 

Carl  Maria  Kaufmann 

corr.   Mitglit^d  der  päpsil.    Ak:ulrniie  für  i:liristl.   Aichseologie. 


Mit    achtundfünfzig    Abbildungen    und    Plänen. 


CAIRO 

Verlag   von  Finck  &   Bavi./Ender,  F.   Diemer  Succ. 

Druck  von  Bcehme  S;  Andeker 

1907 


„Oder  wie  der,  weicher  an  einrr  Sta<lt  vorüberging,  die  wüst 
in  Trümmern  lag.  Ei  sprach:  ,,Wie  wird  Allali  diese  nach  ihrem  Tode 
wieder  lebendig  machen?"  Da  Hess  ihn  Allah  hnndert  Jahre  gestorben 
sein,  alsdann  erweckte  er  ihn  und  sprach:  „Wie  lange  bist  du  ver- 
weilt?" Er  sprach:  „Ich  verweilte  einen  T:ig  oder 'den  Teil  eines  Tages". 
Er  aber  sprach:  ,,Nein,  du  vetwiltest  hundert  Jahre;  schau  nach  deiner 
Speise  und  deinem  Trank;  sie  sind  lücht  verdorben.  Und  schau  nach 
deinem  Esel,  denn  wir  wollen  dich  machen  zu  einem  Zeichen  für  die 
Menschen :  und  schau  zu  den  Gebeinen,  wie  wir  sie  zusammenlegen 
und  alsdann  mit  Fleisch  bekleiden."  Und  als  ilim  dies  gezeigt  war, 
sprach   er;      ,,Uii   weiss,    dass   Allah  über  alle  Dinge  mächtig  ist." 

Ko:an,  zweite  Sure  261,  ivon  i.-ineni  durchziehenden  Mekkapilger 
und    Fiki  auf  die   (iialmniien   am    Kann   Abu    Mm.i  angewandt.) 


INSTITUTE  OF  FINE  ARTS 
NEW  YORK  UNIVERSITY 


73 

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Vorwort. 


Fig.    1.      Akaiuhusliapitell. 


Das  Resultat  der  Sommer- 
canipagne,  für  welche  die  Stadt 
Frankfurt  am  Main  die  Mittel  zur 
VertÜQunp"  stellte,  war  ein  un- 
erhofft  günstiges,  indem  ausser 
der  endgiltigen  Freilegung  des 
Kernes  des  altchristlichen  National- 
heiligtums mit  seiner  sakralen 
Einzelbauten  und  Subterraneen, 
auch  schon  ein  energischer  Vor- 
stoss  ins  Trümmerfeld  der  Koi- 
nobien  gemacht  werden  konnte. 
Im  Einzelnen  wurden  neben  Räumungsarbeiten  in  den 
Basiliken  des  Stadtcentrums  insbesondere  deren  Aussen- 
mauern  soweit  notwendio-  freigelegt,  die  nördliche  in 
einer  Länge  von  ca.  hundert  Metern,  ein  Teil  der  Süd- 
mauer, des  Hofes  und  der  darunter  laufenden  Grab- 
galerien; ferner  die  Hälfte  der  Apsisrückwand  der  Arkadius- 
basilika,  einige  ans  nördliche  Querschiff  anschlies.sende 
Räume,  sowie  Keller  und  Kammern  nebst  Gräbern  am 
westlichen  Ouerschiff". 

Dazu  kam  die  Ausgrabung  des  Baptisteriums,  welches 
sich,  ganz  abgesehen  \'on  der  kunsthistorischen  und  archas- 


ologischen  Wertung'  als  Unicum  seiner  Art  für  die  Nil- 
lande und  Nordafrika  präsentiert,  und  seiner  Annexe, 
die  Autdeckung-  interessanter  Bäder,  sowie  eine  proviso- 
rische Klärung  des  Koinobientiüinmcrfeldes  und  der  An- 
schnitt desselben  an  \erschiedenen  i^uikten.  Diesen  Koi- 
nobien,  so  viel  steht  schon  heute  fest,  hat  die  altchrist- 
liche Welt  wenig  an  die  Seite  zu  stellen.  Mit  über 
vierzigtausend  Ouadratmetern  bebauter  Fläche  übertreffen 
sie  die  bedeutendsten  bisher  Ixkannten  Baudenkmäler 
ihrer  Art,  um  mehr  als  das  Doppelte.  Es  ist  ein  neues 
und  kein  geringes  Verdienst  um  die  Wissenschaft,  welches 
die  Stadt  Frankfurt  und  hochgestellte  Förderer  des  Unter- 
nehmens sich  erworben  haben,  dass  sie  einheitliche 
Arbeit,  ohne  Rücksicht  auf  wertvolle  Kleinfunde  —  die 
ja  keineswegs  ausblieben  —  ermöglichten  und  so  ein  Werk 
schufen,  das  bei  einigem  guten  Willen  der  Altertums- 
verwaltung oder  der  nicht  minder  interessierten  Stadt 
Alexandrien  als  Anschauungs-  und  Studienmaterial  be- 
stehen l^leiben  wird. 

Zögern  mit  dieser  Fürsorge  wäre  gleich  bedeutend  mit 
einer  gewaltsamen  Zerstörung  der  aufgedeckten  Ruinen  in 
kurzer  Frist.  Haben  doch  die  Beduinen  das  ihnen  noch  vor 
zehn  Jahren  unbestrittene  Land  ihrer  Väter  mit  dem  Bau 
der  Khedivialen  Bahn  schnell  der  eindringenden  Kultur 
zum  Opfer  fallen  sehen  und  nun  Interesse  daran  im 
Inneren  jede  Spur  von  Antiquitäten  zu  verwischen.  Das 
ist   im  Sinne  der  Wissenschaft  umso  mehr  zu  bedauern, 


als  die  Landesaufnahme,  bezw.  Vermessung  \^on  der  Be- 
hera  aus  nur  langsam  voranschreitet.  Doch  mag'  hier 
crwälmt  werden,  dass  mein  Mitarlx-iter,  Herr  J.  C.  Ewald 
Falls,  wohl  der  beste  Kenner  der  Mariout  und  der  an- 
grenzenden Teile  der  lil^yschen  Wüste  die  V^jrarbeiten 
für  einen  Plan  der  antiken  Regio  Mareotis  und  Marmarica 
bis  über  den  Katabathmus  liinaus  und  südlicli  bis  zur 
Anuuonoase  unternommen  hat,  der  zeigen  wird,  wie  zahl- 
reich die  antiken  Niederlassungen  Libyens,  ganz  abgesehen 
von  den  von  Ptolemieus  sowie  im  Itinerarium  Antonini, 
auf  der  Peutingerschen  Tafel  und  anderwärts  verzeichneten 
Städten,  waren. 

Die  Arbeiten  in  der  wieder  zur  Wüste  und  Steppe 
Gewordenen  Menasoase  bedeuten  also  auch  einen  Sciuitt 
in  jener  modernen,  echt  wissenschaftlichen  Richtung, 
welche  von  Auso-rabunLicn  nicht  so  sehr  Museums- 
funde  erwartet,  als  anschauliche  Ueberlieferung  der  ge- 
wonnenen Städtebilder,  eine  vornehme  Methode,  die 
gerade  auf  deutscher  Seite  immer  mehr  Anklang  findet, 
wofür  ich  nur  auf  die  milesischen  Erfolge  \'on  Theodor 
Wieo-and  zu  verweisen  brauche.  Ein  Blick  aut  den  Ge- 
samtplan  zeigt  die  Bedeutung  der  überaus  einheitlich 
wirkenden  Gruppe  der  Menashciligtümer.  Egypten  hat 
dem,  was  christliche  Archseologie  anbelangt,  nichts  an 
die  Seite  zu  setzen.  Und  derzeits  gehen  auch  sonst  im 
Nillande  der  Wissenschaft  immer  häufiger  wichtige  Ruinen- 
komplexe verloren.     Es    .sei  nur  an  die  paganen  Coeme- 


terien  von  Heliopolis,  Teil  el  Jehudiyeh  (Hyksosgräber), 
die  Stadt  Gohsen,  einen  leil  der  Ruinen  von  Athribis, 
erinnert,  die,  wie  das  Land  am  Fusse  des  Pyramiden- 
hügels, ganz  oder  teilweise  verkault  worden  sind.  Andere 
sind  den  Zerstörungen  von  Zeit  und  Eingeborenen  aus- 
gesetzt; mit  ihnen  wird  die  Wissenschaft  über  kurz  oder 
lang  nicht  mehr  zu  rechnen  haben,  soweit  sie  nament- 
lich in  sehr  exponierten  Gegenden  liegen.  Es  wären  da, 
um  nur  einiges  herauszugreifen,  auf  altchristlichem  Ge- 
biete zu  nennen  die  Ruinen  von  Soba,  Niederlassungen 
bei  Abu  Dom  im  Wadi  Gazal,  die  Mausoleen  von  Gemme 
luid  bei  Abu  Simbel,  Nekropolen  bei  Kasr  Ibrim,  ganz 
zu  schweigen  von  vielen  trotz  ihrer  leichten  Zugänglich- 
keit verwahrlosten  Ruinen  Oberegyptens  und  des  Sudans, 
welche  Butler,  de  Bock  u.  a.  aufzählen  und  last  not  least 
von  zahlreichen  urchristlichen  Resten  in  den  Oasen  der 
libyschen  Wüste.*)  Wenn  Albert  Gayet  das  im  Durch- 
schnitt doch  sehr  gebildete  Reisepublikum  Egyptens  auf 
einige  der  bestbekannten  altchristlichen  Monumente  unter 
dem  Titel  «Coins  d'Egypte  ignores»  (zweite  Ausgabe 
Paris  1905)  hinweisen  muss,  was  bleibt  dann  für  das 
übrige,  nicht  nach  Dutzenden  sondern  ins  Hundert 
zählende  Material  zu  hoffen  ?    Grundlegende  Werte  für  die 


*)  Bekannter  sind  nur  wenige  der  petr.-eischen  Wüste  geworden,  auf  libyscher  Seite  diejenigen 
des  östlichen  Teiles  der  „grossen  Oase";  dank  den  Arbeiten  von  Schweinfurth,  H.  Brugsch  und 
namentlich  W.  de  Bocks.  Hier  bietet  jetzt  die  Corporation  of  Western  Egypt,  deren  Bahnbau  in 
Bälde  die  Oase  erreicht  haben  wird,  eine  vorzügliche  Operalionsbasis.  Aber  auch  Dacliel  sowie  die 
wenig  erforschten  El-Wah-Oasen  enthalten  einschlägige  Denkmäler  und  Herr  Falls  stellte  gelegentlich 
der  Khedivialen  Expedition  auch   in  Siwa  erstmalig  Spuren  des  Urchristentums  fest. 


—  9   — 

christliche  Archrcologie  Egyptens  und  tür  eine  auch 
historisch  noch  nicht  erschlossene  Periode  sehen  also  dem 
Untergang  entgegen.  Die  Landesregieiung  alier  hat,  das 
bezeugen  Lord  Cromers  officielle  Berichte,  Last  genug, 
altberühmte  noch  bestehende  Monumente  der  christlichen 
Epoche  7A\  conservieren  und  vor  —  koptischer  Indolenz 
zu  schützen. 

Zu  alledem  kommt  der  Raubbau,  auch  der  „wissen- 
schaftliche" jüngeren  Datums.  Christliche  Denkm;ller, 
namentlich  Nekropolen  und  Kultbauten  des  Fayum,  bei 
Achmim  und  anderwärts  haben  vielleicht  am  hcärtesten 
unter  ihm  oelitten.  Publikationen  aber  über  die  so  o'e- 
leistete  Arbeit,  wie  Gayet  sie  immerhin  bietet  oder  Cledats 
monumentales  Werk  über  das  Apollokloster  sie  bringt, 
sind  geradezu  Ausnahmen.  Nicht  umsonst  erhob  jüngst 
eine  so  massgebende  Persönlichkeit  wie  Professor  Fl  Inders 
Petrie  es  ist,  in  der  zu  London  abgehaltenen  Jahressitzung 
der  British  School  of  Archaeology  in  Egypt  seine  Stimme 
gegen  the  ceaseless  destruction  carried  on  by  the  native 
and  the  almost  equally  destructive  excavations 
of  the  licensed  digger,  who  did  not  work  scientifi- 
cally  or  publish  all  his  results.  Staatsrat  Wladimir 
de  Bock,  der  verstorbene  Conservator  der  Petersburger 
Eremitao-e  hatte  schon  1898  in  einem  an  das  Comite 
de  Conservation  des  Monuments  Arabes  en  Egypte  ge- 
richten  Communique  mit  allem  Nachdruck  auf  den  so 
geförderten  Verfall    und    die   Zerstörung    der  christlichen 


—    10   — 

Denkmäler  Egyptens  \'er\viesen  und  kein  geringerer  als 
Professor  Strzygowski-Graz  klagt  bitter  in  seinen 
Schriften  über  die  AbwirtschaftunQ-  der  wichtigsten  alt- 
christlichen  Fundplätze  durch  Raubgierige  und  Halbwisser. 
„Was  ist  Rom  mit  seinen  Katakomben,"  ruft  er  aus, 
„gegen  die  im  Orient  der  Auferstehung  harrenden  Schätze!"*) 
Und  er  hat  Recht,  wenn  selbst  unter  den  ungünstigen 
geologischen  und  klimatischen  Verhältnissen  der  Menas- 
oase,  wo  der  alles  conservierende  Sand  oberegyptischer 
Ruinenstätten  fehlt,  also  von  \'ornab  nichts  \'on  der  Art 
der  im  Pariser  Musee  Guimet  oder  in  den  Sammlungen 
des  Palais  de  costume  aufgespeicherten  Schätze  zu  er- 
warten war,  Funde  ans  Licht  kamen,  denen  das  Abend- 
land —  inuner  im  Rahmen  der  christlichen  Archasologie 
gesprochen  —  nur  weniges  an  die  Seite  zu  setzen  hat. 
Die  Arbeiten  am  Karm  Abu  JMina  erstreckten  sich 
nicht  nur  auf  den  Kern  der  Ansiedelung  d.  h.  auf  das 
nationale  Heiliq-tum.  Es  wurde  vielmehr  Bedacht  darauf 
genommen,  ein  möglichst  treues  Gesamtbild  dieser  be- 
vorzuQ-ten  antiken  Culturstätte  der  Mareotis  zu  gewinnen. 
Solchem  Zwecke  dienten  die  Aufdeckuno-  verschiedener 
abseits  vom  Stadtcentrum  gelegener  Bauwerke,  die  grmze 
oder  teilweise  Räumung  einiger  Cisternen,  Schnitte  und 
Versuchsgräben  mannigfacher  Art.  Weniger  Kraftaufwand 
konnte  den  vier  bisher  entdeckten  Friedhöfen  im  Laufe 
der Sommercampagne gewidmet  werden;  immerhin  wurden 

*)  Antinoe-Bawit  und  die  deutsche  Wissenschaft.  Beihage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1  904  Nr.  20b. 


—  1 1  — 

eine  fünfzi""  Meter  laiiQ^e  Coemeterialbasilika  des  Nord- 
coemeteriums  sowie  ein  Teil  des  letzteren  freigelegt, 
auch  einige  Grabkammern  der  Südnekropolis  geöfifnet. 
Waren  bei  alledem  an  Physis  und  Psyche  der  Ausgräber 
höchste  Anforderungen  gestellt  und  machten  sich  die 
Entbehrungen,  welche  das  Leben  in  der  Wüste  mit  sich 
liringt,  im  Verlaufe  des  Sommers  doppelt  fühlbar,  so 
entschädigte  doch  reichlich  der  wissenschaftliche  Erfolg 
und  die  neidlose  Anerkennung  von  Gönnern,  Freunden 
und  massgebenden  Fachgenossen,  die  (z.  B.  in  der  führ- 
enden deutschen  Fachzeitschrift)  nicht  anstehen,  die  Ent- 
deckungen in  der  Menasstadt  zu  den  bedeutendsten  zu 
rechnen,  welche  seit  de  Rossis  epochemachenden  Funden 
gemacht  wurden. 


Auch  die  dem  vorliegenden  zweiten  Berichte  bei- 
oefüoten  Abbildunoen  sind  meist  auf  Grund  eigener 
photographischer  Aufnahmen  reproduziert;  von  Herrn 
Kunstmaler  und  Photographen  Binder  (Firma  Reiser 
&  Binder,  Alexandrien  und  Kairo)  stammen  die  im  Text 
vermerkten  Nummern,  welche  einzeln  käuflich  sind. 
Eine  Serie  von  zwölf  instructiven  Stereoskopansichten 
der  Sakralbauten    ist  Herrn  Th.  Irrsich    von    der  British 


—   12  — 

and  Foreign  Bible  Society  zu  verdanken  und  gegen 
Erstattung  der  Unkosten  von  60  Piaster  Tarif  durch 
G.  Irrsich,  Alexandrien,  (Ibraliiiuich)  zu  beziehen. 

Karm   Abu   Mina 

(P<i--t   lUiliii^s   Mariout,   Egypte) 

Sylvesterabend   1  906. 


Fi".   2.      Aus  den   Kniiiobieii. 


Die  centrale  Baugruppe  der  Basiliken. 


Fiy.    4.      T].;R-    K.-ll.-niiila;;.;-,    I.iiiigr    35    m. 
(Aufnahme  von    Reisei    &   Bindei,   Alex.) 


