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l. Jahrgang April-Mai-Juni 1927 Heft 7-8-9 UNITS III HT IT TE TH IT ITTITTTIT TITTEN TTETTTTTTTT III IT ERITTT TRITT TTTTTTTTITLITTTLTETTTL TEILT IT

Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik

Herausgeber: Dr. Heinrich Meng, Arzt in Stuttgart und Univ.-Prof. Dr. Ernst Schneider in Riga

Sonderheft:

Sexuelle Aufklärung

Aus dem Inhalt: Bernfeld: Über sexuelle Aufklärung / Hitschmann: Eine natürliche Schwierigkeit der Aufklärung / Schneider: Zur Sexual- forschung des Kindes / Landauer: Die Zurückweisung der Aufklärung durch das Kind / Graber: Zeugung und Geburt in der Vorstellung des Kindes / Zulliger: Eltern, Schule und sexuelle Aufklärung / Liertz:

Über kindliche Aufklärung / Wolffheim: Vom Gegensatz der Gene-

rationen / Friedjung: Die sexuelle Aufklärung und die Erwachsenen / Reich: Eltern als Erzieher: Die Stellung der Eltern zur kindlichen Önanie / Hollös: Ein Fall von Schlaflosigkeit bei einem achtein- halbjährigen Kinde / Gespräche mit einem Knaben / Berichte usw.

NN Verlag der Zeitschrift für psychoanalytishe Pädagogik | Wien, VII, Andreasgasse 3 |

| Prof. Schneider, Geltungsbereich der Psychoanalyse |

e Der Kastrationskomplex beim Kinde Zulliger, Ein

Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik

12 Hefte jährlich (Der Jahrgang beginnt im Oktober)

Abonnement auf das Il. Halbjahr (Heft 7-9, Apr. bis Sept. 1927) M. 5°- (schweiz. Frk. 625) Preis dieses dreifachen Heftes M. 250 (schweiz. Frk. 3'20)

Alle geschäftlichen Zuschriften sind zu richten an den „Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik“ Wien, VI, Andreasgasse 3, alle für die Schriftleitung bestimmten Zuschriften, Manuskripte, Rezensionsexemplare an

Dr. med. Heinrich Meng, Stuttgart, Sonnenbergstraße OD, oder an

Univ.-Prof. Dr. Ernst s chnei de er, Absias en PERE M, wann

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| Die früher erschienenen Hefte 1—6 der

OSLO für psychoanalytische Pädagogik

| enthielten u. a. folgende Beiträge:

für die Pädagogik Zulliger, Über das kindliche Ge- wissen Nunberg, Traum eines sechsjährigen Mädchens Härnik, Therapeutische Kinderanalyye Jakoby, Muß es Unmusikalische geben? Wittels, Die Trieb- haftigkeit des Kindes Liertz, Über das Traumleben Furrer, Trotzneurose eines fünfzehnjährigen Mädchens Meng, Gespräche mit einer Mutter Prof. Baudouin,

Mädchenstreit und seine tieferen Ursachen Hermann, Die Begabung im Lichte der Psychoanalyse Giese, Psychoanalyse im Fabrikbetrieb Prof. Scheider, Die Zukunftsbedeutung Pestalozzis Bernfeld, Der Irrtum des Pestalozzi Prof. Baudouin, Von Pestalozzi zu | Tolstoi Hofmann, Pestalozzi und die Psychoanalyse | Zulliger, Geständnisangt und Geständniszwang bei Kindern Prof. Schneider, Über sachliche und unsach- liche Erziehung Reik, Psychoanalyse und Mythos | Hackländer, Ärzte und Lehrer über ScHulerselbsLmörde | usw. | Preis des I. Halbjahrganges (Heft 1—6) M. 5°— (schweiz. Frk. 6°25) | (solange der Vorrat reicht) |

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Das he Heft Ar. Ph eriheint am 15. Juli

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Wien L Börsegasse 11

HEFT 7-8-9 DER „ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOANALYTISCHE PÄDAGOGIK“ IST

ALS SONDERHEFT

HERRN PROFESSOR SIGMUND FREUD

ZUM 6. MAI 1927 DEM 71 GEBURTSTAG

VON DEN MITARBEITERN DEN SCHRIFTLEITERN UND DEM VERLAG

IN DANKBARKEIT GEWIDMET

Stuttgart-Wien, 6. Mai 1927.

Mitteilung an die Leser

Durch Vereinbarungen des H ippokrates-Verlags, Stuttgart” Berlin-Zürich, des ‚Verlages der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik’ -Wien und der Schriftleitung der Zeitschrift für Psychoanalytische Pädagogik”, geht die Zeitschrift mit Begınn des 2. Halbjahres in den „Verlag der Zeitschrift für psycho- analytische Pädagogik”, Wien, V. II., Andreasgasse 3, über.

Die Schriftleitung dankt dem Hippokrates-Verlag für seine opfervolle Arbeit ım Dienste der Ideen unserer Zeitschrift.

Wir bitten die Leser und Mitarbeiter, dem neuen Verlag das gleiche Vertrauen entgegenzubringen wie dem alten. Für den Ausbau und die Verbreitung der Zeitschrift ist es sehr erwünscht, daß die psychoanalytisch interessierten Eltern, Er- zieher, Lehrer und Ärzte von unseren Lesern auf das Erscheinen der Zeitschrift aufmerksam gemacht werden. Der Verlag ist für alle Anregungen, wie die Zeitschrift gefördert werden kann, dank- bar, die Schriftleitung für jeden Vorschlag zum weiteren Ausbau der Zeitschrift. |

Hippokrates-Verlag, Stuttgart-Berlin-Zürich, Dr. Lohmeyer

Schriftleitung der „Zeitschrift für psychoanalytische

Pädagogik’, Dr. Heinrich Meng in Stuttgart, Prof. Dr. Ernst

Schneider in Riga

„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Päda- gogik”, A.J. Storfer, Wien VIL, Andreasgasse 3

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Über sexuelle Auf klärung Von Dr. Siegfried Bernfeld, Berlin

Ob man Kindern aufrichtige Mitteilungen über die sexuellen Tatsachen machen solle; wann damit anzufangen sei und wie die Mitteilung gestaltet werden sollte, in diesen Fragen hat sich in den letzten Jahren ein sehr bemerkenswerter Wandel des Standpunktes vollzogen. So verschieden die Begründungen sind, deren sich die einzelnen Erzieher zur Recht- fertigung bedienen, so sehr die Methoden der verschiedenen Aufklärer von einander abweichen mögen, im wesentlichen dürften alle modernen Erzieher darin einig sein: das Storchmärchen muß abgeschafft werden. Ein Grund für diese Wandlung ist gewiß, daß in den vergangenen Jahren die Sexualität des Kindes nicht zuletzt ist dies ein Verdienst Freuds und seiner Schule tiefer erforscht und allgemeiner, vorurteilsfreier erkannt wurde. Gekannt hat man sie ja immer. Daß es ein Storchmärchen überhaupt gibt, beweist, daß man schon immer bemerkt hatte, wie die Kinder in einem sehr frühen Alter für Fragen, die sexuellen Inhalts sind, Interesse zeigen, und zwar ein Interesse, das nicht zufällig und nebensächlich ist; denn es erwies sich als unstillbar durch Antworten, wie etwa die wäre: „Wenn du größer sein wirst, wirst du die Sache verstehen.“ Die Kinder forderten hartnäckig eine Antwort, und daher erfand man ihnen das Märchen. Die Wahrheit mochte man nicht sagen, angeblich, weil sie die Kinder nicht verstünden, Aber man hatte die Probe gar nicht gemacht. Verstünden die Kinder die Wahrheit nicht, so könnte man sie ihnen getrost sagen; dann würden sie von selbst einsehen, daß hier ein Problem vorliegt, das für sie erst später reif wird. Man verschwieg die Wahrheit, weil man wußte, die Kinder würden sie verstehen, und eben dies verhindern wollte.

Die neuen Erzieher wollen diese Verheimlichung nicht mehr, und zwar, wie mir scheint, aus zwei Gründen. Erstens haben sie die Erfahrung gemacht, daß die Verheimlichung schädlich und überdies gar nicht mög- lich ist; zweitens, weil der allgemeine Wesenszug der neuen Pädagogik als Aufrichtigkeit vor sich selbst und vor dem Kinde zu bezeichnen ist. Ich glaube, sie haben völlig recht, sich so zu verhalten. Aber wie es so zu sein pflegt mit allen menschlichen Dingen nicht wenige der neuen Erzieher meinen, mit der sexuellen Aufklärung eine weiß Gott wie

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wichtige Neuerung eingeführt zu haben, hoffen, mit ihr ungeheueren Nutzen zu stiften, einige haben sogar den Glauben, mit dieser Frage das Zentrum pädagogischer Probleme berührt und mit ihrer Lösung den Schlüssel zum Aufbau einer neuen Menschheitsgeneration gefunden zu haben. Es sei mir gestattet, kurz anzudeuten, warum ich dies alles nicht mitglaube, und wie solcher Glaube nicht unschädlich für die Pädagogik ist.

Man kann gelegentlich bei der Psychoanalyse von Kindern und Adoles- zenten die erstaunliche Erfahrung machen, daß sie Neurosen oder neuro- tische Züge und dissoziales Verhalten aufweisen, obgleich sie regelrecht, und zwar sehr frühzeitig und geschickt, von den Eltern aufgeklärt wurden. Das beweist freilich höchstens, daß die sexuelle Aufklärung allein nicht jede infantile Entwicklungsstörung verhindern muß, und kein Vernünftiger wird die Aufklärung so sehr überschätzt haben. Aber, und das ist das Verwunderliche, diese vollaufgeklärten Kinder benehmen sich in ihrem Leben und in der Analyse, als hätte die Aufklärung nie stattgefunden. Sie haben die Aufklärung in keiner Weise zur Kenntnis genommen. Ich hatte Gelegenheit, in zwei Fällen festzustellen, daß die Ablehnung der Aufklärung nicht sofort geschah, sondern erst einige Monate später. Und in einem Fall war auch ein Motiv für diese Ablehnung zu erkennen, Dieses Kind (Mädchen) erhielt auf seine Fragen mit drei Jahren von der Mutter alle nötige Auskunft und hat sie sehr wohl verstanden; denn als die Mutter sagte: „Dein Geschwisterchen wächst eben in meinem Bauche“, erwiderte die Kleine sehr lebhaft: Bitte, Mami, in meinem! Und mehrfach bewies sie durch Bemerkungen, daß sie die Sache voll verstanden hatte, Nach einem Jahr war alles völlig vergessen; als man ihr die Aufklärung neuerlich geben wollte, nahm sie keine Notiz davon und wollte in Zukunft nichts mehr davon hören, sondern benahm sich überaus prüde. Sie war nämlich bitter enttäuscht worden, da ihre Bitte nicht erfüllt worden war; das Schwesterchen war nun einmal nicht in ihr gewachsen. Sie hatte in der Zwischenzeit noch ein anderes Trauma erlitten: eine Öperation in Narkose. Aber der Raum gestattet nicht, den Fall ausführlich zu beschreiben, Hier genüge die Erkenntnis: die Aufklärung kann auch ver- drängt werden.

Und wahrscheinlich ist dies sogar in einem gewissen Sinne immer der Fall. Freud hat uns gelehrt, daß die Kinder in frühem Alter sich ihre eigenen Theorien über den Unterschied der Geschlechter und über die Herkunft der Kinder machen. Leicht möglich, daß sie dabei auch von vererbten Dispositionen geleitet werden. Im großen und ganzen leisten sie damit aber eigene und wichtige Forscherarbeit. Sie gehen von den Daten aus, die ihnen ihre Erfahrung bietet, und ziehen daraus ihre Schlüsse, und zwar in ihrer, freilich kindlichen, eigenen Logik. So ver- schiedenartig die persönlichen Erfahrungen sein können, so verschieden sind die Theorien. Einige Voraussetzungen fehlen den Kindern aber bej dieser Forscherarbeit, die Schlüsse sind daher in manchen charakteristischen

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Punkten mit der Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung. So fehlt den Kindern ganz allgemein die Vorstellung der Vagina. Man mag sie noch so richtig aufklären, dies Stück werden sie nicht annehmen, sondern bei der Theorie bleiben, die sie sich vorher bildeten: das Baby komme beim Mund, After, Nabel usw. heraus. Sie ziehen die Konsequenzen mit kind- licher Logik. Diese steht aber noch völlig unter dem Bann der Wünsche,

hat sich von ihnen noch nicht befreit, wie die der Erwachsenen. Daher.

lehnen die Kinder oft ein Stück der Aufklärung ab, weil es ihren Wünschen weniger entspricht, als ihre eigene Theorie. So ist es z.B. oft der Fall bei den Knaben, die es absolut nicht wahr haben wollen, daß nur der Frau Kinder gegönnt sein sollen.

Was folgt daraus? Etwas sehr Einfaches und Selbstverständliches, das der Erzieher selbst aber nur ungern für wahr anerkennen möchte: daß die Aufklärung wie jede Erziehungsmaßnahme fast nie das erreicht, was sie anstrebt, sondern bestenfalls ein Kompromiß zwischen den Tendenzen des Erziehers und den Trieben der Kinder. Freilich sind die Kinder in der Mehrzahl zu gut erzogen; sie wagen es gar nicht, uns nicht zu glauben. Sie glauben uns, wenn wir ihnen das Storchmärchen erzählen, sie glauben uns, wenn wir ihnen die Wahrheit medizinisch korrekt erzählen, nämlich mit ihrem Bewußtsein, in ihrem Unbewußten glauben sie uns in beiden Fällen nicht, sondern ausschließlich ihren eigenen Erfahrungen und Wünschen.

Jene Theorien bilden die Kinder gewöhnlich im dritten, vierten Lebens- jahre; das ist auch die Zeit, in der sie meistens zu fragen beginnen. Daß die Aufklärung, soll sie überhaupt einen Nutzen haben, auch so früh beginnen muß, ist selbstverständlich. Und trotzdem darf man sagen, sie komme immer zu spät. Denn das Kind fragt erst, wenigstens nachdrück- lich und mit wirklichem Interesse, wenn es sich eine Theorie gebildet hat und ihm eine neue Schwierigkeit auftaucht, oder wenn es Bestätigungen sucht. Daß man aber das Interesse der Kinder abwarten muß, ist eine wohlbegründete pädagogische Maxime. Die großen intellektuellen Probleme, die Entwicklung von Wißbegier und Forscherdrang, die ihm gerade die Sexualfragen bieten, kann man dem Kind nicht ersparen. Wohl aber kann man ihm ersparen, daß sein Intellekt gebrochen wird, indem es an die mit erwachsener Autorität vorgebrachten Märchen bewußt glauben muß, indessen es die ganze Sache selbständig forschend der Wahrheit bereits näher gebracht hat und nun gezwungen ist, sein Wissen ins Unbewußte zu verdrängen,

Die Erleichterung der intellektuellen Konflikte ist Nutzen genug, den die Aufklärung leistet. Sie ist aber keineswegs die Lösung aller Konflikte, die mit diesem Thema sich für das Kind verbinden. Wir sehen das Kind zu sehr als Intellektwesen und viel zu wenig als das Trieb- und Sinnes- wesen, das es wirklich ist. Ursprünglich ist das Interesse des Kindes nicht:

zu wissen, sondern: zu sehen und zu tun. Seine Frage: Woher kommen

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die Kinder? ist oft das Resultat langer gescheiterter Bemühungen, selbst Kinder zu kriegen. Und dieser Wunsch bleibt triebhaft und unbefriedigt bestehen, auch wenn er intellektuell befriedigt ist. Nun will es das alles, was ihm erklärt wurde, auch sehen, und würde man ihm etwa auch dies aus unverstandener Kinderpsychologie erfüllen, so würde es not- wendigerweise ebenso unbefriedigt bleiben und würde nun alles tun wollen. Es muß ein großes Maß seiner Triebe unbefriedigt lassen, auf jeden Fall. Und aus diesem Zwange erwachsen jene Konflikte, die, so entwicklungsnotwendig sie sind, doch nicht abzusehende Schwierigkeiten und zuweilen auch Entgleisungen zur Folge haben. Neurose und Dis- sozialität sind bloß zwei Formen dafür. Der Drang zu tun, muß lernen, sich zum Teil durch bloßes Wissen zu befriedigen. Nicht immer gelingt dies; wir haben keine Mittel, es zu erzwingen. Die sexuelle Aufklärung ist dieses Mittel gewiß nicht. Aber sie verhindert wenigstens nicht gewalt- sam diese Verwandlung des Triebes, seine Sublimierung in Wißbesgier.

Noch manche Überlegung ließe sich anstellen, manche Erfahrung heranziehen, aus denen sich immer wieder zeigen würde, daß die wissen- schaftliche Prüfung der sexuellen Aufklärung ihre Bedeutung und Wirk- samkeit einschränkt, sie als viel geringer nachweist, als die Pädagogen ver- meinen. Nebenbei gesagt, ist das die hauptsächlichste Funktion der Wissen- schaft in der Pädagogik, deren weit über die Erfahrung hinausgehenden Wünsche und Hoffnungen auf ein wesentlich reduziertes Maß einzu- schränken. Der wirkliche Wert der Aufklärung ist wahrscheinlich ein negativer: sie schädigt nicht, während die Methode, wenn man das überhaupt eine Methode nennen will, die Kinder zu belügen, sehr oft einen sicheren Schaden herbeiführt. Darüber hinaus aber wirkt sie kaum, gewiß nicht als Schlüssel zu zentralen Problemen der Erziehung.

Ich möchte nicht mißverstanden werden. Ja, die Kinder sollen, so früh sie nur wollen, die Wahrheit von ihren Eltern und Erziehern erfahren. Nur soll man das nicht in der Überzeugung tun, dadurch etwas unver- gleichlich Wichtiges für die Erziehung getan zu haben. Man soll es selbst- verständlich tun. Man belügt doch niemanden, oder wenn man dazu genötigt sein sollte, so wird man doch nicht hoffen, für die Lüge besonderes Lob zu verdienen. Am wenigsten wird man Kinder belügen wollen. Der Verkehr mit ihnen ist schwierig genug; man kann es auf keine Weise rechtfertigen, wenn man durch Lügen die Atmosphäre trübt und sich so um wichtige Wirkungsmöglichkeiten bringt. Wer nicht dogmatisch ist, wird zwar zugeben, daß Situationen denkbar sind, in denen eine Unaufrichtigkeit dem Kind gegenüber am Platz ist. Aber man wird einen Fall erst nach genauer Überlegung, nur wenn die Nützlichkeit des Verfahrens außer Zweifel steht, so beurteilen. Die Fragen der Kinder nach dem Woher und Wie der Babys gehören ganz gewiß nicht in diese Kategorie. Die sexuelle Aufklärung ist kein besonderer Kunstgriff, keine eigene Methode mit ihren eigenen guten Folgen und Hoffnungen, sondern

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ausschließlich Bestandteil, eine konkrete Bewährung des selbstverständlichen Prinzips der allgemeinen Achtung des Kindes und der sich daraus ergebenden Aufrichtigkeit ihm gegenüber.

Und bloß in solchem Zusammenhang hat die Aufklärung jenen ein- geschränkten Wert, den man ihr auf Grund des heutigen Standes wissen- schaftlicher Erfahrung zusprechen kann. Wenn man in der pädagogischen Literatur die begeisterten Lobpreisungen der Aufklärung liest und zugleich erfährt, daß dieses gepriesene Verfahren im vierzehnten Jahre angewendet und verknüpft werden soll mit erbaulichen Ermahnungen über den sitt- lichen Ernst der Sexualfrage und mit Warnungen vor Ausschweifungen und geschlechtlicher Ansteckung, dann vermeint man die übertriebene Begeisterung zu verstehen. Denn die Anweisung, wie man und wann man Kindern Mitteilung über die Sexualvorgänge machen soll, scheint doch eine so sachliche Angelegenheit, so sehr eine Frage der Erfahrung, des Abwägens, des Für und Wider, zu sein, daß man schwer begreift, was die Fanfaren dabei sollen. Diese müssen doch die Aufmerksamkeit von der Hauptsache ablenken. Aber dies scheint gerade die Absicht zu sein. Indem man eifrig für die sexuelle Aufklärung eintritt, sich und der Menschheit tausend Nutzen von ihr verspricht, hat man der modernen Strömung genug getan, und kann alles übrige lassen, wie es ist. Alles übrige: die eigene Stellung zur Sexualität, die „Komplexe“ des eigenen Unbewußten und die gesamte Sexualerziehung braucht man nicht zu revidieren und mit Aufwand seelischer Arbeit neu zu gestalten. Die „sexuelle Aufklärung“ erspart diese Arbeitsleistung, man ist also mit Recht von ihr begeistert.

Vielleicht gilt etwas ähnliches oft dort, wo die Pädagogik mit leiden- schaftlichem Enthusiasmus Methoden bekämpft und verteidigt und ganz große Versprechungen macht. Da heißt es mißtrauisch sein; denn die Erziehung ist eine schwierige, sachliche Angelegenheit. Die Hoffnungen müssen immer an den Erfahrungen erst geprüft werden, ein Verfahren, das allein den Namen wissenschaftlicher Erziehung verdient.

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Fine natürliche Schwierigkeit der Aufklärung Von Dr. med. Eduard Hitschmann, Wien

Wenn Vertreter der psychoanalytischen Wissenschaft aufgefordert werden, zu Fragen der Erziehung oder sexuellen Aufklärung endgültig Stellung zu nehmen, so tun sie dies meist nur zögernd. Freud hat einmal deutlich genug erklärt, er sei Forscher, nicht Reformer.

Uns scheint es so schwierig, zu sagen, was sein soll, da wir doch

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erst daran sind, festzustellen, was ist. Erst wenn die unbewußten Triebkräfte sämtlich erforscht sind, welche die menschliche Seele heimlich bewegen, kann endgültig vorgeschlagen werden, wie bewußt zu erziehen wäre, z. B. wie Schäden der sexuellen Entwicklung verhütet werden könnten. Aus vielen individuellpsychologischen Erfahrungen heraus kann dann erst ein genereller Standpunkt gefunden werden.

Vorerst müssen wir wissen, was in der kindlichen Psyche vorgeht, ehe wir darangehen, ihr Richtung und Weisung zu geben. Die Freud sche Tiefenpsychologie zeigt die unbewußten, vom individuellen Erleben, aber auch vom phylogenetischen Erbe beeinflußten latenten Kräfte am Werk und verfolgt sie bis zu ihrem Ursprung. Ein Beispiel hiefür ist unser Thema.

Die psychoanalytische Forschung der letzten Jahre hat in der mensch- lichen Psyche einen überaus bedeutsamen, für gewöhnlich unbewußten Gedanken- und Gefühlskomplex aufgepfürt und mit dem Namen Kastrationskomplex bezeichnet. Durch Befunde bei Neurosen auf- merksam gemacht, und Beweismaterial aus der wissenschaftlichen Traum- deutung und aus der Mythologie herbeiholend, fand die Forschung durch intensive Beschäftigung mit der kindlichen Seele folgende Tatsachen:

Die kleinen Knaben über die entsprechenden Vorgänge beim kleinen Mädchen fehlt uns z. T. die Einsicht nehmen sicherlich den äußeren Unterschied von Männern und Frauen wahr, aber sie haben zunächst keinen Anlaß, ihn mit einer Verschiedenheit ihrer Genitalien zusammenzubringen. Es ist dem kleinen Knaben natürlich, ein ähnliches Genitale, wie er es selbst besitzt, bei allen anderen Lebewesen, Menschen und Tieren, vorauszusetzen; ja wir wissen, daß er auch an unbelebten Dingen nach einem seinem Gliede analogen Gebilde forscht. Im Laufe dieser Untersuchungen gelangt das Kind wir folgen hier der Darstellung Freuds zur Entdeckung, daß der Penis nicht ein Gemeingut aller ihm ähnlichen Wesen sei. Der zufällige Anblick der Genitalien einer kleinen Schwester oder Gespielin gibt hiezu den Anstoß; scharfsinnige Kinder haben schon vorher aus ihren Wahrnehmungen beim Urinieren der Mädchen, weil sie eine andere Stellung sehen und ein anderes Geräusch hören, den Verdacht geschöpft, daß hier etwas anders sei, und dann versucht, solche Beobachtungen in aufklärender Weise zu wiederholen. Auf die ersten Eindrücke des Penismangels reagieren sie mit der Annahme, er sei noch klein, werde erst wachsen, und kommen dann langsam zu dem affektiv bedeutsamen Schluß, er sei doch wenigstens vorhanden gewesen und dann weggenommen worden. Der Penismangel wird als Ergebnis einer Kastration erfaßt, und das Kind steht nun vor der Aufgabe, sich mit der Beziehung der Kastration zu seiner eigenen Person auseinander- zusetzen. Für den Knaben gibt es zwei Wege: Der gesund Veranlagte und nicht Eingeschüchterte freut sich stolz seiner Männlichkeit; Knaben hingegen, die zu mehr oder weniger berechtigten Schuldgefühlen (Onanie) neigen, tragen Angst um ihr Glied und später den Charakter oft ungünstig

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beeinflussende hypochondrische und Minderwertigkeitsgefühle davon. Die endliche Überzeugung von der Penislosigkeit des weiblichen Wesens führt zu Herabwürdigung des Weibes, Grauen vor ihm und allenfalls zur Disposition zur Homosexualität. Die kleinen Mädchen fühlen sich, wie die psycho- analytische Beobachtung lehrt, dem männlichen Geschlecht gegenüber durch den Minderbesitz der (äußeren) Genitalien ben achteiligt. Unfähig, eine primäre Benachteiligung seiner Person anzuerkennen, bildet das Mädchen, wie wir oft feststellen können, die Vorstellung: „Ich habe ursprünglich ein Glied wie die Knaben gehabt, aber es ist mir genommen worden“ (Abraham). In dem eifersüchtigen Mädchen werden nun zwei Reaktionen ausgelöst: Mit dem Antrieb, dem Knaben jenen Besitz zu nehmen, verbindet sich ein feindseliges Gefühl gegen den Bevorzugten. Die Vereinigung beider Reaktionen tritt uns als Neid und Eifersucht entgegen. Viele weibliche Personen, kindlichen oder reiferen Alters, leiden zeitweise oder dauernd unter der Tatsache, daß sie weiblich geboren sind; wir werden uns nicht wundern, bei ihnen den Wunsch, männlich zu sein, auf- zufinden. Eine große Reihe von Charakter- und Neurosentypen entspringen aus diesen Wurzeln. In Träumen und Wunschphantasien findet der Psycho- analytiker nicht selten, daß das Weib sich in die beglückende Wunsch- erfüllung versetzt hat, männlich gebaut zu sein oder männlich zu funktionieren. Ein anderer Typus neurotischer Frauen kann als Rache- typus bezeichnet werden; hier finden wir Phantasien, den Mann zu verstümmeln.

Für eine sehr häufige und überaus bedeutsame Krankheit, nämlich die Geschlechtskälte (Frigidität) der Frau, liegt die Wurzel vorzugsweise in den psychologischen Folgen dieser scheinbaren Zurücksetzung durch die Natur. Die unbewußten Tendenzen, den Mann zu enttäuschen, ihm nicht in passiver Funktion, als Weib zu dienen, sind die häufigsten seelischen Ursachen der weiblichen Geschlechtskälte. Viele ehrgeizige Bestrebungen bei Mädchen und Frauen, dem Manne gleichzukommen, sich von den weiblichen Beschränkungen zu emanzipieren, auch das Verweigern, Kinder auszutragen, nehmen aus dem weiblichen Kastrationskomplex ihren Ursprung.

Dies alles, weil die kindliche Forschung das weibliche Genitale nicht entdeckt. Der Knabe hat dort etwas, das Mädchen „nichts“. Die meisten Kinder nehmen an, daß das im Leibe (Darm) der Mutter aus- getragene, zu gebärende Kind durch den Darmausgang geboren wird. Daß der weibliche Körper in seinem Inneren ein ebenso kunstvolles, mit allem Raffinement zur Erzeugung der Wollust ausgestattetes Organ besitzt, wie der männliche, bleibt dem kleinen Mädchen wie der frigiden Frau für immer unbekannt. Diese Tatsache erscheint, wie wir gezeigt haben, von einer so ungeheuren Bedeutung, daß die Anhänger einer sexuellen Aufklärung von hier aus ein gewichtiges Argument ableiten müssen; wer sich aber praktisch um diese Aufklärung bemüht, findet sich nicht belohnt, sondern enttäuscht.

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Man kann Kindern unmöglich die anatomischen Verhältnisse der Scheide klarlegen, die ja durch das Hymen fast verschlossen ist. Man kann dem kleinen Mädchen nicht vielleicht noch die Anregung bringen, das Undemonstrierbare an sich selbst zu untersuchen. Es bleibt also wohl nichts anderes übrig, wenn man glaubt, dem kindlichen Irrtum von der Zurück- setzung und Verkürzung des weiblichen Wesens und von der obligaten Kastriertheit des weiblichen Körpers in einem frühen Alter steuern zu sollen, als sich mit allgemeinen Andeutungen zu begnügen.

Das weibliche Geschlecht hat aber wahrhaftig ein Recht darauf, daß dieser so bedeutungsvolle Irrtum wenigstens sofort richtiggestellt wird, wenn das Fassungsvermögen der heranwachsenden Mädchen es ermöglicht. Die Gesundheitslehre des Lyzeums und der Mittelschule hätte also die Pflicht, hier aufklärend zu wirken, wohl auch gleichzeitig die sittlichen Hemmungen zu verstärken.

Die psychologischen Folgen der Einbildung einer Verkürztheit durch dies weiblich Geborensein, die Konsequenzen für den Charakter sind aber damit kaum mehr abzuwenden. Denn das wahre Wesen des menschlichen Individuums ist schon im fünften bis achten Lebensjahr entschieden; Anlage und frühes Erleben liefern die Bausteine. So bleibt denn das Wichtigste, daß wissende Erzieher, wissende Ärzte und wissende Eltern die zarten Pflanzen der Heranwachsenden dauernd beobachten und behüten, daß neben diesem Wissen dann Liebe und Instinkt individuelle Eigen- art sich entwickeln lassen, zum eigenen und allgemeinen Wohl.

Vermutlich erscheint einem Teil der Leser die große Bedeutung und der Umfang der weiten Ausstrahlung des Kastrationskomplexes, ja, das Vorhandensein dieses seelischen Komplexes selbst unwahrscheinlich ; weiters die Behauptung, daß sich das Interesse kleiner Kinder so intensiv den Geschlechtsorganen zuwendet, unsympathisch, konstruiert. Da aber hier nicht der Ort ist, um eklatante Beweise aus der psychoanalytischen Untersuchung anzuführen, so seien folgende indirekte Beweise vorgebracht:

Die Psychoanalyse hat vielfach nachgewiesen, daß Haeckels biogenetisches Grundgesetz auch auf psychologischem Gebiete zu Recht besteht. Sowie das menschliche Individuum als Embryo die ganze Entwicklung von der Tier- reihe zum Menschen wiederholt, so wiederholen sich im Kinde die Stadien der Menschheitsentwicklung vom primitivsten bis zum Kulturmenschen. In frühen Stadien der Kultur ist der Phallus von hervorstechender Bedeutung. Den Geschlechtsorganen und -funktionen war in primitiven Kulturen eine ungeheure Wichtigkeit beigelegt, von der wir uns durch die Ergebnisse der ethnographischen Forschung, die in Kult und Mpythus erhaltenen Reste, eine annähernde Vorstellung machen können. Was das Thema der Kastration anbelangt, so sei hier erinnert, wie oft in der ver- gleichenden Mythengeschichte sich das Motiv derEntmannung nach- weisen läßt. (Ägyptischer Mythus von Isis und Osiris; Mythus von Uranos; Orestes; verhüllter im Zerstückelungsmotiv usw.)

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Der Begriff der Kastration, des blutigen Wegschneidens, fällt ins Gebiet sadistischer Phantasiebildung; in der Entwicklung des Kindes wird er nicht selten in den Vordergrund des Bewußtseins geschoben durch die Bedrohung des mit seinen Genitalien spielenden Kindes mit dem Weeschneiden des- selben, mit der Ankündigung, dasselbe werde verfault abfallen usw. Solche Drohungen sind entschieden verwerflich, zumal die ärztliche Erfahrung ergeben hat, daß nicht die normale Onanie von Schaden ist, sondern es durch die Schuldgefühle und hypochondrischen Erwartungen, die mit ihr verknüpft werden, erst wird.

Ein ungekränkter NarziBmus, das ist eine ungeschmälerte Selberliebe, Vertrauen zur eigenen Kraft und Gesundheit, Zufriedenheit mit der eigenen Gesamtpersönlichkeit, kann aber nur bestehen, wenn solche Ein- schüchterungen und Krankheitsandrohungen unterblieben sind. Auch hier sehen wir wieder, daß im Unbewußten Selbstgefühl und Selbstvertrauen mit der Sexualität im Zusammenhang stehen. In der Pathologie der Neurosen findet sich immer wieder der Kastrationskomplex als eine von den Wurzeln ihrer Psychogenese. Es seien als wichtigste erwähnt: Frigidität der Frau, psychische Impotenz des Mannes, Errötungsangst, Hypochondrie. Nach neuesten Feststellungen ist aber derjenige, der aus dem Kastrationskomplex Minderwertigkeitsgefühe ableitet und sich damit Weiblichkeit, Schwäche und Erkrankungsneigung suggeriert, auch tatsächlich das Opfer wiederholten, mehr oder weniger schweren organischen Erkrankens. Auch das organische Erkranken ist seelisch disponiert. Angst, Schuldgefühl und Strafbedürfnis sind mit am Werk.

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Zur Sexualforschung des Kindes Von Ernst Schneider

Eine Mutter suchte meinen Rat, weil ihr sechseinhalbjähriges Töchterchen Erna seit vier Jahren fast regelmäßig jede Nacht das Bett näßte. Nach verschiedenen erhaltenen Mitteilungen schien eine psycho- analytische Behandlung Heilung zu versprechen. Ich schlug eine solche vor. Die Mutter war sehr skeptisch, willigte aber ein, weil sie schon alle möglichen Mittel erfolglos angewandt hatte. Erna wurde nun gesagt, sie dürfe regelmäßig zum Onkel Professor gehen, um ihm Geschichten zu erzählen. Die Kleine, ein gut aussehendes, frisches Mädchen, sprach gerne. In den Analysen ließ ich sie erzählen, unterbrach nur, um Unklares auf- zuhellen, auch ließ ich merken, daß ich mich besonders für Träume interessiere.

Das erhaltene Material will ich hier in zwiefacher Hinsicht verarbeiten. Einmal möchte ich über die kindliche Sexualforschung, die anfangs im Mittel- punkt stand, berichten und dann das Symptom des Bettnässens aufzulösen versuchen. Der heutige Aufsatz ist der ersten Frage gewidmet. Ich werde also im folgenden das herausarbeiten, was zum Problem der Zeugung und der Geburt gehört. Die Erzählungen des Kindes stehen in Anführungs- zeichen, meine Fragen oder Bemerkungen an das Kind in eckigen Klammern —=[]. Das übrige ist verbindender und erläuternder Text. Die Zahlen beziehen sich auf die Nummer der Sitzung.

1) Erna erzählt von ihren Puppenspielen und meint dann: „Weißt du, wenn ich groß bin, dann will ich vier Kinder haben. Ich bin dann mit Willi verheiratet. So wie Mammi. Sie hat auch drei Kinder. Eines soll noch kommen.“ [Woher soll es denn kommen ?] „Erst dachte ich, der Storch hole die Kinder aus dem Wasser. Dann dachte ich, ein Engel bringe sie vom Himmel. Das steht so in den Büchern, und deshalb ist es nicht wahr. Jetzt weiß ich, daß die Kinder von der Mamma kommen.“ [Woher weißt du das?] „Das habe ich mir selbst ausgedacht. Ein Engel legt sie der Mamma ins Herz.“

Nach den Mitteilungen der Mutter stammt die Storchen- und Engel- geschichte aus der weiteren Umgebung des Kindes. Als die Kleine die Frage nach der Herkunft der Kinder an die Mutter stellte, bekam sie als Antwort, die Kinder wüchsen unter dem Herzen der Mutter, so wie im Ei sich ein Hühnchen entwickle. Die Storchen- und Engelgeschichten seien nicht wahr, das stehe nur so in den Büchern. Was Erna sich „ausdachte“, das ist ein Kompromiß der beiden Quellen der Aufklärung.

Erna erzählte nun weiter von ihren Puppenspielen, besonders wie sie mit ihren Brüdern „Familie“ spielte. Sie hat zwei Brüder: Fritz, neun- jährig, und Paul, vierjährig. Im Spiel ist meistens Fritz der Vater, Erna die Mutter und Paul das Kind.

„Einmal haben wir eine Puppe unter den Stuhl gelegt. Dann sind wir schlafen gegangen. Paul mußte dann die Puppe holen und sie bringen. Ein andermal mußte Paul in ein Zimmer gehen. Er wurde dann gerufen, ins Bett gelegt, mit vielen Kissen zugedeckt und gepflegt.“

Als Erna nach der vorhin berichteten Aufklärung die Mutter fragte, wo denn das Kind herauskomme, so antwortete diese, sie sei in der Klinik gewesen und habe geschlafen. Als sie erwachte, sei das Kind da gewesen. Sie konnte also nicht sehen, wo das Kind herausgekommen war. Erna bekommt auch ein Kind, während sie schläft. Im übrigen scheint im Spiel die Lösung dervon der Mutter offengelassenen Geburtsfrage versucht worden zu sein. Ich stellte nun die entsprechende Frage.

[Wie kommen denn die Kinder von der Mutter?] „Aus dem Munde. Fritz hat von einer Frau auf dem Lande erzählt, die so ein Kindchen bekommen hat ...., oder von hier (zeigt auf die Brust). Hier geht’s los,

. das Kind kommt heraus, und dann wächst’s wieder zu.

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Jetzt erkundigt sich Erna nach unseren kleinen Hunden, die wir vor kurzem erhalten hatten. [Wo sind denn die hergekommen?] „Auch aus dem Magen. Unsere Katze bekam auch Junge aus dem Magen. Sie hatte schwarze Kinder, so wie der Kater des Nachbars aussieht. Nicht er hat sie geboren, aber der Kater hat unsere Katze gesehen. Er ist ja der Vater unserer kleinen Katzen.“ [Gesehen hat sie der Kater?] „Eigentlich zankten sie sich. Der schwarze Kater läuft immer unserer Katze nach.“ Erna erzählt noch weiter von den kleinen Kätzchen, wie sie diese zu sich ins Bett genommen habe, usw. Sie hat uns mit zwei Geburtstheorien und auch mit Anschauungen über die Zeugung bekannt gemacht.

2) „Paul spielt manchmal kleines Mädchen. Ich flechte ihm ein Haar- band in die langen Haare und ziehe ihm ein Röckchen an. Er hat vor ein paar Tagen ein Kleid von mir angezogen. Er ist jünger als ich. Fritz ist ein Jahr jünger, nein, älter als ich.“ [Du möchtest wohl gerne älter sein als Fritz?] „Ja, ich möchte, daß ich neun Jahre alt wäre und Fritz noch nicht.“ [Und wenn du so alt wärest?] „Dann könnte ich die Hausfrau sein, wenn Mammi nicht zu Hause ist.“... „Eine meiner Puppen hatte lange Haare. Wir haben sie abgeschnitten. Die Puppe Gisela hatte lange Haare. Mit ihr spiele ich Junge. Ich hatte einmal einen Jungen, Den zerriß mir der Hund. Auf dem Tennisplatz fand ich die Augen. Er hieß Friedel und war der einzige Junge aus Mammas Kinder- zeit. Er hatte sich eine Hand gebrochen. So habe ich ihn bekommen ... Ich spiele lieber mit dem Nachbarsjungen. Er ist kleiner als Paul und sieht aus wie ein Bebechen. Er hat kurze Haare, nicht so lange wie Paul.“

Aus Buben werden Mädchen und aus Mädchen Buben. Die Spielkinder sind Buben, ihr Merkmal kurze Haare. Es sei hier auf spätere Erzählungen Ernas verwiesen.

3) Erna erzählt einen Traum: „Der Fritz trägt die Anna, und dann klettern sie über das Geländer des Balkons. Die Anna fällt hinunter, denn sie dachte, es schickt sich nicht, daß der Gast fällt, und dann ließ sie sich fallen. Und dann sitzt die Anna auf der Erde und lacht.“ [Wer ist die Anna?] „Ich war einmal bei ihr am Strand. Sie ist neun Jahre alt, glaube ich. Ich habe zwei Nächte dort geschlafen und bin aus dem Bett gefallen. Als ich ein Jahr alt war, fiel ich auch aus dem Bett. Fritz und ich, wir schliefen einmal in Papas Bett. Der Papa war im Krieg. Einmal habe ich geträumt, ich sei mit der Mamma im Bett, beide fielen hinunter. Die Mamma wachte auf und hob mich ins Bett.“

Jetzt folgt ein zweiter Traum. Die Mutter hat ihn mir vor der Stunde erzählt und dazu bemerkt, Erna habe ihn ihr mitgeteilt, zuerst bloß teilweise, den Rest wollte sie nicht vorbringen, weil sie glaubte, die Mutter werde böse werden, Erna schrie in der Nacht auf und rief nach dem Kindermädchen. Der Traum lautet in der Erzählung des Kindes: „Auf einem Hügel lag ein Mann ohne Haut und ohne Hand. Die Hand lag

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weit weg. Ein Wolf kam auf mich los. Paul schlug ihm ein Auge aus, und ich dachte: Jetzt kann er mich nicht mehr sehen. Er sah mich aber mit dem anderen Auge. Er schnappte nach meiner Hand. Da fühlte ich, daß seine Zähne alle wackeln, und ich brach sie ihm alle aus, damit er Fritz und Paul nicht mehr beißen kann.“

Aus dem ersten Traum dürfte ersichtlich sein, daß Anna = Ema = Mutter einander gleichgesetzt werden, und zwar als die Hinunterfallenden. Die weitere Auflösung wollen wir verschieben, bis wir mehr Material haben. Der zweite Traum knüpft offenbar an das in der vorigen Stunde erzählte Schicksal der von der Mutter erhaltenen Puppe Friedel an, die sich eine Hand gebrochen hatte und die der Hund zerriß. Auch die herausgerissenen Augen kommen im Traume vor. Ob er aus dem gleichen Gedankenkreise stammt, wie die Erzählungen der letzten Stunde, das wollen wir später untersuchen.

