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UNIVERSITY OF ILLINOIS

AT URBANA-CHAMPAIGN

April 1992

Microfilmed By

MAPS

The MicrogrAphic

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Bethlehem, PA 18017

Camera Operators

Carmen Trinidad

Patty Banko

MICROFILMED 1992

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1408 West Gregory Drive Urbana, Illinois 61801

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University of Illinois Library at

Urbana-Champaign

MASTER NEGATIVE STORAGE NUMBER

91-1055

AUTHOR: Wolfenstein,

Alfred TITLE: Die gottlosen

PLACE DATE:

Jahre Berlin 1914

\/

UIUC Master Negative 91-1055

University of Illinois at Urbana-Champaign

University Library

Urbana, Illinois 61801

HUMANITIES PRESERVATION PROJECT CATALOG RECORD TARGET

Wolfenstein, Alfred, 1888-1945.

Die gottlosen Jahre / Alfred Wolfenstein. Berlin : S. Fischer, 1914. 87 p. ; 24 cm.

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BETHLEHEM, PA

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The Humanities Preservation Project

at the University Library

of the University of Illinois at Urbana-Champaign

Film size: 35mm microfilm Image Placement: IIA Reduction Ratio: 1^'-^ Date Filming Began: H^^T,

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DIE

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GEDICHTE

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S. FISCHER. VERLAG. BERLIN

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ALFRED WOLFENSTEIN

DTE GOTTLOSEN JAHRE

I 9 I 4 S. FISCHER -VERLAG. BERLIN

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Alle Rechte vorbehalten, besonders die der Übersetzung

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DIE GOTTLOSEN JAHRE

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Musik nicht will ich machen sondern schreiten

Und zeigen meine Schritte.

Musik nicht gibt das hart geballte Reiten

Der Heere von Seelen, die streiten

Um meine Mitte.

Und ist kein Boden mehr, kein Traum zu schreiten.

So sollt ihr noch mein Stehn verspüren!

Ich laß wie ein Gebirge mich nicht gleiten.

So gut befreundet immer noch mit Möglichkeiten,

Kein Schicksal soll mir meine Stirn entführen.

Am scharfen Rande ausgesogner Weiten,

Auf nichts als meinen zitternd spitzen Zehen,

Erwachsen, sehend nur mein Sehen,

Entstürzt dem ersten Garten und mit keiner zweiten

Musik als meinem Warten : spürt mich stehen.

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DIE UNSICHERHEIT

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ZWISCHEN DEN LIEBEN

Er kam von seiner Mutter, die ihn küßte Und ihm die Hände drückte, als er ging ; Sein Mund will zitternd hin auf nackte Brüste, In seinen Händen zuckt ein Wink.

Nachher . . die letzte Tür zur Straße klinkend . . Was nun? wohin?, .denn die Betäubung ist vorbei! Er blickt sich um, in Leere fast ertrinkend. Zum Park? ins helle Cafd? O so einerlei . .

Und wie durch eine blinde Fensterscheibe KahFund gespenstisch bleich ist alles anzusehn. Ihm ist als sei ihm gar nichts von dem Weibe Doch auch von seiner Mutter nie etwas geschehn.

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VERÄNDERUNG

Er kam von seinen Freunden, . . ihren Worten . . Das schwärmte nicht mehr, war so krumm und klein, Und trat in jeder Wunde weiche Pforten Mit sauren Blicken siegreich ein.

Und trat und sah sonst nirgends hin, besiegte Nur Löcher, sah die Form nicht des Gesichts, Sah Löcher nur, in die man spie und piekte. Die volle Hand, der gute Gang war denen nichts.

O . . Kinder . . denkt er . . wohin wuchset ihr . . aus

Spielen, Da Leib den Leib, nicht Stirn nur Stirn empfand. Die Worte irgendwie rund aneinander fielen Wie großer Himmel an gleichgroßes Land . . ?

Und selber er . . verlautet nicht in seinen Gliedern Und in der Worte und der Gesten Spur, Als war auch sein so ähnliches Erwidern Nicht Abwehr, Not . . sondern auch ihm bereits

Natur?

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KNABENNACHT

Ich will aus diesen feindlichen Zimmern fort. Darinnen auch die häßlichsten Bilder nicht So alt, so roh, so leer mich ansehn Wie meiner Eltern verzankte Augen.

Der Straße zu! die streichelnde Laute sang Durchs Fenster, wenn mich innen Gewalt bespie, Der Bahn Geklingel, Baß der Autos Kamen und rennender Jungens Pfiffe!

. . Nun wird es schon beruhigend fern und fremd. Mit neuen Lichtern, Schildern, Cafes geschmückt. Und ihr . . ach feeenhaft erscheinen Mädchengesichter mit nahem Gange.

. . Du sprichst so leicht, gewaltlos, verwandt zu mir. In dein Haus will ich, willst du es, gern mitgehn. Du bist mit mir zugleich geboren. Dennoch so seltsam beglückend ältre!

. . Und dieses Zimmers hauchender roter Mund, Das Bett, dein Arm, dein Busen . . zu drückend noch ! In dich hinab ! . . vom sonngequälten Gipfel verrinnen wie bleichste Schneee . .

Zu schwarzen Tiefen, Seiten der Blindheit hin,

Erloschnen Tränen, liebloser Freude zu.

Wo Blitze weich und nichtig zucken . .

~ Ach . . wieder aus? . . wieder anziehn . . gehen . .

Die Türen sind schon offen . . Die Straße grell Schlägt lautlos mir ins frierende Angesicht Und jagt mich wieder fort . . nach Hause . . Ach und inzwischen zu sterben hofft ich . .

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LEIDENDES WOHNEN

Dieses Kriechen im trüben Tunnel der Straße . . Bleiche Fenster schielen an mir vorbei, Oben des kleinen Himmels Einerlei Wirft in die Scheiben ein schiefes Lachen.

Trocken kreischt die hündisch liegende Straße, Die mein Fuß in Unruh und Haß gebraucht. Niedre Luft, von Stadtgerüchen durchraucht. Speit auf meine Stirn aus pfeifenden Rachen.

Gähnend endet die Straße

Und die klebenden Lippen atmen ins Freie hinaus, Wo sich hell der Tiefe Grün und goldene Hoheit

umfängt

Doch ich werde mich wenden . . dumpf gedrängt . .

In der Gewalt der Häuser bin ich zu Haus.

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ERSTE NACHT

Und dann ihr blindes Pupillenfunkeln fühlend,

Im Schlamme versiegter Flut sich suhlend,

Ent jungt! verstoßen! verloren auf immer

. . Wie kam in sein Begräbnis doch ein Schimmer?

Es war als fände er im neuen Nichts Erinnrung seiner süßen Mutter wieder, In der vor dieser Qual des schwarzen Lichts So einig lagen seine Seel und Glieder.

17

ZWISCHEN DEN JAHREN

Mit geschwollner Gewalt sie fassen,

Sich in sie sinken lassen,

In ihre Blindheit, ihre Angst, ihre Fülle, ihren Schrei

Ihre Liebe haben wie verbrannten Brei Auch das geht vorüber!