Die  Annahme  antiker 
(itundlage  für  das  spätere 
National  -  Heiligtum  be- 
slTitigte  sich  insotern,  als 
neben  jungegyptischcn  Ka- 
j)itellc'n,  hierogiyphischen 
Fragmenten*)  im  weiteren 
Verfolg"  solcher  Spuren 
auch  Gräber  aus  o-i'iechisch- 


römischcr  Zeit  unterhalb  der  Aussenmauer  des  Baptiste- 
riums  Qcfunden  wurden.  Noch  wächtiger  war  die  Fest- 
Stellung  \'on  Sul)struktionen  im  südlich  verlaufenden  Arm 
der  achtzi«'-  Meter  lano-en  Cisterne,  in  der  ich  den  „heiligen 
Ouell"  vermute,  welcher  das  Menasheiligtum  weit  über 
den  mareotischen  und  alexandrinischen  Distrikt  hinaus 
berühmt  machte.  Solche  Substruktionen  waren  an  drei 
Stellen  angeleo-t  und  zwar  zu  dem  Zwecke,  die  ober- 
irdischen  Neubauten  —  der  älteren  Menasbasilika  —  zu 
sichern.  Von  diesen  Stützen  wurde  die  nördlichste, 
weniger  hindernde,  an  Ort  und  Stelle  gelassen,  die  übrigen 


*)  Deren  Vorli.indensein  Hesse  sich  auch  durch  V'ersclilepjiung  erklären,  eiw-a  aus  dem  in 
justinianischer  Zeit  gänzHch  umgesialteten  Taposiri.s,  aus  dem  auch  jene  aus  der  Zeit  Ramses  II. 
datierenden  Säulenfiagmente  (Granit)  stannnen,  welche  im  n.ahen  Gerbanieh  beim  Gipsgraben  ans 
Licht  kamen. 


—   16  — 

aber,    um    Raum    für    weiteres  VordrinQ-en    zu  o-ewinnen, 

entfernt;    ihr  X'orhandcnsein    beweist    im   ZusammcnhanQ' 


I'  ig  5.      Alunzluii".lo  aus   \  (ii.uabiscbcii   JCpuciien   dei    Menasstatll. 

mit  den  Funden  ein  höheres  Alter  der  im  Mittelschiff 
der  Gruftkirche,  in  den  Koinobien  sowie  im  Hofe  der 
Menasbasilika    zugänglichen    Cisternenanlage,    gegenüber 


Fig.   6.  Zugaug  zur  Gruft  uiid  Katakombe  im  Westen  des  Arkadiusbaues  (H.-Plaii  3Sj. 
(Aufnahme  von  Reiser  &  Binder,  Alexandrien, 


Fig.    7.  Rückwand  der  Menasgitift:  die  Stätte  der  Beisety.uiig.  (H.-Plan  Ic   rechts). 
(Aufnahme  von  Reiser  &  Binder,  Ale,\andrien.) 


—  21    — 

diesen  sakralen  Bauten  selbst.  Auffallend  bleibt  ja  immer- 
liin,  dass  kein  Münzfund  über  Diokletian,  von  dem 
römische  und  griechiche  Prägungen  vorkommen, 
zurückgeht. 

Auch  die  Menasgruft  selbst  beruht  auf  älterer 
mindestens  vordiokletianischer  Grundlage,  wenigstens 
kamen  bei  Ausräumunor  der  daranschliessenden  Katakombe, 
deren  Gräber,  wie  schon  der  vorige  Bericht  andeutete, 
Spuren  mehrfacher  Benutzung  zeigten,  inmitten  altchrist- 
licher Umgebung  pagane  Kleinfunde  ans  Licht,  die  man 
hier    nicht    erwartete.     Der    q-enauen    Untersuchunof    der 

o  o 

Gruftstätte  des  berühmten  Alexandriners,  in  dessen  Ge- 
schichte und  Leben  die  Bollandisten  kaum  volle  Klar- 
heit bringen  werden,  wurde  besondere  Sorgfalt  gewidmet. 
Es  galt  zunächst  festzustellen,  wo  das  eigentliche  Mar- 
tyrergrab  lag.  Der  mächtige  Kryptoportikus  (Plan,  38-42), 
sowie  die  gewaltige  Marmortreppe  (Plan,  g  39)  weisen 
deutlich  den  Weg;  sie  münden  nach  der  Südwand  einer 
grossen  Höhle,  deren  untere  und  mittlere  Partien  durch 
Mauerwerk,  ehedem  reiche  Marmorverblendung  und  ge- 
wisse Schrankenstellungen  architektonisch  gegliedert  waren 
sowie  Ansätze  von  Wölbungen  zeigen,  während  der 
hochgelegene  Abschluss  im  Boden  der  Oberkirche  einen 
der  Mittelapsis  symetrisch  vorgelagerten  Halbkreisschnitt 
bildet.  Der  Boden  des  oblongen  im  Plane  mit  k  be- 
zeichneten Gruftraumes  führt  noch  antiken  Marmorbelatr  • 
neben  schweren  Marmorblöcken,  die   bei  der  Zerstörung 


—  22   — 

der  Kultbauten  in  die  Tiefe  stürzten,  lieoen  Reste  von 
Säulen  inid  Schrankenpfosten  der  Gruft  selbst,  auf  Grund 
deren  sich,  so  hoffe  ich,  auch  Details  der  Gliederung- 
rekonstruieren lassen.  Die  Südwand  ist  bis  zu  einer  Höhe 
von  2,5  Metern  mit  Kalksteinplatten  verblendet;  im  Schutte 
am  Fusse  derselben  lag  das  Fragment  einer  Marmor- 
inschrift, von  der  ein  zweites  mit  ^'ier  Buchstaben  füh- 
rendes Stückchen  in  Nebenraum  ans  Licht  kam. 

....  KT'.aOeEOu  .... 
.  .  .  £uXOIv>YNTE;  .... 
....    eY^AMENo-  .... 

Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  wir  es  mit  dem  Rest 
einer  historischen  Inschrift  zu  tun  haben,  obwohl  der 
Name  Timotheus  die  Erinnerung  an  den  Patriarchen 
wachruft,  dem  die  Heiligtümer  ihren  weiteren  Ausbau 
nach  des  Kaisers  Arkadius  Tode  mitverdanken.  Ihre 
palaeographischen  Formen  verweisen  eher  aut  das  sechste 
als  auf  das  fünfte  Jahrhundert,  und  die  Meisselung  ist 
so  leichtfertig,  dass  man  eher  an  den  Votivstein  frommer 
Pilger  oder  von  Residenten  der  Menasstadt  zu  denken 
haben  wird,  der  —  davon  legt  der  anhaftende  Stuck 
Zeugnis  ab  —  an  den  Gruftwänden  befestigt  war.  Unter 
den  Trümmern,  die  hier  im  Anfang  der  Sommercampagne 
wegzuräumen  waren,  lagen  zwei  kleine  fragmentierte 
Gegenstände  der  ältesten  christlichen  Periode  unserer 
Denkmäler,  einmal  das  hübsche  Rankenrelief,  welches  unter 
den  Objekten  aus  Bein  im  Anhang  abgebildet  ist,  sowie 


—   23   — 

der  Teil  eines  Terrasigillata  Gefässdiskus,  auf  dem  man 
noch  die  Beine  einer  nackten  Fi<>ur  und  links  davon 
den  sich  abwendenden  Löwen  sieht,  dem  rechts  ein  zweiter 
Löwe  entsprochen  haben  wird ;  zweifellos  Daniel,  dem 
schon  (x)nstantin  aut  dem  Forum  von  Byzanz  eine  Statue 
errichtete  und  welchen  die  altchristliche  Kunst  mit  Vor- 
liebe als  nackten  von  Löwen  flankierten  Orantcn  dar- 
zustellen pflegt,  ein  Schema  von  dem  freilich  gerade  die 
egyptische  Kunst  gern  abweicht,  indem  sie  den  Propheten 
bekleidet.  Belege  hierfür  finden  sich  S.  351  meines  Hand- 
buches der  christlichen  Archgeologie.  Auch  traten  zahlreiche 
Stücke  \'on  bei  der  Zerstöruno;  ano'ebranntem  Holz  ans 
Licht,  das  teils  als  Stützwerk  gedient  haben  muss,  teils 
einem  \^erzierten  und  bemalten  Schrein  angehört  hatte. 
Die  im  Kerbschnitt  ausgeführte  Ornamentik  ist  leider  zu 
spärlich  vertreten,  um  auf  Grund  eines  Vergleiches  mit 
den  Holzskulpturen  von  Bawit  und  von  anderwärts  ein 
Urteil  zu  ermöglichen;  jedenfalls  nähern  sich  diese  Reste 
zeitlich  den  einschlägigen  Funden  A'on  Kom  Eschkaw, 
gehören  also  vorarabischer  Zeit  an.  Spuren  von  Bemalung 
(Farben  meist  rot  und  blau)  sind  namentlich  an  den  ab- 
geschrägten Kanten  des  sehr  langfaserigen  Materials 
nachweisbar.  Ob  Ueberbleibsel  eines  Becrräbnis-Schreines 
vorliegen  wie  ihn  beispielsweise  die  alte  Menaskirche 
bei  Fostat  (Cairo)  für  den  Märtyrer  Johannes  besass,  und 
heute    noch    das    eine    oder   andere   der   Natronklöster*) 

*)     Abbildungen    zweier    solcher    Holzreliquiare    bei    [.    C.   Ewald  Falls,    Ein    Besuch  in  den 
Natronklöstern  der  sketischen  Wüste.    1905. 

2* 


Mcn.,.H.lllg,ü„„     JCf^.J,t^^ 


Fig.   8.     Gesamtplan  der  centralen  Baugruppe. 
(Aufnahme  und  Zeichnung  von  J.  C.  Ewald  Falls.) 


Erkläriiiis*'  des  Planes. 


a  a  Querschnitt  der  Arkadiiisbasilika. 

i)  c  Von  SchranUen  umschlossene  schola 
cantoruni. 

d      Hauptschiff. 

e  e  e  Atrium. 

f       Marmortreppe  ziun   Kryptoporticus. 

(j       Grosse  überwfilbte   Marmor  treppe. 

li  Apsis  der  Gruftlcirche  (ein  an  der  Rück- 
seite ausladender  Mittelpilaster  ist 
auf  dem   Clicli6  nicht  sichtbar). 

i  i    Nebenabsiden. 

k      Die  Menasgruft. 

I        Hauptschiff  der  Gruftkirche. 

m     Vorraum   des   Baptisteriuins. 

n      l^ortikus. 

o      Abschlusskoriidor  des    baplisteriums. 

p      Oktogon. 


1  HaujUaltar  iiiii   Basen   des   Ciboriums. 

2  Fünfstufiges   Bema. 

3  —  5   Grabkammern   mit  Ton neiij^c- wölbe. 

6  Säulenstellung  der  HaujUapsis. 

7  Vermauerte  Tür. 

a      Tür  (zum  Sakrarium?). 

9  Fenster. 

10  — 11    Kleine  Apsiden   des  Transept, 

12  Zugang  zu  Giabbauten   und  Treppe   zum 

Stockweik. 

1 3  —  1 8      Ober-      luid      iinteriidische      Grab- 

kammern. 
I  ^   und    i  9^     Türen   zu  den   Kuinobien. 
20 — 22  Türen   zum    Atrium. 


2i  —  26     Schraiikenwerk     und     Räume     im 
Atrium. 

27  Grosse  gewölbte  Kelleranlagen. 

28  —  35    Grabbauten    und    subterrane   Grab- 

korridore und  Cubicula. 
ib  Sakrarium  der  Gaiftbasilika. 

37  Zum  Stockwerk. 

38  und   42      Kryptoporticus     mit      Timnen- 

gewölbe. 

39  Grosse   Marmor  treppe   zur  Krypta. 
40 — 41    Grabcubicula  mit  Inschriften. 

43  Wand    des  Menasbildes    und  Heiligen- 

wand. 

44  In    die  Höhle  eingebaute,   überkuppelte 

Kapelle  mit  Schacht. 

45  Katakombe. 

40 — 47    und   53     Mauerzüge  mid  Slützwerk 
nach   dem   Säulenraub. 

48,  48'i  Lurd  l'    80  m   lange    Cisterne,    sup- 

ponierter  heiliger  „Quell". 

49,  50     Seitenapsiden. 

51,   52    Toreinbau  mit  Graffiti. 

54  Eingang  zur  Taufkirche. 

55  Kleines  Taufbecken. 

56  Cisterne. 

57  Grosses      Taufbassin      nebst      Ablluss- 

kanal   (58). 

59  Türen   zum    Porticus. 

60  Arabischer  Einbau, 
bl— b2     Grosse  Bildnischen. 
63  ~  (j9     Aiabische  Einbauten. 

70     Türe    zur    Gruftkirche     (vom    Hofe   der 

Koinobien   her). 
7  1  — 74     Jüngere   Anbauten. 


—  27   — 


aufweist,  erscheint  bei  dem  A-laiiQ-el  q-enauer  literarischer 
Ik-richte  über  die  vielbesuchte  Menasgruft  zweifelhaft. 
„Das  o-rossc  Grab  aus  Marmor",  von  dem  der  einzige 
aiithcnlisc  he  Bcschreil)er  und  Besucher  uns  erzählt,  schliesst 
nii  ht    das   N'orhandcnsein    eines  derartigen  Holzschreines 


aus,   in   dem 


MciKiN   in    niarmorprangender  Krypta  —  so 


10.      Detail  der  Gruftarchitpkuir. 


w  ird  ili'V  Aufdruck  zu  interpretieren  sein  —  beigestellt  war. 
I  )as  w  iirdt^  auch  das  Fehlen  einer  Grabschritt  hinlänglich 
erklrncn,  die  ja  ohnehin  inner  ha  11)  alter  koptischer 
Kirclicnbautcn  nicht  zu  erwarten  war.  Mir  wenigstens 
ist  nur  die  Erwähnung  eines  einzigen  bekannt  geworden 
und  zwar  im  melkitischen  Kloster  von  El  Kuseir.  In- 
\'entarstücke   mancher  koptischen  Kirche  waren  dagegen 


~  2S  ^ 

Holzschreine  mit  Martvrerleibern ;  sie  boten  neben  dem 
Vorteil  leichter  Verehrung  und  Zugänglichkeit  der  hinter 
Gitterwerk  sichtbaren  in  kostbare  Tücher  gehüllten  Leiber, 
auch  Transportabilität  für  den  Augenblick  der  Gefahr. 
Nach  des  Antonius  Zeugnis  (Acta  SS.  TI  15)  gab  es  zu 
Clysma  solche  Holzsärge,  AIdu  Salih  verzeichnet  Exem- 
plare unter  anderem  in  der  grossen  Menaskirche  zu  Cairo 
(Leib  des  Märtyrers  Johannes)  und  in  den  Natronklöstern, 
wo    man    sie    heute    noch    vorfindet.*) 

Die  angestellten  Nachforschungen  ergaben,  einmal, 
dass  ein  Erdbegräbnis  nicht  vorlag  und  dass  anderseits 
das  berühmte  Bildwerk  des  zwischen  Kamelen  adorieren- 
den  römischen  Kriegers,  den  Mittelpunkt  der  Krypten- 
rückwand abschloss.  Um  völlig  sicher  zu  gehen,  wurde 
diese  verstuckte  Fläche  in  der  Mitte  durchbrochen  und 
dabei  feste  Höhlenwand  getroffen. 

In  der  1,80x1,80  m  grossen  und  5  cm  starken  Ver- 
tiefung oder  Bildfläche  der  als  Halbrelief  aufzufassenden 
„Statue"**)  sieht  man  noch  die  Zapfenlöcher  zur  Be- 
festigung der  schweren  Marmortafel.  Der  Hintergrund 
war  mittels  gemustertem  Stuck  geebnet. 

Vom  Gruftinventar  sei  noch  eine  kleine  Votivsäule 
aus     weissem    Marmor    angeführt,     welche    in    schönen 


*)  Gute  Abbildungen    der  Schreine  des   Markariiisklosters  imd  von   Bar.innis  in  der  sketischen 
Wüste  in  der  citierten  Schrift  von  J.   C.  E.   Falls. 

**)  Ich  habe  eine  im  Museum  von  Alexanilrien  befindliche  schlechte  Nachbildung  (69X58  cm; 
jüngeren  Datums  in  der  ,, Römischen  Quartalschrifl  für  christliche  Archaeologie"  1906  IV  veröffentlicht. 


—  29  — 

Charakteren  die  Minium-Inschrift  trägt  EYAOriA  TOY 
AriOYMIINA  MAP'J'YPOC  sowie  ein  Kreuz,  dessen  Vertikal- 
hasta  oben  nach  rechts  abschweift.  Die  tellerartige  Ver- 
tiefung oben  scheint  zum  Aufsetzen  einer  Lampe  oder 
eines  Bronzeleuchters  gedient  zu  haben,  deren  ja  viele 
an  der  Gruft  brannton.   Auf  ein  fast  identisches  Exemplar, 


Fig.    1  I.      Dieissigstufige  Älarmoi  treppe. 

angeblich  aus  den  Grabungen  bei  Gabbari  bei  Mex, 
höchst  wahrscheinlich  aber  aus  der  Menasstadt,  wurde 
ich  in  Alexandrien  von  einem  Beamten  des  Museums 
aufmerksam  gemacht.  Ich  habe  es  angekauft.  Die  Fig.  11 
abgebildete  mächtige  Marmortreppe  führt  auf  30  Stufen 
unmittelbar  zur  Südwand  der  Gruft;  ihre  Wände  bekleidet 
eine  nach  antik-orientalischer  Weise  ausserordentlich  dicke 


—   30   — 

StLickschiclit,  und  in  rcs^'cl massigem  Abstand  zeigen  sieli 
ZapfenlcJclier  ti_lr  den  Marmorbelag-;  im  Backsteintonnen- 
gewölbe, welches  den  (Juadermauern  aufgesetzt  ist,  ^'er- 
weiscn    noch    Klammern    auf  die  einstig'e  Kassettierung. 