4) Ema erzählt einen Traum ihres Bruders Fritz: „Wir haben zwei Sorten Ziegen, Muschi und Trini. Die Knechtsfrau sperrt sie in den Stall, jede Sorte in einen anderen. Paul vertauscht sie aber, so daß in jedem Stall gleichviel Muschi und Trini sind, und deshalb bekommen sie Kinder. Auf beiden Seiten sind Männchen und Weibchen. Das ist auch bei den Kaninchen so. Die Ratte frißt die Jungen. Die Männchen müssen acht- geben, daß keine Ratten kommen. Das Männchen ist schrecklich böse. Bei der Ziege muß das Männchen sorgen, daß die Ziegenkinder nicht von der Kuh gestört werden. Auch bei den Gänsen ist das Männchen böse, Es schützt die Gans beim Brüten.“

[Und bei den Kühen?] „Einmal beim Mittagessen, da kam die Köchin und sagte, die Kuh habe ein Kälbchen bekommen.“ [Ist da auch ein Vater?]| „Nein, die Kuh bekommt so ein Kälbchen. Der Ochse stößt

die Kuh, er muß weggenommen werden. Die Kaninchen bekommen nur Kinder, wenn ein Männchen dabei ist, bei den Kühen ist es umgekehrt, bei den Ziegen einerlei. Das Ziegenmännchen stößt nie die Mamma, wie bei der Kuh.“

[Und beim Hund?] „Der Hundevater stört niemals. Es ist gleich, ob er dabei ist oder nicht. Da die Mutter selbst bellen kann, ist der Hunde- vater nicht nötig. Ich weiß nicht, warum die Kaninchen- und Ziegen- mütter nicht selbst böse sein können.“

[Und der Menschenvater?| „Mich und Paul hat Mamma bekommen ohne Vater, in der Kriegszeit, als Papa weg war. Der Fritz ist in der Klinik geboren. Ich habe mir einmal eine Geschichte ausgedacht mit spassigen Namen von Menschen: ein Vater, eine Mutter und ein Kind. Ich spielte die Mamma, Fritz den Papa und Paul das Kind. Fritz war fünf Jahre alt, ich zwei und Paul ganz klein. Als ich vier Jahre alt war, durfte ich Paul bis zum fünften in meinem Bettchen haben. Dann wurde er wieder zur Mamma gebracht. Er aber schrie. Er wollte wieder zu mir kommen. Er tat so, als ob ich die Mamma wäre.“

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An dieser ausgedachten Geschichte fällt die Rückdatierung auf, und zwar ungefähr in die Zeit der Geburt des kleinen Paul. Erna macht sich zu dessen Mutter. Er will bei ihr bleiben. Daß es sich wirklich um aus- gedachte Geschichten handelt, verrät schon die Tatsache, daß die Mutter streng darauf sah, daß von den Kindern jedes in seinem Bettchen schlief. Die spassige Geschichte dürfen wir so lesen: „Ich bin (bzw. möchte sein) die Mamma. Paul ist mein Kind. Ich habe ihn geboren. Fritz, d. i. der Papa, ist der Vater.“ Die rückdatierte Phantasie folgte spontan der Erzählung über die Geburt der Kinder, wo der Vater zur Seite geschoben wird. Die voraufgehenden Mitteilungen beschäftigten sich unverkennbar mit der Frage nach der Holle des Vaters. Erna hat offenbar die Frage gelöst, denn sie scheint den Traum des Bruders, in dem der kleine Paul gescheiter ist als die Knechtsfrau, verstanden zu haben. Sie weiß, wie die Kaninchen zu Kindern kommen, lenkt dann sofort ab und überweist dem Männchen die Rolle des Beschützers. Sie folgt damit, wie ich feststellen konnte, der erhaltenen Aufklärung durch die Mutter, läßt aber durch- blicken, daß sie die Mutter durchschaue, ebenso wie Paul die Knechtsfrau. Sehen wir uns das Bösesein des Männchens noch etwas näher an. Es soll den Zweck haben, Mutter und Kinder zu schützen. Dabei fällt auf, daß der böse Ochse gerade wegen dieser Eigenschaft entfernt werden muß, und daß die Kuh „so“, d. h. ohne „Mann“ ein Kind bekommt. Hat vielleicht das Bösesein für das Kind einen auderen Sinn gehabt, wollte es sich darüber bei der Mutter Klarheit verschaffen, und hat ihm dann diese die Vorstellung des Schutzes vermittelt? Erna hat uns früher zu verstehen gegeben, daß der schwarze Kater eine Beziehung hat zu den schwarzen Kindern einer andersfarbigen Mutter, jener Kater, der die Katze „angeschaut“ hat, „eigentlich mit ihr zankte“. Dürfen wir annehmen, das Bösesein des Männchens habe etwas mit der Vorstellung von der Zeugung zu tun? Wir vermuten, daß Erna die Begattung bei den Kühen und wahrscheinlich auch anderswo beobachtet hat, und daß sie diese als etwas Gewalttätiges auffaßte. Hier setzte dann die Verdrängung ein. Das Bösesein wurde nur im Sinne der mütterlichen Aufklärung beibehalten, und zwar dort, wo, wie bei den Kaninchen, ein Männchen dabei sein muß, wenn sie Kinder bekommen. Beim Ochsen und beim Menschen wird der Vater entfernt, da bekommen die Mütter ohne Vater Kinder. Die Kleine identifiziert sich ja unverkennbar mit der Mutter. Sie möchte auch Kinder haben. Ihr Entstehen ist aber mit Gewalttätigkeit verbunden. Die Angst davor dürfte die Verdrängung bewirkt haben. Hier können wir ein Stück des Wolfs- traums aus der dritten Sitzung verstehen. Aus diesem Traum erfolgte Aufschrecken. Die Mutter sagte mir, daß das erste Aufschrecken im Alter von etwa zweieinhalb Jahren erfolgte. Erna schrie und behauptete, ein Wolf sei im Zimmer. Sie wurde von der Mutter ins Bett genommen. Diese war damals schwanger, und die Kleine soll von den Kinds- bewegungen gestoßen worden sein, worauf sie schrie: Der Wolf ist im

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Bett! Sie wollte nicht mehr da bleiben. Der Pavor wiederholte sich noch einigemal und blieb dann weg. Es ist eine analytisch bekannte Tatsache, daß das nächtliche Aufschrecken bei Kindern häufig durch die Belauschung des elterlichen Verkehrs ausgelöst wird. Ein treffendes Beispiel finden die Leser in den Beobachtungen einer Mutter in dieser Zeitschrift (Nr. 6, S. 186). Hinter dem Wolf verbirgt sich der Vater. Im erwähnten Traume wird ihm ein Auge ausgeschlagen, damit er nicht mehr sehen kann. Es ist dies ein Schutz, eine Abwehr des Böseseins. Dabei werden Sehen und Bösesein gleichbedeutend gebraucht, wie in der Erzählung vom schwarzen Kater. Sehen wir zu, ob der weitere Verlauf der Analyse uns recht gibt.

f) Erna erzählt einen Traum: „Paul guckt zum Fenster hinaus und

sagt: Rulka hat Kindchen bekommen. Er ruft: Rulka ist doch eine

Mamma. Der Knecht bringt einen Wagen mit Holz und Pferden davor. Rulka wird böse und wirft den Wagen um, und das Holz fällt auf den Mann. Paul kommt und läuft mit Rulka weg, damit der Knecht auf- stehen kann.“

„Aulka ist der Nachbarshund. Er ist böse. Er hat einmal den Knecht ins Bein gebissen, nein, in die Hand. Er ist aber ein Väterchen. Papa kann niemals Kinder bekommen. Einmal sagte Mamma, der Nachbarshund sei ein Väterchen, und der hat doch sechs Kinder bekommen. Vor zwei Jahren habe ich es herausgekriegt, daß Papas keine Kinder bekommen. Ich dachte einmal, heute werde Papa ein Kind bekommen. Er bekam aber bis jetzt noch keines... Ich kann nur bei Hunden und Kühen unterscheiden, ob sie Männchen seien, und auch bei Schweinen. Die haben so ein Pumperchen unten am Magen.“

„Ich habe Paul verkleidet und ihm Zöpfe geflochten. Dem Fritz kann ich vorn Zöpfe flechten. Er will es nicht haben. Ich mache mir mit dem Haarband ein Horn auf der Stirne, und dann muß Fritz lachen, Einmal fragte mich Fritz: ‚Was spielst du da so im Dunkeln?‘ Ich sagte: ‚Ich spiele Hundchen, und Paul ist das Kind.‘ Ich bin der Hund, und der bekommt doch keine Kinder, er ist ja ein Väterchen.“

Die Mitteilungen dieser Stunde beschäftigen sich weiter mit der Rolle des Vaters, besonders mit der Frage: Kann er auch Kinder bekommen? Die Lösung, die Erna früher fand, findet auch der Traum: Ein männlicher Hund bekommt Junge. Es ist zu vermuten, daß das zweite Traumstück dasselbe Problem in Anwendung auf den Menschen, und daher in ver- kleideter Darstellung, behandelt. Aus der Analyse wissen wir, daß Träume vom Um- und Ausleeren eines Wagens Niederkunftsträume sein können. Wagen und Knecht „kommen nieder“. Fallträume müssen überhaupt häufig als Geburtsträume angesprochen werden. Man nimmt an, daß der Traum- dichter diese bildliche Darstellung aus dem Erlebnis der eigenen Geburt herhole, wo man mit großer Kraft, Kopf voran, nach unten gestoßen wurde. Ziehen wir noch andere Träume Ernas mit der gleichen Bilder-

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sprache bei! Die Mutter erzählte mir vor Beginn der Analyse einen Traum Ernas, den diese wiederholt geträumt habe. Ich ließ ihn mir auch von der Tochter erzählen. Er lautet: „Mein Lieblingshühnchen kommt zum Fenster hereingeflogen und klopft unten an der Bettstelle. Ich erwache, stehe auf, hebe es ins Bett und lege es an meine Seite so unter den Arm (drückt beide Hände an die rechte Brust). Dann ist’s schön warm.“ Hier wird das Hühnchen wie ein zu stillendes Kind an die Brust gehoben, Das Klopfen entnimmt der Traum wohl einer Mitteilung der Mutter, daß das Hühnchen im Ei, wenn es herauskommen wolle, die Schale aufpicke. Das Aufstehen und Emporheben dürfte dann eine Darstellung der Geburt sein (Niederkunft und Hebamme). Einen weiteren Beitrag zur Auflösung dieses Iraumes als Geburtstraum werden wir später hören, wenn wir das Symptom des Bettnässens aufzulösen haben.

Können wir jetzt auch den Traum von der Anna aus der dritten Sitzung verstehen? Wir sagten dort schon, daß Anna, Erna und die Mutter im Hinunterfallen einander gleichgesetzt werden. In den der Traumerzählung folgenden Aussagen wird etwas Ähnliches vorgebracht, wie wir es aus dem Hühnchentraum kennen: Die heruntergefallene Mamma wacht auf und hebt das Kind ins Bett. Auch im Puppenspiel (erste Sitzung) wurde das „Kind“ aufgehoben. Die folgende Auflösung des Traumes fügt sich leicht in den Zusammenhang der Gedankengänge, wie sie Erna kundtat, ein: „Ich möchte wie die Mutter auch ein Kind haben. Fritz soll der Vater sein.“

Das Hinunterfallen hat aber noch einen anderen Sinn. Er ergibt sich aus der gegenteiligen Tätigkeit, dem Hinaufsteigen. Fritz klettert mit Anna hinauf. Wir haben es hier mit dem jedenfalls von Erna oft beobachteten Aufsteigen bei Tieren und dem Oben und Unten zu tun. Erna wuchs inmitten von Kühen, Hunden und allerlei Geflügel auf. Den Traum von der Anna würden wir also auch als Zeugungstraum ansprechen.

Sehen wir uns nun wieder den Traum von Rulka an! Rulka bringt den Knecht und den Wagen zu Fall. Das Bösesein des Hundes dürfen wir hier in der früher besprochenen Bedeutung auffassen. Dazu paßt der Einfall, daß Rulka den Knecht „einmal ins Bein, nein, in die Hand gebissen hat“, Im Knechtshause, wo auch Kinder geboren wurden, hat sehr wahrscheinlich Erna die Storchenfabel gehört und so auch vernommen, daß der Storch die Mutter ins Bein gebissen habe. Im Traume tritt Rulka zuerst in der weiblichen Bedeutung auf, dann in der männlichen. Der Knecht wird zur Frau gemacht, resp. zum Mann, der Kinder bekommen kann, wie im ersten Traumstück der Hund. Wir haben schon in der zweiten Sitzung gehört, daß Erna aus Buben Mädchen und aus Mädchen (Puppen) Buben macht. In dieser fünften Stunde erzählt sie neuerdings, wie sie die beiden Brüder in Mädchen verwandelte, sich aber in einen Buben (Hundespiel). Das Horn, das sie sich mit dem Haarband auf der

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Stirne anbringt, hat offenbar männliche Bedeutung und ist das Gegenstück zum Zöpfeflechten bei den Buben.

6) „Ich habe E. B. gespielt. (E. B. ist ein Herr von 2, Jahren.) Er gefällt mir. Er kam zu uns tanzen. Er ist noch furchtbar jung. Es kommt mir vor, wie wenn Mammi älter ist als Papa. Es kann aber nicht sein, weil Papa größer ist. Er sieht aber jünger aus,”

Es ist dies eine häufige Vorstellung der Mädchen, daß die Mutter viel älter sei als der Vater. So sagte ein anderes Mädchen zur Mutter: „Mamma, du bist schon alt und wirst bald sterben.“ Die 35jährige Mutter erwiderte: „Ich bin sechs Jahre jünger als Papi.“ Die Kleine darauf: „O nein, Papi ist noch ganz jung.“ Bei den Knaben ist gewöhnlich die Mutter die „ewig Junge“. Ein Herr beschrieb seiner Braut die Mutter als junge Dame. Sie war dann überrascht, als sie eine würdige Frau von 70 Jahren kennen lernte. Dieser Herr hatte während der Analyse Mühe, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß seine Mutter alt geworden sei. Er hielt illusionshaft an

ihrem Jugendbild fest.

7) Erna hat wieder geträumt. Sie gibt vor, den Traum vergessen zu haben, und beginnt „Geschichten“ zu erzählen: „Wenn Fritz groß ist, dann ist er ein Förster und ich bin dann das, was Mammi. Er geht dann auf die Jagd und bringt viele Tiere und bekommt dafür viel Geld. 7u Hause sind zwei Kinder und eine Mamma und ein Onkel. Paul ist der Onkel. Wenn Fritz zu Hause ist, dann bin ich die Frau. Als Mammi die letzten Tage auswärts schlief, dann ging ich zu Fritz ins Bett... Ich möchte haben, daß Paul älter ist als ich. Ich möchte entweder das Jüngste oder das Älteste sein, Fritz das Mittlere. Jünger oder älter sein, ist besser.“

[Warum?] „Ich weiß nicht. Es ist besser, älter zu sein als Fritz. Ich könnte dann allein zur Schule (Kindergarten) gehen. Wenn ich älter wäre, dann wäre Mamma auch älter... Eines weiß ich nicht, warum Geschwister sich nicht heiraten können.“ [Du möchtest wohl den Fritz heiraten?] „Ja, das möchte ich furchtbar gerne. Mamma sagt, daß sich Geschwister nicht heiraten können. Dann möchte ich den Ernstel, deinen Jungen, heiraten.” Hier haben wir Tagträume. Die Angabe, daß die

Mutter in den letzten Tagen auswärts schlief, stimmt nicht. Da es Erna ' verboten ist, zu Fritz ins Bett zu gehen, realisiert sie ihre Wünsche in der Phantasie. Die Mutter wird entfernt und älter gemacht, anscheinend zur Großmutter. Erna rückt zur Mutter vor. Der Jäger ist offenbar eine Verdichtung des jungen Vaters und des Bruders.

8) „Alsich vier Jahre alt war, sagte ich, ich möchte ein Junge und Fritz und Paul wollten Mädchen sein. Paul will jetzt noch kein Junge sein.“ [Was willst du werden?] „Schauspielerin. Fritz kann dann kommen und sehen, wie ich auf dem Pferde sitze. Das verstehe ich schon heute. Fritz war einmal auf dem Pferd. Es war böse, er hatte Anest. Seither will er nicht mehr hinauf. Einmal war ich auf dem Pferd mit Fritz. Es wurde böse. Fritz hatte Angst, ich nicht.“

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„Gestern habe ich mir ausgedacht, daß ich von irgend einem Förster die Frau sein werde. Nur verstehe ich schlecht zu zeichnen. Weißt du, warum Fritz so wunderbar zeichnet? Wenn ich dabei bin, dann sag’ ich, was er machen soll.“ [Warum willst du eine Förstersfrau sein ?] „Dann kann mir Fritz schöne Tierchen mitbringen. [Fritz soll also der Förster sein 2] „Ja, aber ich denke, daßich zu groß für Fritz bin.“ [Er ist ja älter und größer als du.] „Die Frau muß sechs Jahre jünger sein, dann kann man sich heiraten. Paul ist sechs Jahre jünger als Fritz, aber Herren können sich nicht heiraten. Mammi ist auch sechs Jahre jünger als Papi. Es sieht aber so aus, als ob Mammi älter wäre... Weißt du, warum es traurig ist, wenn zwei Frauen sich heiraten? Sie bekommen keine Kinder, weil sie keinen Mann haben. Wir warten auf ein Schwesterchen. Es kommt aber keines. Fritz betet dafür, ich nicht.“

Jetzt wird uns der Sinn der schon wiederholt aufgetauchten Vertauschung der Geschlechtsrolle verständlich. Erna möchte ein Junge sein, sie beneidet | ihre beiden Brüder. In Spielen und Tagträumen macht sie sich zum | | Knaben. Wiederholt hat sie sich mit den Brüdern, dem Vater oder anderen | männlichen Personen identifiziert, z. B. mit E. B. (sechste Sitzung). Wenn | sie behauptet, Paul wünsche noch heute ein Mädchen zu sein, so stimmt | das nicht. Sie steckt ihn allerdings häufig in Mädchenkleider, obgleich er | heftig dagegen protestiert. Was sie mir von den Pferden erzählt, verhielt sich nach den Mitteilungen der Mutter umgekehrt. Sie hatte Angst, Fritz war der Mutige. Daß Fritz gut zeichnen kann und sie nicht, das bedrückt sie schwer. Wie sie ihre Angst durch eine Identifikation mit dem Bruder als mutige Reiterin verdeckt, so findet ihr Minderwertigkeitsgefühl im Zeichnen einen Ausgleich in der Annahme, daß Fritz seine Fähigkeit ihr | verdanke.

Wieder wie in früheren Sitzungen ist für Ernas Heirat das Vorbild der Eltern maßgebend. Leider kann es hinsichtlich des Altersunterschiedes nicht analoge Anwendung auf sie und den Bruder finden. Die Mutter wird wieder alt gemacht. Den realen Anlaß, warum sie Erna schon früher zur Großmutter gemacht und weggeschickt hat, vernehme ich jetzt aus der Mitteilung der Mutter: Vor einiger Zeit ist die Großmutter mütter- licherseits gestorben. Gegenwärtig ist Erbteilung, wovon viel gesprochen wird. Erna hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sie sich sehr darauf freue, die Mamma zu beerben. Sie identifiziert sich mit der Mutter, setzt sich an ihre Stelle und gleicht sich im Alter dem „jungen“ Vater an.

9) Ein Traum wird erzählt: „Ein Hund wohnt in einem kleinen Häuschen, der heißt Rappi. Den lieb ich. Weiter bei der Ecke wohnt auch ein großer Hund, und der ist furchtbar böse. Ich träumte, ich hab’ einen Hund, und den lieb ich sehr, und habe einen grauen, und der ist böse. Dann kommen die zwei Hunde, und ich rufe: Rappi! Da kommt aber der böse. Ich nehme einen Ast und haue ihm den Kopf ab. Der

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kullert in den Teich. Dann kommt der Rumpf ohne Kopf. Ich haue ihn in zwei Stücke. Da kommen die Teile. Ich haue die Beine ab. Da kommen die Beine und dann der Kopf aus dem Wasser. Ich zerhacke ihn. Dann kommen die Teilchen. Jetzt tue ich alles in einen Kessel und zerstampfe es, so daß Mehl daraus wird. Ich gebe es Mamma. Sie bäckt daraus Weiß- brot. Einen Teil vom Brot habe ich auch dem anderen Hund gegeben. Er ist so wachsam.“

Erna erzählt alle ihre Träume so, als ob sie sich ihrer schäme. Der heutige wurde äußerst stockend vorgebracht, Erna machte den Eindruck eines Kindes mit einem schlechten Gewissen. In der dritten Sitzung hörten wir von einem ähnlichen Traum, den Erna unter Schuldgefühlen der Mutter berichtete. Auch das Geschichtenerzählen will heute nicht in Fluß kommen, entgegen den bisherigen Sitzungen. Ich muß immer wieder durch Hinweise auf den Traum zum Sprechen anregen, was ich bis jetzt absichtlich vermieden habe.

[Rappi.]| „Er ist uns einmal nachgelaufen. Wir lieben ihn sehr“. [Der böse Hund.] Erna ist äußerst verlegen, endlich lenkt sie ab und sagt, sie sei heute Schneeschuh gefahren. [Ast.] „Am See liegt

einer bei R’s Häuschen. Die dort hatten ein schwarzes Kaninchen, und das bekam Kinder, die starben. Wir haben auch schwarze Kaninchen, die weiße Mutter lebt noch und hat drei Kinder. Einmal dachte ich, ich werde in den Stall gehen zu der Kuh, die ich lieb habe. Ich habe dann mit ihrem Kälbchen herumgespaßt.“ [Der böse Hund.] Wieder große Verlegenheit. Endlich ze „Ich finde es furchtbar spassig, wenn Paul sagt: kleingroß für mittel: Über dieses kleine Brückchen ist einmal eine klein- große Sau gegangen.“ [Was wollte der Hund?] „Beißen.“ [Wo?] „In die Füße.“ [Und der Hund ohne Kopf?] „Der Kopf ist in den Teich gekullert. Der Hund wollte mich beißen.“ [Aber ohne Kopf kann er das nicht mehr.| „Aber kratzen.“ [Die Beine?] „Jedes kam für sich, sie wollten mich kratzen.“ [Wo?] Große Verlegenheit, nach langer Pause: „Gestern haben wir furchtbar gealbert. Als es im Zimmer dunkel war, ging ich aus dem Bett und zu Fritz, und da haben wir furchtbar geschrien und getobt. Einmal als das Kindermädchen Wasser holte, zogen wir uns ganz aus und tanzten im Zimmer herum, ohne Hemdchen ... Wenn ich am Morgen erwache, dann gehe ich zu Fritz ins Bett. Dann sprechen wir oder spielen mit den Tieren.“

[Was wollten die Stückchen?] „Sie wollten mich schlagen. Mehl ist ganz weiß, es kann nichts machen, höchstens in die Augen fliegen,“ [Wohin kamen die kleinen Stückchen?] „Sie kamen zu den Füßen, auch auf den Bauch.“ [Und die Beine?]| „Die kamen auch auf den Bauch.“ [Und der Kopf?] „Der kam zu den Füßen.“ [Wohin auf den Bauch?) Erna zeigt die gleiche Stelle, die sie früher als Geburtsort bezeichnete. [Hast du auch von dem Brot gegessen?] „Ja, und Rappi gegeben.“

= 2:

Die Mitteilungen Ernas geben uns einige nähere Angaben zum Traum und beschäftigen sich im übrigen mit dem Kinderbekommen der Kaninchen und mit dem Insbettgehen zu Fritz. Die Mutter meint, das seien Phan- tasien der Kleinen, sie sehe streng darauf, daß die Kinder nicht zueinander ins Bett kriechen. Behandelt der Traum die gleichen Gedanken, wie die Einfälle: Zusammenschlafen und Kinder bekommen? Sind die beiden Hunde ein Paar? Dann wäre der böse Hund das Männchen. Bösesein wird bei Erna bekanntlich mit der Begattung in Beziehung gebracht. Der böse Hund wird, wie das goldene Kalb, zerrieben und schließlich verzehrt, und zwar vom lieben Hund und von Erna. Das erinnert uns an das Märchen, wo Königinnen Fische oder Früchte verzehren, damit ihr sehn- lichster Wunsch nach einem Kinde in Erfüllung gehen kann. Die Auf- fassung der Zeugung durch Essen können wir zu den in der ersten Sitzung vorgebrachten Geburtstheorien in Beziehung setzen, wonach die Kinder aus dem Munde geboren werden und die Hunde und Katzen aus dem Magen kommen. Auch der Überfall durch die Tierteile wird mit einer angenommenen Geburtsstelle in Beziehung gebracht. Es entspricht durchaus der primitiven Logik, daß man, um zu Blut zu kommen, Blut- würste ißt und roten Wein trinkt. Und wie vom Samenkorn, das ein Stück einer Pflanze ist, wieder eine ganz neue entsteht, so können doch aus Hundeteilen wieder ganz neue Hunde werden. Erna will, wie die Mutter, auch Kinder haben. Um das zu erreichen, muß sie etwas vom Vater oder in der Überschiebung etwas vom Bruder in sich aufnehmen. Das geschieht aber irgendwie unter Anwendung von Gewalt. Der Traum stellt den Zeugungsvorgang als Kampf dar. („Eigentlich zankten sie sich“, erste Sitzung.) Wir werden später, wenn neues Material gekommen sein wird, noch weiter in das Verständnis des sonderbaren Traumes dieser Sitzung vordringen.

10) „Wir spielten: Fritz ist der Storch und bringt mir zwei Kinder. Paul ist der Sohn... Einmal hatten wir ein Häschen verloren. Das hat dann unser Hund aus dem Koffer hervorgezogen. Wir wissen nicht, wer es hineingesteckt hat. Das wird gewiß der Paul gewesen sein.“ [Bringt denn der Storch die Kinder?] „Nein, die kommen von selbst. Wenn sie jemand bringt, dann schon die Engel.“ [Aber du weißt ja, daß die Kinder in der Mamma wachsen.] „Der Engel kommt überhaupt nicht. Das steht so in den Geschichten, das vom Engel und vom Storch.“

Diese Mitteilungen muten insofern sonderbar an, als hier wieder der Storch und die Engel auftreten, nachdem wir erfahren haben, daß Erna weit über die Aufklärungen der Mutter hinausgehende Beobachtungen gemacht hat, die sie zu Lösungsversuchen für ihre brennendste Frage ver- wertet hat. Auch die heutigen „Erzählungen“ dürften klar erkennen lassen, welchem Wunsch das Spiel seine Entstehung verdankt. (Möglicherweise war es bloß eine Phantasie.) Der zugrundeliegende Gedanke dürfte lauten: „Ich wünsche, daß Fritz mit mir ein Kind zeugt, das dann aus mir hervor-

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gezogen werden kann.“ Wir haben es hier offenbar mit einem Vorgang zu tun, den wir häufig beobachten können. Etwa dort, wo an der Storchentheorie bis ins Pubertätsalter hinaus festgehalten wird. Man meint dann, es mit besonders „harmlosen“ Kindern zu tun zu haben, mit Kindern, die ein besonders feines moralisches Empfinden haben und dem „Schmutz“ aus dem Wege gehen. Wenn wir derartige Fälle in die Analyse bekommen, so können wir regelmäßig feststellen, daß eine früher sehr intensive Sexualforschung irgendwie eine Hemmung erfahren hat. Es erfolgte Verdrängen und später Ausweichen vor den möglichen Aufklärungen, weil sie eine schlecht vernarbte Wunde wieder aufgerissen hätten. Eine zirka dreißigjährige Dame produzierte in Träumen und Einfällen ver- schiedene infantile Sexualtheorien. Anfangs wollte ich eine Korrektur anbringen und sagte: Aber jetzt werden Sie wissen, daß das nicht stimmt. Darauf erhielt ich in angstvoll ablehnendem Tone zur Antwort: „Ich weiß nichts und will nichts wissen.“ Ich mußte Zeit lassen, damit das ins Bewußtsein steigende Material innerlich verarbeitet werden konnte. Man hatte deutlich das Gefühl, daß man sich einer besonders schmerz- haften Stelle nähere. Es war das Versagen der Sexualforschung in der Kinderzeit. Es äußerte sich auch sonst im Leben der Dame. Wenn sie vor bestimmten Aufgaben stand, da drängte sich ihr der Gedanke auf: Was will ich da tun, ich verstehe ja doch nichts. Das Versagen der infantilen Sexualforschung dürfte im allgemeinen die folgenden Gründe haben: ı) Es fehlen die notwendigen Kenntnisse. 2) Das Kind merkt, daß es auf ein verpöntes Gebiet geraten ist, woraus es durch Schuldgefühle und Angst vertrieben wird. 3) Dieser Rückzug wird beschleunigt und verschärft durch ein traumatisches Erlebnis. 4) Die Fragen entstammen Wünschen, deren Realisierung unmöglich ist. 5) Die richtige Lösung steht in Widerspruch zu bestimmten persönlichen Wünschen. Der Rückzug wird dann durch die Storchfabel gedeckt, an ihr wird festgehalten, einmal, um die Verdrängung zu sichern, und andererseits, um die von der Umwelt geforderte „Unschuld“ und „Harmlosigkeit“ zu dokumentieren.

Das Verhalten Ernas in der neunten Sitzung ließ mich vermuten, daß die Grenze, die nur unter Entwicklung starker Schuldgefühle und Anest überschritten werden kann, erreicht sei. Der bisherige Gang der Analyse ließ erkennen, daß bei unserer Kleinen alle die angeführten Punkte des Versagens der Sexualforschung vorhanden sind. Ich habe Erna bis jetzt sich selbst überlassen und jede Aufklärung vermieden. Ich ließ mich mehr von wissenschaftlichen als praktisch-pädagogischen Absichten leiten. Jetzt griff ich ein, um der Kleinen weiterzuhelfen, um ein neues Zurück- weichen zu verhüten, damit sie nicht auch an mir scheiterte. Das würde mich um jeden weiteren Erfolg bringen. Es war auch zu erwarten, daß eine nun einsetzende Aufklärung weiteres Material zur „Erzählung“ frei machen werde, da manches Unverstandene jetzt verständlich und manches Verpönte jetzt frei werden kann.

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[Weißt du, wie das Hühnchen im Ei wird?] „Ja, im Ei, da ist ein Pünktchen. Wenn das Huhn brütet, so wird es immer größer, und zuletzt wird ein Hühnchen, das die Schale aufpickt und herauskommt. Wir haben auch so gespielt. Fritz war eine Gans. Wir haben Stoffkaninchen unter- gelegt. Er hat drei Kaninchen ausgebrütet. Ich habe auch Kaninchen ausgebrütet.“

[Weißt du, in Mammi, da sind viele ganz kleine Eilein. Wenn sie nun ein Kindchen bekommen soll, dann wird eines immer größer, es wächst und es wird zuletzt ein Kindchen daraus.| „Ja, ich habe gesehen, wie Mammi dick geworden ist und auch die Knechtsfrau. Tante L. ist nie dick geworden. Schade, daß das Kälbchen meiner Kuh ein Ochs war und es der Metzger fortgenommen hat. Einmal kam der Gänserich auf mich zu und ich sprang davon.“

Ich versuche nun, Erna einiges über die Entwicklung des Embryos zu sagen. Ich weise darauf hin, daß sie esse, daß aus den Speisen Blut werde, daß das Blut durch Adern in den ganzen Körper geführt werde und daß sie deshalb wachsen könne. Das Eichen bekommt Blut von der Mutter und wächst zum Kindchen aus. Wenn dieses alles hat, was es zum Leben gebracht, Lunge, Magen, Herz usw., so will es hinaus. Es wird geboren. Dann schneidet man das Blutrohr, das vom Herzen der Mutter Blut zuführt, ab. Es bleibt dann nur das kleine Knöpfchen, der Nabel. Jetzt nimmt die Mutter das Kind an die Brust, es trinkt Milch und ver- wandelt sie in Blut. Darauf ging ich über zur Frage der Befruchtung und stellte einleitend die Frage: [Wozu ist der Vater da?}) „Bei den Enten muß er auf die Eier aufpassen. Die Kuh muß vom Ochsen ange- sehen werden, daß sie ein Kälbchen bekommt.“

Die Idee des Beschützens haben wir früher kennen gelernt, ebenfalls die Meinung, daß die Zeugung durch Anschauen geschehe. Hinter dem Anschauen kam dann ein Zanken zum Vorschein. Dies wurde von der Katze ausgesagt. Der Ochse wurde früher immer abgelehnt. „Die Kuh bekommt ‚so‘ ein Kälbchen.“ Wir sahen darin die Abwehr bestimmter Erlebnisse. Wir können jetzt sehen, daß der Widerstand zu weichen beginnt, eine Beziehung zwischen Ochse und Kuh wird angenommen. Der Ochse braucht nicht mehr „entfernt zu werden“. |

11) Ich frage Erna, ob sie geträumt habe. Sie erzählt: „Ich träume oft vom Kalkunenvater (Truthahn). Ich hatte einmal ein weißes Hühnchen, und der Hahn sprang immer auf und zupfte es und hat es tot gemacht, Es sollte viele Eier legen. Weil er es liebte, sollte es viele Eier legen, und er zupfte es, bis es starb. Jetzt tut der Hahn oft so mit meinem und Pauls Huhn.“

Die gegebene Erklärung des Zusammenhanges zwischen Bespringen und Eierlegen stammt von der Mutter. Ob tatsächlich aus jenen Gründen das Hühnchen starb, ist nicht zu kontrollieren. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Phantasie, die mit den Vergewaltigungsvorstellungen ver-

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knüpft ist. Die Erzählungen dieser Sitzung führen die in der vorigen angeschnittene Frage nach der Rolle des Vaters weiter,

Es ergibt sich nun die Notwendigkeit, den Vergewaltigungskomplex zu lösen. Ich versuchte dies durch Einführung des Begriffes des Samens. Wir fanden zusammen, wie es kommt, daß eine Pflanze Samen produziert und wie hieraus neue Pflanzen entstehen. Anknüpfend an das, was Erna von den Hühnern vorgebracht hat, wird erklärt, daß im Huhne viele kleine Eilein sind, die aber erst wachsen können, wenn ein Sämchen dazukommt. Dieses hat aber der Hahn. Wenn er auf das Huhn springt, so gibt er ihm Sämchen. Jetzt wachsen die Eier, und wenn sie groß geworden sind, werden sie vom Huhn gelegt. Werden sie ausgebrütet, so kommt ein Küchlein heraus.

12) Die heutigen Mitteilungen führen die 'Diskussion spontan weiter. Die Beziehungen zwischen Ochse und Kuh sind verstanden worden, der Widerstand weicht weiter. Auf die Frage, was sie mir heute erzählen wolle, sagt Erna: „Wir wollen, daß unsere Kuh ein Kuhkälbchen bekommt. Sie hat sonst immer einen Ochsen bekommen. Ich träume oft, sie habe

ein Kälbchen bekommen.“ [Wann bekommt sie es?) „Ich weiß es nicht, sie ist schon ganz dick.“ [Wie kann die Kuh denn ein Kälbchen bekommen?) „Vom Bullen. Er springt auf die Kuh und gibt ihr Sämchen.“

Nun stellt sich die Aufgabe, die Geschlechtsunterschiede zu klären. Ich frage: [Hast du schon gesehen, wie der Bulle anders ist, als die Kuh?] „Ja, er hat hinten einen Sack und vorn so einen Büschel, wo Wasser herauskommt.“ [Dort im Sack, da sind die Sämchen, und wenn der Bulle auf die Kuh aufspringt, dann kommen dort, wo du gesehen hast, daß das Wasser herausfließt, die Sämchen heraus, und dann gibt er sie der Kuh dort hinein, weißt du, wo auch bei ihr das Wasser herauskommt. ] „Wir haben eine Kuh, die will ein Kälbchen haben. Sie will zum Bullen. Deshalb springt sie auch auf die Kühe.“ [In der Kuh, da sind auch Eilein. Wenn ihr der Bulle Sämchen gegeben hat, so gehen sie zu den Eilein. Eines davon, das zuerst ein Sämchen bekommen hat, das wächst, und es wird dann ein Kälbchen.|

Erna nimmt die gebotenen Aufklärungen entgegen, als ob ich ihr eine Selbstverständlichkeit gesagt hätte, die sie schon längst wußte. Ich habe ja auch weiter nichts getan, als das Erfahrungsmaterial des Kindes geordnet und dadurch möglich gemacht, daß es verstanden werden kann. Ich nahm nun an, daß die erhaltene Klärung der Verhältnisse bei den Tieren auch die Vorstellungen über Zeugung und Geburt beim Menschen berichtigen werden. Hier lagen aber noch Widerstände vor. Wir wissen, daß sich solche auch gegenüber den Beziehungen zwischen Ochse und Kuh offen- barten. Hier stellte es sich dann heraus, daß Erna nach eigenen Beob- achtungen darum wußte. Ich wollte eine Stichprobe anstellen und fest- stellen, ob die Verhältnise beim Menschen nun durchschaut werden

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können: [Gibt nicht Papi der Mammi auch Sämchen?]) „Nein.“ [Wieso hat denn Mammi Kinder bekommen?] „Vom Essen. Sie muß Milch trinken. Das Kindchen wächst von der Milch.“ Erna wird sehr verlegen, ihr Gesicht bekommt einen gequälten Ausdruck, sie macht verschiedene „nervöse“ Bewegungen. Ich merke, daß wir auf die angst- und schuld- bewußte Versagungsgrenze gestoßen sind. Eine der beobachteten Bewegungen dürfte als unbewußter Verrat zu deuten sein. Erna hob das Röckchen empor und stieß die Händchen oberhalb dem Knie zwischen die Beine, Zu der zuletzt erhaltenen Antwort füge ich hinzu: [Aber Tanti L. trinkt auch Milch und sie bekommt doch keine Kinder (zehnte Sitzung).] „Weil sie keinen Mann hat.“ [Du sagtest, Mammi müsse essen ?] „Ja.“ [Was?] „Brot.“ Große Verlegenheit, die beschriebenen Bewegungen wiederholen sich. [Woher weißt du, daß Mammi Milch trinken und Brot essen muß, wenn sie ein Kindchen bekommen will?) „Das habe ich mir so ausgedacht.“ [Da hast du dir aber was Falsches gedacht.] Wieder große Bedrücktheit. Die Bewegungen werden stärker als vorher. Zuletzt hoppst Erna auf dem Stuhl auf und ab. Schließlich sagt sie: „Ich weiß nicht, warum die Hirsche im Winter ihre Hörner verlieren. Der Elch verliert seine Hörner nicht, der Hirsch wohl. Mamma hat eine komische Geschichte erlebt. Sie fuhr mit dem Rad durch den Wald. Sie meinte, sie sehe ein Pferd, das sich losgerissen hat. Das Pferd rennt, und was war es? Ein Elch war es, mit großen Hörnern, der davonläuft.“

Diese sonderbaren zoologischen Anschauungen verraten dem Analytiker den Vorstellungskomplex, von dem aus der Widerstand geht. Er war schon lange sichtbar. Ich unterließ aber, näher darauf hinzuweisen, bis weiteres Material eine Besprechung erleichtern würde. Vorläufig möchte ich nur sagen, daß wir im Sinne jenes Komplexes die aufgeworfene Frage von den Hirschen so lesen können: „Ich weiß nicht, warum die Knaben und Männer ihr Genitale behalten können, während die Mädchen und Frauen es verlieren.“ Als Antwort auf diese versteckt vorgebrachte Frage suche ich den Zeugungsvorgang beim Menschen zu klären.

[Du weißt doch, daß du nicht gleich bist, wie Fritz und Paul?] „Ich habe lange Haare und trage ein Röckchen.“ [Dann hast du noch anderes an Fritz und Paul beobachtet.| „Die haben unten so ein Pumperchen und ein Zipfelchen.“ [Wenn dann Fritz und Paul groß geworden sind, dann kommen in dies Pumperchen Sämchen, und wenn sie heiraten, dann wollen sie Kinder haben. Sie geben dann ihren Frauen von den Sämchen. Die kommen dann aus dem Pumperchen und gehen durch das Zipfelchen heraus und dort hinein, wo bei der Frau das Wässerchen herauskommt. Die Sämchen gehen dann zu den Eilein, und dann können sie wachsen, bis ein Kindchen geworden ist. Das weißt du ja schon. Du kannst erst heiraten und Kinder bekommen, wenn du groß bist, erst dann sind die Eilein reif. Den Fritz aber kannst du nicht

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heiraten. Er wird sich eine andere als Frau suchen. Dich wird dann ein anderer Mann viel lieber haben als Fritz. Bis dahin mußt du mit Puppen- kindern vorlieb nehmen.] Nach diesen Mitteilungen geht eine Veränderung im Kinde vor. Die Unruhe ist verschwunden, das Gesicht mit dem gequälten Ausdruck hat sich aufgehellt und strahlt fröhlich. Die Mutter sagt mir nachher, daß Erna sich verändert habe. Sie sei viel harmonischer und zutraulicher geworden. Sie habe früher bei aller Fröhlichkeit, die sie sonst auszeichnete, immer etwas Gedrücktes in sich gehabt und sie sei manchmal schwer zugänglich gewesen, Das Bettnässen verschwand für längere Zeit. Hierüber habe ich später zu berichten.

Noch ein Wort zu der in dieser Sitzung vorgebrachten Zeugungstheorie beim Ausweichen von der Angstgrenze. Sie vermittelt uns den Anschluß an den Traum von den beiden Hunden, wo der böse zerstückelt, in Mehl umgesetzt, gebacken und das Brot vom anderen Hund und von der Träumerin verzehrt wurde. Wir haben diesen Traum als Zeugungstraum angesprochen und bekommen hier die Bestätigung. Das Material wird einer Aufklärung durch die Mutter entnommen. Zur Zeit, als Riga von den Bolschewiki besetzt war (1919), hatte Erna oft den Wunsch nach einem Schwesterchen geäußert. Angesichts der Lebensmittelnot meinte die Mutter, wenn man ein Kindchen wolle, so müsse man Weißbrot und Milch haben; da das aber fehle, so könne sie auch kein Schwesterchen bekommen.

13) Da die Geburtsfrage noch nicht geklärt wurde, so stellte ich die entsprechende Frage an Erna. Sie beantwortete sie sofort ganz richtig und fügte spontan bei, daß sie früher geglaubt habe, das Kind komme hinten heraus; auch meinte sie, daß der Bauch aufgehe. Wenn wir die von Erna vertretenen Geburtstheorien zusammenstellen, so erhalten wir: Das Kind wird geboren durch den Mund, nach der Öffnung der Brust, nach der Öffnung des Bauches, anal, vaginal.

In dieser Sitzung erzählt Erna weiter: „Gestern spielten wir Reiter, Ich war E. B. und Fritz war Hilde. Beim Schlafengehen bin ich Dorette A, Früher spielte Fritz Dorette A. Wenn ich Reiter spiele, dann bin ich ein Mann. Dann habe ich Dorette A. bei mir vornauf... Paul hat gesagt, als er jung war, da sei er ein Mädchen gewesen und ich ein Junge und Fritz ein Mädchen. Wenn man größer wird, dann wird’s umgekehrt, , ,

Der Nachbarsjunge klettert überall hin. Wenn ich nur so hoch klettern

könnte wie er. Bei mir dauert es am längsten, der Rock ist mir im Wege. Mit Hosen ginge es besser. Gestern habe ich mich geübt, auf Bäume zu klettern.“ |

Die Vertauschung der Geschlechtsrolle ist uns wiederholt begegnet. Es zeiste sich immer deutlicher, daß sie dem heißen Wunsche entspringt,

ein Bube zu sein, wobei die Buben um das Zipfelchen beneidet werden.

