N éj I if: Hi IArAR i HEr d 4 } f janaita ri F J AN Ar 1,4, f t ta nii Ark int f f i ii Ai nr i; inti ui in 1 in! 4 t $, f dr ry Lj pipiyi iiri initinndy sidii uy 4 gi Ir u f dj sh iya f G Fi df t r [Al ini E i # Y 4 Ipi \ X ir ETES i i Ann Hi nainii An ji DEINEN AT erh, 4 AT HU f I fl TAI I iy AAI i ni TA A NTRS A iy fr i ï $ T iH ; f Jaj tya ti EF aS RIPI "T Anj i Te i ; iai ti Pay Ar ipi 3 fr IH An! i mipi Ai u DAL A y n f i ni in rn l; PR TrA if fi Ar RATAU rA A Ar) F} aan TEY tan Y 1y mamama y HWS N Fauna der Pfahlbauten der Schweiz. Von Dr. L. Rütimeyer, Professor in Basel. u ge Einleitung. Das Material zu den vorliegenden Untersuchungen war schon der Gegenstand einer Arbeit, die unter dem Titel „Untersuchung der Thierreste aus den Pfahlbauten der Schweiz“ als zweites Heft von Band XII. 2. der Mit- theilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich im Jahre 1860 erschienen ist, und auf welche ich daher in dieser zweiten Arbeit häufig verweisen werde unter der einfachen Bezeichnung „Untersuchungen.“ | Jene erste Arbeit enthielt neben einer einleitenden Hinweisung auf die Tragweite des Gegenstandes die Aufzählung und vorläufige Charakterisirung der in den ver- schiedenen Pfahlbauten der Schweiz aufgefundenen Thierreste, nach den einzelnen Lokalitäten geordnet, sowie eine Darstellung der Resultate, die sich daraus ergaben für die Kenntniss der damaligen Fauna der Schweiz und ihrer seitherigen Verände- rungen. | Die seitherigen Untersuchungen an einem immer reichlicher gewordenen Material haben jene allgemeinen Resultate in keiner wesentlichen Weise verändert; die früher gegebene Liste der in den Pfahlbauten gesammelten Thierspecies (Unters. p. 32) 1) wurde zwar um mehr als die Hälfte vermehrt; die relative Vertretung einzelner wilden oder zahmen Thiere modifizirte sich für diese und jene Lokalität, wie dies vorauszusehen war, allein die allgemeinen Schlussfolgerungen und das Gesammtbild, das sich für den Zustand und die Physiognomie der damaligen Fauna aus jenen ersten Mitthei- lungen ergab, blieb das gleiche; die dort aufgesuchten allgemeinen Gesichtspunkte können daher bei der gegenwärtigen Arbeit unberücksichtigt bleiben. Dieselbe hat dagegen zum Zweck die spezielle paläontologische Darstellung der bisher weniger bekannten oder für die schweizerische Fauna selbst neuen Species des Steinaliers, sowie die weitere Verfolgung der historischen Veränderungen dieser Fauna bis auf die Gegenwart. Der letztere Gesichtspunkt musste namentlich wichtig erscheinen für die Hausthiere, über deren uns so wenig bekannte Geschichte von dieser Seite viel neues Licht erwartet werden durfte. 1) Alle Citate aus den „Untersuchungen“ beziehen sich auf den mit selbstständiger Paginirung versehenen Separatabdruck derselben. Eh Es ist einleuchtend, dass für eine Verfolgung der Hausthiere von der chronolo- gisch noch gänzlich unbestimmten, allein mit Sicherheit als sehr entlegen und für Nordeuropa jedenfalls als vorhistorisch zu bezeichnenden Periode des Steinalters bis auf unsere Tage ein sehr reiches Material für alle Zwischenetapen, und namentlich die Mitwirkung der Historiker und Antiquare durch chronologische Bestimmung dieser Etapen vorausgesetzt werden sollte. Trotz der zuvorkommendsten Unterstützung von allen Seiten bin ich indess noch weit entfernt, über ein solches Material zu ver- fügen; allein dasjenige, das mir zu Gebote stand, liess schon für verschiedene Haus- thiere gewisse Linien mit Wahrscheinlichkeit, andere mit Sicherheit verfolgen, die zu konstatiren wichtig war, und auf welchen künftige Untersuchungen eingetragen werden können. Ich erlaube mir daher, hier aufmerksam zu machen auf das Inter- esse, welches Knochenanhäufungen irgend welcher Art aus Lokalitäten, die eine chronologische Bestimmung zulassen, bieten können. Die Paläontologie sieht dabei mit Bestimmtheit voraus, die Dienste erwiedern zu können, um welche sie vorder- hand die Historiker und Antiquare anspricht; schon jetzt war es oft möglich, mit Sicherheit aus der Physiognomie einer Knochensammlung ihr Alter bis zu einem ge- wissen Grad zu bestimmen. Diese Aufgabe ist zwar für Perioden ‚in welchen der Mensch schon mit seiner mächtigen Hand in die geographische Verbreitung und die Vermischung der Thiere eingriff, offenbar eine weit schwierigere, als für frühere Perioden, in wel- chen natürliche Einflüsse , welche deutlichere Spuren hinterlassen, als die Willkür des Menschen, die Geschichte der Thierwelt leiteten. Allein die Erfolge, welche die Paläontologie, freilich einstweilen mit abnehmender Sicherheit — dies muss zuge- standen werden — nach den neuern Terrains hin, sich für die Chronologie derselben errungen, lassen bei Mitwirkung der Historiker manches hoffen für die Aufhellung der Geschichte der Hausthiere, die ja mit unserer eigenen nahezu identisch sein wird. Diese Hoffnung ist um so berechtigter, als der neue Aufschwung, den die Craniologie durch Retzius und v. Bär genommen, schon so manches neue Licht auf densel- ben Gegenstand geworfen, und als hier sehr häufig die Möglichkeit gegeben ist, die Arbeit sowohl von geologischer Seite in historisch abwärts-, als von antiquarischer Seite in aufwärtssteigender Linie gleichzeitig in Angriff zu nehmen. Schon jetzt hört man im Steinalter das Pochen des geologischen Hammers, der sich bis in das Dilu- vium hinabgearbeitet hat, neben der Schaufel des Antiquars. Die Scheidewand zwi- schen Geologie und Geschichte wird mit jedem Tage dünner. Die Antiquare Frank- reichs finden Steinäxte in den Mammuthterrains der Bretagne; in den schweizerischen ` u Me Pfahlbauten finden sich die diluvialen Bos primigenius und trochoceros in einer Pe- riode, wo Lein geflochten wird, und schon als Hausthiere an a Krippe er Wir dürfen demnach mit Sicherheit neben der obigen Frage über die Geschichte der Hausthiere, bei welcher wir so wesentlich betheiligt sind, auch noch über eine andere Frage von mehr theoretischem Interesse Aufschlüsse aus der Verfolgung die- ser Untersuchungen hoffen, nämlich über die Ablösung einer ONE Fauna oder Thierschichte durch eine folgende. Es sind in der neuesten Zeit theils gegen diese Lehre in ihrer Gesammtheit, theils gegen ihren dogmatischen Detail, wie er sich durch die paläontologischen Ar- beiten dieses Jahrhunderts allmälig zu krystallisiren begann, von sehr verschiedener Seite die empfindlichsten Stösse geführt worden. Von der einen Seite machte man den Austausch der thierischen Bevölkerung im Verlauf der Erdgeschichte abhängig von den allmäligen Veränderungen der äusseren physikalischen Bedingungen des orga- nischen Lebens !). Von der andern Seite, welche die eigentlichen Wurzeln der bisheri- gen Theoreme hierüber noch empfindlicher berührte, begann man, Schlussfolgerungen zum Theil schon alter Zeiten mit erösserem Erfolg und grösserem Scharfsinn wie- der aufnehmend, die äussere Form der Thierwelt und ihre durch direkte Beobach- tung konstatirte successive Umgestaltung im Verlauf der Zeiten, abzuleiten von dem Einfluss physiologischer Veränderungen auf die organische Form 2). In beiden Rücksichten verdient der thierische Inhalt der Pfahlbauten die grösste Aufmerksamkeit, indem er die Reste einer Fauna enthält, welche sich allem Anscheine nach am Rande der bisher vermutheten Trennungsspalte zwischen der Gegenwart und der letzten unter den vom paläontologischen Dogma postulirten Ablösungsepochen befand. Der grosse Reichthum, in welchem diese Reste vorhanden sind, und die nahen Beziehungen, in welchen sie stehen zu der heutigen Thierwelt, für welche einzig wir bisher die physiologischen Faktoren einigermassen kennen, gestattet überdies, die Thierwelt der Pfahlbauten gewissermassen bis in ihr häusliches Leben hinein zu ` verfolgen in einer Weise, wie dies bei ältern Fossilien nur selten der Fall ist. Es bleibt mir noch übrig, über das Material zu berichten, das zu dem in den „Untersuchungen“ bearbeiteten und dort erwähnten hinzugekommen. Es ist eine 1) Bronn, Entwicklungsgesetze der organischen Welt. i2) Darwin, On the origin of species. i | To l $ ah, wi p |: Br; P | Er Be: o Genugthuung, für die ich mich der allseitigen Unterstützung verpflichtet zu sein dank- bar anerkenne, sagen zu können, dass fast sämmtliches Material, das bisher aus den an Zahl immer zunehmenden Pfahlbauten der Schweiz herausgehoben worden, untersucht werden konnte. Ich habe schon in den „Untersuchungen“ meinen Dank ausgesprochen an die antiquarische Gesellschaft in Zürich und namentlich deren Vorsteher, Herrn Dr. Ferd. Keller, von welchem mir die hauptsächlichste Hülfe zukam, theils durch direkte Zusendung des Materials aus der östlichen Schweiz, theils durch Fürsorge für ähn- liche Unterstützung von anderer Seite; in dieser Weise bin ich auch Herrn A. v. Morlot in Lausanne sehr verpflichtet; ferner an die Vorsteher der naturhistori- schen Museen in Bern und Zürich, Herrn L. v. Fischer-Ooster und Herrn Prof. Arn. Escher v. d. Linth, durch welche mir die daselbst aufgestellten Sammlungen aus Moosseedorf und Robenhausen zugekommen; ebenso an die Herren Messikomer in Stegen-Wetzikon, Dr. Uhlmann in München-Buchsee, Oberst Suter in Zofingen, Oberst Schwab in Biel, Herrn L. Rochat in Yverdon, Prof. E. Desor in Neu- chätel, die mir ihre Privatsammlungen zusandten. Denselben Herren bin ich verpflichtet auch für seitherige fortwährende Zusen- dung neuen Materials; namentlich hat Herr Messikomer mit rastlosem Fleiss und grösster Uneigennützigkeit an der Ausbeutung der Pfahlbauten im See von Pfäffikon gearbeitet und dadurch die ohnehin schon früher für unsern Zweck als sehr bedeu- tend bezeichnete Lokalität Robenhausen an Reichhaltigkeit weit über alle andern Pfahl- bauten hinausgehoben; abgesehen von der enormen Menge an Material, die mir von dort zukam, enthält die Liste von Robenhausen circa 85 % der Anzahl der in ma Pfahlbauten bis jetzt überhaupt aufgefundenen Thierspecies. Neue Zusendungen verdanke ich ferner Herrn Gilliéron in Neuveville, von welchem ich eine ansehnliche Sendung -von Knochen erhielt, die aus der Zihl bei Neuenstadt stammen und eine Mischung von Ueberresten aus dem Steinalter bis auf die Gegenwart darstellen. | | Der Inhalt des Pfahlbaues von Inkwyl, Kantons Solothurn, wurde mir zugestellt durch Herrn Dr. Uhlmann. Eine äusserst werthvolle Zugabe erhielt ich durch Herrn Fr. Troyon in Ecle- pends, bestehend in dem ansehnlichen mir bisher unbekannt gebliebenen Theile der Sammlung von Concise, der im Museum von Lausanne deponirt ist, nebst Beiträgen aus den Pfahlbauten vom Steinberg bei Nidau, von Auvernier , Cortaillod, Bevaix, Cor- u celeites, Morges, Rolle etc., und endlich einer beträchtlichen Anzahl kleinerer Samm- lungen aus der historischen, namentlich der römischen und nachrömischen Periode bis auf’s VI. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Es boten diese Sammlungen die werthvollsten Anhaltspunkte zur historischen Verfolgung mehrerer Hausthiere. In ähnlicher Weise bin ich Herrn F. Forel in Morges, dem Vorsteher der hi- storischen Gesellschaft der romanischen Schweiz, verpflichtet, für Zusendung der Pfahlknochen von Morges, sowie auch von Resten aus mehreren Lokalitäten des Steinalters, namentlich aus den Höhlen von Mentone an der Riviera di Ponente, die ein wichtiges Licht auf diese niedrige Kulturstufe werfen. Andere Beiträge aus geologisch oder historisch mehr oder weniger definirbaren Lokalitäten sehr verschiedener Art, Gräbern etc. erhielt ich durch die Herren Prof. Arn. Escher in Zürich, Prof. Lang in Solothurn, H. Quiquerez in Delémont, A. v. Morlot in Lausanne, Messikomer in Stegen-Wetzikon. Ein sehr wesentlicher, in vielen Beziehungen der wesentlichste Theil der mir zu Theil gewordenen Unterstützung bestand endlich in der Sorge für Vergleichungs- material durch Beschaffung von typischen Schädeln und Skeleiten unserer verschiede- nen Hausthierracen. | y j In diesem Theil der Arbeit, der mit unerwartet vielen Schwierigkeiten verbun- den war, verdanke ich die eifrigste und uneigennützigste Hülfe namentlich den Herren Oberst R. v. Erlach in Hindelbank, Prof. Arn. Escher, Thalammann Nager in Andermatt, Dr. Berther in Disentis. Ich benutze diese Gelegenheit, um hiermit für alle diese mir so reichlich zuge- flossene Hülfe öffentlich zu danken. Da auch diese Arbeit, wie die vorhergegangene, wesentlich paläontologische Zwecke verfolgt, so verweise ich in Bezug auf alle antiquarischen Verhältnisse auf die Originalquellen über diesen gesammien Gegenstand in den successiven „Berichten über die Pfahlbauten“ von Dr. Ferd. Keller in den Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Erster Bericht Band IX. 1853. Zweiter Bericht Band XI. 1858. Dritter Bericht Band XIMI. 1860. Vierter Bericht unter der Presse 1861. Eine sehr vollständige französische Bearbeitung dieses Materials nebst einem Ver- such zur Herstellung der chronologischen Parallelen für die verschiedenen Perioden der Pfahlbauten und zur Anknüpfung derselben an urkundlich bekannte Zeitalter gibt das Werk von Herrn Fr. Troyon: Habitations lacustres des temps anciens et mo- dernes, Lausanne 1860. Re Es gehört mit in den Bereich dieser Einleitung, Einiges mitzutheilen über die Beschaffenheit und die Art des Vorkommens der Pfahlbauknochen, und die relative Vertretung der einzelnen Thierspecies. Die unten mitzutheilende vollständige Liste der in den Pfahlbauten bisher aufge- fundenen Wirbelihiere beläuft sich auf ungefähr 66 Species, wovon eine nicht sicher festzustellende Anzahl, bisher etwa 10 auf Fische, 3 auf Reptilien, etwa 17 auf Vö- gel und die übrigen auf Säugethiere fallen. Von den letztern sind etwa 8 Species als Hausihiere zu bezeichnen, nämlich Hund, Schwein, Pferd, Esel, Ziege, Schaf und wenigstens zwei Ochsenarten. Schon daraus geht hervor, dass die Knochen nur selten in den natürlichen Ver- hältnissen liegen blieben, in welchen sie bei dem Tode der Thiere sich befanden, sondern dass die Reste wilder und zahmer Thiere überall gemischt vorkommen, ab- sichtlich zu technischen Zwecken vom Menschen zusammengehäuft. Nur an wenigen Stellen, namentlich in Robenhausen und Wauwyl, fanden sich Punkte, wo Knochen wilder Thiere offenbar seit deren Tod unberührt‘ geblieben sind. Anderwärts sind die Knochen überall Tischabfall des Menschen und nachträglich mehr oder weniger allgemein technisch verwendet; intakte Knochen sind daher äusserst selten, ganze Sendungen boten oft nur Anhäufungen von Bruchstücken und kleinen Splittern. Zwei Thierarten, eine wilde und eine gezähmte, sind allenthalben am reichlich- sten vertreten, der Edelhirsch und die Kuh. Die Ueberreste jeder dieser Species übertreffen nach Ausschluss der andern gewöhnlich an Menge diejenigen aller übrigen Thiere desselben Pfahlbaues in solchem Masse, dass selbst die Berücksichtigung , dass diese übrigen Thiere fast sämmtlich weit kleinere und schwieriger zu sammelnde Reste hinterliessen, das Uebergewicht der beiden ersten nicht sehr wesentlich ändern kann. | Das Verhältniss von Hirsch und Kuh für sich betrachtet ist dabei derart, dass in allen Pfahlbauten älteren Datums und kleineren Umfangs, wie Moosseedorf, Wau- wyl, Robenhausen der Hirsch die Kuh an Zahl der Individuen wesentlich übertrifft, umgekehrt in den ausgedehnteren und namentlich den jüngeren Pfahlbauten, wie in denjenigen der westlichen Seen, wie auch in Wangen und Meilen. In dritter Linie erscheint das Schwein; wie der Hirsch, nimmt auch seine Ver- tretung auffallend zu in kleinen und isolirten Ansiedlungen, ein Umstand, der nicht geringes Gewicht auf die Annahme legt, dieses Thier in den meisten ältern Ansiedlungen als wild zu betrachten. í = a Weit spärlicher, meist nur in wenigen Individuen vertreten, wo die bisher ge- nannten Thiere nach Dutzenden zu zählen sind, erscheinen das Reh, die Ziege, das Schaf. Letzteres ist in Ansiedlungen neueren Datums reichlicher als die Ziege, umgekehrt in den älteren. Mit ihnen hält Schritt der Fuchs und Marder. Viel seltener als der Fuchs ist der Haushund, der nirgends häufig vorkommt; noch spärlicher, offenbar zu den seltensten Thieren der Pfahlbauten gehörig, erschei- . nen Pferd und Esel, und mit ganz wenigen Exemplaren folgen schliesslich die übri- gen Thiere, namentlich das kleinere Volk der Nager und Insektenfresser, der Vögel und Fische, welche schon ihrer nur bei sorgfältizem Sammeln zugänglichen kleinen Ueberreste halber mehr nur als zufälliger Inhalt der Pfahlbauten betrachtet werden können. Doch erscheinen namentlich Biber, Dachs und Igel an manchen Stellen in ziemlicher Menge. | Als relativ seltene Jagdbeute müssen endlich betrachtet werden der Bär und Wolf, sowie die herbivoren Riesen des Waldes, der Ur, der Bison und das Elen- thier. Gemse und Steinbock sind bisher in je Einem Knochenstück gefunden worden. Das Bild, das wir uns hiernach über die Gesammtphysiognomie der damaligen Fauna machen müssen, habe ich in den „Untersuchungen“ zu entwerfen gesucht. Es hat durch die seitherigen Erfahrungen keinerlei wesentliche Abänderungen erlit- ten. Selbst die relative Vertretung der einzelnen Spezies, wie ich sie dort durch Zahlen von 1—5 in der allgemeinen Liste p. 32 anzugeben versuchte, ist nahezu die- selbe geblieben. Die einzige wichtige Veränderung ist die Zunahme von Bos pri- migenius und Bison, von welchen der erste nunmehr in Moosseedorf, Wauwyl, Concise, Robenhausen überall in mehreren Exemplaren bekannt ist, am letzten Orte in 5—6 Individuen; der Bison ebendaselbst in mindestens gleicher Individuenzahl und in einem schon früher bekannten Individuum in Wauwyl. | Direkte Zahlenangaben über die Vertretung der einzelnen Spezies können na- türlich nur sehr relativen Werth haben. Dennoch versuchte ich es für einen ein- zelnen Pfahlbau, für denjenigen von Moosseedorf, dessen Inhalt nach den Angaben von Herrn Dr. Uhlmann vollständig erschöpft ist und in meinen Händen war. Auf den ersten Blick schien dort das Schwein am reichlichsten vertreten zu sein. Nach den blossen individuellen Unterkieferstücken, mit Absehen von allen andern Knochen, konnte ich daselbst circa 10 Individuen von Wildschwein zählen und etwa 50, worunter ein Dutzend noch mit Milchgebiss , vom Torfschwein. Yon Edelhirsch, dessen Schädelstücke in allen Sammlungen auffallend spärlich | 2 Re et sind, obschon nur die Geweihe, nicht aber die Schädel technisch verwerthet wurden, enthielt die Uhlmannsche Sammlung 18 linkseitige Fersenbeine, 15 linkseitige Sprung- / beine u. s. f. Bei der Seltenheit der Schädelknochen dieses Thieres (wurden sie verbrannt oder geopfert?) waren jene Fussknochen fast allein zur Schätzung der Zahl brauchbar, da dieselben sich nirgends zu Werkzeugen verwendet finden, wäh- rend die in enormer Anzahl überall vorhandenen Geweihstücke (von welchen das männliche Thier bekanntlich circa S—10 während seines Lebens abwirft) von den Pfahlbauern sorgfältig aufgehoben und gewiss auch von nicht erlegten Thieren ge- sammelt wurden. Da Schweinsknochen nur selten zu Geräthen verarbeitet sind, und an individu- ellen Fusswurzelknochen des Schweins sich kaum ein Halbdutzend in der Sammlung vorfand, so können wir, trotz der Menge der Unterkiefer desselben Thiers, aus der grossen Anzahl Fusswurzelknochen des Hirsches wohl schliessen, dass der letz- tere in Moosseedorf kaum schwächer vertreten war, als das Schwein. Die Vertretung der Kuh, deren Knochen niemals zu Werkzeugen dienten, und auch ihrer Grösse halber in allen Sammlungen als relativ sehr vollzählig aufgehoben geschätzt werden müssen, konnte ich aus den individuellen Ober- und Unterkiefern in Moosseedorf auf mindestens zwei Dutzend anschlagen, wovon etwa 10 noch mit Milchzähnen, die andern meist von sehr hohem Alter. Wir schliessen daraus, dass die Kuh spärlicher vorhanden war als der Hirsch, und dass dies Hausthier gewiss einen sehr werthvollen Bestand des Besitzes bildete und» keineswegs im Ueberfluss vorhanden war, und dass man die Thiere so lang als möglich zur Nachzucht be- nutzte, bevor man sich entschloss, sie zu schlachten. Von Ziege und Schaf sind Unterkiefer die am häufigsten erhaltenen Skeletstücke. Die Unterscheidung dieser zwei äusserlich so verschiedenen Thiere durch osteolo- gische Merkmale und namentlich durch die Bezahnung hat bekanntlich sehr grosse Schwierigkeiten und ist für jüngere Thiere höchst misslich. Doch glaubte ich für Moosseedorf 9 erwachsene Ziegen und 14 mit Milchgebissen zählen zu können. Das Schaf war nicht halb so reich vertreten. Das Reh hielt Ziege und Schaf das Gleich- gewicht. Vom Hund fand ich 2 Schädelstücke und neben diesen noch anderweitige Ske- letstücke, die auf höchstens 4—5 Individuen schliessen liessen. Der Fuchs war entschieden häufiger als der Hund. Noch häufiger der Biber. Suchen wir diese Angaben prozentisch auszudrücken, so dürfen wir in Moos- = f = seedorf für die häufiger vorkommenden Thiere ungefähr folgende Reihenfolge der Ver- tretung uns als wahrscheinlich denken, wobei wir die oben genannten seltenen Thiere, die als mehr zufällige Jagdbeute zu betrachten sind, mit 1 bezeichnen und dem Um- stand Rechnung tragen, dass aus Hirschknochen fast alle Geräthe verfertigt sind, während diejenigen der Schweine dazu nur selten verwendet wurden. | Hund 3. Fuchs 4. Biber 6. Reh 8. Ziege und Schaf 10. Kuh 16. Schwein 20. Hirsch 20. Diese Abschätzung, welche durch die Zahlenverhältnisse in ähnlichen Pfahlbauten mit geringen Modifikationen, die zumeist das Schwein betreffen, bestätigt wird, scheint mir nicht nur einen relativen, sondern auch einen absoluten Werth zu haben, indem sie uns Verhältnisse vorführt, wo unzweifelhaft wilde Thiere, wie der Hirsch, als Nahrungsmittel einen gleichen oder selbst grössern Werth haben als Hausthiere. Die prozentische Summe der in Moosseedorf verspeisten wilden Thiere übertrifft die- jenige der zahmen, da das Schwein nach unten auseinanderzusetzenden Gründen in Moosseedorf — wenn je — so immerhin nur zum kleinsten Theil als Hausthier zu betrachten ist. Die Ansicht von dem hohen Alter dieser Pfahlbauten wird hierdurch nicht wenig unterstützt. Selbst die höchste absolute Ziffer von circa 60 Individuen vom Schwein in dem Pfahlbau von Moosseedorf, der offenbar während langer Zeit bewohnt war, zeigt uns, dass Wildpret gewiss nicht alle Tage auf dem Tisch des Pfahlbauers erschien. ‘Die Erhaltungsart der Knochen und ihre allgemeine Beschaffenheit giebt eben- falls Anlass zu Bemerkungen, welche geeignet sind, einiges Licht auf die Sitten der Bevölkerung zu werfen, die daraus so vielfachen Nutzen zog. Ueberdies ver- dient der spezielle äussere Charakter, namentlich Farbe und Textur der Knochen der verschiedenen Thierarten erwähnt zu werden. Es ist jedem Anatomen, der län- gere Zeit mit osteologischem Material sich beschäftigt hat, bekannt, wie sehr Härte, Farbe, Textur der Knochen für verschiedene Thiere variiren; namentlich musste die zu a SN | 4 | ern Zee ee ne ee N z Dorem iin ee e E ú Bos ze ee grosse Verschiedenheit des Härtegrades und der Sprödigkeit Jedem auffallen, der häufig Knochenschnitte gemacht oder bei der Zusammensetzung von Skeletten selbst Hand anlegie. Es sind diese Verhältnisse so konstant, dass sie Beobach- tung verdienen; die eigenthümliche Erhaltungsart der Knochen im Wasser von Torfmooren oder von Seen hat diese Struktureigenthümlichkeiten auch keineswegs verwischt, sondern sie oft mehr zu Tage gebracht. Sie sind so charakteristisch , dass sie sehr oft bei kleinern Knochenstücken, wo Gelenkflächen oder andere ana- tomische Anhaltspunkte zur zoologischen Bestimmung fehlen, also namentlich auch bei knöchernen Geräthschaften, vollkommen sichern Anhaltspunkt zur Bestimmung lie- fern; sie geben überdies in den meisten Fällen den einzigen und fast immer den sichersten Leitfaden zur Entscheidung des wilden oder zahmen Zustandes eines Thieres. Die Konstanz, mit welcher ich an der enormen Menge von Material, das mir durch die Hände ging, diese Beobachtungen immer wieder bestätigt und verwerthbar fand, lässt mich hoffen, Mitarbeitern durch ihre Mittheilung ein werthvolles Hülfsmitel an die Hand zu geben, das gewiss auch bei genauer Verfolgung für thierische Reste älterer Perioden wird verwendet werden können. Unter den in den Pfahlbauten häufiger vertretenen Thieren sind die Knochen des Hirsches durchweg am besten erhalten; sie verdanken dies gewiss nur ihrem dichten Gefüge, ihrer Härte und Sprödigkeit, sowie der grossen F eitlosigkeit, Ei- genschaften, welche sich schon den Völkern des Steinalters so empfahlen, dass sie diese Knochen vor allen andern, ja fast ausschliesslich zur Anfertigung aller ihrer Werkzeuge verwendeten, für welche dies Material überhaupt brauchbar war. Bei keinem andern Thiere der Pfahlbauten findet sich ein so exquisit scharfsplitteriger Bruch der Knochen und so frische Erhaltung der scharfen Bruchkanten wie beim Hirsch; für schneidende und stechende Instrumente konnte daher in der That kein besseres Material gewählt werden. Selbst die ohnehin dünnen Rippen, der Diploe entlang überdies entzwei gespalten, wurden mit Vorliebe zu Pfriemen, Nadeln etc. zugeschnitzt, was bei keinem andern Thiere möglich gewesen wäre. Dichtere Knochen, wie namentlich die langen Extremitätenknochen, zeichnen sich aus durch auffallend hohes spezifisches Gewicht. Des geringen Fettgehaltes wegen sind die Knochenober- flächen wie auch beim recenten Hirsch eigenthümlich trocken und rauh anzufühlen und selbst muskelfreie Flächen von einer eigenthümlichen feinfaserigen Skulptur. Die Farbe ist bei Knochen aus Torfmooren ein dunkles, ganz glanzloses Braun, im Bruch An = in’s Grauliche spielend, bei Knochen aus Seen ein helleres, aber immer glanzloses Holzbraun. : Ay Zur technischen Verwendung -kamen ausser den Geweihen, die vor allem für Anfertigung von Handgriffen für alle möglichen Instrumente beliebt waren, besonders die langen Metacarpal- und Metatarsal-Knochen und Radius, Stücke, die sich durch dichtes Gefüge, bequeme Form und leichte Spaltbarkeit empfahlen; aus demselben ` Grund wurden selbst Fingerphalangen gebraucht; weit seltener wurden Humerus und Femur verwendet. Ein sehr geschätztes Knochenstück war dagegen die Ulna, welche nur unten zugespitzt oder geschärft werden durfte, um einen scharfen Pfriem oder Dolch mit natürlichem und sehr praktischem Handgriff zu bilden. Wie die Rippen benutzt wurden, ist schon gesagt worden. Als unbrauchbar erschienen sicher mehr der lockerern Textur, als der unbequemen Form halber Wirbel- und Beckenknochen, auch die freilich theilweise sehr dichten, aber schwer zuzuschneidenden Schädelstücke und Fusswurzeln. Wirbel und Fussknochen sind daher meist auch die einzigen Skeletstücke , welche unverletzt erhalten sind. | Die Knochen vom Reh sind selten zu Geräthen verarbeitet, da bei einem so kleinen Thiere bei der nothwendigen Vermeidung der Diplo& die Rindenschicht zu wenig Stoff mehr darbot. Sie zeigen ein etwas helleres und lebhafteres Braun als diejenigen des Hirsches und besitzen namentlich einen eigenthümlichen Firnissglanz und glatte Oberfläche, welche den Hirschknochen fehlen. Ueber die Reste von Ziege und Schaf gelten die gleichen Bemerkungen, wie für das Reh. Ihre Farbe ist dunkler als bei Hirsch und Reh. Die Schafknochen zeigen noch nicht den starken Fettgehalt und die schmutzige Oberfläche, welche sie heutzutage von den trockenern, allein weit weniger spröden Knochen der Ziege so- wohl an der Oberfläche als im Bruch meist ziemlich leicht unterscheiden lassen. Die Knochen vom Schwein sind selbst in ganz kleinen Bruchstücken meist leicht zu erkennen durch eine gesättigte tiefbraune bis fast schwarze Färbung und glatte, fett anzufühlende Oberfläche, welche sie von denjenigen des Hirsches selbst in Splittern sicher unterscheiden lässt. Diese Beschaffenheit der Oberfläche ist wohl schon der Neigung zu Fettablagerung zuzuschreiben, obwohl das Schwein des Stein- alters (sowohl Wildschwein als Torfschwein) eine ungleich dichtere und trockenere Knochensubstanz zeigt, als unser heutiges Zuchtschwein. Ich glaube, dass die Pfahl- bauern die Knochen unseres heutigen Schweines nach der Mahlzeit als unbrauchbar würden weg’geworfen haben. Das damalige Wildschwein und Torfschwein erwiesen Ba sich noch weiter verwerthbar, obschon nicht in dem Grade wie der Hirsch. Am häufigsten wurde die Ulna in ähnlicher Weise wie beim Hirsch verwendet. Auch das Manubrium Sterni empfahl sich durch seine eigenthümliche Form. Auch die Mit- telfussknochen sieht man sehr häufig in Form von Pfriemen zugespitzt. Während aber Hirschknochen nach dem Essen aufgehoben wurden, nagte man um so länger und wie die Spuren zeigen, mit um so grösserem Behagen an denje- nigen des Schweins. Mit besonderer Sorgfalt wurde der Schädel ausgebeutet, erst in der Mittellinie gespalten und das Gesicht abgeschlagen, und buchstäblich niemals vergass man die Alveolarhöhlen des Unterkiefers aufzubrechen; leider geschah dies am leichtesten, nachdem der heut erst wieder wichtig gewordene Vertikalast des- selben vorläufig abgeschlagen worden, daher dieser fast nirgends mehr da ist. Die Knochen des Hundes haben fast die gleiche schwärzliche Farbe wie die- jenigen des Schweins, allein sie sind viel lockerer und weicher. Diejenigen des Fuchses sind dagegen weit heller, trockener, dichter und spröder. j l Unter allen Hausthieren der Pfahlbauten bot die Hauskuh das schlechteste Ma- terial zu Geräthen, ihrer schwammigen Knochenstruktur halber. Wenn die langen Mittelfussknochen fast konstant gespalten wurden, so geschah dies allem Anscheine nach lediglich um des Fettgehaltes willen. Es sind die Kuhknochen überhaupt von allen am schlechtesten erhalten; die Knorpelflächen sind konstant abgenagt, der Schä- del, der ohnehin der Gewalt ja leicht wich, leider fast immer in kleine Stücke zer- schlagen, der Unterkiefer ganz konstant durch denselben Kunstgriff geöffnet, wie beim Schwein. Mit den Hornzapfen konnten die Leute, wie es scheint, auch nichts anfangen, sie sind nirgends verwendet. Die schwammige Struktur, das auffallend geringe relative Gewicht, die sehr helle, oft fast in's Strohgelbe gehende Färbung, die glanzlose weiche Oberfläche lassen Kuhknochen auch in kleinen Stücken meist leicht erkennen. Es ist gewiss sehr bezeichnend, dass die unzweifelhaft wilden Ochsenarten, der Ur und Wisent ganz andere Beschaffenheit der Knochen zeigen, als die Hauskuh; Härte, Sprödigkeit, Gewicht sind bei den ersteren weit bedeutender. Beim Ur haben “die grössern Röhrenknochen, deren Rindenschicht oft nahezu einen Zoll Stärke besitzt, ein erstaunliches Gewicht. Allein dazu kömmt vor allem ein bei längerer Uebung dem Auge sich sofort aufdrängendes und sehr wichtiges Merkmal, das zur Unter- scheidung von Knochen oder Knochenstücken wilder und zahmer Thiere das beste BR E E Hülfsmittel liefert; es besteht in einer zwar nicht beschreibbaren, aber bei einiger Uebung des Auges höchst charakteristischen Skulptur der Knochenoberfläche wilder Thiere durch reichlichere und schärfere Zeichnung der Gefässrinnen , grössere Rau- higkeit und Schärfe aller Muskelinsertionen, ; kurz. möglichste Ausprägung aller Kanten und Vorsprünge und möglichstes Zurücktreten aller indifferenten Flächen. Fig. 3 Tab. II und Fig. 1. 2 Tab. V machen dies für den Ur ziemlich anschaulich, Fig. 4 . Tab. l auch für das Wildschwein. Dazu kommt beim Ur eine nicht minder auffällige, dem Bison durchaus nicht zukommende grobfaserige und netzige Skulptur und Struk- tur an allen Muskelinsertionen, besonders aber an den Gelenkköpfen aller langen Knochen. Sie ist an der Zeichnung des Atlas Fig. 2 Tab. IV gut ausgedrückt. Die Farbe der Knochen des Ur ist ein sehr helles Braun, wie bei der Kuh; ebenso fin- den wir hier wieder die weich anzufühlende Oberfläche der Kuhknochen, allein dazu kommt ein schwacher Firnissglanz, der bei der Kuh fehlt; die Knochen des Bisons sind weit dunkler gefärbt, gesättigt braun, mit rauher, trockener Oberfläche wie beim Hirsch, mit dem sie auch die Sprödigkeit theilen. | Obwohl in Robenhausen, wo Reste von Ur und Bison fast allein in einiger Häu- fiskeit vorkommen, absichtlich zerschlagene erosse und ‚kleine Stücke von Knochen beider dieser Riesenthiere häufig sind, so ist mir noch niemals ein aus solchen ver- ferligtes Geräthe zu Gesicht gekommen. Offenbar war das Material zu massiv und setzte die Geduld des Arbeiters auf zu lange Probe, als dass man nicht vorgezogen hätte, die schneller zu einer gewünschten Form zu bringenden Knochen vom Hirsch oder Schwein zu verwenden. Ob ein Rückenwirbeldorn vom Ur, der als Dolch oder Schwert beurtheilt worden war, und in der That selbst den letztern Namen durch seine Grösse verdienen konnte, dazu wirklich gedient, bezweifle ich sehr, da ich nach genauer Untersuchung nicht die geringste künstliche Bearbeitung daran ent- decken konnte. Für kleinere Thiere, wie Biber, San Otter, Marder etc. könnte ich leicht ähnliche Beobachtungen beibringen, wenn dies nicht überflüssig wäre, da das osteo- logische Hülfsmittel der Erkennung, Gelenkflächen, bei so kleinen Knochen fast nie- mals gänzlich fehlt. | | Es versteht sich von selbst, dass diese äussere Beschaffenheit der Knochen di- rekt bedingt wird durch histologische Verhältnisse , welche vielleicht durch den Auf- enthalt der Knochen im Wasser etwas deutlicher zum Vorschein traten, während sie an recenten Skeleten, wo sie keineswegs fehlen, nur dem etwas sorgfältigeren Auge D e auffallen. Auch die chemische Beschaffenheit des Knochens, namentlich sein Fettge- halt, von welchem wiederum der Glanz und die Farbe der Oberfläche abhängen, ist unzweifelhaft spezifischen Veränderungen bei verschiedenen Thieren unterworfen. Wir überzeugen uns davon leicht in Skeletsammlungen nicht nur durch Vergleichung etwa von Schaf- und Hirschknochen, sondern selbst derjenigen verschiedener Hunde- racen. Es liegt zwar auf der Hand, dass bei Hausthieren individuelle Verhältnisse sehr wesentlich dabei mitwirken. Immerhin aber werden wir in den obigen Merkmalen das einzige objektive, und ein mit der Menge des Materials an Beweiskraft steigendes Kennzeichen zur Unterscheidung wilder und zahmer Thiere besitzen. Wir können nicht zweifeln, dass die neuen Lebensverhältnisse, welche die Zähmung bei Haus- thieren, die zur Nahrung dienen, bedingt, Schwächung der gesammten Energie des Organismus durch reichlichere Ernährung bei geringerer Bewegung, Zunahme des ‚ Fettgehaltes u. s. f., im Verlauf nicht nur von Jahrhunderten, sondern selbst in weit | kürzeren Zeiträumen den wesentlichsten Einfluss auf die gesammte physikalische Be- ‚ schaffenheit der Knochen ausüben. Ich glaube mich daher vollkommen. berechtigt, ' Angesichts von so bedeutendem Material, diese Merkmale zur Entscheidung der so wichtigen Frage über Wildheit oder zahmen Zustand eines Thieres zu verwerthen. Einen fruchtbaren Anlass zu Fragen, die nicht ohne Interesse sind, bietet auch die Farbe der Knochen. Es war leicht, bei den Sammlungen aus den verschiedenen Pfahlbauten zu entscheiden, ob die Knochen in Torfwasser, oder in offenen Seen, oder in fliessendem Wasser, oder endlich ob sie in trockener Erde gelegen hatten. Immer aber hatten dieselben, trotz des allgemeinen Einflusses durch die Lokalität, ihre spezifische Färbung für die verschiedenen Thierarten beibehalten, und zwar deut- licher als wir dies in Sammlungen recenter Skelete wahrnehmen. Doch ist oft l auch am recenten Wildschwein eine merklich dunklere Farbe sichtbar, als am Haus- ‚ schwein. Die dunkle Farbe in Torfwassern verdanken die Knochen ohne Zweifel zum grössten Theil diesen letztern; doch ist fraglich, ob nicht hier schon ein Pro- zess im Gange ist, ähnlich demjenigen, der so häufig fossilen Knochen die blendend schwarze Farbe gab, welche dieselben im Leben gewiss nicht besassen, und welche auch an vielen Stellen nicht von umgebender Kohlenbildung hergeleitet werden kann. An der petrefaktenreichen Stelle bei Aarwangen enthält die blaue Molasse keine Spuren von Kohlen und auch an Blättern keinen grossen Reichthum. Dennoch sind die Knochen von Anthracotherien und von verschiedenen Nagern , die dort vorkommen, glänzend schwarz. Gegenüber Aarwangen, nur durch die Aare getrennt, finden sich theilweise dieselben Thierreste in dem braunen Süsswasserkalk von Oensingen; kleine Nagerzähne sind auch hier kohlschwarz, Rhinoceroszähne und -Knochen dagegen braun, wie das umgebende Gestein. Die Zähne im Bohnerz von Egerkingen sind braun gefärbt. Wenn auch die Umgebung sicher den wichtigsten Einfluss auf die Färbung der Fossilien ausübte, so scheint doch auch ein in denselben selbstständig “ bestehender chemischer Vorgang die so häufige dunkle Färbung zu bedingen. Es fragte sich daher, ob auf chemischem Wege zu ermitteln sei, wodurch die braunen Pfahlknochen von den hellen recenter Thiere sich unterscheiden. Die ausser- ordentliche Verschiedenheit der Resultate von Analysen recenter Knochen nicht nur nach Thierklassen oder Arten, sondern nach Alter und Organ, gab indess wenig Hoffnung zu einem bestimmten Ergebniss. In einer einstweilen an ganz zufällig aufgegriffenen Knochenstücken aus dem Pfahlbau von Moosseedorf vorgenommenen Analyse fand Herr Dr. Flückiger in Bern in einer Phalanx vom Hirsch 31,62, in einer Geweihspitze desselben Thieres | 32,68 %, organische Bestandtheile. Für Geweihe recenter Thiere finden wir von Frémy den prozentischen Gehalt an organischen Bestandtheilen auf 33—53 angegeben beim Hirsch, auf 32—52 beim Rennthier, von Bibra auf 35—57 beim Reh. Obige provisorische Analyse der Pfahlknochen belegt also einstweilen noch nichts, als dass die organische Substanz einstweilen noch keine wesentliche Abnahme erlitten. i Eine letzte allgemeine Bemerkung, auf die ich meinerseits nicht das mindeste Gewicht legen will, da sie sehr leicht Sache des blossen Zufalls sein kann, ist die, dass von paarigen Knochen die linkseitigen konstant merklich häufiger sich vorfanden, als die rechtseitigen. Möglicherweise kann dies auch mit gewissen Sitten der Pfahl- bauern in Verbindung stehen; ich konstatire indessen nur die Thatsache. EEE Zu E ar RZ Pr a SE Paläontologie, Erste Abtheilung. Wilde Thiere. 1. Der Bär. Ursus arctos L. Bis in das gegenwärtige Jahrhundert hinein ist der braune Bär ein stehender Bewohner der alpinen und ein so häufiger Gast in der jurassischen Schweiz 1), dass seine Anwesenheit in den Pfahlbauten nichts Auffallendes hat. Die Mehrzahl seiner in denselben aufgefundenen Ueberreste besteht zwar in Eckzähnen,, deren vortreffliche Erhaltung und Politur von dem Werth zeugt, den der Mensch damals auf ihren Be- 1) Untersuchungen p. 35. Zu den daselbst gegebenen Citaten über die historische Verbreitung des Bären in der Schweiz füge ich folgende fernere: Gysat, Beschr. des Vierwaldstätiersee’s 1661 p. 161 ff., erwähnt Bärenjagden im Kanton Luzern in den Jahren 1580 und 1652. Nach Fröbel und Heer, Mittheil. aus dem Gebiete der theoret. Erdkunde p. 113, wurden in Ursern um 1830 zwei Bären Ehe: In Wür- temberg scheint der Bär nach Jäger, foss. Säugethiere Würtembergs, mit Anfang des 16. Jahrhunderts erloschen zu sein. Durch die ganze Alpenkette sind Lokalnamen, die unzweideutig die einstige Anwesen- heit des Bärs beweisen (Bärenpfad, Bärlaui, Bärhegen, Bärfalle, Bärau), reichlich zerstreut; auffallender ist die sehr grosse Häufigkeit solcher Namen im Emmenthal. Einen sehr werthvollen Beitrag zur Geschichte des Bären in der Schweiz liefert die im Sommer 1860 gemachte Entdeckung von nicht weniger als 6 vollständigen, theils jungen, theils erwachsenen Skeletten von Bären in einer Höhle auf der Alp Stoss im Muottathal | im Kanton Schwyz, unter einer 2° starken Schicht von Lehm, der überdiess von einer 1 Zoll dieken Kruste von Kalktuff überzogen war. Die Knochen selbst sind ebenfalls von einer sehr dünnen Tuffkruste bedeckt und von vortrefflicher Erhal- tung. Sie sind im Besitz theils des Kollegiums in Schwytz, theils des Herrn Landammann Auf der Mauer in Brunnen. Das grösste Skelet lag ausgestreckt in der Höhle, die beiden vordern Extremitäten durch ein von der Decke heruntergefallenes Felsstück gebrochen. Der grösste Schädel, den ich in Brunnen sah, mass 285 Mm. vom For. magnum zu den Incisiv-Alveolen und 200 Mm. Breite auf der Höhe der Jochbogen, und gehörte mithin einem sehr grossen Thiere an. Ein noch merklich grösserer soll im Kollegium in Schwyz liegen. Die vollständig erhaltene Zahnreihe gestattete leicht, die vollkommene Uebereinstimmung mit dem braunen Bär zu konstatiren. Bezeichnend ist der Umstand, dass die Lokalität, wo diese Bären- höble liegt, auf Karten „Bärentross“ genannt wird (von „Troos“, Alnus viridis, die dort häufig ist); ein Umstand, der auf noch späte Bewohnung der Höhle hinweist. = My sitz legte, und somit nichts für den Aufenthalt dieses Thieres in der nähern Umge- bung der Pfahlbauten beweist. Moosseedorf und Meilen enthielten auch keine andern Resie vom Bär, als solche Zähne. Reichliche Ueberreste an Knochen fanden sich in Wangen, in Concise, in der Zihl bei Neuenstadi; am erstern Orte namentlich neben einer Anzahl von Knochen erwachsener Bären ein Schädel eines noch sehr jungen Thieres ven Dachsgrösse; in Coneise zwei gut erhaltene Unter- kiefer alter Thiere. f Alle diese Reste stimmen so vollständig mit dem heutigen braunen Bär überein, dass jeder Gedanke an den diluvialen Höhlenbär ausgeschlossen ist !). 2. Der Dachs. Meles vulgaris Desm. Man weiss seit längerer Zeit, dass der Dachs, der so häufig in unseren Wäl- dern lebt, schon in der diluvialen Periode mit dem europäischen Mammuth, dem di- luvialen Nashorn, dem Höhlenbär, der Höhlenhyäne, dem Urochs zusammenlebte 2). Als Zeitgenossen des letztern treffen wir ihn noch in der Periode der Pfahlbauten, wo er zu den häufigeren Raubthieren gehört; er ist daselbst fast überall vertreten; selbst sehr zerbrechliche Knochen desselben, wie die sehr dünnen Schulterblätter sind häufig so vollkommen erhalten, dass man zweifeln könnte, ob dieses Thier zur Nahrung diente, wenn nicht die vielen vollständig erhaltenen Schädel fast ohne Aus- nahme deutliche Messerspuren trügen. Ein Schädel aus Concise, von 125 Mm. Länge vom For. magnum bis zu den Incisiv-Alveolen, und von 35 Mm. Jochbogen- breite weist auf eine Grösse, die heutzutage vom Dachs wohl nur selten erreicht 1) Nichts destoweniger scheint der Höhlenbär in der Schweiz keineswegs zu fehlen. Unter Verhält- nissen, ‚die denjenigen der Alp Stoss sehr ähnlich zu sein scheinen, fanden sich in einer Höhle am W ild- kirehli, Kanton Appenzell, unter Kalktuff mehrere Bärenzähne, namentlich Caninen, welche an Grösse denjenigen des Höhlenbärs nichts nachgeben, und die von Cuvier, Ossem. foss. IV. p. 349, gegebenen Maximaldimensionen für Zähne des braunen Bärs weit übertreffen. Sie sind im Museum von Zürich auf- bewahrt. Der grösste Eckzahn daselbst hat eine volle Länge von 95 Mm. auf 34 Mm. Durchmesser von vorn nach hinten, und entspricht vollkommen der Abbildung des Eckzahns vom Höhlenbär. Fig. 29 Owen, Brit. foss. Mamm. Mit diesen Resten vom Höhlenbär fand sich ein vollkommen gleich erhaltener vollständiger Metacarpus einer sehr grossen Gemse. (Volle Länge 154 Mm., Querausdehnung der obern Gelenkfläche 25 Mm., der untern 32 Mm. Gleiche Maasse an einem ausgewachsenen Skelet einer recenten Gemse 147. 26. 28.) 2) H. v. Meyer, Pal&zontographica VII. 1. 1859. p. 41. %9 — wird; allein im übrigen ist die Uebereinstimmung des in den Torfmooren gefundenen Dachses mit dem lebenden eine vollständige. 3. Der Steinmarder. Mustela Foina Briss. Der Name Steinmarder passt für dieses Thier in der Periode der Pfahlbauten ohne Zweifel weit besser, als sein heutiger Name Hausmarder. Ich fand die Reste dieses kleinen Thiers in allen Pfahlbauten des Steinalters, welche mit Sorgfalt aus- gebeutet wurden, in ziemlicher Menge, besonders häufig in Wauwyl, wo ganze Nester unverletzter Knochen jeden Alters, ohne Zweifel der Inhalt der wirklichen Nester, beisammenlagen. An den besonders häufig erhaltenen Unterkiefern, sowie auch an den seltenern obern Schädelhälften waren die Zähne merklich schärfer, kantiger, schneidender, überhaupt der spezifische Typus des Gebisses schärfer ausgeprägt, als an den re- centen Schädeln, die zur Vergleichung dienten. Aus keinem Pfahlbau der Bronze oder einer spätern Periode erhielt ich so reich- liche Marderreste, wie aus den ältesten Ansiedlungen. Allein auch ohnedies ist leicht denkbar, dass der Marder mit Zunahme der Bevölkerung aus der unmittelbaren Umgebung der Ansiedlungen sich mehr und mehr entfernte. / 4. Der Baummarder. Mustela Martes L. Mit dem Steinmarder mag oft der Baummarder, wenn auch gewiss nicht gleich- zeitig, die Wohnung getheilt haben. Wenigstens lagen in W au w yl bei den Resten des erstern nicht weniger als 4 Schädel und 6 Unterkieferhälften nebst einer sehr grossen Anzahl übriger Knochen des letztern, und im nämlichen Zustande, unverletzt, allein von äusserst mürber Beschaffenheit, die Röhrenknochen fast alle plattgedrückt, gewiss ein Wink von einiger Bedeutung für den ähnlichen Zustand vieler tertiären Fossilien, wenn wir die relativ kurze Zeit in Anschlag bringen, welche die Marder- knochen in Wauwyl von der Periode ihrer Ablagerung bis heute im Torf zubrach- ten, ohne weiteren Druck, als durch die allmälig wachsende Vegetationsschicht. Von Interesse war auch die Constanz, mit welcher nicht nur am Gebiss und Schädel, sondern selbst an Wirbeln oder Extremitätenknochen, sobald das Material etwas reichlicher vorlag, die kleinen Differenzen zwischen den beiden Marderarten, deren Trennung oft angefochten wurde, auftraten. "A 1 “R Die Vertretung beider Spezies war so ziemlich gleich stark in allen Pfahlbauten des Steinalters. 5. Der Iltis. Mustela Putorius L. Die Erkennung des Genus Fetorius von Keyserling und Blasius war natürlich selbst an zahnlosen Unterkiefern weit leichter, als die Unterscheidung der beiden Marderarten. Auch der Iltis war in der Sammlung von Wauwyl häufiger, als in ir- gend einer andern, doch überall etwas spärlicher, als die beiden Marder. Roben- hausen lieferte einen Schädel von einer Grösse, die heute vom Iltis wohl nur sel- ten erreicht wird. Die eigenthümliche Schärfe der Zahnskulptur, in merklichem Kon- trast zu demjenigen heutiger Schädel, zeigte sich hier in gleicher Stärke wie beim Steinmarder. 6. Das Hermelin. Mustela Erminea L. Eine Anzahl erwachsener Skeletstücke, allein ohne Schädel, die aus Wauw yl mit der grossen Anzahl von Resten übriger Mustelen mir zukam, konnte nur auf Boden der Grössenverhältnisse dem Hermelin zugeschrieben werden. Es ist wohl wahrscheinlich, dass dieses in der Schweiz heutzutage nicht seltene Thierchen auch in andern Pfahlbauten vorkam, doch fand ich davon keine direkten Spuren, so wenig als von dem heute weit häufigeren gemeinen Wiesel. 7. Die Fischotter. Lutra vulgaris Erxl. Die schwierige Jagd dieses an fliessenden Gewässern heute gar nicht seltenen Thieres mag wohl die Seltenheit seiner Reste in den Pfahlbauten erklären. In Moos- seedorf fand sich ein Oberarm, in Robenhausen eine grosse Partie von ganz unverletzten Knochen, die zu einem Skelet zusammengehörten. Ohne Zweifel war das Thier daselbst auf natürliche Weise zu Grunde gegangen, oder er wenigstens nicht zur Nahrung gedient. | Eine interessante Zuthat, welche die Sorgfalt, mit der Herr Messikomer sam- melt, in helles Licht stellt, bildeten am letztgenannten Ort wohl erhaltene Copro- lithen von Fischottern, ausschliesslich zusammengesetzt aus Wirbeln, Gräten und Schuppen von kleinen Fischen, namentlich Perca und Squalius, die ja noch heut in unsern Bächen wohl die reichlichste Beute der Ottern ausmachen. a 8. Der Wolf. Canis Lupus L. Nachdem sich Wolfszähne schon in den Pfahlbauten von Meilen und Wan- gen vereinzelt vorgefunden hatten, wohin sie wohl, nach ihrer vorzüglichen Erhal- tung zu schliessen , ähnlich wie Bärenzähne, als seltenere Jagdtrophäen gelangt waren, erhielt ich in der Sammlung aus W au w yl das Material zu einem nahezu vollstän- digen, ganz ausgewachsenen Skelet eines Wolfs von sehr ansehnlicher Grösse. Sämmtliche Knochen waren so unverletzt, dass man annehmen muss, dass auch dieses Thier von den Pfahlbauern vielleicht zwar erlegt wurde, aber jedenfalls nicht unter ihre Zähne kam, die immer sehr deutliche Spuren hinterliessen. Es führt uns dieses Skelet wohl eine Jagdscene aus einem kalten Winter vor, ähnlich denjenigen, welche sich noch heutzutage um unsere Dörfer gelegentlich wiederholen 1). Ebenso vereinzelt erschienen Reste vom Wolf in Robenhausen , Concise und in der Sammlung von Herrn Gilliéron aus der Zihl bei Neuenstadt. In Concise wurde ein ganzer Schädel und ein Stück Unterkiefer eines zweiten Individuums auf- gehoben. , 9. Der Fuchs. Canis Vulpes L. Kein einziger, mit irgend welcher Sorgfalt ausgebeuteter Pfahlbau liess den Fuchs vermissen, und alleroris erschien er in ziemlich grosser Anzahl, jedenfalls, wie schon in der Einleitung gezeigt wurde, häufiger als der Haushund; dass der Fuchs auf dem Tisch der Pfahlbauern erschien, ergab sich aus den Messer- und Zahn- spuren an den zahlreichen Schädeln und andern Knochen auf die unzweideuligste Weise. Zu Geräthschafien wurden indess die letztern nicht benutzt. Wie bei Marder und Iltis war auch beim Fuchs an den aus den Pfahlbauten auf- gehobenen Gebissen die grosse Zierlichkeit, die feine und scharfe Ausprägung der Details der Skulptur im Vergleich zum heutigen Fuchs sehr auffallend. Allein dane- ben ergab sich, dass der F uchs im Steinalter nur selten die Mittelgrösse erreichte, zu welcher er heute gelangt. Unter der grossen Anzahl von Unterkiefern ganz alter Thiere der Pfahlbauten erreichten die grössten nur eine Länge von höchstens 90 Mm. vom Alveolarrand der Schneidezähne bis zum Processus eondyloideus, während ich diese Distanz an den sehr zahlreichen recenten Schädeln unserer Sammlung häufig um ein Drittel überschritten finde. Die Zierlichkeit und Schlankheit der Extremitäten- 1) S. „Unters.“ p. 36. knochen stimmt mit der Kleinheit des Schädels am Pfahlfuchs überein. Dagegen fand sich nMoosseedorf eine Tibia von ungewöhnlicher Länge, so bedeutend als bei dem grossen nordamerikanischen Vulpes fulvus. Nicht selten fanden sich Fusswurzeln mit vollkommen knöchernvereinigtem Cal- caneus und Astragalus. Ob diese eigenthümliche Verwachsung bei Raubthieren hier und da vorkommt, ist mir gänzlich unbekannt. Ich habe sie bisher niemals gesehen. ~ In spätern Perioden scheint der Fuchs als Nahrung ziemlich bald entbehrlich ge- worden zu sein. Während er in allen Pfahlbauten des Steinalters reichlich ist und auch in den Höhlen von Mentone vorkommt, die von einem Volk, das Metalle nicht kannte, bewohnt wurden, fand ich ihn noch in keinem Pfahlbau der Bronzeperiode. 10. Die Wildkatze. Felis Catus L. Von diesem heutzutage in der Schweiz ziemlich seltenen Raubthiere ') haben nur Moosseedorf, Wauwyl, Robenhausen und die Höhlen von Mentone bestimmte Spuren geliefert, deren Seltenheit und relative Grösse an sich schon ge- nügen, um die Anwesenheit der Hauskatze in den Pfahlbauten des Steinalters mit Bestimmtheit zu verneinen. Stücke zu einem halben Skelet eines und desselben In- dividuums lagen in Wauwyl. Ausser der bedeutenden Grösse , namentlich aller lan- sen Extremitätenknochen, vor allem der Phalangen, sowie der schärfern Markirung der Gelenkflächen, waren als Unterschiede von der Hauskatze lediglich bemerkbar die gestreckte Form der Scapula, die schlanke Gestalt des Unterkiefers und die Höhe des Foramen magnum; letzteres Merkmal zeigte sich auch charakteristisch an re- centen Schädeln 2). “e 11. Der Igel. Erinaceus europæus L, In Moosseedorf und Wauwyl und vor allem in Robenhausen ver- treten; an letzterem Ort fanden sich nicht weniger als 8 Unterkieferhälften. 1) Tschudi, Thierleben, p. 208. , 2) Reste von Wildkatzen sind in neuesten Terrains nicht selten. Ein sehr schöner Schädel wurde im Diluvium bei Zimmerwald, Kant. Bern, aufgehoben mit Resten von Dachs und Murmeltbier. Diesel- ; ben sind aufbewahrt im Museum von Bern. Ebendaselbst liegen 3 fast vollständige Skelette von Mur- melthier aus glacialem ? Diluvium von Niederwangen bei Bern, ein zoogeographisches Faktum von grossem Interesse, In weit neuerem Terrain, in Erdausfüllung von Felsspalten im Jura bei Balsthal fanden sich eben- falls Reste der dort noch lebenden Wildkatze und solche des im Jura seit langem ausgestorbenen Edel- hirsches. N e 12. Das Eichhorn. Sciurus vulgaris L. Spärlich an denselben Stellen, wo der Igel, sowie in Wangen. Auch diese beiden Thiere scheinen in spätern Perioden durch bessere Nahrung ersetzt worden zu sein. 18. Die Waldmaus. Mus sylvaticus L. Ein vollständiger Schädel nebst Tibia in Robenhausen. Erwägen wir, dass eben so kleine Thiere wie Mäuse und Ratten, z. B. nament- lich Frösche und kleinere Fische in den Pfahlbauten häufig Knochen zurückgelassen haben, so können wir aus dem Umstand, dass bisher ein einziger Mäuseschädel und zwar von einer niemals in Häusern lebenden Maus vorgefunden wurde, schliessen, dass die Seeanwohner damals von Mäusen und Ratten nicht wesentlich geplagt wa- ren. Ebenso wird es vorderhand wahrscheinlich, dass nicht nur die Hausratte, welche bekanntlich erst im Mittelalter in Europa auftrat, sondern dass auch die in der Schweiz noch heutzutage wenig verbreitete asiatische Wanderratte, vielleicht sogar die den Alten unter unsern Hausplagen allein bekannte Hausmaus in der Periode der Pfahl- bauten fehlte. 14. Der Hase. Lepus timidus L. Von diesem nicht gerade kleinen und gewiss im Steinalter nicht spärlicher als heute vertretenen Thier ist mir bisher in der grossen Menge von Knochensammlun- gen, in welchen selbst Fischschuppen und einzelne Fischzähne häufig, ja selbst Co- prolithen von im Wasser lebenden Thieren sich ganz wohl erhalten fanden, bis jetzt eine einzige, allein unzweifelbafte Spur, ein gebrochenes Stück eines Schienbeins, aus Moosseedorf stammend, zu Gesicht gekommen. Es ist dies in der That ein starker Beleg für die schon in den „Untersuchungen“ bekannt gemachte und seither an verschiedenen Orten verwerthete Thatsache, dass die Bewohner des Steinalters, sehr verschieden von uns, den Fuchs zwar assen, den Hasen aber vermieden. 15. Der Biber. Castor Fiber L. In der früheren Arbeit wurde nachgewiesen, dass der Biber in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts innerhalb der Schweiz erlosch 1). In den Pfahlbauten des Stein- 1) „Untersuchungen“ p. 36. Zu den dort gegebenen Citaten über frühere und heutige Verbreitung des Bibers füge ich folgende fernere: Nach einer sehr genauen Untersuchung von Pfr. J. Jäckel, Corre- spondenzblatt des zool.-mineralog. Vereins in Regensburg, Jahrg. XII. 1859. p. 1—38 über das gegen- o alters finden wir ihn indess unter den häufigeren Thieren, und zwar oft von enormer Grösse. Wauwyl lieferte einen Femur von 115 Mm. Länge. Am häufigsten ent- hielt ihn die Sammlung von Moosseedorf, welche fast alle Knochen des Skelets auf- wies, in einer Anzahl, die auf mindestens acht Individuen schliessen liess;. für Moosseedorf eine grosse Anzahl. Etwas spärlicher war er in Robenhausen und Coneise vorhanden. Im Skelet fand sich, ausser der theilweise sehr erheblichen Grösse,, nieht dei geringste Unterschied von dem heutigen Biber. Dagegen zeigte das Gebiss nicht unwesentliche Modifikationen, die nicht nur Folge des Alters und der Usur zu sein ‘scheinen; das höchst spärliche Vergleichungsmaterial vom recenten Biber gab mir zwar sehr ungenügenden Aufschluss über die Veränderungen der Kaufläche in Folge der Abreibung; allein es scheinen wirkliche individuelle Modifikationen auch bei. dem recenten Thier vorzukommen, wenn man wenigstens die verschiedenen Abbildungen seines Gebisses vergleicht. (Cuvier, Oss. foss.; F. Cuvier, Dents des Mammif.; Giebel, Odontogr.; Kaup, Oss. foss.; Jäger, foss. Säugeth. Würtembergs; an Brit. Foss. Mammals, etc.) Zu den Erfolgen der fortgeschrittenen Usur ist ohne Zweifel zu a die Isolirung der Anfangs theilweise verschmolzenen 4 Schmelzschlingen der Kaufläche erst zu selbstständigen Schlingen und die nachherige Ablösung derselben als ge- trennte Schmelzinseln, was namentlich an der zweitvordersten Schlinge regelmässig und am frühesten zu geschehen scheint. B Nicht selten fand ich indessen das merkwürdige Verhalten, dass von den vier Schmelzschlingen sich je 2 und 2 hufeisenförmig so verbanden, dass der Zahn da- wärtige Vorkommen des Bibers in Bayern, lebt der Biber heutzutage noch in der Salzach und vielleicht auch in der Amper (früher der reichlichste Aufenthaltsort des Bibers in Bayern). 1853 wurden in diesem Fluss noch 5, 1857 noch ein Stück bemerkt. Im Lech werden noch 1846 zwei Stück erwäbnt. Auch im Inn um Passau lebte er noch im nämlichen Jahre. 1857 wurden noch 4—5 Biber bemerkt an der Donau unterhalb des Einflusses des Lech. Die Preise waren indess schon 4853 bis auf 432 und 140 flor. gestie- gen. 1812 betrug das Schussgeld 3 flor. Um so mehr fällt auf, dass in weit früherer Zeit, 1699, eine Verordnung des Erzbischofs Joh. Ernest von Salzburg Galeerenstrafe auf Erlegung eines Bibers setzte. Die einstige starke Verbreitung des Bibers in Bayern geht daraus hervor, dass im Umfang des Königreichs etwa 60 Ortschaften seinen Namen tragen. ¥ | In Schottland, wo der Biber in sehr früher Periode erlosch, etwa im 12. Jahrhundert, werden seine Knochen in Torfmooren gefunden mit ‚solchen von Bos primigenius, also in der gleichen Gesellschaft wie in unsern Pfahlbauten. Gardener’s Chronicle N. 51. 1858. > a + durch in 2 hufeisenförmig zusammengelegte, allein nur durch Cement vereinigte Zahn- platten zerfiel, ähnlich wie dies an den obern Backzähnen von Echimys der Fall ist. (vgl. Fig. 14”, 15°. Pl. 1. Rongeurs bei Cuvier, Oss. foss.) Diesen Fall nahm ich wahr an einigen, noch kaum in Usur geiretenen unteren Molaren, allein auch an einem isolirten und sehr abgetragenen vordersten oberen Backzahn. Da der Biber , nach jugendlichen Kiefern aus den Pfahlbauten zu schliessen, einen einzigen zweimal sich bildenden Backzahn oder Premolarzahn besitzt, dagegen 3 Molaren, so muss ich glauben, dass jener alte vorderste Zahn ein abgetragener Milchzahn war, dass demnach die Kronfläche alter Milchzähne dem obersten oder jüngsten Theil der Molarkrone entspreche. 16. Das Wildschwein. Sus Scrofa L. Von allen unsern wilden Thieren, ist das Schwein das einzige, welches nach allgemeiner Ansicht gleichzeitig im ursprünglichen wilden Zustand als Wildschwein, und sezähmt als Hausschwein über unsern Continent verbreitet ist. Seine reiche Vertretung in einer Periode , die offenbar einen elementaren Zustand der Kultur, die ersten bis jetzt bekannten Stadien der Viehzucht in Europa uns vor Augen führt, musste daher dieses Thier von vornherein als eine der wichtigsten Species unserer alten Fauna erschei- nen lassen, um so mehr, als durch die Erfolge der Züchtung bekannt ist, wie leicht gerade dieses Thier die bedeutendsten Modifikationen nicht nur in Statur, Fettabla- gerung, Bildung der Ohren und des Rüssels, sondern selbst in tieferen osteologischen Merkmalen, Physiognomie des Schädels, Zahl der Wirbel und Rippen etc. eingeht 1). Noch bedeutendere Unterschiede in der Skeletbildung und Gebiss fanden sich bei Unter- suchung der Schweinsreste der Pfahlbauten; sie veranlassten mich zu der Aufstel- lung von wenigstens drei Varietäten, welche schon in den „Untersuchungen“ ein- lässlicher als die meisten andern Thiere besprochen und als Torfschwein Sus Scrofa palustris, Wildschwein Sus Scrofa ferus und Hausschwein Sus Scrofa domesticus sämmtlich unter die Linne’sche Species Sus Scrofa subsummirt wurden 2). Ich habe schon a. a. O. und anderwärts 3) die Ansicht ausgesprochen, dass die 1) Vergl. die verschiedenen Werke über Anatomie der Hausthiere, von Gurlt, Leyh etc., die einge- henderen zoologischen Bearbeitungen des Schweins von Daubenton an; über Wirbelzahl, Eyton Trans- act. Zool. Soc. London. Febr. 1837. 2) Unters. p. 9 u. ff., p. 42 u. ff. 3) Ueber lebende und fossile Schweine. Mitth. d. naturhist. Gesellschaft zu Basel. Heft IV. 1857. 2 — grossen Schwankungen, welche die heutigen Schweine des alten Continentes in ihren zahlreichen wilden und zahmen Varietäten darbieten, eine Spaltung in gutbegrenzte Species nicht zuzulassen scheinen, und dass auf Boden sicherer, osteologischer Merk- male, namentlich aber auf Boden des Zahnsystems — nach Abtrennung des dem asiatischen Archipel angehörigen Genus Porcus, des südafrikanischen Genus Phaco- cherus, des amerikanischen Dicotyles — innerhalb des auf das continentale Gebiet der ‚alten Welt beschränkten Genus Sus einstweilen nur 3 mit hinreichender Sicherheit bekannte Species anzunehmen seien. 1. Sus larvatus F. Cuv. 2. Sus penicillatus Schinz, beide Südafrika angehörig. 3. Sus scrofa L. in den übrigen Theilen der alten Welt. Es ist von Niemand bezweifelt worden, dass von der letzten Species, die noch heutzutage fast im ganzen Umfang des genannten ursprünglichen Verbreitungsbezirks vorkommt, die Mehrzahl der zahlreichen Racen zahmer Schweine abstammt; erst in der letzten Zeit hat Fitzinger, allein ohne die geringsten Belege dafür beizubrin- sen, für die südasiatischen, afrikanischen und australischen Schweinsracen nicht we- niger als 5 wilde Stammracen angenommen ‘), deren Selbstständigkeit indess zum Theil höchst fraglich, zum Theil direkt widerlegt ist (Sus papuensis Less.); dass die einzige gut begrenzte dieser 5 angeblichen Stammspecies (Sus penicillatus) irgendwie auf Bildung zahmer Racen eingewirkt, ist höchst unwahrscheinlich, da ihre höchst charakteristischen osteologischen Merkmale nirgends in zahmen Racen auch nur an- deutungsweise bekannt sind. Ich habe daher meinerseits nicht nur die wenigen Spuren vom unzweifelhaften Hausschwein, die sich in den Pfahlbauten vorfanden, als Sus scrofa domesticus be- zeichnet, sondern selbst eine durch das ganze Steinalter reichlich vorkommende Schweinsrace, welche durch einige wesentliche und sehr konstante Merkmale des A Í Zahnsystems von unserm Wildschwein erheblich abweicht, als Sus scrofa palus- | tris oder Törfschwein ebenfalls unter Sus scrofa aufgeführt. Ich halte das Torf- ` schwein für eine Race, welche im Steinalter neben dem Wildschwein in Europa wild Tebte, allein schon vor der historischen Periode als wildes Thier erlosch; dies wurde auch schon in der frühern Arbeit ausgesprochen; die seither dazu gekomme- nen reichen Materialien, namentlich aus spätern Perioden, gaben mir indess den Be- 1) Sitzungsberichte der kais, Acad. d. Wissensch. in Wien. 1858. Vol. XXIX. p. 361. leg zu der schon früher offen gehaltenen Perspektive, dass das Torfschwein, ur- sprünglich als solches wild, im Verlauf der Zeit ähnlich wie das gewöhnliche Wild- schwein Ausgangspunkt wurde für zahme Racen. Einige derselben, die heute noch nicht fern vom Schauplatz der Pfahlbauten sich erhalten haben, können mit vieler Wahrscheinlichkeit bis auf das Torfschwein zurück verfolgt werden, andere auf das gewöhnliche Wildschwein. Zur Vermeidung von Wiederholungen nenne ich die bis- her allein bekannte noch lebende Form von Wildschwein einfach Wildschwein, seine zahmen Descendenten Hausschwein, die eigenthümliche Race der Pfahl- bauten wildes und zahmes Torfschwein _ Unter der Rubrik von Sus scrofa sehe ich mich also genöthigt, zunächst zwei ` wilde Racen aufzuführen: das heutige Wildschwein und das wilde Torfschwein; ihre zahmen Abkömmlinge werden später zur Besprechung kommen. | A. Sus scrofa ferus. Es ist meines Wissens noch niemals mit hinreichender Einlässlichkeit versucht worden, die osteologischen Merkmale von Wildschwein und Hausschwein sowohl an Schädel als Skelet, zu untersuchen und in Bezug auf ihre Konstanz zu verfolgen. Ein grosses Hinderniss für solche Untersuchungen liegt in dem Umstand, dass ganz erwachsene Skelete und Schädel vom Hausschwein in den Sammlungen selten und sehr schwer zu beschaffen sind. | | Für das Skelet bin ich aus Mangel an hinreichendem Material ebenfalls nicht im Stande hierüber Vieles mitzutheilen, obschon ich durch Benutzung der äussern Merk- male der Skulptur und Farbe der Knochen meistens im Stande war, einzelne Knochen mit grosser Wahrscheinlichkeit, oft mit vollkommenster Sicherheit zahmen und wilden Thieren zuzuschreiben. È Man kann im Allgemeinen für wilde Thiere die folgenden osteologischen Merk- male als bezeichnend hinstellen, deren Fehlen beim Hausschwein sich ableiten lässt von reichlicher und müheloser Ernährung und Reduktion der Muskelarbeit +). 1. Stärkere Entwicklung der Waffen (beim Schwein vor allem der Caninen und Incisiven) und der sie tragenden Knochentheile, des Kiefers und in weiterm Umfang selbst des ganzen Schädels, dessen Volum daher gemeiniglich beim Wildschwein be- deutender ist als beim Hausschwein. 1) Das Vergleichungsmaterial an recenten Thieren bestand in 20 Schädeln, wovon 5 von erwachsenen männlichen Wildschweinen, 45 von verschiedenen Racen vom Hausschwein beiderlei Geschlechts und jeden Alters. \ Be 9. Stärkere Entwicklung aller Muskelinsertionen, nicht nur sichtbar in allen Lineis asperis, worunter am Schädel vor allem die Umgrenzung der Kau-, Nacken- und Rüsselmuskulatur (Schläfengrube, Occipital- und Wangenfläche zu rechnen ist), son- dern in weiterer Erstreckung schärfere, derbere, körnigere Zeichnung aller mit Muskulatur bedeckten Knochenflächen, welche dadurch eine eigenthümliche aderige Skulptur erhalten, in Folge der stärkern Ausprägung aller auch noch so feinen Ge- -fäss- und Nerven-Rinnen. 3. Stärkere Entwicklung der grossen Gefäss- und Nervenrinnen; am Schweins- schädel sind darunter vor allem die Supraorbital- und Infraorbitalrinnen zu nennen. 4. Stärkere Ausbildung der Lamina vitrea der Knochen auf Kosten der Diploe, ‘sowie eine trockenere, rauhere Beschaffenheit der Knochenoberflächen, die sowohl dem Auge als dem Gefühl erkennbar ist. Beim wilden Thier splittrige scharfkantige Bruchfläche, beim zahmen mehr schwammige Textur der Knochen und mehr erdiger Bruch. 5. Gesättigiere Pigmentirung beim illlen Thier und ein wahrscheinlich mit dem dichtern Bau der Glastafel zusammenhängender trockener Firnissglanz der Oberfläche, verschieden von dem matten oder fettartigen Glanz der Knochen zahmer Thiere. 6. Das Volum, das bekanntlich durch reichliche Ernährung beim zahmen Thier auf Grade gebracht werden kann, die vom wilden Thier sicher niemals erreicht wer- den !) und bei welchen nicht nur die Weichtheile betheiligt sind, sondern auch das Skelet, ist nichtsdestoweniger beim Wildschwein für alle Knochen, welche Waffen tragen (also namentlich Unterkiefer und Schädel überhaupt), grösser als beim Haus- schwein. Alle bei der Locomotion besonders betheiligten Knochen zeichnen sich beim wilden Thier aus durch Combination von Schlankheit und Energie, Vermeidung über- flüssigen Volums und scharfe Ausprägung aller Gelenkflächen und Muskelinsertionen 2). Sämmtliche Pfahlbauten, vor allen aber Robenhausen und Concise, enthielten Schweinsreste, bei welchen diese Merkmale in so evidenter, ja man darf sagen, in 1) Einen sehr merkwürdigen Beleg hierzu liefern die wahrhaft riesigen Bären, welche zu wiederholten Malen im Stadtgraben zu Bern aufgezogen wurden; ihr Volum stand zu demjenigen ihrer wilden Brüder in gleichem Verhältnisse wie ihre Rente zu den Einnahmsquellen der letztern. 2) David Low, Hist. natur. agricole des Animaux domestiques de l’Europe, giebt als Erfolge der Zähmung des Schweines an: Beweglichere Ohren, kleinere Eckzähne beim Männchen, schwächere Hals- muskulatur, grössere Neigung des Kopfes, längeren Rüssel, kürzere, muskelschwächere Extremitäten, grösseres Volum des ganzen Körpers. Ma so kolossaler Weise ausgeprägt waren, dass über den wilden Zustand ihrer einstigen Träger nicht der leiseste Zweifel bestehen konnte. . Einige charakteristische Stücke sind dargestellt Tab. I. Fig. 4. 5. Tab. II. Fig. 2. 3. Tab. I. Fig. 2. Tab. V1. Fig. 1—5. — Von diesen zeigen Fig. 4. Tab. I., Fig. 2.4, Tab. VI. die Charaktere des männlichen Geschlechts; auch Fig.5. Tab. I. und Fig. 2. Tab. III. gehören dem männlichen Thier an, die übrigen dem weiblichen. ~ í Die häufigsten Reste bestanden in grössern oder kleinern Partien von Unterkie- fern, an welchen man, wie oben gesagt worden, niemals vergessen hatte, die Alve- olarhöhlen aufzubrechen. Auch sehr schön entzweigespaltene Schädelhälften , leider immer mit abgeschlagenem Gesichtstheil, waren namentlich in Robenhausen häufig; ebenso anderweitige Stücke des Skeletes; in Robenhausen fand sich fast die Hälfte der Knochen eines solchen in ziemlich unverleiztem Zustand bei einander. Alle diese Wildschweinresie zeigen in allen wesentlichen Zügen, namentlich in dem Detail der Bezahnung und der Schädelbildung eine so vollkommene Ueberein- stimmung mit dem recenten europäischen Wildschwein, dass eine weitere Besprechung derselben vollkommen überflüssig ist, um so mehr, da wir bei der Darstellung des Torfschweins auf das Wildschwein reichlich zurückkommen müssen. — Die einzige und sehr häufige Abweichung vom heutigen Wildschwein war ganz relativer Natur und bezog sich auf Volum und entsprechende kräftige und derbe Zeichnung aller Merkmale von Gebiss und Skelet. In dieser Beziehung übertraf das Wildschwein des Steinalters das unsrige in erheblichem Masse. Der grösste unserer recenien Schä- del, aus Algier stammend, und von enormer Kräftigkeit wurde in dieser Beziehung von dem Wildschwein des Steinalters durchschnittlich und oft erheblich übertroffen. Der kolossale Unterkiefer sowohl des Männchens Fig. 4. Tab. I. wie des Weibchens Fig. 1. Tab. VI., die riesigen Hauer Fig. 4. Tab. VI. und die ihnen entsprechenden Alveolen Fig. 2. Tab. VI. und Fig. 4. Tab. I. geben hiervon hinreichend Zeugniss. Sie tragen auch alle in sehr deutlichem Grade die charakteristische Skulptur von Knochen wilder Thiere an sich. | | Einige Dimensionen alter Schädelstücke männlicher Thiere, verglichen mit dem erwähnten maximalen recenten Wildschweinschädel aus Algier und einem viel schwä- chern aus Darmstadt (beide ebenfalls männlich) mögen dies des weitern belegen: ` Pfahlbauten. Algier. Darmstadt, (recent.) Stirnbreite zwischen den Orbitalflächen . . . 140 120 115 j mitten zwischen den Orbite . . . 110 98 95 Höhe des Jochbogens an seinem Ursprung . . 45—54 46 38. Länge der Protuberanz der Caninalveole . . 98-60 49 48 Länge der ganzen Backzahnreihe . . . . . 130-140 120 1% Länge des hintersten Backzahıns . . . . . 40-50 39 37 Breite: desselben. Zorn... 1.0, 41cm nat mh aanl ine 19 22, Querdurchmesser der obern Eckzähne . . . 28—531 26 28 Distanz von Præmol. 1 bis Incisivrand . . . 125—144 115 113 Länge des knöchernen Gaumens . . . . .- 274—280 258 250 Unterkiefer. Länge der Symphyse . . . 123—145 115 105 Distanz von Præmol. 1 inclus. bis Incisivrand. 90—103 75 15 Länge des hintersten Backzahns . . » x. 8-46 37 40 Grösster Durchmesser der Caninalveole . . . 31-38 29 28 Höhe des Unterkiefers vor P. 2 . . ... 66—69 64 87 his “ unter; Me aane ie: aa 52 50 ER ” bis zum Condylus . . 132 130 115 Von Interesse war das nicht seltene Vorkommen von Gebissen oder einzelner Zähne, namentlich Mol. 3 inf., von einem Alter, wie es vom Hausschwein nie, vom Wildschwein wahrscheinlich selten erreicht wird, mit bis auf die Wurzeln, ja selbst bis auf den knöchernen Alveolarrand abgekauter Krone. Andere Skeletstücke, als den Schädel, besonders zu besprechen, wäre über- | flüssig, da es sich einstweilen nur um den Nachweis der Vertretung des Wildschweins in den Pfahlbauten handelt. Ich gebe daher nur einzelne maximale Dimensionen zum Beleg, dass das Wildschwein des Steinalters in jeder Beziehung das heutige an Grösse häufig übertraf. Das in Robenhausen fast zur Hälfte zusammengefundene Skelet vom Wildschwein zeigte in allen seinen Theilen die schon mehrmals erwähnte auffallend rauhe Skulptur der Knochenoberfläche. Besonders rauh und knotig waren die Dorn- fortsätze der Wirbel; an diesen war auch die grosse Höhe auffällig, während die Länge der Wirbelkörper nicht bedeutender war als beim recenten Schwein. Höhe des Proc. spin. vom Arcus Vert. an; an Vert. dors. 2. 175 Mm. 6. 15 , 2 » 2 2 » » Höhe an einem Lendenwirbel . Volle Länge des Femur Länge des Calcaneus Länge des Olecranon . . . IE SE Länge von Metatarsus und drei Prag: dor Mittelzehen . a I Es sind die gemachten Angaben genügend, um mit Sicherheit festzustellen, dass in den Pfahlbauten ziemlich allgemein eine Race von wilden Schweinen sich vorfin- det, die von dem heutigen Wildschwein in nichts abweicht als durch oft bedeutendere Grösse und excessive Entwicklung der Merkmale, welche dasselbe vom Hausschwein unterscheiden. Am reichlichsten waren diese gewaltigen Thiere in Robenhausen vertreten, in etwas geringerer ZahlinConcise undMoosseedor f, allein auch alle übrigen Pfahlbauten enthielten Spuren davon. Dass die Lokalitäten von Meilen und Wangen nichts davon enthielten, erklärt sich leicht dadurch, dass mir von die- sen beiden Stellen überhaupt nur eine kleine Anzahl von Knochen zukam. Auch die Höhlen von Mentone enthielten das Wildschwein, ferner die Pfahl- bauten gemischten Alters Steinberg und Zihl, Morges aus der Bronzeperiode und einige Stellen aus römischem Zeitalter .