Dann springt er aus dem Bette

Und ist noch mit sich selbst beisammen! Starrt in sein Herz hinüber

Dort waren einmal Flammen

Er hört sie weinen, Tropfen fallen

Auf seine Hand diese Hand

Er hört auch ferne verhallen

Die Sanftheit, die dem grellen Kopfe fortgerannt

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MÜHSAME ERDE

O Gott . . vielleicht sehnt eine Wiese sich nach mir,

Der schreibend den gehäuften Schreibtisch preßt!

Papier

Hält mich, den Menschen, hält mich wirklich fest!

In dieser dünnen Wüste geisterst du, Mitmenschheit, unmenschliche, fiebrig du vor

Zwang, Dich selber folternd, . . sehnsüchtig nach Ruh . . Und machtlos wie der Uhr gespannter Gang.

So arbeit ich, arbeitet ihr, um Arbeit dreht Sich eine leicht geschaffne Welt, Und das Gestirn in unserm Auge steht Nicht mehr darüber, . . duldend angestellt!

Wie meine Finger krauchen tierisch grau . . Wie Schmetterlinge licht sein können . . Der Feder sangloser Radau . . Mein Herz wird krank vor Wunsch, hinauszu-

rennen . . .

19

ENDE

Zu Bett, zu Bett! wie alle . . hingelegt! Du glaubst noch nicht, dies sei ein Tag gewesen, Weil du an seinen Eingang goldne Thesen Schneller Erwartung schlugst vom Licht erregt?

Und fühltest dann mit dick bestaubtem Besen Die Stundenstufen dich hinabgefegt . . Nun zögerst du . . Nein, schweigend hingelegt! Und auch von Andrer Glück nicht mehr gelesen !

Ein Stern sticht funkelnd durch die Jalousie, Der spielt nun Sonne in dem schwarzen Räume . . Auch ich bin hier so lächerlich und klein . .

O daß der Schlaf mich nicht noch niedrer zieh ! Vergolde nicht die Not und laß im Traume Den Armen nicht ein falscher König sein.

20

IMMER WIEDER

Immer wieder das Entkleiden Bei des Gases weißem Frieren, Dieses sich entblößt Erieiden, Fliehend durch das Zimmer Stieren . .

Nah mit reichlicher Geberde Nächte wie die Tage heben Sich vorbei . . Ich weiß die Erde Doch ich kann sie nicht mehr leben . .

Wie ^in Haus, dem nur die Wände Noch nicht niederbrannten, schwelen Meiner Haut gequälte Rande Zwischen Nacht und öder Seele . .

Meines Schlafs muß ich mich schämen . . Flieg zu Häupten gut Geborner! Statt der Träume wünsche Tränen Ich Entblößter . . ich Erfrorner . .

Kämen meine Kindertränen, Mich wie damals zu umschleiern . . Doch mit hartem hohlem Gähnen Lieg ich auf dem Bette bleiern . .

21

ERNÜCHTERUNG

Die Straße war so asphaltiert zu schreiten, In Ordnung brannten rosa Bogensterne,

Nun richtet sich die Treppe teuflisch auf, Der düstren Stufen eckige Wogen reiten Durch ihres Hauses vorgetäuschte Ferne, Verwirrend meinen lange ebnen Lauf.

Es widert mich, das Knie so steil zu rühren. Der Füße unbetonten Schritt zu lassen, Verworfnes Pathos! so belogen mich Des Tags Gespräche prahlend, hinzuführen Nach wilden Höhen aus den flachen Gassen

Doch die Geberde endigte in sich.

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ERWACHSENHEIT

Der so tief und groß und innen, dieser Baum, vor

mir steht. Wie ein überallhin abgewendetes Gebet, UnH als wüchse er so still, so rauschend, weil er fleht: Macht mich abwärts blicken und durchsuchen meine

Hände . . Ob kein Zucken mehr in diesen wachen sich befände. . . Doch ich weiß nur, wie sie abends sich vor Kälte

reiben, Gar nicht mehr, dem Dunkel huldigend, auf weißer

Decke bleiben. Gleich in eine eigne Schwüle schleichen . . und mit

der sich falten. Dort mit selbstbewilligter Erhörung schimpflich

schalten : Aber dann wie Lava hoffnungslos erkaltend nach

Vergießen Und mit Tränen, schnell veraltend, denk ich an das

ferne Niederfließen Blanker Himmel, . . als mich diese Hände noch nicht

kannten. Reine Finger ihren Gott umarmten wie den Lehrer

und Verwandten . . Ach und du, der sich zu jedem Plane planlos braucht. Alle Glauben zu Genuß verbraucht Das bist wirklich du gewesen, dem nach bloßem

Amen Die gewünschten Träume alle eilig kamen . . ?

23

WÜSTE

Eng umwohnt von kalkig glatten Bauten Doch mit reich geschwollenen Mobiliaren, . . Von Gesichtern, kärglich übergrauten, Die ein buntbewegtes Hirn verwahren, . . Angeblickt von knochenstarren Augen, Die in weichster Glut nach Geld zerspringen, . . Dicht behaucht von Lippen, die mich saugen, Dann mit meiner Stimme stärker singen, . . Mitgerissen im vermengten großen Steinern schallenden und tauben Gange Zwischen jähen Händen und dem Stoßen Plumper Ellenbogen ohne Bangen, . . Atmend Luft, nach tiefer Arbeit Bäumen Riechend, nach dem Puffen heißer Wagen, Nach den riesenhaft durchpulsten Räumen Und den faulen Seelen ohne Ragen . .:

Da, in Haufen, welchen mitzuleben

Leicht fällt, mitzulieben fruchtlos schwierig

Trockn* ich ein und kann ich nicht mehr schweben.

Allzu arm gespeist, und allzu gierig!

24

STÄDTER

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn Fenster beieinander, drängend fassen Häuser sich so dicht an, daß die Straßen Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.

Ineinander dicht hineingehakt Sitzen in den Trams die zwei Fassaden Leute, ihre nahen Blicke baden Ineinander, ohne Scheu befragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut, Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine. Unser Flüstern, Denken . . wird Gegröhle . .

Und wie still in dick verschlossner Höhle Ganz unangerührt und ungeschaut Steht ein jeder fern und fühlt: alleine.

25

UNRUHE

Warten zwischen vielen auf den Arzt . . Zwischen weißen Blicken, Schmerzmusiken, Fremder Bilder grinsenden Mimiken, Den Gerüchen, dünner Wanduhr Pieken . . Aus den Ecken, Möbeln her starrt's schwarz . .

Und er sitzt noch . . bald gefaßt, bald schwank,

Aber endlich fort! zu süßen Flüssen Wieder fort! verbergenden Genüssen Niemals wieder warten! nichts mehr müssen!

Und vielleicht ist er nun immer krank.

26

UNERHÖRT

Beilhiebe haun entfernt im Wald,

Die Bäume hier stehn groß und hart.

Du hältst dich hoch, zu dir erstarrt.

Mein Herz holt aus, schwingt zu und knallt.

O die du frei im Fleische ruhst. Ich habe Wärme, Wut und Hieb

Und längst dich schon im Sinn geliebt

Du bist so reich nicht wie du tust

Und habe dennoch nichts, ein Hall Bin ich, entfernt erregte Luft! Du horchst, wie tief mein Geist verpufft. Und stehst, als gab es keinen Fall.

