/

y

Microfilmed For

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT URBANA^CHAMPAIGN

February 1993

Microfilmed By

MAPS '

The MicrogrAphic

Preservation Service

Bethlehem, PA 18017

Camera Operator Patty Banko

\

MICROFILMED 1993

University of Illinois Library at Urbana-Champaign

1408 West Gregory Drive Urbana. Illinois 61801

Humanities Preservation Project

Funded in part by the

NATIONAL ENDOWMENT FOR THE HUMANITIES

Reproductions may not be made without permission from the University of Illinois Library at

Urbana-Champaign

COPYRIGHT STATEMENT

The copyright law of the United States - Title 17, United States Code - concerns the making of photocopies or other reproductions of copyrighted material.

Under certain conditions specified in the law, libraries and archives are authorized to furnish a photocopy or other reproduction. One of these specified conditions is that the photocopy or other reproduction is not to be "used for any purpose other than private study, scholarship, or research." If a user makes a request for, or later uses, a photocopy or reproduction for purposes in excess of "fair use," that user may be liable for copyright infringement.

This institution reserves the right to refuse to accept a copy order If, in its judgement, fulfillment of the order would involve violation of the copyright law.

University of Illinois Library at

Urbana-Champaign

MASTER NEGATIVE STORAGE NUMBER

92-0897

AUTHOR: Stemheim, Carl TITLE: Die Marquise

von Arcis PLACE: Leipzig

DATE: 1919

UIUC Master Negative 92-0897

University of Illinois at Urbana-Champaign

University Library

Urbana, Illinois 61801

HUMANITIES PRESERVATION PROJECT CATALOG RECORD TARGET

Stemheim, Carl, 1878-1942.

Die Marquise von Arcis : Schauspiel in fiinf Aufziigen nach Diderot / von Carl Stemheim.

Leipzig : K. Wolff, 1919.

118 p. ; 21 cm.

Adaptation of Denis Diderot's "Histoire de Madame de la Pommeraye et du Marquis des Arcis".

Diderot, Denis, 1713-1784. Madame de la Pommeraye et le Marquis des Arcis.

MICROFILMED BY

MAPS The MicrogrAphic Preservation Service

BETHLEHEM, PA

on behalf of

The Humanities Preservation Project

at the University Library

of the University of Illinois at Urbana-Champaign

Film size: 35mm microfilm Image Placement: IIA Reduction Ratio: 1^' I Date Filming Began: ^-10-^5

Camera Operators: D^

J^A

#.

M

"^W

.^Z

%f4^

^^

V

>

J^.

> en

J^.'

2.5 mm

en

o^

o

3 3

o o

3 3

■^ i^ p i

s

K3

K> In

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXVZ abcdefghi|klmnopqrstuvwxyzl234567890

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXVr abcdefghijklmnopqrstuvwxy2l234567890

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXVZ

abcdefghijklmnopqrstuvwxyz

1234567890

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ

abcdefghijklmnopqrstuvwxyz

1234567890

:.^'

,^^-^w

.^<'- .^vL

Mp

V

«^

?o

¥^

&

^

^

fi-

4'

V

><<^ <'^

«

m?

S"

1p

&

^fc.

¥^

&

m

O O

-o m -o

305-1. > C w

I u ^

m

3D O

m

C^

-^•^

'4^>

^

r^-

r^^

^

^.

Chrl Sternheim

Die MARQUISG VON ARCIS

\

■imMisM's^^m^^^p Q':z^

oTb R.AR.Y

OF THE

UNIVERSITY

or ILLINOIS

834S839I

Om

REMOTE STOfJAGE

Dieses Buch gehorf

Otto und Clare Griesbadi

c?

•J

^^/

^M'

,!:■■ ^.- '.

■"vVfj^j^

^..,

wm^'

Vw*^

^I^y^

Return this book on or before the Latest Date stamped below.

University of Illinois Library

. ,*

*'J

t^;<*^

L161— H41

DIE MARQUISE VON ARCIS

Schauspiel in fiinf Aufzugen nach Diderot

von

Carl Sternheim

Leipzig

Kurt Wolff Verlag

1919

r:N

Das Recht der Auffuhrung

ist zu erwerben durch die

Vereinigten Buhnenvertriebe

Drei Masken-Georg MuUer-

Kurt Wolff Verlag

Berlin W 30

Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig

0^ REMOTE STORAGE

PERSONEN:

DER MARQUIS VON ARCIS

DIE MARQUISE VON POMMERAYE

5 HORTENSE DUQUENOY

I HENRIETTE DUQUENOY

^, Lakeien, Bedienung des Marquis und der Marquise

Paris 1750.

^^SS^X^;.,,;!--

} ' ' ■' i

i I'

ERSTER AUFZUG

J

i-771'^-f-' ' -• f

Salon bei der Marquise von Pommeraye.

ERSTER AUFTRITT

EIN LAKAI (offnetFrau von Pommeraye die THr and sagt) : Noch nicht, Frau Marquise (exit).

FRAU VON POMMERAYE (allein. Tntt zumFenster): Um sechs Uhr abends immer noch nicht. Von Tag zu Tag kommt er spater. Und heut ist Gedenktag, sind es fiinf Jahr Seine Ausrede muB, soil sie wirken, den besonderen Ton haben, ein Fassungsloses, Treuherziges. Er wird es finden.

Also warte ich doch, bis mir mein Los von ihm diktiert wird, bis mit voUkommenem Takt er die Welt ahnen laBt, endlich gab er wie anderen auch Frau von Pommeraye den Abschied?

Nie. Ehe er ein Wort sagt, komme ich zuvor. Ich mu6 es mir nicht nochmals schworen; heute! Jetzt!

ZWEITER AUFTRITT

LAKAI: Der Marquis von Arcis! (exit)

DER MARQUIS (tritt oaf): Da es mir immer unmoglicher wird, der besten Freundin fur unvergleichliche Cute zu danken nur Blumen! (Er gibt sie ihr.)

MARQUISE: Oibt es heute Besonderes?

MARQUIS: Den fiinften Mai. Unseren Jahrestag.

MARQUISE: Ich vergaB.

lO ERSTER AUFZUG

MARQUIS:

Ein Umvveg von fast einer Stunde war notig, solche Rosen zu finden.

MARQUISE:

Sie sind himmlisch. Entschuldigen Verspatung. Was mac.ht Gesundheit?

MARQUIS: Tronchin ist zufrieden.

MARQUISE: Sie selbst?

MARQUIS:

Ich weiB nicht, wie sonst der Mann von vierzig Jahren sich befindet. Ich wiinschte mich vollstandiger.

MARQUISE : Nach solcher Vergangenheit?

MARQUIS:

Nach einer ehemaHgen Vergangenheit. Fiinf letzte Jahre waren das Muster der Vernunft.

MARQUISE:

Wenigstens hatte Ausschweifung ihren Charakter ge- andert.

MARQUIS: So schweiften wir gemeinsam aus.

MARQUISE: Plotzlich mit aller Welt. Ist Ihnen das klar geworden?

MARQUIS: Nie wie in letzter Zeit. Ein drolliges Leben fiihren wir besseren Franzosen seit zehn Jahren.

?TKjp->^;?'^.'r: ■'.•?;.

ERSTER AUFZUG 1 1

MARQUISE: Nennen Sie es heut so? Wir konnten ihm bisher keinen Namen erhaben genug finden.

MARQUIS: Und noch wachst sein Ruhm; steht Voltaire im Glanz, hat er Crapule noch nicht einmal angesteckt.

MARQUISE: Sie sind der Freiheiten iiberdriissig, Marquis?

MARQUIS: Erlaubter Freiheiten bin ich miide. Himmlisch fand ich es, ein paar biirgerliche Liimmel stellten unsere Hemmungslosigkeiten fest, fand es reizend, literarisch beglaubigt zu sein, amiisant, man liiftete dem Pobel einen Zipfel des Schleiers, hinter dem wir Leben mach- ten. Bedurften vor uns selbst, Mathilde, wir etwa formlicher Erlaubnis fiir das, was wir taten? Hat je der Machtige . gefragt, ob Wiinsche er sich erfiillen darf? Der Abhangige braucht offentliches Einver- standnis.

Wir waren gottlos, zuchtlos vor den Philosophen und wafen ohne sie schon in alles Geistige vemarrt. Aber wir waren es fiir uns, und Sie und ich waren es mit Entschiedenheit sogar in unserem Kreis allein. Als Sie vorzogen, meine Hand auszuschlagen, und wir nur die Leidenschaften vereinten, war es da nicht das Gliick des AuBerordentlichen, das wir fiir uns in An- spruch nahmen, und das uns reizte? War unsere Hand- lung und Worte, die wir von ihr hatten, nicht souve- ranes und hochstpersonliches Bekenntnis? Was waren sie heut?

12 ERSTER AUFZUG

MARQUISE: In der Tat lebt die Masse schon ohne Umstande.

MARQUIS: Tausend alberne Nachahmungen bis in den dritten Stand hat unser Verhaltnis gehabt.

MARQUISE: Dadurch allein ware es nicht lacherlich.

MARQUIS: Hatte es nicht sein Unvergleichliches, ware es dadurch lacherlich. Durch unsere Mittel waren wir imstand, Welt herauszufordern. Unser Schritt bewies nicht Auf- geklartheit, sondern Stolz und Unabhangigkeit vom Gemeinsinn. Im Augenblick, wo mit allgemeiner Er- laubnis jeder Burger ein Bravo ist, miissen wir, Be- sonderheit wiederzugewinnen, der Aufklarung trotzen. Wir sind Paris, Europas Salon. Und ein Salon braucht Distinktion vor allem.

MARQUISE: Sie sind Herrn von Holbachs bester Freund.

MARQUIS:

Der gute Holbach langweilt sich mit seiner Qottloslg- keit.

MARQUISE: Sie sind Herrn Diderots enthusiastischer Bewunderer.

MARQUIS: Diderot wird alt. Er verramscht Gleichheit und Frei- heit, und es wird nicht lange dauem, bietet der Pobel sie auf der StraBe feil. Hinsichtlich des Preises wird sie dann auf dem Hund sein.

ERSTER AUFZUG 13

MARQUISE: Sie wollen auch Gefiihle ganz fiir sich selbst.

MARQUIS: Was ich Hebe, telle ich nicht mit anderen. Auch Frau von Pommeraye nicht.

MARQUISE: Bin ich Subjekt oder Objekt im Satz?

MARQUIS: Im Ernst : Die Moglichkeit, alles mit alien zu diirfen, ist trostlos.

MARQUISE: Und wertlos. Und also hatten unsere Beziehungen in der Vergangenheit den groBten Reiz?

MARQUIS: Was sagen Sie?

MARQUISE: Ich sage, wir waren nicht nur ineinander verliebt, wir waren vor allem stolz, uns auf eigene Art zu lieben. Es war die anmaBende Geste, mit der wir sie jenseits aller Burgerlichkeit in leere Gefilde setzten, nicht der kleinste Teil unserer Leidenschaft. Jetzt lauft Pobel auf unseren Parkwegen und zertritt Beete.

MARQUIS: Mathilde!

MARQUISE: Geniigt ein Anzug, den mit aller Welt Sie tragen kon- nen, Ihrem Stolz? Besuchen Sie Orte, die um ein Oeld- stuck man betreten kann? Sie sagten selbst, Sie for- dem Distinktion vor allem.

14 ERSTER AUFZUG

MARQUIS :

Darf ich am fiinften Jahrestag unserer Vereinigung, dem Oemeinplatz zu entkommen, Ihnen von neuem meine Hand bieten?

MARQUISE: Um auf einem groBeren anzukommen, den wir schon friiher verschmahten, und der Sie jetzt alsbald vollig rasend machte? Ich danke auch in Ihrem Interesse, Marquis. Sie sind perfekt erzogen, Doch ist es das nicht.

MARQUIS: Nicht das?

MARQUISE: Mag Sie an unserer Verbindung jetzt besonders be- kiimmern, daiB ihr Glanz der Besonderheit durch Nach- ahmung verloren ist mag Ihre Veranderung auf auBeren Ursachen beruhen

MARQUIS: In der Tat.

MARQUISE: Mogen Sie innerlich der gleiche sein, mich wie zu Anfang und wie bisher lieben

MARQUIS: Wirklich!

MARQUISE: Ich aber oder wollen Sie noch, ich schweige? .

MARQUIS: Reden Sie, Liebe, frei heraus. Wollen Sie Geheim- nisse vor mir haben? War es nicht das erste, daB wir

^r>:

ERSTER AUFZUG. 15

iibereinkamen, unsere Herzen, unsere Geister sollten einander sich ohne Riickhalt aufschlieBen ?

MARQUISE: Finden Sie nicht, meine friihere Munterkeit ist dahin?

MARQUIS: Ach vielleicht ein wenig.

MARQUISE: Ich verier den Appetit. Esse und trinke nur, weil ich ' muB. J

MARQUIS: Hm.

MARQUISE: Schlafe nicht. Umgang mit Bekannten ist mir peinlich. Ich frage mich, sind Sie nicht mehr so liebenswiirdig? Aber doch!

MARQUIS: Aber doch.

MARQUISE: Habe ich mich iiber Sie zu beschweren? Nein. Ihnen Verkehr, der mir nicht paBt, vorzuwerfen ? Nein. Hat Ihre iZartlichkeit fiir mich abgenommen?

MARQUIS: Aber nein !

MARQUISE: Nein. Warum also ist mein Herz nicht mehr das gleiche, hat Ihr Herz wenigstens sich nicht geandert?

MARQUIS: Sicher nicht mein. Herz. Alles, was ich sagte, betraf eine gewisse Miidigkeit meines Geistes. DaB ich, wie

5gef'S^.;

16 ERSTER AUFZUO

sagte ich's, uberdriissig der Leichtfertigkeit und schnel- len Oberlegenheit, die auf einmal alle Welt mit mir zu teilen scheint, die Dinge von neuer, weniger spiri- tueller Seite sah.

MARQUISE: Gut. Wechselten Sie also den Gegenstand Ihrer Nei- gung nicht, sondem nur die Art ihn zu lieben

MARQUIS: Wie Marquise?

MARQUISE:

Auf Ihr Erstaunen, alles Bitten, das Sie mir sagen konnen, bin ich gefaBt. Schonen Sie mich auch nicht. Lassen Sie Ihrem Zorn Lauf, aber lieber Freund, es ist nur allzuwahr ich bin ist es nicht Ungliick genug, daB es dahin kam, soil ich mich noch der Schande aussetzen, falsch gegen Sie zu sein?

Sie sind, der Sie waren. Aber Ihre Freundin hat sich geandert. Sie schatzt und verehrt Sie hoher als je. Doch verhehlt eine Frau, die gewohnt ist, wie Sie der Wahrheit ins Auge zu sehen, sich nicht langer, daB Liebe in ihrem Herzen nicht mehr wohni (SiefdlU in einen Sessel, bedecktdieAugenmitdem Tuch, und fahrtschneU fori)

Schrecklich ist die Enthullung! Und darum nicht minder wahr. Wiiten Sie, brandmarken Sie mich mit schlimmsten Namen aber nennen Sie mich nicht Heuchlerin. Denn den Namen verdiene ich nun nicht mehr.

MARQUIS (wirft sich iht zu Fufien): Mathilde! Herrliche, gottliche Frau! wie man keine sonst findet! Ihre Offenheit, Hochherzigkeit ruhrt

ERSTER AUFZUG

17

mich, und ich mochte vor Scham vergehen. Wie hebt der Augenblick Sie fiber mich empor und wie klein bin ich vor Ihnen!

Wohla^i! Sie gestanden zuerst, wahrend ich hinter Ausfliichten mich noch verbarg. Ich war der wahr- haft Schuldige, und erst Ihre Aufrichtigkeit reiBt mich zu voller Wahrheit hin: horen Sie denn: Wort fiiry Wort ist Ihres Herzens Geschichte die meine! Was Sie gestanden, gestehe nun auch ich. Lege Ihnen gleiches, offenherziges Bekenntnis ab.

MARQUISE (nach einer Pause): Ist das wahr?

MARQUIS: Vor Oott! (Er hebt den Schwurfinger.) Und in allem MiBgeschick diirfen wir ims Gliick wilnschen, daB zu gleicher Zeit uns die vergangliche Leidenschaft verlieB.

MARQUISE (schluchzt hinter dem Tach auf).

MARQUIS:

Ist das nicht Trost, werni Trost es geben kann ?

MARQUISE (fafit skh and sagtj: Doch! Denn wie ware ich zu beklagen, was machte ich durch, liebte ich noch, da Ihre Liebe also langst erloschen ist.

MARQUIS: Wirklich. Oder hatte ich zufallig mein Geheimnis eher verraten. Nie sind in Ihrer Aufrichtigkeit Sie mir schon erschienen wie in diesem Augenblick, imd machtt'n Erfahrungen mich nicht klug, wiirde ich glauben, Sie jetzt mehr als je zu lieben (er nimmt ihre Hdnde und kSfit sie stOrmisch).

2

y-'

l8 ERSTER AUFZUG

MARQUISE (wendet sich ab. Nach einem Augenblick

mit neuem Ton):

Und was wird aus uns?

MARQUIS: , -

Vor allem: Wie nie haben Sie aui meine hochste Ach- tung Anspruch, und ich hoffe, mein Recht auf Ihre nicht verloren zu haben. Also fahren wir fort, uns zu sehen, inniger Freundschaft uns hinzugeben. So werden wir uns all das Langweilige ersparen, das kommt, hat eine Leidenschaft ihr Ende erreicht, und wir bleiben vor der Welt ein Paar, das auf seine Art von neuem ohne Beispiel ist.

MARQUISE:

Und Ihre Befiirchtung, gewohnlich zu sein, ist auch dahin.

MARQUIS:

Durch eine Haltung, deren Nuancen ich vorausemp- finde, werden wir nicht nur ein Beispiel, sondem auch unnachahmlich sein. Wieder werden wir ein Vorbild bedeuten. Neben die geistige Freiheit der iibrigen eta- blieren wir die des Herzens. Ohne Scheu vor Welt machen Sie mich zum Vertrauten Ihrer Erobenmgen, und ich erwidre das Vertrauen, obwohl ich durch eigene Unterlegenheit und weil Sie mich zu wahlerisch machten, notwendig hinter Ihnen zuriickstehen muB. Das wird herrlich sein und von welcher Oberlegen- heit! Sie unterstiitzen mich auf Grund meiner beson- deren Kenntnis in jeweiliger Wahl, und ich helfe Ihnen in kritischen Fallen, denn niemand weiB, was nun wieder alles geschehen kann.