(Puidoux bei Lausanne, Basela ugst). Das durchaus nicht seltene Vorkommen von Walllehsreinresten im Alluvialboden und im Torf weiter zu verfolgen, wäre vollkommen überflüssig, da dieses Thier noch über ganz Deutschland verbreitet ist und auch die Schweiz nicht selten be- sucht 1). 1) Unters. p. 36. Dazu füge ich: Im Gebiete der mittlern Schweiz, wo es heutzutage selten geworden ist, wurde das Wildschwein nach einer Mittheilung von Herrn Oberst R. v. Erlach in Hindelbank noch ge- schossen im Jahr 1798 um Hindelbank und 1828 bei Wo rb, beides im Kanton Bern. Häufiger fin- det es sich im Jura ein, wo im Jahre 1826 ein Rudel von 40 Stück in die Gegend von Porrentruy einbrach. Nach v. Kobell, Wildanger p. 5, wurde das jurassische Kloster Bellelay (belle laie) im Jahre 1140 gestiftet auf Anlass einer Schweinsjagd, bei welcher der Probst Sigismund zu Münster im Grauwald sich verirrt hatte. - Ueber die frühere und jetzige Verbreitung des Wildschweins in Deutschland finden wir ebendaselbst, Wildanger p. 104 u. f. reichlichen Aufschluss. Von Interesse ist für uns, dass noch im Mittelalter das Schwarzwild an vielen Orten weder. an Reichthum noch an Grösse einzelner Thiere irgendwie geringer auftrat als wir es in Robenhausen finden. Namentlich in Hessen waren die Schweine im Mittelalter Riesen gegen die heutigen. Es werden oft solche erwähnt von 4 Fuss Höhe und 743 Fuss Länge und bis 5 und 6 Centner Gewicht; auf dem ehemals würtembergischen Schloss Urach fand sich ein Schwein abgebildet, das der Herzog Ulrich 1507 gefällt hatte, und welches nach der Unterschrift 7° 3° Länge und 5‘ 2° Höhe — B. Sus Scrofa palustris. Das Torfsehwein. Schon in den „Untersuchungen“ wurde hervorgehoben, dass der grössere Theil der Schweinsreste aus den Pfahlbauten der östlichen Schweiz 1), sowie ein erheb- licher Theil aus denjenigen der Westschweiz auf die einstige Anwesenheit eines Schweins schliessen lässt, welches sowohl vom heutigen Wildschwein als von den in unsern Gegenden verbreiteten Racen zahmer Schweine so wesentlich abwich, dass es nöthig wurde, dasselbe von diesen erstern unter einem besondern Namen abzu- scheiden. Den früher schon mehrmals geäusserten Grundsätzen getreu, konnte ich | in der einen Form indess nicht eine neue Species, wohl aber eine sehr konstante und charakteristische Race von Sus Scrofa erblicken, und gab ihr daher ans Namen Sus Scrofa palustris oder Torfschwein. Ich behielt es dieser Arbeit vor, eine vollständige paläontologische Darstellung dieser eigenthümlichen Race zu geben und sie, so weit möglich, historisch zu ver- folgen. Trotz der sehr grossen Menge von Material, das die Pfahlbauten über dieses Thier geliefert haben, bin ich indessen noch weit entfernt, das vollständige Skelet desselben zu kennen. Es ist selbst kein auch nur zur Hälfte vollständiger Schädel bisher aufgefunden worden. Am häufigsten ist das Gebiss vorhanden, namentlich dasjenige des Unterkiefers; spärlicher (doch immerhin noch zu Dutzenden und weit reichlicher als für’s Wildschwein) dasjenige des Oberkiefers; einen Ersatz für die Vollständigkeit lieferte indess die Masse des Materials; diese reichte vollkommen aus, um nicht nur die wichtigsten zoologischen Merkmale, diejenigen des Zahnsystems, sondern auch viele andere bei beiden Geschlechtern und durch alle Alter hindurch zu verfolgen und mit ihrer Hülfe die Abscheidung des Torfschweins vom Wildschwein vollkommen zu rechtfertigen. | Ich bespreche daher zuerst das Gebiss des Torfschweins ; es ist dargestellt in Tab. 1. Fig. 1-3. Tab. I. Fig. 1. Tab. IM. Fig. 1. Tab. VI. Fig. 6. 7. 8. 10. Wie jeder zoologische Charakter, so ist auch der Charakter des Zahnsystems des Torfschweins am vollständigsten ausgeprägt auf der Stufe des erwachsenen Al- gehabt haben soll. In den Jahren 1644—1680 wird die Anzahl der von den sächsischen Churfürsten Job. Georg I. und II. erlegten Borstenträger auf mehr als 50,000 geschätzt. In Preussen war um 1728 des Schwarzwildes so viel, dass sich keine Käufer dafür fanden; man zwang daher erst die Beamten, für ihre Küche zu kaufen, und den immer noch bedeutenden Rest nöthigte man den Juden in Berlin auf. 1) Mit Ausnahme von Robenhausen, wo das Wildschwein häufiger war als das Torfschwein. 5 en ng einer R ser 34 en ters, nachdem die Ersatzzähne und die Molaren in die mittlern Grade der Abrasion gelangt sind. In schwächerem Grade lässt sich derselbe indess auch bei intacten Zähnen und am Milchgebiss erkennen. Im hohen Alter erlöschen bekanntlich durch die alles abtragende Usur nicht nur die Merkmale der Species, sondern überhaupt alle Charakteren, sofern solche nicht noch im Durchschnitt der Zahnkrone oder in den Wurzeln liegen können. Da ferner Racencharakteren nur in gewissen Modifikationen eines durch die Spe- cies gegebenen Typus bestehen können, so ist auch der Charakter des Torfschweins, so sehr er an vollständigen Zahnreihen hervortritt, an isolirten Zähnen, mit Aus- nahme der Ganinen, weit schwerer erkennbar als an grössern Zahnpartien, um so mehr, da gerade beim Schwein der spezifische Typus innerhalb sehr weiten Grenzen schwankt; man überzeugt sich hiervon leicht nicht nur durch Vergleichung verschie- dener Wildschweinschädel selbst gleichen Alters, sondern namentlich durch Ver- gleichung mit dem Hausschwein. Ich werde indess im Stande sein, die Mittel anzu- geben, selbst sehr kleine Gebisstheile mit Sicherheit auf die eine oder die andere der wilden Schweinsracen des Steinalters zurückzuführen. Backzähne. Der Haupicharakter des Backzahngebisses des Torfschweins wird am prägnantesten dadurch bezeichnet, dass dasselbe den Zahntypus omnivorer Pachydermen so rein und stark ausgeprägt darstellt, als dies innerhalb der Grenzen von Sus Scrofa möglich ist. Es geschieht dies durch möglichstes Vortreten der 4 Haupthügel und möglichste Reduktion der Zwischenwarzen der Molaren, durch Ver- einfachung der comprimirten Kegelform und möglichste Reduktion der Randkerben der Prämolaren. Mit dieser Vereinfachung und Kräftigung des Zahntypus geht Hand in Hand eine grosse Stärke und kompakte Bildung der Emailschicht. | Das Hausschwein bietet durch das luxurirende Zunehmen aller Nebenwarzen bis zur theilweisen Auflösung oder Verwischung der Hauptwarzen der Molaren und durch die kerbige, lappige Bildung der Prämolaren mit schwachem faltigem Schmelzüberzug das entgegengesetzte, sicher grossentheils der Zähmung zuzuschreibende Extrem. Das Wildschwein steht in der Mitte zwischen beiden. Molaren. Verfolgen wir diese Verhältnisse im Speziellen, so haben die zwei Hügelpaare, welche das pachyderme Gerüst der Molarkronen des Schweins bilden, beim Torfschwein eine etwas schiefere Richtung zur Längsaxe des Zahns, als beim recenten Schwein, derart, dass sewohl an den obern als an den untern Molaren die äussern Hügel mehr nach vorn gerückt sind, während sie bei dem recenten Schwein den u Be innern mehr gerade gegenüberstehen. Der Durchschnitt der Zahnkrone, wie er in hohen Graden der Usur oft wirklich zu Tage tritt, wird dadurch zu einem am Aussen- rand etwas nach vorn verschobenen Viereck. Beim recenten Schwein ist er recht- winkliger begrenzt. | Die accessorischen Schmelzhöcker, welche zu den 4 Haupthöckern s Zahn- krone hinzutreten, und sich namentlich bei zahmen Schweinen auf Kosten der Haupt- höcker so vermehren, dass schliesslich die Krone nur noch aus solchen Warzen- büscheln besteht, sind beim Torfschwein auf ein Minimum reduzirt; das Gepräge der Zahnkrone wird dadurch auffallend vereinfacht und kräftiger. Hierzu tritt noch ein anderer Umstand, der in gleichem Sinne wirkt und welcher wieder in seinen beiden Extremen beim Torfschwein und beim Hausschwein weite Grenzen zeigt. Es fehlen an den Backzähnen des erstern die Kerben und kleinen Fältchen vollständig, in welche der Schmelzüberzug nicht nur junger, sondern überhaupt intacter Zähne vom Hausschwein gelegt ist, und welche -wohl als der Ausdruck der Neigung zum Zer- fallen der Kronfläche in untergeordnete Warzen zu betrachten sind. Diese Falten des Schmelzüberzuges scheinen auch mit dem Einfluss der Zähmung sowohl an Menge als an Persistenz zuzunehmen. Beim Torfschwein ist selbst an den durch- gebrochenen Zähnen, ja selbst schon an Keimzähnen die Schmelzoberfläche kompakt und glatt. Es rührt dies wohl grossentheils her von der grossen Stärke der Email- schicht, welche diejenige von Wildschweinzähnen und um so mehr solche vom Haus- Schwein merklich übertrifft und sich dem Grade nähert, den wir bei den ebenfalls weit reiner pachydermes Zahngepräge tragenden südafrikanischen Schweinen Sus .larvatus und penicillatus vorfinden. Die Schmelzschicht erreicht beim Torfschwein an hintern Backzähnen oft die Dicke von 21/2 Millim. “Der Talon des hintersten Backzahns, sowohl des Ober- als des Unterkiefers be- steht aus einem kräftigen (fünften) Höcker am Innenrand, um welchen sich aussen- herum ein Kranz von 3 — 4 dichtgeschlossenen kleinern Lappen anlegt. Der Talon schliesst dabei nach hinten auffallend rasch ab, der ganze Zahn ist daher relativ kür- zer als bei dem recenten Schwein, dessen Talon meist aus einer weit grössern An- zahl von Lappen besteht, beim Hausschwein namentlich an jungen Zähnen oft aus einer wahren Brut wuchernder Wärzchen, die indess vor dem Zahndurchbruch zum Theil wieder schwinden. | Alle diese gröbern Skulpturverhältnisse treten in den Zeichnungen deutlich an den Tag; Fig. 1. 2. 3. Tabrik; Fig. 1. Tab. II. stellen die Backzahnreihe des Un- 36 terkiefers, Fig. 1. Tab. Ill. die zwei letzten Backzähne des Oberkiefers am Torf- schwein dar; Fig. 5. Tab. I., Fig.2. Tab. Il. die untern, Fig. 3. Tab. I. und Fig. 2 Tab. II. die obern Backzähne vom Wildschwein. In Bezug auf die Grösse stehen die Molaren des Torfschweins denjenigen des heutigen Wildschweins mit Absehen vom Talon der Molare 3. gleich, was von Belang erscheint, da wir unten zeigen werden, dass das Torfschwein im Ganzen von be- deutend kleinerer Statur war als unser Wildschwein. Um so mehr wich es ab von dem noch grössern ‘Wildschwein des Steinalters; Backzähne des letztern von einer Grösse, wie sie das Torfschwein niemals erreichte, dabei überdies von einer kom- pakten Bildung, wie sie auch beim recenten Wildschwein selten ist, sind abgebildet in Fig. 5. Tab. I. und Fig. 2. Tab. II. Die folgenden Angaben stützen sich auf mindestens 50 Molarreihen und eine weit grössere Anzahl von einzelnen Backzähnen des Torfschweins im erwachsenen Alter, bei schon eingetretener Usur von M. 3 4). Torfschwein. Wildschwein. Te — Recent. Steinalter, 3 obere Molaren. oa aa DU, Be 71—87 Letzte obere Mol. Länge . . 30—40 35 —40 36—50 EEE, „ Breite vorn. 18—22 19—23 22—26 3 untere Mol. . . . . . . 65—74?) 72-82 16—88 Letzte untere Mol. Länge . . 33—37 31—40 40—53 en = „ Breite vorn. 14—16 15—20 16—21 Die starken Schwankungen in den Dimensionen von M. 3 fallen theilweise auf Geschlechtsunterschiede, wovon unten Mehreres, theilweise auf verschiedene Ent- wicklung des Talon. Die mittlere Grösse der Backzähne des Torfschweins bleibt also immer zurück hinter derjenigen des heutigen Wildschweins, wird aber wesent- lich übertroffen durch das riesige Wildschwein des Steinalters, wo die Minimaldimen- sionen zusammenfallen mit den maximalen des erstern. 1) Bekanntlich fallen die Längsdimensionen der Zähne an jüngern Schädeln immer grösser aus als bei vorgerückteren Stadien der Usur, welche die Zähne nicht nur oben abschleift, sondern auch verkürzt und zusammendrängt. Besonders drängen sich Molaren und Prämolaren von beiden Seiten gegen Mol. 1, welche rasch verkürzt und endlich oft ausgehoben wird. 2) Die weit grössern Angaben p. 11 der „Untersuch.“ beziehen sich auf Unterkiefer, die sich seither mit Bestimmtheit als dem Wildschwein zugehörig erwiesen. O Die Prämolar en des Torfschweins nehmen in vollem Maasse Antheil an dem allgemeinen Gepräge der Backzähne. Obschon sie weit seltener erhalten waren als die Molaren, so liess sich doch als ein ganz konstanter Charakter derselben erken- nen die schon berührte möglichste Reduktion der Falten- und Lappenbildung, das Fehlen der Randkerben und Schmelzfalten an jüngern Zähnen, die relativ bedeutende Dicke und Kräftigkeit nicht nur des ganzen Zahns, sondern besonders der Schmelz- - schicht. (S. Fig. 2. 3. Tab. I.) Auch der innere Talon an der letzten obern Prämo- lare ist sehr kräftig, kurz der einfache kräftige Typus der Prämolaren von Paleoche- riden so sehr hergestellt, als dies innerhalb der Grenzen von Sus Scrofa möglich ist. Auffallend und charakteristisch ist bei dieser allgemeinen .Kräftigkeit der Prämo- laren ihre geringe Grösse, namentlich ihre geringe Längenausdehnung, die, an ein- zelnen Zähnen nicht sehr hervortretend, doch für die ganze Prämolarreihe entschie- den und ganz konstant geringer ausfällt als am recenten, geschweige denn am alten Wildschwein, während die Molaren der beiden letzten Racen sich so ziemlich das Gleichgewicht halten. Es stimmt damit zusammen, dass die untere Präm. 1 weit häufiger fehlt, oder weit früher ausfällt, als beim Wildschwein und Hausschwein ; dass ferner die Lücke zwischen P. 1 und P. 2 (wenn erstere da ist) beim Torfschwein um die Hälfte kürzer ist als beim Wildschwein. Allein auch die 3 übrigen Prämo- laren sind mit auflallender Constanz dichter zusammengedrängt und kürzer als beim Wildschwein. Es gestattet dieser Charakter, sowie der einfache Bau der Zahnkro- nen, auch Milchzähne des Torfschweins meist mit ziemlicher Sicherheit zu erkennen. Torfschwein. - Wildschwein. Länge der 4 obern Prämalaren . 45—48 1 ER 5 SEE) 12747 > Länge der 3 letzten untern Präm. 35-40 39-5 2-46 Distanz zwischen Präm. 1 und 2. 10—13 15—23 19—32 Länge der ganzen obern Backzahn- | | reihe aiai atnl T Asado 120—137 130—140 Länge der ganzen untern Back- zahnreihe-. .... asinaba i nR Meen .149, Länge der untern Backzahnreihe | = ohne Präm. 1. . . =- - . 102—112 112—120 115—131 Da M. 3 und die vordern Prämolaren oft an den Pfahlbauresten fehlen, auch M. 3 in Folge verschiedener Entwicklung des Talon die meisten Schwankungen in ir Ee die Dimensionen der Zahnreihe bringt, so gebe ich neben den obigen Messungen noch eine fernere, für Ober- und Unterkiefer sehr konstante Grösse, nämlich die Länge der 4 mittlern Backzähne M. 2. 1. P. 4. 3. Torfschwein. Wildschwein. et ĖS Recent. Steinalter. Länge von M. 2. 1. P. 4. 3. am Oberkiefer. 59—68 62—71 68—74 Dito am. Untere en in ee D 0A 64—72 64—73 Es ergibt sich aus diesen Messungen an einer sehr grossen Anzahl von Kiefern mit auffallender Konstanz, dass der maximale Betrag der Längenausdehnung der Prä- molarreihe des Torfschweins dem minimalen des recenten Wildschweins entspricht, und im gleichen Verhältniss stehen wieder das recente Wildschwein und dasjenige des: Steinalters. Da die Molarreihe sich beim Torfschwein ähnlich verhält wie beim Wildschwein, so gilt dies Resultat auch für die gesammte Backzahnreihe. Neben diesen so bestimmten Merkmalen der Backzähne des Torfschweins in Bezug auf Struktur und Volum erwähne ich noch einige fernere, die vielleicht - mit der Art der Erhaltung in Verbindung stehen mögen, die sich aber neben den soeben erwähnten häufig als hülfreich erwiesen. FER Das Gebiss des Torfschweins zeigte mit grosser Konstanz eine eigenthümliċhe Färbung, ein glanzloses, oft ins Blassröthliche spielendes Milchweiss des Schmelzes, das vielleicht von dem Aufenthalt der Zähne im Torfwasser herrühren mag, -allein doch ziemlich durchgreifend abwich von der mehr bläulichen Färbung und dem Glas- glanz des Emails des Wildschweins aus denselben Lokalitäten, während bei beiden Racen die Dentine dieselbe tiefbraune Färbung trug. Ein ebenso konstanter histologischer Charakter des Schmelzüberzuges der Torf- schweinzähne mag theilweise ebenfalls auf Rechnung ihrer Erhaltungsart gesetzt wer- den, findet sich aber in diesem Grade nur beim Torfschwein. ‘Die sogenannten Con- tourlinien der Schmelzfläche, welche zuerst von Owen an Zähnen von Manatus und Elephant, nachher von Kölliker an Zähnen der Pachydermen allgemein erkannt wurden, und in der That auch an unserm Hausschwein und Pferd fast immer sichtbar sind, sind beim Torfschwein weit deutlicher ausgeprägt als beim Wildschwein, und bei diesem stärker als bei unserem Hausschwein; auf der Zahnwand erscheinen sie als feine Wellenlinien, die sich in concentrischen Kreisen um die Höcker der Zahnkrone — 39 — herumlegen; auf Usurflächen sind es concentrische Kreise in der Emailbekleidung: der einzelnen Dentinkegel. ; | Das deutliche Vortreten dieser Linien nimmt offenbar mit dem Grade der Ver- witterung zu, wie sich an Fossilien leicht sehen lässt, allein es ist erheblich, dass sie an Zähnen des Torfschweins an denselben Lokalitäten immer deutlicher erschie- nen als an Wildschweinzähnen. Es stimmt dies zusammen mit der beim Torfschwein -auch sonst auffälligen reinern Ausprägung pachydermen Charakters. Alle obigen Angaben über die Prämolaren des Torfschweins beziehen sich auch auf die ihnen vorausgehenden Milchzähne, obschon natürlich in etwas gerin- gerem Grad; es ist daher meistens möglich, auch Milchgebisse dieses Schweins von solchen des Wildschweins zu unterscheiden. Eckzähne. Das Verhalten der Eckzähne bietet eines der sichersten und prägnantesten diagnostischen Merkmale des Torfschweins. Obschon in Form und Richtung im Allgemeinen dem Typus des Wildschweins folgend, bleiben sie an Grösse in höchst auffallendem Maass hinter dem letztern zurück. Vollständig erwachsene Kiefer des Torfschweins mit ganz abgenutzten Backzähnen tragen Eckzähne von der Grösse jugendlicher Wild- oder Hausschweine vor dem Durchbruch von Mol. 3. Dieser jugendliche Charakter betrifft auch die Richtung, indem namentlich die obern Eckzähne beim alten Torfschwein die schwache Biegung und die Richtung nach unten zeigen, wie beim jungen Wildschwein. Die Form der Zähne, die am besten durch den Durchschnitt bezeichnet wird, stimmt hiermit überein. Oberkieferzähne bleiben bis in’s Alter dreikantig, während sie beim Wildschwein und seinen zahmen Racen schliesslich fast cylindrisch werden; Unterkieferzähne behalten den’ jugendlichen oya- len Durchschnitt, der beim Wildschwein allmälig scharf dreieckig wird; Merkmale, die auch an den leeren Alveolen sich leicht erkennen lassen. (Vergl. hierüber die Tafeln I. und VI.) Ich werde auf diese Verhältnisse bei der Besprechung der sexu- ellen Verschiedenheiten reichlicher zurückkehren müssen. Auch die Länge derselben bleibt vollkommen jugendlich; sie beträgt beim Torfschwein für den untern Eckzahn längs der Krümmung circa 90—160, beim Wildschwein bis 250 Mm. Eine unmittelbare und nicht minder in die Augen fallende Folge dieser Reduk- tion der Eckzähne besteht: in dem Einfluss derselben auf die Umgebung. Die Al- veolen des Torfschweins entbehren gänzlich der Auftreibungen, die namentlich an den obern Eckzähnen des männlichen Wildschweins in’s Kolossale gehen; die. Ver- gleichung von Fig. 8 und 2 Tab. Vi. für den Oberkiefer, von Fig. 2, 3 und 4 Tab. 1. u A a für den Unterkiefer setzt dies in helles Licht. Die Distanz der Eckzahn-Alveolen vom ersten Backzahn und von dem hintersten Schneidezahn, ja selbst die weit be- trächtlichere Distanz zwischen P. 1 und Inc. 3 fällt aus dem ‘gleichen Grunde beim Torfschwein um die Hälfte geringer aus als -beim Wildschwein. Doch sind alle diese Differenzen bei weiblichen Thieren selbstverständlich geringer als bei männlichen. Es ist zu erwarten, dass diese Verhältnisse sich auch schon an den Eckzähnen erster Zahnung zeigen werden, so gut als dies bei den Prämolaren der Fall war; doch stand mir hierüber nicht genügendes Material zu Gebote. Im Bereich der Schneidezähne dauert die Reduktion an Grösse und die Zusammendrängung, die schon von den Prämolaren an so erhebliche Folgen hatte, fort; ausserdem bieten die Incisiven weder der ersten noch der zweiten Zahnung besondere Merkmale für das Torfschwein dar. Bei Messungen-im Bereich der Caninen und lneisiven kann der sexuelle Unter- schied nicht ausser Betracht fallen; ich werde daher unten bei Besprechung des letz- tern auf die hier-gegebenen Messungen zurückweisen. Der Uebersicht halber stelle ich das männliche Geschlecht und ebenso das weibliche zusammen, unter der Be- zeichnung Pal. für das Torfschwein, Fer. rec. für das heutige Wildschwein, Fer. ant. für das Wildschwein des Steinalters.. Vom weiblichen recenten Wildschwein besass ich keinen Schädel, vom weiblichen Torfschwein einen einzigen alle Messun- gen gleichzeitig zulassenden Oberkiefer (Fig. 6 Tab. VI.). Alle Angaben beziehen sich wiederum auf erwachsene Gebisse nach Durchtritt von M. 3. Da sexuelle Unterschiede am Unterkiefer des Torfschweins nur unbedeutend und nicht immer mit Sicherheit festzustellen sind, so gebe ich die Maasse für sexuell nicht sicher bestimmbare Unterkiefer des Torfschweins in der Kolonne des bisher in den Pfahlbauten häufiger vertretenen weiblichen Thieres. Masc. Fem. EEE. RE EEE _ TE N u —— - Pal. Fer. rec. Fer. ant. $ Fer. ant. Oberkiefer. Durchmesser der Canin-Alveole t). 17—22 28—33 32-383 16—21 Distanz zwischen P. 1 und Inc. 32). 34—441 50-60 66-—80 | = 48—58 Ausdehnung der 3 Incisivalveolen . 41—45 48—52 52—58 52—56 Länge des Ösincis. am Alveolarrand 55—63 72—80 +- 80—90 50-55 71—79 1) Bei Masc. gerader Durchmesser in der Richtung der Zahnreihe, bei Fem. schiefer, grösster Durchmesser. 2) Die Zähne oder Alveolen nicht mit-inbegriffen.- Masc. 3 j Pal. ` Fer. rec. Fer. ant. - Pal. Fer. ant. Distanz von P. 1 bis Vorderrand gr = des Os meis.1). . » . . 8386 105-120 125—144.° 80 110—120 Unterkiefer. Grösster (schiefer) Durchschnitt der | | Dani aredi ctu ER r ogg B— 0 10-15 Ir 19 Distanz zwischen P. 2 und Inc. 32) 47 50-—69 70-095 37-47 98265 Distanz vom Vorderrand der Canin- Alveole bis Symphysenspitze 35--37 40—44 46-52 30—35 42—46 Die Ergebnisse dieser Zahlenreihen sind nicht minder unzweideutig als die frü- hern. Abgesehen von der mit auflallender Regelmässigkeit sich wiederholenden Wahr- - nehmung, dass alle Dimensionen für das Wildschwein der Steinperiode da beginnen, wo diejenigen des heutigen aufhören, erhellt vor allem, dass die Ausdehnung der Ineisivalveolen, also auch die Grösse der Ineisiven keine sexuellen Unterschiede dar- bietet, wohl aber, obschon in geringem Grade, die Ausdehnung des Os ineisivum und des Incisivtheils der Mandibel; die schwache Zunahme dieser Dimensionen beim Männchen kommt wesentlich auf Rechnung der Caninen, welche von Incis. 3 weiter getrennt sind als beim Weibchen. Von grösserem diagnostischem Werth für das Geschlecht ist die Distanz zwischen Prämolaren und Ineisiven, oder auch von den Prämolaren bis zur Kieferspitze; die erstere fällt beim Wildschwein um 1%, bis 1/3 stärker aus für’s Männchen als für’ S Pen manns geringer ist die Differenz beim Torf- schwein. l Am stärksten ist der OA. Charakter in den en selbst und in Gestalt und Grösse ihrer Alveolen ausgesprochen. Die geraden Durchmesser der letztern sind beim ee Wildschwein gerade doppelt so gross als die grössten (schiefen) beim weiblichen Thiere, wenigstens am Oberkiefer; kaum geringer ist die Differenz am Unterkiefer. Beim Torfschwein fällt sie fast ganz weg, und die Dimensionen fallen beim Männchen am Öberkiefer und Unterkiefer um die Hälfte geringer aus als beim gleichaltrieen Wildschwein, um 1/5 geringer als beim heutigen Wildschwein. Geringer sind die Unterschiede wieder 1) P. 1 nicht mit inbegriffen. ?) Am Unterkiefer bietet P, 2 offenbar einen, ER und häufiger messbaren Punkt als P. 1. 6 a beim Weibchen. Endlich ist auch die Incisivreihe und die Ausdehnung des Os incisiv. beim Torfschwein um !/; bis 1% geringer als beim Wildschwein. Der Charakter des Gebisses vom Torfschwein lässt sich demnach mit grosser Sicherheit in folgende durch Auge und Messung direkt nachweisbare Punkte zu- sammenfassen: | 1) möglichstes Vortreten des Zahntypus omnivorer Pachydermen {Paleocheriden) durch Vereinfachung der Molaren und Prämolaren. 2) Massiver warzen- und faltenloser Schmelzüberzug selbst bei jungen Zähnen. 3) Molaren an Grösse kaum hinter denjenigen des Wildschweins zurückbleibend. 4) Prämolaren kurz, zusammengedrängt, daher auch die gesammte Backzahnreihe konstant kürzer als beim Wildschwein. 5) Incisiven ebenso zusammengedrängt; der Ineisivrand des Ober- und Unter- kiefers um 1/; bis 1⁄4 kürzer als beim Wildschwein. ' 6) Caninen in Grösse, Gestalt und Richtung auf der Stufe junger Ersatzcaninen des Wildschweins zurückbleibend; die Ausdehnung ihrer Alveolen und die Lücke. zwischen Ineisiv- und Prämolarreihe um 1/; hinter dem heutigen, um 1/, hinter dem gleichaltrigen Wildschwein zurückstehend. Es wurde dies früher schon so ausgedrückt !), dass wir am erwachsenen Torf- schwein die hintern Backzähne oder den herbivoren Theil des Gebisses kräftiger al- ter Wildschweine vereinigt sehen mit der vordern (carnivoren) Zahngruppe (Prämo-. laren, Caninen,, Incisiven) von der Stärke eines jungen Hausschweins. Es versteht sich von selbst, dass diese Verhältnisse des Gebisses in starkem Maass auf die zahntragenden Knochen zurückwirken. Der Oberkiefer des Torf- schweins ist in seinem vordern Theil niedriger und, wie der Zwischenkiefer sehr merklich kürzer als beim Wildschwein. Im höchsten Maasse auffallend ist aber die nahezu vollständige Reduktion der Protuberanzen der obern Canin-Alveole selbst beim männlichen Thier. Der enorme Knochenwulst, welcher beim Wildschwein auf der Canin-Alveole aufgesetzt ist, und die Infraorbitalrinne nach aussen begrenzt, fehlt beim Torfschwein fast gänzlich und ist selbst beim männlichen Thier nicht stärker ‚ausgebildet als beim weiblichen Wildschweine. Vergl. hierüber Taf. VI, wo nament- lich der Unterschied zwischen den männlichen Thieren von Torf- und Wildschwein in Fig. 8 und 12 grell hervortritt. Die ganze Physiognomie des Schädels wird da- durch auffallend verändert und gemildert. 1) Unters. p. 11 mit der oben angeführten Correction. Es gestattet dies einen direkten Schluss auf die Stärke des Rüssels, der offen- bar beim Torfschwein weit kürzer und schwächer war als beim Wildschwein. Die grosse Verkürzung der Intermaxillen wurde bereits beim Gebiss erwähnt und durch Zahlen belegt. Masc. Fem. pe NT TE Pal. Fer. rec. Fer. ant. Pal. Fer. ant. ~ Vertikalhöhe der Maxilla zwischen EWR ee. B, 9 Bene ae 38—46 Vertikalhöhe d. Intermaxilla an Inc. 3 31 39—42 43—50 31 31—41 Länge der Interm. am Alveolarrand 55—63 72—80 80—90 50-55 71—79 Länge d. Protuberanz d. Caninalveole (35) 1) 45-51 52—60 0 0 Ich habe schon früher mitgetheilt, dass grössere Schädelstücke vom Schwein in den Pfahlbauten sehr selten vorkommen, da immer das Gesicht vom Gehirnschädel abgeschlagen ist. Ich bin daher ausser Stand, ausser den obigen Angaben, die sich auf die unmittelbare Umgebung des Gebisses beziehen, fernere bestimmte Kennzeichen für den Schädel des Torfschweins anzugeben. Das einzige Merkmal, das sich mir mit Konstanz noch darbot, war der im Vergleich zum Wildschwein bedeutende Um- fang der Augenhöhlen, ein Umstand, der mit den bisher besprochenen auf mehr her- ‚bivores Regime, vielleicht auch auf mehr nächtliche Lebensweise des Torfschweins schliessen lässt 2). (Beim Babirussa ist die Augenhöhle ebenfalls relativ auffallend grösser als bei unserm Schwein, weniger bei Dicotyles.) = Reichliches Material war dagegen vorhanden für den Unterkiefer, der in Fig. 1—3 Tab. I. und Fig. 1 Tab. II. für den Jugendzustand, für das erwachsene und das ganz hohe Alter dargestellt ist. N: | Ganz konstante und charakteristische Merkmale des Unterkiefers des Torfschweins in allen Altersstufen und beiden Geschlechtern sind: geringe Längenausdehnung, Nie- drigkeit des horizontalen Astes, sehr kurze Kinnsymphyse, kleine Dimensionen des Incisivtheils, schiefe Richtung (in allen Altersstufen), geringe Höhe und Breite des vertikalen Astes. mn 1) Eine genaue Messung ist unmöglich, da die Crista so unbestimmt angedeutet ist, wie beim weib- lichen Wildschwein. S. Fig. 8 Tab. VI. 2) Auch unser Wildschwein liegt übrigens den Tag über im „Kessel“ und geht erst mit einbrechender Nacht seiner Nahrung nach. Be Ich.gebe als Beleg wieder nur die Dimensionen des erwachsenen Alters, nach Durchbruch von M. 3; eine grosse Anzahl von Messungen an Kiefern mit Milchzäh- nen ergab indess innerhalb engerer Grenzen dieselben Resultate auch für jüngere Stadien. Die Schwierigkeit der Unterscheidung zahnloser Unterkiefer des Toen nach dem Geschlecht nöthigt mich auch hier, die Mehrzahl der übrigens wenig schwan- kenden Angaben für das Torfschwein und vor allem alle diejenigen, die sich auf sexuell nicht ganz sicher definirbare Unterkiefer beziehen , unter die Rubrik für weib- liche Thiere zu bringen ; die maximalen Zahlen dieser Kolonne beziehen sich sämmt- lich auf den Unterkiefer Fig. 3 Tab. 1. Masc. - Fem. NE m Te, Fer. rec.- Fer. ant. 5 Fer, ant. Volle Kieferlänge in der Höhe des Alveolarrandes . . —_ 297—310 — 245—250 300 Höhe des horiz. Astes vor P. 2 42-46 52--64 51—70 31—-43 56—62 oiar A 7 „ unter M. 5 45--52 50—60 35—42 46—54 Länge der Kinnsymphyse . . 74—79 95—115 110—145" 62—75 90—101 Quere Distanz zwischen d. Aussen- ; | rändern der Caninalveolen 45—53 53—69 13—18 = 55—69 Vertikale Höhe des aufsteigenden j att Astes bis zum Condylus. a e a — 99—105 132 Die häufigsten Werthe für den Unterkiefer, das häufigste in den Pfahlbauten erhaltene brauchbare Stück vom Torfschwein, sind im Stadium des erwachsenen Al- ters (M. 3 in Usur, M. 1 stark abgenutzt) folgende: Länge der Kinnsymphyse 66 Mm., Höhe des horiz. Astes vor. P. 2. 39 Mm., unter M. 3. 38 Mm., also um 1/ geringer als beim recenten Wildschwein. sun Der Querdurchmesser des aufsteigenden Unterkieferasies direkt unter dem Proc. condyloideus beträgt beim erwachsenen Torfschwein 60, beim gleichalten Wildschwein 60 a 70 Mm. Es erhellt aus diesen Zahlen; welche die Endehrised der Messungen an circa hundert individuellen Unterkiefern und Unterkieferstücken darstellen, dass die sexu- ellen Schwankungen in den gegebenen Dimensionen schwach sind, indem dieselben nur wenig stärker ausfallen zu Gunsten des männlichen Thieres.. Um so entschei- dender treten die oben angegebenen Merkmale des Torfschweins im Gegensatz zum — 4 — Wildschwein zu Tag. Die Kinsytäpkyse des Torfschweins: ist: um 1% bis 1/5 kürzer als beim Wildschwein. Auch: der, ganze Kiefer ist bedeutend ‘kürzer und in allen seinen Theilen niedriger und kleiner. Eine Folge der grossen Kürze der Symphyse besteht darin, dass dieselbe bein: Torfschwein in der Regel vor P. 2 beginnt, beim Wildschwein hinter P. 2. Die Verhältnisse des knöchernen Schädels stimmen also genau überein mit den- ‚jenigen des Gebisses. Das charakteristische Gepräge des Torfschweinschädels be- steht in dem kurzen, niedrigen, spitzen Gesichtstheil, der neben den kleinen Eck- zähnen, die kaum über die Lippen vortreten konnten,. neben dem schwach ausge- bildeten Rüssel und den grossen Augen ‚dem Thier eine Physiognomie gab, welche von derjenigen des Wildschweins ebenso sehr abwich, als unter unsern Hausthieren die Physiognomie des halberwachsenen Ferkels von derjenigen eines alten Keilers. Weitere Schlüsse lassen für das mehr herbivore Torfschwein, ausser der direkt nach- gewiesenen geringen Grösse des Kiefers, im Ganzen auch andere Sitten erwarten | als bei dem Wildschwein, wo der herbivore und carnivore Theil des Gebisses sich so sehr das Gleichgewicht halten !). Die nächste Aufgabe, nach Konstatirung der he welche dem Torfschwein wenigstens den Werth einer sehr konstanten selbstständigen Race geben, ist die Erörterung seiner sexuellen Merkmale. Ze Es sind innerhalb des Genus Sus und zunächst am Wil dschwein ausser den 1) Der vollständigste Schädel vom Torfschwein, der mir bisher a einem alten ae Thier angehörig, allein wie immer mit abgeschlagenem Gesichtstbeil, gestaltete Jasan Vergleichung mit einem weiblichen Schädel des Hausschweins von durchaus gleichem Alter: ; i Torfschwein. Hausschwein. Grösste Stirnbreite zwischen den Orbitalfortsätzen RN Narren Mb | 102 Geringste Stirnbreite zwischen den Schläfengruben. | o. 2.0223 39 Grösste Distanz zwischen den Jochbogen, . TAT A erste ADA ia 131 Höhe des Occiput vom untern Rand des For. magn. . . . © 2... .98 107 Mediane Stirnlänge von For. supraorb. bis Scheitelkamm Eee 114 130 Horiz. Distanz v. vord. Rand d. Orbita zum hintern der Schläfengrube 80 95° * Des Resultat bat nur relativen Werth und zeigt allgemein kleinere Dimensionen für das Torfschwein. Für das übrige Skelet des Torfschweins ist das Material bisher zu fragmentarisch , als dass es eine ‚ Vergleichung mit dem recenten Schwein zuliess, obschon die allgemein geringere Grösse des erstern oft gestaltete, einzelne Knochen dieser oder jener Race des Steinalters zuzuweisen. Noch weniger konnie die Wichtige Frage über die Wirbelzahl des Torfschweins bisher erledigt werden. nn A R relativen Grössenverhältnissen folgende auch paläontologisch verwerthbare Charak- tere des Schädels und Gebisses entscheidend für das männliche Geschlecht 1). Oberkiefer. 1) Vollständige Verschiedenheit der Eckzähne und ihrer Alveolen in Form und Grösse, und zwar nicht nur im Ersatzgebiss, sondern auch, wenn auch in geringerem Grad, im Milchgebiss. Die Ersatzzähne, welche gleichzeitig mit M. 2 erscheinen, sind von ihrem ersten Auftreten an beim männlichen Thiere cylindrisch oder richtiger 4seitig- prismatisch, sehr früh nach aussen, oben und endlich auch nach rückwärts gebogen, mit dicker Cementbekleidung am innern und obern Umfang, so dass die mit starken Längsstreifen versehene Emailfläche nur am untern konvexen Umfang zu Tage tritt. An der äussern Seite des Zahnprisma fehlt die Schmelzbekleidung, so dass sich hier das Cement unmittelbar an die Dentine legt. Die Cementbekleidung ist namentlich von enormer Stärke an der Vorderfläche, die zuerst in Usur tritt. Die Usurfläche -ist vertikal und durchschneidet daher das gebogene Zahnprisma in sehr schiefer Richtung. Fig. 4. Tab. VI. Am Milchzahn und jungen Ersatzzähnen ist wenigstens immer die Biegung der Zahnspitze schon angedeutet. Beim weiblichen Thier ist der Eckzahn zeitlebens depress, 3seitig, mit schwach gewölbter oberer und unterer Fläche, mit sehr stumpfer hinterer und schärferer vor- derer Kante, an der Krone ende und hier bis weit hinaus (besonders oben und an der hintern Kante). mit Cement überzogen, der Zahn selbst bis in’s höchste Alter schief nach vorn, aussen und abwärts gerichtet, die Usurfläche ebenfalls ver- tikal, aber der Zahnform wegen von ganz anderer Gestalt als beim Weibchen. Fig. 5 Tab. VI. Nach den Wurzeln zu schliessen, scheint der weibliche Eckzahn ein be- grenztes Wachsthum zu haben, während die ältesten männlichen Zähne noch eine offene Pulphöhlung zeigten. 2) Die Alveole folgt der Form und Biegung des Zahns. Sie ist beim Männ- chen mehr oder weniger cylindrisch und stark nach aufwärts. gebogen. Auf ihr sitzt der mächtige Knochenkamm, der die Infraorbitalrinne nach aussen begrenzt. Fig. 2 Tab. VI. Beim. Weibchen ist die Alveole. dreiseitig-prismatisch, mit ‚vorderer scharfer Kante, ohne alle Biegung nach aufwärts. 1) Hierüber finde ich in der Litteratur nur unbestimmte Angaben bei Meckel, Syst. der vergl. Anat. I. p. 253. 300. 472. - e Der Kamm der Infraorbitalrinne ist selbst beim mächtigsten weiblichen Wild- schwein kaum angedeutet und bildet höchstens eine stumpfe Kante , welche vom hin- tern Winkel der Alveolaröffnung eine kurze Strecke nach hinten verläuft, allein gleich über P. 1 erlischt. Fig. 3 Tab. VI. Die Dimensionen der Canin-Alveolen sind früher angegeben worden. 3) Die Basalwarzen an der Aussenfläche der Molaren, in der Mitte zwischen den 2 Zahnhälften , sind beim Männchen weit stärker ausgebildet als beim Weibchen, wo sie nur klein sind (Fig. 3 Tab. II) oder oft fehlen. Am konstantesten ist dieser Cha- rakter an M. 2 ausgebildet. Der Talon von M. 3 ist stärker beim Männchen. 4) Ausser dem soeben erwähnten Merkmal ist an den Molaren und Prämolaren des Männchens konstant grössere Dicke, also breitere Usurfläche, beim Weibchen grössere Compression und häufig grössere Länge der Backzähne bemerkbar. Die Ineisiven zeigen ebenfalls nur die allgemeinen relativen Unterschiede. Doch ist die Intermaxilla beim Männchen wesentlich länger und höher als beim Weibchen; auch die grössere Höhe der Maxilla ist sehr konstant. Höchst bedeutend ist ferner zu Gunsten des Männchens die von aiii Grösse der Caninen abhängige Distanz zwischen P. 1 und Inc. 3. Die Tabellen p. 40, 41 und 43 geben hierüber hinreichenden TERTE Unterkiefer. Die sexuellen Unterschiede sind hier bedeutend weniger ausgeprägt als am Ober- kiefer, welchen sie im Uebrigen entsprechen. 1) Die Eckzähne sind beim Männchen wieder von weit bedsuterideren Grösse als beim Weibchen. Ihre dreiseitig-prismatische Gestalt ;st beim erstern stärker aus- geprägt als beim letztern, wo die 3 Flächen ineinander durch abgerundete Kanten übergehen und der Durchschnitt daher fast oval wird. Die hintere Fläche des Prisma ist beim Weibchen bis in’s hohe Alter concav, beim Männchen eher convex. Der Eckzahn ist ferner beim Männchen bis in’s ‘höchste Alter wurzellos, mit offener Pulp-Höhle, und daher in der ganzen Länge mit Email überzogen, ausge- nommen an der schmelzlosen Hinterfläche, während er beim Weibchen im Alter kon- stant einen Wachsthumsstillstand durch conischen Abschluss der Wurzel erfährt und, wie am Oberkiefer, eine durch Schmelzüberzug unregelmässig begrenzte Krone trägt. S. Fig. 9 Tab. VI. Der weibliche Eckzahn zeigt überdies an der äussern der bei- den Hinterkanten, an der Stelle, wo der Schmelzüberzug beginnt, eine Anschwel- lung des Emailüberzuges, welche beim männlichen Zahn fehlt. Ob diese Warze erst auftritt, wenn die Wurzel sich zu schliessen beginnt, ist mir unbekannt; doch scheint mir dies wahrscheinlich. | a Auch‘die Usurfläche ist am» weiblichen Eckzahn anders als am männlichen; wäh- rend sie beim letztern den Zahn vorn einfach vertikal abschneidet, sägt beim weib-. lichen Thier der platte obere Eckzahn nur allmälig den untern, ‘so lange er nach- wächst, ab, so dass die Usurfläche des letztern lange Zeit nur einen Ausschnitt, nicht, einen vollständigen Durchschnitt der Zahnspitze bildet. S. Fig. 1 Tab. VI. 2) Die Alveolen der Eckzähne ragen beim Männchen im erwachsenen Alter unter der ganzen Backzahnreihe durch nach hinten und finden ihren Abschluss erst unter M. 3; beim Weibchen gehen sie ‚niemals hinter P. 2 zurück. (Bis hierher sind sie beim Männchen schon vorgerückt, wenn noch alle Milchprämolaren da sind.) Die Oeffnung der Alveolen bildet beim Männchen ein Dreieck mit 3 schwach convexen Seiten und liegt; schief zur Richtung der übrigen Alveolarreihe. (Fig. 4 Tab. I.) Beim Weib- chen ist die Oeffnung um die Hälfte kleiner und mehr oval, mit concavem Hinterrand und concaver Hinterseite, an welcher eine vorragende rauhe Linie bemerklich: ist, die in die Furche der hintern Zahnfläche passt; die Alveole ragt nur wenig aus der Linie der Backzahn-Alveolen nach aussen. (Fig. 2 Tab. 1., Fig. 1 Tab. VL.) 3) Die: Kinnsymphyse ist beim Männchen konstant’ länger als beim Weibchen. Am ÜUnterrand des horizontalen Astes verlaufen die Eckzahn- Alveolen hinter der Symphyse direkt unter der Oberfläche des Knochens und bilden daselbst eine deut- liche Vorragung und verengern dadurch (den Winkel der beiden Unterkieferäsie; sie sind überhaupt auf ihrem ganzen Verlauf durch den Kiefer äusserlich mehr oder we- niger sichtbar und bilden besonders wieder an ihrem Ende unter M. 2 oder 3 eine Anschwellung in der äussern Wand des Kiefers. Dies ist natürlich nicht der Fall bei dem Weibchen, wo die Eckzahn-Alveolen kaum über die Symphyse nach hinten ragen. Der Kieferwinkel, unmittelbar hinter der Symphyse, ist daher beim Weibchen offener als beim Männchen und die Aussenwand des horizontalen Astes unter den Backzähnen weniger gewölbt.: Der horizontale Ast des Unterkiefers ist beim männ- lichen Thier höher als beim weiblichen. 4) Weniger erheblich ist die stärkere Ausbildung der Basalwarzen an der Aussen- wand von Mol. 2 und die grössere Entwickelung des Talon von M. 3 beim Männ- chen. Im- Uebrigen zeigen sich dieselben Unterschiede in Bezug auf Volum der In- cisiven und Backzähne, die beim Oberkiefer erwähnt worden sind; erheblich, doch in geringerem Grade als am Oberkiefer, ist wieder die grosse Distanz von P: 2 bis m WE He Inc. 3 zu Gunsten des männlichen Eckzahns. In Folge der stärkern Ausbildung der Caninen und Ineisiven ist der Ineisivtheil des Unterkiefers beim Männchen ausgedehn- ter und concaver, beim Weibchen kürzer, schmäler und flacher. Auch für alle diese Verhältnisse verweise ich auf die Tabellen p. 41 und 44. | Man ist mit Berücksichtigung aller dieser Merkmale, namentlich derjenigen der Caninen und ihrer Alveolen, die ja beim Männchen den ganzen Unterkiefer durch- setzen, sowie der Zahnlücken zu Gunsten der Caninen, im Stande, auch ganz kleine Zahnpärtien des Schweins, oft selbst einzelne Backzähne, und nicht nur die am mei- sten charakteristische M. 2, sondern selbst andere, sobald sie noch in Kieferstücken stecken, mit Sicherheit als männlich oder weiblich zu erkennen. Es versteht sich indess von selbst, dass alle diese Charakteren im gleichen Maasse an Werth ver- lieren, als jüngere Thiere untersucht werden. Doch sind männliche Oberkiefer mit Bestimmtheit an der Form der Caninen und ihrer Alveolen erkennbar von dem Au- genblick an, wo die permanenten Eckzähne vortreten. Ebenso die Unterkiefer an der tiefer nach unten gehenden Richtung der Canin-Alveole. Allgemeinere, und durch Zahlen mit geringerer Schärfe zu bezeichnende sexuelle Merkmale des weiblichen Geschlechts sind endlich: Kleinere Dimensionen des Schä- dels im Allgemeinen, weiteres Foramen magnum, geringere Entwickelung aller Mus- kelinsertionen, sichtbar sowohl in der schwächern Ausbildung aller Kanten, Muskel- eruben etc. als in der weitern Wirkung auf grössere Schädelpartien, wie geringere Neigung des Oceiput nach hinten, schwächere Jochbogen, kleinere Ausdehnung der Schläfengruben, seichtere Gruben für Wangen- und Rüsselmuskulatur. — Weniger \ gross sind die Grenzen der sexuellen Modifikationen beim Torfschwein. Am Oberkiefer ist indess die Unterscheidung des Geschlechtes nichtsdesto- weniger leicht. Obschon beim männlichen Thiere die Protuberanz der Ganin-Alveole - so viel als gänzlich fehlt oder wenigstens nicht stärker entwickelt ist als beim weib- ' lichen Wildschwein, so folgt der Eckzahn nichtsdestoweniger dem Typus männlicher Eckzäbne. Er bildet ein abgeplattetes vierseiliges oder fast dreiseitiges Prisma, mit vor- derer stumpfer Kante; er besitzt dabei den gestreiften Emailüberzug der Unterfläche wie beim Eber und ebenso den Cementüberzug am obern und innern Umfang, ob- schon nur von sehr geringer Stärke; er ist ferner wurzellos und mit der Spitze deut- lich aufwärts gebogen, doch in so geringem Grade, dass der Zahn kaum über die Lippe vorragen konnte. S. Fig. 7 und 8. Tab. VI. Der weibliche Eekzahn hat vollkommen die Form, die wir beim weiblichen 7 EEE een > => ya Te } V “ L 50 — Wildschwein beschrieben haben, allein er ist in dem den übrigen Charakteren des Torfschweins entsprechenden Maasse kleiner. Die Alveole hat auch vollkommen die- selbe Form wie beim Wildschwein. Vergl. Fig. 6 Tab. Vl. (für’s Torfschwein) und Fig. 3 Tab. VI (für’s Wildschwein). 1 In den übrigen Verhältnissen , grössere Distanz zwischen P. 1 und Inc. 3, grössere Länge und Höhe von Intermaxilla und Maxilla, stärkere Ausbildung der Basalwarzen von M. 2 und des Talon von M. 3, stimmt das männliche Torfschwein, doch inner- halb weit engerer Grenzen, mit dem männlichen Wildschwein überein. Auch hier- über wurde schon der Beleg geliefert in Tabelle p. 40, 41 und 43. Grössere Schwierigkeiten bietet die Erkennung des Geschlechtes am U nter- kiefer des Torfschweins. Es war dies zu erwarten, da auch beim Wildschwein der sexuelle Unterschied am Unterkiefer weniger markirt ist als am Oberkiefer , und überdies die Race des Torfschweins an sich in jeder Beziehung sich noch unter den durch das weibliche Thier vertretenen minimalen Charakteren des Wildschweintypus hält. Fast ganz allgemein sind überdies an den Unterkiefern die Eckzähne ausge- fallen. welche am massgebendsten sein mussten. In solchen Fällen bleiben als Hülfsmittel lediglich die beim Torfschwein ohnehin geringen relativen Merkmale der grössern Symphysenlänge, der grössern Ausdeh- nung und tiefern Aushöhlung des Ineisivlöffels, der grössern Höhe des horizontalen Kieferastes für das männliche Geschlecht; bei dem sehr fragmentaren Zustand des Materials sah ich mich daher schon oben in mehreren Maasstabellen genöthigt, auf die sexuelle Unterscheidung der Unterkiefer grossentheils zu verzichten. Aus dem- selben Grund brachte ich in der Tabelle p. 44 die Angaben über den Kiefer Fig. 3 Tab. I. in die Rubrik für weibliche Thiere, weil der wichtigste Anhaltspunkt zur Ent- scheidung seines Geschlechtes, die Eckzähne, fehlten. Die Alveolen zeigen auch den ovalen Umfang und die vorragende rauhe Linie ihrer hintern Wand wie bei weib- lichen Thieren; allein im Uebrigen beziehen sich auf diesen Kiefer die in der Colonne Pal. fem. p. 44 gegebenen Maximaldimensionen, und der ganze Kiefer unterscheidet sich durch auffallend kräftigern Habitus von dem entschieden ‚weiblichen Kiefer Fig. 2 Tab. 1. | Ein unzweifelhaft weiblicher Eckzahn vom Torfschwein ist ferner in Fig. 10 Tabelle VI. neben denjenigen des weiblichen gleichaltrigen Wildschweins Fig. 9 ebendaselbst gestellt. Bei gleichem Grade der Usur misst der erstere längs der grossen Curvatur 70, der letzte 85 Mm., und in ähnlichem Verhältniss stehen alle ir E übrigen Dimensionen. Beide haben den nach unten unregelmässig begrenzten und auf eine Krone beschränkten Schmelzüberzug, der den weiblichen Eckzahn kenn- zeichnet. Sr Für den männlichen Eckzahn des Torfschweins gelten nach den wenigen Kiefern, die mir dafür‘zu Gebote standen, die nämlichen Reduktionen im Verhältniss zum Wildschwein, wie für die übrigen Theile des Gebisses. In allen Theilen des Gebisses, sowie in den zahntragenden Knochen zeigen sich demnach beim Torfschwein dieselben sexuellen Modifikationen wie beim Wildschwein; allein bei ersterem innerhalb weit engerer Grenzen als bei letzterem, wie dies die gesammte Physiognomie des Torfschweins mit sich bringt; nichtsdestoweniger sind diese Modifikationen wenigstens am Oberkiefer noch in ganz unverkennbarer Weise ausgesprochen, und der Verdacht, der durch die Schwierigkeit der sexuellen Unter- scheidung zahnloser Unterkiefer des Torischweins anfänglich angeregt wurde, dass das Torfschwein überhaupt nur das weibliche Geschlecht des Wildschweins der Pfahl- bauten vertreten möchte, wurde auf’s Gründlichste widerlegt durch die mannigfachen anderweitigen Differenzen, die weit über alle Schranken sexueller Modifikationen hin- ausgehen, wie dies in den Tabellen von p. 40-44 und in der Darstellung der Cha- rakteren der neuen Race reichlich dargethan ist; hierzu‘genügte überdies ein Blick auf die gewaltige Kluft zwischen unzweideutig weiblichem Wildschwein der Pfahlbauten Fig. 1. 3. 5, Tab. VI., und ebenso unzweideulig männlichem Torfschwein Fig. 7. 8 derselben Tafel, zwischen den männlichen Thieren der einen, Fig. 4. Tab. I, Fig. 2.4. Tab. VI., und den männlichen der andern, Fig. 7. 8. Tab. VI., zwischen dem weiblichen Geschlecht der einen, Fig. 1.3.5.9. Tab. VI., und dem weiblichen Ge- schlecht der andern Race, Fig. 2. Tab. 1., Fig. 6. 10. Tab. VI. Dieselben Verhält- nisse, und namentlich die scharfe geographische und historische Begrenzung, in wel- cher sie auftreten, entfernen auch jeden Gedanken an blos individuellen Werth der Merkmale des Torfschweins; ebenso entschieden hindern 'sie, im Torfschwein nur ein Mischungsproduct zwischen Wildschwein und dem in den spätern Pfahlbauten auf- tretenden Hausschwein zu vermuthen. : | Gewichtiger und von grosser Tragweite ist indess die Frage, ob das Torfschwei wildes oder Hausthier war, oder ob es, wie das Wildschwein in beiden Zuständen auftritt. Im ersten Falle lebten in der Periode der ältesten Pfahlbauten zwei von einander auffallend verschiedene Racen von Wildschwein gleichzeitig in den Wal- dungen der Schweiz; im zweiten Fall besassen die Bewohner dieser ältesten Ansied- # $ 52 lungen ein anderes Hausschwein als das heute in denselben Gegenden gepflegte, welches zu dem gewöhnlichen Wildschwein in weit näherer Beziehung steht als zum Torfschwein. int Ir den „Untersuchungen“ p. 12. 13 ist diese Frage dahin beantwortet worden, dass das Torischwein des Steinalters als wildes Thier zu betrachten sei. Es wurde für diese Ansicht geltend gemacht die Beschaffenheit der Knochen des Torfschweins, welche den Charakter wilder Thiere in ebenso starkem Grade an sich tragen als das alte und das heutige Wildschwein; ferner die vorzugsweise Vertretung des Torf- schweins in den Stufen des ganz jungen und des sehr hohen Alters und das Fehlen aller direkten Spuren menschlicher Einwirkung während des Lebens des Thieres, wie etwa künstliche Abtragung der Zähne und anderweitige Verletzungen, die nicht ge- rade den Tod des Thieres zum Zwecke hatten. Dass der ganze Charakter des Torf- schweins als Racencharakter und nicht als Erfolg der Zähmung zu betrachten sei, war überdies das Hauptergebniss der ganzen Untersuchung der Schweinsreste. Die seitherigen Untersuchungen haben diese Ansicht durchaus nicht geändert. Die Kenntniss immer riesigerer Formen der Stammrace unseres heutigen Hausschweins musste im Gegentheil die Ueberzeugung nur kräftigen, dass die kolossalen Differen- zen, welche zwischen dem Wildschwein und dem Torfschwein des Steinalters be- - stehen, namentlich in den Eckzähnen, in schon so früher Periode nicht Erfolg der Zähmung des Wildschweins sein konnten, wenn die seitherige, wahrscheinlich durch Jahrtausende fortgesetzte Kultur des leiztern bis auf unsere Tage an dessen Gebiss nur so geringe Erfolge erzielt hat. Der Umstand, dass unser Hausschwein weit stärkere Waffen besitzt als das Torfschwein des Steinalters, ist in dieser Beziehung schlagend; sollte das Torfschwein ein Zähmungsprodukt sein , so konnte seine Stamm- race wenigstens nicht im Wildschwein gesucht werden. Zu demselben Resultat führt namentlich auch der Blick auf die äusserst reich- liche Vertretung des Torfschweins, welche mit derjenigen des Hirsches wetteifert. Für eine ähnliche Vertretung wilder Schweine noch im Mittelalter wurden historische Belege in der Anmerkung zu p. 32 beigebracht; allein es verträgt sich nicht mit den bisherigen Erfahrungen der Kulturgeschichte, in einer so frühen Periode derselben das Schwein in weit grösserer Anzahl gezähmt zu finden als das Rind. Ich muss daher noch heute das Torfschwein des Steinalters als wildes Thier betrachten. = ur nt f Einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Torfschweins liefert indess die Wahr- SR nehmung , zu dem oben gewonnenen Resultat- über das Torfschwein hinzufügte, dass dasselbe in der That in spätern Perioden als zahmes Thier auftritt, so gut wie das Wild- Schwein , und dass Spuren auch des Torfschweins noch in heutigen zahmen Schweins- racen sich forterhalten ‚haben. Da keinerlei Belege dafür vorliegen , dass das Torfschwein noch heute als wil- des Thier fortexistire, so geht aus den bisherigen Erfahrungen hervor, dass das Torfschwein als wildes Thier vor der historischen Periode erlosch, dagegen in zahmen Racen sich bis auf den heutigen Tag forterhalten hat. Die Verfolgung des Torfschweins ai Hausthier verweise ich in das den zahmen Thieren der Pfahlbauten gewidmete Kapitel. Zu einer vollständigen Darstellung des wilden Torfschweins gehört indess noch die Untersuchung seiner Beziehungen zu anderweitigen, sei es lebenden oder erlo- schenen wilden Racen oder Species altweltlicher Schweine. Es ist einleuchtend, dass Seine Auffindung in den Pfahlbauten der Schweiz uns keinen Aufschluss über seine einstige Verbreitung giebt und die Möglichkeit durchaus nicht benimmt, dass das Torfschwein so gut wie sein noch wild lebender Verwandter seiner Zeit über ein sehr grosses Gebiet der alten Welt verbreitet gewesen sein mag. Im Gegentheil weisen der bekannte Formenreichthum des Schweins im östlichen Asien und die vie- len Spuren östlicher Quellen auch der thierischen Bevölkerung Europas mit Nachdruck nach dem Continent von Asien, als der Stelle, wo nach frühern oder jetzigen Ver- wandten des Torfschweins wenigstens gesucht werden muss. Unter den von A. Wagner (in Schreber’s Säugethieren) und von Schinz (Mo- nographien) aufgeführten zahlreichen ostasiatischen Formen von Schwein kann keine einzige mit dem Torfschwein irgendwie zusammengestellt werden als das im wilden Zustand nicht bekannte Siamschwein. Alle übrigen aufgestellten Arten, deren Selbst- Ständigkeit indess durch die bisherigen Angaben durchaus nicht festgestellt ist '), un- terscheiden sich vom 'Torfschwein durch dieselben Merkmale, welche es vom Wild- schwein abtrennen, namentlich durch grosse Verlängerung des Gesichts (Sus verru- ` cosus von Java und barbatus von Borneo) und starke Ausbildung der Caninprotube- ranzen (Sus vittatus der Sundainseln und celebensis). Auch das japanische Schwein 1) S. oben p, 27. die sich durch die Untersuchung neuen Materials aus jüngern Pfahlbauten EE PAE * > RO BORN E A I" E WAR. T VAE AERE = BE l Sus leucomystax scheint nach der von Schinz gegebenen Abbildung eines weiblichen Schädels weit stärkere Knochenkämme der Canin-Alveole zu tragen als unser Wild- schwein. Sus papuensis und wahrscheinlich auch timoriensis sind nur auf Jugend- zustände gegründet. Die Vergleichung mit dem zahmen Siamschwein wird daher ebenfalls passender in das Kapitel der Hausthiere verschoben. Die beiden südafrikanischen Species von Sus (Sus larvatus und penicillatus), de- ren Zahnsystem ich einlässlich an einem andern Ort besprochen habe !), weichen von Sus Scrofa und also auch vom Torfschwein in so erheblicher Weise ab, dass ‚ich sie allein neben Scrofa als osteologisch gut begrenzte Species des Genus Sus anzuerkennen vermag. | Alles dieses führt zum Schluss, dass keine Schweinsracen mehr im wilden Zu- stand bestehen, welche die Charakteren des Torfschweins an sich tragen und auf dasselbe zurückzuführen wären. Die Untersuchung wendet sich also rückwärts auf die fossilen Repräsentanten von Sus. Sr Unter diesen sind als gut begrenzte Species zu nennen 2): Sus provincialis, ma- jor und belsiacus Gerv., Sus antiquus, paleocherus, antediluvianus, abnormis und Meisneri Kaup, Sus erymanthius Roth und Wagner. Von allen diesen Species schliesst sich einzig die letzte, aus Pikermi in Griechen- land, an bekannte lebende Formen und zwar an den Typus von Sus larvatus und penicillatus an; ein interessanter Beleg, dass derselbe, heutzutage auf Südafrika be- schränkt, in der Tertiärzeit auch an der Nordküste des Mittelmeeres vertreten war. Alle übrigen, von welchen nur Backzähne bekannt sind, stimmen unter sich durch ein wichtiges Merkmal überein, durch das Zurücktretien der Zwischenwarzen und Kerben an Molaren und Prämolaren, und daherige stärkere Ausprägung der 4 oder 5 Haupthügel der erstern, der Hauptzacken der letztern (eine Ausnahme hiervon bilden die langgestreckten Präm. 1 und 2 von Sus abnormis), und durch Vereinfachung des Talon von M. 3 sowohl in seinem Kron- als Wurzeltheile. Es ist dies unverkenn- bar der Ausdruck der Annäherung an den Zahntypus omnivorer Pachydermen (Ar- tiodactyla non ruminantia), wie er am reinsten in den Paleocheriden auftritt 3). 1) Ueber lebende und fossile Schweine a. a. O. 2) Ueber lebende und fossile Schweine a. a. O. 3) Auch in dieser Beziehung stehen unter den lebenden Species von Sus die zwei südafrikanischen den fossilen noch am nächsten, nicht aber in dem gleich folgenden Charakter der Caninen. 2 u A 2 Noch deutlicher ist dieser Charakter ausgesprochen durch die bei Sus provincialis und antiquus bekannte, für die übrigen miocenen Species höchst wahrscheinliche Reduktion der Eckzähne, welche, weit entfernt von der abnormen Grösse und Richtung bei Scrofa, ebenfalls die einfache Form der Eckzähne der Paleocheriden tragen 1). Genau in denselben Beziehungen entfernt sich, innerhalb der heutigen Hauptspe- cies der alten Welt, das Torfschwein von dem Wildschwein und schliesst sich, so- weit dies innerhalb der nicht engen Grenzen dieser Species möglich ist, an die ter- tiären Arten an. Die vollständige Kenntniss des Zahnsystems hinderte seine Abtren- nung von Sus Scrofa; wäre es in Bruchstücken, in ältern Terrains und in weniger sprechender Umgebung aufgefunden worden, so würde eine Ablösung von Sus Scrofa kaum anfechtbar gewesen sein. Auch ist die Frage wohl gestattet, ob die Zahl der tertiären Species nicht reduzirt werden möchte, wenn für jede so reichliches Material vorläge wie für das Torfschwein. Die bisher bekannt gewordenen Reste posi-miocener Schweine hei den Cha- rakter des heutigen Wildschweins in so vollkommener Weise an sich, dass eine Ab- trennung davon durchaus nicht gerechtfertigt ist. Dahin gehören nicht nur diejenigen, welche im Alluvium und Torf so häufig sich vorfinden, sondern auch die bisher zur Kenntniss gekommenen Reste aus Höhlen, namentlich Sus priscus Goldf. und Sus priscus Marcel de Serres 2), sowie selbst nach den Nachweisungen Owen’s und Lyell’s pliocene Fossilien vom Schwein 3). Es begegnen sich daher in den zwei Schweins- racen des Steinalters zwei sonst historisch getrennte Typen; es erlischt für wilde Thiere im Torfschwein ein Charakter, der in seiner vollen Ausbildung durch die miocenen Speeien vertreten ist, und neben ihm finden wir im Torfschwein einen andern, der bis in die neuere Pliocenperiode hinaufzureichen scheint. Abgesehen 1) Ueber lebende und fossile Schweine p. 35. 36. Untersuchungen p. 43. 2) Ossem. humatiles de Lunel-Viel. Die Vergleichung von Pl. XI mit unserer Tab. VI zeigt die grosse Verschiedenheit dieses Höhlenschweins von unserem Torfschwein und seine vollständige Uebereinstiimmung mit dem Wildschwein. Auch die Maassangaben bewegen sich ganz innerhalb der Grenzen derjenigen, welche wir oben für das Wildschwein des Steinalters gaben. 3) Owen, Brit. foss. Mamm. p. 426. Der Zahn Fig. 17% daselbst wurde in den „Untersuchungen“ P- 43 unrichtiger Weise mit dem Torfschwein zusammengestellt; er übertrifft die maximale Grösse von Mol. inf. 3 vom Torfschwein in beträchtlichem Grade. Der entsprechende Zahn aus den Pfahlbauten, Fig. 5 Tab. I., mit dem er in der That vollkommen übereinstimmt, gehört, wie das reichlichere seitherige Ma- terial lehrte, dem Wildschwein an. Eher würde der auffallend kleine Zahn, Fig. 138 in: Lyell’s Geologie Bd. I. 5te Ausgabe, eine Vergleiehung mit dem Torfschwein möglich erscheinen lassen. er“ von der Möglichkeit, dass die Quelle des Torfschweins noch als klimatische Race gefunden werden mag, lässt sich bei dem Anblick dieser Ablösung schwächer bewaff- neter Thiere durch stärker bewaffnete innerhalb der Grenzen einer und derselben Species ein Gedanke an historische Modifikationen in Darwin’schem Sinne kaum un- terdrücken. Es ist zu hoffen, dass theils die Untersuchung der Fossilien aus dem nordischen Steinalter, theils die genauere Prüfung diluvialer und älterer Schweinsreste noch manches Licht über die räumliche und zeitliche Verbreitung des Torfschweins bringen werden. 17. Der Edelhirsch. Cervus Elaphus L. Das Edelwild hat den Schauplatz der schweizerischen Pfahlbauten mit Ende des vorigen Jahrhunderts allmälig verlassen 1). Unter dem Schutz von Jagdgeseizen be- wohnt es indess noch in ziemlicher Anzahl die östlichen Alpen 9. Ausser dem Hoch- gebirg kommt noch Edelwild, doch verhältnissmässig in geringer Menge, in Deutsch- land vor im Spessart, in der Rhön, im Fichtelgebirge, im Odenwald; ausserdem be- kanntlich namentlich in weniger bevölkerten Gebirgsländern wie Schottland, Polen, Siebenbürgen, Sardinien, Griechenland, Kaukasus 3). Von einem Reichthum, wie ihn heutzutage Jäger etwa noch träumen, erzählen indess noch deutsche Jagdberichte aus dem 16. und 17. Jahrhundert 4). Auch in der Schweiz wurden Hirschreste aus 1) S. Unters: p. 37. Zu den dortigen Angaben füge ich noch, dass laut brieflicher Mittheilung von Herrn Oberst R. v. Erlach in Hindelbank (Kt. Bern) noch um 1790 Edelhirsche geschossen wor- den. Ortsnamen vom Hirsch entlehnt finden sich im Kanton Bern bis in die Alpen hinauf (Adelboden). 2) Nach v. Kobell, Wildanger p. 80, betrugen die Lieferungen zum Zwirchgewölb (Wildpretgewölb) in München von 1844—1845 im jährlichen Durchschnitt 325 männliche Thiere, 354 weibliche und 83 Käl- ber. Von 1754—1755 hatten dieselben betragen 97 Hirsche, 102 Thiere und 49 Kälber, also nicht die Hälfte des jetzigen Betrags. Noch geringer war er im 16. Jahrhundert; von 1674— 1691 jährlicher Durch- schnitt 55 Hirsche, 53 Thiere und 19 Kälber. 3) v. Kobell p. 8i. Blasius, Säugethiere Deutschlands 441 etc. 4) v. Kobella. a. O. p. 57 etc. Ein Jagdregister Herzog Wilhelm’s IV. von Bayern vom Jahr 1545 giebt als Ertrag der Jagd an Hirschen im genanuten Jahre an $17 Hirsche, 78 Thiere, 127 Kälber. Ein Jagdbericht des Landgrafen Philipp von Hessen nennt als Beute an Hirschen (männliche Thiere) im Jahre 4561 die Zahl 367; ein Bericht des Markgrafen Georg von Brandenburg vom Jahre 1581 nennt 679 Hirsche u. s. f. Das Verzeichniss der Hirsche, welche der Churfürst Joh. Georg I. von Sachsen in 44 Jahren, von 1611—1655 erlegt und gefangen hat, giebt die ausserordentliche Zahl von 15,291 Stücken an, worunter PER un ältern Perioden bekannten und unbekannten Datums häufig gefunden, so aus der Rö- merzeit bei Basel, Solothurn, Moosseedorf, Bougy bei Vevey, ferner in- Torfmooren unbekannten Datums (Diemerswyl bei Bern, Hombrechtikon im Kant. Zürich, Gren- chen bei Solothurn etc.) in Felsenspalten,, Flussalluvionen und selbst in unzweifel- haftem Diluvialterrain 1). In den Pfahlbauten bildet Edelwild nebst Schwarzwild und kaitara Rindvieh den reichlichsten Betrag der Knochenanhäufungen, so zwar, dass der Hirsch in den Lo- kalitäten des Steinalters jedes andere Thier an Reichthum der Vertretung übertrifft, allein in der Bronzeperiode allmälig abnimmt in Folge des Zuwachses der Hausthiere. Die Art der Erhaltung und Verwendung seiner Reste wurde früher besprochen; die- selben stimmen in paläontologischer Beziehung so vollkommen mit dem heute leben- den Thier überein, dass sie keiner weitläufigen Besprechung bedürfen. Leichte Mo- difikationen in den Details der Zahnbildung erwiesen sich als blosse individuelle und Alters-Variationen. Nicht bedeutenderes Gewicht verdienen , wie die zahllosen Ueber- gänge zeigten, die vielfachen Schwankungen in der Bildung der Geweihe, welche in allen Altersstufen bis zu mächtigen Sechszehnendern reichlich vertreten waren; in dieser Beziehung verdient nur das häufige Vorkommen von Geweihen mit starker Abplattung der obern Theile der Stangen, der obern Sprossen und oft bedeu- tender Expansion im Gebiete der Geweihkrone Erwähnung, Modifikationen, die indess ihrer ganz unbestimmten Grenze halber in keiner Weise zu Annahme verschiedener Racen oder gar Species führen konnten 2). An den nicht seiten ziemlich intakt er- über die Hälfte Hirsche von 40 und mehr Enden. Die Hirschliste seines Nachfolgers Joh. Georg II. führt von 1655—1680 gegen 13,636 Hirsche auf, unter welchen ebenfalls über ein Drittel Hirsche von we- higstens 40 Enden. | | 1) Eine Durchsicht der verschiedenen Sammlungen würde diese Angaben in’s Unbestimmte vermehren lassen. Ich erwähne hier nur das Vorkommen von Zähnen, welche von denjenigen des Edeihirsches durch- aus nicht unterschieden werden können, in der diluvialen Schieferkohle von Dürnten, gleichzeitig mit Rhinoceros jeptorhinus und einer grossen Ochsenart, wahrscheinlich Bos primigenius, aufbewahrt im Mu- seum von Zürich; ferner das schon oben p. 23 genannte Skelet eines riesigen Edelhirsches neben Knochen der Wildkatze unter Dammerde in einer Felsspalte des Jura bei Holderbank, Kt. Solothurn. Einige in- teressante Angaben ähnlicher Art macht schon Meisner, Museum der Naturgeschichte Helvetiens .Nr. 9 und 10. 1820. p. 67 u. f. Auch Goldfuss erklärte den diluvialen Cervus: Elaphus fossilis als identisch mit dem lebenden. Verh. d. Leopold-Carol.-Academ. d. Naturf. IJ. 2. 1821. Ebenso Nordmann, Pa- "läontologie Süd-Russlands. Heft III. 2) Die Geweihform, welche Nordmann a. a. O. Tab. XVIII. Suppl., aus dem Diluvium Russlands ab- bildet, entspricht derjenigen der grössern Geweihe aus den Pfahlbauten vollständig. 8 | ne we Wo a N T haltenen Hirnschädeln (das Gesicht ist immer abgeschlagen), welche zum Zweck der niemals vernachlässigten Benutzung des Gehirns wegen ihrer oft enormen Knochen- stärke nicht wie Schweins- oder Kuhschädel in der Mitte gespalten, sondern durch Entfernung der Schläfenschuppe eröffnet wurden, bemerkte ich häufig eine Depres- sion der Occipitalfläche, namentlich durch seitliche Expansion des Exoceipitale und Mastoideum, wie sie in diesem Grade bei den freilich nicht sehr zahlreichen und nicht ‘so mächtigen Schädeln recenter Hirsche in unserer Sammlung nicht vorkommt. Ich ' glaube diesen Charakter indess mit vollkommener Berechtigung der Verstärkung der ' Nackenmuskulatur alter Thiere mit mächtigem Geweih zuschreiben zu können. Eine erheblichere Abweichung, die ich indess ebenfalls nur der grossen Geweih- stärke zuschreiben und als individuell betrachten kann, bot ein Schädel von merk- würdiger Knochenstärke aus Concise, und ein etwas kleinerer aus Wangen, deren Profillinie zwischen dem Geweih einen ziemlich rechtwinkligen Uebergang der Stirnfläche in die Parietalfläche zeigte; an beiden Schädeln waren überdiess die Ge- weihzapfen auffallend stark nach aussen gerichtet, in ähnlichem Grade wie an dem aus dem Rhein stammenden Schädel, der Kaup zu Aufstellung seines Cervus priscus veranlasste 1). Die Geweihe waren an diesen beiden Schädeln abgesägt, wie an allen andern Hirschschädeln der Pfahlbauten; alle die vielen kleinen Varia- tionen in den Geweihen erschienen indess ohne alle Konstanz 2). Das Bemerkenswertheste an den Hirschen der Pfahlbauten ist ausser ihrem reich- lichen Vorkommen ihre Grösse, die, wie schon in den „Untersuchungen“ p. 23 und 50 gezeigt worden, oft die Höhe ansehnlicher Pferde übertraf. Zum Beleg davon dienen folgende Grössenangaben an verschiedenen Skeletstücken von Moosseedorf (MS), Robenhausen (Rob.), Concise (Conc.), Wauwyl (Ww.), Meilen (M.) gemessen, und verglichen mit denjenigen des grössten Schädels unserer Sammlung (Achtenders) für den Schädel, für die übrigen Knochen mit denjenigen eines alten und ansehn- lichen, freilich nur weiblichen Skelets unserer Sammlung. Zur Vergleichung stelle ich überdies daneben die aus Cuvier entnommenen Dimensionen des irischen Riesen- hirsches. 1) Leonhard, Jahrbuch für Mineralogie 1839. p. 297. Taf. IIL Fig. 1. 3. 2) Inwiefern Cervus priscus Kaup und Cervus primigenius (Kaup a. a. O. p. 168. Taf. II. Fig. 1. 2.) auf konstanten Merkmalen beruhen, kann ich nicht beurtheilen. Die Pfahlbauten enthielten indess nichts, was die Anwesenheit einer dieser diluvialen Species mit Sicherheit belegt hätte. Ebensowenig zeigten sich bisher Spuren vom Megaceros. = MM T » obere Gelenkfläche quer Torf. Recent. Höhe des Oceiput über dem untern Rand des For. magn. 87 14 Grösste Breite der Oceipitalfläche. 13 10 Stirnbreite über den Augenhöhlen . 130 115 Stirnbreite zwischen den Supraorbitalgruben . 86 TT Länge der Mandibel vom Angulus bis Incisivrand a45 300 Atlas Körperlänge. ..: - = ee MS. Rob. 52 41 »„ Stüsste Fiugelbreite - a - "U. nn e ga 140-153 86 E a HE A a eK 122 80 Axis, Körperlänge Bl MS. 103 76 5 A mit Zahnfortsatz . y Te A20 90 » Länge der Spina . zahl 12 » Spannweite der Proc. transv. S- 95 58 » volle vertikale Höhe hinten > 110 68 4. Halsw. Körperlänge . SR .Conc. 100 — 80 er Breite der hintern Gel.-Forts. . 5 80 49 ð. Halsw. Körperlänge . BER Rob. 100 80 2 Breite der hintern Gel.-Foris. . A, 81 54 Grösster Rückenwirbel. Körperlänge EN MS. 43 3l 7 7 Volle Höhe mit Dornforts. 7 195 115 1. Lendenw. Spannweite der Querforts. Rob. 145 97 A Volle Höhe : sib ets Mö 14 6. Lendenw. Spannweite der Querforts. i . Ww. 190 146 Länge aller 6 Lendenwirbel, an den Gel.-Forts. gemessen. Rob. 370 270 Sacrum, Länge von 4 Wirbelkörpern . ur $ Quere Ausdehnung der vordern Gelenkfläche fi 70 41 „Volle Höhe am 2. Wirbel. jildiga HT Humerus, volle Länge . ; EE o 3 Trochlea quer y 58 43 Radius, volle Länge . y 2 » obere Gelenkfläche quer . = 57 44 » . untere j r a 37 Metacarpus , volle Länge MS. 260 : 230 42 33 Mega- ceros. nee u = ; Recent. Mega- ; ceros. Metacarpus, untere Gelenkfläche wer: . 2.2... i 33 Una; Wie Tangen eie, er, N | 300 » ' Länge des Olecranon . . . . AD won 57 = Siehe) ya AE EEA en droni 38 Becken, grösste Länge. . ~ A Querausdehnung vorn % $ hinten Rott yoga EREE ED E i ps gewalh g y Dror Genk pi quer; A ess eena] 50 98 Tibia, volle Länge . . . . a a l „ Obere Gelenkfläche quer . . pan RER: 83 61 „ untere N en ENGIB 50 31 Metatarsus, volle Länge. seizie an; beiten Shine : 3 obere Gelenkfläche quer. . . . n 2... 1.838 30 3 - untere 5 re UDARI it 45 34 Calcaneus, volle Länge. . . .. i a e E i 95 j Höhe des Tuber an der Basis. RAT 41 I Phaldex ‚Late Enter de eng oA 5 5 n SOPORTO CORD Slo , 47 Sa = 3. 5 REF FRA Tb S 60 4 -- Es ergibt sich aus diesen Zahlen, . dass der Hirsch der Pfahlbauten fast in allen Dimensionen des Skeleies diejenigen des recenten Skeletes um ein gutes Drittheil übertraf 1), allein hinter denjenigen des Megaceros, wenigstens in der ' 'Länge der Exfremitätenknochen , um etwa 1/5 bis 1⁄4 zurückblieb. Eine Ausnahme bildet nur der kolossale Metatarsus von Meilen, hinter welchem der zweitgrösste, von Moosseedorf, mit 300 weit zurückblieb. Dennoch gehört der erstere ebenfalls dem Edelhirsch an. 4 1) Dass der Edelhirsch auch in historischer Zeit oft enorme Grösse erreichte, zeigen die Angaben von v. Kobell von Hirschen von 6—9 Centner Gewicht (Hirsche von 4 Centner sind heutzutage nach dem- selben Gewährsmann Seltenheiten) und von 16—32 Enden. Der letztere, fast unglaublicbe Fall ist genü- gend verbürgt, da das Thier 1762 von Landgraf Ludwig VII. von Hessen-Darmstadt lebendig gefangen worden. Das Geweih eines Hirsches von 66 Enden, der von König Friedrich I. von Preussen 1696 in der Gegend von Frankfurt: a. d. O. erlegt worden, wird in der Moritzburg in Dresden aufbewahrt. — Wildanger p. 58 u. f ie id Er Ir iR Das Reh hat bekanntlich die Schweiz noch nicht gänzlich verlassen, obwohl es heutzutage auf die nördlichen Kantone derselben längs des Rheins beschränkt ist 1). Ueber seine Vertretung in den Pfahlbauten ist das Nöthige in der Einleitung gesagt worden. Es fehlt in keinem Pfahlbau des Steinalters und ist auch mit dem Edelhirsch in den aus dortigem Steinalter herrührenden Höhlenknochen von Mentone ver- treten. In den Pfahlbauten der ‚Bronzeperiode wurde es bisher gänzlich vermisst, erscheint aber wieder als Opferrest in Gräbern aus dem 6. Jahrhundert, in Cha- vannes-sur-le-Veyron im Kanton Waadt. Dass auch bei diesem Thier starke Modifikationen in der Geweihbildung vorkom- men, scheint aus der Mittheilung von v. Kobell, Wildanger p. 263, hervorzuge- hen, dass in ältern Geweihsammlungen nicht selten vielsprossige 11⁄2—2 Fuss hohe Geweihe sich vorfinden, deren Rosen verhältnissmässig klein und oft über halbfinger- breit von einander abstehend sind, während sie am Gehörn starker Böcke unserer Tage meist einander berühren. v. Kobell, gewiss eine höchst gewichtige Autorität, bemerkt dabei, dass ihm kein Fall bekannt sei, dass ein solcher Bock in unserer Zeit geschossen worden wäre, und kennt aus älterer Zeit nur 2 solche Angaben aus den Jahren 1586 und 1749, obschon eine Münchener Geweihsammlung gegen 200 Stück solcher Rehgeweihe enthält. Eine Abbildung. davon findet sich a. a. O. p. 275. Ob, wie v. Kobell vermuihet, diese sonderbaren Geweihe eine nun ausge- tilete Art von Rehen andeuten, ‘oder ob darin gar Bastardbildungen zu vermuthen 18. Das Reh. Cervus Capreolus L. Seien, wage ich nicht zu entscheiden 2). In den Pfahlbauten fand ich unter einer 1) Herr von Erlach in Hindelbank schreibt mir, dass es um’s Jahr 1831 im Jnra von Porrentruy noch häufig war. In denselben Jahren, von 1830-1840, wurden nach derselben zuverlässigen Quelle in den waldigen Hügelregionen des Kantens Bern noch hier und da Rehe theils gesehen, theils geschossen, so um Mühleberg im Amt Laupen, im Kurzenberg, Amt Konolfingen, im Unterbergenthal zwischen Burgdorf und Krauchthal, am Gurnigel. Um Hindelbank selbst, in der Nähe von Moosseedorf, wurden die letzten Rehe geschossen im Jahre 1790. Ortsnamen, die dem Reh ihren Ursprung verdanken, sind im Kanton Bern: Rehhag bei Bümplitz, Rehhalden bei Burgdorf, Rehhart bei Adelboden, Rehwag im Amte Aarberg, etc. Häufiger sind solche Namen im Jura. In Bayern scheint nach v. Kobell, Wildanger p. 272 etc., das Reh eher im Zunehmen als im Ab- nehmen begriffen zu sein. | 2) Doch sind Bastardbildungen zwischen verschiedenen Hirscharten bekannt geworden, so zwischen Gymnotus und Virginianus, welche in der Grösse kaum weiter auseinanderstehen als Edelhirsch und Reh. ganzen Sammlung von Rehschädeln mit unverletzien Geweihen, aus Robenhausen, Moosseedorf etc., nur die heutzutage gewöhnliche Form der Geweihe. Auch die diluvialen Rehgeweihe aus England, die Owen abbildet Brit. foss. Mamm. p. 487, zeigen dieselbe Form. 19. Der Damhirsch. Cervus Dama L. Von platten Hirschgeweihen finden sich in den Pfahlbauten nur sehr spärliche Stücke in Biel, Moosseedorf, Wauwyl, Meilen. Dieselben gehören grösstentheils dem Elenthier an, wie ihre grosse Stärke, die grosse Ausdehnung, auf welche die Dimensionen der Bruchstücke schliessen lassen, und besonders die Skulptur zeigte, welche letztere bei den Geweihen der verschiedenen Hirscharten sehr verschieden ist. Bei kleinern Bruchstücken lässt indess auch dieses Merkmal den Beobachter im Stich, da der Edelhirsch im hohen Alter ebenfalls platte Expansionen der Krone bil- det, welche oft grosse Dimensionen erreichen können und dann auch nicht mehr die eigenthümliche knotige Oberfläche zeigen, welche sonst für die eylindrischen Theile des Hirschgeweihes charakteristisch ist. Eine Anzahl von platten Stücken von „Schaufelgeweihen“ mit ganz glatter Ober- fläche in der Sammlung von Herrn Oberst Schwab in Biel, aus dem Bieler See stammend, konnten indess nach ihren Dimensionen und Umrissen nur dem Damhirsch zugeschrieben werden. Aechnliche Stücke aus Meilen, vollkommen übereinstim- mend mit den abnormen Formen, welche das Damhirschgeweih im hohen Alter ge- winnt t), konnte ich auch nur auf dieses Thier zurückführen. Doch bemerke ich ab- sichtlich, dass mir noch kein vollständiges Geweih desselben aus den Pfahlbauten zu Gesicht gekommen ist, und ebensowenig Schädelstücke, welche die nächst dem Ge- weih wichtigsten Merkmale des Damhirsches konstaliren liessen. Unzweideutige Be- legstücke für die spontane Verbreitung dieser Hirschart im Norden der Alpen sind daher noch zu wünschen 2). 