D". ALBERT BERNHARD FRANK, K are DER BOTANIK AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG UND CUSTOS ES UNIVERSITÄTSHERBARIUMS DASELBST INHALT. I. UEBER DIE DURCH DIE en VERURSACHTEN BEWEGUNGEN VON PFLANZENTHEILEN. Il. UEBER DIE ENTSTEHUNG DER INTERCELLULARRÄUME DER PFLANZEN. MIT 5 LITHOGRAPHIRTEN TAFELN. LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1868. Vorwort. Den beiden Abhandlungen, welche ich hier der Oeffentlichkeit übergebe, habe ich noch folgende Bemerkungen hinzuzufügen. Die der ersten Abhandlung zu Grunde liegenden Unter- suchungen wurden in der Zeit vom Winter bis Sommer dieses Jahres angestellt. Die wichtigsten Thatsachen über die Bewegungen der Wur- zeln habe ich bereits in der bei Gelegenheit meiner Habilitation an hie- siger Universität am 14. Januar d. J. gehaltenen Vorlesung ausgespro— chen. Einige neueste mir erst nach Abfassung des betreffenden Theiles des Manuscriptes zur Kenntniss gekommene auf unseren Gegenstand bezügliche Mittheilungen Anderer sind am geeigneten Orte unter dem Texte berücksichtigt worden. — Man könnte dieser Abhandlung den Vorwurf der Unvollständigkeit machen: sie lehrt zwar die Mechanik der durch die Schwerkraft und durch das Licht verursachten Bewegungen kennen, aber bis auf den schwachen Versuch im letzten Kapitel ver- nachlässigt sie die nun sehr wünschenswerth gewordene Naturgeschichte des Geotropismus und des Heliotropismus, d. h. den Nachweis, wie nun in der ganzen Reihe der Gewächse beide Eigenschaften an der Pflanze vertheilt sind und wie aus beiden die definitive Richtung der Pflanzentheile resultirt. Dem habe ich zu entgegnen, dass ich mich von vornherein nur mit der Absicht getragen habe, zunächst Klarheit über die Bewegungsvorgänge selbst zu schaffen, in der Meinung, dass wenn erst einmal das Licht angezündet ist, es eine leichte Arbeit sein wird, VI mit demselben die Räume der Natur erleuchtend zu durchwandern. Ueberdies war ich unter den gegenwärtigen Verhältnissen an unserer Hochschule während der letzten Semester von öffentlicher, insbeson- dere Lehr-Thätigkeit derart in Anspruch genommen, dass eine weitere Ausdehnung der Untersuchungen das Maass meiner Kräfte überstiegen haben würde. Die zweite Abhandlung wurde behufs meiner Habilitation am 19. October 1866 der philosophischen Facultät zu Leipzig übergeben. Eine weitere Verbreitung derselben dünkte mir wünschenswerth, und so erscheint sie hier nicht nur durch Abbildungen erläutert, sondern auch vielfach bereichert durch weitere Bemerkungen und neue Unter- suchungen, welche theils damals schon fertig vorlagen, theils später noch hinzugekommen sind. Leipzig, im October 1867. Der Verfasser. Inhalt, I. Ueber die durch die Schwerkraft verursachten Bewegungen von Pflanzentheilen aes eee estore es and Kritisches SS ea emer nn ee 3. Die Abwärtskrümmung der Wurzelspitzen ist keine Gravitationserschei- nung der Masse des sich herabkrümmenden Theiles ....... 4. Die Abwärtskrümmung der Wurzelspitzen ist eine Wachsthumserschei- u a ee ee ge i ee Es 5. Abwärtskrümmungen von Stengelorganen unter dem Einflusse der es ta SS 6. Bewegungen, welche auf der Massengravitation des sich bewegenden Pflanzentheiles beruhen. . .-. >. 2. x... a a en a 8. Die Schwerkraftwirkungen in Bezug auf die Lage des Unten und Oben LE a fs ie eee re 9. Geotropismus. — Positiver und negativer Geotropismus. . . . Il. Ueber die Entstehung der Intercellularräume der Pflanzen . Historischer Veberblick . Zelle N, oder, was dasselbe ‘ist, Zellwand a > Zellwand n ist. Würde nun hierbei nicht die zenithwärts gekehrte Fig. 4. Wand jeder einzelnen Zelle länger als die 4 nt i due te EE i 43 erdwärts gekehrte, würde also nicht a > b, b > c, so müsste auch a=c bleiben, weil die beiden zu Zelle A und Zelle B gehörigen Lamellen von b fest mit einander verwachsen sind und sich daher auch nur in gleichem Maasse verlängern können. Ebenso müsste a = d bleiben, weil c=d, u. s. f.; also a = b = c = d = .... n. Das ist aber gegen die Beobachtung, folglich kann nicht a = b bleiben. Wir sehen also, wie sich die grössere Länge der Zellen in der oberen Hälfte erdwärts umge- krümmter Wurzelenden nur durch die Annahme erklären lässt, dass jede einzelne an der Zusammensetzung der Wurzel betheiligte Zelle bei ihrer Ablenkung aus der Verticale die zenithwärts liegende Längswand stär- ker als die erdwärts gekehrte verlängert. Dass dieses Verhältniss beider Längswände jeder Zelle der unmittelbaren Beobachtung nicht zugäng- lich ist, wird erklärlich, wenn man bedenkt, dass hier die einzelne Zelle nur einen unendlich kleinen Theil des Bogens des gekrümmten Wurzeltheiles einnimmt. Es fragt sich noch, ob die stärkere Verlängerung der zenithwärts liegenden Zellwand auf einer gesteigerten Imbibition von Wasser oder einer erhöhten Einlagerung fester Zellhautmolecüle beruht. Eine ein- seitig gesteigerte Wassereinlagerung kann eine Krümmung sehr wohl hervorbringen. Wenn man eine gerade Wurzel, welche durch Liegen an der Luft etwas welk geworden ist, einseitig mit Wasser benetzt, so tritt eine Krümmung ein, deren Convexität von der benetzten Seite ge- bildet wird. Dass jedoch bei der durch die Schwerkraft bewirkten Be- wegung dieser Vorgang nicht stattfindet, wird dadurch bewiesen, dass die Krümmungen an der unverletzten Wurzel wie an einzelnen Längs- lamellen derselben weder beim Welken noch beim Liegen in Glycerin, concentrirter Zuckerlösung, Alkohol u. dergl. ausgeglichen werden. Der Vorgang beruht also auf einer Einlagerung fester Zellstoffmolecüle. Jetzt wird es auch erklärlich, warum die aufrecht stehenden En- den der Jussiaeaschwimmwurzeln der Fähigkeit sich abwärtszukrüm- men untheilhaftig sind, und zwar einfach aus dem anatomischen Baue derselben (vergl. die zweite Abhandlung). Wenn wir auf das Wurzel- parenchym die eben gefundenen Wachsthumsvorgänge übertragen, so -wird zwar jede Zelle des Rindegewebes die eine Längswand stärker 44 als die andere verlängern können, allein da hier die Zellen nicht mit ihren Längswänden allseitig unter sich verwachsen sind, sondern an den radialen Zellarmen befestigt frei in der Intercellularluft stehen, so würde ein solcher Wachsthumsvorgang nur dahin wirken, dass jede Zelle nach Massgabe der Wachsthumsdifferenz der beiden gegenüber- liegenden Längswände eine geringe Krümmung erlitte, woran sie, rings von Intercellularluft umgeben, durch nichts gehindert sein würde; für die Wurzel als Ganzes aber würden diese Bewegungen verloren gehen. Ob diesen Zellen wirklich auch die Eigenthümlichkeit, ihr Längen- wachsthum unter dem Einflusse der Schwerkraft zu reguliren, zu- kommt, stehe dahin. ; An dieser Stelle mögen noch einige andere auf Wachsthumsvor- gängen beruhende Erscheinungen an Wurzeln Erwähnung finden. Abweichungen von der normalen Richtung, wie sie bisweilen bei Pisum sativum an der aus dem keimenden Samen tretenden Radicula zu be- obachten sind (siehe oben p. 21), beruhen ebenfalls, wie Vergleichungen der Zellenlängen beider Seiten beweisen, auf einem einseitig stärkeren Längenwachsthume der Wurzel, welches von einer einseitig gesteiger- ten Ernährung derselben herrührt, deren Grund nicht näher bekannt ist. Je nachdem dieser abnorme Zustand kürzere oder längere Zeit an- dauert, beschreibt die Wurzel entweder nur eine bogenförmige Er- hebung oder eine wirkliche Schlinge. — Dass Wurzelspitzen, welche auf ihrem Wachsthume nach abwärts auf unebene undurchdringliche Körper stossen, sich oft zwischen deren Ritze etc. gleichsam einsenken, benutzte Horneister zur Veranschaulichung der breiartigen, dem direc- ten Einflusse der Schwerkraft gehorchenden Natur der Wurzelspitze, eine Ansicht, der man entgegenhalten kann, dass ja auch aufwärts- wachsende Organe bei ihrem Wachsthume sich eindringend und ein- hüllend gegen die umgebenden Gegenstände (Baumrinde, Kiefer- nadeln etc.) verhalten, wofür viele Pilze und Flechten alltägliche Bei- spiele liefern. — Endlich soll nach Hormeisrrr!) bei in raschen Rotationen befindlichen Keimpflanzen von Zea Mays das wachsende 1) Pflanzenzelle p. 283. 45 Ende der Wurzeln eine Einschnürung erhalten, weil die breiartige Wurzelspitze von der Centrifugalkraft beeinflusst werde. Wenn ein Knısur bei den rohen anatomischen Vorstellungen seiner Zeit einen solchen Ausspruch gethan hätte, so würde Niemand daran Anstoss nehmen; bei den anatomischen Kenntnissen unserer Tage kann man aber jenen Ausspruch nur verstehen, wenn man sich vorstellt, dass die Zellen der Epidermis, der Rinde, der Gefässbündelanlage im Innern _ der »starren Wurzelmütze« gleich Erbsen in einem Sacke lustig durch- einander geschüttelt werden. Locale Einschnürungen sowohl wie An- schwellungen sind auch ohne Anwendung von Rotation nicht selten zu beobachtende Erscheinungen (letztere häufig an der Stelle von Rich- tungsveränderungen eintretend) ; sie beruhen selbstverständlich auf nichts als einem verschiedenen Grade peripherischen Wachsthums. — Wir haben oben gesehen, dass jede im Längenwachsthume be- eriffene Wurzelzelle das Bestreben zeigt, in die gegen die Peripherie gekehrten Wände mehr Substanz in Richtung der Fläche einzulagern als in den der Achse zugekehrten, und dass dieses Bestreben zum sichtbaren Ausdrucke kommt, wenn die längsgespaltene Wurzel je nach den Verhältnissen, in denen sie sich befindet, Wassermolecüle oder feste Zellstoffmolecüle in die peripherisch gelegenen Längswände ihrer Zellen in stärkerem Grade einlagert, wodurch eine Krümmung der Längshälften nach einwärts erfolgt. Wenn wir nun jetzt gefunden ha- ben, dass bei der Bewegung des Wurzelendes erdwärts die Schwer- kraft diese nämlichen Zellen hinsichtlich des Längenwachsthumes be- einflusst, so folgt mit Nothwendigkeit, dass Wurzeln, welche aus der normalen Richtung dauernd abgelenkt worden sind, wenn sie der Länge nach aufgespalten in’s Wasser gelegt werden, veränderte Er- scheinungen zeigen müssen, und zwar noch ehe eine wahrnehmbare Bewegung an ihnen eingetreten ist. Der Erfolg des Experimentes ent- Spricht dieser Forderung vollständig. Werden Erbsenkeimpflänzchen mit geraden Wurzeln in einem Winkel von 45° mit dem Horizonte schräg aufwärts gerichtet im dunkeln Raume aufgestellt, in dieser Stellung etwa 2—4 Stunden belassen, und wenn die Abwärtskrümmung der Spitzen noch nicht eingetreten oder nur schwach angedeutet ist (Fig 5. A), in eine 46 obere und untere Hälfte aufgespalten, sokrümmt sich, in Wasser gebracht, nach einiger Zeit die dem Zenith zugekehrt gewesene Längshälfte in einem Bogen von oft 90° und darüber derart, dass die Schnittfläche concav wird, während die andere Hälfte die ursprüngliche Richtung beibehält oder sich nur schwach nach aussen oder nach innen krümmt (Fig. 5B). Die Zeit, welche die Wurzel im Wasser zubringen muss, bis dieKrümmung eingetreten ist, ist verschieden, 1/4 Stunde bis einige Stunden. In Zucker- wasser gebracht gleichen die Längshälften ihre Krümmungen wieder aus. Es verdient bemerkt zu werden, dass diese Bewegungen immer in der genannten Weise stattfinden, ganz unabhängig von der Lage, welche dabei die im Wasser liegende Wurzel gegen den Horizont ein- nimmt. — Es ist leicht den Hergang dieser Erscheinung zu verstehen. Einmal sucht sich das Bestreben der Wurzelzellen die centrifugal liegenden Längswände stärker zu verlängern durch die entsprechenden Krüm- mungen zum Ausdrucke zu bringen. Andererseits sucht nun die Schwer- kraft diese Zellen zu den eben ermittelten Wachsthumsvorgängen zu disponiren. Letztere erfolgen nun aber in der oberen Längshälfte in gleichem, in der unteren im entgegengesetzten Sinne wie der erstere Vorgang, und daraus erklären sich unmittelbar jene Richtungen der beiden Hälften. Es beweist aber diese Erscheinung erstens, dass jene Disposition zu ungleichem Längenwachsthume der gegenüberliegenden longitudinalen Membranen der Wurzelzellen von der Schwerkraft nicht gestört wird, dieselbe wirkt unabhängig von diesen Vorgängen selbst- ständig und unmittelbar auf den Wachsthumsprocess der Zellwand, nur die Erfolge beider Vorgänge bringen verschiedene Bewegungsresultanten hervor. Zweitens ergiebt sich, dass auch bei den durch die Schwerkraft, indueirten Wachsthumsvorgängen an Stelle von Zellstoffmolecülen Wassermolecüle in die Zellhaut eingelagert werden können, sobald der zu diesem Wachsthume disponirten Zelle Wasser in reichlicher Menge zur Verfügung gestellt wird. Drittens aber wird dadurch gezeigt, wie der Einfluss der Schwerkraft in der Pflanze schon stattfindet, noch ehe sich derselbe durch eine äusserlich sichtbare Bewegung des Pflanzen- theiles kund zu geben vermag. — ande i LIE: TER i ne ide y urn Fey u 2 Oo ëO = 0 www Sr = = aai i TPF r—m u > 4 pyes à a > u E a SS ae, u— 47 jst an einer schräg aufrecht stehenden Wurzel eine Abwärtskrüm- mung schon mehr oder weniger erfolgt, so wird als ursprüngliche Rich- jung eben diese Krümmung, nicht eine gerade Linie zu betrachten sein, nd der Erfolg des eben besprochenen Experimentes ist nun leicht zu übersehen : die nach oben gekehrte Längshälfte steigert ihre Krümmung, die untere schwächt sie ab. Wird jedoch der Versuch erst nach voll- ständiger Umkrümmung vorgenommen, so wird der Erfolg etwas geän- dert, weil an der Stelle der Krümmung sich jetzt nicht mehr die Stelle des intensivsten Wachsthums befindet; diese ist vielmehr bereits weiter vorgerückt, und die nach dem Aufspalten und Einlegen in Wasser er- folgenden Krümmungen fallen daher nicht mehr vollständig mit jener Stelle zusammen. Es finden dann Erscheinungen statt, wie sie in Fig. 6 wiedergegeben sind; bei a liegt die durch die Schwerkraft an der unverletzten schräg aufgerichteten Wurzel hervorgebrachte Krüm- mung, bei b dagegen erst die durch die Wasserimbibition der Mem- - pranen der Wurzelzellen verursachte. Wenn man auf horizontaler undurchdringlicher Unterlage gekeimte Wurzeln von Erbsen, welche sich derselben dicht angeschmiegt ent- wickelt haben, in der nämlichen Weise spaltet und in Wasser bringt, so krümmt sich die zenithwärts gerichtet gewesene Hälfte bis recht- winklig mit der Innenseite concav, während die untere ihre Richtung beibehält oder nur wenig nach einer Seite hin ändert. Wie in diesem Falle die Bewegung der unverletzten Wurzel nach deren Entfernung vom undurchdringlichen Keimboden in auffällig kurzer Zeit erfolgt, so sind auch diese Bewegungen nach etwa !/, Stunde in der Regel voll- stindig eingetreten, oft in wenigen Minuten vollendet. Immer sind diese Bewegungen beträchtlicher, als im gleichen Falle die der unver- letzten in der Luft befindlichen Wurzelspitzen, wiederum weil die Zelle das reichlich dargebotene Wasser an Stelle des Zellstoffes in dem durch die Schwerkraft vorgeschriebenen Sinne in ihre Längswände einzu- lagern vermag. Aus dem Zusammenwirken des Wachsthumsbestrebens einer jeden Wurzelzelle und der Einwirkung der Schwerkraft auf das Wachs- thum derselben erklären sich endlich auch die Erscheinungen, 48 welche eintreten, wenn der Länge nach halbirte Keimwurzeln in einer aus der normalen Richtung abgelenkten Stellung weiterwachsen. Spaltet man gerade gewachsene etwa zolllange Wurzeln keimender Erbsen von der Spitze aus einige Linien weit durch einen genau in der Mittellinie geführten Längsschnitt derart, dass jede Hälfte noch einen Antheil des Gefässbündels enthält, stellt die Pflanzen mit den Wurzeln im Winkel von etwa 45° schräg aufrecht im dunkeln Raume auf und sorgt dafür, dass die zunächst meistens dicht aufeinander- liegenden Hälften an den äussersten Spitzen mit den Schnittflächen nicht wieder verwachsen — was leicht geschieht —, so wächst nun jede Hälfte in leicht vorauszusehender Weise. Die zenithwärts gekehrte Hälfte wird in Folge der Gleichsinnigkeit des Wachsthumsbestrebens ihrer Zellen und des Einflusses der Schwerkraft an der Schnittfläche concav und bewegt ihre Spitze abwärts. An der unteren Längshälfte wirken dagegen jene beiden Vorgänge in entgegengesetzter Weise; in der Regel macht sich aber der erstere zeitiger und stärker geltend als der Einfluss der Schwerkraft. Die untere Hälfte wird daher ebenfalls an der Schnittfläche concav, sie hebt ihre Spitze in die Höhe, und oft erst wenn dieselbe in die senkrechte Richtung gekommen oder noch darüber hinaus bewegt worden ist, macht die Schwerkraft ihren Ein- fluss geltend und bewegt nun die Spitze in ihrem Sinne. Diese fährt in Folge dessen in ihrer Krümmung fort, bis sie wieder senkrecht abwärts gerichtet ist, also eine vollständige Schlinge gebildet hat, wie es Fig. 7 darzustellen sucht. Hiernach wird wohl auch angenommen werden müs- sen, dass in diesem Falle die Abwärtskrümmung der oberen Hälfte ganz oder zum grossen Theile eine Folge des an jeder aufgespaltenen Wurzel eintretenden eigenthümlichen Wachsthumsbestrebens ist, dass die Schwerkraft erst dann in Wirksamkeit zu treten suchen wird, wenn sie nichts mehr zu thun findet. Ist dagegen bei diesem Versuche die Wurzel nicht genau in ihrer Mittellinie gespalten, so dass die eine Hälfte nur Rindezellen oder höch- stens die äusserste Partie des Gefässbündels enthält, so erleidet nur die stärkere Hälfte die in Vorstehendem beschriebenen Bewegungen, je nachdem sie dem Zenith oder dem Erdcentrum zugekehrt ist, wie aus A el in a = 49 pig. 8 A; B, C ersichtlich ist. Die schwächere Hälfte erfährt dabei keine Verlängerung, oder dieselbe bleibt doch hinter derjenigen der anderen seite beträchtlich zurück (vergl. oben p. 20) *) y, Abwärtskrümmungen von Stengelorganen unter dem Einflusse der Schwerkraft. Auch Stengelorgane können an den jungen im Wachsthume be- griffenen Enden Richtungen annehmen, welche an diejenigen erinnern, welche die Enden aufgerichteter Wurzeln einzunehmen suchen. Das UVeberhängen der Enden fortwachsender Vegetativsprosse vieler Pflan- zen und die nickende Richtung vieler Blüthen und Inflorescenzen vor, während oder nach dem Blühen sind die hier zu nennenden Erschei- nungen. Unter diesen Richtungen sind zunächst solche zu unterscheiden, welche nur innerhalb einer kurzen Strecke eines wachsenden Sprosses, gewöhnlich unmittelbar vor den jüngsten Theilen desselben eintreten, und deren Krümmungsebenen eine unveränderte Stellung gegen die Meridianebene. beibehalten, und solche, welche meist die ganze in Verlängerung begriffene Strecke des Stengels umfassen, eine weit 1) Neuerlich hat sich auch Hauer (Landwirthschaftl. Versuchsstationen. 8. Band (1866) p. 463—470) mit der Einwirkung der Schwerkraft auf die Wurzeln beschäftigt, Die Abhandlung hat hauptsächlich den Zweck, einen nach des Autors Meinung besseren Beweis als den bisherigen dafür beizubringen, dass die Schwer- kraft die Richtung der Wurzel bestimmt. Die überaus schwache, von der unerhör- testen Unwissenheit zeugende Arbeit mag selbst ein Gebahren erklären, welches einem im Besitze gesunden Denkvermögens und der nöthigen NN Kenntnisse befindlichen Manne nmöglich sein würde. Am Schlu ekenn der Verfasser hinsichtlich der Mechanik der Wurzelbewegung zu ala RHEON Yon Hofmeister und SAcus (p. 469—470): Die dort gethanen Aeusserungen sind einer Wissenschaftlichen Besprechung unwürdig, ich habe ihrer nur gedacht, weil die betreffe nde Arbeit wirklich in einer wissenschaftlichen Zeitschrift enthalten ist. Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 4 50 schwächere Krümmung beschreiben, und deren Krümmungsebenen ihre: Richtungen gegen die Meridianebene fortwährend verändern. Beiderlei Richtungsarten haben auch verschiedene Ursachen. Die aufrecht stehenden, noch lediglich mit vegetativen Blättern be- kleideten Sprosse von Saxifraga longifolia sind an den oberen Enden in scharfem, halbkreisförmig nach unten geöffnetem Bogen umgekrümmt, dessen Ebene an der im Freien stehenden Pflanze eine unveränderte Stellung innehält. Werden in Erde eingewurzelte derartige Pflanzen in tiefer Finsterniss senkrecht aufgestellt, so gleicht sich die Krümmung nach einiger Zeit fast völlig aus, die Enden richten sich gerade auf- wärts. Daraus geht hervor, dass die Abwärtsrichtung dieses Stengel- theiles auf negativem Heliotropismus beruht, welcher stärker ist als das Bestreben des Stengels sich unter dem Einflusse der Schwerkraft senk- recht aufzurichten. Wenn dagegen die Entwickelung der Stengel bis zum Erscheinen der Inflorescenz fortgeschritten ist, so gleicht sich an der im Freien stehenden Pflanze jene nickende Richtung zum Theil aus: es tritt jetzt eine die ganze obere Hälfte des nunmehr beträchtlich ver- längerten Sprosses einnehmende Incurvation ein, derart, dass die In- florescenz weit überhängt. Dabei ist die Krümmungsebene in stetiger, ziemlich rasch erfolgender (z. B. an einer Versuchspflanze in 24 Stun- den ca. 360°) Stellungsänderung begriffen. Auch an den im Dunkeln gehaltenen Pflanzen treten in dem nämlichen Entwickelungstadium die- selben Erscheinungen hervor. Wurde eine solche Pflanze, welche im dunkeln Raume diese Bewegungen in sehr ausgeprägter Weise voll- führte, daselbst in umgekehrte Stellung gebracht, so verminderte sich natürlich in Folge des Gewichtes der Endtheile und der Schlaffheit des Stengels die Krümmung desselben merklich, ohne jedoch aufgehoben zu werden, und auch in dieser Stellung gingen die Drehungen der Krümmungsebene weiter. Eine ganz äbnliche Reihe von Erscheinungen zeigte mir Sedum Forsteri; wahrscheinlich sind sie in der Gattung Se- dum weit verbreitet. Diese zweite Form von Incurvationen ist somit unabhängig sowohl vom Lichte wie von der Schwerkraft, sie beruht darauf, dass immer eine Längskante des Stengels länger wird als die gegenüberliegende, und dass diese stärkere Verlängerung einer Kante ın 51 fortwährender Wanderung um den Stengel begriffen ist!). Ob dieser Vorgang auf einem gleichmässigen Verhalten aller Zellen hinsichtlich jes Flächenwachsthums der longitudinalen Membranen oder auf Aende- rungen der Gewebespannungen beruht, habe ich nicht entschieden. Da bei der ersteren Bewegungsweise die Krümmungsebene durch die Richtung des überhängenden Theiles und durch die Verticale des Beobachtungsortes (wenigstens an allen allseitig gleichmässig beleuch- teten Pflanzen) bestimmt wird, so erscheint es passend nur die durch diese Bewegung erzeugte Richtung als Nicken, Nutation zu bezeichnen, die durch die zweite Bewegungsform hergestellte Richtung aber, da ihre Krümmungsebene durch die Richtung des eingekrümmten Endes und durch die des ganzen Sprosses allein bestimmt ist, die Lothlinie also nicht nothwendig in sich aufzunehmen braucht, mit dem Ausdrucke Inelination zu belegen. Die Inclinationsebene ist also an der lebenden Pflanze in fortwährender Drehung begriffen, die Nutations- ebene unbeweglich?). Bei den eben besprochenen Pflanzen beruhte die Nutation auf ne- gativem Heliotropismus. Dasselbe ist der Fall bei den nutirenden Sten- seln von Solidago villosa. Wurden abgeschnittene, in Wasser stehende Stengel dieser Pflanze im Finstern senkrecht aufgestellt, so richteten sich die gekrümmten Enden in 45 Stunden :gerade aufwärts. Die am gekriimmten Theile vorher angebrachten 3’” langen Theilgrade hatten sich dabei um je !/ bis 4”’ verlängert. Ein im Freien erwachsener ebensolcher Stengel wurde im Finstern so aufgestellt, dass die Krüm- mungsebene horizontal stand. Nach 45 Stunden hatte sich das junge i) Vergl. bereits HoFMEISTER, Pflanzenzelle. p. 323. 2) Hormeıster (Pflanzenzelle p. 321) scheint beide Bewegungen zum Theil zu vermengen. — Ich glaube, dass die Inclination oder wenigstens die Disposition zu dieser Bewegung allen im Längenwachsthume begriffenen Sprossen eigenthümlich ist, nur mag sie nicht immer einen sichtbaren Ausdruck gewinnen, nn nur mit wenig Evidenz auftreten. Gelegentliche Beobachtungen scheinen mir darauf hinzu- deuten, dass diese Erscheinung beim Wachsen in der Dunkelheit in nn Fällen Sichtbar zu machen ist, wo sie unter den normalen Verhältnissen sich nicht zu er- kennen giebt. Das eben Ausgesprochene soll R nichts weiter als eine vorläufige Vermuthung sein 4* 52 Ende unter Verlängerung aufgerichtet. Wurden endlich solche Stengel im Finstern in verkehrte Stellung gebracht, so steigerte sich unter Ver- längerung des Stengels die schon vorhandene Krümmung noch beträcht- lich, und das junge Ende wuchs senkrecht aufwärts weiter. In den vorstehend erörterten Fällen sind die jungen im Wachs- thume begriffenen Internodien für die Einflüsse des Lichtes und der Schwerkraft zugleich empfänglich, aber der Einfluss des Lichtes, wel- ches den Stengel der Lichtquelle abzukehren sucht, überwiegt denjeni- gen der Schwerkraft, welche eine vertical aufrechte Stellung herbeizu- führen strebt. Die Empfänglichkeit für den Lichteinfluss erlischt aber früher als die andere; daher erhebt die Pflanze ihre älteren Theile wieder in dem Maasse als die Abwärtskrümmung an der Spitze weiter fort- schreitet. So erfährt also jeder Theil des Stengels nach seinem Aus- - tritte aus dem Knospenzustande zwei einander folgende Bewegungen : zuerst eine Senkung und darauf eineHebung. Beide Bewegungen wan- dern in gleichbleibender Entfernung von einander über den Stengel hin, der Spitzenzunahme desselben nachfolgend. Es kann aber die Empfänglichkeit für beiderlei Einflüsse noch an- ders in der Pflanze vertheilt sein, und dadurch ein ganz anderes Re- sultat erzielt werden. Die Stengel der Lysimachia Nummularia kriechen horizontal auf dem Boden hin, einen nach unten geöffneten seichten Bogen beschreibend, so dass die Spitze des Stengels nicht selten dem Boden angedrückt ist. Gräbt man vor dem fortwachsenden Ende einer im Freien stehenden allseitig gleichmässig beleuchteten Pflanze ein Loch in den Boden, dessen vor dem Ende des Zweiges stehende Wand senk- recht ist, so kriecht der Spross, wenn er auf seinem Wachsthume das Loch erreicht hat, auch auf der senkrecht abwärts gerichteten Wand des- selben weiter. Lässt man aber die Pflanze an einem vor Licht geschützten Orte auf einer von feuchtem Sande gebildeten horizontalen Unterlage vegetiren, so richtet sich das junge Stengelende in sehr energischer Weise fast senkrecht aufwärts und wächst nun in dieser Richtung wei- ter. Hier liegt also die für den Einfluss der Schwerkraft empfängliche Strecke noch vollständig innerhalb derjenigen , welche vom Lichte be- 53 ainflusst wird, und da die letztere Wirkung die stärkere ist, so kann es zu keiner Aufrichtung des Stengels kommen. Bei einer zweiten Klasse von Nutationen muss die Ursache der Bewegung in der Schwerkraft gesucht werden. Hierher gehören na- mentlich nickende Blüthen und Inflorescenzen. Sehr evident ist die Erscheinung z. B. an den Blüthenstielen einiger Arten von Clematis. ` pei Clematis integrifolia steht die Blüthenknospe Anfangs auf dem auf- gerichteten Blüthenstiele gerade aufrecht. Kurze Zeit vor dem Oeffnen der Blüthe erleidet der Stiel, während er sich noch verlängert, an sei- nem obersten Ende, und zwar in einer Länge von nur etwa 4 bis 6”, eine bis halbkreisförmige Umkrümmung, derart dass die Blüthenknospe senkrecht nach unten sieht. In dieser Stellung öffnet sich die Blüthe, und erst beim Verblühen gleicht sich die Krümmung wieder allmählich aus. Ein abgeschnittener, in Wasser stehender Zweig dieser Pflanze wurde im Finstern in seiner natürlichen Richtung aufgestellt. Die obere Hälfte eines 5” langen Pedunculus mit noch fast gerade aufrecht stehen- der Blüthenknospe wurde mit 2” von einander entfernten Theilstrichen versehen. Nach Verlauf von 4 Tagen, während welcher Zeit die Blüthe sich geöffnet hatte, war das obere 4” lange Ende des Stieles in einem Bogen von 135° nach abwärts umgekrümmt, die Blüthe stand nahezu umgekehrt vertical. Die beiden obersten Theilgrade waren während dieser Zeit je 3” lang geworden. Ein anderer Zweig derselben Pflanze wurde unter den nämlichen Verhältnissen so aufgestellt, dass ein Blüthenstiel mit noch nicht geöffneter Blüthe, welcher bereits den An- fang der Umkrümmung seiner Spitze in einem Bogen von 47° erlitten hatte, in einem Winkel von ca. 45° mit dem Horizonte nach abwärts gekehrt war, so zwar dass der Bogen des nutirenden Theiles nach oben geöffnet war und die Blüthenknospe also ungefähr wagerecht stand. Die obere Hälfte des Blüthenstieles war wieder mit einer Theilung in 2” lange Grade versehen. Nach 66 Stunden zeigte sich Folgendes. Der Blüthenstiel hatte in seiner Mitte eine kräftige Aufwärtskrümmung in einem Bogen von 90% erfahren, so dass die obere die Blüthe tragende Hälfte etwa im Winkel von 450 aufgeriehtet war. Die Krümmung am Endeaber war nicht nur ausgeglichen, sondern weit nach der entgegen- 54 gesetzten Seite umgeschlagen und beschrieb einen nach unten ge- öffneten Bogen von 125°, so dass die Blüthe schräg abwärts geneigt war. Die Theilgrade waren unterdessen je 2,6” lang geworden. Bei dieser Ueberführung der einen Krümmung in die entgegengesetzte fanden niemals Achsendrehungen der Blüthenstiele statt, wie der ge- rade bleibende Verlauf der Riefen derselben bewies. Auch Clematis cylindrica hat nickende Blüthenstiele. Ein Zweig dieser Pflanze mit zwei Bluthenstielen, deren Knospen noch aufrecht standen, wurde in der eben bezeichneten Weise so im Dunkeln auf- gestellt, dass die Pedunculi, welche mit 2” langen Theilgraden ver- sehen waren, im Winkel von ca. 60° mit dem Horizonte aufwärts schau- ten. Nach 48 Stunden hatte jeder von beiden die charakteristische Umkrümmung seines Endes erlitten, die noch geschlossenen Blüthen- knospen waren nahezu senkrecht nach unten gerichtet, die Theilgrade durchschnittlich 2,7" lang geworden. i Die Blüthenstiele der meisten Arten von Papaver zeigen vor dem Oeffnen der Blüthe eine sehr ausgeprägte Nutation : in vertical aufrech- ter Richtung aus den Blattachseln hervortretend erleiden sie alsbald etwa in der Mitte oder in der oberen Hälfte eine vollständige Umkrüm- mung, die Blüthenknospe schaut senkrecht nach unten. Kurz vor dem Oeffnen der Blüthe gleicht sich die Krümmung wieder aus, während oder nach geschehener Aufrichtung erfolgt das Aufblühen. Ein im Topfe eingewurzeltes Exemplar von Papaver dubium, welches am Lichte seinen ersten Blüthenstiel hervortreten liess, wurde, als derselbe etwa die Länge einer Linie erreicht hatte, in aufrechter Stellung ins Finstere gebracht. Nach 24 Stunden, während welcher Zeit ein’ bemerkliches Längenwachsthum erfolgt war, hatte die Umkrümmung des Stieles begonnen, seine obere Hälfte befand sich in ungefähr horizontaler Stellung. Nach weiterem 24stündigem Verweilen im Finstern war der Pedunculus unter beträchtlicher Verlängerung in einem fast halb- kreisförmigen Bogen umgekrümmt. Die Pflanze wurde nun in verkehrte Stellung gebracht, so dass die Concavitat des Bogens des Blüthenstieles nach oben schaute. Nach 18 Stunden hatte sich die Krümmung wieder soweit ausgeglichen, dass die Blüthenknospe horizontal stand. Hierauf 55 ing die Pflanze zu Grunde. Die schwarze Längslinie, mit welcher der plüthenstiel Anfangs versehen worden war, war gerade geblieben, zum Beweise, dass auch hierbei keine Achsendrehungen stattgefunden hat- ten. Aehnliche Versuche mit abgeschnittenen, in Wasser stehenden Pflanzen von Papaver pilosum, welche im dunkeln Raume verkehrt auf- gestellt wurden, ergaben dieselben Resultate. Die Stengel der Smilacina racemosa stehen gerade oder schräg auf- recht; der Stiel, welcher die terminale Inflorescenz trägt, hat bei seinem Erscheinen dieselbe Richtung, späterhin aber krümmt er sich in einem erdwärts geöffneten Bogen, die Inflorescenz abwärts senkend, um sich alsbald kurz vor dem Oeffnen der Blüthen wieder in die ursprüngliche Stellung aufzurichten. Ein derartiger Stengel mit einer jugendlichen Inflorescenz, welche eben ihre Umkrümmung begonnen hatte und einen Bogen von 60° beschrieb, wurde im dunkeln Raume in schräger Rich- tung nach unten so aufgestellt, dass die Inflorescenz im Winkel von ca. 450 mit der Horizontale aufrecht stand. Die nunmehrige