. ■■ -■ ;- -■•;■.

' ERSTER AUFZUG 19

MARQUISE: Niemand. Bei Ihres neu€n Geschmacks Richtung be- sonders. •-

MARQUIS: Aber wie, wenn dieser sentimentale Geschmack bei kiinftigen Vergleichen dennoch zu Ihnen zuriickzukehren sich gezwungen sieht, iiberzeugt, Frau von Pomme- ra^e ist auch fiir ihn die einzige Frau, die ihn voll- kommen gliicklich machen kann? Solche Wiederkehr miiBte den menschlichen Gipfel bedeuten!

MARQUISE: Und wenn in diesem festlichen Augenblick Sie mich nicht mehr fanden? Mein Geschmack tind meine Laune mich dann jemand vorziehen liefie, der mit Ihnen gewiB nicht zu vergleichen ware?

MARQUIS: Ich wiirde untrostlich sein, aber ich wiirde gegen ein Schicksal nicht murren, dessen Einsicht und Urteii ich unter mir fande. Mit wirklicher Uberlegenheit mich vielleicht trosten konnen.

MARQUISE: Sie sind mit des Hauses Wahlspruch: „Ohne Ver- gleich" wirklich ein Arcis.

MARQUIS: - Oberzeugt, die Marquise mochte mich auch jetzt noch nicht anders.

MARQUISE: Die nimmt Besonderheit fu^ sich vielleicht in anderem Sinn in Anspruch.

2*

. /^

20 ERSTER AUFZUG

MARQUIS:

Sie will wie ich, stolz auf sich sein. Qleich, wie sie dazu kommt. Und heut haben wir beide unser Recht darauf.

MARQUISE: Nach Worten nicht. Machen wir Tat daraus.

MARQUIS: Zweifeln Sie, es gelingt uns?

MARQUISE: Nein. Doch wird es schwerer sein, als wir ahnen. Fiir mich wenigstens.

MARQUIS: Und vol! noch Icostlicherer Moglichkeiten.

DRITTER AUFTRITT

LAKAI (tritt auf): Zwei Damen, die angeben, bestelit zu sein.

MARQUISE: In den Gartensaal!

LAKAI (exU).

MARQUIS: Empfangen Sie Unbekannte?

MARQUISE: Ehemalige Freundinnen aus meiner Provinz, die durch Schicksal in Verlegenheit kamen und in Paris Brot suchen.

MARQUIS: Schwestern?

"HffiiW^ r

ERSTER AUFZUG 21

MARQUISE:

Mutter und Tochter.

MARQUIS: Lernt man sie kennen?

Kaum. Lohnt nicht?

Vielleicht.

MARQUISE: MARQUIS:

MARQUISE:

MARQUIS: Sie machen mich neugierig.

MARQUISE: Diese Frauen haben auf ein einziges Anspruch: in grenzenlosem Jammer vor Neugier und Zudringlich^ keit geschiitzt zu sein.

MARQUIS: Not muB, daB man ihr beispringt, gekannt sein.

MARQUISE: Dafur geniigt die gute, bemittelte Freundin.

MARQUIS: Wie Sie woUen. ^

MARQUISE: Es ist fur Ihre allabendliche Zerstreuung Zeit. Zum erstenmal f iige ich den aufrichtigen Wunsch bei : mdge im Sinn Ihrer neuen Erwartung sie ersprieBlich sein!

MARQUIS: Wir haben uns heut griindlich aufgeklart. Aber bleibt

N ^

22 ERSTER AUFZUG

in den Herzen nichts Elementares zuriick, das uns iiber diese Aufklarung hinaus bewegt?

MARQUISE: Nichts.

MARQUIS: Auch Sie werden es vvie ich empfinden, Mathilde.

MARQUISE:

Nein. Und bis ?

MARQUIS: Morgen. Wie stets.

MARQUISE: Bis morgen, mein Freund.

MARQUIS (exit).

VIERTER AUFTRITT

MARQUISE (mit einem Schmerzensschrei droht zu falletiy

macht ein paar hastige Schritte zur Tiir, wie urn ihn

zuriickzurufen und sagt mit plotzlicher Fassung):

Nein! Doch Rache urn meines Lebens Preis!

(Sie schellt)

LAKAI (triU auf).

MARQUISE: Oing der Marquis? '

LAKAI:

Der Wagen des Herrn Marquis ist fort.

-\

MARQUISE: Die Damen!

LAKAI (exU).

P^^^^mi!^^: :^■■'''''''i■-■■■.:,r.^=':.i:^'':^ '^-^.r-fv'^

FUNFTER AUFTRITT

/vYza and Frdulein Duquenoy treten auf.

DUQUENOY: Frau Marquise, wir gehorchten dem Befehl.

HENRIETTE (neunzehn Jahr. Blendende Schonheit Mit tiefem Knix): Frau Marquise.

MARQUISE (betrachtet sie lange durch ihr face a main): WieheiBtdie Kleine?

DUQUENOY:

MARQUISE:

DUQUENOY:

HENRIETTE:

Henriette.

Alt?

Neunzehn.

In einem Monat.

MARQUISE: Sie ist gut gemacht. Wie lange sind Sie in Paris?

DUQUENOY: Ein halbes Jahr.

MARQUISE: Sie kamen ohne Groschen an?

DUQUENOY: Unser ProzeB urn meines Oatten, des Prasidenten, Erbe, hatte unsere letzten Erspamisse verschlungen.

MARQUISE: Und Sie lebten?

DUQUENOY: Von Almosen hi€siger Verwandten anfangs. Bis die das Bezahlen satt hatten.

24 ERSTER AUFZUO

MARQUISE: Dann?

DUQUENOY:

Einer unserer Schwager

MARQUISE: Name tut nichts zur Sache woUte Henriette/naher kermen

DUQUENOY: Hatte sich gewohnt, abends mit Freunden bei uns ein Spielchen zu machen.

MARQUISE: Man war in Laune, trank und war zu faul, zu seiner Frau nach Haus zu finden.

DUQUENOY: Henriette wurde aufgefordert, sich zu einer Arie zu begleiten.

MARQUISE: Sie singen, Fraulein?

HENRIETTE: Ich singe, gnadige Frau.

DUQUENOY: Sie hat eine bezaubernde Stimme.

MARQUISE: Sie war gut angezogen, lieS einen hiibschen Busen sehen. Die Mutter drangte, und endlich brachte auf Zureden das Fraulein das Kindesopfer.

DUQUENOY: Man bedenke, welche Erniedrigungen zuvor, was wir guterzogenen Frauen durchgemacht batten!

ERSTER AUFZUG 2$

MARQUISE: ich habe keine Vorurteile, mische mich nicht in Privat- sachen. Sie fanden cs Ihren Dingen dienlich, waren cs Erziehung schuldig.

DUQUENOY: Das Leben ist hart.

MARQUISE: Zweifellos. Die junge Dame hat aber erste Strapazen glanzend und ohne EinbuBe der Erscheinung iiber- standen.

DUQUENOY: Gnadige Frau diirfen nicht glauben, jedermann und iibrigens erst seit Wochen.

MARQUISE: Immerhin war und ist sie fiir ihren Preis zu haben.

DUQUENOY: Schonen Sie meine Tochter, gnadige Frau.

HENRIETTE (mit leisem Lachen): Wie lacherlich, Mama!

MARQUISE: Henriette hat recht. Nicht uns Beweise gegenseitigen sublimen Anstands zu geben, bat ich Sie her, son- dern, daB Sie mit Unvoreingenommenheit den Auftrag begreifen, den ich fiir Sie habe.

HENRIETTE: Sehr wahr. Wir nahmen audi wiridich nicht an, gna- dige Frau woUte ziigellose Mildtatigkeit an uns aus- lassen, sondem stellten noch gerade auf der Treppe fest, wir miiBten eine Zumutung erwarten, die dem

•;;'i^' '"'

•- '-•■■Tir^Z^v^^^^<''WW^^^^

26 ERSTER AUFZUG

ungestiimen Charakter der gnadigen Frau entspricht. Trotz mannlicher Beschiitzer sind wir dazudauernd in so trostloser geldlicher Lage, daB Riicksicht auf unsere Empfindung albem ware.

DUQUENOY: Henriette!

MARQUISE: Sie hat recht. Ihre Worte sind niclit madchenhaft takt- voll, doch faktisch richtig, und wir sind heut auf- geklart genug, eine Sache sachlich ru selien uhd zu bereden.

DUQUENOY:

Ich will nur verhindem, gnadige Frau geben sich durch heuchlerische Worte meiner Tochter falschen Envar- tungen iiber ihren Charakter hin. W.ihr ist, trotz- dem sie der Not das ungeheure Opfer brachte, hat sie nichtgelernt, GeschmackanderFreiheitderSitten zu fin- den, Trotzdem unser Leben, Zukunft uud unseres Pro- zesses Ausgang davon abhangt, blieb sie in der Fahig- keit, der Manner Feuer zu entfachen, unbewandert.

HENRIETTE:

Ja um meines Lebens langweiliges Register zu be- schlieBen: ich schadete allem schon Erreichten da- mit, daB ich reichen Liebhabern den harmlosen Verkehr mit einem jungen frommen Priester vorzog, mit dem ich mich nur darum entzweite, weil seine Fromrhig- keitsichalsnichtechterwies. Doch das sind vergangene Siinden; und mehr als je bin ich bereit, Vemunft zu kennen.

: ERSTER AUFZUG 27

MARQUISE: Wir brauchen keine Worte mehr. Hier spricht nicht ein junges Madchen mit zwei Frauen, drei Frauen sprechen miteinander.

HENRI ETTE: Ja.

MARQUISE:

Die wissen, was der Mann bedeutet. Horen Sie zu. Setzen Sie sich. Sind Sie hier bekannt?

DUQUENOY: In dem besonderen Kreis, in unserem Quartier leider nur zu sehr.

MARQUISE: Und trotzdem mittellos?

DUQUENOY: Voilig.

MARQUISE: Nahme ich mir vor, Ihnen beiden zu glanzendem Schick- sal zu helfen, waren Sie einverstanden ?

DUQUENOY: Aber wie von Herzen!

MARQUISE: Doch kommt es darauf an, mir zu versprechen, den Forderungen, die ich an Sie habe, auf das gewissen- hafteste zu entsprechen.

HENRIETTE: Ich kann von seiten einer Frau keine ausdenken, die zu erfiillen barter ware, als die der Manner.

-•^'.•sriTi^?'-*^.* t'- '^i^^'^fw?^ \w, ' '^'^■-••7f^''.^^'xX-'::''^4M^Wv^ ~W^m^'.""-'-

HM.

28 ERSTER AUFZUG

DUQUENOY: Wie Ihre Befehle auch sein mogen, Sie durfcn sich au! uns verlassen.

MARQUISE: Und Sie wollen zu meinen Diensten sein, wenn ich Sie verlange ?

DUQUENOY: Wir erwarten mit Ungeduld Ihren Auftrag.

MARQUISE: Kein Zaudern, Schwanken niemals?

DUQUENOY: Nie.

MARQUISE:

Das ist fiir jetzt genug. Qeben Sie mir die Hand darauf.

DUQUENOY (reicht die Hand).

MARQUISE: Henriette !

HENRIETTE: Ist sie nicht zu schlecht?

MARQUISE: Zu dem nicht, was ich vorhabe. Qehen Sie nach Haus. Vericaufen Sie Mobel, was Sie besitzen; auch Ihre Kleider, die viel zu sehr ins Auge fallen. Von heut an betreten Sie keine offentlichen Wege, keine Oper, Theater, Konzerte, keine Vortrage itiehr. Sie nehmen Besuch von niemand an.

Ich werde sofort in einer der Vorstadte, die von Ihrem jetzigen Logis am weitesten entfernt ist, in ehr-

••• . .<-_' .^■" -n._ j''r:'.,^_J-):c.^ki^&i[^::^,ii^Jh&sSLl:-,.

ERSTER AUFZUG 29

samem Burgeiliaus Wohnung fur Sie nehmen. Einmal dort, miissen Sie sofort nach Art der Betschwestera sich schwarz kleiden. Der Kleinen wird das iibrigens brillant stehen. Denn fiir dergleichen Personen mussen Sie in Zukunft gelten.

HENRIETTE: Zu Haus sollen wir fromme Biicher liegen haben

MARQUISE: Zur Kirche mussen Sie an Fest- und Werktagen so oft wie moglich gehen.

HENRIETTE: Wir konnen wieder Zutritt ins Sprechziramer dieses Oder jenes Klosters suchen.

MARQUISE: Was Nonnen Gutes von Ihnen sagen, wird fiir unseren Plan von Nutzen sein.

DUQUENOY: Und was ist dieser Plan?

MARQUISE: Sie sind nicht neugierig, Henriette?

HENRIETTE: Nein, gnadige Frau.

MARQUISE: Um so besser, denn der Plan, bringt er Ihnen auch groBen auBeren Nutzen, erfiillt mir innere Wunsche. Machen Sie mit dera Pfarrer und den Geistlichen Ihres Sprengels Bekanntschaft, denn wir warden einst ihr Zeugnis brauchen. Aber empfangen Sie aus Prinzip

. .„Jb^■^_=sl>*.»e. -.,»: V... ,,,

■, ' ' ■■'-•-"-.'''■.. " ■•.'■'.'.■ '.-'■'' :-~<^~:'''

< , . "' . -^ : - '■■■*i "•■ "^^ .^ " '

- ^ *^ ,

30 ERSTER AUFZUG ,: -

keinen von ihnen. Zweimal im Monat gehen Sie zur Beichte und wie nannten Sie sich hier?

DUQUENOY: Frau und Fraulein von Aisnon.

MARQUISE: Sie heiBen mit gutem bretonischen Namen wieder Du- quenoy, weil er ehrlich ist, und man friiher oder spater iiber ihn Erkundigungen in unserer Provinz einziehen wird.

DUQUENOY: Von Zeit zu Zeit soilten wir Almosen austeilen.

MARQUISE: Lassen Sie mich dafiir und fiir anderes sorgen. Sie selbst aber nehmen keinerlei Gaben an, unter welchem Vorwand, und wie hoch sie Ihnen auch angeboten werden. Verstehen Sie gut: In welcher Hohe auch! Von niemand! Begreifen Sie?

DUQUENOY : Das setzt voraus

MARQUISE: Das werden Sie erfahren! Nahen Sie, sticken und stricken Sie und geben Sie den Nonnen die Arbeiten zum Verkauf. Leben Sie mafiig.

HENRIETTE: Das wird uns nichts Neues sein. ,

MARQUISE: Nie darf Henriette ohne Sie, Sie nie ohne die Tochter ausgehen. Denn wenn in unserem Spiel die Tochter

l^r^f^^'

*%; mj'"'^ T^-f^^^^^t

' '^;f r

ERSTER AUFZUG

31

auch der Trumpf ist, darf die Mutter unter keinen Umstanden ein liederliches Frauenzimmer oder, was daran erinnert, scheinen.

HENRIETTE:

Aus meiner Jugend und guten Verhaltnissen, die schlieBHch noch kein Jahr her sind, weiB ich, was sonst noch von uns verlangt wird. Wir gehen mit gesenkten Augen auf der StraBe, sind mehr oder we- niger dem Irdischen entriickt und sehen in der Kirche Gott.

MARQUISE: Und haben, Henriette, nicht zu viel Geist.

HENRIETiTE: Ich weiB, er steht Madchen aus gutem Haus nicht. Seien Sie unbesorgt ; zu dem was Sie bisher verlangen, brauche ich trotz zweier Monate wiisten Traum nicht viel Verstellung, von meinem Erfolg iiberzeugt zu sein.

MARQUISE: Trotzdem wird nach einem Leben, das Sie geschmeckt haben, das neue streng und klosterlich sein.

D'UQUENOY: Frau Marquise werden es uns lohnen.

MARQUISE: In der Tat verspreche ich glanzende Belohnung.

DUQUENOY: Die man des naheren fixiert?

HENRIETTE: Uber die kein Wort mehr notig ist.

;'f-s^«°'*'^'' v^; 7'' .- '^..;,,'?-'9f;'T?^

32 ERSTER AUFZUG

MARQUISE:

Borgen Sie von Ihrer Tochter hoheres Leben, Clemen- tine; so hieBen Sie doch in der Jugend, als wir uns kannten.

Ich vergaB zu sagen, es ware gut, Sie gewohnten sich einen frommen Jargon an und steigerten in be- sonderen Augenblicken sich zu wirklichkeitsfrenidem Mystizistnus. Werden Sie oder, was sonst Ihnen be- liebt, doch so, daB durch besonderen Olauben Sie sich vor Menge auszeichnen. Und vor allem vergessen Sie nicht, iiber alles, was Philosoph und Aufklarung heiBt, bei jeder Gelegenheit sich wutend zu entriisten. Schreien Sie iiber Voltaire als uber den ieibhaftigen Antichrist.

HENRIETTE: Hatte ich noch das Recht eigener Meinung, wurde ich bekennen: nichts haBt von jeher wirklich raeine Natur wie diesen Geist und seinesgleichen.

DUQUENOY:

Das ist wahr.

MARQUISE: Um so besser. Bei Ihnen werde ich sie nicht sehen, denn wie ware ich meinerseits wiirdig, mit solch ge- wissermaBen heiligen Personen umzugehen. Doch seien Sie unbesorgt, Sie sollen mich heimlich oft genug besuchen, und unter sechs Augen woUen wir uns fiir Ihre sonstige Diat schadlos halten.

DUQUENOY. Nur fiir den Fall, ohne unsere Schuld schlagt der Plan fehl

?f^: i^^^m-jy^m^^^ ■" « T -

ERSTER AUFZUG 33

MARQUISE: Bin ich reich genug, ninen ein bei weitem besseres Los zu verschaffen als das, das Sie mir opfern. Ge- lingt er aber, wird Ihre Belohnung unaussprechlich sein. Und die Kosten Ihrer kleinen Wirtschaft natiirlich zu meinen Lasten.