So will ich Worte niederhaun! Ihr stürzt statt ihrer unter mich! Vielleicht wird Liebe lächerlich. Der Vers mir mehr als alle Fraun.

27

AN EINE ODER ALLE

Erhebend ist es, zu gehn . . :

Aber gegangen zu werden . . ?

Man sollte den Füßen nicht stehn

Als Weg, mit gestreckten Geberden . . :

Man sollte . . o Frau . . es hassen,

Mehr als zu lieben sich lieben zu lassen

28

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DIE DICHTERIN

Daß du Bunte, hexenhafte Holde Deinen Mund wie auf dich selber richtest . . Und, von Haar bis Nerven wie aus Golde, Diesen Glanz, statt ihn zu leben, dichtest! . .

Deiner weißen Adern Schuß, geladen Mit nicht andrer als der Andern Spannung, Löst sich nur zu reicher Worte Schwaden, . . Ich gewinne nichts, wie in Entmannung.

Also bist du, nur an dich Geschmiegte, Meinem Wunsche, fein berührt zu werden. Schmerzlich, wie der weibischen Geberden Übernähe, die mich sonst bekriegte . .

Traumhaft bleibt die mit mir Gleichgewiegte.

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ZWISCHEN DEN TAGEN

So voll von . . Freuden war der Tag . . Wie lang erwächst man wohl noch weiter . . Dies Bett es unterbricht die Leiter, In Kissen sinkt der Hände Schlag. Nun kann nicht größre Tat geschehen Als mich von links nach rechts zu drehen.

Sogleich wird Raum für das was lauscht. Es thront im Haupte hart gebauscht. Noch fährt mit tröstend leichtem Trab Erinnrung alte Wege ab

Dann ist es aus, man hat nichts mehr. Nicht Schlaf, nicht Dasein, überleer,

Ich kann mich an mich selbst nicht klammern.

Kann nicht vor meinem Herzen jammern.

Verwandt, als weder Mann noch Kind,

Der Nacht, die vor den trüben Augen

Die Dinge in sich aufzusaugen

Erscheint, und doch sich nichts gewinnt . . .

Ich blicke in das böse Schweigen, Es tanzt mit mir hinauf, hinab. Mein Mund ist klanglos wie ein Grab Und immer ist das Loch im Reigen. Und plötzlich . . in dies Dunkel tropft Ein scharfes hingegebenes Schrein . . Ein Kind weint . . ahnungslose Reihn Von Seufzern, martervoll verkropft

Ja!! —heule, du! das läßt mich horchend liegen!

Bis ich von neuen Tages falschen Siegen Mit Bildern wieder werde ausgestopft.

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VERDAMMTE JUGEND

Von Hause fort, durch Straßen fort! Gekannt von nichts, von keinem Ort, Nur wie der Himmel rasch und hoch Durch fremden Lärm und ohne Wort!

Wie schön allein, und dies verwühlt Und keiner drin, der mich befühlt. Der voll Verwandtschaft dumm und dicht In meiner Brust verhaßt sich suhlt!

Hier ist nicht Heim, hier ist es auf. Nicht Liebe plump, nur Kampf und Kauf! Ah fließt die Straße strotzend aus Zu andern ein in riesigem Lauf!

Ah sprüht es schroff pferdlos vorbei Und brodelt schwarz der Menge Brei Und Häuser flattern hingepeitscht Von Licht, Geläut, Gezisch, Geschrei.

Die Steine ziehn in falscher Ruh, Gehackt vom Schlag des Heers der Schuh, Den fahlen Köpfen funkeln wund Von schneller Glut die Lampen zu.

Hier Antlitze wie Tiere fremd Und Augen wie in Eis geklemmt Und Augen, die nur sich besehn. Hier Antlitze, von nichts gehemmt!

Du Gottlose, mein Haupt zerstäub Entmenschlichte, mein Herz zerstäub Vergriffnen mich, Verlorenen Du Straße ja betäub ! betäub!

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NICHTS

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AUFWACHEN

Blau geglättetes Licht glitzert durch Eis und Glas In mein Auge, entträumt, welches nach fernem

Schlaf Aufgedeckt nun und zitternd Wieder Leben sieht und sein Sehn.

O mein grelles Gehirn, Wache und Krampf und

Stoß, Wie entließest du dich, ließest so schön dich weg. Wurdest Kissen und Stille Und befreundet dem weichen Mond.

Und indessen du schwiegst, wirkte für dich mein

Herz, Schneller, aufatmender, füllender, ja wie voll Wuchs ich träumrisch mit Hügeln, Mit Gebirgen erwünschter Lust.

Nicht mehr mußten Gesicht, Zunge und Finger tun. Was tyrannischere Waffe des Kopfs befiehlt. Und die fühllosen Ziele Tags entreißen dem guten Blut,

Was nun wieder ans Bett glitzert durch weißes

Glas . . Wie ein Schneemann so starr unmenschlich sitz ich auf. Und die gläubigen Stimmen Spitz versammelt ein Ruf ins Hirn.

3* 35

IM FINSTERN

Er denkt durch eine rohe Dunkelheit . . Und merkt sein aufgehobenes Gesicht Blaß wie ein Glas, in das nichts rinnen will . .

Nur was er horcht, erscheint nicht alles still

. . Ein Sausen da . . noch weich, doch nicht mehr

weit . . Schon wie der Ton am Telefon, wenn dicht

(Noch grüßt kein Anschluß, doch er steht bevor)

Die Drähte das Gehör wie Haar bewachsen

. . Es knackt und summt und kitzelt scharf im Ohr.

Doch betend um Verbindung, Ferne, . . Spur

Erlebt er bloß ein immer näher wachsen

Bekannt und nah und klein . . sein Herz saust nur.

36

ii' X-

SCHLAFEN

Stube, die auch meinen Schlummer sieht, Den aus sich irgendhinaus gesunknen, Wenn Vergessen weiß in mein Gesicht flieht: Wie betrachtest du mich Ausgetrunknen? . . Wände, habt ihr festen euch beständig, Oder seid auch ihr dann irgendwo auswendig? Wenn die Stille sich bis in das Stillste mordet. Eine Höhle ihre Hohlheit bis zum Ende bordet: Liegen leibhaft, wie sie mich des Morgens wecken. Meine Glieder da und drüber diese Decken, . . Oder bin ich von der Faust des Schlafes umgewendet Und mein Innres, ausgegossen, wird ins Nichts

gesendet Und ihr triumphiert vor meiner hohlen Mienen

Spasma? . . Oder seid auch ihr nicht da?

Jetzt im lichten runden Himmel gehend Fühl ich Angst um jenes halbe Leben . . Wenn von mir getretne Tritte sich erheben, Meinen Schlaf mit totem Sand verwehend, Bilder, tags von meinem Blick erschaffen. Meine Ohnmacht saugen und genießen. Etwas werden . . mich ersetzen . . mich erraffen . . Oder mir, dem Menschen, gleich ins gleiche Nichts

zerfließen . .

37

i-»T'.-.