1' itr.    12.      r.liclv   .ml    t\[r  luU'.icn   Suileii   ilus  MitidliclR-n   Kryptenzugaiiges  (H.   Fl.   39) 

von   der  Oberkirche  aus  gesehen. 

(Aufnahme  von  Reiser  &  Binder,   Ale.\andrien.) 

Auch  der  parallel  mit  dieser  Treppe  laufende  und  ;ihn- 
lu'h  ausgestattete  m;"ichtige  Korridor,  zu  welcluiu  eine 
kürzere  rrepjX'  in  der  Xord-C  )steeke  der  Arkadiu^basilika 
hinabführt,  stösst  direkt  an  die  Menasgruft,  in  deren 
nächster    Umgebung    neuerdings    wieder,    den    Heiligen 


,-1 


—  31    — 

.'inrufcnd,  Graffiti,  meist  mit  der  Wendung-  <yn^'3\\-qv.  xcO 
do'j'kryj  ao'j  festgestellt  wurden. 

Dass  die  Menasgruft  keine  Spur  \'on  einer  Erd- 
hestattuno-  nach  Art  der  F'orma^-C^räher  oder  dureh  Ver- 
senkuno- eines  Sarkophages  autweise,  daxon  haben  nach- 
träoliehe  Unter^uehun"en,  wie  o-t'sa<>t,  überzeugt.  Sehlau 
glaubten  es  ( irabr;iuber  früherer  Jahrhunderte  anzufangen, 
welche  in  der  an  die  Krypta  westlich  angrenzenden 
Kapelle  (Gesamt])lan  Nr.  44)  einen  vier  Meter  tiefen, 
Q-eräumio-en  Schacht  o-ruben  und  \'(>n  unten  aus  einen 
Stollen  nach  (  )sten  anleo-ten,  bakl  aber  einsahen,  dass 
der  Hühlenboden  seinerseits  nicht  nochmals  unterminiert 
war.  Diese  Rcäuber  werden  identisch  sein  mit  den  Zer- 
störern und  Brandlcgcrn  der  Heiligtümer.  Im  Scdiacht 
fanden  sich  zahlreiche  Stückchen  bunter  Marmor -Ver- 
verkleidung  jener  Kapelle,  Mosaikfragmente  ihrer  Kuppel 
und  abgefallene  Reste  von  Stuckarchitektur,  auch  wenige 
gänzlich  verdorbene  Münzen  byzantischer  Epoche. 

Die  im  vorigen  Bericht  ausgesprochene  Vermutung, 
ein  Werk  xon  cancelli  and  transenn;e  habe  den  oberen 
Rand  der  Krx'pta  eingefasst,  l)est.'itigt  sich  wenigstens 
insofern,  als  Scdirankenpfosten  einige  Meter  westlich  und 
]jarallcl  mit  der  Diagonale  des  Kreisabschnittes  heraus- 
kamen; auch  sind  im  Süden  und  Westen  des  Contessio- 
randes  ccMicentrisch  anoelcot  die  untersten  Basen  mehrerer 
Sciulensockel  x'orhanden.  Sie  sind  auf  dem  grossen  \'on 
Falls      entworfenen      Gesamtplan      eingetragen,      dessen 


—  32  — 

Publikatif)n  irli  Herrn  Prof.  Strzygowski  vorljehalten  habe, 
welcher  die  kunsthistorischc  Einghederung  der  Sakral- 
bauten gütigst  in  Aussicht  stellte.  Spuren  der  Altar- 
stelle haben  sich  bei  der  Entfernung  \^on  weiteren  dreissig 
Cubikmetern  die  Höhlendecke  belastenden  Scliuttes  nicht 
ergeben.  Der  erste  Regenfall,  der  seit  vielmonatlicher 
Unterbrechung  Ende  Noveml^er  ül^er  Karm  Abu  Mina 
niederging  —  freudig  begrüsst,  obwohl  iluu  einige 
Präzisionsinstrumente  und  fast  das  Dach  des  \'on  Freundes- 
güte errichteten  „Einzimmerhauses"  zum  Opfer  fielen  — 
rechtfertio'te  in  hohem  Maasse  die  an  diesem  Punkte  an- 

o 

gewandte  V^orsicht:  ohne  schützendes  Erdreich  würde  ein 
Teil  der  Oberkirche  der  subtropischen  Gewalt  nicht 
widerstanden  und  neuerdings  die  Confessio  verschüttet 
haben.*)  F"unde  wurden  an  dieser  Stelle  im  übrigen 
nicht  gemacht,  will  man  \'on  einem  Akanthuscapitell, 
zahlreichen  Bruchstücken  \'on  Sriulen  und  Marmorbelag 
und  einem  kleinen  Kalksteinrelief  absehen.  Dieses  Relief 
giebt,  nimmt  man  nicht  eine  spätere  Verschleppung  an, 
zu  denl<en.  Der  Stein  misst  25x19  cm  bei  einer  Dicke 
von    8,3    cm    und    einer    Reliefstärke    \'on    1   —2  cm.     Es 


'  I  J^^  i.-.L  lui  tlie  klimatischen  Veihaltnisse  der  inneren  MariiU  bezeichnend,  chiss  im  Zeitraum 
von  Ende  April  1906  bis  Ende  Dezember  1906,  also  in  über  acht  Monaten  nur  dreimal  Regen  über 
die  Menasstadt  niederging.  In  der  hislorisclieu  Nacht  vom  13-  Mai  1906,  in  welcher  die  Ent- 
scheiciiing  des  AUabakonflikLes  fiel,  iiiul  cU-i  am  1 2.  Mai  ein  Chamsin  bei  1 2**  (Celsius)  min.  und 
38**  m;ix-  vorausge^jangen  war,  entlud  sich  ein  schwerer  Gewittersturm;  in  der  Nacht  zum  25.  Oktober 
desgleichen,  am  25.^26.  November  der  obenerwähnte  Orkan.  Es  hat  sich  also  seit  den  Tagen, 
da  Schenule  von  Atribis  Regen  auf  die  drei  Jahre  hindurch  regenlose  Mareotiswüste  heral>rief,  das 
Klima  kaum  geändert.  Die  Beduinen  rechnen  auf  circa  vier  Jahre  ein  Regenjahr,  wobei  naturgemäss 
nur  die  Wintermonate   Dezember  bis    März   incl.   in    Helracht  konmien. 


Kig.    13.    Siidwand  der  unterirdischen   Kapelle   (H.-PI.   44). 

Links  Schacht  der   Grabräuber,   zwölf   Meter  unter  Kirchenniveau. 

(Aufnahme  von^Reiser  &   Binder,   Alexandrien.) 


—   35    — 

zeiot  in  schmaler  nur  teilweise  erhaltenen  Rahmenleiste 
einen  schreitenden  Löwenkörper  mit  hochgeschwungenem 
Schweif,  der  Kopf  des  Tieres  ist  zerstört.  Obwohl  das 
Relief  im  Rahmen  abgeschlossen  war,  ist  der  Gedanke, 
dass  es  nur  den  Teil  einer  grösseren  Composition  l^ldete, 


Fig.    1 4.  Bogen  der  Hauptajjsis  von  aussen,   eihrihteni  Standort,  gesehen. 
(Aufnahme  von  Reiser  &  Binder,  Alexandrien.) 

nicht  yanz  abzuweisen.  Man  erinnere  sich  an  die  „Bilder 
aller  Arten  \'on  Tieren  und  von  Menschen",  welche  sich 
—  freilich  ausserhalb  der  Kirche  —  einst  hier  fanden 
(Bericht  I,  S.  16)  sowie  andererseits  an  jene  merkwürdigen 
Tierstatuetten,  Produkte  von  Töpfereien  und  AAVrkstrilten 
der  Menasstadt. 


Bei  der  Freilegung  der  Aussenwand  des  Apsissrückens 
fand  sich  in  der  Arkadiusbasilika  ein  stark  zersplitterter 
Säulenschaft,  in  den  ein  kleines  Kreuz  —  der  sog.  ius- 
tinianischen  Form  —  eingemeisselt  ist,  wohl  ein  Konse- 
krationszeichen.    Der   Bau    wird  deren  mehrere  besessen 


—   36   — 

haben  und  in  den  arabischen  Listen  egyptischer  Kirchen 
geschieht  ihrer  des  öfteren  Erwähnung,*)  zuweilen  waren 
sie  lediolich  aufoemalt.  Wie  denn  die  Bemalung  der 
Säulen  und  der  Capitelle  in  der  immer  noch  dem  Hellenis- 
mus geneigten  Kunst  der  Menasstadt  eine  Rolle  spielt. 
Eine  Reihe  von  Kapitellen    mit  Farbspuren  und   Resten 


Fig.    15.   Grabgewölbe  3   (Einstiegpartie)  der  Apsis. 
(Aufnahme  von  Reiser  &  Binder,  Alexandrien. 

von  Vergoldung  veranschaulicht  unsere  Abbildung  Fig.  9. 
Bei  den  Säulen  kam  nur  der  Wulst,  wie  es  scheint,  in 
Betracht.  Malspuren  an  den  Basen  fanden  sich  bislang 
nicht.  Das  Schaftfragment  ist  leider  zu  zersplittert,  um 
seine  Zuofehörio-kcit  zu  einer  bestimmten  Säule  festzustellen. 

*)  Abu  Salih  erzählt  vom  Transport  von  18  so  gezeichneten  Säulen  aus  einer  Kirche  Gizehs 
nach  Kairo.  Cf.  Anecdota  Oxoniensia,  Semitic  series  VIII.  p.  174.  Zwei  ganz  hervorragende  Beispiele 
von  Säulen  mit  Consekrationskreuzen  (aus  der  Theonaskirche)  hat  E.\c.  Schiess-Pascha  im  Garten 
des  Gouvernementsspitals  zu  Alexandrien  aufstellen  lassen;  Abbildungen  und  Beschreil)ung  im  Bulletin 
de  la  societfe  archtelogique  d'Alexandrie  1905   p.  55  —  57. 


—   37   — 

stellen,  sicher  abei'  den  drei  Basen  der  Apsis  (Plan  6) 
nicht  beizureclinen.  l{in  Analog'on  zu  diesem  merkwürdigen 
schon  im  A'orhci'ichtc  erwähnten  Ahschluss  der  llaupt- 
ai)sis  hesass  ührigens  die  Kirche  zu  Nehia,  eines  viel- 
L;"enannlen  und  >.ell)st  bei  den  MohamedaiU'rn  l^erühmten 
Klosters  im  District  \'on  Assiian.  Neben  dem  Bema 
„einer  Treppenfolge  mit  xAufbau  in  der  Ntähe  des  Altars" 
<'"ab  es  da  Ouatremere's  in  den  Memoires  <)'ebotenen 
Uebersetzung  „clevant   le  sanctuaire  un  voile  soutenu  par 


,  'S., 


Fii^.    I  ().   Auiuiii   (iinlvs)  des  Arlcadiusbaucs  ans  tlri    l'L'ine  gesehen. 
{Aiitnahine   v(ni  Reiser  &   Bindet.    Akxandrien.) 


trois  colonnes  de  marbre."  Der  Fund  in  der  Menasstadt 
erweist,  wie  riclitig  der  französische  Archseolog  den  Wort- 
sinn Abu  .Salih's  erfasst,  im  Geg-ensatz  zu  Butler,  welcher 
in  Evetts  Publikation  (der  oben  citierten  (Jxforder  Aus- 
gabe) für  einen  Mauerabschluss  plaidiert.  Reste  des 
Bischofsthrones  fanden  sich  nicht.  Er  wird  aus  Marmor, 
oder  wie  derjenige  der  alten  Menaskirche  zu  Kairo  aus 
Holz  bestanden  haben.  Auch  der  Baldachin  über  der 
Altarstätte,  das  Ciborium,  mag,  wie  ebendort,  eine  Holz- 
kuppel    gebildet     haben.     An     meinem    im     Vorbericht 


—   38  — 

gegebenen  Urteil  über  die  Höhlung  unter  dem  Altar 
habe  ich  nichts  zu  modifizieren;*)  dagegen  sei  eine  erst 
nachträglich  erkannte  Stellung  von  Miniatursäulen  links 
vom  Zugang  zur  schola  cantorum  (auf  dem  Plane  ober- 
halb des  Buchstaben  c)  hervorgehoben,  Reste  eines 
Amben,  jenes  stabilen  Inventarstückes  fast  aller  alt- 
christlichen Kirchen,  das  als  Podium  oder  Kanzel  zur 
Verlesung  der  Schrift  usf  diente.  Wenden  A\ii'  uns  nach 
dem  grossen  Südatrium  des  Arkadiusbaues.  Haupt- 
kirchenportale von  Süden  her  zählen  auch  im  alten  Orient 
zu  den  Seltenheiten,  kommen  aber  aus  Zweckmässigkeits- 
gründen (z.B.  Jerusalem)  vor.  Da  die  Arkadiu.sbasilika 
lediglich  als  symmetrisch  angeordnete  Erweiterung  der 
für  den  enormen  Pilgerzufluss  zu  klein  gewordenen  Gruft- 
kirche  entstanden  war,  erschien  das  Südatrium  als  einzige 
Möglichkeit:  im  Osten  Befestigung  mit  Turm,  nördlich 
der  ganzen  Länge  noch  ein  Flügel  der  Koinobialbauten, 
im  Westen  das  Hauptheiligtum,  blieb  für  das  \'^olk  nur 
der  Zugang  von  Süden  her  übrig,  wo  eine  Strasse  herlief. 
Ich  überlasse  es  Berufeneren,  eine  Rekonstruction  des 
Atriums  auf  Grund  des  Planes  zu  versuchen;  ursprüng- 
lich erscheinen  noch  die  drei  marmorverkleideten  Innen- 
tore 20 — 22,  vielleicht  auch  die  westlich  folgende  vierte 
Türe,  wobei  Nr.  21  Haupteingang"  war,  20  zum  Raum 
23    geleitete,    welcher    bestimmten    kirchlichen    Zwecken 


*)  Das    einzige    quellenmässig  belegte  Altargrab  des  Landes  ist  das  Arseniiisgiab  in  dem  von 
den  Kaisern  Arkadius  und  Theodosius  errichteten  Kloster  zu  El-Kuseir. 


h'iti.    17.    Aiiiic.\liauieii   ll.-l'laii   13 — IS. 


i-ig.    IS.    Zugang  zu  den   Empureii  des  nördlichen  Querschiffes  der  Arkadiusbasilika. 


3» 


—   41    — 

oder  als  Kapelle  diente,  worauf  das  zum  Teil  noch  vor- 
handene Schranken  werk  sowie  ein  Wasserbecken  deuten. 
Die  Relation  des  anonymen  aral)ischen  Geographen 
(\gl.  Bericht  I,  15 — 17)  weist  wohl  den  richtigen  Weg, 
denn  in  der  auffälli«"en  Plattform  No.  25  des  Planes  er- 
blicke  ich  den  Rest  jenes  grossen  pfeilerartigen  Aufbaues, 
den  der  Besucher  von  al  Muna  rechts  vom  Hauptportal 
sah,  an  oder  in  dem  sich  ein  Altar  befand.  Neufunde 
in  dieser  Region  waren  die  Fragmente  eines  dekorativen 
Reliefs  aus  weissem  Marmor  und  eines  Graffito,  während 
nach  Spuren  des  ein^t  über  dem  Portal  angebrachten 
Patriarchen monopiam ms  veroeblich  oefahndet  wurde.  Der 
Graffito,  bisher  der  einzige  lateinische  der  Menasstadt, 
nennt  einen  Cassianus,  wohl  kaum  jenen  jungen  Mönch 
dieses  Namens,  welcher  in  den  letzten  Jahren  des  vierten 
Jahrhunderts  A'on  Bethlehem  aus  nebst  seinem  Freunde 
Germanus  die  Mönche  Egyptens  besuchte. 