Die Theorie, die in dieser Sitzung Paul zugeschrieben wird, die aber gewiß Ernas eigene ist, nimmt die Frage, die wir in der vorigen Sitzung

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seinen

hinter der Geschichte von den Hirschen vermuteten, wieder auf. Sie wird

jetzt individuell gesehen: „Ich war früher ein Knabe, aber dann bin ich ein Mädchen geworden, indem ich das Zipfelchen verloren habe. Meine Brüder waren früher Mädchen. Bei ihnen ist das Zipfelchen gewachsen.“ Die erste Annahme ist ein schlechter Trost und die zweite will nicht in Erfüllung gehen. Es bleiben noch zwei Auswege. Der eine besteht darin, daß man sich gedanklich das Zipfelchen beilegt, sich mit den Knaben identifiziert und in Phantasien, Spielen und Gewohnheiten diese nachahmt., Auch in dieser Sitzung identifiziert sich Erna mit E. B. wie in der

sechsten Sitzung. In der Reiterszene übernimmt sie wie in der früheren

achten Sitzung) die männliche Rolle. Der andere Ausweg ist der, den Neid überflüssige zu machen, indem die Buben in Mädchen verwandelt werden und ihnen das Zipfelchen weggeschnitten wird. Das geschah offenbar einmal bei ihr, nimmt sie an.

Bei der Analyse des Zwangssymptoms einer Dame, das im Impuls bestand, männlichen Wesen einen Finger abzubeißen, versteckte sich dahinter ein früherer zwangsmäßiger Wunsch, den Buben den Penis abzubeißen und ihn zu verschlucken, in der Meinung, daß sie auf diese Art zu einem eigenen Penis kommen könne. Eine andere Dame konnte in der Zeit der Analyse plötzlich kein Fleisch mehr essen. In der Folge wurden frühere Phantasien bewußt, auf dem Markte Penes von Ochsen zu kaufen, zu kochen und essen, um dann so zu einem solchen eigenen Organ zu gelangen. In den Träumen Ernas stoßen wir auch auf den Kastrationskomplex. In der dritten Sitzung wird ein solcher Traum erzählt. Auf einem Hügel liegt ein abgehäuteter Mann ohne Hand. Das Modell hiezu lieferte unzweifelhaft die Puppe Friedel, jene männliche Puppe aus Mammas Kinderzeit, die eine Hand verloren hatte und die dann vom Hund zerrissen wurde. Ein Auge fand sich auf dem Tennisplatz. Erna reißt im gleichen Traume dem Wolfe die Zähne aus, damit er die Brüder nicht beißen kann. Paul hat ihm vorher ein Auge ausgerissen. Er kann aber noch mit dem anderen sehen. Den Sinn des Beißens, Böseseins, Anschauens konnten wir ein- deutig wiederholt feststellen. Augen- und Zähneausreißen waren bild- liche Darstellungen für Kastration und bedeuten, in den ganzen Traum eingefügt, eine Abwehr der „Gewalttätigkeit“. Da angegeben wird, das Zähneausreißen erfolge, um die Brüder zu schützen, so läßt sich hier noch die Abwehr eines auf diese gerichteten Kastrationswunsches ver- muten. Als die Analyse weiter fortgeschritten war, kam ein ähnlicher Traum. Dort wurde die Vergewaltigung durch Kastration abgewehrt, aber gleichzeitig auch die Zeugung angenommen. Die Hundeteile kommen auf die Träumerin, werden dann als Brot genossen. Das Essen bedeutet offenbar nicht bloß Befruchtung, wie wir früher ausführten, sondern wird auch im Dienste des Wunsches, sich ein männliches Genitale zu erwerben, stehen, ähnlich den Phantasien der mitgeteilten Zwangssymptome. Wie ja in den „Erzählungen“ und Spielen Ernas die Mutteridentifikation (Kinderwunsch)

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und die Identifikation mit Vater und Bruder ruhig nebeneinander und ineinander standen, so ist eine derartige Verbindung auch in den Träumen möglich. Die bekannten Traummechanismen erleichtern sie. Der Mann, der Kinder bekommt, ist vielleicht ein Kompromiß der beiden zentralen

Wünsche der kleinen Erna. >

Wir wollen hier die Mitteilung der Analyse abbrechen. Bei der Besprechung des Bettnässens werden wir noch verschiedenes ergänzen können. Wir haben einen Einblick in die verschiedenen von Erna 'entwickelten Zeugungs- und Geburtstheorien erhalten. Es haben sich uns Dinge gezeigt, die in der Psychoanalyse von Erwachsenen und Kindern sowie in Kinder- beobachtungen häufig nachgewiesen wurden. Auch wurden die dazu- gehörenden völkerpsychologischen Parallelen aufgezeigt.” Für uns ergibt sich die Frage, wie wir uns als Pädagogen hiezu stellen. Wir können hier nur eine kurze Antwort geben. Bevor wir sie suchen, wollen wir uns fragen: Wie ist Erna zu dieser Sexualforschung gekommen? Leider ist das Material sehr lückenhaft, so daß wir häufig auf Vermutungen angewiesen sind,

Die Forschung scheint mit der Geburt des kleinen Paul eingesetzt zu haben. Erna war damals zweieinhalb Jahre alt. Die Untersuchung des Symptoms des Bettnässens wird diese Annahme stützen. Wir hören in der zehnten Sitzung, daß Erna behauptet, gesehen zu haben, wie die Mutter dick geworden sei. Das kann sich nur auf die Schwangerschaft mit Paul beziehen. Es kann sich hier aber auch um eine Beobachtung im Knechts- hause, die Erna mit erwähnt, die später erfolgt ist und die nun rückdatiert der Mutter zugedacht wird, handeln. Im weiteren ist zu vermuten, daß Erna die intimen Beziehungen der Eltern erlauscht hat, worauf sie mit einem Pavor reagierte. Die Geburt Pauls mußte in der Kleinen den Wunsch wecken, auch ein Kindchen zu haben. Wir wissen ja, daß die Kinder sich in allem den Eltern gleichsetzen wollen und die dahin gehenden Wünsche in ihren Spielen realisieren. Diese Identifikationstendenz bekommt einen starken Anstoß aus der Tatsache, daß bei der Geburt eines Geschwisters die Mutter von diesem beansprucht wird. Der erlittene Liebesverlust und die Zurück- setzung verlangen nach einem Ausgleich. Das Spiel kann ihn bringen.? Es ergibt sich also als Grundfrage der infantilen Sexualforschung: Wie komme ich zu einem Kinde? Aus unserem Material ist ersichtlich, wie brennend diese Frage für Erna war. Die Frage kann auch so lauten: Wie kann die Wiederholung der Geburt eines Geschwisterchens verhindert werden? Bei Erna ist, wie es scheint, hievon wenig zu spüren. Ihre Forschung geht in positiver Richtung nach Kindern. Zur Zeit der Analyse, mit sechseinhalb Jahren, erweist es sich, daß sie in den Hauptpunkten die Vorgänge der Zeugung und der Geburt richtig erfaßt hat, und zwar scheinen diese Auf-

ı) Rank, Völkerpsychologische Parallelen zu den infantilen Sexualtheorien. In „Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung“. (Int. PsA. Bibl., Bd. 4.)

2) Schneider, Über Identifikation, Imago XII (1926), Heft 2/3.

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fassungen die ältesten zu sein, wobei die anderen Theorien bei der Aus- weichung entstanden sind, Das Kind ist „natursichtiger“ als der Erwachsene und wird wahrscheinlich „das Richtige” eben „erfühlen“ können, wenn allerlei Erfahrungen im Schlafzimmer und in der weiteren Umgebung gemacht werden. Allerlei Störungen hemmen den natürlichen Ablauf der Forschung, und es kommt dann dazu, daß vorübergehende Erwägungen zu Theorien ausgebaut werden, an denen festgehalten wird. So kommt die Verdrängungs- und Verschiebungsreihe zustande: Vagina, Anus, Bauch, Brust, Mund, Storch, Engel. Auf diese Störungen habe ich im Bericht über die zehnte Sitzung hingewiesen. Die dort angeführten Gründe des Versagens der Forschung lassen sich alle bei Erna nachweisen. Sie suchte sich die nötigen Kenntnisse zu verschaffen, bekam ausweichende oder solche Aufklärungen, die leicht zu Mißverständnissen führten. In der Analyse war auffällig, wie die Träume, die mit dem Bösesein zu tun hatten, bei der Besprechung Angst und Schuldgefühle auslösten. Die Her- kunft dieser Affekte ist in unserem Falle noch nicht genügend erforscht. Immerhin dürfte anzunehmen sein, daß sie im Zusammenhang stehen mit Beobachtungen im Schlafzimmer der Eltern, mit Tierbeobachtungen, die jenen folgten, und mit den Erlebnissen (Vorstellungen, Handlungen und Gefühlen), die dadurch im Kinde ausgelöst wurden. Das führte dann dazu, dem Kinderwunsch eine „harmlosere“ Richtung zu geben. Das Ausweichen der Umgebung bestärkte das Kind in seinem Ausweichen. Das Gebiet, wo die Frage zu lösen ist, wurde zum Verpönten, das nur unter Angst und Entbindung von Schuldgefühlen betreten werden kann, sowohl vom Kinde wie von den Erwachsenen. Um loszukommen, wurde die Lösung auf immer harmlosere Gebiete überschoben. Man hat wiederholt der Psychoanalyse den Vorwurf gemacht, daß sie die Kinder „entharmlose“. In unserem Falle zeigt sich deutlich das Gegenteil. Das besprochene Aus- weichen bedeutet unter der Maske der Erhaltung der Harmlosigkeit eine Gewissensbelastung einer ursprünglich harmlosen Einstellung des Kindes. Es war infolgedessen ganz natürlich, daß unsere Erna die erhaltenen Auf- klärungen wie Selbstverständlichkeiten aufnahm und mit dem Ausdruck einer Befreiung reagierte. Es erfolgte also das Gegenteil einer Entharmlosung.

Es ist klar, daß der Wunsch des Kindes nach einem Kinde unerfüllt bleiben mußte. Er kann nur im Spiel realisiert werden. Das ist ja die natürliche Aufgabe des Spieles, in unserem Falle des Puppenspieles. Der ursprüngliche Wunsch scheitert an der Unmöglichkeit der Verwirklichung und unterhält, haften geblieben, immer wieder die Forschung und lenkt sie ab. Sie wird immer unter Druck erhalten. Andererseits droht eine Fixierung in der Ödipussituation. Erna macht die Mutter zur Großmutter, läßt sie sterben und beerbt sie, um ihre Stelle beim Vater einzunehmen. Dadurch könnte ihr Wunsch realisiert werden. Das hieran sich knüpfende Schuldgefühl veranlaßt Verdrängung und Verschiebung. Zuletzt sei noch darauf hin- gewiesen, daß eine Abweichung von der richtigen Lösung in der Sexual-

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forschung befördert wird durch entgegengesetzte persönliche Wünsche. Bei Erna ist es der sehr stark betonte Männlichkeitswunsch. Die Illusion, ein Bube zu sein, führt zur Ignorierung der natürlichen Stelle der Zeugung und der Geburt. Es kommt auch von hier aus zu Verschiebungen. Wenn die Kinder den Weg des Verdauungstraktus nehmen, so kann die Illusion ruhig aufrecht erhalten bleiben, ebenfalls, wenn der Storch die Kinder bringt. Hier ist es das, was die Psychoanalyse unter dem Begriff des Kastrationskomplexes zusammengefaßt hat, was Angst und Schuldgefühle erzeugt und zur Abweichung nötigt. In Ernas Kastrationsträumen waren diese Affekte deutlich erkennbar.

Die sich nun ergebenden pädagogischen Vorschläge möchte ich hier in Form von Thesen aufführen. Die Begründung liegt meistens im gebotenen Analysematerial.

1) Die Sexualforschung in der Spielzeit, die sich bei jedem einigermaßen begabten Kinde geltend machen dürfte, ist erzieherisch zu leiten, indem die Fragen nach der Herkunft der Kinder beantwortet werden, und zwara) sobald das Kind eine entsprechende Frage stellt, gleichgültig in welchem Alter. Wer die Begabung, hat, eine vernünftige Frage zu stellen, hat auch die Begabung, eine vernünftige Antwort zu verstehen. b) Die Antwort hat sich auf den Umfang der Frage einzustellen. Sie darf nicht zu wenig enthalten, damit im Kinde nicht der Verdacht aufkommt, man habe etwas zu ver- heimlichen, und damit die Forschung nicht in eine falsche Richtung abgedrängt wird. Sie darf auch nicht über die gestellte Frage hinausgehen, denn sonst wird der Forscherdrang des Kindes unterbunden, oder es hört noch unverständliche Dinge, die leicht falsch verwertet werden können. c) Die Antwort muß den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Auch bei Besprechung anatomischer und physiologischer Vorgänge ist Offenheit geboten. Die Antwort soll also eine rechtzeitige, eine genügende und eine sachliche sein.

2) Jede Beantwortung muß dem Kinde die „Überzeugung“ aufrecht erhalten, daß es sich jederzeit vertrauensvoll an die gleiche Quelle um Aufklärung seiner Fragen wenden könne. |

3) Die Leitung der kindlichen Sexualforschung hat durch die Eltern zu geschehen, resp. durch die Personen, die das Vertrauen des Kindes genießen. Eine Massenaufklärung in der Schule ist ein Unding, weil sie zu spät kommt und keine Rücksicht nimmt auf das, was das Kind bisher in der Sache erlebt hat. Soll eine spätere Aufklärung wirklich sachlich wirken, so müssen die bisherigen falschen Anschauungen korrigiert und die vorhandenen Konflikte gelöst werden. Die Verdrängungen sind auf- zuheben, und die dahinter oder besser davor liegenden Angst- und Schuld- gefühle müssen erledigt werden. Eine damit verknüpfte Aufklärung muß dort einsetzen, wo die besonderen Fragen des Kindes liegen, und hat mit seinem Erfahrungsmaterial zu arbeiten. Daher kann eine Aufklärung nur eine individuelle sein. Wo die Eltern versagen, da ist es wünschenswert,

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wenn der Lehrer das Versäumte nachholt. Manche Schwierigkeiten in Erziehung und Unterricht legen dies sogar sehr nahe. Dabei ist aber immer nötig, daß das Bewußtsein des Kindes in analytischem Sinne erweitert wird, damit die bisherigen falschen und schuldbeladenen Anschauungen geklärt und gereinigt werden können.

4) Die kindliche Sexualforschung setzt zweimal ein, zuerst in der Spielzeit, dann bei beginnender Pubertät. Die erhaltenen Aufklärungen der Spielzeit können vollständig verdrängt werden, so daß man bei der zweiten Forschung bereits früher gestellte Fragen neu beantworten muß.

5) Eine sexuelle Aufklärung im Sinne unserer Forderungen unter ı) kann bei der Leitung der kindlichen Sexualforschung niemals schaden. Sie wirkt erziehend und manchen späteren Konflikten vorbeugend. Eine spätere Aufklärung in Verbindung mit analytischer Lösung verdrängter Konflikte wirkt befreiend.

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Sexuelles Wissen und sexuelle Aufklärung Von Dr. Heinrich Meng, Stuttgart

Das Kind ist ein Teil des Elternleibes, verläßt ihn und wächst allmählich zu einem selbständigen Wesen heran. Nach Ewald Hering fallen Gedächtnis und Vererbung in einen Begriff zusammen, so daß Kinder Eigenschaften ihrer Vorfahren durch das „Gedächtnis der Materie“ über- nehmen. Ernst Mach schließt daraus, daß wir durch dieses Wissen verstehen, weshalb z. B. die Amerikaner der Union die englische Sprache beibehielten und auch sonst manche Einrichtung, die typisch englisch ist. Wessely beobachtete, daß die Pflanzen der südlichen Hemisphäre bei uns dann blühen, wenn in ihrer Heimat Frühling ist, daß sie also eine Art „Gedächtnis“ haben müssen. Wir nehmen auch vom Menschenkinde an, daß es ein Wissen mit auf die Welt bringt vom Zeugen, Befruchtet- werden, Gebären und Geborenwerden.' Biologisch zweckmäßig wird eine solche „Aufklärung“ sein, bei der eine Klärung erfolgt in den im Kinde dumpf aufsteigenden Vorstellungen, Gedanken und Gefühlen und bei der die Trieberziehung nach vernünftigen Gesichtspunkten die Triebbeherrschung bahnt.

Der Mensch hat schon sehr früh die Fähigkeit, den Gesichtsausdruck anderer Wesen zu „verstehen“; das kleine Kind deutet aus dem Benehmen und dem Ausdruck seiner Mitmenschen deren Gefühle. Ferner ahmt es sehr frih schon in den ersten Lebensmonaten das, was es sieht, nach.

ı) Näheres siehe Meng, „Schutz durch sexuelle Aufklärung“ im Band ı des „Arztlichen Volksbuchs“ (Hippokrates-Verlag, Stuttgart).

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Bedenken wir, daß das Kind nur ausnahmsweise im Spiegel sich selbst sieht, seine Bewegungen also nicht nach der wahrgenommenen Gleichheit zu kontrollieren vermag. Die Nachahmung kann daher nur geleistet werden, weil es ein bestimmtes Tun, Fühlen und Können bereits in sich trägt. Deshalb müssen wir einer Annahme von Hans Driesch zustimmen: Der Mensch hat eine angeborene Fähigkeit, auf Reize in bestimmter Form und von bestimmtem Rhythmus mit Handlungen von derselben Form und demselben Rhythmus zu reagieren.

„Sexuelle Aufklärung“ ist daher vorwiegend nicht eine Angelegenheit des Wortes, sondern des gesamten Verhaltens der Umwelt. Biologisch gesehen, kann Vermittlung von intellektuellem Wissen sehr unwichtig oder falsch sein, wenn nicht das gesamte Verhalten des Erziehers, seine eigene „Sexuelle Aufklärung“, die von ihm ausgehenden Reize und die von ihm gezeigten Reaktionen den natürlichen Aufklärungsprozeß im Kinde fördern und erleichtern. Freud hat uns Gesichtspunkte vermittelt, dem Kinde die Realitätsanpassung zu erleichtern, darunter auch die An- passung an seine eigene Geschlechtlichkeit und an die Geschlechtlichkeit der Wesen um ihn herum. Er hat uns gelehrt, daß das Verstehen und Nachahmen des Kindes einem Identifizierungsprozeß entspricht, bei dem durch Aufrichten von Idealen, die der Umwelt entnommen sind, wichtige Anstöße zur Charakterbildung gesetzt werden. Damit ist jeder aufklärenden Erziehung die Aufgabe gegeben, überhaupt sich nicht mit dem Ja oder Nein, sich nicht mit dem Sprechen oder Nichtsprechen zu begnügen. Der Erzieher muß sich vielmehr leiten lassen von der Einsicht und Einfühlung in die Konflikte der Menschwerdung, er muß sein gesamtes Verhalten als Reiz werten, der das Kind zum Verstehen und Nachahmen anregt, und sich für sein gesamtes Verhalten verantwortlich fühlen.

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Die Zurückweisung der Aufklärung durch das Kind Von Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.

Wenn man Kinder über die körperliche Beschaffenheit, namentlich die Geschlechtsmerkmale, die Zeugungs-, Schwangerschafts- und Geburtsvorgänge im Unklaren läßt, treten so häufig und so offenkundig Schädigungen! zutage, daß man sich die Frage vorlegen muß, wieso es möglich ist, daß die Sexualaufklärung heute noch bei so vielen Kindern gar nicht, mangelhaft oder doch zu spät erfolgt. Die Gründe, welche von den Gegnern der Offenheit vertreten werden, scheinen mir nicht zu genügen,

ı) Ein Beispiel einer solchen Schädigung gebe ich in „Analyse der Phobie eines achtjährigen Mädchens“ im gleichen Heft dieser Zeitschrift.

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weder die bewußten vernunftmäßigen noch die beträchtlich stärkeren unbewußten gefühlsmäßigen. Denn wenn das Kind sich mit seiner ganzen Person für seinen Wunsch, aufgeklärt zu werden, einsetzen würde, würde es wohl fast stets sein Ziel erreichen, da ihm ja massenhaftes Material zufließt, wie wir täglich in unseren Analysen sehen. Dieses Material wird aber entweder gar nicht verwertet oder dient zum Aufbau bestimmter meist recht typischer Theorien. Diese können sich also wohl nur deshalb halten, ja, müssen sich immer wieder erneuern, weil sie dem Kinde gefallen und wichtigen Triebregungen jener Zeit entsprechen, in der es zu fragen anfängt und wenn es die Fragen erneuert. Das ist das dritte bis fünfte Lebensjahr, das achte bis zehnte und die Pubertät.

Bereits mit drei Jahren ist das Kind kein unbeschriebenes Blatt mehr. Im Gegenteil: es hat schon eine Menge wichtiger Erziehungsmaßnahmen über sich ergehen lassen müssen, besonders solche, die mit der Beherrschung von Harn- und Kotentleerung zusammenhängen. Die Verrichtungen des Enddarms und der Blase, an sich mit recht erheblicher körperlicher Lust und Unlust verknüpft, sind ihm durch die Stellungnahme der Mutter oder deren Vertretung auch zu einer Quelle wichtigster seelischer Lust und Unlust geworden. Belohnungen und Bestrafungen haben nicht nur sein Verhältnis zu den Pflegepersonen dabei stark berührt, sondern auch seine Einstellung zu den Organen immer wieder beeinflußt, die ihm in gewisser Beziehung selbständig, aber als Ursache der Stellungnahme der Pflegeperson gegenüberstehen. Auch seine Selbstliebe ist durch diese Beziehungen oft gekränkt und gestützt worden. Dadurch besteht eine kolossale Wertung dieser Schamgegend beim Kinde in positiver und negativer Art.

Trotz der Bedeutung, die die Erzieher den Funktionen dieser Teile geben, konnte es dem Kinde nicht entgehen, daß die Produkte nicht in entsprechender Weise von ihnen gewertet werden. Sie werden weggeschüttet. Nach ihrer Produktion ist die hauptsächlichste Beachtung, die sie erfahren, daß ja kein Spürchen von ihnen übrig bleibt, weder an den Händen, noch am Gesäß, noch in der Luft. Selbst ihr Geruch muß aus dem Raum. Die Funktionen werden also hochgeschätzt, das Produkt aber verachtet, damit fördert man den Zwiespalt auch der Wertung der Organe.

Dieser Prozeß erhält neue Nahrung durch die Beobachtung immer wiederkehrender Tatsachen: diese Gegend wird möglichst rasch verhüllt, namentlich vor Fremden. Mutter und Vater zeigen sie nicht wie Gesicht und Hände, ja verbergen sie offenkundig. Bei der Reinigung wird häufig eilig über die Partien hinweggegangen, jedenfalls ihre Berührung im Sinne des Kindes, das daran Freude empfindet, zu kurz gestaltet. Durch all dies wird der psychophysische (leib-seelische) Vorgang der Scham ausgelöst, der nun seine ererbten Äußerungen zeigt. Es ist bei der Scham (und beim Ekel) wohl ähnlich wie beim Sprechen, Stehen und Gehen: sie muß zwar im Einzelleben erlernt werden, aber die Lernfähigkeit, ja, die Lern- notwendigkeit ist angeboren.

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Gestärkt und unterstützt wird diese Scham durch immer neue Maß- nahmen. Der After darf nie berührt werden, sonst sind die Finger „ba“. Das Genitale anzufassen, trägt Schelte, Drohungen und Strafen ein. Auch die Verhütungsmaßnahmen, wie Festbinden der Hände, erscheinen dem Kinde als schwere Ahndungen. Gar nicht selten werden Knaben von neurotischen Eltern zu den drolligsten Maßnahmen gedrill, um nicht einmal heim Urinieren das schreckliche Ding, vor dem die Mutter sich so ekelt, anzulangen. Um diese Zeit gelingt es zumeist den Erziehern mit mehr oder weniger gewaltsamen Mitteln, die Säuglingsonanie zu unter- drücken, das normalerweise bestehende reflexartige Spielen am Genitale. Um den Erziehern zu gefallen, „so, jetzt habe ich dich lieb“, will es hören, nimmt das Kind wenigstens mit einem Teil seiner Person diese Wertung der Schamgegend und bald ihrer Verrichtungen an; ja, da eine gegenteilige Wertung, eine Vorliebe, gleichfalls besteht, aber verdrängt werden muß, wird diese Scham häufig übermäßig verstärkt. Jede Beschäftigung, auch jede gedankliche Beschäftigung mit der Schamgegend, scheint verboten.

Oft hat es schlimme Folgen, wenn das Kind gegen einen starken inneren Antrieb gehorsam ist. Dann wird der Gehorsam leicht zwangs- mäßig. Er bleibt auch bestehen, wenn das Gebot überholt, ja, sinnwidrig geworden ist. So kann es sich ereignen, daß eine dauernde Unfähigkeit die Schamgegend am wirklichkeitsgerechten Arbeiten hindert. Neben Darm- und Blasenstörungen können geschlechtliche Unzulänglichkeiten Impotenzen beim Mann, Kälte bei der Frau, Geschlechtsverirrungen und Neurosen bei beiden Geschlechtern auf diese Erlebnisse zurückgehen. Die mangelnden Fragen des Kindes über sexuelle Dinge, die ungenügende Stärke des Interesses und die Dummheit in Beschaffung und Verwertung des sich sonst aufdrängenden Materials sind bereits Vorläufer der oben genannten späteren Störungen. Häufig handelt es sich auch um eine regel- rechte infantile Neurose, die sich außerdem in anderen Symptomen, wie Angstanfällen, Zwangshandlungen, Charakterverbildungen, namentlich Trotz und Jähzorn, und vor allem allgemeiner Dummheit, der häufigsten neurotischen Erscheinung, äußert.

Auslösend hiefür sind nicht selten Ereignisse, die dem Kinde noch besonders triftige Gründe geben, nichts von den wahren Zusammenhängen bei der Entstehung von Menschen wissen zu wollen. Dafür ein kleines Beispiel: Die Mutter eines vierjährigen Knaben erwartet ein Kind. Sie will nicht, daß ihr Junge belogen werde, nimmt ihn daher eines Tages auf den Schoß und erklärt ihm, daß er hier jetzt nicht mehr wie früher herumtollen dürfe, weil in ihrem Leibe ein Geschwisterchen wachse. Auf- merksam hört der Knabe zu und stellt auch einige Fragen, die sein Ver- ständnis beweisen. Trotzdem verlangt er andern Tags ein Stückchen Zucker für den Storch, damit dieser ein Schwesterchen bringe. Wieder erklärt ihm die Mutter wahrheitsgetreu alles. Am dritten Tag wiederholt sich die

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Szene. Als die Mutter aufs neue beginnt, wird sie von dem wütenden Ausruf unterbrochen „Du lügst!“.

Also: das Kind will keine Aufklärung. Es will das Storchenmärchen. Das ist ihm angenehmer, denn wäre es wahr, so brauchte es keine Rück- sicht zu nehmen auf'den gemeinen Eindringling in die Mutter, der ihm seinen bisherigen Alleinbesitz an diesem Liebesobjekt raubt. Niemand soll ihr doch näher sein als er. Jetzt aber schon muß es deshalb Liebesspiele lassen, aufliebendes Tollen verzichten. Wenn schon ein Konkurrent kommt, warum nicht eine lebendige Puppe, gern auch ein Spielgefährte, so doch einer von außen, ein Fremder, der der Mutter nicht so nahe kommt. Eifersucht ist ein Hauptmoment, warum Aufklärung dem Kinde unerwünscht sein kann. Ein anderes Kind kommt über diese Dinge viel- leicht dadurch hinweg, daß es ständig Fragen stellt, ob bei ihm dasselbe sich ereignet habe, verlangt immer wieder, erzählt zu bekommen, wie es getragen und gestillt worden sei, und beruhigt sich in dem Gefühle, daß es nicht schlechter gestellt sei als der Ankömmling. |

Noch deutlicher treten all diese Momente in der zweiten Frage- und Aufklärungsepoche zutage. Hier ist der Tatbestand der bewußten Ver- fehmung der Schamgegend meist längst gründlich festgelegt. Alles, was mit ihr zu tun hat, ist Schweinerei. Und dieser Gegend soll man nun entstammen.

Auch ist der Reiz der Aufklärung häufig zu stark. Das Kind scheut vor der Erregung, die es packt, zurück. Oft kann man beobachten, daß die Neugier, immer wieder geschürt durch tropfenweise von Kameraden, die sich daran aufpeitschen, sexuell erregt Vorgetragenes, das Kind so auf- wühlt, daß es davon gequält ist und sich aus Selbstschutz, und um weiter ein braves Kind zu sein, vor neuen Mitteilungen abschließt. Nicht selten tritt solches Nichtwissenwollen in Form des Ekels auf, der auch körper- lichen Ausdruck finden kann. So begegnete mir mehrfach morgendliches Erbrechen als Schutzmittel gegen gemeinsamen Schulweg mit Kameraden, wodurch Zuhausebleiben oder Fahren erreicht wurden.

Und nun soll gar noch der Vater, der nur allzuoft Störenfried der lust- vollen Spiele mit der Mutter war, eine wichtige Rolle dabei spielen. Meist ist er, zu mindesten für einen Teil der kindlichen Persönlichkeit, ein not- wendiges Übel, der Geldverdiener, Nahrungs- und Geschenkeverschaffer, den man deshalb bei guter Laune erhalten muß. So kommt es, daß das Kind, das doch so oft hört, es selbst oder andere ähneln dem Vater, das weiß, daß der Vater irgendwie zu ihm gehört, nicht wahr haben will, daß er etwas mit der Entstehung des Kindes zu tun habe. Und gewiß will es meist nicht wissen, welch schmutzige Dinge mit welch ekelhaften Organen dabei vorgehen. „So was tun meine Eltern nicht“, ist eine häufige Antwort auf Erklärungsversuche durch Kameraden.

Sollen wir nun vor diesen Tendenzen zurückweichen und die Auf-'

klärung unterlassen? Ich glaube, die Frage ist falsch gestellt. Da Scham,

Ekel und Eifersucht, stark entwickelt, den Keim kommender Erkrankungen darstellen können, oft schon kindliche Charakterverbiegungen und Neurosen sind, ist es Aufgabe des Erziehers, deren Wucherung zu verhüten, beziehungs- weise, wenn sie einmal eingetreten sind, sie abzubauen. Demnach muß vom ersten Tage an dafür gesorgt werden, daß die Verrichtungen von Harn- röhre und After ebensowenig als schlimm empfunden werden wie die des Mundes. So gut wir nicht in den Fehler mancher Negerstämme verfallen, die das Essen mit Scham bedecken,'! ebenso können wir Harn- und Stuhl- verrichtungen zu gleichgültigeren Vorgängen werden lassen. Dazu gehört, daß wir die ursprünglich bestehende hohe Wertung dieser Tätig- keiten nicht selbst noch ins Groteske steigern, damit nicht die Scham, die ererbt ist, übermäßig ausgebaut werden muß, um die lriebkräfte der Harn- und Kotlust in Schach zu halten. Auch wird die Mutter und deren Vertretung dadurch, daß sie das Kind nicht allzufest an sich bindet, es von vorneherein daran gewöhnen, zu teilen, namentlich Zeit und Liebe der Mutter. Wird all dies vermieden, so sucht das Kind die Aufklärung und nimmt sie freudig als wertvollen Liebesbeweis entgegen. Dann wird es nicht der Köchin glauben, die erzählt: Ganz weit weg ist ein Teich; von dem holt der Storch irgend ein Kind heraus; das ist dann dein Bruder.

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Eltern, Schule und sexuelle Aufklärung Von Hans Zulliger, Ittigen (Bern) I Die sexuelle Aufklärung der Kinder kommt in der Regel zu spät. Sie müßte nämlich schon im vorschulpflichtigen Alter ihren Anfang nehmen: dann, wenn das Kind sich mit der Frage beschäftigt, woher der Mensch

komme und wohin er gehe (Geburt und Tod). In der Regel fangen diese Fragen die Kinder dann an zu beschäftigen, wenn ein Geschwisterchen

ankommt, oder wenn in der Nachbarschaft ein Kind geboren worden ist.

Alsdann rückt das Kind mit Fragen sexuellen Inhaltes heraus, und je nach seiner Verschüchtertheit stellt es sie mehr oder weniger direkt.

Ein Kind z. B., dem man einst mit der Kastration drohte, als es mit seinen Genitalien spielte, und dem man immer als unanständig verbot, etwas über seine „unteren Körperpartien“ zu sprechen, wird schon als Vierjähriges auf eine Art fragen, daß der. eigentliche Zweck der Frage nicht offen zutage liegt. Denn sexuelle Dinge sind für es bereits mit dem Tabu belegt, die Verdrängungsmechanik müßte durch die Erwachsenen

ı) Immerhin „darf man“ bei uns nicht auf der Straße essen.

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schon durchschaut werden können. Man hört Eltern nicht selten über die leidige „Fragesucht“ ihrer Vierjährigen klagen, die sie nicht ver- stehen können. Es handelt sich um Kinder, die die Frage der Fragen dieses Alters stellen möchten: „Woher kommen dieKinder, woher kam ich?“ Sie wissen es jedoch selber nicht, was sie eigentlich fragen möchten von der sexuellen Frage ist ihnen bewußt nur noch der Drang zum Fragen (Fragen allgemeiner Art) zurückgeblieben. Aufgeklärte Kinder zeigen diese Fragesucht nie. Denn ihr Fragedrang wurde weder von seinem eigentlichen Ziel durch Verbote abgelenkt, noch wurden sie durch eine barsche elterliche Antwort auf eine Frage sexuellen Inhaltes dahin gebracht, plötzlich und traumatisch eine brüske Ablehnung zu erfahren, die sie zum Verdrängen zwang.

Oft „verwächst“ ein Kind seine Fragesucht, die von vier bis sieben Jahren bestand, wenn es schulpflichtig wird. Und fast ebensooft geht alsdann diese Fragesucht in eine „Lesesucht” über. Das Kind sucht aus seiner Verdrängung heraus entweder Ablenkung, oder, wo es sich eine infantile Sexualtheorie zurechtdachte, hofft es in den Büchern irgendwie eine Bestätigung zu finden. Was ihm seine Eltern oder Pflegepersonen vor- enthielten, könnten ihm die Bücher verraten.

Ich habe in meinen Schulklassen mehr denn einmal einen „Leseratz“ gesehen, der mit seiner Süchtigkeit fast plötzlich aufhörte, nachdem er entweder von einer erwachsenen Person ernsthaft aufgeklärt wurde, oder nachdem es ihm gelang, das berühmte „Doktorbuch” heimlich zu erwischen.

Eine Mutter brachte mir einmal ein zehnjähriges Mädchen, das an Lesesucht litt. Ich fragte, ob es aufgeklärt worden sei. Die Frau bejahte es und meinte, gerade diese Tatsache bringe sie in Erstaunen. Es sei ihr bekannt, was die Kinder in den Büchern eigentlich suchten, nämlich sexuelle Aufklärung; so behaupteten ja die Psychoanalytiker. Sie war sehr geneigt, die „psychoanalytische Ansicht über die Bedeutung der Lesesucht“ in Zweifel zu ziehen. Das Mädchen war, wie sich später herausstellte, mit neun Jahren von der Mutter aufgeklärt worden. Vorher hatte man ihm gesagt, die Kinder kommen vom Storch, oder die Hebamme bringe sie, oder man grabe sie unter einem Findling im Walde hervor. Es waren Erwachsene (Erwachsene sind für Kinder bis zu neun Jahren immer „Autoritäten“) gewesen, welche so widersprechende Antworten auf die Frage der Herkunft des Lebens gegeben hatten. Das gab dem Mädchen zu denken, es traute schließlich keinem Erwachsenen in der Sache mehr und bildete sich die sogenannte „anale Geburtsth eorie"“ als Erklärung und Antwort. Als es dann von der Mutter „richtig“ aufgeklärt wurde, glaubte es ihr nicht recht und suchte in den Büchern die Bestätigung für seine eigene Theorie.

Es ist eigentlich unvollständig, wenn von einer „analen“ Geburtstheorie gesprochen wird. Denn zu ihr gehört die „orale Zeugungstheori e”. Eine Schülerin hat sich mir gegenüber folgendermaßen geäußert:

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„Ich habe mir gedacht, der Vater gibt der Mutter etwas zu essen. Eine Medizin. Und daraus entsteht das Kind, und dann kommt es hinten heraus, wenn es gewachsen ist.“

Andere Kinder teilten mir ähnliche Phantasien mit: der Pfarrer oder der Zivilstandesbeamte hätten dem Manne etwas, ein geheimes Mittelchen, übergeben, als sich die Eltern trauen ließen, der Vater habe dann davon der Mutter übergeben, und so sei ein Kind entstanden. Häufig glauben Kinder, die schon junge Vögelchen oder Küchlein haben ausschlüpfen sehen, der Vater lasse die Mutter Eier essen, und diese gingen dann im Leibe der Mutter aus, und so entständen die Kinder.

Auf einer späteren, mehr verdrängenden Entwicklungsstufe kommt dann eine neue Annahme hinzu. Man findet es für unschicklich, daran zu denken, daß das Kind aus dem After ausgetreten sei. Dann glauben viele Kinder, sie seien aus dem Bauchnabel hervorgekommen.

Oft jedoch bleibt die oral-anale Theorie bestehen bis ins spätere Alter. Eine Frau Pfarrerin mit einer Schar Kinder erwartete ihr Nesthäkchen, als die ältesten Töchter schon ı8- und ı6jährig waren. Und nun vernahm ich die unglaublich „reine“ Vorstellung der Achtzehnjährigen, die aus folgendem Gespräche ersichtlich wird:

Mutter: „Jetzt nimmt dich wohl wunder, liebe Klara, woher denn die kleine Hanna kam?“ (Die Mutter hat die Älteste aufklären wollen, weil sie es jetzt doch schließlich an der Zeit fand.)

Klara: „Ich weiß schon, ein Engel hat Hanna gebracht!”

Die Mutter unterläßt es, Tränen in den Augen über die Reinheit ihrer Tochter, diese mit dem wahren Sachverhalt bekannt zu machen. Zwei Tage später drückt sich die Klara an ihre Mutter heran.

Mutter: „Willst du mich etwas fragen ?”

Klara, errötend: „Ja, Mutter, mich quält noch eine Frage wegen der kleinen Hanna. Aber ich darf fast nicht fragen ?”

Mutter: „Sprich nur, liebes Kind!“

Klara: „Ich möchte nur eines wissen: wo kam der Engel herein? Kam er vorn durch die Küche oder kam er hinten durch die Stube herein? Sag’ mir nur dieses, liebe Mutter, damit ich wieder schlafen kann, ich dachte die ganze Nacht darüber nach!”

Für den psychoanalytisch Orientierten besteht kein Zweifel, wieso eine scheinbar so „dumme“ Frage die Jungfrau derart intensiv beschäftigte, daß sie nicht schlafen konnte. Die von ihr wahrscheinlich unter dem Ein- flusse ihrer in sexuellen Dingen sehr streng denkenden Eltern längst unterdrückte, verpönte und als höchst peinlich empfundene Frage nach der Herkunft der Kinder beschäftigte sie. „Ist das Kind vorn oder hinten herausgekommen’?“ so lautet die Frage eigentlich. Aber wir ‘dürfen darin wohl auch die Frage nach der Zeugung vermuten: „Wo kam der Engel ins Haus herein?“ Aus den Traumanalysen kennen wir die Bedeutung des Hauses (auch aus dem Sprachgebrauch „Ein altes Haus“ „Holz vor dem Haus“ [Brüste] usw.). Die Frage lautet also auch: „Wie

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und wo kam das Kind in die Mutter hinein?“ Wir wissen jedoch auch, was „Küche“ symbolisch bedeutet, und wenn wir gar ver-

nehmen, daß Klara ausdrücklich sagt „... vorn durch die Küche... .“, dann sind wir nicht mehr im Zweifel, was damit gemeint ist, und was dann jenes „... hinten durch die Stube. .“ zu bedeuten hat.

Klara ist darüber im Zweifel, ob das Kind anal oder genital geboren und gezeugt werde. Was sie von ihrem Bewußten ängstlich als peinliche und verpönte Gedanken abhielt, beschäftigte sie unbewußt halt doch ihre Gedanken konnten jedoch infolge der Verdrängung nicht mehr anders als symbolisch zum Ausdrucke kommen.

2

Ein kleiner Jude hat mir einst eine interessante Geburtstheorie gebracht, die mit der Beschneidung zusammenhing,

Er litt an hysterischen Schmerzen in der Blinddarmgegend, die physisch ganz unbegründet waren. Dies war neben seiner Renitenz eines der Haupt- symptome. Weil er sich zu Hause schlimm verhielt, schickte man ihn zu mir in Heilbehandlung dem Blinddarmsymptom schenkte man im Elternhause keine Beachtung mehr, nachdem der Hausarzt versichert hatte, der Junge sei durchaus nicht blinddarmkrank.

Der Bub stellte sich vor, daß die Kinder im Blinddarm entstehen. Den Männern würde, wie seinem Vater, seinem Onkel usw., der Blinddarm weggeschnitten, deshalb wären die Männer nicht imstande, Kinder zu bekommen. Den Frauen, die den Blinddarm noch besaßen, wachse darin von Zeit zu Zeit ein Kind und trete dann durch den Anus aus.

Die Eltern des Knaben hatten es unterlassen gehabt, den Jungen beschneiden zu lassen. Kameraden aus der konfessionellen Schule, die er in seiner Heimatstadt besuchte, sah er während des Badens als Beschnittene, und da er nicht war, wie die anderen, hielt er sich für minderwertig: er war über seine Geschlechtsrolle im Zweifel.

Das Herausnehmen des Blinddarms hielt er (in dieser Schichte der Behandlung) als ein Äquivalent für die Beschneidung. Er wollte sich den Blinddarm herausnehmen lassen: das bedeutete, er wollte sich beschneiden lassen, um ein männliches Kind zu werden. (Später kam heraus, daß er sich vor der Beschneidung seines Gliedes fürchtete; sie bedeutete für ihn die symbolische Kastration, und da wurde es klar, warum er lieber den Blinddarm als den Penis hergeben wollte.)

Sehr häufig stellen sich die schon älteren Kinder die Zeugung und Geburtals einen sadistischen Akt vor. Die Hebamme schneidet der Mutter den Leib auf. Der Vater würgt und schlägt die Mutter, dann entsteht ein dicker Leib, darin wird ein Kind (Analogieschluß: wenn man jemand schlägt, so schwillt die betroffene Stelle auf —?).

Vierzehn- und fünfzehnjährige Mädchen, die teilweise schon mitten in der Pubertät drin stehen, haben mir folgende Fragen gestellt:

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„Warum bekommen die Mädchen nicht den Stimmbruch ?“

„Weshalb bekommen die Mädchen keinen Schnurrbart ?”

„Wieso erhalten die Knaben die Periode nicht?“ (Menses.)

„Wieso bleiben bei den Knaben die Brüste immer klein ?”

„Warum bedarf man bei der Geburt der Hebamme?“

„Wo kommt das Kind aus dem Mutterleibe heraus ?“

„Was hat der Bauchnabel zu bedeuten?”

„Wie kommt das Kind in die Frau hinein ?“

„Wieso gibt es Zwillinge ?”

„Ist es wahr, dal3 eine Geburt so schmerzhaft ist a“

„Was heißt das, eine Fehlgeburt ?”

„Warum müssen die Frauen Röcke tragen, und warum dürfen die Männer Hosen anhaben ?“

Knaben des gleichen Alters sind weniger entwickelt, stärker in sich gekehrt, die Teilfragen der Sexualität beschäftigen sie nicht so stark. Möglicher- weise begnügen sie sich auch eher mit der Aufklärung, die von Kameraden kommt, von Knechten, von der Gasse. Sie fragen hie und da wegen der sekundären Geschlechtsmerkmale, verraten sich gelegentlich als Masturbanten (— vielleicht fragen sie aus Schuld- gefühlen weniger als die Mädchen —) und geben sich nach meinen Beobachtungen mehr in anal-sadistischen Spielen sexuell aus, denn in sexueller Neugier. Es ist so, als ob das sexuelle Problem in diesem Lebensalter für sie nicht so brennend wäre als für ihre gleich- alterigen Schulgenossinnen.