DUQUENOY: Von dem Plan selbst horen wir kein Sterbenswort ?

MARQUISE: Vorlaufig nicht. Nur blinde Unterwerfung, vollstan- diger Gehorsam meinen Befehlen, oder ich stehe weder fiir jetzt noch fiir die Zukunft.

Gehen Sie, ich lasse Ihnen trotzdem bis morgen friih Bedenkzeit. Uberlegen Sie noch einmal, gehen Sie instandig mit sich zu Rat. Glauben Sie, so volliger Zwang iibersteigt Ihre Krafte, sagen Sie es frei.

HENRIETTE: Wir haben nichts zu verlieren.

DUQUENOY: Das ist iibertrieben wir haben immerhin

HENRIETTE: Ich habe nichts zu verHeren.

DUQUENOY: So lange man so viel besitzt, wie du, hat man es zu verlieren. Im ganzen aber, glaube ich, kann ich fiir uns biirgen. Soil jedoch der Fall liickenlos zu Ende gesprochen werden, soil er so emst behandelt sein, wie er vielleicht fiir uns alle wird, mochte ich nach dem geschaftlichen ein menschliches Wort sagen.

3

34 ERSTER AUFZUG

MARQUISE : Sprechen Sie.

DUQUENOY: Es handelt sich urn einen Mann. Das ist ohne weiteres unter Frauen klar. Als semetwegen gnadige Frau den Plan faBten und uns riefen

Unsere Bereitwilligkeit, unsere Umstande schicken sich gewiB vorziiglich fiir Sie, ja, was mich betrifft, behaupte ich, es gibt keine. bessere Vertreterin der Mutterrolle, doch muB ich einwerfen das junge Madchen stellt wohl nur den Koder dar, der dienen soli, daB der Betreffende iiber ihn fort schUeBIich nach dera Bisseji hascht, der die gnadige Frau selbst ist?

MARQUISE: Dieser Einwurf geht iiber Ihre Rechte hinaus.

DUQUENOY:

Ich behaupte kein Recht, Zu unserem gemeinsamem Besten muB ich bemerken: Unter meiner Tochter un- scheinbarem AuBeren verbirgt sich ein Charakter, der imstand ware, den Fall von seiten des Betreffenden zu komplizieren.

HENRIETTE:

Wie unzart, Mama. In was konnte ich mich der gna- digen Frau vergleichen? Nun gar an inneren Vor- ziigen ! Du bist fiir deine Ruhe besorgt. Meine Mutter iiberschatzt mich immer, gab meinen Launen zu viel Gewicht. Was ihr aber noch wichtiger ist, ist ihrer ungestorten Ruhe QewiBheit. Sie hat vor Qemiits- aufstanden kindliche Angst.

ERSTER AUFZUG 35

DUQUENOY:

Ich mochte nichts, als alles das ware ein Scherz. So leichtsinnig frivol, wie er mochte. Ich will uicht, was hier beginnt, konnte durch fahrlassige Mischung der Charaktere Tragisches briiigen.

HENRIETTE: Uberlassen wir das Fran von Pommerayes Urteilskraft.

MARQUISE:

Ich sagte: ich kaufe! Kaufe ohne Vorbehalt. Sie aber sind kauflich oder nicht.

HENRIETTE: Wir sind's. Haben es genug bewiesen, Nehmen Sie unser endgiiltiges Einverstandnis auf der Stelle und streichen wir die Bedenkzeit bis morgen.

MARQUISE (zu Frau Daquenoy): WoUen Sie?

DUQUENOY: Ich will,

MARQUISE: Sie tun ab heute, wie ich befehle. Das ist abgemacht (Sie zeigt Henriette einen Stick, der an der Wand hdngt) Hier von Qreuze die Figurine; die einzige Devote, die er in seinem prangenden Fleischmarkt gemalt hat. Ganz f romm und Irdischem verloren, und doch Flammen im Augenhintergrund.

DUQUENOY: Meine Tochter wird das in der VoUendung machen.

MARQUISE: Denn Sie sind schon, Henriette.

sv?'»" .,¥■■:■''■. ' •-:"■ >;■■•*■ -■'-■". -^ c, ■;■• ^-

«?.-s^^7^-'

36 ERSTER AUFZUG

HENRIETTE: Ich war nicht iibel.

DUQUENOY: Sie ist schoner, als Sie wissen, gnadige Frau.

MARQUISE: Ich ahne viel und finde sie blendend.

DUQUENOY: Und trotzdem ?

MARQUISE: Darum.

(Einen Augenblick Schweigen.)

MARQUISE: Morgen abend ist Ihre Wohnung bereit. Leben Sie jetzt wohl und folgen Sie strikt (zu Frau Daquenoy). Nehmen Sie dies Geld.

DUQUENOY {kufit ihr die Hand): Ich weiB nicht, wie ich danken soil.

MARQUISE: Gewohnen Sie sich solche Manieren ab.

HENRIETTE: Ich will bis ans Ziel meine Pflicht tun.

SECHSTER AUFTRITT

LAKAI : Der Marquis von Arcis!

MARQUISE:

Er mochte einen Augenblick

_ -. > ' *'■• r ' . . -;'--- _ -■

■'■■■"■"■.-.--" "l I »

ERSTER AUFZUG 37

LAKAI ^^;c//;.

MARQUISE (zu den Fmuen): Ohne OruB an ihm vorbei! Schnell fort!

SIEBENTER AUFTRITT

MARQUIS (triU schnell auf). MARQUISE (fiihrt, ohne vorziistellen, die beiden Frauen

an ihm vorbei).

MARQUIS (macht beim Vorbeigehen Henriettens eine Qe- bdrde hochsten Erstaunens).

DUQUENOY und HENRIETTE (exeunt).

MARQUISE: Schon wieder hier?

MARQUIS: Ich lieB meine Dose hier.

MARQUISE:

Nach unsem neuen Abmachungen heiBt's: neugierig, liistern war ich nach diesen Frauen.

MARQUIS:

Es ist ja wahr. Ich muB nicht liigen : wer also ist das unwahrscheinliche Geschopf?

MARQUISE:

Eine Ungliickliche, die gerade von neuem in tiefe Trauer gestiirzt ist. Die einen Rat fiir unbeschreib- liches Elend erbat und heut noch in finstere Ein- samkeit, auf die sie heiliges Recht hatj zuriick ver- schwindet.

\Y'- '•' Vf3|

c

|. Mathilde!

38 ERSTER AUFZUG

MARQUIS :

MARQUISE: Eine Welt von Frauen steht Ihnen von heut an wieder frei: Diese scheidet aus menschlichen Qrunden aus.

MARQUIS: Wie Sie wollen.

MARQUISE:

Unsere Partie Schach noch?

MARQUIS: Mit Vergniigen,

Vorhang

^f:i?t'^C-\.,*'"-f^^\;^-^f r

ZWEITER AUFZUO

f ^5 v.'^?P'"'7^,^-"> v»?v7;^p»^i?^* /-'■:; ' ^sfj^^^-

D^r gleiche Raum.

ERSTER AUFTRITT

HENRIETTE:

Meine Mutter, die nicht wohl ist, wird trotzdem, wie Frau Marquise befohlen, um vier Uhr mit mir im Qartnerhaus auf Ihren Wink, zu kommen, warten,

MARQUISE:

Sind Sie inzwischen fahig, Bericht uber das Vorge- fallene so vollstandig zu geben, wie ich ihn von Ihrer Mutter erwartete?

HENRIETTE: Ich glaube.

MARQUISE: *"

Was geschah nach dieser anscheinend unvorhergesehe- nen zweiten Begegnung im Garten des Naturalien- kabinetts ?

HENRIETTE:

Was gnadige Frau voraussahen. Der Marquis von Arcis tat, was in seiner Macht stand, unsere Um- stande und Wohnung zu erfahren. Er horte, wir tun nichts, als vom Haus zur Kirche, von der Kirche nach Haus gehen. So wagte er uicht, was er sonst getan hatte, sich vorzustellen. Dafiir trafen wir ihn auf all unseren Gangen, bei denen wir den Blick zu ihm nicht aufhoben. Trafen ihn schlieSlich bei jeder Messe, von denen er die friiheste nicht versaumte.

MARQUISE: Auf ihn der Eindruck ist also groB ?

■3^1'

Sf"

■•'C*-

42 ZWEITER AUFZUQ

HENRIETTE: Meine Mutter ist uberzeugt. Sie ahmt des Marquis Seufzer nach und behauptet, es sei ganz und gar geschehen.

MARQUISE: Ihre eigene Meinung?

HENRIETTE: Es wird so sein.

MARQUISE: Sie haben hinreichend Erfahrung, zu sagen, es ist so und ist nicht so.

HENRIETTE: Ich gab mir nicht Miihe, auch noch der Manner see- lischen Zustand zu kennen und weiB nicht, ob des Marquis Gebarden Natur oder das Mittel sind, schnell ans Ziel zu kommen.

MARQUISE: Doch sein Ziel ist Ihnen klar?

HENRIETTE:

Ich glaube nicht, zweifeln zu diirfen.

MARQUISE:

Aber miissen tun, als zweifelten Sie, als ahnten Sie nicht das geringste. Sie sind nicht mehr die kleine Aisnon, an die man ohne Umstande in dem Sinn denken durfte; Sie sind Henriette Duquenoy, Kind aus gutem Haus, zu dem Gefiihl und Gedanke vor- geschriebene Wege geht. Ich hoffe, Sie empfinden wirklich so, weil Sie sonst trotz Beherrschung unwill- kiirlich zum Ausdruck brachten, was aus dem Spiel bleibt. Ich bedaure, Sie ihm gegenuber nicht gesehen, Ihr Benehmen gepriift zu haben.

•**r«l

ZWEITER AUFZUG 43

HENRIETTE: Gnadige Frau durfen trotzdem beruhigt sein.

MARQUISE: Nicht durch Worte. Man kann mit niedergeschlagenen Augen zuchtlos scheinen.

HENRIETTE (mit vollem Blick): Mache ich den Eindruck?

MARQUISE: Jetzt und hier nicht.

HENRIETTE:

Im iibrigen sind gnadige Frau aus des Marquis An- deutungen zweifellos unterrichtet.

MARQUISE: Wie gefallt er Ihnen?

^ HENRIETTE:

Ich kann Manner nach ihrer Erscheinung nicht be- urteilen. Zudem ist Beschaftigung mit des Marquis Person bis jetzt von mir nicht verlangt worden.

MARQUISE: Er bleibt auch nath fliichtiger Begegnung keiner Frau gleichgiiltig. Es bringt Ihrer Rolle keinen Vorteil, mir Gefiihle zu verbergen, und eine etwaige Neigimg Ihrer- seits ist durchaus nicht meinen Planen ungUnstig. Hiiten Sie sich taktvoU oder iiberlegen sein zu wollen Oder irgendwie mit Uberlegung m meine Absichten einzugreifen.

HENRIETTE: Ich bin Werkzeug und versichere, ich verglich den Marquis in meinem Herzen nicht. Wollen gnadige Frau aber

WW^i^'^Wt^^'-

44 ZWEITER AUFZUG

MARQUISE: Sie konnten nicht, wie es geschehen soil, mit Macht auf einen Menschen wirken, folgt angespannt ihm Hire Seele nicht. Sie miissen, sind Sie nicht in seinem Bild, ihn notwendig enttauschen. Ich hielt die Wissen- schaft fiir selbstverstandlich und erwartete aus Ihrer galanten Laufbahn Instinkt und Erfahrung genug

HENRIETTE: Sie war kurz

MARQUISE: Hingabe an Ihren Zweck bei auBerlich krasser Zuriick- haltung, mit einem Wort! Ich glaube, es wird keiner weiteren Aufmunterung bediirfen, denn in jeder Hin- sicht bedeutet der Marquis ftir Sie ein Ideal.

HENRIETTE: Wie gnadige Frau befehlen.

MARQUISE: Weiter!

HENRIETTE:

Meine Mutter erfuhr, der Marquis bemiihte sich ver- geblich, den Weg zu finden, auf dem er, ohne unsere Ehre anzutasten, uns Mittel zukommen lassen konnte, die uns von Almosen, denen wir nach seinen Erkun- dungen das Leben danken, erlosen.

MARQUISE: Was unternahmen Sie dagegen?

HENRIETTE:

Ich schrieb den Brief, den ich zur Priifung mitbrachte. (Gibt ihr den Brief.)

A^iiiiHeitei

v*

■--'-^^ T rV'

if^^-^R

ZWEITER AUFZUG 45

MARQUISE (liest): „Ich weiB, mein Herr, es ist in unseren Zeitlauften das Recht adligen Reichtums und der Macht, ein armes Madchen biirgerlichen Standes um so nachdriicklicher zu kranken, je mehr Not und ihr unverschuldetes Un- gliick fortschreitet. Ich begreife auch, daB die Gebarde madchenhaften Aufstands gegen Ihre Unziemlichkei- ten und Ihres Herzens mangelndes Taktgefiihl dadurch langst an Wirkung eingebiiBt hat, daB sie von im- redlichen Gewissen gefalscht und wie verstohlene Auf- forderung benutzt wurde.

So bleibt mir nur der Weg, durch die einzige Freun- din aus Ihren Kreisen, mit Ihren Begriffen Sie zu iiber- zeugen, Sie setzen durch Ihr Betragen in den Augen der Nachsten und aller Welt herab die, die sich zeichnet

Henriette Duquenoy."

Schrieben Sie selbstandig die Zeilen?

HENRIETTE: Ja.

MARQUISE: Sie sind gut und loben Ihre Erzieher. Durch wen lernten in dem Alter Sie sich so biindig ausdriicken?

HENRIETTE: Durch jenen Abbe hauptsachlich, von dem meine Mutter die Unzartheit hatte, zu sprechen.

MARQUISE: Sind Sie mit diesem Menschen so fertig, wie Sie sag- ten? Im andern Fall wiirde eine solche innerliche Ab- lenkung Ihre anderweitige Wirkung beeintrachtigen.

^i^MliMisiii.. *•/ rii^dM:^'^:-

46 ZWEITER AUFZUG

HENRIETTE:

Ich bin heute wie zuvor von niemand im wesentlichen beriJhrt.

MARQUISE:

Spielen Sie hier nicht die Zimperliche. Seien Sie ganz Weib und die Leidenschaft, die ich brauche, und ent- wickeln Sie sich, wie Ihre Erscheinung es vorschreibt, taglich mehr zu jener maBlosen Verfiihrung, vor der es kein Halt gibt. (Sie sieht sie diirch ihr Glas an.) Wird das Ganze zugleich geniigend angeboten und ver- sagt, mu6 Wirkung elementar sein.

HENRIETTE (verbirgt ihr Gesicht in beiden Hdnden).

MARQUISE:

Reizend! das ist's! Und zum SchluB lassen Sie durch Ihre Fingerritzen eine Ahnung Ihres Blicks blitzen. Um vier Uhr essen Sie mit mir und dem Marquis. Geht es schicklicherweise, lasse vor dem Anrichten ich Sie fiir Minuten mit ihm allein; Minuten, in der in jeder Sekunde Sie eine Schlacht gewinnen, Pro- vinzen nehmen miissen. Machen Sie jene Geste wieder, reiBen Sie alien Liebreiz in eine Gebarde, doch so, daB Sie sich noch iiber des Briefes Abwehr von ihm zu- riickziehen. Jedenfalls miissen Momente geniigen, eine Situation zwischen Ihnen zu schaffen, die kein Zuriick mehr zulaBt.

Die herabgelassene Jalousie hier zeigt den Augen- blick, wo mit der Mutter Sie vom Gartenhaus her- iiberkommen. Man sieht, sitzen Sie, von der Hufte zum Knie, Ihr Strumpfband.

wY---?iSar„~'v^'>.,

ZWEITER AUFZUG 47

HENRIETTE:

Es geschah nicht mit Absicht.

MARQUISE:

Wahrscheinlich. Aber vermeiden Sie solche Indezenz in Zukunft. Der Marquis sieht scharf. Im iibrigen fragen Sie, ist unser Handel fortgeschritten, in allem Weiblichen mich um Rat. Ich gebe Ihnen unbedingt als Ihre Mutter bessere und entscheidendere Auskunft.

HENRIETTE: Ich weiB es.

MARQUISE: Warum ?

HENRIETTE:

Weil das weiblichere Weib als die Marquise von Pom- meraye nicht lebt.

MARQUISE: Was meinen Sie?

HENRIETTE: Ohne daB ich mit Worten es sagen konnte.

MARQUISE: Gehen Sie.

HENRIETTE (exit).

MARQUISE (schellt).

HAUSHOFMEISTER (tritt auf),

MARQUISE:

Alles bereit?

*?^'«^ ' jT ^V

1 ,^wiH- -- -rr-iTf" -^j^ ,v

: ,, ^«,^,' ^

'n*'*^:;^, '"v-'^^"* (!7«'^-'*-7v-'™___ =, y «

48

ZWEITER AUFZUG

HAUSHOFMEISTER: Vier Uhr. Vier Personen zu Tisch. Der Frau Marquise sitzt Fraulein Duquenoy gegeniiber, der das Licht der Fenster zufallt.

MARQUISE:

Gut.

HAUSHOFMEISTER (exit).

MARQUISE (tritt ans Fenster): Auch ohne Fenster kam ihr so reichlicher Glanz vom Himmel, daB er bis zur Blindheit blendet. Auf welchen Hiiften die Beine gehen!

ZWEITER AUFTRITT

LAKAI : Der Marquis von Arcis! (exit)

MARQUIS (tritt auf). Welch unertragliche Schwiile im Juli und die Insekten!

MARQUISE: Sie niramt Sie mit, Sie sehen schlecht aus. Oder sind es schlaflose Nachte?

MARQUIS: Auch das!

MARQUISE: Endlich die wiirdigeren Ausschweifungen?

MARQUIS: Die niedrigsten und banalsten, die ich fiir immer ge- storben glaubte. Das Sinnlose.

- ^ 4 H'v

L

ZWEITER AUFZUG

49

MARQUISE: Sie fangen von vorn an?