1).S. Cuvier, Oss, foss. IV. Tab. II. Fig. 32—35. 2) In Deutschland ist das Damwild erst im 16. Jahrhundert durch Landgraf Wilhelm IV. von Hessen aus Dänemark eingeführt worden, wohin es nach den bisherigen Annahmen ebenfalls versetzt worden war aus Südeuropa. Wildanger p. 100. Notizen über Damwild in der Nähe der Schweiz finde ich aus Wür- temberg vom Jahr 1618. Jäger, fossile Säugethiere Würtembergs p. 104 und 192. Owen, Brit. foss. Mamm. 483 hält den heutigen Damhirsch für ursprünglich rein afrikanisch und sein fossiles Vorkommen in England für zweifelhaft. Ber ee 20. Das Elenthier, Cervus Alces L. Die erste Kunde von der Anwesenheit des Elenthiers in den Pfahlbauten gaben Bruchstücke platter Geweihe aus Moosseedorf, Meilen, Mörigen-Stein- berg bei Nidau, welche durch grosse Dimensionen, beträchtliche Dicke, namentlich an dem abgestumpften Innenrand, und die für Alces charakteristischen, vom Rosen- stock aus radiär in die Zacken hinaus verlaufenden etwas knotigen Furchen sich von Damhirschschaufeln verschieden zeigten. Noch unzweideutigere Spuren fanden sich sodann in Concise in einem obern Backzahn (Prämol. 2 sup. dext.) und vor allem inWauwyl, wo ein vollständiger unverletzter Schädel eines erwachsenen Thieres erhoben wurde, das vollständigste Fossil, das überhaupt bisher aus den Pfahlbauten herausgehoben worden. Verschiedene andere Knochenstücke aus Wauwyl mussten ebenfalls dem Elenthier zugeschrieben werden. Noch reichlicher wurden Elenthier- reste in den grossen Knochensendungen aus Robenhausen aufgefunden, so dass mit einziger Ausnahme von Wangen, woher ich überhaupt nur Weniges zu Gesicht bekommen hatte, gegenwärtig sämmtliche Pfahlbauten des Steinalters von Pfäflikon bis Concise ihr Contingent an Elenthieren gestellt haben; sicher ein Beleg von ein- stiger nicht spärlicher Vertretung dieses Thieres über die ganze Schweiz. Schon früher hatten indess gelegentliche Funde von Elenthierresten in Torfmooren und Dammerde +) die einstige Anwesenheit dieses Thiers in der Schweiz in relativ wenig entlegener Vorzeit bezeugt, ja nach historischen Berichten dauerte dieselbe im her- eynischen Wald und in den Alpen bis in die römische Periode; sein Rückzug in die nördlichern Gegenden, auf die es heutzutage beschränkt ist, geschah auch nur all- mälig 2). Am Rhein 3) hielt es sich nach alten Jagdgesetzen his in’s‘10. oder 11. Jahr- 1) S. „Untersuchungen“ p. 37. Meisner, Museum der Naturgeschichte Helvetiens, Nro. 9 und 10. 1820. p. 67, erzählt von einem Elenthier-Geweih, das bei Wertenstein im Kanton Luzern in geringer Tiefe auf einem Acker ausgegraben worden. 2) S. „Untersuchungen“ p. 37. Die jüngste Notiz über Elenthierjagd stammt aus dem Bialowiczer- Wald, wo am 18. Oktober 1860 vom Kaiser von Russland 2 Elenthiere erlegt wurden, Bei denselben Jagden wurden auch über 30 Bisonten geschossen. 3) Eine Verordnung von Kaiser Otto dem Grossen vom Jahr 943 sagt: „Nemo sine Ralderici episcopi , in pago forestensi Trentano cervos, ursos, Capreas, apros, bestias insuper quæ teutonica lingua Elo aut Schelo appellantur, venari præsumat.“ M.J. Schmidt, Geschichte der Deutschen II. p- 80. Dieselbe Verordnung findet ‘sich in einer Urkunde Heinrichs II. vom Jahre 1006 für einen Bischof von Utrecht und in einer dritten Conrads II. von 1025. v. Kobell, Wildanger p. 103. Mochten nun auch Eu To hundert. Seine ältesten Reste finden sich im Diluvium von Italien bis Irland und Dänemark, gleichzeitig mit Elephant, Rhinoceros, Flusspferd, Hyäne etc. '). Der auffallende Umstand, dass über dieses noch lebende und in grössern anato- mischen Sammlungen keineswegs fehlende Thier anatomische und namentlich osteo- logische Notizen oder Abbildungen (mit Ausnahme des Schädels) von einiger Genauig- keit in der Litteratur vergeblich gesucht werden 2), machte.die Bestimmung der eben- falls fast nur in Fragmenten, wie bei allen andern Thieren, in den Pfahlbauten ent- haltenen Elenthierknochen sehr mühsam, und ich glaube daher Mitarbeitern einen Dienst zu leisten, wenn ich auch nur das Wenige mittheile, was ich beobachten konnte. | | | Die Knochen, die ich in den Sendungen aus Robenhausen auffand, sind haupt- sächlich Rückenwirbel. Sie unterschieden sich äusserlich von denjenigen des Hirsches durch tiefere schwarzbraune Farbe; sie besassen indess dieselbe Sprödigkeit, den- selben scharfsplittrigen Bruch, allein bemerklich geringere Dichtigkeit oder relatives Gewicht. In letzterer Beziehung kamen sie fast mit denjenigen der Kuh überein. Der zweite Halswirbel, obschon viel gewaltiger und massiver als beim Hirsch, ist doch relativ bedeutend kürzer. Der Dornfortsatz, 65 Mm. lang an der Basis, ist kurz und hoch und nimmt nach hinten an Höhe eher ab, während er beim Hirsch nach hinten ansteigt und vorn und hinten den Arcus überragt. Seine Höhe verhält sich zur Länge = 36 : 65 oder = 1: 2. beim Hirsch - 17:60 „ =1:4. Die Gelenkfortsätze treten nach hinten sehr stark nach aussen, und die Gelenk- flächen derselben sind ebenso breit als lang. Beim Hirsch sind diese Fortsätze mehr in die Länge gestreckt und die Gelenkflächen schmal und lang. derartige Verordnungen häufig erneuert und copirt worden sein, lange nachdem dies oder jenes dadurch betroffene Thier ausgetilgt war, so kann doch der erste Text einer solchen sicher als gültiges Dokument betrachtet werden. 1) H. v. Meyer, Cervus Alces foss., Verh. d. Leopold-Carol. Academ. d. Naturf. VIII. 2. 1833. Berthold, ebendas. XIV. 2. 1850. 2) Einzelne brauchbare Angaben über das Skelet mit Absehen von dem genügend bekannten Schädel finde ich nur bei Buffon XIL; Cuvier, Anat. comp. I. 182; Owen, Brit. foss. Mamm. 407; Giebel, Säugeth. 354. Treffliche Abbildungen vom Schädel geben bekanntlich Cuvier, Oss. foss.; Pander und d’Alton, Osteologie; Goldfuss, Verh. d. Leopold-Carol.-Acad. 1824. Ueber das Gebiss an den genannten Orten und Nord mann, Paläontologie Süd-Russlands Tab. XVIII. bis, — 6 — Der sechste Halswirbel hat ungefähr die Dimensionen wie bei der Kuh, allein die Form wie beim Hirsch. Ich stelle daneben die Messungen an dem schon erwähnten grossen weiblichen Skelet des recenten Hirsches und an einem sehr grossen Ochsenskelet unserer Sammlung. Elen. Hirsch. Ochse. Länge des Körpers . 9) : 2..2.0..68 92 55 „ raynBogens MI .. 8 36 41 Quere Ausdehnung der Prösyehpänk: 283 552er 4 i „ Zygapoph. . . . . 71 57 90 Längenausdehnung der Gelenkfortsätze . . 80 62 80 Die Form der Gelenkflächen der Gelenkfortsätze ist die oben bezeichnete. Die Gelenkflächen des Wirbelkörpers, sowie der Dornfortsatz stehen fast vertikal zur Axe des Körpers, während sie sich beim Hirsch sehr schief nach hinten neigen. Der Wirbel des Elen erhält dadurch eine weit kürzere und steilere Gestalt. Am ersten Rückenwirbel ist dieselbe Gestalt bemerklich, und der Dorn- fortsatz ist länger, steiler und nach oben nicht so rasch zugespitzt wie beim Hirsch. Elen. Hirsch. Ochse. Länge des Körpers . . . ODE 36 45 Quere Ausdehnung der BETON er O 50 85 E T EEE a ANDOL a a e EO 21 40 Volle Höhe mit dem Dornfortsatz . . . . 230 132 255 Am letzten Lendenwirbel finde ich ausser der Kürze des Wirbelkörpers und der Höhe des Bogens charakteristisch die steile Richtung und vollkommene Za- pfenform der Zygapophysalgelenke, wie sie von Bojanus sehr genau am Bison be- schrieben worden. Bei der Kuh und dem Hirsch sind die hintern Gelenkfortsätze horizontal und bilden ein weit loseres Gelenk. An den zahlreichen Wirbeln von Edel- hirschen aus Robenhausen fand ich indess in dieser Beziehung sehr grossen Wechsel selbst an beiden Fortsätzen eines und desselben Wirbels. Doch war das genannte Gelenk an sehr grossen Thieren stets so vollkommen ausgebildet wie am Elenthier. Elen. Hirsch. Ochse. Lanse. des Morpele i. a e aa aiaa ee S 66 a ».. BOLENS oirph EEEE 27 „54 Quere Ausdehnung der ss, RER 3) 50 56 Das Heiligbein folgt durch die bedeutende Höhe seines Kammes, dessen 9 E R steiles Abfallen nach hinten, durch die solide Verbindung der Dornfortsätze desselben, von welchen nur der rasch zugespitzte erste von den übrigen sich etwas ablöst, dem Typus der Hirsche, obschon es an Grösse demjenigen der Kuh gleichkommt. Die Unterfläche der Wirbelkörper ist indess breit und platt, beim Hirsch schmal und ge- wölbt, die Foram. sacralia anter. rundlich und nach aussen gerichtet, beim Hirsch in die Länge gestreckt, der Rückenmarkskanal in der ganzen Länge des Heiligbeins fast von gleichem Durchmesser, beim Hirsch nach hinten rasch verengt. Der grosse Knochenvorrath aus Robenhausen zeigte indess beim Hirsch auch für das Heiligbein sehr bedeutende Schwankungen der Form, namentlich in dessen Verbindungsweise mit dem letzten Lendenwirbel. Elen. Hirsch. Ochse. Breite des vordern Körpergelenks . . . 45 15 Länge von 4 vordern Wirbelkörpern . .. 112 208 Länge der Crista an der Basis . . . . 89 165 Höhe derselben über dem zweiten Wirbel . 111 49 Ge Eine Anzahl von Fragmenten von Extremitätenknochen, sowie verschiedene Fuss- wurzelknochen und Phalangen,, welche mit dem allgemeinen Typus von Hirschknochen eine Grösse wie bei der Kuh verbanden, glaubte ich ebenfalls dem Elenthier zu- . schreiben zu können. Da indess eine bestimmte Entscheidung ohne difekte Ver- gleichung mit dem recenten Thier nicht möglich war, so enthalte ich mich genauerer Angaben über dieselben. 21. Der Steinbock. Capra Ibex L.1) Der einzige, allein sehr unzweideutige Beweis der Anwesenheit dieses mäch- tigen Alpenthiers im Bereich der Bewohner der Pfahlbauten der östlichen Schweiz besteht in dem schon früher erwähnten mächtigen Hornzapfen, der im Januar 1854 1) Zu den historischen Angaben über Verbreitung und Erlöschen des Steinbocks in den Alpen, p. 37 .der „Untersuchungen“ füge ich bei, dass der Steinbock auch das Wappen des Städtehens Unterseen im Kanton Bern ziert. Sehr schöne Hörner, unzweifelhaft aus dem Berner Oberland stammend, werden noch gegenwärtig im Stadthaus daselbst aufbewahrt. Nach v. Kobell, Wildanger p. 183 u. f., soll er früher auch im bayerischen Wettersteingebirg heimisch gewesen sein; im angrenzenden Tyrol dagegen war im Zillerthal bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ein Hauptstand von Steinwild. Von 1683 bis 1694 war der Stand desselben an Böcken, Gaissen und Kitzen zwischen 163 und 179. Davon wurden in dem ge- nannten Zeitraum 18 Böcke von den angestellten Jägern erlegt, und nicht weniger als 53 Thiere von Schnee- Lawinen und Steinen erschlagen. Seit 1706 hat man im Zillerthal keine Kunde mehr von Steinwild. iM bei Ober-Meilen am Zürichsee in 120 Fuss Entfernung vom Land gleichzeitig mit wohlerhaltenen Schädeln des für das Steinalter charakteristischen Haushundes auf- gehoben wurde. Die Länge dieses Hornzapfens beträgt am Vorderrand 500 Mm., sein Umfang an der Basis 260 Mm. Ein sehr ansehnlicher Steinbockschädel unserer anatomischen Sammlung besitzt 400 Mm. Länge und 220 Mm. Umfang des Hornza- pfens; die Hornscheide desselben misst längs der Krümmung 740 Mm. Man kann daraus für den Hornzapfen aus Meilen auf eine Hornscheide von wohl 3 Fuss Länge Schliessen. 7 22. Die Gemse. Antilope rupicapra Pall. Auch von diesem Alpenthier ist bisher ein einziges Knochenstück in den Pfahl- bauten zum Vorschein gekommen , ein Stirnbein mit dem Hornzapfen von einem noch sehr jungen Thier in Robenhausen. Wir dürfen aus dieser so spärlichen Ver- tretung eines noch heute so häufigen Alpenbewohners wohl mit Sicherheit schliessen, dass die Gemse so wenig wie der Steinbock in der Periode der Pfahlbauten die hüge- ligen Gegenden der nördlichen Schweiz besucht habe, sondern dass beide nur als seltene Jagdbeute aus den Alpen heruntergebracht wurden. Die heutige Verbreitung der Gemse ist ein zu beliebter Gegenstand auch u historischer Schilderungen 1) 1), als dass es nöthig wäre, hier darauf einzugehen. Von grossem und neuem RE ist dagegen das schon oben p. 19 erwähnte Vorkom- men der Gemse gleichzeitig mit dem Höhlenbär am Wildkirehli im Kanton Appenzell. Das Belegstück, ein unverletzter Metacarpus, der mit demjenigen der Gemse voll- ständig übereinstimmt, befindet sich im Museum von Zürich. 23. Der Wisent. Bos Bison L. Ein kleines Bruchstück der knöchernen Augenhöhle eines grossen Wiederkauers aus der Knochensammlung von Wauw yl hatte mir zuerst und mit vollständiger Sicherheit den Beleg geliefert, dass wie das Elk so auch der Wisent in der Periode des Steinalters die Schweiz bewohnt hatte. Von beiden Thieren war übrigens durch historische Dokumente belegt, dass sie in früherer Zeit über einen bedeutenden Theil von Europa verbreitet waren 2). Zu diesem einzigen Knochenstück fügten sich indess —_ 1) Wohl am vollständigsten bei Tschudi, Thierleben p. 361, und v. Ko bell, Wildanger p. 136. 2) Historische Angaben über den Bison s. Untersuchungen“ p. 38 und 39. Ich füge dazu noch fol- gende fernere: v. Kobell, Wildanger p. 218 u. f., bält für wahrscheinlich, dass Auerochsen in Bayern j: m ae en nn Me aus der gleichen Sammlung von Wauwyl bald einige mehrere. Wie fast für jede Thierart des Steinalters, lag aber der rechte Vorrath auch von Resten des Wisent in Robenhausen. Obschon wie immer in Bruchstücken, fand sich in den succes- siven Zusendungen von Herrn Messikomer allmälig ein grosser Vorrath an Knochen dieses Ochsen zusammen; die ansehnlichsten darunter, die in der That rascher über ihre Herkunft Aufschluss gaben als die kleine Scherbe von Wauwyl, waren Schä- delstücke zum Theil von bedeutendem Umfang, und ein Hornzapfen. Allein auch ausser diesen war fast jeder Knochen des Skeletes vertreten, oft in mehrfacher An- zahl und in verschiedenen Altersstufen. Am reichlichsten fanden sich Fusswurzel- knochen (diese unverletzt) und Wirbel vor, letztere in der Anzahl von bis jetzt nahezu fünfzig Stücken, worunter nicht weniger als vier unverletzte Atlas. Nach dem ver- schiedenen Alter und Grösse dieser Wirbel mussten dieselben in mindestens 6 Wir- belsäulen abgetheilt werden. Bringen wir die Schwierigkeiten in Rechnung, welche sich der Jagd dieses Thieres für ein Volk mit so unvollkommenen Waffen entgegen- setzten, so können wir den Wisent unbedenklich zu den häufigen Bewohnern der einstigen Waldungen am See von Pfäffikon zählen. Trotz ihrer ausserordentlichen Härte finden sich Bisonknochen nirgends zu Werk- zeugen verwendet; es erklärt sich dies leicht durch die Schwierigkeit, welche sich der Bearbeitung so massiver Knochen entgegensetzie. Dies hinderte indess nicht, alle markhaltigen Knochen mit Gewalt zu zerschlagen, wobei sie ihrer Sprödigkeit halber meist in kleine Bruchstücke brachen, welche indess immer noch das Zeichen 2 \ ` bis zum Jahr 1000 vorgekommen, denn es heisst von einem bayerischen Edlen Aribo von Burghausen , dass er „von einem Bysant Auerochsen am Gejaid umbkommen“. Kampfjagen an fürstlichen Höfen, wo- bei Auerochsen vorkamen, sind aufgezeichnet aus den Jahren 1594 zu Königsberg, 1693 zu Berlin, 1719 und 1739 zu Dresden. 474% hielt König August von Polen zu Bialistock eine Jagd auf Auerwild, wobei 30 Auerochsen, 4 Elenthiere etc. erlegt wurden. Bei einer ähnlichen Jagd 1752 wurden 42 Auerochsen und 15 Elenthiere erlegt. Dieses Schauspiel wiederholte sich bekanntlich in ganz neuester Zeit im Bialo- wizerwald, wo am 18. und 19. Oktober 1860 vom Kaiser von Russland und andern Fürsten 32 Auerochsen und 2 Elenthiere geschossen wurden. Eichwald, Act. nov. Acad. Nat. Cur. XVII. Suppl. 1835, bringt eine Angabe, nach welcher der Bison bis in’s Jahr 1182 im Chersones lebte. Nicolas Choniates von Byzanz sagt: „Anno MCLXXXIH im- peratorem Andronicum Comnenum per multum temporis ibidem vacuisse venationi et perforando Zumpro, bestie fer, in Tauroseythia pr&sertim indigen® , moleque sua Ursum et Leopardum excedenti.« Nach Lambert, Relation de la Colchide p. 50, lebten Auerochsen noch 4772 an den Grenzen von Abchasien und Mingrelien, wie noch heutzutage am N.- und W.-Abhang des Elbruz. -O ihrer Abstammung an sich tragen“in der enormen Knochenstärke und Dichtigkeit, in Farbe, Textur und Skulptur der Knochen. An Dichtigkeit oder spezifischem Gewicht einen mir die Bisonknochen diejenigen aller übrigen in den Pfahlbauten vertrete- nen, selbst diejenigen des Ur zu übertreffen. Die Farbe ist ein sehr schönes und charakteristisches dunkles Kastanienbraun, das mit Hülfe der andern physikalischen Merkmale auch kleine Knochenstücke auf den Bison zurückzuführen gestattet und bei der oft sehr mühsamen Zusammensetzung grösserer Knochen aus ihren Bruchstücken Sich in der That als vortrefllicher und zuverlässiger Führer erwies. In Bezug auf Sprödigkeit , Bruchart, Textur, Skulptur der Oberfläche stehen die Knochen des Bi- son denjenigen des Hirsches am nächsten, an welchen der Wisent überhaupt auch durch mancherlei osteologische Züge sich anschliesst, während der Ur in denselben Punkten stets auf der Seite von Bos Taurus steht. Nur Wirbel und Fussknochen fanden sich häufig intakt; allein auch für die übri- gen Skelettheile war das Material wenigstens in so grossem Reichthum da, dass ich mich im Stand sehe, zu der vortrefflichen und bisher einzigen osteologischen Mono- graphie des Bison von Bojanus 1) noch manche Detailangaben zu fügen, welche zur genauern Kenntniss und fernern Aufsuchung dieses interessanten Thieres hülfreich sind. Ich kann dabei füglich absehen vom Schädel, der durch Cuvier, Bojanus, H. v. Meyer 2) (Bison priscus) genügend bekannt geworden ist. Unter allen horntragenden Wiederkauern wetteifert an Grösse mit dem Bison nur der Ur; eine Verwechslung von Bisonknochen ist daher am leichtesten möglich mit denjenigen des Ur, obschon beide Thiere mit vollkommenem Recht in zwei ver- schiedene Genera, Bison (europæus) und Bos (primigenius) getrennt worden sind. Osteo- logische Details über das eine Thier ziehen demnach nothwendigerweise eine Ver- gleichung mit dem andern. stets nach sich, und da die Pfahlbauten für den Ur noch reichlicheres Material boten als für den Bison, so wird die osteologische Darstellung beider Thiere am passendsten vereinigt werden, um so mehr, da die spärliche Litte- ratur über den weit unbekanntern und erloschenen Ur, sowie die noch ungelöste Frage über dessen Beziehung zu dem zahmen Bos Taurus eine einlässliche Unter- suchung und Besprechung der Ueberreste des Ur in noch höherem Maasse rechtfer- tigt und fordert als für den Wisent. 1) Bo janus, Nova Acta ‘Acad. Nat. Cur. XIN. 2. 1827. (Urus nostras.) 2) H. v. Meyer, ebendas. XVII. 1. 1835. 24. Der Ur. Bos primigenius Boj. und der Wisent (Bos Bison L.) Obschon ich die Hoffnung hege, durch die Mittheilung meiner Untersuchungen an einem sehr reichen Material die bisherige Kenntniss des Urochsen wesentlich zu ver- mehren und namentlich über dessen vielbesprochene Verwandtschaft mit dem zahmen Rindvieh die bestimmtesten Aufschlüsse zu geben, so kann es doch nicht meine Ab- sicht sein, diese Arbeit durch eine historische Einleitung über die Geschichte des Ur und seine Litteratur zu vervollständigen, und zu einer speziellen Monographie dieses Thieres umzugestalten, da dieses in verschiedenen Perioden mit einer Gründlichkeit geschehen ist, welche dem jeweiligen Stand der Kenntniss über das Thier vollkom- men entsprach 1). Während die „Untersuchungen“ nur noch die Lokalitäten Moosseedorf und Robenhausen als Fundstätten des Urochsen nannten, haben seither auch W au- wyl und Concise Reste dieses Riesenthieres geliefert. In Robenhausen und Wau- wyl findet sich also Urochs und Bison neben einander und zwar in ziemlich gleicher Stärke der Vertretung. Dass in Moosseedorf und Concise der Bison noch nicht er- schienen, mag — da die erste Stelle vollständig ausgebeutet ist — vielleicht andeu- ten, dass derselbe ausgedehntere Sumpfgegenden vorzog; in Concise mag er noch sefunden werden. Der kleine Betrag des Knochenvorraths aus Meilen und Wangen erklärt auch einstweilen genügend das Fehlen beider Thiere an diesen zwei Orten. Nichtsdestoweniger führen die bisherigen Resultate, die indess leicht modifizirt werden können durch fernere Aufsuchungen , zum Schluss, dass in der Periode des Steinalters der Urochs in der Schweiz nicht nur allgemeiner, sondern auch reich- licher vertreten war als der Bison. Der letztere hat in Wauwyl bisher die Spuren eines Individuums, in Robenhausen von mindestens sechs Individuen zurückgelassen. Für den Urochsen fand sich nicht das reichlichste, aber das vollständigste Ma- 1) Am vollständigsten ist dies geschehen durch Cuvier, Ossem. foss. IV. p. 150; Bojanus, Nova Acta Acad. Nat. Cur. XIII. 2.1827; H.v. Meyer, ebendas. XVII. 1.1835. Eine Angabe der historischen und zoologischen Litteratur über den Ur s. „Untersuchungen“ p. 17. 39. 40. Die dortigen zoologischen Citate sind noch durch folgende zu vervollständigen: Nilsson, Skandinavisk Fauna 1820. I. p. 240. H. v. Meyer, an dem soeben genannten Ort. Göthe, ebendas. XV. 2. Eich w ald, ebendas. XVIL 2. 4835. v. Bär; ebendas. XII. 1. 1824. Ballenstädt, Urwelt HI. 326. Walch, Merkwürdigkeiten der Natur III. Tab. VIOI. a Nordmann, Paläontologie Süd-Russlands, Heft HI. 1859. Die ältere, na- mentlich kritische Litteratur über Bison und Ur ist sehr vollständig angegeben bei H. v. Meyer a. a. O. / BE . terial in Moosseedorf, wo fast sämmtliche Knochen des Skeletes theils in Bruch- Stücken, theils unverletzt erhalten waren und zwar offenbar von einem einzigen und alten Individuum; ein sehr werthvoller Umstand, der bei dem gänzlichen Fehlen des Bisons in Moosseedorf gestattete, diese Knochen des Ur als unzweideutigen Ausgangs- punkt zu benutzen bei der oft sehr schwierigen Unterscheidung von Ueberresten des Ur und Bison aus Lokalitäten, wo beide gemengt lagen, wie namentlich in Roben- hausen. Erst in neuester Zeit kamen am Moosseedorf-See, allein nicht an der Stelle, welche das erste Skelet geliefert, noch fernere Ueberbleibsel des Ur, worunter ein sehr schöner Hornzapfen, zum Vorschein, so dass bis jetzt Moosseedorf durch drei Individuen des Urochsen vertreten ist. Wauwyl hat neben einem Bison zwei Ur- ochsen aufgewiesen, ebenso Concise, wo der Bison fehlt. Das stärkste Contingent für beide Thiere lieferte wieder Robenhausen; unter dem sehr grossen Vorrath von Ueberresten des Ur t) wurden bis jetzt 4 linkseitige Astragalus, ebenso viele Stücke des linken Radius und so fort aufgezählt, und somit die Anzahl der Individuen des Ur auf mindestens vier geschätzt. Die successiven Knochensendungen von dort enthiel- ten indess diese mächtigen Ueberreste in immer steigender Anzahl, und da mir Herr Messikomer noch 20 — 30 Centner Knochen aus dem dortigen Pfahlbau in Aussicht stellt, so darf mit Bestimmtheit für den Urochsen noch eine wesentliche Zunahme Seiner Vertretung erwartet werden. Der Ur erscheint, also in noch höherem Maasse als der Bison, als ein in der Periode des Steinalters über die ganze Schweiz ver- breitetes und häufiges Wild. | Das Vorkommen und die Gesellschaft des Bos primigenius im Diluvium sind be- kannt genug 2); in der letztern namentlich treten Thierformen auf, die gewiss den Bewohnern der Pfahlbauten vollkommen unbekannt waren; aus der Gesellschaft aller der grossen Pachydermen, die heute auf das tropische Afrika und Asien beschränkt Sind, sehen wir den Urochs ohne alle Brücke und ohne Sprung in eine durchaus nicht kulturlose menschliche Gesellschaft treten, die auf ihn Jagd macht , allein gleich- zeitig direkte oder Mischungsabkömmlinge dieses Zeitgenossen des Nashorns und Flusspferds im Stalle pflegt und melkt. In der Schieferkohle. von Dürnten, im Kanton Zürich, liegen sehr vollständige Ueberreste von Rhinoceros leptorhinus zu- —_ 1) Wohei sämmtliche Knochen des Skeletes, mit Ausnahme einiger weniger Wirbel, auch selbst Rip- Penknorpel vertreten sind, letztere von poröser korkartiger Beschaffenheit. ?) Litteratur a. a. O. ng } 1 A i mE ae = F t F { Fi ir N Fr sammen mit Zähnen vom Urochs t) und vom Edelhirsch; 2 Stunden davon, in Ro- benhausen, finden wir dieselben Thiere, das Nashorn einzig ausgenommen, als wesentlichste Jagdbeute eines Volkes, das Lein zu spinnen und zu weben wusste . und Heerden von Vieh hielt, welches nur an Grösse, allein zum Theil in sehr ge- | ringem Grad, hinter dem Urochs zurückstand; es wird im zweiten Kapitel dieser Ar- beit nachgewiesen werden, dass es in Schädelbildung und höchst wahrscheinlich auch in der schwarzen Farbe die deutlichen Spuren einer direkten oder indirekten Abstam- mung vom Urochs an sich trug. Die Pfahlbauern wussten mit den massiven Knochen des Ur so wenig als mit denjenigen des Bison etwas anderes anzufangen, als sie zur Gewinnung des Marks zu zerschlagen. Unverletzt finden sich nur Wirbel, Kniescheiben, Fusswurzelknochen und Phalangen. Sie unterscheiden sich von den Knochen des Bison äusserlich durch eine konstant hellere Färbung, welche mit derjenigen der Knochen der zahmen Kuh vollkommen übereinstimmt. Die Dichtigkeit und das Gewicht der Knochen steht in der Mitte zwischen denjenigen von Bison und Kuh, obschon die Rindenstärke hohler Knochen weit bedeutender ist als beim Bison und oft bis auf 20 Mm. ansteigt. Höchst charakteristisch ist die ausserordentlich rohe und massive Bildung nicht nur der Kno- chen im Ganzen, sondern namentlich aller Muskelfortsätze, Muskellinien, Gelenk- gruben u. s. f. Ueberall ist an Masse nicht gespart, sicher nicht zu Gunsten der ‚Beweglichkeit; das direkte Gegentheil von der Zierlichkeit und möglichsten Reduktion des Volumen, welche die Knochen des Hirsches und theilweise selbst des Bison bie- ten. Nicht weniger auffällig sind die osteologischen, stalaktitähnlichen Wucherungen im Umfang von Gelenkflächen, welche dadurch oft starke Umrandungen und selbst häufig Ueberbrückungen und Verwachsungen erhalten, derselbe Charakter, der noch in stärkerem Maasse an den riesigen fossilen Edentaten, namentlich an Megatherium- Knochen bekannt ist. Auch die Skulptur der Knochenoberfläche stimmt mit diesem rohen Charakter. Muskelfortsätze, namentlich diejenigen der Wirbel, zeigen eine äusserst grobfaserige Textur, welche an den Dornfortsätzen bis zur Verwechslung mit grober absichtlicher Zuschnitzung führte; muskelfreie Stellen sind grob geadert. Taf. II. IV. V. geben hiervon ein hinreichend treues Bild. 1) Ein Stück des Unterkiefers mit zwei noch jungen Backzähnen, M. 2 und 1, von 36 und 30 Mm. Länge, im Museum von Zürich, - 3 — Schädel. Dank den Arbeiten von Cuvier, Bojanus , H. v. Meyer u. A., ist der Schädel der bekannteste Theil des Skeletes vom Urochsen; fast alle bisher veröffentlichten Ab- bildungen beziehen sich lediglich auf den Schädel t). Es gestattet mir dies, hier vom Schädel, der ohnedies in den Pfahlbauten bisher höchst fragmentar vertreten war, abzusehen oder mich wenigstens, soweit Material vorliegt, auf die Besprechung der am wenigsten bekannten Theile des Schädels zu beschränken, wozu vorzüglich der Unterkiefer und das Gebiss gehören. | | Der auf Tab. V. abgebildete Unterkiefer aus Moosseedorf, das vollständigste Schädelstück von Bos primigenius, das in den Pfahlbauten bisher zum Vorschein kam, leider ohne vertikalen Ast, gehört einem sehr alten Thiere an, wie die weit fortge- Schrittene Usur der Zähne zeigt. Die gewaltigen Dimensionen dieses Unierkiefers, die charakteristische Skulptur und Farbe desselben, sowie sein Zusammenliegen mit andern zahlreichen Resten eines und desselben Individuums des Urochsen konnten, auch abgesehen von den speziellen paläontologischen Charakteren dieses Fossils, über Seine Zugehörigkeit zu Bos primigenius keinen Zweifel lassen. | In der folgenden Tabelle stelle ich neben die Dimensionen dieses Unierkiefers die entsprechenden Angaben über den von Göthe abgebildeten Unterkiefer, ferner diejenigen von Nordmann und H. v. Meyer, sowie die Bojanischen und Nordmann’- schen über den Unterkiefer des Bison; endlich Messungen an dem Schädel eines kolossalen friesischen Ochsen und an demjenigen eines Ochsen der grossen Simmentha- . ler-Race, sowie an Bisonresten aus Robenhausen. Die volle Länge unseres Unter- kiefers Fig. 2. Tab. V. ist berechnet nach Massgabe der Zeichnung bei Bojanus (Tab. XX.), wo die Distanz vom Kieferwinkel bis zum hintern Ende der Zahnreihe nahezu gleich ist der Ausdehnung der fünf letzten Backzähne. 1 — —. 1) S. Note zu p. 70. Die Abbildung des ganzen Skeletes bei Bojanus reicht zu paläontologischen Zwecken nicht aus, genügend genaue Abbildungen anderer Skelettheile als des Schädels kenne ich nur bei Nordman n, Paläontologie Süd-Russlands. Nu m | $ ig i i 4 Primigenius. Taurus. m C m Tr Nord- 2 3 en „|mann und), Ge? H.v.Meyer|® thal. Sim- w9 Ne) < |men Länge vom Kieferwinkel bis Ineisivrand |(465-470) -| 470 Länge vom hintern Ende der Zahnreihe bis. Ineisivrand 2.3 10%. aded 3A... u Länge der Symphyse . » 2 . . ,] 10 — Höhe; hinter M aan aad 70 80-90 Hohe vor e Pe aa N 43 53-60 Höhe hinter der Symphyse . . . . 34 — Länge der Backzahnreihe . . . . . 163-1701 Distanz von P. 1 bis Incisivrand Quere Ausdehnung des Ineisivrandes . 84 M. 3 aee TEREE ERDE ERDE 49 REDEN 20 m. ə Länge Cee e a 31 Brenes a a rE 20 M TEDE. se ea (26) ee er a e AUN) Die Uebereinstimmung unseres Unterkiefers mit den übrigen Angaben über Pri- migenius ist so vollständig , als irgend erwartet werden durfte; die grössere Kiefer- höhe bei Nordmann und Meyer wird vollkommen genügend erklärt durch geringeres Alter der von diesen Autoren gemessenen Kiefer. Die Vergleichung mit zwei der grössten Racen von Hausvieh ergieht einige in- teressante Resultate. An dem Friesländer-Ochsen, der hinter dem Ur an Grösse nicht zurücksteht, gewahren wir zunächst wieder eine bedeutendere Höhe des Un- terkiefers, welche auf Rechnung des geringern Alters um so mehr gesetzt werden kann, als sie innerhalb der Grenzen der verschiedenen Messungen an Primigenius fällt. Dabei nimmt wenigstens beim Simmenthaler die Kieferhöhe nach hinten in ra- | schem Maass zu, während sie bei Primigenius von ihrem Minimum hinter der Sym- physe bis zum Maximum unter M. 3 nur sich verdoppelt. Als Species- oder Racen- Merkmal, nicht Altersmerkmal, ergiebt sich ferner bei Taurus die geringere Länge der gesammten Zahnreihe, und da sowohl die Gesammtlänge als die Distanz von P. 1 23 - we + bis zum Ineisivrand sich nahezu wie beim Ur verhalten, die grössere horizontale und wohl auch vertikale Ausdehnung des aufsteigenden Astes, sowie die grössere quere Ausdehnung des Incisiviheiles. Dazu kommt bei Taurus eine weit stärkere Biegung des horizontalen Kieferastes, dergestalt, dass besonders der zahnlose Theil dessel- ben sehr merklich nach der Symphyse ansteigt und der untere Kieferrand daher stark convex ist. i Der Simmenthalerschädel, um 1⁄5 kleiner als der friesische, verhält sich in den genannten Beziehungen wie dieser, doch hat er, obschon gleich alt, eine relativ weit ausgedehntere Zahnreihe und noch steilere Richtung in seinem zahnlosen Theile. Geringe Höhe, gerade, horizontale Richtung , starke Verlängerung des vordern zahnlosen Theils, bedeutende Ausdehnung der Symphyse (auch des Foramen mentale) und damit auffallend contrastirende geringe Breite des Incisivtheils sind demnach die Merkmale, durch welche der Unterkiefer von Bos primigenius abweicht von demje- nigen von Taurus (unter dessen verschiedenen Racen der Friesländer dem Ur am nächsten steht, ein Punkt, auf den wir reichlich zurückkommen werden). Alle diese Merkmale sind solche, welche, freilich in weit stärkerer Ausprägung, das Hirsch- geschlecht von der Kuh unterscheiden. | Noch mehr ist diese Aehnlichkeit mit dem Hirsch beim Bison ausgeprägt, wo vor allem der aufsteigende Ast des Kiefers weit schlanker und schmäler, hirschähn- licher ist als bei Primigenius und Taurus. Allein die Zahnreihe nimmt beim Bison einen grössern relativen Raum ein als beim Ur. Das in Fig. 2. 3. Tab. V. abgebildete Gebiss des Ur trägt alle Zeichen sehr hohen Alters; die accessorischen Schmelzsäulen sind an M. 1 schon ganz auigerie- ben, und selbst an M. 3, wo sie am spätesten in Usur kommen, schon so tief an- gegriffen, dass sie im Begriffe stehen, mit der übrigen Kaufläche zu verschmelzen. Dabei sind sowohl der vorderste Backzahn als der hinterste Prämolarzahn an ihren einander zugewandten Seiten bis auf die Wurzel abgetragen durch den keil- förmig vortretenden letzten obern Prämolarzahn, wie dies auch an alten Kuhschädeln nicht selten zu beobachten ist; der vorderste Prämolarzahn ist längst ausgefallen und Seine Alveole erloschen, oder vielmehr mit derjenigen von P.2 zusammengelflossen, was ich auch schon an alten Kuhschädeln gesehen habe. Die starke Neigung der Backzähne nach vorn und ihr beidseitiges Zusammenliegen gegen M. 1, sowie das starke Abfallen der Kaufläche nach aussen sind ebenfalls Merkmale hohen Alters, die auch an Kuhschädeln beobachtet werden können; nur die Neigung der Kaufläche nach aussen EEE Wh m ist in einem Grad vorhanden, der wieder an den Hirsch erinnert und den ich bei der Kuh noch nicht angetroffen. | Abgesehen von der Grösse, und namentlich von der Dicke der Zähne, welche bei der Kuh niemals erreicht wird, finde ich keinen einzigen Punkt, worin dieselben sich wesentlich von denjenigen unseres Hausthiers unterscheiden; starke Abschnü- rung der zwei Zahncylinder der hintern Backzähne und die biscuitähnliche Abschnü- rung der entsprechenden Hälften der Kaufläche sind so gut Eigenthum des Ur als unseres Hausthiers. Die beiden vertikalen Prismen der Backzähne sind bei beiden so stark von einander abgetrennt, dass die accessorischen Schmelzsäulen ganz in der Tiefe der Zwischenrinne zurückbleiben, ohne den äussern Umriss der Zahnkrone zu erreichen. Derselbe Charakter zeigt sich auch an einer 51 Mm. langen M. 3 des Urochsen aus Robenhausen, sowie an dem weit jüngern Unterkiefer aus Russland, den Nordmann Taf. XII. abbildet und. von Bos primigenius lediglich durch etwas nie- drigern vertikalen Ast verschieden bezeichnet. Ebenso finden wir das sehr starke Vortreten dieser accessorischen Schmelzsäu- len über den Umriss der Zahnkrone hinaus an den obern Backzähnen (nach Nordmann Fig. 2. Tab. XVIII. dis und an den wenigen obern Backzähnen von Primigenius aus den Pfahlbauten) bei Bos Taurus wieder. Reichlicher waren Gebiss-Partien vom Bison vorhanden, aus dem Ober- und Unterkiefer, von letzterem eine ganze Zahnreihe von 130 Mm. Länge mit Ausschluss des ausgefallenen vordersten Zahns. Wie die Tabelle zeigt, stimmte ihre Grösse vollständig mit den Angaben von Nordmann. Das Gebiss des Bison erreicht niemals die Dimensionen desjenigen des Ur, und bleibt selbst hinter demjenigen grosser zah- mer Viehracen zurück. Doch würden Zahlenangaben wohl selten ausreichen zur Be- stimmung einzelner Zähne oder selbst grösserer Zahnpartien des Bison. Nichtsdesto- weniger trägt das Gebiss desselben einen gewissen Gesammicharakter, der freilich nicht durch Messungen, selbst durch Zeichnung nur schwer wiedergegeben werden kann, der aber doch die Unterscheidung ziemlich sichert. Es trägt ein auffallend kom- pakteres Gepräge als das Gebiss von Primigenius und Taurus; die Umrisse sind an den Zähnen des Oberkiefers und Unterkiefers weit quadratischer, die Zahnhälften nur schwach von einander abgeschnürt, die accessorischen Schmelzsäulen treten an den Unterkieferzähnen kaum, an denjenigen des Oberkiefers gar nicht aus dem Um- riss der Zahnkrone hervor (gerade umgekehrt bei Primigenius); die Schmelzschlingen der Kaufläche sind in allen Altersstufen einfacher als bei Primigenius und Taurus, schliesslich selbst äusserst einfach und namentlich auch die Stärke der Emailbeklei- dung relativ stärker als bei den beiden andern Ochsenarten. Alles dies giebt den Zäh- nen des Bison eine unverkennbare änsserst kompakte Physiognomie, welche einen weit sicherern Wegweiser zu ihrer Erkennung bietet als alle Messungen. Fig. 3. 4. Tab. XVIII. bis, bei Nordmann, stellen dasselbe, im Gegensatz zu Primigenius (Fig. 1.2.), recht gut dar, besser als die Zeichnungen von Bojanus Tab. XXI. , welche eine jüngere Altersstufe darstellen. Ich will nicht vergessen, beizufügen, dass die häu- figen Bisonzähne aus Robenhausen und Wauwyl überdies in auffallendem Grade durch tiefbraune Färbung von denjenigen des Primigenius sich auszeichnen, vollständig in derselben Weise, wie die Knochen der beiden Thiere. Bisonzähne können hiernach wohl in allen Altersstufen von solchen unseres zah- men Rindviehes unterschieden werden, während dies für Primigenius geradezu un- thunlich ist, wenn nicht die in der That meist weit bedeutendere Kräftigkeit nament- lich auch der Schmelzschicht den Ausschlag giebt. Die Zähne von Primigenius und Taurus verhalten sich zu einander wie diejenigen einer sehr kräftigen wilden Race zu denjenigen einer degradirten zahmen derselben Species; die von Bison und Tau- rus, folglich auch von Primigenius, siehen so weit auseinander als dies für zwei benachbarte Genera unter Wiederkauern zu erwarten ist. Ich kann den Schädel von Primigenius nicht verlassen, ohne noch eine Bemer- kung beizufügen, welche sich auf die Angabe von Fremery in Betreff der Occi- Pitalknochen bezieht 1). Fremery hat in natürlicher Grösse die Basis Occipitis von Primigenius und Taurus abgebildet und angegeben, dass sich die Pars basilaris des Occi- put bei Taurus nach vorn rascher ausspitzi als bei Primigenius, und dass eine Linie, welche quer die grösste Ausdehnung der Condyli durchsetzt, bei Taurus fast an den vordern Rand des Foramen magnum streift, während sie bei Primigenius ziemlich weit hinter diesen Rand fällt. Bei einer grossen Anzahl von Kuhschädeln verhält | Sich der letzte Punkt genau wie bei Primigenius, und fällt die erwähnte Linie theil- weise sogar hinter die Mitte des Foramen magnum. Atlas Das einzige vollständige Stück des ersten Halswirbels vom Urochsen, das bis- her in den Pfahlbauten zum Vorschein gekommen, ist bereits Gegenstand vieler Be- ———— mm nn 1) N, Verh. Koninkl. Nederl. Inst. 1I. 1851. Tab. I. EN sprechungen gewesen und sammt der soeben besprochenen Mandibel (von der indess lange nur das vordere Stück bekannt war) bald dem Cervus euryceros, bald dem Bison europsus, bald dem Bison priscus (Bos Urus fossilis) zugeschrieben worden !). Schon in den „Untersuchungen“ habe ich es als den definitivsten Beweis des Zusam- menlebens des Bos primigenius mit den Bewohnern der Pfahldörfer hingestellt; bald darauf wurde ein vollständig gleicher Atlas von Nordmann aus Russland bekannt ge- macht und abgebildet. Tab. HI. und IV. geben eine vollständige Ansicht des Atlas von Moosseedorf, Fig. 1. Tab. IV. von der obern, Fig. 2. von der untern Fläche, Fig. 3. Tab. IV. von der Seite. Neben die Maassangaben über diesen Atlas stelle ich diejenigen über den von Nordmann a. a. O. Tab. XV. Fig. 1. dargestellten Atlas desselben Thieres (nach der Abbildung gemessen, daher etwas zweifelhaft), ferner die Dimensionen des gleichen Wirbels am Bison, nach 5 grossentheils vollständigen Stücken aus Robenhausen, und endlich an einem sehr grossen Skelet der Hauskuh 2). Primigenius. Bison. Taurus. u nn TI. Moosseedorf. Nordmann. Pange ieS KOrpors OPEISUINENA: ER FER 56 45—53 43 Länge des obern Bogens SSES TM 70 TT 65 Volle Flügelbreite. . . . a a 240 198—210 166 Gerade Längenausdehnung dep Flügel . SERFER HET 136 107—116 115 Querausdehnung der vordern Gelenkfläche . . 150 — 120—130 108 Höhe derselben in der Mitte . . . ee PEPE = 69 52 Querausdehnung der hintern Gelenkfläche . ae ii 144 110—120 101 Höhe derselben mit dem Bogen . . . . . . 88 = 90 80 Volle Höhe des Atlas mit oberem u. unterem Höcker 116 — 103—110 88 Höhe des Wirbelkanals hinten . . . . . . 56 = 54 47 Quere Oeffnung desselben hinten . . . . . 52 2 51—54 48 | N Ausser der kolossalen Grösse weicht der vorliegende Atlas des Ur von demje- i aN nigen des Bison und der Hauskuh auffällig ab durch die ausserordentliche Ausdehnung = 2) Bibliothèque universelle de Genève, Mai 1857. Bulletin de la Soc. Vaudoise des sciences naturelles N. 40. 1857. p. 162. Ebendas. N. 41. 1857. p. 255—257. 2) Der von Nordmann Fig. 1—3. Tab. XIV. abgebildete fossile Atlas von Usatowa entspricht demjenigen grossen Hausviehes in Dimensionen und Form vollständig. Seiner Flügel in querer Richtung. Die Bildung des mittlern Theils des Wirbels und Seiner Gelenkflächen zeigt bei den drei Species nur geringe Unterschiede und ist na- mentlich zwischen Primigenius und Taurus sehr ähnlich. | Der Körper, d. h. das untere Bogenstück, verhält sich bei Primigenius und Tau- rus vollkommen ähnlich, ist höchstens bei ersterem relativ breiter, besitzt indess eine äusserst starke Hypapophyse (Fig. 2. Tab. IV. und Fig. 1. Tab. XV. bei Nordmann) in Form eines starken, abgerundeten, nach hinten gerichteten Höckers, wie er bei der Hauskuh nicht so stark vorkommt, wohl aber beim Zebu. Die vordere Gelenk- fläche des Atlas verhält sich ebenfalls wie bei der Hauskuh, wo höchstens der un- tere Umfang ergiebiger ausgeschnitten erscheint als beim Ur. Die hintere Gelenkfläche ist indess merklich mehr in die Quere gezogen beim Ur, und deprimirter, indem der Arcus vertebre, ähnlich wie beim Hirsch einfach die Bosenlinie der Gelenkfläche nach oben vervollständigt, während er über dieselbe Stark emporragt bei der Kuh. Der obere Bogen selbst ist auffallend kurz und nie- drig; er trägt einen massiven Höcker als Repräsentant des Dornfortsatzes und ist am Vorderrand nur seicht ausgeschnitten, nicht tief und rechtwinklig wie bei der Kuh. Der Rückenmarkskanal ist in seiner ganzen Ausdehnung relativ höher, allein enger als bei der Kuh. v Die erheblichste Abweichung von Bos Taurus zeigen die seitlichen Flügel, welche von dem mittlern Theile des Atlas mit ganz allmälig abnehmender Wölbung, mit Schön gebogenen, stark divergirenden Rändern nach aussen und hinten verlaufen, so dass der vordere und hintere Umriss des Knochens vollkommene, nur median aus- geschnittene Kreisbogen bilden und die ganze Oberfläche halbmondförmig wird. Bei Taurus bilden die Flügel schmale, und von dem stark gewölbten Wirbelbogen scharf abgesetzte Platten, mit wenig divergirenden Rändern. Der Umriss des Atlas ist da- - her viereckig, vorn mit tiefem rechtwinklichem Einschnitt, hinten mit über die Ge- lenkfläche etwas hinausragenden Zipfeln der seitlichen Flügel. Beim Zebu ist der Umriss noch quadratischer, die Flügel fast parallelrandig , hinten kaum über die Gelenkfläche hinausragend, vorn dagegen tief eingeschnitten. Umgekehrt nehmen beim Büffel die Flügel nach hinten sehr rasch an Breite zu und ragen weit über das Gelenk vor; der Umriss des Wirbels ist fast dreieckig. Unwichtiger, obschon nicht weniger auflällig, ist beim Ur die schon mehr er- wähnte ausserordentlich rauhe und derbe Skulptur der Knochenfläche, die merkwür- dig kontrastirt gegen die glatten Flächen bei unserem Hausthier, ferner die starke me e? Zunahme der Flügelränder an Dicke nach ihrem hintern Ende zu, die quer nach aussen gehende Richtung der Nerven- und Gefässöffnung,, und die relativ kleine Aus- dehnung und geringe Tiefe der seitlichen Gruben auf der Unterfläche der Flügel. Der Atlas von Moosseedorf scheint indess den Hauptcharakter für Primigenius, die enorme seitliche Ausdehnung im Maximum zu bieten. Der von Nordmann dar- gestellte Atlas ist schon etwas viereckiger mit weniger gebogenen und weniger di- vergirenden Seitenrändern und dadurch dem des Taurus etwas ähnlicher. Obschon vom Atlas des Bison weit reichlicheres Material vorlag, so bildete ‚ich ihn nicht ab, da die alte Zeichnung von Bojanus ihn nicht unrichtig darstellt, besser noch Nordmann Fig. 3. Tab. XV. | Die obigen Messungen zeigen schon von vorn herein, dass nicht nur im Allge- meinen der Bison-Atlas an Grösse hinter demjenigen des Ur wesentlich zurücksteht, sondern dass er sich, wie bei der Kuh, durch bedeutend geringere seitliche Expansion davon unterscheidet. Das Verhältniss von Körperlänge zur Flügelbreite ist bei Tau- rus und Bison vollkommen gleich, die erstere ist bei Kuh und Bison viermal, beim Ur fast fünfmal in der Flügelbreite enthalten. Die Vergleichung der erwähnten Ab- bildungen von Bojanus und Nordmann mit unserer Tab. IV. stellt diese Unterschiede in helles Licht. Doch finde ich in dieser Beziehung merkliche Modifikationen nach - dem Alter. Jüngere Wirbel aus Robenhausen entsprechen in der That den eitirten Abbildungen sehr gut. Mit dem Alter dehnt sich indess auch beim Bison der Atlas in die Quere und entfernt sich dadurch von dem Typus von Taurus. Immer bleibt dabei indess ein Charakter, der ihn von Primigenius sowie von Taurus deutlich un- terscheidet, nämlich die Abrundung der hintern Winkel der Flügel, welche nur we- nig über. die hintere Gelenkfläche hinausragen und in ihrem ganzen seitlichen Umfang schön und gleichförmig abgerundet sind; der Umriss des Wirbels bildet daher ein queres Viereck mit abgerundeten Ecken bis fast ein queres Oval. Die Flügelränder sind dabei auf ihrem ganzen Umfang sehr stark verdickt und knotig; nur im vordern Winkel, direkt hinter dem Kopfgelenk, windet sich eine tiefe und weite Rinne (welche ich bei Taurus und Primigenius vermisse, allein beim Kameel wieder finde) von der obern Gefässöffnung um den sonst rauhen Flügelrand nach unten. Die letztere Oefi- nung ist sehr schief in die Quere gezogen, die ganze Oberfläche des Knochens stark geadert, der vordere Ausschnitt sehr seicht, die Hypapophyse weit schwächer, da- gegen der Dornhöcker relativ stärker entwickelt als beim Ur. Der hintere Wirbel- bogen vervollständigt ebenfalls nur das Oval der Gelenkfläche, ohne über dasselbe sich zu erheben. u DE = An der Unterfläche des Knochens ist die starke Abstumpfung der hintern Flügel- winkel noch auffallender. Die grossen Gruben der Unterfläche sind nach hinten durch starke Knochenränder, welche vom Wirbelkörper ausgehen und nach aussen zu mächtigen Höckern anschwellen, eingefasst, und öffnen sich daher nur nach aussen und vorn, bei Primigenius und Taurus dagegen nach aussen und hinten. Zweiter Halswirbel. Neben dem fast ganz unverletzien Wirbel aus Moosseedorf, den Fig. 3. Tab. I. darstellt 1), fanden sich zwei noch gewaltigere, allein sonst mit dem ersten vollkom- men übereinstimmend, in Robenhausen. Ebendaselbst war derselbe Halswirbel des Bison in mehreren Exemplaren vertreten. | Primigenius. Bison, Taurus, m N I IM Moos- Robenhausen. Robenhausen. SBEEdOLI- FT rer Volle Länge mit Zahnfortsatz und Hypapophyse — 168 A 124-195 12 » »„ ohne ee al "los 115 98 Geringste Länge des Bogens. . . - + - 15 EU 60 64 Länge der Basis des Dornfortsaizes . . - - 90 -2 100 68—15 76 Breite der vordern Gelenkfläche . - . . - 124 140 143 112 102 Breite der Basis des Zahnfortsatzes . . - . 97 60 60 53-58 45 Spannweite zwischen den Querfortsätzen . .. 143 — = 126 110 3 f „ Gelenkfortsätzen. . 102 — 2,02 8 70 dern Gelenklläche „An. 007, 08 60 Volle Höhe des Wirbels hinten. . . - . ., 200 — —- 456-160 152 Höhe des Dornfortsatzes über dem Bogen hinten 90 — — 14 54 Höhe des Körpers hinten . er ee 54 57 Hintere Oeffnung des Markkanals, quer . . - 35 36 36 34-39 əl vertical . . sy — 40 25-932 29 2 » » » , Der Epistropheus des Urochsen scheint auf den ersten Blick wiederum von dem- jenigen der Kuh mehr abzuweichen als der gleiche Wirbel des Bison. Sein aufläl- ligster Charakter beruht, ausser seiner enormen Grösse, welche um 1/; bedeutender ist als bei einem grossen Ochsen, in der bedeutenden Höhe, geringern Länge und stei- leren Aufsteigen des Dornfortsatzes und der ebenso steilen Richtung der Zygapo- m 1) Tab. XXIV. bei Bojanus stellt den Epistropheus des Ur nachweislich höchst ungenau dar. 11 Re ES physalgelenke. Der ganze Wirbel erscheint daher höher, kürzer und steiler als bei Taurus. Ein wichtiges Merkmal, wodurch der Urochs, sowie auch der Bison sich von Bos- Taurus unterscheiden, scheint in dem Umstand zu bestehen, dass der Arcus nicht von den Vertebralgefässen durchsetzt wird, und dass daher nur eine einfache grosse Nervenöffnung aus dem Rückenmarkskanal durch den vordern Theil des Wir-. belbogens nach aussen führt. Bei der Kuh dringt bekanntlich ein Canalis vertebralis durch die ganze Länge des Bogens und mündet in jene Nervenöffnung, welche daher doppelt und übrigens mehr in. die Länge gestreckt ist und mehr nach hinten liegt. Nichtsdestoweniger verliert dieses Verhältniss, das in der That als Regel zu be- stehen scheint, bedeutend an Gewicht bei Beobachtung der starken Modifikationen, denen es unterworfen ist. An einem kolossalen Epistropheus des Urochsen von Ro- benhausen (Nr. b der vorhergehenden Tabelle) ist ein kurzer Kanal für die Vertebral- arterie vorhanden, allein er durchsetzt den Wirbelbogen überhalb des Querfortsatzes nur auf einer kurzen Strecke und mündet ziemlich weit hinter der Nervenöffnung. Derselbe Wirbel ist überdies merkwürdig durch die mehrerwähnten. stalaktitischen Wucherungen im Umfang der Gelenkflächen; die Zygapophysalgelenke erhalten da- durch einen mächtigen Randwulst, und der untere Umfang der Gelenkfläche für den . Atlas ist durch solche Knochenwucherungen zu einem Wulst von nicht weniger als 80—40 Mm. Dicke umge wandelt. Der zweite Halswirbel des Zebu besitzt ebenfalls keinen Canalis vertebralis, ” allein ein sehr feiner Gefässkanal durchsetzt nichtsdestoweniger den Wirbelbogen in seiner ganzen Länge. Auch beim Büffel finde ich einen sehr engen derartigen Kanal, der ritzenförmig unter und hinter der grossen Nervenöffnung des Bogens mündet. Ein gleiches Verhältniss finde ich selbst an einem jüngern Epistropheus des Bison; an einem ältern Wirbel desselben Thiers ist dieser Gefässkanal noch stärker, allein ganz kurz und mündet in halber Länge des Bogens. Merkwürdig verhält sich in dieser Beziehung das Dromedar; der Canalis vertebralis ist hier vorhanden, allein er durchsetzt den sehr langen Bogen nicht in seiner ganzen Ausdehnung; die Verte- bralarterie dringt, wie an allen übrigen Halswirbeln, erst in den Rückenmarkskanal und geht erst in dessen vorderer Hälfte schief nach aussen, wo sie unter der grossen Nervenöffnung austritt, von derselben getrennt durch eine ganz oberflächlich über beide Oeffnungen hingespannte Knochenbrücke. Von da dringt das genannte Gefäss dann in den Bogen des Atlas, während es bei allen übrigen Wiederkauern gerade Be im Atlas innerhalb des inko verläuft und daher keinen besondern Kanal besitzt. Dem als Norm zu betrachtenden Typus von Primigenius und Bison, wornach, verschieden von Taurus, der zweite Halswirbel keiner Canalis vertebralis besitzt, folgen auch Gemse und Steinbock: Einen solchen Kanal finde ich dagegen, ausser bei der Kuh, auch bei dem Hirsch, der Ziege, dem Schaf, der Gazelle. Es wech- selt also dieses Verhältniss bei verschiedenen Species desselben Genus, ja, wie beim Primigenius und Bison gezeigt wurde, selbst bei verschiedenen Individuen der- selben Species. Speciellere Merkmale am Epistropheus des Ur sind folgende: geringe Länge des Wirbelbosens, welche sich zu der vollen Höhe des Wirbels verhält wie 1: 2,6; bei der Kuh = 1:2; hoher Ursprung und steile Richtung der Zygapophysen, kurzer und steiler Dornfortsatz, dessen basale Länge der Höhe gleichkommt; seitliche Com- pression des Rückenmarkkanals, der höher ist als breit; starke Entwicklung der Quer- fortsätze, deren Spitzen nach aufwärts gerichtet sind, und der ge welche ößihabelartif nach hinten vortritt. Bei der Kuh ist die Basis des Dornfortsatzes fast um die Hälfte länger als seine Höhe, die Richtung seines obern Randes sowie der damit parallelen Zygapophysal- gelenke bildet einen sehr spitzen Winkel mit der Wirbelaxe, die Querfortsätze brei- ten sich nach hinten stark aus, der Rückenmarkkanal ist weiter als hoch, die Hypa- pophyse ist weit schwächer ausgebildet. Der Epistropheus des Bison ') ist nicht viel grösser als bei grossen Rindvieh- racen, allein er theilt mit dem Ur die beträchtliche Höhe und die Kürze aller seiner T heile, Die Längsdimensionen verhalten sich zu den verticalen vollständig wie beim Urochsen; allein alle Wirbelfortsätze sind schwächer entwickelt als beim Ur; der Dornforisatz,, der nach vorn: stark überhängt, und die Gelenkfortsätze verlaufen et- was weniger steil, die Gelenkflächen der letztern sind in der Regel breiter als lang (umgekehrt beim Ur; mit dem Alter strecken sie sich indess bei beiden in die Länge) ; a 1) Abhidiwg: bei Bojanus Fig. 13. Tab. XXII. und bei Nordmann Fig. 2. Tab. XV. Der daselbst Fig. 3. Tab. XVII. abgebildete kolossale Epistropheus von Nerubaj stimmt, trotz seiner bedeutenden Dimen- sionen , durch seine gestreckte Gestalt und die wenig steile Richtung seiner Theile, besonders aber durch den Besitz eines Vertebralkanals mit Bos Taurus weit mehr überein als mit Primigenius und Bison. Der friesländische Ochse unserer Sammlung, dessen leider allein erhaltener Schädel schon mehrmals erwähnt wurde, konnte leicht im Besitz eines solchen Wirbels gewesen sein. \ ie die Querfortsätze sind schlank, kurz und mit der pitne nach abwärts gerichtet, die Hypapophyse schwach entwickelt. Der Epistropheus des Zebu steht in jeder Beziehung in der Mitte zwischen Bison und Taurus, allein besitzt wie bei Bison und Primigenius in der Regel keinen Verte- bralkanal. Derjenige des Büffels weicht dagegen, wie schon der Atlas, stark von dem Typus von Bos ab durch einen ganz kurzen und dreieckigen, vorn nicht über den Bogen hinausragenden Dornfortsatz, welcher demjenigen der übrigen Halswirbel ähn- lich ist, und durch schmale, stark nach auswärts gerichtete Querfortsätze. Dritter und fernere Halswirbel. In Moosseedorf und Robenhausen wurde der dritte Halswirbel mit dem zugehö- rigen Epistropheus zusammengefunden. S. Fig. 3. Tab. II. Primigenius. Bison. Taurus. TR N s Moosseedorf. Robenh. Robenh. Länge des Körpers an der Unterfläche Länge des Kammes der Gelenkfortsätze . Volle Wirbelhöhe hinten Quere Spannweite der vordern Gelenkfortsätze „ hintern x i Querfortsätze . . . . 170? 195? 140? 120 2 29 v] 2) pvi Es erhellt aus diesen Angaben , dass auch Ša dritte Halswirbel des Urochsen im Verhältniss zu seiner Länge eine weit bedeutendere Höhe erreicht als bei der Kuh; es tritt dies in der seitlichen Ansicht deutlich entgegen, wo die Seitenwand des Wirbels beim Ur sehr steil und hoch nach dem Zygapophysalkamm aufsteigt; alle Fortsätze sind ferner ebenfalls weit stärker entwickelt; dies gilt namentlich von den 4 Gelenkfortsätzen, welche mit ihrem Verbindungskamm eine sehr breite, und nach aussen vorragende, auf der Oberfläche tief concave und nach hinten steil aufsteigende Platte bilden, die nach hinten kaum über die Basis des Dornfortsatzes hinausragt, und dabei an Breite allmälig so zunimmt, dass ihre quere Ausdehnung am hinteren Rande so bedeutend, ja selbst grösser ist wie ihre Länge; der Umriss dieser Platte wäre daher quadratisch, wenn nicht die Seitenränder nach hinten divergirten; die Gelenkflächen selbst sind noch steiler nach vorn geneigt. Die Querfortsätze ragen mit der vordern Spitze wenig nach vorn, treten aber nach hinten sehr weit ausein- ander und sind an ihrer Unterfläche tief ausgehöhlt. Die Hypapophyse ist so stark pa - o entwickelt wie am zweiten Wirbel; das Lumen des Rückenmarkkanals scheint zu wechseln. ‘Der entsprechende Halswirbel der Kuh ist mehr in die Länge gestreckt; die Zy- gapophysalplatte, länger als breit und mit fast parallelen Seitenrändern, liegt parallel mit der Wirbelaxe und ragt nach hinten weit über die Basis des Dornfortsatzes hin- aus; der Zwischenraum zwischen den Gelenkflächen des vordern und hintern Gelenk- fortsatzes ist dabei nicht nur relativ, sondern absolut grösser als beim Ur; die Quer- fortsätze ragen mit der vordern Spitze weiter nach vorn und platten sich nach dem hintern Ende mehr ab, die Hypapophyse ist schwächer entwickelt als beim Ur. Den dritten Halswirbel des Bison finde ich wieder sehr ähnlich gebildet wie beim Ur, hoch, kurz, mit steilen Gelenk- und schlanken Querfortsätzen, welche nach vorn so weit reichen wie bei der Kuh; die Zygapophysalplatte nimmt wie beim Ur nach hinten an Breite zu und ist daselbst breiter als lang. Der Vertebralkanal verhält Sich an diesem und den folgenden Halswirbeln wie bei allen übrigen Wiederkauern. Das Zebu steht wieder in.der-Mitte zwischen Primigenius und Taurus; die Zy- gapophysalplatte ist länger als breit, ihre Seitenränder verlaufen parallel, die Quer- fortsätze sind schlank und ragen weit nach vorn. Der dritte Halswirbel des Büffels ist den hinter ihm liegenden Wirbeln sehr ähn- lich; seine Querfortsätze sind in einen hintern, direkt nach aussen stehenden und einen vordern, unregelmässig ausgebreiteten Lappen getheilt. Der vierte Halswirbel fand sich nur in einem Bruchstück, das nach seinen Dimensionen und der Beschaffenheit des Knochens leicht als dem Urochsen zugehörig erkannt werden konnte, allein keine Messungen zuliess. Der fünfte Halswirbel, in mehreren Exemplaren sowohl für Primigenius als Bison erhalten, ist bei beiden wieder eigenthümlich und von Taurus verschieden durch relativ geringe Längsdimensionen bei bedeutender Höhe, sowie durch steiles Anstei- gen der paarigen Gelenkflächen. Prim.genius. Bison. Taurus. -Körperlänge A R e 61—67 — 54 Länge des Bogens an der Basis . . . . 42—44 38 36 Volle Ausdehnung der Gelenkforisätze . . 87-95 86 81 Quere Spannweite der hintern Gelenkfortsätze 134—140 114 92 Den sechsten Halswirbel kenne ich nur in einem Bruchstück vom Bison, den siebenten dagegen für beide Thiere. Wir wissen durch Bojanus, dass der O letztere bei den beiden Species sich sehr verschieden verhält, indem er beim Bison einen ungewöhnlich hohen Dornfortsatz trägt, der (relativ) doppelt höher ist als bei Primigenius und Taurus. An dem Wirbel des Ur war leider der Dornfortsatz abge- brochen. Primigenius. Bison. Taurus. Länge des Bogens in seiner Mitte . . . .. 60 Quere Ausdehnung der vordern Gelenkforts. 110 Höhe des Dornfortsatzes über den Wirbel- bogen (am Hinterrand) Rückenwirbel. Bojanus hat schon gezeigt, dass der Ur in Bezug auf die Zahl der Rücken-Len- denwirbel mit dem zahmen Rindvieh und der grossen Mehrzahl der übrigen Wieder- kauer übereinstimmt (13 + 6), während der Bison 14 Rückenwirbel und 5 Lenden- wirbel hat, wie die Giraffe, das Rennthier und das Moschusthier; Bison americanus steht auffallender Weise allein mit 15 + 4 !), ebenso das Gnu mit 14 + 6, Moschus Meminna mit 13 + 7 u. s. f. Eine besondere Gruppe bilden endlich die Camelide mit 12 + 7. z Bojanus hat auch bereits auf die enorme Höhe der Rückendorne des Bison auf- merksam gemacht, welche selbst diejenigen des weit grössern Ur an absoluter Länge übertreffen. Dagegen vermissen wir bei Bojanus und den übrigen Autoren über Osteologie der Wiederkauer eine wichtige Beobachtung, welche indess dem genauen Meckel nicht entgangen ist. Der letztere bemerkt 2), dass unter Wiederkauern die Rücken- marksnerven ausser der gewöhnlichen Austrittsstelle zwischen zwei Wirbelkörpern noch durch eine zweite weit hinten im Wirbel befindliche besondere Oeffnung treten; diese hintere Oeffnung sei nach hinten offen bei Hirsch, Kameel und Gnu, geschlossen bei der Kuh, dem Büffel, dem Bison, Zebu und Auerochsen; bei den 3 letzten Thie- ren sei dieselbe Oefinung sogar in zwei getheilt durch eine schiefe Knochenbrücke, ‘und zwar bei Auerochs und Zebu vom 6ten bis zum 1lten Wirbel, beim Bison vom 1) Cuvier, Ossem. foss. IV. 119. Owen, Ann. and Magaz. of Nat. Hist. Vol, IV. 1849. p. 288, und Philos. Transact. II. 1851. p. 736. Nach Bojanus p. 440. und Cuvier a.a. O. p. 119 sollen diese Zahlen bei weiblichen Thieren beider Bison-Arten Schwankungen unterworfen sein. 2) System der vergleichenden Anatomie. Il. 2. 1825. p. 270. 6ten bis zum 9ten. (Unter Auerochs müssen wir wohl den Bison europæus , unter Bison dessen amerikanischen Verwandten verstehen.) Wenn indess Bojanus auch nichts hierüber sagt, so lässt doch seine Abbildung des Bisonskeletes Tab. XX. dies Ver- halten am 9ten bis 11ten Rückenwirbel erkennen. Die vordern Rückenwirbel sind durch das Schulterblatt verdeckt; an den 3 letzten Rückenwirbeln und 2 ersten Len- denwirbeln ist die Oefinung einfach, aber nach hinten geschlossen, vom Bien Lenden- wirbel an nach hinten offen gezeichnet. Ich finde die von Meckel erwähnte selbstständige, durch eine Knochenbrücke in zwei getheilte Nervenöffnung beim Zebu vom zweiten bis zum eilften Rückenwirbel. An den vordern Wirbeln kömmt sie in der Weise zu Stande, dass der Querfortsatz Sich breit und ergiebig an die Gelenkfläche für das Rippenköpfchen anlegt. Diese Verbindung wird indess nach hinten immer mehr ausgestreckt und allmälig in eine schmale Knochenbrücke ausgezogen, welche endlich an den zwei letzten Rückenwirbeln reisst, so dass daselbst nur noch eine einfache, aber nach hinten ge- Schlossene Vefinung zurückbleibt. An den Lendenwirbeln reisst auch die Brücke, Welche dies Loch nach hinten begrenzt, oft erst nur auf der einen Seite, und die Austrittsstelle des Nerv’s wird im Lendentheil der Wirbelsäule gebildet durch blosse Ineisuren der hintern und in ganz schwachem Maasse selbst der vordern Ränder der Wirbelbogen. | Beim Büffel ist eine einfache, aber ringsum geschlossene Nervenöffnung am 2ien bis Liten Rückenwirbel vorhanden; doch ist dieselbe hinten oft etwas unvollkommen, hier und da selbst nur ligamentos geschlossen; an den 2 letzten Rückenwirbeln und an den Lendenwirbeln finden wir nur eine Ineisur des hintern Bogenrandes. Bos Taurus verhält sich sehr ähnlich; ein einfaches Foramen tragen alle Rücken- wirbel (hier selbst auch der erste) und die 3 vordern Lendenwirbel, eine einfache Ineisur nur die 3 übrigen Lendenwirbel. Eine blosse Incisur des hintern Bogenrandes, mehr oder weniger eng, allein Ohne allen hintern Abschluss, sehen wir auf dem ganzen Verlauf der Rücken-Lenden- Säule beim Kameel, Hirsch, Steinbock, Ziege, Schaf, Gemse, Gazelle. Bei der Gemse finden sich gelegentlich und unregelmässig kleine Knochenbrücken , welche die Ineisur zu einem Foramen schliessen 1). er 1) Beim Moschusthier scheint nach der von O wen, Philos. Transact. II. 1851. Fig. 14. Tab. XLVII. gegebenen Abbildung, auffallender Weise diese Incisur nicht wie sonst häufig im vordern, sondern gerade k = ER ie Ueber das Verhalten von Bos primigenius in dieser Beziehung giebt die Bojanische Zeichnung Tab. XXIV. nur ungenügenden Aufschluss; nur an dem letzten Rücken- wirbel und den zwei ersten Lendenwirbeln ist ein einfaches Loch, an den hintern Lendenwirbeln dagegen eine Incisur gezeichnet; es lässt dies auf ein Verhalten wie bei Bos Taurus schliessen. Ich kann mit Hülfe meines Materials aus den Pfahlbauten hierüber nichts Be- stimmtes angeben, da ich von Rückenwirbeln, die mit Sicherheit dem Primigenius zuzuweisen sind, einstweilen nur Dornfortsätze kenne. Die Lendenwirbel verhalten sich indess vollkommen wie bei dem zahmen Rindvieh und machen es daher höchst wahrscheinlich, dass diese Aehnlichkeit sich auch nach vornhin erstrecke. Die erwähnten Dornfortsätze, sechs an der Zahl, und alle aus Robenhausen stam- mend, sind indess an sich interessant genug durch ihre kolossale Grösse und eigen- thümlich grobe natürliche Zuschnitzung und rohfaserige Textur, die eine grobe Be- arbeitung durch Feilen u. s: f. so sehr nachahmt, dass ein solcher Fortsatz, und nicht mit grossem Verstoss, von dem Finder als zweischneidiges Schwert beurtheilt wurde. Die vorhandenen Bruchstücke erreichen am Vorderrand eine Höhe von bis 360 Mm., am hintern von bis 320 Mm. bei einer Breite von 55—85 Mm. t); sie sind in der That an beiden Rändern scharf, allein durchaus nicht von Menschenhand zu-- geschnitzt, während die Seitenfläche eine derbe faserige Streifung in schiefer Rich- tung von unten und vorn nach oben und hinten zeigt, die an den glatten und stumpf- randigen Dornfortsätzen des Bison vollständig fehlt. Vom Bison fand ich.bis jetzt über 20 Rückenwirbel, unter welchen fast jeder einzelne der vierzehn vertreten, allein kein einziger vollständig war, alle in Roben- hausen; nach Alter, Grösse etc. mussten sie einer ziemlichen Anzahl, etwa 6 Wir- belsäulen entnommen sein, wovon eine, einem noch sehr jungen Thiere angehörig, auf etwa 8 Rückenwirbel nebst einigen dazu gehörigen Hals- und Lendenwirbeln ver- vollständigt werden konnte. Sie tragen fast sämmtlich den oben beim Zebu genauer beschriebenen, schon von Meckel auch für den Bison angegebenen Charakter, näm- lich 2 vollständig geschlossene Nervenöffnungen, welche von einander getrennt sind im hintern Theil der Wirbelsäule zu einem Foramen geschlossen zu sein, nämlich vom letzten Rücken- wirbel an. 5 1) Maxima bei Taurus 200 und 185 Länge auf 35—85 Breite; bei Bison 410, bei Primigenius 380 Mm. maximale Länge am hintern Rand nach Bojanus. — 89 — durch Verwachsung des Querfortsatzes mit dem vordern Capitulargelenk; die untere oder Hauptöffnung liegt in einer sehr tiefen Grube, welche vom Querfortsatz über- dacht ist; die obere ist an den vordern Wirbeln nicht selten selbst wieder durch eine schmale Knochenbrücke in ein höheres grösseres und ein tieferes kleineres Loch abgetheilt. Die Brücke zwischen beiden Hauptöffnungen wird an den hintern Rücken- wirbeln immer länger und dünner und reisst nach meinen Beobachtungen am letzten, selbst schon am vorletzten Rückenwirbel; die nachfolgenden Wirbel haben dann nur noch ein Foramen, das nach hinten durch eine starke Knochenbrücke geschlossen ist. Nach vorn findet sich die doppelte Nervenöffnung nicht, wie Meckel angiebt bis zum sechsten Rückenwirbel, sondern wie beim Zebu bis zum zweiten; ich konnte bei dem fragmentarischen Zustand meines Materials zu diesem Resultat nur gelangen durch die Bestimmung der Ziffer für die einzelnen Wirbel, die durch die Vergleichung mit dem Zebu gesichert wurde; es liessen sich so die Wirbel 1. 2. und folgende, So wie wieder 14 und die vorhergehenden mit Bestimmtheit ausfindig machen und nach- Weisen, dass bei Bison genau wie beim Zebu eine doppelte Nervenöffnung im Wir- belbogen vom zweiten Rückenwirbel an vorhanden ist, allein dass dieselbe durch Riss der Zwischenbrücke einfach wird an den letzten Rückenwirbeln; an Vert. 13 finde ich noch auf der einen Seite einen Knochenfaden, an Vert. 14 immer nur eine ganz einfache Oeffnung. l ~ Die erwähnte, nahezu vollständige junge Wirbelsäule vom Bison verhielt sich überdies nicht nur hierin, sondern auch in der ganzen Gestalt der Wirbel äusserst ähnlich mit dem Zebu; der einzige Unterschied beruht in der stärkern Ausbildang aller, besonders der Dornfortsätze, welche stark nach hinten geneigt sind; auch ragen - bei dem Bison die Querfortsätze merklich weiter nach aussen als beim Zebu. Ueberdies sind die Wirbel im Ganzen relativ höher, kürzer und comprimirter , und von roherer Bildung als bei Bos Taurus; namentlich sind die Wirbelkörper auf- fallend kantig und knotig gebildet; wie bei Zebu und Büffel verläuft eine vorragende Kante, nur weit stärker ausgeprägt, zwischen den beiden Gelenkflächen für die Rip- penköpfchen und begrenzt nach unten die tief ausgehöhlte Aussenseite des Wirbel- bogens. ! Das Material, obschon reichlich , ist zu fragmentarisch und zu verschiedenen In- dividuen und Altersstufen angehörig, um vollständige Vergleichungen mit Taurus zu gestatten. Ich gebe daher nur wenige Messungen an vollständig erwachsenen Wirbeln und stelle daneben in Parenthesen die entsprechenden Angaben für ein sehr grosses Skelet von Bos Taurus. 12 D. I. . IV. V D. VII. D. IX. D. XIV. (XIII. bei Taur.) Kenskan.. a . „vo 68 (47) 63 66 64 (62) 67 (65) Länge des Bogens an der | Dass. e . 0. > 02 1) OIE). 32 41) 98 all. oo aa) u: lab Volle Ausdehnung d. vor- dern u. hintern Zygapoph. 100 (70) 95 (69) 100 (75) 92 (72) 100 (80) 95 (78) Länge der Basis d. Dorn- fortsatzes . . . . 64 (57) 67T 72 (58) 6753) 70 65) Lendenwirbel. In Beziehung auf ihre Nervenöffnungen verhalten sich die Lendenwirbel bei Bos primigenius und Bison wie bei Taurus, so nämlich, dass an den 2—3 ersten Lenden- wirbeln eine grosse, ringsum geschlossene Oeffnung im hintern Theil der Neurapo- physe liegt, welche an den hintern Lendenwirbeln zur Incisur wird. Eine blosse Incisur tragen dagegen alle Lendenwirbel des Zebu, des Büffels und aller oben er- wähnten übrigen Wiederkauer, mit der schon genannten Ausnahme des Moschus. Die Bojanischen Abbildungen geben über das Verhalten bei Bison und Primigenius richtigen Aufschluss, wenn auch der Text nichts davon erwähnt. Belege dafür lie- - ferte für Bison Robenhausen in einer Anzahl von Lendenwirbeln, für den Urochs Moosseedorf, woher der zweite und dritte Wirbel in Fig. 1. Tab. V. abgebildet sind; an Wirbel IlI. ist die Nervenöffnung linkerseits geschlossen, rechtseitig offen. Wie die übrigen Wirbel sind auch diese beim Urochs und beim Bison gedrängter, relativ kürzer und höher als bei der Hauskuh. Eigenthümlich sind hier wieder für Primi- genius, in weit geringerem Grade für Bison, die osteologischen Wucherungen in der Umgebung der Gelenkflächen, an den abgebildeten Wirbeln namentlich im Umfang des Körpergelenks , sowie die äusserst starke Entwicklung aller Fortsätze, und hier vor allen andern der Gelenkfortsätze; die Dornfortsätze und Querfortsätze (p. Fig. 1. Tab. V.) sind meist abgebrochen, allein zeigen auch an ihren Anfangsstücken bedeu- tende Breite, so sehr, dass sie die hintere Nervenöffnung überdachen, was bei Tau- rus nicht der Fall ist. Sie erreichen dabei die gewaltige Dicke von bis 30 Mm. Bo- janus hat schon mit Genauigkeit die sehr vollkommene S-förmige Gelenkverbindung zwischen den Lendenwirbeln beschrieben und abgebildet. (Fig. 18. 19. 20. Tab. XXII.) Bei Primigenius sind die Gelenkfortsätze noch bedeutender und die Gelenke selbst noch complizirter. Die vordern und hintern Gelenkfortsätze (Z. Fig. 1. Tab. V.) - MN - steigen als mächtige Höcker von viereckigem Umriss am vordern und hintern Rand des Wirbelbogens mit vertikalen Rändern in die Höhe, so dass zwischen Prozyga- pophysen und den noch höheren Zygapophysen eine tiefe und enge Bucht bleibt, die vom Querfortsatz nach dem Dornfortsatz aufsteigt.. Die Gelenkfläche der Prozyga- pophyse bildet eine tiefausgehöhlte cylindrische Gelenkgrube zur Aufnahme des cy- lindrischen oder conischen Gelenkzapfens der Zygapophyse; allein über dieser Grube erhebt sich ein mächtiger Knochenwulst, hauptsächlich gebildet durch eine knotige Metapophyse (m. Fig. 1. Tab. V.) an der Aussenseite der Prozygapophyse; einwärts greift diese erstere als hohe, steile, schwach convexe Knorpelfläche zangenarlig über die eigentliche Gelenkgrube nach innen. An dem hintern Gelenkfortsatz wird in ähn- licher Weise der bei Wiederkauern sonst allein das Gelenk bildende cylindrische Ge- lenkzapfen überragt von einem mächtigen Knochenrand, der in dessen ganzem obern und vordern Umfang wie eine hohe etwas überhängende Mauer aufsteigt und mit con- cavem Rand die Prozygapophyse einfasst und überwölbt. Die Gelenkverbindung wird dadurch gewissermassen verdoppelt, indem schliesslich, nicht wie üblich, die Prozy- gapophyse die Zygapophyse umfasst, sondern von derselben umfasst wird. (S. Fig. 1. Tab. V.) Diese äusserst feste Verbindung findet sich im ganzen Verlauf der Len- denwirbelsäule bis zum Heiligbein. Wie Bojanus gut gezeichnet hat, ist beim Bison die Gelenkverbindung nicht So innig und beschreibt eine einfachere S-Krümmung. Ueberdies sind die Wirbel- körper und die Dornfortsätze hier noch höher als beim Ur, und die Querfortsätze von Anfang an weniger breit und merklich nach abwärts gebogen. Bei Bos Taurus, Zebu, Büffel etc. sind die Gelenkfortsätze weit schwächer, Steigen nicht senkrecht, sondern schief nach vorn und hinten auf, so dass die ganze Gelenkpartie mehr in die Länge gestreckt wird und die Seitenfläche der Neurapophy- sen nicht so eingeengt wird. Die Gelenke selbst bestehen aus einem einfachen Cy- linder der Zygapophyse und einer entsprechenden Aushöhlung der Prozygapophyse. Metapophysen finde ich bei allen Wiederkauern, die ich untersuchen konnte, vom zweiten Rückenwirbel an angedeutet; an den Rückenwirbeln bilden sie rauhe Knochenleisten, welche auf dem Querforisatz aufgesetzt sind und mehr oder weniger über denselben nach vorn hinausragen. An den letzten Rückenwirbeln steigen sie allmälie von der Diapophyse nach der Zygapophyse auf. So am Urochs, Bison 1), DEU n, Philos. Transact. Il. 1851. p. 736. Wie die obigen Species verhalten sich auch Moschus, Elenthier und Giraffe. Am Gnu und einigen andern Antilopen steigt die Metapophyse schon an den 4 letzten Kückenwirbeln nach der Zygapopbyse auf. ee D Büffel, Zebu und zahmen Ochs, am Kameel, Hirsch, Reh, Steinbock, Ziege, Ga- zelle, Gemse; am stärksten finde ich sie entwickelt bei der Gemse. efi Dio ah Han Vera Lake a Primig. Bison. Taurus. Primig. Taurus. Bison. Taurus. Körperlänge sin}. m, ATga 66 63 70 66 — 65 Höhe von Körper u. Bogen hinten 89 T1 64 87 65 19 69 Länge des Bogens in d. Mittellinie 74 17 61 13 65 64 53 Volle Längenausdehnung der Ge- l lenkfortsätze . ....M17 111 8 92 88 Breite der Basis der Querforts. 