Kinder, die auf der Gasse mehr oder minder genau aufgeklärt worden sind, verlangen doch nach Aufklärung durch eine erwachsene Vertrauensperson. Wieso dem so ist, war mir lange Zeit ein Rätsel, bis mir einst eine Schülerin mitteilte - „Wenn Sie es mir sagen dann kann man es glauben, und dann ist es nicht so dreckig I“ Dieser Ausspruch verrät schlaglichtartig, was die Eltern versäumen, wenn sie die Gelegenheiten unbenutzt lassen, um ihre Kinder aufzuklären: sie verlieren dabei das Vertrauen ihrer Jungen und Mädels! Das ist später schwer wieder gut zu machen, und die meisten Eltern gewinnen es nie wieder.

3

Wir haben im Sittenunterrichtt Lügen der Schüler gesammelt und besprochen. Dabei hielt ich darauf, wo immer möglich das Ideal der ‚Wahrhaftigkeit hoch zu halten.

(Es gibt Fälle, wo dies unmöglich ist, z. B. wenn ein Knabe aussagt: „Der Vater kommt betrunken heim. Seinen Zahltag hat er verspielt und vertrunken. Er weiß, daß Mutter noch Geld hat. Ich weiß es auch und weiß wo. Der Vater verlangt von der Mutter Geld. Sie sagt, sie habe keines mehr. Er kommt zu mir und sagt, ich solle ihm das Versteck verraten, wo die Mutter das Geld verborgen hält. Ich sage, ich wisse von

nichts, denn ich weiß, das Geld ist nötig, um Lebensmittel zu kaufen, und er würde es nur vertrinken und verspielen. Da darf ich doch lügen ?“)

Wir kommen schließlich, nachdem wir alle Sorten von Lügen geprüft haben, nach der Formel: „Wäre es in diesem Falle nicht möglich gewesen, die Lüge zu vermeiden ?* dazu, die Regel aufzustellen, daß eine Lüge nur dann erlaubt sei, wenn sich der Mensch entscheiden müsse zwischen der Wahrhaftigkeit als dem niedrigeren und einem höheren Ideale.

Da fliegt auf einmal eine Hand auf:

„Lehrer, dürfen denn die Erwachsenen lügen?” „Die Erwachsenen ? Wen meinst du damit?” „Die Großen die Eltern (zaghaft:) die Lehrer!“ „Wie hat man euch Kinder denn angelogen ?"

Da gibt es hohnvolles Gelächter: „Vom Osterhasen vom Weihnachts- kinde vomStorch!” Das letzte klingt wie Wut. Und ein Junge, dessen Stimme schon im Stimmbruch schwankt, erklärt trotzig: „Die Großen (Erwachsenen) lehren einen das Lügen! Wenn sie einen so blöd mit dem Storche betrügen, so hat man ganz recht, wenn man sie auch belügt und betrügt, wo man kann!"

Eine neue Perspektive! Die Lügenhaftigkeit der Kinder basiert oft vielleicht überhaupt auf der sexuellen Verlogenheit der Erwachsenen. Diese enttäuscht und erbittert stärker, als wir so obenhin anzunehmen geneigt sind. Bei näherem Zusehen wird auch ganz klar, warum das so ist.

Ich habe einmal, nämlich im Anschluß an die Sittenlektionen über die Lüge, die Klasse gefragt: „Warum möchtet ihr denn so gern wissen, wie die Kinder entstehen?“ und ich erhielt prompt zur Antwort: „Wir wollen wissen, woher wir kommen!“

Die Frage nach der Herkunft des Menschen ist eine sehr persönliche Frage, eine persönlichere als beispielsweise die der Herkunft des Kaffees oder der Baumwolle. Je persönlicher der Mensch mit einer Frage verhängt ist, desto schmerzhafter und brennender bedrängt sie ihn. Und wenn er weiß: Ich könnte Auskunft erhalten, ich könnte aus dem Dilemma heraus, wenn man mir gut wollte, aber man will nicht, dann muß er mit Zorn, Haß und Rachegefühlen reagieren. Das Kind, das man in seinem Gefühlsleben mit den temperamentvollen Primitiven gleich- gesetzt hat, wird heftiger reagieren, als es der zivilisiertere erwachsene

Europäer tun würde. 4

„Wer soll aufklären?“ das ist die oft gehörte Frage. Sollen es die Eltern, soll es die Schule tun?

Es scheint klar, daß die Eltern es tun müßten. Denn wenn die sexuelle Aufklärung richtig vorgenommen wird, so beginnt sie schon sehr früh, jedenfalls vor dem schulpflichtigen Alter. Außerdem sollen sich die Eltern durch ihre Aufklärung in dieser persönlichsten aller Fragen das Vertrauen der Kinder erhalten und festigen ein Vertrauen, auf das gestützt später

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alle sexuellen Verwicklungen und Verirrungen viel besser umgangen oder

beseitigt werden können. Denn durch die Erhaltung des Vertrauens gerade in sexuellen Dingen wird bewirkt, daß der Jüngling und die Jungfrau auch später, nach Eintritt der Reife, bei ihren Vertrauensleuten Rat in ihren Nöten holen.

„Wie soll man aufklären?“

Da gibt es verschiedene Wege. Am besten ist wohl, man stellt dem Kinde bei seiner sexuellen Frage vorerst die Gegenfrage: „Wie stellst du es dir denn vor was denkst du, wie es sei?“ oder ähn- lich. Dann kann man sich am besten einfühlen und infolgedessen am angepaßtesten antworten. Und man antwortet nuraufdie Teil- frage, die das Kind gestellt hat. Ein Vierjähriger fragt noch nicht nach der Bedeutung des Vaters (Mannes) bei Ehe und Zeugung. Ihn wird nur interessieren: „Wo war ich vor der Geburt?“, und es genügt ihm voll- kommen, wenn ihn die Mutter belehrt: „Du schliefst unter meinem Herzen, bis du groß genug warst, um auf die Welt zu kommen!“ Erst nach längerer Zeit wird der Junge fragen: „Wo kam ich denn heraus?“ und viel später noch: „Wie kam ich denn in dich hinein?“

Ich habe weiter oben angedeutet, wie ältere Schüler über sexuelle Dinge fragen. Vielleicht hat meine Aufzählung der Kinderfragen glauben lassen, sie wären nacheinander während einer Besprechung gestellt worden. Dem ist nicht so. Es lagen wochen- und monatelange Zeiträume dazwischen. Jede beantwortete Frage beruhigt das Kind für eine geraume Zeit, und erst später tauchen neue Fragen in ihm auf.

„Sie haben als Lehrer aber doch aufgeklärt?“ sagt man mir. Gewiß! Warum sollte dies ein Lehrer nicht tun dürfen! Es kommt dabei nicht ungefähr, sondern ganz auf das „Wie“, auf das persönliche Ver- hältnis zwischen Schüler und Lehreran.

Die Eltern leiden in der Mehrzahl selber an sexuellen Hemmungen und Verklemmungen, die sie hindern, gegen ihre Kinder offen und natürlich zu sein. „Wir können die Aufklärung nicht übernehmen; wenn Sie sie auf sich nehmen wollen, so ist es uns recht!” diese Erklärung habe ich schon oft von Eltern ausgesprochen gehört, wenn ich sie von der Not- wendigkeit überzeugte, daß sie eines ihrer Kinder aufklären sollten. Andere sagen direkter: „Wir schämen uns, etwas zu sagen!“ Wieder andere erklären: „Das ist Sache der Schule oder des Unterweisungsunterrichtes!“, oder aber: „Wozu haben wir einen Schularzt ?!“

Im kirchlichen Unterweisungsunterrichte, an vielen Orten auch durch Schulärzte, ist bei den austretenden Schülern der Versuch einer Massen- aufklärung gemacht worden. Massenaufklärung ist in der Regel ein verfehltes Unterfangen. Das könnte nicht einmal der Lehrer tun, der die Kinder ein oder mehrere Jahre unter seiner Obhut hielt und genau kennt, geschweige denn ein Geistlicher, der die Kinder während des spärlichen Unterweisungsunterrichtes sah, oder gar ein Mediziner, der besonders dazu

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herkommt. Zuerst muß der gefühlsmäßige Kontakt vorhanden sein. Und auch dann noch wirkt eigentlich nur das Gespräch unter vier Augen.

Wo der Lehrer die Erlaubnis der Eltern erhält, oder wo er gar darum gebeten wird, darf er aufklären, und wenn er es als eine persönliche Sache nach oder außerhalb der Schule unter vier Augen tut, da wird sein Vertrauen von den Schülern sicherlich nie mißbraucht. Ich dürfte mich nicht beklagen, je so etwas erlebt haben zu müssen.

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Als mein Erster vier Jahre alt war, wurde er aufgeklärt über die Geburt: Als später sein um zwei Jahre jüngeres Schwesterchen vier Jahre und er sechse alt war, brachte er ihm ein Buch, worin der Storch am Kindleinteich abgebildet ist. Die Kleine war damals auch aufgeklärt. Dennoch redeten die beiden nun, als ob sie an die Storchenfabel glauben würden.

Später einmal erwischte die Kleinste das Buch, und sie glaubte an die Abbildung also an das Storchenmärchen.

Da gaben die beiden anderen auf einmal ihre Überlegenheit kund, indem sie die Kleinste belächelten und die Mutter zum Zeugen anriefen, daß sie alle drei als ganz klein in der Mutter geschlafen hätten.

Dieses Zurückkommen und Wiederverlassen der Auffassung der Geburt im Sinne der Storchenfabel ist nicht Einzelerscheinung. Viele anderen Eltern haben ähnliches beobachtet.

Offenbar hat das Storchenmärchen etwas an sich, was der Phantasie der Kinder in einem gewissen Alter mehr entgegenkommt als die realen Tatsachen. Vom psychoanalytischen Gesichtspunkt aus bedeutet das Storchen- märchen gar nichts so Unsinniges es liegt in seiner Symbolik dem Kinderdenken wohl wenigstens ebenso nahe, wie eine wirklich sachgemäße, materialistische Erklärung. Wahrscheinlicherweise liegt darin ein Stück uralten Volksgutes wie etwa in den Sagen und Mythen. Darum die „Affinität“ des frühkindlichen Gemütes für die Storchenfabel. Wo aber ein Kind ins „Realitätsalter“ hineinkommt, da ist es für seine Erzieher höchste Zeit, das Storchenmärchen zu berichtigen.

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Wo ein Lehrer sieht, daß einer seiner Schüler oder Schülerinnen um der sexuellen Frage willen in arge Not gerät und das Kind zu ihm kommt und ihn um Hilfe bittet, da könnte er in die Lage kommen, ihm ohne Erlaubnis der Eltern aufklärend zu helfen, |

Er steht alsdann vor zwei Übeln: er kann das Kind aufklären und muß erwarten, daß es möglicherweise zu Hause etwas davon berichtet, und dann ist er dem Haß und der Verfolgung der Eltern ausgesetzt, denn er hat kein im Lehrplan verbrieftes Recht zur sexuellen Aufklärung. Oder

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aber, er will sich lieber nicht „aufs Glatteis“ begeben, er schützt sich von der oben bezeichneten möglichen Gefahr und unterläßt die Auf- klärung. Das Kind, das in Not ist, wird dann irgendwo anders her, vielleicht auf der Gasse, Aufklärung suchen. |

Ich gestehe, daß ich in solchen Fällen die Aufklärung ohne Bedenken auf mich nahm. Die pädagogische Pflicht so erscheint mir gehtvor der persönlichen Sicherheit und der Bewahrung von etwelchen Kämpfen und Verantwortungen. Was mich betrifft, so sind mir bei solchen Maßnahmen noch nie irgendwelche durch die aufgeklärten Kinder verursachten Schwierigkeiten erwachsen. Kinder haben auch Takt, oft nicht weniger als etwa die Erwachsenen ..,

Manchmal kommen die Kinder mit „heiklen“ Fragen. Eine Fünfzehnjährige hatte z. B, zu Hause „so Dinger gefunden“, die ihre Neugier erweckten, und von denen sie aus bestimmten Gründen überzeugt war, daß sie mit dem Sexualleben ihrer Eltern zusammenhängen mußten. Die „Dinger“ beschrieb sie mir deutlich als Kondoms,

„Ich habe gedacht,” teilte sie mir vertrauensvoll mit, „vielleicht geben Sie mir Auskunft. Und was Sie mir sagen, das kann ich glauben. Und es wird wohl nichts Schlechtes sein, wenn Mutter und Vater damit zu tun haben —. Es nimmt mich halt sehr wunder! Und wenn man mich abweist, so nimmt es mich noch viel mehr wunder!“

Sie hatte schon die Mutter gefragt, diese hatte sie jedoch schroff abgewiesen. Deshalb kam sie nun zu mir. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß sie wirklich nicht wußte, zu was man die „Dinger“ gebrauchte, fragte ich, wieviele Kinder zu Hause seien es handelte sich für eine Arbeiterfamilie um eine beträchtliche Schar. Und dann sagte ich: „Siehst du, da werden deine Eltern denken, sie haben genug zu schaffen, um euch acht Kinder ernähren und schulen zu können. Du bist die älteste, kommst bald aus der Schule, und dann willst du in eine Berufslehre das kostet den Vater wiederum viel Geld. Darum werden deine Eltern wohl beschlossen haben, sie wollen, wenn möglich, kein weiteres Kind mehr bekommen. Und nun gibt es sogenannte Verhütungsmittel. Die sollen ver- hindern, daß eine männliche und eine weibliche Zelle sich treffen. Und ich denke, was du zu Hause im Nachttischehen gesehen hast, ist ein solches Verhütungsmittel.“

Die Schülerin gab sich mit der Erklärung zufrieden. Sie hatte mit großem Ernst zugehört und blickte mich dankbar an, als sie von mir wegging.

Ein gleichaltriger Bub versuchte mich einmal auf die Probe zu stellen, indem er mich fragte: „Lehrer, wieso kommt das? Da wohnt bei uns zuoberst im Haus in einem Dachzimmerchen ein Fräulein, das schafft nichts. Am Abend geht sie in einer vornehmen Toilette weg, in der Nacht oder am Morgen früh kommt sie im Auto zurück, oft betrunken, und oft sind Herren bei ihr. Wo nimmt die das Geld zu ihrem Leben her?“

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Ich spreche zuerst die Vermutung aus, vielleicht besitze sie Geld, und da verrät er sich, indem er es verneint und aussagt: „Die Mutter hat gesagt, die verdieneihr Geld ‚anders —!“

Nun frage ich ihn, warum er denn nicht die Mutter gefragt habe und ob ich etwa für ihn die Mutter fragen solle. Da verliert er seine Haltung, bekommt Angst, ich könnte mit seiner Mutter reden, und er gesteht mir, daß er weiß, daß es sich um ein „chlechtes Mädchen” handelt, und daß er mich habe „ans Seil nehmen wollen“, weil er dachte, ich wage es doch nicht, ihm Auskunft zu erteilen. Er bat mich alsdann für seine schlimme Absicht ohne mein Drängen um Verzeihung, die ich ihm gewährte, und ich konnte in der Folge mit dem Burschen anfangen, was ich wollte, er war wie umgewandelt, und er wäre für mich durchs Feuer gegangen.

Ich meine, der Lehrer darf sich nicht durch heikle Fragen verblüffen lassen. Wo er nicht in Angst gerät, findet er auch daraus einen Ausweg, und wo ihm dies gelingt, gewinnt er die Schüler für ein Vertrauens- verhältnis, das moralische und intellektuelle Früchte zeitigt. Denn das gute Gefühlsverhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist nicht unbedeutend für die intellektuellen Leistungen des Schülers."

Die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hat unter ihrem Patronate „Aufklärungsfilm e“ herstellen und aufführen lassen. Sie sind ebensogut gemeint, wie die medizinische Massenaufklärung in den Schulen bei den Austretenden.

Sie haben jedoch einen großen Nachteil: sie wirken abschreckend und oft neurosenfördernd. Einige junge Leute, welche die Filme sahen, haben mir nachher schaudernd erklärt, sie hätten auf der Straße jeden Menschen beobachten müssen, ob er nicht Anzeichen von Syphilis zeigte. Ein junges Mädchen erklärte mir: „Ich sah mir jeden jungen Mann an und dachte: „Bist du wohl auch so ein Schuft?"

Damit will ich nur andeuten, daß derartige Aufklärungsarbeit Schäden entstehen lassen kann. Sie wirken weiter als die Ärzte, die die Herstellung der betreffenden Filme begünstigten oder veranlaßten, voraussahen und beabsichtigten. Die Ansteckungsangst, wie man sie bei vielen Neurotikern vorfindet, wird genährt und ist imstande, die natürliche Verbindung mit dem anderen Geschlechte zu unterbinden. Sexuelle Auf- klärung tut not, gewiß, aber sie dürfte nicht in sexuelle Abschreckung ausarten.

Die Einsicht, die aus dem Verhalten vieler junger Menschen zu den Aufklärungsfilmen gewonnen werden kann, überzeugt uns noch stärker, daß alle Aufklärung eigentlich persönlich geschehen müßte. Ärztliche

ı) Vgl. „Gefühlsverhältnis und intellektuelle Leistung“ in meinem Buche „Gelöste Fesseln“. Verlag Alwin Huhle, Dresden.

Autoren haben für die Kinder kleine populäre Aufklärun gs- schriftchen geschrieben. Zahlreiche Eltern, die gerne in der Sache etwas an ihren Kindern tun wollen und doch das offene Wort nicht wagen, machen es nun so, daß sie ihren Kindern einfach so ein Schriftchen diskret in die Hand drücken: „Da, lies!“

Solches Vorgehen ist verfehlt: es braucht unbedi ngt das gesprochene Wort, nicht das geschriebene! Das Kind soll fra gen, diskutieren können, und die beste derartige Aufklärungsschrift ist niemals imstande, alle die kindlichen Fragen zu beantworten, weil die Fragen der Kinder anders lauten, als sich der Erwachsene vorstellt, und weil sie bei jedem Kinde wieder anders lauten: ein Kind ist von der einen, ein anderes von einer anderen Teilfrage bewegt.

Schließlich sollten in den Seminarien die jungen Lehrer richtig aufgeklärt werden. Man könnte dies sachlich tun im Unterricht über den Bau des Menschen, und im Psychologieunterricht sollte man sich auch nicht scheuen, die Fragen zu berühren. Es gibt nicht ‚bald einen Stand wie den der Lehrer, der so viele „nervöse“ Leute aufweist, und, nachdem die Ätiologie der Neurosen bekannt ist (Freud), könnte möglicherweise noch in den Seminarien viel zurechtgebogen oder im Sinne einer Prophylaxe verhindert werden, was sich heute zu Neurosen auswächst. Einer Lehrerschaft, die selber weniger unter sexuellen Hemmungen und Ver- klemmungen litte, würde es nicht so schwer fallen, sich über sexuelle Themen mit ihren Schülern zu unter- halten, sie fände auch eher und leichter den Weg, um mit den Eltern ihrer Schüler zu sprechen und ihnen Anleitungen darüber zu geben, auf welche Art diese ihren Kindern Aufklärung erteilen könnten.

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Sexuelle Aufklärung ist Sache der Eltern. Wo es diese jedoch nicht tun können und wollen, da muß die Schule stellvertretend einspringen. Die Schulaufklärung darf niemals Massen-, sondern muß unter allen Um- ständen Individualaufklärung sein und schon früh einsetzen. Spätere Auf- klärung wirkt nur als Bestätigung, Klärung und Reinlichmachung, wo Schulkinder auf sch mutzige Art aufgeklärt worden waren. Vor der Schulentlassung sollte der Lehrer (wo es die Eltern nicht tun) seine Schüler mit den Gefahren desauß erehelichen Verkehrs bekannt machen (Geschlechtskrankheiten, Verhütungs- mittel), damit die Möglichkeit geringer werde, daß junge Leute ins Unglück kommen, sei es durch Ansteckung oder durch uneheliche Zeugung. Hier gilt nur ehrliche Offenheit!

Wo ein Kind in Not ist, hat der Lehrer die Pflicht, zu helfen, wo er helfen kann, auch wenn er sich dabei exponiert: er ist für das Kind da, und nicht das Kind für ihn!

Big 238

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Es ist zu hoffen, daß die Erfahrungen und Wirkungen der Psycho- analyse und der Sexualforschung in absehbarer Zeit eine Menschheits- generation entstehen lassen, die weniger verdrängt und weniger prüde ist, so daß die Elternaufklärung etwas Selbstverständliches wird. Darum halte ich es für verfrüht und verfehlt, wenn von gewisser Seite her angestrebt wird, daß der Staat die sexuelle Aufklärung in der Schule lehrplanmäßig vorschreibe.

Wo die Eltern aufklären, wird die Schulaufklärung überflüssig. Wenn diese heute notwendig wird, so bedeutet sie nichs weiter als einen

vorläufigen Notbehelf.

ITTITRTTNTTTTTITTTRTTTNITNITTNITTITNTTTTHTITTTTTL TITEL TTLTTU LITT LIT TUT AITTITTTITIU TUT TTUTTUTPULTET ETUI EUUU UT PIPU EU

Vom Gegensatz der Generationen

Von Nelly Wolffheim I

Es ist offenkundig, daß zwischen den Generationen zwischen Eltern und Kindern ein Gegensatz besteht. Man irrt sehr, wenn man annimmt, daß die sich abspielenden Konflikte erst in unserer Zeit in Erscheinung traten. Bereits in der Geschichte der Urvölker hören wir vom Kampf der Söhne gegen den Stammivater. Die Rivalenschaft zwischen Vater und Sohn fand in vielen Mythen Darstellung. Im besonderen sei da an die Sage vom König Oedipus erinnert; die Furcht der älteren Generation vor der nachfolgenden und das Besitzergreifen der jüngeren haben in dieser Verarbeitung eine klassische Darstellung gefunden.

Wer Märchen und Sagen auszulegen weiß, wird in ihnen eine Fülle von Andeutungen und Symbolisierungen finden, die auf unser Thema zurückgehen. Die bösen Stiefmütter der Märchen stehen an Stelle der Mütter im allgemeinen. Die Schneewittchen-Stiefmutter sucht sich ihrer Tochter zu entledigen, weil sie auf deren Schönheit eifersüchtig ist und fürchtet, hinter ihr zurückstehen zu müssen. Aschenbrödel darf nicht mit auf den Ball gehen und sticht, als es ihr doch gelingt, die Mutter (und die sie auch symbolisierenden Schwestern) aus. In anderen Märchen und Sagen werden Riesen die Väter von ihren Gegnern, den Zwergen also den Kleinen, den Kindern bekämpft. Könige als Vatersymbol stehen in Konflikt mit ihren Untertanen.

Alles dies sind dem Leben entlehnte Stoffe. Eifersucht und Rivalenschaft,

Herrschsucht und der Kampf gegen sie werden als etwas allgemein Vorhandenes

aufgefaßt, da eben Sagen und Märchen Typisches zum Ausdruck bringen. Die feindlichen Triebe der Generationen gegen einander wirken auch noch heute in den Menschen, doch hat die Kultur dafür gesorgt, daß sie ins Unbewußte verdrängt werden und daher weniger stark zur Auswirkung kommen. Wir

schenken in der neueren Zeit dieser Materie mehr Aufmerksamkeit, wissen und erfahren heute mehr von den Konflikten zwischen Eltern und Kindern, weil sich jetzt alles freier durchzusetzen vermag, was früher durch den Kespekt vor der Autorität zum Schweigen gebracht wurde. Dann aber sind uns durch die Ergebnisse moderner Forschung Kenntnisse von den seelischen Geschehnissen übermittelt worden, die uns zu diesen Problemen eine andere Stellung einnehmen lassen. | Die Psychoanalyse hat aufgedeckt, wieviele Konflikte der Eifersucht und Rivalenschaft aus der unter dem Namen „Ödipuskomplex“ bekannten | frühkindlichen Liebe des Sohnes zur Mutter, der Tochter zum Vater erwachsen. Wenn hier auch nicht des Näheren auf diese Zusammenhänge eingegangen werden soll, so sei doch kurz hervorgehoben, wie viel für die ganze Entwicklung des Menschen davon abhängt, daß die an sich als normal zu bezeichnende Sohn-Mutter-, 'Tochter-Vaterbindung in rechter Weise zum Abklingen kommt. Wo die Kinder zu stark an die Eltern gebunden bleiben, ist der Boden für Schwierigkeiten geschaffen, die sich nicht nur in entwicklungshemmender Weise bei den Heranwachsenden

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auswirken, sondern die auch bei aller Liebe und vielleicht gerade durch sie das Verhältnis der Generationen zu einander ungünstig beeinflussen. | Aber die Gegensätzlichkeit zwischen Eltern und Kindern hat noch andere | Ausgangspunkte, von denen hier der eine vielleicht der alltäglichste | beleuchtet werden soll. Die Erzieher fast ohne Ausnahme wollen das Kind haben, wie

sie es sich denken, wie sie es sich aus irgend einer Idealvorstellung heraus wünschen, und darauf baut sich das Gegen-das-Kind-Arbeiten auf. Das Kind lernt dadurch früh erkennen, daß es sich fügen muß. Aus dem Gefühl des Schwächerseins entstehen beim Kinde starke Minderwertigkeits- gefühle, die es hilflos machen und gemeinsam mit den aus frühester Kindheit stammenden Schuldgefühlen dazu beitragen, es zu hemmen. Aber neben diesem Gefühl der Minderwertigkeit steht der Protest, das Sichwehren gegen die Übermacht, so daß schon in erster Entwicklung sich ein Gegensatz auftut.

Frühes Minderwertigkeitsgefühl und frühes Aufbegehren werden besonders dort stark zur Entwicklung kommen, wo man die Kluft zwischen den | Eltern, überhaupt den Erwachsenen und den Kindern in einer bei der | alten Erziehung selbstverständlichen, heute weniger allgemeinen Weise | betont. Denn das Kind will den Eltern ähnlich sein, ihnen gleichen. Es mißt sich an ihnen, vergleicht sich, strebt danach, das Vorbild zu erreichen. Drückt man das Kind zu sehr herab, so bringt man es in eine schiefe Stellung zu seiner Umgebung: Man läuft Gefahr, das Kind zu einem sich minderwertig fühlenden Menschen heranzubilden, oder aber man erreicht das Gegenteil: Man züchtet eine überstarke Gegnerschaft, die dem Kinde und auch zumeist den späteren Erwachsenen zu einer dauernden Opposition Veranlassung geben.

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Es sind neben vielen anderen Gründen auch die hier erwähnten Tat- sachen, die es wünschenswert erscheinen lassen, daß das Kind mitKindern aufwächst, sich mit vielen verschiedenartigen Kindern messen kann. Unter Kindern kommt sich das Kind nicht immer „klein“ und unterliegend vor; es steht dort nicht immer einem Mächtigeren gegenüber, der es, auch wenn er es nicht beabsichtigt, in gewissem Sinne herabdrückt. Die Kinder verstehen sich trotz aller Händel und Kämpfe untereinander besser, als wir Erwachsenen sie verstehen können. Sind wir offen gegen uns, dann müssen wir zugeben, daß wir dem Kinde gegenüber oft vor Unbegreiflich- keiten stehen und mit unseren erziehlichen Maßnahmen daher meist im Dunkeln tappen. Wir richten so leicht Schaden an, reizen das Kind und nehmen es gegen uns ein. |

Doch auch die Kinder verstehen die Erwachsenen nicht; sie wissen im Grunde nicht, was wir von ihnen wollen, warum wir sie stören und in ihrer Freiheit beschränken. Es ist nur zu natürlich, daß die Kinder den wahren Sinn unserer Erziehungsversuche nicht erfassen können; denn der Erwachsene überschaut die Folgen einer Handlung anders, als das Kind es tut, und unsere Erfahrungen führen uns zu Folgerungen, die dem Kinde ganz fern liegen.

So liegt zwischen Kind und Erwachsenen eine Kluft, die sich nicht leicht überbrücken läßt, und schon in frühester Kindheit wird so der Boden vorbereitet, aus dem spätere Konflikte erwachsen können. Aller Erziehungs- erfolg hängt davon ab, wie wir es verstehen, das Problem der Gegensätz- lichkeit, des Gegeneinandergestelltseins zu lösen. Es gilt, eine Vermittlung zu schaffen zwischen Vorbildsein denn das Kind will wachsen, sich angleichen, hinaufstreben und Kameradschaft, d. h. einer herab- setzendes Kleinmachen vermeidenden Umgangsform.

Der heranwachsende Mensch muß sich seine Erfahrungen erst erarbeiten, sie nicht nur einfach übernehmen. Es liegt in dem Kinde ein Trieb, der zum Selbsterfahren drängt; so will es sich durchsetzen, erproben, seine Umwelt erforschen. Zuviel Bevormundung wirkt hemmend und aufreizend.

Die Verschlossenheit vieler Kinder, auch die sogenannte Verstocktheit, beruht häufig auf einem Gefühl des Nichtverstandenseins, das das Nicht- verstehenkönnen der Erwachsenen zur Ursache hat. Was wir können und auch müssen ist: das Ernstnehmen des Kindes und seiner Konflikte. Das Bewußtsein des Gewürdigtwerdens und Geachtetseins ist für das Kind Notwendigkeit.

Wie viele Rücksichten verlangen wir Erwachsenen vom Kinde, meist ohne daß wir uns bewußt sind, welche Überwindung und Opfer wir eigentlich vom Kinde fordern. Wie wenig Rücksicht wird aber auf Spiel und Beschäftigung der Kinder genommen, wie leichtfertig stören wir das Kind. Dem Erwachsenen erscheint ja im Grunde des Kindes Tun klein und nebensächlich. Nicht aus Mangel an Liebe sind wir rücksichtslos

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gegen das Kind, die Liebe ist ja vielfach zu groß und führt zu unerwünschter Verwöhnung, unsere falsche Einstellung ist es, die uns dazu bringt, Die Erwachsenen glauben zumeist, daß sie als fertige Menschen die Wichtigen sind und tragen zu wenig Achtung vor dem Werden der Kindheitsepoche in sich. Immer wird der Gegensatz betont; das Gleichsein wird im Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern zu wenig in den Vordergrund gestellt. Es ist ein Wahn der Erzieher, daß sie glauben, den Kindern eine Rolle vorspielen zu müssen, Man meint, etwas von seinem Einfluß zu verlieren, wenn man den Kindern in Natürlichkeit gegenübertritt, sich ihnen als ein mit Schwächen behafteter Mensch zu zeigen getraut. Eines Tages aber durchschauen die Kinder dies

Verhalten, und im besten Fall belächeln sie es; oft aber fühlen sich die

Kinder dadurch hintergangen und verlieren den Glauben an ihre Umgebung, Gereiztheit und Aufsässigkeit heranwachsender Kinder können hier eine Quelle haben.

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Besonders in der Pubertätszeit doch auch bereits in der Vorpubertät wird man Trennungswände aufrichten, wenn man zu sehr den Erzieher spielt. Die aus inneren Schwierigkeiten entstehende Überempfindlichkeit des jungen Menschen läßt ihn in allem einen Eingriff in die Freiheit seiner Persönlichkeit erblicken. Die Jugendlichen leben in einem Zwischen- land, wie Lou Andreas-Salome& diese Epoche genannt hat. Sie fühlen sich nicht mehr als Kinder, streben nach dem Erwachsensein, können aber den rechten Anschluß dahin schwer finden und leiden unter dem Noch-nicht- für-voll-Genommenwerden.

Die innere Loslösung der Kinder von den Eltern ist in dieser Zeit selbstverständliche Notwendigkeit. Man kann es fast mit Sicherheit als ein neurotisches Symptom deuten, wenn Kinder diesen Entwicklungsweg nicht gehen. Es pflegen nicht die schlechtesten Menschen zu sein, die sich in ihrer Sturm- und Drangperiode schroff-ablehnend und oppositionell betrugen. Nach Spranger „gelangen die Söhne, die ohne tiefere Krisis einfach der Linie des Vaters folgen, selten über das Mittelgut hinaus.” (Zur Psychologie des Jugendalters.)

Besonders schwer ‘haben es unter Anerkennung dieser Einsichten die . heutigen Mütter herangewachsener Kinder. Die Väter sind durch Beruf und mancherlei andere Interessen innerlich mehr in Anspruch genommen als die Frauen, die, ohne Beruf lebend, immer nur für die Kinder da sein wollten, sich ihnen aufopferten, und denen die Kinder eben Kern- punkt des Lebens waren. Diese Nur-Mütter leiden schwer, wenn sie sich eines Tages überflüssig fühlen; sie erkennen vielleicht mit dem Verstande an, daß die Kinder sich von ihnen fortentwickeln müssen, aber gefühls- mäßig empfinden sie den Vorgang als etwas Kränkendes und werden auch beim besten Willen schwer damit fertige. Wenn Mütter sich zu sehr aufopferten, müssen sich die Schuldgefühle der Kinder, die im Los-

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lösungsprozeß stehen, so stark entfachen, daß schon dadurch eine Gegner- schaft wenn auch vielleicht unbewußt entsteht, Sich enttäuscht fühlende Eltern pflegen die Heranwachsenden in ihrer Entfaltung zu stören, ohne zu ahnen, daß ihre eigenen Schwierigkeiten sie veranlassen, die Kinder zu quälen.

Wir müssen uns ja überhaupt darüber klar sein, daß Unbewußtes in erheblichem Maße dazu beiträgt, die Familienbeziehungen zu beeinflussen. Wenn Kinder stark geistig gerichteter Eltern z. B. betont ins praktische Gebiet übergehen, wie man dies vielfach beobachten kann, so ist dies nicht wie übrigens nichts im Leben! reiner Zufall, sondern die Opposition steht dahinter. Die bekannten Schwierigkeiten der Söhne berühmter Väter sind in diesem Zusammenhange auch zu erwähnen. Wenn aus einer starken Identifizierung mit dem Vater der gleiche Beruf von einem der Kinder gewählt wird, bleiben meist Schwierigkeiten nicht aus, und Rivalenschaft und Eifersucht pflegen hier eine große Rolle zu spielen.

Besonders stark mischen sich unbewußte Komponenten in das Verhalten der Mütter erwachsenen Töchtern gegenüber. Die oft verhältnismäßig jungen Mütter leiden ohne daß die Motive ihnen immer ins Bewußtsein kommen —- darunter, daß sie hinter den aufblühenden Töchtern zurück- stehen müssen; sie werden durch die Töchter immer wieder an nahendes Altsein, an das Verzichtenmüssen erinnert. Dieser Neid gibt sicherlich eine der Grundlagen für die meist vorhandenen Schwierigkeiten zwischen Müttern und Töchtern. Fast überall besteht aber auch eine Gegnerschaft der Töchter gegen die Mütter, die wir aus infantilen Quellen ableiten müssen. Zur Zeit der vorher erwähnten frühkindlichen Liebe des kleinen Mädchens zum Vater entwickelt sich eine Eifersucht auf die Mutter, die im Unbewußten nachwirkt.

Wenn wir die hier geschilderten Gegensätzlichkeiten zwischen den Generationen als naturgegeben anerkennen, so wird ein gewisser Fatalismus von seiten der Eltern nötig, um mit den Dingen innerlich fertig” zu werden. Mit direkter Erziehung ist bei den Herangewachsenen noch weniger zu erreichen als beim kleinen Kinde, und wo nicht in der früheren Zeit ein festes Leitmotiv gegeben wurde, ist auf einer späteren Altersstufe nichts mehr auszurichten. Der Jugendliche lehnt aus einem gewissen Selbsterhaltungstrieb heraus die Leitung durch die Eltern ab; er fühlt instinktiv, daß ihm das Durchkämpfen seiner Konflikte auf eigene, individuelle Art zur Selbstentfaltung nötig ist. Alle, denen jederzeit Beratung und Vorschrift den Weg zu ebnen suchten, leiden darunter. Wenn es ihnen nicht gelingt, sich in oppositioneller Stellungnahme zu befreien, werden sie mit ihrem ins Unbewußte verdrängten Aufbegehren zu schaffen haben. Solche Menschen bleiben auch leicht irgendwie unentwickelt und zeigen noch in späten Jahren eine unnatürliche Abhängigkeit von ihren Angehörigen und von ihrer Umgebung überhaupt.

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Nur wenn die Eltern es verstehen, sich im gegebenen Augenblick zu- rückzuziehen und sich abwartend im Hintergrund zu halten, bis oder ob die Kinder sich wieder zu ihnen finden, kann man erwarten, daß sich nach Ablauf der kritischen Periode ein, wenn auch vielleicht um- gestaltetes, so doch gutes Verhältnis anbahnt. Den Gegensatz der Gene- rationen können wir nicht aus der Welt schaffen; gewinnen wir aber eine richtige Einstellung zu diesen Fragen, so wird das Lebensglück von Eltern und. Kindern weniger gefährdet sein. Bis zum Tiefsten verstehen können wir die Jugendlichen nicht, auch dann nicht, wenn wir mit der Zeit mitzugehen versuchten und innerlich jung geblieben sind. Ein jeder wurzelt ja in seiner eigenen Jugend und trägt mit sich, was ihm einst wertvoll und wichtig war. Wir müssen doch anerkennen, daß sich die Einstellungen wandeln, und was der einen Jugend Ideal und Lebenswert war, wird von der nächsten Generation in einem anderen Lichte gesehen. Der Lebens- trieb der neuen Jugend, ihr Geltungsdrang und ihr Machtbedürfnis lassen sie ihre Wege gehen, wie wir die unseren gingen. Moderne Erkennt- nisse haben uns die Zusammenhänge aufgezeigt; wir haben den Schluß zu ziehen, daß Kampf Gegebenes ist, daß Elternaufgabe Resignation.

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Zeugung und Geburt in der Vorstellung des Kindes Von Dr. Gustav Hans Graber (Bern) I) Werden und Vergehen

Daß das Urinteresse am Werden und Vergehen beim Kinde die Seele und das Denken noch uneingeschränkter als beim Erwachsenen erfüllt, das erkennen wir (und wir haben es in der psychoanalytischen Literatur oft vielleicht noch nicht zur Genüge dargestellt) an der ständig hierauf gerichteten Aufmerksamkeit, den unaufhörlichen Fragen, hinter denen sich die Urfrage nach Geburt und Tod verbirgt, vor allem aber auch daran, daß wir in der Kinderanalyse meist sehr schnell auf jene Fragen treffen. Wir staunen dabei immer erneut über die Fülle dieses von außen überkommenen oder intuitiv erfaßten Wissens in Bezug auf diese Phänomene, über welches das Kind verfügt, und wir sind gleicher- zeit erstaunt über die mächtige Gewalt der vollzogenen Verdrängung beim Erwachsenen, der uns gelegentlich unglaubliche Rätsel seiner Unkenntnis aufgibt.

Eine Frau, Mutter dreier Kinder, die in einer Großstadt bei Mittel- schulbildung aufwuchs, berichtet mir verschämt, sie sei bereits verheiratet

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und im vierten Monat der Schwangerschaft gestanden und habe den Grund ihres veränderten Zustandes nicht gekannt, habe überhaupt nicht gewußt, wie lange eine Schwangerschaft dauere und nicht gewußt, welcher Art das Kind zur Welt komme. Der Arzt habe sie dann aufgeklärt. Sie hätte nämlich gemeint, die Kinder würden aus dem Bauche geschnitten. Ich lächelte etwas ungläubig, doch die Dame, die mein Lächeln wohl auf ihre Einfalt bezog, fand zu ihrer Entschuldigung Worte, die meiner- seits erneutes Staunen erzeugten:

„Und meine Freundin! Die hat doch sogar einen Zahnarzt zum Mann, und sie meinte noch in der letzten Periode ihrer Schwanger- schaft, der Nabel werde aufschwellen, sich öffnen, und das Kind werde da heraustreten.“

Der Leser wird wahrscheinlich lächeln, wie ich lächelte, aber wenn solche Fälle auch nur ganz vereinzelt bekannt werden, sie sind viel- leicht nicht gerade in dieser krassen Form gar nicht so selten, und die Witze, die landauf, landab über Unkenntnis (besonders den Zeugungs- vorgang betreffend) umgehen, reden auch ein nicht mißzuverstehendes Kapitel.

Aber ich will mich beschränken und will mich nicht weiter verbreiten über die üblen Folgen solchen Maulwurfdaseins im Dunkeln und auch nicht über die Notwendigkeit der Aufklärung der Jugend. Wir haben alle ein Stück Einsicht. Und Einsicht gibt Aussicht auf Besserung.

2) dus der Menschheits- und Einzelentwicklung

Die Frage „Wie kommt das Kind (der Same) in die Mutter?” tritt sowohl in der Menschheits- als in der Einzelentwicklung erst nach der Geburtsfrage auf. Antike Symbole, Darstellungen hermaphroditischer (zwei- geschlechtiger) Menschen und Götter belehren uns,’ daß dem Urmenschen die Rolle des Mannes als Erzeuger nicht bekannt war. Das Weib zeugt und gebiert aus sich selbst, wie der Sumpf, die noch unentmischte (zwei- geschlechtige) Verbindung von Wasser und Erde, sich mit sich selbst begattet. „In den Sumpfpflanzen, welche aus der Tiefe des Schlammes ans Licht emporwachsen, tritt die Frucht des in Selbstumarmung empfangenen Stoffes vor der Sterblichen Blick.”?

Das Kind hat, wie wir hören werden, eine ähnliche Auffassung wie die Alten. Wenn es sich einmal volle Klarheit über seine Herkunft verschafft hat, so bleibt ihm die Zeugung immer noch ein Rätsel. In der päd-

ı) Siehe J. J,. Bachofen: Urreligion und antike Symbole, herausgegeben von C. A. Bernoulli, Leipzig, 1926. Rank, Beiträge zur Mythenforschung (Internat. PsA. Bibl. Nr. IV). Ferner: G.H. Graber: Die schwarze Spinne, Menschheitsentwicklung nach Jeremias Gotthelfs gleichnamiger Novelle, dargestellt unter besonderer Berück- sichtigung der Rolle der Frau, Wien, 1925.

2) Bachofen: Op. cit., Bd. I, $. 378.

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agogischen Analyse erlebt man meist dieselbe sich stets wiederholende Ent- rollung der Probleme. Vorerst taucht die Frage des nächsten „Woher“ auf, und erst wenn diese erledigt ist und das Kind weiß, daß es aus der Mutter stammt, will es auch wissen, wie es da hineingekommen ist. Wir können dabei die interessante Beobachtung machen, daß im allgemeinen das jüngere Kind (sowie der entwicklungsgeschichtlich ältere Mensch) den Fragenkomplex viel weniger entmischt hat als das ältere, so daß Geburts- und Zeugungsprobleme meist in enger Verschränkung gelöst werden wollen, während beim älteren Kind, das bereits des Vaters Rolle bei der Zeugung ahnt oder kennt, diese, weil mit erheblich stärkerem Affekt belegt, viel heftiger verdrängt ist, so daß oft während längerer Zeit in der Analyse das Interesse krampfhaft auf die Geburt gerichtet bleibt, während das Zeugungsproblem erst nach Überwindung stärkster Widerstände zur Sprache kommt und natürlich auch erst nachher seinen konfliktschaffenden Zwangscharakter verliert.