MARQUIS:

MARQUISE:

MARQUIS:

Ich bin zu Ende.

Warum also?

Gegengift.

MARQUISE: Wollen Sie galant behaupten, Sie miiBten, ungliicklich iiber meinen Verlust, sich trosten?

MARQUIS: Seit Sie zur Wahrheit das Zeichen gaben, liige ich nicht mehr. Im iibrigen, oline daB ich ein Wort sprach, wissen Sie seit Wochen alles.

MARQUISE: Ich sehe nur, Sie sind nicht aufgeraumter als vor unserer Aussprache.

MARQUIS: Und weiter als je von der Moglichkeit, sich neu zu fiihlen, entfernt. Telle das Los der durchschnittlichsten Nichtse.

MARQUISE: Und war zu hohen Sternen Ihr Wille so steil.

MARQUIS: Bis vom starkeren er gekreuzt wurde.

MARQUISE:

Wirklich das Madchen?

48 ZWEITER AUFZUG [ :y,J-

HAUSHOFMEISTER: Vier Uhr. Vier Personen zu Tisch. Der Frau Marquise sitzt Fraulein Duquenoy gegeniiber, der das Licht der Fenster zufallt.

MARQUISE: Out.

HAUSHOFMEISTER (exit).

MARQUISE (trltt ans Fenster): Auch ohne Fenster kam ihr so reichlicher Olanz vom Himmel, daB er bis zur Blindheit biendet. Auf welchen Hiiften die Beine gehen!

ZWEITER AUFTRITT

LAKAI: Der Marquis von Arcis! (exit)

MARQUIS (tritt auf). Welch unertragliche Schwiile im Juli und die Insekten !

MARQUISE: Sie nimmt Sie mit, Sie sehen schlecht aus. Oder sind es schlaflose Nachte?

MARQUIS: Auch das!

MARQUISE: Endlich die wiirdigeren Ausschweifungen ?

MARQUIS: Die niedrigsten und banalsten, die ich fiir immer ge- storben glaubte. Das Sinnlose.

V

"kK -''^ ' ■" "*-'■" ■",■■ '^^ '** . .- ' / '/

ZWEITER AUFZUG 49

MARQUISE: Sie fangen von vorn an?

MARQUIS: Ich bin zu Ende.

MARQUISE: Warum also?

MARQUIS: Gegengift.

MARQUISE: Wollen Sie galant behaupten, Sie miiBten, ungliicklich iiber meinen Verlust, sich trosten?

MARQUIS: Seit Sie zur Wahriieit das Zeichen gaben, liige ich nicht mehr. Im iibrigen, ohne daB ich ein Wort sprach, wissen Sie seit Wochen alles.

MARQUISE:

Ich sehe nur, Sie sind nicht aufgeraumter als vor unserer Aussprache.

MARQUIS: Und weiter als je von der Moglichkeit, sich neu zu fiihlen, entfernt. Telle das Los der durchschnittlichsten Nichtse.

MARQUISE: Und war zu hohen Sternen Ihr Wille so steil.

MARQUIS: Bis vom starkeren er gekreuzt wurde.

MARQUISE: Wirklich das Madchen?

^fV^-*"" '" ', ;■ " ."' ■,■ ''."" .' "-". •' . .. ' ■■■■ ^■' ■'-■ ■,■ ■■'■'f/ ■:■».;-. ''.v^

50 ZWEITER AUFZUG

MARQUIS:

Durch Sie mir gezeigt.

MARQUISE: Die kleine Provinzlerin ist das Phanomen?

MARQUIS : Sie sind Kennerin und durch eigene Schonheit verwohnt genug, zu wissen: das ist das himmlischste Oeschopf, das man sehen kann. Was bedeutet vor dam Engel das blendendste Kunstwerk, fiir das wir doch fassungs- los schwarmen. Soil es nicht plausibel sein fiir diesen Ausbund der Natur, frischer Reize und madchenhafter Pracht sich zu entziinden?

MARQUISE: Doch. Und ich wiinsche Gliick.

MARQUIS:

Sie ist das kapitalste Stuck Schopfung, das ich sah, und mein Ehrgeiz ist ihr wie noch nie verhaftet. Entweder tauge ich, sie zu gewin- nen, oder ich tauge noch zu nichts, and mein Leben mit Erfolgen, mit meiner liebensvviirdigen Freun- din Neigung zu mir vor allem, die diesem Madchen doch sonst in alien Eigenschaften und Instinkten uber- legen ist, ist nicht mehr zu erklaren.

MARQUISE: Vielleicht hat die Kleine zu ihrer Schonheit auch die iibrigen Werte.

MARQUIS:

Und ware es so, was ich nicht voraussetze, miiBte Verlangen nicht zum Himmel wachsen? Durch nicht

'. :-A. :K.r'S'^

W^mfM':-f^f^^''' ■"-?■-■ .'' ■■^-- -t ■": \'^.-r^^^^^i ■'■

2WEITER AUFZUQ 51

vorausgesehenen Zufall stehe ich plotzlich vor der Probe aufs Exempel meines Lebens. Unterliegt im Augenblick, da sie hochste Qenugtuung will, Eigen- liebe, bin ich gerichtet und fiir raich selbst abgetan. Das hieBe Sturz, Alter, Tod.

In diese keusche Form gefangen, fiihle ich, ich sprenge sie oder

Wie gliicklich ware ich, Mathilde, Sie konnten Ihrer- seits mir jetzt gleiches Schicksal gestehen, damit ich wiifite, Sie begriffen wieder, wie bis ins Blut man von einem einzigen Aufruhr besessen ist. Der junge Herzog von Vauguyon?

MARQUISE: Ich habe ihm mein Haus verboten und sehe ihn nicht mehr.

MARQUIS:

Warum?

MARQUISE: Weil er wie alle Manner mir zuwider war.

MARQUIS: Soli das heiBen, Sie lieben mich trotzdem noch und rechnen auch im letzten auf meine Riickkehr?

MARQUISE: Soil ich nicht?

MARQUIS: Sie wollen, man soil Ihrem Betragen wahrend der Zeit meiner Flatterhaftigkeit keinen Vorwurf machen kon- nen?

4*

U OF ILL UB.

-■S^^'^LtSzti^z'A^'r^.-fC^:!^--.).* .jX^^^'l. 'yJi "^y.-:. . ''^. ^^-^I^^ji.-vi ^^iii-L'-'v^^fea^^-iscSfiS^'V .-^J.^:. ' .">-., . > .■■'.V-^atkT'N^S^W..

52 ZWEITER AUFZUQ

MARQUISE: Sie haben von meinem Charakter und meiner GroBmut hohe Meinung.

MARQUIS: Nach dem, was Sie bereits getan haben, traue ich Ihnen jeden Heroismus zu.

MARQUISE: ^

Sie haben recht. Aber trotzdem ich fiir den Augenblick niemand habe, begieife ich, was Sie bewegt.

MARQUIS: Sie sind so klug. Im Grund des Herzens zweifle ich auch Tiicht, daB ich ans Ziel komme. Denn vor keinem Aufwand fiir sie schrecke ich zuriick.

MARQUISE: Geld wird Ihnen bei dieser Frau nichts niitzen.

MARQUIS: Bei der Besitzlosen, Bediirf tigen ? Wie kommen Sie darauf? Das ist doch wirklich nicht zu fiirchten. Nur die Unwissenheit, was Geld bedeutet, konnte sie an- fangs wie Blinde auf Farbe verzichten lassen. Und darum miiBte an seinen Gebrauch man sie gewohnen,

MARQUISE: Wie wollen Sie das? Nach allem, was ich hore, ist der Frauen Leben, fanatisch frommer Erziehung ge- widmet, ganz bediirfnislos.

MARQUIS: Richtig. Ich habe gleiche, zuverlassige Nachricht. Sie sind Muster der Sitte, religioser Bescheidenheit, no-

ZWEITER AUFZUG 53

belster Fiihrung auf Grund giiter Herkunft. In unserem gottverlassenen Jahrhundert Pyramiden der Frommig- keit.

MARQUISE: Und wie wollen Sie, ohne bedeutende innere Veran- lassung die vom Gold nicht Vergifteten zur Selbst- vergiftung brlngen?

MARQUIS: Geld selbst ist der machtigste Impuls. Sie miissen verschwenderische Vergeudung nur erst bei anderen sehen. Welchen Effekt, welch zauberisches Mehr des Lebens sie bewirkt, ihre schaffende Kraft, und welche Leere und Mangel, entbehren zu miissen bedeutet. Sie, teuerste Mathilde, verfiigen iiber alle Mittel, die Frauen langsara aus Bediirfnislosigkeit zu locken und sie von Mai zu Mai mehr den teuren Begriff des Reichtums und seine Notwendigkeit zu lehren.

MARQUISE: Setzen Sie noch hinzu, Sie sind bereit, mir kostspielige Auslagen zu ersetzen, und Sie haben zum erstenmal Freundschaft auf harte Probe gestellt. Aber ich muB personliches Gekranktsein gar nicht ins Spiel bringen, denn Ich bin iiberzeugt, jeder Schritt in diesem Sinn ist vergeblich. Ich darf Ihnen nun sagen, was ich sonst verschwiegen hatte, alle Anerbieten meinerseits, den Damen mit einem Schlag zu besserer Existenz zu hel- fen, waren umsonst, weil sie ihr neues Los nach alien Seiten nur sich selbst verdanken wollen. Ein weiterer Vorsclilag ware Grund fiir sie, mich nicht mehr sehen zu wollen. Wie sie mir jetzt schon das geringste Auf-

54 ZWEITER AUFZUG

treten veriibcln, dem sie nicht gewachsen sind. Ohne Schminke und Juwelen muB ich zu FuB zu ihnen gehen.

MARQUIS:

Kein Mensch wird mich uberzeugen, daB nicht auch bei ihnen, geschickt gebraucht, das Mittel verfangt, vor dem es auf der ganzen Welt mit Recht keinen Stolz gibt.

MARQUISE:

Aber Sie sind langst selbst iiberzeugt. Denn was sonst hatte Sie bewogen, nicht selbst den Damen anzubieten, was in ahnlichen Fallen Sie stets ohne Umstande an- boten, wenn nicht Furcht, ein fiir allemal die Quelle zu versiegeln, nach der Sie dursten. Sie haben, Lieber, in vergangenen Wochen ja tausendmal iiber nichts anderes gedacht, als wie auf unverdachtige Weise Sie Ihre Borse fiir das Madchen leeren konnten und haben trotzdem nichts Entscheidendes gewagt. Sie muBten verschwenderische Hitze soweit ducken, daB nicht die Frauen Ihren Reichtum teilten, aber Sie sich zu vielen Malen zu ihrer Armut biickten. Und der Erfolg all dieser ungewohnten Anstrengungen bis heute ist dieser Brief an mich.

MARQUIS: An Sie von ihr?

MARQUISE:

Es war wahrhaftig das VerhangnisvoUste, was Sie unternehmen konnten. Denn was Sie mindestens mit jedem anderen in dieses Madchens Seele teilten, ihr

j;_.-;.;>i«5tS*l^*

^'Ofj^/i'-'^^- •^. t „' «;•'•■,' r^^ *^»,^ T^tirr-- r*^^'' i w- ■' 'i^- .:--^^!^?if«*. '

ZWEltER AUFZUG 55

herzlich gleichgiiltig zu sein, haben Sie zu Ihrem Nach- teil schon verschoben.

MARQUIS: Darf ich geben Sie!

MARQUISE (gibt ihm den Brief): Lesen Sie!

MARQUIS (lUst): Aber mein Qott das ist entsetzlich!

MARQUISE:

Nun ?

MARQUIS: Unziemlichkeiten Herzens mangelndes Taktgefiihl in den Augen aller Welt herabsetzen.

MARQUISE: Und in den eigenen!

MARQUIS: Aber ich tat im Gegenteil das Unmogliche

MARQUISE: Sie haben an das, Unmoghche noch keine groBen An- spriiche, Sie vermieden BrutaUtat, die Sie sonst an Abenteuer setzen, und glauben schon, weiB Gott was getan zu haben. Sie werden noch besser Ihrer Metho- den Unmoglichkeit einsehen.

MARQUIS: Sie bringen mich zur Verzweiflung! Was denn in der Welt soil bei dem Madchen Effekt machen, ver- fiihrt sie mein Aussehen, mein Vermogen nicht?

MARQUISE (zuckt die Achseln).

;^!^irff]

56 ZWEITER AUFZUG

MARQUIS: Reden Sie, Mathilde!

MARQUISE:

Biirgermadchen sind dumm. Hoffen nichts zwischen Mann und Weib als ohne Zutat pure Liebe, von der vor unseren aufgeklarten Zeiten Dichter erzahlten.

MARQUIS: Aber ich schwore, ich bin auf raeine Weise in die Kleine verliebt.

MARQUISE:

Ich zweifle nicht. Doch ist bei diesen Oeschopfen Liebe kein Gesellschaftsspiel, und sie kennen nicht die ge- ringste Riicksicht auf der anderen Begierden. In die- sem Stand wird geradezu beiderseitiges Schicksal ge- fordert. Es ist von ihm die gleiche Arroganz, die er auch im PoHtischen zu zeigen anfangt.

MARQUIS: Aber ist es nicht Schicksal genug fiir sie, mich wahr- haftig in Verlegenheit gebracht zu haben ?

MARQUISE:

Meinesgleichen gegeniiber ware es schon das Erstaun- liche. Diese Emporkommlinge aber woUen heifihungrig mit Haut und Haar eine Sache. Warum verliefien Sie gewohnte Bezirke und stieBen romantisch in fremde Erdteile vor?

MARQUIS:

Sie iibertreiben. Ich erklare Ihnen rund, morgen mache ich den Damen Besuch.

ZWEITER AUFZUG 57

MARQUISE: Nur zu! Ihre Equipage, Ihre Livree, Ihr eigener An- zug, mehr wird es nicht brauchen, das Quartier in Alarm zu bringen und die Frauen ganz ins Ungliick zu stiirzen, bevor Sie Ihre Antrage noch begannen.

MARQUIS (he/tig): Ich habe Mittel und Willen, das Ungliick wieder gut zu machen. Ich mu6 an mein Ziel ! Ersparen Sie mir die Verriicktheiten nicht, deren ich fahig bin, indem Sie mir den plausibleren Weg zu den Damen offnen, suche ich Sie auf und sage Ihnen im voraus: Die Tiir sprenge ich, wenn sie sie schlieBen, verschaffe mir Zutritt, koste es, was es wolle, und biirge fiir nichts, was ich tue. Sie wissen nicht, in welchem Zustand der Erregung ich bin, ich setze alien personlichen Kredit bei Behorden und mein Vermogen ein !

MARQUISE (nach einem A ugenblick mit stockenderStimme) : Sie haben vielleicht recht. Ware mir je solche Leiden- schaft auch nur fliichtig gezeigt worden, wer weiB, ob ich einen einzigen Tag widerstanden hatte. Solchem Sturm wdcht vielleicht auch Henriette.

MARQUIS: Henriette! Sagen Sie, sind Sie nicht auch ron dieses Qesichts SiiBe erschlagen?

MARQUISE: Dieser Hiiften Oewalt.

Out, Marquis. Ich will mich der Sache zu Ihrem Besten annehmen; und um endlich wieder ganz wahr zu sein : ich begann bereits. Nur wollte ich, nicht

58 ZWEITER AUFZUG

gar zu fliichtiger Spielerei die Hand zu bieten, vorher Ihres Zustands GewiBheit haben. Sie wollen ohne das Madchen nicht mehr sein?

MARQUIS: Ich wiinsche mit aller Leidenschaft Leibes und der Seele, sie zu besitzen.

^ MARQUISE: Und glauben, dann ist Verlangen gestilit ?

MARQUIS: Ich begreife nur Gegenwart. WeiB sonst nichts mehr.

MARQUISE: Hiiten Sie sich, Marquis!

MARQUIS:

Was soli ich fiirchten?

MARQUISE:

Sich selbst.

MARQUIS: Ich spielte mir nie einen Streich, war mir stets zuver- lassig und will nichts als Qenugtuung von mir. Sagen Sie also, was taten Sie schon?

MARQUISE (qffnet die Tiir ins Nebenzimmer) : Was sehen Sie?

MARQUIS:

Wir sind zum Essen nicht allein? Mathilde?

MARQUISE:

Frau und Fraulein Duquenoy speisen mit Ihnen bei mir.

W^ ' '^W^m^'sfw^^'^W^^W-'-^t ' '^?^w^^^^^^ '''^^^^r^w^

ZWEITER AUFZUG 59

MARQUIS (wirft sich ihr zu Fufien and kafit vielmals

ihre Hdnde): Herrliche Freundin Tausend Dank!

MARQUISE (hat uher ihm ein Spiel ihrer verzweifeUen Seele) :

Qehen Sie jetzt! Gleich! Bleiben Sie bei offener Tur einen Augenblick im Speisezimmer. Es ist die Stunde, zu der sie kommen wollen.

MARQUIS (Ins Nebenzimmer exit).

MARQUISE (^eht zum Fenster, an dem sie die Jalousie hifit) : Ungeheuer! Wie lange meine Qua! dauem muB, weiB ich nicht. Deine soli bis in Ewigkeit sich fortsetzen.

MARQUIS (erscheint wieder in der TiirJ: Qeben Sie mir inzwischen den Brief als Fetisch.

MARQUISE:

Von seiner Hoheit und Zuriickhaltung lassen Sie sich wenigstens fiir die Stunden des Beisammenseins uber- waltigen.

MARQUIS: Mindestens will ich Lowe im Lammfell sein (exit).

DRITTER AUFTRITT

DUQUENOY und HENRIETTE (treten aaf).

MARQUISE (macht gegen das Nebenzimmer ein Zeichen, aus dem die Frauen des Marquis Anwesenheit erkennen): Unendlich freue ich mich, dafi Sie meine Besuche zu erwidern beginnen.

•^v■-.5';^j:■^: f]c^::^

^ ZWEITER AUFZUG

DUQUENOY:

Vor der Wahl, unhoflich, wenn wir dauerad nicht kommen, und unklug, wenn wir kommen, zu sein, sind wir lieber unklug-, als von mangelnder Hoflichkeit.