SOLITUDO

Zerdrückt von dicken Wolkenmassen Versickert auch der matte Mond. Ein Herr geht durch die leeren Straßen Und denkt: . . Wo jetzt die Sonne thront?

Er kommt von einem fernen Teiche, Darein er tags die Angel hielt, Obwohl des Wassers stille Bleiche Nicht einen einzigen Fisch enthielt.

So war es, wie es sollte, einsam . . Man saß . . und fand sich restlos da . . Man hatte diese Welt gemeinsam Nur mit dem Auge, das sie sah.

Dann kam ihm Sehnsucht nach sich selber (Nicht spiegelte der trübe Teich) Er zog sich aus und trat in gelber Behaarter Haut hinein . . Sogleich

Im Geist, daraus so vielen mangelt. Am Ufer angelnd sah er sich. Und fühlte sich von sich geangelt Und zuckte um sein spitzes Ich.

Der Unken stolperndes Gemecker Belebte ihn; der Sonne Glut Erhielt so wie ein lauter Wecker Der lieblos müden Stirn den Mut.

Indessen Sonne ist ein Wandern. O weh, wie dunkel wird es schon ! Jetzt wieder rückwärts zu den andern . . Das Herz gibt einen kranken Ton.

Er tröstet sich mit weichem Rate: Man kann erwarten, still im Wald, Bis sich die Stadt mit allem Staate Ins Schlafgemach beiseite ballt.

38

Nun Mitternacht . . entseelte Straßen Verläßt der tödlich matte Mond Wie alle Sterne sie verlassen. Er denkt: . . Wo jetzt die Sonne thront?

Geht auf den schallend öden Steinen, Verheimlicht seltsam seinen Lauf. Sieht plötzlich zu dem dichten Scheinen Der sanft verhängten Fenster auf.

Was willst du? Rührt dich diese Kette, Die all die Schlafenden umschlingt? . . Wie sie in warmem Licht, als rette Sie Träume vor dem Nichts, erblinkt?

Doch da wie zwischen Feen Gespenster In jenem Hause, rings verlacht. Einsame Löcher, stehn zwei Fenster Vorhanglos, arm, durchbohrt von Nacht.

Er steigt mit überhorchtem Tritte An dem Geländer lang hinan. Und steht in seiner Stube Mitte. Und starrt die leeren Höhlen an.

Es setzt ihn heute so in Schrecken .... Macht ihm den Kopf so schwach und krumm .... Er nimmt von seinem Bette Decken Und hängt sie rasch den Fenstern um.

39

EINBLICK

Dieser taube Abgrund zwischen

Herz und Hirn . . . fast wie ich so breit . .

Auch von besten Tränen nie hinweggeweint

Auch nicht zu verwischen

Durch den breitesten Strom der Zeit

. . Nichts mehr tu und denke ich vereint . .

Immer weiter auseinander zischen Meine Ränder . . kaum noch überschreit. Was ich Wieb, den spähenden Feind.

40

ENTZWEI

O drück auf mich, du Zimmerdecke, Ihr grauen Möbel, preßt recht fest! Daß ich mich nur ins Sofa strecke Mit dieser Seele scheuem Rest.

Sie kann sich nicht so groß bewegen Wie mein gewaltvoll Fleisch und Bein, Wie meine Wünsche, deren Degen In alle Körper fahren ein.

Die Arme werfen ihre Hände Durchs Fenster in die breite Luft, Sie aber will recht nahe Wände, Vom Weltall eisern abgepufFt.

Ein leises Ruhn auf wildem Fegen -

Ich bin so irr als ginge wer

Im D-Zugkorridor entgegen

Dem Hinsturm auf dem Rädermeer

41

FORT

Verlasse deiner Wohnung böses Schweigen, Die Möbel, die mit stummer Kindheit schreien. Der Bücher wie von Toten rohe Reihen, Und die Geliebte, deren Herz nicht weiß, Um wen sich ihre lauen Arme neigen.

Verlasse auch das Schweigen dieser Straf3en, Gestampft mit gleichen steinigen Gesichtern, Auch deine Freunde, die sich Gifte trichtern In ihrer engen Hälse Gier und Geiz. Es bleiben leer, die nur einander fraßen.

Das schweigende Gebüsch . . verlaß die Bäume, Vermute nicht, daß dich die Blätter lieben. So unverbunden wie der Lüfte Stieben, So unbegreiflich unverwandt und kalt. So unbewohnt von dir auch diese Räume.

Den Haß und dich Gehaßten, dich verlassen: Das steigt nun auf die Gipfel deiner Seelen, Und mochte auch der Berg darunter fehlen Es schwebt die Spitze, die dein Wunsch ersteigt. Die Schweigen zu verlassen, die dich hassen. ,

42

MUND

Im Wege ist mein Mund mir, wenn ich sprechen

will, Er liegt so sicher und aufdringlich still, In des Gesichtes Reize ist er zu verstrickt. Er blickt zu sehr hinaus und wird erblickt. Ein Fremder ist er, welcher mich genießt, Mühlos von meinen Worten überfließt. Und fast nur hört er spricht fast gar nicht was er

spricht Und macht doch den, der alles tut und ist fast nicht, Ist nicht einmal das Tor, ein Loch, durchschrien Vom Geist voll Scheu, ein Zufall, ja ich hasse

ihn Der ich mich liebe.

43

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UNTEN

Treppen steigen lang in mich hinein, Wenig Stufen fangen an, die grau Schimmern und verdämmern, wie ein Schein Auch die schwer entlegnen Keller Durch das dicke Glas berührt, noch etwas lau.

Aber Stufen sinken abwärts wo es friert.

Rasch und zwingend abwärts, wo ein Mond

Leer von Sternen gelb und hohl stiert

In der Trübheit halben Unterganges

. . Wo die Lichtscheu einer Seele wohnt . .

Und der kleine Schein vom draußen steigt

Eilend höher . . Lieber will sein Duft

Jedem zu, der sein Gesicht recht offen zeigt

. . Tastend, wo die letzte Stufe modert.

Lieg ich wie ein Tier in meines Seufzens Luft.

44

JETZT

Wie erscheinen jetzt oft solche Stunden, Da ich keines anderen Gesicht Zu sehen ertrüge . .

So lange hat sich keiner gefunden.

Mengte ich mich auch dicht

In alle Schwärme, alle Kreise, alle Züge . .

Auch mein eignes Gesicht ist mir oft entwunden,

Will mich nicht,

Hält mich . . und sich für lieblose Lüge . .

45

IM ZIMMER

Dieser schwarzen Wanduhr rechnerisches Ticken . . dieses Haun mit spitzen Beilen . . Blutlos Atmen wie des kalten Fisches . . Dieses unmenschlich unmüde Eilen . .

Hör es nicht! Das soll dir nicht zerteilen Deiner Freude zeitenloses frisches In den Himmeln um die Erde Weilen, Unzerteilbar fließenden Gemisches!

Da der giftig langen schwarzen Uhr Hauen hakend zäher Räder Tour

Findet wieder meine leichte Spur

Und es rötet wie von einem Schuß Sich mein wellenvoller reiner Fluß Und die Zeit reißt mich hinweg zum Schluß.