3) „Die sexuelle Frage“

Die Frage, die man noch gelegentlich zu hören bekommt, warum der analytische Pädagoge die Kapitel über Zeugung und Geburt (also im weitesten Sinne = „die sexuelle Frage“) derart in den Vordergrund schiebe, ist falsch gestellt, von falscher Voraussetzung ausgehend. Ich habe ausgeführt, daß sie beim Kinde lebendiger ist als beim Erwachsenen, der sie und damit das Natürlichste einesteils verdrängt und anderenteils, wie angedeutet, durch sekundäre Interessen (ökonomische, usw.) ersetzt hat. Es ist nicht der Analytiker, der das Kind auf die Geburts- und Zeugungs- frage führt, sondern es ist das Kind selbst’ das hier einmal in unge- zwungener Weise sich der ungeheuren Spannung seines Lebensinteresses auf natürlichere Weise, als dies in der ungesunden, stickigen Luft der Hintertreppe geschieht, entledigen kann. Es wird gefragt: Ist diese Ent- spannung notwendig? Ja! Das Kind findet die innere Ruhe und kann bald zum Erstaunen der Eltern seine freigewordenen Kräfte auf reale Aufgaben des täglichen Lebens, wie sie ihm vor allem von der Schule gestellt werden, richten und sie bewältigen.

Gewiß ist damit das Kind „erwachsener“ geworden, aber dies ist kein Unglück. Es wird dabei bloß eine alte Illusion des Erwachsenen zerstört, die Illusion, als ob das Seelenleben und Denken des Kindes im „Paradiese der Jugend“ nach völlig anderen Gesetzen sich abwickle, als dasjenige der Erwachsenen. Das Glück des Kindes besteht nicht in seiner Unwissenheit gegenüber tiefsten Lebensfragen, wie dies die landläufige Meinung sein mag. Dadurch, daß dem Kinde diese Dinge, an denen der Erwachsene vielleicht

ı) Vgl. Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (Ges. Schriften, Bd. V). Über infantile Sexualtheorien (ebendort), Zur sexuellen Aufklärung der Kinder (ebendort). Die Traumdeutung (ebendort, Bd. II u. II).

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bittere Erfahrungen gemacht hat, vorenthalten werden, damit es bewahrt bleibe vom Leide, das man selbst zu erdulden hatte, wird es eben nicht bewahrt, sondern im Gegenteil tiefer hineingestoßen.

Ich will aus der Erfahrung meiner pädagogisch-analytischen Tätigkeit hier nur einen Fall herausgreifen. Er erscheint mir als typisch ınd bietet uns wesentliche Einsichten in die kindliche Auffassung von

Zeugung und Geburt.

4) Unbewußte und symbolische Zeugungsvorstellungen

Eine Frau aus einfachen Arbeiterverhältnissen kommt mit ihrem neun- jährigen Söhnchen Rudolf in die Sprechstunde der Erziehungsberatung. Ich rede vorerst mit der Mutter allein und lege Rudolf im Nebenzimmer verschiedene Bilderbücher vor. Sie klagt über Rudolf, mit dem sie sich so eine furchtbare Mühe gegeben habe. Er sei so nervös, schreie des Nachts im Schlafe, sei empfindlich, gerate oft in Wutausbrüche und zeige seinen Schularbeiten gegenüber gar keine Freude, sondern beginne sie immer mehr zu vernachlässigen. Dagegen sei er darauf versessen, immer mit ihr Halma zu spielen. Seine Kameraden quälten ihn, und das müsse doch auch seinen Grund haben usw.

Rudolf, mit dem ich nachher allein spreche, zeigt einen leichten Augen- tic, verkrampft während des Sprechens beständig seine Finger ineinander, sitzt öfters zum Sprechen auf und nieder und macht wirklich den Eindruck großer Unsicherheit und Nervosität. Ich frage ihn:

„Haben dir die Bilder gefallen?“

„Hm, ja.“

„Was hast du dir für welche angeschaut?“

„Viele.“

„Und welche haben dir besonders gefallen?“

„Hm, von den zwei Dieben,' wie sie den Mann im Bett mit dem Messer erstechen wollen, wie sie sich im Schrank verstecken und dann vor der Polizei fliehen, zum Fenster hinausspringen und von ihren ‚Paraplüs‘ durch den Bauch aufgespießt werden.“? Schon diese Erwähnung ließ mich darauf schließen, daß Rudolf sich mit dem Zeugungsproblem beschäftigte. Nach Träumen gefragt, erzählte er einen Traum, der meine

Vermutung bestärkte:

ı) „Die zwei Diebe“ aus einem Wilhelm-Busch-Album.

2) Diese Buschgeschichte ist wie übrigens die meisten anderen auch voll nicht mißzuverstehender Mutterleibs- und Sexualsymbolik. Die Diebe beginnen mit dem Privatier eine Messer- und Säbelstecherei im Bett. Eine Pistole wird unter dem Federbett losgefeuert. Darauf wird der Privatier mit verstopftem Mund in embryo- naler Lage gleichsam an der Nabelschnur an die Wand gehängt. Auch die Köchin muß dieselbe Regression erdulden und wird in einen Sack gesteckt. Schließlich ereilt sie selber gleiches Schicksal. Die Diebe fliehen vor der Polizei in einen Schrank, dann aber mit gespanntem Regenschirm zum Fenster hinaus. Unten werden sie übereinanderliegend durch die Geschlechtsteile hindurch aufgespießt.

„Ich bin mit der Mutter in der Küche. Da kommt ein Engländer und will die Mutter erstechen. Ich sage, er dürfe nicht. Aber er ersticht _ die Mutter durch den Bauch. Ich ziehe ihr das Messer heraus und jage den Mörder fort.“

In der nächsten Stunde lasse ich Rudolf Einfälle zum Traum geben. Er spricht von einem Gedicht, „Ach, wer doch das könnte“ (Viktor Blüthgen). „Ein Knabe fliegt auf einem Papierdrachen durch die Luft, stattet dem Storchen einen Besuch ab und sieht weit unter sich Papachen und Mamachen, wie sie so klein sind.“ |

Der tiefere Sinn der Geschichte ist klar. Rudolf identifiziert sich mit dem Knaben, der fliegend sich über Vater und Mutter erhebt und auf dem Papierdrachen liegend zum Zeuger (Storch) wird.

Vom Engländer nun berichtet Rudolf: „Er hat eine grüne Kleidung getragen wie ein Hotelangestellter (der Beruf seines Vaters). Dazu trug er einen großen Schnurrbart, wie ein anderer Hotelangestellter der Stadt, den ich kenne. Auch ein großes Maul hat er, wie Fernando, der Italiener- knabe, der mich immer quält. Der Engländer ist ein Fremder (wie der Italienerknabe), und mein Papa hat auch mit den Fremden zu tun.“

Der Engländer ist die im Traum entstellte und verdichtete Vaterfigur (aber auch Rudolf selbst). Er wird von Rudolf vertrieben, weil er sich selbst mit seiner Mutter identifiziert, und weil er gleichzeitig aber auch den Platz des Vaters einnehmen möchte Mehrmals, und zwar immer im Anschluß an Aussagen über das In-den-Bauch-Stechen, erzählt der Knabe unter heftigen Affektäußerungen von seinem Halmaspiel mit der Mutter: „Ich hüpfe immer mit meinen Kügelchen in das Feld der Mutter. Ich spiele alle Tage Halma. Ich möchte immer mit ihr spielen.“

Rudolf dringt bei diesem Kampfspiel in das Feld der Mutter, Er „ersticht” sie. Am Schluß der zweiten Sitzung gebe ich Rudolf diesen Zusammenhang. Ich sage ihm, ohne auf das sexuelle Moment anzuspielen, daß er wie der Engländer ins Feld der Mutter, in die Mutter dringen möchte. In der nächsten Stunde (einige Tage später) berichtet mir Rudolf als erstes, er habe seither nicht mehr Halma gespielt. Es sei ihm ver- leidet. Er wisse nicht warum. Dann schweigt er, lenkt ab und erzählt die Geschichte von einem verlorenen Büblein, das man unter einem Gebüsch im Walde wieder fand. Das aktuelle Interesse an der Zeugung wird ver- drängt, denn das Bewußtsein „merkt“ plötzlich den Sinn des Traumes und der Symbole. Die Übertragung aber ist noch nicht soweit gediehen und die Widerstände noch zu mächtig, als daß dieser Komplex erledigt werden könnte. Wir werden ihm später wieder begegnen. An seine Stelle tritt ds Geburtsproblem (gefundenes Knäblein im Gebüsch).

Es wird bewußt zu lösen versucht. Dazwischen tauchen aber immer wieder symbolische Vorstellungen, die mit dem Zeugungsvorgang im Zusammenhang stehen, auf, So beschäftigt Rudolf noch lange das Loch, das durch den Stich an die Stelle des Nabels getreten. Ein Loch muß

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sein, und zwar das Loch, wo man hinein kann und wo das Kind heraus- kommt. Rudolf erzählt die Geschichte von den Schildbürgern und dem fensterlosen Rathaus, wo das Licht (als männliches Prinzip = Phallus, siehe Bachofen, op. cit. I 114—ı6, 118, 120—22, 503f. II 52, 62—66, 68—7ı, 118, ı78f, 246—49, 298—303 usw.) nicht in das Dunkel (Nacht = Weib, Rathausinnere = Mutterleib, Bachofen I 63f., ı20, 462, 486, II 29, 56, 95, 117, 299) hineindringen kann. Aber hier ist Tabu, Verbot, Gefahr, Tod. „Es tut weh,“ erzählt Rudolf, „wenn man in den Bauch sticht, man (mit der verallgemeinernden Bezeichnung bezieht er sich in seiner Mutteridentifikation mit hinein) wird krank und muß sterben. Auf der Schützenmatte schaute ich in einer Meßbude durch Löcher und sah Bilder von Unglücken, und vor einiger Zeit fuhr ein Knabe auf einem Velo den Aargauerstalden hinunter, wobei die Bremse versagte und er in den Bärengraben (Loch) stürzte. Er riß noch einen anderen Knaben mit sich hinunter, den die Bären fraßen.“ Die Vor- stellung „Lochstechen“ (Koitus) verbindet sich dem Knaben mit Todes- phantasien. Zeugung = Tod, und zwar für beide Teile, für den ins Loch Fallenden und den Gestochenen (Mutter).

Die Widerstände Rudolfs werden in folgender Sitzung noch stärker. Unbewußtes und Bewußtsein sind nun fast voll in Anspruch genommen

durch das Geburtsproblem.

5) Das Geburtsproblem!

Rudolf ist ungehalten darüber, daß er nichts weiß, daß er nicht auf- geklärt wurde über „das Loch“ und den dazugehörigen Fragenkomplex. Er selbst ist das verlorene Büblein der erwähnten Geschichte, das sich, des Weges unkundig (unaufgeklärt), verläuft und schließlich unter dem Gebüsch gefunden wird (Wiedergeburt). Ein Traum zeigt ihn auch seinen Schul- kameraden gegenüber in dieser Beziehung im Nachteil:

„Ich ging mit der Klasse zum Baden. Wir hatten ein Schifflein, aber ich durfte nicht mit ihnen übers Wasser fahren. Ich schwamm ihnen nach und hielt mich am Schifflein fest. Dabei versteckte ich mich und sah und hörte, was sie machten.“

Hören wir, was Rudolf zum Traum vorbringt: „Einmal hatte ich die Rechnungen in der Schule recht und derjenige neben mir nicht. Fernando (Italienerknabe) rief nach der Schule die Knaben zusammen, und sie schlugen mich durch, aber ich sagte ihnen die Rechnungsresultate gleich- wohl nicht. Ich darf auch nicht immer helfen, wenn gespielt wird, oder nur als Ersatz. Im Schifflein war zu wenig Platz. Die Knaben sagen immer so grausige Sachen von dem... (Hemmung).

ı) Den ganzen Komplex über die Geburt als Trauma, der das Kind auch

beschäftigt, ließ ich hier unberührt. Siehe darüber Rank: Das Trauma der Geburt, Wien, 1924, und Graber: Die Ambivalenz des Kindes, Wien, 1924.

Rudolf erzählt nun unzusammenhängend einige von Knaben gehörte „Sau- Sachen“, wie er sie nennt, die hauptsächlich ins Gebiet der Zeugung gehören und später noch Erwähnung finden sollen. Plötzlich kommt her- aus, was ihn längst schon quälte: „Ich glaube nicht, daß der Storch die Kindlein bringt, aber Mama sagte es immer, noch als ich in das dritte Schuljahr ging (Pause). Einmal sagte sie auch, sie habe alle Tabletten gegessen, sie wolle (?) mir keine geben. Ich habe es nicht geglaubt. Ein andermal sagte sie, Akila, die Wölfin (Rudolf ist Wölfling bei den Pfad- findern), sei dagewesen und wollte mich mitnehmen. Aber es war gelogen.“

Die Aussagen brauchen keines großen Kommentars. Rudolfs Fall ist der Fall. Er ist von den Eltern betrogen, ist das verlorene, verstoßene Kind, das man nicht einmal einer Wahrheit würdig erachtete. Die Kameraden wissen mehr. Sie fahren im Schiff, und er muß hinten nachschwimmen und im Versteckten erspähen, was sie treiben, Daß er aber schwimmt, ist für das Verständnis seiner Psyche aufschlußreich. Es zeigt bereits eine Regenerationstendenz (dürfte auch die analytische Situation darstellen, wo ebenfalls dem verpaßten Leben nachgeschwommen wird).

Rudolf hatte es nämlich früh schon verstanden, aus der Not seiner Unwissenheit eine Tugend zu machen. Er sonderte sich von seinen Kameraden ab, verstopfte sich die Ohren, wenn sie über „Sau-Sachen“ sprachen und wurde natürlich deswegen ständig als Sonderling gehaßt und verfolgt. Das Mißverhältnis gestaltete sich durch seine starke kompen- sierende intellektuelle Tätigkeit in der Schule noch krasser (Obgleich er sich oft lernfaul zeigte, war er doch einer der Ersten der Klasse), Rudolf fährt fort: „Ich habe es dann selber herausbekommen. Einmal lag auf dem Tisch ein Büchlein von einem Doktor,’ und ich las darin. Es hieß, der liebe Gott schenkt die Kindlein der Mutter, aber nur wenn sie sie verdient hat (Pause). Es stand noch mehr im Büchlein: Eine Klasse hatie nur einen Onkel. Sie war nur wie eine Familie, eine Privatschule. Die Kinder gingen einmal mit dem Onkel heim ins Gartenhäuschen. Er erzählte, daß die Mutter ein Kindlein bekomme. Wenn sie still seien, wolle er fragen gehen, woher. Sie versprachen es. Die Hebamme gab ihm Auskunft und erlaubte ihm, es auch den Kindern zu sagen. Er sagte ihnen, daß bei Mutters Brust ein Kästlein sei mit Eilein, die größer werden, und man {f) werde krank, und das Kindlein komme dann aus der Brust.“

Die Verlegung des Geburtsaktes scheint des Knaben eigene Erfindung zu sein. Die nächste Stunde leitet Rudolf mit folgenden Worten ein: „Ein Knabe sagte mir einmal, wenn es stinke, so komme das Kindlein zur Welt.“ Es war die Einleitung zur Theorie der analen Geburt. Ich war von Anfang an überzeugt, daß Rudolf den richtigen Vorgang der Geburt kennt. Ich habe die Erfahrung öfters gemacht, daß die Kinder in der

ı) Hoppeler: „Woher die Kindlein kommen“, Zürich. Der Inhalt ist aller- dings von Rudolf typisch entstellt.

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Analyse gleichsam in konzentrischen Kreisen der richtigen Darstellung zusteuern, ungefähr nach den entsprechenden verschiedenen Phasen der Aufklärung, die sie erhalten haben, und entsprechend derjenigen der Phylogenese, und so überließ ich denn Rudolf sich selbst, äußerte höchstens gelegentlich meine Zweifel gegen die Richtigkeit der vorgebrachten Lösungen. Ich fragte, wieso es denn stinke, wenn das Kindlein zur Welt komme. Aber ich erhielt keine Antwort. Rudolf greift statt dessen beständig in die Kreuzgegend, und nach einiger Zeit stottert er hervor: „Beim Kreuz kommt das Kindlein heraus. Das Kästlein mit den Eilein ist weiter unten. Das Loch gibt es von selbst.“ Ich sage ihm, daß dies unmöglich sei, und als Antwort darauf meint er kleinlaut: „Dann kommt das Kindlein zum Mund heraus.” Ich äußere meine Zweifel. Er schweigt lange und erzählt schließlich eine Geschichte von einem Sauhirten, wobei deutlich ersichtlich ist, daß er sich mit diesem identifiziert, denn er ist nun derjenige, der auch mit „Sau-Sachen“ zu tun hat. Mehr wie eine Stunde arbeitet er daran herum, zu sagen, daß die Kinder aus dem „Hindere“ (Anus) kommen. Immer wieder setzt er an: „Ich weiß jetzt woher, aber ich darf es nicht sagen. Sie kommen vom... Es ist ein grausiges Wörtchen.“ In diesem Zusammenhang äußerst interessant ist die Geschichte, die ihm plötzlich zwischenhinein einfällt. Ich gebe sie stark gekürzt wirder:

„Eine Mutter bekommt ein Kind. Sie bettet es im Walde auf ein Bärenfell. Da kommt ein Wildschwein und greift es an. Die Mutter wehrt sich, sie wird gebissen. Da kommt der Vater. Er findet das Kind heil, die Mutter aber ganz zerbissen, und er ersticht das Wildschwein. Sie stirbt nachher.“

Aus der sehr beziehungsreichen Geschichte sickert erneut neben dem Geburtsproblem (Bärenfell = Mutterleib) das Zeugungsproblem, verbunden mit der Vorstellung von Blut und Tod, durch. Das Erstechen ist aber bereits auf das T'otemtier übertragen worden. Das Schwein ist ein bekannter Vertreter des Muttertums, in unserer Geschichte aber tritt es hermaphro- ditisch auf. Es schlägt (männlich) seine Hauer (Messer, Phallus) in die Mutter und wird selbst vom Mann erstochen. Die Erzählung erinnert an den Amazonenbekämpfer und zugleich Frauenbeschützer Bellerophon und an seine Erlegung des Wildschweines.' Auch die Amazonen sind herma- phroditischer Natur.

Rudolf schildert den Muttercharakter des Schweines in lebhaften Farben und mit viel Liebe. Er sah im Kino die Szene einer säugenden „Färli- mutter“ (Mutterschwein), sah, wie die Jungen genährt wurden, wie die Alte den schwächeren riet, sie müßten halt sehen, daß sie auch etwas zu trinken erwischten.

Eine alte Schranke des Widerstandes ist gebrochen, die Versöhnung mit der Sau, den „Sau-Sachen“, gefunden, und Rudolf kann von da an ziem-

ı) Bachofen op. cit. II, 166.

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lich frei über Geburt und Zeugung sprechen. Er sagt im Anschluß, er habe geglaubt, das Kindlein könne da (Anus) nicht zur Welt kommen, weil dort sonst nur Wüstes herauskomme, aber es sei halt eben schon ein Loch. Ich frage ihn, ob er auch ganz sicher sei, daß das Kind da hinten geboren werde. Er stutzt. Als Antwort erzählt er mir zwei neue Schild- bürgergeschichten: „Die Schildbürger tauschten in Schilda einst die Häuser. Sie brachen sie ab, und wer zu unterst wohnte, ging nun zu oberst und umgekehrt.“ Wir merken die Absicht: Die Schildbürger wohnten verkehrt, was oben war, kommt nun unten, oder auf die Geburtstheorie übertragen: Was hinten war, ist nun vorn. Auch die zweite Geschichte spiegelt dieses Verkehrte wieder: Die Schildbürger ziehen eine Kuh am Hals zu einem Grasbüschel auf das Dach. Ebenfalls verkehrt ist die Handlungsweise der Eierfrau, von der Rudolf auch noch erzählt, daß sie, als sie auf den Markt ging, sich träumte, wie sie vom Eierhandel immer reicher werde, Schafe kaufe, einen Mann bekomme, Kinder usw., wie sie aber hinfiel und alles zerschlug.

Es ist interessant zu beobachten, wie beim Brechen des Widerstandes immer, sobald ein peinliches Thema sich in den Vordergrund zum Geständnis drängt, vorerst der Weg des geringeren Widerstandes über eine symbolische Erzählung oder Begebenheit eingeschlagen wird. So auch hier. Rudolf sagt selbst, daß es verkehrt sei, wenn das Kind hinten heraus- komme, denn es komme doch vorn, beim Nabel heraus. Er weicht also noch einmal aus, spricht ausführlich über Nabel, Nabelschnur usw., um schließlich endlich bei der vaginalen Geburt zu endigen.

Wenn wir den Ablauf der analytischen Aufklärung uns kurz resümierend vergegenwärtigen, dann fällt uns vor allem auf, daß Rudolf so ziemlich erschöpfend all die infantilen Auffassungen über die Geburt äußert, und zwar stehen sie in einer Reihenfolge da, wie sie, wenigstens nach meinen Erfahrungen, genetisch in der kindlichen Psyche meistens auftreten.

Die Kinder kommen also:

ı) Vom lieben Gott: Gott ist also hermaphroditisch, der Gott des Altertums. Ihn vertreten: Himmel, Engel, Heiland, Mond."

2) Vom Storch: Der Storch als kosmisches Wesen ist der Übermittler aus dem uranischen Reich. Er ist aber gleichzeitig auch das Sumpftier, wo das Kind wie aus androgyner Geschlechtsvereinigung entsprießt. Das Kind und die Alten teilen dieselbe Meinung: Neues Leben entsprießt hermaphroditischem Urgrund.? Darin liegt ein Beweis für Bachofen. Auch der Mond, den besonders die Ägypter mit dem Sumpf in engsten Zu- sammenhang brachten, trägt den zweigeschlechtigen Charakter (Luna, Lunus),3

ı) Über die lunare Mütterlichkeit siehe Bachofen op. eit. I, 64, 109, ı22, zı48£., II 49, 52, 62f., 468 usw.

2) Vgl. Freud: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci (Ges. Schr. Bd. IX). 3) Bachofen Op. cit. I z314f., 377: II 65— 71, 298— 300.

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.—

z) Aus dem Gebüsch (Höhle, Quelle, Brunnen, Teich, See, Meer, Schlucht, Wald usw.). Das Hermaphroditische ist gesprengt. Der Himmel befruchtet die Erde.

4) Von der Mutter:

a) Aus der Brust (Verlegung nach oben und Gleichstellung mit der Nahrungsquelle).

b) Aus dem Kreuz (Schmerzen im Kreuz bei den Geburtswehen).

c) Aus dem Mund. Die Nahrung vertritt das Sperma. Wo sie hineinkam, muß die Frucht herauskommen.

d) Anal (Entsprechend dem Abgang der Nahrung).

e) Aus dem Nabel.

pP Vaginal.

6) Das Zeugungsproblem

Mit der Erledigung des Geburtsproblems war für Rudolf der Wider- stand gegen die bewußte Lösung des Zeugungsproblems gelockert. Die enge Verschränkung der Phylo- und Ontogenese erwies sich auch hier.

Nachdem Rudolf sich zwischenhinein eingehender mit dem Geschlechts- unterschied beschäftigt hatte, stellte er die Frage, wie das Kindlein in die Mutter komme. Er versucht eine Lösung zu finden, wobei er die kosmi- schen Darstellungen mit ihrem vornehmlich hermaphroditischen Charakter übergeht (was sonst im allgemeinen in Kinderanalysen ebenfalls zutage tritt) und sich auf die Mutter beschränkt, auf die er allerdings den Hermaphroditismus überträgt und konzentriert. Zur Stütze des auch männlichen Charakters des Weibes (er selber ist ja als Knabe in der Identifikation mit der Mutter ebenfalls hermaphroditisch) erzählt er von seinem Schwesterchen (vier Jahre jünger), das immer früher so tat, als ob es wie die Buben „bisle“ (uriniere). Ferner: „In der Schule hatte ein Mädchen eine Stricknadel in der Hand und schlug damit immer auf die Heizungsröhre. Ich weiß noch einen Witz: Ein Knabe fragte mich, ob ich es auch gehört habe. Ich fragte: Was gehört? Er sagte: Daß am Bahnhof in Zürich ein Fräulein einen ‚Stink‘ (Flatus) losgelassen hat? Er lachte. Ich sagte ihm, das könne man doch in Bern nicht hören.“ Nachdem Rudolf dieserart den männlich selbstzeugenden Charakter des Weibes angedeutet hatte, rückte er der eigentlichen Zeugung näher: „Das Kindlein kommt im Essen in die Mutter, und zwar entsteht es aus dem Guten, das nicht fortgeht. Das Kind entsteht aber nicht vom Fleisch,* sondern von den Haferflocken (spermaartig) oder aus Brei, jedenfalls von einer guten und gesunden Speise.“ Ich frage ihn: „Könnte das Kind nicht noch auf andere Weise in die Mutter gelangen?”

Als Antwort erzählt mir Rudolf wieder zwei Schildbürgergeschichten: Die Versenkung der Glocke im See und die Ersäufung des Krebses. Beide Geschichten spiegeln typisch die Zeugungssymbolik.

ı) Siehe dagegen: Graber, Die Ambivalenz des Kindes, Wien, 1924 9. 42.

Schon früher erzählte mir Rudolf, ein Knabe hätte ihm gesagt, der Mann stoße der Frau einen langen Stock durch den Rücken (siehe seine Auffassung über die Geburt im Kreuz), daß er vorn herausschaue (Ver- männlichung des Weibes), und dann gehe er vorn dran und stoße sich selbst den Stock durch den Bauch. Jetzt erinnert sich Rudolf auch an eine zweite Geschichte aus dem Busch-Album: „Schreckliche Folgen eines Blei- stiftes.“ Es ist eine äußerst eindrucksvolle Darstellung der Analogie Zeugung = Tod! Der Zeichner Pedrillo trägt stets einen an beiden Enden wohlgespitzten Bleistift in der Tasche. Als er nun einstmals bei Monden- schein im Myrtenhaine seine Geliebte an die Brust drückte, fielen beide vom Bleistift durchbohrt tot zu Boden.

Leider widerfuhr mir, an diesem Punkte der Analyse angelangt, ein kleines Mißgeschick. Ich hatte wahrscheinlich den Eltern Rudolfs zu wenig eindrücklich die Einmischungin die Analyse verboten, und so kam es, daß nun der Vater den Knaben vorgreifend über die Zeugung aufklärte. Ich hörte deshalb darüber von Rudolf wenig mehr als diese Mitteilung. Das Zeugungsproblem wurde bald vom Kastrationskomplex abgelöst. Dabei stellte sich allerdings heraus, daß Rudolf die Zeugung auch als Kastration auffaßte.

Ich breche hier ab und beschränke mich, abschließend darauf hin- zuweisen, daß nach meiner Erfahrung in Analysen von Kindern der Zeugungs- vorgang genetisch analog der Geburt vorgestellt wird. Wir würden also ohne

das Vorgreifen des Vaters von Rudolf wahrscheinlich Theorien über Zeugung

durch den Mund, Brust, Nabel, Anus usw. gehört haben. Das Thema ist nicht erschöpft. Auch das Therapeutische habe ich unberührt gelassen."

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Analyse der Phobie eines achtjährigen Mädchens

Von Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.

Nachfolgende Beobachtung, welche bereits mehrere Jahre zurückliegt, soll zeigen, daß im Mittelpunkt mancher kindlicher Neurosen die „Auf- klärung“ steht. Man darf dann allerdings diesen Begriff nicht eng fassen, sondern muß in ihn sowohl die Antwort auf das Woher und Wie kindlich: Warum? als auch das Wohin in der Kindersprache: Und dann? die Frage nach dem Sterben und Totsein einschließen.

Kurz vor den Weihnachtsferien suchte mich eine Frau aus einer nahe gelegenen Stadt auf, da die zweite ihrer drei Töchter, damals acht Jahre

ı) Rudolf ist ruhiger geworden. Er hat mit seinen Kameraden mehr Kontakt gefunden und arbeitet in der Schule mit Fleiß und Ausdauer. Sein Augentic ist nach Erledigung des Voyeur- und Kastrationskomplexes verschwunden.

SEHE

alt, sehr unter Angstzuständen leide, die das Kind herunterkommen ließen, weil es nicht schlafen und nicht essen könne. Immer meine es, die Speisen seien vergiftet. Zuerst wurde diese Erscheinung während des Sommer- aufenthaltes beobachtet, nachdem tags zuvor die Jüngste sich den Magen verdorben hatte. Abends weine die Kleine immer und könne nicht einschlafen, wenn nicht die Mutter bei ihr sitze, und selbst dann beruhige sie sich oft erst 'nach Stunden. Wenn sich auch diese Erscheinung zuerst gleichfalls während des Badeaufenthaltes ab und zu gezeigt habe, so sei der Zustand doch erst während der Herbstferien unleidlich geworden, die das Kind zu Hause verbracht hatte.

In der Tat war das Mädchen sehr herabgekommen, sah körperlich zurückgeblieben aus (etwa wie sechsjährig), hatte aber einen alten müde- traurigen Blick.

Wir verabredeten, daß das Kind während der Weihnachtsferien zu einer Tante nach Frankfurt kommen solle und mir täglich für eine halbe Stunde gebracht werde. Kinder behandle ich wegen ihrer leichten Ermüdbarkeit stets nur so kurz. Zur Vorsicht machte ich die Mutter darauf aufmerksam, daß es wohl nötig werden würde, auch über Sexuelles zu reden. Ihr Töchterchen sei noch ganz naiv. Bei ihr spiele so was keine Rolle. Im übrigen, wenn ich es für nötig hielte, sie aufzuklären, so wäre ihr das nur recht. Auch bei der Ältesten, damals zwölf Jahre alt, habe es die Erzieherin auf einem Spaziergang in den letzten Herbstferien gemacht, gemeinsam mit einer gleichalterigen Tochter einer Freundin.

In den ersten zwei Behandlungsstunden war das Mädchen kaum zum Reden zu bringen. Jedoch war es kein trotziges Schweigen, sondern ein vorsichtiges. Einzig wenn man auf die Angstzustände kam, wurde es gesprächig. Es fühlte sich deutlich dadurch interessant. Allmählich wird durch Plaudern über die Schule, die wenig bekannte Stadt usw. das Kind zutraulich. Es freut sich, daß ich mich so eingehend mit ihm befasse, mit ihm ganz allein. Die anderen hätten auch immer Geheimnisse. Hier hacke ich ein und erfahre nun: die Schwester habe mit ihrer Freundin immer was zu tuscheln. Dann werde es weggeschickt, es verstehe nichts davon, sei noch zu klein. Das ginge seit den Herbstferien so, wo das Fräulein sie beim Spazierengehen vorausgeschickt und mit den Großen Geheimnis gemacht habe. Auf die Frage, was da wohl gesprochen worden sei, wird die Kleine rot und schweigt verlegen. Der Ausdruck ist so eindeutig, daß ich ihr auf den Kopf zusage, daß sie es wüßte. Sie dürfe es mir ruhig sagen, ich hielte sie für groß genug, um mit ihr darüber zu sprechen. Jetzt sagt sie ohne weiteres, daß sie von Kinderkriegen gesprochen hätten, und daß sie alles wisse. Die brauchten gar nicht zu denken, daß sie das nicht verstehe. Als ich ihr recht gebe, wird sie heiter. Nun frage ich weiter, was ihr denn wirklich bekannt sei. Wenn sie noch etwas wissen wolle, so würde ich wahrheitsgetreu antworten. Daraufhin stellte sie die Frage, wie die Kinder in den Bauch der Mutter kommen. Ich sagte ihr, daß sie

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doch wisse, daß der Bauer Samen in die Erde lege, damit das Getreide in ihr wachse. Dasselbe täte der Vater. Diese ganze Unterhaltung hatte etwa zehn Minuten gedauert und nun plauderte sie frei über alles mögliche, durchaus verwandelt, ein frisches Kind. Offenkundig war ihr das Wesentliche an dem Gespräch der Liebesbeweis, den ich ihr dadurch gegeben, daß ich sie für voll nahm. Von diesem Tag an ißt und schläft die Kleine etwa zehn Tage vollkommen normal, nimmt sichtlich zu, ihre körperliche und seelische Entwicklung macht einen deutlichen Sprung,

Während unserer Stunden tritt immer mehr die Eifersucht auf die Geschwister, namentlich auf das vier Jahre jüngere Schwesterchen, hervor. Im Mittelpunkt ihrer Liebe steht die Mutter, deren Liebling aber die Jüngste sei. Die verstehe sich einzuschmeicheln. Wenn sie nur den Magen verdorben habe, dann weiche die Mutter nicht von ihr. Da auf diese Bemerkung hin vom Kinde, selbst auf direktes Fragen, keine neuen Einfälle zu erzielen sind, entschließe ich mich, ihr die Erzählung der Mutter von der Entstehung der Vergiftungsangst im Sommer mitzuteilen.” Daraufhin fällt ihr ein, daß die Angst gewöhnlich zuerst in der Form auftrete, daß sie Angst für das Leben des Schwesterchens und des Vaters empfinde, erst später für sich selbst. Das allererste Mal überhaupt sei die Angst auf- getreten, als die Mutter im Sommer abends mit dem Vater ins Kurhaus habe gehen wollen. Sie wäre damals so gern mitgegangen, habe geweint, weil sie nicht mit dem Vater habe gehen dürfen. Als ihr nun die Mutter Adieu gesagt habe, habe sie so schön ausgesehen, und da sei plötzlich die Angst gekommen. Diese ganzen Mitteilungen erfolgen ohne weiteres Zutun von meiner Seite. Leider mußte hier die Unterredung abgebrochen

werden. Anderen Tags ist die Kleine wieder blaß und verstört, spricht stockend wie

in der ersten Stunde, klagt, daß es nicht geschlafen und kaum gegessen habe und sehr von Angst über die Mutter gequält worden sei. Auch für mich habe sie Angst gehabt. Hier setzte nun der zweite Teil der Auf- klärung ein: Sie habe sich wohl über mich geärgert, weil ich gestern hatte abbrechen müssen, da sie im besten Reden war. Sie habe das als Zurück- weisung ihrer Liebe empfunden. „Aber ich will doch nicht, daß du stirbst. Das ist doch gräßlich, wenn man tot ist.“ Ich bemerke ausdrücklich, daß ich selbst nichts von Todesgedanken erwähnt hatte. Nunmehr aber spreche ich ausführlich mit ihr, daß man natürlich jemanden, der einem wehe tue, zum Teufel wünsche, das sei nicht schlimm. Man dürfe ihm nur nichts Böses tun. Sie aber strafe sich schon wegen der Gedanken mit ebensolchen Todeswünschen. Jetzt beruhigt sie sich etwas, fragt aber dann, was nach dem Tode sei. Sie berichtet über Erzählungen von der Hölle, die reichlich blutrünstig sind. Ich erkläre ihr, daß wir nur wüßten, daß

ı) Anna Freud hat in ihrer „Einführung in die Technik der Kinderanalyse“ (Internat. PsA. Verlag, Wien ıg27) dargelegt, daß eine derartige Verwendung von Mitteilungen der Angehörigen in Kinderanalysen oft nötig ist.

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mit dem Tode eben das Leben aufhöre. Was dann sei, wisse niemand. Was sie erzählt habe, seien Märchen, um die Menschen zu schrecken. Jetzt will sie ausführlich wissen, wie das Sterben vor sich gehe, ob es schmerzhaft ist und dergleichen. Alles wird wahrheitsgetreu beantwortet, soweit nicht die Einschränkung gemacht werden muß, daß auch kein Erwachsener es wisse. Ohne weitere Nachhilfe zieht das Mädchen nun selbst die Schlußfolgerungen, wie ihre Krankheit entstanden ist: als Angst, daß die Todeswünsche gegen sich in Erfüllung gehen, weil sie Todes- wünsche gegen ihr Nahestehende gehabt habe.

Von diesem Tag ab ist das Kind völlig geheilt. Die 20 Tage des Ferien- aufenthaltes bedeuten nicht nur eine Zunahme von 8 Pfund, sondern auch eine deutliche Änderung des Ausdrucks und des Charakters. Etwa vier Jahre später, aus Anlaß einer anderweitigen Behandlung in der Familie, sah ich sie wieder: Ein hübsches gesundes freies Ding, dessen Erziehung weder in körperlicher noch in geistiger Hinsicht Schwierigkeiten bereitete.

Ich bin mir wohl bewußt, daß die Psychoanalyse dieses Falles recht wenig in die Tiefe ging. Es scheint mir aber, daß dies in Fällen wie hier durchaus nicht nötig ist. Trotz der schweren Erscheinungen, die das Kind zuerst bot, handelt es sich doch nur um eine Schädigung, die durch besondere Erlebnisse bei einem sonst relativ gesunden Kind entstanden waren. Die kurze Behandlung reichte aus, um es wieder auf den normalen Stand zu setzen, von dem aus dann die Entwicklung normal weiter ging. Nach dem Erfolg der Behandlung erscheint es wohl kaum zweifelhaft, daß wahrheitsgetreue Aufklärung durch die Mutter, zur rechten Zeit gegeben, den Ausbruch der Erkrankung hätte verhindern können, allerdings eine Aufklärung, die sich sowohl auf das Werden wie auf das Vergehen des Menschen bezogen hätte.

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Die „sexuelle Aufklärung® und die Erwachsenen Von Josef K. Friedjung

Dozent der Kinderheilkunde in Wien

Seit meiner studentischen Jugend, also seit reichlich 40 Jahren, habe ich die Einsicht gewonnen, daß die Verlogenheit der üblichen Erziehung in geschlechtlichen Dingen für die physische und psychische Entwicklung der heranwachsenden Generation gleich folgenschwer sei, und mich um ihre Anerkennung bemüht. In ungezählten Vorträgen vor Eltern habe ich die Frage erörtert, in Diskussionen meinen Standpunkt vertreten, in

meiner Sprechstunde auch darin Rat erteilt. So glaube ich mich denn dazu befugt, vom Verhalten der Erwachsenen zu der Frage einiges zu berichten.

Zwiespältig stellen sich die Menschen zu unserem Probleme. Vorerst lehnen sie es als Problem ab. Konnten sie ohne solche Skrupeln erzogen werden, ging es auch so, wie schlecht es ging, wissen sie entweder nicht oder wollen es nicht wahr haben, so ist es eine Störung ihres satten und im ruhigen Gewissen verankerten Behagens, solche Probleme aufzuspüren und Stellungnahme zu ihnen zu fordern. Und da man sich und anderen nicht gerne gestehen mag, daß man bloß sein blinzelndes Behagen verteidige, so verschanzt man sich lieber hinter sittlichen Bedenken. Es ist also nicht nur bequem, sich um diese Fragen zu drücken, sondern auch sittlich. Und die anderen sind ruchlose Entweiher kindlicher Unberührtheit. Aber dann regt sich das einmal geweckte Gewissen doch wieder, es läßt den Leutchen keine Ruhe, und so verlangt man von allen Seiten nach einem Vortrage über „sexuelle Erziehung“, dem der Ruf vorausgeht, er gebe auf die vielen Zweifel erschöpfende Auskunft, schrecke vor der „Wahrheit“ nicht zurück und wahre doch ein hohes sittliches

Niveau. Dankbarer Beifall, erfreulich-offene Aussprache, ehrende Zustimmung auch hoher kirchlicher Würdenträger, herzliches Geleite, Dankesbriefe, und zu Hause fehlt dann doch meist der Mut zu neuen

Wegen, man schiebt die Tat so lange auf, bis sich das aufgescheuchte Gewissen wieder halbwegs beruhigt hat. Und fromme Eiferer reihen mich in bewegten Zeilen unter die „Kinderverderber“. Eine kleinere Zahl nur von Eltern folgt meinen Ratschlägen und dankt mir mehr oder weniger überschwenglich. Es ist also eine wahre Sisyphusarbeit, die ich hier unverdrosssen leiste, weil sie getan werden muß.

Weit erfreulicher ist es, vor Jugendlichen über das „Sexualproblem der Jugend“ zu sprechen. Diese mit sich selbst und ihrer Umgebung ringenden jungen Menschen suchen nach einem Virgil, der sie durch das „Inferno“ geleite, sie freuen sich des Vortragenden, der sie ernst nimmt, sich rückhaltslos äußert, der gewohnten Scheinheiligkeit entbehren kann. Sie folgen ihm willig, weil er ihnen, die an ihren Eltern Enttäuschungen erlebt haben, eine Übertragungsmöglichkeit bietet, ihnen ein Ichideal setzt, das im Einklang steht mit dem Klassenideal, von dem sie mehr oder weniger klar erfüllt sind. Seine Gedanken werden als revolutionär empfunden und daher gerne angenommen. Und so scheint es denn, daß die neue geschlechtliche Erziehung erst von der Generation wird im größerem Ausmaße geübt werden, der sie einen prometheischen Feuerbrand bedeutet, vom Herde der „Götter“ heimlich entwendet und den „Menschen“

trotzig gebracht.

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Über kindliche Aufklärung Von Dr. med. Rhaban Liertz, Müncen

Die Kenntnis der Wurzeln vieler Seelenleiden und der Schwierigkeiten, die sich oft infolge unwirklichen Einstellens bei Kranken mit gestörtem seelischem Gleichgewicht während der Behandlung zeigen, drängt uns zu der Überzeugung, daß ein Verhüten der Leiden leichter ist und daher in der Erziehung geboten erscheint. Vor allem sind die Wirklichkeits- erziehung, das wahrhaftige Unterweisen und die Erziehung zur Wahrheit nicht zu unterschätzende Hilfsmittel zum Bewahren des Menschen vor Seelenleiden.

Vor allem ist die Unterweisung über das Geschlechtliche nach Form und Inhalt so zu geben, daß sich ein Seelenleiden aus kindlichem Miß- verstehen nicht bilden kann. Der Unterricht hierüber muß immer wahr sein und sich vor jeder selbst gutgemeinten Überspannung hüten. Eine natürliche, gesunde Erziehung des Kindes zur Keuschheit als menschlicher Tugend, also im bejahenden Sinn, wird entschieden mehr nutzen als alles Warnen, Drohen und alle Heimlichtuerei in Form dem Kind unverständlicher Andeutungen.

Es gibt keinen Zweig des menschlichen Lebens, der so tief in das Innenleben und das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen eingreift, wie gerade die Regungen des Arterhaltungstriebes von seinem Erwachen in der Kindheit bis zu seinem Erlöschen, vielleicht erst am Ende des Lebens überhaupt. Daher ist es geboten, dem Kind von Anfang an klare Begriffe über das Geschlechtsleben zu vermitteln, damit der Heranwachsende die von selbst wachsende Aufklärung, d. h. die Zunahme der Einblicke in sich, guten Glaubens abwickeln läßt.