MARQUISE: Wer sollte Ihnen seltenen Besuch bei 'mir nicht gonnen ?

DUQUENOY:

Die, von denen wir abhangen, und die mit Recht auBerste Zuriickhaltung von uns fordern, da jeder Schritt aus unseren Verhaltnissen sie zu Aufwand fiir uns zwingt, den wir uns versagen miissen, bis meiner Tochter Stimme und Spiel ihn uns erlaubt.

MARQUISE: Sind Sie mit Henriettes Fortschritten zufrieden?

DUQUENOY:

Nicht ich allein finde, sie singt wie ein Engel. Leider werden unsere Einkiinfte auch durch ihren blen- dendsten Erfolg klein bleiben, da sie sich auf das Auf- treten in Kirchen- und geistlichen Konzerten beschran- ken muB.

MARQUISE:

Tut es Ihnen nicht leid, Henriette, den Erfolg auf dem Theater entbehren zu mussen?

HENRIETTE: Warum, gnadige Frau?

•'*'-",■ ' ^ ^ ' ,

ZWEITER AUFZUG 6i

MARQUISE:

Kleine Unschuld.

Mein altester Freund, der Marquis von Arcis, den Sie neulich mit mir trafen, iBt mit ims. Er wird ent- ziickt sein, konnten Ihnen seine Verbindungen zu unse- rem hochwiirdigsten Herrn Kardinal von Nutzen sein.

DUQUENOY: Wir mochten uns auf keine Weise vordrangen.

HENRIETTE: Wir entbehren in unserem Leben nichts.

MARQUISE: Da ist er selbst.

VIERTER AUFTRITT

MARQUIS (triti auf. Begriifiung).

MARQUISE: Fraulein Duquenoy hat eine schone Stimme iind will in Kirchenkonzerten singen.

MARQUIS: Der Kardinal, ganz einfach.

MARQUISE: Ich dachte gerade daran.

MARQUIS: Leidenschaftlicher Liebhaber der Musik brachte ich manch unvergeBliche Auffiihrung zustande, und wiinsche noch immer nichts Besseres, als von neuem gutem Zweck zu dienen.

■'-Kv T15' ■■?r.

62 ZWEITER AUFZUG

HENRIETTE:

Sind das Worte?

MARQUISE: Fraulein Henriette traut nach manchem Vorgefallenen Ihnen nicht viel zu.

MARQUIS: Man kann der durchaus Fremden gegeniiber den Ton verfehlen, um ihn, des menschlichen Oegenubers sicher, richtig zu treffen.

MARQUISE: Hinter Convenus und Titeln hat der Marquis von Arcis menschlichen Hintergrund.

HENRIETTE: Jedoch!

DUQUENOY: Henriette!

MARQUIS: Der Damen Tugenden wage ich die meinen nicht zu vergleichen, doch habe ich das Verlangen, die hochste einzusehen und mich nach ihr zu richten.

DUQUENOY: Das ist viel.

MARQUIS: Was aber des Frauleins Gesang angeht, behaupte ich mich als Kenner, und daB in dem Fall mein Urteil gilt.

DUQUENOY: Wagst du, Henriette, vor dem Marquis zu singen?

HENRIETTE:

Nicht gleich, Mutter.

/

' ' 'S^'.ii'f&i^'^

i,-i'^-f ■.:.,■■■- ■■■■.''.■ _ ^%

2WEITER AUFZUG 63

MARQUIS:

Wie sollte sie auch. Erst wenn von meinem Musik- etnpfinden sie gute Meinung haben wird, sah, ich schatze nicht nur Rameau

HENRIETTE: Den ich nicht schatze. Mit seiner Hilfe meint alle Welt in zwei Tagen Musiker zu sein und durch ihn sind wir plotzlich mit schlechten Musikmachern iiber- schwemmt.

DUQUENOY: Behaupte solche Dinge nicht.

HENRIETTE:

Ich darf sie getrost behaupten.

MARQUISE: Das Urteil ist originell.

MARQUIS:

Mogen seine flinken Nachahmer Sie tadeln, in ihm selbst miissen Sie Genie erkennen, das Lully iiber- fliigelt. Seine fabelhaften Symphonien

HENRIETTE: Sind im Orchester iiberladen. Da es immer im Spiel ist, der Seele nicht Zeit zur Einkehr und zum Be- greifen laBt, muB es letzte Wirkung verfehlen und an- spruchsvollere Horer enttauschen.

MARQUIS: Aber Sie geben zu, Kontraste entstehen und wirken zu lassen, kontrapunktische, miissen notwendig Instru- mente sich tiirmen.

A-'iiii^3^ik:'.L. £v.

64 ZWEITER AUFZUQ

HENRI ETTE: GroBe Kunst wirkt mit Intervall und Harmonic.

MARQUISE (zur Duqtienoy): Lassen die Kunstsachverstandigen wir weiter streiten. Ich zeige Ihnen an Ihre Mutter das Andenken, das ich verwahre.

MARQUISE und DUQUENOY (Ins Nebenzimmer exeunt).

MARQUIS:

Harmonic, hat gegen Widerstand sic sich nicht erst bc- hauptet, iiberzeugt nicht.

HENRIETTE: K'ampf mu6 auBcrlich mcht sichtbar scin.

MARQUIS: Er erscheint, innen wiitend, stets auch nach auBen.

HENRIETTE: Vielleicht im Leben. In der Kunst

MARQUIS: Auch.

HENRIETTE: Erscheint der Sieg!

MARQUIS: So konnte jeder auftreten und vorgeben, es sci hinter seiner auBeren Ruhe schon Schicksal tiberwunden.

?|^if's*5^^^^<'^V/: :v%-?-- ■* ?^';'

'-'sr

>- r i c

ZWEITER AUFZUG

65

HENRIETTE: Vorgeben ? Vielleicht. Doch fehlte um ihn Atmosphare. Kennen Sie den Deutschen Gluck? Horen Sie fSle spielt): Wo ist das eigener Qual und Enttauschung arrogante Erzahlung? Aber groBen Schicksals Hauch.

MARQUIS (zu ihr gebeugt): MuB ich, weil ich Atmosphare um Sie spiire, glauben, Sie batten es?

HENRIETTE (dreht ihm das Gesicht zu und zum In- strument zuriick und spielt).

MARQUISE und DUQUENOY (sind im Tilrrah^en er- schienen und machen sich ein sieghaftes Zeichen).

Vorhang.

;^. ... "T --v 'i.'^'iiT'i'.^'^flSf*

p¥''^^'P- -7 W-:? ' f ' «'*••:;;-*' K>'' 7

.,-■'- '- '" '"f* '

DRITTER AUFZUG

•••^'^^■^pfY v;

■• <5

- -w-v.

ERSTER AUFTRITT

MARQUIS (triU auj).

MARQUISE:

Ich lieB Sie rufen, Ihnen bittere Vorwiirfe zu machen. Leidenschaft macht Sie zum schlechten Menschen. Sie miissen bosartig von Natur sein, da, was andere zu Taten begeistert, bei Ihnen niedrige Absichten erregt. Was taten Ihnen die armen Frauen, daB Sie ihr Ungliick durch Schande vergroBern wollen? Weil das Madchen schon ist und anstandig bleiben will, werden Sie ihr Verfolger. Wollen Sie Ursache sein, daB sie dem schon- sten Himmelsgeschenk fluchen miiBte? Und ich? Wo- durch verdiente ich, Mitschuldige zu werden? Auf Ihr Versprechen des Manns von Ehre hin brachte ich Sie zusammen.

MARQUIS : Ich begreife nicht ,

MARQUISE:

Hier ist Ihr schamloser neuer Brief, der allem die Krone aufsetzt, den Sie Henriette durch jenen Abbe zustecken lieBen, der, unter der Larve der Frommigkeit durchschaut, jetzt Ihrer Libertinage dient. Das Mad- chen lieferte ihn ungelesen der Mutter aus, die ihn, auBer sich, mir weitergab. Sie machen in ihm ohne Umschweif riesige Versprechungen und treiben die Albernheit so weit, Entfiihrung vorzuschlagen. Ich finde, Ihr Geist hat gelitten, haben Sie die Unwahr- scheinlichkeit eines Erfolgs auf solchem Weg immer noch nicht eingesehen.

_-.f^;;:» ^l,t-

> •syn^.s'c*?/!!^;*

70 DRITTER AUFZUG

MARQUIS:

Ich gebe zu, ich bin, so gut wie ohne Hoffnung, ohne Sinnen. Aber ich beschuldige Sie, mich ohne jede weitere Hilfe gelassen zu haben.

MARQUISE:

Weil ich sah, Sie gingen trotz Ihres Versprechens Schleichwege hinter meinem Riicicen weiter. Wo ist eigentlich der Durst nach Besonderheit geblieben, der es notig machte, unser banales Band zu zerreiBen, da im neuen Leben Sie nur groBere Gemeinplatze auf- suchen? Wo bleibt das souverane und hochstperson- liche Bekenntnis, nach dem Sie verschmachten, tim Sie nichts als das torichte Klischee €iner Verfuhrung nach- ahmen?

MARQUIS:

Vom Wunsch zur Tat ist ein weiterer Weg, als ich an- nahm. Zeit war zu kurz, uber tausend Vorbilder aus dem eigenen Leben schon hiuiiberzusetzen. Ich schwore nur wieder von neuem und feuriger, ich weiB nichts mehr, als daB ich, um welchen Preis auch, das Madchen besitzen muB.

MARQUISE:

Doch daB bei dem Wort „Preis" von der Vorstellung des Gelds Sie durchaus nicht absehen wollen, macht Ihre Untemehmung fruchtlos und vieux jeu.

MARQUIS:

Sie selbst warnten mich oft, menschlichere Wege in mir zu gehen, und auch ich fiihle, jede and^re Mdglichkeit

■'■■ki

W^^^^r^^f'^f^'T^^^ ^rf^iTr *^ * '''i'\^^,^T^''vi^ '^'7f^k^i'^l^,'-^''^'%"--f^^c!r/fZf^^ii^g^ -^i > ^rt<-~iT"

DRITTER AUFZUQ 71

mu6 erst erledigt sein, ehe ich Schleusen offne, gegen die mein ganzes Wesen brandet.

Soil mir als Sieger zuerst das Bedenken kommen, ob ich nicht billiger ans Ziel hatte gelangen konnen und mir den schlieBlichen Erfolg verkiimmem ? Begreifen Sie doch, daB iiber allem, was sich in mir regt, Skepsis von fast vierzig Jahren wuchert, die durch groBe Offen- barungen erst zerstreut werden muB, daB neue Saat wachst,

Alles was ich anbot und was abgelehnt wurde, kann mit der Absicht verschmaht worden sein, daB ein hohe- rer Preis zu erzielen ware.

MARQUISE: Aber Sie geben des Madchens makellose Reinheit zu.

MARQUIS:

Die Mutter kann sie leiten.

MARQUISE: Von der unvergleichlichen Bildung Leibes und der Seele Henriettes schwarmten Sie.

MARQUIS:

Die Mutter kann der Damon sein, dem ein Engel er- liegt. Merken Sie um das reine Geschopf nicht irgend- wie ein Verhangnis? Finsteres, das sich nicht verrat und doch ankiindigt? Ein damonisches, das mir we- nigstens zuzeiten vollig den Atem raubt?

} >-'-<■- -^-^ti-Ta^^'^^-iifi^Ti^^f^r^-af^-s.. - '3

72 DRITTER AUFZUG

MARQUISE:

Mutter und Tochter sind gleichmaBig weit von Ihren Spitzfindigkeiten entfernt. Logisch aber gibt es auf Ihrem bisherigen Weg nur noch eine Steigerung, Ihr letztes Bedenken vor Doppelziingigkeit fort zu rauraen.

MARQUIS: ~ ,

Welches?

MARQUISE: Das ernsthafte Angebot geradewegs an die Mutter, so groB, iiberraschend und so uniibertrefflich zu richten, daB eine etwa bestehende Absicht derselben, es noch hinaufzutreiben, aussichtslos und iiberfliissig wird.

MARQUIS:

Das ist's. Und ich stehe davor, es zu machen; meine gestrige Bitte, Frau Duquenoy auf2nifordern, mir heute hier die entscheidende Unterredung zu gewahren, dient dem Zweck.

MARQUISE: Und mit der Voraussetzung, mich vorher von dieses Schritts Notwendigkeit iiberzeugen zu konnen, ver- mochte ich mich, trotz Ihres aufgefangenen Briefs ScheuBlichkeit, die Damen aufzufordern

Und?

Sie kommcn.

MARQUIS: MARQUISE;

MARQUIS: Wie soil ich wieder danken?

^ \:'^;wT^?^pw^^'^ i^r^w ^

MARQUISE:

MARQUIS:

IVIARQUISE:

DRITTER AUFZUG 73

MARQUISE: Indcm Sic mir Ihres Angebots Hohe mindestens an- deuten.

MARQUIS: Raten Sie?

Eine Million?

Mehr.

Marquis !

MARQUIS: Man wird an meinem Ernst durchaus nicht mehr zwei- feln konnen, und Sie nicht, daB ich es damit bei jeder Herzogin durchsetzte.

MARQUISE: Bestimmt.

MARQUIS: Auch bei Henriette?

MARQUISE: Ich wage, nichts mehr vorauszusagen. Ihres Opfers Hohe bricht viele Hemmungen.

MARQUIS :• Es war der verhangnisvolle Fehler, diese Hiirde leicht- hin und nicht gleich mit Sporen tief in den Flanken nehmen zu woUen. DieFrauen, die des Falls Tiefe er- messen, mussen machtige Mittel bereitgestellt sehen, Abgriinde iiberfliegen und zu bisheriger Welt sich distanzieren zu konnen.

■^■^^ fc f \ »ftSA-,'^S

': i, w^f"^

74 DRITTER AUFZUG

MARQUISE:

Sie selbst distanzieren sich wodurch?

MARQUIS: DaB ich mit Vierzig kann, was ich mit Zwanzig, nicht einmal mit DreiBig zustande gebracht habe.

MARQUISE: Diese erste Orobheit mir ins Gesicht beweist min Ihren Zustand am besten. Wohlan: tun Sie's.

MARQUIS: Verzeihung, Mathilde !

MARQUISE: Aber ich sehe doch, Sie sind auBer sich. Was ist Ihnen an meiner Ungiiade oder Verzeihung noch gelegen.

MARQUIS: Ich habe Ihnen gegeniiber nur eine Entschuldigung.

MARQUISE: Henriette ist ein Engel.

MARQUIS : Und Sie waren es, die ihn mir zeigte. AUes, was ge- schieht, ist Ihr Werk

MARQUISE: Moge es mich loben,

MARQUIS:

Noch eine Bitte : lassen Sie mich zuerst mit den Damen allein.

MARQUISE: Aber

: ■-•,?._,..

SWS'

'^Prf^'^s^r^^^^.^*''^^^^^ - "^

DRITTER AUFZUG 75

MARQUIS : Ich konnte selbst vor Ihnen mich nicht ganz offenbaren. Oewahren Sie mir diese Bitte noch, Mathilde.

MARQUISE: Die Frauen mit Ihrem Ungestiim, Ihrer Unzurechnungs- fahigkeit allein ? Wer weiB, was geschieht?

MARQUIS: So schnell nichts Endgiiltiges.

MARQUISE: Nicht lange

MARQUIS: Minuten !

MARQUISE: Halte ich's fiir an der Zeit, trete ich sofort ein.

(Man hort ein Glockenzeichen.)

MARQUIS:

So daB fiir letzte Entscheidung Sie mir noch zu Hilfe kommen.

MARQUISE: Dann muB ich fort. Es war ihr Klingelzeichen. Ich bin nah! (exit.)

ZWEITER AUFTRITT

Frau DUQUENOY und HENRIETTE (treten auf).

DUQUENOY: Die Marquise von Pommeraye?

1*.-....,

;.• •xj.v*nC|K5.,.: -S'*, . ,

;6 DRITTER AUFZUG

MARQUIS: 1st in Minuten zuriick. Ich hoffe Sie bereit, mit mir vorlieb zu nehmen, gnadige Frau, zumal Ihre Anwesen- heit, bin ich unterrichtet, diesmal eher mir als Frau von Pommeraye gilt. J a, ich hatte die Kiihnheit, mich an Ihre Tochter mit Vorschlagen zu wenden, die Ihrer- seits nur einfach Verachtung wecken konnten. Aber es gab in dem Schreiben doch einen Ton, der die vier Menschen, die von ihm Kenntnis erhielten, aufhotchen lie6 und irgendwie bewegte. Um Ihrer Tochter Schick- sal die Sorge, gnadige Frau, laBt Sie in diese Unter- redung wilHgen, BewuBtsein, man muB, will im Sinn der Vorsehung man ganz bereit sein, unter Umstanden " auch mit einem Narren verhandeln. DaB ich ein Narr bin, steht, gnadige Frau, leider auBer Frage. Spiiren Sie's nicht unbedingt, ist Frau von Pommeraye Zeuge.

Jean Oaspard Marquis von Arcis und von Marigny, Paire von Frankreich, Kammerer des Konigs und In- haber eines der groBten Vermogen des Landes lebte ich bis vor kurzem in Lebensformen, die den Ihren ent- gegengesetzt und feindlich sind. Wiinschte nichts Bes- seres und hatte nicht Veranlassung, an etwas auBer mich zu denken. Dies ist keines Jiinglings, sondem des Manns von vierzig Jahren Bekenntnis.

Da erscheint ein Madchen, Ihre Tochter, auf meines Lebens Szene, und mit einem verlieB mich Sicherheit. Wie groBe Ereignisse kiindete sie «ich vor ihrem Er- scheinen durch Unruhe, Sucht meiner Seele nach Ande- rung des gliickseligen Zustands an. Vernunft, gnadige Frau, ich beteure es, flucht heute noch Ihrer Ankunft. Aber zugleich versichern mich Ahnungen, ich imter-

.J^_,^^..

DRITTER AUFZUG 77

liege Erschiitterungen, die nicht nur mich, sondern die Zeit andern. Kurz: ich besitze die Menschlichkeit, Ihnen ins Gesicht zu sagen: daB ich Ihre Tochter maBlos und leidenschaftlich begehre, und es mir nicht das geringste ausmacht, mich mit diesem unwider- ruflichen Gestandnis voilkommen und fiir immer in Ihre Gewalt zu geben.