44 35 31 59 35 41 25 Heiligbein. Wie ich mich an einer grossen Anzahl von Heiligbeinen des Hirsches und der Kuh überzeugt, ist bei Wiederkauern kein Theil der Wirbelsäule grösseren indivi- duellen, wahrscheinlich auch sexuellen Schwankungen unterworfen als dieser; die- selben beziehen sich nicht nur auf relative Grösse zu den übrigen Wirbeln, Festig- keit der Verbindung der Dornfortsätze, sondern auch auf Höhe und Neigung des Dornkammes, und namentlich auf die ganze Gelenkverbindung mit den Lendenwirbeln.- Der Urochs von Moosseedorf hinterliess nur ein Stück vom Sacrum, mit einem vor- dern Körpergelenk von 92 Mm. Breite, und 114 Mm. Distanz der Aussenränder der Prozygapophysen. (75 und 100 bei Bos Taurus.) Ausser der Grösse war an diesem . Heiligbein die soeben erwähnte complicirte Form der letztgenannten Gelenke auffällig und der ganz spitzwinklige Ausschnitt des Wirbelbogens. Eine Reihe von theilweise weit vollständigern Heiligbeinen, die durch Grösse und hohen, nach hinten steil abfallenden Dornkamm mit solid verbundenen Dornfortsätzen leicht von Bos Taurus zu unterscheiden waren, konnte indess nicht mit Bestimmt- heit unter den Ur und den Bison vertheilt werden. Nach den Bojanischen Zeich- nungen wäre allerdings der Dornkamm beim Ur höher und compacter als beim Bi- son, allein es ist am letztern wieder das durch das Gebiss genügend belegte geringere Alter des abgebildeten Skeletes in Anschlag zu bringen. Doch muss ich nach der Beschaffenheit der Knochen vermuthen, dass in der folgenden Tabelle Nr. 1 von Robenhausen, obschon wesentlich kleiner als das Stück aus Moosseedorf, dem Ur, Nr. 2 dem Bison angehöre. Ich füge zu diesen Messungen ausser denjenigen an Bos Taurus, noch solche an dem grössten mir bisher zugekommenen Sacrum vom Edelhirsch ebenfalls aus Robenhausen. Robenhausen. Taurus. Cervus. En ET | 1. 2. | Breite des ersten Wirbelkörpers . 82 = 66 75 69 57—60 52 ƏT 50 Länge desselben . Volle Breite der Basis Sacri - - - - 220 208 190 167 Grösste Höhe mit Crista (zwischen Vertebra 2 u. 3) 114 100 93:11:4155-390 Länge der 3 vordern Wirbelkörper . 1 16 Das Heiligbein des Hirsches, das in seinen Dimensionen nahezu an dasjenige grosser Rindviehracen reicht, unterscheidet sich davon immerhin leicht durch die der Kürze des Schwanzes entsprechende sehr rasche trichterförmige Verengerung des Rückenmarkkanals; bei fast gleicher Längenausdehnung des Heiligbeins ist überdies die Breite seiner Basis beim Hirsch auffallend gering; die verticale Ausdehnung der Basis fällt ferner weit mehr als bei Bos unterhalb des Wirbelkörpers und ihre Nei- gung ist in weit stärkerem Maasse nach hinten gerichtet. | Mit dem hohen, steil abfallenden und soliden Dornkamm des Hirsches verbinden daher Bos Primigenius und Bison die Form der Basis Ossis sacri von Bos Taurus. Ebenso sind bei Bos die Wirbelkörper unter sich weniger solid verbunden als beim Hirsch, besitzen eine breitere und plattere Unterfläche und rundliche, nach aussen gerichtete Foramina sacralia anteriora, während dieselben beim Hirsch in die Länge gestreckt sind und in der Axe des Heiligbeins liegen. Bei Bison scheint sich der Rückenmarkkanal rascher zu verengern als beim Ur. Ich enthalte mich der Bemerkungen über Rippen, Schulterbla tt und Becken, da das darüber vorhandene Material zwar reichlich , aber so fragmentarisch ist, dass genaue Messungen nicht möglich sind, und die Arbeit von Bojanus über diese Theile in Wort und Bild weit reichlicher Aufschluss: giebt als über die Wirbelsäule. Sie sagt, dass Rippen und Schulterblatt beim Bison sehr gestreckt und schlank, beim Ur mehr in die Breite gedehnt sind. Rippenstücke von 40 Mm. Breite direct unter dem Hals (an der zweiten Rippe), von 50 Mm. Breite auf der Höhe der Wölbung , und uani Ständige Schulterblattstücke von 400 Mm. Länge, 200 Mm. Breite im obern Drittheil und 83 Mm. Breite des Halses (61 bei Taurus) bestätigten dies für den Ur in vollem Maasse. Grössere Aufmerksamkeit verdienen indess die Knochen der Extremitäten , von welchen zwar nur die kurzen: intact erhalten sind, die langen aber reichlich durch Gelenkstücke vertreten sind. N P F IB: X ni m HE i$ E s Al 4 i f # $ gi a ] R E jii | Ti 4 D Fi b + i Ki E. ls HE K y f i 44 2 I i HH TER 1 ii i | Em . NM: E HRE | i: 7% ji pn F n Wy 1 4 d AE il "i 1 4 } | N ` 10 i 4 i KSI | A \ i F Hi l 0 i g ¥ ! a: = i A E P 1 En: 1 | F A 5 f T D Pi . I BR. 4 i il: WP H. i IWE GE : MM | o y | AE i | i au | er ma o 1 ee A 2 ii ha ii k | 3 $ v2 u: | g l ni : H b Bt aal a i f 3 TA ry a e Oberarm Nach Bojanus unterscheidet die grössere Schlankheit des ganzen Knochens, die engere Biceps-Furche am obern, die weitere und kürzere Fossa 'supratrochlearis posterior am untern Kopf den Humerus des Bison von demjenigen des Taurus. Die beträchtliche Anzahl von Humerus-Stücken grosser Ochsen in den Pfahlbauten ge- stattete, einerseits die grosse Aehnlichkeit dieses Knochens bei Bos Taurus und Pri- migenius zu constatiren, andererseits zu ihrer Unterscheidung von Bison einige we- sentliche fernere Merkmale beizufügen, welche Bojanus nicht heraushebt, obschon seine Fig. 22—24. Tab. XXIII. sie sehr gut darstellen. Der obere Gelenkkopf des Ur hat an einem jüngern Exemplar einen Querdurch- messer von 127, einen Längsdurchmesser von 142 Mm. Ein noch wesentlich grösse- res Stück liess keine Messungen zu. Beim Bison sind diese Durchmesser 121 und 134; bei Bos Taurus 114 und 128. Ein oberer Kopf des Humerus vom Bison aus Wauwyl hat ausser der von Bojanus erwähnten engen Biceps-Furche einen steiler über die Gelenkfläche aufragenden Trochanter, der das Gelenk in geringerem Umfang umgiebt als bei Taurus. Der ganze Kopf ist überdies wie beim Hirsch seitlich com- primirt, an der Innenseite abgeplattet, während er einen rundlichen Umfang hat beim - Urochs und bei der Kuh. An der Diaphyse ist beim Urochs die enorme Stärke aller Muskelcriste, allein vor allem des Deltoidkammes auffällig; der letztere windet sich auch in weit schieferer Richtung um die Diaphyse als beim Bison, und beweist da- her auch an Bruchstücken die kurze und gedrungene Form des ganzen Knochens ge- genüber dem schlanken und gestreckten Humerus des Bison. Ein noch wesentlicheres Merkmal bietet das Vorderarmgelenk , dessen Form beim Bison sehr abweicht von Primigenius und Taurus. Die Gelenkrolle verjüngt sich von innen nach aussen weit rascher und ist daher weit conischer als bei den beiden letzten. Beim Bison bildet sie einen kurzen Kegel fast wie beim Hirsch; bei Bos Primigenius und Taurus verjüngt sich die Schraube nach aussen nur sehr allmälig; der Durchmesser des äussern Endes der Gelenkrolle verhält sich zu demjenigen des innern Endes beim Bison wie 1: 1,60, beim Urochs = 1: 1,57, beim zahmen Ochsen = 1:1,48. Der Urochs würde also in der Mitte zwischen Bison und zahmem Ochsen stehen, wenn nicht diese Verjüngung beim Bison auf weit kürzerer Bahn erfolgen würde als beim Urochsen, indem die Axe der Trochlea des Bison um 1/; kürzer ist als diejenige des Bison. Nichisdestoweniger ist allerdings die Schraube beim Ur- SE a ochsen etwas steiler als bei Taurus, doch in so geringem Grade, dass das Auge es nicht leicht bemerkt, während die sehr kurze Kegelform beim Bison sich sofort auf- drängt; sie ist auch bei Bojanus gut dargestellt. ‚ Es fügen sich dazu noch mehrere fernere Charakteren; der vom äussern Con- dylus ausgehende Ringwulst, der die schmale äussere Rolle von der breiten innern trennt, ist bei Bison weit weniger vorragend, weniger scharf begrenzt, also breiter und flacher als beim Urochsen und zahmen Ochsen. Der äussere Theil der Rolle ist ferner beim Bison im Verhältniss zur ganzen Rolle schmäler und weniger scharf vom mittlern Theil abgesetzt als bei den beiden andern Species. Es folgt ferner aus dem Verhältnis, in welchem nothwendig die Richtung der Axe der Gelenkrolle zur Axe des Oberarmes steht, dass der Winkel, den die erstere zur zweiten bildet, sich um So mehr einem rechten nähert, als die Gelenkschraube kurz und steil gewunden ist, wie beim Hirsch und Bison, während beim Urochs und zahmen Ochs die Längsachse des Humerus schief nach aussen auf die Gelenkachse absteigt. In. jeder Beziehung nähert sich also der Humerus des Bison demjenigen des Hir- Sches, während der Humerus des Urochs sich nur durch Grösse und etwas steilere Schraube von demjenigen des zahmen Ochsen unterscheidet. Unwichtig ist das kleine Merkmal, das Bojanus erwähnt, dass der Umfang des äussern Endes der Rolle beim Bison mehr als einen halben Kreisumfang beschreibt, weniger als einen halben bei Taurus. Der Oberarm des Urochs ist im Allgemeinen kürzer, gedrungener, kräl- tiger, massiver und besitzt einen in querer Richtung mehr ausgedehnten untern Ge- lenkkopf mit langsamer sich abrollender Schraube als der Bison. Es erhellt dies auch aus folgender nur auf den untern Kopf des Oberarmes be- züglichen Tabelle, wo ich in der Colonne für Primigenius die Messungen an einem Paar unterer Gelenkköpfe aus Robenhausen gebe, die miteinander vollkommen über- einstimmen. An einem noch vollständigern Oberarm aus Moosseedorf treffen ebenso alle Dimensionen bis auf 2—3 Millim. zu. Die maximalen Angaben für Primigenius beziehen sich auf einige fernere Oberarmstücke aus Robenhausen. Für den Bison gebe ich die sehr wenig auseinanderstehenden Grenzwerthe an drei Oberarmstücken aus Robenhausen. Primigenius, Bison. Taurus. Volle Breite zwischen den Condylen . . >- a 120 101—108 91 Längsdurchmesser (vorn-hinten) des innern Condylus 118 101—107 95 äussern „ 11—85 GATA an 02 2 ” ” A i rs we. at a i A u ni $ Ap RPI REG 4 KR; Bi | f 7 s4 A a E: E y I A Ay E Ei din 1 pa at T na pid ig na i. A e PE y IE TIRE Wi I | E; An m: i f p> oN A 7 hi IE iii j 3 t Mn ‘E nN T - [a ji w Ei Á pii ` Hip ! wd l I E: np no Fi ‚A i H S y d R P TE y '} Bi IF Er $ s% £ Y “i K 5 1 17 h T 15 BE. i To a hy Ep d $ 2 P 1 “i : #0 H 4 H l i a | 5 H h } 5 | N $ f { E IS ce — 96 — Primigenius. Bison. Taurus. Distanz der Condylen in der Fossa posterior . . 29 32—35 24 Längendurchmesser der Gelenkrolle . . . . . 104 93—95 2 -188 Durchmesser derselben am innern Rand. . . . 63 59—60 46 in der mittlern Rinne . . 48—51 40—44 37 auf der mittlern Erhöhung. 53—60 46—48 45 $ y am äussern Rand. . . . 40—50 37—89 31 An dem nicht sehr alten Wilnaer-Skelet vom Bison beträgt nach Bojanus die volle Breite zwischen den-Condylen 94, der Längendurchmesser der Gelenkrolle 88 Mm. Am Humerus aus Odessa, den Nordmann Fig. 1. Tab. XVI. abbildet, ist der Längendurchmesser der Rolle 108. Die Form der Rolle, obschon sie von ungünsti- ger Seite gezeichnet ist, ist durchaus dieselbe wie beim zahmen Rind, und es ge- hört daher dieser Humerus höchstwahrscheinlich dem Urochsen an. Es ist überflüssig beizufügen, dass die Form der Gelenkschrauben an allen Knochen, wo solche vorhanden sind, eines der werthvollsten Hülfsmittel der palä- ontologischen Bestimmung bildet und für die einzelnen Species eine merkwürdige Constanz zeigt, die auch geringen Altersschwankungen unterworfen ist. Ich hatte an den zahllosen Gelenkrollen, die ich an den Pfahlbauknochen untersuchte, genügend Gelegenheit, dies zu beobachten und den Werth dieses Hülfsmittels schätzen zu Du „ ” ” lernen. ; Am Zebu verhält sich die Oberarmschraube wie beim Bison. Der Büffel hat die l Schraube von Taurus allein auf weit kürzerer Achse und an weit schlankerem Ober- arm. Am Kameel weicht sie vom Typus der Wiederkauer vollständig ab und ver- hält sich fast wie beim Schwein. Vorderarm. Die obere Gelenkfläche des Radius ist der Abdruck der Oberarm-Rolle und hat daher ebenso spezifische Form wie jene. Abgesehen von der dem Auge hier etwas weniger auffälligen Form der Schraube, ist die ganze obere Gelenkfläche des Radius beim Urochs und zahmen Ochs mehr in die Quere gedehnt, von gleichmässigerer Breite, und vor allem in der Mitte weit stärker vertieft, der vordere Rand der Ge- lenkfläche daher weit mehr wellig als beim Bison. Die Ulna hat nur eine schmale, kurze Gelenkfläche zur Verbindung mit dem Radius, greift aber tief in die mittlere Rinne des Radialgelenks ein. Sie ist ferner beim Urochsen in ihrer ganzen Länge — 9 — in ausgedehntestem Maasse mit dem Radius verwachsen, so dass nur eine ganz kleine Oeffnung im obersten Viertheil des Radius zwischen beiden Knochen frei bleibt. Das Olecranon ist wie bei der Kuh von sehr angehnlicher Breite und wird nach seinem obern Ende hin immer breiter. ~ Beim Bison legt sich die Ulna, wie Bojanus Fig. 25. Tab. XXIII. gut zeichnet, mit breiter Knorpelfläche an das Radialgelenk, allein sie ist auf ihrer ganzen übrigen Erstreckung nicht sehr innig mit dem Radius verbunden (doch bei alten Thieren be- el inniger, als am Wilnaer-Skelet in der Bojanischen Tab. XX. dargestellt ist); as Olecranon verjüngt sich allmälig nach seinem obern Ende hin. li Nicht weniger charakteristisch verhält sich der untere Gelenkkopf des Vorder- arms. Wie der ganze Radius beim Urochs und Hausochsen eine weniger gewölbte Vorderfläche hat als der Bison, so ist dies in seinem untern Theile um so auflälliger. Die Gelenkfläche selbst verläuft in ganz schwachem Bogen und dehnt sich namentlich nach ihrem Innenrand hin stark in querer Richtung aus. Die drei Facetten des Car- palgelenkes sind wenig scharf von einander abgegrenzt und seicht. Die beiden seit- lichen Faceiten, für Os naviculare und triquetrum, besonders aber letztere, sind re- lativ breit und an der letzten jede Spur von Abtrennung der Ulna verschwunden; endlich verlaufen die Grenzleisten zwischen den drei Facetten in sehr schiefer Richtung zum Vorderrand des Gelenkes, die Navicularfläche’spitztisich daher nach hinten sehr rasch “U und erlöscht auf der hintern Seite des Radius bald. Beim Bison finden wir dagegen starke Wölbung der Vorderlläche des Radius; dieselbe ist in ihrem untern Theil durch starke Kanten , die. weit nach oben reichen, n drei deutlich von einander getrennte und winklig in einander übergehende Felder für die Extensoren und Adductoren der Hand getheilt; das Carpalgelenk ist weniger m die Quere gedehnt, und dafür dicker und stärker gebogen; die Achse des Gelenkes Sieht daher wieder fast senkrecht zur Längenachse des Radius (sehr schief beim Ur). Die drei Facetten sind unter sich fast gleichbreit, scharf von einander abgetrennt , und die Richtung der Trennungslinien der drei Facetten geht weit weniger schief nach innen und binten; die Navicularfläche steigt breit und hoch nach hinten auf; an der Fläche für das Os triquetrum verschwindet die Trennungslinie zwischen Ulna und Radius niemals; endlich besitzt diese: selbe Fläche. am Aussenrand eine besondere kleine , nach ‚aussen gerichtete Facette, welche dem Ur fehlt. In allen diesen Beziehungen nähert sich der Bison wieder dem Hirsch, während | 13 A i 2 il N FR E N A +2 KEN p E iF i N $ 1 i h È 4 W l 7 \ IM x IHE | í ë \ ve: 1i | p i 1 n u; | 5 4 Bu; F | > a || 6 1 4 G 1 A i "T Ia j f > I x L N g 5 A |. e der Urochs und der Hausochse ein enigegengesetztes Extrem bilden. Die andern Species des Linne’schen Genus Bos, Zebu, Büffel etc. stehen in der Mitte. Die Tabelle giebt in der ersten Colonne die Dimensionen des fást vollständigen Vorderarmes vom Urochs aus Moosseedorf, in der zweiten Grenzwerthe an 5 untern Köpfen des Radius aus Robenhausen. Von da stammen auch alle gemessenen Stücke vom Bison. Primigenius. Bison. Taurus- TE TIERE >II Seedorf. Robenh. Robenh. Bojanus. Volle Länge der Ulia shox iodo manio diht aA rn 5 423 Länge des Olecranon am vordern (obern) e e a Ba eu 2.27 A 125 Geringste Breite AoT y ee 70—75 6 Höhe der Sigmoidgrube. . . -» . . 58 45—46 42 Länge des Radius am Innenrand. . . 370? > Breite seiner obern Gelenkfläche. . . 103? — 90—96 80 „. des Carpalgelenks . . „ . .. 3 94—102 8589—90 19 Volle Breite des untern Kopfes zwischen "UEM EMR EN 00 0 2 20 0 0 109 102—113 101 83 Handwurzel. Auch ohne die Sicherheit, welche die Anwesenheit eines einzigen Individuums von Bos primigenius in Moosseedorf für die Unterscheidung der Handwurzelknochen dieses Thieres von denjenigen des Bison bot, liess sich unter der Zahl von etwa 40 Carpalknochen beider Thiere jeder einzelne mit Bestimmtheit dem Bison oder dem Ur zuweisen. Ein ganz allgemeines, in dem Detail jedes Knochens sich wiederholendes Merk- mal des Bison-Carpus besteht nämlich in dessen bedeutender Höhe und seitlichen Compression; die rauhen Aussenflächen sind an der vordern und hintern Seite relativ sehr hoch und dabei die Gelenkflächen sämmtlich sehr scharf ausgeprägt, die Gelenk- ränder daher stark wellenförmig; wie am Radius gezeigt worden, sind auch.an sämmt- lichen Knochen die Durchmesser von vorn nach hinten relativ bedeutend und stehen mehr rechtwinklig zur Vorderfläche; alles Merkmale, wodurch sich der Bison wie- derum, soweit dies innerhalb des Genus Bos möglich ist, dem Hirsch annähert. Der Urochs steht auch in dieser Beziehung vollkommen auf der Seite des zahmen Ochsen; bei beiden ist die Handwurzel mehr in querer Richtung ausgedehnt und niedriger, alle Gelenkflächen, concave und convexe, seichter und flacher, “die Gelenkränder also weniger wellig und besonders auch die grossen (von vorn nach hinten) gerichteten Durchmesser der Knochen der obern Carpalreihe weit schiefer zur Vorder- fläche gestellt. Um dies nicht für jeden der 6 Knochen zu wiederholen, füge ich dazu nur noch die speziellen Eigenthümlichkeiten jedes einzelnen Stückes. Naviculare des Ur: Der ganze Knechen nach hinten hin comprimirt, keil- förmig, Vorderfläche breiter als hoch, rauher Theil der Hinterfläche sehr schmal und niedrig, obere und untere Gelenkfläche schwach gebogen, der hintere Zipfel der obern Fläche niedrig. Aeussere Gelenkfläche (nach dem Os lunatum) ziemlich gerad- linig , wenig in das Os lunatum vorragend und schief nach innen und hinten gerich- tet, so dass die beiden Seitenflächen nach hinten hin merklich convergiren und der Sanze Knochen keilförmig wird. Lunatum: Vordere und hintere rauhe Aussenfläche , namentlich die letzte sehr niedrig und stark in die Quere gerichtet, fast liegend. Obere Gelenkfläche schwach wellie; innere Gelenkfläche nur eine seichte Bucht für das Naviculare bildend; grosse Achse des Knochens sehr schief zur Vorderfläche. Triquetirum: In jeder Beziehung stark deprimirt und quer ausgedehnt. Ge- lenkgruben seicht. Gelenkfläche für das Pisiforme wenig hoch, oval. Pisiforme rundlich , wenig comprimirt, Gelenkfläche breit, oval. Capitatum breit und flach, die beiden obern Gelenkfacetten (für Naviculare und Lunatum) schwach gewölbt, wenig geneigt, nur durch eine schwache Kante von einander abgetrennt, fast in einander überfliessend. Hamatum breit, flach, wenig gewölbt; dagegen die hintere rauhe Aussen- fläche relativ hoch in Folge der geringen Höhe derselben Fläche am lunatum und triquetrum. Obere Gelenkfacetten breit, mit schwacher und sehr schief nach aussen Serichteter Trennungskante. In allen diesen Beziehungen bildet der Bison den Gegensatz zum Urochsen 1), Im Allgemeinen werden seine Carpalknochen am leichtesten erkannt an der höhern und gleichförmiger und steiler aufgerichteten Form der rauhen Hinterflächen, mit Ausnahme des Os hamatum, ‘wo gerade diese Fläche niedriger ist als beim Ur. a SL en at O J 1) Ausser MN sehr guten Ansicht bei Bojanus Fig. 26. 27. Tab. XXIII. findet sich eine kleine Zeich- nung bei O wen, Nature of limbs p. 31. A | { BE N í { Ri ’ Bi I "N z 0 IE 79 Tg i E l Wa | E E 1 | " f I ER E R h | i h l i ha | E w | N and we 4 É. i R i To N i | | nr 4 : Ep | | | | [ — 10 — Da bei so’ kleinen Knochen durch Angabe von allgemeinen Grenzwerthen die Einsicht in das gegenseitige Verhältniss der einzelnen Dimensionen gestört würde, -so gebe ich nur die Messungen an je zwei, und zwar dem kleinsten und grössten Exemplar jedes Knochens. Primigenius. Bison. Taurus. ———n Aam | Naviculare. Grösster Durchmesser von vorn nach hinten . . . . 58 64 49 53 46 Breite, der Yorderfläche sosdon anurdss -oılsäfslgelsn Aiit 6 28 28 Miere Mnie dersalben A aat daaay odonildinigso stormt 34 34.28 Volle Höhe der. Hinterseite.... tario “= hassen main S) -38 31 32 Lunatum. ` Grösster (diagonaler) Durchmesser der obern Fläche . 60 65 4T Länge des obern Randes der Vorderfläche . . . . . 35 38 26 Höhe der Vorderfläche in der Mitte . . . . . . . 28 30 23 Triquetrum. Grösste Höhe der Vorderfläche (am Innenrand) . . . „43 32 Grösste Breite derselben (unten) EUER WE 50 40 Diagonaler Durchmesser derselben. . . . . 0.. 59 k 47 Pisiforme. Grösste Höhe. Grösste Länge Capitatum Diagonaler Durchmesser der obern Fläche . Gerader Durchmesser derselben von vorn nach hinten . Mittlere Höhe der vordern Fläche . Er Grösste Höhe der innern Fläche Hamatum. Diagonale Achse von innen u. oben nach aussen u. unten Gerader Durchmesser von vorn nach hinten am Innenrand Grösste Höhe der vordern Fläche . | . Breite derselben. . — ME — Von Metacarpalknochen ist kein einziger vollständig erhalten, so wenig wie Me- tatarsalknochen. Man vergleiche darüber Bojanus und Owen, Brit. foss. Mamm. p- 496 1). Die Phalangen des Vorderfusses bespreche ich mit denjenigen des Hinterfusses. Ebensowenig bin ich im Stande, genaue Angaben über das Becken zu geben. Oberschenkel Ein sehr einfaches Hülfsmittel zur Unterscheidung des Oberschenkels von Ur und Bison ist die Anwesenheit eines grossen Foramen nutritium in dem obern Drittheil nr Vorderfläche beim Bison, ae wie bei un Büffel, ai pa ie ih: Tau (so wie auch en Kameel und häufig beim Schaf.) Anke‘ Auch überdiess zeigen sich mancherlei Verschiedenheiten, welche wiederum den Bison dem Hirsch nähern, den Urochs mit dem gemeinen Ochs zusammenstellen. Der ganze obere Kopf des Oberschenkels ist beim Urochs stark in querer Rich- tung ausgedehnt, was in der Divergenz der beiden Seitenränder sehr deutlich zu Tage tritt. Noch deutlicher zeigt sich dies indess an der Hinterseite des Kopfes, wo in Folge dieses Umstandes die Fossa intertrochanterica weit offener ist und die sie be- Srenzende Crista intertrochanterica weit weniger steil vom untern Trochanter nach dem obern aufsteigt, als beim Bison. Der Gelenkkopf selbst bildet eine vollständigere Kugel als bei Bison, und der obere Theil der knorpligen Gelenkfläche ist breiter und erstreckt sich mehr nach dem Trochanter hin, der daher von dem Gelenkkopf we- niger abgeschnürt scheint. Beide Trochanteren sind ferner beim Ur umfangreicher, roher und plumper gebildet als beim Bison. Der grosse Trochanter hat beim ersten eine sehr breite Aussenfläche, der kleine bildet eine ausgedehnte, undeutlich begrenzte höckerige Stelle; beim Bison ist der erste weniger breit und der letztere bildet einen gut umgrenzten Höcker, der ganz auf der Hinterfläche des Knochens bleibt, während er beim Ur und noch mehr beim zahmen Ochs an den Innenrand des Oberschenkels Yortritt. In allen diesen Verhältnissen, welche für den Bison in Fig. 30—32. Tab. XXI. von Bojanus sehr gut dargestellt sind, steht indess der Urochs nicht vollkom- — 1) Der auffallend kurze, breite und plumpe Metacarpus, Fig. 2. Tab. XVI. bei Nordmann, kann wohl kaum dem Urochsen angehören. Ob er zu Bison priscus gehöre, wie Nordmann vermuthet, ist sehr frag- lich, da dieses Thier von seinem schlankfüssigen heutigen Verwandten kaum so sehr abwich. — 102 — men auf der Seite des gemeinen Ochsen, sondern so ziemlich in’ der Mitte zwischen ‚diesem und dem Bison, dem Zebu und Büffel näher als seinem zahmen Verwandten. Den unteren Kopf des Femur fand ich bisher für den Bison nur in einem Stück aus Wauwyl, das in allen Dimensionen bis auf die Linie mit den Grössenangaben von Bojanus übereinstimmt. Die Gelenkfläche für die Kniescheibe ist an diesem Stück wieder weit schärfer ausgeprägt, schärfer umrandet als bei der Kuh, wo sie äusserst dicke wulstige Ränder hat. Die Trochlea selbst ist daher beim Bison seichter, über- dies steiler aufsteigend, weniger breit und oben nicht so schief abgegrenzt wie bei der Kuh. Die Condylen sind ebenso weniger plump und seitlich schärfer, ja kantig begrenzt, der äussere Condylus etwas comprimirt, der innere relativ breiter, daher die beiden einander ähnlicher als bei Taurus; ein unterer Kopf des Femur vom Ur, aus Concise, verhielt sich wie bei Taurus. | Die Kniescheibe ist beim Bison länger, schmäler,, gewölbter als beim Ur. Primigenius. Bison. Taurus. Grösste quere Ausdehnung des obern Kopfes . . 180 142—147 134 Durchmesser des Gelenkkopfes . . . 2...» 60. 53-59 50 Querdurchmesser direct unter der Epiphyse . . . 145 103—120 90 Distanz vom Gipfel des Trochanter minor zur Fovea ligamenti teretis . . -= -= 105-110 94—103 93 Breite des untern Kopfes zwischen den Condylen . 139 115 110 Länge der Kniescheibe . . . . e nt iadt on 90 81 75 Breite. Jersolben a. a ae ee 78 71 64 Schienbein Bojanus führt als Merkmale der Tibia des Bison im Gegensatz zum zahmen Och- sen ihre grössere Schlankheit auf, das weitere Absteigen der Crista tibie und die enge Furche für die Fingerbeuger an dem obern Gelenkkopf. Ich kann dazu ein nicht minder charakteristisches Merkmal der obern Gelenkfläche fügen, das sich in ähn- licher Weise auch beim Zebu, und in noch stärkerem Maasse beim Hirsch vorfindet. Die Gelenkgruben für die beiden Condyli des Femur sind bei diesen Thieren weniger in querer Richtung ausgedehnt, allein dafür länger (von vorn nach hinten) als beim Ur und zahmen Ochs. Die innere Gelenkgrube ist ferner bei Bison relativ breiter und daher der äussern ähnlicher als bei den beiden letzten Thieren, wo die äussere auffallend breiter ist als die innere. Die Eminentia cruciata ist endlich bei Bison we- niger hoch als bei dem Bos primigenius und Taurus. = e sogar mit dem kleinen Rudiment der Fi- Am untern Kopf der Tibia, welcher, der Grösse keinen merklichen Unterschied bula häufig erhalten ist, finde ich ausser zwischen Bos primigenius und Bison. iP Primigenius. Bison. Taurus. Breite der obern Gelenkfläche . 130—132 114 102 i „ der äussern Gelenkgrube . 63 53 54 i ii „ der innern j Volle Breite des untern Kopfes Breite des Gelenkes für den Astragalus Ti sorb This api 52—53 41—53 4 Fusswurzel. 55 48 48 | | | l | Obschon die Knochen der Fusswurzel in weniger auflälligem Maasse die soeben berührten Merkmale an sich tragen, welche sich an der Handwurzel als spezifisch verschieden für die in Rede stehenden zwei wilden Ochsenarten erwiesen, so folgen sie doch dem Typus der Handknochen insofern, als sie beim Urochsen und gemeinen | a: Ochsen in die Quere gedehnt und von oben nach unten zusammengedrückt, auch von m 2 roherer Bildung sind als beim Bison, dessen Fusswurzel durch Höhe und seitliche Compression aller Theile und durch scharfe Ausprägung aller Gelenkflächen wieder derjenigen des Hirsches ähnlich ist. Astragalus. Von allen Fusswurzelknochen bietet das Sprungbein noch die ER l besten Anhaltspunkte zur Erkennung der Spezies. Beim Urochs (s. Fig. 3. Tab. IV.) hat es im Allgemeinen dieselbe Gestalt wie bei Bos Taurus, und ist eher noch brei- ter und platter, wie alle Extremitätenknochen des Ur; der einzige Punkt, in welchem es, abgesehen von der weit bedeutenderen Grösse, von Taurus abweicht und sich i S dem Bison und Hirsch annähert, besteht darin, dass an dem Tibialgelenk der äussere [| Rand bedeitend höher ist als der innere, und also die ganze Gelenkfläche etwas schief nach innen geneigt ist, während sie am Sprungbein des zahmen Ochsen dem Scaphoidgelenk ziemlich parallel ist und horizontal liegt. Der Astragalus des Bison ist länger, schmaler , allein auffallend dicker als der- jenige des Urochsen, die Seitenflächen daher breiter, die Hinterfläche, wenigstens das Gelenk für das Fersenbein gewölbter. An dem Tibialgelenk ist die Neigung nach innen, das hohe Aufsteigen des äussern Seitenrandes noch deutlicher als beim Ur und dieser äussere Rand ungefähr gleich dick wie der innere, während er beim Ur und bei der Kuh wulstig und weit dicker ist als der Innenrand. — Mm — Das Scapho-cuboid-Gelenk hat eine weit tiefere Mittelrinne als beim Ur und der Kuh und der Scaphoidantheil desselben ragt vor den Cuboidtheil vor; der ganze Kno- chen hat daher nicht den nahezu rechtwinkligen Umriss wie bei Bos Taurus, sondern erscheint von oben und aussen nach unten und innen verschoben. Scapho-cuboideum, Fig. 4. Tab. IV. beim Urochs von der obern Fläche dargestellt. Der ganze Knochen ist bedeutend mehr abgeplattet, deprimirter als bei der Kuh, und von geringerer Concavität. Der Cuboidtheil ist an der Vorderfläche nur um ein Geringes höher als der Scaphoidtheil, während der erste den zweiten an Höhe um mehr als die Hälfte übertrifft; die Gelenkfläche für den Calcaneus ist end- lich beim Ur ausgedehnter als bei Taurus und umgiebt daher die Astragalus-Rolle in weiterem Umfang als dort. Auch an der Unterfläche nehmen beim Urochs die Ge- lenkflächen für den Metatarsus und die zwei Cuneiformia einen bedeutendern Raum ein und confluiren daher in höherem Grade als bei Taurus. Das Os scapho-cuboideum des Bison kenne ich nicht; es ist nach Analogie der übrigen Skelettheile zu vermuthen, dass es sich namentlich durch grössere Höhe von demjenigen des Urochsen EEE werde. Calcaneus: Es ist schwer, ausser der weit bedeutendern Grösse und rohe- ren plumperen Bildung, dem allgemeinen Typus der Knochen des Urs, bestimmtere Merkmale zur Unterscheidung des Fersenbeins von Bos primigenius und Bison zu geben. Während das erstere sich wirklich nur durch Grösse von demjenigen des zahmen Ochsen unterscheidet, finde ich beim Bison einen etwas schlankern, nach dem hintern Ende etwas niedriger werdenden Tuber, einen höhern und schlankern innern Talon für den Astragalus, den äussern Fortsatz für die Aussenseite des Astra- galus ebenfalls schlanker, gestreckter, spitzer, das kleine Cuboidgelenk an diesem Fortsatz weniger ausgedehnt und — vielleicht das sicherste Erkennungszeichen -- die grosse Gelenkfläche für den Astragalus weit weniger gewölbt, auch weniger aus- gedehnt als beim Urochs. Cuneiformia. Ich kenne nur das Ectocuneiforme des Bison, das zu keinen besondern Bemerkungen Anlass giebt. Unter den Fusswurzelknochen 1) der zwei in Rede stehenden wilden Ochsenarten ’ _*) Die Hand- und Fusswurzelknochen aus Odessa, welche Nordmann Tab, XVI. und XVIL abbil- det, entsprechen in ihren Formen vollkommen denjenigen von Bos primigenius. Ihre Grösse ist dagegen etwas bedeutender als unsere Maximalwerthe von Primigenius; dies gilt in besonderem Maasse vom Cal- caneus Fig. 1. 2. Tab. XVIL = 1: — fand sich am häufigsten der Astragalus vor; ausser Moosseedorf, hat besonders Ro- benhausen eine ganze Zahl solcher Knochen für den Urochs geliefert. Diejenigen des Bison stammen theils aus Robenhausen , theils aus Wauwyl. Da die vielen Mes- Sungen äusserst wenig von einander abweichen, für den Bison theilweise unter sich vollständig zusammenfallen, S0 kann ich mich mit Angabe der Grenzwerthe be- Snügen. | I Primigenius. Bison. Taurus. r f Astragalus. N Volle Höhe an der äussern Seite. 83—89 87 74 RER eo puo ag 66 mene IR ar Gena oE ERA h BB ASEAS 48 43 9 „ untern » n a a a er 52—56 ot 49 Grösste Breite der hintern Gelenkflähe . . . . . . 36-40 38 28 Volle Dicke {in der Mitte der innern Seitenfläche ge- messen) . 46—51 48 40 Scaphocuboideum. | E i Querdurchmesser = 30 27 Phalangen Grösster Querdurchmesser . 12-40 — 62 Breite des Astragalusgelenkes. > -> -7+ = . - 54—58 i 4 » der untern Gelenkfläche. OR en > Dy 1 En 55 E Höhe der vordern Fläche im Scaphoidtheil. . - - . 15—18 ai 16 i Ee e, EA N a ee 25 ahnoa ‚ugs | | i Grösste Höhe an der Innenfläche . 52—53 Le 50 ee il Calcaneus. i Grösste Tange . . : d 173-195 158 166 | Länge des Tuber am obern Rand 114—129 104 112 || Grösste Höhe desselben an seiner Basis 61—64 56 54 i Volle Höhe des Process. lateralis extern. . 64—68 60 54 | n Länge desselben am obern Rand . 61—65 55 57 IE Ectocuneiforme. E Grösste Länge . me 50 45 i | | Bei vierfüssigen Säugethieren dient im Allgemeinen der Vorderfuss vorzugsweise zur Stütze, der Hinterfuss zur Propulsion des Körpers. Die „Hand“ ist daher ge- | 14 — 406 — meiniglich kürzer und breiter als der Fuss; es ist dies selbst bemerklich in dem ter- minalen Segment der einfingrigen Extremitäten des Pferdes. Es herrscht demnach die quere Richtung vor in der Anordnung der Handknochen, und die longitudinale in derjenigen der Fussknochen !). Es gilt diese Bemerkung nicht nur von den Carpal- und Tarsalknochen, sondern auch von Mitielfussknochen und Phalangen; mit Hülfe dieses Merkmals können selbst bei Wiederkauern, wo die Aehnlichkeit der Finger des Vorder - und Hinterfusses sehr weit geht, Phalangen immer als vordere oder hintere erkannt werden ; ebenso ist es möglich, von den je vier gleichnamigen Phalangen eines und desselben Fuss- paares jeder die ihr zugehörige Stellung am Fuss zuzuweisen, indem von den zwei nach derselben Seite (nach aussen oder innen) gewendeten Phalangen eines Fusspaa- res die äussere immer etwas länger ist als die innere. Eine Ausnahme hiervon schei- nen die Nagelphalangen zu bilden, wovon die an der Medianlinie des Thieres liegen- den länger sind als die davon abliegenden. Von den 24 Fingergliedern eines Wie- derkauers kann daher jedem seine Stellung zugewiesen werden; nur bei den unre- gelmässiger gebildeten Nagelphalangen wird dies oft schwierig. Erste und zweite Fingerphalangen von Wiederkauern sind am Vorderfuss immer platter (von vorn nach hinten comprimirt), vorn flacher, breiter, nach vorn weniger verjüngt, als am Hinterfuss; dies zeigt sich nicht nur an der Vorder- und Hinter- fläche, sondern noch deutlicher an den beiden Gelenkflächen. | An ersten Phalangen des Vorderfusses sind die zwei Facetten des Mittelfuss- gelenkes breiter, durch eine breitere, seichtere Rinne getrennt, welche an Vorder- und Hinterfläche nur als seichte Incisur erscheint; die an der Medianlinie des Fusses liegenden Facetten breiter und niedriger, die von der Medianlinie abliegenden Facetten schiefer zugeschnitten als am Hinterfuss. Die terminale Gelenkfläche derselben Pha- langen ist breiter, schiefer nach der Medianlinie gerichtet, die medianen Hälften sind daher kleiner und die Gelenkflächen weniger symmeirisch als am Hinterfuss. Zweite Phalangen des Vorderfusses sind ebenfalls kürzer, breiter, platter, im Ganzen dicker, weniger schlank und weniger nach vorn hin verjüngt als am Hinter- fuss. Beide Gelenkflächen sind breiter und schiefer nach der Medianlinie hin gerich- tet, weniger symmetrisch und bilden Segmente grösserer Kreise als am Hinterfuss. Dritte Phalangen des Vorderfusses sind im Gegensatz zu denjenigen des Hin- 1) Owen, Archetype p. 167. Nature of Limbs p. 26. es 107 — terfusses in jeder Beziehung grösser, länger, höher und an der Sohle prio: Ihre Gelenkfläche ist am Vorderfuss breiter, kürzer und weniger schief als am Hinterfuss. Die Phalangen des Bison sind durchweg schlanker, comprimirter,, weniger roh gebildet und tragen schärfer ausgeprägte Gelenkflächen als die des Urochsen. Aus der grossen Zahl mir zugekommener Phalangen beider Thiere, worunter die Mehrzahl der 24 Nummern vertreten war, gebe ich nur Grenzwerthe für Phalanx 1. 2. 3.; die Schwankungen sind nicht nur individuell, sondern sind auch bedingt durch die Lage der Phalanx an der Aussen- oder Innenseite des Fusses; doch gebe ich dazu zum Beleg der Charakterisirung der Phalangen von Hinter- und Vorderfuss ausser den Messungen an dem stets selben Kuhskelet auch die Dimensionen der Einem Individuum angehörigen Phalangen von Moosseedort. Primigenius. Bison. Taurus. N EE Seedorf. Robenh. Erste Phalangen. Vorderfuss. Mittlere Länge an der (convexen) Aussenseite . . 9 66-71 — 2 » Breite der Unterfäcke . . : : ....36 35-39 31 22 » „ des proximalen Gelenkes . . . . 38 36-39 — 30 Sehne am Aussenrand des terminalen Gelenkes. . 30 25—30 — 28 Hinterfuss. Mittlere Länge an der (convexen) Aussenseite . . 70 66-72 082%. 02 » Breite der Unterfläche re 30 —33 3% 26 » „ des proximal en Gelonkes. 2 a. ar a2 2 al 3 26 Sehne am Aussenrand des terminalen Gelenkes. . 26 IE 8 ar ED Zweite Phalangen. Vorderfuss. Mittlere Länge an der convexen Seite. . . -> . 45 41—44 42 36 saisi Breie der. 'Unterfläche‘ zeb in. 00. 0801029481 »+2628 51,28 » „ des proximalen Gelenkes . . . . 36 36—38 34—35 32 Sehne des terminalen Gelenkes » : =... 38 40—43 38 40 Hinterfuss. Mittlere Länge an der convexen Seite. . ... . — sii 44—47 41 = 26 25 » Breite der Unterfäcke . : : » 2.20 Primigenius. Bison. Taurus. N AE s Seedorf. Robenh. Mittlere Breite des proximalen Gelenkes . . . . — — 35 əl Sehne des terminalen Gelenkes . . . . 2 0 — = 33 Dritte Phalangen. Vorderfuss. Grösste diagonale Länge der RER Mittlere Breite der. Sohle . .. .ı u.a. ihalo des Goleukes -i ur iu an Be 72 22 Grüssje vertieales Hohe... zus u are ee Hinterfuss. Grösste diagonale Länge der Sohle. . . . . . 85 87-100 Mittlere Breite der Sohle . . 2.2 2..2.20202.291..28—32 y p => des Gelenke 0. 002 wow 2 Bl Grösste verticale Höhe» . 14 . . "arinansa 2 52 — 49—60 Es kann nicht mein Zweck sein, nach dieser speziellen Besprechung der einzel- nen Skeleitheile des Auerochsen und des Urochsen auf die allgemeinen Differenzen der beiden Thiere hier nochmals aufmerksam zu machen; für den äussern Habitus ist das in ausreichendem Maasse schon früher durch Herberstein, für das Skelet in vortrefflicher Weise von Bojanus geschehen, und seither oft wiederholt worden. Die Tafeln XX. und XXIV. von Bojanus, welche die ganzen Skelete beider Thiere darstellen, sind in dieser Beziehung sehr lehrreich; leider ist zwar Tab. XXIV., den Urochs darstellend, sehr nachlässig gezeichnet und bei weitem nicht so zuverlässig, wie die selbst in kleinen Details treue Abbildung des Bisonskeletes. Meine Absicht -war eine Vervollständigung der wenig eingehenden Angaben von Bojanus über das Skelet des Urochsen, und wird im weitern Verlauf dieser Arbeit noch verwerthet werden. Ich begnüge mich, im Rückblick hier nur nochmals darauf hinzuweisen, dass die grössere Schlankheit und Beweglichkeit des Bison sich bis in die kleinsten Details jeder Gelenkfläche verfolgen lässt und dort überall ein Gepräge hinterliess, welches an das osteologische Gepräge des Hirschskeletes erinnert und bei nahezu gleichem Volum mit den Skeleitheilen des Urochsen dennoch in deutlichster Weise von deren plumpem und massivem Typus abweicht. Die beiden Thiere, der Auer- ochs und der Urochs, bilden zwei Grenzpunkte innerhalb des Linne’schen Genus Bos, La über welche hinaus weder nach der einen, noch der andern Seite ein wesentlicher dungen der Extremitätengelenke.. Der Auerochs steht mit seiner Wirbelzahl verein- zelt; allein er theilt mit dem Zebu die Abwesenheit ‚eines Canalis vertebralis des Epistropheus (auch .hier..ist__dies Merkmal zwar Regel, allein mit Ausnahmen) , den Besitz getrennter und selbst multipler Nervenöffnungen der Rückenwirbel, das Foramen nutritium im obern Theil des Oberschenkels und der scharf ausgebildeten straffern Gelenkformen der Extremitäten 2). Der Büffel hat neben den Rückenwirbeln von Taurus ein ganz schwaches Foramen nutritium femoris und einen schwachen Canalis vertebralis Epistrophei; der Charakter der Gelenkbildung steht in der Mitte zwischen Urus und Bison. Mit dem Auerochs und dem Urochs ist die Liste von wild lebenden Säugethieren in den Pfahlbauten des Steinalters abgeschlossen. Es ist kaum zu erwarten, dass fer- nere Untersuchungen sie wesentlich vermehren werden; mögen auch kleinere Nager und Insektenfresser vielleicht gelegentlich zum Vorschein kommen, so ändert dies den besonderen Charakter dieser Fauna nicht im Geringsten. Selbst die bestimmte Auffindung des Luchses, von welchem ich schon hier und da Spuren zu bemerken glaubte, würde daran nichts ändern. Sehen wir ab von den Thieren, deren Kleinheit und Aufenthalt über oder unter der Erde sie der Verfolgung durch den Menschen damals noch weit mehr entzog als heute , von den Fledermäusen , Spitzmäusen, Maulwürfen, den eigentlichen Mäusen m 1) Das Verhalten des Ur’s in dieser Beziehung ist mir indess nicht sicher bekannt. | 2) Eine gedrängte Zusammenstellung der osteologischen Eigenthümlichkeiten des Bison giebt Bojanus P. 448. 449. | ai Hifi | N 8 y | ATR nn en nn a f $ {l W IE Fi . E | | 2 110 iR und Haselmäusen, so fehlt uns kein einziger irgend grösserer Repräsentant der heu- tigen Säugethierfauna als zwei alpine Thiere, von welchen das eine, das Murmel- thier, den Pfahlbauern wohl schwerlich zur Kenntniss gekommen ist, und das zweite, der Alpenhase so gut gemieden wurde, wie der in ihrem unmittelbaren Bereich sicher in Menge vertretene gemeine Hase. | Als reichlichen Ersatz für diese kleine Thierwelt finden wir dagegen den Hirsch, den Steinbock und den Biber, von welchem die beiden ersten, leider mit Unrecht, stets noch in der Fauna der Schweiz aufgeführt werden, während der letzte schon seit einem Jahrhundert aus den Grenzen der Schweiz verschwunden ist; noch ansehn- lichern Ersatz bieten einige Thiere, von deren einstiger Anwesenheit in der Schweiz oder ihrer Umgebung entweder gar keine, oder nur sagenhafte Kunde theils durch Ortsnamen, theils durch die ersten Berichte der Römer über das hereynische Gebirge bis auf uns gekommen ist t). Dahin gehören ausser einem kleinen Wildschwein , dessen Hauptcharakter wie ein Erbtheil tertiärer Schweine aussieht, der Damhirsch, das Elenthier und die zwei grössten Thiere, welche unseres Wissens je dem Men- schen auf unserem Continent begegneten, der Urochs und der Auerochs; eines dieser letzten lebte, wie wir oben sahen 2), nicht fern von den Stellen wo wir es so häufig antrafen, in Dürnten, im Rheinthal etc. gleichzeitig mit den heute tropischen Ge- schöpfen, welche, wie schon Cäsar fühlte, unter allen Säugethieren einzig ihm an Rie- sengrösse den Rang streitig machen konnten, mit dem Elephant und Nashorn 3). Schon lange vor Cäsar’s Zeiten trennten 30—40 Breitengrade den Wohnort des Elephanten von dem des Ur’s (magnitudine paulo infra elephantos). Herodot, der erste Grieche, der nicht nur das Elfenbein, sondern auch den Elephant kennt, nennt als dessen Heimat Libyen *); aus Aethiopien bezogen die Römer, von Pompejus an, die 1) Siehe die historischen Zusammenstellungen über das Erlöschen dieser Thiere in den „Untersuch,“ p. 35—40. Zu den dort citirten Lokalnamen, die dem Wisent ihren Namen verdanken, gehört auch wohl Wiesent, ein Dorf bei Muggendorf in Bayern, ?) Siehe oben p. 71. 3) In Dürnten Elephas antiquus Falc. und Rhinoceros leptorhinus Cuv.; im Rheinthal Elephas. primi- genius Bl. und Rhinoceros tichorhinus Cuv. ^) Plinii Hist. nat. VIII, Ausg. v. Ajasson de Grandsagne. 1827. p. 329 u. f. Blainville , Osteo- graphie des Eléphants, Paléontologie. = AH Rhinoceros für ihren Circus 1). Die verticale Distanz zwischen der Schieferkohle Dürntens und den diluvialen Kiesbetten des Rheinthales einerseits, wo Elephant, Nashorn und Urochs zusammenliegen, und dem Torfmoore von Robenhausen, zwei Stunden nördlich von Dürnten andererseits, ist ausserordentlich gering; sie be- trägt etwa 30 Fuss, die Mächtigkeit der Kies- und Sandschichten, welche über der Dürtnerkohle liegen 2); und dennoch entspricht sie der wahrscheinlich schon lange vor Cäsar abgeschlossenen Periode, in welcher die beiden Dickhäuter auf dem gan- zen horizontalen Raum von Dürnten und Robenhausen bis an die Quellen des Nils allmälig verschwanden. Wir müssen annehmen, dass in demselben Zeitraum der Ur- ochs innerhalb desselben geographischen Raumes erlosch; denn seine Reste liegen im Diluvium von ganz Südeuropa bis an die Nordküste von Afrika zerstreut 3), wäh- rend die früheste historische Kunde ihn einen Bewohner des hereynischen Waldes nennt. ~ Nach unsern jetzigen Kenntnissen über die Factoren der geographischen Ver- breitung der Thiere können wir uns für eine so bedeutende Trennung von Thieren, welche einst denselben Raum gemeinschaftlich bewohnten, keine anderen Ursachen als klimatische Veränderungen denken, und seit der Zeit, wo der Mensch solchen Veränderungen seine Aufmerksamkeit zu schenken begann, besteht ihr wesentlichster Charakter in ihrer ausserordentlichen Langsamkeit. Die Periode, welche innen liegt zwischen der Ablagerung der Schieferkohle von Dürnten und der Bildung des Torfes, welcher die Ueberreste des Pfahldorfes Robenhausen deckt und wohl zumeist ihre vortreffliche Erhaltung ermöglichte, erhält hierdurch eine nicht geringe Bedeutung; ihre grosse Dauer hat eine um so grössere Tragweite, wenn die fast von Tag zu Tag sich mehrenden Spuren der Gleichzeitigkeit des Menschen mit dem diluvialen Elephanten das Zusammenleben dieser beiden Geschöpfe innerhalb Europas wirklich herausstellen sollten. Es ist zu hoffen, dass die antiquarischen Untersuchungen in nicht ferner Zeit einiges Licht werfen werden über die Distanz, welche die Berichte Cäsar’s von Urochsen im hereynischen Wald abtrennen von den Jagdscenen, die uns die Menge von Knochen dieses Thieres in Robenhausen vorführen; allein gesetzt‘ Sagen! 1) Agatharchides 180 a. Chr. erwähnt zuerst das afrikanische Nashorn. Das indische, welches nie- mals nach Rom kam, beschreibt Strabo XYI. S. Grandsagne, Plinius I. p. 395. und Blainville, Osteographie, Rhinocéros , Paléontologie. 2) Siehe über die Verhältnisse von Dürnten die schöne Schrift von O. Heer, die Schieferkohlen von Utznach und Dürnten. Zürich 1858. 3) Untersuchungen p. 40. — 12 — auch, dass diese Periode grösser ausfallen sollte, als bisher vermuthet werden durfte, so wird sie voraussichtlich doch immerhin zu klein ausfallen, als dass sie als Maass- stab dienen könnte zur Berechnung der Periode, in welcher der Mensch in Europa mit dem Elephanten zusammenlebte. Wir wissen, dass in den untern Schichten jener Geröllmasse, die mit 30 Fuss Mächtigkeit die Dürntnerkohle deckt, Reste einer Elephantenart liegen, welche von der in der Kohle vertretenen verschieden ist und bisher nicht in demselben Horizont mit ihr gefunden worden ist t). Weiter nach oben besteht das Geröll aus Gletscher- schutt, worin die Reste zweier noch lebender Thiere liegen, wovon indess das eine sich seither in die polaren Höhen der Alpen, das andere in die entsprechenden Brei- ten-Isothermen, um 20 — 25 Breitengrade weiter nach Norden zurückgezogen hat, das Murmelthier und das Rennthier 2). | Auf einem Raum von wenigen Stunden Umfang, innerhalb der vertikalen Höhe von 30 Fuss treffen wir somit erst den Urochs in Begleit des Elephas antiquus, in der Kohle von Dürnten, später den Urochs mit dem Mammuth in dem Diluvium des Rheinthales, später das Rennthier und das Murmelthier; noch höher liegt der Torf von Robenhausen, wo der Urochs von Neuem, allein diesmal im Begleit vom Wisent und vom Elenthier in grosser Menge auftritt und zwar unter der schon jetzt ihm‘ schweren Hand des Menschen. Das Dorf Wisanteswangen (Wiesendangen), wenige Stunden von Robenhausen „ würde dies andeuten, auch ohne die reichen Ueberreste am letztern Orte. Cäsar traf noch Ur und Elen im hereynischen Waldgebiet. Die Gesellschaft von Robenhausen, „der Wisent, der Elch und der starke Ur,“ erschei- nen mit einem in den Pfahlbauten bisher vermissten Thiere, „dem grimmen Schelch“, zuletzt in der berühmten Schilderung der Jagd zu Worms aus dem zwölften Jahr- hundert. Zwei Gefährten des starken Ur’s sind in den sieben seitdem verflossenen Jahrhunderten um vieles nach Norden zurückgewichen, allein nicht etwa in Folge klimatischer Veränderungen. Nur solche konnten aber auf dieselbe Stelle, in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Perioden, zwei Thiere führen, die heutzutage durch einen halben Erdmeridian von einander getrennt sind, den Elephant und das Rennthier. 1) Falconer, Quarterly Journal of the Geol. Soc. November 1857. 2) S. oben p. 23. Anmerkung 2. Ueber das Rennthier von Benken im Kant. Zürich. H.v. Meyer, N. Jahrb. f. Mineral. 1860. p. 427. ale me Es wäre überflüssig, die Liste der wilden Thiere der Pfahlbauten mit gleicher Ausführlichkeit wie es bei den Säugethieren geschah, bis zu den Fischen fortzufüh- ren. Ich begnüge mich daher mit der Aufzählung derselben. Fast alles, was zu der in p. 32 der „Untersuchungen“ gegebenen Tabelle hinzugekommen ist, hat Roben- hausen durch den unermüdlichen Fleiss Herrn Messikomer’s geliefert; allein diese Zu- thaten sind der Art, dass sie auch für andere Lokalitäten erwartet werden dürfen. Obschon die Bestimmung von Bruchstücken von Vogel- und Fischknochen weit miss- licher ist, als diejenige von Säugethieren, so kann ich doch folgende Thierarten als . Die Schneegans, Anser segetum Meyer. Robenhausen. einstige Jagdbeute der Pfahlbauern des Steinalters aufführen: Vögel. . Der Steinadler, Aquila fulva Meyer. Nicht seltene Knochenstücke in Ro- benhausen. | Der Flussadler, Aquila halietus Meyer? Ein Os coracoideum aus Moos- Seedorf, verschieden von demjenigen des Steinadlers, glaube ich dem Fluss- adler zuschreiben zu müssen. Der Milan, Falco Milvus L. in Robenhausen. Der Taubenhabicht, Falco palumbarius Gmel. Moosseedorfund Wauwyl. Der Sperber, Falco Nisus Gmel. Moosseedorf. Der Nachtkauz, Strix Aluco L. Coneise. Der Staar, Sturnus vulgaris L. Robenhausen. | Die Wasseramsel, Cinclus aquaticus Bechst. Robenhausen. Die wilde Taube, Columba Palumbus L. Moosse edorf und Robenhausen. Das Haselhuhn, Tetrao Bonasia L. Robenhausen. . Der graue Reiher, Ardea cinerea Lath., häufig in Moosseedorf und Ro- benhausen. 2. Der weisse Storch, Ciconia alba Bell. In Moosseedorf und Robenhau- Sen nicht selten. . Das schwarze Wasserhuhn, Fulica atra L. In Robenhausen ziemlich häufig. . Eine einstweilen nicht näher bestimmbare Möwe, Larus, in Robenhausen. . Der wilde Schwan, Cygnus musicus Bechst., mehrere Knochenstücke in Ro- benhausen. í = H = . Die Wild-Ente, Anas Boschas L- Moosseedorf, Wauwyl, Roben- hausen, Concise; der häufigste Vogel aus den Pfahlbauten. . Eine kleinere, wahrscheinlich die Knäck-Ente, Anas querquedula L. Moos- seedorf und Robenhausen. Reptilien. . Die europäische Süsswasserschildkröte, Cistudo europæa Dum. Ein halbes Bauchschild in Moosseedorf 1). | . Der grüne Frosch, Rana esculenta L., häufig in Moosseedorf, Wau- wyl, Robenhausen. . Der braune Frosch, Rana temporaria L. Robenhausen. Fische . Der Flussbarsch, Perca fluviatilis L. Robenhausen. . Der Karpfen, Cyprinus Carpio L. Moosseedorf, Robenhausen. . Der Alet. . Der Häsel. Mehrere Arten von Squalius, in Moosseedorf und Roben- hausen, die am ehesten diesen beiden Arten (Dobula und rodens) angehören werden. | . Der Röthel, Scardinius erythrophthalmus Heck. Robenhausen. . Die Nase, Chondrostoma Nasus Agass. Robenhausen. . Die Trüsche, Lota vulgaris Cuv. Robenhausen. . Der Hecht, Esox lucius L. Häufig in Moosseedorf, Wauwyl, Roben- hausen, Steinberg, Concise; schon seiner Grösse halber am häufigsten in den Pfahlbauknochen erhalten. 9. Der Lachs, Salmo Salar L. Moosseedorf, Robenhausen. Es versteht sich, dass das Verzeichniss der Fische ordentlich vermehrt werden könnte, wenn es möglich wäre Fischknochen und Fischschuppen, von welchen letz- tern mir zwar von Herrn Messikomer ganze Sendungen eingingen, bei Cyprinoiden nach den Species zu unterscheiden. Die Schlundzähne, das beste Hülfsmittel, waren nur sehr selten zu finden. 1) In neuester Zeit wurde dieses nur von Zeit zu Zeit auftauchende Thier (s. Untersuchungen p. 45) wieder gesehen in den Sümpfen von Vouvry am linken Rhone - Ufer in Unterwallis. Berner -Bote vom 13. Oktober 1860. Te — 15 — Das Bild, welches die Aufzählung dieser oviparen Thierwelt uns von dem Zu- Stand unserer Fauna in jener alten Zeit vorführt, stimmt in vollkommenster Weise mit demjenigen überein, das die Liste der Säugethiere uns darbot; es weicht selbst nicht ab von dem Bild, das wir heutzutage noch an abgelegenen, von Wald umge- benen Morästen und kleinen Seen antreffen. Wilde Enten, Reiher und Wasserhuhn sind noch heute die vornehmsten Bewohner solcher Stellen. Dass neben den noch jetzt so gemeinen kleinern Tag- und Nacht-Raubvögeln zwei Adler erscheinen, hat durchaus nichts Ueberraschendes, ‘da beide noch das Gebiet von den Alpen bis zum Jura beherrschen. Von Interesse ist die Anwesenheit des wilden Schwanes in Ro- benhausen ; da die grossen Knochen dieses Thieres sich so gut gebrochen fanden, als viel zerbrechlichere kleinerer Vögel, so können wir wohl schliessen, dass die Thiere, welchen sie angehörten, daselbst erlegt und verzehrt wurden; es liegt hierin ein sicherer Beleg, dass die Pfahlbauten auch in kalten Wintern nicht verlassen wurden, obschon das Zufrieren der Seen die Bewohner nicht nur einer wichtigen Ernährungsquelle, sondern auch des Schutzes beraubte, den die Isolirung ihrer Dörfer ihnen darbot. Der Schwan erscheint nur in sehr kalten Wintern auf unsern Seen, meistens in den Monaten Dezember und Januar !). FIR 1) Schinz, Fauna helvetica p. 124. Neue Denkschr. der schweiz. naturf. Gesellsch. I. 1827. nme. bi _ teen ge anean, m - Zweite Abtheilung. Hausthiere. 1. Der Hund. Ohne diesem treuesten aller Thiere, das von allen allein seit frühester Zeit nicht nur das Obdach, sondern auch den Tisch seines Herrn getheilt zu haben scheint, irgend zu nahe zu treten, kann man wohl sagen, dass der Hund noch heutzutage bei allen Völkern als Luxusthier zu betrachten ist, welche ihn nicht als Zugthier oder Lastthier verwerthen; es ist daher nicht auffallend, dass wir den Haushund in den Pfahlbauten nur sehr spärlich antreffen und ihn oben p. 11 in der prozentischen Ver- tretung der grössern Thiere des Steinalters unter seinen. wilden Verwandten, den Fuchs , stellen mussten. Obschon anfänglich im Steinalter lange vermisst, fand er sich doch allmälig in jedem Pfahlbau dieser Periode vor, allein nirgends in grosser‘ Menge. Moosseedorf enthielt nur zwei Schädelstücke vom Hund. Etwas reich- licher fand er sich, allein überall in demselben Verhältniss zum Fuchs und den an- dern Thieren, in Wauwyl, Meilen, Robenhausen, Concise etc. und zwar in Resten von meist sehr schöner Erhaltung ; von keinem Thiere waren fast ‚ unverletzte Schädel häufiger als von diesem; auch die übrigen Theile des Skeletes fanden sich hier ungleich häufiger unverletzt als beim Fuchs. Es war dieser Umstand in zwei Beziehungen erwünscht und lehrreich. Erstlich erhellt daraus von vornherein, was auch durch die folgende Vergleichung des Pfahl- hundes mit heutigen Racen hervorgeht, dass der Hund wesentlich zur Jagd und viel- leicht zum Hüten der kleinen Viehheerden benutzt wurde und durchaus nicht als Nah- rungsthier betrachtet werden darf. Einige Schädel zeigen zwar auf das deutlichste, dass auch hier wie an andern Thieren der mehrerwähnte Kunsieriff der Eröffnung der Schädelhöhle durch Wegnehmen der Schläfenschuppe zur Gewinnung des Gehirns angewendet wurde; allein dass dies nur in Nothfällen oder bei Thieren geschah, die zu anderm Gebrauch untauglich geworden, geht des Bestimmtesten nicht nur aus der Seltenheit verletzter Hundeknochen, sondern namentlich aus dem Umstand hervor, = 17 = dass fast alle Hundeschädel, die mir bisher aus den Pfahlbauten zukamen, vollkommen erwachsenen und meistens sogar alten Thieren angehörten. Weit seltener waren ganz junge Thiere und Embryos; Mittelstufen fanden sich kaum vor. Dass an diesen Schädeln hier und da Spuren von Verletzungen während des Lebens, eingeschlagene Nasenbeine und dergleichen vorkommen, dürfen wir den Pfahlbauern gewiss nicht übelnehmen, so wenig als dass sie, wie die Eskimo’s, ab- gehende Thiere noch benutzten , bevor der Balg allein noch verwerthbar blieb. Im- merhin ist es sehr wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass der Fuchs weit häufiger unter die Zähne der Pfahlbauern kam als der Haushund. Noch werthvoller war indess die treffliche Erhal- tung der Ueberreste des Haushundes zur Kenntniss sei- ner äussern Eigenschaften und seiner Beziehungen zu heutigen Racen. Ohne Zweifel haben wir im Hunde des Steinalters die ältesten Spuren vor uns, die: bisher von diesem Hausthiere zugänglich - geworden, und die schwierige Frage nach seinen Beziehungen zu wilden Arten des Hundegeschlechtes konnte aus diesen Resten viel Licht erwarten. | Das wichtigste, und in der That ein überraschen- des Resultat, welches die Vergleichung der Hunde- schädel und Hundeknochen aus Moosseedorf, Wauwyl, Robenhausen, Wangen, Meilen, Concise, Steinberg, ‚Steinalter angehören oder doch bis in’s Steinalter hin- aufreichen, herausgestellt hat und welches bis jetzt nicht die geringste Ausnahme erlitten hat, besteht in Haushund des Steinalters. . Halbe Grösse. der Thatsache, dass im Steinalter der Schweiz eine einzige und bis auf die kleinsten. Details konstante Race von Haushund existirt. Den Schädel stellen die zwei beigefügten Holzschnitte genau in halber Grösse dar. Eine Reihe von sehr sorefältigen Messungen, welche Herr Dr. C. Aebi in Basel an sämmitlichen aus den Pfahlbauten gesammelten Schädeln im Vergleich zu unserer aus etwa 30 Stück bestehenden Sammlung von Hundeschädeln verschiedener recenter Racen vorzunehmen die Güte hatte, ergab nicht nur die POS Ueber- Inkwyl, also aus sämmtlichen Lokalitäten, welche dem . einstiimmung aller Exemplare des Pfahlhundes unter sich, namentlich in den Proportionen von Gehirnschä- del und Gesichtsschädel und der re- lativen Ausdehnung des Gehirns, son- dern gestattete auch, die in den „Un- tersuchungen“ gestellte Parallele zu heutigen Racen bis in den Detail zu bestätigen. Ich kann mich hier indessen mit Angabe einiger äusserlich messbaren Dimen- sionen dieser Schädel begnügen. Schädellänge vom vordern Rand des For. magn. bis zu den In- eisiv-Alveolen, © oudiQ r urda weil. 130—150 Von dem Hinterhauptskamm zum hintern Ende der Nasenbeine . 83—92 Länge vom For. magn. bis Hinterrand des harten Gaumens . . 57—64 Länge des: harien Gaumens an own oain are 28085 Länge der Nasenbeine in der Mittellinie . . : 2 2 2. 202.0.2..47—58 Grösste Breite zwischen den Jochbogen. . . 2.2 2.2.2....92—-97 yinin my aim Alveolarrand»des' Oberkiefers . . . 2... 51-59 į „ zwischen den Proc. orbit. des Stirnbeines . . . 41-47 Schädelhöhe vom vordern Keilbein zur Pfeilnaht . . . . . . 44—49 Unterkieferlänge vom Winkel bis Ineisivrand . . . . . . . 110—120 Die äussern Charakteren dieser Schädel, welche einen Hund von mittlerer Grösse Haushund des Steinalters. — Halbe Grösse. EN gun ve. ‚ andeuten, bestehen in dem leichten , eleganten Bau derselben, der geräumigen, schön gerundeten Schädelkapsel, den grossen Augenhöhlen, der ziemlichen Kürze der mässig zugespitzien Schnauze, dem nur mässig starken Gebiss und besonders in der Abwesenheit aller starken Knochen- und Muskelkanten, wodurch namentlich das ge- fällige gracile Gepräge dieser Schädel bewirkt wird. Die Jochbogen sind nur mässig gewölbt und schwach, der Hinterhaupikamm ist schwach ausgeprägt, die Schläfen- gruben stossen auf der Mittellinie des Schädels gar nicht oder zu einem schwachen | Sagittalkamm zusammen, die Orbitalforisätze des Stirnbeins sind schwach ausgebildet und schön abgerundet. Der Unterkiefer entspricht durch Schlankheit und geringe Höhe dem Gepräge des Schädels; die Zähne stehen in regelmässiger Reihe hinter- einander. ee = MI - Unter unsern heutigen Hunderacen finden wir diese Charakteren am treuesten wieder beim Jagdhund und beim Wachtelhund, und ich füge gleich bei, dass auch die Grösse nicht nur des Schädels, sondern auch der Extremitäten-Knochen, sowie ihr allgemeiner Typus in Bezug auf Kräftigkeit, grössere oder geringere Schlankheit, Ausbildung der Muskelinsertionen etc., den Haushund des Steinalters mit unserem Wachtelhund zusammenstellen. Das gleiche Ergebniss hatten die Messungen des Herrn Dr. Aebi, welche auf die Vergleichung der prozentischen Werthe einer grossen Auswahl vertikaler und horizontaler Durchschnitte ausgingen. In den Querdurch- Schnitten stimmte der Pfahlhund mit dem Wachtelhund überein, der in dieser Bezie- hung den etwas gestrecktern Schädel des Jaedhundes übertrifft. In Bezug auf die äussern Umrisse, sowie auf die vertikalen und longitudinalen Dimensionen standen / die Schädel aus den Pfahlbauten auf der Seite des Jagdhundes. Zur genauern Andeutung der Grösse dieses Hundes mögen noch folgende Mes- Sungen an den langen Extremitätenknochen ganz ausgewachsener Thiere dienen: Oberarm, volle Länge . . . . 121—144 Speichen. men 1222128 Oberschenkel - . » 2... 127—144 Schienben reyi : 298 ! 144 Obschon ich mich durchaus zu dem aficio Geständniss A. Wagner’s be- kenne, dass die Bestimmung von Hunde-Arten bis jetzt ein unsicheres Herumtappen im" = Nebel. sei 1), so mag doch das Resultat, dass der Jagd- und Wachtelhund, ;“ vom Wolf und Schakal gleichweit entfernt, die älteste Form des Haushundes darstellen, die bis jetzt zu unserer Kenntniss gekommen, wenigstens einen kleinen Fortschritt in die so schwierige Frage nach den wilden Stammeltern dieses Hausthieres bringen. 9. Das Schwein. Ich beschränke mich hier vorderhand auf die Aufsuchung des Hausschweines in dem Steinalter; seine Verfolgung durch spätere Perioden bis auf die Gegenwart wird Gegenstand eines ferneren. Abschnittes sein. | Es sind oben einlässlich die Motive angegeben worden, welche mich nöthigen, das Torfschwein als wildes Thier neben dem gewöhnlichen Wildschwein zu bezeich- sowie die Anhaltspunkte, welche überhaupt dienen können, an Fossilien zu nen, Be nen RE 1) Schreber’s Säugethiere II. 1841. p. 369. — 120 — erkennen, ob sie wilden oder zahmen Thieren angehörten. Auf diesen Anhaltspunkten beruht auch allein die Möglichkeit, auf paläontologischem Wege die Geschichte un- serer Hausthiere zu verfolgen. Unter den Pfahlbauten, welche mit Bestimmiheit als dem Akeihälien ausschliess- lich angehörig betrachtet werden können, bei welchen folglich der Verdacht späterer s Beimischungen am geringsten ist, enthielt Wangen, woher mir freilich keine grosse Knochenmenge zu Gebote stand, keine Spur ir mer eines zahmen Schweines; Wan- gen enthielt überhaupt nur das Torfschwein in reinster Form, ohne das Wildschwein. Auch in der grossen Sammlung von Moosse edorf, welche das Torischwein weit reichlicher enthielt, als das Wildschwein , war ich nicht im Stande, irgendwelche Anzeichen zu finden, dass ein Schwein in Moosseedorf als Hausihier gehalten wor- den sei; einige noch Milchzähne tragende Unterkiefer des Torfschweins, welche die Merkmale von zahmen Thieren an sich zu tragen schienen, konnten hierüber nicht entscheiden, da zu Erkennung wilder oder zahmer Thiere durch ihre Knochen der vollkommen erwachsene Zustand derselben erstes Erforderniss ist. Ich muss daher ‚ annehmen , dass die Bewohner von Moosseedorf kein zahmes Schwein besassen. Andere Ergebnisse, obschon nicht sehr bestimmter Art, lieferten Wauwyl und Robenhausen. W auw yl enthielt ausser einigen jugendlichen und daher nicht spruch- fähigen Unterkiefern des Torfschweins von zahmem Gepräge zwei erwachsene Man- dibelstücke männlicher Thiere mit etwas grösseren Caninen, höherer und längerer Symphyse als beim Torfschwein, allein die Backzähne, obschon dem Typus des Torf- schweins folgend, schwächer und mit mancherlei Charakteren der Zähmung versehen, Fossilien, deren Anblick neben dem gut charakterisirten Torfschwein den Gedanken an eine Kreuzung des letztern mit einer stärker bewaffneten Race aufdrängte. Aehnliche Vermuthungen der Domesticität des Torfschweins erregte eine Anzahl männlicher und weiblicher Unterkiefer aus Robenhausen, freilich mit noch nicht durchgebrochenem hinterstem Backzahn. Sämmtliche Pfahlbauten, welche über das Steinalter in spätere Perioden hinaus- ragen, bestätigten diesen Verdacht; die Zahl von Schweinsresten vom Typus des Torfschweins, allein mit dem Gepräge der Zähmung, nimmt zu in Meilen, Con- cise, Nidau-Steinberg, Zihl, ohne indess an irgend einem dieser Punkte der Vertretung des wilden Bobföolkteeit gleichzukommen. An allen Orten besteht dieses Gepräge der Zähmung in den schon in der ersten Abtheilung dieser Arbeit erwähnten Modifikationen des wilden Typus; vor allem in N N Schwächung. der Backzähne, grösserer. Compression í derselben, bei meistens grösse- rer Länge (mit Ausnahme der meist auffallend kleinen M. 1), geringerer Stärke der Emailschicht, Zunahme der Zwischenwarzen der Molaren und der Kerben und Falten der PRSI Veränderung der Farbe der Zähne von dem für das wilde Thier Charakteristischen Milchgelb in’s Bläuliche, endlich Schwächung des Knochens und Veränderung seiner Oberfläche durch Wegfallen aller Skulptuł und Ersatz des trocke- nen Firnissglanzes beim wilden Thiere durch matten oder Fettglanz beim zahmen. Nicht ohne Bedeutung ist dabei der Umstand, dass kein einziges dieser Torf- Schweingebisse von zahmem Gepräge die hohen Usurgrade zeigt, welche beim wil- den Torfschwein so sehr häufig vorkommen. Es ist schon bemerkt worden, dass häufig an solchen Kiefern M. 3 noch nicht durchgetreten ist; niemals sah ich diesen Zahn an solchen Kiefern weit abgetragen. Ich glaube hieraus den Schluss ziehen zu dürfen, dass in den ältesten Pfahl- bauten das Schwein als Hausthier fehlt, dass es aber in den spätern Perioden des Steinalters als Hausthier auftritt und zwar in immer steigender Menge, obschon es in keiner der genannten Lokalitäten den beiden Wildschweinen das Gleichgewicht zu halten vermag. Wichtiger als das Faktum der Zähmung ist indess das Ergebniss, dass in jener Periode die Torfrace und nicht das gewöhnliche Wildschwein/ge- zähmt wurde. Ich finde in allen den genannten vorher rschend dem Steinalter ange- hörigen Pfahlbauten nur ganz wenige Spuren eines weit grössern Hausschweines, das offenbar, wie das in der Schweiz heute allgemein gehaltene, auf das gewöhn- liche Wildschwein reduzirt werden muss, und sich von diesem durch dieselben Modifikationen unterscheidet wie das zahme Torfschwein vom wilden; Reste solchen Hausschweines, das mit dem heute allgemein gepflegten vollkommen übereinstimmt, fand ich nur in einem sehr schönen Unterkiefer von ganz altem Gepräge in Con- cise und in der historisch weit weniger begrenzten Sammlung von Herrn Gilliéron aus der Zihi bei Neuvewville. Obschon Grössenverhältnisse bei Hausthieren offenbar von weit geringerem Werth Sind als bei wilden T hieren, und namentlich durch noch so genaue Messungen über den zahmen oder wilden Zustand von Thieren niemals ein irgendwelcher Aufschluss erwartet werden darf, so gebe ich doch zur Vergleichung mit den oben angegebenen Grenzwerthen für wildes Wildschwein und wildes Torfschwein die bis jetzt erhalte- hen Werthe über die zahmen Formen beider Racen , und zwar in der Reihenfolge der obigen Tabellen von p. 36. 37. 38. Mit A. bezeichne ich die zahme Form des 15 nn = u: Torfschweins aus Robenhausen, Meilen, Concise, Steinberg, Zihl , mit B. die zahme Form des Wildschweins aus Coneise und Zihl. Alle Angaben beziehen sich auf weib- liche Kiefer, da männliche fast ganz fehlten. A. B. Unterkiefer. Länge der 3 Molaren . . . . 2... 68—76 69—80 Letzte Mol., Länge . . > 2 2.2.0.0 8288 34—42 Länge der 3 letzten Prämolaren . . . 36—39 40—44 „ der ganzen Backzahnreihe ohne P.1 — 124-127 BE TON WiPe a ie ie 12—74 3. Das Pferd. Es ist auffallend, dass Knochen des Pferdes zwar in allen Pfahlbauten vorzu- kommen scheinen, allein allerorts so selten, dass man glauben sollte, es seien die- selben nur zufällig hinzugekommen. So hat Moosseedorf nur noch einen ein- zigen solchen Knochen geliefert, allein einen künstlich bearbeiteten, einen Metatar- sus, der auf der Vorderseite ganz glatt abgeschliffen und glänzend polirt, an beiden Enden absichtlich rauh gemacht ist; aus Wangen sah ich einen einzigen Zahn. In’ den sämmtlichen Sendungen Herrn Messikomer’s aus Robenhausen, welche zu- sammen eine Knochenmasse von vielen Zentnern Gewicht darstellen, fand sich bis- her ein einziges Stück von Pferdeknochen , ein Os navieulare Tarsi. Da alle diese Sendungen mit dem grössten Detail, Splitter für Splitter durchgegangen worden sind, so gewinnt diese auffallende Seltenheit der Pferdeknochen sehr an Gewicht. Etwas häufiger waren Pferdereste in Wauwyl, wo eine Reihe von Zähnen und einige Knochen, von freilich sehr recentem Aussehen, die Anwesenheit eines sehr grossen Pferdes, eine einzige kleine Nagelphalanx von der Färbung der übrigen Torfknochen die Gegenwärt eines sehr kleinen Pferdes bezeugten; seltener waren Zähne, welche ihrer Grösse nach einem grossen Esel zugeschrieben werden müss- ten; doch wage ich nicht, auf zwei Schneidezähne (Ineis. sup. 2. 3.) die Behauptung. der Vertretung des Esels im Steinalter zu stützen. Meilen enthielt einen Unterkiefer eines grossen Pferdes mit auffallend hohem horizontalen Ast; auch in Concise waren Pferdereste noch spärlich vertreten. Sie nehmen dagegen rasch zu in allen spätern Pfahlbauten. Die Sammlungen des Herrn Oberst Schw ab aus den wesi- lichen Seen enthielten das Pferd in Menge. In dem kleinen Knochenvorrath, den — W = ich aus Mor ges und andern jüngern Pfahlbauten zur Verfügung hatte, fehlte es auch nicht. il Pferdeknochen sind demnach in den Pfahlbauten des Steinalters weit seltener als Ueberreste des Menschen , und da nicht zu denken ist, dass das Pferd mit dem Men- schen ausserhalb der Pfahlbauten begraben wurde, so ist als Resultat festzuhalten , dass das Pferd den Bewohnern der ältern Pfahlbauten des Steinalters wirklich fehlte und auch in den spätern Ansiedlungen derselben Periode nur, äusserst spärlich vor- handen war; so sehr, dass die Vermuthung mir nahe zu liegen scheint, dass auch das Wenige, was sich an Pferderesten in Robenhausen, Wauwyl etc. vorfand, von aussen her, vielleicht als Beute in den Bereich der Pfahlbauten gelangt sein mochte; Lebensart und Sitten der Pfahlbauern scheinen überhaupt mit Pferdezucht kaum ver- träglich zu sein. | Es ist fast überflüssig, beizufügen, dass Alles, was vom Pferd sich vorfand, mit unserem heutigen Hausthier übereinstimmte und sich bestimmt von den fossilen Pferdearten unterschied !). TEASER ER 1) Seitdem durch Kaup die (miocenen) Hippotherien (= Eq. Caballas primigenius H. v. Meyer obere Molaren Fig. 24—27), darch Owen Equus plicidens von den fossilen Pferden als besondere Formen ab- Setrennt worden, bleibt als diluviales Pferd in Europa nur noch Equus fo igen Pferde nur durch relative Merkmale zu unter- ssilis oder angustidens (= Eq. Asinus primigenius H. v. Meyer), das von dem heut Scheiden ist, durch schmälere und längere Form der mittlern Backzähne namentlich des Unterkiefers und durch eine etwas verschiedene Schmelzzeichnung, auf welche ich hier aufmerksam mache, da ich sie nir- sends erwähnt finde. Bei Equus fossilis oder angustidens, welcher letztere Name wohl als sehr passend ZU restauriren wäre, ist sowohl an Milch- als an Ersatzzähnen des Oberkiefers der accessorische Schmelz- p: . cylinder oder an der Krone die accessorische Schmelzbucht an d ch der Innenseite des Zahnes auslaufenden Schmelz- . 9 und 19 in der Abhandlung von H. er Innenseite kürzer als am recenten Pferd. An den untern Backzähnen sind die beiden na Schlingen mit ihrem Ende wieder nach aussen zurückgebogen (Fig Y. Meyer stellen dies gut dar), während sie beim recenten Pferd nach dem Innenrand gerichtet sind und selbst über denselben vorragen. Die Schmelzlinien sind überdies an obern und untern Backzähnen beim fossilen Pferd einfacher, weniger gefaltet als beim recenten. Ueber die Fundorte des fossilen Pferdes siehe die Litteratur , besonders Cuvier, Oss. foss. II. p. 111. H. v. Meyer, Verh. d. Leop.-Carol.