Oberseite derselben wurde mit einer geraden schwarzen Längslinie versehen. Nach 48stündigem Verweilen im Dunkeln hatte die Inflorescenz unter merklicher Verlängerung die vorhandene Krümmung nicht nur aus- geglichen, sondern war auch nach der entgegengesetzten Seite weiter bewegt worden, sie beschrieb jetzt einen abwärts geöffneten Bogen von 4139, so dass sie wiederum nahezu die nämliche Stellung zum Horizonte eingenommen hatte, wie in der umgekehrten Lage des Stengels vor dem Versuche. Die schwarze Linie auf der Oberseite hatte dabei ihre gerade Richtung nicht verändert. Bei einem anderen solchen Versuche betrug die schon vorhandene Krümmung des Stieles der Inflorescenz 102°; die Pflanze wurde so im Dunkeln aufgestellt, dass die Inflorescenz vertical aufrecht stand. Nach 24 Stunden war die Krümmung in die entgegen- gesetzte übergeführt: das Ende des Stengels beschrieb an der ent- gegengesetzten Seite einen Bogen von 85°, die Inflorescenz stand senk- recht abwärts. Eine auf der Unterseite des Stengels angebrachte schwarze Linie hatte ihre gerade Richtung beibehalten. — Je mehr sich ein Stengel dem Entwickelungszustande nähert, in welchem an die Stelle der Abwärtskrümmung die Aufwärtsbewegung tritt, um so 56 weniger vollständig gelingt es, durch Umdrehung die Krümmung in die entgegengesetzte überzuführen. Nach den über die Bewegungen der Wurzelspitzen gemachten Er- fahrungen wird man vermuthen können, dass auch die in Vorstehendem erörterten von der Schwerkraft verursachten Bewegungen nichts als eine Wachsthumserscheinung jeder einzelnen der das bewegungsfähige Organ zusammensetzenden Zellen sind. Zur Begründung dieses Satzes ist zunächst auf die eben mitgetheil- ten Versuche zu verweisen, welche zeigen, dass die Bewegung in allen Fällen mit einem Längenwachsthume des in Bewegung begriffenen Pflanzentheiles verknüpft ist. — Sehr lehrreich in dieser Beziehung ist ferner eine Erscheinung, die sich häufig an Papaverarten mit nickenden Blüthen beobachten lässt. Wenn blüthentragende Stengel dieser Pflan- zen abgeschnitten und in Wasser gesetzt werden, so bleiben sie oft in diesem Zustande zwar am Leben, sie welken nicht, sie bringen die Blüthenknospen zum Oeffnen, aber sie verlängern ihre Stengeltheile, insbesondere ihre Blüthenstiele nicht im mindesten. Dann zeigt sich aber immer, im Lichte wie in der Dunkelheit, dass letztere ihre jeweilige Stellung beibehalten: die zur Abwärtskrümmung sich an- schickenden bleiben aufrecht, die abwärts gekrümmten richten sich nicht oder nur wenig auf. Hält man derartige Pflanzen im dunkeln Raume in umgekehrter Stellung, so bleiben die abwärts gekrümmten jetzt nach oben gerichteten Enden der Blüthenstiele in unveränderter Stellung Tage lang. Das Letztere habe ich auch in ähnlicher Weise an den oben genannten Clematisarten in den Fällen gesehen, wo die im Wasser stehenden Stengel zwar am Leben blieben, aber ihre Wachs- thumsfähigkeit verloren hatten, was um so eher geschieht, je näher unter den Blüthenstielen der Zweig abgeschnitten wird. Daraus geht denn hervor, dass an die Erklärungsweise, welche Sacus für die nicken- den Blüthenstiele versucht hat, und die auch bei der Steifigkeit der- artiger Organe im höchsten Grade unwahrscheinlich ist, nicht zu den- ken ist. Dass aber diese Bewegungen auch nicht Folgen von Aenderungen der Gewebespannungen sind, geht aus Nachstehendem hervor. i il Zah La m a ee ee me la ii a um 57 Wird ein noch gerader Blüthenstiel von Clematis integrifolia in jwei Längshälften gespalten, so spreizen dieselben zwar von ein- ander, aber die Krümmungen treten nur an den unteren Theilen ein, die oberen der Abwärtsbewegung fähigen bleiben gerade. Streifen aus Rinde und Gefässbündelring aus letzterem Theile bleiben ebenfalls gerade. Auch die Länge dieser Gewebe sowie des Markes ändert sich nach dem Isoliren nicht; nur wird letzteres nach wenige Minuten dauerndem Liegen an der Luft kürzer, und daher kommt es auch, dass lingsgespaltene Blüthenstielenden unter denselben Umständen an der Schnittfliche etwas concav werden. In den der Abwärtskrümmung fähigen Theilen des frischen unverletzten Pedunculus bestehen also gar keine Gewebespannungen. Damit stimmt überein, dass auch an dem vollständig umgekriimmten Blüthenstielende die Rinde-Gefässbündellage der convexen wie der concaven, der rechten wie der linken Seite, in- gleichen das Mark nach dem Isoliren die Längen und Krümmungen beibehalten, welche sie im unverletzten Organe besassen. Im vorliegenden Falle ist jeder andere Gedanke als der an eine Entstehung der Bewegung durch ungleichseitiges Längenwachsthum jeder einzelnen Zelle, wie bei den analogen Bewegungen der Wurzel- spitzen, ausgeschlossen. Nicht so einfach werden sich die Verhältnisse in solchen Fällen ge- stalten, wo die Gewebe in gegenseitiger Spannung sich befinden, also nach dem Isoliren verschiedene Längen annehmen. Werden von jungen Blüthenstielen von Papaver dubium, noch ehe die Krümmung eingetre— ten ist, aus Rinde und Gefässbündeln bestehende Streifen abgezogen, so behalten die letzteren die gerade Richtung bei oder nehmen {eine schwache aussen concave Krümmung an, aber sie werden kürzer als der isolirte Markcylinder, wie folgende Zahlen zeigen. Aus diesem Grunde spreizen auch die Längshälften eines’ solchen Blüthenstieles nach dem Aufspalten mehr oder weniger auseinander. 58 Länge des unverletz- Länge der isolirten aus ten geraden Pedun- i La seo Ange des isolinten Rinde u. Gefässbündeln Markes. culus. bestehenden Streifen. Nr. ] : 6, gl’ 6, ar | 6” | Nr. 2. 14,6” 14,6” | 14” Das isolirte Mark ist unmittelbar nach der Präparation wenig länger oder ebenso lang als das unverletzte Stück des Blüthenstieles, welchem es angehörte. Beim Liegen an der Luft wird es aber allmählich kürzer, und daher kommt es auch, dass der Länge nach halbirte Stiele nach wenigen Minuten ihre Längshälften aus der aussen concaven in eine innen concave Krümmung überführen. Einlegen in Wasser bringt am isolirten Marke die frühere Länge, an den Längshälften des Stieles die früheren Krümmungen alsbald wieder hervor, ja steigert diese Verhält- nisse noch beträchtlich. Da hiernach in diesem Falle die schwachen Gewebespannungen für Veränderungen des Wassergehaltes äusserst empfindlich sind, so müssen derartige Messungen möglichst rasch nach der Präparation vorgenommen werden. Mit vorrückendem Alter steigern sich die Spannungen noch etwas, wie aus den sogleich anzuführenden Zahlen ersichtlich ist. : Bei den folgenden Versuchen wurde von den halbkreisförmig nu- tirenden oder noch in der Abwärtskrümmung begriffenen Blüthen- stielen die Rinde-Gefässbündellage der oberen convexen, wie der unteren concaven Seite abgetragen und darauf das Mark von den übrigen Theilen der Rinde und des Gefässbündelsystemes befreit. Bei den beiden letzten Versuchen der nachstehenden Beobachtungsreihe wurde eine Längsplatte durch zwei in der Krümmungsebene geführte Schnitte hergestellt und daraus die passiv gedehnten Gewebe beider Seiten sowie der Markstreifen durch zwei rechtwinklig daraufstehende "Schnitte isolirt. | | RT 59 Länge des aus Länge des aus Rinde undGe- Länge | Rinde und Ge- ässbündel 4 j fässbündeln bestehenden z bestehenden Streifens der | Markes. | Streifens der Oberseite 1). Unterseite. OTE Fer Im unverletzten Sprosse. 27,2 25,7 24,8 Im isolirten Zustande. 26,2 26,8 24 (Im unverletzten Sprosse. 21,3 20 49 qaii Isolirt. 20,6 20,8 18,2 Im unverletzten Sprosse. 24,8 23,5 22,6 Bs Isolirt. | 23,8 24 22 Im unverletzten Sprosse. | 11,5 10,6 10 w abnt | 1 M 9,6 Im unverletzten Sprosse. | 45,5 14,5 13,6 v; | Isolirt. 14,8 14,6 43,2 Die vorstehenden Zahlen zeigen, dass in allen Fällen nach der Trennung der sich spannenden Gewebe die Längendifferenz zwischen den passiv gedehnten Schichten der Oberseite und dem Marke bemerk- lich kleiner ist als die zwischen dem Spanngewebe der Unterseite und dem Marke bestehende. Es wird also auch in der Oberhälfte eine ge- ringere Spannung als in der unteren obwalten. Wüssten wir nun von dem gekrümmten Stengel nichts weiter als vorstehende Thatsache, so könnten wir annehmen, die Krümmung beruhe auf einem Längerwerden _ der passiv gedehnten Schichten d Seite, wodurch dem Schwell- gewebe auf dieser Seite mehr Spielraum gestattet wird. Mit gleichem - Rechte liesse sich aber vermuthen, dass die Krümmung, wie bei Clematis, von einem ungleichseitigen Längenwachsthume jeder einzelnen Zelle her- rühre. Nehmen wir nämlich an, die Bewegung komme hier ebenfalls da- durch zu Stande, dass jede einzelne Zelle ihre zenithwärts liegende Längs- 4) Die Zahlen der Tabelle bedeuten Pariser Linien. 60 wand stärker als die gegenüberliegende verlängert, dass aber dieser Pro- cess nur so stattfindet, dass dabei, ganz wie im gerade fortwachsenden Stengel die Spanngewebe ringsum gleichmässig kürzer als das Schwell- gewebe bleiben, so ist das in unserer Tabelle ausgedrückte Längen- verhältniss eine ganz selbstverständliche Thatsache : es muss das iso- lirte passiv gedehnte Gewebe der Oberseite länger sein als das der Unterseite (s. Tabelle), denn die Oberseite des unverletzten Stengels ist ja länger als die Unterseite (s. Tabelle), nach der einfachen mathe- matischen Wahrheit, dass Bogen eines und desselben Centriwinkels um so grösser sind, je grösser ihr Radius ist. Daraus folgt dann aber unmittelbar, dass die Längendifferenz zwischen Mark und oberem Spanngewebe kleiner ist als das zwischen Mark und unterem Spann- gewebe. Beziehen wir die Längen der passiv gedehnten Gewebe im geraden Stengel auf die Länge der geraden Linie, so müssen wir sie im gekriimmten Stengel auf dieLängen der krummen Linien beziehen. Wenn wir also erfahren wollen, ob die Verzögerung des Wachsthumes der passiv gedehnten Schichten beider Seiten auch bei diesem Krummwachsen des Stengels in gleichem Grade stattgefunden hat, so müssen wir am gekrümm- w ten Stengel die Differenzen zwischen den Längen der passiv gedehnten Schichten im unverletzten und denjenigen im isolirten Zustande verglei- chen. In der That zeigt die vorstehende Tabelle diese Differenzen in der oberen und unteren Seite ziemlich einander gleich, soweit eben die Fehler- haftigkeit solcher Operationen eine Gleichheit gestattet; jedenfalls ist die ausgesprochene Thatsache in den obigen Zahlen unverkennbar. — Ausserdem finden wir aber noch Thatsachen, welche nur durch die Annahme der gleichen Bewegungsmechanik wie bei Clematis zu erklären sind, und mit denen eine Erklärung der Bewegung aus Aenderungen der Spannungsgrössen nicht im Einklange stehen würde. Bei den obigen Versuchen behielt das vollständig entblösste Mark entweder die Krüm- mung des unverletzten Blüthenstieles bei oder zeigte dieselbe nur wenig verändert. Die aus Rinde und Gefässbündeln bestehenden Streifen hatten die Krümmung des unverletzten Organes im Allgemeinen auch beibehalten, gewöhnlich zeigte jedoch der obere eine etwas geringere, der untere eine etwas stärkere Krümmung, was mit dem Bestreben EIERN ee en 61 solcher aus dem geraden Blüthenstiele isolirten Gewebsstreifen, an der Aussenseite etwas concav zu werden, im Einklange steht. Wurden endlich von der rechten oder linken Seite eines umgekrümmten oder in der Abwärtskrümmung begriffenen Blüthenstieles durch einen in der Krümmungsebene geführten senkrechten Schnitt sei es allein die ober- flächlichsten Zelllagen, sei es die ganze Rinde, sei es Rinde und Ge- fissbündel abgetragen, so behielt dieser Streifen genau die Krümmung des unverletzten Blüthenstieles bei, wozu nur noch in manchen Fällen eine schwache Krümmung im Sinne des Concavwerdens an der Aussen- seite trat. Daraus geht hervor, dass das Mark sowohl als jeder Streifen der passiv gedehnten Gewebe an der zenithwärts gekehrten Seite länger geworden war als an der entgegengesetzten. Es muss also hier wie- derum in jedem einzelnen Theile des gekrümmten Stammstückes die zenithwärts liegende Seite ein erhöhtes Wachsthum erlitten haben. So sehen wir auch an solchen Stengeln, in welchen die Gewebe sich einander spannen, die Abwärtskrümmung lediglich auf demselben Vorgange beruhen, wie an spannungslosen Stengeln. Wie beim Län- genwachsthume des geraden Stengels die Spanngewebe ringsum gleich- mässig in ihrem Wachsthume hinter dem des Schwellgewebes zurück- bleiben, so geschieht es laut obiger Tabelle auch im krummwachsenden Organe. Die Gewebespannungen sind also an der Bewegung völlig un- betheiligt, sie sind während der Umkrümmung und im vollkommen nutirenden Blüthenstiele noch genau im gleichen Sinne vorhanden, wie imgeradegestreckten. Daraus erklärt sich denn auch, warum die obere Längshälfte eines rechtwinklig zur Krümmungsebene gespaltenen nu- tirenden Blüthenstieles von Papaver ihre Krümmung mindert, die un- tere die ihrige steigert. Dass die Bewegung der nutirenden Blüthenstiele durch ungleich- seitiges Längenwachsthum jeder einzelnen Zelle, wie bei den analogen Bewegungen der Wurzelspitzen erfolgt, beweisen nun auch die Mes- sungen, welche an den einander entsprechenden Zellen der oberen und der unteren Hälfte solcher Blüthenstiele vorgenommen werden. Auf Längsschnitten, welche in senkrechter Richtung durch das nutirende Blüthenstielende der oben genannten Clematisarten angestellt wurden, 62 hatten die Zellen der entsprechenden Schichten in der oberen und un- teren Hälfte nachverzeichnete Längen (in Pariser Linien), welche Mittel- werthe aus ca. 10 Messungen darstellen. 1. Clematis integrifolia. ; ; Erste Zelllage der Achte Zelllage der fi: Sei Rinde. Rinde Oberseite. 0,025 0,033 0,025 Unterseite. 0,010 0,018 0,014 2. Clematis cylindrica. Evid ; Erste Zelllage der Sechste Zelllage der ee Rinde. Rinde Oberseite. 0,031 0,039 0,068 Unterseite. 0,013 0,042 0,041 Werden ebensolche Schnitte aus Blüthenstielen, an welchen die Abwärtskrümmung vollendet oder auch noch nicht vollständig einge- treten ist, in eine concentrirte Zuckerlösung gelegt, so behalten sie ihre jeweilige Richtung bei, zum Beweise, dass auch hier die grössere Länge der zenithwärts gekehrten Längswand jeder einzelnen Zelle nicht auf einer Steigerung des Gehaltes an Imbibitionswasser, sondern auf einer Vermehrung der in der longitudinalen Richtung der Fläche nebenein- ander liegenden festen Zellstoffmolecüle, also auf einem wirklichen Flächenwachsthume der Zellhaut beruht. So werden auch bei diesen Pflanzentheilen die im Längenwachs- thume begriffenen Zellen, sobald ihre Achsen aus der Lothlinie abgelenkt sind, durch die Schwerkraft zu einem ungleichseitigen Wachsthume veranlasst, bis dadurch die Achsen wieder in die Verticale zurück- gekehrt sind. Se 63 VI. Bewegungen, welche auf der Massengravitation des sich bewegenden Pflanzentheiles beruhen. Nicht alle abwärts gekehrten Pflanzentheile verdanken ihre Rich- tung dem im Vorstehenden dargelegten Wachsthumsprocesse der sie zusammensetzenden Zellen ; einige dieser Bewegungen sind rein physi- kalischer Natur; sie beruhen darauf, dass der in Bewegung gerathende Pflanzentheil durch sein eigenes Gewicht abwärts gezogen wird und _ dass seine Biegsamkeit hinreichend gross ist, um diese Bewegung zu gestatten.. Alle solche Pflanzentheile müssen ihre Krümmung sofort nach der entgegengesetzten Seite hin ändern, wenn sie um 180° umgedreht werden. Sehr wesentlich fördernd für die Herstellung solcher Rich- tungen, namentlich der in manchen Fällen genau senkrecht abwärts ver- laufenden, wird der oben (p. 25) experimentell dargelegte Vorgang haben müssen, dass bei gleichbleibender Belastung eines biegsamen Pflanzen- theiles eine fortdauernde Steigerung der Krümmung desselben statt- findet, ein Vorgang, der offenbar auf alle diese Erscheinungen seine Anwendung finden muss. Davon kann man sich bei jener Umkehrung derartiger Sprosse überzeugen, insofern man dabei den Pflanzentheil Anfangs noch nicht die vollständige Krümmung, welche vorher nach der anderen Seite hin herrschte, annehmen sieht, dieselbe vielmehr erst nach einiger Zeit wieder völlig erreicht findet. In der Regel wer- den aber für die Bewegung noch günstigere Umstände herrschen, weil die Belastung in Folge desZuwachses an der Spitze stetig grösser wird. Dem kann jedoch andererseits wieder eine fortwährende Steigerung der Steifigkeit, eine Abnahme der Biegsamkeit der sich ausbildenden an der Krümmung betheiligten Theile entgegenwirken. Und von der Grösse dieser einzelnen Momente wird es im gegebenen Falle abhängen, wie weit sich die pendulirende Richtung der Verticale nähert. Ent- schieden hierher gehörige Fälle sind z. B. die Inflorescenzen von Cytisus 64 Laburnum, Robinia Pseud- Acacia, die männlichen und weiblichen In- florescenzen von Platanus, Populus und vieler anderer Amentaceen, die Fruchtstände von Carex Pseudocyperus, sowie die fruchttragenden In- florescenzen vieler Gramineen, überhaupt bei Fruchtstielen in weiter Verbreitung. Ferner gehören hierher die Sprosse trauernder Bäume, was bereits Hormeister!) ausgesprochen hat; es darf hierbei jedoch eine wichtige Thatsache nicht übersehen werden. Beobachtet man die Entfaltung der Knospen von Fraxinus eaxcelsior var. pendula, so zeigt sich, dass jeder Spross seine Anlagerichtung beibehält: es finden sich also um diese Zeit Sprosse von allen Richtungen: gerade aufrechte, wagerechte, schräg aufwärts, schräg abwärts und gerade abwärts ge- richtete. Daraus geht hervor, dass weder die Schwerkraft noch das Licht einen Einfluss auf das Wachsthum dieser Sprossen ausüben kann, _ (wohl aber krümmen sich die Blattstiele deutlich aufwärts), während an den gleichalten Sprossen der Stammform der Fraxinus excelsior entschiedene Aufwärtskrümmung stattfindet, Dieser Indifferentismus der Zweige der Hängeesche gegen die Einwirkung der Schwerkraft und des Lichtes erklärt es, warum sich diese Pflanze verschieden von der Stammform verhält. Dazu kommt noch die Eigenthümlichkeit der Hängeesche, beträchtlich längere Sprosse zu entwickeln als die Stamm- form. Aehnlich steht es mit Sophora japonica var. pendula und wohl mit allen trauernden Baumvarietäten, deren Stammformen aufrechte Zweige besitzen. Auch die hängenden Zweige der Betula alba, der Salix babylonica, der Larix europaea verdanken offenbar ihre Richtung demselben Umstande. 4) Pringsh. Jahrb. II. p. 107. EPES SEPE TES R N ea OES VIL. Aufwärtskrümmungen. Da nach den vorstehenden Ergebnissen die durch die Schwerkraft verursachten Bewegungen einer grossen Anzahl sich abwärts krümmender Pflanzentheile activer Natur, nämlich die Folgen der eigenthümlichen Wachsthumsweise der einzelnen Zellen sind, so wird nun die Ver- muthung nahe liegen, ob nicht die offenbar auch active, unter dem Ein- flusse der Schwerkraft in der entgegengesetzten Richtung erfolgende Bewegung der meisten Stengel, Blattstiele etc. nicht auch auf der ana- logen, aber entgegengesetzten Grunderscheinung beruht. Zunächst wollen wir uns an einem Phantome die Forderungen klar machen, welche sich aus Hormeister’s Erklärungsweise der Aufwärts- krümmung horizontal gestellter Sprosse mit Nothwendigkeit ergeben, und darnach zusehen, ob die Natur diesen Forderungen auch wirklich entspricht. Stellen wir uns vor, es sei eine in Cylinderform gewundene metallene Spiralfeder in einen geraden Kautschukschlauch gesteckt worden, welcher kürzer ist als die sich selbst überlassene Spiralfeder. Die Enden von Spiralfeder einerseits und Kautschukschlauch anderer- seits seien aber in feste gegenseitige Verbindung gebracht worden. Dann wird sich zwischen beiden Theilen ein Gleichgewichtszustand herstellen, derart dass der Kautschukschlauch passiv gedehnt, die Spiralfeder in ihrem Ausdehnungsstreben gehemmt ist, dass ersterer eine etwas grössere, letztere eine etwas geringere Länge besitzt, als jeder sich selbst frei überlassen einnehmen würde. Diese Vorrichtung entspricht hinsichtlich der Spannungsverhältnisse vollständig einem ‘Stengelorgane : die Spiralfeder würde das Mark, der Kautschuk- Schlauch die peripherischen Gewebe (Epidermis, Rinde und Gefäss- bündel) bedeuten. Stellen wir nun diese Vorrichtung horizontal und denken uns, dass die Dehnbarkeit des nach unten gekehrten Theiles Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 5 66 des Kautschukschlauches zunimmt, derart, dass derselbe bei gleicher dehnender Kraft eine grössere Länge als die übrigen Theile annehmen würde, so muss sich der Cylinder in einem nach oben geöffneten Bogen aufrichten. Nehmen wir jetzt die Vorrichtung auseinander, so muss sich die Spiralfeder unter Verlängerung gerade strecken; aber auch der Kautschukschlauch muss, und zwar unter Verkürzung, eine gerade Richtung annehmen, weil ein Streifen elastischer Substanz seine ur- sprüngliche, im nicht gedehnten Zustande vorhandene Länge nicht ver- ändern wird, wenn seine Ausdehnbarkeit sich steigert. Jeder den Kautschukschlauch bildende Längsstreifen wird daher gerade Richtung und dieselbe Länge wie alle übrigen annehmen müssen. Hormetster hat nun aber nur berichtet!) , dass das aus aufgerich- teten Sprossen frei präparirte Mark unter Verlängerung sich gerade strecke, die nach den vorstehenden Betrachtungen nöthigen Angaben über die übrigen Gewebstheile ist er schuldig geblieben; seine Erklä- rungsweise ist daher als eine nicht begründete zu betrachten, denn eine Geradestreckung des isolirten Markes ist offenbar auch bei ganz anderer Mechanik der Bewegung denkbar. Der Sacus’schen Vorstellung gemäss haben wir uns jedoch zu den- ken, dass die untere Seite des Kautschukschlauches wirklich länger wird als die obere. Auch in diesem Falle muss jene Vorrichtung an der Oberseite concav werden. Die befreite Spiralfeder wird auch in diesem Falle unter Verlängerung sich gerade strecken, der isolirte Kautschuk- schlauch aber seine Aufwärtskrümmung beibehalten müssen, allein nur im unverletzten Zustande: schneiden wir den oberen und den unteren Streifen heraus, so müssen sich beide gerade strecken, der erstere wird geringere, der letztere grössere Länge besitzen. Sachs hat nun zwar, wenigstens für einige Fälle, die Geradestreckung des isolirten Markes berichtet, auch gezeigt, dass die passiv gedehnten Gewebe der Unter- seite in der That auch im isolirten Zustande eine grössere Linge be- sitzen als die der Oberseite 2), allein über die Richtungen dieser Theile A) Aes weet = p. 88. 2) l. c. p. 507 PA EPET EN E PENE EEEE PE as a ath a th il Ds ge 67 nach dem Isoliren fehlen die erforderlichen Angaben. Auch seiner Er- klärungsweise mangelt daher die hinlängliche Begründung: aus seinen Angaben allein würden sich mehr als eine Erklärungsweise der Mecha- nik jener Bewegungen bilden lassen. Unsere Aufgabe wird es daher zunächst sein, zu entscheiden, ob den Forderungen der Hormetsrer’schen und der Sacns’schen Erklirungs— weise wirklich entsprochen wird. Bei den im Folgenden mitgetheilten Versuchen wurden abgeschnittene Stengel der bezeichneten Pflanzen im dunkeln, mit Wasserdunst gesiittigten Raume horizontal aufgestellt, indem sie an dem abgeschnittenen Ende mit feuchter Erde bedeckt wurden. Nur die Versuchspflanzen von Phaseolus multiflorus wurden gleich in den Töpfen, in denen sie erzogen waren, dem Versuche unter— worfen. Nach 4—24 Stunden war die Aufwärtskrümmung eingetreten; sobald dies geschehen, oft noch ehe die Bewegung völlig beendigt war, wurden die Stengel untersucht. In allen Fällen waren die vor dem Versuche an den Stengeln angebrachten farbigen Theilstriche nach er- folgter Bewegung weiter auseinandergerückt. Die Aufwärtskrümmung erfolgte also stets nur indem sich die Theile gleichzeitig verlängerten. Von jeder Pflanze sind auch die Längen und Krümmungen der isolirten Gewebe eines geraden Stengels beigesetzt. Phaseolus multiflorus. Keimpflanzen mit dem ersten entwickelten Internodium. Gerader Stengel. Unverletzter Isolirte Rinde- : Stengel. Gefässbündellage. ee Mark. Länge 1). 13,5 13,2 13,9 Krümmung nach aussen. 40—100° —_ - 4) Die Längenzahlen der folgenden Tabellen bedeuten Pariser Linien. 68 Aufwärtsgekrümmter Pla Ba SE Isol.Rinde- Unverletzter Stengel. Oberseite. | Mittellinie.| Unterseite.| Oberseite l.Rinde- Iso Gefässbün- Isolirtes Gefässbün- ellage der| Mark. dellage der Unterseite. Länge. 24 24,7 22,5 2A 22,8 rü 105° 125° 405° mung auf- art ; Länge. 16,4 17,3 18 16,4 17,9 2) Krüm- 800 1000 | 400 » mung auf- wär Phaseolus nanus. Keimpflanzen mit entwickeltem hypokotylen Stengelglied. Gerader Stengel. Unverletzter Isolirte Rinde- ; n Gefässbündellage. Isolirtes Mark. Länge. 20,7 20,3 21,2 Krümmung nach aussen. 50° Aufwärtsgekrümmter Stengel. Isol.Rinde- 1sol.Rinde- Gefässbün- Isolirtes Gefässbün- ee dellage der, Mark. |dellage der Oberseite. | Mittellinie. | Unterseite.] Oberseite Unterseite Länge. 26 27 28,5 25,7 237,7 28,2 4) Krüm- 720 1400 | 720 600 ` \mung auf- 3 ärt tiene RT Er 223 | 28 25,8 ENDE 1209 | 180° 66° 110° ro |mung auf- : war as a eee ee ee ae Tee 69 Senecio Kitaibelii. 1/, Fuss lange obere Enden nicht blühender Stengel. Gerader Stengel. —_—__ Unverletzter Isolirte Rinde- ; Stengel. Gefässbündellage. | !Solirtes Mark. Länge. 70,7 70 73 Krümmung nach aussen. | 426° Aufwärtsgekrümmter Stengel. Isol. Rinde- sol. nn Unverletzter Stengel. Gefassbiin-) Isolirtes u dellage der| Mark. ellage eer Oberseite. Mittellinie. ‚Unterseite. Oberseite. Unterseite. Länge. | 56,€ | 57,5 58,7 55,6 58,8 57,3 =} Krüm- 75° 138° 750 00 >|mung auf- wärts. Länge. | 53 54,3 55,4 52,9 55,8 55,3 =) Krüm- 790 1120 79° 20° © |mung auf- warts. Taraxacum officinale. Blüthenschäfte mit noch geschlossenen Blüthenköpfchen, in ver- schiedenen Entwickelungsstadien (vergl. die Längen der unverletzten Stengel). Gerader Stengel. ER Isolirte Rinde- ; a Gefässbündellage. see Be: Linge. | 9 8,7 9,3 Krümmung nach aussen. | 300 70 Aufwärtsgekrümmter Stengel. Isol.Rinde- Isol.Rinde- Unverletzter Stengel. Gefässbün- Isolirtes Gefassbiin- dellage der} Mark. dellage der Oberseite. |Mittellinie (Unterseite Oberseite. Unterseite. Länge. | 8,1 9,4 10,7 | 7,6 9,7 10,2 Krü 180° 2209 474°. | - 155° > |mung auf- à wärts. ii 47 0 15,1 12,6 | 44,4 | 14,9 rü 1260 1800 | 408° | 90° ® Imung auf- wär Länge. 26,7 27,7 28,6 26,6 28 28,6 =} Krüm 4139 180° 1139 09 w | mung auf- wä Sambucus nigra. Gerader Spross. Unverletzter Isolirte Rinde- . } Spross. Gefässbündellage. HORE Merk. | . Länge. 27,2 27 27,8 Krümmung nach aussen. 200 Aufwärtsgekrümmter Spross. Isol.Rinde- aa Binde" Gefässbün- Isolirtes ‚Gefässbün- Unverletzter Spross. a ellage der Oberseite. Mittellinie Unterseite Oberseite. Unterseite. Länge. 39,4 40,4 41,4 39,2 h16 | 41,4 Krümmung 780 909 67° 57° aufwarts. en i an al. == ai “5 ae ee EHE EL SE 4 Zee Li 71 Ornithogalum pyrenaicum. Junge noch nicht blühende Blüthenschäfte. Gerader Stengel. ne | Unverletzter | Isolirte peripherische Isolirtes Stengel. Gewebe. Mark !). Länge. 39,5 39 39,52) Krümmung nach aussen. 180° Aufwärtsgekrümmter Stengel. Isol. Rinde- Isol.Rinde- Unverletzter Stengel. Gefässbün-, Isolirtes |Gefässbün- dellage der Mark. /dellage der Oberseite. | Mittellinie. U nterseite.| Oberseite. Unterseite. z( Länge. | 37,2 | 38,3 39,3 35,7 | 38,32) | 38 ”) Krüm- 94° aufw. 150° autw.| 94° aufw. | 50° abw. wite mung. „| Länge. | 50,2 | 51,5 | 52,7 | 48,7 | 54,82) | 84,4 w) Krüm- 117 aufw. 260% aufw. 117 %aufw.| 50° abw s mung. | Aus diesen Messungen erhellt auf den ersten Blick die vollstän- digste Analogie der Längen und Krümmungen der isolirten Gewebe aufwirtsgekriimmter Stengel mit den gleichen Verhältnissen abwärts- gekrümmter, mit Gewebespannungen ausgestatteter Organe, wie wir sie im Vorhergehenden kennen gelernt haben. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in keinem Falle die isolirten passiv gedehnten Ge- 4) Die im Marke zerstreut stehenden Gefässbündel hindern dasselbe an seinem Andina nicht. Längsplatten aus dem Marke, welche nur an einer Seite mit einem Gefässbündel versehen sind, behalten, selbst im Wasser, gerade Richtung. 2) Die mide des isolirten Markes ist hier sehr veränderlich je nach dem Wasser- gehalte. Unmittelbar nach der Operation zeigt es ungefähr die Lange des unver- letzten Stengels ; aber es verkürzt sich in diesem Zustande in wenigen Minuten um ein Beträchtliches. Mit Wasser benetzt dehnt es sich sogleich wieder bis zur ur- Sprünglichen Länge und noch weiter aus. 12 webe der Ober- und Unterseite aufwärtsgekrümmter Sprosse diejenige Richtung besitzen, welche sie, aus geradegestreckten Organen frei- präparirt, annehmen. Immer ist auch an diesen Theilen die Auf- wärtskrümmung zum Ausdrucke gebracht: sie ist nur gesteigert oder geschwächt, je nachdem das betreffende Spanngewebe der concaven oder der convexen Stengelkante angehört, und zwar in dem Maasse als die isolirten Spanngewebe des geraden Stengels sich aussen concay kriimmen. Auch überzeugte ich mich, dass die abgetragenen Spanngewebe, selbst der blosse Epidermisstreif der rechten und der linken Seite die Krüm- mung des unverletzten Stengels beibehalten, unter Hinzutreten der gewönhlichen Concavkrümmung an ihrer Aussenseite. Ingleichen be- hält auch das freipräparirte Mark die Krümmung des unverletzten Sprosses bei oder nimmt wenigstens nicht wieder die gerade Richtung ein, die es im nichtgekrümmten Zustande des Stengels zeigt. Die That- sachen entsprechen also weder der Hormetsrer’schen noch der Sacus’— schen Erklärungsweise. Wie bei den abwärtsgekrümmten Stengeln ist auch hier überall die Längendifferenz der isolirten sich gegenseitig spannenden Gewebe in der convexen Längshälfte kleiner als in der concaven. Dass dies auch hier eine aus der Krümmung des Ganzen folgende selbstverständ- liche Erscheinung ist, zeigt sich wiederum darin, dass die Längen- differenzen zwischen dem nicht isolirten und dem isolirten Zustande des Spanngewebes auf der oberen wie unteren Seite nahezu einander gleich sind (vgl. Tabellen). D { lirte Lä hst} der passiv gedehn- ten Gewebe ist also auch bei dem Rrataweenle des Stengels nach oben ringsum ein gleichmässiges; die Gewebespannungen bleiben daher während dieses Wachsthumsprocesses erhalten. In demselben Maasse wie daher gerade Stengel ihre Längshälften nach aussen concav krüm- men, mindert die convexe und steigert die concave Längshälfte eines aufwärts gekrümmten Stengels die im unverletzten Zustande vorhan- dene Krümmung. — Wenn das Lingenwachsthum, während dessen die Krümmung erfolgt, ein sehr schwaches ist, so kann aus leicht er- sichtlichen mathematischen Gründen das noch geringere der passiv gedehnten Gewebe der concav werdenden Seite wohl so gemindert sein, 73 dass eine Längendifferenz des unverletzten und des isolirten Zustandes dieser Gewebe der Beobachtung sich gänzlich entzieht (vergl. in der Tabelle Phaseolus multiflorus. Die Stengel hatten sich nämlich binnen 5 Stunden aufgerichtet und waren dabei nur um ca. 1”” länger gewor- den). — Ist die Längendifferenz zwischen den isolirten Schwell- und Spanngeweben wenig erheblich, so kann am krummgewachsenen Stengel die beim Isoliren eintretende Verlängerung des Markes und die Verkürzung des peripherischen Gewebestreifens der convexen Seite noch nicht hinreichend sein, um die am unverletzten Stengel durch das Krummwerden herbeigeführte grössere Länge des letzteren Ge- webes gegen das erstere wieder auszugleichen; das Spanngewebe der convexen Seite bleibt noch um ein weniges länger als das isolirte Mark vergl. in der Tabelle Phaseolus nanus und Taraxacum officinale). Auch für die Aufwärtskrümmung ist hiernach nur noch eine ein- zige Erklärung möglich, nämlich die, dass jedes einzelne aus der Verti- cale abgelenkte Gewebstheilchen bei seiner Verlängerung eine von sei- ner Unterseite nach der Oberseite hin abnehmende Intensität des Längenwachsthumes erfährt. — In vielen Fällen der vorstehenden Beobachtungen behält das isolirte Mark nicht vollständig die Krüm- mung des unverletzten Organes bei; bisweilen ist sie beträchtlich ge- mindert. Dies beweist nur, dass in solchen Fällen die Schwerkraft auf das Wachsthum der Markzellen einen schwächeren Einfluss ausübt, als in der nämlichen Zeit auf die Elemente der peripherischen Gewebe. Die letzteren sind daher als die wesentlich wirksamen zu betrachten, während das Mark oft bis zu einem gewissen Grade nur passiv in die neue Richtung hereingezogen wird. Die Vernachlässigung des Markes in dieser Beziehung harmonirt aber überhaupt mit seiner im Pflanzen- reiche weit verbreiteten Eigenthümlichkeit, frühzeitig aus den Lebens- functionen auszuscheiden: nicht allein dass seine Zellen zeitig saftleer und leblos werden, wird es in vielen Fällen (zahlreiche Kräuter) noch vor der Ausbildung des Stengels mehr oder weniger zerstört. Ein Beispiel, in welchem das Mark schon in der frühesten Jugend zerstört und die Aufwärtskrümmung lediglich von den peripherischen Geweben vollzogen wird, bieten die hohlen Blätter von Alliumarten. 