DUQUENOY: Mein Herr ich !

MARQUIS:

Lassen Sie mich enden. Dies Gestandnis freimiitig hin- gestellt, bleibt mir, meiner Auffassung von Wahrhaftig- keit zu geniigen, doch noch ebenso freimiitig zu sagen : der Gedanke, auf Grund dieser hoheren Schickung mit mir, mich nun all jenen biirgerlichen Ranken und Zwan- gen ausliefern zu sollen, zugleich mit des Herzens Lauterung meiner Vemunft Vergewaltigimg ertragen zu sollen, emport mich nicht nur, sondern ist mir un- ertraglich.

Nie und nirgends, vor dem Konig und dem hochsten Herrscher nicht, habe ich ein MaB akzeptiert, das nicht auf mich geschnitten war, und Sie konnen, wie Sie tnich jetzt kennen, von mir nicht fordem, daB, das Gluck des Herzens zu vollenden, ich den aufrechten Charakter zertriimmere. Es handelt sich nicht so sehr um Stan- desfragen, ich habe keiner Herzogin mich vermahlt

DUQUENOY: Mein Herr

***-»,*' ■>! -■■■

t , . ■• -.r ■■ ■"

78 DRITTER AUFZUG

MARQUIS:

Noch ein Wort, das menschlichste und unerhorteste : der Wert des Gliicks Ihrer Tochter ist freilich un- schatzbar. Doch will es mindestens die Versicherung der Unverletzlichkeit durch Menschen garantiert. Ich stelle zwischen Ihre Tochter und biirgerliche Wider- sacher meines Vermogens voile Halfte. In Paris und auf dem Land werden sie in fiirstlichen Hausern alien kleinlichen Nachstellungen entzogen sein.

Leib und Seele wage ich an den Umschwung. Und erscheint das nach Ihrer Auffassung der Schonheit und den Tugenden des Madchens gegeniiber belanglos, sind fiinf Millionen Franken nach alien Begriffen giil- tiger Beweis dafiir, daB ich dem Ereignis fest und ent- schlossen ins Auge sehe. Miromesnil in der Auvergne, das ich als Landsitz anweise, umfaBt zweitausend Hek- tar. Keine Mutter der Welt darf fiir ihre Tochter sol- chen Vorschlag mit ein paar Worten als Bagatelle ab- wcisen.

DUQUENOY (wiU sprecheH).

HENRIETTE:

Was willst du so schnell erwidem, Mutter, das als Antwort Wert wie das Gebot haben konnte? Ein schnelles Ja und das Offert war zu hoch, wir waren billiger zu haben gewesen. Ein uberstiirztes Nein, und du hast von der Wirklichkeit mehrerer Millionen nicht die gehorige Vorstellung, und der Bescheid muB so- lange als endgiiltig nicht gelten, bis wir den wirklichen Wert begriffen. Sie haben erreicht, mein Herr, was Sie woUten und

DRITTER AUFZUG 79

albern ware es, uns anders zu geben, als wir im Augen- blick sind: bestiirzt. Wie auch Sie vollkommen aus- druckten, was Sie waren, als Sie sprachen : zudring- lich und sehr personlich. Wir durften Sie, Herr Mar- quis, wirklich kennen lernen. Ein Rest Einbildung schwand, und der Mann stand da.

Fiir mich habe ich im Augenblick nur gieiches Be- diirfnis : unsere Antwort darf nicht edles oder gemeines Vorbiid nachahmen, sondem mu6 nur sein, was wir sind. Ich und meine Mutter, Denn mit der brutalen Macht, die Zeitumstande Ihnen geben, verlegten Sie aus dem Salon die Handlung in die offene Tiir des Schlafzimmers, und da kann rait Worten nicht mehr, nur noch mit Tat ich mich ausdriicken.

MARQUIS : Fraulein !

HENRIETTE: Qehen Sie! Warten Sie anderswo. Da6 zu dem, was nottut, wir uns hier selbst erst wieder empfinden kon- nen, Schnell !

MARQUIS (mit tiefsr Vemeigung schnell exit).

DUQUENOY (wirft sich ihr schluchzend an den Hals): Henriette!

HENRIETTE:

Du spielst so mit Begeisterung Romantik und Dame, da6 du dich vergiBt und um stilvoll zu scheinen, um ein Haar gegen deine Natur verstoBen hattest. Sei froh, daB durch meine Ansprache ich Zeit schaffte, zu dir selbst zu komraen. Wir haben uns ohne Um-

H-v^-

•:m^-.

80

DRITTER AUFZUG

stande so oft fiir eine Bagatelle gegeben, dafi unsere Kraft nicht im erttfernten reichen kann, solchera Gebot auch nur einen Augenblick zu widerstehen.

DUQUENOY: Aber die Pommeraye ?

HENRIETTE: Macht des Gebotenen zehnter Teil uns nicht von ihr frei? Spiele nicht mit Entschliissen, die dir bei weitem nicht gegeben sind und verheimliche nicht, was du warst und bist: entschlossen, Empfindlichkeiten keinen AugenbUck Rechnung zu tragen.

DUQUENOY: Und du?

HENRIETTE: Fragst du mich, seit ich so im Preis gestiegen bin?

DUQUENOY: Der Marquis hat trotzdem Eindruck auf dich ge- macht!

HENRIETTE: Er ist ohne Frage ein Mann, Mutter. Desto besser.

DUQUENOY: So sage ich zu? ^ ^

HENRIETTE: Was sonst? Mit all den falschen Alliiren solcher Frauenzimmer, die wir sind.

DUQUENOY (umarmt sie): Wie soil ich dir danken. Kind!

I

.>.:a^-i - J* -.kL,:^.:.

BB

DRITTER AUFTRITT

MARQUISE ^/Sr//^ oaj^.- Der Marquis? Wie steht die Sache=?

DUQUENOY: Wie sic nicht besser stehen kann. Flammende Leiden- schaft, hochste Achtung iur Henriette gestand der Mar- quis und bietet fur ihre Zusage sein halbes Vermo- gen

MARQUISE: Sein halbes —?

V DUQUENOY:

Und SchloB Miromesnil Wie soUen wir Ihnen danken?

MARQUISE: Sie sagten nicht zu?

DUQUENOY: Noch nicht, doch sind entschlossen.

^ MARQUISE:

Was fallt Ihnen ein, ohne mich Entschltisse zu fassen. Wie kdnnen Sie einen Augenblick die unverriickbare Orundlage unserer Vereinbarungen vergessen? Blin- der Oehorsani) Unterwerfung meinen Befehlen.

DUQUENOY: Wir sahen nicht voraus, welche Entwicklung der Fall nehmen, bis wohin der Marquis sich entschUeSen wflrde.

MARQUISE: Aber ich sah voraus, und fur jede Mdglichkeit gait meine Abmachung.

't

J ':

iiiiiH

MiiiliiMiiiMilliiiii

8o DRITTER AUFZUG

stande so oft fiir eine Bagatelle gegeben, daB unsere Kraft nicht im entfernten reichen kann, solchem Gebot auch nur einen Augenblick zu widerstehen.

DUQUENOY: Aber die Pommeraye ?

HENRIETTE: Macht des Gebotenen zehnter Teil uns nicht von ihr frei? Spiele nicht mit Entschliissen, die dir bei weitem nicht gegeben sind und verheimliche nicht, was du warst und bist: entschlossen, Empfindlichkeiten keinen Augenblick Rechnung zu tragen.

DUQUENOY: Und du?

HENRIETTE: Fragst du mich, seit ich so im Preis gestiegen bin?

DUQUENOY: Der Marquis hat trotzdem Eindruck auf dich ge- macht!

HENRIETTE: Er ist ohne Frage ein Mann, Mutter. Desto besser.

DUQUENOY: So sage ich zu?

HENRIETTE:

Was sonst? Mit all den falschen Alliiren solcher Frauenzimmer, die wir sind.

DUQUENOY (umarmt sie): Wie soil ich dir danken, Kind!

DRITTER AUFTRITT

MARQUISE (trlU auf): Der Marquis? Wie steht die Sache?

DUQUENOY: Wie sie nicht besser stehen kann. Flammende Leiden- schaft, hochste Achtung fiir Henriette gestand der Mar- quis und bietet fur ihre Zusage sein halbes Vertno- gen

MARQUISE: Sein halbes ?

DUQUENOY: Und SchloB Miromesnil Wie sollen wir Ihnen danken?

MARQUISE: Sie sagten nicht zu?

DUQUENOY: Noch nicht, doch sind entschlossen.

MARQUISE:

Was fallt Ihnen ein, ohne mich Entschlflsse zu fassen. Wie konnen Sie einen Augenblick die unverriickbare Orundlage unserer Vereinbarungen vergessen ? Blin- der Oehorsam, Unterwerfung meinen Befehlen.

DUQUENOY: Wir sahen nicht voraus, welche Entwicklung der Fall nehmen, bis wohin der Marquis sich entschlieBen wiirde.

MARQUISE: Aber ich sah voraus, und fiir jede Mdglichkeit gait meine Abmachung.

6

■•' - ' : . * ^ j'. -

82 DRITTER AUFZUG

DUQUENOY:

Sie konnen nicht wollen !

HENRIETTE (lachtj.

MARQUISE: Was ich will, weiB ich bestimmt.

DUQUENOY : Das ist ja !

HENRIETTE: Immerhin von tnir nicht zu sprechen, ist meine Mutter Ihnen nicht auf Onade und Ungnade ausge- liefert.

MARQUISE: So gut wie ausgeliefert. Oder wiirde der Marquis sein Angebot einen Augenblick aufrechterhalten, wiiSte er, mit wem er zu tun hat? Bate ich ihn, sich in einem gewissen Haus zu erkundigen, wer die Frauen sind, die es vor vier Monaten verlieBen?

DUQUENOY: Marquise! (mit AufschreL)

MARQUISE: Bitte?

DUQUENOY: Aber Sie entreiBen uns ein fiirstliches Vermogeiv!

MARQUISE: Das fiirstliche Vermogen in Ihren Handen war nicht meines Entschlusses Mittelpunkt.

DUQUENOY:

Das wir bereit sind, mit Ihnen zu teilen?

>■, c-

■'t.f^in^^-^.'-

DRITTER AUFZUG 83

MARQUISE (and) HENRIETTE (lachett auf ihre Weise).

DUQUENOY: Millionen das versetzt Berge !

MARQUISE: Nicht ein Atom in mir.

DUQUENOY (auf den Knien vor ihr): Horen Sle mich, gnadige Frau, ich flehe Sie an, so dicht yorm Ziel uns nicht ins Elend zuruckzustoBen.

HENRIETTE (lacht).

MARQUISE: Rufen Sie Ihre Mutter zur Besinnung, Henriette.

HENRIETTE:

Sie ist es jetzt ganz, gnadige Frau.

Was du tust, ist zwecklos, Mama. Wir sind in den Handen der Frau Marquise, und es licgt nicht in ihrer Absicht.

MARQUISE:

Womit ich nicht sage, daB ich nicht spater einmal unter Bedingungen zustimmte.

HENRIETTE (mit grofiem Seufzer erldst): Spater !

DUQUENOY: Nur lassen Sie ihn uns nicht bmsk zuruckstoBen.

MARQUISE: So brusk wie moglich jetzt. KraB muB ihm klar ge- macht werden, daB so er sich nur weiter von seinem Ziel entfemt.

6*

liJSS'.^^^'^'^

84 DRITTER AUFZUG

HENRIETTE: Aber was haben Sie wirklich mit uns vor, gnadige Frau ?

DUQUENOY: Von allem Anfang an wollte ich kein tragisches Schick- sal fiir Henriette!

MARQUISE: Hat sie es denn oder steht es in Aussicht? Haben Sie Vertrauen zu mir. Unsere Sache geht gut, und wir sind, harren Sie aus, dicht am Ziel. Nur ein- mal noch lassen Sie ihn ims so liart und bodenlos wie moglich zuriickstoBen. Ich will ihm Ihr Nein so schnei- dig vorsetzen, wie ich's vermag.

HENRIETTE: Aber

MARQUISE: Fiihlen Sie personlich ?

HENRIETTE:

Nein. Nichts.

MARQUISE: Lassen Sie sich nur noch einmal gebr?iuchen. Gehen Sie jetzt. Laufen Sie nach Haus und verschwinden Sie in Minuten aus Paris! Fort, wohin Sie woUen, und nicht eher hierher zuriick, bis ich das Zeichen gebe, daB zu meinem grandiosen SchluB alles bereit ist.

Dann, hinterher, soUen Sie auch das eigene Schick- sal in Ruhe entwirren.

HENRIETTE (nimmt die Mutter bei der Hand): Fort! fort! (zieht sie zur T&r) Fort!

.»„-_-,-i,«.,jj

-""Wfpi^SWgfS**** "•-^-sT^* _, ,- V«''Sg^'^^-'V''^»'fj»"'*,¥'5^r- h t'ft ' ^ * s'-'^iJ'fsy.^.

DRITTER AUFZUG 85

MARQUISE (weist sie xur T&r des Speisezimmers) : Da hinaus!

DUQUENOY: Und wenn alles mifilange?

MARQUISE (glbt ihr eine Brieftasche): Da ich nun weiB, was Sie aufgeben Sie wiirden nach meinen Kraften entschadigt.

HENRIETTE (mU Kraft): Nur fort! ( Die beiden exeunt)

MARQUISE: Und nun zu ihm! (SU schellt)

VIERTER AUFTRITT

MARQUIS (tritt auf): Wosindsie?

MARQUISE: Ohne selbst noch nach Haus zu gehen, uber alle Berge fort.

MARQUIS: Fort?

MARQUISE: Ihre Oeschichte land ein dbles Ende. Ich selbst schuld- los, wurde beleidigt.

Die veriichtliche Qeste einer todlich gekranicten Frau ich kann sie nicht wiedergeben.

MARQUIS (ist in einen Stahl gefallen).

^'•'j5^Y\irj.*/3:=?t»T'

86 DRITTER AUFZUG

MARQUISE: Und nun, da alles zu Ende ist, horen Sie endlich das herzliche Wort Ihrer besten Freundin ohne Widerrede wieder. Danken Sie Gott auf den Knien! Denn, kam es anders, waren Sie verloren.

Machen Sie sich auf. Legen Sie Berge, Lander, Meere zwischen sich und Frankreich! Reisen Sie gleich. Verlieren Sie an alles andere dasGedachtnisund finden nur sich selbst wieder.

Auf! An Hochstpersonliches ist nicht zu denken. Suchen Sie nur des Marquis von Arcis Schatten irgend- wo zu bleiben damit Sie hier nicht die Beute und dieser kleinen biirgerlichen Duquenoy Gatte werden.

MARQUIS (mit Aufschrei): Mathilde!

MARQUISE (fuhrt ihn zur Tur): Brechen Sie auf! (und hinaus).

Vorhang

^*^*\~'-^-^' --^ -- ., :^ -■' ■-, ^-^ '■><-••■' ■-: •^- ; -:,^" - . - . -■ -^^

f'^\ X-' H ' - ' 'p

VIERTER AUFZUG

' *- ^.

'->■.■■-.

.. - j

Zimmer bei Duqaenoys.

ERSTER AUFTRITT

MARQUISE:

Sie wissen nicht, welch tddliche Angst mir Ihr erster Laufer machte. Itn letzten Augenblick drohte durch die phantastische Laune des Madchens alles zu miB- lingen ! Gottlob kam der zweite schnell hinterher. Aber ist nun alles ein fiir allemal in Ordjiung?

DUQUENOY: Sie scheint gefaBt und entschlossen.

Ich war heute morgen nicht weniger angewurzelt. Wie eine Erscheinung trat sie an mein Bett und sagt rait einer Stimme, die ich nie von ihr gehort: „Es ist unmoglich. Ich heirate den Marquis nicht!'' Danach fiel sie wie ein Haufen zusammen und blieb auf meine Reden sprachlos.

MARQUISE: Eine Erschiitterung der Nerven, Ausdenfugengehen durch zu groBe Erregung. Wie soUte auch ein Madchen vor solcher Erhohung nicht

DUQUENOY: Aber ich selbst war, als ich Ihre Nachricht empfing, aus den Wolken gefalien.

MARQUISE: Sie eines Pairs von Frankreich Schwiegermutter! Auch ich blieb in den ersten Stunden von der Komik des Falles stark beruhrt, obwohl des Marquis Briefe von seiner Reise mich schon seit Wochen ahnen lieBen,. wohin gegen elementare innere Widerstande sein Ent-

!j'-i"i^r *^^ V"

-7 ~;^*^Xf■lft*•.5Ta^J^W^^•'==^J^l

y-* ^*

90

VIERTER AUFZUG

schluB ging. Als vorgestem nacht iich schon im Halb- schlaf liege, plotzlich Hundegebell, Windlichter, Hin- und Herruf ich denke nichts anderes, als das Haus brennt oder Einbrecher und Morder weckt mich hereinstiirzend die Kammerfrau, aber schon dringt an ihr und aller Form vorbei der Marquis an mein Bett und bricht zu meinen FiiBen in Erschiitterungen nieder, deren ich nach meiner Erfahrung keijien Mann, am wenigstens ihn fiir fahig hielt. Das war von Silben ein Orkan, Tranenflut auf meine Hande und das Ge- stammel haltlosen Wahnsinns. Sie konnen sich den- ken, wie ich ihn zu sich selbst rief, immer wieder be- schwor, keine Torheit, Selbstmord an seiner Eigen- liebe zu begehen, Sie verstehen, wie als Mitwisserin einer graBlichen Wahrheit ich vor dem zuriickschau- derte, was als seinen unwiderruflichen Willen er mir mitteilte. Er war wie ein Wildbach, ein Katarakt, nicht aufzuhalten. Tausendmal habe die Versuchung er zu- riickgestoBen, tausendundeinmal sei immer unentrinn- barer sie wiedergekommen und vergewaltige ihn jetzt bis ins Blut: er heirate Henriette!