46

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NACH DEM TAG

Die Kissen sind wie Messer weiß und spitz, Mich preßt mein Bett als läge es auf mir. Aus finstren Wänden spritzen Blitz nach Blitz, Breit dröhnt mein Herz und stößt mich wie ein Tier.

Das ist, der über seine Zeit hinaus Mich starr verfolgt und überwacht der Tag, Weil bei dem langen Leuchten seines Blaus Mein Blick der Dämmrung zugewendet lag.

Genuß, der mich so gütig halb erhält. Entätzend des Gehirnes Allzusehr, In Frau'n und Kinos abgeschwächte Welt, In Worte, Weine, Spiel versüßtes Meer:

Nun steht ihr ganz und hart und riesig auf. Seid Sonne in der Nacht und höhnisch Glück,

Und macht mich so lebendig O hört auf.

Schafft, den ihr blindlings schüfet, mich zurück!

Ja ließet ihr und sänke ich hinein

Ganz rasch in jenes zwischen jetzt und jetzt

Zwischen die Ufer zweier harter Reihn

Von keiner harten Brücke übersetzt

47

WM«-!?!!-.

DER SEE

Zitternd nur aus spiegelnden leeren Schatten zu sein . . der Zweige, der schwarzen Blumen, der Kähne, der schattenschwarzen Lichter von Bläuen und Wolkenschweren . .

Auge voll weinender Gier nach Sehen, Sich nicht verspürend, nur Schatten Und gesichtlose Tiefe, darüber in matten Ringeln kalte Regungen wehen . .

48

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PFERD

Hüglig gehöhlt und gehöht liegt ein Rücken Leblos drückend auf steilen Gliedern Wie auf stummem Stuhl . . bloße Fleische bücken Sich zu Steinen, die die dumpfe Last erwidern . .

. . Plötzlich bewegt vor sich vorwärts hasten Stärken, daran die fremden Willen laut saugen . . Vorn eingesperrt in den knochigen Kasten Summt sein armes Hirn an die Löcher der Augen.

49

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NICHTS

Endlich kroch die zwingende Nähe der Nacht fort, Schlössen die flatternden Träume ihr Nahen und

Fliehen, Die ihn, wie Stangen die steigenden Drähte, zer- stückten . . Und er ging, sein stetiges Gehn zu fühlen. Als ein Kommen Gott verschenkender Gipfel. Aber wie Wände eng lagen Lüfte und Flächen Und sein Haar stieß niedrig klebenden Dunst an. Dann zwar langsam weitete Hitze den Himmel, Raum geschah, Raum wartete, daß er sich fülle:

Und auch diesmal wurde nur höhlendes Lügen, Nicht das krumme, kleine des Traumes in Häusern,

Leichter, versüßter, göttlicher hohler, ge-

logner

Und wie immer stand seine Gier ohne Gruß da. Bis ein Chor von runden enthaupteten Wolken

Zwischen dem Nichts darüber, dem Nichts dar-

unter — Sich erhob, weiß, und wie verkörpertes Nichts

schwieg.

50

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DOSTOJEWSKI

Wir können nicht sehen vas er ist . . Ob Angesicht der Sonne . . oder das In ihrem Rücken, böses Düstern . .

Die Fernen bis in der Seelen Mitte durchmißt Sein ruhloses Wort und entzündet sie wie Gas Zu weißen Nächten . . nach Dunkel wie nach

Licht lüstern . .

Und zwischen der steigenden heiligen Form frißt Brückenloser Tiefen Loch, modriger Haß . . Seinen Priesterton übermischt ein Flüstern . .

51

BEWUSSTHEIT

Du erhabne hoffnungslose Schwere Des Bewußtseins . . gleich dem Meere Dich bestürmen, dich besonnen lassen Mußt du, aber niemals fassen Lustvoll draußen drängende Gefühle Deine hoffnungslos erhabne Kühle.

52

SPÄT IM JAHR

Alter Tag, der wie ein Frühling tut! In die Luft verkriechen sich die leeren Zweige, Vögel bieten ihr Entbehren, Unfrei kurz verweilt die Sonne hier

Dennoch zeigt sie eine leichte Glut, Einen Duft von Zuversichtlichkeiten, So als sei ihr Haupt im Höherschreiten, So als wüchsen Ruhm und Jugend ihr

Doch die Zeit, die alles überruht,

Lächelt böse durch das süße Lächeln,

Durch das schief dem Tag geschminkte Lächeln

Schreit es auf die irre Erde: Frier!

53

DIE ZEIT

Daß ich nur jetzt bin! . . nicht mehr gestern nacht, Und Worte, die so drängend in mir staken, Wie fremde Zungen draußen nach mir blaken. . . Daß ich nur jetzt der bin, der etwas macht!

Und, liebe, bist auch du so umgebracht? Der Wind, vor dem wir beide nicht erschraken. Zerreißt sein Schrei am Tag wie Widerhaken Auch dich, gleichwie von dir noch nicht gedacht?

Ich war voll Gier, nur endlich einmal so Gelebtes zu bewahren, wie's gewesen, . . Es alles jeden Augenblick zu sein . .

Ich wollte Haltung haben irgendwo.

Kein Schicksal haben! . . Doch mit quickem Besen

Kratzt mich die Zeit von treuer Dauer rein.

54

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AUF DIE SPITZE

Der du einen Berg wie Wind hinaufrennst.

Nicht im Lande mehr hölzern brennst,

Steilen Sprungs auf und aufer, bis der letzte Fuß

Auf die kühle spitze Höhe muß

: Gleich wieder ruhest du dir

Noch auf allzu dickem Raum,

Greifst in weinender Begier

Um den einsamen Baum,

Klimmst hinauf zum Wipfel,

Stellst den Fuß auf diesen fernsten Erdenzipfel,

Und den feinsten Druck in Aug und Ohr

Schleuderst du noch aus dem feinsten

Dich hinaus in dich empor

55

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DAS NEUE BEWUSSTSEIN

VOR DEM JAHR

Wir leben beinah nicht, wenn es Winter ist ! Aber heute dieser Tag . . dieser Tag ist frei, Hitze, Kälte sind vor strahlendem Licht ihm einerlei! Ich besehe ihn, noch weniger als mein Fenster trist.

Neben klaren Wolken dort das halbe sahnige Rund . . Als erblickte man schon den äußersten Rand Des Fingernagels der vorausgestreckten Frühlings- hand . . Dieser Tag ist von allen Jahreszeiten bunt.

Die Gedanken schlagen zusammen (für welches

Fest?) im Geläut. Und unten pfeift die Straße vor Schnellsein (was ihr

Ziel ?) Die Trams sprühen am Draht und klingeln von

Menschen voll Gefühl. Dieser herrliche Blick vom Pferd (aber wüßt ich,

was ihn so freut !)

Mit erwartungsvoll aufgehobnen Füßen rennt Das Trottoir halb hin, halb her, die Gesichter glühn

nackt, Von einander und noch andrer Erregung gepackt. Den Ohren telefoniert etwas vom Firmament.

Und nun ist die Nacht . . nur wie schwankender

Vorhang da

Und dahinter soll etwas kommen . . O ich ertrage

es nicht so sehr !

Angespannt ist die Welt wie vom Gestade das Meer.