74 Wie oben erwähnt, nimmt Hormetster in diesem Falle die nachweislich. zwischen Epidermis und Rindeparenchym herrschende Spannung zur Erklärung der Bewegungsmechanik zu Hülfe ; ein aufwärts gekriimmtes Blatt von Allium Cepa strecke sich nach Ablösung der Epidermis gerade. Dieses Experiment ist bis zur Stunde nur ein einziges Mal, eben von Hormeıster angeblich, angestellt worden. Sacns!) hat es vergebens zu wiederholen versucht: es sei ihm nicht gelungen, diese Blätter in der erforderlichen Weise abzuhäuten, Es wird wohl Niemandem gelingen, der mit so alten Blättern experimentirt, wie sie im HormetsrEer’schen Versuche angegeben sind. Wohl aber lässt sich an jungen Blättern von bis zu 2” Länge die Epidermis mit Leichtigkeit abziehen, und da gerade diese Blätter die kräftigste Bewegung zeigen, so habe ich an solchen das Experiment mehrmals wiederholt: das aufgerichtete Blatt behielt nach Entfernung der Epidermis seine Richtung auf das Genaueste bei. So sind also die Gewebespannungen durchaus unbetheiligt an der durch die Schwerkraft verursachten Aufrichtung aus der Verticale ab- gelenkter Stengel- und Blattorgane. Sie sind vielmehr lange Zeit geradezu das Hinderniss gewesen, welches sich der Erkennung der einfachen Wahrheit in den Weg stellte: die Aenderung der Gewebe- spannung in der convexen und concaven Längshälfte sich krümmender | Pflanzentheile ist nicht die Ursache der Bewegung sondern die aus der gekrümmten Form des Ganzen mit mathematischer Nothwendigkeit sich ergebende Folge. — Dass in der That ein Längenwachsthum, welches so erfolgt, dass alle einzelnen Gewebselemente gleichsinnig eine un- gleichseitige Verlängerung erfahren, vereinigt zu denken ist mit dem ringsum gleichmässig retardirten Wachsthume der passiv gedehnten Gewebe, also mit der fortdauernden Erhaltung der Gewebespannung, geht aus folgender Betrachtung hervor. In Fig. 2 A bedeute ABCD einen Markstreifen und E F GC den zugehörigen Rinde-Gefässbündel- streifen der unteren Längshälfte eines geraden horizontalgelegten Sten- gels, beide in den Längen, welche sie beim Isoliren annehmen würden, Jeder bestehe aus einer grossen Zahl kleiner Rectangeln (Zellen), welche 4) l, c. p. 505 Anmerkung, 75 sich alle in der Längsrichtung vergrössern, so dass das Ganze die grössere Länge der Fig. 2B annimmt, so jedoch, dass ein jedes seine nach U zu gelegene Seite stärker verlängert als die nach O schauende. Fig. 2 B. > EN Fig. 2 A. Das wird dieselbe Wirkung haben als wenn, wie der Kiirze halber an- genommen werden mag, die Seite B C länger als AD, und in dem näm- lichen Verhältnisse FG länger als EC wird. Nun erleidet aber E C, insofern es die letzte Zellreihe der passiv gedehnten Gewebe darstellt, dieselbe Verlängerung wie EC, insofern es die erste Zellreihe des Mar- kes bedeutet (oder wie BC, wenn beide Gewebe in innigem Verbande vorgestellt werden) ; folglich werden beide Streifen Bogen von gleicher Krümmung beschreiben müssen, wie in Fig. 2B. Im natürlichen Ver- bande sind aber beide Streifen so verwachsen, dass AB und EF in einer Linie liegen, dass sich also beide Gewebe spannen, was hiernach in Fig. 2B in gleicher Weise stattfindet, wie in Fig. 2A. Dieselbe Betrachtungsweise lässt sich sofort auch auf die Spann- und Schwell- gewebe der Oberseite übertragen. Wenn die im Vorhergehenden gegebene Erklärung der Aufwärts- krümmung richtig ist, so muss diese Bewegung auch unter Umständen 76 eintreten, unter welchen die nach der HormetstEr—Sacus’schen Theorie fiir die Bewegung erforderliche Vertheilung von Spann— und Schwell- geweben aufgehoben ist: wenn die Organe der Länge nach halbirt so in horizontale Stellung gebracht werden, dass die eine Schnittfläche nach unten, die andere nach oben gekehrt ist. An Strünken von Hut- pilzen sah Hormeister unter diesen Umständen in jeder Lage der Längs- hälften dieselben sich aufwärts krümmen, und er gab daher, wie oben erwähnt, für diesen Fall, welcher in seine Theorie nicht passte, eine besondere Erklärung, wonach die Schwerkraft auf die in don Membranen jeder einzelnen Zelle angenommenen Span- nungen einwirken soll. Die Erscheinung lässt sich jedoch auch an Stengeln mit gleicher Evidenz hervorrufen. Bei den folgenden Ver- suchen wurden in Töpfen erzogene Keimpflanzen von Phaseolus multi- florus, an welchen das erste auf die Cotyledonen folgende Internodium entwickelt war, der Länge nach bis zu der Stelle, an welcher sie aus dem Boden ragten, in zwei Hälften aufgespalten und darauf mit den Töpfen im finstern Raume so aufgestellt, dass die Ebene, in welcher der Schnitt geführt worden war, horizontal stand. Von den übrigen Versuchspflanzen wurden abgeschnittene Stengel in zwei Hälften ge- theilt und letztere, am älteren Ende fixirt, im dunkeln mit Wasserdunst gesättigten Raume horizontal so aufgestellt, dass die Schnittfläche der einen aufwärts, die der anderen abwärts gekehrt war. Die auswärts ge- krümmten oberen und unteren Längshälften waren also beim Beginne des Versuches in gleichen Winkeln gegen die Horizontale aufwärts und abwärts gekehrt. Nach einiger Zeit war die Krümmung der oberen Längshälften gesteigert, die der unteren nicht nur ausgeglichen, son- dern in die entgegengesetzte, also aufwärts gerichtete übergeführt, wie folgende Zahlen veranschaulichen. TT Auswärts- $ lderHälftendes _ Aufwärts- [Dauer d. hori- in der Hori krümmung !) zontalen Auf- zontalebene stellung bis gespaltenen, | der Unter-| der Ober- zur Vornahme horizontal | hälfte. | hälfte. | der Messung. Stengels. Phaseolus multiflorus, Ta afatormodiúm, 11/3” lang. 999 750 400° 5 Stund. 9. do., 2” lang. 430 410° 800 Qh » do., 2” lang. 65° 100° 1059 | 24» 3. h. en Pyrenai- , Junger noch nicht Ener Blüthenschaft mit abgeschnittener In- langen jungen Ende ein. 37° 50° 68°" 7) 28 + 5. Sedum Forster, entblät- terter Stengel. Krüm- im Be uw: Fast 0° 500 500 | 24 » üm langen jungen Theile. 450 4300 950 -3E » In allen diesen Fällen nahm also die Mittellinie des Markes das eine Mal die Concavität, das andere Mal die Convexität des gekrümmten Theiles ein. Für die Hormeıster —Sacus’sche Theorie ist natürlich hier kein Raum. Bei ausgedehnteren Beobachtungen wird man sicher auch viele der Aufwärtskrümmung fähige Pflanzentheile auffinden, deren Gewebe so gut wie spannungslos sind. Zahlreiche Sedumarten werden z. B. hier ——_ 4) Die Krümmungszahlen drücken die Grade der zu den Bogen gehörigen Cen- triwinkel aus. 2) Die Höhle der Stengel nimmt nur einen kleinen Raum ein; das Mark ist zum stéssten Theile erhalten, ein kräftiges Schwellgewebe darstellend. 78 zu nennen sein. Der wesentliche Theil der Stengel dieser Pflanzen be- steht aus en im Centrum liegt der kleine, ein wenig- a eG | Bee Sa TR a pend zelliges Mark Werden gerade Stengel der Länge nach halbirt oder in mehrere Längsplatten zerspalten, so behalten die Theilstücke gerade Richtung oder krümmen sich doch kaum merklich auswärts; die Gewebe können daher in keiner gegen- seitigen Spannung sich befinden. Dennoch zeigen die Stengel dieser Pflanzen eine sehr energische Aufrichtung aus der horizontalen Lage. Stengelorgane mit sehr verkürzten Internodien, in denen sich wegen des geringen Längenwachsthumes Gewebespannungen nur wenig oder nicht entwickeln können, werden in dieser Beziehung für weitere Be- obachtungen zu oe sein. Dass wir auch bei diesen Bewegungen den en die Schwerkraft inducirten Wachsthumsmodus auf jede einzelne Zelle zu übertragen haben, ergiebt sich einfach aus der Thatsache, dass auch einzellige Organe diese Bewegung zeigen. Nach Hormrıster t) krümmen sich die einzelligen Stengel der Nitella aufwärts, wenn sie aus der Verticale abgelenkt worden sind; ebenso die einzelligen Träger der Sporangien von Mucor Mucedo. Unter diesen Umständen würden zwei Erklärungen möglich sein: entweder kann bei der Verlängerung der Zelle die dem Erdmittelpunkte zugekehrte Längswand ein stärkeres Flächenwachs- thum in longitudinaler Richtung als die gegenüberliegende erleiden, oder es könnte durch Aenderung der Spannung zwischen den äusseren und inneren Schichten der Zellhaut, nach Analogie der Vorstellung, welche Hormeister und Sacus von der Betheiligung der passiv gedehn- ten und der schwellenden Gewebe an der Aufwärtskrümmung des Stengels sich gebildet hatten, eine stärkere Verlängerung jener Zellwand erzielt werden. Allein da für eine derartige Einwirkung der Schwer- kraft auf die passiv gedehnten und die schwellenden Theile der Haut der einzelnen Zelle 2) bis zur Stunde auch nicht der Versuch eines 4) Pringsh. Jahrb. III. p. 80. — Pflanzenzelle p. 286. 2) Nicht einmal die Existenz einer solchen Spannung in den Häuten jeder ein- zelnen Zelle eines vielzelligen der Aufwärtskrümmung fähigen Pflanzentheiles ist erwiesen. Wenn aufgeschnittene Zellen der Nitella durch das Klaffen der Wund- er > Pr ait — 79 Nachweises gemacht worden ist, so ist es auch nicht meine Aufgabe, diese Ansicht zu widerlegen, und so wenigJemand daran zweifelt, dass „.B. die Closteriumzelle ihre gekrümmte Gestalt einem stärkeren Flächen- wachsthume der convexen im Gegensatze zur concaven Längswand ver- dankt, so wenig wird man nach den vorstehenden Untersuchungen sich veranlasst sehen können, an einen anderen als diesen Vorgang bei der Aufwärtskrümmung ein- wie vielzelliger pflanzlicher Gebilde zu den- ken. Nur die Frage könnte noch aufgeworfen werden, ob es auch hier wie bei den sich abwärts krümmenden Pflanzentheilen feste Zellstoff- moleeüle sind, deren Einlagerung die stärkere Verlängerung der convex werdenden Zellwand hervorbringt, oder ob es nur Wassermolecüle sind, ob also die grössere Länge der einen Wand durch erhöhte Wasser- imbibition zu Stande kommt; dies um so mehr, als Hormkıster !) den eigentlich materiellen Vorgang bei der Bewegung in einer Aende- rung des Imbibitionsvermögens gewisser Zellhäute sucht, wodurch die nach seiner Theorie für. die Bewegung erforderliche Spannungsänderung erzeugt würde. Werden verticale Längsschnitte aus sich aufrichtenden Stengeln in concentrirte Zuckerlösung gelegt, so verändern sich die Richtungen derselben nicht. Würden die letzteren eine Folge von Aen- derungen des Wassergehaltes gewisser Zellhauttheile sein, so müssten sie sich in diesem Falle wieder ausgleichen, ebenso wie die oben im zweiten Capitel beschriebenen Krümmungen (p. 18), welche wirklich auf einem verschiedenen Gehalte an Imbibitionswasser in den ein- und auswärts gekehrten Längswänden der Zellen beruhen. Die eingelagerte Substanz kann also hier nur fester Zellstoff sein, der Vorgang beruht auf einem wirklichen Flächenwachsthume der Zellhaut. ränder eine Spannung in ihren Membranen bekunden, so folgt daraus nicht, dass der gleiche Zustand in den Häuten der Zellen jener Organe obwaltet. Andere ein- zellige Gebilde, z. B. die Vaucheria, zeigen beim Aufschneiden ein solches Verhalten entschieden nicht. — 1) Pflanzenzelle p. 288. VII. Die Schwerkraftwirkungen in Bezug auf die Lage des Unten und Oben der Pflanze. In den vorhergehenden Abschnitten ist gezeigt worden, wie die Zellen der unter dem Einflusse der Schwerkraft sich krümmenden Pflanzentheile, sobald ihre Achse aus der Lothlinie abgelenkt wird, entweder die erdwärts oder zenithwärts schauende Längswand stärker verlängern und dadurch das Fliehen oder das Hinstreben des Pflanzen- theiles nach dem Erdmittelpunkte zu Stande bringen. Man sollte hier- nach erwarten, dass eine Richtungsveränderung unterbliebe, wenn Stengel oder Wurzeln in verkehrte, aber genau senkrechte Stellung gebracht werden, während die Fixation an der gewöhnlichen Stelle stattfindet. Wıcanp!) suchte eine absolut genau verticale Stellung an umgekehrten Wurzeln keimender Samen von Brassica Napus und Lepi- dium salivum dadurch herzustellen, dass er dieselben an einem hän- genden Keimboden zunächst eine vermeintlich genau verticale Richtung nach abwärts annehmen liess und darauf den aufgehängten Keimboden so umkehrte, dass die Wurzeln genau in die frühere Richtung aber nach oben kamen.. Trotzdem krümmten sich sämmtliche Würzelchen nach einiger Zeit mit der Spitze und zwar nach verschiedenen Seiten abwärts. Analog verhalten sich Stengelorgane, sie krümmen sich aus senkrecht abwärts gerichteter verkehrter Stellung aufwärts. Bei Sten- geln würde die Herstellung einer genauen Verticalrichtung der wachs- thums- und krümmungsfähigen Strecke noch bei weitem schwieriger sein als bei Wurzeln, weil bei ersteren diese Strecke viel länger ist als bei diesen. Aber selbst wenn es bei beiderlei Organen möglich wäre, so würde doch der Erfolg nicht der theoretischen Forderung entsprechen 4) lc, p: 134. u =. Te Eu Fu í PLATEN 3 3 E \ 81 können, weil wohl bei keinem Wurzel- und Stengelorgane das Längen- wachsthum ein fortdauernd ringsum absolut gleichmässiges sein wird, so dass nicht fortwährend kleine Abweichungen von der geraden Rich- tung stattfinden müssten. Sobald aber nur eine geringe Ablenkung von der Verticale eintritt, wird sofort die Schwerkraft in der Zelle einen Angriffspunkt für ihre Einwirkung finden, und es ist so der Anfang der Bewegung gegeben, welche nun fortwährend den Pflanzentheil in für ihren Fortgang immer günstigere Stellungen bringen muss. Ebenso wird auch an den in normaler Stellung befindlichen Wurzeln und Sten- - geln die Schwerkraft fortwährend ihren Einfluss auszuüben bestrebt sein, sobald sich beim Wachsthume oder durch andere Dinge veranlasst eine Ablenkung aus der senkrechten Richtung ergiebt; hierbei wird aber der Erfolg nicht eine Entfernung aus der ursprünglichen Richtung, sondern eine Wiederherstellung derselben sein. Bei diesen Richtungsveränderungen wird immer nur derjenige Theil eine wirkliche Bewegung erfahren, welcher überhaupt seinen Ort verändern kann, während der fixirte Theil an seinem Orte verbleiben muss. Daher wird bei einer an den Cotyledonen oder am Wurzelhalse fixirten Keimpflanze das Wurzelende, bei am unteren Theile fixirten Stengeln der obere freie Theil derselben im Raume fortbewegt werden, gleichgültig welche Stellungen die Pflanzen gegen den Horizont ein- nehmen, wie alle bisher besprochenen Fälle zeigen. Es fragt sich nun aber, welches der Erfolg sein wird, wenn die Fixation an dem Theile vorgenommen wird, der bisher der bewegliche war, und der bisher fixirte zum beweglichen gemacht wird. An einem engen Glasröhrchen wurde ein verkehrt konisches Ende von solcher Weite hergestellt, dass die Spitze der Wurzel einer Erbsen- keimpflanze gerade hineinpasste, und die Glasröhre in schräg aufrechte Stellung gebracht. Eine Erbsenkeimpflanze mit etwa 1/4" langer Wurzel wurde durch Wegschneiden des grössten Theiles der Gotyledonen mög- lichst leicht gemacht. Dadurch war es möglich sie in jener Vorrichtung in aufrechter Stellung zu erhalten, während ihre Wurzelspitze allein unterstützt war, indem dieselbe etwa 1”” weit in der konischen Röhren- Mündung steckte. Die Vorrichtung wurde im dunkeln mit Wasserdunst Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 6 82 gesättigten Raume aufgestellt. Nach mehreren Stunden war das Wurzel- ende an der krümmungsfähigen Stelle, welche noch ausserhalb der Glasröhre sich befand, in einem nach unten geöffneten Bogen ge- krümmt, so dass der ältere Wurzeltheil mit den Cotyledonen abwärts bewegt worden war. Das Experiment wurde mehrmals mit demselben Erfolge wiederholt. Ich möchte jedoch diesen Versuchen für unseren Zweck keinen allzugrossen Werth beilegen, weil hierbei offenbar auch das Gewicht des oberhalb der krümmungsfähigen Wurzelstrecke liegen- den Theiles der Keimpflanze, der trotz der fast gänzlichen Entfernung der Cotyledonen immer noch eine ansehnliche Last darstellte, die bieg- same Wurzel bis zu einem gewissen Grade zu einer Krümmung ver- anlassen konnte, welche durch Wachsthum hinterher dauernd gemacht werden konnte. In dem Korke einer Glasbüchse wurde ein in dieselbe herabhän- gender Faden angebracht, und am unteren Ende des letzteren die Wurzelspitze einer Erbsenkeimpflanze so befestigt, dass dieselbe in verkehrter Stellung frei im wasserdunsthaltigen Raume des Glas- gefässes aufgehängt war. Die Befestigung geschah nur an dem äusser- sten durchscheinenden konischen Theile der Wurzelspitze. Zu diesem Behufe wurde das Ende des Fadens in seine einzelnen Fasern auf- gezupft; in dieses Faserbüschel wurde die mit einer geringen Menge rasch trocknenden Lackes benetzte Wurzelspitze von unten hinein- geschoben, und durch einen in Knotenform umgeschlungenen dünnen Faden das Faserbüschel mit der Wurzel an der genannten Stelle in feste Verbindung gebracht. An der Wurzel wurde 2” hinter der Be- festigungsstelle eine Marke als schwarze Querlinie aufgetragen. Die Vorrichtung befand sich im dunkeln Raume. Nach Verlauf von 15 Stun- den, während welcher Zeit die Entfernung der Marke vom Befestigungs— punkte 4,7” lang geworden war, hatte die Wurzel an ihrer Spitze die in Fig. 9 wiedergegebene Krümmung in einem nach abwärts geöffneten Bo.en beschrieben. Sie hatte hierbei also ihren Befestigungspunkt als Stützpunkt benutzt und auf diesen, gleichwie auf eine undurch- dringliche Unterlage sich aufstemmend ihren ganzen übrigen Theil in einem Bogen emporgehoben. — Um nun aber auch diese Drehung um | 3 i ee 83 den Befestigungspunkt unmöglich zu machen, wurde die nämliche Vor- richtung dahin abgeändert, dass der Aufhängefaden in seinem unteren m Theile durch eine enge Glasröhre von 9” Länge gezogen wurde, so dass die Wurzelspitze an der Befestigungsstelle unbeweglich in der knapp passenden Glasröhre eingeschlossen war. Nach 7 Stunden hatte sich die Strecke zwischen der Befestigungsstelle und der angebrachten Marke von 2” auf 4” verlängert, ohne dass eine Richtungsänderung eingetreten war. Nach weiteren 7t/ Stunden hatte ich jedoch denselben Erfolg wie beim ersten Experimente erzielt, wie es Fig. 10 verdeut- licht; nur war hier der Stützpunkt, um welchen die Wurzelspitze sich zu drehen begann, an das entgegengesetzte Ende der Glasröhre, wo der Faden dieselbe verliess, verlegt worden, weil an dem anderen Ende die Wurzelspitze unbeweglich mit der Röhre verbunden war. In dieser Vereinigung mit der Glasröhre konnte natürlich die Keimpflanze aus statischen Gründen nicht in senkrechter Richtung verbleiben. Diese bei- den Experimente veranschaulichen ausserdem wiederholt die Unzulässig- keit der Hormeisrer’schen Erklärungsweise der Schwerkraftbewegungen der Wurzelspitzen. — Es wurde nun endlich auch die Glasröhre in unbewegliche Verbindung mit dem Korke gebracht. Während einer 12stündigen Versuchsdauer war das Anfangs 2” lange Endstück der Wurzelspitze unterhalb der Befestigungsstelle auf 7” angewachsen, ohne dass bis dahin die geringste Richtungsänderung eingetreten war; kurz darauf aber fiel die Pflanze herunter, da sie ihre Befestigung von selbst gelöst hatte; und es ist nicht zu zweifeln, dass diese Befreiung ein Erfolg der fortdauernden Anstrengungen war, welche die Wurzel- Spitze gemacht hatte, um die ihr eigenthümliche Bewegung vorzuneh- men. Darauf wies auch der Umstand hin, dass kurze Zeit nach dem Herabfallen der Pflanze die Umkrümmung der Wurzelspitze sich ein- stellte, wie es bei einer auf horizontaler undurchdringlicher Unterlage entwickelten Pflanze, deren Wurzelspitze es nicht zu einer Krümmung gebracht hat, der Fall ist, sobald sie aus dieser Lage erlöst wird (vgl. p. 32). Werden abgeschnittene Stengelorgane, die sich durch leichte Auf- Wärtskrümmung auszeichnen, z. B. noch nicht blühende Blüthenschäfte von Taraxacum officinale in aufrechte Stellung gebracht, aber am 6* 84 oberen Ende, also an den Blüthenköpfen fixirt, während das untere Ende frei beweglich bleibt, so tritt nach einiger Zeit eine Hebung des Stengels in einem nach oben geöffneten Bogen ein, derart dass das un- tere Ende in verkehrt senkrechte Stellung gelangt. Auf diese Weise würde es offenbar auch möglich sein, den unteren Theil einer ganzen Pflanze in die umgekehrte Stellung zu versetzen, wenn die Last dieser Theile nicht die aufwärts krümmende Kraft des schwachen oberen Stengels überträfe. Endlich kann man Stengelorgane auch an ihren oberen Theilen fixiren, sie aber dabei in verkehrte Stellung bringen — der analoge Versuch wie bei der verkehrt stehenden an ihrer Spitze befestigten Wurzel. Abgeschnittene noch nicht blühende Blüthenschäfte von Taraxacum officinale wurden auf einer Unterlage von feuchtem Sande in verticaler Richtung verkehrt aufgestellt, indem die Blüthenköpfe mit Sand bedeckt wurden. Der Erfolg glich dem des analogen Versuches mit der Wurzel: der dem Blüthenkopfe zunächst liegende noch in die Länge wachsende Stengeltheil suchte einen aufwärts geöffneten Bogen zu beschreiben, indem die Inflorescenz um ihren Stützpunkt gedreht und der nach oben weisende ältere Theil des Schaftes etwas aus der verticalen Richtung abgelenkt wurde. Welche der vier möglichen Combinationen zwischen der Lage und der Fixirung des Oben und Unten wir also auch herstellen mögen, immer sehen wir den Stengel wie die Wurzel diejenigen Krümmungen vor- nehmen, welche mittelst der oben gefundenen Wachsthumsgesetze sich vorhersagen lassen. Ueber allen diesen Organen herrscht also mit un- abänderlicher Strenge einzig und allein jenes Gesetz, nie erfolgen diese Erscheinungen etwa nach einem Zweckmissigkeitsprincipe, welches sich einem exacten Naturgesetze entziehen würde. Denn wir können ja sogar kraft jener Gesetze die Organe zu Bewegungen veranlassen, die der Pflanze zu entschiedenem Nachtheile gereichen: so konnte die sich krümmende Wurzelspitze den ganzen über ihr liegenden und rück- sichtlich seiner Functionen auf diese Stellung nothwendig angewiesenen Theil der Keimpflanze in die gerade entgegengesetzte Richtung ver- setzen, und so vermochte der Stengel seinen unteren für ein Leben am EB EFF Re Länge Qe A 7 — a a ar a a Zr A Se | 85 oder im Boden bestimmten Theil frei in die Luft emporzuheben. — An den in ihren natürlichen Verhältnissen belassenen Pflanzen wirken allerdings jene Gesetze immer dahin, den Organen diejenigen Richtun- gen ZU ertheilen, die zur Vollziehung ihrer Lebensfunctionen noth— wendig sind. In dieser Dienlichkeit der über den lebenden Wesen waltenden Gesetze für deren Existenz selbst liegt eben die Vollkommen— heit der Natur; diese zu erklären, reicht unsere Forschung nicht hin. IX. Geotropismus. — Positiver und negativer Geotropismus. Die Bewegungen von Pflanzentheilen gegen den Erdnfittelpunkt sind nach dem Vorstehenden mit Ausnahme der nach statischen Ge- setzen sich herstellenden pendulirenden Richtungen schlaffer und stark belasteter Stengeltheile durchaus ebenso activer Natur, wie die unter dem Einflusse der Schwerkraft erfolgenden Aufwärtskrümmungen. Die durch die Schwerkraft veranlassten Bewegungen sind daher ebenso eme Lebenserscheinung der Pflanze wie die durch das Licht verur- sachten der Lichtquelle zu- oder abgewendeten Bewegungen pflanz- licher Organe. Bezeichnen wir nun die Fähigkeit eines Pflanzentheiles durch die Schwingungen des Lichtäthers zu einer Bewegung in der Richtung der Lichtstrahlen (oder der Resultirenden aller einfallenden Lichtstrahlen) veranlasst zu werden, mit dem Namen des Heliotro- Pismus, so werden wir nothwendig das Vermögen, unter dem Ein~ flusse der Schwerkraft eine analoge Bewegung vorzunehmen, mit dem Ausdrucke Geotropismus belegen müssen. Und wie beim Heliotro- Pismus, so wird auch hier die Bezeichnung positiv und negativ auszudrücken haben, ob die Bewegung dem Bewegungserreger zu- oder abgewendet ist. 86 Wie es Pflanzentheile giebt, welche das Licht zu keinerlei Be- wegungen antreibt, so giebt es auch Pflanzentheile ohne Geotropismus. Dahin gehören viele ihre Anlegungsrichtung beibehaltende Neben- wurzeln und von Stengelorganen namentlich die hängenden Zweige trauernder Bäume. Von einzelligen Gebilden sind hier namentlich die Haare der Epidermis zu nennen: so behalten die rechtwinklig von der Oberfläche abstehenden Wurzelhaare, die ebenso gerichteten oder vor- wärts oder rückwärts stehenden Haare vieler Stengel und Blätter ihre Richtungen bei, in welche Lage zum Horizonte auch Wurzel oder Sten- gel gebracht werden mögen. Geotropischer Krümmungen sind die Pflanzentheile überhaupt nur solange fähig als sie noch im Längenwachsthume begriffen sind; aber nicht immer sind sie es während der ganzen Dauer desselben. So sind es die Zellen der Wurzelenden in der ersten Jugend ebenso wenig wie während der letzten Verlängerung ihrer Membranen. So erleiden nutirende Blüthenstiele und Inflorescenzen erst wenn sie eine gewisse Länge erreicht haben, ihre Abwärtskrümmung. So herrscht endlich auch der negative Geotropismus der Stengel- und Blattorgane wenigstens in den jugendlichsten Zellen derselben noch nicht. Positiver Geotropismus ist eine hervorstechende Eigenschaft der Wurzeln, wenigstens der Hauptwurzeln, der Nebenwurzeln meist in schwächerem Grade; oft fehlt er letzteren so gut wie gänzlich. Da die Strecke, innerhalb welcher das Längenwachsthum der Wurzelenden stattfindet, eine relativ kurze ist, so nimmt bei starkem Geotropismus (Hauptwurzeln) die aus der Verticale abgelenkte Wurzel eine sehr starke Krümmung an; bei schwächerem Geotropismus stellt sich erst nach längerem Wachsthume die Krümmung erheblich heraus, der Bo- gen ist dann viel schwächer gekrümmt, weil er länger ist (viele Neben- wurzeln). Auch den einzelligen Rhizinen vieler Cryptogamen (Farn- vorkeime, Brutknospen von Marchantia) kommt positiver Geotropismus zu. Ferner sind die Hymeniumvorsprünge der Agaricinen durch die gleiche Bewegungsfähigkeit ausgezeichnet. Endlich findet sich aber diese Erscheinung auch bei Stengelorganen. Die nutirende Richtung von Blüthenstielen und Inflorescenzachsen hat ihren Grund in vielen, 2-32 ee A m. n m. ia a _ we — A Y 87 vielleicht in allen Fällen in positivem Geotropismus (so sicher bei den plüthenstielen von Papaver, von Clemalis cylindrica, integrifolia, bei den Inflorescenzen der Smilacina racemosa). Bei den Blüthenstielen ist häufig die des Geotropismus fähige Strecke eine kurze, die Umkrüm- mung daher eine scharfe. Aber auch für vegetative Achsen giebt es Beispiele von positivem Geotropismus. Nach meinen neuesten Unter- suchungen beruht hierauf die abwärts in den Boden eindringende Rich- tung der Ausläufer von Oxalis stricta. Werden diese Pflanzen in ver- kehrter Stellung im dunkeln Raume gehalten, so nehmen die jetzt auf- wärts gerichteten kurzen, starren Ausläufer bei fernerer Verlängerung eine Krümmung an, deren Concavitét nach unten gekehrt ist. Wahr- scheinlich kommt die gleiche Eigenschaft allen Stengelorganen, die auf ein unterirdisches Leben angewiesen sind, in mehr oder weniger aus- geprägter Weise zu, und die abwärts wachsenden Rhizomtriebe von Sagittaria, Sparganium, Typha, die zuerst von Durrocaer erwähnt, von Späteren wiederholt besprochen wurden, werden in dieser Be- ziehung jedenfalls nicht einzig dastehen; in der Familie der Gyperaceen 1. B. dürfte die Erscheinung weit verbreitet sein; die tief in das Erd- reich eindringenden Equisetumrhizome sind wahrscheinlich auch mit positivem Geotropismus ausgerüstet. Nähere Untersuchungen hierüber fehlen noch. Der negative Geotropismus herrscht vornehmlich in den ober- irdischen mit grünen Blättern versehenen Stengelorganen, in vielen Blattstielen und in den Inflorescenzachsen und Blüthenstielen (soweit hier nicht positiver Geotropismus obwaltet) in weiter Verbreitung. Da in den Stengelorganen die Wachsthumsfähigkeit lange andauert, die im Wachsthume begriffene Strecke also beträchtlich lang ist, und da der Geotropismus auch während des grössten Theiles der Wachsthumsdauer sich erhält, so ist der Bogen, in welchem sich ein gerades aus der Verticale abgelenktes derartiges Organ aufrichtet, immer schwach ge- krümmt, weil er lang ist. Wohl aber kann auch hier die Krümmung des Bogens eine sehr scharfe werden, wenn der betreffende Stengel schon bei seiner Anlegung, also bei sehr geringer Länge, in einer von der Verticale divergirenden Richtung sich befindet: am erwachsenen 88, Stengel wird dann nur am untersten ältesten Theile eine sehr scharfe Krümmung vorhanden sein. Die Form der Zweige jeder deutlich geo- tropischen Holzpflanze kann diese Verhältnisse verdeutlichen. Unter | den niederen Pflanzen findet sich negativer Geotropismus in aus— geprägter Weise in den Striinken der Hutpilze, in den einzelligen Frucht- hyphen mancher niederer Pilze, in den Podetien der Flechten. In der Regel sind geotropische Pflanzentheile nur der einen Form des Geotropismus fähig. Einige Fälle giebt es jedoch, wo in dem näm-. lichen Stengeltheile zu einer gewissen Zeit die eine Form in die ent- gegengesetzte umschlägt. So tritt bei den Inflorescenz- und Blüthen- stielen der oben genannten Pflanzen an die Stelle des positiven der negative Geotropismus. Noch vor dem Oeffnen der Blüthen, geschieht diese Vertauschung bei Papaver, Smilacina racemosa, so dass die blühenden Stiele negativ sind; nach dem Blühen erfolgt sie bei Cle- matis, Aquilegia, derart dass die Blüthenstiele während der Blüthezeit positiven Geotropismus besitzen. Endlich dürfte es auch Blüthenstiele geben, an denen auf negativen Geotropismus positiver folgt, und zwar nach dem Blühen, so dass die Fruchtstiele dauernd positiv sind; dahin gehören vielleicht Anemone nemorosa, Viola sp. u.a.; doch ist dies noch zu constatiren, wie überhaupt bei jeder Pflanze mit nickenden Blüthen- oder Fruchtstielen experimentell de: Einfluss von Licht oder Schwer-. kraft zu bestimmen ist. | Sehr viele Pflanzentheile sind geotropisch und heliotropisch zu- gleich. So sind die allgemein durch negativen Geotropismus ausgezeich- neten oberirdischen Stengel, Blattstiele und Inflorescenz- und Blüthen- achsen fast ebenso allgemein positiv heliotropisch, und die nutirenden Enden von Vegetativsprossen (Saxifraga longifolia, Sedum Forsteri, auch die der Ampelideen nach Horneister !) ), ebenso manche kriechende Stengel (Lysimachia Nummularia) zeigen neben negativem Geotropismus negativen Heliotropismus. Endlich mag auch bei einigen Wurzeln der positive Geotropismus mit negativem Heliotropismus vereinigt vorkom- men, so bei denen der Keimpflanzen einiger Cruciferen und Compositen 4) Pringsh. Jahrb. III. p. 410. ii SE ee a an a aa a ee a ites St a. _— | 89 nach DURAND und Durrocner!), der Cordyline vivipara nach Hor- ypisTER?) oder mit positivem Heliotropismus bei denen von Allium Cepa und sativum nach Duranp und Durrocner, so dass sich schon jetzt Bei- spiele für alle möglichen Combinationen dieser Verhältnisse aufführen assen, welche durch ausgedehntere Beobachtung jedenfalls noch sehr vermehrt werden können. — - +6 — G +G — G +H —H A +H —— | Wurzeln von | Nutirende Enden von Wurzeln einiger |Oberirdische Allium Cepa | Vegetativsprossen. Cruciferen und Stengel- u. sativum. | Kriechende Stengel | Compositen, der organe, von Lysimachia | Cordyline vivipara. | Blattstiele. Nummularia. Ueberall ist es hierbei Regel, dass der Heliotropismus den Geotro- pismus überwiegt. — Für die unter normalen Verhältnissen dem Lichte ausgesetzten Pflanzentheile wird daher der gleichzeitige Einfluss des Lichtes und der Schwerkraft bei den negativ geotropischen und positiv heliotropischen Organen gleichsinnig wirken, da bei allseitig gleich- mässiger Beleuchtung die Resultirende aller Lichtstrahlen mit der Verti- cale zusammenfällt. Bei negativ geo- und heliotropischen Stengeltheilen aber wirken beide Kräfte in entgegengesetzter Weise. Für die definitive Richtung des Stengels wird es hierbei darauf ankommen, ob der Neliotropismus den Geotropismus überdauert oder zeitiger als dieser erlischt. Im letzteren Falle wird dann die Schwerkraft den Stengel schliesslich wieder in ihrem Sinne richten (Vegetativsprosse mit nu- renden Enden), im ersteren die durch das Licht hervorgebrachte Rich- ling dauernd bestehen bleiben (kriechende Stengel der Lysimachia ig ria). Peak, nat. 3. ser. V. p. 65. 