Meine grausige Lage denken Sie sich! Alles, was ich gegen den Plan vorbrachte, besiegte er leicht mit des Madchens augenscheinlicher Einzigkeit. Meine ge- wundenen Widerstande reizten ihn schlieBlich zu hellem Zorn gegen mich, und er ware auf und davon und zu Ihnen gestiirzt, hatte ich nicht gezwungen schlieB- lich alle Vermittlung iibernommen. Er hatte ohne mich unsere Stadtviertel in Aufruhr versetzt, hatte ich ihn bis auf die Beschaffung des Pfarrers ftir heute abend nicht aller Vorbereitungen entlastet.

i*Sfii

VIERTER AUFZUG 9 1

DUQUENOY: Und es war kein Aufschub zu bekommen?

MARQUISE:

Als ahnte er ein Schicksal, das ihm im letzten Augen- blick Henriette entrisse, iiberstiirzt wie ein Jiinglmg er meine Ratschlage. Ware es nach ihm gegangen, die Trauung ware durch Ihren kleinen Abbe schon gestern abend vollzogen.

DUQUENOY: Aber Henriette

MARQUISE:

Wie aus hoherer GewiBheit ist er ihrer selbst ganz sicher. Fragte nicht nach ihrer Zustimmung und will sie nicht eher als am Altar wiedersehen. Dabei ist seit seiner Riickkehr keine Stunde vergangen, daB er nicht bei mir voriibergestiirmt und mich nach ihrem Zustand, alien VorbereitungKi, wie ein Kind befragt hatte, das seine Bescherung erwartet.

DUQUENOY: Auch uns iiberlaufen seine Boten, Kommissionare, Zu- trager und Lieferanten seit vierundzwanzig Stunden. Alles, was in den schonsten Schaufenstem von Paris lag (sie offnet eine Tiir ins Nebenzimmer) sehen Sie nur, die ganze Stube voU Pracht, Geschenken, Kram, und die zum Teil, bin ich uberzeugt, Henriette nicht dienen kSnnen, well es ihr nicht steht und paBt. ErstaunUch das Feuer in einem Mann von vierzig Jahren.

92 VIERTER AUFZUG

MARQUISE: Das Henrictte ihrer Vorgangerin stichlt.

DUQUENOY: Das die aus ihm hatte schlagen sollen.

MARQUISE: Trotz Ihres festlichen Kleids, trotz Blumen, die ich hier sehe, fehlt der Hauch, der in einem hochzeit- lichen Hause wehen soil.

DUQUENOY: Auch auf mir Jastet Furcht, was wiirde, kame spater durch ungliicklichen Zufall an den Tag

MARQUISE: Sie sind doch, meine Gute, gedeckt. Selbst des Mar- quis verstoBene rechtmaBige Gattin hatte fiir sich und ihre Mutter reichlich zu leben.

DUQUENOY: Trotzdem ist da ein Abgrund, vor dem ich schaudere, und der selbst mich in Minuten wunschen laBt

MARQUISE : QewiB ein Abgrund, in den aber gesetzt den Fall ein einziger fallt!

DUQUENOY: Der aber dann ?

MARQUISE: Ware heute Offenbarung fur ihn weniger furchtbar? Da er in Henriette den Engel, den ersten auf Erden sieht. Aber fiir Sie, Clementine, ware jetzt seine Er- kenntnis tausendfach Katastrophe.

;.,,,>,<;■.

i::,S'Ji^S

VIERTER AUFZUO 93

DUQUENOY: Wahrhaftig!

MARQUISE: Wir alle gingen viel zu weit, als daB wir uns noch ruhren konnten.

DUQUENOY: Und schlieBlich kennt auBer uns dreien niemand zu- gleich die Wahrheit und den Marquis.

MARQUISE: Von denen Sie keine Ursache haben, sie zu auBern.

DUQUENOY: Nein. Und Henriette ?

Nur liebte sie einst ihren Mann...

MARQUISE: Dann weniger als je.

DUQUENOY: Wie ich sie besser kenne, ware dann wirklich Gefahr. Doch wiirde sie den Augenblick des Qestandnisses so gefahrlos finden wie nur eine Frau, die liebt, es kann.

MARQUISE: So braucht auch die Moglichkeit Sie nicht zu kura- mern.

DUQUENOY: Bleibt Ihr eigenes Ziel bei alledem ?

.■»'; .

^.- -r>' ■-*,

94 ^ VIERTER AUFZUG

MARQUISE:

Aber sahen Sie nicht, wie ich mit allem, was vielleicht ich vorhatte, durch des Marquis Aufruhr fiber den - Haufen gerannt wurde, wie mit dem, was Natur aus- einem Mann unternimmt, meine Plane und Hoffnungen vernichtet sind? Ich langst wie Sie ein Opfer wurde?

DUQUENOY:

Ich kann es nicht wissen. Doch ware es moglich.

MARQUISE:

Also sehen Sie endiich nicht mehr den wunden, son- dern tausend glanzende Punkte Ihrer Gegenwart und Zukunft. Wer hatte im kiihnsten Traum das alles vor kurzem gedacht? Wer, daB das Angebot des halben Reichtums noch die himmlischere Spitze haben konnte?

DUQUENOY:

Kommt nichts dazwischen bis zura Tod danken wir zu Ihren FuBen.

MARQUISE:

In ein paar Stunden ist Henriette Marquise von Arcis. Und statt nur das zu denken, dies einzig Wesentliche zu treiben, trodeln wir lassen die Braut versaumen " wo ist sie? Wie weit ist's mit ihr?

DUQUENOY (qffnet im tfintergrund die breite Tar).

'-.•... -i/

ZWEITER AUFTRITT

HENRIETTE (sitzt haWangezogen vor einem mit brennen- den Lichtern bestellten Toilettetisch).

DUQUENOY (auf sie zu):

Immer noch nicht fertig, und wir sollen im Augen- blick fort!

MARQUISE: Es ist hohe Zeit, Kind.

DUQUENOY: Was hast du die Stunde ohne mich getan ?

HENRIETTE (reicht ihr wortbs elnen Brief).

DUQUENOY: Wieder ein Brief?

MARQUISE: Reut ihn sein Antrag?

DUQUENOY: 'Wir haben vor dem Gesetz schon Rechte !

MARQUISE (za Duquenoy): Lesen Siedoch! (zu MenrietteJ: Heden Sie doch!

DUQUENOY: Ich bin nicht irastand mir tanzt

MARQUISE (nimmt ihr den Brief): Geben Sie her!

(durchfUegt ihn.) Aber nein Ergusse es bleibt dabei, noch immer das gleiche.

96 VIERTER AUFZUG

HENRIETTE: Nicht das gleiche, gnadige Frau. Der Mann, den ich dreimal fliichtig im Leben sah, der mir in ein paar formlichen Zeilen seine Hand bot, war ein Fremder, der, seiner Macht bewuBt, sich eine Laune erfullte, und ich war auf Ihre Veranlassung nichts als dieser Laune zufalliger Oegenstand. Diese Zeilen, bei Nacht ge- schrieben, wenden sich nicht mehr an den namenlosen Korper, den ein Mann begehrt, aber ein Herz fragt piotzlich meines um Antwort, die ich nicht geben will und darf. Zu dem Brautigam von heute friih muBten Beziehungen von mir aus nicht bestehen, ich war, nicht wirklich bemerkt, selbst nicht vetpflichtet Jetzt aber

MARQUISE: Nichts als eine Form. Der Marquis ist blendend er- zogen. Es scheint ihm peinlich, am Hochzeitstag die Braut ohne verliebten Geschwatzes ubliche Oirlanden zu lassen.

HENRIETTE: Ich will seit einer Stunde mir dasselbe einreden. Doch ist es uber meine Kraft. Ober meine Vernunft hinaus scheint mir das alles immer wieder so menschlich und ohne Vorbehalt empfunden, so fur ein Wesen bedeu- tungsvoll, daB mich Schrecken faBt

MARQUISE:

Vollkommen begreife ich die Eitelkeit, die siiBen Worte wahr haben zu wollen. Aber ich beruhige Sie aus des Mannes jahrelanger Kenntnis : Sie sind ihm gelJiuHg und haufig, haben nichts Besonderes zu bedeuten.

■■iiVa^Si^it'ffS-j

VIERTER AUFZUQ 97

DUQUENOY (die den Brief gelesen hat): Aber doch der Brief ist seltsam

HENRIETTE: Nicht wahr, Mutter? Eine Last hangt auf mir, und ich Jiihle die Glieder nicht.

DUQUENOY: So schwarmt nur ein Knabe, der alle Hoffnungf noch frisch aufs Leben hat.

MARQUISE: Henriettens kindhafter Jugend gegeniiber will stilvoll der Marquis nicht alter sein.

HENRIETTE (die sich erhoben hat,greijt der Mutter Arm): Mutter!

DUQUENOY: Gnadige Frau ist das nicht das von mir Ge- f urchtete ?

MARQUISE: Wer eigentlich Sie, die ihn ein paarmal sahen Oder ich, die ihn bis in seine Spitzfindigkeiten kennt, hat hier Urteil?

DUQUENOY: Des Herzens?

MARQUISE: Wer hat es auBer mir? Ein Mann, der sich so ver- gaBe, sich so vor sich selbst ausloschte, ware mir nicht nur nichts mehr wert, sondem verachtlich und so gleichgiiltig, daB ich an seinem Schicksal nicht den geringsten Anteil nahme und Sie und ihn einfach stehen

7

98 VIERTER AUFZUG

lieBe. Lohnt es uberhaupt, auf die albernen Einwande Ihrer geschmeichelten Eitelkeit einzugehen?

Und Sie selbst? Was gewinnen Sie dabei? Wir spielen ein emstes Stiick und ich will nicht zum SchluB Komodie.

DUQUENOY: Es ist nicht wir fiirchten uns sie furchtet.

MARQUISE: Seine Rache? Kommt einst an den Tag, was wahr ist

fiir Sie sprange nichts als komfortable Verbannung heraus.

HENRI ETTE: Keine Rache, nicht Strafe fiirchte ich mein Oe- wissen.

MARQUISE (lacht auf).

HENRI ETTE: Mein Gewissen, und ich erklare: Lassen Sie mich fort

ich darf ich kann nicht mehr! "^

(FdlU ihrer Mutter in die Arme.)

DUQUENOY: Henriette !

MARQUISE: Nichts als Liigen auch von Ihrer Seite!

HENRIETTE (wendet sich zu ihr): Keine Liige, o Gott! Ich will nicht!

MARQUISE: Ah!

^^''^^^^^^^^r^sHv-Cvf^ '3-?"'^^^^^ "' :■".■''; f^ •-,:.' r'' ■»> - -■- '■,.,''!-■ .■ -'---.'■!. ■■■'.y-K^^.: - '-;«." C7«-^-*'";^;

VIERTER AUFZUG 99

DUQUENOY: Marquise ?

MARQUISE:

Nicht Ihr Gewissen fiirchten Sie uberhaupt nichts fiir sich selbst aber seine Schmach!

HENRIETTE (stojSt einen kleinen Schrei aus).

MARQUISE: Und dann lieben Sie, Henriette.

HENRIETTE (verbirgt ihr Gesicht in Handen).

DUQUENOY (schlUpt sie in die Arme): Mein Kind!

MARQUISE: Dann aber ist das alles hier die allerschimpflichste Komodie. Dann geben Sie eher das Leben, als, was Sie in Handen halten, bin. Dann konnte ich Sie auf Knien um ihn bitten, und Sie wichen nicht. Dann kommt ja, Kind, vor aller Qual und Reue, alien Be- denken weit voraus, die gottliche Probe auf Ihr Leben, nach der das Blut pocht, ohne die es nicht sterben will. Und ginge ich weiter risse Sie mit diesen beiden Handen von dem angebeteten Mann, verriete ich gleich, jetzt, hier, ihm Ihre Schmach Sie stiirzten ihm iiber tausend, tausendmal tiefere Abgriinde nach als den, der im schlimmsten Fall Sie auf dem anderen Weg erwartet.

Leugnen Sie doch!

HENRIETTE (schluchzt am Halse der Mutter).

"- vv; .y ,irCT»(T^|:^||p^s:3^^

lOO VIERTER AUFZUG

MARQUISE: Das leugnen Sie nicht. Denn das wird von uns drei Weibern zu richtig verstanden. Und indem wir nun die Frage, wie weit seine Gefuhle im Spiel sind, bei- seite lassen, begreifen Sie, daB noch in keinem Augen- blick Sie so voUkommen in meiner Gewalt, aus tausend Angsten so zu meiner Verfiigung waren, wie jetzt, Und hatte ich kein Geld, meine Dinge zu treiben, von Natur bin ich jetzt starker als Sie, weil auf Geniisse, die sich zU erfiillen, Sie in jedem Blutstropfen zittem, ich schon verzichten lemte und mich nichts mehr be- sitzt

DUQUENOY:

Als Ihre Rache. Armes Kind ihr bist du nicht ge- wachsen.

HENRIETTE: Ich bin verloren!

MARQUISE:

Warum ? Nicht wieder Tragik am falschen Ort. Knopf ihr die Schuh. LaB mich das Kleid zumachen. Und nun zum Ende : Du hast im Gegenteil fiir den Augen- bhck, was du begehrst; deine gefiihlvolle Mutter hat es und der zartlich Liebende. Und hatte ich's auch, warum woUt Ihr's mir, die ich an allem Gelingen schuld bin, allein nicht gonnen? Noch eine Mouche hierher.

(Sie setzt sie ihr.) Und das Lockchen hinters Ohr zuriick.

Ihr versiindigt Euch, furchtsame Provinziale, Uber Sentimentales siegt trotzdem das Lebendige, und aus

VIERTER AUFZUG lOI

Elend steigt Ihr zu fiirstlichem Glanz. Aber an Euren Himmein ist auch nicht die kleinste Wolke sichtbar.

Doch Zeit ist es, hohe Zeit. Mit tausend und einer Nacht, Glorie und Oriflamme, wartet der ungestiime Brautigam.

(Vor der Eingangsglasiur werden der Marquise von

Pommeraye und des Marquis von Arcis Lakaien sichtbar.

Der Haushofmeister der Marquise off net die THr, im Neben-^

eingang werden Mdgde sichtbar.)

Neige dich, Kleine reizend hist du und emp- fange mit meinem KuB auf deine Stira in des kunf- tigen Gatten Namen die Krone der Marquisen von Arcis !

(Sie heftet ihr das Diadem ins Hoar; die Frauen schreiten

zur Tar.)

Vorhang

.-^ ;:^wj»(^^-/

fOnfter aufzuo

•*'•< t. r %'- ' T-

-T-.^- ^Tj-:m

'^^?r5«^»^S%lRfS^^'^ i/' C.^-

.»..';t')-arv'y>-r:s«^:--v^

Lange Galerie, mit Treppe im Hintergrund links, beim Marquis von Arcis. Hamische, ROstungen, Standarten and Ahnenbilder an den Wdnden zwischen hohen, go- I tischen 'Fenstem.

ERSTER AUFTRITT

DUQUENOY (im Schlafkleid tritt von links aufj indent sie erst die Tar vorsichtig offnet, dann herausschlapft

auf die Treppe zugeht and hinaufspaht) : Wer war an meiner Tur? Welch ^Wetter!

HENRIETTE (erscheint aaf dem Treppenabsatz).

DUQUENOY: Ehi warst an meiner Tur?

HENRIETTE: Oft. Ehi schliefest fest.

DUQUENOY: Was willst du nachts? Ich spurte deine Unruhe.

HENRIETTE: Er schlafend, ahnt nichts.

DUQUENOY: Willst du in Zukunft jede Nacht dein Haus durchirren und uns schrecken?

HENRIETTE: Ich will nichts. Mir wird getan.

DUQUENOY: VerhangnisvoIIen Zwangen hast du von Anfang an zu widerstehen. Nicht fur dich allein.

;*-'• v■;^w■*^•.^|p'*^5^'■

Io6 FUNFTER AUFZUG

HENRIETTE: Ich widerstand, opferte. Erlaltete in Rauschen vor Ver- zweiflung, Blitze zerschmetterten mich im Gluckszenit, und ich hielt stand, solange Nachf mich deckte. Ich fiirchte Friihe und seinen Blick, wenn er im Hellen nach mir greift. Mein Herz geht unter.

DUQUENOY: Das ist Wahnsinn! Du willst zur Feindin werden. Zwing dein Denken und traue den Lenden. Pritfe nicht, ob du gut und schlecht ob du schon bist.

HENRIETTE: Ich bin nicht AnstoB, nur Kelch, in den sein Korn fallt, und fiihle, ich beschmutze es wie Kirchhof.

DUQUENOY: Wie sprichst du?

HENRIETTE:. Wahrheit, Mutter.

DUQUENOY: Du bist toll.

HENRIETTE: Von meinen Wundem und von meiner Himmelfahrt. Jetzt erst bewege ich mich aus mir und stoBe auf mich zu.

DUQUENOY: EXi verdirbst uns.

HENRIETTE: IchmuB zu mir und meiner Wahrheit, nach der er sich wund stoBt und tastet. MuB aus Liige fliichten.

FUNFTER AUFZUG 107

DUQUENOY:

Ein Tag wird kommen, an dem fiber alle Gefahr hin- aus er dir gehort. Ihn warte mit Vernunft ab.

HENRIETTE:

Ob ich vor Schmerz dann noch lebe? Du hast mich fiber Manner belogen. Sie sind nur finster, verdunkein wir sie, aber glanzen, sind sie fiber uns.

DUQUENOY:

Wach auf! Ehi traumst im Halbschlaf. Gefahr ist sei- ches Schwarmen. Ich befehle dir, komm zur Vernunft. Geh zurfick zu ihm. Schnell! Deine Mutter ist alt, kampfmfide. Sorge auch fur sie! Vielleicht ist er wach. Lauf, lauf! Du bist schoner als Bagatellen, die dich in der Nacht angstigen. Gerade bei Tag wirst du fiber Gespenster lachen.

Kehr nicht vor der letzten Hecke um, laB ihn sich erst noch mehr in dich verstricken; leg dich ganz fest um seinen Nacken und wirf deinen Schatten fiber ihn.