Nein sitzt auch hinter mir auf mein Examen

wartend Mama :

59

Ich stürze mich hinab ! Vielleicht vor den schreien- den Zeitungsmann:

„Lüle Burgas! Fünfundsiebzigtausend Gefallne!

Blutiger Sieg!«

Hier noch einer -! Der die reißend schöne Spannung

nicht ausschwieg!

Vom Leben auch den Tod mitliebt und ihn eher

vertragen kann !

60

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AN DAS GESCHICK

Zwischen mir und einem Himmel kleben Nun seit Wochen Wolken ohne Beben, Dicke Wände aus versteintem Fett, Gelb, und abends triefend violett.

Zwar ich könnte, was mich so vermodert Und von Schlag zu Schlag mein Blut entlodert Und dagegen seit Geburt ich schrie : Gottes Zwang, . . besiegen, wenn ich flieh :

Und des Zuges mir verbundene Räder Schnitten in den Klumpen bald Geäder, Blaue Augen drängen durch und Höhn, Süden strahlte, und es wäre schön

Doch ich will nicht, will nicht wollen müssen, Will nicht alles von den eignen Füßen, Und es soll das träge Schicksal rücken Und mich hier, mich mühlos hier beglücken!

6i

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SICHERHEIT

Er geht durch den Wald, die Krähen scheuen. Hinter jedem Strauche kann einer dräuen. Kann ein Knüppel, ein Dolch, ein Revolver sich

freuen Er geht durch den Wald und noch dichtere Träume Und fühlt sich unverletzlich wie die Bäume.

62

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ABSCHIED

Die sonderbarste meiner Trennungen . . Wir hatten immer uns nur fremd geliebt. Nur das von uns in uns gesiebt. Was nackten Stoff gab unsern Brennungen.

Und küßte meine Brust an deinen zwein. Dein Mund an meinem von Gelüst und Geiste dop- pelten — : Die Scham, daß sie so uneins sich verkoppelten, War schwächer als die Lust, sich nichts zu sein.

Ach . . Liebe . ., dachten wir, umarmt . . und hinter

Mauern, Verworrner Wunsch, sich füreinander hinzutöten. Der guten Grenzen plumpe Überschreiterin !

Und nun, als hätten wir uns doch betreten. Als sei Genuß auch tief, . . erfaßt uns Trauern . . War nicht der Zug da, dehnten wirs vielleicht

noch ewig weiter hin . . .

63

BEGEGNUNGEN

Durch Straßen wandernd sehe ich euch an. Dich Mädchen wünschend, wollender dich Mann, . . Es gibt so plötzlich blitzende Gesichter, So innig lichte wie der Nächte Lichter.

Im dicken Strom der unsichtbaren Leute Wie blinkt ihr auf, ihr Sternenhaft durchfreute: Du mit den Augen tief wie Silber, . . du Mit Haar, verkündend deines Denkens Ruh.

Und Busen, leicht zweieinig wie der Gang Der Füße mit dem hell verschlungnen Klang . . Manchmal bewegen sich mit Inbrunst Hände Als hülfen sie mir über starrste Wände.

Und Männerlippen breitgeflügelt schweben Bewußt, wie über einem Schiff voll Leben . . Und Stirne du, die gerade Grenzen stellt Zwischen durchstrahltem Geist und stumpfer Welt.

. . Ihr nicht sehr vielen, doch so vollen ihr. Von andrer Höh, von gleichem Licht mit mir: Uns dient die Erde nur, uns selbst zu sehen. Wir halten recht weit weg ihr drehend Wehen.

Doch bringe ich euch wohl in leise Worte,

Ich bring euch nicht in meiner Arme Pforte.

Ich komm ihr kommt wir treffen uns, vorbei

Es rauscht der Straßen dichtes Einerlei.

64

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NATUR

Unaufhaltsam schrumpft der Himmel, Wolken Kommen breit aus allen Horizonten, Fahle fremde Schattenkörper kalken Ihre Decke über den entsonnten.

Und die Erde, trübe abgeschnitten. Hat ein hoher Stern zu sein geendet . . Meine Augen, die es machtlos litten, Stehn von Zorn und Graue abgeblendet.

Wetter, werdend ohne meine Hände, Wie ein Schicksal ungewollt und wehe, Treibt mich nun zur Stadt und in die Wände, Deren stete Enge ich verstehe.

65

NACHT IN DER SOMMERFRISCHE

Vor der verschlungnen Finsternis stöhnt Stöhnt mein Mund, Ich, an Lärmen unruhig gewöhnt, Starre suchend rund:

Berge, von Bäumen behaart, ruhn Schwarz wüst herein, Was ihre Straßen nun tun Äußert kein Schein, kein Schrein.

Aber ein wenig sich zu irrn Wünscht, wünscht mein Ohr! Schwänge nur eines Käfers Schwirrn Mir ein Auto vor.

Wäre nur ein Fenster drüben bewohnt. Doch im gewölbten Haus Nichts als Sterne und hohlen Mond Halt ich nicht aus

Halt ich nicht aus, meinem Schlaf allmächtig umstellt !

Fremd, fremd und nah

Durch den See noch näher geschwellt.

Liegt es lautlos da.

Aber glaubt mich nicht schwach. Daß ich, soeben die Stadt noch gehaßt Nun das Land flieh : es ist nur die Nacht Nur auf dich, diese Nacht, war ich nicht gefaßt !

Wie du tot oder tausendfach unbekannt Mein schwarzes Bett umlangst. Nirgends durchbrochen von menschlicher Hand, Tötet mich die Angst.

66

LUNE

Mit glühenden Armen . . schon blasseren Fingern

Greift

Der Gott in der Sonne noch einmal zurück

Und erreicht uns nicht mehr.

Berührt

Erbleichend die Falten der Nacht,

Violett

Und kalt und duftlos, unmenschlich stumm, wie

Das nicht liebt, doch umarmt, [ein Weib

Uns Männer, uns glühende

Fliegende Geister!

Ihr liegender fahler Körper sucht uns

Durch eisige Sternlöcher schreiend, zwingt uns

Zu keuchen im Dunkel, zu dulden, küßt uns.

Und oben besieht uns mit saugender Weiße

Der fleischige stumpfe Totenkopf . . dort . .

So glaubt doch darüber hin . . ! Auf morgen.

Auf morgen !

Mit den beseelenden

Klaren Fingern berührt uns

Der denkende Tag dann, stillt

Das verwirrte geile tödliche Blut!

Auf morgen !

s* 67

DER MANN

Die Sonne und die Beete tauschen Luft und Farben aus, Der Baum erwehrt mit kühlem Rauschen sich der

Brunst des Blaus.

Die heißen Finger, die ich faßte, ließ ich wieder los. Das Zucken meiner Schultern raste nicht in deinen

Schoß,

Die Augen, die sich schon verhüllten wie mit Schlaf

mit dir. Besannen sich die Füße fühlten weg zur offnen

Tür :

Ein Weib . . was würde da erschlossen . . ? Ganz ist

sie gewußt! Zurück ans Buch, das ungenossen liegt wie neue Lust!

Der seinem letzten Pol zudringt, wird größer ohne sie, Im Eise blanksten Denkens singt des Mannes Melo- die . .