-Acad. 4833. VIIL 2..p. 427. Tab. XXX. und XXXI., sowie Paläon- tologica p. 80. Owen, Brit. foss. Mamm. p. 383, ete. Unter den sehr vielen Pferdezähnen aus Flussbetten der Schweiz, zu Gesicht bekam, waren solche von Equus angustidens sehr selten. die ich aus verschiedenen Museen Einen grossen Vorrath von Zähnen und Knochen dieses aus vulkanischem Tuff von Coupet bei Puy, Haute-Loire, Die untern Backzähne zeigen den oben ge- i > fossilen Pferdes besitzt das Basler Museum — 14 — 4, Die Ziege. So sehr auch Ziege und Schaf durch äussere Merkmale, wie Behaarung , Hörner etc. von einander abweichen, so schwer ist es bekanntlich, Gebisse und Skeletstücke derselben von einander zu unterscheiden. Am Schädel leitet in dieser Beziehung vor allem die Stellung der Hornzapfen, nicht aber ihre Form und Richtung , welche bei gewissen Schafracen sich vollkommen wie bei der Ziege verhalten können; die Horn- zapfen divergiren beim Schaf nach hinten sehr bedeutend von der Mittellinie des- Schädels, während sie bei der Ziege mit ihrem grössten Durchmesser dieser Linie nahezu parallel sind. | Weitere Unterscheidungsmittel bieten am Schädel das Thränenbein, die Nasen- beine, die Ausdehnung der Zwischenkiefer 1) und das Foramen infraorbitale, welches letztere bei der Ziege eine spaltförmige Oeffnung in einer unregelmässigen grubigen Vertiefung des Oberkiefers bildet, während es beim Schaf regelmässig und scharf umgrenzt und ziemlich weit offen ist. | Auch das Gebiss bietet bei genauer Untersuchung Anhaltspunkte zur Unterschei- dung von Schaf und Ziege, obschon man sich bisher allgemein damit begnügte, die Bezahnung bei beiden Thieren identisch zu nennen. Die Schneidezähne der Ziege besitzen längere Wurzeln als beim Schaf, und ihre Krone bildet eine Palette, deren Form je nach der Usur sehr verschieden sein kann, deren Richtung indess in allen Fällen nur wenig von der Richtung der Wur- nannten Charakter von Equus angustidens in sehr auffallendem Maasse, wie beiliegende Vergleichungen mit einem sehr grossen recenten Pferd belegen. Angustidens. Caballus. m NL iii aoa Präm. 2. lang 35, breit 14. lang 33, breit 16. 31 28 » 16 28 15 25 13 j Doz polibh 3. 30 P ` Eine Anzahl von Knochen von ebendaher liess überdies erkennen , dass das fossile Pferd aus der Au- vergne mit relativ schwerem Kopf und kurzem Hals schlanke , hohe Extremitäten und kleine Hufen verband, Eigenthümlichkeiten, wodurch es sich dem Esel annähern musste. 1) Vergl. Bojanus, Nova Acta Acad. Nat. Cur. IV. 1. 1824. p. 294. Owen, Brit, foss. Mamm. p. 489. Blasius, Säugethiere Deutschlands 1857. p. 466. 474. zeln nach aussen abweicht. Die Schneidezähne des Schafes stehen auf kürzerer, schlankerer Wurzel als bei der Ziege; die Krone ist daher von der Wurzel weit stärker abgesetzt und bildet eine zierliche, unregelmässig viereckige, mit deutlicher Medianleiste versehene Palette, welche stark von der Axe der Zahnwurzel nach aussen abgebogen ist. Von den Backzähnen erscheinen die untern noch etwas charakteristischer als die obern 1). Die Molaren der Ziege sind in jeder Beziehung schlanker , bei gleicher Länge dünner als bei dem Schaf, dabei schiefer nach vorn geneigt; sie stehen überdiess nicht wie beim Schaf in continuirlicher Reihe, sondern sind etwas coulissenarlig hin- tereinandergestellt, so dass jeder hintere Zahn an seinem vordern Rand und an sei- ner Innenseite von dem Hinterrand des vorhergehenden Zahnes überragt wird. Die Kanten der Aussenwand der Zahneylinder sind bei der Ziege schärfer als beim Schaf und stehen nicht in der Mitte der Zahncylinder, sondern hinter deren Mitte, so dass die Zahneylinder wie verschoben scheinen. An der Kaufläche, welche schiefer nach aussen abfällt als beim Schaf, erreicht der vordere Ansatz (Talon) niemals die volle Zahnbreite , so dass die Zähne nur in ganz hohen Graden der Usur so breit an ein- anderstossen wie beim Schaf, Alles dieses verleiht den Backzähnen der Ziege ein schlankes, bewegliches Ge- präge, welches an das Hirschgebiss erinnert. Beim Schaf ist die ganze Zahnreihe dichter gedrängt. massiver, steiler aufge- richtet, und nähert sich insofern eher dem Gebiss der Kuh. Die einzelnen Zähne sind massiver, bei gleicher Länge dicker und in allen Altersstufen vertikaler gestellt als bei der Ziege. Die äussern Kanten der Schmelzeylinder sind stumpf und liegen in der Mitte der dadurch weit mehr symmetrischen Zahncylinder. Die Kaufläche liegt fast horizontal; endlich findet sich vorn an jedem Backzahn, am stärksten an M. 3, ein Ansatz von der Breite des ganzen Zahns; selbst bei jüngern Usurgraden stossen daher die Zähne, die in einer regelmässigen Reihe, nicht coulissenartig, hintereinander stehen, breit aneinander, was wieder sehr zur Erhöhung des massivern Gepräges des Gebisses beiträgt. Die Prämolaren, sowie de Milchzähne tragen das nämliche Gepräge 1) Ich kenne eine einzige gute Abbildung und überdies nur vom Mandibulargebiss des Schafes, bei Bojanus, Noya Acta Acad. Nat. Cur. IV. 2. 1825. p. 695. Tab. LIX. = y an sich, das an einzelnen Zähnen schwer zu beschreiben ist, allein im ganzen Ge- biss: und bei irgend reichlichem Material schnell sich aufdrängt. Am Milchgebiss ist es natürlich besonders der letzte Milchzahn , der, den Molaren immer am ähnlichsten, am deutlichsten die grössere Schlankheit, schiefe Stellung und Bildung bei der Ziege, die grössere Stärke, massivere, säulenartige Form beim Schaf zur Schau trägt. Auffallend ist endlich beim Schaf, dass die Prämolaren oft plötzlich eine ziemlich geringere Breite besitzen als die Molaren, während dieser Durchmesser bei der Ziege von den Molaren nach den Prämolaren nur allmälig abnimmt. Auch der zahntragende Knochen, die Mandibel bietet einige , freilich weniger sichere Anhaltspunkte. Der horizontale Kieferast ist beim Schaf höher, weniger schlank, der aufsteigende Ast breiter, steiler und unter dem Gelenktheil weniger eingeschnürt als bei der Ziege, wo alles schlanker, hirschähnlicher ist. (Beim Schaf übertrifft die horizontale Distanz von M. 3 bis zum Hinterrand des Ramus ascendens in der Alveolarhöhe die Länge der 3 Molaren; bei der Ziege sind die 3 Backzähne in der Regel länger.) Das Foramen maxillare post. liegt beim Schaf spaltarlig in einer sehr unregelmässigen seichien Aushöhlung des aufsteigenden Kieferastes, und der Suleus mylohyoideus geht vom vordern Rand des Foramen ab. Bei der Ziege liegt die breite trichterförmige Oeffnung des Alveolarkanals im Grund einer gut be- erenzten Vertiefung der Ramus ascendens, und die genannte Gefässfurche geht vom hintern Rand des Foramen maxill. post. ab. Die obere Backzahnreihe nimmt an den eben geschilderten Eigenthüm- lichkeiten der untern Antheil. Die Zähne sind schlanker, schiefer und coulissenartig hintereinandergestellt, mit schief nach aussen absteigender Kaufläche bei der Ziege, massiver, steiler, gedrängter, mit mehr horizontaler Kaufläche beim Schaf. Ueber- dies hat schon Bojanus darauf aufmerksam gemacht 1), dass beim Schaf an den Aussen- flächen der vordern Zahnhälften eine leise Mittelleiste bemerkbar ist, welche bei der Ziege schwächer angedeutet ist oder fehlt. Am deutlichsten finde ich sie an M. 2 und 3 und an P. 1 und 2, am schwächsten an M. 1 und P. 3. Die Verschiedenheit des Foramen suborbitale bei beiden Thieren wurde oben erwähnt. Mit Hülfe dieser Merk welche an recenten Schädeln bei irgend ausreichen- dem Material leicht verificirbar sind, sollen wenigstens erwachsene obere und untere Molaren von Schaf oder Ziege erkannt werden können. 1) Bojanus de Merycotherii dentibus. Nova Acta Acad. Nat. Cur. IV. 1. 1824. — 17 — Am Skelet liefern besonders die Nagelphalangen Unterscheidungsmittel von Ziege und Schaf. Allein auch die Extremitätenknochen lassen sich bei sorgfältiger Ver- gleichung der Gelenkflächen als diesem oder jenem Thiere angehörig erkennen; doch ist dies immerhin eine mühsame Arbeit. Hirschähnliche Gracilität, scharfe Zeichnung der Muskeleindrücke und trockenere Knochensubstanz charakterisirt die Ziege, das Umgekehrte finden wir beim Schaf. Der grosse Unterschied in der Zahl der Schwanz- wirbel kann zu solcher Arbeit leider nicht benutzt werden. Zur Constatirung der Anwesenheit der Ziege im Steinalter war die Anwendung dieser, einen gewissen Ueberblick und Uebung voraussetzenden Hülfsmittel nicht im- mer nöthig 3 indem Ziegenschädel so vollständig, als Schädel essbarer Thiere über- haupt vorkommen, — und was wurde damals nicht geessen? — in Wauwyl und Coneise und besonders nRobenhausen nicht selten, vollständige Unterkiefer allerorts häufig sich fanden. Alle diese Reste wiesen auf ein Thier, das von der in der Schweiz so allgemein verbreiteten gewöhnlichen Race heutiger Ziegen nicht im geringsten abwich und, wie diese, in Grösse nicht sehr viel varirte. Erwachsene Un- terkiefer zeigten eine Länge von 150—160 Mm. vom Angulus bis zum Ineisivrand, eine Zahnreihe von 69 — 72 Mm. Länge. Gewaltige Schädel mit sehr starken, an der Basis zusammenstossenden Hornzapfen fanden sich besonders in Concise, In den ältern Pfahlbauten (Moosseedorf) überwiegt die Ziege das Schaf an - Menge in unverkennbarem Grade, nach den neuern hin (Concise etc.) kehrt sich das Verhältniss um. Es fällt dies insofern auf, als die historischen Nachrichten über unsere Hausthiere das Schaf überall gleichzeitig mit dem ältesten Hausthier, der Kuh, erwähnen, während die Ziege meistens erst viel später genannt wird. Verglichen mit wilden Thieren, übersteigt Ziege und Schaf in Moosseedorf das Reh an Häufig- keit. In Robenhausen, das in jeder Beziehung durch das Uebergewicht wilder Thiere excellirt, ist das Reh entschieden häufiger als die zwei in Rede stehenden Hausthiere. Anderwärts halten sie sich ungefähr das Gleichgewicht. In Meilen und Wangen vermisste ich, ohne Zweifel aus der mehr erwähnten , ganz zufälligen Ur- sache, bisher sowohl Ziege als Schaf. | 5. Das Schaf. Wie die Ziege, ist auch das Schaf im Steinalter ganz allgemein vertreten, in einer Stärke, die soeben besprochen wurde !). Während aber seit jener entlegenen 1) Wir müssen daraus den Schluss ziehen, dass Ziegenfelle (die ja noch heutzulage in gewissen Ge- T = ; . ; E nianna r — —— a men = ne > = en ni een nen = nun man nei = p EN a ne ae Periode wenigstens in der Schweiz die Kultur an der Ziege fast gar nichts geändert hat, bietet das Schaf, das heute allerorts weit mehr in verschiedene Racen zerspal- ten ist als die Ziege, Anlass zu einigen Bemerkungen, welche für die Geschichte der Hausthiere wie für diejenige ihrer Herrn von grossem Interesse sind. Die Hornzapfen des Schafes stehen sehr schief zur Mittellinie des Schädels und lassen zwischen sich einen grössern Zwischenraum als bei der Ziege. Aussen an ihrer Basis wendet sich das Stirnbein fast rechtwinklig ab zur Bildung des sehr vor- stehenden Augenhöhlenrandes (bei der Ziege ist das Dach der Orbita sehr schief ge- neigt). Die Coronalnaht bildet hinter den Hörnern einen stumpf gegen die Hornbasen vorspringenden Winkel, während sie bei der Ziege quer verläuft. Hierzu kommen bei heutigen Schafracen noch sehr konstante Eigenthümlichkeiten in Bezug auf Rich- tung, Form und Textur der Hornzapfen. Die Richtung geht meist so sehr nach aussen, dass die Hornscheiden sich sofort seitlich und nach unten wenden können, was theilweise schon durch die Hornzapfen geschieht, und bei der Ziege niemals vorkommt. Der Durchschnitt des Hornzapfens ist beim Schaf gänzlich unsymmetrisch, mehr oder weniger dreiseitig; die Innenseite ist flach, die Aussenseite schwach ge- wölbt; beide stossen hinten in spitzem Winkel zusammen und bilden an der kleinen Curvatur des Hornzapfens eine scharfe Kante; vorn verbindet sich die innere Seite mit der äussern durch eine deutliche Vorderfläche. Von einer solchen Vorderfläche sehen wir am Hornzapfen der Ziege nichts , son- dern die schwach gewölbte Innenseite stösst mit vorderer scharfer und hinterer stum- pfer Kante an die etwas stärker gewölbte Aussenseite. Das Horn ist also zwei- schneidig und sein Durchschnitt nicht dreieckig, sondern BEN En fast symme- irisch, doch mit etwas convexerer Aussenseile. Der Hornzapfen ist endlich bei dem Schaf in seinem obern Theil von schwam- miger Diploë erfüllt, während die grossen Höhlen des Stirnbeins bei der Ziege sich bis in die Spitze des Hornzapfens fortsetzen. Schafhörner von der bezeichneten Form und Richtung waren in den Pfahlbauten grosse Seltenheiten. Ein Horn derart, mit auffallend stumpfer Spitze, schwacher Biegung nach hinten und fast bis zur Spitze sich gleichbleibender Breite lieferte genden der Schweiz ein so häufiges Kleidungsstück bei schlechter Witterung bilden, dass Reisehandbücher dies als gewöhnlich annehmen) in den ältern Perioden des Pfahlbaues weit häufiger zur Kleidung verwen- det wurden als Schafwolle, über deren Verarbeitung in jener Zeit noch nichts bekannt geworden ist. =. ME. => Wauwyl. Andere Hörner von derselben Stelle, einige Stücke aus Moossee- dorf und vor allem eine ganze Anzahl von sehr schön erhaltenen Schädeln oder Hornzapfen aus Robenhausen und Concise zeigten indess, dass das Schaf des Steinalters fast allgemein ganz andere Hörner besass, die von denjenigen der Ziege nur durch die etwas schiefere und etwas weniger steile Stellung auf dem Schä- del, und durch etwas geringere Zuspitzung, durch Form und Richtung aber nicht verschieden waren. Die Innenseite dieser Hörner ist bald flach, selbst etwas con- cav, bald schwach gewölbt wie bei der Ziege, die Aussenseite etwas stärker ge- wölbt, aber nicht in ein vorderes und äusseres Feld getheilt; das Horn ist überdies zweischneidig, mit {wenigstens an der Basis) scharfer vorderer und stumpfer Hinter- Kante, der ganze Zapfen nur schwach nach hinten und aussen gebogen, alles voll- kommen wie bei der Ziege, und kaum weniger lufthaltig als bei dieser. Man kann daraus mit Sicherheit schliessen, dass auch die Hornscheide zwei- | schneidig und wenig nach aussen gebogen war. Solche Schafe mit Ziegenhörnern x i angeblich norwegischen Ursprungs, kommen nach L ow heutzutage auf den Orkaden und Shetlands-Inseln und auf den hohen Gebirgen von Wales vor '). Wir werden unten in dem Abschnitt über das spätere Schicksal der Hausthiere des Sieinalters darauf zurückkommen. Auch das eyprische_ Schaf, das Blasius abbildet 2), hat Hörner von dem Typus der Ziege. Aus dem Höhlen-Diluvium von Alais beschreibt auch Gervais, leider ohne Abbildung, einen fossilen Hornzapfen vom Schaf (Ovis primeva), das dem soeben beschriebenen ähnlich zu sein scheint 3). Hornlose 'Schafschädel waren in den Pfahlbauten selten. Ich bin nicht im Stande, über das übrige Skelet des Schafes des Steinalters viel _ ferneres beizufügen. Die häufigste Wahrnehmung, die ich an den sehr fragmentären und daher selten messbaren Knochen desselben machte, besteht darin, dass dieses Schaf von sehr kleiner Statur war, wie schon die Schädel zeigten. Eine andere l Eigenthümlichkeit besteht in “der zierlichen Bildung der sehr dünnen, schlanken und dabei ziemlich hohen Extremitäten. (Metacarpus 124 Mm., Metatarsus 142 etc.) imaux domestiques: de l’Europe; Races de la Grande-Bretagne. [j 1) Histoire naturelle agricole des an Moutons. Pl. 1. 2. 2) Säugethiere Deutschlands. p. 473. 3) Zoologie et Paléontologie françaises. P- 76. — 150 — 6 Das Rind. Das Thier, welches seit dem höchsten Alterthum , so viel wir wissen, vom An- fang menschlicher Geschichte an mehr als irgend eine andere Species dazu beige- tragen hat, das Loos seines Herrn zu erleichtern und zu verbessern, nicht zwar durch aktive Annäherung an denselben, wie Hund und Pferd, allein dadurch, dass es ihm mehr als jedes andere Thier im eigentlichsten Sinne des Wortes alles zur Verfügung stellte, was es besass, hat hier allen Anspruch auf einlässliche Be- sprechung. Ist ihm auch die dankbare Verehrung, die ihm in früheren Perioden von vielen alten Völkern zu Theil geworden war, in dieser Form entzogen worden, so sehen doch allerorts Gesetzgebung und Wirthschaftslehre noch heutzutage im Rinde das Geschöpf, welches nach dem Menschen ihren Schutz und ihre Pflege am meisten verdient und am raschesten und reichlichsten belohnt. Diesen Ansprüchen des Rin- des auf unsere Aufmerksamkeit nicht auszuweichen,, mag um so billiger erscheinen, als es sich hier um seine historische Verfolgung in einem Lande handelt, dessen ei- gene Geschichte seit alter Zeit mit derjenigen dieses Hausthiers eng verknüpft ist, seit alter Zeit sowohl zum Spott als zum Neide anderer Länder. Es ist zwar, wie wohl bekannt , eine paläontologische Untersuchung des Genus Bos, sobald sie in den Detail von Species und Race einzugehen sucht, mit mehr als gewöhnlichen Schwie- rigkeiten verbunden; allein auch hier hat das Rind, wie es immer that, mehr als je- des andere Hausthier sorgfältige Pflege belohnt. Ueber die Beschaffenheit und das Vorkommen der Knochen des Rindes in den Pfahlbauten ist das Nöthige theils in der Einleitung, theils bei Besprechung des Ur- ochsen gesagt worden. Dass es in sämmtlichen Pfahlbauten unbedingt das häufigste Hausthier war, und alle andern an Vertretung um mindestens das Doppelte übertraf (siehe oben p. 11), durfte nicht überraschen; unerwarteter und lehrreicher war da- gegen die Wahrnehmung, dass es selbst in der Periode des Steinalters ebenso all- gemein, wenn auch nicht in so hohem Grade an Vertretung übertroffen wurde durch den Edelhirsch und das Wildschwein. Die Beobachtung, dass die Knochen der Kuh in Struktur und Textur unverkenn- barer als diejenigen jedes andern Hausthieres die Erfolge einer schon lange fortgesetz- ten Zähmung an sich trugen, in einer Weise, welche bei Confrontirung mit den Re- sten ihres wilden Verwandten, des Ur, allein weit mehr bei Vergleichung mit Bison- Resten zu Tage trat, entspricht auch gänzlich der Kunde, welche wir von dem =x BL — hohen Alter der Viehzucht bei allen Völkern der alten Welt besitzen. Nicht uner- warteter konnte der Umstand sein, dass die Knochen der Kuh, obschon ihrer Weich- heit und lockeren Textur halber zu Geräthen ganz unbrauchbar, mehr als diejenigen aller andern Thiere nur zerstückelt vorgefunden wurden; werden doch die Ueberreste der Kuh, welche aus unsern Küchen abfallen, für spätere Untersuchungen ein noch mehr fragmentares Material liefern. Ganze Schädel erwarten zu wollen, musste von vornherein utopisch erscheinen; Unterkiefer ‚' Hornzapfen, Wirbel und kleine Fuss- knochen waren die einzigen Theile des Skeletes, welche leidlich erhalten waren. Glücklicherweise fand sich indess auch ein diagnostisch wichtig gewordener Kopf- theil, Stirn und Hinterhaupt mit den Hornzapfen häufig in genügsamer Vollständigkeit vor; ein Beweis, dass die Thiere damals auf andere Weise getödtet wurden, als dies heute häufig geschieht. Die Unterkiefer wurden ebenso behandelt, wie dies beim Schwein und anderwärts erwähnt wurde. Es scheint mir daher passend, das Wenige, was über Skelet und Gebiss im All- gemeinen gesagt werden kann, vorauszuschicken und erst nachträglich auf die Be- Sprechung des Schädels einzugehen, der bei der osteologischen Unterscheidung von Racen sich bei so fragmentärem Material fast allein brauchbar erwies. Gebiss. Es ist jedem Zoologen bekannt genug, mit welcher Gonstanz das Zahnsystem innerhalb des Linne’schen Genus Bos nicht nur seinen allgemeinen Typus, sondern auch kleine Details der Struktur beibehält, so dass es auf den ersten Blick geradezu unthunlich erscheint, auf Boden einzelner Zähne das Hausrind vom Zebu, oder beide vom Büffel, vom Bison, vom Ur u. s. f. unterscheiden zu wollen. Nichtsdestowe- niger stellte sich bei der obigen Untersuchung des Gebisses von Bos primigenius und Bison heraus, dass eine über reiches Material ausgedehnte Verfolgung kleiner Details hier so gut wie bei Schaf und Ziege sowohl die Mannichfaltigkeit erkennen lässt, mit welcher gewisse generische Typen des Zahnsystems für Spezies modifizirt werden, als auch die Zähigkeit, womit solche spezielle Modifikationen festgehalten werden. Die wichtigsten Modifikationen im ‚Zahnsystem nicht nur des Genus Bos, son- dern auch der verschiedenen Racen des Hausochsen beziehen sich, ähnlich wie bei Ziege und Schaf, auf die relativen Verhältnisse von Quer- und Längsdurchmessern, auf die grössere oder geringere Selbstständigkeit und Abschnürung der zwei verti- kalen Zahnhälften , auf die Art der Usur der Kaufläche, welche hinwiederum bedingt — 132 — wird von der verschiedenen Resistenz der einzelnen Zahntheile, und wahrscheinlich auch etwas von der Art der Arbeit der Kaumuskeln; endlich auf die Ausbildung der accessorischen Zahntheile, wie des Talon von M. inf. 3, der Schmeizsäulchen an der Innenseite der obern und an der Aussenseite der untern Backzähne und der talon- arligen Ansätze am Vorderrand besonders unterer Molaren. Wie bei Schaf und Ziege erscheinen Prämolaren und. Milchzähne weniger typisch und sind auch grössern Schwankungen unterworfen als Molaren. | | Es versteht sich von selbst, dass in allen diesen Rücksichten jeweilen die ver- schiedenen Usurgrade, deren Erfolge nicht immer mit Sicherheit aus der oberfläch- lich sichtbaren Struktur des Zahnes zu berechnen sind, von vornherein in Rechnung fallen müssen. Wie bei andern Thieren verkürzt auch hier das Alter die Zahnreihe und giebt durch Aneinanderdrängen der Zähne und durch Vereinfachung der Schmelz- figuren der Kaufläche dem Gebiss oft einen massiven Charakter und ein compactes Gepräge, das in Jugendzuständen desselben Thieres gänzlich fehlen kann '). Da es nicht möglich ist, einzelne Gebisstheile mit einzelnen Schädelformen in Verbindung zu bringen, wo die Continuität beider so stark zerrissen ist wie in den Pfahlresten, so begnüge ich mich vorderhand, die Modifikationen anzugeben, die ich in den obigen Rücksichten in den ältern Perioden des Steinalters, also namenilich in Moosseedorf, in einer der Beobachtung werthen Häufigkeit antraf. An unteren Molaren ist im Steinalter häufig bemerkbar gleichförmige Dicke der Zähne bis zur Krone und also gleichförmige Breite der Kaufläche in allen Al- terssiufen, während bei unsern heutigen Racen gemeiniglich der Zahn von der Krone nach der Wurzel an Dicke merklich gewinnt. Damit steht in Verbindung grössere Selbstständigkeit der beiden vertikalen Zahnhälften und grössere Abschnürung der vordern und hintern Hälfte der Kaufläche; auch an beiden Seitenflächen treten in Folge hievon die beiden Prismen des Zahnes eylindrischer vor. Der ganze Zahn ist dabei auch in seinem Innern von unten bis oben gleichförmiger gebaut; es geht dies aus dem Umstand hervor, dass die zwei Schmelzhalbmonde der Kaufläche früher die Biscuitform annehmen und sie länger behalten als bei heutigen Viehracen, wo diese 1) Die genaueste Verfolgung der Modifikationen des Gebisses von Bos durch die Usur, namentlich in Rücksicht auf das Verhalten der accessorischen Schmelzsäulchen der Seitenflächen, finde ich bei Bojanus das Uro nostrate a. a. O. p. 438. Die allgemeinen Verhältnisse finden sich bekanntlich bei Cuvier, Oss. foss. IV. p 5. Pl. 1. = W = Zeichnung nur in den mittlern Graden der Usur deutlich ist. Auch die vertikale Schmelzfalte (Talon) am vordern Ende des Zahns ist stärker ausgebildet und reicht tiefer hinab, bleibt also auf der Kaufläche länger sichtbar als bei heutigen Racen. Die accessorischen Schmelzsäulchen der Aussenfläche reichen etwas weniger hoch hinauf und kommen daher später in Usur als heutzutage. Eine auffällige Folge dieser gleichförmigen Bildung der Zähne in ihrer ganzen Höhe und der stärkern Ausprägung der beiden Zahneylinder besteht in der Art der Abschleifung, welche nicht horizontale Flächen erzeugt, sondern so tief zwischen die resistenten Zahncylinder hinabreicht , dass diese (und namentlich die Cylinder der Innenseite) als hohe Gipfel emporragen, oft in einem Grade wie dies an recenten Schädeln sehr selten der Fall ist. Die Prämolaren sind etwas comprimirter, gestreckter und zeigen eine er- giebigere Faltung der Schmelzränder als bei unserer heutigen Kuh. Es sind dies alles kleine Eigenthümlichkeiten, welche in weit stärker ausge- sprochenem Grade das Gebiss der Hirsche von demjenigen der Kühe unterscheiden. Unwichtig erscheint das gelegentliche Fehlen oder vielmehr das sehr frühe Aus- fallen des vordersten Prämolarzahns und das Fehlen des Talon von M. 3. | Die Oberkieferzähne zeigten dieselben Modifikationen, wie diejenigen des Unierkiefers. Neben Zähnen, welche in jeder Weise dem heute gewöhnlichen Ty- pus folgten, fand sich häufig eine zweite Form, welche davon in derselben Weise abwich, wie die soeben beschriebenen Unterkiefer, durch massiveres Gepräge, stär- kere Abschnürung der zwei Zahnhälften, stärkeres säulenartiges Vortreten besonders der äussern Zahncylinder und tiefere Querfurchen der Kaufläche. Ausser der grössern Gleichförmigkeit in der Bildung der Zähne in ihrer ganzen Höhe besteht also ein Hauptcharakter dieser alten Viehracen darin, dass die innern Dentinsäulen des Unterkiefers, die äussern des Öberkiefers regelmässiger eylindrisch | und kräftiger, daher auch resistenter sind als bei unserem heutigen Vieh; die ganze Kaufläche erhält dadurch nothwendig eine sehr schiefe von innen nach aussen ab- fallende Neigung. | Obschon die Gebisse, welche diesem Gepräge folgten, durchschnittlich unter der Mittelgrösse von heutigem Vieh blieben, so fanden sich daneben ganz ähnliche Zahn- partien, welche offenbar weit grössern Thieren angehörten. Dahin gehören diejeni- gen, welche ich in Fig. 5 und 6. Tab. II. zur Darstellung dieses Gepräges gewählt habe. M. 3 in Fig. 6 hat 43, M. 2 30 Mm. Länge bei 17 Mm. Breite der Kaufläche. $ + ren an nn Be M. 3 ist hier überdies auffallend durch Besitz eines zweiten hintern accessorischen Schmelzsäulchens, das ich bei der Kuh noch nie gesehen habe, wohl aber beim Zebu, obschon in schwächerem Maasse; an unserem Zahn Fig. 6. steht dies Säulchen voll- ständig frei, nicht durch Cement, sondern nur durch Zahnstein mit dem Zahn ver- bunden, in dessen Usurfläche es erst ganz unten mit eingehen wird. Die Oberkieferzähne, Fig. 5, besitzen eine Länge von 30 (M. 3), 32 (M. 2) und 30 (M. 1) Mm. bei 20 Mm. Breite. Sie bleiben besonders an Breite noch merklich hinter denjenigen des Ur zurück. | Skelet. Die grosse Zerstückelung der Pfahlreste vom Rind erschwert genaue Angaben über seine Grösse, denn nur um diese kann es sich hier handeln, bedeutend. Sie hinderte indessen nicht die Wahrnehmung, dass schon die Bevölkerung des Stein- alters Viehracen von sehr verschiedener Grösse besass, wovon die einen unseren kleinsten heutigen Schlägen gleichkamen, die andern hinter unserem grössten einhei- mischen Rindvieh nicht im geringsten zurückblieben. Ebenso ergab sich, dass die verschiedenen Schläge des Steinalters keineswegs scharfe lokale Vertheilung hatten, sondern dass Vieh verschiedener Grösse in jeder Lokalität beisammen lebte ; dennoch war eine gewisse sehr wahrscheinlich historische grossem Interesse. Die Race, welche durch das ganze Steinalter offenbar weit vorherrscht und in den Lokalitäten, die wir auch aus andern Gründen zu den ältesten zählen, in Wan- gen und Moosseedorf fast — doch nicht ganz ausschliesslich sich vorfand, kann ich,- wie schon in den „Untersuchungen“ geschehen ist, füglich die Torfrace oder die Torfkuh nennen; der wichtigste Charakter, der sich aus ihren Ueberresten für diese Viehrace mit einstweiligem Absehen vom Schädel ergab, besteht in ge- ringer Körperlänge und Körperhöhe und entsprechend kurzen, ganz besonders aber merkwürdig schlanken und feinen Extremitäten, von Becken und Schulter bis zu den äusserst zierlichen Nagelphalangen, welche offenbar sehr kleine Klauen trugen. Aus.den vielen Messungen, welche an dem: sehr fragmentaren Material leider nicht in der Auswahl und Vollständigkeit gemacht werden konnten, die wünschenswerth waren, stelle ich eine Anzahl hier zusammen mit Messungen an dem schon mehr benutzten Skelet eines grossen Ochsen, sowie mit Messungen am Skelet- eines Zebu, das an Grösse und Schlankheit der Extremitäten unseren feingliederigen Bergracen Gruppirung unverkennbar und von — 15 — gleichkommt :). Es darf dabei indess nicht vergessen werden, wie sehr das Zebu | in seinen Knochenverhältnissen sich von unserem europäischen Rindvieh entfernt und dem Bison und somit auch dem Hirsch annähert, wie bei Besprechung des Skeletes vom Ur und Bison reichlich bemerkt wurde. Es versteht sich, dass nur ausge- wachsene Knochen zu den Messungen benutzt wurden. Grosse En Torfkuh. Zebu. recente Race. Oberarm, quere Ausdehnung der unteren Rolle . . 10—13 BB 8 Metacarpus, volle Linde . . = = 2: 00... 499182 217 225 Doi obere Gelenkfläche, quer. . . . . . 45—50 56 70 » Durchmesser der Diaphyse . . . - . 26—28 33 40 y untere Gelenkfläche, quer . . . . . 46-38 57 70 Oberschenkel, Volle Länge . . - -» -» 0... 9W 375 430 » Durchmesser des Schenkelkopfes . . 38 47 50 » Geringster Durchmesser der Diaphyse. əl 34 37 Schienbein (Tibia), obere Gelenkfläche, quer . . - 87 96 102 SAH Sprungbein-Gelenkfläche , guer 40 43 47 Kreen „tolle Lango. MN NE. a 124—1355 142 166 5 Höhe! des Tüber an der Bass . : . . 8-3 44 54 Sprungbein , volle Länge LE S 62—65 70 74 h untere Gelenkfläche, quer . . > n 37—40 45 45 "Metatarsus, Durchmesser der Diaphyse | 26 28 30 i4 viere I Eee 2 52 60 Vordere Nagelphalanx, Länge . > -o 60 58 85 Hintere N 58 55 15 Vergleichen wir diese Messungen mit dei früher gegebenen vom Hirsch, so er- giebt sich, dass die Torfkuh an Schlankheit der Extremitäten dem Hirsch nahe kam. Die Torfkuh ist die vorherrschende Viehrace in Wangen, Moosseedorf, Wauw yl und Steinberg An allen diesen Orten sind Spuren grösseren Rind- ‚ Viehes selten. Con ci 4 a At 1) Das Skelet von Bos Taurus, das zu diesen, wie zu allen vorhergehenden Messungen diente, ge- hört einem männlichen Thiere der Simmenthal-Saanen-Race an und misst 140 — 144 Centim. Höhe und 218 Centim. Länge vom Occipitalkamm bis zum hintern Ende des Beckens. — Das Zebu-Skelet gehört ebenfalls einem männlichen Thier und misst 136 Centim. in der Höhe, bei 180 Centim. Länge. se enthielt die Torfkuh wi Resten von Äh: zahmem u, Fe f $ j KA T IOT fa à f fert (A eaga t ER AASE EFES sh & Fr i Ea EAREN d Praia iict: r“ ! r Eala 3 E — 16 — Vieh, das an Grösse unsere grössten heutigen Viehschläge übertraf; auch in Mei- len und Robenhausen wurde neben der kleinen Torfkuh sehr grosses Vieh gehalten; namentlich bot Robenhausen in ziemlicher Anzahl Knochen, welche zwi- schen denjenigen unseres grossen Skeletes und des Urochsen inne standen und auf eine Viehrace deuten, welche unsere grössten Viehracen von Simmenthal und Frei- ‚burg hinter sich zurückliess. Die vollständigsten Stücke derart bot C oncise unter andern in einer unver- letzten Tibia, welche eine vollkommenere Vergleichung mit andern Formen ge- stattete. Steinalter. Recent. u Concise. Torfkuh. Simmenthal. Bison. Primigenius. a Volop a e ze. ie ghe sul 9,420 410 445 —- | Querdurchmesser des obern Gelenkes 116 414: 2130-182 ' Geringste Dicke der Diaphyse . . 35 30 34 2y Querdurchm. des untern Gelenkkopfes 70 j 66—72 76—82 Die Querdurchmesser dieser Tibia übertreffen diejenigen der grossen Schweizer- racen und selbst des Bison, während die Länge kaum bedeutender ist als beim Sim- menthalerochs, allein weit geringer als beim Bison. Im Detail der Form und beson- ders der Gelenke steht diese Tibia vollkommen auf der Seite von Bos Taurus und weicht durch die früher gegebenen Merkmale desselben vom Bison ab. In Bezug auf äussere Beschaffenheit erreicht sie nicht die ganze Derbheit von Primigenius, übertrifft aber durch Stärke aller Muskelspuren unsere zahmen Racen. Sie gehört also zu einer Viehrace, welche unsere grössten schwergliederigen inländischen Racen sowohl an Grösse als namentlich an massiver, plumper Bildung übertraf und zwischen ihnen und dem Urochs mitten innestand. Eine Reihe anderer Knochenstücke ver- hielt sich durchäus ähnlich. Den Schädel dazu werden wir bald kennen lernen. Der Schädel. Noch in höherem Grade als bei andern Thieren können wir beim Rind, dessen Skelet nur in Bezug auf Grösse beurtheilt werden konnte, sichere Hülfsmittel zur Charakterisirung der offenbar vorhandenen verschiedenen Gruppen, seien dies nun Schläge, Racen oder Species, nur im Schädel erwarten. Das erste Erforderniss bei einem Versuch der Art war die Prüfung der Con- stanz oder der Trüglichkeit osteologischer Hülfsmittel an recenten Schädeln. So gross Be. auch die Litteratur über Rindviehracen und ihre Unterscheidung ist, so ist ein solcher Versuch doch meines Wissens noch niemals gemacht worden. Es erklärt sich diess Srossentheils aus der Schwierigkeit der Beschaffung des Materiales. Ich kann erst in einem folgenden Kapitel dieser Arbeit, welches den heutigen Hausthieren gewidmet sein wird, die Hülfsmittel aufzählen, die ich mir zu diesem Zweck, ebenfalls nicht ohne grosse Mühe, verschaffen konnte, sowie die Resultate, zu welchen die Unter- Suchung derselben führte. Ich verweise auch theilweise auf dieselben zur Rechtfer- tigung der hier folgenden Bezeichnung der verschiedenen Gruppen von Rindvieh des Steinalters, welche ich in Rücksicht auf die facultativ fast unbegrenzte und höchst Wahrscheinlich schon sehr früh vorgenommene Mischung zwar Racen nenne, allein dennoch mit Namen belege, welche ihre Abstammung von verschiedenen Species vor- aussetzen. 1. Trochoceros- Race. > Unter diesem Titel bespreche ich eine in den spätern Pfahlbauten des Steinalters und zwar bis jetzt ausschliesslich am.See von Neuchätel vertretene und durch aus- Sezeichnete Merkmale begrenzte Race von zahmem Rindvieh, welche sich in engster Weise an die von H. v. Meyer aufgestellte fossile Species Bos trochoceros aus dem Diluvium von Arezzo und Siena anschliesst 1). Das wichtigste Be- legstück für diese Race besteht in dem beinebens in 1⁄% natürlicher Grösse gezeichneten Schädel aus Concise, an welchem nur der Gesichtstheil ab- geschlagen, Stirne, Oc- ciput und Hornzapfen da- gegen wenig verletzt wa- ren. Ausser diesem Schä- del, dem vollständigsten, den bisher die Pfahlbauten geliefert, gehören zu derselben SEEN N. Verb. der Leopold.-Carol.-Acad. d. Naturf. IX. 1. 1) H. v, M eyer über fossile Reste von Ochsen. 1835. p. 152. Tab. XII. A. Palæologica p. 96. 18 a ER — 13 — Race eine ziemliche Anzahl von Hörnern mit mehr oder weniger grossen Stirn- oder Hinterhauptstücken, ebenfalls aus Concise; ferner ein sehr schönes Horn aus dem Pfahlbau von Chevroux am östlichen Ufer des Sees von Neuchâtel 1). — Der Schädel aus Concise, etwas vollständiger als der von H. v. Meyer abge- bildete des diluvialen Bos trochoceros, ist um ein Drittheil kleiner als dieser, stimmt aber ausserdem so vollständig mit ihm überein , dass die Meyer’sche Abbildung sehr gut auch für diesen Schädel gelten könnte. Die Stirne ist von quadratischem Um- fang; die mittlere Stirnbreite zwischen den Schläfenleisten entspricht der Länge vom Oceipitalrand bis zur Mitte der Orbita. (Bei Bos primigenius reicht diese Distanz nur bis hinter die Orbite). Die Stirne ist dabei fast gänzlich flach, nur gegen die Mittellinie hin ganz schwach gewölbt, etwas concav zwischen den Augenhöhlen, allein das Dach dieser letztern ist selbst wieder so flach, dass es über die Stirnfläche nicht emporragt. Der hintere Rand der Stirne zwischen den Hörnern ist geradlinig (bei Primigenius wellig). Die Hinterhauptfläche ist viereckig, niedriger als beim Urochs, flach und in nahezu rechtem Winkel zur Stirne geneigt; die beiden Flächen gehen in einander über ver- mittelst einer abgerundeten Kante, welche nach hinten nur wenig das Oceiput über- dacht; in ihrer Mitte ist diese Kante bald schwach ausgebuchtet, bald umgekehrt. schwach vorgewölbt. Der hintere Rand der Schläfengrube bleibt in der Ebene des Hinterhaupts, so dass der Warzenfortsatz direct unter den Hornansatz zu stehen kommt, während er bei den andern Viehracen weit nach vorn rückt. | An der Seitenfläche des Schädels ist die grosse Depression der Schläfengrube auffallend; dieselbe wird namentlich von unten her dadurch verengt, dass der Joch- fortsatz des Schläfenbeins sehr stark wink- lig nach aufwärts gebogen ist; auch hinter diesem Fortsatz erweitert sich die Schlä- fengrube nicht nach unten hin wie bei allen mir bekannten lebenden Viehracen. Die Schläfengrube ist überdiess von auffallender Kürze, was sich auch auf der Unterfläche zeigt durch die grosse Annäherung des 1) Concise und Chevyroux ragen vom Stein- bis in’s Bronze-, vielleicht selbst bis in’s Eisenalter hinab. Keller, zweiter Bericht p. 115. Dritter Bericht p. 80. Die Ueberreste von Bos trochoceros tragen ein so alles Gepräge als irgendwelche aus dem Steinalter. O 3 — 159 — Unterkiefergelenkes an das Hinterhaupt; in der Schläfengrube bleibt die vordere Spitze des Os parietale weit vom grossen Keilbeinflügel getrennt. Weit mehr als durch alle diese Verhältnisse weicht Bos trochoceros von Primi- genius und lebenden Viehracen ab durch die Form und Richtung der Hörner. Der Ansatz erfolgt zwar noch wie beim Ur, allein die Stirn erweitert sich beidseits ganz glatt in den Hornstiel, so dass der Kranz von Knochenwarzen an der Hornbasis von Primigenius gänzlich fehlt. Charakteristisch ist die Richtung der Hörner. Statt der dreifachen Krümmung beim Ur beschreiben sie einen ganz einfachen, fast halbkreis- [örmigen Bogen, der von der Basis bis zur Spitze des Horns in einer und derselben Ebene bleibt, welche nur in spitzem Winkel über die Stirnfläche sich erhebt; sie krümmen sich hierbei erst so weit über die Oceipitalkante nach hinten, dass die Höhe der Krümmung an dem vollständigern Schädel um 44 Mm., d. h. um 1⁄4 der Stirn- breite hinter jene Kante fällt; weiter verläuft der Hornbogen immer in derselben Ebene nach aussen und endlich nach vorn, so dass die knöchernen Hornspitzen Schliesslich ganz nach innen gerichtet sind; denkt man sich die Hornscheiden dazu, So mussten diese mit der Spitze mindestens bis über den Seitenrand des Gesichts vor den Augen ragen, ähnlich wie dies bei der englischen Langhorn-Race der Fall ist 1); die vordere Curvatur des Horns geht höchst ee in die Curve der Schläfen- leisten über. Der Durchschnitt der Hornzapfen zeigt, dass sie stark deprimirt sind; der grösste Durchmesser, um '/, grösser als der kleinste, liegt etwas schief zur Stirnfläche, nach Yorn unter dieselbe abfallend. Im Verlauf der Krümmung dreht sich dabei das Horn 50, dass die abgeplattete Unterfläche nach hinten, die stärker gewölbte Oberfläche auf die Vorderseite, und der grosse Durchmesser aus der horizontalen Lage in die Vertikale zu stehen kommt, so dass oft eine obere und untere Kante entsteht; das Horn ist also Anfangs depress, später compress. Charakteristisch ist auch die sehr langsame Verjüngung des Horns, das fast cylindrisch erscheint. Die rauhe Oberfläche des Hornzapfens, die sich sehr scharf von dem kurzen und glatten Hornstiel der Stirn absetzt, sieht durch eine Menge grosser rundlicher Gefässöffnungen wurmstichigem Holz sehr ähnlich und trägt auf dem ganzen Verlauf des Horns, reichlicher aber auf der Vorderlläche, sehr tiefe und breite Furchen. In Bezug auf die Grösse halten sich die bedeutendsten Ueberreste von Concise — BR Y Low, Animaux domestiques de la Grande-Bretagne. Pl. XIX. — 140 — und Chevroux um !/; unter den Dimensionen des diluvialen Originalschädels von Bos trochoceros, der die Mittelgrösse von Primigenius besitzt. Damit stimmt die erst er- wähnte Tibia und andere grosse Knochen von Concise, die ich unbedenklich der Trochoceros-Race zuschreibe, überein. Allein neben diesen grössern Hörnern findet sich in Concise eine ganze Anzahl von sehr verschiedenen Abstufungen, bis zur Mittelgrösse heutiger Viehracen, wobei die Formen durchaus keine Veränderung er- leiden. Es setzt diese sehr verschiedene Grösse, neben dem äussern Aussehen der Ueberreste, den zahmen Zustand dieser bogenhörnigen Viehrace ausser Zweifel. Trochoceros. Primigenius. Taurus. Concise. Siena H. v. Meyer. Simmen- H. v. Meyer. thal. Geringste Stirnbreite zwischen den Schläfenleisten 181 2 318—240 185 Grösste Stirnbreite zwischen den Orbite . . . 220 3395 —276 227 Distanz der Foramina supraorbitalia. . . . . 130 8 ..189—159 124 Breite der Oceipitalkante zwischen den Hörnern. 175—165 366—255 200 Stirnlänge vom hintern Umfang des Hornstiels bis | zum obern Augenhöhlenrand des Thränenbeins. 210 a 198 Grösste Breite des Occiput. . » . a J 215 313—232 210 Grosser (horizontaler) Durchmesser der Hörmbasz 76—50 141—110 56 Kleiner (vertikaler) Durchmesser derselben. . . 65—38 111-—-88 46 Umfang. derselben... iooi enio ni aalemell» 135 - 391 415—320 162 Länge des Horns längs der grossen Curvatur . 400—380 841 820-625 220 ` In der Grösse stimmt demnach der Schädel aus Concise mit dem grossen Sim- menthalerochsen ziemlich überein; letzterer hat nur eine breitere und kürzere Stirn. Die Horndimensionen gehen aber bei der Race von Concise nahezu auf das Doppelte derjenigen von Simmenthal. Der diluviale Bos trochoceros übersteigt in ähnlichem Maasse die maximalen Dimensionen seines zahmen Verwandten. m u Haba be 2. Primigenius - Race. -Während die vorherige Race, deren Stammform nach den spärlichen bisherigen Quellen auf Italien zurückführt, auf die westliche Schweiz beschränkt erscheint, fin- det sich eine andere zahme Race von ebenfalls grossen Schwankungen in der Kör- pergrösse nicht nur in Concise neben der vorigen, sondern über alle Pfahlbauten des Steinalters verbreitet, allein bisher am reichlichsten und ausgezeichnetsten inRobenhau- =. A a sen vertreten, eine Race, welche in der Schädel- und Hornbildung ebensosehr mit dem an derselben Stelle so ergiebig in wildem Zustand aufgefundenen Bos primige- nius übereinstimmt, wie die Race von Concise mit Bos trochoceros. Am spärlichsten tritt diese Race auf in Wangen und Moosseedorf, wo- her nur Knochenreste und Gebisse von entsprechender Grösse, allein bis dahin, keine Schädelstücke in meine Hände gekommen sind. Die Stirn ist etwas länger als breit, in der Regel vollkommen flach, nur selten von einem Hornansatz zum andern sehr schwach gewölbt, allein in der Mittellinie nicht stärker aufgehoben; auch die Augenhöhlen erheben sich nicht über die Stirn- fläche. Die Oceipitalfläche steht im rechten Winkel zur Stirne; die Hinterhauptskante tritt etwas hinter die Hornansätze vor und ist in der Mitte schwach ausgebuchtet; sie bildet also eine Wellenlinie; der Frontalwulst (der frontale Antheil an der Occi- pitalfläche) ist sehr hoch (38--50 Mm.), weit höher als bei Trochoceros und in der Mitte schwach concav. Die Schläfengrube ist je nach der Stärke der Hörner mehr oder weniger hoch, immer aber weit weniger depress als bei Trochoceros und im- mer in ihrem hintern Theil nach unten offen, dabei der Stirn entsprechend von ziem- licher Länge. Die Hornzapfen entspringen mit breiter Basis von der Stirn, welche sich nach dem Hornansatz hin über ihre Seitenränder hinaus nur wenig erweitert, ohne einen eigentlichen Hornstiel zu bilden. Selten ist der Hornzapfen an seiner Basis einge- schnürt und dadurch stärker von der Stirne abgesetzt. Die Richtung der Hörner ist sehr verschieden von Trochoceros. Sie erheben sich von ihrer Wurzel an conti- nuirlich und stark über die Siirnfläche, welche ihrerseits schon nach dem Hornansatz hin schwach aufsteigt; sie krümmen sich dabei erst nach hinten und aussen, so dass die Höhe der Krümmung stark, doch nicht in dem Grade wie bei Trochoceros hinter die Occipitalkante fällt; von da krümmt sich das Horn rasch nach vorn und oben, so dass die Spitzen sehr hoch und senkrecht über der Stirnfläche stehen; eine leichte Rückwärtsbiegung der Spitze deutet an, dass die. Hornscheiden schliesslich selbst rückwärts schauten. Der ganze Verlauf des Horns entspricht demjenigen von Bos primigenius und wird noch heute als’ der schönste Typus beim Rindvieh geschätzt. Die Hornzapfen sind an der Basis deprimirt, doch in geringerem Grade als bei Trochoceros; die horizontalen Durchschnitte der Basis, in der Ebene der Stirn lie- gend, übertreffen die vertikalen nur sehr wenig, in den stärksten Fällen um 1⁄5; im weitern Verlauf wird der Durchschnitt noch rundlicher; eine hintere Kante bildet sich E — = o nur sehr selten aus. Das Horn verjüngt sich nach der Spitze weit rascher als bei Trochoceros, ist also conischer und besonders an der Spitze selbst rasch und stumpf abgeschlossen. Auch die äussere Beschaffenheit der Hornzapfen ist charakteristisch. Schon der Hornansatz der Stirnfläche bildet eine rauhe Zone um die Hornbasis, allein auch diese selbst ist mit einem Kranz von stärkeren Knochenwarzen geziert, wenn auch nicht von derselben Ausbildung wie beim wilden Bos primigenius; im übrigen Verlauf erscheint der Hornzapfen im erwachsenen Alter sehr compact, nur mit kleinen spaltförmigen Gefässöffnungen und scharfen Gelässlinien, bis fast ganz glatt. Starke Längsfurchen finden sich nur an der untern und hintern Fläche. Einige weit weniger gekrümmte, mehr nach aussen gerichtete kürzere Hörner mit deutlicher hinterer Kante glaube ich männlichen Thieren zuschreiben zu dürfen. Horizontaler Durchmesser der Hornbasis . . . . 64-42 Verticaler j F 3 OG 9 51—39 Umfang» derselben 11% » ayew doraa iB miat. i0 Länge des Horns nach der grossen Curvatur . . . 330—230 Die vertikalen Durchmesser verhalten sich zu den horizontalen an den einzelnen Hörnern wie 1: 1,05 — 1,33, im Mittel von zehn Messungen = 1:1,183. Der ba- sale Umfang übersteigt in der Regel die halbe Länge, während er bei Trochoceros hinter derselben in der Regel zurückbleibt. Die Grösse der Primigenius-Race des Steinaliers schwankt innerhalb nicht sehr weiten Schranken. Ihr Mittel entspricht der Grösse unserer mittelgrossen Viehrace von Schwyz. Doch sind auch weit grössere Individuen im Steinalter gar nicht sel- ten. Dahin zähle ich die grossen Gebisse Fig. 5. 6. Tab. II. von Moosseedorf, mit dazu gehörigen Skelettheilen grosser Thiere in allen Pfahlbauten ; besonderes Interesse bot ein mächtiges Horn von Meilen, im Besitz von Herrn Oberst Schwab in Biel, das, einem zahmen Thier der eben besprochenen Race zugehörig, an der Basis einen horizontalen Durchmesser von 78, einen vertikalen von 66, einen Umfang von 230 Mm. besitzt und somit die Mittelgrösse dieser Race bedeutend übersteigt. Es stimmt in jeder Beziehung (auch in Stirn und Hinterhaupt) vollkommen überein mit dem mehrerwähnten Schädel eines riesigen recenten friesischen Ochsen in unserer Sammlung. Wir werden später die Schläge von Friesland, Jütland, Holstein als heutige Vertreter der Primigenius-Race kennen lernen. BE t Ich darf nicht vergessen, heizufidei dass in Concise Schädelstücke. nicht selten waren, welche die Merkmale dieser und der vorhergehenden Race in einer Mischung enthielten, die eine wirkliche Mischung beider Racen wohl unzweifelhaft machten. dr f zs Ir £. e PS M O PEJ 3. Brachyceros- -Race.. an or, Unter dem Namen Bos longifrons hat Owen, Brit. foss. Mamm. p. 508. Fig. 311. 212. Ueberreste einer sehr kleinen Ochsenart beschrieben, welche in neuer- pliocenen Terrains von England ziemlich häufig mit Elephant und Rhinoceros, in den Torfmooren Irlands mit Megaceros hibernicus, in noch neuern Bildungen mit Edel- hirsch und römischen Antiquitäten zusammen gefunden wurden. Owen vermuthet in ihr die Stammart der kleinen kurzhörnigen bis hornlosen Viehracen, welche unter dem Namen der Kyloös und Runts in den Hochlanden von Schottland und Wales ge- halten werden und nach Owen’s Vermuthung die zahmen Viehheerden der Einwohner Brittanniens vor der römischen Invasion bildeten. Als Merkmale dieser Species werden angegeben eine ziemlich flache und lange Stirn, sehr kurze, nicht über die Stirnebene aufsteigende, wohl aber gelegentlich unter dieselbe abfallende Hörner, die auf der Oberfläche abgeplattet sind; die Abbil- dung Fig. 211, die übrigens einem ziemlich jungen T hiere anzugehören scheint, zeigt indessen keine lange Stirn, da die mittlere Stirnbreite auf die Länge aufgetragen bis vor die Orbitæ reicht; sie zeigt überdies ein starkes Vorragen der Hinterhauptskante zwischen den Hornzapfen und eine auffällige Ausbuchtung derselben in ihrer Mitte; die Seitenansicht Fig. 212. lässt die Stirn sehr uneben erscheinen, indem sie in der Mittellinie stark nach der Hinterhauptskante ansteigt und auch die Augenhöhlen stark gewölbt sind; sie bringt auch sehr hohe und in ihrem hintern Theil stark nach unten erweiterte Schläfengruben zur Ansicht. Nach Nilsson !) findet sich dieselbe Species in Scandinavien gleichzeitig mit Bos _Primigenius , Rennthier und einer ferneren Ochsenart, Bos frontosus in Menge fossil: Nilsson “glaubt, dass sie im "wilden Zustand vor der TO Periode aus- gerottet wurde, und führt das kleinhörnige Vieh Finnlands auf sie zurück. Seine Ab- bildung, sowie seine Beschr eibung Dezeichnen die Stirn als hinten convex, zwischen den Augenhöhlen vertieft, breiter als lang, die Hörner vor dem Oceipitalkamm ein- gesetzt, was alles mit der Owen’ an DET vom übereinstimmt. 1) Annals and Magaz. of nat. hist. 2. Ser. IV. 1849. — 14 — Alle diese Angaben stimmen durchaus überein mit den Merkmalen, welche die schon in den „Untersuchungen“ als Torfkuh bezeichnete kleine und kleinhörnige Viehrace des schweizerischen Steinalters charakterisiren, eine Race, welche in allen Pfahlbauten dieser Periode, allein in den Ansiedelungen von Wangen und Moos- seedorf, also in den vermuthlich ältesten, fast ausschliesslich vorkommt. In W a u- wylund Steinberg ist sie ebenfalls häufig; spärlich erscheint sie neben den zwei früher beschriebenen Racen in Concise und Robenhausen; doch bot nament- lich Concise einige exquisite Schädelstücke von Bos brachyceros. Nach den bereits gemachten Angaben ist der Name Bos longifrons nicht nur unpassend, weil er das wichtigste Merkmal der Species nicht enthält, sondern auch unrichtig, und ich kehre daher zu dem schon früher von Owen vorgeschlagenen sehr passenden Namen Bos brachyceros zurück, der zwar in der That von Gray an eine recente afrikanische Species unter den Bovidæ vergeben ist, allein an einen Büffel 1), was mithin den Gebrauch des Speciesnamens im Genus Bos nicht mehr hindert. Zu den angegebenen Charakteren dieser kleinen Vieh-Race, wie ich sie hier nenne, oder der Torfkuh, füge ich nach den nur sehr fragmentären Ueberresien aus den Pfahlbauten noch folgende. Ein Schädelstück aus Moosseedorf ist abgebildet Fig. 4. Tab. H. Die Stirn ist in der zahmen Race des Steinalters in einzelnen Fällen vollkommen flach, steigt aber in andern sehr merklich nach der Mittellinie auf und überragt durch einen hohen, in der Mitte ausgebuchteten Oceipitalwulst die Hinterhauptfläche um ein Bedeutendes. Die Hinterhauptskante ist daher sehr wellig und die Hörner erscheinen ziemlich weit vorn angesetzt, doch so, dass ein an die hintere Krümmung der Hör- ner angelegtes Lineal noch immer die Hinterhauptskante berührt. Das Hinterhaupt ist auffallend niedrig und steht in spitzem Winkel zur Stirn. Die Schläfengrube ist hinten sehr hoch und offen, erniedrigt sich aber rasch nach vorn. Die Hörner sind kurz und dicht angesetzt, ohne allen Hornstiel der Stirnfläche. Das Horn ist in seinem ganzen Verlauf deutlich depress, auf der Oberfläche merk- lich abgeplattet, weniger auf der Unterfläche und besitzt eine Kante längs der grossen Curvatur; der grosse Durchmesser liegt der Stirnfläche parallel oder fällt häufiger nach hinten ab; der kleine oder vertikale Durchmesser verhält sich zu ihm = 1 : 1,23 1) Bubalus brachyceros Gray, früher Bos brachyceros. List of the specimens of Mammalia in the British Museum 1843. p. 153. — 15 — — 1,41. Charakteristisch ist besonders die Kürze des Horns und seine verhältniss- _ | | mässis grosse Dicke; die Länge übersteigt den basalen Umfang nur wenig; es biegt Ii sich endlich von seiner Wurzel an in einfacher und rascher Krümmung nach aussen und vorn und erhebt sich dabei nur wenig und allmälig über die Stirnfläche. Die Oberfläche ist auch im erwachsenen Alter sehr rauh, weit weniger compakt als bei der vorigen Race, allein, wie bei dieser, am hintern Umfang mit starken Längsfurchen Versehen. Horizontaler Durchmesser der Hornbasis . . - - 554 Vertikaler » " 5 43—34 155- 120 Umfang derselben. - - : ne. Länge des Hornzapfens nach der grossen Curvatur 210—145 Zu derselben kurzhörnigen Race kann ich mit vollkommener Sicherheit die früher besprochenen Skelete mit schlanken hirschähnlichen Extremitäten zählen, da Wangen und Robenhausen fast keine Ueberreste_ einer andern Race darboten. 5 Are h a CA Die drei besprochenen Racen, von welchen die erste eine auffallende geogra- ` FE ne Phische Isolirung hat, welche wohl mit historischer Begrenzung im Zusammenhang „4 pP E z Stehen wird, sind die einzigen, welche im Steinalter bisher aufgefunden wurden. . „s. are / Eine vierte Race von eben so guter zoologischer Abgrenzung , welche in der Schweiz ERS Ser und weiter unten unter dem Namen der Frontosus- ^ er I Be | heutzutage stark vertreten ist, \Race zur Besprechung kommen wird, hat im Steinalter keine Spuren hinterlassen. Es bedarf wohl keiner Rechtfertigung, dass wir diese verschiedenen Typen Racen nennen und nicht Species, obschon wir ihnen verschiedene Species als wilde - —— Stammform zu Grunde legen. Es denkt Niemand daran, die heutigen Viehracen noch in verschiedene Species einzutheilen, obwohl die Wahrscheinlichkeit ihrer Abstammung | von solchen wiederholt ausgesprochen worden. . Von dem Moment der Zähmung an 77g werden benachbarte Species, wie diejenigen des Genus Bos ihre Selbstständigkeit u 2 ee als Arten verlieren. Ich glaube Spuren hiervon schon im Steinalter erkannt zu 4⁄7 ™ haben. Ä | 4 Schwieriger als die Rechtfertigung der Vereinigung der Descendenten verschie- dener Species von Bos unter den gemeinschaftlichen Namen Bos Taurus, ist die Recht- fertigung der Trennung der Stammformen. Der Name Bos T aurus bezeichnet über- | haupt in solchem Fall nicht mehr eine Art; sondern die dureh Zähmung erfolgte Ver- | B E an f e ‘t FE C on oE f hta t i € * a et "4 SE e re z A = a N $ 2 nr rer — 146 — wischung der Art, und man könnte passend die wilden Arten wie bisher mit Bos bezeichnen, die zahmen und wohl nirgends mehr reinen Racen unter Taurus zusam- menfassen und so weit dies möglich ist, unter ihre Stammformen zurückführen, als Taurus primigenius, trochoceros, brachyceros etc. Unter den auf osteologische Merkmale des Schädels gegründeten generischen Abtheilungen, in welche das Linne’sche Genus Bos gespalten worden, erfreuen sich ‘Bos, Bison, Bubalus, Ovibos mit Recht einer allgemeinen Anerkennung, während Pophagus und Bootherium ziemlich überflüssig erscheinen, indem der Yak osteologisch von Bos, die fossilen Bisonten Amerika’s von dem lebenden Bison nicht so verschie- den sind, um davon als Genera getrennt zu werden. Unter Bos im engern Sinne werden ausser Taurus und grunniens Lin. noch auf- geführt Bos Banteng Raffl. und Bos gavzus Roul. (frontalis Lamb.). Bos gaurus Traill. wird bald mit gavæus vereinigt, bald zu den Bisonten gezählt. Ich bin nicht im Stande, über die Berechtigung dieser verschiedenen Species mitzureden, bei deren Aufstellung neben den äussern Merkmalen meistens nur der Schädel berücksichtigt worden ist. Es ist dagegen schon hier der Ort, das Ver- hältniss der oben aufgestellten drei Stammarten zahmer Ochsen unter sich und zu allfälligen ferneren Stammarten zu besprechen, obschon ich auf diesen Gegenstand theilweise bei Besprechung der-heutigen-Hausthiere zurückkehren werde. Als solche fernere Stammarten scheinen namentlich Bos frontosus Owen ‚Bos Taurus ferus (Bos Urus scotiecus Wagn. White Urus Hamilt. Smith.) und Bos indicus L. das meiste Anrecht auf Berücksichtigung zu haben. Es ist eine nothwendige Voraussetzung der Annahme verschiedener Stammspe- cies, dass sich spezifisch-osteologische Differenzen , wenn auch durch Mischung mehr oder weniger früh verwischt, unter den verschiedenen Racen und Schlägen des. zah- men Rindviehes zeigen. Die Skelete recenter zahmer Racen sind in dieser Bezie- ` hung erst noch zu untersuchen; ich bin meinerseits nur im Stande, über den Schädel derselben in einem folgenden Kapitel Aufschluss zu geben; für die Hausthiere des Steinalters glaube ich an Skelet und Schädel den Nachweis solcher osteologischer Differenzen geleistet zu haben. Am vollständigsten konnte dies für die von Bos primigenius abgeleitete Race geschehen. In Bezug auf den Schädel dieser Species ist schon durch Cuvier erkannt worden — und Niemand hat sein Urtheil ernstlich angefochten —, dass der Ur mit dem zahmen Rindvieh so sehr übereinstimme, dass er als dessen Stammform mn zu betrachten sei. Seither ist man von dieser Ansicht nur insofern abgewichen, als man den osteologischen Modifikationen des zahmen Viehes grösseres Gewicht beilegte. In Bezug auf das übrige Skelet kamen Bojanus und Nilsson zu dem Öuvier'- schen Urtheil. ; ` Die vorhergehende osteologische Vergleichung des Ur’s mit einer recenten Haus- thierrace (Simmenthal) konnte diesen Schluss in der Allgemeinheit, wie Bojanus und Nilsson ihn stellten, nicht abändern. Sie ergab dagegen ebenfalls eine Beschränkung desselben auf gewisse Racen des zahmen Rindviehes, wie dies in Bezug auf die Torfkuh schon in den „Untersuchungen“ p. 40 ete. ausgesprochen wurde. Abgesehen von der bedeutenderen Grösse und der allgemein rohern, plumpern Form der Skelettheile bei dem wilden Bos primigenius, fand sich in dem Detail der Knochenform und der Gelenkbildung an den Extremitäten kein erheblicher Unterschied zwischen dem Ur und der verglichenen recenten Hausrace. Doch darf die steilere Schraubenbildung am Ellbogen- und am Sprungbeingelenk, die andere Bildung des Oberschenkelkopfes bei dem Ur nicht ganz ausser Betracht fallen. Bestimmtere Un- terschiede zeigten sich dagegen in der Wirbelsäule. Ueber den Dorsaltheil derselben war mein Material so unvollständig, dass die Art des Nervenaustritts nicht mit Be- Stimmtheit erkannt werden konnte. ‘Die Halswirbelsäule zeigte sich indess durchweg in ihren einzelnen Theilen kürzer; gedrungener,, mit steileren Gelenken und stärkerer vertikaler Entwickelung der Wirbel als bei der Simmenthalrace. Am meisten wich davon ab der zweite Halswirbel des Ur durch die nur ausnahmsweise und auch in in diesem Fall nur unvollständige Bildung eines besondern Kanales für die Arteria vertebralis, so wie auch der Atlas durch die kolossale seitliche Entwickelung seiner Flügel, Verhältnisse, welche in Tab. Il. und IV. genügend in’s Licht fallen. Die - Steile Stellung der Gelenkfortsätze der Lendenwirbel, die komplizirte Bildung dieser Gelenke selbst, die starke Ausbildung der Metapophysen, der hohe und steile Spi- nalkamm des Heiligbeines sind ebenfalls Merkmale von theilweise mehr als relativem Werth. | Es ist schon angedeutet worden, Mischung vielleicht zum Theil verwischt, bei der grossen dänischen Viehrace wie- derzufinden erwarte. Es war mir leider nicht vergönnt, dies nachzusehen. Allein Sut erhaltene Halswirbel grosser zahmer Ochsen in Wauwyl und Robenhausen liessen dieselbe Bildung wie beim Ur wahrnehmen. Weit weniger Anhaltspunkte hat die Frage nach der spezifischen Selbsiständigkeit dass ich diese Verhältnisse, wenn auch durch zw —- von Bos trochoceros; der Schädel, so weit er bekannt ist, hat offenbar viele Aehnlichkeit mit demjenigen von Bos primigenius, womit er von Cuvier vereinigt worden !). Die Unterschiede bestehen nur in der geringern Länge der Stirn bei Trochoceros, der kürzern und überhaupt anders gebildeten Schläfengrube und vor allem in der allerdings sehr eigenthümlichen Form und Biegung der Hörner. Die wenigen Skeletstücke, welche dieser Species in ihrer bereits zahmen Form in Con- cise zugeschrieben werden konnten, stellten sie in die Mitte zwischen Primigenius und heutige Racen. Nichtsdestoweniger erlauben diese Differenzen vorderhand die Isolirung dieser krummhörnigen Race mit allem Recht. yo lip Da Die vielen Ueberreste der unter die Stammform Bos brach yi cero s lrach- ten Torfkuh erheben durch die Eigenthümlichkeit der Schädel- und Hornbildung , die geringe Körpergrösse und die Feinheit der Extremitäten die Abtrennung von Bos primigenius und Trochoceros über allen Zweifel, um so mehr als wir bald noch mehr als bisher die grosse Zähigkeit werden belegen können, mit welcher diese kleine Form ihren Charakter bis auf die Gegenwart forterhalten hat. Die heutige Simmenthal-Saanen-Race, welche wir weiter unten als Vertreter des diluvialen Bos frontosus Ow. kennen lernen werden, fehlte in der Periode der Pfahlbauten in der Schweiz gänzlich. Die Abweichungen ihres Skeletes von dem des Ur wurden bei der Osteologie desselben hervorgehoben und so eben wieder er- wähnt. Ihren Schädel werden wir unter den heutigen Hausthieren besprechen. Eine empfindliche Lücke in meinen Beobachtungen entstand durch die Unmög- lichkeit, Skelet oder Schädel des weissen Wildviehes von Chillingham-Park, des sogenannten Bos Taurus ferus, von welchem die englischen Viehkenner eine grosse Zahl der heutigen zahmen Schläge Englands ableiten, mit in den Vergleich zu ziehen. Eine genaue osteologische Untersuchung dieser so wichtigen Viehrace | fehlt meines Wissens noch durchaus. Eine letzte Bemerkung über eine Form von Rindvieh, welche freilich mit der Fauna der Pfahlbauten nicht in der geringsten Beziehung steht, hat nichtsdesiowe- niger hier, wo es sich um die Grenzen der Species innerhalb des Genus Bos han- delt, ihre vollste Berechtigung. Es wurde mit Absicht bei der osteologischen Be- sprechung des Ur und Bison stetsfort auch das Skelet des Buckelochsen oder Zebu, Bos indicus L., mitverglichen. Die Resultate dieser Vergleichung führen zum 1) Cuvier, Oss. foss. IV. p. 453. | | \ebralkanals im Epistropheus , die schlanke Form aller Extremitä Ze: = P Schluss, dass wenn je eine F als besondere Species, es diese und Farbe über Asien und Afrika verbreitete Hausthier ist. Sie weicht in der That durch Schädelform, Hornbildung und, wie reichlich nachgewiesen wurde, durch je- den einzelnen Theil des übrigen Skeletes weit mehr von der bisher angenommenen allgemeinen Stammform Bos primigenius ab, als irgend eine der übrigen soeben be- Sprochenen Formen. Am Schädel des Zebu ist charakteristisch die entschiedene Richtung der Hörner nach hinten, die Wölbung der Stirne nach allen Seiten und ihre auffallende Verschmälerung nach hinten, das geringe Vorragen der Augenhöhlen, die Wölbung und das weite Hinaufragen der Nasenknochen, die geringe Höhe und quere Ausdehnung des Hinterhauptes , ‘die Höhe der Schläfengrube, die grosse Ausdehnung der Scheitelbeine auf Kosten der Stirnbeine sowohl am Hinterhaupt als Seitlich (wo die Parietalia in der Schläfengrube an den Keilbeinflügel stossen und das Stirnbein fast verdrängen), die Länge des Jochfortsatzes des Schläfenbeins, der bis an den Stirnfortsaiz des Jochbeins reicht. Dazu kommt endlich ein Merkmal von Noch grösserem Gewicht, das ich indess, weil ich es nirgends erwähnt finde, einst- weilen als nicht konstant halten muss, nämlich die Verminderung der Ineisiven, von Welchen ich an dem mir zugänglichen Material nur 6 im Milchgebiss und 4 im Er- Satzgebiss gebildet vorfinde. . In Bezug auf das übrige Skelet wurde oben weitläufig nachgewiesen, dass das Zebu mit dem Bison in Wirbelsäule und Extremitäten weit mehr Analogien hat als ait all isher unter Bos Taurus subsummirt worden sind. "ze und steile Form der Halswirbel, das Fehlen eines Ver- die Bildung der Nervenöffnungen in den Dorsalwirbeln, tenknochen und der an den Hirsch sich anschliessende Charakter aller Gelenke, die Anwesenheit eines grossen Foramen nutritium auf der Vorderfläche des Femur u. s- f. tjat s orm zahmen Rindviehes Anspruch hat auf ‘Abtrennung s in mehreren Racen von sehr verschiedener Grösse Dahin gehört die ku Der Mensch. Der Umstand, dass in allen Pfahlbauten der Mensch nur die Ueberreste seiner Küche und seiner Industrie zurückgelassen , während sein Körper muthmasslich in Tp der sich gelegentlich bei Thieren findet, die Nova Acta XII. 1. 1824. p. 283. im Winter ; 1) Ganz unwesentlich ist der Fetthöcker des Rückens, Ihn sonst ganz entbehren. So bildet sich nach Tilesius, Cine Fettansammlung auf dem Rücken beim Argali und beim Rennthier. mann | a benachbarter Erde bestattet wurde, hat bisher gehindert, den wichtigsten Bewohner der Pfahlbauten mit in den Bereich der zoologischen Betrachtung zu ziehen, so sehr dies mit Rücksicht auf die neueren craniologischen Arbeiten von Retzius und v. Bär wünschbar gewesen wäre. Sämmtliche Pfahlbauten haben gelegentlich mensch- liche Knochen, doch immer nur sehr selten geliefert, und immer waren es kindliche Individuen, die offenbar durch Unvorsichtigkeit einer Bestattung auf fester Erde ent- gangen waren. Reste erwachsener Menschen fanden sich bisher nur in Robenhausen, Meilen und an einigen Stellen bei Biel; am ersteren Ort waren es eine Anzahl Ex- tremitätenknochen eines und desselben anscheinend weiblichen Individuums; diese wenigen Knochen sind von auffallend schwarzer Farbe, dunkler gefärbt als diejenigen irgend eines Thieres; es waren lange Extremitätenstücke, alle in der Mitte entzwei gebrochen, mit stumpfen Bruchkanten und abgenutzten Gelenkflächen, anscheinend gerolli; Zahnspuren oder die deutlicheren Zeichen der gewöhnlichen Ausbeutung des Markes fehlien gänzlich; auch Spuren von Instrumenten etwa zur technischen Verwendung konnte ich nicht mit Sicherheit entdecken. Sie gehörten einem Indivi- duum mittlerer Körpergrösse und zeichnen sich aus durch exquisit kräftige Bildung und gleichzeitige Eleganz, durch schlanke Form bei Vermeidung alles überflüssigen Volums und durch sehr scharf und schön ausgebildete Muskel-Insertionen und Ge- lenkbildung, Umstände, welche offenbar auf grosse Muskelenergie und Beweg- lichkeit hinweisen. | Ein Schädel aus Meilen, der einzig in den Pfahlbauten bisher gewonnene !), war bereits Gegenstand einer Mittheilung in den „Untersuchungen“, die ich der Güte von Herrn Professor His in Basel verdankte. Wir gedenken mit der Zeit an einem an- dern Orte Abbildungen von Menschenschädeln zu geben, welche über die Frage nach den in der Schweiz in verschiedenen Zeitaltern vertretenen Typen Aufschluss geben können; bis dahin wird hoffentlich zu dem bisherigen Unicum noch Mehreres hinzu- kommen ?). Ich reprodueire daher hier nur die in Bezug auf die Maassangaben etwas abgeänderte Mittheilung von Collega His. 1) Von Herrn Oberst Schwab in Biel habe ich seither 4 Schädel aus Pfahlbauten erhalten, zwei von Nidau-Steinberg, einen von Sutz, und einen von Biel. Ich gedenke dieselben anderswo bekannt zu machen und füge einstweilen zu nachstehender Tabelle nur die Maasse des Schädels von Biel, welche sich dem in der folgenden Notiz erwähnten Celtenschädel sehr nahe anschliessen. Mit einer feinen Oefinung, das untere mit einem etw Sich ein Fadenkreuz lothrecht unter der Oefinung = E - | Ueber den menschlichen Schädel aus dem Pfahlbau von Meilen. Von Herrn Professor His. Der mir übergebene, bei Meilen aus den Pfahlbauten gewonnene Schädel be- steht zur Zeit aus Stirnbein, Scheitelbeinen, Hinterhaupt und aus einem kleinen Stücke _ von der ala major des Keilbeins. Stirnbein und Hinterhaupt sind etwas defect, ‚ersterem fehlt der processus nasalis und der linke Augenhöhlentheil, von letz- terem ist blos die Schuppe vorhanden und auch diese nicht vollkommen bis zum Rande des foramen magnum; die diese Stücke verbindenden Nähte sind mit Aus- nahme einer kleinen Stelle der Pfeilnaht offen, theilweise gelockert. Es erscheint der Schädel von mässiger Länge, er ist-ziemlich breit in der Gegend der Parietal- höcker, schmäler in der Stirngegend, und zeigt von obenher gesehen birnförmige Gestalt, dabei ist er ziemlich niedrig +). Die Länge, d. h. die Distanz zwischen den Projektionen der Glabella und des hervorragendsten Hinterhaupttheiles auf einer Horizontalebene, die vom hintern Rand des foramen magnum zum vordern Nasenstachel laufend gedacht ist, beträgt 173 Millim. Si 1) Bei einer genauern Revision der in der Notiz zu den „Untersuchungen der Tbierreste aus den Pfahlbauten der Schweiz“ angegebenen Maasse hat sich herausgestellt, dass dieselben zum Theil nicht un- Die Maasse der Schädellänge und Schädelhöhe waren, wie dort an- Wesentlicher Correctionen bedürfen. vertikal beweglichen Fernrohres gemessen Segeben worden, mittelst eines an zwei Stäben horizontal und Worden; die Stäbe, welche das Fernrohr trugen, wären von Holz und es erwies sich, dass die Bewegung dus diesem Grunde nicht die zu absolut genauen Messungen erforderliche P durchweg zu niedrige Werthe, besonders für das Längenmaass. Der räzision darbot; ich erhielt, Wie sich erst nachträglich ergab, Apparat wurde daher später in Messing weit Y zù Gunsten einer weit einfachern Mess- und Zeichnungsmethode, we ünschte Schädelprojektion auf einer über dem Schä- ollkommener ausgeführt, allein schliesslich ganz verlassen Iche von Dr. Luc» in Frankfurt ange- geben worden ist. Diese besteht darin, dass die gew Glasplatte mittelst eines Visierapparates nachgezeichnet wird; letz- del angebrachten horizontal liegenden igten Brettchen, von welchen das obere terer besteht aus zwei an einem leicht verschiebbaren Stativ befest as grössern Loch versehen ist; in dem letztern findet des obern Brettchens stehend. Mittelst dieses leicht zu Maassangaben gewonnen; eine Vergleichung der Colonne 2 konstruirenden Apparates sind die folgenden tat dass trotz der etwas veränderten Zahlen das Hauptresul und 3 der nachstehenden Tabelle zeigt übrigens, des heu- der frühern Messung, nämlich die Uebereinstimmung des Pfahlbautenschädels mit der Mittelform tigen Schweizerschädels dasselbe geblieben ist. — 12 — Stirnbreite. . . . bisher; Te wir em: Grösste Breite in der Bernd der falisre nord .. 4 Grösste Höhe über der obenerwähnten Horizontalen. . 128 Grösster Umfang biaje pda banse Länge von der Nasenwurzel über den Scheitel weg zum hintern Rand des foramen magnum betrug muthmass- lich am unverletzten Schädel Davon fiel auf Stirnbein Pfeilnaht EPE EE E OSE s Tanterfkauptäschiippe: nd dienen] ot 120 Nimmt man den Werth der Schädellänge als Einheit, so MIR. ar sich folgende Verhältnisse: Länge zur grössten Breite . . . . . . . . . 1: 0,832 Milim. Länge zur Stirnbreite . . . . BET 120 HRRIG TESLRTSET (6911 70): 75 200° Länge zur mittlern Schädelbreite a. h. zur grössten Breite + der Stirnbreite, dividirt durch 2) . . 1:0,693 „ Länge zur Höhe. . umni s Se Mei er ; Die Stirne erscheint mässig hoch, schön Eoi der vorhandene Arcus supra- ciliaris ist stark entwickelt; dagegen ist die das Planum temporale begränzende linea semicircularis mit Ausnahme ihres Anfangstheiles nur schwach ausgeprägt. Das Hin- terhaupt ist kugelig, dabei etwas asymmetrisch, links stärker vorgetrieben als rechts. Die Protuberantia und die crista occipitalis ext. sind nur andeutungsweise vorhanden; auch die linea semicircularis superior ist in ihrem obern Theil kaum erkennbar, wo- : gegen sie nach unten als eine schwache Knochenleiste vortritt. Im Ganzen weisen also die Verhältnisse nicht auf ein sehr muskelkräftiges Individuum hin. Bei einem genauern Vergleich mit den Schädeln unserer Sammlung lässt sich nicht verkennen, dass das vorliegende Stück an jene Formen sich anschliesst, die noch jetzt in der deutschen Schweiz die vorherrschenden zu sein scheinen. Unsere Sammlung besitzt die allerdings nur geringe Zahl von acht normalen Schweizer- schädeln; diese stammen den vorhandenen Angaben zufolge aus den Kantonen Basel, Bern, Schaffhausen und Zürich; dazu kommt ein in jeder Beziehung appart sich ver- haltender Bündtnerschädel. Jene acht Schweizerschädel sind nun durchweg ausge- zeichnet durch ihre verhältnissmässig grosse Breite in der Parietalgegend bei nur — 53 — mässiger Länge; sie erscheinen im Allgemeinen allerdings nicht unbeträchtlich höher als unser Pfahlbautenschädel, indess finden sich doch zwei Schädel, nämlich der einer Zürcherin und der einer Schaffhauserin, die jenem hinsichtlich der geringen Höhe Nichts nachgeben. Um die Verhältnisse vergleichbar zu machen, stelle ich im Fol- Senden eine kleine Tabelle zusammen: Colonne 1 enthält die Maasse des Pfahlbautenschädels, À 2 die Mittel- und 3 die Grenzwerthe der acht Schweizerschädel; 4 und 5 geben als brachycephalische Typen die Maasse eines Sika ben- und eines Bündtnerschädels ; 6 als dolichocephalischen Typus die eines Schwedenschädels, den die Anstalt Herrn Professor Retzius verdankt; endlich Ai 7 die Maasse eines der Anstalt zugehörigen Schädels, der wohl den Beschreibungen nach zu schliessen ein Celtenschädel sein muss; er stimmt wenig- stens in hohem Grade überein mit dem Schädel, den Retzius in Müller’s Archiv 1849 P- 574 beschrieben und abgebildet hat. Wo derselbe ausgegraben worden ist, ver- Mag ich übrigens zur Zeit nicht zu ermitteln. ” 1, 2, 3. 4. 5. 6. 7. 1 Pfahlbautenschädel. n £ a aa Schweizerschädel. Schwabe. | Bündtner |Schwede. | Celte. Biel. Meilen. Mittel. | Grenzwerthe. Schädellänge| 192 | 173 | ı7a | 167-182 | 165 | 164 | 185 | 190 ORe Ba Tg a I | Bi | 53 | UL. 132 Stirnbreite ar a er 0 un ae oe |. 05 Mitt. Breite | 117 | 121 | 120 — 127,5; 121,5) 117,5) 112,5 Höhe ss | 128° | 186,6] 128-146 | 139 | 137 | 140 | 138? Längenumfe.| 525 | 510 | 508 | 485—535 500 | 490 | 520 | 530 Scheitelbogn.! 384 | 365 | 359 | 336-390 | 345 | 338 | 380 > Länge des | Stirnbeins 118 193 | 194,6) 115—136 125 110 | 13 — Länge der | Pfeilnaht io | 192 1232) 115—140 | 110 | 115 | 140 Länge der | Ä interhaupts- Schuppe 95 |.120.| 111,2] 100-132.) 110.) 