2) Pringsh. Jahrb. TIL. p. 109. 90 Der die geotropischen Bewegungen erzeugende Vorgang besteht in einer besonderen Form des Flächenwachsthumes der Zellmembranen. Die der Zellenachse (der Längsrichtung des ganzen Pflanzentheiles) parallelen Wände erfahren bei nicht geotropischen Organen ein ringsum symmetrisches, gleichmässiges Flächenwachsthum in longitudinaler Richtung, in welche Stellung zum Horizonte auch jene Zellenachse gebracht werden mag. In geotropischen Pflanzentheilen gestaltet sich jedoch unter dem Einflusse der Schwerkraft das Flächenwachsthum jener Membranen unsymmetrisch. Wenn nämlich die Achse der Zellen einen Winkel mit der Lothlinie bildet, so ist in der dem Erdmittel- punkte zugekehrten Längswand das Flächenwachsthum entweder am grössten und nimmt von hier aus in den beiden seitlichen Längswänden gegen die gegenüberliegende zenithwärtsgekehrte Längswand hin stetig ab, so dass in letzterer das Minimum liegt, oder es ist umgekehrt in der nach unten sehenden Längswand am kleinsten, im der zenithwärts gekehrten am grössten. In beiden Fällen muss aber auch in der oberen und unteren Längswand eine in den concentrischen Membranschichten fortschreitende Abnahme der Intensität des longitudinalen Flächen- wachsthumes stattfinden, und zwar in der einen Wand von aussen nach innen, in der anderen in umgekehrter Richtung. Im ersten Falle ergiebt sich die negativ, im letzten die positiv geotropische Krümmung derZelle und somit des ganzen Pflanzentheiles, mag derselbe überhaupt nur aus einer oder aus zahlreichen Zellen zusammengesetzt sein. Wir können dem Wesen dieser Erscheinung noch einen Schritt näher treten. Es ist möglich den Einfluss der Schwerkraft auf die Zelle der Beobachtung zugänglich zu machen, noch ehe sich das unsym- metrische Längenwachsthum herausgestellt hat. Die oben (p. 46 u. 32) mitgetheilten Experimente lehren, dass noch vor Eintritt der Bewegung die Schwerkraft die Zellhaut zunächst für jenes veränderte Längen- wachsthum disponirt, und dass in dem vorgeschriebenen Sinne auch nach Ablenkung der Wurzel aus der bisherigen Stellung eine Ein- lagerung von Substanztheilchen z. B. von Wasser in die Zellhaut er- ’ folgen kann, wenn solches den so disponirten Geweben in reichlicher Menge dargeboten wird. Die wirkliche Einlagerung von Substanzmole- 91 ülen in die Zellhaut in der für die Herstellung der Bewegung erforder- lichen Weise kann somit in jedweder Richtung des Pflanzentheiles zum Horizonte in der einmal. vorgeschriebenen Weise erfolgen,. nur die Dis- position der Zelle für diese Wachsthumsform ist es, welche von der Schwerkraft unmittelbar veranlasst wird und daher streng in Beziehung zu der Stellung steht, in welcher sich der Pflanzentheil während jener disponirenden Wirkung der Schwerkraft befunden hat. Eine weiter- gehende Ergründung des Vorganges ist aber, bei unseren mangelhaften Kenntnissen von den Vorgängen beim Flächenwachsthume der Zellhaut iiberhaupt, gegenwärtig nicht zu erwarten. So rohe Erklärungsver- - suche, wie sie Sacus für die Aufwärtskrümmungen angebahnt, können nach den vorstehenden Ergebnissen selbstverständlich nicht zum Ziele führen. Erst wenn wir uns gestehen, dass wir das Wesen der all- gemeinen Attraction der Materie überhaupt, und auf dem Gebiete der Lebensvorgänge erst recht nicht ergründet haben, werden wir uns auf dem einzig richtigen Ausgangspunkte für weitere Betrachtungen und Experimente befinden. Die den geotropischen offenbar nahe verwandten heliotropischen Bewegungen haben bisher sehr verschiedenartige Erklärungen erfahren. DecannoLte!) hielt die grössere Länge der beschatteten Seite positiv heliotropisch gekrümmter Organe für die Folge des stärkeren Längen- wachsthumes im Lichtmangel oder geringer Lichtintensität befindlicher Pilanzentheile (etiolement). Durrocner 2) betrachtete dagegen die con- cave Seite als die thätige, da diese isolirt stärker concav, die isolirte beschattete Hälfte aber wieder gerade werde. Dieser Ansicht pflich- tete v. Mont?) bei, während er Durrocnrr's Erklärungsweise dieser Thatsache gebührend widerlegte®), die darauf hinaus lief, dass die Zellen der beleuchteten Seite in Folge der Insolation ihre Ausdünstung vermehren und sich daher zusammenziehen, wobei sich die Rinde nach aussen krümme, wenn die grösseren Zellen derselben nach aussen en A 2 3 4 ) de la soc. nn 1809. II. p. 404. ) Mémoires II. Sein sit p. 140. is 92 (positiver Heliotropismus), oder nach innen kriimme, wenn dieselben nach innen liegen (negativer Heliotropismus). Hormsıster!) fand zwar die bedeutungsvolle Thatsache, dass bei der positiv heliotropischen Krümmung die convexe wie die concave Seite sich verlängert, indem: er in senkrechter Stellung an einer senkrechten Glasplatte mit ihren. Enden durch Wachs fixirte gerade Blattstiele von Hedera Helix und Tropaeolum majus bei einseitiger durch die Glasplatte fallender Be- leuchtung in einem Bogen von der letzteren zurückweichen sah. Den- noch brachte er auch hier wieder die unheilvollen Gewebespannungen. in’s Spiel, denn er sagt: »Alle Thatsachen lassen sich ungezwungen. aus einer durch den Lichteinfluss bewirkten Verringerung der Dehnbar-. keit, Steigerung der Elastieität derjenigen. Gewebstheile der dem Lichte zu-, oder nach Befinden (bei negativem Heliotropismus) abgewendeten Längshälfte des Organes erklären, welche dem Ausdehnungsstreben. den expansiven Widerstand leistet.« Zu dieser Ansicht bekennt sich. Hormeister auch noch in seinem neuesten Werke?), auch wird hier der negative Heliotropismus unter denselben Gesichtspunkt gebracht?). Nach einer heidelberger Untersuchung soll nämlich bei. einseiliger Beleuchtung der krümmungsfähigen Stelle in Folge der Lichtbrechung innerhalb der eylindrischen oder.kegelförmigen diaphanen Gewebe ein Streifen in den passiv gedehnten Geweben der von der Lichtquelle ab- gewendeten Längshälfte des Organes intensivere Beleuchtung empfan— gen4). — Wohl aber hätte Sacus’s klare Beobachtungsgabe ihn den wahren Vorgang bei den heliotropischen Bewegungen erkennen lassen, 4) Pringsh. Jahrb. IH. p. 86. 2) Pflanzenzelle p. 289. 3) 1. c. p. 293. 4) Wenngleich wir dem »Scharfsinn« der heidelberger Experimentatoren nicht zu nahe treten möchten, so wird doch diese Hypothese der Kritik nicht entgehen können. Da ihre Autoren selbst eingestehen, dass sie auf die Fruchtstiele der Li- naria Cymbalaria nicht passt, insofern diese beim Uebergange aus positiven in ne- gativen Heliotropismus keinen Unterschied der Diaphaneität oder der Spannung der Gewebe erkennen lassen, und da man — das Wichtigste bei der Sache — uns noch nicht gezeigt hat, ob wirklich ein derartiger Lichtbrechungsvorgang in positiv helio- tropischen Organen nicht stattfindet, so ist nicht einmal der Grund und Boden ge- funden, auf welchem sich eine solche Hypothese aufbauen liesse. aa al Et ae Se Ee ee ee S u a lin uk Zen nen hau nn > Mark ur dia ni baden a uns a P” SO Te al Oe Pe aa oa 93 wenn er, statt sich von Hormeister's Irrthiimern gängeln zu lassen, sei- nen eigenen Beobachtungen gefolgt wäre, die ihn in der That schon bis an die Schwelle der Wahrheit geführt hatten. Sacns!) wies nämlich zunächst darauf hin, dass, da gespaltene positiv heliotropisch ge- krümmte Stengel mit der beleuchteten Hälfte stärker, mit der beschat- teten schwächer concav oder gerade werden, zwischen dem Schwell- gewebe und dem passiv gedehnten Gewebe auf der Schattenseite eine geringere Spannung herrsche als auf der Lichtseite. Er zeigte, dass dies seinen Grund darin hat, dass die passiv gedehnten Gewebe der “Schattenseite factisch länger sind als die der Lichtseite. In manchen Fillen (Gartenbalsamine) beobachtete er nun, dass das isolirte Mark heliotropisch gekrümmter Stengel sich gerade streckte, in anderen da- gegen (Nicotiana Tabacum), dass es die Krümmung des unverletzten Stammstückes beibehielt. Aus diesen Beobachtungen leidet Sacus fol- gende Schlüsse ab?) : »Die passiv gedehnten Gewebe der Schattenseite gewähren vermöge ihres gesteigerten Längenwachsthumes dem Aus- dehnungsstreben des Parenchyms auf dieser Seite einen freieren Spiel- raum. Zuweilen erfährt das Längenwachsthum des Parenchyms auf der Schattenseite eine Steigerung; die Gewebespannung kann hierbei in \ sehr verschiedener Weise auftreten« >). : 4) Experimentalphysiologie p. 497—503. 2\1.c.p. 501. 3) Der Sacus’schen Meinung über den Vorgang bei den Licht- und Schwer- kraftbewegungen sucht sich neuerlichst auch Kraus (Die Gewebespannung des Stammes und ihre Folgen, Bot. Zeit. 4867. No. 44 ff.) anzuschliessen. Derselbe zeigte unter Anderem, dass das Licht einen Einfluss auf die Spannungsintensität ausübt, dass nämlich woah des Lichtes die Spannung erhöht, Anwesenheit desselben sie erniedrigt« (I. c. p. 125), und dass sich daraus eine tägliche Periode der Spannungsintensität allseitig gleichmässig beleuchteter Pflanzen ergiebt. Wenn Nun, calculirt Kraus weiter (p. 129), ein Stengel einseitig vom Lichte getroffen Wird, so muss die getroffene Seite eine schwächere, die beschattete eine stärkere Spannung zeigen. Nehme man nun für die Schwerkraftwirkungen die von Sacus gegebene Erklärungsweise an, so würden die Wirkungen des Lichtes und der Schwerkraft von vornherein unter eine Kategorie fallen: in beiden Fällen werde durch eine äussere Kraft auf einer Seite des Stengels (auf der beschatteten bei den Licht-, auf der unteren bei den Schwerkraftwirkungen) die Spannung vermehrt, Und diese Spannungsänderung führe die Richtungsänderung der Pflanzentheile her- 94 Bei den nachstehend mitgetheilten Versuchen wurden positiv helio- tropisch gekrümmte Stengel, in ganz analoger Weise wie bei den obi- gen Versuchen aufwärts gekrümmte Stengel zerlegt, und die Längen und Krümmungen der Theilstücke vor wie nach dem Isoliren gemessen. Zum Versuche dienten in Töpfen erzogene gerade gewachsene junge Pflänzchen von Pisum sativum und Phaseolus multiflorus. Dieselben wurden bis auf eine dem Fenster, hinter welchem sie standen, zu- gekehrte Spalte beschattet; 4 Stunden nach Anfang des Versuches, während welcher Zeit sich die positiv heliotropische Krümmung deut- lich hergestellt hatte, wurden die gekrümmten Stengelstücke unter- sucht. Die Zahlen haben dieselbe Bedeutung wie in den obigen Ta- bellen über Aufwärtskrümmung. bei (p. 430). Nun hat aber Sacus bekanntlich das directe Gegentheil nachgewiesen, dass nämlich bei den positiv heliotropischen Krümmungen und bei den durch die Schwerkraft bewirkten Aufrichtungen in der convexen Seite die Spannung geringer wird. Das ist freilich sehr unangenehm. — Wenn Kraus glauben sollte, einen wei- teren Beitrag zur Kenntniss der Mechanik der geotropischen Aufwärtsbewegungen durch seine Beobachtung geliefert zu haben, dass bei der ersten leichten Aufwärts- krümmung zunächst nur ein Unterschied in der Grösse der oberen und unteren Epidermis hervortritt, die übrigen Gewebe noch einander gleich sind, bei weiterer Zunahme der Krümmung aber der Grössenunterschied beider Epidermen nicht nur grösser werden, sondern ein solcher auch zwischen oberer und unterer Rinde etc. zu beobachten ist (p. 130), so mag er sich zum Verständnisse dieses Ergebnisses die mathematische Thatsache recht klar machen, dass der Längenunterschied zweier concentrischer zu einem und demselben Centriwinkel gehöriger Bogen von sehr wenig verschiedenen Radien der Beobachtung um so zugänglicher wird, je stärker die Krümmung der Bogen wird. — Die übrigen Aussprüche KraAus’s über die durch die Schwerkraft bewirkten Bewegungen, insbesondere, dass ein Stengel um so krümmungsfähiger sei, je stärker die Spannung desselben ist, und dass sich daher kriechende oder hängende Stengel einfach wegen des Mangels der nöthigen Ge- webespannungen nicht aufzurichten vermögen (p. 434), sind durch die vorliegende Arbeit erledigt; nur auf die Thatsache sei KRAUS noch aufmerksam gemacht, dass Sprosse trauernder Bäume und kriechende Stengel ebensogut und oft noch viel be- trächtlicher mit Gewebespannungen ausgerüstet sind, als manche der Aufwärts- krümmung fähige Stengel 95 A. Positiv heliotropische Krümmungen. 1. Pisum sativum. Gerader Stengel’). nn re Unverletzter Isolirte äussere Isolirtes inneres Stengel. Rindeschicht. Parenchym. Länge. re 28,2 28,7 Krümmung aus- 90— 180° wärts. Gekrümmter Stengel. Unverletzter Stengel. Isol. äusse- Isolirtes aol aunan re Rinde- | inner sühicht: den Lichtseite. Mittellinie, | SChatten- [schicht der) Paren- | snatten- seite Lichtseite. | chym. 3 seite. | z| Länge. 12,3 12,7 13 ee 12,7 12,6 5 da | T4 Krüm- + 8002) + 2609} + 800 | — 4400 "| mung. | z Länge. 14,4 14,5 14,8 13,7 14,5 14,% “) Krüm- = F c ae + 760 4 1670| + 760 | — 930 1) Der Stengel von Pisum sativum besteht aus einer mächtigen Rindelage; in der Mitte liegt der verhältnissmässig kleine Gefässbündelkreis, der ein geringes Mark umgiebt. Hier sind die Epidermis und die oberflächlichen Schichten kleiner Rindezellen im Zusammenziehungsstreben begriffen, das übrige ist Schwellgewebe. Daher werden Längsstreifen, welche etwas tief in die Rinde gehen, aussen stark concav, ebenso wie ganze Längshälften. Die schwachen Gefässbündel wirken hier nicht spannend, denn die Längshälften des der oberflächlichen passiv gedehnten Schichten entkleideten schwellenden inneren Gewebscylinders werden aussen noch etwas concav. 2) Das + Zeichen vor den Krümmungszahlen der folgenden Tabellen bedeutet, dass die Krümmung dem Lichte zugewendet ist, das— Zeichen die entgegengesetzte ng. Richtu g 96 2. Phaseolus multiflorus. Keimpflanzen mit dem ersten entwickelten Internodium. Gerader Stengel. Unverletzter Stengel. Isolirte Rindegefass- | indellage. Isolirtes Mark. bü | Länge. 13,5 13,2 13,9 Krümmung ausw. 40—41 000 Gekrümmter Stengel. : Isol. Rinde- Unverletzter Stengel. Isol. Rinde- ; TE Gefässbün- Isolirtes Jella za ise tietee danten | Schatten- }dellage der nae ichtsei i ittellinie. | sello Lichiseite: A | seite. Linge. 28 28,7 29,4 27,6 29,4 28,9 Krümmung. + 76° + 2449; + 769 | — 720 B. Negativ heliotropische Krimmungen. Solidago canadensis. Nutirende Enden im Freien erwachsener Vegetativsprossen. ; | Isol.Rinde- Unverletzter Stengel. Isol.Rinde-| : he Oe Gefässbün- Isolirtes | gella ge der s o largon | Schatten- jdellage der, Mark. Lichtseite. | Mittellinie. er Tichtesite, ae | SET | BIER z( Lange. | 10 9,2 8,7 9,6 9,2 | 8,71) ) Krüm- a — 520 | —.759.|.— 92° ; mung. | Länge. 12,3 44,5 10,5 44,9 | 44, 10,54) n EF H i Krüm- — 1240 120° |= B= : mung. | 4) Hier ist das Längenwachsthum des Stengels während der Krümmung so ge- mindert, dass das noch geringere des Spanngewebes der concav werdenden Seite der Beobachtung nicht zugänglich ist (vgl. oben p. 72). 97 Auch wenn man durch einen parallel der Krümmungsebene ge- führten Schnitt von der rechten oder linken Seite heliotropisch ge- krümmter Stengel die passiv gedehnten Gewebe, ja die blosse Epidermis abträgt, SO behalten auch diese Theile die heliotropische Krümmung unter Hinzutreten der gewöhnlichen Concavkrümmung an der Aussen- seite. Die vorstehenden Ergebnisse sind in jeder Beziehung denjenigen analog, die wir oben bei der Untersuchung positiv und negativ geo- tropisch gekrümmter Stengelorgane erhalten haben (s. p. 67 ff.). Der Leser wird sich selbst die vollständigste Analogie, welche hier ob- waltet, klar machen können; einer näheren Erläuterung bedarf es nicht. Alles, was dort gesagt worden ist, gilt auch hier, und dieselbe Er- klärungsweise, die wir für die Wirkung der Schwerkraft gewonnen haben, wird sich daher auch für die durch das Licht erregten Be- wegungen geltend machen. Aus den gefundenen Zahlen erklärt sich auch die schon längst bekannte Thatsache, dass bei heliotropisch ge- krümmten Organen die concave Seite, wenn sie durch einen Längs- schnitt von der convexen getrennt worden ist, ihre Krümmung steigert, letztere die ihrige abschwächt oder in die entgegengesetzte überführt. Auch bei den heliotropischen Krümmungen zeigen einzellige Or- gane den Vorgang in seiner einfachsten Form. Am instructivsten sind hier die sehr empfindlich positiv heliotropischen einzelligen Schläuche der Vaucherien t), desshalb weil in ihren Membranen keine Spannun- gen bestehen: der Länge nach durchschnittene gerade Zellschläuche behalten unverändert ihre Richtung bei. Werden heliotropisch ge- krümmte Enden von Vaucheriaschläuchen in concentrirte Zuckerlösung gebracht, so bleibt die Krümmung unverändert; ebenso wenn in der Krümmungsebene geführte Längsschnitte durch heliotropisch ge- krümmte Stengel oder die von der rechten oder linken Seite derselben abgetragenen Epidermis- oder Rindestreifen in gleicher Weise be- handelt werden. Diese Thatsachen beweisen unzweifelhaft, dass auch ul GoT 1) Auf den positiven Heliotropismus der Vaucheriaschläuche hat bereits Sachs Experimentalphysiologie p- 503) aufmerksam gemacht. Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 7 98 bei den heliotropischen Krümmungen die Zellmembranen in jedem der concav werdenden Kante des ganzen Organes näher liegenden Längs- streifen ein schwächeres longitudinales Flächenwachsthum erleiden. — Die gefundenen Gesetze sind aber vielleicht für die Naturwissen- schaften überhaupt von weitergehender Bedeutung. Wenn wir sehen, wie die Pflanzenzelle durch das Licht zu einem der Lichtquelle zu- oder abgewendeten Wachsthume, durch die Schwerkraft aber zu ganz dem nämlichen, dem Attractionscentrum zu- oder abgekehrten Wachs- thumsvorgange veranlasst werden kann, so liegt uns hier eine Erschei- nung vor, wo zwei ihrem Wesen nach unbekannte Kräfte auf einen und denselben Körper gleiche Wirkungen ausüben. Von den Lichterscheinun- gen muss angenommen werden, dass sie auf einer geradlinig fortgepflanz- ten schwingenden Bewegung der Theilchen einer Materie beruhen, deren Existenz der unmittelbaren Beobachtung unzugänglich ist. Durch diese Thatsache wird es wenigstens begreiflich, dass ein leuchtender Körper materielle (z. B. chemische) Veränderungen an einem anderen Körper hervorzubringen vermag, ohne dass die Beobachtung im Stande ist ein materielles Substrat zu entdecken, welches doch nothwendig die Ueber- tragung dieser Wirkung von dem einen auf den anderen Körper ver- mitteln muss. Durchaus unbegreiflich aber erscheint uns die allgemeine Anziehung der Materie. Der seiner Unterlage beraubte zur Erde fallende Stein ist eine Erscheinung, an die sich Jeder so sehr gewöhnt hat, dass es uns kaum einfällt, wie wir hier vor einem räthselhaften Probleme stehen. Wie ist es möglich, dass räumlich getrennte Körper das Be- streben finden können, sich gegeneinander zu bewegen, wenn wir nicht im Stande sind, in den auf der Verbindungslinie zwischen ihnen lie- genden materiellen Theilchen den Eintritt einer mit der Anziehung bei- der Körper zusammenhängenden Veränderung aufzufinden ? Eine actio in distans im wahren Sinne des Wortes kann es in der Natur nirgends geben. Die gleiche Wirkung der Kräfte des Lichtes und der Gravitation auf die Pflanzenzelle macht es wahrscheinlich, dass den Gravitations- wirkungen ein ähnlicher Vorgang in einer der directen Beobach- tung unzugänglichen Materie zu Grunde liegt, wie den Erscheinun— gen des Lichtes. Das Newron’che Gesetz ebnet einer solchen An- se ee ee es eS Se ee uk ee ee ae a u 99 schauung die Wege in hohem Grade. Die Physiologie aber, welche die nämlichen Naturkräfte, deren Wirkungen die Physik im Bereiche der unorganischen Körper untersucht, in ganz neuen ungeahnten Wir- kungen auf dem Gebiete der lebendigen Natur uns vorführt, sollte sie nicht vielfach berufen sein können, eben durch die neuen Gesichts- punkte , welche sie eröffnet, auch einen klareren und tieferen Blick in das Wesen der einfachen Grundkräfte unserer herrlichen Natur zu vermitteln ? oH una Sib a mer er N 7 res ; opaa AD z IREA Il. Ueber die Entstehung der Intercellular- räume der Pflanzen. Hierzu Tafel II—V. Fr fait €: € Historischer Ueberblick. Die mit eigenthümlichen Säften erfüllten Zwischenräume des Pflanzengewebes wurden zuerst von Marrıcnt unter dem Namen vasa propria erwähnt, blieben demselben aber ihrer Natur nach unbekannt. So redet er bei der Rinde der Fichte von »vasa terebinthinam funden- fia«), ohne über ihren Bau etwas Näheres anzugeben, und von den Harzbehältern im Holze der Fichte und Cypresse sagt er: »tenui compo- nuntur fistula« (1. c. p. 10). Grew?) war der Erste, welcher die Natur der Milchsaft- und Gummigänge auf das Klarste erkannte : er beschreibt sie als Kanäle, welche nicht von eignen Wänden, wie die Tracheen im Holze, umgeben, sondern lediglich durch eine cylindrische Zwischen- räume übrig lassende Anordnung der Rindezellen gebildet seien. Eine ebenso richtige Vorstellung hatte er von den Hohlräumen im Marke, welche er für Risse, die beim Wachsthume entstehen, erklärt (l. c. p. 120). Nach Mirsex?) sind die Hohlräume im Grashalme Anfangs - nicht vorhanden, und je mehr die Pflanze sich verlängere und er- weitere, zerreisse die schwächere Mitte. Den Lücken im Zellgewebe der Wasserpflanzen legt er eine Zerreissung, an einer andern Stelle eine Desorganisation des Gewebes in Folge mangelhafter Ernährung zu Grunde (l. c. p. 73—75). Eine sehr klare Darstellung gab Link‘) von der Entstehung der Luftbehälter: »Wenn zwischen den älteren Zellen 4) Anatome Plantarum. London 1675—4679. p. 4. 2) The anatomy of plants. London 1682. p. 442. T. 20, Fig. 3, 4. 3) Traité d’anatomie et de physiologie végétales. Paris 4802. p. 245. 4) Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Göttingen 4807. P. 98. 104 keine neuen mehr entstehen, die umliegenden Theile aber sich aus- dehnen und fortwachsen, so wird das Zellgewebe zerrissen, und es entstehen Höhlungen, nur mit Luft gefüllt.« Er verwirrte jedoch die Sache wieder dadurch, dass er diesen Organen die von Querwänden durchzogenen Luftgänge in den Wasserpflanzen unter dem eigenthüm- lichen Namen: »zusammengesetztes Zellgewebe« gegenüberstellte, wel- ches keine Lücken, sondern grosse Zellen darstelle, deren Wände aus kleineren Zellen gebildet seien (l. c. p. 19). Rupoırnı!) fasste dagegen alle diese Organe als lufterfüllte Lücken zwischen den Zellen auf, war sich jedoch über ihre Entstehung insofern unklar, als er bei einigen die Höhle von Anfang an vorhanden annimmt, bei anderen sie Anfangs mit saftigem Zellgewebe erfüllt sein lässt, welches später vertrockne und dadurch der Lufthöhle ihre Entstehung gebe (p. 151). Die Saftbehälter, mit Ausnahme mancher damals ihrer Natur nach noch unbekannter kugliger Conceptakeln, wurden von Link?), MirseL?), Trevrranus ® und Kırser 5) für Zwischenräume zwischen den Zellen angesehen, wozu aber auch die Milchsaftgefässe vielfach mitgerechnet wurden, bis Mor- DENHAWER die Natur der letzteren erkannte und dadurch das Gebiet jener genauer begrenzte, wenngleich er auch den Harzbehältern der Kiefer eine eigene Membran zuschrieb und in ihrer Umgebung harzführende »Ge- fässe«, also den Milchsaftgefässen analoge Organe vorhanden sein liess 6). Trevıranus gebührt aber das Verdienst, die Milchsaftgänge von Chaero- phyllum sylvestre als erweiterte Intercellulargänge erkannt und diese Bedeutung auch den verwandten Organen (Saftbehälter der Fichte, Su- macharten etc.) zugeschrieben zu haben”). Auch war er der Erste, welcher die Entstehung der Luftlücken in den Wasserpflanzen aus Intercellulargängen durch Vermehrung der dieselben umgebenden 4) Anatomie der Pflanzen. Berlin 4807. p. 146. 2) 1. c. p, 94—93. 3) Exposition et défense de ma théorie de organisation végétale. Publié parle Dr. BıLpeRDYK. A la Haye 1808. p. 479—207. Fig. 2—15. 4) Beiträge zur Pflanzenphysiologie. Göttingen 4844. p. 44—54. 5) Mémoires sur organisation des plantes. Harlem 1812. p. 407. 6) Beiträge zur Anatomie der Pflanzen. Kiel 4842. p. 160. 1) eG pe 64 ur = e inanda ein Br pn s a -m ee A ET E T — a F. n r ee j 105 zellen an Butomus nachwies (l. c. p. 89). Meyen gab endlich eine voll- ständige Theorie dieser Lehre. Die Saftbehälter sind hiernach sämmt- jich Aushöhlungen, welche durch Erweiterung von Intercellulargängen entstehen, und deren Inhalt von den die Gänge bildenden Zellen secer- nirt wird !). Die Luftgänge sind zum Theil auch aus erweiterten Inter- cellulargängen entstanden ?), andere, wie die von Scirpus lacustris 3) und die in den Blättern von Carex und Phragmites‘), der Musaceen, vieler Liliaceen und Pandaneen 5) sind Anfangs von einem Gewebe farbloser, bei Scirpus lacustris sternförmiger Zellen ausgefüllt, welches später zerreisst und dadurch die Lücken herstellt. Auch die Mark- höhlen entstehen durch Zerreissung von Zellgewebe. Diese Darstellun- gen haben sich seitdem längere Zeit als die gültigen erhalten, sie sind es, welehe wohl den Angaben in den Lehrbüchern Späterer, wie ScuLeipen’s®), v. Monr’s?), Kürzıng’s®), Unger’s®) wesentlich zu Grunde liegen. Nur seien hier noch die bestätigenden Versuche wirklicher Ent- wickelungsgeschichten von Morren !°) an den Gummikanälen von Cycas, und von Jocumann'!) an den Striemen der Umbelliferenfrucht erwähnt, die freilich nicht genügend weit zurückgehen, um die Schlussfolgerun- gen dieser Forscher unzweifelhaft zu machen. Diesen Ansichten ist in der neueren Zeit das Feld durch eine an- dere Theorie streitig gemacht worden, welche, unterstützt von einigen sicher ermittelten Fällen, die intercellularen Saftbehälter durch Auf- lösung von Zellgewebe, und den in ihnen enthaltenen Saft durch Um- 1) Phytotomie. Berlin 1830. p. 487—191. — Harlemer Preisschrift 1836. p. 444 145. — Neues System der Pflanzenphysiologie. Berlin 1837. I. p. 317. — Ueber die or gane der Pflanzen. Berlin 1837. f 2) Phytotomie p. 494. — Neues System p. 294 ff. — ee ee p. 7. 3) Phytotomie p. 199. — Neues System p. 309. Taf. II. Fig ß Neues System p. 345—316. 5) Phytotomie p. 206. — Neues System p. 315. 6) Grundzüge der wissensch. Bot. 3. Aufl. 4849. I. p. 247 ff. 7) Vegetabilische Zelle 4851. p. 37. ) Philosophische Botanik. Leipzig 1851—32. 316. ) Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Pesth 1855. p. 196 ff. 10) Bulletin de l’acad. royale des sc. de Bruxelles. Tom. V. 2 (1839). p. 145. 11) De umbelliferarum structura et evolutione nonnulla. Vratislaviae. p. 20. 106 wandlung der Membranen jenes Gewebes entstehen lässt. Zunächst zu nennen ist hier eine bei dem damaligen Zustande pflanzenanatomischer Kenntnisse auffällige Angabe Karsten’s'), wonach »die Kanäle der Pal- men mit netzförmig verdickten Wandungen« zuerst verticale Zellreihen darstellen, aus welchen senkrechte Kanäle entstehen, die in die Reihe von Elementarorganen, die als Gummi- und Harzkanäle bekannt sind, gehören sollen, wo gleichfalls die eine Faser zunächst umgebenden Zellen an der Absonderung des Saftes Theil nehmen und »zum Theil in die Höhlung desselben hinein sich ausdehnen, während die Haut der Faser zerstört wird oder vielleicht zerstört wird, wenigstens sei es so schwierig, eine solche dann zu entdecken, dass diejenigen Beobachter, die die Entwickelungsgeschichte vernachlässigten, diese mit Gummi, Harz oder ähnlichen Stoffen angefüllten Kanäle für Zwischenräume hiel- ten.« Einen fördernden Einfluss auf die neuere Richtung mag Cas- pary’s2) Entdeckung der Entstehung des Intercellularkanales im Ge- fässbündel von Anacharis durch Resorption eines Ringgefässes gehabt haben, zumal Tre£cvr?) schon vorher das Gleiche für die Nymphäaceen und Caspary auch noch für manche andere Monokotyledonen geltend machten. Vor allem wies dann WieAnp?) nach den vorbereitenden An- gaben Karsren’s 5) und Trecur’s®) ausführlicher nach, dass bei der Gummikrankheit des Kirschbaumes im Holze und Baste grosse mit Gummi erfüllte Hohlräume vorhanden sind, welche durch Desorgani- sation des Zellgewebes in Gummi entstehen. Auf diese Thatsache grün- dete er nun die Annahme, dass auch andere mit Gummi, Harz oder Oel erfüllte Intercellularkanäle auf dieselbe Weise entstehen”). In gewissem 4) EN der Palmen. Abhandlung der Berliner Akademie 1847. p. 146, ar Hyarilieerl. Pringheim’s Jahrb. 4. Bd. p. 4 3) Structure et développement du Nuphar we Ann. des sc. nat. 3. ser. T. IV. p. 347—319 4) Ueber die Desorganisation der Pflanzenzelle. Pringsh. Jahrb. I. p. 122 —A30. 5) Ueber die Entstehung des Harzes etc. Bot. Zeit. 4857. p. 346 u. 349. 6) Comptes rendus. 1860. p. 621 7) l. c. p. 450, 164, 465. 107 ‘Finklange damit stand dann Dıirrer’s t) sichere Beobachtung, dass die Harzgänge im Tannenholze durch Zerstörung eines Holzparenchyms entstehen, das Harz jedoch Product des Inhaltes dieser Zellen und nur zum geringen Theile aus der Auflösung der Zellmembranen herzuleiten ist, Hanstein?) erklärte sich mit der Entstehung der Milchsaftkanäle und verwandter Organe aus Intercellulargängen nicht einverstanden. ‚Sehen wir hier nun«, sagt er, »weite Röhren von einem einfachen Ringe feiner Cylinderzellen eingefasst, welche von Theilung keine Spur er- plicken lassen und an Durchmesser vielmal enger sind, so ist mir we- nigstens eine Entstehung derselben aus einem Intercellularraume un- verständlich, und ich halte mich überzeugt, dass sie ursprünglich aus einer Reihe von Zellen entstehen müssen, die schon sehr früh ihre Querwände und vielleicht auch ihre Seitenwände resorbiren.... . Und endlich glaube ich bei Clusia in der That Lappen der eigenen Ge- fisshaut ausser den kleinen Wandzellen mit Sicherheit gesehen zu ha- ben (Taf. I. Fig. 44 me). Jedenfalls muss man Angesichts so vieler Fälle von Resorption von Zellen mit einer so unwahrscheinlichen An- nahme vorsichtig sein« — eine Polemik, die weder durch ihre Logik, noch durch die in der citirten Figur wiedergegebene Beobachtung eine vortheilhafte Unterstützung erhält. Wıcanp’s Ansichten sind endlich neuerdings in dem Handbuche Sacns’s3) sogar zu festen wissenschaft- lichen Lehrsätzen erhoben worden — mit welchem Rechte, mag An- gesichts des in Vorstehendem entwickelten historischen Grund und Bodens unserer Lehre die Kritik des Lesers selbst beurtheilen. 1) Die Harzbehälter der Weisstanne und die Entstehung des Harzes in den- selben. Bot. Zeit. 4863. p. 255— 2) Die Milchsaftgefässe und die verwandten Organe der Rinde. Berlin 4864. 