Beim Unterweisen über die geordnet geleitete 'Triebregung, die wir unter dem Sammelbegriff des F ortpflanzungstriebes zusammenfassen, ist es ratsam, die Selbstbeobachtung daran zu gewöhnen, daß sie den Geschlechts- organen und ihrem weiteren Begriff nur die Aufmerksamkeit widmet, die dem Teilverhältnis zum Gesamtkörper entspricht. Hierdurch wird das Geschlechtliche in das Gesamtbild der Person richtig eingereiht. Wie das wirklich unterwiesene Kind es als selbstverständlich annimmt, daß nicht jede Triebregung im Menschen befriedigt werden muß, weder die Eßlust noch die Wollust, so überzeugt es sich durch Übung, daß die Spannung aus dem Triebleben nicht nur im Genuß gelöst werden muß. Neben das natürliche Ablenken als Ersatzmittel tritt das Erhöhen des geschlechtlichen Triebes, d. h. das Einordnen des ursprünglich gesellschaftlich gleichgültigen Lustsuchens in den Fortschritt des Weltganzen. Daß diese Kräfte bei jedem

geistigen Mehrleisten mitarbeiten, ist nicht erst in der Erhöhungslehre

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aufschließender Seelenforschung ausgesprochen worden, sondern war schon längst teilweise vermutet, teilweise behauptet worden.

„An den Tagen und Stunden, wo der Trieb der Wollust am stärken ist, eine brennende Gier, gerade dann sind auch die höchsten Kräfte des Geistes, ja, das bessere Bewußtsein zur höchsten Tätigkeit bereit. Es bedarf nur einer gewaltigen Anstrengung zur Richtungsumkehr, und statt einer quälenden, bedürftigen, verzweifelnden Begierde füllt die Tätigkeit der höchsten Geisteskräfte das Bewußtsein“ (Schopenhauer).

Der dauernd in Unkenntnis über das Geschlechtsleben gelassene Mensch wird überhaupt nicht fertig mit der Entwicklung. Er bleibt geistig in all

seinen Auffassungen kindlich oder, besser gesagt, kindisch. Das unauf-

geklärtte Mädchen kommt zur Ehe, deren Zusammenbruch meist schon in der ersten Nacht entschieden ist.

Die geschlechtliche Erziehung, also Aufklärung über das Geschlechts- leben des Menschen, kann nur im Rahmen der Gesamterziehung sinnvoll geleistet werden. Würde im Elternhaus oder in der Schule am richtigen Ort und zur rechten Zeit taktvoll aufgeklärt werden, so wäre ein Teil des Kampfes gegen die Schmutzliteratur und die unsittlichen Bildwerke für die Jugend unnötig, weil die Neugierde des Kindes einen Hauptinhalt verloren hat. Dadurch würde außerdem eine Fülle von nervösen Leiden auf dem Gebiet des Geschlechtslebens vermieden werden.

Von wesentlichem Einfluß auf die Entwicklung der Gefühle bei beiden Geschlechtern ist die Zeit der Geschlechtsreife. Bei deren Eintritt findet häufig eine Änderung der kindlichen Gefühle im Sinn einer anderen Ziel- bestimmung statt. So kann bei zu seelischer Erkrankung veranlagten Knaben, die bis dahin ohne jede Aufklärung über die geschlechtlichen Verhältnisse geblieben sind, durch den ersten Samenerguß ein Schrecken entstehen, der nachhaltige Folgen hat. Wir konnten Fälle beobachten, bei denen von diesem FEreienis an die Gefühle nicht Lust, sondern Unlust verursachten. Es entstehen dann Verdrängungen und alle ihre gefährlichen Nebenerscheinungen. So wurde mitunter von der Zeit der krankhaften Gefühlsäußerung an die geistige Person völlig umgewandelt und eine Erkrankung ausgelöst, die sich als Zwangsneurose, Angstleiden oder, bei geisteskranker Anlage, in jugendlichem Irresein geltend machte.

Bei Mädchen war der Schrecken bei der erstmaligen Monatsblutung und die damit verbundene Angst, die sich danach auf alle Geschlechts- vorgänge erstreckte, die Ursache der Verdrängung der natürlichen geschlecht- lichen Gefühle. In manchen Krankheiten gewannen wir den Eindruck, als hätte ein Seelenleiden nicht das schwere Gepräge angenommen, wenn die Kranken im Entwicklungsalter seitens der Mutter verständnisvoll auf- geklärt worden wären. Gewiß ist zuzugeben, daß regelrechte Kinder trotz mangelnder Aufklärung sich von selbst ohne Schaden zurechtlinden werden, sonst müßte das Heer der so entstandenen kranken Zustände noch größer

sein als es leider schon ist, da der Erwachsene so leicht geneigt ist, sich

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vor dem ihn fragenden Kinde zu schämen und ausweichend zu antworten.

Mit dem Beginn der Geschlechtsreife treten besonders für das männliche Geschlecht Unruhen auf, die sich an die ersten Samenergüsse anschließen. Durch diese Vorgänge werden auch sonst durchweg gesund veranlagte Jünglinge Jahre hindurch beunruhigt. Sie leben teils im Ungewissen, teils in Angst oder in Sorge, ob sich da bei ihnen nicht krankhafte Erschei- nungen zeigen. Der Mangel an Aufklärung bildet hier eine Quelle stiller Leiden und läßt wahre Jugendfröhlichkeit häufig nicht aufkommen. Je feinfühlender in sittlicher Beziehung der Jüngling und die Jungfrau sind, um so schwerer leiden sie in den Zeiten des inneren Ringens nach Reife.

Wenn zu Hause oder besonders in der Schule bei sonst geweckten, teilnahmsvollen und aufmerksamen Kindern auf einmal die Schultugenden nachlassen oder sogar in das Gegenteil umschlagen, so kann man gewiß sein, daß die Fragen nach dem Woher und Wie der eigenen Entstehung das Kind lebhaft beschäftigen. Einige kurze, verständnisvolle Worte stellen dann oft die alte Seelenstimmung und Leistungsfähigkeit wieder her.

Der Aufklärungspflicht dürfen Eltern und Erzieher sich nicht entziehen. Die Aufklärung soll schon vor der Geschlechtsreife stattfinden, damit die Kinder den Ereignissen der ersten IMonatsblutung und des ersten Samen- ergusses mit Ruhe entgegengehen und nicht davon überrascht und erschreckt werden. Dabei sollen die Erzieher sich wie in allem so auch beim Aufklären dem Auffassungsvermögen und der Empfindungsweise des einzelnen Kindes anpassen. Also keine Massen-, sondern Einzel- aufklärung.

Den Mädchen und Knaben gegenüber müssen offen die Gefahren geschildert werden, die das frühzeitige Auslösen der geschlechtlichen Gefühle mit sich bringt, allerdings ohne Furcht zu erzeugen oder ängstlich zu machen. Wie manches Unglück könnte so verhütet werden! Die Lebensgeschichten unserer Kranken sind voll von den schweren Schäden, die die unterbliebene richtige Belehrung mit sich brachte. Wird das Kind nicht von berufener Seite unterrichtet, so übernimmt die Gasse diese Aufklärung oft in schmutzigster Form; was Gegenstand der Eihrerbietung sein sollte, wird als häßlich hingestellt; das Geschlechtsleben wird so von vorneherein zu etwas Gemeinem, und auf die Eltern fällt ein Makel, der die Mutter in Träumen und neurotischen Handlungen, in Zwangsliebe zu Dirnen oder in Donjuanismus als Dirne, den Vater als Wüstling erscheinen läßt. Oft schließt sich andererseits daran ein unbezwingbarer Ekel vor dem natürlichen Geschlechtsleben, Geschlechtskälte und eine Menge anderer seelischer Krankheitszeichen, die ein Menschenleben zu verpfuschen in der Lage sind. Bleibt die wirkliche Aufklärung aus, so treten falsche Kindheits- bilder an ihre Stelle, oft quälerische oder mit sonstigen abirrenden Vor- gängen übereinstimmende Zeugungs-- und Geburtsvorstellungen, deren

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Folgen schließlich in krankem Abirren des Geschlechtsempfindens zutage tritt.

Bei der Darbietung der Aufklärung kommt es darauf an, daß die Kinder nie auf den Gedanken kommen, wir wollten ihnen aus der "Tatsache des Geschlechtslebens eher ein Geheimnis machen als aus anderem, was ihrem Verständnis zugängig ist. Bei aller sittlichen Achtung vor dem richtig gepflegten Schamgefühl als einer menschlichen Tugend müssen wir doch bemüht sein, das Geschlechtliche von dem kitzelnden Strahlenkranz des allzu Geheimnisvollen oder an sich Unerlaubten zu entkleiden. Um dies zu erzielen, ist es erforderlich, daß das Geschlechtliche von Anfang an gleich wie anderes Wissenswertes behandelt wird. Vor allem ist es Aufgabe der Eltern und der Schule, der Erwähnung des Geschlechtlichen nicht auszuweichen, die großen Tatsachen der Fortpflanzung beim Unterricht über die Pflanzen- und Tierwelt in ihrer Bedeutung einzusetzen und sogleich zu betonen, daß der Mensch alles Wesentliche seiner körperlichen Einrichtung ähnlich dem der höheren Tiere hat,

Die Neugierde des Kindes wird dann nie einen hohen Grad erreichen, wenn sie auf jeder Stufe des Lebens die entsprechende Befriedigung findet, Die Aufklärung über die besonderen, rein menschlichen Verhältnisse des Geschlechtslebens und der Hinweis auf die gesellschaftliche Bedeutung der Ehe, und vor allem die daran geknüpfte weise Einrichtung der Erhaltung des Menschengeschlechts, hätten sich in der Zeit des reifenden Alters anzuschließen und sich dabei an das Verständnis bei Großstadtkindern anzupassen.

Daran anschließend würden dann dem über alles Körperliche, soweit es ihm verständlich, aufgeklärten Kind die sittlichen Pflichten, die an die Ausübung des Fortpflanzungstriebes geknüpft sind, das sittliche Band zwischen Eltern und Kindern, darzustellen sein. Hierbei könnte durchaus auch schon über das seelische Verhältnis zwischen Mann und Weib, über die Reinerhaltung des Geschlechtslebens und das Sichbewahren für den zukünftigen Ehegatten für beide Geschlechter unterwiesen werden.

Kurz, je vornehmer und edler wir über all diese Dinge mit dem Kinde sprechen, um so mehr wecken wir in ihm die Hochachtung für das Natürliche in ihm und in anderen.

Die „sexuelle Frage“ muß genau in der nämlichen Weise in ihrer Gesamtheit erfaßt werden, wie die anderen seelischen Begebenheiten und Lebenserscheinungen, wie das Leben überhaupt. Es verlangt, um verstanden zu werden, nicht nur in Gattungen eingeteilt, nach bestimmten Zwecken und begründeten Gesetzen untersucht zu werden, oder daß der lebendige Stoff festgehalten wird, sondern es beansprucht umgekehrt, daß aus der stetig fortdauernden Schöpfung, wie sie uns im Geschlechts- und Fort- pflanzungsleben der Menschen entgegentritt, alle die Äußerungen, Formen und Inhalte mit ihrer Abwechslung und Abweichung sich gedanklich

ableiten lassen.

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Das Beherrschen des Liebesdranges an Stelle seiner Vernichtung, seine Erhöhung gegenüber dem rein körperlichen, menschenunwürdigen Aus- toben des Arterhaltungstriebes, sind abhold jeder Verdrängung. Dies wird erst durch die höhere Entfaltungsmöglichkeit des Lebenstriebes gegenüber dem ursprünglichen, alleinherrschenden Ichtrieb ermöglicht. Soll aber der Schwerpunkt der Lebensaufmerksamkeit von den körperlichen in die geistigen Vorgänge gelegt werden, so muß das Denken mit den Gemüts- regungen gepaart sein und ebensowohl den verstandesmäßigen als auch den Triebansprüchen entsprechen.

Eine dem kindlichen Verständnis angepaßte, mit ihm wachsende, stufen- weise fortschreitende und eigentlich zu keiner Zeit der Entwicklung unterbrochene Aufklärung erscheint uns als die einzig menschgemäße, die ganz der Entwicklung und damit dem Verständnis des Kindes

Rücksicht trägt.

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Eltern als Erzieher Von Dr. Wilhelm Reich

Assistent am Psychoanalytischen Ambulatorium in Wien

II) Die Stellung der Eltern zur kindlichen Onanie

Als wir vom Erziehungszwang der Eltern und seinen unbewußten Motiven sprachen,! erwähnten wir unter anderem auch die Tatsache, daß die Trieb- äußerungen des Kindes eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der Sexual- verdrängungen der Erwachsenen bedeuten. Diese erwehren sich der Gefahr entweder dadurch, daß sie die Triebäußerung garnicht wahrnehmen oder als „krankhafte Unart“ verurteilen. Unter den kindlichen Triebhand- lungen kommt in dieser Hinsicht der Onanie eine besondere Bedeutung zu. Werden andere Triebäußerungen noch als natürliche Unarten aufgefaßt, so gilt die Onanie des Kindes, beziehungsweise des Puberilen, als ein „krankhaftes Laster“, das unbedingt abgestellt werden müsse.

Woher kommt es, daß sich diese Ansicht festsetzen, ja, daß eine große Schundliteratur über die Onanie entstehen konnte? Und warum nützen alle Aufklärungen, daß die Onanie zu den natürlichen Erscheinungen in einem bestimmten Alter gehört, nichts? Auch namhafte Autoritäten auf dem Gebiete der Hygiene und der Sexualwissenschaft sind der gleichen irrigen Ansicht. Außer den unbeweisbaren ethischen Argumenten, die sie anführen, lassen sich die angeblichen Schäden der Onanie sämtlich auf andere Ursachen zurückführen. Wenn wir auf starre, unbeeinflußbare

ı) Der Erziehungszwang und seine Ursachen (diese Zeitschrift, Heft 3, Dez. 1926).

ER 203

und dazu groteske Ansichten stoßen, liegen unbewußte Motive vor, die diese Haltung bedingen. Wir verdanken Freud die Aufklärung nicht nur des Wesens der Onanie, sondern auch der Motive ihrer Bewertung als eines krankhaften Lasters.

Es ist hier nicht der Ort, auf das Wesen der Onanie näher einzugehen : eine kurze Orientierung über die diesbezüglichen Ergebnisse der psycho- analytischen Forschung" möge das Verständnis der Unzweckmäßigkeit der derzeit üblichen die Onanie betreffenden Erziehungsmaßnahmen erleichtern.

Die Onanie ist eine Reaktion auf körperliche Reize am Genitalapparat. Der Anlaß zur Onanie ist ein Spannungsgefühl oder eine Juckempfindung am Genitale; diese Empfindungen werden durch Kratzen oder Reiben be- seitigt, wobei sich eine wollustartige Sensation einstellt. Wurde diese einmal erlebt, so wird um der Lust willen onaniert. Man unterscheidet drei Onanieperioden: ı. Die Säuglingsonanie. Sie wird häufig beobachtet als reflexartige Reibung des Genitales und dürfte auf zufälligen äußeren Reizungen beruhen (Reinigung usw.). 2. Die OÖnanie des Ödipus- alters (etwa 4. bis 6. Lebensjahr). Für diese Zeit ist eine körperliche Grundlage der genitalen Reize noch nicht festgestellt worden, doch läßt die Gesetzmäßigkeit, mit der die Onanie in diesem Alter aufblüht, auf erregende körperliche Vorgänge schließen. 3. Die Pubertätsonanie. Diese hat ihren physiologischen Grund in der rapiden, schubartigen Reifung des Geschlechtsapparats.

Die allgemeine Ansicht, daß nur solche Kinder onanieren, die verführt wurden, ist durchaus irrig, weil ja die Onanie Ausdruck eines inneren Entwicklungs- und Erregungsprozesses ist. Das bekannte „Doktorspielen“ und das gegenseitige Betasten und Beschauen der Genitalien sind Folgen, nicht Ursachen des Erregungsvorganges, wenn sie ihn auch sekundär steigern. Gelegentlich bieten ein juckendes Ekzem am Genitale oder Würmer einen aktuellen Anlaß, doch ist auch die Annahme falsch, daß diese zufälligen Erscheinungen die Ursache der Onanie sind. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß erst das Kratzen am Genitale das Ekzem hervorruft; dieses verstärkt seinerseits wieder den Onaniedrang,.

Diesem Juckgefühl steht das Kind des Ödipusalters anfänglich harmlos gegenüber, es entledigt sich seiner durch Kratzen oder Reiben, solange keine Komplikationen durch elterliche Verbote und Drohungen oder durch Phantasien eintreten. Die infantile Onanie ist ein Zeichen dafür,daß die genitale Stufe der Libido entwicklung erreicht wurde, was zur normalen seelischen Entwicklung gehört. Krankhaft ist also nicht, wie allgemein angenommen wird, das Onanieren, sondern vielmehr das Ausbleiben der Onanie.

Die körperliche sexuelle Erregung ist bloß die eine Seite des onanistischen Geschehens. Mit dem Drang zur körperlichen Erledigung der Reize stellt sich auch ein Drang zur Annäherung an das geliebte Objekt gewöhnlich

ı) Vgl. hiezu: Die Onanie, Diskussion der Wiener PsA. Vereinigung 1910.

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an das heterosexuelle ein. Manche Kinder werden in diesem Stadium sehr aggressiv, sie verlangen stürmisch, umarmt, geküßt, ins Bett ge- nommen zu werden, ja sexuelle Attacken mehr oder minder verhüllt

kommen gar nicht selten vor. Erst jetzt setzt ein mächtiger Konflikt ein: Das Kind lernt sehr bald begreifen, daß das Genitale etwas ist, wovon man nicht spricht. Kommt ein Onanieverbot hinzu, so wird das Genitale mitsamt allen Wünschen, die durch seine Erregung hervorgerufen werden, „tabu“, es darf nicht einmal mehr berührt werden. Hier wird der Keim zur späteren Sexualablehnung und Sexualverdrängung gelegt. Die Eltern richten das genitale Tabu auf, übersehen aber in ihrer Unwissenheit, daß gewisse Notwendigkeiten des Alltags, das kindliche Spiel, ja, ihre eigenen Sexualwünsche je verdrängter diese sind, desto mehr die genitalen Reize steigern.

Wie gern nehmen die Eltern ihre Kinder morgens oder abends ins Bett, und wie freuen sie sich mit den Kindern, wenn sie „Hoppa—Hoppa— Reiter“ oder „Huckepacktragen“ spielen. Beides wirkt direkt genital erregend. Die notwendigen täglichen Waschungen des Genitales seien hier bloß erwähnt.

Ohne es zu wissen, bewirken die Eltern Steigerungen der genitalen Reize auch durch ihre sei es spaßhaften, sei es ernsten Drohungen. Die Angstbereitschaft des Kindes ist gerade im kritischen Ödipusalter enorm groß. Nun überträgt sich bekanntlich die Angsterregung sehr leicht auf das Genitale und ruft hier eine Sensation hervor, die man als „Angs tlust“ bezeichnet: eine wollüstise Empfindung, die angstvoll erlebt wird und völlie der onanistischen Erregung gleichkommt. Man denke an den plötzlichen Harnverlust im Angstzustand bei Kindern, die einen Schreck

erleben. Daß es sich dabei auch um ein lustvolles Erleben handelt, beweist

die Vorliebe vieler Kinder für gruselige Geschichten: Sie nehmen die Angst mit in Kauf wegen der genitalen Sensation, die dabei auftritt. Und daß das Schrecken, Mit-dem-schwarzen-Mann-Drohen, das Erzählen unheim- licher, gruseliger Geschichten und ähnliches allgemein geübt wird, braucht nicht erst bewiesen zu werden.

Ferner besteht notgedrungen in Armenkreisen die‘ Unsitte, die Kinder, wenn nicht im selben Bett, so doch im selben Zimmer schlafen zu lassen. Den Wirkungen der Koitusbelauschung entgeht dabei kaum je ein Kind. In den Analysen Erwachsener lassen sich hier zwei typische Reaktionen feststellen. Zuerst reagiert das Kind auf die Koitusbelauschung mit Angst, natürlich mit Angst vor dem unheimlichen, weil unbekannten Geschehen im dunklen Zimmer. Es vermutet eine Prügelszene, das Keuchen und Stöhnen, eventuell das Sträuben der Mutter geben Anlaß zur Bildung einer „sadistischen Auffassung des Geschlechtsaktes“. Die Angst, die dabei erlebt wird, löst gewöhnlich genitale Erregungen aus, die den Wert einer spontan entstandenen Sexualerregung haben. Allmählich begreift das Kind ungefähr den Sinn der nächtlichen Szenen als eines lustvollen

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Vorganges und die genitale Erregung, die ursprünglich aus Angst zustandekam, tritt jetzt in ihrer eigentlichen Eigenschaft auf: das Kind onaniert in bewußter oder unbewußter Identifizierung mit einem der Eltern. Viele Fälle nächtlicher Angstzustände (pavor nocturnus) und von Bettnässen fußen auf diesen Erregungen.

Wir haben nur einige von den vielen äußeren Anlässen erwähnt, die infolge der Unwissenheit der Eltern reizsteigernd auf die ohnehin gegebene genitale Erregung wirken. Das Kind würde zwar sicherlich auch onanieren, wenn die Anlässe wegfielen, aber erstens bliebe die Onanie dann in den physiologisch vorgeschriebenen Grenzen und zweitens geriete das Kind nicht unter die Wirkung der Inkonsequenz der die Onanie betreffenden Erziehungsmaßnahmen, die darin besteht, daß die Eltern das Resultat des onanistischen Reizes beseitigen wollen und nicht deren Anlässe, die sie vielmehr, ohne es zu wissen, ungeheuer vermehren,

Der Hauptmangel der heutigen Erziehung besteht darin, daß sie sich des Mittels. der Angsteinflößung bedient und trotzerzeugend wirkt. - Beides, Angst und Trotz, ist aber geeignet, den Onaniekonflikt zu verschärfen. Die Angst tut es dadurch, daß sie einerseits genitale Sensationen hervorzu- rufen vermag, andererseits zu einem Kampf gegen ebendieselben Empfin- dungen führt, der notwendigerweise in ein krankhaftes Kompromiß ausläuft.

Der Trotz, der durch das ÖOnanieverbot hervorgerufen wird, steigert ebenfalls die Neigung zur Onanie dadurch, daß die „Lockung des Verbotenen“ hinzutritt. Bei vielen chronischen Onanisten findet man diesen Mechanismus: sie onanieren dann besonders exzessiv, wenn ihnen etwas versagt wurde, mit einer unverkennbaren, häufig sogar bewußten Absicht, sich den Eltern zu m-Erotz zu<sruinieren.

Die Onanieverbote führen ferner, je nach ihrer Art, zu einer mehr oder minder weitgreifenden Verbildung des Charakters. Gelang es der Anost nicht, die Onanie völlig zu unterdrücken, so pflegen die Kinder was die Eltern weder sehen noch erfahren zu heimlichen Formen der Onanie zu greifen. Sie onanieren dann nicht mehr im Bett, sondern im Klosett, nicht mehr mit der Hand, sondern etwa durch /usammenpressen der Schenkel, durch Andrücken des Genitales an Gegenstände, durch Einklemmen des Gliedes usw. Die Heimlichkeit der Onanie führt zu allgemeiner Scheu, Verlogenheit und Unaufrichtigkeit. Welchem Erzieher wären nicht jene Kinder aufgefallen, welche sich immer isolieren, niemals in die Augen schauen können, einen scheuen Blick oder verkniffene Gesichtszüge aufweisen? Wer kennt nicht die „facies masturbatorica“ des von Onanieschuldgefühl gedrückten Pubertätsknaben? Solche Kinder weisen später eine Lähmung der Liebes- und genitalen Leistungsfähigkeit auf, werden impotent, bzw. frigid und sind auch sozial wenig leistungsfähig.

Gewiß, nicht alle Kinder, die später neurotisch werden, haben Onanie- verbote erlebt, und viele, die sie erlebten, sind doch noch gesunde und leistungsfähige Menschen geworden. Das Önanieverbot ist ja nur ein

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Teilstück der Gesamterziehung, und seelische Gesundheit oder Krankheit ist immer überdeterminiert. Das darf aber nicht dazu verleiten, die schlechte Wirkung der Önanieverbote zu unterschätzen. In den Analysen Erwachsener kann man beobachten, daß die späteren Sexualstörungen den Onanieverboten entsprechende Formen annehmen und daß die krankhafte Gestaltung der Gesamtpersönlichkeit proportional ist der asketischen Strenge und der Inkonsequenz der genossenen Erziehung. Besonders zu verpönen sind die üblichen Erziehungsmaßnahmen gegen die Onanie: Drohung des Hände- oder Gliedabschneidens, die Warnung, das Glied werde abfallen, eine tödliche Krankheit werde sich einstellen, der böse Geist oder der Teufel werde das Kind holen, ferner das Schlagen, das Anbinden der Hände, das Verbinden des Genitales und anderes mehr. Diese sinnlosen und unwürdigen Maßnahmen verunstalten bloß die kindliche Persönlichkeit gerade im Zeitpunkt ihrer blühendsten Entwicklung und erreichen überdies nichts, denn entweder bricht sich die natürliche sexuelle Erregung auf krankhafte Weise Bahn oder, was noch weit häufiger ist, die Onanieperiode geht nicht vorbei, sondern fixiert sich aus mannigfachen Gründen, von denen früher einige hervorgehoben wurden.

Und warum dies alles? Warum lassen die Eltern einem natürlichen Prozeß nicht seinen Lauf? Wieder ist es der Erziehungszwang, unbewußt determiniert, diesmal durch die eigene Onanieangst. Ein Beispiel, das keinen Sonderfall darstellt, veranschauliche das Zustandekommen der elterlichen Onanieangst.

Eine z2jährige Frau, Mutter eines ı2Jährigen Mädchens und eines 8jährigen Knaben, erkrankte akut an einer hypochondrischen Angsthysterie. Sie wurde von der Angst, bzw. dem Zwangsgedanken gequält, sie und ihr Bub könnten an Lungentuberkulose sterben. Die Analyse ergab als Anlaß der Erkrankung folgendes: Ihr Knabe hatte ein Jahr vorher schlecht aus- gesehen, der konsultierte Arzt konnte nichts feststellen und meinte bloß, sie solle das Kind gut nähren, damit sich keine Tuberkulose entwickle. Ungefähr zur selben Zeit bemerkte sie, daß ihre Tochter im Halbschlaf onanierte. Sie erschrak heftig und konnte den Gedanken nicht los werden, daß die Tochter den Buben zur Onanie verleiten werde, er würde dann an Tuberkulose erkranken und sterben. Warum übertrug sie aber die Onanieangst auf sich und den Knaben, wo es doch logischer gewesen wäre, sie hätte für ihre Tochter gefürchtet? Sie selbst hatte von ihrem 4. bis 16. Lebensjahre exzessiv (allein und mit anderen Kindern) masturbiert, später, als sie heiratete und Inzestwünsche wegen der nicht sehr glücklichen Ehe wieder auftraten, unterdrückte sie die Onanie aus Angst vor den ver- meintlichen Folgen (Tuberkulose, Syphilis) und die Verdrängung gelang vorübergehend vollkommen. Als sie nun ihre Tochter onanieren sah, wurden in ihr die verdrängten Wünsche wieder wach, ohne jedoch bewußt zu werden. In Träumen verriet sich nicht nur der Onaniewunsch, sondern auch die Tendenz, mit dem Genitale ihres Buben zu spielen. So

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träumte sie einmal, daß der Junge mit einem Handwagerl hin und her fuhr („Handwagerl fahren“ ist eine ar Umschreibung der Masturbation) und sie hinter ihm „hin und her“ rannte, wie um ihn davon abzu- halten, weil es gefährlich wäre. Bis zur Analyse schlief sie mit dem Jungen in einem Bett, dabei lag sie hinter ihm und pflegte ihre Hand an seinem Genitale zu halten. Das alles bedarf keines weiteren Kommentars. Ich erwähne nur noch, daß sie die ganze Liebe, die einst dem Vater gegolten hatte, auf den Knaben übertrug, und darin hatte auch die Befürchtung, er könnte an Tuberkulose sterben, eine weitere Begründung: Der Vater war an Lungentuberkulose gestorben. Ferner hatte sie als Kind bis zu ı2 Jahren mit ihrem Vater in einem Bette geschlafen und war von ihm einmal bei der Onanie ertappt und gescholten worden. „Ich und der Junge werden an Tuberkulose sterben“ hatte den Gefühlswert der ver- drängten Wunschvorstellung: „Ich und mein Junge (Vater) werden mit- einander spielen (onanieren)“; als Strafe dafür waren schwere Erkrankung und Tod zu befürchten.

Wie tief die Onanieangst auch bei aufgeklärten Erwachsenen wurzelt, konnte man an einer vernünftigen, klardenkenden Mutter sehen, die beim Anblick der Onanie ihres kleinen Sohnes geradezu reflektorisch ausrief: „Ja, wirst du die Hand weggeben?“; sie konnte nur mehr über sich selbst staunen.

Warum wird die Onanie ganz allgemein als ein sträfliches Laster bewertet? Ein oberflächlicher Grund ist der, daß die Eltern diese Ansicht als Kinder wie selbstverständlich in sich aufgenommen haben. Sie verhalten sich dann gegen ihre eigenen Kinder so, wie sie es an ihren Eltern erlebt haben. Das zweite Motiv hat mit äußeren Einflüssen wenig zu tun und ist rein innerer Herkunft. Die Analyse des Onaniekonfliktes, den wir aus- nahmslos bei jedem unserer Patienten antreffen, ergibt nämlich, daß bewußt zwar die onanistische Manipulation, unbewußt aber die Phantasien das Schuldgefühl und die Angst erzeugen, die dieser Bewertung der Onanie zugrunde liegen. Mit den genitalen Reizen verbanden sich in der frühen Kindheit auch Sexualwünsche, die auf den gegengeschlechtlichen Elternteil gerichtet waren; man faßt sie in der Psychoanalyse als „Ödipuskomplex“ zusammen. Der Junge wünscht die Mutter zu „heiraten“ und aus diesem Grunde den Vater zu beseitigen, das Mädchen umgekehrt. Das Schuld- gefühl, das später mit der Onanie erscheint, entstammt dem Haß, der infolge des Ödipuswunsches gegen den ja auch geliebten gleich- geschlechtlichen Elternteil entwickelt wurde. Der Gefühlswert des phantasierten Verbrechens (Beseitigung des Vaters bzw. der Mutter) und das ihm entstammende Schuldgefühl übertragen sich nun auf den Inzest- wunsch und die ihm geltende onanistische Manipulation, so werden diese selbst zu verbrecherischen Akten. Im Bewußtsein verbleibt nach der Ver- drängung des Ödipuswunsches bloß ein Onanieschuldgefühl, und nach der Verdrängung des Onaniewunsches verwandelt sich dieses in die beschriebene

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Ansicht, daß die Onanie überhaupt ein strafbares Laster sei. Da kein Mensch dem Schicksal des Ödipuskomplexes entgeht und ‘da zumindest der Onaniewunsch ganz allgemein ist, ist es begreiflich, daß jeder ein Onanie- schuldgefühl hat und daher diese seine Abwandlung ein so festgewurzeltes Vorurteil ist.

Es verbleibt nun noch die Frage, ob und inwiefern die Onanie wirklich schädlich ist; ferner ob sich die Onanie nicht fixieren würde, wenn man sie nicht einschränkte. Diese Fragen wären nur dann einwandfrei zu beantworten, wenn zahlreiche Beobachtungen an Kindern vorlägen, bei denen die Onanie erzieherisch nicht beeinflußt wurde. Vereinzelte Beob- achtungen erlauben die Vermutung, daß die Onanieperiode spontan vorüber- geht. Das Schuldgefühl aus dem Ödipuskomplex hat genügend verdrängende Kraft. Trotzdem wären Beobachtungen zu dieser Frage im Interesse einer sicheren Entscheidung sehr erwünscht.

Dauernde Onanie schadet nach den klinischen Befunden an Erwachsenen zu schließen weniger körperlich als seelisch durch die aufreibenden Kämpfe. Sie lähmt ferner die Werbekraft gegenüber realen Sexualobjekten. In körperlicher Hinsicht sehen wir im Gefolge exzessiver Masturbation Neurasthenie auftreten. Es gibt aber auch viele exzessive Onanisten, die keinerlei Beschwerden haben. Ein Vergleich ergibt, daß bei jenen der körperliche Erregungsablauf durch das Schuldgefühl unmittelbar gestört wird, so daß sich akute körperliche Beschwerden einstellen.

Im ganzen muß festgestellt werden, daß die Nachteile der üblichen Sexualerziehung die möglichen Nachteile des Gewährenlassens unvergleichlich übertreffen. Da Schlimmeres als das, was heute erzielt wird, nicht zu erwarten ist, darf das Experiment des Gewährenlassens nicht unversucht bleiben. Korrekturen sind ja prinzipiell immer möglich. |

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Aus einem Briefe des holländischen Dichters Multatuli:

„Im allgemeinen werden einzelne Dinge nach meinem Gefühl zu sehr umschleiert. Man tut recht, die Phantasie der Kinder rein zu halten, aber diese Reinheit wird nicht gewährt durch Unwissenheit. Ich glaube eher, daß das Verdecken von etwas den Knaben und das Mädchen um so mehr die Wahrheit argwöhnen läßt. Man spürt aus Neugierde Dingen nach, die uns, wenn sie uns ohne viel Umstände mitgeteilt würden, wenig oder kein Interesse einflößen würden. Wäre diese Unwissenheit noch zu bewahren, so könnte ich mich damit versöhnen, aber das ist nicht möglich; das Kind kommt in Berührung mit anderen Kindern, es bekommt Bücher in die Hände, die es zum Nachdenken bringen; gerade die Geheimtuerei, womit das dennoch Begriffene von den Eltern behandelt wird, erhöht das Verlangen, mehr zu wissen. Dieses Verlangen, nur zum Teil, nur heimlich befriedigt, erhitzt das Herz und verdirbt die Phantasie, das Kind sündigt bereits und die Eltern meinen noch, daß es nicht weiß, was Sünde ist,“ (Zitiert nach Sigm. Freud, Gesammelte Schriften, Bd, F, Seite 135f.)

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BEOBACHTUNGEN AN KINDERN NUN

Fin Fall von Schlaflosigkeit bei einem achteinhalbjährigen Kinde Von Dr. Istvan Hollös, Budapest

Während des Krieges war ich in der Nähe einer Stadt Kärntens als Arzt tätig. In dieser Zeit brachte man mir ein Mädchen wegen Schlaflosigkeit in die Ordination. Jede Schlafstörung konnte man allgemein mit dem Umstand begründen, daß in der Zeit öfters von Fliegern Bomben auf die Stadt geworfen wurden. Auch die Eltern waren dieser Meinung, hatten jedoch den Wunsch, daß das Kind, das vordem auch verschiedene Zeichen von Nervosität darbot, dem Nervenarzt gezeigt werde. Nebst- dem war es auffallend, daß das Kind in dieser Zeit eine größere Neigung zur Reli- giosität bekundete und jeden Morgen spontan in die Kirche ging.

Das Kind machte keinen aufgeregten oder ängstlichen Eindruck. Eher lag ein gespanntes Interesse im Gesichte, eine Neugier, was wohl bei dem Besuche beim Arzte herauskommen werde. Mir schien, die Kleine hätte etwas zu erzählen, und ich brachte sie ohne Mühe zum Sprechen. Sie hatte mit einem veränderten, etwas ängstlichen Blick auf meine Bücher geschaut. Daran knüpfte ich mit einer Frage an. Dann sprach sie von selbst, wie jemand, der froh war, endlich von geheimen Sorgen befreit zu werden.

Sie erzählte, daß sie, ohne daß jemand davon Kenntnis hätte, ein Buch in die Hände bekommen hatte. Dort fand sie ein großes Bild, wo eine „Dame“ nackt stand. Man konnte den Bauch wie einen Deckel aufheben und da stak in dem Bauch der Dame ein Baby (Wahrscheinlich war das ein volkstümliches Ärztebuch, das zumeist, um klar zu sein, mit krassen, grellfarbigen, zerlegbaren Bildern versehen wird.)

Sie meinte, daß sie seitdem immer nachdenken hat müssen, wie denn das möglich sei, daß solch ein Kind in den Mutterleib komme. Besonders mußte sie des Nachts grübeln und davon konnte sie nicht schlafen. Sie war endlich zum Ergebnis gekommen, daß jedes Mädchen schon mit einem ganz kleinen Baby im Bauche zur Welt komme; aber erst wenn eine Dame heiratet und der Mann sie küßt, kann das Baby zur Welt kommen. Ich sagte ihr, daß sie das ja beinahe richtig wisse, und wenn sie mehr wissen wolle, so würde ich ihr es gerne sagen, wenn sie wieder kommen würde. Sie erwiderte nun, daß sie aber nicht recht sich erklären könne, wie denn ein zweites und drittes Baby zustande komme.

Das zweitemal berichtete sie, daß sie jetzt schon schlafen könne. Auch sei sie darauf gekommen, wie es mit dem zweiten Kinde sein möge. Sie habe sich die Meinung gebildet, es müsse so sein, daß das erste Kind ein Fingerchen im Bauche der Mutter zurücklasse, aus dem wächst dann das zweite Kind und so weiter.

Das Kind hat seit unserer Unterredung wieder gut geschlafen und, wie ich später

hörte, hat es sich anscheinend normal entwickelt.

70

—-

Da es von mir keine Aufklärung erhalten hatte, so hat die bloße Befreiung vom Geheimhalten seiner Grübeleien ihm den Schlaf wiedergeben können. Der Fall ist deswegen interessant, weil er zeigt, um wie viel mehr der innere Kampf mit der sexuellen Gefahr den Schlaf rauben kann, als selbst der Schrecken der

explodierenden Bomben.

Aus einem Kindergarten Mitgeteilt von der Vorsteherin

1)

Eine Gruppe fünf- bis siebenjähriger Knaben und Mädchen malt mit Wasserfarben. Den Knaben wird die Arbeit langweilig. Sie gehen ans Fenster und schauen hinaus. Die Erzieherin ist hinten in der Klasse beschäftigt. Die Knaben nehmen ihre Genitalien heraus und betrachten sie. Darauf holen sie Farbe und bemalen ihre Hoden, der erste grün, der zweite rot, der dritte blau und der vierte schwarz. Jetzt kehren sie sich den Mädchen zu, um ihnen zu zeigen, wie schön sie jetzt aussehen. Während der ganzen Szene war ich unvermerkt ins Zimmer getreten und fragte die Buben nach ihrem Tun. Sie erklärten, daß Janis und Petris im „Lihgo dsiesma“ (Johannislied) auch gefärbte Hoden hätten, und daß das sehr schön sei. Sie zitierten folgenden Vers:

Jahnischami sili pauti, Lihgo! Peterami puspeleki, Lihgo! (Johann hat blaue Hoden, Peter hat graue.)

(Lihgo = Anrufen der Göttin Lihgo, ein ständiger Kehrreim in den lettischen Johannisliedern.)

2)

Einige Knaben spielten im Sande. Sie hatten Löcher gegraben, legten sich darauf und urinierten hinein. Auf die Frage, was sie da tun, antwortete der eine: „Wir machen das, was Vater und Mutter in der Nacht zusammen tun.“ „Woher weißt du das?“ „Das habe ich doch gesehen.“

3)

Eine Mutter beklagte sich, ein sechsjähriges Mädchen O. habe ihrem vierjährigen Töchterchen B. das Geschlechtsorgan mit Papier verstopft, als sie zusammen auf dem Abort waren. Auf die Frage, warum sie das getan habe, erklärte OÖ. zuerst, sie wisse es nicht. Nach und nach kam dann heraus, sie hätte es getan, weil die Öffnung zu groß sei, später, weil sie blutete. Das Blut komme aus dem Bauch. Zuletzt stellet sich heraus, daß sie bei der Mutter Blutungen beobachtet hatte. Sie glaubte, es tue ihr weh, und sie lege daher Papier vor.

4) Ein kleiner Knabe reizte auf dem Abort sein Genitale mit den Händen und sagte

zu den anderen, das sei sehr schön.

5)

Drei Knaben stehen abgesondert und unterhalten sich. Der eine meint, es sei schön, das Genitale in dasjenige des Mädchens zu legen. Auf die Frage eines Kameraden, woher er das wisse, meinte er, er habe gehört, wie der Vater davon gesprochen habe, und fährt fort: „Ich möchte gern mit den Mädchen zusammen-

schlafen. So tun die Verheirateten. Wenn die Frau dem Manne nicht gut ist, so geht er ins Dirnenhaus. Das werde ich auch tun. Dort bezahle ich zehn Rubel und kann machen, was ich will.“ An einem anderen Tage biegt er sein Frühstücksbrot in die Form eines weiblichen Genitales und meint zu den anderen Knaben, es wäre sehr angenehm, hier sein Genitale hineinzulegen.

6) Zwei Knaben kommen aus dem Abort. Der eine erzählt, daß sie gegenseitig die Genitalien gemessen hätten, das seine sei größer und dicker. Diese Feststellung erfüllte ihn sichtlich mit Stolz.

*

(Diese Mitteilungen zeigen, wie die unbefangene Beobachtung die frühkindliche Sexualität, welche durch die Psychoanalyse Erwachsener zuerst aufgefunden wurde, unmittelbar bestätigt. Die Mitteilung ı) zeigt den Trieb, die Genitalien auffällig zu machen und zu zeigen, den Exhibitionismus; 2) zeigt eine infantile Zeugungstheorie auf der Stufe der Harnerotik, ferner die Gleichsetzung der Mutter-Erde mit dem Weibe; z-6) zeigt frühe Sexualinteressen und Geschlechtstrieb mit speziellen Inhalten; 3) zeigt Sadismus und Abwehr der weiblichen Sexualorganisation; 5) zeigt besonders die Identifizierun £ mit dem Vater. Die Schriftleitung.)

/ur kindlichen Sexualtheorie Mitgeteilt von Frau Dr. med.L.

Das Dienstmädchen machte meinem sechseinhalbjährigen Knaben davon Mitteilung, daß die Nachbarin heute morgen um acht Uhr einen Knaben bekommen hätte. Darauf kam der Bube zu mir und fragte mich: „Wie wäre es gewesen, wenn das Kind nachts um zwölf Uhr geboren worden wäre? Dann hätte ja die Mutter geschlafen und gar nichts gemerkt.“ Ich erklärte darauf, daß die Mutter immer weiß, wann das Kind geboren wird. Sie hat dann Schmerzen und schläft nicht. Darauf der Kleine: „Wo kommt denn das Kind heraus?“ Es erfolgt eine einfache und sachliche Aufklärung. Ganz erstaunt erwidert der Knabe: „Das kann ja gar nicht sein. Ich glaubte, das Kind komme dort heraus, wo man ‚groß‘ macht. Der Pipimacher ist ja viel zu klein.“ Ich erkläre den Unterschied der männlichen und weiblichen Genitalien, spreche von der Vagina und ihrer Elastizität. Diese Aufklärung paßt offenbar nicht in seine gegenwärtige Gedanken- und Wunschwelt und er entgegnet mir: „Nein, Mama, ich kann doch auch ein Kind kriegen!“ Ich wiederhole, daß nur Frauen Kinder bekommen können, daß er, wenn er groß sein werde, eine Frau haben werde und die werde ihm dann Kinder schenken. Damit war die Unterredung beendigt; ich warte auf die folgende. Es interessiert mich, dann zu vernehmen, wie er die erhaltene Aufklärung verarbeitet hat und wo er den Faden weiıterspinnt.