15 115] = 20 ee B m = ah a a e EST iu Femme Eee i “i Bi Te Ai a — 4 — 1. = 3 Pfahlbautenschädel.| 9 mo ——— Schweizerschädel. Biel. Meilen. Mittel. | Grenzwerthe. Bündtner | Schwede. Verh.d.Länge) zur grössten Breite . .1:0,7241: 0,83211:0,82211 : 0,800-0,85011 :0,91511: 0,9331 : 0,70211: 0,695 Verh.d.Länge z.Stirnbreite|1 : 0,4951: 0,56611:0,55211: 0,511-0,58111: 0,5701 : 0,5481 : 0,5081 : 0,490 Verh.d.Länge zur Höhe .11:0,718|1:0,74011: 0,7891: 0,744-0,829 1: 0,8421 :0,830/1: 0,7561 : 0,684 Vergleicht man nun die gegebenen Zahlen obiger Tabelle, so belehrt schon ein flüchtiger Blick darüber, dass der Schädel von Meilen sowohl, wie die Schweizer- schädel weder den Typus der Langköpfigkeit noch den der Kurzköpfigkeit in ent- schiedener ‘Weise an sich tragen; sie stehen bis auf einen gewissen Grad zwischen beiden in der Mitte, ‚schliessen sich jedoch durch ihre grosse Hinterhauptsbreite und ihre eine gewisse Schranke nicht überschreitende Länge im Ganzen eher an die Kurzköpfe an. Was die Uebereinstimmung betrifft, die hinsichtlich der Maasse des Pfahlbautenschädels und des mittlern Schweizerschädels existirt, so ist sie, wie ich glaube, so gross, als man dies überhaupt in solchen Dingen verlangen kann. Einige Berücksichtigung verdienen die absoluten Grenzwerthe der Schweizerschädel über- haupt; diese liegen theilweise ‚so weit auseinander, dass sie den Typus der Lang- und Kurzköpfe erreichen, allein wie man beim Vergleich der Verhältnisszahlen, ins- besondere beim Vergleich der Verhältnisszahlen von Länge zu grösster Breite, der ‚wichtigsten von allen ersieht, so sind diese in nur sehr enge Gränzen eingeschränkt, und sind hier die beiden Grenzwerthe von denen der Lang- und der Kurzköpfe we- sentlich verschieden. Stirnbreite und Schädelhöhe können allerdings, unabhängig von der allgemeinen: Schädelform, innerhalb so weiter individueller Gränzen schwanken, dass sich hier ein Gesetz jedenfalls nur auf Grundlage sehr ausgedehnter Messungen etabliren lässt. Falls der fragliche Pfahlbautenschädel wirklich aus dem Steinalter herrührt, so- ist es jedenfalls ein ausserordentlich wichtiges und interessantes Faktum , .dass- seit jener Zeit die Form des Schädels in unsern Gegenden keine wesentliche Abweichung vom anfänglichen Typus erlitten hat. Bekanntlich nehmen manche Ethnographen, so — 15 — vor allem Retzius 1) an, dass die zuerst in Europa eingewanderten Völker (turani- Scher Abstammung) , die Völker des Steinalters, kurzköpfig gewesen seien, späterhin aber durch die Kupfer anwendenden langköpfigen Iranier srossentheils verdrängt wur- den. Man könnte nun vielleicht versucht sein, die mittlern Schädelformen, wie sie unter andern der Schweizerschädel zeigt, durch eine Vermischung der beiden Typen zu erklären, allein (das supponirte Alter unseres Pfahlbauschädels immer als richtig Vorausgesetzt) einer solchen Entstehung des gegenwärtigen Typus durch Mischung zweier getrennten würden die im Obigen gemachten Mittheilungen entschieden wi- dersprechen. ' t) Müller’s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1849. p. 568. Geschichte, De — Historische Veränderungen der Fauna des Steinalters. 1. Vom Steinalter bis auf die historische Periode. Wir haben in dem vorigen Abschnitt die Fauna sowohl der wilden als der Haus- thiere, wie sie in den Pfahlbauten des Steinalters in der Schweiz erhalten ist, mit der Einlässlichkeit behandelt, welche ihr vermöge ihrer eigenthümlichen Stellung zur Geschichte des Menschen am vermuthlichen Anfang der Kulturgeschichte Europa’s zukömmt. | Ein zweiter Theil der Aufgabe besteht darin, die Modifikationen zu untersuchen. welche diese Fauna im Verlauf der Zeit erlitten hat und die Geschichte dieser Thier- welt überhaupt bis auf die Gegenwart zu verfolgen. Diese Aufgabe ist umfangreicher und schwieriger als die erste. Sie verlangt die Beobachtung des Untergangs nicht mehr vorhandener — und des Auftretens neuer Thierformen, so wie die Prüfung der allfälligen Veränderungen derjenigen, welche von unserem Ausgangspunkt in den ältern Perioden des Steinalters an bis auf unsere T age sich erhalten haben. Für die wilden Thiere ist diese Aufgabe, so weit dies bis jetzt möglich war, bereits gelöst worden. Die Verbannung des Bibers, des Elen, des Hirsches, des Steinbocks, des Wisent aus dem Gebiete der Pfahlbauten, die einstweilen noch nicht so weit gediehene Reduktion des Bärs, des Wolfs, des Wildschweins, des Rehs, der Schildkröte, das vollständige Erlöschen des wilden Urochsen — dies alles wurde, so weit thunlich, an der Hand historischer Dokumente schon in einem dazu bestimmten Abschnitte der „Untersuchungen“ (pag. 34 bis 44) ver- folgt und in dem vorhergehenden Theil dieser Arbeit vervollständigt. Nur über das Verschwinden des Torfschweins als wilden Thiers konnte bisher nichts beigebracht werden, wohl aber ergab es sich, dass dasselbe schon in den spätern Zeiten des Te = > Steinalters gezähmt erscheint. Zwei Ochsenarten, Bos trochoceros und brachyceros treffen wir schon in der frühesten Periode im zahmen Zustand. | Auch die Modifikationen noch lebender wilder Thiere seit dem Steinalter bedürfen keiner besondern Besprechung mehr. Die riesige Grösse des Hirsches und Wild- Schweins im Verhältniss zu ihren heutigen Repräsentanten, die/etwaigen Abweichungen in der Geweihbildung des erstern, die auffallende Kleinheit des Fuchses im Steinalter und die schärfere Ausbildung des Gebisses manches kleinen Raubthiers jener Epoche im Vergleich zu heute sind einlässlich behandelt worden. Es reduzirt sich daher die jetzige Aufgabe auf die spezielle Verfolgung der Haus- thiere des Steinalters bis auf die Gegenwart. Das Material zu dieser Arbeit ist leider bei weitem nicht so vollständig wie zu dem bisher verfolgten Zweck; es besteht in den bis jetzt nur kleinen Knochensen- dungen aus den Pfahlbauten der Bronzezeit und in den noch spärlichern Ausgrabungen aus noch spätern Perioden. Mehr bot selbstverständlich die Gegenwart, obschon hier das osteologische Studium der Hausthierracen andere und nicht kleinere Schwierig- keiten darbot. Die grosse Lücke in der Vollständigkeit der Untersuchung zwischen dem Bronzealter und der Gegenwart wird daher auf billige Beurtheilung rechnen dürfen. Ich beginne diese Untersuchung mit der Aufzählung der wenigen Thierreste des Steinalters, welche mir aus andern Lokalitäten als Pfahlbauten bisher zu Gesicht ge- kommen sind. Aus der berühmten Lokalität von Abbeville kamen mir durch Vermittlung von Herrn Dr. Uhlmann in München-Buchsee einige Knochen zu, mit der Etikette: yec des vases et des silex taillés.“ Es „trouvés dans les tourbieres de la Somme, a | rd, ohne alle Spur von Bearbeitung. waren unverletzte Knochen von Kuh und Pfe Eine Tibia und ein Metatarsus von zahmer Kuh gaben den sichern Beleg, dass auch dort im Steinalter schon Racen von sehr verschiedener Grösse gezähmt waren, da der Metatarsus dem grossen Ochsenskelet, das zu den obigen Messungen diente, fast 3 ganz gleichkam, während die Tibia, gleichfalls vollständig erwachsen, um ein volles Viertheil dahinter zurückblieb 1). = nee 1) Ein Stück Tibia eines sehr grossen Ochsen aus dem Diluvium von Menchecourt bei Abbeville, bekanntlich ebenfalls ein Fundort von Silex ‘tdillés, glaubte ich dem Bison priscus (Bos priscus Meyer) zusehreiben zu müssen. Die äussere Beschaffenheit dieses Knochens war ausserordentlich ver- — 155 — Lehrreicher war eine kleine Sammlung thierischer Ueberreste,, welche ich durch Herrn F. Forelin Morges aus den Höhlen von Mentone an der Riviera: di Po- nente ‚erhalten habe. Herr Forel hat die genauern Verhältnisse dieses Vorkommens beschrieben }). Die Knochenreste finden sich gemischt mit recenten Meeresmuscheln, mit Feuersteininstrumenten und mit reichlichen Feuersteinsplittern, welche von. der Bearbeitung der. letztern herrühren, in einer 4 Fuss starken Erdschicht, welche den Boden der Höhlen deckt. ‚ Töpferwaaren fanden sich dabei nicht. Die thierischen Ueberreste, die ich untersuchen konnte, gehörten folgenden Arten an: Wildkatze. Wolf. Fuchs. Wildschwein. Pferd. Hirsch. Reh. Antilope.?? Mouflon. ? Urochs? 2). Die Aufzählung des Mouflon gründet sich auf die Bestimmung weniger Zähne, die ich zugeschickt erhielt, und welche in der That mit denjenigen des korsischen Wildschafs besser als mit irgend einem andern Wiederkauer übereinstimmten; die Erscheinung dieses Thieres auf dem Continent von Europa ist um so weniger auf- fallend, als Plinius (VIH. 49.) dasselbe auch in Spanien aufführt. Eine weit wich- tigere Thatsache ist das gänzliche Fehlen von Hausthieren, mit Ausnahme des nur durch zwei Zähne vertretenen Pferdes, das sicherlich nicht von den Troglodyten von Mentone gehegt war 3). Es weist diese Thatsache, sowie das Fehlen von Töpfer- schieden von allem, was ich sonst aus dem Steinalter irgendwelcher Lokalitäten gesehen hatte und machte den Eindruck weit höhern Alters; er sah vollkommen aus wie diluviale Reste von Rhinoceros, Elephant etc. 1) Notice sur les instruments en Silex et les ossements trouvés dans les cavernes de Menton. Lausanne, Bridel 1860. 2) Herr Forel fügt dazu noch das Kaninchen und ein Wirbelstück eines Walthieres. Hirsch und Mouflon? waren am reichlichsten vertreten. Die zwei Hundearten, welche Herr Forel a. a. O. erwähnt, sind Wolf und Fuchs; der Raubtbierzahn gehört dem Wildschwein. 3) Die Pferdezähne gehören dem recenten Pferd, Equus caballus, an, nicht etwa dem diluvialen Eq- a a a = O = en waaren die Bewohnung dieser Höhlen in ein weit höheres Alter, oder legt uns we- nigstens einen weit niedrigern Kulturstand vor Augen, als unsere Pfahlbauten; dies ist um so wichtiger, als Herr Forel nachweist, dass dieser Kulturzustand, von wel- chem Analogien am Pontus Euxinus und kaspischen Meer noch Strabo und Plinius bekannt waren, an der ligurischen Küste etwa ein Menschenalter früher, zu Diodor’s Zeiten theilweise noch fortbestanden zu haben scheint. Zu einem ganz andern Resultat führte die Vergleichung der so charakteristischen Fauna des Pfahlbauten-Steinalters mit Knochen, welche Herr A. v. Morlot in dem Eisenbahndurchschnitte des Schuttkegels der Tiniere bei Villeneuve, 20 Fuss unter der Oberfläche, ebenfalls mit Spuren menschlicher Industrie aus dem Steinalter aus- gegraben hat 1). Ausser reichlichen Ueberresten vom Mensch fanden sich solche von Haushund, Hausschwein, Ziege, Schaf und Kuh, also alles Hausthiere , und zwar von Racen, welche von heutigen durchaus nicht, wohl aber von denjenigen der | Pfahlbauten des Steinalters entschieden abwichen. Nicht nur das sehr recente Aus- BR FE sehen dieser Knochen, sondern vielmehr die grosse Verschiedenheit des Hundes und = des Schweines von den so bestimmten und konstanten Racen der Pfahlbauten liefern einen sichern Beleg sehr später Zufügung dieser Knochen zu den Resten primitiver / a Be u menschlicher Kultur. | G u: hm q Es ist von antiquarischer Seite schon seit längerer Zeit bemerkt worden, dass a in Pfahlbauten jüngeren Alters die Knochenanhäufungen bei weitem nicht so reichlich sind, wie in den frühern Perioden; dies ist für die Untersuchung der Fauna ein Uebelstand, den ich lebhaft empfinde; trotz der grossen Zahl der Lokalitäten des “Zusendungen erhielt, ist das Material für dieses Alter weit x Deanzeiliorg ,„ woher ich Spärlicher als für die vorausgegangene Periode. Ebenso ergab sich durch die antiquarischen Forschungen sehr bald, dass viele Pfahlbauten durch verschiedene von den angenommenen Perioden der vorhistorischen Zeit hindurch, ja manche wahrscheinlich von frühester Zeit an mehr oder weniger andauernd bewohnt waren bis zur römischen Invasion , welcher das Aufhören dieser Ebenso Pferdezäbne, welche sich mit Knochen- und Kohlenstücken, grober Töpferwaare und angustidens. S. Troyon, Anzeiger für p: Feuerstein-Instrumenten in einer. Grotte am Salève bei Genf vorfanden, schweiz. Gesch. und Alterthümer. Zürich 1855. p. 51. 1) Morlot, Etudes geologico- archéologiques en Danemark et en Suisse. Bulletin de la Soc. Vaud. ; | des sciences naturelles. Tome VI. 1860. p. 326. — 160 — sonderbaren Lebensweise zumeist zugeschrieben wurde, weil die dokumentirte Ge- schichte darüber keine Nachrichten hinterlassen hat; fraglich war nur, ob die Ver- drängung von Stein und Knochen als Rohstoff für die Geräthe des täglichen Lebens durch Metalle, sowie der historisch genügsam belegte Ersatz der bei allen altwelt- lichen Völkern zuerst verwendeten Kupferlegirung durch Eisen als Beweis der Suc- cession verschiedener Völker zu betrachten sei. Wenn auch bei Griechen und Rö- mern die Bronze durch das Eisen so stillschweigend und rasch verdrängt wurde, wie dies bei den primitiven Völkern unserer Tage mit dem Kupfer geschieht, so musste doch die Einführung des Metalls in Länder, wo solche vorher unbekannt ge- blieben, ‚als Wendepunkt erscheinen, der möglicherweise mit dem Auftreten neuer Völkerstämme in Verbindung stand. Diese Ansicht erhielt eine Stütze von grossem Gewicht durch die Thatsache, dass gewisse Pfahlbauten, wie Wangen und Moossee- dorf offenbar nur von Völkern primitivster Kultur bewohnt waren, während andere, wie Morges, weder Steinwerkzeuge, noch auch eiserne Geräthe zu Tage brachten. Leider konnten die sichersten Gewährsmänner in dieser Frage, nämlich die Be- wohner der Pfahlbauten selbst, bis jetzt nicht befragt werden, da ihre Grabstätten noch unbekannt sind, und menschliche Schädel in den Pfahlwerken fast gänzlich feh- len. Die zoologische Prüfung der Frage musste sich vor allem an die Hausthiere halten und auch hier war vor allem erheblich die Vergleichung der Thierreste von Pfahlbauten der Bronzeperiode mit den Knochen aus Ansiedlungen des Steinalters. Die bisher untersuchten Lokalitäten, unter welchen Meilen, und in noch hö- herem Maasse Concise mit Bestimmtheit aus dem Steinalter bis in’s Bronzealter hinüberragen, boten in dieser Beziehung noch keine bestimmten Resultate. Das all- gemeine Gepräge der an diesen beiden Stellen ‚hinterlassenen Fauna ist demjenigen der Fauna von Wangen und Moosseedorf in hohem Maasse ähnlich. Die wilden Thiere walten zwar in Moosseedorf (aus Wangen sah ich nicht reichlich ge- nug Knochen) etwas mehr vor über die zahmen, als in Concise, allein es sind die- selben Thiere. | Unter den Hausthieren muss vor allem vom Pferd abgesehen werden, das 'alleroris nur als sehr zufällige und seltene Erscheinung auftritt. Der Hund war in Moosseedorf offenbar weit seltener als in Meilen und Concise, allein es ist durchaus dasselbe Thier an allen Stellen. Das Schaf verdrängt allmälig, wahrscheinlich mit der zunehmenden Fertigkeit in Zubereitung der Wolle, die in Moosseedorf häufigere Ziege, und neben dem ziegenhörnigen kleinen Schafe des Steinalters erscheinen — MM — grössere krummhörnige Racen schon in Wauwyl, wo noch keine Bronzewaaren gefunden worden sind. Die Ziege lässt keine solche Modifikationen der Race er- kennen, wie ja noch heutzutage die Kultur sich mit ihr nicht viel beschäftigt hat. In Coneise finden sich bereits Ziegenschädel von so schönen Thieren, als heutzutage etwa in der Schweiz gehalten werden. | Wichtig sind besonders Schwein und Kuh. Ich habe keine Belege für An- wesenheit des zahmen Schweins in Moosseedorf, und auch in allen übrigen Pfahl- bauten fanden sich nur in Coneise Spuren eines vom gewöhnlichen Wildschwein ab- zuleitenden Hausthiers. Ich kam dagegen zum Schluss, dass das Torfschwein in Nidau-Steinberg, in Robenhausen , in Wauwyl, in Concise als Hausthier auftrat. Ich muss gestehen, dass die spärlichen Spuren vom zahmen Wildschwein neben den viel reichlichern des im Steinalter schon gezähmten Torfschweins mir viel eher für Im- Port einer neuen Hausschwein-Race in Coneise zu sprechen scheinen, als für Zäh- mung von Sus Scrofa ferus durch die Seeansiedler, um so mehr als auch die Kuh in Concise in einer ausser dem Neuenburger-See gänzlich vermissten, in der Trocho- s ceros-Race erscheint. In Bezug auf die Kuh steht jedenfalls fest, dass die kleine Torfrace oder Bra- > chyceros-Race im Steinalter allgemein und in dessen ältesten Ansiedlungen, in Wan- gen und Moosseedorf nach meinen bisherigen Erfahrungen fast ausschliesslich ver- breitet war 1). In Concise, Wauwyl, Meilen, Robenhausen kommt dazu die Primi- genius-Race „ welche namentlich an den beiden letzten Lokalitäten die Torfkuh stark verdrängt ben und eine Grösse zeigt, wie sie heutzutage von keiner zahmen Race übertroffen wird; in Coneise und einigen andern Ansiedlungen des Neuenburger-See’s ausschliesslich kommt endlich dazu eine dritte Race von kaum geringerer Grösse, die- jenige von Bos trochoceros. Bedenken wir, mit welcher Zähigkeit noch heutzutage an einmal gepflegten Haus- Ihierracen festgehalten wird, so gestatten diese Resultate vorerst eine Gruppirung der zunächst besprochenen Ansiedelungen nach dem Alter, welche mit den antiqua- tischen Forschungen übereinstimmt; offenbar den frühesten Kulturzustand; in zweiter Linie erscheinen Robenhausen, a aea RAE 1) Die wenigen Reste grosser Kuhracen an diesen zwei Lokalitäten kann ich der fehlenden Schädel- Stücke halber nicht mit Bestimmtheit einer besondern Race zuschreiben; doch ist es höchst wabrschein- Ich, dass sie zu der Primigenius-Race gehörten. Wangen und Moosseedorf vertreten — 12 — Wauwyl und Meilen mit einer Viehrace und einem zahmen Schwein, welche früher zum Theil oder gänzlich fehlten; Concise mit seinen reichlichen Bronzeresten ‚bringt eine neue Race von Schwein und Rindvieh. — Ein gemeinsames und bestimmtes Eigenthum des ganzen Steinalters bis auf Con- cise herab bilden unter nachweislich zahmen Thieren nur die Torfkuh und der überhaupt in dieser Periode allein bekannte kleine Torfhund. Dieser letzte Um- stand ist von nicht geringem Belang. Schon von vornherein hatte ein Thier, das gewiss nur in den allerniedrigsten Kulturstufen als Nahrungsthier diente und in ge- mässigten Klimaten als Luxusthier gelten darf, bei der Untersuchung von Fortschrit- ten und Abschnitten der Kultur allen Anspruch auf besondere Aufmerksamkeit. Wie heutzutage konnte auch schon damals die Kultur beim Hund durchaus nicht wie bei Nahrungsthieren eine Vermehrung der Körpergrösse erzielen, sondern lediglich grössere Mannigfaltigkeit der Dienstleistung; und diese wurde nicht erreicht durch anderweitige Erziehung der vorhandenen Race, sondern, wie noch heute, durch Im- port und Kreuzung mit verschiedenen Racen, die anderswo, ebenfalls zu speziellem Zweck, erzogen worden waren. So wie daher die Gleichartigkeit dieses Hausthieres durch das ganze Steinalter trotz der Mannigfaltigkeit der Rindviehracen als ein star- ker Beleg für die Gleichartigkeit der menschlichen Bevölkerung gelten kann, muss wohl die Erscheinung neuer Racen beim Hund mehr als bei irgend einem andern Thiere auf Berührung mit andern Völkerstämmen oder Ersatz durch solche hinweisen. Unser Blick wendet sich von Concise, wo Bronzegeräth neben den Werkzeugen aus Stein und Knochen reichlich vorkommen 1), billig zuerst nach Morges, einer Ansiedlung, welche vor allen andern die Bronzeperiode bezeichnet, da sie neben den zahlreichen Geräthen aus Bronze weder Stein- noch Eisenwerkzeuge enthält 2). Die nicht grosse Anzahl von Knochen, die ich von dort durch die Herren Forel und Troyon erhalten habe, tragen ein auffallend recenteres Gepräge und sind gleich- zeitig weit schlechter erhalten als alles aus den erwähnten ältern Ansiedlungen. Sie sind von grau-brauner Farbe, mürbe und zerfallend, wie Knochen, die man gele- gentlich aus dem Kies von Flüssen oder Seen aufhebt. Die Liste der Thiere, die mit Hülfe derselben bestimmt werden konnte, ist kurz: Bär, Hund, Schwein, Pferd, Hirsch, Schaf, Ziege, Kuh, Huhn. | 1) L. Rochat, im dritten Bericht über die Pfahlbauten von Dr. F. Keller. 1860. p. 80. Troyon, Habitations lacustres p. 50. 142. 2) Forel, im zweiten Bericht von Dr. Keller. 1858. p. 117. Troyon,a a. ©. p. 109. m — — — ———— BR. — 165 — Die sehr unvollständigen Reste vom Hu nd gestatteten lediglich die Beobachtung, dass dieses Thier in Morges von wesentlich bedeutenderer Grösse war als im Stein- alter. | Etwas vollständiger, doch nicht in dem Maasse, wie das Interesse dieser Loka- litäten wünschbar machte, war das S chwein verireten. Das Wildschwein fehlte dabei gänzlich. Die Unterkiefer vom zahmen Schwein waren zwar‘ nicht zahlreich, allein sie waren es weit mehr als irgend welche früher erwähnte, welche mich zur Ueberzeugnng brachten, dass das Torfschwein, früher wild, später wirklich in die Reihe der zahmen Hausthiere eintrat, und zwar, wie wir sahen, gegen Ende des Steinalters (Robenhausen, Meilen, Concise, Nidau-Steinberg). Die aus Morges stam- menden Unterkiefer vom Schwein boten alle Merkmale der Zähmung, die starke Fal- tung des Schmelzes an den Molaren, die Kerbenbildung an den Prämolaren , die Schwäche und glatte Oberfläche des Kiefers in so starkem Maasse dar als unser heu- tiges Hausthier, allein vereinigt mit Grösse und Form von Kiefer und Zähnen (na- mentlich auch Caninen) des Torfschweins. Ich will nicht vergessen, beizufügen, dass auch noch diese Unterkiefer von Morges mit dem gleichen Kunsigriff aufgebrochen waren, wie diejenigen aus der ältesten Steinzeit, ein Umstand, der den weniger Sichern Spuren zahmen Torfschweins aus Meilen, Robenhausen und Concise eine wesentliche Stütze gab und den Verdacht einer spätern Beifügung dieses Hausihiers vollständige verbannte. der Ein neues Interesse bietet ein fernerer, bisher einziger, und ebenfalls auf die übliche Weise geöffneter Unterkieferast eines zahmen Schweines in Morges, welches in vollständig erwachsenem Alter, hei schon stark abgetragener M. 3 hinter dem Schon an sich kleinen Torfschwein an Grösse noch erheblich zurückblieb. Die Eck- zähne dieses kleinen Thierchens waren nicht mehr erhalten, allein ihre Alveolen (an einem weiblichen Individuum) sind kaum ‘grösser als diejenigen der Schneidezähne;, an welche sie sich ohne Lücke anschliessen. Die Dimensionen der Zahnreihe stelle ich zusammen mit den oben p. 36 bis 38 gegebenen des typischen Torfschweins und "Wildschweins aus dem Steinalter. Morges. Torfschwein. Wildschwein. F; Länge der ganzen Backzahnreihe des Unterkiefers. 112 19-18 . 48 ». der 3 Molaren 59 65—174 16—88 | y „ der 3 hintersten Prämolaren . 33 35—40 42—46 E | » von M. 3 30 33— 81 40—53 2 Sn ma Lin: 55—64 64-73 — 164 — Mögen auch diese Zahlen den Grössenabstand des fraglichen Unterkiefers hinter dem minimalen Betrag des Torfschweins des Steinalters nicht so gross erscheinen lassen, wie er sich dem Auge aufdrängte, so gewinnt doch diese Differenz immer- hin an Belang bei einem Hausthier in einer Periode, wo die Kultur sich nicht mehr an wilden Thieren versuchte. Man würde auch den vorliegenden Fall unbedenklich unter die individuellen Ausnahmen stellen dürfen, wenn er ganz isolirt wäre. Allein das Erscheinen ebenso kleiner Thiere an andern, bald zu erwähnenden Stellen nö- thigte, wenigstens vorderhand, über den vorliegenden Fall nicht zu leicht wegzu- gehen. “\ Das Pferd von Morges gehörte einem sehr kleinen und feingliederigen Schlag an. Vom Schaf waren nur Kiefer und Zähne von der Grösse wie bei heutigen Schafen, allein keine Hörner, vorhanden. Die Kuh entsprach nach den verschiede- nen Extremitätenstücken vollständig der kleinen Torfkuh des Steinalters. Ein eigenthümliches Interesse könnte die Erscheinung eines Tarsalknochens vom Haushuhn im Pfahlbau von Morges darbieten. Ich bin indess durchaus nicht ge- neigt, hierin den Beleg der Einführung des Huhnes in dieser Periode zu erblicken; Knochenanhäufungen in offenen Gewässern und namentlich an Seeküsten bieten in Bezug auf Isolirung während langer Perioden nur minime Garantie, ganz anders als die seit dem Steinalter durch eine Torfdecke gegen spätere Beifügungen hermetisch abgesperrten Lokalitäten von Moosseedorf, Wauwyl, Robenhausen. Auch fiel mir sofort das recente Aussehen dieser Hühnerreliquie auf, welcher daher vorderhand wohl kein Gewicht beizulegen ist 1). | Reste einer kleinen Kuh fanden sich auch in dem mit Morges gleichaltrigen Pfahl- werk von Rolle 2). Ich knüpfe an die Ansiedlung von Morges die Besprechung der Ueberreste aus einer Reihe von Pfahlbauten derselben Periode, allein von weniger bestimmter histo- rischer Begrenzung. | Die durch Herrn Oberst Schwab seit langer Zeit bekannte und durch den Reichthum an Fundsachen berühmte Lokalität von Steinberg bei Nidau 3), wo Kunst- 1) Dies wird kräftig unterstützt durch die briefliche Mittheilung von Herrn Forel, dass, obschon sehr wenige, sich doch einige Gegenstände neuern Ursprungs in dem Pfahlwerk von Morges vorgefunden hätten. 2) Troyon, Habitat. lac. p. 120. 3) Keller, erster Bericht p. 86; zweiter Bericht p. 444. Ich bin Herrn Oberst Schwab schuldig, g t = MM = erzeugnisse von Stein mit solchen von Bronze und Eisen zusammenliegen, ist schon im ersten Theil dieser Arbeit wiederholt berührt worden; sie lieferte an wilden Thie- ren das Wildschwein und Torfschwein, das Elenthier, den Edel- hirsch und den Damhirsch. Von Hausthieren waren vertreten das Torf- Schwein, der Torfhund, die Torfkuh, das Pferd, die Ziege, das Schaf. | Auf der kleinen Insel des See’s von Inkwyl bei Solothurn fand sich ein Pfahl- werk, das nach der Ansicht von Herrn Keller vom Steinalter bis in die römische Zeit hinunter besucht war !). Der Knochenvorrath bot nichts Bemerkenswerthes; nach der Reichlichkeit wilder Thiere zu schliessen gehört er einer frühen Periode an. Dachs, Fuchs, Wildschwein, Hirsch, Reh, Haushund, Torf- kuh, Schaf und Ziege waren vertreten; die äussere Beschaffenheit der Knochen und ihr ganzes Gepräge liess sie gut in eine Reihe mit Moosseedorf etc. stellen. Bestimmtere Resultate bot die Ausbeute mehrerer von den von Herrn Oberst Schwab in Biel entdeckten Ansiedlungen des Neuenburgersee’s, welche meistens ebenfalls keine bestimmte historische Begrenzung zeigen. Schon früher wurde die Lokalität von Chevroux 2) am östlichen Ufer dieses See’s erwähnt, wo Geräthe von Stein, von Bronze und selbst von Eisen gefunden wurden. Ausser dem schon ge- nannten Horn von Bos Trochoceros erhielt ich von dort durch Herrn Professor Desor Reste der Torfkuh (Brachyceros-Race), von Schaf, Ziege, Haus- Schwein (nicht näher bestimmbar), Haus hund und Hirsch. Bos trochoceros weist diese Ansiedlung auf parallele Stufe mit Concise. Allein das Vorwalten der Hausthiere und die Verschiedenheit des Haushunds von dem in Concise bisher aus- Schliesslich und reichlich vertretenen Torfhund sprechen für noch weit spätere Fort- dauer der Bewohnung von Chevroux. Der Haushund ist nur durch einen Unterkiefer vertreten, der aber einer Race angehört, welche stärker war, eine kürzere Schnauze und dichter gestellte, stärkere Zähne, namentlich einen im Verhältniss zu den übrigen die p. 29 der „Untersuchungen“ gemachte Angabe zurückzuziehen, dass der Inhalt der verschiedenen Lo- kalitäten des Bielersee’s nicht isolirt worden wäre. in dem Schriftehen über die Pfahlbau-Alterthümer von Moosseedorf, von Jahn und 1) A. Morlot, Uhlmann. Bern 1857. Keller, zweiter Bericht p. 120. 2) Keller, zweiter Bericht p. 115. ta EEE nn Ten i ~- m nme ng — 66 — ' Zähnen weit’ stärkern Fleischzahn (M. 1) hatte, als der Torfhund; ich möchte sie am _ ehesten mit unserem Fleischerhund zusammenstellen 1). Unerheblich war die Ausbeute in Cortaillod am westlichen Ufer desselben See’s ?) (Hirsch, Kuh, Schaf), von Auvernier, nahe bei Cortaillod 3) (Hirsch, sehr grosse Kuh und Schaf), von Bevaix ‘ (Hirsch und Kuh, letztere von sehr geringer bis mittlerer Grösse), von Corcelette 5) (ein durch recentes Aussehen et- was verdächtiger Metatäarsus vom Esel), von Echallens ^), dem Fundort einer Giesserei von Bronzegeräthen,, mitten im Kanton Waadt, in gleicher Entfernung von den See’n von Neuchätel und Genf (Schaf und sehr grosser Hund). Eine grosse Knochensammlung,, allein aus historisch ganz unsicher begrenzter Zeit kam mir aus Neuveville durch Herrn Gilliéron zu, der dieselbe mit dem Schlepp- netz aus der Zihl oberhalb ihres Eintritts in den Bielersee gewonnen hatte. Nach den Mittheilungen von Herrn Gilliéron liegt dort kein Pfahiwerk; allein mit den Kno- chen wurde gleichzeitig eine grosse Menge von Geräthen aus Stein und Knochen herausgelischt, und am Ufer gelang es Herrn Gilliéron, durch Grabungen bis auf 1,85 Mètre, d. h. bis beinahe auf die Sohle der Zihl die im Flussbett zu Tage ste- hende historische Schicht herauszufinden, durch deren Abspülung die gefundenen Ge- genstände in den Bereich des Schleppneizes gekommen waren. Diese Kulturschicht war bezeichnet durch rohe T öpferwaaren, Knochen, Feuersteinsplitter etc. Ein ein- ziges Stück aus Bronze, eine Haarnadel, fand sich höher als diese Kulturschicht im Kies des Flusses. Trotzdem dass demnach die Kulturschicht selbst offenbar dem Steinalter anzugehören scheint, konnten doch zu den Abspülungen derselben von weiter oben her sehr leicht fremde und neuere Sachen hinzugekommen sein; die Knochen waren auch fast sämmtlich gerollt, die hohlen Knochen quer entzweige- brochen, nicht der Länge nach gespalten. Die Mehrzahl derselben stammt von der Hauskuh von sehr verschiedener Grösse ; in zweiter Linie folgt dann der Hirsch, in der That ein Zeugniss von höherem Alter der Sammlung, dann Wil ds chwein B Herr Prof. Desor schreibt mir, dass neuerlich ein noch grösserer Schädel (von 24 Centim. Länge und 14 Centim. Breite der Jochbogen) bei Estavayer gefunden worden sei. 2) Stein- bis Eisenalter. Keller, zweiter Bericht p. 116. Troyon, Habitat. lac. p. 144. 189. 3) Bronze- bis Eisenalter. Troyon a. a. O. p. 147. ^) Bronze. Troyon a. a. O. p. 143. 5) Bronze. Keller, zweiter Bericht p. 116. Troyon a. a. O. p. 141. 6) Troyon a. a. O. p. 113. 478. und Torfschwein, dann in weit geringerer Menge Schaf, Ziege undPferd. Ueberdies fanden sich dabei Reste vom Bär, Wolf, Fuchs, Katze, Hecht. Besondere Erwähnung verdient unter diesen Thieren nur noch das Schwein, welches ziemlich reichlich vertreten war, mit Ausnahme weniger Spuren des Wild- schweins und des von ihm abstammenden Hausschweins und zwar durchgehend in so auffallend kleinen Individuen, dass man sich versucht finden konnte, darin eine neue noch kleinere Race als das Torfschwein zu erkennen. Nichtsdestoweniger zeigten alle diese Reste einen auffallend kräftigen Charakter. Mehrere sehr vollständige Oberkiefer liessen auch in Bezug auf die Uebereinstim- mung mit dem Torfschwein keinen Zweifel. Allein in Bezug auf die Grösse blieben diese Reste fast durchgehends hinter dem Torfschwein anderer Lokalitäten zurück; dazu trug die Verkürzung von M. 3 in Folge der Reduktion des Talon, namentlich am Oberkiefer, das meiste bei; ob dies ein Erfolg der Zähmung (etwa der Castration?) sein kann, vermag ich nicht zu beurtheilen; wenigstens glaube ich in der Sammlung von Herrn Gillieron das Torfschwein sowohl im wilden als im zahmen Zustand zu finden. Da dieselbe kleine Schweinsrace uns noch ferner begegnen wird, so gebe ich einige Messungen derselben an männlichen und weiblichen Individuen, ver- glichen mit den früher gegebenen Werthen des gewöhnlichen Torfschweins. Zihl. Wangen etc. Oberkiefer. Länge der ganzen Backzahnreihe . . . - 112 116-120 der drei Molaren . 65—67 65--77 aller Prämolaren a ee 2) 45—48 PAM L T PA a 56—60 59—65 von M. 3. aio . 30-54 30—40 Unterkiefer. Länge der drei Molaren 2 2 22 2 52—66 65—74 „ der drei hintern Prämolaren . . . 36-39 35—40 meaa en 0 6 00 „ von M. 3 30—32 33—37 Die Minimalwerthe des Unterkiefers beziehen sich auf den kleinsten und doch völlig erwachsenen Kiefer vom Schwein, den ich bisher überhaupt gesehen habe. Nichtsdestoweniger ist auch dieser auffallend kräftig. Beachtenswerth ist dabei die schon früher bemerkte grosse Konstanz in der Ausdehnung der 4 mittlern Backzähne, - M Obige Messungen gestatten nicht, in dem kleinen Schwein aus der Zihl etwas anderes zu sehen, als einen auf die westliche Schweiz einstweilen fast beschränkten minimen Schlag des Torfschweins. Einige wenige Reste aus vorhistorischer Periode erhielt ich endlich von Herrn Quiquerez in Delémont, Schädelstücke der Ziege aus einer Ansiedlung bei Vorburg zwischen Delémont und Soyhiere; Stein- und Bronzegeräthe, die dabei lagen, weisen auf ein hohes Alter dieser Lokalität. Derselben (celtischen) Periode schreibt Herr Quiquerez einen Tumulus bei Courfaivre im Thal von Delsberg zu, wo neben menschlichen Knochen auch Skeletstücke einer grossen Hundeart sich vorfanden 1). | Ein vollständiger Schädel wird anderwärts besprochen werden. 2. Historische Periode. Schon an mehreren Stellen, deren Knocheninhalt besprochen wurde, fanden sich Spuren menschlicher Thätigkeit bis auf die Römerzeit hinunter; so in Nidau-Stein- berg, Chevroux, Auvernier, Cortaillod. So sehr auch eine genaue Verfolgung der Fauna gerade an den Stellen, wo nach dokumentirten Quellen grosse Bewegung und Austausch verschiedener Völker ‚ stattfand, erwünscht sein müsste, so bin ich doch nicht im Stande, manches über das Schicksal der 'Thierwelt in dieser Uebergangsperiode und dem Anfang der histo- rischen Epoche auf der Nordseite der Alpen mitzutheilen; um so mehr ist es Pflicht, in Erwartung reichlichern Materials diesem wenigen Aufmerksamkeit zu schenken. Das Museum von Bern enthält einige thierische Ueberbleibsel, welche im Enge- wald bei Bern nebst Scherben römischer Töpferwaare, zum Theil sehr schöner Terra sigillata, innerhalb alter Mauerreste gefunden worden. Die Knochen gehören einem zahmen Schwein an, welches an Körpergrösse dem kleinen Schlag vom Torfschwein, der durch die Arbeiten von Hrn. Gilliéron an der Zihl zum Vorschein gekommen , äusserst nahe stand; die Abweichung davon besteht in etwas deutlicherem Gepräge des zah- men Zustandes und besonders in der fast vollkommenen Reduktion des Talon an M. 3 sowohl des Ober-, als des Unterkiefers; ein Umstand, der dem ganzen Gebiss 1) Quiquerez, Monuments de l’ancien Evéché de Bäle. Mittheil.- der antiquar. Gesellsch. in Zürich. Vol. II. 1844. I P einen sehr auffallenden Charakter. gibt. Die Dimensionen an erwachsenen Kiefern weiblicher Thiere waren folgende: Engewald. Torfschwein. Oberkiefer. Länge der 3 Molaren. e cepe moe 0 65 65—77 saak NOD- Maier ini ae er 29 30—40 Unterkiefer. Länge der Backzahnreihe ohne P. 1. 92 102—112 5.83ejlere8r}Molarena jr ur Ongan 57 65—74 „der 3 hintern Prämolaren . . . . 35 35—40 > avon M at Po Si ao 57 55—64 abioa MinStad so r oa T anshi don 26 33—37 Kieferhöhe vor P. 2. mi > 2 ern 38 37-46 9 hinter M. Sarego ead M 36 38—42 J8 62—79 Länge der Symphyse. 2 ásbnio Es geht aus der Tabelle deutlich hervor, dass die Reste von Engewald haupt- Sächlich durch Verkürzung von M. 3 von denjenigen des gewöhnlichen Torfschweins abweichen: ob einstweilen hierin eine Berechtigung zur Abtrennung liegt, wird später hoch besprochen werden. Aus Augusta Rauracorum enthält das Museum von Basel einige Schweins- teste, welche von den soeben besprochenen sehr stark abweichen und vollständig mit der heutigen zahmen Form des Wildschweins übereinkommen. Einzelne, obwohl meist sehr unvollständige thierische Ueberbleibseil erhielt ich ferner aus römischen Ruinen von Bougi bei Vevey (sehr grosser Hirsch), von Puidoux, Kanton Waadt (Wildschwein), von Vidi bei Lausanne (Kuh), von Chesaux bei Lausanne (Kuh, Ziege, Schwein, Schaf). ' Etwas vollständigeres Material, freilich nur aus sehr wenigen Lokalitäten, die indess den grossen Vorzug eines bekannten Alters für sich haben, erhielt ich durch Herrn F. Troyon aus nachrömischer Periode. Die eine Stelle ist Noville im Thale der Rhone bei Villeneuve. Die dortige Knochenablagerung knüpft sich an den Bergsturz des Grammont, der im Jahre 563 Tauredunum verschüttete. Beim Ziehen eines Abzuggrabens von Crebelley nach Noville fand sich an beiden Orten eine Anzahl unverletzter Knochen von äusserst Schöner Erhaltung, glänzend schwarz und so wenig verwittert, als die Knochen aus 22 m ii I H HB E L H. t f, È J E | | PE De "E | i 0 Ta: H ] i DE i f FA | i | mo I j 1i N ii Y {i i f PE i IM. ii u ii N 4 | 4 i oE ee — 170 — Torfmooren. Das schönste Stück war ein grosser Theil des Schädels einer sehr kleinen Kuh, mit schlanken und kurzen, nach aussen und hinten abstehenden Hörn- chen, nebst einigen entsprechenden Extremitätenstücken. Die Bildung des Schädels stimmt mit dem Typus von Brachyceros überein. Ausserdem fand sich ein Metacar- pus einer Kuh von mittlerer Grösse, ein Atlas vom Esel und mehrere Extremitä- tenstücke eines hochbeinigen Hundes, der von dem Hausthier des Steinalters in auffallendem Grade abwich. Noville. Torfhund. Volle Länge des Radius . . . 186 122—128 5 g= der Tibia- #98i0figg4 144 Die Differenz beträgt ein volles Drittheil zu Gunsten des Hundes von Noville. Die andere Stelle ist der durch Herrn Troyon bekannt gewordene Opferhügel von Chavannes sur le Veyron bei Üossoney im Kanton Waadt t). Ein künstlicher Hügel von 22 Fuss Höhe und 114 Fuss Durchmesser, umgeben von zwei Kreisgraben, ist dort aufgebaut aus abwechselnden Schichten von Erde und von Asche mit Kohle. Mitten in den Kohlenschiehten lagen einige eiserne Geräthschaften, Hufeisen, Pferd- gebisse, Sporen, Lanzenspitzen, sowie ein Schlüssel von eigenthümlicher Bildung , allein ausserdem ein sehr grosser Vorrath von absichtlich in kleine Stücke zerbroche- nen Knochen von gelber Farbe und sehr guter Erhaltung, meistens von sehr hohem spezifischem Gewicht (Kieselinfiltration). Wenige Knochenstücke sind angebrannt, andere benagt oder häufiger mit Spuren schneidender Instrumente versehen; mensch- liche Knochen fehlen. Herr Troyon hält diesen Knochenvorrath für den Ueberrest von Öpferfesten und setzt die Entstehung dieses Opferhügels in das VI. Jahrhundert. In der grossen Knochensammlung von da bildeten die Ueberreste der Kuh mehr als die Hälfte des Betrages. Sie gehörten sämmtlich äusserst feingliederigen und kleinen Thieren an; die Grösse blieb unter dem Mittel der Dimensionen der Torfkuh des Steinalters; Hornstücke und Schädelstücke fehlten; dennoch kann ich nicht zwei- feln, dass dies kleine Rindvieh derselben Race angehörie, die auch bei Tauredunum unter der mittlern Grösse der Torfkuh blieb. Das Fersenbein, in einer Anzahl un- verleizter Stücke erwachsenen Alters erhalten, zeigte eine volle Länge von nur 105--115 Mm., das Sprungbein 60 Mm.; Dimensionen von geringerem Betrag als m e t z 1) Troyon, Colline de Sacrifices de Chavannes sur le Veyron. Archæologia Vol. XXXV. 1854. p. 396 — 408. = 8 - beim Hirsch der Pfahlbauten. Andere charakteristische Dimensionen gaben der Meta- carpus (volle Länge 178), der Metatarsus (214 Mm.), die Rolle des Humerus (64 Mm.).— In zweiter Linie folgt das Schwein, theilweise in Schädelstücken grosser Thiere, die vielleicht dem Wildschwein angehörten, erhalten , theilweise in einer kleinen zahmen Race von dem Charakter des kleinen zahmen Torfschweins von Nidau- Steinberg, vorwiegend aber in einer noch kleineren Form, welche in jeder Bezie- hung mit derjenigen aus der römischen Ansiedlung in der Enge bei Bern überein- Stimmt, mit kräftigem Gebiss, starker Emailschicht der Zähne, allein mit sehr kleinen Caninen, äusserst kurzem Ineisivtheil des Oberkiefers und vor allem wieder mit son= derbarer Reduktion des Talon von M. 3, welche wir schon an den Ueberresten von Engewald und aus der Zihl wahrgenommen haben. Chavannes. Torfschwein, Oberkiefer (weiblich). Länge des Os incisiv. am Alveolarrand. ; 56 50—63 „ der ganzen Backzahnreihe. . - - 108 116—120 „ aller Molaren . > 60—63 wen „ aller Prämolaren . DE E 45 45—48 „... won Me aede Taug: BE AA 59—68 BEE E a G 26 30—40 Unterkiefer (männlich). Länge der Backzahnreihe ohne Pordi 97 102—112 „. aller Molaren . 63 65—74 „ der 3 hintern Prämolaren . - - - 34 35—40 og har ones 60 55—64 26 39—31 von M. 3 ; Auch hier fällt offenbar die Verkürzung der Zahnreihe grösstentheils dem letzten die Identität des Schweins von Chavannes mit demjenigen von Engewald ist unzweifelhaft. Allein es wiederholt sich hier die Frage über die Iden- tität mit dem Torfschwein. Wenn auch Robenhausen letzte Molaren des ächten Torf- schweins von nur 30 Mm. bot, so besassen diese doch immer einen deutlichen Talon und die Verkürzung betraf den ganzen Zahn in gleichförmiger Weise. Hier betrifft der so viel als vollständig fehli. Diese merkwürdige Modifi- t auftritt, wenigstens auf irgendwelchen fremden Backzahn zur Last ; Ste nur den Talon, | kation lässt, da sie nicht vereinzelt - Einfluss schliessen. = m — Die übrigen Thiere, welche in Chavannes vertreten waren, sind der Edel- hirsch und das Reh, beide sehr spärlich, häufiger eine grosse Race von Schaf (mit grossen, stark gekrümmten Hörnern, wie grosse heutige Racen, also vollstän- dig verschieden von dem kleinen ziegenhörnigen Torfschaf), die Ziege, der Hund (die Grösse war nicht bestimmbar), der Esel, die Katze (ein Oberschenkel eines sehr grossen Thieres; ob wild oder zahm, blieb unentschieden), der Hase, der Milan (Falco milvus), das Haushuhn. Herr Troyon schreibt derselben helveto - burgundischen Periode Gräber bei Echallens im Kanton Waadt zu, in welchen menschliche Skelete jeden Alters zugleich mit Messern , damaseirten Agraffen und christlichen Symbolen gefunden wurden. Mit den menschlichen Skeleten lagen reichliche und sehr vollständige Reste von Haus- thieren,, alle unverletzt, so vollständige Unterkiefer vom Pferd (einige mit hohem, andere mit sehr schlankem horizontalem Ast, alle mit kurzem zahnlosen Theil des- selben); verschiedene Skelettheile der Kuh (theilweise mit ganz kleinen quer aus- stehenden Hörnern wie bei Tauredunum, theilweise von etwas grösserem Schlag, so ein vollständiger Unterkiefer in Grösse und Charakter mit unserer Race von Schwyz und Uri ganz zusammentrefiend), von grossen Schafen, grossen Hunden und einem kleinen Hausschwein (allein nur mit Milchgebiss). Ich schliesse diese Aufzählung mit zwei Lokalitäten ganz unbestimmten Datums. Unter einem kleinen Hügel bei Montet, Kanton Waadt, angeblich mit römischen Ruinen, fanden sich Knochenreste von theilweise vollständig recentem Ursprung (Hase, Kaninchen), allein dabei auch ein ganz erwachsener Oberkiefer einer wahrhaft zwergartisen Kuh von 108 Mm. Länge der ganzen Backzahnreihe. (Bei heutigen Racen schwankt dieser Betrag zwischen 115 und 145 Mm. An einem sehr kleinen Kuhschädel aus Algier finde ich selbst nur 113.) Dieser Oberkiefer, sowie die Paar Knochen von Schaf haiten ein älteres Gepräge, ähnlich etwa wie die Ueberreste aus Echallens. Eine kleine Anzahl von Knochen von Hausthieren, von Herrn Messikomer bei Steckborn am Bodensee am Ufer ausgegraben, enthielt einen sehr charakteristi- schen Unterkiefer des Torfs chweins, allein daneben Reste von unserem "heu- tigen Hausschwein, vom Pferd, vom Schaf, von sehr grossem Hund (sehr wahrscheinlich Fleischerhund), besonders reichlich von der Kuh, letztere von sehr verschiedener Grösse; die Mehrzahl aber gehörte wieder dem zwergartigen — 13 — Rindvieh mit kleinen, schlanken, gerade ausstehenden Hörnchen an, dem wir schon mehrere Male begegneten (dabei sehr flache Stirn und fast fehlender Oceipitalwulst). Steckborn. Torfkuh. Vertikaler Durchmesser der Hornbasis . 26—28 34—43 | Horizontaler a URS 3 31—40 43—55 Umfang derselben . ; 90—105 — 120—155 Länge: des Hormen .1:2. 7.5 ae „110- 140 145 - 210 Ein orösseres Stirnstück von ebenda scheint der heute in der Schweiz reichlich verbreiteten, in den Pfahlbauten bisher vermissten Frontosus-Race, die ich unten beschreiben werde, anzugehören. Zu derselben zähle ich das Simmenthal- Saanen-Vieh. | Die Resultate dieser Aufzählung der Thierreste aus historischer Periode können erst besprochen werden nach Verfolgung des Gegenstandes bis auf die heutigen Hausthiere. | 3. Gegenwart. | Wie schon in dem vorhergehenden Abschnitt, so kann es sich auch hier, wo die Fauna der Pfahlbauten oder späterer Epochen mit derjenigen der Gegenwart ver- glichen werden soll, nur um die Untersuchung der Hausthiere handeln, da die wilden Thiere schon in dem paläontologischen Abschnitt dieser Arbeit ausreichend berück- sichtigt worden sind; und auch unter den Hausthieren kann sich die Aufgabe auf ei- nige wenige derselben beschränken. Pferd und Ziege haben in ihren Ueberresten von ihrem ersten Auftreten als Hausthiere bis auf unsere Tage keine wesentlichen Veränderungen wahrnehmen lassen. Bestimmtere und konstantere Eigenthümlich- keiten bot der Hund des Steinalters; allein auch dieser konnte schon früher mit einer heutigen Race, dem Wachtelhund und dem Jagdhund mit Sicherheit zusam- _ mengestellt werden, und da die Hundereste aus spätern Perioden theils zu spärlich vorhanden waren, um gleich bestimmte Resultate zu liefern, anderseits eine osteo- logische Bearbeitung heutiger Hunderacen einstweilen als ein ziemlich hoffnungsloses Unternehmen erscheinen muss, so beschränkt sich unsere Aufgabe auf die Unter- suchung der Beziehung der drei übrigen Hausthiere früherer Perioden , des Schweins, des Schafes, der Kuh, mit ihren heutigen Vertretern. — 114 — 1. Das Schwein. Die zahlreichen Formen des zahmen Schweines sind in Bezug auf Raceneigen- thümlichkeiten und gegenseitige Verwandtschaft bisher nur von landwirthschaftlicher Seite genauer untersucht worden t) und man begnügte sich dabei mit Angaben über äussere Gestalt, Farbe, Gehalt an Weichtheilen, Kreuzungsresultate und dergleichen, so dass zur Vergleichung mit Schweinen, von welchen nur Gebisstheile und einzelne Knochenstücke vorhanden sind, fast keine Anhaltspunkte daraus entnommen werden können. Auch die zoologischen Arbeiten über das Schwein geben uns zu unserem Zwecke so viel als keine Hülfsmittel an die Hand, da sie sich meistens mit den An- gaben der landwirthschaftlichen Litteratur begnügen. Die wenigen osteologischen Beobachtungen beziehen sich auf die Wirbelzahl, welche nach E yton ?) mancherlei Schwankungen unterworfen ist, allein beim Hausschwein sich genau wie beim Wild- schwein verhält, und auf den Schädel, über welchen Daubenton °), A. Was- ner‘) und Schinz 5) einigen Aufschluss geben. Ein neuester Versuch, die Racen des Hausschweins zoologisch festzustellen, ist von Fitzinger gemacht worden, der nicht weniger als 63 Racen und Unterracen aufgestellt und mit Linne’scher Nomenclatur versehen hat 9)! Es ist sehr zu bezwei- feln, ob durch die dieser Arbeit allein zu Grund gelegte Berücksichtigung äusserer Verhältnisse der nicht nur dem Zoologen, sondern auch dem Kulturhistoriker wich- 1) Die beste derartige Arbeit ist wohl diejenige über englische Schweine. von Lo w, Histoire naturelle agricole des animaux domestiques de l'Europe. Paris 1846. Low trennt die in England einheimischen Racen in zwei Gruppen: 4) grosse Thiere mit hängenden Ohren, weiss und schwarz gefärbt. Dahin gehören die kolossalen Kulturresultate von Sussex, Hampshire, Berkshire, Rudgwick, vielleicht die grössten Racen der Welt; ebenso die grossen Racen, welche in einem grossen Theil von Deutschland und auch in der Schweiz gehalten werden; 2) eine kleine braune Race mit aufrechten Ohren, in den Highlands und auf den schottischen Inseln zu Haus. Sie lebt meist in erbärmlichen Lebensverhältnissen, von Algen, Crustaceen, Fischen, Eiern sich nährend, gelegentlich auch junge Lämmer fressend. Dazu scheinen auch die Racen des europäischen Nordens zu gehören. 2) Transaet. Zool. Soc. Landon sinis 1837. 3) Buffon, Hist. natur. V. p. 189. 4) Schreber’s Säugethiere VI. 5) Monographien der Säugethiere. 6) Sitzungsberichte der kais. Acad. d. Wissensch. in Wien. Jahrg. 1858. Vol. XXIX. p. 361. + tigste Zweck, die sorgfältige rückschreitende Verfolgung von Zweigracen nach den Stammracen gefördert werde. Ich glaube, dass die wenigen Angaben von Eyton über Wirbelzahl in dieser Beziehung von weit grösserem Nutzen waren. Auch ab- gesehen von der durchaus unbegründeten und in vielen Theilen direkt widerlegbaren Annahme von nicht weniger als fünf Stammracen (Sus leucomystax Temm. ; cristatus Wagn. ; papuensis Less.; sennaariensis Fitz.; penicillatus Schinz) für die heutigen Hausschweine Südasiens, wozu Fitzinger unbedenklich auch die afrikanischen Haus- Schweine zählt, ist auch die Vereinigung aller europäischen Schweinsracen unter dem Pallas’schen Namen Sus europ&us nur geeignet die Untersuchung zu erschweren, da hierdurch vorausgesetzt wird, was erst zu beweisen ist; die gleiche Bemerkung bezieht sich auf die postulirte Ableitung dieses Sus europzus in seinem ganzen Um- fange von Sus Scrofa ferus. Auch die Spaltung dieser europäischen Stammform in Sus Scrofa crispa für S.-O.-Europa und Westasien, und Sus Scrofa macrotis für die übrigen Theile Europas erscheint höchst fraglich, da nach Low die zwei Hauptformen zahmer Schweine Englands allein mindestens eben so weit auseinanderstehen als Sus crispa und macrotis. Ein sehr umsichtiger Kenner nicht nur de dern, was wichtiger ist, auch der verschiedenen Formen und Kreuz Thieres selbst, H. v. Nathusius, hat auch bereits die Resultate von Fitzinger in Ohne auf den weitern Inhalt der sehr ift von Nathusius hier r Litteratur über das Hausschwein, son- ungsresultate des den wichtigsten Beziehungen widerlegt t). gründlichen und auch für den Zoologen sehr wichtigen Schr wo es sich um die osteologische Untersuchung des Schweines handelt, verfolge ich zunächst nur die Frage , ob Spuren der früher beschriebenen Hausthiere vorhistorischer Perioden bis in die Gegenwart sich nachweisen lassen. Ich habe schon früher wiederholt ausgesprochen, dass ich nicht anstehe, das in der Schweiz, allein auch in ganz Mittel-Europa gepflegte gewöhnliche Hausschwein (zu dem grossohrigen Schwein von Nathusius gehörig) 2) vom gewöhnlichen Wild- schwein Sus Scrofa ferus abzuleiten, wie dies bisher auch allgemein angenommen worden ist. Schädel, Gebiss und Skelet lassen in der That zwischen beiden kaum andere Unterschiede erkennen als solche, welche Effekt der Zähmung und Kreuzung sein können. ferner einzugehen, 1) Die Racen des Schweines. Berlin 1860. 2) Nathusius a. a. O. p. 53. JE a e | ng Te nme ee WE TREE 0 Se Base H £ i | nu nERTPORRE — w — Wichtiger und schwieriger ist aber die Nachfrage nach Descendenten des Torf- schweins, das wir gegen Ende des Steinalters, weit früher als das gewöhnliche Wildschwein, in die Reihe der Hausthiere eintreten sahen. Es ist schon oben p. 53 und 54 bemerkt worden , dass unter den von A. Wagner und Schinz aufgeführten ostasiatischen Formen von Schwein keine einzige mit dem Torfschwein irgendwie zusammengestellt werden kann, als das im wilden Zustand nicht bekannte Siamschwein 1). Es stützt sich diese Angabe lediglich auf die einzige mir bekannte Abbildung des Schädels vom Siamschwein Fig. 2. Tab. XXIV. bei Buffon, Histoire naturelle Tom. V. Sie stellt den Schädel eines erwachsenen männlichen Thieres dar und muss nach der grossen Treue der daneben abgebildeten übrigen Schädel als zuverlässig bezeichnet werden. Daubenton selbst bezeichnete am Schädel als charakteristisch die Concavität des Nasenrückens und die Convexität der Stirn. Cuvier bemerkt, dass es durch kürzeres Gesicht und in der Stirngegend ge- wölbtern und (daselbst) im Verhältniss grössern Schädel sich vom gewöhn- lichen Schwein unterscheidet 2). Wichtig ist ausserdem die sehr geringe Grösse des erwachsenen Alters, die geringe Neigung des Hinterhaupts nach hinten, so dass die Oceipitalfläche vertikal steht, - die entsprechende steile Richtung der Schläfengruben, die Grösse der Orbite, die Schwäche des Jochbogens, die Niedrigkeit des horizon- talen Unterkieferastes; noch auffälliger und bezeichnender ist indess die Schwäche und geringe Ausdehnung der ganzen Canin- und Incisivpartie des Gebisses; es tritt dieser Charakter gegen die zwei daneben abgebildeten Schädel von Wildschwein und Haus- schwein gut zu Tage. Am Ober- und Unterkiefer stossen die Prämolaren fast un- mittelbar an die Caninen, und der Incisivtheil des Gebisses ist ausserordentlich kurz. ' Auch die Caninen sind schwach und der Alveolarwulst am Oberkiefer kaum ange- deutet. Das Backzahngebiss ist dabei kaum von geringerer Ausdehnung als beim Wildschwein. | 1) Die Quelle bei Buffon, auf welche sich fast alle Notizen über das Siamschwein berufen, bezieht sich bereits auf eine Mischform dieses Thieres mit europäischer Zucht. S. Buffon V. p. 134 und Note zu p. 137. Ebenso Nathusius a. a. O. p. 79, Neuere uud selbstständigere Angaben kenne ich nur bei Schreber und Schinz a. g. a. O. 2) Ossem. foss. II. p. 119. Damit, sowie mit der Buffon’schen Abbildung Tab. XV, stimmen auch die schönen Abbildungen des ganzen Thieres bei F. Cuvier et Geoffray, Hist. des Mammif. (Cochon romestique, variété de la Chine und Cochon du Cap de Bonne-Esper.). Sie stellen ein Schwein dar von kleiner Statur, niedrigen Extremitäten, kurzem Kopf und Schnauze, grössern Augen. Die Capische Va- dietät stimmt mit dem von Buffon abgebildeten Schwein ganz überein. =- U = Ein grosser Theil dieser Merkmale sind solche, durch welche das Torfschwein vom Wildschwein sich unterscheidet. Nur die steile Schläfengrube und Hinterhaupts- fläche finden sich nicht beim Torfschwein, das sich in dieser Beziehung wie das Wild- Schwein verhält. Immerhin ist die Buffon’sche Abbildung das einzige, was ich vom Skelet des Siamschweins kenne, und der Schluss, den ich ziehe, kann daher einst- weilen in keiner andern Form gefasst werden, als so, dass das Torfschwein dem ‘Siamschwein entschieden näher steht, als unserem Wildschwein. Allein auch in Solcher Beschränkung hat dieser Schluss Gewicht, da uns Nathusius in der Ansicht bekräftigt, dass unter dem Siamschwein das Hausschwein des östlichen Asiens über- haupt zu verstehen sei, welchem daher sehr passend der Pallas’sche Name indisches Schwein beibehalten wird. Nathusius hält es sogar für zweifellos, „dass unter den zahlreichen Einführungen von Originalthieren, welche nach England und Nordamerika stattgefunden haben, identische Formen aus China, Siam und von den oceanischen Inseln gewesen sind, und dass ebenso gewiss die bis jetzt bekannten extremsten Formen nicht entfernt in der Art unter einander verschieden sind, wie die vier jetzt in Europa nachgewiesenen natürlichen Racen (das grossohrige, kurzohrige, romanische und krause Schwein)“ 1). Es steht diese Einförmigkeit des Hausschweins von Ost-Asien und Oceanien in -auffallendem Kontrast zu der freilich wohl zu sehr herausgehobenen Mannigfaltigkeit der wilden Schweine desselben Gebietes; doch kann uns dies nicht befremden, son- dern nur die ohnehin nahe gelegene Vermuthung unterstützen, dass auch dort die Zähmung in sehr früher Zeit an einer einzigen oder doch nicht an vielen Arten von wilden Schweinen vorgenommen worden sei. Es ist mir gänzlich unbekannt, was für Racen von Schweinen im Alterthum in dem weiten Raum zwischen Ostasien und dem bisher bekannten Gebiet des Torf- Schweins gepflegt wurden, welche Racen b Die Alterthumsforschung kann hierüber mit der Zeit vielleicht ei den Egyptern, den Griechen, den Rö- mern gehalten wurden. Mmancherlei Aufschluss geben. fschwein und dem Hausthier des östlichen Asiens ist in- dess von zoologischer Seite nahe gelegt. Doch sind zu ihrer Aufhellung, auch unter Voraussetzung besserer Belege der Verwandtschaft des indischen und des. Torf- Schweins, als ich zu geben im Stande war, noch mancherlei Schritte nöthig: die Eine geographische und historische Verbindung zwi- Schen unserem zahmen Tor ne REF 1) V. Nathusius a. a. O. p. 66. — 1185 — Aufsuchung der. wilden. Stammform des indischen Schweins, die Kenntniss der Ver- breitung des wilden Torfschweins und die Untersuchung des Hausschweins der alten historischen Völker. Die fragmentären bisherigen Kenntnisse, nach welchen das Torf- schwein im Anfang des Steinalters in der Schweiz wild war, während das ihm nahe stehende indische Schwein im Osten Asiens im wilden Zustand entweder noch nicht, wahrscheinlicher nicht mehr bekannt ist !), würden einer Verbreitung nach Osten günstig scheinen; allein ein solcher Schluss wäre einstweilen höchst voreilig; die weitere Verfolgung der Frage wird ihn eher in’s Gegentheil umkehren. Eine noch näher liegende Frage zur Vervollständigung der Geschichte des Torf- schweins war die, ob nicht innerhalb seines nachgewiesenen einstigen Verbreitungs- bezirks noch Spuren in Form von Hausthierracen sich erhalten haben. ich vergleiche zu diesem Zweck das über bekannte Hausthierracen mir zugäng- lich gewordene Material mit demjenigen, was ich aus den Pfahlbauten oder spätern Perioden auf paläontologischem Wege erfahren habe. Schon die Vergleichung der wenigen in der Litteratur zerstreuten zuverlässigen Abbildungen von Schweinsschädeln zeigt erhebliche Abweichungen in der Schädel- bildung zahmer Schweine. Die Tafel XXIV. bei Buffon Tom. V. ist in dieser Be- ziehung schon lehrreich. Die Zeichnung Fig. 1. vom Wildschwein stellt die ge- streckte und regelmässige Pyramidenform seines Schädels, die vollkommen gerade Profillinie von der Nasenspitze bis zur Hinterhauptskante und die starke Neigung des Hinterhaupts und der Schläfengrube nach hinten, den horizontalen Verlauf des Joch- bogens mit. grosser Treue dar 2). Der Schädel des Hausschweins ungenannter Race, Fig. 3. ebendas., weicht davon durch steile Stellung der Stirn, der Schläfengrube, des Jochbogens auffallend ab. Die Schädel vom Hausschwein, die mir zur Hand waren, gehören höchst wahr- scheinlich der in der Schweiz allgemein gepflegten grossohrigen Race von Na- thusius an und verhalten sich der soeben eitirten ‚Buffon’schen Abbildung Fig. 3. ähn- lich. Es sind 6 Schädel von weiblichen Thieren und jüngerem Alter; am ältesten ist M. 3 noch nicht ganz durchgebrochen. Bei allen ist die Profillinie des Schädels 1) A. Wagner bei Schreber a. a. O. p. 448. und nach ihm Schinz a. a. O. Pe F. ?) Fernere, zum Theil noch bessere Abbildungen des Wildschweinschädels geben Blasius, Säugethiere Deutschlands Fig. 274 und 275. Owen, Brit. foss. Mamm, Fig. 172. Marcel de Serres, Ossem. huma- tiles de Lunel-Viel. Pl. XI. = m l $ ` gerade, allein weit steiler als beim Wildschwein, die Kopfpyramide also kürzer, und auch das Gesicht etwas kürzer; die Stirnfläche ist flacher als beim Wildschwein, kantie von den Seitenflächen abgegrenzt; sie bildet einen breiten Rhombus, während sie heim Wildschwein gestreckter und gewölbt ist. Die Hinterhauptfläche ist vertikal oder selbst nach vorn geneigt t) und sehr breit, seitlich durch Knochenplatten aus- gedehnt, welche die Schläfengrube hinten theilweise abschliessen und beim Wild- Schwein fast fehlen; die Schläfengruben steigen fast vertikal auf, die Jochbogen sind steiler und kürzer als beim Wildschwein. Auch der Ramus ascendens des Unterkie- fers steigt fast vertikal auf. Da das Gebiss am zahmen Schwein mit demjenigen des Wildschweins so sehr \ übereinstimmt, so glaube ich mich vollkommen berechtigt, diese steilere Aufrichtung } des Hinterkopfes als Effekt der Zähmung zu betrachten ; die besten Abbildungen . von Hausschwein, die ich kenne, alle nur weiblichen Thieren angehörig und meist nicht von viel höherem Alter als diejenigen unserer Sammlung , stimmen auch mit diesen etztern durchaus überein und würden auch ohne spezielle Angabe leicht erkennen lassen, dass sie das Hausschwein und nicht das Wildschwein darstellen; so die schöne Zeichnung Fig. 1 und 2. Pl. I. Cochons bei Cuvier Oss. foss. Cuvier giebt auch an, dass das Wildschwein ein längeres Gesicht und einen weniger hohen Schädel habe; so auch Tab. XI. bei d’Alton, Skelete der Pachydermen und Tab. VII. a. bei Schinz, Monographien der Säugethiere. f Das Torfschwein, wovon ich seit der in p. 45 Anmerkung 1 gemachten Angabe den erwachsenen Schädel beider Geschlechter kennen lernte, verhält sich, abgesehen von der geringen Grösse, dem allgemeinen feinern, schlankern Gepräge und den auffallend grössern Augenhöhlen, in der Bildung des Hinterkopfes, der Rich- tung aller seiner Theile nach hinten, dem Wildschwein vollkommen ähnlich. Schlä- fengruben und Hinterhaupt verlaufen sehr schief nach hinten, der Jochbogen ist fast ganz horizontal. Eine vom oben besprochenen gewöhnlichen Hausschwein und noch mehr vom Wildschwein in vielen wichtigen Beziehungen abweichende Form zeigte ein ganz er- wachsener (vierjährig, M.3 schon stark abgetragen) Schädel eines männlichen Schweins ~ SEE 1) Bei allen diesen Beschreibungen ist der Schädel mit seinem Unterkiefer auf horizontaler Basis ge- . Stellt gedacht. ” g — 150 — von Berkshire-Race 1), den ich durch Vermittlung von Hrn. Oberst von Er- lach in Hindelbank erhalten habe. Fitzinger sieht in dieser Race ein Mischungs- produkt zwischen seiner Sus Scrofa macrotis anglica und dem chinesischen Schwein, und nennt sie Sus Scrofa macrotis barcheriensis (1. Nathusius heisst sie eine Kultur-Race mit Kennzeichen der Abstammung vom romanischen Schwein. Der genannte Schädel ist in seinem hintern Theil noch weit höher als unser schweizerisches Hausschwein, und trotzdem noch mehr verkürzt als bei diesem. Die Profillinie ist concav, in Folge des sehr steilen Ansteigens der Stirn und der hori- zontalen Richtung der Nasenbeine. Stirn- und Nasenfläche sind platt und scharfkantig von den Seitenflächen abgesetzt; die Stirn bildet ein schief gestelltes Quadrat. Die Hinterhauptsfläche ist steiler aufgestellt als beim Wildschwein, allein doch nicht ver- tikal, und durch die äusserst breiten Jochtheile stark in die Quere ausgedehnt, im Jochtheil dreimal breiter als an der schmalsten Stelle überhalb desselben; die seit- lichen Flügel des Oceipitallöffels sind massiv verdickt. x Die Seitenflächen nehmen an der steilen Bildung des Kopfes Antheil. Die Schlä- fengruben steigen steil, doch nicht vertikal auf; die Jochbogen sind kurz, sehr hoch und steil; sie treten dabei so stark nach aussen, dass der Hinterkopf fast cubisch von der kurzen, dicken und stumpfen Schnauze sich abhebt. Das Foramen infra- orbitale ist weit offen, die Prätuberanz der Canin-Alveole bildet einen starken, hohen, allein sehr kurzen Kamm. Auch die Gaumenfläche ist durch grosse Breite, besonders im Canintheil, vom Wildschwein stark verschieden. Nicht weniger charakteristisch ist der Unterkiefer. Er ist kurz, wie der Schä- del, allein von ganz ungewöhnlicher Höhe in seiner ganzen Ausdehnung, die Sym- physe daher lang und steil, der Symphysentheil des Kiefers auffallend breit; der ho- rizontale Ast ist ausserdem merkwürdig dick; der vertikale Ast ist steil und so stark nach aussen gerichtet, dass die Kieferwinkel seitlich weit über die ohnehin schon ge- waltige Wölbung der Jochbogen hinausragen; die Hinterränder des vertikalen Theils divergiren fast in rechtem Winkel, während sie beim Wildschwein und gewöhnlichen Hausschwein fast vertikal und unter sich parallel sind. Zu der gleichen Form muss ich einen Schädel rechnen, den ich unter der Be- zeichnung chinesisches Schwein durch Herrn Prof. Krauss aus Stuttgart 1) Und zwar von der langohrigen Berkshire-Form vor Kreuzung mit dem neapolitanischen Schwein, aus der zweilen-Epoche der Geschichte dieser Race, nach Nathusius a. a. O. p.=19. m erhalten habe. Wie die theilweise abgesägten Caninen zeigen, gehört er einem zah- men Thiere an; die höchst auffallende vollkommen quere Stellung der obern und un- tern Caninen, sowie die Richtung der erstern nach unten, stalt nach oben, darf wohl als Abnormität betrachtet werden. Im Uebrigen stimmt derselbe in vollkommener Weise mit dem Schädel des Berkshire-Schweins überein; die einzigen Abweichungen bestehen in der noch steilern Aufrichtung des Hinterhauptes, der etwas grösseren en Gesichtstheiles und dem Fehlen der Auswärtsrichtung der Den letztern am Berkshire-Schwein so auffälligen Cha- anischem Schwein zusehreiben zu dürlen. hinesischen Länge des intermaxillar Anguli maxille inferioris. rakter glaube ich der Mischung mit neapolit Im Uebrigen ist die Uebereinstimmung zwischen diesem Schädel des c Schweins mit dem von Berkshire so vollkommen, dass ich beide für einer und der- selben hier so, dort anders genannten zahmen Race angehörig halten darf. Ein Unterkiefer eines sogenannten halbenglischen Sehweines hielt sich in Bezug auf Höhe ziemlich in der Mitte zwischen dem Berkshire-Schwein und dem ge- wöhnlichen Hausschwein. Die Auswärtsrichtung der Kieferwinkel fehlte indess daran gänzlich. Auf eine sehr eigenthümliche Race von Hausschwein in nicht grosser Entfernung von dem Schauplatz der Pfahlbauten machte mich Herr Prof. Heer aufmerksam. Es ist dies eine sehr kleine Race, welche ich das Bündinerschwein nennen will. Sie wird allgemein gehalten im Oberland von Graubündten (Vorderrhein) und ver- breitet sich von da nach Uri und Wallis. Sie ist von sehr kleiner Statur, rund — o. mit kurzen aufrechten Ohren, kurzer dicker Schnauze, nicht scharfrückig, kurzbeinig , und von einfärbig schwarzer oder noch: häufiger dunkel - rothbrauner Färbung, mit langen, abstehenden Borsten t). | Ich konnte mir theils aus Uri, theils von verschiedenen Orten des Bündiner Oberlandes sechs Schädel von verschiedenem Geschlecht und allen Altersstufen ver- schaffen. Einer derselben, aus Brigels, scheint einem Mischungsprodukt aus Bündt- nerschwein und gewöhnlichem Schwein anzugehören. Die übrigen, aus Ilanz, Di- Sentis und Andermatt, stimmten mit einander vollkommen überein. Zwei derselben, orm dieses Schweines ist schon frühern Beobachtern aufgefallen 1) Die eigenthümliche und konstante F Neue Alpina II. 1827. p. 360 gemeinen Schweins in der Schweiz. S. Steinmüller, Naturgesch. des nlichkeit zwischen diesem Bündinerschwein Q . s P; . Steinmüller findet etwas sonderbarer Weise eine grosse Aeh uud dem Wilischwein. ee Er ang — m — 182 — aus Disentis, von erwachsenen männlichen ‘und weiblichen Thieren (M. 3 in Usur) sind zur Confrontirung mit andern Formen am besten geeignet. | In seinem ganzen Gepräge hat der Schädel des Bündtnerschweins einiges ähn- liche mit demjenigen von Berkshire, indem auch bei ihm der Hinterkopf dick und deutlicher von der kurzen und stumpfen Schnauze abgesetzt ist, als bei dem gewöhn- lichen Hausschwein; um so mehr entfernt er sich in dieser Beziehung vom Wild- schwein und vom Torfschwein. Auch der Bündtnerschädel bildet wie der: von Berkshire eine kurze und steile Pyramide; die Profillinie ist concav, indem die Stirn von der Nasalnaht stärker zu steigen beginnt; die Stirn ist, wie der ganze Nasenrücken flach, kantig begrenzt, und bildet einen länglichen Rhombus etwa wie beim Hausschwein. Die Hinterhaupts- fläche steht. vertikal oder nach vorn geneigt, wie beim ‘gewöhnlichen zahmen Schwein, allein sie ist im Jochtheil weit breiter als bei diesem. Die Seitenfläche ist kurz und steil, die Schläfengrube vollkommen vertikal, ihr Hinterrand mit dem- jenigen des aufsteigenden Kieferastes in gänzlich rechiem Winkel zur Alveolar- linie gestellt. Die Jochbogen sind hoch, kurz, steil und stark gewölbt. Die Au- genhöhlen sind klein; der ganze Gesichtstheil des Schädels ist kurz, dick, kantig, Oberkiefer und Zwischenkiefer hoch und kurz, das Foramen infraorbitale weit offen, eine Prätuberanz der Caninalveole ist dagegen — ein grosser Gegensatz zu Berk- shire — selbst beim erwachsenen Männchen kaum angedeutet, nicht mehr als beim weiblichen Wildschwein. Die Gaumenfläche ist wie beim Schwein von Berkshire breit und nicht paralleirandig wie beim Wildschwein, dem Torfschwein, dem Haus- schwein, sondern zwischen den Eckzähnen bedeu:end erweitert und von da an nach vorn nur allmälig ‚wieder enger, während sie beim Wildschwein. vor den Caninen stark eingeschnürt ist. Der Unterkiefer ist ebenfalls im vordern Theil breit und kurz, allein die Symphyse sehr schief nach vorn geneigt, um die Hälfte niedriger als bei Berkshire, der horizontale Ast nicht hoch (im jüngern Alter oft auffallend niedrig), dick, massiv, der aufsteigende Ast ziemlich rechtwinklig zum horizontalen und im Angulus nur unmerklich auswärts gerichtet. | In der folgenden Tabelle stelle ich Messungen zusammen am recenten männ- lichen Wildschwein, am gewöhnlichen grossohrigen Hausschwein (weiblicher Schä- del), an dem Eber von Berkshire-Race und am männlichen und weiblichen Bündtner- schwein. Von.ältern Racen füge ich dazu nur das Torischwein. -Alle diese Schädel gehören vollkommen ausgewachsenen Thieren an (M. 3 schon stark in Usur), mit Aus- nahme einzig des Schädels vom schweizerischen Hausschwein, wo M. 3 erst im Durch- — 155 bruch begriffen ist; relativen Werth. en die Angaben über diesen weiblichen Schädel haben daher nur Zabme Racen. RN SE NER n schwein. z = F E =: Grau- ` Torf- E Fi ers m S | bündten. | schwein, < = un Masc. | Fem. | Mase.|Mase.| Fem. ‚Länge des Schädels vom Hinterhauptskamm ji bis zur Nasenspitze, in gerader Linie . 418. 395.|290 | 843320 1297| — Schädellänge vom vordern Rand des Foram. magn. zur Zwischenkieferspitze.. 355 1.350 287 |320 316 | 294 — Volle Höhe des Schädels mit Unterkiefer. von der Basis bis zum Occipitalkamm 215 205 200 |230 | 201 | 200 — Höhe des Hinterhaupts vom vord. Rand des | For. magn. bis Ocecipitalkamm 1132/1311113 | 122116 |108| 98—415 Länge des knöchernen Gaumens bis zu > | r Intermaxillarspitze ic ats 258.1250 | 195 | 234.) 220 |208 — Schädelbreite zwischen. den Jochbogen an deren Linterrand . 160 | 155 | 139 | 170.| 144 | 150 120—126 Grösste Höhe der Jochbogen 54| 4L 391-60] .46| 4812939 Breite der Schnauze aussen an den ee alveolen. BE WERT N S 90! 881 61)1001.801|.73 — Länge der Intermaxilla am Alveolarrand. 77| 75| 5868| 62) 63 | 50—63 Unterkiefer. Volle Länge in der Höhe des Alveolarrandes |310 | 300 | 243 | 288 | 273 | 259 245—250 Volle vertikale Höhe des aufsteigenden Astes bis zum Condylus. ; ri 130| 115 | 118 | 140 | 127/1128; 99—105 Breite desselben Astes unter dem NL 72| 63| 62|] 70| 69| 68| 59—62 Höhe des horizontalen Astes vor P. 2 64) 57| 43| 68| 53| 51| 37—46 » e „ hinter M. 3: 521 50| 44| 62| 491 49; 38-42 Länge ii Symphyse BE 115 105| 68106 | 90| 73| 62—79 Breite des Canintheils aussen an yal Alveolen 691 64| 52| 77| 581 55 | 34-953 Quere Distanz der Anguli maxill. inf. 138 | 123 | 112 | 182 | 122 | 124 102—111 = 484 — Die obigen Zahlen belegen die vorhergegangenen Angaben hinreichend. Trotz- dem dass beim gewöhnlichen Hausschwein (in dem vorliegenden Altersgrade) die Längenverhältnisse um !/; bis t/s geringer sind, als beim Wildschwein, variren die Höhen- und Breitendimensionen nur sehr wenig. Weit mehr differirt Berkshire vom Wildschwein; dıe Profillänge des Schädels des erstern verhält sich zu derjenigen des letstern = 1L: 1,18, andere Längsdimensionen sind nahezu gleich, ein Beweis der steilern Aufrichtung des Hinterhaupts; in allen Höhen- und Breitendimensionen übertrifft dagegen Berkshire das Wildschwein um Erhebliches, namentlich am Unter- kiefer; die Winkel dieses letztern stehen um mehr als 1/ weiter auseinander als beim Wildschwein. Das Bündtnerschwein , an horizontalen Schädellängen im Durchschnitt um 1%, in der Profillinie dagegen um ein volles Viertel geringer als das Wildschwein, ist ihm ‚in Höhen- und Breitenverhältnissen ziemlich gleich. Das Torfschwein bleibt in allen Dimensionen wenigstens um 1/,, in denjenigen des vordern Schädeltheils um stärkere Beträge hinter dem Wildschwein zurück. Die kleinen Details sind für alle diese zah- men Formen früher angegeben worden. | Im höchsten Grade differirt daher das Torfschwein von dem von Berkshire. Mit dem Bündnerschwein hat es dagegen trotz allgemein geringerer Grösse und der ganz andern Bildung des Hinterkopfes grosse Analogie in der Verkürzung des Ge- }\ sichtsschädels und in dem Fehlen der Caninprotuberanzen. Zu ähnlichen Ergebnissen führt die Vergleichung des Zabnsyvstems. Die grosse Aehnlichkeit des Gebisses des Wildschweins mit dem nur durch den Effekt der Zähmung davon verschiedenen gewöhnlichen Hausschwein wurde früher einlässlich herausgehoben. Das Schwein von Berkshire weicht von diesem Typus in gleich frappantem Maasse ab, wie im Schädel. Sein Gebiss ist auffallend kräftig, von bedeutender Emailstärke, allein in allen Theilen auffallend verkürzt, namentlich M. 3 und die vor- dern Pramolaren um die Hälfte kürzer als beim Wildschwein. Obere und untere Eck- zähne sind stärker nach auswärts gerichtet als beim Wildschwein, allein im Verhält- niss zu dem gewaltigen Kopf von sehr geringer Dicke. Das Gebiss des Bündtnerschweins hat grössere Längsdimensionen als bei Berkshire, allein M. 3 und die vordern Prämolaren sind ebenfalls auffallend kür- -zer als beim Wildschwein und demjenigen des Torfschweins sehr ähnlich. An den Molaren, besonders des Oberkiefers, ist die grosse Dicke ihrer Basis und das weite E ih WE - Auseinanderstehen der Wurzeln sehr charakteristisch. Die Eckzähne stehen an Stärke in der Mitte zwischen denjenigen des Wildschweins und des Torfschweins; wie beim _ letztern sind dieselben ven den Prämolaren und den lncisiven kaum durch Lücken setrennt. Auch hierüber werden Zahlen den besten Aufschluss geben. Doch muss | j o f Zahme Racen. Madni Asmens gainbe Schwein. d y S aang Grau- schwein. Rec. Ë 235 | bündten. ANE Masc. en |Mase:| Mase.| Fem. ‚Masc.] Fem. i Oberkiefer: f | | Länge der ganzen Backzahnreihe . ~ . . 120-137) — | 114118 | 110 1116-120 53 «der8‘Molarenn. osislomitl asdaeiws press y ai <64) 72| 69| 65—77 „iaon Waga aisil sib. ma 39 dai. niowkasmeA0nisd 181702 31 | 30-40 » von M. 2.1. P. 4.3... 