29 3) Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen. Leipzig 4865. p. 372. — Desgleichen — auch bei HormeEıster, Die Lehre von der ne Leipzig 4867. a. 2% 108 I. Die Milehsaftbehälter von Rhus typhina, Alisma Plan- tago und Sagittaria sagittifolia. Die Milchsaftgänge von Rhus typhina sind in Mirser’s !) unvollkommenen Abbildungen als Lücken dargestellt, die von mehreren Schichten kleiner Zellen umgeben sind; bei Rhus semialatum ist einer der Rindengänge mit feinem Zellgewebe angefüllt gezeichnet et. Fig. 11); dies ist nach Mme der Anfang der Entwickelung (l. c. p. 207). Trevmanus?) sprach sich für die Entstehung dieser Organe aus Intercellulargängen aus. Auch Mrven®*) stellte sie sich als Inter- cellulargänge vor, welche dadurch erweitert würden, dass diejenigen Zellen, welche hinter den Anfangs den Gang einschliessenden liegen, zwischen dieselben vortreten. Scuterpen’s*) und v. Monr’s®) Bemer- kung, dass sie aus Intercellulargängen entstanden seien, ist wohl nichts als eine Wiedergabe der bestehenden Ansichten. Die Milchsaftkanäle im Stamme von Rhus typhina gehören dem Marke und den Basttheilen der Gefässbündel an und treten mit diesen Geweben auch in die Blätter. Im Marke stehen hinter manchen Gefäss- bündeln einzelne Milchsaftkanäle, die im Allgemeinen in der Richtung des Stammes verlaufen, sich aber auch verzweigen und gegenseitig anastamosiren. Im Baste liegt hinter jeder an die Rinde grenzenden Gruppe dickwandiger Bastfasern ein weiter Milchsaftkanal. Jedem Ge- fässbündel des einjährigen Stammes kommt somit ein solcher Kanal zu; in den während der folgenden Jahre abgelagerten Theilen des Bast- gewebes mehrjähriger Sprosse entstehen aber fortwährend neue Kanäle. 4) Exposition et défense etc. Fig. 9. 2) Beiträge zur Pflanzenphysiologie. p. 52. 3) Ueber die Secretionsorgane der Pflanzen. p. 18. ) Grundzüge, 3. Aufl. I. p. 247. ) Vegetabilische Zelle, p. 37. 4 5 109 Auf dünnen Querschnitten durch jugendliche Stammorgane liegt an den Stellen des Markes, wo später die Milchsaftkanäle stehen, eine Gruppe kleinerer Zellen, welche wie die übrigen mit Protoplasma er- füllt sind. Die mittleren derselben sind in eine Rosette gestellt und zeichnen sich durch etwas abgerundetere Form aus. Das erste Auf- treten des Intercellularkanales besteht nun darin, dass diese letzteren Zellen im Mittelpunkte der Rosette ein wenig auseinandergewichen er- scheinen, so dass sie alle mit ihren dem Centrum zugekehrten Theilen an der Bildung eines engen Hohlraumes betheiligt sind (Fig. 1). Zu- gleich sieht man in ihnen Theilungsprocesse in radial gegen den Inter- cellularkanal verlaufender Richtung, während jede der Tochterzellen allmählich zur Grösse ihrer Mutterzelle heranwächst. Dadurch wird bis zum Abschlusse des Wachsthumes des Markes die Anzahl der Wand- zellen und der Durchmesser des Kanales merklich vergrössert. Erstere sind auch im ausgebildeten Zustande beträchtlich kleiner, als die übri- gen Markzellen mit Ausnahme der zunächst angrenzenden, enthalten nur Protoplasma und besitzen noch ihre zarten Membranen, deren freie an den Kanal grenzende Theile mehr oder weniger papillös gewölbt erscheinen. Denselben Entstehungsvorgang zeigen auch die Milchsaftkanäle. des Bastes. Da die Gefässbündel nicht gleichalterig sind, so findet man leicht auf einem und demselben Querschnitte durch die Stammknospe Uebergiinge von Basthiindeln, in denen noch keine Spur eines Kanales wahrzunehmen ist, bis zu solchen, in denen derselbe bereits eine an- sehnliche Weite erlangt hat. Ein geringes Auseinanderweichen der Später den Kanal umgebenden dünnwandigen, protoplasmaführenden Parenchymzellen giebt auch hier den ersten Anstoss zu dessen Ent- Stehung (Fig. 2). Der Theilungsprocess der Wandzellen wiederholt sich aber hier häufiger, als bei den Markkanälen, daher die Anzahl dersel- ben und die Weite des Kanales im Baste weit beträchtliche ist. Auffallend an beiderlei Kanälen ist der reichliche Gehalt der Wand- zellen an Protoplasma, auch im ausgewachsenen Stamme: es bildet einen dichten Inhalt, der sich durch das Millon’sche Reagens intensiv 110 ziegelroth färbt, während der Inhalt des übrigen Gewebes nur eine schwache Rothfärbung annimmt. Sobald die erste Bildung der Kanäle begitik hat, dringt auf Querschnitten Milchsaft aus ihnen hervor, offenbar hervorgepresst durch den Druck, unter welchem sich der Saft in diesen Kanälen befindet. Es lässt sich daher auch nichts über die Zeit des Eintrittes der Secre- tionsfähigkeit der Wandzellen entscheiden. Die Dauer dieser Fähigkeit dürfte aber bis in den ausgewachsenen Zustand des Sprosses reichen, da während des Wachsthumes desselben auch seine Kanäle beständig geräumiger werden, man aber während der ganzen Dauer des Wachs- thumes, und selbst noch im ausgewachsenen Zustande den Milchsaft reichlich aus den durchschnittenen Kanälen sich ergiessen sieht. Damit mag es wohl zusammenhängen, dass sich der reichliche Protoplasma- gehalt der Wandzellen bis in den ausgewachsenen Zustand des Sprosses erhält. Die Milchsaftkanäle von Alisma Plantago sind nach einem Ungenannten !) Gänge, deren Wandungen nur von einem Kreise zart- wandiger Zellen gebildet werden, die sich durch Gestalt und Inhalt von allen benachbarten Zellen unterscheiden. Scmacat?) erklärte sie für Gruppen dünnwandiger, mit Milchsaft erfüllter Bastzellen. Dagegen wies Unger 3) nach, dass sie in der That denen von Rhus analog gebaut sind: ohne eigene Gefässhaut, umgeben von engen, höchst dünnwan- digen Zellen. Hansteın®) hält sich überzeugt, dass sie ursprünglich aus einer Reihe von Zellen entstehen müssen, die sehr früh ihre Quer- und Seitenwände resorbiren. Bei Sagittaria wie bei Alisma ist der jugendlichste auf Querschnitten durch Blattstiele zu beobachtende Zustand der Milchsaftkanäle eine Zelle mit etwas stärker lichtbrechendem Protoplasma, welches sich simultan 4) Bot. Zeit. A846. p. 2) Bot. Zeit. 4854. p. as — Lehrb. d. Anatom. u. Physiol. der Gewächse I. p. 260. 3) Das System der HADIN aa in spa Plantago. Denkschriften d. kais Akad. d. Wissensch. Wien 4857, p. 4) Die Milchsaftgefässe und die B Organe der erl. Rinde. Berlin 1864. p. 22. er nn et i a rn nenn in a ze 111 oder in sehr schneller Folge succedan in vier Tochterkörper theilt, zwi- schen denen dann Zellscheidewände sichtbar werden, so zwar, dass die Theilungsrichtungen radial vom Centrum gegen die Wand der Mutterzelle verlaufen (Fig. 3). Hierauf tritt eine weitere Theilung dieser Zellen ein durch Scheidewände, welche in dem gleichen Sinne verlau- fen, und während dies geschieht, beginnen die Zellen in dem Centrum der Rosette, in welchem sie alle mit sehr spitzen Winkeln zusammen- stossen, etwas von einander zu weichen und so die Eröffnung des Gan- ges zu bewirken (Fig. 4). Sobald dies der Fall ist, tritt beim Durch- schneiden Milchsaft aus der Oeffnung hervor. Der Inhalt der Wand- zellen besteht noch immer lediglich aus einem etwas stärker als in den übrigen Zellen lichtbrechenden Protoplasma. Durch das Millon’sche Reagens färbt sich dasselbe ziegelroth und zwar etwas intensiver, als das Protoplasma der übrigen Parenchymzellen, in denen dasselbe um diese Zeit bereits dünner wird, während Stärkekörnchen auftreten. DieWandzellen haben nun ihre Theilung eingestellt, erleiden aber noch eine Zeit lang ein gewisses Wachsthum, namentlich der der Peripherie des Kanales parallelen Wände, wodurch der Kanal erweitert wird. Ihre Zahl dürfte 6 oder 8 nur selten überschreiten; die höheren Zahlen, welche Unger !) angiebt, beziehen sich auf die von ihm fälschlich für Milchsaftgänge gehaltenen weiten Luftkanäle in den Gefässbündeln, welche v. Mont 2) schon längst als solche bezeichnet hatte. Das Proto— plasma nimmt dann auch in den Wandzellen ab, und noch ehe das Blatt seine volle Grösse erreicht hat, sind diese Zellen von Protoplasma gänzlich entleert, sie enthalten nur noch eine wasserhelle, keinerlei Formelemente einschliessende Flüssigkeit und bleiben bei Behandlung mit dem Millon’schen Reagens ganz farblos. Die Membranen sind noch wie Anfangs höchst dünn und wölben sich in die Höhle vor. Mit dieser Beschaffenheit der Wandzellen steht es auch hier wiederum im Ein- klange, dass bei Blättern von halbwegs vorgerückter Grösse oder gar bei ausgewachsenen nach dem Durchschneiden nur geringe oder kaum a, 4) lc. p. 28. 2) Vermischte Schriften, p- 149. 112 merkliche Mengen von Milchsaft sichtbar werden, während bei jungen Blättern bis etwa zu Zollgrösse sich binnen kurzer Zeit auf der Schnitt- fläche ein Milchsafttropfen ansammelt. Die Blüthenschäfte verhalten sich ebenso. IL Die Gummibehälter der Linden, Marattiaceen und Cycadeen. Nach Kızser !), welcher alle Saftbehälter für erweiterte Intercel- lulargänge erklärte, soll man unter der letzten Knospe des Zweiges von Tilia die Entstehung der Gummikanäle aus Intercellulargängen sehr deutlich sehen, doch haben dieselben in seiner citirten Figur (lc. Fig. 84) bereits einen grösseren Durchmesser als die umgebenden Zel- len. Meyer 2) äussert sich ebenfalls dahin, dass die Gummigänge durch Auseinandertreten von Zellreihen, also durch Erweiterung eines Inter- cellularganges, ohne Verletzung von Zellmassen, entstehen. Diese An- sichten wurden später von ScuLsipen®) und v. Mont 4) reprodueirt. Morren 5) stellte eine wirkliche entwickelungsgeschichtliche Unter- suchung an, nur ging er nicht auf den frühesten Zustand zurück. Im ganz jungen Blattstiel sei der Gummigang von Cycas revoluta ein ein- facher Hohlraum zwischen wenigen mit Stärkemehl erfüllten Zellen. Die Fig. 10, auf welche er hierfür verweist, stellt jedoch eine bereits geräumige, von sieben Zellen umgebene Höhle dar. In einem Blattstiele, dessen Blattfläche schon die schneckenförmige Knospenlage besitzt, fand er eine den Gang auskleidende Wand kleinerer und mit wenig Stärkemehl erfüllter Zellen, die im alten Blattstiel ihre Zahl vergrössert 4) Mémoires sur l’organisation des plantes. Harlem 1812. p. 107. Ueber - Secretionsorgane der Pflanzen. Berlin 4837. P. 48, 22. m w rw ) ) E ) l ) 5 ae ne Yacad. de Bruxelles. Tom. VI. 2 (1839). p. 145—446. Je 113 und dickere Wände erlangt hatten, während ihr Stärkemehl für die Verdickung der Zellmembran verbraucht worden war. Diese aus eigen- thümlichen Zellen gebildete Wand scheint Morren für eine spätere Neu- pildung zu halten, mit welcher sich die ursprüngliche Lücke inwendig auskleide). Nach Harrına 2) ist der erste Anfang der gummiführenden Kanäle im Parenchym der Marattiaceen schwer direct zu beobachten, weil sie einen farblosen Saft führen, und weil ihre umgebenden Epi- thelzellen Anfangs die gleiche Grösse besitzen wie die übrigen Zellen, und man sie nicht eher erkenne, als bis dieser Unterschied auftritt. Immer aber bemerke man, dass sie sich noch theilen, wenn die Thei- lung in den übrigen Zellen schon zu Ende ist. Er ist daher der An- sicht, dass die für andere derartige Saftbehälter angenommene Ent- stehungsweise auch hier Geltung habe. Wicann 3) glaubt sich dagegen bei den Cycadeen überzeugt zu haben, dass die Gummikanile aus einer Reihe von Zellen entstehen, und das Gummi theils schon als Inhalt dieser Zellen vorhanden ist, theils aus der Verflüssigung der Zellwände hervorgeht. Die Gummibehälter der Linde sind nicht von eigenthümlich gestalteten Zellen umgeben, sondern Héhlungen im gleichmässigen Parenchym. Sie finden sich in der Rinde und im Marke des Stammes, in grösserer Menge aber in den Stipulis und in den Knospenschuppen, und in letzteren ist auch ihre Entstehung leicht zugänglich. In den jugendlichen Knospenschuppen liegen in dem Gewebe dünnwandiger, protoplasmaführender Parenchymzellen an einzelnen Stellen Gruppen ebenfalls dünnwandiger, meist schon etwas grösserer Zellen, die durch ihren wasserhellen, nicht durch Protoplasma oder Formelemente ge- trübten Inhalt sich auszeichnen, der sich durch seine Gerinnbarkeit in Alkohol als Gummi zu erkennen giebt. Ich halte dieses Gummi nicht für eine frühzeitig erzeugte mächtige aufquellbare Verdickungsschicht der Membran, sondern für den Inhalt der dünnwandigen Zelle; denn Aa a 0 5 4) le. p. 447. 2) Monographie des Marattiacées. Leide et Dusseldorf 4853. p. 38, 42. 3) Ueber die Desorganisation der Pflanzenzelle. Pringsh. Jahrb. III. p. 450. Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 8 114 in noch früherem Zustande sieht man die letztere, wenn sie eben be- ginnt an ihrem grösseren Durchmesser erkennbar zu werden, noch mit Protoplasma erfüllt, und dieses wird in dem Maasse spärlicher, der Zellsaft in dem Maasse klarer, als die Zelle sich vergrössert t). Im wei- tern Verlaufe der Entwickelung werden die Zellen und ihr Gummigehalt entsprechend grösser (Fig. 5), die Membranen aber, mit denen diese Zellen unter sich und mit dem umgebenden Zellgewebe zusammen- stossen, erleiden eine theilweise Auflösung, und zwar wahrscheinlich eine Umwandlung in Gummi, denn man sieht die so entstandenen Gummibehälter gewöhnlich noch von Resten der primären Membranen, die stellenweise in die allgemeine Gummimasse verfliessen, durchzogen (Fig. 6). Auch in den völlig ausgebildeten Knospenschuppen sind sehr häufig noch solche Spuren der Membranen der ursprünglichen Zellen zu finden. Die Anzahl der nebeneinander stehenden Zellen, aus deren Zerstörung der Hohlraum hervorgeht, ist schwankend: gewöhnlich fin- den sich mehr als zwei, bisweilen ist es aber auch nur eine einzige rings von gewöhnlichem Parenchym umgebene Gummizelle, die durch mehr oder minder fortgeschrittene Resorption ihrer Membran die Be- deutung einer Zelle mehr oder weniger mit der eines intercellularen Behälters vertauscht hat. Die Gummibehälter im Stamme sind nur durch die in der Richtung des Stammes vorwiegende Ausdehnung von den vorigen verschieden, stimmen aber in Bezug auf ihre Entstehung mit ihnen ganz überein. Die der Rinde erleiden nicht selten noch eine fortgehende Erweiterung, indem eine Anzahl umgebender gewöhnlicher Rindezellen ebenfalls unter Gummibildung zerstört wird. In den Wedeln von Angiopteris evecta Hoffm. finden sich zweierlei Arten von Gummikanälen : in der unter der Epidermis liegen- 4) HARTIG en des Pflanzenkeimes. Leipzig 4858. p. 38) hatte angegeben, dass in den »Schleimzellen« des Markes und der Rinde von Tilia die ee in einem weichen schleimigen Zustande verharren. Durch Alkohol solle sich die Schleimmasse an die Zellwand zurückziehen. Ich habe nur Obiges beobachten können. PER 115 den Zone aus dickwandigen langgestreckten spindelförmigen Zellen pestehenden Gewebes steigen senkrechte mit einem dicken Gummi er- füllte Kanäle empor, welche nur von den Zellen des allgemeinen Ge- webes umgeben sind. Das übrige, aus dünnwandigen Parenchymzellen gebildete und die Gefässbündel enthaltende innere Gewebe ist durch- zogen von im Allgemeinen senkrecht, häufig auch schief verlaufenden, oft verzweigten und anastomosirenden Gummigängen, deren Wände aus einer Schicht kleinerer, dünnwandiger, mit convexen Wänden in die Höhle vorragender, isodiametrischer Zellen gebildet werden. Die Entwickelung der ersterwähnten peripherischen Gummigänge beginnt damit, dass in dem zartwandigen protoplasmahaltigen Gewebe des jungen Wedels eine Zelle eine beträchtlichere Grösse als die um- gebenden erreicht, indem während des Wachsthumes die letzteren noch fortfahren sich zu theilen, während erstere eine weitere Theilung nicht mehr erfährt (Fig. 7g). Sehr bald füllt sich dann die grössere Zelle mit einem braungefarbtem Gummi, während das Protoplasma und der Zellenkern der Beobachtung entzogen werden. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung erleiden nun diese in Reihen angeordneten Gummi- zellen eine Desorganisation der Membranen und nehmen so die Natur von Intercellularkanälen an. Die Zerstörung der Seitenwände erfolgt Hass bisweilen nur un so dass man im ausgebildeten Wedel nicht 8) selten noch Reste derselben an den den Kanal umgebenden Zellen be- merkt (Fig. 8a). Auch die im inneren Gewebe enthaltenen von eigenthümlichen Zellen umschlossenen Gänge beginnen ihre Entwickelung mit einer ein- fachen Zelle, die aber durch keinen Grössenunterschied von den übri- gen Parenchymzellen ausgezeichnet ist. Daher lässt sich dieselbe unter den letzteren nicht eher herausfinden, als bis sie ıhre ersten Theilungs- Processe eingeht. Man sieht dann auf Querschnitten im Gewebe zer- Streut rundliche Zellen, welche die übrigen an Grösse kaum über- treffen, aber durch eine Querwand in zwei Tochterzellen getheilt sind, deren Inhalt: bereits eine weitere Zweitheilung vorbereitet oder mehr oder weniger schon erlitten hat (Fig. 9). Sobald sich diese vier Tochter- zellen zeigen , beginnen auch ihre im Centrum der ursprünglichen 8* 116 Mutterzelle zusammentreffenden Wände sich nach dieser Richtung hin abzurunden und somit daselbst von einander zu weichen. Der dadurch erzeugte intercellulare Raum ist der Anfang des Gummiganges, es tritt auch um diese Zeit bereits Gummi auf Querschnitten aus ihm hervor. Jene Zellen sind nun zu Wandzellen des Behälters geworden, sie ent- halten * reichliches Protoplasma und hin und wieder ein vereinzeltes Stärkekörnchen;, das übrige Gewebe enthält dagegen neben Protoplasma viel Stärkemehl. In Folge des ferneren Wachsthumes des allgemeinen Gewebes erleidet auch der Intercellularkanal eine Erweiterung unter fortgehender Theilung seiner Wandzellen. Letztere hört jedoch in kur- zer Zeit auf, sobald die Zahl der Wandzellen bis auf etwa 8 oder 10 gestiegen ist. Auch ein Wachsthum dieser Zellen dürfte dann kaum noch stattfinden, die zunächst angrenzenden Zellen des allgemeinen Parenchyms sind es, welche durch ihr Wachsthum den Kanal noch bis zu einem gewissen Grade erweitern, während die Wandzellen stellenweise von einander gerückt oder mehr flach gezogen werden. So findet man es bereits in dem Stiele junger Wedel, die eben ihre Aufrollung beginnen (Fig. 10). Das übrige Zellgewebe hat zu dieser Zeit um ein Geringes dickere Membranen erhalten und sein Zellinhalt besteht nur noch aus wässeriger Flüssigkeit, während die kleinen Wandzellen die ursprüngliche Zartheit ihrer Membranen beibehalten, ihren Inhalt aber auch bis auf geringe Protoplasmareste mit wasserheller Flüssigkeit vertauscht haben. Im ausgewachsenen Wedel endlich sind die Wandzellen gewöhnlich zusammengefallen, undeutlich und offenbar gänzlich abgestorben, daher Harrıng t) den Gummikanälen der Wedel das »auskleidende Epithel« ganz abspricht. Im Farnstocke, dessen Wachsthum im Verhältniss zu dem des Wedels ausserordentlich gering ist, sind auch im ausgewachsenen Zustande die auskleidenden Zellen der Kanäle noch unversehrt erhalten. Die Entwickelung der Gummigänge der Cycadeen ist mir bis jetzt noch nicht zugänglich gewesen; da diese Organe aber mit den im innern Gewebe des Wedels von Angiopteris vorhandenen ganz gleichen Bau 4) 1. c. p. 47. ee ne 117 haben, so wird man wohl vorläufig bei ihnen dieselbe Entstehung wie hei diesen vermuthen dürfen. Das Gummi im Parenchym der Malvaceen, welches oft fälschlich als Inhalt von Intercellularkanälen betrachtet worden ist 1), ist die secundäre Membran besonderer Zellen (Vergl. Wicann, Desorganisation der Pflanzenzelle, Pringsh. Jahrb. III. p. 149, und meine Abhandlung iiber die anatomische Bedeutung und die Entstehung der vegetabili- schen Schleime, ebendaselbst V. p. 166). Bei der Gummikrankheit des Kirschbaumes findet man, wie Wicanp?) in einer sehr ausführlichen Untersuchung gezeigt hat, im Holze und im Baste der Aeste und Stämme mit Gummi erfüllte Hohl- räume, welche dadurch entstehen, dass die Zellhäute des Anfangs an diesen Stellen vorhandenen Gewebes in Gummi verwandelt werden. Ich habe den anatomischen Theil dieser Angaben bestätigt, auch gezeigt, dass bei Elaeagnus canadensis ganz dieselben Erscheinungen vorkom- men, zugleich aber nachgewiesen, dass ausser der Verwandlung von Zellmembranen in Gummi auch noch eine oft sehr beträchtliche Neu- bildung desselben auf Kosten der Nahrungssäfte der Pflanze stattfindet. In Bezug auf die Begründung dieses Satzes muss ich hier auf das Ori- ginal 3) selbst verweisen. 4) MeyEn, Pflanzenphysiologie p. 189; idem, Ueber die Secretionsorgane der Pflanzen p. 23. 2) l c. p. 124 ff. 3) Pringsh. Jahrb. V. p. 184 ff. 118 IH. Die Harzbehälter der Coniferen. - Während Linx t) die Harzkanäle in der Rinde von Pinus und die kleinen Harzbehälter in den Blättern von Thuja und Juniperus richtig als intercellulare Gebilde erkannte, und Treviranus?) sogar für die der Fichte die Entstehung aus Intercellulargängen vermuthete, schrieb Moıvexuawer 3) denen der Kiefer eine eigne Haut zu und liess in ihrer Umgebung harzführende Gefässe vorhanden sein, eine Angabe, deren erste Hälfte Trevıranus t) später bestritt, deren zweite er aber adoptirte. Die späteren Forscher hielten dagegen diese Organe steis für inter- cellular, und auch die Entstehung derselben wurde von den bedeu- tendsten Phytotomen der folgenden Zeit aus Intercellulargängen her- geleitet. Mryen®) beobachtete dies an Salisburia adiantifolia, doch lässt er die Erweiterung der Kanäle durch Hervortreten der hinter der an- fänglich den Kanal auskleidenden Zellschicht liegenden Rindezellen stattfinden 6), eine Angabe, welche v. Mout’) später dahin berichtigte, dass die Wandzellen ihre Entstehung einer in den auseinanderweichen- den Zellen eintretenden Theilung verdanken. Nur bei Görrerr°) findet sich eine entgegengesetzte Angabe: die Harzgänge seien Anfangs von einer eigenen Membran umgeben, diese zerreisse, das Harz fliesse in das Zellgewebe aus, und durch Erweiterung der umgebenden Zellen werde der Harzgang hergestellt. Ferner ist hier zu erwähnen eine Ab- 4) Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Göttingen 1807. p. 94 und 93. 2) Beiträge p. 52. 3) Beiträge p. 160. 4) Ueber den eignen Saft der Gewächse etc. Zeitschr. für Physiol. von Tiede- mann. 4. Band (1824) p. 450—451. 5) Phytotomie p. 191. 6) Ueber die Secretionsorgane p. 18. 7) Ueber die Gewinnung des venetianischen Terpentins. Bot. Zeit. 1859. p. 333. 8) De Coniferarum structura anatomica. Vratislaviae 4844. p. 15. FTO pildung, welche .Unger !) von den harzführenden Organen im Holze von pinus Cembra giebt, und welche »ein Bündel dünnwandiger, polyedri- scher oder prismatischer, der Achse paralleler Zellen« darstellt. Nach KarstEN2) setzt sich bei der Fichte die Harzbildung im Umfange der Harzgefässe unter Umwandlung der Zellmembranen in Harz oft über grosse Strecken des Holzes fort. Auch Wıcanp >) lässt das Harz durch Umwandlung von Zellmembranen entstehen, während das Terpentinöl in den sich auflösenden Zellen enthalten sei. Nach den Untersuchungen v. Monı’s®) sind verschiedenartige intercellulare Harzbehälter in den Geweben der Coniferen vorhanden, die wahrscheinlich auch in gene- tischer Hinsicht nicht alle mit einander übereinstimmen, eine Frage, deren Beantwortung vielleicht manche der vorstehenden Angaben auf- klären würde. In dieser Richtung verdienstvoll ist die Arbeit von Dırper 5), welche die verschiedenen Arten der Harzbehältnisse im Holze der Weisstanne untersucht. Die daselbst vorkommenden Harzgänge entstehen hiernach aus einem Holzparenchym, dessen mittlere Zellen aus ihrem Stärkemehl flüchtiges Oel erzeugen, und deren Membranen hierauf häufig aufgelöst werden, vielleicht ebenfalls unter Umwand- lung in Terpentinöl. Der Harzgang im Holze von Pinus sylvestris entsteht aus einer einfachen Reihe übereinanderstehender Cambiumzellen. Auf Querschnitten durch die Gambiumschicht sieht man, dass die Mutter- zelle des Harzganges mit anderen Cambiumzellen in einer der radia- len Reihen steht, welche sich aus dem Holzkörper durch die Cam- biumschicht in den Bast erstrecken. Indem die umgebenden Zellen zu- sammengedrückt werden, erhält die Mutterzelle frühzeitig einen grösse- ten Durchmesser und eine im Umkreise runde Gestalt. Sie enthält Protoplasma und theilt sich sehr zeitig durch rechtwinklig sich kreu- zende Längsscheidewände in vier Tochterzellen, welche, sobald ihre meee MODIS 44 4) Anatomie und Physiologie der Pflanzen. p. 20 oe a Entstehung des Harzes etc. Bot. Zeit 1857. p. 316. Ey Br 1859. No. 39 und 40. 5) Bot. Zeit. 1863. p. 255—258. 2 3) 1. ) ) 120 Membranen gebildet sind, am gemeinsamen Berührungspunkte ausein- anderweichen (Fig. 117%), worauf sie sich nach dieser Seite hin ab- — runden. Kurze Zeit darauf findet man in dem so entstandenen Inter- cellularkanale Harz. Diese Vorgänge folgen sich so rasch, dass, wenn die Verholzung der benachbarten Cambiumzellen bis an den rindewärts gelegenen Rand des Harzkanals fortgeschritten ist, die Bildung des Ka- nales vollendet ist. Die einwärts vorspringenden parenchymatischen = Wandzellen bleiben für immer zartwandig, aber auch die das letztere Gewebe zunächst umgebenden länger gestreckten, mit mehr oder we- niger schiefen Querwänden versehenen Zellen behalten im fertigen Zu- stande unverholzte dünne biegsame Membranen. Daher kann sich das Harz in dem Kanale unter einem gewissen Drucke befinden, von wel- chem das Ausfliessen desselben auf Querschnitten Zeugniss giebt. Auch im ausgebildeten Zustande findet sich in den Wandzellen lediglich Protoplasma, welches nur spärlicher und durch wässerige Flüssigkeit verdünnter geworden ist; niemals ist Harz in ihnen enthalten. Bisweilen, namentlich in besonders kräftig ernährten Sprossen, verwandeln sich die beschriebenen Harzkanäle in grössere harzführende Höhlen. Zunächst erfüllen sich die umliegenden Holzzellen und Mark- strahlzellen mit Harz, welches wohl Erzeugniss des Zelleninhaltes ist, darauf verschwinden die Membranen dieser Zellen, es bildet sich eine mit Harz erfüllte Höhle. Jene Membranen werden daher wahrscheinlich in Harz umgewandelt. Aehnlich mag der Vorgang wohl auch bei den massenhaften Harzbildungen in den Kiefernstämmen sein. Die unter der Epidermis verlaufenden Harzkanäle im Blatte von Pinus sylvestris sind von einem doppelten Kreise besonderer Zellen umgeben. Der äussere besteht aus bastfaseriihnlichen, an 2” langen, verschmälert endigenden Zellen, deren Membranen bis nahe zum Verschwinden des Lumens verdickt sind, der innere den Kanal selbst bildende Kreis aus den gewöhnlichen sehr dünnwandigen, kur- zen Parenchymzellen, welche papillenartig in die Höhle vorragen und auch im ausgebildeten Zustande noch eine gewisse Menge körnigen Protoplasmas enthalten. Auf dem Querschnitte durch ein sehr junges Blatt zeigt sich, dass auch hier die ganze Schicht der secernirenden 121 Wandzellen aus einer Mutterzelle hervorgeht, welche, sobald sich das Blattparenchym mit Chlorophyll erfüllt, als eine völlig farblose, durch stark lichtbrechendes Protoplasma helle, runde Zelle sichtbar wird, die von der Epidermis durch eine Lage grüner Zellen getrennt ist. Hierauf witt sehr rasch eine Theilung in vier Tochterzellen ein, welche sofort nach ihrer Bildung in der Mitte von einander zu weichen beginnen und so einen Anfangs noch sehr engen Intercellularkanal eröffnen, der nun binnen Kurzem Harz in sich erscheinen lässt. Durch weitere Theilung der Wandzellen mittelst radialer Scheidewände wird die Anzahl der- selben bis auf etwa acht erhöht und der Kanal noch um einiges erwei- tert. Zuletzt verlieren die etwas weiteren Zellen des nächstäusseren Kreises ihr Chlorophyll und erfüllen sich mit Verdickungsschichten. — In Fig. 12 ist die gleiche Entwickelung dieser Organe aus den jugend- lichen Knospenschuppen der Laubknospe von P. sylvestris dargestellt. Die Entstehung der Harzkanäle in der Rinde von Pinus sylvestris ist der eben beschriebenen im Wesentlichen gleich. Sie erfolgt etwa gleichzeitig mit der Anlage des Gefässbündelkreises, nur erfüllt sich das Rindeparenchym erst nach der Bildung der Kanäle mit Chlorophyll, und die um die Wandzellen stehenden Zellen sind nicht in der dem Blatte eigenthümlichen Weise ausgebildet, sondern stellen einen Uebergang von den letzteren zu denen des allgemeinen Rinde- parenchyms dar; auch erreicht die Theilung der Wandzellen höhere Grade und der Kanal in Folge dessen einen grösseren Durchmesser 1y Bei den grossen rundlichen Harzbehältern in den Blatt- kissen der Thujaoccidentalis ist der Nachweis der Entstehung schwieriger, weil hier die Zellen der Wände keine wahrnehmbare Ver- schiedenheit von den übrigen zeigen und daher erst dann als solche erkannt werden können, wenn sie bereits ein Harztröpfchen um- schliessen, von welchem es dann nicht mehr klar ist, ob es inter- cellularen oder intracellularen Ursprungs ist. Ich beobachtete jedoch Enam u cae fe 1) Nach Homrister (Pflanzenzelle p. 259) sollen dagegen die Harzgänge in den chlorophyllhaltigen Theilen von Pinus durch Zerstörung balsamführender Zellen entstehen, welcher Vorgang von ihm sogar genau beschrieben wird. Es muss hier eine sehr flüchtige Beobachtung vorliegen. 122 Zustände, in welchen dieses Tröpfchen kleiner war als irgend eine Zelle des Gewebes und von etwa linsenförmiger Gestalt zwischen den um- gebenden Zellen eingeschlossen war (Fig. 13), so dass es mir im höch- sten Grade wahrscheinlich ist, dass auch hier die Entstehung des Be- hälters auf einem Auseinanderweichen von Zellen beruht. — Im Jugend- zustande ist der Harzbehälter von ungefähr isodiametrischen, jedoch, wie die nächstäusseren, gegen den Behälter etwas abgeflachten, dünnwandigen und reichlich mit Protoplasma und einer Spur Chloro- phyll versehenen Zellen umgeben. Zuletzt werden die Zellen der Sei- tenwände in Folge des Längenwachsthums des Internodiums beträcht- lich verlängert, die der oberen und unteren Wölbung der Wand an- gehörigen behalten ihre nahezu isodiametrische Form. Da auch bis zur völligen Ausbildung die zunächst die Höhle begrenzenden Zellen einen Unterschied von denen der folgenden Schichten nicht erkennen lassen, so ist es auch nicht ohne Weiteres entschieden, ob auch bei der Ver- grösserung des Harzbehälters jedwede Resorption von Zellen aus- geschlossen ist. Da jedoch in allen Entwickelungszuständen seine Wand durch fest aneinanderschliessende unversehrte Zellen glatt und ohne irgend eine Spur in der Zerstörung begriffenen Gewebes erscheint, so dürfte auch hier die Vergrösserung des Behälters lediglich auf Rechnung des Wachsthumes der umgebenden Zellschichte zu setzen sein. Im Baste älterer Stämme von Thuja occidentalis finden sich senkrecht aufsteigende, grosse Strecken durchlaufende, kanalförmige harzführende Höhlen von rundlichem Querschnitt aber ver- schieden grossem Durchmesser. In den jüngeren Theilen des Bast- körpers, dessen charakteristische regelmässige Zusammensetzung hier als bekannt angenommen werden mag, fehlen sie gänzlich ; sie ent- stehen nur in demjenigen älteren Baste, welcher noch in voller Lebens- thätigkeit sich befindet. Sonst ist ihre Stellung an keine feste Regel gebunden. Irgend welche Structureigenthümlichkeiten, durch welche etwa die zukünftigen Harzbehälter vorgezeichnet wären, finden sich nicht. Die Entstehung dieser Organe beginnt damit, dass eine oder mehrere beisammenstehende Parenchymzellen sich mit Harz erfüllen. Dasselbe ist als Product des Inhalts dieser Zellen zu betrachten, denn 123 nach Entfernung des Harzes mittelst Alkohol erscheinen die Zellmem- pranen noch unversehrt, und im Innern der Zellen auch wohl noch stiekstoffhaltige Substanzen und Stärkekörnchen. Solche Harzbildung Jässt sich an vielen Stellen beobachten, in eigentlichen Bastzellen sowohl als ganz besonders in Markstrahlzellen. Veranlassung zu einer Kanal- pildung wird dieselbe, wenn sie in einer dem zukünftigen Gange ent- sprechenden Ausdehnung erfolgt. Dann schreitet dieser Vorgang im Umkreise weiter fort, und in gleichem Maasse werden im Inneren die Zellmembranen aufgelöst. Der so gebildete Behälter ist mit Harz erfüllt, welches gewöhnlich durch zum Theil noch unversehrte Membranen in einzelne mehr oder weniger zusammengeflossene Portionen zertheilt ist. Entfernt man das Harz durch Alkohol, so bleiben jene Membranenreste stehen ; die dickwandigen Bastfasern, welche der Auflösung am längsten widerstehen, werden von aussen nach innen desorganisirt, sie erschei- nen oft noch mitten im Behälter bald unversehrt, bald äusserlich corro- dirt, bald nur noch in undeutlichen, ihr enges Lumen umgebenden Resten. Die Substanz der Zellhäute wird wahrscheinlich auch in Harz übergeführt, unter welchen chemischen Processen stehe dahin. Dass aber hierbei sicher an zusammengesetztere Vorgänge zu denken ist, als an eine directe Umwandlung von Zellstoff in Terpentinöl, geht aus Fol- gendem hervor. Stets befindet sich das den Kanal zunächst umgebende, also der Desorganisation zunächst entgegengehende Gewebe in einem von dem übrigen Baste abweichenden Zustande. die dünnwandigen Zellen haben auffallend dünnere und schwächer lichtbrechende, darum undeutlichere Membranen, während dafür die Höhle derselben stick- stoffhaltige körnige Substanzen und Stärkemehl in beträchtlich grösserer Menge als das umgebende Gewebe, dabei aber noch keine Spur von Harz enthält. Der Anfang der Harzbildung ist also jedenfalls im Zelleninhalte zu suchen und die weitaus grösste Menge desselben als ein Product dieses Theiles der Zelle zu betrachten, aber auch die Substanz der Membranen wird, nach der eben angeführten Thatsache zu urtheilen, zunächst wenigstens theilweise in Form einer löslichen Verbindung ünter transitorischer Stärkebildung in den Zelleninhalt aufgenommen. 