Eine  andere  Frage  regt  der  Fund  eines  griechischen 
Dipinto  —  unter  vielen  anderen  —  mit  der  Legende 
O  AriüC  riETI'OC  in  den  gegenüberliegenden  im  Sommer 
freioeleoten  Bauten  H.-Plan  15  an,  denn  er  bringt  das  von 
meinem  Mitarbeiter,  Herrn  Falls,  schon  1905  entdeckte, 
aber  erst  jetzt  in  seiner  Bedeutung  erkannte  Martyrion 
des  Petrus  in  Erinnerung,  dessen  Feststellung  für  die 
Lage  der  Menasstadt,  Mareas  und  von  Taposiris  von 
einiger  Wichtigkeit  ist.  Bei  der  mangelhaften  Ausstattung 
der   alexandrinischen  Bibliotheken    (in   Betracht  kommen 


—   42   — 

die  Municipalbibliothek  und  diejenige  des  griechisch- 
römischen  Museums),  was  christliche  Archäologie  und 
Altertümer  Egyptens,  speziell  des  Deltas,  anlangt,  muss 
ich  mich  hier  auf  folgende  Hinweise  beschränken.  In 
einem  in  Moghara  gehörten  Beduinenliede  spielt  der 
„Schatz  im  Turm  von  Tafschir"  eine  Rolle.  Das  bestätigt 
eine  \'on  Zotenberg  ausgesprochene  Behauptung",  welche 
Defachir,  offenbar  das  beduinische  Tafschir,  mit 
Taposiris  magna,  dem  Bosiri  des  Leo  Africanus,  inden- 
difiziert.  Champollion  sagt  in  seinem  L'Egypte  sous 
les  Pharaons  tom.  II.  p.  267  f  „ä  l'extremite  occidentale 
du  lac  Marea  et  sur  le  bord  de  la  Mediterranee,  existe 
autrefois  une  ville  appelee  laposiris  ou  Taphosiris  par 
les  geographes  grecs.  Ses  ruines  peu  importantes  se 
retrou\'ent  encore  dans  le  Heu  appele  Abousir  ou  \'ul- 
gairement  Tour  des  Arabes."  Alle  neueren  Reise- 
beschreibungen \'on  Pacho  und  Minutoli  an  bis  Robecchi- 
Bricchetti  kennen  diese  Bezeichnung  und  die  Indentifizier- 
ung  von  Defachir  mit  Taposiris  —  im  Gegensatz  zu 
Amelineau,  der  in  seiner  Geographie  de  L'Egypte  Defachir 
für  eine  andere  verschollene  Stadt  erklärt,  mag  auch  für 
die  Lage  des  umstrittenen  Marea  den  Weg  weisen.  In 
der  Chronik  des  Johannes  Nikiou  ist  davon  die  Rede, 
der  Praefect  der  Mareotis  habe  die  Brücke  der  Stadt 
Defachir  abbrechen  lassen,  welche  sich  nahe  der  Kirche 
des  St.  Menas  und  der  Stadt  Mareotis  befand,  und  weiter- 
hin an  anderer  Stelle,  man  habe  in  einer  Kirche  Defachirs 


—   43   — 

nahe  der  Brücke  des  heiligen  Petrus  dem  Patriarchen 
Cyrus  aufgelauert,  um  ihn  zu  töten.  Diese  Kirche  des 
Petrus  wird  als  letztes  „Matyrium",  nahe  der  Menasstadt, 
auch  vom  Mönch  Epiphanius  erwähnt  (Epiphanii  monachi 
et  presbyteri  edita  et  inedita,  ed.  Dressel  5);    Reste  der- 


Fig.    10.      AbschliissiKUlit'   im    westlichen    Landhaus  der  Arkadiusbasilika. 

selben  konnte  Heir  Falls  bei  Bahig  unmittelbar  an  der 
Senkung  konstatieren  und  wiederfinden,  die  zur  Zeit  der 
Blüte  von  Taposiris  mit  dem  höherliegenden  Stadtgebiete 
überbrückt  war,  wo  noch  heute,  obwohl  das  Terrain  sich 
um  ca.  1 — 1,5  m  gehoben  hat,  jeder  starke  Regen  allen 
V^erkehr  hemmt.*) 

*)  Aeltere  Periegeten  z.  B.  Gr.iiiger  (Tourtechot),  welcher  1730  reiste,  charakterisieieii  den 
Turm  neben  der  Pompejussäule  als  Wahrzeichen  für  den  maritimen  Erkemiungsdienst  der  alexan- 
drinischen  Küste.  Mittelalterliche  Quellen  aber  schweigen  sich  ganz  aus.  So  figuriert  er  unter  den 
21  Stationen,  welche  des  Edrisi  Itinerar  (um  1153  n.  Chr.)  zwischen  Barca  und  Alexandrien  notiert, 
schon  nicht  mehr,  aber  auch  von  Abusir  ist  keine  Rede. 


Der  heilige  Quell. 


J'  ig.    20.      I'ai  lir   im   !il.    IVunmii. 
(Aufnahme   von    Rei^<-r    is:   l^.inder,   Alex. 


Das  Dunkel,  das  über 
Leiien  und  Wirken  unsres 
Nationalhelden,  des  Patrons 
der  lib\schen  Wüste  und 
Alexandriens  ausgebreitet  lag, 
haben  die  Ausorabune'en  in 
mehrfacher  Beziehung  ge- 
lichtet. Einen  solchen  Licht- 
punkt bildet  insonderheit  das 
anziehende  Kapitel  vom  -a^iöXkov  ü-Jof/,  gemäss  dem  die 
Aienasstadt  ein  weit  über  den  Orient  hinaus  gefeiertes 
Lourdes  des  christlichen  Altertums  war,  allem  Anschein 
na(h  auf  antiker  Grundlage.  Eine  Reihe  \^on  neuen 
im  Verlaufe  der  Sommercampagne  gemachten  Beobach- 
tunoen  und  Funden  erheben  die  aufo-estellte  These  zur 
Gewissheit. 

Zunächst  drängt  alles  zu  dem  Schlüsse,  der  heilige 
Quell  sei  mit  jenem  nur  wenige  Meter  westlich  von  der 
Menasgruft  l)efindli(-hen  Brunnen  identisch,  welcher  in 
eine  ca.  sechs  Meter  unter  dem  Kirchenniveau  angelegte, 
nach  Süd  nnd  Nord  laufende  über  nicht  weniger  als 
achtzig  Meter  ausgedehnte  Wasserstrasse  führt.  Unser 
Plan  \'erzeichnet  unter  48  sowie  48  a  und  b  den  Laut 
dieser    im  Winter  eröffneten  Cisterne.     Ihre  geräumigen, 


—  46   — 

bis  zu  2,60  m  breiten  Seitengänge  münden  in  zwei 
weitere  Einstiege,  von  denen  einer  im  Vorhof  der  Basilika, 
der  andere  im  Hof  zwischen  ihr  und  einem  Flügel  der 
Koinobien  liegt.  An  Marmor-  und  Steintrümmern  Hessen 
wir  noch  soviel  zu  Tage  fcirdern,  als  nötig  war,  um  die 
Vermessungen  \'orzunehmen.  Dabei  kamen  ein  Teil  des 
Brunnenmundes  ans  Licht,  die  schöne  kreisrunde  und 
kannellierte  Marmoreinfassung  mit  Schnittspuren  der 
Seile,  sowie  zahlreiche  zerbrochene  Krüge,  Ampullen, 
Tierfiguren  der  jüngeren  Eulogienperiode.  Vom  ursprüng- 
lichen Ausselien  der  unterirdischen  Corridore  des  heiligen 
Quelles  giebt  Fig.  21  ein  Bild,  welche  in  vorzüglicher 
(kombinierter  Zeit-  und  Blitzlicht-)  Aufnahme  die  Hälfte 
eines  als  Muster  völlig  ausgegrabenen  Cisternenkorridors 
im  Nordosten  der  Menasstadt  darstellt,  während  Abb.  20 
eine  etwa  30  m  vom  Einstieg  entfernte  Partie  des  Menas- 
brunnens  zeigt.  Man  beachte  in  dem  grossen  Corridor 
Fio-.  21  links  die  drei  natürlichen  Wasserstandlinien. 
Hauptgründe  für  die  Identität  des  Menasquell  sind  seine 
Lage  nahe  dem  Grab,  die  Masse  der  in  ihm  gefundenen 
Ampullen fragmente,  die  Nähe  des  Wassergraffito  sowie 
der  Umstand,  dass  sein  Wasser  sehr  wahrscheinlich  auch 
zur  Füllung  des  Taufbassins  diente.  Leider  lassen  bis- 
lang- die  verschiedenen  erhaltenen  Menasviten  und  Mira- 
cula  wie  in  so  vielen  die  Menaslegende  berührenden 
Dino-en  im  Stich,  die  wichtio-sten  Codices  (ein  Waticanus 
und  ein  Smyrnaeus)  harren  gar  noch  der  Veröffentlichung 


—  47   — 

und  zu  allem  kommt  heilloser  Wirrwarr  infolge  Ver- 
quickung der  Viten  verschiedenster  Märtyrer  gleichen 
Namens.  Kam  hierselbst  keine  einzige  historisch  auf- 
klärende Inschrift  zu  Tage,  so  vermehren  Funde,  wie 
dcrieni<'"e  \'on  18')'*  zu  Salona  nur  die  Unsicherheit  und  die 


V\g.   21.      Cisterneiicorridor. 
(Aiifnalnne  von  Reiser  &   Binder,  Alexandrien.) 

im  gleichen  Jahre  in  den  Analecta  Bollandiana  p.  405  ff 
sowie  in  der  Römischen  Ouartalschrift  S.  330  f  an- 
geschnittenen  Fragen  nach  dem  Verhältniss  des  libyschen 
Menas  zu  dem  am  1 0.  Dezember  gefeierten  Trifolium 
fordern    geradezu   den    Hagiographen    heraus.     Professor 


—   48   — 

G.  Arvanitakis-Cairo,  welcher  in  der  kairiner  Zeitschrift 
der  Q-riechischcn  Q-elehiten  Gesellschaft  sowie  im  Bulletin 
des  Institut  Egyptien  1905  über  die  Menasamjnillen 
des  alexandrinischen  Museums  schrieb*),  \'er\veist  in 
einem  vor  jaliresfrist  an  micli  gerii  htct(  n  Schreiben  auf 
die  Verbreitung  des  Alenascultes  auf  <  "rcta.  ^11  est  meme 
le  patron  de  V-\i(M7.'KsiO'j  (Gandie)  sinon  de  Tile  entiere. 
J'ai  demande  a  S.  E.  le  Metropolitain  de  Grete  sur  Torigine 
de  ce  culte.  II  m'a  dit  que  la  tradition  rapport  que 
pendant  un  massacre  de  chretiens  le  Saint  apparu  ä 
cheval  dex-ant  1  eglise  pour  protcger  les  fideles  y  refugies. 
L'idee  repanduc  dans  le  monde  orthodoxe  que  St.  Menas 
fait  retroux'er  tout  objet  perdu  si  le  chenlieui'  lui  pi'omets 
une  cierge  vient  de  Grete;  ne  pourrait-on  y  \'oir  une 
relation  entre  l'idee  de  lab\'rinthe?"  etc.  etc. 

Bekanntlich  spielen  im  gesamten  (Orient,  namentlich 
aber  im  Nillande  die  Wasserwunder  eine  Rolle.  Ich  habe 
dabei  niclit  die  antiken  Vorbilder  xom  Osiriswasser  bis 
zum  Sonnenc|uell  des  Amnion  in  der  ( )ase  im  Sinne, 
sondern  gerade  die  un  hristliche  Zeit,  welche  vom  Auf- 
treten des  Herrn  an**)  ilu'e  Heroen  gerne  mittelst  Wasser 


sXX.  i~i3r^|^ovixoü  n'j'tXöyjU  1905.  Bei  aller  Anerkeiimuij^  der  Bestrelmng  des  Verfassers  einzelne 
Irrtütiior  in  Dutilhs  Aufstellung  {cf.  meinen  Bericht  1  S.  94  Note)  zu  rektifizieren,  muss  doch  im 
Interesse  der  Wissenschaft  gegen  eine  so  völlig  versagende  Art  der  Illustrationen  protestiert  werden, 
wie  sie,  28  an  Zahl,  dem  Text  des  Bulletins  des  Institut  Egyptien  beigegeben  sind,  zinnal  A.  ilen 
AVageniut  besitzt,   ungleich  wertvollere   Illustrationen   Leclerq's  und  Dutilh'?;  zu  tadeln. 

^*)  cf.   die    Quelle  in  der  Kirche  des  Klosters  zn    Bisüs  bei  Iischniuuein,   das    Weinwunder  an 
der   Quelle  der  Mariengrotte  zu   Moharrak   u.  a. 


—  49  — 

Heilkräfte  \\iik(  n  h'hst.  So  dient  iiacli  biblischem  Vor- 
bild das  Wasser,  namentlich  in  syrischen  und  koptischen 
Viten  und  Legenden  liäufit^'  zur  HeilunL;'  von  Besessen- 
heit oder  anderer  Form  von  Krankheit.  In  dem  von 
Amelineau  nach  einem  koptischen  Codex  der  Vaticana 
edierten  Elogium  des  Pisentios  \on  Kett  wird  ein  Drei- 
zehnjähriger vom  Daemon  befreit,  nachdem  er  in  einem 
kleinem  Gefässe  Wasser  aus  dem  Reinigunestank  des 
Heiligtums  entnommen  und  getrunken. 

Ein  indirektes  Zeugnis  tür  unsere  Frage  liegt  aber 
in  einer  Erzählung  des  koptischen  Synaxars  zum  14  Tut.*) 
Hier  ])ehauptet  eine  Frau  dem  Stvliten  Agathon  gegen- 
über, Abu  ]\lina  habe  mit  ihr  geredet,  sie 
sollten  einen  Brunnen  gralien  auf  den  Namen 
des  Heiligen,  damit  alle,  welche  darin  badeten, 
von  ihrer  Krankheit  geheilt  \\ürden.  Agathon 
behandelte  die  Frau  als  Besessene  und  Hess  den  an- 
getangenen  Brunnen  ^'on  den  Bewohnern  \'on  Sacha 
wieder  verschütten! 

Ein  weiterer  Punkt  bedarf  der  Berücksichtigung. 
In  den  Bädern  der  Koinobien  und  Xenodochien  wurden 
zwei  Depotfunde  \'on  Krügen  mit  und  ohne  die  Eulogien- 
inschritt  gemacht,  sie  legen  den  Geljrauch  \'(>n  Alenas- 
wasser in  diesen  I\;Umien  nahe  und  zwar  in  Räumen, 
die  oftenbar  gelegentlich  oder  kurz  nach  Zerstörung  der 
Heiligtümer  verschüttet  wurden,  während  die  Bade-  und 

*}  Wüstenlekl.  Synaxariuiii,   Gotha    1897   I  p.   27. 


—   50  — 


Cisternenanlagen  selbst  noch  in  früh  arabischer  Zeit  im 
Gebrauch  bheben.  Gleichzeitig  gehobene  Ampullen  zeigen 
Sujets,  welche  sonst  verhältnismässig  selten  oder  in 
Bruchstücken  im  Stadtgebiete  ans  Licht  kommen,  also 
schon  aus  dem  Grunde  zu  den  älteren  Eulogientypen  zu 
rechnen  sind.  Wir  stiesscn  auf  diese  Funde  bei  der  An- 
lage eines  über  zweihundert  Meter  langen  bis  zu  drei 
Meter  tiefen  Sondierungsgraben.  Er  wurde  vom  Koi- 
nobion  und  zwar  \'on  Nordosten  her  gezogen,  um 
hoch  am  Abschluss  einer  Komkette  zu  enden,  unter 
welcher  eine  Flucht  einfacher  z.  T.  einstöckiger  Häuser 
schlummert.     Eines  davon  wurde  ausgeschnitten. 

Der  Versuchsgraben  stösst  schon  in  kurzer  Entfernung 
vom  Koinobion  auf  eigenartige  cementierte  Pavimente 
verschiedenen  Niveau's  und  erreicht  nach  beiläufig  80  m 
die  ersten  Bäder,  deren  Cisterne  bereits  im  Laufe  des 
Winters  1906  aufgedeckt  worden  war.  Die  ganze  An- 
lasse ist  echt  römisch,  und  stammt  in  ihrem  Kern  aus 
der  Zeit  der  Antonine  (zweites  Jahrhundert),  in  welcher 
ein  Gürtel  von  Cisternen  quer  durch  die  Marmarica  und 
Mareotis  gelegt  wurde.  Und  wenn  G.  Maspero  im 
Appendix  zu  Hohlers  Report  on  the  Oasis  ot  Siwa 
(Cairo  1900)  die  Venuutung  ausspricht:  peut-etre,  comme 
cela  eut  licu  pour  les  regions  du  Magreb,  la  Marmarique 
eut-elle  au  VF  et  au  VIF  siecles,  de  Justinien  ä  Heraclius, 
une  Sorte  de  renaissance  passagere,  so  bestätigen  das 
nicht  nur  die  wenigen  noch  zugänglichen  Anlagen  dieser 


Fig.   22.      KleiiK-   Ainpulien   (zweite  Serie). 


Kiy.   23.      Stkeiie   Eulogieti   aus  der  Hauptliadeaiiin^e. 


—   55  — 

Art  an  den  antiken  /..  T.  heute  noch  geltenden  Kara- 
wanen und  Pilgerwegen,  sondern  es  gilt  die  gleiche  Tat- 
sache für  die  Mariüt.  Die  während  der  Ausgrabung 
freigelegten  Cisternen  der  Menasstadt  sind  Musterbeispiele 
für  alle  ähnlichen  Bauten  zwischen  dem  Hochland  \on 
Barka  und   Alexandrien. 