0200.) p62-71| 65 | 55 66 62| 59—68 » der 4 Prämolaren > < > : =- -~ ~ | 41-53 46 | 50| 46] 43| 45—48 Distanz. zwischen P. 1. und Ineis. 3.4): moh 50-60 1,38) 52M4 Durchmesser der Öaninalveole 2)... .. 128-833 | 19 | 26| 24) 17| 16—22 Ausdehnung der 3 Incisivalveolen . . . . | 48-52 46 | 501 46| —| 41—46 Unterkiefer. Länge der ganzen Backzahnreihe . 140-152 11321431 |122 123—128 » derselben ohne P. t.. . . . . . 112-120) — |105 | 110 | 104 102—112 pri er Molaren 0 218. 193793 EWR, 72-82 | — | 71| 72| 71| 65—74 i onyo NEIN PD gian i P MR gp Apep ARG 321732] 3957 amoh EM} Spe PAOS.: mat. Au FEN, 64—72 | 67 | 58| 67 | 59 | 55—64 » der 3 hintern Prämolaren . | 39445 | 42 | 34| 40| 37| 35—40 Distanz zwischen 'P. 1 und'2.1) "2. Wr 1 B-23 711 | 17) 14) 8) 10—B TION P. 2 und Ineis. 81) . . | 50—69 47 | 62| 56] 47| 37—47 Grösster Durchmesser der Caninalveole . : 15-29) 13 | 20| 19| 15 10—17 Distanz v. Caninalveole bis Symphysenspitze 40—44 | 42 | 46] 44| 38] 30—37 En ER 1) Die Zähne oder Alveolen nicht mit inbegriffen. 2) Bei Masc. gerader Durchmesser in der Richtung der Messer, ' Zahnreihe, bei Fem. schiefer grösster Durch- 24 — 16 — ich hiebei das gewöhnliche Hausschwein wegen Mangels: entsprechender Altersstufen grossentheils ausser Betracht lassen. Das Resultat dieser Zahlen ist in vielen Beziehungen lehrreich. . Die Angaben über das junge weibliche Hausschwein wären an sich unbedeutend, wenn sich nicht dennoch aus ihnen die Aehnlichkeit mit dem Wildschwein in der Ausdehnung der Prämolaren und der Incisiven, sowie in der Lücke zwischen beiden zu Aufnahme der Caninen von neuem ergäbe. X Am Berkshire-Schädel, der an Länge nur wenig unter demjenigen des Wildschweins steht, bleibt das Oberkiefergebiss an Längenausdehnung unter dem minimalen, das Unterkiefergebiss doch unter dem maximalen Betrag des Torfschweins [bei Berücksichtigung der bei Berkshire grossen Lücke zwischen P. 2 und 1). Allein dabei ist der Raum für die Eckzähne zwischen Prämolaren und Ineisiven so gross wie beim Wildschwein; beim Torfschwein ist er um die Hälfte kleiner; auch die Ausdehnung der Schneidezähne ist bei Berkshire gleich oder selbst grösser als beim Wildschwein. Das Gebiss des Berkshire-Schweins vereinigt also eine auffallend kurze Backzahnreihe , die noch unter dem Maass des Torfschweins bleibt, mit einem Canin- und Incisivgebiss von grösserer Ausdehnung als beim Wildschwein. Es ver- hält sich also gerade umgekehrt wie das Torfschwein, wo eine äusserst redu- zirte Incisiv- und Caninpartie mit langer Backzahnreihe. vereinigt ist. Das Bündinerschwein hält sich in den Dimensionen seines Gebisses durch- weg innerhalb und zwar so ziemlich in der Mitte der Grenzen für das Torfschwein. Nur die Prämolaren und M. 3 sind selbst noch geringer als bei letzterem. Der Raum für den Eckzahn, sowie dieser selbst, und die Ausdehnung der Schneidezähne ist, zumal beim männlichen Thiere, etwas grösser als beim Torfschwein. Das Bündiner- schwein steht mithin unverkennbar: in seinem Gebiss vollständig auf der Seite des Torfschweins , sowie das gewöhnliche Hausschwein auf der Seite ‚des Wildschweins. Das Fehlen der Caninprotuberanzen bei beiden ersteren stimmt damit überein; die etwas grösseren Caninen und Incisiven verändern das Resultat nicht. Das Schwein von Berkshire steht in der Mitte zwischen beiden Gruppen ganz für sich. | Suchen wir unter wilden Schweinen nach Quellen für das zahme von Berkshire, so fallen vor allem wie für alle bisher zahmen Schweine überhaupt die afrikani- schen Arten Sus penicillatus und larvatus ausser Betraeht durch ganz an der Bil- == W = dung des Hinterkopfes, der Jochbogen und durch noch viel erheblichere Abweichungen in der Umgebung der Suborbitalrinne und im Gebiss 1). j Unter den von A. Wagner und Schinz aufgeführten ostasiatischen Formen, welche alle unter der Grösse unseres Wildschweins zurückbleiben, sind Sus verru- cosus von Java und barbatus von Borneo durch ausgezeichnete Verlängerung des Schädels, weit über das Maass unseres Wildschweins hinaus, um so mehr von Berk- Shire äusserst entfernt, In der Abbildung des Schädels des Sunda’schen Bindeschweins (Sus vittatus) kann ich durchaus keine Verschiedenheit von demjenigen unsers Wild- igen kaum verschiedenen von Sus Schweins erkennen; ebenso wenig in dem vom vor Die Schinz’- leucomystax aus Japan, wovon Schinz einen weiblichen Schädel abbildet. sche Abbildung des Schädels vom Timorschwein gehört einem noch sehr jungen weiblichen Thiere an und ist nicht massgebend; das T imorschwein scheint überhaupt nur der Jugendzustand des Bindeschweins zu sein. Eine einzige dieser vielen, meist ‚von Temmink und Sal. Müller isolirten Formen Ostasiens, das wilde Schwein von Celebes (Sus celebensis) hat offenbar mit der Kulturrace von Berkshire viele Züge gemein, so die starke Ausdehnung des Schädels in querer Richtung, die Steilheit der Stirne, des Hinterhauptes, der Schläfengruben und die hohen Jochbogen, und beson- ders auch die auffallende Höhe und Massivität des Unterkiefers; dagegen ist das Ge- Sicht länger und auch die Backzahnreihe scheint bei dem Celebes-Schwein länger zu Sein als bei Berkshire. Auch sind beim erstern die Protuberanzen der Caninalveolen ausgedehnter. Eine Verwandtschaft zwischen beiden Formen ist also wenigstens möglich. Die Autoren, namentlich Nathusius , Vermischung mit dem Siamschwein an ?). zu sprechen, da sie für das Siamschwein g dern Gebisspartie im Gegensatz zu der lange 1) Der unserer Sammlung angehörende Schädel von Sus penicillatus ist abgebildet bei Schinz, Mo- Sclater, Proceed. Zool. Soc. Lon- h beschrieben in den Mittheilungen nehmen in diesem Berkshire-Schwein eine Die Buffon’sche Abbildung scheint dagegen erade eine grosse Verkürzung der vor- n Backzahnreihe darstellt. nographien Tab. X. Eine Abbildung gibt auch neuerdings Ph. Lutl. don 1860. II. p. 301. Das Gebiss habe ich dargestellt und ausführlic der naturhist. Gesellsch. zu Basel. Heft IV. 1857. Abbildungen des Schädels vom Maskenschwein finden sich bekanntlich bei F. Cuvier, Mém. du Mus. VII. Tab. XXII und Schinz a. a, O. Tab. VIII. 2) Nach Nathusius kam dazu noch später eine neue Mischung mit dem romanischen Schwein, was eine Verminderung der Körpergrösse, gröbere Kopfbildung, aufrechte Stellung der Ohren und dunkle Fär- bung zur Folge hatte. A. a. O. p. 19. — 18 — Ein einziger Umstand liesse sich von osteologischer Seite für eine solche Ver- wandtschaft anführen: die steile Richtung des Hinterkopfes. Allein gerade dieser Punkt führt uns zu einer ferneren Betrachtung. Bei Vergleichung von Schädeln oder Abbildungen von Schädeln verschiedenartiger Formen vom Schwein fällt sofort auf, dass alle bekannten Formen von wilden Thie- ren in der schiefen Richtung des ganzen Hinterkopfes (Stirn, Hinterhaupt, Schläfe, Jochbogen, Exocceipitalfortsatz) mit ‚einander übereinkommen. So auch das Torf- schwein, mit ein Beleg für seinen wilden Zustand. Alle osteologisch bekannten zahmen Racen , europäisches Hausschwein, indisches Hausschwein, die Racen von Berkshire und Graubündten stimmen ebenso auffällig unter sich überein durch steile Stirn, vertikales Hinterhaupt, steile Schläfengrube und Jochbogen. Ich halte es für vollkommen begründet, dies nicht als Raceneigen- thümlichkeit, sondern als Effekt der Zähmung zu betrachten; die starke Entwickelung der Nacken- und der Kaumuskulatur bei wilden Thieren (s. oben p. 29), wenigstens bei Carnivoren, liefert hiezu Anhaltspunkte genug; auffallende Beispiele bieten z. B. Wolf und Hund, Wildkatze und Hauskatze u. s. f. !). Bringen wir diesen Umstand in Rechnung und erinnern uns, mit wie viel grösse- rer Zähigkeit das Gebiss den Species-Typus äussern Einflüssen gegenüber aufrecht hält, als die Schädelbildung (wovon sämmiliche zahme Thiere, und der Mensch voraus, sowie auch die Pathologie und Teratologie übereinstimmend Zeugniss geben), so werden auch die erwähnten Richtungsveränderungen im Hinterkopf an spezifischem Gewicht verlieren. Die besprochenen Formen vom Schwein lassen sich demnach schliesslich von osteologischer und paläontologischer Seite in folgende drei natürliche Gruppen “ordnen: ETS | 1. Das Wildsehwein und das mitteleuropäische grossohrige Haus- schwein. Charakter: grosse Ausdehnung der Backzahnreihe und Incisivreihe, entsprechende Länge der Intermaxilla und der Kinnsymphyse, mächtige Ausbildung‘ der Caninen, starke Knochenkämme auf den obern Caninalveolen. Schädel sehr ge- streckt und schief nach hinten geneigt beim Wildschwein, kürzer und steiler beim Hausschwein. 2. Das wilde Schwein von Celebes und das zahme von Berkshire, beide 1) ; Vergl. Fig. 102 und 104 bei Blasius, Säugethiere Deutschlands. "E ga mit kurzer Backzahnreihe, bei starker Canin- und Incisivbezahnung;, steilem und be- sonders dickem Hinterkopf, sehr hohem Unterkiefer. 3. Das Torfschwein, das indische (Siam-) und das Bündtner- Sschwe in mit starkem Molar- „ schwächerem Prämolargebiss und: auffallender Re- duktion des Canin- und Incisivtheils der Bezahnung. Am Schädel entsprechende Ver- kürzung der Premaxilla und der Kinnsymphyse; Knochenkämme zum Schutze der Infraorbitalgefässe fehlen an den obern Caninalveolen fast gänzlich. Das Torfschwein reprägentirt die wilde Form mit verlängertem Hinterkopf, das indische und das Bündt- nerschwein die zahmen Formen, welche durch Kultur die wilde Form an Grösse zum Theil bedeutend übertroffen haben. Ich habe schon früher angedeutet, dass ein solches Resultat über die Gesch des Torfschweins noch wesentlicher Vervollständigungen bedarf. Namentlich bin ich einstweilen nicht im Stande, bestimmte Angaben zu machen über seine Beziehung zu dem krausen [türkischen oder syrmischen) Schwein, Nathusius p. 62, zu dem romanischen Schwein, Nathusius p. 59, und zu dem kurzohrigen Schwein, Nathusius p. 57. Doch lässt sich aus den Abbildungen der lebenden Thiere mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass wenigstens die zwei erstgenannten Racen mit dem Torfschwein in keinerlei Beziehung stehen; dagegen scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass das kurzohrige Schwein mit dem Bündtnerschwein, somit auch theilweise mit dem Torfschwein zu einer und derselben Stammform gehören Möge. | Für das Torfschwein an sich steht sein wildes Vorkommen in der Schweiz ausser Zweifel. Allein wir dürfen als ebenso gewiss voraussetzen, dass es nicht auf die Schweiz beschränkt war. Der weite Raum zwischen Mitteleuropa und Ostasien kann noch manche Etape für dasselbe aufdecken. Die Angaben der Reisenden, dass das indische Schwein auf dem asiatischen Continent von Sibirien und China bis nach In- dien, im polynesischen Archipel auf allen vom oceanischen Menschenstamm bewohnten Inselgruppen, mit einziger Ausnahme von Neuseeland, seit alter Zeit als Hausthier verbreitet ist, enthält einen wichtigen Wink auch für die Alterthumskunde. Das gleiche Hausthier ist über ganz Süd- und Westafrika verbreitet und von da nach Südamerika verpflanzt worden, wo. es längst einheimisch ist. Unter allen zahmen Schweinen hat das indische unzweifelhaft die weiteste geographische Verbreitung 1); ich glaube, ichte 1) A. Wagner bei Schreber VI. p. 447 etc. Nathusius.a. a O. p. 64 etc. Ba er > — mM — unter Voraussetzung der fernern Bestätigung seiner Verwandtschaft mit dem Torf- schwein, den Beweis geleistet zu haben, dass es auch, seit dem Steinalter zahm, die längste Geschichte als Hausthier hinter sich hat. Die Frage, ob das Torfschwein der Stammvater des indischen sei, oder umge- kehrt, ist dabei eine überflüssige. Das indische ist in wilder Form in Ostasien noch nicht bekannt oder wohl eher nicht mehr vorhanden; so gut wie in der Schweiz wer- den paläontologische Arbeiten wohl eher zu ihrer Entdeckung führen als zoogeogra- phische; in der Schweiz ist es in wilder Form im Steinalter noch vorhanden; ob seine zahmen Repräsentanten am Ende dieser Periode, in Meilen, Robenhausen, Con- cise, hier gezähmt oder aus dem Osten mitgebracht wurden, wird die Paläontologie schwerlich ermitteln. Sie weist indess nach, dass neben der gleichen Race bald, schon in Concise und Morges, ein Mitbewerber auftrat, der sehr rasch die erstere so vollständig verdrängte, dass die neuern Einführungen indischer Schweine, nicht auf dem Landwege, sondern auf Dampfbooten, wirklich neu erschienen, trotzdem dass in den Thälern Graubündtens noch Zeugen der ältern Acclimatisirung desselben Thieres, wenn auch durch Kultur wesentlich grösser und im Hinterkopf anders geworden, un- gekannt fortlebten. Für die Geschichte der osteologisch so eigenthümlichen Berkshire-Race liegen weit weniger Anhaltspunkte vor. Eine direkte Abstammung vom wilden Schwein von Celebes ist auch mit dem obigen noch nicht erwiesen, so gross auch ihre Aehn- lichkeit ist. Allein es wird durch diese letztere wenigstens sehr wahrscheinlich, dass dieses in England seit langer Zeit einheimische Thier seinen Ursprung ebenfalls im östlichen Asien habe. Auch hier scheinen indess Spuren weit früheren Importes nicht zu fehlen. Die auffallend kurzen Backzahnreihen mit fast gänzlich talonloser M. 3 aus dem Engewald bei Bern (p. 168), Chavannes le Veyron (p. 171), wieder- holen einen der wesentlichsten Charakterzüge der Berkshire-Race. Dass damit, un- ähnlich der letztern, sehr niedrige Unterkiefer und schwache Caninen vereinigt sind, würde sich durch frühzeitige Mischung mit dem damals in der Schweiz längst zum Hausthier gewordenen Torfschwein wenigstens erklären können. Die Zusammenstel- lung der betreffenden Gebisse spricht sehr stark für eine solche Vermuthung. Berkshire. Engewald. Chavannes. Torfschwein. Oberkiefer. | Länge der Backzahnreihe . . . 114 108 116—120 „ aller 3 Molaren . . 64 60—63: ~ 65—77 u e Berksbire. ' Engewald. Chavannes. Torfsch wein. á Länge von M. 2.1..P. LiB 55 = 6 59—68 . „ aller Prämolaren . » » ~ 50 = 45 45—48 Wadman Mee gid a ee 29 26 30--40 Unterkiefer. | | Länge der Backzahnreihe ohneP.1 105 92 97 102—112 sD alem Molaren iniiaynarsorit Ft: Di: 63 65—74 gs5 won Mi koiPisdsd. toli im Di rs 57 60 55—64 „ der 3 hintern Prämolaren . 34 t39 34 39-40 vonbM; Sie otit „nldondosiß 26 26 33—37 » Ich vergesse nicht, dass ich von’ Engewald und Chavannes nur Gebisse, nicht aber Schädel kenne. Für so kurze Zahnreihen und Zähne kenne ich indess einst- weilen kein Analogon als in dem Schwein von Berkshire, dessen Kultur durch Jahr- hunderte hindurch (unter Voraussetzung der Verwandtschaft mit Engewald und Cha- vannes) die Zahnreihe nur noch für M. 3 auf die Höhe des Torfschweins gebracht ‚hätte, obschon der Schädel an Gewaltigkeit denjenigen des Torfschweins weit über- trifft. (S. Tabelle p. 183.) X 2. Das Schaf. Im Steinalter fanden wir sehr allgemein ein Schaf verbreitet, welches durch ge- ringe Grösse, feine schlanke Extremitäten und noch mehr durch aufrechistehende _ kurze, zweikantige,. ziegenähnliche Hörnchen von den heutzutage allgemein ver- breiteien Schafracen verschieden war. Spuren gross- und krummhörniger Thiere | bot nur Wauwyl. Die Seltenheit von Hornzapfen machte es unmöglich, über die 4 PN PEAS Art des Ersatzes jener kleinhörnigen Thiere durch die heute vorwaltenden gross- 7 | hörnigen bestimmten Aufschluss zu erlangen. Doch zeigte sich bei der Untersuchung der Knochen von Chavannes, Echallens etc., dass im Mittelalter grosse krummhör- nige Thiere wahrscheinlich stark verbreitet waren. Der im klassischen Alterthum so häufig architektonisch verwerthete Schafschädel zeigte ebenfalls durchweg nur die = Noch heutzutage allgemein gesehene Gestalt der Hörner; dieselbe Form, dreikantig mit vorderer Fläche , und dieselbe Biegung nach aussen, rückwärts und abwärts, zei- gen auch die meisten wilden Schafe '). Diese Hornform war es auch grossentheils, ee m A) Mit Aisnahme Pu nordafrikanischen Ovis tragelaphus, welches in vielen Beziehu Schaf und Ziege in“ der Mitte steht, und des ebenfalls dem Mittelmeergebiete angehörigen eyprischen ngen zwischen EEE RATE FA BR — 12 — welche seit langer Zeit den Mouflon und Argali, über deren Verschiedenheit seit Buffon 1) und Cuvier Zweifel bestehen 2), als Stammform des zahmen Schafes be- trachten liessen. Diese vielbesprochene Streitfrage scheint noch durchaus- nicht spruchreif zu sein. Die mannigfaltigen Zuchten zahmer Thiere zeigen, welcher Ver- änderungen in Grösse, Statur und Haarkleid das Schaf fähig ist 3); die Untersuchung des Skeletes hat sich bisher fast nur mit dem Schädel des Mouflon und Argali befasst und lässt in der That in Bezug auf das übrige Knochengerüst nicht gerade Grosses hoffen bei einem Thier, dessen Knochen nur mit der äussersten Mühe von denjeni- gen der Ziege unterschieden werden können. Die zoologische und osteologische Prüfung führte auch sehr sorgfältige ältere Beobachter, Tilesius und Bojanus, auf verschiedene Resultate, indem der erstere den Argali für die Stammform des Schafes hält 4), der letztere dies verneint 5). Das Gebiss ist übrigens dabei zu wenig in Rücksicht gezogen worden ^). Ueberdies ist man in Bezug auf die Spezies der Wildschafe für sich noch ebenso im Unklaren, wie über deren Verhältniss zu den zahmen; Ovis Musimon, Argali, selbst das amerikanische Wildschaf, Ovis montana sind von verschiedenen Autoren in eine ziemlich grosse Anzahl verschiedener Species zerspalien worden, und die neuern Reisen in Centralasien haben diese Schwierig- keiten vermehrt durch Beifügung einer ganzen Reihe nicht genauer begrenzter For- men. Ogilhy, Blyth und Sclater haben, meist nach der Bildung der Hörner, ausser dem zahmen Schaf, das als eine besondere Spezies betrachtet wird, nicht weniger als 16 Arten von Wildschafen aufgestellt 7). nk sond Wildschafs, Ovis cypria, dessen Hörner seitlich komprimirt und zweikantig sind wie bei der Ziege. Siehe hierüber die Zeichnungen von Blasius, Säugethiere Deutschlauds. Fig. 240—252. 1) Hist. nat. XI. p. 374. 2) Oss. foss. IV. p. 202, “a 3) Buffon gibt davon eine sehr gute Schilderung. Hist. nat, XI. p. 354 u. f. 1) De Aegocerote Argalide Pallasii, Ovis domesticæ matre. Nova Acta Acad. Nat. Cur. XII. 1. 1824. p. 287. i 5) Cranioram Argalidis, Ovis et Capræ comparatio. Ebendas. p. 293. 6) Ich finde wenigstens bestimmte Unterschiede im Zahnsystem von Mouflon und Schaf, ohne indess mich dadurch zu einem Urtheil, über ihre Selbstständigkeit berechtigt zu halten. 7) In Afrika: Ovis (Ammotragus) Tragelaphus F. Cuv. In Europa: Ovis Musimon L. Corsika. Ovis Ophion BI. Cypern. In Asien: Ovis Gmelini Bl. in Armenien und Persien, O. cylindricornis Bl. im Kaukasus, O. Burrhel Bl. im Himelaya bis auf 17,000 Fuss, O. Polii Bl. Bokhara, O. cycloceros Sclater im Pendjah, O. Hodgsoni = W = Ein Urtheil über. die Stammform oder, was weit wahrscheinlicher ist, über die Stammformen des zahmen Schafes muss daher /verspart werden auf vollständigere und genauere Kenntniss des Wildschafes '). / Ä Nichtsdestoweniger ist es wichtig, dem zahmen Schaf auch von antiquarischer und paläontologischer Seite nachzugehen, und hier stossen wir auf Fakta, welche eine Pluralität der Stammformen höchst wahrscheinlich machen. Das einzige bisher fossil, und zwar in Höhlen Süd-Frankreichs vorgefundene und vielleicht schon mit dem Menschen coxtane Schaf, Ovis primæva Gerv., scheint von den oben genann- ten wilden Formen abzuweichen durch seitlich komprimirte nnd wenig gebogene Hörner 2). | | | Viel bestimmtere Abweichungen von dem gewöhnlichen Typus ergaben sich bei dem zahmen Schafe des Steinalters. Vollständige Schädel desselben fehlen leider, allein die vorhandenen Bruchstücke liessen über Stellung , Richtung und Eorm der Hörner keinen Zweifel. Bemerkenswerth war überdies der ebenfalls an die Ziege erinnernde Umstand, dass die Augenhöhlen nicht so rasch und quer nach aussen tre- ten wie bei unserem Schaf dies gewöhnlich ist, sondern, wenn auch nicht in dem Grade wie bei der Ziege, unter dem Hornansatz sich etwas schief nach abwärts und aussen neigen. Unter den heutigen zahmen Schafracen konnte ich in der mir zugänglichen Litte- ratur eine einzige Form auffinden, welche dasselbe Gepräge der Hornbildung an sich Bl. in Nepal, O. Vignei Bl. in Klein-Thibet bis auf 14,000 Fuss, O. Nahoor BL Gross-Thibet, O. Ammon Pall. (Argali) in Sibirien, O. nivicola Eschsch. in Kamtschaka. In Nord-Amerika: O. montana Desm. Felsengebirge, O. californica Dougi. in Californien. In Süd-Amerika: Ovis (Ixalon) Probaton Og. in Venezuela. S. Ann. and Magaz. of nat. hist. VII. 1841. p. 248. Proc. Zool. daselbst 1860. p. 126 und 1861. p. 227. 1) Für Ovis Aries wird von Blyth eine besondere, vermuthet. Das armenische Wildschaf, O. Gmelini, Soc. London. 1840. p. 62—79. Eben- noch unbekannte wilde Stammform in Centralasien ' men Schaf am nächsten stehen. 2) Gervais, Zool. et Pal&ontol. franç. p- 76. Marcel de Sèrres abbildet (Fig. 15. PI. XV. Ossem. humatiles de Lunel-Viel), entspricht an Grösse (120 Mm. Lange) und Schlankheit demjenigen unseres Torfschafes, der 115—142 Mm, misst. Das Stück aus Lunel-Viel ist, wie die vollständig verwachsenen Epiphysen zeigten, erwachsen, und nicht jung, wie Der Metatarsus a Höhlenschaf aus Lunel-Viel, den die Autoren. angeben. 25 soll dem durch langen Schwanz ausgezeichneten zah- . En = S = trägt. Low t) giebt an, dass auf den Shetlands-Inseln und Orkaden kleine , dünn- gliederige kurzschwänzige Schafe von schwarzer, brauner und weisser Farbe leben, deren Hörner (hier und da bei beiden Geschlechtern fehlend) kurz sind, und so ge- rade und aufrechtstehen, dass sie Ziegenhörnern gleichen. Low schreibt ihnen mit vieler Bestimmtheit theilweise norwegischen Ursprung zu. Noch steilere und nament- lich komprimirtere Hörner besitzt die ebenfalls kleine Race der hohen Gebirge von Wales; dieselbe scheint dort in einem fast halbwilden Zustand zu leben; sie stellt Wachen aus, welche die Gefahren durch Pfeifen an- geben; die Böcke greifen, wie auch bei der Shetlands- race, die Schafe beim Wer- fen der Jungen an und tödten häufig die letztern. Nach den Abbildungen von Low (a. a. O. Pl. 1 und 2) musste namentlich die Race von Wales dem Schaf des Steinalters sehr ähnlich sehen. Eine nicht weniger ver- wandte Race fand ich ganz unerwarteter Weise in viel grösserer Nähe vom Schau- platze des Torfschafes im Oberland von Graubün- den, in derselben Gegend, 3 Schaf aus dem Oberland von Graubünden. welche auch schon für das Halbe Grösse | 1) Hist. nat. des anim, domest. de l’Europe. Moutons. — 15 — Torfschwein eine noch lebende analoge Race geliefert hat. — In den Alpen des Nalps- thales über Disentis fand ich Heerden kleiner Schafe mit höchst feinen Extremitäten, welche in Grösse und namentlich in der Bildung der Hörner mit der Low’schen Ab- bildung der Bergschafe von Wales in hohem Maasse übereinstimmen. Ihre Farbe ist Schwarz, weiss, am häufigsten ein schönes Silbergrau. Die Hörner sind selten nach vorwärts gewunden, häufiger aber aufstehend, und ähnlich wie bei Ziegen in schwachem Bogen nach hinten gerichtet, doch immer mehr divergent als bei Ziegen. Der Schä- del ist in halber Grösse vorstehend dargestellt. Er weicht von den gewöhnlichen krummhörnigen Racen ab durch schlankere , gestrecktere Gestalt; namentlich ist das Hinterhaupt hinter den Hörnern weit länger als bei gewöhnlichen Racen und dadurch Ziegen ähnlicher; der ganze Gesichtstheil ist ferner merklich niedriger und nach vorn gleichmässiger zugespitzt als bei den mir bekannten gewöhnlichen Schafen, wo er bis zum vordern Ende der Backzahnreihe ziemlich gleiche Höhe behält und sich von da an rasch zuspitzt. Die Augenhöhlen ragen auch beim Bündnerschaf weniger nach aussen, die Nasenbeine sind weit flacher, die Zwischenkiefer länger, der Un- terkiefer schlanker als bei letztern. Dies alles sind Eigenthümlichkeiten, welche in noch höherem Maasse der Ziege zukommen. Die Hornzapfen sind kurz, und von linsenförmigem Durchschnitt, fast ebener Innenfläche (b) und gewölbterer Aussen- fläche {a im obern Durchschnitt, der dem linken Hornzapfen entnommen ist). Die Hornscheide, meist schwarz, seltener hellfarbig, ist ebenfalls scharf zweikantig, mit fast concaver innerer (b) und convexer ‚äusserer Fläche (a im untern Durchschnitt, der rechten Hornscheide zugehörig). An der vordern Kante verläuft eine Naht, welche bei krummhörnigen Schafen gänzlich fehlt, dagegen bei der Ziege vorkommt. Die Schädellänge an einer Reihe von Schädeln dieser Schafe, beträgt 175-213 Mm. vom vordern Rande des Foramen magnum bis zur Zwischenkieferspitze. Bei den srössern krummhörnigen Schafen beträgt sie in der Regel mehr als 220 Mm. Die genaue in halber Grösse einem vollständig erwachsenen Schädel entnommene Zeichnung genügt für die weitere Charakterisirung des Schädels. Die zahlreichen Schädelstücke des Torfschafes aus den Pfahlbauten des Steinalters stimmen in Grösse und vor allem in der Bildung der Hornzapfen so vollkommen mit diesem recenten Schädel überein, dass kein Grund ist, sie für verschieden zu halten, um so weniger, da auch andere Thiere des Sieinalters, wie bereits gezeigt worden, bis auf unsere Tage eine Zuflucht in den rhätischen Gebirgen gefunden haben. Die grössten Horn- zapfen aus den Pfahlbauten hatten 105 Mm. Länge nach der grossen Curvalur , bei nn — ER 3 ği | N — 16 — 42 Mm. grösstem basalem Durchmesser. Bei dem Bündnerschaf steigen diese Di- mensionen bis auf 100 und 31. Auch diese grossen Hörner waren sehr steil und schwach gebogen und mussten von ähnlichen Scheiden wie bei der Ziege bekleidet gewesen sein. 3. Das Rind. Eine osteologische Bearbeitung und Klassifizirung der europäischen Racen und Schläge von Rindvieh kann noch weniger in meinem Plane liegen, als dies beim Schwein und Schaf der Fall war. Das erste Erforderniss zu einer solchen Arbeit wäre ein enormes Material, wie es dermalen nirgends, weder in naturhistorischen noch in landwirthschaftlichen Sammlungen vorhanden ist. Auch müssten sich zur Beschaffung desselben die Zoologen und die Viehzüchter mehr die Hand reichen, als dies bis jetzt der Fall war; die Controllirung der Racenächtheit, das erste Requisit einer solchen Sammlung, wäre den letztern vorderhand wohl gänzlich anzuvertrauen, allein die osteologischen Ergebnisse müssten von ihnen nachträglich respektirt und den Abweichungen in dem beidseitigen Urtheil durch beidseitige Kräfte weiter auf den Grund gespürt werden. Es ist eine solche gemeinsame Arbeit auch noch nie- mals versucht worden. Von landwirthschaftlicher Seite begnügte man sich mit der Beurtheilung des Aeussern des Thieres, das anerkanntermaassen nicht nur den weit- gehendsten Modifikationen durch Mischung, sondern auch davon vollkommen unab- hängig, durch Klima, Nahrung und Pflege unterworfen ist. Die’ seltenen zoologischen Bearbeitungen der zahmen Rindviehracen hielten sich auch bisher ganz an das Urtheil der Viehzüchter, welchen sie auf diesem Felde mit Recht ein reiferes und feineres Urtheil zutrauten !). Nichtsdestoweniger liess sich hier so gut wie bei jedem andern 1) Es kann nicht meine Absicht sein, die grosse Litteratur über Rindviehracen hier einlässlich anzu- führen; ich erwähne nur die hier benutzten wichtigern und namentlich auch die auf unser zunächst be- rücksichtigtes Gebiet bezüglichen Quellen; dahin gehören: Europäische Racen im Allgemeinen: A. Wagner, das Rind, in Sc hreber’s Säugethieren. V. 2. 1837. R. von Erlach, Rapport sur la mission d'un délégué au concours universel d'animaux- reproduc- teurs de Paris en 1855, Berne 1856. = Für England: E. Hering (Youatt), das Rindvieh. Stuttgart 1838. Low, Hist. nat. des anim. dom. de l'Europe. Races de la Grande-Bretagne. Paris 1846. — 197 — Thiere von osteologischer Seite manches neue Licht mit vollem Recht erwarten, und das grosse kulturhistorische Interesse einerseits, das sich an diese Frage knüpft, so- wie die unverkennbaren Erfolge ‚andererseits, zu welchen die ersten Versuche in dieser Sache, zuerstBojanus, später Owen und Nilsson führten, konnten zu fernern Schritten nur aufmuntern. Es war auch dieser Weg der einzige, auf welchem über die Ueberreste dieses wichtigsten Hausthieres aller Zeiten in vorhistorischer Periode in dem früheren Ab- Schnitt dieser Arbeit ein zoologisches und historisches Urtheil zu erwarten war, und ich darf hoffen, dass das Ergebniss kein unfruchtbares sei. Um so näher lag die Aufforderung, diese Untersuchung nicht an der Grenze der Gegenwart abzuschliessen. Die grosse Schwierigkeit der Herbeischaffung des Materiales durfte hievon nicht ab- Schrecken, und ich erkenne mit grossem Dank die allseitige Unterstützung an, die mir von den zahlreichen und bewährten Autoren zu Theil geworden, welcher die Schweiz, auf die ich mich zunächst beschränken musste, von wirthschaftlicher Seite Sich rühmen kann, eine Unterstützung, ohne welche die osteologische Sammlung, auf welche sich die folgenden Resultate stützen , nicht nur ganz werthlos geblieben wäre, sondern üherhaupt auf privatem Wege nicht hätte herbeigeschafft werden können. Nichtsdestoweniger muss ich im Hinblick auf den Horizont, der einer zoologischen oder richtiger paläontologischen Untersuchung heutiger Rindviehracen billig zukom- men sollte , gestehen, dass auch das, was mir durch die besten Quellen zu sammeln möglich war, noch so dürftig ist, dass die Resultate in hohem Maasse anfechtbar Für Deutschland: H. W. v. Pabst, Anleitung zur Rindviehzucht. Stu Von Weckherlin, Thierproduktionslehre, Stuttgart 1857, und ebendesselben Abbild. der Rind- viehracen. tigart und Tübingen 1851. Für die Schweiz: Steinmüller, Taurus domesticus im ersten Band der Alpina 1806. p. 112. Anker, Bericht über die schweizerische Viehausstellung 1857. Bern 1858. Abbildungen der Rindviehracen und Schläge der Schweiz nach der Natur von Benno Adam. Bern 1859. Die neuern Kupferwerke, wie namentlich die franzö g7 e sie Nathusius für die Schweine geliefert, zugänglich gemacht sischen Concours d'animaux, sollten dem Zoologen erst durch fachkundige Bearbeitungen, Wi werden. ? — 18 — erscheinen könnten, wenn nicht die scharfe und kundige Controlle über jedes Stück der angelegten Sammlung die geringe Ausdehnung derselben ersetzte; überdies konn- ten selbst die engen Grenzen, die ich mir zog, kaum natürlicher ausfallen, als ge- rade in der Schweiz, welche bekanntlich seit alter Zeit auf die Reinerhaltung der wenigen Viehstämme, die sie pflegt, grosse Sorgfalt verwendet hat 1). 1) Die dem hiesigen vergleichend-anatomischen Museum einverleibte Sammlung von Racenschädeln des Rindes enthält dermalen folgende Schädel, deren Aechtheit ich durch Beifügung der Quellen, wodurch ich sie erhalten, für inländische Leser ausreichend belege. Oldenburg (Bujadning) zum holländischen oder friesischen Schlag gehörig. (A. Wagner p. 1612.) durch Herrn Dr. Lülfing in Braunschweig. Fem. Friesland. (A. Wagner ebendas.) Ein Schädel eines colossalen männlichen Thieres (silbergrau), das als Schaustück ganz Europa durchzogen hatte; durch Herrn Thierarzt Gnöpf in Basel. Holländi scher Schlag? Ein nicht sicher kontrollirter weiblicher Schädel. Schwarzwald. Fem. (Schwäbisch-Hall’scher Stamm. A. Wagner p. 1606.) Freiburger-Race. Fem. (Abbildgn. der Rindviehracen der Schweiz. Tab. IH. p. 41.) Durch H, Esseyva in Bulle. Simmenthal-Saanen-Race. (Abbild. der Rindviehracen der Schweiz. Tab. II. p. 8.) 1. Saanen. Fem. Durch H. Mösching daselbst. 2. Simmenthal, in den jurassischen Freibergen aufgewachsen. Fem. 3. Ebenso das männliche Skelet, das zu allen obigen Messungen diente. 4. Ebenso ein männlicher Schädel, doch nicht sicher kontrollirt. 5. Pays-d’Enhaut, Waadtländisches Oberland (Chäteau-d’Oex). Fem: Durch H. von Er- lach in Hindelbank. Schwyzer-Race. (Abbild. der Rindviehracen der Schweiz. Tab. IV. p. 13.) . Schwyz. Fem. (A. Wagner, p. 1619.) Durch H. Landammann Auf der Mauer daselbst. UTi: Fem. Durch H. Thalammann Nager in Andermatt. : . Graubünden, Disentis.. Fem. Von der Klosterverwaltung daselbst. . Ebenso, Domleschg. Fem.. Durch H. Forstiuspector Coaz in Chur. . Ober-Hasle. (Fem. A. Wagner, p. 1621.) Durch H. Prof. Rychner in Bern. 6. Wallis. Fem. Durch H. Pfarrer Schatzmann in Frutigen. Algier. Daselbst einheimische Race. Fem. Durch H. Richter daselbst. (Der kleinste Schädel von Kuh, und dabei vollkommen erwachsen, der mir noch zu Gesicht gekommen, mit ganz kurzen, rasch nach vorn gekrüummten Hörnchen. Ob der schon von Leo africanus in den Bergen von Afrika erwähnte zwergarlige Viebschlag ? (S. C. Gesner, Quadrup. I. Bos et Vacca p. 28) ' Die Frutig-Race, (Abbild. der Rindviehracen der Schweiz Tab. I. p. 7), wird von den inländischen Viehkennern theils als eine Kulturrace, theils als klimatische Mischform gehalten und konnte daher füglich ausser Betracht bleiben. Sireng-zoologische Bearbeitung dieses offenbar nur eine provisorische. Die (Niederungsracen, Gebirgsracen etc.) Phischen Gruppirung benutzt hat. Schwer zugänglich sind; nicht Es ist vollkommen überflüssig , Ein Blick in die Litteratur über Rindviehracen zeigt bald, dass dieselbe für eine Hand giebt. Dies gereicht indess nicht den Landwirthen zum Vorwurf, sondern den Zoologen; die erstern haben ihrerseits auf diesem schwierigen Felde bisher fast alles, die letztern fast nichts geleistet. Nichtsdestoweniger ist es kaum zu bestreiten, dass die Prinzipien, auf welche die bisherigen Gruppirungen der Rindviehracen beruhen, z00logisch nur sehr schwer verwerthbar sind. Die geographische Eintheilung, wel- cher Pabst, Weckherlin, Low und andere mehr oder weniger folgen, ist 'Eintheilung von Youatt und Hering in langhorniges, mittel- und kurzhorniges Vieh beruht auf einem viel zu partiellen und wechselnden Merkmal, und wird durch das nicht seltene Vorkommen hornloser Kul- turracen von vornherein umgestossen. Richtigere, obschon schwer verwerthbare Grundsätze liegen vielleicht der Unterscheidung nach klimatischen Eigenthümlichkeiten zu Grunde, welche Pabst neben der geogra- Inwiefern die Biegungen der Wirbelsäule constant Sind, welche Wagner theilweise benutzt hat (Taurus hypselurus-cauda altissime posita; Taurus Frisius-cauda profunde posita) dem gemeinsamen Urtheil der Viehkenner die Farbe Maules, der Ohren ete.), das Haarkleid (theils am ganzen Körper, theils an bestimm- ten Stellen, wie Stirn, Nacken, Rückgrat, Ohren etc.). Sie dient der von Weck- herlin gegebenen Eintheilung als Basis. I indische Buckelochse,, der in seinem Skelet, wie oben gez dem europäischen zahmen Vieh abweicht, allgemein mit dem nigt wurde , dass der osteologische Charakter bei zoologischen Zwecken nicht ausser Be- tracht bleiben darf; die oben bezeichneten Abweichungen im Skelet des Urochsen von demjenigen einiger zahmen Racen stellen auch genaue osteologische Untersuchung der letztern noch mancherlei Anhaltspunkte zu ihrer Unterscheidung liefern wird. Solche Merkmale haben zwar den grossen Nach- theil, dass sie am lebenden Thier orösstentheils unbenutzbar und den Landwirthen sdestoweniger ist zu hoffen, dass wenigstens ein bei allen übrigen Thieren in erster Linie benutzter zoologischer Charakter, des Schädels, mit den bisher benutzten Hülfsmitteln wenigstens parallel gestellt und Sowohl dem Zoologen als dem Landwirth zugänglich werden könne. auf die allgemeinen Merkmale des Schädels der 199 — Hausthiers nur sehr wenige Hülfsmittel an die , ist sehr fraglich. Constanter sind nach (besonders in der Umgebung des mmerhin zeigt der Umstand, dass der eigt wurde , so mannigfach von selben in eine Species verei- ziemlich ausser Zweifel, dass eine die Bildung — 00 — zahmen Rindviehracen näher einzugehen. Cuvier hat sie mit vortrefllicher Kürze hinlänglich bezeichnet, indem er sagt 1): Die Stirn des Ochsen ist platt und selbst etwas concav, viereckig, in ihrer Länge nahezu der Breite zwischen den Augenhöhlen gleich; die Hörner sind an den Enden der Kante angesetzt, welche Hinterhaupt und Stirne trennt; die Hinterhauptsfläche ist viereckig und steht in spitzem Winkel zur Stirnfläche. Es lassen sich die gemeinsamen Merkmale des Hausochsen im Gegensatz zu Bos primigenius, Bison ete. kaum kürzer und bestimmter bezeichnen. Der Gesichtsschä- del und der Unterkiefer sind bei dieser Charakteristik mit Recht ausser Betracht ge- blieben, da es schwer wäre, gemeinsame Merkmale derselben für alle Racen anzu- geben; allein selbst die angegebenen Merkmale bezüglich der Stirne, des Hinter- hauptes und des Hornansatzes passen durchaus nicht in gleichem Maass , theilweise gar nicht auf alle zahmen Racen. Wo sind also sichere Merkmale zur Unterschei- dung der letztern zu suchen? Wenn auch das Auge bei Nebeneinanderstellung einer Reihe von Schädeln ge- wisse Physiognomien derselben sofort auffasst, so entschlüpfen die Faktoren derselben dem Zirkel ganz unmerklich. j Eine grosse Anzahl von Messungen, welche Herr Dr. C. Aebi in Basel an den Kuhschädeln unserer Sammlung ähnlich wie am Hund vorzunehmen die Güte ge- habt hat, und welche darauf ausging, die relativen Flächenverhältnisse in vertikalen und horizontalen Durchschnitten procentisch auszudrücken, führte zu keinem Resultat. Die Schwankungen für die einzelnen Dimensionen waren an sich sehr gering und fielen überdies bei Schädeln von identischem Gepräge so verschieden, bei auffallend differenten Schädeln so ähnlich aus, dass ihnen nur individueller Belang zugeschrie- ben werden konnte. Bestimmtere Resultate versprachen und lieferten einzelne Aussenflächen des Schä- dels, namentlich Stirn, Hinterhaupt, Schläfe, die Oceipitalkante , der Hornansatz. Es war z. B. ein leichtes, die Schädel einzutheilen in langstirnige und breitstirnige nach dem Verhältniss der mittlern Stirnbreite zur mittlern Stirnlänge. Auch andere Grup- pirungen sehr verschiedener Art sind nicht:schwer vorzunehmen. Allein fast alle solche einzelnen Verhältnisse. sind sehr bedeutenden sexuellen Modifikationen unter- worfen. Der Ochse hat immer eine breitere und kürzere Stirn als die Kuh; er be- 1) Oss. foss. IV. p. 109. = R = sitzt ferner kürzere, dickere, weniger gebogene und weniger abgeplattete Hörner; ein Umstand, der auf die Form der Schläfengrube und der Oceipitalkante Einfluss hat. Auch der Gesichtsschädel ist beim Ochsen kürzer und breiter, die Schnauze Stumpfer als bei der Kuh. a Auch derartige Messungen einzelner äusserer Flächen sind daher nicht tauglich zur. 'osteologischen Charakterisirung der Race. Das vorderhand allein anwendbare ‘und richtige Mittel dazu besteht offenbar in der Berücksichtigung der Gesammtphy- siognomie des Schädels und in der Aufsuchung der hauptsächlichen Faktoren dersel- ben; dieselben sind oft zahlreich und srösstentheils in solcher gegenseitiger Abhän- gigkeit, dass Isolirung derselben als ein Missgriff erscheinen muss, 50 lange nicht etwa ein Hauptfaktor sich herausstellt, der die übrigen involvirt. ; Diese umfassende Berücksichtigung der ganzen Physiognomie des Schädels fasst auch allein die beiden Geschlechter gleichzeitig ein. Sie hat nur den Nachtheil, dass sie einstweilen: nicht kurze Diagnosen gestattet. Es ist schon oben angegeben worden, dass die Resultate, wie dies auch zu er- warten war, mit denjenigen ü h eine im Steinalter vorgefundene zahme Race zusammentreffen. Doch vermisse ic unter den heutigen; und ebenso erscheint unter den letzten eine Form, von der die Pfahlbauten noch nichts wahrnehmen liessen. | RE 2 u BY gy De TE 1. Primigenius-Race. Die Schädel von Bujadning (Oldenburg), Friesland und Holland eni- Sprechen in jeder Beziehung so sehr den Schädelstücken aus den Pfahlbauten, welche ich unter dem Namen der Primigenius-Race vereinigte, dass eine neue Beschreibung der recenten Repräsentanten dieser Form kurz ausfallen kann; als Typus wähle ich den Schädel der Oldenburger-Kuh 1). Auch an Grösse bleibt der friesische Schädel nicht hinter dem riesigen Stammthier zurück 2). e die früher gegebenen von Bos trochoceros, sind sämmtlich nach 4) Die folgenden Abbildungen, sowi ie Glastafel in natürlicher Grösse dem oben beim Menschen angegebenen Luczx’schen Verfahren durch eir echstheil der letztern reduzirt worden. Sie dürfen also weibliche Schädel desselben Alters gewählt worden. findet man sehr alte Notizen, nachgezeichnet und mit dem Storchenschnabel auf ein S als ganz zuverlässig gelten; zur Darstellung sind nur 2) Ueber die riesige Grösse, zu welcher der friesische Ochse gelangt, so bei Albertus Magnus. Ludov. Guicciardinus erwähnt ein Thier von 25 Centner Gewicht, ebenfalls aus Friesland. S. C. Gesner, Quadrup. I: Bos et Vacca. Edit. II. p. 29. 26 ber die Viehracen des Steinalters in manchem Punkt m Vi IR e Gestreckte Gestalt im Gehirn- und im Gesichtstheil, auffallend geradlinige Umrisse des Schädels und Hörner von Ansatz, Rich- tung und Form wie beim Urochsen und eine auffallend kurze Backzahnreihe sind die allge- meinen Merkmale des Schädels dieser Race. Die Stirn ist länger als breit und ganz flach. Die volle Stirnlänge beträgt 47%, der Schädellänge; die Stirnbreite zwischen den Schläfen ist gleich der seitlichen Stirnlänge (vom hintern Umfang der Hornbasis der Schlä- fenkante entlang) bis zum hintern Umfang, beim männlichen Thier bis zur Mitte der Or- bita. Die Stirnbreite aussen an den Augen- höhlen ist geringer als die mediane Stirn- länge. Die Hinterhauptskante verläuft fast gerade, die Augenhöhlen sind sehr schief nach vorn gerichtet und treten seitlich wenig vor, die Umrisse der Stirne sind daher auf- Allein auch unser Schädel aus Friesland erreicht die Grösse des Urochsen, wie schon die Messungen des Unterkiefers oben p. 74 zeigten. Einige fernere Belege sind folgende: Als entgegengesetztes Extrem. füge ich dazu die Dimensionen der zwergigen Kuh aus Algier (Braehyceros-Race): Friesland. Primigenius. Algier. H. v. Meyer. Schädellänge vom Oceipitalkamme an. . 2.2.2 . . . 620 610 — 691 418 Stirnlänge von ebenda bis Anfang der Nasalia . . . . 265 . 267 198 Lönge..der Intermmmallis Sebi Gen in ii 217 114 Schädelbreite aussen an den Augenhöbln . . . . . 262 276 - 335 199 Grösste Breite des Oceiput., stoerste este Fenamin oa t „285 232—313 175 Länge des knöchernen Gaumens . 222 2 202 202.345 340—350 Mediane Gaumenlänge von der Zwischenkieferspitze bis Nuhr tim Faaalae ara rasen ah ara - 220 Mediane Gaumenlänge von der Zwischenkieferspitze bis hinte Mas. ‚oo = H abi ‚orale tanseil 340 — D fallend geradlinig, ihre Fläche fast vollkommen eben, indem weder die Occipitalkante noch die Augenhöhlen sich darüber erheben, auch die Supraorbitalfurchen bilden scharf eingeschnittene Rinnen parallel der Medianlinie. Um den Hornansatz bildet die Stirn- fläche eine rauhe Zone. Die Hornzapfen sind dicht angesetzt, ohne alle stielartige Erweiterung der Stirn- fläche, und erheben sich von Anfang an continuirlich und rasch über die Stirn. Sie krümmen sich dabei erst etwas nach hinten, und zwar oft weit über den Stirnwulst hinaus, dann nach aussen, weiter nach vorn und oben und schliesslich senkrecht auf- wärts. Im Durchschnitt sind sie kompress und ohne merkliche Kanten; der grosse ‚Durchmesser , in der Stirnebene liegend, verhält sich zum vertikalen wie 5:4 oder selbst wie 4:3; die Substanz des Hornzapfens ist sehr kompact, die Oberfläche glatt, mit feinen und scharf geschnittenen Gefässlinien, mit einem Kranz stärkerer Tuber- keln an der Basis und sehr starken und tiefen Längsfurchen am hintern und untern Umfang. Die Hinterhauptsfläche steht in rechtem Winkel zur Stirn, der Stirnwulst (der frontale Antheil am Oceiput), seicht ausgebuchtet, überragt die Occipitallläche kaum oder gar nicht. Unter dem Hornansatz ist die Hinterhauptsfläche durch die tiefen Schläfengruben sehr stark eingeschnürt, so dass die hier geringste Breite des Occi- put hinter der grössten (zwischen den Höckern über der Gehöröffnung) um 1⁄3 bis fast um die Hälfte zurückbleibt (geringste Breite zur grössten = 1: 1,628—1,914). Die Oceipitalfläche ist niedrig, im mittlern Theil sehr stark in die Quere ausgedehnt, die Condyli oceipitis und die Proc. exoccipitales convergiren stark nach der Mittel- linie. (Die Höhe des Oceiput über dem obern Rand des Foramen magn. verhält sich zur grössten Breite desselben wie 1: 1,427 —1,439, sie ist dagegen gleich der Breite des Oceiput zwischen den Hornansätzen; dieselbe Höhe über dem obern Rand des For. magn. ist geringer bis gleich der geringsten Breite.) | > An der Seitenfläche ist die lange, horizontal und gerade verlaufende und sehr tief unter die Stirn eindringende, aber dabei niedrige Form der Schläfengrube charak- teristisch. Schläfenkante und Jochbogen verlaufen fast gerade, und die erstere ist durch den Hornansatz durchaus nicht deprimirt. Hinter dem Jochbogen wird die Schläfengrube nicht viel offener, allein ihr unterer Umfang: tritt fast horizontal nach aussen (daher der grosse Unterschied zwischen geringster und grösster Breite des Oeciput). Die Spitze des Os parietale bleibt weit vom Keilbeinflügel getrennt. Die Augenhöhlen sind nach vorn gerichtet, wenig vor- ragend, von schief-vier- eckigem Umriss und rela- tiv klein. Der Gesichtsschädel ist langgestreckt und ohne Knochenlücken; die Nasalia sind lang, kaum kürzer als die Stirn, stark gewölbt, an der Wurzel auch oft mit einer nichtundeutlichen longitudinalen Erhebung, am Vorderrand wenig tief ausgeschnitten. Oberkiefer und Zwischenkiefer sind nach vorn sehr verlängert, der letztere sehr lang, an die Nasalia anstossend, seine Gaumenäste breit, ergiebig aneinandertretend. Die Back- zahnreihe ist auffallend kurz, und daher der zahnlose' Theil des Oberkiefers sehr lang, auch sein Hinterrand sehr schief nach vorn gerichtet. Die Länge der Backzahnreihe beträgt 25—27 % der Schädellänge und ist erheblich kürzer als der vor ihr liegende _ zahnlose Theil des Gesichts, welcher 30—32 % der Schädellänge ausmacht. Um noch mehr bleibt sie folglich hinter dem hintern zahnlosen Schädeltheil an Länge zu- rück, für welchen noch 43—44 % übrig bleiben. Auch am Unterkiefer fällt der kurze Betrag der Backzahnreihe auf. Die Länge der letzten beträgt genau 1/; der Unterkieferlänge in der Alveolarhöhe; sie liegt auch nahezu in der Mitte der Unterkieferlänge; doch überwiegt der vordere zahnlose Theil den hintern um Weniges. Der aufsteigende Ast des Unterkiefers steigt schief nach hinten auf, der horizontale Ast ist kräftig, ohne hoch zu sein, und steigt von der Mitte der Zahnreihe an ziemlich stark und geradlinig nach vorn an; die Symphyse ist sehr lang, der Incisivtheil breit. Das Gebiss ist kräftig, Molaren und Prämolaren dick und kurz, die Zahnprismen stark vortretend, die Schneidezähne mit viereckiger Krone, die Zahnreihe wenig ge- bogen, der Gaumen flach. 2. Brachyceros-Race. Die Schädel der ungefleckten, in den Abstufungen von Hellgrau bis Schwarz- braun immer einfarbenen und mehr oder weniger thierfarbenen Race von Schwyz, Uri, Wallis, Oberhasle, Graubünden und in vollem Maasse auch der Schädel aus Algier zeichnen sich durch ein gemeinsames Gepräge aus, welches dieselben sowohl von der soeben beschriebenen, als von der nachfolgenden Race sofort unterscheidet. Die äusserlichen Züge desselben bestehen in der sehr unregel- mässig welligen Stirn, dem kurzen und steilen Oceipitalwulst, den grossen, stark gewölbten und stark nach aussen gerichteten Augenhöhlen, den kurzen, dicht ange- dem kurzen und stumpfen Gesichtsschädel mit Setzten und stark gebogenen Hörnern, Zu den beiliegenden Zeich- ausgedehnter Bachzahnreihe, allein schlanken Incisiven. nungen wähle ich, als am meisten typisch, einen Schädel aus Uri. Wegen der Kürze des Gesichtes ist die Stirn im Verhältniss zum ganzen Schädel wesentlich länger, allein nichtsdestoweniger breiter, quadratischer als bei der vorher- gehenden Race. Ihre volle Länge beträgt 50—52 %, der Schädellänge. *Die geringste Stirnbreite zwischen. den Schläfenkanten, auf die Schläfenkante aufgetragen, reicht vom hintern Umfang des Hornansatzes fast bis zur Mitte der Augenhöhle. Ihre grösste Breite aussen an den Orbit ist oft genau gleich der. medianen Länge, oder also der halben Schädellänge „ was bei der vorigen Race, selbst beim männlichen Geschlecht, nicht der Fall ist. Die Stirn ist sehr uneben; und auch ihre Umrisse sind sehr wellig. Die sehr gewölbten Augenhöhlen erheben sich bedeutend über die Stirnfläche; sie sind da- bei stark nach aussen gerichtet und ragen merklich über den seitlichen Schädelumriss vor; die Supraorbitalrinnen sind kurz, breit und tief, nach vorn convergirend; zwischen ihnen ist die Stirnfläche stark — 206 — concav; hinter dieser Vertiefung steigt die Stirn an zu einem hohen, aber schmalen Oceipitalwulst, der seitlich rasch nach dem Hornansatz abfällt und zwischen diesem bedeutend nach hinten vorragt. Die Hornzapfen erscheinen in Folge hievon ziemlich weit vor dem hintern Stirn- rand eingesetzt. Sie sind vollkommen: stiellos (vielmehr wird die Stirnfläche durch sie eingeengt), von Anfang an direkt nach ‚aussen, später nach vorn und oben ge- richtet, und im weitern Verlauf so um ihre Axe gedreht, dass die Spitze bald nach oben, oder selbst nach hinten, bald auch nach vorn sieht. Sie sind dabei kurz, dick, conisch, kantenlos, glatt, ohne alle basalen Tuberkel; ihr vasculoser Theil ist scharf von der Stirn abgeschnitten, mit kurzen, weiten Gefässöffnungen versehen, meistens ohne alle Längsfurchen. Der grössere horizontale Durchmesser der Hornbasis ver- hält sich zum vertikalen wie 7:6 bis 1:1. Die Hinterhauptsfläche steht in spitzem Winkel zur Stirn, und ist von einem ho- hen, wulstigen, in der Mitte stark ausgeschweiften Frontalwulst überragt. Sie ist von ovalem Umfang, durch die Schläfengruben nicht tief eingeschnitten und im Joch- theil nicht stark seitlich ausgedehnt. Die Höhe der Occipitalfläche vom untern Rand des For. magn. ist gleich der Breite zwischen den Hornansätzen , die geringste Breite zwischen den Schläfen bleibt hinter der grössten um weniger als 1/ zurück (1 : 1,478 bis 1,699); die Processus exoceipitales und die Condyli verlaufen weniger schief als bei der vorigen Race. i Die Schläfengrube ist kurz, offen, wenig tief; die obere Grenze derselben ist stark geschweift und wird durch den tiefen Hornansatz stark nach unten gedrängt. Der Jochbogen steigt nach hinten an, und hinter ihm ist die Schläfengrube weit offen. Die Spitze des Scheitelbeins stösst fast bis an den Keil- beinflügel; “die Orbite sind stark seitwärts gerichtet, sehr gross, von rundlichem Umfang. < Der Gesichtsschädel ist in seinem maxillaren Theil lang, allein nach vorn hin BE = rasch und kurz ausgespitzt und mit Knochenlücken reichlich versehen. Eine grosse dreieckige Lücke bleibt an der vordern Spitze des Stirnbeins, ‘eine kleinere an der vordern Spitze des 'Thränenbeins. Auch der Ober- und Zwischenkiefer stossen nur theilweise an das Nasenbein. Die Nasenbeine sind schmal, parallelrandig, schwach gewölbt, vorn sehr tief eingeschnitten, bedeutend (um 22—34 %) kürzer als die Stirn. Der Oberkiefer , sehr ausgedehnt, ist vor dem Backzahntheil ganz rasch zugespitzt, die Zwischenkiefer kurz, selten bis zum Nasenbein verlängert, und in ihrer ganzen Ausdehnung, besonders aber in ihrem Ineisiv- und Gaumentheil sehr schwach und dünn. Die Backzahnreihe beträgt 29—31 % der Schädellänge und ist gleich dem vordern zahnlosen Theil des Gesichts. | Der Unterkiefer ist in seiner ganzen Ausdehnung schlank {Hirschkiefer), der auf- rechte Ast fast vertikal, der horizontale Ast niedrig, vom Winkel an fast geradlinig und nur sehr allmälig nach vorn ansteigend, der zahnlose Theil desselben und die Symphyse. kurz, der Incisivtheil schmal und schlank. Das Backzahngebiss ist ausgedehnt und stark, das Incisivgebiss schmal, die In- eisiven schlank und fein. Die untere Backzahnreihe beträgt mehr als 1/; der Unterkieferlänge und also auch Mehr als der vor und hinter ihr liegende zahnlose Theil des Unterkiefers; von diesen beiden ist der vordere etwas länger als der hintere. 3. Frontosus-Race. In den Torfmooren des südlichen Skandinaviens finden sich gleichzeitig mit sol- chen von Bos primigenius und Bison europæus Schädel einer Ochsenart, welche, kleiner als der Urochs, doch den oben besprochenen Bos brachyceros an Grösse be- deutend übertrifft, allein von der in Skandinavien gegenwärtig lebenden Viehrace in vielei Stücken vollständig abweicht. Sie hat durch Nilsson den Namen Bos frontosus erhalten i) und zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: ‚Die Stirn ist zwischen den Hörnern convex, weiter vorn, zwischen den Schlä- fenkanten flach gewölbt, zwischen den Augenhöhlen weit und concav. Ein starker dicker und stark gebogener Frontalwulst ist auf dem Oceiput aufgesetzt; die Horn- Zapfen sind länger gestielt als bei irgend einer andern bekannten Ochsenart, ragen ee ie HN DAN 1) K. Vetensk. Akad. Oefversigt. 1847. 14. April. Annals and Magaz. of nat. hist. IV. 1849. p. 349. fg 3-5 — 208 — direkt nach aussen und sind in der Flucht der Stirn nach abwärts gebogen, ohne sich über diese zu erheben; sie sind depress, oben und unten ziemlich platt. | Die Schlä- fengrube ist hinter dem rechtwinklig in den Jochbogen übergehenden Jochfortsatz des Schläfenbeins doppelt offener als im vordern Theil, wo sie durch die nach abwärts gerichteten Augenhöhlen stark verengt wird. Ausser Skandinavien hat auch England Schädel dieses fossilen Ochsen geliefert, der nach Nilsson’s Ansicht zu der ältesten postpliocenen Fauna dieser Länder gehört und mit Bos brachyceros, mit dem Rennthier, Wildschwein und andern Thieren aus Deutschland nach Skandinavien einwanderte zur Zeit, als diese beiden Gebiete noch vereinigt waren. | | Die Heimat des Bos frontosus sucht Nilsson in Deutschland; er hält es für mög- _ lich, dass unter den zahmen Racen das kleine, oft hornlose Bergvieh der Norweger, das einen ähnlichen hohen Stirnwulst besitzt, von ihm abstammen möchte. Unter den Resten vom Rind aus unsern Torfmooren suchte ich bisher ganz ver- geblich nach Spuren des Bos frontosus; es war dies um so auffälliger, als ja gerade seine Genossen in Schweden, der Urochs und der Wisent, so reichlich auch hier sich vorfanden, und als ich seit langem wusste, dass der von Nilsson in Deutschland ursprünglich einheimisch vermuthete Bos frontosus in der Schweiz durch eine der wich- tigsten und berühmtesten heutigen Rindviehracen reichlich vertreten ist; seine osteo- logischen Details finden sich bis in alle Einzelnheiten wieder bei der grossen, meistens roth mit Weiss gefleckten Viehrace, welche, in reinster Form in den hintersten Thä- lern des bernischen Saanenthales zu Haus, sich von da durch das Sim men- thal fast über alle ebenen Theile der Schweiz ausgedehnt und daher verschiedene Namen erhalten hat; allein doch im Ganzen wesentlich Simmenthal-Saanen-Race ge- nannt wird. Dieselbe Race findet sich mit schwarzer Farbe oder schwarz und weiss gefleckt im Kanton Freiburg. Der Umstand, dass dieselbe Species, in früherer Periode in Schweden fossil, heute in der Schweiz reichlich vertreten, in den Pfahlbauten gänzlich fehlt, ist’ also ein evidenter Beleg für ihre Einwanderung in die Schweiz. - Die sehr ‚eigenthümlichen Hauptmerkmale dieser mit Bos frontosus identischen zahmen Race bestehen in der sehr breiten von der Mittelkante beidseits dachähnlich abfallenden und in lange Hornstiele auslaufenden Stirn, deren Neigung sich fortsetzt in.die langen und direkt nach aussen gerichteten Hornzapfen; ferner in dem durch- gehends langen Gesichtsschädel mit grossen nach vorn gerichteten, allein tiefstehenden — 209 — Augen und dem sehr ausgedehnten Backzahn- und Ineisivgebiss. — Als Vorlage für die Zeichnungen diente der Schädel von Saanen. Die Stirn ist länger als breit, im hintern Theil dachförmig, im Augenhöhlentheil Schwach und gleichförmig gewölbt, gegen die Augenhöhlen hin allmälig breiter wer- dend, allein hinten in lange Hornstiele auslaufend und daher von sehr unregelmässigem Umriss. Die Stirnlänge beträgt 50—52 % der Schädel- länge und ist merklich grösser als ihre grösste Breite aussen an den Or- bite. Die geringste Stirn- breite zwischen d. Schlä- fenkanten reicht, auf die- sen letztern aufgetragen, vom hintern Umfang des Hornstiels bis gegen die Mitte der Augenhöhle; die grösste Stirnbreite reicht, ebenso auf die seitliche Länge aufgetra- gen, bis zum vordern Rand der Augenhöhle. Von der Mitte zwischen den Augenhöhlen steigt die Stirn in der Mittel- linie continuirlich und geradlinig nach hinten auf und fällt gleichzeitig beidseits mit geraden Flächen nach dem Hornansatz und den Schläfen ab. Der hohe Frontalwulst ragt weit über die Hornansätze nach hinten VOT, zwischen den Augenhöhlen ist die Stirn breit und seicht ausgehöhlt, die Augenhöhlen sind nach innen durch sehr breite und seichte Supraorbitalrinnen begrenzt; sie selbst sind stark gewölbt, allein Sie erheben sich dennoch nicht merklich weder über die obere noch über die seit- liche Profillinie des Schädels, da sie stark nach vorn und mit der grossen runden sind; dieses letztere Merkmal giebt sowohl 27 l Oeffnung deutlich nach unten gerichtet a en nn Eee eisernen T S 2 FREE er nn innen iu ma ne P m ye a- rn en) nee nn nn en A Br s j A A =- — 210 — dem Schädel als dem lebenden Thier eine von beiden vorigen Racen sehr verschie- dene Physiognomie. Die Stirn erweitert sich im hintern Theil, wie erwähnt, in lange und ganz glatte, mit der-Stirnfläche nach aussen abfallende Hornstiele; vor diesen erscheint sie demnach sehr tief eingeschnürt, und die Schläfenkanten divergiren nach vorn. | Die Stirnbreite zwischen den Hornansätzen ist grösser als aussen an den Orbit; bei beiden vorigen Racen war sie an der ersten Stelle weit geringer als an der letzten. Der Einsatz der Hornzapfen erfolgt weit vor dem hintern Stirnrand und ver- mittelst deutlicher von der Stirnfläche gebildeter glatter Hornstiele, welche seitlich selbst über die Orbite hinausragen und etwa !/,; der Länge des Hornzapfens betragen. Die Hörner sind lang, direkt nach aussen und in der Flucht der seitlichen Stirnflächen etwas abwärts gerichtet. Sie verlaufen gerade oder sind etwas nach vorn gekrümmt und dabei mehr oder weniger um ihre Achse gedreht, so dass die Spitze schliesslich nach oben, auch selbst nach rückwärts sieht, ohne sich indess über die Stirnfläche zu erheben. Im Durchschnitt sind sie sehr depress, mit abgeplatteter Ober— und Unterfläche und mit hinterer Kante. Die Oberfläche ist schwammig, mit weiten Ge- fässöffnungen und ohne Längsfurchen. Der vertikale Durchmesser verhält sich zum horizontalen an der Basis des Hornzapfens wie 1: 1,2—1,3; die Distanz der Horn- zapfen ist mehr als doppelt grösser als die grösste Stirnbreite. Die Hinterhauptsfläche steht in rechtem Winkel zur Stirn, allein sie ist durch den hohen und breit ausgebuchteten Frontalwulst weit überragt. Sie ist dabei niedrig und stark in die Quere ausgedehnt, und unterhalb der langen Hornstiele durch die fi Schläfengruben tief einge- schnitten. Die Processus ex- oceipitales und die Condyli convergiren stark nach un- ten. Die volle Höhe der Oceipitalfläche ist geringer als ihre volle Breite und als die Breite zwischen den Hornansätzen. Die Schläfengruben sind im hintern Theil sehr hoch = Mi = und offen, nach vorn durch die abwärtssteigenden Orbite zugespitzt. Die Stirnschläfen- kante ist wellig, durch den tiefen Horneinsatz deprimirt, der Jochbogen ist steil, kurz und hinten steil abfallend. Die Spitze des Os parietale erreicht nahezu den Keil- beinflügel. Die Augenhöhlen sind nach vorn und abwärts gerichtet und ragen seit- ‚lich wenig vor. Der Gesichtsschädel ist in seiner ganzen Ausdehnung Augenhöhlen kaum 'eingeschnürt und nach vorn nur sehr allmälig verschmälert. Die Nasenbeine sind hinten breit, nach vorn schmäler, schwach gewölbt, am Vorderrand fast ohne alle Ineisur. Die Zwischenkieferbeine reichen (beim weiblichen Thier) nicht an die Nasalia. Die Länge der Nasenbeine ist bis um mehr als ein Drittheil kürzer als die Stirn. Die Backzahnreihe beträgt 27—32 % der Schädellänge und ist gleich oder selbst kürzer als der vordere zahnlose Theil des Gesichtes, der 31—32 % der Schädellänge ausmacht. | Der Unterkiefer ist hoch, mit steilem, breitem, vertikalem und hohem, rasch nach vorn aufsteigendem horizontalen Ast; der zahnlose vordere Theil ist gleich oder eiwas kürzer als die Backzahnreihe; der hintere zahnlose Theil ist noch bedeu- tend kürzer als der vordere; der Incisiviheil stark in die Quere ausgedehnt, die Back- zähne lang und schmal, die Schneidezähne breit und stark mach aussen erweitert. Der schwarze oder schwarz und weissgelleckte Viehschlag des Kantons Freiburg gehört nach seinen osteologischen Charakteren entschieden zur eben besprochenen Frontosus-Race. Er theilt mit derselben die lange und breite, beid- seits abgedachte Stirn, die langen Hornstiele, die Form und Richtung der Hörner (doch sind diese gewöhnlich etwas steiler aufgerichtet als bei dem Saanenschlag und ebenso den gewaltigen Stirnwulst, die nach hoch und breit, vor den dabei an Basis und Spitze schwarz), vorn und abwärts gerichteten grossen Aug gnhöhlau, ‚die Harp. der Schläfe „ungrhreife, nur sehr allmälig sich verjüngende Gesicht, die lange und seitlich komprimirte Back- zahnreihe. | Ä | So weit der einzige mir zur Verfügung stehende Schädel von Freiburg zu be- urtheilen erlaubt, finden sich indess nichtsdestoweniger an diesem Schlag einige in- teressante Abweichungen von dem rothgefärbten Schlag von Pays-d’Enhaut, Saanen, und Simmenthal. Er übertrifft an Stirnlänge und auch an Breite das ohnehin unter allen: mir bekannten Racen vom Saanenvieh erreichte Maximum (die Stirnlänge beträgt 54, fast 55 % der Schädellänge), auch die Backzahnreihe ist noch länger als beim letztern; allein dazu kommt merkwürdiger Weise eine ganz auffallende Verkürzung — 212 — , des intermaxillaren Gesichtstheils, in dem Grade, dass die Länge der Intermaxilla, sowie des vordern zahnlosen Theils von Ober- und Unterkiefer noch unter den durch die Brachyceros-Race vertretenen Minimalbetrag fällt. Auch die beim Saanenschlag fehlende tiefe Incisur des Vorderrandes der Nasalia, die sonst gleich kurz und breit sind, wie bei diesem, ist ein Charakter des Brachycerostypus; auch- die Incisiven des Freiburgerschädels sind schmäler und schlanker als beim Saanenvieh. Im cerebralen und maxillaren Theil des Schädels entspricht der Schlag von Freiburg somit demje- nigen von Saanen und geht noch über ihn hinaus, im intermaxillaren Theil verhält er sich wie die Brachyceros-Race oder bleibt selbst unter ihr zurück. Es bleibt indess die Frage noch offen, ob diese sonderbare Mischung sonst ge- trennter Züge allgemeiner Charakter des Freiburgerviehes, oder nur als individuell zu betrachten sei. In beiden Fällen erscheint eine Mischung mit Brachyceros sehr wahrscheinlich. Die von einem so bewährten Kenner wie Herr Esseyvaz erhaltene Versicherung, dass der mir zugesandte Schädel als typisch zu betrachten sei, spricht sehr für die erstere Ansicht. In solchem Fall wäre vielleicht das ganz reine Schwarz, das diesen Schlag auszeichnet, auch zum Theil als durch Kreuzung erworben zu be- trachten, obschon es in dieser Reinheit beim Brachycerosvieh niemals vorkommt. Zur nähern Feststellung der speciellen Schädelverhältnisse gebe ich in Folgendem eine Tabelle von Mittelzahlen aus 2 Schädeln der Primigenius-Race, 7 der Brachy- ceros- und 3 der Frontosus-Race (mit Ausschluss des Freiburger-Schlages), alle weiblichen Geschlechtes und erwachsenen Alters (M. 3 schon in Usur). Primigenius- Brachyceros- Frontosus- Race. Race. Race. . Stirnlänge zur Schädellänge (vord. Rand des For. magn. bis Spitze der Intermaxilla.. . 1:2,123 Fu : 1,953 . Stirnlänge zur grössten Stirnbreite (aussen l an MEROTBRA NE I SI REIT TATO 1: 0,961 : 0,930 . Grösste Stirnbreite zur geringsten (zwischen | | den Schläfenkanten? „>, "797°: TEL 70,503 1: 0,763 1: 0,765 . Ebenso zur Breite zwischen den Hornansätzen 1 : 0,807 1.0199. 1. O . Ebenso zur seitlichen Stirnlänge vom hintern Umfang des Hornstiels zum vordern Orbital- 3 i rand zwischen Lacrymale und Maxilla . . 1: 1,035 : 0,987 : 1,022 . Geringste Stirnbreite zur seitlichen Länge bis | zum hintern Orbitalrand . : <. 20.021 70,962 : 0,905 : 0,960 Primigenius- Brachyceros- Frontosus- Race. Race. Race, 7. Länge der Nasenbeine zur Stirnlänge. 14,011 1:1,283 1:1,314 8. Höhe des Oceiput (vom untern Rand Foram. magn.) zur vollen Breite (aussen an der Ge- karöllnnselisiatesrasheeh ob 9. Geringste Breite des Oceiput (zwischen den | Schläfengruben) zur grössten « - + t: 1,7171 1:1,559` 1:1,478 10. Länge der obern Backzahnreihe zur Schä- | dellänge, uses ini ann 11. Ebenso zur medianen Länge des vordern ` zahnlosen Gaumentheils . 12. Länge der untern Backzahnreihe zum vordern zahnlosen Theil. . . x...» 13. Ebenso zum hintern zahnlosen Theil . ‚14. Vertikaler Durchmesser der Hornbasis zum 1:1,488 1:1,303 .1:1,309 1,3807 aid 3,300 1 : 3,927 1 : 1,196 1 : 1,026 t : 1,073 1:1,065 E AA E ENE 1: 0,995. 1:0,797 antia 0,826 horizontalen =, +. e..e.000 + 1:1,294 1:1199 1: 1,260 15. Basaler Umfang des Hornzapfens zur Länge desselben längs der grossen Curvatur 16. Grösste Stirnbreite zur Distanz der Horn- spitzen . 1: 1,961 1 : 1,763 1 : 2,356 Die Maasse 1—6 geben die Verhältnisse der Stirn, der Schläfe und des Horn-- ansatzes, 8 und 9 die Form des Occiput und die Tiefe der Schläfengruben, 10—13- die relative Ausdehnung des Gebisses und der zahnlosen Gesichistheile , 14—16 den heilweise die Richtung der Hornzapfen. Durchschnitt, den Grad der Verjüngung und t was den Mittelzahlen Die einzelnen Werthe schwanken in geringen Grenzen, | einen grössern Werth giebt. Unter den 7 Schädeln von Brachyceros erschien der- Jenige von Uri als am meisten typisch. Die Grenzwerthe waren vertreten einerseits durch den Schädel des Walliserschlags, der die grösste Verlängerung — anderseits durch diejenigen von Domleschg und Algier, welche die grösste Verkürzung des Schädels und namentlich des Gesichtes innerhalb des bei allen evidenten Brachyceros- typus darboten. Das zoologische Resultat dieser Zahlen die anscheinend kleinen Differenzen unbedeutend erscheinen könnte, 1:1,508 1:1%7 1:1,324 reihen, welches auf den ersten Blick durch ist nichtsdesto- — 213 — weniger von Interesse. Wie die Messungen von Herrn Dr. Aebi schon ergeben hatten, sind die Abweichungen im Areal der Schädeldurchschnitte, trotz der höchst verschiedenen Gesammiphysiognomie der drei Racen, sehr gering; der specifische Charakter liegt in der Grösse und Richtung der Augenhöhlen, der Oeffaung der Na- senhöhle, der Ausdehnung des Gebisses, der Einsetzung, Form und Richtung der Hörner, und namentlich in der Entfaltung der: mit dem-Respirationsapparat in Verbin- dung stehenden diploötischen Räume, wie vor allem der Frontalsinus (Oceipitalwulst und Dach der Augenhöhlen). Sinnesorgane, Kaufunktion, Waffen und Ausdehnung der Lufträume bilden also die Faktoren des specifischen Schädelgepräges; unter Wie- derkauern durften keine grössern Speciesgrenzen erwartet: werden; der Charakter des Gebisses lässt in dieser Ordnung den Zoologen bei Untersuchung der Species im Stich; die am lebenden Thier so äusserst auffallenden Merkmale der Hirsch- und noch mehr der Antilopen-Arten reduciren sich am Schädel auf specifische Differenzen der- selben Art wie die soeben im Genus Bos bezeichneten, und die osteologische Tren- nung obiger drei Species wird nicht wenig unterstützt durch ihre Uebereinstimmung mit der von zoologischer und landwirthschaftlicher Seite mehr und mehr zu denselben‘ Resultaten gelangten Racenscheidung, sowie mit der geographischen Verbreitung der- selben. Die schweizerischen Viehzüchter sind seit einiger Zeit zu dem Resultat gekom- men, in den in der Schweiz vorkommenden Viehschlägen nur zwei Hauptracen an- zuerkennen,, welche trotz des reichlichen Handelsverkehrs doch seit langem auch eine ziemlich fixe geographische Abgrenzung festgehalten haben und nur an den Gren- zen ihrer beidseitigen Gebiete hier und da ineinander übergehen. Ich gebe die Cha- rakteristik derselben theilweise wörtlich aus brieflichen Mittheilungen zweier aner- kannter Autoritäten auf diesem Gebiet, der Herren von Erlach in Hindelbank und Vogel-Saluzziin Zürich, theilweise nach dem von der Bernischen ökonomischen Gesellschaft ausgegangenen Text zu den oben citirten vorzüglichen Abbildungen von Benno Adam. 1. Das sogenannte Braunvieh, naturfarbig oder thierfarben in allen Abstu- fungen vom Hellgrau (Bündner Oberland etc.) bis zum Dunkel-Schwarzbraun (Wallis, Uri etc.), allein ohne alle reinen Farben. Reines Weiss findet man an diesem Vieh (reiner Stamm vorausgesetzt) niemals. Allein ein heller, grau oder gelblich gefärbter Strich verläuft über den Rückgrat hin, ein hellgrauer Ri umzieht das schwarze - BB = Flotzmaul, starke gelbliche Haarbüschel umsäumen den innern Ohrrand. Auch sind diese Farben niemals wie bei der folgenden Race scharf von einander geschieden, Sondern gehen stets. an den Grenzen ineinander über. Hörner und Klauen sind in der Regel dunkel, die erstern immer wenigstens an der Spitze, oft auch an der Basis schwarz, kurz und stark gebogen, die Spitze nach vorn, aufwärts, seltener rückwärts gerichtet. Der Kopf ist kurz und breit, der Rücken gerade , vor dem Becken häufig etwas erhöht und im Sacraltheil nach hinten abfallend, der Schweif lang, dünn und fein, an seinem Ende mit einem reichlichen, meist schwarzen Haarbüschel versehen. Die Hüften sind breit und hoch, die Gliedmaassen kurz und kräftig bis sehr schlank. Die Grösse ist sehr verschieden und erreicht in der March des Kantons Schwyz, im Kanton Zug und einigen Theilen der Kanione Zürich und Luzern sehr ansehn- liche Grade, während sie in den Gebirgen von Graubünden (Domleschg), Tessin, WallisundBern (Oberhasle) oft ausserordentlich gering ist!). In der "Schweiz bewohnt diese Race das ganze Gebiet südlich einer ziemlich diagonal sie durchsetzenden, vom Bodensee nach dem Ausgang des Wallis gezogenen Linie. , in einigen Gegenden der nördlichen Schweiz 2. Das sogenannte Fleckvieh n Race, in andern aber, kaum oder nicht grösser als die kleinen Formen der vorige namentlich im bernischen Simmenthal und im Kanton Freiburg die grössten Schläge der vorigen übertreffend und wohl auch in der Mittelgrösse ihr überlegen. Diese Race ist entweder einfarbig roth oder schwarz, oder roth und weiss, oder schwarz und weiss gefleckt. Alle drei Farben finden sich fast nie bei einander, und vorallem niemals gemischt, sondern immer in reinen, Das Schwarz geht dabei nicht in’s Graue oder Braune über, wie bei dem Braunvieh, Sondern ist rabenschwarz; das Roth geht (doch niemals am selben Individuum) vom Dunkelroih und Rothbraun durch alle Nüancen bis in’s Gelbrothe. Das Flotzmaul ist dunkel bei vorwaltender schwarzer Körperfarbe , fleischfarben bei vorwaltendem Roth und Weiss ‚die Hörner und Klauen meist hellfarben, jene bei dem schwarzen Freiburger- Vieh stark, dick und rund, vor- und aufwärtsgestellt, weiss mit schwarzer Spitze, a ESSEN 1) Ein äusserst kleiner Schlag dieser Race im Einfischthal des Wallis hat schon früher die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. 5S. De la Harpe, Bullet. de la soc. Vaudoise d’hist. nat. 1847. Tom, II. p. 167. men un nn scharf umgrenzten Flecken. — 216 — bei dem rothfleckigen Simmenthal-Vieh im ganzen Verlauf blass gefärbt, an der Wurzel platt und nach aussen und (namentlich bei Stieren) abwärts gerichtet. Der Kopf ist gross, der Nasenrücken gewölbt, der Körper kräftig, stark knochig, die Wirbelsäule im Sacraltheil stark ansteigend, der Schwanz kürzer und die Hüften meist niedriger als bei dem Braunvieh. | Das Fleckvieh bewohnt den nördlichen und jrestkehen Theil der Schweiz, nörd- lich von der oben bezeichneten Scheidelinie, und hat an vielen Orten mehr oder we- niger haltbare Grenzschläge mit dem vorigen gebildet. (Die sogenannte Frutig- Race scheint eine der selbstständigsten dieser Mischformen zu sein.) Es ist meines Erachtens ein Resultat von nicht geringem Gewicht und jedenfalls ein sehr günstiges Zeugniss für das Urtheil der Viehkenner, dass die osteologischen Ergebnisse mit den aus dem äussern Habitus gezogenen Schlüssen übereinstimmen. Die Race des „Braunviehes“ entspricht in der That in allen ihren untersuchten Schlä- gen durchaus unserer auf ganz anderem ebenso unabhängigen Wege gewonnenen Bra- chyceros-Race; das schweizerisehe „Fleckvieh“ fällt zusammen mit unserer Frontosus-Race, und diese Uebereinstimmung der zoologischen und osteolo- gischen Ergebnisse gewinnt noch mehr an Gewicht, da auch die geographischen und historischen Grenzen zwischen den beiden Racen scharf gezogen sind, indem einer- seits noch heutzutage jede derselben ein besonderes Gebiet inne hat, andererseits die Brachyceros-Race in der ältesten bisher bekannten Kulturepoche schon reichlich ver- treten ist, während die Frontosus-Race erst in einer relativ sehr späten Epoche auftritt. TED ; S S AAEN, Mein Material erlaubt mir nicht, diese ERN A Unterscheidungen mit gleicher Bestimmtheit über die Grenzen der schweizerischen Viehracen auszudehnen. Es ist indess von Interesse, dass die in der Schweiz so erfolgreich gewordene Unterscheidung der Viehracen nach der Farbe auch im übrigen Europa mit ähnlicher geographischer Vertheilung zusammenfällt; eine Verlängerung der oben bezeichneten Scheidelinie für das Gebiet des Braunviehes und des Fleckviehes über die Grenzen der Schweiz hinaus ostwärts bis nach den Karpathen, westwärts nach der Mündung der Loire hin scheidet überall „reinfarbenes“ von „thierfarbenem“ Vieh; so dass im Allgemeinen aufgestellt werden kann, dass das östliche und südliche Europa die erste, das nördliche und westliche Europa die zweite Race beherbergt; immerhin. scheinen indess Colonien der einen Race inselartig auch im Gebiet der andern vorzukommen, - mM => so die rothe Race der österreichischen Alpen mitten im Gebiet des Braunviehes, die thierfarbenen (grau bis schwarzen), allein dabei sehr eigenthümlich zottigen Schläge der westlichen Hochlande Schottlands im Gebiete des Fleckviehes 1). 