124 IV. Die Behälter ätherischen (eles. Die vorzüglich den vegetativen Organen angehörigen kugelrunden Behälter ätherischen Oeles wurden von den ältesten Anatomen unter dem unklaren Namen »Drüsen« mit vielerlei anderen Gebilden zusam- mengeworfen, und selbst in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts war man noch wenig mit ihrer wahren Natur bekannt 1). Nur MiRBEL?) zeigte, dass die kugeligen Behälter eigenthümlichen Saftes in der Rinde von Ptelea trifoliata Höhlungen seien; sie würden Anfangs von einem feineren und zarteren Gewebe als die umliegenden Theile ausgefüllt; dasselbe zerreisse später fast immer und gebe die Veranlassung zur Entstehung der rundlichen Höhlung — ein Irrthum, der seine Erklä- rung in der Verwechselung der hinteren Wand des Hohlraumes mit einem ausfüllenden Gewebe findet. Kieser 3) legte zuerst mit Bestimmt- heit den Oelbehältern im Blatte von Citrus Aurantium und Hypericum perforatum eine intercellulare Natur bei und schrieb ihnen eine Ent- stehung aus Intercellulargängen zu. Erst Meyen‘) gab dieser Ansicht nochmaligen Ausdruck, und nach ihm dürfte wohl Linx) der einzige gewesen sein, welcher die Oelbehälter in den Blättern der Rutaceen, Myrtaceen und von Hypericum noch für Zellgruppen ausgab. Wo aber diesen Organen eine Entstehung aus Intercellulargängen zugeschrieben wird, wie zuerst bei Kieser, später bei v. MosL‘), da dürfte das wohl nur ein Schluss nach Analogie sein; von einer Entwickelungsgeschichte existirt bis jetzt selbst nicht ein Versuch. 4) Vergl. Trevmanus, Beiträge zur Pflanzenphysiologie, p. 47. — MOLDEN- HAWER, — etc., p. 162. — Scuurz, Die Natur der lebendigen Pflanze. Berlin 4823, p. 674—675. — DECANDOLLE, Physiologie "et p. 286. 2) Exposition et défense etc. p. 179. Fig. 2 3) Mémoires sur l'organisation des plantes. soiled 1842. p. 107. 4 oo Vorlesungen pr = Kräuterkunde. Berlin 4843. p. 450. ) ) ) Ueber die Secretionsorgane der Pflanzen. Berlin 4887. p. 55—57. ) 6) Veget. Zelle. p. T A d P U a a ee o O O u 125 Die rundlichen Behälter ätherischen Oeles in den Blät- tern von Myrtus communis liegen zum grössten Theile unter der Epidermis der Oberseite, spärlich auf der Unterseite. Da sie nicht alle gleichzeitig , sondern innerhalb einer gewissen Periode während des Jugendzustandes der Blätter nacheinander entstehen, so finden sich in jungen Blättern von 4—2?" Länge alle ihre Entwickelungsstadien ver- einig. Auf Schnitten, welche in der Richtung der Blattfläche die Epi- dermis nnd die an diese grenzende grüne Zellschicht von der Oberseite solcher Blätter abheben, lassen sich diese Zustände am vortheilhaftesten sichtbar machen. Das erste Stadium ist eine runde, wie die übrigen dünnwandige, aber chlorophylllose, mit körnigem Protoplasma reichlich erfüllte Zelle von etwas grösserem Durchmesser als die grünen Zellen. Dieses Organ wird bedeckt von zwei halbrunden, mit den geraden Scheidewänden aneinander grenzenden Epidermiszellen, welche, wie Querschnitte durch das Blatt erweisen, etwa um die Hälfte flacher sind als die übrigen Oberhautzellen, so zwar dass ihre äussere Wand in der Ebene der Epidermisoberfläche liegt. Auch im ausgebildeten Zustande, wo die übrigen Epidermiszellen ihre charakteristischen geschlängelten Seitenwände angenommen haben, sind jene Verhältnisse noch diesel- ben. In jungen Blättern von der bezeichneten Grösse finden sich ferner Zustände, an denen zunächst das Protoplasma der Mutterzelle des Con- ceptaculums in vier Tochterkörper zerfallen erscheint (Fig. 14 A), zwi- schen denen schon mehr oder weniger deutliche Scheidewände sichtbar sind. Betrachtet man diese Entwickelungszustände auf Querschnitten durch das Blatt, so lassen sie ebenfalls zwei rechtwinklig sich kreu- zende Scheidewände erkennen. Somit erfolgt die Theilung der Mutter- zelle in drei gegen einander rechtwinkligen Richtungen; in welcher Folge oder ob überhaupt nachweisbar ungleichzeitig, bleibe dahin- gestellt. So entstehen acht Tochterzellen von kugeloctandischer Gestalt, alle mit ihren Scheiteln im Centrum der früheren Mutterzelle zusammen- treffend und mit letzterer in ihrer Beschaffenheit genau übereinstim- mend. Wenn diese Vorgänge vollendet sind, so erscheint alsbald im Mittelpunkte zwischen den Membranen der dort zusammenstossenden, Nun zu Wandzellen des Behälters werdenden Tochterzellen die erste 126 Spur ätherischen Oeles; auch zwischen denjenigen Theilen der nun- mehr fast einen Halbkreis beschreibenden Scheidewände, mit denen diese Zellen seitlich einander berühren, tritt vom Centrum gegen die Peripherie fortschreitend ätherisches Oel auf, gleichsam als Intercellular- substanz dieser ganzen Zellgruppe (Fig. 14 B). Hierauf wird nun durch Wachsthum des umgebenden Gewebes das ölerzeugende Organ ver- grössert; die Wandzellen, von denen die eine oder die andere hierbei bisweilen noch eine Theilung erleidet, werden in der Richtung der Peripherie des Behälters ausgedehnt, ihre Anfangs halbkreisförmig vor- springenden Membranen verlieren mehr und mehr ihre Wölbung, die Gestalt der Zellen wird immer flacher. Mit der dadurch erzielten Vergrösserung des Intercellularraumes geht eine Vermehrung des darin enthaltenen Secretes Hand in Hand. Während dieser die Ausbildung des Oelbehälters beschliessenden Vorgänge nimmt die Dichte des Proto- plasmas in den Wandzellen allmählich ab; diese sind schliesslich nur noch mit einem wässerigen, verdünnten Protoplasma erfüllt; die Mem- branen sind wie Anfangs dünnhäutig; die Gestalt der Zellen ist sehr flach gedrückt. — Eine äusserlich am unverletzten Blatte leicht zu be- obachtende Erscheinung erklärt sich nun aus der hier gegebenen Ent- wickelungsgeschichte der Oelbehälter. Betrachtet man unverletzte junge Blätter von der oben angegebenen Grösse im durchfallenden Lichte unter Glycerin, so geben sich die Oelbehälter an ihrem helleren Aus- sehen zu erkennen, und auch das in ihnen enthaltene Oel ist in Gestalt eines kugeligen Tröpfchens von starkem Lichtbrechungsvermögen sicht- bar. In der Grösse dieser Tröpfchen lassen sich bei einigem Suchen leicht alle Uebergänge von der kleinsten eben sichtbaren Grösse bis zum grossen Tropfen auffinden. Die kleinsten Tröpfchen liegen in den kleineren hellen Stellen, die grössten in den grossen, fertigen Behäl- tern. Somit würde sich mittelst dieses ‘einfachen Versuches an den durchstochenen Blättern irgend einer Pflanze mit ziemlicher Sicherheit die etwaige gleiche Entstehungsweise ihrer Oelbehälter constatiren lassen. So finde ich in den ganz jugendlichen Blättern von Hyp ert= cum perforatum, an denen die erforderlichen Flichenschnitte sich gar nicht ausführen lassen würden, auf die eben angegebene Weise 127 ganz dieselben Erscheinungen, ja die Epidermis ist hier durchsichtig genug, um sogar die in verschiedenem Grade auseinander gewichenen farblosen Wandzellen des Behälters deutlich erkennen zu lassen. (Fig. 154, B). Den letztgenannten Organen ist daher die gleiche Ent- stehung wie denen von Myrtus zuzuschreiben. Die kugelrunden Behälterätherischen Oelesin der Rinde von Ptelea trifoliata gehen zur Zeit, da die Internodien noch ganz kurz sind, ebenfalls aus einer Mutterzelle hervor, welche sich durch beträchtliche Grösse von den übrigen Rindezellen unterscheidet. Sie enthält wie die übrigen in dieser Entwickelungsperiode ein dichtes feinkörniges Protoplasma. Querschnitte zeigen etwas später den Proto- plasmakörper in vier Portionen gesondert, welche alsbald in der Mitte von einander zu weichen beginnen, während sie sich mit einer sehr dünnen Membran umkleiden (Fig. 167); auf diese Weise bildet sich zwischen diesen Zellen der Hohlraum, der sich nun alsbald mit flüch- tigem Oele erfüllt zeigt. Alles Gewebe ist auch in dieser Periode noch protoplasmareich, nur sind die nunmehrigen Wandzellen des Behälters und etwa noch die folgende Zellschicht farblos und sehr dünnwandig, während sich in den übrigen Rindezellen bereits Chlorophyll eingefun- den hat und die Zellwände etwas dicker geworden sind. Bis zum fer- tigen Zustande vermehren sich die vorhandenen Wandzellen nur noch wenig, ihr Protoplasma wird etwas dünner, die Zellwände bleiben dünnwandig, und ihre freien Theile sind in der charakteristischen Weise gegen die Höhle vorgewölbt. Die Oelbehälter in den Umbelliferenfrüchten wurden von Decannore !) als Höhlungen im Zellgewebe betrachtet, welche da- durch entstanden seien, dass das Secret dem Zuge seiner Schwere fol- gend sich durch das zarte Gewebe Bahn breche 2). Meven 3) hielt sie für Intercellularkanäle , auf welche er die schon oben. bei den Milchsäft- kanälen von Rhus“ mitgetheilte Vorstellung der Entstehung ebenfalls bezog: Den Versuch einer wirklichen Entwickelungsgeschichte dieser u ŘŮ 1) Mémoires sur la famille Ne Ombelliferes. Paris 4829. p. 44. 2) Physiologie végétale, p. 289. 3) Ueber die en der Pflanzen, p. 18. 128 Organe hat dagegen Jocumann 1) gemacht. Nach ihm entstehen die Vittae kurz vor der Blüthezeit als Intercellularkanäle und sind Anfangs von wenig Zellen umgeben, welche später in grösserer Anzahl auftreten sollen. Hierfür wird auf Fig. 17 der genannten Arbeit verwiesen, in welcher jedoch der Intercellularkanal schon entstanden und ziemlich geräumig ist, so dass sich daraus noch nichts Bestimmtes über seine Entstehung ergiebt. Wıcanp?) endlich sagt, ihm schiene der Balsam in diesen Organen durch Auflösung von Zellen zu entstehen. — Zur entwickelungsgeschichtlichen Untersuchung der in Rede stehenden Organe dienten mir Carum Carvi, Pastinaca sativa und Heracleum Sphondylium. Alle zeigten folgendes Uebereinstimmende. Schon vor dem Oeffnen der Blüthe sind auf Querschnitten durch den unter- ständigen Fruchtknoten die späteren Oelkanäle vorgezeichnet durch rosettenförmige Gruppen rundlicher Zellen, welche durch ein etwas stärker lichtbrechendes, mehr oder weniger gelblich gefärbtes dichtes Protoplasma von den übrigen gleichfalls Protoplasma führenden Zellen unterschieden sind und daher bei Behandlung des Schnittes mit dem Millon’schen Reagens intensiver roth gefärbt werden als das übrige Ge- webe. An vielen dieser Zellen bemerkt man Theilungen durch Scheide- wände, welche gegen den Mittelpunkt der Zellgruppe gerichtet sind. Es ist daher nicht zu zweifeln, dass die letztere überhaupt aus einer Mutterzelle auf diese Weise hervorgegangen ist. Bei allen drei Pflanzen ist es nun auffällig, dass sich diese Zellen bis zu einer beträchtlichen Anzahl vermehren können, ohne dass sie zu einem Intercellularkanale auseinander treten. Sie berühren sich daher nicht alle in einem Punkte, wie es sonst bei den Saftbehältern Regel ist, sondern sind auf dem Querschnitte in zwei an den Enden verbundene an einander liegende Reihen geordnet, welche der Aussenfläche des Ovariums parallel laufen (Fig. 17). Nach dem Verblühen tritt nun das erste Oel zwischen beiden Zellreihen auf, die dadurch erst zur Bildung eines Zwischenzellraumes von einander getrieben werden. Hier ist also nicht die Vermehrung der 4) De umbelliferarum structura et evolutione nonnulla, p. 20. 3) 2126 129 späteren Wandzellen, sondern die Entstehung des Oeles zwischen ihnen die nächste Ursache der Erzeugung des Intercellularkanales, ähnlich wie zwei aufeinander liegende Papierstreifen ohne eine Vergrösserung ihrerFlächen durch Annäherung der beiden Enden auseinanderweichen müssen. Die Vermehrung der Wandzellen dauert hierauf so lange fort als das befruchtete Ovarium noch an Grösse zunimmt, und vergrössert daher die Vittae in der Richtung des Umfanges des Ovariums. Auch in dieser Periode besitzen die Wandzellen noch ihre anfängliche Be- schaffenheit: sie sind dünnwandig, reichlich mit Protoplasma erfüllt und grenzen mit seicht convexen Wänden an den Intercellularkanal. Im Reifezustande sind sie dagegen zu einer dünnen braunen Schichte vertrocknet, welche eine Zellenstructur nicht mehr erkennen lässt. Die Saftbehälter in den Früchten von Hedera Helix sind weite Intercellularkanäle, welche den Basttheilen der das Frucht- fleisch durchziehenden Gefässbündel angehören. Sie enthalten ein Ge- menge aus einem schleimigen Gummi und einem ätherischen Oele. Das letztere hängt an den Wänden in zahlreichen grossen Tropfen, welche vom Gummi umhüllt werden und bei ihrer Entfernung durch Alkohol das letztere in Form eines feinen, der Grösse der Tropfen entsprechen- den Netzwerkes zurücklassen. Wasser macht es aufquellen und ver- schwinden. Die Entwickelungsstadien, welche ich untersuchte, reichten bis kurz nach dem Abblühen zurück; in diesem Zustande fanden sich noch Gefässbündel, in denen die Bildung des Kanales eben begann. Das Gefässbündel hat dann seine ersten Gefässe ausgebildet. Ich fand in der Mitte des Bastbündels eine Rosette von vier mit etwa halbkreis- formigen Membranen gegen einander gerichteten und im Mittelpunkte etwas auseinander gewichenen, wie die übrigen dünnwandigen Zellen, welche ein dichtes Protoplasma und nicht undeutlich je einen Zellen- Kern enthielten. In dem zwischen ihnen gebildeten Hohlraume war bereits ein kleines Oeltrépfchen in etwas schleimiger Flüssigkeit vor— handen (Fig. 18). Auch diese Organe entstehen also als Intercellular— singe. Die Ausbildung der letzteren zu den weiten Kanälen geschieht dann wiederum dadurch, dass die Wandzellen sich durch radiale Scheidewände theilen, die Tochterzellen aber immer wieder zur Grösse Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 9 130 der Mutterzellen heranwachsen. Zugleich bilden sich die aussen zu- nächst angrenzenden Zellen zu einem von dem umgebenden eigent- lichen Parenchym des Fruchtfleisches verschiedenen Gewebe aus: wäh- rend jenes seine rundlichen Zellformen annimmt und sich mit seinen eigenthümlichen Stoffen (fettes Oel, Farbstoffe etc.) erfüllt, enthalten diese Zellen allein Protoplasma und theilen sich ausser durch radiale auch durch der Peripherie des Kanales parallele Wände. So erzeugt sich um den Kanal eine allmählich bis auf etwa sechs Zellschichten an Mächtigkeit zunehmende Gewebsscheide von kleinen, gegen den Kanal abgeflachten, protoplasmahaltigen Parenchymzellen, welche denen der eigentlichen Kanalwand ganz gleichen. V. Die Kanäle in den Gefässbündeln monokotyledoner Pflanzen, der Equisetaceen und der Nymphäaceen. Die erste hierher gehörige Angabe ist die Beobachtung BERNHARDTS !), dass in den Ringgefässen des Maisstengels die Ringe meist nur an einem Punkte befestigt sind, mit den übrigen Theilen aber von der Wand völlig frei im Gefässe liegen, wobei jedoch die Anwesenheit einer Haut im Umfange des die Ringe einschliessenden Raumes, von welcher sich die letzteren nur losgerissen hätten, angenommen wird?). Dagegen wurde diesen Organen ihre wahre Bedeutung zugleich mit der Angabe ihrer Entstehung schon bei Kızser 3) zuerkannt, wo es heisst: »ım alten Maisstengel, wo sich das Zellgewebe um die ringförmigen Gefässe oft zu einer Lücke erweitert, in welcher die einzelnen Ringe locker hän- gen«, und (l. c. p. 94): »Bei manchen Monokotyledonen, z. B. Zea Mais, und bei Commelyna erecta, bilden sich unregelmässige Luft- 4) Ueber Pflanzengefässe. Erfurt 1805. p. 28. Fig. 7, 8, 10. 2) l. €. p. AA. 3) Phytotomie. Jena 1815. p. 89. 131 pehälter aus den Ringgefässen.« Meven t) bildete diese Kanäle auf einem Stammdurchschnitte von Potamogeton natans ab und beschrieb sie als ‘kleine cylindrische Kanäle, welche von langgestreckten parenchyma- tischen Zellen gebildet werden und wahrscheinlich Luft führen. Auch pei Zea Mais hat er dieses Organ gesehen und gedenkt dabei des Man- gels jeglicher die Ringe umschliessenden Haut?). Unabhängig von die- sen Angaben zeigte v. MonL®), dass die weiten für Gefässe gehaltenen Röhren in den Gefässbündeln von Scirpus lacustris, Cyperus Papyrus, Sagiltaria sagittifolia und Alisma Plantago intercellulare Kanäle seien, theilte jedoch nichts über ihre Entstehung mit. Ferner giebt Trécut 4) an, dass bei Nuphar luteum die Spiralgefässe eingeschlossen sind in der Mitte einer sich erweiternden Lücke und später in derselben ganz ver- schwinden. Endlich zeigte Caspary®), dass der Intercellularkanal im centralen Gefässbündel von Anacharis canadensis seine Entstehung der Resorption eines ursprünglich daselbst vorhandenen, durch Ringstücke verdickten Gefässes verdankt. Er hält es ferner für wahrscheinlich, dass den Gefässbündelkanälen in den Internodien von Zannichellia pa- lustris und von Potamogetonarten (praelongus, natans, lucens) ®) sowie denen von Najas”) die gleiche Entstehung zukommt. Später gab Cas- parys) noch an, dass auch im Blüthenstiel von Butomus umbellatus und im Luftstamme von Tradescantia virginica, Cyperus Papyrus, Scirpus marilimus, Phragmites communis ein Strang von ring- und schrauben- förmig verdickten Zellen sich in eine cylindrische Lücke umwandele. Nach den hier vorliegenden neueren Beobachtungen und Ver- muthungen würde bei allen genannten Pflanzen der Gefässbündelkanal einem und demselben Vorgange, nämlich der Resorption der Anfangs seine Stelle einnehmenden Gefässe seine Entstehung verdanken. Die Unter- ) Fig. 4 hh. ) Neues System der Pllanzenphysiologi I. pi-297. 3) Vermischte Schriften. p. 4 \ ) ) 4) Ann. des sciences nat. 3. sér. Y. p. 8347—3149. Pl. 42. Fig. 45—418. 5) Die Hydrilleen. Pringsh. Jahrb. I. p. 439—440. 8) l..e. cher die Gefässbündel der Pflanzen. Monatsber. der königl. Akad. der Wissensch. zu Berlin. 40. Juli 1862. p. 458. 9%* 132 suchungen, die ich an Pflanzen aus fast allen monokotyledonen Familien angestellt habe, haben gezeigt, dass es drei verschiedene Arten der Entstehung dieser Kanäle giebt. 1. Anacharis canadensis. Im centralen Gefässbündel des Stammes und in den Querzweigen desselben, welche in den Knoten nach den drei quirlständigen Blättern verlaufen, erscheint frühzeitig ein transitorisches durch Ringstücke ver- dicktes Gefäss, welches die Mitte des ganzen Gefässbündels einnimmt. Um dieses Gebilde in seiner ganzen Ausdehnung zu beobachten und sich von der sehr rasch vorübergehenden Existenz desselben zu über- zeugen, bringt man eine von den älteren Blättern möglichst befreite Knospe in mässig verdünnter Schwefelsäure und mit einem Deckglase bedeckt unter das Mikroskop. Es zeigt sich dann, dass diese Bildung nur auf etwa vier dem Vegetationspunkte vorhergehende Internodien beschränkt ist. Im jüngsten derselben erweist sich das Gefäss durch das allmähliche Verschwinden der Ringstücke nach aufwärts als eben in der Entstehung begriffen, und in dem diesem Internodium voran- gehenden Knoten sind nur erst die untersten Zellen der drei Gefäss- zweige mit Ringstücken verdickt. Im nächst älteren, längeren Inter- nodium sind die Ringstücke auf der ganzen Länge desselben fertig, und auch im zugehörigen Knoten sind die folgenden Ringstückzellen der nach den Blättern laufenden Aeste ausgebildet. Doch sieht man in der Mitte des Internodiums die Verdickungsstücke etwas von einander gerückt und etwas schwächer lichtbrechend als die übrigen. Im dritten abermals längeren Internodium sind sie an den beiden Enden noch un- verändert erhalten, gegen die Mitte zu nehmen sie aber unter Vergrösse- rung ihrer Distanzen rasch an Deutlichkeit ab, und eine beträchtliche Strecke in der Mitte des Internodiums ist ganz frei von ihnen. Im vier- ten Internodium ist endlich alles verschwunden. Es liegt also hier in der That eine Resorption eines Gefässes vor, und zwar tritt dieselbe hiernach stets mit dem Längenwachsthume des Organes ein. Daher bleiben auch die Gefässe der transversalen Aeste im Knoten zumeist erhalten, weil das Wachsthum des Stengels in ihrer Längsrichtung un- 133 pedeutend ist. Querschnitte durch ein Internodium in diesem Ent- wickelungszustande zeigen, dass das centrale Gefäss mit Flüssigkeit erfüllt ist, welche Gaspary t) ebenfalls bemerkt hat, und die wohl als der Träger der Resorptionswirkung zu betrachten ist. Mit dem Un- deutlichwerden der Verdickungsstücke erfahren die das Gefäss zunächst umgebenden, rosettenartig gestellten langgestreckten Zellen eine Ver- mehrung durch Theilung mittelst senkrechter radialer Scheidewände. Auf diese Weise erhält der durch die Auflösung des Gefässes entstan- dene Intercellularkanal einen grösseren Durchmesser. Im centralen Gefässbündel von Najas marina ist vor der Entstehung des Intercellularkanales in den jungen Internodien kein solches Gefäss wie bei Anacharis zu beobachten. Das Gefässbündel besteht durchweg aus engen langgestreckten dünnwandigen Zellen mit horizontalen oder etwas schiefen Querwänden, und der centrale Gang entsteht aus einer einfachen Reihe solcher Zellen, indem die Membranen der letzteren sich auflösen. In Folge der Vermehrung der umgebenden Zellen erhält der Kanal bei weiterer Entwickelung einen grösseren Durchmesser. Das Uehereinstimmende mit Anacharis liegt also darin, dass eine die Längs- achse des Gefässbündels einnehmende Reihe von Elementarorganen durch Auflösung der Membranen sich in einen Intercellularkanal um- wandelt, das Abweichende darin, dass diese Elementarorgane hier noch ehe sie zu einer Gefässbildung gelangt sind, die Desorganisation erlei- den. Von einer Entstehung des Kanales durch Resorption eines Ge- fässes kann also hier streng genommen nicht gesprochen werden. Von den übrigen untersuchten Monokotyledonen gehört keine weiter zu diesem, die überwiegende Mehrzahl derselben vielmehr zum = Typus. 2. Hydrocharis Morsus ranae. Der Stamm und die Blätter dieser Pflanze enthalten in den Gefäss- bündeln einen Intercellularkanal, welcher wie der von Anacharis aus kreisförmig gestellten , langgestreckten dünnwandigen Zellen gebildet a er ea 1) 1. ©. p. 489, 134 wird und mit Flüssigkeit, die nur hin und wieder eine Luftblase ent- hält, erfüllt ist. An der Stelle dieses Kanales steht in jugendlichen Or- ganen ein mit Saft erfülltes Ringgefäss, das erste, welches in dem jun- gen Gefässbündel auftritt, und welches unter Schwefelsäure betrachtet als eine Reihe spindelförmiger Zellen sich darstellt, welche mit ihren verjüngten, Ringe von abnehmendem Durchmesser enthaltenden Enden an einander liegen, daher man auch häufig auf Querschnitten durch Blattstiele nicht wie gewöhnlich einen, sondern zwei nebeneinander liegende kleinere Ringe findet. Bald vermehren sich nun die ringsum stehenden Zellen durch Theilung mittelst radialer Längsscheidewände (Fig. 19), so dass der Durchmesser des von ihnen umschlossenen Ka- nales grösser wird als der des darin enthaltenen Ringes. Zu gleicher Zeit schreitet auch das Längenwachsthum des ganzen Organes lebhaft fort. Auf diese Weise wird das Gefäss in einen Intercellularkanal um- gewandelt, und die Ringe werden weit von einander entfernt, aber nicht resorbirt. Man kann sich hiervon überzeugen, wenn man die- selben in Organen von verschiedenen Altersstadien durch Behandlung von Stücken derselben mit Schwefelsäure aufsucht. Blattstiele können hierzu nicht benutzt werden, weil sie ausserhalb der Kanäle noch un- versehrte Gefässe mit ganz ähnlichen Ringen enthalten. Im centralen Gefässbündel des Blüthenstieles und der die Hibernakeln tragenden Stiele finden sich dagegen ausser zwei in gleicher Weise aus Ringzellen entstehenden Intercellularkanälen keine ringförmig verdickten Elemente weiter, welche mit jenen verwechselt werden könnten. Im ganz jungen, kurzen Hibernakelstiele liegen die Ringe noch in ziemlich kleinen Distanzen. In einem Stiele von 7,15” Länge fand ich ihre Entfernung bereits 0,13”; in einem älteren, etwa dreimal längeren, nahezu aus- gebildeten betrug auch der Abstand der einzelnen Ringe durchschnitt- lich das Dreifache des vorigen, und in einem etwa viermal längeren waren die Ringe wiederum entsprechend weiter von einander entfernt. Es leuchtet ein, warum man unter diesen Umständen auf Querschnitten ausgewachsener Organe in der Regel keine Ringe innerhalb der Kanäle zu Gesicht bekommt. Von einer Entstehung dieser Kanäle durch Re- sorption kann hiernach keine Rede sein. Zwar ist die primäre Membran ‘ 135 der Ringgefässe zeitig verschwunden, allein das ist eine allgemeine Er- scheinung aller Ring- und Spiralgefässe, die ein bedeutendes Längen- wachsthum erlitten haben. Nur derjenige Vorgang kann als Ursache der Entstehung des Kanales betrachtet werden, welcher bewirkt, dass der Durchmesser des von der umstehenden Zellschichte eingeschlosse- nen Raumes grösser wird als der der Ringe. Potamogetonnatans enthältim centralen Gefässbündel des Stam- mes mehrere Intercellularkanäle. In jungen Internodien fehlen sie; an jeder Stelle, wo sie später erscheinen, stehen hier die ersten Ringgefässe gruppenweise in ziemlich beträchtlicher Anzahl, an der Stelle der grösseren Kanäle bis zu zwanzig. Bei fortschreitender Entwickelung vergrössert sich der Kreis der umgebenden Zellen in Folge der Ver- mehrung derselben durch Theilung mittelst radialer Scheidewände und des Wachsthums der so gebildeten Zellen. Dadurch wird diese Gefäss- gruppe in ihrer Mitte oder anderwärts zerrissen oder weicht an einer Stelle von dem umgebenden Gewebe zurück (Fig. 20). So entsteht ein ziemlich geräumiger Intercellularkanal, an dessen Wänden die Ringe jener Gefässe einzeln oder gruppenweise haften. Auch im erwachsenen Internodium ist dies noch deutlich, nur erscheinen wegen der beträcht- lichen Verlängerung des ganzen Organes die Ringe auf Querschnitten weniger zahlreich als im jugendlichen Zustande. Im ausgebildeten Stamme sind die den Kanal bildenden Zellen noch eng, langgestreckt und dünnwandig. Der Inhalt des Kanales ist wässerige Flüssigkeit mit Luftblasen untermengt. | Der Gefässbündelkanal von Alisma Plantago und Sagittaria sagittifolia entsteht gleichfalls dadurch, dass das älteste oder ge- wöhnlich mehrere beisammen stehende älteste Ringgefässe und bis- weilen auch einige zartwandige Zellen von einer Schichte langgestreckter dünnwandiger Zellen rings umgeben sind, welche in Folge beträcht- licher Vermehrung einen weiten Intercellularkanal eröffnen (Fig. 24 A, 0). Diese Zellen sind auch im ausgebildeten Zustande dünnwandig, nur an den Kanal grenzen sie mit etwas verdickten Membranen. An den Wän- den desKanales aber sieht man hin und wieder die Ringe der ursprüng- lichen Gefässe hängen (Fig. 21 B); auf der Längsansicht stehen sie in 136 weiten Entfernungen von einander. Der Gang enthält hier Luft von Anfang an, so dass wohl schon aus diesem Grunde schwerlich an eine Resorption der Gefässringe gedacht werden könnte. Nach Unger!) sollen diese Kanäle bei Alisma gleichfalls Milchsaft führen. Dieser Irrthum ist erklärlich durch den Umstand, dass die Milchsaftgänge des inneren Gewebes um die Gefässbündel vereinigt stehen, und ihr ausfliessender Saft auf Querschnitten leicht in jene Höhle dringen kann. Stellt man an eingetrockneten Pflanzen den Querschnitt her, so findet man immer den Gefässbündelkanal leer, nur die Milchsaftgänge durch den ein- getrockneten Milchsaft schwarz. Bei Scirpus lacustris liegt der Luftkanal in dem einwärts gekehrten Theile des Gefässbündels an der Stelle, wo im jugendlichen Zustande das erste oder gewöhnlich die ersten Ringgefässe entstehen. Diese sind um diese Zeit von zartwandigen Gefässbündelzellen umstellt, welche in der gewöhnlichen Weise in Folge ihrer Vermehrung einen immer grösseren Raum zwischen sich erzeugen und desshalb aus dem Verbande mit den Ringgefässen treten, deren dicke Ringe dann im aus— gebildeten Zustande auf Längsschnitten in weiten Entfernungen von einander an den Kanalwänden hängend gesehen werden. Rindewärts grenzt dann derKanal an die den übrigen Gefässen verwandten engeren Elementarorgane des Gefässbündels; an den übrigen Stellen hat sich das umgebende Gewebe zu der Gruppe bastfaserartiger langgestreckter dickwandiger Zellen ausgebildet, welche hinten das Gefässbündel halbmondförmig umgiebt. Die unmittelbar an den Kanal grenzenden Zellen dieses Gewebes sind aber einseitig verdickt: die Wände, mit denen sie an einander und an den Kanal stossen sind dünn, die ab- gekehrten an die übrigen Zellen grenzenden Membranen sind wie die der letzteren bastartig verdickt. — Ganz dieselbe Beschaffenheit haben die Gefässbündelkanäle aller übrigen von mir untersuchten Cyperaceen. Gewöhnlich kann man sich noch im ausgebildeten Zustande der Pflanze die Entstehung derselben veranschaulichen. Die Gefässbündel sind 4) Das System der Milchsaftgänge in Alisma Plantago. Denkschriften d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. Wien 4857. p. 28." 137 meist in verschiedenen Grössen vorhanden, und dem entsprechend finden sich auch ununterbrochene Uebergänge vom unversehrten Ring- gefässe, dessen Ringe ringsum von Gewebe umgeben werden, bis zum geräumigen, mit den Ringen der ursprünglichen Gefässe erfüllten Luft- kanal. In den hier beschriebenen, wie in den meisten übrigen Fällen wird der Kanal von den Zellen des Gefässbündels allein gebildet. Als ein Beispiel, wo auch die Zellen des Markes an der Herstellung desselben betheiligt sind, führe ich Tradescantia Lyoniian. Die grösseren Gefässbündel des Stengels zeigen hier an der Stelle der ersten ein- warts gelegenen Ringgefässe einen weiten, schon mit unbewaffnetem Auge erkennbaren Luftkanal, welcher ringsum bis auf die gegen die Rinde zu schauende Seite von dem allgemeinen grosszelligen, dünn- wandigen Markparenchym umgeben ist. Das Gleiche ist auch in den grösseren Gefässbündeln des Stammes von Anthericum Liliago der Fall. Die Ringe der ursprünglichen Gefässe findet man auch bei diesen Pflan- zen im ausgebildeten Zustande in entsprechenden Entfernungen von einander in den Kanälen unverändert erhalten. 3. Sparganium ramosum, Ein mit keinem der beiden bisher geschilderten Typen überein- stimmender Vorgang liegt der Entstehung der Luftkanäle in den Ge- fässbündeln von Sparganium ramosum zu Grunde. Bei Typha angusti- folia findet man in den Gefässbündeln des Blattes keinen Luftgang, sondern nur ein sehr weites leiterförmig verdicktes, wohlerhaltenes Gefäss, umgeben von langgestreckten, dickwandigen, nur an das Gefäss mit dünnen Membranen grenzenden Zellen. Bei Sparganium ist der Sachverhalt im Allgemeinen ebenso; aber in den grösseren Gefäss- bündeln ist die Erweiterung des Leitergefässes durch das Wachsthum des umgebenden Gewebes so weit getrieben worden, dass die ver- hältnissmässig dünne Gefässwand bis zum Undeutlichwerden sich aus- gedehnt und vertheilt hat, so dass man nur bisweilen und stellenweise noch eine undeutliche Zeichnung derselben, oft aber gar keine Spur einer Membran mehr wahrnimmt. „Dann ist das Gefäss zu einem in 138 Bezug auf seine Wandzellen mit denen der Gyperaceen übereinstim- menden Intercellularkanale geworden. Es mögen hier noch einige Angaben über die Verbreitung von Ge- fässbündelkanälen unter den Monokotyledonen Platz finden. 