68

SZENE

Gleich weißem Wasser spülte durch die übernäch- tigen Gezweige all sein blindes Licht der Mond, Der lieblich flache See schoß den mit Nebel trächtigen Reflex hinein . . . Doch göttergleich verschont Hoch um die Stämme pflanzte sich das Dunkelsein . .: Ich lächelte . . ich dachte, o Geliebte, dein.

Denn hör mich ruhig an wie gänzlich neues

Leuchten will Durch deine Augen etwas in mich ein: Was deine hübsche Iris ozeanisch feuchten will, Soll Übersinnlichkeit und Denken sein . . Ein Geist greift selbstbewußt nach mir aus deinem

Kleid. So hoch gewachsen seid ihr in der jüngsten Zeit . .

Indessen, du . . nun auch dem Wissen hingegebene, Erhoffe hier nicht anders mich als kühl. Wie wollt ihr zackige Denker sein, . . o immer ebene ! Nur Echo seid ihr, Frau'n, selbst im Gefühl . . Wohl lieben will ich euch, doch will geliebt nicht

werden. So hass ich Echo, eure dumpfen Nachgeberden!

Sie : (spricht ungläubig wohlgemut von allen Gleich- heiten auf Erden)

69

EISENBAHNFAHRT

Langsame Stadt . . !

Durch das breite Fenster des D-

Zugs umstürzt mich die Erde mit Bildern

Kaum kann ich, was ich seh, Dem Bewuf3tsein schildern. Das links und rechts treibt. Dieser dicke Berg bleibt Noch Sekunden

Verschwunden in flache Teiche

Doch ein Dorf weiß wie eine Leiche Liegt schon in Wiesen Glocken läuten ? Schon muß ein Tunnel Hügel durchdunkeln

Plötzlich glühende Schornsteine deuten Übermenschlich zum Himmel Funkeln

Der Buchen im riesenkurzen Wald über Brücken Knatternd (das war ein deutscher Fluß) Anderer Zug dicht vorbei wie ein Kuß.

Tausend liegende Wegestücken,

Von meinem Lächeln fliegend begangen, Tausend Menschen, machtlose Predigt Der Augen, von meinen glücklichen erledigt. Regungslos flatternde Telegraphenstangen, Wolken, Winde, blind ineinander gefangen

Aber mit mir die blitzenden Mienen Weltgroßer Schienen

Wenn ich vom schmalen Fenster der Stadt Die mauerne Straße besah.

Die schlurfend, bremsend, konversierend vorbei- geschah. Sichtbar im Drehn wie ein Droschkenrad

: Fühlt ich von lauem Wannenbad

70

<"vr^?^'JJ'f^:i:Jt' f^.-^FSTi^^^V'

Umplätschert meine gierige Geberde

Von dir, unplanetenhafte abgestandene Stadt!

Nur der Zug hält die Hand der rasenden Erde!

Sieh in die Fahrt hinein

Regen, der irgendwo noch Regen ist,

Aber mir jetzt Sonnenschein.

Was, wo ich war, gelegen ist,

Mag liegenden etwas sein,

Hütten bauenden, Vergangenheit schichtenden:

Aber von mir sei euch vernichtenden Räder! euch Fülle dichtenden geglaubt! Ihr Füße über Eisen unter meinem Fleisch und

Haupt!

71

IN DER STADT /

I

Die draußen über Landschaften in Fülle hängt, Auch von den Sternen nicht entfärbt und rein, Die Nacht trifft ihren Himmel dünn zerdrängt. Hier zwischen himbeerrotem Widerschein Und dem erbittert grellen Strahlen deiner Stadt.

So unbekannt entging dir schon der Sonnentag . . Wie klang der Wind? Wie sahen Wolken aus? Du merktest nur der Arbeitsamkeit Schlag, Der schwarz bewölkten Straße scharfen Saus, Den wurzellosen Wuchs der Zeit in deiner Stadt.

Und nun, gereizt von einer feinen Dämmrung Scheu, Platzt aus dem Pflaster Helligkeit, und kracht Beweglichkeit, gemacht von dir, stets neu Zerwacht, . . du schreist nach Stille, siehst nach Nacht, Mühelos übersehn von deiner Stadt.

72

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DRAUSSEN

Berstend angefüllte leere Stadt, Deren Wucht die Erde flinker dreht. Gierig um sich selber sausend Rad, Dessen Innres wie ein Loch vergeht! . .

Die den Fuß auf Asphaltwiesen quält. Mit den tiefen Bahnen uns durchwächst, Lüfte lenkbar macht und Sterne pfählt, Schlaflos. Wälderklang in Geigen hext! . .

Du, . . und doch, daß deine nüchternen Wunder mich durchrannen wie ein Sieb, Merkt mein Auge gern in diesen Bergen,

Alles schwebt in göttlich schüchternen Fernen hin und hat mich zwanglos lieb, Mich erhöhend statt mich zu verzwergen!

73

AUGENBLICK DES HALTENS

Der Zug stand still.

Noch nichts war erreicht,

Neben den Fenstern gebogen lag Feld,

Zugleich mit den Rädern war alles still.

Auch die Gier nach dem Ziel, . . wir warteten leicht.

Die Sonne hielt noch eine Hälfte roten Lichts,

Vom Kupee, von der Erde mit Drähten, Wolken, Und von einander fühlte sich nichts . . Nur wie die stehenden Wagen nach Wagen Durchrann uns des Dampfes dämmriges Gequill.

74

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BEGIERDE

Nicht weiter kann ich, du, als dir in deine Augen

dringen. Darin verfälscht, verfärbt, verdünnt verfliegt dein

schweres Dunkel

Doch weiter muß ich meine Gier in dich hinunter

bringen. In deines Waldes steilste Ruh mein flackerndes Ge-

funkel.

Ich bin noch nicht hinein zur Welt, noch nicht

herausgeboren.

Bevor aus mir heraus in dich hinein ich mich ge- wunden.

So lange hat mich mein und jener andern Eis ge- froren

Der Weg zum Blick ins Licht der Welt, die Sonne

ist gefunden

Das schwärzeste, verwehrteste, entfernteste der Lichte!

Und ich entblöße mich von jedem Schleier meiner

Glieder, Ich reiße jeden Mantel meines Fühlens ab, vernichte Die Mauer meiner Stirne, mache ganz mein Denken

nieder :

Daß nur an mir mich nichts entferne, halte, schließe zu

Und fliege auf dich los mit nichts als weißer, schierer

Gier, Mit dir mich armen Zweifler zu bereichern— Aber du Stehst ab wie Horizont, bleibst schwarz, bleibst un- bekannt, bleibst dir

7S

VEREINIGUNG

Was ich heut an Menschen treffe, Schwindet nicht wie sonst von dannen, Immer macht ein feines Spannen Uns sogleich bekannt und dehnt sich . . und hält aus

und klingt.

Denn ich bin wohl endlich, endlich Nicht bloß innen, nicht bloß Ferne : Mich vertretend folgen gerne Euch die Lüfte, Steine, Wälder, wie von mir be- schwingt.