1) Ich verdanke den brieflichen Mittheilungen von Herrn v. Erlach, des Verfassers des oben er- wähnten Berichtes über die Viehausstellung in Paris 1855 folgende Schilderung der Beograpbischen tronset der beiden grossen Viehracen: Im Osten und Süden finden wir fast überall thierfarbenes Vieh, vom Weissgrauen bis zum Braunen. In Ungarn, Polen, Unter-Steiermark , Unter-Kärnihen (Burger, Lehrb. d. Landwirthsch. 3. FERIEN p. 212.), im würtembergischen Allgäu, sodann in Italien, in den Ebenen des südlichen und westlichen Frankreichs bis gegen die Loire herauf (Race de Bazas und d'Agen, Race Parthenaise), auch zum Theil bis in das Gebirge südlich vom Centrum (Race d’Aubrac). S. Rapport p. 78. 79. 84 und 85.) Eine merk- chen österreichischen Alpen , Tirol, Salzburg, Oberkärnthen, Ober- Ueberhaupt bilden den Ueber- (Rapport p. 79. 82. 84. Race würdige Ausnahme machen die sämmtli Oesterreich, Ober-Steiermark, welche fast nur rothes kleines Vieh haben. gang von dem thierfarbenen zum fleckigen Vieh fast nur rothe Schläge. de Salers, du Limousin.) Nördlich der genannten Länder finden wir fast kein thierfarb graue jütländische (Thær’s Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. trennt das Westhochland-Vieh, jedoch eine ganz eigenthümliche zotlige Race, grau bis „schwarz, ‚ud, Ohne den hellen Ring um das Flotzmaul. (Rapport p. 106. 107.) In unserein Norden und Westen, von Holstein hinweg 7 enes Vieh mehr, ausgenommen das mäuse- g 1381) und weit im Norden ge- durch die Niederungen, der Küste entlang bis in die Bretagne finden wir nur geflecktes, schwarz und weisses (pie), roth und weisses, rothes, hier und da gerähmtes (bringe) Vieh, in Farbe dem Berner- und Freiburger-Vieh he und Oldenburger Vieh, dasjenige der Bre- gleich, ebenso wie dieses mit aus- nahmsweisen Naturspielen der andern Farbe. Das Holländisc tagne, in der Regel Schwarzfleck , das erstere zu den grössten Racen zählend, das letztere wohl das kleinste bekannte, das erstere auf reichen Marschgründen, das letztere ayf unfruchtbaren Kreidehügeln sich näh- rend. Das flamändische Vieh ist ganz roth, selten mit etwas Weiss, das normännische rothscheck, öfter schwarz gerähmt. (Rapport p. 62. 741. 74. 75.) Im Elsass, Lothringen, misch von buntem Schweizer- und flämischem Vieh. z Zwischen dem südfranzösischen und nordfranzösischen Vieh auf den mehr nördlichen Abhängen der n Burgund leben noch die Race charolaise und Race Flandern ist alles Vieh ein Ge- Gebirge des Centrums und im westlichen Theil vo f&meline, ganz einfarbig, von ganz weiss bis hellgelb (froment), ohne Spuren von Roth oder Schwarz. (Rapport p. 76. 80.) In England ist alles Vieh roth, oder rothscheck , oder auch von der einmaligen Kreuzung mit West-Hochländer-Blut, Grau (nie schwarz) in’s Rothe und Weisse gemischt, doch nicht Auch das irische Vieh ist wie das englische roth nur das Durham-Vieh hat, wie ich vermuthe, ‘von Jütländischer Beimischung, REDE Charles Colling vorgenommen haben soll, ' immer. In Schottland ist das Argus-Vieh rabenschwarz. Oder rothscheck, ebenso das Ayr-Vieh aus Schottland. 28 — m = Nichtsdestoweniger präjudicirt offenbar eine solche Vertheilung nach der Farbe noch durchaus nichts über die Identität aller thierfarbenen oder aller buntfarbenen Schläge des Rindes. Trotz aller Uebergänge, welche eitirt werden, hält es schwer, sich das grosse und oft wahrhaft riesige Hörner tragende podolische und romanische . Vieh mit dem von der zwergartigen Torfkuh bis zu den mächtigen Stämmen im Kan- ton Schwyz , Zug etc. im Schädelbau so konstant gebliebenen Bos brachyceros zu- 'sammengehörig zu denken. Ich bin vielmehr geneigt, das romanische und podolische Vieh,zu der folgenden Primigenius-Race zu rechnen , wofür auch die Abbildung eines männlichen) Schädels des romanischen Schlages spricht (Cuvier Oss. foss. IV. Pl. IX. Fig. 7 und 8). Es haben auch die obigen Untersuchungen das Friesländer undOldenbur- ger Vieh (mäusegrau, oft auch mit Schwarz) als eine dritte specifisch von den beiden vorigen abgetrennte Race kennen gelehrt. Von landwirthschaftlicher Seite wird dazu (und zwar schon seit Albertus Magnus) das benachbarte Holländer-Vieh gefügt, und ich stehe, nach den nicht ganz sichern osteologischen Quellen, die mir darüber ver- fügbar waren, sowie auch nach dem äussern Habitus dieser Race, nicht an, diesem beizustimmen ; es würde in diesem Fall die ganze Niederungs- oder Marschrace der Nord- und Ostseeküste mit unserer Primigenius-Race zusammenfallen 1). Es kann nicht genug bedauert werden, dass die einzige mit unserem zahmen Rindvieh in unzweifelhafter naher Verwandtschaft stehende noch lebende Form von Wildvieh, das weisse schottische Wildrind, der Bison albus scoticus von Conrad Gesner , oder Urus sylvestris, welcher noch bis in’s 12. Jahrhundert die Um- gebung London’s beunruhigte , von osteologischer Seite weit unbekannter ist als der längst ausgestorbene Ur und der fast erloschene Bison, mit welchem er früher oft verwechselt wurde. Die mir zugänglich gewordene Litteratur über diesen Ochsen ?) gestattet keinen Schluss über seine Zugehörigkeit zu einer der vier bisher in Europa aufgestellten Stammarten oder über seine Selbstständigkeit als besondere Species. Nur Bos trocho- ceros und Bos frontosus können von vornherein mit Sicherheit als verschieden von ihm erklärt werden.‘ Mit der Primigenius-Race hat indess dieser Wildochse die Rich- 1) Siehe hierüber A. Wagner a. a. O. p, 1612 u. ff, 2) Dieselbe ist wohl am vollständigsten gesammelt bei A. Wagner, Bos Urus scoticus a. a. v p. 1580 und Low, Boeuf sauvage a. a. O. Tab. 1. = 9 - tung, nicht aber die Grösse der Hörner, mit der Brachyceros-Race theilweise die Färbung gemein. Nichtsdestoweniger machen es verschiedene Umstände unwahr- scheinlich, dass jenes Wildvieh des caledonischen Waldes die noch lebende Stamm- form der Brachyceros-Race bilde. Das schottische Wildvieh ist ausgezeichnet durch langes zottiges Haar, das wenigstens dem schweizerischen Braunvieh nicht zukommt; n oft heller gefärbten Rückenstreif von langen, am Hals und auf der Schulter oft fast zur Mähne verlängerten Haaren, welche wiederum unserem Braunvieh vollständig abgehen, indem bei diesem die Haare des hellen Rücken- streifs eher feiner und kürzer sind als diejenigen des übrigen Körpers; es fehlt fer- ner dem ’erstern der bei dem letztern sehr konstante helle Ring um das Maul. | Nach den englischen Autoren ist ein grosser Theil der englischen zahmen Berg- vieh-Racen von diesem Wildvieh abzuleiten. Youatt und Low t) (Low Pl. 2. p. 19. 75) sehen übereinstimmend in dem schwarzen Vieh von Pembrokeshire den unmit- weissen Wildviehes, das demnach nur die Farbe verändert undert soll übrigens nach Howell Dha das Bergvieh von Wales die weisse Farbe des caledonischen Wildviehes besessen haben. Auch durf- ten die in Vieh bestehenden Tribute an die Könige von England nur in weissen Thie- ren entrichtet werden. Ausser seiner Heimat im westlichsten Theil von Süd-Wales findet sich dasselbe Vieh in den umgebenden Grafschaften Cardigan, Glamorgan (Pl. 12), Cernarvon, Merioneth und auch auf der Insel Anglesea. em Pembrokevieh rechnet indess Low noch einen grossen Theil der den Abkömmlingen des weissen Wildochsen, so die braune und rothbraune Race der West-Hi shlands (Argyle) (Pl. 3. 4), bei welcher nicht nur die wilden Sitten, sondern selbst gern die weisse Farbe sich wie- der einfinden soll; auf den äussern Hebriden, in deren Sagen nur weisses Vieh figu- rirt, ist das Vieh noch heute braunweiss wie in den wildgebliebenen Thieren von Hamilton-Park. Als etwas mehr verändert, allein immer noch auf dieselbe Quelle rückführbar bezeichnet ferner Low das Vieh von North Devon (Pl. 10) (wie Wales eine alte Zuflucht der celtischen Britten), dasjenige von Hereford (Pl. 17. 18.) und Sussex (Pl. 11), wo noch lang nach der römischen Invasion Uri sylve- das erstere besitzt ferner eine telbaren Verwandten des hätte; noch im 10. Jahrh Ausser d übrigen englischen Bergracen zu t auf die Orangefarbe der Haut (des Felles), welche für das Wild- 1) Low legt besonderes Gewich n seinen zahmen Descendenten sich wiederfinden soll. rind charakteristisch sein und bei alle Bi = stres erwähnt werden, und endlich das Vieh des feuchten westlichsten Winkels von Europa, der irischen Grafschaft Kerry (Pl. 6). Bezüglich der in England und noch mehr in Irland und Schottland und im hohen Norden Island, Sibirien seit alter Zeit einheimischen hornlosen Racen (Angus, Galloway, theilweise auch Suffolk, Norfolk und Sommerset) sind die Schriftsteller (Low PI. 7. 8. 9. 15. 16.) wohl mit Recht geneigt, sie als blosse Varietäten behorn- ter Racen anzusehen. Das Angus-Vieh sowohl als Galloway war übrigens in frü- herer Zeit behornt, und wurde von da nach Fifeshire, Suffolk und Norfolk ausge- führt. Auch unter deutschen Racen sind Beispiele von Hornlosigkeit nicht selten. (Lausitz, Thüringen) t). Als eine besondere Race, für welche ein ganz anderer Ursprung zu suchen sei als für die bisher aufgeführten, bezeichnen die englischen Schriftsteller die in Irland und England (Lancashire, Cumberland, Westmoreland) verbreitete Langhorn- Race, mit langen und abwärts gerichteten und meist nach vorn gebogenen Hörnern toft in solchem Grade, dass sich ihre Spitzen unter dem Unterkiefer kreuzen oder die Nase zu durchbohren drohen). Die schöne Abbildung von Low PI. 19 stellt ein Thier dar, das in seiner ganzen Physiognomie so sehr an unsere oft ganz gleich be- hornte Simmenthal-Saanen-Race erinnert, dass ich es für höchst wahrscheinlich halte, dass der in England fossil vorgefundene Bos frontosus sich als Stammvater dieser Langhorn- oder Dishley-Race herausstellen werde. " Ausländischer Ursprung ist endlich bekannt für die berühmte theilweise aus Jüt- land und Holland stammende kurzhörnige Kulturrace von Teeswater oder Dur- ham, und für die seit undenklicher Zeit gleichgebliebene und in erbärmlichen Um- ständen, oft von Algen und Conferven lebende Race des römischen Thule, der Shet- lands-Inseln. Früher zu Norwegen gehörig und bis heute von Norwegern be- wohnt, beherbergten diese Inseln seit ältester Zeit auch Kühe, Schafe und Pferde, welche von den Hausthieren der britischen Celten verschieden waren und bis heute verschieden geblieben sind. | 1) Hornlose Ochsen oder solche mit beweglichen Hörnern (wie auch Angus, Galloway etc.) erwähnen schon Hippokrates in Skythien (Hippocr. schreibt dies der Kälte zu), Aelian am mäotischen See, Plinius, Columella, Dieselbe Eigenthümlichkeit findet sich auch nicht selten beim Zebu, wie auch schon Plinius erwähnt (in Carien). S. Conr. Gesner, Quadrup. I. Bos et Vacca, und de Bobus feris et sylvestribus diversis. Wagner in Schreber’s Säugethieren a. a. O. p. 1625. ] MM — Fayh Nach Nilsson würde dieses Vieh. von Bos brachyteros, bhanna die Abbildung der Shetlands-Kuh (Low Pl. 5) unterstützt dies sehr; sie stellt ein Thier dar, das im ganzen Körperbau mit manchen schweizerischen Schlägen der Brachyceros-Race auffallend übereinstimmt. l Norwegische, theilweise auch normännische Herkunft schreibt man endlich dem Vieh der normännischen Inseln (Alderney oder Aurigny Pl. 14) und demjenigen der Grafschaft A y r am Fryth of Clyde zu. (Low Pl. 13.) "England besässe demnach nur zwei einheimische Stammarten von Bos, ie noch im wilden Zustand vorhandene weisse Wildvieh einiger Parks und die Stammart der Dishley-Race. Es liegt sehr nahe, in der letztern den Bos frontosus zu vermuthen. Die Ent- it einer der drei continentalen Stammspecies übereinstimme muss den englischen Zoologen überlassen bleiben, Kae FA und frontosus fossil ge- scheidung , ob die erstere mi oder eine selbstständige Art bilde, in deren Gebiet bisher auch Bos PR funden worden. i Das allgemeine Resultat dieser freilich noch ei iso Uebersicht eines Theils der heutigen Rindviehracen von Mitteleuropa geht dahin, dass dieselben von drei schon iheilweise seit längerer. Zeit “bekannten diluvialen Species Bos primi- genius , Bos brachycerös "und Bos frontosus abstammen, von welchen die erste im Diluvium von ganz Europa, die zwei letztern bisher nur in Schweden ‚ und England fossil nachgewiesen sind. Fernere Nachforschungen müssen lehren, ob dieselben nicht auch anderwärts als autochthon zu betrachten sind; für Bos iii $ ceros wird dies durch sein allgemeines Auftreten in den ältesten Perioden des Pfahl- baues höchst wahrscheinlich; bei Bos frontosus spricht, wenigstens in Bezug auf die enso konstantes. Fehlen durch alle Perioden der Pfahlbauten ebenso s. Schweiz, sein eb ‚entschieden gegen eine solche Annahme. Eine vierte. Stammart zahmen Rindyiehes trat in den Ansiedelungen des Neucha- teler-Sees auf im B os trochoceros. Ueber ihr ferneres Schicksal konnte. bis- her nichts in Erfahrung gebracht werden. Ich kenne keine pis noch lebende siea art, welche irgend eine Aehnlichkeit mit derjenigen van Concise und SAE gie Die Frage, ob der englische Wildochse eine besondere pre bilde, - steht noch offen. Owen !) ist geneigt, die kleinen Bergracen der westlichen Hoch- 1) Brit. foss. Mamm. p: 514. - DE m lande Schottlands von Bos brachyceros abzuleiten, und da die englischen Viehkenner dieselben Thiere mit Entschiedenheit als Abkömmlinge des Wildochsen erklären, so würde des letztern Selbstständigkeit sehr in Frage stehen. Die osteologische Unter- suchung wird lehren müssen, ob die von landwirthschaftlicher Seite gemachten Ein- wendungen gegen eine solche Vereinigung mit unserem Braunvieh Berechtigung haben oder nicht. Ausser den oben einlässlicher besprochenen heutigen Racen ist höchstens noch die graue podolische und romanische, für welche ein besonderer Ursprung vermuthet werden dürfte; allein die Erwartung, dass sich der im Diluvium des süd- lichen Europa’s ziemlich allgemein verbreitete Bos primigenius, vielleicht auch Bos a trochoceros als Stammart dieser südlichen Hausthierformen herausstellen möchte, ist mindestens ebenso berechtigt 1). Als eine durch Schädel und Skelet nicht weniger als durch die ganze äussere Erscheinung vollkommen selbstständige Species, welche seit dem hohen Alterthum fast ausschliesslich das zahme Vieh von Asien und Afrika bildete und sich schon desshalb seit damals weit weniger verändert zu haben scheint, als manche europäische Formen, betrachte ich endlich den asiatischen Buckelochsen, Bosindicus, dessen osteologische Charakteristik oben einlässlich gegeben wurde (p. 70 u. f., p. 148 und 149) 2). Es versteht sich von selbst, dass eine Menge ii unter den lebenden Hausthie- ren aufgestellten Kulturracen und Schläge Modifikationen und Mischungsresultate der nachgewiesenen Stammarten darstellen. Es ergab sich dies schon aus der Unter- suchung der Hausthiere der Pfahlperiode. Es wäre indess ein ziemlich hoffnungsloses Unternehmen, die zur Entstehung aller dieser Formen wirksam gewesenen Faktoren noch auffinden zu wollen; in einzelnen Fällen möchte dies nichtsdestoweniger ge- | 1) Dafür scheint schon seine Uebereinstimmung in Farbe und Grösse mit dem friesischen Schlage zu sprechen. Im Alterthum war diese Race schon über ganz Süd-Europa und Egypten verbreitet und scheint aus Italien nach Griechenland verpflanzt worden zu sein, da diese grossen Thiere (am grössten in Epirus und Thracien) bei den Griechen Italoi hiessen. Doch wurde auch schon früh neben diesem grossen weissen Vieh in Italien rotbes Vieh erwahnt (Columella).. S. die Citate aus Aelian, Oppian, Columella etc. bei C. Gesner, Quadrup. I. Bos et Vacca und De Tauro. Ed. II. p. 27. 89 etc. 2?) Die Angaben der Alten, von Hippocrates an bis auf Plinius, über den indischen Ochsen sind eben- falls gesammelt von Gesner a. a. O. p. 29 u. f. S. auch Lassen, indische Alterthumskunde I. p. 294 u. f. Ueber die verschiedenen Abänderungen des Zebu s. Wagner a. a. O. p: 1627 u. f. į Bee. - lingen. Ich zweifle keinen Augenblick, dass selbst die oben zu Brachyceros ge- zählten verschiedenen schweizerischen Schläge von Braunvieh theilweise nicht als blosse Kulturresultate der unvermischt gebliebenen Stammrace zu betrachten sind. Die extremen Formen, Wallis mit stark verlängertem, Domleschg mit sehr kurzem und breitem Schädel, stehen zu weit auseinander, um keine kräftigere Einwirkung anzunehmen. Unter den zahlreichen deutschen und französischen Rindviehschlägen, welche, wie ich vermuthe, in ihrer Mehrzahl zur Frontosus-Race gehören werden (deren Heimat auch Nilsson in Deutschland sucht), konnte ich nur den im Schwarzwald verbreiteten kleinen hellgelben , meist mit Weiss gefleckten Schlag in authentischen Schädeln untersuchen. Dieselben haben neben manchen Zügen der Brachyceros-Race - eine so schlanke im Gesichistheil verlängerte Form (Wallis nicht unähnlich), dass ich sie als eine Mischform von Brachyceros- und Primigenius-Race ansehe. | Den zahllosen, seit altem durch Handelsverkehr und wechselnde politische Be- ziehungen, später auch durch specielle Kulturziele in’s Ungewisse vermehrten der- artigen Modifikationen nachzugehen, war indess nicht mein Zweck. Derselbe redu- cirte sich darauf, von den Hausthieren der ältesten bis jetzt bekannt gewordenen Kulturepoche rückwärts einerseits deren Quellen dort nachzuspüren, wo solche noch nicht in den von der Hand des Menschen vorgezeichneten Rinnen flossen, — ande- rerseits das spätere Schicksal dieser Hausthiere und ihr Verhältniss zur Gegenwart zu untersuchen. Musste auch das Resultat bisher ein sehr unvollständiges bleiben, so ist doch eine bisher unbekannte Etape in der Geschichte sowohl dieser Thiere als ihres Herrn den weitern Forschungen geöffnet. Flora der Pfahlbauten. Der vegetabilische Inhalt der Pfahlbauten, in jeder Beziehang von ebenso grossem Interesse und von ebenso direkten Beziehungen zur Geschichte des Menschen, als die thierischen Ueberreste, ist aus verschiedenen Lokalitäten von Herrn Prof. Heer untersucht worden !). Ein reicher Vorrath von Pflanzenresten mitten aus der Kul- turschicht von Robenhausen, welcher Herrn Dr. Christ in Basel zugekommen, hat denselben in Stand gesetzt, theils frühere Resultate über die Flora der Pfahlbauten zu bestätigen, theils aber neue von so grossem Interesse beizufügen, dass ich den folgenden Beitrag zur Kenntniss der naturhistorischen Verhältnisse des Steinalters, mit vielem Dank an den Verfasser , meiner zoologischen Arbeit beifüge. Bemerkungen über die vegetabilischen Reste der Pfahlbauten von HKobenhausen. Von Herrn Dr. H. Christ. Durch die Güte des Herrn Messikomer und durch Benutzung einer in der hiesigen antiquarischen Sammlung vorhandenen Auswahl von Vegetabilien aus Pfahlbauten wurde ich in den Stand, gesetzt, eine Menge von Pilanzenresten zu untersuchen, welche dem Torfmoor von Robenhausen entnommen sind, und zwar der Schicht, die, 8 Fuss unter dem jetzigen Niveau des Bodens gelegen, die zahlreichen Spuren mensch- licher Handarbeit und die Fauna geliefert hat. Unter diesen vegetabilischen Resten sind diejenigen, welche der wilden Flora jener Zeit angehören, nicht minder wichtig als die, an denen die Einwirkung menschlicher Kultur zu spüren ist. Beide liefern im Verein mit den thierischen Resten einen Beweis des hohen Alters jener Ablagerungen - 1) Ucber die Landwirthschaft der Ureinwohner unseres Landes. Landwirthschaftliches Wochenblatt, Organ des schweizerischen landwirthschaftlichen Centralvereins. Zürich 1859 und 1860. Nr. 1—4. Troyon, Habitat. lacustres p. 443. = en und beide zeigen Eigenthümlichkeiten , welche nicht nur den Systemaliker anziehen, sondern welche geeignet sind, einmal später nach reiferer Untersuchung durch kom- petentere Kräfte Licht auf die ‚noch"so dunkeln Fragen von Entstehung der Stein- periode und Veränderungen der Species zu werfen. Es theilen sich diese Vegeta- bilien auf den ersten Blick in 2 Gruppen: in‘solche, welche durch Feuer verkohlt, und in solche, welche durch das Torfwasser ohne Verkohlung erhalten sind. Erstere standen: sämmtlich unzweifelhaft im’ Besitze der Menschen; letztere, wenn schon mit und unter den verkohlten gefunden, können ebenso gut ohne Zuthun der Bewohner in der Nähe ihrer Pfahlbauten ‘sich angesammelt haben, und es wird auf die nähern Umstände bei jeder Species ankommen, ob ein Schluss auf menschlichen Gebrauch zu ziehen ist. I. Verkohlte Reste. Sämmtlich in harte, metallisch glänzende Kohle verwandelt, und zwar in ihrer vollen Grösse ohne Einschrumpfung erhalten: | 1) Triticum, unserem Triticum vulgare ähnlich, aber auffallend klein. Während die Körner der modernen Form durchschnittlich 7-8 Mm. an Länge aie reichen, zeigen die grössern der Pfahlreste 6, selten 7, und die kleinern 4 Mm. =— Die Achre ist dabei viel gedrängter, und in Folge dessen stehen die Aehrchen mehr horizontal von der Spindel ab alsıbei den heutigen Formen. 2) Ein Hordeum: Heer (in Troyon Hab. lac. 1860. p. 443) glaubt das Hord. hexastichum L. zu erkennen: Die vielfach vorkommenden ganzen Aehrchen und Theile der Spindel, von Gerste und Waizen deuten auf die damalige mangelhafte Art des Ausdreschens hin? Dies die 'einzigen’Cerealien. - Es ist höchst befremdend ‚jede Spur von Roggen und von Hafer zu. vermissen, während doch A. de Candolle Geogr. bot. H. p. 938 und 940 mit so viel Wahrscheinlichkeit das Vaterland beider Arten in die Gegend östlich von’ den Alpen, also in die relative Nachbarschaft der ‘Schweiz verweist. Beim Roggen kommt'noch hinzu, dass gerade in den 'hintersten, abgele- gensten Thälern der Alpen, in dem Lande ältester und ursprünglichster Physiognomie (Wallis: Einfisch, Zermatt; Graubünden) fast ausschliesslich dieses Getreide gebaut wird. Man kann. also annehmen, dass die Pfahlbewohner ‚wahre Autochthonen un- seres Landes, nie die Gebiete des Roggens und des Hafers, also nie Osteuropa be- rührt haben, während ihnen Waizen und Gerste (von Decandolle'südlicheren Striehen des Ostens zugewiesen, eod. p- 932 und 936) vielleicht vom Süden her zukamen.' Je- 29 — 26 — denfalls ist selbst in unsern nördlichen Ländern der Waizen das erste vom Menschen angebaute Getreide. ? Auch Triticum spelta L. fehlt in der Pfahlperiode ganz. Auffallend ist ferner, dass die von Heer in den Mooren von Wangen gefundenen Triticum monococcum und dicoccum L. und Hordeum distichum- L. in Robenhausen fehlen. Sollte dies viel- leicht einen Schluss auf das höhere Alter der Ansiedelung an letzterem Orte, und somit der Kultur von Waizen und sechszeiliger Gerste im Gegensatz zu den eben genannten Cerealien zulassen ? 3) Linum, in vortrefflich erhaltenen Fruchtkapseln, welche, verglichen mit dem heute bei uns gebauten Flachs , gewisse Verschiedenheiten zeigen: kleinere Dimen- sionen, mehr längliche, nach oben in eine längere Spize ausgeschweifte Form, und viel schärfer hervortretende Kiele der Klappen. Im Ganzen macht die Form von Ro- benhausen mehr den Eindruck von Linum montanum Schleich. (jetzt noch in den Alpen hie und da) oder Linum perenne L., welche beide durch den jährlichen Anbau aus Samen ebensowohl zum Gebrauch sich eignen, d. h. ihre perennirende Natur ver- lieren mögen, als dies bei andern Arten (z. B. den kultivirten Gramineen) der Fall ist. Ob nun der heutige Flachs (dessen Vaterland unbekannt ist) eine Fortbildung jener. alten Form oder eine neuere Einführung. sein mag, bleibt natürlich unentschie- den. Die Art der Aufbewahrung des Leins, in ganzen Epublitkapsein welche sich gleichmässig dem Getreide beigemischt finden, erlaubt die Vermuthung, dass die Frucht des Leins (neben der technischen Anwendung des Stengels) zugleich mit dem Getreide zur Nahrung diente (heute noch in Abessynien, Decandolle eod. p. 835). Wiederum ist bemerkenswerth das Fehlen des Hanfes, um so mehr, da dessen Kultur bei uns sonst für sehr alt gehalten wird, und da das Vaterland dieser Pflanze gerade die Gegenden sein sollen (Decandolle eod. p. 833), von welchen her man die Bevölkerung unseres Landes abzuleiten gewohnt ist. Wieder eine Wahrscheinlich- keit mehr für die Autochthonie der Pfahlrace in unserer Gegend. 4) Aepfel, in Hälften, augenscheinlich zur Aufbewahrung zubereitet. Kerne, Kapsel und äusserer Umriss zeigen eine Grösse, welche die unserer wilden jurassi- schen Form des Pyrus Malus L. beträchtlich übersteigt; sie sind auch grösser als die von Heer (Landwirthschaftl. Wochenblatt von Zürich 4860. Nr. 12. p. 6) abge- bildete, wenn ich nicht irre, von Wangen stammende Pfahlform. (Dimensionen jener Abbildung: Höhe des Apfels 14 Mm. , Breite 18 Mm.; Höhe eines Kapselfachs 8 Mm., Breite 5 Mm.; Dimension der Form von Robenhausen: Höhe des Apfels 22 Millim., = men Breite 26 Mm., Höhe eines Kapselfachs 10 Mm., Breite 6 Mm.) Vielleicht ist diese Grössenzunahme ein Anzeichen beginnenden Anbaues des kleineren wilden Apfels, oder auch gehört der Apfel von Robenhausen einer verschiedenen Stammform an. 5) Von Pyrus communis L. besitze ich nur ein zweifelhaftes Fragment. 6) Fragmente der Frucht mit Samen von Vaccinium myrtillus b. 7) Knollen der Wurzel von Equisetum arvense L., ob zur Nahrung be- nutzt? II. Durch Torfwasser conservirte, theils braunkohlenartige, theils gebleichte Reste: Ich hebe aus der Menge derselben Folgendes als ’bemerkenswerth hervor: Die Häute der Kerne von Pyrus Malus, in auffallender Menge. Von andern Waldbäumen und Sträuchern folgende (die Nummern sind nach der Häufigkeit des Vorkommens geordnet): 8) Pinus picea Du Roi, Zapfen und Samen. 9) Prunus spinosa L. Steine häufig. Von Steinen der Prunus insititia L., welche Troyon nach Heer (hab. lac. p- 444) anführt, habe ich keine Spur gefunden. Das Vorkommen letzterer Species wäre bei der immer noch ungelösten Heimatsfrage (Decandolle eod. 878) sehr lehrreich. 10) Fagus sylvatica L. 11) Corylus avellana L. 12) Pinus Abies Du Roi. 13) Prunus avium L., was nichts Merkwürdiges bietet, da die Sage von der Einführung auch der Vogelkirsche durch die Römer längst widerlegt ist. (Decan- dolle eod. p. 877.) 14) Tilia, die Species ist mir zweifelhaft. 15) Carpinus Betulus L. \ Cornus sanguinea L. 17) Pinus sylvestris L. 18) Pinus Mughus Scop. 19) Taxus baccata b. = Von niedrigern Pflanzen nenne ich: 20) Rubusidæus und 231) Rubus fruticosusL. Samen in Masse. (A 225 — 22) Fragaria vesca L:- Samen in Masse: 23) CarumCarvil. | 24) Heracleum. spondyliumL., nr viele andere. ‚Bemerklich macht sich unter dieser Liste der Taxus, von dem mir unbekannt ist, ob er heute sich noch am Pfäffikon-See findet. Und im höchsten Grade inter- essant ist das Vorkommen des Pinus Mughus Scop.; denn so viel.ich in Erfahrung brachte, fehlt im ganzen schweizerischen Mittellande heute diese Föhre ganz. Was sich jetzt noch auf den Torfmooren, z. B. um Bern (Gümligenmoos, Belpmoos etc.),' œ findet), ist eine niedrige Form der ächten Pinus sylvestris L., wie mich zahlreiche Exemplare (von Prof. L. Fischer) belehrten. Diese Form ist es auch, von welcher ein Zapfen aus Robenhausen vor mir ‚liegt. Dagegen bewahrt das Basler Museum zwei Strobili von daher, welche identisch sind: mit der Form des Mughus, wie ich sie bisher nur aus den Hochmooren des Schwarzwaldes (Kaltenbrunn,, von Kirschleger gesammelt) kenne: sie sind rundlich eiförmig, die Area der Schuppen mässig, kaum halbkugelig-konvex erhöht. Die bisher aus der Schweiz erhaltenen Mughus-Formen zeigen dagegen (am stärksten die Pinus uncinata des Jura, von Favrot gesammelt) stets mehr oder weniger conisch verlängerte, hakig rückwärts gekrümmte Höcker der Area. | Alle Floristen sind einig über das jetzige Fehlen des Mughus auf unserer Ebene (ich erwähne speciell Kölliker, Verzeichn. Phan. Gew: von Zürich p- 35; Fischer, Taschenb. Flor. v. Bern p. 101). Die Species hat sich nunmehr ganz in’s Gebirge zurückgezogen; als nächste Grenz-Standorte können gelten: Einsiedeln (Moritzi, Flora p- 482), Berge des Rheinthals (Custer in neuer Alpina 1. 1821. p. 95), Jura und Schwarzwald. . Wir haben also auf dem schweizerischen Plateau die gleiche Erscheinung, wie „ in Irland, wo der Mughus ebenfalls nur noch im Torf eingeschlossen, aber nicht | mehr lebend vorkommt. (Decandolle eod. p. 807.) Dasselbe Verhalten bieten uns nun noch einige Wasserpflanzen. Vor allem die mit den Resten von | | 25) Nymphæa alba L. und 26) Nuphar luteum Sm. nicht selten vorkommenden Samen von 27) Nuphar pumilum Sm. Auch diese Art findet sich nicht mehr in der Ebene, sondern hat sich nur in | einigen kleinen Bergseen erhalten: Hüttensee am Hohen-Rhonen (Pfr. Grob! auch Köl- = 229 — liker eod. p. 95) und, so viel ich weiss, irgendwo im Sarganser Land. Nicht ganz, aber beinahe erloschen ist auch die in schönen Früchten vorhandene 28) Trapa natans L., welche einzig noch bei Langenthal und Elgg (Kölliker | eod. p. 121) lebend (ob auch heute noch?) vorkommt. Gaudin citirt sie auch bei Andelfingen und im Zürichsee; nach Kölliker eod. werden aber nunmehr dort bloss die Reste, nicht mehr die Pflanze selbst gefunden. Einst scheint diese Art in allen Torfwassern unserer Ebene vorhanden gewesen zu sein, denn fast überall werden : deren Früchte zu Tage gefördert. Es erhellt aus dem Ueberblick aller dieser Pflanzenarten, dass die Flora heute noch nahezu denselben Charakter zeigt wie zur Zeit der ersten Pfahlperiode, und unsere schweizerische Pfahlzeit zeigt hierin eine wesentliche Verschiedenheit gegen- über der nordischen (Dänemark; Morlot, Etudes geologico-archeol. p. 290). In Däne- mark hat in den verschiedenen Epochen jeweilen eine Baumart ausschliesslich ge- herrscht, so dass die spätere Epoche den Waldbestand der frühern durch eine ganz neu auftretende Art ersetzte. Während jetzt die Buche dort die Wälder bildet, ent- halten die Torfreste des Landes keine Spur derselben, sondern lediglich Föhren und später Eichen. Anders bei uns: die Waldung der Pfahlepoche von Robenhausen zeigt dieselben Mischungselemente wie die heutige, nach den Mengenverhältnissen der Reste zu - schliessen, herrschte die Rothtanne vor; spärlicher trat die Weisstanne, und ebenso die Buche auf, und die mancherlei andern Laubbäume fehlten nicht, die jetzt noch unsere Ebene einzeln und eingestreut in die Waldung bewohnen. Ganz jedoch fehlen die Spuren eines, wenn schon geringern Vegetationswech- sels, auch bei uns nicht: der Mughus (ähnlich wie aus der Fauna die Gemse, der Steinbock ete.), und mit ihm einige Wasserpflanzen sind heute nicht mehr an der alten Stelle. Welche Arten sich dagegen seither angesiedelt haben, ist eine uner- ledigte Frage, indem der Schluss von dem Fehlen einer heute vorkommenden Pflanze in den von mir durchsuchten Resten auf das wirkliche Nichtvorhandensein in der Pfahlzeit hier nicht so berechtigt ist, als bei den Kulturpflanzen, bei welchen man eher annehmen darf, dass das untersuchte Depot sie vollständig enthalte. 4 Fer ae m PON teten Bückblick. Die Resultate der vorhergehenden Arbeit zerfallen in verschiedene Rubriken, von welchen einige noch eine besondere Zusammenstellung verlangen. Dies Bedürfniss fällt weg für die so sehr wie möglich monographisch gehaltenen osteologischen Bearbeitungen einiger für die Schweiz neuen, bisher noch unvollstän- dig oder gar nicht bekannten Thiere, wie des Urochsen, des Auerochsen und des Torfschweins. Es ist auch überflüssig, einen besondern Rückblick zu werfen auf die bis. jetzt gewonnene Liste (p. 32 der „Untersuchungen“ und p. 113. 114 der gegenwärtigen Arbeit) der mit dem Menschen in dieser frühen Epoche seines Daseins in unsern Ge- genden gleichzeitig lebenden Thiere. Weicht sie auch in überraschender Weise von a den Aufzeichnungen heutiger Faunen ab, so finden sich doch in ihr nur drei Thiere, “ | von deren Anwesenheit in der Schweiz man bisher gar keine Kunde hatte, nämlich ‘der Bison, der krummhörnige Ochs (Bos trochoceros) und das Torfschwein. ; Es scheint dagegen passend, den historischen Resultaten noch einen Ueberblick zu widmen. Die direkt nachgewiesene Zunahme der wilden Thiere über die Hausthiere von historischen nach vorhistorischen Zeiten hin war ein a priori zu postulirendes Ergeb- niss, das indess in einzelnen Zügen unerwartete Details lieferte. Das Erlöschen des Auerochsen im Gebiete der Schweiz ünd wohl auch ihrer weitern Umgehung fällt ziemlich genau zusammen mit der Einführung metallener Waffen. Wauwyl und Ro- benhausen beherbergen den Bison noch in Menge; in Concise und allen spätern | An- siedelungen ist keine Spur mehr von ihm zum Vorschein gekommen. In dieselbe Periode fällt, wenn auch nicht die offenbar viel ältere Unterjochung, so doch die Verdrängung und das Erlöschen des noch in Concise nachgewiesenen wilden Auer- ochsen und des in Wangen und Moosseedorf nur wild vorhandenen Torfschweins. — BE Weit allmäliger, zum Theil bis in historische Zeiten hinab ging die Verbannung mancher noch in schwach bevölkerten Gegenden Europas oder selbst der Schweiz lebenden Thiere vor sich, wie, ausser dem Auerochsen, des Elenthiers, des Bibers, des Steinbocks, sowie die Reduktion des Bärs, des Wolfs, des Wildschweins, des Hirsches, des Rehes, der Schildkröte. Beide Erscheinungen gehen noch heute ihren für die jeweiligen Zeitgenossen raschen, allein auch beim Ausblick über ein einziges Menschenalter hinaus doch stetig langsamen Gang fort. | Mit diesen Veränderungen gehen die Modifikationen parallel, welche einzelne wilde Thiere in ihrem Habitus erlitten haben und ohne Zweifel noch fortwährend er- leiden; so die Abnahme der Körpergrösse bei Hirsch und Wildschwein, die Zunahme derselben beim Fuchs und gewisse Veränderungen im Gebiss mehrerer pieg klei- / nen Raubthiere, wie der Marder-Arten. Das Fehlen der zwei in Europa heutzutage lebenden Ratten und der Hausmaus in allen Ansiedelungen des Steinalters war zum Theil = durch direkte Dokumente über ihre Einwanderung aus Asien belegt. | Von direkterem Interesse für unsere eigene Geschichte sind die Resultate über die Hausthiere der Seeansiedler. Unter denselben vermissen wir drei heute allgemein ae Thiere, wovon indess ein einziges seit langer Zeit unentbehrlich geworden ist; es sind dies Katze, Huhn und Pferd, und das letztere war, wenn auch nicht im Dienst des Seeansied- lers, doch schon anderswo gehegt und den Bewohnern von Wangen und Moossee- dorf nicht unbekannt. Zu den eigentlichen Hausthieren der ältesten Pfahlbauten gehören nur Kuh, Schaf, Ziege und Hund, und die drei letztern finden sich nur in je einer einzigen ei vor; nur die Kuh ist schon in frühester Zeit sowohl in der kleinen, ohne Zweifel braunen Torfkuh, als, obschon seltener, in der grossen, Bee grauen oder schwar- zen Primigenius-Race vertreten. Diese letzte lebte also in Moosseedorf, Roben- hausen, Wauwyl und Coneise gleichzeitig mit ihrem wilden Stammvater, ähnlich wie noch heute unser zahmes Schwein. Der erste neue Beitrag zu dem kleinen Viehstand der Bevölkerung von Wangen und Moosseedorf ist neben dem allmälig bekannter werdenden Pferd ein zahmes Schwein. Robenhausen, Meilen, Wauwyl, Concise zeigen die ersten Spuren die- ser Zähmung und zwar an einem Thiere, das durch das ganze Steinalter hindurch De! >. eg ei dem wilden Stammvater unseres heutigen Hausschweins das Gleichgewicht hält, allein mit- dem Eintritt seiner Zähmung auch schon rasch als Wild zu schwinden anfängt.» Im See von Neuchâtel (Concise und Chevroux) erscheint daneben ein mit der grossen Race von Moosseedorf an Grösse ebenbürtiger krummhörniger Ochse in inselartiger geographischer und historischer Begrenzung; dieselben Stellen bringen. dazu das noch jetzt über Mitteleuropa verbreitete vom gewöhnlichen Wild- schwein abstammende gros seHausschwein, das nun allmälig seinen kleinern Vorgänger zu verdrängen beginnt. Die Ueberreste aus Concise: bezeichnen indess auch in anderer: Weise- einen Wendepunkt in: der Geschichte der Thiere und des Menschen. Die zahmen Thiere ‚verdrängen offenbar von da an rasch die wilden; es schwindet von da an der Ur und der Wisent; Biber, Hirsch und Wildschwein nehmen an Menge ab, das Reh tritt merklich zurück hinter Ziege und Schaf, und von diesen zwei erhält das letztere das Uebergewicht über die Ziege. Dem bis auf Concise ziemlich stationären Gepräge der Hausthierwelt gegenüber ;sbringt von nun an fast jede neue Ansiedelung eine neue Thierform auf die Bühne. In Morges und Chevroux tritt ein grosser Hund auf, von demjenigen früherer Zeit so verschieden, wie unser Fleischerhund vom Jagdhund. Auch die Spuren einer fernern, allein sehr kleinen Race von Schwein, mit auffallend verkürztem letztem Backzahn, erscheinen zuerst in Morges. Sowohl jener Hund als das kleine Schwein lassen sich von da an bis in historische Zeiten hinab verfolgen. Courfaivre, Echallens, Noville sind solche Etapen für jenen Hund, Zihl, Engewald, Chavannes für das kleine Schwein. Die wenigen Ueberreste aus historisch mehr oder weniger bestimmbarer und jedenfalls im Verhältniss zu den Pfahldörfern sehr junger Zeit stellen uns fast das Bild der Gegenwart dar, mit Modifikationen, welche durch historische Aufzeichnungen belegt sind, nämlich mit noch etwas reichlicherem Wildstand als heute. Neben dem nunmehr häufig gewordenen Pferd finden wir in Chavannes und Noville nun unzweideutig den Esel, auch das heulige krummhörnige Schaf, das Huhn und vielleicht die zahme Katze. Steckborn liefert endlich die erste Spur des grossen bunten Viehes der nördlichen Schweiz und gleichzeitig die letzten sichern Spuren des Torfischweins. Mit diesen Beiträgen ist auch das Budget der heutigen Rs erreicht. Seit der Ablagerung der vermuthlich jüngsten unter den Knochendepots (Chavannes und Noville, 233 = beide im 6. Jahrhundert) ist in der Schweiz kein neues Haus-Säugethier zugefügt worden und auch keine damals noch vorhandene wilde Thierart erloschen. Alle seit- herigen Modifikationen beschränken sich auf fortschreitende Zurückdrängung des Wildes und auf Vervielfältigung der Racen durch Kreuzung, Kultur und Handel. Doch betrifft dies in stärkerem Maasse nur den Hund, das Pferd und das Schaf. Durch den ganzen langen Zeitraum aber, von der Ansiedelung in Wangen an bis auf unsere Tage, und trotz aller inzwischen erfolgten Zufügungen und Einwir- kungen, erhielten sich alle die Hausihiere jener ältesten Kulturepoche in nicht oder nur theilweise veränderter Form, in nicht grosser Entfernung von ihrem alten Schau- platz. Der Jagdhund und die Ziege sind ihrem alten Typus am treuesten geblieben, die kleine Torfkuh ist zwar an einigen Orten zu hohen Graden der Vervollkommnung gelangt (Schwyz), in abgelegenen Gebirgsthälern aber (Domleschg, Tessin) von der primitiven Form nicht abgewichen. Nur das kleine ziegenhörnige Torfschaf ist fast ‚allenthalben durch grössere Racen mit starken und aufgerollien Hörnern verdrängt \ worden; allein eine kleine Kolonie der alten Race fand sich wieder vor im Thal des Vorderrheins. Es kann kaum Zufall sein, dass in demselben Gebirgswinkel die ein- zigen, wenn auch vielfach verwischten Spuren des zahmen Torfschweins wieder zu Tage treten; Graubünden, beherbergt, also noch, da der Jagdhund kosmopolit gewor- den, den gesammten Viehstand der ältesten Periode des Pfahlbaues in theilweise nur Brasi veränderter Form. Nur der von Moosseedorf bis auf Concise hinab reich- lich nachgewiesene grosse Viehstamm vom Charakter des Bos primigenius scheint seither aus der Schweiz verschwunden zu sein. Dieses merkwürdige Zusammentreffen drängt nach der Frage über die Bögiektnhren der Geschichte der Hausthiere zu der Geschichte des Menschen. Wir dürfen mit Bestimmiheit hoffen, das die allerorts, bisher aber mit besonde- rem Erfolg durch Herrn Oberst Schwab in Biel fortgesetzten Nachforschungen nach den Ueberresten der menschlichen Bewohner der Seeansiedelungen uns in nicht ferner Zeit direkte Aufschlüsse hierüber gestatten werden, und namentlich sind wir ' mit Recht gespannt auf die Vergleichung solcher Schädel mit der so höchst eigen- thümlichen Schädelform der romanischen Graubündner, der jetzigen Besitzer jener alten Hausthiere t): Einstweilen müssen wir uns aber mit blossen Abstraktionen aus der Geschichte der Hausthiere begnügen. 1) Retzius in Müller’s Archiv für Anat. und Physiol. 1858. K. E. v. Bär über den Schädelbau der Rhätischen Romanen in den Mélanges biologiques (Petersburg) T. III. Mai 1859. 30 Mi e Der erste allgemeine Eindruck, den der Rückblick auf die-im Obigen erzielten Resultate aufdrängt, geht dahin, dass sehr grosse Veränderungen in der Geschichte des Menschen, starker Wechsel von Nationen, allgemeine und rasche Veränderungen ihres Wohnsitzes innerhalb des Schauplatzes der ‚Seeansiedler seit dem Anfang ihrer Niederlassung auf demselben nicht wahrscheinlich sind , wenn ihre ältesten Hausthiere fast ohne Ausnahme in so grosser Nähe eine bleibende Zufluchtsstätte fanden. In dieser allgemeinen Form wird auch ein soleher Schluss seine Berechtigung haben und uns warnen, durch die kleinen Veränderungen, welche wir nichtsdestoweniger wahr- nehmen, uns zu weitgehenden Schlüssen hinreissen zu lassen. Unter diesen Veränderungen sind offenbar das Auftreten oder das Verschwinden von Hausthieren diejenigen, welche vor allem die Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen, obschon ein Austausch von Hausthieren noch durchaus nicht einen Austausch von Völkern voraussetzt; im Gegentheil sind historische Belege genugsam da, welche, zumal in frühern Zeiten , die Hausthiere nicht nur als Gegenstand des Handelsver- kehres, sondern auch als freiwillig oder unfreiwillig überlassenes Erbthum eines Vol- kes an das andere bezeichnen und fast als Erfahrungssatz hinstellen, dass Hausthiere trotz ihres Handelswerthes an. Orten, wo sie einmal einheimisch geworden, ‚eine zähere und stabilere Bevölkerung bilden als selbst der Mensch. In dieser Beziehung bezeichnet offenbar Concise einen ersten Eintritt von Berührungen mit früher fremden Thieren.. Nicht nur verändert sich von da an das allgemeine Gepräge in der Vertretung der wilden und zahmen Thiere, und ver- schwinden die zwei grössten wilden Thiere- der ‚ganzen vorhergehenden Epoche, sondern es treten dafür zwei ganz. neue Hausthiere auf, Bos trochoceros und das heutige Hausschwein , das doch im wilden Zustand den Bewohnern aller ‚ältern An- siedelungen reichlich genug zur Verfügung stand, ohne dass sie es zu zähmen ver- suchten. Es wird hiedurch mehr als wahrscheinlich, ‘dass das neue Schwein durch Import nach Concise gelangte; für Bos trochoceros steht dies sogar ausser Zweifel, da er im wilden Zustand weder fossil noch in Pfahlbauten in der Schweiz vorkommt und schon bei seiner ersten Erscheinung in Concise hinter seinem in Italien aufge- fundenen wilden Verwandten an Grösse in weit erheblicherem Maass zurücksteht als der zahme Primigenius-Ochse hinter dem Urochsen. Mit diesem grossen Ochs er- scheint übrigens auch gleichzeitig in Chevroux ein vorher durchaus: vermisster grosser Haushund, und in Morges das früher erwähnte kleine Schwein, dessen zoologische Merkmale indess noch. nicht in wünschbarer Vollständigkeit bekannt sind; = B — dass diese letztere Beifügung nicht viel später erfolgte als die gleich vorher genann- ten, geht wenigstens mit vieler Wahrscheinlichkeit aus dem Umstand hervor, dass die Unterkiefer aus Morges noch immer mit demselben Kunstgriff geöffnet sind, worin schon die ältesten Seebewohner eine grosse Fertigkeit hatten. Selbst das rasche Wiederverschwinden des Bos trochoceros, führt: zu demselben Schlusse,, indem es auf einen nur einmaligen, und nicht etwa durch Handel fortge- setzten Import dieses Thieres weist; nur in Mischung mit dem ältern Primigenius- Ochsen ‘erhielt sich jener noch einige Zeit und ging dann aus Mangel an Rekrutirung in der ältern Race unter. Länger erhielt sich das kleine Schwein, das bis in’s VI. Jahrhundert hinab gesehen wurde. Das grössere Schwein und der grosse Hund sind nicht wieder verschwunden. | Von Concise und Morges abwärts gewahren wir nirgends mehr eine so scharf bezeichnete Wendung der Dinge. ‘Man mag dies theilweise auf Rechnung des von da an sehr spärlichen Materiales setzen; allein wenn dieser Umstand nicht die Ver- folgung mehrerer der neuen Thiere bis in spätere Zeit hinderte, so konnten grössere Veränderungen doch nicht so leicht dem Auge entgehen ; überdies sind ja mit Con- cisë und Morges die wilden und die Hausthiere “bis. auf die neuesten und: historisch zum Theil bekannten Einführungen (Ratte, Maus, Katze, Kaninchen, Huhn, Gans etc.) auf die Vollständigkeit ihrer heutigen Erscheinung gelangt..." | Doch mit Ausnahme eines Thieres, nämlich des grossen Fleckviehes, ‘oder der Frontosus-Race, welche bis auf Coneise und Morges, ja noch viel weiter hinab in der ganzen Pfahlperiode durchaus fehli. Vorher bildete, ausser der nur vor- übergehenden Erscheinung des Bos irochoceros in der westlichen Schweiz, die grosse graue oder schwarze Primigenius-Race und das kleine kurzhörnige Braunich den einzigen Bestand der Viehheerden. Das letztere hat sich auch seither in dem ganzen Alpengebiet erhalten. ‚Die Primigenius-Race aber, in Concise zuletzt mit Bestimmt- heit noch nachgewiesen, lebt nicht mehr innerhalb der Grenzen der Schweiz. Nach so langem und allgemeinem Aufenthalt konnte ein solches Schwinden gewiss nur sehr langsam vor sich gehen. Ein werthvoller Beweis davon liegt in einem ziemlich voll- ständigen Schädel, der in neuester Zeit bei einer Fundamentlegung innerhalb der Mauern von Basel in einer Tiefe von etwa 30 Fuss an einer Stelle ausgegraben wurde , deren Alter durch historische Anhaltspunkte in’s X. oder mindestens -vor das XI. Jahrhundert versetzt werden kann. -Es-fanden sich dabei Zähne vom Bär und heutigen Hausschwein. Der erwähnte Schädel selbst’ stimmte in jeder Beziehung mit — 236 — ; dem häufig genannten Schädel von typischer recenter Primigenius-Race aus Friesland und mit gleichgrossen Resten derselben Race aus dem Pfahlbau von Meilen 1). Allein dies ist auch die letzte direkte Spur dieser heute an den Küsten der Nord- und Ost- see einheimischen Viehrace. Als Ersatz für die aus unsern Grenzen verschwundene Primigenius-Race trat also sehr spät das bunte, roth und weisse Fleckvieh, Bos frontosus ein; der Zeit- punkt seines Eintreffens ist leider einstweilen noch sehr unsicher. Die einzige Stelle, wo er sich bisher vorfand, ist die von Herrn Messikomer aufgedeckte Knochenab- lagerung bei Steckborn und bot keinerlei Anhaltspunkte zur Altersbestimmung, als einerseits den im Verhältniss selbst zu Morges recenten Habitus der Knochen und andererseits die Liste der übrigen mit Bos frontosus zusammengefundenen Reste. Unter diesen fanden sich die Torfkuh, das Pferd, das Schaf, ein ganz grosser Hund, das gewöhnliche Hausschwein und noch das Torfschwein, eine Mischung, welche vollständig berechtigt, diese Ablagerung als die Grenzmarke zwischen der Pfahlpe- riode und der neuern Zeit, vielleicht zwischen vorhistorischer und historischer Zeit zu bezeichnen; hier treffen zusammen die letzte Spur des bezeichnendsten Vertreters der Pfahlzeit, des Torfschweins, und die ersten Spuren des charakterisiischen Re- präsentanten der Gegenwart, des Fleckviehes. Nach Steckborn dürfen wir keine neuen Veränderungen von Bedeutung in der _ Hausthier-Fauna erwarten. : Die paläontologische Untersuchung schliesst hier ab. Die zoologische Prüfung der Fauna der Pfahlbauten führt demnach zu folgender Eintheilung des gesammten, durch die Seeansiedelungen vor Augen gelegten Zeit- raumes: ‘I. In erster Periode überwiegen die wilden zur Nahrung verwendeten Thiere bei weitem die Zahl der Hausthiere, oder die Jagd über die Viehzucht; in diesem Verhältniss steht der Fuchs zum Hund, der Hirsch zur Kuh, das Reh zu Ziege und -< Schaf, das Wildschwein zum Hausschwein; von Hausthieren sind nur vier vorhanden, A t) Die Grössenverhältnisse dieses Schädels sind zur Vergleichung mit denjenigen von S, 202 folgende: I TEE Stirnbreite aussen an den Augenhöhlen . . 260 Grösste Breite des Oceiput . . . . . . 258 Basaler Durchmesser des Hornzapfens - - 58 und 82. Umfang desselben . 2. 22 20 200. 22 | 2337 -- die Kuh, die Ziege, das Schaf, der Hund, und die drei letztern je nur in einer ein- zigen Race oder vielleicht ganz in der.reinen. Form der Species; die Kuh dagegen in zwei an Grösse äussersi differenten und auch auf verschiedene Species zu redu- cirenden. Racen, dem Braunvieh und dem Urvieh. Etwas später kommt dazu das Schwein, ebenfalls in einer einzigen Form, deren Stammrace wild in der Umgegend lebte. Das Pferd, wenn auch bekannt, ist doch nicht Gegenstand der Pflege. Ich will diese Periode rn Zeitalter der primitiven Hausthierracen nennen. X Sie fällt zusammen mit dem Steinalter der Antiquare, und man könnte versucht sein, in dem Vorwiegen der Torfkuh über die Primigenius-Race und in dem Fehlen des zahmen Schweines in Wangen und Moosseedorf einen Grund zur Abtrennung dieser Periode in zwei Hälften zu suchen, wenn solche Spaltungen an einem Gegen- stand, dessen Studium erst in den frühesten Anfängen steht, nicht vorderhand besser auf vermehrtes Wissen verspart würden. Wangen und Mooss eedorf be- zeichnen den Anfang, Concise den Schlusspunkt dieser, Periode. II. Die zweite Periode ist durch keinerlei scharfe Grenzen von der ersten ge- trennt, da sämmtliche Hausthiere der ersten, und besonders auch die Art ihrer Ver- wendung (die Ausbeutung des Markes u. s. w.) in die zweite übergehen; allein es verändert sich in den Nahrungsthieren des Menschen das Verhältniss der wilden zu den zahmen in starkem Maasse zu Gunsten der letzten; der Ur und der Wisent ver- schwinden von da an gänzlich aus dem Register der Jagdthiere, und dafür tritt eine ganze Anzahl von neuen Hausthier-Racen auf die Scene, das grosse Hausschwein, eine neue Viehrace, ein grosser Haushund, ein ganz kleines: zahmes Schwein. Ich nenne diese zweite Periode das Zeitalter der multiplen Hausthierracen. Sein Beginn ist von kulturhistorischer Seite bezeichnet durch die Einführung des Metalles; allein es fällt nicht etwa zusammen mit dem Bronzealter der Antiquare, sondern es verliert sich 'allmälig bis in die Gegenwart, Die untere Grenze dieser zweiten Z200- logischen Periode ist weit schärfer bezeichnet als die obere; ich möchte sagen, dass diese durch Wechsellagerung in die Gegenwart übergeht. Einige mit dem ersten Alter gemeinsame Fossilien, das Torfschwein, wahrscheinlich auch das Torfschaf schwinden bis auf schwache und lokal begrenzte Reste, alle andern gehen aber in die höher liegende Schicht über; ein einziges Ereigniss von grösserer Tragweite, die Erscheinung des letzten bis dahin vermissten Hausthiers der Gegenwart bezeich- net noch einen letzten, aber nicht scharf begrenzten Abschnitt. — 238 — Damit, mit der Erscheinung des Fleckviehs, lassen wir auch die Gegenwartan- heben, in welcher die wilden Thiere auf den Werth von Luxusnahrung herabsinken und fast nicht mehr unter den Nahrungsresten gefunden, die zahmen dagegen durch Kreuzung, Mischung, Zucht auf die Vielfältigkeit des Dienstes gebracht werden; welche die neueste Zeit zu merkwürdigen Graden fortgesetzt hat. Wäre ein beson- derer Name nöthig , so würde ich diese uns umgebende Periode, die in der Schweiz mit der Knochenablagerung von Steckborn anhebt, die Periode der Kultur- racen nennen. | į Die vorliegenden Untersuchungen, obschon auf ein sehr reiches Beobachtungs- material gestützt, entbehren noch, und grossentheils in Folge ihrer Neuheit, eines genügend ausgedehnten Horizontes, um über die Ausgangspunkte der zu verschie- denen Malen nachgewiesenen Einführungen neuer Thiere sichere Antwort zu geben. Die Schlüsse , die sich bis jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit ergeben, sind folgende: Die Hausthiere der ältesten Periode, im vollsten Sinne primitive und einfache Racen, sind zum Theil auch im wilden Zustand Bewohner derselben Gegenden. So der Urochs und das Torfschwein. Als Heimat der Torfkuh kennt man einstweilen nur den Norden Europa’s, Skandinavien und England; allein es ist wenigstens wahr- scheinlich, dass dieselbe Species sich auch anderwärts im fossilen Zustand vorfinden werde. Die Erscheinung der ächten Torfkuh in Algier ist in dieser Beziehung nicht bedeutungslos. Unbekannt ist dagegen die Heimat des Torfhundes, der Ziege und des Torfschafes und selbst auch des Pferdes und des Esels, und bis jetzt liegen kei- nerlei Thatsachen vor, welche die Schweiz oder selbst auch den grössern Theil Europa’s als- Heimat der wilden Vorfahren dieser Thiere vermuthen lassen. Im Ge- gentheil spricht Alles dafür, diese Thiere, alle im fossilen Zustand noch unbekannt, ursprünglich anderswo, vielleicht im Osten, vielleicht auch im Süden aufzusuchen; die. ‚Verwandtschaft des Torfschweins mit dem indischen Schwein vermehrt diese Wahrscheinlichkeit um Vieles. Die Bevölkerung der ersten Periode erschiene' hier- nach als eine für die Schweiz so viel als autochthone, obschon noch keineswegs primitive, da sie Hausthiere von wahrscheinlich fremdem Ursprung besitzt. Das Fehlen von drei im Osten Europa’s einheimischen Kulturpflanzen, des Roggens, des Hafers und des Hanfes, unterstützt diese Ansicht. Von ferneren Nachforschungen über die ursprüngliche Verbreitung von Bos brachyceros und Sus ee muss hierüber das nächste Licht erwartet werden. - MB - Unter den Thieren, welche in der zweiten Periode zu den primitiven Hausthieren hinzutreten, ist für das grosse Hausschwein ebenfalls eine entferntere Herleitung nicht nothwendig, obgleich das schon frühere Dasein eines zahmen Schweines sehr für einen wirklichen Import spricht; das kleine Schwein in Morges lässt ebenfalls, wenn auch nicht einen direkten Import, so doch Berührung mit einem neuen Schwein öst- lichen oder südlichen Ursprungs vermuthen. Italien ist auch bis jetzt die einzig be- kannte Heimat von Bos trochoceros. Ueber die Herkunft des grossen Hundes dieser Periode sind, wie für den Torfhund, nur Vermuthungen möglich. | Von entgegengesetzter Seite, aus Norden, scheint dagegen der letzte Ankömm- ling , Bos frontosus, gekommen zu sein; es geht dies hervor aus seinem noch jetzt fortdauernden Vorrücken von Nord nach Süd t), sowie aus den Ergebnissen der nordischen Zoologen, nach welchen die Heimat von Bos frontosus in Deutschland zu suchen wäre; von da gelangte er in vorhistorischer Zeit nach Skandinavien, in weit späterer Zeit nach der Schweiz , denn in Skandinavien stiess er noch auf den Urochs und auf den Wisent, welche bei seinem Eintreffen in der Schweiz längst verschwun- den waren. Hoffen wir, dass die Zeit nicht fern sei, wo wir auch den Führer dieser Meer- den, den Menschen, kennen lernen und von ihm noch direktern Aufschluss über seine RER erhalten werden. Wir berühren zuletzt die vom Daka gewöhnlich zuerst gestellte Frage nach _ der Frist, welche zwischen dem nun aufgedeckten Lebensabschnitt unseres Geschlech- tes und. der Gegenwart inne liegen mag. Ich halte dafür, dass das Urtheil hierüber 1) Das relativ sehr späte Eintreffen des Fleckviehes in der Schweiz zu dem daselbst schon während langen Zeiträumen gehegten Braunvieh ist durch die obigen Untersuchungen auf's entschiedenste bewiesen; allein es freut mich, nichtsdestoweniger beizufügen, dass ich in brieflichen Mittheilungen der Herren v. Erlach und Vogel-Saluzz i dieselbe Ansicht aus der geographischen Verbreitung beider Racen her- geleitet finde. Herr Vogel-Saluzzi äussert- sich darüber folgendermassen: „Es geht aus der heutigen Ver- theilung-des Fleckviehes und des Braunviehes hervor, dass dieses aus Süd-Osten , jenes aus Nord-Westen ge- kommen ist; möglich, dass auch vom Kaukasus her die Fleckrace den nördlichen, die braune den süd- lichen Weg eingeschlagen habe. s die bunte erst bei einer spätern Einwanderung von nordischen Yölkerstämmen ein- Ich bin geneigt zu glauben, dass die braune Race in der Schweiz ältern Ursprungs ist, und das geführt wurde.“ y Ich füge hier nur bei, dass sich nach dem Obigen diese Bemerkung nur auf die Frontosus-Race, nicht aber auf die indigene Primigenius-Race beziehen kann. — 40 — noch lange zurückzuhalten oder wenigstens auf ganz relative Angaben zu beschränken sei. Einigen bisher versuchten direkten Zeitangaben lassen sich die schwersten Ein- würfe entgegenstellen. In Bezug auf relative Zeitbestimmung gestatten meine Re- sultate nur höchst unsichere Schlüsse; dieselben setzen den Beginn des letzien eini- germassen umgrenzbaren Zeitabschnitts in eine relativ sehr späte, sehr wahrschein- lich nicht vorhistorische Zeit. Dagegen spricht alles dafür, den zwei vorhergehenden Epochen eine lange Dauer zuzuschreiben; allein auch diese dürfen offenbar nicht mit dem ergiebigen Maasstab geologischer Zeitabschnitte gemessen werden, wenn wir in den nach Herrn Forel theilweise noch zu Diodor’s Zeiten bewohnten Höhlen der Ligurischen Küste 1) ausser dem daselbst gewiss nicht gehegten Pferd kein einziges Hausthier finden; es weist dieses auf grosse Armuth an Hausthieren im Bereich die- ser wahrscheinlich von Banditen nicht sehr verschiedenen Troglodyien. Die Ent- deckung von Pfahlbauten, Stein- und Bronzegeräthen vorhistorischen Charakters in Italien, auf dem Schauplatz des römischen Lebens, dessen Verbreitung nach der Nordseite der Alpen jedenfalls den äussersten Schlusspunkt des in dieser Arbeit durch- gangenen Zeitalters bildet, verspricht hierüber nicht fernen Aufschluss 2). Wichtiger fast, weil dem Anspruch auf Bezeichnung des Jahrhunderts oder Jahr- _ tausends entzogen, sind die Schlüsse auf die relative Zeitbestimmung für Abschnitte der Thiergeschichte, die der besprochenen Periode der Menschengeschichte voraus- gingen. | Das Pferd, in den neuesten pliocenen Terrains und in den Diluvialhöhlen einer in der Gegenwart nicht mehr vorhandenen Species zugehörig, entspricht schon in den ältesten durch die Anwesenheit des Menschen bezeichneten Lokalitäten, in den Höhlen des Salöve, von Mentone, in der Seeansiedelung von Wangen, unserem heutigen Pferde, und wenn auch bei Untersuchung von Pferdezähnen aus Diluvialkies und Flussbetten die Unterschiede zwischen Equus angustidens und Equus Caballus sich oft fast nur als relative darstellen, so liegt doch, sei es der Austausch der beiden Spe- cies, sei es die Modifikation der ältern in die neuere Form,. eine Veränderung, für welche immerhin sehr grosse Zeiträume vorauszusetzen sind, zwischen den neuesten, vielleicht in den vulkanischen Depots der Auvergne am schärfsten begrenzten Ab- 1) S. oben p. 158. 2) Gastaldi, Cenni su alcune armi ‘di pietra e di Bronzo trovato nell’ Imolese etc. Atti della Soc. Ital. di sc. natur. Vol. II. 3. Febr. 1861. — M — lagerungen von Equus angustidens und der genannten ersten Erscheinung des heu- tigen Pferdes. À Die Vergleichung der Fossilien der Schieferkohle von Dürnten und des auf ihr liegenden diluvialen und glacialen Schuttes mit dem Inhalt des Torfs von Robenhau- sen legt uns ähnliche Thatsachen vor Augen. Die Bildung dieser Torfschicht ist von der Ablagerung der auf gleichem Wege entstandenen und etwa 40 Fuss tiefer liegenden Schieferkohle getrennt durch einen Zeitraum, in. welchem erst eine halb tropische Generation, von Elephant und Nashorn durch andere Arten mit dichterer Bekleidung ersetzt wurde, bis auch diese erloschen oder sich in noch wärmere Gegenden zurückzogen -— nicht vor dem Rennthier und Murmelthier, die an ihre Stelle traten, aber vor dem von allen Seiten vordringenden Gletscher-Eis, dem diese folgten. Alles dieses geschah nicht rasch, wenn wir den heutigen Maasstab von permanenten Dislokationen wilder Thiere anlegen. Und dass auch nach Rückzug des Eises die Anlagerung einer so starken Torfschicht wie in Robenhausen nur sehr allmälig vor sich ging, beweist uns das schwache Wachsthum der Torflager in unsern Alpen. | Nichtsdestoweniger überlebie eine grosse Anzahl von Thierarten diese gewaltige - Veränderung des Klima; den Edelhirsch fanden wir ja schon als Zeitgenossen des Nashorns der Dürntnerkohle, und der Urochs, das Reh, das Rennthier , das Wild- schwein, der Wolf, der F uchs, der Biber, der. Hase waren nachweislich schon Zeit- genossen des durch die Gletscher verdrängten Nashorns. In diese Zeit des Wiederaufbaues der Vegetation fällt auch der Ersatz des Renn- thiers durch das Elenthier, den Wisent und den Ur, und der Einzug der übrigen Thierwelt, die uns in unserem Klima noch umgiebt. Grosse oder vielmehr Verän- | derungen von dem raschen Fortgang, den vielleicht das Vorschreiten der Gletscher haben mochte, fanden seither nicht statt; dies ergiebt sich schon daraus, dass die ältesten Aufzeichnungen des Menschen nur wenige Thiere nennen , welche -nicht noch heute diese Gegenden bewohnten. * | Dennoch dürfen wir die seither erfolgte Entfernung des Elenthiers und des Wi- sent nicht nur dem Einfluss des Menschen zuschreiben; denn mit mit. ihnen ver- schwanden seither aus dem Gebiete der alten Ansiedelungen auch Organismen, welche dem Menschen-Arm ganz entzogen waren; dahin gehört der Rückzug der Legföhre (Pinus. Mughus) in das Gebiet: des ‚ebenfalls aus dem. Bereich..der. Pfahlbauten ge- wichenen Steinbocks und der Gemse, der Rückzug von Nuphar pumilum: und wohl 31 — w42 — auch noch anderer Pflanzen in Climate von geringerer Temperatur; die freilich noch nicht mit der wünschbaren Sicherheit festgestellte Erscheinung des Damhirsches auf der Nordseite der Alpen scheint selbst anzudeuten — auch abgesehen von dem Auf- treten des Löwen in Griechenland in historischer Zeit —, dass von Neuem Thiere vom südlichen Ufer des Mittelmeeres nach Norden vorzudringen begannen. Wir dürfen nicht zweifeln, dass auch unsere Nachfolger dereinst ähnliche all- mälige Veränderungen konstatiren werden, die in unser Dasein fielen. In jene Zeit des Wiedereinzuges einer neuen und theilweise andern Thier- und Pflanzenwelt auf den von den Gletschern verlassenen früheren Schauplatz subtropi- scher Thiere setzten wir auch die Ankunft des Menschen; in seinem Begleit fanden wir von frühester Zeit an den Haushund, die Ziege, das Schaf, den schon gezähmten Urochsen und die Torfkuh. Es wird nicht leicht zu entscheiden sein, ob der Mensch diese Thiere erst bei seiner Ansiedelung auf dem alten Gletscherboden zähmte oder bereits gezähmt mitbrachte. Für die erstere Annahme spricht wenigstens der Umstand, dass gerade das Rind, welches nach der Aussage der Geschichte fast allerorts am frühesten unterworfen wurde, in einer der anfänglich gezähmten, Arten unzweifelhaft in der nun besetzten Gegend wild vorhanden war. Für das etwas später gezähmte Schwein wurde der einheimische Ursprung ebenfalls nachgewiesen. Fraglich und sogar zweifelhaft bleibt dies einstweilen noch für den Hund, das Schaf, und wie mir scheint, in etwas geringerem Maass für die Ziege. Mögen auch immer neue Autochthonen auf europäischem Gebiet aufstehen und immer neue Thier- arten von dem früher ergiebig berechneten Tribut Asiens an den so viel als insu- laren Anhängsel des altweltlichen Continentes abgezogen werden, so bleibt immer noch ein Rest, für dessen Einbürgerung in die Wiege unserer Kultur alle Berech- tigung fehlt. | ! Die Seeanwohner von Wangen und Moosseedorf erscheinen somit noch keines- wegs als wirklich primitive Bevölkerung Europa’s, und ich sehe keinen Grund, warum wir von vornherein an der einstigen Gegenwart einer solchen zweifeln sollten. Die in den letzten Jahren immer häufiger gewordenen, wenn auch vielleicht nicht aller- orts mit der wünschbaren Genauigkeit controllirten Spuren gemeinsamen und angeb- lich primitiven Zusammenliegens von Rhinoceros und Elephant mit Denkmälern ältester menschlicher Kunstfertigkeit wiesen immer nachdrücklicher auf eine solche noch ‚weiter als die Periode der Pfahlbauten zurückliegende Etape der Geschichte des Men- schen auch in Europa. — 43 -- In der Schweiz sind solche Lokalitäten noch nicht) aufgefunden, und..die Natur der Unterlage: der Pfahlbauten , erralisches Terrain, giebt keine Hoffnung , dass wir sie je finden werden. Liegen uns ja gerade in unserem Lande die stärksten und häufigsten Zeugnisse von den Wirkungen vor, welche ‚ein Gletscher. bei seinem Vor- schreiten ausübt und von ‘der Scene, die er. bei seinem Rückzug: hinter sich lässt. Selbst Berichte aus neuesten Zeiten über das Schicksal menschlicher Ansiedelungen von relativ schon solider Konstruktion bei Berührung mit Gletschern; fehlen uns ja kei- neswegs. | Nehmen: wir im Hinblick auf solche Wirkungen die, Katie. des erratischen Gebietes der Schweiz zur Hand, so ‘sehen wir alle grössern: Flussthäler und Seebecken, nach vielfachen Erfahrungen die ersten Strassen und ‚Wohnplätze primitiver Völker, mitten im erratischen Gebiete liegen. Als Lücken, wo Spuren früherer Anwesenheit des Menschen den Riesenarmen der alten Gletscher entzogen bleiben konnten, blei- ben nur unwirthliche Gebirge, gewiss nicht die Stellen frühester Ansiedelungen für Menschen , _ wohl’ aber für. Thiere; eine ‚solche vorglaciäre. Thieransiedelung finden wir ‘in der Höhle am Wildkirchli im- Kanton Appenzell, -wo Reste vom. Höhlenbär und der Gemse zusammenliegen. (S. oben Anm. zu p. 19.) Eine ähnliche Erschei- nung aus weit späterer Epoche, gewiss lange nach der Gletscherzeit, bietet die Bä- renhöhle am Stooss im Muottathal. (S. oben p. 18.) | | | Die Pfahlbauten werden also vermuthlich wohl die älteste Etape der menschlichen Geschichte sein, die in der Schweiz der Untersuchung offen stehen wird, obschon wir sie nicht als die erste betrachten dürfen. Eine neueste Entdeckung, deren Kunde -mir. im Moment zukommt, wo ich diese Ueberzeugung ausspreche , bestätigt dieselbe früher, als ich erwarten durfte und bringt die bisher immer noch vielfachen Zweifeln zugänglich gebliebene Thatsache des Zusammenlebens des Menschen mit Nashorn und Elephant in Europa zu einer nicht mehr zu bestreitenden Gewissheit. Siebenzehn wohlerhaltene menschliche Ske- lete wurden bei Aurignac (Haute-Garonne) in einer Groite aufgedeckt, mit einer Anzahl von Knochen des Mammuth und des gleichaltrigen Nashorns und vieler an- derer Thiere, welche nach derselben Art wie in unsern Pfahlbauten zu Gewinnung des Markes von Menschenhand geöffnet waren und auch deutlich die nachträglichen Zahnspuren von Raubthieren an sich trugen, allein nicht, wie bei uns vom Wolf und Fuchs, sondern von dem Höhlenliger und der Höhlenhyäne, deren Knochen ebenfalls reichlich herumlagen. Auch andere Thiere, welche wir schon oben als Vorläufer, Bes : — Zeugen und Nachfolger der Gletscherzeit nannten, der Urochs, das Rennthier, der Edelhirsch und der irische Riesenhirsch, der Dachs, Wolf, Fuchs, das Reh fehlten nicht. | Es wird von grossem Interesse sein, zu erfahren, ob auch Hausthiere und wel- cher Art damit zusammenlagen. Einstweilen werden Pferd und Esel genannt, allein noch ohne nähere Angabe, ob in den zahmen Species. Dagegen vermisste man bis jetzt den Hund durchaus 1). Ob wir auch in dieser neuesten Erscheinung in Aurignac mit Recht — trotz der so mannigfachen Lehren, die uns die Geschichte der Paläontologie und der Geologie vorhält: — das erste Auftreten des Menschen in Europa erkennen, wird die Zukunft lehren. Immerhin zeigt es sich je mehr und mehr, dass das Niederreissen der Schranken, welche die erste Hälfte dieses Jahrhunderts zwischen einer Vorzeit und einer Jetztzeit errichtet hat, berechtigt war, und dass die horizontalen Verschiebungen der Organismen einen weit richtigeren Maassstab zur Beurtheilung ihrer Geschichte darbieten, als die einem einfachen und nur selten gewaltsam gestörten, und auch dann in seinen Wirkungen leichter berechenbaren Gesetz folgenden vertikalen Wechsel. A 1) Lartet, Société Philomatique de Paris, Seance du 18 mai 1861. Erklärung der Tafeln. (Alle Figuren sind in natürlicher Grösse gezeichnet.) Tab. I. Fig. 1. Sus Scrofa palustris. Fem. Unterkiefer mit Milchgebiss. Moose » » » » im erwachsenen Alter. Wangen. » Bi » » in hohem Alter. » ferus. Masc. Unterkiefer. Robenhausen. » » » .. ‚Mol. 3. inf. sin.. Moosseedorf. » . palustris. Fem. Unterkiefer. (Derselbe wie in Fig. 2. Tab. 1.) Wangen. » ferus. Fem. Linke untere Backzahnreihe. Moosseedorf. » » » Rechte obere Backzahnreihe. i Untere linke M. 2. 3. » » » Torfschwein. Masc. Mol. 2. 3. super. sin. Wildschwein. Masc. Mol. 3. super. sin. Robenhausen. Bos primigenius. Die drei ersten Halswirbel. Moosseedorf. Tab. II. Fig. Tab. IV. Fig. FF Pv.poBbeonHS Y Wildschwein. ee Wauwyl. 5 Atlas von oben. Moosseedorf. » » » unten. » b Rechter Astragalus, von vorn. 62 Linkes Scapho-cuboideum, von oben. Moosseedorf. » Zweiter und dritter Lendenwirbel. (p. Parapophyse, m. Metapoph., z. Zygapoph.) » Unterkiefer, rechter horizontaler Ast. Moosseedorf. » Molaren desselben von oben. Moosseedorf. | Robenhausen. Torfkuh (Brachyceros-Race). Linke Stirnhälfte. Moosseedorf. Obere rechte Molaren vom Rind (Primigenius-Race?). Moosseedorf. a a a aa a Moosseedorf. Moosseedorf. Fem. Unterkiefer. Robenhausen. (Die Zeichnung ist etwas zu klein ausgefallen, wie die Vergleichung mit den Angaben p- #41 und 44 ergiebt.) Robenhausen. Masc. Alveole des rechten obern Eckzahns. Fem. Rechter Oberkiefer. Robenhausen, Masc. Linker » » Fem. Rechter » » — 4 — Tab. VI. Fig. 6. Torfschwein. Fem. Linker Oberkiefer. Robenhausen. ya E ee Masc. Rechter » Moosseedorf. DER: » » D » » 9. Wildschwein. Fem. Rechter unterer Eckzahn. Moosseedorf. 10. Torfschwein. Fem. Linker unterer Eckzahn. Wauwyl. Holzsehnitte im Text. Pag. 117. 148. Hund des Steinalters. Meilen. 194. Schaf aus dem Oberland von Graubünden. 137. 138. Zahmes Rind. Trochoceros-Race. Concise. 202. 204. ER Primigenius-Race. Recent. Bujadning. » 205. 206. » Brachyceros-Race. » Uri. » 209. 210. » Frontosus-Race. Saanen. Einleitung Vertheilung der Knochen nach Thierarten. Erhaltungsart u. Beschaffenheit d. Knochen Paläontologie. Erste Abtheilung. Wilde Thiere. Bär . Dachs Steinmarder Baummarder . Iltis . Hermelin . Fischotter Wolf Fuchs . Katze Igel . Eichhorn . Waldmaus Hase Biber : Wildschwein . 3 A. Sus Scrofa ferus . raia Osteologische Merkmale wilder Thiere Schädelmaasse vom Wildschwein B. Sus- Scrofa palustris Gebiss . Molaren Prämolaren Eckzähne . Schneidezähne. Geschlechtsunterschiede. 18 19 20 20 21 21 21 22 22 23 23 24 24 24 24 26 28 28 31 33 34 34 37 39 40 Oberkiefer Unterkiefer . e 43 Geschlechtsunterschiede. . . 44 Allgemeine Geschlechtsunterschiede = am Schwein. 46 Ob wild oder gezähmt ? 51 Beziehung zu recenten Arten 53 Beziehung zu fossilen Arten 54 Edelhirsch 56 Ben, e. 61 Damhirsch 62 Elenthier 63 Steinbock 66 Gemse 67 Wisent «+ >- ach ’ . Horan tT Ur (Bos primigenius) und. Wisent (Bos Bi- son) nebst Bos Taurus und indicus. 70 Unterkiefer 73 Gebiss 75 Atlas. . 77 Zweiter Halswirbel . 31 Dritter und fernere Halswirbel 84 Rückenwirbel . 86 Lendenwirbel . 90 Heiligbein 92 Oberarm . 94 Vorderarm 96 Handwurzel . 98 Oberschenkel . . 401 Schienbein 102 Fusswurzel 103 Phalangen Er ir 105 Uebersicht über die Säugethiere. ng nn ne Vocel- uy o a Reptilien und Fische Zweite Abtheilung. Hd AA a a Schwein . Pferd Ziege Schaf Rind. Gebiss Skelet : comde ooa a a I. Trochoceros-Race II. Primigenius-Race II. Brachyceros-Race Fernere zahme Racen. Menso o o A er i Schädel aus Meilen etc. von Prof. His | Geschichte. Historische Veränderungen der Fauna des - Steinalters. 1) Vom Steinalter bis auf die historische Periode. e Abbeville Mentone . Villeneuve -> S } 4 3 : 6 Uebersicht der Hausthiere des Steinalters . Morges q Zune a dead Kleines Hauschwein Rolle z E A Nidau-Steinberg . 2%. he a l oa a ai Chevroux š i Pe ’ 5 1 Cortaillod, Auvernier, Bevaix, Corcelette, Echallens . a A í h Neuveville x Kleines Hausschwein . Vorburg, Courfaivre 2) Historische Periode. Engewald (kleines Hausschwein) Augusta Rauracorum . e = Bougi, Puidoux, Vidi, Chésaux . Noville . ; Chavannes sur le Veyron Kleines Hausschwein Echallens Montet Steckborn 3) Gegenwart. Schwein . Siamschwein Grossohrige Race Berkshire-Race Graubündner-Race. Schädelmessungen . Messungen des Gebisses Osteolog. Eintheilung d. zahmen Racen en E AEE OAS LE RU Graubündner-Race . Rind i 1e 4. Primigenius-Race 2. Brachyceros-Race 3. Frontosus-Race . i Schädelmessungen . i 2 d d Landwirthschaftliche Unterscheidungen in der Schweiz = =- ; In Deutschland und Frankréich Englische kacon . < agi Stammarten des zahmen Rindes Flora der Pfahlbauten von Dr. Christ Rückblick ee a EHRT PAN Lith..G. Wolf in Basel. C Wolf u Basel. el. Bad z No Tn > Luihn G TER IN R Aiai Ha Tr An it “i N a i Patan i Ai e ji 4 ty na TA r, if nun In 9 q ii i f ul, a Pa j AT RR un al seii ge ni inini ir $ i fir p pm pan H RR 1 BUBEN NR) Aranora vi i N mir TANIN aotit ng f i Hin h u Ar ty T y RK annt Ar IHR dni i } FH AN ni HN IH nimiin n r iA IR HUHN Ha ! 1 f gi f In in! 1r ariy i i yi ! Ha f yir URR i pataan i ii Hi LEN pipi AN 1 i i Ar I N A nu j in i 1 u i f f ap inf Hr i; Hn Hi ni Hh Happy Piai n pnp Apa Hi A Ai $ ir, HAHN ME HUH A Ha ETA ni a iy ijd EN