4. Gramineae. Es beruht auf einem Irrthume, wenn Caspary!) angiebt, im Luftstamme von Phragmites communis sei ein Strang ring- - und schraubenförmig verdickter Zellen in eine cylindrische Lücke um- gewandelt. Im Stamme wie im Blatte besteht jedes Gefässbündel in seinem einwärts liegenden ältesten Theile aus zwei bis drei in radia- ler Richtung liegenden und rindewärts an Durchmesser zunehmenden Ringgefässen, welche von der an der Markseite liegenden halbmond- förmigen Gruppe bastfaserähnlicher Zellen eingeschlossen werden. Letztere stehen ringsum mit den dicken, in kurzen »-Zwischenräumen übereinanderliegenden Ringen in Berührung oder sind nur in wenigen Fällen kaum merklich von denselben zurückgewichen; nur in den grösseren Bündeln der Blätter ist die Höhlung, welche jene Zellscheide umschliesst, ein wenig grösser als der Durchmesser der Ringe, was als ein Anfang der Kanalbildung anzusehen ist. Ganz ebenso sind die Verhältnisse bei Leersia oryzoides, Phleum pratense, Poa fertilis, Tritt- cum vulgare, Hordeum vulgare, Elymus arenarius, Erianthus strictus. Eine ausgeprägtere Kanalbildung in den grösseren Gefässbündeln zei- gen dagegen Tripsacum dactyloides, Panicum Crus galli, Zea Mais. 2. Cyperaceae. Diese Familie scheint sich durch eine allgemein verbreitete sehr ausgezeichnete Kanalbildung in den Gefässbündeln von der vorigen zu unterscheiden. Wie Scirpus lacustris (s. o.) verhalten sich Carex sp., Scirpus sylvestris, maritimus, Heleocharis palustris, Eriophorum latifolium, Cyperus fuscus. 3. Xyris macrocephalus besitzt in den Gefässbündeln des Stammes und der Blätter Kanäle, welche mit denen der Gyperaceen ganz über- einstimmen. Dagegen fehlen bei Restio cinerascens in den hier über- 4) Ueber Gefässbündel, 1. c. p. 458. * 139 haupt sehr kleinen Gefässbündeln die Kanäle gänzlich, die ältesten Gefässe stehen in festem Zusammenhange mit dem umgebendem Ge- webe. 4. Aroideae. Bei Arum maculatum erzeugt sich kein Kanal in den Gefiissbiindeln ; wohl aber besitzen die grösseren Bündel von Acorus Calamus einen grossen Luftkanal, der in genetischer und anatomischer Hinsicht in nichts von dem der Cyperaceen verschieden ist. 5. Typhaceae. Ueber Typha und Sparganium vgl. p. 137. 6. Pandaneae. Im Blatte von Freycinetia sp. finde ich nur ein wei- tes wohlerhaltenes leiterförmig verdicktes Gefäss. 7. Dioscoreae. Dioscorea Elephantopus entbehrt der Kanäle. 8. Jrideae. Blatt und Stamm von Jris Pseud-Acorus enthalten keine Kanäle, nur weite unversehrte Gefässe. 9. Amaryllideae (Leucojum vernum), 10. Bromeliaceae (Tillandsia Leiboldiana Schldl., Annanassa sa- twa) und 11. Haemodoreae (Lanaria plumosa Ait., Velosia intermedia Seub.) entbehren der Gefässbündelkanäle. 12. Juncaceae. Luzula albida enthält zwar nicht im Blatte, wohl aber im Stamme Gefässbündelkanäle, auch Juncus conglomeratus zeigt in den grösseren Bündeln einen Anfang dieser Bildung. Die Kanäle stimmen in Bezug auf Entstehung, Stellung und umgebende Gewebe mit denen der Cyperaceen ganz überein. 13. Commelynaceae. Ueber Tradescantia Lyoni vgl. p. 137. 14. Melanthaceae. Tofieldia calyculata, Colchicum autumnale haben kanallose Gefässbündel. 15. Liliaceae. Bei Allium fistulosum, glaucum, Ornithogalum nutans | kommt diese Bildung nicht vor, wohl aber bei Anthericum Liliago (vgl. p. 137). 16. Smilaceae. Die Gefässbündel von Paris quadrifolia, Smilacina racemosa, Asparagus caspicus sind kanallos. 17. Palmae. Hier dürften, nach der vorhandenen Palmenanatomie zu urtheilen, Gefässbündelkanäle nicht vorkommen; von den Blättern von. Borassus flabelliformis kann ich dies selbst bestätigen. 140 48. Unter den Cannaceae besitzen Canna indica und commutata, und unter den 19. Musaceae Musa sapientum in den Gefässbündeln der Blätter nur ein sehr weites mit eng aufgewundenen Spiralleisten oder treppen- förmig verdicktes unverletztes Gefäss. 20. Orchideae. Auch hier habe ich an Orchis maculata, ` Epipactis latifolia, Listera ovata, Limodorum eburneum, veratrifolium Gefäss- bündelkanäle vergebens gesucht. 24. Najadeae. Ueber Najas marina vergl. p. 133. 22. Potamogetoneae. Potamogeton natans (nach Caspary noch an- dere Arten) mit mehreren saftführenden Kanälen im centralen Gefäss- bündel. 23. Alismaceae. Ueber Alisma Plantago und Sagittaria sagittifolia vergl. p. 135. 24. Butomeae. Im Blüthenstengel und in den Blättern von Butomus umbellatus enthalten die Gefässbündel einen weiten Luftgang, welcher mit dem von Alisma und Sagittaria übereinstimmt. Die ausgewachsenen Organe enthalten Gefässbündel von sehr verschiedenen Grössen, in de- nen sich alle Entwickelungsstadien der Kanäle auffinden lassen. 25. Hydrocharideae. Auch hier scheinen Gefässbündelkanäle all- gemein verbreitet zu sein. Beobachtet sind sie an Hydrocharis Morsus ranae und Anacharis canadensis und anderen Arten dieser Gattung nach CASPARY. Das Vorkommen der in Rede stehenden Organe ist nicht auf die Monokotyledonen beschränkt. Bei den Equisetaceen finden sich in dem markwärts liegenden Theile der Gefässbündel des Stengels luft- erfüllte Kanäle, welche schon von Biscuorr !) als solche dargestellt wor- den sind. Scuacnr2) hat, auf die Beobachtung Caspary's an Anacharis sich beziehend, die Vermuthung ausgesprochen, dass diese Luftgänge ebenfalls durch Resorption eines Gefässes entstehen, weil nur im jun- 4) Kryptogamische Gewächse. Nürnberg 4828. p. 34. 2) Lehrbuch II. p. 565. 141 gen Theile der Wurzel von Equisetum hiemale ein sehr weites centrales Spiralgefäss zu finden sei, dessen Anfangs sehr dicke Spiralbänder all- mählich dünner werden und zuletzt sammt der Querwand der Gefäss- zellen verschwinden sollen. Doch hat schon Bıscnorr !) gezeigt, dass die Wurzel von Equisetum hiemale nur einen centralen Gefässstrang enthält, von einem Kanale ist in demselben nichts zu finden; selbst das grosse centrale spiral- netzförmige Gefäss finde ich, auch in ganz alten Wurzeln, mit seinen dicken Bändern unversehrt erhalten. Im Stengel dagegen entsteht der von langgestreckten, ziemlich dünnwandigen Zellen des Gefässbündels eingefasste luftführende Kanal aus einer im jugendlichen Zustande an dieser Stelle vorhandenen Gruppe ringförmig verdickter Elemente wiederum dadurch, dass die umgebende Gewebs- scheide ihre Zellen in tangentialer Richtung vermehrt und so die Ge- fässe zum Auseinanderweichen veranlasst. Die Ringe der letzteren bleiben dabei an den Wänden des Kanales hängen und rücken in Folge des fortdauernden Längenwachsthumes des Stengels immer weiter aus- einander, sie kommen daher im ausgewachsenen Stengel nicht auf jeden Querschnitte zu Gesicht. Unter den Cryptogamen sind diese Kanäle auf die Equisetaceen beschränkt. Es sollen zwar nach Caspary?) bei Salvinia dergleichen in derselben Weise entstehen wie bei Anacharis, wofür Merrentus (Bei- träge zur Kenntniss der Rhizokarpeen, p. 46) als Autor citirt wird; es hat jedoch letzterer weder an der herbeigezogenen Stelle, noch irgend anderwärts dergleichen Kanäle bei Salvinia angegeben. Endlich sind auch unter den Dicotyledonen Beispiele von Gefäss- bündelkanälen bekannt. Trécut (s. oben) hat gezeigt, dass im Blatt- stiele von Nuphar luteum die Spiralgefässe eingeschlossen sind in der Mitte einer sich erweiternden Lücke; sie sollen stellenweise zerreissen, und die Enden solcher Stücke sich ringförmig umkrümmen, darauf die Fäden, welche so entstandene Ringe verknüpfen, resorbirt werden und letztere allein übrig bleiben — eine Vorstellung, welche auf der irrigen Ark cp. 35. 2) Ueber Gefässbündel, 1. c. p. 458. 142 Annahme einer Umwandlung von Spiralgefässen in Ringgefässe beruht und welcher offenbar nur die Beobachtung des gleichzeitigen Vorkom- mens von Spiralbändern, freien Ringen und durch Spiralbänder ver- bundenen Ringen in einem und demselben Elementarorgane zu Grunde liegt. Endlich aber sollen alle Spuren der Gefässe im Blattstiele gänz- lich verschwinden. Dasselbe zeigt nach Tr£cur t) auch der Blattstiel von Victoria regia, nicht aber der von Nelumbium. Auch nach Gaspary?) entstehen in den Blatt- und Blüthenstielen aller Arten von Nymphaea, Nuphar, Euryale, ebenso in den Internodien von Brasenia Kanäle durch Verschwinden von Spiral- und Ringgefässen. Die gleiche Entstehung schreibt Caspary auch den Gefässbündelkanälen von Aldrovandia vesi— culosa®) und Ceratophyllum demersum*) zu. Bei Nuphar luteum enthalten im jungen Blattstiele von einigen Linien Länge die Gefässbündel in ihrem centripetalen Theile eine Gruppe von Ring- und Spiralgefässen, umgeben von dünnwandigen Zellen, welche etwas weiter als die übrigen Gefässbündelzellen und in eine regelmässige Rosette um jene Gefässgruppe derart geordnet sind, dass ihre Seitenwände radial gegen die letztere verlaufen. Es entsteht dann wiederum in der beschriebenen Weise ein luftführender Intercellular— gang, umgeben von länglichen mit geraden oder wenig schrägen Quer- wänden versehenen, wässerigen Saft führenden Zellen. Auch hier fin- det man die Ringe und Spiralfasern der ursprünglichen Gefässe auf Querschnitten um so seltener, je ältere, längere Blattstiele man unter- sucht. Der Längsschnitt klärt wiederum den Sachverhalt auf: je länger der Blattstiel, in desto grösseren Entfernungen liegen die Verdickungs- _ stücke. Selbst im ausgebildeten Blattstiele von 8” Länge fand ich die Wände der Kanäle mit zahlreichen, und zwar völlig wohl erhaltenen, scharf umschriebenen, stark lichtbrechenden Ring- und Spiralfaser- stücken bedeckt. Das centrale Gefässbündel von Ceratophyllum demersum besteht in ) Ann. d. sc. nat. 4. ser. I. p. 451. ) Ueber Gefässbündel 1. c. p. 458. ) Bot. Zeit. 1859. No. 44. ) Pringsh. Jahrb. I. p. 383. 143 den jungen ganz kurzen Internodien allein aus engen langgestreckten dünnwandigen Zellen, wie das von Anacharis und Najas. Hier sind es aber mehrere den Mittelpunkt des Gefässbündels einnehmende neben einanderstehende Zellen, welche bereits in diesem Zustande, ohne dass charakteristische Verdickungsschichten gebildet werden, ihre Membra- nen resorbiren und so den centralen Intercellulargang herstellen. Cerato- phyllum würde sich also unmittelbar an Najas anschliessen. VI. Die luftfiihrenden Hohlräume des Parenchyms. Die luftführenden Hohlräume erklärte MimseL t) durch Zerreissung und durch Desorganisation des Zellgewebes entstanden. Linx?) legt ihnen ebenfalls eine Entstehung durch Zerreissung in Folge der Aus- dehnung der umliegenden Theile zu Grunde, unterscheidet aber die Luftbehälter der Wasserpflanzen als »zusammengesetzte Zellen«, deren Wände wiederum von kleineren Zellen gebildet seien). Doch liess schon Ruvorenı4) die Lücken bei manchen Pflanzen von Anfang an vor- handen sein; aber erst Treviranus 5) zeigte, dass sie zwar im Marke durch Zerreissung, im Gewebe der Wasserpflanzen aber aus Intercel- lulargängen entstehen. Dagegen sollten nach MoLDEnHAwEr 6) die Luft- lücken im Pisang und in den Blattstielen der Nymphäen Anfangs mit kleinen zarten Zellen, welche später einschrumpfen, erfüllt sein. Für die letzteren Pflanzen sprachen sich aber Scaurz”), Amıcı®) und Meyen °) 1) Traité d’anatomie et de physiologie végétale. Paris 4802. I. p. 73—75, 245. 2) Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Göttingen 1807. pP. 98—99 BG. p. 49. ee c. p. 454. 5) Beiträge p. 89. 6) Beiträge p. 7) Natur der lebendigen m Berlin 4823. p. 668. 8) Ann. d. s . Tom. I. (4824). p. 238 9) Neues ie p- 302. 144 wieder in Trevıranus’ Sinne aus; doch wurde eine Entstehung durch Zerreissung von Meven ausser für die Markhöhlen auch für die Luft- behälter in den Blättern von Pandanus, Sparganium, der Musaceen, von Carex und Phragmites, sowie in Equisetum und Hippuris angenommen 1)» Auch für die Luftgänge von Scirpus lacustris behauptete Meyen Anfangs die nämliche Entstehung ?), später aber hielt er sie, wie die eigentlichen Luftgänge überhaupt, für erweiterte Intercellularkanäle, und die darin enthaltenen Flocken sternförmiger Zellen für die Reste der zerrissenen Querwände?). Trécur 4) verfolgte die Entwickelung der Luftgänge im Blattstiele von Nuphar luteum; er sah im jugendlichen Zustande die engen Luftgänge umgeben von dreieckigen Zellchen, welche später zu den hexa- gonalen, in die verzweigten Haare auswachsenden Zellen heranwachsen, und von mit jenen abwechselnden zu drei an einander liegenden sehr schmalen Zellchen, den Anlagen der späteren Längswände. Von diesen drei Zellen glaubt er, dass sie ursprünglich aus einer einzigen durch Theilung hervorgehen. Nach Scauzıpen 5) entstehen geradezu alle Luft- behälter durch Zerstörung von Gewebstheilen, nach Kürzın« ®) sind die Gänge in Alisma Plantago, Acorus Calamus, Scirpus lacustris Anfangs mit Parenchym erfüllt, dessen Zellen später sternförmig und endlich aufgelöst werden, und Unser?) trennt die Luftgänge der Canna und der Equisetum-, Juncus- und Scirpusarten von den übrigen, als durch Zer- reissung, wie die Höhlen des Markes entstanden. In Nymphaea aber sollen nach Unser 8) die aus den Zellen hervorwachsenden Sternhaare die umgebenden Zellen zu einer Höhle auseinanderdrängen. Bei den Najadeen®) und bei Aldrovandia vesiculosa') beobachtete Casrary die 4) ees Br 206. — Harlemer Preisschrift p. 155, 457 — 158. — Neues ` System p. 314—3 ce ep. ) Ha rs es p- 157. 4) A . sc. nat. 3. ser. IV. p. 313. 5) a 3, Aufl. 1849. I. > 247 ff. 6) Philosophische Botanik I. p. 7) er und Rs ee et p. 204. wo 8) 1. ©. p. Fig en Jahrb. 4. ‚mi T 385. 40) Bot. Zeit. 1859. No. 145 Entstehung der Luftgänge im Parenchym durch Auseinanderweichen von Zellen. Das Mark der Stengel von Phragmitescommunis und von Cicuta virosa, sowie des Blüthenschaftes von Taraxacum offiein ale besteht im jugendlichsten Zustande aus isodiametrischen, dünnwandigen, wässerigen Saft und etwas Protoplasma mit Zellkern enthaltenden Zellen. Bei Phragmites hört das Wachsthum derselben bald auf mit der Zunahme des Längen- und Querdurchmessers des Internodiums gleichen Schritt zu halten; es weichen an zahlreichen von einander getrennten Punkten die Zellen auseinander, und die so entstan- denen lufthaltigen Zwischenräume kommen durch Fortschreiten dieses Processes allmählich zur Vereinigung. Dadurch entsteht ein grösserer Hohlraum, dessen Wände aus mehr oder weniger vorragenden Portio- nen des unregelmässig zerklüfteten ursprünglichen Gewebes gebildet sind. Die Zellen haben ihr Protoplasma zum grössten Theile und den Zellkern verloren und enthalten nur wässerige Flüssigkeit; manche, die nur noch mit einer kleinen Fläche dem Zellgewebe ansitzen, ent- halten keinen Zellsaft mehr und sind zusammengefallen. Cicuta unter- scheidet sich nur dadurch, dass die Trennung der Zellen an einem ein- zigen Punkte in der Mitte des Stengelgliedes beginnt, wesshalb die Zellen im Umkreise mehr vereinigt bleiben und in der Richtung der Höhlenwand bedeutend gestreckt werden, und der fertige Hohlraum statt von rundzelligen Flocken von einer Lage collabirten Gewebes aus- gekleidet ist. Im jungen Blüthenschafte von Taraxacum besteht das Mark aus fast kubischen, in regelmiissige Liingsreihen geordneten Zellen. Die Héhlenhildung wird dadurch bewirkt, dass die Zellreihen nicht vermehrt werden, während der Umfang des Stengels eine Vergrösserung erfährt; sie schreitet mit der letzteren von unten nach oben fort. Die Trennung der Zellreihen beginnt in der Mitte des Markes und erfolgt unregelmiissig, so dass die Höhle von verschieden weit vorragenden Reihen umgeben wird. Endlich zerreissen letztere selbst an verschie- denen Stellen, und ihre Fetzen verleihen der Höhlenwand eine unebene Beschaffenheit. In der Rinde der Equisetaceen liegt ein Kreis von Luft- Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 40 146 - kanälen, welche mit den Gefässbündeln alterniren. Im Knospenzustande besteht die Rinde aus gleichartigen Parenchymzellen, welche ein kör- niges Protoplasma mit Zellenkern und sehr kleine Stärkekörnchen ent- halten. Die an der Stelle des künftigen Luftkanales liegenden Zellen erhalten zunächst einen etwas grösseren Durchmesser als die übrigen, ohne dass sich ihr Inhalt entsprechend vermehrt, daher sie sich auch durch einen dünneren Inhalt auszeichnen. Indem nun diese Zellen an mehreren Orten etwas von einander und von den umgebenden Zellen zurückweichen, bilden sich mehrere weite Intercellulargänge (Fig. 22), welche erst durch fortgesetztes Auseinanderrücken jener Zellen zur Vereinigung kommen. Der so gebildete luftführende Hohlraum wird dann von den mehr oder weniger nach innen vorragenden, oft nur noch mit einer kleinen Fläche mit dem übrigen Gewebe zusammenhängenden ursprünglichen Zellen umgeben. Eine Veränderung findet dabei an diesen Zellen nicht statt, nur erscheinen diejenigen, welche nur durch eine kleine Fläche noch mit dem umgebenden Gewebe zusammen- hängen, oft zusammengefallen in Folge des Verlustes ihres Zellsaftes. Im Rhizome verschwinden. bei fortschreitender Ausbildung die ge- formten Inhaltsbestandtheile aus den Rindezellen, im Luftstamme er- füllt sich dagegen das die Kanäle umgebende Rindeparenchym mit Chlorophyll. In den Blattscheiden der Gramineen bildet sich das zwi- schen den parallel aufsteigenden Gefässbündeln liegende Parenchym zum grössten Theile in Luftlücken um, welche in gewissen Entfernun- gen von Querscheidewänden durchzogen werden, die aus mehreren Lagen Parenchymzellen bestehen und einen Gefässbündelquerast ent- halten. Die Entwickelung der Luftlücken stimmt genau mit derjenigen bei Equisetum überein; im ausgebildeten Zustande führen die Paren- chymzellen nur noch wässerige Flüssigkeit mit spärlichem Chlorophyll. In der Blattfläche unterbleibt aber die Bildung des Intercellularraumes, hier stehen an dessen Stelle noch die urspriinglichen weiten Zellen mit ziemlich derben, schwach getüpfelten Membranen und farblosem wäs- serigem Inhalte; die umgebenden kleineren Mesophylizellen sind da- gegen reichlich mit Chlorophyll versehen ; ein Uebergang zwischen bei- 147 den Zellenarten findet nicht statt). Bei den Carexarten sind die Ver- hältnisse dieselben, nur setzt sich die Bildung der Lufträume auch in die Blattfläche hinein fort, und nur gegen die Blattspitze zu bleiben die ursprünglich vorhandenen grossen farblosen Zellen auch im ausgebil- deten Zustande im gegenseitigen Verbande; man findet daher auch im fertigen Blatte die verschiedenen Entwickelungsstadien der Hohlräume neben einander. Ebenso sind auch die Verhältnisse in den Blättern von Luzula alba und maxima. Hieran schliessen sich die Hohlräume in den Stengeln und Blättern der Scirpus-Arten. Im jugendlichen Blüthenschafte von Se. lacustris besteht das Parenchym aus isodiametrischen Zellen mit farb— losem Protoplasma und deutlichem Nucleus. Später tritt eine Differenzi- rung derart ein, dass auf Querschnitten die zerstreut stehenden Gefäss- bündel unter sich durch Reihen länglicher Zellen verbundensind , wodurch ein Netzwerk in dem Parenchym entsteht, welches der Stellung der aus einfachen Zellschichten bestehenden Längsscheidewände im fertigen Stamme entspricht. Das übrige Gewebe besteht noch aus rundlichen Zellen, welche aber bereits den Anfang zur sternförmigen Gestalt zeigen und in der Folge immer ausgeprägtere Sternform annehmen ; endlich reissen in Folge ferneren Wachsthumes des Stammes die langgezogenen Strahlen theils unter sich, theils und vorzüglich von dem umgebenden Gewebe los. Der Zusammenhang mit den die Luftkanäle durchziehen- den Querwänden bleibt dagegen in der Regel unversehrt. Letztere be- stehen nämlich, wie bei den im Folgenden zu betrachtenden Lufträu- men der Wasserpflanzen, aus einer Lage fest verbundener tafelförmiger Zellen, und im vorliegenden Falle findet zwischen dieser Zellschicht und den in der Lufthöhle enthaltenen Sternzellen ein allmählicher Formübergang und festerer Zusammenhang statt. Daher haftet der grösste Theil jenes Gewebes an den Querwänden, und die Längswände Schieben sich wegen ihres starken Längenwachsthumes über dasselbe hinweg; nur stellenweise hängt auch eine Portion dieses Gewebes an den Längswänden, die daher keine durchgehends glatte Oberfläche 1) Vergl. auch Meyex, Harlemer Preisschrift, T. IV. Fig. 4 und 9. 40 * 148 besitzen. Die Sternzellen haben im ausgebildeten Zustande noch ihre ursprünglich dünnen Membranen, auch die Gestalt ist meist noch sehr deutlich erhalten, nur bisweilen mehr oder weniger verzerrt. Ebenso verhalten sich die Hohlräume in anderen Scirpusarten (Sc. maritimus, sylvestris), desgleichen bei Heleocharis palustris, Eriophorum latifolium ; auch gehören die Lufträume in den Blättern von Iris Pseud- Acorus hierher. In allen bisher beschriebenen Fällen war das Auseinanderweichen der Zellen des ursprünglich massiven Gewebes der einzige Vorgang, welcher die Bildung des Hohlraumes veranlasste; jene Zellen fanden sich auch im ausgebildeten Organe, wenn auch in ihrer Form bisweilen verändert, an den Wänden des Hohlraumes vor. Noch ein zweiter Vor- gang kommt bei Typha hinzu. Im Allgemeinen stimmt die Entwickelung der Luftlücken im Blatte von Typha latifolia mit der eben beschriebenen der Scirpusarten überein. Aber im Innern und namentlich an den Rän- dern des sternförmigen Gewebes finden sich langgestreckte, auf dem Querschnitte rundliche, ebenfalls dünnwandige Zellen, welche schon frühzeitig mit einem in Wasser rasch aufquellenden Gummi erfüllt sind, in welchem ein Bündel nadelförmiger Krystalle von kleesaurem Kalk ausgeschieden ist. Beim ferneren Wachsthume des Gewebes vergrössern sich auch diese Zellen, ihr Gummi vermehrt sich, und die Raphiden- bündel werden grösser. Wenn dann die Bildung des Luftbehälters durch Trennung der sternförmigen Zellen erfolgt, so werden die Mem- branen der Gummizellen zum grössten Theile in Gummi verwandelt. An den Wänden des Luftganges hängt dann nicht nur das zusammen- gefallene Gewebe der Sternzellen, sondern auch ein mehr oder weniger in Gummi desorganisirtes Gewebe in Form von Gummiklumpen, welche die Raphidenbündel enthalten. Hier ist also auch eine wirkliche Zer- störung einzelner Zellen, auf Resorption der Membranen beruhend, bei der Bildung des Intercellularraumes betheiligt. Aehnlich sind die Ver- hältnisse bei Sparganium ramosum, nur liegen hier die Gummizellen mehr vereinzelt und fast nur an den Wänden der Luftbehälter, wo sie in der Regel unversehrt und mit dem umgebenden Gewebe in Ver- bindung bleiben. Achnliche Schleim und Raphiden führende Zellen 149 fand Morren |) an den Querwänden der Luftgänge von Musa paradı- siacd. Die in Vorstehendem beschriebenen Luftbehälter kommen in ihrer Entstehung alle darin überein, dass dasjenige Gewebe, in welchem unmittelbar der Hohlraum gebildet wird, ein geringeres Wachsthum erleidet, als dasjenige, von welchem das genannte Gewebe eingeschlos- sen ist, und dass daher der Hohlraum von keiner glatten Wand um- geben ist. Das in den Wasserpflanzen so allgemein verbreitete »zusam— mengesetzte Zellgewebe« der alten Anatomen besteht dagegen aus ringsum glattwandigen Hohlräumen, indem die umgebenden Zellen sowohl in den Längs-, wie in den Querwänden in sehr regelmässigen Ebenen angeordnet sind und in der Regel nur einfache Zelllagen dar- stellen, deren jede somit immer zweiLuftlücken zugleich angehört. Die Entwickelungsgeschichte von Alisma Plantago, Sagittaria sagittifolia, Bulomus umbellatus, Hydrocharis Morsus ranae, Acorus Calamus, Limn- anthemum Nymphoides und von Potamogeton sp. lehrt, dass auch diese Behälter durch Trennungen im Zellgewebe zu Stande kommen. Die im jugendlichen Organe noch allseitig aneinander liegenden Zellen des Parenchyms erleiden, sobald das Wachsthum desselben beginnt, nur noch Theilungen in denjenigen Richtungen, welche die einschichtigen Zelllagen im fertigen Organe einnehmen und müssen daher nach allen übrigen Richtungen des Querschnittes von einander weichen. Es erhellt, dass sich für den letztgenannten Zelltheilungsprocess ein bestimmtes Gesetz feststellen lassen würde, wenn sich in der Ge- stalt und Grösse der Luftlücken eine Regelmässigkeit ausspräche. Eine solche existirt nun aber für die vorgenannten Pflanzen kaum, da sie sowohl in der Nähe der zerstreut stehenden Gefässbündel, als auch ge- gen die Oberfläche des Pflanzentheiles, wo die Gänge bis zum Ver- schwinden an Weite abnehmen, gestört erscheint. Dagegen wird sie in den geräumigen Blattstielen der Nymphäaceen von jenen allerdings auch vorhandenen Störungen nicht in dem Grade beeinflusst, dass sie sich der Beobachtung unzugänglich machen könnte. A) Bulletins de Yacad. Bruxelles, T. VI. 4. (4839) p. 488—189. Fig. 8. 40. 44, 150 Die Abbildung, welche Tr£cur !) von einem Querschnitte durch einen jungen Blattstiel von Nuphar luteum gegeben hat, lässt schon eine Regelmässigkeit der Zelltheilung vermuthen, wenngleich der Gang der- selben in dem Alter des untersuchten Blattstieles nicht mehr nach- gewiesen werden kann. Aufeinem Querschnitte durch ein ganz junges Blatt der Nuphar ad- m vena von etwa 1” Länge, an welchem die Blattstielanlage sich eben von der Blattfläche geschieden hat, erscheint das zarte Gewebe noch ohne Luft- kanäle (Fig. 23.4). Die Anlagen der Gefässbündel bestehen aus einer ge- ringen Anzahl kleinerer Zellen (f, f). Das Parenchym ist aus regelmässig verbundenen, unter einander gleich grossen, auf dem Querschnitte rhom— bischen Zellen zusammengesetzt, so zwar, dass die langen Diagonalen derselben im Allgemeinen derjenigen Linie parallel sind, welche von dem Blatte nach dem Mittelpunkte des Stammes gezogen gedacht wird. An den Eckpunkten, wo immer vier Zellen zusammentreffen (i), sind die Membranen stärker verdickt, und die Mitte dieser viereckigen Stellen ist manchmal schon von einem sehr engen Intercellulargang durch- brochen, dem Anfang des späteren Luftkanales. Hierauf theilt sich jede dieser Zellen durch eine Längsscheidewand, welche der kurzen Diago- nale entspricht, also dem Stamme parallel steht (Fig. 23 B). Es ist dabei nicht undeutlich, wie der Zellkern sich vor der Theilung des Proto- plasmakörpers auflöst, um sich dann in jeder der beiden Hälften wieder neu aus dem Protoplasma aufzubauen. Die so entstandenen ungefähr gleichseitig dreieckigen Zellen sind nun dieselben, welche im ausgebil- deten Blattstiele die Längskanten der polygonalen Hohlräume bilden und die bekannten verzweigten Haare entwickeln. Es nehmen nun also sechs Zellen an der Bildung der erwähnten Intercellulargänge Theil, deren Durchmesser jetzt beträchtlich zugenommen hat. Die Zelltheilung geht nun derart weiter, dass an den drei Seiten der dreieckigen Zellen durch Längsscheidewände, welche den Seitenwänden parallel sind, je eine sehr schmale rectangulire Tochterzelle erzeugt wird, so dass die noch immer dreieckigen Mutterzellen nicht mehr durch eine einfache Scheide- 4) Ann. d. se. nat. 3. ser. IV. Pl. 12. Fig. 44. 151 wand, sondern durch zwei tafelformige Zellen von einander geschieden sind, deren schmale Wände sich alsbald ein wenig verbreitern, wodurch der Intercellulargang eine abermalige Erweiterung erfährt. Kurz darauf wiederholen die Mutterzellen diesen Vorgang noch einmal, so dass sie dann durch vier tafelförmige Zellen von einander getrennt sind. Eine weitere Zellbildung in diesem Sinne erfolgt nun nicht mehr; in den enger bleibenden Kanälen der äusseren Theile des Blattstieles tritt nur eine einmalige Zelltheilung, oder eine solche auch nur einseitig an der einen Mutterzelle ein. Hiermit ist die Zahl der die Intercellularkanäle umgebenden Zellen, wenigstens im Innern des Blattstieles, auf dreissig gestiegen. Bei dem starken Wachsthume, welches nun in der Folge simmtliche Zellen erleiden, werden die dreieckigen Mutterzellen hexa- gonal und die tafelförmigen Scheidewandzellen quadratisch, indem die- jenigen Wandtheile, mit denen diese Zellen an die Luftkanäle grenzen, das intensivste Wachsthum erleiden. Auf diese Weise erhalten dann dieLuftkanäle die ausserordentliche Weite, welche sie im ausgebildeten Blattstiele besitzen. Es ist selbstverständlich, dass während der ganzen Entwickelung neben den geschilderten Zelltheilungsprocessen auch Theilungen aller Zellen durch horizontale Querwände erfolgen, wodurch keine Aenderung in den Zellgruppirungen auf dem Querschnitte, son- dern nur eine Verlängerung des ganzen Organes bewirkt wird. Die Herstellung der ebenfalls aus einer einfachen Zellschicht ge- bildeten horizontalen Querwände der Luftgänge geschieht dadurch, dass diejenigen Zellen des jugendlichen Parenchyms, durch deren Ausein- anderweichen ein Luftgang gebildet wird, an der Stelle, wo eine Quer- wand entstehen soll, nicht blos an ihren aneinander liegenden Seiten, sondern auch an den im gemeinschaftlichen Berührungspunkte stehen- den Kanten durch Längswände Tochterzellen erzeugen. Die an letzterer Stelle entstandenen werden dann in dem Maasse vergrössert und ver- mehrt, dass sie in allen Wachsthumsstadien des Pflanzentheiles zu- sammen als gerade ausgespannte Querwand erscheinen. Bekanntlich sind die tafelförmigen Zellen der letzteren so mit einander verbunden, dass kleine Intercellulargänge übrig bleiben, durch welche die aufein- anderfolgenden Hohlräume in Communication stehen. Bei Nuphar fehlen 152 diese Querwände; sie werden hier ersetzt durch später an einzelnen Stellen auftretende Zellwucherungen, die von einer Zelle einer Längs- wand ausgehen. Die letztere erweitert sich zunächst in einen blasen- formig in die Lufthöhle hineinragenden Fortsatz, in welchen ein Theil des Protoplasmas einwandert. In dem ausgetriebenen Theile bildet sich dann eine Scheidewand; die neue Zelle treibt dann wieder einen oder mehrere Auswüchse, in denen wiederum Zelltheilung eintritt. So entstehen rundzellige unregelmässige Parenchymwucherungen, die oft so vergrössert werden, dass sie den Luftkanal an der Stelle, wo sie entstanden sind, völlig ausfüllen; sie stecken aber auch dann nur lose in demselben, da sie nur durch die ursprüngliche Zelle mit dem übrigen Gewebe in Verbindung stehen; trifft sie der Schnitt des Messers, so werden sie gewöhnlich mit fortgerissen (Vergl. auch Tr£cur l. e.). Da die wahren Querwände ein sehr feinlöcheriges Sieb darstellen, so er- hellt, dass sie von Einfluss auf den Grad der Beweglichkeit der Gase in der Pflanze sein müssen. Wenn man ein abgeschnittenes Blatt von Nuphar luteum mit durchschnittener Blattfläche in Wasser taucht, so genügt schon das allerschwächste Blasen in das Blattstielende, um reich- liche Luftblasen aus der Schnittfläche der Blattspreite hervorzutreiben, während bei einem Blatte, dessen Luftkanäle durch echte Querwände septirt sind, ein sehr starker Druck der Backenmuskeln nöthig ist, um an der entgegengesetzten Schnittfläche etwas Luft herauszublasen. Diese Querwände wirken daher durch ihre engen Oeffnungen auf die von ihnen abgeschlossene Luft in ähnlicher Weise stagnirend, wie bekannt- lich die Epidermis vermöge ihrer Spaltöffnungen. Eine bis jetzt einzig dastehende Form von luftführenden Inter- cellularräumen bildet das Parenchym der erst neuerdings genauer be- kannt gewordenen Schwimmwurzeln der wasserbewohnenden Tussiaeaarten. Es liegt nur eine einzige Untersuchung dieser Or- gane vor von Cx. Martins'). Die wenigen auf unseren Gegenstand be- züglichen Mittheilungen sind in folgenden Angaben enthalten ?). In der 4) Mémoire sur les racines aériféres etc. Montpellier 1866. 9) 1. c. p. 48—45. 