In  der  Tiefe  eines  13,50  m  y  7,9  m  grossen  Raumes 
befindet  sich  der  Cisternenschacht,  zu  dem  ehedem  eine 
breite  Treppe  herabtührte.  Die  kreisrunde  Wandung  des 
aus  CTOssen  ree'elmässio'en  (Juadern  ausgfeleo-ten  14  m 
tiefen  Schachtes  wirkt  überaus  massi\':  der  Diameter  be- 
trägt 5,20  w\.  Westlich  und  südlich  höhergelegene  grosse 
und  kleine  Bassins  (cementiert),  im  Norden  Gänge  in 
Ouaderwerk  ca.  2  m  hoch  und  0,60  m  breit.  Sie  führen 
zu  einem  grossen  rechteckigen  Bassin  von  70  v  40  m 
Ausdehnung  und  einer  ehemaligen  Tiefe  von  ca.  2,5  m 
(Wasserstand  jedenfalls  etwas  weniger).  Die  Grabungen 
hal)en  \ollaut  meine  im  X'orberichte  ausgesprochene 
\^ermutung  bestätigt,  dass  wir  hier  grossartigen  Xeno- 
dochialanlagen  oeo'enüberstehen,  wie  sie  bisher  nur  in 
Turmanin  (Syrien)  und  bei  Thebessa  (N.- Afrika)  nach- 
gewiesen wurden,  den  Quellen  gemäss  aber  mit  allen 
grossen  Heiligtümern  dieser  Art  verbunden  zu  sein 
pflegten.  An  den  Cisternenraum  schliessen  sich  an  Warte- 
zimmer mit  Bänken,  darunter  eine  4,40  m  breite  Exedra, 
an  welcher  im  Halbkreis  eine  40  cm  hohe  Marmorbank 
herlief     Den    Kern    des    Bades    bildet    die   in    dunklem 


—   56  — 

Backstein  ausgeiührtc  rella  trichora  mit  drei  Ba^^ins.  in 
der  Mittelapsis  ein  rectanguläres  von  1,80  x  1,15  m  bei 
1,40  m  Tiefe,  seitlich  scmicircuLäre  ^'on  1,60  Diameter 
1,15  Tiefe.  Zwei  Stufen  führen  in  die  mit  buntem  vStuck 
verzierten,  ehedem  reich  marmor^■erblendeten  Wannen. 
Auch  ausserhalb  der  Cella  sind  verschiedene  gleichartige 
halbrunde  und  eckio-e  Einzelbcäder  ano-el^racht.  darunter 
eines  tür  Kinder.  Ein  Netz  von  Kanälchen  und  Blei- 
röhren (5,5  cm  Durchmesser)  sorgte  tür  Damptbewässerung 
und  Douche\'orrichtung,  lange  Cloakenkorridore  für  die 
Entwässerung.  Letztere  wurden  nur  teih\'eise  freigelegt, 
d.  h.  von  Schutt  befreit.  In  einem  der  (  loakeno'änQ-e 
fanden  sich  zahlreiche  Eulogien,  im  ganzen  211  Ampullen, 
die  meisten  von  dem  Fig.  22  oberste  Reihe  No.  4  ab- 
gebildeten Tvpus,  darunter  aber  auch  jene  selteneren 
Exemplare  Fig.  23.  Die  hier  vorgeführten  S\'mbole  recht- 
fertiq-en  ein  kurzes  Zurückkommen  auf  die  EuloQ-ienfrao'c. 
Zunächst  sei  bemerkt,  dass  nach  sorgfältigem  Durchgehen 
aller  im  griechisch-römischen  Museum  Alexandriens  \'or- 
handenen  Menasampullentypen  —  sie  stammen  meist 
aus  dem  Schutt  des  Kom  el  Chou^afa  —  nach  W^ro-leich 
mit  der  zweitgrössten  auf  meiner  Egyptenreise  erworbenen 
Sammlung,  welche  sich  jetzt  im  Besitz  des  Frankfurter 
historischen  Museums  befindet,  nach  Einsicht  der  ein- 
schläofig-en  Kataloe'c  der  cjrösseren  Museen,  alle  über 
diese  S  a  m  m  1  u  ii  g  e  n  \'  e  r  b  r  e  i  t  e  t  c  ■  n  1  e  r  r  a  c  o  1 1  ii  - 
eulogien    des    Menas    aus    den    Üefen    am   Karm 


Fig.   24.     Minialiirgefässe  aus  einer  Badtkainmer. 


Fig.   25.      Gefässe   für   Menaswasser  mit  Inschriften. 


—   59  — 

Abu  A/fina  stammen.  Eig-enart  von  Material  und 
Fabrikation,  Fehler  an  F"ormen,  Zeichnung",  Inschrift  etc. 
lassen  hierüber  nicht  im  Zweifel.*)  Fig".  23  zeigt  einiges 
Neue.  Im  hauiitbeladenen,  \'on  Tauben  flankierten 
Palmbaum  (Revers  Schiff)  wird  man  iinsc-hwer  eine  An- 
spielung aul  die  libysche  Wüste  erkennen,  wie  denn 
auch  die  Kamele  zu  Seiten  des  Märtyrers  auf  diese 
Wüste  hinweisen  und  ihn  als  Patron  der  Karawanen 
charakterisieren,  wobei  ursprünglich  die  bekannte  Be- 
stattungslegende den  Anstoss  gegeben  haben  wird.**)  Die 
Reiterfigur  zeigt  Menas  zu  Pferde,  als  Ka^c/X'Ko.(j\r,z  \it-ä 
-Ar/jo'j;  izoXko'j  schildern  ihn  die  Miracula  und  hierzu  \'er- 
gleiche  man  die  oben  citierte  Erz<ählung  des  Metropoliten 
von  Greta***)  und  weist,  da  die  Rückseite  der  Ampulle  den 
erklcärenden  Text  O  OATIOC  MHNAC  giebt,  neue  Wege  in 
der  Frage  des  egyptischen  Reiterheilig'cn.  Adler,  Phoenix, 
Christus  mit  dem  Kreuzspeer  bedürfen  keiner  Erläuterung. 
Das  Exemplar  mit  Ampullen  \'erweist  wieder  auf  Menas- 
wasser.  Eine  plausible  Eesart  für  die  Legende  KYAÜI'IA 
■c'/ü  «-(iOY  EIIHC. . . .  habe  ich  bislang  nicht  finden  können. 
Her\-orstechend  sind  dann  Exemplare  mit  der  Bezeich- 
nung   des    Geburtsortes    des    Heiligen,    nämlich    der 


*)  Met:ill(--n(.'  Krüglein  Uommen  hier  nicht  in  Betr.icht;  .^^lsser  dem  einzigen  bisher  vorhandenen 
Exemplar  im  Kairiner  Museum  ist  mir  nur  eine  /weite,  für  das  Kaiser  Friedrich- Museum  erworbene 
Metallampulle  bekannt  geworden. 

**)  In  der  koptischen  I-egende  spielt  das  Kamel  häufig  die  Rolle  des  Adoriereiiden,  an- 
gefangen von  der  Erzählung  vom  Einzug  Christi  in  Eschnuuiein,   wo  sie  ihm   huldigten. 

***)  Doch  hüte  man  sich  vor  Verwechslung  mit  S.  Menas  von  Constantinopel,  der  ebenso 
auftritt. 


—   60  — 

Legende  einerseits  TOY  AlMOY  MHNA  und  auf  der  Rück- 
seite AeilNOrKNOY,  eine  andere  zeigt  das  Labarum  und 
die  Aufschrift  AeHNOrKNOY.  Die  korbartige  Darstellung 
auf  einem  der  abgebildeten  Gefässe  erfordert  eine  Nach- 
prüfung der  Bedeutung  jenes  Korbes  auf  der  Londoner 
Menaspixis,  in  dem  Graeven  einen  Aktenbehälter  \^er- 
mutete.  Von  sonstigen  Ampullenfunden  im  Laufe  des 
Sommers  seien  bei  dieser  Gelegenheit  noch  erwähnt  ein 
Exemplar  mit  Fuss,  eines  mit  der  Sigle  li'-'IrpoO  (Avers 
Kreuz)  ein  Eulogien-Stempel  mit  der  Fabrikantenmarke 
HK  und  der  Nummer  H  sowie  das  Fragment  einer  grossen 
Ampullenform,  worauf  die  rechte  obere  Hälfte  eines 
Oranten,  ganz  wie  Alenas,  zu  sehen  ist,  daneben  aber 
der  Name  Isidor  nämlich  |';j,'^|^.  Auch  kamen  mehrere 
Exemplare    mit    dem    schcnien   Kreuzbild  Leben-Licht  zu 

Tage  in  der  Anordnung  //jii,  Bruchstücke  mit  der  Gazelle, 
bekanntlich  das  koptische  Pendant  unseres  Hubertus- 
Hiisches  und  noch  in  früharabischen  |agdmoti\'en  neben 
dem  Lr)\\en,  Hasen,  1  Umd  imd  Steinlxxk  beliebt.  .Auch 
sonstige  Gefässfunde  der  untersten  Schicht  der  Umgebung 
des  Hauptbades  legen  den  Gedanken  nahe,  das  Menas- 
wasser  habe  hier  eine  besondere  Rolle  gespielt,  es  sind 
meist  bemalte  Fragmente  (Köpfe,  Tiere,  Symbol  des 
Pinienapfcls  usf)  grösserer  Krüge,  entweder  von  der 
Eulogieninschrift  oder  von  anderen  religiösen  Texten  be- 
gleitet, z.  B.: 


—  61    — 

QC  E'rPß<I)E 
BKÜTÜK 
IIAHQC  T 

Nach   W-iiaut    von    weiteren    <S5   ni    Einschnitt   trafen 

wir    aut    eine    /weite    Bade-    und    Ihunnenanlao-c,    welche 

L;"leichtalls    ihr     üherschü^^in'es     Wasser    in    jenes    grosse 


Fi^.   20.      (irnb  des  Fessaiiers  Aliil   er  ]<;ilHnan. 


Bassin  der  Xenodochicn  abgab  und  wohl  das  l'rauen- 
bad  bildete.  An  ihren  ])is  auf  22  m  Tiefe  o-ebrachten 
Cisternenschacht  \'on  fast  0  m  Durchmesser  knüpft  das 
einzige  geschi(ditliche  Ereignis,  welches  Karni  Abu  Mina 
seit  Jahrhunderten  zu  verzeichnen  hat.  Nicht  lange  nach 
dem    Aufstand    unter   Arabi    Pascha   gedachte   hier   Sidi 


—  62    — 

Abd  el  Kader,  dessen  Moschee  sich  jetzt  an  der  gleich- 
namigen Station  der  Mariütbahn  erhebt,  eine  Sauja  an- 
zulegen, wozu  das  benachbarte  Trümnierteld  reiches  Bau- 
material, unzrihlige  Blöcke  aus  hellem  jungtcrtiären 
Kalksandstein,  bot.  Er  stiess  beim  (Sraben  auf  unsere 
Cisterne  und  fla  soll  ihn  abends  „der  Teufel  von  Bümna" 
gewarnt  haben,  an  diesem  Orte  weiterzuarbeiten.  Als 
dann  der  .Sklaxe  Abd  el  Kaders  dennoch  weiterarbeitete, 
wurde  er  von  abstürzendem  Gestein  erschlagen.  Man 
begrub  ihn  auf  einer  Anhöhe  und  zog  weiter  östlich,  um 
ganz  in  der  Nähe  Alexandriens  die  Sauja  zu  grüncUn. 
Das  aus  Trümmern  enichtete  Sklavengrabmal  (Fig.  26) 
träp't  unter  dem  beduinischen  .Simi  (Lam-Klit )  flie  Inschrift: 

^i^i  (")  J>i 
^)\  ^.r)\  ^1  ^1 

„Abd    er    Rahman    der    Fessaner    der    Magrabiner    Sohn 

Hams;  im  Namen  Allahs  des  Frbarmers  des  Barmhi'rzigen". 

An    den  Eingangsvers   des  Koran  schliesst  sich  die  ver- 

witterte    Jahreszahl,     lieber   dem    Inschriftstein    liegt   ein 

kleinerer  mit  der  Acclamation   AUahi.*)  Der  Hügel,  unter 

dem  der  schwarze  Sklave  Abdel  Kaders  schläft,  gewährt 

einen    schönen    Blick    über    das    Gartenland    der    antiken 


*)     Die   Bezeichnung  el  Harai  steht  .auf  .iler  Inscliiift   etwas  liöhev,   rechts  von  Sinii. 

")  Auf  Gräbern  iler  Auladalilieduinen  hez.ichnet  ilie  Acclamation  gewöhnlich  die  engere 
Zngehiirigkeit  zur  Senusije;  der  \^ erstorbene  hat  dt-ii  Ordensilz  oder  die  Ordensschule  zu  Djarabub 
oder  Kufra  besucht.  Grossere  Grabtexte  wie  der  vorliegende-  zahlen  in  der  libyschen  Wüste  und 
ihren  Grenzgebieten  zu  den  Seltenheiten ;  man  begnügt  sich  gewohnlicli  mit  dem  Stammeszeichen, 
zu  dem  mitunter  eine  Acclamation   tritt. 


—  63   — 

Stadt;  in  weiter  Ferne  tauchen  die  Korns  \on  Schakane 
und  Sidi  |adeni  auf.  I  )iese  Namen  tüliren  heute  die 
beiden  .Selnvestei'^t;l(he  von  AI  Muna,  welche  der  ott 
genannte  arabische  Geograjjh  >ali/'M  Dies  Bad  war 
weniger    kompli/icil    in    (k'r    Ankige;    ein    x'ierzig   Aleter 


l-  \i}     27,      scii.ulil   i/m<  r   /w  ilhiiLiScisl'  i  lu-  am    l< 


vi-r-,cliuU''i'-Ti    I  l,tn>i-i  w 


kuiger  aus  Quadern  getilgter  unterinhsc^her  Corridor 
führte  überschüssiges  Wasser  in  das  grosse  oben  be- 
schriebene Reser\oir.  \'on  den  che  Cisterne  umgebenden 
Zellen  ist  der  den  Kom  krcniende  12\18  m  o-iosse  Ziey-el- 
l)au  mit  sechs  cenienticrten  Kammern  hervorzuheben, 
auch    zweiot    in  Tiefe  \'on   22  m  ein  geräumieer  Stollen 


*)  In  Sidi  Jatlein  (eine  Pferdestunde  entfernt)  hat  mein  Mitarlieiter  Falls  eine  altcliristliclie 
Basilika  festgestellt;  Marmor  imd  Kapitelh;  wie  in  der  Menasstadt.  Von  Interesse  mag  die  Be- 
merkung sein,  dass  mancher  Bcduinensiamm  dcT  Mariüt  jel/L  noch  Sklaven  ohne  Freibrief  besitzt. 
Offiziell  ist  der  Sklavenliaiidet  in  Epvpten  bekanntlich  verboten;  wie  es  damit  aber  in  den  Grenz- 
bezirken steht,  beweist  der  Umstand,  dass  Herrn  Falls  in  Siwah  verschiedentlich  Sklaven  angeboten 
wuiden,  beispielsweise  ein   achtzehnjähriger  kräftiger    Bursche   für   drei   Pfuiul    Sterling. 


—  64   — 

\'on  der  oberen  Cisterne  ab  und  x-erbindet  sie  mit  der 
tieler  lieo-enden.  Die  Fr:iQe  nach  flei'  ein  stiren 
Wasserversoro-un  o-  von  Karm  Abu  Mina  ist  als  o-e- 
löst  zu  betrachten,  man  benutzte  im  Stadtrcntrum  ein 
kombiniertes  Sx'stem  xon  Grundwasser-  l)cz.  Oucll- 
cisternen,  so  eingerichtet,  dass  sie  zur  W'interperiode  auch 
gewaltige  Mengen  Regen  aufnahmen  und  das  70v40  m 
grosse  Bassin  der  Xenodochien  speisten,  ein  Modus,  der 
aucli  in  der  Ebene  (Zwillingscisternen)  zur  Anwendung 
gelangte. 


Das  Baptisterium. 


Ijnter  den  annäh- 
ernd tausend  \-on  Jo- 
hannes \ün  NikiüU  bis 
auf  Makrizi  erwähnten 
cliristlichen  Kultbauten 
E^vptens,  Nubiens  unrl 
der  ( irenzbezirke  — . 
dai"unter  30  Menas- 
Fig,  21.    vn,  ,!,■,  An>sKiUnw^.  kii'chen    neben   ebenso- 

\-ielen  Mereur-,  (jeorsrs-  und  sehr  zahh'eichen  Marien- 
kirchen,  kleine  Kapellen  nieht  inbegTiffen  —  besass 
keiner  einen  selbständigen,  nieht  in  den  Basiliken- 
oder Koinobienplan  eingei^lierlerten,  Bap  t  isterial  ba  u  : 
ein  erstes  Beispiel  hierfür  bietet  die  im  Kaute 
der  Sommercampagne  freigelegte  laufkirehe  der 
Menasstadt.      Hrklärlieh    für  die  frühk()j)tisehe   Epoche, 


wo    u'e 


erade    die     Taufhan 


dhm<j  dem  anstürmenden  Islam 
gegenüber  eine  gewisse  Arkandisciplin  wiedererstehen  Hess, 
befremdet  dieser  Umstand  einigermassen,  wenn  man  die 
A'oraufgehende  Periode  mit  ihren  sej)araten  Baptisterien 
im  Abend-  und  Morgenlande  ins  Auge  fasst.  Wav  doch 
das  kla--sische  Kanrl  der  Taufkirche  der  Orient,  nament- 
lich Kleinasien,  dem  Rom  seine  Modelle  entnahm,  dessen 
Bedeutung    als  Neuland    für    die  christliche  Archa^^ologie 


—   68  — 

Strzygowski  erschlossen  hat.  „Therc  is  no  instance  of 
an  entirely  isohitcd  baptistery"  sa^'t  A.  J.  Butler  mit  Recht 
in  seinem  Ancient  coptic  churches  ot  Kgypt  I  p.  42,  wo 
er  die  einzehien  ej;\'ptischen  Denkmäler  autzählt  und  in 
den  Epiphaniebecken  koptischer  Sakralbauten  eine  Re- 
mini^ccn/  an  die  ursprüngliche  Etablierung  des  Tauf- 
brunnens im   Kirchenatrium   \'ermutet. 