Sie, die unsre Seelen scheiden. Daß die nichtig nicht gleich Flüssen Ineinander münden müssen,

. . Sie, aus deren Körpern sich zugleich die Brücke

schlingt :

Endhch offen allen Dingen

Drückt mein Mund hinein mein Leben,

Und ich fühle wiedergeben

Was voll Herz mich sinnenloser Einsamkeit entringt.

Und sie werden meine Glieder,

Euch zu spüren dicht beglückte.

Wie die Sonne, die entrückte.

Auch der nahe breite Tag ist, der zu allem dringt.

76

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DIE LATERNEN

Ach man ist es überdrüssig, nur zu denken,

Nichts als einzeln denkende zu sehn!

Denn so viele dieser Zeit stehn,

Steife Straßen mühsam mit den Köpfen zu erhellen.

Rührt euch, laßt euch zu Gestalten schwellen, Laßt nicht wie durch schwarzes totes Rohr Nur die scharfen Gase zum Gehirn empor Durch euch . . dennoch euch vorüber . . bleiches

Licht lenken.

Merkt auch, daß ihr, so enteint.

Nur hinaus und gar nicht für euch scheint

. . Und erhebt das tiefe Herz aus seiner Schwäche,

Werden müßt ihr, was so lang nicht war, Durchgefühlter Geist, ein neues Paar . . Bietet euch in eurer ganzen Fläche!

77

WASSERGLAS AUF DEM TISCH

Hohl beginnt es, antlitzlose Luft

Saugt den runden Stumpf hinein zum Glase,

Aber kaum kommt Wasser, stuft

Ein Gespenst aus Stühlen, Tischtuch, Vase

Schwarze Schattenmauern durch das Glas;

Wie ein Herz von Umwelt voll, vernichtet.

Blasig bebt des dunklen Spiegels Naß

. . Doch der Grund ist silberig durchlichtet . .

78

HINTERM FENSTER

Vor mir zwar steht ein Haus steil

Unten keine Straße, Luft nicht oben

Steine, die um schwache Gläser aufwärts toben, Rechts kein Ende, Wand, links nur Wand

Grau im vollen Fenster ausgespannt. Wie ein Schild an meinen Blick gehoben. Blind mir gegens weiche Haupt geschoben. Ja ins Zimmer dringend, zu zerdrücken geil :

Dieses Haus. Jedoch um Zentimeter bloß Neigend die gehemmte Stirn und frei vom Stoß Schau und atme ich erlöst den Fluß der Straße hin.

Die vom Park unendlich ausgedehnt wird Und vom leichten Himmel, winddurchsirrt, Und mir zuhaucht, wie ich nicht gefangen bin.

79

1

BESTEIGUNG

Daß mich das Steigen dieses Berges so beglückt! Der wie mit Händen meinen Fuß in immer neu Gebotne Sättel aufhebt! Rascher reitet hoch Durch weitere erblauendere Schicht mein Blick, So lang karriert von Pflasterweg, zwei Mauern Haus Und Damm des Himmels, eng zerschnitten gleich Da stelzte uferhart geebneten Verkehrs [der Stadt. Kanalfluß grad viereckig hin, nie Überfluß. . . Vermocht ich mich zu runden unter Wölbungen, Mich zu zerbiegen über Steigungen, zu sein Des Kugeläthers rings Ergänzung: dieser Berg! Den immer feiner ich erwerbe, und die Luft Umballt mich ganzer, durch die weichen Sohlen

stieg Des Walds, der Büsche, Wiesen, Felsen Schräge ein . . Den andern Teil der Welt eratmete ich mir . . Daß ich am Gipfel spüre . . Ferne einer Stadt! Vier Millionen war ich da und nun bin ich.

80

LUFTSCHIFF ÜBER DER STADT

Durch die Wolken trommelnd, vorwärts gereckt. Spitz und weiß und wild und neu wie ein Kind, Strotzend von Leichtheit, sichtbarer Wind, Blau von Himmel, schattig von Erde gefleckt,

Über die Stadt, mit heißen Gesichtern bedeckt. Über Geschrei, das aus schwebenden Herzen rinnt, Über Augen vom Blick in Sonne blind. Über die Hand der Entzückung, zur Luftfahrt ge- streckt.

Fliegt es, über das Leben von einstmals fliegt es. Fremdeste Höhen nahe und gierig wiegt es, Hirne reißt es aus den Wänden,

Schwach wie ein Spiegel dunkelt die Erde, In des Himmels leuchtendere Geberde Greifen wir ein mit neuen Händen!

8i

1 - "V

FLIEGER

Über der Arbeit des Fußes, über klebendem Rad,

Über dem bauchigen Luftschiff über der Stadt

Fliegt auf nichts als seinem Gedanken,

Fliegt mit keinem als der Wolken Schwanken,

Unerschrocken von den Vögeln umschrocken.

Fliegt in die Stille mit des Motors Glocken

Ziellos naturlos flügellos zügellos

Eine Stirn einer Lust in den unkenntlichen Schoß -

82

?>*--

TRAUM

Lange lebt ich in den Straßen, und mit allen nackend. Ich genoß, mein Geist war steif vor Aufenthalt Bis mir heut entstieg : Ich sei so nicht gerne.

Und aus Häusern, sich vergebens zahllos zackend, Wie ein Strom eilt ich in den Wald, Mich begleiteten die runden Sterne.

Mit dem Atmen aus der Nacht mich entschlackend. Meinen Kopf schneeig weit und kalt, So entschwand ich mir in die Ferne.

83

INHALT

Musik nicht will ich machen sondern schreiten 9

DIE UNSICHERHEIT

Zwischen den Lieben 1 3

Veränderung H

Knabennacht ^ 5

Leidendes Wohnen i o

Erste Nacht '7

Zwischen den Jahren lo

Mühsame Erde ^9

Ende 20

Immer wieder 21

Ernüchterung 22

Erwachsenheit 23

Wüste 24

Städter 25

Unruhe 26

Unerhört 27

An eine oder alle 28

Die Dichterin 29

Zwischen den Tagen

Verdammte Jugend 3 ^

NICHTS

Aufwachen 35

Im Finstern 3"

Schlafen 37

Solitudo 38

85

Einblick .q

Entzwei ^ j

Fort 42

Mund ; 4^

Unten f . .

T f 44

Jetzt .-

Im Zimmer ^5

Nach dem Tag äj

Der See L^ .g

Pferd ^^^^

Nichts f.Q

Dostojewski r j

Bewuf3theit r2

Spät im Jahr r^

Die Zeit ^ .

Auf die Spitze r r

DAS NEUE BEWUSSTSEIN

Vor dem Jahr rg

An das Geschick 61

Sicherheit 52

Abschied

Natur

63

Begegnungen 64

65

Nacht in der Sommerfrische 66

Lune 5-

Der Mann 68

Szene 5q

Eisenbahnfahrt yo

In der Stadt 72

86

Draußen 73

Augenblick des Haltens 74

Begierde 75

Vereinigung 76

Die Laternen 77

Wasserglas auf dem Tisch 78

Hinterm Fenster 79

Besteigung 80

Luftschiff über der Stadt 8 1

Flieger 82

Traum 83

87

' p'ifjfj^',:

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Druck der Spatnerschen Buchdruckerei in Leipzig

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END

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