2172

Gespräche mit einem Knaben

Es wird hier die skizzenhafte Wiedergabe einer Reihe von Gesprächen versucht, in deren Verlauf ein kleiner Junge sein Interesse für Sexuelles ebenso wie für alles andere seit den ersten Lebensjahren kundgeben konnte und von der Mutter aufrichtige, den jeweilig erfaßten Bedürfnissen des Kindes mög- lichst angepalite Aufklärungen erhielt. Interessanteres wurde meist noch am selben Tage schriftlich festgehalten. In dieser fortlaufenden Entwicklung ergaben sich naturgemäß zwei hervorragende Momente, derjenige, in welchem dem Kinde klargemacht wurde, woher die Kinder kommen, und der andere, wo er die ergänzende Aufklärung erhielt, wie sie dort hineingelangen. Die Mutter hat tunlichst von Anfang an die sogenannte „sokratische” Methode befolgt, indem sie ganz auf den Gedankengang des Kindes einging, um aus ihm selbst herauszuholen, was er eben brauchte. Sie tat dies lediglich intuitiv, bis sie im siebenten Lebensjahr des Kindes und mehr als ein Jahr nach den ersten großen Mitteilungen über Geburt und Schwangerschaft selbst analysiert wurde und nun auf Grund psychoanalytischer Erkenntnisse in gesteigertem Maße bestrebt war, nicht nur dem Wissensdrang, sondern auch den unbewußten triebhaften Erregungen des Kindes Rechnung zu tragen. Sie machte ihm Mut, seine triebhaften Ahnungen zu äußern, bestätigte dieselben und kam ihm, wo ihn die Unkenntnis der Tatsachen verwirrte, mit den nötigen Aufklärungen zu Hilfe. Dies ist schwieriger, als einem Kinde theore- tische Mitteilungen über Pflanzen und 'TTiere zu machen, hat aber einen sroßen Vorteil; es ermöglicht nämlich, daß sexuelles Wissen und Erotik sich in natürlichem Zusammenhange in die seelische Entwicklung einfügen. Somit wird der Durchbruch von hier verdrängten dunklen Sensationen an einer unrechten Stelle, die Entzweiung der intellektuellen und der affektiven Ein- stellung zur Sexualität vermieden, welche der Entzweiung von zärtlichen und erotischen Liebesstrebungen analog Konflikte unterhält und das künftige Liebesleben störend beeinflußt.

Wie wichtig das ist, wird jeder bestätigen, der am eigenen Leibe erfahren hat, wie unzulänglich die vor 20 bis 25, Jahren „modern“ gewordenen, recht spät gebotenen akademisch-naturwissenschaftlichen Aufklärungen waren, wie sie gleichsam Fremdkörper blieben. Eine hochintelligente Freundin erwähnte eben unlängst, wie sie als schon erwachsenes Mädchen über alle Tatsachen des Geschlechtsleben gelehrt und überlegen diskutierte und dabei ihre erotischen Sensationen, verwirrt und beschämt, beim Lesen von Selbstmordnachrichten erlebte. Ähnlich erzählt der große ungarische Schriftsteller Michael Babits in seinem neuerschienenen Entwicklungsroman „Die Söhne des Todes“, wie sein äußerst scheuer und verschüchterter Held in einen kleinen Studentenkreis gerät, wo sich Mädchen und Jünglinge in einer Art freimaurerischer Brüder- lichkeit verbinden. Denn Mädchen waren auch dabei, Mädchen, mit denen sogar Imre sans gene über Feminismus und freie Liebe, über Weininger und Strindberg diskutierte. Die Sprechenden schwebten akademisch über dem Thema, als ob es sich gar nicht um die Liebe und um Probleme ihnen gleichartiger Geschöpfe handelte.

Natürlich muß man aber mit der größten Umsicht und der größten Vor- sicht darauf bedacht sein, die sich vordrängenden Erregungen des Kindes

nicht in der aktuellen Situation ausleben zu lassen, den dunkel mitschwingenden libidinösen Trieben nicht so viel Befriedigung zu gewähren, daß sie an die aktuelle Situation und an die Person des Aufklärenden fixiert werden. Man muß ganz unpersönlich bleiben und mit rascher Einfühlung das Interesse wieder dem Wissensmaterial selbst zuzulenken, die Gefühlsspannung durch eine objektive, lösende Erklärung herabzusetzen suchen. Und wenn man dem Kinde in der Lösung seiner dringendsten Probleme und Konflikte zu Hilfe kam, hat man auch Aussicht, es zur Einsicht zu bringen, daß es nun warten müsse, bis es groß wird, um diese ernsten, großen Dingen in der Realität zu

erkennen und zu erleben. >k

Die Aufzeichnungen sind aus der Kleinkindzeit des fröhlichen, geweckten Jungen geboren im Juni ı911 —- sehr dürftig, da damals, wie oben erwähnt, das psychoanalytische Interesse der Mutter noch nicht geweckt war. Im allgemeinen waren die Äußerungen des Kindes recht normal, seine Ein- stellung zu beiden Eltern überwiegend zärtlich. Er hat nie im Schlafzimmer der Eltern geschlafen, hat keine Geschwister gehabt. Er verlor den Vater mit viereinhalb Jahren und lebte seitdem mit der verwitweten Mutter im Hause der Großeltern. Er hat die Phase der Säuglingsonanie ohne sichtbare Schwierigkeiten überwunden. Die Nachwirkung von unvermeidlichen Kastrations- drohungen wurde von der Mutter manchmal beobachtet.

Seit seinem fünften Jahre richtet sich der Fragedrang des Jungen vorzüg- lich auf das Thema: wie oder woraus die Dinge entstehen, wobei die Fragen oft ohne Abwartung einer Antwort sich überstürzen. Er fragt zum Beispiel beim Kastaniensammeln: „Mutti, woraus werden die Kastanienbäume?“ Das hat man ihm schon wiederholt erklärt. „Wie wurde aber der erste Kastanien- baum, als es noch keine Kastanien gab?... Wie wurde die erste Mutter, die noch keine Mutter hatte?” Ich weiß nicht. „Mutti, gibt es überhaupt etwas, was du nicht weißt? Was niemand weiß, gar niemand?” Die Mutter fühlt, wohin die Frage zielt, konnte aber damals den Übergang noch nicht finden.

Einige Monate später fragt das Kind unvermittelt: „Mutti, wie wird das Baby?" Die Mutter, zuwartend: „Es wird geboren.“ Das Kind scheint sich mit dem bloßen neuen Worte zu begnügen. Die Fortsetzung kommt wieder einige Monate später, während eines kurzen Aufenthaltes auf einem Landsute, wo sich das Kind es ist nun genau fünf Jahre alt freudig in Stall und Hühnerhof herumtreibt. Eine Brut kleiner Enten und ein neugeborenes Kalb sind sein Entzücken. Eines Tages, wie der Knabe zum Nachmittagsschlaf ins Zimmer gebracht wird, wiederholt er wortwörtlich die Frage:

„Mutti, wie wird das Baby?” Es wird geboren.

„Wie, geboren? Du, wie kamen die kleinen Enten zur Welt?

„Sie krochen aus den Eiern. Oh, ich habe die Schalen gesehen.“

Und das kleine Kälbchen? „Das das nicht.“

Weißt du, was das Kälbchen zu essen kriegt? „Es trinkt bei der Mutter.” Also siehst du, es ist auch im Leibe der Mutter gewachsen und ganz fertig, lebendig, so wie die Enten aus dem Ei, herausgekommen. „Wo im Leibe der Mutter? Im Bauch?* Ja, im Bauch. „Und ist dort Platz?“ (Betastet die Mutter.) Schon, ‚denn erst ist das Kleine ganz winzig und

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wenn es wächst, wird der Bauch auch größer, wie ein Luftballon. „O ja, und dann wird die Sau im Hof, die sehr dicke, auch ein Kleines haben?“ Hast du es dir vielleicht schon gedacht? „Ich... vielleicht. Aber, wie kommt es heraus, im Bauch ist doch kein Loch!” O ja, unten beim Bauch ist ein Loch, aber nur ein kleines, und wenn das Kleine fertig ist und hinaus will, dann wird die Öffnung auch größer, damit es herauskommen kann, das wirst du schon noch erfahren, wie. „Und ich bin auch so herausgekommen?“ Ja, mein Bub. Er hüpft froh herum, legt sich dann befriedigt schlafen und kommt längere Zeit auf das 'Thema nicht zurück. Das heilt mit weiteren Fragen nicht. Sonst behandelt er seine neuen Kenntnisse wie alles andere, was er weiß. „Schau, diese Hündin wird Junge kriegen, sie

ist furchtbar dick,“ sagt er beim Spazierengehen seiner Tante. „Oh, das war sehr, sehr lang her, da war ich noch nicht aus dem Bauch meiner Mutti herausgerutscht", bemerkt er wiederholt, wenn er etwas in die ferne

Vergangenheit versetzen will.

Als die Tante heiratet, erwartet er ihr erstes Baby mit freudigem Interesse. Im Wochenbett sah er die junge Mutter nicht und hat dann mehr Interesse für das Neugeborene als für die Mutter. Er hält sich für verpflichtet, als „großer Junge“ recht zärtlich zu ihm zu sein, verrät aber deutlich seine Eifersucht. „Ich möchte auch so an der Brust trinken“, meint er einmal.

Die folgenden Jahre bringen nichts wesentlich Neues. Die Gespräche über die Entwicklung des Embryos im Mutterleib, über das Spielen mit seinem Gliede, das im achten bis neunten Jahre (vielleicht unter dem Einfluß von Schulkameraden) wieder auffallender wird, werden natürlich gelegentlich fort- gesetzt. Einmal notiert die Mutter eine auffallende Frage, die kühn zur schwierigeren Seite des Problems weiterschreitet: „Mutti, warum bekommt eine Frau gerade zu dieser Zeit ein Kind und nicht früher oder später?“ Jedoch ohne die Antwort abzuwarten, spricht er weiter, lenkt vom Gegen- stand ab und Mutter und Kind haben nun längere Zeit keine Gelegenheit, auf denselben zurückzukehren. Es waren die furchtbar schweren Krisenjahre nach dem Kriege, der Kampf ums tägliche Brot nahm die Mutter immer mehr in Anspruch, und da dieses Brot so auch zu karg ausfiel, mußte sie froh sein, ihr blasses Kind für lange Monate nach Holland schicken zu können. Er kam dort im Hause eines vornehmen Advokaten —- sein verstorbener Vater ist auch Rechtsanwalt gewesen in ein kulturell hochstehendes, fröh- liches, gesundes Milieu, hatte Kindergespielen und wußte sich die Liebe der ganzen Familie zu gewinnen. Der Haarlemer Gastfreund ist ihm zum väterlichen Freund und zum Vaterideal geworden, bei dem er noch alljährlich die Ferien verbringt. Ein derartiges Zutrauen, wie zu der Mutter, hat der Junge zu ihm aber nicht fassen können. Er verbarg sein Wissen nicht, verlangte aber von seinen neuen Freunden keine weiteren Auskünfte.

*

Nach einer Abwesenheit von zehn Monaten kehrt das Kind kurz vor seinem zehnten Geburtstag zur Mutter zurück. Der Kontakt ist wenn auch nicht so rückhaltlos bald wieder hergestellt. Während des Sommers macht noch das Kind einen mehrtägigen Ausflug, wo es mit größeren Jungen zusammen schläft. Seitdem bemerkt die Mutter eine gesteigerte Unruhe,

Unarten, Neugierde, aber auch eine gewisse Furchtsamkeit. Er scheint damit was ihn beschäftigt, sich spontan nicht hervorzuwagen. Die Mutter beschließt, ihm entgegenzukommen, um so eher, da er nun ins Gymnasium geht und sie eventuell recht dummen oder erschreckenden Aufklärungen seitens der Kameraden zuvorkommen will.

Die Mutter richtet es so ein, einen Septembernachmittag ungestört mit dem Kinde zusammenzubleiben, ohne daß es eine Absicht merken kann; sie ist mit einer leichten häuslichen Arbeit beschäftigt und hört inzwischen dem Jungen die Lektionen ab. Erst kommt die rosa rosae, dann die Naturgeschichte. Es ist gerade von der Pflaume die Rede (die Saisonfrucht). Nun sind sie schon bei den Fortpflanzungsvorgängen bei den Pflanzen. Das Kind erzählt, was er von Staubfäden, Fruchtknoten, Blütenstaub, von der Rolle von Insekten, Wind usw. bei der Befruchtung gelernt und in Ewalds „naturhistorischen Märchen“ gelesen hat. Die Mutter erklärt ihm, wie diese Art der Fort- pflanzung eine „weigeschlechtliche ist. „Und bei den Tieren ist es auch so?“ Bei allen höher organisierten Lebewesen. (Denn von der Ver- mehrung durch Teilung weiß der Junge auch schon.) Die Mutter fährt fort, erklärt, wie ein neues Lebewesen immer aus der Verschmelzung zweier Zellen, einer männlichen und einer weiblichen, des Samens und der Keim- zelle, entsteht, und wie diese aus zweien eins gewordene, diese befruchtete Zelle durch Teilung zu einem Organismus wird. Der Junge äußert jetzt ganz unverhohlen, daß ihn vor allem die Frage interessiert, wie der Samen zur Keimzelle gelangt. Die Mutter weist noch einmal auf Pollen und Stempel hin, erinnert noch kurz an das bei Ewald Gelesene, wie bei den Fischen die vom Weibchen in den Meeressand gelegten Eier nachträglich mit Samen befruchtet werden, und geht geradewegs zu der für den Jungen doch einzig interessanten Art der Befruchtung über, wo der Samen vom männlichen Individuum direkt in den Leib des weiblichen übertragen wird. Dies geschieht mit Hilfe besonderer Organe, der Geschlechtsorgane. Der Junge nennt sie Fortpflanzungsorgane. Der Junge wird immer lebendiger, spricht von Hahn und Henne, von Säugetieren. Selbstverständlich vom Menschen. Aber, sagt er etwas zögernd, er wisse doch nicht genau, was der Unterschied zwischen

Bub und Mädel sei. Aber natürlich weißt du es, meint die Mutter, denk nur mal dran, du hast doch mit der Mitzi und mit Baby (kleine Verwandte von zwei und fünf Jahren) in einer Wanne gebadet. „Ach ja, aber ich weiß nicht ... sie... ich habe den kleinen Schwanz nicht sesehen....” Ja, also das haben sie nicht, sondern statt dessen eine kleine Öffnung. Der Junge schweigt, dann erzählt er plötzlich mit vielen Worten,

aber verwirrt, daß er vor einiger Zeit in der Gasse Hunde beim Geschlechits- akt beobachtet hat. Er hat aber nicht gut hinschauen können, er versteht doch nicht, wie... wie das vor sich gehen kann. Sein Gesicht ist gespannt, grüblerisch, die Augen glänzen aufgeregt. Der Mutter fährt plötzlich durch den Sinn, wie Freuds kleiner Hans von seinen eigenen Penissensationen aus der Wahrheit so nahe kam. „Ja, das weißt du auch,” bemerkt sie selbst- verständlich. „Ich weiß ja, von ganz klein auf, von den Wickelkindern angefangen, sieht man es bei kleinen Jungen, daß ihr kleines Glied steif wird. Du kennst ja das sehr gut, du pflegst ja auch damit zu spielen. Also, dieses Steifwerden dient dazu, das Eindringen in die weibliche Öffnung zu ermög.

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lichen.” Da, bevor die Mutter noch den Satz beendet hat, ruft der Junge dazwischen: „... Weißt du was? Jetzt ist es auch steif!“ Die Mutter fährt ruhig fort, erklärt noch, daß da natürlich von erwachsenen, reifen, fertigen Individuen die Rede ist. Und siehst du, sagt sie beiläufig, deshalb ist es auch nicht gescheit, wenn kleine Jungen zu viel über solche Dinge reden, denn da werden sie auch gleich erregt. Wissen sollen sie ja alles, das sind ja ganz natürliche Dinge, aber nicht fort und fort mit solchen Gedanken spielen. „Willst du jetzt vielleicht noch sehen, wie das Kindchen im Mutterleib wächst? Bring’ mir nur das große Buch, ich werde dir viele schöne Bilder zeigen.‘ Der Junge ist nun mit Leib und Seele bei den Abbildungen, die den Entwicklungsgang des Embryos zeigen, wird darauf aufmerksam gemacht, wie es erst einer Kaulquappe und einem Fischchen usw. ähnelt und endlich ein winziger Mensch wird. Er stellt auch Fragen über Ernährung und Atmung des Embryos und endlich über die Geburt. Die Antworten versteht er sofort und freudig, da er schon vom Blutkreislauf gewußt hat, nur wie er hört, daß der. „Schlauch, durch welchen das Blut der Mutter in das Kind überfloß”, durchschnitten wird, zeigt er eine gewisse Ängstlichkeit. „Tut das dem Kind weh?“ Die Mutter meint, die Angst vor der Trennung von der Mutter zu erkennen und sagt beschwichtigend: „Da die Ärzte sagen, daß Organe, die keine Funktion mehr haben, von selbst absterben, sicher nicht.“

Wie deutlich die gewonnenen Vorstellungen beim Jungen waren, ist daraus ersichtlich, daß er noch nachdenklich hinzusetzte: „Wenn aber der Schlauch beim Nabel des Kindes durchschnitten wird und an der anderen Seite das Blut noch hineinfließt, muß ja die Mutter verbluten“; worauf ihm noch etwas von der Ablösung der Plazenta mitgeteilt wurde. Jetzt sprangen übrigens seine Assoziationen auch zu anderen Gegenständen über, er ist froh und erleichtert. Die Mutter hat ihre Arbeit beendigst, steht auf und sagt ihm nur noch: „Du mußt das alles nicht deinen Kameraden erzählen. Viele Mamas wünschen nicht, daß ihre Kinder dies wissen sollen. Ich habe es allenfalls für das beste gehalten, dir die Wahrheit zu sagen.” „— Oh, wie sehr hast du recht, Mutti!” Und dann nach einer Weile, nachdem er seine Bücher eingepackt und zu spielen begonnen hat: „Weilst du, Mutter, ich hab’ mir ja etwas gedacht und auch von den Jungen gehört, aber ich wollte dich fragen, denn da wußte ich, werde ich alles verstehen und die Wahrheit hören.“ (Kann man deutlicher sagen: Und wenn du gelogen hättest, hätte ich dir auch das nicht verraten, was ich ahnte.) Einige Tage später holt er sich das noch immer fehlende Stück Wissen, als er auf einem Spaziergang fragt: „Mutter, noch eins möchte ich wissen, was sind die zwei runden, so wie Zwetschgen, die in einem kleinen Sack hängen Worauf er erfuhr, daß dies die eigentlichen Geschlechtsdrüsen sind, die den Samen produzieren.

Seitdem sind diese Fragen noch viel gemeinsam besprochen worden. Der Junge erzählte der Mutter auch, was er von den Kameraden hört, und fühlt sich ihnen oft überlegen. Das sexuelle Interesse war in den Vorpubertäts- jahren mit ız bis 14 Jahren stark aufgeflackert, nun ist es wieder gleich- mäßiger. Vor kurzem erwähnte der Junge, wie ein Kamerad in seinen Studien zurückbleibt, weil er immer mit diesen Dingen beschäftigt ist. „Huh, ganz wild ist er, und seitdem er Zolas Nana bei seiner Mutter gesehen hat, kann

er nicht leben vor Neugierde.” „Und du möchtest das Buch nicht lesen?” „Jch möchte schon, aber ich weil doch, was ich wissen will, und da denke ich mir, es muß nicht alles jetzt sein, ich kann schon noch warten.” „Und wie stehst du jetzt mit den Mädchen?” „Ich tanze und spreche gerne mit ihnen (er ist auch sehr stolz, wenn er gefällt), aber sehr verliebt bin ich in keine.“ „No, und die Onanie?” „Ich tu es wirklich nicht häufig, nur manchmal, wenn wir schulfrei haben und ich einen sehr guten Tag sehabt habe und abends noch gar nicht müde bin, dann denke ich im Bett noch an allerlei und zuletzt meist an ein Mädchen und dann kommt es so ganz mechanisch.“ Dann: „Es gibt auch Buben, die brüsten sich, daß sie schon mit Weibern waren, aber sie lügen meist, und wie sie es machen, ist es auch so ekelhaft.”“ „Ja, und meinst du nicht, daß es schade ist, sich das Ganze aus roher Neugierde, ohne den richtigen, wirklich starken Wunsch, ein Liebesgefühl zu erwarten, so zu verderben und abscheulich zu machen ?“ (Davon war schon wiederholt die Rede; in der Großstadt wird ja die Begierde direkt aufgerissen, unreif Auissabrchelt und beschmutzt.) „Ich stelle mir vor, ich kann noch eine gute Weile warten, mich interessiert das gar nicht so sehr, ich hab’ die Schule und das Tanzen und Ausflüge, und dann soll es zur rechten Zeit kommen, und natürlich muß es die rechte Person sein, die mir gefällt.”

Was für Erfolge erzieherische Bemühungen zeitigen, das kann ja nur die Zukunft, der Erwachsene zeigen. Nur die eine Bemerkung wäre noch hier eafiren; daß der Junge jetzt bald sechzehn Jahre alt keineswegs zu sehr an die Mutter fixiert, im Gegenteil ein sehr selbständiger, froher, sogar „frecher“ Kerl, ein Sroßer Raufer ist und sehr mannigfaltige Freundschafts-

beziehungen har: Dr. M.T.

Zur Ergänzung der Mitteilung:

Die Entstehung des Pavor nocturnus (Heft 6)

Gerda (31%, Jahr) schläft abends nicht ein, ängstigt sich. Die Angst begann sichtbar zu werden, nachdem der Vater sich als Weihnachtsmann (als freundlicher !) verkleidet hatte. Als Gerda ihn sah, flüchtete sie zur Mutter, die bei ihr starkes Herzklopfen bemerkte. Seitdem bekommt das Kind Angst, sobald sie auf der Straße einen alten Mann sieht.

Es fiel auf, daß die Angst weniger auftrat, wenn die Eltern nicht zu Hause waren, was man sich nicht erklären konnte. Da erzählte mir die Kleine: „Ich kann nicht schlafen, weil es dunkel ist. Ich habe Angst, daß der Schornstein kommt. Ich hahe vor dem Vater Angst, daß mir der Vater auch etwas tut, er stößt Mutter mit dem Fuß.“ Es bedarf kaum der Mitteilung, daß das Kind im Zimmer der Eltern schläft. Auf die symbolische Ausdrucksweise des Kindes sei aufmerksam gemacht.

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INN BERICHTE

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ANNA FREUD, Einführung in die Technik der Kinderanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien, 1927.

Anna Freud gibt in diesen vier Vorträgen ihre Erfahrungen in der Kinderanalyse und knüpft daran interessante theoretische Erörterungen. Sie vertritt im Gegensatz zu Melanie Klein die Auffassung, daß die Analyse nur für neurotische Kinder angebracht ist, und auch da nur mit Auswahl, Ihre Technik weicht in vielem von der der Erwachsenen ab; die Analyse des Kindes ist etwas ganz anderes als die der Erwachsenen.

Der erste Vortrag zeigt, wie Anna Freud die Kinder für die Analyse vorbereitet; sie schafft eine gute Übertragung und zärtliche Bindung. Der zweite Vortrag zeigt die Mittel der Kinderanalyse, die Straßen, die zum Unbewußten des Kindes führen. Von den vier technischen Hilfsmitteln der Erwachsenenanalyse: bewußte Erinnerungen, Träume, Assoziationen und Deutung, kommen beim Kind vorwiegend Traum und Deutung in Betracht. Hervorragend wichtig kann die Deutung der Tagträume sein und die Auswertung der Zeichnungen des Kindes. Der dritte Vortrag bringt eine Auseinandersetzung mit der Spieltechnik von Melanie Klein und eine Untersuchung über das Wesen der Übertragung in der Kinderanalyse.. Das Kind bildet keine Übertragungsneurose, vor allem, weil die Objekte der ersten Gefühlsbindung: Eltern, Erzieher, noch real im Leben des Kindes vorhanden sind und weil der Kinder- analytiker während der Analyse nicht in der Zurückhaltung verharrt wie in der Erwachsenenanalyse.. Das Kind erlebt einen großen Teil von dem, was der Erwachsene in der Analyse agiert, im Hause, vor allem seine Reaktionen auf die Personen, die fir den Aufbau des Ideal-Ichs bedeutungsvoll sind. Die Analyse muß, um die Haß- und Liebesreaktionen des Kindes analytisch zu verstehen und zu verwerten, sich auf die Zusammenarbeit von Analytiker und Erzieher stützen. Im vierten Vortrag wird das Verhältnis der Kinderanalyse zur Erziehung besprochen. Der Analytiker muß an die Stelle des Ideal-Ichs beim Kinde treten. Analytiker und Erzieher müssen sich in die erzieherische Arbeit teilen. Eine Kinderanalyse ohne die Sicherheit, daß die Erzieher den Ablauf der Analyse nicht stören, sollte nicht unternommen werden.

Anna Freud hebt zum Schluß die drei Möglichkeiten der Kinderanalyse gegen- über der Erwachsenenanalyse hervor; die Charakteranalyse hat bessere Aussicht als beim Erwachsenen. Die Über-Ich-Bildung kann entscheidend beinflußt werden, die Anpassung an die Umwelt wird erleichtert, die gesamte Umwelt kann nicht selten so umgeändert werden, daß das Kind sich leichter an die Realität anpaßt.

Die Arbeit von Anna Freud zeichnet sich durch eine klare Sprache, eine besondere Feinheit in der Formulierung und durch gute Verständlichkeit für Ärzte, Eltern und Erzieher aus. Wer selbst Kinderanalysen durchführt, merkt beim Lesen, mit welcher Vorsicht die Verfasserin ihre Ergebnisse verarbeitet und wie gut gesichert das Fundament ist, das sie legt, damit sie und andere in den nächsten Jahren gut weiterbauen können, | Dr. Heinrich Meng

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C. G. JUNG: Analytische Psychologie und Erziehung. Nick Kampmann Verlag. Heidelberg, 1926.

Jung, der in seinen früheren Jahren ein hervorragendes Mitglied der Freudschen Schule war, sich dann von ihr trennte und nun seine Lehre analytische Psychologie nennt, entwickelt hier kurz und populär, auf den Erzieher berechnet, seine An- schauungen. Leider nimmt er sich nicht die Mühe, die Gründe für seine Abwendung von der Psychoanalyse deutlich zu machen. Jung gibt nur zu erkennen, daß er an der Sexualtheorie Freuds Anstoß nahm. Er entwickelt aber nicht die Tatsachen, die er festgestellt hat und die den von Freud entdeckten widersprächen. Er findet, Freud sei einseitig, dogmatisch, fanatisch, er überschätze die Bedeutung des Sexualinstinkts. Dies alles sind Eindrücke, aber keine Gegenbeweise. Freud hat in seinem Lebens- werke eine solch ungeheuere Fülle von Tatsachen, nicht bloß Theorien geboten, daß ihn zu widerlegen ein ernsthafteres Argument nötig ist, als die Eindrücke, die der Menschenverstand, auf ihn beruft sich Jung, vermittelt. Dabei erweckt Jung den Anschein, als kennte Freud nichts anderes als Sexualität; dies wäre nun freilich eine Theorie, die vor den höchst komplizierten Tatsachen des Seelenlebens zu einfach wäre. Aber gerade das war niemals Freuds Ansicht, sondern er versuchte immer die seelischen Erscheinungen aus dem Zusammenwirken oder Gegeneinanderkämpfen von zwei verschiedenen Trieben zu erklären, vom Sexualtrieb und dem Ichtrieb. Jung vereinseitigt zuerst die Psychoanalyse und hat es dann leicht, sie als „lächer- lich und pervers einseitig“ zu bekämpfen. Fehlen somit die wissenschaftlichen Gründe (Tatsachen) gegen die Psychoanalyse, so strömen die moralischen und ästhetischen ın Fülle. Die Psychoanalyse sehe „nichts als Sexualität und zerre jede Schönheit und jeden Wert in den Schlamm perverser Phantasie herunter“. „Das Gefühl wird aufs tiefste beschädigt durch die Freudsche Doktrin, während wir nur durch ein anständiges Gefühl hoffen können, in der Lösung der Sexualprobleme vorwärts zu kommen.“ Solche Sätze sind für Jung sehr bezeichnend. Sie mögen sehr sympathisch und wertvoll sein, eines sind sie nicht: wissenschaftlich. An der Richtigkeit der Freudschen Befunde wird gar nichts geändert, wenn sie unfähig sein sollten, die Sexualprobleme zu lösen. Freud will keine sozialen Sexualprobleme lösen, dies beabsichtigt Jung, sondern die Tatsachen des Seelenlebens erforschen. Wenn diese Tatsachen es Jung erschweren, in seiner Weise die Sexualprobleme zu lösen, so spricht das garnicht gegen die Tatsachen, sondern gegen Jung, gegen seine unge- eigneten Methoden. Freilich liegt hier ein wichtiges Problem; die Pädagogik, der Erzieher muß werten, ethisch, moralisch, ästhetisch; die Wissenschaft aber bemüht sich, möglichst wertfrei Tatsachen festzustellen. Gewiß ist der Weg, den Jung zur Lösung dieses Problems einschlägt, nicht der richtige, nämlich das Wesen der Wissenschaft um der in der erzieherischen Praxis nötigen Werte willen zu fälschen. Sondern der Erzieher muß die Tatsachen, die die Wissenschaft ihm bietet, in ihrer ganzen Reinheit und Strenge zur Kenntnis nehmen. Die Wertkonflikte, die sich hieraus ergeben können, sind nicht die Sache der Wissenschaft und werden auch nicht durch rasche, wehleidige Resignation vor der Wissenschaft erledigt Diesen Weg Jungs müssen wir zurückweisen. Wir sind nicht Dogmatiker. Vor Tat- sachen sind wir bereit, zu kapitulieren, aber nicht vor der Angst Jungs und seiner Nachfolger, die wissenschaftlichen Tatsachen könnten die Welt verderben. Wohl aber muß man Jung in vielen Punkten recht geben. Er tadelt, daß viele sich die Psychologie und ihre Anwendung auf das Kind zu leicht vorstellen, daß viele ohne

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genügende Kenntnis analysieren; er wendet sich dagegen, daß man als Aufgabe der Erziehung hinstellt: „Verdrängungen zu vermeiden“, er bekämpft die Anschauung, daß das „Unterbewußte nur aus Verdrängungen bestehe“, man es also sozusagen weganalysieren könnte, usw. In all dem hat er völlig recht. Nur ist das alles nicht die Meinung der Psychoanalyse, sondern solcher, die Freuds Psychoanalyse nicht kennen oder ungenügend verstanden haben. All diesen müßte man demnach ein tieferes Studium der Psychoanalyse empfehlen, nicht aber das Studium des recht selbstgefälligen Buches von Jung. Dr. Bernfeld

OTTO SEELING: ReifezeitundsexuelleAufklärung. Pyramiden-

verlag, Berlin, 1925.

In dieser wenig geschickten und kaum nützlichen Zusammenstellung höchst verschiedenwertiger Autoren findet sich ein sehr lehrreicher, ein erschütternder Bericht über den Versuch, der mit ı2- bis ı4jährigen Schülerinnen einer groß- städtischen Volksschule gemacht wurde. Die Mädchen wurden aufgefordert, „irgend eine Frage oder mehr auf einen Zettel zu schreiben, die sie gern beantwortet haben möchten.“ (Natürlich ohne Namensnennung). Die Klasse der ı4jährigen Mädchen stellte 46 Fragen, darunter folgende ı5: Wie kommt es, daß neugeborene Kinder, solange sie im Mutterleib sind, keine Luft brauchen? Steht Ausfluß mit der Periode in Verbindung? Was ist Weißfluß; ist es gefährlich? Was kann man dagegen tun? Was ist pervers? Warum sterben manchmal Frauen bei der Geburt des Kindes? Was ist Beischlaf? Haben Tiere auch die Regel? Können Männer unwohl sein? Warum bekommt man das Unwohl? Was ist Weißfluß? Ist Weißfluß schädlich ? Wie kann man einer zu langen Menstruation abhelfen? Was ist Fehlgeburt? Wie enisteht Weißfluß? Was ist Gebärmutterentzündung? Die ızjährigen stellten 45 Fragen, hievon folgende 26: Mit wieviel Jahren darf man einen Freund haben ? Wie entwickelt sich in der Brust die Milch? Wieviel Tage darf das Unwohl dauern? Ist es gut, wenn man das Unwohl schon mit ı2 Jahren bekommt ? Warum lieben Leute, die verheiratet sind, mehr ihren Bräutigam als ihren eigenen Vater? Wie entstehen die Kinder ? Was sind Wechseljahre? Wie verhindert man Unwohl? Wie kommt es, daß Zwillinge geboren werden? Warum bekommen die meisten Mädel bereits mit ı2 Jahren das Unwohl? Darf man beim Unwohlsein baden gehen? Wie lange hält Unwohl an? Wie kommt es, daß manche Mädchen mit ı7 Unwohl werden? (Und noch drei Fragen nach „Unwohl“.) Woher kommen die Kinder? Wodurch entsteht Liebe? Wodurch entsteht eine rechte Liebe unter- einander? Wann wird uns erklärt, wie ein Mensch entsteht? Was sind Geschlechts- krankheiten? Wann treten die Wechseljahre ein? Warum bekommt man unter dem Arm Haare? Wie entsteht der Mensch? Warum sprechen mich Leute auf der Straße an? Wie kommt es, daß Zwillinge zusammenwachsen ? Von den 29 Fragen der ı2jährigen lauten 26: Was heißt schwanger? Was bedeutet pussieren? Woher kommen die Kinder? (Noch dreimal.) Was ist Beischlaf? (Noch zweimal.) Wie ist der erste Mensch entstanden? Was ist eine Fose? Was ist pussieren? Was ist Schwangerschaft? Woher kommt man auf die Welt? Was ist Eierstock ? Ist Weiß- fluß gefährlich? Von wo kommen die Kinder? Und neunmal: Was ist Unwohl? Und dies sind Kinder, die viel wissen und zu fragen verstehen, weil in ihrer Schule die empfehlenswerte Einrichtung des Fragekastens besteht. Haben wir ein Recht, durch systematisches Lügen, Ausweichen, Vertrösten diesen Alp von Unwissenheit und Sorge in den Kindern anwachsen zu lassen ? Seeling hat freilich sehr recht: „Eltern,

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Lehrer und Erzieher können die Jugend nur dann aufklären, wenn sie selbst völlig unbefangen sind und die in Frage kommenden Dinge weit über den Umfang hinaus, den die Aufklärung allenfalls erfordert, übersehen und sachlich klar beherrschen. Wer sich selbst befangen fühlt, der unterlasse jeden Versuch, der Jugend hier Führer und Berater zu sein.“ Aber darf man von Lehrern und Erziehern nicht fordern, daß sie sich selbst zur Unbefangenheit erziehen? Dr. Bernfeld

ALFRED SEIDEL: Bewußtseinals Verhängnis. Aus dem Nachlaß

herausgegeben von Hans Prinzhorn. Verlag Friedrich Cohen, Bonn, 1927.

Das Problem des Buches, für das S. ein glänzendes Schlagwort gefunden hat, begegnet uns außerordentlich häufig als Widerstandserscheinung im Laufe der Analysen, namentlich am Anfang von Analysen von Zwangsneurotikern und im speziellen Zwangsgrüblern: Was wird sein, wenn ich gesund bin? Werde ich dann jegliche Handlung und vor allem jegliche Regung bewußt besitzen? Das Leben erscheint diesen Leuten, deren Wortführer S. hier ist und deren Sache er glänzend führt, dann nicht mehr lebenswert, tot. Und mit Recht. Denn ein Leben unter dem Druck des Zwangsdenkens und Zwangsgrübelns ist kein gesundes Leben. S. erfaßt nicht den Unterschied zwischen bewußtseinsfähig und bewußt. Nur der geringste Teil unserer Handlungen wird vorher, das heißt vor ihrer Ausführung, durch Über- legung vorweggenommen, schon einmal in Wortbildern vorgelebt. Der Gesunde läßt sich treiben, fühlt nur weitgehend Gefahren voraus, die ihn in Widerstreit mit der Außenwelt und seiner Vertretung in ihm selbst, dem Ich und Über-Ich, bringen werden, und weichtihnen, indem er diese Gefahren gedanklich vorwegnimmt, unter Übernahme von geringerer Unlust aus. Wenn aber ein Patient auch nur ein einziges Mal das tiefe Erlebnis in der Analyse hatte, nicht nur mit Wortvorstellungen, intellektuell, Zusammenhänge zu erfassen, wenn er als Ganzer von einer Deutung ergriffen wurde, so wird er über seine frühere Einstellung lächeln, da er glaubte, er kenne sein Unbewußtes, habe es bewußt gemacht, während er in der Tat nur ein intellektualistisches Verzeichnis von Dingen besaß, die in seinem Unbewußten auch repräsentiert sind und weiter daraus wirken. $. hat nie dieses Erlebnis gehabt. Er war ein Zwangsgrübler. Hätte P. das ganze Material veröffentlicht, all die tausend Anläufe, Versuche von Formulierungen usw., es wäre eine wunderbare Kranken- geschichte dieser interessanten Erscheinung geworden. Vor allem hätte man gesehen, daß S. an der Hauptfrage vorbeigegangen ist, wie er 'ja überhaupt trotz fabelhaft scharfem Denken nicht in die Tiefe, sondern in die Weite geht: Über das Bewußt- sein, seine Aufgabe und seine Arbeitsweise wissen wir noch sehr wenig. Kann das Bewußtsein überhaupt wollen? Dann: Durch das ganze S.sche Buch, wie überhaupt durch die ganze Literatur, soweit sie eine oberflächliche Ahnung von Analyse hat, geht die Vermengung der Begriffe bewußt und bewußtseinsfähig.

Es ist kein Einwand gegen die Aufstellungen $.s, daß S. entgegen der Behauptung seines Herausgebers ein schwer Geisteskranker war. Dies ist der Fall, wie Referent aus einer langen, mehrere Jahre vor dem Selbstmorde von S. stattgefundenen Unter- redung selbst weiß. Deshalb könnte eine Aufstellung von ihm durchaus wahr sein, ja, einen Kernpunkt zum erstenmal darstellen. Aus der geistigen Erkrankung von S. aber läßt sich verstehen, warum trotz erstaunlichen Wissens noch erstaunlichere Lücken da sind, und vor allem Unkenntnis über die Lücken besteht. So mußte natur- notwendig das Werk Fragment bleiben, nicht nur unbeendet, sondern innerlich zerrissen, unbeendbar. Dies hat P., trotzdem er sich von S. blenden ließ, richtig erkannt,

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Dem, der das Buch nicht als Krankengeschichte studieren will, als typische Krankengeschichte allerdings in anderem Sinne als P. es denkt, wird es trotz mancher Anregung eine enttäuschende Lektüre sein.

Dr. Landauer, Frankfurt a. M.

Büchereinlauf

Alexander,Dr. Franz: Psychoanalyse der Gesamtpersönlichkeit, (Neun Vorträge über die Anwendung von Freuds Ichtheorie auf die Neurosen- lehre.) Internationale Psychoanalytische Bibliothek Nr. XXII. 235 Seiten, Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1927. Geh. M g’—, Leinen ı1'—.

Eliasberg, Dr. med. et phil, Nervenarzt in München: Psychotherapie. Bericht über den I. Allgemeinen ärztlichen Kongreß für Psychotherapie in Baden-Baden, ı7.—ı9. April ı926. Im Auftrag des Vorstandes der Kongreß- organisation herausgegeben vom Verfasser. 327 Seiten. Verlag von Carl Marhold, Halle a. d. S., 1927.

Häberlin, Dr. Carl, Arzt in Bad Nauheim: Grundlinien der Psycho- analyse. Zweite durchgesehene und vermehrte Auflage. ıı2 Seiten. Verlag der Arztlichen Rundschau Otto Gmelin, München.

Aichhorn, Augut: Verwahrloste Jugend. Die Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung. Mit einem Geleitwort von Prof. Sigm. Freud. (Inter- nationale Psychoanalytische Bibliothek Nr. XIX.) 290 Seiten. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien, 1925. Geh. M 9’—, Leinen ı1°—.

Stieve, Prof. Dr. med. et phil, H.: Unfruchtbarkeit als Folge unnatürlicher Lebensweise. Ein Versuch, die ungewollte Kinder- losigkeit des Menschen auf Grund von Tierversuchen und anatomischen Untersuchungen auf die Folgen des Kulturlebens zurückzuführen. Mit 20 Abbildungen im Text. 52 Seiten. Preis geheftet RM z'60.

Bernfeld, Dr. Siegfried: Die heutige Psychologie der Pubertät. Kritik ihrer Wissenschaftlichkeit. Sonderakdruck aus „Imago, Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Natur- und Geisteswissenschaften“ (herausgegeben von Sigm. Freud), Band XIII (1927). 58 Seiten. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien. Geh. M 2'80, Leinen 4'20.

Kaplan, Leo: Das Problem der Magie und die Psychoanalyse. (Die magische Bibliothek, zweiter Band.) ı89 Seiten. Im Merlin-Verlag, Heidelberg. Preis broschiert RM 5'50, gebunden RM 7'50. |

Thoden van Velzen, Dr. 5. K.: Psychoencephale Studien. VI. ver- mehrte Auflage. ıgo Seiten. Jänner ı926. Verlag Uelzen, Joachimsthal/Mark. Preis broschiert RM 3°—.

Pfister, Dr. Oskar: Was bietet die Psychoanalyse dem Erzieher? Zweite verbesserte Auflage. ı58 Seiten. Verlag von Julius Klinkhardt in Leipzig, 1923.

Ferenczi, Dr. S: Bausteine zur Psychoanalyse, I. Band: Theorie. II. Band: Praxis. 304 und zı35 Seiten. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien, 1927. Preis geheftet RM 24°—, Ganzleinen RM 28 —.

Reich, Dr. Wilhelm: Die Funktion des Orgasmus. Zur Psychopathologie und zur Soziologie des Geschlechtslebens. (Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse, Nr. VI. Herausgegeben von Prof. Sigm. Freud.) 208 Seiten, Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien. Preis geheftet RM ı0°—, Ganzleinen RM ı2'—.

Stern, William: Psychologie der frühen Kindheit. Bis zum sechsten Lebensjahre. Mit Benutzung ungedruckter Tagebücher von Klara Stern und einem Bild- und Textbeitrag von Kurt Lewin. Vierte überarbeitete und erweiterte Auflage. ıı. bis ı4. Tausend. 5532 Seiten. Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig. Preis gebunden RM ı2°8o.

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Stählin, Dr. Otto: Zwang und Freiheit in der Erziehung. Vierte Auflage. 64 Seiten. Verlag der Arztlichen Rundschau Otto Gmelin, München, 1927.

Chadwick, Mary: Psychology for Nurses. Introductory Lectures for Nurses upon Psychology and Psycho-Analysis. 1ı49 Seiten. Verlag William Heinemann, London, 1915.

Wolf, Prof. Dr. Heinrich: Angewandte Kulturgeschichtein Mythus, Sage, Dichtung. 398 Seiten. Verlag Theodor Weicher, Leipzig.

Freud, Anna: Einführung in die Technik der Kinderanalyse. Vier Vorträge am Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 87 Seiten. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien, ı927. Geh. M 2'70, Ganz- leinen 2—.

Ziehen, Prof. Dr. Theodor: Die Geisteskrankheiten einschließlich des Schwachsinns und die psychopathischen Konstitutionen im Kindesalter. Mit 33 Abbildungen. Zweite umgearbeitete und erweiterte Auflage. 544 Seiten. Preis broschiert RM 16°—, gebunden RM 18° —.