So  stellt  das  mit  den  Basiliken  zwar  korrespondierende, 
aber  selbständige  Baptisterium  der  Menasheiligtümer, 
von  seiner  kunsthistorischen  und  archccologischen  Be- 
deutunor  o-anz  abe'esehen  einen  Bau  dar,  zu  dem  in 
Egypten  sowohl  wie  im  übrigen  römischen  Afrika  last 
alle  Paralellen  fehlen.*) 

Er  erhebt  sich  auf  26x25  m  Grundfläche  im  Westen 
der  IVIenasurutt  immittellxar  hinter  dem  al^  heili<jer  Ouell 
angesprochenen  Brunnen.  Seinen  Kern  bildet  der  aussen 
quadratrische  innen  oktogonale  Kuppelraum  mit  dem 
1,55  m  tiefen  Tautbecken  (Fig.  32),  den  äusseren  Rand 
dieses  Beckens  umzieht  eine  1 ,1 5  m  breite,  1 0  cm  starke 
weisse  Marmorfassung;  auch  die,  später  durch  Stuck- 
schichten verdeckten  Innenwände  zeigen  Marmorbekleid- 
ung, am  Boden  ein  Sternmuster.  Zwei  vierstufige  Treppen 
führen  westlich  und  östlich  in  diese  kreisrunde  piscina, 
deren  Abfluss  in  einen  ziegelgewölbten  Kanal  und  dann 
westlich   in  einer  Rinne  verläuft.  War  ein  eigener  Zufluss 


')     Veryl.    Text    und    Plane    der    Abschnitte    ,, Sakralbauten*'  und  „Baiuisterium"   in   meinem 
Handbuch  der  christlichen  Arch^e  ologie,   Paderborn    1905. 


—  69  — 

niclit  festzustellen,  so  sj)richt  doch  die  jüngere  Ver- 
hindungsrinne  nach  dem  Menasbrunnen,  sowie  ein 
in  dieser  Lage  gefundenes  Stück  Bleirohr  (aber  woher 
Druck-  bezw.  Saugkraft?)  kleineren   Kalibers  für  die  ein- 


^'~  -. 


■^ 


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\)  > '  >  ' 


Fiy.    30.      GLfassv(_-isciiiüsse  ans   Baptisleriiim   und   Koinubieii. 

stige  Verwertung  des  heiligen  Wassers  zu  Taulzwecken. 
Auffallend  erscheint  auch  der  Mangel  jeder  Verbindung 
mit  der  näher  oeleeenen  Cisterne  Plan  No.  56,  die 
weder    mit    diesem    Bassin    noch   mit  einer  kleinen  unter 


—   70   — 

dem  Boden  des  Annexraumes  befindlichen  Piscina  corre- 
spondierte.  Letztere  halte  ich  tür  die  Miniaturduplik  des 
ofrossen  Taufbeckens,  unzweitelhatt  zur  Kindertaufe  im 
engeren  geschützten  Räume  bestimmt.  Ihr  ehedem  marmor- 
belegtes Becken  wurde  später  überbaut  und  ist  heute 
nur  durch   einen   unterirdischen   Corridor  zuurmulich. 


Fig.   31.     In  der  Uingebiuiy  des  Baptisteriuiiis  gefundene  Terrakotten. 

Von  der  einstigen  Ausstattung  der  Baptesimalräume 
erzählen  Marmor-  und  Stuckfragmente  diverser  Art,  daran 
Färb-  und  Vergoldungsreste.  Die  Polychromie  möchte 
eine  Wiederverwendung  in  arabischer  Zeit  nahelegen, 
erstreckte  sie  sich  nicht  auf  intakte  Stücke  mit  unz\\eitel- 
haft  christlichen  Abzeichen,  z.  B.  dem  niemals  geduldeten 
Kreuz  oder  Monogramm.  Eine  Füllplatte  zeigt  das  viel- 
verkannte Symbol  des  Pinienapfels,  der  auch  anderwärts 
auf  einer  Topfscherbe  aufgemalt  vorkam  und  über  dessen 
Bedeutung  für  den  Orient  man  Strzygowskis  polemische 


B* 


n 


—  75   — 

Kritik  „Der  Dom  zu  Aachen"  nachlese;  eine  flüssig  be- 
wegte Marmormuschel  mag  zur  Füllung  von  Bildnischen 
im  Tambour  gedient  haben,  welche  ihrerseits  von  den 
die  Kuppel  stützenden  Pfeilern  (Taubenkapitelle!  Al> 
bildung  im  Bericht  I,  S.  35)  flankiert  waren;  Ornament- 
stücke und  Säulentrommeln  beweisen,  dass  auch  in  diesem 
Bau  der  Heiligtümer  nicht  gespart  war. 

Während  grössere  Marmorplatten,  metallum,  als  Pa- 
viment  der  Hauptbasiliken  dienten,  zierte  den  intimeren 
Raum  des  Baptisterium  ursprünglich  ein  aus  Serpentin, 
Porphyr  und  hellen  Marmorsorten  arrangiertes  opus 
sectile  d.  h.  Plattenmosaik.  In  die  Ecken  dieses  hundert 
Quadratmeter  einschliessenden  Mittelraumes  fügen  sich 
vier  Riesennischen  von  2,40  m  Breite  und  über  4,50  m 
erhaltener  Höhe  so  ein,  dass  das  Ganze  als  Oktogon  auf 
quadratischer  Grundlage  wirkt,  dessen  Ecken  acht  Säulen 
markieren.  Es  erinnert  die  Anordnung  säulenflankierter 
Nischen  lebhaft  an  den  Kern  des  in  Kreuzform  gedachten 
Martyrion  \'on  Nyssa,  gleichfalls  eines  Oktogons,  dessen 
Beschreibung  in  einem  Ende  des  vierten  Jahrhunderts 
verfassten  Brief  Gregors  xon  Nyssa  an  Amphilochios, 
Bischof  von  Ikonium  überliefert  ist.''') 

Zum  Atrium  der  Taufkirche  führt  eine  Türe  am 
Ende  des  südlichen  Seitenschiffes  der  Gruftbasilika,  die 
hier  vom  Hofe  aus  (Plan  Umgebung  von  486)  zugänglich 


*)   Vergl.    Bruno    Keil's    Rekonstruktionsversuch    aiif  Grund    dieses  Briefes,    in  Strzygowski's 
„Kleiu.-isien  ein  Neuland  der  Kunstgeschichte"   Leipzig    1903    Abb.   62. 


—  76  — 

war.  Es  repräsentiert  sich  —  siehe  Abbildung  28  — 
als  annähernd  zwanzig  Meter  langer,  von  nicht  zwölf 
wie  im  Vorbericht  vermutet  winde,  sondern  acht  Säulen 
getragener  Portikus,  in  dessen  Mitte,  Plan  Ziffer  59,  zwei 
Tore  zum  Üktofion  münden.  Hier  wurde  der  einzio-e 
gut  erhaltene  Münzfund,  aurei  der  byzantinischen  Epoche 
(aber  auch  einige  frühere)  zusammen  mit  Schmucksachen 
gemacht.  Werden  konservierte  Münzen  in  der  Menas- 
stadt  verhältnismässig  selten  aufgedeckt,  so  ist  doch  die 
Tatsache  hervorstechend,  dass  Exemplare  der  römischen 
Periode  fast  immer  ein  besseres  Erhaltungsstadium  aut- 
weisen, wie  solche  der  byzantinischen.  Von  arabischen 
Münzen  aber  weist  kaum  eine  oder  die  andere  eine  noch 
erkennbare  Legende  auf*);  doch  treten  hier  zur  Münz- 
prüfung dienende  Glasgewichte  aus  der  Umgebung,  nicht 
vom  Terrain  der  Heiligtümer,  ergänzend  ein,  meist  aus 
der  Zeit  der  Tuluniden  und  Fatimiden,  also  dem  neunten 
bis  zwölften  Jahrhundert  n.  Chr.  lieber  diese  Münzfunde 
ofedenke  ich  an  anderer  Stelle  ausführlich  zu  liandeln. 
Die  den  Portikus  südlich  abschliessende  Mauer  schrägt 
nach  aussen  hin  ab,  so  wie  man  das  an  den  Mönch- 
citadellen  des  Altertums,  z.  B.  bei  Sohag,  im  Natrontale, 
gewöhnt  ist;  an  diesen  Abscliluss  grenzt  ein  gepflasterter 
Vorhof  Hier  haben  einst  Türme  das  Heiligtum  geschützt, 
sowie   sie    auch   weiter  im  Westen  und  ferner  südöstlich 

*)  Ein  vorzüglich  erhaltener  Golddinar  des  Kalifen  El  M.i'mun  (Miin/.orl :  Fostäti  vom  Jahre  814 
wurde  beim  Durchschnitt  eines  dem  Kaptisterium  benachbarten  Korns  in  vier  Meter  Tiefe  gefunden. 
Bekanntlich  steuerte   Kairo-Fostät  alljährlich  tausend  Denare  zum  Unterhalt  der  Heiligtümer. 


—  77   — 

von  der  Apsis  des  Arkadiusbaues  nachgewiesen  sind,  wo 
ein  solcher  Turm  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Hedschra 
zur  Moschee  umgestaltet  wurde.  Der  arabische  Anony- 
mus der  Pariser  Bibliothek  erwcihnt  sie  in  seinem  Manu- 
skripte und  es  muss  konstantiert  werden,  wie  genau  seine 
Angaben  im  Allgemeinen  mit  dem  Befund  übereinstimmen; 
seine  Schilderung  aus  den  Zeiten  des  Verfalls  —  er  sah 
die  Menasstadt  als  bereits  räuberische  Araber  sie  als 
Schlupfwinkel  benutzten  —  lässt  einstige  Grösse  und 
Pracht  des  fortifikatorisch  geschützten  Nationalheiligtums 
ahnen,  das  in  der  altchristlichen  Welt  seines  Gleichen 
sucht. 

Vom  Atrium  aus  führt,  abgesehen  von  den  genannten 
Portalen  zum  Oktogon,  eine  weitere  Türe  am  Westende 
in  einen  das  Baptisteiium  abschliessenden  Raum,  den 
unser  Plan  mit  dem  Buchstaben  ( )  bezeichnet.  Auch 
dieser  Raum  ist  direkt  mit  dem  Taufraum  \X'rbunden. 
Kapitelle  und  Marmorfragmente  liegen  umher,  darunter 
leider  nichts,  was  auf  die  einstige  Füllung  der  grossen, 
ziepelo-ewölbten  Bildnischtn  schliessen  Lässt,  von  denen 
Fio.  iö  eine  \^orstclliinu'  oiebt.  Der  mit  m  bezeichnete 
entsprechende  Raum  im  Osten  enthält  die  oben  beschriebene 
piscina  (55)  sowie  eine  Cisterne  (56),  über  der  eine  zum 
Teil  erhaltene  Trt-ppe  zu  den  Emporen  führte.  Ein  Bild 
der    im   Norden    angrenzenden  Annexe    gewährt   Fig.  34. 


Fig.    34.      Architektonisches    Detail    der  Seitenräiune  im   Norden    des   Baptisteriuiii.      Plan   Ziffer  69. 


Koinobial-  und  Coemeterialbauten. 


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War  im  Hinblick  auf  über- 
liefertes Ouellen-  und  Fund- 
inaterial  das  grosse  Baptisterium 
der  Menasstadt  ein  Uniciuu  seiner 
Art  für  die  Nillande,  so  darf  man 
schon  jetzt  von  den  Koinobien 
sagen,  die  al  tchri  stli(  he  Welt 
h  a I )  e  nicht  ihres  ( 1 1  e  i  c  h  e  n 
gekannt.  W-rcint  mit  den 
1  leiligtümern  Ijetrug  ihre  be- 
baute Fläche  über  vierzig- 
^  '  ta  usend  (Juadratmeter.    Nicht 

ganz  die  1  kilfte  dieser  Maassr  zählen  die  grössten  bis- 
her bekannt  gewordenen  Anlagen,  nämlich  „das  Schloss 
des  Simeon"  auf  der  Höhe  eines  Plateaus  ül:>er  dem 
Afrintale  in  Centralsyrien  sowie  das  berühmte  byzantin- 
ische Kloster  von  Thebessa  in  Nordatrika;  weit  zurück- 
bleiben die  grossen  Convente  der  peträischen  und 
sketischen  Wüste  und  der  Theljais.  Melleicht  hat  der 
arabische  Beschreiber  die  Koinobien  im  Auge  gehabt, 
als  er  „stolze,  wohlkonstrinerte  Paläste"  in  der  Menasstadt 
sah,  uiuoeben  xon  y-ewölbten  Kollonaden,  von  denen 
einige  JMönchen  zur  Wohnung  dienen.  Soweit  die  Aus- 
orabuno-    in   diesem   Teil  der  Trümmer  bisher  ein  Urteil 

o  o 


—  82   — 

erlaubt,  wird  sich  der  Grundplan  der  Koinobien  unschwer 
rekonstruieren  lassen.  Doch  haben  sie  im  Gegensatz  zu 
den  Heiligtümern,  mit  denen  nach  der  Zerstörung  nicht 
viel  anzufanoen  war,  arge  Verbauungen  erlitten  und  der 
Umstand,  dass  hübsche  Werkstücke  des  Kirrhenin\entars 
hierher  verschleppt  wurden,  giebt  der  Hottnung  Raum, 
man  werde  auch  auf  eine  oder  die  andere  spätklassische 
Skulptur  stossen.  Wo  sind  sie  geblieben,  die  „Statuen 
und  Cremälde  höchster  Schönheit",  welche  diese  Mauern 
einst  umschlossen;  wo  die  Handschriften,  die  dieses  grösste 
aller  antiken  Klöster  besessen  haben  nuiss  und  die  sorg- 
sam eehüteten  Schätze  Goldes  und  Sill^ers  der  National- 
kirche?  Wenn  schon  die  Tochterkirche  zu  Alt-Kairo  sich 
ihres  Schatzes  an  gemünztem  Gold,  goldenen  Gelassen  und 
anderen  Wertobjekten*)  rühmen  durttc,  welche  Kostbar- 
keiten mussten  nicht  in  den  Gewölben  am  Karm  Abu 
Mina  aufgespeichert  gewesen  sein!  Die  bilderfeindlichen 
räuberischen  Hände  des  Islam  pochten  verhältnismässig 
spät  an  die  Tore  der  exponierten  Menasstadt,  deren 
Mönche  Zeit  finden  mussten  zu  retten,  was  zu  retten 
war.  Man  kann  sich  vorstellen,  mit  welcher  Spannung 
von  uns  namentlich  die  Räumung  der  unterirdischen 
Corridore  und  Gemächer  in  Gisternenanlagen,  Basiliken 
und  Koinobien  verfolgt  wird,  die  sich  wie  ein  Katakomben- 
netz überall  verbreiten!    Freilich  bleibt  zu  bedenken,  die 


*)    In  Maldizis   Verzeichnis    der  Kirchen    \iiid  KUisler  wird  über  die  Phinderung  dieser  „von 
Alters  her  von  den   Christen  hochverehrten   Menaskirclie  in  der  Hamrä"  berichtet. 


—   83   — 


Fig.    30.      In   die   Koinobieii   NXTschifppttr    Marmnrpiiaster. 


im  Altertum  begonnene  Brandschatzung  und  Zerstörung 
um  des  Raubes  und  des  Fanatismus  willen  dauerte  mit 
veränderten  Motiven  bis  in  die  neueste  Zeit  tort.   Längst 


—   84   — 

erkannten  die  braunen  Söhne  der  Wüste  jene  durch  die 
blosse  Existenz  bedeutender  Ruinen  ihnen  und  ihrem 
Gebiete  drohende  Interessengefährdung'.  Ein  klassisches 
Beispiel:  Dem  Chech,  welcher  im  Jahre  l'Ml.S  unsere  Ex- 
pedition in  die  libysche  Wüste  führte  und  uns  die  am 
Karm  Abu  Alina  vorgefundenen  Trümmer  als  Reste 
eines  Chalifenschlosses  vorstellte,  war  der  christliche 
Ursprung  der  Ruinen  von  Boumna,  Schakkane  und  Sidi 
Jadem  längst  aus  der  Stammesüberlieferung  bekannt*) 
Nicht  Wissensmangel,  sondern  Furcht  und  Berechnung 
gaben  diesem  echten  Araber  die  Worte  ein  und  die 
Folgen  der  Expedition  werden  seine  Stammesbrüder  in 
jcMier  Taktik  nur  bestärken. 