Spiel in Gedanken nicht mit dem, was noch schoner ware und sei ihm nicht zu frfih deutUch. Bist du erst Dichts als rauschende Muschel, ist's ihm genuBreicher, als jetzt schon ein klarer, und sei's der echteste Ton. Mannem geht in der Liebe kein Exempel auf.

(Sie hat sie bis zur Treppe zurOckgebracht)

HENRIETTE: Horst du?

DUQUENOY: Nichts.

y ■^-: ^. ?*v^-^'^i:y-.

1 08 FUNFTER AUFZUG

HENRIETTE: Nur solange er keinen Schimmer der Wahrheit weiB, kann ich zu mir selbst noch auferstehen.

DUQUENOY (die sle die Stufen hinaufdrdngt): Liebt er dich so, wie es scheint, ist der Augenblidc zu sprechen naher, als wir glauben.

HENRIETTE: Er ist da. Noch da. Bald aber ist es zu spat.

DUQUENOY: Warum?

HENRIETTE: Horst du nichts?

DUQUENOY: Das Wetter. Lauf ! Sicher ist er wach, vermiBt dich

HENRIETTE: MuB ich ihn wieder besudein?

DUQUENOY: Schweig! Ich dulde das nicht mehr. Ich war's, die anfangs warnte. Ich woUte ohne GewiBheit und Vor- aussicht den Handel nicht. Doch ich wurde gedrangt, zum Einverstandnis gestoBen. Du zuerst schlugst ein, Einen Lebensrest hangte ich mit fiinfzig Jahren an dein Schicksal. Jetzt haltst du aus.

HENRIETTE: Eh wir's erwarten, sind wir entdeckt und schrecklich vernichtet.

DUQUENOY: Ehirch wen?

FUNFTER AUFZUG 1 09

HENRIETTE: Durch sie, Mutter.

DUQUENOY: Geh ins Bett. Traum nicht Unsinn.

HENRIETTE:

Wo blieb noch ihr Lohn? Die so oft verkiindete Fan- fare? Wann kommt Triumph, Donner und Blitz, mit dem sie zuschlagt? Komm! Fort vor Morgen, wenn ich nicht sprechen darf. Wir finden ein Loch, zu ver- schwinden.

DUQUENOY: Henriette !

HENRIETTE:

GroBerer Tod ist's doch, wir stoBen uns selbst zu Scherben, als sie wirft uns zum Kehricht.

DUQUENOY: So komm schnell!

HENRIETTE: Nur Mantel. Fort!

DUQUENOY: Wie spat?

HENRIETTE: Fast sieben. Schnell! (Sie verschwinden in Duquenoys Tdr, die aufbleibt.)

ZWEITER AUFTRITT

Die MARQUISE (erscheint vor der grofien Glastur des Hintergmnds in schwarzem Mantel, tritt ein and bleibt

im Hintergrund).

DUQUENOY und HENRIETTE (treten in schwarzen

Manteln auf. Jetzt treffen die drei Frauen in der

BUhnenmiite zusammen).

HENRIETTE (mit Aufschrei): Zu spat!

MARQUISE: Wohin?

DUQUENOY: In unserm Haus fragen wir: woher?

MARQUISE: Und auch: warum?

HENRIETTE (will an der Marquise vorbei).

MARQUISE: Zu spat!

DRITTER AUFTRITT

MARQUIS (erscheint auf dent Treppenabsatz,ruftsuchend): Henriette ?

HENRIETTE (will mit Gewalt an der Marquise vorbei

die sie halt).

MARQUISE: Halt, Taubchen! ff

MARQUIS: Wer spricht?

FONF TER AUFZUG III

MARQUISE: Hauspolizei !

HENRIETTE (sturzt mit so darchdringendem, langem

Schrei zu Boden, dafi Kammermddchen aus der Tur

unter dem Treppenabsatz zu ihr starzen).

DUQUENOY (jagt in eiliger Flacht zur grofien Glas-

tiir hinaus).

MARQUIS (mit dem Ruf): Henriette !

(Nach unten zu ihr und zu den Madchen.) Zu Bett! Die Marquise. Schnell!

MADCHEN (tragen Henriette in die Tur unter den

Treppenabsatz).

MARQUISE (macht, als der Marquis, Henrietten folgend^ an ihr vorbei will, eine ihn haltende Geste).

MARQUIS:

Was ist, Marquise ?

MARQUISE: So friih am lendemain?

MARQUIS: Bedeutetder Auftritt ?!

MARQUISE: Eines Weibes Staatsstreich. Kurz: ich habe eine eilige Mitteilung an Sie, Marquis: die Marquise von Arcis, zukiinftige Mutter Ihrer Kinder, die Dame, die uns krank verlieB, war auf dem Sprung, mit ihrer Mutter zu entfliehen.

^ '/V ». .

112 FUNFTER AUFZUO

MARQUIS: Was heiBtdas? Traumen Sie?

MARQUISE: Am wenigsten jetzt. Sie ahnen jiicht ?

MARQUIS: Reden Sie!

MARQUISE: Was sie trieb, ins barmherzige Dunkel zu ver- schwinden ?

MARQUIS (packt sie beim Handgelenk) : Reden Sie!

MARQUISE: Des Gewissens Furien. Sie und die famose Alte.

(Mit grofiem Blick ihm ins Qesicht.) Denn als die Marquise von Pommeraye, die alien Be- gierden eines beispiellos lasterhaften Zeitalters Ihrel- wegen standgehalten, von purstem Blut und lauterster Ehre, Ihnen eines Tages zur Matresse zu schlecht war, Sie sich die Gattin suchten, um in hoheren Ge- filden zu wandeln, Ihre Besonderheit den weiblichen Widerhall woUte und land, tauchte Ihr Fleisch in einer Dime Eimer.

MARQUIS (schreit aaf).

MARQUISE: Henriette Ehiquenoy, unter dem Namen Aisnon, ein feiles Pariser Weib, betrieb geraume Zeit, bis sie Sie kannte, ihr Gewerbe in der Liller StraBe 14. Nach- zuf ragen !

FONFTER AUFZUG 1 1 3

MARQUIS (schlagt das Tuch der Standarte, bei der er

steht, liber sich).

MARQUISE (mit einem Lachen):

Gemein war meine Rache; doch groB und vollstandig im Sinn meines mir von Vorfahren vererbten Bluts. EHe GewiBheit hilft mir, einen Rest Zuneigung zu Ihnen noch erwiirgen (exit).

MARQUIS (entsturzt seinem Versteck, eilt durch die grofie Tdr ihr, sichtbar bleibend, nach, taumelt an den Scheiben bis in die THroffnung zurOck, lacht und weint, dortfialt suchend, in krampfhaften ErschUttemngen. StUrzt ploizlich zu einem Waffenschautisch, greifi ein PisioU

das er ladt): Mich sie erst? Grab, Nacht, Schwarzes urn mich! Verschwinde Arcis.

Erst Schlimmeres : Tod der Infamen!

Bleib gegipfelt, Zeit, tiirm dich noch, bis ich am Ziel bin imd mein Herz mit ihrem Leib zerschlug. (Er Iduft gegen die THr, weicht aber mit den Worten wieder

in den Vordergrund der Szene): Meine Fliigel brachen, wie eine Amsel fiel ich tot auf den Kirchhof. Ehe ich ausholte, stieB sie zu. Erde, die sie verwischte, verschiittete auch mich, und

(Mit neuem Entschlufi): Ich muB!

8

INTENTIONAL SECOND EXPOSURE

%''ys.i

%:

f.)

tr

I-

I-

112

^:./ .A-.",;.v''

FUNFTER AUFZUG

MARQUIS: WasheiBtdas? Traumen Sie?

MARQUISE: -

!Ain wenigsten jetzt. Sie ahnen jiicht ?

MARQUIS: Reden Sie!

MARQUISE: Was sie trieb, ins barmherzige Ehinkel zu ver- schwinden ?

MARQUIS (packt sie beim Handgelenk) : Reden Sie!

MARQUISE: Des Gewissens Furien. Sie und die famose Alte.

(Mit grofiem Blick ihm ins Gesicht) Denn als die Marquise von Pommeraye, die alien Be- gierden eines beispiellos lasterhaften Zeitalters Ihret- wegen standgehalten, von purstem Blut und lauterster Ehre, liinen eines Tages zur Matresse zu schlecht war, Sie sich die Gattin suchten, um in hoheren Ge- filden zu wandeln, Ihre Besonderheit den weiblichen Widerhall wollte und fand, tauchte Ihr Fleisch in einer EHrne Eimer.

MARQUIS (schreit auf).

MARQUISE: Henriette Ehiquenoy, unter dem Namen Aisnon, ein feiles Pariser Weib, betrieb geraume Zeit, bis sie Sie kannte, ihr Gewerbe in der Liiler StraBe 14. Nach- zufragen!

i

iki:?\->i''

mmgM^ii^

•"^^ -;£^-j.

f ^H^=

' K

FUNFTER AUFZUG

113

r-

i-

It

n r

1

MARQUIS (schldgt das Tuch der Standarte, bei der er

steht, fiber sich).

MARQUISE (mit einem Lachen):

Oemein war meine Rache; doch groB und voUstandig im Sinn meines mir von Vorfahren vererbten Bluts. Die GewiBheit hilft mir, einen Rest Zuneigung zu Ihnen noch erwiirgen (exit).

MARQUIS (entst&rzt seinem Versteck, eilt durch die grofie THr ihr, sichtbar bleibend, nach, taamelt an den Scheiben bis in die Turoffnung zarOck, lacht und weint, dortfialt suchend^ in krampfhaften ErschHtterungen. StUrzt plotzlich zu einem Waffenschautisch, greift ein PisioU

das er Iddt): Mich sic erst? Grab, Nacht, Schwarzes um mich! Verschwinde Arcis.

Erst Schlimmeres: Tod der Infamen!

Bleib gegipfelt, Zeit, tiirm dich noch, bis ich am Ziel bin imd mein Herz mit ihrem Leib zerschlug. (Er Iduff gegen die TUr, weicht aber mit den Worten wieder

in den Vordergrund der Szene): Meine Fliigel brachen, wie eine Amsel fiel ich tot auf den Kirchhof, Ehe ich ausholte, stieB sie zu. Erde, die sie verwischte, verschiittete auch mich, und

(Mit neuem Entschlufi): Ich muB!

8

a^'sto^.siiiii

■,.-c3"''

li^&i

^jvmi.:-

'J^^^^^^^^k

iiMiiiiil

"- L •-.•»'•

VIERTER AUFTRITT

HENRIETTE (steht in der Tur. Als der Marquis gegen sie die Waffe hebt, breitet sie die Arme aus).

MARQUIS (lafit die Waffe sinken, hebt sie von neuem and wieder sinkt sie herab).

HENRIETTE (die ihm fern in der Diagonale der BUhne entgegensteht, fdllt in beideKni^' Einen Augenblick Stille): Herr, warum totest du mich nicht, reiBt mich mit Haaren an mein Grab? Ich bliebe still, und mein Blut rinnt hin (auf den Kfiien ndhert sie sich einen Schritt). Qualen Sie meine Scham vorher und besehen des Ge- wissens Bluten, ehe ich sterben soil? O, machen Sie dem Reisch ein Ende, das sich sehnt; Seele floh langst nach alien Seiten.

(Sie kriecht ndher.) Ein Ende !

(Umschlingt seine Knie mit Hdnden.)

MARQUIS (stqpt mit dem Fufi nach ihr): Fort!

HENRIETTE (stUrzt mit leisem Schrei voUig zu Boden).

MARQUIS (sieht auf die Leblose und Iduft plotzlich von ihr zur Treppe einige Stufen hinauf dort sagt er):

Aber log sie denn? Fragte ich sie auch nur kam sie zu Wort? Und bat ihr Blick nicht immer flehent- lich ?

(Erkehrt am und ndhert sich ihr bis auf ein poor Schritt.) Im Schraubstock der aus Rache Verriickten war sie Werkzeug, wie ich, auch ohne zu wollen, die gehassige Wollust einer anderen so vollig befriedigte, daB sie

.J :-:.-

FUNFTER AUFZUG US

von hier wie eine Triumph wieherade Stute aufbrechen konnte.

Und noch befriedige? In ihren Ziigeln weiterrase. Zwangslaufig zu ihrem hoheren Ergotzen korrekt den einen morde und die andere?

Und dazu Arcis? (Er wirft die Waffe fort, kniet zu der Liegenden hin,

umfafit sie und bettet sie auf ein Sofa.) Vierzig Jahre fiir einen fremden Willen gelebt?

HENRIETTE (schlagt die Augen auf und bricht in Tranen auSy denen er wortlos zusiehtj.

Es scheint o Gott

(Sie weint.) Ihr Abscheu und Entsetzen hat sich besanftigt, daB S^e meinen Anblick ertragen.

(Sie weint.) Aber nun genug! Fliehen Sie, ehe von neuem Ver- zweiflung hochkommt, die mich in Ihnen ausloscht und mir nicht Zeit lafit, zu beweisen, daB ich schuldig bin, doch nur Todes und keiner Verachtung. Noch bin ich nicht wiirdig, daB Sie mir nah sind, und ich beschwore Sie, ubereilen Sie keine Verzeihung. Aber lassen Sie mir Hoffnung, Sie wollen mir einst vergeben.

(Sie weint.) Entfernen Sie sich weit von mir, geben Sie genau auf meinen "Wandel acht und richten Sie erst, wenn Sie mich kennen. Ubergliicklich will ich sein, sind Sie mir zu- weilen gutig und lassen mich als Ihre letzte Magd rufen. Weisen Sie mir des Hauses letzten Winkel als Wohnung an, sperren Sie mich mit elendester Nah-

-»>xf

t^^5^^«wr-'-- '

1 1 6 FONFTER aufzug

rung dort ein. Konnte ich Namen und Titel, den man mich zu erschleichen zwang, abreiBen und dann ster- ben, es soUte augenblicklich geschehen. Schwachheit, Verfiihrung, Drohungen und Gewalt, ein zu geringes Selbstgefiihl, haben mich zu schandlicher Tat verleitet. Doch glauben Sie nicht, daB ich schlecht bin. Ich bin es nicht. Wage ich doch, die Augen noch jetzt zu Ihnen aufzuschlagen und mit Ihnen zu sprechen. Ach, konnten Sie in meinem Herzen lesen, sehen, wie fremd mir Sitten und Zicle meinesgleichen sind. Verfuhrung hat mein Leben befleckt, nicht meine Seele vergiftet. Noch bin ich aus meiner Natur der Ehre, die Sie mir antaten, nicht unwiirdig. Hatte es bis zuletzt in meiner Macht gestanden, Sie unter vier Augen zu sprechen, ich glaube, ich hatte den Mut gefunden, Sie vor dem Betrug zu warnen.

MARQUIS (ist aufgestanden und hat sich von ihr ab-

gewandi).

HENRIETTE (steht auf): Aber was Sie auch iiber mich beschlossen haben, ich unterwerfe mich wilUg. Lassen Sie mich auf die StraBe werfen. Verbannen Sie mich an die Grenzen der Welt, in ein Kloster, ins Zuchthaus, damit Sie mich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich gehe, Aber Ihr Gliick, Ihre Ehre ist nicht verloren, denn mit meines Herzens Bewilligung diirfen Sie mich mit beispiellosen Martem strafen und mit meiner nicht zu steigemden Qual der Welt das Schauspiel einer Rache geben, die die der Marquise von Pommeraye armselig scheinen laBt. (Sie ist an ihm niedergesunken.)

•-■:;^:^,?^,:^yg:^yS^^-^t^fSP.,'^v-.^HJ>- •' "■■•«Vf'»;:Ci"'.ir ' :■;,■ .,7'^^-^ V^',- >' *.

FONFTER AUFZUG n/

MARQUIS fnach einem Augenblick tiefster Stille): Stehen Sie auf. Fremder Wille ist endlich aus unserem Schicksal getilgt. Ich aber aus eigenem vermag doch nichts, als Ihnen zu vergeben.

Ich habe ja auch, ohne wie Sie dazu gezwungen gewesen zu sein, unaufhorlich und mit Ausdauer tnein Leben befleckt, und bekenne, dafi doch erst von alien Frauen auf Erden Sie mir stark genug das Bediirfnis brachten, neue Lebensformen anzunehmen, die bis vor kurzem mir lacherlich schienen und die mich jetzt ganz gliicklich machen.

Und dieses Gliick hat auch unter der Entdeckung nicht gewankt, Sie sind der Engel nicht, den ich meinte, sondem nur eine Frau und ein Mensch, der wie ich nicht hochmiitig ist und viel auf Erden noch zu ler- hen hat.

--^x Und bin in ihn und das ist groBe Schande, die die Ihre wettmacht, nicht weniger verliebt. Stehen Sie auf, Gemahlin, stehen Sie auf, Frau Marquise. Sie sind, wo Sie sind, an Ihrem naturlichsten Ort.

HENRIET.TE (die sich erhoben hat, ist ihm an den Hals geflogen. Dann will sie niederknien).

MARQUIS (verhindert sie): Das ist nun ganz verkehrt, nachdem ich gerade aus innerer Not mich vor dir beugte und bereit bin, es tausendmal wieder zu tun.

Nein, neues Leben nun und uiisere wirkliche Hal- tung! Ich fange zu ahnen an, die gute Pommeraye, statt sich zu rachen, erwies mir meines Lebens groBten Dienst. Gerade bricht der neue Tag an! Kleide dich

,.- - ^ , _ ■-.V^'Tfyj^jp^'^-i^^^R^^^^^^^^?

ii8 FUNFTER AUFZUG

an, liebe Frau. Man wird indessen unsere Koffer packen. Wir wollen ein wenig aufs Land gehen und da und anderswo weiBt du denn, wie groB und mannigfach die Welt ist ! bleiben, bis wir Menschen brauchen !

HENRIETTE (liegt ihm wieder in Armen).

MARQUIS:

Und ohne anderen etwas nachzutragen, fern iiberhaupt von Planen und Ideen der Welt mit sich und uns, wollen wir sehen, was an uns ist und was wirklich bedeutet

HENRIETTE (ihre Arme um seinen Hals sieht ihn

prufend an): Jean Gaspard

MARQUIS^ Und Henriette von Arcis!

Ende.

■!/»••^ ^-' J-'

' ^' \'

INU