Wittels, Fritz: Die Befreiung des Kindes. Bücher des Werdenden, Band III (Herausgeber Paul Federn, Wien, und Heinrich Meng, Stuttgart). 258 Seiten. Hippokrates-Verlag, Stuttgart—Berlin— Zürich. Geheftet RM 5—, Gebunden RM 7'—.

Friedjung, Privatdozent Dr. Josef K.: Vom normalen und vom krankhaften Triebleben des Kindes. Verlag von Julius Springer in Wien 1927.

INN OFFENE HALLE

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Antwort auf Frage Nr. 4

Die psychoanalytische Methode ist allen speziellen Stotternbehandlungen weit überlegen und die einzige kausale Therapie dieser durchaus nicht leichten Neurose, deren seelische Verursachung leider noch zu wenig bekannt ist, sonst würde nicht so viel Zeit und Kraft auf Übungen verwendet werden, deren Dauererfolge ganz minimal sind.

Der Mutier sei die gemeinverständlich geschriebene vorzügliche Schrift von Prof. Emst Schneider: „Über das Stottern (Entstehung, Verlauf und Heilung)“, 1922, Verlag Francke, Bern, empfohlen und den Lesern dieser Zeitschrift im folgenden ein Literaturverzeichnis einiger psychoanalytischer Aufsätze über Stottern gegeben, wobei als Ergänzung noch auf die nach meiner Erfahrung wichtige unbewußte exhibitionistische Komponente des Stotterns hingewiesen sei, die (bezw. deren Abwehr) auch die bekannte Tatsache erklärt, daß in der Einsamkeit, überhaupt, wenn sich der Stotterer ganz unbeobachtet glaubt, das Stottern sofort verschwindet.

Literatur: ı) Dattner Eine psychoanalytische Studie an einem Stotterer, Zentralblatt f. Psychoanalyse (ıgı2), 2) Loquens: Selbstbeobachtungen eines Stotterers. Zentralblatt f. Psychoanalyse (1914). 3) Eder: Das Stottern eine Psychoneurose und seine Behandlung durch die Psychoanalyse. Internat, Ztschr. f. ärztl. PsA. (1913). 4) In Graber, Die Ambivalenz des Kindes. Int. PsA. Verlag, ist über die Analyse eines Stotterers berichtet. Dr. Walter Cohn (Berlin)

Der Verfasser der Arbeit „Unartige Kinder”, die in einem der nächsten Hefte erscheinen wird, wird ersucht, seine genaue Adresse der Schriftleitung bekanntzugeben.

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Frage Nr. 5

Wir haben bis dahin unser annähernd zweieinhalbjähriges Töchterchen an der infantilen ÖOnanie möglichst verhindert, und zwar durch zweckentsprechende Kleidung (Schlafsack, Badehöschen) und Ablenkung, nie aber durch Strenge. Nach dem Studium psychoanalytischer Werke haben wir nunmehr Bedenken, ob wir nicht Gefahr laufen, dadurch seine Sexualität an die prägenitale Phase zu fixieren, über- haupt das Kind in der normalen Entfaltung zu hemmen und ihm Sublimierungen zu erschweren. Sollten wir ihm für solche Betätigungen einige Möglichkeiten offen lassen ? Aufgefallen ist uns, daß unser Töchterchen offenbar am Berühren der Dinge großes Gefallen findet und sich bei ihm unbekannten Gegenständen die Erlaubnis hierzu in freudiger Erregung einholt. | K.-E.

Frage Nr. nebst Antwort

Ich bitte um gefl. Auskunft, ob und welche Wörterbücher über Psychoanalyse es gibt. \W. L., Remscheid

Ein eigentliches „Wörterbuch über Psychoanalyse“ gibt esnoch nicht. Als Beilage zu der von Freud herausgegebenen „Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse“ (1924, Heft z)ı sind „Proben aus einem in Arbeit befindlichen ‚Wörterbuch der Psychoanalyse‘* von A. J. Storfer (Wien) erschienen. Der Zeitpunkt des Erscheinens dieses Wörterbuches ist leider aber noch nicht abzusehen. Die dort probeweise veröffentlichten drei „Worte“ („Alkoholismus“, „Allmacht der Gedanken“, „ÄAnwend- barkeit der psychoanalytischen Therapie“) umfassen ı4 Seiten in Lexikonformat, es läßt sich daher der Gesamtumfang so eines Wörterbuches auf mehrere dickleibige Bände schätzen. Ein Wörterbuch in diesem Umfang dient viel mehr einer eingehenden Gesamtdarstellung am Schlusse eines großen Forschungsabschnittes, als einer kurzen Einführung, wie sie dem Steller der Frage offenbar vorschwebt. Mangels eines kleineren, einführenden Wörterbuches muß derjenige, der mit den Grundbegriffen der Psychoanalyse, den gebräuchlichsten Fachausdrücken dieser jungen Wissenschaft vertraut werden will, auf Freuds „Vorlesungen zur Einführung in die Psycho- analyse“2 verwiesen werden (welchem Werke auch ein alphabetisches Register beigegeben ist) und auf das „Psychoanalytische Volksbuch“ von Federn und Meng3 (das im Anhang eine erklärende Verdeutschung der gebräuchlichsten Fremd- worte im psychoanalytischen Schrifttum enthält). Vollständigkeitshalber sei auch das als Beiheft des in London erscheinenden „International Journal of Psycho- Analysis“ von E. Jones herausgegebene „Glossary for the use of translators of psychoanalytical works“ (Wörterverzeichnis für den Gebrauch der Übersetzer psychoanalytischer Werke) angeführt, das etwa 35350 in der deutschen psycho- analytischen Literatur übliche Ausdrücke mit englischer Übersetzung und z. T. mit englischer Erklärung aufweist.

r) Preis des Heftes M. 5—; Internat. PsA. Verl. Wien. 2) Das Werk ist in zwei textlich übereinstimmenden Ausgaben erschienen; große Ausg. geh. M. 127° —, Ganzleinen M, 17—; Taschen- ausgabe Ganzleinen, M. 5'50, Ganzleder M. 7'50 ; Internat. PsA. Verl. Wien. 3) Geheftet M. 7'50, Ganzleinen M. 950; Hippokrates-Ferlag, Stuttgart. 4) Geheftet 2 s 6.d. Vertrieb durch Baitlöre Tyndail & Co. London.

hair 255 Bun,

Frage Nr. 7

Kann man die psychoanalytische Methode auch lediglich durch Buchstudium, beispielsweise an Hand der „psychoanalytischen Methode“ von Dr. Pfister, Zürich, erlernen? Meiner Meinung nach genügt dies nicht, da gerade in diesem Fache die praktische Erfahrung eines Geübten unbedingt erforderlich ist. Die Lehrinstitute Berlin oder Wien zu besuchen, ist aus verschiedenen, entscheidenden Gründen unmöglich. Wie komme ich in Nürnberg, meinem Betätigungsort, zu einer prak- tischen Einweisung? Besteht eine psA. Gesellschaft? Sind etwa eingeschulte Ärzte vorhanden, die man um Rat angehen könnte? R. P., Studienassessor (Nürnberg)

INN MN Pädagogische Woche

zur Finführung in die psychoanalytische Pädagogik für Erzieher, Lehrer und Ärzte in Stuttgart vom 25. bis 31. August 1927. Vorläufige Mitteilung

I) Vortragsfolgen:

Dr. Siegfried Bernfeld, Berlin: ı) Dressur—Erziehung—Führung. 2) Psychologie der Kinder- und Jugendgruppe; ihre pädagogische Bedeutung. z) Psychologie des Erzieherberufs.

Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.: ı) Allgemeine Pathologie der Psychoneurosen. 2) Die Auswirkung von Neurosen der Erzieher auf die Klassen und die Kinder.

Dr. med. Heinrich Meng, Stuttgart: ı) Was muß der Lehrer von der Psycho- analyse wissen? 2) Ergebnisse aus Kinderanalysen. 3) Lehrerfehler.

Pfarrer Dr. Oskar Pfister, Zürich: Tiefenpsychologische Schülerberatung,

Prof. Dr. Ernst Schneider, Riga: ı) Der seelische Organismus (Grundbegriffe der Psychoanalyse). 2) Die seelische Entwicklung des Kindes.

Hans Zulliger, Lehrer, Bern: ı) Psychoanalytische Erziehungsberatung und Erziehungshilfe. 2) Beobachtungen über die Sexualität bei Schülern beiderlei Geschlechts im Alter von ız bis ı6 Jahren. 3) Führung einer Volksschulklasse nach psychoanalytischen Grundsätzen.

II) Kolloquien, gemeinsame Ausflüge, Unterhaltungen. >k

Kursgebühr M z30°—. Anmeldungen mit Kursgebühr an Herrn Dr. Heinrich Meng, Arzt, Stuttgart, Sonnenbergstraße 6D, bis zum ı. August 1927 erbeten. Mitteilungen über das Kurslokal und die Wohnungsmöglichkeiten erfolgen später an dieser Stelle. Befreundete Zeitschriften werden um Abdruck des Kurs- programms gebeten.

INN

Herausgeber: Dr. Heinrich Meng, Arzt in Stuttgart und Universitätsprofessor Dr. Ernst Schneider in Riga

Eigentümer, Verleger und Herausgeber für Österreich: Adolf Josef Storfer, Wien, VII., EU

(„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik“). Verantwortlicher Redakteur & Dr. Pa

Federn, Wien, I., Riemergasse 1. Druck: Elbemühl Papierfabriken und Graphische Industrie A.-G., Wien, III., Rüdengasse ıı (Verantwortlicher Druckereileiter: Karl Wrba, Wien).

SEERKRRKKTTKTNN N RRERRTKLKLKKKEKEK KK EE EK EEE f |

/ Arzt und Geelforger

G Eine Säriftenreihe, herausgegeben in Verbindung mit Medizinern und Theologen / von Direftor Baftor Dr. Carl Schweißer, Spandau

Soeben erfheint Heft 11:

Das Berhaltnis der Pinchoanalnfe zu Erhif, Religion und Seelforge von Dr. phil. Earl Müller-Braunfchweig in Berlin

Einzelpreis 270, für Subffribenten‘ 2°43 RM; in Halbleinen 350, für Subffribenten 315 RM

Der Verfafler behandelt u. a. den pfphoanalytijhen Libidobegriff, den pfphoanalptifhen Kurprozeh, die Entwidlungsgefhihte des Iber-Shs (Bewifens), deffen normale und deffen Fehlfunktion (bei Zwangsneurofe und Hpfterie) und das Thema der Berwendung der pfphoanalptifhen Lehre in der feelforgerlihen Braris. Bei aller Betonung der grundfäglihen Derfhiedenheit von Wilfenfhaft und Glauben fucht er zu zeigen, daf, die Binhoanalyfe al8 eine Naturwijjenfhaft der Seele gleihwohl die Grundftruktur des Religiöfen in der Auge orudsform einer empirifhen Wiffenfhaft wiederfpiegelt.

1925/1927 find ferner erfhienen:

Heft 1: Pfuchotherapie und Geelforge, Don Dr. med. Frit Künkel, Nervenarzt in Berlin, - Zur Frage der religisfen Heilungen. Don Dr. med. Herbert Seng, Nervenarst in Rönigsfeld i. B. Mit einem Dorwort ded Herausgebers, Einzelpreis 1740, für Subffribenten 126 RM-

Heft 2: Binchiatrie, Piuchotherapie und GSeelforge. Bon Prof. Dr. med. I. 9. Shuls, Nervenarzt, Spezialarzt für PBfpcotherapie in Berlin. Einzelpreis 1'20, für Subffr. 1708 RM.

Heft 3: Die feruelle Frage und der GSeelforger, Don Erih Karl Knabe, Pfarreran der Staatl, Heile und Pflegeanftalt in Arnsdorf (Sachfen). Einzelpreis O°60, für Subftr. 054 RM.

Heft 4: Die Hetlungen Iefu in medizinischer Beleuchtung. Don Dr. med. Herbert Seng, Nervenarzt in Königsfeld 1. B, Mit einem Dorw. d. Herausg. Einzelpreis O'90, für Subjfr, 0.51 RM.

Heft 5: Auf metaphufifchen Wegen. Bon Dr. med. Walter Jacobi, Brof, in Iena - Charakter, Geiftesfranfheit und Förperliche Geftalt. Bon Dr. med. Kurt Rolle, Kiel. Einzelpreis O'90, für Subffr. O'81 RM.

Heft 6: Pfnchiatrifhe Seelforge im Lichte der Individualpfuchologie. Don Sobannes Neumann, At-Ruppin. Einzelpreis 120, für Subffr. 1708 RM.

Heft 7: Seelforge im Licht der gegenwärtigen Bipchologie von Lie. Werner Gruebn, Brivatdozent in Dorpat, Einzelpreis 3°—-, für Subffr. 270 RM. In Halbleinen 380, fir Gubjfr, 3°50 RM.

Heft 8: Piuchnanalyfe und Synthefe. Der Wiederaufbau der Perfönlihkeit neben ihrer Ana- Infe. Bon Dr. med. Alphbonfe Maeder, Züri. Einzelpreis 1'05, für GSubffr. —'95 RM.

Heft 9: Weten und Grenzen der Piychvanalvfe. DBonLic. Ernft Jahn, Pfarrer in Berlin- Steglig. Einzelpreis 210, für Subffr. 189 RM.

Heft 10: Serualethif und Bendlferungspolitif, Bon Dr. med. Heinrih Widern, Bielefeld. Einzelpreis 210, für Subftr. 189 RM.

Die Inanfpruchnahme Des Subffriptionspreifes verpflichtet zur Abnahme von feh8 anfeinanderfolgenden Heften. Die Hefte werden iin zwanglofer Reihenfolge fortgefetßt

Derlag Friedrih Bahn, Schwerin i, Mecklb.

TIheowill Uebelader

‚Der Frühling fteigt aus dem Örabe | | Gebunden Mart 4, kartoniert Mart I’— Einige Stimmen über den Dichter:

Man muß fhon die Namen der tiefften und deutfheften Dichter nennen, wenn man von Lebeladers geiftigem Stammbaum fpreden will... (Bayer. Landeszeitung)

... durch all die vielen Chöre aber zieht fih wie ein tiefer Orgelpuntt eine ganz ungemein leidenf&haftlide, inbrünftige Mnftil. Diefes mertwiirdige Durchfhanen durch alles Sihtbare und Körperlihe auf den geiftigen

Hintergrund, diefes fortwährende Erfpliven des Ewigen, des Univerfums! les Sihtbare it nur ein Gleihnis, Symbol großer Geheimniffe... (Frank, Kurier)

Mebelader ift fihlechthin Dichter, und zwar ein Dichter, wie er und nit alle Jahre geboren wird, In ihn vereinigt fih die Buntefte Bilohaftigkeit Des Impreffionismus mit der Erlebnistiefe und Ausdrudsgewalt des Erpreffionismus zu jener dichterifchen Schöpfungskraft, der allein die gefunde Weiterentwidlung unferer deutfchen Diitunft gelingen wird. Mag im Ringen Lebeladers nad neuen Ausdrudsformen, nah bislang unerhörter Bild- baftigkeit, nach gedanklihen Tiefen, nad fünftlerifher Bewältigung von Raum und Zeit auch no viel unvergorener Saft fieden das ift im großen und ganzen nebenfählih,; viel wichtiger if, daß in Uebelader uns gottlob wieder ein Dichter erftanden ift von einer Urfprünglichkeit und Unmittelbarkeit, die zur Bewunderung hinreifen ... (Regensburger Anzeiger)

Im gleichen Verlag erfhien ferner von Zheowill Lebelader: Marienfind Schlaf und Tat Ein Gedicht in Bildern, geb, Mf, 150 Ein Dreitönigsfpiel, geb, ME. 150

DER BÄRENREITERVERLAG ZU AUGSBURG

BEITRÄGE ZUM SEXUALPROBLEM Herausgegeben von Dr. Felix A. Theilhaber

Heft 1: DR. FELIX A. THEILHABER | Die menschliche Liebe

Heft 2: DR. FELIX SERNAU |! Das Fiasko der Monogamie

Heft 5: ALFONS SCHOENE ! Krieg und Sexualität

Heft 4: DR. BATKIS, Moskau ! Die Sexual- revolution in Rußland

HEIM- KINDERGARTEN

INSCHWARZWALDKURORT

Heft 5: DR. HAUSTEIN ! Prostitution und

; Aıimmt Geschlechtskrankheiten in Skandinavien I | Heft 6: VICTOR NOACK | Kulturschande, |

: . Die Wohnungsnot als Sexualproöl

Kinder mit seelischen Heft 7: DR. FELIX A. THEILHABER | Die . u Prostitution Eintwicklungsstörungen zu Heft 8: WILHELM SCHÖFFER | Das Recht | x j h 2 auf den eigenen Körper

heilerzieherischer Einzelbehand- Heft 9: DR. FELIX A. THEILHABER | Sexu-

alität und Erotik B Heft 10: DR. HANS GRAAZ! Nacktkörperkultur Heft 11: WILHELM SCHÖFFER, DR. FELIX | A. THEILHABER, DR. MARTHA RUBEN-WOLF, DR. LEO KLAUBER Zuchthaus oder Mutterschaft

Heft Ila: MARIA KRISCHE | Die geschlecht- liche Belastung der Frau und ihre gesellschafilichen Auswirkungen

Preis für jedes Heft 0'40 Mk.

DR. LUDWIG BERGFELD: Seliges Verstehen, Das Erkenntnisproblem des Jungmädchens. Ein offener Brief an die Frauenweli 0&0 Mk.

FRITZ OERTER | Freie Lıiebe..........VO"15 MR.

MAX WINKLER |! Das Geburtenproblem u. die Veıhütung der Schwangerschaft 0°50 Mr.

Verlag „DER SYNDIKALIST“, FRITZ KATER, BERLIN 034. Postscheck Berlin 138.928,

lung auf. Besondere Abteilung für erholungsbedürftige Kinder

ILSE DÖHL KÖNIGSFELD (BADEN)

Vom kosmogonischen Fros

4. Tausend / broschiert M.6°—, Halbleinen M. &°—, Leinen M,8'5o

Inhalt: Begriffliche Betrachtung / Vom Erosbegriff des Altertums / Der elementare Eros / Vom Zu- stand der Ekstase / Vom Wesen der Ekstase / Vom Ahnendienst /Schlußwort über Eros u. Leidenschaft.

Frankfurter Nachrichten: Das Buch ist eine sich immer großartiger steigernde Beschwörung des gewaltigen Seelen- und Weltphänomens, das die Alten noch als die Vermählung der Menschen- seele mit Gott und die daraus entspringende Bildgeburt kannten; es führt tief hinein in die Unter- gründe alles künstlerischen Schaffens, es deckt den Sinn geheimnisvoller Weihebräuche der Vorzeit auf, es entschleiert die Tragödie des weltgeschichtlichen Lebens und offenbart, worum in ahnungs- vollem Tiefsinn die Besten von Platon bis Goethe und Nietzsche geworben haben; das letzte und elementar Wirkliche der Wirklichkeit, das weltenschaffende Wesen der Urbilder.

Mensch und Erde

Fünf Abhandlungen | 2. Auflage | broschiert M. 3°—, Halbleinen M. 5'—, Leinen M. 5'5o

Inhalt: Mensch und Erde [| Bewußtsein und Leben | Über den Begriff der Persönlichkeit / Be- merkungen über die Schranken des Goetheschen Menschen / Wilhelm Jordan.

Der Kärrner: Das Buch will, gestützt auf den „Widerstreit von Geist und Seele“, die Gründe erhellen, wohin wir mit der Zivilisation des 20. Jahrhunderts durch die Sünde nicht gegen das heilige Geistige, wohl aber gegen das heilige Beseelte gekommen sind und kommen mußten; das Beseelte in der Welt ist zertreten, es herrscht nur der Geist, der Geist des „Fortschrittes“. Der Leitgedanke ist: wir kranken an dem Leben, an der Seele, an dem Beseelten, der Geist hat es über- wuchert und den Wahn vom Fortschritt proklamiert.

C. G. Carus / Psyche

Gekürzt herausgegeben und eingeleitet von Ludwig Klages Mit einem Porträt / broschiert M.9’—, Leinen M. ı2"—

Das bedeutendste Werk des von Goethe hochgeschätzten Naturphilosophen Gustav Carus, zugleich das Hauptwerk der philosophischen Romantik überhaupt. In vorliegender Ausgabe durch den modernen Naturphilosophen Ludwig Klages stellt es das Grundwerk dar für alle Bemühungen unserer Zeit, die „Psychologie olıne Seele* zu überwinden und eine Psychologie des seelenhaften Unbewußten aufzubauen.

Eugen Diederichs Verlag in Jena

Vom 3. Jahrgang an erscheint ın meinem Verlag

PHILOSOPHIE UND LEBEN

Herausgeber: Prof. Dr. August Messer, Gießen

Philosophie und Leben ist eine Zeitschrift, die tapfer und gerade auf die großen sittlichen und erkenntnistheoretischen Probleme unserer Zeit losgeht. Sie ist bemüht, bei allem Ernst und bei aller Gründlichkeit eine Sprache zu sprechen, diejeder denkende Mensch begreifen kann.

Aus dem Inhalt der Hefte des neuen Jahrgangs:

Heft 1: Das Organifhe im Lichte der Philofophie. Don Hans Driefh / France | als Thronfolger Hardels. Bon Auguft Mefier / Kebensfinn. Bon Paula Mefjer-Plab / 5 Lebensfreude. Don U. Berendfohn. | |

Heft 2: Die Tragik in Peftalozzis Wefen und Leben. Don Auguft Mefler / Schaffendes Leben. Don Romano Suarbini / Die innere Lage des Arbeiters. Bon Karl Küßner ı Wege zu neuem Adel, Don Hellmut Wolff.

Heft 3: Sind alle Serufe ethifierbari Don Baul Seldkeller ! Betrahtungen über Schiefal und Sendung des Genius. Don *,* / Deutfches Wollen. Don Baul Hohe / Autorität der Bemeinfhaft und Gewiffen des Tinzelnen als foziologifch-pädngogifhes Problem. Bon Auguft Meffer.

Heft 4: Der Sinn der demokratifhen Staatsform. Bon Reinhard Streder i Volk, Staat und Kirche im Sinne der deutfchenältifhen Weltanfhauung. Bon Mar Wundt / Die Dolksvertretung in einem organifchen Kulturftaat. Bon Johannes Unold ı Das Wefen der Staatsräfon. Don Friedrih Meinede.

Doppelheft 316 erscheint Anfang Juni, Heft 7 wird der Jugend und ihrer Problematik gewidmet sein.

In jedem Heft wird der Herausgeber ganz kurze Aufsätze über Grundbegriffe und Grundfragen der Philosophie bringen, die als Ganzes eine Einführung in die Philosophie dar- stellen sollen. Der Erörterung von Ansichten und Fragen aus dem Leserkreise in der „Aussprache“ wird besondere Sorgfalt gewidmet. Außerdem vierteljährlich wertvolle Buchbeigaben ohne jede Mehrkosten.

Monatlich ein Heft von 32 Seiten Bezugspreis: Vierteljährlich RM. 2°—, 3'50 österr. Schilling " 2'50 Schweizer Franken, '/, Dollar

Probehefte verfendet umfonft der

VERLAG FELIX MEINER IN LEIPZIG

Für jeden Leser dieser Zeitschrift sind unentbehrlich die

Selbstdarstellungen SIGMUND FREUD

und von

OSKAR PFISTER

Beide geben in knappen Strichen einen Überblik über ihre geistige Ent- wicklung und ihre Stellung zu den Problemen ihrer Zeit. Die genannten Selbstdarstellungen finden sich in

Band IV der „Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen“:

Freud (Wien), Gottstein (Berlin), Heubner (Dresden), v. Kries (Freiburg), Much (Hamburg), Ortner (Wien)

und in Band II der „Pädagogik der Gegenwart in Selbstdarstellungen“:

Hans Blüher, Ludwig Gurlitt, August Lay, Rudolf Pannwitz, Oskar Pfister, Ernst von Sallwürk

Bisher 22 Bände mit 150 Mitarbeitern auf den Gebieten der Philosophie, Medizin, Rechtswissenschaft, Kunstwissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Geschichtswissenschaft, Religionswissenschaft und Pädagogik.

Jeder Beitrag mit Bild und Namenszug des Perfassers / Geschmackvolle Halb-, bzw. Ganzleinen- Geschenkbände zu je RM 12°— / Alle diese Sammlungen werden fortgesetzt, andere vorbereitet.

Ein Gesamtverzeichnis, das alle Mitarbeiter an den einzelnen Bänden der verschiedenen Disziplinen nennt, und ein Heft „Leseproben“ versendet der Verlag auf Ansuchen.

„Keine Zeithat dem Kulturforscher Ähnliches geboten, und keiner, dem es um die Erforschung oder um das Verständnis unserer geistigen Kultur zu tun ist, darf an diesen Büchern vorübergehen. Das ist die beste Empfehlung, die man ihnen mitgeben kann, eine Empfehlung, die jede Kritik überflüssig macht; denn so gesehen sind auıh die Schwächen einzelner Aufsätze die Stärke der Bücher, Sie offenbaren, so wie das Schöne und Große der Sammlung, das was sie offenbaren sollen den Mensehen und die Zeit.

Fiktor Engelhardt in der „Gesellschaft“ (April 1925).

VERLAG FELIX MEINER IN LEIPZIG

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DR. OSKAR PFISTER DIE PSYCHOANALYTISCHE METHODE

Eine erfahrungswissenschaftlich - systematische Darstellung / 3., stark umgearbeitete Auflage / XVI und 585 Seiten, Gebunden Rm. 20°—

Eine erschöpfende, tiefgründige Darlegung neuer Wege zum besseren Ver- ständnis des seelischen Lebens bei Jugendlichen und Erwachsenen. Das klassische Buch über die Tiefenpsychologie.

‚Der Verfasser ist eine Persönlichkeit in des Wortes schärfster Bedeutung. Wer sich über Entwicklung, Art und Bedeutung der Psychoanalyse unterrichten will, dürfte kaum ein klareres, kritischeres und ernsteres Buch finden wie dieses... .“

(„Pädagogischer Jahresbericht.“)

*

WAS BIETET DIE PSYCHOANALYSE DEM ERZIEHER?

Zweite, verbesserte Auflage / 158 Seiten / Geheftet Rm. 3.60

„Wer die eigenartige Pädagogik der Psychoanalytiker noch nicht kennt, erfährt darin wohl die beste Einführung.“ („Blätter für die Schulpraxis.“)

„... Für Freunde und Gegner der Psychoanalyse gleich wertvoll.“ („Schaffende Arbeit und Kunst in der Schule.‘)

„Gegenüber der ersten, vor sieben Jahren erschienenen Auflage dieser zur Einführung in die psychoanalytische Theorie und Praxis sehr brauchbaren Schrift erweist sich die vorliegende zweite Auflage insbesondere insofern als verändert, als der Begriff der ‚Sublimation‘ anders gefaßt und der der ‚Einstellungsanalyse‘ ganz fallen gelassen worden ist. Außerdem wird der Analyse am gesunden Kinde eine weit größere Bedeutung als früher beigelegt, so daß an die Zukunft der ‚analytischen Erziehung‘ große Hoffnungen geknüpft werden.“

(„Pädagogisches Zentralblatt.“)

JULIUS KLINKHARDT VERLAGSBUCHHANDLUNG IN LEIPZIG

Dr. Oskar Pfister Die Liebe vor der Ehe

und ihre Fehlentwicklungen

Gewidmet denen, die nicht lieben können, und ihren Freunden Gr. 8°, VIT und 304 Seiten (4. bis 9. Tausend) Preis brosch. Mk. 6. —, geb. Mk. 7.20

Aus dem Inhalt: Vorstadien der Liebe Ungestillte und unstillbare Sehnsucht nach Liebe # | Physische Untauglichkeit Sexuelle Abnormalität Homosexualität Liebe auf den ersten Blick Liebe # in Bruchstücken Sinnliche Liebe Geistige Liebe Aktive und passive Grausamkeit in der Liebe Der Don Juan und sein weibliches Gegenstück Die Bevorzugung minderwertiger Objekte Der Wechsel zwischen der Reinen und der Dirne Die Entwicklung der Liebesfunktionen Das Liebesziel und seine Verwirklichung Kinderliebe und Flirt Die Gefahren der „freien“ Liebe Die Verlobung Die Angst vor und nach der Verlobung Theoretische Ergebnisse Praktische Folgerungen usw.

Die Liebe des Kindes

und ihre Fehlentwicklungen Gr. 8°, XII und 376 Seiten. Preis brosch. Mk. 6.—, geb. Mk. 7.20

Der psychologische und biologische Untergrund expressionistischer Bilder Mit 12 Abbildungen und 2 Tafeln. Preis Mk. 4.80

| Die Behandlung schwer erziehbarer und abnormer Kinder | Preis Mk. 2.40

j Vermeintliche Nullen und angebliche Musterkinder Ä Preis Mk. 1.60

Zur Psychologie des philosophischen Denkens

Preis Mk. 2.30 Der seelische Aufbau des klassischen Kapitalismus und des Geldgeistes

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Han S Zulliger Psychoanalytische Erfahrungen aus der Volksschulpraxis

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Aus dem unbewußten Seelenleben unserer Schuljugend Preis Mk. 3.20

M. Frost

Erzieherliebe als Heilmittel Preis Mk. 1.60

| Dr. Herbert Silberer Der Zufall und die Koboldstreiche des Unbewußten

Preis Mk. 2.40 Der Aberglaube Preis Mk. 2.— Dr. Willi Schohaus

Die theoretischen Grundlagen und die wissenschafts- theoretische Stellung der Psychoanalyse

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VERLAG HANS HUBER BERN

Wertvolle Beiträge zur psychoanalytischen Pädagogik

SYCHOANALYSE. Geschichte, Wesen, Aufgaben und Wir- kung. Von San.-RatDr. Georg Wanke. Zweite, verb. Aufl. Geh. 6'70 RM, in Ganzl. gebd. 8:50 RM. Als eine ausgezeichnete Einführung möchte ich das Buch allen Lehrern empfehlen „.. Sie mögen zuerst dies Buch durcharbeiten, das sich leicht liest und das in seinem päd- agogischen Teil für Eltern und Erzieher eine Fundgrube freier Beobachtungen und Erziehungs- hilfen darstellt. (Schulwart, April 1925.)

N)' FRÜUHERINNERUNG als Trägerin kindlicher Selbsibe- LF obachtungen in den ersten Lebensjahren. Von Dr. Hanns Reichardt. Geh. 13'40 RM, in Ganzl. gebd. 15'40 RM.

Mit diesem in seiner Art bisher einzigartigen Buche hat der Verfasser eine für die Kinderpsychologie außerordentlich bedeutsame Arbeit geleistet. Alle, die wissen sollten, „wie Kinder sind“, werden das flüssig geschriebene, anregende Buch mit großem Nutzen lesen. (Zeitschr. f, Kinderheilkunde, Dez. 1926.)

ee DER MENSCHENKUNDE. Von Priv.- Doz. Dr. Fritz Giese. 5 Tle, Xll und 95 Seiten 2. Aufl. Geh. 1:40 RM.

„Das Buch erfüllt seinen Zweck, die Jugend über die Erscheinungen des Sexuallebens aufzuklären, in vollkommener Weise."

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CARL MARHOLD VERLAGSBUCHHANDLUNG, HALLE-S

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DAS ÄRZTLICHE VOLKSBUCH

Gemeinverständliche Gesundheitspflege und ‚Heilkunde. Herausgegeben von Dr. Heinrih Meng- Stutt- gart, Dr. K. A. Fießler-Berlin und Dr. Paul Federn-Wien, unter Mitwirkung von 45 namhaften Ärzten und Universitäts- professoren. Band I: GESUNDHEITSSCHUTZ 680 Seiten, 54 Tafeln. Band I: KRANKHEITSLEHRE, 936 Seiten, 56 Tafeln. Jeder Band in Halbleinen Rm. 20.-

NEUE FREIE PRESSE: ... Hat ein Anrecht darauf, zum Standardwerk ernannt zu werden und den Namen „Meng“ so populär zu machen, wie Meyer, Brockhaus oder Sanders .. » Der „große Meng“ wird seine Vorläufer, welche die ganze Richtung populärer Darstellung von medizinischen Themen anrüchig gemacht haben, mit Leichtigkeit verdrängen.

FRANKFURTER ZEITUNG: ...Ist Ausdruck eines wahren wissenschaftlichen Freimutes ... Endlich tun sich Wissenschaftler aus allen Lagern zusammen, um ihre Voraussetzungen und Methoden vor aller Öffentlichkeit klarzulegen. . . . übermittelt dem Laien gründliche Kennt- nisse . . . Einzelne Kapitel Musterbeispiele wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellung.

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Bücher des Werdenden Band TI Edward Carpenter

Wenn die Menschen reif zur Liebe werden

Einzige autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. Karl Federn

( (arpenter wird der klassische Aufklärer unserer Jugend bleiben. Mit dem ruhigen Ernst des Forschers vereinigt er den leidenschaftlichen Schwung des Propheten. Ina Leinen Rm. 5.—

Bücher des Werdenden Band II

Das psychoanalpytische Volksbuch

Herausgegeben von Dr. Paul Federn-Wien und Dr. Heinrich Meng- Stuttgart unter Mitarbeit von 15 bewährten Ärzten und Erziehern

Besonders wichtige Abschnitte:

Hygiene des Kindes / Kinderfehler, Entstehung und Behandlung / Zwang und Freiheit in der Schulerziehung / Schutz durch sexuelle Aufklärung / Kör- erliche und seelische Hygiene des Geschlechtslebens / Die psychoanalytische eilmethode / Fehlleistungen im täglichen Leben / Die Gemütserkrankungen / Pflege des Geisteskranken / Psychoanalyse und Sittlichkeit

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Bücher des Werdenden Band III Fritz Wittels

Die Befreiung des Kindes

I)* Seelenleben des Kindes folgt seinen eigenen Gesetzen, die schwer erforschbar sind, weil die Erwachsenen nicht mehr wissen, wie sie als kleine Kinder gefühlt und gedacht haben. So erweist sich die Erziehung als eine sehr schwere Aufgabe, der sich Erwachsene nur selten gewachsen zeigen. Eher wäre es möglich, daß die Kinder uns erzögen, als wir sie. Das Buch von Wittels rückt die Erziehung ins Licht der modernen Seelenkunde und gibt Eltern und Erziehern im weiteren Sinne sehr wertvolle Richtlinien

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INHALT: | Rud. Allers: Charakter als Ausdruck / F. Baumgarten: Charakterologisches in dem Berufe der Regulierungsbeamten / G. Gesemann: Grundlagen einer Charaktero- logie Gogols / Rob. Heindl: Strafrechtstheorie und Praxis / H. Hildebrandt: Der Gelehrte / L. Klages: Die psychologischen Errungenschaften Nietzsches / Kronfeld: Der Verstandesmensch / A. Liebert: Immanuel Kants geistige Gestalt / J. Lind- worsky: Die charakterologische Bedeutung der Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola / A. Pfänder: Grundprobleme der Charakterologie / K. Scheffler: Künstler: studien / K. Schneider: Der triebhafte und der bewußte Mensch / Fr. Walter: Die materiellen Grundlagen der geistigen Persönlichkeit

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INHALT: Hans Prinzhorn: Wege zur Charakterologie / Richard Müller:Freienfels: Charaks ter und Erlebnis / Hans Kern: Die Charakterologie des Carl Gustav Carus / Luds wig Klages: Die psychologischen Errungenschaften Nietzsches / Ludwig Marcuse: Die Struktur der Kultur / Paul Plaut: Soziologie als Typologie / Franziska Baum- garten: Charakter und Beruf / Karl Birnbaum: Das Persönlichkeitsproblem in der Psychiatrie / Robert Gaupp: Vom dichterischen Schaffen eines Geisteskranken Alexander Lipschütz: Innere Sekretion und Persönlichkeit / Franz Brentano: Über Prophetie / Willy Andreas; Peter von Meyendorff, Ein russischer Staatsmann der Restaurationszeit / Oskar Kraus: Albert Schweitzer, Zur Charakterologie der ethischen Persönlichkeit und der philosophischen Mystik / Hans Schneickert: Zum Problem der Handschriftensammlung / Robert Heindl: Der Berufsverbrecher °

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INHALT: Erich Everth: Individualität und Geistesgeschichte / Arthur Liebert: Die Angst vor der Technik / Alfred Petzelt: Vom Problem des Verstehens / Emil Utitz: Charakterologie und Ethik / Hans Prinzhorn: Die Begründung einer reinen Cha- rakterologie durch Ludwig Klages / W. Gundel: Individualschicksal, Menschen» typen und Berufe in der antiken Astrologie / Theodor Ziehen: Charakterologische Studien an Verbrechern / Th. Erismann: Der Massenmensch / Arthur Kronfeld: Zur phänomenologischen Psychologie und Psychopathologie des Wollens und der Triebe / Walter: Über die Elektrodiagnose seelischer Eigenschaften nach der Dia- gnoskopie Bißky / Hoffmann: Charakterforschung und Vererbungslehre / Lipp= mann: Der Periphertrieb / David Katz: Charakterologie und Tierpsychologie Konrad Eilers: Hermann Löns als Mensch und Dichter

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ZEITSCHRIFT FÜR AURUMENIERENNLE ONE Gegründet von Prof. Dr. A. Eulenburg und Dr. Iwan Bloch , Herausgegeben ; im Auftrage der Internationalen Gesellschaft für Sexualforschung Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter redigiert von Dr. Max Marcuse

Jahrgang 1927|28. Band XIV. Jährlich erscheinen 12 Hefte im Umfang von 2—3 Bogen. | Abonnementspreis vierteljährlich M 5°— (Probenummer kostenlos).

Die Sexualwissenschaft hat es schwerer als andere Disziplinen, ihren wissenschaftlichen Charakter überall anerkannt zu sehen, weil gar zu leicht Halbbildung oder gar Sensationslust sich ihren Problemen zuwendet. Die Führung dieser Zeitschrift und ein Einblick in ihre Aufsätze beweisen nicht nur, daß es sich hier um eine ernste Forschungsarbeit handelt, sondern auch, wie wesentlich für das Leben und seine tiefere Erkenntnis die Sexualprobleme sind, ‚wie umfassend ihr Radius, wie stark beeinflußt von den verschiedensten Seiten der menschlichen Persönlichkeit und der sozialen Umwelt. Es versteht sich daher von selbst, daß sowohl Mediziner wie Juristen, Soziologen, Pädagogen, Kulturhistoriker, Philosophen an dieser Zeitschrift mitarbeiten und daß die Zeitschrift für alle diese verschiedenen Wissenskreise, aber auch für den ernsten, gebildeten Laien jeder Berufe von Bedeutung ist.

Mit dem neuen Jahrgang erscheint die Zeitschrift in erweitertem Umfange, um noch stärker als bisher der Vielseitigkeit ihrer Aufgaben gerecht zu werden und allen Problemen des umfangreichen Gebietes Beachtung schenken zu können.

FE: Ausführliche Prospekte über die

GESAMMELTEN SCHRIFTEN

SIGM. FREUD

und über Veröffentlichungen über

psychoanalytische Erziehung

sendet auf Verlangen der

Iinernäaftionale Psychoanalytische Verlag

wien, WVälI., Andreasgasse 5

durch den auch alle in diesem Hefte angekündigien werke bezogen werden können

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„Sexuelle Aufklärung“

Sigm. Freud Drei Abhandlungen

zur Sexualtheorie Gebunden M 3°80 (schw. Frk. 4°75)

Aus der Fülle psychoanalytischer Schriften haben die „Drei Abhandlungen‘ bisher die meiste Beach- tung gefunden, und dies mit Recht. Sie tragen die Züge einer „klassischen“ Darstellung ihrer Richtung an sich und werden auch von Gegnern der Psycho- analyse mit wissenschaftlichem Genuß und mit Hoch- achtung gelesen werden... Während man in den Schriften der Mediziner (gerade auch über Fragen des Geschlechtslebens) nicht selten lediglich eine Zusammenstellung von kasuistischem und notizen- haftem Material findet, ist man bei Freud angenehm überrascht, eine zügige, konsequent auf erkenntnis- mäßige Erfassung des Gegenstandes gerichtete Dar- stellung zu finden. Was aber Freud besonders aus- zeichnet, ist eine für sexualtheoretische Schriften selten reine psychologische Einstellung, ein ungemein feines und sicheres Gefühl für die spezi- fisch seelischen Probleme und Fragestellungen auf dem Gebiete der Sexualität. Daß daneben gleich- zeitig eine biologische Durchdringung der Materie erfolgt, ist für Freud als Arzt selbstverständlich. Darüber hinaus erfreut er aber noch durch saubere logische Arbeit und durch das knappe, vornehme sprachliche Gewand, in das er seine Ausführungen kleidet.

(Leipziger Lehrerzeitung.)

Die ‚Drei Abhandlungen‘ müssen in ihrer gedrängten, programmatischen Form nicht nur ge- lesen, sondern studiert werden... Sie bilden den Unterbau, auf dem die Freudsche Lehre und ihre praktische Verwertung, die Psychoanalyse, ruhen. Wer die „Abhandlungen“ nicht kennt, kennt Freud nicht. -

(Monatschr. f. Psychiatrie u. Neurologie.)

Sigm. Freud Aus der Geschichte

einer infantilen Neurose Gebunden M r'fo (schweiz. Frk. I*90\

Freud hat es gewagt, aus der mehrjährigen Analyse eines zirka 30 jährigen Mannes die neu- rotische Kindheitsgeschichte herauszuarbeiten... Wir wissen, wie das Genie des Autors vor mehr als zwei Jahrzehnten aus viel geringerem Material scheinbar kühne Schlüsse zu ziehen vermochte, die sich nachher bewahrheiteten, und werden uns des- halb hüten, einfach über seine Ansicht hinweg- zugehen. Es gibt wohl keine Arbeit Freuds, die so wie die vorliegende geeignet ist, in die weniger ge- wöhnlichen Gedankengänge des Autors einzuführen.

(Prof. Bleuler i. d. Münch. Med. Wochenschr,)

Ein solch tiefer und wichtiger Beitrag zur Kenntnis vom Seelenleben des Kindes ist in der gesamten Literatur kaum mehr zu finden.

(Volksstimme, Frankfurt.) -

Diese zum Teil nachträgliche Analyse einer Neu- rose, die beim vierjährigen Kinde als Angsthysterie (Phobie vor geträumten Wölfen) begann, sich dann beim Knaben in krankhafte Frömmigkeit umsetzte und im jugendlichen Mannesalter schließlich den Charakter eines schweren Zwanges aufwies, hat aut ungeahnte Möglichkeiten der Psychoanalyse Licht geworfen. Die vom ebenso kühn schürfenden wie skeptischen Verfasser mit sich selbst geführte Dis- kussion, ob die in der Analyse rekonstruierte Ur- szene (die Belauschung des elterlichen Geschlechts- verkehres) wirklich erlebt worden ist, oder ob die Phantasie des Kindes eine Anleihe bei dem Er- innerungsschatz der Gattung macht, wirkt als eine spirituelle Höchstleistung auf steilen Graten der Erkenntnis geradezu spannend und atemraubend.

(Nation.)

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