An  Skulpturen  bieten  die  Koinobialräume  bislang 
nur  Kapitelle  verschiedener  Form.  Einzelne  Stücke  z.  B. 
der  Fig.  36  vorgeführte  gefällige  Marmorpilaster,  wurden 
zweifelsohne  aus  dem  Heiligtum  hierher  verschleppt. 
Der  glatt  gearbeitete  Block  misst  1,80x0,66  m  bei  einer 
Stärke  von  1 8  cm ;  das  anstössige  Symbol  ist  notdürftig 
aus  dem  flachen  Relief  herausgeschlagen.  Im  Gegensatz 
zu  den  Kapitellen  der  Basiliken,  teils  Akanthusmustern 
mit  überfallenden,  .schnabelförmigen  Spitzen  und  vier- 
lappigen Blättern,  ausladenden  Bossen,  starkem  auf  Licht- 
und    Schattenwirkung    berechnetem    Schnitt,    teils   Kelch- 

*)  Nicht  zu  verwechseln  iitit  der  geläiili^en  seiK-tis  der  Eingeborenen  beliebten  Indentifiziernng 
von  ,,alt"  lind  ,,christlicli".  sobald  von  antiken  Ruinen  die  Rede  ist-  Zu  bemerken  ist,  dass  ein 
Zweig  der  Auladalibediiinen,  die  Senagra,  ein  ausgesetztes  Christenkind  ;ils  ihren  Stammvater  be- 
zeichnen. Darüber  demnächst  n.aheres  in  dem  Falls*schen  Weike  über  die  Khediviale  Expedition 
nach  Siwah. 


Fi<r.    37.      KapiU'lle  aus  dun   KuinuljJL-n. 
(Das   Pfeilerkapitell  unten  links  aus  der  Ccemeterialbasilika  der  Nordnekropulis.) 


—   87   — 

Composit-  und  die  in  Egypten  beliebten  Korinthischen 
Löffelkapitelle  ii.  a.  herrscht  im  intimen  Raum  der  Koi- 
nobien  das  gedruckte  korinthische  Muster  mit  kleinen 
Voluten  vor,  dessen  eine  Seite  häufig  ein  Kreuz  oder 
ein  Monogramm  ziert.  A/Jan  trifft  denselben  Typus  häufig 
in  Moscheen.  Ob  es  sich  dabei  um  byzantinische  Im- 
portware handelt,  erscheint  im  Hinblick  auf  seinen  ge- 
ringen Kunstwert  zunächst  zweifelhaft,  das  Vorhandensein 
eines  unvollendeten  Kelchkapitells  schliesst  den  Gedanken 
jedenfalls  nicht  aus,  andrerseits  ist  in  jenem  jetzt  im 
Hofe  des  alexandrinischen  Museums  liegenden  Composit- 
kapitell,  welches  genau  dem  Fig.  9  oben  links  abgebildeten 
Muster  entspricht,  eines  der  vom  melkitischen  Architekten 
Eleazar  auf  Geheiss  des  Khalifen  El  Mutiwakil  gewalt- 
sam aus  Mar  Mina  entfernten  Stücke  wiederzuerkennen. 

Der  \\'eitere  Verlauf  der  Grabungen  wird  noch 
manche  einschlägige  Frage  definitiv  beantworten  u.  a. 
auch  die,  olj  die  Fig.  37  ersichtlichen  bisher  ausschliess- 
lich in  den  Koinobien  angetroffenen  zierlichen  jonischen 
S  t  ü  ('  k  e  Glieder  der  dortigen  Arkadenarchitektur  bildeten 
oder  aber  ursprünglich  den  Basilikenemporen  angehörten. 

Besondere  Erwähnung  verdient  unter  den  Kleinfunden 
eine  Serie  von  Affen  Statuetten,  für  die  ich  keine 
Parallele  kenne.  Die  sehr  realistisch  aufgefassten  Figürchen, 
durchgängig  Fragmente,  stammen  aus  zwei  nicht  weit 
von  einander  liegenden  Räumen,  wo  sie  nebst  wenigen 
Bronzenadeln,    Glasresten    und    Scherben    der   koptischen 


—   88   — 

Epoche  im  Schutt  lagen.  Das  Material  der  durchschnitt- 
lich 20  cm  liohen  Statuetten  ist  derselbe  hellgraue  Ton, 
welcher  zur  Fabrikation  zahlloser  Menaseulogien  diente. 
Würden  sich  diese  Affen  nicht  plenis  naturalibus  j^räsen- 
tieren,  so  Hessen  sie  sich  leichter  in  die  Terracottatierwelt 
unserer  Kulturstätte  einreihen,  deren  Töpfer  mit  Vorliebe 
die  Wüstenfrmna,    \on    der  Taube    und   Gazelle    bis  zum 


.^iS.      Bronzen   und   Gewichte  aus   den   Koinnbien. 


beladenen  Kamel  und  dem  Löwen  kopierten.  Auch  gibt 
die  immerhin  auffallende  Statuettenform  zu  denken, 
während  andererseits  das  Charakteristikum  aller  übrigen 
Tierterrakotten  —  mit  Ausnahme  der  schildbewehrten 
Reiter  —  nicht  fehlt,  nämlich  die  Oeffnung  zum  Ein- 
und  Au.sgiessen  (Proben  im  Vorbericht  Fig.  44).  F'ehlt 
jede  Parallele  zu  diesen  FTmden  was  die  altchristliche 
Zeit  anlangt,  so  doch  nicht  im  antiken  Nillande,  wo  es, 
angefangen    von    den    am    Tempel    zu   Abydos  mehrfach 


—  89  — 

gefunrleneii  in  Affcnform  retoiichieitcn  Silex  bis  zur  Dar- 
stelluno- des  dem  Mondgott  und  (jott  der  Wissenschaften 
Tot  geheiligten  Pavian,  Affentiguretten  häuhg  genug  gab.*) 
Hin  Urteil  über  die  innere  Baugliederung  fler  Koinobien 
in  ihren  verschiedenen  Teilen  wäre  jetzt,  wo  die  Arbeiten 
in   diesem   Teile  des  Stadtcentrums  erst  beeonnen  haben. 


Fig.    3*^'.      Tt-riacollnstatuette  ans  den   Kfiiiioliien. 

ofewiss  vertrüht.  Nach  Kl;iruiiu'  des  mit  schweren  Stein- 
blocken  übersäten  Trümmeit'eldes  Hess  sich  ein  ganzes 
Netz  \'on  Mauerzüoen  feststellen.  Es  wurde  Q-eo-en  Hnde 
der  r.'unpag'ne  der  Plan  getasst,  zun;ichst  in  den  der 
Gruttbasilika  angrenzenden  Gebruidetcil  \'()rzustossen  und 
dann  luittels  langer  Sondierunosoräben  nach  M/^esten  und 
Norden   auszufühlen.     Rechnet  man  die  bereits  entfernte 


■  1  Wrilil  zu  unterscheiden  von  den  Figürchen  des  Affen  mit  Jungem,  die  aus  Hieraconpolis, 
Abydos  etc.  stammen;  Beispiele  und  Abbildungen  beider  Arten  bei  J.  Capart,  Les  debutsdel'ait 
en  Egypte,   Bru.\elles   1904   p.    179  ff. 


—  ^0  — 

Steintrümmerlage  ein,  so  ergiebt  sich  für  das  Planum, 
auf  dem  die  antiken  Räume  liegen,  eine  auszugrabende 
Tiefe  von  durchschnittlich  \'ier  Metern.  Zunächst  drangen 
wir  gegenüber  dem  mit  Ziffer  70  bezeichneten  Portal  der 
Gruftkirche  in  gerader  Linie  nach  Norden  vor.  Das 
Terrain  zwischen  diesem  Teil  der  Heiligtümer  und  den 
Koinobien  war  ein  Hof,  in  dem  der  mit  dem  Nordende 
der  Menasquelle  correspondierende  Rundschacht  (auf  dem 
Plan  in  der  Pfeilrichtung  von  48  a)  aufgedeckt  wurde. 
Er  war  wie  alle  Cisternen  und  Schachte  ^'on  oben  bis 
unten  mit  Marmor-  und  Kalksteintrümmern  angefüllt. 
Dicht  neben  ihm  liegen  Klosterräume,  erhebt  sich  ein 
alter  Arkadenbogen,  fanden  sich  Säulen  und  viele 
Trümmerstücke.  Genau  37  m  \'om  genannten  Basiliken- 
portal entfernt  liegt  ein  ehedem  von  acht  z.  T.  wieder 
aufgestellten  Säulen  getragener  Saal.  Er  misst  9x12,50  m 
und  war  mit  schweren  mannshohen  Marmorplatten  be- 
legt, die  aus  den  Basiliken  stammen  dürften.  An  den 
2,35  m  breiten  Zugangstüren  im  S  imd  N,  deren  Marmor- 
fassung noch  erkennbar  ist,  standen  ebenfalls  Säulen. 
Die  Mauern  sind  über  3  m  hoch  erhalten.  Vom  Saale 
trennt  eine  in  jüngerer  Zeit  eingelegte  Wand  ein  kleineres 
Appartement  ab,  charakteristisch  durch  eine  Reihe  von 
Dipintoinschriften  *),  die  hier  teils  an  den  Wänden,  teils 
im  Schutt     gefunden     wurden     und     die     nun     in    der 


*)  Die  Farbe  ist  rut.  Auch  viele  der  Terrakotteneulogien  tragen  Inschriften  in  roter  Schrift. 
Das  benutzte  Farbenmaterial  war  Saflor  (Carthamus  tinctorius  L. },  was  aus  der  Inschrift  KNH  KOY 
ß,    KNHKOYF   in  den   Rilunun   eint-r  Töpfeiei  hervorgeht. 


—  91    — 

eg'yptischen  Sonne  verblassen.  Ich  brauche  nicht  zu  ver- 
merken, dass  auch  hier  die  unscheinbarsten  Details  photo- 
graphiert  und  notiert  wurden  und  Ijeschrcänke  mich  darauf 
eine  Probe  abzubilden.  Den  Inhalt  der  meisten  dieser 
Dipintos  bilden  Acclaniationen  an  Menas,  Namen,  ge- 
legentlich auch  ein  rohes  Bildzeichen.  Unter  den  Namen 
sei  Eugraphos  erwähnt,  der  an  den  gleichnamigen  Ge- 
nossen des  Dezembermenas  erinnert;  doch  handelt  es  sich 


Fig.   40.      Dipintoiiischrift  dei    Koinobien. 

hier  um  eine  Privatperson.  Auch  Graffiti  ergaben  sich, 
deren  Nomenclatur  und  Palaeographie  ans  Ende  des 
fünften  und  in  die  erste  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts 
verweist.*) 

Im  (3sten  des  beschriebenen  Saales  wurde  ein  3,70x5  m 
(ursprünglich  3,70x9  m)  grosses  Gemach,  südlich  ein 
tiefer  liegendes  Gewölbe  konstatiert.  Doch  galt  es,  zu- 
nächst in  grossen  Versuchslinien  die  gesamte  Umgebung 


*)     Vgl.     meinen    Aufsatz    „Neue    Funde    in    der  Menasstadt",     Römische  Quartalschrift  für 
christliche  Archäologie  etc.   1 906  Heft  IV. 


—  92   — 

zu  sondieren.  So  o'ruben  die  Arbeiter  voral)  im  Westen 
einen  über  (jO  m  langen  Einschnitt,  welcher  bei  Meter 
fünfzig  durch  ein  gewölbtes  1,4(1  m  breites  Tor  nördlich 
abzweigt  und  zwischen  zwei  Alauerzügen  nordwärts  ver- 
läuft und  nach  weiteren  35  m  den  zu  Bäidern  führenden 
Graben   trifft. 

Dieses  Vorgehen  ergab  befriedigende  Resultate.  Zu- 
nächst kam  direkt  an  den  Saal  anstossend  ein  16v4,7i)  m 
erosser  Raum  heraus,  an  dessen  Wänden  stuck\'erkleidete 
Bänke  herlaufen  und  der  wohl  als  Empfangsraum  oder 
tablinum  für  vornehme  Gäste  diente.  Denn  Gastlichkeit 
muss  die  Stätte  ausgezeichnet  haben,  wo  einst  so  viel 
Reichtum  und  A'olk  zusammenfloss,  wo  die  Wüste  und 
der  nahe  See  wetteiferten,  die  Tafel  zu  besetzen  und  der 
edle  mareotische  Wein  gedieh,  dessen  Fülle  und  Güte 
Strabo  lobte,  Virgil  und  Horaz  besangen.  „Gastliche 
Häuser,  in  denen  ich  hart  geprüft  bin  im  I  lerzen,  einst 
meine  Weinschänke  und  Herberge"  rult  der  arabische 
Dichter  Ibn  Abu  Asim.  In  einem  Abteil  dieses  Raumes 
fanden  sich  Tröge  und  Gefässständer,*)  ein  Steinmörser 
nebst  Tonstempel,  Glasscherben,  glasierte  Tonfragmente 
und  mehrere  Weinamphoren.     Den  Ausgang  ilankiertcn 


*)  Rohe  Steintröge  gewülinliclister  Form.  Von  einem  Weinträger  besserer  Sorte  blieb 
die  fragmentierte  M.irmormaske  erhalten,  ein  32  cm  hoher  umrankter  (B,acchus-?)  Kopf  mit 
stilisiertem  Vollbart  und  rundem  12  cm  tiefem  Speier  (Mundöffnung).  Die  Skulptur  dürfte  dem 
fünften  Jahrhundert  oder  der  ersten  Hälfte  des  sechsten  angehören;  der  Kopf  steht  ungleich  höher 
als  die  verwandten  Exemplare  mit  Menschengesichtern  im  Kairiner  Museum,  für  welche  man  Strzy- 
gowski's  Katalogband  ,, Koptische  Kunst"  einsehe.  —  Speier  in  Form  von  Löwenköpfen  kommen 
öfter  in  der  Menasstadt  vor,  so  aus  dem  Baptisteriuni  (Bericht  I  Fig.  52)  am  grossen  Bassin  der 
Fig.   5  1    .abgebildeten  Keller  mit  eingesetzten  Glasaugen. 


—  93   — 

zwei  hohe  achtecki,o-e  Sruilcnbasen  aus  weissem  Marnior; 
(licht  (lalni  lao  im  l'aximcnt  der  Fig.  36  abgebildete 
Pilaster 

Hier  zweigt  ein  andeier  Sondieriingsweg  nach  Süd- 
westen ab  und  trifft  dort  eine  Gruppe  \^on  Rciumen. 
Zugleicli  mit  dem  N'orstoss  eines  dritten  bislicr  ;uil  70  m 
L;inge  gediehenen   ( iraben,   wurde  die  dem   Baptisterium 


Fig.   41.      Get'Usse  aus  den   Koinobien. 

gegenüberliegende  Aussenf  hiclu  der  Koinobien  angegriffen. 
Reste  \'on  .\rkaden,*)  stark  \-erbaute  Partien  —  in  einem 
Raum  ein  (>  m  tiefer  Schaelit  —  kamen  dabei  ans  Licht, 
xermauerte  Scäulentrommeln  und  Kapitelle  bilden  wert- 
\()lle  Hinweise  und  der  Fund  einer  granitncn  Hand- 
mühle kässt  schon  im  \\)raus  auf  die  nachträgliche  Be- 
stimmung schliessen.    Auch  grosse  ca.  30  Liter  fassende 

*}    Auf    Arkaden    ruhende    GebiUide    iie/richnen    mittelalterliche    arabische    Quellen    yerne    als 
„hängende"'   /     1-.   die  berühmte    PatriarchalkiiLhe   ,. Al-Muallaka". 


_  94    — 

Amphoren  wurden  vorgefunden;  unter  einigen  kleinen 
verschlossenen  (aber  leeren)  Amphoren  trug  eine  den 
Gipsstempel  X  J\[  EMMANOYHl 

Wir  gedenken  im  Frühjahr  1907  den  ersten  Vorstoss 
nach  dem  aussfedehnten  nordwestlichen  irünunerfeld  zu 
unternehmen,  wo  nicht  nur  die  Oekonomiegebäude  der 
Koinobien  sondern  auch  weitere  Heiligtümer  und  der 
vita  communis  dienende  Partien  zu  erwarten  sind, 
u.  a.  die  Theklakirche,  in  flerm  Ncähe  Menas  —  nach 
den  Miracula  - —  eine  Frau  aus  der  Gewalt  eines  Sol- 
daten errettete. 


Da  alle  fortifikatorisch  angelegten  Koinobialbauten 
eigene  Coemeterien  für  ilire  Insassen  einschlössen,  was 
noch  heute  in  den  Klöstern  der  sketischen  Wüste  und 
anderwärts  der  Fall  ist,  so  wird  man  wohl  im  \"er- 
laufe  der  Ausgrabung  auch  die  Mönchsgruft  der  Menas- 
heiligtümer  wiederfinden,  denn  in  den  Hauptbasiliken 
waren  nur  wenige  sehr  distinouiertc  Persönlichkeiten 
beigesetzt,  die  Coemeterien  der  Umgebung  aber  dienten  vor- 
zugsweise der  anoesiedelten  Bevölkerung.  Die  Ouellen 
sprechen  wiederholt  von  Mönchsgräbern.  So  besass,  um 
ein  hervorragendes  Beispiel  zu  nennen,   das  Kloster  von 


1:100 


"Wm 


Fig.   42.     Coemeterialbasilika  im  Norden  der  Menasstadt. 
(Vermessen  und  gezeichnet  von  J.  C.  Ewald  Falls.) 


—   97   — 

Nahiä,  von  dem  auf  Grund  des  verlorenen  „Buches  der 
Klöster"  von  Esh-Schabuschte  namentlich  xA.bu  Salili, 
Jaküt,  Kazwini,  Makrizi  berichten,  nahe  einer  dem  Ere- 
miten Antonius  geweihten  Kirche  zwei  Grüfte,  eint'  für 
die  Bischöfe  von  Gizeli,  (He  für  die  Mönche  und  au^^er- 
dem   separierte  Coemcterien   für  die  Anwohner. 