153 normal gebauten Wurzel von 7. repens und grandiflora liegen die Rinde- zellen auf dem Längsschnitte in regelmässigen Reihen. Aus diesem Gewebe bilde sich das lufthaltige dadurch, dass aus den prisma- jischen Zellen seitliche Verlängerungen hervorgehen, welche sich in querer Richtung allmählich verlängern und so das Gewebe in ein Netz von luftführenden viereckigen Maschen umwandeln !). Querschnitte sind nicht untersucht worden. Die luftführenden Wurzeln der Jussiaeen nehmen ihre Structur— eigenthümlichkeiten gleich unter dem Vegetationspunkte an. Ein Quer- schnitt durch den jungen Wurzeltheil (Fig. 24 A) veranschaulicht die dabei stattfindenden Vorgänge. Die Zellen sind in der Mitte am kleinsten und nehmen gegen die Peripherie hin stetig an Grösse zu; sie liegen in regelmässigen concentrischen Kreisen und radialen Reihen. Alle Zellen eines und desselben Kreises sind daher gleich gross; die eines jeden äusseren sind aber etwas grösser als die des vorhergehen- den. Während die Zellen der inneren Kreise ungefähr kreisrunden Querschnitt besitzen, nimmt derjenige der Zellen der nach aussen ein- ander folgenden Kreise in radialer Richtung einen immer grösseren Durchmesser an, so dass schliesslich in den äussersten Kreisen jede Zelle in einen langen cylindrischen Fortsatz gegen die Peripherie der Wurzelhin ausgewachsen ist. Da während dieser Vorgänge eine Vermeh- rung der Zellen in tangentialer Richtung nicht erfolgt, so können selbst- verständlich die radialen Schläuche eines und desselben Kreises sich nicht in gegenseitigem Verbande befinden, sondern sie stehen um so entfernter von einander, einem je weiter nach aussen liegenden Kreise sie angehören. Die einwärtsgekehrten den ursprünglichen Körper der Zelle ausmachenden Theile der Zellen eines und desselben Kreises suchen hier- bei aber im Zusammenhange zu bleiben, indem sie auch in tangentialer Richtung kurze Schläuche treiben, die selbstverständlich wieder um so länger sein müssen, je weiter die Zellen nach aussen liegen. Auf dem ra- dialen Längsschnitte (Fig. 24 B) sieht man nun, dass die ursprünglichen Zellen cylindrisch gestreckt sind und dass die radialen Zellarme sich nur See HERAN EINER 1) p. 44. Pl. IV. Fig. 4 et 3. 154 von einer einzigen Stelle der auswärts gekehrten Längswände jener erhe- ben. Endlich überzeugt man sich leicht, dass die gegenseitige tangentiale Verbindung der cylindrischen die ursprünglichen Zellen eines Kreises darstellenden Stücke ebenfalls bis auf jene nur von den Enden ausgehen- den tangentialen Querarme gelöst ist. Auf diese Weise erzeugt sich denn ein Gewebe, welches auf dem Querschnitte, auf dem radialen und auf dem tangentialen Längsschnitte ein viereckige Maschen einschliessen- des Netz von eylindrischen Zellstiicken darstellt, welche sämmitlich ringsum von Luft umgeben sind. Das ganze Intercellularsystem einer Wurzel bildet aber auf diese Weise einen einzigen zusammenhangenden Hohlraum. Martins bildet auf dem radialen Längsschnitt die horizon- talen radialen Zellarme fälschlich auch am centripetalen Ende mit Quer- scheidewänden ab, unter welchen Umständen ein Schluss auf ihre Ent- stehung nicht gemacht werden könnte. Die Bildung der Lufträume be- ginnt also im äussersten Kreise und schreitet von da nach innen fort. Die Epidermis erfährt daher die erste Veränderung, sie wird merk- würdiger Weise dabei zum grossen Theile zerstört. Schon frühzeitig sieht man ihre Zellen vielfach unregelmässig, oft in kurze Schläuche auswachsen (Fig. 24 A. ep). Die weitere Vergrösserung der Wurzel- peripherie trennt die Epidermiszellen vielfach von einander; an älteren Wunzeltheilen sind oft ganze Strecken des darunter liegenden Gewebes entblösst. Somit steht das Intercellularsystem der Wurzel auch mit dem umgebenden Medium in directer Communication. Wo die Intercellularräume mit Luft erfüllt sind, haben die den Hohlraum auskleidenden Zellen eine analoge Bedeutung wie die Epi- dermiszellen. Diese Analogie findet einen weiteren Ausdruck darin, dass die an den Intercellularraum grenzende Membran jener Zellen an der Aussenfläche eine mehr oder weniger deutliche Cutie ula bildet. In den mit eigenthümlichen Säften erfüllten Hohlräumen lässt sich da- gegen eine solche Bildung nicht beobachten. Selbstverstindlich fehlt sie auch in denjenigen Luftlücken, deren Wände aus den mehr oder weniger zerstörten Resten des ursprünglich an der Stelle des Hohlrau- 155 mes vorhandenen Gewebes bestehen. Daher kommen hier nur diejenigen juftführenden Intercellularräume in Betracht, deren umgebende Zellen beim Auseinanderweichen regelmässige ebene Wände darstellen. Auf Quersehnitten durch das Parenchym des Blattstieles von Nuphar luteum nehmen die an die Lufthöhlen grenzenden Zellmembranen, die sieh durch etwas grössere Dicke von den übrigen unterscheiden, bei Behandlung mit lod und Schwefelsäure unter Quellung eine intensiv blaue Färbung an, während ein äusserstes an den Hohlraum grenzendes Häutchen — die Cuticula — sich gelb färbt und nicht quillt. In concentrirter Schwefelsäure löst sich alles auf bis auf jenes Häutchen, welches sich hierbei ausserordentlich dünn, stellenweise nur von kör- niger Beschaffenheit erweist. Behandelt man in gleicher Weise Quer- schnitte durch Blattstiele in demjenigen Entwickelungszustande, wel- chen Fig. 23 A darstellt, so färben sich die Zellhäute, und insbesondere die stärker verdickten Theile an den Kanten der vier später zum Inter- cellulargang auseinanderweichenden rhombischen Zellen unter Quellung durchweg blau, dafern die Membranen noch in festem Verbande stehen. In jedem jener Zellhautzwickel aber, in dessen Mitte eben erst ein ganz kleines Loch als Anfang des ursprünglichen Intercellularganges sichtbar geworden ist, bleibt bei dieser Behandlung ein das Loch umgebendes äusserst dünnes Häutchen mit gelber Farbe ungequollen. Ich stehe da- her nicht an, hierin für die erste Entstehung dieser Cuticularbildung dieselben Vorgänge zu erkennen, die man gegenwärtig der Entstehung der Guticula überhaupt zu Grunde legt: die Zellstoffmolecüle, welche die äusserste Schicht der ursprünglich homogenen Zellhaut bilden, er- leiden eine chemische Metamorphose in Cuticularsubstanz. Aber wohl- gemerkt nur für die erste Entstehung der Guticula an einem Orte, wo es bis dahin noch keine solche gegeben hat, nicht für alle diejenigen Bildungen, welche sich nur als eine Fortsetzung einer einmal begonne- nen Cuticularbildung, als ein Flächenwachsthum einer bereits vorhan- denen Cuticula erweisen. — Sobald nämlich der eben entstandene Intereellularraum sich zu erweitern beginnt, indem die umgebende Scheide von Zellmembranen und somit auch deren Cuticula ein mäch- tiges Flächenwachsthum erleiden, kann von keiner Vergrösserung der 156 letzieren durch Umwandlung von ursprünglichen Gellulosemoleeülen in Cuticulamoleciile mehr die Rede sein. Wie Gellulosehäute sich in Rich- tung der Fläche vergrössern durch Einlagerung neuer Gellulosemole- cüle zwischen die alten, so auch die Guticula durch die gleiche Ein- lagerung neuer Cuticulamoleciile. Nur auf die erste Erzeugung der Cuticula am Embryokügelchen, an den Sporen- und Pollenzellen, und in den Binnenräumen der Gewebe kann die Metamorphosenhypothese Anwendung finden, für alle weiteren Guticularbildungen behält die Infil- trationshypothese ihre buchstählichste Geltung! So gut wie ohne Fehler wird man daher sagen können, dass die Cuticula einer fertigen Pflanze nicht einer Umwandlung von Zellstoff, sondern einer directen Neubil- dung ihre Existenz verdankt '). VII. Ergebnisse. Die vorstehenden Untersuchungen haben gezeigt, dass die von Treviranus, Kırskr, Meven begründete Lehre von der Entstehung der Intercellularräume für die weitaus grösste Mehrzahl dieser Organe ihre volle Geltung behalten muss, die von neueren Phytotomen jener Lehre entgegengestellte Anschauungsweise dagegen nur auf wenige Fälle An- wendung finden kann. Insbesondere aber würden sich folgende That- sachen für die Lehre von den Intercellularräumen feststellen lassen. Die Zwischenräume zwischen den Zellen des vegetabilischen Ge- webes entstehen auf zwei verschiedene Arten: entweder durch Aus- einanderweichen von Zellen, wobei der entstandene Raum im eigent- lichsten Sinne intercellular ist, oder dadurch, dass eine oder mehrere Zellen aufgelöst werden, so dass der entstandene Raum mit den Höhlen der verschwundenen Zellen zusammenfällt, wenn wir den Durchmesser 4) Hiernach wird Sacus seine unüberlegten Aussprüche über diesen Gegenstand Experimentalphysiologie p. 369—374) zu corrigiren haben. — 157 der Zellwiin de gegen den der Zellhöhle im Allgemeinen unberücksichtigt lassen. Bei den erst in ausgewachsenen Organen zu Stande kommenden _— hysterogenen — Intercellularräumen geschieht sowohl die Ent- stehung als die Vergrösserung ausnahmslos durch Resorption von Zellen, dagegen wird bei den im Jugendzustande der Organe zugleich mit den Geweben derselben sich bildenden— protogenen — Intercellular- räumen die Entstehung entweder durch Trennung oder durch Resorption von Zellen, die Vergrösserung aber typisch durch keinen dieser beiden Vorgänge, vielmehr nur durch das mit der Gesammtvergrésserung des Organes Hand in Hand gehende Wachsthum des umgebenden Gewebes hervorgebracht. Bei der Entstehung der intercellularen Behälter ist immer nur einer der beiden genannten Vorgänge thätig. In gewissem Grade eine Aus- nahme hiervon machen die (p- 148) beschriebenen Luftlücken in den Blättern von Typha. Die hysterogenen Hohlräume werden in Folge ihrer Entstehungsart weder eine bestimmt vorgeschriebene Gestalt, noch auch eine gleich— mässig glatte, eigenthümlich organisirte Wand aufzuweisen haben, son- dern von denjenigen unveränderten Gewebselementen umgeben sein, vor welchen zur Zeit der Untersuchung der Desorganisationsprocess des Gewebes eben angelangt war (Harzbehälter im Holze der Weisstanne nach Dirper, Harzbehälter im Baste von Thuja occidentalis, Gummi- behälter im Stamme von Prunus avium und Elaeagnus canadensis). Für die protogenen Intercellularräume ist dagegen durch die An- ordnung der später auseinanderweichenden oder resorbirt werdenden Zellen und durch das Maass des nachfolgenden Wachsthums der um- gebenden Gewebe die Gestalt und Ausdehnung dieser Gebilde fest be- stimmt. Das Wachsthum der Gewebe kann aber dabei zweierlei Erfolg haben. Entweder sind die den Hohlraum zunächst umgebenden Ge- webstheile in gleichem Sinne und Grade, wie das übrige Zellgewebe an der Vergrösserung des Intercellularraumes betheiligt. In diesem Falle wird die innerste Zellschicht eine ununterbrochen zusammenhängende glatte Wand herstellen. So ist es bei allen protogenen Saftbehältern 158 und bei den von den alten Anatomen »zusammengesetztes Zellgewebe« genannten Lufträumen. Oder eine den Zwischenraum unmittelbar um- gebende Gewebszone folgt in ihrem Wachsthume dem im Sinne der Vergrösserung des Hohlraumes wirkenden des übrigen Gewebes nur in sehr geringem Grade oder gar nicht nach. Dann werden unregelmässige Zerklüftungen in jener Gewebszone bewirkt und der Intercellularraum ist von keiner glatten Wand, sondern von den mehr oder weniger colla- birten Fetzen jener ausgekleidet. Dieser Fall findet bei den übrigen Lufträumen statt. Die durch Zerreissung des Ring- und Spiralgefäss- gewebes entstehenden Gefässbündelkanäle gehören offenbar auch hierher. In den meisten Fällen stehen die Wandzellen der protogenen Inter- cellularräume in einer gesetzmässigen genetischen Beziehung zu ein- ander, und in erster Linie sind hier die Saftbehälter zu nennen. Aus- genommen hiervon sind die protogenen Resorptionshohlräume, bei deren Entstehung die umgebenden Zellen keine derartigen Beziehungen erkennen lassen. Nach den vorliegenden Beobachtungen kann wohl allgemein angenommen werden, dass diejenigen durch Trennung von Zellen erzeugten Saftbehiilter, welche eine nach allen Raumdimensionen gleiche Ausdehnung besitzen, aus einer einzigen Mutterzelle, und die nach einer Raumdimension vorwiegend ausgedehnten aus einer Reihe solcher hervorgehen, derart, dass sämmtliche Wandzellen jener und alle auf gleicher Höhe stehenden dieser von einer gemeinsamen Mutter- zelle abstammen. Bei den kugligen Saftbehältern erleidet die einzige Mutterzelle eine Theilung durch drei rechtwinklig im Centrum zusam- mentreffende Scheidewinde; in den Mutterzellen der kanalförmigen Behälter entstehen zwei rechtwinklig sich kreuzende, der Richtung der Zellenreihe parallele Scheidewände. — Was die das Auseinander weichen dieser Zellen vermittelnde Mechanik anlangt, so gilt in den meisten Fällen die Regel, dass die kreisförmig um die Mittellinie des Behälters angeordneten späteren Wandzellen ein geringes Wachsthum in periphe- rischer Richtung erleiden, welches ihren Kreis etwas vergrössert und eben dadurch ihre Trennung im Mittelpunkte bewirkt. Bei den Balsam- gängen der Umbelliferenfrüchte wird dagegen, wie oben gezeigt wurde, Yoo der Behälter, Anfangs einer leeren zusammengelegten Blase vergleichbar, erst durch das sich einfindende Oel aufgetrieben. Im ersten Falle ist also das Zellgewebe, im letzten der Inhalt des Kanales bei der Bildung des Hohlraumes activ. — Die Wandzellen erfahren in der Regel noch eine in den verschiedenen Behältern verschieden oft sich wiederholende Theilung durch radiale Scheidewände und zugleich ein Wachsthum auf die Grösse der Mutterzelle, und der Kanal dadurch eine entsprechende Erweiterung. Auch bei den mit glatten Wänden versehenen Luftbehältern stehen die Wandzellen bis zu einem gewissen Grade in einer gegenseitigen genetischen Beziehung. Die Längsreihen dreiseitig prismatischer Zellen, in welchen die aus einer einfachen Zellschicht bestehenden Längswände der Lufträume zusammentreffen, setzen das ursprünglich lückenlose Gewebe zusammen; aus ihnen gehen die Längswände der Hohlräume hervor durch wiederholte Theilung an den Seitenflächen, während an den Stellen, wo sich Querwände bilden, ausserdem noch eine Theilung an den gegeneinander gekehrten Kanten jener Zellen stattfindet. Im Blattstiele von Nuphar erkannten wir sogar eine genetische Beziehung jener Mutterzellen zu einander: es zeigte sich, dass jede dieser prisma- tisch dreiseitigen Zellen mit derjenigen, von welcher sie durch eine der Blatifläche parallele Seitenwand getrennt ist, aus einer vierseitig pris- matischen Mutterzelle niederen Grades durch Theilung hervorgeht, so dass also auf eine Generation vierseitiger Zellen eine Generation einer doppelten Anzahl dreiseitiger Zellen folgt. ; Der Selbständigkeit, welche die protogenen Saftbehälter in gene- tischer Hinsicht dem übrigen Gewebe gegenüber besitzen, entspricht auch die Eigenthümlichkeit der Organisation ihrer Wandzellen. Auch hier sind die durch Resorption gebildeten Behälter auszunehmen, deren zunächst umgebende Zellen sich in ihrer Ausbildung ganz dem übrigen Gewebe anschliessen (peripherische Gummigänge von Angiopteris, Gummibehälter von Tilia). Bei den übrigen protogenen Saftbehältern zeigen dagegen die Mutterzelle und die aus dieser hervorgehenden Wandzellen in allen Fällen ein dichtes Protoplasma bisweilen mit deut- lichem Zellkern und entbehren aller weiterer In haltsbestandtheile, na- 160 mentlich jeden Farbstoffes und jeder geformten Einschlüsse, insheson— dere führen sie niemals solche Stoffe, welche im Intercellularraume enthalten sind. Auch wenn der Hohlraum sich mit dem Secrete erfüllt, haben diese Zellen noch die nämliche Beschaffenheit, aber gegen das Ende der Ausbildung nimmt das Protoplasma ab oder verschwindet, indem es durch wässerige Flüssigkeit ersetzt wird, oder die Zelle fällt auch in Folge der Erweiterung des Kanales zusammen und stirbt ab. In Folge der zweifachen Entstehungsart der Intercellularbehälter ist auch dem flüssigen Inhalte derselben eine doppelte anatomische Be- deutung zuzuschreiben. Bei den durch Auflösung von Zellen entstan- denen Saftbehältern ist der Inhalt wesentlich der mehr oder weniger umgewandelte Ueberrest jener, und zwar entweder, wenn dieselben dünnwandig sind, geradezu der unveränderte Inhalt derselben, Hierbei muss es jedoch als sehr wahrscheinlich angesehen werden, dass auch die Substanz der Zellwände mit zur Bildung des Saftes verwendet wird. Oder der Behälterinhalt ist zum grössten Theile Umwandlungsproduct der Zellmembranen, wenn die letzteren den grössten Theil an den sich auflösenden Zellen ausmachen, wie im Holze. In beiden Fällen findet dabei jedoch wohl immer auch noch eine theilweise Neubildung statt, und wenn dieser Vorgang in hohem Grade auftritt, so giebt er zu frei- willigem Ausflusse des Secretes aus der Pflanze Veranlassung. Un- zweifelhaft ist eine solche Neubildung in dem Falle, wo das Secret augenscheinlich das umgewandelte Zellhautstück an Masse weit über- trifft (Gefässe des Kirschbaumes [vergl. Pringsh. Jahrb. V. p. 184 ff.]), und ferner da, wo der Hohlraum im jugendlichen Alter des Pflanzen— theiles entsteht und auch im ausgewachsenen Zustande völlig mit Saft erfüllt ist (Angiopteris, Tilia). Dagegen entspricht der Inhalt der durch Auseinanderweichen von Zellen gebildeten Hohlräume hinsichtlich seiner anatomischen Bedeutung auf das Genaueste dem Begriffe, den man früher an den Namen der Intercellularsubstanz knüpfte. Und wenn -dieselbe auch in dem Sinne, in welchem sie v. Mont. einführte, gegenwärtig aus der Wissenschaft gestrichen ist, so muss sie doch für den vor- liegenden Fall genau in jenem Sinne wieder an ihren Platz eingesetzt 161 ‚werden !). Ueber die näheren bei diesen Secretionen stattfindenden Vorgänge ist nur soviel gewiss, dass das erforderliche Material durch die Wandzellen bezogen werden muss. Wie viel bei der Bildung des Secretes aber auf Rechnung dieser Zellen zu setzen ist, ist gegen- wärtig noch ungewiss. Bei den Behältern von Balsamen und äthe- rischen Oelen mag wohl ein unmittelbarer Niederschlag dieser Stofle aus den äusseren Theilen der angrenzenden Zellmembranen stattfinden ; bei denjenigen Säften aber, welche Lösungen und Suspensionen in Wasser darstellen, könnte auch ein assimilirter Stoff in wässeriger Lö- sung aus den umgebenden Zellen durch Diffusion in den Hohlraum ge- langen und sich hier erst in den specifischen Saft umwandeln. Die Füllung der Intereellularräume mit Luft hat man sich nicht als ein Einströmen der Luft durch die äusseren Oeffnungen des Pflanzen- gewebes, hervorgerufen durch die Entwickelung eines Vacuums zwischen den von einander weichenden Elementarorganen vorzustellen. Denn abgesehen von der geringen Wegsamkeit der Spaltöffnungen für Luft, entstehen ja gerade die grössten derartigen Räume in entweder zeit- lebens oder doch zur Zeit der Entwickelung untergetauchten Pflanzen, wobei also die Möglichkeit einer derartigen Luftfüllung einfach aus- geschlossen ist. Wir sehen hier die Luft in einem rings von Zellen umgebenen Raume erscheinen, und sie kann nur durch Entbindung aus der in den Membranen und den Höhlen der umgebenden Zellen enthaltenen Flüssigkeit dorthin gelangt sein. Dies könnte nun auf zweierlei Weise geschehen. Entweder können wir uns vorstellen, dass durch das Auseinanderweichen der Zellen ein luftleerer Raum entsteht und in Folge dessen eine während der Vergrösserung des Hohlraumes andauernde Gasentbindung aus der in der Umgebung vorhandenen Flüssigkeit in den Hohlraum stattfinden muss, ähnlich wie eine unter dem Recipienten der Luftpumpe stehende Flüssigkeit die absorbirt ent- haltene Luft ausstösst, sobald der Raum luftverdünnter gemacht wird. Oder aber diese Gasentbindung kann wirklich activ sein, sie kann als 4) In Hormeıster’s mit meiner Habilitationsschrift gleichzeitig erschienenen Handbuche der Zellenlehre wird der Begriff der Intercellularsubstanz ebenfalls fiir die Säfte, welche intercellulare Räume ausfüllen, reservirt (vergl. daselbst p. 266). ‚Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 44 162 eine wirkliche Secretion, als ein Act der Lebensthätigkeit der umgeben- den Zellen betrachtet werden, und dann würde dieser Vorgang mit der Entstehung und Erweiterung der Binnenräume zwar Hand in Hand gehen, aber in keiner causalen Beziehung dazu stehen. Dass in der That das Letztere der Fall ist, beweisen die Schwimmwurzeln der Tussiaeen, deren Intercellularsystem ja in directer, höchst wegsamer Communication mit der äusseren Umgebung steht; denn ginge die Luft— füllung in der ersteren Weise vor sich, so würde in diesem Falle nach hydrostatischen Gesetzen in das durch Auseinanderweichen der Zellen entstandene Vacuum das umgebende Wasser eingedrungen sein müssen. Was endlich die physiologische Bedeutung der Intercellularräume anlangt, so wird diejenige der Luftbehälter zunächst bei einer Reihe von Pflanzen in statischen Einflüssen begründet sein: die Lufträume werden bei untergetauchten Pflanzen die aufrechte Stellung, bei schwimmenden die Lage auf der Oberfläche des Wassers bedingen. In allen Fällen aber werden die Lufträume Vermittler eines kräftigen Gasaustausches sein müssen, und zwar nicht sowohl im fertigen Zu- stande, als ganz besonders auch durch ihre Entstehung selbst. Die Luft, welche in diesen Hohlräumen vorhanden ist, kann nach dem Vorhergehenden nicht aus der Atmosphäre unmittelbar, sondern nur aus den die Hohlräume einschliessenden Zellen in jene Organe ge- langt sein. Die Bedeutung dieser Einrichtung für die Durchlüftung liegt also nicht bloss in der im fertigen Zustande vorhandenen »inneren Atmosphäre«, welche einen fortwährenden Gasaustausch mit dem um— gebenden Gewebe bewirken kann, sondern auch vornehmlich darin, dass die Abscheidung jener Luft selbst einen lebhaften Gasaustausch der Pflanze involvirt, indem die aus dem umspülenden Wasser absor— birte, die Zellen durchstreichende und im Hohlraume wiedererschei— nende Luft in den letzteren bei Tage kohlensäureärmer, bei Nacht sauerstoffarmer wird eintreten müssen. Die Bedeutung der in den Intercellularräumen enthaltenen Säfte im Stoffhaushalte der Pflanze ergiebt sich aus folgenden Betrachtungen. Wenn auf der einen Seite die assimilirende Thätigkeit des Chlorophylis 163 unter den bekannten Bedingungen fortwährend neues organisches Material in die Pflanze einführen muss, wenn aber andererseits der Vegetationstrieb der Pflanze der Intensität dieser Assimilation nicht immer (ja wohl nie vollständig) proportional ist, wenn also z. B. zu gewissen Zeiten der Pflanze viel mehr plastisches Material zugeführt wird, als dieselbe, vermöge ihres zur Zeit herrschenden Vegetations- triebes zur Bildung neuer Organe verwenden kann, so muss es Locali- täten in der Pflanze geben, an welchen, und Stoffformen, unter welchen der Ueberschuss des neugebildeten organischen Materials abgesetzt werden kann. Die Localitäten können offenbar keine anderen sein als die Räume in den Zellen und zwischen den Zellen. Die Stoff- » formen aber sind vorzüglich Stärkekörner, Inulin, Fette, Aleuron, Krystalle kleesauren Kalkes etc., und ferner alle die Stoffe, welche in Intercellularräumen vorkommen. Hier aber treffen. wir durch- gängig auf sehr kohlenstoffreiche, ja auf die kohlenstoffreichsten Körper der organischen Chemie, es wird also schon die Erzeugung einer sehr geringen Menge derselben eine sehr reichliche Kohlen- säurezersetzung decken, und es erhellt, dass es der Pflanze bei solcher Einrichtung nie an Raum mangeln wird, um jenen Assimilations- überschuss unterzubringen. So erscheinen alle die genannten Stoffe zunächst als Regulatoren im Stoffwechsel der Pflanze, und es verdient besonders darauf hingewiesen zu werden, dass auch dem Stärkemehl, dem Inulin ete. in erster Linie diese wichtige Bedeutung zukommt. Zu Reservestoffen werden jene Ablagerungen erst in dem Falle, wenn die Pflanze sich ihrer zur Neubildung von Organen doch noch zu einer an— deren Zeit bedienen kann, wo die Assimilation neuen Materiales nicht oder nicht in hinreichendem Maasse möglich ist. Ob den Stoffen der Intercellularräume diese letztere Bedeutung durchgängig abgeht, ist noch zu beantworten. Sicher weiss ich, dass in den Nebenblättern und Knospenschuppen von Tilia parvifolia, in den Blättern von Hypericum perforatum, Myrtus communis, Pinus sylvestris und in den Blattkissen von Thuja occidentalis der einmal in den Behaltern gebildete Saft nie wieder verschwindet oder abnimmt und hoch darin enthalten ist, wenn die genannten Organe von der Pflanze 44* à 164 abgeworfen werden. Dagegen hat Trevıranus!) für die Milchsaft— kanäle des Rhizomes von Chaerophyllum eine nach den Jahreszeiten sich richtende Aenderung der Menge ihres Gehaltes behauptet, und diese Angabe ist um so mehr zu beachten, als ähnliche Veränderungen des Milchsaftes in den Milchsaftgefässen vielfach bekannt sind; eigene Beobachtungen über diesen Gegenstand stehen mir aber zur Zeit nicht zu Gebote. — Die eben erörterte Bedeutung hat sicher für alle die Stoffe Geltung, welche in protogenen Saftbehältern vorkommen, denn diese sind ja ein in jedem neu sich bildenden Pflanzentheile normal auf— tretendes Organ und erweisen sich desshalb zweifelsohne auch als ein nothwendiges Glied im Stoffhaushalte der Pflanze. Eine andere Be- wandtniss mag es aber mit den hysterogenen Saftbehältern haben, die ja, wie die Beobachtung lehrt, sich nicht nothwendig in jedem Gewebe erzeugen, sondern deren Auftreten mehr von zufälligen Ur— sachen abhängen muss, welche freilich ihrer Natur nach noch unbe- kannt sind. Soviel es scheinen will, haben wir es hier mit Lebens— erscheinungen der Zelle zu thun, welche nicht mehr im Dienste des Lebens der ganzen Pflanze stehen, mit Ausschreitungen des Lebens- processes, mit Krankheiten, die allerdings so verbreitet sind, dass fast kein In ividuum der betreffenden Pflanzenart davon verschont bleibt. 1) Beiträge zur Pflanzenphysiologie p. 45. Erklärung der Abbildungen. (Taf. II—V.) Fig. 4. Querschnitt durch eine Stelle des Markes in der Knospe von Rhus typhina, wo ein Milchsaftkanal durch Auseinandertreten der Wandzellen entsteht. In der Richtung nach p liegt das Gefässbündel, hinter welchem der Kanal verläuft. Vergr. 300. Fig. 2. Querschnitt durch den peripherischen Theil einer Gefässbündelanlage in der Knospe von Rhus typhina, wo eben durch ker es der Zellen der Milchsaftkanal gebildet wird. Nach p zu liegt die Rin gr. 30 Fig. 3. Stück eines Querschnittes durch einen jungen Blattstiel von Alisma Plantago; unter der Epidermis ep an der Stelle der späteren Milchsaftkanäle eine grössere Zelle mit en Fe Protoplasma, welches sich in vier Por- tionen ag said ig. sselbe aus einem wenig älteren Blattstiele. Die Theilung der Mutter- zelle hat sah any erreicht. Die Tochterzellen beginnen in der Mitte ausein- anderzuweichen, zu Wandzellen des Kanales werden Fig. 5. Stück eines Querschnittes durch eine junge Knospenschuppe von Tilia are mit einer Gruppe grosser, protoplasmaloser gummiführender Zellen. erg ig. 6. Dasselbe aus einer älteren Knospenschuppe. Eine Gruppe aus zwei Gummizellen wird zu einem gummiführenden Intercellularraume, indem sich die Zellwände aufzulösen beginnen. Vergr. Fig Durchschnitt durch den peripherischen Theil einer Wedelanlage von Angiopteris evecta, welcher sich später zu dem Gewebe dickwandiger langgestreckter Zellen entwickelt. Von den dünnwandigen protoplasmareichen Zellen hat eine (g) eine beträchtlichere Grösse erreicht; sie füllt sich später mit Gummi. Vergr. 300. Fig. 8. Querschnitt durch eine entsprechende Stelle im ausgebildeten Wedel- stiele. Die Gummizelle ist zu einem Gummikanale geworden durch Auflösung ihrer Membran ; bei a noch Reste der letzteren. Vergr. 300. Fig. Querschnitt durch das innere parenchymatische Gewebe eines jungen Wedels RER Pflanze, an der Stelle eines künftigen Gummikanales: die Mutter- zelle des letzteren erscheint in vier Tochterzellen zerfallen, diese enthalten Proto- plasma mit spärlichen Stärkekörnchen, die umgebenden Parenchymzellen Proto- Plasma und reichlicher Stärkemehl. Vergr. 300. ~ 166 Fig. 10. Dasselbe aus einem sich eben aufrollenden Wedelstiele: die Tochter- zellen haben durch weitergehende Theilung ihre Zahl vermehrt und sind von ein- ander gewichen, die Wandzellen des entstandenen Kanales darstellend; sie enthal- ten noch einige Protoplasmareste, die umgebenden Parenchymzellen nur noch wässerige Flüssigkeit. Vergr. 300. Fig. 44. Querschnitt durch die Cambiumschicht und die jüngsten Holzlagen des Stammes von Pinus sylvestris; i die Mutterzelle des Harzganges in 4 Tochter- zellen getheilt, welche am gemeinsamen Berührungspunkte auseinanderweichen cc Cambiumschicht; | Holzzellen; p zartwandige Prosenchymzellen in der gebung der Wandzellen des Ganges. Vergr. 300. Fig. 42. Theile von Querschnitten durch jugendliche Niederblattschuppen der Laubknospe von Pinus sylvestris; in A liegen die aus einer Mutterzelle hervorgegan- genen durch etwas stärker lichtbrechendes Protoplasma kenntlichen vier Tochter- zellen noch im gegenseitigen Verbande, in B sind sie zur Bildung des Harzganges auseinandergewichen. Vergr. 300. : Fi Stiick eines Langsschnittes durch die Laubknospe von Thuja occiden- talis. An der Stelle des späteren Oelbebälters im Blattkissen ist zwischen den Zellen ein längliches Oeltröpfchen sichtbar, dessen grösserer Durchmesser der Achse des Stengels parallel liegt. Vergr. 200. is Farblose protoplasmahaltige Mutterzelle des Oelbehälters im grü- nen Blattparenchym von Myrtus communis, in der Theilung in Tochterzellen be- griffen. B. Spaterer Zustand, zwischen den auseinandergewichenen Zellen hat sich bereits ätherisches Oel eingefunden. Vergr. 300. Fig. 15. A, B. Dieselben Entwickelungszustände des Oeibehälters im unver- letzten unter Glycerin beobachteten jungen Blatte von Hypericum perforatum. Verer. 200. Fig. 46. Querschnitt durch die Rinde eines jungen Internodiums von Ptelea trifoliata; i vier aus einer Mutterzelle hervorgegangene Wandzellen des zukünftigen kugelrunden Oelbehälters, in ihrer Mitte sich von einander trennend. Vergr. 200. Fig. Stück eines Querschnittes durch die Wand des unterständigen Frucht- knotens einer Blüthe von Carum Carvi. In der Mitte des Präparates liegen in zwei Reihen geordnet die durch stärker lichtbrechendes Protoplasma kenntlichen Wand- zellen des künftigen Oelbehälters, welche in der Mitte von einanderzuweichen be- ginnen; | Epithel des Ovariumfaches. Vergr. 300 Fig. 48. Jugendlicher Zustand eines Saftbehälters aus dem Basttheile der Ge- fässbündel in der reifenden Frucht von Hedera Helix. Der Intercellularraum enthält ein Oeltröpfchen, er ist von vier ein dichteres mit Zellkern versehenes Protoplasma führenden Wandzellen umgeben. Vergr. 200. Fig. 49. Querschnitt durch das älteste Ringgefäss des jungen Stengels von Hydrocharis Morsus ranae. Die umgebenden zartwandigen Zellen des Gefässbündels erleiden lebhafte Theilungen durch radial zum Gefässe verlaufende Längswände, um demnächst ihren Verband mit dem Ringe zu lösen. Vergr. 300. ’ ig. 20. Querschnitt durch eine Gruppe von Ringgefässen im Gefässbündel des jungen Internodiums von Potamogeton natans. Die umgebenden zartwandigen Zellen vermehren sich durch Theilung mittelst radialer Längswände, in Folge dessen ihr Kreis beträchtlich erweitert und eine Trennung der Ringe der nebeneinander- stehenden Gefässe bewirkt wird. Vergr. 300. 167 Fig. 24. A. Dieselbe Entstehung des Gefässbündelkanales (i) im Blattstiele von Alisma Plantago aus der Gruppe der ältesten Ringgefässe. — B. Querschnitt durch einen Theil des fertigen Gefässbündelkanales ebendaher; an der Wand desselben hängen hin und wieder die unveränderten Ringe der ursprünglichen Gefässe. Vergr. 300. Fig. 22. Querschnitt durch ein Stück der Rinde aus der Stengelknospe von Equisetum hiemale, den Anfang der Bildung der Luftkanäle durch unregelmässige Trennung der Rindezellen darstellend; c rindewärts, m markwärts liegende Seite. Vergr. 95. Fig. 23. A, B. Querschnitte durch das Parenchym ganz junger Blattstiele von Nuphar advena, um eine Zellgeneration verschiedene Entwickelungszustände dar stellend; ¢ Anfänge der Intercellularkanäle; f Gefässbündelanlage. Die Pfeile be- deuten die o e der von derBlattanlage nach dem Stammcentrum verlaufenden Linien. Vergr. 20 Fig. 24. A. in Darstellung der Entstehung der Lufträume in den Schwimmwurzeln von ARTNI0G auf dem Querschnitte; f Anlage des centralen Ge- fässbündels; ep Epidermis. — B Längsschnitt durch die Rinde dieser Wurzeln, schematisch; p ee c einwärts gekehrte Seite. Druck von Breitkopf und x en, 7% Ei r B'i ENES o Lith. An st.v. J.G.Bach, Leipzig. Taf T. Lith Anst.v. J.G. Bach, Leipzig, “Lith. Anst.. J.G. Bach, Leipzig, Ax Ar EB A 3! Fa > y A N of WA IN 9% et u Lith. Ansty. J.G. Bach, Leipzig. Kr ~ n T OR