Im  Verlaufe  der  Sommercampagne  wurde  auch  den 
Ccemeterien  der  Menasstadt  einige  Aufmerksamkeit  oe- 
schenkt.  Die  wichtigsten  Resultate  waren  die  F r ei- 
le o-un<>"  der  Basilika  des  Nord  friedhofs  und  die 
Entdeckung  der  S  ü  d  n  e  k  r o  j)  <  >  1  e ,  sodass  jetzt  bereits 
vier-  Ccemeterien  —  zwei  daxon  mit  eigenen  Sepulkral- 
kirchen   —  festgestellt  sind. 

Die  am  Nordccemeterium  fieigelegten  Gräber  stammen 
meist  aus  jüngerer  Epoche;  die  schönen  regulären  Grab- 
stelen sind  bereits  dem  deutlichsten  Zeichen  aral)ischer 
Dekadenz,  dem  Steincippus  gewichen.  Keines  der  Reihen- 
gräber  zeigt  ein  anderes  Merkmal  als  höchstens  ein 
schlecht  graviertes  Kreuz  mit  ausgabelnden  Hasten  oder 
den  Q'anz  verwitterten  Rest  eines  Namens.  Einioe  wenige 
haben  Spuren  \'on  Bemalung,  sie  entstammen  der 
schützenden  Behausung  eines  Mausoleums,  dessen  Grund- 
riss  sichtbar  ist.  Auch  finden  sich  Grabsteine  in  Kreuz- 
form unter  den  230  bisher  aufgedeckten  Cippen.  Die 
Gräber  liegen  0,5 — 2  m  tief  und  sind  von  4 — 7  Stein- 
platten \'erschlossen.  Grabfunde  sowohl  als  die  Wieder- 
benutzung    \'on    Bausteinen     geben    Anhaltspunkte    tür 


—   98    — 

mindestens  zwei  verschiedene  Bestattungsperioden,  indem 
die  tiefer  liegenden  und  nahe  an  die  Basilika  heran- 
gerückten u.  a.  Lämpchen  des  5. — 6.  Jahrhunderts  sowie 
Fragmente  von  römischer  Fayence  enthielten,  während 
die  Zusammensetzung  des  Aufschuttes  in  den  höheren 
Lagen  sowie  die  Beigabe  jener  kleinen  Kreuzchen  (mit 
eingravierten  Kreisen)  und  gewöhnlicher  Bronzeringe, 
(auch  ein  Beinpüppchen),  für  die  koptische  Zeit  sprechen. 
Ein  Sechstel  der  in  diesem  F"riedhofe  liegenden 
Basilika*)  war  bereits  während  der  Wintercampagne  1 906 
ausgegraben  worden ;  dank  der  grossen  Arbeiterzahl  und 
leichten  Terrainverhältnissen  wurde  der  Rest  in  kürzester 
Zeit  geklärt.  Figur  43  zeigt  die  vollende  Arbeit  von 
der  Höhe  eines  Schutthüefels,  während  Fig.  42  den 
Grundriss  des  sehr  interessanten  Bauwerkes  \'orführt: 
eine  fünfzig  Meter  lange  dreischiffige  Basilika  mit 
grossem  Atrium  und  zahlreichem  Grabkapellen,  sowie 
einem  Baptisterium.  Die  von  Prothesis  und  Diakonikon 
flankierte  Apsis  ist  in  das  Oblongum  eingebaut.  Acht- 
zehn Sciulen  und  \'ier  Pfeiler  trugen  das  Dach  des  Naos ; 
von  ihnen  ist  wenig  übrig  geblieben,  doch  genügend, 
um  auf  Grund  des  Materials,  der  Kapitelle  etc.  dem  Bau 
die  Zeit  der  Arkadiusbasilika  anzuweisen.  Einige  Stücke 
des  ursprüngliches  Pa\'iments  in  Marmormosaik  (geome- 
trische Muster)  sind  erhalten;  Wände  und  Türe  trugen 
über  der  dicken  Stuckauflage  schwere  Marmurbekleidung. 

*)    Zur  Auffindung  vergl.   Bericht  I,  S.   66 — 68. 


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—  101  — 

Als  Seltenheit,  für  den  Orient,  präsentiert  sich  das  einst 
von  Arkaden  umgebene  Atrium,  in  welchem  der  übliche 
Cantharus  fehlt.  Vielleicht  häno-t  die  Anlasse  dieses 
Atrium  eng  mit  dem  Charakter  der  Basilika  als  Be- 
gräbniskirche zusammen,  indem  so  Platz  für  die  Leichen- 
feierlichkeiten an  den  angrenzenden  Grüften  und  Kapellen 
gewonnen  war.  Unter  den  x'\nnexräumen  der  Kirchen 
heben  sich  die  Kapellen  g  ]i,  k  m  und  9,  10  besonders 
heraus,  erstere  mit  triconchem  Abschluss.  Bei  Ziffer  3 
steigt  man  in  eine  Cisterne  hinab,  deren  Verlauf  die 
beiden  Buchstaben  n,  n  anzeigen,  und  die  unter  dem 
Halbrund  im  Räume  1  einen  zweiten  später  vermauerten 
Schacht  besass.  Die  Vermutung  liegt  nahe,  im  Stock- 
werk dieses  Traktes  habe  die  Geistlichkeit  und  Bedienung 
der  Basilika  quartiert. 

Grabräuber  hatten  die  Mehrzahl  der  Grüfte  in  früheren 
Jahrhunderten  erbrochen,  von  den  wenigen  ungeöffneten 
enthielt  jede  ein  kleines  Glasgefäss  am  Kopfende  der 
Leiche.  Spuren  von  Särgen  oder  Stoffresten  fanden  sich 
aber  nicht,  auch  nichts,  was  auf  die  Persönlichkeit  des 
Beigesetzten  schliessen  Hesse.  Die  Art  des  Grab- 
verschlusses zeigt  unsere  Fig.  46,  rektanguläre  Platten 
ohne  jedes  Merkmal  einer  Inschrift.  Die  Gebeine  eines 
mittelgrossen  ALannes  lagen  darunter,  den  Kopf  nach  Norden 
gerichtet  und  daneben  die  Gla.sscherben  einer  Phiole. 
Das  grmze  Grab  war  mit  Erde  angefüllt,  deren  obere  Lage 
angeschlemmt  war,  so  als  ob  Wasser  eingedrungen  wäre. 


—  102  — 

Die  Entdeckung  der  Südnekropole  \-erdanken  wir 
einem  Zufalle.  Der  Beduine,  den  \\ir  zum  Wächter  der 
Ausgrabungen  bestellt  haben,  verfolgte  im  Flachland  ein 
Tier,  welches  plötzlich  in  der  Erde  verschwand.  Beim 
Ausgraben  stiess  er  auf  eine  stuckbekleidete  Treppenstufe 
und  machte  sofort  von  seinem  Eunde  Mitteiluno-.  Die 
Treppe  mündete  bereits  nach  der  dritten  Stufe  in  eine 
Grabhöhle,  welche  ein  schwerer  cjuadratischer  .Stein  ver- 
schloss.  Vorsichtig"  wurde  die  ganz  \'erschüttete  Kammer, 
in  welcher  die  tonhaltige  Erde  steinhart  geworden  war, 
freigelegt;  sie  enthielt  zwei  Leichenschichten,  zu  ol^erst 
drei  Erwachsene  und  ein  in  einer  halben  Amphore  bei- 
gesetztes Kind,  zu  unterst  vier  Personen.  Die  Stelle, 
wo  der  Wüstenfuchs  in  einem  kleinen  Erdloch  ver- 
schwunden war,  war  durch  eine  Bodensenkung  markiert, 
die  Gruftdecke  alsd  im  Laufe  der  Jahrhunderte  eingestürzt. 
Solcher  Bodensenkungen  konstatierten  wir  in  der  Eolge 
mehrere.  Sie  zeigten,  wo  zu  graben  war.  An  systema- 
tisches Aufdecken  etwa  vorhandener  intakter  Grüfte  und 
solcher,  deren  Decke  nicht  eingebrochen  war,  durch 
sondierende  tiefe  Gräben  war  vorab  in  Anbetracht  der 
Ausdehnung  des  Eeldes  und  anderer  drängender  Arbeiten 
nicht  zu  denken.  Besonderes  Interesse  beansprucht  der 
Fund  eines  Teichorabes  auf  diesem  Terrain,  \\  ie  man 
sie  gelegentlich  im  Orient  z.  B.  in  der  Oelbergkatakombe 
zu  Jerusalem  vorfindet.  Der  Boden  der  6  X  3,86  m  grossen 
Grabkammer  liegt  knapp  vier  Meter  unter  der  Erdober- 


h  i^.   44      45.      Gl  über  der   CoemeLerialbasilika. 
t^Ohen   bisomus  No,   18,   unten   No.  20.) 


—  105  — 

fläc^he.  Eine  einen  Meter  breite  Steintreppe  führt  in  die 
Tiefe.  Die  Wände  des  Einstieges  bedecken  Steinfliessen. 
Den  Einstieg,  sowie  den  Gruftraum  stellen  die  Ab- 
bildungen Fig.  47 — 18  dar.  Um  den  cementierten  Boden 
läuft  eine  niedere  ccmenliertc  Bank,  sodass  die  Leichen 
gleichsam   in   ein   Bassin,   einen  Teich  Q-estellt  erscheinen. 


Fig.  46.      Grab  No.   8  der  Ciienieu-tialhasilika,  vor  der  Oeffnung. 

1  n  dieser  Familien  g  r  u  f t  waren  sieben  Personen, 
darunter  ein  orösseres  Kind  nebeneinander  p"ebettet.  Die 
verhärtete  aufgestürzte  Schuttmasse,  die  sich  nui  mit 
kurzstieliger  Picke  abhacken  Hess,  erschwerte  eine  genaue 
Feststellung  des  Befundes  erheblich.  Von  Beigaben 
fanden    sich    nur    das    Fragment    einer    durchbrochenen 


—  106  — 

Ampulle    uikI    \-ier   Tcrrakottalämpchen,    welche  offenbar 
auf  der  Bank   plaziert   waren. 

Die  Südnekropolis  bestand,  soweit  bisher  konstatiert 
werden  koimte,  ausschliesslich  aus  solchen  unterirdischen 
Kammern,  zu  denen  Treppen  von  3 — 15  Stufen  hinab- 
führten. In  jedem  cubiculum  la^'cn  drei  i)is  \'ier  Tote, 
eventuell  die  doppelte  Zahl  in  zwei  Schichten.  Es  handelt 
sich  also  um  Familienbegräbnisse,  wobei  kleine  Kinder 
in  Amphoren,  Erwachsene  ohne  Sarg  beigesetzt  waren, 
während  die  Gruft  selbst  bei  jeweiliger  Aufnahme  eines 
Verstorbenen  von  neuem  Qeöffnet  wurde.  An  Beig-aben 
fanden  sich  am  häufigsten  Tcrrakottalämpchen  des  fünften 
bis  sechsten  Jahrhundert,  seltener  Menaskrüglein  und 
Bronzeschmuck,  Inschriften  fehlen  —  soweit  die  wenigen 
bisher  geöffneten  Kammern  einen  Schluss  zulassen  — 
gänzlich.  Die  Fig.  47  abgebildete  Ampulle  wurde  im 
Terrain  über  den  Gnlbern  auso-egfraben ;  sie  zeigt  den 
Mohrenkopf  und  dürfte  umsomehr  ein  bisher  unbekanntes 
Produkt  der  Menasöfen  sein,  als  der  Mohr  auch  aut 
Eulogien  eine  Rolle  spielt. 


Schreiten     flie     Arbeiten     der    Wintercanipagne     in 
\\ün.schens\verter    Weise  voran,    was  in   erster  Linie  von 
den    \'erfüo-baren   Mitteln   al)li;in^-t,    dann   wird   der  dritte 
Ausgrabungsbericht     bereits      Anfangs      |uni     erscheinen 
können.      F,r   soll   als  Doppelbcricht   zunächst  eine  natur- 
wissenschaftlich-ethnographische   Abhandlung     über     die 
noch   wenig   erforschte  A/JariCit  aus  der   Feder  des  Herrn 
Falls  bringen  und  damit  vielfach  ausgesprochenen  W^ünschen 
entp'ep'cnkomnicn  ;  ferner  die  Gesanitanlay"e  der  Menasstadt, 
ihie  kultin-elle  Position  sowie  ihr  Verhalten   zu  den  nahen 
antiken    Schwesterstädten    behandeln,     insonderheit    den 
Stadtplan  und  Detailpläne  der  Koinobien  und  Xenodochien 
bieten.   Auch   die  im   V^orwort  erwähnte  F'alls'sche  Karte 
der  antiken  Mareotis  und  Marmarica  hoften  wir  bis  dahin 
herauszubringen.    Erneuter  Dank  sei  jenen  hochgestellten 
Mäcenaten     ausgesprochen,     welche    dem     grossen,    rein 
wissenschaftlichen  Werke  auch  türderhin  tatkrriftige  Unter- 
stütz unu"  Q-e währen.     Unter  der  Aeoäde  des  um  so  viele 
gelehrte  Unternehmungen    \^erdienten  Oberbürgermeister 
von    Frankfurt    am    Main    Herrn    Dr.    Franz  Ad  ick  es 
nehmen   die  Ausgrabungen   normal    Fortgang  und  sehen 
sie  einem  befriedigenden  Abschluss  entgegen.     Wir  sind 


—  1  öS  — 

im  laufenden  Semester  für  grössere  Beiträge  insbesondere 
den  bekannten  alexandrinischen  Handelsgrossherren  Herrn 
Heinrich  Bindernagel  und  Herrn  R.  Lindemann 
verpflichtet  sowie  den  Herren  Geheimer  Kommerzienrat 
Dr.  Gans,  Herrn  Dr.  Wilhelm  M  er  ton,  Herrn 
Generalkonsul  Weinberg  in  Frankfurt  am  Main.  Der 
bedauerlichen  Tatsache,  welche  Hofrat  Strzyzowski  in 
seinem  für  die  altchristliche  Kunst  des  Orients  bahn- 
brechenden Werke  „Kleinasien"  konstatiert,  man  arbeite 
auf  allen  Gebieten  der  Kunstgeschichte  in  einem  unserer 
Zeit  entsprechenden  Massstabe,  „nur  für  die  Denkmäler- 
welt, die  uns  doch  eigentlich  am  nächsten  stehen  sollte, 
die  christliche",  sei  kein  Geld  flüssig  zu  machen,  diesem 
leider  allzuberechtigten  Vorwurf  haben  in  Egypten  die 
um  die  Menasstadt  verdienten  Mäcenaten  eine  erste 
bedeutsame  Ausnahme  entgegengesetzt. 

Auch  die  früheren  Förderer  des  Unternehmens,  Exe. 
Dr.  Schiess-Pascha,  Herr  Geo  Ruelberg,  Exe. 
Brugsch  Pascha,  Higenieur  Kayser,  Herr 
A.  Pachundaki  u.a.  stehen  nach  wie  \'or  treu  zur  Seite 
und  wir  genossen  dankbar  das  Wohlwollen  der  Behörden, 
vornan  des  Herrn  Generaldirektors  der  Altertümer  Prof 
Maspero,  sowie  die  in  Anbetracht  unserer  exponierten 
Lage  doppelt  zu  wertende  vizekönigliche  Gunst. 

Für  Interessenten  sei  noch  bemerkt,  dass  ausser  den  im 
vorliegenden  Berichte  verzeichneten  Binder  sehen  Ori- 
ginalaufnahmen der  Ausgrabungen  auch  Abzüge 


—  109  — 

der  im  Vorberichte  o'enannten  Bilder,  meist  18^24  und 
24  X  30  cm  gross,  von  dcv  F"irma  Reiser  &  Binder  (Alexan- 
drien  unrl  Kairo)  zu  beziehen  sind;  Reproduktion  dieser 
Aufnahmen  ist  ohne  Weiteres  gestattet.  Fachgenossen 
steht  wie  im  Vorjahre  Material  aus  den  übrigen  im 
vierten  Hundert  angelangten  (nicht  im  Handel  befind- 
lichen) Aufnahmen   uernc  zu   Diensten. 


Errata  corrige. 

S.  26  lies:  Polychromie;  S.  36  auf  37:  festzu-stellen ; 
S.  37  Zeile  8:  nach  Ouatremere's;  S.  43  Z.  3  Martyrium; 
S.  50  Z.  12:  angeschnitten;  S.  60  Z.  6  Alenasp^xis;  S.  61 
Z.  3  1IAHHL2C. 


Fig.    47.      Mohrenkoptampiille   ;uis  der  SüdneUropole. 


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Fig.   48 — 49.     Teichgrab  der  Südnekropole;  Einstieg  iind  Imieres. 
(Aufnahme  von   Reiser   &:    Riiuler,   Alexandrien.j 


ii 


Ik-Ü-,  dt . 


1  -WO. 


I' ij^.    53  --  54.      I\.i[v_*ll(.-   im  ;intik*--ii   Gartenland. 
(Auf   dfin    Plancliche   ist   vcrstln-ntlich   der   Massstab   weggebliL-ben.) 


Kig.    55  —  57.       1.    l'inlje    von    Beintutuleti.      2,   (irab  tles  Nurdfiiedhi)fes. 
j.   Sclitiitt  durch   «-incti    Knm. 


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DE"C     78 

N.  MANCHESTER, 
INDIANA  46962